UNIVERSITY OF
TORONTO PRFSS
^
2 f
JAHRESBERICHTE
fOb
NEUERE
DEUTSCHE IITTERATÜRGESCHICHTE
UNTER MITWIRKUNG VON
J. BOLTE, W. CREIZENACH, K. DRESCHER, G. ELLINGER, E.' ELSTER, P. GOLDSCHEIDER,
W. GOLTHER, C. GURLITT, 0. HARNACK, 0. VON HASE, A. HAÜFFEN, K. HEINEMANN,
E JEEP, G. KAWERAU, K. KEHRBACH, A. KOESTER, G. LIEBE, R. M. MEYER, V. MICHELS,
J. MINOR, F. MÜNCKER, E. NAUMANN, L. PARISER, 0. PNIOWER, A. REIFFER-
SCHEID, H. REIMANN, A. SAUER, W. SCHEEL, AD. STERN, V. VALENTIN, F. VOGT,
M. VON WALDBERG, 0. F. WALZEL, A. VON WEILEN, R. M. WERNER, G. WINTER,
G. WITKOWSKI, H. WUNDERLICH
MIT BESONDERER UNTERSTÜTZUNG
VON
ERICH SCHMIDT
HERAUSGEGEBEN
VON
JULIUS ELIAS UND MAX OSBORN.
VIERTER BAND (JAHR 1893).
LEIPZIG.
G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG.
1895.
2231
T25"
y
U nsere Hoffnung, die Zeit, die zwischen dem Erscheinungsjahr des Materials und
des Berichtes liegt, noch mehr als bisher verkürzen zu können, ist leider getäuscht worden.
Die Gründe dafür sind zumeist in den persönlichen Verhältnissen unserer Mitarbeiter zu
suchen ; dann aber auch in der immer beschwerlicheren Sammlung und Beschaffung des
Berichtsmaterials und endlich in den stets erhöhten Schwierigkeiten, die der Redaktion
bei der Anfertigung der Register erstehen. Alles dieses hängt unmittelbar auch mit dem
von Jahr zu Jahr wachsenden Umfange des Buches zusammen, der einerseits durch die
Eingliederung neuer notwendiger Kapitel, andererseits durch das Bestreben hervorgerufen
wird, die Bibliographie so vollständig wie irgend erreichbar zu gestalten. Ueberdies wollen
wir nicht verhehlen, dass einzelne Kapitel für das Gesamtmass unseres Bandes im Texte
zu ausführlich geraten sind, und wir wissen recht wohl, dass es zu unseren wichtigsten
Aufgaben gehört, diese Ungleichheiten mit der Zeit zu beseitigen.
Eine weitere Verlegenheit bereitet der Redaktion der andauernde Wechsel unter
den Mitarbeitern, dem sie durchaus machtlos gegenüber steht. So musste auch diesmal
wieder ein Kapitel für den nächsten Band zurückgesetzt werden, weil die völlig un-
erwartete Absage des gewonnenen Bearbeiters zu spät kam, als dass der Nachfolger daa
Manuskript noch rechtzeitig hätte fertig stellen können : Georg Winter war es ganz un-
möglich, den von Kurt Breysig plötzlich wieder aufgegebenen Abschnitt „Politische Ge-
schichte des 18./19. Jahrhunderts" (IV, Ib) im Laufe weniger Wochen zu bewältigen. Etwas
anders lag der Fall bei dem Kapitel „Didaktik des 16. Jahrhunderts" (II, 5) ; Waldemar
Kawerau haben es die Berufsgeschäfte zu unserem und zu seinem eigenen Bedauern zur
Pflicht gemacht, Terminarbeiten dieser Art zu entsagen. Sehr ungern sehen wir diesen
trefflichen Mitarbeiter und Freund der „Jahresberichte" aus unserer Mitte scheiden. Aber
auch sein Rücktritt erfolgte erst in letzter Stunde, so dass nun Ernst Jeep im nächsten
Bande zwei Berichtsjahre vereinigen muss. Ebenso wird Jakob Minor, der von nun ab
an Stelle Andreas Heuslers über die „Geschichte der Metrik" (I, 9) berichtet, die Jahr-
gänge 1893 und 1894 verbinden, weil das Material für eine besondere Besprechung zu
geringfügig erschien. Auch Max von Waldberg, der, durch ältere litterarische Aufgaben
gedrängt, die Arbeit diesmal aussetzen musste, wird sein Referat über das „Epos des
18./19. Jahrhunderts" (IV, 3) im fünften Bande nachtragen. Das Kapitel „Volkskunde"
geht von Friedrich Vogt auf Adolf Hauffen über, die „Litteratur in der Schule"
von Paul Goldscheider auf Ernst Naumann. Hermann Wunderlich, dem wir Jahre
hindurch zu lebhaftem Dank verpflichtet waren, sah sich durch andere Arbeits-
lasten genötigt, sein treu verwaltetes Kapitel zurückzugeben; die Erscheinungen zur
„Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache" wird in Zukunft Willy Scheel be-
sprechen, Johannes Bolte und Wilhelm Creizenach haben ihre Arbeitsgebiete (II, 4 und
III, 4) nach persönlichem Uebereinkommen getauscht, und da das Jubiläumsjahr des Hans
Sachs für den nächsten Band das Material in bestimmter Richtung häuft, so haben wir
für den fünften Jahrgang ein vereinzeltes Hans Sachs-Kapitel geschaffen, das in den
Händen Karl Dreschers liegt. Mit dem Jubiläumsjahr auch hat der Abschnitt „Grill-
parzer" aufgehört. Er ist in den allgemeinen Bericht über das „Drama" zurück-
gekehrt, und sein Bearbeiter August Sauer bethätigt sich nun zu unserer Freude an dem
Kapitel „Lyrik des 18./19. Jahrhunderts" (IV, 2). Der Schluss dieses Teiles, der zuletzt
gesetzt wurde, musste aus rein technischen Gründen zurückgehalten werden; er wird im
sehr bald erscheinenden ersten Hefte des künftigen Bandes nachgeliefert.
Hiermit kommen wir zu einer Neuerung, die vielen Wünschen entsprechen wird :
der Ausgabe des Bandes in vier einzelnen Heften (statt der früheren beiden Halbbände).
Wir haben dadurch die Möglichkeit gewonnen, die einmal fortig gestellten Partien nicht
über Gebühr lange liegen zu lassen. Der neue Besitzer der G. J. Göschenschen Verlagö-
handlung, Herr Wilhelm Crayen in Leipzig, hat diesem wie anderen Verbesserungs-
vorschlägen bereitwillig zugestimmt.
Mit dem Schlüsse dieses Bandes büssen die Jahresberichte eine Kraft ein,
deren Bedeutung und Wichtigkeit einzig die Redaktion richtig zu schätzen und zu würdigen
vermag. Richard Rosenbaum, der fast zwei Jahre hindurch treu und selbstlos an
unserer Seite gewirkt hat, kehrt in seine Heimat zurück. Er hat uns in dem gelehrten
wie dem geschäftlichen Teile unserer Arbeit während dieser Zeit so wesentlich unter-
stützt, dass wir seine Wirksamkeit allezeit schmerzlich entbehren müssen. Wir werden
stets in der Erinnerung bewahren, wie innig wir ihm zu Dank verbunden sind.
Wir dürfen an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass wir unsere auswärtigen
Angelegenheiten ohne die thatkräftige Hülfe der Firmen Heinrich Welter in Paris
(Rue Bon aparte 59) und A. Asher & Co. in Berlin schwerlich hätten erledigen können.
Wer sonst noch mit liebenswürdigem Entgegenkommen an unserer weit verzweigten Arbeit
sich beteiligt hat, dessen Namen haben wir auf einer Danktafel am Schlüsse dieses
Bandes verzeichnet.
Berlin W.
Matthäikirchstr. 4.II. JULIUS ELIAS. MAX OSBOßN.
Inhaltsverzeiehnis.
Erster Halbband.
I. Allgemeiner Teil.
1. Litteraturg-eschichte 1892, 1893. Von Dr. Otto Harnack in Rom.
2. Geschichte der deutschen Philologie. Von Dr. Wolfg-ang- Golther,
Professor an der Universität Rostock.
3. Schrift- und Buchwesen. Von Dr. Oskar von Hase in Leipzig-.
4. Kulturg-eschichte. Von Dr. Georg* Liebe, Assistenten am Staatsarchiv zu
Magdeburg".
5. Volkskunde. Von Dr. Friedrich Vogt, Professor an der Universität
Breslau.
6. Geschichte des Unterrichts- und Erziehungs wesens. Von Professor
Dr. Karl Kehrbach in Berlin.
7. Die Litteratur in der Schule. Von Dr. Paul Goldscheider, Professor
am Gymnasium zu Elberfeld.
8. Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. Von Dr. Hermann
Wunderlich, Professor an der Universität Heidelberg.
9. Geschichte der Metrik. Von Dr. Jakob Minor, Professor ander Universität
Wien. Vgl. Bd. 5 der JBL.
10. Stoffgeschichte. Von Dr. JohannesBolte, Oberlehrer am Königstädtischen
Gymnasium zu Berlin.
11. Kunstgeschichte 1892, 1893. Von Dr. Cornelius Gurlitt, Professor an der
Technischen Hochschule zu Dresden.
12. Poetik und ihre Geschichte. Von Dr. Richard Maria Werner, Professor
an der Universität Lemberg.
13. Musikgeschichte. Von Dr. Heinrich Reimann, Bibliothekar an der
Königlichen Bibliothek zu Berlin.
II. Von der Mitte des 15. Ms zum Anfang des
17. Jahrhunderts.
1. Allgemeines. Von Dr. Max Osborn in Berlin.
2. Lyrik. Von Dr. Georg Ellinger, Oberlehrer an der 6. Städtischen Real-
schule zu Berlin.
3. Epos. Von Dr. Adolf Hauffen, Privatdocenten an der Universität Prag.
4. Drama. Von Dr. Wilhelm Creizenach, Professor an der Universität Krakau.
5. Didaktik. Von Dr. Ernst Jeep in Berlin, vgi. Bd. 5 der jbl.
6. Luther und die Reformation. Von Dr. Gustav Kawerau, Professor an
der Universität Breslau.
7. Humanisten und Neulateiner. Von Dr. Georg Ellinger, Oberlehrer
an der 6. Städtischen Realschule zu Berlin.
Inhaltsverzeichnis.
Zweiter Halbband.
III. Vom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.
1. Allgemeines. Von Dr. Alexander Reifferscheid, Professor an der
Universität Greifswald.
2. Lyrik. Von Dr. Ludwig Pariser in München.
3. Epos. Von Dr. Alexander Reifferscheid, Professor an der Universität
Greifswald.
4. Drama. Von Dr. Johannes Bolte, Oberlehrer am Königstädtischen Gymnasium
zu Berlin.
5. Didaktik. Von Dr. Victor Michels, Professor an der Universität Jena.
IV. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
1. Allgemeines.
a) Litteraturgeschichte. Von Dr. Adolf Stern, Professor an der
Technischen Hochschule zu Dresden.
b) Politische Geschichte. Von Dr. Georg Winter, Archivar am Staats-
archiv zu Magdeburg. Vgl. Bd. 5 der JBL.
c) Memoiren, Tagebücher und Briefwechsel. 1892, 1893. VonDr. Franz
Muncker, Professor an der Universität München.
d) Die deutsche Litteratur und das Ausland. Von Dr. Adolf Stern,
Professor an der Technischen Hochschule zu Dresden.
2. Lyrik. 1892, 1893.
a) Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu den Freiheitskriegen.
Von^'Dr. August Sauer, Professor an der Universität Prag.
b) Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. Von Dr. Julius
Elias in Berlin.
3. Epos. Von Dr. Max Freiherrn von Waldberg, Professor an der Universität
Heidelberg. Vgi. Bd. 5 der jbl.
4. Drama und Theatergeschichte. Von Dr. Alexander von Weilen,
Privatdooenten an der Universität Wien.
5. Didaktik. Von Dr. Richard M. Meyer, Privatdooenten an der Universität
Berlin.
6. Lessing. Von Dr. Erich Schmidt, Professor an der Universität Berlin.
7. Herder. Von Dr. Ernst Naumann, Professor am Friedrich -Wilhelms-
Gymnasium zu Berlin.
8. Goethe.
a) Allgemeines. Von Professor Dr. Veit Valentin in Frankfurt a. M.
b) Leben. Von Dr. Karl Heinemann, Oberlehrer am Kgl. Gymnasium
zu Leipzig.
c) Lyrik. Von Dr. Otto Pniower in Berlin.
d) Epos. Von Dr. Georg Witkowski, Privatdooenten an der Universität
Leipzig.
e) Drama. Von Dr. Georg Witkowski, Privatdooenten an der Universität
Leipzig.
9. Schiller. Von Dr. Albert Köster, Professor an der Universität Marburg.
10. Romantik. Von Dr. Oskar F. Walzel, Privatdooenten an der Universität
Wien.
11. Das junge Deutschland. Von Dr. Ernst Elster, Professor an der
Universität Leipzig.
Autorenregister.
Sachregister.
Siglenregister.
Bemerkungen für den Gebrauch.
Druckfehlerverzeichnis.
Danktafel.
JAHEESBEEICHTE
FÜR
NEUERE
DEUTSCHE LITTERATURGESOHICflTE
(JAHR 1893.)
EßSTER HALBBAND.
n^
^/^-L
I. Allgemeiner Teil.
1,1
Litteraturgeschichte. 1892, 1893.
Otto Harnack.
Methodisches: Allgemeine historische Wissenschaft: Auft^abe der 6eschichtsforschnng N. 1; Hauptinhalt der
Geschichte N. 15; Verhältnis der Kulturgeschichte zur politischen Geschichte N. 24; Geschichtsunterricht N. 28; Objektivität
N. 30. — Philologie N. 40. — Aesthetische Betrachtung der Litteraturgeschichte N. 49. — Kritik N. 56. — Litteratur-
geschichte: Gesamtdarstellungen: unirereale N. 76, deutsche N. 78. — Lokale Litteraturgeschichten : Schweiz N. 110;
Mecklenburg N. 111; Böhmen N. 112. — Sammelwerke N. 117. — Verschiedenes N. 140. — Praktisches: für den Schrift-
steller N. 144; far das Publikum N. 154; für den Litterarhistoriker N. 162. —
Der Bericht über die Jahre 1892 und 93 hat eine Reihe von Aeusserung-en
über Aufgabe und Methode der Litteraturgeschichte zu verzeichnen. Gegenüber dem
Streit zwischen den Verfechtern der philologischen und denen der ästhetischen Be-
trachtungsweise wird die Berichterstattung sich am sichersten den objektiven Charakter
wahren, wenn sie die Litteraturgeschichtezunächst als Zweig der allg-emeinenhistori-
schen Wissenschaft betrachtet, wie dies auch schon früheran dieser Stelle (JBL. 1891
11:27) geschehen ist. Aufgabe und Methode der Geschichtsforschung* über-
haupt behandelt Simmel*); der Titel seiner Schrift wird durch den Beisatz „eine
erkenntnistheoretische Studie" genugsam erklärt. Er setzt zunächst auseinander, dass
alles historische Erkennen und Urteilen den Besitz fester psychologischer Massstäbe
voraussetze, da jede Schlussfolgerung, welche eine einzelne Handlung als Symptom
für die Erkenntnis einer Persönlichkeit, einer Generation, eines Volkes benutzt, dies
nur vermittelst stillschweigend angenommener oder auch bewusst ausgesprochener
psychologischer Voraussetzungen vermag. Er hätte auch hinzufügen können, dass
auch schon die Quellenkritik gar nicht anders arbeiten kann, als indem sie für die
Feststellung der Selbständigkeit, der Abstammung, der Glaubwürdigkeit einer Quelle
stets psychologische Erwägung-en verwertet; die einfache Fragte, ob aus einer Ueber-
einstimmung zweier Quellen auf Abhängigkeit zu schliessen sei, ist eine psycho-
logische. Im zweiten Abschnitt wendet sich S. gegen den angeblichen Gewinn von
historischen „Gesetzen" aus der Forschung; er weist nach, dass es sich in jenen so-
genannten Gesetzen, besonders wenn sie auf statistischem Wege gewonnen sind, in
Wirklichkeit nur um die Konstatierung von Thatsachen, nicht aber um den Beweis
einer Notwendig"keit handelt. Wenn er demnach im dritten Abschnitt eine Philosophie,
d. h. Metaphysik der Geschichte auf dem Wege historischer Forschung zu finden
für unmöglich erklärt, so g-iebt er zugleich doch den wissen.schaftlich-historischen
Standpunkt in überraschender Art preis, indem er meint: da die metaphysischen
Vorstellungen auf andere Art gewonnen seien, werde man gegen den Versuch, sie
an den historischen Entwicklungen zu bewähren, nichts einwenden können. — Viel
Beachtung hat in Deutschland eine kleine Schrift des italienischen Unterrichtsministers
Villari^) gefunden; sie besteht aber hauptsächlich nur aus einem gedankenreichen
Referat über die Anschauungen der wichtigsten deutschen, französischen, englischen
und italienischen Geschichtsphilosophen. V. behandelt zuerst die Frage, ob die Ge-
1) G. Simmel, D. Probleme d. Geschichtsphilosophie. E. erkenntnistheoret. Studie. . L., Dancker A Hamblot. 1892.
X, 108 S. M. 2,00. IG. Winter: BLU. S. 86/7.)| (Vgl. JBL. 1892 IV 1 b : 1 ; 5 : 284.) — 2) P. Villnri, Ist d. Gesch. e.
Wissenschaft? Autoris. üebers. t. H. Loewinson. B., R. Qaertner. 1892. 92 S. M. 2,00. |[K. Heinrich: NationB. 9,
1*
I 1:3-18 0. Harnack, Litteraturgeschichte. 1892, 1893.
schiohtsschreibung mehr Wissenschaft oder Kunst sei, und empfiehlt eine vermittelnde
Lösung". Im weiteren Fortgang untersucht er, ob die Geschichtsforschung zu festen
allgemeinen Ergebnissen gelangen könne, und weist in dem paränetisch gehaltenen
Schluss darauf hin, dass dies nur unter der Voraussetzung fester, dem sittlichen Bewusst-
sein entnommener Massstäbe möglich sei. — Dagegen sieht S toeckert^) gerade
darin den Wert des historischen Studiums, dass es selbst diese Masstäbe schaffe, ja
„dass alle tiefen und wesenhaften Ueberzeugungen nur mit Hülfe der Geschichte ge-
wonnen werden können", dass daher das Geschiohtsstudium für die Bildung des sitt-
lichen Charakters vorzugsweise wichtig sei. — Die speciell methodischen Fragen
haben in mehreren Besprechungen der Bücher von Bernheim*) und von Lorenz^"^)
(vgl. JBL. 1891 I 1:27) Behandlung gefunden. — Unsere obige Bemerkung, dass
jede quellenkritische Forschung psychologische Erwägung verlange, wird in einer
bestimmten Beziehung bekräftigt durch einen eingehenden Aufsatz Zellers'), welcher
darlegt, wie jeder Bericht, selbst der des Augenzeugen durch die Subjektivität des
Erzählers unbewusst beeinflusst wird, ja auch sogar bewusstermassen in Fällen, wo
doch der Vorwurf absichtlicher Fälschung nicht zu erheben ist. — Für einen speciellen,
der Litteraturgeschichte sich nähernden Zweig der Geschichte, die Kunstgeschichte,
sucht von Schlosser^) Normen der Quellenforschung zu geben, indem er die
monumentalen und die litterarischen Quellen unterscheidet und feststellt, dass die
letzteren nur „eine sekundäre Stellung" einnehmen können. 9" i^^) —
Unter den Schriften, welche uns vom erkenntnistheoretischen auf das meta-
physische Gebiet führen, indem sie sich mit dem Hauptinhalt der Geschichte
beschäftigen, ragt die Schrift von Rocholl ^^) hervor. Einem fünfzehn Jahre zuvor
erschienenen kritischen Teil hat er jetzt den „positiven Aufbau" folgen lassen. Un-
umwunden gesteht er zu, einen solchen Aufbau nur auf einem unabhängig von der
historischen Forschung gelegten Fundament errichten zu können; er bezeichnet „die
in der Zeit tausendjähriger christlicher Kultur gewonnenen Ideale" als seinen „be-
währten Massstab". Er steht auf dem Boden des protestantischen Dogmas. Die
Schranken seiner Arbeit sind damit gegeben. Selbst der, welcher bestimmte meta-
physische Annahmen für die notwendige Voraussetzung einer Geschichtsphilosophie
hält, wird in den allermeisten Fällen doch den ganzen Komplex einer konfessionellen
Dogmatik für ein viel zu schweres und bedrückendes G-epäck von Voraussetzungen
halten, welches das Mass des Notwendigen bei weitem übersteigt. Aber diesen Stand-
punkt zugegeben, darf das Buch von R. wegen der ruhigen Objektivität seiner Dar-
stellungsweise, wegen der Vorsicht der einzelnen Schlussfolgerungen eine hohe
Schätzung beanspruchen. Die Entwicklung der Litteratur wird von R.s Gedanken-
gang nicht oft berührt; aber was er (S. 426/8) über deutsche Klassik und Romantik
sagt, ist verständnisvoll empfunden; „es ward offenbar, wie wir durch Aneignung
der Masse und Formen des Altertums, durch die Aufnahme der Anschauung der
Alten selbst und ihres Geschmacks, den besten Standpunkt für Wertschätzung der
Güter des eigenen Altertums gewannen." — Mit der Geschichtsphilosophie beschäftigt
sich auch das Buch von Dipp e'^), dessen Titel etwas irreführend ist. D. entfernt sich
noch weiter als Rocholl von dem empirischen Standpunkt, welcher der modernen
Wissenschaft unentbehrlich ist; er fasst die Geschichtsphilosophie als Teil der all-
gemeinen Philosophie und wünscht, dass sie ihre Aufgabe auf spekulativem Wege löse.
Was er selbst zu dieser Lösung beizutragen sucht, ist recht unbedeutend. — Das
mehr und mehr wiedererwachende Streben nach philosophischer Gesamtbetrachtung
ist auch in Italien durch Corradi^'') und in Frankreich durch Charaux^*) zum Aus-
8.583/6; K. Rethwisch: MHL. 20, S. 289; DRs. 75, S. 154/5.]| (Italienisch zuerst erschienen in NAnt. 1891.) — 3) G. Stoeckert,
D. Bildungswert d. Gesch. B., E. Gaertner. 1892. 46 S. M. 1,00. |[K. Rethwisch: MHL. 20, S. 289; Gymn. 11, S. 691/2.] |
— 4) X E. Bernheim, Lehrbuch d. hist. Methode. 2. Aufl. L., Duncker & Humblot. 1889. XI, 624 S. M. 12,00. |[G. v.
Below: GGA. 12, S. 280/3; HamhCorr. 1892, N. 18/9; P. Hinneberg: HZ. 68, S. 450/3.]| - 5) X K. Rethwisch: MHL.
20, S. 201; SaturdayR. 76, S. 616/7; K. Br[eysig]: LCBl. 1892, S. 680/1; E. Klebs: BLZ. S. 113-20; A. Guillaud: RH. 52,
S. 191/6; HambCorr". N. 7. — 6) X 0. Lorenz, Genealog. Hand- u. Schulatlas. B., Hertz. 1892. VIII, 43 S. Mit 38 Taf.
M. 3,00. |[LCBI. 1892, S. 838/9.] I — 7) E. Zeller, Wie entstehen nngesch. Ueberlieferungen : DRs. 74, S. 189-219. (Vgl.
VossZg. 27. Jan., Bericht über d. y. Z. in d. Sitzung d. Ak. d. Wissensch. geh. Festvortr. gleichen Inhalts.) — 8) J. v. Schlosser,
D. Bedeutung d. QueHen fttr d. neuere Kunst-Gesch.: AZg«. 1892, N. 219. — 9) XX E. Waohler, Z. Kritik d. hist. Methode:
VWPh. 17, S. 490/9, — 10) X A. Stoessel, Geschichtschreiber u. Poeten: Geg. 44, 8. 408-10. — 11/12) X X J- Kanlich,
Aufgaben d. Gesch. im Leben d. Gegenw. Wert u. Methode d. Gesch. : Paedagogium 15, S. 640-52, 430 8. — 13) X J- ö.
Droysen, Outlives of the principles of hist. (Boston, Ginn; Uebersetznng): Ac. 44, S. 169. — 14) X A. Giry, Etudes de
critique hist. (= Extr. de la RH.) Nogent le Rotrou, Daupeley-Gouvernenr. 82 S. — 14a) X R- Lavolle, La morale dans
l'hist. Etüde sur les principaux systemes de Philosophie de l'hist. depuis Tantiquite jusqu'ä nos jonrs. Paris, Plön, Nourrit & Cie.
1891. IV, 416 S. |[G. Grupp: LRs. 19, S. 268-71.]] — 15) R. Rocholl, D. Philos. d. Gesch. 2. Bd. D. posit. Aufbau. Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht. XVI, 612 S. M. 12,00. |[A. Baumann: GGA. S. 425-31; 0. Zöckler: ThLZ. 18, S. 527-30; id.:
BGl. 14, S. 73/9; Grenzb. 2, S. 478-80; LCBl. S. 910/1; NKZ. 4, S. 411/8, 510/2; B. Härtung: ThLZ. 18, S. 527-30; EKZ. 73,
S. 7, 194/5.]| — 16) A. Dipp e, D. Geschichtsstndium mit seinen Zielen u. Fragen. E. Beitr. z. Philos. d. Gesch. B., Wie-
gandt & Grieben. 1891. 132 S. M. 1,80. |[MHL 20, 8. 93.]] (Handelt nicht v. Geschichtsstudium, sondern giebt wohlgemeinte,
aber unbedeutende Beitrr. z. Philos. d. Gesch.) — 17) G. Corradi. Filosofla della storia. Torino-Palerrao, Clausen. 444 S.
L. 4,00. — 18) C. Charaux, L'hist. et la pens^e. Essai d'une explication de l'hist. par l'analyse de la pensSe. Paris, Pedone-
O. Harnack, Litteraturgeschichte. 1892, 1893. I 1 : i»-»
druck gfekommen; doch können sich beide mit Rocholl nicht messen, da ihnen die
Fülle der empirischen Kenntnisse, welche die erste Voraussetzung- für ein solches
Unternehmen ist, abg-eht. C. ist auch nicht zur Klarheit über seine Prinzipien g-e-
kommen. Nachdem er die geschichtsphilosophischen Systeme hat Revue passieren
lassen und erklärt hat, dass er ihnen nicht folgen und kein „prästabiliertes ideales
Prinzip" aufstellen will, thut er dies dennoch, indem er die Idee der Vervollkommnung-
als die treibende Kraft des menschlichen Denkens wie der allg-emeinen Geschichte
hinstellt. Einheitlicher in seinen Konzeptionen ist Gh., aber er ist von wissenschaft-
licher Nüchternheit noch weiter entfernt, in religiöser, etwas sentimentaler Schwärmerei
befangen. — Auf empirischer Grundlage steht dagegen ein Aufsatz von ßrunetiere'")
und ein Essay von Wh it t acker^O) (nach dem Referat der WestmR.).''^'"^^) — Die
Schwierigkeit, welche die Abgeschiedenheit einzelner Völkerkreise und ihre Kultur
der universalhistorischen Betrachtung bereitet, sucht ein Anonymus ^3) in einigen
Aufsätzen dadurch zu lösen, dass er die Aufgabe der Universalgeschichte auf
die Beanwortungf der Frage, wie die europäische Gemeinschaft geworden sei, be-
schränkt.23»-23c^ _
Das Thema von der Berechtigung der Kult urg-eschichte und ihrem Ver-
nältnis zur politischen Geschichte ist in mehreren Besprechungen der Schrift
Schäfers (vgl. JBL. 1891 11:31; 5:2; 1892 14:1/2) wieder behandelt worden 2«). —
Ritter^ä) will in einem selbständigen Aufsatz über das Thema die Kulturgeschichte
neben der politischen als Geschichte der Gesellschaftskreise, die sich zu thatsächlicher
Bedeutung ausgebildet haben, gelten lassen und meint, dass die Zukunft „nicht einer
zu eng- gefassten politischen Geschichte und nicht der zu weit gefassten Kultur-
geschichte" g-ehören dürfe, sondern „einer Wissenschaft, die den Lauf der Geschichte
in der lebensvollen Wechselwirkung zwischen den Staaten und den Gesellschafts-
kreisen anschaut." — Wal ck er ^^j urteilt, „dass in dieser Kontroverse die Zukunft
einer vermittelnden Richtung- g-ehören dürfe," da die politischen Vorg-änge und die
Errungenschaften der Kultur sich gegenseitig- beeinflussen und daher nicht zu trennen
sind. Er fügt verschiedene Ratschläg-e über den Betrieb des historischen Unterrichts
auf den Universitäten hinzu. — Rethwisch^^) stellt in einem Ueberblick über die
geg-enwärtige historische Arbeit fest, dass thatsächlich das Interesse sich neben der
rein politischen Entwicklung bereits zahlreichen anderen Forschungsgebieten zuge-
wandt hat. —
DenGeschichts Unterricht behandelt EugenWolff28)im allgemeinen, mit
besonderer Beziehung auf den neuerdings angeregten Gedanken der „rückwärts
schreitenden Methode." Er tritt paradoxer Weise für diese Methode ein, und zwar
deshalb, weil im Unterricht „die mechanische Abwicklung des systematischen Fadens"
keinen Wert habe. Aber die Erzählung der Ereignisse nach ihrer chronologischen
Folge hat doch nichts mit Systematik zu thun, sondern ist doch nur die Vorführung
des thatsächlich en Sachverhalts! Diese zu Gunsten einer „Methode" aufgeben, bedeutet
nichts anderes als sich von der Wahrheit und der Natur abwenden. In einem be-
sonderen Abschnitt berichtet W. über den günstigen Erfolg eines Kollegs, in dem
er die Litteraturgeschichte des 19. Jh. rückschreitend behandelt habe. Da er die
Litteraturgeschichte wesentlich biographisch vorgetragen und die einzelnen Biographien
jedenfalls nicht rückschreitend behandelt hat, so ist auch hiermit kein praktischer
Erweis der Durchführbarkeit der Methode gegeben ; er kann auch nicht gegeben
werden, weil „rückwärts erzählen" ein Unding ist und bleibt. — „Geschichtliche
Analogien" will Bas s^*') zur Belebung und zum besseren Verständnis des historischen
Unterrichts in ausgedehntem Masse heranziehen und giebt zu diesem Zweck eine
nach der Geschichte der Hauptnationen geordnete tabellarische Uebersicht solcher
leicht fassbaren Uebereinstimmungen oder Aehnlichkeiten. —
Von den Forderungen, welche die Geschichtswissenschaft an die Person
ihres Pflegers stellt, hat besonders die der „Objektivität" zahlreiche Beleuchtungen
erfahren, wohl durch manche Erscheinungen der Gegenwart veranlasst. Koldes
LanrieL 354 8. (S. auch AnnEnseigrSnpGrenoble. 5, S. 55-67.) — 19) F. Brnnetiire, La lutt« des races et la Philosophie d«
l'hist.: RDM. 115, S. 429-4S. — 20) O Th. Whittacker, A critical essay on the philosophy of hist. (London, Watts« Cie.):
WestmR. 139, S. 579-80. — 21) O XX K. Jentsch, Geschichtsphilos. Gedanken. L., Grnnow. 1892. 467 S. M. 6,00.
|[J. Pistor: MHL. 21, S. 194/5; ThLBl. 14, S. 118; F. Jodl: DLZ. 3. 1511/2; LCBl. S. .596 7; NZ. 11, N. 49.]| — 22) O X B-
Adehoch, Geschieh tsphilos. Studien: StMBCO. S. 3-1.5, 222-3.5. — 23) G. L., Weltgesch. Fragen: WienerZg. N. 250/2. —
23a) X A. Tille, D. hist. Sinn: ML. 61, S .508-10. — 23b) X ^>is Lehmann. Gesch. a. Naturwissenschaft. Vortr.:
DBIIEU. 20, S. 249-50. (Referat.) — 23o) X P- Hinneberg, R. Fester, Rousseau a. d. dtsoh. Geschichtsphilos. : HZ. 35,
S. 322/3. — 24) X G- ▼• Below: QGA. 1892, S. 284-96 (leugnet e besondere Wissenschaft d. Kulturgesch., wünscht dies«
gleichwertig mit d polit. in d. einheitl. Wissensch. d. Gesch. behandelt); DWBI. 5, S. 267 8. — 25) M. Ritter, D. Streit
zwischen polit. Gesch. n. Kultnrgesch. : AZg". N. 219. — 26) K. Walcker, D. Aufgaben d. Historiker: Geg. 42, S. 67/8. —
27) K. Rethwisch, Neuere Strömungen in d. Geschichtswissensch. : VossZg. N. 269-70. — 28) Eng. Wolff. Gesch. rOck-
wirts? (= Dtsch. Schriften z. Litt u. Kunst. 2. Reihe. N. 4.) Kiel u. L., Liptius & Tischer. 1892. 40 S. M. 1,00.
|[ZDU. 6, S. 296/8; BLÜ. S. 47 .J| - 29) J. Bass, Gesch. Analogien. Progr. d. Staats-Oberrealsch. im 15. BMirk. Wies.
I 1:30-43 O. Harnaok, Litteraturgeschichte. 1892, 1893.
massvolle und gründliche Darlegung* (JBL. 1891 I 1:32) ist noch besprochen worden^»);
Mirbt^i) hat die auf Schritt und Tritt dem Forscher drohende Crefahr der Partei-
lichkeit aufgewiesen, aber die Pflicht des Strebens nach Objektivität zugleich ent-
schieden betont; Bamberger^'^) zeichnete in einem feinsinnigen Aufsatz den Fran-
zosen Chuquet als „Muster objektiver Geschichtsschreibung". — Die „patriotische"
Zustutzung der Geschichte im Schulunterricht, wie auch die politisch-tendenziöse
Geschichtsschreibung wurde durch Prutz^^) zurückgewiesen, und der Bericht über
die „Erste Versammlung deutscher Historiker" zeigte, dass auch deren Mehrzahl von
dem Unterricht jede politische Tendenz fernhalten wollte.^^-^S) — Die Geschichts-
darstellung der katholischen Kirche wurde von S choeller^'') mit den Waffen prote-
stantischer Theologie massvoll bekämpft, von Gö t ting^^) in leidenschaftlichem
Pamphletenstil angegriffen.^'') —
Von der Geschichte als der übergeordneten Wissenschaft wenden wir uns zu der
Philologie, mit welcher die Wissenschaft der Litteraturgeschichte nach ihrer einen
Seite hin zusammenfällt. Weinhold*^) hat in seiner Berliner Rektoratsrede knapp
und scharf seinen Standpunkt als Universitätslehrer der germanischen Philologie
gekennzeichnet und gegenüber den Naturwissenschaften, gegenüber der allgemeinen
Sprachwissenschaft, gegenüber der philosophischen Aesthetik eine zu kräftigen Aus-
fällen geeignete Verteidigungslinie gezogen. Was die Litteraturgeschichte betrifft,
so erkennt er an, dass man sie von zwei Seiten behandeln könne: von der philosophisch-
ästhetischen und von der philologischen, und dass auf jeder Seite gewisse Vorzüge
liegen, die sich ergänzen. Wenn er trotzdem erklärt, dass auf der Universität die
neuere Litteraturgeschichte nur durch einen Philologen vertreten werden dürfe, so
vermisst man die ergänzende Forderung, dass dieser Philolog auch eine philosophisch-
ästhetische Schulung besitzen müsse. — Umfassend im Sinne Friedrich August Wolfs
bestimmt von Wilamowitz-Moellendorf'**) die Aufgabe der Philologie, welche
zur allseitigen Erkenntnis einer nationalen Kulturform mit dem hauptsächlichen
Mittel der Sprachkunde, aber unter Verwendung jedes anderen, das sich darbietet,
hinführen soll. — . Die Herrschaft der Philologie in der Litteraturwissenschaft hat
andererseits heftige Angriffe erfahren. Ein besonders beliebtes Angriffsobjekt, die
Goethephilologie, hat Braitmaie r^^j blindwütend angerannt. Dass er manche schwachen
Stellen dabei getroffen hat, ist nicht zu leugnen ; aber zum grössten Teil trafen seine
Stösse undurchdringlichen Stahl, an dem seine Waffen zerschellt sind. Was er gegen einen
angeblichen „Goethekult" sagt, ist an anderer Stelle schon behandelt worden, sei aber
hier auch kurz in Erinnerung gebracht, da ein solches Attentat auf eines der höch-
sten Güter unseres Volkstums nicht oft genug gebrandmarkt werden kann. Wo
B. über „Goethephilologie" redet, verschiebt er den Streitpunkt sofort, indem er sich
hauptsächlich gegen Scherers Poetik wendet, als ob dieses vor wenigen Jahren er-
schienene Werk das Gesetzbuch germanischer Philologie sei, und als ob diese nicht
schon seit Lachmanns Zeiten eine gar nicht zu missende und von jedem „ästhetischen"
Litterarhistoriker dankbar benutzte Arbeit geleistet hätte. Nur gegen einige Aus-
wüchse philologischer Methode, die durch allzu engen Anschluss an die geist-
reichen, aber zum Teil einseitigen Lehren jenes unfertigen Buches entstanden sind
und sich zu bedenklichen Missbildungen entwickelt haben, wie z. B. manche Faust-
studien, die den Text nahezu völlig in Reminiscenzen auflösen, wendet sich B. mit mehr
Glück. Aber was er auch an einzelnen Verirrungen namhaft machen kann, keine
ist so schlimm wie die seinige: Die philologische Behandlung der vorzüglichsten
Werke unserer Sprache diskreditieren zu wollen. — Berechtigung und Gefahren der
philologischen Behandlung hat Erich Schmidt ''^) an einem der wichtigsten Punkte,
der „Faustphilologie", aufzuzeigen gesucht. Hier gerade hat sich die Forschung
aufs ermüdendste abgearbeitet, und hier hat sie am meisten den Vorwurf sich zu-
gezogen, an der genialsten Ideendichtung in kleinlich formalistischer Weise herura-
88 S. — 30) X P- H.: LCBl. 1892, 8. 1277/8; Krüner: MHL. 20, S. 290. — 31) C. Mirbt, D. ObjeWivit&t d. Gesch.: Güters-
loherJb. S. 88-115. — 32) L. Bamberger, A. Chuquet. E. Muster objelstiver Geschichtsschreibung: DRs. 73, S. 240-63. (Dazu
ib. S. 467.) — 33) H. Prutz, Geschichtsunterr., Geschichtsstudiura U.Geschichtsschreibung in ihrer Bedeutung für d. nationale
Bildung: AZg". N. 50. — 34) X M. Lossen, Bericht über d. erste Versamml. dtsch. Historiker in Mfinchen 5.-7. Apr. Er-
stattet y. Schriftführer. München, Rieger. 33 S. M. 0,60. — 35)XC. MOhling, Politik u. Chauvinismus im Geschichts-
unterr.: Nation". 10, S. 256/8, 272/4. — 36) X Verhandlungen d. Direktorenversammlungen in d. Provinzen d. Königr. Preussen
seit d. J. 1879. Bd. 40 u. 41. B, Weidmann. 1892. VIII, 414 S.; VIII, 280 S. M, 9,00; M. 6,00. — 37) R. Schoeller, Ge-
schichtsschreibung u. Katholizismus. Zürich, Faeai & Beer. 44 S. M. 1,00. (Aus: ThZSchw. S. 706-48.) — 38) C. F. J. Götting,
D. Geschichtslügner. E. unentbehrl. Ratgeber z. richtigen Verständnis d. „Geschichtslügen." (= Freundschaftl. Streitschriften
N 51.) Barmen, Wieraann. 120 S. M. 1,60. — 39) X Geschichtslügen. E. Widerlegung l.indläuflger Entstellungen auf d. Ge-
biete d. Gesch. mit besond. Berücksichtig, d. Kirchengesch. 10. Aufl. Paderborn, Sohöningh. XII, 580 S. M. 4,50.
|[Kath. 2, 8. 562/3.]] — 40) K. Weinhold, Rede beim Antritt d. Rektorats geh. in d. Aula d. Kgl. Friedr.-Wilh.-Univ.
zu Berlin am 15. Okt. B., J. L. V. Laverronz 4». 16 S. M. 0,75. (Abgodr. in PrJbb. 74, S. 401-11; s. u. I 2 : 1.) — 41) U.
V. Wilamowitz-Moellendorf, Philologie u. Schulreform. Festrede im Namen d. Georg-Augusts-Üniv. z. akad. Preis-
verteilung. 2. Abdr. Göttingen, Dieterich. 1892. 37 S. M. 0,50. — 42) F. Braitmeier, Göthekult u. Göthephilologie.
Tübingen (L., Fookj. 1892. IV, 118 8. M. 2,50. (Vgl. JBL. 1892 IV 8a: 41.) — 43) Erich Schmidt, Aufgaben a. Wege
O, Harnack, Litteraturg-eschichte. 1892, 1893. I 1 : usa
xutasten. Seh. weist schlagend nach und erhärtet an dem Beispiel einer wichtigen
Scene, welche Dienste bei einem in so langen Zwischenräumen entstandenen Werk
die philologische Forschung für die Bestimmung des Alters der einzelnen Teile leisten
könne und wie sie durch diese Altersbestimmung indirekt auch die Erkenntnis der
fortschreitenden Ideenentwicklung in dem Dichter fördert; aber er warnt zugleich
eindringlich vor der immer mehr sich ausbildenden Neigung, schon aus einzelnen
Beobachtungen weitgehende Schlüsse ziehen und die (irenzlinien zwischen den
Stilarten verschiedener Zeiten mit willkürlicher unhistorischer Schärfe bestipimen zu
wollen, er warnt überhaupt vor der gefährlichen Täuschung, vermöge einer Methode
„alles wissen zu können." Feste Kriterien für die berechtigte oder unberech-
tigte Anwendung der Methode giebt der Vortrag jedoch nicht. — Einen scheinbar neben-
sächlichen, in Wirklichkeit sehr wichtigen Punkt philologischer Technik behandelt
Bernays*'*) in einer Folge von Aufsätzen über Citate und Noten. Indem er den
trockenen Gegenstand durch eine Fülle interessanter Abschweifungen (z. B. eine
gedankenreiche Würdigung von Gervinus als Litterarhistoriker) unterbrach, gab er
Beispiele von fälschlich verwandten Citaten, welche, aus ihrem Zusammenhang gelöst,
das Gegenteil ihres ursprünglichen Sinnes aussagen; er erörterte das Verhältnis zwischen
Noten und Text, trat entschieden gegen, die Verbannung der ersteren, aber auch
gegen ihre Aufnahme in den Text selbst ein, und stellte endlich die Forderung auf,
dass der Text in sich ein abgeschlossenes und selbständiges Ganze bilden, die Noten
aber den Leser zu weiterer Verfolgung- des Themas, zum Gewinn fernerer Ausblicke
anregen sollen. — Ein anonymes Heftchen^^j mit Ratschlägen für das Studium der
germanischen Philologie bietet nur dürftigen Inhalt.*^"*^) —
Wenden wir uns nun dem andern Hauptzweig unserer Wissenschaft, der
ästhetischen Betrachtung der Litteraturgeschichte zu, so kommt für
die allgemeinen Gesichtspunkte ein Aufsatz von Spitta^'*) in Betracht, der die viel-
erörterte Frage nach dem Vorhandensein wissenschaftlich zu ergründender und für
die Kunstübung verbindlicher Gesetze untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass
der Gelehrte durch seine Forschung in der That zur Erkenntnis solcher Gesetze,
welche die Bedingung eines erfolgreichen künstlerischen Schaffens sind, geführt
werden könne, dass er aber vom Künstler nicht fordern dürfe, sich durch diese
Resultate der Forschung in seinem künstlerischen Schaffen bestimmen zu lassen, dass
vielmehr diesem das Bewusstsein vöUig-er Unabhängigkeit in seiner persönlichen
Leistung niemals getrübt werden dürfe. Und Sp. reiht den allgemeineren Gedanken
an: „Gesetze, welche für die Vergangenheit massgebend waren, sind es darum noch
nicht für die Zukunft"; ein einfacher, aber in dem Streit über „gesetzgebende"
Aesthetik meist nicht in Betracht g-ezogener Satz. Wenn die Aesthetik „Gesetze"
giebt, müssen sie dann eine absolute ewige Geltung haben? Und umgekehrt, wenn
sie keine ewigen Gesetze geben kann, soll sie deshalb überhaupt keine mehr geben?
Die praktische Notwendigkeit der Aufstellung von „Gesetzen" beweist jedes der
immer neu erscheinenden Handbücher der Poetik, welche einzeln zu betrachten jedoch
nicht in den Rahmen dieses Abschnittes fällt. — Die Aufgabe der Litteraturgeschichte
als Wissenschaft nach allen Richtungen hin zu bestimmen, hatte bekanntlich ten
Brink^oj (vgl. JBL. 1891 I 1:20) und im Gegensatz zu ihm Wetz^''^'") (vgl.
JBL. 1891 I 1 : 24) unternommen; beide Schriften haben noch Besprechungen gefunden;
besonders die letztere; auch Wetz mit methodischen Betrachtungen eingeleitetes
Shakespearebuch (vgl. JBL. 1891 11:5) ist noch besprochen worden^^j j^ o-anzen
scheinen mir die Kritiken den Theorien von Wetz zu sehr entgegenzukommen; ohne
die Anregungen, welche dieser giebt, zu verkennen, muss ich doch daran festhalten,
dass die Litteraturgeschichte als strenge Wissenschaft nur dem von ten Brink
trefflich gezeichneten Wege, vom Aeusseren zum Inneren vordringend, folgen kann. —
Dies müssen wir auch festhalten gegenüber Falkenheim^^'^^^J, welcher uns Kuno
Fischer und seine litterarhistorische Methode als Muster empfiehlt (vgl JBL. 1891 I
1 : 26j. Die Verdienste des ausgezeichneten Philosophen um die Würdigung unserer
Klassiker bedürfen keines Preises, und niemand wird an ihn die Forderung richten,
d. FsQstphilologie. (^ Verhandlungen d. 41. Yersaiaml. dtsch. Philologen n. Schulmänner in Manchen [L., B. O. Tenbner.
1892. 4». X, 354 S. M. 12.00.]. S. 11-22.) — 44) M. Bernays. Z. Lehre v. d. Citaten u. Noten: AZg». 1892. N. 134/5,
141/2, 144/5, 147/8. — 45) Wie studiert man nenere Fhilol. n. Germanistik? Mit e. tabellar. Uebersicht über d. Bestimmangen
z. Grlangnng d. philos. Doktorwfirde an d. ünir. Deutschlands. V. e. prakt. Neuphilologen. L., Rossberg. 1892. 43 S. M. 0,80.
— 46) O X Carl Franke, P. Machale, Bemerkungen über d. Studium d. dtsch. Philol. u. d. Prüfungsordnung für d. höh.
Lehramt (L, Bossberg): ZDU. 7, S. 503/4. — 47) O X Leop. Schmidt, D. philol. üuirersit&tslehrer, seine Tadler u. seine
Ziele. Marburg, Elwert. 1892. 30 S. M. 0,60. |[P. Cauer: DLZ. S. 37.]| — 48) X F. Cauer, Wissenschaft n. Praxis in
d. Philol.: DWBl. S. 91/4. (Bezieht sich wie N. 47 speoiell auf klass. Philol) — 49) Ph. Spitta. Knnstwissensch. u. Kunst.
(= Z. Musik. S. 1-14. Vgl. JBL. 1892 I 9 : 19; 11 : 102.) - 50) X K. Burdach: DLZ. 1892, S. ISeC/l; t. Kl.: r)LBl. 1, 8. 91.
— 51) X K. Burd ach: DLZ. 1892, S. 1361/2; A. Ch u qn et: RCr. .36, 8. 333. — 51a) X Ueber K. Biese« Aufsatz „üeber d. Auf-
gaben d. Utt.-Gesch." in d. NatZg. N. 587 u. 589: ZDÜ. 6, S. 296. — 52) X A. Schröer: EnglSt. 16, S. 282;9; RCr. 34.
S. 316; A. Brandl: DLZ. 1892, S. 627/9; ÖLBl. 1, S. 913. — 53) H. Falkenheim, Kuno Fischer u. d. litterarhist. Methode.
I 1:54-59 0. Harnack, Litteraturgeschichte. 1892, 1893.
dass er sich einer anderen Methode als der aus seiner Wissenschaft g-eschöpften
hätte bedienen sollen; ebensowenig aber braucht der Litterarhistoriker seine durch
die Geschichte seiner Wissenschaft ihm vorgezeichnete Methode preiszugeben, um
nach dem Ruhm des Philosophen zu trachten. Beide werden auf ihren Wegen fort-
schreitend sich gegenseitig fördern. F.s Büchlein schliesst freilich mit einem Hymnus
auf Kuno Fischer, dem gegenüber eine Aeusserung, wie ich sie eben gewagt, schon
als Majestätsbeleidigung erscheinen müsste. Wir lassen diese persönliche Seite
seiner Schrift ausser Augen und wenden uns dem sachlichen Inhalt zu, welcher uns
zunächst das „philosophische Stoffgebiet innerhalb der Litteraturgeschichte" und
darauf die „entwicklungsgeschichtliche Methode" nach ihrem „historischen, psycho-
logischen, ästhetischen Element" kennen lehrt. Diese Methode denkt sich F. im
Gegensatze zur „historisch-genetischen", d. h. zu der Methode, welche durch Rankes
Vorbild in Deutschland auf jedem Gebiete zum Siege geführt worden ist. Wir können
ihm auf diesem Wege nicht folgen : Obgleich wir anerkennen, dass seine philosophisch-
psychologische Methode zur Erkenntnis des einzelnen Dichters wertvolle Mitwirkung
bieten kann, so sehen wir doch die specielle Aufgabe der Litteraturgeschichte in der
Aufzeigung des weiteren historischen Prozesses, der sich von einem Autor zum
anderen fortschreitend vollzieht, und erachten für den Nachweis dieses Prozesses die
historische Methode, welche die Wissenschaft bisher mit Mitteln der Philologie und
der Aesthetik geübt, für die zweckentsprechende. Die zahlreichen zustimmenden
Besprechungen, welche F. gefunden, können uns darin nicht irre machen, und
werden ihn selbst kaum befriedigt haben , weil sie meist eine Vorliebe für
dilettantischen Betrieb der Litteraturgeschichte verraten. — Einen neuen Versuch,
Begriff und Aufgabe der „Litteraturwissenschaft" zu bestimmen, machte Froehde^"*);
er hält den richtigen Ausgangspunkt fest, indem er als die erste Aufgabe die Her-
stellung des Textes, und als die fernere die Erklärung desselben aus den sämtlichen
inneren und äusseren Bedingungen seiner Entstehung bezeichnet; er will dann von dem
Einzelwerk zur Betrachtung der litterarischen Entwicklung vorschreiten, und auch diese
im ganzen wie in den einzelnen Teilen aus den Bedingungen ihrer Entstehung begreifen.
Der ursprünglich der klassischen Litteraturwissenschaft gewidmete Vortrag, der auch ihr
Verhältnis zur allgemeinen klassischen Altertumskunde behandelt, ist in seinen
positiven Bestimmungen so allgemein gehalten, dass er' den weitumfassenden Titel
rechtfertigt. — Wenig befriedigen kann, was Kerr^^) über das Ziel der Litteratur-
geschichte zu sagen weiss; „Beiträge zu liefern zur Kennzeichnung des menschlichen
Seelenlebens" kann nicht den einheitlichen Gedanken einer bestimmten Wissen-
schaft bilden. —
Mit der Litteraturgeschichte verwandt ist die litterarische Kritik, welche
in neuester Zeit ja verschiedentlich gesucht hat, über sich selbst zur Klarheit
zu gelangen, ja sich sogar zum Rang einer wissenschaftlichen Thätigkeit zu erheben,
was sie aber doch nur mit Verzicht auf andere ihr eigentümliche Vorteile und Vor-
züge vermag. Brunetieres^^) in diesen Berichten ausführlich besprochenes Werk
über die Entwicklung der Kritik (vgl. JBL. 1891 11:8) hat die zweite Auflage
erlebt. — Eugen Wolffs Broschüre (vgl. JBL. 1890 11:1) ist noch besprochen
worden-^'), ebenso Tissots Schrift (vgl. JBL. 1891 I 1 : T).^^) — Eine wichtige Neu-
erscheinung war die Rede von Droz^^) über das Verhältnis der litterarischen Kritik
zur Wissenschaft. D. wendet sich in knapper Sprache und reservierter Ironie gegen
Taines Prinzipien der Kritik, welche von Brunetiere insoweit adoptiert worden sind,
als ein begabter Durchschnittsmensch die konsequenten Gedanken eines scharfen
Denkers gebrauchen kann. D. leugnet die Möglichkeit, geistige Erscheinungen in
exakt wissenschaftlicher Weise, als aus gegebenen Bedingungen gesetzmässig ent-
wickelt, deducieren zu können und tritt für das Recht der Individualität ein, die eine
oft aller deduktiven Wesensbestimmung widersprechende Thatsache sei. Er findet
es mit Recht besonders bedenklich, dass man sich nicht mehr scheue, mit Ausdrücken,
welche der Physiologie entnommen seien, in der Litteraturbetrachtung so zu operieren,
als ob sie nicht bloss eine Analogie, sondern thatsächliche Vorgänge bezeichneten
(„Brunetiere wirft ohne zu lachen die Frage auf, ob zwischen den verschiedenen
Entwicklungsformen einer Litteraturgattung Zeugung- im wahren Sinne des Worts
stattfindet!") Ich stimme ihm in seinem Hauptsatze bei, dass die litterarische Kritik
(im Gegensatz zur Geschichte) nicht „Wissenschaft" werden könne, weil in ihr
B.. Speyer & Peters. 1892. 107 S. M. 1,50. IfSatnrdayR. 74, S. 148; 0. H(arnack): PrJbb. 70, S. 241/2; MLN. 7, S. 2169;
ÖLBl. 1, S. 472/4; Nation 9, S. 595; NatZg. 1892, N. 433; FränlcKur. 1892, N. 488.JI — 54) 0. Froehde, Begriff u. Aufgabe
a. Litteraturwissensch.: NJbbPh. 147, S. 43.3-45. — 55) A. Kerr, Perspektiven d. Litt.-Gesch.: ML. 60, S. 37-40. — 56) F.
Brunetiere, L'evolution des genres dans l'bist. de la litt. Lefons profess^es h l'ecole normale sup. 2.Ed. (=: Introdaction :
L'evolution de la critique depuis la Renaissance jusqu'ä nos jours.) Paris, Hachette. 1892. XIV, 280 S. Kr. 3,50. ||R. M.
Meyer; DLZ. 1892, S. 355/9.]! — 57) X K- Burdach: DM. 1892, S. 1362/3; Eng. Wolff [Entgegnung]: AZg». N 22. —
58) X ^- Fellner: DBs. 75, 8. 464/6. — 59) Ed. Droz, La critiqne litt, et la soience, 6tude lue a la s6anoe de rentrie
O. Harnack, Litteraturgeschichte. 1892, 1893. I 1 : 60-87
immer der subjektive Geschmack eine wichtig-e Rolle spielen wird. — Speciell
mit dem Verhältnis zwischen bildender Kunst und Kritik beschäftigen sich zwei
Aufsätze von Larroumet*") und von Cantalamessa*'). — Zu zahlreichen ur-
teilen und Aussprüchen über die wichtigsten Fragen der Methodik haben endlich
die Nekrologe Anlass gegeben, welche in den verschiedensten Zeitschriften Hippolyt
Taine gewidmet worden sind. Im ganzen kamen diese doch zu dem Ergebnis,
dass zwar die grossartige Stoffbeherrschung und die glänzende Darstellungs-
gabe Taine eine unvergängliche Bedeutung sichere, dass aber das ihm eigen-
tümliche System, die Lehre vom „Milieu" und seiner allbeherrschenden Gewalt,
sich nicht behaupten könne, da es zur Erklärung der individuellen Erscheinungen
nicht ausreiche, wie es auch bei Taine selber einseitige und schiefe Urteile nicht
verhindert hat. Gerade vom Standpunkt moderner Empirie aus erscheint die
Meinung, dass uneingeschränkte Kausalität in der historischen Entwicklung herrsche,
als unberechtigter Dogmatismus. Barzellotti^^j^ dessen Essay unter den mir zu
Gesicht gekommenen Taine-Artikeln der gründlichste und gewichtigste ist, weist das
Ungenügende der bei Taine die Forschung abschliessenden „höheren Analyse" nach
und giebt das Schlussurteil: „Er war nicht ein Denker im höchsten Sinne des
Worts, aber ein Künstler der Psychologie, ein unermüdlicher P"'orscher und ein
äusserst wirkungskräftiger Schriftsteller. "^^""^) —
Litteraturgeschichte. Unter den Gesamtdarstellungen nennen wir
zunächst die universalen, in welchen die deutsche Litteraturgeschichte als ein Teil
behandelt wird. Adolf Sterns'^J kurz gefasster „Katechismus" hat die dritte Auf-
lage erlebt, während Julius Hart'^) ein umfassendes Werk begonnen hat, von dem
der erste Teil, die Litteratur des Altertums und des Mittelalters behandelnd, schon
abgeschlossen ist, während von dem zweiten erst ein Heft vorliegt, in welchem er
auf wenigen Seiten die Litteratur des 14. und 15. Jh. charakterisiert, sich gegen die
Beurteilung dieser Periode als einer Verfallzeit wendet, und sich dann speciell mit
der italienischen Litteratur beschäftigt. Der Bilderschmuck, die Umschlagdevise
„Wissen macht frei", sind charakteristisch für den „Hausschatz des Wissens",
in dessen Rahmen H.s Geschichte der Weltlitteratur erscheint,"'') —
Unter den Gesamtdarstellungen der deutschen Litteraturgeschichte ist
von Leixners"^) Werk in zweiter Auflage erschienen und in der Presse viel,
besprochen worden. — Brugiers'**) von katholischem Standpunkt aus verfasstes,
aber nicht konfessionell engherziges, wenn auch allzusehr moralisierendes Buch liegt
in neunter Auflage vor. — Koenigs*'*') in orthodox -lutherischem Geist gehaltenes,
durch seinen Bilderschmuck so populär gewordenes „Erbbuch" des deutschen Hauses,
wie es der Vf. bescheiden nennt, hat es bis zur dreiundzwanzigsten Auflage gebracht. —
Ueber alles Mass hinaus geht die Anzahl der in jedem Jahr erscheinenden „Leitfäden"
und „Grundrisse" für den Schulgebrauch. Da sie in einem andern Abschnitt der
Jahresberichte (s. u. 1, 7) eingehend behandelt werden, begnüge ich mich damit, sie
hier nur ganz kurz zu verzeichnen^ '~^^); daneben sei die graphische Litteraturtafel
von Flaischlen^')^ genannt. — Auf einem anderen Niveau steht das Büchlein von
des Facnltes et de l'EcoIe de medicine et de pharmacie de Besan9on. Besaii9on, Dodivers. 1S91. 31 S. ([RCr. .34, N. 49.] |
— 60) G. Larronmet, L'art realiste et la crltiqne: EDM. 114, S. 802-42; 116, S. 100-36. — 61) G. Can talamessa, Artisti
e critici: NAnt. 37, S. 465-82. — 62) G. Barzellotti, Ipp. Ad. Taine: NAnt. 46, S. 1-28, 393-419; 47, S. 185-216. — 63) X
P. Bailleu, H. Taine: HZ. 35, S. 301/7. — 64) X W. Q. C. Byvanck, Taine (1828-93): Qids 2, 8.140/7. — 65) X ^pec-
fator [K. EisnerJ, Taine: ML. 61, S. 204/6. — 66) X J- Wychgram, H. Taine: BLU. S. 241 3. — 67) X L. Katscher,
Taine: AZg». N. 78. — 68) X K- ▼• Heigel, Taine: AZg». N. 289-91. — 69) X Taine: Didaslr. N. 59. — 70) X Taine:
AZg". N. 59. — 71) X M. Nasser, Taine u. d. Milien: ML. 61, S. 238-40. — 72) X L. J ac obowski, H. Taine u. seine
Stellung in Deutschland: Geg. 43, S. 165,6. — 73) X H- A. Taine: Post N. 69. — 74) X t'- Sarcey, H.A. Taine: Illustration
11. März. — 75) X H. A. Taine: AELKZ. 26, S. 306. — 76) Ad. Stern, Katechismus d. Allg. Litt.- Gesch. 3. verb. Aufl.
L., J. J. Weber. 1892. XIV, 418 S. M. 3,00. |tDB. 1, S. 272.]| — 77) J. Hart, Gesch. d. Weltlitt. Heft 1-22. (= Haus-
schatx d. Wissens). B. u. L., W. Paulis Nachf. 846 S.; 32 8. M. 6,60. — 77a) X P- JP^at, Hist. de la litt. Paris, Belin
Frireg. 1891. 12«. 308 8. — 78) 0. t. Leixner, Gesck d. dtsch. Litt. 2. Aufl. I..., 0. Spamer. VIII, 1124 8. Mit 411
Teitabbild. u. 50 teilw. mehrfarbigen Beill. M. 14,00. i[J. Hengesbach: COIRW. 21, S. 564/5; DK. 3, S.377/8; DWBl. 8.132;
DRs. 73, 8. 471; Kw. 6. 8. 86/7; Geg. 42, S. 398; LZg". 1892, N. 293; Schw&bKron. 1892, 9. Dec; F. Schnürer: ÖLBI. 1,
S. 572; TglRs». 1892, N. 234.JJ — 79) ö. Brngier, Gesch. d. dtsch. National-Litt. Nebst kurzgefasster Poetik. Für Schule
u. Selbstbelehtung. 9. Aufl. Freiberg i. B., Herder. Cll, 689 S. M. 6,00. ([LRa. 19, S. 3134; F. Schnlrer: ÖLBL 2,
8. 461,3; COIRW. 21, 8. 693. (S. u. 1 7 : 14.3.) — 80) Roh. Koenig, Dtsch. Litt.-Gesch. 23. Aufl. 2 Bde. Bielefeld u. L., Vel-
hagen & Ciasing. V, 443 8.; lU, 510 S. Mit 93 Beill. u. 3:» Abbild, im Text M. 15,00. |[L. Frey tag: COIRW. 21, 8. :M/5.J|
— 81) X C. A. Krüger, Gesch. d. dtsch. Litt, in Einzelbildern. Danzig, F. Axt. VIII, 228 8. Mit 52 Abbild. M. 1,20. —
82) X W. Dietlein, Leitfaden z dtsch. Litt-Gesoh. Mit Berücksichtig, d. poet. Gattungen u. Formen. 10. Aufl. Bearb.
T. R. Jordan. Altenburg, H. A. Pierer. YIII, 164 8. M. 1,10. - 83) X G. Bottich er n. K. Kinzel, Gesch. d. dtsch.
Litt, mit e. Abriss d. Gesch. d. dtsch. Sprache u. Metrik. (Anh. z. d. Denkmälern d. älteren dtsch. Dichtg.) Halle a. S., Bnchb.
d. Waisenhauses. X, 174 8. M. 1,80. — 84) X H. F. Kummer u. K. Stejskal, Einführung in d. Gesch. d. dtsch. Litt.
(= Hilfsbüchlein für d. dtsch. Unterr. 3 Bdch.) Wien, Mani. YHI, 270 8. M. 2,40. (S. u. I 7 : 142.) — 85) X A. Baldi,
W. Lindemann, Gesch. d. dtsch. Litt. 6. Aufl. Bearb. v. J. Seeber: BBG. 29, S. 222/3. — 85«) X 0. König, Gesch. d. dt«ch.
Litt, in zusammenhängend. Darstellung für höh. Mädchenschulen u. d. weibl. Jugend. (Vgl. JBL, 1892 I 5 : 97.) L., B. O.
Teubner. 1892. Vlll, 146 8. M. 1,»K). — 85b) X K. Heilmann, Gesch. d. dtsch. Nationallitt. (Vgl. JBL. 1892 15: 104.)
Breslau, Hirt 1892. 144 8. M. 1,60. (3. u. 17:141.)— 86) X Löhrer, Wilh. Reuter, Litteraturkunde (Freibnrg i. B. 1891):
KZED. 41, 8. 275,6. — 87) C. Flaischlein, Graphische Litt.-Tafel. D. dtMh. Litt. u. d. Einflass fremder Litteratares »nf
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 2
I 1:88-93 0. Harnack, Litteraturg-eschichte. 1892, 1893.
Koch^**) wenngleich es auch dem Schulunterricht dienen soll. Es ist als das Werk eines
selbständigen Forschers durchweg- originell, und vermeidet die in Leitfäden so
häufigen Schlag-worte, denen der Schüler keinen Inhalt zu geben weiss, indem es
überall möglichst konkrete Angaben und überhaupt soviel sachliches Material zu
geben sucht, als der beschränkte Raum zulässt. Die Virtuosität, mit welcher der Vf.
die Fülle seiner Angaben zusammen zu pressen weiss, ist erstaunlich, und wenn es
dabei bisweilen nicht ohne überladene oder enggeschachtelte Sätze abgeht, so wird
man ihm das billigerweise nicht verargen, da ihm eine feste Raumgrenze gezogen
war. Dagegen ist die scharfe Betonung seines subjektiven Standpunkts in Hinsicht
Richard Wagners ein entschiedener Missgriff, und auch die wie ein Refrain wieder
kehrende Berufung auf nationales Empfinden und nationale Pflichten wird öfters eine
Quelle einseitiger, in Lob und Tadel übertriebener Urteile. Es ist dringend zu wünschen,
dass wenigstens die Litteraturgeschichte sich des Humanitätsideals unserer klassischen
Zeit bewusst bleibe und auch in der Schule ihm eine Stätte bewahre. — An das gebildete
Lesepublikum wendet sich Borinski^") mit seiner Litteraturgeschichte, welche der
bekannten Kürschnerschen Sammlung als Begleitwort mitgegeben ist. Der uns vor-
liegende zweite Teil entspricht seinem Zweck in hohem Masse. Er ist mit lebendiger
Wärme und selbständigem Urteil, doch ohne vordringliche Tendenz geschrieben, und
wo man ihn liest, wird ihm sicherlich gelingen, sein „Scherflein dafür beizutragen",
dass die Schätze unserer Litteratur noch nicht sobald „historisch werden." B. beginnt
mit Luther, dessen Bedeutung er durchaus gerecht wird, während er im weiteren
Verlaufe sich geneigt zeigt, die schlimmen Folgen der Reformation schärfer zu
betonen, als den Wert ihrer Errungenschaften. Bei Hans Sachs nimmt er Gelegen-
heit, „den heutigen verstiegenen Begriffen von Volkskunst gegenüber" vor Ueber-
schätzung zu warnen; dagegen behandelt er die Renaissancelitteratur mit mehr
Anerkennung als üblich ist, während er zugleich nachweist, warum sie in Deutsch-
land nicht die Bedeutung erlangen konnte wie in benachbarten Ländern. Das 17.
und die erste Hälfte des 18. Jh. sind weniger befriedigend behandelt; B. hält noch
an dem Schema der zwei schlesischen Schulen fest ; Gottscheds Verdienste sind zu
wenig hervorgehoben. Die Darstellung der klassischen Periode wirkt sympathisch
durch den warmen Ton der Begeisterung und das Bestreben, die litterarischen
Bewegungen in Beziehung zu den gleichzeitigen philosophischen zu setzen. Auf-
fallend wirkt in dem sonst nicht nach moralischen Massstäben urteilenden Buch die
harte Kritik von Wielands Agathon und Oberon; in der Verteidigung von Goethes
politischen Dramen (Grosskophta usw.) beweist der Vf. seine Unabhängigkeit von den
herrschenden Meinungen. Die von der Dichtung abliegende Thätigkeit unserer
Klassiker wird ungleich behandelt; befriedigend Goethes Naturforschung, besonders
die optischen Studien, ungenügend dagegen Schillers historische Arbeiten, wo
zwischen Selbständigem und Angeeignetem nicht geschieden wird. Der Gegensatz
zwischen Klassikern und Romantikern wird mit scharfem Blick erfasst und durch
den philosophischen Gegensatz Kant-Fichte in seinem tiefsten Grund aufgehellt. Das
strenge Urteil über die Rortiantiker greift auch auf Jean Paul über, dessen immerhin
reicher, poetischer Begabung B. nicht ganz gerecht wird. Mit einer schönen und
würdigen Schilderung von Goethes Vollendungsepoche schliesst B. sein Buch.^") —
Von wissenschaftlichen Darstellungen, die sich nur an einen engeren Leserkreis
wenden, bleibt Martins**') treffliche Neubearbeitung der Wackernagelschen dem
nächsten Berichtsjahr vorbehalten, wo dann mit dem Schluss des Ganzen die früher
erschienenen Teile im Zusammenhang gewürdigt werden sollen. — Die Geschichte
der mittelalterlichen Litteratur, die in Pauls Grundriss der Germanischen Philologie
gegeben wird, gehört nur zum geringsten Teil in den Rahmen dieser Berichte.
Die beiden Teile, in welche sie sich gliedert: Mittelhochdeutsche Litteratur von
Vogt'*2j und mittelniederdeutsche von J ellin ghaus^^) fassen das 14. und 15. Jh.
zusammen, indem sie den Stoff nach Litteraturgattungen einteilen und in ihrem
Bericht hie und da auch in das 16. Jh. übergreifen. V. führt seine Darstellung bis
auf Rosenplüt und Folz, Sebastian Brant und Geiler von Kaisersberg; J. greift etwas
weiter und giebt besonders über geistliche Lyrik — katholische wie lutherische —
sowie über niederdeutsche Bibelübersetzungen interessante Daten. Er erwähnt sogar
ihren Verlauf v. Beginn einer schriftl. üeberliefernng an bis heute, in graph. Darstellung. St., Göschen. Färb. Taf. mit
erHarendem Text in Karton. M. 2,00. |f(Edw. Sch(röderJ: ADA. 19, S. 87/9; F. Muncker: BBG. 28, S. 268/9; K.Menge:
Gymn 10, S. 125.]| — gg) M. Koch, Gesch. d. dtsch. Litt. (= Sammlung Göschen N. 31). ib. 278 S. M. 0,80. HGeg. 44,
S. 350; AkBll. 8, S. 248; KZg. N. 985: AZg«. N. 299.] | (S. u. I 7 : 134.) — g9) K. Borinski, Gesch. d. dtsch. Litt. 2. T.
Seit d. Ausgang d. MA.: (= DNL. N. 163.) St., Union. VUI, 402 S. M. 2,50. ||L. Fränkel: BLU. S.564,6.|| — 90) O X X
G. Karpeles, AI Ig. Gesch. d. Litt. v. ihren Anfängen bis auf d. Gegenw. Mit Illustr. u. Portrr. 2 Bde. (13. Lfgn.) B , Grote.
756 S.; 875 8. M. 26,00. |[WmM. 72, S. 718; L. Berg: NatZg. 1892, N. 178.]| - 91) Gesch. d. dtsch. Litt. v. W. Wacker-
nagel, fortges. V. E. Martin. 2. Bd., 3. Lfg. Basel, B. Schwabe. 1892. S. 287-538. M. 4,60. ||DR. 4, S. 143.1| — 92) F.Vogt,
Mittelhochdtsch. Litt. (= Grundr. d. german. Philol. her. v. II, Paul. ([Strassburg, Trfibner. 1890-92.] VIII. Abschn. 3b,
S. 245-418.J — 93) H. Jellinghaus, Mittelniederdtsoh. Litt. (= ebda. VIIL Abschn. 3c, S. 419-52). |(MLN. 8, S. 99-106
O. Harnack, Litteraturg-eschichte. 1892, 1893. I 1 : 94-107
noch Lauremberg und schliesst seine Arbeit mit alig-emeinen Betrachtungen über die
Ursachen des Ersterbens der niederdeutschen Litteratur. — Gleichfalls nur mit den
letzten Ausläufern berührt unser Gebiet die Geschichte der mittetalterlichen Litteratur
von Golther.^*) — Von umfassenden Werken, welche schon früher erschienen sind,
wurden in beiden Berichtsjahren noch besprochen die 6. Auflage von Scherers Litteratur-
geschichte (vgl. JBL. 1891 I 1:45)**^) und Goedekes Grundriss in der neuen
Bearbeitung (vgl. JBL. 1891 IV 1: l)**^). — Auch in Geschichtswerken findet die
Litteraturgeschichte an bescheidener Stelle Aufnahme. Dittmars^') dreibändige
deutsche Geschichte behandelt im zweiten Bande Luther im Zusammenhang mit der
politischen Geschichte, die sonstige Litteratur der Reformationszeit abgesondert, beides
von entschieden protestantischem Standpunkt, — ferner die Litteratur des 17. Jh.
mehr mit Beziehung auf Sitten und Kulturgeschichte. Er zeigt Kenntnis des Stoffes;
selbständige Studien zu finden wird man nicht erwarten. Im dritten Bande, bei
Behandlung der klassischen Litteratur, begnügt sich D. allzusehr mit Allgemein-
heiten, und lässt es an positiven Daten, selbst an Angabe der wichtigsten Werke
fehlen. Gerade für eine Darstellung deutscher Geschichte sind die Thatsachen, dass
Wallenstein in diesem, Faust in jenem Jahr erschien, wichtiger als reflektierende
Mitteilungen über ihre Dichter. In seiner Auffassung ist D. stark durch „nationale"
Gesinnungen geleitet, welche freilich zur Würdigung der höchsten Kunstwerke nicht
hinreichen."^" '"2^ — In trefflicher Weise setzt dagegen Roethe'"^) die Geschichte
unseres Kaisertums mit der unserer Litteratur in Verbindung; man bedauert nur,
dass seine Rede sich in so knappen Grenzen halten musste und in diesen noch sich
vorzugsweise mit dem Mittelalter beschäftigt. Es ist nicht nur ein schöner, sondern
auch ein richtiger Gedanke, dass die ideale Weite der Kaiseridee und die huma-
nistische Weitherzigkeit der deutschen Dichtung aus einem gemeinsamen Urgrund
entsprungen sind. „Der Schimmer der Weltmonarchie reizt uns nicht mehr: aber
auf immer soll uns das deutsche Kaisertum ein Symbol dafür sein, dass dem
deutschen Geiste die Welt gehört." — Von ausserdeutschen Ländern ist Frankreich
jetzt wohl dasjenige, das sich am meisten mit deutscher Litteratur beschäftigt. All-
jährlich erscheinen neue Darstellungen, meist allerdings Leitfäden zu praktischem Zweck.
Diesmal ist ein solcher von Heinrich '04j zu verzeichnen, der freilich der Redaktion
nicht zugegangen ist. — Von der Sammlung von Litteraturgeschichten aus dem Verlag
von Poussielgue'"^), welche auch auf die deutsche Litteratur sich erstreckt, erschien
die vierte und fünfte Auflage. — Nicht zwar eine vollständige Geschichte, aber doch
eine über den ganzen Verlauf der Litteraturgeschichte sich ausdehnende Folge von
Essays hat Combes gegeben, über dessen „Profile und Typen" Middendorf '"^) aus-
führlich berichtet. Combes steht der mittelhochdeutschen Litteratur verständnislos
gegenüber, nur Walther findet bei ihm Gnade. In der Neuzeit tritt er für Fleming
gegen Opitz ein, redet zu Gunsten Gottscheds, lässt Lessing als Kritiker (auch
Corneilles) volle Gerechtigkeit widerfahren, beurteilt ihn aber ungünstig als Dramatiker.
Schiller wird geringschätzig behandelt, die Romantik schlimm verspottet; dagegen
Goethe mit entschiedenem Verständnis und rückhaltloser Verehrung geschildert.
Sowohl in den lyrischen Gedichten, wie im Drama (auch im 2. Teil des Faust) und
im Roman (Wahlverwandtschaften) weiss er Goethes eig'entümliche Bedeutung zu
erkennen und charakterisiert treffend das in Goethe lebendige Verhältnis von Kunst-
und Naturbetrachtung. •'>^'') — In England erschien Hos m er s*""j deutsche Litteratur-
160/'9, 215-23.]l — 94) W. Golther, Gesch. d. dtsch. Litt. t. d. ersten AnJängen bis z. Ausg. d. MA. (= DNL. N. 739,
741/2) St, Union. IV, 443 S. M 2,50. I[E. Martin: DLZ. 1892, S. 1460/3; MA. 6, S. 288/9.]| - 95) X L. Fränkel:
ZDU. 6, S. 851/2. — 96) L. Hiriel: DLZ. 1892, S. 660/2. — 97) G. Dittmar, Gesch. d. dUch. Volkes. 3 Bde. Heidel-
berg, Winter. 566 S.; 544 S.; 592 S. M. 15,00. |[Markhan8er: BBG. 29, 8. 262,7.J| - 98) X B- Gebhardt, Handbuch
d. dtsch. Gesch. 2 Bde. (I. V. d. Urzeit bis z. Beforniation. IL V. d. Beformation bis z. Frankfurter Frieden. Nebst e.
Ueberslcht über d. Ereignisse bis z. J ISflO.) St., Union. 1892. IX, 676 S.; IX, 757 S. M. 16,00. |[G. Winter: BLU.
a 234/5; LBlHSch. S. 11; KBGV. 41, S. 31; NAnt. 38, S. 565/7; Ath. S. 439; HPBll. 110, a 229; LCBl. 1892, 8. 1278; Q.
Kaufmann: DLZ. 1892, S. 1274,6; MHL. 20, S. 216.]| — 99) X 0. Lyon, E. dtsch. Gesch. für Schule u. Haus: ZDU. 6,
8. 835-40. (Ueber 0. Eämmel, Dtsch. Gesch Dresden, C, Höckner. 1889. VI, 1266 8. M. 13,50) — 100) X K. Lamprecht,
Dtsch. Gesch. 2. Bd. B., R. Gaertner. XV, 367 8. M. 6,00. |[J. Jastrow: MA. 6, S. 236-42; G. Steinhausen: DLZ.
S. 1203/6. (St. hebt besonders hervor, wie d. Vf. versuche, d. Volksseele als d. e. Kollektivperson zu zeichnen u. in d.
einzelnen Erscheinungen ihre Lebensänsserungen nachzuweisen.)]! — 101) X K- Neumann-Strela, Deutschlands Helden in
Krieg u. Frieden. 1. Bd. Hannover, C. Meyer. 1892. VII, 308 S. M. 4,00. |[KonsMsohr. S. 470,1 ; N&S. 65, 8. 275.JI (Reicht
bis auf Max I.; berührt kurz d Litt. [Hütten].) — 102 X H. Landwehr, Charaktere ans d neueren dtsch. Gesch. vornehm!,
in zeitgenöss. Schilderung. 2. Ausg. B., Mittler * Sohn. 1892. X, 230 8. M. 3,00. ||LCB1. 1892, S. 693.] I (D. einzige litt.
„Charakter" in d. Sammlung ist Kotzebue [nach Arndt, Wanderungen u. Wandlungen].) — 103) G. Koethe, D. dtsch. Kaiser
n. d dtsch. Litt. Rede z Feier d. Geburtst. S. M. d. Kaisers u. Königs um 27. Jan. im Namen d. Georg-Augnsts-Univ. GOttingen,
Dieterich. 4». 22 3. M. 0,40. — 104) O X X <>• A. Heinrich, Hist. de la litt, allemande. Paris, Leroux. 1890-91. ||HJb. 1.3,
9. 388; F. J. Holly: Kath. 1, 8. 183,8; Polybibl'-. 65, S. 439-40.JI — 105) X Hist. des litt, anciennes et modernes, avec
morceaux choisis extraits des meilleurs auteurs des divers sidcles. Litt, unoiennes: hebralqne, grecqne, latine; litt, etrangdres
modernes: italienne, espagnole, anglaise, allemande. Paris, Ponssielgne. VII, 636 S.; .347 S. — 106) H. Middendorf, E.
Combes, Profils et Types de la litt, allemande: MünchNN. 1892, 30. Nov. — 106a) X A. Qnilland, Un roanuel d'hist.
allemand: RPL. 1, 8. 76.3/5. (Ueber R. Stenzler, F. Lindner, H. liandwehr. Lehr- u. Lebebuch d. Gesch.) — 107) O J.
2*
I 1 : 108-110 0. Harnack, Litteratargeschichte. 1892, 1893.
g-eschichte von neuem und in Amerika g-ab Green e**^^) Carlyles noch immer lebens-
kräftig-e Vorlesung-en über Litteratur aus dem J. 1838 neu heraus. — Gleichfalls in
Amerika erschienen Essays über deutsche Litteratur von Boyesen '<^^), welchen
Grimm warme Anerkennung- zollt. —
Unter den zeitlich umfassenden lokalen Littera turg-eschichten nimmt
das g-rosse Werk über die „Geschichte der deutschen Litteratur in der Schweiz"
von Baechtoldi'o), dessen Schlusslieferung im Berichtsjahr 1892 erschienen ist, den
ersten Platz ein. Dem gesamten Werk ist der lokale Charakter, der einem solchen
Stoff angemessen ist, deutlich aufg-epräg-t; es ist echt schweizerisches Gewächs; doch
stumpft die Liebe, mit welcher der Vf. den einzelnen Erscheinungen nachg-eht, und
der Stolz, mit dem ihn bisweilen ihre weitreichende oder massgebende Bedeutung-
erfüllt, die Kritik nicht ab. Die Sprache zieht das kräftige derbe Wort dem leisen
und zarten vor, verschmäht scherzhafte Wendung-en nicht, weiss aber auch ernste
und feierliche Töne zu finden. B.s Darstellung- des Mittelalters können wir hier nicht
beurteilen; zur Neuzeit führt er uns in seiner sehr eingehenden Schilderung- der
dramatischen Poesie des 16. Jh. hinüber. Ein in den Anmerkung-en gegebenes „chrono-
log-isches Verzeichnis aller datierten Aufführungen deutscher Dramen in der Schweiz"
giebt die feste Grundlag-e für dieses Kapitel. Dies Verzeichnis, das etwa zweihundert
Nummern umfasst, beruht grossenteils auf archivalischen Angaben, und wo dies nicht
der Fall, auf authentischen chronikalischen Ueberlieferungen; es ist von grösster
litterarhistorischer Wichtig-keit. Im Text giebt B. eing-ehende, meist mit Inhaltsan-
gaben verbundene Nachrichten über alle irgend nennenswerten schweizerischen Dramen
jener Zeit, worunter auch zahlreiche ungedruckte. Neben dem Drama wird das geist-
liche Lied mit besonderem Interesse behandelt. Zwingiis Gestalt wird in sympathischer
Beleuchtung gezeigt, und das Vorurteil bekämpft, als hätte die schweizerische Re-
formation keinen lyrischen Wiederklang gefunden ; zugleich aber werden auch die
Gründe erörtert, warum man die lyrische Kraft und E^ülle der lutherischen Kirche hier
nicht erreichen konnte. Von der Prosalitteratur der Zeit wird besonders den Bibelüber-
setzungen Aufmerksamkeit geschenkt und das Verhalten der Schweiz gegenüber der
lutherischen Uebersetzung dargelegt. Das 17. Jh. ist sehr kurz behandelt; so sehr
B. gewiss Recht hat mit seiner abschätzigen Beurteilung, so wäre ein etwas näheres
Eingehen vom rein historischen Standpunkt aus doch zu wünschen. Im 18. Jh. wird
zuerst Drollinger ausführlicher betrachtet, und dann Haller ein schön abgerundeter,
feingestimmter Abschnitt gewidmet. Hervorzuheben ist hier B.s Urteil über die
„Alpen" ; es ist günstiger als wir es jetzt zu fällen gewohnt sind; er sieht das Wesent-
liche des Gedichts nicht in der unepischen Naturschilderung, sondern in der Dar-
stellung des Volkslebens. „Der Schluss ist stark beschreibend; die grössere Hälfte
jedoch voll Leben und Bewegung. Nicht nur die neue Idyllendichtung belebte sich
an den „Alpen", sondern die im ganzen auf reellem Grunde ruhenden Schilderungen
des Volkslebens sind für ähnliche Versuche in der Folgezeit mehrfach massgebend
geworden." Im Mittelpunkt der Schlusslieferung steht die Gestalt Bodmers, welchen
B. uns in jeder der so verschiedenen Perioden seiner wirklichen wie seiner ein-
gebildeten Thätigkeit nahe zu bringen weiss. Bei der grossen Bedeutung- und den
weitreichenden Beziehungen dieses Mannes gewinnt die Landesgeschichte für diese
Periode einen aligemein-nationalen Charakter, sie enthält wenigstens die hauptsäch-
lichen Elemente der allgemeinen litterarischen Bewegung. Uebrigens hätte B. doch
wohl besser gethan, in der zweiten Hälfte dieses Abschnitts den halb kindisch gewordenen
Patriarchen nicht mehr so in den Vordergrund zu rücken, sondern Lavater als Haupt-
person vorauszustellen, dessen anziehende und ausstrahlende Persönlichkeit einen
grossen Kreis ohne Mühe um sich gruppiert hätte. Auch Breitinger hätte neben
Bodmer wohl eine ausführlichere Behandlung verdient, um so mehr als der Vf. selbst
betont, dass man nur zu oft geneigt sei, die beiden Kampfgenossen vollständig zu
identifizieren. In der Wiedergabe der kritisch-theoretischen Schriften beider Freunde
beschränkt sich B. so ziemlich auf blosses Referieren, und lässt die kritisch-historische
Würdigung öfters vermissen. Dagegen ist alles Biographische mit lebhafter Frische
aufgefasst und dargestellt, mit kräftigen Mitteln wird charakterisiert; auch die
poetischen Schöpfungen oder Versuche werden scharf beurteilt. Der Hauptwert
des Buches aber dürfte in dem neuen hs. Material liegen, das es verarbeitet
hat, auf welches an dieser Stelle jedoch im einzelnen nicht einzugehen ist:
beispielsweise sei auf die Mitteilungen über die in Bern gegen die Züricher Be-
Hosmer, A short hist. of german litt. New ed. London, S. Low. 1892. Sh. 7|6. — 108) O Th. Carlyle, Lectures on the
Hist. of Litt. her. v. Eeag Greene. New-York, Soribners Sons. 1892. 283 S. |[H. Grimm: DLZ. 1892, S. 1491/2.]| —
109) H. H. Boyesen, Essaya on Gernian litterature. London, T. Fischer-Unwin. 1892. 395 S. Sh. 6. |[H. Grimm:
DLZ. 1892, S. 395/7; SaturdayR. 74, S. 512/3.]| (Vgl. JBL. 1892 IV3 : 1; 8a : 65, 110, 113; 8b : 32; 8c : 4; 9 : 7; 10 : 1.) —
HO) J. Baechtold, Gesch. d. dtsch. Litt, in d. Schweiz. Franenfeld, J. Huber. 1892. VII, 637 u. 244 S. Anm. M. 15,20.
|[H.l?.: AZg». N. 795; DRs. 73, S. 156; E. Haug: BLU. S. 631/3; A. Bossert: KCr. S. 10/1; Sohns: COIRW. 21, S. 103; F.
O. Harnack, Litteratur^eschichte. 1892, 1893. I 1 : iii-ii?
strebungen sich erhebende Opposition verwiesen. Mancher neue (auch in der zweiten
Auflage Goedekes nicht berücksichtigte) Poet wird uns vorgeführt; so der Idyllen-
dichter Werdmüller und der Dramatiker Grauer. In die nachfolgenden Anmerkungen
ist eine vollständige, durchweg auf Autopsie beruhende Bibliographie Bodmers und
Breitingers hineinverwebt, die jeder künftigen Arbeit über die „Schweizer" wird zur
Grundlage dienen müssen ; ich hebe daraus nur hervor, dass der zweite Teil von
Bodmers Schrift wider „Lessings unäsopische Fabeln" auf Grund des Originalms.
Breitinger zugewiesen wird. Im ganzen wird gewiss jeder Litteraturfreund aufrichtig
bedauern, dass Baechtold sein von den ältesten Zeiten unseres Schrifttums beginnen-
des Werk mit Bodmers Tode schliessen lässt und nicht bis auf unsere Tage weiter
geführt hat. —
Ein beschränkteres Thema,dieLitteratur Meck 1 e n b u r gs, hat sich Lorenz*")
gewählt. Diesem jungen Autor ist das Studium von Bernays oben besprochenem
Aufsatz (s. N. 44) über „Noten" dringend zu empfehlen. Sein Text ist nur ein
klapperdürres Gerippe, und jeder einzelne Knochen ist mit mehreren Nummern ge-
kennzeichnet, welche angeben, wo man die zugehörigen .Muskeln, Nerven usw.
auffinden kann. Zu 23 Seiten Text gehören 135 Anmerkungen auf 31 enggedruckten
Seiten; es kommt sogar vor, das ein Satz des Textes in der durch mehr als zwanzig
Seiten getrennten Note einfach fortgesetzt wird. Von einer Lektüre der Schrift kann
daher nicht geredet werden, sondern nur von einem stückweisen Zerhacken des
Textes und Zerpflücken der Anmerkungen. Man ersieht dabei, dass der Vf. sehr
fleissig gearbeitet hat und weit mehr aus dem gesammelten Stoff hätte machen
können. Er richtet sein Forschen einerseits auf die geborenen Mecklenburger, anderer-
seits auf die Ausländer, welche eine Zeitlang ihren Wohnsitz in Mecklenburg hatten ;
so kommt auch Ulrich von Hütten unter die Rostocker. Einen besonderen Wert ge-
winnt die Schrift durch das Verzeichnis „neulateinischer Dichter Mecklenburgs", deren
die Noten dreiundsechzig mit biographischen und bibliographischen Daten anführen,
während der Text nur Chytraeus und Caselius nennt (vgl. III 1 : 136). —
Zwei Aeusserung'en aus Böhmen bekunden, wie das dort in lebhaftem
Kampfe sich behauptende Deutschtum auch aus der Geschichte seines geistigen Lebens
und seiner Litteratur Kraft zu schöpfen sucht. Bach m an n''^^ hebt die wechselnden
Phasen des bald unterdrückten, bald kräftig sich erhebenden Deutschtums hervor,
und lässt besonders helles Licht auf Karl Heinrich Seibt fallen, der seit 1763 deutsche
Litteratur in deutscher Sprache an der Prager Universität vortrug und damit den vollen
geistigen Kontakt zwischen Böhmen und dem Reich wiederherstellte. — Speciell mit
der deutschen Litteratur in Prag beschäftigt sich der Vortrag von K l aar.'*''*'*) —
In der Reihe der Sammelwerke aus dem Gebiete der Litteraturgeschichte
steht die von Erich Schmidt und Burdach*''') veranstaltete Ausgabe von
W. Scherers „Kleinen Schriften" voran. Seh. und B. haben sich die Arbeit so geteilt, dass
der erstere den Arbeiten Scherers zur neueren Litteratur, Kunst und Zeitgeschichte,
der letztere den Aufsätzen zur altdeutschen Philologie seine Sorgfalt zugewandt
hat. Absolute Vollständigkeit der Sammlung war die Absicht der beiden Heraus-
geber nicht; auch nicht eine Auswahl dessen, was heute noch am ehesten mass-
gebende wissenschaftliche Bedeutung hätte; sondern der Wunsch, ein charakteristisches
Bild des persönlichen Wirkens und der persönlichen wissenschaftlichen und auch in
weitere Kreise eingreifenden Verdienste Scherers zu geben. Das ist in vorzüglichem
Masse gelungen; gerade aus den kleineren Beiträgen, die zum Teil Tagesblättern ent-
stammen, und deren Aufnahme Missgünstige vielleicht bekritteln mögen, tritt die
Individualität greifbar leibhaftig heraus. Was am merkwürdigsten in ihr erscheint,
ist die Verbindung des durch und durch Modernen mit einer Gesinnung der Pietät
für die Grösse deutscher und antiker Klassik, wie sie wärmer und stärker nicht ge-
dacht werden kann. Viele Gegner Scherers, die sich in das Moderne dieses sprühenden
Geistes nicht finden konnten und daher seine „Poetik" als eine Art Schreckbild
sich und anderen vorzuhalten pflegen, werden vielleicht mit Verwunderung aus diesen
Aufsätzen erkennen, wie einseitig sie den Mann beurteilt haben, und um wie viel seine
Begeisterung für die klassischen Schätze die ihrer heutigen Verteidiger übertreffen
hat. Ich wenigstens kann mich kaum entsinnen, in jüngster Zeit so kräftige Worte
zu Gunsten des klassischen Gymnasiums gelesen zu haben, wie sie aus Scherers
Feder geflossen sind, und mit so schwungvoller Ueberzeugung die Unvergänglichkeit
unserer klassischen Dichterwerke preisen gehört zu haben, wie es Scherer gethan hat.
V(etter): SchwB«. 3, 1, S. 218-21; Geg. 43, S. 127; RH.50, 8.222.|| — 111) K. Lorenz. D. Anteil MecWenbnrgrs an d. dtsch.
Nationallitt. v. d. Anf&ngen bis z. Ende d. 17. Jh. Dias. Rostoclc, Stiller. 64 S. M. 1,60. — 112) H. Baohmann, Dtsch.
Geistesleben in Böhmen: VossZgB. 1892, N. 34. — 113) A. Kl aar, D. dtsch. Lttt Prags. Vortr.: Bohemia N. SO. (Referat.)
— 114) O X J- Wiesner, Kloster Adraont in d. Litt.-Ge8ch. : HPBll. 110, S. 362 — 115) X **. Xigg, Biographien d. österr.
Dichterinnen n. Schriftstellerinnen. Kornnenbnrg, Kahlhopf. 61 S. M. 2,00. — 116) X Neuere irissenschaftl. n. litt. Leistangen
d. dtsch. Jesuiten: Kath. 1, S. 172. — 117) W. Scherer, Kleine Schriften. Her t. Rrioh Schmidt n. K Bnrdach. 8 Bd«,
I 1:118-121 O. Harnack, Litteraturg-eschichte. 1892, 1893.
Es fehlt g-anz und gar die zaghafte Resignation, welche jetzt fast die Regel — auch
bei Gleichgesinnten — geworden ist. Aber die Frage taucht auf: ist niclit an der
Verzerrung, welche Scherers Bild bei seinen Gegnern erfahren hat, auch manche
Einseitigkeit der Schüler mitschuldig? Mir wenigstens will es scheinen, wenn ich
diese Aufsätze durchgehe, als ob ihr Gedankenreichtum unter den Anhängern
Scherers sehr ungleichmässig fortgewirkt habe, dass im ganzen nur mit wenigem
von ihnen weitergewirtschaftet wird. Freilich wäre im Zusammenhang damit eine
Untersuchung wünschenswert, inwieweit Scherers Gedankenkreis sich im Lauf der
Jahre selbst verändert hätte, und einzelne Gedanken nur bestimmten Jahren an-
gehörten. Dies würde eine chronologische Anordnung der Schriften erfordern,
während die Herausgeber eine Anordnung nach sachlichen Gruppen vorgezogen
haben. Seh. gliedert den Stoff in „Essays zur Litteratur, Kunst, Politik", „Litterarische
Rundschau," „Recensionen und Abhandlungen zur neuhochdeutschen Litteratur-
geschichte." Verwandtes findet sich in B.s Band unter den Rubriken „Poetik",
„Litteraturgeschichte" (Mittelalter), „Universität und Schule". Auf die einzelnen, zum
Teil schon vor mehr als zwanzig Jahren entstandenen Aufsätze einzugehen, liegt
naturgemäss ausserhalb des Rahmens dieser Jahresberichte. — Der zweite uns vor-
liegende Sammelband litterarhistorischer Studien ist Michael Bernays gewidmet i*^).
Leider haben die Schüler und Freunde, welche auch den Anlass dieser Huldigung
nicht angeben, es ebenso unterlassen, irgendein zusammenfassendes, charakterisierendes
Wort vorauszuschicken oder nachzusenden, welches die geistige Gemeinschaft, in der
sie sich fühlen, und die Art der wissenschaftlichen Anregung, welche sie von dem
geistvollen und vielseitigen Gelehrten empfangen haben, bezeichnet. Die sehr ver-
schiedenartigen, auch in die englische, französische und spanische Litteraturgeschichte
hinübergreifenden einzelnen Aufsätze müssen den betreffenden Specialrubriken der
Berichte zur Beurteilung überlassen werden. — Zum siebzigsten Geburtstage K. von
Maurers haben eine Reihe seiner Schüler dem verehrten Lehrer eine Sammlung
„Germanistischer Abhandlungen" dargebracht^'^). — Einen interessanten Band etwas
altkluger Essays hat Weig an d '^o) herausgegeben. Vier Essays freilich beschäftigen
sich mit der französischen Litteratur, und der fünfte, welcher „Zur Psychologie des
19. Jh." betitelt ist, giebt mehr eine Psychologie des Vf.; aber es fällt doch einiges
für die deutsche Litteraturgeschichte ab. Eine Betrachtung über Wilhelm von Humboldt
erklärt aus seinem geistigen Aristokratentum die geringe Wirkung, welche er heute, in
einer demokratischen Litteraturperiode, ausübt; auch mehreren neueren Schriftstellern
Deutschlands sind einige Seiten gewidmet. Im ganzen entspricht die Bedeutung
dessen, was W. zu sagen hat, nicht der Tiefe der weisen Runzeln, in welche er seine
Stirne zieht; es fehlt die Klarheit der Grundsätze; zwischen der stofflichen, den Wert
des psychologischen Materials vor allem schätzenden Auffassung der Poesie und der
an Schönheit der Form sich begeisternden Anschauung hat er bisher weder den Aus-
gleich--noch die Versöhnung gefunden, so abgeklärt und gesammelt er auch schreiben
will. — Weigands Essays führen uns zu den zahlreichen Publikationen hinüber,
welche die Litteratur nur nach ihrer heutigen Art und Wirkung betrachten, aber
auf diesem Wege doch zu allgemeingiltigen Resultaten zu kommen glauben. Die
Ueberschätzung des Nächstliegenden, des „Aktuellen", hat in einem sehr bedenklichen
Masse zugenommen, und droht einer sicheren historischen Erkenntnis immer mehr
den Boden zu entziehen und die Lebensluft zu rauben. Es wäre ein schönes Ver-
dienst dieser Jahresberichte, wenn es ihnen gelänge, auf litterarischem Gebiet gegen-
über der erdrückenden Fülle der herandrängenden Phänomene des Tages der Kritik
den Halt fester historischer Erkenntnis wahren zu helfen. In dem Buch „Neuland"
von Ella Mensch i^i) ist durch die Nähe des Standpunkts das Augenmass für die
Grösse der einzelnen Erscheinungen ganz verloren gegangen. Unbedeutende Feuille-
tonisten werden neben gewichtigen Männern als Autoritäten genannt. Die einzelnen
Schriftsteller werden nach ihrer Bedeutung für eine moderne Weltanschauung ge-
messen, deren Inhalt gar nicht angegeben werden und darum auch keinen Massstab
geben kann. Auf diese Urteile können wir hier nicht eingehen ; wir begnügen
uns damit zu konstatieren, dass ein wissenschaftlich wertvolles Urteil nur zu stände
I. Bd.: Kleine Schriften z. altdtsoh. Philol. II. Bd.: Kleine Schriften z. neueren Litt, Knnst u. Zeitgesch. B., Weid-
mann. 1892. XXIV, 782 8.; VII, 415 S. M. 15,00; M. 8,00. |[H. Bettelheim: NationB. 10, S. 725/7; A. v. Weilen:
AZg«. N. 202/3; RCr. 36, S. 301/2; V. V.: LCBl. S. 1549-51; M. Necker: NFPr. 4. Okt.; id.: BLU. S. 609-ll.]| (S u. I 2 : 2.)
— 118) Studien z. Litt.-Gesch. M. Bernays gewidmet v. Schölern u. Freunden. Hamburg u. L., Voss. VII, ."JSO S. M. 8,00.
|[R. M. Meyer: ML. S. 495.'6; LCBl. S. 893; F. Munoker: BBG. 29, S. 641/3; A. Schröter; BLU. S. 581; Grenzb. 3,
S. 287; DR. 3, S. 256; LZg». N. 83; 0. Pniower: VossZg". N. 44.]| - 119) Germanist. Abhandlungen z. 70. Gebnrtst. K. y.
Maurers dargebracht v. 0. Brenner, F. Dahn, C. Gareis, W. Golther, Valtyr, GuÖmundsson, Ebbe Hertzherg,
Finnur Jönsson, Karl Lehmann, Ernst Mayer, Bj. M. Olsen, Axel Petersen, V. A. Secher, Ph. Zorn.
Göttingen, Dieterich. VII, 554 S. M. 16,00. — 120) W. Weigand, Essays (Voltaire, Rousseau, Taine u. Sainte-Beuve. Z. Psycho-
logie d. Decadence. Z. Psychologie d. 19. Jh.) Neue Ausg. München, H. Snkaschik. 1892. 323 S. M.4,50. (Vgl.JBL 1892IV la: 15.) —
121) Ella Mensch, Neuland. Menschen u. Bücher d. modern. Welt. St., Leyy & Möller. 1892 V, 342 S. M. 5,50. (VgL
O. Harnaok, Litteratur^eschiohte. 1892, 1893. I 1 : 122-140
kommen kann, indem man die Erscheinungen der Geg-enwart an der Verg-angenheit,
nicht indem man sie an einer erträumten Zukunft misst. — Der litterarische Essay
hat in Frankreich eine reichere und bedeutsamere Ausbildung gewonnen, und die
dort erschienenen Sammlungen aus beiden Berichtsjahren sind nicht nur zahlreicher,
sondern zum Teil auch wertvoller als die deutschen. Die Namen Taine*22-i23^ und
Brunetiere i24j (vgl. JBL. 1891 I 1:11) haben wir aus Anlass neuer Auflagen oder
Kritiken wenigstens zu nennen. — Durch klare Grundsätze und zuverlässiges Urteil
zeichnet sich das Buch von Doumic'^*) aus, das in einer Reihe von Essays uns
von Dumas bis auf J. Weiss führt. Der Vf. urteilt streng über den modernen
Naturalismus, aber nicht als Anhänger veralteter Theorien, sondern weil er erstens
seine Naturdarstellung nicht wahr, und zweitens in ihm einen starken Zusatz von Roman-
tizismus findet. Die Richtung im ganzen, urteilt D. am Schluss, sei dennoch anzu-
erkennen; denn sie gehe davon aus, dass die Dichtung nicht eine Welt für sich zu
gründen habe, dass das Ideale nur der höchste Ausdruck des Realen sein könne,
dass die Litteratur uns nicht vom Leben abziehen, sondern nur beständig in das
Leben hineinführen müsse; diese Absicht hätten indes, wenn auch mit anderen
Mitteln, die grossen Dichter früherer Zeiten ebenso gehabt. So verständige Worte
bekommt man in dem litterarischen Parteihader Deutschlands selten zu lesen. —
Weniger Ausbeute liefern die Essays von de Vogüe^^e^, welche zum grösseren
Teil politischen Inhalts sind (etwas chauvinistisch gefärbt), und in ihrem litterarischen
Teil sich über verschiedene französische und russische Autoren mit feiner Nach-
empfindung verbreiten, ohne doch eine bestimmte Gesamtanschauung erkennen zu
lassen. 12"?- 133) _ Eine litterarische Enquete über die Zukunft der Litteratur hat in Frank-
reich H u r e t '34) als persönlicher Interviewer zahlreicher Schriftsteller veranstaltet. Im
allgemeinen liefen die Urteile darauf hinaus, dass die Zeit des Naturalismus vorüber
sei; selbst seine persönlichen einflussreichsten Vertreter wagten nicht eine baldige
Kräftigung für ihn vorauszusagen; allein die Keime der Neugestaltungen zu er-
kennen, wurde für kaum schon möglich erklärt, weil die modernsten Richtungen
der Symbolisten, Decadents usw. noch zu wenig positive Schöpferkraft gezeigt hätten,
als dass man von ihnen beherrschende und epochebildende Leistungen erwarten
könne. — Wie Huret jenseits der Vogesen, so hat in Deutschland Gro tte witz ^'5)
durch eine Enquete bei bedeutenden und unbedeutenden Schriftstellern die Zukunft
der Litteratur feststellen wollen ; die Antworten sind so ungleich ausgefallen, dass
man aus ihnen nicht einmal entnehmen kann, wie man sich im J. 1892 in Deutsch-
land die Zukunft der Litteratur gedacht hat; auch die Antworten derjenigen, welche
bloss erklärten, dass sie nichts zu sagen hätten, hat G. gewissenhaft abgedruckt. —
In Italien klagte Capuana'^«-) i-^^ ^er Einleitung seiner Essays, welche italienische
und französische Schriftstefler behandeln, über den Verfall der schönen Litteratur und
des Theaters, welche beide keine einflussreiche Rolle mehr im italienischen Geistes-
leben spielten. *3-- 139) —
Es seien hier noch verschiedene Schriften angereiht, welche einzelne
Seiten oder Stoffgebiete des litterarischen Schaffens durch den Gang der Entwick-
lung hin verfolgen. Graffun der s i*») Vortrag (vgl. 14: 148) fällt nur durch einige
allgemein einleitende Aeusserungen in den Rahmen dieser Berichte. Er meint, um
den deutschen Nationalcharakter zu erkennen, könne man nur die altdeutsche
Litteratur zu Rate ziehen, da unsere neuere Litteratur durch die klassische einen
kosmopolitischen Charakter trage. Mir scheint darin ein doppelter Fehler zu liegen:
erstens hat auch die Dichtung des Mittelalters sehr viel fremde Einflüsse erfahren,
zweitens ist unsere klassische Dichtung trotz ihres Humanitätscharakters durchaus
nicht kosmopolitisch; ein idealisiertes Deutschtum, veredelt durch das, was man für
Griechentum hielt, schwebte unsern grossen Dichtern vor, und wer Hermann und
Dorothea dichtete, hatte nicht nötig ins Mittelalter zurückzugehen, um Deutschtum
JBL. 1892 I 4:856; IV la:4.) — 122) X H.Taine, Nonveanx essais de critique et d'hist. 5. 6d. Paris, Haohette. 1«». 332 S.
Fr. 3.60. — 123) X id., Essais de critique et d'hist. 6. 6d. ib. XXXI, 492 S. Fr. 3,50. — 124) X E. Fagnet: RPL. 1892.
1, 8. 440; GidsS, S. 166-76. — 125) R. Donraic, Portraits d'ecrivains. Paris, Delaplane. 330 S. — 126) K M. d e Vogfie,
Regards bist, et litt. 2. 6d. Paris, Colin et Cie. 1892. 364 S. (Vgl. JBL. 1892 I 11 : 101.) — 127) O X A. France, La vie
litt. Paris, LÄvy. XVI, 372 S. Fr 3,50. — 128) X O Memoires de la yie litt (1878-84): (= Journal desGonconrt. 2. sirie,
3. voL). Paris, Charpentier & Fasquelle. VIIl, 357 8. Fr. 3,50. — 129) X O Marie Leyoyer deChant^pie. Souve-
nirs et impressions litt. Paris, Perrin et Cie. 283 8. - 130) O X A. Bajn, L'anarchie liti Paris, L. Vanier. 1892. 35 8.
Fr. 0,60. (Vgl. JBL. 1892 I 11 : 203 ) - 131) X O P- Stapf er. Des repntatations litt. Essais de morale et d'hist. Paris, Haohette.
16». XII, 388 S. [RPL. 1, 8. 769.]! — 132) X G. Pfilissier, Essais de litt, contemp. Paris, LecÄne, Ondin et Cie. 399 S.
Fr. 3,50. - 133) O X E- Gerth, Z. litt. Kritik in Frankreich: BLÜ. 1892, 8. 417/9. — 134) J. Huret, Enquete sur
l'erolution litt. Conirersations arec Mm. Renan, de Goncourt, Emile Zola etc. 2. raille. Paris, Charpentier. 1891. XXI, 456 8.
M. 3,50. (Vgl. JBL. 1891 IV 11:3.) - 135) K. G rotte witz, D. Zulcunft d. Litteratur. B., Hochsprung. 1892. 128 8. M. 1,50.
(Vgl. JBL. 1892 I 11:259-60.) — 136) L. Capuana, Libri e teatro. Catania. Giannotta. 1892. XXXVII, 283 8. L. 2,50.
|[NAnt. 42, 8. 161/8.]| — 137) X Einiges ober d geistige Produktion Deutschlands: TglRsB. 1892, N. 112. — 138) X A. Fried-
mann, Litt. Geplauder: Dichterhalle 12, 8. 126/8. — 139) X L. Prinkel, D. neudtsch. Litt, im Lichte d. Wissensch.:
Geg. 44, B. 57/8. — 140) P. Graffunder, D. dtsoh. Natianalcharakter in altdtsch. Dichtungen, Fürsten walde, Qeelhaar.
I 1 : 141-158 0. Harnack, Litteraturgeschichte. 1892, 1893.
zu finden. G.s im einzelnen sehr wohl g-elung-ene, hübsche Darstellung- hätte diese
Verbrämung übrigens gar nicht nötig. i**) — Ein Vortrag von Krauss'^^-j ü^er
die dichterische Behandlung der württembergischen Fürsten ist mir nicht zugänglich
gewesen, ebenso wenig zu meinem Bedauern Becks'*^) Arbeit über die protestantisch-
rehgiöse Volkslitteratur, welche Anerkennung erfahren hat, doch nur für die
rationalistische Periode dürftig gefunden worden ist.i*^") —
Im folgenden stelle ich eine Anzahl Schriften zusammen, welche den
praktischen Beruf und die äussere Lage der Schriftsteller behandeln. Das
elementare Werkchen von Keiter^^*) ist in vierter Auflage erschienen; ein ähnliches
Schriftchen, dessen mangelhafter Stil bei einem Ratgeber für Schriftsteller besonders
auffällt, hat Schinkei^^) herausgegeben. — Wildenbruch i^«) ist in schwungvoller
Rede für die Hebung des öffentlichen Ansehens der Schriftsteller eingetreten, während
Spielhagen i^'^) ihre gegenwärtige Stellung wohl mit etwas zu viel Optimismus
charakterisiert. — Kuhmerker^^^) rechtfertigt die grosse Anzahl schriftstellerischer
„Proletarier", deren Erzeugnisse unbeachtet vorüber gehen, weil den Vf. ein Name
fehlt, und die doch oft Wertvolles enthalten. — Friedmann i*^) spricht leb-
haft über die Pflicht des journalistischen Kritikers, sich vorurteilslos in das zu
kritisierende Werk zu versenken, und nicht nach vorgefassten Theorien es abzu-
urteilen, wogegen Berg i'^o) diese Forderung der Objektivität als der freien rückhalt-
losen Meinungsäusserung widersprechend bekämpft, ja auch die egoistische „Politik"
des Kritikers entschuldigt; zur Hebung des Ansehens der litterarischen Kritik würde
die Verbreitung letzterer Ansicht kaum beitragen. i^^"^^^) —
Zu Gunsten des Publikums schreibt Schönbach *^*"'*^); gleichsam als
Nachträge zu seinem bekannten trefflichen Buche (vgl. JBL. 1890 I 5 : 44) erschienen
zwei kleine Aufsätze: „Ueber Lesen und Schreiben" und „Was wir lesen". Seh. ist
ein scharfer Beobachter der thatsächlichen Lektüre unserer Gebildeten und ein ver-
ständnisvoller Ratgeber zu passender Auswahl des Lesestoffs; etwas Eingenommen-
heit zu Gunsten katholischer Litteratur macht sich dazwischen geltend. — An-
erkennung hat auch ein verwandtes, mir unzugänglich gebliebenes Büchlein von
Keiter^^ö) gefunden. — Die Absicht, Litteraturkunde als Prüfstein allgemeiner
Bildung examenmässig zu verwenden, bekämpft ein anonymer Universitätslehrer *^').
— Gegenüber all diesen in der Betrachtung der Tagesbedürfnisse sich begnügenden Ver-
suchen erscheint gewaltig, wie aus einer anderen Welt stammend, was de Lagarde'^^)
in seinen „Deutschen Schriften" als Richtpunkte für das litterarische Leben hinstellt.
Die einzelnen Abhandlungen, welche im dritten Abdruck der Gesamtausgabe vereinigt
sind, stammen zum Teil schon aus langvergangenen Jahren; sie berühren auch die
Litteratur nur flüchtig; aber das raubt ihren Aussprüchen weder Frische noch
Gewicht. Wenn heutzutage in dem Drang nach dem Modernsten sich manche Schrift-
steller mehr und mehr bemühen, Eintagsfliegen zu werden, so redet hier ein Mann,
der nur dauernde, organisch gewachsene Litteratur und nur ein in den natürlichen,
eigentümlichen Verhältnissen des Individuums und des Volkes fest begründetes
litterarisches Interesse anerkennt. Daher sein Grimm sowohl gegen die Zeitungs-
lektüre der Männer als gegen die Goldschnittlitteratur der Frauen. Beides hat frei-
lich, seitdem er seine zornigen Worte schrieb, noch ins Grenzenlose zugenommen,
und es ist keine Aussicht, sobald auf den von ihm gewiesenen Weg zu gelangen. —
Gleichsam als Bekräftigung dessen führe ich hier noch ein paar registrierende und
lexikalische Werke an, die für das heutige litterarische Leben bezeichnend oder
unentbehrlich sind. Zwei „Citatenschätze" sind in den Berichtsjahren ans Licht
getreten; die thatsächliche Beliebtheit solcher Bücher ist nicht zu bestreiten. Das
48 S. M. 0,75. — 141) X H. A. ReuBch, Heimat- u. Vaterlandsliebe in Dichtermnnd u. Völkerleben: NBllEU. 22, S, 73-97.
— 142) O Rnd. Krauss, Württemberg. Fürsten in Sage u. Dichtung: KBGV. 41, S. 129-38. — 143) O H. Beck, D. relig.
Volkslitt. d. evangel. Kirche Deutschlands in e. Abriss ihrer Gesch. (= Zimmers Handbibl. d. prakt, Theologie Bd. X, c).
Gotha, Perthes. X, 291 S. M. 5,00. |[LCB1. S. 235/6.]| — O 143a) A. F. W. Fischer, D. kirchl. Dichtunjr, hauptsächlich
in Deutschland. f= Zimmers Handbibl. d. prakt. Theologie. Bd. VI, a). ib. 1892. XV, 241 S. M. 3,80. |[E. Chr. Achelis:
ThLZ. 18, S. 335/8.JI — 144) H. Kelter, Prakt. Winke. Für Schriftsteller u. solche, d. es werden wollen. 4. Aufl. Regens-
burg, Selbstverl. 12«. 52 S. M. 0,60. |[DE. 1, S. 395.]| (Vgl. JBL. 1891 I 1: 65.) - 145) C Schinke, D. Schriftsteller.
Ratgeber für d. Mitarbeiter d. litt. Zeitungs- u. Zeitschriften- Verkehrs. Zürich, Th. Schroeter. 1892. 94 S. M. 1,50. —
146) E. V. Wildenbruoh, Rede z. Bankett d. Schriftstellerverbandes: NatZg. 22. Jan. (Referat.) — 147) F. Spielhagen,
D. gesellschaftl. Stellung d. Schriftsteller: ML. 61, S. 16,8. — 148) H. Kuhmerker, D. schriftstellerische Proletariat:
Dichterhalle 12, S. 94,6. 110/1, 128/9. — 149) A. Fried mann, V. feindlichen Brüdern (Dichtung und Kritik): ib. S. 5/6,
26/7. — 150) L. Berg, D. heilige Objektivität: ML. 62, S. 91,3. — 151) X 0. Neumann-Hofer, D. litt. Erbrecht: Zeit-
geist N. 52. - 152) X A. Kerr, D. Zeitschriften n. d. Litt.: ML. 61, S. 36/9, 218-22, 469-70, 479-81, 675/7. (Vgl. auch
JBL. 1892 IV le:378.) — 153) X F. Hirsch, Suum ouique. E.Wort wider e. litt. Unrecht. Dem allg. dtscli. Journalisten-
u. Schriftstellertage v, 11. Sept. zu Weimar gewidmet : ib. S. 569-71. — 154) A. E. Schönbach, Ueber Lesen n. Schreiben:
Geg. 44, S. 335/7. — 155) id., Was wir lesen (Blätter aus meinem Merkbuche): Vom Fels z. Meer 1892, S. 200'4. —
156) O H. Keiter, D. Kunst, Bücher zu lesen u. namentl. dichterische Erzeugnisse zu würdigen. Regensburg, Selbstverl.
12». IV, 88 S. M. 0,75. |[ÖLB1. 2, S, 239; LZgU. N. 42.J| - 157) Dtsch Litteraturkunde als Prüfstein allgemeiner Bildung!
V. e. akad. Lehrer: ML. 61, S. 299-300. — 158) P. de Lagarde, Deutsche Schriften. Gesamtausgabe letzter Hand. 3. Abdr.
Göttingen, Dieterich. 1892. 420 S. M. 4,00. |[G. Roethe: VossZtgB. N. 5/6 (nicht blosse Reo., sondern e. Naohsohaffen
I
O. Harnack, Litteraturg-eschichte. 1892, 1893. . II: 159-172
wertvollere von beiden ist das von Eiohneri^''), das eine sehr ausgebreitete Litteratur-
kenntnis und treffenden Takt in der Auswahl zeigt; daneben ist Neumanns '^*>)
Sammlung ein etwas naives Büchlein, das aus den bekanntesten Dichtungen haupt-
sächlich „schöne" Stellen, die weniger zu denken geben, als das Gemüt anregen, zu-
sammenbringt 1^'), —
Auch für den Litterarhistoriker hat Interesse die Schrift von Melitz'ß^^.
Er giebt eine übersichtliche Inhaltsangabe der Theaterstücke der Weltlitteratur,
nach alphabetischer Anordnung der Dichternamen; das Buch soll zu praktischen
Theaterzwecken dienen, und mag zur ersten Orientierung für denjenigen, dem der
Inhalt eines Stückes bisher gänzlich unbekannt war, brauchbar sein ; über eine
mechanische Wiedergabe der Momente der äusseren Handlung geht es nicht hinaus
(man lese nach, was über Goethes Tasso gesagt ist). Die Masse des gesammelten
Stoffes giebt ihm trotzdem einen gewissen Wert. — Von biographischen Lexicis ist
an erster Stelle „der Kürschner" '^3) zu nennen, der mit jedem Jahrgang praktischer
und vollständiger sich gestaltet; letzteres wird dadurch nicht beeinträchtigt, dass
auch manche Namen, welche einmal verzeichnet waren, wieder verschwinden, wenn
sie sich nicht dauernd als Schriftsteller-Namen bewähren.^^^^ — Von Hinrichsens ^^^)
litterarischem Deutschland ist die zweite Auflage erschienen, welche manche neue
Artikel bringt, aber nicht alle früheren bis auf die neueste Zeit fortgeführt hat und
dadurch an Wert einbüsst. — Gegen die ADB. richtete Geiger ^^^) einen sachlich
nicht unberechtigten Artikel, welcher die Ungleichmässigkeit der einzelnen Lebens-
beschreibungen und die unbequemen Abweichungen von der alphabetischen Reihen-
folge tadelte, vielleicht aber die grossen Schwierigkeiten der Leitung eines solchen
Unternehmens nicht genügend berücksichtigt. — Der verdienstvolle Herausgeber,
von Liliencron *^'), verteidigt sich in einer liebenswürdigen, für Anerkeunung
mildernder Umstände plaidierenden Erklärung. — Wurzbachs ^^^) für eine Menschen-
kraft fast zu gross scheinendes biographisches Werk (vgl. JBL. 1891 I 1:55) wurde
endlich mit dem 60. Band abgeschlossen. Die grossen Verdienste dieses Werkes in
der Herbeischaffung eines gewaltigen Thatsachenmaterials sind allgemein bekannt
und gewürdigt; in der Ausführung macht sich freilich öfters der politische oder
nationale Standpunkt geltend, welcher manches verschweigen lässt, was dem Heraus-
geber zweifellos bekannt war. — Die auch für die Litteraturgeschichte reichhaltigen
allbekannten Werke von Brockhaus ^^9) und Meyer '"^^^ fuhren fort in neuen
Auflagen zu erscheinen. Gegen das letztere wurde von socialdemokratischer Seite
(in der NZ^*.) ein scharfer Angriff gerichtet, der vieles entstellte und aufbauschte,
aber auch manche unzweideutige Neigung zu tendenziöser Darstellung aufdeckte.
Es ist zu wünschen, dass solche Nachschlagewerke sich der äussersten Sachlichkeit
und peinlichsten Objektivität befleissigen. — Von grosser Bedeutung für die philo-
logische Behandlung der Litteraturgeschichte ist das grosse Quellenwerk: „Ver-
zeichnis der Hss. im Preussischen Staate"*''') (vgl. I 3 : 28). Der erste Band umfasst nur
einen Teil der Hss. der Göttinger Universitätsbibliothek, doch unter ihnen schon die-
jenigen, welche für die deutsche Litteraturgeschichte in Betracht kommen. Es sind
in der Abteilung „Philologie" die N. 183 0— 209, in der Abteilung „Historia
Litteraria" besonders die Sammlung der Biographien (N. 10—46). Das dort Re-
gistrierte hier wiederum zu registrieren, würde zu weit führen. ~ Von dem Jahres-
bericht über die Erscheinungen auf dem Gebiet der germanischen Philologie* ''2) sind
der 13. und 14. Jahrgang erschienen; dieser Bericht erfüllt bekanntlich seine Aufgabe
in umfassendster Art, indem er alle Zweige germanischer Philologie berücksichtigt,
schränkt sich aber in zeitlicher Richtung ein, indem er nur bis zum 16. Jh. der
litterarhistorischen Forschung folgt und sich an diesem Punkt mit unseren Jahresberichten
d. Gedanken de Lagardes).]! (Vgl. JBL. 1892 IV 5 : 290.) — 159) W. Eichner, Aus Werkstätten d. Geistes. E. litt.
Citatenschatz. Frankfurt a. 0., H. Andres & Cie. 800 S. M. 6,00. — 160) H. Neumann, Dichterworte. Aussprüche hedeu-
teuder Geister aller Nationen. Breslau, Koebner. 111, 232 S. M. 2,00. — 161) X A. H. Fries, D. kleine Böchmann. 2. Aufl.
L., Gessner & Schramm. VII, 120 S. M. 1,50. — 162) L. Melitz, D. Theaterstücke d. Weltlitt., ihrem Inhalte nach wieder-
gegeben. 2., völlig neu bearb., durchwegs verb. Aufl. Mit e. Einl. z. Gesch. d. dramat. Litt. (r= Konversations-Lex. d. Weltlitt.
Bd. 1.) B. u. L., Wiener. LVIII, 643 S. M. 5,00. |[ÖLB1. 2, S. 557.] | - 163) J. Kürschner, Dtsch. Litt.-Kalender auf
d. J. 1893. 15. Jahrg. Eisenach, Selbstverl. 12». 1586 S. Mit 2 Bildern. M. 6,50. |[LCB1. S. 991.]| — 164) XV. Har-
dung, Schweiz. Litt.-Kalender. Zürich, Erb. IV, 259 S. M. 3,00. |[LCßl. S. 1318/9.]| — 165) A. Hinrichsen, D. litt.
Deutschland. Mit Einl. v. C. Beyer u. Sachregister v. J. Frhr. v. Wagner. 2. Aufl. B., ,Norddtsch. Verl 1892. -XXVI,
1471 S. M. 18,00. — 166) L. Geiger, Die ADB. E. Notschrei: NatZg. 1892, 31. Dec — 167) ß. v. Lilien-
cron. In Sachen d. ADB.: ib. 8. Jan. — 168) Wurzbachs Biograph. Lexikon d. Kaisertums Oesterrelch: AZg". 1892,
N. 207. (S. u. 1 2:40.) — 169) Brockhans, Konversationslexikon. 14. Aufl. 7. u. 8. Bd. L., F. A. Brockhaus. 1028 S.;
1020 S. ä M. 10,00. |[Alex. Meyer: Nation«. 10. S. 889; BLU. S. 4623; Ed. Sack: FZg. 30. März.]| — 170)
Meyers Konversationslexikon. 4. Aufl. 19. Bd. Jihres-Supplement 1891-92. L., Bibliograph. Inst. XIV, 1018 S.
M. 10,00. IfNZSt. 11, ji^. 20, 22.]| — 171) Verzeichn. d. Hss. im Preuss. Staate. I. Prov. Hannover. 1. Göttingen. 1. Universi-
tätsbibl Philologie, Litt.-Gesch , Philos , Jurisprudenz. B., A. ßath. X, 587 S. M. 20,00. (D. kurze Vorwort ist unter-
zeichnet v. Wilh. Meyer, ohne dass darin angegeben wäre, in welcher Beziehung dieser zu der im Auftrag des Unterrichts-
ministers erfolgten Sammlung steht; vgl. auch 1 3:28 9.) |[M. Perlbach: CBlBibl. S. 547 9.J| — 172) JB. über die Er-
scheinungen auf d. Gebiete d. germ. Philologie. Her. v. d. Ges. für dtsch. Philologie in Berlin. 13. Jahrg. u. 14. Jahrg.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 3
I 1 : 173-174 I 2 : 1.4 W. Golther, Geschichte der deutschen Philolog-ie.
berührt. Doch sind die allg-emeinen Darstelhing-en der deutschen Litteraturg-eschichte
wie auch die Schriften zu ihrer Methode vollständig- verzeichnet (Abschn. VI).
— Diese Jahresberichte^'^) wurden in beiden Berichtsjahren vielfach in deutschen,
wie in ausländischen Zeitschriften besprochen, und allgemein die Notwendigkeit eines
solchen Unternehmens wie die grosse Stofffülle und die im ganzen praktische
Anordnung der vorliegenden Bände anerkannt. — Dagegen muss dieser Bericht
leider mit der Anzeige eines Verlustes schliessen. Im J. 1893 stellte die am
speciellsten der deutschen Litteraturgeschichte sich widmende Zeitschrift, die „Viertel-
jahrschrifl" mit Beendigung des 6. Bandes ihr Erscheinen ein. Der Ilerausg-eber,
Seuffert^'*), verabschiedete sich trüb lächelnd mit einem von Wieland entlehnten
Schlusswort, und gern wird ihm jeder das Zeugnis ausstellen, dass es der Zeitschrift
an seiner rüstig-en Thätig-keit niemals gefehlt hatte; dageg-en dürfte die mangelhafte
Anteilnahme des Publikums wohl erwiesen haben, dass das Programm sich zu enge
Grenzen gesteckt hatte, um einen genügenden Leserkreis anziehen zu können, und
dass eine Erweiterung, wie sie Sauers „Euphorion" (vgl. JBL. 1894 I 1) jetzt durch-
g-eführt hat, die notwendige Bedingung" für weitergreifenden Einfluss und dauernde
Existenz bildet. —
1,2
Geschichte der deutschen Philologie.
Wolfg-ang" Golther.
Geschichtliche Uebersichten N. 1. — Vorläufer (D. von Stade, C. E. Steinbach, J. Spreng, J. Chr. Strodtmann,
F. J. Stalder) N. 3. - Brüder Grimm N. 8. — Von der Hagen N. 14. — Schmeller N. 15. — Lachmann: Säkularfeier N. 16;
Briefe N. 22. — Haupt N. 24. — Gervinus N. 25. — Einzelne jüngere Gelehrte (Zarncke, Lexer, Wieen, E. Köhler, Bacmeister,
K. E. H. Krause, Frischbior, Knorr, Lindenschniit, Zingerle, Wurzbach, Hartfelder, ten Brink, E. v. GottEChall) N. 26. — Ver-
schiedene Forscher (E. Burnouf, F. Bopp, G. Cartius, Max Müller) N. 48. —
Eine Ueb ersieht über die Geschichte der germanischen Philolog-ie an
der Berliner Hochschule giebt uns Weinholds*) Rektoratsrede, 50 Jahre nach Lach-
manns Rektorat gehalten. W. versteht es, in feinsinnigster Weise die einzelnen Ver-
treter dieser Wissenschaft und ihre Richtungen zu charakterisieren. Zunächst ver-
walteten seit 1810 von der Hagen und Zeune das Amt. 1825 erschien Lachmann,
von 1841 an wirkten die Brüder Grimm als Gäste an der Universität. Lachmann,
der geborene Kritiker, der scharfsinnigste Beobachter der geistigen Art des sprach-
lichen Ausdrucks, der metrischen Kunst eines Dichters; Jacob Grimm, der g-eniale
schöpferische Forscher, der Entdecker neuer Gebiete, der kindlich poetischen Sinn
mit wunderbarem Scharfblick verband ; Wilhelm Grimm, in mitten beider, feinsinnig,
künstlerisch angelegt, philologisch sauber. Lachmanns Richtung wurde durch
Haupt, J. Grimms durch Müllenhoff fortgeführt. Mit Scherer kam die sprach-
wissenschaftliche Strömung und die Litteraturgeschichte, besonders der neueren
Zeit, zu stärkerer Geltung als zuvor. W. wünscht in der Litteraturgeschichte Ver-
einigung der philosophisch-ästhetischen und der philologischen Betrachtung. Einseitige
Behandlung ist schädlich. Der Philologe allein gerät leicht in Einzelheiten und
Kleinigkeiten, der Aesthetiker in allgemeine Oberflächlichkeit. W. hebt endlich
hervor, wo noch am meisten zu arbeiten sei. Er fordert syntaktische und lexikalische
Studien, namentlich im Anschluss an die Mundart, überhaupt Volkskunde im weitesten
und tiefsten Verstände; er schliesst mit einer ernsten Mahnung an die Studierenden
zu redlicher und eifriger Arbeit. — Der erste Band der durch Erich Schmidt und
Burdach 2) herausgegebenen kleinen Schriften Wilh. Scherers enthält auf S. 1—227
die zahlreichen Arbeiten zur Geschichte der deutschen Philologie. Obenan stehen
die Reden und Aufsätze über die Brüder Grimm, über Lachmann, Benecke und
Haupt; dann kleinere Artikel über Graff, Docen, Massmann, Diemer, Hahn, Jacobi,
Holtzmann, Mannhardt, Adelung, Erduin Julius Koch usw. Man sieht gerne
1. Abt. (1891 u. 92). L., Eeissner. 1892-93. 478 S.; 128 S. h. M. 9,00. - 173) Jahresberichte für neuere dtsch. Litt.-Gesoh.
her. T. J. Elias, M. Herrmann, S. Szamatölski. 1. Bd. (1890). St., Göschen. 1892. XI, 136 n. 196 S. M. 10,00. 2. Bd.
(1891). ib. IX, 196 u. 275 S. M. 12,00. |[E. Wulckow: Zeitgeist N. 1 ; P. N(iithan ): Nation«. 9, S. 595,6; A. Sauer:
DLZ. S. 141/6; BLU. S. 399; SchwäbKron. 1892, 13. Juni; 0. F. Walzel: ZOG. 44, S. 994-1001; L. Frftnkel: ZDU. 7,
S. 433,5; HPBU. 110, S. 229; 0. Harnack: PrJbb. 71, S. 333/4; F Servaes: ML. S 193,4; MLN. 7, S. 63; G. Stein-
hausen: ZDKG. I, S. 141/2; Calvin Thomas: MLN. 8, S. 372,5; F. Muncker: BBG. 29, S. 218-22; F. Lemmermayer:
BLU. S. 211/2; A. Chuquet: ECr. 35, S. 128; LCBl. 1892, S. 130/2; ib. 1893, S. 87,9; MHL. 20, S. 193.]| — 174) B. Seuffert,
Statt eines Schlusswortes : VLQ. 6, S. 628. —
1) (I 1 :40.) - 2) (I 1 : 117.) - 3) Edw. Schröder, Diederich t. Stade: ADB. 35, S. 853/5. — 4) id., Chrph.
W, Golther, Geschichte der deutschen Philolog-ie. I 2 : s-u
Scherers geistreiche, scharfe Charakteristiken in einem bequemen Sammelbande ver-
einig-t, zumal diejenigen Aufsätze und Nekrologe, welche in der Tageslitteratur verstreut
und daher nur schwer zugänglich sind. —
lieber eine Reihe von Vorläufern der grossen deutschen Philologen wird
in der ADB. berichtet. Dietrich von Stade (1637 — 1718) wird von Edw.
Schröder^) als ein trefflicher Kenner des Althochdeutschen, der Sprache Otfrieds
gepriesen. Stade ist der erste deutsche Gelehrte, der über den antiquarischen
Dilettantismus hinaus, bei dem selbst die tüchtigsten seiner Landsleiite, wie Schilter,
stehen blieben, zu der klaren Erkenntnis und Forderung fortgeschritten ist, für
jede einzelne germanische Mundart und für jeden einzelnen Zeitraum müsse zunächst
eine feste grammatikalische Grundlage geschaffen werden. — Des Arztes C. E. Stein-
bach (1698—1741) deutsche Grammatik und Wörterbücher — auch sie behandelt
Edw. Schröder*) — verraten zwar keine altdeutschen Kenntnisse, jedoch gute
Beobachtungsgabe und Einteilung, z. B.Trennung starker und schwacher Konjugation,
Beobachtung des Ablautes in der Nominalbildung und dergleichen. — Der Basler
Joh. Jakob Spreng (1699—1768), den Socin^) bespricht, wurde 1741 Professor
der deutschen Poesie und Beredsamkeit zu Basel. Er verhalf dem durch Gottsched ver-
tretenen modernen Typus der neuhochdeutschen Schriftsprache zum Durchbruche gegen
das bisher übliche süddeutsche Kanzleideutsch. 1744 bereitete er eine Ausgabe des
Boner vor und berichtete an Bodmer von der Möglichkeit, die Manessische Hs. ab-
schreiben zu lassen. Die 1748 von Bodmer veranstaltete Ausgabe ist somit wohl
auf Sprengs Anregung zurückzuführen. Er arbeitete an einem umfassenden historisch-
kritischen Wörterbuch der deutschen Sprache, wovon 1758 ein Probebogen erschien.
Das Werk war auf sechs Bände berechnet, gelangte jedoch nicht zum Druck. Die
Hs. liegt auf der Basler Universitätsbibliothek. Für die Rechts- und Gewerbesprache
des 14.— 16. Jh. ist sie sehr ergiebig. Auch das „Idioticon Rauracense oder base-
lische Wörterbuch" bietet viel zur Kenntnis des Alemannischen im 18. Jh. Das
Werk kann als das beste mundartliche Wörterbuch seiner Zeit bezeichnet werden. —
Joh. Chrph. Strodtraann (1717— 56) macht nach Edw. Schröder^) im „Idioticon
Osnabrugense" verständige Bemerkungen über den Unterschied von Stadt und Land,
Gemeinniederdeutsch und Einzelmundart, Eindringen von holländischen Wendungen.
Die für ihre Zeit beachtenswerten Leistungen wurden aber bald überholt. — Als ein
Vorläufer Schmellers wird der katholische Schweizer Pfarrer und Schulinspektor
Franz Jos. Stalder (1757—1833) von Tobler^) gerühmt. Er schuf seine Werke
aus genauer Kenntnis des Volkslebens wie aus dem Studium der altalemannischen
Sprache. Auf dem Ms. der zweiten Auflage des Stalderschen Idiotikons ist das
grosse neue schweizerische Idiotikon begründet. —
Eine Charakteristik des Urgross vaters der Brü der Grimm, des Konsistorial-
rats und geistlichen Inspektors Friedrich Grimm (geb. 1672 in Hanau, gest. 1748),
gab Steig»), namentlich aus G. Junghans Geschichte der Kirchen Visitationen der
Hanauer evangelisch-reformierten Kirchen im 18. Jh. (Coblenz 1893). In der Er-
scheinung und Anlage glich dem trefflichen Manne am meisten Jakob. — Roden-
berg^) plaudert über seine persönlichen Erinnerungen an die Brüder, über die Be-
ziehungen zwischen ihnen und ihrer hessischen Heimat. — Steigs Buch „Goethe
und die Brüder Grimm" (vgl. JBL. 1892 12:3; IV 8b: 43) rief mehrere Besprech-
ungen hervor. 1*^) Pniower findet, Steig habe zuviel gelobt, sich gescheut, offen zu
sagen, dass Goethe den Bestrebungen der Brüder keineswegs diejenige Wärme ent-
gegenbrachte, die wir heute gewünscht hätten. Dieser Sachverhalt sei wohl zu
verstehen und zu erklären, müsse aber deutlich hervorgehoben, nicht vertuscht werden.
Während Suphans Urteil sehr freundlich klingt, fehlt es nicht an Stimmen, welche zu
wenig Thatsächliches, zu viel Schönrednerei über einen zu so breiter Darstellung nicht
geeigneten Gegenstand vorfinden. Am schärfsten urteilte Steinmeyer: „Vom
germanistischen Standpunkt aus vermag ich in der vorliegenden Schrift nichts zu
entdecken, das unsere Kenntnis vom Entwicklungsgange der Brüder Grimm er-
weitert oder vertieft. Welcher Wert dem Büchlein vom Standpunkt der Goethe-
philologie aus zukomme, überlasse ich deren Adepten zu beurteilen." — In einer
Widmungsschrift zum 80. Geburtstag des Geh. Regierungsrates Aug. Meyer bringt
Schneide win 11) mit Ciceros Schrift De senectute J. Grimms Rede über das Alter
zum Abdruck. — Die kleineren Schriften Jakobs (vgl. JBL. 1890 12:6) zeigte
Behaghel'-) an. — Ueber den Briefwechsel Lückes mit den Brüdern (vgl. JBL.
1891 12:6; 1892 12:10) ward noch kritisch berichtet >3). _
E. Steinbach: ib. S. 684/6. — 5) A. Socin, J. J. Spreng: ib. S. 291/3. — 6)Eclw. Schröder, J. Chrph. Strodtminn: ib. 36, S. 611/2.
— 7) L. Tobler, F. J. Stalder: ib. 35, S. 416/7. — 8) R. Steig, Z. Faniiliengesch. d. Brüder Grimm: KatZg. N. 402. — 9) J.
Bodenberg, J. Grimm: MünchKN N. 434. (Gleichlautend in Didask. N. 217 u. FränkKur. N. 478 ) — 10) 0. Pniower:
VossZg«. N 8/9; B. Suphan: DLZ. S. 111/2; LCBl. S 87, E. Steinmey er: ADA. 19, S. 187,8; E.M. Meyer: ML. 62, S. 75/6.
— 11) M. Schneidewin, Cicero u. J. Grimm über d. Alter. Hamburg, Verlagsanst 108 S. M. 3,00. — 12) X 0. Behaghel:
LBlGBPh. 14, S. 385; Breal: BCr. 35, S. 407/9. — 13) DRs. 75, S. 156. — 141 K. Dziatzko, Briefe Fr. H. v. d. Hagens an
3*
I 2 : 15-18 W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie.
Briefe von der Hag-ens, 12 an C, G. Heyne aus den J. 1805—12,
4 an Benecke 1810—20, veröffentlichte Dziatzko^*). Die Briefe sind teils voll-
ständig-, teils im Auszug- mitgeteilt. Sie betreffen die Benutzung- der Götting-er
Bibliothek, aus der von der Hagen für seine Arbeiten über die altdeutschen Helden-
gedichte namentlich nordische Bücher, Ausgaben der Thidrekssaga und der nordischen
Kjaempeviser verlangte. Auch in den Briefen giebt sich von der Hagen als viel-
geschäftiger, ideenreicher, aber ungründlicher Mann, der sich nicht einmal Zeit
nimmt, einen Brief fehlerlos hinzuschreiben. Schon in früher Zeit war seine Sonder-
art entwickelt. Im ersten Brief aus dem J. 1805 teilt er Heyne seine weitgehenden
Pläne mit: „Ein vollständiges Wörterbuch der schwäbischen Periode (als Supplement
zum Scherz); korrekte Ausgaben alter Hss., besonders noch ungedruckter; historische,
kritische und antiquarische Bearbeitung der bekannten, aus verglichenen Hss.; eine
besondere Grammatik dieses Zeitraums und endlich eine Geschichte der deutschen
Poesie in demselben." Auf von der Hagens bibliothekarische Thätigkeit in Breslau,
welche Reitferscheids Artikel in der ADB. nicht erwähnt, weist D. (S. 3 Anm. 1) hin. —
Schmellers Briefe an den Schweizer Samuel Hopf, die zum Teil schon
von Nicklas in seiner Schmeller-Biographie 1885 verwertet sind, erscheinen nun, von
Ve tter '^) herausgegeben, in vollem Umfange. Sie fallen in eine grosse Zeit (1813 — 14);
Schmellers treöliche Persönlichkeit leuchtet aus ihnen im hellsten Licht. Aus Konstanz,
München und Kempten geschrieben, berichten sie von dem Abschied des Gelehrten
aus der Schweiz, als er in Bayern als Oberlieutenant Dienste thun wollte. Schmellers
inniges Gemüt, seine poetische Anlage, seine vaterländische Gesinnung, seine Weich-
mütigkeit und doch entschlossene Begeisterungsfähigkeit, seine Freude am Soldaten-
leben, alle diese Züge geben ein schönes, lebensvolles, herzerquickendes Bild. —
Am 4. März wurde Lachmanns Säk ular f eier , sein 100. Geburtstag,
festlich begangen. In der Berliner Akademie beleuchtete Vahlen^^) den wissen-
schaftlichen Entwicklungsgang des Gelehrten. Weniger aus fremdem Einfluss als
aus eigenster ursprünglicher Veranlagung, so führte V. aus, erklärt sich Lach-
manns Schaffen auf dem Gebiete der germanischen und klassischen Philologie. Sein
Sinn war gerichtet auf die Erforschung der Sprache in der Eigenheit, wie sie sich
beim einzelnen Schriftsteller, beim Dichter oder Prosaiker, individuell geartet, dar-
bietet. Lachmann besass eine ganz besondere Fähigkeit des Nachempfindens, worauf
seine hervorragendsten Leistungen bei Wiederherstellung der von den Fehlern der
Ueberlieferung gesäuberten Originale zurückzuführen sind. Er vertraute dieser Be-
gabung auch bei Zerlegung der Dichtungen in ihre Urbestandteile. Die Gegensätze
und doch auch verwandten Züge in J. Grimms und Lachmanns Natur suchte V.
feinsinnig zu charakterisieren. — Leo^'') weist hauptsächlich auf Lachmanns Be-
ziehungen zu Göttingen hin: 1809 begann er dort zu studieren, 1815 verliess er als
Privatdocent die Universität, 1837 erhielt er die theologische und juristische Doktor-
würde. L. will versuchen, Lachmanns Art, seine Entwicklung und Wirkung aus
der wissenschaftlichen Bewegung seiner Zeit zu verstehen. Im Göttinger Freundes-
kreise klangen romantische Töne; aus der romantischen Bewegung erhielt Lachmann
die Anregung zur Erforschung des Altdeutschen. Aber trotzdem war Lachmann
das rechte Widerspiel gegen die Romantiker, insofern er vieles ausschloss, z. B.
Märchen, Volkslied und Volkssage. J. Grimm klagt, dass so vieles, was ihm am
Herzen liege. Lachmann gar nicht berühre. Vor allem aber als Kritiker war Lach-
mann der Romantik abhold. Seine wissenschaftliche Persönlichkeit wird nun aus
der klassischen Philologie beleuchtet. Lachmann fand in ihr das Rüstzeug vor,
das der sich bildenden deutschen Wissenschaft vor allem Not that. Er hat sein
Leben hindurch mit dem Meissel und Richtmass der einen die Bausteine der anderen
behauen und gefügt, doch so, dass er unter der Arbeit das eigene Werkzeug schärfte
und seinen richtigen Gebrauch entdeckte und lehrte. Lachmanns Kritik ordnete
die Ueberlieferung und prüfte sorgsam die Zeugen; durch scharfes Eindringen und
liebevolles Hineinfühlen in des Dichters Art suchte er dessen Absichten zu erkennen
und die entstandenen Schäden zu heilen. Sein ganzes Schaffen bewegt sich im Kreise
der Kritik, insbesondere der Textkritik. Er war „zum Herausgeber geboren." Zum
Schlüsse giebt L. noch eine kurze Schilderung von Lachmanns persönlich-mensch-
lichen Eigenschaften. — Am meisten bietet Sanders **) Aufsatz über Lachraann.
Einem Verzeichnis aller für Lachmanns Biographie wichtigen Schriften folgt eine
Schilderung seiner Persönlichkeit, „mit Hervorhebung des Neuen, das sich im Laufe
der letzten Jahre zu dem bereits Bekannten neu anfand." In der Hauptsache sind
Chr. G. Heyne (1805-12) u. an ö. Fr. Benecke (1810-20). (= Festgruss an K. Weinhold znm 70. Geburtstage am 26. Okt.)
L., M. Spirgatis. IV, 36 S. M. 2,00. - 15) F. Vetter, Briefe J. A. Schmellers an S. Hopf: SchwRs. 2, 8. 667-96; 3, S. 72-82,
190/6. — 16) J. Vahlen, Ueber K. Lachmann. (= Ansprache %. Leibniz- Feier) : SHAkBerlin. S. 615-23. [[VossZg. N. 301 ; AZg».
N. 149; M. Hertz: BPhWS. 13, S. U96.]| — 17) F. Leo, Rede z. Säknlarfeier K. Lachmanns am 4. März im Namen d. Georg-
Augnsts-UniT Göttingen, Dieterich. 18 S. M. 0,40. |[M. Her tz: BPhWS. 13, S. 1006.]! — 18) F. Sander, K. Laohmann: AZgB ^
W. Golther, Geschichte der deutschen Philolog-ie. 12: 19-26
Lachmanns Jug-endbriefe an Lücke benutzt. S. erörtert Lachmanns Verhältnis zu
seinem Vater, den Ueberg-ang- von der Theologie zur Philolog-ie, den Götting-er
Freundeskreis 1813- 15. „Die ganze Fülle und Wärme seines Gemütes hat Lachmann
nur in der Freundschaft bewährt, die auch von keiner zur vollen Kraft und Reife ge-
diehenen Frauenliebe bei ihm überboten ward." Noch aus König-sberg schrieb er
überschwellende jugendliche Gefühlsergüsse. Eine kurze Darstellung von Lach-
manns Verhältnis zu Meusebach und zu den Brüdern Grimm macht den Beschluss.
— Auch Weinholds^^) Rektoratsrede gedenkt Lachmanns. — Die Tagespresse hat
nichts von Bedeutung gebracht.20-21^ _
Die wertvollste Gabe zur Säkularfeier bildeten die im Vorjahre erschienenen
Veröffentlichungen Lachmannscher Briefe fvgl. JBL. 1892 12:9 — 10), von denen
die Sammlung der Schreiben an Haupt noch wiederholt besprochen wurde^^). —
Hertz^ä) veröffentlichte zwei Briefe Lachmanns an Brandis vom 6. Febr. und
6. Mai 1831. Im ersten ist von Niebuhrs Tod die Rede und von der Ergänzung
des Lachmannschen Aufsatzes „Kritik der Sage von den Nibelungen", der 1830 beim
Brande des Niebuhrschen Hauses beschädigt worden war. Im zweiten wird "Wacker-
nagel mit seiner Abhandlung „Ueber Konjugation und' Wortbildung durch Ablaut
im Deutschen, Griechischen und Lateinischen" für das Rheinische Museum warm
empfohlen. —
Einen Brief von M. Haupt an Uhland druckt S t r a u c h ^4) ab, worin des
letzteren Mitarbeit an der ZDA. demütig und dringend erbeten wird. Uhland leistete
bekanntlich nicht Folge; die Zeitschrift erhielt keine Beiträge von ihm. —
Gervinus^^) Selbstbiographie, 1860 geschrieben, aber erst 1893 nach dem
Tode seiner Witwe veröffentlicht, giebt in wohlgegliederten und abgerundeten
Abschnitten die Geschichte seines Lebens bis 1836. Schuljahre, Lehrjahre in der
Kaufmannschaft, Lehrjahre in der Wissenschaft bei F. C. Schlosser, Wanderjahre,
Berufswahl, Hausgründung werden eingehend geschildert. Bereits gedruckt war
der Nachruf auf Schlosser, ferner die im Anhang mitgeteilten üebersetzungen und
Xenien und die Grundzüge der Historik, Arbeiten, die auf dem Hintergrunde der
Lebensgeschichte noch bedeutungsvoller hervorgehen. In dieser Biographie treten
alle Aeusserlichkeiten und Einzelheiten, jeder unterhaltende Anekdotenkram zurück
vor der weit höheren Aufgabe, die innere geistige Entwicklungsgeschichte mit
schonungsloser Offenheit zu schildern. Aus Verirrungen aller Art, aus g-efühlvoUem
Ueberschwang, aus unklarer Romantik vollzieht sich der Uebergang zur ernsten,
zielbewussten, geschichtlichen Forschung, zu klarer Lebensanschauung. Durch
Schlosser ist G. gereift. Mit Reclit stellt er diesen seinen hochverehrten Lehrer in den
Mittelpunkt seiner Schilderung. Wie G. zum Litterarhistoriker wurde, führt er nicht
näher aus. Die Neigung zur Dichtung entfaltete sich während seiner geschicht-
lichen Studien zur Forschung über ihr Wesen. Nur in aller Kürze erwähnt aber
G. den äussern Anlass zu seiner Geschichte der deutschen Dichtung, den Auftrag
des Verlegers. Das ästhetische Gefühl G.s ging arg in die Irre, als er versuchte,
die mittelhochdeutschen Epen, die Gudrun dadurch wieder zu beleben, dass er sie
in das unleidliche Gewand des Vossischen Hexameters zwängte. Eine schlimmere
Stilwidrigkeit ist kaum möglich, wie die Gudrunhexameter auch zur Genüge zeigen.
Aber G. fühlte sie nicht. S. 273 thut er den unglaublichen Ausspruch: „In den
alten klassischen Formen nehmen sich die Reste der .deutschen Sage weit am
reizendsten aus." —
Von einzelnen jüngeren Gelehrten fand Zarnckes Leben und
Wirken einen Schilderer in Vogt^ß). In Kürze werden hier die einzelnen Arbeiten
charakterisiert, deren Veranlassung — wie z. B. beim Buch über das Narrenschiff
die Katalogisierung der Meusebachschen Bücherei — womöglich hervorgehoben wird,
und ihrer zeitlichen Reihenfolge nach sämtliche Schriften Zarnckes verzeichnet. Sein
Streben ging aufs Thatsächliche, auf das Sammeln und Sichten der gesamten, irgendwie
verwertbaren Ueberlieferung, wobei er staunenswerten Fleiss und Scharfsinn bewies.
Den festen Boden, den er unter den Füssen haben wollte, fand er nur in den
schriftlichen Denkmälern; mit mündlicher Ueberlieferung rechnete er nicht. Diese
Grundanschauungen Zarnckes bedingen seinen Gegensatz zu Lachmann, Müllenhoff
und Scherer, die für sein Gefühl zuviel über das Gegebene hinaus konstruierten. —
In der Sitzung der Münchener Akademie vom 21. März gedachte der Präsident
Mathias von Lexers, indem er die Hauptdaten seines Lebens und die wich-
N. 54/6. — 19) (S. 0. N 1.) — 20) X R- I-oewenfeld, K. Lachmana: Didask. N. 54. (Gleichlantend in FeuilletZg. N. 452.)
— 21) X K. Lachmann: NatZg». N. 151. — 22) X^. Steinmeyer: ADA. 19, S. 185/7 (Hervorhebung wichtiger Partien;
Nachtrr. zu Vahlens Erläuterungen); M. Roediger: ASNS. 91, S. 74/8: LCBl. S. 731. — 23) M Hertz, Zwei Briefe t. K.
Lachmann an Chr. A. Brandis: ADA. 19, S. 197-200. — 24) Ph Strauch, E. Brief M. Haupts an L Uhland: ib. S. 96 7. —
25) ö. G. Gervinns Leben. V. ihm selbst (1860) L., Engelmann. XVI, 408 S., mit 4 Bildn. in Stahlstich. M. 9,-00. |[M.
Bartels: Didask. N. 273/4; FZg. N. 276.j| (S u. lY Ic u. IV 5.) — 26) F. Vogt, F. Zarncke: ZDPh. 25, S. 71-90. (Vgl. JBL.
I 2 : 27-48 W. Grolther, Geschichte der deutschen Philologie.
tig-sten Werke aufzählte und Lexers edle Persönlichkeit rühmte - '). — W e i n h o 1 d^S)
wiederholte den warmen Nachruf der AZg-ß. (vgl. JBL. 1892 12:24) an anderer
Stelle und fügte eine Uebersicht über die gedruckten Schriften Lexers bei. — Im
Nachruf auf den nordischen Altertumsforscher T h. W i s e n , Professor in Lund, der
sich um die nordische Philologie namentlich durch Herausgabe des Stockholmer Homilien-
buchs und durch die reichhaltige Auswahl von Skaldengedichten (carmina norroena)
verdient gemacht hat, erörtert C e d e r s c h j ö 1 d 29) in aller Kürze die Entwicklungs-
geschichte der nordischen Philologie in Schweden. Im 17. Jh. sammelte man in
Schweden eifrig altnordische Hss., am Anfang des 19. Jh. erweckte die sogenannte
gotische Dichterschule (Tegn er, Geyer u. a.) Sinn für die nordische Vorzeit, 1859 wurden
in Lund und Upsala Lehrstühle errichtet. — Seinem in den vorjährigen JBL. (1892
I 2 : 38) erwähnten Nachruf auf Reinh. Köhler lässt Erich Schmidt =^o) einen
zweiten ebenso warm empfundenen und schön geschriebenen über den „hilfreichsten
Bücherwart, den bescheidensten Doktor Allwissend" folgen, worin Köhlers Arbeiten
für die Weimarer Klassiker besonders verzeichnet und gewürdigt sind, — Kl u ge^')
rühmt Köhlers schlichte Menschlichkeit, seine gewaltige Gelehrsamkeit, seine un-
gemessene Freigebigkeit an alle, die seinen Rat suchten. Nie hielt er eifersüchtig
mit seinen eigenen Funden zurück. — Den Lebenslauf Bacmeisters (gest. 25. Febr.
1873) schildert Holde r32). Er würdigt dabei seine Verdienste, welche einerseits
in der gewandten Neubearbeitung und üebertragung altdeutscher und lateinischer
Denkmäler, andererseits in den gründlichen Forschungen über alemannische Orts-
namenkunde bestehen. Aeussere Umstände trugen wesentlich Schuld, dass Bacmeister
keine umfassenden, abgerundeten Arbeiten hinterliess; aber seine Leistungen sind
eigenartig, ursprünglich, anregend. — Den trefflichen Schulmann K. E. H. Krause
(1822 — 92), der sich ausser vielen andern Beschäftigungen der Erforschung nieder-
deutscher Sprache und Geschichte mit erfolgreichem Eifer hingab und zuletzt dem
Verein für Niederdeutsche Sprachforschung vorstand, würdigt Koppmann^^) in
einem gehaltvollen Nachruf, der durch sorgfältige Aufzählung aller weitverstreuten
Arbeiten Krauses bleibenden Wert hat. — Im KßlVNiederdSpr. werden H. Frisch-
bier, dem Kenner ostpreussischer Volkskunde, aus Babuckes^^) Feder, sowie
dem Gymnasiallehrer W. Knorr kurze Nachrufe gewidmet ^^j. — Einen warmen,
gut gemeinten Nekrolog für L. Lindenschmit verfasste Fischbach '^^). Die
Gedächtnisrede giebt Veranlassung zu etwas phantastischen Aufstellungen über
die Wanderung der Arier. Davon ist viel mehr die Rede als von Lindenschmit selbst.
— Weit inhaltsreicher ist Adamys^"?) Gedächtnisrede. Nach einem Vergleich
zwischen Essenwein und Lindenschmit wird des letzteren Verdienst um das römisch-
germanische Centralmuseum gebührend hervorgehoben. Ferner wird Lindenschmits
schriftstellerische Thätigkeit erörtert, wobei gelegentlich die Angriffe seiner Feinde,
insbesondere die hässliche Schimpferei Müllenhoffs, abgefertigt werden. — Ferner
erwähne ich noch Nachrufe auf Zing er 1 e"^^"""^'*)^ Wur z b a ch'*"), den Theologen
und Philologen K. Hartfelder 4i-44). _ ß. ten Brinks Andenken (vgl. JBL. 1892
1 2 : 34/7) wird erneuert durch die Ausgabe von 5 Shakespearevorlesungen aus seinem
Nachlasse 45-46). — Einen Ueberblick über R. von Gottschalls Leben und geistige
Entwicklung giebt Braschs4^) leicht hingeworfene Skizze. Seine poetische und
journalistische Thätigkeit wird jedoch mehr gerühmt als die gelehrte. Nur flüchtig
ist auf die litterarhistorischen und kritischen Arbeiten Gottschalls hingewiesen. Die
ausgewählten Versproben aus seinen Dichtungen sind weder durch Gedankeninhalt
noch durch gefällige Form ausgezeichnet. —
Verschiedene Forscher mögen in einer Schlussgruppe erscheinen. Auf
Grund der 1891 veröffentlichten umfangreichen Briefsammlung Choix des lettres
d'E ugene Burnouf (1825—52) charakterisiert B e r g e r4S) den hervorragenden
Orientalisten. Die Briefe beziehen sich meist auf das Privatleben Burnoufs, auf
1891 I 2 : 36-40; 1892 I 2 : 44.) — 27) M. v. Lexer: SBAkMüncheni'l". 1, S 239-41. (Vgl. JBL. 1892 I 2 : 24/8.) — 28) K Wein-
hold, M. V. Lexer: ZDPh. 25. S. 253/5. — 29) G. Cederschjöld, Th. Wisea: ib. S. 362 6. - 30) Erich Schmidt, E.
Köhler: UJb. 14. S. 297-304. (Vgl. auch JBL. 1892 I 2:39-40.) — 31) F. Kluge, B. Köhler: JbDShakespGes. 28, S. 342/4. —
32) A. Holder, Z. Gedächtn. A. Bacmeisters: Alemannia 21, S. 97-103. — 33) K. Kopp mann, K. E. H. Krause: JbVNiederdSpr. 18,
S. 1-14. (Mit Bild.) — 34) H. Babucke, H. Frischbier: KBlVNiederdSpr. 16, S. 12. (Vgl. JBL. 1892 I 2 : 48.) — 35) W. Knorr:
ib. S. 49-50. — 36^ F. Fischbach, L. Lindenschmit, d. Förderer d. Deutschtums über d. Urheimat d. Indogerm.anen. Nachruf,
geh. in d. Versamml. d. Ver. f&r nassauische Altertumskunde n. Gesch.-Forschung in Wiesbaden. Wiesbaden, C. Reinhardt. 16 S.
M. 0,25. — 37) R. Adamy, L. Lindenschmit: QBllHVHessen. 1, S. 274-83. (Gedächtnisrede ) - 38) X S. M. Prem, L v. Zingerle:
D. junge Borger 5, N. 1. (Vgl JBL. 1892 I 2:29-32.) — 39) O id., V. alten Naz: Tiroler Grenzb. 1892, N. 47-50. —
40) X K- T. Wurzbach: IllZg. 101, S. 323. (Charakteristik d. ÖObändigen biogr. Lex.; vgl. I 1 : 168.) — 41) X «• Basser-
mann, K. Hartfelder: PKZ. S 595,6. — 42) X H.Haupt, K Hartfelder: ZKG. 14, S. 492/3. — 43) X S. Brandt, Ansprache
z. Erinnerung an K. Hartfelder. Progr. d. Gymn. Heidelberg. 4". 4 8. — 44) X K. Hartfelder: AZg«. N. 135. — 45) B. ten
Brink, Shakspere, fünf Vorlesungen. Aus d. Nachl. Strassburg i. E., Trübner. VI, 160 S. Mit Bild. M. 2,00. |[O.Harnack:
PrJbb. 74, S. 183/4.]| — 46) X Ten Brinks letzter Vortr. Ober Shakespeare : JbDSh.-ikespGes. 28, S. 72-89. (Fragmentar. Entwurf.)
— 47) M. B rasch, R. v. Gottschall. E. litt. Portr. L., 0. Gottwald. 64 S. Mit Bild. M. 1,00. |[DR. 3, S. 377.] | (Vgl.
JBL. 1892 I 2:58.) - 48) Ph. Berger, E. Barnouf d'apres sa correspondance: RDM. 114, S. 633-50. (VgL auch JBL. 1892
0. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. 1 2 : 49-51 I 3 : 1-7
seine Reiseeindrücke aus Deutschland und England, und zeig-en seine trefflichen
persönlichen Eig-enschaften in hellem Lichte. Burnouf rechnete bei seinen Arbeiten
mehr mit dem Beifall und der verständnisvollen Anerkennung der deutschen Ge-
lehrten als seiner Landsleute, aber, obwohl aller Politik fern, blieb er durch und
durch Franzose. — Die gehaltvollen Aufsätze über F. Boppund G. Curtius, welche
Gust. Meyer *^) einst Inder Schlesischen Zg. erscheinen liess, gelangten wieder
zum Abdruck. Bopps Sprachwissenschaft wird als geniales Kunstwerk charakterisiert.
Seine philologische Begabung war etwas verkümmert, aber um so weiter schweifte
sein Blick, und gerade dadurch, dass er nicht an philologischen Feinheiten und Kleinig-
keiten haftete, wurde er der Schöpfer der vergleichenden Sprachforschung-. Curtius ver-
einigte glücklich den klassischen Philologen mit dem Sprachforscher. Ihm gelang
es, die neue Wissenschaft in besondere Berührung mit Griechisch und Latein zu
setzen. — Max Müllers 70. Geburtstag brachte keine Aufsätze von Belang ^0-5 i-j^ —
1,3
Schrift- und Buchwesen.
Oskar von Hase.
Schrift wesen: Paläographie Kl. - Kurzschrift N. 5. — Handschriften N. 20. — Antographen N. 51. —
Graphologie N. 61. — Bachwesen: Erfindung des Buchdrucks N. 64. — Aelteste Bnchdrucicergeschichte N. 69. — Wiegen-
drucke N. 94. — Spätere Bnchdruckergeschichte N. 110. — Drnckermarken N. 113. — Druckschrift N. 116. — Bibliographie
N. 119. — Zeitungswesen N. 154. — Bibliotheken: Aeltere Bibliotheken N. 175; Musikalienbibliotheken N. 190; staatliche und
öffentliche Bibliotheken der Gegenwart N. 193; SchulWbliolheken N. 213; Volksbibliotheken N. 229. — Ex-libris N. 235. ~
Buchhandel: Aeltere Geschichte N. 244; Buchhändler N. 251; ausländischer Buchhandel N. 263; Musikalienhändler N. 266a;
gegenwärtiger Betrieb N. 268 ; üensur N. 275 ; Verlags- und Urheberrecht N. 280 ; Buchgewerbe N. 291 ; Bachbinderkunst N. 294. —
Das Schriftwesen der neueren deutschen t) Litteratur ist von der Hss.-
Lehre nach der formalen Seite hin bisher nicht eingehend gewürdigt worden, wohl
weil seit der Mitte des 15. Jh. mit der Erfindung der Buchdruckerkunst die Bedeutung
der Hs. zurücktritt und mit dem Aufkommen individueller Verfasserthätigkeit zugleich
die typischen Hss.-Formen entarten. Auch nach Begründung einer Hss.-Kunde der
neueren Zeit wird die Paläographie Lehrmeisterin auf diesem Gebiete bleiben.
Ein in allem Wesentlichen verlässliches, brauchbares und leicht zugängiges Handbuch,
das griechische und lateinische Schrift umfasst, hat der Engländer Thompson ^j
veröffentlicht. — Für das Sondergebiet neapolitanischer Notarurkunden, das einst
Friedrich H. zu regeln suchte, liegt ein italienisches Tafelwerk^J vor. — Von Leis ts*j
praktischer Urkundenlehre ist eine verbesserte Auflage erschienen. —
Für die alte Kurzschrift hat Schmitz^) in umfassender Kenntnis dieses
Gebietes einer von ihm kritisch und exegetisch behandelten Fuldaer Sammlung der
Karolingerzeit mit den von ihm angeschlossenen Abweichungen und Ergänzungen
von 19 ähnlichen Ueberlieferungen einen kurzen Doppelbericht über die Kommentare
zu Tironischen Noten und über deren Ursprung und Abfassung vorausgeschickt und
ein alphabetisches Verzeichnis des Inhalts der Notengruppen folgen lassen. — Die
neuere stenographische Litteratur hat in den Berichtsjahren 1890—93 einen grossen
Umfang gewonnen (1890:53 Werke; 1891:98; 1892:112; 1893: 153 Werke einschl.
der neuen Auflagen), aber Weniges nur hebt sich aus der Menge der minderwertigen
Veröffentlichungen heraus. — Meinberg ^J giebt einen gedrängten Ueberblick über
die Geschichte der Stenographie, der zur ersten Einführung wohl geeignet erscheint,
sich aber in der Hauptsache als Auszug aus grösseren Werken darstellt und auch
dem Gabelsbergerschen Parteistandpunkt nicht ganz vorbeugen kann. — Lesbar und
anregend verfolgt F. Stolze 'J, der Sohn des Erfinders, die Entwicklung der Schrift
IV 10 : 20.) — 49) Gast. Meyer, F. Bopp and G. Cnrtias. (= Essays u. Sludien z. Sprachgesch. u. Volkskunde 2. Bd. [Strass-
burg i. E., Trnbner. VI, 380 S. M. 6,00], S, 1-22). (S. 365 urteilt M. sehr abfällig über Lefmanns Bopp-Biographie.) — 50) X Max
Müller u. d. Sprachwissensch. : Kath. 2, S. 538-45. — 51) X F. Kirchner, Zu Max Müllers 70. Geburtst.: lUZg. 101, S. 649.
(Mit schönem Bilde Müllers.) —
1) O X Ohoix de mss. allemands (ponr se familiariser avec Tecriture) executes par 75 ecrivains-copistes allemands et
contenant 75 sortes d'ecriture allemande. Paris, Schmidt. 68 S Fr. 2,50. (Wohl d. Verkehrsbedürfnis d. Gegenw. entsprungen.)
— 2) E. M. Thompson, Handbook of greek and latin palaeography. London, Kegan Paul, Trench, Trübner & Co. 343 S.
Sh. 5. — 3) O 0. Piscicelli, Saggio di scritura notarile per gli studii paleograflci. I curiali di Aroalfl, Gaeta, Napoli,
Sorrento. Tipogr. di Monte Casino. Fol. II S , 60 Tfln. — 4) F. Lei st, ürkundenlehre. Katechismus d. Diplomatik, Palaeo-
graphie, Chronologie u. Sphragistik. 2. verb. Aufl. L., Weber. XU, 372 S., 6 Taf. M. 4,00 — 5) W. Schmitz, Commentarii
notarum Tironiarum cum prolegomenis adnotationibus criticis et exegeticis notaruraque indice alphabetico. L., Teubner. Fol.
117 8., 132 Tfln. M. 30,00.— 6) Meinberg, Kurzgefasste Gesch. d. Stenographie. Düsseldorf, Selbstverl. 1892. 75 S.
M. 0,60. — 7) Fr. stolze, V. d. Bilderschrift z. Stenogr. Eine kurze Darstellung d. Entwicklungsganges d. Schrift. 1. T. B.,
1 3 : 8-25 0. V. Hase, Schrift- und Buchwesen.
bis zum Beginn der neueren Stenographie. Er geht von dem Gedanken aus, dass
die Kurzschrift keineswegs als etwas Besonderes, der gewöhnlichen Schrift fremd
Gegenüberstehendes zu betrachten sei, sondern vielmehr als deren letzte Stufe, die
in ihr von Anfang an vorbereitet wurde. Im zweiten Teile sollen die hervor-
ragendsten neueren Systeme behandelt werden. — Sieb er*) macht zum ersten Male
den Versuch einer ausführlichen stenographischen Ortsgeschichte, die für die grossen
Mittelpunkte des stenographischen Lebens zur Nachahmung zu empfehlen ist. — Eine
kurze, aber recht beachtenswerte Uebersicht über die Einführung der Stenographie
und ihre Anwendung in den Parlamenten Europas und einiger überseeischer Länder
bietet KramsalP). — Der Aufsatz eines Ungenannten ^•') hat bei den Anhängern
aller deutschen Schulen viel Staub aufgewirbelt; er richtet sich gegen die steno-
graphische Vereinsmeierei und Grossmannssucht, die eine gewisse stenographische
Fertigkeit durchaus zur „Wissenschaft" stempeln möchte. Dem Vf. wird trotz einiger
Schärfen und Uebertreibungen kein Kundiger und Unbefangener seine Zustimmung
versagen können. — Bleibenden Wert für die Systemgeschichte haben die zur Feier
der Enthüllung des Gabelsberger-Denkmals in München'*) und zur 50jährigen Jubel-
feier des Bestehens der Stolzeschen Stenographie* 2) erschienenen Festschriften. —
Kaeding'3-14) giebt in 18 Bänden eine musterhafte Sammlung aller auf Wilhelm
Stolze und sein Werk bezüglichen Urkunden, Briefe usw. und in Band 9 und 10 die
erste ausführliche Lebensbeschreibung des Meisters, die Alberti *^) als Hauptquelle
für seinen kürzeren Aufsatz gedient hat.'^j — Auf bibliographischem Gebiet hat
Näther*'') den sehr glücklichen Gedanken gehabt, die in der periodischen Presse
aller Systeme verstreuten Aufsätze über die verschiedensten Gegenstände steno-
graphischen Wissens zu verzeichnen und damit der Benutzung zugängiger zu machen.
Die bisher erschienenen Hefte behandeln den Inhalt der am meisten gelesenen Gabels-
bergerschen Zeitungen. — Mehr oder weniger ins Einzelne gehende Jahresübersichten
über das Schrifttum der Stenographie geben die entsprechenden Abteilungen der
beiden weit verbreiteten Stenographenkalender. '^'"'j —
Von den Handschriften sind hauptsächlich die künstlerisch geschmückten
Gegenstand der Untersuchung gewesen. Wickhoff^O) knüpft an die Veröffent-
lichung aus einem altchristlichen Kodex des 6. Jh., der Titel und Kanonestafel eines
griechischen Evangeliars mit einer Abhandlung Rufins vereint, geistreiche, aber doch
weiter durchzuprüfende Folgerungen über Zusammenhänge zwischen altem und neuem
Hss.-Schmuck. — Ueber die Herstellung mittelalterlicher Bilderhss. handelt Neu-
wirth^i), indem er an der Hand von W^erken für Wenzel IV., des Wilhelm von Oranse
(1387), der berühmten Wenzelbibel und der goldenen Bulle (1400), die Beteiligung von
drei Personen nachweist : des Schreibers, des Beisetzers der Illustrationsangaben und des
Illuminators. Der Abdruck der ausführlichen Anweisungen, die bei diesen Werken er-
halten, während sie bei anderen zum Teil entfernt wurden, mahnt zur Vorsicht, Schreiber
und Illuminator ohne ausdrückliche Angabe nicht in eins zu vereinen. In den erwähnten
Fällen erweist er aber die Unabhängigkeit der Buchmaler von bestimmten Vorlagen ; denn
beim Wilhelm genügen Weisungen wie „sicut dilectam cum dilecto". — Das in den letzten
Jahren erfreulich bethätigte Bestreben, die Hss. nach Kunstschulen zu gruppieren, hat zu
guten Ergebnissen geführt. Leitschuh^^) stellt ausgiebig und gründlich die Buch-
malerei der Karolingerzeit, als die Hauptgrundlage unserer Kenntnis der gesamten Kunst
jener Zeit, in ihren verschiedenen Schulen dar. — Vöge^^) behandelt die Mindener Schule
unter Bischof Sigebert als nah verwandt mit jener grossen, auf wesentlich altchrist-
licher Basis fortarbeitenden Familie, deren eigentlichen Sitz und Mittelpunkt Köln
er früher wahrscheinlich gemacht hat. — J. von Schlosser-*) hebt aus der
böhmischen Schule neun glänzende Bilderhss. für König Wenzel I. (1^0 heraus. —
An Einzelhss. wird von Kochendörffer^^) nach Zangemeister die grosse Heidel-
Mittler. 1891. 43 S. M. 1,00. — 8) F. Sieber, Gesch. d. Stenographie in Basel. Nach authent. Quellen bearb. Basel, Sall-
mann. 128 S., 3 Taf. M. 2,40. — 9) E. Kramsall, D. Stenographie im Dienste d. Parlamente. Hist. Untersuch, über d. Ver-
wendung d. Stenogr. in denselben. Wien, Bermann & Altmann. 1891. 66 S. M. 1,00. — 10) D. Stenographie-Unwesen. (Ans
Grenzb. 1891, N. 26.) Sonderabdr. L, Zehl. 15 S. M. 0,30. — U) Fr. X, Gabelsberger u. seine Kunst. Festschrift z. Feier d.
Enthüllung d. Gabelsberger-Denkmals am 10. Aug. 1890 v. Haupt-Festausschnsse. Mönchen, Franz. 1890. III, 153 S., 3 Illustr.
M. 2,00. — 12) M. Bäckler, lier. ober d. 50j. Jubelfeier d. Stolzeschen Kurzschrift. B., Oehmke. 1891. 40 S. M. 1,00. (Er-
weitert erschienen 1893. 72 S.) — 13) F. W. Kaeding, Stolze-Bibl. 1-18. Bd. B., Mittler. 1889-92, M. 17,75. — 14) id., Biogr.
W. stolzes. (= Stolze-Bibl. 9.-10. Bd.) ib. 115 S. M. 2,00. — 15) E. Alber*i, H. A. W. Stolze: ADB. 36. S. 425/8. — 16l X
id., J. F. stärk: ib. 35, S. 492/3. — 17) A. Näther, Stoffregister z. Ausarbeitung von Vortrr. n. Abhandl. Stenograph. Inhalts.
L., Zehl. 1891. IV, 66 S. M. 1,25. — 18) Dtsch. Stenographenkai. her. v. W. Mertens. 1.-4. Jahrg. L., Klinkhardt. 1891-94.
160 S.; M. 1,00. 168 S.; M. 1.25. 136 S.; M. 1,25. 175 S.; M. 1,25. — 19) Jb. d. Schule Gabelsbergers. Her. v. kgl. stenogr.
Inst, zu Dresden. 34.-37. Jahrg. L., Zehl. 1891-94. XXXIV, 112 S.; XXXV, 96 S.; XXXVI, 98 5.; IV, 116 S. a. M. 3,00. —
20) F. Wickhoff, D. Ornamente e. altchristl. Kodex d. Hofbibl. (Cod. 847): JKSAK. 14, S. 196-213. — 21) J. Neuwirth, D.
Herstellungsphasen spätmittelalterl. Bilderhss.: BepKunstw. 16, S. 76-87. — 22) F. Leitschuh, Gesch. d. Karolingischen
Malerei, ihr Bilderkreis u seine Quellen. B., Siemens. XII, 471 S. M. 12,00. — 23) W. Vöge. D. Mindener Hss.-Qruppe:
RepKunstw. 16, 8. 198-213. — 24) J.V.Schlosser, D. Bilderhss. König Wenzels I.: JKSAK. 14, 8.214-317. (Mit vielen Nach-
bild.) — 25) K. Kochendörffer, K. Zangeraeister, D. Wappen, Helmzierden u. Standarten d. gr. Heidelberger Liederhs. 1891.:
0. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 : 26-48
berger Lieder hss. besprochen und von Chmelarz^^) über eine französische Bilderhs.
von Boccaccios Theseide um 1470 berichtet. — M ad an 2^) hat eine übersichtliche
Darstellung- der Geschichte des Buches der Hss. -Zeit g-ehefert. — Von epoche-
machender Bedeutung für die planmässige wissenschaftliche Verzeichnung- der Hss.
in Deutschland ist das Vorg-ehen mit der Veröffentlichung- von Verzeichnissen der
Hss. im preussischen Staate'-^^"^^). Die beiden ersten Bände g-eben Hss.- Verzeichnisse
der Götting-er Universitätsbibliothek. Das Vorwort Wilhelm Meyers eröffnet den
Ausblick auf die vom Kultusminister ang-eordnete Katalogisierung- der in Preussen
vorhandenen Hss.-Bestände, deren Verzeichnung- nicht schon anderweit erfolgt oder
zu erwarten ist. Nächst dem Besitze des Staates sollen auch, so weit es möglich ist,
die Hss. beschrieben werden, die in festem Besitze von Behörden, Vereinen oder
Privatpersonen sind. K. Meyer, O. Günther, auch J. Schwalm und E. Weber
waren an der grossen musterhaften Arbeit beteiligt. — In Frankreich ist eine solche
planmässige Verzeichnung für die öffentlichen Bibliotheken schon länger im Gange'^*'"^^).
— Die Hss.- Verzeichnisse der kgl. Bibliothek zu Berlin^*) und der kaiserlichen zu
W^ien^s) schreiten weiter. — Der Katalog der Danziger Stadtbibliothek bringt die
Danzig betreffenden Hss. von Bertling-^^j verzeichnet. — Die Hss. mehrerer Gym-
nasialbibliotheken werden in Programmen^'' j beschrieben : Gotha weist, wie E h w al d "^*)
berichtet, im Ernestinum neben wenigen Büchern Briefe hauptsächlich aus der
Reformationszeit auf, von denen solche des Eoban Hessus, Melanchthon und Ams-
dorff abgedruckt werden. — Das katholische Gymnasium in Glatz bewahrt aus den
J. 1683 — 1722 67 Schauspiele des Glatzer Jesuitenkollegs, deren Inhalt Beck^**)
dankenswert mitteilt. — Ueber die „Kettenbücher" stellt Falk**^) sachlich zutreffende
Mitteilungen zusammen. Die daran geknüpfte Behauptung, einige protestantische
Autoren hätten zwar auf die falschen Schlüsse aufmerksam gemacht, die man aus
dem Anketten von Büchern und besonders der Bibel gezogen, doch sei es in so matter
Weise geschehen, dass dadurch dem Uebel nicht gesteuert wurde, und dass dies ganz
gut fortwuchern konnte, ist u. a. auf Grund von Wattenbachs Schriftwesen im
Mittelalter (2. Aufl. 1875 S. 530) als unberechtigt zurückzuweisen. — Aus dem Hss.-
Wesen der Archive bietet Lewinski^') für Brandenburg einen Beitrag nach der
formalen Seite des Urkundenwesens und der Verwaltung aus der Zeit der ersten Hohen-
zoUerschen Markgrafen (1411 — 70), sowie im Anhang 11 ein brandenburgisches Archiv-
register aus der Zeit der Kurfürsten Friedrich II. und Albrecht. — Ueber die kaiserliche
Kommission wegen des burggräflichen Archivs zu Schleiz (1590 — 93) berichtet Berth.
Schmidt*2^; über die pfalzbayerischen Archive der Witteisbacher fährt Neudegger^^)
fort, ausgiebige Nachweise zu liefern (1685— 1720) ; die Neueinrichtung des Strassburger
Stadtarchivs schildert Winckelmann^^j unter Beigabe von Skizzen. — Archivberichte
über die Urkunden der Hansa in Westfalen, Rheinland, Hannover, Hamburg, sowie in
märkischen und sächsischen Städten, ferner über die Ergiebigkeit des Kölner Stadt-
archivs für das hansische Urkundenbuch 1450 — 1500 legen Kunze und Stein^^j vor.
— Der Verein für Geschichte und Altertumskunde^®) fährt fort, die Inventare des
Frankfurter Stadtarchivs herauszug-eben. — Den Bestand des kroatischen Landes-
archivs verlautbart mit einem wohlbegründeten Notschrei summarisch von Bojnicic*^).
— Aus Frankreich^*) wird über einen unter Maury begonnenen Katalog von Hss.
DLZ. S. 174/6. — 26) E. Chmelarz, Ueber e. franz. Bilderhs. v. Boccaccios Theseide. Mit 15 Taf. in Heliograv.: JKSAK. 14,
S. 318-28. — 27) O F. M ad an, Books in Ms. London, Kegan Panl, Trench, Trübner & Co. Sh. 6. |[BookWorm S. 345/8 (aus-
fuhr!, anerkennende Würdig.). )| — 28) (I 1 : 171.) — 29) Verzeichnis d. Hss. im Preuss. Staate. 1. Hannover. 2. D. Hss. in
Göttingen. 2. Universitäts-Bibl. Gesch., Karten, Naturwissenschaften, Theologie, Hss. ans Lüneburg. B., Bath. VIII, 539 8.
M. 18,50. |[NedSpect. S. 399.] | — 30) Cat. general des mss. des bibl. publiques de France: [Ch. Kohl er,] Bibl. Sainte Genevifeve.
t. I. Paris, Plön, Nonrrit et Cie. 674 S. |[JSav. S. 306-14.]| — 31) O Cat. göneral des mss. des bibl. publiques de France:
t. XVm [E. Fagnau], Alger. ib. 680 S. [[JSav. S. 770.]| — 32) O Cat. general des mss. des bibl. publiques de France: t. XX:
Le Mans und Arles. ib. 695 S. |[B. Haureau: JSav. S. 253/4.]| — 33) O Cat. göneral des mss. des bibl. publiques de France :
t. XXII: Nantes, Quimper, Brest, ib. 562 S. |[JSaT.S.635/6.]| — 34) Verzeichnis d. arab. Hss. von W. Ahlwardt. 4. Bd. (= D.
Hss.- Verzeichnisse der kgl. Bibl. zu Berlin 16. Bd.) B., Asher. 4». VI, 561 S. M. 25,00. \[3. S. Warren: NedSpect. S. 21.]|
— 35) Tabulae codicum manuscriptorum praeter graecos et orientales in bibliotheca Palatina Vindobonensi asservatomm. Ed.
acaderaia caesarea Vindobonensis. Vol. 8. Cod. 14001-15500. Wien, Terapsky. 267 S. M. 5,40. — 36) [A.] [Bertling], Kat.
d. Danziger Stadtbibl. Bd. 1. T. 1. D. Danzig betr. Hss. Danzig. 1892. X, 851 S. |[FBPG. 6, S. 618 9 (, Riesen- n. Meister-
werk"); P. Slmson: MHL. 21, S. 79-81 (anerkennend).]| — 37) X A. Englert, Mitteilungen über Hss. d. Zweibrückener Gymn.-
Bibl. (vgl. JBL. 1892 I 3:5): ZDPh. 25, S. 537-44. — 38) B. Ehwald, Beschreibung d. Hss. u. Inkunabeln der Herzogl. Gymn.-
Bibl. zu Gotha nebst 4 Briefen v. Eobanus Hessus, Melanchthon u. Niclas v. Amsdorff. Progr. Gotha (Thienemann). 4". 20 S.
M. 0,80. — 39) E. Beck, Hss. n. Wiegendrucke d. Gymn.-Bibl. in Glatz. 2. T. (Schauspiele d. Glatzer Jesuitenkollegs.) Progr.
Glatz (Schirraer). 36 S. — 40) F. Falk, Kettenbücher (Bibel u. Kette): HPBll. 112, S. 324-33. — 41) L. Lewinski. D.
brandenb. Kanzlei u. d. Urkundenwesen während d. Eegiernng d. beiden ersten hohenzollerschen Markgrafen (1411-70). E. Beitr.
z. Verwaltungspraxis d. Hohenzollern in d. Mark Brandenburg im 15. Jh. Strassburg i. E., Heitz. VII, 188 S. M. 4,00. —
42) Berth. Schmidt, D. kaiserl. Kommission wegen d. bnrggräfl. Archive zu Schleiz in d. J. 1590-93: ArchivZ. 4, S. 213-34.
— 43) M. J. Neud egger, Gesch. d. Pfalz-bayer. Archive d. Witteisbacher: ib. S. 1-103. (Forts, aus 2, S. 289-373.) — 44) 0.
Winckelmann, D. Neueinrichtung d. Strassb. Stadtarch. : ib. S. 109-22. — 45) K. Kunze u. W. Stein, Reisebericht (Bremen,
Oldenburg, Ostfriesland n. Holland) : HansGBll. 21, S. X-XXII, XXIII-XXXI. — 46) O Inventare d. Frankf Stadtarch. Mit Unter-
stützung d. Stadt Frankfurt a. M. her. vom Ver. für Gesch. u. Altertumskunde zu Frankfurt a. M. Bd. 3. Eingel. von R Jung.
Frankfurt a. M., Völcker. XXXI, 300 S. M. 3,50. IfOBlBibl. S. 45.]| — 47) J. v. Bojnicic, D. kroatische Landesarch. in Agram:
ArchivZ. 4, S. 252,6. — 48) O Catalogne des mss. conserves anx archives nationales. Paris, Plön, Nourrit et Cie. 532 S. IfJSav.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgesohichte. IV. 4
I 3 : 49-69 0. V. HasG, Schrift- und Buchwesen.
des 17. — 19. Jh. in den Nationalarohiven Mitteilung- g-emacht. — Die Papiere des 14. Jh.
im Stadtarchive zu Frankfurt a. M. hat Kirchner***) gewissenhaft untersucht und
beschrieben; er bestätig-t von neuem die grosse Vielseitigkeit des Papierhandels in
früher Zeit und schafft durch seine umsichtige Arbeit ein wertvolles Mittel zur Alters-
bestimmung mittelalterlicher Papiere. — Bösch^o) handelt über die technische Ver-
wendung- des Papiers zu kunstgewerblichen Zwecken in Ausschneidetechnik und in
Pressung zu Anfang- des 16. Jh. nebst gleichzeitiger Anweisung für Herstellung von
Buntpapieren und von Papierstuck (Item wiltu pild trucken, die derhaben sein, von
papir) usw. —
Das Verzeichnis einer reichen wohlg-ewählten Autographen-Sammlung von
umfassender Anlage, deren Bestandteile vom 11. Jh. bis zur Gegenwart reichen, ist
nach dem Tode ihres Schöpfers, des Botschafters Grafen Paar^^"'^^) veröffentlicht
worden, leider um diese grossartig-e Sammlung- für immer zu zerstreuen. Eine Fülle
wichtiger Mitteilung-en aus Briefen und 45 Facsimiles sind dem Katalog beigefügt;
von grossem Werte sind u. a. die darin beschriebenen Briefe von Humanisten und
Reformatoren an W. Pirkheimer. Auch Bücher finden sich darunter, eine lateinische
Bibel aus Brescia mit hs. Anmerkungen Savonarolas und vor allem die Hs von Hans
Sachsens 16. Buch seiner Meisterlieder und dem 14. seiner Sprüche und Komödien.
— lieber zwei deutsche Sammler des 16. Jh., Thomas von Rehdiger (1540 — 76) und
Ludwig Camerarius (1573 — 1651), deren Sammlung-en in Breslau und München
bewahrt werden, berichtet Mor-Sunnegg-^''), über eine Sammlung von Autographen
und geschichtlichen Urkunden A. Morrisons Delisle^**). —
Die Psychologie der Hs., die sogenannte Graphologie, hat, da sie sich
noch nicht zur Höhe einer wissenschaftlichen Schriftkunde erhoben hat, nur feuille-
tonistische Behandlung erfahren'' ^'^^j. auch Z ix ^•^) reiche Hss.- Facsimiles sind von
einer sensitiven Dame gedeutet. —
Das Buchwesen des Druckzeitalters hat für die Geschichte seiner Ent-
stehung, der Erfindung derBuchdruckerkunst, in diesem Berichtsjahre Schriften
von Belang nicht aufzuweisen. Schorbach^*) giebt einen kleinen Nachtrag zu
seiner treöenden Klarstellung von Strassburgs Anteil an der Erfindung der Buch-
druckerkunst und stellt dabei die Veröffentlichung der Urkunde über Andr. Dritzehn
in Aussicht. — Eine Uebersicht der Erfindungsgeschichte gewährt Pf äff 6'') in seiner
Freiburger Festschrift. — Unter den bisherigen poetischen Verwertungen der Person des
Erfinders steht von Gottschalls^^j Drama „Gutenberg" in vorderer Reihe; trägt der
Vf., wie bei solcher Aufgabe kaum anders möglich, moderne Gedanken in des Erfinders
mittelalterlichen Sinn und verteilt er auch helles Licht und kräftigen Schatten nach
eigener Willkür, so hat er doch ein wirkungsvolles Werk geschaffen.^") — Auch die
Jugendlitteratur, wie das Buch von Masslieb^^), bemächtigt sich mit Recht und in
ihrer Weise ganz löblich der Erfinder, wobei die Sittlichkeitszeugnisse nach der
herrschenden Fabel verteilt werden. —
Zur Aufhellung der ältesten Buchdruckergeschichte und im
Hinblick auf die Bedeutung von Mainz als Ausgangspunkt für die Verbreitung der
Buchdruckerkunst weist Falk 6") bei einer Anzahl von Druckern der Frühzeit als
wahrscheinlich nach, dass sie unweit Mainz heimisch waren, so Job. Emerich
von Udenheim, der gemeinsam mit Joh. Hammann von Landoia 1487 zu Venedig
druckte, im rheinhessischen Udenheim, 3 Stunden von Mainz, Joh. Hanheimer von
Oppenheim, der mit Joh. Schurener von Boppard 1474 gemeinsam zu Rom druckte,
in Hahnheim bei Oppenheim unweit Udenheim, ferner Joh. Schnitzer von Armsheim,
der für den Ulmer Ptolemäus von 1482 Landkarten schnitt, vielleicht in Armsheim
S. 374/5.] 1 — 49) E. Kirchner, D. Papiere v. 14. Jh. im Stadtarch. zu Frankfurt a. M. u. deren Wasserzeichen. Mit 153 Abbild.
Frankfurt a. M., Jügel. 67 S. M. 2,50. - 50) G. Bosch, Z. Gesch. d. technischen Verwendung d. Papiers: MQNM. S. 3-13,
S. 121/2. — 51) D. Sammlung v. Autographen u. bist. Dokumenten Sr. Exe. d. verst. Herrn Ludwig Grafen Paar. B., Cohn. XU,
255 8. — 52) X G. Weisstein, D. gräfl. Paarsche Autographensamml. : MAutographensammler. S. 9-13, 20/1. (Eingehend,
anerkennend.) — 53) X Verzeichnis d. in d. Autographen-Auktion d. Graf Paarschen Samml. am 20.-25. März erzielten Preise:
ib. S. 27-31. — 54) X E. Fischer v. Röslerstamm, D. Auktion Paar: ib. S. 35/8. — 55) X A. M[ey eT]-C[ohn], Noch
einmal d. Auktion Paar: ib. S. 44/5. — 56) X Entgegnung v. B. Fischer v. Röslerstamm. Pro domo: ib. S. 57/8. — 57) X A.
Gattel, Nachwuchs: ib. S. 58-60 — 58) X E. Mor-Sunnegg, D. Autographensamml. d. Botschafters Grafen Ludwig Paar:
AZg". N. 58. — 59) id., 2 alte dtsch. Sammler (16. Jh.): MAutographensammler. S. 51/5. — 60) O L. Delisle, Cat. of the
coli, of autograph letters and hist. documents formed between 1865 and 1882 by Alfred Morrison, corapiled and annotated under
the direction of A. W. Thibaudeau. (Aus JSav.l Paris, Impr. nationale. 32 S. — 61) X E. Hagedorn, Einige Worte über
Hs.-Beurteilung : StrassbPost. N. 71. — 62) X •>■ Mendius, D. Seele in d. Schrift (vgl. JBL. 1892 13:8): BLU. S. 110. —
63) 0. Zix, OeflFentliche Charaktere im Lichte grapholog. Auslegung. Mit Einl. u. biogr. Notizen versehen. Mit 135 Hss.-
Facsimiles. B., Hofraann & Co. V, 288 S. M. 6,00. |[BLU. S. 814.] | — 64) K. Schorbach, Nachtr. zu Strassburgs Anteil an
d. Erfindung d. Bnchdruckerkunst: ZGORh. 8, S. 128. (Vgl. JBL. 1892 I 3 : 14.) — 65) Fr. Pf äff, Festschrift ■/.. 400j. Gedächtnis
d. ersten Freiburger Buchdrucks 1493-1893. Freiburg i. B., Herder. 35 S. Mit Abbild. M. 2,00. |lAlem.annia 21, S. 297 8;
ZGORh. 8, S.718-20.JI (S. u. N. 75.) — 66) R. v. Gottschall, Gutenberg. Drama. L., Schmidt & Baumann. 87 S. M. 2,00. |[KZg.
N. 788.] I — 67) X P- E. Siebold, E. Schüler Gutenbergs. Dramat. Gedicht in 5 Akten nebst e. Vorspiel. Hamburg, Herbst
XII, 117 S. M. 2,50. — 68) W. Masslieb, Peter Schöffer u. d. Erfindung d. Buohdruckerkunst. E. Kulturbild für d. reifere
Jugend. 2. Aufl. (= Spiegelbilder ans d. Leben u. d. Gesch. d. Völker N. 23.) L., Oehmigke. 12«. 128 S. M. 0,75. — 69) [F.
O. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 •. 70-76
zwischen Mainz und Alzei. Für Joh. Manthen von Geretzem weist F., da dieser
mit Joh. von Köln um 1476 druckte, nicht auf Gernsheim, sondern auf Gerresheim
bei Düsseldorf hin, bei Joh. Spengel von Fremersschenn (AGDBuchhandel. 10,
S. 25), der für Joh. Schöffer im J. 1511 Bücher in Leipzig* erhalten sollte, auf
Freimersheim bei Alzei. — Roth''**) veröffentlicht eine bibliographische Mitteilung-
über den Drucker Friedrich Heumann zu Mainz, von dem er 16 Drucke beschreibt;
diese sind in den J. 1508—12 in einer einzigen Letternart g-edruckt, die weder mit der
Schrift von Gutenberg-s Sözeiliger Bibel noch mit der der Kogelherren zu Marienthal
etwas zu schaffen hat, wohl aber später von Peter Drach zum Speierschen Psalter
von 1515 verwandt worden ist. — Ais Nachtrag- zu S. Widmanns Arbeit über Franz
Behem berichtet Forst'') über die Anfäng-e der Behemschen Druckerei in Mainz. —
C. Schmidt'^) leg't Grundlag-en für die Geschichte der Strassburg-er Buchdrucker
durch ein Repertorium ihrer Drucke: Joh. Grüning-er (1483 — 1531) eröffnet den Reig-en,
es folgen Martin Schott und sein Sohn Johann (1481—99, 1500 — 44), auch Joh. Prüss
Vater und Sohn (1480 — 1510, 1510—46) treten stattlich hervor, zwölf kleinere oder
doch in Strassburg nur kurze Zeit wirkende Drucker, Jacob Eber, Thomas Anshelm,
Peter Attendorn, Friedr. Dümbach, Bartholomäus Kistler, Wilhelm Schaffner, Matthias
Brant, Joh. Wähinger, Hieronymus Greff, Reinhart Beck, Konrad Kerner, Ulrich
Morhard (alle von 1483—1522) werden zusammengefasst, Matthias Hupfuff (1492— 1520)
und Martin Flach, Valer und Sohn (1477—1500, 1501 — 25) machen für dieses Jahr den
Schluss. Kurze Lebensbeschreibungen leiten die kritischen Drucker Verzeichnisse ein,
auf 22 Tafeln sind Druckermarken beigegeben. — Ueber drei Nürnberger Drucker
von recht verschiedenem Gepräge wird berichtet: Mummenhoff '3) giebt von Hans
Sporer, dem Junghannspriffmaler, ein quellfrisches und doch typisches Bild; neben
dem nach Bamberg und später nach Erfurt übergesiedelten Hans führt er aus den
Nürnberger Bürger- und Meisterbüchern 1481 auch einen Peter Sporer trucker an.
— Steiff'*) veröffentlicht klärende Ausführungen über Georg Stüchs in Nürnberg,
der 1484 — 1517 als Kirchenbücherdrucker zumeist für fremde Rechnung thätig war
— der Vf hat 59 Druckwerke festgestellt ~, und über Joh. Stüchs, vielleicht seinen
Sohn, der, von 1509 beginnend, 1531 noch druckte; die bis jetzt festgestellten
52 Drucke sind abweichend von denen des Georg Stüchs, meist Schul- und Volks-
schriften — Pfaff^) giebt eine zur Feier des 400jährigen Druckerjubiläums entworfene
Darstellung des Freiburger Buchdrucks mit einem Verzeichnisse der Freiburger
Drucker bis zum J. 1600, wobei ihn K. Schorbach, Konr. Burger und E. Eck-
hardt unterstützt haben. Als erster Freiburger Drucker hat nach einem Gedichte
Joh. Beckenhaubs in der Perlustratio Sancti Bonauenture in quatuor libros sententiarum
Petri Lombardi von 1493 Kilian Vischer von Ingelfingen zu gelten, doch erfolgte der
Druck für Basel, und auch die beiden Augustindrucke des folgenden Jahres in gleicher
Letter mögen fremdem Auftrage g-eg-olten haben. Vischer erwarb nach Stehelin
1497 als Drucker das Baseler Bürgerrecht, brachte es auf keinen grünen Zweig und
war 1511 bereits gestorben. Der zweite Drucker Friedr. Riedrer aus Mühlhausen
im Hegau hat 1494, was er zuvor gehört, gelesen und geschrieben, in seinem rheto-
rischen Spiegel, einem üblichen Formularbuch, versammelt, gedruckt und vollendet; er ist
augenscheinlich zuvor Schreiber bei seinem gnädigen Junker von Friedingen zu
Hohenkrähen gewesen ; mit Jakob Locher bekannt, hat er als selbständiger Verleger
in den beiden folgenden Jahren dessen lateinisches Schauspiel Historie vom Könige von
Frankreich und desselben lateinische Rhetorik, in den nächstfolgenden einen Frei-
burger Erlass Kaiser Maxens und Franz Rigers lateinische Briefkunst gedruckt.
Den Meister von zwei Tartaretdrucken von 1494 weiss Pf. nicht zu nennen, doch
führt er zum J. 1493 aus dem Freiberger Zunftregister zum Falkenberg einen Buch-
drucker Bastian Karrer an. Zur Ausführung des Erstlingsdruckes der Margaritha
philosophica des Freiburger Magisters Gregor Reisch kam Joh. Schott aus Strassburg
1503 nach Freiburg, druckte aber die Auflage des nächsten Jahres wieder in seinem
angestammten Druckorte. Erst 1520 treten wieder Drucker auf, Joh. Wörlin 1520 — 25,
Joh. Faber 1527 — 40 und Steffen Graff 1543—79. Der Versuch des Ambrosius Frohen,
durch Abraham Gempperlin und selbst (1583 — 84) dort zu drucken, ist, weil sein
Gesind oder Weib vielleicht „mit der Zwinglischen oder Calvinischen sect befleckht",
abgewiesen worden, während Martin Böckler von Ingolstadt 1592 das Juramentum
fidei prästieren konnte , dass er und sein Gesinde der wahren katholischen aposto-
lischen Religion sei, und den Freiburger Buchdruck ins 17. Jh. überleitet. Der
Aufschwung ist erst im 19. Jh. erfolg-t. — Aus Freiberg'^), dessen Druckergeschichte
Falk], Varia z. ältesten Druckgeschichte: CBlBibl. 10, S. 346/8, 424. — 70) F. W. E Roth, D. Buchdrucker Friedr. Heumann
zn Mainz 1508-12: ib. S. 476-83. — 71j O H. Forst, Ueber d. Gründung d. Behemschen Druckerei in Mainz: AnnYNassauG.
S. 53. — 72) C. Schmidt, Eep. bibliogr. Strassbourgeois jusque vers 1530. 6 Tle. Strassburg i. F., Heitz. XVI, 107 S. u.
4 Tafeln; XI, 68 S. u. 4 Tafeln; VII, 46 S. n. 4 Tafeln; VIII, 35 S. u. 4 Tafeln; VIII, 46 S. u. 2 Tafeln; IX, 41 S. u. 4 Tafeln.
|[LCB1.S. 531/2; C. Pfister: AnnEst. 7, S. 129-30.] | — 73) E. Mumme nhoff, H. Sporer: ADB. 35, S. 271/3. — 74j K. Steiff,
G. Stüchs : ib. 36, S. 714/6. — 75) (S. o. N. 65.) — 76) O D. 250j. Kalenderjnbil. d. Gerlachschen Bnchdr. (Freiberger Stadt-
4*
I 3 : 77-85 0. V. H a s 6 , Schrift- und Buchwesen.
im J. 1495 g-leich der Freiburg-s mit der Gastrolle eines Druckers aus dem nächst-
g-eleg-enen Biicherplatze anhebt, ist deren Darstellung- auf das kommende Jahr an-
g-ekündig-t, inzwischen sind aber als Abschlag- von Heinr. Gerlach '^'''^) dem ehr-
würdig-en Führer des g-egenwärtigen Freiberg-er Buchdrucks, drei Gaben erfolgt: eine
Geschichte des Freiberg-er Berg--Kalenders zur Feier von dessen 250jährig'en Jubiläum,
eine Familienchronik des alten Hauses Gerlach in Freiberg-, und zum lOOjährig-en
Geschlechtsjubiläum eine Erinnerung an seinen Grossvater J. Chr. F. Gerlach unter
Benutzung von dessen Selbstbekenntnissen. — Steiff"^) bring-t Erg-änzung-en zu
seinem vorjährigen Aufsatze über den g-elehrten Drucker Joh. Setzer von Hagenau
auf Grund von Zuschriften A. Hanauers und A. Kirchhoffs, die neues Licht auf
Setzers Stellung- zu Th. Anshelm und seine Bethätigung als Buchhändler werfen. —
Vogt^ö) hat die hauptsächlichsten Druckwerke von Heinrich Steyner in Augsburg
zusammengestellt und auf seine volkstümlichen Holzschnitte hingewiesen, über seine
Lebensumstände hat er nichts erkunden können. — Bö seh ^') weist in einem Beitrag
zur Bücherausstattung des 15. Jh. das Aufkommen des Titels zunächst auf der Rück-
seite eines vorn freien ersten Blattes vom Drucker Berthold in Basel um 1468
und von Erhart Ratdolt in Venedig (1476 und 78), bei letzterem auch das Vorkommen
des verzierten Umschlages (1493) nach. — Ueber den Musikdruck mit beweglichen Metall-
typen im 16. Jh. handelt eingehend Thürlings **2j^ wobei er sich zu der von
Chrysander in seinem durchaus selbständigen „Abriss einer Geschichte des Noten-
drucks" vertretenen Ansicht, dass der Notendruck für die Masse der Figuralmusik
eine einfache Weiterbildung des sogenannten Patronendrucks für die Choralmusik
sei, abwartend verhält. Der Thätigkeit Ottaviano dei Petruccis in Venedig und
Fossombrone vom Privileg von 1498 bis zum Einstellen des Musikdrucks um 1523
und den Arbeiten seiner italienischen Berufsgenossen Jakob Giunta, Antonio Gardano
und Girolamo Scotto stellt Th. die Erhart Öglins in Augsburg und die des als Drucker
bedeutsameren Peter Schöffers gegenüber, wobei er jedoch beider Meister Musikwerke
durchweg als Doppeldrucke in Anspruch nimmt; als ältesten einfachen Musikdruck,
also als den Beginn der höheren Form dieser Satzkunst betrachtet er nach Eitner
einen Sieneser vom J. 1515 auf der kgl. Bibliothek in Berlin. Den Hauptgegenstand
der Untersuchung bildet Mathias Apiarius, der Notendrucker in Strassburg und
Bern, doch wird auch eine Uebersicht der anderen deutschen Notendrucker aus der
Zeit des einfachen Musikdrucks gegeben. Gegen Ende des 16, Jh. ist die Kunst
des Musiksatzes mit beweglichen Lettern verblichen, um erst Mitte des 18. Jh. wieder
neu zu erstehen. — Ueber die Beteiligung von Geistlichen am Buchdrucke bis zur
Reformationszeit giebt Falk ^^) in Ergänzung seiner Schrift „Die Druckkunst im
Dienste der Kirche (Köln 1879)" eine gedräng'te Uebersicht; er führt in vier Ab-
teilungen die geistlichen Drucker Deutschlands an 16, des Auslandes an 32 Orten an,
ferner 7 geistliche Druckstätten in Deutschland und 23 im Auslande. In der ersten
Abteilung finden sich neben einzelnen Geistlichen, die als Barfüsser, Karmeliter,
Priester, Domherr, Professor oder Kleriker wie der Korrektor und Buchführer Joh.
Beckenhaub recht verschiedenartig zur Druckkunst gestanden haben, die Klöster der
Augustiner in Nürnberg, der Benediktiner in Augsburg, Erfurt und Ottobeuern, der
Karthäuser in Köln und Strassburg und der Kogelherren in Magdeburg, Marienthal
und Rostock. Es ist fraglich, ob nicht die Abteilung der Druckstätten, wo
in Klöstern und Wohnungen von Bischöfen oder Domherren namentlich genannte
Drucker ihre Pressen aufstellten, wie bei den Augustinern in Wittenberg Grünberg,
bei den Benedictinern in Bamberg und W^essobrunn Sensenschmid und Zeissenmeyer,
bei den Prämonstratensern in Magdeburg Brandes, im bischöflichen Hause zu Meissen
Melchior Lotter thatsächlich ähnliche Verhältnisse bieten, wie in vielen Klöstern,
deren Drucker nicht mit Namen bekannt sind. — Für die Druckerei des Klosters
der Dominikanerinnen von St. Jakob di Ripoli zu Florenz weist F a 1 k ^'*) (nach
V. Fineschi, Notizie storiche. Firenze 1781) darauf hin, dass gemäss der Ordensregel
nicht sie, sondern zwei Patres im Amte des Spirituals im J. 1476 die Druckerei er-
richteten und die Druckkunst ausübten. Derselbe erinnert an einen Vermerk in
Fabers hs. Historia heilbrunnensis (Württemb. Franken 1862, S. 64), wonach sich
in dem 1444 gegründeten Karmeliterkloster zur Nessel eine Buchdruckerei befunden
haben soll. — Eines deutschen Meisters in Frankreich, Joh. Stolls, Mitglieds der
zweiten Pariser Druckergesellschaft, gedenkt Steiff*^^); er hält es für möglich,
Land- n. Bergkalender.) Vom Heransgeber desselben: MFreibergAV. 29, S. 46/8. — 77} H. Qerlach, D. Hans Gerlach
in Freiberg, e. Familien-Chronilc. Freiberg, Gerlach. 90 S. (Nicht im Buchhandel.) — 78) id., E. lOOj Jubil. Lebens-
bilder z. Erinnerung an d. Freiberger Buchdrucker u Buchhändler Joh. Chr. Friedr. Gerlach (1756-1820): MFreibergAV.
29, S. 34-46. — 79) K. Steiff, Joh. Setzer, d. gelehrte Buchdrucker v. Hagenau. (Nachträgliches zu d. Aufsatz 9,
S. 297 ff.): CBlBibl. 10, S. 20y2. (Vgl. JBL. 1892 I 3:27/8.) — 80) W. Vogt, Heinr. Steyner (Stainer, Steiner) Augsb. Buch-
drucker: ADB. 36, S. 161. — 81) H. Bosch, E Beitr. z. Bücherausstattnng: MGNM. S. 108-12. — 82) A. Thürlings, D.
Musikdruck mit beweglichen Metalltypen im 16. Jh. u. d. Musikdrucke d. Mathias Apiarius in Strassburg n. Bern. (= Sonder-
abdr. aus VjsMusikwissensch. 1892.) L., Breitkopf & Härtel. 82 S. Mit Facs. M. 1,00. - 83) IF. Falk], Geistl. Drucker
u. geistl. Druokst&tten bis 1520: Kath. 1, S. 90/6. — 84) (S. o. N. 69; S. 347.) — 85) K. Steiff, Joh. Stell: ADB. 36, 8. 403/4.
O. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 : 86-94
dass dieser Gesellschafter von Peter de Keysere der als Joh. Stol de Frede-
burgh (Friedberg-) 1471 in der Erfurter Matrikel verzeichnete Student war. Nächst
den 8 g-ezeichneten Drucken der Gesellschaft aus den J. 1474—76 werden ihr noch
10 aus dem Hause zum g-rünen Blasebalg- in der Strasse St. Jakob nahe den Domi-
nikanern bis 1479 oder 80 zug-e wiesen, von Hain weitere 15 undatierte Drucke. —
De la Bouraliere^®) berichtet eing-ehend von den Anfängen der Druckkunst in
Poitiers (1479 — 1515), das er nächst Paris, Lyon, Toulouse, Ang-ers, Chablis undVienneals
siebente Druckstadt Frankreichs bezeichnet. Nach Schilderung- der erstenWieg-endrucke
vom breviariura historiale beginnend, wird die Thätigk eit Jean Bouyers und seiner Gesell-
schafter, des Buchhändlers Jacques Bezanceau, der Familie de Marnefund des Druckers
Jean Mesnage vorgeführt. — C 1 a u d i n ^'^) ist denDruckanfäng-en von Salins in der Frei-
grafschaft, gleich nachdem es Mittelpunkt der neuen französischen Herrschaft geworden
war, nachgegangen, — Von grossem Werte ist C 1 a u d i n s ^^) Schrift über das
Toulouser Buchgewerbe, das in voller Freiheit erblüht ist. Der Vf. zieht aus den
Steuerlisten nicht weniger als 15 Drucker ans Licht, er rühmt sich gegen 500 Er-
wähnungen betreffend Buchhändler und Stationare, mehr als 70 betreffend Buch-
binder, 50 betreffend Illuministen mit Ausschluss der eigentlichen Maler verzeichnet
zu haben ; auf Anführung der grossen Zahl von Pergamentern hat er verzichtete^). —
Marie Pellechet^") entwickelt in ihren Hypothesen über die Druckkunst in
Languedoc fruchtbare Anregungen über die Beziehungen der Städte, indem sie auf
den Einfluss der Buchhändler von Lyon und Toulouse auf Languedoc, auf die haupt-
sächlich deutsche Herkunft des Bücherbestandes in Bordeaux und auf die Pariser
Drucke in Poitiers hindeutet, auf ylämische Lettern in Italien und auf die nahe
Verwandtschaft der ersten Lyoner Lettern mit den deutschen und auf die Herkunft
der Drucker aus Deutschland. Auf Grund solcher Erwägungen und sorgfältiger
Vergleichungen weist Marie P. sinnreich und glaubhaft nach, dass der älteste Druck
von Toulouse vom J. 1476 von Martinus Huss de Botwar stammt, und dass Vorräte
seiner Lettern 1479 im Besitze des zweiten Druckers, seines deutschen Landsmannes
Joh. Parix von Heidelberg* waren. Aehnliche Folgerungen werden aus der weiteren
Verwendung von Lettern, die Joh. Neumeister in Albi gebraucht hat, gezogen,
ähnliche Anregungen in einem Aufsatze über Druckalphabete des 15. Jh gegeben^^). —
lieber einen deutschen Wanderdrucker der Frühzeit in Spanien, Nikolaus Spindeler
aus Zwickau, 1477—1506, berichtet Steiff^^) — ^jg gj^ allerliebstes Büchlein
über einen hervorragenden römischen Drucker des 16. Jh. Antonio Blado (1490—1567)
hat Fumagalli^3^ eine schon 1886 abgefasste, aber bis auf die Gegenwart ergänzte
lesenswerte Schrift veröffentlicht. Aus dem Anhange ist ein Gesellschaftsvertrag für
ein Verlagsunternehmen von 1536 und ein Privileg Gregors XIII. für den Druck
von Bullen und Konstitutionen hervorzuheben. —
Für die Kunde von den Wiegendrucken ist, abgesehen von den schon
erwähnten Strassburger Repertorien, im Berichtsjahr die Ernte in Deutschland so wenig
ergiebig gewesen, dass es fast scheint, als halte jedermann unwillkürlich mit nur
massig fruchtbringender Einzelarbeit zurück, bis endlich eine Organisationskraft
erstünde und für das wahrlich nicht übergrosse Gebiet, das aber einen hervorragenden
Ruhmestitel deutscher Arbeit angeht, Plan und Mittel schaÖ'te. Nur Burgers 9*)
grosses Tafelwerk der deutschen und italienischen Inkunabeln hat einen Schritt vor-
wärts gethan; wie untrennbar deutsche und italienische Schriftproben des Wiegen-
zeitalters sind, erhellt daraus, dass die in die 3. u. 4. Lieferung (Tafel 51—100) auf-
genommenen 13 Druckproben aus Italien sämtlich deutschen Meistern angehören. Es
ist dringend erwünscht, dass die Reichsdruckerei diese Sammlung musterhafter Nach-
bildungen von der Zwangsjacke eines ihr auferlegten zu engen Umfanges befreit,
so dass diese Monumenta sich zu einem vaterländischen Unternehmen mit den natur-
gemässen, gar nicht einmal weitläuftigen Grenzen auswachsen kann. Als Abschluss
ist ein handlicher Band mit den Alphabeten, womöglich auch Ligaturen, aller wesent-
lichen Letternarten der Wiegendruckzeit nötig, sowohl für wissenschaftliche Druck-
vergleichung, als für die Befruchtung des gegenwärtigen deutschen Buchgewerbes.
— Die bescheidene Inkunabelnsammlung der Gothaer Gymnasialbibliothek verzeichnete
— 86) A. de la Bouraliere, Les debnts de rimprimerie ä Poitiers (1479-1515). 2. ed. Paris, Em. Paul, L. Huard et Guillemin.
72 S. 3Taf. |[JSav. S. 703.]| — 87) A. Claudin, Les origines de l'imprimerie ä Salins en Franche-Comte (1434-35). (= Extr.
du Bulletin du bibliophile.) Paris, Clandin. 1892. 25 S. (Vgl. JBL. 1892 I 3 : 41 ) — 88) id., Les enlumineurs, les relieurs,
les libraircs et les imprimeurs de Toulouse aux 15. et 16. siecles (1480-1530). Docuraents et Notes pour servir ä lenr bist.
(= Extr. du Bulletin du bibliophile.) ib. 67 S. — 89) X id-. Note pour servir ä l'hist. de rimpriraerie en Bearn. Les
antecedents d'Henry Toyvre et de Jean de Vingles, premiers imprimeurs de la ville de Pan. (= Extrait de la Gase). Auch,
Foix. 3S. ~ 90) Mfarie] Pellechet, Quelques hypotheses sur l'imprimerie en Languedoc au 15. sifecle : ChrJGenlraprLibr. 82',
S. 1/7. — 91) id., Alphabets des imprimeurs du 15. siecle avec des facs. (= Extr. de la RBibl.). Paris, Bouillon. I, 10 S.
— 92) K. Steiff, N. Spindler: ADB. 35, S. 19S/9. — 93) G. Fumagalli, Antonio Blado, tipografo romano del secolo 16.
Memoria storico-bibliografica. Milano, Hoepli. 24». 123 S. L. 3,50. — 94) Monumenta Germaniae et Italiae typographica. Dtsch
n. ital. Inkunabeln in getreuen Nachbildungen her. t. d. Direktion d. Keichsdruckerei. Answ. n. Text t K. Burg er. 3. u. 4. Lfg.
I 3:95-109 0. V. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Ehwald^^); auf Grund von Zwickauer Funden berichtet Beck^^) in einem Aufsatze
über die ersten illustrierten Bücher, über neu aufgefundene illustrierte Strassburg-er
Drucke von Matthis Hupfuff aus dem Anfange des 16. Jh., über des Ekken Aus-
fahrt von 1503 nebst zwei schon aus Nürnberger Drucken bekannten Meisterliedern
im Tone Jörg Schillers.ö''"^^) — In England versteht man die Lust am Buche der
Frühzeit in weite Kreise zu tragen. Von der sechs Einzelbände umfassenden Sammlung
Trübnerschen Verlages, „Books about books" edited by Alfred W. Pollard liegen in
kräftigen, vom kgl. Buchdrucker der Edinburger Universitäts-Presse schön ge-
druckten Bänden zu je 6 Sh. sechs Werke vor: das von Elton^^^ über die
grossen Büchersammler, von H a r d y ^^Oj über Bücherzeichen (Ex libris), von D uf f '^i)
über die ersten Drucke, von Pollard ^"2) ly^er die ersten illustrierten Druckwerke,
H 0 r n e s i*^^) Buch über Buchbinderei ist im folgenden Jahre erschienen, Madans
Hs.-Buch wurde bereits erwähnt (s. o. N. 27). — Auch für die praktische Ver-
folgung des Marktverkehrs der Bücher ist für Verkäufer und Käufer von anti-
quarischen Werken dort gut gesorgt durch den jährlich mit alphabetischem Inhalts-
verzeichnisse erscheinenden Book-Prices-Current i^*) englischer Auktionen, deren
Gesamtumsatz im J. 1893 £" 66,470 15 s. 6 d. betrug. — Auf C o p i n g e r s lo^) grosses
Inkunabelnwerk über die lateinische Bibel zwischen 1450 und 1500 nebst einer Liste
der Ausgaben des 16. Jh. ist nachdrücklich hinzuweisen. Die Zahl der von ihm
beschriebenen lateinischen Bibelausgaben des 15. Jh. beträgt 124, einschliesslich
13 zweifelhafter und ausschliesslich 14 von ihm als unecht betrachteter Ausgaben.
Das chronologische Verzeichnis des 16. Jh. umfasst 438 Ausgaben. Die 44 bei-
gegebenen Schrifttafeln in Photolithographie köpnen, so willkommen sie sind, sich
mit den Zinkklatschen der deutschen Reichsdruckerei nicht entfernt vergleichen ; ein
Urteil über die Güte des Druckes der Inkunabelnzeit, nach diesen Proben abgegeben,
würde abschätzig ausfallen müssen.-- Vom Verzeichnis der reichen Sammlung Copingers,
der selbst 68 von den 124 lateinischen Bibeln des 15. Jh. und 202 von den 438 Ausgaben
des 16. Jh. besitzt, ist ein Privatdruck 'o6) erschienen. — In Frankreich schreitet die
Aufnahme der Inkunabelnbestände der öffentlichen Bibliotheken nach Delisies all-
gemeingültigen Instruktionen rüstig vorwärts. Von M a r a i s und D u f r e s n e ^^'^)
liegt der Inkunabelnkatalog der berühmten Bibliotheque Mazarine vor, zu dem
Delisle und Copinger vieles freundlich zu bemerken hatten. Ein Druckerverzeichnis
sollte einem so wichtigen Kataloge nicht fehlen. — Marie Pellechet*"*) hat den
Inkunabelnkatalog der öffentlichen Bibliotheken von Lyon durch ihr selbständiges
Vorgehen zu Wege gebracht, da die Bibliothekare der Stadt, die einst der Haupt-
bücherplatz von Frankreich war, die Aufgabe nicht selbst zu unternehmen vermochten.
Das mit Facsimiles von Druckerzeichen geschmückte bedeutsame Werk weist zwecks
vielseitiger Verwertung Register über Druckorte, Drucker- und Buchhändlernamen,
über Verteilung der Ausgaben auf die einzelnen Druckorte, über Vorbesitzer der
Bücher, Büchertitel, ein Orts- und Personenverzeichnis, Tafel der Drucker- und Ver-
legerzeichen und der beigegebenen 22 Druckproben Lyoner Drucker des 15. Jh. auf.
Das Druckfehlerverzeichnis ist nur kurz, doch verlautet, dass es der sehr verdienten
Vf. versagt wurde, die Korrektur an den Exemplaren selbst zu lesen, auch bleibt zu
bedauern, dass Umstände die geplante Geschichte der in der Lyoner Bibliothek durch
das Gesetz von 1789 und das Dekret von 1792 vereinigten Kloster- und Laienbücher-
schätze verhindert haben. — C a s t a n ^oo) hat die Veröffentlichung seines aus-
gezeichneten Inkunabelnkatalogs der öffentlichen Bibliotheken von Besangon nicht
erlebt, zu dem Delisle die Vorrede, der heimgegangene L. S i e b e r eine Mit-
teilung über den Drucker Bernhard, Hans Amerbachs Stiefsohn, beigetragen hat. Ausser
den Drucker- und Verlegernamen und den Druckorten sind auch die Wasserzeichen
alphabetisch nach Gegenständen mit Angaben von Ort, Drucker und Werknummer,
B., Reichsdruckerei (Leipzig, Harrussowitz). Fol. k 25 Taf. ä M. 20. 1[LCB]. S. 575/6 (anerVennend).]| — 951 (S. o. N. 38.) —
96)K. Beck.Nengefnndeneillnstr. Strassb. Druclce aus d. ersten Jahrzehnte d. 16. Jh.: CBlBibl. 10, S 331/4. — 97) XK. Koch en-
do rff er, A. V. Dommer, D. ältesten Drucke aus Marburg i H. (Vgl. JBL. 1892 13 : 48.) : DLZ S 942/3 (s. LCBl. S. 1121). — 98) X A.
Schricker,E. Hochegger, Liberregum. (Vgl. JBL. 1891 14:35.): DLZ. S. 561/3. — 99) C. J. u. Mary Augusta Elton, The great
book-collectors. London, Kegan Paul, Trench, Trübner & Co. VIT, 228 S., 9 Taf. Sh. 6. — 100) W. J. Hardy , Book-plates. ib. XVI,
175 S., 36 Taf. Sh.6. — 101) E. G. Duff, Early printed books. ib. XU, 219 S., 10 Taf. Sh. 6. - 102) A. V^. Pollard, Early illustrated
books. Abist, ofthe decoration and Illustration of books in the 15"' and 16'1> Centuries. ib. XVI, 2,56 S. Sh. 6. — 103) H.P.Horne,
The binding of books, an essay in the bist, of gold-tooled bindings. ib. VIII, 224 S. 13 Taf. Sh. 6. — 104) Book-Prices-
Current: a record of the prices at wich books have been sold at anction, from Dec. 1892 to Nov. 1893. Vol. VII. London,
EUiot Stock. VIU. 530 S. Sh. 27 6. — 105) W. A. Copinger, Incunabula biblica on the ftrst half Century of the latin
bible beeing a bibliographical accoant of the various editions of the latin bible betwuen 1450 and 1500 with an appendix
containing a chronological list of the editions of the sixteenth Century. London, Quaritch 1892. X, 226 S, Bild. d. Vf.
(Nicht im Handel.) — 106) O id., Catal. of the Copinger- collection of editions of the Latin Bible with bibliographical particnlars,
by W. A. Copinger. Manchester. 4». VIII, 39 S. Mit Titelbild n. 9 Taf |[L. Delisle: JSav. 8. 202-18 (anerkennende Be-
sprechung mit ergänzenden Bemerkungen).] (Nicht im Buchhandel.) — 107) P. Marals et A. Dnfresne de Saint-Leon,
Catal. des incunables de la bibl. Mazarine. Paris, Welter. VIII, 811 S. — 108) M[arieJ Pellechet, Oatal. des incnnables
des bibl. pnbliques de Lyon. Avec facs Lyon, Delaroche et C!ie. VIII, 477 S., 8Taf. — 109) A. Castan, Catal. des incnnables
O, V. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 : 110-123
ebenso die Ex-libris in einem Reg-ister verzeichnet; die Liste der nachg-ebildeten
Drucker-, Verleger- und Bibliothekzeichen ist stattlich. —
In die spätere Zeit des deutschen Buchdrucks führt der geschichtliche
Teil von Hubers^'O) Festbericht über das 300 jährige Jubiläum der Joh. Köselschen
Buchhandlung in Kempten. Vom Fürstabt von Kempten Erhard Blarer von War-
tensee im J. 1593 gegründet und im fürstlichen Residenzschlosse zu Kempten bis
zum Anfange unseres Jh. als Typog-raphia ducalis unter der Leitung von Faktoren
betrieben, dann als kurbayerische Buchdruckerei mit der Papiermühle Hegge vom
Staate übernommen, g-ing dieses typische katholische Geschäft an den letzten Faktor
Joh. Kösel über; seine heutige Blüte verdankt es — dem Pfarrer Kneipp. — Rung-ei^^)
hat auf Grundlage eingehender Benutzung der Akten des Osnabrücker Staatsarchives,
des Materials des Ratsarchives und der hs. Schätze des Ratsgymnasiums und histo-
rischen Vereins in Osnabrück, auch eifrig-er bibliographischer Forschungen den
ersten Teil einer Geschichte des Osnabrücker Buchdrucks veröffentlicht. Seltsamer
Weise hat sich in dieser hochentwickelten Stadt für das gesamte 15. und 16. Jh.
keine Spur von Buchdruckbetrieb auffinden lassen, im J. 1617 ist „zuerst eine
Druckerey zu Osnabrück verordnet, und der erste Drücker darauf Martin Mann g-e worden" .
Der Schrift, die den innigen Wechselbeziehungen der Druckkunst mit dem geistigen
Gesamtleben liebevoll folg-t, ist ein Verzeichnis älterer Osnabrücker Drucke von
1618—1707 nach der Reihenfolge der Drucker beig-eg-eben. — Pauls ^^^^ kann in
seinen Beiträgen zur Geschichte der Buchdruckereien usw. in Aachen, obg-leich er
sich bemüht alle Drucker von Gutenberg* an namhaft zu machen, die mit Aachen
Zusammenhänge haben, erst 1620 einen städtischen Buchdrucker nachweisen und
im ganzen 17. Jh. bleibt es im wesentlichen bei Gelegeriheitsschriften. —
Für das Feld der Drucker marken behält in Deutschland der kunst-
sinnige junge Verlagsbuchhändler Heitz die Führung in Händen; seinen elsässischen^^^)
Büchermarken lässt er Kristellers' ^*) italienische Buchdrucker- und Verleger-
zeichen folgen. Der Abschluss mit dem J. 1525 ist berechtigt, da um diese Zeit
gleichzeitig eine sachliche und künstlerische Umgestaltung erfolgt. Die wirtschaft-
lichen Erörterungen des von der Kunstgeschichte ausgehenden Herausgebers
sind sehr willkommen. Gegenüber der Mannigfaltigkeit deutscher Markengestaltung
wirkt die einheitliche italienische Grundform, die Weltkugel mit dem Doppelkreuz,
etwas eintönig. — In England veröffentlicht Roberts i'^), der Herausgeber des
„Book-Worm", eine mit guten Facsimilestöoken belebte, übersichtliche Darstellung der
Druckermarken. —
Der alte Streit über die deutsche Druckschrift wird in neuerer Zeit un-
geschwächt, aber von beiden Seiten einseitig fortgesetzt i^^-iisj —
Die Bib liograp hie hat ausser Hss. und Inkunabeln Verzeichnissen mancherlei
Gebiete bedacht. Die nachweisbaren arabischen Uebersetzungen aus den Griechischen,
die mittelbaren Einfluss auf mancherlei Litteraturzweige gewonnen haben, zählt
Steins chn eider*''') auf. — Eine BibliogTaphie der epischen lateinischen Dramen
des Mittelalters in elegischem Versmasse giebt B ahlm an n *^'*), im ganzen 19, nach
B.s Ansicht nicht für dramatische Aufführung bestimmte Werke vom Ende des
10. Jh. bis gegen 1260, neben den 6 wirklichen Komödien der Hrotswitha die ein-
zigen seit dem 5. Jh. im ganzen Mittelalter, die an das Theater des Altertums er-
innern. Nicht berücksichtigt sind die liturgischen Dramen, sowie die Landen, Devotionen
und Repräsentationen des 14. und 15. Jh. Aus dem späteren Mittelalter ist Regnier
de Waels epische Tragödie von 1447 verzeichnet. — Ueber einige Reformationsschriften
aus den J. 1525—26 und deren schwedische Uebersetzungen veröffentlicht An-
der s s 0 n 1 2 ij bibliographische Miscellanea; B a h 1 m a n n 122^ verzeichnet die Ausgaben
einer gereimten Streitschrift des Jesuiten Joh. Hammer samt Gegenschriften. — Mit
äusserster Vorsicht gehen die Herausgeber der Bibliotheoa Erasmiana'^S) vor, die das
als vorläufig bezeichnete Verzeichnis, ein hervorragendes Werk grössten Bibliographen-
de la bibl. publique de Besan9on. Besanjon, Dodivers. XIX, 816 S. — 110) L. Huber, Festbericht über d. 300 j. Jubil. d.
Joh. Köselschen Buchhandlung in Kempten am 24. Sept. Kempten (Kösel). 63 S. 1 Bild. (Nicht im Buchhandel.) — 111)
G. Runge, Gesch. d. Osnabrücker Buchdrucks. 1. T. 1617-1707. (Aus MGVOsnabrück. 16, S. 181-370.) Osnabrück (Rack-
horst). 199 S. M. 2,00. |[LCB1. S. 1500 (anerkennend).]] (Sonderabdr.) —112) E. Pauls, Beitrr. z. Gesch. d. Bachdruckereien,
d. Buchhandels, d. Censur u. d. Zeitungspresse in Aachen bis z. J. 1816: ZAachenGV. 15, S. 97--235. — 113; P- Heitz, Bl-
sässische Büchermarken (vgl. JBL. 1892 I 3:45). j[K. Dziatzko: DLZ. S. 614/5; RepKunstw. 16, S. 145/6; 0. v. H(ase):
LCBl. S.10889; A.Schricker: AZgB.N.4; E. Picot: RCr. 35, S. 143/7.]| — 114) P. Kristeil er, D. Italien. Buchdrucker- u.
Verlegerzeichen bis 1525. (= Die Büchermarken od. Buchdrucker- u. Verlegerzeichen. 2. Bd.). Strassburg i. E., Heitz. 4".
XV, 145 S. M. 50,00. |[0. t. H(ase): LCBl. S. 447/9; NAnt. 47, S. 734/5 (anerkennend).]! - 115) W. Roberts, Printers
marks. A chapter on the bist, of typography. London, Bell & Sons. 16». Sh. 7/6. — 116) X J- Schlecht, Eckschrift oder
Rundschrift: ZDU. 7, S. 471/5. — 117) X Rundschreiben d. Vereins für Lateinschrift: PaedA. 35, S. 100-4. — 118) X
H. Stöckel, Antiqua oder Fraktur?: BBRW. 13, 8.7-14. - 119) M. Steinschneider, D. arabischen Uebersetzungen aus d.
Griechischen. (= Beihefte z. CBlßibl. N. 12.) L., Harrassowitz. IV, 112 S. M. 5,00. — 120) P. Bahlmann, D. epischen
Komödien u. Tragödien d. MA.: CBlBibl. 10, S. 463-70. - 121) A. Andersson, Miscellanea: ib. S. 486-90. — 122) P. Bahl-
mann, Herrn. Josemas Praedikanten-Latein : ib. S. 271/5. — 123) Bibliotheca Erasmiana, repertoire des oeuTres d'Erasnje,
I 3:124-143 0. V. HasG, Schrift- und Buchwesen.
fleisses der Genter Universitätsbibliothekare, zunächst in 800 Abzügen jedermann
zur Verfügung- stellen, der verbessern und vervollständigen will. Der mächtige Einfluss
des Erasmus auf die verschiedensten Litteraturen erhellt, wenn man die schier end-
losen Reihen von Auflagen und Ausgaben Erasmischer Werke überblickt. — Zur
Bibliographie der Paracelsisten liefert Sudhoff^^i^ einen kritischen Beitrag. —
Der deutschen Litteratur bringt Ad. Schmidt ^^5) aus der Darmstädter Hofbibliothek
willkommene bibliographische Beiträge: Ueber die älteste datierte Ausgabe des Pfaffen
vom Kaienberge (1490), über Fuchsens Muckenkrieg (1580), Eulenspiegel (1551),
die beiden Reimschriften des Bad zu Blumerschs und B. Klingiers „Wie man sich
hüten soll vor dem Spiel", über Griseldis und Giletta von Narbonne, den Glück Haff
zu Strassburg, das Buch der Liebe (gegen eine Ausgabe von 1578), namentlich aber
Beiträge zur Fischartbibliographie (N. 1—58). — Neubaur^^e^ (vgl. I 5:226) lässt
seiner früheren Darstellung der Sage vom ewigen Juden (1884) eine vervoll-
ständigte Bibliographie der Ausgaben in deutscher (56), vlämischer (13), französischer
(10), dänischer (4) und schwedischer (19) Sprache, sowie von 139 Schriften über
diesen Gegenstand folgen. — Vogel '^i^ hat für die gedruckte weltliche Vokalmusik
Italiens durchaus selbständig und meisterhaft die bibliographische Grundlage gelegt
und damit ein Muster für authentische Materialiensammlung zur Musikgeschichte
überhaupt gegeben. Bei dem grossen Einflüsse dieser italienischen Musikgattung
auf Deutschland verdienen die angeführten Texte die Beachtung der Litterar-
historiker. — Nächst den Fachbibliographien '^s)^ die das ganze Gebiet eines Wissens-
zweiges umfassen, haben die meisten Künste ^29-131^ und Wissenschaften in ihren
Fachorganen Bibliographien über die laufenden Erscheinungen '32). — Eine über-
sichtliche geschichtliche Bibliographie der letzten zwei Jahrzehnte bietet der Er-
gänzungsband der Mitteilungen aus der historischen Litteratur ^^^), ein alphabetisches
und sachliches Register dieser Zeitschrift. i3*"'35) _ Bibliographisch besonders schwer
zu fassen sind die kleinen Schul- und Universitätsschriften. Bei Bearbeitung einer
Bibliographie der deutschen Universitäten ist H o r n i'^) zu einer geschichtlichen
Darstellung der Disputationen und Promotionen an den deutschen Universitäten ge-
kommen. — Die Notwendigkeit eines raschen Ueberblicks über die gegenwärtige
Litteratur dieser Art hat zu B" 0 c k s ^^'^) bibliographischem Monatsbericht geführt,
der sich nach und nach zu einem unentbehrlichen Hülfsbuch aller Wissenschaften
herangebildet hat. — Ein systematisches, mit Orts- und Namenregister versehenes
Verzeichnis der Abhandlungen in Schulschriften, jedoch, abgesehen von vereinzelten
Fällen, nur soweit als sie an dem Programmaustausch teilnehmen, verdankt man
für die J. 1886—90 wiederum Kl u s s m a n n ^3^); auf die Abteilung VI (S. 166
bis 191), Geschichte der Kultur und Litteratur, darin namentlich Bibliographie und
Bibliothekenkunde, sei noch besonders hingewiesen. — Jahresverzeichnisse der an
den deutschen Schulanstalten erschienenen Abhandlungen und der an den deutschen
Universitäten erschienenen Schriften giebt es in gesonderten Bänden >39-i40^- ^as
dann die Schweiz i4i-i42^ betrifft, so erfolgen besondere Verzeichnisse für die Schulen. —
Jüngere Wissenschaften sind in der Lage, diese Gelegenheitsschriften für ihr gesamtes
Gebiet zu verzeichnen: für romanische und englische Philologie hat Martin^^^j
1. Liste soiDinaire et provisoire des divers ed. des ses ceavres. 2. Auteurs publies, trad. ou annot. par Erasme, Liste som-
maire et provisoire. 3. Sources, Biographies d'Erasrae et ecrits le concernant; ouvrages qui contiennent des notes d'Erasme,
des extraits de ses oeuvres etc Gent (Universitätsbibliothek). IV, 186 S. ; 86 S. ; 66 S. (Nicht im Bachhandel.) — 124)
K. Sndhoff, E. Beitr. zur Bibliogr. d. Paracelsisten im 16. Jh.: CBlBibl. 10, S. 316-26, 385-407. — 125) Ad. Schmidt,
Z. Bibliogr. d. älteren dtsch. Litt.: ib. S. 433-56. — 126) L. Neubaur, Bibliogr. d. Sage v. ewigen Juden: ib. S. 249-67,
297-316. — 127) E. Vogel, Bibl. d. gedruckten weltlichen Vokalmusik Italiens ans d. J. 1500-1700, enth. d. Litt. d. Frottole,
Madrigale, Canzonette, Arien, Opern etc. Her. durch d. Stiftung v. Schnyder v. Wartensee. 2 Bde. B., Haack. 1892. XXIV,
530 8.; IV, 599 S. M. 24,00. — 128) X J Plchler, Bibliotheca historico-militaris. Systemat. üebersicht d. Erscheinungen
aller Sprachen auf d. (Jebiete d. Gesch. d. Kriege u. Kriegswissenschaft seit Erfindung d. Bnchdruckerkunst bis z. Schluss d.
J. 1880. 3. Bd., 2. Heft. Cassel, Kessler. S. 61-344. M. 9,00. —129) X Bi^iographie: EepKunstw. 16, S. I-LVI. — 130 X
F. Aschers on, Musikal. Bibliographie 1893: VjsMusikwissensch. 9, S. 449-72. — 131) X Bacherschan z. Gesch, d. dtsch.
Bühnen: NTheaterAlm. 4, S. 20-25. — 132) X J.Po hie n. J, D. Schmitt, Novitätenschau. E. Bibliogr d. philosoph.
Erscheinungen d. J. 1892: PhilosJb. S. 203-38. — 133) Mitteilungen aus d bist. Litt. her. v. d. bist. Ges. in Berlin u. in deren
Auftr. redig. v. Ferd. Hirsch. Ergänznngsheft. Eegist. über Jahrg. 1-20 (1873-92). B., Gaertner. IV, 114 S. M. 3,00. —
134) X Altpreuss. Bibliogr. für 1891 nebst Ergänzungen zu früheren Jahren. (= Beilageheft zur AltprMschr. 29.)
Königsberg i. Pr., Beyer (Thomas & Oppermann). 1892. 56 S. M. 2,80. - 135) O X Mecklenburg. Litt. Juli 1892/3:
QBVMecklG. 58, S. 72-88. — 136) E. Hörn, D. Disputationen u. Promotionen an d. dtsch Univ. vornehmlich seit dem 16. Jh.
Mit e. Anh. enth. e. Verzeichnis aller ehemaligen u. gegenwärtigen dtsch. Univ. (= Beihefte z. CBlBibl. N. 11.) L., Harrasso-
witz. VlII, 128 S. M 5,00. — 137) Bibliogr. MB. über neu erschienene Schul- und üniversitätsschriften (Dissertationen,
Programmabhandlungen, Habilitationsschriften usw.). Unter Mitw. u. mit Unterstützung mehrerer Universitätsbehörden her. v.
d. Centralstelle für Diss. u. Progr. v. G. Fock. 4. Jahrg. L., Fock. IV, 160 S. M. 2,00. - 138) R. Klussmann, Systemat.
Verzeichnis d. Abhandl. , welche in d. Schulschriften sämtlicher an d. Programmtausche teilnehmenden Lehranst. er-
schienen sind. Nebst 2 Reg. 2. Bd. 1886-90. L., Teubner. VII, 285 S. M. 5,00. |1E. Roth: CBlBibl. 10, S 549-50.]| —
139) Jahresverzeichnis d. an d. dtsch. Schulanst. erschienenen Abhandl. IV. 1892. B., Asher & Co. lU, 68 S. M. 2,00. —
140) Jahresverzeichnis d. an d. dtch. Univ. erschien. Schriften 15. Aug. 1891-14. Aug. 1892. ib. III, 317 S. M. 8,00.
— 141-142) Verzeichnis d. in d J. 1889-91 erschienenen Progrr. d. Schweiz. Progymn., Gymn , Lyceeen resp. Kantonsschnlen.
JhVSchwGymnasiallehrer. 22, S. 129-35. — 143) H. Varnhagen, Systemat. Verzeichnis d. Programmabhandl , Diss. u. Habili-
tationsschriften aus d. Gebiete d. roman. u. engl. Philol. sowie d. allgem. Sprach- u. Litteraturwissensch. u. d. Päd. n. Methodik.
O. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 : 144-154
das vor 16 Jahren erschienene Varnhagensche Verzeichnis für die Gegenwart
dankenswert neu bearbeitet, Abteilungen wie Teil 1, VI „Schrift" wären wohl besser
weggelassen oder neu ergänzt worden. — Die Bedeutung der wissenschaftlichen Zeit-
schriften''*^) hat das preussische Ministerium der Unterrichts-Angelegenheiten ver-
anlasst, ein Verzeichnis dieser in Deutschland noch laufenden und der wichtigeren
seit Beginn dieses Jh. erschienenen Zeitschriften von der kgl. Bibliothek zu Berlin
(durch Kustos T h. G 1 e i n i g e r) für die Universitäts-Ausstellung in Chicago heraus-
geben zu lassen. — Um deutsche Jugendlitteratur hat sich T h e d e n '*^) durch eine
kritische Darstellung verdient gemacht; in der Schweiz hat eine Specialkommission
der gemeinnützigen Gesellschaft eine schlichte Auswahl für dieses dreisprachige
Gebiet entworfen ^^^). — K u k u 1 a ^*') bringt zu seinem nützlichen bibliographischen
Jahrbuch ein Ergänzungsheft, das ausser den Lehrern auch die Universitätsbeamten
bis zum J. 1892 berücksichtigt. — Vereine tragen jetzt mehrfach ihre Bestrebungen
in die praktische Bibliographie: So hat auf Grund der Encyklika Leos XIII. über die
Arbeiterfrage der katholische politische Pressverein Brixen einen Katalog socialer
Litteratur 1^^) verbreitet, der katholische Pressverein der Diöcese Linz lässt G u p p en -
b e r g e r s ^*^) Bibliographie des Klerus der Diocese Linz als Festschrift für Bischof
Doppelbauer erscheinen; diese liebevoll ausgeführte Bibliographie des vielseitig
gebildeten Benediktinerpfarrers zu Adlwang hat auch zeitlich einen weiteren Gesichts-
kreis, als der Titel in Aussicht stellt, und giebt ein anschauliches Bild der mannig-
fachen litterarischen Thätigkeit des oberösterreichischen Klerus. 190 Schriftsteller
gehören dem Säkularklerus an, vom Regularklerus stellen die Benediktiner von
Kremsmünster und Lambach allein 150 Vertreter, alle anderen Orte zusammen 151,
darunter die regulierten Chorherren von St. Florian 55, die Gesellschaft Jesu 24, die
Franziskaner nur 2 mit zusammen drei herzlich unbedeutenden Gelegenheitsschriftchen.
— Eine praktische Bibliographie der neueren katholischen Litteratur giebt H e i m -
buch er '^'') in der dritten, stark erweiterten Auflage der „Bibliothek des Priesters",
die mit ihrem Anhange nichttheologischer Werke für weite Kreise die Grenzen der
für sie zulässigen Litteratur absteckt. — Zur Bibliotheca bibliographica italica hat
Mazzi^^^) einen systematisch geordneten Anhang von 1302 ergänzenden Werken
g-egeben, der mit der Geschichte des italienischen Buchhandels beginnt. — Die
neu gestiftete bibliographische Gesellschaft in Ijondon, die auch eine Bibliothek
begründen und Werke drucken und veröffentlichen will, hat sich ein eigenes Organ ^'^^)
geschaffen, das in des ersten Präsidenten Copingers Denkschrift (S. 29 — 59) die
erfreuliche Aussicht auf einen Hain redivivus, von Copinger in Fühlung mit Burger,
eröffnet; die Liste der Hauptquellen hierfür ist selbst eine willkommene Bibliog-raphie:
Wheatley (S. 61 — 90) knüpft an seinen Vortrag über den gegenwärtigen Stand
der englischen Bibliographie den Vorschlag, von einer Auswahl grosser Autoren
Sonderbibliographien zu veröffentlichen, und legt als Beispiel der Ausführung
eine solche von J. Evelyn vor, ebenso wie Madan (S. 91 — 106) seinen Vor-
trag über Methode in der Bibliographie durch ein Jahresbeispiel der Oxford-
bibliographie beleg't ; auch Aldrichs Zusammenstellungen über Inkunabeln
(S. 107—21) und Christies Aufsatz über Specialbibliographien (S. 165—77)
sind lesenswert, für eine Ikonographie des Don Quixote hat Ashbee (S. 123-44)
67 illustrierte Ausgaben herangezogen, dabei unbedeutende ausgeschieden. — Als
Typus bibliographisch bedeutsamer und künstlerisch schön ausgestatteter Anti-
quariatskataloge mag der Caxton Head-Catalogue von Tregaskis '^^^ gelten. —
Die wichtigste Schrift über das Zeitungswesen hat Bücher'^*) geliefert,
der nach Besprechung des römischen Nachrichtenwesens die Organisation des Nach-
richtendienstes seit dem 12. Jh., die Entstehung der geschriebenen Zeitung im 14.
und 15. Jh. und die Entwicklung des Zeitungsschreibens zum Gewerbe im 16. und
17. Jh. verfolgt. Dass nachweislich gerade nach der Erfindung der Buchdrucker-
2. vollst, nmgearb. Aufl. besorgt v. J. Martin. L., C. A. Koch. XVI, 296 S. M. 4,00. - 144) Verzeichnis d. in Deutschland
erschienenen wissenschaftl. Zeitschriften. Für d. Univ.-Ansstellung in Chicago 1893 im Anftr. d. kgl. preuss. Ministeriums d.
Unterr -Angelegenheiten her. v. d. Vgl. Bibl. zu Berlin. B., Renther & Reichard. IV, 118 S. M. 4,00. — 145) D. Theden,
d. dtsch. Jugendlitt. Krit. u systemat. dargest. Grundsätze z. Beurteilung d. dtsch. Jugendlitt. Winke für Gründung, Ein-
richtung u. Fortführung einschläg. Bibl. u. Verzeichnis empfehlenswerter Schriften 2. Aufl. Hamburg, Berendsohn. XVI,
144 S. M 3,00. — 146) Jugend- u Volksschriften-Katal. Her. im Namen d. Schweiz, gemeinnntz Ges. v. d. beauftragten
Specialkomm. Zürich, Leemann. IV, 122 S. M 0,50. - 147) R. Kukula, Bibliogr. Jb. d. dtsch Hochschulen. 1. Ergänzungs-
heft. Innsbruck, Wagner 29.5 S M. 3,20. (Hauptwerk u. 1. Ergänzungshft. M. 14,80.) — 148) Katal. v Werken der soc. Litt,
aiphabet, nach Gruppen geordnet. Her. vom kath.-polit. Pressverein Brü^cen. Brixen, Buchh d. kath -polit. Pressvereins. 16 S.
M. 0,20. — 149) L. Guppenberger, Bibliogr d Klerus d Diöcese Linz v. d^-ren Gründung bis z. Gegenw. 1785-93.
Linz, Akad. Bnchdr. d. kath. Pressvereins d. Diöcese Linz (Ebenhöch). IX, 270 S. M. 4,00. — 150) M. He i m bu c h e r ,
D. Bibl. d. Priesters. Mit prakt. Winken für deren Anlage u. Erweiterung Zugleich e. Handbuch d. neueren theol. Litt.
3. Aufl. Regensburg, Verlags- Anst. 12». XIX, 335 S. Jtit 4 Bild. M. 3,00. — 151) C. Mazzi, Indicazioni di bibliografia
ital. in appendice alla bibliotheca bibliogr. ital. di G. Ottino e G. Fumagalli. Firenze, Sansoni. 102 S. — 152) Transactions
of the bibliograph. society Vol. 1. publ by the society. London (printed by Blades, East & Blades). 4". 224 S. — 153) The
Caxton head-catal. N. CCLX. London, J. & M. L. Tregaskis. 4». 48 S., 13 Taf. — 154) K. Bücher, D. Anfänge d. Zeitungs-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichte. IV. ^
I 3:155-178 0. V. Hase, Schrift- und Buchwesen.
kunst ein neuer dauernd g-epfleg-ter Zweig- des Hss.-Wesens entsteht, erklärt sich aus
dem kleinen Kreise solcher, die sich regelmässig berichten lassen, während seit
Friedrichs III, Tode einzelne Nummern allgemeineren Inhalts als flieg-endes Blatt,
seit 1505 auch Zeitung" genannt, mehrfach gedruckt wurden, bis sie nach dem Auf-
kommen der jährlichen Postreuter, der halbjährlichen Messrelationen und der Wochen-
zeitung-en des SOjährig-en Krieges im 18. Jh. ganz verschwinden. B. betrachtet die
Zeitung" als eine Verkehrseinrichtung" zum Austausch g"eistiger und materieller Güter,
die über Brief- und Rundschreiben zu einem Mittel der Nachrichtenveröffentlichung"
für die Allgemeinheit geworden ist. In der Nachrichtensammlung findet er seit dem
16. Jh. keine wesentlichen Fortschritte, in der Nachrichten befdrderung erhebliche, in
der Nachrichtenpublikation g"rundsätzliche seit Auf kommen der selbständigen Redaktion
und des privaten Annonoenwesens im ersten Viertel des 18. Jh. Die moderne Zeitung",
die nicht nur neue Nachrichten an einen Leserkreis , sondern auch diesen an
zahlungsfähige Privatinteressenten verkauft, ist eine einheitlich geleitete kapitalistische
Unternehmung mit mannigfacher Arbeitsteilung, für die weniger die einfachen Bedürf-
nisse des Lesers als politische Faktoren^^^) und die komplizierten Konkurrenzverhält-
nisse des Publizitätsmarktes ^^^} massgebend sind. So das Urteil des Volkswirts. —
Als Geschichtschreiber hat Sägmüller i^') in seiner Tübinger Antrittsrede wichtige
Grundlagen des Zeitungswesens, die diplomatischen Korrespondenzen, besprochen. —
Bonnefont^^^"'^") u. a. haben dem verdienten Arzte und Menschenfreunde Theophrast
Renaudot als dem Herausgeber der ersten französischen Wochenschrift von 1631 ein
Denkmal gesetzt; wenn deutsche Blätter i^^"*^'^) ihn als „den Begründer des Zeitungs-
wesens" feiern, so ist ihnen wohl der Ruhmestitel Deutschlands, vor allen Ländern
zuerst regelmässig erscheinende gedruckte Zeitungen aufweisen zu können, unbekannt
(Strassburg Joh. Carolus 1609 und früher; vgl. Opel im AGDBuchhandel. 3, S, 44—66).
— Das 50jährige Jubiläum der „Illustrierten Zg." hat Beiträge zur Geschichte dieses
mit der Wiedererweckung des Holzschnittes engverbundenen Blattes gezeitigt; der
Mitbegründer Lorck^^*) hat als berufener Zeuge dabei seine Stimme erhoben^^^"'^"). —
Nächst den amtlichen Preislisten der kaiserlichen Postzeitungsämter in Berlin i^^)
und Wien 1^^) erscheinen alljährlich praktische Bibliographien dieses Litteraturzweiges,
voran im 34. Jahrgange das Adressbuch der deutschen Zeitschriften von S p e r -
lJng.no-n2^ — Die Machtfülle der Tagespresse veranlasst grössere Kreise, zu ihr
Stellung zu nehmen^''^). — Zur wichtigen Frage, ob Zeitungsaufsätze durch Namens-
zeichnung zu decken sind, hat Zola^'^^) im Sinne auf persönliche Führung des
öffentlichen Lebens bedachter französischer Journalisten in London ein Urteil ab-
gegeben, dem man vielleicht auch aus anderen Gründen beistimmen kann. —
Unter deutschen Arbeiten über ältere geistliche Bibliotheken
sind Neuwirths ^'5) Bücherverzeichnisse des Prager Thomasklosters hervorzuheben;
über die Bibliothek des Bernhardinerklosters in Bromberg berichtet Baumert ^''^),
über Bibliotheken Strassburgs im Mittelalter Ch. Schmidt'"'^), über solche Strass-
burgs und Nanzigs (Nancy) Thiaucourt^''^); ein Katalog der Kirchenbücher von
Wesens. Vortr., geh. im Professoren-Ver. zn Leipzig d. 3. Dec. 1892. (= D. Gntstehnng d. Volkswirtschaft. 6 Vortrr. [Tühingen,
Laupp. VII, 304 S. M. 4,00.], S. 169-208). (S. u. I 4: 199.) - 155) X Th. Barth, 10 Jahre „Kation«: Nation«. 10, S. 793/4. —
156) X ö' f "■^ Muyden, Les grands jonrnaux: BURS. S. 315-31. (Unselbst. Ausz.) — 157) Sägmüller, D. Anfänge d.
diplomat. Korrespondenz: StrassbPost. N. 220. — 158) O G- Bonne fönt, Un docteur d'antrefois: Theoph. Renaudot, createur
de la presse, de la puhlicite, des dispensairee, du mont-de-piete (1586-1653). Limoges, Ardant & Co. 119 S. 13 Grav. — 159) O
Grasset, Conference snr Theoph. Renaudot, docteur en 1606 de la Faculte de niedecine de Montpellier, sa vie et ses couvres.
Montpellier, Ricard freres. 1892. 38 S. — 160) O Inaugurations des statues de Theoph. Renaudot. Ses principales oenvres.
La Gazette jusqu'en 1893. Paris, Impr. de la Gazelte de France. 71 S. Avec grav. — 161) X C. Wilte, D. Begründer d.
Zeitungswesens (nach G. Bonefont, Limoges, E. Ardant): NatZg. N. 597. — 162) O Theoph. Renaudot. E. Vergessener; APT.
S. 792-801. — 163) X J- Macintyre, Theoph. Renaudot: Old Journalism and new (nach Gilles de la Tourette 1884): 19tliCent. 34,
S. 596-604. — 164) C. B. Lorclc, E. Glöckauf d. ..Illustrierten" heim Betreten d. 100. Stufe t. e. alten Jünger Gnten-
bergs: lUZg. 100, S. 2/3. — 165) X !>• Redaktion. Z. Jahrestage d. 50 j. Bestehens d. lUZg.: ib. 101, S. 10. — 166) O Facs.-
Abdr. d. 1. Nummer d. IllZg. v. 1. Juli 1843. Beigegeben d. N. 2584 vom 7. Jan. 1893. 16 S. — 167) E. Zeitungsjubil. (50j.
Bestehen d. IllZg.): APT. S. 94/5. — 168) O Preisliste d. durch ä. kaiserl. Post-Zeitungsamt in Berlin u. d. kaiserl. Postanst.
d. Roichs-Postgebiets im J. 1893 zu beziehenden Zeitungen, Zeitschriften usw. Mit Nachtr. B. u. L., Exped. d. Zeitschriften-
Adressbuches. Fol. VII, 347 S. M. 4,70. — 169) Preis-Verzeichnis d. in d, der össterr. Monarchie u. im Auslände erschei-
nenden Zeitungen u. period. Druckschriften für d. J. 1893. Nebst. Anh. : enth. jene inländ. Druckschriften n. Sammelwerke,
welche v. d. Buchhandlungen mit Zeitungsfrankomarken versendet werden können u. im Preis- Verzeichnisse selbst nicht auf-
geführt erscheinen. Bearb. v. d. k. k. Postamts-Zeitungs- Exped. I in Wien. Wien, R. v. Waldheim. 4". VII, 209 S. M. 1,00. (1. Nachtr.
19 S. M. 0,20.) — 170) Adressbuch ä. dtsch. Zeitschriften u. d. hervorragendsten polit. Tagesbll. 34. Jahrg. 1892. Bearb. v.
H. 0. Sperling. L., Exped. d. Zeitschriften- Adressbnches. IV, 162, 73 u. 124 S. M. 4,00. — 171) X Gracklauers dtsch.
Journal-Katal. Zusammenstellung v. über 2960 Titeln dtsch. Zeitschriften, systemat. in 38 Rubriken geordnet. L., 0. Graok-
laner. 71 S. M. 1,35. — 172) X D. dtsch. Presse. Verzeichnis d. im Dtsch. Reiche erscheinenden Zeitungen u. Zeitschriften.
I. Bd.: Amts-, Lokal- u. Anzeige-Bl)., polit. Zeitungen. 5. Aufl. Forbaoh, Ilupfer. IV, 201 S. M. 1,50. — 173) X G- Buoh-
wald. Was sollen wir thun behufs grösserer Würdigung d. evangel. Interessen in d. Tagespresse? Vortr. auf d. Meissener
Kirchen- und Pastoralkonferenz am 20. Juni zu Zwickau geh. u. auf Wunsch d. Konferenz in Druck gegeben. L., G. Wigand.
20 S. M. 0,25. — 174) E. Zola, Ueber d. Anonymität in d. Presse: Didask. N. 226. — 175) J. Neuwirth, D. Büchervereeich-
nisse d. Prager Thomasklosters vor d. Hussiten-Kriege: CBlBibl. 10, S. 153-79. |[A. Horcicka: MVODB». 31, S. 634]|. —
176) G. Baumert, Mitteilungen aus d. Bibl. d. ehemal. Bernhardiner-Klosters in Broroberg: JbBrombergHV. S. 49-69. —
177) O Ch. Schmidt, Li vres et biblioth. ä Strasbourg au MA.: AnnEst. 7, S. 538-93. — 178) C. Thiaucourt, Lee biblioth.
O. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 : 179-194
St. Pauls Kathedralbibliothek g-iebt Simpsoni'**). — Ein von Oncken'^O) ver-
öffentlichtes Verzeichnis der Bücher (um 1450) der Junkherren Otto und Friedrich
zu Hoya und Bruchhausen und zumal der Herrschaft dieser Grafen verbleibender
Bücher „altomale dudesk" ist litterarg"eschichtlich wertvoll. — Von Wolf Ernst Grraf
zu Stolberg" (1546 — 1606), der den Grundstock zur reichen öffentlichen Bibliothek von
Wernig-erode schuf, g-iebt Jacobs'*') als berufener Berichterstatter über diese in
ihrer Art einzig-e Sammlung' Kunde; Warner'^-) handelt über die Bibliothek
Jacobs VI. von Schottland. — Mit lebhaftem Anteil betrachtet man das Verzeichnis
der Druckwerke und Hss. des Dichters Nikolaus Zrinyi'*^), die dieser zwischen den
Trophäen seiner Türkenkämpfe in rauher Zeit gesammelt und bewahrt hat. —
[Jeher des heimgegangenen Julius Bode Faustbücherei (vg-1. JBL. 1892 I 3:119;
II 3:50) giebt Tille'*'*), dem sie für dieses Leben zu eig-en geworden ist, um der-
einst an die Leipziger Universitäts- Bibliothek zu fallen, vorläufig-en Bericht. — Unter
den päpstlichen Bibliotheken'*^) hat die Bibliothek Julius II. besondere kunstwissen-
schaftliche Behandlung erfahren; Wickhoff'*^) führt aus, dass Rafael in der von
ihm nach der Vorschrift Julius II. g"emalien Camera della segnatura neben den
Gestalten der Theolog-ia, Poesia, Philosophia und Justitia in der Disputa die Theologie,
im Parnass die Poesie und in der Schule von Athen die Philosophie durch einzelne
hervorrag-ende Portraitköpfe und benannte Vertreter gekennzeichnet habe, erklärt sich
aber g-egen die Deutungsversuche der vielen „Namenlosen". Die Gemälde sind ihm
die lllustrierung" eines Bücherkatalogs etwa nach dem Inventar, das Nicolaus V., einst
Tomaso de Sarzana, als Normalkatolog" für Cosimo de Medici abg-efasst hatte. Jeden-
falls weist er mit Recht darauf hin, dass in keinem zweiten Werke der bildenden
Künste das Buch eine so grosse Rolle spiele wie in diesen Bibliothek-Gemälden
Rafaels. — Ueber die Leoninische'^") Bibliothek, die der g-egenwärtige gelehrte Papst
zum Studium der Hss. und für die in den Archiven Studierenden im alten Arsenal
der päpstlichen Armee unter der Sixtinischen Bibliothek errichtet hat, verlautet
Weiteres. — Ueber Sommer vogels Bibliothek der Gesellschaft Jesu liegen mehrere
Besprechung'en'**"'***) vor. — Der für den Verkauf ang-efertigte Katalog der Bib-
liothek Dölling-ers'^9) giebt ein Bild der reichen wissenschaftlichen Thätig'keit dieses
g-rossen Gelehrten. —
Kataloge von Musikalien-Bibliotheken beziehen sich zumeist auf
vor alters gesammelte Schätze: Stiehl'^") hat für die Stadtbibliothek in Lübeck,
Mayser'^') für das Gymnasium zu Heilbronn beachtenswerte Vorräte verzeichnet,
Scheurleers'^-) mit Facsimiles g-eschmückter Katalog" seiner überraschend reichen
Musikbibliothek ist von hervorragender Bedeutung-, — die öffentlichen Musik-
sammlung-en Deutschlands bis auf Berlin, München und Dresden lieg-en im arg-en. —
Frischer Wind weht durch die wissenschaftlichen staatlichen und öffent-
lichen Bibliotheken Deutschlands: Dziatzko'^^^ knüpft au eine auf voller Beherr-
schung des Gegenstands beruhende g-eschichtliche Darstellung der Entwicklung- dieser
wichtigen Anstalten bis auf die Gegenwart Vergleiche mit dem Auslande und
weittragende Ausblicke auf die Zukunft. — Schwenke'^*) bietet ein Adressbuch
der Bibliotheken des Deutschen Reiches, dessen Bearbeitung von Hartwig- ang"eregt,
und von den meisten deutschen Staaten, insbesondere vom preussischen Unterrichts-
ministerium g-efördert worden ist, so dass ein vollwichtig-er neuzeitlicher Ersatz für
Petzoldts Werk geschaffen sein würde, wären nicht Oesterreich und die Schweiz
ausgeschieden worden; es wäre zu bedauern, wenn aus Verwaltungsgründen und
diplomatischen Erwägungen es mehr und mehr Brauch würde, unser herrliches ein-
heitliches Li tteratur gebiet zu zerstückeln, ein Nachtrag der deutschen Bibliotheken
ausserhalb des Reichs muss deshalb als ein nationaler Anspruch gestellt werden. —
de Strasbourg et de Nancy. (Aus AnnEst. 1892-93). Nancy, Berger-Levrault et Co. 123 S. — 179) O W. Simpson, St. Pauls
Cathedral Library, a catal. of bibles, rituals etc. London, Stock. Sh. 20. — 180) H. OncVen, D. ältesten Lehnsregister d.
Grafen v. Oidenburg u. Oldenbnrg-Bruchhausen. (= Schriften d. OldenbnrgLVA. VII. [Oldenburg, Stalling. V, 1.3S S. M. 3,50.], S. 53/6.)
— 181) Ed. Jacobs, Wolf E. Graf zu Stolberg: ADB. 36, 345 6.-182)6. F. Warner, The Library of James VI of Scotland: Book-
Worm S. 201 6. — 183) Bibliotheca Zrinyiana. D. Bibl d. Dichters Nik. Zrinyi. E Beitr. z. Zrinyi-Litt. Mit litt.-hist. Einl. Mit
d. Portr. d. Dichters nach E. Wideraann, e. Facs. u. e Stammtaf. Wien, S. Kende. III, XIX, 83 S. M. 2,'10. — 184) A. Tille.
Jul. Bode u. seine Faustbücherei. Frankfnrt a. M.. Mahlaa & Waldschmidt. 12 S. (Als Ms. gedr ) — 185) X J- Schraid,
Z. Gesch. d. Vatikana: LRs. 19, S. 257-64. - 186) F. Wickhoff, D. Bibl. Julius IL: JPrK. 14, S. 49-64. (Vgl. auch NAnt.
44, S. 583 4 ) — 187) D. Leoninische Bibl.: Post N. 143. — 188) X E. G. Ledos, C. Somraeryogels biblioth. de la Compagnie
de Jesus: Polybibl''. 67, S. 453 4. — 188a) X E Martin, C. Sommervogels Biblioth. de la Compagnie de Jesus: AnnEst 7,
S. 133/4. — 189) Bibliotheca Döllingeriana. München, Lindauer. VI, 671 S. M. 10,00. — 190) C. Stiehl, Kvtal. d. Mnsik-
samml. auf d. Stadtbibl. zu Lübeck. Lübeck (Lübcke u. Hartraann). 4'. 60 S. M. 1,00. — 191) E. Mayser, Alter Musik-
schatz, geordnet u. beschrieben. (= Mitteilungen aus d. Bibl. d. Heilbronner Gymn. II.) Heilbronn, C. F. Schmidt. 4".
Vm, 82 S. M. 4,00. — 192) D. F. Scheurleer, Catalogns der Muziekbibliotheek. (Gedru.okt in 120 Exemplaren.) s'Graven-
hage, XI, 567 S. (Nicht im Handel.) — 193) K. Dzintzko, Entwicklung u. gegenw. Stind d. wissenschaftl. Bibliotheken
Deutschlands mit besond. Berücksichtig. Proussens. {= Samml. bibliothekwissenschaftl. Arbeiten her. r. K. Dziatzko. S.Heft.)
L., Spirgatis. VI, 55 S. 1 Taf. M. 2,50. — 194) P. Schwenke, Adressbuch d. dtsch. Bibliotheken. (= Beihefte zum
CBlBibl. her. v. 0. Hartwig. 3. Bd., Heft 10.) L., Harassowitz. XX. 411 S., 1 Taf. M. 10,00. |[HT3. 13, S. 32-34; Ath. S. 472.]|
5*
I 3 : 195-234 O. V. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Die italienische Uebersetzung- Capras'«^) von Gräseis Grundzügen der Bibliotheks-
lehre g-iebt Zeugnis von der Wertschätzung- der deutschen Bestrebungen im Auslande.
— Wie der preussische Unterrichtsminister durch Erlass^^«') vom 27. Jan. 1893 den
Verkehr der kgl. Bibliothek in Berlin mit den Universitätsbibliotheken regelt, so
suchten hervorragende deutsche Bibliothekare^^') auf dem Welt-Kongress in
Chicago die internationalen Beziehungen zu förderniö^). _ Ueber die englische
Bibliotheksgesetzgebung hat Plaeberlini'»") Aufklärung erteilt, in Frankreich
erscheint ein Jahrbuch2003 der Bibliotheken und Archive.2«'-202) _ xjm den inneren
Aus- und Aufbau wissenschaftlicher Bibliotheken hat sich Zangemeister^o»)
durch Veröffentlichung des Heidelberger Realkatalog-Systems verdient gemacht. Den
17 Hauptabteilungen in ihrer wohldurchdachten Gliederung geht ein alphabetisches
Register der wichtigeren Unterabteilungen voraus. — Eine Reihe zumeist öffenthcher
Bibliotheken legt Berichte über Verwaltung und Zuwachs, sowie Fortsetzungen von
Katalogen vor204-2i2j - —
Für Schulbibliotheken 213) macht Schöntag2i4) unter Voraussetzung
des Klassensystems den Vorschlag, so viel Exemplare eines Buches, als Schüler in
der Klasse sind, zu gemeinsamer Besprechung des gleichzeitig Gelesenen anzuschaffen
und Einzelausgaben für Schülerbibliotheken zu veranlassen; Beegers2i5) Anregung
pädagogischer Bibliotheken und Schulmuseen zieht weitere Kreise. — Kataloge und
Berichte über Gymnasialbibliotheken erschienen in Ansbach2'6), Güstrow2i''), Joachims-
thal2i8), Krotoschin2ifl), Mediasch220), Münstereifel 4. T.221), Schleiz222), Wittstock223),
Zerbst224) und von anderen Schulen225-226). _ Die Studentenschaft regte sich in ihrer
Weise für akademische Büchereien22''-228j —
Für die dringend der Förderung bedürftigen Volksbibüotheken tritt
Reyer229-230) (ygi jbl. 1892 I 3 : 96) weiter thatkräftig in einer zusammenfassenden
Schrift ein. Dies hat in Verbindung mit dem Erscheinen der Arbeiten Schwenkes
und Dziatzkos und den Bestrebungen für die amtliche Stellung der Bibliotheks-
beamten ein lautes Rauschen in den Blättern23 1-232) veranlasst. — Unnötigen Vor-
würfen gegen die gelehrten Bibliotheken treten die Grenzboten233) mit einer sach-
kundigen Entwicklungsskizze der Leipziger Stadtbibliothek entgegen: aus einer
wissenschaftlichen Bibliothek lässt sich nicht auf einmal eine Volksbücherei machen.
— C. Wolff234) teilt eine Eingabe des Frankfurter Stadtarchivars J. C. Beyerbach
vom Sept. 1817 an den hochpreislichen Senat mit, der Beyerbach als den —
erfolglosen — Erfinder der Magazinbibliothek erweist. —
— 195) A. Gräsel, Mannale di biblioteconoraia. Traduz. del Dott. Ar. Capra. Con 47 flg. e 13 tav. Torino, E. Loescher.
XVI, 403 S. — 196) Erlass betr. d. Leihverkehr zwischen d. Vgl. Bibl. zn Berlin n. d. Univ -Bibl. 27. Jan.: CBlBibl. 10, S. 130-32.
— 197) X K. Dziatzko, D. Internat, gegenseitigen Beziehungen d. Bibl.: ib. S. 457-63. — 198) C. Körrenberg, Bibliothe-
karischer Weltkongress Z.Chicago. (Vorlauf. Mitteilung. Enth.O. Hartwig, D. direkte HandschriftenversendunTr zwisch. d. Bibl.): ib.
S. 410-17. — 199)C.Haeberlin, D. engl. Bibliotheksgesetzgebung u. d. XV. Kongress d. Library Assoc. of the Unit. Kingdom : ib.
S. 105/7. — 200; O Annuaire des biblioth. et des arch. pour 1893. Paris, Hachette. Fr. 2,50. — 201) X K. Th. Heigel, Ueber Be-
nutzung T. Bibl. u. Arch. zu Wissenschaft!. Zwecken: AZg". N. 103/4. — 202) X G. Weisstein, D. Litt.-Arch.-Ges.: NatZg.
N. 219. — 203) K. Zangemeister, System d. Realkatal. d. Univ -Bibl. zu Heidelberg. Heidelberg, Winter. Fol. 22 BH.
M. 5,50. - 204) X Verzeichnis d. Zeit- u. Vereinsschriften d. kgl. Bibl. zu Berlin. B., Asher & Co. 1892. IV, 169 S. M. 4,00.
— 205) X Verzeichnis d. aus d. neu erschien. Litt. v. d. kgl. Bibl. zu Berlin erworbenen Druckschriften, ebda. 1892. XIII, 652 S.
M. 35,00. — 206) Zuwachs d. grossherzogl. Bibl. zu Weimar in d. J. 1889-92. Weimar, Böhlau. 88 S. M. 0,50. — 207) Katal.
d. grossherzogl. Hof- u. Landesbibl. in Karlsruhe. 20. Bd. (= 20. Zngangsverzeichnis. 1892. Enth. ausser d. regelmässigen
Zuwachs e. Schenkung aus d. Nachlass d. Dr. phil. J. Mainzer.) Karlsruhe, C. Th. Groos. S. 1987-1240. M. 0,50. — 208) X
C. Curtins, Ber. über d. Verwalt. d. Stadtbibl. im J. 1892. Progr. Lübeck. 4". 5 S. — 209) Freiherrlich C. v Rothschildsche
öffentl. Bibl. Zugangsverzeichnis für d. J. 1892-93. Bibliotheksordnung u. Benutzungsordnung vom 14. 6. 1893. Frankfurt a. M.,
Kn^er. 39 S.; 78 S.; 4, 8 S. — 210) X Katal. d. Freiberger AV.-Bibl. 3. Nachtr.: MFreibergAV. 29, S. 141-70. - 211) X
20. Annnal report of the board of direotors of Chicago Public Library. Chicago. 1892. 46 S. |[CBlBibl. 10, S. 38/9.]|. —
212) X S. Wiener, Bibliotheca Friedlandiana. Catalogns librornm impressornra hebraeorum in museo asiatico imperialis
acaderoiae scientiarnm Petropolitanae asservatorum. (Fase. I (X) in hebr. Sprache.) Petropoli-L., (Voss Sort.). 4". III, IV,
126 S. M. 2,00. — 213) X Th. Sorgenfrey, Unsere Schnlbibl.: BllHPch. 10, S. 4/6. — 214) F. Schöntag. Anregung für
unsere Schüler- n. Lesebibl.: BBG. 29, S. 1125. — 215) J. Beeger, D. päd. Bibl., Schulmuseen n. ständigen Lehrmittel-
ausstellungen d. Welt. (Vgl. JBL. 1892 I 3:100.) IfL. Rudolph: COIRW. 21, S. 211/2; L. Viereck: DWBl. S. 456.]| —
216) B. Dombart, D. Ansbacher Gyran.-Bibl. im 18. Jh. Progr. Ansbach. 40 S. — 217) H. Marquardt, Alphab. Ver-
zeichnis d. Mecklenburgica d Göstrower Domschulbibl. 2. T. Progr. Güstrow, 4". 16 S. — 218) G. Loesche, D. Bibl. d.
Lateinschule zu Joachimsthal in Böhmen. (Vgl. JBL. 1892 I 3 : 103; II 1 : 74): MVGDB». 31, S. 64/5. — 219) B. Günther, Ver-
zeichnis d, Bücher d. Lehrerbibl. 2 T. Progr. Krotoschin. 26 S. — 220) O M. Rosenauer, Katal. d. Lehrerbibl. d. Evang. Gymn,
A. B. in Mediasch Progr. Mediasch. 1892. 127 S. - 221) H. Vielan, KataL d. Lehrerbibl. 4. T. (Vgl. JBL. 1892 I 3 : 106.)
Progr. Münstereifel. 56 S. — 222) W. Böhme, Katal. d. Schulbibl. d. fürstl. Gymn. zu Schleiz. Progr. Schleiz. IV, 165 S.
— 223) R- Grosser, C. Poltkier n. E. Bünger, Neuer Katal. d. Gymn. -Museums zu Wittstock. Progr. Wittstock. 4».
34 S. — 224) J. Wichmann, Katal. d. Schülerbibl. Zuerst znsamraengest. v. Dr. H. Zurborg 1880, nunmehr ernent u. ver-
Tollst. Progr. Zerbst. 40. 20 S- — 225) X K. Kippenberg, Katal. d. Lehrer-Bibl. d. Realschule in d. Altstadt zu Bremen.
Progr. Bremen. 60 S. — 226) X -T. Beneä, Katal. d. Lehrer- u. d. Schülerbibl. Progr. Prossnitz. 49 S. — 227) X M.
Maurenbrecher, D.Bücherei u. d. Bücherwart in unseren Vereinen: AkBll. 8, S. 191/2, 205/6. — 228)XO- Baumgart, Auch
e. Wort über unsere Büchereien u. etwas über d. inneren Ausbau unserer Vereine: ib. S. 235/6. — 229) E. Beyer, Z.
Bibliotheksstiitistik: CBlBibl. 10, S. 180/9. - 230) id., Entwicklung u, Organisation d. Volksbibl. L., Engelmann. lU, 116 S.
Mit Abbild. M 2,00. |[LCB1. S. 1199-200; Nation«. 10. S. 464 („Pflichtlektion für Parlamentarier n. Beamte d. Unterrichts-
verwaltung aller Parteien"): Pädagogium 15, S. 483/4.JI — 231) X K. Heinrich, Modernes Bibliothekswesen: Nation«. 10,
S. 570/3. — 232) X F. Neuhaus, D. königl. Bibl.: Zukunft 5, S. 467,9. — 233) Wissenschaftliche u. Volksbibl.: Grenzb. 3,
S. 90/2. (Gegen e. Aufsatz im Volkswohl v. 22. Juni.) — 234) C. Wolff, D. Erfinder d. modernen Magazin-Bibl. : FZg. N. 38.
0. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. 1 3
235-250
Die Bewegung für Bibliothekzeichen wird vom Organ des Ex-libris-
Vereins^^^) lebhaft gepflegt. Von Hildebrandt^s^j liegt eine neue Folge von 25
neu erfundenen Bücherzeichen auf Grund von Wappen in mannigfacher Darstellungs-
weise vor, eine ähnliche selbständige Sammlung von KisseP^'j. — Von älteren
nachgebildeten Zeichen ist das Joh. Fischarts von Jost Amman hervorzuheben,
das A. Schmidt238) beschreibt. — In England erschien von der grossen Sammlung
der Wappenbuchzeichen^äii), deren erste Serie durch Feuer fast ganz zerstört worden
ist, die zweite britische Serie, eine geschichtliche Reihe von 147 trefflichen Nach-
bildungen aus verschiedenen Sammlung-en. — Neue und alte englische Bücherzeichen
veröffentlicht C a s 1 1 e^^oj mit darstellendem Texte in neuer Ausgabe ; der erste
Druck stammt vom Dec. 1892, schon die dritte Auflage ist inzwischen gefolgt. —
Dem gleichen Zwecke dient Hamiltons^^') englisches Buch von französischen
Büchermarken-42-243-) _
Für den Buchhandel, zumal für seine ältere Geschichte '^**) , sind
nur wenige Beiträge zu verzeichnen. Vom Bücherbezug der Humanistenzeit giebt
Krause^^s) in den Auszügen aus dem früher von ihm herausgegebenen Briefwechsel
Mutians ein lebendiges Bild. Die Briefe dieses leidenschaftlichen Büchersammlers in
Gotha wimmeln von Bücherbesorgungen; zwar macht er, durch Beziehungen zu
den Fuggers angeregt, den Versuch, von Aldus unmittelbar zu beziehen, aber auch
die deutschen humanistischen Pressen verfolgt er lebhaft. „Was druckt Wittenberg,
was Leipzig, was Froben, was Anshelm ?" — Nächst der Vermittlung von Freunden
dient ihm der Bezug von Erfurt, besonders durch Pyrrhus, doch spielen für ihn
schon 1508 die Leipziger Buchläden und die Leipziger Ostermesse, auch die Naum-
burger Peter -Pauls -Messe eine Rolle, die Frankfurter Messe hat er selbst besucht,
mit Thomas Anshelm persönlich verkehrt. — Für den Betrieb des Buchhandels der
Reformationszeit giebt die Veröffentlichung der Briefe an den Zwickauer Stadt-
schreiber M. Stephan Roth durch Buchwald^^^j eine Fülle von Belegen, wie sie
bisher nicht beisammen zu finden waren. Neben Roths Thätigkeit als Herausgeber,
Korrektor und Berater ist es hauptsächlich der Bücherbezug und die Bücher-
vermittlung, seine Verbindung mit F. Peypus und Joh. Petrejus in Nürnberg,
M. Goltz, Barthel Vogel und Chr. Schramm in Nürnberg, Wolf Bräunlein und Gregor
Jordan in Leipzig, die einen Einblick in das innere Getriebe des Reformations-
buchhandels g^ewähren. — Vom Krakauer Büchermarkte hat nach einer Notiz von
Rözyckis^*') A. Benis Mitteilungen gemacht; die veröffentlichten Bücheraufnahmen
aus dem Nachlasse der Buchhändler Matth. Scharffenberg (1547) und Florian Unglers
(1551) mit 1351 Posten Büchertiteln umfassen zumeist lateinische Bücher,' besonders
von Erasmus, Melanchthon und Hütten, sowie griechische und lateinische Klassiker,
alle fremder Herkunft; nur gegen 40 Posten libri polonici: Chroniken, Erbauungs-
und Kochbücher sind daneben vorhanden, da fast jedes in mehreren Hundert Ab-
zügen, wohl Verlag Unglers — Ki rch ho ff^^S) bietet eine zusammenhängende lehrreiche
Darstellung des manniggestaltigen inneren Lebens des Leipziger Buchhandels in der
zweiten Hälfte des 16. Jh. mit Ernst Vögelin als Mittelpunkt. Magister Vögelin, ob-
gleich hervorragend begabt und als Verleger von grösserer Auffassung, ist zu einem
Teile an der Sorglosigkeit in wirthschaftlichen Dingen gescheitert, die die damaligen
unternehmenden Kreise des Leipziger Buchhandels vielfach geschädigt hat. Die
tragische Wendung in seinem Geschicke erfolgte wegen seiner Verwicklung in die
kryptokalvinistischen Händel und berührt sich mit den wirren Censurverhältnissen
dieser Zeit. — Wesentlich durch die Censur Verhältnisse bedingt erweist sich die
Geschichte des Buchhandels und Buchdrucks in Böhmen^***). — Sehr Beachtens-
wertes zur Geschichte der Censur und des Zeitungswesens bringt Pauls^^oj für Aachen
und seinen Buchhandel, namentlich unter der Fremdherrschaft. —
— 235) Ex-libris. Zeitschrift für Bächerzeichen, Bibliotheken Vnnde n. Gelehrtengesch. 3. Jahrg. 4 Hefte. Görlitz, Starke.
4». 97 S. M. 15,00. — 236) A. M. Hildebrandt, Heraldische Bucherzeichen. 25 Ex-libris. B., Stargardt. V S., 25 Bll.
M. 4,00. — 237) C. Kissel, 25 Bücherzeichen, ebda. VUI S., 25 Taf. M. 4,00. — 238) A. Schmidt, D. Bucherzeichen
Joh. Fischarts in d. Grossherzogl. Hofbibl. zu Durinstadt. (= Sonderabdr. aus d. QBllVHessen. Bd. 14.) (Darmstadt, Klingel-
hoeffer.) 3 S., 1 Taf. — 239) 147 Examples of armorial book phites. Frora various collections. (Second Series.) London,
Griggs & Sons. 1892. 4". VI S., 147 Taf. Sh. 15. — 240) E. Castle, English book-plates ancient and modern. London,
Bell & Sons. XX, 352 S, 16 Taf. Sh. 10 6. — 241) W. Hamilton, French book-plates a handbook for ex-libris coHectors.
ebda. 1892. YHI, 176 S. Sh. 7/6. — 242) X French and english bookplates. W. M. Thackeray, J. Anderson, A. Tennyson U.A.,
Victor Hugo, Leon Gambetta, 0. Uzanne: BookWorm S. 105. — 243) X J- E- Brown, The book-plute-society : ib. S. 137. —
244) X C. Haeberlin, Ergänzungen z. antiken Bibl.- und Buchwesen (CBlBibl. 6, S. 481 ff.; 7, S. 1 ff., 271 ff.) nach H.
Usener, Unser Piatontext: CBlBibl. 9, S 378(9. — 245) K. Krause, Bibliologisches aus Mutians Briefen: ib. 10, S. 1-19. —
246) G. Buchwald, Stadtschreiber M. Stephan Roth in Zwickau in seiner litt.-buchhändl. Bedeutung f. d. Beformationszeit:
AGDBuchhandel. 16, S. 6-246. (Dazu 6 Bll Facs.) |[W. Schnitze: BLU. S. 317.]| — 247) K. v. Közycki, Ueber 2 Buch-
händlerinventarien aus d. J. 1547-51: CBlBibl. 10, S. 407/8. — 248) A. Kirchhoff, Wirtschaftsleben im älteren Buchhandel:
Ernst Vögelin in Leipzig: AGDBuchhandel. 16, S. 247-354. — 249) Z. Gesch. des Buchdrucks u. d. Censur in Böhmen:
Bohemia'^. N. 9. — 250) E. Pauls, Beitrr. z. Gesch. d. Buchdrnckereien, d. Bachhandels, d. Censur n. d. Zeitungspresse in
I 3:251-277 0. V. HasG, Schrift- und Buchwesen.
Das Wichtigste, was sonst über einzelne Buchhändler an neuem Material
veröffentlicht worden ist, bietet K. Seh midt^'»') in seinem Bericht über Joh. Oporins
Briefe an den Strassburger Prediger Konr. Hubert, deren vollständig-e Veröffent-
lichung sehr erwünscht wäre. Beigegeben ist eine Liste der von Oporin in diesen Briefen
erwähnten ausgeführten und geplanten Drucke, und aus Siebers^'^^^ Nachlass ein
Sendbrief, wohl von P. Cherler, über Joh. Oporins Leben und Absterben. --
G. Müller253j berichtet über die Buchhändler M. und W. Stöckel in Dresden, Steiff ^54)
über L. Straub in St. Gallen, Veesenmeyer 255) über R. Lebr. Stettin in Ulm,
P y 1 25Ö) über H. J. Struck in Greifswald und Stralsund. — Von Berliner Buchhändlern
wird gelegentlich des 200jährigen Jubiläums der Uranfänge der Vossischen Buch-
handlung '-i5'-'-i58) Chr. Fr. Vossens (seit 1748 in Berlin) gedacht; Friedländer 25«)
schildert J. R. Ph. Spener, Steiff260) den Vorsteher des Börsenvereins zur Kriegs-
zeit, Julius Springer, Thomälen26ij den Rud. Gaertner. — F. H. Meyer 262) hat
zukunftsfreudig Rechenschaft abgelegt über das Fortschreiten seiner Arbeit an der
Geschichte des deutschen Buchhandels, der er bald darauf entrissen worden ist. —
Vom ausländischen Buchhandel liegt K r u s e m a n n s 263) aus-
führliche Darstellung des nordniederländischen Buchhandels im 17. und 18 Jh. vor,
die zusammenstellt, was dem Deutschen im einzelnen unzugänglich sein dürfte. — Die
schönen Briefe des Antiquars Thomas Hearne264) (1678—1735) aus der Bodleian-
Bibliothek in Oxford, mit seiner Wahl zum Architypographen der Universität
beginnend, und Brornes Bericht über seinen Tod sind willkommene Gaben, auch
eines Ungenannten265} Plaudereien über die Mittelchen englischer Verleger im 18. Jh.
und Uzannes'66) originelle Skizzen von Pariser Büchertrödlern. —
Als Vertreter des Musikalien handeis ist durch E i t n e r 266a) Nikol.
Simrock, der Bonner Begründer des bekannten Verlagshauses, geschildert worden.
— Ein stattliches Werk über die Geschichte des herrschenden italienischen Musik-
hauses G. Ricordi & Co.26') hat die internationale Musik- und Theaterausstellung
gezeitigt. —
Ueber den gegenwärtigen Betrieb des Buchhandels giebt eine
Vereinsschrift268) der Leipziger Kommissionäre Bescheid, über den gegenwärtigen
Stand des Leipziger Buchhandels von Hase"^'^''). — Zu den täglichen, wöchentlichen,
monatlichen, viertel-, halb- und ganzjährigen Neuigkeitsverzeichnissen des Buch-
handels und den darauf aufgebauten Bibliographien von Heinsius,Hinrichs und Kayser ist
Thelerts^'O) Supplement hinzugetreten, das nicht oder bisher fehlerhaft aufgeführte
Schriften enthält; ferner erscheint als willkommene Ergänzung die Fortsetzung von
Georgs2"') praktisch bewährtem Schlagwort-Katalog ; auch Russells Gesamt-Verlags-
Katalog2'2 273) schreitet rüstig dem Abschlüsse zu. — Für Belgien hat man 35 Ver-
lagskataloge des einheimischen Buchhandels rein äusserlich zusammengebunden und
als dritte Auflage des vom Cercle beige de la Librairie et de l'Imprimerie heraus-
gegebenen Sammelkatalogs2'''*) niit einem Werkverzeichnis eingeleitet, das auf die
einzelnen Verleger verweist: kein übler Ersatz für einen einheitlichen Gesamtkatalog. —
Zur geistlichen Censur liefert Arndt (S.J.)2'5-277) ßgjti.äge, die darum von
Aachen bisz. J. 1810: ZAachenerGV. 15, S. 97-235.— 251) K. Schmidt, D. Briefe Joh. Oporins an d. Strassburg. Prediger Conr.
Hubert: BVtGBasel. 13, S. 381-428. — 252) L. Sieber, Panl Cherlers Sendbnch über Oporins Leben u. Tod: ib. S. 429-40. —
253' G. Müller, M. Stöckel u. W. Stöckel: ADB. 36, S. 283/4. — 254) K. Steiff, L. Straub: ib. S. 524/5, — 255) Ö.
Veesenmeyer, R. Lehr. Stettin: ib. S. 130/2. - 256) Th. Pyl, H. J. Struck: ib. S. 639-40. — 257) O Gründung d.
Vossischen Buchhandl.: Bär 19, S. 707. — 258) E. 200 j. Bnchhandlungs-Jnbil. Gesch. d Vossischen Buchhandl.: VossZg.
N. 493. — 259) E. Friedländer, J. K. Ph. Spener: ADB. 35, S. 102. — 260) K. Steiff, Jul. Springer: ib. S. 318,9. -
261) G. Th[oniälen], R. Gaertner. (= Adressbnch d. dtsch. Buchhandels u. d. verwandten Geschäftszweige 1893
[L., Börsenv. d. dtsch. Buchhändler. XXX, 714 u. 452 S, M. 12,00.], S. III- VI). - 262) F. H. Meyer, Ber. an d. bist. Kom-
mission d. Börsenver. d dtsch. Buchhändler zu Leipzig: AGOBuchhandel. 16, S. 1/5. — 263) A. C. Krusemann, Aantee-
keningen betreffende den Boekhandel van Noord-Nederland, in de 17'« en IS''« eeuw. Bijdragen tot de geschiedenis van den
Nederlandschen boekhandel. Uitgegeven door de vereeniging ter bevordering van de belangen des boekhandels. 6. deel.
Amsterdam, P. N. van Kampen & Zoon. XI, 655 S. — 264) An antiquary of the last Century „Thomas Hearne": BookWorm.
S. 89-96, 119-36. — 265) W.U., Tricks of the eighteenth Century pnblishcrs: ib. S. 305-12. — 266) 0. Uzanne, Bonquineurs
et bouquinistes Physiologie des quais de Paris, du pont royal au pont Lully. Paris, May & Motteroz. XI, 320 S. Fr. 10,00.
|[BookWorm S. 161./6.]| — 266a) R. Eitner, N. Simrock: ADB 34, S. 385 6. - 267) G. Ricordi & Co. Drucker u. Verleger.
Mailand. Internationale Musik und Theaterausstellung. Wien. (Gerold Sohn.) 4». 163 S. u. 34 Bll. — 268) D. buchhandl.
Verkehr über Leipzig u. d. Geschäftsgang d. Leipziger Kommissionsgeschäftes. L., Ver. Leipz. Kommissionäre. 1892 27 S.
(Durch F. Volkmar besorgt.) — 269) 0. v. Hase, D. Leipziger Buchhandel 1892. (= .JB. d. Handelskammer zu Leipzig 1892
[L., Hinrichs. 1893. X, 267 S. M. 1,60.], S. 195-214.) - 270) G. Tholert, Suppl. zu Heinsius, Uinrichs u. Kaysers Bücher-Lex.
Verzeichnis e. Anzahl Schriften, welche seit d. Mitte d. 19. Jh. in Deutschland erschienen, in d. genannten Katal. aber gar
nicht oder fehlerhaft aufgeführt sind. Mit bibliograph. Bemerkungen. Grossenhain, Baumert & Ronge. 405 S. M. 33,00. —
271) C. Georg, Schlagwort-Katal. Verzeichnis d. Bücher u, Landkarten in sachl. Anordnung II. Bd. 2. Abt. 1.-5. Lfg. Hannover,
F. Cruse. S. 1-160. a. M. 1,30. - 272-273) Gesamt-Verlags-Katal. d. dtsch. Buchhandels. XV. Bd. 2-4 Lfg.; XVI. Bd. I.Abt.
17.-23. Lfg., 2. Abt. 15.-20. Lfg., 3. Abt. 14.-20. Lfg., 4. Abt. 9.-11. Lfg. Münster, A. Russell. S. 225-704; XH S. u.
S. 2593-4704; S. 2209-3168; XIV S. u. S. 2081-3104; S. 1313-1728. ä Lfg. M. 0,60. — 274) Recueil alphab. de catalogues, publie
par les soins du Cercle beige de la Librairie, de l'Imprimerie et des Professions qui s'y rattachent. 3. 6d. compl. et raise ä jonr.
Bruxelles, au secrötariat du Cercle. 1892. VItl, 83 9.. 35 Verlagsverzeichnisse. — 275) A. Arndt, D. Verbote d. Index
librorum prohibitorum : AKKR, 70, S. 3-32 — 276) id., D. kirchl. Strafbestinimungen über cl. Lesen u. Bewahren verbotener
Bücher u. d. Leselicenzen: ib. S. 33-52. — 277) id., D. kirchl. Bestimmungen über d. Herausgabe v. Büchern: ib. S. 53-66. —
0. V. Hase, Schrift- und Buchwesen. 13: 278-298
besonderer Wichtigkeit sind, weil sie auf geschichtlicher Grundlage den gegen-
wärtigen Stand darlegen, die Geltung des Index librorum prohibitorum und seiner
Teile, die durch Index-Regeln und Dekrete absolut oder bedingt verbotenen Bücher
und die Einzelverbote durch Kongregationen und bischöfliche Erlasse^'-S), ferner die
kirchlichen Straf bestimmungen und Licenzen für das Lesen und Bewahren verbotener
Bücher und die Approbation und Drucklegung approbierter" und den Druck ver-
botener Bücher. Hierbei wird entsprechend der kürzlich auch in weltlicher Angelegen-
heit von einem Gericht vertretenen Verantwortung des Setzers, Maschinenarbeiters
und Korrektors, die Exkommunikation ketzerische Bücher wissentlich Druckender
auch für diese „physischen Ursachen zur Drucklegung" geltend gemacht, — DisteP"^)
teilt zwei Bücherverbote aus Kursachsen mit, das eine von Friedrich dem Gr., der den
kurzen aber gründlichen Beweis, dass das Königreich Böhmen Sr. Königl. Majestät
in Preussen zustehe, 1757 in Dresden öffenthch verbrennen Hess. —
Das Verlags- und Urheberrecht hat beachtenswerte Bearbeitungen
aufzuweisen. Scheele^^o^ verwertet für das deutsche Urheberrecht die Recht-
sprechung der letzten beiden Jahrzehnte und giebt namentlich auch die Entstehungs-
geschichte der Gesetze. — Allfeld^*') bietet einen neuen praktischen Kommentar der
Hauptgesetze und Verträge. — Kohler-^-J sucht die Probleme des Autorrechtes durch
selbständiges künstlerisches Erfassen der Begriffe zu lösen. — In einer geistvollen
Schrift über das für die Litteratur nicht unwichtige Recht an Briefen erklärt
Kohler'^^^) es als eine heilige Pflicht des Rechtes, das Seelenleben eines Menschen
unangetastet zu wahren. — Voigt länder^^^) hat das Verlagsrecht als sach-
verständiger Buchhändler selbständig durchgearbeitet; sein als 2. Auflage bezeichnetes
Werk ist ein neues Buch, das nach Aufstellung der Verlagsordnung^^s) für den deutschen
Buchhandel erwünscht war. — Dieser Verlagsordnung, die hauptsächlich dem Ver-
kehr des Buchhandels mit gelehrten Autoren entstammt, tritt der Verein „Berliner
Presse" entgegen^*^^). — G. A. Müller'-*") giebt aus dem geg-enwärtigen Leben des
Buchhandels heraus ein ausgiebiges verständiges Handbuch des Verlagsbuchhandels.
— Der neue Entwurf des österreichischen Urhebergesetzes'''^^) ist dazu angethan,
Kritiken hervorzurufen. — Das internationale Urheberrecht hat in der Zeitschrift des
Berliner Bureaus „Le droit d'auteur" 2S9j sein freilich zumeist aus französischen Quellen
gespeistes amtliches Organ. 2*">) —
Ueber das gesamte deutsche Buchgewerbe, dessen Führer der Buch-
handel ist, veranstaltet Thomälen''^'*') mit Wiener und Schultz-Henke eine Ueber-
sicht im deutschen buchgewerblichen Katalog^^^j für Chicago; einen internationalen
Bericht hat Wien er 2^3) geliefert. —
Dem verdienten Geschichtsschreiber der Buchbinderkunst F. R. Steche
widmet L i e r^'"^) einen Aufsatz, dem ein eingehender Nekrolog folgen soll. — L i e r^«»)
veröffentlicht auch eine neue Folge von 100 wertvollen Bucheinbänden der kgl.
Bibliothek in Dresden, Holmes^'*^) eine Auswahl von gegen 150 Einbänden aus der
kgl. Bibliothek in Windsor-Castle. — Prideaux ^^'j verdankt man eine Bibliographie
mit gegen 450 Werken über Buchbindung und eine ausführliche geschichtliche
Skizze dieser Kunst. — Zaehnsdorf^****) liefert einen fachkundigen Bericht über alle
278) (S. 0. N. 70.) — 279) Th. Distel, 2 in Kursachsen beseitigte Drucke (1745 u. 57): NASächsG. 14, S. 341/3. — 280) ö.
Scheele, D. dtsch. Urheberrecht an litt., künstl. und photogr. Werken. L., Hirschfeld. 1S92. X, 275 S. M. 6,80. 1[LCB1.
S. 1076/7; P. Daude: DLZ. S. 761/2.]| — 281) J. Allfeld. D. Beichsgesetze betr. d. litt, und artist. Urheberrecht. Manchen,
Beck. 16». YIII, 458 S. M. 4,40. [(P. Daude: DLZ. S. 761/2.j| — 282) J. Kohler, D. litt. u. artist. Kunstwerk u. sein
Autorschutz. E. jurid.-ästhet. Studie. Mannheim, Bensheimer. 1892. 205 S. M. 5,00. |[DLZ. S. 179-80.]| — 283) id., D.
Recht an Briefen. (Aus d. Arch. f. bürgerl Recht.) B., Heymann. 60 S. M. 1,20. — 284) R. Voigtländer, D. Verlags-
recht an Schriftwerken, rausikal. Kompositionen u. Werken d. bildenden Künste. E. Handbuch d. Verlagspra.xis für Buch-
händler (mit Vertragsbeispielen). 2. Aufl. Dass. für Autoren n. Buchhändler (ohne Vertragsbeispiele;. 2. Aufl. L., Voigtländer.
XI, 195 S.; IX, 137 S. M. 4,00; M. 3,00. — 285) X W. Licht, D. Bewucherung d. Sortiments-Bochhandels durch e. grossen
Teil d. Yerlagsbuchhandels § 7 u § 8 d. bnchhäudl. Verkehrsordnung oder d. Grab d. Arbeitslohnes im Sortiments-Buchhandel.
Frage an d. öffentl. Meinung. Stolp i. P., E. Rahn. 38 S. Mit 1 Bild. M. 1,20. — 286) Bemerkungen über e. Verlags-
ordnung für d. dtsch. Buchhandel. Berlin (Sittenfeld). 24 S. — 287) G. A. Müller, D. Arbeiten des Verlegers. E. Hand-
buch d. Theorie u. Praxis d. Verlagsbnchhandels, Briefe an e. jungen Freund. L., G. A. Müller & Co. IV, 191 S. M. 5,00. —
288) O L. A. Frankl, D. Entwurf d. Österreich. Urhebergesetzes. Wien, Manz. 27 S. M. 0,50. |[P. Daude: DLZ. S. 1207.]|
— 289) Le droit d'auteur, organe officiel du bnreau de l'union Internat, pour la protection des oeuvres litt, et artist. 6. ann^e.
12 Nrs. Bern, Collin (L. Hedeler). 4». XIII, 156 S. M. 5,65. — 290) O W. A. Copinger, Law nf Copyright in Works of
Litt. n. Art. 3. ed. London, Stevens. Sh. 36. — 291) G. Thomälen, E. Wiener u. D. S chultz-Hencke, D. heutige
Buchgewerbe im Dtsch. Reich. (r= Führer durch d. buchgewerbl. Kollektiv-Ausstellung d. Dtsch. Reiches. Chicago 1893. [L.,
Breitkopf & Härtel. XII, 149 S. M. 1,50.], S. 1-32) L., Breitkopf & Härtel. — 292) X A. Weigel, Führer durch d. buch-
gewerbl. Kollektiv-Ausstellung d. Deutschen Reiches. Chicago 1893. Her. v. d. Centralver. für d. gesarate Buchgewerbe,
(ebda. S. 33-149.) — 293) E Wiener, Nach Chicago z. Columbischen Weltansstellung. Reisebriefe. (Sonderabdr. aus d. Zeitschrift
für Deutschlands Buchdrucker.) L., Breitkopf & Härtel. 108 S. (Nicht im Buchhandel.) — 294) H. A. Lier, F. R. Steche:
ADB. 35, S. 537 9. — 295) O i d. , Bucheinbände aus d. Bücherschatze der kgl. öffentl. Bibliothek zu Dresden. L., E. Twiet-
meyer. 4». ä 3 Photogr. mit Y, 12 S. Text, ä M. 3,00. — 296) O R. Holmes, A selection of royal and hlstorical book-
bindings, from the Royal Library, Windsor Castle (with about 150 plates and a introd.). London, Quaritch. 4». 105 S. Sh. 5,00.
(Privatdruck.) — 297) S. T. Prideaux, An bist, sketch of bookbinding. With a chapter on early stamped bindings by
E Gordon Dnff. London, Lawrence & Bnller. 4". VII, 303 S. Sh. 6. |[SaturdayR. 76, S. 51.]| — 298) J. Zaehnsd orf,
I 3 : 299 -14: 1-14 G. Liebe, Kulturg-eschichte.
Länder von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart; die angeführte Litteratur
von 1880—92 g-ehört meist Frankreich und England an. — Eine glänzende Er-
scheinung ist Thoinans2«!>) wertvolle Geschichte der französischen Buchbinder des
16.— 18. Jh. —
Kulturgeschichte.
Georg Liebe.
Begriff der Kulturgeschichte N. 1. — Allgemeine Darstellungen N. 9. — SammelwPrke N. 19. — Gesamtdarstellungen
deutscher Kultur W. 23. — Häusliches und Familienleben N. 31. — Geselliger Verkehr und gesellschaftliche Sitte, Vergnügungen,
Spiele und Feste N. 49. — Sittengeschichtliches N. 77. — Geistige und gemütliche Entwicklung: Bildungsanstalten N. 95;
das Recht N. 108; Humanismus N. 121; Reiselitteratur N. 122; Vereinswesen und Presse N. 128; Briefe, Stammbücher, Kalender
N. 136; Nationalcharakter N. 147; religiöses Element N. 159; Humor N. 163; Verschiedenes N. 166. — Aberglaube und Ver-
brechen N. 177. — Sociale Entwicklung, Gesellschaft und Stände N. 188. — Wirtschaftliche Entwicklung: Wirtschaftsgeschichte
N. 197; Agrargeschichte N. 201; Bevölkerung N. 211; Industrie und Gewerbe N. 219; Technik und Erfindungen N. 241; Handel
N. 245. — Aeussere Kultur: Wohnung N. 256; Tracht N. 262; Waffen und Geräte N. 269; Nahrungs- und Genussmittel N. 275 ;
Gesundheitswesen N. 278; Sicherheitswesen N. 285; Verkehr N. 287. — Territorial- und Lokalforschung: Ostpreussen N. 310;
Westpreussen N. 314; Posen N. 321; Schlesien N. 322; die Mark N. 324; Pommern N. 341; Mecklenburg N. 342; Hansestädte
N. 344; Schleswig-Holstein N. 357; Oldenburg und Ostfriesland N. 360; Hannover N. 365; Provinz Sachsen N. 370; Königreich
Sachsen N. 380; Thüringen N. 390;. Hessen N. 396; Westfalen N. 404; Rheinland N. 410; Reichslande und Baden N. 424;
Württemberg N. 435; Bayern N. 438; Oesterreich N. 461; Schweiz N. 485; russische Ostseeprovinzen N. 493. — Klöster, Stifter
und Orden N. 498. — Besondere Yolkselemente N. 527. — Familiengeschichte N. 548. — Einzelne Personen N. 563. — Zur
Knltur der Gegenwart N. 570. —
Begriff der Kulturgeschichte. Die für die Wesensbestimmung
der Kulturgeschichte wichtigste Frage, . die ihres Verhältnisses zur politischen Ge-
schichte, ist ausser in mehreren Besprechungen der gegensätzlichen Werke von
Gotheini) und Schäfer 2) (vgl. JBL. 1892 I 4:1/2) neuerdings von Ritt er 3)
erörtert worden. Er glaubt die Ansprüche der Kulturgeschichte als zu hoch be-
zeichnen zu müssen, indem er ihren zu weit gefassten Kollektivbegriffen als
Träger der Kulturarbeit die Gesellschaftskreise gegenüber stellt. — Treffend be-
stimmt Steinhausen ^) die junge Wissenschaft als Lebensgeschichte zunächst
eines Volkes, weiterhin der Menschheit. — Eine Stütze erhält diese Anschauung in der
Bedeutung des Zuständlichen, wie es K. Lamprecht gegenüber Max Lehmanns^)
Ueberschätzung der Persönlichkeit betont. — Mehr und mehr drängt sich auch
die Notwendigkeit stärkerer Heranziehung der Kulturgeschichte in der Schule auf,
wenn auch bezeichnender Weise der erste Historikertag in München in dieser Hin-
sicht grosse Zurückhaltung bewies. — So will Berbig^), ausgehend von der päda-
gogischen Forderung der Verbindung verschiedener Unterrichtszweige, das Rechnen
für die Verbreitung kulturgeschichtlicher Kenntnisse nutzbar machen. Eine Anzahl
gedruckten Quellen entnommener Aufgaben veranschaulicht das Verhältnis heutiger
Preise zu thüringischen des 16. Jh. ^'^=') —
Allgemeine Darstellungen. Unter den allgemeineren Darstellungen
seien zunächst einige Besprechungen an dieser Stelle schon gewürdigter Werke ge-
nannt "''Oj. _. Zur Gewinnung von Vergleichungs-Material wird für die Kultur-
geschichte auch die Ethnologie heranzuziehen sein. Zur ersten Orientierung bietet
der Katechismus von Schurtz'^) ein vortreffliches Hülfsmittel.^^) — Die neue Auf-
lage von H e h n s ^3) monumentalem Werke hat wertvolle Vermehrungen erfahren.
— Acheli s 1*) giebt die Forschungen M. Müllers über die Bildung religiöser Ideen
ßookbinding: QR. 177, S. 178-211. -- 299) E. Thoinan, Les relieurs fran9ai8 (1500-1800), biogr. critique et anecdotique
precedee de Thist. de la communaute des relieurs et doreurs de livres de la ville de Paris et d'une etnde sur les styles d«
relinre. Paris, Em. Paul, L. Huard & Guillemin. VII, 416 S. —
1) X HJb. 14, S. 359-62. — 2) X DLZ. S. 300/1. — 3) M. Ritter, D. Streit zwischen polit. n. Kultnrgesch. :
AZg". N. 219. (Vgl. dazu ZKnltQ. I, S. 244/5.^ — 4) G. Steinhausen, Z. Einführung: ZKultG. 1, S. 14. — 5) ib.
S. 245-50. — 6) M. Berbig, D. Rechnen im Dienste d. Kulturgesch. JB. d. Herzog Ernst-Seminars. Gotha (Thienemann).
30 S. M. 0,60. - 7) X A. Böo, Leitfaden für d. ünterr. in d. dtsch. Gesch. mit besond. Berücksicht. d. kultnrgesch.
Momente für d. Oberstufe mehrklass. Volks- u. Mittelsch. L., Gräbner. VIII, 335 S. M. 2,00. - 8) X F- Viergutz, D.
Verhältnis d. Kulturgesch. z. polit. Gesch. im Volksschul-Ünterr.: PommerscheBllSohule. 17, S. 335/6. — 8a) X F- Dreyer,
Dtsch. Kulturgesch. v. d. ältesten Zeiten bis z. Gegenw. Als Grundlage für d. Unterr. in d. dtsch. Gesch. unter Mitwirk. v.
J. Meyer. 2. T. V. Interregnum bis z. Reformation. Langens.alza, Schulbuchh. VI, 240 S. M. 2,00. - 9) X G- Grnpp,
System u. Gesch. d. Kultur. 2 Bde. (Vgl. JBL. 1892 14:9.) |[BLU. S. 7268; HJb. 14, S. 363/5; Gyran. 11, S. 765,8;
Kath. 1, S. .572.]] — 10) X P- Heichen, D. Kulturgesch. in Hauptdaten. (Vgl. JBL. 1891 I 5:8.) IfBLU. S. 127; WSKPh.
10, S. 281/6.]I — 11) H. Schurtz, Katechismus d. Völkerkunde. L., Weber. 12". XII, 370 S. M. 4,00. — 12) X Th.
Achelis, Kulturhist. Parallelen aus d. Völkerkunde: DWBl. S. 3901. — 13) V. Hehn, Kulturpflanzen u. Haustiere in ihrem
Uebergang aus Asien nach Griechenland u. Italien. 6. Aufl. (In 12 Lfgn.) 1.-7. Lfg. Neu her. v. 0. Schrader. B., Born-
träger. S. 1-400. M. 7,00. — 14) Th. Achelis. D. vergleichende Religionswissensoh. (= SGWV. N. 182.) Hamburg,
G. Liebe, Kulturgeschichte. 14: 15-29
wieder, wie sie sich streng- erfahrungsgemäss auf der infolge seiner Anregung
herausgegebenen Sammlung der heiligen Bücher des Ostens aufbauen. — Das Problem
des Verhältnisses zwischen Krieg und Kultur behandelt in formvollendeter Durch-
dringung des Materials Jähns'^). Nach theoretischer Erörterung der Begriffe zur
historischen Betrachtung der menschlichen Auffassungen übergehend, gewinnt er die
üeberzeugung von der inneren Notwendigkeit wie der kulturfdrdernden Wirksamkeit
des Krieges. — Unsere gegenwärtige Kulturepoche betrachtet Toula''') hinsichtlich
ihrer wahrscheinlichen Begrenzung durch Abnutzung einiger wesentlichen Stoffe,
der Kohle, der "Waldbestände, des Goldes''). — Jäger'*) behandelt den Parallelis-
mus zwischen der geistigen Entwicklung des Einzelindividuums und den Kultur-
stufen der historischen Entwicklung- wie den verschiedenen Bildungsstufen innerhalb
der modernen Gesellschaft in origineller, wenn auch besonders im zweiten Fall vielfach
gezwungener Art. — Das schön ausgestattete Werk von Kleinpaul '*■"•), auf den
Arbeiten von Lacroix beruhend, ist wegen der illustrativen Beigaben zu schätzen
und nur auf das Wohlgefallen weiterer Kreise berechnet.'^'') —
Sammelwerke. Das Berichtsjahr war für die Wissenschaft der Kultur-
geschichte ein erfreuliches insofern, als ihr durch Gründung einer eigenen Zeitschrift'^)
die Möglichkeit geboten ist, nicht mehr als oft scheel angesehener Gast in fremdem
Hause ihr Dasein zu fristen. Sicher wird die Konzentration dazu beitragen, unsere
Wissenschaft schärfer zu formulieren und den hier besonders üppig wuchernden
Dilettantismus zu beschränken. Für den Geist des neuen Unternehmens bürgt der be-
währte Name des Herausgebers S t ei n h a u s e n^"). Der Inhalt des ersten Heftes
sei hier angeführt : Zur Einführung (Herausgeber). Deutsches Geistesleben im
späteren Mittelalter (Lamprecht). Thomas Campanella, ein Dichterphilosoph der
italienischen Renaissance (Gothein). Sechzehn deutsche Frauenbriefe aus dem endenden
Mittelalter (Steinhausen). Aus dem Vereinswesen im römischen Reiche (Liebenau).
— Der Umfang wie der Charakter der kulturgeschichtlichen Wissenschaft lassen
mit Freuden die gleichzeitige Gründung einer zweiten Zeitschrift begrüssen, die lokal
beschränkter, inhaltlich umfassender ist. Es sind dies vonReinhardstöttners^')
Forschungen zur Kultur- und Litteraturgeschichte Bayerns, die gleichermassen durch
wissenschaftliche Gediegenheit wie vornehme Ausstattung einnehmen.22) —
Gesamtdarstellungen deutscher Kultur. Von umfassenderen Darstell-
ungen der deutschen Kultur ist das Werk von Henne am R h y n"^) in 2. Auflage er-
schienen^^). — In den nach alter Methode ausgesonderten Abschnitten über Kultur-
verhältnisse ruht der Hauptwert von Janssens Geschichte des deutschen Volkes,
deren 7. Band nach seinem Tode auf Grund seiner Mss. von P a s t o r ^5) heraus-
gegeben worden ist. Er schildert die niederen und höheren Bildungsanstalten,
dann die einzelnen Zweige der Wissenschaft. Die Abschnitte über Naturwissen-
schaften, Heilkunde, Theologie, Philosophie haben P. zum Vf. Gelegenheit zur Hervor-
kehrung der Tendenz bleibt nicht unbenutzt, so wenn der Verfall der protestantischen
Universitäten von der landesherrlichen Obergewalt hergeleitet wird, die ihnen im
Gegenteil sehr nützlich gewesen ist. — Die Form abgeschlossener Bilder verwendet
M a i s c h 2^) zur Schilderung der verschiedenen Seiten des deutschen Bürgertums.
Das Buch, von nationalem Geiste getragen und anziehend für allgemeines Verständnis
geschrieben, bringt Leben und Wirken in socialer Hinsicht zum Ausdruck mit be-
sonderer Rücksicht auf die genossenschaftlichen Verbände und deren Beeinflussung
durch das religiöse Element. 2') — Hier seien noch einige Werke der von Fontane be-
gründeten Richtung erwähnt, die das touristische Interesse durch das historische zu
vertiefen strebt. Allerdings bleibt T r i n i u s 2*) und noch mehr H e v e s i ^9) weit
Yerlagsanst. 33 S. M. 0,50. — 15) M. Jahns. Ueber Krieg, Frieden u. Kultur. B. Umschau. B„ Allg. Ver. für dtsch. Litt.
XX, 432 S. M. 6,00. UMWBl. S. 2317-20, 2584 5.]| — 16) F. Toula, Streiflichter auf d. jüngste Epoche d. Kultur. Rektorats-
rede. Wien. 24 S. jfAZgU. N. 292.]! — 17) O E. v. Philipp ovich, Wirtschaftl. Fortschritt u. Knlturentwicklung. Vortr.
Freiburg i. B., Mohr. 1892. 56 S. M. 1,00. |[BLU. S. T/9.)| - 18) G. Jäger, Ans Natur- u. Menschenleben. Ges. Aufsätze
u. Vortrr. 2. (Schluss-)Lfg. L., E. Günther. III, S. 186-215. M. 2,00. — 18a) R. Kleinpaul, D. Mittelalter. Bilder aus
d. Leben u. Treiben aller Stände in Europa. 3.-8. Lfg. L., Schmidt & Günther. S. 65-256. M. 6,00. [[Geg. 44, S. 431.J|
— 18 b) O J. H. Franke [H. Wort mann], Naturbilder aus d. Kultur- u. Sittengesch. d. Menschheit älterer u. neuerer Zeit.
Mit 56 lUustr. Zürich, H. Wortmann. 200 S. M. 1,50. — 19) Zeitschrift für Kulturgesch. (N. F. d. Zeitschr. für dtsch.
Kulturgesch.) Her. v. G. Steinhausen. Heft 1. Weimar, Felber. S. 1-96. M. 2,00. |(ML. 62, S. 820; LCBl. S. 1609-10.||
— 20) X G. Steinhausen, Kulturstudien. B., Gärtner. (Vgl. JBL. 1892 I 4:28.) |[ßLU. S. 500/2; LCBl. S. 275/6; DLZ.
S. 6846; ÖLBl. 2, S. 648-50.]| — 21) Forschungen z Kultur- u. Litteraturgesch. Bayerns her. v. K. v. Reinhardstöttner.
1. Buch. München, Franz. V, 232 S. M. 6,00. l[ZKultO 1, S. 205/6.11 — 22) X Zeitschrift f. dtsch. Kulturgesch. v. Chrn.
Meyer: BBG. 29, S. 255/6, 570/2. — 23) 0. Henne am Rhyn, Kultargesch. d. dtsch. Volkes. 2. Aufl. 2 Bde. B., Grote S.-Cto.
500 S.; 528 S. M. 24,00. ||BLU. S. 357/8; COIRW. 21, S. 504/5; MHL. 21, S. 299-300.]| - 24) X Sechs Bilder z. dtsch.
Kulturgesch. in Farbendr. Mit Text. L., Voigtländer. 4". M 2,00. — 25) J. Janssen, Gesch. d. dtsch. Volkes seit d. Ausgange
d. MA. 7. Bd. Ergänzt u. her. v. L. Pastor. Freibnrg i. B., Herder. XLVII, 660 S. M. 6,00. — 26) G. Maisch, Eelig.-
sociale Bilder aus d. Gesch. d. dtsch. Bürgertums. L., Werther. IV, 632 S. M. 8,00. ||ThLBl 14, S. 18; ÖLBI. 2, S. 521. J]
(Vgl. JBL. 1892 I 4:20.) — 27) O J. Bintz, Dtsch. Kulturbilder aus 7 Jhh. 2 Bde. Hambarg. Meissner. VII, 204 S.;
111, 186 S. M. 5,00. — 28) A. Trinius, Alldeutschland in Wort u. Bild. E. malerische Schilderung d. dtsch. Heimat. II.
Mit Illustr. B., Dümmler. VUI, 439 S. M. 5,40. |[LCB1. S. 1464/5; BLU. S. 188.]| — 29) L. Hevesi, V. Kalau bis
JaliTeBl>erichte für neuere deutsche Litteratnrgeschiohte. IV. (}
I 4 : 30-62 G. Liebe, Kulturgeschichte.
hinter Fontaae zurück (vgl. I 5 : 5Jj. — Ein flüchtiger Reisebrief eines Schweizers,
F 1 e i n e r '^^), ist ebenso scharf beobachtend wie für Deutschland schmeichelhaft. —
Häusliches und Familienleben. Bei der Betrachtung* der ein-
zelnen Seiten der Kulturentwicklung' vom engsten Kreise, der Familie, ausg-ehend
sind wir leicht der Gefahr einer unsicheren Abgrenzung gegen die Volkskunde aus-
gesetzt. Es wird sich empfehlen, nur das einer abgeschlossenen Vergangenheit
Angehörige aufzunehmen, Neueres nur, sofern es zu Parallelen Anlass giebt. Der
Grundlage des Familienlebens, der Ehe, widmet Achelis^') eine weitschauende,
Forschungsergebnisse sicher zusammenfassende Untersuchung, die die ersten recht-
lichen und sittlichen Entwicklungsstufen zum Gegenstand hat 32). _ Einen Teil der
hier erörterten Fragen hat Bernhöft^"*} zum Gegenstand einer allgemein ver-
ständlichen Darstellung gemacht, die auch die Poesie heranzieht. — Ueber die Frauen
sind nur einig-e Sammelarbeiten ohne Bedeutung erschienen ä*'^'^). — Mit der Ehe-
schliessung beschäftigen sich mehrere Monographien ^^^'j. — Einen merkwürdigen
Beitrag zu den Taufceremonien bietet K o 1 d e w e y s ^^j Untersuchung über den
Streit, der am Ende des 16. Jh. über die Frage der Teufelsaustreibung bei der Taufe
zu Braunschweig ausbrach. — Das anziehende, bisher nur dilettantisch behandelte
Gebiet der Namengebung weiss Steinhausen 43-44), gestützt auf reiches MaLerial,
zu Aufschlüssen über den Einfluss des Zeitgeistes zu verwerten. Es ergiebt sich
seit dem 13. Jh. eine Abschwächung des Namenreichtums infolge der wachsenden
Nüchternheit der Zeit, seit dem 15. Jh. ein Ueberwiegen frommer Namen, die erst
mit diesem Jh. schwinden, sowie früh eine herrschende Stellung des Namens Johannes*^).
— Mit den die Familie nach aussen abschliessenden Namen beschäftigt sich auf be-
schränktem Gebiete K 1 e e m a n n *^). — Eine oberflächliche Sammlung alter Gebräuche
beim Begräbnis bezieht sich auf Wien ■*"), eine Sammlung von Grabschriften auf
Riga 48). _
Geselliger Verkehr und gesellschaftliche Sitte, Vergnüg-
ungen, Spiele und Feste. Mit dem Hinaustreten aus dem Kreis des Hauses be-
ginnt der Verkehr und die ihn bindende Sitte. Von ihren Formen haben einige eine
oberflächliche Darstellung gefunden '*""^3)^ — Dfe f(jj. (jg^ modernen Verkehr so be-
zeichnende Phrase charakterisiert Wengraf^^) durch ein Miss Verhältnis zwischen
Form und Inhalt sowie die Häufigkeit der Anwendung. Aus der Entwicklung eines
öffentlichen Lebens hervorgegangen, ist sie stets von Wirkung auf unklares Denken,
wie es für heutige Verhältnisse bezeichnend ist. — Eine Blütenlese aus den Neujahrs-
wünschen, wie sie der Wiener Hanswurst im Anfang des vorigen Jh. zu spenden pflegte,
giebt von Weilen^^). — Von dem Inhalt des geselligen Lebens im Mittelalter handelt
eine gute Zusammenstellung der durch grössere Arbeiten gewonnenen Resultate^^). —
Von einem Vortrag 0 1 1 o s ^') über die Volksvergnügungen zu Butzbach i./W., wobei
das Hauptgewicht auf die Schauspiele gelegt ist, erschien leider nur eine Inhalts-
angabe.^^) — Unter den noch bestehenden Volksfesten nimmt diesmal der Schäffler-
tanz das Hauptinteresse in Anspruch. Wenn ihn S e p p ^9) mit Anhäufung von
Reminiscenzen an die ältesten religiösen Tänze mit der Weinlese zusammenbringt,
so wird die Sitte von anderer Seite ^**) als Rest alter Frühlingsfeier erklärt^ '"^-).
Säckingen. E. gemütliches Kreuz u. Quer. St., Bonz. 120. VII, 323 S. M. 4,00. |[BLU. S. 264;5.]| — 30) A. Fleiner,
Quer durch Deutschland: StrassbPost. N. 132. — 31) Th. A c h e 1 i s , D. Entwicklung d. Ehe. Weimar, Felber. 125 S. M. 2,60.
|[BLÜ. S. 746;7.]| — 32) X E. Westermarck, Gesch. d. menschlichen Ehe. Ausg. aus d. Engl. v. L. Katscher u. R. Grazer.
Bevorwortet v. A. Bussel Wallace. Jena, Costenoble. XLVI, 589 S. M. 12,00. |[BLU. S. 746,7.J| - 33) J. Bernhöft,
Frauenleben in d. Vorzeit. Wismar, Hinstorff. 78 8. M. 2,00. — 34) Xü^iKlokow, D. Frau in d. Gesch. Leben u.
Charakter d. Frauen aller Zeiten, sowie deren Einfluss auf d. Kulturgesch. d. Menschengeschlechts. 2. Aufl. Mit 76 Abbild.
L., Spanier. VIII, 310 S. M. 3,00. — 35) X Van der Briele, Kulturgeschichtliches aus d, dtsch. Frauenleben im 14. u.
15. Jh. Progr. Halberstadt. 4''. 18 B. — 36) X ö. Tuchert, Dtsch. Frauen im Zeitalter d. Restauration (nach Henne am Bhyn,
D. Frau in d. Kulturgesch.): Zeitgeist N. 1/2. — 37) X Alw. Schultz, Alltagsleben e. dtsch. Frau d. 18. Jh.: RCr. 35,
S. 129-30. — 38) O F. Roth, Weibl. Erz. u. weibl. Unterr. im Zeitalter d. Reformation. Diss. Leipzig. 47 S. — 39) X H.
Bosch, Verlobung u. Verehelichung in Nürnberg im 16. Jh.: MGNM. S. 41-53. — 40) X F- M' ^ine sonderbare Trausitte:
AELKZ. 26, S. 868. — 41) X A. Jusskiewicz, Hochzeitsbräuche d. Wilonischen Litauer: MLitauLGes. 3, S. l:M-78, 201-43,
321-83, 538-40. — 42) F Koldewey, D.Exorzismus im Herzogtum Braunschweig seit d. Tagen d. Reformation. E. kirchenhist.
Studie. Wolfenbüttel, Zwissler. 5o S. M. 2,00. — 43; G. Steinhausen, Vornamenstudien: ZDU. 7, S. 616-26. - 44) id.,
Mode u. Zeitgeist in d. Vornamen: TglRs". N. 8/9. — 45) X K. Erbe, Dtsch. Kindern dtsch. Namen: DNJb. 3, S. 144-50.
— 46) O S. Kleemann, D. Familiennamen Quedlinburgs u. d. Umgegend. Quedlinburg, Hach. XII, 264 S. M. 5,00. |[W. Seel-
mann: KBlNiederdSpr. 16, S.45/6 I] — 47)C. S Chan dl, Wiener Totenkiiltus: Alt-Wien 1, S. 5 8. — 48) O H. Baron Brniningk,
Ueber e. Samml. Grabschriften (Riga). Vortr.: SBGGOstseeprov. 1892, S. 4/5. — 49) X Z.Sitte d. Begrüssungen (nach Meyers
Konvers.-Lex.) : Didask. N. 172. — 50) X B Müller, 777 Regeln für d. Verkehr in d. guten Gesellschaft: KZEU. S. 84. —
51) X W. Brehmer, Titulaturen: MVLübG. S. 47. |17. .Th.) - 52) X '^- Abschaffung d. leeren Titulaturen: StrassbPost.
N. 57. — 53) X J- Mensinga, D. Adelspartikel: VHSG. 21, S. 276-80. — 54) E. Wengraf, D. Phrase. Z. Kritik d. Ge-
sellschaftslügen. Wien, Bauer. 30 S. M,0,50. — 55) A. v. Weilen, Altwiener Neujahrsgrüsse: NFPr. N. 10543. - 56) E. B.,
D. dtsch. Gesellschaftsleben im spätem MA. : MagdZg". N. 17-20. — 57) E. Otto, Feste, Spiele n. Tänze zu Butzbach im
MA. u. z. Zeit d. Reformation. Vortr.: QBlllVHessen. 1, N. 10. (Referat.) — 58) O A. Lingke, Wie amüsierte sich Dresden
am Anfange d. vorigen Jh.: UB&T. S. 403 5. — 59) J. N. Sepp, Der Schäfflertanz n. sein nnrordenkliches Alter. Vortr.:
München (Ch. Kaiser). 12 S. M. 0,15. — 60) D. Schäfflertanz u. d. Metzgersprung in München: StrassbPost. N. 50. — 61) X
M. Koch V. Berneok, D. Schäfflertanz in München: IllZg. 100, S. 102. — 62) X S. Frey, D. Schäfflertanz in Manchen:
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 63-94
— Betreffs des Metzg-ersprung-s kommt H a r t m a n n ^'^j durch Zusammenstellung-
ähnlicher mit Taufe verbundener Handwerksbräuche zum Schlüsse mythischer Ab-
stammung. — Als Ursprung der Schmausereien des Martinstages nimmt Doenges^^)
ein germanisches Erntedankfest an. — G r u b e r ^■''j beschreibt ein zu Fastnacht
aufg'eführtes Bauernspiel in ünterpeissenberg.^^) — Die Ausbreitung des um 1300 nach
Deutschland gelangten Kartenspiels hat oberflächliche Darstellung gefundenß''"^»^, —
Auf Ausübung des Schwerttanzes im J. 1641 lässt eine Hamburger Rechnungsnotiz
schliessen ^'■*) ; derselbe wurde auch in Hessen noch 1651 aufgeführt (s o. N. ö?)"").
— Die Schätzung' des Jagdvergnügens illustriert ein 1590 abgeschlossener, 1593 er-
neuerter Pachtvertrag zwischen dem Grafen von Stolberg und dem Herzog-Bischof
Heinrich Julius von Halberstadt, von Jacobs'') veröffentlicht. — Die Uebung von
Tierhetzen behandelt ein Artikel Lubans'^) über das 1796 abgebrannte Wiener
Hetzamphitheater. — Für die Geschichte des Schauspiels ist Müllers"^) Nachtrag
zu dem Streit wegen einer 1660 in Leipzig gespielten Jesuitenkomödie anzuführen,
den früher Wustmann behandelt hat. — Eine Schilderung des wenig unterhaltenden
Badelebens im altenburgischen Rönneburg giebt Schlösser''*) nach zeitgenössi-
schen Briefen. — Von einmaligen Festberichten ist ein Lübecker aus dem J. 1478
von B r u n s '^) veröffentlicht. — Als Beispiel eines modernen Volksfestes, wie
unserer Zeit mehr zu wünschen wären, sei es erlaubt, auf das Rotenburger Fest-
spiel hinzuweisen, über das R e i c k e ''^j berichtet. —
Sitten g-eschichtliches. Unter diesem Gesichtspunkte wären zunächst
die Thatsachen zu berücksichtigen, welche die Anschauungen gewisser Kreise zum
Ausdruck bringen. Ein dankbares Feld hierfür bietet stets das akademische Leben
mit seiner ausgeprägten Eigenart, dem eine unerschöpfliche Fülle origineller Einzel-
heiten zu entnehmen ist ''''^■^). — In das höfische Leben der Verg-angenheit führen
uns mehrere Aufsätze ohne Bedeutung ^^'^^J. — Den Verkehr zwischen Fürsten und
Unterthanen illustrieren, von D i s t el^"*"^^) vorgelegt, zwei Bittschriften aus Sachsen,
eine von absichtlich, die andere von unabsichtlich komischer Wirkung. — Ein wenig
standesgemässes Benehmen offenbaren die von K rafft*'') aufgefundenen Prozess-
akten gegen den Kölner Domherrn Grafen Rietberg wegen Misshandlung eines mahnenden
Gläubigers (1528). ~ Nach einer Mitteilung Mu m menhoff s'"^) lagen noch um die
Wende des 16. Jh. die Nürnberger Maler dem Rat an, gegen Fremde den Zunft-
zwang mit Ladebeitrag und Probestück üben zu dürfen. — Ueber Schützengnlden
handeln einige oberflächliche Artikel ^'"^'•^). — Ein Beitrag zur Anschauung vom Duell
liegt vor in der Schilderung eines Nürnberger Ehrenhandels und dessen rechtlicher
Beurteilung ö^). — Einen originellen Scheltbrief g-egen einen säumigen Schuldbürgen
publiziert von Mülversted t"*). —
Geistige und gemütliche Entwicklung. Die anziehendste
Aufgabe der Kulturgeschichte ist vielleicht die, in den geistigen wie den Gemüts-
äusserungen das typische Element zu erkennen. Dieses Gebiet ist bisher nur in
geringem Masse Gegenstand wissenschaftlicher Bearbeitung gewesen; was dafür ge-
leistet worden, ist im wesentlichen Erschliessung von Quellen. Unter diesen stehen
für die geistige Entwicklung im Vordergrunde die Bildungsanstalten. Für
die Universitäten liegt in den Matrikel- Veröffentlichungen schon ein reiches statisti-
sches Material vor, dem sich jetzt Greifswald anreiht. Der erste Band (1456—1645),
Schorers Familien Bl". N. 7. — 63) A. Hartmann, Metzgersprung u. Gildentanfe : AZg. N. 44. — 64) W. Doenges, D.
Martinstag: Didask N. 265 — 65) K. Gruber, Fastnacht im Ijay er. Oberland: WeserZg. N. 16596. — 66) X S. Dembowski,
Litauische Festgebräuche: MLitauLGes. 3, S. 505-10. — 67) X H. Du ring, Würfel u. Karten: VossZg". N. 45. — 68) X 0-
Z , Gesch. d. Spiels in Deutschland : Zeitgeist N. 50 — 69) Ehemalige Gebür für d. worthaltenden Bürgermeister wegen
Gestattung v. Lustbarkeiten: MVHambG. 15, S. 341/3. — 70) O 0. Gurlitt, D. Tanz im 18. Jh.: VelhagenKlasingsMh. 1,
S. 289-301, 431-49. — 71) E, Jacobs, Z. Jagdgesch. d. Harzes: ZHarzV. 26, S. 423-30. — 72) E. Luban, D. Brand d. Wiener
Hetzamphitheaters: Alt-Wien 2, S. 124. — 73) G. Müller, Z. Gesch. d. Jesuitenkomödie in Sachsen (1680j: NASächsG. 14,
S. 140. — 74) R. Schlösser, Ronneburgs Badeleben vor 100 J. LZg". N. 89. — 75) Fr. Bruns, D. Ber. d. Lübeckischen
Chronik über d. Vermählungsfeierlichkeit zu Kopenhagen 1478: HansGßll. 21, S. 105-12. — 76) E. Reicke, D. Rotenburger
Meistertrunk : VossZg". N. 37 8. — 77) X 'Jh. Fischer, Erinnerungen e. Jenenser Studenten. Aus d. Tagebuch e. Eng-
länders. (= Drei Studien z. engl Litt.-Gesch. N. 2.) Gotha, Perthes. 1892. VII, 177 S. M. 3,00. ][EnglSt. S. 460/1. ]1 —
78) X Stndentenleben vor 150 J.: BurschenschaftlBU. 7, S. 14/5. — 79) X Studentenstreiche u.- Erinnerungen: ib. S. 6-10. —
80) X A. Foertsch, Erlangen: ib. S. 2613, 289-91. — 81) X D- Vorläufer d. alten Burschenschaft: ib. S. 145 9, 169-74,
193/8. - 82) X f'- Gesch. d. Freiburger Burschenschaft v. 1818 bis z. Frankfurter Attentat: ib. S. 25-30. — 82a) X Dtsch.
Jugend in weiland Burschenschuften u. Turngemeinden: ib. S. 49-54. — 83) X Heidelberger Erinnerungen d. J. 1830-31: ib.
S. 97,8, 111, 122 4, 183, 217 8, 2:W 1. - 84) X F. Katt, Sitten n. Gebräuche im alten Berlin u. an d. kurfürstl. Höfen im
15. u. 16. Jh.: DAdelsbl. S. 16S 9. — 85) X Liebhabereien dtsch. Fürsten im vorigen Jh.: Didask. N. 255,7. — 86) X Hof-
u. Kanzleitrauer-Reglement d. Herzogl. Württemberg. Hoftrauer auf d. erfolgte Absterben d. Herrn Herzogs Carl: BBSW.
S 191/2. — 87) Th. Distel, E. Schreiben d. Hofnarren Fröhlich an seinen Herrn (1727): NASächsG. 14, S. 339-40. — 88) id.,
E. tragikomisches Bittgesuch e. Freibergers 1789: MFreibergAV. 30, S. 109-10. — 89) K. Krafft, Domherr Friedrich Graf
zu Rietberg als Angeklagter d. Rates zu Köln 1528: ZBergGV. 19, S. 215-37. — 90) E. Mummenhoff, Beitrr. z. Gesch. d.
freien Handwerks d. Maler: MVGNürnberg. 10, S. 271/7. — 91) X R- Human, Gesch. d. Schützengilde v. Hildburghausen.
Mit 1 Abbild. Hildburghausen, Gadow. 92 S. M. 0,60. — 92) X 0. Moser, D. 450j. Jubil. d. Leipz. Schützenges.:
IllZg. 100, S. 594. — 93) E. Beitr. z. Gesch. d. Duells in Deutschland: StrassbPost. N. 188. — 94) G. A. v. Mülverstedt,
6*
I 4:95-115 G. Liebe, Kulturgeschichte.
von Friedländer '-^^J besorgt, enthält zu den Verzeichnissen der einzelnen
Jahre die entsprechenden Stellen aus den Dekanatsbüchern. Liefern jene Material
zur Geschichte der gelehrten Bildung, so diese für Sitten und Bräuche, das tägliche
Leben und Treiben. — Ein Beispiel geschickter Ausnutzung des spröden Stoffes
liefert von P e ter s d orf f ''ß) in seiner Untersuchung über den Besuch von
Frankfurt a. 0. durch Anhalter, die zu dem Ergebnis gelangt, dass der starke Zuzug
in der zweiten Hälfte des 17. Jh. der Pflegestätte kalvinistischen Geistes galt'-*''). —
Stübels-'^) Darstellung der Gründung, des Lehrbetriebs und der Sitten der Uni-
versität Leipzig, beruhend auf dem von ihm eingerichteten Urkundenbuch, leistet
auf tieferes Eindringen Verzicht. — Eine Anzahl interessanter Thatsachen werden
von den einzelnen Universitäten berichtet, so von Köln "'*) : Das Geleitsgesuch des
Herzogs von Jülich (1484) für die dorthin zum Studium reisenden Söhne des Herzogs
von Sachsen; von Jena durch Buch wald "***): Der blutige Krawall 1660 nach dem
Briefeines Studenten; von Paderborn durch Richter'oi); Promotionen an der
ehemaligen Jesuiten-Universität. —Von Göttingen berichtet Knoke'^^j über die gleich
bei der Gründung von einer Anzahl Korporationen gestifteten Freitische, auf deren
Verwaltung die akademische Bezeichnung für das Essen (Aschanti) ein — wie es
scheint, nicht immer mit Recht — ungünstiges Licht wirft. — Wertvoll ist eine
Schilderung der akademischen Zustände um 1760 in einem von Holstein'"-*) mit-
geteilten Brief des Professors Michaelis, der einem Franzosen im Interesse seines
Sohnes Auskunft erteilte. — Einige Notizen über die Giessener Universität enthält
Naumanns***'*) Schrift. — Zur Geschichte des älteren Unterrichtswesens liefert
Wehrmann*05) ein paar interessante Beiträge. Aus den teilweise durch Melanch-
thon vermittelten Verhandlungen Herzog Barnims von Pommern über die Besetzung
des Rektorats am Pädagogium, jetzt Marienstiftsgymnasium, zu Stettin ergiebt der
Anspruch, dass der Gesuchte „gelahrt, gottesfürchtig, nicht zänkisch" sei, wofür die
Gegenleistung in 30 Gulden, freier Wohnung und Unterhalt besteht. — W e h r -
mann***^) zählt ferner die Mecklenburger Besucher der Anstalt auf (1578 — 1666),
die für viele die Universität ersetzen musste. — Das noch sehr unsichere Gebiet des
weiblichen Unterrichts in früherer Zeit berührt die von Rauschenbach *"') ge-
gebene Nachricht von einer Jungfrauenschule, die nach dem Vorbild der drei
Fürstenschulen 1555 zu Freiberg gegründet wurde, aber noch im 16. Jh. wieder
einging. (Vgl. I 6 : 98, 108/9, 153/7.) —
Einen getreuen Spiegel der Zeitanschauungen pflegt die Handhabung des
Rechts zu liefern. Unter den geschichtlichen Darstellungen nimmt die durch
Knapp '*'^) vom Nürnberger Kriminalverfahren gegebene den ersten Rang ein.
Ein reiches Material hat hier ausgezeichnete Durcharbeitung erfahren und der un-
erfreuliche Stoff ist durch die Gestaltung anziehend geworden *"•'). — In der Frage
der Veme erklärt L i n d n e r ' ***), zur Wiederaufnahme des Streits mit Thudichum
durch die Parteinahme Heuslers für diesen bewogen zu sein, und bekämpft die von
Thudichum neuerdings (HZ. Bd. 68) für seine Auffassung der Veme als eines von
Engelbert I. von Köln eingerichteten Inquisitionstribunals vorgebrachten schwachen
Gründe**'). — Grossist die Zahl der besonders zur Strafrechtspflege veröffentlichten
Einzelheiten. Mitteilungen von Büchner**^) aus dem Friedberger Malefizbuch
beziehen sich auf Formalitäten der Rechtsprechung im 17. Jh. "3"***). — Mit der
Abschaffung der Tortur durch Friedrich den Grossen beschäftigt sich K o s e r "^).
Er beseitigt die Fabel, dass erst durch ein wahrscheinlich mythisches Ereignis, die
Folterung eines Unschuldigen, der bereits als Kronprinz abgeneigte Friedrich dazu ver-
anlasst worden sei. Nachdem er sie schon beim Regierungsantritt auf schwere Fälle
E. Altmärlcers Mahnbrief: JbAltmärkV, 23, S. 96-101. — 95) Aeltere üniversitätsmatrikeln. II. Greifswald. Aus d. Orig.-Hs.
unter Mitwirk. v. G. Liebe, E. Theuner, H. Granier, H. t. Petersdorf f her. v. E. Friedländer. 1. Bd. (1456-1645.)
(= PPSA. N. 52.) L., Hirzel. XXI, 635 S. M. 20,00. (S. u I6:109a; vgl. JBL. 1891 16:122) - 96) H. v. Petersdorff, An-
haltiner auf d. Univ. Frankfurt a. 0.: MYAnhaltG. 6, S. 221-42. — 97) X W. Zahn, Anhaltiner auf d. Univ. Erfurt: ib.
S. 218-20. (Vgl. S. 319-22.) — 98) B. Stöbel, Aus d. Vergangenheit d. Univ. Leipzig: NASächsG. 14, S. 1-20. — 99) Inter-
vention Herzog Wilhelms II. v. JQlich-Berg beim Rat zu Köln vregen d. Studiums d. Söhne Herzogs Johann IV. v. Sachsen-
Lauenb. 1484: ZBergGV. 19, S. 192. — 100) G. Buchwald, E. Studentenaufruhr in Jena 1660: ZVThürG. 8, S. 203/8. —
101) W. Richter, Studien u. Quellen z. Paderborner Gesch. 1. Paderborn, Junfermann. IV, 151 S. M. 2,00. — 102; K.
Knoke, Gesch. d. Freitische an d. Georg-August-Uni v z. Göttingen: ZHVNiedersaohsen. S. 1-164. — 103) H. Holstein, Z.
Gesch. d. Univ. Göttingen: MagdZgU. N. 41. — 104) K. Naumann, D. Johanneskirche zu Giessen. Mit Abbildd. u. Grund-
rissen. Festschrift. Giessen, v. Münchow. VUL 104 S. M. 1,00. — 105) M. Wehrmann, Verhandlung mit d. Rektor d.
Schule in Eisleben, Moritz Heling, wegen Uebernuhrae d. Rektor-Amtes am Pädagogium zu Stettin (1553): MansfelderBlL 7,
S. 39-52. — 106) id., Mecklenburger auf d. Pädagogium in Stettin: JbbVMecklG. 58, S. 59-72. — 107) L. Rauschenbach,
D. JuDgfrauenschule zu Freiberg. 16. Jh.: MFreibergAV. 30, S 87-104. — 108) H. Knapp, D. alte Nürnberger Kriminal-
verfahren bis z. Einführung d. Carolina. Diss. München. 1892 160 S. — 109) X Luerssen, SC. Gesch. d. Reichskammer-
gerichts während d. Rechtsstillstandes v. Anf. 1690-25. Mai 1693. Vortr.: MüberhessGV. 4, S, 150. — HO) Th. Lindner,
Veme n. Inquisition. Akad. Progr. Halle. 4". 13 S. — lU) X 0. Gl öde, D. Veme u. Wismars Beziehungen z. Vemgericht:
ZDU. 7, S. 562,3 - 112) 0. Buchner, D. Friedberger Malefizbuch. Vortr.: MOberhessGV. 4, S. 143;4. — 113) X F. Bischoff,
Aus d. Feistritzer Herrschaftsprotokoll vom J. 1773: BKSteiermGQ. 25, S. 91. — 114) X H. Jellinghaus, D. Rechts-
aufzeichnungen in niederdtsch. Sprache: JbVNiederdSpr. 18, S. 71/8. — US) R. Koser, D. Abschaffung d. Tortur durch
G. Liebe, Kulturg-eschichte. I 4 : iie-ui
beschränkt hatte, stellte er sich in zwei Kabinetsordres vom J. 1754 entschieden auf den
Standpunkt, dass bei klarer Beweisführung- das Geständnis unerheblich sei. — Einen
Vorkämpfer dieser Ansicht führt von Reinhardstöttner^'^) in dem um die Auf-
klärung- in Bayern verdienten Zaupser vor. — Als ein Beispiel g-emütlicher Justiz
führt D ist eP''^) die 1710 vom Freiberg-er Gericht an eine Mörderin g-erichtete
Aufforderung an, das Urteil auf Säcken nicht „unerträglich-* sich vorzustellen. —
Bossert"^) beschreibt den rohen Prozess gegen das geistig- bedeutende Haupt
der schwäbischen Täufer, Sattler, zu Rottenburg 1527 ^i*'"''^''). — Ein kürzerer Artikel
handelt von den Nachahmungen des gerichtlichen Verfahrens, den scherzhaften, wie
Minnehöfe und Pfänderspiele, und den sinnbildlichen, wie Kanonisation und Toten-
gerichte ^^o), —
Von den geistigen Strömungen gewisser Zeiten hat der Humanismus
der Augsburger Aerzte des 16. Jh. eine Darstellung durch R adl k o f e r^^i^ ej._
fahren; die Vermittlung bildete, dass ja auch ihre Wissenschaft auf antiker Ueber-
lieferung beruhte. —
Mit Recht hat sich ein wachsendes Interesse der Reiselitteratur zu-
gewendet, in der sich ein Teil der wechselnden Zeitinteressen wiederspiegelt. Von
grösstem Werte ist in dieser Hinsicht ein kostbarer Fund im Archiv zu Sonders-
hausen, dessen baldige Veröffentlichung auf das dringendste zu erwünschen ist. Es ist
die im Anfang des 17. Jh. abgefasste Hs. des Malteserkomturs Freiherrn Augustin
von Mörsperg, von der W a g n e r ^22-) Kunde giebt; ihr Inhalt sind die im letzten
Drittel des 16. Jh. auf Ordensgaleeren gegen die Türken unternommenen Kreuz-
fahrten des Ritters und die darauf folgenden Reisen in sämtliche Kulturstaaten
Europas, die mit Scharfblick und Humor seine Eindrücke schildern. — Stein-
hausen'23) handelt von der Reisesucht des 16. und 17. Jh. und dem Naturgefühl
auf Reisen. 124-) _ Auf fürstliche Reisen bezieht sich das von dem späteren Pro-
fessor Gerschow geführte und jetzt durch von Bülow'^s-) besprochene Tagebuch
eines pommerschen Herzogs — sowie Notizen über das JBegleitpersonal württem-
bergischer Herrscher ^26). _ Charakteristische Urteile enthalten die von Mangold ^-'')
benutzten Berichte brandenburgischer Gesandten in Paris (1660 — 71). —
Als Mittel, geistige Interessen zum Ausdruck zu bringen, machen sich
V e rein s w es en un d Pres s e^^^) bemerkbar. G 0 1 1 s c h al d t^29j giebt eine
Skizze des ehemaligen litterarischen Vereins zu Chemnitz, dessen Anfänge 1807 von
Handwerkern gelegt wurden '3o-i32) _ 2ur Geschichte der Journalistik *33) sind
zwei gute Biographien erschienen. Durch Böhmi34j erhalten wir endlich ein auf
gesichtetem Material beruhendes Leben W'ekhrlins nebst Aufschlüssen über seine
vielfachen Zeitungsgründungen. — K. von R e i n h ar d s t ö 1 1 ner ^^S) erwähnt in
seinem Aufsatz über den bayerischen ^ofpoeten M. Etenhueber auch dessen poetische
Wochenschrift, die in der zweiten Hälfte des vorigen Jh. in München erschien. —
An Quellen für die Erkenntnis des Gemütslebens der Vergangenheit sind es
drei, denen neuerdings vermehrte Aufmerksamkeit gewidmet wird, Briefe, Stamm-
bücher und Kalender. Steinha usen ^36137^ hat einen Nachtrag zu seinem
bahnbrechenden Werke veröffentlicht in 16 deutschen Frauenbriefen vom Ende des
15. und Anfang des 16. Jh., die sich gleicherweise durch Natürlichkeit wie Un-
beholfenheit charakterisieren. — Durch N. Mülle r^^s) erlangen wir Kenntnis von
einer Anzahl Familienbriefe Hieronymus Baumgärtners, des Nürnberger Staats-
manns.i39-i40j _ diq Stammbücher haben in dem W^erk der Gebrüder Keil^*')
Friedrich d. Gr.: FBPG. 6, S. 575-81. — 116) K. v. Eei nhard stöt tner, Andr. Z.iupser: FKLB. 1, S. 121-226. — 117) Th.
Distel, Tröstung e. Mörderin wegen e. 1710 zuerkannten „nicht unerträglichen" Strafe: MFreibergAV. 30, S. 107. — 118) Gr.
Bossert, D. Blutgericht in Rottenburg a. N. Barmen, Klein. 16". 33 S. M. 0,10. — 119) X Dtsch. Rechtssitten IV-V.
(Friede u. Rechtsschutz, Fried- u. Freistätten.): KonsMschr. S. 79-82, 538-41. — 119a) O Eggert, D. ersten Zuchthäuser in
Württemberg: BBSW. S. 176-84. - 120) Scherzhafte u. sinnbildliche Nachahmungen d. Gerichtsverfahrens: WeserZg. N. 16820/1.
— 121) M. Radlkofer, D. humanist. Bestrebungen d. Augsburger Aerzte im 16. Jh.: ZHVSchwaben. 20, S. 25-52. — 122) M.
Wagner, E. dtsch. Malteserritter d 16. .Jh.: PrJbb. 73, S. 484 5 — 123) G. Steinhausen, Beitrr. z. Gesch. d. Reisens:
Ausland N. 13/6. - 124) X H. Simons feld, Italienisch-dtsch. Reise-Sprachführer aus alter Zeit: ib. N. 27. — 125) Gottf r.
V. Bülow, Aus d. Reiset;igebuche d. Herzogs Philipp Julius v. Pommorn-Wolgast (1602): JbbVMecWG. 58, S. 73-88. —
126) Fürstl. Reisen im 18. Jh.: WflrttVjh. 2, S. 222/4 - 127) W. Mangold, Archival. Notizen z. französ. Litt.- n. Kulturgesch.
d. 17. Jh. Progr. Berlin (Gaertner). 4». 25 S. — 128) X E, Kulke, D. Entwicklungsgesch. d. Meinungen. (L., Reissner.
VII, 92 S. M. 2,00.): WIDM. 73, S. 142.' - 129) X A. Gottschaldt, Z. Gesch. d. Vereinswesens in Chemnitz fs. u. N. 385,
S. 88/9). — 130) O S. Göbl, D. erste öffentl. Lesegesellschaft in Würzburg. E. Beitr. z. Gesch. d. Fürstbischofs Franz Ludwig
V. Erthal: AHVlInterfranken. 36, S. 193-214. (Anf. d. 19. Jh ) - 131) X H. Settegast, D. dtsch. Freimaurerei, ihr Wesen, ihre
Ziele H. Zukunft. (Vgl. JBL. 1892 I 4:822.): WIDM. 73, S. 287 8. — 132) X J- G. Findel, Schriften über Freimaurerei.
5. Bd. 2. Auü. L., J. G. Findel. VII, 202 S. M. 4,00. (D, ganze Werk M. 20,0,).) 1|LCBI. S. 1399.]| — 133) O 0. Ger 1 and,
Kasseler Tagesneuigkeiten aus d. 18. Jh.: Hessenland 7, S. 7/9, 43/5, .58-61, 71/3. — 134) G Böhm, L. Wekhrlin (1739-92).
E. Publizistenleben d. 18. Jh. Mit 2 Portr. München, Beck. IX, 323 S. M. 5,00. i[PrJbb. 74, S. 386; TglRs». N. 175.1|
(S u.IV5:513.)— 135)K. v.Reinhardstöttner, D. kurfürstl. bnyer. Hofpoet Matthias Etenhueber: FKLB. 1, S. 1-68. (Dazu
S 232.) — 136-137) G. Steinhausen, 16 dtsch. Frauenbriefe: ZKultG. 1, S 93-111. - 138) N. Müller, Beitrr. z. Brief-
wechsel d. älteren Hieron. Baumgärtner u. seiner Familie: MVGNürnberg. 10, S. 241-66. — 139) X H. v. Petersdorff,
E. Beitr. z. Gesch. d. dtsch. Briefes: KBIWZ. 41, S. 64,'5, 79-81. — 140) X Gesch. d. Briefes: FränkKur. N. 549. (Ausz. aus
Meyer Konvers.-Lex.) — 141) Rob. u. Rieh. Keil, D. dtsch. Stammbücher d. 16.-19. Jh. Ernst u. Scherz, Weisheit u.
I 4:142-157 G. Liebe, Kulturg-eschicnte.
eine ausserordentlich- reichhaltige Sammlung" veranlasst, die allerdings einer Aus-
beutung zu Grünsten der Kulturgeschichte noch harrt. Stücke aus 600 Stammbüchern,
nach Universitäten geordnet, sind hier durch 4 Jhh. nach den jeweilig herrschenden
Zeitströmungen eingeteilt. — 33 Augsburger Stammbücher des 18. Jh. werden von
Werner ^*'^) genau beschrieben. — Ein gefühlsseliges Stammbuchblatt der Fürstin
Luise von Anhalt für Sophie Becker, die Begleiterin Elisens von der Recke, hat
Kindscher 1*3) zum Abdruck gebracht. — Wieviel Anziehendes alten Kalendern zu
entnehmen ist, lässt die Schrift von UhP**) erkennen, wenn sie auch nicht forschen,
sondern nur Bekanntes zusammenstellen will. — H o f m i 1 1 e r ^^^) bespricht eine An-
zahl Augsburger Kalender von 1490 — 1769 hinsichtlich ihrer Abspiegelung der ver-
schiedenen Zeitinteressen. — Für ein schönes hs. Exemplar in der vatikanischen
Bibliothek, aus Graz stammend, vermutet Lang^^^) Kepler als den Vf. —
Der Nationalcharakter des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit ist
Gegenstand mehrerer Untersuchungen geworden. Die von H e i n z elm a n n i'*'^)
ist warm empfunden und gedankenvoll, zeichnet aber nach einzelnen hervorragenden
Persönlichkeiten ein Ideal. Ueberdies wird eine ausgeprägte Tendenz in der sehr
anzweifelbaren Behauptung sichtbar, dass der deutsche Charakter auf das Christen-
tum angelegt sei. — Einen richtigeren Weg verfolgt G r af f un d e r i*^), wenn er
deutsche Eigenart in allgemein bezeugten Zügen, hauptsächlich an der Hand litterari-
scher Denkmäler zu erkennen sucht. — Tiefer hat R. M. M e y e r i*^) dieses Prinzip
erfasst. Er verfolgt die Züge des germanischen Nationalcharakters in den Sprach-
gesetzen, den mythischen Erscheinungen, der Poesie nach Form und Stoffen, der
Wahl der Heroen, der geschichtlichen Entwicklung, in Kunst und Volkstum, fremdem
und eigenem Urteil. Geistvoll weist er dabei die Wiederkehr desselben Elements
nach in der sprachlichen Antithese, dem psychologischen Konflikt der Poesie, dem
Gegensatz zwischen Individuum und Unterordnung in der Geschichte. — Der Be-
urteilung eines einzelnen Stammes widmet von Criegern i^o) die geschmackvolle
Zusammenstellung von einer Fülle litterarischer Stimmen der verschiedensten Zeiten
über das heutige Königreich Sachsen.— E h r en b e r g ^^i) entrollt auf Grund sorg-
fältiger Forschungen das überaus anziehende Bild einer Persönlichkeit, die in ihrem
schwindelnd raschen Aufsteigen, ihrem vielfach rätselhaften Charakter bezeichnend
ist für die bewegte Zeit, die der Kraft und dem Selbstvertrauen ungeahnte Bahnen
erschloss. Es ist der 1546 gestorbene Nürnberger Kleberg', der Geldmann Franz L,
der in der Heimat bitter angefeindet, in Lyon durch seine wohlthätigen Stiftungen als
„der gute Deutsche" fortlebt. Auffällig wirkt schon die Betrachtung seines
durchaus modernen Kopfes. ^^^^ — Unter den einzelnen Seiten eines Volkscharakters
ist die für seine Lebenskraft entscheidende das Nationalgefühl. Ihm, das in Deutsch-
land zeitweilig nur zu sehr zurücktrat, dessen Wert jetzt mit Recht schärfer betont
wird, hat auch die Forschung Aufmerksamkeit gewidmet. Es bildet den Gegenstand
eines auf breitester Grundlage aufgebauten Werkes von S c h u 1 1 h ei s s'^^-)^ dessen
erster Band bis zum Interregnum reicht. Umfassende Kenntnisse sind hier zu ge-
dankenreicher Beleuchtung der Entwicklung verwendet worden, nur vielleicht etwas
weit ausgesponnen für den weiteren Kreis, der dem Werke zu wünschen ist. —
N i t z s c h i''*) beschränkt sich zeitlich auf die Periode von Klopstock bis zu den
Freiheitskriegen, stofflich auf die Dichterwerke, während gerade die Kenntnis der
Volksstimmung von Wert wäre. — Mehrfach sind Einzelheiten zur Erläuterung des
Themas geeignet. So die in Freiburg i./Ü. seit der Aufnahme in die Eidgenossen-
schaft 1481 auftretende energische Reaktion gegen das vordringende Franzosentum,
die S t r e i t b e r g 1^^) schildert. — Kühn^^^) giebt einen Auszug aus Zwiedinecks
Buch als Beweis, dass deutsches Nationalbewusstsein auch in den traurigsten Zeiten
nicht erstorben war. — Guglia^^''), der dem abfälligen Urteil über die deutschen
Reichsstädte im vorigen Jh. entgegentreten will, hebt hervor, dass bei der überall
Schwank in Orig.-Mitteilunffen z. dtsch. Ktiltnrgesch. B., Grofe. VUI, 337 S. M. 6,00. |[FränlfKur. N. 605; ZKuUG. 1,
S.256/9.]| iS.u I 5:809; IUI: 105;IV la:21.)-142) L. Werner, Angsl). Stammbücher: ZHVSchwiibcn. 20, S. 53-92. — 143) F.
Kindscher, E. Stammlwchbl v. Fürstin Ltiise v. Anhalt (1784): MVAnhaltG. 6, S. 4624. - 144) W. Uhl, Unser Kalender
in seiner Entwicltlung v. d. ältesten Anfängen bis heute. Paderborn, Schöningh. 12". VIII, 165 S. M. 1.40. |[ZKultG. 1, S. 335.J|
— 145) J. llofmiller, Augsb. Kalender aus 4. Jhh.: Sammler^. N. 48, 50. — 146) F. Lang, E. Grazer Kalender für d.
J. 1594 in d. valiV. Bibl.: MHVSteierraarlt. 41, 8.281/4. — 147) Heinzelmann, Ueber d. dtsch. Volkscharakter. Vortr. Aus
JbbAkErfurt. Erfurt, Villoret. 37 S. M. 0,60. — 148) P. Graffunder, D. dtsch. Nationalcharakter in altdtsch. Dichtungen.
Füratenwalde, Geelhar. 40 S. M. 0,75. (Vgl. I 1:14.) — 149) R. M. Meyer, D. gevnian. Nationalcharakter: ML. 62, S. 235/7,
284/5, 300/:}, 316/8, 365,6, 4.59-61. — 150) H. v. Criegern, D. Sachse in Gesch. u. Dichtung. L., Spamer. 1892. 106 S.
M. 1,50. — 151) R-Ehrenberg, Hans Kleberg, d „gute Deutsche", sein Leben u. sein Charakter: MVGNürnberg. 10, S. 1-51. —
152) O G. Steinhausen, Lebensideale mittlerer Zeiten: VossZg'*. N. 14/5. — 153) F. G. Schiiltheiss, Gesch. d. dtsch.
Nationalgefühls. E. hist.-psycholog. Darstellung. I. V. d. Urzeit bis z. Interregnum. München, Franz. VlII, 296 S. M. 6,00.
— 154) F. Nitzsch, Z. Gesch. d. Entwicklung d. dtsch. Nationalbewusstseins besonders im 18. Jh.: N&S. 66, S. 229-39. —
155) W. Streitberg, Z. Gesch. d. Deutschtums in d. Westschweiz: AZg". N. 71, 86. — 156) A. Kühn, Stimmen dtsch. Ge-
sinnung aus dunklen Tagen: TglRs". N. 140. (Nach t. Zwiedineck-Südenhorst, D. öffentl. Meinung in Deutschland im Zeitalter
Jjudwigs XIV. [1650-1700].) — 157) B- Guglia, Z. Gesch. einiger Reichsstädte in den letzten Zeiten d. Reichs. Progr. Wien
Gr. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : i58-i87
bemerkbaren, durch steig-ende materielle Lasten hervorg-erufenen Bewegung' sich nie
eine Kundg-ebung der Abneig-ung gegen die Organisation des Reiches finde. —
Die Beschreibung eines Augenzeugen t^*) lässt die Gewalt des nationalen Ge-
dankens auf dem Leipziger Turnfest 1863 erkennen. —
Das religiöse Element im Volksleben behandelt ein Artikel, der die
Bedeutung einzelner Heiliger als Weinpatrone erklärt. ^^^ ^^^) —
In der richtigen Anschauung, dass der Humor vor allem ein Bild des
Volkscharakters gebe, hat M üll er-Caseno v^^^) eine äusserst geschickte Aus-
wahl aus deutschen Humoristen in englischer Uebersetzung veranstaltet. Der Zweck
entschuldigt, dass vor dem 18. Jh. nur drei aufgenommen sind. Die dann folgende
Sammlung ist reich und von gutem Urteil geleitet; es finden sich nicht nur Jean
Paul und Reuter, auch Volkmann und Rosegger. Ausstattung und Illustrationen
sind des anmutigen Werkes würdig. — Von einer wenig liebenswürdigen Seite, die
allerdings wesentlich lokal-berlinisch ist, zeigt L o t h a r i^*) den Volkswitz. ^^^) —
Es erübrigen einige Arbeiten, die die Beurteilung verschiedener Kultur-
fragen zum Gegenstand haben. Von ebenso umfassender Sachkenntnis wie geist-
voller Verarbeitung zeugt Del b r ück s •^^) Beantwortung der Frage nach der
guten alten Zeit. An der Hand gleichzeitiger Zeugnisse rückwärts schreitend bis in
die Antike verfolgt er den Gedanken, wie jeder Periode die Ueberzeugung von der
eigenen Schlechtigkeit eigen war. — Steinhause n i^') giebt nach zeitgenössischen
Stimmen eine Schilderung der Gunstbuhlerei, die ein Symptom des auf das äusser-
liche gerichteten Sinnes im 17. Jh. bildete. ~ Ein Beispiel von Volksrache ist das
von Gädcke>68) vorgelegte Spottlied, das 1738 auf den Kriegs- und Steuerrat Titius
verfasst wurde, der sich durch seine Verwaltung unliebsam gemacht und des Amtes
entsetzt durch Selbstmord geendet hatte, i^**) — Die Urteile hervorragender Männer
über die deutsche Trunkneigung, die B o d e i'*^) zusammenstellt, gehören meist der
Gegenwart an; Kawerau'''') berücksichtigt hauptsächlich den von den Magde-
burger Predigern dagegen geführten Feldzug. ^'''■^) — Einen Beitrag zu den wechseln-
den Geschmacksrichtungen giebt ein flüchtiger Artikel über die Modeblumen seit
dem 17 Jh.'^-i^ß) —
Aberglaube und Verbrechen. Wenden wir uns den Nachtseiten
geistiger Entwicklung zu, dem Aberglauben und den Verbrechen, so ist neben einer
Besprechung von Stracks i'-'^'^'*) Buch über den Blutaberglauben und den Beschrei-
bungen einiger Hexenprozesse (s. u. I 5 : 113/5), die nur die bekannten traurig-
widerlichen Einzelheiten bieten^'^-'^i)^ eine Veröffentlichung von Jacob s^^^) hervor-
zuheben. Ein Flugblatt von 1530 erzählt die ekstatische Vision eines Mädchens aus
Wasserleben am Harz ; den Inhalt bildet die Befreiung der dortigen Evangelischen
von der gewaltsamen Gegenreformation. — Es sei hier der Bestrebungen gedacht,
welche für das Bestehen einer unbewiesenen Naturwissenschaft eintreten und den
Spiritismus für notwendig zur Erklärung des Zwischengebiets von zwei Welten
halten. Kiese w et t er i*^ 184^ ist j^ dieser Hinsicht unermüdlich thätig.'*^) — Für
das Gebiet des Verbrechens giebt Kohut^^^) eine unerfreuliche Zusammenstellung
der berüchtigtsten Giftmischerinnen — was er unter „berühmten" versteht, ist unklar.
Er bezweckt zu zeigen, dass diese Manie in der verderbhchen Wirkung von Perioden
der Ueberkultur, wie es die römische Kaiserzeit, die Renaissance, die Epoche Lud-
wigs XIV., die Neuzeit waren, auf überreizte Nerven ihren Ursprung hat. — Eine
Plauderei orientiert über die Helfershelfer der Falschspieler'*'). —
Sociale Entwicklung, Gesellsch aft und Stände. AufdemGebiet
der socialen Entwicklung sind es zwei Stände, an deren Umgestaltung die Ent-
(L., Fock.) 62 S. M. 1,20. — 158) Vor 30 J. Erinnerung e. alten Turners im Reichslande: StrassbPost. N. 224. — 159) D.
Schutzheiligen d. Winzer u. Weinbauern: ib. N. 204. - 160) X D- Marienkultus in den Alpen: AELKZ. 26, S. 818 9. —
161) X D- Religion im Volksleben d. Franzosen, Russen u. Deutschen: KM. 12, S. 550/7. — 162» O F. Blanckmeister, D.
Sachs. Busstage. (= Kultnrbilder aus 4 Jhh. N. 3.) L., Fr. Richter. 22 S. M. 0,30. — 163) H. Müller-Caseno v, The
Huraour of Germany, select. and transl., with illustr. London, Scott. 1892. 437 S. Sh. 3/6. — 164) R- Lothar, D. Volks-
witz als Anatom: VolksZg. N. 54. — 165) O F y. Salpius, Kleinstädter Typen in Altertum u. Neuzeit: DBahneng. S. 326 7,
3423. - 166) H. Delbrück, D. gute alte Zeit: PrJbb. 71, S. 1-28. — 167) G. Steinhausen, Strebertum vor 200 J.:
MagdZgi«. N. 27. — 168) Öädcke, E. Spottgedicht aus Salzwedel v. J. 1738: JbAltmärkV. 23, S. 120/4. — 169) X H.
Sohnrey, D. volkstüml. Behandlung d. Eides: TglRs». N. 1/2. — 170) W. Bode, Dtsch. Worte über dtsch. Trinken: MagdZg».
N. 32. — 171) W. Kawerau, Z. Trinklitt. d. 16. Jh.: ib. N. 412. — 172) X W. Brehmer, Vogelschutz: MVLübG. S. 41/2.
(Ende 15. Jh.) — 173) D. Mode in d. Blumenwelt: StrassbPost. N. 314. — 174) X D>e besten Bücher: DDichtung 14, S. 296/7.
— 175) X D.Dichtung u. d. Briefpapier: ib. 13, S. 225 6. — 176) X M. Kaiser, D. Ring u. seine Symbolik: SchorersFamilienbl.
S. 776 9. - 177-178) H. Strack, D. Blutaberglaube in d. Menschheit, Blutmorde, Blutritus (vgl. JBL. 1892 I 4 : 178): MHL. 21,
S. 373 4. - 179) X A. V. Jak seh, E. Hexenprozess in Paternion 1662: Carinthia 83, S. 9-18. — 180) X W". Brehmer,
Lnheckische Hesenprozesse im 17. Jh.: MVLübG. S. 33-40. — 181) XRHassenkamp, E. Ostrowoer Hexenprozess 1719:
ZHGPosen. 8, S. 223.8. — 182) E. Jacobs, Aus trübster Drtngsalszeit, Aug. 1630: ZHarzV. 26, S. 430/5. — 183) C. Kiese-
wetter, D. Entwicklungsgesch. d. Spiritismus v. d. Urzeit bis z. Gegenwart. Vortr. L., Spohr. III, 50 S. M. 1,20. —
184) id., Mesmers Leben u. Lehre. Kebst e. Vorgeschichte d. Mesmerismus, Hypnotismus u. Somnambulismus, ib. 180 S.
M. 3,00. — 185) X ^- du Prel, Z. Gesch. d. Ocoultismus: AZg». N. 111. — 186) A. Kohut, Berühmte u. berüchtigte Gift-
mischerinnen. Mit Vorw. V. F. Friedmann. B., Bibliogr. Bür. X, 184 S. M. 2,50. — 187) Signor Domino, Aus d. Zunft d.
I 1 : 188-206 G. Liebe, Kulturgeschichte.
stehung- des modernen Staatsbegriffes sich verfolg-en lässt, das Beamtentum und das
Militär. Beiden sind ausg-ezeichnete Arbeiten g'ewidmet worden. Krusch'**) g-iebt
zu der so notwendig-en wie unbekannten Geschichte des Beamtenwesens einen lehr-
reichen Beitrag- in der Entwicklung- der braunschweig-ischen Centralbehörden; den
Ueberg-ang- zu modernen Maximen bezeichnet die Bestellung- des ersten weltlichen
Kanzlers 1503. — Auf militärischem Gebiet verfolg't von Minckwitz '^9) die Leib-
wache der sächsischen Kurfürsten durch verschiedene Stufen von dem reisig-en Hof-
g-esinde des 16. Jh. bis zur Trabantenleibg-arde bei Errichtung eines stehenden Heeres
durch Johann Georg- III., aus der das im russischen Feldzug zu Grunde gerichtete
Regiment Garde du Corps hervorging '^*^). — Baltzer^^*), der auf dem Gebiet
älteren deutschen Kriegswesens bewährte Autor, bringt eine kurze, aber überaus
reichhaltige und durchgearbeitete Skizze über das Kriegswesen Danzigs im späteren
Mittelalter, hauptsächlich gestützt auf das eigenartige Material der von Feldhaupt-
leuten eingereichten Berichte; über Wehrpflicht, Truppengattungen, Waffen, Ver-
pflegung ergeben sich wertvolle Aufschlüsse. — Der getreue Abdruck der Kriegs-
artikel ^^^l Herzog Johann Wilhelms von Sachsen gewährt einen Einblick in die
Disciplin zu Ende des 17. Jh. ^^^). — Ein ruhmvolles Blatt in der Kriegsgeschichte
deutschen Bürgertums bilden die Leistungen der aus der mittelalterlichen Stadtwehr
hervorgegangenen Kolberger Bürgergrenadiere "'^), die aus Anerkennung als uni-
formierte Truppen bis in die sechziger Jahre erhalten blieben. — Aus der neueren
Organisationsgeschichte ist von Interesse, dass 1813 ein Pionierbataillon aus Mans-
felder Bergleuten i^^) gebildet wurde i^^). —
Wirtschaftliche Entwicklung. Der jungen Wissenschaft der
Wirtschaftsgeschichte ist das Glück zu teil geworden, dass sich unter ihren
Vorkämpfern ein Forscher findet, der Fülle des Wissens mit einer Tiefe der Intuition
vereinigt, wie es nur den grössten unter den Historikern eigen war. Welcher Seite des
Kulturlebens man sich auch heute zuwendet, man wird L a m p r e cht s '^tj ^eju^jjg.
einholen müssen. So sei auch hier seiner Darlegung der wirtschaftlichen Wandlung
vom 14.— 16. Jh. gedacht, wenn sie auch erst im Zusammenhange seines grossen
W^erkes zu betrachten sein wird. - Die Aufgaben der Wirtschaftsgeschichte unter-
wirft Sommerlad^ö*) gedankenvoller Betrachtung, aus der sich ihre Verbindung von
Geschichte und Nationalökonomie ergiebt, doch unterschätzt er die Urkunden gegen-
über den Schriftstellern.'^**) — Eine überaus wertvolle Quelle ist durch Loh-
meyers '^^"■) Veröffentlichung des Haushaltungsbuches Kaspars von Nostiz erschlossen,
das, von einer lichtvollen Einleitung unterstützt, seine Verdienste für die Bewirt-
schaftung des vielfach noch nicht urbar gemachten Fürstenturas Preussen in helles
Licht setzt. — Klar und gründlich erörtert Adler ^o**) die Bedeutung der städtischen
Massnahmen am Ausgang des Mittelalters zur Schaffung objektiver Preise in ihrer
Bedeutung für die Wohlfahrt der Gesamtheit. Sie waren durch das genossenschaft-
liche Monopol der Zünfte bedingt, zumal auf dem gefährlichen Gebiet, wo dem
starken Fleischkonsum auch der unteren Klassen kein Fortschritt der Viehzucht
entsprach. —
Kleinere Beiträge betreffen die landesherrliche wie private Agrar-
geschichte^o' 202-) __ j)gj, landwirtschaftliche Betriebeines Dorfes im letzten Drittel
des vorigen Jh. erfährt klare Beleuchtung durch die vom Pfarrer 203^ in Räbke aus-
gefüllten Fragebogen 204-205) — Einen Einblick in einen grösseren Betrieb für die Zeit
vom Ende des 16. bis Anfang des 19. Jh. gewährt die Fortsetzung der Arbeit von
Habs 206), die ein noch unsicheres Kapitel, die Geschichte der bäuerlichen Lasten
Falschspieler: Didask. N. 144. — 1881 B. Krusch, D. Entwicklung d. Herzosrl. Braunschweig. Centralbehörden, Kanzlei, Hof-
gericht u. Konsistorium bis Z..T.1584: ZHVNiedorsachsen. S. 201-315. —189) A. v. Minckwitz, D. kurfürstl. Leibwachen zn Ross
bis z. Errichtung d. stehenden Heeres. Aus d. Nachlass her. v. v. Schimpf f: NASächsG. 14, S. 177-210. — 190) X J-
Pohl er, Bibliotheca historico-militaris. Systeraat. Uebersicht d. Erscheinungen aller Sprachen auf d. Gebiet d. Geschichte
d. Kriege n. Kriegswissenschaft. Bd. 3. Lfg. 2. Kassel, Kesisler. S. 61-344. M. 9,00. — 191) M. Baltzer, Z. Gesch. d.
Danziger Kriegswesens im 14. u. 15 Jh. Progr. Danzig (A. Müller). 4». 33 S. |[RCr. 36, S. 189-90; GGA. S. 465-72.]] —
192) Fürstlich Sächsisch Eisenachisch Kriegsrecht oder Articuls-Brieff. Eisenach, Kahle. 30 S. M. 0,75. (vgl. IUI.) — 193) X
S. Frey, Landsknechte: Didask. N. 211. — 194) Preuss. Bürgergrenadiere: ib. N. 244. — 195) E. Blume 1, D. Zusammen-
bruch d. französ.-westfäl. Fremdherrschaft im Mansfelder Lande: MansfelderBll. 7, S. 71-92. -- 196) X ^' Krippenstapel,
D. preuss. Husaren v. d. ältesten Zeiten bis z. Gegenw. (Titelaufl.) B., Harrwitz. 4". XVI, 197 S. M. 7,50. (1. Aufl. 1883.)
— 197) K. Lam precht, Z. Verständnis d. Wirtschaft), u. soc. Wandlungen in Deutschland v. 14. bis z. 16. Jh.: ZSocWirtschG. 1,
S. 191-263. (Vgl. ütsch. Gesch. Bd. 5, Kap. 2.) — 198) Th. Sommerlad, Ueber Wesen u. Aufgaben d. Wirtschaftsgesch.
Antrittsvorles. Halle (Kämmerer). 31 S. (|ZKultG. 1, S. 472.] | — 199) O K. Bücher, D. Entstehung d. Volkswirtschaft.
6 Vortrr. Tübingen, Laupp. 304 S. M. 4,00. |[G. Schmoller: JbGesetzgebung. 17, S. 1289-1306.]] (Vgl. I 3 : 154.) - 199a) K.
Lohmeyer, Kiispars v. Nostiz Haushaltungsbuch d. Fürstentums Preussen 1.578. L., Duncker & Humblot. LXXX,420S. M. 10,00.
— 200) G. Adler, D Fleischteuerungspolitik d. dtsch. Städte beim Ausgang d. MA Tübingen, Laupp. VIII, 125 S. M. 2,40. —
201^ X E- T. Meyer. Verzeichnis d. auf Schloss Grimmenstein bei seiner Uebergabe 1567 vorhandenen Vorräte: ZVThOrG. 8,
S. 209-10. — 202) X E. Hack, Begräbniskostenrechnung d. Joachim Wulff 1669: ZVLübG. S. 7Ü/6. - 203) K. B., D. land-
wirtschaftl. Betrieb im brannschweig. Dorfe Räbke vor 118 J.: MagdZg". N. 35/7. — 204) X R- Mielke, Aus d. Gesch. d.
dtsch. Bauern : Bär 19, S. 728-30. — 205) X •'• Schwendiraann, D. Bauernstand d. Kantons Luzern ehemals u. heute. Luzern,
Gebr. Räber & Co. XV, 206 S. M. 2,40. J|KathSchwBll. 9, 8. 448.]| — 206) R. Habs, Z. Gesch. d. Frondienste am Südharz. II.:
G. Liebe, Kulturg-eschichte. I 4 : 207-244
aufklären helfen will.2o^~208j — Einen lehrreichen Ueberblick der Entwicklung* eines
grösseren Forsthaushalts erhalten wir durch von Cube^*^^}. Darnach beg-ann erst
Mitte des 16. Jh. die bewusste ökonomische Verwertung-; bis Mitte des 18. Jh. blieb
die Jag-dnutzung- das massg-ebende Interesse, ^lo) —
Das noch so unsichere Gebiet der älteren Bevölkerungs-Statistik hat
eifrigen Anbau gefunden. Für Mecklenburg" giebt Stuhr^H) eine sorgfältig-e Be-
rechnung" auf Grund der in den letzten Jahren des 15. Jh. eing"esammelten Kaiser-
bede. — Wolffs^'^^ auf der Grundlag"e kartographischer Darstellung- entworfenes
Bild der Bevölkerung"sverteilung" im Harz nach Höhenstufen lässt die Abhängigkeit
menschlicher Siedelungen von der Oberflächengestaltung hervortreten. — Jacobs^is)
gründliche Untersuchung giebt ein anziehendes Bild vom Wechsel der Bevölkerung
selbst in der kleinen Ackerbürgerstadt Wernigerode und deckt Verkehrsbeziehungen
zu den verschiedensten Gegenden auf. — Auch das kleine Butzbach in der Wetterau
hat Otto 2^^) Anlass zu einer exakten statistischen Untersuchung im Anschluss an
Bücher gegeben.2i5-2i8j —
Auf dem Gebiet der Industrie und des Gewerbes hat eine Anzahl von
Grossbetrieben lehrreiche Darstellung gefunden. Münch^i^) schildert die Erzgruben
und Hammerwerke am Oberrhein in ihrem genossenschaftlichen Betriebe, wie ihn
Inama in Churrätien zuerst nachweist.^^O) — Jung-'^^) orientiert über die Anfänge
der zuerst für Frankfurt in Aussicht genommenen Hanauer Fayence-Fabrik im 17. Jh.
— S t i e d a222) erörtert, wie Mecklenburg seit Mitte des 18. Jh. nach Preussens Vorgang
um Schaffung einer Seidenindustrie- bemüht war. 223-224-) — d[q zünftige Organisation
derselben im mittelalterlichen Köln ist Gegenstand der noch in der Fortsetzung be-
griffenen Arbeit von D ahmen 225^. — Dass die Produkte der Chemnitzer Papier-
fabrikation nicht über das 17. Jh. zurückgehen, weist Kirchner 226^ nach aus den
Wasserzeichen in den Papieren des Ratsarchivs. — Einen Einblick in die Ent-
wicklung der Baum Wollenfabrikation im Voigtland gewährt Höffers22'J) Wieder-
abdruck einer kurzen geschichtlichen Darstellung von 1720.228-229a^ _ ^[^ Kapitel
aus der Organisation des Handwerks behandelt Chrn. Meyer230) in einer Ueber-
sicht der bisher gewonnenen Resultate über die Gesellen verbände, die aus der Oppo-
sition gegen die Meister erwachsen, mit der Depression des Handwerks seit dem 16. Jh.
an Bedeutung verloren,, endlich der landesherrlichen Polizei erlagen. Der Vergleich
mit dem vierten Stande ist durchaus abz u weisen. 23 1-233-) _ ym kunstgewerblichen
Einzelheiten beschäftigt sich eine Anzahl Monographien. 234-240j —
Auf dem Gebiet der Technik und der Erfind ungen24i^ bietet
C. Müll er 242^ eine Entwicklung der verschiedenen Methoden der Feuerentzündung
bis zu den 1833 zuerst aufgetauchten Zündhölzchen.243^ _ Eine kurze Geschichte
der seit 1495 zu Freiberg, seit 1791 in der Familie Gerlach (s. 0. I 3 : 77/8) befindlichen
Buchdruckerei veröffentlicht K a d e.^^*) —
ZHar^V. 26, S. 1—141. — 207) X H. Sander, Einige Aktenstücke z. Gesch. Vorarlbergs im Zeitalter d. dtsch. Bauernkrieges.
Innsbruck, Wagner. 26 S. M. 0,50. — 208) X C Schumann, Nachtr. zu d. Flur- oder Koppelnamen d. Lübecker Staatsgebiets.
Progr. Lübeck, Borchers. 4". 8 8. — 209) M. v. Cube, Z Gesch d. fürstl. Stolbergischen Forsten zu Wernigerode. Diss.
Halle a. S. 76 S. — 210) X J- Hamm, Forstgeschichtliches aus d. Nellenbnrgischen: Alemannia 21, S. 70-93, 277-91. (Aeltere
Forstordnungen.) — 211) F. Stuhr, D. Bevölkerung Mecklenburgs ara Ausgang d. MA.: JbbVMecklG. 58, S. 232-78. — 212) H.
Wolff, 0. Bevölkerung im Harz. Diss. Halle a. S. 36 S. 1 Karte. — 213) Ed. Jacobs, D. Bewegung d. Bevölkerung v.
Wernigerode. (= Festschrift z 25j. Gedenkfeier d. Harzvereins. Her. v. Ed. Jacobs. [Quedlinburg, H. C. Huch. 4°. III, 155 S.
M. 6,00.] S. 11-80.) — 214) E. Otto, D. Bevölkerung d. Stadt Butzbach (in d. Wetterau) während d. MA. Darmstadt, Berg-
strässer. X, 103 S. M. 2,00. — 215) X Th. Distel , Ber. d. Freiberger Rats an d. Landesregierung über d. Opfer d. Pest 1572;
MFreibergAV. 30, S. 105/6. — 216) X M. Dittraar, D. Bewohner d. Neuen Marktes in Magdeburg unmittelbar vor d. Zer-
störung 1631: GBUMagdebnrg. 28, S. 361-429. — 217) X S. D. F. Detlefsen, E. Namensverzeichnis v. Itzehoer Einwohnern:
ZSchlH. 23, S. 237-50. — 218) X S. Daszy nska: D. Bevölkerung v. Zürich im 17. Jh. B. Beitr. z. bist. Statistik. Diss. Zürich.
1891. 4^ 47 S — 219) A. Münch, D. Erzgruben u. Hammerwerke in Frickthal u. am Oberrhein: Argovia 24, S. 20-84. —
220) X C. Neuburg, Goslars Bergbau bis 1552. Hannover, Hahn. 1892. IX, 365 S. M. 6,00. |[GGA. S. 313-32; LCBl. S. 598/9.]|
— 221) R. Jung, D.Anfänge d. Porzellanfabrikation in Frankfurt a.M.: AFrankfG.4, S. 367-74. — 222) W. Stieda, Versuche
z. Einbürgerung d. Seidenindustrie u. d. Seidenbaus in Mecklenburg: JbbVMecklG. 58, S. 101-25. — 223) X Schmoller n. Hintze,
D. preuss. Seidenindustrie im 18. Jh. (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 454; IV 1 b : 67 ) |[PrJbb. 73, S. 553-61; MHL. 21, S. 26S-75.]| —
224) X D Gesch. d. preuss. Seidenindustrie im 18. Jh.: Bär 19, S. 100/3, 116/9, 129-31, 140/2. — 225) J. Dahmen, Beitrr.
z. Gesch. d. Kölner Seidamtes. I. Progr. Köln. 4". 10 S. — 226) C. Kirchner, D. Papierfabrikation in Chemnitz
(=N. 385, S. 1-56). — 227) K. Hoff er. Versuch e. Gesch. d. Baumwollenwaren-Manufaktur im voigtländ. Kreis 1550-1790:
MAVPlauen.9, S. 1-56. — 228) O E. Struve, D. Entwicklung d. bayer. Braugewerbes im 19. Jh. (= Staats- u. sooialwiss.
Forschungen. Her. v. G. Schmoller. N. 51.) L., Dnncker & Humblot. X, 291 S. M. 6,00. — 229) O W. Hieke, Litt. z. Gesch.
d. Industrie in Böhmen bis z. J 1850: MVGDBß. 31, S. 66/9. — 229a) X H. Gerlach. D. Gold- u. Silber-Manufaktur v. Thiele
u. Steinert in Freiberg. Gesch. Mitteilung z. 200j. Jubil. d. Geschäfts: MFreibergAV. 29, S. 53-64. - 230) Chrn. Meyer, Z.
Gesch. d. dtsch Gesellen- Verbände: WPG. 4, S. 177-207. - 231) X A.. Lauckner. D. Innungs-Artikel d. Sähmisch- u. Weiss-
gerber-Handwerks V. 1661 (= s. u. N. 385, S. 84/7). - 232) X Aus d. alten Zunftzeit (1825): MVLübG. S. 53/9. — 233) X P-
Bellardi, Aus d. Innungsleben d. guten alten Zeit: Bär 19, S. 235/6. — 234) O Th. Haoh, Z. Geschichte d. Lübeck. Gold-
schraiedeknnst. Lübeck, Nöhring. 43 S. M. 1,00. - 235) X J- Biernatzky, E. Brief d. Lübecker Rotgiessers Laurentz Strahl-
korn: MVLübG. S. 40/1. — 236) X H. Loersch u. Rosenberg (Aachen), D. Aachener Goldschmiede; ZAachenGV. 15, S. 63-86.
— 237) X W. Boeheim, D. Waffenschmiede Mailands im 15. u. 16. Jh.: AMZg. 68, S. 36/9. — 238) X W. v. Seidlitz, Die
Meissener Manufaktur : JPrK. 14, S. 135 9. — 238 a)XRStettiner, Vincennes u. Sfevres : ib. S. 140-57. — 239) XK. Lüders,
D. Berliner Manufaktur: ib. S. 220-31. — 240) X^Hann, D. Fastentuch in d. Kirche zu Milstat: Carinthia 83, S. 73-80. —
241) X E. V. Hartmann, Fortschritte d. Technik: Geg. 43, S. 385 7. — 242) C. Müller, Feuer u. Feuerzeuge: MagdZg».
N. 44/5. — 243) X M. Weinberg, Z. Säkularfeier d. Erfinders d. Schiffsschraube: IllZg. 101, S. 41/2. — 244) R. Kade, Gesch.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 7
I 4:245-274 Gr. Liebe, Kulturgeschichte.
Mit dem Handel beschäftig-t sich im allg-emeinen eine kurze Zusammen-
stellung- der Geg-enstände und der Richtung-en von Hiibler^^ü)^ bei der das Mittel-
alter zu kurz g-ekommen ist. — Dem sporadisch auftretenden Amt des Hansg-rafen,
der, im Mittelalter Vorsteher einer Kaufmannsg-enossenschaft, sich in der Neuzeit als
Gewerbe- und Verkehrspolizei erhielt, widmet Koehne^^e^ zum ersten Mal eine
zusammenfassende Untersuchung-. — Einzelforschung-en sind meist der Hansa ^^'J)
zug-ewendet, deren Publikationen nach Abschluss der 2. Abteilung- in 18 Bänden
mit einer Unterbrechung- die Zeit von 1256—1503 umfassen.^^Sj — Ueber Danzig-s
Schiffs- und Warenverkehr g-iebt Lauffer^^^) auf Grund zweier Zollrollen vom
Ende des 15. Jh. Aufschluss. Danach betraf die Einfuhr des bis auf 700 steigenden
Schiffsverkehrs hauptsächlich englische Laken, französisches Baisalz, Eisen und Pferde
aus vSchweden, die Ausfuhr Getreide und Holz polnischer Herkunft. — Stieda^^")
schildert die Massregeln des Rostocker Rates wegen Ein- und Ausfuhr von Tonnen
im 17. Jh., die damals für die Brauerei wichtig waren wie zur Hansezeit wegen der
Heringe. — Behandelt Rauprich-^') Breslaus vergebliche Verteidigung des mono-
polistischen Rechts der Niederlage gegen die Emanzipationsbestrebungen des polnischen
Handels Anfang 16. Jh., so Frege^^^^ die Bemühungen Friedrichs des Grossen, den
Erwerb Schlesiens nutzbar zu machen durch Beförderung der Oderschiffahrt, be-
sonders durch Beseitigung des Stapelreohts.-^^'^ss^ —
Aeussere Kultur. Engeren Lebenskreisen uns zuwendend sehen wir,
wie des Deutschen Wohnung sowohl in allgemeinen, mehr das Typische, Malerische
berücksichtigenden Schilderungen ^'''^"257^^ ^ie jjj Monographien ^■"'^^^eo^ Behandlung
gefunden hat. — Die Abstammung der Bevölkerung der Provinz Sachsen nach der
Bauart der Häuser erörtert Re i sc h e l.^^*) —
Trachten sind immer ein beliebter Gegenstand für Prachtwerke 262-263^.
das Hervorragendste seit langer Zeit ist die Veröffentlichung des Grafen zu 1 n n-
und K ny phausen263a^ Sie betrifft die von seinem Vorfahren weiblicher Linie, dem
Häuptling Unico Manninga, vor vierthalbhundert Jahren in seinem Hausbuch ge-
sammelten Abbildungen. Bei dem Mangel zuverlässiger Wiedergaben von Volks-
trachten selbst in neuerer Zeit ist dieses erste deutsche Trachten buch von besonderem
Wert. "— Das periodische Auftauchen eines auffallenden Kleidungsstückes ^64 265^
reizt zu einer Gedankenverknüpfung mit ebenso periodischen politischen Erschütter-
ungen.266-268-) _
Die Entstehung und Bedeutung der Waffen zu schildern, war Jähns269j
wie kein anderer berufen. Wie in allen seinen Werken findet die geistige Durch-
dringung eines erdrückenden Materials in einer formvollen Wiedergabe ihren Aus-
druck. Von den prähistorischen Zeiten ausgehend, lässt er in scharfen Umrissen
die gesamte Entwicklung vorüberziehen, mit besonderer Berücksichtigung der
Feuerwaffen. — Beck^'^ 27i^ beschreibt in Kürze die verschiedenen Formen einiger
Geräte, des Sattels, der im 4. Jh., des Steigbügels ^'''■^), der im 6. Jh. auftrat, und
des Hufeisens, das bereits den Germanen bekannt war statt der im Altertum ge-
bräuchlichen Ueberschuhe.2'3 274") .__
Unter denNahrungs- und G en u s s mi t te 1 n ist das Bier vertreten durch
eine originelle Monographie aus Anlass des SOOjährigen Jubiläums der in diesem Jh.
d. Freiberger Buchdrucks durch 4 Jhh. M. 19 typogr. Kunstbeil.: MFreibergAV. 30, S. 1-85. — 245) F. Hüb 1er, D. Handel in
alter u. neuer Zeit u. sein Einfluss nnf d. Verbreitung d. Kultur u. d. Ausbreitung d. Völker. (= SGV. N. 176.) Prag, Härpfer.
20 S. M. 0,20. — 246) C. Koehne, D. Hansgrafenamt. B., Gaertner. 316 S. M. 7,00. — 247) Publikationen d. hansischen Gesch.-
Ver.: WesorZg. N. 16744. — 248) X ^^- Bruns, E. Bruchstück d. ältesten Rechnungsbuches d. Lübecker Bergenfahrer:
MVLübG. S. 77-80. — 249) V. Lauffer, Danzigs Schiffs- u. Warenverkehr am Ende d. 15. Jh. Diss. Breslau. 44 S. •- 250)
W. Stieda, Rostocker Tonnen-Ausfuhr- n. Einfuhr- Verbote: .IbbTHecklG. 58, S. 23-30. — 251) M. Rauprich, D. Streit um
d. Breslauer Niederlage 1490-1515: ZVGSchlesien. 27, S. 54-116. — 252) F. Frege, Beitrr. z. Handelsgesch. aus d. Zeit Friedrichs
d. Gr.: MagdZg". N. 15/7. — 253) O P- Bounassieux, Les grandes compagnies de commerce. Paris, Plön, Nourrit & Cie.
1892. 567 S. Fr. 10,00. IfGGA. S 306/9.]| - 254) O D. Württemberg. Handelsordnung v. 1681: BBSW. S. 235/9. — 255) X
0. Hintze, E. Berliner Kaufmann aus d. Zeit Friedrichs d. Gr.: SVGBerlin. 30, S. 1-18. - 256) X G- Buss, Dtsch. Pfalz u.
dtsch. Dorf auf d. Weltausstellung in Chicago. B., Pasch. 34 S. M. 3,00. — 257) X K. Dorenwell, Das dtsch. Haus im
Schmuck d. Poesie u. Kunst. Grosse Ausg. 3. Aufl. Wolfenbüttel, Zwissler. 4». VII, 254 S. M. 15,00. — 258) X J- Bück,
D. Bauernhaus im Allgän : ADgäuerGFr. 6, S. 8-13. — 259) X ^'- Erahm, D. alte sächs. Bauernhaus: Heimat 3, S. 254/9, 268-73.
— 260) X D- -reverländ. Bauernhaus: VossZg. N. 38.3. - 261) Reischel, Unsere Dörfer: MagdZg«. N. 30/1. - 262) X F«--
Hottenroth, Handbuch d. dtsch. Tracht. (In ca. 15 Lfgn.) 1. Lfg. Mit Textbild. u. 2 färb. Taf. St., Weise. S. 1-64. M 2,00.
— 263) X Le Ciipitali del Mondo nei costumi, nell" arte, nella civiltä, impressioni dal vero di celebri scrittori d'ogni nazione,
riccamenteillnstrate, traduz. di D. Sant' Ambrogio. Milano, Unione tipograflco-editrice. 4". L. 9,00. — 263a) E. Graf zu
Inn- u. Knyphausen, Ostfries. Volks- n. Rittertrachten um 1500. 16 kol. Taf, 1 Taf. in Schwarzdruck, Portr. d. Unico
Manninga u. 4 Bll. Facs. Emden, Schwalbe. 83 S. M. 15,00. (S. n. N. 364a.) — 264) D. Beifrock: StrassbPost. N. 194. -
265) D. Krinoline in Sicht. E. Warnung: IllZg. 100, S. 385,6. - 266) X D- Mode vor 50 J.: ib. 101, S. 30/1. — 267) X H. Oemke,
Mouches. E. Modenarrheit früherer Jhh.: SchorersFarailienbl. S. 202;4. — 268) X H- Hansjakob, Unsere Volkstrachten. E. Wort
zu ihrer Erhaltung (vgl. JBL 1892 I 4 : 508). |[BLU. S. 263; KonsMschr. S. 128.J1 - 269) M. Jahns, Entstehung u. Bedeutung
d. Waffen: DR. 1, 8. 112-20, 245-56, 371-86. - 270) M. Beck, Z. Gesch. d. Sattels u. Steigbügels LZg". N.109. — 271) id.,
D. Hufeisen in d. Kult.-Gesch. : ib. N. 117. — 272) X A. Schlieben, Nachtr. z. Gesch. d. Steigbügel: (vgl. JBL. 1892
I 4:251): AnnVNassG. S. 45-52. — 273) O H. Bosch, E. Sohreibpult d. 17. Jh. im German. Museum: MGNM. S. 113/7. —
274) X A. Pabst, Kirchenmöbel d. Mittelalters u. d. Neuzeit. 4. u. 5. (Schlu6s)Lfg. Frankfurt a. M., Keller, ä 6 Lichtdr.-
G. Liebe, Kulturg-eschichte. I 4 : 275-310
vereinigten Eberl-Faberschen Brauereien 2''^), Sie erweitert sich zu einer Reihe von
Skizzen aus dem deutschen Bürg-erleben; von besonderem Interesse ist, dass das
Faberbräu Ende des vorig-en Jh. dem deutschen Schauspiel (s. u. III 4 : 35) eine Stätte
bot. — In Kisslings '^'^^), praktischen Zwecken dienendem Buche sind einige ge-
schichtliche Daten über die Ausbreitung des Tabaks von Wert^'?''). —
Zur Geschichte des Gesundheitswesens liegt das Werk eines Meisters
auf diesem Gebiete vor. Mit sicherer Beherrschung des gewaltigen Stoffes beleuchtet
Hirsch ^''S) den Einfluss jedes Fortschritts seiner Wissenschaft, die gerade mit dem
Einsetzen unserer Periode im Beginn des 16. Jh. durch die von Vesalius neubegründete
Anatomie des Menschen in richtige Bahnen geleitet wurde ^^^-j — La n g s d or f^^oj
betrachtet kurz die Verbreitung des Aussatzes und die besonders im Mittelalter da-
gegen ergriffenen Massregeln. — Eine rühmliche Ausnahme von seinesgleichen
bildete nach Cohns^^^) Schilderung Georg Bartisch, ein Ende des 16. Jh. in Sachsen
und Schlesien reisender Augenarzt.282) — Einige Werke über das Turnen seien hier
angeschlossen 283-284a^_ —
Polizeiliche Thätigkeit im Sicherheitswesen^ss) illustriert die Anschaffung
der Hamburger Feuerspritzen im 17. Jh. 286^. —
Zur Geschichte des Verkehrs liefert neben allgemeineren Werken^**''"^»«)
die Schrift Rossners^s^) über den Namen Pforta einen interessanten kleinen Beitrag,
indem sie den Nachweis, dass dort keine porta Thuringiae bestehe, zu einer
Darstellung der mittelalterlichen Verkehrswege der Naumburger Geg-end gestaltet.
— Unter den zahlreichen Monographien2''o-294j^ die sich mit der Entwicklung des
Postwesens^^^) beschäftigen, ist das Buch von Weithas.e^''^) hervorzuheben, das die
Entwicklung des Weltpostvereins im Anschluss an die Konferenzen seit 1863 schildert.
— Ueber Einzelheiten des Baseler Postverkehrs^^') vor 100 Jahren liegen Mitteilungen
vor. — S c h e llen b e r g'-^^8) behandelt nach dem akustischen, optischen, hydrau-
lischen Telegraphen der Antike den im 17. Jh. auftauchenden optischen modernen
Telegraphen2^ö"302^. — Zur Charakteristik der Gast- und Wirtshäuser werden nur
Einzelheiten geboten303-307-) — Zwei für Maler ausgestellte Reisepässe von 1799 und
1802 haben Abdruck gefunden^^os^ _ Wohl die älteste Auskunftei behandelt eine
Nachricht, nach welcher die Errichtung des Wiener Fragamts^*'^) 1636 abgelehnt
wurde, 1707 aber stattfand, um eine Vermittlungsagentur zu geschäftlichen Zwecken
zu schaffen. —
Territorial- und Lokalforschung. Auf dem Gebiete der lokalen
Geschichtsforschung ist eine wachsende Betriebsamkeit bemerkbar, nicht durchaus
zur Freude des Fachmannes. Denn während sie gerade für die Kulturgeschichte
durch Mitteilung einzelner Erscheinungen, selbst unter Verzicht eigener Darstellung,
nutzbar gemacht werden könnte, leidet sie beständig an dem Ehrgeiz, eine Gesamt-
geschichte der geliebten engsten Heimat zu geben von Karl dem Grossen oder
Taf. n. 2 S. Text, ä M. 6,00. ||LKs. 19, S. 120.11 — 275) Eberlbrän gegründet anno domini 1593. München, (Litt. Inst.). 38 S.
(Festschrift, nicht im Buchhandel.) — 276) K. Kissling, D. Tiibals im Lichte d. neuesten natnrwissensch. Forschungen. Karz-
gefasstes Handbuch d. Tabakkunde. B., Parey. VH, 278 S. Mit 86 Abbild. M. 6,00. — 277) X Ranchtabaks-Dosen ans d. Zeit
Friedrichs d. Gr.: SBPrussia. 18, S. 89-95. — 278) Ang. Hirsch, Gesch. d. medizin. Wissenschaften in Deutschland. Neuere
Zeit. (= Gesch. d. Wissenschaften in Dentschl. 22 Bd.) München, Oldenburg. XIV, 739 S. M. 9,50. |[LCB1. S. 1308,9.] | -
279) O H. Vierordt, Medizinisches aus d. Weltgesch. Buntes Allerlei. Tübingen, Laupp. VI, 80 S. M. 1,60. — 280) Langs-
dorf, D. Aussatz in Europa: TglRsn. N. 38/9. — 281) C. Cohn, Georg Bartisch, e. Starstecber d. MA.: DR. 3, S. 214-26. -
282) O 0. Krimmel, Reutlingens Aerzte u. Apotheker in d. Zeilen d. Reichsstadt: GBllRentlingen. 4, S. 57-61. — 283) X G-
Hirth, D. gesamte Turnwesen. E. Lesebuch f. dtsch. Turner. Aufsätze turnerischen Inhalts v. älteren u. neueren Schriftstellern.
2. Aufl. besorgt v. F. R. Gasch. 3.-12. Heft Hof, R. Lion. ä 112 S. ä M. 1,00. — 284) X Fi"- Gabrielli. Un riformatore
della ginnastica in Germania. Un quadro flsiologico degli esercizi ginnastici. (= Biblioteca del giornale Virtus in Bologna.)
Bologna, Soc. tip. giä Compositori. 30 S. — 284a) X R- Kuhn, Z. Gesch. d. Vereinsturnens in Wien: Alt- Wien N. 7/9.
— 285) O 0 Henne am Rhyn, D. Gebrechen u. Sünden d. Sittenpolizei aller Zeiten vorzüglich d. Gegenw. L., Spohr. III,
178 S. M. 3,00. — 286) Einige Notizen über d. Feuerspritzen in älterer Zeit: MVHambG. 15, S. 389, 414. — 287 > O F. C.
Huber, D. gesch. Entwicklung d. modernen Verkehrs. Tübingen, Laupp. 232 S. M. 4,00. |[LCB1. S. 1575; KBWZ. S. 177/8;
KathSchwBll. 9, S. 264/5.]| — 288) XF-H Quetsch, Gesch. d Verkehrswesens am Mittelrhein (ygl. JBL. 1891 I 5:154):
MHL. 21, S. 236/8. — 289) A. Rossner, D. Name d. Klosters Pforta. Naumburg a. S., Schirmer. 56 S. M. 0,75. — 290) X
0. Redlich, Aktenstücke z. Geschichte des niederrheinischen Postwesens: BGNiederrh. 7, S. 261-300. — 291) X J- J""?.
Entwicklung d. dtsch. Post- u. Telegraphenwesens in d. letzten 25 J. L., Duncker \' Humblot. VIII, 185 S. ; 7 graph. Taf.
M. 3,80. IILCBl. S. 1609.JI — 292) O H Joyce, Hist. of the Post Offlee to 18.36. London, Bentley. Sh 16. IfAc. 44, S. 456/7.] |
— 293) X U. V. Hasseil, D. dtsch. Reichspacketpost nach d. UrteU e. Amerikaners: KonsMschr, S. 205,8. - 294) X A. Miiury,
Catal. descriptif ill. de tous les timbres-poste et timbres-telegraphe depuis leur invention jusqu'en 1889. Paris, Maury. 219 S.
Fr. 1,75. — 295) X APT. S. 17/8. 134/5, 222/3, 322,3, 345,6, 3745, 404,5, 522/3, 634/5, 650/1, 660|1, 676/7, 685, 711/2, 734, 843/4,
873. — 296) H. Weithase, Gesch. d. Weltpostver. Strassburg i. E , Heitz. IIL 88 S. M. 2,50. — 297) Postverkehr vor 100 .L:
StrassbPost. N. 137. — 298) G. Schellenberg, D. Telegraphie d. Vergangenheit: ib. N. 188, 195, 216. — 299) X F. Ben dt,
Z. 60j. JuML d. Telegraphie: Nation». 10, S. 462 3. - 300) O C. Wehrmann, Z Gesch. d. Stecknitzkanals: MVLübG. S. 2/7. —
301) X Einrichtung der regelmässig, direkten Dampfschiffahrt Köln- Düsseldorf etc.: BGNiederrh. 7, S. 305-47. ~ 302) X
R. Huyer, D. Bndweis-Linzer Pferde- Eisenbahn: MVGDB. 31, S. 75-92, 157-83. — 303) O W. Stieda, Th. v. Liebenau,
D. Gasthofs- u. Wirtshanswesen d. Schweiz (vgl. JBL. 1891 I 5:53): DLZ. S 1072,3. — 304) X P- B., D. Namen d. Berliner
Gasthäuser: Bär 19, S. 587. — 305) X Gesch. e. Weinstube: ib. S. 755.6. (Nach e. nicht im Handel erschienenen Festschrift
E. Gabeis.) — 306) X E. F Robinson, The early hist. of Coffee-Houses in England. London, Kegan Paul. Sh. 6.
|[Ac. 43, S. 320.ll — 307) X Alt- Wiener u. Nen-Wiener Gasthäuser: Alt-Wien N. 2, 5, 7. - 308) Reisepässe aus d. guten alten
Zeit: Didask. N. 179. — 309) Z. Gesch. d. Wiener Fragamtes: WienerKommunalkal. 21, S. 419-26. - 310) X A. Bötticher,
7*
I 4 : 311-337 G. Liebe, Kulturgeschichte,
neuerding-s von der prähistorischen Zeit bis zum regierenden Bürgermeister. Ein Rund-
gang durch die deutschen Lande möge den Nordosten als Ausgangspunkt nehmen.
Aus Ostpreussen^"*) bietet H a 1 1 i n g ^i i) nur eine populäre Schilderung der
freundlichen Beziehungen, die Mitglieder des Königshauses zu Einwohnern unter-
halten, seit sie im Lande dort Aufenthalt genommen. — Moszeiks3i2) Geschichte
von Stallupönen beruht bis 1833 hauptsächlich auf der älteren Chronik. — In Tilsit
ist ein Tagebuch aus denkwürdiger Zeit durch Thimm^is) veröffentlicht worden. —
In We s t pr e u s s e n3i4j hat die Centenarfeier der Vereinigung Danzigs
mit Preussen eine gediegene Festschrift von Damus^i^j veranlasst,3i6-3i7j — d^q
Elbinger Geschichtsschreibung hat von ihrem bewährtesten Kenner, Toeppen^i»),
eine besondere Veröffentlichung erfahren. — In Semraus^'") auf gründlicher
Materialkenntnis beruhenden Beiträgen zur Geschichte Neumarks ist besonders die
Darstellung der Rekatholisierung von Wert. — Mit Löbau beschäftigt sich eine blosse
Sammelarbeit von L i e k 320)_ —
Für Posen hat Pietsch^^ij seine Beiträge zur Geschichte der Stadt Kempen
fortgesetzt. —
Aus Schlesien 322) liegt eine Festschrift von J e c h 1 323) zum Kaiser-
besuch in Görlitz vor, die in einer auf sorgfältiger Forschung beruhenden Zusammen-
stellung frühere fürstliche Besuche seit dem 14, Jh. behandelt. — Grünhagen 323a)
schildert den von Wöllner gegen die Aufklärung geführten Kampf in Schlesien, wo
er besonders gefährlich war, da sie dort die Stütze des protestantisch - preussischen
Geistes bildete. — Derselben Landschaft gehört ein Aufsatz von Friedensburg323b)
an, der eine Zusammenstellung der nicht zahlreichen Mitglieder der Fruchtbringenden
Gesellschaft in Schlesien und die Begründung ihrer Beziehungen enthält. —
In der Mark überwiegt natürlich die Beschäftigung mit der Hauptstadt.
Unter mehreren Schilderungen ihres früheren Zustandes324 326) jgt ^[q von Trinius32^)
für weiteste Kreise und zwar vortrefflich geschrieben; nur war es nicht nötig, bei
der Schilderung der Sittenlosigkeit die Farben so stark aufzutragen. — Eine muster-
giltige Wiedergabe haben die in der Hauptsache architektonischen Bau- und Kunst-
denkmäler durch Borrmann328) gefunden329). _ Greigers330) Werk, bis zum Tode
Friedrichs des Grossen fortgeführt, behandelt in der Aufklärung einen hier herrschend
gebliebenen Faktor,33i) — Vortrefflich ist B o r r m a n n s332) Leitfaden für das
Studium der Ausdehnung Berlins, unterstützt durch einen farbigen Plan,333) — Die
Nachtseiten der neuesten aller Grossstädte schilderte ein Ausländer, Raffa-
1 o V i c h 334), — Sehr hübsch und gewandt hebt L i n d e n b e r g335) die Züge hervor,
die Berlin den Parvenucharakter verleihen336). — Dieser giebt auch den bestimmenden
Eindruck für den Ausländer her, dessen Buch unter den Berichten über einen
kürzeren Aufenthalt seit lange das Beste darstellt. Mit ausgezeichneter Beobachtungs-
gabe und guten Verbindungen ausgerüstet, vermochte Luc Gersal33') eine Fülle
charakteristischer Einzelheiten dem Berliner Leben zu entnehmen, die gewandt dar-
gestellt und sehr angenehm zu lesen sind. Seine Silhouetten akademischer Lehrer
D. Bau- u. Knnstdenkraäler d. Prov. Ostpreussen. III. D. Oberland. Königsberg i. P., Teichert. 4". 122 S. M. 3,00.
IILCBl. S. 7; FBPG. 6, S. 272.]l - 311) K. Halling, Memels Vaterland. Weihestätten. Progr. Memel (Siebert). 4». 29 S. —
312) C. Mo sz ei k, Gesch. d. Stadt Stallnpönen. Stallnpönen, Klutke. 45 S. M. 1,00. |[FBPG. 6, S. 617.]| - 313) R. Thimm,
Hist. Tagebuch d. Stadt Tilse v. 17. Dec. 1812 bis z. 3. Aug. 1814 geführt vom Stadtsekret Salchow. (= Beitrr. z. Gesch. v.
Tilsit N. 2.) Tilsit, Lohauss. 45 S. M. 0,50. — 314) X F. Hirsch, D. Wacht an d. Weichsel: VelhagenKlasingsMh. 2,
S. 584-92. — 315) Daraus, Festschrift z. lOOj. Gedenkfeier d. Vereinigung Danzigs mit d. Königreich Preussen im J. 1793.
Danzig, Bertling. V, 57 S. M. 2,00. |[FBPG. 6, S. 635 6.JJ — 316) X J- Pawlowski, Gesch. d. Prov.-Hauptstadt Danzig
V. d. ältesten Zeiten bis z. Säknlarfeier ihrer Wiedervereinigung mit Preussen. Volksschrift in Skizzen. Danzig, Hafemann.
VIII, 330 S M. 4,00. — 317) X C. Jentsch, Aus d. balt. Paradiese. (=111. Bibl. Prochaska 1. Bd. [Wien n. L., Prochaska,
128 S. M. 0,60.], S. 47-66.) — 318) M. Toeppen, D. Elbinger Geschichtsschreiber n. Geschichtsforscher in krit. Uebersicht
vorgeführt. (= ZWestprGV. N. 32.) Danzig, Bertling. VIII, 200 S. M. 3,00. — 319) A. Semrau, Beitrr. zu d. Gesch. d.
Stadt Neumark (Veröffentlichung d. hist. Ver. in Marienwerder). Neumark, Köpke. VI, 73 S. M. 1,50. |[FBPG. 6, S. 617.]| —
320) G. Liek, D. Stadt Löbau in Westpreussen mit Berücksichtig, d. Landes Löbau: (= ZHVMarienwerder. N. 28 9). Marien-
werder (F. Böhnke). 1S92. VIII, 640 S.; 6 Taf. M. 7,50. |[FßPG. 6, S. 618.]| — 321) P. Pietsch, Beitrr. z. Gesch. d.
Stadt Kempen in Posen. II. Progr. Kempen. 4". ISS. — 322) X K. T., Im Reiche Rübezahls: WeserZg. N. 16774. —
323) R. Jecht, Fürst). Besuche in Görlitz. Festschrift z. Enthüllung d. Reiterstandbilds Kaiser Wilhelms I. Görlitz, Sattig.
137 S. M. 2,00. |[NLausitzMag. 69, S. 2857]| — 323a) C. Grünhagen, D. Kampf gegen d. Aufklärung unter Friedrich
Wilhelm IL mit Rücksicht auf Schlesien : ZVGSchlesien. 27, S. 1-27. — 323b) F. Fri e den s bürg, D. Beziehungen Schlesiens
■/.. Fruchtbringenden Gesellschaft: ib. S. 117-39. — 324) X A. Denecke, Berlin u. d. Berliner vor 100 J.: ZDKG. 3, S. 526-32.
— 325) X L.Fischer, Aus Berlins Vergangenheit (vgl. JBL. 1891 I 5:587; 1892 I 4:587): Bär 19, S. 552. — 326] X P- Bel-
lardi. Besuch in Berlin anno 1828: ib. S. 7845. — 327) A. Trinius, Auf märkischer Erde (darin: L Berlin vor 100 Jahren,
S. 1-61). Minden, Bruns. IV, 196 S. M. 2,50. - 328) R. Borrmann, D. Bau- u. Kunstdenkmäler d. Stadt Berlin. Mit
28 Taf. u. 3 Plänen. B., Springer. 436 S. M. 30,00. — 329) X R- Schmidt-Nouhaus, Berliner Gedenktafeln: Bär 19,
S. 5203, 531,5. — 330) L. Geiger, Berlin 1688-1840. Gesch. d. geistigen Lebens d. preuss. Hauptstadt L 2. Hälfte.
B., Paetel. S. XIII-XVIII; S. 295-700 M. 9,00. |[ZDKG. 2, S. 237 8; ML. 62, S. 70.]| (Vgl. JBL. 1892 I 4:586; III 1:59.) —
331) Ferd. Meyer, D. Berliner Tiergarten (vgl. JBL. 1892 I 4:589): FBPG. 6, S. 646. — 332) R. Borrmann, Leitfaden d.
Entwicklungsgesch. Berlins v. seiner Gründung bis in d. Neuzeit. (Mit 1 Plan in Farbendr. und 2 Facs.) B., D. Reimer. 24 S.
M. 0,40. - 333) X K- Pröll, D. Entwicklung Berlins. (= SGV. N. 181). Prag, Härpfer. 17 S. M. 0,40. — 334) A. Raffa-
lovich, La police, le crime et le vice ä Berlin: RDM. 119, S. 156-88. — 335) P. Lindenberg, Berlin als Kleinstadt.
B., Trowitzsch. 47 S. M. 0,60. — 336) X i d-. Berlin, 3. Die Umgebung. 4. Aufl. Mit Plan. (= ÜB. N. 1919). L., Reclam. 88 S.
M. 0,20. — 337) Luc Gersal [Jules Legras], Spree-Athen. Berliner Skizzen v. e. Böotier. Aut. Uebers. L.. Reisner
Gr. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 338-361
sind teilweise Meisterstücke. Das Werk ist der erfreuliche Versuch eines denkenden
Franzosen, uns zu verstehen. — Von Arbeiten über die weitere Mark338-339-) jg^ ^{q
weitaus bedeutendste van Niessens^^oj Geschichte der Stadt Woldenberg- i. N. —
ein Muster dessen, was aus einer lokalgeschichtlichen Aufgabe zu machen ist. Durch
weitschauende Verarbeitung des gesamten Materials ergiebt sich aus den Geschicken
des neumärkischen Städtchens ein typisches Bild. Der inneren Entwicklung ist
breitester Raum gegönnt, zumal die' Darstellung wirtschaftlicher Verhältnisse ist meister-
haft zu nennen. —
Eine auf Urkunden beruhende, lebendige, aber nicht tiefgehende Schilderung
des bürgerlichen Lebens in der po mm ersehen Stadt Köslin von Hanncke^^i)
berührt nur am Schluss unsere Periode ; von Interesse sind einige Mitteilungen über
das Leben der Geistlichkeit um die Wende des 15. Jh. —
In Mecklenburg342)sind zwei Aufsätze aus von Buch walds343) Sammlung
rühmend zu nennen; der eine behandelt die Fortschritte der Volkswirtschaft unter
Herzog Adolf Friedrich IL, der andere beleuchtet auf Grund eines Zahlenbildes die
Folgen des Tillyschen Zuges 1631 für eine Anzahl Aemter. —
Die Forschung über die Hansestädte bietet stets das Bild reger Thätig-
keit. Hoffmanns 344-345-) treffliche Geschichte Lübecks hat verdiente Anerkennung
gefunden. 346j — Wissenschaftlich von noch höherer Bedeutung verspricht von
B i p p ens34"3 Geschichte Bremens zu werden, derer erster Band eine ausserordent-
lich gediegene Darstellung des Mittelalters bietet. — Für Hamburg34s-349j üeg-t eine
Anzahl von Sonderbehandlungen einzelner Verhältnisse vor. Eine ansprechende
Sammlung Hamburgiana giebt Nathan sen350J; sie bieten teilweise auch allgemein
Interessantes, so vom Rauchen und von den Kleidermoden.3äi-352-) _ j)[q -^q^,
wendigkeit eines würdigen Heims und weiterer Ausdehnung für die vorhandene
Sammlung Hamburger Altertümer hebt Mielck353j mit Schärfe hervor und giebt
dabei Nachrichten über die früheren Bestände der bereits 1641 durch Ausmusterung
nicht mehr brauchbarer Stücke gebildeten Waffensammlung.354j — Grossenteils auf
dem Boden der Hansestädte bewegt sich die Novellensammlung von Kniest3ä53^ die
trotz ihres schöngeistigen Charakters wegen der meisterhaften Beherrschung des
Milieus der guten alten Zeit hier erwähnt sei.356) —
In Schleswig-Holstein sind zwei umfangreiche Veröffentlichungen
erschienen, die die bedeutendste Stadt des Landes, Kiel, in zwei sehr verschiedenen
Perioden vorführen. Reuters 351) Einleitung zum Kieler Rentebuch giebt in Ver-
wertung des aus der Zeit von 1300—1487 stammenden Textes kurze' Mitteilungen
über Topographie, Besiedelung und Wirtschaftsleben. — Mau35^) schildert in breitester
Ausführung die auf den verschiedensten Gebieten bewährte Thätigkeit der bereits
1793 gegründeten Gesellschaft der Armenfreunde.359) —
Für 0 1 d en b u r g36oj Hegt das mustergültige Werk von Kollmann 36 1)
vor, das in gleich umfassenden wie gründlichen Untersuchungen den Nachweis von
dem Aufschwung des Landes während der letzten 40 Jahre erbringt, vornehmlich
auf dem Gebiet der Meliorationen und des Verkehrswesens sowie in der Steigerung
des Volksvermögens. Das Hülfsmittel graphischer Tafeln für die Klarlegung der
verschiedensten Kulturverhältnisse ist übersichtlich zur Anwendung gelangt. Be-
sonders interessant ist die Untersuchung über das friesische Element. — In O s t -
X, 405 S. M, '".,00. |[NationB. 10, S. 36,8: BLU. S. 83,5: DR. 2, S. 142; Bär 19, S. 704/6.]| (L'Athenes de la Spröe par un
Beotien. Paris, Savine. VIT, 396 S.) — 338) X C. Bolle, Fragment aus Leuiingers Topographia Marchiae. Uebertr. aus d.
lat. Urtext: Bär 19, S. 320/3, 327-30, 340,3, 352,5, 366,8, 379-81, 394/5, 403/5. — 339) X Aus d. Gesch. Nauens: ib. S. 44 6,
56/8, 69-71. — 340) P. van Niessen, Gesch. d. Stadt Woldenberg i. N. Her. v. d. Falbeschen Stiftung beim Gymnasium zu
Stargardi. P. Stettin, Burmeister. X, 511 S. M. 6,00. |[J. Heideraann: FBPG. 6, S. 300 2.] | — 341) E. Hanncke, Köslin im
15. Jh. Progr. Köslin. 28 S. — 342) X W. Raabe, Mecklenburg. Vaterlandskunde. 2. Aufl. Verb. u. vervollst, v. G. Quade.
Bd. 1. Wismar, Ilinstorff. VI, 1509 S. M. 13,00. — 343) G. v. Buchwald, Bilder aus d. volkswirtsch. u. polit. Vergangen-
heit Mecklenburgs 1631-1708. Neustrelitz, Jacoby. V, 138 S. M. 2,25. — 344-345) M. Hoffmann, Gesch. d. freien u. Hanse-
stadt Lübeck (vgl. JBL. 1892 I 4:621). IfK. Koppmann: HansGBll. 21, S. 1414; LCBl. S. 7834.]| - 346) O C. Schumann,
Beitrr. z. Lübeck. Volkskunde: KBlVNiederdSpr. 16, S. 95 6. (Vgl. I 5:47.) — 347) W. v. Bippen, Gesch. d. Stadt Bremen
(vgl. .TBL. 1892 I 4:6281. iJWeserZg. N. 16819; MHL. 21, S. 3147; LCBl. S. 637,8.]I — 348) X W. Kollhoff, Grundriss d.
Gesch. Hamburgs. 3 Aufl. Hamburg, Herold. 80 S. M. 0,70. — 349) X G- Kriegsmann, Charakteristisches v. Ham-
burger Staatswesen: DWBl S. 2459. — 350) W. Nathansen, Aus Hamburgs alten Tagen. Ernste u. heitere Mitteilungen.
Hamburg, Jürgensen. 136 S. M. 2,00. - 351) X C. Gaedechens, D. HerrenstaH u. d. Reiten-Diener: ZVHambG. 9, S. 517-56.
352) X A. Wohlwill, Hamburg während d. Pestjahre 1712-14. Aus JbHambWissAnst. Hamburg, Gräfe n. SiUem. 118 S.
M. 2,40. — 353) W. Mielck, Vergangenheit a. 'Zukunft d. Sammlung Hamburg. Altertümer. Hamburg, Voss. 69 S. M. 0,80.
— 354) X H- Haase, Malerische Ecken u. Winkel Hamburgs. 20 Zeichnungen in Lichtdr. 2 Aufl. Hamburg, Boysen. Fol.
M. 20,00. — 355) Ph. Kniest, Kaufleute und Schiffer. Erzählungen u. Bilder aus d. Handels- u. Seeleben. 2 Bde. Olden-
burg, Stalling. 1892. III, 211 S.; III, 195 S. M. 5,50. |[ThLBl. 14, S. 252.]| - 356) X Charlotte Niese, Aus dänischer
Zeit. L, Grunow. 1892. 239 S. M. 3,00. ]|DR. 1, S. 143.J| - 357) Chr. Reuter, D. ältesie Kieler Rentebuch (1300-1487).
Mit 1 Karte. Kiel, Eckardt. CXII. 423 S. M. 9,00. IfLCBl. S 1100/1 I| - 358) H. Mau, D. Ges. freiwilliger Arraenfreunde
in Kiel 1793-189.3. 2 Bde. ib. 236 S.; .3.38 S. M. 7,00. — 359) X L. HeUwig, Grundriss d. Lauenburg. Geschichte.
2. Aufl. Ratzeburg, M. Schjridt. 1892. VIII, 45 S. M. 0,60. |[Heimat 3, S. 116/7.]| — 360) G. Hello, Beitrr. z. Gesch. des
Landes Würden. Oldenburg, Stalling. 1891. IX, 94 S. M. 2,40. |[HZ. 34, S. 341,2.]| - 361) P. Ko 11 mann, D. Herzogtum
Oldenburg in seiner wirtschaftl. Entwicklung während d. letzten 40 J. Mit 12 Taf. ebda. VIII, 608 S. M. 10,00. |[WeserZg.
I 4:362-391 G. Liebe, Kulturgeschichte.
friesland hat neben einigen allgemeinen Schilderung'en362-363j Fürbringers Buch
über Emden (vgl. JBL. 1892 I 4 : 632) Besprechungen^^*) gefunden. — Der schönen
Publikation des Grafen zu Inn- und Knyphausen^e^aj wurde schon gedacht. —
In Hannover hat Wittingen für Kayhausen^^^) den Stoff kleinerer
Schilderungen geboten. — In Osnabrück hat Forst^^^) weitere Aufzeichnungen des
Senators Wagner aus den J. 1800—11 veröffentlicht, die lebendig den Eindruck der
französischen Besatzung wiedergeben. — Das reiche Material Hildesheims hat mehr-
fache Bearbeitung gefunden^e^-^es^. Besonders sei hier der im 5. Bande des ürkunden-
buchs durch Döbner^^o) ans Licht geförderten Stadtrechnungen gedacht als einer
unerschöpflichen kulturhistorischen Quelle. —
Schultzes^'^o) Bibliographie der Geschichtsquellen der Provinz Sachsen
giebt, zumal bei grösseren Städten, auch solche kultur-, besonders finanzgeschicht-
licher Art. — Die von Dittmar^''^) gewürdigten beiden ältesten Magdeburgischen
Topographen — Torquatus im 16., Alvensleben im 17. Jh. — enthalten einzelne
Notizen über Landesprodukte wie den berühmten Sauerkohl. — Für die „Speckseite"
in Aschersleben weiss Strassburger^^'") nur eine sagenhafte Erklärung anzuführen.
— Den Namen Salzwedel leitet Luther3'2) nach sprachlichem Analogieschluss ab
von waten = Salzfurt. — Die von Zahn3''3) abgedruckte „Willkür" von Tangermünde
von 1639 giebt ein Bild der Verwaltung und des bürgerlichen Lebens. — Hertz-
bergs^'4) schönes Werk über Halle hat mit dem S.Bande seine Vollendung erreicht.
Stehen auch in diesem den vorigen gleichwertigen Teil Universität und Saline
im Vordergrunde, so erfahren doch auch die übrigen gewerblichen und socialen
Einrichtungen eingehende Würdigung. Hervorzuheben sind das Zeitungswesen und
der Kampf der Universität gegen das Schauspiel im vorigen Jh. — Für Audenhain
giebt Dieckmann^^s) eine nützliche Darstellung der Wirkungen des 30jährigen
Krieges, indem er die Zustände vorher und die Wiederherst ellungsarbeiten schildert.^'ö"^")
— Die vorzüglich übersichtliche Geschichte Erfurts von Beyer^'^) enthält nur die
Verfassungsentwicklung.3'9) —
Im Königreich Sachsen haben mehrere Städte den Stoff zu Gesamt-
darstellungen geboten, so Dresden^so-ssi^^ Pillnitz^^^^ und Seifhennersdorf^^^). — Die
Chronik Grossenhains, von Seh über th^^'*) bearbeitet und durch die Munifizenz des
Herrn Zschille prachtvoll ausgestattet, ist vom engsten lokalen Interesse, von weiterem
nur der Inhalt des Amts-Erbbuches von 1547 (S. 159), das die Leistungen der Unter-
thanen aufführt, und die Ordnungen der Armbrust- und Büchsenschützen von 1617
und 1673 (S. 260). — Die Abhandlungen der Chemnitzer Jubiläumsschrift von
Uhlc"^^^) haben einzeln ihre Würdigung gefunden. '^^^ '^^^) —
Für Thüringen äussert sich HerteT^^oj ^.u der vielumstrittenen Benennung
des Rennsteigs, den er als Weg der berittenen Patrouillen erklärt. — Hodermann^oi)
unternimmt einen flüchtigen Gang durch die Geschichte des Schlosses Friedenstein,
dessen Besitzer seit der Gründung durch Ernst den Frommen Interesse für Kunst
N. 16629.]! — 362) X ö. Gödel, Land u. Leute in Ostfriesland: Gienzb. 2, S. 449-58; 3, S. 72-80. - 363) X A. Henschel,
D. Nordfriesen: EKZ. S. 472,6. — 364) X DLZ. S. 1584; BLU. S. 14. — 364a) (S. o. N. 263a.) - 365) G. Kayhausen,
Aus Wittingens Vergangenheit. Gifhorn, Schulze. 65 S. M. 1,00. — 366) H. Forst, Osnabrück in d. J. 1800-11. Aufzeich-
nungen d. Senators Wagner. Osnabrück, Kiesling. 12". 36 S. M. 0,60. (Vgl. JBL. 1892 I 4:639.) — 367) X Oldekops
Chronik (vgl. JBL. 1892 I 4:637.J: HPBll. 112, S. 157-68, 263-78. — 367a) X W. Grube, Oldekop u. d. Stift Hildesheim:
ib. S. 397-407. — 368) K. Enling, Bilder aus Hildesheiras Vergangenheit (vgl. JBL. 1892 I 4:637): DLZ. S. 10712. - 369)
E. Döbner, Urkundenbuch der Stadt Hildesheim. 5. T. Hildeshelm, Gerstenberg. XIU, 715 S. M. 18,00. — 370) Walth.
Schnitze, Geschichtsquellen der Provinz Sachsen im MA. u. in d. Reformationszeit. Halle a. S., Hendel. VU, 202 S. M. 4,00.
— 371) M. Dittmar, D. beiden ältesten Magdeburgisch. Topographen: ALVKS. 3, S. 1-39. — 371a) E. Strassburger,
Heimatskunde V. Aschersleben, Progr. Aschersleben, (Wedel). 4". 16 S. — 372) J. Luther, D. Name Salzwedel : MagdZg'*.
N. 27/9. — 373) W. Zahn, D.Willkür d. Stadt Tangermünde: JBAltmärkVG. 23, S. 106-31. — 374) G. Hertzberg,
Gesch. d. Stadt Halle a. S. von d, Anfängen bis z. Neuzeit. III. Halle während d, 18. u. 19. Jh. (1717-1829). Halle u. S,
Waisenhaus. X, 656 S. M. 7,50. |[SLU. S. 685;6; FBPG. 6, S. 321,2.J| — 375) Chrn. Dieckmann, Audenhain: MTorgauGV. 6,
S. 1-30. — 376) O Hugo Wagner, Wittenberg in Dichtung u. Sage. Festgabe z. 28. Juni, als d. Tage des 600j. Stadtjubil.
Wittenberg, Wunschmann. 71 S. M. 1,00. |[ThLBl. 14, S. 297,8,]| (Vgl. I 10; 48.) - 377) X E. Mylius, D. Kreise Delitzsch
u. Bitterfeld in alten Zeiten. Delitzsch, Pabst. 42 S. M. 0,80. — 378) C Beyer, Gesch. d. Stadt Erfurt bis z. Unterwerfung
unter d. mainzische Landeshoheit 1664: (= NjbllHKSachsen. N. 17). Halle a. S., Hendol. 52 S. M. 1,00. — 379) X Ber-
nardus Americanus, Aus Eichsfelds Vorzeit in Gesch. u. Sage. Heiligenstadt, Cordier. 12". XII, 192 S. M. 4,50. —
380) X H. Elm, Dresden. Schilderungen u. Bilder aus Sachsens Haupt- u, Residenzstadt. Mit 42 Illustr. Dresden, Union.
111, 75 S. M, 2,00. — 381) X B- Krause, D. gesch. Entwicklung d. kgl. Haupt- u. Residenzstadt Dresden vom sorbischen
Dorfe bis "z. Grossstadt 2 Hefte. Mit 10 Skizzen. 140 Illustr. Dresden, Huhle. XI, 168, 116 S. M. 4,00. - 382) X
A. V. Minckwitz, Gesch. v. Pillnitz vom J. 1403. Aus hinterlassenen Papieren. Mit 7 Lichtdr.-Taf. Dresden, Baensch.
IX, 128 S. M. 4,00. — 383) X 0. Kind, Gesch. v. Seifhennersdorf. Her. vom Gemeinderat. Mit 3 Lichtdr. Zittau, Oliva.
204 S. M. 1,75. — 384) G. Schuberth, Chronik d. Siadt Grossenhain vom J. 1088 bis auf d. Gegenw. lU. v. Zschille.
Grossenhain, Hentze. 4". IV, 426 S. M. 18,00. - 385) Festschrift z. 750 j. Jubil. d. Stadt Chemnitz. Her. v. P. Uhle. Als
Bd. VIII d. MVGChemnitz. Chemnitz, 0. Mai. XXL 92 S. M. 3,50. (S. o. N. 129, 226, 231; s. u. N. 505, 532.) — 386) O
R. Hof mann, Reformationsgesch. d. Stadt Pirna. Nach urkundl. Quellen: BSächsKG. 8, S. 1-329. — 387) X A- Lippold,
Erinnerungen e. alten Leipzigers. Humorist. Chronika aus Leipzigs jüngerer Vergangenheit. Mit Zeichnungen v. R. Wolf. I.
L., Lenz. 40 S. M. 0,60. — 388) X Plauen sonst u. jetzt. Chronikalisches, Topographisches, Statistisches. Plauen i. V.,
Neupert. 16". 11, 114 S. M. 0,25. — 388a) X Th. Distel, Tumult in Freiberg d. 15. Jan. 1064: MFreibergAV. 30, S. 106,7.
— 389) X A. Kieasling, D. alten Burgen u Rittersitze um Freiberg: ib. 29, S. 1-34. — 390) L. Hertel, D. Name d.
Rennsteigs: ZVThfirG. 8, S. 419-4.5. — 391) R. Hodermann, Schloss Friedenstein 1643-1893. Gothm Goetsch. 16». 32 S.
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 392-429
und Wissenschaft bethätig'ten.392-394^ — Einerts hübsches Buch über Arnstadt ist
nach Verdienst gewürdig-t worden. ^95) —
Künzels Werk über Hessen, ein schönes Denkmal warmer Heimatliebe,
ist von Soldan^''^) neu herausgegeben worden. Von Wert sind unter der reichen
FüUederKulturbilder besonders die gleichzeitigen Quellen entnommenen. — Unter einer
Zahl kleinerer Lokalstudien39"402j ist der 2. Teil von Demmes^*'^) Werk über Hers-
feld zu nennen. In anerkennenswerter Beschränkung auf Regesten enthält es
interessante Mitteilungen aus den Stadtrechnung'en ; so in den Beilagen die Liste der
Arbeitslöhne aus dem 17. Jh. und die Taxe des Nachrichters von 1754. — Von den
rheinhessischen Städten birgt die reiche und wertvolle Quellensammlung für Worms
von Boos'*'^^^') einen Schatz kulturgeschichtlichen Stoffes, unter denen das Tagebuch
des Bürgermeisters Noltz, eines energischen, vielgewandten Mannes um die Mitte des
15. Jh. einen schätzenswerten Beitrag zu dieser Litteratur bildet. Es erwähnt z. B.
1494 Bilder aus der Heldensage am Gebäude der Münze. —
Aus der wertvollen Sammlung von Aufsätzen zur Geschichte Westfalens'*'**)
fällt in unsere Periode nur der von Detmer***-^) über Hermann von Kerssenbroicks
Ortsgeschichte von Münster. — Der zweite Teil von Darpes"***®) Werk über Bochum
bietet eingehende, auf archivalischem Material beruhende Mitteilungen über bürger-
liches Leben in dem 17. Jh., das wegen der Kriegsleiden für die Stadt besonders
schwer war, und über den Aufschwung unter preussischer Verwaltung.*«''-*»») —
Auch im Rheinland sind die Städte Hauptgegenstand des Interesses.
Der heftige Angriff von Lulves*'«) hat, wie zu erwarten, Aufsehen erregt.* i') — Die
Geschichte Jülichs von Kuhl*'^) jj^t im 2. Teil Fortsetzung bis 1742 erfahren.*'^)
— Das Werk von Jacobs*^*) über das ehemalige Stift Werden hat Nachrichten zur
Schulgeschichte, das von Joesten*'^) zur alten Bergischen Amts Verfassung, der von
Borheck *'öj besorgte Neudruck zur Geschichte der 1655 g-egründeten Duisburger
Universität geliefert.*' '~*'9j — Einen grösseren Landstrich behandelt Heyns*-") Arbeit
über den Westerwald, die zwar unter dem Vielerlei leidet, aber gute Nachrichten über
die materielle Kultur bietet, so über die erste Ochsenbespannung 1612. — Mit Frank-
furt beschäftigen sich mehrere Werke allgemeinerer Richtung.*- ^"*^3) —
Für die Reichslande und Baden sind zunächst mehrere nicht eigent-
lich der Wissenschaft zugehörige Arbeiten zu nennen.*^*"*^») — Neben der amtlichen
Publikation von Weechs*^») über Karlsruhe hat Freiburg eine kurze Darstellung
M. 1,00. — 392) X G- Reinhardt, Gesch. d. Marktes Gräfentonna. Mit 4 Ansichten, 3 Plänen u. 2 Geschlec htstaf. Z.
Feier d. 200j. Jubil. d. Kirche S. Petri n. Pauli. Langensalza, Wendt u. Klauwell. VUI, 337 S. M. 4,00. — 393) X
F. Trink s, Beitrr. z. Gesch. d. Herzogt. Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. (=: Schriften d. Yer. für Meining, Gesch. u.
Landesk. N. 14.) Meiningen, L. v. Eye. 97 S. M. 3,00. — 394) O B. Liebermann, Geschichtliches aus Judenbach. E.
Quellenforschung als Beitr. z. Welt-, Kultur- u. Kirchengesch. Jndenbach, Selbstverl. V, 117 S. M. 1,50. — 395) E. Einert,
Aus d. Papieren e. Rathauses (vgl. JBL. 1891 I 4:345). |[NASächsG. 14, S. 159; KBGV. 41, S. 32.)| - 396) H. Kanzel, Gross-
herzogt. Hessen. Lebensbilder aus Vergangenheit u. Gegenwart. 2. Aufl. Her. v. V. Sold an. Giessen, Roth. XIII, 786 S.
Mit 1 Bild. M. 8,00. — 397) X J- Hillebrand, Z. Gesch. d. Stadt u. Herrschaft Limburg a. d. Lahn. IV. Progr. Hadamar.
4». 22 S. --398) X C. Ebel, D. Cistercienser in Oberhessen. Vortr.: MOberhessGV. 4, S. 123|7. — 399) X A.. Roeschen,
Z. Gesch. V. Laubach: ib. S. 136-40. — 400) X E. Lohmeyer, Verzeichnis neuer hessischer Litt, (vgl, JBL. 1892 I
3:60): DLZ. S. 11389. — 401) O J. Schneider, Hessische Städte u. hess. Land vor 100 J. L Fulda: Hessenland 7,
S. 2863, 299-302, 3124. — 402) X 0. Schaaf, E. im 19. Jh. ausgegangenes Dorf: MOberhessGV. 4, S. 127-30. — 403)
L. Derame, Nachrichten u. Urkunden zur Chronik von Hersfeld. Hersfeld, H. Schmidt. 360 S. M. 4,50. — 403a) Monu-
menta Wormatiensia. Annalen u. Chroniken her. durch H. Boos. Mit Karte u 6 Lichtdrucktaf. (— Quellen z. Gesch. d.
Stadt Worms HI). B., Weidmann. XLVIII, 726 S. M. 25,00. — 404) Ans Westfalens Vergangenheit. Beitrr. z. polit. Kult.-
u. Kunstgesch. v. G. v. Below, H. Detmer, G. v. Detten, W. Effraann, H. Finke, Ilgen, F. Jostes. Münster,
Regensberg. IV, 128 S. Mit 4 Taf. M. 1,50. — 405) H. Detraer, Hermann von Kerssenbroick. Seine Beschreibung d.
Mnnsterschen Doms. (= N. 404, S. 47-64.) — 406) F. Darpe, Gesch d. Stadt Bochum. II. Bochum in d. Neuzeit.
1618-1740. Progr. d. Gymn, Bochum, (Stumpfj. 140 S. — 407) X C- Hirs chberg, Gesch. d. Grafschaft Moers. Moers,
Spaarmann. III, 123 S. M. 1,00. — 408) X K. Franke, Westfalen. E. Heimatskunde. 2 Aufl. Bielefeld, Helmich. 101 S.
M. 0,70. (Für elementare Ansprüche.) — 409) (S. o. N. 101.) — 410) J. Lulves, D. gegenwärt. Geschichtsbestrebungen in
Aachen (vgl. JBL. 1892 14:683). |[W. Wattenbach: DLZ. S. 75 6 ; H. Delbrück: PrJbb. 71, S. 537 9; LCBl. 2112,
1781,2.]| - 411) X E. Pauls, Z. Gesch. d. Erdbeben im 17. u. 18. Jh. i. d. Aachener Gegend: AnnHVNiederrh. .56, S. 91-115.
— 412) J. Kühl, Gesch. d. Stadt Jülich, insbes. d. früheren Gymn. II (1660-1742). Jülich, Fischer. VI, 322 S. M. 4,00.
,[LCB1.S. 1070, l.Ji — 413) X K. Tücking, Gesch. d. Stadt Neuss (vgl. JBL 1892 I 4:680): HZ. 34, S. 3259. - 414) P. Jacobs,
Gesch. d. Pfarreien i. Gebiete d. ehemaligen Stifts Werden an d. Ruhr I. Düsseldorf, Schwann. 232 S. M. 4,00. |[LCB1.
S. 9123; LRs. 19, S. 3334.]| — 415) J. Joesten, Z. Gesch. d. Schlosses Windeck: ZBergGV. 19, S. 133-59. — 416) A. Bor-
heck, Versuch e. Gesch. d. Stadt Duisburg am Rhein. Duisburg 1800. Duisburg, Schmitz. 64 S. M. 0,60. (Neudruck.) —
417) X 0- Redlich, Denkschrift d. Maire Westerraann zu Wesel, d. Kaiser Napoleon überreicht: BGNiederrh. 7, S. 3014.
— 418) X G- Bloos, D. Rentmeister v. Düsseldorf: ib. S. 63 6. — 419) X H. Ferber, D. Gemarken im Amte Angerraund:
ib. S. 67-99. — 420) E. Heyn, D. Westerwald n. seine Bewohner v. d. ältesten Zeiten bis heute. Mit hist. Karte. Marien-
berg, Selbstverl. VIII, 300 S. M. 4,00. — 421) X F- Herber, E. Gang durch d. Gesch. Frankfurts. Frankfurt a. M.,
Knauer. 40 S. M. 0,30. — 422) X H. Bleicher, D. Bewegung d. Bevölkerung im J. 1891. (= Beitrr. z. Statistik d.
Stadt Frankfurt a. M. Heft 2.) Frankfurt a M., Sauerländer. IV, 64 S XLIII S. Tab. mit 1 graph Taf. M. 1,00. |[LCB1. S. 46|7.J
— 423) X A. Koch, Aus Frankfurts Vergangenheit. Architekturstudien nach d. Natur gezeichnet u. beschrieben. 25 Licht-
drucktaf. Mit 7 S Text. Frankfurt a. M., Keller. Fol. M. 25,00. — 424) X E. Besuch in Strassburg im J. 1831 : DWBl.
S. 475;6. — 425) X A. Holder, Michel Back u. seine kulturgesch. Dialektdichtung: Alemannia 21, S. 15. — 426) X
W. Sommer, Elsäss. Geschichten (vgl. JBL. 1892 IV 3:121|2): Gegenw. 44, S. 366. — 427) X J- Levy, Gesch. d. Klosters,
d. Vogtei n. Pfarrei Herbitzheim. Strassburg i. E. (Saargemünd, E. Schmitt). XIX, 288 S. M 2,50. [[PolybibU'. 67, S. 450.]|
428) X M. Werder, Fmnzös. Lob aus deutschem Munde: StrassbPost. N. 228. — 429) O F. ▼• Weech, Karlsruhe. Gesch.
I 4 : 430-460 G. Liebe, Kulturgeschichte.
erfahren, die wegen ihrer Vf. nicht ohne Interesse ist. Es sind sechs Schüler des
Lyceums von Vesoul, die unter Leitung des Professors Maigniez^^'^) drei Wochen in
Freiburg zugebracht haben, um sich in der deutschen Sprache zu vervollkommnen.
Wenn man bei jungen Leuten von noch nicht 18 Jahren von der Forderung gereiften
Urteils absieht und einzelne chauvinistische Anwandlungen in diesem Alter erklär-
lich findet, kann man an der guten Beobachtung und Frische der Anschauung seine
Freude haben. 43i-434j _
Die Gesamtdarstellung*35^ der Geschichte Württembergs ist in dritter
Auflage er schienen. 4 3") — Kapff^-''') giebt eine übersichtliche Darstellung der starken
schwäbischen Einwanderung nach Amerika von der Beteiligung an den ersten nach
Südamerika gerichteten Goldreisen und den ersten Kolonien im Staate New -York,
anziehend durch Stücke aus gleichzeitigen Berichten. —
Unter den zahlreichen Veröffentlichungen Bayerns ist zunächst eine Anzahl
solcher zu nennen, die grösseren Gebieten zugewendet sind^"^^"**-'). — Im besonderen
mit dem Volk beschäftigen sich mehrere bekannte Autoren. Stieler^*"*) giebt in
edler Sprache Bilder aus dem äusseren wie inneren Leben der Altbayern, die Gegen-
wart aus der Vergangenheit erläuternd. — Peetz^*^) verwendet in einem zweiten
Bande seine reiche Volkskenntnis novellistisch ; kulturgeschichtlich von Wert ist der
in Form einer Erzählung eingekleidete Inhalt einer Urkunde über Hegung des
Landschrannengerichts. — Sepp*'*^) bringt wieder eine bunte, an Ueberfülle leidende
Sammlung, die neben vielen Spinnstubengeschichten auch eine Menge verstreuter
Züge besonders zur Rechts- und Jagdgeschichte enthält. — Unter der grossen Menge
der einzelnen Städten gewidmeten Arbeiten, in denen meist nur zerstreut kultur-
geschichtliches Material zu finden ist^^''"*^^), sei als rechtes Beispiel die Studie
Westermayers^^'') über Tölz genannt. In dem bunten Allerlei der Erzählung
taucht die interessante Nachricht auf, dass 1640 zum ersten Mal im Tanzhaus ein
Gemeindetheater aufgeschlagen wurde und 200 Jahre bestand. — Trautmanns^^s 458a^
lebendige Schilderungen aus dem Tagesleben des alten München reichen doch oft in
das Gebiet der Schnurre hinein; seine Erklärung der in München zahlreich vor-
handenen Wahrzeichen wäre dankenswerter ohne den gesucht volkstümlichen Ton.
— Kamann*^"J in seiner gründlichen Untersuchung der Fehde Götz von Berlichingens
mit Nürnberg und Bamberg lässt diesen als wenig romantischen Vertreter des zer-
fallenden Rittertums erscheinen. — Hildenbrand*^**) giebt Nachrichten von der
Industrieblüte Frankenthals (Pfalz) im 16. Jh. —
d. Stadt u, ihrer Verwaltung. 1. Lfg. Mit 5 Taf. Karlsruhe, Macklot. S. 1-80. M. 1,00. — 430) M. Maigniez, Excursion
en Allemagne de six lyceens accompagnes de leur professeur. Vesoul (Oival). 1892. H, 69 H. (Sonderabdr.) — 431) X
F. Schäfer, Wirtschafts- n. Finanzgesch. d. Reichsstadt Ueberlingen am Bodenaee 1550-1628. (= Untersuchungen z. dtsch.
Staats- u. Eechtsgesch. her. v. 0. Gierke. N. 44.) Breslau, Koebner. XII, 196 S. M. 7,00. |[A. Schulte: ZGORh. 8, S. 720,2.1| —
432) X J- G. Mayer, Kleine Beitrr. z. Gesch. d Bischöfe v. Konstanz im 16. Jh. : KathSchwBll. 9, S. 223-40. — 433) O Mit-
teilnngen z. Gesch. d. Heidelberger Schlosses. Her. v. Heidelberger Sohlossver. 3 Bd. I.Heft. Mit 5 Taf. Heidelberg, Groos.
IV, 128 S. M. 3,00. - 434) O Neues Arch. f. d. Gesch. d. Stadt Heidelberg u. d. rhein. Pfalz. Her. v. A. M a y s n.
K. Christ. IL Bd. 1. u. 2. Heft. Heidelberg, Koester. S. 1-123. M. 1,20. |[W. Wattenbach: DLZ. S. 333; LCBl.
S. 517I8.JI — 435) O Illustr. Gesch. v. Württemberg. M. Beitr. v. Dürr, Th. Ebner, Geiger etc. 3. Aufl. Erg. u. verm. v.
K. Oesterlen. Heft 1-20. St., Südd. Verl.-Inst. S. 1-304. ä M. 0,25. — 436) X C- v. Fischbach. Erinnerungen aus
Alt-Hohenheim: BBSW. S. 97-104. — 437) P. Kapff, Schwaben in Amerika. (= Njbll Württemberg. Her. v. J. Hartmann,
N. 10.) St., Gundert. 48 S. M. 1,00. — 438) O J- Endres, Hist.-Statist. Beschreibung d. Bistums Augsburg: HPBll. 111,
S. 641/5. — 439) Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Bodensees u. seiner Umgebung. 21. Heft. Lindau, Stettner. IV, 293 S.
1 Bildn. M. 6,00. — 440) O F. L. Baumann, Gesch. d. Allgäu. Heft 28,9. (3. Bd.) Kempten, Kösel. S. 321-448. äM. 2,40.
— 441) X A. Abert, Franken. E. knlturgesch. Skizze. Progr. Münnerstadt. 106 S. — 442) X M. Kaiser, Gesch. d. Herr-
schaft Breitenegg u. d. Pfarrei Breitenbrunn. Amberg, Habbel. VIII, 104 S. M. 1,00. — 443) X 0. Steine), Gesch. d.
bayer. Frankenlandes. Bamberg, Buchner. 26 S. M. 0,35. — 444) K. Stieler, Kulturbilder aus Bayern. Mit Vorw. v.
K. Th. Heigel. St., Bonz. IX, 272 S. M. 4,80. — 445) H. Peetz, Chieragauer Volk. Erinnerungen e. Chieragauer Amt-
manns aus seinem Nachlass. 2. (Schluss-)Bd. L., Liebeskind. III, 160 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1892 I 4:721.) - 446)
J. N. Sepp, Denkwürdigkeiten aus d. Bayeroberland oder 176 Gesch. aus d. Isarwinkel u. d. Nachbarschaft. München,
Lindauer. 1892. XVI, 875 S. M. 3,00. (Vgl. I 5:18.) — 447) X H. Weber, Z. Gesch. d. Stadt Bamberg: JbGörresges.
S. 24;9. — 448) X Gesch. v. Gaimershelm : SBlHVIngolstadt. 18, S. 1-41. — 449) X K. Graf v. Rambaldi, Gesch. d.
Schlosses Eurasburg u. seiner Besitzer: OberbayrA. 48, S. 1-86. — 450) M. Pf ist er, Schirnaidel bis .auf d. Gegenw., zugleich
e. Rückblick auf d. Hochstift Bamberg. Aus JBHVBambg. Bamberg (Dnckstein). 1892. 308 S. M. 3,00. —451) A. Schaffte r,
Würzburgs Entwicklung bis in d. Zeit d. 30 j. Krieges. (= Beitrr. z. Entwicklungsgesch. d. Stadt Würzburg N. 1.) Würzburg,
A. Stnber. 17 S. M. 1,00. — 451a) G. v. Zürn, Ueber Würzburgs Entwicklung in d. letzten 30 J. (=: ebda. N. 2.) 10 S. —
452) X Chrn. Meyer, Quellen z. Gesch. d. Stadt Bayrentli. Mit Plan v. 1621. Bayreuth, Giessel. III, XVL 248 S. M. 5,00.
— 452a) X M. Bnff, Augsburg in d. Renaissancezeit. Zeichnungen v. H. v. Berlepsch. Bamberg, Bnchner. 140 S. M. 2,50.
— 453) X E- Hopp, Chronik v. Kalchreuth. Erlangen (Nürnberg, Raw). 20 S. M. 0,25. — 454) X Fr. Sixt, Chronik d.
Stadt Gerolzhofen in Unterfranken. 2 Pläne u. Abbild. Ans AHVUnterfranken. Würzburg, Woerl. 175 S. M. 3,00. - 455) O
(ihm. Meyer, Enoch Widmans Chronik d. Stadt Hof. Nach d. Orig.-Hs. her. Hof, Lion. III, 112 S. M. 2,00. (Vgl. auch II 3.)
— 456) O J. Priem, Gesch. d. Stadt Nürnberg v. d. ersten urkundl. Nachweis ihres Bestehens bis auf d. neueste Zeit. 2. Aufl.
Her. V. E. Reicke. 1.-8. Lfg. Nürnberg, Raw. S. 1-256. a, M. 0,40. — 457) G. Westermayer, Chronik der Burg u. des
Marktes Tölz. 2. Aufl. Mit 12 Abbild. Tölz, Dewitz. VII, 319 S. M. 4,00. — 458) F. Trautmann, Im Münchener Hof-
garten. Oertliche Skizzen u. Wandelgestalten v. einst. Neue (Titel-)Aufl. München, Galler. X, 236 S. M. 1,80. — 458 a)
id., AU- Münchener Wahr- u. Denkzeiohen. Neue (Titel-)Aufl. ebda. VIU, 264 S. M.3,20. - 459) J. Kamann, D. Fehde d.
Götz V. Berlichingen mit d. Reichsstadt Nürnberg u. d. Hochstift Bamberg 1512-14. E. Beitr. z. Gesch. d. öffentl. Zustände
Frankens nach d. ewigen Landfrieden: (= Quellenschriften n. Abhandl. z. Staats-, Kultur- n. Kunstgesch. d. Reichsstadt Nürn-
berg I). Nürnberg, Schräg. VIII, 133 S. M. 3,00. ffMVGNürnberg 10, S. 289-95.]| — 460) F. Hildenbra n d, Gesch. d.
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 461-497
In der Litteratur über Oesterreic h''6i-462-) t^itt Wien in den Vordergrund.
Allerding-s sind es ausser Recensionen über Gug-lias^'^^'^^^) Werke meist Skizzen^^^''^^')
populärster Art, die die moderne Stadt der Phäaken feiern, und es ist höchst erfreu-
lich, dass der unwürdig-e Zustand der lokalgeschichtlichen Forschung endlich den
Plan eines auf breitester archivalischer Grundlage ruhenden Quellenwerkes hat reifen
lassen^ös). — Burgerstein^^^'') nimmt aus der verbesserten Aufstellung, die man
pietätvoll dem alten Wiener Wahrzeichen „Stock im Eisen" hat zu teil werden lassen,
Anlass zu einer sorgfältigen botanischen und historischen Untersuchung. Ihr Resultat
ist, dass der Baumstumpf einer Fichte angehört und wahrscheinlich als Zeichen der
an seinem Standort beginnenden ersten Stadterweiterung stehen gelassen wurde. —
In Böhmen hat das Egerland zwei dankenswerte Monographien Neubauers^^^'^'O)
aufzuweisen. Zählt die erste detailliert die Bestandteile eines Bauernhofes in dialek-
tischer Bezeichnung auf, so giebt die zweite einen Beitrag zum Geistesleben des
Volkes, da schon die geringe Zahl der meist nach der Farbe gewählten Benennungen
bezeichnend für den Egerländer ist, der in ausgesprochener Richtung auf das Nütz-
liche keine Blumenzucht treibt.'*^!"^'^) — Mehrere Publikationen sind TiroH'^ *''**)
gewidmet, einzelne Ungarn*"^), Salzburg^^o^^ Steiermark^^i)^ Kärnten.^^^j — ^^g treue
Festhalten der Siebenbürger an deutscher Art hat auch eine gediegene Geschichts-
forschung gezeitigt. Die Reden von Teutsch^^s) auf den Versammlungen des Vereins
für Landeskunde gewähren den klarsten Ueberblick über die Verteidigung des
Rechtsstandes auf dem Klausenburger Landtag 1791 und in der Litteratur, so in
Schlözers Staatsanzeiger. — Der Haushalt Hermannstadts zur Zeit Karls VI. erfährt
durch Herbert 4^*) nach den Rechnungen verschiedener städtischer Beamten eine
eingehende Untersuchung, —
In der Schweiz hat sich Oechslis*^^) Quellenbuch für Haus und Schule die
Berücksichtigung der Kulturgeschichte zum Ziele gesetzt.'*^^"^*'*) — Ein kleiner
ArtikeP^^) zählt die freundlichen Berührungen der Schweizer mit Preussen und den
Hohenzollern aus früheren Jhh. auf. — Mit einzelnen Verhältnissen Basels beschäftigen
sich mehrere Studien49o-492j_ _
Vom verlorenen Posten der Ostseeprovinzen geben einige all-
gemeine^^'^) wie besondere Publikationen'*^^'^^') eine Kunde, die immer von neuem
den Verlust eines tüchtigen Stückes Deutschtum bedauern lässt. —
Klöster, Stifter, Orden. Reiches, wenn auch zerstreutes und selten
wissenschafthch verarbeitetes Material zur Geschichte der Innern wie äussern Kultur
Stadt Frantenthal in d. Pfalz. Mit 9 Illnstr. FraDkenthal, Christmann. 15 S. M. 1,00. — 461) X S. Whitman, Austria
felix. D. Keich d. Habsburger. Uebers. v. 0. Th. Alexander. B., C.UIrich&Ca. VIII, 263 S. M. 4,00. [[ML. S. 7046.][ (The
realm of the Habsbnrgs. By S. Whitman [= Tanchnitz Ed. N. 2910.J L., Tauchnitz. 278 S. M. 1,60.) - 462) X Bargen n.
Schlösser in Oesterreich. 6.-10. (Schluss-)Lfg. Text v. J. Meurer. Wien, Heck, ä 5 Bll. mit 5 Bll. Text, ä M. 8,00.
([VelhugenKlasingsMh. 2, S. 181-90.]| — 463) X E. Gnglia, Gesch. d. Stadt Wien (vgl. JBL. 1392 I 4:730): Paedagogiam. 15,
S. 139-40. - 464) X id., Grossstädt. Charakterbilder. I. (vgl. JBL. 1892 I 4:731j: ÖLBl. 2, S. 526,7. — 465) X Fr. Schlögel,
Ges. Schriften. Kleine Knlturbilder aus d. Volksleben d. alten Kaiserstadt a. d. Donau. 3 Bde. Wien, Hartleben. VIII,
356 S.; 359 S.; 376 S. M. 9,00. — 466) X Wienerstadt. Lebensbilder aus d. Gegenw., geschild. v. Wiener Schriftstellern.
Lfg. 1-9. Wien n. Prag, Terapsky. (Leipzig, Freytag.l S. 1-256. ä M. 0,80. — 467) Alt-Wien. Mschr. für Wiener Art n.
Sprache. Her. v. L. Stieböck. 1. u. 2. Jahrg. ä 12 Hefte. Wien, Dirnböck. 1891-93. ä Hft. 12 S. ä .lahrg. M. 5,00. —
468) D. Wiener Geschicbtswerk: Presse N. 283. — 468a) A. Burgerstein, „D. Stock im Eisen" d. Stadt Wien. Mit
1 Taf. Progr. Wien. 34 S. — 469) J. Neubauer, D. Egerländer Bauernhof u. seine Einrichtung. Progr. Elbogen. 18 .S. —
470) id., D. im Egerland benannten Pflanzen: Bayerns Mundarten 2, S. 129-37. — 471) X J- Heibig, Beitrr. z. Gesch. d.
Stadt u. d. Bez. Friedland. 1.-5. Lfg. Friedland i. B„ Weeber. 12". S. 1-64. ä M. 0,40. - 472) X K. Kieme nf, Weitere Notizen z.
Gesch. d. kgl. SUdt Mähr.-Neustadt im 17. u. 13. Jh. Progr. Mähr.-Nenstadt. 22 S. — 472a) X •*■■ Costa-Rossetti, D.
Brünner Spielberg, insbes. d. Kasematten u. seine merkwürdigsten Gefangenen. Mit 3 Planskizzen n. 2 Ansichten. 4. Aufl.
Brunn, Winkler. IV, 64 S. M. 0,80. — 473) O S. Bredl, D. Colleginm S. Bernardi in Prag. E. knltarhist. Bild:
StMBCO. S. 53-60, 212-21. - 474) O G. Eessel, D. Erzgebirge in Sage u. Gesch. Teplitz, Selbstverl. |[MNordböhm.-
ExcnrsClnb. 16, S. 273.]) — 475) O MNordböhmExcursOlub. 16, S. 119-22, 129-30, 152-85, 241/7, 250 7, 357-61. — 476) X
M. Grandjean, En Tyrol: paysages, raoeurs, bist., legendes. Avec grav. Lille, Desclee, de Brouwer et Co. 288 S.
[[WestmR. 140, S 207.]| — 477) O S. M. P r e m , Kufsteiner Festschrift z. Feier d. vor 500 .L erfolgten Erhebung d. Ortes ■/..
Stadt. Knfstein (Wien, Geroldj. Fol. 77 S. M. 3,00. |LBLU. S. 6463.]) - 4781 X Chrn. Schneller, Beitrr. z. Orts-
namenkunde Tirols. I. Innsbruck, Ver.-Buchh. u. Buchdr. XI, 92 S. Fl. 1,00. )[ÖLB1. 2, S. 656/8; F. Stolz: ZVVolksk. 3,
S. 464.]| (Vgl. I 5:372.) — 479) Derujac, Ungarn im Werke d. Kronprinzen Rudolf: ZBK. 4, S. 83-94. — 480) O J. Dobl-
hoff, Beitrr. z. Quellenstudium Salzburg. Landeskunde. I. Salzburg, Mayr. IV, 48 S. M. 1,20. — 481) O J. v. Zahn,
Styriaca. Gedrucktes u. üngedrucktes z. Steiermark. Gesch. u. Kulturgesch. Graz, Moser. VII, 277 S. M. 3,60. — 482) X
R. Müller, Kleine Beiirr. z. altkärntnischen Ortsnamenkunde. 5. Klagenfnrt: Carinthia 83, S. 179-84. — 483) G. Teutsch,
Rede z. Eröffnung d. 44. u. 45. Oeneralvers. d. Ver.: AVSbnbgnL. 24, S. 5-82, 409-.37. — 484) H. Herbert, D. Haushalt
Hermannstadts z. Zeit Karls VI.: ib. S. 83-229, 438-513. — 485) O W. Oechsli, Quellenbach z. Schweizergesch. NF. m.
bes. Berüoksischtig. d. Kultnrgesch. für Haus u. Schule bearb. Zürich, Sohulthess. IV, 566 S. M. 7,00. ||DLZ. S. 398 9;
BLChrSchw. S. 72.]| — 486) X J- L- Brandstetter, Repert. über die in Zeit- u. Sammelschriften d. J. 1812-90 enth. Auf-
sätze u. Mitteilungen schweizergesch. Inhaltes. Basel, Geering. IV, 467 S. M 7,20. — 487) O A. Nüscheler, D. Gottes-
häuser d. Schweiz: GFr50. 48, S. 1-80 — 488) O Th. v. Liebe nau, Knlturhist. Miscellen : AnzSchwG. 24, S. 471. — 489)
Deutsche u Schweizer: StrassbPost. N. 122. — 490) X L- Freivogel, D. Landschaft Basel in d. 2. Hälfte des 18. Jh. L
Diss. Bern. 193 S — 491) X C. Sartorius-Burckhardt, M. Job. Jac. Huber, weil. Pfarrer u. Dekan in Sissach u. seine
Sammlangen z. Gesch. d. Stadt u. Landschaft Basel: BiislerJb. S. 75-135. — 492) X R- Wackernagel, D. Kirchen- u. Schnl-
gut d. Kantons Basel-Si: BVtGBasel. 13, S. 83-139. — 493) X E- «• A. Seraphim, Aus d. kurländ. Vergangenheit (vgl.
JBL. 1892 I 4: 765; HI 1 : 26): BLÜ. S. 65 6. — 494-495) X Drei Weihnachtsabende d. dtsch. Hansestadt Dorpat in Livland
1222-1524-1802. V. e. dtsch. Reichsangehörigen. Lübeck, Gläser. 109 S. M. 1,80. — 496) X ^V^- Neu mann, D. MAlich.
Riga. Mit 26 Taf. B., J. Springer. 1392. Fol. VI, 58 S. M. 20,00. |[G. Manteuffel: KwH. S. 100,1.]| — 497) X A.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. 8
I 4:498-535 G. Liebe, Kulturgeschichte.
bieten die Werke, welche einzelne geistliche Anstalten behandeln^'-**). — Unter denen,
die eine längere Entwicklung zum Gegenstand haben'*'^^"^*^^^^ ist das geschickt
geschriebene Buch von Kniel^*^'^) über die Abtei Laach zn erwähnen, welches zur
800jährigen Jubelfeier und Neubelebung des Klosters einem weiteren Kreise Bilder
aus dessen Geschichte geben will und diesem Zweck ohne mehr als gelegentliches
Hervortreten des konfessionellen Elements nachkommt. — Dagegen erklärt Daffner''**^)
in seiner Geschichte Benediktbeurns zwar, dass die Kulturentwicklung den Haupt-
gegenstand der Geschichtswissenschaft bilden müsse, bietet aber nur eine nüchterne
pragmatische Darstellung und bekennt sich zum Schluss zu der Ansicht, dass der
Socialismus nur eine gerechte Strafe der Fürsten für die Klosteraufhebung sei. —
Zahlreich haben einzelne Abschnitte von Klostergeschichten Bearbeitung erfahren^05-5i3)_
— Die umfangreiche Litteratur über den Jesuitenorden dient grossenteils der Pole-
ujjl^5i4-522j. (lie so verschieden gearteten Schriften von Duhr^-^) und Graf Hoens-
broech-^ '''■*) haben besonderes Aufsehen erregt. — Als streng wissenschaftlich seien
die Arbeiten von Hansen^^ö) ^nd Richter ^^^'^^öa^ hervorgehoben. —
Besondere Volkselemente. Eingesprengte fremde Volkselemente haben
stets der Kultur zu grosser Förderung gereicht; von keinem gilt dies mehr als von
den Hugenotten, die sich mit Recht lebhaften wissenschaftlichen Anteils rühmen können.
Die umfangreichste Leistung auf diesem Gebiete ist die Fortsetzung von ToUins^^-j
Werk (vgl. JBL. 1892 I 4 : 810). Der vorliegende Band enthält eine Zusammen-
stellung der Berufszweige, vorzugsweise im militärischen und gewerblichen Fache,
Leider wird das fleissige Werk durch Ueberwuchern des Details auf lokales Interesse
beschränkt. — Die Fortsetzung der Geschichtsblätter^^s^ ^qq deutschen Hugenotten-
vereins bringt wieder eine Anzahl kleiner Gemeinden zur Darstellung. Neben der
Organisation tritt die feindselige Stimmung der Einwohner, besonders der Handwerker,
hervor ^^^). — Die genannten Punkte behandelt für Magdeburg Tollin^-^**) mit grosser
Ausführlichkeit; man sieht, welche Mühe der kurfürstliche Kommissar der Volks-
abneigung gegenüber mit Unterbringung zumal der gewerblichen Anlagen hatte.
Die deshalb nötige, durch Zuschüsse ermöglichte Bauthätigkeit lässt die Eingewanderten
in den ersten 50 Jahren im Besitz ziemlich vieler Häuser erscheinen, die aber sehr
oft aus Mangel an Unterhalt wieder aufgegeben werden mussten^^'). — Die freundliche
Aufnahme der durchziehenden Salzburger in Chemnitz 1732 schildert Weinhold ^32-)
nach den Ratsakten.^^sj — Dqj^ Spuren des Slaventums in Anhalt geht Seelmann^^*)"
nach, indem er sich der dankenswerten Mühe unterzieht, den Ursprung slavischer
von Gernet, Ueber d. Gesch. Weissensteins. Vortr. (Aus d. Revaler Beobacliter.) Reval, Klnge. 12". 27 S. M. 1,00. —
498) X Bilder aus d. Mönchsleben. (= Kath. Flugschriften z. Wehr u. Lehr. Heft 62,4.) B., Germania. 16». 144 S. M. 0,30.
(Belanglose Popularisierung.) — 499) O Jul. Mayer, D. Gesch. d. Benediktinerabtei St. Peter auf d. Schwarzwald. Frei-
burg i. B., Herder. XI, 266 S. M. 3,00 |[A. Schulte: ZGOßh. S, S. 717,3; B. Gothein: KBIWZ. 12, S. 261. J| — 500) X
G. Deutsch, D. Priorissenorden in Böhmen, Mähren u. Schlesien: ÖUR. S. 20-34. — 501) X J- Hess, Festschrift z. 600j.
Jubelfeier d. Dominikaner- u. Hauptpfarrkirche vom h. Paulus in Aachen 1293-1893. Aachen, Creutzer. 120 S. M. 2,00. —
502) X H. Koch, D. Dominikanerkloster zu Frankfurt a. M. 13.-10. Jh. Nach ungedr. Quellen. Freiburg i. B., Herder.
XV, 166 S. M. 3,00. |[J. Hansen: KBIWZ. 12, S. 33;4.]i — 503) C. Kniel, D. Benediktiner-Abtei Maria- Laach. GedenkbU.
ans Vergangenheit u. Gegenvv. Mit 20 Abbild. Köln, Bachern. 160 S. M. 2,50. — 504) F. Daffner. Gesch. des Klosters
Benediktbeurn (704-1803). München, Litt. Anst. IV, 432 S. M. 10,00. — 505) X A. Mating-Saramler , Im Chemnitzer
Benediktinerkloster (= s. o. N. 385, S. 3-14). — 506) X C. Ebel, D. Cistercienser in Oberhessen. Vortr.: MOberhessGV. 4,
S. 123,7. — 507) X F. Baumgarten, Ans d. Gengenbacher Klosterleben: ZGOßh. 8, S. 436-93, 658-702. — 508) X &•
Bossert, D. Besitz d. Klosters Lorsch: ib. S. 640,5. — 509) A. Schilling, Kloster Reuthin u. seine Restitution durch
Kaiser Ferdinand II.: FreiburgerDiöcesA. 23, S. 215-63. — 510) X K. Math, D. ehemal. Klosterkirche in Nieder-Altaich.
Nach Gesch. u. Gestalt beschrieben. Passau, Abt. VIII, 86 S. M. 3,50. — 511) A. Meli, D. Stift Seckau u. dessen wirtschaftl.
Verhältnisse im 16. Jh.: StMBCO. S. 82-92, 255-65, 367-76. — 512) X J- Dankö, Münster u. Abtei S. Benedict! an der Gran:
UngR. 13, S. 1-22. - 513) X A.. Hardegger, D. Cistercienserinnen zu Maggenau. St. Gallen, Huber & Co. 4". 56 S.
1 Lichtdr.-Taf. M. 2,00. — 514) O J- v. Dorneth, D. Jesuitenorden v. seiner Gründung bis z. heutigen Zeit. Hannover,
Ost. 89 S. M. 1,00. - 515) X E. Duller, Gesch. d. Jesuiten. E. Büchlein für d. dtsch. Volk. Dresden, Jaenicke. IV,
126 S. M. 0,75. — 516) X F. Hub er, D. Zweck heiligt d. Mittel : VossZg». N. 11. - 516 a) id., D. Sturz d. Jesuitenordens: ib. N. 48.
— 517) X E. M. Arndt, Urteil über d. Jesuiten : DPBl. 26, S. 53. — 518) X F- St.. D. Mendinger Teufel u. d. Jesuiten : ib. S. 4;5. —
519) X C. Scholl, D. Jesuiten in Bayern v. d. ersten Zeit ihrer Berufung: ÖLBl. 2, S. 131/2. — 520) X J- Websky, D.
Jesuitenorden: PKZ. S. 356/7. - 521) X F. Wagner, Z. Gesch. d. Jesuiten-Mission in Altena (1603): ZVHambG. 9, S. 633/8.— 522)X
H. Rocholl, D. Zweck heiligt d. Mittel. E. Wort z. Jesuitenfrage: KM. 12, S. 557-68. - 523) X ß- Duhr, Jesuitenfabeln. 2. Aufl.
(Vgl. JBL. 1892 I 4:826.) |[BLU. S. 199-201; KonsMschr. S. 728-39, 805,6; StML. 44, S. 501/4; DublinR. S. 112; HPBll. 112,
S. 203/4.11 — 524) P. Graf Hoensbroech, Mein Austritt aus d. Jesuitenorden. (Aus PrJbb.) 1.-6. Aufl. B., H. Walther.
45 S. M. 0,80 |[ThLZ. 18, S. 3847; NedSpect. S. 164,'6; DEKZ. 7, S. 207,9, 489-90; DPBl. 26, S. 143-50. || — 525) J. Hansen,
Z. ältesten Gesch. d. Jesuitenordens in Deutschland: MStadtAKöln. 8, S. 233-90. — 526) W. Richter, Gesch. d. Paderborner
.Jesuiten (Vgl. JBL. 1892 I 4:831.) |[LR8. 19, S. 304,5; ÖLBL 2, S. 129-31.]| — 526a) id., D. Jesuitenkirch« zu Paderborn.
Festschrift. Mit Abbild. Paderborn, Junfermann. 1392. 99 S. M. 1,80. — 527) H. Tollin, Gesch. d. franz. Kolonie v.
Magdeburg. III. Bd. Abt. 1 B. Vom Nutzen d. Refuge, insbes. in Magdeburg. Jubiläamsschrift. Magdeburg, Faber. X, 896 S.
M. 12,75. — 528) GBllDHugenottenV. Zehnt II , Heft 1-8. (Kolonien in Annweiler, St. Lambrecht-Grevenhausen, Halber-
stadt, Heidelberg, Gr.- u. Kl.-Ziethen, Stade, Celle.) Magdeburg, Heinrlchshofen. 14 S.; 22 S.; 27 S.; 13 S.; 15 S.; 32 S.;
54 S. M. 3,40. — 529) X E- Beringuier, D. franz. Kolonie in Berlin bis z. Edikt v. Potsdam: Bär 19, S. 212/5, 221/4. —
530) H. Tollin, Hugenottischer Hausbesitz in Magdeburg: GBUMagdeburg. 23, S. 141-84. — 531) X K, Müller, Aus d.
Aufzeichnungen flüchtiger Hugenotten. Vortr.: DEBll. 18, S. 645-62. — 532) E. Weinhold, D. Durchzüge vertriebener
Protestanten durch Chemnitz 1732. (— N. 385, S. 39-50.) — 533) X ö- v. Gasteiger, D. Zillerthaler Protestanten u. ihre
Ausweisung aus Tirol. Aus d. Nachlass her. v. A. Edlinger. Meran, F. W. Ellmenreich. 1892. XI, 160 S. Mit Bild.
M. :^,.50. 1[LCBI. S. 318/9.JI — 534) F. Seelraann, D. Slaventura in Anhalt: MAnhaltGV. 6, S. 468-503. — 535) X H.
Griietz, Gesch. d. Juden. N. Ausg. 1.-24. Lfg. L., Leiner. 4. Bd. XI, 483 S.; 3. Bd. 1. Abt. XII, 857 S. 2. Abt. S. 1-192.
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : säe-ses
Ortsnamen nachzuweisen, die gegenüber der deutschen Mannigfaltigkeit meist von
Personennamen abgeleitet erscheinen. — Auf dem bedeutsamen Gebiet der Schilderung
vom Einfluss des jüdischen Volkselements macht sich nur zu oft die Polemik des
Tages in Für und Wider gleich abstossend geltend. Von Werken derartiger Tendenz
wird an dieser Stelle nicht zu sprechen sein. Nächst den in neuer Auflage erschienenen
Gesamtdarstellungen^3^"^36) jgt einiger Quellenwerke zu g*edenken^37-538j — Einzelne
Seiten des Judentums sind Gegenstand zusammenfassender Betrachtung geworden.
Sulzbachs-''^^) schöne Anthologie jüdischer Poesie endet mit Beginn der uns inter-
essierenden Periode. — Hätte Gerecke^^^) seine Kenntnisse der älteren jüdischen
Litteratur wissenschaftlich verwertet, so wäre das sehr dankenswert gewesen, aber
die Ausfälle gegen das Christentum überwuchern das positive Material völlig, und
die Ausdrucksweise klingt selbst für einen Amerikaner sehr nach dem wilden Westen.
— A. von Eberstein ^*') verfolgt die Zeichen jüdischen Einflusses von dem
Davidsonschen „TelegTaphen", der 1806 sich einen traurigen Namen machte, bis zur
Statistik der Berliner Rechtsanwälte 1893.^^2j — Zum ersten Mal für ein bestimmtes
Territorium unterwirft die Geschichte einer Judenschaft Liebe^*^) einer Untersuchung,
deren Zweck, den Einfluss auf Finanzverwaltung und damit auf staatliche Entwicklung
zu zeigen, den Schwerpunkt der Arbeit vor unsere Periode verlegt. — Popper^*^)
entnimmt den Grabschriften des Prager Friedhofs nur eine dürre Zusammenstellung-
nach Berufen. 5*5- ö'*-) _
Familiengeschichte. Unter den Beiträgen zur Familiengeschichte
adliger Geschlechter ^^s^'ssi) ist nur durch den Namen ihres Vf. von Interesse die
Schilderung des Junkers Augustus von Bismarck5ä2j von seinen 1631 — 52 in
französischen, schwedischen, brandenburgischen Diensten verbrachten Kriegsjahren,
die in ihrer nüchternen Aufzählung kaum einen subjektiven Zug hervortreten
lässt. — Einige heraldische Publikationen seien hier angeschlossen^sS'^se^^ — Bürger-
liche Geschlechter sind mehrfach in grösseren Gruppen behandelt. Eine neue Quelle
dazu hat Primbs^^") in einer Sammlung von Testamenten Regensburger Bürger
(1400—1750) erschlossen. 558-559-) __ d[q Geschichten einzelner Familien sind meist
ohne Interesse56o-56i^. eine Ausnahme macht die der Siebenbürger Familie Hejdendorff,
die, im 18. Jh. von einem Mitgliede niedergeschrieben und jetzt von Gross 562j heraus-
gegeben, zugleich die Geschicke des Landes wiederspiegelt. Von Wert für die
Lebenshaltung einer bürgerlichen Familie ist eine Erbteilung vom Ende des 17., die
Specifikationen von Hochzeitskosten aus der Mitte des 18. Jh. —
Einzelne Personen. Unter den Arbeiten, welche Einzelpersönlichkeiten
zum Vorwurf haben, ist es schwer, eine Auswahl zu treffen. Es sei zunächst hin-
gewiesen auf die Studie563) über Justus Jonas zur Feier seines 400jährigen Geburts-
tags am 5. Juni. -- Riehl als Herold deutschen Volkstums hat aus Anlass seines
70. Geburtstags durch Nord 564) eine schöne Würdigung gefunden. — Anerkennens-
wert ist, dass Stöber, der unermüdliche Vorkämpfer des Deutschtums im Elsass,
geschildert wird, von Bräutigam 565), — Unerschöpflich scheint das Interesse an
a M. 0,80. — 536) X id., Hist. des juifs, trad. de Tallemand par M. Bloch, t. 4 Paris, Durlacher. 476 S. Fr. 5,00. —
537) A. Neubaner n. M. Stern, Quellen z. Gesch. d. Juden in Deutschland. H. B., Siraion. XXIX, 224 S. M. 8,00. ([M.HL.21,
S. 15;7.J| (Vgl. auch JBL. 1892 I 4 : 799.J — 538) X A. Jellinek, Kontres Ha-Maskir. Bibliogr. über d. Namen d. Juden,
alphnbet. geord. nebst e. Anh. über d. Glossen z. Talmud v. Rabbi Aschkenasi (Hebr). l'. Aufl. Wien, Lippe. VH, 40 S.
M. 1,00. — 539) A. Snlzbach, D. relig. u. weltl. Poesie d. Juden vom 7.-16. Jh. Trier, Mayer. 216 S. M. 3,75. — 540) A.
Gerecke, D. Verdienste d. Juden um d. Erhaltung u. Ausbreitung d. Wissensch. Zürich, Verlagsmag. 47 S. SI. 0,80. —
541) A. Frhr. t. Eberstein, Hervortreten d Judentums seit Anfang dieses Jh. ß., Wiegand .t Grieben. 15 S. M. 0,30. —
542) X *"• Reuss, Chr. W. Dohms Schrift über d. bürgerl. Verbesserung d. Juden (vgl. JBL. 1892 IV le:374): DLZ. S. 1212.
— 543) G. Liebe, D. rechtl u. Wirtschaft!. Zustände d. Juden im Erzstift Trier: WZ. S. 311-74. — 544) L. M. Popper,
D. Inschriften d. alten Prager Judenfriedhofes zum ersten Male vollständig entziffert. Kultnrhist. u. hist. bearb. v.
M. Popper. 1. Heft. Brnunschweig (Frankfurt a M., J. Kauffmann). 42 S. M. 2,00. — 545) O S. Hock, D. Familien
Prags. Nach d. Epitaphien d. alten jöd. Friedhofs in Prag zusammengest. Pressburg (Frankfurt a. M., J. Kauffmann). 1S92.
36, 402 S. Mit Bild. M. 6,00. |[DLZ. S. 1102/4; LCBl. S. llSO.jj — 546) X E. Emil, Erinnerungen e. alten Prägers.
Ghettogeschichten aus vergang. Tagen. L., Malende. 352 S. M 3,00. (Norellistisch.) — 547) O G. Tobler, Bern u. d.
Juden: BernerTb. 42, S. 117-41. — 548) X R- G.. D- Familie v. Wuthenau: Bär 19, S. 741/3. — 549) X H. Zeller- Werd-
müller, D. Freien v. Eschenbach, Schnebelburg u. Schwarzenberg : ZürichTb. 16, S. 75-132. — 550) X Th. v. Ditfnrth,
D. Gesch. d. Geschlechts v. Ditfurth II. (Vgl. JBL. 1892 I 4:786.) 1[GGA. S. 143,4.J| - 551) X Chrn. Meyer, Hohen-
zollerische Forschungen. Jb. für d. Gesch. d. Hohenzollern. 2. Jahrg. München, Selbstverl. 232 S. M. 15,00. — 552) |W.
Zahn], D. Memoiren d. Junkers Augustus v. Bismarck: JbAltmärkGV. 23, S. 90-105. — 553 j X Z. Bartsch, Steiermark.
Wappenbuch 1567. Graz, Moser. 180 S. M. 3,60. — 554) X E. Schnitze, Magdeburger Geschlechterwappen aus d. 16. u.'
17. Jh.: GBUMagdebnrg. 28, S 63-99. — 555) X J- Siebmachers grosses u. allgem. Wappenbuch IV. Nürnberg, Bauer & Raspe.
775 S., 504 Taf. M. 210,00.-556) X E. Frhr. v. Sacken, Katechismus d. Heraldik. .5. Aufl. Mit 215 Abbild. L., J. J. Weber.
XVI, 155 S. M. 2,00. — 557) K. Primbs, Uebersicht v. Testamenten aus d. Arch. d. ehemal. Reichsstadt Kegensbnrg:
ArchZ. 4, S. 257 93 — 558) O Th. Schön, D. Reutlioger Patrizier- u. Bürgergeschlechter b^s z. Reformation: GBllReutlingen. 4,
S. 13,6, 30,2, 44-54, 70/2, 83,8, 97-101. — 559) X F- Bares, Siechticke a erbovni rodiny v raeste Boleslava Mladeho v letech
1471-1620. (Adels- n. Erbgeschlechter d. Stadt Jnngbunzlan.) Progr. Jungbunzlau. 49 S. — 560) X 0. Gerland, D.
Familie Du Ry. (= Gesch. hugenott. Familien. IIL) B., Mittler. 23 S. M. 0,75. — 561) X W. Meister, D. Familie Meister.
Markgrabowa, Czygan. 24 S. (Nicht im Handel.) — 562) J. Gross, Z. Gesch. d. Heydendorffschen Familie: AVSbnbgL. 24,
1892, S. 233-346. — 563) Z. Jubelfeier d. 400 j. Geburtstages v. Dr. Justus Jonas: MagdZg». N. 23. — 564) H. Nord,
W. H. Riehl: TglRsB. N 114. - 565) L. Bräutigam, D. treueste Hüter d. dtsch. Sprache im Elsass: ZDU. 7, S. 647-50.
8*
I 4:566-593 G. Liebe, Kulturg-eschichte.
Personen, die ein solches nur durch ein Rätsel erwecken. Hoffentlich ist das neue
Buch über Kaspar Hauser endlich das letzte. Die Tochter von dessen Gönner Lord
Stanhope, die Herzogin von Cleveland ^^6^^ wendet sich darin gegen die
wider ihren Vater ausgesprochenen Verdächtigungen, als sei derselbe der Urheber
von Hausers Tod, den sie nach genauester Prüfung als unbeabsichtigten Selbstmord
auffasst.56') — Das pseudonyme Buch Artins^e^j (yg-i. jbl. 1892 I 4 : 839) erfährt
scharfe Kritik-^e«) —
Zur Kultur der Gegenwart. Erscheint es angezeigt, zum Schluss
einen Blick auf die unsere Zeit beherrschenden Strömungen zu werfen, so wird dabei
noch weniger als bei der Vergangenheit Vollständigkeit erzielt werden. Es werden
nur besonders charakteristische Erscheinungen flüchtig berührt werden können. —
Eine ebenso allgemeine wie rücksichtslose Kritik ist das Hauptkennzeichen unserer
Zeit; ein Beispiel für beides liefert das Werk von Brodbeck ^'''*j, das aus 10 Wissen-
schaften je 10 Ansichten als Irrtümer bezeichnet ; neben vielen treffenden Bemerkungen
erscheint doch manches zu sehr nur als Behauptung. — Gross ist die Zahl der
Aeusserungen über einzelne Fragen, hauptsächlich socialer Natur. Das recht aus
Beobachtung der Wirklichkeit hervorgegangene Schriftchen „Aus einer modernen
Junggesellenklause" ist in 2. Auflage erschienen^'''); es lässt erkennen, wieviel
gesunder Sinn in unserer Zeit immer noch vorhanden ist, aber unter einem bequemen
Skeptizismus erstickt wird.^''^"^'^) — Das Buch von S c h m id t- Wei s s en f e 1 s^")
enthält zwar keine tiefen Forschungen und manche Lücken, schildert aber gewandt
und in gefälliger Form die Mittel der modernen Kapitalbildung, Maschine und
Spekulation, sowie den Vorgang selbst an einer Reihe von Beispielen aus den ver-
schiedensten Gebieten. Die Bekämpfung durch genossenschaftliche Bildungen der
Arbeiter und die Wirkung des Kapitalismus auf Presse, Litteratur, Kunst findet
Beleuchtung, den Schluss bildet das versöhnende Gegengewicht der regen Wohl-
thätigkeit. — Den Mittelpunkt wie des Interesses so der litterarischen Thätigkeit
bildet selbstverständlich die Entwicklung des Socialismus. Eine Anzahl von Arbeiten
beschäftigt sich mit seiner Geschichte und seinen Ideen^''**"^**^). Trostlos ist es zu
sehen, wie seine Verfechter vielfach vom Boden doktrinärer Verkennung der mensch-
lichen Natur ausgehen. — In Dodels^^^) Schrift ist von Interesse nur die Schilderung
der Zustände in der von den Socialdemokraten Deutschlands für ideal angesehenen
Schweiz. — Vogts ^^'') Versuch, die Resultate der modernen Socialwissenschaft dem
Volke zu vermitteln, müsste, wenn überhaupt von Segen, schon an der W^eitschweifig-
keit scheitern. Das Werk gipfelt in der Hoffnung auf .eine Gesellschaft, der gegen-
über die gewöhnlichen Utopien noch viel zu staatssocialistisch sind. Der Frage,
woher da der Sporn zur Arbeit kommen solle, begegnet er mit der Zuversicht, er
werde schon „eingetrichtert" werden. s**^) — Die Ausmalung des zukünftigen Zustandes
beschäftigt auf das lebhafteste die Geister, davon zeugen die Neuauflagen und Ueber-
setzungen bekannter Schriften. ^^^'^^^j — Fr ot scher ^^^^ giebt eine volkstümliche
Darstellung früherer kommunistischer Ideen von Plato an. — Ein wachsendes Interesse
erregt der Zweig der socialen Frage, der sich mit der Stellung der Frauen beschäftigt.
Auch hier ist die Beobachtung zu machen, wie statt wirklicher Verhältnisse willkür-
liche Hypothesen zum Ausgangspunkt genommen werden. Die unsinnige Voraus-
setzung einer nur gewaltsam zerstörten Gleichheit beider Geschlechter bildet den
— 566) Cleveland [Dtichess of], Trne story of Kaspar Häuser from documents. London, Macmillan. 112 S. Sh 4/6. —
567) X Elizabeth Evans, The story of Kaspar Hauser, from authentic records. London, Swan, Sonnenschein & Co. Sh. 15,00.
|[ WestmR. 139, S. 188/9.J | - 568) X ^LBl. 2, S. 426/7. — 569) X F- B ö 1 a u . Geheime Geschichten n. rätselhafte Menschen. HI. (= ÜB.
N.3106) L.,Eeclam. 83S.M.0,20. (Vgl. JBL. 1892 I 4: 841.) - 570) A. Brodb eck, D.Welt d. Irrtums. 100 Irrtümer aus d. Gebieten
d.Philosophie.Matheraatik, Astronomie, Naturgesch., Medizin, Weltgesch., Aesthetik, Moral, Socialwissenschaft, Keligion. L., Friedrich.
V, 112S. M. 1,50. — 571) Ans e. modernen Junggesellenklause. E. Inventur. 2. Aufl. L, Müller. 85 S M 1,00. — 572) XiA. Eitelberg,
Unmoderne Ansichten über d. moderne Kult. (vgl. JBL. 1892 I 4 : 851): DDichtung. 14, S. 101. - 573) X D- Militarismus u. d. Kult.:
AMZg. 68, S. 305/6. — 574) X D- Militarismus u. d. militär. Geist in Deutschland: ib. S. 385/8, 393/7. — 575) X ö. Grupp,
D. Kampf gegen d. Geist in d. heutigen Gesellschaft: HPIJll. 111, S. 359-67. — 576) X H- Raydt, Ueber Jugend- u. Volks-
spiele: DWBl. S. 308,9. — 577) E. Schmidt- Weissenf eis, Gesch. d. modernen Reichtums in biogr. u. sachlichen Beispielen.
B., Seehagen. VUI, 391 S. M. 6,00. |[BLU. S. 780/1; DRs. 76, S. 479.j| - 578) X 0- Warschauer, Gesch. des Socialismus
u. Kommunismus im 19. Jh. (vgl. JBL. 1892 IV Ib : 42) |[DWBI. S. 456: ÜLBl. 2, S. 368/9; RCr. 36, S. 430 ll — 579) O T.
v. Wyzewa, Die socialist. Bewegung in Europa (vgl. JBL. 1892 I 4:411). |[N&S. 64, S. 410,1.]] - 580) X C- Dohany, D.
Entwicklungsgesch. d. Socialidee: Geg. 43, S. 375/7. — 581) X La democratie socialiste alllemande devant l'hist. Lille, Delory.
31 S. — 582) O F. Zanetti, II socialismo, sue cause e suoi effetti. Torino, Tip. Salesiana. 16". 668 S. L. 3,50. — 583) O
E. Schal], D. Socialdemokratie in ihren Wahrheiten u. Irrtümern u. d. Stellung d. protest. Kirche x. soc. Frage. B., Staude.
XI, 372 S. M. 3,00. |[BLU. S. 503/5.]| — 584) X K. Hageneier, D. psycholog. Moment in d. Socialdemokratie: Ges. S. 6-10.
— 585) X R- Derfel, Landläufige Irrtümer über Socialismus. Aus d. Engl. v. F. Hei gl. Bamberg, Handels-Druck, u. Verl.
12°. 47 S. M. 0,60. — 586) A. Dodel, Bauer, Arbeiter u. Wissenschafter. 3 gemeinverständl. Vortrr. (= Aus Leben u. Wissen-
schaft. Vortrr. u. Aufsätze. 1. Lfg.) St., Dietz. VI, 127 S. M. 0,75. (S. u. N. 597.) — 587) J. Vogt, E. Welt- u. Lebens-
anschauung für d. Volk. III. : D. Gesetze d. wirlschaftl. Entwicklung. Lfg. 62-83. L., Wiest. S. 997-1343. ä M. 0,10. — 588) X
J. Wolf, Socialismus u. bürgcrl. Wirtschaftsordnung. Vortr. : AZg». N. 73. — 589) X^h. 11 ertzka, Freiliind. E. soc. Zukunfts-
bild. 7. Antl. Dresden, Pierson. XIX, 341 S. M. 2,00. - 590) X E. Richter, Oü mene le socialisme. Paris, Chaix. 80 S.
Fr. 1,50. — 591) X id., Pictnres of the socialistic future. London, Sonnenschein. Sh. 2. — 592) X M. B rasch, Bellamys Vor-
gänger. E. Studie: l>R. 1, S. 256-62. — 593) P. Frotscher, Socialdemokraten aus alten Zeiten. (== Sachs. Volksschriften-
F. Vog-t, Volkskunde. I 4 : 594-615 I 5
Ausgang-spunkt für Ausführung'en teils demag-ogischer, teils — hysterischer Natur.
Weithin macht sich der Einfluss von Bebels^^^-sos-) Buch bemerkbar, das Geist
und Kenntnisse darauf verwendet, das Gefühl der Knechtschaft nicht nur zwischen
den Klassen, sondern auch zwischen den Geschlechtern zu verbreiten. Von seinem Ein-
fluss zeuget nicht nur die Zwanzigzahl der Auflagen, sondern auch die Wirkung*
auf unklare Köpfe. — Mit Ansichten, wie die des M a c h e t e s^^^), dass in
der Stellung- des Weibes als Gattin und Mutter eine Entwürdigung lieg-e, ist
allerding-s eine Verständigung- auf dem Boden sittlicher Anschauung- nicht mehr
mög-lich^^"). — Viel zu selten wird, wie von einem Unbekannten^^^), die vernünftig-e
Beschränkung auf das der Natur Erreichbare gefordert^'^^). — Dies gilt auch von den
Aeusserungen, welche anerkennenswerter Weise sich mit der Stellung- der Frau im
wirklichen Leben beschäftigen^oo^^ insofern sie zu viel Gewicht auf die g-eistige
Bildung leg-en. Es ist keine Lösung-, wenn man wie Helene Lang-e^^') g-ar noch
die Frauen in das ausgefahrene Geleise veralteter klassischer Bildung zerren will602-605^^
— Tröstlich ist bei so allsei tig-er Erkenntnis des Schlechten der sich regende Eifer nach
Besserung-. Das Streben ist erwacht, auch den Aermeren unsere g-eistig-en Schätze
zugänglich zu machen. Hummel^*^^) freilich täuscht die Erwartung-, mit der man
der Beantwortung- einer Kardinalfrage wie der nach Arbeiterbildung- entg-eg-ensieht,
durch die abstrakte Form. Mit Mühe findet man aus dem Wust der log-ischen Kunst-
ausdrücke die wenig-en praktischen Gedanken heraus. — Schwindr azheim^*'^) sucht
Heilung für den zwischen den verschiedenen Schichten auch im Gebiet des kunstg-ewerb-
lichen Verständnisses klaffenden Zwiespalt in einer volkstümlicheren Gestaltung- durch
Betonen des nationalen Elements, so der heimischen Natur. — Am aussichtsreichsten
ist wohl die Einrichtung von Volksunterhaltungsabenden, die Manz^"^) nach eng-
lischem Vorbild in Vorschlag bringt.^^o-) — Mehrfach haben Versuche zur Verbesserung
unserer sittlichen Lebenshaltung Würdigung gefunden. Conrad^l*^) veröffentlicht
zwei Preisarbeiten einer von der Monatsschrift „Die Gesellschaft" ausgeschriebenen
Konkurrenz. Wenn sie die Hauptmittel zur Regeneration in hygienischen Massregeln
sehen, wird dem zuzustimmen sein, aber ein Hauptpunkt ist vergessen: Das frühe
Heiraten der Arbeiter. ^'i) — Der ethischen Bewegung^^-'^i^) wäre eine grössere
Berücksichtigung realer Ziele zu wünschen, auch ist die Abkehr vom nationalen
Prinzip zu bedauern. — Sieht J. B. Meyer^^^j das Heil darin, dass der Parteigeist
durch Vaterlandsliebe, diese durch weltbürgerliche Auffassung beschränkt werde,
so erhofft Friedrich Lange^'^) Rettung für die Schäden der Gegenwart von einer
starken nationalen Bewegung. —
1,5
Volkskunde.
Friedrich Vogt.
Einleitung und Allgemeines: Sammlungen N. 1; Methode N. 3; Mythologie N. 8; Quellen N. 12. —
Sammlungen volkstümlicher Ueberlieferungen einzelner Gegenden: Oberdeutschland: Baden, Elsass N. 13;
Schweiz, Baiern N. 15; Tirol N. 19; Siehenbnrger Sachsen N. 22. — Ungarn N. 27. — Mitteldeutschland N. 31. — Mähren
Verl. N. 4/5.) L., Wallmann. 12». 100 S. M. 0,75. — 594) A. Bebel, D. Frau u. d. Socialismus (D. Frau in d. Vergangenheit,
Cxegenw. u. Zukunft). 20. Aufl. St., Dietz. 386 S. M. 2,00. - 595) id., Woman, her position in the past, present and future.
London, Eeeves. Sh. 2,00. — 596) Machetes, D. unrecht d. Stärkeren in d. Frauenfrage. L., Naumburg. 72 S. M. 1,50. —
597) A. Dodel, Vom Weib, seine soc. Stellung u. seine Befähigung. E. Menschwerdungsfrage. (= Leben u. Wissenschaft.
Vortrr. u. Aufsätze. 2. Heft [St., Dietz. S. 129-264. M. 0,75.], S. 171-230.) (S. o. N. 586.) - 598) Zur Frauenfrage im allgemeinen
u. bei uns: BaltMschr. 40, S. 649-61. - 599) X H. Kötzschke, D. christl. Standpunkt in d. Frauenfrage. 1./3. Aufl. L.,
Werther. 91 S. M. 1,00. |[BLU. S. 542.]| — 600) X Lina Morgenstern, Gesch. d. dtsch. Franenf rage u. Statistik d. Frauen-
arbeit auf allen ihr zugänglichen Gebieten B., Dtsch. Hausfrauenzg. 248 S. M. 3,00.-601) X Helene Lange, Entwicklung
n. Stand des höheren Mädchenschulwesens in Deutschland. B., K. Gaertner. 69 S. M. 1,20. |[LCB1. S. 1318.]| — 602) X K.
Walck er, Anteil d. Frauen am geistigen Leben. (= Samml. päd. Vortrr. Her. y. W. Mey er-Markau Bd. 5, N. 10.) Bielefeld
Helmich. 15 S. M. 0,40.-^ 603) X Alice Bousset, Zwei Vorkämpferinnen für Frauenbildung: Luise Büchner, Marie Calm'.
(= SGWV. N. 168) Hamburg, Verlagsanst. 53 S. M. 1,00. - 604)Emily Crawford, Journalism as a profession for woman !
ContempB. 64, S. 362-71 — 605) M. Vachon, La femme dans l'art Les protectrices des arts ; les femmes-artistes. Avec 400 grav
Paris, Kouam et Cie. VI, 618 S. Fr. 30,00. |[NAnt. 45, S. 179-80.]| - 606) F. Hummel, Was lässt sich z. Pflege e. gediegenen
echt volkstüml. Bildung in d. Arbeiterkreisen thun? Gekrönte Preisschrift. Heilbronn, Salzer. VIII, 127 S. M. 1,60. — 607)
0. Schwindrazheim, Hie Volkskunst! (= Tages- u. Lebensfragen her. v. W. Bode N. 13/4.) Bremerhaven, Tienken. 34 S
Mit 8 Taf, M. 0,50. - 608) G. Man-/,, Volksunterhultungsabende: Geg. 44, S. 185/6. - 609) X E. Heilborn, Hintertreppen-
htt. n. deren Bekämpfung: Nation^. 10, S. 215/6. - 610) M, G. Conrad, Z. Wiedergeburt d. Kulturmenschheit: 2 preisgekrönte
Arbeiten ^H. Solger: Was ist z. Verbesserung unserer Race zu thun? M. Seiling: D. Regeneration d. Menschengeschlechts)
Bamberg, Handelsdruck, n. Verl. VI, 44 S. M. 0,75. - 611) X Martins, D. jetzigen Mässigkeitsbestrebungen in Deutschland,
Oesterreich,Eussland, Norwegen: KM. 12, S, 619-43, 691-711.- 612) X W.Förster, D. Begründung e. Gesellschaft für ethische
Kultur. Rede. B., Dümmler. 1892. 21 S. M. 0.40. |[DR. 2, S. 143/41| - 613) X Lily v. Kretschman, D. ethische Be-
wegung in Deutschland: N&S. 64, S. 186-204. - 614) J. B. Meyer. Vaterlandsliebe, Parteigeist u. Weltbürgertum im dtsch.
Reiche. (= DZSF. N. 108.) Hamburg, Verl.-igsanst. 54 S. M. 1,00. - 615) X F- Lange, Reines Deutschtum. Grundzüge e,
nation. Weltanschauung. B., Lüstenöder. V, 228 S. M. 2,00. —
15:1-6 F. Vogt, Volkskunde.
N. 38. — Niederdentschland : Pommern, Mecklenburg, Ostfriesland N. 39; Westfalen, Saterland, Lübeck N. 43. — Einzelne
Volksbräucbo: Wettlaufen N. 50; Frühling, Ostern, Maifest N. 52; Weihnachtsfest N. 61; Vereinzeltes N. 67. — Aber-
glauben: Geheinunitlel N. 81; Volksmedizin N. 90; Pflanzenglanben N. 106. — Seelenkult und Dämonenglauben :
Hexenwalin N. 113; Tenfelglaubcn N. 115; Geisterglauben N. 117. — Sagensamm lungen; allgemeine N. 152; aus einzelnen
Gebieten: Oberdentschland N. 154, Mitteldeutschland N. 168, Niederdeutschland N. 188. - Märchen: Sammlungen N. 200;
Geschichte der Stoffe N. 220a. — Volkslied: Allgeraeines N. 245; Samnilnngen; umfassende N. 259, aus einzelnen Land-
schaften: Oberdeutschland N. 262, Mitteldeutschland N. 280, Niederdeutschland N. 291 -Verschiedenes: Sprüche N. 302.
— Sprichwörter N. 311 — Volkswitz, Redensarten N. 328. — Namengebung N. 356. —
Wenn von jetzt an — um ein einleitendes Wort vorauszusenden — die
Volkskunde in den JBL. ein besonderes Kapitel einnehmen wird, so entspricht das
der wachsenden Ausdehnung", Selbständig-keit und Bedeutung- dieser Wissenschaft,
die einerseits durch die Erschliessung- und Erforschung- der mündlichen Ueber-
lieferungen, andererseits durch ihre verg-leichende Methode das Studium der philolo-
gischen Realien ähnlich zu ergänzen und zu fördern berufen ist, wie die Mundarten-
forschung und die vergleichende Sprachwissenschaft des Studium der Grammatik.
Freilich tummelt sich der Dilettantismus wohl auf keinem Gebiete der Philologie
mit so grosser Vorliebe wie auf diesem, und das Gepräge des Dilettantischen trägt
weitaus der grösste Teil der volkskundlichen Litteratur. Aber das ist kein so grosses
Unglück. Für die Beschaffung des Materials ist gerade hier die Beihülfe der
Dilettanten dem Gelehrten ganz unentbehrlich, und was aus dem Munde des Volkes
an Sagen, Märchen und Liedern, an Sitten, Bräuchen und Meinungen gesammelt
wird, ist nicht minder poetischen und nationalen als wissenschaftlichen Interessen zu
dienen berufen. Wenn nur daneben auf diesem Felde die philologisch geschulten
Arbeiter von strenger Methode und weitem Gesichtskreise nicht fehlen, so wird schon
für seine wissenschaftliche Ausnutzung und für die Abwehr dilettantischer Uebergriffe
gesorgt sein. —
Die Namen zweier bewährter Forscher sind in diesem Berichtsjahre wieder
unter den einen allgemeinen Charakter tragenden Sammln n gen von Schriften
aus verschiedenen Gebieten der Volkskunde vertreten. Wenigstens zum guten Teile
gehört der zweite Band der von Bezz enberger >) herausgegebenen kleineren
Schriften Th. Benfeys hierher. Aus seiner zweiten Hälfte (der 4. Abteilung der
ganzen Sammlung) fällt freilich höchstens die Recension von Diefenbachs „Vorschule
der Völkerkunde und der Bildungsgeschichte" und etwa noch die von Elliots „Memoirs
on the history, folklore etc. of the north western provincies of India" in unser
Bereich, insofern sie die allgemeine Volkskunde wenigstens gelegentlich berühren ;
um so wichtiger ist die erste Hälfte (3. Abteilung), die' ganz der Märchenlitteratur
gewidmet ist, und auf die wir daher unter dieser zurückkommen (s. u. N. 220a). —
In der Fortsetzung von Gustav M ey er s^) Essays betreffen zwei Aufsätze speciell
die deutsche Volkskunde. Der eine behandelt in Anknüpfung an ein Büchlein
über den Breslau er Jargon besonders die verschiedenen Elemente des schlesischen
Sprachschatzes, der andere bietet, gelegentlich einer Besprechung der fünf bei Liebes-
kind erschienenen Elzevir-Sammlungen, anregende Ausführungen zur allgemeinen
Geschichte des Volksliedes; besonders wird im Anschluss an d.ie Schnadahüpfl auf
die Verbreitung des Vierzeilers bei den verschiedensten Völkern hingewiesen. —
Dass bei dem besonderen Charakter der volkskundlichen Litteratur Erörterungen
über die wissenschaftliche Methode der Volkskunde keineswegs überflüssig sind,
erhellt schon aus den oben gegebenen Bemerkungen, und wenn sie zugleich durch
nachahmenswerte oder abschreckende Beispiele aus der gelehrten oder pseudo-
gelehrten Litteratur veranschaulicht werden, so sind sie gewiss um so erwünschter.
So könnte man denn die originelle Streitschrift von Krauss^) recht willkommen
heissen, die witzig genug zeigt, wie „böhmische Korallen," d. i. unechte Mythenwaren,
durch komische Irrtümer und durch gewissenlose oder chauvinistische Mache auf
den Markt kommen. Nur trägt die Satire, die sich schliesslich in der Hauptsache
zu persönlichen Angriffen auf Veckenstedt und Krek zuspitzt, einen derartigen
Charakter, dass sie einer an sich guten Sache eher schaden als nützen wird.'*) —
Einen historischen Beitrag zur Methode der mythologischen Forschung lieferte Symons,
dessen Arbeit W ein h old^) bespricht, durch einen Ueberblick über den Entwicklungs-
gang dieser Wissenschaft, während Detter^) sich mit E. H. Meyers Methode aus-
einandersetzt und die Gelegenheit wahrnimmt, Noreens skeptische Ausführungen
1) Th. Benfey, Kleinere Schriften. Ausgew. n. her. v. A. ßezzenberger. 2. Bd. 3. u. 4. Abt. B., Reuther
& Reichard. 1892. 236 S.; 156 S. M. 20,00. (S. u. N. 220a.) - 2) (I 2:49.) |[L. Fränkel: Ausland 66, S. 736; E. Wasser-
zieher: ASNS 91, S. 271,3; LCBl. S. 1583.]| — 3) F. S. Krauss, Böhmische Korallen aus d. Götterwelt. Folkloristische
Börseberichte vom Götter- u. Mythenmarkte. Wien, Rubinstein. VH, 147 S. M. 3,00. |fK Weinhold: ZVVolksk. 3, S. 348:
F. Bartels: ZEthn. 25, S. 170; L. Fränkel: Ausland 66, S. 480; A. Schullerus: KBlVSbnbgLK. 16, S 1068; H.
V. Wlislocki: EthnMUng. 3, S. 176.] | — 4)XLScherman,E, „Referat" über Volkskunde: Urquell 4, S. 234 6. (Ver-
wahrt sich gegen R. M. Meyers Referat in JBL. 1890 I 5.) - 5) K. Weinhold, Syroons, De ontwikkelingsgang der Ger-
maansche Mythologie (Groningen 1892): ZVVolksk. 3, S. 230/1. — 6) F. Detter, E. H. Meyer, Qerman. Mythologie: ADA. 19,
F. Vogt, Volkskunde. I 5 : 7-13
gegen die natursymbolische Auslegung- mythischer Einzelzüge und seine Ableitung
von einzelnen Mythen aus grammatischen Missverständnissen beifällig vorzutragen.
— Auf eine einzelne Erscheinung in der Mythenbildung weist Bruch mann'') hin,
indem er im Anschluss an V. Henry „Quelques mythes naturalistes meconnus" das
Rätsel als eine wichtige Durchgangsform in der Entwicklung der Naturanschauung
zum Mythos darstellt. —
Die Bedeutung eines Lehrbuches der deutschen Mythologie für die
deutsche Volkskunde hängt im wesentlichen davon ab, was es über Dämonen- und
Seelenglauben und über nichtchristliche Volksbräuche mit religiösem Hintergrunde
zu sagen weiss. Vorsicht ist in diesen Dingen gewiss so löblich und ratsam wie in
der mythologischen Forschung überhaupt; aber wenn man sie wie Kauffmann^)
bis zur Ablehnung aller der Hülfsmittel treibt, die der Volksglaube bietet, während
man sich in der Verwertung der skandinavischen Götterlehre und der ebenso spär-
lichen wie vieldeutigen lateinischen Inschriften für die deutsche Mj'thologie eine ent-
sprechende Zurückhaltung nicht auferlegt, so ist doch das methodisch sicherlich
nicht zu rechtfertigen. Dagegen soll nicht geleugnet werden, dass den Kreisen, für
welche die Göschensche Sammlung bestimmt ist, am meisten mit einer Behandlung
gedient sein mag, die, wie es hier geschieht, die nordische Götterlehre in den Vorder-
grund rückt. Aber eine „deutsche" Mythologie ist das Büchlein, dem die geschickte
Auswahl und die lebensfrische Gestaltung des Stoffes in kurzer Frist eine zweite
Auflage verschafft haben, bei alledem nicht, undderVf. hätte nicht durch diesen Titel ver-
alteten und ohnehin schwer auszurottenden Vorstellungen Vorschub leisten sollen, die
ihm selbst ja im Grunde fern genug liegen.^) — Mit einer Erörterung zum Wesen
der Sagenbildung setzt Schwartz'Oj die im vorjährigen Berichte (vgl. JBL. 1892
I 4 : 204) besprochenen Bemerkungen über charakteristische Formen volkstümlichen
Denkens und Empfindens fort, indem er zeigt, wie die historischen Erinnerungen
durch das Hineinrücken in diesen beschränkten Horizont umgestaltet werden. Er-
eignisse und Zustände konzentrieren sich auf Personen, die zu Typen ausgestaltet
werden, grosse Zeiträume werden lediglich nach einer charakteristischen Erscheinung
beurteilt und benannt, und das eine wie das andere rückt gewissermassen dem Leben
des Volkes allmählich nach, indem die früheren Träger der Tradition durch neue
abgelöst und die Erscheinungen älterer Perioden auf jüngere übertragen werden.
Dabei ist das Gedächtnis des Volkes recht kurz ; im allgemeinen greift es nicht über
das dritte und vierte Geschlecht zurück. Einige hübsche Zeugnisse für diese Eigen-
heiten volkstümlicher Geschichtsauffassung sind beigefügt. — Eine ganz andere Art
der Bildung volkstümlicher Vorstellungen betrifft Höf 1er s i') kleine Studie, die
neben allgemeinen physiologischen und psychologischen Bemerkungen die sprach-
lichen Bezeichnungen und besonders die Sitten und Gebräuche, die mit dem Ge-
ruchssinn in Beziehung stehen, erörtert. —
Von den Quellen der Volkskunde sind neben den Ueberlieferungen der
Gegenwart die in der älteren Litteratur vorliegenden Nachrichten noch lange nicht
genügend untersucht und ausgebeutet. Einiges der Art hat Vogt^^) beigebracht und
dabei den Nachweis geliefert, dass das viel benutzte Kapitel vom fränkischen Fest-
jahr in Seb. Francks Weltbuch in der Hauptsache ein Plagiat aus Joh. Bohemus
„Omnium gentium mores" ist, und dass wiederum das von Birlinger zweimal ver-
öffentlichte und bis auf die neueste Zeit als Quelle citierte „Papistenbuch" nichts
weiter ist, als die schlechte Abschrift eines Stückes aus Francks Weltbuch. Zugleich
ist auf eine merkwürdige, durch Bohemus bezeugte Art .von Sühnopfer hingewiesen,
bei der am Aschermittwoch die Sünden einer Stadtgemeinde auf einen übelberüch-
tigten Menschen übertragen wurden, der sie dann abbüsste. —
Die Sammlung der volkstümlichen Ueberlieferungen einzelner
Gegenden wird mehr und mehr systematisch in Angriff genommen. Es ist sehr zu
wünschen, dass die Vertreter der deutschen Philologie an den deutschen Landes-
universitäten sich dieser wichtigen Aufgabe annehmen, denn sie sind in der Lage,
durch Anregung und Anweisung einheimischer Studenten die geeignetsten, zugleich
wissenschaftlich geschulten und mit dem Lande vertrauten Sammler für das betreffende
Gebiet zu gewinnen. Einen viel versprechenden Anfang haben in Oberdeutsch-
land für Baden in dieser Richtung Kluge, E. H. Meyer und Pfaff'^) gemacht,
indem sie durch einen eindringlichen Aufruf und durch einen zweckmässig an-
gelegten Fragebogen das Interesse für die Sache wachrufen und die Aufgaben für
die Sammler im einzelnen bezeichnen. Die „Alemannia" ist in den Dienst dieses
S. 113 9. —7) K. Bruchmann, Z. Mythendentnng: ZWolkslc. 3. S. 5.5|S; — g) F. Kauf f mann, Dtsch Mythologie. 2. Aufl.
(= Samml. Göschen N. 15). St., Göschen. 12». 119 S. M. 0,80 IfE. H. Meyer: ADA.;19, S. 289.]| (Vgl. JBL. 1890 I 5 : 13.)
— 9) X F- Losch, Mythologisches: GBURentlingen. 4, S. 746. — 10) W. Schwartz, Volkstnml. Schlaglichter. IV. D.
VVeltgesch. im Spiegel d. Volkstums: ZWolksk. 3, S. 117-30. — U) M. Höfler, D. Geruch v. Standpunkte d. Volkskunde:
ib. S. 438-48. — 12) F. Vogt, Seb. Franck u. Joh. Bohemus: ib. S. 369-72. — 13) F. Kluge, E. U. Meyer. F. Pfaff,
I 5:14-26 F. Vog-t, Volkskunde.
Unternehmens gestellt. — Aus dem Oberelsass, dem Sundg-au, bringt Faber *^)
allerlei von Volksüberlieferung-en und Sagen vor. —
Für die Schweiz bietet das von Staub, Tobler, Schoch und Bach-
mann'^) herausgegebene, allmählich fortschreitende, treffliche Idiotikon, worauf
Weinhold wieder hinwies, bekanntlich auch Beiträge zur Volkskunde, ähnlich wie
in diesem Berichtsjahr für Bayern die von Brenner und Hartmann '^J redigierten
„Mundarten".— Sepp ^''■^^) hat sein 1876 erschienenes Buch in einer Titelauflage wieder-
holt und dazu ein neues Werk veröffentlicht, das sich örtlich engere, sachlich weitere
Grenzen gezogen hat. Aber den Hauptinhalt dieser aus sehr verschiedenen Gebieten
oberbayerischer Kulturgeschichte zusammengetragenen „Denkwürdigkeiten" bilden
doch wieder Volkssage, Volkskultus und Volksglaube. Die Berührung des jüngeren
Werkes mit dem älteren ist stellenweise sehr eng, so eng, dass gelegentlich auch
eine Sage wörtlich aus ihm übernommen ist, ohne dass ein Verweis für nötig be-
funden wäre; aber das Meiste ist doch neu, und manch interessantes Material wird
geboten, beispielsweise in den Mitteilungen über volkstümliche Heiligenverehrung.
Vertrautheit mit Land und Leuten, ausgebreitete Kenntnis mündlicher Ueberlieferungen
kommen dem Vf. zu statten. Aber leider beeinträchtigt der völlige Mangel an wissen-
schaftlicher Methode diese Vorzüge in schlimmer Weise. Unbekümmert um die
neueren Richtungen und Ergebnisse der mythologischen Forschung wittert S. hinter allen
möglichen Erscheinungen des Volkslebens, hinter allen möglichen Orts- und Personen-
namen gleich uraltes Heidentum. Seine Etymologien lassen nicht ahnen, dass es
eine Wissenschaft der deutschen Philologie giebt. Es macht ihm gar nichts aus,
die Ordalien vom Urdarbrunnen, alle Egerflüsse im Ries und in Böhmen sowie die
Eider von „dem, deutschen Seegott Aegir" abzuleiten. Die heilige „Fürbet oder
Vorbet" findet er schon als Amazone Oiorpati bei Herodot vor, und nachdem die
Vorbet im Handumdrehen zur Borbet geworden ist, setzt er sie der heiligen
Barbara gleich ! Das Schlimmste ist, dass die Konfusion sich stellenweise auch auf
die Wiedergabe der Ueberlieferungen erstreckt. So ist z. B. aus einem Seiher, der
nach dem Sagenschatz (S. 21) aus einer goldhaltigen Quelle die Goldkörner auffing, in
den Denkwürdigkeiten (S. 51) ein Seilermeister geworden! Bei alledem darf jedoch
das Buch von der volkskundlichen Forschung nicht unberücksichtigt bleiben, und
man darf die Mühe nicht scheuen, das thatsächlich Wertvolle aus der wunderlichen
Umgebung herauszusuchen. —
In die Tiroler Alpen führen uns die kleinen Beiträge von Greussing'^)
und die frisch aus dem Leben gegriffene Schilderung Marie Rehseners^o) aus
Gossensass.2i) —
Eine weit umfassendere, recht verdienstliche Uebersicht über die Gegenstände
und die Erscheinungsformen des Volksglaubens bei den Siebenb ürger Sachsen
giebt von Wlislocki'^2-23-) unter ausgiebiger Verwertung der bezüglichen Litteratur
und auf Grund persönlicher Vertrautheit mit diesem Gebiete. Er erörtert die ver-
schiedenen Gattungen der Dämonen, die in den Vorstellungen seiner Landsleute
leben, handelt von den Bräuchen, die an den grossen Jahresabschnitten und an den
einzelnen Festtagen begangen werden, führt in einem Abschnitt, für den ihm am
meisten neues Material zur Verfügung stand, die Mittel und die Sprüche vor, mit
denen Krankheiten geheilt, das Glück gefesselt, dem Unglück gew^ehrt wird ; er
zeigt, welche Rolle die Tiere im sächsischen Volksglauben spielen, und behandelt
endlich die Anschauungen, Bräuche und Zaubermittel, die sich auf den Tod beziehen.
In den Auslegungen ist er ziemlich unselbständig; der Wert des Buches liegt in der be-
quemen Zusammenstellung eines reichen Materials. -^"25) — Während das Korrespondenz-
blatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde der Volkskunde neben der Ge-
schichte gewidmet ist, zeigt ein Fragebogen, den Seh ullerus^^), der Herausgeber
des Korrespondenzblattes, zusammen mit 0. Wittstock aufgestellt hat, dass auch in der
alten Sachsenkolonie volkskundlichen Sammlungen eine besondere Fürsorge ge-
widmet wird. —
Fragebogen ■/-. Samml. d. volkstüral. Ueberlieferungen in Baden: Alemannia 21, S. 301,4. — 14) K. W. Faber, Sagen u.
Volksgebräuche aus d. Sundgau: JbGElsLothr. 9, S. 4-75. — 15) Schweizerisch. Idiotikon. Wörterbuch d. schweizerdtsch,
Sprache. Ges. auf Veranstaltg. d. Antiquar, Ges. in Zürich. Bearb. v. F. Staub, L. Tobler, R. Schoch u. A. Bach-
mann, lieft 21-25. Frauenfeld, J. Huber. 4". 2. Bd. S. 1809-40; 3. Bd. S. 1-767. ä M. 2,00. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 3,
S.1078.]| —16) Bayerns Mundarten. Beitrr.z. dtsch. Sprach- u. Volkskunde her. V. 0. Bre nn er u. A Hartraann. 2. Bd., I.Abt,
München, Kaiser. 160 S. M. 4,00. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 3, S. 342; L. Hertel: ZDU. 7, S. 777.J[ - 17) J. N. S e p p ,
AUbayerisch. Sagenschatz z. Bereicherung d. indogerra. Mytholog. Mit 7 Illustr. Neue Ausg. München, Galler. XVI, 735 S.
M. 8,00. — 18) (I 4:446.) — 19) P. Greussing, Sagen u. Gebräuche im Stubaithal in Tirol: ZVVolksk. 3, S. 169-76. —
20) Marie Rehsener, Aus Gossensass. Arbeit u. Brauch in Haus, Feld, Wald u. Alm: ib. S. 40-55. — 21)XE Friedel,
Beobachtungen z. Ethnologie u. Volksk. in Pommern u. Tirol: VGAnthr. S. 554/6. (7 kleine Notizen.) — 22) H. v. Wlislocki,
Volksglaube u. Volksbrauch d. Siebenbnrger Sachsen. (= Beitrr. z. Volks- u. Völkerkunde. Bd. 1.) Weimar, Felber. 212 S.
M. 5,00. |[A. John: ZVVolksk. 3, S. 465; A. Schlossar: BLU. S. 631'2; P. Bartels: ZEthn. 25, S. 102; K. Pröll:
NatZg. 46, N. 465.]| - 23) X i^^. Neue Beitrr. z. Volksk. d. Siebenbürger Sachsen: EthnMUng. 3, S. 18-46. — 24) X Z.
Volksk.: KBlVSbnbgLK. 16, S. 50/2. 65-70, 129-32. - 25) X V. Roth, Z. Aberglauben v. Klein-Bistritz: ib. S. 134/5. - 26)
F. Vogt, Volkskunde. 15-. 27-«
Ganz der Volkskunde dienen auch die Ethnolog-ischen Mitteilungen aus
Ungarn, die unter A. Herrmanns^") Leitung erscheinen; doch treten in dieser
Zeitschrift, deren bedrohte Existenz jetzt durch das thätige Eingreifen des Erzherzogs
Josef gesichert ist, naturgemäss die deutschen Verhältnisse nicht gerade in den
Vordergrund. — Aehnlich wie den siebenbürgischen hat Wlislocki^s) auch den
magyarischen Volksglauben behandelt. Natürlich stimmen die betreffenden Vor-
stellungen und Bräuche bei Sachsen und Magyaren vielfach überein, da in diesem
Falle zu dem internationalen Gemeingut noch nachbarliche Beeinflussungen kommen;
übereinstimmend äussert sich hier wie dort aber auch der Standpunkt des Vf., be-
sonders sein enger Anschluss an Lipperts Anschauung'en ; so fehlt es denn nicht
an fast gleichlautenden Partien. Für die deutsche Volkskunde würde es von be-
sonderem Werte gewesen sein, wenn W. die Besonderheiten deutscher Kolonien in
magyarischer Umgebung mehr berücksichtigt hätte. Wir würden dann wohl noch
öfter so interessante Erscheinungen erfahren wie die, dass im Unterschiede von
den sonst in Ungarn herrschenden Johannisbräuchen bei der aus Magyaren und
Deutschen gemischten Bevölkerung eines Dorfes das Scheibentreiben vorkommt, bei
dem dann die deutschen Burschen nach der bis in das Elsass hinüberreichenden
Sitte die Widmung an die Geliebte rufen (S. 63). Magyarische Eigenheiten treten
besonders in dem Kultus der. „Geburtsgöttin" und in vielen Zauberbräuchen zu Tage,
die vor allem auch der sehr entwickelten Schatzgräberei dienen. Interessant ist es
zu vernehmen, dass noch heute in Ungarn förmliche Verschreibungen an den Teufel
vorkommen.29 30) —
Durch kleinere Mitteilungen sind von Mitteldeuts chla nd das bayerische
Mittelfranken 3 • ), Aschersleben ^2-)^ ^[q Grafschaft Mansfeld33) vertreten. 3*) — Ferner
Nordböhmen 3^), die Lausitz ^ej^ Mittelschlesien 3''). —
Zur deutsch-mährischen Volkskunde bietet uns Willib ald Müller ^^) eine
reichhaltige Sammlung, die er mit Benutzung des in Zeitschriften zerstreuten Materials
und schriftlicher Beiträge einer Anzahl von Landsleuten zusammengestellt hat. Auf
eine Sammlung von Sagen und Märchen folgt ein Abschnitt, der die Hauptmundarten
der deutschen Sprachgebiete in Mähren unter dankenswerter Mitteilung von
Dialektproben charakterisiert. Ein wiederum nach einzelnen Landschaften gegliedertes
Kapitel schildert die Besonderheiten der Bewohner in ihren Lebensverhältnissen, in
Tracht und Sitte, Glauben und Brauch, wobei denn auch Proben der Volksdichtung,
unter ihnen auch Christkindelspiele, mitgeteilt werden. An wissenschaftlicher Methode
lässt das Werk allerdings manches vermissen. Die an verschiedenen Stellen ge-
machten Versuche, nachzuweisen, dass Reste der ersten germanischen Bevölkerung
Mährens die slavische Einwanderung überdauert hätten, müssen als missglückt be-
zeichnet werden. Am meisten aber ist der Mangel jeglichen Quellennachweises bei den
einzelnen Stücken zu tadeln. Von einem nicht geringen Teil der Sagen getraue ich
mir mit Bestimmtheit zu behaupten, dass sie mindestens nicht in dem blühenden
Stile, in dem sie uns hier vorgetragen werden, aus dem Volksmunde stammen. Immer-
hin können besonders die beiden letzten Abschnitte des Buches ungefähr ein Bild von
der Beschaffenheit der Mundarten und der reichen Volksüberlieferungen Deutsch-
Mährens geben, und im ganzen ist das Werk recht wohl geeignet, seinem aus-
gesprochenen Zwecke gemäss zu weiteren Sammlungen anzuregen. —
In Niederdeutschland ist für Pomra e rn^^) durch die von Knoop und
Haas*'') gegründete Zeitschrift, für Mecklenburg durch die von Wossidlo^^j
mit voller Sachkenntnis, warmer Hingabe und glücklichem Erfolge unternommenen
KBlSbnbgLK. her. v. A. S c hnll e rn s. Bd. 16. Herrmanstadt, W. Krafft. VUI, 168 S. M. 2,00. (Fragebogen S. 95.) — 27)
Ethnolog. Mitteilungen aus Ungarn. Zeitschr. für d. Völkerk. Ungarns, her. v. A n t. H e r r m a n n. 3. Bd Budapest, V.
Hornyänsky. 296 S. Fl. 6.00. |[M. Höfler: ZVVolksk. 3, S. 345; F. Bartels: ZEthn. 25, S. 1712; S. Krauss: Ur-
quell 4, S. löl.Ji — 28) H. V. W 1 i s 1 0 c k i , Aus d. Volkslehen d. Magyaren. München, Huttier. IS3 S. M. 7,00. |[K. J. Schröer:
ZVVolksk. 3, S. 346 (mit verschiedenen Ausstellungen u. Berichtigungen); F. S. K. : Urquell 4, S. 32; J. Kont: RCr. 36,
S. 3589; L. Frey tag: COIEW. 21, S. 505/6; Ausland 66, S. 512 Jl — 29) X L. Mä t y ä s , Aas d. Volksglauben d. Schwaben
V. Solyinär, Szent-Irän u. Hidegküt: EthnMUng. 3, S. 162 5, 244 7. — 30) X Ä. Herrmann, Ans d. Dobsinaer Volksglauben:
ib. S. 106 7. — 31) X ^' Rothbart, Aus Mittelfranken : Bayerns Mundarten 2, S. 1458. {Festbräuche u. e. Sage aus Nüro-
berg u. Umgegend.) — 32)XE- Strassburger, Volkstüml. Bräuche u. Aberglauben in Aschersleben : ALVKS. 3, S. 148-59. —
33) XH. Grössler, 5. Nachlese v. Sagen u. Gebräuchen d. Grafsch. Mansfeld u. deren nächsten Umgebungen : MansfelderBlI. 7,
S. 162-77. — 34) X P- E. Richter, Litt. d. Landes- u. Volksk. d. Königr. Sachsen. 1. Nachtr. Dresden, Huhle in Komm.
43 S. M. 0,60. (Enthält verstreut auch einige volksknndl. Litt.) — 35) X Volkstümliches: MNordböhmExcursClub. 16, S. 133,8.
(V. verschiedenen Vf.) — 36) X W. Schwartz, Volkstüml. aus d. alten Lausitzer Gegend v. Flinsberg: NLausitzMag. 3,
N. 1. — 37) 'X, Ang. Baumgart, Aus d. mittelschles. Dorfleben: ZVVolksk. 3, S. 144 5. (Sitten u. Gebräuche bei d. Kon-
firmation, d. Hochzeit, d. Geburt u. Taufe, d, Tod n. Begräbnis, bei Festgelagen u. Mahlzeiten.) - 38) Willibald Müller,
Beitrr. z. Volksk. d. Deutschen in Mähren. Wien u. Olmütz, Graeser. VIII, 446 S. M. 4,00. |[F. P. Piger: ZVVolksk. 3,
S. 342; A. Schlossar: BLU. S. 633.]| — 39) X (S. o. N. 21.) — 40) Bll. für Pommersche Volkskunde. Mschr. für Sage
u. Märchen, Sitte u. Brauch, Schwank u Streich, Lied, Rätsel u. Sprachliches in Pommern her. v. 0. Knoop u. A. Haas.
1. Jahrg. Stettin, J. Burmeister. 192 S. M. 4.00. |fH. M(ielcke): KBlVNiederdSpr. 16, S. 78,9.]! — 41)R. Wossidlo,
Jahresberichte für neuere deutsche Lilteraturgeschichte. IV. 9
1 -5 : 42-52 F. Vogt, Volkskunde.
Sammlungen gesorgt. Kleinere Mitteilungen sind dem ostfriesischen*^) Gebiete
gewidmet. —
Aus dem Westfälischen liefert Hüser^^) interessante kleine Beiträge,
welche Volksbelustigungen und Volksbräuche (auch den Schwerttanz), ferner Flur-
namen, Zauber und Gegenzauber betreffen; dazu zwei Märchen und ein Arzneibuch
aus dem Paderbornischen. — Eine reichhaltige und vielseitige Monographie wurde
der Bevölkerung des Saterlandes von Siebs^*) gewidmet. Sie behandelt die Ge-
schichte, das Recht und die Verfassung des nach S. zwischen 1200 und 1400 aus
Ostfriesland in die niedersächsische Umgebung eingewanderten Völkchens, seinen
Hausbau, der den reinen sächsischen Typus zeigt, die Sitten und Gebräuche, den
Aberglauben, die Lebensweise und die Erwerbsquellen, endlich auch seine Sprache,
die zwar von den plattdeutschen Nachbarn nicht unbeeinflusst geblieben ist, ihre
ostfriesische Eigenart aber doch genugsam bewahrt hat, um jenen unverständlich
zu sein. Da der Vf. einige Schilderungen und Erzählungen genau so wiedergiebt, wie
sie ihm bei seiner eingehenden Durchforschung des Ländchens von den Bewohnern
vorgetragen sind, so bietet er uns auch zugleich einige hübsche Dialektproben. —
Das Land zwischen Unterweser und Unterelbe betrifft eine von F r eudenthan^)
veranstaltete Sammlung von Geschichtsbildern, landschaftlichen Schilderungen, Dar-
stellungen von Volksbräuchen, Sagen, kleinen Erzählungen und Gedichten ver-
schiedener Vf. Wissenschaftliche Ziele verfolgt das Buch nicht. Seinem Zwecke, in
einer Zeit Alles verwässernder Gleichmacherei das Bewusstsein und die Pflege nieder-
sächsischer Stammesart zu fördern, kann es recht wohl dienen ; echt niederdeutscher
Charakter und echt niederdeutscher Humor spricht aus einigen der mundartlichen
Stücke, besonders aus dem freilich Kjelland nachgebildeten „Der Torfmoor" und
aus dem Märchen ,,Der Wunschring". — Zur Lübischen Volkskunde bieten die
Mitteilungen des Lübecker Geschichtsvereins verschiedene Beiträge *^"'*^). —
Unter den Schriften über einzelne Volksbräuch e^"j treten besonders
die auf bestimmte Festtage und festliche Veranstaltungen bezüglichen hervor. Dem
Zusammenhange des Wettlaufens mit dem altdeutschen Kultus geht Weinhold^")
nach, indem er die vom Volke zu Ostern, Pfingsten, Johannis, in der Herbstzeit und
am Stephanstage in gewissen Gegenden geübten Wettläufe und Wettrennen als Teil
der alten, mit Opfern verbundenen Jahrzeitfeiern betrachtet. Auch die Reste des
symbolischen Brautraubes und des Brauches, dass die Hochzeitsgäste um die Wette
laufen, ferner der Wettlauf bei Staats- und Gemeindefesten und das in mittel- und
süddeutschen Städten vom 14. bis 17. Jh. beliebte, besonders auch von Weibern aus-
geführte Preislaufen um ein Stück Tuch werden kurz und klar erörtert. Zum
Schluss wird auf gemeinsame Züge zwischen den besprochenen deutschen Bräuchen
und einem mit Wettlauf verbundenen altindischen Jahrzeitopfer hingewiesen. Bei
letzterem spielt ein auf einem Pfahle befestigtes Rad eine Rolle, wozu A. Schullerus
(im KBlVSbnbgLK. 16, S. 25) die bei den siebenbürgischen Sachsen übliche und schon
bei Cäsarius von Heisterbach nachgewiesene Form des Maibaumes vergleicht. —
Ueber den in Urach am Jakobitage begangenen Schäferlauf, ein besonders mit
Mädchenwettläufen und dem Hahnentanze gefeiertes Volksfest, handelt Hevesi^^) in
witziger Feuilleton-Manier. —
Als ältestes Zeugnis für ein deutsches F r ühl in gs feuerfest weist V o gt^^-j
die Nachricht von dem bei solchem Anlass durch das Emporschleudern einer brennenden
Holzscheibe im J. 1090 verursachten Brand des Klosters Lorsch nach. Er verfolgt
die Sitte dieses „Scheibentreibens" bis zur Gegenwart, stellt ihr Verbreitungsgebiet
und ihre nach den Gegenden verschiedene Anwendung bei Frühlingsfeuern oder
Johannisfeuern fest und kommt zu dem Ergebnis, dass das Scheibentreiben ursprüng-
lich als eine sowohl für den Sonnenlauf als für die Witterung bedeutsame Handlung
zu einer im März abgehaltenen deutschen Frühlingsfeier gehörte. Der Flug der
feurigen Scheibe gilt aber auch als Glücksorakel und man begleitet ihn mit Wunsch-
sprüchen für geliebte und verehrte Personen. Aus diesem Brauch, nicht wie bisher
aus dem Bilde vom Glücksrad, sind verschiedene Stellen bei mittelhochdeutschen
D. Samml. mecklenburg. Volksüberliefernngen : KBGV. 41, S. 213. — 42) X K. Dirksen, Aus Ostfriesland : ZWolkslc. 3,
S. 90/3. — 43) B. Hüser, Beitrr. z. Volksk. Progr. d. Gymn. Brilon. 4". 28 S. — 44) Th. Siebs, D. Saterland. E.
Beitr. z. dtsch Volksk.: ZVVolksk. 3, S. 239-78, 373-410. — 45) A. Freudenthal, Aus Niedersachsen. Schilderungen,
Erzählungen, Sagen u Dichtungen. E. Volksbuch für Alt n. Jung. Bremen, Schünemann. IX, 375 S. M. 3,00. — 46) X
W. Kruse, Aus d. Lübeckischen Volksmunde: Auslegung d. Läutens: MVLübG. S 16. — 47) X C. S ch u m a n n , Beitrr. z.
Lübeckischen Volkskunde. 5. Teile d. menschl. u. tierischen Leibes. 6. Nahrungsmittel, Speisen u. Getränke. 7. Backwaren,
S.Kleidung: ib S. ll/,5, 27-32, 42 5, 59-64. (Vgl. I 4:346.) — 48) X Anna Grube, H. Sartori, A. Benda, Alis d Volks-
munde: ib. S. 47/8. (Nachtr. zu MVLübG. 5, S. 26.) — 49) W. v. S c h u I e n bu r g, Kleine Notizen über Volksbräuche aus
verschiedenen Gegenden Deutschlands: VGAnthr. S. 278-82 — 50) K. Weinhold, D. Wettlauf im dtsch. Volksleben:
ZVVolksk. 3, S. 1-23. (Dazu Herrmann, Zu Glückshafen n. Wettlauf: ib. S. 459-60.) — 51) L. H e v e s i , V. Kalau bis Säkkingen.
E. geraütl. Kreuz u. Quer. St., Bonz VU, 323 S. M. 4,00. (S. 183-94. D. Schäferlauf in Urach; vgl. 14: 29) - 52) F. Vogt,
F. Vogt, Volkskunde. I 5 : 53-62
Dichtern zu erklären. Doch vermischen und beeinflussen sich schdh früh die Vor-
stellungen vom Glücksrad und von der Feuerscheibe. ^3"^'^") — Eine hübsche und
lebhafte Schilderung von anderen deutschen Frühlingsfestbräuchen, dem Kampf zwischen
Winter und Sommer, dem Todaustragen und einem zwischen diesen beiden Aufzügen
stehenden böhmischen Spiel giebt Tille^*). — Ein Sommer- und Winterspiel aus
Hartlieb bei Breslau teilt Königes) nach mündlicher Ueberlieferung mit, und aus
Heidelberg vernehmen wir von einem nachahmenswerten Versuch, den alten Sommer-
verkündigungsumzug als Kinderfest zu erhalten. ^6) — Die nationalen Ost er brauche
und ihren mythischen Hintergrund, dann die kirchlichen Ostersitten und weiter die
Darstellung der Ostergeschichte in der angelsächsischen und deutschen Dichtung
behandelt Freybe^'') mit christlicher und nationaler Tendenz in einer Weise, die
vielfach an Vilmar erinnert, aber nicht mit Vilmars wissenschaftlicher Selbständigkeit
und ohne Berücksichtigung der neueren Forschung.58"59) — Zur Kenntnis der Mai-
feste steuert Rademacher^'') Mitteilungen über das Mailehen, den Maibaum, die
Reste des Maigerichtes und das Brunnenfest in den Rheinlanden bei. —
Die bemerkenswerteste Erscheinung zur Geschichte der Festbräuche ist
in diesem Berichtsjahre das Buch über das Weihnachtsfest von Tille.^^)
Seine Bedeutung liegt vor allem in der reichlichen Verwertung von älteren
litterarischen Zeugnissen über die Form volkstümlicher Weihnachtsfeiern und in
der Prüfung ihres Verhältnisses zur kirchlichen Tradition. Dass der Vf. dabei
mehr, als es bisher üblich war, auf die Chronologie dieser Zeugnisse achtet und
einer vorschnellen Ableitung lebender Volksbräuche aus germanisch heidnischen
Gewohnheiten entgegentritt, ist im Prinzip nur zu loben. Und wenn er im
Geiste einer modernen Richtung in der Geschichtsschreibung für die Erklärung
der alten Festsitten möglichst die wirtschaftlichen Verhältnisse unserer Vorfahren
herbeizieht, so ist das gewiss ein fruchtbarer Gesichtspunkt. Nur muss man auch
diese Prinzipien nicht übertreiben. Und nur durch ihre Uebertreibung ist meines Er-
achtens T. zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wintersonnenwende im germanischen
Kultus überhaupt gar keine Rolle gespielt habe, und dass ein volkstümliches deutsches
Weihnachtsfest eigentlich erst im 14. Jh. ausschliesslich auf Grund kirchlicher Ein-
richtungen entstanden sei, unter ziemlich gewaltsamer und unnatürlicher Herüber-
ziehung germanischer Spätherbstbräuche und unter ziemlich unbestimmter und un-
bedeutender Einwirkung der römischen Kaiendenfeier. Der Vf. beachtet nicht genügend,
wie sehr das erste Auftreten eines litterarischen Zeugnisses über einen Volksbrauch
Sache des Zufalls ist, und wie unvollständig immer noch unsere Kenntnis selbst der
erhaltenen Nachrichten ist. Auch von Irrtümern in der Datierung solcher Zeugnisse
ist seine Schrift nicht frei, weniger noch von Willkür in der Auslegung derjenigen,
die seiner Hypothese widerstreiten. Von Beda und seinem Zeugnis über den angel-
sächsisch-heidnischen Kultus der modraniht an bis ins 15. Jh. hinein sollen die Geist-
lichen nur irrtümlich oder mit absichtlicher Entstellung der Wahrheit von alten
Volksbräuchen am 24. oder 25. Dec. geredet haben. Die wichtigen und weit zurück-
gehenden Nachrichten über Weihnachtsfeuer, der Berchtenumzug auf Epiphanias,
die Geistererscheinungen und Geistermahlzeiten am Christabend, und was sonst für
das Begehen des finstersten Teiles des Jahres im Sinne des Toten-, Geister- und
Götterkultes spricht — das wird teils nicht berücksichtigt, teils weginterpretiert, teils
in der Darstellung so zersplittert, dass es nicht zur Geltung kommen kann. Ich
kann daher dem Vf. nicht zugeben, was er in der Vorrede behauptet, dass unser
Weihnachtsfest erst durch sein Buch eine völlig befriedigende Erklärung erhalte.
Aber ich möchte es kaum als ein geringeres Verdienst schätzen, dass er unter Be-
reicherung des wissenschaftlichen Materials und der Gesichtspunkte für dessen Ver-
wertung die Forschung lebhaft angeregt und zur Auseinandersetzung mit seinen
Hypothesen genötigt hat. Weniger verdienstlich scheint mir die etwas' eilige und
übereifrige Popularisierung solcher vielfach noch ganz hypothetischen Dinge, wie
sie der Vf. in mancherlei Zeitschriften betreibt. Auch das vorliegende Buch ist teil-
weise aus solchen Aufsätzen hervorgegangen, und es verrät diesen Ursprung stellen-
weise durch Wiederholungen und andere Unebenheiten. — Kleine Beiträge liegen
Beitrr. z. dtsch. Volksk. ans älteren Quellen. I. Scheibentreiben u. Frühlingsfeuer: ZVVollcslf. 3, S. 350-69. — 53) X E. Lemke,
D. Oster- n. Johannisfeuer: VGAnthr. S. 154. (Kurze Notiz, d. d. Osterfeuer auch in Podolien nachweist.) — 53a) X K-
Keiter, Osteibräuche in d. österreichischen Alpen: NatZgB. u. 14. — 54) A. Tille, E. dtsch. Frühlingsspiel:
PrJbb. 71, S. 86-Ö9 — 55) B. Honig, E. Sommer- ti. Winterspiel in Schlesien: ZVVolksk. 3, S. 2268. — 56) D.
Soramersonntag in Heidelberg: ib. S. 228. — 57) A Freybe, Ostern in dtsch. Sage, Sitte n. Dichtung. Gütersloh,
Bertelsmann. VUI, 137 S. M. 2,00. (\g\. I 10:45.) — 58) X Auricoste de Lazarque, Le Gründonnerstag ou le jeudi
vert en Alsace-Lorraine et en Allemiigne: RTP. 8, S. 534-41. — 59) X C. Sterne, D. Osterspiel als german. Urschauspiel
betrachtet: YossZg«. N. 14. — 60) C. Radeniacher, Maisitten am Rhein: Urquell 4, S. 227-32, 238-41. — 61) A. Tille,
D. Gesch. d. dtsch. Weihnacht. L., Keils Nachf. XI, 335 S. M. 4,00. - 62) X J. Heller, D. Feier d. heil. Abends in d.
Familie e. dtsch. Bauernhof besitzers in e. grösseren Dorfe d. nördl. Böhmens in d. Zeit vor 1850: MNordböhmExcarsClub. 16,
9*
I 5:62a-93 F. Vogt, Volkskunde.
noch zu weiter^ Kenntnis der Weihnachtsfeier^^ 62a )^ ^jer Silvesterbräuche ^ä'^"*) und
einiger anderer religiöser Volkssitten vor ^5"^^). —
Vereinzelte Mitteilungen finden sich über Plochzeits-^'^"^^) und Toten-
gebräuche 6^"''*^) und über die beim Häuserbau üblichen Feierlichkeiten der Bau-
leute''i"''^), über Trinkbräuche "^3-74-1 ^j^j Festgebäck ''^~''^''). — Ueber Volksbräuche,
die sich auf den Herd beziehen, handelt Rademacher '^j, der die göttliche Ver-
ehrung von Herd und Ofen daraus erklären will, dass man den Herd ursprünglich
auf dem Grabe eines Familiengliedes erbaut habe. — Auf volksmässige Rechts-
bräuche beziehen sich Notizen von Weinhold'''^), der zu dem altnordischen Schwur
unter dem Rasenstreifen eine schlesische Parallele vom J. 1590 beibringt, und von
Sprenger''^) über das Bahrrecht.'''*'^*') —
Diese Bräuche fallen zu nicht geringem Teil schon unter den Begriff des
Aberglaubens^*^2) f^ der weiten und unbestimmten Fassung, die ihm der ge-
wöhnliche Sprachgebrauch giebt. Die Vertreter der Volkskunde meiden den Aus-
druck vielfach ganz und ersetzen ihn durch „Volksglauben".**^ ^*) Wir wollen ihn
hier auf das Anwenden von Mitteln und Massregeln einschränken, die ausserhalb
der Naturgesetze und der kirchlichen Bräuche den Menschen und seine Umgebung
zu Heil oder Unheil beeinflussen sollen. Sammlungen von dahin gehörigen Be-
schwörungen und Greheimmitteln sind bekanntlich noch allerorten unter dem
Volke verbreitet. Eine vor etwa 70 oder 80 Jahren geschriebene teilt Kaindl**^)
aus der Bukowina mit, wohin sie vermutlich aus Oberungarn gekommen war; sie ist
besonders reich an Waffensegen. — Aehnliches wird aus der Lüneburger Heide ^^) und
aus Schleswig-Holstein^'') bekannt gemacht. Deutsche Sprüche gegen Behexung
sind auch in dem Aufsatz von Tuchmann^*) mit berücksichtigt. — Unter der
Benennung „Liebeszauber" bietet Marsick^^) eine Zusammenstellung von Volks-
bräuchen, die sich auf Frauenschönheit, Liebe, Ehe, Geburt, Kindererziehung und
Tod der Gattin beziehen. Ihre Quellen und das Verbreitungsgebiet der einzelnen
Erscheinungen sind nirgend angegeben, Vollständigkeit ist nicht erreicht und nicht
beabsichtigt. Der Vf. verfolgt nicht gelehrte, sondern populäre Zwecke, wobei ihm ein
warmes Gefühl für die Poesie des Volksglaubens zu statten kommt. —
Ganz besonders dienen die Zaubermittel natürlich der Volksmedizin, und
es ist sehr willkommen, neben der unendlichen Fülle an Material, die sich noch
fortwährend mehrt^^ '-'2), auch Arbeiten zu begegnen, die mit voller Beherrschung
des reichen Stoffes einen einzelnen Gegenstand zusammenfassend behandeln. So ver-
folgt Gaidoz^'ä) durch die Ueberlieferungen der verschiedensten Zeiten und Völker
hindurch, ohne sich doch ins Detail zu verlieren, den' merkwürdigen Brauch der
Heilung vermittelst Durchkriechens oder Durchziehens durch ein Loch oder einen
Spalt, ein Mittel, das auch in der deutschen Volksheilkunde noch heute eine wichtige
Rolle spielt. Mit Recht behauptet G., dass jener Brauch nicht ausschliesslich als ein
symbolischer Akt der Wiedergeburt aufgefasst werden kann, sondern dass er vielfach
auch eine Abstreifung und Uebertragung der Krankheit bezweckt. Die Verpflanzung
der Krankheit in das Innere eines Baumes wird bei diesem und einem nahe ver-
wandten Akte noch heute in Deutschland deutlich genug geübt. — Ueber das reich-
haltige Buch von Strack (vgl. JBL. 1892 I 4 : 178; s. o. I 4 : 177) liegen noch mehrere
S. 364/6. — 62a) X 0. Gerin-Cassal, Un usage alsacien. La Ncel des petits oiseaTix: AnnEst. 7, S. 119-21. — 63) X
F. Vogt, Neujahrsorakel in d. 1. Hälfte des 12. Jh.: ZVVolksk. 3, S. 372. (Honorins v. Antun eifert gegen diese Sitte als e.
heidnische.) — 64) X A. Treichel, D. Eosbock-Jagen. E. Sylvesterbrauch im Oberlande: Urquell 4, S. 110,2. — 65) X
J. Mattauch, Gelöbnistage im Danbaer Bezirk: MNordböhmExcursClub. 16, S. 97-104. — 66) X R- Meringer, Studien
z. german. Völkerkunde. II: MAnthrGesWien. 23, S. 136-81. (Betrifft d. nordsteirische Bauernhaus, ist aber wegen e. Anhanges
über Votivtiere hier zu erwähnen.) — 67) X F' P- Piger, E. oberösterr. Hochzeit. E. Beitr. z. Volksk. Oesterreichs:
OüR. 14, S. 323-36. — 68) XE. Frischauf, „D. falsche Braut" in Niederösterr. : ZVVolksk. 3, S. 451|2. — 69) X M.
R Osler, Totengebräuche. (Aus d. Gegend v. Friedland, Neustadtl u. Dittersbach in Böhmen): Urquell 4, S. 280,1. — 70) X
F. Baumann, Eselsbegräbnis: KBlVSbnbgLK. 16, S. 136,7. — 71) X Behla, D. in Luckau übliche Richtfest: VQAnthr.
S. 556/7. (Mit d. Spruch d. Zimmerpoliers.) — 72) X P- Rowald, Brauch, Spruch u. Lied der Bauleute. Hannover, Schmorl
& V. Seefeld Nachf. V, 183 S. M. 2,40. )[ÖLB1. 2, S. 184,5.]) — 73) X Colm. Schumann, Glnckrohr-Trinkrunde d. lübischen
Fischer: Urquell 4, S. 244 5. — 74)XA. Wiedemann, Trinken aus Heiligenschädeln : ib. S. 112. — 75) X A. Treichel,
Barches oder Berches in Westpreussen: VGAnthr. S. 568,9. (Festgebäck.) — 75a) X W. Röseler, Verschollene Fastnachts-
bräuche: NatZgB. N. 7. - 76) C. Rademacher, Ueber d. Bedeutung des Herdes: Urquell 4, S. 57-60, 824, 112,;4. — 77)
K. Weinhold, Schwur unter d. Rasen: ZVVolksk. 3, S. 224,5. — 78) R. Sprenger, D. Bahrrecht. Umfrage: Urquell 4,
S. 171, 275,6. — 79) X id., Gantsymbolik: ib. S. 222,3. — 80) X A. T r e ic he 1 , Ueber Reisighäufung an Mordstellen: ib.
S. 1516. — 81) X 0. Henne am Rhyn, E. Reise durch d. Reich d. Aberglaubens. L., Spohr. IV, 175 S. M. 2,80. - 82) X
H. Hartmann, D. Aberglaube in d. Zwölften: VossZg". N. 53. — 83) X ^' Sprenger, Volksglaube in Schillers Wallen-
stein: Urquell 4, S. 93,4. (S. n. IV 9.) — 84) X A. S oh r o o t , D. Symbolik im Volksglauben: ib. S. 241,4. - 85) ß. F.
Kaindl, B. dtsch. Beschwörungsbuch. Aus d. Hs. her.: ZEthn. 25, S. 22-47. — 86) XW. Poeck, Aberglaube n. Be-
schwörungsformeln aus d. LOneburger Heide: Germania 37, S. 114-20. — 87) X H. Volksmann, Schleswig-Holsteinische
Haus- u. Zaubermittel: Urquell 4, S. 277-80. — 88) J. Tuchmann, Les Fascines: Melusine 6, S. 280,7. — 89) Marsick,
Liebeszauber. E. Beitr. z. dtsch. Volksglauben. Halle a. S., C. A. Kämmerer & Co. VII, 48 S. M. 0,60. ([A. Schlossar:
BLU. S. 263.]| - 90) X F- Teetz, D. Besprechen der Krankheiten: ZDU. 7, S. 63. (Niederdeutschland vgl. ib. S. 633.) —
91) X K. E. Haase, D. Besprechen d. Krankheiten: ib. S. 273,5. (Grafschaft Euppin vgl. ib. S. 633.) — 92) X 0. Schell,
Z. Volksmedizin im Bergischen : Urquell 4, S. 153,6. — 93) H. G a i d o z , Un vieux rite medical. Paris, Rolland. 1892.
F. Vog-t, Volkskunde. I 5 ; »4.H5
Recensionen vor^^). — Mancherlei wird über einzelne Krankheitsarten und Krankheits-
mitteP5-97^^ über Talismane^^s-ioo)^ Zauberinittel zur Bereicherung- 10 i"i03^^ Anspielen ^04^
und Tag-ewählerei '*^^) mitg-eteilt. —
Eine g-rosse Rolle spielen in der Volksmedizin, aber auch in anderen Er-
scheinungen des Volksgiaubens die Pflanzen. Ihnen hat R osenkranz^oej gj^e
umfängliche Kompilation gewidmet, in der er unter den Namen der einzelnen Pflanzen
die Angaben über deren Bedeutung im Volksbrauch und die bezüglichen Mythen
und Sagen aus verschiedenen Werken zusammengestellt hat. Dabei wird Deutsch-
land überall in erster Linie, doch nicht . ausschliesslich berücksichtigt. Das Werk
soll eine verständige Pflege deutscher Volksüberlieferungen fördern helfen im
Sinne der nach Rogge wiedergegebenen sehr beherzigenswerten Beantwortung der
Frage: „Wie müssen wir uns dem Aberglauben gegenüber verhalten?" Es würde
wesentlich gewonnen haben, wenn die Bestandteile, aus denen es zusammengesetzt
ist, etwas weniger verschiedenartig und etwas besser unter einander vermittelt wären.
— Sonst liegen nur einige populäre Erörterungen über den Gegenstand im all-
gemeinen 107-109^ uQ(j einige kleinere Aufsätze über die bezüglichen U eberlief erungen
einzelner Gegenden vorii*^"'^^^ —
Ebenso wie die volkstümlichen Vorstellungen von den Pflanzen greift der-
Seelenkult und der Dämonen glauben sowohl in das praktische Leben des
Volkes wie in sein Phantasieleben, in die Sagenbildung ein. Die Vorstellung von
den Wanderungen und Wandlungen der Seele des Lebenden oder des Verstorbenen
und der Glaube an dämonische Wesen hängen aufs engste zusammen. Ihre gefähr-
lichste Ausgeburt, der Hexe nw ahn (s. 0. 14: 179— 81), und was mit ihm zusammen-
hängt, berührt die verschiedensten Gebiete der Kulturgeschichte ; nicht am wenigsten
aber hat auch die Volkskunde die darauf bezügliche Litteratur zu berücksichtigen^'^).
Neues Quellenmaterial hat Kiele ''^) beigebracht, indem er die grosse Reihe von
Hexenprozessen, die sich in Hagenau i. E. während der J. 1531 — 1645 abgespielt
hat, ausführlich nach den Akten des Stadtarchivs darstellt. Es ist immer wieder
dieselbe genugsam bekannte grauenvolle Tragödie, die sich vor uns abspielt. Die
Erklärung von wesentlichen Erscheinungen des Hexenwahnes aus der Anwendung
einer narkotisierenden und Hallucinationen erzeugenden Salbe durch Weiber, die sich
selbst für Hexen hielten, gewinnt durch das hier vorliegende Material keine Be-
stätigung. Die Hexensalbe ist in den Geständnissen typisch, aber keines der Opfer
kann etwas von ihr vorweisen oder ihre Zusammensetzung angeben. Nicht einmal
andere Versuche, wirklich Zauberei zu treiben, die ja thatsächlich oft genug gemacht
sein müssen, treten in irgend erheblichem Umfange hervor. Der Aberglaube trägt
an diesen Greueln nicht so viel Schuld wie ein blödsinniges und bestialisches Rechts-
verfahren. Ein Jesuit scheint auch in Hagenau den Anlass zur Abstellung der
Hexenprozesse gegeben zu haben. —
Im übrigen lässt jedoch der Katholizismus keinen Zweifel daran aufkommen,
dasser den Glauben an des Teufels handgreifliches Wirken unter den Menschen am
zähesten festhält. Die famose Satansaustreibung zu Wemding vom J. 1891 hatte dafür
gesorgt, und da die „ungläubige Presse" diesen Fall in ihrer Weise ausbeutete, so
hat nunmehr Diefenbach i'^) dargethan, dass dem Satan zweifellos nicht nur eine
moralische, sondern „bei einzelnen Individuen auch eine physische Einwirkung
gestattet ist," wobei die circumsessio, obsessio und possessio oder insessio als ver-
schiedene Grade von Besessenheit zu unterscheiden sind. Ueber die Veranlassung
85 S. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 3, S. 2323; F. Bartels: ZEthn. 25, S. 171; F. S. Krauss: Urquell 4, S. 79.]| — 94) X
H. Gaidoz: Melusine 6, S. 169-71; G. H. Dal man: ThLZ. 18, S. 133/4; A. Tille: LCBl. S. 1858,9 (erkennt d. reiche, ge-
wissenhaft zusammengetragene Material an, hemängelt aber d. systemat. Gliederung u. d. krit. Verwertung); ThLBl. 14, S. 237.
— 95)XA. Peez, Thierseuchen u. d. Leonhardi-Kirchen d. Ostalpen: MAnthrGWien. 23, 8.193-203.-96) X F- S. Krauss,
Katzensporn. Umfrage: Urquell 4, S. 124. — 97) X K. Knauthe, Klapperkes: ib. S. 146. — 98) X Bartels, Beitrr. z.
Steinbeil-Aherglauben in Norddeutschland: VGAnthr. S. 558-64. (Prähist. Steinbeile gelten nach weit verbreit. Glauben als
Talismane gegen d. Blitzschlag.) — 99) XA. Treichel, E. Segenbrett mit Inschrift aus Reddistow, Kr. Lanenburg i. P. :
Hh 4278. — 100) X J. D. E. Schmeltz, Hufeisen, Uebersiedelung, Zahn: Urquell 4, S. 30. (Hamburg.) — 101) X W.
Scurat, Zaubergeld: ib. S. 105-10, 135-41. — 102) X E- !''• Kaindl, D. Zauberei. Umfrage: ib. S. 1245. — 103) X A.
Herrraann, Kartenspielerglauben aus Ungarn: EthnMUng. 3, S. 154 7. — 104) X E- Reichel, Z. Angang d. Wolfes:
ZDU. 7, S. 500. (Vgl. ib. S. 572 3.) — 105) X B- Saubert, D. Freitag. B. alter Völkerglaube: Urquell 4, S. 267 8. —106)
C. Rosenkranz, D. Pflanzen im Volksaberglauben. Kassel, Kessler. 415 S. M. 4,50. — 107) X E- Schanberg, Z.
Entstehung d. Pflanzennamen u. Mythen: AZgl*. N. 27. (Willkürl. Etymologien u. Mythendeutungen, d. nur gelegentlich auf
Deutsches Bezug nehmen.) — 108) X W. W a 1 1 u s , D. Pflanze in d. Volkssage u. im Volksmärchen : VolksZg. N. 63. —
109) X F- Losch, Einiges über d. Beziehungen unserer Vorfahren zu d. Pflanzen: BBSW. S. 149-58. — HO) X H. Arnold,
M. Höfler, Wald- u. Baumkultus in Beziehung z. Volksmedizin Oberbayerns. München, E. Stahl sen. VIII, 170 S. M. 2,00.
I [Ausland 66, S. 96.]| — Hl) X E. Handtmann, Märkische Pflanzensymbolik: Bär 19, S. 231,4, 245/7, 255 8, 273 4. — 112)
(I 4 : 470.) — 113) X B. E. König, Ausgeburten d. Menschenwahnes im Spiegel d. Hexenprozesse u. d. Autodafes.
Lfg. 12-16. Bndolstadt, Bock. S. 529-768. (ä M. 0,30=) M. 1,50. (Vgl. JBL. 1892 I 4:186; d. Buch will d. Schrecken d.
Hexenwahns u. d. Inquisition u. Thorheiten d. Aberglaubens d. grossen Publikum yor Augen führen, was in angemessenerer Weise
geschieht, als es d. einem Kolportage-Roman ähnliche Ausstattung erwarten lässt.) — 114) J. Kiele, Hexenwahn n. Hexen-
prozesse in d, ehemaligen Reichsstadt u. Landvogtei Hagenau. Hagenau, Rnckstnhl. 177 S. M. 3,25. — 115) J. Diefenbach,
I 5 : 116-142 F. Vog-t, Volkskunde.
dieser Erscheinung' hat nach einem dompropstlichen Gutachten im vorliegenden
Falle der exorcisierte Teufel selbst, durch das Machtwort der Kirche g-ezwungen, zu-
verlässige Auskunft gegeben. Wunderlich genug nimmt es sich aus, dass der Vf.
des weiteren den ganz in diesen Vorstellungskreis gehörigen Glauben an das Wirken
des Teufels unter den Hexen für einen Wahn hält und sich bemüht, die Verantwortung
für die Hexenprozesse von seiner Kirche ab und der protestantischen zuzuwälzen,
wobei er sich denn in der Auslegung der verhängnisvollen Bulle Innocenz VHI.
„Summis desiderantes" ein höchst ergötzliches Stücklein scholastischer Dialektik
leistet. — Wem es um eine unterhaltende, alles gelehrten Apparates bare Darstellung
der wesentlichsten Erscheinungen und Entwicklungsstadien des Teufelsglaubens über-
haupt zu thun ist, der wird sich gern durch Grafs *^^J zusammenfassendes Buch
leiten lassen. Tiefer dringende Forschung darf man freilich in dem Werke nicht
suchen, und über einige wichtige Fragen, wie die nach den thatsächlichen Grundlagen
des Hexen glaubens, voltigiert der Vf. mit allzu grosser Leichtigkeit hinweg. —
■ Zum Gegenstande einer sehr gelehrten Abhandlung wurde dagegen die wichtigste
Quelle des Geister- und Dämonenglaubens \7on Bastian^!') gemacht, indem er auf
Grund der vergleichenden Völkerkunde die Entwicklung und die verschiedenen Formen
der Vorstellungen von der Fortdauer und dem Verbleib der abgeschiedenen Seele
sowie mancherlei Erscheinungen des Seelenkultes erörtert, aus dem er auch die Ent-
stehung des Götterglaubens ableitet. Zum Schluss giebt B. einen Ausblick auf die
Bedeutung der ethnologischen Elementargedanken für die Wissenschaft der Zukunft,
deren Heil er von einer auf Gedankenstatistik gegründeten Psychologie erwartet.
Leider werden die zahlreichen Quellen in einer recht unbestimmten Weise citiert; vor
allem aber vermisst man eine klare und scharfe Gliederung des Stoffes ebensosehr wie
Klarheit und Flüssigkeit des Ausdrucks. — Eine Reihe kleinerer Abhandlungen liegt
vor über die Vorstellungen, die an den Tod^^^) und an das Umgehen der Geister '^'-''^^ij
anknüpfen, und damit berühren sich dann wieder aufs nächste die Traditionen von
mancherlei dämonischen Wesen anderer Art. — Vogt'^s'j macht auf die sonst
unbekannten und noch unerklärten Hahnjörs aufmerksam , die nach einem Zeugnis
vom J. 1721 in den zwölf Nächten unsichtbar in Küche und Keller ihr Wesen treiben;
Knoop^^Sj handelt von einer Hausgeistersage, die mit dem Thema von Goethes
„Hochzeitlied" verwandt ist; Glöde^^^) untersucht eine andere Gruppe von Haus-
geistern; Wislicenus'^i) bringt über Heinzelmännchen und andere Wesen neben
einzelnem Erwägenswerten mancherlei ganz phantastische und haltlose Kombinationen
vor. Andere Mitteilungen betreffen Zwerge^^"^), Graumännlein^^aj^ (jas mecklen-
burgische Blaumäntelcheni34j^ während der schlesische RübezahU^s) diesmal nur zum
Gegenstand eines „Sanges" gemacht worden ist. — Den fliegenden Holländer betrifft
eine eindringende Untersuchung Golthers^^^) und die von Knauthe'^^) mitgeteilte
Erzählung eines Seemanns. — Ueber den wilden Jäger handeln Pickford'^S) und
W einhold ^-^■'3, der nach mündlicher Ueberlieferung aus Schlesien einiges vom
„Nachtjäger" erzählt. — Auf ihn bezieht sich auch eine Bemerkung Glödes^***) zur
Sage vom Wode, und das Fortleben dieses Namens in entstellten Formen betrifft
eine Notiz von Schulenburgs i^'). — Dass der in einer Walkenrieder Urkunde
vom J. 1277 erwähnte Wodansberg nicht auf den Kiffhäuser, sondern auf einen
Höhenrücken bei Altstedt zu beziehen sei, führt Grössler^^^^ aus. Die älteste
Benennung des Kiffhäusers ist Kuffese, derselbe Name, der als Cuffiso schon im
J. 747 für einen Hügel auf der Grenze des Fuldaer Kloster bezirkes gebraucht wird.
Besessenheit, Zauberei n. Hexenfabeln. (^ Frankfurter zeitgem. Broschüren. Bd. 14, N. 4). Frankfurt a. M., Foesser Nachf.
56 S. M. 0,60. - 116) A. Graf, Gesch. d. Teufelsglaubens. Aus d. Italienischen v. E. T e u s c h e r. 2. (Titel-)Aufl. d.
Naturgesch. d. Teufels. Jena, Costenoble. XVIII, 448 S. M. 3,00. — 117) A, Bastian, D. Verbleibs-Orte d. abgeschiedenen
Seele. E. Vortr. in erweit. Umarbeitung. B., Weidmann. II, 116 S. mit 3 Taf. M. 3,00. (fL. F r ä n k e 1 : Ausland 66, S. 6S8.J|
— 118) X H. V. Wlislocki, Tod u. Totenfetische im Volksglauben d. Siebenbürger Sachsen: Urquell 4, S. 16-20, 49-53,
68-70, 98-lÜO. — 119) X B- westpreuss. Spukgeschichte: ZVVolksk. 3, S. 97 8. - 120) X H. A. Carstensen, Spukgeister:
Urquell 4, S. 122 3. — 121) XK. E. Haase u. A. Treichel, Spukgeister: ib. S. 254 6. — 122) X H. F. Feilberg,
Warum gehen Spukgeister kopflos um? Umfrage (mit Antworten v. Verschiedenen): ib. S. 6 8, 39-41, 73, 97 8, 122, 145 6,
168 9, 216, 253,4. — 123) X H- Schrader, Welches ist die Geisterstunde: ZDS. 7, S. 330,1. (Vertritt auf Grund v. Stellen
aus dtsch. Sagen u. Dichtungen die Ansicht, dass d. eigentl. Geisterstunde d. Stunde vor Mitternacht, also zwischen 11 u.
12 Uhr, sei.) — 124) X A. Wiederaann, Geister in Katzengestalt: Urquell 4, S. 81,2. — 125) X K- E. Haase, Geister
in Katzengestalt: ib. S. 114 5. — 126) X H- v. Wlislocki, D. Quälgeister d. Miigyaren: Ausland 66, S. 81 4, 101. (Vgl. über
Totenfetische b. d. Magy uren : ib. S. 254. ) — 127) XL B a r ö t i , Beitrr. z. Gpsch. d. Vampy rismus in Südungarn : EthMUng. 3, S. 219-21 .
— 128) F. Vogt, Hahnjörs: ZVVolksk. 3, S. 372. -129) 0. K n o o p , Familiengeister: Urquell 4, S. 125 ü. — 130) 0. Glöde,
Petermännchen, Chimmeken, Wolterken n. Hödeke als gute Hausgeister: ZDU. 7, S. 194/9. (S. auch N. 260.) — 131) P. Wislicenus,
Ueber Hagen u. d. Heinzelmännchen, Laura u. d. Lorelei: MADSprV(Berlin). 4, S. 54 8. — 132) X R- Andree, D. Zwerge am
Wohlenberge: Urquell 4, S. 226,7. —133) X A. Schwanfelder, D. graue Mandl: EthnMUng. 3, S. 109. — 134) X 0. Glöde.
Blanmäntelchen, e. Geist in Mecklenburg: Urquell 4, S. 213,4. (Grösstenteils wörtlich gleichlautend ist G.s Notiz: ZDU. 7, S. 427.)
— 135) X E- R- Baut he, Berggeist Rübezahl. E. Sang aus Schlesiens Bergen. Hirschberg, Kuh. VII, 252 S. M. 4,50. —
136) W. Golther, D. fliegende Holländer: BayreuthBll. 16, S. 307-19. 1[L. S.: Urquell 4, S. 282.J| — 137) K. Knauthe, See-
mannsglaube: Urquell 4, S. 134/5. — 138) J. Pickford, D. wilde Jäger: NQ. 3, S. 16. — 139) K. Weinhold, Schlesische
Sagen vom Nachtjäger: ZVVolksk. 3, 8.96/7. — 140) 0. Qlöde, Z. Sage v. Wode: KBlVNiederdSpr. 16, S. 38,9. — 141) W. v.
Schulonburg, Götternamen in Norddentschland: MAnthrGWien. 23, S. 62. — 142) H. Grössler, Kiffhäuser u. Wodansberg:
F. Vogt, Volkskunde. T 5 : 143-172
Der Vf. bring-t ihn mit ahd. chubisi, Zelt, zusammen, was an und für sich nicht
unmöglich ist, wenn auch die lautlichen Vorgänge, die dabei in Betracht kommen,
ganz anderer Art sind, als Gr. sie sich vorstellt. Sonst liegt über die Kiffhäusersage
nichts von wissenschaftlichem Werte vor '*^" '44^^ __ Die in den bayerischen Sagen häufig
auftretenden drei geisterhaften oder heiligen Jungfrauen, die man oft auf die Nornen
gedeutet hat, führt Müller'''^) auf Personifikationen von Frühling, Sommer und
Winter zurück; in den vorgeschichtlichen Wallburgen, in denen sie lokalisiert werden,
sieht er Stätten für den Jahreszeitenkultus. — Eine in Tirol noch lebendige Riesen-
sage, die von Haimon und seinem Bruder Thürsus, verfolgt Passler '^e^ durch die
ältere Ueberlieferung zurück. — Eine Sammlung der auf mythische Wesen bezüg-
lichen Ueberlieferungen der Lausitzer Sorben hat Cenry'*') in deren slavischer
Mundart veröffentlicht. — Aus dem Kreise der Bausagen i"*^), der Traditionen über
vergrabene Schätze ^'*'*), über den Ursprung der Kinder^^*^), über den Mann im Monde'^')
sind nur verstreute Notizen zu bemerken. —
In grosser Anzahl liegen wieder Sagensammlungen — neben wenigen
allgemeiner Art^^^ 153^ _ ^us einzelnen Gebieten vor, die jedoch
mit verhältnismässig wenigen Ausnahmen populäre Zwecke und zu nicht geringem
Teil die löbliche Aufgabe verfolgen, die Jugend mit den Ueberlieferungen ihrer Heimat
vertraut zu machen. —
Von Oberdeutschland ist die Alpenwelt durch die Sammlung von
Maria Savi-Lopez •^*) vertreten, speciell das Simmenthai durch Qempelers '^^)
Buch*^^). — Ueber die von Mündel veranstaltete, im vorigen Jahre bereits an-
gezeigte neue Bearbeitung von Stöbers elsässischen Sagen (vgl. JBL. 1892 I 4 : 290)
sind weitere Recensionen zu nennen^^''). — Eckart '^s^ erzählt an der Hand einer
Reisebeschreibung Orlssagen aus dem Neckarthal in Poesie und populärer Prosa,
ohne Gewähr für treue und quellenmässige Wiedergabe der örtlichen Ueberlieferung 1^^).
— Die kleine „weissblaue" Sammlung von Frietinger und Heindl'^**) will durch
eine Vereinigung von poetischen und prosaischen Stücken verschiedener Vf. die
Kunde des bayerischen Landes und Volkes und die Liebe zur Heimat unter der
Jugend befördern, und an die weitesten Kreise wenden sich zwei andere Zusammen-
stellungen von bayerischen Sagen^^^'^^^j — Eine Gruppe von Geistersagen, die sich
an die Burg Stockenfels bei Regensburg geheftet hat, behandelt das Buch von
Reltis^^^j, _ Auf Tirol, Oesterreich und Kärnten beziehen sich ein paar kleine
Stücke 164- ^6^). —
Von mitteldeutschen Gegenden sind die Rheinlande durch drei Bücher
vertreten, unter denen das von Pauly'^^) als eine für die Jugend berechnete
ansprechende Vereinigung von Sagen nnd Legenden in Poesie und Prosa genannt
werden mag; die Quellen, aus denen die einzelnen Stücke teils wörtlich entnommen,
teils in freier Nacherzählung wiedergegeben sind, werden hier gewissenhaft an-
gegeben^^^"!''!). — Aehnliche Ziele verfolgt eine Nürnberger Sammlungi"^). — Aus
ALVKS. 3, S. 143;8. - 143) X D. Kytt'häusersage: AkBU. 8, S. 221/2. — 144) X H- Pröhle, D. Kiffhäuser-Kaisersage n. Rückerts
Barbarossa-Gedicht: AZg«. N. 88. — 145) G. A. Müller, Z. Sage v. d. drei Jungfrauen: ZVVolksV. 3, S. 93 6. — 146) P. Passler,
Z. Gesch. d. Heimesage. Progr. Hörn. 48 S. — 147) A. Cerny, Die mythischen Wesen bei d. Lausitzer Wenden. (In wend.
Sprache.) 1. Bd. Biintzen, E. Rühl. 239 S. M. 4,00. ([ZWolksk. 3, S. 345 (d. umsichtigen n. fleissigen Sammler u. Erklärer ist
d. slavische Wissenschaft zu grossem Danke verpflichtet).]] — 148) X R- Sprenger, E. volkstüml. Schwank in Schillers
Wallenstein: Urquell 4, S. 206/8. (Vgl lY 9.) — 149) X K. E. Haase, Vergrabene Schätze. (Umfrage mit Beitrr. Verschiedener.):
ib. S. 101/3, 1614. — 150) X 0. Schell. Woher kommen d. Kinder. Umfrage: ib. S. 224/6. — 151) X A. Volksmann, D.
Mann im Monde! Umfrage (mit Beitrr. v. Verschiedenen): ib. S. 21, 54/5, 121/2, 172, 216/8. — 152) X O A. Richter, Dtsch.
Sagpn. (Kaiser Otto mit d. Barte; D. gute Gerhard; Herzog Ernst; König Rother; D. Graf im Pfluge; Herzog Adelger; Roland;
Wartburgkrieg; Tannhäuser; Lohengrin) mit e. Titelbilde. 4. Aufl. L., Brandstetter. IV, 283 S. M. 3,00. —153) X A. Schullerus,
U. Jahn, Volksmärchen aus Pommern fJBL. 1891 I 5:242); Leeb, Sagen Niederösterr. (JBL. 1892 I 4:289); A. Stöber, Sagen
d. Elsasses (JBL. 1892 I 4:290; s. u. N. 157); J. V. Zingerle, Sagen aus Tirol (JBL. 1891 I 5:236): KBlVSbnbgLK. 16, S. 59-62.
— 154) O Maria Savi-Lopez, Alpensagen, ill. v. C. Chessa. Deutsch v. A. Ruhe mann. St., Bonz. VII, 384 S. M. 4,50.
IfDRs. 76, S. 1,59; ÖUE. 14, S. 337-42: StrassbPost. N. 140.]| — 155) O D. Gempeler, Sagen u. Sagengesch. aus d. Simmen-
thal. 3. Bdch. Mermettah, Laubegg. Thun, Slämpfli. 1892. VI, 255 S. M. 2,00. (1-3: M. 5,50.) — 156) O X G- Gattiker,
Z. Heimatkunde v. Zürich. Gesch. u. Sagen. Für d. Schule ges. u. z. T. bearb. Mit 7 Holzschn. Zürich, Schulthess. IV, 30 S.
M. 0,.S0. — 157) X W. Hertz: ADA. 19, S. 93/4; E. Martin: DLZ. S. 172/3. (S. o. N. 153.) - 158) Th. Eckart, Bilder u.
Sagen ans d. Neckarthal. Heidelberg, Hörnig. 89 S. M. 1,00. — 159) X E. M üller, Glockensagen in Württemberg. U.: BBSW.
S. 145'9. — 160) A. Frietinger u. H. Heindl, Weiss u. Blau. Erzälilungen, Sagen, Geschichtsbilder u. Schilderungen. Für
d. bayer. Jugend bearb. München, Oldenbourg. VL 87 S. M. 0,75. — 161) X A. Steinberger, Ans Bayerns Vergangenheit
Erzählungen ans d. Gesch. u. Sage. Für Schule u. Hans. 2. Bd. Aus d. mittleren Gesch. Regensburg, Yerlags-Anst. IV, 218 S.
jj 2,00. — 162) X A. R[eichlin v. Meld egg], Regensburger Volkssagen für Jung u. Alt mit Abbildungen u. 4 Taf. Regens-
burg, Wunderling. 110 S. M. 2,.50. — 163) N. Reltis, Stockenfels bei Regensburg. D. Yerbannungsort d. Bierpantscher u.
anderer Schelme nach d. Tode. 2. Aufl. Regensburg, Wunderling. III, 64 S. M. 1,00. — 164) X E. Keiter, D. Sagenwelt t.
Tirol: NatZg. N. 388. (Anz. v. Zingerles Sagensammlung ; vgl. JBL. 1891 I 5:236; s. o. N. 153.) — 165) X L. Pröll, W. L.
Leeb, Sagen Niederösterr. (vgl. JBL. 1892 I 4:289): ÖLBl. 2, S. 204/5. (S. o. N. 153.) - 166) X R- Walzer, Reiskofl-Sagen:
Carinthia83,S. 90/3. —167) X J- M. T renk wald. Marienlegenden v. österr. Gnadenorten. Wien, St. Norbertus-Verl. 8 Taf. mit
4 Bll. Text. M. 11,00. |[ÖLBI.2, S. 560/1 ]| — 168) M. Pauly, Perlen aus d. Sagenschatze d. Bheinlandes. Nach d. ältesten
Quellen erz. Mit 6 Bild. Köln, J. P. Bachern. 143 S. M. 3,00. — 169-170) X 0. Lehmann, D. schönsten Sagen d. Rheins.
3. Aufl. Mülheim a. R., Bagel. 177 S. M. 1,50. - 171) X H. Palm, H. Pröhle, Rheinlands schönste Sagen u. Gesch.: NatZg.
N. 677. — 172) X Th. Aufsberg, Nürnberger Sagen. D. Jngend Nürnbergs neu erz. Nürnberg, F.Korn. 52 S. M. 0,45. (Im
I 5 : 173-223 F. Vogt, Volkskunde.
dem alten Eg-ergau, der sich jetzt auf Oberfranken, Oberpfalz, Böhmen und Sachsen
verteilt, sind Gradls''^) Sag-en zusammengebracht. In den Anmerkungen werden
mancherlei Parallelen nachgewiesen. — Weiteres bezieht sich auf das Erzgebirge ^ ''*"•''''),
auf Deutsch-Böhmen 1 '8 •i84j^ auf Schlesien^s^), Mähren^^^) und Galizien'^''), —
Aus Nieder deutschland ist Oldenburg durch eine Geschlechtssage i^*),
Nordfriesland durch ein paar Kleinigkeiten i^^), der Harz durch verschiedene Samm-
lungen^^'^^^^3) vertreten; ausserdem Brandenburgi^^"^'-'^), Mecklenburg i^e i»'?) und
Ostpreusseni98-i99). _
Von den altbewährten Märchen-Sammlungen liegt die Grimmsche
in einer illustrierten Prachtausgabe^*^*'), in einer stattlichen Reihe von englischen
Bearbeitungen^t'i-'^oij und in zwei französischen Auszügen^o^^ogj yor; auch die Bech-
steinsche ist wieder erneuert^'o^iij^ un^j neue Zusammenstellungen alten, seltener
auch neuen Materials treten hinzu2i2-22o^^ —
Zur Geschichte der Märchenstoffe, mit denen ich hier die inter-
nationalen und die litterarisch entwickelten Sagen zusammenfasse, ist vor allem der
schon erwähnte Band von Benfeys kleineren Schriften^^oaj 2u nennen, in dem wir
des Vf. bekannte Theorie von der Wanderung indischer Märchen- und Novellenstoffe
ins Abendland chronologisch durch die wichtigsten Einzelabhandlungen hindurch bis
an die Schwelle seines Pantschatantra verfolgen können. Auch für die deutsche
Märchenkunde kommen besonders die aus den Jahrgängen 1858 und 1859 des „Aus-
land" wiederholten Untersuchungen über das Märchen von den Menschen mit den
wunderbaren Eigenschaften und über das von der klugen Dirne in Betracht. — Von
alten Sagenstoffen, die doch in dieser oder jener Weise auch für die Gegenwart ihre
Bedeutung haben, werden die Tiersage^^'), die Ueberlieferungen vom heiligen Rock222)
und von Alexander dem Grossen^^s) in der Litteratur des Berichtsjahres behandelt
wesentlichen e. für Kinder eingerichteter Auszug aus J. Priems „Nürnberger Geschichten u. Sagen.") — 173) O H. Gradl, Sagen-
buch d. Egerganes. Eger, Kobrtsch & Gschihag. 1892. (Titelanfl. 1893.) VI, 95 S. M. 1,75. |[A. Schlossar: BLU. S. 633;
T. R.: MVGDB». 31, S. 76/7.]| — 174) X Emilie Winimer, Erzgebirgs-Siigen: MNordböhmExcursClnb. 16. S. 111,7.
— 175) XH. Albert, D. schönsten Sagen d. sächsischen Schweiz u. d. Dresdener Elbthales. Dresden, Albanus. 64 S. M. 0,50.
JlZVVolksk. 3, S. 342/4:.]| — 176) X R- Pfutz, Beitrr. z. Loltalgesch. d. oberen sächsischen Schweiz: D. Lobedänze: ÜB&T.
8.341/2.— 177) X G. Pille, E. Gefangener auf Hohenstein: ib. S. 337 8. — 178) X A. Paudler, Sagenschatz aus Deutsch-
böhraen. Für d. Jugend ges. u. bearb. Leipa, Künstner. 106 S. Fl. 0,45. |[MVGDBB. 31, S. 76/7; A. Paudler: MNordböhmExcursClub.
16, S. 77/9.]| — 179) XP- Bernall. Nordböhm. Lokal-Sagen. XVI: MNordböhmExcursClab. 16, S. 336-43. - 180) X E. Neder,
Sagen u. Gelöbnistage: ib. S. 351/2. — 181) X F- Bluraentritl, Natur u. Sage: ib. S. 373/4. — 182) X A. Wiechowsky,
Sagen aus d. Umgegend v. Luh: ib. S. 361/3. — 183) X E. Richter, Sagen aus Hortau u. Umgebung: ib. S. 3546. — 184) X
J.Schade , Einige Sagen aus d. Braunauer Ländchen (Forts.): Riesengebirge in Wort u. Bild. N. 1/2, S. 13/7. — 185) X K. Knauth e,
Schles. Volkssagen: Urquell 4, S. 223. — 186) X Wilib. Müller, Sagen n. Geschichten d. Stadt Olmütz. 111. v. J. Hilber.
Olraütz, Hölzel. 1892. 114 S. M. 1,80. — 187) X -A^- Nagolberg, Sagen galiz. Juden: Urquell 4, S. 257. — 188) X A. Gröning,
D. Trinkhorn d. Grafen v. Oldenburg: ib. S. 208/9. — 189) X A. Carstensen, Nordfries. Sagen: ib. S. 167,8, 259. — 190) X
F. Günther, Aus d. Sagenschatz d. Harzlande. Hannover-Linden u. L., Manz & Lange. XII, 260 S. M. 5,00. (Nach d. Anzeige
V. K. Weinhold in ZVVolksk. 3, S. 109 e. hauptsächlich für d. Schule bestimmte Ausw.) —191) X M. Etchler, Harzsagen.
D. schönsten Sagen u. Märchen aus d. Harze. D. Harzblumen 4. Aufl. Harzburg, Woldag. VII, 296 S. M. 1,75. — 192) Xi^-'
Harzsagen. Oberharz. D. Harzblumen 3. Aufl. ib. VIII, 155 S. M. 1,00. — 193) X O id., Harzsagen. Unterharz. D. Harzblnmen
3. Aufl. ib. VIII, 141 S. M. 1,00. - 194) X Carola v. Eynatten, Brandenburger Sagen. L., Franke. 186 S. M. 1,50. IfA.
Schlossar: BLU. S. 633.]| (Ansprechende Erzählungen unter Benutzung bist. u. sagenhafter Ueberlieferungen aus d. Mark, Unter-
haltungsbnch.) — 195) X K. E. Haase, Sagen aus d. Kreise Templin: Urquell 4, S. 205/6. — 196) X G- Fabricius, Volks-
erzählungen aus Mecklenburg: KBlVNiederdSpr. 15, S. 51/2. — 197) X K. E. Haase, Sagen aus Mecklenburg: Urquell 4, S. 23/4.
- 198)XA. Treichel, Steinsagen: ZHVMarienwerder. Heft 31, S. 1-15.- 199) X id.. Sagen: ib. S. 29-73. — 200) X Bruder
Grimm, Kinder- u. Hausmärchen. III. v. P. Grotjohann u. ß. Leinweber. St., Dtsch. Verlags- Anst. 4°. XV, 466 S. M 20,00.
|[N*S. 64, S. 404/7; BLU. S. 95, 772/4; Geg. 43, S. 110; ThLBl. 14, S. 235.]| — 201) X id , Household Stories. New ed. London,
Routledge. Sh. 1. — 202) X id., Household Stories transl. by H. B. Pauli and L. A. Wheatley, ill. London, Warne. 12».
Sh. 1,6. - 203) X id., Wonder Tales, transl. by H. B. Pauli and L. A. Wheatley ill. ib. 12». Sh. 16. - 204) id., Household
Fairy Tales trans. By Ella Bodley ill. London, Griffeth. 4». Sh. 3 6. — 205) X id-, Fairy Tales. New edit. London, Routledge.
Sh. 1. — 206) X id-, Fairy Tales, transl. by H. B. Pauli and L. A. Wheatley. London, Warne. 12>. Sh. 16. — 207) X
id., Goblins, Fairy Tales, transl. by H. B. Pauli and L. A. Wheatley. HL ib. 12». Sh 1,6. - 208) X id., Choix des Contes
de la Familie, avec grav. Limoges, Ardant et Co. 12». 72 S. — 209) X id-, Contes et Legendes. (== Nouvelle Bibliotheque
populaire N. 358.) Paris, Gautier. 36 S. Fr. 0,10. — 210) X L. Bechstein. Ausgew. Märchen. (= 111. Jugendbibl. Her. von
Ph. Weyler N. 7.) Hamburg u. B., Bruer & Co. 52 S. M. 0,25. — 211) X id., Märchenbuch für Kinder. Mit 54 Textabbild, u.
3 Buntbild. 2. Aufl. St., Loewe. IV, 153 S. M. 1,80 (ohne Bild. 1,20). - 212) X F. Max, Dtsch. Märchenbuch. E. Samml. d. beliebtest.
Kinder- n. Volksmärchen. Mit Bildern. Esslingen, Schreiber. III, 76 S. M. 1,00. — 213) X 0- Weddigen, D. dtsch. Jugend
Schatzkästlein. Neue Märchen, Fabeln, Sprüche u. Rätsel nebst fünfzig neuen Kinderliedern u. Gebeten. Mit 111. B., Rüger.
142 S. M. 3,00. (Nicht Sammlung, sondern selbständige Erfindung. Sehr hübsch ausgestattet.) — 214) X 0- Förster, D.
schönsten deutschen Märchen als Lesestoff f. d. 2. oder 3. Schuljahr nach Grimm, Bechstein u. A. Godin bearb. L., Leiner. 32 S.
M. 0,25. (E. guter Gedanke, einige d. schönsten Volksmärchen in dieser Weise pädagogisch zu verwerten u. sie in hübscher
Ausstattung auch d. Aermsten zugänglich zu machen!) — 215) X Villamaria, Elfenreigen. Dtsch. u. nordische Märchen aus
d. Reiche d. Riesen u. Zwerge, d. Elfen, Nixen u. Kobolde. Für d. Jugendwelt. 111. Prachtausg. 6. Aufl. L., Spamer. VII, 433 S.
M. 5,00. — 216) X Jii- Hoff mann, Märchenwundergarten. E. Samml. echter Kindermärchen. Mit Bildern. St, Loewe. Fol.
III, 32 S. M. 4,00. - 217) X id., Märchenwelt. E. Auswahl d. schönsten Märchen, für d. Jugend bearb., mit Bild. 3. Aufl. St.,
K. Thienemann. 208 S, M. 2,00. — 218) X P- Arndt, Es war einmal. E. Samml. d. schönsten Märchen, Sagen u Schwanke.
Für d. Jugend her. Mit 18 Bild. u. 116 Textill. 3. Aufl St., Loewe. V, 281 S. M. 3,50. — 219) X T. Hoffmann, Ins Märchen-
land. E. Samml. echter Kindermärchen mit Bildern. St,, Loewe. Fol. III, 32 S. M. 4,00. — 220) X id., Märchenzauber. E.
Sammlung echter Kindermärchen mit Bild. ebda. Fol. IH, 64 S. M. 6,00. — 220a) (S. o. N. 1.) — 221) X J- Nover,
D. Tiersage. (= SGWV. N. 164.) Hamburg. Verlagsanst. 48 S M. 1,00. |[R. M. Meyer: ML. S. 532.]| (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 333;
s. u. II 3 : 13.) — 222) X -A. Schullerus, D. graue Rock Christi: KBlVSbnbgLK. 16, S. 71/2. (Grau ist hier nicht Farbenbezeich-
nung, sondern es bedeutet e. bestimmte grobe, naturgefärbte Tuchart.) — 223) X ^- Frlänkel], D. Carraroli, La legenda di
F. Vogt, Volkskunde. I 5 : 224-233
oder wenig-stens berührt. — Die Faustsag-e ist von Kiesewetter-^^) mit besonderer
Berücksichtigung- des mittelalterlichen Zauber wesens, von Küchler225) lediglich im
Hinblick auf Goethes Dichtung behandelt worden. — Zur Sage vom ewigen Juden
hat Neubaur ^'■^^) in einer zweiten Auflage seiner Schrift einen Nachtrag geliefert.
— Von den sieben Schwaben handelt ein kleiner Aufsatz Holder s22"), — Golthers228)
Beitrag zur Festschrift für M. Bernays betrifft ein aus der mittelalterlichen Litteratur
bekanntes Sagenmotiv, die Veranlassung der Liebeswerbung um die fernweilende
schönhaarige Jungfrau durch den Anblick eines Haares, das eine Schwalbe ihr
entführt hat, und in Verbindung damit das Motiv, dass ein Betrüger den Versuch
macht, die Früchte der Thaten des Helden für sich zu ernten. Beides zusammen
findet sich sowohl in der Gaaungu-Hrolfssaga als auch in der Tristansage, was G. nicht
auf direkte Beeinflussung der Saga durch die Tristandichtung, sondern auf einen
alten gemeinsamen Sagenkern zurückführt, — Eine neue Frucht seiner oft bewährten,
vielseitigen Belesenheit bietet uns Hertz^^^») dar, indem er durch die gelehrte und
poetische Litteratur des Morgen- und Abendlandes einen Stoff verfolgt, der für die
Volkskunde in mehr als einer Hinsicht von Interesse ist. In den pseudoaristotelischen
„Secreta Secretorum" wird erzählt, wie ein Versuch, Alexander den Grossen durch
die Umarmungen eines von Jugend auf mit Schlangengift genährten Mädchens zu
töten, von Aristoteles vereitelt wird. Diese Geschichte erlangte mit verschiedenen
Variationen weite Verbreitung. Es zeigt sich, dass ihr Ueberlieferungen und Vor-
stellungen zu Grunde liegen, die durch die arabische Litteratur auf Indien zurüok-
leiten. Der Glaube an die Tötlichkeit des Blickes, des Hauches, der Worte, des Bisses
und der Umarmungen solcher Giftmädchen wird nun vom Vf. im Zusammenhange
mit weiten Kreisen verwandter Vorstellungen des Volksglaubens erörtert, unter denen
er namentlich die von der Gefährlichkeit der Defloration für den Mann hervorhebt
und als eigentlichen Grund für die in den verschiedensten Zeiten und Gegenden
verbreitete Sitte der Defloration der Braut durch einen Dritten zu erweisen sucht.
Auch die Tradition von Giftmännern wird berührt, und ihr Zusammenhang mit der
Sitte des Opiumgenusses gezeigt. — Für die aus Pseudo-Lucian und Apulejus
bekannte Geschichte von der Verwandlung eines Menschen in einen Esel bringt
Weinhold^^^oj Parallelen aus den deutschen Volksmärchen, sowie eine analoge
indische Ueberlieferung bei und stellt mit musterhafter Knappheit und Klarheit
das Verwandtschaftsverhältnis der verschiedenen Versionen dar, wobei ich jedoch
nicht von der Notwendigkeit überzeugt worden bin, für die deutsche Tr^ition noch
eine andere Grundlage als die Erzählung des Apulejus und die doch wohl auch in
Betracht kommende Uebersetzung des Lucian durch Niklas von Wyle anzunehmen.
Der Vf. schliesst mit einem weiten Ausblick auf den uralten Glauben an die Mög-
lichkeit des Ueberganges von Menschen in Tiere, die „wilde anthropologische Idee"
von der Verschiebbarkeit der Grenzen unter den belebten Wesen. — In diesen
Kreis gehört auch ein Märchen, das durch Damköhler 23 1) aus der Gegend
von Blankenburg im Harz mitgeteilt, von Weinhold mit verwandten Er-
zählungen verglichen wird. „Das Grundthema ist, dass ein Vater genötigt wird,
seine liebste Tochter an ein tierisches Wesen zu geben, das aber ein verzauberter
Mensch ist; seine Erlösung wird durch das Mädchen vollzogen." — Ein methodo-
logisch wichtiges Beispiel dafür, wie man ein Märchen zweckmässig zergliedern kann,
um übereinstimmende und abweichende Züge durch die Weltlitteratur zu verfolgen,
giebt Marian Roalfe Cox232) durch ihre Behandlung von „Aschenbrödel", „Allerlei-
rauh" und „Die Gänsehirtin am Brunnen". — Spiller233) geht den Spuren des
Dornröschens durch die verschiedenen Litteraturen nach und kommt zu dem Ergebnis,
dass eine indische Version, die Miss Frere im J. 1865 aufgezeichnet hat, auf den
Ursprung des Märchens in Indien hinweise. Von dort, wo es sich als ein Sonnen-
mjthus darstellt, ist es nach Sp.s Meinung durch die Weltlitteratur gewandert. Nach
Deutschland ist Dornröschen aus Frankreich gekommen. Sp.s eindringende Forschung
sucht zugleich allgemein gültige Prinzipien für die Untersuchung derartiger Gegen-
Alessandro Magno: LCBl. S. 258/9. — 224) C. Kiesewetter, Faust in d. Gesch. u. Tradition. Mit bes. Berücksichtig, d.
oltltulten Phaenonienalism. u d. mittelalterl. Zauberwesens. L., Spohr. XXUI, 567 S. M. 10,00. (Vgl. I 10 : 25:n3 : 28; ni3 : 2.) —
225) C. Küchler, Faustsagnet og Göthes Fanst. Kjöbenhavn, Host & Son. 77 S. (S. u. IV 8e.) — 226) L. Neubaur, Neue
Mitteilungen über d. Sage v. ewigen Juden. L., Hinrichs. III, 24 S. M. 0,60. |[G. Dalman: ThLBl. 14, S. 515/6; ZWolksk. 3,
S. 344; BLU. S. 447; L. Franke 1: LCBl. S. 988/9.] [ (Auch als Anh. zu Neubanr, D.Sage vom ewigen Juden. 2. verm. Ausg.
ebd.; vgl. I 10:14.) — 227) A. Holder, D. Sage v. d. 7 Schwaben nach ihrer knlturgesch. Bedeutung u. ihren kirchl. Be-
ziehungen: DPBl. 26, S. 290,3.-228) W. Golther, D. Jungfrau mit d. goldenen Haaren. (= I 1:118, S. 167-76.) — 229) W.
Hertz, D. Sage vom Giftmädchen. (Aus AbhAkMünchen.) München, G. Franz. 4». 78 S. M. 2,40. (Vgl. I 10:7.) — 230) K.
Weinhold, üeber d. Märchen v. Eselmenschen: SBAkBerlin. S. 475-88. ||R. Basset: RTF. 8, S. 507/8. 1| (Vgl. 110 : 5.) — 231) E.
Damköhler, D. Wolf mitd. Wockenbriefe. Märchen in Kattenstedter Mundart, erl. v. K. Weinhold: ZWolksk. 3, S. 189-205. —
232) Marian Eoalfe Cox, Cinderella. Three hundred and forty-five variants of Cinderella, Catskin and Caps o'rnshes,
abstracted and tabulated, with a discussion of mediaeval analogues and notes. With an introd. by A. Lang. London, Nutt (Folk-
Lore Society). LXXX, 535 S. J[H. F. Feilberg: ürqueU 4, S. 103/4; K. Weinhold: ZWolksk. 3, S. 233,4.|1 — 233) R. Spiller,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 10
I 5 : 234-264 F. Vogt, Volkskunde.
stände zu gewinnen, und die Art, wie er das Verhältnis der einzelnen Versionen
genau und übersichtlich darstellt, verdient alle Beachtung. Aber ich glaube, es lässt
sich zeigen, dass er die Bedeutung der indischen Erzählung überschätzt hat, und
diese Erkenntnis wird zu einer abweichenden Auffassung von dem Wesen und der Ent-
wicklung dieses Märchens führen. — Sonst sind nur kleine Beiträge zur Märchen-
litteratur zu verzeichnen234-242)^ Yon denen solche zur Anekdoten- und Schwank-
litteratur243"244^ kaum zu trennen sind. —
Unter den kleinen Aufsätzen, die sich mit der Geschichte und dem Wesen
des Volksliedes im allgemeinen beschäftigen^*^"^^'), mögen zwei Artikel her-
vorgehoben werden, welche die Gefährdung des Volksliedes durch den modernen Gassen-
hauer betreffen. Während der eine jene alte echte Poesie gegen den von Operette
und Tingeltangel gezeugten grossstädtischen Emporkömmling zu schützen mahnt^^s),
spendet der andere auf eine verwandte Klage der Grenzboten den zweifelhaften Trost,
dass es auch in früheren Zeiten Gassenhauer gegeben habe, und dass auch bessere
Kunstlieder das Volkslied verdrängen helfen-*^). — Eine Abhandlung von Flaisch-
len^öo^ führt die kleinen Veränderungen, die Uhlands Lied vom treuen Kameraden
im Volksgesang erfahren hat, auf allgemeinere Gesichtspunkte zurück, und so
behandeln auch andere kleinere Mitteilungen einzelne Volkslieder oder inhaltlich
zusammengehörige Gruppen. ^^i 258^ —
An der Spitze der Volkslieder Sammlungen können wir erfreulicher Weise
eine neue Ausgabe des grundlegenden umfassenden Werkes von Uhland, durch
Fisch e r '■^^'■') veranstaltet, verzeichnen, die durch ihren billigen Preis den weitesten Kreisen
zugänglich ist. Nicht nur die Lieder selbst, sondern auch die für die Volkskunde
in weiterem Umfange so fruchtbare Abhandlung mit den zu ihr gehörigen An-
merkungen sind unverkürzt wiedergegeben, während die Anmerkungen zu den
Liedern, die durch neuere Publikationen am ehesten entbehrlich geworden sind, fort-
blieben. F.s Einleitung bestimmt in besonnener Weise das Wesen des Volksliedes,
skizziert in aller Knappheit seine Geschichte in Deutschland und giebt von Uhlands
bezüglichen Studien ein liebevoll und treffend gezeichnetes, sehr ansprechendes
Bild.^^''-^') — Da diejenigen Sammlungen, welche die Volkslieder zugleich in W^ort
und Weise wiedergeben , in dem Kapitel Musik besprochen werden (s. u. I 13), so
möge in Bezug auf Böhmes^ßi») Neubearbeitung und Fortsetzung von Ercks
deutschem Liederhort hier die Bemerkung genügen, dass sie auch für die Texte von
Bedeutung ist. —
Weitaus die meisten Sammlungen beschränken sich auf einzelne Land-
schaften; sie werden hier mit Sondermitteilungen über die betreffenden Gebiete
zusammengefasst. Unter den oberdeutschen ^^2) tritt vor allem Tirol hervor.
Ein zweites Bändchen lebensfrischer Tiroler Volkslieder in der allerliebst aus-
gestatteten Liebeskindschen Sammlung haben wir wieder Greinz und dem inzwischen
verstorbenen Kapferer^*'"'"^^*) zu danken. Neben den poetisch ansprechenden
Stücken von mancherlei Art, die es enthält, können die Weihnachts - Hirtenlieder
und ein Dreikönigslied auch ein litterarhistorisches Interesse beanspruchen. — Eine
Z. Gesch. d. Märchens vom Dornröschen. Progr. d. Thtirgunisohen Kantonschule. Frauenfeld, Hnber & Co. 4". 36 S. — 234) X
J. Bolte, Zu d. Märchen v. d. sieben Grafen: ZVVolksk. 3, S. 61/7. (Dazu ib. S. 462/3 ; vgl. I 10:12.) — 235) X H- Uli rieh,
D. Schneiderleins Glück: ib. S. 452,6. — 236) X !>• Fränkel, Z. Märchenmotiv v. d. drei findigen Brüdern (oder Genossen):
ib. S. 96. — 237) X K.Dirksen, Asar u. Gemir. Ostfriesisches Märchen: ib S. 336;7. — 238» X H. Carstens, D. Märchen
V. d. Königstochter, d. nicht lachen konnte: ib. S. 456/9. — 239) X St. Prato, Le dodici parole della yeritä: ASTP. 12, S. 3S-53.
(Nimmt auch auf dtsch. Ueberlieferungen Bezug. Dazu P. Yalla ib. S. 378-85 u. St. Prato S. 422-34, 571-80.) — 240) X K-
Ed. Haase, Z. Entenbaum: ZD*!]. 7, S. 62. (Erklärung d. Zeitungsente ans d. bei Seb. Münster nachgewiesenen fabelhaften
Entenbaum.) — 241) X ^- J- Chamberlain, Sagen v. Ursprung d. Fliegen u. Moskiten. E. Beitr. z. vergleich. Volksk.: Urquell 4,
S. 129-31. — 242) X A. Haas, Sagen v. Ursprung d. Fliegen: ib. S. 201/2. — 243l X J ßolte, D. Schwank v. d. drei lispelnden
Schwestern: ZVVolksk. 3, S. 58. (Vgl. dazu A. Treichels Umfrage: Urquell 4, S. 101-69; vgl. I 10: 32.) — 243a) X J- Spiesser,
Münsterthäler Anekdoten: JbGKlsLothr. 9, S. 87-92. — 244) X 0. Knoop, Schnurren u Schnaken aus Rügsn: Urquell 4,
S. 72,3, 100/1. — 245) X V- Cian, La poesia popolare nella storia letteraria: ASTP. 12, S. 277 9. — 246) X Sohns, P.
Erfnrth, d. dtsch. Volksdichtung: COIRW. 21, S. 562. — 247) X B. B., Voranzeige v. M. A. Keudels „Etüde de quelques chants
populaires allemands": AnnEst. 7, S. 141. — 248) Volkslieder u. Gassenhauer: Didask, S. 548. — 249) Volkslied u. Gassen-
hauer: Kw. 6, S. 372/3. — 250) C. Flaischlen, Z. Volksdichtung: ZVVolksk. 3, S. 79-85. (Dazu e. kleiner Zusatz v. C h. II.
Steinthal.) — 251) X E. dtsch. Volkslied als französ. Citat: Didask. S. 696. („Les morts vont vite, comme dit le poete allemand"
fEdm. About].) — 252) X L- Fränkel, Zu „E. Volkslied im Studentenraund": Urquell 4, S. 174. — 253) X Erich Schmidt,
Ueber d. Tannenbaumlied. Vortr., geh. in GDL. Referat: VossZg. N. 51. (Seh. wies darin u. a. auch e. neue Fassung
d. Liodes aus Göckingks Emigrationsgeschichte [1734J nach.) — 254) X K. E. Haase, Z. Zauberspruch in Auerbachs Keller:
ZDU. 7, S. 141/2, 501/2, 692/4. (Kettenreimpredigt.) — 255i X A. En giert, Varianten zu d. Kinderliedchen „Christkindchen
komm in unser Haus": ib. S. 266/7. — 256) X ^- Heintze, Zwei Volkslieder (entnommen e. geschriebenen Soldaten-Lieder-
buche): ib. S. 762. — 257) X 0. Schell. Bastlösereime. Umfrage: Urquell 4, S. 267, 172/3. - 258) X id., E. Kinderreigen
V. Dornröschen: ib. S. 259-60. — 259) L. Uhland, Alte hoch- u. niederdtsch. Volkslieder mit Abhandl. u. Anm. her. 3. Aufl.
Mit Einleitv. Herm. Fischer. Bd. 1/4. (= Bibl. d. Weltlitt. N. 206-lÜ.) St., Cotta. 346,320,308,260 8. M. 4,00. — 260) X
R. Sprenger, Zu Uhlands Volkliedern u. Simrocks dtsch. Mythologie: Urquell 4, S. 334. (Betrifft d. Gütchen genannten Haus-
geister.) — 261) X O E. kleine Sammlung beliebter Volkslieder u. Schnadahüpfeln. Regensburg, llabbel. 16". 24 S. M. 0,10.
— 261a) (Vgl. auch n2 :1.) — 262) X 0. Heilig, Gassenlieder aus Pülfringen im badischen Hinterland : Alemannia 21, S 202/3.—
263) Rud. H. Greinzu. J. A. Kapferer, Tiroler Volkslieder. 2. Folge. L., Liebeskind. 16«. 185 S. M. 1,50. ULZg». N. 65;
BLU. S. 280; Geg. 44, S. 15; COIRW. 21, S. 439.]| — 264) X A. Schlossar, Tiroler Schnadahüpfeln: BLU. S. 680. (Recens.
F. Vog-t, Volkskunde. I 5 : 205-299
hübsche Auswahl aus gedruckten Sammlungen von Schnadahüpfeln hat G u n d -
1 achtes) zusammengestellt und im Anschluss an ältere Darstellungen mit einer Ein-
leitung versehen, die in ihrem metrischen Teile freilich schon beim Erscheinen
veraltet ist. Mit Daktylen, Anapästen und Amphibrachen kommt man dem Schnada-
hüpfel so wenig bei wie mit der Behauptung, dass jeder seiner Verse zwei betonte
Silben habe, während die Zahl der unbetonten Silben ganz beliebig sei. Das Wesent-
liche ist bei diesen von der Musik unzertrennlichen Versen der Rhythmus, und bei
ihm kommen neben den Hauptaccenten und den Senkungen vor allem auch die
Nebenaccente in Betracht. Dem Benutzer des Büchleins, der sich Klarheit über diese
Dinge verschaffen will, werden die 8 beigegebenen Singweisen mehr helfen als jene
metrischen Auseinandersetzungen. ^^ß) — Aus den übrigen süddeutsch-österreichischen
und aus den deutsch-ungarischen Gebieten sind nur kleine Beiträge aufzuführen^^'J 279j^ —
Aus Mitteldeutschland liegen die Sammlungen von Becker ^so ssoav)^
Wolfram 2*1) und die Fortsetzung der mit reichhaltigen Nach Weisungen versehenen
Lewalterschen282j vor. — Zu dieser und zugleich zu Hruschkas und Toischers
böhmischen Volksliedern (vgl. JBL. 1892 IV 2:362) giebt Voretzsch^ssj wichtige
Ergänzungen und Parallelen, die mehrfach erst den richtigen Zusammenhang' oder
die Art der Zusammensetzung einzelner Lieder erkennen lassen, wobei er zugleich
vier neue Lieder aus Nordböhmen hinzufügt. 2^*) — Frey tags-^^) historische Sammlung
ist als Volksbuch gedacht und demgemäss ohne wissenschaftliche Beigaben. Doch
sind die Quellen überall angegeben. Mit dem 16. Jh. anhebend, reichen die Lieder
in 114 Nummern bis auf die Gegenwart. Nicht alle sind eigentliche Volkslieder. —
Neben Sachsen ist auch Deutsch-Böhmen2*>6) und Schlesien vertreten2*''"288j _ Der
Titel eines kleinen Aufsatzes von Menkes^^^), der die oberschlesischen Volkslieder
zu behandeln verspricht, führt irre, da er nur von polnischen Volksliedern und nicht
nur von denen der Oberschlesier handelt. Oberschlesien gehört aber nicht zu Polen,
und zu den Volksliedern der Oberschlesier gehören auch die deutschen.29*>) —
Aus Niederdeutschlan d^'*!"^««) ist eine umfänglichere Sammlung nur für
Preussen beigesteuert. Längst durch Frischbier zusammengestellt, ist sie erst jetzt
nach dessen Tode durch Sembrzycki"'»^) veröffentlicht. Ein sehr beträchtlicher Teil
der Lieder ist aus den preussischen Provinzialblättern entnommen; andere stammen
aus schriftlicher und mündlicher Mitteilung. Es sind Balladen, Liebeslieder, Standes-
und Berufslieder, denen dann noch ein „Vermischtes" umfassender Anhang beigegeben
ist. Kinderlieder sind ausgeschlossen. Dass die Ballade „Herr Olof (Rolof) reitet so
spät und so weit" aus Herders Volksliedern stamme, hätte in der Anmerkung nicht
bezweifelt werden sollen. Interessant ist es immerhin zu hören, dass sie im Volks-
munde einige Aenderungen erfahren hat. Die Anmerkungen g-eben Aufschluss über
die Quellen und freilich nicht erschöpfende litterarische Nachweise über Parallelen
der einzelnen Lieder. Zu bedauern ist es, dass die Melodien nicht, soweit sie noch
erreichbar waren, mitgeteilt sind. Bei alledem bleibt die Sammlung recht beachtens-
d. Samml. v. E. H. Greinz u. J. A. Kapferer, ygl. JBL. 1890 IV 2 : 175.) — 265) F. Gundlach, 1000 Schnadahüpfeln. (= ÜB.
N 31012.) L., Heclam. 212 S. M. 0,40. - 266) X .1. Pommer, 252 Jodler n. Juchezer ges. Wien, Rebay n. Robitschek. XU,
212 S. M. 2,50. — 267) X E. M. Steininger, D. Wiener Volkslied: Geg. 44, S. 404,8. — 268 1 X Trutz u. Scherz. Volks-
lieder aus Steiermark: Heiragarten 16, S. 52/3. — 269) X ^ ^- Franziszi, Hirtenlieder aus d. Möllthal : Carinthia 83, S. 63,4,
93/4. — 270) B. Schnttelkopf, Kinderreime u. Kinderspiele in Kärnten. (1. Nachtr): ib. S. 23,5. (Vgl. JBL. 1890 I 5:33;
1891 I 5 : 274.) — 271) X E- Dürnwirth, Berg u. gruben Reim, Welcher am Grass Fragantner Berg bei Einsperung Ge8prach(en)
wird: ib. S. 120/6. (Kämt. Bergwerkslied.) — 272) X A. F. Dörfler, Dtsch. Volkslied aus Südungarn: Urquell 4, S. 274. —
273) X A. Herrmann, Dtsch. Volksreime aus Kremnitz: ib. S. 220/1. — 274) X i^-- Dobschauer Gassenhauer: ib. S. 91;3. —
275) X 6- Versenyi, Dtsch. Volkslieder aus d. Körmöczbänyaer Gegend: EthnMUng. 3, S. 255/6. — 276) X id-, Dtsch. Kinder-
reime aus d. Gegend v. Körmöczbänya: ib. S. 101. — 277) X Parallelen u. Bemerkungen zu Stellen in d. EthnMUng.: ib. S. 291,4.
(Kinderreime.) - 278) X K. Fuchs. E. alte Beschwörungsformel: ib. S. 240,3. (Aus Zipsen; Kinderreim.) -- 279; X Sieben •
bürg.-Sächsischer Kinderreigen: KBlVSbnbgLK. 16, S. 57. — 280) K. Becker, Rheinischer Volksliederborn. Auswahl d. edelsten
u. schönsten Volkslieder mit ihren Melodien d. verschiedenen Gegenden d. Rheinlande. Aus d. Munde d. Volkes u. aus ge-
schriebenen Liederbüchern gesamm. Neuwied, Heuser. IX, 127 S. M. 2,50. — 280a) X H. Merken s. Altes Kölner Studenten-
Hed. Volkslied: Urquell 4, S. ViS. — 281) E. H. Wolfram, Nassauische Volkslieder nach Wort u. Weise aus d. Munde d.
Volkes gesamm. B., Sigismund. 462 S. M. 4,00. — 282) J. Lewalter, Dtsch. Volkslieder. In Niederhessen aus d. Munde d.
Volkes gesamm., mit einfacher Klavierbegleitung, geschichtl. u. vergleichenden Anmerkungen. Heft 1/4. Hamburg, Fritzsche.
X, 68 S.; VIII, 72 S.; IV, 74 S.; VIII, 72 S. k M. 1,00. — 283) K. Voretzsch, Zu d. dtsch. Volksliedern ans Böhmen u. aus
Niederhessen: ZVVolksk. 3, S. 176-89. {Nachtr. dazu v. V. selbst n. A. Englert ib. S. 337/8)- 284) X Wilh. Müller, Volks-
lieder aus d. Spessart: Urquell 4, S. 144/5. — 285) E. R. Freytag, Ilist. Volkslieder d. sächs. Heeres. Dresden, Glöss. VII,
175 S. M. 3,00. |[A. Schlossar: BLU. S. 262.JI - 286) X F. Knothe, Volksdichtung u. Kinderspiele im nordöstl. Deutsch-
Böhmen. (Fortsetzung):RiesengcbirgeinWortn. Bild. N. 1 2,8.8-13, N. .3/4,8. 1.3,7. (Vgl. JBL. 1892 14: 116.) -287) XK.Knauthe,
Kinderreime aus Schlesien: Urquell 4, 8. 232/3. - 288) X J- Bolte, E. Breslauer bist. Volkslied v. J. 1490: ZDA. 37, S. 231,5.
— 289) H. Menkes, D. Volkslieder d. Oberschlesier: Zeitgeist N. 38. — 290) X A. Nagelberg, Judendtsch. Kinderlieder:
Urquell 4, 8. 119-20. (Galizien.) - 291) X 0- Glöde, Niederdtsch. Wiegenlieder: ZDU. 7, 8. 269. — 292) X K. E. Haase,
Z. Rummelpott: ZDU. 7, 8.275. (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 236/8: IV 2 : 279-80.) - 293) X 0. Schell, Bergisches Volkslied: Urquell 4,
S. 20. — 294) X 0. Bremer, Plattdeutsch in Halle: KBlVNiederdSpr. 16, S. 70/1. (Dazu S. 88.) - 295) X Fastnachtlieder :
Urquell 4, 8. 31. (Mark.) — 296) X Colra. Schumann, Fitcherlieder ans Gothmund bei Lübeck: ib. 8. 164,7. — 297) X 0.
Glöde, Volkslieder aus Mecklenburg: ib. S. 71/2. - 298) X i^-. E. hochdtsch. Volkslied aus Mecklenburg: ZDU. 7, 8.428.—
299) H. Frischbier, Hundert ostpreuss. Volkslieder in hochdtsch. Sprache. Her. v. J. Sembrzycki, L., Reisner. VIII, 152 S.
lÜ*
I 5:300-327 F. Vogt, Volkskunde.
wert^oo^. — Schon über das deutsche Sprachgebiet hinaus führt Nasts^oi) Studie über
die Dainos, die besonders weg-en ihres den Melodien gewidmeten Teiles Beachtung
verdient. —
In einem Sohlussabschnitt sei Verschiedenes zusammengestellt. Von der
Spruch poesie des Volkes ist das wichtige Kapitel der Inschriften diesmal nur
durch einige wenige kleine Beiträge vertreten''02-307j. gj^g Gattung altdeutscher Sprüche
hat Limbach 308) ohne Glück zu modernisieren gesucht, während Keils ^09) an anderer
Stelle eingehender zu besprechendes Werk über die Stammbücher einen wertvollen
Beitrag nicht nur zur Geschichte des Sinnspruches, sondern auch zur deutschen Kultur-
geschichte liefert. Freilich betrifft das Buch nicht das eigentlich Volkstümliche, wie auch
die Sammlung von Eichholz 3*") lediglich Sprüche und Wendungen im Munde der
Gebildeten betrifft. Geläufige lateinische Redensarten werden hier in alphabetischer
Anordnung aufgeführt und übersetzt, gelegentlich auch erklärt. Vielfach wird der
Autor, von dem sie ausgehen, angegeben, aber ohne genaueres Citat; sehr oft fehlt
jede weitere Angabe über den Ursprung. Das Buch soll dem des Lateinischen nicht
genügend Kundigen dienen. —
Eine ältere S p r i ch wo r ter quelle verwertet Lauchert^n); eine inhalt-
lich verwandte Sprichwörtergruppe^^^) stellt Freund^is) zusammen, indem er eine
grosse Anzahl deutscher Sprüche, zu denen er auch solche aus der Edda zählt, ohne
Quellenangabe und ohne Rücksicht auf ihren einheimischen oder fremden Ursprung
unter den recht weit gefassten Begriff der Treue und Untreue bringt. — Sonst liegen
nur Sprichwörtersammlungen für bestimmte Gegenden vor und zwar verschiedene
kleine für süddeutsche Bezirke^'^ 3i6) ^nd für ober- und mitteldeutsche Kolonisations-
gebiete3i''~32ij^ eine weit umfassendere für Niederdeutschland. Diese umfängliche,
vom Verleger sehr gut ausgestattete Sammlung Eckarts322j könnte in weiten
Kreisen auf Dank und Beifall rechnen, wenn in ihr nicht die einfachsten Anforderungen,
die man an die Gewissenhaftigkeit eines Herausgebers stellen muss, gröblich ver-
nachlässigt wären. Das Aergste ist, dass, wie Seelmann nachgewiesen hat,
die Sammlung, die E. auf den Gebieten von Oldenburg bis Schlesien (!), von Ost-
preussen bis zur Rheinprovinz „aus dem Volksmunde" und ihm „reichlich zu Gebote
stehenden Specialforschungen gesammelt" haben will, nichts weiter ist als ein nach-
lässiger und verkehrt angelegter Auszug aus Wanders Sprichwörterlexikon mit
ganz unbedeutenden Zusätzen aus anderen Quellen, die nicht einmal von der Aus-
nutzung der in dem mangelhaften Litteraturverzeichnis erwähnten Sammlungen
zeugen. — Weit verdienstlicher als eine Kompilation von solcher Art ist eine auf
das kleinste Gebiet beschränkte Sammlung, wenn sie selbständig angelegt und
gewissenhaft ausgeführt ist, wie Dirksens^''^^) Meidericher Sprichwörterbüchlein, das,
zuerst 1890 erschienen, jetzt in einer um einige Anmerkungen vermehrten Ausgabe
vorliegt, die auch über das Gebiet der Mundart hinaus Verbreitung finden soll. Für
diesen Zweck hätte allerdings noch etwas mehr für die Worterklärung geschehen
können, wenn auch andere Erläuterungen dafür hätten verkürzt werden müssen. —
Auch auf anderen niederdeutschen Gebieten hat man einiges dieser Gattung zusammen-
gestellt324-3273. _
M. 3,00. |[ürqnell 4, S. 128; LCBl. S. 1619: A. Schlossar: BLU. S. 262/3.]| — 300) X id-, Preuss. Volksveirae u. Volksspiele
(vgl. JBL. 1892 I 4:361). l[L. B.: Wisla. 1892, S. 691; 1893, S. 190; J. Sombrzycki: KwH. 7, S. 302.]| —301) L. Nast, D.
Volkslieder ä. Litauer inhaltl. u. niusikal. Progr. d. Gymn. Tilsit. 4". 52 S. — 302) X A. Schlossar, L. v. Hörmann, Gral)-
schriften n. Marterln (JBL. 1892 I 4:74); id., Volkstüml. Sprichwörter (ib. I 4:347); id., Haussprüche (ib. I 4:352): BLU.
S. 278-80. (Ledigl. Auszüge aus Hörmanns Samml. finden sich unter „Grabschriften" in d. 111. Bibl. Prochäska 1, S. 12.3/5.)
— 303) X F- Ilwof, Allerlei Inschriften aus d. Alpenländern: ZVVolksk. 3, S. 278. (Meist Hausinschriften.) — 304) X E-
Keiter, Grabschriften u. Marterln in d. Alpen: ÖUE. 14, S. 411-24. — 305) X H. Gutscher, Volkspoesie auf Gräbern: DZg.
N. 7847. — 306) X M. Frhr. zu Aichelburg, Inschriften an Haus n. Gerät: Carinthia 83, S, 127/8. — 307) X H. Hart-
mann, Inschriften aus d. Bauernhäusern im Kreise Wittlage: MVGOsnabrück. 17, S. 410/5. — 308) Ph. Strauch, H. Limbach,
Priameln. E. ausgew. Samml. altdtsch. Sinngedichte. Dresden, Albanus. 1892. XV, 106 S. M. 2,00: DLZ. S. 366,7. — 309)
(I 4:141.) — 310) K. Eichholz, Latein. Citate mit dtsch. Uebersetz. Latein. Sprüche, Wörter u. Sprüchwörter. Hamburg,
Berendsohn. IV, 176 S. M. 2,00. — 311) F. Lauchert, Sprichwörter n. sprichwörtl. Redensarten bei Abraham a Santa Clara.
(Aus Alemannia.) Bonn, P. Hanstein. 42 S. M. 1,00. (Vgl. JBL. 1890 III 5:17.) — 312) X L. Fränkel, D. Tadel d. Zuviel-
redeng in Sprichwort u. Volksanschauung. Umfrage: Urquell 4, S. 14, 123, 1313, 157/8. — 313) L. Freund, D. Treue im
Spiegel d. Spruchweisheit I. Dtsch. Sprüche u. Sprichwörter. 2. Durch Nachtrr. vermehrte Ausgabe. L., Kössling. 1892. 50 S.
M. 1,20. |[A. Schroeter: BLU. S. 581/2.]J — 314) X J- Rathgeber, Elsäss. Sprichwörter u. sprichwörtl. Redensarten:
JbGEleLothr. 9,8.98-101. 315)XJ- Spiese r, Sprichwörter in Waldhabacher Mundart : ib. S.93/7.- 316)XH. Bazing, Sprich-
wörtc 1 u. Redensarten aus d. Gegend v.Waldsee mitget. : MVKunstAUlm. 4, S. 30/2. (Ges. v. P e t e r.) — 317) J. R. B ü n k e r , Heanzische
Spricliwörter: EthnMUng. 3, S. 287-91. — 318) X M. Weissberg, Sprichwörter galizischer Juden: Urquell 4, S. 256j7. —
319) XJ-A Ohara p, Sprichwörter galizischer Juden: ib. S. 212/3. — 320) X I-'- Man dl, Sprichwörter dtsch. Juden: ib. S 75/6. —
321) X Müschner, Wendische Sprichwörter: Bär 19, S. 785/6. (36 Sprichwörter aus d. Wendischen übersetzt.) — 322) R.
Eckart, Niederdtsch. Sprichwörter u. volkstüml. Redensarten. Braunschweig, Appelhaus & Pfennigstorff. 586 S. M. 8,00.
||W. Seelmann: ADA. 21, S. 142/4.JI — 323) K. Dirksen, Meidericher Sprichwörter, sprichwörtl. Redensarten u. Reira-
sprüche mit Anm. 2. Aufl. Königsberg, Härtung. 56 S. M. 1,00. (vgl. JBL. 1892 I 4 : 349.) — 324) X K. E. H. K r a u s e ,
K. Dirksen, Ostfriesische Sprichwörter (JBL. 1S91 I 5 : 26.3): KBlVNiederdSpr. 15, S. 13. — 325) X N. S tacke r, Sprichwörter
n. Redearten aus Drage in Stapelholra : Urqnell 4, S. 257/8. - 326) X R- Sprenger, 0. Knoop, Z. Verbreitung d. plattdtsch.
Sprichwörter u. Redensarten, aus Ilinterpomra. gesamm. Progr. 1891 : KBlVNiederdSpr. 15, S. 2/3. — 327) X •'• S e m b r ■/, y c k i ,
F. Vogt, Volkskunde. I 5 : 328-367
Als verschieden artig-e Aeusserung-en des Volkswitzes hat man Spott- und
Scherz- Verse und -Reden32s-333j ^nd manches Humoristische anderer Art mitg-eteilt^s*).
— So führt Schurig-^äbj ^[q ggjjp verschiedenen Erscheinungsformen sächsischen Solda-
tenhumors in Poesie und Prosa vor, wobei an Wörtern, Spitznamen und Redensarten einiges
nicht Uninteressante erscheint, und Laverrenz^^e^ trägt parodistische Auslegungen und
allerlei schnoddrige Bemerkungen anderer Art, zu denen dem Berliner die Bauten
und Denkmäler seiner Heimatstadt Anlass geben, als eine charakteristische Gattung
berlinischen Volkswitzes zusammen. — 122 deutsche Redensarten, die, so
geläufig sie uns auch grösstenteils noch sind, ihre Erklärung doch erst in der älteren
Kultur, Litteratur und Sprache finden, erläutert Rieht er^^"). Der Vf. zeigt aus-
gebreitete Kenntnisse auf diesen Gebieten, besonders auf dem der Kulturgeschichte,
und weiss neben den von Anderen gefundenen Deutungen auch so manche neuen
Aufschlüsse zu geben. Mag man auch nicht in jeder Einzelheit zustimmen, so ist
das Buch dennoch zu empfehlen und verdient die im Verlaufe von drei Jahren nötig
gewordene zweite Auflage. — Bestimmte Gattungen von Redewendungen und Redens-
arten bilden den Inhalt verschiedener kleinerer Publikationen338-345^ —
Eine kleine Auswahl von Rätseln für Schule und Haus hat Frick^*^) mit
gutem Humor getroffen34"-348j^ {j^ übrigen hat man auch diese Art von Volkswitz
und Volkspoesie nach ihren örtlichen Erscheinungen untersucht und zusammen-
geStellt349 355j, _
Mit Volkswitz und Redensarten zeigt die Namengebung manche
Berührungen, besonders in den Spitz- und Schimpfnamen^äß) und in der Beilegung
von Personennamen an Tiere35''"360), __ Die Vor- und Familiennamen nehmen seit
langen Zeiten das Interesse weiterer Kreise in Anspruch. Für die Reclamsche ÜB.
hat jetzt Tetzner*^^') ein kleines Namenbüchlein zusammengestellt, dem auch für
seine populären Zwecke einige Litteraturangaben zur Namenkunde zu wünschen
gewesen wären. — Wie seit dem 13. Jh. der alte Reichtum an deutschen Vornamen
allmählich geschwächt wurde, zeigt eine kleine Studie Steinhausens^ß^), die zugleich
die Verbreitung des Namens Johannes behau delt.363) _ Ortjohann364j hat das
Verhältnis deutscher und nichtdeutscher Vornamen bei der Schuljugend eines
Schweizerkantons statistisch festgestellt. — Auf welche Weise die deutschen Vornamen
gebildet wurden und wie sie zum Teil in Familiennamen noch fortleben, hat BehagheP^^)
in einem Vortrage mit besonderer Beziehung auf Giessen erörtert. — Keipers
Zusammenstellungen über französische Familiennamen in der Pfalz (vgl. JBL. 1892 I
4:812) wurden noch besprochen^ßß). — Verschiedene Klassen und Schichten von
Personen- und Ortsnamen Graubündens behandelt Muoth^^') unter Erörterung der
.für die Wandlung ihrer Formen massgebenden Sprachgesetze, vor allem aber unter
Berücksichtigung ihrer Bedeutung für das Verhältnis der verschiedenen Stämme in
Sprichwörter n. Keime aus d. Kirchspiel Berschkallen (Kreis Insterbnrg): MLLG. 3, S. 446/7. — 328) X K. Weinhold,
Volltsreime auf Bettlerhochzeiten: ZVVolksk. 3, S. 228-30. — 329) X A. Engler t, Zn d. Spottvers „Bonapart ist nimmer
stolz": ZDU. 7, S. 271/2. — 330) X 0. Heilig, Ortsneckereien in d. Brnchsaler Gegend: Alemannia 21, S. 201. — 331) X
id., Ortsneckereien in Tauhergrund: ib. S. 201/2. — 332) X A. Englert, Scherzdialog: ZDU. 7, S. 272/3. — 333) X 0-
Glöde, Schnellsprech- Vers aus Mecklenburg: KBlVNiederdSpr. 16, S. 23. - 334) X K. Weinhold, H. Merltens, Was
sich das Volk erzählt. Dtsch. Volkshuraor, ges. u. nacherzählt. Jena, Costenoble. XHI, 280 S. M. 5,00: ZVVolksk. 3, S. 344.
— 335) E. S c h u r i g , D. Humor in d. sächs. Armee. Dresden, Albanns. XV, 140 S. M. 1,00. — 336) V. L a v e r r e n z , D.
Denkmäler Berlins u. d. Volkswitz. Mit 54 Illustrationen v. G. Brandt. 2. Aufl. B., Laverrenz. 117 S. M. 1,00. - 337)
Alb. Richter, Dtsch. Redensarten. Sprachl. u. knltnrgesch. erlänt. 2. Term. Aufl. L., Richter. 190 S. M. 2.00. |[Geg. 44,
S. 366.JI (Vgl. JBL. 1890 I 5:25.) - 338) X Th. Zahn, Bibelwort im Volksmund. Vortr. Nürnberg, Löher. gr. 16». 48 S.
M. 0,60. |[E. L.: ThLBI. 14, S. 201.]| — 339 X E. Handtmann, Vornamen- Verbrämungen im märkischen Sprachgebrauch r
Bär 19, S. 405/7. (Scherzreime u. Redensarten, d. man mit bestimmten Vornamen verbindet.) — 340) X J. Gillhoff, D.
Pflanzen im Volksmunde: NatZgB. N. 30. |[D. Sanders: ZDS. 7, S. 21S/9.]| — 341) X ß- Wossidlo, Gott u. Teufel im
Munde d. Meklenburgischen Volkes: KBlVNiederdSpr. 15, S. 18-32, 44/8. — 342) X A. Treichel, Entfernte Verwandtschaft:
Urquell 4, S. 156/7. (Redensarten zu deren Bezeichnung.) — ■ 343) X i d- Bei plötzlicher Stille in d. Gesellschaft: ib. S. 275.
— 344) X id.. Fürs Pferd u. beim Rülpsen: ib. S. 202/4. — 345) X Einzelheiten über Redensarten u. Wortbildungen d.
Volks- n. Umgangssprache: ZDU. 7, S. 136-40, 142/3, 263, 267/9, 424, 426, 429-31, 491/2, 495/8, 564/5, 567/8, 572/3, 626, 633,
686-92, 759-61, 765/7. 834-42. - 346) Jos. Frick, 300 Rätsel samt 100 Scherzfragen. Ravensburg, Maier. 97 S. M. 0,70.
— 347) X H. Volksmann, Volkswitz in Rätseln: Urquell 4, S. 221/2. — 348) X ■*.. Treichel, Biblische Rätsel: ib.
S. 84/7, 124.— 349) X K- Sprenger, Z. Scberzrätsel aus Tirol: ZDU. 7, S. 61. — 350) X K. J. Schröer, Kätselfragen,
Wett- u. Wunschlieder: ZVVolksk. 3, S. 67-71. (Handelt über Rätsel-Streitlieder d. dtsch. Sternspielbrnderschaften in d.
Gegend v. Pressbnrg u. teilt ein solches Lied mit.) — 351) X 0. Glöde, Niederdtsch. Rätsel, besonders d. Storch-, Floh-
u. Entenrätsel: ZDU. 7, S. 688-91. - 352) X 0. Schell, Volksrätsel aus d. Bergischen. Aus d. Volksmunde gesamm.:
ZVVolksk. 3, S. 293. — 353) X K- E. H aa s e , Volksrätsel ans d. Grafschaft Ruppin u. Umgegend: ib. S. 719. — 354) X
0. Glöde, Niederdtsch. Rätsel aus Mecklenburg: Urquell 4, S. 250,3. — 355) X A. Brunk, Volksrätsel in Pommern: ib.
S. 147 9. - 356) X A. Nagelberg, Spitz- u. Schimpfnamen bei galizischen Juden: ib. S. 214 5. — 357) X 0. Glöde,
Noch einmal der Hasenname Lampe-Lambert, Landbrecht: ZDU. 7, S. 498. — 358) XK. Weinhold, F. Branky, Eulen-
namen. (Sonderabdr. ans MOrnithVWien. „D. Schwalbe« 1892.) 35 S.: ZVVolksk. 3, S. 112. — 359) X 0. Glöde, Ueber
Tiernamen im Volksmund u. in d. Dichtung: ZDU. 7, S. 115-26. — 360) X Tiere u. leblose Gegenstände als persönl. Wesen:
StrassbPost. N. 174. (Belegung v. Tieren u. Gegenständen mit personifizierenden Namen.) — 361) F. Tetzner, Namenbuch:
(=UB. N. 3107 8). L., Reclam. 167 S. M. 0,40. 362) G. Steinhausen, Vornamenstudien: ZDU. 7, S. 616-26.- 363) X
M. Hertz, Moderne weibl. Vornamen: VossZgli. N. 43. — 364) F. Ortjohann, D. Vornamen d. Schuljugend d. Kantons
Rappoltsweiler, Progr. d. Realsch. Rappoltsweiler. 4». 8 S. — 365) 0. Behaghel, Ueber altdtsch. Familiennamen:
MOberhessGY. 4, S. 130. (Ganz kurzes Referat.) - 366) X Fr- Speyer: ASNS. 90, S. 456,8. — 367) J. C. Mnoth, Ueber
I 5:368-379 16:1 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
den verschiedenen Perioden der Besiedelung* nnd der Verfassung* des Landes. Er
bietet auch manches für die allgemeine Namenkunde Interessante. — Der Benennung-
unseres Volkes hat Dove^^^) eine historische Untersuchung- zug-ewendet, in der er
die Zusammenfassung- der Sprache der ostrheinischen Stämme unter der Benennung
„theodiscus, diutisc" (d. i. „national", nicht „vulgär"), die seit dem J. 788 geschicht-
lich bezeugt ist, auf Bonifacius zurückführen möchte. — Egli^^'») hat eine Reihe
vergleichender Studien über charakteristische Erscheinungen in der geographischen
Namengebung unter Berücksichtigung alter und neuerer deutscher Benennungen
veröffentlicht. — Einzelne Erscheinungen in der deutschen Ortsbezeichnung3''0-37ia^
und die Ortsnamen einzelner Gegenden sind in verschiedenen Aufsätzen und
Zusammenstellungen behandelt, unter denen Sehn eller s^"^^ Abhandlung über die
Tirolischen Ortsnamen besonders genannt zu werden verdient.^'' 3-379 j —
1,6
Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Karl Kehrbach.
Einleitung N. 1. — Gesamtdarstellungen N. 4. — Methodik einzelner Fächer: Anschaunngsunterricht N. 8;
lateinischer Unterricht N. 9; Leseunterricht N. 10; Rechenunterricht N. 12; Eeligionsunterricht N. 13; Turnunterricht N. 14. —
Einzelne Persönlichlceiten und Freunde des Schulwesens: Reformationszeit N. 16; Ratichius N. 20; Aisted, Andreae, Comenius
N. 23; Speccius, Stoever N. 34; Stiiubsand, Staude, Stölzlin N. 36; Steinmetz, Strnss N. 39; Struensee, Streithorst, Stritter N. 41 ;
Basedow und der Philanthropinismus N. 44; Herder N. 47 ; Pestalozzi und Zeitgenossen N. 48; Herbart N. 54; katholisclie Pädagogen
N. 55; verschiedene Schulmänner der Praxis aus neuerer Zeit: Baden N. 60, Bayern N. 61, Hessen N. 62, Oesterreich N. 63, Oldenburg
N. 66, Preussen und Berlin N. 67, Sachsen N. 75, Schweiz N. 77, Thüringen N. 83. — Universitäten : Zusammenfassende Darstellungen
N 85;AllgänN. 87;Basel N. 89; Berlin N. 90; Erlangen N. 91 ; Freiburg i. B. N. 99; Freiburg i. Schw. N. 104; Giessen, Kassel, Marburg
N 105; Göttingen N. 108; Halle, Wittenberg N. 110; Heidelberg N. 115; Leipzig N. 119; Wien N. 122 - Studententura : Allgemeines
N. 123; Burschenschaften N. 129. — Akademien und akademische Gymnasien (Liegnitz, Wien, Stettin, Gera, Benthen a. 0.,
Schaffhausen) N. 151. — Gymnasial- und Realanstalten: Allgemeines N. 162; Baden N. 163; Bayern N. 164; Brandenburg
N. 106; Hannover N. 172; Hessen N. 173; Pommern N. 178; Rheinlande N. 179; Provinz Sachsen N. 183; Königreich Sachsen N. 199;
Sachsen-Weimar-Eisenach N. 203 ; Schlesien N. 205 ; Schleswig-Holstein N. 209; Württemberg N. 210 ; Schweiz N. 211. — Höhere Bürger-
schule N. 213. —• Privatinstitute N. 215. — Höhere Mädchenschule N. 218. — Lehrerseminar N. 220. — Volksschule (Anhalt-
Dessau, Baden, Oesterreich, Sachsen, Württemberg, Zweibrücken) N. 222. — Handelsschule N. 233. — Militärbildnngswesen
N. 234. — Standeserziehung: Fürsten N. 235; Adel N. 237. — Pädagogik der Jesnifen N. 239. — Schulreden und Programme
N 240. - Schnlkomödie N. 243. — Verschiedenes N. 247. -
Einleitung. Dem Bericht über die historisch-pädagogische Litteratur des
J. 1893 sei die Betrachtung eines Werkes vorangeschickt, das im vorigen JB.
(JBL, 1892 I 10:6) nur beiläufig, bibliographisch, verzeichnet werden konnte. K. A.
Schmid'), der Herausgeber der bekannten grossen, allgemein nach ihm be-
nannten Encyklopädie, fasste noch im hohen Alter den Plan, das auf 4 Bände be-
rechnete Sammelwerk zur Ausführung zu bringen, „in der zuversichtlichen Hoffnung,
vielen berechtigten Wünschen damit entgegen zu kommen". Bestimmt ist die Arbeit
nicht für die Gelehrten; sie soll nicht die Wissenschaft im strengen Sinne durch
selbständige Untersuchungen fördern; bestimmt ist sie für jenen „Mittelstand zwischen
den Ungebildeten und Gelehrten", und sie soll nur das Ziel haben, „die Ergebnisse
der Wissenschaft zum Gemeingut zu machen". Daher die „Notwendigkeit einer mög-
lichsten Gedrängtheit in der Darstellung des Ermittelten, welche mit der Lebendigkeit
der Farben wohl vereinbar ist, und dann die Notwendigkeit der Verzichtleistung auf
fortlaufende litterarische Nachweise, wo diese nicht aus besonderen Gründen zu
wünschen sind." Der Stoff selbst ist von Seh. zur Bearbeitung unter verschiedene
bündnerische Geschlechtsnamen u. ihre Verwertung für d. Bündnergesch. T. I. II. Progr. d. Kantonssch. Chur. 4". Je 47 S.
|[A Kühler: ASNS. 91, S. 357/8.]| — 368j A. Dove, Bemerkungen z. Gesch. d. dtsch. Volksnaraens: (Aus SBAkMünchen.)
München, (Franz). 37 S. (Sonderabdr.) — 369) J. J. E g 11 , D. Völkergeist in d. geograph. Namen: Ausland 66, S. 465, 485,
504, 522, 534, 551,569,585,600.-370) X P- Mitzschke, Verschmelzung v. Präposition -)- Artikel mit folgender Ortsbezeich-
nung: Germania 37, S. 188-90. - 371) Fr. Prien, Ueber d. Flurnamen-Segen: KBlVMederdSpr. 15, S. 81-93; 16, S. 41,2. —
371a) X !■'• Holthof, Anklänge an Dichtung u. Sage in Strassen- u Hänsernamen d. alten Frankfurt: FZg. N. H4. — 372)
(1 4:478.) — 373) X Th. Lohmeyer, Was bedeutet d. Name Zollern? Progr. Altena i Druck v. Kord-Ruwisch>. 1892. 4».
6 8. — 374) X R. Müller, ü. Felbinger, d. dtsch. Bergnamen in d. Ostalpen: ÖLBL 2, S. 1467. — 375) X » d-. Kleine
Beitrr. z. altkärntnischen Ortsnamenkunde. 3-4: Carinthia 83, S. 82-90, 148-54. - 376) H. Gradl, D. Ortsnamen im Fichtel-
gebirge u. in dessen Vorlanden. 2. Abt. Slavische Namen. Eger, Kobrtsch u. Gschihag in Komm. 1892. 99 S. M. 1,40.
([J. Peters: MVSDB". 31, S. 69-75.II - 377) X A- Paudler, Z. Ortsnamenkunde: MNordböhmExkursClnb. 16, S. 2417. —
378) X A. Rossner, D. Name d. Klosters Pforta (Claustrum apud portam). M. e. Karte. Naumburg a. S., Schirmer. 56 S.
M. 0,75. ([Ausland 66, S. 558.]) (Leitet d. Namen nicht v. Porta, sondern v. vorte [FurtJ ab.) — 379) R. Sprenger, Gar-
dinenwiese: ZDPh. 25, S. 286. (Deutung dieses bei Quedlinburg vorkommenden Flurnamens.) —
1) K. A. Schmid, Gesch. d. Erz. v. Anfang an bis anf unsere Zeit bearb. in Gemeinsch. mit e. Anzahl von Ge-
lehrten t!. Schulmännern. Fortgef. v. Georg Schmidt. 2. Bd., 1. Abt.; 3. Bd., 1. Abt.; 3. Bd., 2. Abt. St., Cotta. 1892.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens. I 6 : 24
Gelehrte verteilt worden. Die beiden ersten, früher (1884 und 1889) erschienenen
Teile enthalten Arbeiten von K. A. Schmid, G. Baur, K. Hartfelder, E. Gundert und
Georg Schmid. Von den jetzt erschienenen Veröffentlichungen fallen in den Bereich
der JBL. nur G. Müller (N. 239), Israel (s. u. N. 22), Brüg-el und G. Schmid
(N. 23). — Von den übrigen Arbeiten sei auf die von KaemmeP) und Masius^) hin-
g-ewiesen, die ihren Stoff herunterführen bis zu der Grenze, wo die JBL. einsetzen.
In den bisher erschienenen Partien des Werkes, die sich auf deutsche Erziehung-s-
g-eschichte beziehen, wird der Entwicklung-sg-ang des deutschen Erziehung-s- und
Schulwesens durch Darlegung- der Systeme hervorragender Pädagogen und der
Bestrebungen bedeutender Schulmänner veranschaulicht. Wer aber aus diesem Um-
stände schliessen wollte, dass das Programm des Herausgebers einseitig die biographische
Richtung, wie sie bereits von Raumer genommen worden ist, einschlagen werde, der
würde durch die geistvollen Auseinandersetzungen Baurs in der Einleitung zum
ersten Bande, in der er über den Begriff der Erziehung, über Umfang und Ziel ihrer
Geschichte und über Gang und Methode ihrer Behandlung spricht, belehrt werden.
Erziehung fasst er im Sinne Schleiermachers als die sittliche Wirkung der älteren
Generation auf die jüngere, mag nun diese Einwirkung von den in den verschiedenen
Lebensgeschäften und Lebensgebieten der menschlichen Gesellschaft wirkenden
Mächten oder von einzelnen zur Erziehung berufenen Persönlichkeiten ausgehen, und
mögen diese bei ihrem Verfahren nur von hergebrachter Gewohnheit oder von be-
stimmten Grundsätzen oder von einem ausgebildeten Systeme sich leiten lassen. Er
will also sein Werk keineswegs als blosse Geschichte der Pädagogik im engeren
Sinne, also der Erziehungswissenschaft, der pädagogischen Systeme, angesehen wissen.
Manche von diesen Systemen haben „von ihrer abstrakten Höhe aus" auf die pädago-
gische Wirklichkeit nur geringen oder gar keinen Einfluss gehabt. „Lange Zeit-
räume und weite Gebiete" hat es gegeben, in denen pädagogische Systeme keine
Wirkung hervorgebracht haben. Da es aber in diesen Perioden gleichwohl an Grund-
sätzen, nach welchen die Erziehung geregelt worden ist, nicht gefehlt hat, so müssen
auch diese in den Bereich der Darstellung gezogen werden. Ja noch mehr: Baur
macht mit Recht darauf aufmerksam, dass auch da, „wo von solchen mit Bewusst-
sein befolgten Grundsätzen nichts wahrzunehmen ist", die Erziehung trotzdem „nach
Sitte und Gewohnheit" ihren Einfluss auf das heranwachsende Geschlecht ausgeübt
habe. Es rauss also überhaupt die ganze „faktische Erziehung" in den Kreis
der Beobachtung aufgenommen werden. Von den Aufgaben, die hier der päda-
gogischen Geschichtsschreibung gestellt sind, ist die erste, die Darstellung des
Lebens hervorragender Pädagogen und ihrer Systeme, die leichteste, weil das Material
in immerhin befriedigender Vollständigkeit gedruckt oder geschrieben vorliegt.
Schwieriger gestaltet sich die Lösung der Aufgabe, wenn es gilt, die Grundsätze,
von denen sich so viele Erzieher und Schulmänner bei Ausübung ihres Berufes
leiten Hessen, darzulegen, denn die Zahl der bisher veröffentlichen Stoffe, die hierüber
Aufklärung geben könnten, Schulreden, pädagogische Abhandlungen, Briefe, Gutachten,
Schulbücher einzelner Schiümänner usw., ist eine noch zu geringe. Noch grösser aber
werden die Schwierigkeiten, wenn der Historiker versuchen will, zu zeigen, wie
Unterricht und Erziehung innerhalb einzelner Zeiträume, Oertlichkeiten oder Länder
thatsächlich gestaltet waren, wenn also das Rankesche Ideal der Geschichtsschreibung,
bloss zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen ist" (vgl. JBL. 1891 I 6 Einl.), angestrebt
werden soll. Hier fliessen die Quellen, aus denen geschöpft werden muss, erst in
neuerer Zeit etwas reichlicher, besonders seitdem die Gesellschaft für deutsche Er-
ziehungs- und Schulgeschichte sich die Aufgabe gestellt hat, das erforderliche Material
zugänglich zu machen (vgl. JBL. 1891 I 6 Einl. und 1892 I 10 Einl.). Und hier
werden für die Historiker nur zu oft die Dokumente von ausschlaggebender Beweis-
kraft sein können, die wohl so mancher bisher als Quisquilien angesehen hat:
Einzelschulordnungen, Visitationsprotokolle, Stundenpläne, Bestallungsurkunden usw.
Wenn gesagt worden ist, dass der Betrieb in den Schulen des evangelischen Deutsch-
lands durch Vormbaums Ausgabe evangelischer Schulordnungen hinlänglich ver-
anschaulicht worden sei, so zeugt dies von Unkenntnis thatsächlicher Verhältnisse.
So geben z. B. die bekannten grossen Landesschulordnungen für Württemberg,
Sachsen usw. keineswegs ein Bild von dem wirklichen Zustande von Unterricht
und Erziehung in den Schulen dieser Länder. Wie viele Bestimmungen haben nur
auf dem Papiere gestanden und sind nie zur Ausführung gelangt! Was davon in
Wirklichkeit umgesetzt worden ist, kann oft gei-ade nur aus jenen Quisquilien er-
kannt werden. Je mehr Einzelfälle uns dadurch bekannt werden, um so eher werden
wir befähigt, sicherere Urteile über den faktischen Bestand von Erziehung und Unter-
VI, 611 S. M. 20,00; VI, 439 S. M. 15,00; VI, 211 S. M. 10,00. — 2)0.Kämmel, D. Uni?, im MA. (- N. 1; II', S. 334-548.)
— 3) H. Masius, D. Erz. im MA. (= N. 1; II', S. 94-333.) — 4) J. Böhm, Gesch. d. Päd. 2. Aufl. 2 Bde Mit Abbild.
I 6:5-0 K. Kehrbach, Geschichte des ITnterrichts- und Erziehungswesens.
rieht zu fällen. In diesen Bestrebungen sieht die Gesellschaft sich gefördert von
einzelnen deutschen Regierungen, die die- Verwaltungsorgane ihrer Bibliotheken und
Archive sowie die Provinzialregierungen angewiesen haben, die Arbeiten der Gesell-
schaft zu unterstützen. Konnten wir im vorigen Jahre hier nur die bezügliche Ent-
schliessung des preussischen Kultusministeriums (vgl. JBL. 1892 I 10 : 5) erwähnen,
so kann jetzt darauf hingewiesen werden, dass das bayerische Kultusministerium dem
preussischen gefolgt ist, und dass auch die Regierung von Elsass-Lothringen ver-
sprochen hat, die Bestrebungen der Gesellschaft fördern zu wollen, während das
sächsische Ministerium das betreffende Gesuch des Vorstandes der Gesellschaft da-
mit beantwortet hat, dass es „gern bereit sei, dem bezüglichen litterarischen Unter-
nehmen bei sich bietender Gelegenheit seine Förderung angedeihen zu lassen" (vgl.
MGESchG. 3, S. XXXV— XL). Als ob sich die Gelegenheit erst noch bieten müsste! —
Gesamtdarstellungen. Ausser Schmids Werk (s. o. N. 1), das eine
Sonderstellung einnimmt, ist hier zunächst zu erwähnen die jetzt in 2. Auflage er-
schienene Geschichte der Pädagogik von Böhm*), die im wesentlichen eine fleissig
zusammengestellte Kompilation ist. B. will das Buch als Kommentar zu seiner kurz-
gefassten Geschichte der Pädagogik betrachtet wissen und bestimmt es zur Privat-
lektüre für Seminaristen und Volksschullehrer. Dem Texte sind 103 Abbildungen
beigegeben, meist Porträts, deren Ausführung freilich manches zu wünschen übrig
lässt. — Einen gleichen praktischen Zweck verfolgt L e u t z ^), dessen Buch eben-
falls eine Ergänzung der im badischen Seminarunterricht benutzten Leitfäden sein und
den Schulkandidaten die Vorbereitung zur zweiten Prüfung erleichtern soll. Dieser
Zweck würde rascher erreicht werden, wenn L. seinem Buche ein Register beigegeben
hätte, das jedoch über den Inhalt des Werkes ausführlicher unterrichten müsste, als
es bei Böhms Register der Fall ist. — Angefügt sei hier die Erwähnung der Tabellen
zur Geschichte der Pädagogik von Mass^"'). —
Methodik einzelner Fächer. Bei seiner Arbeit über die Entwick-
lung des Anschauungsprinzipes von Luther bis Pestalozzi lässt sich
Schwalbe^) von der Erwägung leiten, dass die thatsächlichen Errungenschaften in der
Pädagogik nicht in erster Linie auf historisch-pädagogischen Persönlichkeiten, sondern
vor allen Dingen auf den pädagogischen Grundsätzen beruhen; und er tadelt, was
als richtig zugestanden werden muss, dass in den Geschichtsdarstellungen der Päda-
gogik meistens von den Persönlichkeiten ausgegangen wird und das Biographische
überwiegt. Vielmehr müsse die Geschichtsschreibung die Darstellung der Entwick-
lung pädagogischer Prinzipien mehr in den Vordergrund rücken. In Sch.s Darstellung
sind vor allem die Verdienste Bacos um das Anschauungsprinzip, sodann die des
Comenius, später der Philanthropini sten und des klassischen Vertreters des An-
schauungsprinzipes, Pestalozzis, geschildert, freilich nur auf Grund einer dürftigen
Benutzung der vorhandenen reichen Litteratur. —
Der wichtigste Beitrag zu einer Geschichte der Methodik des lateinischen
Unterrichtes, der bisher in Deutschland geliefert worden, ist die Ausgabe des
Doctrinale des Alexander de Villa-Dei von R e i c h 1 i n g. '-•) Während des Mittel-
alters ist diese in leoninischen Hexametern verfasste Grammatik in ganz Europa
das am meisten gebrauchte Lehrmittel für den lateinischen Unterricht gewesen. Aber
auch noch weit über das Mittelalter hinaus bis in den Anfang des 17. Jh. lässt sich
seine Benutzung verfolgen. Die Bedeutung des Werkes in der Geschichte der
lateinischen Grammatik war früher schon von Friedr. Haase in seinem Progamm
„De medii aevi studiis" und von Thurot nachgewiesen. Es war ganz vergessen worden,
dass die Form, in der Grammatiker wie Cellarius, Lange, Zumpt die lateinische
Syntax darstellten, dass die philosophische Grammatik oder Metägrammatik keine
Erfindung des 18., sondern des 13. Jh. sei und unter den damaligen Grammatikern
vor allen dem Alexander de Villa-Dei verdankt werde. Diese Vergessenheit ist eine
Folge des von den Humanisten gegen das Doctrinale geführten Kampfes. In den
Geschichtswerken der Pädagogik, des Unterrichts und der Erziehung ist das Werk
kaum dem Namen nach angeführt; noch in der neuesten Geschichte des mittelalter-
lichen Unterrichtswesens von Masius wird das Doctrinale mit Luthers Charakteristik
des Werkes „berüchtigt", „elendes Machwerk", „Eselsmist" abgethan, R.s Ausgabe, die
„staunenswerte Probe langmütigsten Fleisses",giebt ausser dem Texte mit der varialectio,
den testimonia und explanationes, noch eine umfangreiche Einleitung über den gram-
matischen Unterricht im Mittelalter, über das Leben und die Schriften des Alexander,
Nürnberg, F.Korn. XVI, 336 S.; XVI, 434 S. M. 9,00. — 5) F. Lentz, Lehrtuch d. Erz. u. d. Unterr. für Lehrer u. Lehrer-
innen. III. T.: D. Gesch. d. Päd. 3. Anfl. Karlsruhe, J. Lang. VIH, 257 S. M. 3,00. — 6) Th. Mass, Zeittaf. z. Gesch. d.
Päd. 5. Anfl. Kappeln (Schlei), Th. Mass Selbstrerl. 95 S. M. 1,20. — 7) X X Geach d. Päd. im Rahmen d. Weltgesch. E.
Beitr. z. Reform d. Unterr. in d. Schullehrerseminaren. (Beitrr. z. erziehenden Unterr. her. v. d. päd. Ges. in Württemberg.
I. (Doppel-Heft.) Esslingen a. N., W. Langguth. IV, 125 S. M. 1,00. — 8) E. Schwalbe, D. bist. Entwiclclung d. An-
schauungsprinzipes in d. Zeit v. Luther bis Pestalozzi. Diss. L., Osw. Schmidt. 90 S, — 9) D. Eeichling, D. Doctrinale
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung«wesens. l6:io-i8
über Inhalt, Quellen, Drucke und Hss. des Doctrinale und schildert den Kampf
um dasselbe. Aus der beig-eg-ebenen BibHog-raphie der Hss. und Drucke g-eht her-
vor, dass R. 250 Hss. und 296 Drucke des Doctrinale g-efunden hat, darunter über
180 Inkunabeln, die zum grössten Teile in den einschläg-igen bibliographischen
Werken nicht verzeichnet sind. —
Seelmanns ^0-11^ Arbeiten, bei deren Abfassung- zunächst an die Dialekt-
forschung- gedacht worden ist, sind in gleicher Weise wichtig- für die Geschichte
des Leseunterrichts. In der ersten beschreibt er das von dem Dichter des Frosch-
mäuseier, Georg- Rollenhagen, verfasste Abecedarium Mag-daeburg-ense anno Christi
MDCIII. Dieses Buch, das ich bereits vor Jahren in einem Sammelbande der hiesigen
königlichen Bibliothek aufgefunden hatte, ist S., der im Lebensabrisse Rollenhagens
in der ADB. seiner nicht erwähnt, erst in neuerer Zeit in die Hände g-ekommen.
Dass Rollenhag-ens litterarische Thätigkeit sich auch auf den Elementarunterricht er-
streckt hat, ist wenig bekannt, obwohl Kehr in seiner Geschichte des Leseunter-
richtes Rollenhagens Büchlein, wenn auch nur anführung-sweise in der Reihe der
Bilderfibeln erwähnt, und obwohl Fechner in seinen „Methoden des ersten Lese-
unterrichtes" (1882) ihm ein besonderes Kapitel (S. 43/5) g-e.widmet hat. In dem
zweiten Aufsatze weist S. auf zwei niederdeutsche Fibeln aus den J. 1532 und
1633 hin. —
Ri essen 12-) j^^t sich durch die Beschreibung und den partiellen Abdruck eines
als Ms. erhaltenen Rechenbüchleins des Holsteiners Heinrich tho Aspern aus dem
J. 1676 ein Verdienst um die Geschichte der Methodik des Rechenunterrichts er-
worben. Um die trockene Materie seinen Schülern schmackhaft zu machen, hat
Aspern, wie viele andere Vff. von Rechenbüchern, seine Beispiele aus der Geschichte
und Geog-raphie, oft aus den örtlichen Verhältnissen seines Vaterlandes genommen
und in Verse, häufig in plattdeutscher Sprache, gebracht. —
Richter »3), der schon früher Mitteilungen über Schulbücher des Mittelalters
gegeben hat, beschreibt zwei für den Religionsunterricht bestimmte, mit Ab-
bildungen versehene Bücher. Das eine, „Die christlich gottselige Bilderschule" (1636),
verdankt seine Entstehung dem Ratichianer Evenius. Es war bei seiner Benutzung
sogar daran gedacht, dass durch die Bilder das religiöse Wissensgebiet auch ganz
kleinen Kindern, die noch nicht lesen können, vermittelt werden sollte. Als Vor-
stufe zu diesem Bilderbuch sollte Joh. Sauberts 1639 erschienenes „Lesebüchlein aus
H. Schrift", das R, ebenfalls beschreibt, dienen. —
Euler 14), der Geschichtsschreiber des Turnunterrichtes, macht in einem
Aufsatze aufmerksam auf das 100jährige Jubiläum der „Gymnastik für die Jugend",
des ersten deutschen Turnbuches von dem bekannten Schnepfenthaler Pädagogen
GutsMuts. „Es ist das Werk eines Mannes, der, ausgerüstet mit vielseitigem Wissen
und Können, durchdrungen von der hohen, von ihm klar erkannten Bedeutung der
körperlichen Erziehung, erfüllt von warmer Liebe für die Jugend, ein feiner Kenner
der Kindesnatur, schöpferischen Geistes und praktischen Blickes das Gebiet der
Leibesübungen für den Unterricht zurecht gemacht und geordnet hat."*^) —
Einzelne Persönlichkeiten und Freunde des Schulwesens. Diese
Abteilung möge ein Mann eröffnen, der, von Karl V. zum poeta laureatus ernannt, zu
dem Wittenberger Reformatorenkreise gehört: Joh. Stiegel (1515—62), dessen Leben
der kundige Forsch er des Reformations- und Humanisten- Zeitalters Hartfelder^^)
vorführt. Als Universitätslehrer in Wittenberg und Jena, und als Dichter — wurde
er doch von Joach. Camerarius der zweite Eobanus Hessus genannt — stand
er bei seinen Zeitgenossen in hohem Ansehen. — Das W^enige, was von dem
Leben des Schulmannes, Polyhistors und Poeten Simon Sten bekannt ist, giebt in
einem kleinen Artikel Hoche^''). Sten, der sein Lehramt in Bautzen, Torgau und
Neubrandenburg niederlegen musste, weil er sich „kryptokalvinistischer Anschauungen
verdächtig" machte, war 1575 erster Gymnasiarch in Neustadt a. d. Hardt, seit 1584
Universitätsprofessor in Heidelberg. Seine zahlreichen theologischen, geschichtlichen
und philologischen Schriften hatten keine bleibende Bedeutung. — Mäder^^) macht
uns mit Fischarts, des grossen Satirikers, Gedanken über Erziehung und Unterricht
vertraut. Das Material gewinnt er aus Fischarts verschiedenen Vorreden, aus der
„Anmahnung zur christlichen Kinderzucht," aus dem „Ehezuchtbüchlein" und aus
der „Geschichtklitterung," wobei er sorgfältig die Rabelaisschen Bestandteile von
d. Alezander de Villa-Dei. Krit.-exeg. Ausg. mit Einl., Verzeichnis d. Hss. u. Drucke nebst Reg. (=:MGP. Xn.) B., A. Hoi-
mann & Co. CCCIX, 211 S. M. 18,00. — 10) W. Seelmann, Eollenhagen über mundartl. Aussprache: JbVNiederdSpr. 18,
S. 1203. — 11) id, Niederdtsch. Fibeln d. 16. u. 17. Jh.: ib. S. 124 9. — 12) P. Eiessen, E. ungedr. Rechenbuch aus d. J.
1696. Progr. Glüclcstadt (H. J. Augustin). 26 S. - 13) Alb. Richter, 2 Bilderbücher für d. Unterr. vor d. Orbis pictus:
MhComeninsG. 2, S. 167-77. — 14) K. Euler, D. 100 j. Jubil. d. ersten dtsch Turnbuchs: VossZgB. N. 39. - 15) O
J. Unberath, D. Turnnnterr. an unseren Mittelschulen. Progr. Sächsisch- Regen (Siebenbürgen). 4". 25 S. — 16) K.. Hart-
felder, Joh. Stigel: ADB. 36, S. 328-30. — 17) R. Hoche, Simon Sten: ib. S. 434. - 18) R. Mäder, D. päd- Bedeutung
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. lY. 11
16:19-23 K. Kehrbaoh, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
den Fischartschen ausscheidet. Obwohl Humanist, folg-t Fischart doch keinesweg-s
in Unterrichtsfrag-en deren Spuren. Wie er das deutsch- volkstümliche Element in
der Litteratur vertritt g-egenüber dem antik-klassischen des Humanismus, so tritt
er auch in seiner Pädag-og-ik ein für nationale Erziehung-, betont die Notwendig-keit
der Einführung" des Deutschen als Unterrichtssprache, und auf dem Gebiete der Zucht
huldigt er im Gegensatze zu den Bestrebungen seiner Zeitg-enossenphilanthropinistischen
Ansichten. — In eine der Glanzperioden des Hamburger Johanneums werden wir durch
Hoches^^) kurze Biographie des ehemaligen Rektors dieser Anstalt, Paul Sperling*
(1560 — 1633), versetzt, eines tüchtig-en Mannes, der schon vorher in Flensburg im
Geiste Joh. Sturms die Schule reformiert und in Hamburg- an der Gründung des mit
dem Johanneum verbundenen akademischen Gymnasiums, dessen Professur für Bered-
samkeit und Dichtkunst er übernahm, wesentlichen Anteil hatte. —
Auch in diesem Jahre hat Stötzner^o) (vgl. JBL. 1892 I 10:30) Beiträg-e
zur Geschichte des Ratichianismus in den Richterschen Neudrucken g-eliefert. Er
bietet in diesem zweiten Hefte Materialien, die entweder von Ratke selbst verfasst
oder in seinem Geiste geschrieben und von ihm gebillig-t worden sind und gerade
in die Praxis der Unterrichtsmethode g-enüg-ende Einblicke g-e währen. St. hat die
edierten Schriftstücke in einer solchen Reihenfolge geordnet, dass sie besonders die
einzelnen Hauptabschnitte im Leben des Ratichius markieren. An die Aug-sburger
Zeit erinnern die von Joh. Rhenius zuerst herausgegebenen, aber nach dem aus-
drücklichen Zeugnisse des Ratichius von seinen damalig-en Gehilfen Joach. Jung-
und Chph. Helwig verfassten Artikel der Lehrkunst. Hieran schliesst sich die von
Ratichius selbst verfasste introductio g-eneralis in raethodum linguarum, dann eine
wahrscheinlich von Helwig* herrührende Anleitung- in der Lehrkunst Ratichii, die St.
einem Sammelbande der Weimarer Bibliothek entnimmt. Der Text ist übrigens
— aber nach einer Gothaer Hs., die jedoch mehrfach von dem Weimarer Texte ab-
weicht und den Schluss der Weimarer Hs. g-ar nicht enthält — schon einmal
von Joh. Müller in Kehrs pädagogischen Blättern (VH, S. 588 ff.) veröffentlicht worden.
An die Köthener Zeit erinnern die unter 4 gedruckten Lehrpläne und die im Anhang-e
wiederg-eg-ebenen Proben RatichianischerLehrbücher : einer allgemeinen Sprachlehre und
einer Logik. Einen Einblick in die Mag-deburger Periode gewähren Werdenhagens „Er-
innerungen", die Empfehlung- der Ratichianischen Methodedurch den Rat von Magdeburg-
und die von diesem dem Ratichius erteilte Konzession; den Schluss macht der Bericht, den
Mayfarth, Ratkes bester Freund, über dessen Methode fürOxenstierna geschrieben hat. —
Stötzner2i)bring-tfernereinigeErg-änzung'en zu Gideon Vog-ts Litteratur zur Geschichte
des Didaktikers Wolfg-ang Ratichius (vg-l. JBL. 1892 I 10:32). — Israel ^2), dessen
kritische Verg-leichung der Pädagogik des Ratichius mit der des Comenius wir schon
(vg-l. JBL. 1892 110:1 18) besprochen haben, hat mit seiner vor dieser Arbeit er-
schienenen Darstellung des Lebens und der Lehre des Ratichius einen wichtigen
Baustein zur Geschichte deutscher Erziehung und deutschen Unterrichts geliefert.
Unter Benutzung aller bisher veröffentlichten urkundlichen Materialien schildert er
uns in seiner übersichtlichen Darstellung- das reichbeweg-te Leben des Ratichius. Der
zweite Hauptabschnitt g-iebt eine Darlegung der Didaktik unter Beifügung wörtlicher
Belege aus den Urkunden. Zugegeben sind Nachrichten über Kromayers Stellung
zur Lehrart Ratkes. J. gelangt in seiner kurzen, aber gründlichen Vergleichung zu
dem Resultate, dass Raumers Behauptung, Kromayers Verfahren stimme im ganzen
durchaus mit Ratkes Weise überein, eine unrichtige ist. —
Das Leben und die Werke des' Comenius und seiner Vorgänger Aisted
und Andreae bilden den Inhalt einer umfassenden Darstellung, in die sich Brügel
und Georg Schmid^Sj so geteilt haben, dass B. den Comenius und Andreae be-
arbeitet, während Seh. den Joh. Heinr. Aisted übernommen hat. Dem gemeinsamen
Werke lässt B. eine Einleitung vorausgehen. Die von ihm für die Comeniusarbeit
benutzte Litteratur reicht bis zum J. 1891. Es sind daher die Lücken bei ihm noch
vorhanden, die die im J.1893 ausAnlass des Comeniusjubiläums erschienenen Hauptwerke
(Kvacsala, Gindely, neue Ausgabe) in der bisherigen Comeniusforschung ausfüllen.
Die Darstellung der Didaktik des Comenius, die eine tüchtige Leistung ist, lässt
übrigens diesen Mangel nicht empfinden. Hinsichtlich Andreaes ist zu bemerken,
das vor B.s Darstellung seine Bedeutung für die Pädagogik des Comenius noch
nirgends so ausführlich behandelt worden ist; denn Palmers Bemerkungen in seiner
evangelischen Pädagogik können auf Vollständigkeit keinen Anspruch machen. Das
Resultat seiner Forschung fasst B. in den Worten zusammen: „Es sind nicht nur
einzelne Berührungspunkte, die sich zwischen Andreae und Comenius ergeben,
Fischarts. Diss. L. (Osw. Schmidt). 43 S. — 19) R. H o ch e, Paul Sperling: ADB. 35, S. 138. — 20) Ratichianische Schriften.
II. Mit Einl. n. Anm. her. v. P. Stötzner. (= Neudrr. päd. Schriften her. v. A. Richter. N. 12.) L., R. Richter. 164 S.
M. 1,20. — 21) P. Stötzner, Ratichiana: MhComeniusG. 2, S. 283,6. - 22) A. I s r ae 1 , W. Ratke. (= N. 1 ; IIP S. 1-92.)
— 23) J. Brügel u. Georg Schmid, J. A. Comening mit seinen Vorgängern J. H. Aisted u. J. V. Andreae. (= N. 1;
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 16:24-39
sondern eine durchgreifende Uebereinstimmung ihrer ganzen Anschauung, dergestalt,
dass Andreae zuerst in genialem Wurfe die Grundgedanken ausspricht, welche
Comenius in einen grösseren Zusammenhang gefasst und ausführlich begründet hat,
welche darzustellen und praktisch anzuwenden seine Lebensarbeit unter sechs Nationen
gewesen ist. Andreae hat den Grund gelegt, auf welchem Comenius den bewunderns-
werten Bau seiner Didaktik aufgeführt hat."^^) — Hüllemann^S), der inzwischen
Brügels Werk benutzen konnte, giebt endlich eine Fortsetzung seiner Arbeit über
Andreae als Pädagogen, deren erster Teil vor neun Jahren erschienen ist. Er beschreibt
zunächst die Schriften, in denen Andreaes pädagogische Anschauungen enthalten
sind, charakterisiert sodann diese und verlangt für ihn als Vorarbeiter des Comenius
und als Vorläufer der Pietisten eine Stelle in den Geschichtsdarstellungen der Päda-
gogik. — Radlach^ß) macht Mitteilungen über den Aufenthalt des Comenius in
Lüneburg (Aug. 1647) und teilt den Wortlaut eines Briefes des Comenius an Andreae
mit. — In den MhComeniusG.^^) werden aus 0. von Heinemanns Verzeichnis der
W^olfenbütteler Hss. alle diejenigen angeführt, die sich auf Andreae erstrecken. Die
Absicht, auch aus anderen Hss.-Verzeichnissen analoge Beiträge zur Quellenkunde zu
veröffentlichen, die das Forschungsgebiet der Comeniusgesellschaft berühren, kann
nur gelobt werden. — Kvacsala^S) fährt fort (vgl. JBL. 1892 I 10:107) in seiner
Zusammenstellung autobiographischer Notizen aus den Schriften des Comenius. —
In der eingehenden Vergleichung der Pädagogik Aisteds mit der des Comenius kommt
Georg S chmid^ö) zu dem Resultat, dass allerdings „gewisse Züge aus der eigentlichen
Didaktik Aisteds, wie in der Anordnung der Muttersprachschule und der lateinischen
Schule auch bei Comenius wiederkehren"; aber es trete doch auch ein Unterschied
hervor; Comenius zeige ,,eine einheitlichere Konstruktion, eine konsequentere Zu-
sammenfassung". — Nachzügler zur Jubiläums-Litteratur (vgl. JBL. 18921 10: 101—249)
sind auch noch zu verzeichnen. Grill enb erger ^o)^ der nicht den Anspruch erhebt.
Neues darzubieten, will sich genügen lassen, in der Zusammenfassung zerstreuten
Materials orientierend zu wirken und bescheidene „Anregungen zu eingehender Be-
schäftigung mit unserer reichen Comenius-Litteratur zu geben". Wenn aus diesem
Grunde der Mangel eigener Quellenstudien ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden
darf, so ist doch zu bedauern, dass er nicht einmal die bedeutenderen neueren Werke
der Comenius-Litteratur (Kvacsala, Gindely) für seine Arbeit benutzt hat. Ein Irrtum
ist es, wenn G. behauptet, dass Basedow nicht den Comenius gekannt habe, während
doch gerade der orbis pictus auf diesen einen grossen Eindruck gemacht hat. —
R eher 31), ein gründlicher Comeniusforscher, druckt die aus des Comenius
bedeutungsvoller Thätigkeit in Patak stammenden praecepta morum aus der grossen
Amsterdamer Ausgabe ab und fügt eine deutsche Uebersetzung bei. Ausser ihrer Be-
deutung als Charakteristik der Pädagogik und der Persönlichkeit des Comenius sind
diese Sittenvorschriften auch ein interessantes Denkmal der Kulturgeschichte. ^^ ^^) —
Die Erinnerung an Speccius (1585 — 1639), einen Nürnberger Schulmann,
der vergessen war, obwohl seine deutsche Bearbeitung der Melanchthonschen
lateinischen Grammatik bis in unser Jh. hinein benutzt wurde, hat B o 1 1 e 3*)
wieder aufgefrischt. Von ihm rührt eine Orthographia germanica (Nürnberg 1631) her,
die nach Joh. W^emers „Manuductio orthographica" gearbeitet ist. Auch als Poet hat
er sich versucht; ausser lateinischen Komödien hat er eine deutsche, „Die traurige
Klag über teuere und betrübte Zeit" (1625) gedichtet. — Joh. Stoever (1572— 1651),
dessen Cuno^^) gedenkt, ein dem Siegerlande entstammter reformierter Theologe,
ausgezeichnet als mutiger Kämpfer für die Rechte seiner Kirche in schwerer Zeit,
war zugleich ein eifriger Freund und Förderer des Schulwesens. —
Das Leben des hessischen Schulmannes Arnold Staubsand (1591 — 1684),
der auch als Gelegenheitsdichter hervorgetreten ist, erzählt Winterte), das eines
pommerschen, des Joh. Hieron. Staude (1615— 63), Professors der orientalischen
Sprachen in Greifswald, späteren Rektors an dem unter seiner Leitung aufblühenden
Gymnasium in Stralsund, Hacke rmann^"), das des Württembergers Dav. Stölzlin
(1670— 1742), der als Professor in Ulm eine Geschichte dieser Stadt und ihres Schul-
wesens hinterlassen hat, Schön^^). —
m« S. 93 9, 100-46, 147-88, 189-311.) - 24) X J. B r 6 g e 1 , Litt, über Joh. Valentin Andreae aus d. letzten Jh.:
MhComeniusG. 2, S. 249-53. — 25) K. Hüllemann, Val. Andreae als Pädagog. 2. T. Progr. d. Thoniasgyran. L. (Alex.
Edelmann). 4*. 28 S. — 26) 0 Eadlach, D. Aufenthalt d. Comenius in Lüneburg im Aug. 1647 u. d. Wieder-
anfiiahme seines Briefwechsels mit V. Andreae: MhComeniusG. 2, S. 57-72. — 27) Aus neueren Hss.-Verzeichnissen:
ib. S. 233 8. — 28) Joh. Kracsala, Z. Lebensgesch. d. Comenius, Autobiographisches aus d. Schriften d. Comenius: ib.
S. 39-46, 73-80, 136-43, 178-8.5, 226-32, 273-82. - 29) (S. o. K. 23.) — 30) G. Grillenberger, Comenius, seine Quellen,
seine eigene Arbeit u. sein Einfluss. Vortr. Fürth, G. Rosenberg. 48 S. M. 0,75. — 31) J. E e b e r , D. J. A. Comenius
SittenTorschriften für d. Schule zu Saros-Patalc, mit e. einleit. Berichte über d. Comenius Thätigkeit in Ungarn. 1650-54.
Aschaffenburg, Waüandt. 41 S. M. 0,60. — 32) X Comenius n. d. Frauenrechte: MhComeniusG. 1, S. 10/4. — 33) X C.
Härder, Comenius u. d. heutige Fortbildungsschule für Frauen u. Mädchen: ib. S. 108-15. — 34) J. B o It e , Chrph. Speccius:
ADB. 35, S. 76. — 35) F. C u n o . Joh. Stoever: ib. 36, S. 473,4. — 36) G. Wi n t e r , Arn. Staubsand: ib. 85, S. 508. — 37)
A. Häckermann, J. H. Staude: ib. S. 509-10. — 38) Th. Schön, D. Stölzlin: ib. 36, S. 433. — 39) H. Holstein, J. A.
11*
16:40-48 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
Das Andenken an zwei Rektoren des Pädag"Ogiums zu Kloster Berge hat
Holstein^ä"*") erneuert. Steinmetz (1689—1762), dessen Wirken Goethe „redlich,
und kräftig-" nennt, der zu seinen Schülern Wieland, Adelung, den Minister von
Hagen, den General von Kleist u. a. zählte, hat nicht nur am Pädagogium segens-
reich gewirkt, sondern auch als Organisator des Volksschulwesens, als Begründer
eines Landschullehrerseminarsund einer Freischule sich verdient gemacht. — Strass
(1766—1845), der letzte Direktor in Kloster Berge, der nach Auflösung der Schule
(1810) das Direktoriat am Gymnasium in Nordhausen übernahm, später (1820) Be-
gründer des Erfurter evangelischen Gymnasiums wurde, hat sich litterarisch auf
pädagogischem und historischem Gebiete bethätigt. Auf seine Abhandlung „lieber
das Turnwesen und dessen Verbindung mit der öffentlichen Schule" sei hier hin-
gewiesen. —
Zwei Halberstädter Schulmänner, Chrn. Gottfr.Struensee und Job. Werner
Streithorst, werden von Richter*^) und Holland*^) behandelt. Struensee
(1712 — 82), der Bruder des dänischen Ministers, der, nachdem er 6 Jahre unter Stein-
metz Lehrer in Kloster Berge gewesen war, Konrektor, dann Rektor am Stephaneum
in Halberstadt wurde und dort dem griechischen und deutschen Unterrichte eine hervor-
ragendere Stellung einräumte, als es vorher der Fall gewesen war, hat dem 1778 in
Halberstadt errichteten Landschullehrerseminar seine erste innere Organisation ge-
gegeben. Um das Gedeihen des Stephaneums und des Halberstädtischen Schulwesens
überhaupt hat sich auch Streithorst (1746—1800), der zuerst Subkonrektor, dann
Konrektor, endlich Rector adjunctus am Martineum, sowie Mitglied der Schuldeputation
und zuletzt Oberdom prediger war, verdient gemacht. — Einen Reformator des lange
Zeit berühmten Gymnasiums zu Idstein, Joh. Mich. Stritter (1705—81), schildert
Otto^^). Er war es, der veraltete Lehrbücher und den Frühunterricht von 4 bis 6 Uhr
abschaffte, bestimmte Klassenziele aufstellte, Leibesübungen einführte und in deutschen
Schulprogrammen Fragen des Unterrichts und der Erziehung erörterte. —
Von der „Vorstellung an Menschenfreunde", Basedows bedeutendster Schrift,
von der Niemeyer sagte, dass seit Luthers Brief an die Ratsherren keine andere
Schrift ein so allgemeines und werkthätiges pädagogisches Interesse erregt habe, hat
Lorenz**) einen Neudruck veranstaltet. Der Herausgeber gewährt in einer Ein-
leitung eine kurze Charakteristik Basedows, gliedert den Inhalt übersichtlich unter
Stichworte und deckt die Quellen, aus denen Basedow schöpfte, auf. — Hier sei gleich
erwähnt der Vortrag von Leinung *^), der Mitteilungen über Basedow und seinen
Aufenthalt in Magdeburg, sowie über dortige Freunde und Gegner des Philan-
thropinismus enthält. — Einen hervorragenden Pädagogen der Aufklärungsepoche
führt uns Koldewey*^) vor: Fr. Andr. Stroth (1750—85), Rektor in Quedlinburg,
dann in Gotha, bekannt als Vf. des pädagogischen Romans „Karl Weissenfeid, ein
Lesebuch für Mütter, angehende Erzieher und junge Leute". Beachtenswert ist, dass
er Basedow anregte, das Griechische im Philanthropin einzuführen. —
Herder wird in seiner pädagogischen Bedeutung durch eine kleine Schrift
vonFrancke*'') gewürdigt. F. wiederholt, was schon mehrfach hervorgehoben worden
ist, dass „die brennenden (sc. pädagogischen) Fragen unserer Zeit" von Herder „mit
einer unendlichen Fülle von Gedanken geradezvi vorweggenommen" worden seien.
Dabei ist übrigens zu bemerken, dass F. doch im Unrecht ist mit seiner Behauptung,
es seien von „massgebender Seite" die grundleg'enden Ideen Herders nicht im ent-
ferntesten berücksichtigt worden. Gerade auf Herders hauptsächlichstes Verdienst,
die Pflege der Muttersprache und ihrer Litteratur allen anderen Aufgaben der Schule
vorauszustellen, ist mehrfach hingewiesen und dabei stets hervorgehoben worden,
wieviel noch zu thun ist, das Herdersche Ideal zu erreichen. Anzuerkennen ist, dass
F. auf einem so kleinen Räume in groben Umrissen die pädagogische Entwicklung
Herders und dessen Ansichten über den pädagogischen Betrieb einzelner Unterrichts-
fächer deutlich gezeichnet hat. —
Ein begeisterter Verehrer Pestalozzis, dessen Pädagogik ihm die Pädagogik
xar' e^oxnv ist, Vogel *^),hateine systematische Darstellung dieser Pädagogik geschrieben,
die jetzt in 2. Auflage erschienen ist. Grosse Schwierigkeiten sind dem Verständnis der
Absichten Pestalozzis dadurch erwachsen, dass dieser niemals eine übersichtliche Dar-
stellung seiner Pädagogik gegeben hat. V. hat nun unter einer Anzahl von Stich-
worten, an die er die bezüglichen Stellen aus Pestalozzis sämtlichen Schriften
angliedert, ' die ganze Pädagogik Pestalozzis gruppiert. Noch mehr würde das Buch
Steinmetz: ib. 8. 1/5. — 40) id., J. G. F. Strass: ib. S. 498-501. - 41) A. Richter, Chr. G. Struensee: ib. S. 644 5. — 42)
H. Holland, J. W. Streithorst: ib. S. 572/3. — 43) F. Otto, J. M. Stritter: ib. S. 596/7. — 44) H. Lorenz, J. B.
Basedow, Vorstellnng an Menschenfretinde. Mit Einl. u. Anm. (= Neudrr. päd. Schriften her. v. A. Richter. N. 14.) L., R.
Richter. 120 S. M. 0,80. — 45) W. Leinung, Päd. Leben n. Streben in Magdeburg z. Z. d. Philanthropen. Vortr. geh. z.
Pestalozzifeier 12. Jan.: MagdZglt. N. 27/8. — 46) F. Koldewey, F. A. Stroth: ADB. 36, S. 624/7. — 47) 0. Francke,
Herder n. d. Weimar. Gymn. (= SGWV. N. 183.) Hamburg, Verlagsanst. 36 S. M. 0,50. (Vgl. IV 7:7.) — 48) Aug. Vogel,
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens. Id. 49-56
gewinnen, wenn in Zukunft der Stoff durch ein ausführliches Namen- und Sachregister
noch weiter differenziert würde. — In der Vergleichung-, die Vog-el***) zwischen
Pestalozzi und Herbart anstellt, tritt er mit den Schlussworten: „Pestalozzi für immer"
auf die Seite des ersteren. Wie wenio- objektiv er seine Aufgabe erfasst hat, belegen
schon seine spöttischen Bemerkungen über die „fast märchenhaften Fundamental-
ansichten sowie die robinsonadenhaften, abenteuerlichen Konzentrationsideen der Jung-
herbartianer" ; und wenn er von dem „mechanischen kalten Schematismus" spricht,
dem die Herbartsche Pädagogik nach ihren Grrundsätzen verfallen müsse, während
Pestalozzis pädagogische Grundsätze aus dem „lebenswarmen, ewigen Quell des
Glaubens und der Liebe fliessen und in dem Menschen ein freies Geschöpf und Eben-
bild Gottes sehen", so werden Kenner der Herbartschen Pädagogik über die fehlerhafte
Schlussfolgerung V.s nicht im Zweifel sein. Wenn er sodann von den „Absonderlich-
keiten" der Anhänger Herbarts spricht, so hätte er doch auch die viel g*reller hervor-
tretenden Lächerlichkeiten verschiedener Pestalozzianer erwähnen sollen. Die weitere
Behauptung V.s, dass Pestalozzi ebenso wie Herbart zu seinen Lebzeiten nur wenig
Anklang gefunden habe, ist, was Pestalozzi anbelangt, ganz unhistorisch. Es giebt
keinen Pädagogen in der ganzen Geschichte deutscher Erziehung, dessen Ideen noch
zu seinen Lebzeiten so grosse Begeisterung erweckten. — Einige Mitteilung'en über
die Beziehungen des berühmten Geographen Karl Ritter zu Pestalozzi und seinen
Jüngern macht Deutsch^^-)^ Ritter, der einige Male während seiner Hauslehrerzeit
nach der Schweiz gekommen war, hatte in Yverdun enge Beziehungen mit Pestalozzi
und dessen Kreise angeknüpft und versprochen, als er das erste Mal aus Yverdun
schied, die Geographie im Geiste von Pestalozzis Methode zu bearbeiten. Von den
Pestalozzianern, mit denen er in geistiger Wechselwirkung stand, sind Henning, der
in seinem Leitfaden für den methodischen Unterricht in der Geographie Ritters Ideen
verwertete, imd Tobler genannt. Tobler erklärte 1830, dass Ritter seine Gedanken
über Geographie hauptsächlich ihm verdanke. — Von Manns ^') Ausgabe ausgewählter
Werke Pestalozzis, deren 1. Auflage bereits im J. 1869 erschien, und die mit Seyffarths
zu gleicher Zeit begonnener Gesamtausgabe wesentlich zur Belebung des Pestalozzi-
studiums beitrug, ist jetzt der 3. Band in 4. Auflage, vorzüglich ausgestattet, er-
schienen. Den Pestalozzischen Texten: Abendstunde eines Einsiedlers, Aus dem
Schweizerblatte, Wie Gertrud ihre Kinder lehrt, Ueber die Idee der Elementarbildung
usw. hat M. wertvolle Einleitungen vorausgeschickt und kleinere Anmerkungen bei-
gegeben.^2j _ Hunziker^^j j^^t ^^g^ Joh.Rud. Steinmüller (1773— 1835), der Pestalozzis
Zeitgenosse und Landsmann war, ohne in engeren Beziehungen zu ihm zu stehen,
ein Denkmal g-esetzt. Steinmüllers litterarische und praktische Thätigkeit begann schon
frühzeitig und erstreckte sich auf Hebung des Volksschulwesens. An allen den Orten,
in denen er Pfarrer war, hat er lebendige Spuren seiner pädagogischen Besti'ebungen
hinterlassen.53a) —
Von den Gesamtausgaben der Werke J. F. Herbarts hat Kehrbach^*)
jetzt den 7. Band, den ersten Teil der allgemeinen Metaphysik, veröffentlicht. —
In der Reihe der trefflichen katholischen Pädagogen des vorigen, des
eigentlich pädagogischen Jh., nimmt Overberg, der getreue Mitarbeiter Franz
V. Fürstenbergs, der Mitbegründer der Münsterschen Normalschule, eine hervorragende
Stelle ein. Seine bedeutende Persönlichkeit wird uns durch Gansens^^j Neudruck
der „Anweisung" (179'S), des berühmtesten Werkes Overbergs, wieder näher gebracht.
Die Bedeutung des Werkes erhellt schon daraus, dass eine letzte Ausgabe noch im
J. 1861 erschienen ist, und dass das Werk auch für protestantische Schulen viel-
fach, so durch Niemeyer, Natorp und die Jenaer Litteraturzeitiing, empfohlen wurde,
wie denn die protestantischen und katholischen Pädagogen jener Zeit in einem segens-
reichen wechselseitigen Verhältnis standen. — Ganz im Sinne dieser Zeit handelt der
Protestant Richter ^^), wenn er in seinen Neudrucken einen wichtigen Teil jenes be-
rühmten Werkes ediert. — Was Overberg für die Münsterschen Lande, das ist Franz
Michael Vierthaler (1758—1827) für das Salzburgische Gebiet gewesen, und er ist
deshalb frühzeitig der Salzburgische Overberg* genannt worden. Auch in Salzburg
Systemat. Darst. d. Päd. J. H. Pestalozzis mit dnrcbgäng^ger Angabe der quellenmässigen Belegstellen ans «einen sämtl.
Werken. 2. Aufl. Mit e. Portr. u. Facs. Hannover, Carl Meyer (Gnst. Prior). VUI, 276 S. M. 3,80. IfR. Schneider:
COIRW. 21, S. 613,4.]l (1. Aufl. 1886.) — 49) id., Herbart od. Pestalozzi? E. krit. Darstellung ihrer Systeme. 2. Aufl. (= Päd.
Bibl. 12. Bd.) ib. IV, 164 S. M. 2,40. |[R. Schneider: COIBW. 21, S. 6145.JI — 50) E. Deutsch, D. Verhältnis Carl
Bitters zu Pestalozzi u. seinen Jüngern. Diss. L., Mehnert. 33 S. — 51) J. H. Pestalozzi, Ausgewählte Werke. 3. Bd. 4. Aufl.
(= Bibl. päd. Klass. her. v. F. Mann. 3. Bd.) Langensalza, Beyer & Söhne. VI, 545 S. M. 3,00. — 52) X A.. Beyerhaus,
Pestalozzi als Charakter. Vortr. Breslau (Dülfer). 1892. 14 S. M. 0,20. — 53) 0. Hun zik e r, J. K. Steinmüller: ADB. 36,
S. 19-21. — 53 a) X E. Pappen heim. Fr. Fröbel. Aufsätze aus d. Jahren 1861-93. B., Oehmigke (R. Appelius). 105 S.
M. 1,20. (D. nationalen ErziehungSTerein in Chicago gewidmet.) — 54) K. Kehrbach, J. Fr. Herbarts sämtl. Werke in
chronolog. Reihenfolge. Bd. 7. Langensalza, Beyer & Söhne. X, 354 S. M. 5,00. — 55) J- Gänsen, Bemh. Overbergs Anweisung
z. zweckmäss, Schulunterr. Für d. Schul- u. Selbstgebrauch bearb. u. mit e. Einl. vers. 2. Aufl. Paderborn, Schöningh.
XXVm, 329 S. M. 1,80. — 56) A. Richter, Beruh. Overberg. Von d. Schulzucht. (= Neudrr. päd. Schriften her. v. A.
16:57-59 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
war die Reform der Schulen immer dringlicher geworden, und der dortige Erzbischof
Hieronymus Graf Colloredo fasste seine Aufgabe für Salzburg ebenso auf, wie Franz
von Fürstenberg für die Münsterschen Lande: Sollen die Schulen gehoben werden,
so muss ein gebildeter Lehrerstand herangezogen werden. In Vierthaler fand er den
richtigen Mann, diesen Plan zu verwirklichen. In seiner praktischen Thätigkeit als
Direktor des neuen Schullehrerseminars, als Lehrer der Pädagogik bei den Theologen
im Priesterhause und als Professor der Pädagogik an der Universität, als Direktor
aller deutschen Schulen im Herzog'tum Salzburg und später in seiner Eigenschaft als
Direktor des grossen Waisenhauses in "Wien hat sich Vierthaler wesentliche Ver-
dienste um die Heranbildung tüchtiger Lehrkräfte und um die Hebung des Schul-
wesens erworben. Gleich gross ist seine Förderung der Wissenschaft der Pädagogik
durch seine litterarischen Arbeiten. Aber sowohl Vierthalers praktische Wirksamkeit
als auch die Erzeugnisse seiner schriftstellerischen Thätigkeit waren Dank dem oft
beklagten Mangel an Kontinuität in der geschichtlichen Entwicklung der Pädagogik
lange Zeit vergessen. Es ist darum dem Herausgeber der Bibliothek der katholischen
Pädagogik zu danken, dass er die von GlöckP'') besorgte Neuausgabe ausgewählter
pädagogischer Schriften Vierthalers in seine Sammlung aufgenommen und den hervor-
ragenden Pädagogen einer unverdienten Vergessenheit entrissen hat, G. hat, nachdem er
einen kurzen Ueberblick über die Lebensschicksale Vierthalers unter Anlehnung an
Anthalers Biographie gegeben hat, die „Elemente der Methodik und Pädagogik" und
den „Entwurf der Schulerziehungskunde" veröffentlicht, Werke, die eine Fundgrube
praktischer Beobachtungen, treffender Darstellung, umfangreicher Belesenheit in den
zeitg-enössischen pädagogischen Schriftstellern ohne Unterschied der Konfession sind.
— Einen anderen katholischen Schulmann, Anton Ignaz Demeter (1773—1842), der
seiner Zeit „in der pädagogischen Welt Aufsehen erregte", und den man. „zu den
ersten Begründern und Beförderern eines besseren Schulwesens im Beginn des gegen-
wärtigen Jh." rechnen muss, bringt Kaisser^^) wieder ans Licht. Im J. 1773 in
Augsburg als Sohn schlichter Bürgersleute geboren, in Dillingen z. Z. des Bischofs
Sailer, über dessen Leben und Wirksamkeit uns Glabbach^**) unterrichtet, ausgebildet,
wurde er nach einander Hilfsprediger, Pfarrer, Professor der Pädagogik, Domkapitular
und starb 1842 als Erzbischof von Freiburg. K. schildert ihn besonders in seiner
höchst originellen pädagogischen Thätigkeit in der Pfarrei Lautlingen, worüber
Demeter selbst eine Abhandlung schrieb, die sein Amtsbruder Wittich im „Neuen
Landschullehrer", einer pädagogischen Zeitschrift Württembergs, 1805 abdrucken liess.
Er teilt da mit, dass er drei Schulen gegründet habe, die Winterschule, die Sommer-
schule und die Wiederholungsschule. Zwar war die Winterschule schon vorhanden,
aber sie war, wie er schreibt, schlechter als die des Gregorius Schlaghart (vgl. JBL. 1892
I 6 : 93) zu Langenhausen. Aus den Beispielen, die er von seiner Lehrart giebt,
erkennt man die Verwandtschaft mit philanthropinistischen Tendenzen. „Nicht aufs
Glänzen, nur aufs Nützen, soll sich meine Lehrart stützen." Und in der Verwend-
barkeit des Gelernten zur Industrie sieht er, vielleicht beeinflusst von Kindermann
(vgl. JBL. 1892 I 10 : 46), das Ziel dieser Dorfschulbildung. Die Schulgebete kleidete
er, um das bloss Mechanische und Gedankenlose bei den Kindern zu vermeiden, in
eine Litanei. Wie mächtig die Einwirkungen Demeters gewesen sein müssen, zeigt
die „Wiederholungsschule", die, als Sonntagsschule eingeführt, den Zweck hatte, be-
reits absolvierte Schüler weiter zu bilden. In der Zahl derer, die an dem unmittelbar
nach dem Gottesdienste in der Kirche abgehaltenen Untemchte teilnahmen, befanden
sich Männer von 25—35 Jahren, Ausser durch die Schule suchte er auf seinem
Dorfe auch durch die Einrichtung eines Theaters und einer Musikgesellschaft ver-
edelnd einzuwirken. „Dass das Theater eine besonders gute Art von Volksbildung-
werden kann, wenn es recht geleitet wird, ist in der Theorie ausgemacht, und meine
Praxis bietet Belege dafür Aber beinahe noch ein besseres Vehikel ist das
Theater für die Ausbildung der grösseren Jugend männlichen und weiblichen Ge-
schlechts, insofern der Schauplatz eine natürliche und lebhafte Schule der Sitten und
des menschlichen Lebens wird." Um nun aber sicher zu sein, dass in den Stücken
nichts Unsittliches zur Darstellung gelangte, schrieb er sie lieber gleich selbst und
benutzte sie als Mittel gegen allerlei althergebrachte Angewöhnungen, Vorurteile usw.
seiner Bauern, und er wirkte da plastischer als durch Predigt und Untemcht.
In gleicher Weise wirkte auch die im Anschluss an das Theater gebildete
Musikgesellschaft, die vor allem dazu berufen war, den Gottesdienst mit ihren Auf-
führungen zu verschönen. Neben allen diesen gründete und leitete Demeter eine
Privatbildungsanstalt für Lehrer, legte eine kleine Gesindebibliothek an, aus welcher
Richter. K. 13.) L., R. Richter. 91 S. M. 0,80. — 57) F. M. Vierthaler, Ausgew päd. Schriften, her. u. m. e. Einl. u.
Anm. versehen v. L. G l ö c k 1. (= Bibl. d. Itath. Päd. her. t. P. X. K u n z N. 6.) Freiburg i. B., Herder. VIII, 258 S. M. 4,40.
— 58) B. Eaisser, A. J. Demeter, e. Freund u. Förderer d. Volksschulwesens: AugsburgerPostZg». N. 13 4. — 59) O W.
aiabbach, J. M. Sailer. (= D. Klass. d. Päd. her. v. ü. Fröhlich. Bd. XVI.) Langensalza, Schalbuchh. XU, 360 S.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. l6:60-63
den Knechten und Mägden an den langen Winterabenden in der Gesindestube des
Pfarrhauses unter Aufsicht des PfaiTers unterhaltende Stücke vorgelesen und erklärt
wurden; auch richtete er eine kleine Volksbibliothek ein, in der er hauptsächlich Bücher
aufstellte, die über Feld-, Wiesen-, Gartenbau, Behandlung- des Viehes, über Kinder-
zucht usw. unterrichteten, und die nach seinem Geständnis von den Bauern viel be-
nutzt wurden. Im Hinblick auf die unendlich beschränkten Mittel und das Material,
das ihm zur Ausbildung sich darbot, ist seine pädagogische Wirksamkeit als Pfarrer,
von der man wünschen möchte, dass alle Pastoren sie als Vorbild zur Nacheiferung
nehmen möchten, höher zu schätzen, als seine spätere Thätigkeit bei der Neuorganisation
des badischen Schulwesens. —
Es seien hier verschiedene Schulmänner der Praxis aus neuerer
Zeit zusammeng'estellt nach den Ländern und Landschaften, denen ihre Thätigkeit
im wesentlichen galt. In der alphabetischen Ordnung erscheint zunächst Baden mit
dem Karlsruher Seminardirektor Wilhelm Stern. Er hat noch als ein unmittelbarer
Schüler Pestalozzis 1815 — 17 in Yverdun gelernt und gelehrt. Sein Leben hat jetzt
Ledderhose ^'') geschrieben, hauptsächlich auf Grund interessanter Mitteilungen, die
Stern im höheren Lebensalter einem seiner Söhne diktiert hatte. —
Ein bayerischer Schulmann, Heinr. Stephani, dessen Name wegen seiner
Verdienste um die Methodik des Leseunterrichtes weit über die Grenzen des Bayer-
landes hinausgedrungen ist, wird von Sander^^) charakterisiert; wenn er auch nicht
der „Urheber" der Lautiermethode ist, so hat er ihr doch durch seine Schriften den
Weg in die deutsche Volksschule gebahnt. Obwohl streng kirchlich erzogen, war er
frühzeitig ganz ins rationalistische Lager liinübergetreten. Sein religiöser Standpunkt
brachte ihm viele Reibereien mit seinen Behörden; wurde er doch selbst später aller
seiner Aemter entsetzt! Mit den Koryphäen unserer deutschen Litteratur, mit Schiller,
Reinhold, Hufeland, Fichte, Matthisson, Lavater, trat er in den neunziger Jahren als
Hofmeister in Jena und nachher auf einer Reise in die Schweiz in persönlichen Ver-
kehr; in pädagogischer Hinsicht hat Resewitz, an dessen Anstalt Stephani mit seinen
Zöglingen vier Jahre zugebracht hat, auf ihn eingewirkt. —
Dem bekannten Hessischen Schulmanne Joh. Ferd. Schlez widmet G. Chr.
Dieffenbach^-), einer seiner Nachkommen, eine Abhandlung, die trotz ihi'es geringen
Umfanges uns ein deutliches Bild von der Wirksamkeit dieses weit über die Grenzen
seines Vaterlandes hinaus berühmt gewordenen Mannes zeichnet. In seiner Stellung
als Geistlicher und Schulinspektor in Schliz, die er seinem „Gregorius Schlaghart"
(vgl. JBL. 1892 I 6 : 93) zu verdanken hatte, hat er eine grosse Wirksamkeit ent-
faltet, nicht nur als praktischer Pädagoge und pädagogischer Schriftsteller, wobei be-
sonders an seinen weitverbreiteten und lange Zeit gebrauchten „Denkfreund" und
sein „Handbuch für Volksschullehrer" gedacht werden muss, sondern auch als Volks-
schriftsteller, als Herausgeber von Kalendern und Zeitschriften, mit denen er bereits
vor 100 Jahren dem Eindringen verderblicher Litteratur in das Volksleben einen
Damm entgegensetzen wollte. Auch um die schöne Litteratur hat er sich verdient ge-
macht durch Ausgaben von Gedichten, Fabeln, Parabeln, durch eine metrische Ueber-
setzung der Lieder Salomos, durch Herausgabe eines Gesangbuches und einer Sammlung
von Kinderdeklamationen. —
Mit der grossen Reform des österreichischen Unterrichtswesens, deren
Geburtsstunde in die Zeit der grössten politischen Wirren Oesterreichs, in das J. 1848,
fällt, sind drei Namen eng verbunden: Graf Leo Thun, Franz Exner und Hermann
Bonitz. Der von ihnen ausgearbeitete „Organisationsentwurf" bildet den Grundstein
„für das ganze stattliche Gebäude des höheren Unterrichtswesens". „In Thun, Exner,
und Bonitz trafen sich Thatkraft, Einsicht und Erfahrung und schufen ein Werk, das
seine sieghafte Macht bewährt hat und hoffentlich noch lange bewähren wird. Ins-
besondere dürften aber die Bildner der Jugend in ihnen die besten Vorbilder finden
für das, was als edelstes Ergebnis jeder Erziehung und jedes Unterrichts gelten
muss: den sittlichen Charakter. Denn so verschieden die drei Männer nach Heimat,
Herkunft und Kenntnissen waren, eines einte sie, und darin liegt wohl das Geheimnis
ihres erfolgreichen Wirkens : der tiefsittliche Ernst und die daraus entspringende Auf-
fassung der Pflicht, beseelt von den" höchsten Idealen für alles Erhabene, Gute und
Schöne." Das Andenken dieser Männer zu ehren, wurde in den Arkaden der Wiener
Universität ihnen ein kunstvolles Denkmal errichtet, das am Eröffnimgstage der
letzten deutschen Pliilologen- Versammlung in Wien unter grossen Feierlichkeiten
enthüllt wurde. Veranlasst durch diese Feier hat Frankfurter ^3) das Leben und
Wirken dieser Drei zur Darstellung gebracht, hat aber damit keineswegs ein ab-
M. 4,70. — 60) K. F. Ledderhose, Wilh. Stern: ADB. 36, S. 110 6. — 61) F. Sander, H. Stephani: ib. S. 90,3. — 62)
G. Chr. Dieffenbach, Joh. Ferd. Schlez. Hess. Schulmann u. Voltsschriftsteller. (Sonderabdr. aus d. „Hess. Lehrerkal.")
Giessen, E. Roth. 14 S. M. 0,30. — 63) S. Frankfurter, Graf Leo Thun-Hohenstein, Fr. Erner u. H. Bonitz. Beitrr. z.
Gesch. d. Österreich. Unterrichtsreform. Mit 3 Taf. in Lichtdr. Wien, Holder. VIII, 168 S. ML 3,60. |fP. P a n 1 s e n :
16:64-69 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
schliessendes Werk über die g-rosse Unterrichtsreform in Oesterreich liefern wollen.
„Die tiefere Würdigung- der einzelnen organisatorischen Arbeiten" will er erfreulicher
Weise in einer ausführlicheren Schrift, der Geschichte und Entwicklung des öster-
reichischen Mittelschulwesens, schildern. In seinem vorliegenden Werke, das als ein
Teil oder in gewissem Sinne als eine Vorarbeit zu der beabsichtigten Geschichte an-
zusehen ist, soll nur eine „Charakteristik der Männer geboten werden, denen der
Aufschwung der geistigen Bildung in Oesterreich in der neuesten Zeit so viel zu ver-
danken hat". Daher das Hervortreten des biographischen Momentes und das Zurück-
treten des sachlichen, für das summarische Berichte genügen mussten. Da dem Vf.
viel bisher unbekanntes hs. Material zur Verfügung gestanden hat, das bei anderen
Darstellungen des Lebens und der amtlichen Thätigkeit dieser Männer nicht benutzt
werden konnte, so erhellt daraus der grosse Wert des in so warmer, wohlthuender
Sprache geschriebenen und mit zahlreichen interessanten Anmerkungen versehenen
Buches, dessen Entstehen Bonitzens verdienstvollem Schüler W. von Hartel verdankt
wird. — Hartel^^) war es, der als Präsident der 42. Versammlung deutscher Philologen
die Festrede zur Enthüllung des Thun-Exner-Bonitz-Denkmals hielt. In dieser Rede
sind meisterhaft aus der Fülle der Materialien die Gestalten der drei Männer heraus-
gearbeitet und das, was sie geleistet, durch eine Charakteristik des österreichischen
CJniversitäts- und Mittelschulwesens vor dem Beginn ihrer Arbeit plastisch hin-
gestellt worden. ^^) —
Einem Oldenburgischen Schulmanne, Strackerjan,gelten Mutz enbe eher s^^)
Mitteilungen. Er hat sich um die Entwicklung des Realschulwesens in seinem
Vaterlande sehr verdient gemacht. Von seinen litterarischen Arbeiten verdient an
diesem Orte hervorgehoben zu werden seine für die altdeutsche Forschung wichtige
Abhandlung über „die jeverländischen Personennamen (1864)." —
Das Andenken an Wilh. Harnisch, der als praktischer Schulmann und als
pädagogischer Schriftsteller lange Zeit in Preussen eine tonangebende Stellung ein-
genommen hat, wird durch eine Neuausgabe seines bedeutendsten Werkes, des Hand-
buches für das deutsche Volksschulwesen (1. Aufl. 1812; 2. Aufl. 1839J, das auch
jetzt noch den deutschen Schulmämiern, besonders den Aufsichtsorganen, viele An-
regungen geben kann, wieder aufgefrischt. Bartels^'') versieht den Text mit ein-
zelnen erläuternden Anmerkungen; was aber die Ausgabe noch wertvoller macht, ist
die vorangestellte Biographie. Das von B. dargebotene Verzeichnis von Harnischs
Schriften sollte in erweiterter Form herausgegeben werden; die ungemein reiche
litterarische Thätigkeit würde diu^ch eine genaue Bibliographie aller von Harnisch
herrührenden selbständigen Schriften und seiner in verschiedenen Journalen nieder-
gelegten Aufsätze am besten illustriert und damit zugleich eine wichtige Handhabe
zur Beurteilung pädagogischer Bestrebungen innerhalb des Lehrerstandes und der Re-
gierungskreise in der ersten Hälfte unseres Jh. gegeben werden. — Das Leben Ant.W.Ferd.
Stiehls, des Vf. der so verschiedenartig beurteilten preussischen, oder sog. Stiehlschen
Regulative, die unter dem Ministerium Raumer 1854 eingeführt wurden, schildert ein
Anonymus ^S), hinter^ dem sich wohl der Nachfolger Stiehls in seinem Ministerial-
amte, Schneider, verbirgt. Seh., dessen allgemeine Bestimmungen an die Stelle
der Regulative gesetzt wurden und eine neue Periode im preussischen Volksschul-
wesen einleiteten, giebt in wohlthuender Objektivität einen Ueberblick über den Ent-
wicklungsgang, den Charakter und die Wirksamkeit Stiehls. — Hier sei nun auch
mit einigen Worten auf Kellners 6") im vorigen Jahrgange (JBL. 1892 I 10 : 81) nur
dem Titel nach angeführte SelbstbiogTaphie hingewiesen, die sehr bald eine zweite,
vom Sohne des Vf., dem Bonner Theologieprofessor, bevorwortete Auflage erlebt hat.
In dem Leben Kellners, der als Lehrer, pädagogischer Schriftsteller, als höherer Ver-
waltungsbeamter und als Mensch ein grosses Ansehen in weiten Kreisen, auch dort,
wo seine Stellung in religiösen und politischen Fragen nicht gebilligt wurde, genoss,
spiegeln sich die verschiedenen Phasen der Entwicklung des Volksschulwesens in
Preussen ab. Das erhöht noch den Wert dieser Selbstbiographie. Er freilich will in
seiner Bescheidenheit mit dieser Biographie nichts weiter, als durch die „offene Dar-
legung seines Ringens und Strebens" ein wenig für die Ueberzeugung wirken, dass
innere Zufriedenheit und äussere Anerkennung zunächst und wesentlich von uns
selbst abhängen, und dass jeder Beruf, insbesondere aber der eines Lehrers, das
wieder entgegenbringt, was man selbst hineinträgt und lehrt. Ein grosses Verdienst
hat sich dieser Mann, der von der Pike auf diente und mit Recht als Motto die
BPhWS. 13, S. 1465/6; J. Loos: WSKPh. 10. S. 1066/8; WienerZg. 31. Mai, 6. Jnni, 13. Juni.]| — 64) W. t. Hartel, Fest-
rede z. Enthüllnng d. Thun-Exner-Bonitz-Denkmals: AZg«. N. 118. — 65) O Vom Grafen Leo Thun: HPBll. 112, S. 2-22,
92-104. — 66) A. M utze nbeoher, K. D. A. StracVerjan : ADB. 36, S. 487/9. — 67) W. Harnisch, Handbnch für d.
dtsch. Volksschulwesen. Mit Anm. u. Harnischs Biogr. her. v. Fr. Bartels. (= Bibl. päd. Klass. her. v. Fr. Mann. Bd. 32.)
Langensalza, Beyer & Söhne. LXII u. XII, 380 S. M. 3,.50. — 68) [K. Schneider]: A. W. F. Stiehl: ADB. 36, S. 180,4.
— 69) L. Kellner, Lebensblätter. Erinnerungen aus d. Schnlwelt. 2. erg. Anfl. Mit Bild. Freiburg i. B., Herder. 1892.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I6:70-80
Worte Pestalozzis: „Man hatte mir oft gesagt, es sei eine heilige Sache, von unten
auf dienen" seinem Buche vorgesetzt hat, um die Ausbildung der Methodik des
deutschen Sprachunterrichts erworben. — Auch ein Verehrer Kellners, ein pro-
testantischer Schulmann, der Bürgerschullehrer Piltz '**), hat Lebens erinner ungen
geschrieben, die sich allerdings in einem engeren Kreise als die von Kellner bewegen.
— Ein Berliner Schulmann, G. L. Spalding, der Sohn des berühmten Propstes zu
St. Nicolai ist es, dessen Leben und Wirken uns Hoche'') vorführt. Der Schwer-
punkt von Spaldings litterarischer Thätigkeit lag auf dem Gebiete der klassischen
Philologie. — Die Verdienste Spillekes, des berühmten Direktors des Friedrich-
Wilhelm-Gymnasiums in Berlin, werden von Wiese '2), der in Spilleke wohl eine
kongeniale Natur erblicken durfte, in ansprechender Form dargestellt. In der Ge-
schichte des Realschulwesens und auch in der Geschichte des höheren Töchterschul-
wesens wird Spillekes weitgehender, über Preussen hinausragender Einfluss immer
bemerkt werden müssen. — Eine gründliche Darstellung des Lebens und Wirkens,
K. F. Splittegarbs hat der um die Methodik des Unterrichts und seine Geschichte
verdiente Fechner'^) verfasst. Des tüchtigen Berliner Schulmannes praktische
Thätigkeit bestand in der Leitung einer vorzüglichen Privatschule, die sich einer
langandauernden Beliebtheit bei vielen Berliner Familien, die in mehreren aufeinander
folgenden Generationen ihre Kinder der Schule anvertrauten, erfreute. Seine um-
fassende litterarische Thätigkeit kam vor allem dem deutschen Unterrichte zu gute;
seine „deutsche Sprachlehre für Anfänger, mit Aufgaben" (1. Aufl. 1800; 12. Aufl. 1840)
bezeichnet einen Fortschritt in der Methodik. — Ueber den ehemaligen Direktor des
Königsberger altstädtischen Gymnasiums, das unter seiner Leitung zu grosser Blüte
sich entfaltete, den Philologen Karl Ludw. Struve (1785—1838), der auch als Dichter
genannt zu werden verdient, bringt Stieda'''*) Nachrichten. —
Das Leben des Sachsen Spitzner, dessen Thätigkeit hauptsächlich denf
Wittenberger Lyceum, das unter ihm zu einem Gymnasium erweitert wurde, ge-
widmet war, hat Ho che ''^) geschrieben. Obwohl Spitzners Arbeiten, besonders durch
seinen Lehrer Lobeck angeregt, in der Hauptsache auf dem Gebiete der klassischen
Philologie, besonders Homers, liegen, hat er doch auch mit seinen beiden Geschichts-
darstellungen über das Wittenberger Lyceum (1808) und über die Entwicklung des
Gymnasiums und der übrigen Schulanstalten zu Wittenberg (1830) der Geschichte des
deutschen Unterrichts- und Erziehungswesens nicht unwichtige Beiträge geliefert. —
Stallbaums Biographie wird von Hoche"^) gegeben. Schüler der berühmten Leipziger
Thomasschule, ist er, nachdem er Theologie und unter Gottfr. Hermann Philologie
studiert hatte, eine Zeitlang Lehrer an den Franckeschen Stiftungen gewesen, die er,
obwohl der Kanzler Niemeyer ihm günstige Aussichten für die Zukunft gemacht
hatte, verliess, um auf Wunsch seines alten Rektors Rost ein Lehramt an der
Thomasschule (1820) zu übernehmen. Glückliche erzieherische Gaben machten ihn
zu einem tüchtigen Lehrer; seine gründliche philologische Vorbildung befähigte ihn
zu vorzüglichen litterarischen Studien, die besonders Plato galten. —
An die Spitze des Abschnittes über die Schweiz verdient gestellt zu werden
die von Keller''") mitgeteilte Probe aus einer Sammlung' von Nekrologen schweize-
rischer Schulmänner. Von den mitgeteilten Biographien seien hervorgehoben die
von Breitinger und Bodmer, Usteri, Stapfer, dem Förderer Pestalozzis, Zeller und
Georg Gessner. Im Anhange giebt K. zu dem genannten Programm eine Lebens-
skizze des vor kurzem verstorbenen langjährigen Lehrers am Seminar Wettingen,
Rud. Landolt. — Hunziker''^''^) hat sich die schwierige Aufgabe gestellt, Ernst
Ludw. Rochholz uns vorzuführen. Frühzeitig, schon auf der Schule in Neuburg a. d.
Donau, bethätigte Rochholz sein Interesse für deutsche Sprache und Litteratur, und
auch die harte Strafe, die er damals erleiden musste, weil er sich Werke von Goethe
luid Schiller verschafft hatte, konnte seine Liebe nicht unterdrücken. Aus dem von
H. mit vieler Mühe zusammengestellten Verzeichnisse der gedruckten litterarischen
Produktion Rochholzens gewinnt man ein Bild von der Vielseitigkeit seines
litterarischen Schaffens. Die Geschichte der germanischen Philologie, die Dialekt-
forschung, die Mythologie, die Rechts- und Staatsaltertümer, der Sagen- und Märchen-
schatz werden von ihm ebenso wie die Geschichte der Pädag'ogik, der alten und
neueren deutschen Litteratur, bereichert; und manche wertvolle Ergänzung ist wohl
noch aus dem von H. ebenfalls verzeichneten hs. Nachlasse zu erwarten. Sein Andenken
wird aber auch ohne dies in der Schweiz so bald nicht erlöschen; denn wahr ist, was
VII, 618 S. M. 4,00. — 70) C. P i 1 1 z , D. Tagebuch e. dtsoh. Schulmannes. Oasen u. Stationen ans d. letzten Jahrzehnten
meines Lehrerlebens. L., F. Richter. VU, 152 S. M. 2,00. — 71) R. H o c h e , G. L. Spalding: ADB. 35. 8. 29-30. - 72)
L. Wiese, G. A. Spilleke: ib. S. 187/9. - 73) H. F e c h n e r, K. F. Splittegarb: ib. S. 235 7. — 74) L. Stieda, K. L.
Struve: ib. 36, S. 687-90. - 75) R. Hocho, F. E. H. Spitzner: ib. 35, S. 224/5. — 76) id., J. G. Stallbanm: ib. S. 422/3. —
77) J. Keller, Probe e. grösseren Samml. v. Nekrologen Schweiz. Schulmänner. Progr. d. Lehrersemin. Wettingen. (Baden,
J. Zehnder.) 44 S. — 78-79) J. Hunziker, E. L. Rochholz. Progr. Aarau, (Sauerländer & Cie.). 4». 54 S. — 80) F.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. 12
16:81-86 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
an seinem Grabe einer seiner älteren Schüler aussprach, dass er der Schweizer
Jug-end einen mächtig-en Anstoss gegeben, dass er sie gelehrt, das Gold zu suchen,
nicht im tauben Gesteine, nicht im öden Treiben der Welt, nicht in der Parteien Zwist und
Hader, sondern in der Tiefe der Volksseele, des Kindergemütes und des Frauenherzens.
„Du hast das aargauische Volk gelehrt, sich selbst hoch zu achten, es wird dir dankbar
bleiben in alle Zukunft." — Brummer**^) führt uns den Lebensgang und die litterarische
Thätigkeit Joh.Staubs vor. Durch seine Kinderbüchlein, die „Staubebüchli", hat er, der als
Begründer der poetischen Jugendlitteratur in der Schweiz angesehen werden darf, sich
die Herzen der Schweizer Kinder und Mütter erobert. — Zwei Pädagogen des Namens
Spiess, Vater und Sohn, von denen aber nur der Sohn, Adolf S., wegen seiner Ver-
dienste um das Turnwesen in den weitesten Kreisen bekannt geworden ist, (während
der Vater, Johann Balthasar S., eine wenn auch segensreiche Thätigkeit im engeren
Kreise, besonders in der Hebung des städtischen Schulwesens in Oft'enbach, entfaltet
hat,) hat uns Sander^^'^^^ g-eschildert. Adolf war schon durch Guts Muts, als er
zehnjährig mit dem Vater Schnepfenthal besuchte, für das Turnen gewonnen; als
Student hat er den alten Jahn in Cölleda aufgesucht und sich in Berlin an den Be-
strebungen Eiselens und Phil. Wackernagels beteiligt. Später in Burgdorf in der
Schweiz bildete er das Schulturnen nach verschiedenen Richtungen hin, auch für
Mädchenschulen, aus und stand dort in engem Verkehr mit Friedr. Fröbel und
Max Schneckenburger, dem Dichter der Wacht am Rhein, die hier zum ersten Male
gesungen wurde. Später als Turnlehrer in Basel, als Assessor des Studienrates in
Darmstadt war er immer für sein Lieblingsfach, das er übrigens nicht losgelöst von
dem Unterrichte, sondern in das Ganze der Volkserziehung eingeordnet wissen wollte,
in Thätigkeit. —
Von Hoche^^j rührt eine kurze Lebensskizze eines thüringischen
Praktikers von vielseitiger wissenschaftlicher Bildung, des Reformators des Nord-
häuser Gymnasiums und des gesamten städtischen Schulwesens, Joh. Gottfr. Aug.
Sparr her, dessen Plan für das Gymnasium in Nordhausen für eine grosse Zahl der
damaligen mitteldeutschen Gymnasien vorbildlich gewesen ist. — Das Leben eines
originellen Mannes, des ehemaligen Saalfelder Lycealrektors, späteren Gymnasial-
professors in Hildburghausen, Theod. Friedr. Reinhardts, schildert Human^*),
Der Arbeit zu Grunde liegen Bruchstücke einer Selbstbiographie, die uns ihren Vf.
widerspiegelt als eine „bestimmt ausgeprägte Persönlichkeit mit vielen Ecken und Kanten,
mit mancherlei bizarrem und schroff einseitigem Wesen", das sich „wenig in Menschen
und Verhältnisse zu schicken wusste". In Jena, das, wie er schreibt, zur Zeit, da er
dort studierte (18 14), einem gerupften Huhne glich, weil alle bedeutenderen Lehrer in
den Jahren nach dem Fichteschen Konflikte es verlassen hatten, schloss er sich
an den damals bedeutendsten Philologen Eichstätt an, der die Seele der Universität
und darauf bedacht war, in der Berufung tüchtiger Lehrkräfte einen Ersatz für die
Verluste der Universität zu gewinnen. Von Goethe, den er zur Zeit, als der Hund
des Aubry am Weimarer Theater seine Kunststücke machte, in einer Equipage
mit „höfisch galonnierten Lakaien" in Jena herumfahren sah, hat er keinen hervor-
ragenden Eindruck gewonnen: „Eine prosaisch aristokratische Figur". Die Saalfelder
Stadt- und Landschule, die im J. 1527 als lateinische Schule begründet, später von
Aquila und Melanchthon reorganisiert und 1551 Lyceum benannt wurde, umfasste, als
Reinhardt ihr Rektor wurde, ausser dem Lyceum, das seine Schüler unmittelbar zur
Universität entliess, ein Landes-Schullehrerseminar und eine Knabenschule. Die Mit-
teilungen über seine Thätigkeit an dieser Schule enthalten auch für die Litteratur- und
Kulturgeschichte Thüringens interessante Momente. Obwohl er das Studium griechischer
und lateinischer Litteratur seinen Schülern nicht oft genug rühmen konnte, wurde doch
in seinem Unterrichte die deutsche Sprache und Litteratur nicht vernachlässigt. Bei
den stilistischen Arbeiten der Schüler vermied er es, ihre individuelle Auffassung
durch eine eigensiimige Kritik zu korrigieren. Er strebte vielmehr danach, der
Aeusserung jeder Neigung gerecht zu werden, und vermied dadurch, was viele Lehrer
in ihrem Unterrichte bewirken, „uniformen Geschmack" und „uniforme Logik". —
Universitäten. Der Abschnitt über Universitäten würde am besten ein-
geleitet durch eine Besprechung der zusammenfassenden Darstellung über die
deutschen Universitäten, die Lexis^^j unter Mitwirkung vieler deutscher Universitäts-
professoren im Auftrage der Regierung für die Universitätsausstellung in Chicago
verfasst hat. Leider ist mir das Werk nicht zugänglich gewesen. — Kukula**^)
Brummer, J. Staub: ADB. 35, S. 506/7. — 81) F. Sander, J. B. Spiess: ib. S. 182/3. — 82) id., Ad. Spiess: ib. S. 173/7.
— 83) R. Hoche, J. G. A. Sparr: ib. S. 63/4. — 84) A. Human, Th. F. G. Reinhardt, weil. Rektor d. Lycenms zu Saalfeld,
Schulrat u. erster Prof. am Gymn. zu Hildburghausen etc. B. Lebens- u. Charakterbild. (= Schriften d. Ver. f. Meining.
Gesch. u. Landeskunde. 15. Heft.) Meiningen, L. v. Eye. 140 S. M. 2,50. — 85) O X X W. Lexis, D. dtsch. Univ. Für
d. Univ.-Ausstellung in Chicago 1893 unter Mitwirk, zahlreicher Univ.-Lehrer. 2 Bde. B., Asher. XII, 620 S.; VI, 406 S.
M. 24,00. — 86) Rieh. Knkala, Bibliogr. Jb. d. dtsoh. Hochschulen. 1. Ergänznngsheft. Innsbruck, Wagner. IV, 295 S.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. l6:86a-93
macht in dem Ergänzung-shefte zu seinem bibliographischen Jahrbuche Angaben über
die litterarische Thätigkeit vieler an deutschen Hochschulen wirkender Gelehrten und
giebt dadurch Material für die Fortsetzung der allgemeinen deutschen BiogTaphie.^^*) —
Ueber eine Universität, die einige Jahre im Allgäu, in Ottobeuren und Elchingen,
bestanden hat, wird uns von H u b e r^'j Nachricht gegeben. Freilich bestehen diese
Mitteilungen nur in einem Auszuge aus den Darstellungen, die Giefel (im Deutschen
Volksblatt 1888 N. 72—81) gegeben hat und auf Notizen in Feyerabends Otten-
beurenschen Jahrbüchern. Die Universität war von Ang-ehörigen des Benediktiner-
ordens im J. 1542 zur Vorbildung ihrer Ordensleute imd zur Abwehr gegen das Vor-
dringen der Reformation gegründet worden. Ihr Sitz wurde Ottobeuren, nachdem der
zunächst in Aussicht genommene Flecken Legan sich als ungeeignet erwiesen hatte.
Bereits nach zweiundeinhalbjährigem Bestände löste sie sich weg'en der Ungunst
der Verhältnisse auf; der Versuch von Lehrern und Schülern, in Elchingen eine
ruhige Stätte zu finden, misslang; der Gedanke der Stiftung einer Gelehrtenschule
aber wurde unmittelbar nach dem Schmalkadischen Kriege von Otto Truchsess von
Waldberg, dem Bischöfe von Augsburg, wieder aufgenommen, und 1549 in der
Gründung des Kollegiums, der späteren Universität Dillingen, verwirklicht. — Die
Hubersche Darstellung wird übrigens von einem Anonymus *^^) dahin berichtigt, dass
nach einer Chronik über die Gründung des Stiftes Kempten der Gedanke zur Er-
richtung einer oberschwäbischen Studienanstalt bereits 1533 von dem Abte Sebastian
von Breitenstein und dem Prälaten von Ottobeuren und Zwiefalten gefasst und dadurch
die Gründung der Hochschule von Ottobeuren, später Elchingen ins Leben gerufen
worden ist. —
Aus der bisher noch nicht herausgegebenen Matiikel der Universität Basel
bietet Loersch*^) einen kleinen Teil, indem er ein von G. Knod für ihn an-
gefertigtes Verzeichnis der Aachener, die von 1462—91 in Basel studiert haben, mit
einigen eig*enen Erläuterungen und Anmerkung'en giebt. —
Einige Nachrichten über die Gründmig" der Berliner Universität und über
ihre iiuiere Entwicklung enthält die von V i r c h o w '^o) am 3. Aug. in der Aula der
Universität gehaltene Rede. Die innere Entwicklung hat sich nach V so vollzogen,
dass in der ersten Periode unter Friedrich Wilhelm HL die Universität unter dem
„Zeichen der Philosophie" gestanden hat, dass diese philosophische Zeit, die mit
Hegel ihren Höhepunict, aber auch ihr Ende erreichte, abgelöst wurde durch die
naturwissenschaftliche Periode, für die Alex, von Plumboldt den Boden geebnet, und
der er seinen Stempel aufg'edrückt hat. Kann man V. in seiner Charakteristik
der ersten Periode beistimmen, so ist das nicht der Fall hinsichtlich des natur-
wissenschaftlichen Zeitalters. —
Aus Veranlassung der Feier des 150 jährigen Bestehens der Universität Er-
langen, die, erst eine markgräfliche, dann eine königlich preussische war, ganz kurze Zeit
der französischen Regierung unterstand und endlich unter bayerischer Regierung einen
grossen Aufschwung genommen hat, sind verschiedene Veröffentlichungen erschienen.
In seiner Festrede schildert der derzeitige Rektor der Universität, StrümpelP^), die
Gründung und die ersten Jahre ihres Bestehens. Der prachtliebende Markgraf
Friedrich von Bayreuth gründete auf Anregung seines Leibarztes Superville, des
späteren Kanzlers der Universität, und wahrscheinlich in seinem Vorhaben von seiner
Gattin, Friederike Sophie Wilhelmine, der Schwester Friedrichs des Gr., bestärkt,
die Universität, um den Ruhm seines Landes und besonders seiner Hauptstadt
Bayreuth zu heben. Die Haupt- und Residenzstadt, in der 1742 die feierliche Ein-
weihung der Universität stattfand, erwies sich aber als so ung'iüistig, dass schon nach
einem Jahre an ihre Verlegung" g'edacht werden musste. Von den in Aussicht ge-
nommenen Städten Kulmbach, Hof und Erlangen wurde letztere gewählt, weil hier die
Gebäude und Fonds der in Verfall geratenen Ritterakademie zm* Verfügung standen.
Anfang November 1743 fand die Einweihung ^2) der Erlanger Universität statt, deren
Seele während der ersten Jahre ihres Bestehens Superville war; unmittelbar nach
seinem Abgange tritt auch der Verfall ein. — Supervilles Lebensgang und seine Ver-
dienste um die Universität werden in der von Schling **3) im Auftrage des akade-
mischen Senates geschriebenen Festschrift dargestellt. Den Hauptteil seiner Arbeit
bildet aber eine juristische Abhandlung über das Kanzleramt an der Universität Er-
langen, dessen Entstehung, geschichtliche Entwicklung und jetzige Bedeutung S.
deutlich darlegt. Danach ist das Kanzleramt ein unveräusserliches Recht der juristi-
M. 3^0. — 86a) O XX (I 3:136.) - 87) F. A. Hube r, E. Allgäuer Univ.: AllgäuerGFr. 6, S. 75,7, 93 6. — 88) U., E.
Allgäner Univ.: ib. S. 156. — 89) H. Loersch, D. in Basel v. 1462-91 studierenden Aachener: ZAachenGV. 15, S. 327 9. —
90) R. Virchow, D. Gründung d. Berliner Univ. u. d. Uebergang ans d. philos. in d. natnrwiss. Zeitalter. Bede. B., Hirsch-
wald. 4». 29 S. M. 0,80. — 91) Ä. Strümpell, D. Anfänge der Univ. Erlangen. Bede. Erlangen, Junge. 16 S. M. 0,30.
— 92) X D. Einweihung d. Erlanger Univ. atn 4.-6. Nov. 1743. (= Festzg. z. Jubelfeier d. Univ. Erlangen 1743-1893. S. 2.)
— 93) E. Sehling, D. v. Superville. D. Kanzleramt an d. Univ. Erlangen. Festschrift. L., Veit* Co. VllI, MitBildn. 188 8.
12*
I 6:94-106 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
sehen Fakultät. Als Einleitung giebt. S. eine Geschichte des Universitäts-Kanzellariats
überhaupt und am Schlüsse einen interessanten Ueberblick über die gegenwärtige
Rechtslage des Kanzleramtes auf denjenigen deutschen Hochschulen, an denen es noch be-
steht. — Angeschlossen sei hier ein Aufsatz^*), der in Kürze die Geschichte der
Universität bis auf die Gegenwart herabführt; dabei sei erwähnt, dass unter den Lehrern
Fichte, der freilich nur einige Monate dort lehrte, die Juristen Puchta, Stahl, der
später in Preussen eine hervorragende Rolle spielen sollte, die Philologen Döderlein
und Nägelsbach, der Germanist Raumer, der Dichter Rückert zu nennen sind. —
Auch über' die Vorgeschichte der Universität fehlt es nicht an Nachrichten^^), aus
denen hervorgeht, dass die erste Anregung, in Franken eine oder zwei Hochschulen
zu gründen, von Luther 1529 ausgegangen, im 17. Jh. von dem Kulmbacher
Superintendenten Altdorfer unter der Regierung des Markgrafen Christian und später
von dem Sohne des letzteren, dem Markgrafen Christian Ernst, wieder — freilich ohne
Erfolg — aufgenommen worden ist. ''^) —
Beiträge '*'''^^) zur Geschichte der Universität Freiburg i. B. sind auch in
diesem Jahre geliefert worden (vgl. JBL. 1892 I 10 : 252/4). König9»-ioo) hat zu-
nächst die bisher unbekannt gebliebenen articuli officii rectoris academiae von 1580,
deren Vf. Jodocus Lorichius ist, veröffentlicht. Lorichius, der acht Mal die Rektorats-
würde bekleidet hat, giebt in diesen articuli nicht etwa ein offizielles Statut, sondern
nur eine private Zusammenstellung der wichtigeren „amtlichen Befugnisse, Aus-
zeichnungen, Thätigkeiten, welche dem Haupte des corpus academicum zustehen und
zukommen, führt Einzelheiten aus der älteren akademischen Verfassung und Ad-
ministration" vor, in aphoristischer, für den nächsten Gebrauch bestimmter Form,
und verweist dabei oft auf das ausführliche Statut der Universität, über dessen
Verbleib bisher noch nichts hat ermittelt werden können. Der Herausgeber hat dem
Texte wertvolle Ergänzungen beigegeben, so Mitteilungen über den ersten Rektor,
Matthaeus Hummel, über einzelne besondere Vorkommnisse in der Geschichte des
Rektorats, über die unter der Kaiserin Maria Theresia angeordneten Reformen, und
fügt am Schlüsse die series rectorum et prorectorum von 1460—1892 bei. 1476 ist
Joh. Geiler von Kaisersberg Rektor gewesen, dem 1477 ein Fridericus comes de
Hohenzollern in dieser Würde folgte. K.s zweiter Beitrag besteht in einem aus dem
letzten Drittel des vorigen Jh. stammenden Schriftstücke eines Anonymus, das die
Wichtigkeit der Theresianisch-Josefinischen Reformen hervorhebt, aber auch zugleich
betont, dass durch die 1773 erfolgte Aufhebung des Jesuitenordens viele gute An-
stalten aufgehoben worden seien. Es handelt sich hierbei wahrscheinlich um ein für
eine höher gestellte Persönlichkeit verfasstes Gutachten. — Mayers *^i"^"3) Dar-
stellung, die eine Fortsetzung seines im vorigen Jahre erschienenen Werkes ist, be-
trifft die Entwicklung der Freiburger Universität in neuerer Zeit (1818—52). Er macht ein-
gehende Mitteilungen über alle Universitätsinstitute, über den Lehrkörper, über
Fonds, über Festlichkeiten und Studentenschaft, und dabei wird besonders der
burschenschaftlichen Bestrebungen gedacht, die auch hier wie auf anderen Uni-
versitäten vielen Verfolgungen ausgesetzt waren. —
In der Einleitung zu einem Aufsatze ^'^*) über die neugegründete Universität
Freiburg in der Schweiz werden einige Mitteilungen über die seit Jhh. gehegte
Absicht, in der Schweiz eine katholische Universität zu gründen, gemacht. Bereits
im J. 1539 mit der Ausbreitung der Reformation dachte man zum Schutze der katho-
lischen Kirche an die Gründung der Universität. Die Eifersucht der einzelnen Kantone
aber verhinderte die Ausführung des Planes, der 1763 durch die Gründung der Rechts-
schule, die als juristische Fakultät in der neu gegründeten Universität aufgegangen ist,
wenigstens zu einer partiellen Ausführung gelangte. —
Während Klewitz und Ebel^**^) ihre Ausgabe der Giessener Matrikel
von 1685 — 1701 (leider auch diesmal ohne jegliche Erläuterung) weiterführen, giebt
Falckenheiner^'^^) Nachrichten über eine Hochschule, deren Existenz wohl nur
wenigen bekannt sein dürfte, nämlich über die durch den Landgrafen Wilhelm V.
M. 6,00. — 94) Z. 150j. Jnbil. d. Univ. Erlangen: AZg». N. 174. - 95) Z. Vorgesch. d. Univ. Erlangen: StrassbPost. N. 208.
— 96) X A. Fort seh, Erlangen: BnrschenscliBll. 7, S. 261/3, 289-91. (S. o. I 4:80.) — 97) X J- S[chneiaerJ, D. alte
Univ. Frankfurt a. 0.: ib. S. 38,9, 67-70, 91/5, 122,6, 147-50. (Mit 6 Bildern.) — 98) O M. Pohlandt, Z. Verlegung d.
Univ. in Frankfurt a. 0. : Bär 19, S. 550/1. — 99) Jos. König, Beitrr. z. Gesch. d. Univ. Freiburg. Rektorat u. Prorektorat:
FreibnrgerDiöcesA. 23, S. 61-120. — 100) id.. Beitrr. z. Gesch. d. Albertinischen hohen Schule: ib. S. 349-54. — 101) Herrn.
Mayer, D. Univ. zu Freiburg i. Br. in d. J. 1818-52. 1. Hauptteil. D. Regierg. d. Grossherz. Ludwig 1818-30. I. Patronats-
rechte u. auswärt. Besitzungen. II. Veränderungen in d. Organisation. III. AUg. Finanzlage. IV. Lehrangelegenheiten. V. Das
Lehrerkollegium: Alemannia 21, S. 17-70. — 102) id., D. Univ. zu Freiburg i. Br. in d. J. 1818-52. 1. Huuptt. D. Regierung
d. Grossherz. Ludwig 1818-30. Schlnss. VI. Institute. VII. D. Studenten u. ihre Vereinigungen. VIII. Festlichkeiten: ib.
S. 148-85. — 103) id., D. Univ. zu Freiburg i. Br. in d. J. 1818-52. 2. Hauptt. D. Regierung d. Grossherz. Leopold 1830-52.
I. Auswärt. Einkünfte u. Finanzen im allg. II. Zeitweilige Schliessung u. Reorganisation d. Univ. III. Weitere Veränderungen
in d. inneren Einrichtung. IV. Lehrangelegenheiten. V. Abermalige Gefährdung d. Bestandes d. Univ.: ib. S. 209-76. — 104)
D. kath. Univ. Freiburg in d. Schweiz: HPBll. 111, S. 569-88. — 105) E. Klewitz n. K. Ebel, D. Giessener Matrikel (Forts.):
MOberhessGV. 4, S. 1-48. (VgL JBL. 1890 I 6:60.) — 106) W. Falckenheiner, D. Ann. u. d. Matrikel d. Univ. Kassel:
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 16: 107-117
1633 g-egründete ehemalig-e Universität Kassel, die freilich nur bis zum J. 1652
bestanden hat, als Pflanzstätte der reformierten Kirche und als Bollwerk gegen die
frühere Landesuniversität Marburg, die, nachdem sie in den Besitz Ludwigs V.
von Darmstadt übergegangen, der Sitz strengsten Luthertums geworden war. Die
Matrikel ist noch vollständig vorhanden und freilich ohne Erläuterungen, „um zu-
nächst das Quellenmaterial der Forschung allgemein'zugänglich zu machen", zusammen
mit den Annalen, die leider nur über die Gründung und die Ereignisse der ersten
Jahre unterrichten, von F. abgedruckt, indem er dem Ganzen eine historische Ein-
leitung vorausschickt. — Hier sei auch sogleich Haupts^"') Arbeit über das Mar-
burg-Giessener Stipendienwesen erwähnt. Bereits in der Homberger Kirchenordnung
von 1526 hatte Philipp der Grossmütige vor der definitiven Gründung der Marburger
Universität für die Unterstützung dürftiger Studenten der zukünftigen Hochschule
die Gründung einer Institution in Aussicht gestellt. Dieser Plan wurde auch durch
den Freiheitsbrief vom 31. Aug. 1529 verwirklicht und zwar dadurch, dass die kirch-
lichen Stiftungen aller Art in den Ortschaften der LandgTafschaft dazu herangezogen
werden sollten. Im J. 1533 wurden im Minoritenkloster zu Marburg fünf Stuben für
die Stipendiaten, die nach einer Verordnung vom J. 1537 nur Theologen sein durften,
eingerichtet. 1539 war die Zahl der letzteren bereits auf 137 gestiegen, eine Zahl,
die nicht überschritten werden sollte. Da aber die Ortschaften die festgesetzten Bei-
träge teils unregelmässig, teils gar nicht einlieferten, so nahm die Institution nicht
die Entwicklung, die dem Landgrafen vorgeschwebt haben mag. An der im J. 1546
herausgegebenen Studienordnung für die Stipendiaten hat Melanchthon mitgearbeitet
H. teilt im Anhange eine Anzahl von älteren Urkunden, die sich auf das Stipendienwesen
beziehen und im Besitze der Universität Giessen sind, in Regestenform mit. In einem
Nachtrage (S. 156) erwähnt H, noch eine Schrift über das „Stipendienwesen in Hessen-
Darmstadt" (1875), die wertvolle Mitteilungen aus ungedruckten Quellen, darunter
auch eine allerdings ergänzungsbedürftige Liste der beitragspflichtigen Orte von 1529
und 1657 giebt. —
Verhältnisse der Universität Göttingen um 1760: Lehrbetrieb, Charakteristik
einzelner Professoren, Beziehungen der Studenten zu ihren Lehrern und Hauswirten und
unter einander, Unterhaltungskosten schildert ein von Holstein ^<^^) mit einigen ein-
leitenden Worten veröffentlichter Brief des Göttinger Professors Michaelis an den
Marseiller Advokaten Lavabre, der die Absicht hat, seinen Sohn, der noch in Paris
auf der Schule ist, zum Studium nach Göttingen zu schicken. — Ueber Freitisch-
Verhältnisse an dieser Universität orientiert ein (vgl. 14: 102) Aufsatz Knokes^^^'^^'^*). —
Veranlasst durch das 1894 stattfindende Jubiläum des 250jährigen Bestehens
der Friedrichs-Universität Halle-Wittenberg hat Schrader^'**), der Kurator dieser
Hochschule, ihre ausführliche Geschichte, die mir leider nicht zur Verfügung gestellt
wurde, geschrieben. Ihr Inhalt ist in Kürze in einigen Zeitungsartikeln i^*" 1^2^ mitge-
teilt. — Eine bedeutsame Ausbeute von Materialien zur älteren Wittenberger Universitäts-
geschichte gewährt Buchwalds^*^) Ausgabe einer Anzahl von Briefen, die an Stephan
Roth (vgl. JBL. 1891 I 6 : 65) aus seinem Wittenberger Bekanntenkreise gerichtet
worden sind. Im ganzen haben sich in der an litterarischen Schätzen besonders aus
der Reformationszeit so reichen Bibliothek der Stadt Zwickau 3018 von 571 verschiedenen
Schreibern herrührende Briefe an Roth gefunden, durch deren wenn auch fragmen-
tarische Veröffentlichung sich B., der zu einer glücklichen Lösung dieser Aufgabe sichere
Garantien bietet, ein grosses Verdienst um Reformation, Gelehrten- und Kulturge-
schichte erwerben würde. — Auch die von Petri*^*) veröffentlichten Stammbuch-
blätter haben Bezüge zur Wittenberger Universitäts- und Gelehrtengeschichte der
Reformationszeit. —
Von Toepkes^^^) vielgerühmter Ausgabe der Heidelberger Matrikel von
1386—1662 ist der Registerband erschienen. — Als Material zur Geschichte der Uni-
versität kann Holsteins 1^^) Aufsatz angesehen werden, in dem er die erste Periode
der Heidelberger Universität uns vorführt und dabei diejenigen Persönlichkeiten
hervorhebt, die an der Hochschule vorübergehend oder dauernd gewirkt haben: Peter
Luder, Matthias von Kemnat, Stephan Hoest und dessen Schüler Wimpheling, der
Vater des oberrheinischen Humanismus, ferner Pallas Spangel, bei dem Melanchthon
als Student gewohnt hat. — Dem letzteren hat Hartfe Ider^i'') eine besondere Besprechung
ZVHessG. 18, S. 190-326. |[A. Schröter: BLU. S. 582.]| — 107) H. Haupt, Ans d. Aroh. d. Univ. Giessen. I. Z. Gesch. d.
alten Marburg-Giessener Univ.-Stipendien : MOberhessGV. 4, S. 113-22. — 108) (I 4:103.) — 109) K. Knoke, Ans d. Götttinger
Freitisch- Akten : AZgB. 1892, N. 209. — 109 a) O X X (1 4 : 95.) — 110)OW. Schrader, Gesch. d. Friedrichs- Univ. zn Halle. 2 Tle.
B., Dömmler. VIII, 640 S. ; V, 583 S. M. 31,00. — 111) XW.K[awerau],Z. Gesch. d. Univ. Halle : MagdZg. N. 548. — 112) X H- L.- D.
Friedrichsnniv. zn Halle a. S.: KatZg. N. 683. — 113) G. Bnchwald, Z. Wittenberger Stadt- u. Univ.-Gesch. in d. Refor-
mationszeit. L., Wiegand. X, 192 S. M. 6,00. — 114) H. Petri, Wittenberger Stammbnchbll. aus d. 16. Jh. (= Festschrift
z. 350. Stittungsfeste d. Kgl. Landesschnle Pforta [B., Weidmann. 4». 93 S. M. 3,00.], S. 63-80.) — 115) O G. Toepke,
D. Matrikel d. Univ. Heidelberg v. 1386-1662. 3. T., Reg., 2. Hälfte. Heidelberg, Winter. XII, 545 S. M. 12,00. — 116) H. H o 1 s t e i n ,
Z. Gelehrtengesch. Heidelbergs beim Ausg. d. MA. (= Progr. d. Gymn. zu Wilhelmshaven, S. 1-26.) — 117) K. Hartfelder,
1 6:118-134 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
g-ewidmet. — Mit Rud. Agricola, der zum älteren Heidelberger Humanistenkreise ge-
hörte, beschäftigt sich Ihm^^^). —
StübePi"), der Herausgeber des Urkundenbuches der Universität Leipzig
für die J. 1409 — 1555, giebt eine ansprechende Schilderung Leipziger Universitäts-
verhältnisse. Nachdem er uns mit dem Inhalte der päpstlichen Bestätigungsbulle und
der landesherrlichen Stiftungsurkunde bekannt gemacht hat, gewährt er uns einen
Einblick in den Zustand der Universität während ihrer bedeutsamsten und inter-
essantesten Periode, der Zeit des 16. Jh. Aus dem reichen hs. Material unterrichtet
er uns über Universitätsfonds, über den Lehrkörper, Rektorwahlen, die Disciplin, über
allerlei Konflikte des Lehrkörpers, der Studierenden und der Bürger (vg-l. I 4 : 98).
— Nach dem Werke von Heinr. Gottl. Kraus (Beschreibung der Feierlichkeit usw. 1810)
wird ^20) eine Schilderung- der in Leipzig 1809 zur Feier des 400jährigen Bestehens
der Universität stattgehabten Festlichkeiten gegeben, ^^i) —
Ein Verzeichnis der Rektoren der Wiener Universität von 1365 — 1898 hat
Schrauf^22) j^j^ vieler Mühe zusammengestellt, zunächst für die im neuen Wiener
Universitätsgebäude angebrachten und im Mai 1893 bei Gelegenheit der Philologen-
Versammlung enthüllten Gedächtnistafeln der Wiener Universitätsrektoren. (Vgl. noch
I 4 : 96/7, 99.) —
Studententum. Einige allgemeine Nachrichten über das Studentenleben
zur Zeit der Reformation veröffentlicht Katt^^s^ — Speciell dem Rostocker Studenten-
leben dieses Zeitraumes gilt ein Vortrag von Hoffmeister i24). -_ Anzuschliessen sind
hier die Arbeiten von Heraeus^^^) über Hamburger Studenten auf deutschen und
ausländischen Hochschulen und von Josenhans ^-^) über Tübinger Studenten. — Ein
Anonymus ^^J) giebt aus dem im J. 1737 von dem Hallenser Professor Martin Schmeigel
veröffentlichten Ratgeber für Studenten: „Eines rechtschaffenen Studenten Klugheit
zu leben und zu Conversieren, zu Hause, auf Universitäten, auf Reisen usw." einen
Auszug-. — Der vollständige Text eines anderen derartigen Anstandsbuches für
Studenten ist als Festschrift zur Erlanger Jubelfeier abgedruckt worden i28)_ —
Besonders reichhaltig sind die Mitteilungen über die Geschichte der deutschen
Burschenschaft (vgl. I 4 : 78, 132). Angeregt von Schneider, dem- Herausgeber der
Burschenschaftlichen Blätter, hat sich innerhalb der Burschenschaft eine „Vereinigung-
für Geschichtsschreibung" gebildet. Ueber das Leben in der alten Jenaischen Burschen-
schaft werden wir unterrichtet durch die jetzt veröffentlichten Aufzeichnungen von
Mitgliedern aus der ersten Zeit ihres Bestehens durch Lippold^^^) und durch einen
ungenannten 130^ Jenaischen Burschen. Durch letzteren erfahren wir, dass die Burschen-
schaft nicht aus Sorge um das Einschreiten der Behörden sich freiwillig aufgelöst
hat, sondern dass durch Anschlag am schwarzen Brett die Auflösung angeordnet
worden war; und man erfährt auch, dass wegen dieser Auflösungsverordnung-, was
bisher ebenfalls unbekannt war, die Burschenschaft sich beschwerend an den Gross-
herzog von Weimar wandte. — Diese Aufzeichnungen werden ergänzt durch einen
Hinweis auf eine unter dem Titel „Teutsche Jugend in weiland Burschenschaften und
Turngemeinden" (1828) anonym erschienene Schrift^^i-) j^j. vf. war der Burschen-
schafter Rob. Wesselhöft, der mit Massmann auf dem W^artburgfest 1817 die Ver-
brennungsscene eingeleitet hatte. Die Schrift, in der Friedr. Ludw. Jahns Einwirkung
auf die burschenschaftliche Strömung hervorgehoben wird, war eine Verteidigung der
Burschenschaft gegen Verleumder, besonders gegen den abtrünnigen Joh. Wit, den
früheren Freund des burschenschaftlichen Liederdichters H. Folien. — Ist hier bereits
Jahns Anteil hervorgehoben, so geschieht das noch mehr in einem anderen anonym^^s-j
erschienenen, wahrscheinlich von Schneider herrührenden Aufsatze, dessen intellek-
tueller Urheber Jahns Biograph K. Euler ist, der 1892 in einem Aufsatze der VossZg.
sich beschwerte, dass Jahns Anteil an der Begründung der Burschenschaft bisher
zu wenig beachtet worden sei. — Als noch frühere Vorläufer der Burschenschaft
haben vielfach die „Chokoladisten" in Jena, die alle Streitig-keiten bei einer Tasse
Chokolade schlichten wollten und gerade wie die alten Burschenschaften das
Studentenduell verwarfen, gegolten. Westerfeld^^a) macht hierüber einige Mit-
Pallas Spangel: ADB. 35, S. 32/3. — 118) O G. Ihm, D. Humanist R. Agricola, sein Leben u. seine Schriften. {= Samml. d.
bedeutendsten päd. Schriften her. v. J. Gänsen, A. Keller u. Beruh. Schulz. N. 78/9.) Paderborn, Schöningh. VII,
88 S. M. 0,80. — 119) B. Stübel , Ans d. Vergangenheit d. Univ. Leipzig: NASächsG. 14, S. 1-20. — 120) D. 400 j. Jnbil. d.
Univ. Leipzig am 4. Dec. 1809: BurschenschBU. 7, S. 3245. (Mit 2 Bildern.) — 121) O (I 4:100.) - 122) K. Schrauf, D.
Gedächtnistafeln d. Wiener Univ.-Eelitoren 1365-1893. Wien, Selbstverl. d. K. K. Univ. 35 S. — 123) F. Katt, Studenten-
leben bei Beginn d. Reformation: BurschenschBU. 7, S. 30/4. — 124) O A. Hoffmeister, Rostocker Studentenleben im
16. Jh. Vortr.: AZgi*. 45. — 125) O M. Heraeus, Hamburger Studenten auf dtsch. u. ausländ. Hochschulen v. 1290-1650:
ZVHambG. 9, S. 557-032. - 126) OJ-Josenhans, Tübinger Studenten a. d. Steinlach vor d. Reformation : GBUKeutlingen. 4, S. 94 7.
— 127) Studentenleben vor 150 J.: BurschenschBU. 7, S. 14/5. — 128) Severo-Jocosum. Z. löOj. Jubil. d. Univ. Erlangen. D. Wahre
Klugheit derer Herren Studenten bey angestellter Conversation auf Universitäten ihren Lebenswandel honett und richtig zu fahren.
Unveränd. Abdr. 1755 in Leipzig erschien. Orig. Erlangen, Th. Blaesing. 8 S. M. 0,50. — 129) F. Lip pol d, Aufzeichnungen d. fKonsi-
Btorialrats — : BurschenschBU. 7, S. 113/6, 141/4. - 130) Tagebuch e. Jenaischen Burschen 1819-20: ib. S. 281,3. — 131) L. A., Teutsche
Jugend in weil. Burschensch. u. Turngemeinden: ib. S. 49-54. — 132) D. Vorläufer d. alten Burschensch.: ib. S. 145 9, 169-74, 198 8. —
J33) F. Westerfeld, D. Antidnellbewegung d. „Chokoladisten« in Jena 1791-92: ib. S. 253 8. — 134) G. Gerlach, D.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens. I 6 -.135-151
teilung-en, in denen er nachweist, dass sie als Vorläufer der Burschenschaft nicht an-
g-esehen werden können. Wenn er aber giaubt, nachweisen zu können, dass sie als
Vorläufer der späteren Reformverbindung-en g-elten dürfen, so ist er im IiTtum. Die
Reformverbindung"en entstanden unmittelbar nach dem Krieg-e von 1870 — 71 aus ähnlichen
Ursachen wie die g-rosse Burschenschaft nach den Befreiung-skriegen. — Die Vorgäng-e bei
der Trennung- der alten Jenaischen Burschenschaft in Arminen und Germanen (1830— 32)
schildert G er lach ^3^). Er charakterisiert dabei auch den Germanen Fritz Reuter, der
1832 in Jena war: „Grosser Trinker, Hebens würdig-er Mensch, ausg-ezeichneter Gesell-
schafter, ohne Lust zu seinem Beruf." — Der schon mehrfach erhobene Streit, ob die
Jenaer Arminia allein sich als Fortsetzung- der alten Burschenschaft, oder ob auch die
Germania ihre Entstehung- auf den 12. Juni 1815zurückführen könne, wirdvonPfitzer^^s^
zu Gunsten der Arminia entschieden. — Dag-eg-en weist Henning- 1-^^) nach, dass die
alte Burschenschaft in den Teilen fortbesteht, und dass Arminen und Germanen mit
g-leichem Rechte ihre Enstehung- auf das J. 1815 zurückführen könnten. — Schneider i^^)
giebt den Wortlaut der Verfassung-surkunde des Fürstenkellers (Germania), die
nach der Trennung- aufg-esetzt worden war. ^38-142-) _ Zur Charakteristik des ung-lück-
lichen Karl Sand trag-en einig-e von Sand herrührende, bisher noch unbekannte Schrift-
stücke bei^^^). — Auf einen anderen alten Burschenschafter, den Kirchenhistoriker Karl
von Hase, der auf dem Hohenasperg-, wenn auch in milder Form — wie es in Süd-
deutschland meist der Fall war — für seine bursohenschaftlichen Ideale büsste, weist
Haupt 14*) in der Empfehlung- der 1820—22 von Hase in der Burschenschaft g-ehaltenen,
jetzt veröffentlichten Reden hin. Einem Burschenschafter späterer Zeit, dem bekannten
Parlamentarier und Oberbürg-ermeister von Köln, Becker, bekannt unter dem Namen
„der rote Becker," sind von John^*^) einig-e Seiten g-ewidmet. — Wie roh einzelne
Behörden, nur allzu g-efällige Werkzeug-e Metternichs, g-eg-en Ang-ehörig-e der deutschen
Burschenschaft, die eine Stärkung- des nationalen Gefühls, eine sittliche Hebung- des
Studententums erstrebte (nicht nur in Preussen, das hierin Ung-laubliches g-eleistet hat),
vorg-ing-en, beweist der Aufsatz eines Anonymus ^^e j. Ein Gymnasiallehrer, Dr. Eduard
H. in D(essau?) wurde am 22. April 1835 auf Anordnung- der herzog-lichen (An-
haltischen?) Reg-ierung- plötzlich verhaftet, nach dem Schlosse in Z(erbst?) g:eschleppt,
ohne Abschied von Vater, Gattin und Kindern nehmen zu dürfen, und das alles,
weil er iii Halle der Burschenschaft ang-ehört hatte. Achtzehn Monate dauerte
die auf Grund eines Briefes über ihn verhäng-te Haft, weil die Frag-en zum Verhör
von der Bundeskommission in Frankfurt a. M. g-estellt, und die Antworten eben dahin
berichtet werden mussten. Im Gefängnis erkrankt, darf H. nicht einmal die Seinig-en
sprechen und stirbt im Okt. 1836. Warum in dieser Mitteilung die Namen nicht ge-
nannt sind, ist unerfindlich. Hatte der Vf. nicht den Mut dazu, so wäre es besser
gewesen, die ganze Mitteilung zu unterlassen. — Nicht übergangen sei hier auch ein
Verbot 14'') gegen das Tragen der burschenschaftlichen Tracht, die Kaiser Franz I.
eine „heroische" nannte, die auf das Theater gehöre, in seinem Lande aber von nie-
mand getragen werden dürfe. Friedrich Wilhelm III. von Preussen verbot die Tracht
in einer an den Staatskanzler Fürsten Hardenberg gerichteten Kabinetsordre, als wenn
es sich um eine Haupt- und Staats- Aktion handelte. — In den Konflikten zwischen
akademischen Behörden und Studenten war oft die ultima ratio der Letzteren der
Auszug aus der Universitätsstadt. Diese Auszüge führten gewöhnlich zu einer Ver-
söhnung zu Gunsten der Studenten, die nicht nur gebeten wurden zurückzukehren,
sondern oft noch feierlich eingeholt wurden. So verlief ein Auszug, den Erlanger
Studenten nachAltdorf unternahmen 1*^). — Dass dieSache aber auch eine andere Wendung
nehmen konnte, beweist der von Schneider '^S) nach den Akten des geh. Staats-
archivs beschriebene Auszug der Studenten aus Halle im Febr. 1822. Die Behörde
gestattete in diesem Falle nicht einmal eine gemeinsame Rückkehr. — Wiederkehrende
Züge in der Geschichte des deutschen Studententums sind die Solidarität der Interessen,
sobald es sich um Beleidigungen eines Gliedes des corpus academicum handelt, und
die Selbsthilfe, die in solchen Fällen angewendet wurde. Ein Beispiel hiefür bietet
Gerlachs 1^'') Mitteilung: Zwei Jenaer Corpsburschen sind in dem Weimarischen
Trennung d. alten Jenaischen Burschenschaft in Arminen u. Germanen: ib. S. 116. — 135) O H. v. Pfitzer, D. älteste dtsch.
Burschenschaft: ib. S. 197-204. — 136) Carl Henning, Z. d. Aufsatz: D. älteste dtsch. Burschensch. : ib. S. 226. — 137) G.
H. Schneider, D. VerfassungsurVunde d. Fürstenkellers: ib. S. 309-11. — 138) X A. P., Z. Gesch. d. alten Bonner
Burschensch.: ib. S. 29-30. — 139) X W. Kalb, D. alte Burschensch. u. ihre Entwicklung in Erlangen mit bes. Beräcksichtig.
d. alten Germania. Erlangen, M. Mencke. VI, 160 S. Mit Abbild. M. 3,90. — 140) X E. Dietz, Z. Gesch. d. Preiburger
Burschensch. v. 1818 bis z. Frankfurter Attentat: Burschensch. Bll. 7, S. 25-30. — 141) X ^^- Meinecke, Z. Gründungsgesch.
d. Giessener Burschensch. Briefe E. Welckers an seinen Bruder Karl Theod.: ib. S. 57-62. — 142) X ^- Dute, D. alte Mar-
burger Alemannia u. Ed. Schönfeld: ib. S. 217/8. (Ed. Seh ist e. ihrer Gründer.) — 143) E. Brief u. Albumblatt v. K. Sand:
ib. S. 149-50. (E. Portr. y. S. befindet sich S. 147.) — 144) H. Haupt, E. Ehrenbuch d. alten Burschenschafters K. v. Hase:
ib. S. 265,6. - 145) W. John, D. rote Becker: ib. S. 85/7. (Mit zwei Portrr. v. Becker S. 74/5.) — 146) H., Leiden e. alt.
Burschenschafters: ib. S. 2412. — 147) G. H. S[chneider], Verbote gegen d. burschenschaftl. altdtsch. Tracht: ib. S. 856. —
148) D. Auszug nach Altdorf: ib. S. 63. (2 Bilder dazu auf S. 56/7.) — 149) G. H. S[chneider], Hallisohe Unruhen vor
72 J.: ib. S. 73;5. - 150) E. Gerlach, D. Blankenhainer Rachezug: ib. S. 1/3. — 151) G. Wen dt, Gesch. d. Kgl. Bitten-
I 6 : 152-158 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
Städtchen Blankenhain von einem Bürg-er thätlich beleidigt worden, ohne vom Bürger-
meister die erbetene Genugthuung zu erhalten. Sofort zieht die gesamte Jenenser
Studentenschaft, aller Parteistreitigkeiten vergessend, nach Blankenhain und zwingt
sowohl den Bürger als das Stadtoberhaupt, auf öffentlichem Markte Abbitte zu leisten. —
Akademien und akademische Gymnasien. Mit seiner Geschichte der
Ritterakademie in Liegnitz hat sich Wendt^^') das Verdienst erworben, wieder
einmal nachdrücklich darauf hingewiesen zu haben, das der schlesische Adel, dem
die Anstalt zuerst zu gute kommt, keineswegs, wie das so oft hervorgehoben wird,
der Begründer dieser Akademie ist. Vielmehr ist die Gründung auf einen früheren
Landesherrn, einen der gebildetsten der Plasten, den Herzog Georg Rudolf, zurück-
zuführen, der im J. 1646 das Johannesstift, eine mit der evangelischen Hofkirche
verbundene höhere Schule, errichtete, „die zur Universität sich entwickeln könne". An
eine Stiftung für den Adel war dabei nicht gedacht. Die Anstalt sollte für arm und
reich ohne Schulgeld geöffnet sein. Nachdem Leopold von Oesterreich sich des Fürsten-
tums Liegnitz bemächtigt hatte, wurden die Fonds eingezogen und die Johanniskirche
später den Jesuiten zugewiesen, die dann 1708 zur Errichtung- einer paritätischen
Ritterakademie schritten. Obwohl sie den Zuschnitt einer Universität hatte, hat sie
so lange sie diesen Charakter trug, wissenschaftlich wenig geleistet. Körperliche und
gesellige Bildung stand im Vordergrunde, äusserer Prunk und innere Hohlheit waren
die hervorragendsten Merkmale dieser Pseudouniversität, besonders während der
österreichischen Zeit. Reformatorisch griff erst der Minister Zedlitz ein, der zum Er-
staunen der Professoren und zum Entsetzen der Schüler und Eltern Censuren, Klassen-
bücher, ja sogar öffentliche Prüfungen — so etwas habe noch niemand von dem Adel
verlangt, riefen die Professoren — einführte und bestrebt war, das Institut zu einer
Vorbildungsanstalt für das Universitätsstudium umzugestalten. Wenn auch unter dem
Minister Wöllner diese Reformen ins Stocken gerieten, so wurden sie doch später
unter W. von Humboldt, nachdem die Anstalt nach der Katastrophe von Jena bis auf
sieben Zöglinge, denen 1 1 Lehrer, ein Stiftsschreiber und 15 tJnterbediente gegen-
überstanden, zurückgegangen war, wieder aufgenommen, der Plan von Zedlitz später
auch verwirklicht und die Ritterakademie zu einem Gymnasium umgebildet. Die bei-
gegebene Matrikel, die bis zum J. 1810 reicht, dürfte der Familiengeschichte des
Adels, besonders des schlesischen, manche Nachforschung erleichtern. Eine kurze
Geschichte der Entwicklung der von Maria Theresia gegründeten, von dem Jesuiten-
orden eingerichteten und zunächst geleiteten Theresianischen . Akademie in Wien
(vgl. JBL. 1892 I 10 : 47) hat Rak ^^2) dargeboten. Der erste Lehrplan der Grammatikal-,
Humanitäts- und Philosophie-Klasse entsprach genau der ratio et institutio studiorum
Aquavivas, nur dass die deutsche Sprache und ausserdem Geschichte und Arithmetik
etwas mehr gepflegt werden mussten. R.s Darstellung lässt den Wunsch übrig,
dass doch bald einmal eine eingehende Geschichte des Theresianums verfasst
werden möchte. — Vom 16. Jh. bis zum 18. Jh. hatten sich an verschiedenen Orten
höhere Unterrichtsanstalten gebildet, die als eine Zwischenstufe zwischen Universität
und Lateinschule betrachtet werden müssen. Unter ihnen sei zuerst genannt das
Pädagogium zu Stettin, zu dessen Geschichte Wehrmann i53 -i57) auch in
diesem Jahre (vgl. JBL. 1891 I 6 : 171/2) mehrere Beiträge geliefert (vg-1. I 4 : 105/6).
Aus dem ältesten Visitationsbericht von 1562, der bisher noch nicht bekannt war,
auch von Hasselbach in seiner Geschichte des Pädagogiums nicht verwendet
worden ist, macht er einige Mitteilungen. Aus dem Staatsarchive in Stettin ver-
öffentlicht er das Gesuch eines Flandrischen Musikus um Anstellung als Musiklehrer
am Pädagogium, aus dem J. 1547. Merkwürdig ist, dass dieses Gesuch eines Nieder-
länders an einen pommerschen Herzog in oberdeutscher Sprache abgefasst ist. Die
Bestallung des Matthaeus Wolff aus Stargard aus dem J. 1557 unterrichtet über die
Verpflichtungen und die Besoldung eines Rektors am Stettiner Pädagogium; es
folgen interessante Mitteilungen über die Feierlichkeiten bei der Einführung des
Rektors Leuschner 1623. — Die Mitteilungen Wehrmanns werden ergänzt durch
Lemckesissj Nachrichten über die Stettiner Ratsschule, die in den J. 1805—69 mit
dem ehemaligen Pädagogium als „Königliches und städtisches Gymnasium" verbunden
gewesen ist. Die mitgeteilten Dokumente, Verträge, Bullen, Schulordnung-en, Lektions-
pläne, erstrecken sich auf den Zeitraum von 1277—1650. Einen ähnlichen Charakter
wie das Pädagogium in Stettin trug das gymnasium illustre in Gera, das, acht-
klassig-, ausser acht Lehrern und zwei Baccalaureen Professoren der Theologie, der
Akad. zu Liegnitz. 1. T.: 1708-1840. Progr. Liegnitz (Ose. Heinze). 4". SOS. — 152) H. Rak, Grnndzüge d. Organisation d.
k. k. Tlieresianisclien Akad. Progr. Wien. 61 S. — 153) M. Wehr mann, Z. Gesch. d. Pädagog. in Stettin: MBllGPommG. 7,
8. 22/4. — 154) id., Bitte e. Musikus aus Flandern, am Stettiner Pädagog. Musik leliren zu dürfen (1547): ib. S. 75 7.
— 155) id., Bestallung d. Mattliaeus Wolff z. Rektor d. Pädagog. in Stettin 1557: ib. S. 1014. — 156) id., Einführung e.
neuen Rektors am Pädagog. in Stettin: MGESchG. 3, S. 62/4. — 157) X id., Mecklenburger auf d. Pädagog. in Stettin:
JbbVMeckIG. 58, S. 59-72. — 158) H. Lemoke, Beitrr. z. Gesch. d. Stettiner Ratssch. in 5 Jhh. 1. T.: Urkunden. 1. Abt.
K. Kehrbach, Geschichte des rinternchts- und Erziehungswesens. I 6:i59-i65
Jurisprudenz und Medizin aufwies. Die bisher noch unbekannten, von Auerbach ^^9)
jetzt veröffentlichten leo-es novae scholae etc. füllen nicht nur eine Lücke in Grummes
Veröffentlichungen (Die ältesten Schulg-esetze usw. Progr. Gera, 1886) aus, sondern
liefern auch schätzbares Material zu einer noch ausstehenden Geschichte des g-ymnasium
academicum. — Auch das von Georg von Schönaich gegTÜndete Gymnasium zu
Beuthen a. 0. gehört hierher. Die von Kolbe^^*^) edierte Stiftungsurkunde aus dem
J. 1616 — ein Schriftstück von hoher Bedeutung für die Geschichte der Pädagogik,
einzelner Fachwissenschaften und für die Gelehrtengeschichte — giebt dafür den deut-
lichen Beleg. Die auf den Besuch dieser Anstalt vorbereitende Schule wird übrigens in
Beuthen „Pädagogium" genannt. — Hier reiht sich passend Längs i^^) Arbeit über
dasCollegium humanitatis in Schaff hausen an. 1648 (nicht 1685, wie bisher angenommen
wurde) gegründet, hat es sich in den ersten Jahren rasch gehoben, dank der Thätig-
keit der Rektoren Hofer und Hurter, Die grössten Verdienste aber um die Anstalt,
bei der ziemlich plötzlich Niedergang und Aufschwung wechselten, haben sich Glieder
der Familie Peyer erworben. Im Text und im Anhange sind urkundliche Materialien
abgedruckt, die über Fonds, Lektionen, Prüfungen, gehaltene Reden usw. handeln. Beim
Schluss der versprochenen Fortsetzung möge der Vf. nicht unterlassen, ein Inhalts-
verzeichnis und womöglich ein ausführliches Namen- und Sachregister beizugeben. —
Gymnasial- und Realanstalten. Bei der von Rethwischi^^) jni Auf-
trage des preussischen Unterrichtsministeriums für die Ausstellung in Chicago ver-
fassten allgemeinen Schrift über Deutschlands höheres Schulwesen im 19. Jh. liegt
der Schwerpunkt in den Darstellungen des Lehrverfahrens in den einzelnen Fächern
und in den amtlichen statistischen Nachweisen. Was den übrigen historischen Teil
anbelangt, so überragen die auf die geschichtliche Entwicklung des höheren Schul-
wesens in Preussen bezüglichen Partien die anderen Teile des Werkes. Nicht recht
gelungen ist — wahrscheinlich wegen der Kürze der für die Ausarbeitung des Buches
zur Verfügung gestellten Zeit — R, der erste Teil: „Das Erbe der Vergangenheit".
Hier fehlt die rechte Oekonomie, und es wären auch im einzelnen mancherlei Aus-
stellungen zu machen. So hat man unter Pädagogium keineswegs nur das verstanden,
was A. H. Francke mit seinem Pädagogium beabsichtigte (s. o. N. 160). Auch für die
Behauptung, dass die Gymnasien zu Weimar und Schulpforta auf den weiteren Ent-
wicklungsgang der deutschen Gymnasien im 19. Jh. einen bestimmenden Einfluss
ausgeübt haben, dürfte R. nach meiner Meinung schwerlich genügende Belege herbei-
bringen können. —
Die Beilage des diesjährigen Programms eines badischen Gymnasiums, der
altberühmten Schule zu Heidelberg, bringt ausser zwei Schulreden (von denen die B r a n d t s
[S. 13/6] zur Erinnerung an seinen Freund, den verstorbenen K. Hartfelder, das
grössere Interesse beanspruchen darf) ein von P f a f f '^^j hergestelltes Verzeichnis
der Abiturienten des Heidelberger Gymnasiums aus den letzten fünfzig Jahren. —
Ein Beitrag zur Geschichte des reichsstädtischen Schulwesens wird durch
die Veröffentlichung ^6^) eines Ratsprotokolls der ehemaligen Reichsstadt Kempten in
Bayern aus dem J. 1637, das Vorschriften für die Praeceptores und den Organisten
enthält, dargeboten. Unter den Unterrichtsfächern überwiegt, wie das so vielfach da-
mals der Fall war, der Gesangsunterricht. Eigentümlich ist die Vorschrift, dass der
Organist im Choralgesange während des Gottesdienstes mit der Orgel nur dann ein-
greifen soll, wenn er eine Dissonanz merkt, die Psalmen aber „soll er fein deutlich,
verständlich, ohne Fugen und Coloraturen, so allein bei conviviis und collationibus
und nicht in der Kirche erlaubt und gebräuchlich sind, schlagen". Zugleich hat der
Organist übrigens die Verpflichtung, die Schüler im Deutsch-Schreiben und in „Rech-
nungen" fleissig zu unterrichten, ein Beleg dafür, dass städtische Schreib- und Rechen-
meister damals in Kempten nicht waren. — Keiper^^^) liefert den zweiten Teil seiner
Beiträge zur Geschichte des gelehrten Schulwesens im Herzogtum Zweibrücken, indem
er den Schluss der von Johannes Marbach und Genossen im Auftrage des Pfalzgrafen
Wolfgang 1558 verfassten „Bedenken von den Schulen usw.". (vgl. JBL. 1892110:268)
mit erläuternden Anmerkungen abdruckt. —
Eine befriedigende Geschichte des deutschen Realschulwesens existiert noch
nicht; sie kann auch nicht existieren, weil Charakteristiken und Darstellungen der Ent-
wicklung der verschiedenartigen Typen jener Anstalten, die unter dem Namen Real-
bis z. J. 1650. Progr. Stettin (Herrcke & Lebelinsr). 4». 24 S. — 159) A. Auerbach, Schulgesetze Tom J. 1619 für d.
Gymn. in Gera-Renss: MGESchG. 3, S. 44-54 — 160) K. Kolbe, Stiftnngsurk. d. Schule u. d. Gyran. zu Beuthen a. 0. aus d.
J. 1616: ib. S. 209-68. — 161) Kob. Lang, D. Collegium humanitatis in Schaffhausen. E. Beitr. z. Schulgesch. 1. T.:
1648-1727. Progr. Schaffhausen (H. MeierK XVIII, 78 S. — 162) C. ßethwisch, Deutschlands höheres Schulwesen im
19. Jh. Gesch. Ueberbliclc im Auftr. d. Kgl. Preuss Ministeriums d. geistl., Unterr- n. Medizinal-Angelegenheiten. Mit amtl.
Nachweisungen über d. Besuch d. höh. Lehranst. d. dtsch. Reiches. B., R. Gaertner. VIII, 206, 53 S. M. 4,00. |fCl. Nohl:
BPhWS. 13, S. 1553; LCBl. S. 1621; JBHSW 13, S..376.1| - 163) K. Pf äff. Zur Gesch. des Heidelberger Gymn. Verzeichnis
d. Abiturienten ans den J. 1844-93 mit biogr. u. bibliogr. Bemerkungen. Progr. Heidelberg (Emmerling & Sohn). 4». 42 8.
— 164) A. Hr., Reichsstädtisches Schulwesen: AllgäuerGFr. 6, S. 119-20 — 165) Ph. Keiper, Neue urknndl. Beitrr. i. Gesch.
Jahreaberichte für neuere deutsche Litteratargesohiohte. IV. 13
I 6 : 166-170 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
schulen bestanden haben, noch nicht in hinreichender Zahl vorhanden sind. Es sind-
daher Beiträg-e, die, wie einzelne der folo-enden, diese Lücke ausfüllen können, er-
wünscht. Simons'^^) Arbeit, die uns nach der Mark Brandenburg- führt,
giebt mehr als sie nach dem Titel vermuten lässt. Neben dem Verzeichnis
der Schüler, die in der Zeit von 1814—92 das Berechtigung-szeugnis zum Ein-
jährig-Freiwilligen-Dienst erhalten haben, giebt sie Nachrichten über die ge-
schichtliche Entwicklung der Königlichen Realschule in Berlin nach dem J. 1814.
Dieses Jahr bedeutet in der Geschichte der Anstalt einen wichtigen Abschnitt; denn
in dem neuen Lehrplan, der in der Geschichte des Unterrichts als erster an-
gesehen werden muss, worin das Gesamtziel einer höheren Bürgerschule festgestellt
wird, wurde durch genaue Vorschriften die Verwirrung und Planlosigkeit der vor-
hergehenden Jahre beseitigt. In der deutschen Sprache und Litteratur wird von den
Schülern die Lektüre und Erklärung des Kinderfreundes von Wilmsen, der „Deutschen
prosaischen Musterschriften" (Berlin 1810) und des „Bardenhains" von Heinsius ver-
langt. Schriftliche Ausarbeitungen, besonders Briefe, sowie grammatische Unter-
weisungen nach Hartungs deutscher Sprachlehre gehen nebenher. — Als ein Beitrag zur
Geschichte des Berliner Gymnasial wesens kann Geigers ^^'^) kleiner Aufsatz auf-
gefasst werden. Das kurmärkische Oberkonsistorium hatte sich bei Friedrich Wilhelm IIL
über mangelhafte Pflege der Religiosität in den Berliner Gymnasien beschwert. Die
infolgedessen von dem Minister von Massow erlassene Verfügung-, die die Klage des
Konsistoriums als zu recht bestehend annimmt vmd den Gymnasien allerlei Vorschriften
macht, und die in sehr würdevollem Tone wahrscheinlich von Spalding verfasste Ant-
wort des Lehrerkollegiums vom grauen Kloster wird wörtlich abgedruckt. — Tschirch'*^)
liefert weitere Beiträge zur Geschichte des Saldernschen Lyceums, jetzigen Real-
gymnasiums zu Brandenburg a. H. Er ediert, leider wegen Platzmangels ohne An-
merkungen, das Eröffnungsprogramm und die Schulgesetze von 1591, sodann die
deutsche Schulordnung von 1594, die leges scholasticae und leges praeceptorum von
1706. — Durch S ch w ar t z*^") werden uns Verhältnisse ganz eigenartigen Charakters
im Schulleben von Königsberg i. N. vorgeführt. Erwähnt wird die Schule zuerst
133.3. Bis zur Reformation hin sind aber, wie bei vielen anderen Schulen, die Nach-
richten ganz dürftige. Unter den Rektoren hebt Seh. besonders Eisner hervor, der,
1696 auf Befehl des Kvirfürsten cremen den "Willen des Rates eingesetzt, in immer-
währendem Streite mit diesem und seinen Kollegen lag und nur mit seinen Schülern
auf gutem Fusse stand. Ganz im Gegensatz zu seinen zeitgenössischen Kollegen, die
in tiefster Demut vor ihren „grossgünstigen Patronen, den Ratsherren, erstarren", er-
klärte Eisner dem Rate von Königsberg, dass sie „in einem irrigen Wahne ersoffen
wären, wenn siemeineten, sie wären domini und nicht bloss administratores", und er
stimmte, wie man sieht, hierin ganz mit den Tendenzen der preussischen Krone über-
ein. Die Verwirrung war schliesslich so gross, dass sich alles verklagte, „der Rat
den Rektor, der Rektor den Rat, die Lehrer den Rektor, der Rektor die Lehrer, die
Lehrer die Schüler, die Schüler den Rat". Gegenüber den Uebergriffen, die sich der Rat
zu Schulden kommen Hess, war eine Persönlichkeit wie die Eisners ganz am Platze.
Was den Unterricht anbelangt, so tiitt nach Sch.s Darstellung das Deutsche erst in
den 70er Jahren des vorigen Jh. unter Bertuchs Rektorate auf, mit wöchentlich
IV2 Stunden für den deutschen Aufsatz im oberen Auditorium (Prima und Sekunda).
In dem mitgeteilten Plane von 1798 ist aber bereits eine Vermehrung eingetreten: Prima
und Sekunda (das obere Auditorium), Tertia und Quarta (das zweite Auditorium)
haben je zwei Stunden deutsch, Quinta und Sexta (das dritte Auditorium) je eine
Stunde. Welcher Art dieser Unterricht war, ist leider nicht mitgeteilt. In der grossen
Zeit der Freiheitskriege trat eine Anzahl von Schülern im Alter von 16—19 Jahren
direkt von der Schule ins Heer ein. Die Namen dieser Tapferen hat Seh. in dankens-
werter Weise aufgeführt und damit gesühnt, was nach Beendigung der Freiheitskriege
von der Bürgerschaft Königsbergs gesündigt worden war. Als nämlich der damalige
Rektor Thiel diesen Schülern eine Gedächtnistafel errichten wollte und sich deshalb
„an die dankbaren Verehrer der grossen Dinge, welche sie gesehen haben," mit der
Bitte um Beiträge wandte, wurde ihm von nur einem einzigen dankbaren Verehrer
ein Thaler übersandt — und die Errichtung der Tafel unterblieb. — Tschiersc h^"'*^),
der bereits früher einen guten Beitrag zur Geschichte des Unterrichtswesens (Geschichte
des Luckauer Schulwesens bis zum Neubau des Schulhauses 1726. Programm des
Gymn. Luckau 1880) veröffentlichte, hat, veranlasst durch das 25jährige Bestehen des
d. gelehrten Schulwesens im früheren Herzogt. Zweihrflcken, insbes. d. Zweihrücker Gymn. T. IL Progr. Zweibrücken (Ang.
Lehmann). 24 S. M. 0,40. — 166) 0. Simon, D. Kgl. Realsch. (zu Berlin) u. d. Militärzeugnisse. Progr. B. (A. W. Hayns Erben).
4». 24 S. — 167) L. Geiger, Eeligionsuntersnchungen in Berliner Schulen fl803l: VossZg«. N. 35. — 168) 0. Tschirch,
ürklt. z. alt. Gesch. d. Saldernschen Schule (Realgymn. z. Brandenburg a. H.). Progr. Brandenburg a. H. (J. Wiesike). 4*. 27 8.
— 169) Paul Schwartz, D. Schulwesen d. Stadt Königsberg i. N., v. d. ältesten Zeit bis z. Stiftung d. Gymn. 1817. Progr.
Königsberg i. N. (J. G. Striese). 48 S. — 170) 0. Tsohiersch, Z. Gesch. d. Küstriner Gymn. Progr. Küstrin (F. König).
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens. I 6 : ni-ivs
Gymnasiums zu Küstrin, einen Rückblick auf die Entwicklung- dieser Anstalt ge-
worfen. Ausser der Vorgeschichte — der Vorläufer des Gymnasiums war die Rats-
und Friedrichsschule, eine Realanstalt — giebt er noch Verzeichnisse der Lehrer und
der Abiturienten. — Eine Arbeit, die von ungemeinem Fleisse zeugt und weitgehenden
Anforderungen der pädagogischen Historie genügt, haben der Direktor und einzelne
Lehrer^''*) des Gymnasiums zu Prenzlau in der Geschichte dieser Anstalt, die als
„Festschrift der Feier ihres BoOjährigen Bestehens" erschienen ist, niedergelegt. Ob-
wohl die Anstalt, im Gegensatz zu vielen Schwesteranstalten in der Entwicklung
eine gewisse Stetigkeit zeigt, da sie immer evangelisch gewesen ist, vorwiegend
humanistische Tendenzen verfolgte, stets unter städtischem Patronat gestanden hat, so
hat sie doch „den Wechsel der Kulturströmungen an sich empfunden, den Wandel der
Erziehungs- und Unterrichtsmaximen mit durchlebt und treu abgespiegelt". Unter
ihren Schülern heben wir Rollenhag-en, den Dichter des Froschmeuseler, und den durch
Goethe weiteren Kreisen bekannt gewordenen Maler Philipp Hackert hervor. Der
Stoff ist so verteilt, das der Direkter R. Amol dt den ältesten Zeitraum von 1543
bis 1704, L. H ö r i c h die Zeit von 1704—57, B. R a e tt i g die Periode von 1757—95 be-
arbeitet haben. Mit dem J. 1795 setzt F. Wolfgramms Darstellung- ein, die er
bis 1822 führt; W. Schaeffer behandelt sodann die neueste Zeit. Die deutsche
Sprache tritt als besonderer Unterrichtsgegenstand unter dem Rektor Venzky, einem
Anhänger der Realschulbewegung, 1751 zum ersten Male auf. In der obersten
Klasse wird Unterricht erteilt in der Geschichte der deutschen Sprache, Etymo-
logie und Synonymik; die Schüler müssen sich im Dichten üben. Unter den
Hülfsmitteln werden Freyers Orthographie, Bödikers deutsche Grammatik und Arnolds
Anweisung- zur deutschen Dichtkunst angeführt. Auch unter dem Direktor Grasshof
nimmt das Deutsche eine geachtete Stellung ein. In dem Programme von 1812, also
der Zeit des politischen Verfalls der deutschen Nation, spricht Grasshof Worte über
die deutsche Sprache und den deutschen Unterricht, die auf den Gymnasien damaliger
Zeit nur ganz selten vernommen worden sind. „Die deutsche Sprache — dieser teure
Ueberrest deutscher Selbständigkeit, dieses köstliche Eigentum der Nation, welches
keine äussere Gewalt ihr rauben, welches nur eigene innere Schlaffheit herabwürdigen
und verdunkeln kann ! Sie ist das Band der Nation, die Grundfeste der Nationalität.
Ihr sei das höchste Streben der Schule gewidmet! ... Es nimmt darum die Kenntnis
der deutschen Sprache, die Vertrautheit mit ihren klassischen Schriftstellern bei uns.
den höchsten Platz ein." In den oberen Klassen wurden deutsche Schriftsteller im
Original gelesen und Deklamationsübungen angestellt; als Hülfsmittel treten die Gram-
matik von Heynatz und das Lesebuch von Wilmsen auf, später an die Stelle von
Heynatz Grammatik die von Heinsius, in Prima wird Reinbecks philosophische Sprach-
lehre, und in Sekunda und Prima Eschenburgs Theorie der schönen Künste traktiert.
Den Wert ihrer vielseitigen Forschungen würden die Vf. wesentlich erhöht haben,
wenn sie dem Ganzen ein ausführliches Namen- und Sachregister beigeg-eben hätten,
das die Fülle des Gebotenen in durchsichtigerer, gleichsam krystallisierter Form dar-
gereicht haben würde; auch die Kolumnentitel durften nicht wegbleiben. —
Veranlasst durch die Jubelfeier des 25 jährigen Bestehens des Königl. Real-
gymnasiums zu Osnabrück in Hannover, hat 0. Fischer^'^) eine kurze Geschichte
der Schule veröffentlicht. Unter dem damaligen Bürgermeister, jetzigen Finanz-
minister Miquel, hatten die städtischen Kollegien im J. 1865 den Plan gefasst, „das
gesamte Schulwesen der Stadt einer gründlichen Umänderung zu unterziehen".
Durch den Krieg von 1866 wurden die Reformpläne nicht aufgehoben, sondern bis
1867 aufgeschoben. An Stelle der ursprünglich geplanten „höheren Bürgerschule" nach
dem Muster der Tellkampfschen in Hannover wurde die städtische Realschule nach
preussischem Muster gegründet. Aus dieser wurde bereits 1869 eine Realschule
erster Ordnung und 1882 ein Realgymnasium. —
In einer Uebersicht hat Knabe^''^-^'^) mit grossen Strichen die Realschul-
entwicklung in dem Territorium, das seit 1866 die Provinz Hessen-Nassau bildet, ge-
zeichnet. Eingehender behandelt er die Geschichte und Vorgeschichte der jetzigen
Oberrealschule in Kassel. Die Anfänge dieser Schule fallen in das J. 1812, in die
Zeit des Königsreichs Westfalen; sie ist also älter, als die Realschule in Hanau, die
bisher für die älteste in Hessen ausgegeben wurde. Ihr Vorbild ist die 1808 auf An-
regung von Joh. von Müller, dem Generaldirektor der Studien unter Jerome, er-
4». 19 S. — 171) Gesch. d. Gyitin. zu Prenzlau v. 1543-1893. Festschrift z. Feier d. 350j. Bestehens d. Anst. Prenzlau,
A. Vincent. XIV, 308 S. Mit 1 Abbild. M. 4,50. — 172) 0. Fischer, Z. Gesch. d. Kgl, Realgymn. während d. 25 J. seines
Bestehens. Progr. Osnabrück (A. Lieseclse). 4". 13 S. — 173) K. A. F. Knabe, Uebersicht über d. Entwiclclung d. Real-
schulwesens in d. Prov. Hessen-Nassau. Kassel, G. Klannig. 16 S. M. 0,50. (Sonderabdr. aus ZLlHSch. Sept.) — 174) id.,
Vorgesch. u. Entwicklung d. Oberrealsch. z. Kassel (1812-93). Festschr. z. Gedenkfeier d. 50j. Bestehens d. Anst. Kassel
(L. Doli). VIII, 175 S. (D. ersten 3 Abschnitte sind erschienen unter d. Titel: „D. älteste selbständige Eealsch. in d. Prov.
Hessen-Nassau" in ZVHessG. 18, S. 1-112.) — 175) id., Entwicklung d. Oberrealsch. (in d. Hedwigstr.) zu Kassel (1848-93).
13*
I 6:176-178 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens.
richtete Realschule in Halle, nur dass sie in Kassel nicht Realschule, sondern Bürg-er-
schule g-enannt wurde, um die Verwechslung von royal und real zu vermeiden. Sie
sollte parallel dem für die akademischen Studien vorbereitenden Lyceum gehen und
für die sogenannten praktischen, ausserhalb der llniversitätsstudien liegenden Berufe
vorbereiten. Der Organismus der neuen Anstalt bestand zunächst in einer aus zwei
Stufenklassen bestehenden Elementarschule, sodann aus zwei eigentlichen Realklassen.
Ebenso bestand das Lyceum aus einer zweiklassigen Elementarschule und aus drei
Stufenklassen des eigentlichen Gymnasialkursus. Beiden Anstalten lag ein gemein-
samer Unterbau zu Grunde: die Vorbereitung-sklasse. Ausser den Fächern der Volks-
schule wurden an der Bürgerschule in den zwei unteren Klassen Französisch,
Geometrie, Arithmetik, Geschichte und Geographie, Naturgeschichte, Zeichnen gelehrt,
wozu in den Oberklassen, den eigentlichen Realklassen, noch angewandte Mathematik
und Gewerbekimde und eine Stunde zur Erklärung der Fremdwörter trat. In dieser
Stunde sollte auch zugleich auf die Entbehrlichkeit vieler Fremdwörter hingewiesen
werden. Die mannigfachen Abänderungen des Planes lässt K. deutlich hervor-
treten durch die Mitteilung von Stundenplänen aus den verschiedenen Epochen. Die
Schule war bestimmt für alle Berufe ausserhalb des Universitätsstudiums: für Chirurgen,
Forstleute, für Post- und Polizeibeamte, für Baumeister usw. In den Abendstunden waren
noch besondere Fachkurse eingerichtet: Chemie für Fabrikanten, Forstwissenschaft für
Forstleute usw. Diese alte Schule erlosch im Febr. 1843. An ihre Stelle trat ein neuer
Organismus unter dem Namen „Real- und Bürgerschule", die bis 1869 bestand. Von
da ab bis 1879 wurde sie ,,die höhere Bürgerschule", von 1879—92 Realschule zweiter
Ordnung und endlich 1892 Oberrealschule. Die K.sche Arbeit giebt ein vorzügliches
Bild der Entwicklung dieses eigenartigen Schulorganismus. Von dem Lehrbetrieb» ab-
gesehen, unterrichtet der Vf. den Leser auch über die ökonomischen Verhältnisse und
giebt namentlich über Lehrer der älteren Schule, besonders über den ungemein viel-
seitigen Karl Chph. Schmieder, dessen litterarische Produktion sich auf Chemie,
technische Physik , Pädagogik , Mineralogie erstreckte, und der ausserdem eine
deutsche Sprachlehre verfasste und über Frau Holle geschrieben hat, ausführliche
biographische Nachrichten. — Eine wertvolle Ergänzung zu Knabes Arbeit liefert
Acker mann 1'^), der durch seine Bibliotheca paedagogica Hassiaca ri886) der Forschung
auf dem Gebiete des hessischen Unterrichtswesens grosse Dienste geleistet hat. In
alphabetischer Reihenfolge giebt er Lebensskizzen sämtlicher Lehrer, die seit der
Neugründung der Kasseler Realschule (1842) dort gelehrt haben; ausserdem bietet er
Verzeichnisse der seit jener Zeit veröffentlichten Progi^amm- Abhandlungen und der
bei den Schulfeiern gehaltenen Reden. Es folgen statistische Uebersichten über die
Frequenz, Schulgeld, Verzeichnisse der Abiturienten und der Schüler, die die Be-
rechtigung zuni Einjährig-Freiwilligen-Dienst erworben haben. Unter den Lehrern
befinden sich: Heppe, der bekannte Vf. der Geschichte des deutschen Volksschulwesens,
des gelehrten Schulwesens im Mittelalter und des Werkes über Phil. Melanchthon
Graefe (1802—68), früher Schuldirektor und Professor der Pädagogik in Jena, der'
nachdem er von Hassenpflug gemassregelt worden war, in der Schweiz, sodann in'
Bremen eine umfangreiche praktische und litterarische Thätigkeit entfaltet hat. Hier
kann nur sein deutsches Lesebuch erwähnt und auf seine Erzählungen für die Jugend
hingedeutet werden. Unter den Programmen sei auf Graefes Geschichte der Real-
schule während der zwei ersten Jahre ihres Bestehens (1845), auf Höltings zwei
Arbeiten über Joh. Balth. Schupp, auf Häusers Arbeit: „Warum ist Schiller populärer
als Goethe?" hingewiesen. Von den Schulreden beschäftigen sich mit Thematen, die
in den Bereich der JBL. fallen, besonders folgende: Janson:. Schiller der Liebling
der Nation und namentlich der deutschen Jugend (Schillerfeier 1859); Rose: Ueber
Melanchthon (1860); H. Stern: Leben und Wirken der Brüder Grimm (1873); Walter:
Ueber Em. Geibel (1886); Zimmermami: Ueber Theod. Körner (1887 und 91); Bächt: Ueber
E. M. Arndt (1891). — Pontani *'''') vervollständigt sein aus Veranlassung der Jubel-
feier des 50 jährigen Bestehens der Friedrich-Wilhelm-Schule in Eschwege verfasstes
Schülerverzeichnis, indem er jetzt das Material statistisch verarbeitet. —
Für Pommern giebt Beyer i'^) (vgl. JBL. 1890 I 6:85) als eine Frucht
mühevoller Nachforschungen Nachrichten über die ältesten Schüler und Gönner des
Neustettiner Gymnasiums, einer Anstalt, die, 1640 gegründet, in dem Gebiete zwischen
Stettin und Stargard einerseits und Thorn und Danzig andererseits lange Zeit hin-
durch die einzige höhere Bildungsanstalt war. Da das vorhandene Schüleralbum
erst mit dem J. 1714 einsetzt, so hat B., der zunächst seine Arbeit von 1640 bis zu
diesem Jahre führt, vor allem die Hallenser, Frankfurter und Wittenberger Uni-
versitäts-Matrikeln und die Schülerverzeichnisse von Thorn, Stettin und Danzig durch-
Kassel, G. Klaunig. UI, 63 S. M. 0,60. — 176) Karl Ackermann, Statist. Racksohan anf 100 Semester d. Realsch. in d.
Hedwigstr. zn Kassel. Progr. Kassel (L. Doli). 4". 58 S. — 177) B. Pontani, Vergleichende Znsamtnenstellnngen über d.
Schüler &. ersten 60 Jahre. Progr. d. Friedrich-Wilhelmsch. Eschwege. 4°. 19 S — 178) Th. Beyer, D. Ältesten Schüler
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 1 6 : 179-I84
forscht, um die grosse Lücke auszufüllen. Dieser Arbeit, die fortgesetzt werden soll,
hat B. ein Verzeichnis der in der Frankfurter Matrikel und in dem Thorner und
Stettiner Schüleralbum aufgeführten Neustettiner vorausgehen lassen. —
Von den Darstellungen zur Geschichte des höheren Schulwesens der Rhein-
lande sind die folgenden anzuführen. Buschmann' '9) kommt in der Fortsetzung
seiner Geschichte des Bonner Gymnasiums (vgl. JBL. 1891 I 6 : 184) zu einem in
schulgeschichtlicher Hinsicht ganz wunderlichen Abschnitt, zur Periode der Fremd-
herrschaft, einem Zeiträume, während dessen eine vollständige Umwälzung in der Unter-
richtsorganisation vor sich ging. Alle Elementarschulen, Gymnasien, die Uni-
versitäten Köln, Bomi, Trier und Mainz wurden von der französischen Regierung auf-
gehoben und dafür Primär-, Central- und Specialschulen errichtet nach dem Plane
der französischen Republik von 1795. Wie aber auch diese Einrichtung von keinem
Bestände war, wie später Sekundärschulen, Lyceen und Specialschulen an die Stelle
der früheren Organisationen traten, wie die Sekundärschule 1806 einging, an ihre
Stelle das pensionat provisoire und das Lyceum trat, das alles schildert B. eingehend
und mit urkundlichem Materiale belegt. In allen diesen Veränderungen ist nur eins
bleibend: die Missachtung deutscher Sprache und deutscher Litteratur. — Eine ein-
gehende Geschichte des Progymnasiums in Linz a. Rh., deren Wert durch eine An-
zahl von Beilagen noch erhöht wird, hat Bailas '8") verfasst; er hat sich aber nicht
genügen lassen, nur die Entwicklung des Progymnasiums von 1815—71 darzustellen,
sondern er erweitert seine Arbeit nach rückwärts, indem er den Vorläufer der An-
stalt, das Studium (Gymnasium) Martinianum von 1706—1815, ebenfalls unter Zu-
g-abe von Beilagen, schildert. Hier sei besonders auf die zweite Beilage des ersten
Teiles, die „Herbstschauspiele, Actiones" hingewiesen, die für die Geschichte der
Schulkomödie und der Musik nicht unwichtig ist. Charakteristisch ist, dass die
Zwischenspiele ausser Musik und Gesang häutig auch von den Schülern aufgeführte
Ballets brachten. — Roth'**'j hat über die Lateinschulen von vier Städten des Rhein-
gaues aus städtischen Archiven eine Anzahl von Notizen gesammelt, die sich in der
Hauptsache auf die verschiedenen Formen des Lehrer-Einkommens im 16. und 17. Jh.
erstrecken. '^^J —
Heubaum i*3j spricht über die Semlersche Realschule, den Urtypus der Real-
anstalten, und bietet damit auch einen Beitrag zur Schulgeschichte der Provinz
Sachsen. Merkwürdiger Weise ist hier Raumers Darstellung bis in unsere Zeit die
massgebende geblieben. Auf Grund von gedruckten Quellen (hs. wurden von ihm
nicht aufgefunden) giebt nun H. eine kurze übersichtliche Darstellung von Semlers
ursprünglichen Absichten und ihrer Erweiterung und untersucht die Frage nach der
Abhängigkeit Semlers von Francke, die in neuerer Zeit, nachdem Raumer geneigt
war, Francke als den intellektuellen Urheber der Realschule hinzustellen, von Richter
einfach bejaht worden war. Semlers ursprünglicher Plan, den er 1708 verwirklichte,
ging darauf hin, Knaben, die Handwerker werden wollten, für ihr Handwerk besser
vorzubereiten, als es bisher in den Schulen durch Lesen, Schreiben und Rechnen ge-
sehen konnte. Er nannte die Schule Handwerks- und Realschule. Dieselbe hatte nur
zwei Jahre Bestand, aber 1738 trat Semler mit einem erweiterten Plane von neuem
hervor. — Die Abhängigkeit von B^rancke hat nicht existiert. Wenn Richter den
Beleg für seine Behauptung in Franckes „Entwurf der gesamten Anstalten" zu finden
glaubt, so hebt H. mit hinlänglichen Gründen hervor, dass Franckes in Wirklichkeit
nicht einmal ausgeführter Plan mit Semlers Absichten sich nicht deckt. Ganz treffend
sagt H., dass, wemi eine Abhängigkeit von Francke hätte angenommen werden kömien,
Hecker, der Begründer der Berliner Realschule, sich sicher lieber auf Francke als die
grössere Autorität, als auf Semler berufen haben würde. — Zur Feier des 350 jährigen
Bestehens der berühmten Landesschule Pforta, die einen Klopstock, einen Fichte,
einen Leopold von Ranke zu ihren Alumnen zählte, ist eine Anzahl von Schriften und
Aufsätzen erschienen. Alle diese Arbeiten werden überragt durch Max Hoff-
mann s*^*)- mit grossem Fleisse zusammengestellte Ausgabe der Piörtner Matrikel vom
J. 1543 — 1893. Dem Herausgeber war von amtlicher Seite der Auftrag geworden,
zur Jubelfeier eine Ergänzung und Fortsetzung des von Bittcher bei der dritten
Säkularfeier (1843) herausgegebenen „Plörtner-Alburas", eines Verzeichnisses sämt-
licher Lehrer und Schüler, zu liefern. Schon bei Beginn der Arbeit war dem Vf. klar
geworden, dass eine blosse Ergänzung des Bittcherschen Werkes wegen seiner vielen Un-
genauigkeiten sich als ganz unzweckmässig erweisen würde. Er hat darum „das Ganze von
n. Gönner d. Nenstettiner Gymn. T. I. Progr. Neustettin (F. A. Eckstein). 4». 30 S. |[MBllGPomniG. N. 9.J| — 179) J.
Buschmann, Z. Gesch. d. Bonner Gyran. U. T. Progr. Bonn. 4". 40 S. — 180) G. Ballas, Gesch. d. Studium (Gymnasium)
Martinianum u. d, Kgl. Progymn. zu Linz a. Eh. Trier, Paulinus-Dr. IV, 80 S. M. 1,20. — 181) F. W. E. Roth, Ordnungen
u. Notizen z. Schnlgesch. d. Eheingaues (1520-1697), I. Eltville. II. Erbach. III. Hattenheim. IV. Geisenheim: MGESchG. 3,
S. 96-104. — 182) X X J- Kühl, Gesch. d. Stadt Jülich, insbes. d. früheren Gymn. z. Jülich. II. T.: 1660 (1664)-1724. Mit
1 Taf. Jülich, J. Fischer. VI, 322 S. M. 4,00. (Vgl. JBL. 1891 I 6 : 195; d. hier verzeichnete Werk bildet d. I. T.) -
183) A. Heubaum, Chrph. Semlers Eealschule u. seine Beziehung zu A. H. Francke: NJbbPh. 39, 8. 65-77. — 184) Max
I 6 : 185-203 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Grund aus aufgebaut", und im Hinblick auf die ungemein kurze Zeit, die ihm hier-
für zur Verfügung gestellt war, hat er Vorzügliches geleistet. Für die Schule, die
Gelehrten- und Familien-Geschichte würde freilich ein erheblich besseres Resultat
herausgekommen sein, wenn die Zeit dem Vf. eingehendere Nachforschungen und Um-
fragen gestattet hätte. Für den langen Zeitraum von 1634 — 1784, für den die alte
Matrikel nicht mehr vorhanden war, hat H. die Aufzeichnungen des Mathematikus
Hübsch, sodann teilweise das Bittchersche Album und die seit dem J. 1682 vor-
handenen Exerzitienbücher, Sammlungen von Aufsätzen, die die Schüler vor ihrer
Aufnahme abfassten, und die für die schulgeschichtliche Forschung ein noch nicht
gehobener Schatz sind, zur Feststellung der Namen der damaligen Schüler, ihrer
Herkunft und der Zeit ihres Eintrittes benutzt. — In einem kurzen Aufsatze giebt
Euler^^^), ein ehemaliger Alumnus, Mitteilungen über Körperpflege, Leibesübungen,
den Turnunterricht usw\ aus der Geschichte Pfortas. Nicht ohne Widerstand sind
Jahns turnerische Bestrebungen in Pforta aufgenonunen worden. Der damalige Rektor,
der berühmte Philologe Ilgen, scheint wenig erbaut gewesen zu sein, als ihm, nach-
dem Pforta preussisch geworden war, aus Berlin ein Springpferd für die Schule ge-
schenkt wurde und scheint dem mit ihm befreundeten Leipziger Philologen Gottfr.
Hermann sein Leid darüber geklagt zu haben; denn dieser antwortete ihm im Mai
1817: „Mir an Ihrer Stelle hätte man mit der Turnmähre und dergleichen Dingen nicht
kommen dürfen; ich hätte mich in Person nach Berlin gemacht und demonstriert, dass
der Rektor einer litterarischen Schule nicht auch Stallmeister eines hölzernen Pferdes
sein köimte. Eigentlich jedoch freue ich mich über alle Turnanstalten, als über An-
stalten, worin die Regierung das Volk lernen lässt, wie es sie einmal methodisch
wichsen soll. Doch genug von diesen unerfreulichen Dingen." '**^~*-'^) — In die Schul-
geschichte Pfortas gehört auch Hoches'^') Biographie Steinharts (1801 — 72), eines
bedeutenden I^ehrers der Anstalt, der unter dem Namen „Kanonikus L. von Selbiger"
eine Reihe Romane herausgab, ferner eine von Klenz^^^) entworfene Skizze des
Lebens Stürenburgs (1811—56), eines Schülers der Anstalt. —
Nach dem Königreich Sachsen führt uns Gehm lieh' '•*^), der schon mehr-
fach Forschungen zur Schulgeschichte Sachsens veröffentlicht hat. Seine Charakteri-
sierung der städtischen Lateinschulen im sächsischen Erzgebirge im 16. Jh. ist eine
Ausbeute aus dem reichen Aktenmaterial des Dresdener Staatsarchivs, einer, wie es
scheint, kaum zu erschöpfenden Fundgrube für Schulgeschichte. — Dasselbe Thema
behandelt Gehmlich^oü) auszugsweise in seinen ,, Beiträgen" unter dem allgemeineren,
aber nicht zutreffenden Titel: „Beiträge zur Geschichte des Unterrichts ... in den
städtischen Lateinschulen des 16. Jh.", obwohl von aussersächsischen Städten in dem
Buche gar nicht die Rede ist. — Heydenreich-**') liefert wiederum (vgl. JBL. 1891
I 6:209—10) einen Beitrag zur Geschichte des sächsischen Gymnasialwesens, indem
er nach einem alten Sammelbande der Schneeberger Gymnasialbibliothek, der eine
Anzahl von Freiberger Programmen enthält, Mitteilungen zur Geschichte des Gym-
nasiums zu Freiberg i. S. bietet. Interessant sind die Nachrichten über einen
Valediktionsaktus , in welchem die Schüler über einzelne Eigenschaften, die ein
Regent haben soll, reden mussten, unter Anknüpfung an Inschriften auf allerlei, haupt-
sächlich sächsischen Münzen. — Eine Geschichte der Nicolaischule in Leipzig, die vielleicht
zu einer Geschichte des gesamten Leipziger höheren Schulwesens führen sollte, hatte
der verstorbene Professor Dohmke beabsichtigt, der dem Leiter der MGP. kurz nach
der Veröffentlichung des „Planes" dieses mitteilte. Leider hat der Tod ihn verhindert, seine
bereits begonnene Arbeit fortzusetzen. Jetzt stellt Voigt^os^, q{^^ Schüler Dohmkes,
auf Grund von Akten des Ijcipziger Ratsarchives und des Schularchives Nachrichten
über allerlei Verhältnisse der Schule im 18. Jh. zusammen. —
Als einen Beitrag zur Festschrift eines Jenaer Privatinstituts veröffentlicht
Planer^oä) eine Geschichte des höheren Schulwesens im Grossherzogtum Sachsen-
Iloffmann, Pförtner Stammbuch 1543-1893 z. 350j. Stiftungsfeier d. Kgl. Landessch. Pforta. B., Weidmann. XV, 564 S.
M. 10,00. jLScheuffler: ThLßl. 14, S. 503/4; (B. Rogge): Post N. 136.]| — 185j K. Euler, Schulpforta: VossZg». N. 21.
— 186) X Gründung d. Klosters u. d. Landessch. Pforte: Didask. N. 123. — 187} X (S. o. N. 114.) — 188) X H. Witte,
Pförtner Jubeltage. Aufzeichnungen z. Erinnerung an d. 350j. Jubil. d. Landessch. Pforta am 24., 25. u. 26. Mai 1893.
BostocV, W. Werther. 72 S. M. 1,00. — 189) X W. Maass, Schulpforta: FZg. N. 115. - 190) X W., Schul-Pforta: Post
N. 40. — 191) X C- Hessmert, Bilder aus d. Alumnenleben in d. kgl. Landesschnle Pforta. Progr. Naumburg. 4*. 42 S.
— 192) X A. Trümpelmann, Kloster u. Schule. Gesch. Festspiel. Magdeburg, Creutz. 12». 151 S. M. 1,50. — 193) X
B. Eogge, Pförtnerleben. Nach eigenen Erinnerungen geschild. Mit 24 Abbild. L., Hirt & Sohn. 128 S. M 2,00. — 194) X
W. Nöldechen, D. 350 j. Jubelfeier d. Landessch. Pforta: SchorersFamilienbl. N. 25. — 195) X (I 5:378.) — 196) X P-
Boehme, Urkundenbuch d. Klosters Pforte. 1. Halbbd. (1132-1300.) (= GQProvSachsen. N. 33.) Halle a. S., Hendel.
XXII, 340 S. M. 7,00. — 197) R. Koche, K. H. A. Steinhart: ADB. 35, S. 711/2. - 198) H. Klenz, R. D. Stürenburg:
ib. 36, S. 762/3. — 199) E. Gehmlich, D. städt. Lateinschulen d. sächs. Erzgebirges im 16. Jh. Diss. L.-Eeudnitz (Osw.
Schmidt). 78 S. — 200) id., Beitrr. z. Gesch. d. L'nterr. u. d. Zucht in d. städt. Lateinschulen d. 16. Jh. (= Päd. Mag. her.
V. F. Mann. Heft 20.) Langensalza, Beyer & Söhne. 42 S. M. 0,50. (Auch in DBUEU. 20, S. 1/3, 13,4, 21/3, 29-31, 37-40,
45/7.) — 201) E Heydenreich, Z. Gesch. d. Freiberger Gymn. im 18. Jh.: NASächsG. 14, S. 1412. — 202^ Ph. H. Voigt,
Z. Gesch. d. Nicolaischule im 18. Jh. Progr. L., (Dürr). 4». 34 S. — 203) H. Planer, Gesch. d. höh. Schulwesens im
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erzieh ungs Wesens. 1 6 : 204-210
Weimar- Eisenach. Seiner Absicht, dasselbe Thema ausführlicher zu behandeln,
sei eine baldige Erfüllung- gewünscht. — Planers Mitteilungen über das Eisenacher
Realgymnasium werden wesentlich vervollständigt durch Stecheies ^o*) Darstellung,
der unter Beigabe von Lehi^plänen, Etatsaufstellungen, Verzeichnissen der Direktoren,
Lehrer und der Programmarbeiten die Schicksale der Anstalt, die 1843 zweiklassig,
mit dem Eintritt Karl Magers vierklassig, in neuester Zeit vollständiges Real-
gymnasium wurde, schildert. Bemerkenswert ist, dass sie im ersten Programme
Bürgergymnasium — Magers Lieblingsausdruck — genannt wurde. Unter den Pro-
grammarbeiten verdienen hier genannt zu werden Fr. Koch „Der Unterricht in der
deutschen Sprache" (1847J und K. Schmidt „Die Unterrichtsordnung der lateinischen
Schule in Eisenach von 1555". —
Durch die 250jährige Jubelfeier des Maria-Magdalenen-Gymnasiums'^*^) in
Breslau angeregt, hat M ei st er '■^'^^J Beiträge zur Geschichte dieser schlesischen
Anstalt herausgegeben. Die Gründung der Schule erfolgte bereits am 12. Febr. 1267;
als ältere Anstalt bestand neben ihr die Domschule. Einen hervorragenden Markstein
in der Geschichte der Schule bildet die Einführung der Reformation 1528. Hier sind
die Namen Joh. Metzlers, des Vf. der viel gebrauchten griechischen Grammatik, und
des Theologen Moiban zu nennen. Unter den Rektoren des 17. Jh., deren einzelne
von M. charakerisiert werden, sei J. von Höckelshofen, zu dessen Schülern auch
Martin Opitz gehörte, hervorgehoben. Im J. 1643 wurde die Anstalt Gymnasium.
Wie anderwärts, so wurden auch hier von den Lehrern und Schülern dramatische
Aufführungen veranstaltet. M. bemerkt aber, dass, während sonst fast überall Stücke
von Plautus und Terenz gegeben wurden, die hier aufgeführten Dramen in deutscher
Sprache verfasst und die Stoffe der Weltgeschichte entnommen waren. Dass auch
die deutsche Geschichte berücksichtigt wurde, beweist das 1677 aufgeführte Schau-
spiel „Die zei-stürte Armensul (Irmensul) usw.", das der Fruchtbringenden Gesellschaft
von ihrem Mitgliede Georg Wende gewidmet war. Diese Stoffe blieben auch noch
im 18. Jh. Im J. 1739 wurde in Erinnerung an den 100. Todestag Opitzens ein Ge-
dächtnisfest „der durch Martin Opitz verbesserten deutschen Poesie" veranstaltet.
1766 wurde mit der Anstalt eine Realschule verbunden, die anfangs den Beifall des
Publikums fand, aber wegen der Fülle der Unterrichtsgegenstände unmöglich das
halten konnte, was sie versprochen hatte. — Ausser der „reinen teutschen Sprache"
sollte gelehrt werden: französisch, polnisch, englisch, italienisch, Feldmessen, Kriegs-
und zuweilen Baukunst, Wappenkunde und Genealogie, Landwirtschaft, Buchhalten,
Tanzen, Fechten, Glasschleifen, Anatomie, welchem Unterrichte im Anfange auch
Hebammen und Chirurgen beiwohnten. Eine tiefer gehende Reform der nach und
nach entstehenden unhaltbaren Zustände wurde durch den 1790 berufenen Rektor
Manso herbeigeführt, der auch bewirkte, dass der seit 1767 eingeführte Name Real-
gymnasium dem Namen Gymnasium wieder Platz machen musste. — Zweier Rektoren
des Magdalenengymnasiums, Steinbergs und Stieffs, gedenkt in besonderen Skizzen
Markgraf2*>'"-''^*>^j. Steinberg (1543—1610), ein in Wittenberg gebildeter Schulmann,
1574 — 78 Rektor des Magdalenaeums, hatte den Grundsatz: eine Schule mit guter Zucht
und geringer Wissenschaft sei einer solchen vorzuziehen, an der das Verhältnis um-
gekehrt sei. Stieff (1675 — 1751), der während seines ganzen Lebens im Schuldienste
der Stadt Breslau gestanden hat, war von 1717 — 34 Rektor des Magdalenaeums, an dem
er unter dem Rektorate von Andt". Gryphius, dem Sohne des Dichters, ausgebildet
worden ist. Als Professor der Beredsamkeit und Geschichte hat er zahlreiche Dramen
verfasst. —
Seitz^os) (vgl. JBL. 1890 I 6 : 82) giebt die fünfte Abteilung seiner Ausgabe
von Aktenstücken, die sich auf die ehemalige Lateinschule zu Itzehoe in der Provinz
Schleswig-Holstein erstrecken. Es handelt sich um Bestallungsurkunden, Schul-
ordnungen, Stundenpläne und Gehaltsverhältnisse. —
Zur Schulgeschichte Württembergs gehört Schanzenbachs^'^) kleine Mit-
teilung. Seh. giebt darin eine Ergänzung zu der im Jubiläumsprogramm des Eberhard-
Ludwig-Gymnasiums zu Stuttgart 1886 erschienenen Matrikel, indem er eine kleine
Liste hervorragender früherer Schüler, die in den letzten sieben Jahren gestorben sind,
zusammenstellt und sie vervollständigt durch die Namen der in dem gleichen Zeit-
räume dahin geschiedenen Lehrer. —
Grrossherz. Sachsen. (= Festschrift her. am 20. Mai 1893 bei der Feier d. 60j, Jubil. d. v. Prof. Dr. Karl Herzog errichteten,
gegenwärtig vom Direktor Pfeiffer geleiteten Lehr- u. Erziehungsanstalt (Pfeiffersches Inst.] zu Jena [Jena, Menenahrs Bnchdr.
106 S.J, S. 1-53.) — 204) U. S t e c h e 1 e , Orossherz. Realgy mn. z. Eisenach. Kleine Beitrr. z. Gesch. d. Schule. Progr. Eisenach (H. Kahle ).
32 S. — 205j X Festschrift z. 2ö0j. Jabelfeier d. Gymn. zu St. Maria Magdalena zu Breslau am 30. April. Her. v. Lehrer-
kollegium d. Anst. Mit 2 Taf. n. 1 Bl. Erklärungen. Breslau (E. Morgenstern). III, 110, 198 S. M. 3,00. — 206) F.
Meister, Beitrr. z. Gesch. d. Gymn. zu St. Maria Magdalena. (= Sonderabdr. aus N. 205.) Breslau (E. Morgenstern). 110 S.
Mit 1 Taf. M. 1,50. — 207) H. Markgraf, Nik. Steinberg ^SteinbergerJ•. ADB. 35, S. 690. - 208) id., Chrn. Stieff: ib. 36,
S. 174,6. — 209) K. Seitz, Aktenstücke z. Gesch. d. früh, latein. Schule z. Itzehoe. V. Progr. Itzehoe, Q. J. Pfingsten.
HS. — 210) 0. Schanzenbach, Nachtrr. z. Gesch. des Eberhard- Lud wigs-Gy ran. 2. F. Progr. St., K. Hof bnchdr. Carl
I 6:211-219 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Der verdienstvolleHistoriker schweizerischer Pädag-og-ik, Hunziker^ii), hat
dem reichen statistischen Material über das gesamte schweizerische Unterrichts-
wesen und die schweizerischen Scliulausstellungen Nachrichten über die historische
Entwicklung vom frühesten Mittelalter bis in die neueste Zeit vorangestellt. —
Bucher2i2j veröffentlicht in etwas erweiterter Form seine Rede zur Geschichte des
höheren Schulwesens im Kanton Luzern, die er bei Schliessung des alten Kantonal-
schulgebäudes gehalten hat. Während des ganzen Mittelalters ist das Schulwesen des
Kantons ohne jegliche Bedeutung gewesen. Sowohl die Hochschule in Luzern, die
sich schon 1238 nachweisen lässt und unter der Herrschaft des Klosters stand, als
auch die Stiftsschule in Münster haben keine irgendwie bemerkenswerten Leistungen
aufzuweisen. Neues Leben kommt erst zur Zeit der Reformation und besonders
durch die Jesuiten, die 1578 eine Anstalt eröffneten, in das Schulwesen. Nach Auf-
lösung des Ordens nahm sich der Staat der Schule an. —
Höhere Bürgerschule. Durch Lückerath^'^^ erfahren wir, dass die jetzt
fünfklassige höhere Stadtschule in Heinsberg (Rheinprovinz) sich aus einer der
Elementarschule aufgesetzten Klasse nach und nach entwickelt hat. Im Anhange
giebt L. ein Verzeichnis der Schüler. Von den Rektoren hebt er Lindemann und
dessen Verdienste um die deutsche Litteratur und Sprache hervor, die ihm den Bei-
namen des „katholischen Vilmar" einbrachten. Lindemann war Herausgeber von Ge-
dichten des deutschen Mittelalters, von Dialektdichtungen der Neuzeit und ver-
fasste auch Monographien über Angelus Silesius und' Joh. Geiler von Kaisersberg. —
Das Schicksal der 1868 gegründeten höheren Bürgerschule in Schwetzingen und die
ihrer Vorläufer, der älteren höheren Bürgerschule und der erweiterten Volksschule,
hat Maier^i^j beschrieben und ein Verzeichnis sämtlicher Abiturienten mit Angabe
ihres gegenwärtigen Standes beigegeben. —
Privatinstitute. In der Geschichte der Pädagogik, der Unterrichts- und
Erziehungsanstalten Deutschlands und zwar jener Zeit, da eigenartige, individuelle Veran-
staltungen, grossangelegte Versuche sich entwickeln konnten, da das Berechtigungs-
und Prüfungswesen diese Bestrebungen noch nicht in das Prokrustesbett staatlicher
Schablone einzwängte, ragt eine Anzahl von Privatinstituten hervor. Unter diesen sei
auf das Jenaer Institut hingewiesen. Von dem Schweizer Karl Herzog, einem ehe-
maligen Lehrer der Fröbelschen Anstalt in Keilhau, 1829 gegründet, 1834 von Adolf
Facius und Friedrich Stier übernommen, fortgesetzt von Dr. Heimburg, zu hohem
Ruhme gebracht von K. V. Stoy, nach dessen Abgange von Schneider, Keferstein,
Schröter und jetzt von Pfeiffer geleitet, hat die Schule, besonders in früherer Zeit be-
fruchtend auf die pädagogische Wissenschaft eingewirkt. Stoy (1815-85), ein persönlicher
Schüler Herbarts, war es, der an seiner Anstalt Jahre hindurch die Herbartschen Ideen
in Praxis umsetzte und als Professor der Pädagogik und Leiter des pädagogischen
Seminars und der Uebungsschule grosse Anregungen gegeben hat. Aus Veranlassung
des 60jährigen Jubiläums der Anstalt hat Piltz ^i^j ihre Geschichte geschrieben. Im
Anhange dazu giebt er ein Verzeichnis der von den einzelnen Direktoren der Anstalt ver-
öffentlichten Jahresberichte, der Lehrer, die an der Schule thätig w^aren oder noch
sind, und schliesst mit einem Verzeichnis von Schülern seit 1881. 2'^) — Von Stoys
Entwicklungsgang und seiner segensreichen Wirksamkeit hat Sallwürk^^'j ein
deutliches Bild entworfen. Wenn wir dabei erfahren, dass die Universitäten Jena
und Heidelberg weder die Wichtigkeit pädagogischer Seminare mit Uebungsschulen,
noch die Notwendigkeit eines pädagogischen Lehrstuhles begriffen, so wird das sicher
Vielen ein Lächeln abgewirmen. —
Mädchenschule. Krusche^is), der durch seine umfassende Bibliographie
der Litteratur zur weiblichen Erziehung und Bildung vom J. 1700—1886 (Langen-
salza, 1887) der Forschung auf dem Gebiete des weiblichen Bildungswesens eine
grosse Erleichterung verschafft hat, giebt in diesem J. bereits den 6. Nachtrag zu
seinem Werke, und zwar befinden sich in seinem Nachtrage nicht nur Schriften aus
der Zeit nach 1886, sondern auch, viele aus dem vorigen und diesem Jh., vor dem
J. 1886 erschienene. — Helene Lange^"*) legt in ihrer für die Chicagoer Weltaus-
stellung bestimmten Schrift, in der die Darstellung des gegenwärtigen Standes des
höheren Mädchenschulwesens wohl die Hauptsache sein sollte, auch Skizzen über
seine historische Entwicklung vor (vgl. I 4 : 601). —
Liebich. 4". — 211) 0. Hunziker, D. Schweiz. Schulwesen her. im Auftrag d. Schweiz. Departements d. Innern anlässl. d.
Weltausstellung in Chicago. Zürich, Meyer & Zeller. IV, 111 S. Mit 1 färb. Karte. M. 2,00. — 212) J. Bucher, Z. Gesch.
d. höh. Sch'Ulwesens im Kanton Luzern. (= Festschrift z. Eröffnung d. neuen Kantonalschulgebäudes in Luzern. [Luzern,
Gebr. Räber. 319 S. M. 6,00.J S. 155-76.) — 213) W. Lückerath, D. höhere Stadtschule zu Heinsberg 1843-93. Festschrift.
Heinsberg, P. W. Joppen. II, 64 S. M. 1,00. — 214) Aug. Ferd. Maier, Gesch. d. höh. Bürgerschule Schwetzingen, mit e.
Abbild, d. Schulgebäudes. Festprogr. Schwetzingen (Max Richter). IV, 90 S. — 215) K. Piltz, Gesch. d. Pfeifferschen
Instituts zu Jena (r= N. 203, S. 55-106.) — 216) X Festber. über d. am 19., 20. n. 21. Mai 1893 abgehalt. 60j. Jubelfeier d. „Er-
ziehungsanstalt am Graben" (Pfeiffersches Inst.) zu Jena. Jena, Neuenhahn, Univ.-Buchdr. VI, 34 S — 217) E- t. Sall-
wfirk, K. V. Stoy: ADB. 36, S. 474,9. - 218) G. Krusche, Uebersicht d. Litt. Ober weibl. Erz. n. Bildung in Deutschland.
6. Nachtr. (=20. JB. üb. d. höh. Schule für Mädchen zu Leipzig, 8.25-29; vgl. JBL. 1892 I 4:51.) — 219) Helene Lange,
K. Kehrbach, Gr schichte des Unterrichls- und Erziehungswesens. I 6 :22o-228
Lehrerseminar. Trotz des Diesterweg'schen Ausspruches, dass das Herz
des ganzen Schulleibes das Volksschullehrerseminar sei, ist die Bedeutung* der
Seminare nicht so anerkannt, wie es sein müsste. „Niemand spricht von ihnen;
die alles betastende, stoffgierige Presse würdigt sie kaum der Beachtung, und wenn
man sich in den Versammlungen der Landesvertretungen mit ihnen zu beschäftigen
hat, so zeigt sich in der Regel die Einmütigkeit der Parteien in der überraschenden
Unkenntnis des Gegenstandes." Diese Unkenntnis zu heben, hat Andreae^^o^j (jjg
von ihm der Seminarfrage gewidmeten Beilagen zu den Programmen des König-
lichen Seminars in Kaiserslautern in einer selbständigen Schrift veröffentlicht. Im
Gegensatz zu anderen ähnlichen, die Seminarreform betreffenden Arbeiten, stellt A.
die Lehrerbildungsfrage auf historische Grundlage. Seine Reform vorschlage bauen
sich auf dem Gedanken auf, dass die materielle Bildung gegenüber der amtlichen
Ausrüstung des Volksschullehrers immer zu kurz gekommen, und dass es notwendig' sei,
den Volksschullehrer wissenschaftlicher, gerade so wie den Lehrer an höheren Schulen
pädagogischer werden zu lassen. — In seiner Arbeit über das Internat an Lehrer-
seminarien, das er verwirft, hat Lorentz^^') auch die Geschichte dieser Frage gestreift,
indem er die Aussprüche angesehener Pädagogen über das Für und Wider dieser
Einrichtung- citiert und dabei eine erschöpfende geschichtliche Beurteilung* in Aus-
sicht stellt. —
Volksschule. Einleitend sei hier auf K ö s t e r u s 222j übersichtliche Ab-
handlung über die deutsche Elementarbildung gegen Ausgang des Mittelalters hin-
gewiesen. - Eine auf gründlichen archivalischen Forschungen beruhende Schilderung
des Zustandes der Anhalt-Zerbster Landschulen um die Mitte des 17, Jh.
hat Becker^^Sj gegeben. — Durch die Mitteilung der Instruktion für den Präceptor
und Organisten in Adelsheim (1706) hat Weis 8^24) einen kleinen Beitrag zur Ge-
schichte des Volksschulwesens des Grossherzogtums Baden geliefert. — Trotz ihres ge-
ringen Umfanges erhält man durch die Schrift von Z e n z 2-^) doch ein deutliches Bild von
Bestrebungen und Strömungen, die innerhalb des deutschen Volksschulwesens in
0 es ter reich im 18. und 19. Jh. vorhanden waren. Der Beginn des 18. Jh. und
darin die Regierungszeit Karls VI. ist ein wichtiger Markstein in der Entwicklung des
österreichischen Schulwesens. Eine neue Zeit fängt an sich zu regen; die Idee von
der Allgewalt des Staates beginnt zu keimen, und was vorher als unbestrittenes Be-
sitztum der Kirche galt, nimmt jetzt der Staat für sich in Anspruch. Das nationale
Empfinden steig-ert sich. Die Schätzung der deutschen Sprache, von dem Staats-
oberhaupte ausg-ehend, verbreitet sich in weitere Kreise, von Wochenschriften und
deutschen Sprachgesellschaften unterstützt. 1747 erscheint die erste deutsche Sprach-
lehre, „die kaiserlich deutsche Grammatik von Joh. Balthasar von Antesperg" und
zwar im Anschluss an die „obersächsisch-lutherische Form des Neuhochdeutschen".
Mit wenig-en deutlichen Strichen werden die Absichten Maria Theresias, Josefs IL,
die Verdienste Felbigers, Parhamers, Kindermanns, von Kinskys, die Einwirkungen
des Philanthropinimus, die Bestrebungen für Schulgesundheitspflege gezeichnet. Eine
Zeit des Stillstands, ja Rückschritts wird unter der Reg-ierung* Franz I. bemerkt,
aber neues Leben erblüht nach dem J. 1848 unter dem Unterrichtsminister Graf Leo
Thun und seinem Gehilfen Alex, von Helfert. Neue Volksschulen werden gegründet,
neue Schulhäuser erbaut, Lehrerbildungsanstalten, Schulwerkstätten usw. errichtet, neue
Methoden eingeführt und das Amt der staatlichen Schulinspektoren geschaffen. Von
diesen sei nur einer erwähnt, dessen Dichtername weit über Oesterreichs Grenzen
einen guten Klang- hat : Adalbert Stifter. — Die Entwicklung des Volksschulwesens im
Erzstift Salzburg, die für die alte Zeit in Vierthaler (vgl. N. 57) einen hervorragenden
Darsteller gefunden hat, wird uns von den ältesten Zeiten bis zu seiner Einfügung in
den Rahmen des österreichischen Schulwesens durch Wagner226) übersichtlich vor-
geführt. Die beig-egebenen urkundlichen Schriftstücke, Instruktion von 1675, Schul-
ordnungen von 1683 und 1755, dürfen ausser dem pädagogischen ein hervorragendes
Interesse für den Dialektforscher beanspruchen. — Gehmlich^^'' 228^ (s. o. N. 199— 200)
hat auch die Geschichte des sächsischen Volksschulwesens in den Bereich seiner
Thätigkeit gezogen. — Der fleissige Forscher auf dem Gebiete des w ü r 1 1 e m -
Entwicklung u. Stand d. hob. Mädchenschulwesens in Deutschland. Im Anftr. d. Kgl. Prenss. Ministeriums d. geistl., TJnterr.-
n. Medizinal- Angelegenheiten. B., R. Gaertner. 69 S. M. 1.20. — 220) C. Andreae, Z. inneren Entwicklungsgesch. d. dtsch.
Lehrerbildnngs-Anst. Kaiserslautern, J. J. Tascher (A. Gerle). VIII, 162 S. M. .3,00. — 221) K. Lorentz, D. Internat.
E. Beitr. z. Lehrerhildungsfrage. L., C. Jacobsen. 32 S. M. 0,60. — 222) X F- Kösterns, D. dtsch. Elementarbildung
gegen Ausgang d. MA.: KathSchK. 2, S. 49-50, 185,6, 2.32,4, 259-60, 274 5. — 223) H. Becker, D. Zerbster Landschulen um d.
Mitte d. 17. Jh.: MGESchG. 3, S. 146-75. - 224) J. G. Weiss, Instruktion für d. Präceptor u. Organisten Severinus Merz
in Adelsheim (Grossherz. Baden) aus d. J. 1706: ib. S. 55,8. — 225) W. Zenz, D. dtsch. Volksschulwesen in Oesterr. im 18.
u. 19. Jh. (=3. JB. d. k. k. Lehrer- n. Lehrerinnen- Bildungsanst. in Linz. S. 3-28.) — 226) H. F. Wagner, Gesch. d.
Volksschalwesens im Erzstift Salzburg: MGESchG. 3, S. 6.5-95. — 227) E. Gehmlich , Zeugnisse für Lehrer d. Leipz.
Ephorie aus d. J. 17.38, 1756, 1757 u. 1807: ib. S. 105,7. — 228) id., Z. Gesch. d. Schule d. Städtchens Taucha bei Leipzig:
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 14
I 6:229-237 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
berg-ischen Volkschulwesens, K a i s s e r 229-230-)^ g-iebt den Wortlaut einer Schul-
meister-Instruktion aus dem J. 1664 und bietet weiteres urkundliches Material zur Ge-
schichte des Volksschulwesens einzelner Orte der ehemalig-en, 1806 mediatisierten
Grafschaft Waldburg-Zeil-Trauchburg- vom Ausgange des 16. Jh. bis zum J. 1802.
— Die Geschichte des Volksschulwesens im früheren Herzogtum Zweibrücken
behandelt Kramer^^'J. Er berichtet bloss über die Periode von der Reformation
bis einschliesslich der schwedischen Herrschaft (1697— 1718). — Eid2'*2j hat den
Zeitraum von 1648 — 1706 geschildert und dabei nachgewiesen, dass die Einführung
der allgemeinen Volksschule nicht erst 1706 durch das schwedische Gouvernement
versucht wurde, sondern bereits um 1670 durch den Herzog Friedrich Ludwig,
dessen segensreicher Wirksamkeit der Hauptteil seiner Arbeit gewidmet ist. —
Handelsschule. Der Direktor der Münchener Handelsschule, R o h -
m e d e r '•^^■^), — dessen Absicht es ist, eine zusammenhängende pragmatische Dar-
stellung der historischen Entwicklung des gesamten Schulwesens der Stadt München
von der Mitte des vorigen Jh. bis zur Gegenwart zu geben — hat zur Feier des
25jährigen Bestehens der Münchener Handelsschule Stoff zu ihrer Geschichte und
Hinweise auf die vorhandenen Quellen dargeboten. —
Militärbildungswesen. Zu seiner innerhalb der MGP. erscheinenden
Geschichte des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens in dea Landen deutscher
Zunge liefert Poten^^^j jetzt den 3. Band, der sich mit Oesterreich beschäftigt. Seine
Darstellung beginnt mit der von Wallenstein begründeten Friedländischen Akademie
zu Gitschin, charakterisiert sodami die unter Maria Theresia getroffenen Einrichtungen
und Reformen, schildert die Verdienste Karls VI., Josefs IL, besonders die des Erz-
herzogs Karl, ferner die Einwirkung der J. 1848 — 49, 1866 und wird sodann bis in
die neueste Zeit herabgeführt. —
Standeserziehung. Hier ist zuerst hinzuweisen auf Beiträge zur Fürsten-
erziehung. Kehrbach23öj schickt dem Abdrucke der für den 13jährigen Herzog
Johann von Sachsen-Weimar bestimmten Studierordnung aus dem J. 1583 eine
kleine Vorrede voraus und versieht den Text mit Anmerkungen. Die Ordnung,
sicher unter der Mitwirkung der Mutter des Prinzen, der Herzogin -Witwe Dorothea
Susanna, einer Frau von hoher Bildung und vorzüglichem Herzen, verfasst, zeugt von
dem Bewusstsein der Bedeutung des Unterrichts und der Erziehung und von pädago-
gischem Takte. — Erich Meyer-^^j veröffentlicht die Instruktion, die dem General
von Kayserlingk für die Erziehung der Söhne des Landgrafen Friedrich, die Prinzen
Wilhelm (den späteren Kurfürsten) und seine Brüder Karl und Friedrich vor-
geschrieben war. Da der Vater der Prinzen, der den protestantischen Glauben ver-
lassen hatte und Katholik geworden war, durch Unterzeichnung der sogenannten
Assekurationsakte unter anderem sich auch jeglichen Einflusses auf die Erziehung"
seiner Kinder begeben hatte, so war der Grossvater zur Sicherung des Religions-
standes Hessens darauf bedacht, die Erziehung so zu leiten, dass jeglicher katholischer
Einfluss ausgeschlossen wurde. M. giebt neben der französischen Instruktion eine
deutsche Uebersetzung und versieht das Ganze mit einer in grossen Zügen orientierenden
Einleitung und erläuternden Anmerkungen zu den einzelnen Teilen. Ausführlicher
wird M. das in 8 Foliobänden niedergelegte Aktenmaterial zur Erziehung dieser
hessischen Prinzen verwerten in einer Schrift über die Landgräün Marie von Hessen,
geborenen Prinzessin von England. —
Es sei hier auch hingewiesen auf die von P ahn er 23') veröffentlichten Schrift-
stücke zur Gründung eines adligen Fräuleinstiftes um 1670 durch Herzog Ernst
den Frommen von Gotha, der unter den deutschen Fürsten in seiner Fürsorge für
Unterricht und Erziehung seiner Unterthanen in erster Reihe steht, „ein Pädagoge unter
den Fürsten und ein Fürst unter den Pädagogen". Unter den mitgeteilten Schrift-
stücken ragt Seckendorfs „Entwurf" hervor und ergänzt P.s Abhandlung über Veit
von Seckendorf (vgl. JBL. 1892 I 10 : 43). — Einen integrierenden Bestandteil
der Standeserziehung des Rokokozeitalters bildete der Hofmeister. Ursprünglich be-
stand der Hofmeisterposten nur an fürstlichen Höfen. Bei dem Bestreben des Adels
und später des reicheren Bürgertums, die Sitten der höchsten Kreise nachzuahmen,
wurde auch der Hofmeister übernommen. Diesem Stande hat eine grosse Anzahl von
ib. S. 113-24. - 229) B. Kaisser. Instruktion für d. Schulmeister in Scheer vom J. 1664. E. Beitr. z. Schulgesch. Württem-
bergs: ib. S. 124,6. — 230) id., D. Volksschulwesen in d. ehemal. Qrafsch. Waldburg-Zeil-Trauchbnrg: OberschwäbHausfr.
N. 37-40. — 231) K. Krämer, Geach. d. Volksschulwesens im früh. Herzogt. Zweibrücken. (I. T. nebst Anh.) Kaisers-
lautern (H. Kayser). 1892. 56 S. — 232) L. Eid, D. pfalzzweibrückische Elementarsch, unmittelb. nach d. 30 j. Kriege
(1648-1706). Mit d. Portr. d. Herz. Friedr. Ludw. v. Pfalz- Landsberg. Speier, Jäger. VIII. 44 S. M. 1,00. — 233) W. Eoh-
roeder, Z. Gesch. d. Schule. (= Beil. z. 25. JB. d. Handelssoh.) Festprogr. z. Feier d. 25j. Bestehens. München. 94 S.
Mit 1 Taf. — 234) B. Poten, Gesch. d. Militär-Erziehungs- u. Bildungswesens in d. Landen deutscher Zunge. 3. Bd. Oester-
reich. (= MGP. XV.) B., A. Hofmann & Co. 486 S. M. 15,00. — 235) K. Kehrbach, Studierordnung d. Herzogin
Dorothea Susanna v. Weimar für ihren Sohn, d. Herz. Joh. y. Sachsen-Weimar, aus d. J. 1583: MGESchG. 3, S. 29-43. — 236)
Erich Meyer, Z. Jugendgesch. Wilhelms I., Kurf. v. Hessen: ZVHessG. 18, S. 518-56. — 237) R. Pahner, D. Versuch d.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens. I 6 : 233-241
Männern ang-ehört, die später als hervorragende Gelehrte und Dichter eine Rolle gespielt
haben: Aus dem 17. Jh. Betulius, der Romandichter Joach.. Meier, Moscherosch,
Schottelius, aus dem 18. Jh. Boie, Geliert, Gleim, Jung Stilling, Klopstock, Leuchsen-
ring, Voss, Chr. Fei. Weise, auch die Philosophen Fichte und Kant u. a. Freilich
die Mehrzahl dieser Hofmeister aus späterer Zeit, die Rabener in seiner Satire,
wenn auch karikiert, schildert, und die überhaupt dankbare Sujets für die Litteratur-
erzeugnisse jener Zeit bilden, gehören in die Klasse seltsamer Originale, sind nach
Steinhausen^»^) die „sonderbarsten Käuze". Zu diesen gehört auch Behrisch, der
Genosse von Goethes fröhlicher „Clique" in Leipzig. Die Schilderung aber, die
Goethe in Dichtung und Wahrheit »von ihm entworfen hat, findet St. etwas über-
trieben. —
Pädagogik der Jesuiten. In grossen Zügen, und dabei doch unter Be-
rücksichtigung von urkundlichen Materialien, die sich auch auf kleinere Einzelheiten
beziehen, hat Georg Müll er '^3") eine durchsichtige Darstellung über Unterricht und
Erziehung bei den Jesuiten während des 16. Jh. verfasst. Er schildert zuerst Ent-
stehung und Gesetzgebung des Ordens und kommt dann in zw^ei weiteren Abschnitten
auf Unterricht und Erziehung. Vorsichtig äussert er sich über die Quellen der
Jesuitenpädagogik, er weist nach, dass Vives nicht von grossem Einfluss habe sein
können; und statt einen Einfluss von Joh. Sturm auf den Jesuitenorden anzunehmen, ist
er geneigt, den Einfluss des niederländischen Schulwesens, von dem auch Sturm seine
Anregung empfing-, an dessen Stelle zu setzen. U^m hierüber Klarheit zu schaffen,
habe man noch eine Anzahl von Veröffentlichungen nötig, wie sie der Jesuitenpater
Pachtler iimerhalb der MGP. über die deutschen Provinzen des Ordens dargeboten habe.
Manche Lücke in den Darstellungen jesuitischer Pädagogik würde ausgefüllt werden,
wenn, was M. auch betont, die Entstehung und Entwicklung des U^nterrichtsbetriebes
im Collegium Romanum eingehend dargestellt würde. Ich bemerke hier, dass eine
Geschichte des Collegium Romanum unter Beigabe reichhaltigen urkundlichen Materials
ursprünglich in den Plan der MGP. aufgenommen worden war, dass aber aus äusseren
Rücksichten diese Absicht unausgeführt bleiben musste. Zum Schluss seien M.s
Worte über Jesuiten- und Protestanten-Pädagogik angeführt, mit denen er seine Ar-
beit beendigt, der eine baldige Fortsetzung zu wünschen wäre: ,, Unter Benutzung der
mittelalterlichen Ueberlieferung, der humanistischen Bewegung und der zeitgenössischen
pädagogischen Strömungen hatten die Jesuiten ein System geschaffen, das in seiner
Einheitlichkeit und Geschlossenheit sich eines kaum geahnten Erfolges erfreute. Es
waren im Grunde dieselben Quellen, aus denen der Protestantismus schöpfte. Aber
wie auf hohem Bergesrücken in trauter Nachbarschaft, aus gleicher Tiefe gespeist,
zwei Quellen entspringen, um dann nach verschiedenen Seiten sich zu wenden und
auf immer auseinander zu gehen, so war es auch mit den pädagogischen Bestrebungen
der Gesellschaft Jesu und des Protestantismus." —
Schulreden und Programme. Zu den Schriftstücken, die uns die
Kenntnis der Strömungen auf dem Gebiete des Unterrichts und der Erziehung- ver-
gangener Zeiten erleichtern, gehören auch Schulreden und Programme. Daher hat die
Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte die Sammlung, Sichtung-
und Herausgabe dieser Dokumente mit in ihr Programm aufgenommen, nachdem bereits
im Plane der MGP. (1883) die Schulreden unter den zu edierenden Stoffen mit an-
geführt worden waren; und es konnte schon im ersten Bande der Mitteilungen
der Gesellschaft eine Schulrede veröffentlicht werden (vgl. JBL. 189116: 197). Einen
Beitrag zu dieser Abteilung hat Frey er-^'*) geliefert, der einige Schulreden seines Gross-
vaters J. E. Scheibel, vormaligen Lehrers und Rektors am Elisabethgymnasium in Breslau
(1759 — 1809), veröffentlicht. Von den zahlreichen Scheibeischen Programmen, die sich
auf die verschiedenartigsten Fachwissenschaften erstrecken, hat F. keines vollständig-
abgedruckt, sondern nur Bruchstücke aus den Arbeiten vorgelegt, in denen sich
Scheibel mit Fragen der Didaktik, modernen Theologie und Philosophie beschäftigt.
Diese Bruchstücke sind übrigens wertvoller als die Reden, deren Ausbeute für unsere
Zwecke eine äusserst geringe ist. Mehr Lob verdienen F.s Beigaben, die historische
Einleitung- und der Nachtrag", welcher bisher unedierte Briefe des verdienstvollen
Ministers von Zedlitz darbietet. Vielleicht verdienten auch die Briefe von Felbiger,
Bode, Lieberkühn, Joh. Bernoulli, Wald, die sich im Nachlasse Scheibeis befinden,
in die Oeffentlichkeit gebracht zu werden. — Materialien nicht etwa nur zur Geschichte
des Gymnasiums in Altenburg, sondern zur Geschichte der Pädagogik überhaupt,
wie auch zur Litteraturgeschichte werden von Peine^'*^} in seiner Arbeit über
Herz. Ernst d. Frommen v. Gotha z. Gründung e. adl. Fränleinstiftes um 1670: MGESchG. 3, S. 176-93. — 238) G. Stein-
hausen, D. Hofmeister. (= Kulturstudien [vgl. JBL. 1892 I 4 : 28], S. 84-108.) — 239) Georg Müller, Unterr. u. Erz. in d.
Gesellsch. Jesu während d. 16. Jh. (=N. l;!!!', S. 1-109.) — 240) P. Freyer, Programme u. Schulreden d. Mag.
J. K. .Scheibel, weil. 1759-1809 Lehrer u. Keklor am Elisabethgymn. in Breslau. Mit e. hist. Einl. Progr. d. Kgl. Elostersch.
Ufeld. Nordhausen, C. Kirchners Bachdr. 4». 46 S. — 241) H. Peine, D. Altenburg. Gymnasialprogrr. d. 17. Jh. I. T.
I 6:242-252 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
die Altenburg-er Gymnasialprogamme geliefert, deren Verzeichnis mit dem J. 1658
anhebt.242) _
Schulkomödie. Aus dem Nachlasse Friedr. Alb. Langes^^s^ wird ein
g-eschichtlicher Beitrag zur Schulkomödie veröffentlicht, der, obwohl gerade in der
Zwischenzeit eingehendere Untersuchungen zur Geschichte der Schulkomödie ge-
schrieben worden sind, doch noch mit grossem Interesse gelesen werden kann. —
Interessant sind auch Georg Müllers ^^'ij Mitteilungen zur Geschichte der Jesuiten-
komödie in Sachsen, in denen er Ergänzungen giebt zu dem von Wustmann (Schriften
des Vereins für Geschichte Leipzigs. 187b. 2. Sammlung) dargestellten Konflikte
zwischen dem Konsistorium und dem Rate deii Stadt Leipzig wegen der Aufführung
einer deutschen Schulkomödie in der Thomasschule, ein Konflikt, der schliesslich vom
Kurfürsten geschlichtet werden musste. M. ergänzt übrigens auch durch die Mitteilung
der Titel zweier solcher Komödien Carlos Sommervogels Dictionnaire des ouvrages
anonymes et Pseudonymes publies par les religieux de la compagnie de Jesus (Paris
1884). — Die ausführlichen Titel von 24 Schulkomödien, die am Jesuitengymnasium
in N-eisse von 1706 — 9 aufgeführt worden sind, hat May^'*^) zusammengestellt.
Der Stoff der Stücke entstammt fast ausschliesslich der Heiligengeschichte; im Titel
ist immer die „Moral" eingeflochten, z. B. „Virtus praemiata seu Cratonicus etc.
Victima Amoris Sive Jephtias etc." — Hier sei auch auf Herrmanns -4^) verdienst-
volle Arbeit über Terenz hingewiesen. —
Verschiedenes. Auf ein Schulliederbuch aus dem J. 1531, das Lieder
in lateinischer, griechischer, deutscher und französischer Sprache mit beigefügten Noten
enthält, macht Stötzner^^') aufmerksam. — Vom Mittelalter bis in den Anfang des
17. Jh., so lange die Namen der Kalenderheiligen zur Datierung benutzt wurden,
haben die metrisch abgefassten lateinischen und deutschen Heiligenkalender, die
Cisiojani, einen Bestandteil des Unterrichts in Knaben- und Mädchenschulen gebildet.
Einen von Melanchthon abgefassten, im CR. übersehenen Cisiojanus, den Hartfelder
(vgl. JBL. 1892 I 10: 19) nach einer späteren Ausgabe des Chytraeus von 1593 ediert
hatte, veröffentlicht jetzt Kehrbach 2^**) nach dem von Luther in seinem Enchiridion
piarum precationum (1543) gegebenen Wortlaute. — Frühere Mitteilungen über
Schulmünzen-Rechenpfennige (vgl. JBL. 1891 I 6:231; 1892 I 10:336) werden von
Kehrbach 249) durch eine kurze Nachricht über die auf der Altdorfer Lateinschule
von 1577 — 1626 als Prämien verteilten Münzen ergänzt. — In der Geschichte des
deutschen Erziehungs- und Unterrichtswesens bilden die deutschen moralischen Wochen-
schriften des vorigen Jh. ein wichtiges Glied. Der Historiker kann, wenn er grosse
Lücken in seiner Darstellung vermeiden w^ill, an ihnen nicht vorübergehen. War bei
der Gründung dieser Zeitschriften gewöhnlich die Tendenz, moralische Bildung
in weitereu Bevölkerungsschichten zu verbreiten, also ein pädagogischer Zweck, mit beab-
sichtigt, so w^urden in ihnen auch geradezu pädagogische Themata erörtert und zwar
früher als sie in pädagogischen Systemen oder Verordnungen für Unterricht und Er-
ziehung auftraten. Aus Osk. Lehmanns^äO) kleiner Bi-oschüre geht das deutlich
hervor. Leibesübungen werden empfohlen schon Jahrzehnte vor dem Philanthropinismus.
Es wird auf die Notwendigkeit der Pflege des Spieles, weiblicher Handarbeiten, des
Handfertigkeits- und ZeichenunteiTichtes, auf Lektüre für die Jugend, auf die Pflege
nationalen Sinnes und die Wichtigkeit des Unterrichtes in deutscher Sprache auf-
merksam gemacht, ehe die Schule sich dieser Stoffe annimmt. Eine sicher dankbare
und die Geschichte der Pädagogik fördernde Aufgabe würde es sein, das von L. behandelte
Thema umfassender darzustellen, wobei versucht werden müsste, die Einwirkung der
in den pädagogischen Aufsätzen niedergelegten Ansichten auf die pädagogischen
Systematiker und die Schulordnungen — das Wort im weiten Sinne der MGP. ge-
nommen — nachzuweisen. — Einen integrierenden Bestandteil jeder höheren oder niederen
Schule bildete in früheren Zeiten der Schülerchor, der besonders in katholischen
Ländern eine grosse Thätigkeit bei kirchlichen Dienstleistungen entwickeln musste.
lieber die Einrichtung des Chors, die Verpflichtung seiner Mitglieder, unterrichten uns
die von dem jüngeren Koldewey^^i) veröffentlichten, für den protestantischen Schüler-
chor in Königslutter 1770 erlassenen Gesetze. — Isenbart252) veröffentlicht einen Brief
Justus Mosers, worin dieser seine Ansicht über Vorschläge darlegt, die der badische Ge-
heime Rat von Edelsheim zur Vorbildung „künftiger Geschäftsmämier" gemacht hatte.
Progr. Altenburg (0. Bonde). 4». 30 S. — 242) X (I 3:142.) — 243) Friedr. Alb. Lange, Gesch. n. Bedeutung d. Schul-
komödle vor n. nach üomenins: MhComeninsG. 2, S. 2.59-72. — 244) Georg Müller, Z. Gesch. d. Jesuiten-Komödie in Sachsen:
NASächsG. 14. 8.140,160,1.-245) R. May, Schulkomödien d. Jesuiten in Neisse (,1706-9j: MGESchG. 3, S. 194 7. - 246) M.
Herrmann, Terenz in Deutschland bis z. Ausgange d. 16. Jh. E. Ueberblick: ib. S. 1-28. — 247) P. Stötzner, E. Schul-
liederbuch V. 1531: ib. S. 59-64. — 248) K. Kehrbach, Z. Cisiojanus- Litt.: ib. S. 205. — 249) id., Schulmünzen-Rechen-
pfennige: ib. S. 204. — 250) Osk. Lehmann, D. dtsch. moral. Wochenschriften d. 18. Jh. als päd. Reformschriften. L., Rieh. Richter.
86 S. M. 1,35. — 251) F. Koldewey d. J., Schulordnungen d. Stadt Königslutter (Braunschweig), Ergänzung z. Bd, VUl d. MGP.:
MGESchG. 3, 8. 198-203. — 252) IL Isenbart, J. Mosers Brief an W. v. Edelsheim über d. Erz. fürs prakt. Leben (1786).
P. Goldsoheider, Die Litteratur in der Schule. 16:253 I 7 : i-e
Mosers Ansichten würde man genauer kennen lernen, wenn die Vorschläg-e, die Edels-
heim g-emacht hatte, veröffentlicht werden könnten. — Zum Schluss sei auf Bock s^^S)
Zusammenstellung- von Citaten hervorragender pädagogischer Schriftsteller dieses Jh.
über Erziehung und Unterricht und über den Lehrerberuf hingewiesen, eine freilich
recht einseitige Sammlung! Gegenüber den Proben aus Werken von Bogumil Goltz,
Kellner, Fulda, Bormann, Grünew'ald, Scheibert und anderen, zum Teil recht un-
bekannten Pädagogen muss es auffallen, dass B. Männer wie Herder, Herbart, Har-
nisch, Dinter u. a., deren Werke' gerade für Sentenzensammlungen ergiebig sind, gar
nicht berücksichtigt hat. —
1,7
Die Litteratur in der Schule.
Paul Goldsoheider.
Allgemeines und Methodologisches: Stellung des Faches N. 1. — Auswahl der Werlce N. 4. — Zn-
samnienhang des Aufsatzes mit der Lelctnre N. 11. — Lektüre an Mädchenschulen -N. 31. — Beziehung zur klassischen
Litteratur, Betonune der poetischen Technik, Erklärung der rhythmischen Gesetze N. 33. — Schüleraufführungen, Bilder, „Offene
Fragen" N. 38. — Methodische Erläuterungsschriften: zu Dramen N. 41; zu Lyrik und Epik N. 44; zu den Lesebüchern
N. 49; zu Robinson N. 53. — Hilfsmittel für den Unterricht: Schulausgaben (Lessing. Herder, Goethe, Schiller, Eber-
hard, Uhland, Schlegels Shakespeare) N. 56. — Lesebücher und Anthologien N. 92. — Leitfäden der Litterutargeschichte
und Poetik N. 134. —
Allgemeines und Methodologisches. Bemerkenswerte amtliche Kund-
gebungen liegen aus dem Berichtsjahre nicht vor, Ueber die Stellung des Faches
in der Schule handelt Erbe^), der das Deutsche in den Mittelpunkt des gesamten
höheren Unterrichts rücken will. Er entwickelt knapp, aber klar, wie deutsche Sprache
und deutsche Darstellung von der deutschen Gelehrtenschule abgestossen und zurück-
gedrängt worden sind. Er findet, dass wir in Gefahr sind, für die Sprache Luthers,
Lessings, Goethes, Schillers eine Sprache zu erhalten, die wegen ihrer üeberladung mit
dem falschen Schmuck unnötiger Fremdw'örter, ihrer Regel- und Formlosigkeit, ihrer
Schwülstigkeit und Gespreiztheit das Gespötte anderer Völker werden müsste. Wunder-
lich und Kärger gäben den herben Trost, dies sei der natürliche Gang der Sprachentwick-
lung', bedeutungslos gewordene Ausdrucksmittel müssten sich immer mehr häufen. Dabei
will sich E. nicht beruhigen; seine Vorschläge für Belebung und Erziehung des Sprach-
gefühls auf der höheren Schule sind beachtenswert.^ 3j —
Einen Lehrplan für den deutschen Unterricht in den unteren und mittleren Klassen
eines sächsichen Realgymnasiums mit einer Angabe über die Aus w^ahl der Werke,
die in Frage kommen, iDietet Hentschel^j. Für unsere Zwecke können wir aus dem
reichhaltigen Erfahrungsschatze, der hier geöffnet wird, nur Einzelheiten hervorheben:
S. 31: Zusammenstellung aller in Betracht kommenden Gedichte über den Befreiungs-
krieg. S. 32: Angliederung' von entsprechenden Prosaabschnitten. S. 38: Im An-
schluss an die Besprechung des Dramas in Untersekunda bestimmte Fragen zur Beant-
wortung als häusliche Aufg-abe. S. 64: Die sogen, freien Vorträge sollen sich auf
die Privatlektüre beziehen; es werden geeignete Massregeln angegeben, die den
damit verbundenen Gefahren vorbeugen sollen. S. 76: Die Beschreibung in Form
eines Rätsels (für Quarta). — F ab ricius^) behandelt in seinen Vorschlägen und Ent-
würfen für das Realgymnasium von S. 10 an die Lektüre und die Litteratur. Als
Werke, die für Untersekunda geeignet sind, werden genannt: Herzog- Ernst von Schwaben,
Minna von Barnhelm, vielleicht Philotas, Jungfrau von Orleans, Wilhelm Teil. In
Betracht kommen ausserdem etwa: Zriny, Prinz von Homburg, Hermann schlacht, Wilden-
bruchs Quitzows. Zur Privatlektüre werden empfohlen: Hauffs Lichtenstein; Kleists
Michael Kohlhaas ; Scheffels Ekkehard. Bei der üebersicht über die litterarische Ent-
wicklung wird auch überall auf den Stand der Sprache hingewiesen; die Art und
Weise erhellt etwa aus dem Gesetze von der Wandlung der Vokale (S. 17). — Ueber
poetische Uebersetzungen und deren Verwertung für den ITnterricht handelt Fr eytag^).
E. Ergänz, zu d. Patriot. Phantasien: ib. S. 108-12. — 253) B. Bock, Stimmen hervorrag. Schulmänner dieses Jh. z. Beach-
tung für Lehrer u. Laien bei d. Erz. u. d. Unterr. d. Jugend. L., Akad. Buchh. (W. Faber). VUI, 160 S. M. 3,00. —
1) K. Erbe, D. Deutsche als Mittelpunkt d. höh. Unterr. St., Bonz. 32 S. M. 0,30. ~ 2) X St. Waetzold,
ß. Lehmann, D. dtsch. Unterr. (vgl. JBL. 1890 I 7:4): ZGymn. 26, S. 87-93. — 2a) X B- Stein, D. dtsch. Unterr. am Lehrer-
seminar: KZEU. S. 269-97, 346-53. — 3) X X J- Griessbach, D. gesch. Entwicklung d. altklass u. dtsch. Unterr. an d.
Gymn. im Königreich Bayern. Progr Hof. 1892. 72 S. — 4) C. Hentschel, Lehrplan für d. dtsch. Unterr. in d. unteren
u. mittl. Klassen e. sächs. Realgyran. (= Ergänzungsheft zu ZDU. N. 6.) L., Tenbner. 1892 VI, 87 S. M. 1,60. — 5) H. Fahr i eins,
D. Aufgaben d. dtsch. Unterr. an unserm Eealgymn. Vorschläge u Entwürfe. Progr. Bützow. 4". 32 S. — 6) L. Freytag,
I 7 : 7-13 P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.
Es war vorg-eschlajyen, die Nibeliing'en ledig-lich in prosaischer Form wiederzug-eben.
Dag-eg-en wendet sich F. mit Entschiedenheit. Eine g"ute Nachdichtung- hält er auch
trotz des „Naschens am Urtext" für erforderlich. Er formuliert sie so: „Sie ist die
TTradichtung- des fremdes Textes im eig-enen Idiom unter thunlichster Wahrung" der
sprachlichen, bildlichen und metrischen Form." — In einer Abhandlung" Schlüters'')
findet man recht g"ute Bemerkungen über die Herstellung" einer geeig-neten Schüler-
bibliothek. Eine Reihe brauchbarer Schriften wird empfohlen. Die Bearbeitung" von
allerlei Romanen für die Jug-end missbilligt Seh.; ebenso die aufreg"ende Dielitzsche
Abenteuerlitteratur. Ueberall wird fein abg"ewog"en, was mög"lich und erreichbar sei;
wenn man der Wahlfreiheit nicht einig-e Zug"eständnisse mache, könne man den g-anzen
Nutzen der Schülerbibliothek in Frag"e stellen. — K r i e r ^) giebt Anweisung-en für die
Privatlektüre von Zög"ling"en eines bischöflichen Konvikts. Das Werk enthält eine
aus den besonderen Verhältnissen Luxemburg-s erklärliche Mischung" deutschen und
französischen Geistes und wird schon dadurch für jeden Aussenstehenden fesselnd
sein; dazu tritt dann die merkwürdig"e Vereinig-ung scholastischer Gelehrsamkeit und
moderner Bestandteile. Für unsere Aufg-abe kommen insbesondere in Betracht Teil II
("von S. 190 an) und aus I der Abschnitt „Die schriftlichen Aufsätze" (S. 157). Die
hier g"eg'ebenen Vorschriften sind nicht neu, aber g'ut ausgewählt. Den einzelnen Be-
hauptung-en tritt überall eine Brülle von Citaten zur Seite, die der Vf. mit dem naiven
Behagen des altrhetorischen Stils ausstreut. Er rühmt sich seines Sammelbuches
CS. 324). Das Vorsündflutliche seiner g"eschichtlichen und litterarhistorischen Erkenntnis
lehren u. a. folg"ende Sätze, aus denen „die Nützlichkeit und Notwendig"keit der Lektüre"
bewiesen werden soll: „Aristoteles g"ab 72000 Sestertien f!) für einige Bücher des
Speusippus." „Aus der Aeneide ist ersichtlich, dass Virg"il den Homer fleissig" studierte."
Werke der deutschen klassischen I^itteratur dürfen dem Zög"ling"e nur mit g-rosser
Behutsamkeit darg"eboten werden und zwar um des Standpunktes willen, den „die
sog-en. klassischen Dichter" der Relig"ion g"eg'enüber eing"enommen haben (S. 290). Die
Klassiker erscheinen dem jung-en Studenten „in einem g-länzenden Nimbus g"eistig"er
lTeberleg"enheit, und von der Schule her ist er daran g"ewohnt, zu ihnen als zu Halb-
g"öttern hinaufzuschauen. Bald werden diese ihm ein billigendes Gefühl für ihre
Ansichten abg'ezwung"en und ihn in ihren relig-iösen und sittlichen Verirrung"en zum
Mitschuldig-en g"emacht haben. Die Lektüre derselben ist und bleibt verderblich". Nibe-
lung'en, Gudrun, Parzival und Heliand werden in den Ausg-aben von Chr. Stecher
S. J. darg-eboten (S. 287), und von litteraturg-eschichtlichen Werken werden die Schriften
Alex. Baumg"artners S. J. empfohlen. ^"i'^") —
Der Zusammenhang" des Schulaufsatzes mit der Lektüre soll nach
Hentschel*^) mög-lichst g-e wahrt bleiben. Denn der Vf. ist der Ansicht, dass eben
dieser Zusammenhang" die rechten Aufg"aben für schriftliche Arbeiten vermittelt und
vor Missg'riffen behütet. Die Anordnung" verläuft stufenmässig" und nach Stilarten. W^ir
meinen, um dem Lehrer die rechte Anleitung" zu g-eben, bedarf es doch nicht geradezu
dieser 300 Stücke; treffende Auswahl von Beispielen ist lehrreicher als diese Ver-
wässerung", freilich auch schwerer. — Um lauft ^2) hat 6900 Themata aus den Jahres-
berichten der deutschen Gymnasien und Realschulen Oesterreichs g-esammelt. Er hofft,
sich mit seiner Zusammenstellung" den Dank der Mittelschulen seines Vaterlandes ver-
dient zu haben. Aber der Gedanke ist didaktisch nur dann förderlich, wenn, wie in
dem Apeltschen Buche, eine sorgfältig'e Kritik die Bezeichnung- der Themata beg'leitet.
— Berg" '3) stellt aus den fünf letzten Jahren diejenigen Aufgraben zu deutschen Auf-
sätzen und Vorträg'en zusammen, die in der Provinz Sachsen, im Anschluss an Relig"ion,
Geschichte, Geographie und an die Lektüre klassischer Schriftwerke alter und neuer
Zeit bearbeitet worden sind. Bei der systematischen Anordnung" ist der Vf. im wesent-
lichen chronolog-isch zu Werke _g"eg"angen. Sollte es nicht praktisch wertvoller sein,
die wirklich neuen, treffenden, interessanten Themata herauszusuchen? Was hilft
dieser Reichtum zum Teil g"eistloser Nomenklatur? Vgl. etwa die Aufgraben über
„Maria Stuart" : Maria, Elisabeth, Mortimer, Leicester, Paulet, Burleigh, Talbot, Melvil !
— lieber das Lesebuch von Hense (vg"l. JBL. 1892 I 5 : 83) hat sich zwischen
D. Wichtigkeit d. poet. IJebersetznngen für d. Schulnnterr. : ZDU. 7, S. 475-90. — 7) H. Schlüter, Ueber Jugendlektüre. Progr.
d. Bealprogyron. Buxtehude. 4". 33 S. — 8) J. B. Krier, D. Studium u. d. Privatleictare. 17 Konferenzen d. Zöglingen d.
Bischöfl. Konviktes zu Luxemburg geh. 3. yerb. n. verm. Aufl. Freiburg i. B., Herder. 1892. 12». VIII, 327 S. M. 2,00. —
9) X X Ij- Rotter, Lehrproben für d. sachl -sprachl. Behandlung dtsch. LesestücVe. (= Ber. über d. Yortrr. u. Verhand-
lungen d. mähr. Landeslehrerlconf. Znaim, Fonrnier & Haberler. 29 S. M. 0,40. — 10) X ^- Wackernell, H. Unbescheid,
Beitr. z. Behandl. d draraat. Lektüre. Mit e. Tafel zu Schillers Dramen. 2. Aufl. (vgl. JBL. 1891 I 7:14): ÖLBl. 2, S. 573;5.
— 10a)X^- Steiger, Führer durch d. sprachl. Teil d. bernischen Oberklassen-Lehrbuchs. 3 n. letztes Bdch. D. lyr. Poesie
in d. Schule. Mit e. Wandtaf.-Zeichnnng zu Schillers ,.Glocke''. Bern, Schraid, Francke & Co. VIII, 233 S. M. 2,50. [Paeda-
gogium 15, S 687.] I — 10b) X W. Pfeifer, Z. Behandlung lyr. Gedichte in d. Volksschule: PädBll. 22. S. 51-64. — lOo) X D-
Fabel nach ihrem Wesen, ihrer Gesch. U.Verwendung im Unterr.: KZEU S. .537-43. — 11) A. Hentschel, D. Sohnlaufsatz in
seiner Verbindung mit d. Lesestoffe. Für Stadt- u. Landschulen. Für Unter- u. Mittelklassen. L., Peter. 1892 174 S. M. 1,50.
— 12) Fr. Umlauft, 6900 Themen zu 'dtsch. Aufsätzen u. Redeübungen an Obergymn. u. Oberrealsch. Wien, Graeser. XV,
244 S. M. 3,60. — 13) W. Berg, Aufgaben zu dtsch. Aufsätzen u. Vortrr. in d. oberen Klassen höh. Lehranst. (Aus d. JB.
P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule. I 7 : 14-31
Bötticher**), der eine ausführliche Kritik verfasste, und dem Vf. Hense'^)
selbst eine litterarische Fehde erhoben, aus welcher das Mög-liche und das Notwendig-e
bei der Herstelluno- derartig-er Litteraturwerke deutlich hervortreten. B. behauptet,
dafs die vorhandenen Schulausg-aben „das Brockensystem" der Lesebücher nur noch
lächerlich erscheinen lassen. — Jedenfalls wäre es jetzt an der Zeit, klar festzustellen,
welche Werke der Schüler vollständig' kennen lernen soll, und was demg-emäss vom
Lebebuch zur Erg-änzung- hinzugefüg-t werden müsse. Aus Tschaches 'ß) „Material"
können für den vorliegenden Zweck nur die 42 Aufsätze in Betracht kommen, die sich
an die deutsche Lektüre anschliessen: Wir können ihnen keinen g-rossen Wert bei-
messen; sie enthalten wenig- Eig-enes, sehr viel (für Lehrer!) üeberflüssiges; auch
fehlt es an Schärfe der Auffassung", vgl. z. B. Disposition 19, die sich an die Bürg-
schaft anschliesst, namentlich was unter II, b, c sowie e, f g-eboten wird: Die Haupt-
forderung' an eine Disposition, nämlich dass die Teile einander ausschliessen müssen,
wird hier g-röblich verletzt. — Aus den neuen Materialien zu deutschen Stilübung-en
von Normann ^'') können hier nur Teil II (Aufsätze) und Teil ITI (Entwürfe) in Be-
tracht kommen. lieber den ersteren bemerken wir, dass wir es für unstatthaft halten,
Verse Schillers als Verstösse g"eg"en die Sprachrichtig'keit auszubeuten, wie N. 361 und
M. .S62 g-eschieht. Hinweisen darf man wohl auf dieses „obg-leich entstellt von Wunden"
und „entstellt von seines Ruhmes Glanz", aber nicht in einer Reihe mit den g'röbsten
Schnitzern, sondern im Zusammenhang-e mit wissenschaftlicher Erläuterung' solcher —
ohne Zweifel — beabsichtig-ten Licenzen. Die Gegenstände im II. und III. Teile beziehen
sich auf alle die Gebiete modernen Lebens, die bis jetzt nur vorüberg'ehend zur Behand-
lung-g'ekommen seien; der Blick des Schülers müsse für das Leben g-eschärft werden, für
das er doch erzog'en werden solle. Mancherlei darin erscheint moralisch nicht un-
bedenklich. — Oberländers'^) „Lehrg-ang'" für die unteren Klassen kann hier nur
so weit in Betracht kommen, als bei Anfertig'ung' der Aufsätze eine Rücksichtnahme
auf das Lesebuch stattfinden soll; bei der Methode schweben besonders die Grund-
sätze Nöttels, Jankers, Lampeis vor. Die Sammlung" enthält für ung'eübte Anfäng-er
vieles Brauchbare, aber doch wohl nur für solche ! — Aus Hehl s^^) Abhandlung- über
die Methodik des deutschen Unterrichts sind hervorzuheben Kap. 1 : „Die Bedeutung'
des Lesebuches für den deutschen Unterricht" und Kap. 3: „Behandlung- der Lese-
stücke". H. wendet sich g-eg-en Lesebücher von encyklopädischem Charakter, die nur
Oberflächlichkeit erzeug-ten und das eig-entliche Erziehung-swerk mehr hintertrieben als
förderten. Für die Auswahl stellt er in den Mittelpunkt die Bearbeitung" ethischer
Motive. Das klassische Altertum soll bei Fabel und Sage nicht ausg"eschlossen sein;
für besonders wertvoll hält er die Beschäftig-ung- mit dem deutschen Volksmärchen.
Bei poetischen Lesestücken ist die Hebung" des Nacherzählens nicht anzustellen. —
W'ohlrabe^'^) verwirft offenbar eine ausschliessliche Anlehnung" der schriftlichen
Arbeiten an das Lesebuch: Die Aufsatzübung"en sollen sich mög"lichst g"leichmässig"
an die Gedankenkreise des sonstigren Unterrichts anschliessen; die Themata werden
also durch den Fortschritt des Gesamtunterrichts beding-t. Ein Stufeng"ang" nach
formellen Gesichtspunkten wird abgelehnt, Paragraphen eines besonderen stilistischen
Uebung-sbuches dürfen nicht zu Grunde geleg-t werden. ^i"^'^) —
Die Gestaltung- der L e k t ü r e an höheren Mädchenschulen behandelt L e 0 n -
hardi^^). Er spricht sich dag"eg"en aus, dass nur abg"erissene Stücke aus einem
Drama gelesen würden. Wie er sich die Behandlung denkt, zeigt er in einem Bei-
spiele an der „Jungfrau von Orleans." Sehr richtig ist, was er am Schluss bemerkt,
dass gerade Mädchen für die Erfassung eines Ganzen und für folgerichtige Entwick-
a. höh. Lehranst. d. Prov. Sachsen.) B., Gaertner. 202 S. M. 2,80. — 14) G. Bötticher: ZDU. 7, S. 204-10. — 15) J-Hense,
Erwiderung auf d. Herrn G. Bötticher an d. dtsch. Lesebnehe v. J. Hense peübte Kritik: ib. S. 443/7. (Dazu: Erwiderung
d. Eecensenten: ib. S. 447 '8.) — 161 G. Tschacho, Material zu dtsch. Aufsätzen in Stilproben, Dispositionen oder kürzeren
Andeutungen für d. raittl. KUssen höh. Lehranst. 2. Bd. 4. Aufl. Breslau, Kern. Vin, 176 S. M. 2,40. — 17) H. Nor mann.
Neue Materialien zu dtsch. Stilübnngen für d. mittl. Klassen höh. Lehranst. Kattowitz, G. Sirvinna. 1892. 166 S. M. 2,.51.
— 18) 8. Oberländer, 4 Jahre Unterricht im dtsch. Aufsatze. Versuch e. Leitfadens für d. dtsch. Aufsatzunterr. in d. Unter-
realsch. Progr. Neutitschein. 1890-91. 91 S. — 19) K. Hehl, Z. Methodik d. dtsch. TJnterr. in d. ersten Gymnasialklasse.
Progr. Mariahilf. 20 S. — 20) W. Wohlrabe, D. Stellung d. Aufsatzes im Gesamtunterr. Halle a. S., Schroedel. 1892.
m, 39 S. M. 1,00. — 21) X F- X- I^eck. Dispositionen n. Materialien zu dtsch. Aufsätzen. Rottenburg, Bader. VII, 176 S.
M. 1,20. — 22) X J- Hörtnagl, Prakt. Lehrgang im Disponieren dtsch. Aufsätze. Progr. d. Gymn. Wien.-Nenstadt. 36 S.
— 23) X L. Kahnmeyer & H. Schulze, Vorstufe für d. dtsch. Aufs. 2. Aufl. Bielefeld, Velhagen & Klasing. 8 S. M. 0,10.
— 24) X K- Schubert, Ausgeführte Stilarbeiten (nebst Entwürfen u. Themen) auf Grundlage dtsch. Musterstücke. 1. Bd.
2. Aufl. Wien, Pichlers & Sohn. VI, 156 S. M. 1,60. — 25) X J- Haselmayer, Neues Aufsatzbuch z. Gebrauche an höh.
Schulen u. z. Selbstnnterr. 2. Aufl. Würzburg, Staudinger. 456 S. M. 4,00. — 26) X M. Fack, Materialien zu e. Lehre Tora
Stil. Jena, Mauke. 46 S. M. 0,60. - 27) X L. Kahnmeyer u. H. Schulze, Stoffe für d. dtsch. Aufs, in ausfOhrl. Dar-
stellung. 1. T. 1.-4. Stufe. 4. Aufl. Bielefeld, Velhagen & Klasing. VIII, 232 S. M. 2,50. — 28) X M. Uebelacker, Dtsch.
Aufsatzschule für d. Schul- u. Selbstunterr., auch geeignet als Lesebuch für Fortbildungssch. 5. Aufl. Enth. 1. Belehrung u.
Anl. z. selbständ. Anfertigung v. Aufsätzen. 2. Zahlreiche ausgeführte Musteraufsätze. 3. D. mündl. Rede, d. mündl. Vortr.
4. Entwürfe u. Aufgaben. B., Aug. Schnitze. XII, 407 S. M. 3,00. - 29) X i^i Kleine dtsch. Aufsatzschule für d. Schnl-
u. Selbstunterr. Enth.: 1. Belehrung u. Anleitg. z. selbständ. Anfertigung v. Aufsätzen. 2. Ausgeführte Musteraufsätze u.
Dispositionen. B., Aug. Schnitze. IV, 96 S. M. 1,00. — 30) X F- X.Reck, Anleitung z. dtsch. Aufsatz. Rottenburg, Bader.
IV, 48 S. M. 0,40. — 31) P. Leonhardi, Neue method. Hilfsmittel z. nnterrichtl. Behandlung d. dramat, Lektüre u, ihrQ
I 7 : 32-43 P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.
lung" herang-ezog-en werden müssen, damit sie nicht unklares Schwärmen für Ver-
ständnis ausgeben. — Auch in der Abhandlung- Boecks^S) über den deutschen Auf-
satz in der höheren Mädchenschule wird die Lektüre gelegentlich gestreift, insbesondere
die Frage, welche Werke für diese Gattung von Schulen in Betracht kommen; „Tasso"
wird abgelehnt. —
Darauf, dass bei Behandlung altklassischer Schriftwerke eine intimere
Beziehung, eine Fühlung mit deutscher Litteratur angestrebt werden müsse und
könne, weist Ahlheim ^3) hin. So setzt er die Pietas des Aeneas mit der Treue des
Nibelungenliedes, der Gudrun usw. in Verbindung. Vgl. weiterhin die lehrreichen
Beispiele S. 17 und 19. — Vor einer Interpretation, welche die Betonung der
poetischen Technik, die Veranschaulichung von Kunstgesetzen durch Dichtwerke bei
der Erklärung' in den Vordergrund stellt, warnt Ziller34) in einer sehr beachtens-
werten Abhandlung. Hier wird vielmehr, insbesondere auch für den Aufsatz, auf die
Herausarbeitung der Begriffe und Vorstellungen hingewiesen, welche das vorliegende
Werk gewissermassen konkret veranschaulicht. Man soll zunächst auf psychologisch
scharfe, zwingende Motivierung achten; sodann auf den moralischen Standpunkt, den
der Künstler in seiner Schöpfung vertritt. Was nach diesen Beziehungen hin nicht
stichhaltig ist, kann für die Lektüre nicht verwertet werden; deshalb verwirft Z die
Behandlung von Lessings „Emilia Galotti". — Eine treffende Verurteilung der Er-
klärung des Dramas, welche die Technik, die poetische Mache in den Vordergrund
stellt, finden wir bei Münch^^), und zwar in engstem Zusammenhang mit den Haupt-
fragen der Pädagogik und Didaktik (S. 104/5). Den Inhalt des Gedichtes selbst an-
schauen, das innere Leben der handelnden Personen erkennen: das ist ihm Haupt-
zweck der Vertiefung in das Drama."*«) — Sehr beachtenswert für die Erklärung
sind die rhythmischen Gesetze, wie sie Hildebrand^'') entwickelt, z. B. wenn
er den hüpfenden und schreitenden Takt des Hexameters darlegt und auf die Sicher-
heit des rhythmischen Gefühls hinweist, welches Goethe und Schiller bekundet haben. —
Für dramatische Schüleraufführungen tritt GloeP^) ein. Die dag-egen
gerichteten Einwände sind : Sie störten den eig-entlichen Unterrichtsbetrieb, sie be-
o-ünstigten die jugendliche Eitelkeit, die Schule trete mit ihnen aus dem Rahmen ihrer
Aufg-aben heraus. Was G. im Gegensatze hierzu g-eltend macht, kann die Einwände
nicht entkräften. Dankenswert ist die Durchmusterung der Stücke, die für solche
Aufführungen geeignet sind. — Die Versinnlichung durch das Bild wird für ITnter-
richtszwecke immer mehr herangezogen. Eine Uebersicht über die hierher gehörig-e
Litteratur g-iebt Sahr^^). — Eine Uebersicht über diejenigen Fragen, die für die
Erklärung von Schriftwerken noch als „offene" bezeichnet werden dürfen, sucht
die Abhandlung- Goldscheiders^*') zu geben; seine eigenen Antworten auf diese
Frag-en stellt der Vf. S. 28 in Thesenform zusammen; wir weisen namentlich auf
die 1., 2., 5. und 7. hin. —
Unter den methodischen Erläuterungsschriften zu einzelnen Dramen
steht der wertvolle Beitrag- zur Erklärung der „Minna von Barnhelm" voran, den
die vorzügliche Abhandlung Kettners *i) liefert. Auch Minna wird in ihrer Ein-
seitig-keit und Schwäche gezeichnet und daraus folgt, dass man Tellheims Verhalten
nicht als krankhaften Eigensinn hinstellen sollte. — Ein Werk Schrammens*^)
überschüttet uns mit 105 Dispositionen über „Emilia Galotti". Sie erheben sich nicht
über das, was gewöhnlich auf diesem Gebiete dargeboten wird. In N. 92 wird be-
hauptet, Shakespeares Macbeth sei ein „historisches Schauspiel", Emilia ein „bürger-
liches"; diese eine Intriguen-, jene eine Charaktertragödie. Und daraus wird für den
Macbeth abgeleitet: „Die Handlung spielt sich an verschiedenen Orten und zu ver-
schiedenen Zeiten ab." Man erkennt daraus recht das Unhaltbare dieser ganzen
Einteilung-. Denn die bezeichnete Eigentümlichkeit stammt doch wohl daher, dass
es eben ein Drama Shakespeares, und nicht daher, dass es „historisch" ist. Viel-
fach finden sich Verstösse gegen den guten Ausdruck, auch ungenaue Citate (vgl. N. 7,92).
— Willmann 43) weist die Erklärung des „Götz von Berlichingen" darauf hin, das Ver-
hältnis des Dichters zu der Selbstbiographie Götzens richtig zu bestimmen; auch be-
Verwertnng auf d. Oberstufe d. höh. Mädchensch. Progr. Brandenburg a. H. 20 S. — 32) M. Boeclr, D. dtsoh. Aufs, in d.
höh. Mädchensch. Progr. d. Johannenm. Hamburg. 4". 14 S. — 33) A. Ah 1 heim, D. Schriftstellerlektöre d. Obersekunda
nach d. Grundsätzen d. Konzentration. 1. T. Progr. Bensheim. 40. 23 S. — 34) Fr. Ziller, üeber planroässige Anleitung
z. Anfsatzbildung; mit Berücksichtigung d. neupn Lehrpläne. Progr. Osnabrack. 35 S. — 35) W. Münoh, Neue päd. Beitrr.
B., Gaertner. 160 S. M. 3,00. — 36) XX M- Hoff mann, Leitfaden d. Aesthetik für d. Schul- u. Selbstnnterr. 2. Ausg.
Wien, Bermann & Altmann. 1891. VII, 90 S. M. 1,80. — 37) Rud. Hildebrand, Ehythm. Bewegung in d. Prosa: ZDÜ. 7,
S. 641/7. - 38) H. Glnel, lieber dramat. Schüleraufführungen: ib. S. 386-98. — 39) J. Sahr, I>. Bild im dtsoh. Unterr.: ib.
8. 651-69. — 40) P. Goldscheider, Offene Fragen: Nachtr. z. „Erklärung dtsch. Schriftwerke in d. oberen Klassen". (Vgl.
JBL. 1890 I 7:5.) Progr. d. Gymn. Elberfeld. 4". 38 S. — 41) H. Kettner, D. Charakter d. Minna v. Barnhelm u. seine
Stellung im Drama: ZDU. 7, S 217-30. — 42) J. Schrammen, Emilia Galotti, erlänt. in 105 Dispositionen, verwendbar zu
Vortrr. u. Aufsätzen. (= Erläuterungen zu dtsch. Klassikern. N. 4.) Köln * L., Ahn. 112 S. M. 0,60. - 43) 0. Willmann,
Ueber Goethes „Götz v. Berlichingen". (= Lehrproben u. Lehrgänge, her. v. W. Pries u. H. Mayer. Heft 34 [Halle a. S.,
P. Goldscheide r, Die Litteratur in der Schule. I 7 : 43a-52
zeichnet er recht treffend, inwieweit der Geist des eigenen Zeitalters die Dichtung
beherrscht. *3a) —
Die Fortsetzung' seiner Erklärung der Lyrik Klopstocks und Goethes lieferte
Lorenz 44) (vgl. JBL. 1892 I 5:33); der vorliegende 2. Teil behandelt folgende Ge-
dichte Goethes : Prometheus, Ganymed, An den Mond, Gesang der Geister^ Ilmenau, Zu-
eignung. Die Form des Vortrags ist fesselnd und lebendig, geeigneter einen einheit-
lichen Eindruck zu erzeugen als das blosse Schema oder Anmerkungen. Am wenigsten
gelungen ist die Erläuterung von „Ilmenau"; der Stil schwankt hier zwischen direkter
und indirekter Rede, worunter die Klarheit der Auffassung leiden muss; überhaupt verfällt
L. in dem Bestreben, alles auf die einfachste Form zurückzuführen, hin und wieder in
Plattheit. — In seiner Erklärung lyrischer und epischer Gedichte wendet sich
Florin 4^) gegen die sogen. „Vorschwebungen", d. h. Erörterungen, woher der Dichter
das eine oder andere habe, und gegen die Aufstöberung der kleinsten Verhältnisse
des Privatlebens zum Zwecke der Erklärung. F. seinerseits betont die Erregung der
Teilnahme für den Inhalt und die Verknüpfung des Gleichartigen; litterarhistorische
Schätzung liege der naiven Hingabe noch fern. Mit Lyon (vgl. JBL. 1890 17:7)
legt er Gewicht auf Erweckung der Stimmung, aber er findet dessen Verfahren zu
breit und weitschweifig, es beschäftige den Schüler zu wenig. Sehr beachtenswert
sind F.s Winke über die Beziehungen zwischen poetischer Lektüre und Gesang. Was
den formalen Verlauf der Erklärung betrifft, so wird eine Vermittlung der beiden
äussersten Richtungen vorgeschlagen, von denen die eine mit der lautlichen Ver-
körperung des Gedichtes beginnt, während die andere erst mit ihr schliesst. Das
Sachliche soll vor der Form erläutert werden; beide Gebiete sind möglichst getrennt
zu halten. Dem theoretischen Teil folgt die Behandlung von 23 Gedichten; auch Auf-
gaben zu schriftlicher Bearbeitung schliessen sich an und werden zum Teil in Muster-
beispielen ausgeführt. Für die Erläuterung des „Alpenjägers" will F. im Gegensatze
zu den bisherigen Besprechungen alle Beziehungen auf das Moralische ausgeschlossen
wissen. Auf schweizerische Verhältnisse wird durchweg besondere Rücksicht ge-
nommen.'*6"4S) —
Erläuterungen zu den Gedichten unserer Schullesebücher giebt Weber*'-').
In dem Vorwort wird die Bedeutung der Poesie für die Erziehung gepriesen; sie zu
fördern sei eine Hauptpflicht, namentlich in unserer „entnervten Zeit". Wir sollen da-
durch zur Erkenntnis der „W^ahrheit" anleiten. Diesen grossen, freilich etwas unklaren
Worten der Einleitung gegenüber erscheint die folgende Erklärung der Gedichte
ziemlich dürftig. Sie macht den Eindruck, als ob dem Unternehmen nicht eine er-
forderliche tiefer gehende Sachkenntnis zur Seite stünde. Vgl. z. B. S. 3: Inhalt der
Minnelieder! S. 17. Stoff' des „Zauberlehrlings". Seltsam ist S. 53 die Herbeiziehung
von Thess. 4,12 für die ,, Klage der Ceres". S. 167: Immer noch „Satyre"! S. 173:
,,that schnaufen" sei sprachlich unrichtig, weil „thun" kein Hilfszeitwort ist, usw. —
Erläuterungen zu Lesebüchern tauchen auch sonst mehrfach auf. Perktold^**) liefert
Bemerkungen zum 4. Bande des Lesebuches von Kummer-Stejskal. Er handelt über
dessen Verwendung für die Lektüre und daran anknüpfende Aufgaben. Für die
Aufeinanderfolge der Stücke sucht er einen ideellen Zusammenhang herzustellen. Dies
Bestreben, das Lesebuch als einheitliches Ganzes aufzufassen und durchzuarbeiten,
verdient Anerkennung und Nacheiferung. — W ernecke und Wiessner^^) haben im
Anschlüsse an das von ihnen herausgegebene Volksschullesebuch (vgl. JBL. 1892
I 5 : 84) Uebungsstoffe für den deutschen Sprachunterricht bearbeitet. Die Vorschläge sind
sehr mannigfaltig und vielfach vorbildlich. Aber die Ausnutzung von Gedichten zu
allerlei äusserlichen [Tebungen können wir doch nicht billigen. Gleich bei dem ersten,
„Frühlingszeit" von Hey, wird gefragt: W^ie viel Silben hat Jedes Wort dieses Ge-
dichtes? Wieviele Laute hat jedes einsilbige Wort dieses Gedichts? Dergleichen
nimmt bei aller Behutsamkeit dem Gedichte seinen Schmelz. — Dorenwells^-)
„Präparationen" zur methodischen Behandlung deutscher Musterstücke schliessen sich
in erster Linie an die Lesebücher von Hopf und Paulsiek (vgl. JBL. 1892 I 5 : 82),
Waisenhaus. IV, 112 S. M. 2,00.], S. 98-107.) — 43a) XX Wegweiser durch d. klass. Schuldraraen. Bearb. v. 0. Frick n.
H. Gaudig. 3. Abt. Schillers Dramen. 11. (bearb. v. H. Gaudig.) 4.-9. Lfg. (S. 161-448.) (= Aus dtsoh. Lesebüchern. Ep.,
lyr. u. dramat. Dichtungen, erläut. für Oberklass. d. höh. Schulen. N. 59-64 [5. Bd.).) Gera, Th. Hofraann. (ä Lfg. 50 Pf.)
M. 3,00. — 44) K. Lorenz, Klopstocks u. Goethes Lyrik. E. Beitr. z. Behandl. d. Klassenlektüre. 2. T. Goethe. Progr. Kreuz-
burg. 4*. 23 S. — 45) A. Florin, Präparationen z. Behandl. lyrischer u. epischer Gedichte nebst Einführung in d. Methodik ders.
Davos, H. Richter. III, 183 S. M. 2,40. - 46) XX H. Bender, Horaz, Homer u. Schiller im Gymn. 3 Gymn. -Reden. Tübingen,
Laapp. V, 94 S. M. 1,80. - 47) X X J- ^ay' Lessings Harab. Dramaturgie im Unterr. d. Prima. Progr. Oflenburg. 1892. 17 S.
(S.u. IV 6.) — 48) X G. Klee, W. Böhme, Erläuterungen zu d. Meisterwerken d. dtsch. Dichtkunst. (Vgl. JBL. 1891 17:63); ZGymn.
26, S. 235. - 49) L. W e b e r , Erläuterungen zu d. Gedichten unserer .Schullesebücher. Troppau, Buchholz & Diebel. VII, 185 S. M. 2,50. —
50) F. Perktold, Bemerkungen z. 4. Bde. d. Lesebuches v. Kummer-Stejskal, insbes. d. Dispositionen d. Prosastücke. Progr. Ober-
hollabrunn. 40 S. — 51) R. W e r n e c k e u. E. W i e s s n e r , Uebungsstoffe für den dtsch. Sprachunterr. Im Anschlüsse an d. „Deutsche
Volksschullesebuch". 1. Heft. Mittelstufe. 2. Heft. Oberstufe. Gera, Hofmann. 1890. I, 72 S.; II, 112 S. M. 0,60; M. 0,75. —
52) K. Dorenwell, Präparationen z. method. Behandl. dtsch. Musterstücke. E. Handbuch für Lehrer z. Gebrauch in d.
unteren u. mittleren Klassen höh. Lehranst., sowie in d. Mittel- u. Oberklassen v. Volks- u. Bürgersch. 1. T. Hannover, C.
Jahiesberiohte für neuere deutsche Litteratargeschichte. IV. 15
I 7 : 58-63 P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.
von Plüg-g-e und an das „Hannoversche Lesebuch" an. Soweit die Erklärung- in
katechetischer Form verläuft, soll nur das Lehrverfahren verdeutlicht, nicht das
Schablonentum begünstig-t werden. Recht wohl gefallen hat uns die Hinzufügung von
Parallelstücken, so dass hier immer das einzelne Werk in seinem Verhältnis zu einem
grossen Ganzen beleuchtet wird; aber eben alles in Beispielen, wie sie den Kindern
zugänglich sind; das ist recht geschickt gemacht, und wir unterlassen nicht, auch die
höheren Lehranstalten darauf hinzuweisen. —
Eine Bearbeitung des Robinson bietet Fuchs^^). Die Robinsonerzählung
ist der nach dem Zillerschen Lehrplan (s. o. N. 34) für das zweite Schuljahr be-
stimmte Gesinnungsstoff. Dem Vf. liegt daher besonders ob, avis dem konkreten
Material die ethisch-religiösen Momente hervorzuheben, lieber den Wert des Robinson
verbreitet sich die Einleitung; sie findet ihn vorzüglich in dem Sinnbildlichen, das er
abspiegelt: er ist nach Hettner „eine Art von Philosophie der Geschichte". Und das
Buch kann wie kaum ein anderes erziehlich wirken, weil es zur Energie des Handelns
treibt. Eine Zusammenstellung des erarbeiteten ethisch-religiösen Materials am Schluss
giebt eine Uebersicht über das Geleistete. Als ,, Konzentrationsstoffe" treten hervor:
Gesellschaftskundliches, Erdkundliches; auch Gesang, Zeichnen und Handfertigkeits-
unterricht. Wie für die letzteren Gebiete durch die Beschäftigung mit dem „Robinson"
reichliche Gelegenheit und Anregung geboten wird, mag die Ijchrer der deutschen
Litteratur, welche der Zillerschen Richtung bisher ferner gestanden haben, ganz be-
sonders anziehen; der Vergleich mit der „Darbietung" des Robinson bei dem alten
Campe ist' unabweisbar I^^-^sj (Ygl HI 3:15—30.) —
Hülfsmittel für den Unterricht. In der Schulausgabe^^"^*^) von
Lessings(vgl. IV 6) Dramaturgie, die Lichtenheld^') veranstaltet, sind Einleitung und
Anmerkungen im allgemeinen zweckentsprechend ; vortrefflich ist die Hinzufügung eines
Namenverzeichnisses mit den erforderlichen litterarischen Angaben und des Anhanges
,,Aus der Poetik des Aristoteles"; der griechische Text und die Uebersetzung nach
F. Susemihl stehen neben einander. Dass die einzelnen Stücke bestimmte Ueberschriften
erhalten haben, ist didaktisch wertvoll; zugleich, dass die Einteilung bei Lessing durch
fortlaufende Ziffern kenntlich gemacht wird. In der Auswahl würden wir gern noch grössere
Beschränkung sehen; zu missen ist z. B. 21 „lieber die Titel der Komödien", der
Streit mit den Buchhändlern am Schluss, auch mancher kleinere Abschnitt wie S. 84
„Man wird glauben" usw. Die für Schulausgaben besonders wünschenswerte Sorg-
falt ist im einzelnen leider nicht vorhanden. Sie fehlt in Namen (Pernotty, Traso),
in Jahreszahlen (vgl. S. 142), in griechischen und lateinischen Wörtern {fiio^lovs,)
sapientae, senis), im sprachlichen Ausdruck („Ich bin Shakespeare", „Lessing setzt sich
für Wieland ein", „den restlichen Teil"), in derInterpunktion(vgl.S.83). — Netoliczkas^^^
Nathanausgabe ist eine vortreffliche Leistung. N. sucht in der Einleitung die Urteile
für und gegen Lessings Tendenz mit Billigkeit abzuwägen. Gut ist die vielfache
Beziehung auf den Sprachgebrauch sowie die durchgehende Vergleichung einmal
mit der jetzigen Ausdruckweise, sodann auch mit der mhd.^^a-j — j^ der Ausgabe von
Herders (vgl. IV 7:17) Cid hat Buchner ^3) für Herstellung einer Auswahl die
Untersuchungen Voegelins über die französische und die spanische Quelle verwertet.
Die Zuthaten des unbekannten Franzosen und Herders werden in kleinerem Druck g-e-
gegeben; dadurch wird wünschenswerte Kürzung und schärfere Hervorhebung des
Wesentlichen erreicht. Auch innerhalb der echt-spanischen Romanzen werden die
nach Ansicht des Herausgebers minder bedeutenden als solche gekennzeichnet und
zur Uebergehung bestimmt. Man würde demnach bei Lektüre des Cid auf Grund
dieser Auswahl mit dem Drittel der sonst dafür verwandten Zeit auskommen. Freilich:
Meyer. IV, 232 S. M. 2,50. — 53) A. Fuchs, Robinson als Stoff e. erziehenden Unterr. in Pr¶tionen n. Konzentrations-
plänen. Nach Herbart-Zillerschen Grundsätzen bearb. M. e. Vorw. v. A. Pickel. Jena, Maulte. XXIX, 120 S. M. 2,40. —
54) XXJ-^^cliönemann, Inwiefern lassen sich V. Hehns Schriften z. Belebung u. Vertiefung d. Gy ran.-Unterr. verwerten ? Progr.
Schlawe. 4". 27 S. — 55) X X C. G u d e , Erläuterungen dtsch. Dichtungen. Nebst Themen zu schriftl. Aufsätzen, in Umrissen u. Aus-
führungen. 2. u. 3. Reihe. L., F. Brandstetter. VIII, 388 S. ; VI, 389 S. M. 3,00. — 56)XXK.Kinzel, Hans Sachs ausgew. u. erläut.
2. verb. u. verm. Aufl. (= DenVmäler d. älteren dtsch. Litt. her. v. G. Bötticher u. K. Kinzel. 3. Abt., N. 1.) Halle a. S.
Waisenhaus. VII, 120 S. M. 0,90. — 56a) X B- Schneider, K. Neubauer, Luthers Schriften (vgL JBL. 1891 1 7:42):
COIRW. 21, S. 310,1. — 57) XX 6- Bötticher, D. Litt. d. 18. Jh. vor Klopstock. Ausgew. u. erl. (s. o. N. 56; 4. Abt., N. 2.)
VIII, 122 S. M. 0,90. — 57a) X 0. Lyon, Auswahl dtsch. Gedichte. (= Velhagen u. Klasing [s. u. N. 59a], N. 51; X, 504 S.
M. 2,20>: Paedagogiura 14, H. 469. — 58) X E. Naumann, E. Küenen u. M. Evers, D. dtsch. Klassiker erläut. u. gewürd.
für höh. Lehranst., sowie z. Selbststud. Bd. 3-8 (vgl. JBL. 1890 I 7:78; 1891 I 7:65: 1892 I 5:70): ZGymn. 26, S. 4823. —
59) X Lessing, Philotas her. v. 0. Günther (JBL. 1890 I 7:41|; Minna v. Barnhelm her. v. Tomaschek (JBL. 1890 I 7:33;
1891 I 7:40); Nathan her. v. Denzel u. Kraz (JBL. 1890 I 7:35): Paedagogiura 14, S. 462. — 59a) X X A. ThorbecVe,
Lessing, Minna v. Barnhelm. (.Velhagen u. Klasings Samml. dtsch. Schulausgaben N. 12.) Bielefeld, Velhagen & Klasing. 12".
VIII, 126 S. M. 0,50. — 60) X A. Funke, Lessing, Minna v. Barnhelra. 5. Aufl. (=r Schöninghs Ausg. dtsch. Klassiker mit
Komm. N. 5.) Paderborn, Schöningh. 166 S. M. 1,20. (Vgl. JBL. 1890 I 7:70.) — 61) A. Lichtenheld, Lessing, D. hamb.
Dramaturgie in Ausw. (= Graesers Schnlausg. klass. Werke her. v. J. Neubauer N. 467.) Wien, Graeser. XUI, 183 S.
M. 1,00. — 62) 0. Netoliczka, Lessing, Nathan d. Weise. Für d. Schulgebr. her. (= Freytags Schulausg. klass. Werke für
d. dtsch. Unterr.) L., G. Frey tag. 12». 163 S. M. 0,80. — 62 a) X J- B- Klören, Für d. Praxis: Unterriohtl. Behandl. d.
Lessingschen Fabel „D. Esel u. d. Wolf": KZEU. S. 445,8. — 63) W. Buchner, D. Cid. Gesch. d. Don Rny Diaz, Grafen v.
P. Gold seh ei der, Die Litteratur in der Schule. I 7 : 64-80
eine solche Ausgabe mit der Bezeichnung- des Wertes oder der Wertlosig-keit einzelner
Stellen, der Missverständnisse und Uebersetzung-sfehler ist ein Werk für Philolog-en;
dies Verfahren kann dem Schüler die ohnehin wenig- erwärmende Dichtung- nicht
näher bring-en. — Eine Auswahl von Goethes^*) (vg-l. IV 8) Gedichten g-iebt
Toi scher ^^) in Hölders Verlag- heraus. Gerade bei Goethe wirkt die Meng'e und
Verschiedenartig-keit der Gedichte auf Schüler verwirrend ; es ist daher g-ut, dass ihnen
das Beste in übersichtlicher Fassung- g-eboten wird. Die Einleitung- g-iebt eine kurze
Entwicklung- von Goethes Ljaik; T. folg-t darin Ernst Martin. Die Anmerkung-en sind
mög-lichst knapp g-ehalten; häufig- citiert ist nur „Dichtung- und Wahrheit". Die stete
Beziehung- auf dieses Werk ist didaktisch sehr wertvoll. Unter den „Zahmen Xenien"
werden diejenig-en zusammeng-estellt, die keiner g-elehrten Erklärung- bedürfen, sondern
sich leicht eig-enem Nachdenken erschliessen. Auch dass die Reihenfolg-e nach Loepers
Zählung- daneben bemerkt wird, ist für den praktischen Gebrauch dienlich, ^^ß^) —
Burghausers^^) Ausgabe von Goethes „Egmont" ist keine dem wohllautenden
Programm der Freytagschen Ausgaben entsprechende Ausführung. Die litterar-
historisohe Einleitung ist nicht knapp genug. Die Anmerkungen sind mehrfach über-
flüssig, während sie bei wirklichen Schwierigkeiten im Stich lassen oder irre leiten.
(Vgl. I, 439; TI, 514; III, 35; IV, 392, 431 f.; V, 112, 114, 606ff.)'0)_ Chevalier'')
vertritt in seiner Tasso-Ausgabe durchweg die jetzt übliche Auffassung, dass Goethe
eine Heilung Tassos habe veranschaulichen wollen; Ch. sagt sogar: Er kehrt zur
Arbeit an seinem Werk zurück. Auch Ch.s Darstellung der Gräfin Sanvitale scheint
uns unrichtig zu sein. '2-'72a^ — Hofmeisters'^) Auswahl aus „Dichtung und Wahrheit"
für die Bornhaksche Sammlung beruht offenbar auf sorgfältiger Ueberlegung. Aber
das Schönste, Unersetzliche in Goethes Meisterwerk geht bei dieser Zerstückelung ver-
loren: die epische Entfaltung, die allmähliche Entwicklung, die Feinheit des Zu-
sammenhanges. Man sollte sich doch lieber mit der Lektüre weniger Bücher begnügen,
als dass man das Ganze so grausam zerstört. Warum sind z. B. gerade so sinnlich fassbare
Lebenszüge übergangen wie der Besuch bei Gottsched, bei dem philosophischen
Schuster, die Reise mit Lavater und Basedow? '4) — Der Wert der Ausgabe von
Schillers''5-79^(^yg.| lY g-) ,,Maria Stuart", dieHeskampS<>) veröffentlichte, liegt in dem IV.
Anhangs. 203 — 15; erbehandelt Maria Stuart „im Lichte der Geschichte" und legt dabei die
neuesten Forschungen zu Grunde. Zwar ist an und für sich die genaue Kenntnis und Er-
kenntnis der geschichtlichen Grundlage kein notwendiges Erfordernis für die Erklärung
des Dramas innerhalb der Schule; aber gerade bei einer so viel umstrittenen Persönlichkeit,
wie die der schottischen Königin es ist, wird man gespannt sein, die beste wissenschaftliche
Auffassung neben die des Dichters zu halten. Die Fussnoten in Werken der Muttersprache
wirken störend: S. 78 äussert Leicester „Der Duo von Anjou hat dich nie gesehen";
dazu heisst es unten: Schiller irrt (!); der Duc von Anjou war persönlich am Hofe zu
London gewesen. S. 84 phantasiert Maria: „Dort, wo die grauen Nebelberge ragen,
Fängt meines Reiches Grenze an." Der Kommentator dagegen stellt fest, dass die
Entfernung etwa 40 deutsche Meilen betrage, „so dass sie ihres Reiches Grenze un-
möglich sehen konnte". Im Texte wird der Kardinal von Lothringen erwähnt: Dazu
wird — zur Erklärung der Stelle? — unten bemerkt, dass unter Theodosius jeder
Hofbeamte Cardinalis hiess. Dieser aufdringlichen Gelehrsamkeit gegenüber berührt
Bivar. Nach span. Romanzen v. J. G. Herder. Essen, Bädeiter. 1892. XVIU, 130 S. M. 1,00. (Vgl. JBL. 1892 I 5:71.) —
64) XX K. Heinemann, Goethes Lehen und Werke (Neuer Ahdr.; vgl. JBL. 1890 I 7 : 43.) (= Velhagen u, Klasings Samml.
[s. N. 59a], N. 33.) 130 S. M. 0,60. |[BBG. 28, S. 471 2. (Hier auch W. Nöldecke, Goethes Dichtung u. Wahrheit [ehda. J be-
sprochen.)]] — 65) W. Toischer, Goethes Gedichte. Ausgew. u. erläut. (= Hölders Klassilcer-Ausg. für den Schulgebr.
N. 28,9.) Wien, Holder. 141 S. M. 0,80. — 66) J. Heuwes, Ausgew. Balladen Goethes u. Schillers. Mit äusführl. Erläute-
rungen usw. (= Schöninghs Ausg. [s. o. N. 60], N. 19.) 129 S. M.1,00. |[L. Frey tag: COIRW. S. 753.]| — 66a) X L. Blume, Goethes
Gedichte (vgl. JBL. 1892 IV 8c: 12): Paedagogium 15, S. 7534. — 67) X H. F. Müller, W. Heinzelmann. Goethes Iphigenie
(vgl. JBL. 1891 IV 9e : 46): ZGymn. 26, S. 161 '2. - 67a) X P- 0. Höcker, Götz v. Berlichingen. Kulturgesch. Erzählung. D. dtsch.
Jugend gewidmet. (B., Krüger. 1892. 180 S. M. 4,80): ZOG. 44, S. 87. — 68) X X St. Waetzoldt, Iphigenie auf Tanris. V. Goethe.
(= Velhagen u. Klasings Samml. fs. N. 59a], N. 2.) VIII, 123 S. M. 0,50. (Neuer Ahdr.) — 69)G. Burghauser, Goethe. Egmont. Für
d. Schulgebr. her. (= Freytags Ausg. [s. o. N. 62].) 123 S. M. 0,60. — 70) XX L- Zürn, Goethe, Egmont. 2. Aufl. (= Schö-
ninghs Ausg. [s. N. 60], N. 10.) 144 S. M. 1,20. — 71) L. Chevalier, Goethe, Torquato Tasso. E. Schausp. Für d. Schul-
gebr. her. (= Freytags Ausg. [s. o. N. 62].) 134 S. M. 0,60. — 72) X X A. Hauffen, Goethe, Hermann u. Dorothea (ebda.)
96 S. M. 0,50. - 72a) X A. Funke, Goethes Hermann u. Dorothea (vgl. JBL. 1891 I 7:55): Paedagogium 14, S. 333. — 73)
G. Hofmeister, Ans meinem ieben. Dichtung u. Wahrheit v. Goethe. (= Teubners Samml. dtsch. Dichter u. Schriftwerke
für höh. Töchtersch., her. von G. Born hak K 27.) L., Teubner. 12". 201 S. M. 0,80. — 74) X X Homers Odyssee im
Auszuge. In d. Uebersetzung v. J. H. Voss. (= Velhagen u. Klasings Samml. [s. o. N. 59 a], N. 66.) XII, 166 S. M. 0,90.
75) XXV. Uellner, Schillers Gedichte. Für d. Bedürfnisse d. Schule u. d. Hauses nach ihrer Entstehung geordnet nsw.
(= Meisterwerke d. dtsch. Litt, für höh. Lehranst.) B., Reuther & Reichard. 224 S. M. 0,60. — 76) XX E- Evers,
Schillers „Glocke". Neue Textausg. mit veranschaulichenden Erklärungen, eingehenden Erläuterungen n. umfassender Würdi-
gung. (= M. Kü enen u. E. Evers, D. dtsch. Klass. erläut. u. gewürd. für höh. Lehranst., sowie z. Selbststud. N. 9.) L., H. Bredt,
194 S. M. 1,60. — 77) X X F- Violet, Schiller, Gesch. d. Abfalls d. verein. Niederlande. Im Auszuge. (= Velhagen u.
Klasings Samml. [s. o. N. 59a], N. 61.) XVL 198 S. M. 1,20. — 78) X X M. Miller, Schiller, Wallensteih. Mit vielen
Fragen u. Aufgaben behufs Anleitung z. Selbstdenken u Selbstfinden, sowie z. Anregung tieferen Eindringens in d. Verständnis
d. Inh. (= Sohnlausg. dtsch. Klass. N. 10.) Trier, H. Stephanus. 292 S. M. 1,20. — 79) X X C. Michaelis, Schiller,
Wallenstein. 1. Bdch. Wallensteins Lager. D. Piccolomini. (= Velhagen u. Klasings Samml. [s. o. N. 59a], N. 23.) XX, 151 S.
M. 0,60. — 80) H. Heskamp, Maria Stuart. Mit ansführl. Erläuterungen für d. Schulgebranch u. d. Privatstud. 3. Aufl.
15*
I 7 : 81-89 P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.
es eig-entümlich, dass S. 94 als erster Gemahl der Maria Heinrich IL g-enannt wird.
— Im Schöning-hschen Verlage g-iebt Funke^^) die „Jung'frau von Orleans" heraus.
Die Fussnoten wären auch hier besser fortgeblieben. Für unpassend halten wir
das g-eflissentliche Hervorheben von Widersprüchen (vg-l. S. 10, A. 8). Ebensowenig-
darf man fortwährend das g-eschichtliche Urbild neben die Gestalt des Dichters halten,
da es sonst unmögiich ist, das von diesem g-ezeichnete Bild fest zu halten. So wird
etwa im Text Johanna als Hirtin darg-estellt, während die Gelehrsamkeit unten hin-
zufüg"t, dass die Jung-frau hauptsächlich und zuletzt fast ausschliesslich die Haus-
haltung* besorg-tc^^-^*) — An Heskamps^^) Ausgrabe der „Braut von Messina" ist
zu loben, dass die Relig-ionsmischung- nicht, wie üblich, ang-eg-riffen, sondern mit
richtig-em Verständnis verteidig-t wird: Sie bildet den echt historischen Hinterg-rund
g-erade dieses Dramas. Im übrig-en treten in der Erklärung dieselben Schwächen her-
vor wie in H.s „Maria Stuart" (s. o. N. 80). Die Fussnoten schweifen in das Gebiet
der Exkurse über: Um des Namens Don Cesar willen erhalten wir Untersuchungen
darüber, wann der Name „Caesar" in Rom zuerst auftritt, und verfolgen die Geschichte
dieses Namens bis zu dem russischen Zar (S. 32); und bei dem Satze: „Die Jagd ist
ein Gleichnis der Schlachten" wird eine Erwägung angestellt, warum „auffälliger
Weise die Römer die Jagd weniger pflegten" (S. 51). Ungenaues und Unrichtiges ist
stark vertreten, vgl. die Verwechslung von Eteokles und Polyneikes (S. 34), das
Citat Plectuntur Argivi S. 83, das Citat, dass „hart im Räume sich die Sachen treffen"
S. 166. u. a. m. — Lichtenheld^^) hat für Graesers Verlag Schillers Demetrius be-
arbeitet und fügt zur Ergänzung die Fortsetzung des Freiherrn von Maltiz hinzu.
Die mannigfaltigen Versuche, den Torso zu vollenden, lassen sich in zwei Gruppen
zerlegen. Maltiz, Kühne, Laube usw. schliessen sich unmittelbar an Schiller an:
Sie verzichten auf Selbständigkeit; H. Grinnn, Bodenstedt, Hebbel usw. halten sich
im allgemeinen an Schillers Plan, aber sie möchten doch von Grund aus einen neuen
Bau errichten. L. hat demnach Recht, wenn er sich für Schulzwecke an die Fort-
setzer der ersten Richtung wendet; unter diesen wählt er das Drama, welches, aus
dem J. 1817 herrührend, als das älteste dieser Art eine gewisse klassische Geltung
erlangt hat. Als vorzüglich soll es keineswegs hingestellt werden, und eine scharfe
Kritik deckt, übrigens in angemessener Weise, durchgängig die grossen Schwächen
der jugendlichen Arbeit auf. Aber eben deshalb halten wir es überhaupt für
didaktisch unrichtig, im Unterricht diese Fortsetzung vorzulegen; ebenso wenig em-
pfehlen wir eine andere; denn von allen gilt, was Hebbel mit Recht bemerkte, dass es
unmöglich ist, weiter zu dichten, wo Schiller aufgehört hat. Vielleicht liegt aber für
die Schüler gerade in der Anleitung dazu, sich auch einmal in die urwüchsige Kraft
eines Fragments, eines solchen Fragments, zu versenken, ein didaktisch ganz be-
sonders wertvolles Moment. — Eberhards „Hanchen und die Küchlein" war bis-
her als Schulausgabe nicht erschienen; Jahn*^''), der Herausgeber, meint, dass sich
dieses Gedicht in vorzüglicher W^eise zur Verwertimg auf Schulen eigne; er hat dabei
Mädchenschulen im Auge. Wir bezweifeln das: Zur Privatlektüre mag man es em-
pfehlen, eingehende Behandlung verdient es schwerlich. Die psychologische Ent-
wicklung verläuft keineswegs richtig. Das Opfer, welches Hanchen darbringt, ist nur
ein scheinbares, da man es nicht ohne reichliche Wiedervergeltung annehmen wird;
der verzweiflungsvolle Schmerz darüber, einen Brautkranz nicht überreichen zu
dürfen, verleitet zu falscher Sentimentalität; die in I gerühmte Gesinnung streift recht
sehr an geistlichen Hochmut. Dabei sind die Hexameter hart, oft kaum lesbar. Die
Ausgabe an sich soll, wofern man eben einen elementaren Standpunkt im Auge hat, nicht
gescholten werden. —Von Uhlands^^) (vgl. IV 10) „Herzog Ernst" liefert Stötzner^**)
eine Ausgabe. Wie von vielen Pädag'ogen, so wird auch von dem Herausgeber
„Herzog Ernst" für das geeignetste Werk gehalten, mit dem man in die dramatische
Lektüre einführen könne. Die bisher vorhandene Schulausgabe von Weisman schien
den jetzigen Anforderungen nicht mehr zu genügen; im Gegensatz zu ihr beschi'änkt
sich St. in seiner Erklärung durchweg' auf das Mass, welches die heutige Didaktik
vorschreibt. Unter den Fragen S. 86 missbilligen wir solche wie: Warum muss das
(= Schöninghs Ausg. [s. o. N. 60J, N. 6.) 1892. 215 S. M. 1,35. (.Vgl. JBL. 1892 I 5:65.) — 81) A. Funke, D. Jungfrau v.
Orleans. Mit ausführl. Erläuterungen für d. Schulgebr. n. d. Privatstud. 3. Aufl. (ebda. N. 9.) 191 S. M. 1,20. (Vgl. JBL.
1892 I 5:66.) — 82) XX Fr- Ullsperger, Schiller, D. Jungfrau t. Orleans. (= Freytags Schulausg. [s. o. N. 62].) 155 8.
M. 0,60. — 83) XX P- Strzemcha, Schiller,. Wilh. Teil, (ebda.) 141 S. M. 0,60. — 83a) X E- Schneider, V. Böhme,
Erläuterungen. IV. Wilhelm Teil (Tgl. JBL. 1891 I 7:63): COIRW. 21, S. 369. — 83 b) X G- Klee, W.Böhme, Erläuterungen
z. d. Meisterwerken d. dtsch. Dichtkunst. Bd. 1-4 (vgl. JBL. 1890 I 7:77): ZGymn. 26, S. 235. — 84) X X A. Funke,
Schiller, Wilhelm Teil. 6. Aufl. (= Schöninghs Ausg. [s. o. N. 60], N. 4.) 176 S. M. 1,20. — 85) H. Heskamp, Schiller,
D. Braut v. Messina. Mit ausführl. Erläut. usw. 2. Aufl. (ebda. N. 11.) 1892. 172 S. M. 1,20. (Vgl. JBL. 1892 I 5:67.) — 86)
A. Lichtenheld, Schiller, D. Fragment d. Demetrius mit d. Forts, d. Frhrn. F. v. Maltiz. Mit Einl. u. Anm. (=: Graesers
Schulausg. [s. 0. N. 61], N. 48.) XX, 131 S. M. 0,50. — 87) M. Jahn, Hanchen u. d. Küchlein y. A. H. Eberhard. Für d.
Schulgebr. her, L., Richter. 76 S. M. 0,60. — 88) X X R- Richter, Uhlands Gedichte, Ausw. (= Velhagen u. Klasings
Samml. [s. o. N. 59a], N. 63.) 150 S. M. 0,90. — 89) P. Stötzner, Ernst Herzog v. Schwaben, Trauersp. y. L. ühland.
P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule. I 7 : 90-99
Stück mit Eriists und Werners Tode endig-en? Weshalb muss auch Mangold sterben?
Das ist überhaupt bedenklich, am meisten aber auf der Stufe, für die hier gearbeitet
sein soll! Lebendige Anschauung fördern, nicht in die Mache einweihen! S. 75 V. 1807
findet sich im Druck eine arge Entstellung. •'•*~90"') — Die Ausgabe von Shakespeares
„Julius Caesar" in der Schlegelschen Uebersetzung, von Hruschka^^) besorgt,
scheint uns wohl gelungen zu sein. Mit Recht ist die Scene beim Lupercusfeste um-
gestaltet. Jedenfalls ist bei Shakespeares Dramen eine sogenannte Schulausgabe not-
wendiger als bei den Werken unserer klassischen Litteratur. —
Lesebücher und Anthologien. In seinem Vortrag über die Erziehung
zur Vaterlandsliebe bespricht Carstensen'*^) auch die Wichtigkeit und den W^ert des
Lesebuches für die Erweckung- des Patriotismus. Als wesentlicher Inhalt des Lese-
buches kommen daher in Betracht: Die Schilderung der deutschen Landschaft, die
deutsche Sagen- und Märchenwelt, Bilder aus der deutschen Geschichte, vaterländische
Poesie. Hierzu tritt für höhere Schulen die Litteraturkunde. — Wernecke und
Wiessner^^"*'*"'''') haben sich bei Bearbeitung ihres Volksschullesebuches nach dem Erlass
vom 1. Mai 1889 und der Verfügung vom 27. Juli 1889 gerichtet. Bezeichnend dafür
sind die Lesestücke N. 234—88 und N. 383—98. Auch eine allgemeine Belehrung
über die Grundsätze, „von deren Beachtung das Volkswohl abhängt", haben die
Herausgeber liefern wollen. Der Einteilung: Frühling, Sommer, Herbst usw. können
wir nicht beipflichten, da doch in jedem einzelnen Teile viele Stücke sind, die mit
der Ueberschrift nichts zu thun haben; durch dergleichen verleitet man zu unklarer
Auffassung. — In Ehreckes undHamniermanns^^j Lesebuche verläuft die Anordnung*
nach folgenden Gesichtspunkten: Elternhaus, Geschwisterkreis, Gewerbliches Leben,
Handwerk, Lehrjahre, Wanderjahre usw. Die letzten Abschnitte beziehen sich dann
auf die christliche Kirche und zwar auf deren Geschichte, auf Werkthätigkeit und
Wandel, auf das selige Leben. Prosa und Poesie sind gemischt, doch überwiegt
die Prosa. Die Auswahl erscheint uns zweckmässig, Druck und Ausstattung sind vor-
züglich. — Das aus dem Kgl. Realgymnasium zu Döbeln hervorgegangene Lese-
buchs^) war eigentlich nur für Anstalten realistischen Gepräges bestimmt, aber es
soll nunmehr auch dem humanistischen Gymnasium dienen. Aufgenomme nist, wenn-
gleich in beschränktem Masse, einiges Mundartliche; die Herausgeber glauben, dass
sie dies auf einer Klassenstufe (O III.) wagen dürfen, auf welcher der Schüler schon
so weit gefördert sei, dass er die Muttersprache grammatisch beherrsche (?). Anhänge
über Rhetorik, Poetik, Metrik hinzuzufügen, ist abgelehnt worden, weil alles dies
nach Wunsch der Herausgeber dem Obertertianer auf induktivem Wege nahe ge-
bracht werden solle. — Das Lesebuch von Schanze ''^) sucht den besonderen An-
forderungen und Verhältnissen der Fortbildungsschulen zu entsprechen; vgl. darüber
das Vorwort zur ersten Auflage. Das Buch macht einen recht guten Eindruck. —
An die höheren Lehranstalten Bayerns richtet sich das Lesebuch von Zettel, um-
gearbeitet von Nicklas s''"^*^). Es will den Blick des Schülers zwar noch auf der
engeren Heimat verweilen lassen, jedoch auch schon, soweit es der Standpunkt des
Schülers (2. Klasse) erlaubt, darüber hinauserheben. Zwei Eigentümlichkeiten des
sehr sorgfältig durchgearbeiteten Werkes unterscheiden es von anderen Lesebüchern:
1. Wörter, deren Bedeutung dem Schüler fremd erscheinen könnte, finden etymologische
und sachliche Erklärung. 2. Es werden Sprachmuster aufgestellt, durch die dem
Schüler unmittelbar ein Vorbild für seine eigenen Arbeiten geboten wird. Die be-
züglichen Aufsätze sind sehr mannigfaltig und treffen den rechten Ton. N. richtet
sich gegen die Ansicht, dass ein Lesebuch mehrere Klassen hindurch gebraucht
werden solle; der Reiz der Neuheit, welchen dem in die Klasse Eintretenden das
Lesebuch biete, dürfe als wichtiges pädagogisches Moment nicht übersehen werden.
Da N. Schule und Haus im Auge hat, so giebt er auch Lesestoffe grösseren Um-
fanges; dagegen will er von allzu einfachen, die gar keine Anstrengung zumuten, ab-
sehen; ebenso von der Aufnahme ganz bekannter Märchen, die das Kind schon von
L., Richter. 88 S. M. 0,60. — 90) X X H. Crohn, Ernst. Herzog v. Schwaben. Trauersp. v. L. Uhland. (= Schöninghs
Ausg. [s. 0. N. 60], N. 18.) 105 S. M. 0,80. |[COIRW. 21, S. 3045.]1 — 90a) X F- Frosch. H. Weisniann. Ludwig d. Bayer.
E. Schausp. in 5 Aufz. v. L. Uhland. Schulansg. mit Anm. 4. Aufl. St.. Cotta. 1892 : ZOG. 44, S. 1105. — 91) A. H r u s c h k a. W. Shakespeare.
Julius Caesar. Für d. Schulgebr. her. (= Freytags Schulansg. [b. o. N. 62].) 100 S. M. 0,60. — 92) C. Carstensen. Erz. z. Vaterlands-
liebe in d. dtsch. Schule. (=: Samml. päd. Vortrr. her. v. W. Meyer- Mar kau N. 9.) Bielefeld, A. Helmich. 1.3 S. M. 0,40. —
93) R. Wernecke u. E. Wiessner. Dtsch. Volksschul-Lesebuch. Als Mittelpunkt für d. dtsch. Sprachunterr. 1. T. Mittel-
stufe. Gera, Hofmann. 1890. 224 S. M. 0,70. (Vgl. JBL. 1892 I 5 : 84/5.) — 93a) id., Dtsch. Volksschiillesebuch. Als Mittel-
punkt für d. Sprachunterr. II. T. Oberstufe. Gera, Hofmann. 1891. 463 S. M. 1,25. — 94) G. Ehrecke u. F. Hammer-
mann, Dtsch. Lesebuch für mehrklass. Volksschulen. 3. T. Oberstufe. B., Mittler & Sohn. 1892. 469 S. M. 1,80. (Ausg. B.
XIX, 432 S. M. 2,.30.) — 95) Dtsch. Lesebuch für höh. Lehranst. Her. v. Lehrern d. dtsch. Sprache an d. Kgl. Realgymn. zu
Döbeln. 4. T. 2. Abt. Obertertia. 2. Aufl. L., Teubner. VIII. 404 S. M. 2,40. — 96) J. u. W. Schanze. Lesebuch für
städt. u. gewerbl. Fortbildungsschulen in 3 aufsteigenden Kreisen. 3. Aufl. Wittenberg, Herrose. XII, 447 S. M. 1,60. —
97) K. Zettel, Dtsch. Lesebuch für höh. Lehranst. Umgearb. \. 3. Nicklas. 1. T. 8. Aufl. München. Lindauer. 1892. IV.
208 S. M. 1.50. — 98) Dass. 2. T. 8. Aufl. ib. IV, 225 S. M. 1,80. — 99) E. Eassmann, Dtsch. Lesebuch für untere
I 7 : 100-107 P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.
der Volksschule her kennen gelernt hat. Sehr beachtenswert finden wir den Grund-
satz, man solle nicht, was zu genauerer Behandlung- für spätere Zeit vorbehalten, in
den unteren Klassen vorwegnehmen, weil man dadurch nur das Interesse abstumpfe.
Dagegen wird jetzt leider fast grundsätzlich gefehlt. In der Prosa sind Aenderungen
des Textes vorgenommen, in Gedichten aber nicht. Der grammatische Anhang be-
schränkt sich auf Musterbeispiele. Norddeutschen Lesebüchern gegenüber fällt die
Betonung des Humors auf. — Rassmanns"^) Lesebuch für untere Klassen ist von dem
jetzigen Herausgeber mit den Grundsätzen der neuen Lehrpläne in Uebereinstimmung
gebracht. Neben grösster Betonung des Vaterländischen hat er jedoch auch der
griechischen Sag^e einigen Platz eingeräumt, weil ohne sie ein Verständnis unserer
klassischen Dichtungen unmöglich sei. Für Vorbereitung und Wiederholung erhält
der Schüler einen Anhalt in Fussnoten. Das Buch ist dazu bestimmt, in der Auf-
einanderfolge für mehrere Jahre in den unteren Klassen benutzt zu werden und zwar
bis einschliesslich Quarta. — Bücheler^^oj j^^^ \yQ[ seinem deutschen Lesebuch für
die unteren Klassen höherer Lehranstalten das Werk Brandauers vor Augen; er
richtet sich an 7 — 10 jährige Schüler, und es leitet ihn der Gedanke, dass ein Lese-
buch, seiner Natur nach zum Lesen bestimmt, eben nur dazu verwendet werden sollte.
So will er demi besonders einen Stoff bieten, an dem die Knaben lernen können, gut
und schön zu lesen; diese Kunst sollte nach dem Wunsche des Vf. weit mehr, als
es geschieht, fleissig geübt werden. — In Führers ^"') Lesebuch für die unteren
Klassen höherer Lehranstalten sollen folgende Grundsätze verwirklicht werden: 1) F.
richtet sich gegen die übliche Zersplitterung des Stoffes und sucht alle Stücke einem
einzigen Gebiete zuzuweisen: dem Deutschtum im weitesten Sinne. Ein deutsches
Lesebuch dürfe kein „Realienbuch" werden. Eine Ausnahme bilden nur die Sagen
und Geschichten des klassischen Altertums, weil deren Behandlung nach den
Lehrplänen dem deutschen Unterricht zugewiesen ist. Daher bildet dieser Abschnitt
einen besonderen Anhang des Lesebuches. 2) Statt unveränderter Abschnitte aus
Schriftstellern bietet der Vf. eigene Bearbeitungen, die nach didaktischen Zwecken
durchgeführt sind. Nicht für zulässig hält F. dieses Verfahren bei Stücken, die
„zur schönen Litteratur" gehören, also auch nicht bei den Grimmschen Märchen, obgleich
sich hier die meisten Herausgeber willkürliche Veränderungen gestatten. 3) Die Ge-
dichte sind nicht nach den Gattungen, sondern nach den Dichtern geordnet; dies
soll einer Einführung in die Litteraturgeschichte zu gute kommen. Der vorliegende
Teil ist für die 3 unteren Klassen bestimmt; jeder Klasse ein besonderes Lesebuch
zuzuweisen, hält der Herausgeber für wenig ratsam. — Von Dadelsens '*'2) schon
früher (JBL. 1892 I 5 : 78) besprochenem Lesebuche für Sexta folgt in diesem Jahre die
Ausgabe für Quinta. Die gebotenen Stoffe sind auch in diesem Bande nach pädagogisch-
didaktischen Rücksichten umgestaltet; insbesondere ist darauf geachtet, dass kein
Lesestück den der Lehi^stunde angepassten Umfang überschreitet. Der grammatische
Anhang schliesst sich an Lyon, die Satzlehre vorwiegend an Franz Kern an. Die
Stücke, in denen deutsche Mythologie und Sage dargeboten werden, scheinen uns
recht wohl gelungen zu sein. — Die von Hessel ^*^^~*"^) zusammengestellte Muster-
prosa zeichnet sich durch lebhaften, fesselnden Ton aus. Den Wert erhöht eine Anzahl
praktisch angelegter Register, in deren einem Uebersicht über gleichartige Prosastücke
gewährt wird. IDieser als „Untere Mittelstufe" bezeichneten Sammlung entspricht
auch ein Bändchen „Mustergedichte", über deren Verhältnis zu anderen Ausgaben
desselben Vf. die Vorbemerkung zu vergleichen ist. Auch in diesem Buche ist der
rechte Ton getroffen. — Salzmanns i^^) Sammlung ausgewählter Gedichte soll eine Er-
gänzung zum württembergischen Volksschullesebuch bilden. Auch ein Familienbuch
will er damit schaffen. Den Abschluss bilden religiöse Gedichte Geroks und Spittas. Der
Anhang (Poetik und litterargeschichtliche Bemerkungen) hält sich didaktisch in der
rechten Begrenzung. — Eine Auswahl deutscher Gedichte und Lieder für Gymnasien hat
das Lehrerkollegium des Kgl. Gymnasiums zu Minden zusammengestellt *06). Das
Bändchen umfasst Gedichte für die Klassen Sexta bis Sekunda einschliesslich. Etwa 20
Gedichte werden auf einem Beiblatt besonders aufgeführt mit der Bestimmung, dass sie
in den folgendenKlassen zu wiederholen sind. Zum Auswendiglernen in II sind Abschnitte
aus „Teil" und der „Jungfrau" ausgewählt; für O III auch hier, wenn auch nur teilweise,
die bei weitem zu schwierige „Glocke". — Rademachers 'O'') Sammlung liegt der Ge-
Klassen höh. Lehranst. 4. Aufl. Her. t. J. Trenge. Münster i. W., Coppenrath. XVI, 517 S. M. 2,80. — 100) Bücheier,
Dtsch. Lese- n. Sprachbuch für d. unteren Klassen höh. Lehranst. 4. Aufl. St., J. B. Metzler. 396 S. M. 1,50. —
lOlj A. Führer, Dtsch. Lesebuch auf Vaterland. Qrundl. Für d. unteren Klassen höh. Lehranst. Münster i. W., Aschendorf.
XX, 402 S. M. 2,60. — 102) H. v. Dadelsen, Dtsch. Lesebuch für höh. Schulen. 2. T. Für Quinta. Strassburg i. E.,
C. F. Schmidt. XL 246 S. M. 2,00. - 103) R. Kessel, Musterprosa. 2. T. Unt. Mittelstufe. Bonn, Weber. 203 S. M. 1,30.
— 104) id., Mustergedichte. Z. Schulgebr. II, 1. Unt. Mittelstufe, ib. 1891. 144 S. M. 1,00. — 105) E. Salzmann, Ausgew.
Gedichte für d. Schulgebr. Mit e. Abriss d. Poetik u. mit Notizen über d. Dichter. St., Glaser & Sulz. 1892. VUI, 168 S.
M. 0,75. — 106) Auswahl dtsch. Gedichte u. Lieder für Gymn. u. Realgymn. Zusuromengest. vom Lehrer- Kolleg, d. Gymn.
u. Bealgyro. zu Minden. Minden, W. Köhler. 63 S. M. 0,50. — 107) 11. Rademacher, Ausw. volkstüml. Lieder n. Gedichte
P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule. I 7 : 108-129
danke zu Grunde, dass der Lehrstoff für Deutsch und Sing-en nicht getrennt werden dürfe.
Wenn das Volkslied auch dem Texte nach fest eing-epräg-t und verstanden werden
solle, so müsse der Kanon der Volkslieder und Gedichte einheitlich sein; und zwar
sei eben nur das aufzunehmen, was wirklich volkstümlich geworden. Die Sammlung
ist alphabetisch nach Dichtern und Stufen geordnet und umfasst einen Doppelkanon :
So wechseln sangbare Lieder und Gedichte zum Vortrage in bunter Folge mit ein-
ander ab. Der Anhang giebt eine Anzahl geschickt ausgewählter Volkslieder. —
Ein bei Helmich in Bielefeld erschienenes Heft^''*) bringt Gedichte für die Klassen
VI— III einschliesslich, im ganzen 43, und zwar immer in zwei Abteilungen, deren
erste sich zum mündlichen Vortrage eignet, während die zweite sangbare Lieder
umfasst. Letzterer ITmstand ist freudig zu begrüasen, da es den Knaben bekanntlich
immer an Kenntnis des Textes der schönsten Lieder fehlt. Es ist sehr praktisch,
dass der Gymnasiast so alles, was er von deutschen Gedichten auswendig lernen
sollte, in handlicher Form zusammen besitzt. — Lindner i**^) liefert in seinem
Vaterländischen Gedichtbuche eine Fortsetzung des schon früher (vgl. JBL. 1892
I 5 : 80) dargelegten Unternehmens für Kadettenanstalten. Der Band reiht sich
offenbar würdig an den vorigen. Die Register gewähren eine praktische Uebersicht.
In der Aufeinanderfolge lassen sich überall feine Gedankenzusammenhänge erkennen.
Willkommen ist auch der Anhang, der neben Gedichten Walthers eine Anzahl von
Volksliedern bietet. — W. Schäfer ^^^^j bietet eine Auswahl aus deutschen Dichtern
des 18. und 19. Jh. Die Anordnung folgt im wesentlichen litterargeschichtlichen
Gesichtspunkten; bei der Auswahl wird auch der pädagogischen Erwägung von
Inhalt und Form Rechnung getragen. Die Beispiele beginnen mit Haller und
schliessen „mit den würdigsten" Dichtern der Gegenwart ab. Gottfr. Keller, Konr.
Ferd. Meyer, Arthur Fitger, Heinr. Bulthaupt treten hier besonders hervor. Zu
kurzen biographischen Notizen, von welchen die Beispiele begleitet sind, tritt als
Einleitung' eine knapp gehaltene Uebersicht der Litteraturgeschichte von Haller bis
zur Gegenwart. Aenderung der Texte ist nur selten vorgenommen; hin und wieder
jedoch sind für den Zweck störende Strophen wegg-elassen worden: So in Bürgers
„Lied vom braven Mann", in Schlegels „Arion", in Klopstocks „Zürcher See". In
einem Anhange werden die Grundzüge der deutschen Metrik entwickelt (S. 577 — 88).
Einiges Hesse sich hier noch knapper fassen, z. B. § 13: Die Verschiedenheit der
Reime nach ihrer Stellung; ebenso vieles von § 24 ab (die romanischen Strophen-
formen). Im grossen und ganzen aber wird man das Buch zu den besten seiner Art
rechnen dürfen. — Ziegler ^i^) liefert eine Sammlung von Gedichten aus poetischen
Werken deutscher Volksschullehrer. Auf den tendenziösen Zweck dieses Buches
kann hier nicht eingegangen werden: Uns kann es nur als Anthologie gelten. Als
solche ist es für die Schule nicht verwendbar ; doch findet sich sonst viel Anregendes
darin. 112-1333 -
f6r höh. Lehranst. n. Mittelschulen. Hannover, C. Meyer. XI, 295 S. M. 1,60. |[A. Paul: COIRW. 21, S. 6356; R. Löhner:
ZOG. 44, S. 1001 2.] I ~ 108) Ausw. dtsch. Gedichte n. Lieder für d. Gymn. u. Realgymn. 2. verh. Aufl. Bielefeld, Helmich.
44 u. UI S. M. 0,45. — 109) Fr. Lindner, Vaterland. Gedichtbuch, e. Samml. auserles. dtsch. Gedichte. B., Mittler & Sohn.
XXIII, 360 S. M. 3,00. — 110) J. W. Schäfer, Ausw. aus dtsch. Dichtern d. 18. u. 19. Jh. für Schule n. Haus. 4. Aufl.
Bremen, Heinsius. XXXVI, 588 S. M. 3,.50. |[R. Schneider: COIRW. 21, S. 26. 718.]) - 111) C. Ziegler, Dichter im dtsch.
Schulhause. Bielefeld, Helmich. 12". 382 8. M. 4,50. [[Paedagogium 15, S. 687; F. Goebel: KZEÜ. S. 564.]| (Vgl. V.
Winkler, Dichter im dtsch. Schnlhause [=: Samml. päd. Vortrr., her. v. Wilh. Mey er-Markau. Bd. 6, N. 9. Bielefeld,
Helmich. 18 S. M. 0,40], S. 159.) — 112) X X Lesebuch für höh. Lehranst. I.-UI. Abt. v. J. Hopf u. K. Paulsiek, neu bearb.
V. K. Paulsiek u. Chrn. Muff. IV.-VL Abt. y. Chrn. Muff. B., Grote. XVL 242 S.; X, 396 S.; XH, 398 S.; XII, 348 S,;
XII, 364 S. M. 11,50. — 112 a) X A.. Engelien u. H. Fechner, Dtsch. Lesebuch. Aus d. Quellen zusammengest. Ausg. A. 5 T.
5. stark verm. Aufl. (B., Wilh. Schnitze. 1892. XVL 448 u. XXVIII. S. M. 2,40): Paedagogium 1.5, S. 273. — 113) X X -T-
Hopf u. K. Paulsiek, dtsch. Lesebuch für höh. Lehranst. 2. T. Her. v. R. Foss. 2. Abt. Für Obersekunda u. Prima. 2 Ab-
schnitte. B., Mittler & Sohn. VIII, 150 S.; XIV, 410 S. M. 4,50. |[C01RW. 21, S. 95/6, 304.]| — 114) XX A. Baldi u.
A. Brnnner, Lese- u. Hilfsbnch für d. Unterr. im Deutschen an Gyran. u. anderen höh. Bildungsanst. 2. Aufl. Bamberg,
Büchner. XVI, 507 S. M. 4,00. (D. neuen Stücke d. 2. Aufl. M. 0,40.) — 114 a) X Barthel-Wirths dtsch. Lesebuch. (Vgl.
JBL. 1892 I 5:76.): COIRW. 21, S. 372. — 115) XX H- Dad eisen, Dtsch. Lesebuch für höh. Schulen. 1. Sexta. 2. Aufl.
3. Quarta. Strassburg i. E., Bull. XH, 244 S.; XL 244 S. ä M. 2,00. — 116) XX P- Hellwig, P. Hirt u. ü. Zernial,
Dtsch. Lesebuch für höh. Schulen. 3. T. Quarta. Dresden, Ehlermann. VIIL 312 S. M. 2,00. — 117) XX K- Hansen,
Dtsch. Lesebuch. 1.-4. T. Dnrehges. u. her. t. F. Hofl"meyer. Braunschweig, H. Wollermann. 1. T. 25. Aufl. VIIL 160 S.;
M. 1,00; 2. T. 25. Aufl. VIII, 208 S.; M. 1,25; 3. T. 20. Aufl. VIII, 244 S.; M. 1,35; 4. T. 12. Aufl. VIH, 276 S.; M. 1,40.—
118) XX L- Voigt, Dtsch. Lesebuch für Handelsschulen. 2. Aufl. Dresden, A. Huhle. VID, 320 S. M. 2,40. — 119) XX R-
Becher, R. Börner, Rob. Richter u. 0. Zimmermann, Dtsch. Lesebuch für Realschulen u. verwandte Lehranst. (In
3 T.) 1. T. L., Dürr. VL 400 S. M. 2,50. — 119a) X Th. Vogel, Was soll u. kann im dtsch. Unterr. d. Unter- u. Mittel-
klassen d. Lesebuch leisten?: NJbbPh. 148, S. 1-11. — 120) XX A.. Ernst u. J. Tews, Dtsch. Lesebuch für Mädchenschulen.
In 4 Bdn. L., J. Klinkhardt. XVL 704 S. M. 4,50. - 121) XX H. Kletke u. H. Sobald, Lesebuch für höh. Mädchen-
schulen mit Berücksicht. d. Unterr. in d. Litt.-Gesch. 8. Aufl. Altenburg, Pierer. XXU, 594 S. M. 4,00. — 122) XX 0.
Schmidt u. H. Schillmann, Dtsch. Lesebuch für mehrklass. Schulen. Ausg. für Ost- u. Westpreussen. Bearb. v. Fr.
Tromnau. 5 Tle. L., Klinkhardt. 100 S.; 156 S.; 219 S.; 258 S.; 342 S. M. 4,65. -123) XX Fr. Mair, Dtsch. Lesebuch für d.
Bürgerschulen Oesterr. 3 Tle. Wien, Graeser. 224 S ; 252 S.; 251 S M. 1,60. — 124) XX Dtsch. Lesebuch für d. Sekundär-
schulen d. Kantons Basel-Stadt. 2 Tle. 3. Aufl. Basel, Reich. VIII, 216 S.; Vm, 231 S. M. 2,20. — 125) XX Dtsch. Lese-
buch für mehrklass. Schulen. In 4 Stufen. Her. v. e. Komm. d. Schnldirektoren Leipzigs. 1. Stufe. L., Dürr. VIII, 184 S.
M. 0,75. — 126) XX B- Schultheiss, Kanon dtsch. Gedichte u. Lieder für höh. Lehranst. 3. Aufl. Danzig, Kaufmann. 87 S.
M. 0,70. — 127) XX F. Speyer, D. Texte d. Gedichte in unsern dtsch. Lesebüchern. Progr. Berlin. 4". 17 S. — 128) X A.
Brunner, G. Wendt, Dtsch. Lesebuch (vgL JBL. 1891 I 7:84): BBG. 28, S. 113. — 129) XO. Foltz, A. Ernst n. J. Tews,
17: 130-139 P. Goldscheider, Die Litteratur in der Schule.
Leitfäden der Litteraturg-eschichte und Poetik. Die Litteratur-
g"eschichte, welche Max Kochi^*) für die Sammlung' Groschen geliefert hat, ist für
Schüler auch der obersten Klassen zu schwierig gehalten; dagegen wird sie dem
Fachmann sehr willkommen sein, der in gedrängter Kürze eine Uebersicht über das
Wesentliche erhält; an manchen Stellen wird, wie uns scheint, etwas gar viel zu-
sammengedrängt, so dass inhaltlich Dunkelheit, sprachlich Härte hervortreten. Man
vergleiche z. B. den Satz S. 15, „der Messiassäng-er" usw. oder die Inhaltsangabe des
Tegernseer Ludus S. 69. Lyon rühmt an Kochs Werk insbesondere die unmittelbare
Anschauung der Quellen, die nationale Empfindung, die Berücksichtig'ung der zeit-
genössischen Litteratur. — C a r s t e n"s e n s ^^^^) „Aus dem Leben deutscher Dichter" ist für
Kinder bestimmt. Trotzdem müsste doch auch in diesem Falle die nötige Gewissen-
haftigkeit in Ueberlieferung- des Thatsächlichen gewahrt werden : Friederike war nicht
des „Pfarrers jüngste Tochter", Wieland nicht „der greise Wieland", als Goethe
nach Weimar kam; „Faust" I erschien nicht 1806 usw. Sonst ist vieles recht an-
schaulich und lebhaft dargestellt, obgleich nicht immer geschmackvoll ausgewählt.
Es sind 11 kurze Biographien, jeder einzelnen ist ein Porträt beigegeben. Praktisch
sind vergleichende Hinweise auf frühere Stellen. Der Stil freilich ist nicht vorbildlich
genug : S. 34 spricht C. bei Erwähnung der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller
von einer „gegenseitigen neidlosen Reinheit". S. 152: „machte gute Fortschritte
und seinen Lehrern viel Freude" (Rückert). — Haehnels^^öj Uebersicht der deut-
schen Litteraturgeschichte war ursprünglich als Anhang des Lesebuches von Kummer-
Stejskal gedacht; dieser Zusammenhang ist auch in der 2. Auflag-e nicht aufgegeben,
aber es findet eine Ergänzung und Erweiterung statt. Hinzugefügt sind ausser einem
Abriss der neuesten Litteraturgeschichte auch Uebersichtstafeln über Leben und Werke
der Klassiker. Das alte Hildebrandslied sollte übrigens doch nicht (S. 6) als „dürf-
tiges" Bruchstück bezeichnet werden! — Voigts^**^) „Hülfsbüchlein" wendet sich
insbesondere an die kommerziellen Schulen, und zwar soll es den höheren derartigen
Anstalten als Leitfaden für Wiederholungen dienen, den niederen als hinreichendes
Lehrbuch. Es müsste jedoch grössere Sorgfalt auf die Einzelangaben verwandt werden,
vgl. über Herders Geburt, Schreibweise von Matthias Claudius, Definition des Be-
griffes „deutsche Litteratur". — Seehau ssens'^") Litteraturkunde will nur die wich-
tigsten Erscheinungen der deutschen Litteratur bieten, in knapper, jedoch zusammen-
hängender Darstellung. Dabei soll auch thunlichst der Zusammenhang des W^erkes
mit dem Geiste der Entstehungszeit und mit dem Lebensgange des Dichters klar-
gelegt werden. Die im Anhange gegebene Poetik ist zu geieg-entlicher Wiederholung
der aus der Lektüre gewonnenen poetischen Gesetze bestimmt. Das Schriftchen er-
scheint uns sehr wohl praktisch verwertbar; besonders dürften die kurzen Biographien
der neueren Dichter den jetzigen Forderungen des Regiements gegenüber willkommen
sein. Die Anzahl der Werke ist überall sorgfältig begrenzt, auf die hervorzuhebenden
Gedichte wird aufmerksam gemacht, meist zugleich mit Angabe des Titels und des
Anfang-es. Hin und wieder wird man sachlich verletzt (vgl. S. 54 das über Jung-
Stilling Bemerkte). — Kolcks^^sj ,, Grundzüge der deutschen Poetik" waren ursprüng-
lich für Landwirtschaftsschulen oder ähnliche Anstalten bestimmt, sind dann je-
doch erweitert. Der Vf. hat das Bestreben gehabt, die von ihm aufgestellten Be-
griffe durch Beispiele zu erläutern, die zugleich einen besonderen moralischen oder
ästhetischen Wert besitzen. Andererseits wollte er aber auch den Fehler vermeiden,
welchen viele ähnliche Bücher begehen, nämlich durch Reichhaltigkeit zu verwirren.
Im einzelnen würden wir manches noch anders wünschen (z. B. bei den Begriffen
Prosa, Caesur, Epigramm); im ganzen jedoch ist hier sicherlich mit gutem Takt der
rechte Ton getroffen. — In H ü 1 1 m a n n s ^^^) Leitfaden der Poetik macht sich eine
weitschweifige und unfruchtbare Nomenklatur breit. Da wird das Epos eingeteilt in
heroisches, romantisches, bürgerliches, religiöses. Die poetische Epistel gehört der
lyrischen, epischen oder didaktischen Poesie an! Sieben Arten des Rätsels werden vor-
geführt, mit schwierigen und gelehrt klingenden Namen. Die Erklärung der Begriffe
ist zum Teil höchst verwunderlich: Der Roman unterscheidet sich von dem Epos da-
durch, dass er in das „gegenwärtige Leben greift". Die Novelle enthält eine Be-
gebenheit „aus dem Leben eines bedeutenden Menschen". Auch an Sorgfalt der
Dtsch. Lesebuch für Mädchenschnlen: PaedSt. 13, S. 54,'6. — 130) X J- Härtung, D. dtsch. Lesebuch in d. unteren n. mittleren
Klassen höh. Lehranst.: ZGyran. 26, S. 121-33. — 131) X H- Schiller, Dtsch. Lesebücher: ib. S. 725-30. — 132) X H.
Winther, F. Linnig, Dtsch. Lesebuch (vgl. JBL, 1891 I 7:79): ib. S. 312. — 133) X J Nieden, Dtsch. Gedichte (vgl. JBL.
1891 I 7:89): PaedSt. 13, S. 191/2. — 134) (I 1:88) |[0. Lyon: ZDü 8, S. 146,8.J| — 134a) C. Carstensen, Aus d.
Leben dtsch. Dichter. Für Schule u. Haus. Braunschweig u. L., H. Wollermann. IV, 156 S. M. 1,00. — 135) R. Haehnel,
Uebersicht d. dtsch. Litt.-Gesch. Als Hilfsbuch für Wiederholungen. 2. Aufl. Wien, Manz. 90 S. M.0,60. — 136) L. Voigt,
llilfsbüchlein für d. dtsch. ünterr., enth. d. Wic)itiggte aus d. Litt.-Gesch., Metrik u. Poetilc. Wien, Holder. 1892, 32 S.
Fl. 0,20. — 137) K' Soehaussen, Litt.-Kunde für mittl. u. höh. Lehranst. Nebst e. kurzen Poetik. Gütersloh, Bertelsmann.
VII, 108 S. M. 0,60.- 138) H. ,1. Kolck, Grundzüge d. dtsch. Poetik. Z. Gebrauche an höh. Lehranst. wie z. Selbstunterr.
Münster i. W., Aschendorff. 1892. 68 S. M. 0,75. — 139) J. F. Hüttmann, Litt.-Kunde. Leitfaden d. Poetik für Mittel-
H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7 : t4o-i5i I 8 : 1-2
Sprache fehlt es, Druckfehler in, Namen treten störend hei'vor. — Leipolds **<*)
Tjitteraturg-eschichte soll „Schuldienstexspektanten" zur Wiederholung- dienen, daneben
aber auch für Mittelschulen, Lehrerseminarien usw. brauchbar sein. Die Einteilung
verläuft in fünfzig- Kreisen, ein Anhang- über Metrik und Poetik ist hinzugefügt. Hin
und wieder wird auch die einschlägige Litteratur des Auslandes vermerkt, auch finden
sich Hinweise auf die gleichzeitigen politischen Verhältnisse. Dieser Plan an sich
wäre nicht verwerflich, wenn nur nicht die Ausführung einen so dürftigen Eindruck
machte. Der Vf. ist offenbar wissenschaftlich seinem Unternehmen nicht gewachsen.
Vgl. Kreis 50: Populärwissenschaftliche Schriftsteller (Scherer, Grimm, Humboldt,
Ranke u. a.) ; S. 26 die Darstellung des Humanismus ; ferner was S. 34 über Shakespeare
bemerkt wird ; S. 45 über Homer ; ebendort wird sogar Catull mit dem Feldherrn
Lutatius Catulus verwechselt! — Heilmanns ^*^) Geschichte der deutschen National-
litteratur ist hauptsächlich für Lehrerbildungsanstalten bestimmt. Das Buch dient
seinem Zwecke in recht brauchbarer Weise : Es ist offenbar mit grossem didaktischen
Geschick angefertig-t und kann auch Gymnasien empfohlen werden. Der Lehrstoff
ist überall nach praktischen Gesichtspunkten vereinfacht; Nomenklatur tritt möglichst
zurück, die Hauptwerke werden eingehender behandelt. Dabei sind die besten Hülfs-
mittel benutzt worden; auf selbständig-es [Jrteil verzichtet H. meistens. Hin und
wieder überschreitet das Schulmeisterliche die Grenze und drängt sich störend und ge-
schmacklos vor, z. B. wenn es über Geliert heisst: „Gest. 1769 (Geburtsjahr Napolons I.)",
oder über Bürger: „1747 geb. und erst 47 Jahre alt — gestorben." '42-1 5 1) (Vgl. auch
I 12 : 29—42.) -
1,8
Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
Hermann Wunderlich.
Allgemeines: Philosophische Betrachtung des Sprachlebens N. 1; philosophische Grammatilc und Weltsprache
N. 3; Ursprung der Sprache N. 5; Sprache nnd Logik N. ß. — Konstitutive Faktoren der Schriftsprache: Kanzlei
und Buchdruck N. 8. — Mundarten N. 12. — Individxielle Einflüsse: Schriftsteller: Luther, Pischart N. 29; Lessing, Wieland,
Goethe, Schiller N. 36; Hebel, Platen, Heine, Ludwig I. von Bayern, Bismarck N. 48. — Theoretiker: Schottel, Sprachgesell-
schaften, A. Möller, Ph. M. Hahn, J. J. Spreng, J. Grimm N. 54. — Erscheinungsformen: Historische Betrachtung: All-
gemeines N. 61; Orthographie und Phonetik N. 67; Formenlehre, Wortbildung N. 75; Syntax N. 85; Stilistik N. 92; Wortschatz
N. 100. — Polemische Darstellung: Prinzipielle Gegensätze N. 122; der Kampf um die Sprachdummheiten N. 130; Stil, Bernfs-
und Standessprachen (Sprache der Zeitungen, der Romanschreiber, der Schule, der Wissenschaft, der Juristen, der Kanfleute)
N. 136; Fremdwörterfrage (Studentensprache, Heeressprache) N. 150. —
Es lässt sich nicht verkennen, dass auf unserem Gebiete von Jahr zu Jahr
die Neigung wieder anwächst, neben der Erforschung oder Bekämpfung einzelner That-
sachen auch den allgemeineren Ergebnissen nachzuspüren, die Zusammenhänge
aufzudecken, in denen die Einzelheiten sich verknüpfen. Dieses Bestreben des
Zusammenfassens und tieferen Erg-ründens tritt selbst an den Einzeldarstellung-en
deutlich hervor, um so kräftig-er natürlich muss es sich g-eltend machen bei der
Erörterung- von Prinzipienfrag-en, wie sie im Berichtsjahre zusehends an Raum ge-
winnt. Im besonderen ist es die Philosophie mit ihren Disciplinen, die den
Zusammenhang- mit der Betrachtung- des Sprachlebens wieder eng-er knüpft.
Teilweise allerdings tragen hier auch Neuausg-aben und Sammelwerke bei, in denen
einschlägig-e frühere Arbeiten neu aufg-eleg-t werden. So zog- sich schon durch die
Aufsätze und Recensionen Wilhelm Scherers, die nun von Burdach^) g-esammelt
sind, der Gedanke, dass die verg-leichende Sprachwissenschaft der Philosophie bis-
lang- zu wenig- in die Hände gearbeitet habe, und dass es um so mehr Pflicht sei,
schulen u d. mittl. Klassen höh. Lehranst. Stade, Schaumbnrg. VI, 57 S. M. 0,65. |[R. Schneider: COIRW. 21, S. 568.]|
— 140) E. Leipold, Dtsch. Litt -Gesch., in 50 Kreise abgeteilt, nebst e. Anh. über Metrik u. Poetik. Straubing, Attenkofer.
VIII, 136 S. M. 1,20. - 141) (I 1 :85 b.) - 142) XX (I 1 :84.) - 143) X X (I 1 = 79.) — 144)XXW. Schwahn, Grnnd-
züge d. dtsch. Poetik. E. Leitfaden für höh. Lehranst. Hamburg, Kriebel. 42 S. M. 0,80. — 145) X C. Beyer. Kleine Poetik.
Für höh. Schulen u. z. Selbstunterr. St., Dtsch. Verlagsanst. 12". VIII, 127 S. M. 1,00. — 146) XX J- E. Haselmeyer,
Dichtungslehre (Poetik) für d. oberen Kurse d. Realsch. Bayerns u. verwandter Anst. 2. Ausg. Würzburg, Staudinger. 112 S.
M. 1,20. — 147) X Th Hoffmann u. K. Neumann, Inhaltsangaben v. 20 Kirchenliedern. Z. Schulgebr. für Mittel- u, Ober-
stufe. Görlitz, Groetschel. 26 S. M. 0,30. — 148) X W. Rübenkamp, D. Bedeutung Schillers für d. Jugend: Paedagogium.
14, S. 29-37. — 149) X 0. Lyon, Abriss d. dtsch. Litt.-Gesch. 3. Aufl. (= Handbuch d. dtsch Sprache für höh. Schulen.
3. Abt.) L., Teubner. VII, 142 S. M. 1,60. i[LZgB. N. 95.]1 (Vgl. JBL. 1890 I 7:100.) — 150) W. Herbst, Hilfsbuch für d.
dtsch. Litt.-Gesch. z. Gebrauch d. obersten Klassen d. Gymn. n. Realsch. 6. Aufl. (Gotha, Perthes. 1892. X, 69 S. M. 0,80.):
COIRW. 21, S. 309-10. — 151) X ^.d. Paul, P. Strzemcha, Gesch. d. dtsch. Nationallitt. Z. Schulgebr. u. z. Selbstunterr.
bearb. 5. Aufl. Brunn, R. Knauthe. 1892. 202 S. : ib. S. 379. -
1) (I 1:117; 2:2.) — 2) R- Kleinpaul, D. Leben d. Sprache u. ihre Weltstellung. 3 Bde. 1. Sprache ohne
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 16
I 8:3-7 H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
litterarische Erscheinungen zu beobachten, welche diese beiden Wissenschaften ein-
ander nähern können. — Wenig- Förderung- nach dieser Seite gewährt die Sammlung,
in der KleinpauP) seine früheren Arbeiten vereinigt hat. —
Das Verhältnis von Sprache und Vernunft führt auf die philosophische
Grammatik, in der das 17. und 18. Jh. den Gedanken einer Weltsprache zu ver-
wirklichen suchten. Max Müller 3), der im zweiten Bande seiner Vorlesungen über
die Wissenschaft der Sprache neben einer Reihe der im Vordergrunde stehenden Pro-
bleme auch diese Frage streift, verdanken wir nicht eigentlich eine Klärung der
Sachlage. Es hätte hier eigentlich nahe gelegen, zu betonen, wie eng diese Art
von Universalsprache in ihren Existenzbedingungen an die Schrift gebunden war,
und wie sie gegen ihre eigene Natur kämpfte, als sie in die mündliche Sprachform
übergriff. — Die neueren Versuche solcher Gemeinsprache fasst Gustav Meyer*)
in einem seiner Aufsätze ins Auge, indem er vor allem den Gegensatz zwischen den
theoretischen Bestrebungen des vergangenen Jh. und unserer auf das Praktische
gerichteten Zeit kräftig herausarbeitet. Wenn M. dann die Bedürfnisfrage verneint
und andererseits die Brauchbarkeit der einzelnen Systeme schon durch das Auf-
kommen neuer Spielarten gefährdet sieht, knüpft er an Thatsachen an, die auch dem
einfachen gesunden Menschenverstände offen liegen. Von besonderer Bedeutung für
unseren Zusammenhang ist es aber, dass sich diese Beweisführung zu Ausblicken auf das
Werden und Leben der Sprache erweitert, die ungesuoht Anknüpfungen an Probleme
anderer Art darbieten. —
So steht die hier berührte Frage nach dem Ursprung der Sprache und
nach der Art der Sprachschöpfung auch sonst im Vordergrunde. Die Philologie ver-
mag ja nur den kleinsten Teil des Weges, den die Sprache durchmessen hat, mit
ihrer Arbeit zu belegen, weit nach rückwärts sieht sie sich auf Schlüsse aus dem
Vorliegenden angewiesen. Die Theologie nimmt dieses dunkle Gebiet gerne für ihre
Mittel in Beschlag und so legt auch Giesswein^), nachdem er die vergleichende
Sprachwissenschaft ziemlich bis zu ihren Endergebnissen verfolgt hat, in die weit
klaffende Lücke seinerseits die dem Menschen „innewohnende göttliche Kraft", die
ihn erst befähige, die leblosen Laute zu beseelen. Der Vf. findet mit dieser Hypo-
these auf protestantischer Seite mehr Zustimmung als auf katholischer. —
In dieses Grenzgebiet der Philologie, die Erforschung des Verhältnisses von
Sprache und Logik, dringt vom entgegengesetzten Standpunkt Marty^) ein, und
ihm verdanken wir in der That den Hinweis auf einige lebenskräftige Elemente
in dem Werdeprozess der Sprache. Die innere Sprachform, namentlich in ihrem
Gegensatze zum Sprachinhalt, verfolgt er in alle Verzweigungen der Bedeutungslehre,
der Wortverbindungen und Satzverknüpfungen, und so erschliesst er diesem konsti-
tutiven Faktor der Sprache ein neues, weit ausgedehnteres Gebiet. Die Fügungen und
Wendungen der Syntax heben sich auf diese W^eise viel deutlicher von dem Untergrunde
der inneren Sprachform ab, der ihnen doch immer wieder das Vermögen zuführt, in ihrer
Eigenart zu beharren. Auch die Figuren des poetischen Stils erhalten hierdurch
überraschende neue Deutungen, die es uns viel leichter machen, ihre Wurzeln in der
primitivsten Sprachbildung aufzuspüren. Gelegentlich freilich dehnt M. den Gebrauch,
den er von dem fruchtbaren Prinzip macht, gar weit aus, so wenn er an seiner Hand
die Kategorien der Grammatik und die Uebergänge unter diesen durchmustert und
überall die Verwechslung von innerer Sprachform und Sprachinhalt wittert. So glaubt
er, dass hierauf allein das „Dogma von der Zweigliedrigkeit des Urteils", das er ver-
wirft, beruhe; er verlegt in den entsprechenden Sätzen bald das Subjekt, bald das
Prädikat in die innere Sprachform, die „nur als Rudiment" aus einer anderen Klasse
von Urteilen herüberwirke, aber man bekommt hier den Eindruck, als ob mit dem
Terminus der „inneren Sprachform" zunächst ein Mittel gewonnen sei, das uns wohl
aus einem Irrwege zurückleitet, das aber doch nicht eigentlich an das Ziel selbst
führt. Eng damit hängt die vielerörterte Frage von den unpersönlichen Konstruktionen
der Zeitwörter zusammen, die von Philosophen und von Grammatikern eifrig besprochen
wird. M.s Auffassung ist auch hier von vornherein gegeben, mir scheint dagegen
gerade hier eine genauere — von der Sprachgeschichte vollzogene — Gliederung der
einzelnen Fälle geboten, wie sie freilich weder von Kaindl"") noch von seinen Recen-
senten gefördert wird. —
Worte. Idee e. allgem. Wissensoh. d. Sprache. 2. D. Stromgebiet d. Sprache. Ursprung, Entwicklung u. Physiologie. 3. D.
Eätsel der Sprache. Grundlinien d. Wortdeutnng, L., W. Friedrich. 1888-92. 456 S.; 527 S.; 498 S. M. 24,00. — 3) Max
Müller, D. Wissensch. d. Sprache. Nene Bearbeit. d. in d. J. 1861 u. 63 geh. Vorlesungen. 2. Bd. L., Gngelmann. 722 S.
M. 14,00. (Vgl. JBL. 1892 I 6:1.) -4) (I 2:49; S. 1-46, 366/7.) [[A. Schlossar: BLU. S. 361; E. Was serzieher: ASNS. 11,
8. 271/3.]| — 5) A. Giesswein, D. Hauptprobleme d. Sprach wissensch. in ihren Beziehungen z. Theol., Philos. u. Anthropol.
Preiburg i. B., Herder. 1892. VIII, 245 S. M. 5,00. |[A. Saleclt: BLU. S. 808/9; E. Hardy: Kath. 73, S. 571/4; ThLB 14,
S. 65/7.]| — 6) A. Marty, üeber d. Verhältnis v. Grammat. u. Logik. (= Symbolae Pragenses. Festgabe d. dtscb. Qes. für
Altertumskunde in Prag z. 42. Versamml. dtsch. Philol. u. Schulmänner in Wien 1893. Gedr. mit Unterstütz, d. Ges. z.
Förderung dtsch. Wissensch., Kunst u. Litt, in Böhmen. [Wien, Prag, Tempsky; L., Freytag. 222 S. M. 8,00.], S. 99-127) - 7)
H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. [8:s-i8
Unter den konstitutiven Faktoren der Schriftsprache im
besonderen kommen die Kanzlei und der Buchdruck als diejenig-en in
Betracht, die über die Mundarten hinweg eine Einigung erzielt haben. Die
Kenntnis der Kanzleisprache hält sich noch immer in Umrissen. In einer der
älteren Sprache g-ewidmeten Dialektstudie wendet sich Böhme^) geg-en An-
schauungen von Braune und von Nebert (vgl. JBL. 1891 I 8 : 2j, welche die
Neigung" zeigen, Neuerungen in einzelnen Kanzleien an bestimmte Personen und
bestimmte geschichtliche Ereignisse zu knüpfen. B. zeigt dem gegenüber aus
neuen Urkunden, inwiefern diese Bewegungen allgemeineren Charakters sind und
einem beginnenden Uebergewicht oberdeutscher Schreibweise entspringen. Jedenfalls
zeigt die Leichtigkeit, mit der hier die Ergebnisse aus einzelnen Urkunden durch
entgegengesetzte aus anderen umgestossen werden, dass die einzelnen Gebiete erst
voller ausgebeutet werden müssen, ehe wir ein sicheres Bild gewinnen. — Solch
ein Bild zeichnet mit festen Strichen Scheel^) für die Kanzleisprache von Köln.
Nach einer Einleitung, die etwas einseitig die Anschauungen Edw. Schroeders
widerspiegelt (s. u. N. 30), betont er, wie gerade in Köln, weit mehr als an
anderen Druckorten, die Kanzlei eine Einigung vollzogen habe, ehe der Buch-
druck dazu gelangte, diese Aufgabe fortzuführen. Die Kanzlei des Erzbischofs steht
hier der Kanzlei des Rates gegenüber ; die Verschiedenartigkeit des Geschäftsverkehrs
und der Beamten bedingt auch eine Verschiedenartigkeit in der Entwicklung der
Sprachgebung. Die erzbischöfliche Kanzlei, die in den älteren Urkunden auf dem
Standpunkte steht, den Heinzel in seiner niederfränkischen Geschäftssprache als
Typus IV bezeichnet, streift viel rascher ihre Besonderheiten ab als die Ratskanzlei ;
nur im inneren Verkehr hält auch sie sich altertümlicher. Hier wie dort lässt sich
beobachten, dass der Vokalismus länger Widerstand leistet als die Schreibweise der
Konsonanten. Die Drucke aus Köln, soweit sie nicht für oberdeutsches Publikum
oberdeutsch gehalten waren, zeigen anfänglich den Stadtdialekt, und hier ist es der
Buchdrucker Gennep, der allmählich den neuen Formen der erzbischöflichen Kanzlei
Eingang in seine Büchersprache gewährt. Den hauptsächlichen Anlass und das
raschere Tempo bringt in diese Bewegung der kirchliche Reformversuch des Erz-
bischofs Hermann von Wied, der eine Flut von Streitschriften über die Presse
Genneps wälzt. Eindringlich werden die Drucke von 1543 auf das Dialektische in
Schreibung, Formen- und Wortgebrauch geprüft, und daran knüpft sich sodann der
Nachweis, wie seit 1543 diese Spuren verblassen. — Zur Kanzleisprache verdient auch
ein Zeugnis Beachtung, das Scher er ^o) in einer Recension gegen Rückert verwertet,
wonach noch im J. 1734 die kaiserliche Kanzlei zu Wien auch in norddeutsch- pro-
testantischen Kreisen als Sitz der Sprachreinheit gegolten zu haben scheint. — Die
ausgleichende Thätigkeit des Buchdrucks zeigt sich auch in den Geschicken des
Volksbuchs vom Eulenspiegel. Walther^^) hebt aus den Strassburger Ausgaben die
Stellen aus, in denen niederdeutsche W^endungen des Originals durch elsässische ent-
weder zu Doubletten erweitert oder einfach ersetzt worden sind. —
Die Mundartenforschung schwillt zu immer grösserer Ausdehnung an. Es
ist eine kritiklose Verkennung des Gebotenen, wenn Stieböck^^) die Dialektkunde
ganz auf die Untersuchungen W. Nagis zurückführt, dem in diesem Zusammenhange
überdies die wenigst sicheren Ergebnisse entnommen werden. — Ueberhaupt greift
der Dilettantismus neuerdings mit besonderer Vorliebe auf das Gebiet der Mundarten
über, wo er sich gern mit einem Anschein von Gelehrsamkeit aufputzt. Aus dieser
Erscheinung sind auch die „Freien Studien" von Renatus^^J zu erklären, in denen
einige gute Beobachtungen durch den schwerfälligen Apparat erdrückt werden. —
Die anwachsende Fülle der Veröffentlichungen hat das Bedürfnis besonderer Biblio-
graphien hervorgerufen. Die oberdeutschen und niederdeutschen Dialektarbeiten
werden neuerdings in entsprechenden Organen in der „Bücherschau" i'*''^) oder in
Gesamtbesprechungen 16) verzeichnet; einen Ueberblick über das ganze Gebiet, nament-
lich auch über die ältere Litteratur giebt Mentz^"), dessen Bibliographie bis 1889
reicht und nur wenig- Lücken zeigt. — Die Dialektdichtung greift in mannigfaltiger
Weise in die wissenschaftliche Betrachtung ein. Schon wenn sich Dühr'^) als
niederdeutscher Dichter an den Homer wagt, zielt seine Absicht darauf, die Mundart
als das eigentliche Ausdrucksmittel für die Epik zu erweisen, der gegenüber die Schrift-
R. F. Kaindl, D. Bedentnng d. ItnpersoDiilien. PhilosMh. 28, N. 5/6. |[H. Bohatta: ÖLBl. 2, S. 748.]| — 8) 0. Böhme,
Z. Kenntn. d. Oberfränlrischen im 13.-15. Jh. Diss. Leipzig. 83 S. (S. bes. S. 739.)— 9) W. Scheel, Jaspar v. Gennep u. d. Ent-
wicklung der nhd. Schriftsprache in Köln. (= WZ. Ergänzungsheft N. 8 | Trier, Lintz. IX, 228 S. M. 5,00], S. 1-75.) [[KBWZ. 12,
8.36.11 — 10) (S. o.N. 1; S.308.)— 11) Gh. Walther, Z. Gesch. d. Volksbuches v. Eulenspiegel: JbVNiederdSpr. 19, S. 1-79.
(Beachtenswert für uns bes. S. 18-34.) — 12) L. Stieböck, Einige Ergebnisse d. heutigen Dialektforschung: AltWien 2,
S. 120/2, 137/9. — 13) J. Renatus, Spaziergang durch d. Sprache. Bautzen, E. Hübner. 12". 96 S. M. 1,30. — 14) X
Bayerns Mundarten 2, S. 151/6. (Vgl. I 5:16.) — 15) X KBlVNiederdSpr. 17, S. U6, 29-32, 71,2, 87 8. _ 16 X ALVKS. 3,
8. 187-93. — 17) F- Mentz, Bibliogr. d. dtsch. Mundartenforschung, (=r Samml. kurzer Grammat. dtsch. Mundarten, her. v. 0.
Bremer. Bd. 2.) L., Breitkopf. 1892. 181 S. M. 5,00. ||LCB1. 8. 1314.]| — Ig) A. Dühr, E. niederdtsch. Homerübersetzung:
16*
18:19-33 H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
spräche versage. — Einer vergleichenden Uebersicht über die einzelnen Mundarten
und ihre Spielarten dienen die Sprachproben, mit denen die Erzählung- „vom ver-
lorenen Sohn" durch niederdeutsche Dialekte^-') geführt wird. — In derselben Er-
zählung führt Fl ex 20) die Eisenacher Mundart als Abschluss einer Studie vor, die
sich in ihrem ersten Teile ganz im Rahmen der Lautphysiologie hält und darum aus
unserer Betrachtung auszuscheiden ist. — Dagegen umfasst Schöppe^i), der ebenfalls
an das Gleichnis vom verlorenen Sohn anknüpft, den ganzen Umfang der Eigen-
tümlichkeiten, welche die Mundart von Naumburg darbietet, und es ist ihm vor allem
darum zu thun, den Gegensatz von Schriftsprache und Mundart herauszuarbeiten.
Die treffenden und eindringenden Beobachtungen dieses sprachgeschichtlich geschulten
Vf. haben eine beträchtliche Einbusse erlitten durch die Darstellungsform, die so
wenig den neueren Anforderungen angepasst ist. Manche Irrtümer sind erst dadurch
in die Schrift hineingetragen worden.^^) — Aus pädagogischen Bestrebungen ist bei
Kahl 23) eine anziehende Darstellung elsässischer Dialekterscheinungen erwachsen.
Von dem Gedanken ausgehend, dass die Verstösse der Schüler gegen die Schrift-
sprache meist aus den Wendungen ihrer Mundart entspringen, empfiehlt er den
Lehrern, ihre Arbeit auch an dieser Stelle einzusetzen. Zu diesem Zwecke
giebt er nun einen Ueberblick über die bemerkenswertesten Abweichungen des
elsässischen Dialekts, und es ist bei seinen Bestrebungen auch begreiflich, dass
er mehr das Gemeinsame als das Trennende der einzelnen Mundarten dieses Sprach-
stammes im Auge hat. Die fach wissenschaftliche Litteratur ist zu Rate gezogen, doch
liegt der Wert dieser Untersuchung mehr in den Beobachtungen als in deren ge-
schichtlicher Ergründung. Mit W^ärme werden die Vorzüge der Mundart vor der
Schriftsprache hervorgehoben, wie auch von anderer Seite die Anschaulichkeit und
der Bilderreichtum des elsässischen Dialekts gerühmt wurden^^). Zum Schlüsse
zieht der Vf. endlich die Mundart heran, um ungewöhnliche Ausdrücke unserer
Klassiker zu erklären. — üeberhaupt ist die mundartliche Färbung der Schrift-
sprache eine Erscheinung, die jede neue Untersuchung bei einem neuen Schriftsteller
aufdeckt (s. u. N. 46—50), während andererseits auch unter den Erscheinungs-
formen der Schriftsprache selbst das Wechsel Verhältnis zu den Mundarten in neue
Beleuchtung rückt. Das mundartliche Element in unserer Dichtung verlangt im Be-
richtsjahre schon dadurch Beachtung, dass die ADB. die Artikel Sailer von
Beck 25), K. Stieler von Muncker^^), Stöber von Martin^'') und Stoltze von
Hörth28) brachte. —
In den Arbeiten über die individuellen Einflüsse, die sich in der Geschichte
der Schriftsprache geltend machen, tritt unter den Schriftstelllern die Gestalt
Luthers immer wieder in den Vordergrund der Debatte. Seitdem Scherer^") zu
Gunsten seiner Wellentheorie den Platz verschoben hatte, auf den Luther innerhalb
der deutschen Sprachentwicklung zu stehen kommt, ist diese Frage immer mehr
zum Spielball konfessioneller Zänkereien geworden, bei denen der Protestantismus aus
dem eigenen Lager am wenigsten Unterstützung erhielt. — Während eine dem ent-
sprechende Auffassung auch in der oben angeführten Einleitung von ScheeP*^) zu Tage
tritt, sucht H. Schultz 3*) mit philologischen Mitteln einzuspringen; er giebt eine ab-
gerundete Uebersicht über die efnschlägige Litteratur, bei der freilich wichtige Re-
censionen fehlen, er nutzt jedoch die Thatsachen, die seiner Anschauung zu Gebote stehen,
noch nicht voll genug aus. Die Verkennung von Luthers sprachschöpferischer Stellung
beruht auf der Einseitigkeit, mit der man unsere neuhochdeutsche Schriftsprache in
ihrem Lautstande, also einem einzelnen Kennzeichen, zu fassen sucht. Hier ist Luther
nicht der Begründer und nicht der Schöpfer, dieses Verdienst gebührt viel eher
den Grammatikern des 17. Jh. Wer aber das Wesen unserer Sprache auf breiterer
Grundlage fasst, wer den Wortschatz, den Satzbau, das schriftstellerische Ausdrucks-
vermögen im Auge hat, wird nach wie vor in Luther den Schöpfer und Begründer er-
blicken.— Das zeigt vor allem ein Vergleich mit den vorlutherischen Bibelübersetzungen,
die auch Schultz vorführt und die uns durch Walthers Veröffentlichungen nun so bequem
zugänglich gemacht sind (vgl. JBL. 1891 II 6 :20/l; 1892 I 3 : 17, 21). Haup t32) betont in
einer Besprechung dieses grossen Werkes, welche Ausbeute für die Sprachgeschichte in
einzelnen Partien stecke, vor allem in der Uebersicht über die sprachliche Umarbeitung
ZDU. 7, S. 180-93. (Einl. u. ansgew. Bruchstücke.) — 19) KBlVNiederdSpr. 16, S. 2 4, 65,8. — 20) R. Flex, Beitrr. z. Erfor-
schung d. Eisenacher Mundart. Progr. d. Gymn. Eisenach. 4°. 16 S. — 21) K. Schöppe, Naumburgs Mundart. Naumburg,
H. Sieling. VII, 58 S. M. 1,00. — 22) OXX^. Lentzner, D. Berliner Dialekt. Untersucht u. nach Aufzeichnungen
„richtiger Berliner" her. (L., Fock.) 15 S. M. 1,20. — 23) W. Kahl, Mundart u. Schriftspr. im Elsass. Zabern i. E., Fuchs.
02 S. M. 1,50. IIW. Soltau: DLZ. S. 1195/6; Metzger: KZEU. S. S63/4; B. Stehle: ZDU. 7, S. 608-16; id.: ZADSprV.
S. 153/5.JI — 24) H. Menges, Volksraundart u. Volksschule im Elsass. Gebweiler, J. Boltze. X, 120 S. M. 2,00. ([Alemannia 21,
S. 205,6.]| — 25) P. Beck, Seb. Sailer: ADB. 36, S. 763,5. — 26) F. Muncker, K. Stieler: ib. S. 196-201. (Vgl. IV 2.) —
27) E. Martin, Aug. Stöber: ib. S. 267-70. — 28) 0. Hörth, F. Stoltze: ib. S. 4159. (Vgl. IV 2.) — 29) (S. o. N. 1; S. 306,
385/8.) — 30) (S. 0. N. 9; S. 1.) — 31) H. Schultz, Luthers Stellung in d. Gesch. d. dtsch. Sprache. Progr. d. städt. höh.
Mädchensch. Braunschweig. 13 S. (Vgl. II 6.) — 32) H. Haupt: LBlGRPh. 8. 238-42. — 32a) id.: ib. 8. 242. — 33) H.
H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. 18:34-43
der ersten gedruckten Bibel durch die Veranstalter des 4. und 5. Bibeldruckes. — Das
Verhältnis Luthers zu diesen Drucken, das immer noch nicht genüg-end erwogen
und bekannt gemacht ist, kommt auch in dem ebenfalls durch Hauptes») recensierten
Aufsatz von Biltz (vgl. JBL. 1891 II 6:21) zur Besprechung, der sich mit der ein-
dringenden Arbeit Kraffts zur Lutherfeier von 1883 beschäftigt. — Auch die nieder-
deutsche Uebersetzung von Luthers Bibel und der Anteil Bugenhagens an ihr wird
gestreift, indem Brandes^^) diesen gegen Schaub auf Ratschläge in betreff mund-
artlicher Wendungen und auf einige Besserungen am Grundtexte zurückdrängt. —
i Diese Bibel ist übrigens vor wenigen Jahren neu aufgelegt und dem heutigen Sprach-
gefühl angeglichen worden, ein Versuch, den Bartels^*) mit Wärme billigt. In der
Bibelübersetzung nun, so gewaltig auch die augenblickliche Wirkung anderer Schriften
Luthers gewesen ist, liegt doch sein eigentliches Werk an unserer Sprache vor. Und
wenn man darauf hinweist, dass die Einwirkung Luthers auf unsere Sprache sich
nicht lange gehalten habe, dass sie von anderen Strömungen durchkreuzt worden
sei, ja dass sogar die Grammatiker, die Luther als Sprachmuster hinstellten, ihre
Regeln doch nicht aus ihm entnommen haben, so übersieht man völlig die Bedeutung,
die eben die Bibel Luthers für unsere Sprache behalten hat. Als Erbauung und
Zuflucht auch der niedrigsten Schichten unseres Volkes hat sie den Wandel der
Zeiten überdauert, die landschaftlichen Grenzen übersprungen und Früchte getragen,
denen man nicht immer ansieht, wo die Wurzeln des Baumes liegen. Dass aber die
Sprache Klopstocks, des jungen Schiller und in mehr als einer Stilfärbung auch die-
jenige Goethes auf der Bibel Luthers ruht, ist überzeugend nachgewiesen, und von
diesem Nachweis macht auch Schultz (s. N. 31) geeigneten Gebrauch. — Für Fischart
gewinnt Galle 3^), der seine Stiluntersuchung breit auf grammatischen Grund-
lagen aufbaut, neue Ergebnisse zur Sprachgeschichte. Die Freiheiten der gesprochenen
Sprache werden in dem poetischen Stil Fischarts glücklich aufgespürt und die Kunst-
mittel des Stils mit Geschick daran angeknüpft. lieber die eigenartigen Wortbildungen
Fischarts denkt G. nicht so günstig wie frühere Forscher dies gethan haben, und
zum grossen Teile ist seine Auffassung wohl begründet. —
An Lessing, dem Erich Schmidt^ß) in den Uebersetzungen aus dem Fran-
zösischen ejne „puristische Neigung" nachweist, knüpft neuerdings unsere Sprach-
reinigung gern an. — Dünger"^') vermisst gerade bei leicht zu umgehenden Fremd-
wörtern die Sprachreinheit des jugendlichen ITebersetzers. — Dagegen sucht DüseP**)
in anziehender Darstellung ein abgerundetes Bild dieses Uebersetzungsstils zu zeichnen;
er hebt die Freigebigkeit mit Relativsätzen hervor, in denen das Wörtlein „welcher" im
Vordergrunde steht, ebenso beleuchtet er die Verschwendung, die mit Konjunktionen
und Partikeln getrieben wird. — Die Entwicklung der Sprache in Lessings Jugend-
dramen untersuchte TyroP^), indem er besonders die Geschichte der Texte mit
berücksichtigte. — Im Zusammenhang mit der Bedeutung, die die Wortforschung in
unserer Wissenschaft gewinnt, ist es begreiflich, dass auch die schöne Litteratur auf
den Anteil durchgemustert wird, den sie durch die Prägung neuer Worte und Wort-
bedeutungen beisteuert. Den Geron Wielands behandelt in dieser Weise Singer*^);
er betont Herders und Goethes Einwirkungen auf die Anschauungen des Vf., er hebt
hervor, wie der poetische Stil dieser Zeit an der Sprache des 16. Jh. sich auffrische,
und kennzeichnet in einem Wörterverzeichnisse die Ausdrücke, mit denen Wieland
selbst dem sonst wohlbeachteten Adelung gegenüber trotzt. — Wortgebrauch und
Bedeutungslehre treten auch in der Goetheforschung immer mehr hervor, wie überhaupt
in dieser die Mannigfaltigkeit sprachgeschichtlicher Forschungen sich widerspiegelt.
Auf sprachlichem Gebiete liegt der Schwerpunkt der Beiträge Stracks**) zum
Leipziger Liederbuch, namentlich da für den Sprachgebrauch der ganzen Zeit nicht
bloss aus der Litteratur, sondern auch aus entlegenen lexikalischen Quellen, manche
neue Belege geboten werden. — Wenig Förderung nach dieser Seite vermag Walzel*''^)
dem Faust -Wörterbuche Strehlkes (vgl. JBL. 1891 IV 9e:89) nachzurühmen. —
Sanders'*») weist eine Hypothese Pniowers (vgl. JBL. 1891 IV 9a: 134; 1892 IV
8a : 115; 8e : 92) zurück, welche die Wortforschung in den Dienst der Litteratur-
geschichte stellt. An der Wendung „mich überläufts" im Faust hatte Pniower Anstoss
genommen und, da er denselben Ausdruck in der Uebersetzung des hohen Liedes
wiederfindet, auf gleichzeitige Entstehung beider Partien geschlossen. S. dagegen
Brandes, K. E. Schaub, Ueber d. niederdtsch. Uebertragungen d. Lntherschen Uebers. d. N. T., welche im 16 Jh. im Druck
erschienen. (Greifswalder Dies. 1889. 75 S.): ZDPh. 25, S. 132 6. — 34) P. Bartels, B. plattdtsch. Bibelnbersetz. : ZDU. 7,
S. 8238. — 35) F. Galle, D. poet. Stil Fischarts. Diss. Rostock. 64 S. |[0. Glöde: ASNS. 91, S. 278-80.]| (In Betracht
kommen S. 27-31, 61.) — 36) Lessings Uebersetzungen aus d. Französischen Friedrichs d. Gr. u. Voltaires. Her. v. Erich
Schmidt (vgl. JBL. 1892 IV 6:2). — 37) H. Dunger, D. junge Lessing u. d. Fremdwörter: ZDASprV. 8, S. 54 5. (Vgl. IV 6.)
— 38) F. Düsel, E. Beitr. z. Sprache d. jungen Lessing: ZDS. 7, S. 6-13. (Vgl. IV 6.) — 39) F. Tyrol, Lessings sprach-
liche Revision seiner Jugenddramen. B., C. Vogt. 70 iH- M. 1,80. (Vgl. IV 6.) ^ 40) L. Singer, Ueber Wielands Geron:
ZDPh. 25, S. 220-53. (Bes. S. 241-53.) - 41) A. Strack, Goethes Leipziger Liederbuch. Giessen, J. Ricker. XII, 175 S.
M. 3,60. (Vgl. IV 8c.) — 42) 0. Walze 1: ZOG. 44, S. 538-40. — 43) D. Sanders, Ist d. Ausdruck „mich überläufts« e.
18:44-59 FI. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
führt eine g-anze Blütenlese von Beleg-en dieses Ausdrucks vor, die aber sämtlich
neueren Dichtern entnommen sind. — Eine umfassende Stiluntersuchung" lässt G.
Schmidt 44^ (^[em Clavio-o zu teil werden. Indem Seh. versucht, neben den Ein-
flüssen der Empfindsamkeit und des Sturms und Drang-es auch die Einwirkung- des
französischen Orig-inals zu kennzeichnen, lässt er sich verlocken, auch echt deutsche
Freiheiten, wie z. B. die Lockerung- des Relativgefüges, auf Rechnung der fremden
Sprache zu setzen. Wertvoll für die Stilistik sind die Zusammenstellungen der Bei-
spiele für einig-e Figuren; sie erweitern sich zu einem Ileberblick über die Kunst-
mittel des jungen Goethe. — Da Goethe so oft als Beschützer des Fremdwörterunfugs
ausgespielt wird, weist Rieg-el"*^) entgegengesetzte Anschauung-en aus den Schriften
nach und hebt hervor, wie die von Goethe und Schiller in den Xenien entsandten
Pfeile nur die Auswüchse des „Purismus" trafen. — Auch von Seiten der Dialekt-
forschung wird Goethe durch Hammeran^ß) g-estreift, während H. Fischer*') für
Schiller einige der von Bellermann (vgl. JBL. 1891 IV 10:87) in Schillers Dramen
ang-emerkten Dialektstellen als nicht schwäbisch zurückweist. —
Zu Hebels Schreibweise g-iebt Burg-hauser*^) einige Erklärungen in
Anknüpfung an die frühere Darstellung- von Willomitzer (vg-l. JBL. 1891 I 8:28).
— An Platen hat DüseH^) seine Beobachtung-sg-abe bethätig-t und zwar nach einem
Gebiete zu, das neuerding-s mit Vorliebe angebaut wird, indem er die Sprachentwick-
lung des Dichters an der Hand seiner eigenen Korrekturen zu belegen sucht. — Heine,
der sich so leidenschaftlich gegen seine heimische Mundart verwahrt, wird von Z i 1 1 g- en z^^)
doch auf einer gewissen Nachgiebigkeit gegen diese ertappt. Eingehend werden die un-
reinen Reime als Klangfärbungen niederrheinischer Betonung oder Lautgebung erwiesen.
Im Formengebrauch und Satzbau lässt sich wenig Heimatliches bemerken, immerhin
ist es von Interesse, inwiefern die Stelle, „lass sie betteln gehen, wenn sie hungrig
sind" auf rheinischer Satzfügung beruht. Unter den Fremd Worten werden manche
als holländische Eindringlinge erwiesen. Hier jedoch, wie bei den mundartlichen
Bestandteilen des Wortschatzes hätte ein Ausblick in die süddeutschen Mundarten
manche Parallelen ergeben, so z. B. den Gebrauch des Wortes „Dreck", des Wortes
„Leiche" u. a. — Die Sprache als Spiegel der Persönlichkeit springt bei Ludwig I.
von Bayern in die Augen, der sich das Recht, neue Worte und Wortverbindungen
zu bilden, aus seiner königlichen Machtvollkommenheit beilegte; seine sprachlichen
Neigungen werden übrigens von Streit^*) nach manchen Richtungen als Vorläufer
der Bestrebungen des Sprachvereins in Anspruch genommen. — Andere Ergebnisse
muss die so ganz anders geartete Persönlichkeit Bismarcks erzielen: seine Sprache
hat sich in unbewusster Ausübung durch die Macht der Thatsachen ihre Bahn ge-
brochen. Dem Buche Blümners, das sie nach einer Richtung hin behandelt (vgl.
JBL. 1891 IV 1 : 117; 1892 I 6 : 49; IV Ib : 124), haben im Berichtsjahre Roethe52)
und R. M. Meyer^äj ausführlichere Besprechungen gewidmet. —
Mehr fast als die Schriftsteller haben die Theoret ik er gelegentlich unsere
Sprache beeinflusst. An Schottel hat Jagemann^*^ gute Beobachtungen gemacht.
Einerseits zeigt er eine Reihe von Wortprägungen auf, die bisher späteren Schrift-
stellern zugeschrieben wurden, und andererseits unterzieht er die Formation des
starken Verbums bei Schottel einer Prüfung und weist nach, dass auch bei Schottel
die Ausgleichungen noch nicht so weit abgeschlossen sind, wie man gewöhnlich
annimmt. Auch Schottel flektiert noch „ich band, wir bunden; ich rann, wir runnen",
wie er andererseits noch an „fleugst, fleugt" festhält. Wenn man erwägt, welche Rolle
die Frage der Formausgleichungen in dem oben erwähnten Streit um Luther spielt,
wird man diese Untersuchung für besonders bedeutsam erachten müssen. — Den
Sprachgesellschaften widmen vor allem unsere heutigen Sprachreiniger ihr
Augenmerk. K. Scherer^^) giebt einen hübschen und sicher gezeichneten Ueber-
blick über die Thätigkeit dieser Gesellschaften im 17. Jh.^^), von anderer Seite^')
wird der Freiberger Chronist Andr. Möller aus Pegau als massvoller Gegner der
Sprachmengerei dargestellt, während es meines Erachtens über das Ziel hinausschiessen
heisst, wenn die sprachreinigende Thätigkeit Hahns an der Bibelübersetzung von
J e h 1 e ^s) gerühmt wird. — Aus dem vorigen Jh. wird der auch als Sprachforscher
bedeutsame Basler Dichter Joh. Jak. Spreng durch Socin^^) vorgeführt. Von
seltener?: ZDS. 6, S. 464 5. — 44) G. Schmidt, Clavigo. E. Studie z. Sprache d. jungen Goethe, nebst einigen Beitrr. z.
CharaVteristik d. Hauptheiden u. d. Maria. Gotha, Perthes. UI, 201 S. M. 2,40. (Vgl. IV 8a n. IV 8e.) — 45) H. Riegel,
Einige AeusBorungen Goethes u. Schillers über d. dtsch. Sprache: ZADSprV. 8, S. 1-9, 17-20. (Vgl. IV 8a u. IV 9.) — 46) A.
Hammer an, D. Franltfurter Mundart: FZg. N. 289. — 47) H. Fischer, Sprachl. Einzelheiten zu Schillers Dramen: VLG. 6,
S. 305,8. (Vgl. IV 9:72.)-48) G. Bnrghauser: ZOG. 44, S. 574,5.- 49) F. Düsel, Aus Phitens Dichter Werkstatt: ZDS. 7,
S, 89-90, 125/7, 266-72. (Vgl. IV 2.) - 50) G. Zillgenz, Rheinische Eigentümlichkeiten in H. Heines Schriften. Progr.
Waren. 4». 17 S. (Vgl. IV 11.) — 51) W. Streit, Ludwig I. v. Bayern u. d. dtsch. Sprache: MADSprV(Berlin). 4, S. 1156.—
52) 6. Roethe: DLZ. S. 9079; id.: PrJbb. S. 541/3. — 53) R. M. Meyer: ADA. 19, S. 91 3. — 54) H. C. G. v. Jagemann,
Notes on the Langnage of J. G. Schottel.: PMLA. 1, S. 408-30. — 55) K. Scherer, Dtsch. Sprachgesellschaften im 17. Jh.:
DNJb. 3, S. 123-32. — 56) X P- Pietsch, Dtsch. Sprachpflege vor 200 J. u. heute : TglRs». N. 133 4, 137/8. — 57) Z. Sprach-
reinigung im 17. Jh.: ZDASprV. 8, S. 53. — 58) F. Jehle, Phil. Matth. Hahn: ib. S. 195;7. — 59) A. Socin, Joh. Jak.
H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I8:6o-ß7
Spreng- bewahrt die Basler Bibliothek hs. Nachlass, der noch nicht gehoben ist. —
Von Interesse ist es nun, den Theoretiker auch auf seine schriftliche Thätigkeit zu
prüfen. In diese Bahnen münden die Betrachtungen ein, die man an Jakob Grrimm
und die Sprache seiner Abhandlungen mit Scher er ^•^j knüpft. Als Meister der Sprach-
wissenschaft, der die verborgenen Schätze der älterer Sprachstufen aufdeckte, wandelte
Grimm auch in seinem eigenen Sprachgebrauch gerne die Wege, die er wissenschaftlich
bloss gelegt hatte, ja noch mehr, er traut sich als dem Sprachforscher auch den be-
sonderen Beruf zu Neubildungen zu. —
Mit den Arbeiten, welche die Erscheinungsformen unserer Sprache vom
historischen Standpunkt betrachten, knüpft das Berichtsjahr verschiedentlich
an das vorhergehende an. So wird der Versuch von Hess, Geist und Wesen der
deutschen Sprache im allg^emeinen zu erfassen (vgl. JBL. 1892 I 6:55), in kurzen
Anzeigen berührt^')- — Hildebrand ^2) setzt seine Beobachtungen über die Logik
des Sprachgeistes (vgl. JBL. 1892 16:6) fort, indem er den Doppelsinn von „Pate",
die Vertauschungen von „lehren und lernen", „Schuldner und Gläubiger" u. a. vor-
führt. — Zur Erklärung würde sich noch besser als der sprachgeschichtliche Versuch
Hildebrands die Bemerkung von Marty^^) eignen, dass ein Korrelativ häufig durch
Hinweis auf das andere und durch Angabe der besonderen zwischen ihnen bestehenden
Relation verdeutlicht werde, was dann bei einer Zusammenschrumpfung der Ausdrucks-
weise zu dem Gesetze führe, „Korrelativa empfangen häufig denselben Namen". —
Den Luxus, den sich unsere Sprache im Wortschatz, in Formenlehre und Satzbau
durch den Gebrauch von Doppelformen gönnt, zieht Wasser zi eher ß*) in Betracht,
ohne jedoch anzudeuten, wie stark gerade die Neigung- der Sprache ist, solche Doppel-
formen zu beseitigen oder zur Bedeutungsspaltung auszunutzen. — Den nach keiner
Seite hin bis jetzt ausgebeuteten Einfluss, den unsere Sprachformen ihrerseits auf die
Entwicklung philosophischer Begriffe ausüben, deckt Hildebrand ^^) in einigen
hübschen Bemerkungen zu Schiller auf. — Unter den Gesamtdarstellungen unserer
Sprache entbehren wir seit langer Zeit ein Werk, das den Stand der Forschung zu-
sammenfassend als sicherer Führer von der alten Zeit in die neuhochdeutsche Sprach-
entwicklung hineingeleitete. Wilmanns^^) kommt diesem Bedürfnis mit einem Unter-
nehmen entgegen, von dem bislang der erste Abschnitt erschienen ist, der die Laut-
lehre umfasst. Naturgemäss liegt hier das Schwergewicht der Untersuchung auf
phonetischen Problemen einerseits und auf den älteren Entwicklungsstufen unserer
Sprache andererseits, wobei jedoch zu betonen ist, dass die Einbeziehung der gotischen
Grammatik in die Darstellung nicht den alten Irrtum wieder erwecken soll, als ob
in der gotischen Sprache einfach die Vorgeschichte unserer eigenen läg'e. Das Neue an
der Darstellung W^.s ist nun, dass die zurückliegenden Sprachstufen soweit hervortreten,
soweit sie Bedeutung für die neuhochdeutsche Sprachforschung haben; ergreift überall
mit Vorliebe in unsere eigene Zeit hinein, obwohl gerade hier die Fachlitteratur sehr un-
gleichmässig vorgearbeitet hat. Naturgemäss ist der Vf. keineswegs bemüht, diese Un-
gleichmässigkeit durch die glänzenden Mittel seiner Darstellungsgabe zuzudecken, im
Gegenteil heben sich bei der Klarheit und Fasslichkeit der Sprache und bei der Ueber-
sichtlichkeit, mit der das einzelne Problem aus dem Gewirre der Hypothesen ausgelöst
wird, die dunkeln Punkte in unserer neuhochdeutschen Sprachgeschichte nur noch schärfer
ab. Mit eigenartigem Geschick versteht es aber der Kommentator der neuen Schulortho-
graphie, die Wandlungen in der Schreibung und der lebendigen Aussprache in das
richtige Wechselverhältnis zu setzen, das Eine durch das Andere zu erklären und
zu beleuchten. Hier setzen auch die Recensenten gerne ein, und im Besonderen hat
Jellinek, dessen lautgeschichtliche Einwendungen wieder von Streitberg an-
gegriffen werden, gerade hieran einige gute Beobachtungen angeknüpft. Er hebt den
Einfluss hervor, den die von Mittel- und Niederdeutschen festgestellte Orthographie
auf die österreichische Aussprache, vor allem in der Unterscheidung von Länge und
Kürze ausgeübt habe, und macht andererseits sehr wahrscheinlich, dass das auslautende
e in auffälligen Formen der Nominalflexion nicht einer lautgesetzlichen Entwicklung,
sondern den theoretischen Festsetzungen Adelungs sein Dasein verdanke. —
Mit dieser letzteren Form der Sprachentwicklung, dem Eingriff von aussen
her, werden auch andere Erscheinungen erklärt, die das Verhältnis von Orthographie
und Phonetik berühren. Hildebrand ^'') will die auffällige Betonung von
lebendig aus den Bemühungen der Schule erklären, die hier gegen mundartliche
Spreng: Basler Jb. S, 227-50. - 60) (»• o. N. 1; S. 388-97.) — 61) X A. Paul: COIRW. 21, S. 573; R. Schwenk: BBG. 29,
S. 508-10; P. Pfalz: PaedA. 35, S. 4356. — 62) Rud. Hildebrand, Zur Logik d. Sprachgeistes: ZDU. 7, S. 577-82, 785 6.
— 63) (S. 0. K 6; S. 114.) — 64) E. Wasserzieh er. Doppelgänger in d. Sprache: Geg. 43, S. 259-61. — 65) R. H i 1 d e -
brand, D. Gräfin v. Savern (=r Aus unserer französ. Zeit. N. 3): ZDU. 7, S. 256. — 66) W. Wilmanns, Dtsch. Gramm.
(Gotisch, Alt-, Mittel- u. Neuhochdeutsch.) 1. Abt.: Lautlehre. Strassbnrg i. E., Trabner. 322 S. M. 6,00. |[0. Lyon: ZDU. 7,
S. 2002; M. H. Jellinek: ZUG. S. 1084; LCBl. S. 1435/6; J. Seemüller, DLZ. S. 1039-41; H. Wunderlich: ZDPh. 27,
S. 132/4; W. Streitberg: IndogermF. 3, S. 186-91.]| — 67) R. Hildebrand, Noch einmal lebendig u. sein Ton: ZDU. 7,
18:68-79 H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
Verkürzungen wie lemdig- u. a. zu kämpfen hatte, und den Ton auf die bedrohte
Silbe leg-te. — G 1 o e d e ^^) unterstützt diese aus der sächsischen Mundart beg-ründete
Vermutung durch niederdeutsche Belege, wie andererseits auch aus oberdeutschen
Mundarten und aus der mittelhochdeutschen Litteratur entsprechende Beispiele
(„lebig", „lemtig").zur Hand wären. — So bestechend auch diese Erklärung auf den
ersten Anschein ist, so umfasst doch die Erklärung Behaghel s^**), der über-
haupt bei mehrsilbigen Adjektiven ein Streben nach bequemerer Gewichtsver-
teilung nachweist, die Erscheinung in einem weiteren Zusammenhang und verdient
dadurch den Vorzug. — Einen sichereren Anhalt giebt die Schreibung für die allmähliche
Verbreitung der gerundeten Aussprache von ü und ö. Heine''') zeigt, wie in den
Sprachgesellschaften des 17. Jh. gelegentlich bei konsequenterem Hindrängen zur
phonetischen Schreibweise auch hier i und e in die Schrift eindringen, während
Hildebrand'' 1) die ungerundete Aussprache dieser Vokale auch im mitteldeutschen
Gebiete der späteren Zeit nachweist. Von besonderem Interesse sind seine Belege
für unsere Klassiker. Nicht bloss Schiller auch Goethe werden für diese Lautgebung
in Anspruch genommen, ja in einem Briefe an die Weygandsche Buchhandlung,
den G. Wustmann beisteuert, hat der Schreiber die Worte „Carton für 119", die Goethe
diktierte, als „Carton 419" niedergeschrieben. — Auch in der orthographischen Frage
zeigt sich aus den kleinen Schriften, welch eingreifenden und vielseitigen Einfluss
gerade Schere r''^) hier ausgeübt hat. Gehört auch ein Teil der einschlägigen Auf-
sätze mehr in das Gebiet der polemischen Betrachtung, nehmen andere ihre grund-
legende Stellung in der Geschichte der Lautphysiologie ein, so verdankt ihm doch,
wie B u r d a c h hervorhebt, die historische Forschung ihre Befreiung vom Banne der
Orthographie. — Was demgegenüber der Kultus des Buchstabens anzustellen im stände
ist, spiegelt sich in dem Büchlein von A 1 b r e c h t ''^), wenn dieses überhaupt ernst
gemeint ist. Als Scherers besonderes Verdienst muss die Art seiner Abkehr vom
Buchstabendienst hervorgehoben werden; denn bei ihm finden sich auch schon die
ersten Anfänge einer neuen Methode, welche die graphischen Beweismittel nun um-
gekehrt in den Dienst der Lautforschung einstellt. — So verfolgt Aron'^^a) an der
Hand der Schreibung die Geschichte des „s", wie es sich nach „r" und in der Ver-
bindung „st" zu dem Laute entwickelte, den die Schrift teilweise mit „seh" kenn-
zeichnet.— Dem Titel nach könnte auch eine Studie von Bödekker''^) in diesen Zu-
sammenhang gehören, sie behandelt aber die Wirkungen des gesprochenen Wortes,
nicht dessen Existenzbedingungen. —
In die Formenlehre greifen einige Bemerkungen Ecksteins''^''^) ein,
die jedoch mehr der Unterhaltungslitteratur angehören. — Mit sorgsamen statistischen
Feststellungen verfolgt Je ittel es''') den Entwicklungsgang unseres Pronomens, das ja
in verschiedenen Flexionsformen unorganische Verlängerung und Verstärkung er-
fahren hat: „mein" und „dein" als Genitiv ist heute zu „meiner, deiner" geworden;
„ihr" zu „ihrer;" ,,in" zu „ihnen" usw. Im allgemeinen ist dieser Prozess bekannt,
aber es ist dankenswert, die Ausgangspunkte der einzelnen Bewegungen genauer fest-
gelegt zu sehen, die Nebenformen, die in schüchternen Ansätzen stecken blieben, zu
beobachten. Willkommene Ergänzung giebt J. namentlich für die neuere poetische
Sprache und unsere gehobene Prosa, in der die alten kürzeren Formen gerne noch
auftreten. Dagegen fehlt der Versuch, die Darstellung aus den Grenzlinien der Statistik
herauszuheben und zu einem Einblick in den Verwitterungsprozess alter Formen
und in die dadurch veranlassten Neubildungen umzugestalten. — Im Rahmen der
Formenlehre verdienen auch einige Ergebnisse der Mundartenforschung Beachtung,
weil die dort beobachteten Formen so leicht in die Schrift übergleiten. Bedingt nur
ist dies der Fall bei dem alten Imperativ „bis" für „sei", dem Fränkel ''**), weil er
ihn bei älteren sächsischen Dialektschriftstellern nicht vorfindet, die Altertümlichkeit
absprechen will. — Für das Westfälische ist von Interesse, dass nach der Beobachtung
von J elli ngha us""") dort die Hülfsverben können, sollen, wollen usw. im zusammen-
gesetzten Präteritum sich dem untergeordneten Infinitiv nicht angleichen („dat hedde
he don kont" statt „thun können"). Auch einige ungewohnte Verbindungen mit
„haben" an Stelle des schriftgemässen „sein" werden dort belegt („bliewen hedden").
— Notwendig ist die Festsetzung mundartlicher Grenzlinien für die in der Ge-
schichte der Wortbildung eine so grosse Rolle spielenden Suffixe „-chen" und
S. 91-3. (Vgl. auch ib. 6, S. 641, 844.) — 68) 0. Gloede, Lebendig, lewendig, lewig: ib. S. 632;:}. _ 69) 0. Behaghel,
Z. Betonung v. „lebendig": ib. S. 495. — 70) G. Heine, Z. Gesch. d. Ausspr.: ib. S. 4515. — 71) R- Hildebrand, Z.
Gesch. d. dtsch. Aussprache: ib. S. 153-64, 449-51. (Erschien auch in PrJbb. 1892, S. 438-52.) — 72) («. o. N. 1 ; 8. 238-84,
398-451.) - 73) A. Albreoht, Sprache n. Muttersprache. Halle a. S., Kaemmerer. 41 S. M. 0,60. |[BLU. S. 750.]| — 73a)
0. Aron. Z. Gesch. d. Verbindungen eines „s" bez. „seh" mit e. Konsonanten im Nhd.: BGÜS. 17, S. 225-71. — 74) K.
Bödelcker, D. gesproch. Wort u. d. geschriebene Wort: PhonetSt. 6, S. 181-90. — 75) E. Eckstein, D. Zuknnftforra unserer
Zeitwörter: WIDM. 74, S. 379-81. — 76) id., „D. unbestimmte Artikel": ib. S. 702,6. — 77) A. Jeitteles, D. nhd. Pronomen:
ZDPh. 25, S. 303-13. (Forts, in Bd. 36.) - 78) L. Frank el, Zu mitteldtsch. „bis«: ZDU. 7, S. 139, 566. — 79) H. Jellinghans:
H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. 1 8:00-94
„-lein". Sanders^**) hat sich dieses Moment in seiner sonst so gründlichen und
nach der litterarischen Seite anziehenden Studie entgehen lassen, bei der auch für
die Form ,,-g'en" der Hinweis auf den jungen Goethe fehlt. Dageg-en ist sehr hübsch
die stilistische Verwendung- der Verkleinerungsform dargestellt; die Häufigkeit in
Uebersetzungen aus bestimmten Sprachen wird an der Uebertragung der litaui-
schen Dainos dargethan, Stilunterschiede innerhalb des Werkes eines Dichters an
Goethe beobachtet.. Dem gegenüber finden sich in den oben erwähnten mundartlichen
Arbeiten vor allem Zeugnisse für die räumliche Ausdehnung von „-chen" gegen
„-lein". — Scheel*') verneint die letztere Form für den kölnischen Dialekt, Schöppe^'^)
für den Naumburger, während umgekehrt Kahl*^) die Form „-chen" für das
Elsässische ausschliesst. — Einen Ueberblick über die Mannigfaltigkeit unserer Wort-
bildung gewähren die Tabellen von Rey^*), deren Einleitung nur wenig für das
Verständnis beibringt und überdies so bedenkliche Anschauungen verrät („die Vor-
silbe „ge-" bewirkt bald Umlaut, bald nicht: Gewölk . . . aber Gelock"), dass wir sie
keineswegs „als Ergänzung zu jeder deutschen Grammatik" empfehlen möchten. —
In das Gebiet der syntaktischen Bedeutungsentwicklung greift S ch r a d er ®^)
über, indem er an dem Worte „Untiefe" eine dem Griechischen entsprechende intensive
Bedeutung des „un" nachweist. Den richtigen Ausgangspunkt für diese Beobachtung
hätten Worte wie „Ungeheuer" g'eboten, in denen die Grundbedeutung des Präfixes
durch den Bedeutungsinhalt des Kompositums nach der entgegengesetzten Seite ab-
gelenkt wird. — Eine ähnliche Entwicklung liegt vielleicht auch in dem Worte „frei"
vor, das in Luthers Verse: „Er hilft uns frei aus aller Not" wohl als blosses empha-
tisches Adverb aufzufassen ist, während ihm Bechstein*^) die Grundbedeutung
zurückerobern möchte. — Es ist im besonderen die Syntax der zwangloseren Rede,
die solche Bedeutungsentwicklungen begünstigt, und hierin beruhen auch meistens
die Parallelen mit der griechischen Sprache, die C- Müller*'), Loth. Koch**) und
Sprenger***) im Anschluss an einen Aufsatz Richters aus dem Vorjahre (vgl. JBL.
1892 I 6 : 60) nachtragen. — Zur Syntax fallen auch aus den kleinen Schriften
Scherers ^'') eindringliche Bemerkungen ab. Der syntaktischen Litteratur, die Seh,
verzeichnet, müssten heute freilich stattliche Nachträge angereiht werden, die vor
allem für diejenigen zu beherzigen wären, die so gerne ihre Klage über die Ver-
nachlässigung syntaktischer Studien erheben. Die Anschauungen aber, die Seh.
vorträgt, haben noch heute ihre volle Berechtigung, namentlich die freie Auf- •
fassung und Würdigung systematischer Fragen. — Die Theorie, die sich in der
Praxis nicht erprobt, neigt hier mehr als je dazu, den Inhalt über der Form zu ver-
gessen; das zeigt sich deutlich an der Beurteilung, die eine Dissertation von Frey^')
gefunden hat. Ries richtet hier sein Hauptaugenmerk auf die Mangelhaftigkeit der
Systeme, indessen die thatsächlichen Mängel dieser wie anderer entsprechender Arbeiten
in der ungenügenden Litteraturkenntnis beruhen. Statt an Vorarbeiten anzuknüpfen,
ermüdet der fleissige Vf. durch breite Wiederholungen ; an anderen Stellen, wie der
Entwicklungeschichte der Partikel „denn" setzt er sich durch diesen Mangel gänzlich
auf das Trockene. Wertvolle Parallelen, die ihm die Uebersetzerprosa des 15. Jh. zur
Verfügung stellte, lässt er sich entgehen und ebenso auch die Vorbilder für sach-
gemässe Einteilung der Partikeln. Trotzdem haben seine Beiträge ihren positiven
Wert durch die sorgfältige Ausbeutung eines festumgrenzten Gebietes. —
Eine Reihe anderer Arbeiten fasst mehr die mündliche als die schriftliche
Stilform der Syntax ins Auge, diese beanspruchen aber auch in unserem Zusammen-
hange Beachtung, weil die Eigenart der Schriftsprache erst von hier aus schärfer
abgegrenzt werden kann. Tomanetz^^) behandelt die konjunktivische Fassung be-
stimmter Aussagen in ihrem ganzen Zusammenhang auf Grund einer weitverzweigten
Litteratur; er sucht die einzelnen Fälle auf bestimmte Typen zurückzuführen,
findet aber schliesslich doch nicht den einleuchtenden Erklärungsgrund für diese
Erscheinung, die auch noch in den späteren Berichtsjahren zur Besprechung kommen
wird. — Schwab^-') fasst die reiche Litteratur zusammen, die sich an die neuhoch-
deutschen Reste alter Verneinungsformen knüpft, wo die Häufung der Formen noch
als Verstärkung' der Verneinung und nicht als Bejahung aufgefasst werde. Daneben
führt er aus eigenem Vorrat Beispiele für Neubildungen aus unserer Zeit an. — In
dasselbe Gebiet gehört die Beobachtung, die Fränkel^*) aus dem fränkischen
KBl VNiederdSpr. 16, S. 20,2. — 80) D San d e r s, D. Verkleinerungssilbe „-chen" : ZDS.6,S. 422/7; S. 447-50. — 81) (S. o. N. 9; S.60.) —
82) (S. o.N. 21 ; S. 13.) — 83) (S. o. N. 23; S. 22.) — 84) J. E e y , D. Wortbildung im Nlid. Beiapielsamml. f. Schule u Haus. Aaran, Saner-
länder. 99 S. M. 1,60. — 85) H. Sehr ad er, „Un": ZDS. 6, S. 364/ S. ~ 86) R. Bach st ein, ,,Er hilft uns frei aus aller
Not": ZDU. 7, S. 165/8. - 87) C. Müller: ib. S. 58/9. — 88) Loth. Koch, Sprechzimmer N. 1: ib. S. 490. — 89) B.
Sprenger, Sprechzimmer N. 10: ib. S. 687. - 90) (S. o. N. 1: S. 358-74.) — 91) E. Frey. D. Temporalkonjunttionen d. dtsch.
Sprache in d. Uebergangszeit v. Mhd. z. Nhd. Bespr. im Anschluse an P. Suchenwirt u. Hngo v. Montfort. (== Berliner Beitrr.
z germ. u. rom. Philol. veröffentl. v. E. Ehering. Germ. Abt. N. 4.) B., C. Vogt. 102 S. M 2,50. |[J. Kies: ADA 21,
S. 43-54.]| - 92) K. Tomanetz, Z. KonjnnlctiT z. Bezeichn. d. WirklichVeit: ZDU. 7, S. 134/5. — 93) 0. Schwab, D.
pleonast. Negation im Nhd.: ib. S. 807-23. — 94) L. Fränkel, Z. Kap. d. sogen, „gehäuften Negation": ib. S. 1.39-40. —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. j 7
18:95-106 H. Wunderlich, üeschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
Sprachgebrauch mitteilt, wo die dünne Form „nit" durch das vollere „nimmer"
verdrängt wird. — Eine g-anze Reihe von anderen Neigungen und Wendungen der
Umgangssprache führt Eloesser^^) aus der ältesten deutschen Uebersetzung Molieres
auf; er belegt die Vorliebe für lockeres Gefüge, die Abneigung gegen unterordnende
Konjunktionen, die Bevorzugung der direkten Rede vor der indirekten und noch
mehr vor dem Dass-Satz; endlich die Mittel, die unsere zwanglosere deutsche
Sprache in der Wortstellung und in der Anwendung von adverbialen Füllwörtern
zur Hand hat, um anders geartete französische Fügungen zu ersetzen. In dieser
Aufzählung liegt zugleich ein Massstab für die Beurteilung entgegensetzter Neigungen
de.r Schriftsprache. — Aehnliche Beobachtungen ergeben sich aus den Untersuch-
ungen, mit denen Wunderliche^) in die Sprache des neuesten deutschen Schau-
spiels einführt. — Sonst sind die Stilforraen unserer Sprache vorwiegend in ihrer
Zugehörigkeit zu bestimmten Berufsständen und in polemischer Betrachtung erfasst
worden. Denn bei Streit e'') wird mehr eine litterarhistorische als stilistische Unter-
suchung geführt. — Die Berufs- und Staiidesfärbungen der Sprache reichen in den
historischen Teil unseres Berichts nur mit einer Skizze der Gaunersprache durch
Göll nitz'-'S) herein und mit einer Plauderei von Haberland^^j^ in der die Termini
der Militärsprache auf Grund eindringlichen Studiums wissenschaftlicher Wörter-
bücher auf ihre Wurzeln zurückgeführt werden. Schade, dass die anziehende Dar-
stellung neben der Etymologie nicht auch die näheren Umstände mehr in den
Vordergrund zieht, unter denen die einzelnen Ausdrücke ins Heer eindrangen. —
Denn die Erforschung des Wortschatzes, in die Haberlands Studie ein-
mündet, weist infolge der regeren Pflege auch immer mannigfaltigere Gestaltung
ihrer Aufgaben auf. Die neuen Ziele, denen diese Wissenschaft entgegenwächst,
werden von Grimm '<*•*) vorangestellt, der mit Recht den deutschen Akademien neben
der von ihnen verhätschelten Latinität die deutsche Sprache zur besonderen Obhut
empfiehlt. — Unter den alten Aufgaben der Wortforschung hat die Etymologie
einen grossen Vorsprung gewonnen, der sich am besten in der fünften Auflage des
Wörterbuches von Kluge i^') kennzeichnet. Neben neuen litterarischen Nachweisen
für das erste Auftreten einzelner Wortformen und strafferer Heranziehung der Mund-
arten ist es die Beweisführung, die sich vervollkommnet und zu bestimmten Grund-
sätzen zuspitzt. — Dem gegenüber treiben die Kombinationen und Hypothesen, die von
.dieser wissenschaftlichen Etymologie abgewiesen werden ihr Spiel um so ungestörter
in anderen Kreisen. Das Buch von F aulmann ^''^^i das schon früher genügend
gekennzeichnet wurde (vgl. JBL. 1891 I 8 : 44), fand im Berichtsjahr seinen Abschluss.
— Aber auch bei Du den^'*^) jg^ ^[q linguistische Seite vernachlässigt. — Vom deutschen
Wörterbuch der Brüder Grimm sind vier neue Lieferungen zu verzeichnen. Die
meisten fallen auf Heyne ^''*""^^), der auch mit seinem eigenen Wörterbuch in der
gleichen Richtung fortschreitet. Es liegt nahe, die Arbeitsweise H.s durch eine Ver-
gleichung seiner Leistungen am grossen und kleineren Wörterbuch ins Licht zu
setzen. So wird von Behaghel zu den früheren Bänden das Neue hervorgehoben,
das H. durch Berücksichtigung der gesprochenen Sprache und zeitgenössischen
Schriftsteller beibringt, während sich Nagl mehr mit den Kürzungen beschäftigt,
die in der kleineren Ausgabe vorgenommen wurden. Erdmann, der in dem neuen
Wörterbuch namentlich auch nutzbare Winke für die Sprachrichtigkeit entdeckt,
würdigt unter Anführung einiger interessanter Nachträge vor allem die Vorzüge des
Buches. Unter diesen möchte ich die Anordnung rühmen, die es uns ermöglicht,
die Zusammensetzungen, die ein Wort eingeht, im Zusammenhange zu verfolgen,
während sich im gTOssen Grimm die Wortfamilien störend durch einander schieben.
— Dass die Angaben, wann und wo ein Wort zum ersten Male auftritt, auf Grund
neuer Quellen vielfach berichtigt werden können, wird keinen Sachverständigen über-
raschen, nach dieser Seite hin wird niemand die Arbeit einem Einzigen zumuten
wollen. Deshalb sind die Beiträge von Gombert^oej willkommene Ergänzungen;
95)A.EloeBser,D.äUestedtsch.Uebersetz. MoliferescherLuBtspiele. (=Berl.Beitrr. [s.N.91] N.3.) 78 S. M. 1,80. Bes. S. 50-67; vgl.
m4:19.) — 96) H.Wunder lieh, Z. Sprache d. neuest, dtsch. Schauspiels: NH.Tbb. 3, S. 251/9 (vgl. IV 4 : 118). - 97) W.Streit,
D. Sprache d. dtsch. Volksliedes: MADSprV(Berlin). 4, S. 41/4. — 98) Göllnitz, D. Wesen d. Verbrecher- oder Gauner-
sprache. Breslau, Selbstverl. 32 S. M. 0,20. — 99) F. Haberland, Krieg im Frieden, e. etymol. Plauderei über unsere
militär. Terminologie. Progr. d. Realgynin. Lüdenscheid. 50 S. I[L. Hölscher: ASNS. 91, S. 466.]| — 100) H. Grimm,
Thesaurus linguae germanicae: DLZ. 14, S. 1430/2. (Abgedr. in NatZg. N. 637.) — 101) F. Kluge, Etymolog. Wörterbuch
d. dtsch. Sprache. 5. verb. Aufl. Strassburg i. E., Trübner. XXVI, 491 S. M. 10,00. [[Johansson: IndogermP". 2, S. 203/4.] |
(Vgl. auch MADSprV(Berlin). 4, S. 147/9.) — 102) K. Faulmann, Etymolog. Wörterbuch d dtsch. Sprache nach eigenen
neuen Forschungen. 10. Heft. Halle a. 8., Karras. VIII u. S. 369-421. M. 1,20 (kompl. M. 12.00). |[Wohlfahrt,: BBG. 29,
S. 421;2; ÖLBl. 2, S. 171/2]| — 103) K. Duden, Etymol. d. nhd. Sprache. 3. Aufl, der Etymol. v. Bauer-Fromraann, München,
Beck. 272 S. M. 3,60. ||LCB1. S. 1651; E. Wasserzieher: ASNS. 91, S. 277; Grenzb. 3, S. 334.]! — 104) J. u. W. Grimm,
Dtsch. Wörterbuch. Fortges. v. M. Heyne, R. Hildebrand, M. LexBr, K. Weigand u. E. Wfilcker. 8. Bd. 11/3. Lfg.
(Saumspinne— Schelle), bearb. unter Leitung v. M. Heyne. L., Hirzel. S. 1921-2496. M. 6,00. — 105) M. Heyne, Dtsch.
Wörterbuch, 5. Halbbd. R-8etzen. ib. 592 S. M. 5,00. |[0. Behaghel: LBlGRPh. S. 315/6; W. Nagl: ÖLBl. 2, 8 554/6;
0. Erdmnnn: ZDPh. 26, S. 132/4.|| — 106> A. Gombert, Weitere Beitrr. z. Altersbestimmung nhd. Wortformen mit besond.
H. Wunderlich, üeschichte der neuhuchdeutschen iSchriltsprache. i8:i06a-i20a
sie verdienen auch in einzelnen Teilen ihrer Polemik Beachtung, weniger wo diese
sich gegen die Auswahl der aufgenommenen Worte richtet, als wo sie Versehen der
ersten Bände rügt. Im neuem Bande fallen im etymologischen Teil Aeusserungen
auf wie die, dass dem Worte „sausen" als Wurzel eine reduplizierende Bildung zu
Grunde liege. Bei Gr. hat auch die Darstellung des Wortes „Dank" (Wille) mit
der besonderen Beziehung auf Luthers „und kein Dank dazu haben" mit Recht Wider-
spruch gefunden. — In der vielgestaltigen Diskussion dürfte die Auffassung Scheff-
le rs i^^"^) den Sieg behalten, die sich der neueren Bedeutung von „Dank" nähert
und auf eine Zwischenstufe lossteuert, die etwa im „Ritterdank" des Turniers vor-
liegt. — Die Terminologie kann auch bei Wülcker"^') leicht irre führen, der zu
sehr am graphischen Bilde hängt, während gerade bei der Vorsilbe „ver-" mit der
er zu thun hat, nicht bloss die Verschiedenartigkeit ihrer Einwirkung auf den Be-
deutungsgehalt der antretenden Worte, sondern auch die Sonderung der in der heutigen
Form zusammengeflossenen Partikeln Schwierigkeiten macht. — Der äusseren Form
des Wörterbuches bedient sich Du den ^^s) für orthographische Zwecke, ergreift zu-
gleich aber auch in das Gebiet der Etymologie über, wo wir ihn schon oben
getroffen hatten. — Stark angeschwollen ist die Wortforschung auf dem Gebiete der
Mundarten. Neben den grossen Sammelwerken, wie sie vorliegen in dem schweize-
rischen Idiotikon '"^), das rüstig fortschreitet, und in dem Wörterbuche der elsässischen
Mundarten, für das Lienhart und Martin"") ^ig Vorarbeit ein Verzeichnis der
bislang meist belegten Worte veröffentlichen, giebt G u tz e i t m) eine Wörtersammlung
für das deutsche Livland heraus. Der Wortschatz der W^estthüringer wird von
Herwig "2j^ (jer von Salzungen durch Hertel*'^) dargestellt, indes Himmel-
stoss"*) seine Beiträge aus dem bayerischen Walde fortsetzt (vgl. JBL. 1892 16:34).
— Die vielfachen Verzweigungen, die die Namenkunde erfahren hat (s. o. I 5 :356— 79),
können wir hier nicht verfolgen, nur sei hervorgehoben, dass in den einzelnen Mund-
arten die Tiernamen immer sorgfältiger belegt und zum Vergleich zusammengestellt
werden. — Für den Wortschatz einzelner Dichter, ein Gebiet, dass neuerdings frische
Kräfte anzieht (vgl. auch N. 40—42), kommt Tomanetz 'i^) (vgl. IV4 : 217) in Betracht;
er bringt aus einer umfassenden Studie über den Sprachgebrauch Grillparzers vorläufig
einige mundartliche Ausdrucksformen des Dichters bei, denen infolge des jähen Todes des
verdienten Vf. die Fortsetzung wohl abgeschnitten bleibt, wenn auch noch ein Fragment
zur Synti x des Dichters Veröffentlichung finden sollte. — Dem Bedeutungswandel, dem
einzelne W^orte namentlich im Zusammenhang unterworfen sind, wird immer gerne nach-
gespürt. So behandelt Sanders^^^) die österreichisch-bayerische Redensart „du
hast's gar nicht schlecht erraten" im Sinne von „getroffen", wozu von anderer Seite
schwäbische Belege beigefügt werden. — Natürlich berühren sich diese Untersuchungen,
für die in der ZDU. ein besonderer Mittelpunkt gegeben ist, nahe mit dem Gebiete
der Syntax, wie ja auch die Bemerkung Bechsteins"^) über Luthers Vers „Er
hilft uns frei aus aller Not" auf der Grenze zwischen beiden Gebieten steht. — Da-
gegen gehört ganz hierher das Wort „Gigerl", das von Sprenger' i^) und
Dundatschek"^») in die wissenschaftliche Debatte eingeführt wird, ohne dass jedoch
aus Schmeller, auf den Bezug genommen wird, das bedeutungsvolle „g'ikelmattn"
f=VogeIscheuche, Popanz) Erwähnung fände. — Der metaphorische Gehalt unseres
Wortschatzes ist ja, wie bekannt, von Sehr ade r'^^'^^oa^ ausgebeutet worden, der
von seinem „Bilderschmuck der deutschen Sprache" die zweite Auflage erscheinen
lässt. Wie sehr sich dieses W'erk an die einzelnen Artikel des deutschen W'örterbuchs,
an Sanders und andere anlehnen kann, zeigt sich an den Proben, die er in Zeitschriften
veröffentlicht. So wird z. B. für das „Haar" wenig Neues zu Heyne-Grimm bei-
gebracht, nicht einmal das bekannte Beispiel aus dem Parzival: „wer roufet mich
da nie kein här gewuohs, inne an miner haut." Immerhin aber lässt sich mit der
Darstellung, wie sie Seh. geglückt ist, eine Absicht Grimms verwirklichen, von der
sein Wörterbuch naturgemäss immer ferner abrückte, nämlich die, ein Hausbuch für
das deutsche Volk zu geben. — Nahe berühren sich mit dieser Behandlung des
Wortschatzes die Erklärungen, mit denen unsere Redensarten ausgedeutet werden.
Berfidtsichtigrung d. Heyneschen dtsoh. Wörterbuchs. Progr. Gr. Strehlitz, A. Wilpert. 4". 20 S. M. 1,00. |[H. W. Nagl: ÖLBl. 2,
S. 556.]| — 106a) K. Scheffler, „V. kein Dank dazu haben": ZADSprV. 8. S. 33/6. (Vgl. dazu S. 81, 117/9.) - 107) E.
Wülcker, J. u. W. Grimm, Dtsch. Wörterbuch. 12. Bd., 5. Lfg. (Verleihen— Verpetschieren). L, Hirzel. S. 769-960. M. 2,00.
— 108) K. Duden, Vollständ. orthogr. Wörterbuch mit etymol. Angaben. 4. Aufl. L., Bibliogr -Inst. 344 S. M. 1,50. —
109) (I 5:15.) — HO) E. Martin u. H. Lienhart: JbGElsLothr. 9, S. 167-93. — 111) W. v. Gutzeit, Wörterschatz a.
dtsch. Sprache Livlands. 1. T. 5. Lfg., 3. T., .3. Lfg., 4. T., 2 Lfg. u. Nachtrr. zu A— B. (S. 339-45; S. 23-83; 28 S.; S. 13-21
u. Nachtrr. 38 S.) Eiga, N. Kymmel. 1892. M. 3,00. — 112) 0. Herwig, Idiotismen aus Westthüringen, rrogr. Eisleben.
4». 32 S. — 113) L. Hertel, Salzunger Wörterbuch. Jena, G. Fisther. 53 S. M. 1,20. — 114) M. Himraelstoss, Ans d.
bayerisch. Wald: Bayerns Mundarten 2, S. 118-29. — 115) K. Tomanetz. Bemerkungen zu Grillparzers Wortschatz: ZOG.
44, S. 289-300. — 116) D. Sanders, Erraten: ZDS. 6, S. 380/1. (Vgl. S. 452.) -- 117) (S. o. N. 86.) — 118) E. Sprenger,
Gigerl: ZDU. 7, S. 1423. — 118a) E. Dundatschek, Gigerl: ib. S. 692. - 119) H. Schrader, D. Bilderschmuck d. dtsch.
Sprache in Tausenden Tolkstfiml. Redensarten. Nach Ursprung u. Bedeut. erklärt. 2. Aufl. Weimar, Felber. XX, 543 S.
M. 6,00. [[Pädagogium 15, S. 136/7.]| — 120) X id., Grün: ZDS. 6. S. 121-31 - 120ai X id.. D. Weiss in Bildern und
17*
1 8:121-129 H. Wunderlich, Geschichte der neuhuch deutschen Schriftsprache.
A. Richter^^i^ bring-t hier in der zweiten Auflage viel Eigenes zu der Auslese,
die er in den Wörterbüchern gehalten hat. —
W^enn die historische Forschung gerne von einer Entwicklungstufe der
Sprache auf die andere zurückgeht, um die heutigen Vorgänge zu begreifen, so be-
schränkt sich eine andere Sprachbetrachtung im wesentlichen auf die Erscheinungen
der Gegenwart. Diese ist meist polemischer Natur. Denn selbst da, wo das
Bestreben im Vordergrunde steht, aus den einzelnen Erscheinungen die allgemein
gültige Norm zu gewinnen, tritt auch gleich der Kampf auf gegen die Formen, die
dieser Norm widerstreben, und im besonderen ist dieser Kampf das Tummelfeld für
alle die Geister, die ihr subjektives Ermessen dem Zwang geschichtlichen Denkens
und wissenschaftlicher Arbeit zu entziehen lieben. Das Streben, gewisse Normen
festzusetzen, hat gewiss seine Berechtigung und ist eine Notwendigkeit vor allem für
die Schule. Ob aber eine Behörde bei einer so grossen Zahl prinzipieller Gegensätze
hier mehr Nutzen als Schaden stiftet, ist mir namentlich nach den Auslassungen,
die Koppel'22 i23j zu Gunsten einer deutschen Akademie vorbringt, sehr zweifelhaft.
Anstatt geeignete Forschungen anzuregen und zu überwachen, soll diese Akademie
nach dem W^unsche K.s Gesetze geben. — Als Vertreter der extremsten Anschauungen
der einen Seite kommt im Berichtsjahre von Pfister *24-i24a^ mehrfach zum Wort,
Als Schüler J. Grimms erhebt er allen Ernstes den Anspruch, auch die Irrtümer Grimms
durch Gesetz verewigen zu dürfen. Wie Grimm in der neueren Sprachentwicklung
nur Verderbnis und Verfall erblickte, so will Pf. dem lebendigen Sprachgebrauch
gegenüber das Vorrecht der alten Sprache herstellen; die altertümlichen Formen, die
er gebraucht, sind jedoch auch von diesem Standpunkt aus anfechtbar. — Demgegen-
über steht auf der anderen Seite das Bestreben, die neuere Sprachentwicklung in
ihren Grundzügen nicht bloss anzuerkennen, sondern mit überstürzendem Eifer gleich
an das Ziel zuführen, dem sie zuzueilen scheint. Diesen Grundsatz hat Noreen^-^^)
mit Hülfe von Johannson aus dem Gebiet der schwedischen Sprache in die
unsrige übertragen. — Lässt sich über diese Anschauungen wenigstens sachlich
streiten, so verdient dagegen die Forderung Tilles^^e-)^ (j^ss die auf dem Boden des
Christentums geprägten Formeln unserer Sprache im Zeitalter des Materialismus um-
geprägt werden müssten, schon vom Standpunkt des Kenners aus die scharfe Ab-
fertigung, die ihr Scheffler zu teil werden lässt. — Umgekehrt erhebt ein alter
„Emeritus" ^'^^'') Einspruch dageg-en, dass religiöse Wendungen auf weltliche Vor-
stellungen übertragen werden, dass man von einem „Schöpfer des Reiches" spreche
und ein „Schiff aus der Taufe hebe". — Dieser selbe Gegensatz zwischen dem Fest-
halten am Alten und überstürzenden Neuerungen hat in der orthographischen Frage
bekanntlich die Form eines Kampfes zwischen dem historischen und dem phoneti-
schen Prinzip angenommen. In Scherers •'■^^) kleinen Schriften spiegelt sich dia
vermittelnde Stellung wieder, die der vielseitige Gelehrte in diesem Kampf einge-
nommen hat, ebenso wie die Wandlungen der Tag-esströmungen, in denen sich diese
Stellung unmerklich von links nach rechts verschob. — Merkwürdig ist hier nament-
lich, wie gerade in der orthographischen Frage das historische Prinzip seinerseits
wieder zum Revolutionär wird, und so kann Fasola '2^) in seiner anziehenden kleinen
Studie, in der er für die sogenannte „lateinische" Schrift kämpft, neben den Namen
Goethe und Humboldt auch J. Grimm unter den Neuerern aufführen. Mit der „deut-
schen" Schrift, deren Ursprung von F. fasslich dargelegt wird, bekämpft er auch die
Majuskeln, deren Gebrauch allerding"s manchen Zweifeln unterliegt. — Schwenk '^s»)
will sie mit Recht für diejenigen Substantivformen abschaffen, die aus dem Rahmen
ihrer Wortklasse getreten sind; aber die Frage, wann dies der Fall ist, wird ver-
schieden beurteilt werden. Seh. verlangt z. B. „haushalten", „zu teil werden". —
Mit der Orthog-raphie in näherer Verbindung steht auch ein anderer Gegen-
satz unter den Gesetzgebern der Grammatik, die Frage nach der Abgrenzung- von
Mundart und Schriftsprache. Allerdings die Versuche, die neuerdings namentlich
im Süden gemacht werden, die Orthographie als Zwingherrn der Aussprache im
einen Fall abzuschütteln, im anderen Falle aber zur Bundesgenossenschaft zu ver-
werten, diese Versuche greifen über unsere Berichtsgebiete hinüber; der Gedanke
aber, dem sie entspringen, tritt mit den anderen oben erwähnten Gegensätzen vor
allem im Kampf um die „Spraohdummheiten" (vgl. JBL. 1891 I 8:59;
Gleichnissen: ib. S. 412/7, 441/7. (Vgl. F. Riedl: ib. 7, S. 91/2.) — 121) A. Eiohter, Dtsch. Redensarten. Sprachl. n. knltnrgesch.
erläut. 2. verm. Aufl. L., R. Richter. 190 8. M. 2,00. — 122) H. Koppel, Einige Worte, betreffend e. Alcademie d. dtsch.
Sprache: ZDS. 6, S. 369-72. — 123) id., Welche Hauptaufgaben hätte e. zultünft. Akad. d. dtsch. Sprache in graraniiit.
Hinsicht zu lösen?: ib. S. 419-22. (Forts, in Bd. 7.) — 124) H. Pf ister-Schwaighusen, Ueber Stetigkeit d. Sprache u. ihre
Würde: DNJb. 3, S. 132-43. — 124a) MADSprV(Berlin). 4, S. 72/5, 96/8, 132/9. — 125) A. Noreen, Ueber Sprach-
richtigkeit. (Für dtsch. Leser bearb. v. A. Johannsen): IndogermF. 1, S. 95-157. (Vgl. dazu d. Nachtr. v. A. Johannsen:
ib. S. 232-55.) — 126) A. Tille, Sprachentwicklnng u. geistiger Fortschritt: N&S. 66, S. 68-81. |[K. Scheffler: ZADSpr. 8,
S. 128.]| - 126a) Sprachl. TJngebährlichkeiten. Aus d. Mappe e. alten Bmpritns: Pfarrhaus S. 169-71. — 127) (8. o. N. 1;
8. .398-451.) — 128) C. Fasöla, Deir Alfabeto Tedesco. Firenze, 8. Landi. 16». 15 S. — 129) R. Schwenk, Kleine An-
H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. 18: 130-145
1892 I 6 . 104—18) zu Tage. Die Hochflut auf diesem Gebiete scheint sich nun zu
verlaufen, im Berichtsjahre überwieg-t das Referat und zwar dasjenig-e, das an
Wustmanns Kritik '^oj anknüpft. — In einer sehr ausgedehnten, teils launigen,
teils trockenen Abhandlung rückt Menge '^'J mit Recht für die Untersuchungen
über das relativische „welcher" neben Minor (vgl. JBL. 1892 I 6 : 108) auch die Beob-
achtungen von Schmits'32) in den Vordergrund, ausserdem giebt er zahlreiche
Belege für die Schwierigkeiten, denen wir bei Adjektivableitungen von Eigennamen
begegnen. — An Wustmann selbst knüpft Dunger '3^) einen Vortrag, der in an-
schaulicher Zusammenfassung der Hauptfragen das Beste giebt, was aus der refe-
rierenden Litteratur zu verzeichnen wäre. Indem er beschreibende und gesetzgebende
Grammatik trennt und die Notwendig'keit auch der gesetzgebenden erweist, mustert
er die Instanzen, von denen diese Gesetzgebung ausgehen könnte. Die Schwankungen
im Sprachgebrauch, die landsmannschaftlichen Färbungen des Sprachgefühls, die
Verschiedenartigkeit subjektiven Empfindens, die Verstösse, die die herrschende
Sprache gegen die Logik und gegen die in ihr selbst obwaltenden Sprachgesetze im
einzelnen wieder begeht, alle diese Momente erschweren es uns, einen festen Stand-
punkt der Beurteilung zu gewinnen. D. schliesst sich sodann denen an, die als
einzige Grundlage den Sprachgebrauch anerkennen. Wo dieser feststeht, giebt er
den Wertmesser für Wustmanns Ausstellungen, wo er aber schwankt, tritt das sub-
jektive Ermessen in der Auswahl der Instanzen ein. D., der sich der Notwendigkeit
eingehender Untersuchungen gerade für die Erforschung des Sprachgebrauches
voll bewusst ist, hätte diesen hier ihre eigentliche Stellung einräumen sollen. Denn
gerade unter den Entscheidungen, die er aus subjektivem Ermessen fällt, befinden
sich manche, die von der historischen Forschung abgelehnt werden müssen. Er-
freulich ist der unbefangene und sichere Takt, mit dem D. die Frage der Neu-
bildungen, der Fremdwörter und der Gallizismen resp. Latinismen behandelt. Die
Verschiedenartigkeit der Stilformen von Rede und Schrift entgeht dem Vf., der
sich hier zu enge an Minor anschliesst, sie wird dagegen von Grienberger 1^'')
g'ut herausgehoben. — Ein richtiger Gedanke findet sich auch in einem socialistischen
Aufsatze, der die ..Sprachdummheiten" dem Kapitalismus in die Schuhe schiebt '^^).
Ausgehend von dem Zeitungsstile, der ja mehr als alle anderen Berufssprachen
unter der nervösen Hast leidet, in die sich heutzutage der Fleiss früherer Zeiten um-
gekehrt hat, hebt der Vf. hervor, „dass man Zeit haben muss, wenn man kurz sein
will. Der erste Ausdruck ist noch weniger der kürzeste als der beste." —
Damit treten wir in die polemischen Arbeiten über die Stil formen unserer
Sprache ein. Die Polemik würde sich hier auf sichererem Boden bewegen, wenn die
historische Forschung auf diesem Gebiete besser vorgearbeitet hätte. Wie wenig
das der Fall ist, sehen wir an dem tüchtigen Handbuche der Stilistik von Lyon '3^),
das aber der Natur der Sache nach nur ein Lehrbuch der objektiven Form des
„guten" Stils ist, die Frage des subjektiven Stils dagegen nur mit allgemeinen
Andeutungen anschneidet. — Unter diesen Stilfärbungen der Sprache bieten vor
allem die Berufs- und Standessprachen der Polemik ein willkommenes Ziel.
Vorne an steht das „Zeitungsdeutsch" '■'''"i^^), dem auch Schumann''"') den
einschlägigen Teil seiner- Betrachtungen zuwendet. — Den Romanschreibern
widmet Sosnosky^^^^ sein Augenmerk, das mehr auf die Aussenseite gerichtet ist
als in die Tiefe dringt. Ein hervorstechender Zug, der sich aus dem raschen
Verbrauch des Sprachgutes erklärt, ist die Neigung zu Uebertreibungen und
zur Tautologie, für die Wasserzieher '^') hübsche Beispiele aus unserem klassischen
Wortschatze beibringt, während Hessen ^^2), der einige Neubildungen bekämpft,
über deren Ursprung sehr im Unklaren ist. — Die Beihülfe der Schule nimmt
Kubin^^3j 2u solchem Kampfe in Anspruch, indes andererseits Weitz enböck '•*'*)
gerade der Schule mit ihren Nachahmungen des französischen Konditionalis das Vor-
dringen der schwerfälligen Umschreibung mit „würde" zur Last legt. — Wie hier
der Schule, so werden in den Grenzboten von einem Anonymus ^*^) auch der
Wissenschaft Unbilden gegen die Sprache vorgeworfen, sowohl den Natur-
fangsbnchstaben in verbalen Ausdrücken : BBG. S. 29, 197— 200. — 130) X ^CBl. 652/3; K.Erbe: ZADSpr. 8, S. 89-93; Sohns:
COIRW. 21, ö. 103/4 (Ref. mit ungenügender Litt.- Angabe); W. Tascheck: Paedagogium 15, S. 157-66 (hebt den päd. Wert
hervor, verzichtet auf sprachl. Kritik). — 131) K. Menge, Heiteres u. Weiteres aus d. Wustmann-Litt. : ZDU. 7, S. 293-355. —
132) A. Schmits, D. Kampf gegen d. Sprachverwilderung. Köln, Du Mont-Schauberg. 1892. 63 S. M. 0,80. — 133) H.
Dunger, Was heisst Sprachdummheiten? : ZADSpV. 7, 129-41. — 134) Th. v. Grienberger: ÖLBl. 2, S. 685,7. — 135) Kapital
n. Sprache: NZ8t. lo, S. 417-21. — 136) 0. Lyon, Kurzgefasste dtsch. Stilistik. 3. Änfl. L., Tenbner. 94 S. M. 1,00. —
137) X A. Dem min. Verschiedenes Zeitungs- n. Landtags- wie Keichstagsdeutsch. Wiesbaden, Bechtold. 21 S. M. 0,50.
|[ZADSprV. 8, S. 204 (deckt bedenkliche Blossen an dieser Schrift auf).J| — 138) X J- Sabin, D. Sprache d. Presse u. d.
Parlaments. Kiel, Lipsins & Tischer. 50 S. M. 1,00. — 139) P. Schumann, Sprachl. Betrachtungen. Dresden, E. Pierson.
80 S. M. 1,50. l[Kw. 6, S. 316,7; H. Schuller: ZADSprV. 8, S. 172,3.1] — 140) Th. v. Sosnosky, Eidicnla. Breslau,
Trewendt. 103 S. M. 1,80. |(KonsMschr. 50, S. 1375;6.]| - 141) E. Wasserzieher, Tautologien: ZDU. 7, S. 606/8. — 142) B.
Hessen, Z. Unlogik im heutigen Deutsch: ML. 62, S. 400/2. — 143) F. Kubin, D. Hyperbel u. d. Schule: ZDU. 7, S. 257-62.
— 144) G. Weitzenböck, Z. Umschreibung d. Konjunktivs mit „würde" (^ Sprechzimmer N. 1.): ib. S. 134/5. ~ 145) Grenzb.
18:146-152 H. Wunderlich, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache,
Wissenschaften, wo sich der Vorwurf g-eg-en einen Ausländer richtet, als auch der
Geschichtsschreibung". — Auch die Juristen spräche dient nach ihrer theoreti-
schen und praktischen Seite der Polemik zum Zielpunkt. — Gensei '^^j nimnit
den Entwurf zum bürgerlichen Gesetzbuch in Angriff. Nach einer Einleitung",
die entschieden über das Ziel hinausschiesst und namentlich allgemeine Sprach-
erscheinung"en als besondere Unarten der Juristeni^^a^ ausg-iebt, wird im Gegensatz
zu den mannigfachen absprechenden Urteilen der Pachg"enossen zuerst die Frage er-
wogen, welche stilistischen Forderungen eigentlich an ein Gesetzbuch gestellt werden
können. G. hebt warm die Vorzüge des Entwurfs hervor, die Würde und Stätigkeit
der Ausdrücke. Seiner Anschauung" entspricht es, dass der Entwurf zurückhaltend
ist geg-enüber neuen Sprachbildungen, er lobt die Vermeidung der Fremdwörter.
Wenn G. „schiefe Ausdrucksweisen" tadelt, so entspringt dieser Tadel weit mehr
dem juristischen als dem sprachlichen Urteil; dageg-en zeigen uns die „Verstösse
gegen die Sprachlehre'', die G. hervorhebt, deutlich die Notlag-e, in der sich die
Gesetzg"eber gegenüber dem spröden Material unserer Sprache befanden. „Verstösse
gegen den Sprachgebrauch" entdeckt G. vor allem im Gebrauch der Präpositionen,
die allerdings im Entwurf ihre ganze sinnliche Frische eingebüsst haben. „Sprach-
unschönheiten" nennt G sodann die Wendung"en, die man dem Kanzleistil zur Last
legen kann. — Von anderer Seite wird betont, wie vorteilhaft der zweite Entwurf des
Gesetzbuches vom ersten absticht '■*^'^), indem er nicht bloss durch Kürze wirkt,
sondern auch sonst einen Fortschritt der Sprachentwicklung zeigt. — Dagegen
fühlt sich Haape^^^c) weniger zum Lobe veranlasst, wenn er einen Ueberblick
über die Sprache der neueren Gesetzbücher wirft, er sieht hier das eigentliche
Sprachmuster in der badischen Gesetzgebung. — In die juristische Praxis greift
nun Daubenspeck 1*'') ein, der in ähnlicher Weise wie Gensei die Missbräuche
nicht bloss an der Oberfläche streift, sondern bis auf die Wurzel verfolgt. Aus den
Formen des Prozessganges entwickelt er die Neigungen, die in der Sprache der
Entscheidung missfallen. Dazu gesellt sich eine hübsche Bemerkung von Bahr,
der nachweist, dass im Kollegialgericht in die Sätze des Referenten mitunter aus
der Korona Wendungen eingeschoben werden, die gar nicht in den Zusammenhang
passen. — Wenn den Juristen gern Schwerfälligkeit und Breite vorgeworfen wird, so
hat sich umgekehrt in den Kreisen, die im vollen Verkehrsleben stehen, natur-
notwendig eine Kürze der Sprache entwickelt, die nicht überall Beifall findet.
Anstatt auch hier, so z. B. in der Kaufmannssprache, die Wurzeln bloss zu legen
und das Berechtigte anzuerkennen, ist die Polemik gleich mit dem allgemeinen
Verdammungsurteil zur Hand, so bei Scheffler '^^) und bei Kiemich ^*Si). —
Dem entgegen scheint Socin^^sj das Für und Wider eindringlicher zu häufen, wie
auch im Deutschen Sprachverein''"*») für die berechtigten Formen des kaufmännischen
Stils das Wort geführt wird. —
Ebendort taucht natürlich auch die B^emdwörter frage auf, für die
überhaupt die Berufssprachen ein ergiebiges Feld darbieten. Neben den verschieden-
artigen Beobachtungen, die hierüber im Berliner Zweigverein des Deutschen Sprach-
vereins angestellt werden, sind es vor allem zwei Standessprachen, die im Berichts-
jahre in Frage kommen, die der Studenten und die Sprache im Heere. Für die
Studentensprache ist der Anstoss von aussen her gekommen durch ein Preis-
ausschreiben der Burschenschaftlichen Blätter; die ganze Bewegung wird von
Runge ^50) ausführlich geschildert. Von Interesse ist, wie sich auch hier der Gegen-
satz der Anschauungen spiegelt: während die Urheber der Bewegung am liebsten
nach Ausdrücken greifen, die schon jetzt da oder dort umlaufen, hat von Pfister'^')
ein ganzes Wörterbuch altertümelnder Benennungen zusammengestellt, die sich wohl
nie einbürgern werden. Im allgemeinen ist überhaupt die Studentensprache ein
Gebiet, das die Fremdwörterhetze möglichst meiden sollte. Die Fremdwörter, die
hier üblich sind, wurzeln meist mit samt dem Brauche, den sie bezeichnen, in
Auschauungen, die sich im neuen Namen seltsam spiegeln würden. — Anders die
Heeressprache. Hier trennt Hilkeni52) mit richtigem Blick die Bezeichnungen
für die Rangstufen und Truppenkörper von den übrigen Benennungen und hat für
die ersteren historisches Gefühl übrig, auch wenn sie Fremdwörter sind. Natürlich
1892. 3, S. 476/7; 1S93. 1, S. 404/5. — 146) W. Gen sei, D. Sprache d. Entwurfs e. bürgerl. Gesetzbuchs. L., Grunow. 79 S.
M. 1,00. |[LCB1. S. 1428.]| (Vgl. IV 5:443.) - 146 a) X G. P fitzer, D. Sprache d. Volks u. d. Sprache d. Rechts: Kenzelt N. 1.—
146b) Juristendeutsch: ZADSprV. 8, S. 94/7. — 146c) W. Ilaape, D. dtsch. Gesetzessprache mit besond. Rüclcsicht auf ihre
gesch. Bedeutung: ib. S. 49-53, 73/9. — 147) H. Daubenspeck, D. Sprache in d. gerichtl. Entscheidungen. B., F. Yahlen.
50 S. M. 1,00. |[M. Friedländer: ZDS. 7, S. 331,6; C. Bahr: Grenzb. 4, S. 119-23.]| (Vgl. id.: ZDS. 6, S. 401-12; 459-60;
7, S. 295,6.) —148) K. Scheffler, „D. heutige Deutsch": DNJb. 3, S. 98-113. —148a) 0. Kiemich: ZADSprV. 8, S. 120/1.
— 149) X A. So ein, Wie weit sind d. Eigentümlichkeiten d. kaufraänn. Stils berechtigt?: SchwRs. 3, S. 428-34. —
149a) ZADSprV. 8. S. 39-40, 81/2. — 150) K. Runge, D. Sprache d. Studenten: MADSprV(Berlin). 4, S. 140/9. (Vgl. dazu
auch 0. Eichler: AkBll. S. 49-50.) - 151) 0. v. Pfister, Studentisches Verdeutschungs -Wörterbuch. L., M. Hoffmann.
52 S. M. 0,50. — 152) Hilken, lieber d. dtsch. Sprache im Heere: MADSprV(Berlin). 4, S. 2/6. (Ber. darüber AMZg. 6S,
J. Bolte, Stoffgeschichte. I 8 iös-isö I 10 : 1-6
spukt hier für den „Leutnant" die Ableitung" von „Leute", und er wird als
„Leuteführer" bezeichnet. Dag-eg-en hat sich H. für seine Verdeutschung-en das
alte württembergische Reglement entg-ehen lassen, das bekanntlich erst nach dem
J. 1870 die französischen Fremdwörter des preussischen aufnehmen musste. — Der
Fremdwörterkampf lässt sich im einzelnen hier nicht verfolgten, er schläg-t sich in
zahllosen kleinen Aufsätzen in den Veröffentlich ung-en des deutschen Sprachvereins
nieder, er zieht sich wie ein roter Faden stark durch alle Abhandlung-en, die zur
Sprache der Geg"enwart Bezug- nehmen. So beruht auf ihnen auch der Schwer-
punkt der Ausführung-en von Tumlirz*^^) über „Sprachmischung-" und von
W. Aleyer^^'*) über die Duisburger Färbung- der Sprache. — Ja selbst die Fremd-
wörterbücher trag-en diesem Zug'e der Zeit Rechnung-, und so hat Lyon'^^) für die
17. Auflag-e des alten Hejse die amtlichen Erlasse über Verdeutschung- der Fremd-
wörter im besonderen berücksichtig-t. —
1,9
Metrik.
Andreas Heusler.
[Der Bericht über die Erscheinung-en des Jahres 1893 wird im fünften Bande
nachg-eliefert.]
1,10
Stoffgeschichte.
Johannes Bolte.
Antike Stoffe: Pyramas und Thisbe K. 1; Sophonisbe N. 3; Amor nnd Psyche N. 4; Eselmensoh K. 5; Danae
N. 6. — Orientalische Stoffe: Giftmädchen N. 7; Barlauin nnd Josaphat N. 8. — Mittelalterliche und neuere
Sage: Fabliaux N. 9; Götterdämmerung N. 11; Graf von Bom N. 12; Brudermord N. 13; ewiger Jude N. 14; Eoland N. 16;
Saladin N. 19; Rudolf von Habsburg N. 20; Agnes Bernauer N. 21; Cid N. 23; Columbns N. 24; Faust N. 25; Demetrins
N. 26; Stainer N. 27. — Märchen- nnd Schwanlcs toffe: Allgemeines N. 28; Schlaraffenland N. 29; Voyages imaginaires
N. 30; Jude im Dorn N. 31; lispelnde Schwestern N. 32; Kaiser und Abt K. 33. — Dramatische Stoffe: Esther N. 35;
Kaufmann von Venedig N. 36; Komeo und Julia N. 3S: Bramarbas N. 39; spanische Einflasse N. 40; Jodelet N. 41; der Falke
N. 42. — Verschiedenes (Teufel, Ostern, deutsche Geschichte, Wittenberg, Sprichwörter) N. 44. —
Antike Stoffe. Zu der im vorigen Jahrgang-e angeführten Schrift Harts
über die Pyramus- und Thisbe-Sage (JBL. 1892 18:2) sind in einer Be-
sprechung von Bolte 1) einige Nachträge geliefert; die Mängel jener Arbeit hebt auch
Röscher^) hervor. —
Eine kürzlich erschienene Dramatisierung des Sophonisbe-Stoffes durch den
greisen albanesischen Sprachforscher und Dichter G. de Rada giebt Buchholtz^)
Gelegenheit, an anderweitigen Behandlungen, namentlich an Geibels Tragödie, die
Eigenart der italienischen Dichtung zu messen. Die neueren Monographien über
diesen Stoff hat er dabei nicht berücksichtigt. —
Das durch Apuleius überlieferte Märchen von Amor und Psyche ist von
Erdmann*) in einer Quellenuntersuchung über Molieres Tragedie-Ballet Psyche
besprochen, die uns unzugänglich blieb. —
Auch die Hauptfabel im Romane des Apuleius, das Märchen vom E s e 1 -
m e n s c h e n , ist Gegenstand einer ausführlichen Arbeit geworden; Weinh old ^)
hat mit sicherer Methode die Entwicklung und Verzweigung dieser zuerst in der
S. 77 8.) — 153) C. Tnmlirz, Ueber Sprachmischung. Vortr. geh. am 4. März im DSprV. in Czernowitz. Czernowitz, R. Schally.
16*. 32 S. M. 0,40. — 154) W. Meyer-Markau, Unsere hochdtsch. Sprache in ihrem Duisburger Alltagsgewande. Duis-
burg, J. Ewich. 36 S. M. 0,60. — 155) J. C. A. Heyses allg. verdeutschendes u. erklärendes Fremdwörterbuch. 17. Orig.-Ausg.
Unter Berücksichtigung d. amtl. Erlasse über Verdeutschung d. Fremdwörter. Bearb. v. 0. Lyon. 5.-10. (Schlus8-)Ijfg.
Hannover, Hahn. XII u. S. 353-907. M. 3,60. —
1) J. Bolte: DLZ S. 523 4. — 2) W. H. Boscher: BPhWS. 13, S. 1301. - 3) H. B uchholtz, Girolamo de
Rada, Sofonisba. Dramma storico: ASNS 90, S. 328-34.- 4) O H. Erdraann, Molieres Psyche im Vergleich zu den ihr vor-
ingehenden Bearbeitungen der Psyche -Sage Diss. Königsberg, W. Koch. 42 S. M 1,00. — 5) (I 5:230.) — 6) A. Wirth,
I 10 : 7-13 J. Bolte, Stoff g-esch ich te.
verlorenen Schrift des Lukios von Paträ, dann bei Apuleius und in dem pseudolu-
kianischen Dialog-e Lukios behandelten Erzählung darg-elegt, die sich im tirolischen
Volk wiederfindet. —
Dageg-en entbehren die Untersuchungen über das Danae- Motiv, die Wirth^)
seiner Ausgabe von zwei griechischen Texten der Barbara- und Irene-Legende vor-
aufgeschickt hat, durchaus dieser wohlthuenden Sicherheit. W. streift mit reicher
Belesenheit eine grosse Zahl interessanter Probleme, verfällt aber vielfach in die
phantastischen Träumereien, die man gewissen älteren Richtungen in der vergleichenden
Mythologie mit gutem Grunde vorgeworfen hat. Wenn man jede mittelalterliche
oder moderne Erzählung, in der eme Jungfrau von ihren ängstlichen Eltern ein-
gesperrt und, als trotz alledem ein kühner Freier zu ihr gelangt, Verstössen wird,
— wenn man, sage ich, jede solche Erzählung aus dem griechischen Mythus der
Danae ableiten will, so gelangt man notwendigerweise zu Absurditäten. —
Orientalische Stoffe. Aus dem Morgenlande stammt die eigenartige
Sage vom Giftmädchen, die Hertz') mit staunenswertem Pleisse durch die Litte-
raturen des 10. — 17. Jh. verfolgt. Der pseudo-aristotelische Traktat „Geheimnis der
Geheimnisse", der einem Araber des 12. Jh. seinen Ursprung verdankt, berichtet
von einer schönen mit Gift genährten Jungfrau, die eine indische Königin Alexander
dem Grossen zusandte, um ihn durch ihre Umarmung zu verderben; Aristoteles
aber erkannte und beseitigte die Gefahr. Diese Erzählung kehrt in den mittel-
alterlichen Alexanderromanen ausserordentlich häufig wieder; H. weist ihre Elemente
aber auch anderwärts in der medizinischen und anthropologischen Litteratur nach,
indem er die Sagen vom bösen Blick, vom giftigen Hauche, von der Vergiftung im
Liebesgenusse, von den Zauberkräutern Dictam, Mandragora und Opium bespricht
und dabei Machiavellis Komödie „La mandragola" in neue Beleuchtung rückt. —
In noch grössere litterarische Zusammenhänge von Orient und Occident führt
die meisterhafte Studie Kuhns^) über den aus der Buddhalegende entstandenen
Roman Barlaam und Josaphat. Aus einer Vergleichung der ältesten arabischen,
georgischen und griechischen Versionen folgert K., dass das verlorene Original in
der Pahlavi-Sprache geschrieben war, und dass sein Vf., ein christlicher Iranier, mit
dieser geschickten Umarbeitung einer Buddha-Legende den iranischen Buddhisten
entgegentreten wollte. Aus den reichhaltigen Erörterungen über die spätere Ge-
schichte des Romanes seien namentlich die Nachweise über die eingestreuten
Parabeln hervorgehoben, auf denen z. B. die Kästchenwahl in Shakespeares Kaufmann
von Venedig, Hans Sachs Gedichte vom Tod im Stock und von den drei Lehren
der Nachtigall, Rückerts Parabel „Tod und Leben" beruhen. —
Mittelalterliche und neuere Sage. Zu der mittelalterlichen Sagenwelt
der germanischen und romanischen Völker mag uns ein tüchtiges Buch B ediers")
über die altfranzösischen Fabliaux hinüberleiten, das jedoch mit einiger Ein-
seitigkeit für den nationalen Ursprung dieser Novellen und Schwanke gegenüber
der Benfeyschen Theorie von ihrer indischen Herkunft eintritt und den Nutzen der
bei den Anhängern der vergleichenden Litteraturwissenschaft beliebten Parallelen-
sammlungen stark bezweifelt. — Ergänzungen zu Bedier liefert Schofields^*^)
fleissiger Artikel über das Fabliau „De la bourgeoise d'Orliens", das bisher als un-
mittelbare Quelle für Boccaccios Novelle von Beatrice und Anichino galt. Seh. zeigt,
dass der Italiener nicht das Fabliau und auch nicht eine ähnliche Episode im
Romane von Baudouin de Sebourc, sondern einen verwandten Volksschwank be-
nutzte, und bespricht die späteren Bearbeitungen der Geschichte, u. a. die Gedichte
von Rosenplüt und Burkard Waldis. —
Eine Erneuerung der skandinavischen Göttersage, die der Holländer Emants
in seiner Dichtung „Götterdämmerung" versucht hat, bespricht Rehorn^'),
der 1877 eine Uebersicht der Nibelungendichtungen geliefert hat. Die Einheitlichkeit
der Handlung wird durch die Person Lokis herbeigeführt, der als Sohn Odhins dar-
gestellt wird. —
Die Geschichte des Grafen von Rom, den seine Gemahlin als Sänger
verkleidet aus der Gefangenschaft der Türken befreit, ist durch eine Ballade des
16. Jh. bekannt; im 17. Jh. wurde, wie Bolte '2) zeigt, das treue Ehepaar unter dem
Namen Bertulfus und Ansberta von dem Jesuiten Bidermann in einer wiederholt
dramatisierten lateinischen Novelle gefeiert. Ein deutsches Schauspiel in Alexandrinern,
Danae in Christi. Legenden. Wien, Tempsky. VI, löO S. M. 5,00. |[0. CrusinB: LCBl. 1892, S. 1584/5; A. Robertson:
CIR. 7, S. 67-71.]| —7) (I 5:229.) — 8) E. Kuhn, B.arlaam u. Joasaph. E. bibliogr.-litt.-gesch. Studie. Aus AbhAkMunchenPh.
München, Franz. 4». 88 S, M. 2,60. — 9) J. Bedier, Les fabliaux. fitudes de litt, popul. et d'hist. litt, du MA. (— Bibl.
de l'Ecole des hautes ötudes N. 98.) Paris. Bouillon. XXVII, 485 S. — 10) W. H. Schofield, The source and bist, of the
7. novel of the 7. day in the Decameron: StNPhL. 2, S. 185-212. — U) K. Rehorn, Marcellus Emants, Götterdämmerung.
E.Gedicht übers, von P. A. Schwippert. Ilaarlem 1892: BFDH. 9, S. 273/7. - 12) (I 5:2.34.) — 13) E. Wolter, E. litauische
J. Bolte, Stoffgeschichte. I 10 : 14-25
das den Helden Rudolf von Paqueville nennt, verwertet auch die Sag-e vom
Möringer. —
Die Ballade von der bruder mörderischen Schwester behandelt nach
Wolter '3) ein 1892 in der russischen Kijevskaja Starina erschienener Artikel von
W. Peretz. —
lieber die seit Anfang des 13. Jh, nachweisbare Sag*e vom ewigen Juden,
der bald Cartaphilus oder Joseph, bald Buttadaeus, bald Ahasverus heisst, und dessen
Leben 1602 in einem deutschen Volksbuche beschrieben wurde, hatte Neubaur *^-i^)
schon 1884 eine sorg'same Untersuchung veröffentlicht; jetzt unterrichtet er uns
in einem Nachtrage über die durch die Arbeiten von Morpurgo, Gaston Paris u. a.
bekannt gewordenen französischen und italienischen Zeugnisse, sammelt die im
deutschen Volksmunde umlaufenden Ueberlieferungen und giebt von einigen Be-
trügern Nachricht, die in der Rolle des unglücklichen Wanderers auf die Leicht-
gläubigkeit der Menge rechneten. Seine Bibliographie zählt 56 Drucke des deutschen"
Volksbuches und ausser den vlämischen, französischen, dänischen und schwedischen
Uebersetzungen nicht weniger als 139 Schriften über die Sage. —
Mit Uebergehung eines mir unzugänglich gebliebenen Aufsatzes über die
deutsche Kaisersage '^) wenden wir uns den in der Litteratur verherrlichten historischen
Persönlichkeiten zu. Zu Eickes früher erwähnter Schrift über neuere Behandlungen
der Rolandsage (vgl. JBL. 1892 I 8: 10a) giebt Koch^'') einige dankenswerte
Nachträge. ^^) —
Die Rolle, die der von seinen christlichen Gegnern geachtete und bewunderte
Sultan Saladin in den französischen und italienischen Epen und Novellen spielt,
hat Paris '^j, an eine Abhandlung Fioravantis anknüpfend, beleuchtet, leider ohne
auf die deutsche Litteratur und Sage einzugehen. —
Soffe^o) mustert verschiedene Dichtungen des 13. bis 19. Jh., die den
Kaiser Rudolf von Habsburg verherrlichen, indem er sie seinem populären
Zwecke gemäss nach dem Lebensgange des Helden gruppiert und auf Vollständigkeit
verzichtet; es fehlen z. B. die neulateinischen Ottokardramen von Calaminus und
Vernulaeus, die als Vorläufer Grillparzers Beachtung verdient hätten. —
Das tragische Ende der unglücklichen Agnes Bernauer, das 1780 durch
den Grafen Törring auf die Bühne gebracht wurde und seitdem verschiedentlich
Schauspieldichtern als Stoff gedient hat, ist der Gegenstand einer anregenden Unter-
suchung von Petri^i), dem für die Stoffsammlung zwei Straubinger Programme von
Horchler vorgearbeitet hatten. Am ausführlichsten bespricht P. die verschiedenen
in dem Zeiträume 1840 — 60 entstandenen dramatischen Entwürfe O. Ludwigs zu
einer Agnes Bernauer, die nicht zur Vollendung gelangten.22) (Vgl. JBL. 1892
IV 4 : 68.) —
Wie die Liebe des spanischen Nationalhelden Cid zu Chimene von drei
Dramatikern verschiedener Nation und Zeit dargestellt wurde, sucht B 0 r m a n n ^3)
durch eine ausführliche Analyse von Guillen de Castros Mocedades del Cid,
CorneiUes Cid und Fedor Wehls „Liebe und Ehre" darziüegen. —
Eine ganze Reihe deutscher Columbus- Dichtungen hat Loevinson^*), ein
junger in Deutschland herangebildeten Historiker, in italienischer Sprache den Lands-
leuten des grossen Genuesen vorg'eführt, um die Lücken von P. Carbonis Buch
Cristoforo Colombo nel teatro (Mailand 1892) zu ergänzen. Er beginnt die Reihe der
epischen Dichtungen mit Schillers Distichen und würdigt auch Bodmers Colombona,
während er z.B. Sal. Toblers Epos (1846) übersieht; in einem zweiten Teile sind acht
Dramen von Kling'emann, Rückert, Herrig, Werder u. a. besprochen (vgl. IV 4 : 100). —
Ueber den Schwarzkünstler Faust hat Kiesewetter ^s) eine umfäng-
liche Arbeit erscheinen lassen, die von der dichterischen Verwertung der Faustsage
völlig absieht und die Gestalt als Vertreter des Okkultismus im Zusammenhange mit
älterer und späterer magischer Litteratur auffasst. Was K. zur Erläuterung einzelner
Faustabenteuer daraus beibringt, mag für manchen Interesse besitzen, obwohl da
Wunderliches genug mit unterläuft; des Mephostophilus Verkehr mit Faust z. B.
wird als Spaltung des Ichs erklärt. Dürftig aber und durch Unkenntnis der neueren
Litteratur auffällig ist das, was (S. 1 — 66) über Fausts geschichtliche Person aus-
geführt wird (vgl. II 3 : 28; III 3 : 2). —
Daina über d. Brudermord : MLitauLG. 3, S. 542. — 14) (1 5 : 226.) — 15 ) (^3 : 126.) — 16 ) O K. H o e b e r , Z. dtsch. Kaisersage : HJb. 14,
8.67 8. — 17)MaxKoch: ZYLR. 6, S. 256 9. — 18) L.F ranke 1, Th.Eicke, Z. neueren Litteraturgeschichte der Eolandsage (vgl.
-JBL. 1892 1 8 : 10 a) : LBlGRPh. S. 286,7. (Vgl. auch K. W e i n h o 1 d : ASNS. 90, S. 406.) — 19) G. P a r i s , A. Fioraranti, II Saladino nelle
leggende f rancesi e italiane del medio evo. Reggio 1891 : JSav. S. 284-99, 354-6.5, 428-33, 486-98. — 20) E. S o f f e Rudolf v. Habsbnrg im
Spiegel d. dtsch. Dichtung. Fürd. studierende Jugend Oesterreichs geschild. Progr. Brunn. 16 S. — 21) J. Petri, D. Agnes-Bernauer-
Stoff im dtsch. Drama. Diss. Rostock. 1892. 47 S. — 22) O K. Hanebuth, Ueber d. hauptsächlichsten Jeanne d'Arc- Dichtungen
d. 15., 16. u. beginnenden 17. Jh. Diss. Marburg. 91 S. — 23) W. Bormann, D. Cid im Drama. Beitr. z. vergleJchenden
Litt.-Gesch. n. Aesthetik: ZVLR. 6, S. 5-33. — 24) G. Loerinson, Cristoforo Colombo nella letteratura tedesca. Torino,
Loescher. 131 S. |[L. Fränkel: LCBl. S. 985/6; Ausland S. 271/2; G. Fortebracci: Cnltura 1, S. 2334.11 - 25) (I 5:224.)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. lY. 18
I 10 : 26-38 J. Bolte, Stoffg-Bschichte.
Die wichtig-eren Dramen vom falschen Demetrius unterzieht Popek^^)
einer eingehenden Musterung; zuerst Puschkins und Lope de Vegas Dichtung-en,
dann Schillers Fragment, in dem die beiden verschiedenen Pläne auseinander g-e-
halten werden, und seine Ergänzer, von Maltitz und Kühne. In einer Fortsetzung-
sollen auch die selbständigeren Demetriusdramen besprochen worden. —
Der berühmteste deutsche Geigenbauer, Jakob Stainer, der 1683 in
Schwermut sein Leben endete, ist schon mehrfach in der Litteratur verherrlicht
worden; jetzt vereinigt ein ungenannter Herausgeber^'*) in einem Bändchen, das
freilich jeglichen Vorworts ermangelt, mehrere auf ihn bezügliche Arbeiten von drei
tirolischen Landsleuten: Seb. Rufs aktenmässig-e Biographie vom J. 1872, Joh. Schulers
noch ältere Novelle und ein Gedicht Hermanns von Gilm. —
Märchen- und Schwankstoffe. Wieviel aus diesem Litteraturkreise
durch Hans Sachs in unsere Dichtung eing-eführt oder in entscheidender "Weise um-
gestaltet worden ist, erkennt man im allg-e meinen aus der trefflichen Sammlung'
seiner Fabeln und Schwanke, die Goetze-^) begonnen und auch mit Quellen-
nachweisen ausgestattet hat.
Auf Hans Sachs geht auch das Märchen vom Schlaraffenland zurück,
dessen Beliebtheit K a w e r a u ^f») aus der gegen die faulen Tagediebe und Bettler
gerichteten Tendenz, die ebenfalls in der gleichzeitigen Grobian usdichtung hervortritt,
zu erklären weiss. —
Zur Geschichte der Voyages imaginaires seit Rabelais und Morus liefert
Borkowsky^ö) in seiner Quellenuntersuchung über Swifts Gulliver einen Beitrag.
(Vgl. III 3 : 15—30). —
Zu dem schon im vorigen Berichte (vgl. JBL. 1892 1 8 : 13) erwähnten Märchen
vom Juden im Dorn bringt Bolte^^) einig-e weitere Parallelen bei, während
Zupitza^ia) von dem englischen Gedichte des 15. Jh., das die älteste Fassung dieses
Schwankes repräsentiert, einen zuverlässigen Text nach zwei Hss. liefert. —
Einen noch jetzt im Volke verbreiteten Schwank von drei lispelnden
Schwestern, die in Gegenwart des Freiers Schweigen bewahren sollen, weist
Bolte32) jn einem anonymen Meisterliede des 16. Jh. nach. —
Hoenig33) zeigt an der englischen Ballade, die zu Bürgers Gedicht vom
Kaiser und Abt die Anregung gab, wie frei umdichtend ihr Herausgeber Percy
mit der Ueberlieferung umsprang.^*) —
Dramatische Stoffe. Hier sei eine solide Arbeit von Schwartz^^) über
die Esther-Dramen des 16. Jh. wenigstens erwähnt, obwohl es sich in diesen weniger
um Umwandlungen des biblischen Berichtes, als um die grössere oder geringere Aus-
dehnung des Stoffes handelt. Die eine Gruppe der Dramatiker, an deren Spitze
Hans Sachs steht, stellt die ganze Erzählung unverkürzt dar, die andere, die sich an
Naogeorgs Hanian anschliesst, beschränkt sich auf den Sturz Hamans durch Esther. —
Shakespeares Kaufmann von Venedig gilt eine Quellenuntersuchung
Land aus 3^), der mit bekannter Belesenheit die beiden hier verbundenen Er-
zählungen vom scharfsinnigen Urteil und von den drei Kästchen in ihrer Ent-
wicklung verfolgt, aber auch die Züge, in denen Shakespeares Selbständigkeit her-
vortritt, genügend betont. — Die Fabel vom Fleischpfande teilt Pf äff 3'') in einer
Prosaaufzeichnung aus einem Villinger Rechtsbuche des 16. Jh. mit, die wohl direkt
aus dent Meisterliede von Karls Recht hervorgegangen ist. —
Zur Vorgeschichte der Tragödie von Romeo und Julia hat der fleissige
Fränkel^^) schon wiederholt Beiträge geliefert; in einem besonderen Buche be-
handelt er nun die Balkonscene, deren Verwandtschaft mit den deutschen Tageliedern
schon Gervinus hervorgehoben hatte. Vers für Vers vergleicht er mit der Liebes-
lyrik des deutschen Mittelalters und der späteren Zeiten; er erwägt die Rolle der
Nachtigall und Lerche in diesen Dichtungen und bringt so ein reiches, auch für
andere Betrachtungen brauchbares Material zusammen. Die Quellenfrage freilich
ist damit für Shakespeare noch nicht gelöst; da F. nach englischen Tageliedern ver-
geblich gesucht hat, vermutet er Shakespeares Vorbild in der niederländischen Lyrik,
durch die jenes Motiv der germanischen Dichtung nach England gelangt sei. —
— 26) A. Popele, D. falsche Demetrius in d. Dichtung mit bes. Berücksichtig. Schillers u. seiner Fortsetzer. I. Progr. Linz,
37 S. — 27) 3ak. Stainer, d. Geigenmaoher v. Absam in Gesch. u. Dichtung. Innsbruck, Wagner. 1892. X, 143 S. M. 1,00.
|[ÖLßl. 2, S. 567.]| — 28) H. Sachs, Sämtliche Fabeln u. Schwanke. Her. v. E. Goetze. 1. Bd. (= NDL. N. 1107.) Halle a.S.,
Niemeyer. X, 594 S. M. 6,00. (Vgl. auch II 3.) — 29) W. Kawerau, D. Märchen vom Schlaraffenland: AZg». N. 229. —
30) Th. Borkowsky, Quellen zu Swifts Gulliver. (Diss. Rostock. 45 S.): Anglia 15, S. 345-89. [[0. Glöde: EnglSt. 18,
S. 461 3,]| — 31) J. Bolte, Z. Tanz d. Mönches im Dornbusch: ASNS. 90, S. 289-95. — 31a) J. Zupitza, Jak and his step
dame, nach d. Hs. Eawlinson C 86 mit d. Abweichungen d. Porkington-Ms. : ib. S. 51-82. — 32) (I 5:243.) — 33) B. Hoenig,
Percys Ballade „King John and the Abbot of Canterbury": EnglSt. 18, S. 307-15. — 34) O M. E we rt, Ueber d. Fabel: D.
Rabe u. d. Fuchs. Diss. Rostock. 124 S. — 35) Rud. Schwartz, Esther im dtsch, u. neulat. Drama d. Reformationszeit-
alters. Oldenburg u. L., Schulze. VII, 276 S. M. 4,00. (Vgl. auch II 7.) — 36) M. Landau, Shakespeares Kaufmann v.
Venedig: AZg«. N. 70, 83/5. — 37) F. Pfaff, Karls Recht: ZVLR. 6, S. 397/9. — 38) L. Fränkel, Shakespeare u. d. Tage-
C. Gurlitt, Kunstg-eschichte. 1892, 1893. I 10:39-50 I 11
Ueber den Typus des Bramarbas bei Shakespeare und den gleichzeitigen
englischen Dramatikern enthält die von Koch 3«) angezeigte Dissertation Grafs nützliche
Zusammenstellungen. —
Was die englischen Dramatiker den spanischen Einflüssen verdanken,
stellt Bahlsen^") in raschem Ueberblicke zusammen, ohne jedoch genau zu scheiden,
was auf spanische Dramen und was auf g-emeinsame novellistische Quellen zurückgeht. —
Eingehender prüft Peters'**) die Einwirkungen des spanischen Schauspiels
auf die französischen Dichter Hardy, "Rotrou, Corneille, Moliere und Scarron, wor-
über schon oft geredet, aber verhältnismässig wenig ermittelt ist. Er zeigt an dem
Jodelet duelliste Scarrons das Verfahren des Franzosen, der darin zwei Dramen
von Tirso und Rojas geschickt vereinigt und umarbeitet. Auch für die deutsche
Litteraturgeschichte haben diese Quellenforschungen Wert; denn Frankreich hat
während des 17. Jh. zwischen dem spanischen und deutschen Theater eine bedeut-
same Vermittlerrolle gespielt. —
Häufig dramatisiert ist auch die Novelle Boccaccios von dem Falken
(vgl. JBL. 1892 IV 8e : 41) des verarmten Ser Federigo, deren Verbreitung in den
europäischen Litteraturen Anschütz*^) verfolgt; auf einige übersehene Stücke
weist Stiefel in seiner Besprechung hin.*^) _
Verschiedenes. Es bleiben schliesslich noch einige Veröffentlichungen
zu erwähnen, die sich keiner der früher besprochenen Gruppen einreihen lassen
und teilweise auch nur als Materialsammlungen in Betracht kommen. Eine polnische
Abhandlung'*'*) über die Rolle des Teufels in der Dichtung ist mir leider nicht
verständlich. — Für weitere Kreise berechnet hat Frey be^^) sein Büchlein über das
Osterfest, in dem er die sich daran anschliessenden Volksbräuche, die kirchliche
Feier des Mittelalters und die Darstellung der Ostergeschichte im angelsächsischen,
altsächsischen, mittelhochdeutschen Epos, in Klopstocks Messiade sowie in den Oster-
dramen des 15.— 16. Jh. darstellt und durch eingestreute Bruchstücke veranschaulicht.
— Eine Anthologie für Schulzwecke ist Dietl einsaß) Sammlung von 111 Gedichten
des 19. Jh. über Ereignisse der deutschen Geschichte*") — Populäre Zwecke
verfolgt gleichfalls Wagners*») Festschrift zum 600jährigen Stadtjubiläum Witten-
bergs, obwohl unter die auf Luther, Faust und andere Berühmtheiten Wittenbergs
bezüglichen Gedichte und Sagen auch einige lateinische Verse aus dem 16. Jh.
eingestreut sind. 4^) — Die in den Sprichwörtern niedergelegten Volksanschauungen
der Franzosen, Italiener, Russen und Chinesen über Arbeit, Handel, Wahrhaftigkeit.
Ehre, Freundschaft, Liebe usw. schildert Freund^*') in seinen parömiologischen
Skizzen, indem er öfter auf parallele oder entgegengesetzte deutsche Sprichwörter
hinweist. —
1,11
Kunstgeschichte. 1892, 1893.
Cornelius Gurlitt.
Kunstlehre: Erziehung zur Kunst auf den Universitäten N. 1, auf den Schulen N. 4, auf den Kunstakademien
N. 6; ästhetische und technische Fragen N. 9. — Kunstkritik N. 28. — Kunstgeschichte: Allgeraeines N. 56. —
Kunsttopographie: Allgemeines N. 80; Sohlesien N. 82; Königreich Sachsen N. 83; Thüringen N. 84; Bayern N. 85; Württem-
berg N. 87; Baden N. 88; EIsass-Lothringen N. 89; Hessen N. 90; Frankfurt a. M. N. 92; Rheinprovinz N.93; Westfalen N. 94;
Oldenburg N. 95; Pommern, West- und Ostpreussen N. 96; Provinz Sachsen N. 99; Anhalt N. 100; Braunschweig, Kreis Münster
N. 101; Berlin N. 103; Provinz Posen N. 104; Oesterreich N 106. — Lokale Einzelheiten: Provinz Sachsen N. 117; Westfalen,
Rheinlande N. 124; Schwaben N. 131; Elsass N. 141; Bayern N. 143. — Geschichte der Architektur N. 157. — Malerei der
Renaissance: A. Dürer (Nürnberg, M. Schongauer) N 170; Dürers Schule und Zeitgenossen: Hans von Kulmbach K 201,
H. L. Schaeuffelin N. 202; H. Holbein d. J. N. 203; L. Cranach N. 210; schweizerische Maler N. 216; A Altdorfer N. 221;
B. Strigel N. 225; Barthel Beham N. 227: W. Dietterlin N. 229; Hans Baldnng Grien N. 230; die Glockendons N. 234; Th.
Mnrner N. 236; L. Bock N. 239; Kölner Glasmalerei K 240; österreichische Renaissance N. 244. — Bildhauerei des 15. bis
lied. E. Beitr. z. vergleich. Litt.-Gesch. d. german. Völker. Hannover, Helwing. V, 132 S. M. 3,00. ~ 39) Max Koch,
H, Graf, D. Miles gloriosus im engl. Drama bis z. Zeit d. Bürgerkrieges. (Diss. Rostock. 58 S.): EnglSt. 18, S. 134 5. — 40)
L. Bahlsen, Span. Quellen d. dramat. Litt. Englands, bes. zu Shakespeares Zeit: ZVLR. 6, S. 1519. — 41) R. Peters,
Paul Scarrons Jodelet duelliste u. seine span. Quellen. Mit e. Einl.: D. Resultate d. bisherigen Forschung über d. span.
Einfluss auf d. franz. Drama d. 17. Jh (= Mnnch. Beitrr. z. roman. u. engl. Philol. Her. v. H. Breymann u. E. Koeppel
N. 6.) Erlangen, Deichert. VIT, 102 S. M. 2,00. — 42) R. Anschütz, Boccaccios Novelle vom Falken n. ihre Verbreitung
in d. Litt. Nebst Lope de Vegas Komödie: El Halcon de Federigo. (= Erlang. Beitrr. z. engl. Philol. Her v. H. Varnhagen
N. 13.) ebda. 1892. 101 S. M. 2,00. |[M. Hippe: EnglSt. 18, S. 2334; A. L. Stiefel: LBIGRPh. S. 3723; LOBl. S. 330:
H. A. Rennert: MLN. 8, S. 306-10; Ch. Dejob: RCr. 35, S. 51,3.]| - 43) X W. Golther, K. Nyrop, Nej. (vgl. JBL. 1892
I 8:21): ZVLR. 6, S. 1404. — 44) J. Matuszewski, D. Teufel in d. Poesie. Litt -künstl. Studie (in polnischer Sprache):
Ateneum 1, S. 21-57, 417-67, 490-528. — 45) (I 5:57.) — 46) W. Dietlein, Dtsch. Geschichte im Gewände vaterländ. Dich-
tung. Für Schule u. Haus. Lai.gensalza, Beyer. 1892. VI, 129 S. M. 1,20. — 47) X ö- Ellinger, J. Bolte, D. Bauer im
dtsch. Liede (vgl. JBl. 1890 II 2:23; III 2:22; 1891 II 2:29): ZDPh 25, S. 423. — 48) (I 4:376.) — 49) O G. Kohn,
Polen im Spiegel dtsch. Poesie: PNL. S. 670. — 50) L. Freund, Ans d. Spruchweisheit d. Auslandes. Parömiologische
Skizzen. Hannover, C. Meyer. 44 S. M. 1,00. —
18*
I 11 : 1-2 C. Gurütt, Kunstg-eschichte. 1892, 1893.
17. Jh. N. 248. — Kunst des 17. und 18. Jh. N. 256. — Zeit des Klassizismus und der Romantik: Allgemeines N. 27,5; Angelika
Kauffmann N. 273; A. Trippel N. 281; H. Keller N. 283; Nachzügler des 18. Jh. N. 284; Chrn. Rauch N. 289; W. Ahlborn.
L. Richter N. 292; W. Kaulbach N. 294; A. Rethel, E. von Bändel N 295; L. von Führich, J. von Schraudolph, E. Eietschel,
Ph. Veit, L. ßode N. 298; Architekten N. 302a; Verschiedenes N. 309; Künstler-Nekrologe N. .332. — Moderne Knnst: A. Böcklin,
H. Thema N. 349; F. von Uhde N. 352; A. Menzel, F. Skarbina N. 354; M. Liebermann N. 356: F. Stuck, 0. Greiner N. 359;
H. Ilerkomer, H. Prell, L, von Gleichen-Russwurm, Ad. Hildebrand, U. Kaulbach N. 362; II. Hendrich, F. von Lenbach
(„Allotria"), Ad. Schreyer N. 374; G. Eberlein, W. Busch, M. Klein N. 378. — Kunsthistoriker (W. Lübke, A. Springer,
H. Janitschek, A. von Essenwein, F. R. Steche [F. Gurlitt, E. W. von Brücke], J. Burckhardt) N. 384. — Specialgebiete:
Vervielfältigende Künste N. 411; Gartenbau N. 430; Kunstgewerbe N. 433; öffentliche Kunstinstitnte N. 446. —
Kunstlehre. Die so wichtige Erziehung- zur Kunst, zunächst auf
den Universitäten, ist eine der treibenden Absichten fast aller kunstg'eschicht-
lichen und kritischen Produktion. In dem hier zu behandelnden Zeitabschnitte trat
dieses Streben besonders kräftig- hervor. Die innere Veranlassung- dürfte der Tod
des hervorragendsten deutschen Lehrers der Kunstg-eschichte, Anton Spring-ers, g-e-
wesen sein, welcher bei zwei Universitätslehrern, Schmar so w*) und Kon r ad Lang-e-),
zu dem Bedürfnis führte, sich und der Welt über Ziele und Stand des deutschen
Kunstunterrichts Rechenschaft zu g-eben. Die Porderung-en, welche Seh. aufstellt,
beziehen sich zunächst auf jene Studierenden, welche Kunsthistoriker von Beruf
werden wollen, d. h. auf Leute, welche die Befähig-ung- erlang-en wollen, die Kunst-
g-eschichte zu fördern oder doch weiter zu lehren. Es ist kein Zweifel, dass die
Kunstg-eschichte in den letzten Jahrzehnten g-anz ausserordentliche Fortschritte im
Ausbau ihrer Lehre g-emacht hat, und zwar unter der Leitung- von Männern, deren
hervorrag-endste Eigenschaft gewiss nicht das innigste Verhältnis zur Kunst war,
wenigstens insofern nicht, als man unter Kunst die immer erneute Bethätigung des
Strebens versteht, schönheitliche Werte in der Natur zu erkennen und sie auf dem
Umwege über Auge, Hirn und Hand anderen vorzuführen. Die fördersamen Kenner
jungen Schaffens fand man selten an den Universitäten; selten waren es die Pro-
fessoren für Kunstgeschichte. Diese standen öfter an jener Seite, von der man die
fortschreitende Entwicklung durch guten Rat und zorniges Schelten hemmen zu
können glaubte, die erst nach den Siegen neuer Richtungen, so gut es gehen will,
sich mit ihr versöhnten. Ich stehe nun nicht an zuzugestehen, dass man ein sehr
guter Kunsthistoriker auch ohne diesen Kunstsinn sein kann. Giebt es doch auch
grosse Historiker, welche für Politik ein sehr bescheidenes Verständnis besitzen. Denn
zum Kunsthistoriker macht den Mann das vergleichende Abwägen einer fertigen
Zeit und ihrer schönheitlichen Aeusserungen; vom Kunstsinn aber fordert man das
Erkennen bisher unentdeckter Wahrheiten und Schönheiten in dem Werke des
Künstlers. Es kann vorkommen, dass der Kunsthistoriker Kunstsinn braucht, wenn
es z. B. gilt, eine bisher nicht erkannte alte Kunstschönheit aufzufinden, in bekannten
Werken ihre Vorbilder und mithin ihre Berechtigung in der Natur, in den Er-
scheinungen oder Empfindungen der schöpferischen Zeit und ihrer Vertreter zu ent-
decken. Solch ein Mann von Kunstsinn war z. B. Winckelmann, der die allbekannte
Antike neu kennen lehrte. Aber die ihm folgende Periode, welche der von Seh.
erstrebten Bildungsart, freilich mit sehr einseitiger Richtung auf eine bestimmte
Schönheitsform entsprach, hat dem Kunstsinn im deutschen Volke wesentlich mehr
geschadet als genützt obgleich sie in weit höherem Masse eine Einheit des Denkens
und Empfindens, des Schaffens und Wollens darstellte wie unsere Zeit. Durch die
Einführung in die Wissenschaft der Kunst, durch vergleichende Betrachtung der
Kunstwerke und der in ihnen sich offenbarenden Wandlungen des Menschengeistes,
durch ästhetische Würdigung und durch Erkennen der Beziehungen zu anderen
Geistesströmungen bildet man gewiss im Sinne von Sch.s Ausführungen gute Kunst-
historiker. Und es ist sehr erfreulich, dass auf deren Schulung so viel Sorgfalt ge-
wendet wird. Das Ziel ist ein gutes. Aber Seh. selbst weiss, dass dies Ziel im all-
gemeinen Stande unseres Volkslebens ein sehr nebensächliches ist. Die Not schreit
nicht nach kunstgeschichtlicher Erkenntnis, sondern darnach, dass viele zur Kunst
ein unmittelbares Verhältnis erlangen, dass diese durch Verständnis zum Bedürfnis
des Volkes werde. Und da scheinen mir alle vorgeschlagenen Mittel trügerisch.
Nicht der Vortrag und nicht die Vergleichung der Kunstwerke wird nützen. Wenn die
Zahl der Belehrungen und die Zugänglichkeit der Kunstwerke das Kunstverständnis
wirklich steigern könnten, so müssten wir im Zeitalter der Vereine, Zeitungen, Museen,
Photographien und Eisenbahnen schon längst alle früheren Jh. hierin geschlagen haben.
Jeder Künstler weiss es, dass Kunst nur aus dem Verständnis der Natur hervorgeht. Und
so ist es nicht nur für den Ausübenden, sondern auch für den Nachempfindenden. Das
ganze Elend stammt aus der Entfremdung von der Natur und wird durch Kunst-
1) A. Schmarsow, D. Kunstgesch. an unseren Hochschulen. B., Reimer. 1891. 120 S. M. 2,40. |[PrJbb. 72,
S. 5434; Stühlen: COIRW. 21, S. .5834.]| — 2) Konr. Lange, D. künstlerische Erz. d. dtsch. Jugend. Darmstadt,
Bergstrasser. XH, 255 S. M. 3,00. |[Paul Schumann: N&S. 64, S. 276 7; 65, S. 410/1; C. Th. Pohl ig: BBG. 29, S. 397-408;
0. Harnuck: PrJbb. 72, S. 540/3, 543/4; DR. 3, S. 253/4; C. Frey: DWBl. S. 115/8; W. R.: LCBl. S. 1237/9; R. Graul:
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 : 3
fütterung- nicht geheilt. "Wer Blumen botanisiert, Schmetterlinge aufspiesst, Land-
partien macht, Velociped fährt, d. h. wer schöne Gegenden rasch durchzieht, der
liefert damit den Beweis, dass ihm der künstlerische Natursinn fehle. Die Sesshaftigkeit
alter Naturbetrachtung, die mit ihr verbundene Vertiefung, das wirkliche Kennen
der Natur nach ihren bildlichen Erscheinungsformen giebt dem Kunstsinn den rechten
Untergrund. Ein Reiter versteht mehr vom Pferdebild als ein Kunsthistoriker, es
sei denn der Maler mache das Pferd zum Träger eines historischen Gedankens, male
es also historisch, nicht künstlerisch. Also wäre Schulung des künstlerischen Natur-
sinnes die erste Aufgabe für den Kunstkenner, nicht Eindringen in die Kulturgeschichte.
Die grossen Meister hätten wahrscheinlich die meisten akademischen Vorträge von
heute gar nicht verstanden, denn zu ihrer Zeit gab es noch neben zahlreichen anderen
Vorbedingungen keine Kulturgeschichte, in unserem Sinne überhaupt weder Ge-
schichte noch Aesthetik. Dafür hätten unsere Kunsthistoriker die Gespräche der
Maler und Bilderer wohl meist für recht „banausisch" erklärt, für nicht auf der
Höhe wissenschaftlicher Betrachtung stehend. Warum verkehren Kunsthistoriker
und Künstler so selten mit einander? Weil sie im Grunde genommen nichts mit ein-
ander zu thun haben, so wenig wie der Professor für Geschichte mit dem Staats-
mann oder General. Bei Seh. hat man den Eindruck, dass er ganz Professor sei —
und er ist zweifellos ein sehr guter Professor. Bei L. tritt das künstlerische
Wesen schon weit stärker hervor. Er weiss sehr genau, ' dass zum Dichten und
zum Verständnis der Dichtung nicht die Kenntnis aller Poesien der Welt und
ihres Verhältnisses zur Geschichte gehört, sondern seelische Erlebnisse und
bildnerische oder nachempfindende Kraft. Er empfiehlt also auch nicht in erster
Linie Kunstgeschichte und Kunstlehre, sondern sucht die Mittel einer allgemeinen
künstlerischen Volkserziehung. Den Schluss bildet auch hier die Betrachtung des
Universitäts-Studiums der Kunstwissenschaft. Wieder redet hier ein Fachmann klug
und mit Erwägung aller Umstände zu Fachleuten. Die Ergebnisse des Gedanken-
ganges beider Kunsthistoriker stehen sich so nahe, dass die Verschiedenheiten hier
nicht erwähnt zu werden brauchen. Aber leider fehlt beiden Programmen ein Gebiet,
nämlich das Zurückgehen auf die Wurzel der Erkenntnis. Wenn man Hörer im
Seminar hat — warum übt man sie nicht in der Naturbetrachtung. Ich meine, man
solle sie ein Gesicht, einen Baum, eine Nebelstimmung sehen, erkennen und durch
das Wort festhalten lehren. Man lese Zolas Naturschilderungen, um zu erkennen,
wo die Grenze zwischen einem Kunsthistoriker zum Kunstkenner liegt! Da ist Einer,
der sehen kann, und darum auch Einer, der junge Kunst verstand! Einen Kohlkopf
ohne Phrase künstlerisch beschreiben, das scheint mir, wo es sich um Naturer-
kenntnis handelt, wichtiger für einen Anfänger, als Dürers Schriften zu kommen-
tieren. Man lacht so gern über Pudor^). Aber seine Beschreibung der Büste des
Uzzano ist trotz mancher Uebertreibungen nach meinen x\nschauungen künstlerischer
als eine ganze Serie kunstgeschichtlicher Werke. Ich wüsste nicht viele, die ihm
das nachmachten. Ich fürchte aber, auch L. ist nicht Künstler genug, um die Einheit
des Naturschönen mit dem Kunstschönen zu erkennen, das wechselseitige Bedingen
beider. Kunstkenner ist, wer die Natur im Kunstwerk sieht, Kunsthistoriker, wer die
geschichtliche Stellung eines Werkes zu anderen erkennt. Das erstere Urteil nützt dem
Künstler und durch sie der Menge, das letztere nur der Wissenschaft. Der Schwerpunkt von
L.sBuch liegt in dem, was er über die Kunst in der Kinderstube, derSchule und dem Gym-
nasium sagt. Hier w'eist er überall auf Anschauung, auf Kräftigung des Formengedächt-
nisses, „Ausbildung der ästhetischen Illusionsfähigkeit" und technische Geschicklichkeit
hin. Unter Anschauung steht ihm fast überall das Bild in erster Linie. Mir scheint der
wirkliche Gegenstand der zu bevorzugende. Das Kind wird nach L.s System die
Dinge zumeist erst im Bild und dann in der Natur sehen. Das heisst: Das Bild
wird ihm nicht Bestätigung der Natur, sondern die Natur Bestätigung des Bildes
sein. Nicht das Bild des Löwen ist richtig, sondern der Löwe sieht wie sein Bild
aus. Nicht der Maikäfer ist echt, sondern er sieht aus, als ob er wirklich von
Chokolade wäre. Da sitzt der Schwerpunkt des ganzen Missverhältnisses der modernen
Kulturmenschen zur Kunst, ihre Furcht vor dem Realismus, ihr Abscheu vOr dem
Unmittelbaren, und andererseits der Grund für die Gewaltsamkeit moderner Kunst,
die immer wieder eines Ruckes bedarf, um vom Bild zum Gegenstand zurück zu
greifen: denn das Bild ist uns das Geläufige, der Gegenstand das Befremdende,
Uebertragene. Unsere Kunstkritik und unsere Kunsthistorik stammen aus dieser An-
schauung. Sie urteilen nach Kunst, nicht nach Natur, sie kommen daher immer nur
zu einem dehnbaren Masstabe, zu einer objektiven, unselbständigen Erkenntnis. —
Was die Anregungen der Kunsthistoriker in der Schule selbst für Er-
BLU. S. 201; Paul Schumann: Kw. 6, S. 209-12, 225/8, 2415; A. Matthäi: ZGyran. 27, S. 197-205.JI — 3) H. Pudor,
Ketzerische Knnstbriefe ans Italien nebst e. Anh.: Gedanken zu e. Lehre vom Kunstschaffen. Dresden, Damm. XYII, 160 S.
I 11:4-9 C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893.
gebnisse bringen, zeigen in sehr lebhafter Art Kruspes^) und E. Fischers 5)
Aufsätze über kunstgeschichtliohen Unterricht an Gymnasien. Die Frage, wie der
Lehrer bei dem Schüler Kunstverständnis wecke, ist nach meiner Ansicht erst dann
zu lösen, wenn es bei den Lehrern geweckt ist. Die erfahrenen Kunsthistoriker
bestätigen uns, dass die Philologen ganz ausnahmsweise bei ihnen hören, und dass der
archäologische Betrieb sehr oft wenig mit Kunst zu thun habe. K. giebt nun einen Lehr-
plan für einen durch 3 Jahre reichenden Kunstunterricht am Gymnasium. Gewiss wird
dieses System, klug angewendet, gute Früchte tragen. Es wird vielen das Verständnis der
Kunstgeschichte erleichtern. Aber es wird ebenso gewiss die „Hebung des Geschmackes"
nicht erzielen. Das Ohr, welches Vorträge hört, kann das Auge nicht sehen
lehren, die Erklärung der hellenischen Säulenformen nicht das Schönheitsgefühl be-
leben. Vielmehr ist Gefahr da, dass dieses eingeengt werde. Zu der Zeit, als
ich die „Ordnungen" nach Böttichers Tektonik kennen gelernt hatte, missfiel mir
jeder nicht klassische Bau. Ich sah Fehler überall. Ich musste erst mein kunst-
geschichtliches Wissen überwunden haben, ehe ich wieder mit freier Empfindung
an Selbständiges herantreten konnte. Ich fürchte, Schmarsow, Lange und die ihnen
folgenden Gymnasiallehrer erziehen uns noch mehr jener schrecklichen Leute, die
wissen, wie gute Kunst eigentlich aussehen müsste, und die daher junger Kunst
blind gegenüber stehen. Uns fehlt nicht Achtung vor dem Alten — dessen haben
wir eher zu viel — , sondern Achtung vor dem Neuen und die Fähigkeit, jungen
Gedanken uns zu erschliessen ; uns fehlt nicht Idealismus — die Kraft, uns an alten
Idealen zu begeistern, — sondern Idealität — die Kraft, neue Ideale zu schaffen. —
Eine weitere Arbeit ähnlicher Art, mit Bezug auf die Kunstakademien,
liegt in einer Broschüre Zimmermanns^) vor. Dies Buch ist bemerkenswert als
Bekenntnis dafür, dass der Kunsthistoriker mit seinem Wissen ziemlich ratlos den
angehenden Künstlern gegenüber stand. Z. rät denn auch, in den betreffenden Vor-
trägen die Geschichte thunlichst einzuschränken und dafür eine Kunstbeschreibung
vom Standpunkte der Zeit und der Persönlichkeit des Künstlers zu geben. — Man
wird die Lage der Akademie nicht richtig erkennen, wenn man nicht Hei ferichs'^J
Aufsätze über „Kunstakademien" mit heranzieht, der eine sehr scharfe, aber
keineswegs unrichtige Darstellung des eigentlich technischen Unterrichts im Anschluss
an Lenbachs^) Ausführungen über das gleiche Thema giebt. —
Die Vorträge, überhaupt der litterarische Teil des akademischen Unterrichts,
um zu den ästhetischen und technischen Fragen überzuleiten, soll nach
Zimmermann also bei diesen Betrachtungen im Hintergrunde stehen. Er schaut die
Kunst und die Künstler an vom Standpunkte des Kunstpsychologen, ihrer geistigen
Entwicklung nach. Das ist wieder eine Vortragsweise, welche gewiss sehr lehrreich
ist. Mir scheint aber das Beste, zu versuchen so zu reden, wie der betreffende
Meister über seine Kunst selbst geredet hätte, stände er auf dem Katheder. Dafür
giebt es ja Vorbilder. Es sind dies die verschiedenen Lectures on art, die in England
von Eastlake, Leslie, Ruskin, Redgrave, Herkomer, Poynter, Richmond, Whistler
gehalten wurden. Freilich sind alle diese nicht Gelehrte, sondern für das von
Wissenschaftlichkeit weniger überflutete England bezeichnender Weise Künstler —
auch Ruskin hält sich selbst wenigstens für einen solchen. Sie stehen alle in den
Fussstapfen des grossen Sir Reynolds und seiner berühmten akademischen Reden.
Reynolds aber ist etwa für England, was für uns Lessing ist. Der Unterschied der An-
schauung tritt zu Tage: Reynolds hatte offenen Auges die Welt bereist, war ein leidenschaft-
licher Sammler und grosser Maler : er spricht von der Kunst. Lessing war ein in sich ge-
kehrter Denker und grosser Dichter und schrieb seinen Laokoon, ohne die Natur und
selbst ohne das Kunstwerk zu kennen. Er spricht über die Kunst. Und mir will scheinen,
als hätten wir an den Hochschulen noch heute mehr Lessinge als Reynolds. Das
ist gewiss keine Beleidigung der Professoren. Aber ich fürchte, dass der Erfolg dem
entspricht: Auf Lessing folgt die künstlerische Ebbe in Deutschland, auf Reynolds
die künstlerische Flut in England! Also selbst für Universitäten: Gebt Malern, nicht
Gelehrten die Lehrstühle für Kunst und glaubt nicht durch Kunstgeschichte die
Kunst zu heben. — Es ist nach alledem sehr erfreulich, dass wir endlich eine gute
Uebersetzung und Erklärung von Reynolds Vorträgen bekommen haben. L e i s ch i n g '^) ,
der diese lieferte, hat das Verdienst, dem deutschen Leser die ganze Gedanken-
welt näher zu führen, aus welcher heraus sie gehalten wurden. Freilich werden
heute Reynolds Theorien schwerlich Anhänger finden. Wohl aber ist seine Art,
Mit 3 Bild. M. 3,20. (Vgl. I12:98.)-4)J.Kru8pe, Ueber kunstgesch. Unterr. an Gymnasien. Progr. Hagenau. 27 S. — 5) E. F i s o h e r ,
Bemerkungen über d. Berücksichtig, d. bildenden Kunst im Gymn.-Unterr. Progr. Moers. 1892. 18 S. M. 0,40. — 6) M. G.
Zimmermann, Kunstgesch. u. Litt, an d. Kunstak. L., Seemann. 1892. 31 S. M. 0,60. |(C. v. L(ützow): Kunstchr. 3,
S. 593/4.]| — 7) H. Helferich, Kunstakademien: Zukunft 5, S. 219-23. (Vgl. auch C. v. L[ützowJ, E. seltsame Nachricht
aus Düsseldorf [d. Berufung H. Bulthanpt betr.]: Kunstchr. 3, S. 464,8, 469.) — 8) F. v. Lenbach, Maltechnik u. Ak. : ib.
8. 214/8. — 9) Ed. Leisching, Z. Aesthetik U.Technik d. bild. Künste. Ak. Beden v. Sir Joshua Reynolds, üebers. u. mit
Binl. yers. L., Pfeffer. LXU, 325 S. M. 7,00. |[NAS. 65, S. 410/1; Ernst Lehmann: BLU. S. 321/4; C. Hofstede de
C. Gurlitt, Kunsto-eschichte. 1892, 1898. I 11 : lo-n
von der Kunst zu sprechen, und äurch die Rede in seinem Sinn auf die jung-en Künstler
zu wirken, als meisterhaft zu rühmen, selbst wenn man die Einwirkung" für
einseitig-, oft sog-ar für verfehlt hält. Die Beschäftig-ung- mit Reynolds bietet der
modernen Kunstgeschichte vielleicht auch die Brücke zur erneuten Beschäftig-ung"
mit ästhetischen Fragen, welche sonst meist mit einem mitleidigen Achselzucken
gemieden werden. Die Aesthetik, früher eine „Ergötzlichkeit" der Gebildeten,
ist strenge Wissenschaft geworden. Wer nicht sich monatelang hinsetzt, um sie
zu studieren, der versteht selbst die „populären" Aesthetiken nur schwer. Die
meisten Künstler, welche ich kenne, haben nie ein ästhetisches Buch gelesen,
vielleicht einmal eines begonnen, jedenfalls es früh fortgelegt. Sie kennen also
die „ewigen Gesetze des Schönen" nicht, zumal diese Ewigkeit erfahrungs-
mässig selten über 20 Jahre alt wird. Nun scheinen mir die Aufgaben der
Kunst auch ohne höhere ästhetische Mathematik lösbar. Der philosophische Mantel,
welcher ihnen umg'elegt wird, klärt sie nicht auf, verschönt sie auch nicht, sondern
ähnelt den Tüll- und Seidenkleidern, mit welchen man die edelsten Madonnenstatuen
katholischer Kirchen an Festtagen verziert. Wenn Hartmann die siebente, höchste
Stufe der Leiter von „Konkretions-Stufen" des Schönen, nämlich das „Konkret-
Schöne" oder „mikrokosmisch Individuelle" nennt, also in Dingen und Zuständen
sucht, die erst verständlich sind, wenn man seine beiden Bände „Aesthetik" zu Ende
studiert hat, so will mir scheinen, als müsse diese Sache von vornherein einen Haken
haben, als werde hier ein Haus auf seinem Dachfirst aufgebaut. Ich kann mich
beim Durchlesen der Aesthetiker des 18. Jh. nicht des Eindruckes erwehren, als
seien diese auf ihren schlichteren Denkwegen weiter, jedenfalls der zeitgenössischen
Kunst näher gekommen, als die modernen oder jene der romantischen Philosophie,
trotz oder infolge des allzuschweren Gedankenapparates. — Darum ziehe ich auch
meist vor, die Schriften der Künstler über Kunst zu lesen. Und diese haben sich
denn auch wiederholt vernehmen lassen. Da unsere Betrachtung vom Kunst-
unterricht ausging, sei die diesem Gebiet gewidmete Arbeit des Zeichenlehrers Eyth'")
zuerst genannt. Er giebt eine pädagogische Bilderbeschreibung. Die Frage, welche
er sich vor einem Kunstwerk stellt, lautet meist : Was stellt das Bild dar ? und W^er
war der Künstler ? Das eigentlich Künstlerische, das Wie? freilich, das schwerst
zu Umschreibende, fehlt fast ganz. Und schon die Bildtafeln — Schwind, Schrödter
und Feuerbach — weisen doch unmittelbar darauf, von den Unterschieden der Naturauf-
fassung zu sprechen. — Es ist ungerecht, wenn man neben Eyths bescheidene
Arbeit diejenige von Klinger ^i) stellt, in welcher ein ungewöhnlicher Mensch über
seine eigene Kunst redet, von dem, was ihm beim Schaffen den Sinn bewegte. Der
nach Systemen Dürstende wird wenig- aus dem Buche erraffen, jener aber, der einen
denkenden, und zwar einen künstlerisch denkenden Künstler verstehen will, wird
ausserordentliche Belehrung finden, namentlich darüber, dass die in sich abgeschlossene
Erfüllung des Darstellungszweckes dem Bilde die Vollendung gebe, nicht die Idee,
nicht der Stil, nicht der Realismus und sonst als Hauptsache geforderte Dinge.
Kaum ist je die rein künstlerische Würdigung der Kunst seit den Tagen der
Renaissance so deutlich hervorgetreten. In Feuerbachs „Vermächtnis" erscheint noch
der Maler vielfach als Sohn des Universitätsprofessors. Neben Schacks Galerie-
werk, Konrad Fiedlers leider nicht im Buchhandel erschienener Arbeit über Hans
von Marees ist Klingers Buch gewiss eine der wichtigsten Bekundungen modernen
Kunstgeistes. — Als solche stehen ihm entschieden nach die Briefe seines einstigen Kunst-
genossen in Rom, des Karl Stauffer-Bern, dessen Werke die Berliner Nationalgalerie
ausstellte '2), und dessen Korrespondenz Brah m i3-i6^ zunächst teilweise in Zeitschriften
und darauf in biographischer Form herausgab. Schon die ausserordentliche Zahl
von Besprechungen '6''" ^^3, die rasche Folge der Auflagen des Buches und der leiden-
schaftliche Streit für und wider den unglücklichen Maler beweisen, welche Teilnahme
der Mann und das Buch fanden. Freilich galt ein grosser Teil hiervon seinem un-
glücklichen Liebesromane. Der Vergleich des „ Erfolges" mit Klingers Buche zeigt
deutlich, dass bei allem Weihrauch, welcher von den Kritikern Stauffers Geist ge-
Groot: NedSpect. S. 1278.]| — 10) H. Eyth, Beschreibung einiger Bilder d. Karlsralier Gemäldegal. Mit 3 Bildtaf. E.
Versuch, Schüler in d. Verständnis v. Gemälden einzuführen. Progr. Karlsruhe. 38 S. 3 Taf. — U) M. Klinger,
Malerei u. Zeichnung. München, Putze. 1891. 46 S. M. 1,00. — 12) X [0 Don op, ] K. Stauffer-Bern. (= Ansstell. d. Werke
T. K. SUuffer-Bern in d. Kgl. Nationalgal. 4. Dec. 1891 bis 14. Jan. 1392, S. 3-12.) B. (Mittler & Sohn). 1891. 27 S. —
13) X 0. Brahm, Römische Briefe v. K. Stauffer-Bern: DRs. 72, S. 87-114, 237-61. - 14) X »d- Stauffer-Berns Tragoedie:
NatZg. 1892, N. 40. — 15) X i^- K. Stauffer-Bern. E. biogr. Bild: Nation«. 9, S. 722 5, 736-40. — 16) id., K. Stauffer-
Bern. Sein Leben. Seine Briefe. Seine Gedichte. Mit Selbstportr. d. Künstlers u. e. Brief t. G. Frey tag. 1. u. 2. Aufl. St.,
Göschen. 1892. VIU, 340 S. M. 4,-50. |[Geg. 41, S. 4-5 6, 269; F. Bienemann: BLÜ. 1892, S. 789-91; N&S. 63, S. 407; E.
Zabel: NatZg. 1892, N. 605; Ivo Bruns: PrJbb. 74, S. 18.5-91; F. Mauthner: ML. 62, S. 79; LCBl. 1892, S. 8301; M. R.
V. Stern: Ges. S. 67-76, 3649; Kw. 6, S. 26/7, 724; Bär 19, S. 336; Br.: WeserZg. N. 16757; AnzMünchenKünstlerg. N. 258;
SchwäbKron. 1892, 14. Okt.; BÜRS 53, S. 181; A. Fleiner: NZürichZg. 1892, N. 153.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 5:183.) — 16a)
H. Weizsäcker, K. Stauffer: KunstUZ. 1892. 2, S. 53-60. — 17) X ß- Crriial> Einige Bemerkungen zu K. Stauffer-Berns
I 11 : 18-22 C. Gurlitt, Kunstg-eschichte. 1892, 1893.
streut wurde, doch nicht sein „Verhältnis" zur Kunst, sondern das zu einer Frau
war es, was dem Buche die Anziehungskraft g-ab. Unter den Briefen Stauffers
erkennt man bei sorgfältiger Prüfung zwei Arten. Jene, die er flottweg schrieb,
und jene, von welchen er wusste, dass sie mit Aufmerksamkeit gelesen würden.
Ein völlig einwandfreier Genosse Stauffers versicherte mir, dass diesem in der
letzten römischen Zeit das Briefschreiben die wichtigste Thätigkeit gewesen sei.
Man irrt also, wenn man in dem Buche zufällige Aeusserungen eines „Naturburschen"
sucht: sie sind alle wohl erwogen, man wird auch ihre Vertiefung aus dem Verkehr
mit dem römischen Kreise, besonders mit Klinger, deutlich beobachten können,
namentlich die fortschreitende Beugsamkeit des Urteils, welches die Berechtigung von
vielerlei Kunst, ausser der imkünstlerischen, erkannt hat. Wie Klinger so strebt auch
Staufferzuinnerer Klärung, will er durch starkes, selbständiges Anschauen der Natur
zu einer persönlich bedingten Stilform gelangen. Der Streit, ob man das Schöne oder
die Wahrheit anstreben solle, entscheidet sich in ihnen dahin, dass sie die Wahrheit
erfassen und aus sich heraus zur abgerundeten künstlerischen Lebensäusserung machen
wollen, und dass sie in dieser Einheit von Wollen und Vollbringen die Schönheit finden.
— Noch stärker tritt der Zug nach selbständigem Verarbeiten der Natur zum Kunst-
werk in dem Buche des Bildhauers Adolf Hildebrand *9) hervor, einer ästhetischen
Arbeit, die an Gehalt eine sehr hohe Stellung nicht nur unter den gleichzeitigen
Erscheinungen einnimmt und über das Wesen der Bilderei ähnliche Aufschlüsse
giebt, wie Klinger über das der Zeichnung und Malerei. Das in Hildebrands Bild-
werken so merkwürdig hervortretende Gefühl für geschlossene Raumwirkung, die auf
dem Stoff beruhende innere Gebundenheit der Gestalten erweist sich nach seiner
Schrift als das Ergebnis klaren Bewusstseins der ihn beim Schaffen leitenden Ge-
setze. Beim Schreiben einer Kunstlehre für Künstler oder solche, die die Kunst künst-
lerisch betrachten wollen, wird der zukünftige Vf. dieser Art von Erklärung der
Wirkungen und Funktionen der Formen und der Rauinempfindung gewiss eine her-
vorragende Rolle zuweisen müssen. — Jenen Arbeiten der Künstler möchte ich eine
solche eines wissenschaftlichen Aesthetikers zur Seite stellen, nämlich die von Alt^o),
dessen „System der Künste" einen ersten Versuch darstellt, sich redlich mit der Er-
kenntnis abzufinden, dass nämlich im Realismus eine starke künstlerische Kraft
stecke. Er untersucht die Frage, wie die Individualität des Künstlers und mit dieser
das Charakteristische in der Kunst sich schönheitlich äussere. Er erklärt, die Be-
tonung des Gattungsideales sei zur einseitigen Betonung der unbedingten Vorherrschaft
des Persönlichen umgeschlagen, es gebe aber ewige Gesetze des Schönen, an welche
auch die grösste und kühnste Person gebunden sei. Wohl seien oft diese Gesetze
vergessen und verleugnet worden, aber sie mussten immer wieder siegreich vordringen.
Mir will scheinen, als sei uns wenig hiermit geholfen. Wer weiss, welches Gesetz
ein „ewiges" ist, welches ein falsches? Wer ist Richter? Ich kenne noch kein Gesetz,
das von Allen anerkannt worden sei. Freilich: Wenn hundert gleichzeitig lebende Pro-
fessoren an dasselbe Gesetz glauben, meinen sie, es sei eine Forderung der Bildung, diesem
zuzustimmen. Aber waren die Japaner, die Azteken und Khmer nicht auch gebildet? Und
gelten ihnen auch diese Gesetze? Ist unsere Bildung die richtige, die mustergültige? —
Einen volleren Gegensatz, einen stärkeren Beweis für den Umschwung der An-
schauungen, der auch in Alts Werken überall kräftig hervortritt, giebt die Hinter-
lassenschaft des Bildhauers Hähnel, von G r o s s e ^ i) (vgl. IV Ic) ediert. Wie die Vorrede mit
drolliger Ernsthaftigkeit gegen diejenigen loszieht, welche in Hähneis Kunst und Zeit
nicht mehr einen Höhepunkt der nationalen Kunstäusserung erblicken wollen, so
zeigen die seit 1875 fast alltäglich niedergeschriebenen „geistreichen" Einfälle des
gefeierten Künstlers, obgleich etwa 3000 zusammenkamen, eine Dürftigkeit des
Gedankeninhalts, die sich vergeblich in witzelnde Form verhüllt. Man muss z. B.
das heraussuchen, was Hähnel als Motive für Bilder sich ausklügelt, um den un-
künstlerischen, nach anekdotischen Pointen auslugenden Stand seines Denkens zu
erkennen. G. erwies seinem verstorbenen Freunde einen schlechten Dienst, indem
er dessen greisenhafte Witzeleien und Bosheiten wohlverdientem Vergessen entzog.
Wollte einer heraussuchen, was Hähnel unter dem so stark betonten „Idealismus"
verstehe, — es würde sich ein ungemein kümmerliches Bild, jedenfalls ein solches
fast ohne Eigenes ergeben. — Ein gleicher Gegensatz wie im Urteil der Künstler,
zeigt sich auch in den ästhetischen Werken, deren Besprechung hier wenigstens ge-
streift werden soll. Der rein auf physiologische Untersuchung begründete Beitrag
von Hirth22) zur Erkenntnis der Technik des Sehens, als der Vorbedingung zur
Werk: ZBK. 4, S. 97,9. — 18) X P- Schlenther, K. Stauffer-Bem: ADB. 35, S. 527 9. —19) Ad. Hildebrand, D. Problem
d. Form in d. bild. Kunst. Strassburg i. E., Heitz. 127 S. M. 2,00. (Vgl. 112: 55b.) — 20) T h. A 1 1, Vom charaVteristisch Schönen. K. Beitr.
z. Lösung d. Frage d. V&nstl.IndiTidnalismas. Mannheim, Bensheimer. 40S M. 1,00. (Vgl.1 12 : 70.) — 21) Jul. Grosse, E. Jal. Hähneis
litt. Reliquien. Im Auftr. d. Hinterbliebenen gesichtet u. her. nebst e. Charakterbild d, Meisters als Einl. B., Qrote. 356 S.
M. 5,00. |[Ad. Bartels: Didask. N. 288.]( — 22) G. Hirth, D. plastische Sehen als Rindenzwang. Mit 10 Textlllustr. u.
C. Gurlitt, Kunstg-esohichte. 1892, 1893. I 11 : 28«
Erkenntnis des Schönen, ist eine Fortführung- der in seinen „Aufg-aben der Kunst-
physiologie" ^3) (vgl. JBL. 1891 I 3 : 62) dargethanen Anschauung-en, mit diesen und
den früh-eren Arbeiten des vielbeschäftigten Mannes ein Beweis, wie Münchens Kunst
auch auf das ästhetische Denken bestimmend einwirkt, und an Stelle des im Grunde
stets auf die Aristotelische „Idee" — als der vollkommenen, und daher über den ein-
zelnen Dingen stehenden Vorstellung solcher, — zurückgreifenden Idealismus ein sachliches
Hinschauen auf die Dinge selbst tritt. — Will man den Unterschied ganz empfinden,
so vergleiche man mit dieser Arbeit Muffs^^) „Idealismus", ein Buch, in welchem
ein braver Gelehrter sein Verhältnis zu Kunst und Leben darstellt, indem er nach
uraltem Rezept von der Kunst fordert, sie solle Schönes schaffen. Für das, was schön
sei, ist ihm freilich sein eigenes Urteil genügend, er weiss ganz genau, was Dürer
nicht wusste, nämlich was Schönheit ist; so dass die Schlussforderung eigentlich lautet: die
Kunst hat sich innerhalb des Schönheitsempfindens des Herrn Muff und seiner Freunde
zu halten, will sie nicht entarten! — Jene praktische Aesthetik, welche aus dem ge-
schichtlichen Wirken der Kunstformen ihre Schlüsse zieht, beschäftigt seit Semper
viele Köpfe. Hier sei nur ein entschiedener Geg-ner Sempers hinsichtlich dessen Vor-
liebe der Erklärung der Formen durch Uebertragung einer Technik auf die andere
erwähnt, RiegP^), der sich in seinen „Stilfragen" als ein gerade in seiner von Ein-
seitigkeit nicht unfreien Zielklarheit als eine fördersame Erscheinung in der wissen-
schaftlichen Welt erweist. — Auch Koopmann^^) erhofft von der Kenntnis der Ur-
formen der Kunst einen besseren Einblick in die vollendeten Gestaltungen und
erstreckt daher seine Untersuchung auf die Wechselbeziehungen von Stoff und Form,
Inhalt und Ausdruck. Der Wunsch, die Nation zu erhöhter Würdigung echt künst-
lerischer Thaten zu führen, giebt seinen Ausführung-en eine erfreuliche Wärme und
Eindringlichkeit. (Vgl. I 12 : 96.) — Dies letztere Ziel macht auch Paul Hilde-
brands 2"?) Broschüre erwähnenswert. (Vg-l. I 12 : 137.) —
Eine Flut von Aufsätzen^S"'*^) zur Kunstkritik ist hier zu nennen, in
welchen zumeist eine Abschätzung von alten und neuen Kunswerten versucht wird.
Einiges sei hier genannt, um demjenigen, welcher einst die Tageskämpfe einer
künstlerischen Sturm- und Drangzeit schildern will, Stoff an die Hand zu geben.
Zeitschriften wie das in Berlin erscheinende „Atelier", der Dresdener „Kunstwart",
die Leipziger „Kunstchronik", die W^iener „Allgemeine Kunstchronik", der Münchener
„Anzeiger der Münchener Künstler-Genossenschaft", Amsler und Ruthardts „Kunstsalon",
ferner die eigentlichen Illustrationszeitschriften, die Pechtsche „Kunst für Alle", die
„Moderne Kunst", die „Kunst unserer Zeit" als das wohl vornehmste Blatt dieser Art, die
wissenschaftlichere „Zeitschrift für bildende Kunst" u. a. spiegeln diese Kämpfe wieder.
Nicht minder sind die politischen Zeitungen und die Monats- und Wochenschriften
in den Streit eingetreten. Als Vorkämpfer der alten Richtung kann die Vossische
Zeitung (Ludwig Pietsch), die Post (A. Rosenberg") sowie die Neue Freie Presse
(E. Ranzoni) gelten. Unter den Vertretern der jüngeren Richtung stehen die Münchener
Neuesten Nachrichten (Fritz von Ostini), Kölnische Zeitung (Karl von Perfall), der
Dresdener Anzeiger (Paul Schumann, H. A. Lier) im Tageskampf. In München sind
es namentlich Künstler, welche selbst die Feder führen (Benno Becker, H. E.
V. Berlepsch, Momme Nissen), in Berlin Schriftsteller (Oskar Bie, G. Buss, Julius
Elias, Jaro Springer, Franz Hermann, L. Kämmerer, Jul. Levin, Hugo Ernst Schmid,
Max Schmid, Franz Servaes, G. Voss). In Wien haben Richard Graul, Hermann
Bahr, und C. Sokal u. a. die neue Richtung* vertreten. Es hat diese Aufzählung"
keineswegs die Absicht, erschöpfend zu sein, oder Ernst, Sachkenntnis und
Bedeutung der einzelnen Kräfte durch Erwähnung oder Nichterwähnung* abzuwägen.
Ich müsste sonst jedenfalls Kritiker von der tiefg-ehenden Bedeutung" Hermann
Helferichs genannt haben und Kunsthistoriker und Museumsleiter von Namen, wie
Richard Muther, W. Bode, von Seidlitz, W^oermann, Lichtwarck, Karl von Lützow,
Henry Thode, Janitschek u. a., welche geleg"entlich in den Meinungsstreit eingriffen. Ein
34 Taf. mit stereoslcop. Abbild. München, Hirth. 1892. X, 85 S. M. 5.00. |[E. Lehmann: BLU. S. 657-60.]| — 23) id.,
Physiologie de l'Art, trad. de Tallemand et precede d'une introd par Lncien Arreat. Paris, F. Alcan. 350 S. — 24)
Chr.Muff, Idealismus. 2. wesentl. verm. Aufl. Halle a. S., Mühlmann. 1892. XI, 230 S. M. 4,00. (Vgl. JBL. 1892 111 : 59; s.u. 1 12:61a.)
— 25) AI. Riegl, Stilfragen. Grundlegungen z. einer Gesch. d. Ornamentilc. B., Siemens. XIX, 346 S. Mit 197 Abbild. M. 12,00.
(Vgl. I 12:58a.) - 26) W. Koopmann, Entstehung d. Kunstwerkes. Hamburg. Graefe & Sillem. 188 S. M. 2,40. — 27)
Paul Hildebrand, D. Kunst, d. Stiefkind d. Gesellschaft B., Amsler & Ruthard t. 16 S. M. 0,50. — 28) X L'empereur
et les artistes berlinois: BURS. 58, S. 628-30. — 29) X 0. Bie. Anatomie n. Kunst: TglRs». 1892, N. 21/2. — 30) X Vom
Kunstmarkt: Kunstchr 3, S. 268-70. — 31) X 0. Brandt, D. Mäcenat in Deutschland: BerlTBl. N. 481. — 32) D. Mainzer
Katholikenversamml. u. d. christl. Kunst: HPBll. 110, S. 536/7. — 33) G. List, Nene Ziele d. bildenden Kunst: DNJb. 3,
S. 1149. — 34) X W. Bormann, Kunst u. Nachahmung (vgl. JBL. 1892 I 11:. 50): Geg. 43, S. 31. — 35) X 0- Krack, D.
Kunst u.d. Volk : ib. 44, S. 40 2.- 36) X H Schacht, Kunst u. Individualität: ib. S. 201 3. (Vgl. 1 12:73.) — 37) X *• Folc^e, üeber
d. nächsten Ziele d. nat. Kunst: ib. 43, S. 2613. — 38) X H- Grimm, Armeleutemalerei: DRs. 76, S. 434 8. — 39) X Jan
Veth, Studien over Moderne Kunst: NGids 8', S. 427-36. — 40) X A.. Hasenclever, D. relig. Malerei auf d. vorjähr.
Mönchener Ausstellung: DEBll. 18, S. 190-203. —41) X F- Lienhard, Volkstum u. Persönlichkeit in ihren Beziehungen z. Kunst :
TglRsB. N. 298/9. - 42) X ■*.. S e e m a n n , Häutungsprozesse in d. Kunst : BLU. S. 753, 6. ( Vgl . 1 12 : 263. )— 43 )X 0. J. Bierbanm,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 19
I 11 : 44-63 C. Gurlitt, Kunstg-escWohte. 1892, 1893.
grundsächlicher Unterschied trennt die modernen Kritiker, der freilich den meisten nicht
zur Klarheit kam. Er besteht im „Standpunkt", den die ältere Kritik über den Kunst-
werken, die neue neben ihnen wählt. Gewiss ist der erhabenere Standpunkt vor-
zuziehen. Aber es ist nicht Sache ledig-lich des Willens, ihn zu erreichen, sondern
des Vermögens. Dass es irgend einen Kritiker, Aesthetiker oder Kunsthistoriker in
Deutschland giebt, der wirklich über der Kunst steht, glaubt wohl kein Mensch;
dass es hunderte giebt, die sich selbst über sie stellen, ist eine offene Thatsache.
Diese Kritik der TTeberhebung zu bekämpfen, ist gewiss eine wichtige Aufgabe. Sie
wird nur gelöst werden, wenn man erkannt hat, dass es thöricht ist, zu „urteilen",
„Kunstrichter" sein zu wollen, wo es kein klares, von allen anerkanntes Gesetz
giebt, dass Kritik nur das Messen der Kunstanschauungen des Künstlers mit jenen
des Schriftstellers ist, und dass in den meisten Fällen das Mass des Schriftstellers
in Fragen der bildenden Kunst das kürzere sein wird. Es ist im allgemeinen zu be-
dauern, dass die Kritiker sich gegenseitig nicht mehr befehden; es käme dabei
mehr zur Klärung, als wenn sie wechselseitig auf die Künstler einschlagen. Wie
tiefgehend die Erregung war, beweist der Umstand, dass eine Reihe von polemischen
Broschüren entstand, in welchen die Vf. eingehender und in einem Gesamtbilde
ihre Ansichten zu entwickeln strebten. Die stark akademische Abhandlung von
A. von Wouvermans^*), worin den Künstlern der Weg zu Goethescher Natur-
auffassung gewiesen wird, S chö n e s 4^) Schrift über ähnliche Fragen, die Schriften von
Arendt^ß), Curt Geucke*''), Servaes*^), Franquet'*''), Bierbaum^o)^ Khay-
nach^ 1) usw.^2j weisen schon aufden Tageskampf der künstlerischen Meinungen hin, der
in Ausstellungen und Künstlerfehden, in Tagesblättern und wissenschaftlichen Zeit-
schriften so lebhaft betrieben wird.^^) Einige dieser Arbeiten mögen als Ausdruck
der Zeitbestimmung auch für spätere Zeit Bedeutung behalten. Die wüste Schimpferei
Khaynachs, der frische Wagemut Franquets, der auch alsbald heftige Erwiderungen^^)
hervorrief, die wohl etwas allzu leichtgläubige Hoffensfreudigkeit von Servaes, die
mehr abwägende, dichterisch erfassende Art Bierbaums, die von einem ausgezeichneten
Künstler (W. Trübner) geschriebene Schrift über die „Kunstbewegung von heute"^^)
mit ihrer klaren Erkenntnis der Ziele, und andererseits die redlichen Bekenntnisse
gänzlichen Unverstehens der neuen Kunst bei der Gegenpartei, die ganze Zwiespältigkeit
der Anschauung tritt in ihnen kräftig hervor. —
Kunstgeschichte. Hinsichtlich der allgemeinen Darstellungen zeigt
sich überall das Bemühen, an Stelle von Lübkes^^) Kunstgeschichte, welche ihre
11. Auflage erlebte, etwas Neues, womöglich Besseres zur Belehrung der wissens-
durstigen Menge zu setzen. — Hierher gehören zunächst die für Lehranstalten be-
stimmten „Vorschulen". So jene von Warnecke^'^) und von Buchner^^), dessen
Abbildungen jedem Freunde Lübkes seit 30 Jahren wohlbekannte alte Cliches aus
der traurigsten Zeit der Holzschnitte sind — wahrlich ein Beweis, dass hier vielleicht ge-
schichtlicher, sicherlich kein künstlerischer Geist herrscht. — Auch die kunsthistorischen
Bilderbogen Seemanns ^^) bedürfen dringend einer Auffrischung, sollen sie den Zweck,
dem sie so lange erfolgreich dienten, in einer illustrativ, namentlich reproduktiv fort-
geschrittenen Zeit noch genügen. — Was sich nach dieser Richtung für billigen
Preis leisten lässt, haben zunächst die Münchener photographischen Anstalten
gezeigt. Die Sammlung des Bruckmannschen Verlages^''), welche durch Rebers^')
Geschichte der Malerei eine treffliche, klare und sachkundige Einführung und Er-
klärung erhielt, und namentlich die Veröffentlichungen von Hirths Verlag, die
Hirth^^) allein und im Verein mit Muther ^3) besorgt, sind Beweis hierfür. Es ist aus
diesen Blättern, welche mit einfachen Mitteln ausgeführte künstlerische Schöpfungen
Nene Kunst: ML. 62, S. 476-80. — 44) A. v. Wouvermans, D. Stil in d. bild. Kunst. Progr. Pilsen. 1891. 28 S. —
45) L. Schöne, üeber Idealismus, Eealismus u. Naturwahrheit in d. bild. Kunst. Progr. Stettin. 1892. 4". 12 S. — 46)
H. Arendt, Was thut d. dtsch. Volk für Kunst u. Handwerk? B., Skopnik. 26 S. M. 0,50. — 47) C. E. Geucke, Kunst
u. Naturalismus. Dresden, Damm. 1892. 12». 80 S. M. 0,50. (Vgl. JBL. 1892 I 11:184.) — 48) F. Serraes, Berliner
Kunstfrühling 1893. B., Speyer & Peters. VIII, 87 S. M. 1,20. — 49) E. v. Franquet, Schaupöbel. L., Spohr. 32 S.
M. 0,50. — 50)0. J Bier bäum. Aus beiden Lagern. Mit 8 Bild. München, Schüler. 75 S. M. 1,80. (Vgl. 1 12 : 262.) — 51) F.Frhr.v.
Khaynach, A. v. Werner u. d Berliner Hofmalerei. Zürich, Verl.-Mag. 60 S. M. 0,80. — 52) X D. Kunstverständnis v.
heute. München, Fritsch. III, 67 S. M. 1,00. — 53) X F. Hörmann, V. Pyreicus. „d. Kothmaler" u. einigem anderen oder
was nennen wir „Kunst"? B., Wilhelmi. 1892. 40 S. M. 1,00. (Vgl. 1 12 : 112.) — 54) X fK. Ehre nbergJ,D. neue Kunst u. d. „Schau
pöbel". V. e. Mitgliede d. „Schaupöbels". Dresden, Kunstdr. Union. 39 S. M 0,60. — 55) D. Kunstbewegung unserer Zeit
u. Deutschlands, inbes. Münchens Kunstaufgabe. Z. Aufklärung n. Gedeihenserhaltung. München, Franz. 4". 31 S. M. 0,60.
— 56) W. Lübke, Grundriss d. Kunstgesch. 11. Aufl. 2 Bde. Mit Titelb., Portr. d. Vf. u. 706 Holzschn.-IUnstr. St.,
Ebner u. Seubert. 1892. XII, 416 S.; VI, 518 S. M. 15,00. — 57 1 G. Warnecke, Vorschule d. Kunstgesch. Textbuch zu
d. kunstgesch. Bilderbuch. L., Seemann. VlII, 92 S. M. 1,00. — 58) W. Buchner, Leitfaden d. Kunstgesch. Für höhere
Lehranst. u. d. Selbstunterr. bearb. Mit 87 Abbild. 5. Aufl. Essen, Baedeker. X, 179 S. M. 2,80. — 59) Kunsthist. Bilder-
bogen. 'Handausg. III u. IV. L., Seemann. Fol. 47 u. 50 Taf. mit 3 u. 4 S. Text, ä M. 3,00. — 60) Klass. Bilderschatz.
Her. V. F. v. Reber u. Ad. Bay ersd orf er. IV u. V. a 24 Hefte. München, Verlagsanst. für Kunst u. Wissensch. 1892-93.
4». ä 6 Taf. in Zinkotypie. ä lieft M. 0,50. — 61) Fr. v. ßeber, Gesch. d. Malerei vom Anfang d. 14. bis z. Ende d. 18. Ih.
ebda. VIII, 415 S. M. 7,00. — 62) G. Hirth, D. Porraenschatz. E. Quelle d. Belehrung und Anregung für Künstler u. Ge-
werbetreibende. 12 Hefte. Mönchen, Hirth. 1892-93. 4*. ä 12-16 Taf. in Faos.-Dr. M. 15,00. — 63) id. n. B. Mnther,
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 : «4.78
g-etreu wiedergeben, die Einführung in das Verständnis des echten Inhaltes der Kunst ent-
schieden eher zu erhoifen, als aus ungenügenden Holzschnitten selbst nach den grössten
Meisterwerken. Die schlechte Illustrierung unserer Lehrbücher ist vielleicht mit Schuld
an dem schiefen Verhältnis der meisten „Gebildeten" zur Kunst. — Es ist daher auch
bei den neueren Werken, die zur Einführung in die Kunstgeschichte bestimmt sind,
die illustrative Seite besonders gepflegt worden. Die Grotesche Geschichte der
deutschen Kunst ^*) leistet nach dieser Richtung in vielen Blättern das Beste, was
zur Zeit erreichbar ist. Jedoch gehört sie in dieses Berichtsjahr nur insofern, als
von ihr eine billigere (Titel-) Ausgabe veranstaltet wurde. — Dagegen darf die Ge-
schichte der bildenden Künste von Fäh^^j hier erwähnt werden, da ihr Erscheinen
mit dem 7. Heft ins Stocken kam, obgleich auch hier seitens der Verlagsbuchhandlung
Vortreffliches geleistet worden war. Es ist eigentlich eine erfreuliche Thatsache, dass
das katholische Publikum, für welches das Buch bestimmt war, sich diese Arbeit
nicht gefallen liess. Wer die Kunstgeschichte mit den Hebräern beginnt, um dem
biblischen Tempel zu Jerusalem den ersten Rang in der Kunstgeschichte zu wahren,
wem es gelingt, die griechische Plastik ohne Darstellung „sinnenreizender Nuditäten"
zu behandeln, wer die Architektur der Hellenen noch allein nach Böttichers Tektonik
erklärt, der hat sicher nicht jenes klare Auge für das Wesen fremder Kunstauffassung,
das den berufenen objektiven Geschichtsschreiber macht. Zu einer rein subjek-
tiven Betrachtung der Dinge fehlt ihm aber ebenso die Absicht wie die Selbständigkeit
der Anschauung. Auch der oft recht wenig reife, von Provinzialismen stark durch-
setzte Stil wäre erträglich, wenn dem Buche nicht überall der Stempel der Unzuläng-
lichkeit seines Vf. deutlich aufgedrückt wäre. — Das Buch von Kuhn^^), welches in
der Austattung das Fähsche Werk noch zu übertreffen verspricht und in weit
höherem Grade den Eindruck einer ausgereiften Arbeit macht, kann erst besprochen
werden, wenn es fertig vorliegt. — Dasselbe gilt von der grossartigen Veröffent-
lichung vonDehio undG. von Bezold^^) über den Kirchenbau des Abendlandes,
einem Werke, das freilich nicht für die „Einführung" geschrieben ist, sondern gleich
Bodes und Janitscheks Anteil an der „Geschichte der deutschen Kunst" gründlichste
Aufklärung über das einschlägige Gebiet giebt.^^) — Nicht ganz das Gleiche wie
von dem Werk über den Kirchenbau kann man von Buchers^^) Geschichte der
technischen Künste sagen, welche endlich zum Abschluss kam. Hier fühlt man noch
zu deutlich, dass die Vorarbeiten versagen, auf welche die verschiedenen Vf. der
einzelnen Abschnitte ihre Arbeit aufbauen wollten. Hat der Inhalt auch im Ver-
gleich mit dem ersten Bande, der zu sehr im Eifer des jungen Emporblühens des
Kunstgewerbes entstand, erheblich gewonnen, so erlangt er doch nicht jene Gleich-
mässigkeit und allseitige Knappheit, welche von einem alle Specialisten- Arbeit, mit
überlegenem Blick auf das Ganze, zusammenfassenden W^erk zu wünschen ist. Nicht
die Autoren, sondern das widerspenstige Thema sind Schuld an den gegen das Werk
zu erhebenden Bedenken. — Burckhardts Cicerone, der durch Bode''*^) u. a. eine
neue ITeberarbeitung erhielt, sei erwähnt, obgleich das berühmte Buch über die
deutsche Kunst nur nebenbei Nachrichten bringt. — Merlos, von Firmenich-
Richartz'^i) überarbeitetes Kölner Künstlerlexikon, welches nach vollständigem Er-
scheinen hier besprochen werden soll, beschäftigte bereits die Kritik. — Von dem
vor etwa 30 Jahren erschienenen Werke des P. Florian Wimmer, einer damals achtens-
werten Leistung, bearbeitete Hiptmair'^) eine 2. Auflage. Wenn das Buch auch
keineswegs auf der Höhe sich zu behaupten vermag, welche es früher immerhin ein-
nahm, so dürfte es als Führer in der Hand katholischer Geistlichen nicht ohne Nutzen
sein. — Ins Gebiet der katholischen Kunstlitteratur gehört auch das Buch von Bole''^),
worin er an sieben Meisterwerken den Sieg der Religion in der Kunst darzustellen
sucht: Ein rechtes Theologenbuch! Es geht nicht aus, Neues zu finden, sondern
Meisterholzschnitte ans 4 Jhh. ib. 4». 33 Tuf. mit XLm S. Text. M. 40,00. |[W. L. Schreiber: CBlBibl. S. 35«/7.]| —
64) Gesch. d dtsrh. Kunst. 5 Bde. Neue bill. (Titel-)Ausg. Mit Textillustr. n. Taf. (Bearb. t. J. v. Falke, R. Dohme,
H. Janitschek, W. Bode n. C. v. Lützow.) B, Grote. VI, 218 8.; U, 445 S.; Vm, 664 S.; 258 S.; VI, 314 S. M. 60,00.
|[P. W.: N&S. 60, S. 2706; J. Neuwirth: ilVGDBB. 31, S. 6-14.]| (Zuerst 1885-91) — 65) A. Fäh, Grundriss d. Gesch. d.
bild. Künste. Mit vielen Abbild. 6 u. 7. Lfg. Freiburg i. B., Herder. S. 357-492. & M. 1,25. |[ThLBl. 14, S. 66; WIDM. 73,
S. 426; C. Frey: DLZ. S. 51,3.]| (5. Lfg. erschien 1887.) - 66) A. Kuhn, Allg. Knnstgesch. D. Werke der bild. Künste
vom Standpunkt d. Gesch., Technik, Aesthetik. 5. Lfg. (= 1. Bd., S. 113-76; 2. Bd., S. 89-96; 3. Bd., S. 49-56.) Einsiedeln,
Benziger, ä M. 2,00 |[LBs. 19, S. 20; P. Schumann: Kw. 6. S. 10/1.]| (Seit 1891.) — 67) G. Dehio n. G. v. Bezold, D.
kirchl. Baukunst d. Abendlandes. Hist. u. System, dargest. 1. Bd. St., Cotta. VIII, 720 S. nebst Atlas. M. 164,00. — 68) X
E. Frantz, D. Gesch. d. christl. Malerei. 2. Bd. Freibnrg i. B., Herder. 1892. 288 S. M. 7,50. ([BLU. S. 831; ThLBl. 14,
S. 163.]| — 69) B. Bucher, Gesch. d. techn. Künste. Im Ver. mit Alb. Ilg, Fj. Lippmann, F. Luthmer, AI. Riegl,
Herrn. Rollett, G. Stockhauser. Mit lUnstr. 3. Bd. St., Union. XV, 610 S. M. 24,00. — 70) J. Burckhardt, D.
Cicerone. E. Anleitung z. Genuss d. Kunstwerke Italiens. 6. Aufl. Unter Mitwirk, verschied. Fachgenossen bearb. v. W.
Bode. 4 Bde. L., Seemann. XXIV, 200 S.; 494 S.; 340 S.; VU, 136 S. M. 13,50. — 71) J. J. Merlo, Kölnische Künstler in
alter u. neuer Zeit. Her. v. E. Firmenich-Richartz unter Mitwirk. v. H. Keussen. 1.-4. Lfg. Düsseldorf, Schwann.
4». S. 1-320. ä M. 1.50. |[Ath. 2, S. 362; MA. 6, S. 171.]| — 72) Fl. Wimmer, Anleit. z. Erforsch, u. Beschreib, d. kirchl.
Knnstdenkmäler. In 2. Aufl. mit lUustr. verm. u. her. v. M. Hiptmair. Linz, Haslinger. XI 7, 152 S.u. 2 Taf. M. 2,60. —
73) F. Bole, Sieben Meisterwerke d. Malerei, mit e. prinzipiellen Erörterung über d. Einfluss d. Christentums auf d. Kunst.
19*
I 11 : 74-84 C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893.
Beweise für eine vorgefasste Ansicht herbeizub ringen und kommt deshalb über die
Haltung eines Schulaufsatzes nicht hinaus, wenngleich der Ton der einer schwer-
fälligen Philosophie ist, welche bei dem Begriff" Gottes als Vollkommenheit ohne
Mangel und Begrenzung anfangen muss, um zu erklären, dass Brunelesco mit Recht
auf Overbecks Bilde „Das Magnifikat der Künste'* Platz gefunden habe, obgleich der
grosse Renaissancemeister der Feind der allein selig machenden Gotik war. — Endlich
seien an dieser Stelle zwei Porträtwerke ''*"''^) genannt, obzwar deren vornehmster
Zweck ja nicht eigentlich ein kunstg'eschichtlicher ist-''^''^^) —
Eine Arbeit allgemeiner kunsttopographischer Art, welche längst schon
als dringendes Bedürfnis bezeichnet worden war, nämlich die Aufzeichnung eines Inventars
der älteren Kunstsohätze in deutschen Landen, ist jetzt in vollem Gange, so dass gegen Ende
des Jh. in fast allen Teilen des Reiches der Ueberblick über das Erhaltene geschaffen
sein dürfte. Die Gründlichkeit und Sachlichkeit, mit welcher diese Arbeiten durchgeführt
werden, die ansehnliche Ausstattung der meisten unter ihnen zeigen, wie hoch man
überall den Wert der Reste vergangener Zeiten zu schätzen weiss, und wie sehr
man bereit ist für ihren Schutz das Nötige zu thun. In den J. 1892—93 schritt in
vielen Teilen die Arbeit um ein Erhebliches vorwärts, wurde sie mehrfach neu auf-
genommen, so dass bei einem Rundgange durch Deutschland nicht eben viele Lücken
mehr erscheinen. Ein Werk, das Gesamteuropa ^o) betrifft, beginnt bei Wasmuth
zu erscheinen. — Die deutsche Unternehmung fand verschiedene Sammelbesprech-
ungen^^). —
Die Inventarisation der Kunstdenkmäler Schlesiens wurde durch die Heraus-
gabe des Bandes über Liegnitz ganz erheblich gefördert. Das von Lutsch^^) \)q_
arbeitete Werk ist das einzige, welches bisher keine Illustrationen brachte, vielmehr
diese später in einem Atlas vereint geben will. Dieser Umstand erschwert die Würdigung
dessen, was bisher geleistet wurde. Die Bedeutung der Denkmäler liegt hier im
wesentlichen im späteren Mittelalter und in der Renaissance. Die Städte Glogau, Liegnitz,
Hirschberg, Löwenberg, Lauban, Bunzlau, die Klöster Grüssau und Wahlstatt, die
Kirche Wang sind berücksichtigt. Von besonderer Wichtigkeit ist die Behandlung
der Stadt Görlitz. L. ist in seinen Ausführungen sehr sachlich, vielleicht sogar etwas
zu knapp. Er giebt thatsächlich nur das Inventar, mehr für die am betreffenden
Orte Einheimischen als für den Kunstgelehrten, dem er durch einen das ganze Material
zusammenfassenden Schlussband den nötigen Ueberblick zu gewähren verspricht. —
Im Königreich Sachsen stockte das Inventarisationswerk infolge von
Steches Erkrankung und Tod. In gewissem Sinne einen Ersatz bot das von der
Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure ^^) herausgegebene Werk „Leipzig
und seine Bauten". Seit 1877 das Werk „Berlin und seine Bauten" erschien, ist zu
jedem der alle zwei Jahre stattfindenden Verbandstage der genannten Vereine ein
solches Werk über die Feststadt hervorgegangen; zusammen bilden diese stattlichen Bände
die wichtigsten Unterlagen für die Entwicklungsgeschichte des Bauwesens in Deutsch-
land, namentlich das der neuesten Zeit. Auch der neue Band folgt der Anordnung,
dass ein baugeschichtlicher Abschnitt ' das Buch einleitet. Dieser, von G. Wust-
mann geschrieben, dürfte das Beste sein, was bisher über Leipzigs Architektur ge-
sagt wurde. Die Darstellung der modernen Entwicklung geschieht unter
systematischer Einteilung der Bauten nach ihrem Zweck, wobei die Bearbeitung der
Sondergebiete je einem Fachmann überwiesen wurde. Die Arbeitsleistung ist wieder
eine grosse, für den ganzen Stand ehrenvolle. —
Von der Inventarisation Thüringens, welche Lehfeldt^^) bearbeitet, er-
schien im Berichtsjahre das 18. Heft, und zwar über eine so wichtige Stadt wie
Weimar. Aber auch kleinere Orte bieten vielerlei Bemerkenswertes. Im allgemeinen
sind es neben den Bauten älterer Zeit auch hier die Jahrzehnte vor und nach der
Reformation und das 18. Jh., aus denen die besten Werke stammen. Dem Kultur-
Mit 9 Bildern in Lichtdr. Brixen, Weger. 4». VI, 127 S. M. 12,00. [[LRs. 19, S. 151/2.1| — 74) X Allg. bist. Porträtwerk.
Neue Ansg. nach Zeitaltern geordnet. E. Samml. v. ober 600 Portr. d. berühmtesten Personen aller Nationen v. etwa 1300 bis
etwa 1840, nach Ausw. v. W. von Seidlitz, mit biogr. Daten v. H. A. Lie r u. H. Till mann. 1. Abt. D. Zeitalter d. Hu-
manismus u. d. Reformation. 1. Lfg. München, Verl.-Anst. für Kunst n. Wissensch. Fol. 10 Taf. mit 10 Bl. Text. M. 4,00.
- 75) X Schweiz. Porträtgallerie. 40.-46. Heft. Zürich, Orell Ffissli. ä 8 Taf. ä M. 1,00. — 76) X K. Kenner, D. Porträtsamml.
d. Erzherz. Ferdinand v. Tirol: JbSAK. R. 37-186. — 77) P. Weizsäcker, D. Bildnisse Wielands. (Aus WürttVjh.) St.,
Kohlhammer. 1892. 52 S. Mit 11 Abbild, u. 2 Lichtdr.-Taf. M. 1,50. |fZBK. 4, S. 120.J| — 78) X K. Mertens, I). Bild-
nisse d. Fürsten und Bischöfe v. Paderborn v. 1498-1891. Mit erläut. Texte. Paderborn, Schöningh. 24 Photogr. mit VI,
49 S. Text. M. 16,00. — 79) X H- '<'■ Bi^uiningk, D. Bildnis d. Ordensmeisters W. v. Klettenberg n. d. Frage über seine
Herkunft : SBGGOstseeprov. 1892, S. 71/7. — 80) Monumente u. Standbilder Europas. 1.-2. Lfg. B., Wasmuth. 1891-92. Fol.
ä 10 Lichtdr.-Taf. ä M. 10,00. — 81) K. E. 0. Fritsch: DBauZg. 1892, S. 26, 376-80, 391,5, 397,9, 409-12, 414/9, 472/5, 482/6,
501/2, 507-20, 526-32, 601/4; Hossfeld: CBlBauverw. S. 206/7, 216; W. Lübke: NatZg. 1892, N. 234. — 82) H. Lutsch,
Verzeichnis d. Kunstdenkm. d. Prov. Sohlesien. III: D. Kunstdenkm. d. Beg.-Bez. Liegnitz. In amtl. Anftr. bearb. Breslau,
Korn. 1891. XVIII, 791 S. M. 7,60. |[HZ. 34, S. 153.J| — 83) Leipzig u. seine Bauten. Zur 10. Wtmdervers. dtsch. Archi-
tekten- u. Ingenieurver. in Leipzig her. v. d. Vereinig. Leipziger Architekten u. Ingenieure. Mit 840 Abbild, u. Plänen. L.,
Qebhardt. XVI, 856 8. M. 30,00. - 84) P. Lehfeldt, Bau- n. Kunstdenkm. Thüringens. Heft 18. Amtsger.-Bez. Weimar.
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 : 85-98
historiker werden dageg-en auch jene oft in der Form nicht geglückten,
doch von einer gewissen Ursprünglichkeit zeugenden Arbeiten von Wert sein, welche
in Thüringen früher als in anderen Landen eine Erstarkung des geistigen Lebens
nach dem 30jährigen Kriege bekunden. —
Bayern hat sich verhältnismässig spät entschlossen, das gemeinsame grosse
Werk zu unterstützen. Das erste Heft erschien 1892, dem rasch eine grössere An-
zahl weiterer folgte. Das Werk, bearbeitet von G. von Bezold und Riehl^^),
teilt sich in einen Text, der in kurzen, aber treffsicheren Worten den Bestand an
Denkmälern feststellt, und einen Atlas, in welchen die vorzüglichsten W^erke in Licht-
druck und Heliogravüre dargestellt sind. Das bisher Erschienene bestätigt die öfter aus-
gesprochene Vermutung, dass Bayern hinsichtlich der Kunst des 17. u. 18. Jh. noch
die meisten Ueberraschungen bieten werde. Der Reichtum an Barockerzeugnissen
ist erstaunlich, so dass man wohl auch im Norden anerkennen lernen wird, dass der
stärkeren wissenschaftlichen Entwicklung dort die künstlerische hier im nationalen
Geistesleben ein Gegengewicht hält. — Auch die Studien über Barock und Rokoko
in Oberbayern von Riehl^^j bringen viel neues Material in diesem bisher arg ver-
nachlässigten Gebiet und ergänzen die knappen Mitteilungen im Inventarisations-
werke in höchst erwünschter Weise. —
Aus Württemberg, dessen Kunstinventarisierung in den hervorragend be-
währten Händen von Paulus^^) liegt, ist das baldige Fortschreiten des besonders
grossartig angelegten Werkes zu erwarten. —
Aus Baden liegt die Bearbeitung des Kreises Konstanz fertig vor. Unter
der Leitung von Kraus^^) ist auch hier das gedeihliche Fortschreiten des Werkes
verbürgt. Neu erschien Kreis Waldshut, in welchem namentlich das Kloster St.
Blasien, eine der wichtigsten Bauten aus der Zeit des strengen Klassizismus des
endenden 18. Jh., und dessen reiche Schätze hervortreten. Die besonders geschickte
Anordnung des Stoffes, die treffliche Ausstattung, namentlich auch nach der zeichne-
rischen Seite, muss hervorgehoben werden. —
Die Invertarisation in Elsass-Lothringen, ebenfalls von Kraus^^) be-
sorgt, liegt mit dem vierten Bande abgeschlossen vor. —
Von der schönen Publikation S chäf er s^**) über das Grossherzogtum Hessen,
erschien ein stattliches Heft über die Provinz Starkenburg (Kreis Erbach), in welchem
auch die prächtigen Sammlungen in Schloss Erbach geschildert werden. Die stillen
Thäler des Odenwaldes bieten überaschend viel Altes ; als bezeichnend darf hervor-
gehoben werden, dass bei Beerfelden der — meines Wissens — letzte Galgen Deutsch-
lands sich erhielt. Die künstlerischen Thaten des Hauses Erbach treten durch dies
Werk in glänzender Art ans Licht, und zwar verteilen sie sich über die ganze, hier
in Frage kommende Zeit, abgesehen davon dass sie z, B. in Michelstadt schon erheb-
lich vor dieser einsetzen. — Auf die wichtigsten Gegenstände der Kunstinventarisation
des Odenwaldes machte Schäferei) noch in gesonderter Behandlung aufmerksam. —
Die Architekturstudien Kochs'-'''^) aus Frankfurt a. M. bilden eine brauch-
bare Vorarbeit für diese Stadt, die bisher noch nicht zusammenfassend im antiqua-
rischen Sinne behandelt wurde, will man von der doch immerhin summarischen
Bearbeitung ihrer älteren Geschichte in dem Werke „Frankfurt und seine Bauten"
absehen. —
Die preussische Rheinprovinz, welche mit einem 1886 von Paul Lehfeldt
herausgegebenen Bande „Regierungsbezirk Koblenz'' in der Inventarisierung einen
Anfang gemacht hatte, hat in wesentlich besserer und namentlich auch illustrativ
vortrefflich ausgestatteter Weise durch Giemen ^3) die Fortführung wieder aufnehmen
lassen. Wenngleich die wichtigsten Denkmäler dort dem früheren Mittelalter an-
Jena, G. Fischer. VI, X, 224 S.; 26 AbMld. M. 7,00. (Von 1891-93 10 Hefte.) — 85) G. v. Bezold n. B. Sie hl, D. Kunst-
denkm. d. Königr. Bayern vom 11. bis z. Ende d. 18. Jh. Beschrieben u. unfgenommen im Auftr. d. Kgl. Staatsminist, für
Kirchen- u. Schulangelegenheiten. 1. Bd. Reg.-Bez. Oberbayern. Heft 1. München, Albert. 1892. Fol. 48 S. ; 10 Taf. M. 10,00.
IfC. Frey: DLZ. S. 210,2; Chr. Rnpprecht: MHL. 21, S. 179-81; AChrK. S. 23; Kellet er: KBIWZ. 12, S. 32,3; BUKnnst-
gewerbe. 1892, S. 40.J| — 86) B. ß i e h 1 , Stndien über Barock n RokoVo : ZBayerKunstgewerbever. S. 1,9. - 87) E. P au 1 u s , D. Kunst-
u. Altertumsdenkn]. im Königr. Württemberg. Im Auftr. d. Kgl. Minist, d. Kirchen- ti. Schulwesens bearb. 23.-34. Lfg. a) Atlas ;
b) Inventar. St., Neff. 1892-93. 70 Taf. u. 9 Bll. Text; S. 305-432. ä M. 1,60. — 88) F. X. Kraus, D. Kunstdenkm. d.
Grossherz. Baden. Beschreibende Statistik im Auftr. d. Grossherz. Minist, d. Justiz, d. Kultus u. Unterr. her. in Verbind, mit
J. Durm u. E. Wagner. 3. Bd. Nebst Beil.: D. Kunstschatz v. St. Blasien. Freiburg, Mohr. 1892. 181 S. u. 1 Karte;
12 Taf. M. 8,00. (Bd. 1-3: M. 30,00.) [[FreiburgerDiöcA. 23, S 365;8.]| — 89) id., Kunst u. Altertum in Elsass-Lothringen.
Beschreibende Statistik im Auftr. d. K. Minist, für Elsass-Lothringen her. 4. Bd. Nachtrr. u. Heg. Strassbnrg i. E., Schmidt
(Bull). 1889. III, 181 S. M. 5,00. (Bd. 1-4: M. 55,00.) — 90j G. Schäfer, Kunstdenkm. im Grossherz. Hessen. Inventari-
sierung n. beschreibende Darstellung d. Werke d. Architektur, Plastik, Malerei u. d. Kunstgewerbes bis z. Schluss d. 18. Jh.
IV. Prov. Starkenburg, Kreis Erbach. 116 Textillustr. u. 23 Taf. Darmstadt, Bergsträsser. 1891. 284 S. M. 12,00. (Bd. 1-4: M. 45,00.)
|[Wanbald: HZ. 34, S. 334/9 ; CBlBauverwalt. 1892, S.31ö.]i — 91) id., Ueber d. Denkmäler d. bild. Kunst im hess. Odenwald: BFDH.8,
S. 180-95. — 92) (14: 423.) — 93) D. Kunstdenkm. d. Rheinprov. Im Auftr. d.Provinzial Verbandes her. v.P. Giemen. L Bd.: I.Heft
(Kempen), 2. Heft (Geldern), 3. Heft (Mors), 4. Heft (Kleve); II Bd.: 1. Heft (Kees), 2. Heft (Duisburg, Mülheim a.d. Ruhr u. ßuhrort).
Dnsseidorf, Schwann. 1891-93. 4«. XIV, 137 S. mit 4 Taf. u. 59 Abbild.; U, 113 S. mit 6 Taf. u. 39 Abbild.; VI, 170 S. mit 8 Taf. n.
67 Abbild.; VI, 180 S. mit 7 Taf. u. 85 Abbild.; VI, 159 S. mit 6 Taf. n. 75 Abbild.; VI, 85 S. mit 3 Taf. u. 28 Abbild.
I 11:94-103 C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893.
gehören, so bietet doch namentlich der bürgerliche Wohnhausbau, der in erfreulicher
Weise immer mehr Berücksichtigung" findet, neben der durch die Nähe der Nieder-
lande beeinflussten Kunst der Zeit um 1500 (zumal für Wesel und Kleve) viele sehr
bemerkenswerte Erscheinungen. —
Auch die sehr langsam fortschreitende Bearbeitung Westfalens hat eine
Aenderung erfahren. An die Stelle der wissenschaftlich sehr gründlichen Behandlung
durch J. B. Nordhoff ist eine solche durch Ludorff und Schwieters^*) ge-
treten. Es ist das neue Heft freilich vorzugsweise mit Abbildungen im Lichtdruck
gefüllt, der Text tritt neben diesen völlig in den Hintergrund. Mir will scheinen, als sei
man aus einem Extrem ins andere gefallen, und als werde Westfalen mit der vorliegenden
Arbeit zu einem Abschluss noch nicht kommen können. Auch hier überwiegt das
frühere Mittelalter über die späteren Kunstzeiten im Wert und in der Zahl der Denk-
mäler. Doch zeigt das Heft, dass unter den reichen Grundbesitzern des Landes Sinn
für höhere Lebensführung auch in späteren Zeiten sich erhielt. —
Eine Verötfentlichung des Oldenburg er Altertumsvereins durch Sello^^)
zeigt, dass auch in seinem Wirkungsgebiet die Frage der Inventarisierung seit langer
Zeit angeregt ist, wenngleich bisher die Angelegenheit nicht in Fluss kam. —
Von der po mm ersehen Inventarisation erschien, bearbeitet von Böttger^^j^
nur ein Heft (Kreis Schlawe), dessen Inhalt freilich nur in sehr bescheidenem Masse
das hier zu behandelnde Gebiet betrifft, zumal da ausschliesslich die Baudenkmäler
berücksichtigt wurden; von der westpreussischen der Kreis Strasburg^''), in welchem
das 17. Jh. und die mit der katholischen Bewegung zusammenhängende Einführung
eines italienischen Barock einzelne beachtenswerte Erscheinungen hervorbringt; die
ostpreussische ist Bötticher^^) übertragen worden, welcher seine Befähigung zur
Bewältigung der seinem bisherigen Arbeitsgebiete ferner liegenden Aufgabe sehr
erfreulich kund gab. Ist diese auch im allgemeinen nicht allzureich an hervor-
ragenden zu besprechenden Objekten, so bietet der ferne Osten doch kulturgeschichtlich
sehr bemerkenswerte Beobachtungen, indem er gewissermassen eine Resonanz der im
Westen sich abspielenden Wandlungen darstellt. —
Die Provinz Sachsen, welche als eine der ersten mit der Bearbeitung ihrer
Altertümer auf dem Plane erschienen war, hat unvermindert ihre wichtige Arbeit
fortgesetzt. Es erschienen Hefte^^), die Oschersleben, Schweinitz, Delitzsch, Bitter-
feld und den Mansfelder Gebirgskreis umfassen. Das System der Behandlung ist
hier ein anderes, indem für jedes Heft ein besonderer Bearbeiter gesucht wird. Die dadurch
entstehenden Ungleichheiten machen sich nicht immer glücklich geltend. Namentlich
leiden einzelne Hefte unter dem Mangel an knapper Sachlichkeit, fast alle aber an
zu grosser Sparsamkeit hinsichtlich der illustrativen Ausstattung, welche mehrfach
Dilettantenhänden überlassen wurde. —
Anhalts Kunstdenkmäler bearbeitet in illustrativ gut ausgestatteten Heften
Büttner Pfänner zu Thali^^). Das ganze Werk über das kunstgeschichtlich
interessante Ländchen wird in 10 Heften erscheinen. —
Wesentlich die künstlerische Seite des Bauwesens berücksichtigt Uhde^*^^)
in seinen beiden Heften „Braunschweigs Baudenkmäler". Malerische Einblicke
in die mittelalterliche Stadt, in den Holzbau der Renaissance und in die Schlösser
des 18. Jh. bilden den Hauptinhalt des Werkchens. In ähnlicher Weise erschien, von
Fischer bearbeitet, eine Veröffentlichung über die Denkmäler im KreiseMünster,
die Georg Fischer •'^^j besorgt hat. —
Auf besondere Beachtung durfte von vornherein Borrmann^os^ rechnen,
M. 3,50; M. 3,00; M. 5,00; M. 5,50; M. 6,00; M. 6,00. — 94) A. Ludorff, D. Bau- u. Kunstdenkm. v. Westfalen. Her. vom
Provinzialverbande d. Prov. Westfalen. D. Kreis Lüdinghausen. Mit gesch. Einl. v. J. Seh wieters. Paderborn, Schöningh. 4". VI,
113 S. mit 2 Karten u. 3!.2 Abbild. M. 5,60. (Forts, v. „D. Kunst- u. Geschichtsdenkm. d. Provinz Westfalen",) - 95) G. Sello,
D. Denkmalsschutz im Herzogt. Oldenburg. (= Schriften d. OldenburgLVA. N. 7.) Oldenburg, Stalling. V, 90 S. M. 2,25. —
96) D. Baudenkm. d. Prov. Pommern. Her. v. d. QPommG. ii. T. 3. Heft. D. Beg.-Bez. Köslin, bearb. v. Ludw. Böttger.
Stettin, Saunier. 1892. XV, 148 S. mit Abbild. M. 6,00. |[M. Wehrmann: KwH, 7, S. 101/2.]| - 97) D. Bau- u. Kunst-
denkm. d. Prov. Westpreussen, her. im Auftr. d. westpreuss. Prov.-Landtages. Heft 8. D. Kreis Strasburg. Danzig, Bertling.
1891. 4». VHS. u. S 317-459 mit 116 Abbild, u. 11 Beill. M. 6,00. — 98) Ad. Bötticher, D.Bau- u. Kunstdenkm. d. Prov. Ost-
preussen. Im Auftr. d. ostpreuss. Prov.-Landtiiges bearb. 1. Heft. D. Samland. 2. Heft. Natangen. 3. Heft. D. Oberland.
Mit zahlreichen Abbild. Königsberg i. Pr., Teichert. 1892-94. IX, 143 S. mit 3 Lichtdr.-Taf. ; VII, 195 S. mit 5 Lichtdr.-
Taf.; VII, 122 S. mit 1 Lichtdr.-Taf. ä M. 3,00. |[M. Perlbock: KwH. 7, S. 102,3, 645; H. Ehrenberg: AltprMschr. 30,
8. 368-70; J. Kolberg: LRs. 19, S. 118-20.]| — 99) Beschreibende Darstellung d. älteren Bau- n. Kunstdenkm. d. Prov.
Sachsen u. angrenz. Gebiete. Her. v. d. bist. Kommiss. d. Prov. Sachsen. 14. Heft: Oschersleben, bearb. v. Gust. Schmidt;
15. Heft: Schweinitz, bearb. v. G. Schönermark; 16. Heft: Delitzsch, bearb. v Q. Schönermark; 17. Heft: Bitterfeld,
bearb. v. G. Schönermark; 18. Heft: D. Mansfelder Gebirgskreis, bearb. v. H. Grössler, Ad. Brinkmann u. Gust.
Sommer. Halle a. S., Hendel. 1891-93. VI, 243 S. mit Abbild.; V, 78 S. mit 45 Abbild.; 224 S. mit 129 Abbild.; V, 104 S. mit
39 Abbild.; XII, LVI, 252 S. mit Abbild, u 1 färb. Karte. M. 10,00; M. 4,00; M. 6,00; M. 4,00; M. 7,00. - 100) F. Büttner
Pfänner zu Thal, Anhalts Bau- n. Kunstdenkm. nebst Wüstungen Mit Illustr. in Heliogr., Lichtdr. u. Phototyp. 3. Heft.
Dessau, Kahle. 4". S. 113-52 mit 5 Taf. M. 2,50. — 101) Braunschweigs Baudenkm. Her. vom Ver. v. Freunden d. Photogr.
in Braunschweig. Nebst kurzen Erläuterungen v. Const. ühde. 2. Aufl. Brannschweig, Goeritz. 40 Lichtdr.-Taf. mit 15 S.
Text. M 10,00. llCBlBauverw. S. 552.J| — 102) Georg Fischer, Kunstdenkm. u. Altertümer im Kreise Münden. 1. T.
Stadt Münden u. Stadtgebiet. Münden (Augustin). 1892. 65 S. M. 1,25. — lOS) B- Borrmann, D. Bau- n. Kunstdenkm.
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 : i04-ii«
welchem die Inventarisation der Denkmäler Berlins übertragen worden ist. Leider
steht die sehr sparsame illustrative Ausstattung: keineswegs auf der Höhe berechtigter
Wünsche. Dagegen hat die ruhige sachliche Stellung des Vf. innerhalb der viel-
fachen, Berlins Kunstgeschichte betreffenden Streitfragen ihm allseitige Anerkennung
eingetragen. —
Die östlichen Nachbarländer Deutschlands gehören zu den kunstgeschichtlich
noch wenig bekannten. Wenn gleich die Polen, Magyaren und Tschechen
fleissig am Werk sind, ihre Kunstgeschichte auszubauen, so entziehen sich ihre Arbeiten
doch durch die Sprache zumeist der internationalen Kritik. Um so dankenswerter
ist es, wenn ein der fremden Sprache mächtiger Deutscher eine Sichtung des auf-
gehäuften Materials unterninunt und es in eine der in die Wissenschaft eingeführten
vier Hauptsprachen überträgt. Dies that Ehrenberg '^^-los) in seiner Geschichte
der Kunst im Gebiete der Provinz Posen. Er that noch mehr, indem er sein
Werk auf umfassenden eigenen archivalischen Forschungen aufbaute. Fehlt dem Vf.
auch der Blick für die Stellung, welche die von ihm behandelten Künstler und Kunst-
werke zu dem einnehmen, was sonst geleistet wurde, so hat man doch dafür überall
den Eindruck,- dass man seinen historischen Ausführungen mit mehr Sicherheit sich
anvertrauen darf, als es sonst bei der Litteratur über Polnisches der Fall war. Es
zeigt sich aber auch, wie schwach in der Kunst der Grenzländer der slawische Ein-
fluss auf die Gestaltung der Formen ist, und wie er sich fast nur in einer rascheren
Hingabe an die Italiener äussert, als dies in deutschen Landen der Fall ist. —
Unter den grössere Abschnitte der Kunst eines Landes zusammenfassenden
Werken nehmen zweifellos die historischen Charakterbilder aus 0 est erreich von
Ilgioej einen besonderen Rang ein. Sie bieten zum ersten Mal eine geschlossene
Darstellung der Hauptepochen österreichischer Kunstblüte. I., dessen Thätigkeit in
Deutschland zweifellos viel zu wenig gewürdigt wird, offenbart da als Forscher
wie als Dirigent seine grossen Vorzüge. In das hier zu besprechende Gebiet gehört
zwar nur ein Teil des Werkes, die Abschnitte von Neuwirth über spätes Mittel-
alter, von Heinr. Zimmermann über Renaissance, von I. selbst über Barocke und
Rokoko (namentlich letzteres ein bisher ganz brach liegendes Gebiet). Aber es sei doch
auch hier daraufhingewiesen, dass eine bessere Erkenntnis des Wertes der süddeutschen
Kunst des 17. und 18. Jh. berufen ist, der Kulturgeschichte dieses Zeitalters den
einseitig litterarischen Geschmack zu nehmen, welchen sie heute noch als Erbteil der
unbedingten Vorherrschaft der Wissenschaft in der Aufklärungsperiode besitzt. — Aus
den Kronländern Oesterreichs sind eine Reihe von Veröffentlichmigen hervorgegang'en.
Die Kunstschätze Tirols i*^'') sind in einer durch künstlerisch hervorragende Illu-
strierung bemerkenswerten Publikation dem Studium zugänglich gemacht worden.
— Die Beziehungen von Oberschwaben zu Tirol fuhren Probst ^'^*^) und Beck**^^)
nachzuweisen fort; über die Malereien am Dom zu Brixen machte H. Semper*''^"*^')
Mitteilungen, der auch eine üebersicht über die Kunstgeschichte Tirols zusammen-
stellte, eine wertvolle Vorarbeit für eine spätere umfassende Darstellung des für den
Austausch der Ideen Italiens und Deutschlands hervorragend wichtigen Landes. —
Das Innsbrucker Museum (Ferdinandeum) erweist sich als ein Mittelpunkt der ver-
schiedenen Bestrebungen für die Erforschung des Landes, die es durch ihre Zeit-
schrift unterstützt i'^j. — Aus Böhmen, wo Neuwirth die Behandlung der älteren
Kunstgeschichte soweit fortgeführt hat, dass er nunmehr in das in diesen Berichten
zu behandelnde Gebiet eintritt, liegt dem Bearbeiter nur wenig vor : Eine Arbeit über
die Prager Georgskirche, ein Bericht über die Denkmale Nordböhmens von
R. Müller '13^. — In kurzen Zügen gab Graus i**) eine Üebersicht der Kirchen der
steirischen Diöcese Sekkau und mit dieser eine gute Vorarbeit für die Bearbeitung
einer Inventarisation eingehenderer Art. — Wastler ns-nej setzt auch in diesem Jahre
T. Berlin. Im Anftr. d. Magistrats d. Stadt bearb. Mit e. gesch. Elnleit. v. P. Clanswitz. B., Springer. 1892. 4*. XII,
436 S. mit 28 Lichtdr.-Taf., zahlreichen Abbild, u. 3 Plänen. M. 30,00. |[Fr. Sarre: PBPG. 6, S. 293-300; LCBl. S. 1055/6;
P. Seidel: CBlBauverw. S. 117 8.J1 — 104) H. Bhrenberg, Urk. u. Aktenstäcke z. Gesch. d. in d. heutigen Prov. Posen
vereinigten ehemal. poln. Landesteile. Im Anftr. d. ProTinzialanssch. d. Prov. Posen in ital. Arch. n. Bibl. vornehml. d.
Vatikanischen Arch. ges. u. her. L., Veit & Co. LIX, 700 S. M. 20,00. — 105) id., Gesch. d. Knnst im Gebiete d. Prov.
Posen. (Ans ZBaiiwesen.) B., Ernst & Sohn. VIU, 204 S. M. 8,00. — 106) A. Ilg, Kunstgesch Charakterbilder aus Oesterr.-
Ung. Unter Mitw. von M. Hoernes, R. Bitter v. Schneider, J. Strzygowski, J. Neuwirth, Heinr. Zimmer-
mann, A. Nossig her. Mit 102 Originalzeichn. (2 Badier., 3 Heliograv. u. 97 Textabbild.) L., Freytag. 1892. XIV, 406 S.
M. 12,90. |[A. Schnerich: ÖLBl. 2, S. 558-60; Kunstchr. 4, S. 1145; C. Frey: DLZ. S. 12659; A. Horcicka: MVGDBB. 31,
S. 489; A. Schlossar: BLÜ. S. 292;4.]| — 107) Knnstschätze ans Tirol. 3. Abt. Malerei u. Plastik. Heliogr. nach photogr.
Aufnahmen v. Otto Schmidt mit erläut. Text v. J. W. Deininger. 1.-3. Lfg. Wien, SchroU & Co. Fol. Je 10 Taf. u. 1 Bl.
Text, ä M. 13,50. — 108) F. Probst, Beziehungen zwischen Oberschwaben n. Tirol auf d. Gebiete d. Kunst: AChrK. S. 45:6.
— 109) Paul Beck, Weitere Beziehungen zwischen Oberschwaben n. Tirol: ib. S. 93 6. — HO) H. Sem per, D. Wand- n.
Deckengemälde in d. Kreuzgange in Brixen n. ihre Restaurierung: ÖÜR. 15, S. 126-38. — 111) id., üebersicht e. Kunstgesch.
Tirols: DB. 1, S. 262-70; 2, S. 127-36. - 112) X Kleine Beitrr. z. Gesch. Tirols: (= Z Ferdinandeum 35, S. 523-69.) Mit 3 Taf.
Innsbruck, Wagner. M. 1,00. (Sonderabdr.) — 113) R. Mn.ller, Kunst- n. Bandenkm. Nordböhmens: MNordböhmExcnrsClub. 15,
S. 67-72. — 114) J. Grans, Uebersichtl. Schau auf d. Kirchen d. Diöcese Sekkan. Graz, Styria. 16 S. M. 0,40. — 115) J
Wastler, Nachrichten über Gegenstände d. bild. KSnste in Steiermark: JIHVSteiermark. 40, S. 273-87. — 116) id., D. Ord-
111: 117-144 C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893.
die „Nachrichten über Gegenstände der bildenden Künste in Steiermark" fort, indem
er archivalische Mitteilungen über Kloster Neuberg, die Maler C. Pamstl und D.
Kammacher bringt, Ansichten der Stadt Graz von 1480 und 1565 bespricht und die
Ordnung der Maler von 1633 veröffentlicht. —
Es erschien noch eine Reihe lokaler Einzelheiten. Die weltgeschichtliche
Schlosskirche zu Wittenberg erfuhr einen Umbau, zu welchem Fr itsch "'') einen auch
für die Geschichte der ursprünglichen Anlage bemerkenswerten Aufsatz schrieb. — Ein
vom Restaurator Adler"^) gehaltener Vortrag gab hierzu die nötigen Unterlagen. —
Weitere Nachrichten, namentlich jene ortsgeschichtlicher Herkunft, trug Hugo
Wagner •1'') zusammen, ohne dass es ihm gelungen sei, aus diesen eine für die
Kunstgelehrten brauchbare Geschichte des Baues zusammenzustellen. — In anderer
Weise behandelte Kost lin '^Oj diesen Bau, indem er dessen Bedeutung für die Religions-
geschichte hervorhob, jedoch wieder ohne dabei zu den Nachrichten über Bau und
Ausschmückung eine nennenswerte Bereicherung zu bringen. i2i-i23j —
Zur Kunstgeschichte westfälischer und rheinländischer Städte er-
schienen mehrere Sonderuntersuchungen. So über den Lettner im Dom zu Münster,
der in der Zeit kurz vor dem Wiedertäuferischen Aufstand in den Formen eines
reizvollen Uebergangsstiles zur Renaissance errichtet und 1871 abgebrochen wurde.
Ueber ihn giebt Effmann*^^) einen eingehenden, mit Abbildungen erläuterten Auf-
satz, in welchem er den Abbruch zwar nicht verteidigt, doch rechtfertigt, und zwar
deshalb, weil die Trennung von Klerus und Geistlichkeit jetzt nicht mehr in so
starker Weise betont werden dürfe: ein interessanter Vorgang, der über die litur-
gische Bedeutung des Lettners Aufklärungen giebt. — Als Sonderarbeit über
einen Kirchenbau ist Richters ^^sj Festschrift über die Jesuitenkirche in Pader-
born hervorzuheben. Es handelt sich um einen Bau aus der Zeit von 1682 — 92, der
teilweise in gotischen Formen ausgeführt wurde, ähnlich den Jesuitenkirchen zu
Köln, Düsseldorf usw., mithin um eine Kunsterscheinung, welche das Bild des
„Jesuitenstiles" erheblich umzuwandeln berufen ist, das Gurlitt in seiner Geschichte
des Barockstiles gab. — Gleicher Richtung ist die Maria Himmelfahrtkirche zu Köln,
deren Baugeschichte Beissel^^e-) schrieb, indem er zugleich Aufschlüsse über das
Wesen der Jesuitenbauten der Gegenreformation erteilt.*-'"'-^*') —
Besonders reich ist die kunstgeschichtliche Speciallitteratur Schwabens.
Der stattlichen Publikation Leybolds ••*') über das Rathaus zu Augsburg gab Buff,
der Archivar der Stadt, einen kurzen, aber wertvollen Text bei. — Die Kunstge-
schichte des Allgäu machte Schiller '^^^ zum Gegenstand einer eingehenderen Be-
trachtung, i^^^^i^oj _
Zur Geschichte des Elsass ist die eingehende Untersuchung von Wincke 1-
mann''*!) über den Erbauer des Strassburger Rathauses hervorzuheben, wobei wahr-
scheinlich gemacht ist, dass Schoch und A. Müller die entwerfenden Meister sind, von
Specklin dagegen „mit ziemlicher Sicherheit" abgesehen wird, — eine Ansicht, der
sich auch J anitsclieki*^) zuneigt. —
In Bayern bereitet Trautmann'43-i44-) gjj^g sorgfältige, auf die reichen Archi-
valien des Landes gestützte Publikation vor. Was inzwischen von ihm an Arbeiten
erschien, lässt eine endgültige Behandlung des wichtigen Gebietes erhoffen. Es
nnng d. v. Peter de Porais gegränd. Maler-Konfraternität in Graz: BKSteiermGQ. 23, S.10-21. — 117) K. E. Fritsch, D. Schloss-
kirche zn Wittenberg: DBauZg. S. i;2, 213. - US) F. Adler, Ueber d. Schlosskirche zu Wittenberg. Vortr.: ib. 1892,
S. 117. (Referat.) — 119) Hugo Wagner, D. Schlosskirche zu Wittenberg in Vergangenheit n. Gegenwart. Wittenberg,
Wnnschmann. 1892. 49 S. mit 1 Lichtdr. M. 0,75. (Vgl. JBL. 1892 II 6:6.3.) — 120) J. Köstlin, Friedrich d. Weise n. d.
Schlosskirche zu Wittenberg. Wittenberg, Herrosfi. 1892. 4». 111 S. M. 2,50. (Vgl. JBL. 1892 II Ö : 60.) — 121) X Th.
Distel, Z. Gesch. d. Moritz-Monuments u. seiner Instandhaltung 1571 : MFreibergAV. 30, S. 105. — 122) H. Ger lach, Freiberger
Bauchronik: ib. 29, S. 65-72. — 123) X Joh. Richter, Schloss Offenbach: ZBK. 4, S. 217-25. — 124) W. Effmann, D.
ehemalige Lettner (Apostelgang I im Dome zu Manster. (=1 4:404, S. 110-28.) — 125) (I 4:526a.) — 126) St. Beissel, D.
Kirche „Maria Himmelfahrt" zu Köln u. ihr sogenannter „Jesuitenstil": ChrK. 5, S. 47-54. — 127) X Cr. Müller-Grote, D.
Malereien d. Huldignngssales im Rathause za Goslar. B., Grote. IV, 112 S. mit Textbild. u. Lichtdr.-Taf. M. 6,00. jfLCBl.
S. 1357.] I — 128) X F- E. Koch, E. Frnhrenaissance-Giebel in Güstrow: JbbVMecklG. 58, S. 97-100 — 129 X P- Hasse,
Bildl. Darstellungen aus Lübecks ältester Gesch.: MVLübG. S. 82-94. — 130) X A. Benda, Wie d. Lübecker d. Tod gebildet:
ZVLübG. 0, S. 563-90. — 131) L. Leybold, D. Rathaus d. Stadt Augsburg erbaut 1615-20 von Elias Holl. Mit kurzem bist.
Text V. A. Buff. 2. Anfl. B., Hessling & Spielmeyer, Fol. 93 Taf. u. 5 S, Text. M. 64,00. — 132) H. Schiller, Gesch.
d. Allgäuer Kunst: AllgänerGFr. 6, S. 1,8, 17-22, 49-56, 65-70, 81,6, 97-104, 121-41. - 133) X P"«! Beck, Oberschwäb.
Künstler früherer Zeit: AChrK. S. 85/7. — 134) X F- Probst, Uebersicht über d. Künstler u. Kunstwerke Oberschwabens v.
1550 bis z. 7j. Kriegr. (Schluss): ib. S. 18-20, 25/8. — 135) X Th. Schöne, Beitrr. z Gesch. d. Württemberg. Baumeister u.
Bildhauer: ib. S. 10,1. — 136) X A. Klemm, Neues über dtsch. Baumeister n. Bildhauer aus älterer Zeit: Alemannia 19,
S. 177-83. (Süddtsch. Architekten d. Gotik.) - 137) X Karl Schäfer, Werkmeister d. Stadt u. d. Münsters zu Freiburg i. B.
aus d. Renaissance: ib. 21, S. 291/4. — 138) X D- Bnrckhardt, E. Ansicht Basels ans d. J. 1572: BaslerJb. S. 260/2. —
139) XJ- Stammler, D. St. Antonius-Kirche in Bern: KathSchwBll. 9, S. 42-62. — 140) X^. Hottinger, H. Zeller-
Werdmüller u. J. R. Rahn, Heinr. Bullingers Beschreibung d. Klosters Kappel u. sein heut. Zustand. (= MAntiqnVZürich.
Bd. 33, Heft 4.) L., Hiersemann. 1892. 4». 40 S. mit 1 Plan, 1 Farbendr.-Taf. u. 7 Holzsohn. M. 2,40. |[P. V(etter):
SchwRs. 3, S. 343/4.]| — 141) 0. Winckelmann, d. Erbauer d. Strassburger Rathauses: StrassbPost. N. 302/3, 303. — 142)
H. Janitschek, D. Specklin: ADB. 35, S. 82/4. — 143) [0. Aufleger], Münchener Architektur d. 18. Jh. Mit gesch. Einl.
V. K. Trautraann. (= Süddtsch. Architektur u. Ornamentik im 18. Jh. Bd. 3-4.) München, Werner. 1891. Fol. 8 S. u. 20 Lichtdr.-
Taf, ä M. 15,00. — 144) [id.], D. reichen Zimmer d. KgL Residenz in München. Mit gesoh. Einl. t. £. Trantmanu (ebda.
0. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 : 145-102
offenbart sich im 17. und 18. Jh. ein ebenso reges künstlerisches Leben in Bayern wie
in Oesterreich, so dass auch von dorther eine Umstimmung- in der Würdig-ung" der
geistigen Mächte Süddeutschlands zu jenen Zeiten in ihrem Verhältnis zum Norden
unzweifelhaft ausgehen wird.^*^) — In gleich wissenschaftlichem Geiste arbeitet
Hager'^^), der sich das oberbayerische Kloster Steingaden zum Gegenstand wählte,
wie sich denn in Bayern das lebhafte Bestreben zeigt, die noch weiteren Lücken ört-
licher Kunstgeschichte'*'') zum Ruhme des kunstreichen Landes auszufüllen. — Dasselbe
ist auch in Franken der Fall, wo Nürnberg immer wieder die hauptsächliche Auf-
merksamkeit auf sich lenkt. **^'*^') — Rein künstlerische Absichten verfolgte der Bild-
hauer Otto Lessing'^2j j^it seiner Lichtdruck-Publikation über ein nur wenig bekanntes
Meisterwerk des Rokoko, das Hohenzollernschloss Ansbach. — Ein bedeutendes
Gebiet, aus dem es noch sehr an genaueren Nachrichten fehlt, das dafür aber noch
erfreuliche Ueberraschungen zu bieten verspricht, nämlich das spätere Kunstleben
an den fränkischen geistlichen Höfen, hat Stamminger ^^^) zu bearbeiten be-
gonnen, i^^-i 56) __
Was die Geschichte der Architektur angeht, so liegt die Kunstgeschichte
der Gotik im wesentlichen der Besprechung in diesen Blättern fern. Doch mag kurz
auf Carstanjens'^") Buch über Ulrich von Ensingen hingewiesen sein, weil dieser
dicht an der Grenze zu einer neuen Zeit, zur formalen Befreiung der Gotik von der
Vorherrschaft des Zirkels steht. — Zur Geschichte der socialen Stellung der Bau-
meister zu Anfang des 16. Jh. und früher brachte Gurlitt 1^^) einen Beitrag, der
ebenfalls in diesen Zeitabschnitt hineinfällt. — Für eine spätere Zeit, zweite Hälfte
des 16. Jh., bespricht Weech'^^) die Höhe der Arbeitslöhne. — Das für die
Architekturgeschichte wichtigste Werk der hier in Betracht kommenden Jahre ist
zweifellos die von der Vereinigung Berliner Architekten herausgegebene und von
Fritsch^ßO) geschriebene Geschichte des Kirchenbaues des Protestantismus. Der Be-
arbeiter dieses Berichtes darf sich wohl des Umstandes rühmen, dass er in seiner
Geschichte des Barockstiles zuerst darauf hinwies, dass es einen besonderen pro-
testantischen Kirchenbau gäbe, der sich aus der für die Liturgie g'eeigneten Grundriss-
bildung aufbaut. Das, was ich dort gab, hat F. in umfassendster Weise verbessert,
ausgebaut imd bis auf den heutigen Tag fortgeführt. Wer das 16., 17. und 18. Jh.
und dessen Geistesströmungen in protestantischen Landen verstehen will, wird an
dem mit übersichtlich geordneten und mit einer ausserordentlich grossen Zahl
von durchweg neuen Abbildungen versehenen Werk nicht achtlos vorüber gehen
können, vielmehr erkennnen, dass hier eine Kraft der Kunstäusserung aufgedeckt
wurde, die allein mit der Stellung Bachs in der Musikwelt verglichen werden kann.
F. hat seine Aufgabe nur in der Darstellung seines Gebietes vom fachmännisch
architektonischen Standpunkt gesucht. Es ist kein Zweifel, dass abgesehen von der
theologischen nun auch von der allgemein kulturgeschichtlichen Seite der neueröffneten
Quelle nachgegraben werden muss, namentlich, dass es an den Theologen ist, dem Gedanken,
das Kirchengebäude aus den Anforderungen der Liturgie zu beurteilen, den Unter-
grund durch eine Geschichte eben dieser Liturgie zu geben. — Wie das zu ge-
schehen habe, zeigt in mustergültiger Weise Riet seh els'^') Untersuchung über die
Aufgabe der Orgel im Gottesdienste. — Andererseits beschenkte uns Sponsel'^^)
mit einer vortrefflichen Darstellung eines protestantischen Kirchenbaues allerersten
Ranges, indem er die Geschichte der Dresdener Frauenkirche aktenmässig darstellte.
— Zur Vorbereitung für Studien über das Wohnhaus und besonders über das
Bd. 7-8). Fol. 12 S. u. 60 Lichtdr.-Taf. M. 60,00. — 145) X Chrn. Haentle, D. färstl. Wohnsitze d. Witteisbacher in
München. I. D. Residenz. Zeichnungen v. P. Halm. (= Bayer. Bibl. Her. v. K. v. Beinhardstoettner u. K. Traut-
mann. 27. Bd) Bamberg, Buchner. 1892. VI, 124 S. M. 1,40. — 146) G. Hager, D. Bau- u. Kunstdenkm d. Klosters
Steingaden: OberbuyerA. 48, S. 124-78. — 147) M. Birkler, D. Kirchen in Obermarchtal. E. Jubil.-Ausg. z. 200 j. Bestände
d. ehemal. Praemonstratenser- u. jetzigen Schloss- u. Pfarrkirche. St., Roth. 59 S. mit 5 Ulustr. M. 0,80. — 148) X E. Wer-
nicke, Z. Nürnberger Kunstgesch.: MVGNürnberg. 10, S. 52-68. — 149) E. Mummenhoffs Beitrr. z. Gesch. d. „freien Hand-
werks" d. Maler: ib. S. 271/8. — 150) X M. Pfister, D. Dom zu Bamberg vor seiner Restauration (1828-37). (= 55. BHYBambg.
4 S. mit Grnndriss.) — 151) E. Mummenhoff, D. Rathaus in Nürnberg. Mit Abbild, nach alten Orig., Massaufnahraen etc.,
sowie nach A. v. Essenweins Entwürfen v. H. Wall raff. Im Auftr. u. mit Unterstütz, d. Stadt Nürnberg her. v. VGNürn-
berg. Nürnberg, Schräg. 1892. XIV, 365 S. M. 25,0 I. |[G. v. Bezold: CBlBanverw. S. 57-63.]| - 152) Otto Lessing,
Schloss Ansbach in Bayern. Barock- u. Rokoko-Dekorationen ans d. 18. Jh. In 10 Lfgn. B., Schnltz-Engelhard. 1892-93.
Fol. Je 10 Taf. ä M. 10,00. — 153) J. B Stamminger. Würzburgs Kurstieben im 18. Jh.: AHVUnterfranken, 35, S. 209-55.
— 154) X F. V. Keussler, Aus d. Baltischen Kunstgesch.: BaltMschr. 40, S. 664-72. — 155) A. Matthaei, Bangesch.
Wanderungen durch Giessens Umgebung: MOberhessGY. 4, S. 1448. (3 Vortrr., Ausz.) — 156) XJ-H^H^y' D. monumen-
tale Trier: LHandw. 32, S. 89-97. — 157) F. Carstanjen, Ulrich v. Ensingen. E. Beitr. z. Gesch. d. Gotik in Deutschland.
München, Ackermann. XIV, 137 S. mit 17 Fig. u. 13 Taf. M. 6,00. |[A. Schulte: ZGORh. 8, S 527,3.]| —158) C. Gurlitt,
Erfurter Hüttenordnungen d. 15. u. 16. Jh.: RepKunstw. 15, S. 332-52. — 159) F. y. Weech, Arbeitslöhne beim Schlossbau in
Durlach (1563 65): ZGORh. 8, S. 519-21. — 160) [K E 0. Fritsch,J D. Kirchenbau d. Protestantismus v d. Reformation bis
z. Gegenw. Her. v. d. Vereinigung Berliner Architekten. Mit 1041 Grundrissen, Durchschnitten u. Ansichten. B., Toeche.
VII, 559 S. M. 30,00. |[DBauZg S. 549, 561, 573, 581.]| — 161) G. Rietschel, D. Aufgabe d. Orgel im Gottesdienst bis in
d. 18. Jh. gesch. dargest. Progr. L., Edelmann. 1892. 78 S. — 162) J. L. S p o n s e 1 , D. Frauenkirche zu Dresden. Gesch. ihrer
Entstehung y. G. Bährs frühesten Entwürfen an bis z. Vollendung nach d. Tode d. Erbauers. Dresden, Baensch. Fol. VI u.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 20
I 11 : 163-172 C. Gurlitt, KunstgescMchte. 1892, 1893.
Bauernhaus ist Essen weins '^^^ sachkundige Arbeit über den älteren Wohnbau zu em-
pfehlen, welche freilich mit der Spätgotik abschliesst. Dies Buch eröffnet die
Reihe der Untersuchungen, welche auf eine im Verband Berliner Architekten ge-
gebene Anreg'ung'^*) die deutschen Architekten den Urformen des Hauses zu widmen
begannen. Diese hoffen nämlich der Erkenntnis der Stammeseigentümlichkeiten im
Wohnbau auf dem Wege gründlicher Untersuchung der Einzelheiten, der anfänglichen
Bauformen, der ortsüblichen Bezeichnungen, der Schmuckglieder wie der Grundriss-
gestaltungen, der Entwicklungsgeschichte des Hauses mehr gerecht werden zu können, als
es bisher auf philologisch-anthropologischem Wege möglich war. — Dem Wohnhaus-
bau allein, und zwar vorzugsweise der Betrachtung der typischen Formen des Auf-
risses nach historischen Gesichtspunkten sind einige neue Werke gewidmet, welche
die älteren von Gladbach (Schweizerbauten), Kuno und Schäfer (Deutsche Bauten), Bickell
(Hessische Bauten) zu ergänzen bestimmt sind. Sehr anregend ist jenes von Fritze *^^)
über althennebergische Holzbauten, welche berufen scheinen, dem unschönen unechten
„Schweizerstil" endlich einmal den Garaus zu machen. — Eine im gleichen Sinne ge-
haltene anregende Broschüre lieferte Grüner i^^), worin er den sächsischen Archi-
tekten die ländliche Bauweise ihrer Heimat vorbildlich vorführt gegenüber den städtischen
Bauten im Hausknechtstil, welche jetzt die Dörfer füllen. — Die Uebertragung
des niedersächsischen Haustypus auf städtische Verhältnisse erklärt Pfeifer'^'')
in einem sehr belehrenden Aufsatz über Braunschweiger Verhältnisse, welcher
namentlich durch den vorherrschenden geschichtlichen Sinn sich auszeichnet. — In
ähnlicher Absicht wies Schlotke^^^) in einem gut illustrierten Aufsatz auf die
Kunstleistungen der hamburgischen Vierlande hin. — Die künstlerisch architektonische
Seite der Betrachtung tritt stärker in einer Anzahl von Aufsätzen hervor, welche die
Blätter für Architektur und Kunsthandwerk in ihrem 5. Jahrgange brachten, so
jene über Bauten in Lüneburg, Nürnberg (von P. Ree), Breslau (H. Lutsch), Heidel-
berg, Hildesheim, Berlin (R. Borrmann), Potsdam (P. Walle). Eine bemerkenswerte
Studie über Duderstadt von Engelhard ^^''*) sei hier noch besonders erwähnt. —
Wir kommen zur Malerei der Renaissance. Das Hauptergebnis in
der Dürerforschung bildete neben der Fortführung der grossen Sammlung von
Reproduktionen der Handzeichnungen des Meisters durch Lipp mann ^'O) die Lebens-
beschreibung des Mannes von Springer^'''), welche Jaro Springer nach dem
Tode seines Vaters herausgab. Sp. hatte die Absicht, dem Werke „kritische An-
hänge" beizugeben, zu deren Drucklegung jedoch sich in seinem Nachlass nicht die
genügenden Aufzeichnungen fanden. Seine Gesamtauffassung der künstlerischen
Stellung des Meisters entspricht noch im wesentlichen jener Thausings. Die Forschungen
von Charles Ephrussi und Max Lehrs über die Stellung Dürers zu den Italienern
und zu dem Kupferstecher Meister W., jene Thodes über die Nürnberger Malerschule
und über das Verhältnis des Meisters zu den Niedeiiändern haben nur in geringem
Masse Einfluss auf ihn ausgeübt, ohne dass wir von den Gründen unterrichtet
wurden, welche diese Ablehnung herbeiführten. Dem berühmten Lehrer der Kunst-
geschichte ist dafür zu danken, dass er vor allem suchte, ein lesbares Buch zu
schreiben, ein Werk, das den Meister seinen Verehrern erklärt und nahe bringt.
Auf das Eindringen in das Wiesen Dürerscher Kunst ist denn auch das Hauptgewicht
gelegt und somit eine höchst erfreuliche Knappheit der Darstellung erreicht. Freilich
ist auch dieses Buch deutscher Gelehrsamkeit noch weit davon entfernt, dem Leser
wirklichen Genuss zu bereiten; dazu nimmt auch jetzt noch der kunstwissenschaft-
liche Apparat zu grossen Raum ein; Sp. geht zu sehr auf objektives Abwägen
statt auf subjektives Würdigen aus. Wer das Buch las, weiss viel über Dürer, aber
es ist fraglich, ob er sich über dessen Kunstart klarer geworden wäre, fehlten die
vortrefflichen Abbildungen. Es will mir sogar scheinen, als habe in diesem letzten
Werke Sp.s die Kraft des Erfassens der Persönlichkeit eher nachgelassen, als sich
gegen früher gesteigert. Das Gewicht wurde auf die Geschichte der geistigen Ent-
wicklung des Meisters gelegt. — Und gerade die für sie so wichtige Jugendzeit
wurde durch ein anderes, die Sachlage erheblich verschiebendes Werk berührt,
welches Springer nicht mehr benutzen konnte, durch Burckhardts^''^) reich ausge-
122 S. mit 40 Abbild, anf 25 Lichtdr.-Taf. M. 30,00. — 163) A. v. Essenwein, D. roman. u, got. Banlcunst. 2. Heft: D. Wohnban.
(= Handbuch der Architektur. 2; T. 4. Bd.) Darmstadt, Bergstraesser. 1892. VI, 240 S. mit 28 Abbild, n. 15 Taf. M. 16,00.
- 164) DBauZg. 1891, S. 511; CBlBauverw. S. 402. — 165) Fritze, Fränlc.-thüring. (althenneberg.) Holzbauten aus alter u. neuer
Zeit. Meiningen u. L., Junghanss & Koritzer. 4". 45 Lichtdr.-Taf. mit H, 21 S.Text. M. 15,00. - 166) 0. Grüner, Beitrr.
z. Erforschung Volkstum). Bauweise im Königr. Sachsen u. in Nordböhraen. Mit 58 Abbild, nach Orig.-Zeichn d. Vf. L., Felix.
51 S. M. 1,40. - 167) H. Pfeifer. D. Holzarchitektur d. Stadt Braunschweig. Mit 9 Taf.: ZBauwesen. 42, S. 13-23, 457-70.
— 168) C. Schlotte, Aus d. Vierlanden. (= Schriften d. bayer. Kunstgewerbever. S. 34;7.) — 169) R. Engelhard, Duder-
stadt: ZBK. 3, S. 169-77. — 170) F. Lippmann, Dürers Zeichnungen. In Nachbild, her. 3. Bd. (XXIIL-XXV. Abt.) B., Grote.
Fol. 126 Taf. mit V, 26 S. Text. M. 250,00. — 171) A. Springer, A. Dürer. Mit Taf. u. Ulustr. im Text. (Her. v. Jaro
Springer.) ib. 1892. 184 S. M. 12,50. |[H. Janitschek: Nation". 9, S. 206-10; id.: LCBl. S. 56,8; K. Domanik:
ÖLBl. 1, S, 18-22; ZChrK. 6, S. 359; F. Fuhse: MVGNürnberg. 10, S. 285/9; NatZg. N. 263; PrJbb. 71, S. 529-37; WIDM. 72,
8. 860/1; N<6S. 60, 8. 413,6; L. Kaufmann: ZBK. 3, S. 156/7.] | — 172) D. Burokhardt, A. Dürers Aufenthalt in Basel
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 -. 173-I88
stattete Publikation: Albrecht Dürers Aufenthalt in Basel 1492—94. Ausgehend von
dem F^unde eines von Dürer eig-enhändig* mit seinem Namen beschriebenen Holz-
stockes, weist B. in klarer und gelehrter Abhandlung nach, dass der Meister, nach-
dem er Kolmar im Spätsommer 1492 auf seiner Wanderschaft verlassen, nicht nach
Italien gegangen, sondern in Basel für den Holzschnitt gezeichnet habe, und zwar
für den Verleger Amerbach. Sämtliche Holzstöcke, von denen nur ein Teil (ziemlich
roh) geschnitten wurde, mit ihren Originalzeichnungen erhielten sich in der öffent-
lichen Kunstsammlung in Basel. Dadurch that sich der Dürerforschung eine
neue Richtung auf, wie denn schon B. selbst die Abbildungen mehrerer Holzschnitt-
werke (z. B. das Buch des Ritters vom Thurn, Basel 1493) gleichfalls als nach
Dürerschen Zeichnungen gefertigt bezeichnet hat. — Ein drittes Werk führt die
schriftlichen Werke des grossen Malers zum ersten Mal vollständig und mit
kritischen Erläutern ng-en vor. Es ist in dieser sorgfältigen und wohlgeordneten
Arbeit, im Gegensatz zu Thausings und Convays älteren Ausgaben, welche nur das
geschriebene Material berücksichtigten, Dürers ganzer Nachlass, auch das bereits unter
seinen Augen gedruckte durch Lange und Fuhse^'^) vereint worden, so dass
die Forschung nun bequem dem Gedankengange des grossen Mannes nachschreiten
kann. Wer sich einigermassen über die Unebenheiten des Stiles im 16. Jh. hinweg-
setzen kann, der wird Dürer aus diesem Buche besser kennen lernen als aus
allen Lebensbeschreibungen, den Menschen sowohl wie den Künstler. Die Grösse
der Anschauung und der gewaltige Ernst des Mannes machen Teile seiner Briefe,
Tagebücher und ästhetischen Darlegungen zu den herrlichsten Erzeugnissen des
deutschen Schrifttums. Deutscher ist nie geschrieben worden als von ihm. —
Die Herausgabe des Holzschuherschen Bildnisses in Farbendruck gab die äussere
Veranlassung, dass Eye^''^) sich nochmals über Dürer, dessen Leben zu beschreiben
die Hauptaufgabe seiner Jugend war, äusserte. — Disselhoffs •''^) volkstümliches
Werkchen über den Meister erschien in 2. Auflage, als ein treffliches Mittel nicht
bloss für die Unwissenden, sich an des grössten deutschen Künstlers warmherziger Art
zu erheben und sich in seine Gedanken- und Ausdrucksweise einführen zu lassen.
— Die drei erstgenannten Arbeiten führten fast die ganze deutsche Kunstgelehrsam-
keit auf den kritischen Kampfplatz. Terey^'^) entwickelte in einem gesonderten
Werkchen seine Burckhardt entgegengesetzten, für eine erste Reise nach
Venedig eintretenden Ansichten, die auch ihrerseits bereits in mehreren der
hier verzeichneten kritischen Aufsätze Berücksichtigung fanden. ^''''"i^^) — Es ent-
zieht sich der Aufgabe dieser Notizen, das Für und Wider, welches in den
Specialfragen oft mit grossem Scharfsinn erwogen wird, nachzuprüfen und nach
einem endgültigen Ergebnis zu suchen, solange es von den mit der Lösung
beschäftigten Specialisten selbst noch nicht gefunden ist. Inzwischen ist man all-
seitig eifrig am Werke, Neues über Dürer zusammenzutragen, und auch die Ver-
hältnisse kennen zu lernen, aus welchen der Meister hervorging. Hierzu bietet ein
Vortrag von Hampe^^^) über die geistigen Verhältnisse um 1500 viele Anknüpfungs-
punkte, da er im wesentlichen Nürnberg zum Ort seiner Betrachtungen wählt. 1**^)
— Thodes^^ö"'^') verdienstvolles Werk über die Malerschule zu Nürnberg im 14.
und 15. Jh., welches die Kunstgeschichte bis an die Zeit der Wiederkehr des jungen
Dürer aus seinen Wanderjahren führt, wirkt noch in einer Reihe von Besprechungen
auch in den hier zu berücksichtigenden Berichtsjahren nach. — In einem Aufsatz
über drei Porträts von Albrecht Dürer wendet sich Thode'^^) kräftig gegen
Burkhardts Ansicht, dass die Baseler Holzschnitte Dürers Werk seien, da sie hierfür
an Kunstwert zu tief ständen. Dageg-en weist er drei Gemälde als des Meisters
Arbeit nach, eines in Bergamo (Bildnis des Sebastian Imhof?), ein zweites von 1519
in der Borromeoschen Sammlung in Mailand, das dritte bei Herrn von Holzhausen
1492-94. Mit 15 Textillnstr. u 50 Taf. in Lichtdr. München u. L.. Hirth. 1892. VH, 50 S. M. 20,00. |[G. Dehio: GGA.
1S92, S. 928-36; H. J[ani tschek]: LCBl. S. 574/5; L, Kaufmann: ZChrK. 5, S. 156/7; E. Lehmann: BLU. S. 809-10;
HJb. 13, S. 667. ]| — 173) K. Lange n. F. Fnhse, A. Bärers schriftl. Nachlass, auf Grund d. Originaihss. n. teilweise neu
entdeckter alter Abschriften her. Halle a. S., Niemeyer. XXIV, 420 S. mit 1 Lichtdr. -Taf. u. 8 Illustr. M. 10,00 |[ZChrK. 6,
S. 313/4; M. S.: ML 62, S. 821. || — 174) A. v. Eye, A. Dürers Leben u. Kunstthätigkeit in ihrer Bedeutung für seine Zeit
u. d. Gegenw. Wandsbeck (Seitz). Fol. lU, 136 S. mit 2 Taf. M. 20,00. |(F. Fuhse: MVGNürnberg. 10, S. 283/4.]| — 175)
J. Disselhoff, A. Dürer, Luthers Freund u. Mitstreber. Mit Holzscha. 2. Aufl. Eaiserswerth, Diakonissenanst. 12**. 28 S.
M. 0,15. — 176) G. V. Terey, A. Dürers venetian. Aufenthalt 1494-95. Strassburg i. E., Heitz. 4». 30 S. mit 7 Lichtdr.
M. 3,00. llKunstchr. 4, S. 189.]| — 177) X Wilh. Schmidt, A. Dürer in Basel u. Venedig: Kunstchr 3, S. 536-43. — 178) X
K. Lange, A. Dürers Jngendentwicklung: Grenzb. 1892: 1, S. 330-41, 383-96; 2, S. 551-62. — 179) X W. v. Seidlitz, Neues
über Dürer: AZg". 1892, N. 145. — 180) X A. Jordan, Neues über Dürer: Geg. 42, S. 278-80. — 181) X A. St ein, A.
Dürer. E. Lebensbild: HJb. 13, S. 663. — 182) X E- Lehmann, Wie lernen wir A. Dürer yerstehen?: BLU. 1892, S. 225/8.
— 183)XF- Rieffel-Kastel, A. Springers litt. Nachlass : FZg. 1892, N. 70. — 184)Th. Hampe, Dtsch. Kunst n. dtsch. Litt, um
d. Wende d. 15 Jh. Vortr. geh. auf d. kunsthist. Kongress zu Nürnberg, 25. Sept. Nürnberg, Soldan. 32 S. M. 0,60. (S. u. 112 : 3.)
-- 185) X Wilh. Walther, P. Lehfeld, Luthers Verhältnis zu Kunst n. Künstler (vgl. JBL. 1892116:83): ThLBl. 14, S.388 9. —
186) X H Thode, D. Malerschule v. Nürnberg im 14. u. 15. Jh. Frankfurt a. M., Keller. 1891. XVL 332 S. mit 32 Taf.
M. 12,00. |[WLDM. 72, S. 715,6.]| — 187) X L. P[iet8ohJ, D. Malerschule v. Nürnberg im 14. u. 15. Jh. von ihrer Ent-
wicklung bis auf Dürer: N&S. 63, S. 403/5. — 188) H. Thode, Ueber drei Portrr. y. A. Dürer: JPrK. 14, S. 198-219. —
20*
I 11 : 189-202 C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893.
in Frankfurt a. M. — Dem gegenüber führt Burckhardt '^^"^^o) seine Ansicht mit
der Klarheit der Ueberzeugung weiter. So weist er eine Zeichnung Dürers vom
J. 1497 nach und veröffentHcht in einer auf Archivalien begründeten Untersuchung
über Martin Schongauer und seine Brüder*^') und ihre Beziehungen zu Basel
einen Beitrag zur Lebensgeschichte Albrecht Dürers, worin er das Verhältnis
des Meisters zu seinen Lehrern näher feststellt. Eine Nachprüfung der mehrfach
aufgeworfenen Frage, ob Dürer in Strassburg künstlerisch thätig gewesen sei, führt
zu verneinenden Ergebnissen; denn B. stellt fest, dass dieser 1494 mit Georg Schongauer
nicht dort, sondern in Basel sich aufhielt. 102-193J — Rosenberg^^'*) äussert sich über
Dürers Madonna mit dem Zeisig von 1506, ein bisher wenig bekanntes Bild, welches
von Bode 1891 für Berlin gekauft wurde. — Justi'^^) klärt uns über den Ursprung
der Dürermadonna im Kölner Museum auf. — Aus Riehls^''^) „Kunstcharakteren",
einem der wenigen Bücher, welche man zum Lesen — nicht bloss zum Studieren —
empfehlen kann, fällt nur der Aufsatz über „Dürers Kunst fürs Haus" (S. 119 — 46) in
das hier zu besprechende Gebiet. Als Paralelle sind Bellini und Michelangelo be-
handelt. R. geht nämlich in seiner Sammlung von 11 Essays von der Absicht aus,
deutsche und italienische Kunstäusserungen als Ergebnisse des Volkslebens sich
gegenüber zu stellen, die deutsche Art der Wohnlichkeit und die italienische des
Heraustretens in die Oeffentlichkeit in ihren Wirkungen darzustellen. Dabei passt
ihm Dürers Thätigkeit als Stecher und Holzschneider trefflich, um an ihr den Mann,
seine Zeit und seine hohe Bedeutung darzustellen. Es ist hierbei weniger seine
Absicht, die Wissenschaft um einige Nachrichten zu bereichern, als seinen
Volksgenossen der Edelsten einen herzlich nahe zu bringen. — Auch auf einem in-
direkteren Wege werden Beiträge zur Dürer-Geschichte gebracht. Reb er •'*'') setzte
seine archivalischen Studien über die bayerischen Sammlungen fort: Ein Vortrag be-
richtet vom Funde eines Inventar von 1598 und bringt dabei über die Schicksale von
Dürers Werken einige Nachrichten; auch Holbein und Cranach streift die Besprechung. —
Im gleichen Sinne ist eine Festrede Rebers ^^^) gehalten; auch hier bildet der Nach-
weis über die Geschichte Dürerscher Bilder und das Verhältnis späterer Zeiten zu
ihnen den Hauptinhalt der Untersuchung; es wird die Herausgabe alter Inven-
tarien fortgesetzt. — Dieselbe Aufgabe stellt sich hinsichtlich der Wiener Gemälde-
sammlung Grasberger'^^). Dürer nimmt ebenfalls an dieser Stelle unter den deutschen
Künstlern eine hervorragende Stellung ein, wenngleich das ganze, geschickt an-
gelegte Buch mehr die Entwicklungsgeschichte der Sammlung als die der Künstler
sich zur Aufgabe macht. — Die gleiche Untersuchung führt für Böhmen der durch die
Gründlichkeit seiner Studien vorteilhaft bekannte Prager Professor Neuwirth -O'J)
weiter, indem er Rudolf II. als Dürer-Sammler zum Gegenstand einer eingehenden
Studie macht, nach welcher der Kaiser als ein verständnissvoller Verehrer des
Meisters erscheint. —
Sehr ergiebig für die Erkenntnis des Meisters war auch das lebhafte Be-
mühen, seiner Schule und seinen Zeitgenossen kritisch gerecht zu werden.
Die reife Arbeit eines kunsterfahrenen Mannes ist die Dissertation über Hans von
Kulmbach von Koellitz^oi), Dieser Meister, selbst keine besonders selbständige
Erscheinung, ist mit dem Nürnberger Kunstleben so innig verschmolzen, dass aus
der Kenntnis seines Lebens und Wirkens auf dieses selbst vielfache Klarheit fällt.
Wohlgemut, Jakob Walch, Dürer treten nach einander in dem Buche als Lehrer des
sich nach ihnen bildenden Künstlers auf. Das Ergebniss ist eine scharf umrissene
stilkritische Darstellung der einzelnen Perioden des Künstlers und ein beschreibendes
Verzeichnis seiner Werke. —
Diesem Buche steht fast gleichwertig zur Seite Thiemes202) Arbeit über Hans
Leonhard Schaeufelin. Auch hier ist das System der Behandlung das richtige.
Th. sucht aus den Bildern heraus die Eigenart des Künstlers und seinen Ent-
wicklungsgang festzustellen, vergleicht die Ergebnisse mit den erhaltenen Nach-
richten über dessen Leben und durchforscht, von dieser Basis ausgehend, die Samm-
189)1). Burcthardt, E. Dürerzeichnung aus d. J. 1497: Kunstchr. 4, S. 169-74. — 190) id., Martin Schongauer u. seine Brüder
in ihren Beziehungen zu Basel. E. Beitr. z. Lebensgesch. A. Dürers: JPrK. 14, S. 158-64. — 191) X H. Janitschek, L. u.
M. Schongauer: ADB. 34, S. 734,9. — 192) X ^- Bach, A. Dürer in Württemberg: BBSW. S. 205/7. — 193) X »d., Be-
ziehungen d. M. Schongauer zu Ulm: AChrK. S. 53,6. — 194) Ad. Rosenberg, Dürers Madonna mit d. Zeisig: ZBK. 4, S. 225.
(Vgl. Kunstchr. 4, S. 201/5.) — 195) C. Justi, Ueber d. Ursprung d. Dürermadonna im Kölner Mus.: ZChrK. 6, S. 225-31. —
196) B. Riehl, Dtsch. u. ital. Kunstcharaktere. Mit 16 Abbild. Frankfurt a. M., Keller. VIII, 254 S. M. 7,60. fE. Leh-
mann: BLU.S. 484/6; A.Schnütgen: ZChrK. 6, 8. 349-.50; Geg. 43, S. 111; AZg". N. 133.J| — 197) F. v. Reber, D. Öemfilde
d. herzogl. bayer. Kunstkammer nach d. Ficklerschen Inventar v. 1598. Vortr. aus SBAkMünchen. 1892. München (Franz). 32 S.
(Sonderabdr.) — 198) id., Kurfürst Maximilian I. v. Bayern als Geniäldesaramler. Festrede geh. in d. öffentl. Sitzung d. K.
b. Ak. d. Wissensch. zu München am 15. Nov. ib. 1892. 4". 45 S. M. 1,30. — 199) H. Grasberger, D. Gemäldesamml.
im kunsthist. Hofmus. in Wien. Mit 20 Abbild. (= Oesterr. Bibl. her. v. Alb. Ilg. 1. Bd.) Wien, Gerold. 1892. VI, 224 S.
M. 2,00. — 200) J. Neuwirth, Rudolf II. als Dürersammler JB. d. Staatsgymn. Prag- Altstadt. S. 1-39 - 201) K.
Koellitz, Hans Süss v. Knlmbach u. seine Werke. E. Beitr. z. Gesch. d. Schule Dürers. (= Beitrr. z. Kunstgesch. Bd. 12.)
li., Seemann. 1891. IV, 80 S. M. 3,00. |[LCB1. 1892, S. 1027.j| — 202) U. Thieme, Hans Leonh. Sohaenfelins malerische
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 : 203-22*
lung-en nach Schaeufelinschen Werken. So bringt er es zur Feststellung der sicher
und der wahrscheinlich dem Meister zuzuschreibenden Bilder und zum Ausschluss
fälschlich ihm zugewiesener Arbeiten. —
Wie in den oben besprochenen, die Geschichte der Gemäldegalerien be-
treffenden Werken, so ist auch in einzelnen Studien die Kunde vom Leben und
Wirken Hans Holbeins d. J. um manchen wichtigen Beitrag erweitert worden.
Mit seiner Jugendentwicklung hat A. Schmid^o^) sich in einer Studie beschäftigt,
welche hier erst zu würdigen sein wird, wenn die versprochene Fortsetzung er-
schienen ist. — Das von der Londoner National-Gallery erworbene Bild der „Gesandten"
wird als Porträt des Jean de Dinteville und Nicolas Bourbon nachgewiesen in
einem eingehenden Aufsatz vonZimmermann204)._ streit^o^) hält hinsichtlich des
ersteren die Bezeichnung für richtig, setzt an Stelle Bourbons aber den deutschen
Johannes Sturm. — Kekule^oß) untersucht Holbeins Holzschnitte. — Als den Ver-
fertiger des mit „S. Holbain M." bezeichneten Bildes in Nürnberg, für den bisher
Sigmund Holbein gehalten wurde, erkennt Burckhardt^»'') nach einer Zeichnung
Hans den Aelteren. — Den Holbeinschen Totentanz erklärt der Engländer Dobson^o«),
während S e el m a n n^oo) von dem Totentanze des Mittelalters eine Uebersicht giebt. —
Lukas Cranach tritt neben den Hauptmeistern noch mehr zurück. Von
grosser Wichtigkeit für seine Entwicklungsgeschichte ist Custs^'^*) Nachweis, dass
zu Anfang des 16. Jh. Jacopo de Barbari wie auf Dürer, so auch auf den sächsischen
Meister Einfluss hatte, dass wenigstens sein Sohn noch 50 Jahre später ein Bild des
Venetianers in Holz schnitt. — Cranachs Schule zeigt sich, abgesehen von einigen
Deckenmalereien in Torgau (1556), dieWollschläger^^i) beschreibt, unverkennbar
in einem 1554 in Stettin gefertigten Teppich, welcher sächsische und pommersche
Fürsten sowie die Reformation darstellt; Lessing^i^j Hess ihm eine eingehende Wür-
digung angedeihen. — Gleichzeitig etwa erschien Wustmanns^'^^ Studie iiber den
Teppichwirker Bombeck, der 1550 in Leipzig in ganz stilverwandter Weise ar-
beitete.214-215) _ ■
Unter den Werken über die Meister zweiten Ranges aus der Blütezeit
deutscher Kunst nimmt die eingehende undfleissige Untersuchung über die Schweizer-
ische Malerei von Haendcke2i6-2i7-) eine hervorragende Stellung ein. Das Buch
setzt für sein Gebiet dort ein, wo J. R. Rahns Geschichte der bildenden Künste in
der Schweiz abschliesst, das heisst unmittelbar hinter den beiden Holbein. Urs Graf,
Manuel Deutsch, der als Meister J. K. bekannte, als Jacob Kallenberg nachgewiesene
Berner Meister, Hans Fries, Hans Leu, Haus Asper u. a. treten in sorgfältig durch-
gearbeiteten Lebensbildern als Männer hervor, die in der ersten Hälfte des Jh. eine
echt örtliche Kunst bis in die höchsten Bergthäler trugen. Der zweite Abschnitt widmet
sich den unter niederländischem und italienischem Einfluss Stehenden, zu welchen
H. auch Jost Amman und Tobias Stimmer zählt. Schärfer tritt fremde Stilart an
dem nicht unbedeutenden Joseph Heintz und Hans Bocket») hervor; H.s Werk über
die Pannerträger des Urs Graf bildet eine Ergänzung seiner verdienstvollen Haupt-
arbeit. 219 220^ —
Eine Notiz über Altd orfer trägt Max Friedländer22»-222') seiner in der
Berichtsperiode mehrfach besprochenen Biographie über diesen Künstler nach, indem er
den Stich einer Prudentia dieses Meisters behandelt. — Altdorfers Hand weist Wilh.
Schmidt 223^ in einem Bilde zu Innsbruck und in Zeichnungen zu Florenz und Siena
nach. — Ueber dessen Schüler Wolf Huber von Passau sammelte ebenfalls
Schmidt 224) eine Anzahl Nachrichten, indem er zugleich dieses Malers Werk von dem
Anderer, namentlich dem M. Grünewalts, kritisch zu sondern unternahm. —
Thätigkeit. (= Beitrr. z. Kunstgesch. Bd. 16.) ib 1892, 192 S. m. 1 Autotypie u. 12 Abbild, in Lichtdr. M. 6,00. - 203)
A. Schmid, Hans Holbeins d. J. Entwicklung in d. J. 1515-26. I. Holbeins früheste Gemälde. Habilitationsschrift. Wnrz-
burg. 1892. 35 S. — 204) M. G. Zimmermann, D. neue Holbein in d. National-Gallerj : ZBK. 3, S. 193-201. — 205) W.
Streit, D. neue Holbein d. Nat.-Gall.: ib. S. 294/8. — 206) K Kekule, üeber einige Holzschnittzeichnungen Holbeins:
JPrK. 13, S. 161-71. — 207) D. Burckhardt, Hans oder Sigmund Holbein?: ib. S. 137-40. - 208) Austin Dobson,
Holbeins Dance of Death. Introd. London, Bell & Sons. Sh. 8. — 209) W. Seelmann, D. Totentänze d. MA.: JbVNiederdSpr. 17,
S. 1-80. (DazQ KBlVNiederdSpr. 15, S. 41.) — 210) L. Cust, Jacopo de Barbari u. Lucas Cranach d. J.: JPrK. 13, S. 142/5. -
211) W. Wollschläger, üeber d. Kassettenmalerei im Hause Breitestr. N. 354: AVTorgau. 5, S. 15-22. — 212) Jnl. Lessing,
D. Croy-Teppich im Besitze d. Kgl. Univ. Greifswald: JPrK. 13, S. 146-60. — 213) G. Wustmann, E. Leipziger Teppichweber
d. 16. Jh.: Kunstgewerbebl. 1892, S. 49. — 214) X H- W. Singer, Zusätze z. Werk d. Hein r. Göding: RepKunstw. 15, S. 3536.
(Zeitgenosse d jung. Cranach.) — 215) X G, v. Terey, Kardinal Albrenht v. Brandenburg u. d. Hallesche Heiligtumbnch v. 1520.
E. kunsthist. Studie. D'ss. Strassburg i. E. 1892. 113 S. — 216) B. Haendcke, D. schweizer. Malerei im 15. Jh. diesseits
d. Alpen u. unter Berücksichtig, d. Glasmalerei, d. Formschnitts u. d. Kupferstichs. Mit 8 Textillustr. u. SOTaf. Aarau, Sauer-
länder. Y,417S. M.10,00. — 217) id., D. Pannerträger d. 13 allen Orte nach Holzschn. Urs Grafs. Mit 16 Lichtdr. u. 12 Textabbild.
[Aus: Völkerschan 3. u. 4 Bd.] Basel, Geering, Fol. 12 S. M. 17,00. |[SchwRs. 1, S. 230,l.j'| — 218) E. His-Hensler, Hans
.Bock, d. Maler: BaslerJb. 1892, S. 136-64. (Vgl. JBL. 1892 11 1 : 71.) — 219) X J- Stammler, D. St. Vincenz-Teppiche d. Berner
Münsters: AHVBern. 13, S. 1-62. — 220) X i< D- Teppiche d. bist. Mus. in Thun: ib. S. 231-93. - 221) Max Friedländer,
B. Notiz über Altdorfer: JPrK. 14, S. 22/6. — 222) X id., Albrecht Altdorfer. (= Beitrr. z. Kunstgesch. Bd. 13.) L., Seemann 1391.
Vm, 175 S. M. 5,00. |[A. P.: MA. 5, S. 4; H. Janitschek: LCBl. 1892, S. 1027; R. Stiassny: ZBK. 4, S. 237-40.]| - 223)
Wilh. Schmidt, Altdorfers Hand: RepKunstw. 13, S. 432,3. - 224) id., Wolf Hnber u. M. Grfinwalt: ZBK. 3, S. 116/8. —
I 11 : 225-244 C. Gurlitt, Kunstg^eschichte. 1892, 1893.
Ein treffliches Bild des Bernhard Strig-el, über den der Aufsatz über die
Künstlerfamilie der Strig-el von Wilh. Schmidt225) eine allg-emeine Darstellung-
enthält, wurde von Stiassny 226-) jjjj Metropolitan Museum of Art in New- York nach-
g-ewiesen und bei dieser Gelegenheit ein Üeberblick über die Kunst des schwäbischen
Meisters gegeben, —
Dem Meister Barthel Beham wandte sich die Aufmerksamkeit stärker zu.
Hatte Haendcke 227) über seine Thätig-keit in St. Gallen berichtet, so machte Koet-
schau 228) das Leben des Künstlers zum Gegenstand einer längeren Abhandlung, welche
mir jedoch nicht zugänglich war. —
Gleichen Umfanges etwa ist Ohnesorges229) Dissertation über Wendel
Dietterlin, in welcher dem Maler Gerechtigkeit geschieht, während er bisher fast
nur als phantasievoller Ornamentstecher bekannt war. Freilich ist wenig von seiner
Hand erhalten, aber seine Mitwirkung an der Ausschmückung wichtiger Strass-
burger und Stuttgarter Bauten in seiner Eigenschaft als gewandter Dekorationsmaler
gab ihm zweifellos zu seiner Zeit eine hervorragende Bedeutung. —
Zum Zweck genauerer Würdigung des Hans Baidung Grien begann von
T e r e y 230) dessen künstlerischen Thaten nachzugehen, indem er zunächst ein wissen-
schaftlich kritisches Verzeichnis der Werke aufstellte. — RieffeP^i) betrachtet
einen dem Meister zugeschriebenen Altar und beleuchtet hierbei die Stellung dieses
Meisters zu Dürer.232-233j _
Die Familienverhältnisse der Briefmaler Glockendon und besonders die
Publikationen Jörgs bespricht Sondheim 234) in einer fleissigen, Neudörfers Angaben
richtig stellenden Arbeit. 235) —
Die Zeichnungen eines geschickten Dilettanten aus der Renaissance führt
uns Martin236) in Nachbildungen flott mit der Feder hingesetzter Illustrationen
vom J. 1535 vor, mit welchen der streitbare Barfüsser T h o m a s Mu rner seine Ueber-
setzung der Weltgeschichte des Sabellicus schmückte.23'?-238j —
Ein Gemälde von Leonhard Bock, einem Künstler, dessen Werke bisher
unter Burgkmairs Namen gingen, stellt Alfred Schmid23'->)im Wiener Museum fest. —
DieGeschichte der Köln er Glas maier ei hat durch einen Aufsatz Seh ei blers240)
wieder erhebliche Förderung erfahren, wobei namentlich der Nachweis über die Ar-
beiten des 16. Jh. zu klaren Ergebnissen führt, soweit solche bei häufigem Versagen
der archivalischen Quellen möglich sind. Es gelang aber doch auf stilkritischem Wege
eine Reihe von künstlerischen Persönlichkeiten festzustellen, unter welchen der Meister
von St. Severin wohl das grösste Interesse beansprucht. — Diesen Anregungen folgend,
schliesst sich ein Aufsatz über diesen Meister von Firmenich-Richartz24i) an, in
welchem dessen Entwicklungsgang an der Hand der Vergleichung mit der nieder-
ländischen Kunst näher zu kennzeichnen versucht wird. — Teilweise der beginnenden
Renaissance gehören die Fenster des Domes zu Xanten an, welche Stumm eP*^)
einer Untersuchung unterzieht.243) Unverkennbar drängt sich das kunstgeschicht-
liche Interesse zumeist auf die grossen Schulen der Rheinlande und Frankens zu-
sammen. Man erkennt deutlich den Einfluss der Springerschen Lehre, welche es
sich zur Regel gemacht zu haben scheint, ihren Jünger zunächst in einer biogra-
phischen Arbeit die Sporen verdienen zu lassen. Der Betrieb der wissenschaftlichen
Forschung erhält hierdurch ein gewisses System, die Einzelarbeit reiht sich sofort
der Gesamtleistung ein. —
Wesentlich bescheidener ist das Ergebnis in anderen deutschen Landesteilen
Als Oesterreichs Kunst betreffend sei die Recension 2*4) genannt, welche Sempers
Arbeit über die Brixener Malerschule des 15. und 16. Jh. und ihr Verhältnis zu
225) id., D. Strigels: ADB. 36, S. 589-90. — 226) R. Stiassny, Bildnisse v. Bernh. Strigel. Mit Abbild.: ZBK. 3, S. 257-60.
— 227) B. Haendclce, Barthel Beham in St. Gallen: Knnstchr. 3, S. 198,9. — 228) O C. Koetschau, Barthel Beham u.
d. Meister v. Messlrirch. E. kunstgesch. Studie. Strassburg i. E, Heitz. VH, 94 S. mit 10 Lichtdr. M. 5,00. |[J. Probst,
SVGBodensee. 22, S. 100/3.]| — 229) K. Ohnesorge, Wendel Dietterlin, Maler v. Strassburg. E. Beitr. z. Gesch. d. dtsch.
Kunst in d. 2. Hälfte d. 16. Jh. Diss. L., Seemann. Vm, 68 S. mit 1 Abbild. M. 2,00. |[J. Neuwirth: ÖLBl. 2, S. 688,9;
E. W.: StrassbPost. N. 96.]; — 230) G. v. Terey, Verzeichnis d. Gemälde d. Hans Baidung gen. Grien. (= Studien z.
dtsch. Kunstgesch. 1. Bd. 1. Heft.) Strassburg i. E., Heitz. 51 S. mit 2 Lichtdr. M. 2,50. - 231) A. Rief fei, Studien
aus d. Mainzer Geraäldegal.: RepKunstw. 13, S. 288-305. (U. a. auch über Werke Schaeuffelins.) — 232) X J- Probst, Ueber
d. Ulmer Meister Hans Multscher: AChrK. S. 37. — 233) X A.. Schröder, E. übertünchtes Gemälde Martin Schaffners in
d. ehemal. Klosterkirche zu Wetterhausen: ib. S. 34/7. — 234) M. Sondheim, Jörg Glockendons Kunst-Perspektive:
BFDH. 8, S. 195-211. — 235) X H. S., Gilg Sesslschreiber: ADB. 34, S. 44/5. — 236) E. Martin, Handzeichnungen v.
Thomas Murner zu seiner Uebersetz. d. Weltgesch d. Sabellicus. Strassburg i. E., Gerschels Photogr. Inst. 1892. 4S.; 8 Taf.
M. 8,00. (Vgl. JBL. 1892 II 5b : 9.) — 237) X P- Giemen, Zu Bartholomäus de Brnyn: RepKunstw. 13, S. 245/8. - 238) X
H. J[anit8Chek], E. Firmenich- Richartz, Bartholomäus Bruyn u. seine Schule. (= Beitrr. z. Kunstgesch. Bd. 14.) L., See-
mann. 1891. VII, 147 S. Mit 7 Abbild, u. 5 Taf. M. 5,00.): LCBl. 1892, S. 1027. - 239) Alfr. Schmid, E. Gemälde von ,
Leonh. Book: ZBK. 4, S. 76/9. — 240) L. Scheibler, D. dtsch. Gemälde v. 1300-1550 in d. Kölner Kirchen: ZChrK. 5,
S. 128-42. — 241) E. Firmenich-Richartz, D. Meister v. St. Severin. Mit Abbild : ib. S. 296-307. — 242) Fr. Stömmel,
Alte Fensterverglasungen im Dome zu Xanten: ib. S. 18-27. - 243) X H. Stähelin, E. Glasgemälde v. Unter- Bnssnang
aus a. J. 1591: ThnrgauisoheBVtG. 33, S. 16/9. — 244) H. Semper, D. Brixener Malerschulen d. 16. u. 16. Jh. u. ihr Ver-
C. Gurlitt, Kunstg-esohichte. 1892, 1893. I 11 : u5-m
Michael Fächer beleuchtet. — Hann 245-246) besprach Malereien des 15. Jh. in
Kärnten ihrem Inhalte nach. — Die Vergleichung- der Werke nach einander lebender
Meister und die daraus sich ergebende Kenntnis der Leitmotive, welche im Ge-
biet der klassischen Archäologie eine so g-rosse Bedeutung- hat, wurde nunmehr
auch auf die späteren Zeiten angewendet. So sucht Alfred Schmid^*"?) den Einfluss
Schongauers auf deutsche Maler und Bildhauer an deren Werken festzustellen und
findet ihn u. a. im Wiener Stefansdome. —
Als das Stiefkind kunstwissenschaftlicher Betrachtung kann immer noch die
deutsche Bildhauerei des 15., 16. und 17. Jh. gelten. Namentlich jene der nach-
gotischen Zeiten fand nur in vereinzelten Aufsätzen Berücksichtigung. Schmar-
sows248) schöne Veröffentlichung über die früh gotischen Bildwerke des Naumburger
Domes verspricht hierin den erfreulichen Anfang für einen Wandel zum Besseren. —
Auch H. Neumann 249), dem wir bereits eine wertvolle Arbeit über die deutsch-
russischen Provinzen verdanken, bringt einen willkommenen Beitrag aus der Ferne.
— Jörg Sürlin, dem schwäbischen Meister, hat Beck^so) erneute Aufmerksamkeit zu-
gewendet. — Veit Stoss Leben beschreibt Ree^st)^ Alberts van Soest Krause^^^). —
lieber Hans Kels, den Schnitzer der Steine eines Spielbrettes von 1537, welchen Ilg
bereits behandelt hat (JKSAK. 3, S. 53ff. [1885]) bringt Zucker 253) eine Nachlese. —
In dem Aufsatz über das Grabmal Kaiser Ludwigs des Bayern in der Münchener
Frauenkirche untersucht Heigel254) die Frage nicht nur nach dem Autor (Candid),
sondern auch nach dem Inhalt der Darstellungen des berühmten, 1622 vollendeten
Werkes. — Wal eher 255) bringt photographische Abbildungen einiger schwäbischen
Bildwerke des 16. Jh. zur Schau. —
In den Kunstfragen des 17. und 18. Jh. nimmt Galland256) durch seine
Studien über die holländische Bildnerei und Malerei eine besondere Stellung unter
den Berliner Kunsthistorikern ein, welche zumeist unter holländischer Kunst aus-
schliesslich die Malerei verstehen. Einen neuen, in sein Specialgebiet fallenden
Beitrag liefert sein — für den Stoff vielleicht etwas zu schweres — Buch über die
Beziehungen des Grossen Kurfürsten zur holländischen Architektur und Plastik,
namentlich über das Schloss Kleve, über den Kunstunterricht am kurfürstlichen
Hofe, das für Moritz von Nassau erbaute Schloss Sonnenburg, den Alabastersaal in
Berlin und die dort beschäftigten holländischen Bildbauer. Die Ergebnisse bauen
sich auf archivalischen Studien auf und weisen auf eine Lücke in der Kunst-
geschichte hin, ohne sie völlig auszufüllen.25'7) _ Wichtiger ist die aktenmässige Dar-
stellung der Entstehungsgeschichte des Denkmals des Grossen Kurfürsten in Berlin,
welche Sei de 1258) gab, damit manche Irrtümer über die Geschichte des Schlüterschen
Meisterwerkes beseitigend. — Seidel 259-262)^ ^is kunsthistorischer Verwalter der Samm-
lungen des preussischen Königshauses, fuhr in seinen Veröffentlichungen über die ihm
unterstellten Kunstwerke fort. So über die Sammlungen Friedrichs des Grossen,
wobei namentlich zur Geschichte des französischen Malere Pesne wichtige Nachrichten
beigebracht wurden, und über die Sammlungen von Friedrichs Bruder, Prinz Heinrich,
der mit der Malerin Vigee le Brun und dem Bildhauer Houdon nähere Beziehungen
unterhielt. — Die Hauptarbeit Seidels263) bildet ein sehr stattliches, trefflich
illustriertes Werk über Friedrich den Grossen und seine Stellung zur zeitgenössischen,
vorzugsweise zur französischen Kunst. — Nach einer anderen Richtung wurde des grossen
Friedrich Stellung zur Kunst Gegenstand mehrerer Aufsätze 264-265)^ weil durch Walles
Buch über den Architekten Gontard die Aufmerksamkeit auf diesen gerichtet war. —
h<nis zu Michael Fächer. (InnsbrucV, Wagner. 1891. 138 8.; mit 7 Lichtdr.-Taf. M. 2,80.): LCBl. 1892, S. 1374. — 245) F.
G. Hann, Drei Darstellnngen d. j6ngsten Gerichts auf kärntnerischen Wandmalereien d. 15. Jh.: Carinthia 82, S. 9-15. —
246) id., Drei Darstellungen d. Weltschöpfnng auf Malereien in Kärnten: ib. S. 141 5. — 247) AI fr. Schmid, Kopien nach
Kupferstichen t. Schongauer bei oberdtsch. Malern u. Bildhauern: EepKunstw. 5, S. 19-25. — 248) A. Schmarsow, D. Bilder-
werke d. Nanmburger Domes. (= Meisterwerke d. dtsch. Bildnerei d. MA 1. T.) Magdeburg, G. v. Plottwell. 1892. Fol.
20 Lichtdr.-Taf. mit 59 S. Text in 4». M. 25,00. — 249) H. Neuraann, Werke d. MAlich. Holzplastik u. Malerei in Livland
u. Estland. Lübeck, Nöhring. 1892. 23 Taf. in Lichtdr. mit 14 S. Text. M. 30,00. [G. Manteuffel: KwH. 7, S. 643;4.]|
— 250) P. Beck, Verschollene u. verschwundene Altar- u. Schnitzwerke Jörg Surlins d. J.: AChrK. S. 37-44, 48 9. — 251)
P. J. Ree, Veit Stoss: ADB. 36, S 466-71. — 252) K. E. H. Krause, Alb. van Soest: ib. 34, S. 537/8 - 253) M. Zucker,
Zu d. Spielbrett v. Hans Kels: EepKunstw. 13, S. 429-32. — 254) K. Th. Hei gel, D. Grabmal Kaiser Ludwigs d. Bayern in
d. Münchener Frauenkirche: ZKunstgewerbeVMünchen. S. 33/8,41,8. — 255) K. Walcher, 6 Lichtdruckbilder v. Lusthausfiguren
auf Schloss Lichtenstein. St., Kohlhammer. M. 2,50. — 256) (HI 1 : 123.) — 257) X ^- Gurlitt. Andreas Schlüter. B., Wasrauth. 1891.
VI, 242 S.; mit Abbild. M. 8,00. |[G. Galland: BepKunstw. 15, S. -237-41; Ebe: NatZg. 1892, N. 199.]| - 258) P.Seidel,
D. Standbild d. Gr. Kurfürsten v. A. Schlüter: ZBauwesen. 43, S. 55-62. — 259) id., D. Ausstell, v. Kunstwerken aus d. Zeit
Friedrichs d. Gr. Mit Abbild.: JPrK. 13, S. 183-213. — 260) id., D. Kunstsamml. d. Prinzen Heinrich, d. Bruders
Friedrichs d. Gr.: ib. S. 55-68. — 261) X id., D. Bildhaueratelier Friedrichs d. Gr. u. sein Inhaber: ib. 14, S. 101-16. —
262) X id., D. bildenden Künste unter d. Hohenzollern in d. Zeit d. Gr. Kurfürsten: VelhagenKlasingsMh. 2, S. 648-59. —
263) id., Friedrich d. Gr. u. d. französ. Malerei seiner Zeit. 60 Taf. in Lichtdr., darunter 12 farbige, nebst zahlreichen Te.xt-
illustr. nach d. Gemälden im Besitz Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs v. A. Frisch. B., Frisch. 1892. Fol. 73 S. M. 150,00.
|[A. Rosenberg: ZBK. 4, S. 249-57; NorddAZg. 1892, 16. Apr.; R. Schlingmann: BerlTBL 1892, N. 196; Walth.
Schwarz: WIDM. 73, S. 472-S7.]| - 264) X P- Walle, Leben und Wirken K. v. Gontards. Z. 100. Todestage am 23. Sept.
Mit Portr. n. 3 Abbild. B., Ernst & Sohn. 1891. 38 S. M. 2,00: Kunstchr. 4, 8. 270/4. — 265) X H. Schliepmann,
I 11:266-276 C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893.
Friedrichs Freund, der Architekt Knobelsdorff, musste Ziemssen^ßß) sogar zu einem
Lebensbilde für die Jug-end Modell sitzen. — Tesdorpf^^^) machte uns mit dem wenig- be-
kannten Architekten John von Collas vertraut. —Eine Anzahl Künstlerbiog-raphien sind
noch zu nennen. Rudolf M ü Uers^ß^) Arbeit über den Maler Skreta beruht vorzug-sweise
auf Pazaureks Biog-raphie dieses interessanten Künstlers. — Weiss ^^s) macht uns des
näheren mit den Brüdern Peter und Paul von Strudel bekannt, die zu Ende des
17. Jh. als Bildhauer und Maler g-länzten. — Des badischen Bildhauers Christian
Wenzing-er Leben und Thaten schildert Schaefer^'O) in einem anziehenden, gut
illustrierten Aufsatze. — Die Studie von Bersohn^^») über den Maler Martinus
Theophilus Polak kenne ich nur aus der Besprechung von Bock. — In einem Auf-
satz über das „Chokoladenmädchen" der Dresdener Galerie nimmt Paul Sohuman n"^'^)
gelegentlich einer neuen Publikation Veranlassung, über dessen Maler, Liotard, sich
zu verbreiten. — In Bezug auf das Seekatzsche Bildnis der Familie Goethe bringt
Heinemann^''^) die vom „Herrn Rat" mit an den Maler gerichteten Briefe an die
Oeffentlichkeit. — Zwei Maler des 17. Jh. am badischen Hofe behandelt Krieger^''^). —
Wir nähern uns den modernen Kunstbetrieben und kommen zunächst zur
Zeit des Klassizismus und der Romantik. An der Spitze jener allgemeinen
Werke, welche aus dem Tagesstreit zu einer geschichtlichen Würdigung der Kunst
unserer Zeit zu führen trachten, wird man die Werke von Rosenberg und Muther
zu stellen haben. Die Geschichte der modernen Kunst von Rosen berg^''^) gehört
zeitlich in diese Besprechung nur insofern, als versucht wurde durch Preisherab-
setzung und Ausgabe in neuen Lieferungen den Absatz des Werkes neu zu beleben.
Denn das Buch selbst ist eigentlich schon längst gestorben. Es ist ein Versuch vom
Standpunkt der Aesthetik der 60er Jahre aus, den Entwicklungsgang der Kunst ob-
jektiv zu behandeln, sich der Gesamtleistung der Nationen gegenüber auf jenen,
anfangs dieses Berichtes geschilderten „höheren Standpunkt" zu stellen und von
dort herab die Künstler belehrend abzuurteilen. R. ist kein ungeschickter Mann,
wenn auch ein solcher, der geistig der selbstgestellten Aufgabe weniger gewachsen
war als mancher andere, der vor ihr zurückschreckte. Aber er hat das Selbst-
vertrauen des Tageskritikers, welcher zu siegen hofft, wenn er jeden in die Waden
beisst, der ihn bedroht. Das ganze Buch ist aus dem Gefühl allgemeinen Besser-
wissens heraus geschrieben. Die Kleinen werden „ermuntert", den Grossen wird
der „Standpunkt klar gemacht". Die künstlerische Tugend reicht für R. so weit,
wie er sie begreift — rechts und links von seinen Theorien grinst das Ver-
brechen. Abgesehen davon, dass dies Buch leichtfertig in der Mache ist, gleicht
seine Objektivität schliesslich nur jener des Prokrustes, erweist sich in erstaunlicher
Klarheit, dass ein objektives Darstellungsverfahren unmöglich ist; denn die subjek-
tivste aller menschlichen Aeusserungen, die Kunst, kann in ihrer Ganzheit nur durch
den Menschen, nie durch ein System begriffen werden, und sei es ein so dehnbares,
wie R. es zu seinem Gebrauch sich einrichtete. Man kann das Schaffen eines
Künstlers systematisch darstellen, man kann die Kunstübung ganzer Völker und
Zeiten nach Grundsätzen ordnen, aber diese Grundsätze haben keine Gewalt über sie,
sie wohnen ihnen nicht inne; das Urteil nach ihnen hat keine bleibende Kraft, — es
wird von der nächsten, schaffenden oder nachempfindenden Energie über den Haufen ge-
worfen: Es wird so subjektiv sein müssen, wie das Schaffen selbst es ist. üeber den
Geschmack lässt sich eben nicht streiten. -- Das ist es, was auch Muther ^'^ 6) in seiner
Geschichte der Malerei des 19. Jh. nicht völlig klar war. Sein Buch ist prächtig
dort, wo er ganz frei heraus sagt, was ihm an fremdem Schaffen gefällt und warum
es ihm gefällt. Wo er aus seinem Behagen gegen andere eine Anklage darauf schmiedet,
dass sie nicht so schufen oder empfanden, wie er es wünscht, wird er leicht unge-
recht. Er ist seiner besseren Natur nach subjektiv, als Schüler der Kunstwissen-
Gontard u. Schinkel: Kw. 5, S. 25/7. (Rec. v. N. 263.) — 266) L. Ziemssen, Wenzeslans v. Knobelsdorff. Lebensbild e.
Künstlers u. Freundes Friedrichs d. Gr. (= Fleramings Vaterland. Jugendschriften 30. Bd.) Glogau, Flemraing. 12".
135 S. mit Bildn. M. 1,00. — 267) W. Tesdorpf, J. v. Collas, e. preuss. Ingenieur n. Baumeister d. 18. Jh. u. seine
Zeichnungen v. Schlössern d. dtsch. Ordens im Samlande E. Beitr. z Bangesch. d. Ptuv. Ostprenssen. Königsberg i. Pr.,
Koch. 1892 78 S.; mit 1 Tab. u. 10 autotyp. Taf. M. 2,00. |[FBPG. 6, S. 615/6.]| - 268) Kud. Müller, K. Skreta
Schotnowslcy v. Zaworzitz: ADB. 34, S. 447/9. — 269) Karl Weiss, Paul und Peter Strudel: ib. 36, S. 640,3. — 270)
Carl Schaefer, Chrn. Wenzinger )710-97: Schan-ins-Land S. 24-35. — 271l O M. Bersohn, Martinus Theophilus Polak,
ein Maler d. 17. Jh. Frankfurt a. M., J. Baer & Co. 4». 21 S.; mit 4 photolith. Taf. M. 4,00. |[R. Bock: Kunstohr. 1892,
S. 451/3.]| (Zuerst als Diss. erschienen.) — 272) P. Schumann, Ueber d. „Chokoladenmädchen" d. Dresdener Galerie:
Didask. N 303. — 273) K. Heinemann, D. Goethesche Familienbild v. Seekatz: ZBK. 3, 8. 62/6. — 274) A. Krieger,
Wallerand Vaillant n. Matthäus Merian d. J. am baden-badischen Hofe: ZGORh. 8, S. 381/2. — 275) Ad. Bosenberg, Gesch.
d. modernen Kunst v. d. französ. Revolution bis auf d. Gegenw. Billige (Titel-) Ausgabe. 3 Bde. (In 16 Lief.) L., Grunow.
(Gera, Griesbach.) (1892-94.) 430 S.; 489 S.; VIII, 502 S. M. 16,00. |[ScbwäbKron. 1892, 29. Okt.]; (Zuerst 1882.) - 276)
R. Muther, Gesch. d. Malerei im 19. Jh 1. Bd. Mit 282 lUustr.; 2. Bd. mit 453 lUustr. München, Hirth. VII, 502 S.;
VIII, 670 H. M. 11,00; M. 14,00. [[Laura Marholra: Zukunft 5, S. 31.5-20; BLU. S. 511; L. G.: ML. 62, S. 375; G.
Galland: Geg. 43. S. 13/4, 231/3; N&S. 66, S. 405/9; 67, 8. 270/1; 0. J. Bier bäum: FrB. 4, S. 1142-57; Ath. 2, 8. 73;
C. Hofstede de Groot: NedSpect. S. 127 ; L. Andreas-Salomö: FrB. 1, S. 602/4; Kw. 6, 8.200,1; C. V.: WeserZg. N. 16636;
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1893. I 11 : 277-284
Schaft wider Willen objektiv, d. h. nach Gesetzen urteilend, die er sich freilich teil-
weise selbst schuf. Das Beste an seinem Buche ist, dass es zeig"!, wie ein vorwärts
Strebender 1893 über die moderne Kunst dachte ; es ist Ausdruck der Zeit und daher
für viele belehrend und fortreissend. üie Schwäche lieg-t in den Versuchen, den
ausgesprochenen Gedanken für die Zukunft Dauer zu verschaffen. Nach uns
kommen andere und die werden auch Platz für ihre neuen Anschauung-en
haben wollen, wie wir ihn forderten. Die Kritik des M.schen Buches — und es ist
g-anz ausserordentlich oft besprochen worden — hat es als eine Revolution in der
Kunstg-eschichte beg-rüsst und als ein leeres Parteigeschwätz verurteilt, je nach dem
Standpunkt des Recensenten. Aber eines hat sie nicht versohweig-en können: dass M. der
erste war, der von der Entwicklung- des Gesamtschaffens Europas ein wirklich umfassendes
Bild g-ab, weil er thatsächlich dies Schaffen kannte. Er selbst g-iebt Gurlitt und Plelferich
als jene an, welche vor ihm in ähnlichem Sinne wie er über den Entwicklung-sgang- der
modernen Kunst geschrieben. Es ist vielleicht von mir nicht unbescheiden, hierauf hinzu-
weisen. Fremde Litteraturen besitzen keine ähnlichen Ueberblicke, sind vielleicht
stärker im Nationalgefühl, sicher schwächer in der Aufnahmefähigkeit für vielerlei
Schönes. Der Umschlag g-eg-en die philosophische Aesthetik mitihren auf Gleichgeschulte
beschränkenden Gesetzen ist die Aesthetik der g-eöffneten Aug"en, welche keine Grenzen
des künstlerischen Genusses hinsichtlich verschiedenartig'er Kunst kennt. — Man
kann die Autoren, die über die Künstler der ersten Hälfte unseres Jh. arbeiteten, in
zwei Gruppen teilen: in solche, welche jene Kunst noch, und solche, welche sie wieder
verehren. Bei den letzteren findet sich zweifellos jene g-rössere Klarheit des Urteils,
welche der Abstand vermittelt. Denn diese schied einmal die Kluft, welche das Ueber-
winden einer Geschraacksform in uns schafft, von jener Epoche; sie bedurften einer
erneuten Vertiefung", um sich selbst die Gerechtig-keit abzuring-en. Zu diesen Kunst-
historikern g-ehört W. von Seidlitz^'^''). Seine Sammlung* von Zeichnung-en
deutscher Künstler meist aus der klassischen Periode und der Romantik ist ent-
standen aus einer scharfen Sonderung- dessen, was nach S.s Ansicht Anspruch auf
Dauer hat, und dessen, was in Vergessenheit versinken wird. Die Noch-Beg-eisterten
werden diese Auswahl sicher als verfehlt bezeichnen. Denn S. sieht in den Anfäng-en
der Künstler ihre wahre Kraft und in ihrer vollendeten Meisterschaft die Manier,
das Unzulängliche. So liegt schon in der Wahl der Blätter ein Prog-ramm, ein
Betonen des Wertes individualistischer Kunst, das deutlicher spricht als die mit
wissenschaftlicher Zurückhaltung behandelten Worte des vorzugsweise biog-raphischen
Textes. —
Die übrig-en Arbeiten sind zumeist von Männern g-eschrieben, welche noch
in den alten Kunstanschauung-en heimisch sind. Die veränderte Auffassung der
Stellung- von Carstens und Cornelius wirft ihre Schatten auf die vorherg-ehende Zeit,
welcher neuerding-s mehr Interesse zug-ewendet wird. Die Eng-länder wussten schon
läng-st, dass sie nicht „tiefster Verfall" sei. Von Gerards^'S) Werk über An g-elika
K auf f mann, die eig-entlich Deutsche, aber in London vorzug-sweise Heimische, er-
schieneine zweite Auflag-e. — Braunsfels^'^) schildert in volkstümlicher Darstellung-
ihr Leben als das der „g-e feiertesten Malerin der Rokokozeit ".^so^ —
V o g- 1 e r 28 1) vollendete seine Biog-raphie Trippeis, eine verdienstvolle Arbeit
wie jede, welche die Meister der vernachlässigten Uebergang-szeit vom Rokoko zum
Klassizismus sachgemäss behandelt. Von den beigefügten „Beurteilung-en" sind
manche sehr interessant, namentlich jene Trippeis über Schlüter. ^82) _
Eine typische Erscheinung aus der Zeit der Wende des Jh. ist Heinrich
Keller, ein Mann voll Bildung- und Feinheit der Anschauung, doch ohne hinreichende
bildnerische Kraft, der das Neue entstehen sah, freudig ihm zujubelte und doch
seinerseits auf die Mitwirkung im grösseren Sinne verzichten musste, weil es ihm
nur selten gelang, seine Empfindungen in Thaten umzusetzen. Eine hübsche
Charakteristik von ihm gab Wyss^^^). —
Die Nachzügler der intimeren Kunst des 18. Jh. im 19., die meist von
ihren Zeitgenossen wenig geachtet dahinstarben, beginnt man jetzt mit vorurteils-
freierem Auge zu betrachten. So hat Lichtwark -^4) Umschau nach solchen ge-
A. Schricker: StrassbPost. N. 162; KölnZg. N. 262; A. Preihofer: AZg». N. 295.]^ — 277) W. v. Seidlitz, Zeichnungen
dtsch. Künstler v. Carstens bis Menzel. Mit erläat. Text. München, Verl.-Anst. für Kunst u. Wissensch. Fol. 50 Lichtdr.-
Taf. mit 1 Bl. Text nebst Textheft (V, 70 S.). M 120,00. l[PrJbb. 73, S. 349-50 (Selbstanzeige); AZg». N. 159.]! — 278V
Francis A. Gerard, Angelika Kauffraann. A biogr., new edit. London, Ward. 8h. 6. — 279) Ed. Braunfels, Angelika
Kauffmann. (= Aus d. Künstlerleben d. Rokokozeit [Davos, H. Richter. IH, 163 S. M. 2,00], S. 103-31; vgl. JBL. 1892
1 9:59-61; IV 4:225.) — 280) J. H., Danneckers Haas u. sein Fremdenbuch: BBSW. S. 73/6. — 281) C. H. Vogler,
n. Bildhauer Alex. Trippel aus Schaffhausen. (= Njbl. d. Kunstver. u. hist.-antiqu. Ver. Schaffhausen. 1892-93.) Schaff-
hausen, Schoch. m, 94 S. mit 4 Lichtdr.-Taf. u. Abbild. M. 5,00. |[J. Baechtold: DLZ. S. 4312; B. H.: SchwEs. 1,
S. 345/6.]| -282)X G. Galland, 2 unbek. Entwürfe v. Gottfr. Schadow: ZBK. 3, S 1413. (Entwürfe für d. Denkm. Friedrich
Wilhelms I. u. Friedrichs d. Gr.) — 283) B. Wyss, Heinr. Keller, d. Züricher Bildhauer u. Maler. Frauenfeld, Huber. 1891.
IV, 70 S. M. 1,60. — 284) A. Lichtwark, Herrn. Kaufmann u. d. Kunst in Hamburg v. 1800-50, München, Verl.-Anst. für
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. lY. 21
111: 285-299 C. Gurlitt, Kunstg-eschichte. 1892, 1893.
halten und seine Ergebnisse in einer besonderen Publikation niederg'eleg't. Namentlich
H. Biirkel, 'die Brüder Gensler, Hermann Kauffmann, die Künstlerfamilie Speckter^ss)
erscheinen als feine Beobachter und tüchtig-e Koloristen. — Der Abschnitt von
Nossig-^^e^ in den Ilg-schen kunstg-eschichtlichen Charakterbildern ist auch hier zu
erwähnen; ferner das Prachtwerk der Löwyschen Kunstanstalt-^') über die Wiener
Galerie, dessen Text eine wichtig-e Bereicherung- unserer Kenntnis der Anfäng-e der
modernen Kunst in Oesterreich darstellt. Ferner sei die Biographie des Schweizer
Landschafters Juillerat von Romang^ssj hier genannt. —
Christian Rauchs Andenken wahrt mit Recht das in Berlin bestehende
Museum. Ein neuer Katalog von Egg er s 2^'') giebt Gelegenheit auf dieses
hinzuweisen. — Um so beachtenswerter ist, dass ein Amerikaner, Cheney^ao^^
unserem Bildner in einem stattlichen illustrierten Buche ein litterarisches Denkmal setzte.
— Die Dissertation von Macko wsky^öi^ über die vorbereitenden Entwürfe Schinkels
und Rauchs zum Denkmale Friedrichs des Grossen, ist mir leider nicht zugänglich
gewesen. —
Von einer bescheideneren künstlerischen Kraft, dem Landschafter Wilhelm
Ahlborn, erzählt uns Sand er 2^^). Es ist mehr die Gesinnungsart und Umgebung des
Künstlers als seine Kunst, welche uns interessiert. — Beides vereint findet sich in
Ludwig Richter, dessen Lebenserinnerungen^s^j^ frei ins Französische übersetzt,
in der Schweiz den Freunden seiner stillen Sinnigkeit vorgelegt wurden. —
Den starken ersten Band einer Lebensbeschreibung Wilhelm Kaulbachs
lieferte Hans Müller^s^j. Es wird so viel Papier bedruckt, dass man sich auch
dieses Werk gefallen lassen kann, wenn man die Wertschätzung eines Mannes nicht
nach der ihm gewidmeten Seitenzahl bemisst. Ich weiss nicht, ob es jetzt noch
viele giebt, welche über Kaulbachs Leben so ausführliche Auskunft zu erhalten
wünschen, aber mir will scheinen, dass in dem Buche unter allen Umständen dies
eigentliche Lebensbild von dem in Beilagen zu verweisenden Wust von Briefen und
Besprechungen zu trennen gewesen wäre, und dass im J. 1893 an Stelle der fast
bedingungslosen Bewunderung Kaulbachs eine Einordnung seiner Stellung in die
allgemeine Kunstentwicklung hätte versucht werden müssen. Wie man die Urteile
der zeitgenössischen Kritik über Schiller, Goethe und Lessing sammelt, weniger um
die Meister, als um die Zeit zu verstehen, so wird auch dieses Buch für die Ge-
schichtsschreibung eine gewisse Bedeutung behalten; erscheint es doch eigentlich
mehr als eine Sammlung der Urteile, welche unter dem ersten Eindruck von
Kaulbachs Bildern entstanden, denn als ein Zusammenfassen der Gesamtleistung des
Mannes im Vergleich zu dem künstlerischen Streben der Zeit.^^^a) _
Dankenswerter dünkt mich das Bemühen Valentins ^s^), die Augen des
Volkes auf die Werke eines seiner edelsten Söhne zu lenken, auf Alfred Rethel.
— Aber es scheint ihm dies weniger gelungen zu sein wie Hermann Schmidt^^^"^^'')
mit seinem Werk über den Bildhauer Ernst von Bändel, in welchem er dem
braven Mann, aber keineswegs für seine eigene Zeit oder für die folgende sehr
bedeutenden Meister eine umfassende Biographie widmete; wenigstens nach der
Zahl der Besprechungen ist dies anzunehmen, von welchen freilich manche sich ab-
lehnend verhalten. —
Eines so feinsinnigen Künstlers, wie Lukas von Führichs hinterlassene
Schriften der Oeffentlichkeit zu übergeben, war eine angenehme Pflicht der Familie,
welcher sie sich durch die Biographie Wörndles^as) in geeigneter Weise entledigte.
Nicht minder beachtenswert, wenn auch nichts Neues herbeibringend ist die volks-
tümliche Lebenschreibung Ernst Rietschels von Disselhoff 2^^); als Künstler
Kunst u. Wissensch. 4». VIII, 104 S. mit Abbild, u. 7 Taf. M. 12,00. — 285) X 1- ^-^ Jol» Mich Speckter, Erwin SpecVter,
Otto Specltter, Hans SpecVter: ADB. 35, S. 85/8. — 286) (= N. 106, S. 329-99.) — 287) D. Ttaiserl. Getnäldegal. in Wien.
Mod. Meister her. mit spec. Genehmigung d. hohen Oberstkämraereramtes Sr. k. u. k. Maj. Text v. Aug. Schäfer. 1. Heft.
Wien, Löwy. 1892. 4 Taf. Heliogr. u. 8 S. mit zahlr. Abbild. äM. 15,00. — 288) R. Romang, J. H. Juillerat 1777-1860.
(= Samml. Bernischer Biogr. Bd. 2, S. 321-400.) Bern, Schmid, Francke & Co. 1892. 80 S. mit 2 Bildn. M. 1,20. — 289)
K. Eggers, D. Ranch-Museum zu Berlin. Verzeichn. seiner Sammlungen nebst gesch. Vorbericht u. Lebensabriss Rauchs.
3. Ausg. B., Fontane. III, XXII, 114 S. mit Bildn. M. 1,35. l[NatZg«. N. 260.]| - 290) E. D- Cheney, Life of Chrn.
Dan. Rauch, scnlptor illnst. Boston, Mass. Sh. 15. - 291) O H. Mackowsky, D. Torbereitenden Entwürfe Schinkels n.
Rauchs zum Denkmale Friedrichs d. Gr. Diss. Berlin. 34 S. — 292) W. Sander, Leben d. Malers Wilh. Ahlborn dargest.
nach hinierl. Tagebüchern u. Briefen d. Künstlers. Lüneburg u. Hildesheira, Steffen. IV, 117 S. M. 1,80. |[HPB1. 110,
8. 705, 797. ]| — 293) Un artiste chrötien, Souvenirs du peintre L. Richter. Trad. librement de l'allemand. Lausanne,
G. Bridel & Cie. 1891. 288 S. Fr. 5,00. |[BURS. 56, 8. 224.]i — 294) Hans Müller, Wilh. v. Kaulbach. 1. Bd. Mit
Selbstbildn. Kaulbachs vom J. 1824. B., Fontane. VI, 572 S. M. 15,00. |[C. Lehmann: BLU. S. 484/7; SchwBs. 1, S. 346/7;
6. B(nss): VossZg. N. 153.J1 — 294a) X J- Ettlinger, Aus P. Cornelius Frühzeit: NatZg. 1892, N. 7. (Auch über C.s
Stellung zu Goethe.) — 295) V. Valentin, Aesthet. Studien. 1. Bd.: Alfr. Rethel. E. Charakteristik. Weimar, Felber.
1892. X, 60 S. M. 1,50. |[E. Lehmann: BLU. 8. 734-40.] | — 296) Herrn. Schmidt, E. v. Bändel. Ein dtsch. Mann
u. Künstler. Hannover, Meyer. 1892 X, 214 S. mit 6 Abbild. M. 5,00. |[N&S. 63, S. 272; L. Richter: DWBL. 5,
S. 352; PrJbb. 70, S. 507/8; Rud. Bock: Kunstchr. 4, S. 310/1; -j-: LZg». 1892, N. 144.]| - 297» id., E. v. Bändel
n. d. Herraanns-Denkmal. ib. 32 S. u. 2 Abbild. M. 0,60. — 298) L. Ritter v. Führichs ausgew, Schriften. Im Ein-
vernehmen mit d. Familie her. n. mit einer einleit. Biographie vers. v. H e i n r. v. W ö r n d 1 e. St., Roth. XXXVIII,
87 S.; mit Bildn. M. 2,00. — 299) J. Di s sei hoff, E. Rietschel, d. Schöpfer d. Lutherdenkmals. 2. Aufl. Kaisers-
C. Gurlitt, Kunstg-eschichte. 1892, 1993. I 11 : 300.345
tritt dieser immer mehr aus der Reihe seiner Genossen hervor, als Mensch allezeit
eine wohlthätig-e Wärme um sich verbreitend. — Johann von Schraudolph
behandelte Fürst^ooj^ Philipp Veit zu seinem 100. Geburtstage S te i n ^oi) ^
Leopold Bodein ausführlicher Weise Döring^oa^^ _
Auch den Architekten g-ebührt eine kurze Bemerkung-. Walle^^^^a^ und
Köstlin^os^ erinnerten an den hundertjährig-en Geburtstag- Mauchs; KrätscheP*'^) be-
sprach Schinkels Stellung- zur Gotik. —Bedeutender ist die Gottfried Semper behandelnde
Litteratur. Ausser einem Beitrag- zu seiner künstlerischen Entwicklung-sg-eschichte
von Fleischer 305^^ ^jeu^ verdienstvollen Leiter der 1892 in Dresden abg-ehaltenen
Semperausstellung-^oe^^ bietet die Publikation der Söhne des Meisters ^o'') über den
Anteil ihres Vaters am Entwurf der W'iener Museumsbauten wichtig-e Urkunden,
welche durchaus zu Gunsten Sempers g-eg-en Hasenauers Ansprüche zeug-en Nament-
lich hinsichtlich der Dispositionen der Skulpturen offenbart sich die kulturg-eschicht-
lich g-eschulte Bildung- des g-rossen Architekten in g-länzendem Lichtc^**^) —
Unter den in der ADB. erschienenen Lebensabrissen verschiedener Künstler
dieses Jh. sind die über Joseph Stieler, Joseph Scherer, Strähuber, Spitzweg-,
Sickinger, Stange, Stiglmayr von Holland 309-^3i6j^ ÜI^pp Eduard Jakob von Steinle
von ValentinSi'JJ^ über Carl Sohn von Zimmermann^'s-sao^^ über Seydelmann
von Lier32i) und über Steinhäuser von L. von Pezold^^a-j beachtenswert.^^s^ —
Wolters dorff 324) behandelt den Humoristen Rudolf Töpffer, freilich mehr den
französischen Dichter als den Zeichner in ihm. — Falcks325) Vortrag über den
deutsch-russischen Maler Timoleon von Neff sei als biographische Gabe aus der Ferne
angeführt. — Namentlich in den Kunsttheoretikern der behandelten Epoche, so in
Stackeiberg und Stieglitz, die uns Girgensohn326) xind Schnorr von Carols-
feid 327-328) schildern, tritt das vorzugsweise wissenschaftliche Element in der Kunst-
betrachtung jener Zeit hervor, welches nur durch eine starke, aber weiche Empfind-
samkeit beschränkt wurde. — Spottbilder auf Napoleon329-330) ^nd der Königin Luise
Stellung Inder plastischen Kunst, über die Schmidt-Neuhaus^si) schreibt, weisen
auf die realistischen Bestrebungen derselben Zeit hin. —
Jüngst verstorbenen Künstlern Nekrologe zu widmen ist eine schöne,
mehrfach zu erspriesslicher Lösung führende Aulgabe. Hierher gehört Pietschs332-333j
Aufatz über Georg Bleibtreu, desselben formgewandten Vf. Bericht über den
Schlachtenzeichner Heinrich Lang, den auch Berlepsch^^*) in einem mit Sachkenntnis
und Wärme geschriebenen Artikel behandelte. — Marees, dem* lange Verkannten,
wendeten W ö Iff li n335) und Hano v er 336) erneute Beachtung zu. — Ueber Leopold Karl
Müller337)^ den Orientmaler, schrieb sein Freund Ebers-^^S); über August Kiss,
den schon 1865 verstorbenen Bildhauer, B r e ndi ck e^ss); über Karl Oesterley340)
erschienen Erinnerungen. — Lehfeld34i) hielt eine Gedächtnisrede auf den Bild-
hauer August Wredow. — Durch treffliche Illustrierung und Wärme des Tones thut
sich die Lebensbeschreibung des unglücklichen W^iener Landschafters Jakob Schindler
hervor, die A n n a S p i e r342) veröffentlichte.343) _ Dem jung verstorbenen Silhouetten-
schneider Paul Konewka, einer in den 60 er Jahren sehr bekannten Persönlichkeit,
legte Trojan 344) ein freundschaftliches, mit zahlreichen Nachbildungen von Werken
der Schere geschmücktes Erinnerungsblatt aufs Grab. — Zu den Verzeichnissen von
werth, Diakonissen-Anst. 72 S. mit Abbild. M. 0,25. — 300) M. Fürst, J. v. Schraudolph: AllgänerGFr. 6, S. 23/6. —
301) Ph. Stein, E. Maler d. Romantilc. E. Sätularerinnerung z. 13. Febr.: Didaslr. N. 37. — 302) B. Döring, Leop. Bode :
ib. N. 61/3, 65. — 302a) P. W[alle], Zur Erinnerung an J. M. Manch: CBlBanverw. 12, S. 77/8. — 303) A. Köstlin,
Z. Erinnerung an J. M. Manch: ABauZg. 1892, S. 9-10. — 304) J. Krätschel, K. F. Schinkel in seinem Verhältnis zur
gotischen Baukunst. (Aus ZBauwesen ) B., Ernst & Sohn. 1892. 79 S. M. 3,00. — 305) Ernst Fleischer, Z. Baugesch.
d. Geraäldegal in Dresden. Vortr. Dresden, Zahn & Jaensch. 1892. 19 S. mit 1 Photogr. M. 1,00. — 306^ Semper-
Ausstell.: DBauZg. 1892, S. 473/5. — 307) D. k. k. Hofmuseen in Wien n. Gottfr. Semper. Drei Denkschriften G. Sempers
her. V. seinen Söhnen. Innsbruck, Edlinger. XI, 68 S. M. 1,80. |[ZArchitIngVHannover. S. 244.]i — 308) X H. Holland,
B. Speth: ADB. 35, S. 1446. - 309) id., Jos. Stieler: ib. 36, S. 189. — 310} id., Jos. Scherer: ib. S. 771/5. - 311) id., A.
Strähuber: ib. S. 490/3. — 312) id., W. Spitzweg: ib. 35, S. 227-30. - 313) id., A. Sickinger: ib. 34, S. 160/1. - 314) id.,
J. B. Stiglmayr: ib. 36, S. 230/5. — 315) id., B. Stange: ib. 35, S. 439-44. — 316) X id., L. U. Siemering: ib. 34, S. 214. —
317) V. Valentin, E. J. v. Steinle: ib. 35, S. 742 4. - 318) M. G. Zimmermann, C. Sohn: ib. 34, S. 544/6. - 319) X
id., A. F. Siegert: ib. S. 198. — 320) X id., Gerh. Sipmann: ib. S. 417. — 321) A. H. Lier. J. C. Seydelmann: ib. S. 85/6.
— 3221 L. T. Pezold, K. Steinhäuser: ib. 35, S. 7167. — 323) X K- G Bockenheim er, J. Settegast: ib. 34, S. 48. —
324) H. Woltersdorf f, Essai sur la vie et les oeuvres de Rodolphe Töpffer. I. Progr. d. Realgymn. Magdeburg (Baensch). 4". 22 8.
— 325) P. Th. Falck, Timoleon v. Neff. Vortr. SBGGOstseeprov. 1892, S. 5 6. (Referat.) — 326) J. Girgensohn, 0. M.
Frhr. v. Stackeiberg: ADB. 35, S. 340-53. — 327) F. Schnorr v. Carolsfeld, Ch. L. Stieglitz: ib. 36, S. 176/7. — 328) X
id., Johanna Dorothea Stock: ib. S. 279-80. (Gehörte d. Goetheschen Kreise an.) - 329) BnrschenschBll. 7, S. 242. — 330) X
E. Fichte, Ueber polit. Karikaturen. E Beitr. z. Aesthetik. Progr. d. Gymn. z. grauen Kloster. Berlin. 1892. 4". 18 S.
(Vgl. JBL. 1892 I 11 :74.) — 331) Paul Schmidt-Neuhaus, Königin Luise in.d. plastischen Kunst: Bär 19, S. 280/4. —
332) L. Pietsch, G. Bleibtren: VelhagenKlaslngMh. 1, S. 355-70, 382 4. — 333) id., Heinr. Lang: KunstUZ. 1, S. 81-92. —
334) H. E. V. Berlepsch, Heinr. Lang: ZBK. 3, S. 273/9. — 335) H. Wölfflin, Hans r. Marees: ib. S. 739. - 336) E,
Hanover, Hans v. Marees: Tilskneren 1891, S. 1;5. — 337) X Leop Müllers Nachlass: Kunstchr. 4, S. 249-55. — 338) G.
Ebers, Leop. Carl Müller: KunstUZ. 1, S. 57-78. — 339) H. Brendicke, Aug. Kiss: MVGBerlin. 9, S. 101,4. — 340) Er-,
innernngen v. u. an K. Oesterley: Kunstchr. 3, S. 308-14, 3205. — 341) R. Lehfeld, Aug. Wredow. E. Gedächtnisrede: ib. 4,
8. 712. — 342) Anna Spier, Jak. Schindler: KunstUZ. 2, S. 1-20. - 343) X H. Fischel. J. E. Schindler: GraphKünste. 16,
8.41-64. — 344) J. Trojan, P. Konewka: VelhagenKlasingsMh. 1892:1, S. 177-93. — 345) [L, v, Ppnop], Oskar WisniesW.
21*
111: 346-374 C. Gurütt, Kunstg-eschichte. 1892, 1893.
Nachlassausstellung-en Oskar Wisnieskis und Gustav Spangenberg-s, die in der Berliner
Nationalgalerie veranstaltet wurden, erschienen aus der Feder D o n o p s 345-346^
kurze, aber zuverlässige biographische Notizen. — Zwei Schweizern wurde die
gleiche Ehrung durch die Züricher Künstlergesellschaft34''"348j zu teil, den Malern
Bachelin und Frölicher. —
Die gewaltige Flut der Besprechungen von Werken moderner Kunst
auch nur einigermassen erschöpfend zu behandeln, ist nicht die Aufgabe dieses Be-
richtes. Da fast jedes grössere Tagesblatt sich Ausstellungsartikel von mehr oder
minder berufener Seite schreiben lässt, ist der Stoff so angeschwollen, dass kein
Mensch ihn zu bewältigen vermöchte, selbst wenn einer auf diesen sonderbaren
Plan verfiele. Hier beschäftigen uns nur jene Arbeiten, welche über die betreffenden
Künstler nicht nur Kritik, sondern Thatsächliches bringen und mithin An-
spruch auf Dauer erheben können. Und auch diese werden schwerlich erschöpfend
behandelt werden können. An der Spitze des Interesses steht zweifellos Arnold
Böcklin. Durch die Publikation^^s) einer Auswahl seiner Werke in Photogravüre
zugleich mit einem Verzeichnis seiner Schöpfungen ist der Beurteilung des grossen
Aleisters eine neue Grundlag-e und eine Ergänzung zu dem Werk über die Schacksche
Sammlung gegeben. — Für Böcklins Geistesverwandten, den Frankfurter Hans
Thoma, trat besonders T h o d e^so-ssi) lebhaft ein. —
Nächstdem ist Bierbaums 352j Arbeit über Fritz von Uhde zu
nennen, in welcher sich gleichfalls das Werk des Künstlers vollständig auf-
gezählt findet; ferner jene von Graul ^^■^), welche durch die reichen Mittel der Wiener
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst zu einer echt künstlerischen Leistung er-
hoben wurde. —
Ueber Adolf Menzel brachte Gur litt 35*) einen gut illustrierten Aufsatz. —
Ueber seinen Schüler Franz Skarbina wurden Nachrichten mit Abbildungen seiner
Werke^^^) gegeben. —
Max Liebermann war Gegenstand einer eingehenden Betrachtung von
Kaemmerer356) und einer gesonderten Publikation der Wiener Gesellschaft für
vervielfältigende Kunst, zu der GrauP^'') einen, der kostbaren illustrativen Aus-
stattung angemessenen, Text schrieb. 3^^) —
Franz Stucks Gesamtwerk hat Bier bäum 359) eine schöne Publikation ge-
widmet; Otto Greiners starkes Talent besprachen GrauP^o) und Lehrs36i), —
Ueber Hubert Herkomer, der freilich nur bedingungsweise in die deutsche
Kunst gehört, berichtete Courtney^^^) und nach , ihm Pietsch363j in seiner
warmherzigenArt in einem gut illustrierten Aufsatze^^*). — Ebenso schrieb Pietsch365)
über Hermann Prell. — Die Artikel über Freiherr L. von Gleichen-Russ-
wurm, den lielferich366) ausgezeichnet charakterisiert, über Adolf Hildebrand
von Gurlitt36''), über tiermann Kaulbach, den Anna Spier368j mit weiblicher
Milde schildert, sind sämtlich musterhaft illustriert, so dass sie einen trefflichen Ein-
blick in die Kunstart der betreffenden Meister gewähren.369^373) —
Ob Hermann Hendrich die hohe Schätzung, welche ihm Bie3"4) ent-
gegenbringt, dauernd rechtfertigen wird, hat erst die Zukunft zu zeigen. Der ihm
(= Ansstell. d. Werke v. 0. WisniesVi in d. Kgl. Nationalgal. 4. Dec. 1891-14. Jan. 1892. S. 3/7) B. (Mittler & Sohn), 1891.
29 S. — 346) id., M. J. Gustav Spangenberg. (= Sonderaussteil, der Werke v. G. Spangenberg. März 1892. S. 1/7.) ebda.
19 S. — 347) P- W., Leben d. Malers u. Scliriftstellers Auguste Bachelin. (= NjbldKünstlergesZürich. N. 53.) Zürich
(Fäsi & Beer). 33 S. mit Bildn. u. 1 Lichtdr. M. 2,75. — 348) Otto Frölicher. (= NjbldKünstlergesZürich. N. 52.)
ebda. 20 S. mit 2 Bild. u. 2 Taf. Lichtdr. M. 2,75. — 349) Arn. Böcklin. E. Ausw. d. hervorragendsten Werke d. Künstlers
in Photograv. München, Verlagsanst. für Kunst u. Wissensch. 40 Bll. mit III u. VII S. Text. M. 100,00 (Ausg. mit d. Schrift);
M. 200,00 (Ausg. vor d. Schrift). |[B. H.: SchwRs. 1, S. 103,5; 0. J. Bierbaum: ML. 62, S. 140,2, 281/3; Carl Neumann:
PrJbb. 71, S. 197-207; F. H. Meissner: GBA. 9, S. 307-17; 10, S. 17-24; E. Hanover: Tilskueren 1892, S. 118.]| — 350)
H. Thode, H. Thoma. [Aus GraphKünste.] Wien, Ges. für vervielfält. Kunst. 1891. 4». 28 S. mit 1 Taf. u. 18 Textabbild.
M. 15,00. — 351) id., H. Thoma. 18 Photograv. nach d Orig. d. Meisters. Mit Text. München, Hanfstaengl. 1892. Fol.
3 Bll. Text. M. 60,00 — 352) 0. J. Bierbaum, F. v. Uhde. München, Albert & Co. 80 S. mit Bildn. M. 10,00. |[B.
ßüttennauer: BLU. S. 547,9; IllZg. 101, S. 619; M. S.: ML. 62, S. 805/6; N&S. 66, S. 411/2; F. H. Meissner: FrB. 4,
S. 945.JI — 353) R. Graul, F. v. Uhde. Mit 11 Radier, v. W. Unger, A. Krüger, P. Halm, J. M. Holzapfel u. W. Krauskopf.
Wien, Gesellsch. f. vervielfält. Kunst. Fol. 22 S. mit 19 Abbild, im Text. M. 15,00. — 354) C. Gurlitt, Ad. Menzel:
KunstUZ. 1892, S. 1/9. — 355) F. Skarbina: ZBK. 3, S. 49-54. — 356) L. Kaemmerer, M. Liebermann: ib. S. 249-57,278-86.
— 357) R- Graul, M. Liebermann. Mit Radierungen v. W. Unger, A. Krüger, P. Halm u. M. Liebermann. Wien, Ges. für
vervielfält. Kunst. 16 S. u. 11 Abbild, im Text. M. 12,00. (Luxusausg. M. 24,00.) — 358) H. Meissner, M. Liebermann.
E. Künstlerbild: WIDM 72, S. 756 72. — 359) F. Stuck, Ueber 100 Reproduktionen nach Gemälden, plastischen Werken,
Handzeichnungen u. Studien. Text v. 0. J. Bierbaura. München, Albert & Co. 4". 84 S.; mit Abbildd., 48 Taf. u. Bildn.
M. 40,00. IfA. F.: WeserZg. N. 16885.]| — 360) B. Graul, 0. Greinei: GraphKünste. 15, S. 82,6. — 361) M. Lehrs, Neue
Lithographien: ib. 16, S. 85/9. (Greiner u. Thoma.) — 362) W. L. Courtney, H. Herkomer, Royal-Academien, his life and
works. (= Art annual 1892.) London, Yirtne & Co. Sh. 2/6. — 363) L. Pietsch, H. Herkomer: VelhagenKlasingMh. 1,
S. 33-53. — 364) X Helen Zimmern, H. Herkomer u. seine Radierkunst: KunstUZ. 1, S. 112/6. — 365) L. Pietsch. H.
PreH: ib. 1892:1, H. 41-60. — 366) H. Helf erich, Radierungen u. Bilder v. Frhr. L. v. Gleichen- Russwurm : ib. 1, S. 82/9.
— 367) C. Gurlitt, Ad. Hildebrand: ib. 2, S 67-76. — 368) Anna Spier, H. Kaulbach: ib. 1, S. 1-10. - 369) X F.
Walter, Unkrit. Künstlerportrr. L Carl Raupp: ib. 1892. 2, S. 9-15. - 370) X »d., Unkrit. Künstlerportrr. U. Jul. Adam:
ib. S. 25-33. — 371) X id., Unkrit. Künstlerportrr. IH. Thnre Frhr. v. Cederström: ib. 1, S. 101/7. — 372) X id., Unkrit.
Künstlerportrr. lY. Th. Rocholl: ib. 2, S. 39-40. - 373) X id., Unkrit. Künstlerportrr. V. Alb. Rieger: ib. S. 49-56. — 374)
0. Gurlitt, Kunstgeschichte. 1892, 1833. I 11 : 375-412
gewidmete Aufsatz verdient aber jedenfalls anerkennende Erwähnung an dieser
Stelle. — Das Gleiche gilt von Berlepschs^''») Studie über Lenbach, von
Grauls^"^) Artikel über den viel zu wenig geschätzten Tiermaler Schrey er, so-
wie von Fritz von Ostinis^'') für das Münchener Künstlerleben der Zeit instruktiven
Bericht über die Künstlergesellschaft „Allotria". —
Der Berliner Bildhauer Gustav Eberlein hat ein Werk herausgegeben^""^),
in welchem er sein Können auf den verschiedensten Gebieten menschlichen Schaffens
bekundet. Dass dieses Können gross, vielseitig und gewandt ist, wird niemand be-
streiten, selbst der nicht, welchem es mehr Breite als Tiefe zu haben scheint.
Andererseits ergiebt z. B. Rosenbergs Besprechung, dass sein Idealismus ver-
wandte Seelen erfreut. — Hier ist wohl auch der Platz Wilhelm Buschs kurze
Selbstbiographie^'''') „Von mir über mich" zu erwähnen, welche er der Jubiläums-
ausgabe seiner „Frommen Helene" beigab, und die Lebenserinnerungen^^") des
Bildhauers Max Klein. — Hinsichtlich der neueren Architektur muss auf die Fach-
blätter verwiesen werden.^^'^^ssj
Kunsthistoriker. Wilhelm Lübkes am S.April 1893 erfolgter Tod hat
eine Reihe von Freunden und Gegnern des wohl zweifellos berühmtesten aller
deutschen Kunsthistoriker zu einer zusammenfassenden Schilderung seiner Persön-
lichkeit geführt^s4"393). _ Eine vereinzelte Arbeit des Verstorbenen über die Abtei-
kirche zu Schwarzach394) ist noch hier zu verzeichnen, ebenso eine Besprechung
seiner jüngsten Schriften^ös). — Mehr noch hat Anton Springers Heimgang die
Teilnahme erweckt''^^'^"^). Viele seiner zahlreichen Schüler fühlten sich gedrungen,
dem Meister ihren Dank in öffentlicher Form zu bekunden und dabei seine nach-
gelassenen Schriften^ooj zusammenfassend zu besprechen, zumal ihnen in der nach
dem Tode des Gelehrten erschienenen Selbstbiographie reichlicher Stoff zugeflossen
war. — Ebenso gab der Tod Hubert Janitscheks^*" "^^^j und August von Essen-
weins****) Veranlassung zur Darstellung ihres Lebensganges. — F. R. Steche, der
Dresdener Kunsthistoriker***^) erhielt durch Lier***^), mein verstorbener Bruder, der um
die Entwicklung der deutschen Kunst wohlverdiente Kunsthändler Fritz Gurlitt
durch S ch 1 en t h er***') und Elias***^) einen Nachruf. — Der Artikel über Ernst
Wilhelm von B r ü c k e s Beziehungen zur Kunst, welchen Frimmel***^) ver-
öffentlichte, ist am besten an dieser Stelle zu erwähnen. — Aus den Besprechungen
des Wirkens lebender Kunsthistoriker sei jene über Jakob B ur ckhar d t****) zu
dessen 50 jährigem Doktorjubiläum hervorgehoben. —
Specialgebiete:VervielfältigendeKünste. Ueber die Geschichte des
Kupferstiches erschien ein Werk, welches in trefflicher Art einen Ueberblick über
das ganze Gebiet gewährt: Es ist das dritte, von Lippmann*") besorgte, Heft
der von den Berliner Museen herausgegebenen Handbücher. — Das Schreibersche
Handbuch für den Liebhaber des Stiches, welches in die ältere vervielfältigende
Kunst einzuführen bestimmt ist, wurde nachträglich in England besprochen* '2). —
In diesem Gebiete steht als Kenner und wissenschaftlich zuverlässiger Arbeiter gegen-
0. Bie, H. Hendrich u. d. mytholog. Malerei: WIDM. 74, S. 1-16 — 375) H. E. t. Berlepsch, F. v. Lenbach:
VelhagenKlusingMh. 1892. 1, S. 25-43. - 376) R. Graul, Ad. Schreyer: ib. 2, S. 418-29. -377) F. v. Ostini, D. MBnchener
Allotria: ib. 1, S. 665-80. — 378) G. Eberlein, Aus e. Bildners Seelenleben. Plastik, Malerei u. Poesie. B., Schultz-
Engelhard. 1892. Fol. 62 S. mit Textabbild, u. 28 Taf, in Lichtdr. u. Heliogr. M. 50,00. |[N&S. 67, S. 406/8; Ad.
KosenbergtVelhasrenKlasingMh. 2,8. 225-42.11 (Vgl. 1 12:105a.) — 379) W.Busch, V mir über mich. (= Beigabe zur Jnbil.-Ausg.
d. „Frommen Helene«. [München, Bassermann. XXII, 113 S. mit Bildn. M. 3,00].) |[BerlTBl. N. 442; Didask. N. 210.]| — 380)
Max Klein, Einige Lebenserinnernngen: ML. 62, S. 425,9. — 381) X Gabr. Max Darstellung d. Seherin v. Prevost.
Sphinx 13, S. 86. (Aufschlussreich.> — 382) X J- Janitsch, Ed. Grätzner: N&S. 61, S. 202-13. — 383) X D. Zeichner
d. Fliegenden Blätter: IllZg. 98, S. 65,8. — 384) X L. Pietsch, Nachruf auf Wilh. Löbke: VossZg. N. 161. — 385) X C.
Lemcke. W. Lnbke: AZg". N. 164. — 386) X Th. K., W. Lübke: SchorersFamilienbl". N. 17. — 387) X W. Lübke:
IllZg. 100, S. 4()5;6. — 388) X Z. Gedächtnis W. Lübkes: BerlTBl. N. 176. — 389) X W. Lübke: BURS. 58, S. 403/4. —
390) XC.Gurlitt,W. Lübke: ML. 62,8.257,8. (Vgl. 1 12 : 24.) - 391) X A. E[osenberg], W. Lübke: Post N. 94. — 392) X W.
Lübke: Ath. 2, 8. 513. — 393) X W. Lübke: PolybibU'. 67, 8. 460/1. - 394) W. Lübke, D. Abteikirche zu Schwarzach.
(= Festgabe z. Jubil. d. 40 j. Regierung S. Kgl. Höh. d. Grossherz. Friedrich v. Baden dargebr. v. d. tpchnischen Hochschule
in Karlsruhe. [Karlsruhe, Frankfurt a. M. J. Baer & Co. 4». XCH, 374 S. mit 38 Fig. im Text, 27 Grundrissen etc.
M. 40,00], S. 127-44.) (Vgl. JBL. 1892 II 1 : 47.) — 395) W. Lübke n. seine jüngsten Schriften: ZBK. 3, S. 66-71. — 396) X
W. V. Seidlitz, A. Springer: ib. 8. 1/6, 25-31. — 397) X G- Pauli, Aus d. Gelehrtenwelt: Anton Springer: DR. 1892 : 2,
8. 119-25. — 398) X P- Clemen, A. Springer: ADB. 35, 8. 315/7. — 399) X L. Geiger, Ant. Springer: MagdZg. 1892,
N. 1. — 400) A. Springer, Aus meinem Leben. Mit Beitrr. t. Gust. Freytag u. H. Janitschek u. mit 2 Bildern her.
V. J. Springer. (= Grotesche Samml. N. 39.) B., Grote. X, 387 8. M. 6,00. |[HJb. 13, S. 393; M.Koch: SchlesZg. 1892,
N. 349; F. Servaes: ML. 61, S. 265/7; Chrn. Meyer: ZDKG. 2, 8. 377-92; BLU. 1892, S. 113/6.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 5 : 184.)
— 401) X H. Janitschek: Ac. 44, S. 397. — 402 1 X 0- N[eumann]-H[ofer], H. Janitschek: ML. 62, S. 423. — 403) X
F. Leitschnh, H. Janitschek : StrassbPost. N. 178. — 404) X F- Fischbach, Erinnerungen an A. v. Essenwein: Didask. 1892,
N. 262. — 405) X F- R- Steche: NASächsG. 14. 8. 125-37. — 406) H. A. Lier, F. R. Steche: ADB. 35, 8. 537 9. — 407)
P. Schienther, F. Gnrlitt: ML. 62, 8. 108-10. — 408) J. Elias, F. Gnrlitt: NationB. 10, 8.324/5. — 409) Th. Frimmel,
E. W. V. Brücke in seinen Beziehungen zu Kunst u. Knnstwissensch.: Kunstchr. 3, S. 421/3. — 410) J. ßurckhardt: AZgU. N. 117.
— 411) Handbücher d. Kgl. Museen zu Berlin. Mit Abbild. Her. v. d. Generalverwalt. d. Kgl. Museen. 3. Bd. D. Kupfer-
stich T. F. Lippmann. B., Spemann. V, 223 S. mit 110 Abbild. M. 2,50. — 412) W. L. Schreiber, Manuel de Tamatenr
de la gravure snr bois et sur metal au XV. siecle. T. H, III et VI. B., Alb. Cohn. XV, 382 S.; XV, 334 8.; VUI S. mit 35 Taf.
I 11:413-439 C. GurUtt, Kunstg-esohlchte. 1892, 1893.
wärtig" zweifellos L eh r s^^^"''^^) an erster Stelle. Mit stetiger Umsicht arbeitet er
in dem von ihm gewählten Gebiete fort, für das er eine wohl einzige Sachkenntnis
besitzt. Seine Arbeiten über den „Meister der Liebesgärten" und den „Meister W."
beschäftigten in der Berichtsperiode mehrere Federn. Auch über Israhel van
Meckenem brachte er eine Notiz. — Von den Kleinmeistern des 16. Jh. sind die
Biographien H. Springinklees und Virgil Solls von R ee*'"' ^^^j, ferner die Christophs
von Sichern aus der Feder W e s s ely s"*'-*) zu erwähnen. — Auf die deutsche
Stecherkunst des 17. Jh. hatte Rubens einen so starken Einfluss, dass ein
Werk über die Stecher dieser Schule hier nicht unerwähnt bleiben darf: Rosen-
berg^^o) lieferte es. — Auch die alte Handelsstadt Danzig befand sich dauernd
unter niederländischem Kunsteinfluss, so dass von Rözyckis^^i) Werk über die
Kupferstecher Danzigs hier angeführt werden muss. — Den Kupferstecher Strauch
behandelte Ree*22j in einer kurzen Biographie. — lieber zwei Radierungen Goethes
berichtet W^ u s t m a nn 423j^ über die Kupferstecher Seuter, Seyffert und Seyffer
gaben H o 1 1 a n d424), L i e r ^25) und Wintterlin 426j Nachrichten. — Eingehender,
auf Grund einer Flut von Schriften, ist H o IIa n d s'*^'') Lebensbeschreibung
Senefelders. — Mehr theoretischen Inhaltes sind der Artikel'*^») zur Geschichte der
Radierung, welcher sich mit Dürerschen Holzschnitten beschäftigt, und Fried-
länders^^") Aufsatz über den „farbigen Kupferstich". —
Zur Geschichte des Gartenbaues liefern Kauf man n'^^O) und Zacher*^^) Studien.
In der ersteren, umfassenderen wird das Gebiet des Mittelalters und der Renaissance
behandelt. Sie giebt sich als eine Reihe von Vorträgen, freilich nicht von solchen,
welche den Wunsch erregen, sie gehört zu haben. Das Beste an ihnen ist zweifellos
das fleissige Ansammeln von thatsächlichen Nachrichten in einem Gebiet, in welchem
alle Unholde des Dilettantismus sich besonders gern zusammentreffen. Man kann
wenigstens bei K. das redliche Bestreben beobachten, die eigene Naturanschauung
so wenig als möglich fremden Zeiten unterzulegen, welche den romantischen Begriff des
„Natursinnes" noch nicht kannten. — Die Entwicklung dieses Sinnes, deren Erkenntnis
Woermann für die Antike und Biese für das Mittelalter vorgearbeitet hatten, im
Gebiet der Malerei zu folgen, hat sich von Lichten berg'*^^) zur Aufgabe gestellt. Er
schliesst seine Dissertation an jene Kaemmerers an, welcher die Landschaft in der
deutschen Malerei bis auf Dürers Tod verfolgt hatte. Er weist nach, wie das Streben,
dem Bilde einen interessanten Hintergrund zu schaffen, im 16. Jh. zur Häufung der
Motive und zur Entfremdung von der Heimat führte, und wie erst durch die Nieder-
länder gegen Ende des Jh. mit der Rückkehr zum Realismus die Landschaft zum
Selbstzweck und endlich die Stimmung zur höchsten, den inhaltlichen Wert über-
ragenden Aufgabe wurde. —
Für das Kunstgewerbe ist die Waffenkunde, besonders Kenntnis der Plattner, das
Sondergebiet Böheims'*'^3-435-) gg jg^ höchst erfreulich zu sehen, wie grosse Er-
gebnisse ein geschlossenes Wollen nach bestimmter Richtung hin zu bringen ver-
mag. Gestützt auf die Regestensammlungen im Wiener Jahrbuch der kunsthistorischen
Institute, auf die Urkundenforschungen im Dresdener (durch Gurlitt) und Augsburger
Archiv durch Buff436-437j^ gQi^t er seine durch treffliche Abbildungen ebenso wie
durch strenge wissenschaftliche Forschung ausgezeichneten Veröffentlichungen über
die Rüstungen der Wiener Museen und das österreichische Rüstwesen fort. —
Hierher gehörtauch die Beschreibung eines Harnischs zu Wörlitz, welche Büttner
Pfänner zu Thal^äsj herausgab. — Der Aufsatz von Maindron*^^), welcher
ä M. 12,00. l[WestmE. 138, S. 577-82; SaturdayR. 74, S. 231.]! — 413> M. Lehrs, D. dtsch. u. niederländ. Kupferstiche d.
15. Jh. in d. kleineren Samml. in Amsterdam, Haag, Lattich, Brüssel, Brügge: KepKunstw. 15, S. 110-46, 472-505. — 414)
id., D. Meister d. Liebesgärten. K. Beitr. z. Gesch. d. ältesten Kupferstichs in den Niederlanden. Dresden, Bruno Schulze.
4". 23 S. mit 10 Lichtdr.-Taf. M. 20,00. |[F. C. Heimann: ZChrK. 6, S. 191; C. Hofstede de Groot: NedSpect. S. 127/8;
LCBl. S. 1086.]| — 415) Alfr. v. Wurzbach, D. Stecher W.: Kunstchr. 4, S. 43.3,9. (Im Anschlnss an: M. Lehrs, Wenzel
V. Olmütz. Dresden 1889.) — 416) id., Israhel van Meckenem: JPrK. 14, S. 81,3. — 417) P. J. Ree, H. Springinklee:
ADB. 35, S. 321/2. — 418) id., Virgil Solis: ib. 34, S. 567-70. - 419) J. E. Wessely, Chrph. v. Siehera d. Aelt.: ib. S. 150.
— 420) Gesch. d. vervielfält. Künste. Red. v. C. v. Lützow. D. Kupferstich in d. Schule u, unter d. Einflüsse d. Rubens
[d. Rnbensstecher] v. Ad. Rosenberg. Wien, Ges. f. vervielfält. Kunst. Fol. VII, 168 S. mit lUnstr. u. 43 Taf. M. 40,00.
— 421) K. V. Rözycki, D. Kupferstecher Danzigs. E. Beitr. z. Gesch. d. Kupferstichs. Danzig, Th. Bertling. 44 S. mit
Signaturen. M. 2,00. |[H. Ehrenberg: AltprMschr. 30, S. 370/l.]| — 422) P. J. Ree, L. Strauch: ADB. 36, S. 531. —
423) G. Wustmann, üeber zwei Radierungen Goethes: ZBK. 4, S 97/9. - 424) H. Holland, G. Seuter: ADB. 34, S. 68.
— 425) A. H. Lier, J. G. Seyffert: ib. S. 109. — 426) A. Wintterlin: F. A. Seyffer: ib. S. 107. — 427) H. Holland,
A. Senefelder: ib. S. 8-23. — 428) Gesch. d. Radierung: Kw. 6, S. 88 9. — 429) Max Friedländer, D. farbige Kupfer-
stich: Nation". 10, S. 75/9. — 430) A. Kaufmann, D. Gartenbau im MA. u. während d. Periode d. Renaissance dargest. in
5 Vortrr. B., Grundmann. 1892. 80 S. M. 1,50. - 431) G. Zacher, D. Entwicklung d. Gartenbaukunst: Didask. N. 193.—
432) R. Frhr. v. Lichtenberg, Z. Entwicklungsgesch. d. Landschaftsmaleroi bei d. Niederländern u. Deutschen im 16. Jh.
Mit Abbild, (im Text u. auf 8 Taf). (— Beitrr. z. Kunstgesch. Bd. 18). L., Seemann. 1892. VIII, 132 S. M. 4,00. —
433) W. Böheim, Augsburger Waffenschmiede, ihre Werke u. ihre Beziehungen z. kaiserl. u. anderen Höfen: JKSAK. 1892,
S. 94-201. — 434) id., D. Zeugbücher d. Kaisers Maximilian I.: ib. S. 94-201. — 435) id., D. Waffenschmiede Mailands im 15. n.
Iß. Jh.: AZg". N. 52. - 436) A. Buff, Augsburger Plattner d. Renaissancezeit: AMZg. 68, S. 226/8, 234/6, 242/4, 250/2,
258-60,266/8.-437) id., Augsburger Plattner d. Renaissance: AZg". 1S92, N. 191/3. — 438) F. Büttner Pfänner zu Thal,
D. Harnisch Herzog Bernhards zu Weimar in d. Kunstsamml. S. Hob. d. Herz. v. Anhalt zu Wörlitz. Kunsthist. Abhandl. als
Festschrift z. 8. Okt. her. Dessau, Kahle. 1892. Fol. 20 S. mit 2 Lichtdr.-Taf. M. 10,00. — 439) M. Maindron, La
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 111:440-452 112 -.1-4
mehrere früher für französisch g-ehaltene Rüstungen des Pariser Musee d'artillerie deut-
schen Meistern zuweist, beweist, dass man in Frankreich manche Voreing-enommen-
heiten in diesem Gebiet aufzugeben sich genötigt sah. Die Geschichte der
Goldschmiedekunst des 16. Jh., die durch Marc Rosenbergs „Der Goldschmiede Merk-
zeichen" (Frankfurt, Keller 1890) auf eine neue wissenschaftliche Basis gebracht wurde,
bietet trotzdem nicht viel Erwähnenswertes. Rosenberg****) selbst liefert den
Nachweis, dass ein Becher in Gestalt einer Burg ein Werk Jamnitzers sei. —
Einer besonderen Klasse von Goldschmieden, und zwar den Stechern von Gefäss-
entwürfen aus der Zeit von 1570 — 1610 widmet Winkler*^') eine auf das reiche
Material des Berliner Kunstgewerbemuseums begründete Studie. — Luthmer**^)
legt eine ähnliche Arbeit über das 16. Jh. vor. — Brinckmann^^^^ giebt einige
Nachrichten von mittelrheinischen Seidenge weben der Mitte des 16. Jh. — Ueber
die Modelleure der Fürstenberger Porzellanfabrik arbeitete Seh er er***), während
Stegmanns**^) Buch über diese fürstlich braunschweigische Anstalt mancherlei
Aufschlüsse gab. — Die ältesten Medailleure Oesterreichs behandelt eingehend
Domanig**^''). —
Von den Darstellungen der Geschichte der öffentlichen Sammlungen und
Kunstinstitute wurden die von Reber**^), Grasberger**^») und die von
Neuwirth**") schon erwähnt. — Nachzutragen sind hier noch die Arbeiten von
Wilh. Schmidt**^) über die bayerischen, namentlich über die Ueberführung der
Düsseldorfer und Mannheimer Institute nach München, von Dernjac**^) über die
Wiener Akademie, der Vortrag D oh m es *^ö) über die Anfänge der Berliner Akademie,
das Referat Grauls*^^) über die Bodesche Bearbeitung der Schweriner Galerie und
die Fortsetzung, w^elche Fritz Meyer*ö2) in seiner Geschichte der Baseler Kunst-
sammlung brachte. —
1,12
Poetik und ihre Geschichte.
Richard Maria Werner.
Geschichte der Poetik und Aesthetilc: Naturstudium N. 1. — Pietsch N. 4. — Corneille und Lessing
N. 9. — Home N. 11. — Aesthetik der Klassiker N. 12. — Gegner MolieresN. 15c. — Goldoni N. 16. — Nekrologe: Horwicz N. 22 ;
Vischer N. 23; Lflbke N. 24; Taine N. 26a. — Schulraässige Zusammenstellungen: Poetik N. 27. — Aesthetik:
Anmut N. 45. — Lust und Unlust N. 46. — Aesthetisches Urteil N. 51. — Menschliche Gestalt N. 55. — Kunst und Natur
N. 68. - Gefühl N. 74. — Künstlerisches Schaffen N. 91. — Das Metaphorische N. 107. — Das Natnrschöne N. 108. — Schön
und AesthetischN. 111. — Das Gedächtnis N. 113. — Kunst und Kritik N. 116. ~ Zukunft der Kunst im socialdemokratischen
Staate N. 123. — Das Unanständige N. 139. — Poetik: Methode der Poetik N. 144. - Wert der Poesie N. 147. — Wider-
sprüche in Kunstdichtungen N. 165. — Humor N. 166. — Pessimismus N. 169. — Stimmung N. 176. — Bild und Gleichnis
N. 177. — Die einzelnen Dichtungsgattungen: Lyrik (Gedankenlyrik, Volkslied, Kirchenlied, Epigramm und Elegie)
N. 188. — Epik N. 202. — Drama N. 211. — Verhältnis des Dramas zur Bühne N. 227. — Komödie N. 235. - Oper N. 239. —
Neue Formen des Dramas N. 242. — Der Naturalismus: Begriff N. 250. — Moral und Naturalismus N. 284. — Frauenfrage
N. 286. — Bedeutung von Suggestion und Hypnose N. 288. — Moderne Psychologie N. 295. — Die verschiedenen Kreise des
Naturalismus N. 304. - Frankreich N. 306. — Zola N. 317. — Tolstoi N. 330. — Der skandinavische Kreis N. 342. — Ibsen
N. 349. — Strindberg N. 371. — Nietzsche und die deutsche Weltanschauung N. 378. — Die einzelnen deutschen Naturalisten
N. 397. — Zukunft der Litteratur N. 424. —
Für die Geschichte der Poetik und Aesthetik sind im Berichtsjahre
verschiedene kleinere Beiträge '"^a) zu verzeichnen, von denen einzelne nur zum Teil
unser Gebiet berühren. So untersucht Hampe^), woher die Verschiedenheit der
Litteratur und der bildenden Kunst in Deutschland um die Wende des 15. Jh. kommt.
collection d'armes du musee d'artillerie. I.: GBA. 10, S. 265-94. — 440) Marc Rosenberg, E. Jamnitzer: Knnstgewerbebl. 3,
S. 146/7. — 441l Aug. Winkler, D. Gefäss- u. Punzenstecher d. dtsch. Hochrenaissance: JPrK. 13, S. 93-107. — 442) F.
Luthmer, Dtsch. Goldschmiedewerke d. 16. Jh.: N&S. 63, S. 54,7. — 443) J. ßrinckmann, Mittelrhein. Seidengewebe mit
Inschrift aus d. Mitte d. 16. Jh.: ZChrK. 5, S. 150/4. — 444) Chr. Scherer, Ueber d. Modelleure d. Fürstenberger Porzellan-
fabrik: Knnstgewerbebl. 3, S. 30. — 445) H. Stegmann, D. fürstl. braunschweig. Porzellanfabrik zu Fürstenberg. E. Beitr. z.
Gesch. d. Kunstgewerbes u. d. wirtschaftl. Zustände d. 18. Jh. Braunschweig, Goeritz. YIII, 176 S. M.4,00. |[BllKunstgewerbe.S.29.J|
— 445a) C. Domanig, Aelteste Medailleure in Oesterreich: JKSAK. S. 11-36. — 446) (S. o. N. 193.) — 446a) (S. o.
N. 199.) — 447) (S. 0. N. 200.) — 448) Wilh. Schmidt, D. bayer. Sammlungen: AZgi*. N. 67. — 449) Jos. Dernjaü,
D. k. k. Akad. d. bild. Künste. Vorlr.: ÖUR. 15, S. 35-52, 109-25, 196-212. — 450) R. Dohme, Ueber d. Anfänge d.
Berliner Ak. Vortr. : NatZg. N. 62. — 451) R. Graul, W. Bode, D. grossherz, Gemäldegalerie zu Schwerin. Wien, Ges.
für vervielfält, Kunst. 1891. Fol. 180 S. mit Text-Illnstr. u. 42 Radierung. M. 60,00: BLU. 1892, S. 268-79. — 452) Fritz
Meyer: Gesch. d. öffentl. Kunstsammlung zu Basel: Basler Jb. S. 145-74. —
1) O Jul. Walter, D. Gesch. d. Aesthetik im Altertum ihrer begrifflichen Entwicklung nach dargest. L., Reisland.
XVIII, 891 S. M. 17,00. |[LCB1. 8.1636,8.]; — 2) O Ch. Leveqne, Ch. Benard: L'estetiqne d'Aristote et de ses successeurs:
JSav. S. 65-80, 270-83, 519-32. — 2a) OG. Thiele, Hermagoras. E. Beitr. z. Gesch. d. Rhetorik. Strassburg i. E., Trübner. IX, 202 S.
M. 6,00. — 3) (1 11 : 184; s. auch II 1 : 82.) — 4) J. Reioke, Zu J. Chrph. Gottscheds Lehrjahren auf d. Königsberger UniT. Königs-
I 12 : 4 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
und g-eht dabei auf das Verhältnis der Künste zur Natur ein. Früher als die
Litteratur kehrt die bildende Kunst unter flandrischem Einfluss zum Studium der
Natur zurück, woraus nicht nur die Liebe zur Natur und allen ihren Geschöpfen
erwachte, sondern „auf eine Erweiterung" des Stoffgebietes und selbst eine Ver-
tiefung der Ansichten über das Wesen der Natur Hand in Hand ging." Der Litteratur
blieb die ältere geistliche Auffassung", dass die Natur in allen ihren Regungen schlecht-
hin sündhaft sei, woraus sich Abkehr von der Natur als Prinzip ergab. Die bildende
Kunst hat zuerst das Eis gebrochen, aber keineswegs erst infolge der Renaissance,
sondern schon vorher, wodurch sie einen reformatorischen Charakter erhielt. Der
Vf. bestätig-t durchwegs die Ansicht Woltmanns, in der Epoche, welche dem Auf-
treten Luthers vorherg-ehe, sei die Kunst der Reformationszeit zu suchen. H. deutet
die ungünstigen Einflüsse der Renaissance an und folgert daraus die nationale
Beorderung für die Kunst; er findet warme Worte für Hans Sachs wie für Goethe,
dessen italienische Reise H.s Ansicht nach für die neue Blüte der Litteratur hätte
verhäng"nisvoll werden können, wenn nicht Goethes Wesen zu selbständig* und zu
deutsch gewesen wäre, um „in eine geistige Abhäng"ig"keit von den vielbewunderten
Schriftstellern des Altertums" zu g"eraten. —
Die Bedeutung" der Antike für die Poetik erhellt aus zwei Programmen von
Gottscheds Lehrer Joh. Valentin Pietsch, die Reicke^) im Anhang-e zu seiner
schon früher (vgl. JBL. 1892 HI 5 : 29) gewürdigten, mir erst jetzt zugäng-lichen
Schrift hat neu drucken lassen. Sie sind an sich interessant, trotzdem sie nur in
kurzen Thesen Stellung zu Streitfragen der damaligen Poetik nehmen, sie sind aber
wichtig" für die historische Erfassung Gottscheds, so dass näher auf sie eingeg-angen
werden muss. Zur Aufnahme in die Fakultät verteidig-te Pietsch im J. 1718 (der
Raum für das Datum ist im Druck freigelassen) g'eg"en Melchior Johannes Caschel
„Poeticarum Thesium Duodecas" ; darin fordert er an erster Stelle angeborenes Talent
zum Dichten; stellt dann fest, dass die Poesie eine Nachahmung" der Natur sein müsse;
verwirft die allzu strenge Disposition, während sich der Poet nur durch die Forderung-en
seines erreg"ten Talentes leiten lassen solle (excitati ing"enii impetus); in der
5. These verlangt er zwar für die gebundene Rede „Majestas" des Ausdrucks, bezeichnet
aber die Uebertreibung", also den Schwulst, als einen Fehler, ebenso (These 6) die
niedrige Schreibart und quod a Gallis Burlesque vocatur. Als Unterschied von Poesie
und Prosa bezeichnet die 7. These das, was auch die einzelnen Dichtungsgattungen
von einander trennt: Stil und Erfindung, wobei er Vergil rühmt, weil er jeder
Gattung ihren passenden Stil gab, in den Eklogen humilem, in den Georgicis medio-
crem, in der Aeneide den heroischen, so dass man darin den Ausdruck der Natur
selbst zu erkennen glaube. Die weiteren Thesen handeln dann von einzelnen
Dichtungsgattungen: von den Eklogen, vom Drama und besonders von der Tragödie,
von der Ode, endlich von der „Satyre", die er et utilitate et amoenitate fast über alle
Gattungen stellt. Für das Drama gilt ihm der Satz, es sei die Nachahmung einer
Handlung, daraus folgert er, dass die Tragödie figuratam acutamque dictionem nicht
gebrauchen dürfe. Wir vermissen in der Reihe der Dichtungsarten vor allem das
Epos, das später einen Streitpunkt der Aesthetik bildete, ferner die Fabel, was wir
nach Seufferts Ausführungen (ADA. 12, S. 68 ff.) erklären können. Am 22. Febr.
1718 verteidigte Pietsch beim Antritt seines Ordinariates gegen Jacob Friedrich
Danckmoyer das zweite Programm Solutae Ligataeque Orationis Limites, das Gottsched
in seiner Critischen Dichtkunst (4. Aufl. S. 348) so sehr rühmt; er sagt: ,, Siehe des
Hofrath Pietschens Dissertation von dem Unterschiede der poetischen und prosaischen
Schreibart, darinn er verschiedene Regeln und Exempel, die unverwerflich sind, ge-
geben hat". R. behauptet (S. 35), die beiden Disputationen müssten Gottsched un-
bekannt geblieben sein, da er sie niemals anführe; die citierte Stelle ist ihm also
entgangen. Hat Gottsched die Limites gekannt, so wird er wohl auch die unmittelbar
vorhergehende Schrift seines Lehrers gelesen haben. Pietsch sucht auf vergleichendem
Wege den Unterschied zwischen gebundener und ungebundener Schreibart festzu-
stellen, und hierin folgt ihm Gottsched so getreu, dass er einiges fast wörtlich übersetzt
hat. Als unerschöpflichen Born, aus dem nebst verschiedenen Wissenszweigen auch
die Poesie ihren Ursprung schöpft, bezeichnet Pietsch an der Spitze seines Pro-
grammes das Vergnügen (delectatio). Zu dieser ihrer Quelle strebt und kehrt die
Poesie zurück. Aelter als die Poesie ist die Musik, der man aber Worte beifügte,
damit nicht der leere Ton ans Ohr schlage. Durch diese Worte wurde das gedrückte Ge-
müt zur Freude (laetitia) erregt oder seine Freude vermehrt. Aus dem Bedürfnis
nach Abwechslung leitet Pietsch die metrische Gestalt der Verse ab, die von grösserer
Freiheit zur Genauigkeit fortschritt, so zwar, dass sich die metrische Form zu einer
Notwendigkeit des Gedichtes ausbildete, und man, wenn sie fehlt, kaum von einem
Gedichte sprechen könne. Zwar giebt es Menschen, die auf die Erfindung zu
viel Gewicht legen und daher Fabeln in ungebundener Schreibart zur Poesie rechnen ;
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 4a-9
da diese jedoch nicht gesung-en werden können, weder durch Wohlklang", noch
durch das Metrum g-ebuuden sind, verdienen sie nicht den Namen der g-ebundenen
Rede oder des Gedichtes, sondern gehören zur Prosa. Der strengeren griechischen und
römischen Metrik folgen die Germanen, während die Italiener und Franzosen durch
grössere Freiheit sündigen. Ein weiteres charakteristisches Zeichen der Poesie ist
der Reim, dessen Bedeutung Pietsch überaus hoch stellt; ja er sagt geradezu (§ 8):
„Hoc adeo delectamur rythmo, ut parum absit, quin apud nos fere solus a communi
sermone distinguere videatur Carmen"; ähnlich behauptet Gottsched (I, § 11), die
nordischen Völker „gewöhnten auch ihre Ohren dergestalt daran" (an den Reim),
„dass sie diesen Reim endlich für das wesentlichste Stück der Poesie hielten". Pietsch
behandelt nun einige Gründe, die gegen den Reim angeführt werden; er mache weich
und unmännlich, das schade jedoch unserer konsonantenreichen Sprache keineswegs;
er hindere den freien Ausdruck, das gelte nur für die Ungeübten, ja der Reim ver-
helfe zu ganz unerwarteten Ideen; auch seien unsere Ohren seit Jhh. an den Reim
so sehr gewöhnt, dass uns mit dem Reim das Gedicht seines ang'enehmsten Schmuckes
beraubt erschiene; zur Exemplifizier ung führt er eine Stelle aus Seckendorffs reim-
loser und aus seiner eigenen gereimten Lukanübersetzung an, Gottsched hat dann
(XI, § 15) dieselbe Stelle nach dem Original und nach Pietschens Uebersetzung citiert.
Nachdem so Pietsch seine Hypothese genügend begründet zu haben glaubt, wendet
er sich den Worten zu. Prosaiker (oratores) und Poeten bedienten sich desselben
Wortschatzes, nur bildeten die Dichter aus metrischer Nötigung oder zur lebhafteren
Abschilderung' der Dinge neue Wörter, deren Anwendung dem Prosaiker zu wider-
raten sei; wieder führt er einige Beispiele an, die seine Lehre erläutern können und
das UnmögHche gewisser poetischer Wörter in der Prosa zeigen. Die Dichter unter-
scheiden sich von den Prosaikern durch Erfindung und Stilcharakter; während der
Prosaist nur die vorhandenen Dinge behandelt, bringt der gleichsam göttlich be-
geisterte Dichter nicht vorhandene hervor, wodurch er die verborgene Wahrheit in
helles Licht setzt, sie durch Schönheit gefälliger (gratiosior), durch Erhabenheit
verehrimgswürdiger macht. Durch Ungewöhnliches erregt der Dichter Bewunderung,
durch Hypotypose packt er stärker (vivacius percellat), durch die erhabene Idee
reisst er hin (altius extollat), durch Anmut nimmt er ein, und so trennt sich die
Poesie von der ungebundenen Rede durch eine breite Kluft; an der Aeneide zeigt
dann Pietsch, wie der Dichter durch Erfindung aus der Prosa Poesie macht. Indem
sich Pietsch dann zum Stil wendet, bedauert er, auf dem engen Raum einer Disser-
tation den Gegenstand nicht erschöpfen zu können, hebt aber hervor, dass beim
Poeten alle Bemühung darauf abziele, Bewunderung zu erregen; dies erreiche er
auch, durch die Diktion, die sich von der gewöhnlichen durch raritas unterscheiden
müsse. Die Figuren heben die poetische Rede von der gewöhnlichen ab, die Tropen
legen der gewöhnlichen Bezeichnung fremde Bedeutung bei. Durch die Tropen
kann der Dichter steigern und schwächen, Vergnügen und Schmerz hervorrufen,
ja Schrecken einjagen. Zwar bedient sich auch die Prosa dieses Schmuckes, aber
anders als die Poesie, bei welcher die Figuren gewählter und stärker, die Tropen
erhabener, die Beiwörter ungewöhnlicher und häufiger seien. Für den Gradunter-
schied Hesse sich keine Regel, nur der Gebrauch anführen, wieder Beispiele, aus
denen der Unterschied erhellt. Zum Schlüsse seines bedeutsamen Programmes be-
tont Pietsch noch, dass jede Dichtungsgattung ihren besonderen Stil verlange. R.
hat durch den Neudruck der beiden Programme der Poetik einen Dienst geleistet;
es wird nun der Einfluss auf Gottsched und seine Zeit untersucht werden müssen,
was nicht uninteressant ist, da wir auf unserem Gebiete noch wenige ideengeschicht-
liche Specialuntersuchungen besitzen.'*^"*) —
Corneille gegen Lessing, dem er Unduldsamkeit auf dem Gebiete
der Tragödie vorwirft und den Namen eines „Goeze der Tragödie" beilegt, ver-
teidigt Grucker'-*); auch wirft er Lessing vor, er habe die klassische französische
Tragödie nicht verstanden, sie nur für eine Nachahmung der antiken gehalten, nicht
als eine Originalschöpfung zur Vereinigung der klassischen Tradition mit dem
modernen Geiste der Gesellschaft des 17. Jh. erkannt. Chuquet sieht in dem Hefte,
berg i. Pr., Beyer. 1892. 81 S. M. 2,00. i[G. Waniek: ADA. 19, S 2537; M. K.: LCBl. 8.19-20; 0. Erdmann: ZDPh. 25,
S. 565/6.JI (Sonderabdr. aus AUprMschr. 29, S. 70-150.) — 4a) X Fanl Fischer, Gottsched u. sein Kampf mit d. Schweizern.
Progr. Greifenberg (Pommern). 1892. 20 S. |[G. Waniek: ADA. 19, S. 2Ö6 7.]| (Unselbständ. Kompilation.) — 4b) O
J. Bintz, D. Einfluss d. Ars poetica d. Iloraz auf d. dtsch. Litt. d. 18. Jh. Progr. Hamburg. 4". 37 S. |[H. Morsch:
WSKPb. 10, S. 689-90.] I — 5) O Condillac, Traite des sensations. 1. partie, publiee avec une introd., un extr. raisonne du
Traite des sensations de Condillac et des notes par T. V. Charpentier. (= Classiques fran9ais.) Paris, Hachette. 16".
159 S. Fr. 1,50. — 5a) X W. Ulrich: Boilean (rgl. JBL. 1892 I 11:7): RhBllEU. 67, S. 82,3. — 6) O E. Krantz,
Introd. ä l'hist. des doctrines class. (= Extr. des AnnEst.) Paris et Nancy, Berger-Levrault. 24 S. — 7) X B- Sommer,
Grundzöge (vgl. JBL. 1892 I 11:2) |(LCBl. S. 1033-40; BayreuthBll. 16, S. 339-48.]| — 8) X A. Wünsche, Psychologie
n. Aesthetik d. vorigen Jh. in ihrem gegenseitigen Verhältnisse: AZgi*. N. 103/4 (Hebt d. Partien über Lessing, Kant n.
Schiller hervor.) — 9) E. G rucker, La Dramaturgie de Lessing, Corneille, Aristote et la tragedie fran9ai8e. Paris et Nancy,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 22
I 12:10-12 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
das er ein „excellent travail" nennt, wie in jenem über Laokoon (vgl. JBL. 1892
IV 6:10) Kapitel aus dem zweiten Bande der „Histoire des doctrines litteraires et
esthetiques en Allemagne/'^^) —
Den Einfluss Homes auf die deutsche Aesthetik hat Wohlg-emuth^^) mit
einer Darstellung" von Homes Aesthetik verbunden. Er zieht ausser den „Elements
of criticism" auch die „Essays on the principles of morality and natural religion" her-
bei, weil dies Werk von der Aesthetik noch nicht berücksichtigt wurde, obwohl es
wichtig" ist. Klar, bündig" und übersichtlich entwickelt W. die Ansichten Homes,
wie sie sich zerstreut in seinen Essays vorfinden, und kennzeichnet ihre Stellung in
der Entwicklung der Aesthetik. So wird einerseits Homes Verhältnis zu Hogarth
und Burke verständig beurteilt, andererseits seine Bedeutung für Kant, Schiller und
Lessing im einzelnen erwiesen. Vor allem ist Home ein Vorläufer der Kantschen
Ansicht vom interesselosen Wohlgefallen, indem er „eine innerliche Regung der Seele,
die wieder vergeht, ohne Verlangen zu wecken", „Bewegung" nennt, und von der
Verlangen erweckenden „Leidenschaft" unterscheidet; die „Bewegungen" sind ruhig,
die Leidenschaften treiben zu Handlungen; die „Bewegungen" werden durch die
ästhetischen Gegenstände hervorgerufen. Auch für die Bestimmung des ästhetischen
Urteils und seiner Natur hat Home dem Königsberger Philosophen vorgearbeitet; er
behandelt den Widerspruch, dass man über den Geschmack nicht streiten müsse,
wir aber doch guten und schlechten Geschmack unterschieden, und erklärt ihn aus
einer subjektiven Regel des Geschmackes: wir fühlen die gemeinschaftliche Natur
des Menschen und leiten aus diesem Gefühl den gemeinschaftlichen Geschmack ab;
dies erinert an die „subjektive Allgemeingültigkeit", die Kant dem ästhetischen Ur-
teil zuerkannte. Wenn Home neben der „eigenen Schönheit" eines Gegenstandes,
die nur eine Kombination verschiedener einzelner Schönheiten ist, eine „Schönheit des
Verhältnisses" (relative beauty) erkennt, so werden wir an Kants „freie" und „an-
hängende" Schönheit, wie an Fechners „direkten" und „associativen" Faktor gemahnt.
Wie für Kant liegt auch für Home die Schönheit nur im erfassenden Subjekt und
ist keine wirkliche Eigenschaft der Körper. Für Schiller hat nach W.s Ausführungen
Home dadurch vor allem Bedeutung, dass er die ästhetische Erziehung des Menschen
ähnlich wie Schiller erfasste, dass er ferner die ästhetische Stimmung als einen Mittel-
zustand zwischen Anspannung und Ruhe ansah, und dass er endlich „von unserem
Vergnügen an traurigen Gegenständen" handelte. Der Einfluss Homes auf Lessing
betrifft vor allem die Lehre von der Tragödie, Furcht und Mitleid mit ihrer Katharsis,
die Verwerfung des klassizistischen Dramas der Franzosen und die Bewunderung
Shakespeares, die drei Einheiten. W. hat sorgsam die. wichtigsten Seiten seines
Themas erwogen und selbständig, ohne sich durch Autoritäten blenden zu lassen,
zum Teil im Widerspruche zu Zimmermann und Schasler, bearbeitet. Von seinen
Berichtigungen fremder Irrtümer sei erwähnt, dass der zuerst von Hettner, dann
von Kanngiesser (Die Stellung M. Mendelssohns in der Aesthetik) behauptete Einfluss
Homes auf Mendelssohn sich nicht aus der Schrift „über das Erhabene und Naive"
erweisen lasse, weil nicht der erste Druck in der Bibliothek der schönen Wissen-
schaften mit den philosophischen Schriften von 1771 verglichen werden dürfe, sondern
die beiden Ausgaben von 1761 und 1771; zwischen beiden aber bestehen keine Ver-
schiedenheiten im Sinne Hettners, was der Fall sein müsste, da Homes Grundsätze
der Kritik erst 1762 erschienen. —
Zur Aesthetik derKlassikerw ur den aus dem Nachlasse des unserer Wissen-
schaft zu früh entrissenen Heinrich von Stein ^ 2) seine Berliner Vorlesungen bequem
zugänglich gemacht, nachdem sie schon in den „Bayreuther Blättern" (1887) ge-
standen hatten; eine kurze Biographie und Würdigung St.s ist beigegeben. Diese
Publikation verdient die vollste Beachtung, denn sie bietet viel mehr als der kurze
Titel besagt; wir erhalten eine lichtvolle Darstellung des Freundschaftsbundes
zwischen Goethe und Schiller mit Ausblicken nach allen Seiten. Mit sicherer Hand
zeichnet der Vf. die geistige Lage, in der sich die beiden Freunde fanden, um zu
erforschen, was sie zusammenführte und innig verbinden musste; dann wird das
Wesentliche ihres gemeinsamen Wirkens, endlich das Nachleben bei Goethe von hohem
Standpunkte aus entwickelt. Die Vorträge sind reich an glücklichen Beobachtungen,
an feinsinnigen Erkenntnissen und überzeugenden Aussprüchen; ein echt historischer
Sinn verrät sich allenthalben, die philosophische Auffassung verhilft zur prinzipiellen
Ausnutzung des Gefundenen, die warme Begeisterung zu einer schönen Schilderung
der Persönlichkeit. Den Schneidepunkt ihres Wesens erkennt St. in Goethes An-
sicht vom Stil, bei dem sich der Künstlergeist in das Objekt verliert, „um diesem
Berger-Levrault. 49 S. |[A. Ch(nquet): RCr. 36, 8.420/ 1.]| (Extr. des AnnEst.) (S.U.IV6.) — 10) 0. Schöndörffer, Kants
Definitiou vom Genie. Rede, geh. in d. Kant-Ges. am 22. April : AltprMschr. 30, S. 213-28. — 11) J. W o h 1 g e m u t h , H. Homes Aesthetik
u. ihr Einfluss auf dtsch. Aesthetiker. Diss. Rostock. 77 8. — 12) K. H. v. Stein, Goethe u. Schiller. Beitrr. z. Aesthetik
d. dtsch. Klassiker. Kach seinen an d. Univ. Berlin geh. Vortrr. aufgezeichnet. (= ÜB. N. 3090.) L., Reclam. 127 S.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : i2a-i5
dadurch eine Fülle des Sinnes und Gehaltes und eine sonst nie g-ehörte Sprache zu
verleihen", und in Schillers Bestimmung- des Idealen, der inneren Vollendung- des
betrachtenden und schaffenden Geistes. Die gemeinsame Tendenz der beiden Klassiker
lasse sich in den Satz zusammenfassen: „Die Kunst beruht auf dem Wesen der
Dinge" oder, wie Schiller insbesondere lehre: „Die Kunst beruht auf dem Wesen des
Menschen". In den Briefen über ästhetische Erziehung, in Wilhelm Meisters Lehr-
jahren wird das Gemeinsame theoretisch und praktisch vertreten, im „W^allenstein"
der Versuch auf der Bühne gewagt und in der weiteren Reihe der Schillerschen
Dramen „das Vertrauen in das Ideal" begründet. In den Schriften über naive und senti-
mentalische Dichtung und über Epos und Drama sieht der Vf. nicht nur Beiträge
zur Poetik, sondern den Entwurf zu einer Aesthetik der Dichtkunst; nach den theo-
retischen und künstlerischen Arbeiten der beiden müsse man den ästhetischen Be-
griff des Dichterischen auszusprechen versuchen (S. 75) : „Poetisch ist das Empfundene,
das durch und durch beseelte Wort". Poetisch werden wir ein Werk nennen, „in
welchem jedes Gebilde in Charakteren und Situation, jeder Vers, jeder Vergleich, ja
die Schreibweise und Interpunktion Gefühl verrät, eine bestimmte Art, so und nicht
anders zu empfinden, zum Ausdruck bringt". Dieser Gedanke St.s lässt sich
für den Begriff der Poetik ausnutzen, den Scherer nur unbefriedigend darzustellen ver-
mochte (Poetik S. 32). Als Symbol für Schillers Wesen nimmt der Vf. den Herkules,
wie er denn meint, dass auch Goethe in Chirons Charakteristik der Argonauten unter
Orpheus Wieland, unter Lynceus Herder, unter Herkules aber Schiller verstanden
habe; für Goethe weist er das Symbol des Olympiers zurück, wählt den Dionysos
wegen seiner „rhythmischen Beherrschung des Un- und Uebermasses." — Dasselbe
Thema 12a) ^je Stein hat Dessoir^**) zum Gegenstand einer halb populären Dar-
stellung genommen, indem er sich auf den Standpunkt der Psychologie stellt und
auch auf Herder und die Genieperiode zurückgreift. Anders als Stein, von dem er
übrigens sichtlich beeinflusst ist, hebt D. mehr das Goethe wie Schiller besonders
Eigene hervor, also nicht das Gemeinsame, sondern das in gewissem Sinne Verschiedene,
Selbständige. Dabei bemüht er sich zu zeigen, dass die Aesthetik unserer Klassiker
unserem modernen Empfinden näherstehe als die zeitlich spätere Schönheitslehre der
spekulativen Philosophie. Bei Goethe stellt D. die Entwicklung der Ansichten dar, bei
Schiller mehr das System; dort tritt der Zusammenhang mit der bildenden Kunst
und der Naturwissenschaft, hier mit der vorausgegangenen Philosophie deutlicher
hervor. Die Anregungen der Sturm- und Drangzeit mit ihrem Kultus der Indivi-
dualität, und der historische Sinn Herders kehren bei den Klassikern abgeklärt wieder,
werden aber so umgestaltet, dass ein Neues entsteht. Hatte die Philosophie der Auf-
klärung allen Menschen die gleiche Vernunft zugesprochen und durch diese
Schabionisierung oder Generalisierung gefehlt, war dann die Genieperiode nach der
anderen Seite zu weit gegangen, da sie die allgemeingültigen Regeln verwarf und
der subjektiven Willkür des individuellen Gefühls das Wort redete, so vermittelte
niui der klassische Idealismus zwischen den beiden Extremen, indem er den Gefühlen
des Individuums nur dann Wert zuerkannte, wenn sie das Bleibende spiegeln, zu-
gleich aber dieses Bleibende nicht in Begriffen, sondern in jenem Unerforschüchen
fand, das nur die Kunst durch das Bild darzustellen vermag. Indem aber Schiller
und Goethe in ihrer Beziehung zu Kant und zur Antike die Form überschätzt hätten
und doch zu einem mehr begrifflichen Verfahren gedrängt wurden, sei „jene neue
metaphysische Methode" entstanden, „die der psychologischen Grundlegung der
Aesthetik nachteihg werden musste". So hat D. einen wichtigen Moment aus der
Geschichte der Aesthetik übersichtlich und prägnant behandelt, ^^a^ _ Dem viel-
behandelten Thema von Schillers Aesthetik hat Gneisse^*) neue Reize abgewonnen,
wofür ihm Wychgram^^) das Zeugnis ausstellt, sein Buch sei zwar „eine recht
schwierige Lektüre", aber „eine sehr bedeutende Leistung". Dieses Urteil wird sich
uns im Lobe bestätigen; G. hat mit Verständnis und Geschick aufzuzeigen gesucht,
dass in Schillers philosophischen Aufsätzen die Erkenntnis ästhetischer Verhältnisse
der einzige Richtpunkt seines Forschens, die Behandlung ethischer Fragen durchaus
nur Nebensache ist, weil es sich bei Schiller darum handeln musste, die Grenzstreitig-
keiten zwischen Ethik und Kunst als ungereimt nachzuweisen. Der Vf. findet bei
Schiller alle in das Gebiet der Aesthetik einschlagenden Fragen behandelt oder
wenigstens soweit berührt, dass ihr Zusammenhang mit den Grundanschauungen
seines ästhetischen Systems erhellt würde. Drei Hauptgruppen lassen sich vereinigen,
insofern diese Fragen sich entweder auf die Natur und den Wert des Bewusstseins-
inhaltes beziehen, der mit der Auffassung des Schönen verknüpft ist, oder auf die
M. 0,20. llAZgB. N. 191.]i (S. n. IV 9 : 39.J — 12a) 0. Harnack, D. klass. Aesthetik (vgl. JBL. 1892 I 11 : 4): WIDM. 73,
S. 557. — 13) M. Dessoir, Ueber d. Aesthetik unserer Klassiker: ib. 73, S. 488-500, 697-709. — 13a) O F. Poske, D. Aesthetik
unserer Klassiker: DWßl. S. 437/8. — H) H. Gneisse: Schillers Lehre v. d. ästhet. Wahrnehmung. Berlin, Weidmann.
XI, 236 S, M. 4,00. |[0. Harnack: DLZ. S. 1394/6 (im ganzen zustimmend).]] (S. u. IV 9:38.) — 15) J- Wychgram,
22*
I 12 : 15 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Bestimmung desjenig-en an diesen Dingen, was diesen Bewusstseinsinhalt hervorruft,
oder endlich auf die Mittel und Wege, vermittelst deren die Kunst unserem ästhe-
tischen Bedürfnis zu g'enügen sucht. Die Aesthetik zerfällt demnach in die Lehre
von der Wahrnehmung, Beschaffenheit und Hervorbringung des Schönen. G. greift
aus der Fülle dieser Untersuchungen die Lehre von der ästhetischen Wahrnehmung
heraus, weil sie am wenigsten gewürdigt wurde, und doch für das ganze ästhetische
Wissen die Bestimmung der seelischen Vorgänge, die sich in uns abspielen, wenn
ein Ding als schön oder erhaben unserem Bewusstsein gegenständlich wird, schliess-
lich am wichtigsten ist. Er geht nun so vor, dass er Schillers Lehre von der ästhe-
tischen Wahrnehmung nach jenem Werke genau darstellt, in dem sie am voll-
ständigsten erscheint, nach den „Briefen über die ästhetische Erziehung* des Menschen",
um von hier aus Licht zu verbreiten über die vorhergehenden und folgenden
Schriften. Sein Bemühen ist darauf gerichtet, die Ausdrücke mit den Begriffen
immer genau in Uebereinstimmung zu bringen und unserem heutigen Gebrauche
nahe zu rücken; wie sehr dies nötig ist, hat schon die Darstellung Sommers (vgl.
JBL. 1892 I ll:2j dargethan. Langsam, dem allgemeinsten Verständnis entgegen-
kommend, entwickelt G. die wichtigsten Begriffe, so dass es nur eines aufmerksamen
Folgens bedarf, um in das Verständnis des Gegenstandes einzudringen. So lässt
der Vf. zuerst die drei Bewusstseinsgebilde der Wahrnehmung: Empfindung, Schein,
Gedanke vor uns entstehen, dann die drei entsprechenden Zustände des wahr-
nehmenden Geistes: Empfinden, Betrachten, Denken, physische Gebundenheit, ästhe-
tische und moralische Freiheit oder physischer, ästhetischer und moralischer Zustand,
weiter dann die Bedingungen der Wahrnehmung : im physischen Zustande wirkt der
wahrnehmende Geist als Einbildungskraft oder Sinn (sinnlicher Zustand), im mora-
lischen als Verstand oder Vernunft (vernünftiger Zustand), im ästhetischen dagegen
als Sinn und Vernunft zugleich (sinnlich-vernünftiger Zustand). G. entwickelt die
drei Triebe, den Stoff-, Spiel- und Formtrieb, welche den drei Zuständen kongruieren,
endlich die mit dem sinnlichen Zustand zusammenhängenden Aeusserungsformen :
Gefühl (Lust oder Unlust), Affekt, Begehren. Dann wendet er sich dem mit der
Auffassung des Aesthetischen verknüpften Erkenntnisvorgange und dem mit
ihm verbundenen (Lust-)Gefühl zu, indem er Schillers Theorie klar, doch nicht, ohne
auf ihre Lücken hinzuweisen, nach allen Seiten entwickelt; er zeigt also, warum wir
das Schöne im Zustande des Betrachtens wahrnehmen, woher unsere Voraussetzung
von der Allgemeingültigkeit des Schönen stammt, worin die ästhetische Lust besteht,
wodurch sich die ästhetische Stimmung auszeichnet, weshalb die Auffassung des
Schönen bestimmten Entwicklungstufen der Menschheit und des einzelnen Menschen
entspricht, wieso wir dazu kommen, mehrere Arten des Schönen zu unterscheiden,
die schmelzende Schönheit oder das Schöne im engeren Sinne für den einseitig an-
gespannten, die energische Schönheit oder das Erhabene für den abgespannten
Menschen, das Idealschöne, das sowohl ein Schönes als ein Erhabenes ist. Mit
Schiller, kehrt er dann zu dem Begriffe des Spieltriebes zurück und charakterisiert
die drei Aeusserungen, das Schöne wahrzunehmen, es im Handeln darzustellen und
es als Künstler zuerst in reproduzierender Betrachtung, als ästhetischen Schein, zu
erzeugen. Durch diese systematische Darstellung hat G. allerdings den Kern von
Schillers System zur Anschauung gebracht, wie er sich an den verschiedenen Stellen
der „Briefe" findet; indem er dann den Gedankengang dieser „Briefe" darlegt, er-
leichtert er die Nachprüfung, nimmt aber auch die Gelegenheit wahr, die Irrtümer
zu beheben, die aus Schillers Darstellungsart folgen mussten. Er fasst Schillers
Lehre vom Schönen in drei Sätzen zusammen : „Schön ist der Gegenstand, welcher,
auf der Stufe sinnlich-vernünftiger Thätigkeit, im Zustande des Betrachtens, zu
unserem Bewusstsein g-elangend, unserem Gemüte zu einem Maximum seiner Kraft-
äusserung Veranlassung giebt". „Erhaben ist der Gegenstand, welcher, auf der
Stufe des Betrachtens zu unserem Bewusstsein gelangend, das gleichmässig (sinn-
lich und vernünftig) erschlaffte Gemüt zu einem Maximum seiner Kraftäusserung
erhebt; schön im engeren Sinne ist der Gegenstand, welcher auf der Stufe des Be-
trachtens zum Bewusstsein gelangend, das einseitig erschlaffte Gemüt zur allseitigen
Energie erhebt". „Schön ist der Gegenstand, welcher, auf der Stufe sinnlich- ver-
nünftiger Thätigkeit, im Zustande des Betrachtens, zu unserem Bewusstsein gelangend,
höchste innere Notwendigkeit und Unendlichkeit zeigt, und unserem Gemüte zu einem
Maximum seiner Kraftäusserung Veranlassung giebt". Das Wesentliche von G.s
Resultaten besteht in der Erkenntnis, dass auch der gewöhnliche Wahrnehmungs-
vorgang sich den Grundzügen entsprechend abspielt, in denen „die Wahrnehmung
des Schönen wie die ganze Entwicklung der Bildung des einzelnen Menschen und der
gesamten Menschheit vor sich geht", dass Schiller „die Auffassung, die Ausübung
und die künstlerische Hervorbringung des Schönen im Zusammenhange der auf die
Wahrnehmung, Gestaltung und Nachbildung der Welt überhaupt gerichteten seelischen
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : isa-ie
Thätigkeit des Menschen" klarstellen wollte. Mit einer übersichtlichen „Tafel der
Bewusstseinsgebilde" schliesst dieser Hauptteil des ganzen Werkes; was folgt, hat vor
allem den Zweck nachzuweisen, dass Schiller wirklich in den „Briefen" das Problem
von der ästhetischen Wahrnehmung nach seiner Ansicht erschöpfend oder wenigstens
zur Genüge erhellt habe, während er in den vorhergehenden Schriften noch im Un-
klaren war, in den folgenden aber auf dem einmal gewonnenen Standpunkte ver-
harrte. Natürlich benutzt G. die Gelegenheit, manche wichtige Einzelheit zu be-
leuchten und auch zum Verständnisse dieser Schriften das Seinige beizutragen. Der
zweite Hauptteil vergleicht nun Schillers Lehre von der ästhetischen Wahrnehmung
mit den Ansichten Kants und Fichtes, nachdem schon im früheren Zusammenhang
hie und da ein Streiflicht auf das Verhältnis gefallen war. Mit dieser Darstellung
ist aber gewissermassen die historische Kritik über Schillers Lehre verbunden, in-
sofern sie sich als Erledigung jener Schwierigkeiten ergiebt, die von Schillers Mit-
forschern nicht bewältigt worden waren. G. weist, was die Wahrnehmung überhaupt
wie die ästhetische W^ahrnehmung im besonderen betrifft, die Uebereinstimmungen
und Unterschiede nach, macht auf die Ausdrücke aufmerksam, die bei den drei
Philosophen verschiedene Bedeutung haben und fördert so das Verständnis; besonders
in der Lehre vom Trieb nimmt er nur eine allgemeine Anregung Schillers durch
Fichte, keineswegs Uebereinstimmung an und rückt die Bedeutung des Scheins ins
rechte Licht. Durch alles das bestätigt er Schillers Ansicht, er habe mit seiner
Theorie der Wahrnehmung „sein System" gegeben, das vom Systeme Kants wie Fichtes
verschieden sei. Von Kant nimmt Schiller im speciellen der ästhetischen Wahr-
nehmung die Bestimmung des ästhetischen Gefühls im Gegensatze zu den anderen
Gefühlen herüber, gewinnt aber durch den „Schein" das Mittel, die Wahrnehmung
des Schönen vom Denkakte zu trennen, die Möglichkeit verschiedener Erscheinungs-
formen des Schönen zu erklären, das Erhabene mit dem Schönen zu vereinigen, die
objektiven Merkmale des Schönen zu finden und der Lust die richtige Stelle zuzu-
weisen. G. kommt zu dem Resultate, dass gerade in seinem Verhältnisse zu der
ästhetischen Lehre Kants Schiller gezeigt habe, ein wie „eminent wissenschaftlicher
Kopf er war, der, was sein Meister erdacht hatte, mit selbstschöpferischer Arbeit
weiterführte". Im Schlussabschnitte skizziert G, noch eine Kritik von Schillers Lehre,
indem er die psychologischen Theorien der Gegenwar-t mit ihr vergleicht, dann die
nachschillerischen ästhetischen Theorien auf unsere Frage hin durchnimmt, also
Schelling, den von Schelling ganz abhängigen Schopenhauer, Hegel, bei dem sich
der Einfluss Schillers schon deutlich zeigt, obwohl auch er, wie die beiden anderen,
in der ästhetischen Wahrnehmung eine reinere Form des Denkens sah ; Zimmermann,
der mit Unrecht Schiller als Formalisten beanspruchte. Siebeck und von Kirchmann,
die alle drei der Wahrnehmung des Schönen eine besondere Art der Erkenntnisse zu-
schreiben; ferner Carriere und von Hartmann, die aus der sinnlichen Empfindung
die Wahrnehmung des Schönen zu erklären suchen; endlich Schasler, der auf jenem
von Schiller später verlassenen Boden der Briefe an Kömer verharrte. Mit wenigen
Worten macht G. noch auf die Lücken in Schillers Darstellung und Beweisführung
aufmerksam und kennzeichnet so die Aufgabe für die moderne Psychologie, ein System
der Aesthetik zu geben, „wie es Schiller vor der Seele stand, und wie er es nur in
lückenhaftem Grundriss zu entwerfen vermochte". Ein praktisches „Verzeichnis
der Kunstausdrücke" schliesst das Buch, dessen eben entwickelter Gedankengang den
besten Beweis für das klare und scharfe U^rteil des Vf. liefert; es wird sich niemand
dem Studium dieses Werkes entziehen dürfen, der für das Wesen der ästhetischen
W'ahrnehmung und für Schillers Anteil am Aufbau der Aesthetik Interesse hat. 1^=^) —
Beachtenswert ist der Versuch Harnacksi^t), den Einfluss von K. Ph. Moritz auf
seine deutschen Zeitgenossen, besonders auf Goethe zu skizzieren. —
Den vierten Teil von Larrournetsi^") Buch nimmt eine Studie über die
Schauspielerin Adrienne Lecouvreur ein, ein grösserer Aufsatz aber gehört in
unseren Zusammenhang, da er sich mit dem Gegner Molieres Baudeau de
Somaize beschäftigt, der durch sein „Grand dictionnaire historique des Precieuses"
wichtig ist. —
Wenn Henzen ^6) an der Hand der „Memorie" schildert, wie Carlo Goldoni
zur Reform der italienischen Komödie gelangte und sie durchzuführen vermochte,
streift er auch Fragen, die für uns wichtig sind, besonders die Frage der drei Ein-
heiten, von denen Goldoni nur die Ortseinheit leicht nahm, dann das künstlerische
Schafi'en. H. übersetzt jene Partien, die von Goldonis Arbeitsweise handeln. Der
Dichter hatte anfangs vier Operationen nötig: 1. Plan und Verteilung des Planes
Nene Schiller-Litt. : BLU. S. 389. (S. n. IV 9 : 38.) — 15a) Ch. Benard, F. Montargis: L'estlietiqne de Schiller (vgl.
JBL. 1892 IV 9:35): RPhilos. 36, S. .303-10. (S. n. IV 9 : 37.) — 15b) 0. Harnack, R. Mengs Schriften n ihr Einfluss auf
Lessing u. Goethe: ZVLR. 6, S. 267-74. — 15 C) G. Larroumet, Etudes de critique et d'art. {= Bibl. variee.) Paris,
Hachette et Cie. 16«. 381 S. Fr. 3,50. i[F. Hemon: KCr. 36, S. 341,6.]| — 16) W. Henzen, Goldoni als Dramaturg:
I 12 : 17-26 b R, M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
auf Exposition, Verwicklung" und Auflösung"; 2. Einteilung" der Handlung" auf Akte
und Scenen; 3. Dialog-isierung- der interessantesten Scenen; endlich 4. die Dialog"i-
sierung" des ganzes Stückes. Dabei begeg-nete es ihm nun oft, dass er bei der
vierten Operation alles wieder umändern musste, was er bei der zweiten und dritten
geschaffen * hatte. „Die Gedanken kommen einer nach dem anderen, eine Soene
bringt eine andere hervor, und ein zufällig gefundenes Wort giebt manchmal einen
neuen Gedanken an die Hand." Um das Nutzlose der Arbeit zu vermeiden, ver-
suchte nun Goldoni eine Vereinfachung der Operationen, und wirklich gelang es ihm,
alle vier in eine einzige zusammenzuziehen : nach allgemeiner Feststellung des Planes
beginnt er mit der Ausarbeitung bei Akt I, Scene 1 und fährt so von Scene zu
Scene bis zum Schlüsse fort. An Goldonis Behandlung des Don Juan-Stoffes wird
seine Abneigung gegen das Volkstümliche und das Phantastische dargelegt und
seine moralische Tendenz gezeigt. Schliesslich erweist H. aus Goldonis Brief an
Cornet, dass ihm der satirische Zeitspiegel im Sinne des Aristophanes als Ideal der
Komödie erschien, dass er es aber mit Rücksicht auf die Zeitverhältnisse unterlassen
musste, die Verwirklichung dieses Ideals anzustreben. i''" 21^ —
Nekrologe. Von dem in Jena verstorbenen ausgezeichneten Psychologen
Adolf Horwicz rühmt ein kurzer Nachruf^^^ besonders die von der Strassburger
Akademie (1867) gekrönte Preisschrift „Grundlinien eines Systems der Aesthetik". —
Von Friedrich Vischer entwirft Ziegler 23) mit strenger Objektivität
ein etwas hartes Porträt; er erkennt Vischers Bedeutung dankbar an, ist aber nicht
blind gegen seine Schwächen und Fehler; seine persönliche Eitelkeit, sein Selbst-
gefühl wie seine Neigung, viel von sich zu sprechen, sich gründlich zu analysieren
und „soviel von seinem Temperament und seiner allerindividuellsten Eigenart in
seine Schriften" herüberzunehmen, wird ihm vorgehalten. Aus der Geschichte seiner
Entwicklung sucht Z. das Verständnis für seine Persönlichkeit zu gewinnen, wobei
er die vielen Widersprüche seines Wesens erklärt. Sein Bildungsgang kommt klar
zu Tage, seine Leistungen werden kritisch erwogen. An der „Aesthetik" rühmt der
Vf., was zu rühmen ist, beklagt den Hegeischen Schulton und die mangelnde Er-
kenntnis, dass Aesthetik angewandte Psychologie, nicht Metaphysik sei, wobei er
aber aufmerksam macht, dass gerade dieses Metaphysische Vischer „vor der grossen
Verirrung der ästhetischen Wissenschaft, vor der sogenannten Formalästhetik der
Herbartianer" schützte. Z. verfolgt die allmähliche Wandlung von Vischers ästhe-
tischen Ideen bis zu seinem Symbolbegriff, der Einfühlung, Beseelung, Seelen-
leihung, und warnt vor dem pietätvollen Sammeln eines ästhetischen Systems aus
Vischers Mss. für seine ästhetischen Vorlesungen; daraus würde sich nur nochmals
zeigen, „dass das Psychologische und das Physiologische, das Empirisch-Induktive
überhaupt, nicht die Stärke des alten Hegelianers war". Z. rühmt Vischers Be-
mühungen um das Verständnis des Faust, verwirft aber die Schnurre des dritten
Teils. Dem Politiker folgt Z. nach Frankfurt und Stuttgart, dem akademischen Lehrer
in den Hörsaal, dem Manne auf die Irrwege seines Lebens. Den Zwiespalt in
Vischers Wesen bezeichnet Z. scharf mit den Worten: „Bestand nicht die Tragik
seines Lebens gerade darin, dass er naiv sein, haben, darstellen wollte und doch vor
lauter Reflektieren darüber immer weniger dazu kam?" Auch als Redner soll er sich
gleichsam beständig über die Schulter geblickt und beobachtet haben, ob er es gut
mache; er habe seine Rede recht naturwüchsig machen wollen, dabei ging im
künstlichen Reflektieren die Natur, vor allem das Schlichte und Einfache verloren.
Mit Humor hat Vischer den Zwiespalt seines Wesens „überwunden — nicht aus-
geglichen; denn der Humor ist selbst ein unausgeglichen Zwiespältiges, und einen
naiven Humor giebt es trotz Vischer nicht". Zu den Grössten unseres Volkes
rechnet Z. den Vf. von „Auch Einer" nicht, aber zu den immer seltener werdenden
originellen , knorrigen Gestalten und energischen Oharakterköpfen und schliesst
darum nicht mit der Entschuldigung: es muss auch solche Käuze geben, sondern
mit dem W^unsche, „möge es Deutschland nie an solchen Männern fehlen". —
Seinem Lehrer Wilhelm Lübke widmet Gurlitt^*) einen warm em-
pfundenen Nachruf2s-26), in dem er ihn mit Vischer zusammenstellt und einzelne Er-
innerungen an seine Stuttgarter Lernzeit bei beiden giebt. „Besonnenheit" rühmt er
ihm besonders nach. —
BLU. S. 497-500. — 17) O E- Presber, A. Schopenhauer als Aesthetiker verglichen mit Kant n. Schiller. Diss.
Heidelberg. 99 S. — 17a) O J. G. Freson, L'esthetiqne de E. Wagner. Essais de philos. de l'art. 2 Bde. Paris, G. Fisch-
bacher. 16». Fr. 7,00. — 18) X W. Bormann, H. Lentliold u. d. dichterische Formbegriff: AZg". N. 196. — 19) X (I H : 16.)
— 20) O R. G. M. Browne, The origin, perpetuation and decadence of snpernatnralism: WestmR. 140, 8. 115-25. — 21) O
D. Dorchester, Brownings philosophy of Art: AndoverR. 19, S. 45-60. — 22) Ad. Horwicz: Kw. 6, S. 11. — 23) Theob.
Ziegler, Friedr. Th. Vischer. Vortr. geh. im Ver. fär Kunst u. Wissensch. zu Hamburg. St., Göschen. 47 S. M. 1,20.
|[Geg. 44, S. 431; R. M. Meyer: DLZ. S. 1604/5.1| — 24) (I 11 : 390) — 25) X W. Löblce: Kw. 6, S. 220. (Kurzer Nachruf.)
— 26) X W. Labke: Atelier N. 60. - 26a) 0. Krack, H. Taine (gest. 5. März): VossZg. N. 133, 145. — 26b) (I 1 : 65.) —
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 -. 26c-34
Mehr eine Kritik als einen Nekrolog" Hippolyte Taines g-iebt Krack^ß»),
für uns deshalb interessant, weil Taines Kunsttheorie scharf zerg-liedert und als
• einseitig" bezeichnet wird. Die drei Beg-riffe Erblichkeit, Milieu und Stammeseinfluss
sind einzeln besprochen, auf das richtig-e Mass zurückg-efiihrt und mit den An-
sichten Emile Hennequins verg-lichen. Dem Gesetz des Milieu stellt K. das Gesetz
von der Opposition g'eg-en jede Veränderung entg-eg-en, weil es von Taine wie von
den Evolutionisten übersehen wurde. K. findet nun auch bei Hennequin, dem
Analytiker, dieselbe Einseitig-keit wie bei Taine und erwartet von der Vereinig-ung-
beider Methoden die Zukunft der Kunstkritik. — Spektator^ßb) bemerkt, dass
Taines Nekrolog-isten zeig-ten, wie wenig" er und seine üeberzeug"ung"en Gemeing"ut
seien. Dies wird aus seinem Charakter erklärt, der sich seiner eigenen Theorie gar
nicht fügt. — Dem Kunsttheoriker Taine sucht auch Nasser ^ßc) gerecht zu werden,
verweist aber auf Herder, um darzuthun, dass Taines Prinzip keineswegs neu war;
er bespricht das Milieu, aber er muss zeigen, dass damit nur etwas Richtiges, keines-
wegs das Richtige gefunden ist, ja er verheisst Taines Lehre mehr Wirksamkeit auf
die Kunst als auf die Aesthetik.^^d) —
Von den schulmässigen Zusammenstellungen kann nicht viel Rühmens
gemacht werden, denn selbst die w^eitverbreitete Poetik von GottschalP'') hält
sich mehr an der Oberfläche und hat in der 6. Auflage sogar versäumt, auf die
neueren Untersuchungen unserer Wissenschaft Rücksicht zu nehmen, wenn man
von einem Schimpfworte gegen Scherers „philologische Poetik" absieht. Gerade
ein solches Handbuch, das sich nicht auf die Bedürfnisse der Lehranstalten be-
schränken muss, sollte sich um ein höheres Niveau bemühen.-^) — Aus seiner ver-
fehlten „Deutschen Poetik", über die R. M. Werner (ADA. 16, S. 298—302) scharf
abgeurteilt hat, veranstaltete Beyer 29) einen durchaus nicht zu lobenden „Auszug".
— R. M. Meyer^O) hat noch schärfer als Werner über das Werk abgesprochen, ja
er behandelt es geradezu als Beispiel „philiströser Poetik". — Reichhaltigkeit ohne
allzugrosse wissenschaftliche Strenge strebt Kolck^i) mit seinen ursprünglich für
Landwirtschaftsschulen bestimmten „Grundzügen" an. Doch geht er in manchen
Punkten viel zu weit, so wenn er die Schüler im Deutschen neben Jambus, Trochäus,
Spondeus, Daktylus und Anapäst noch Kretikus, Amphibrachys und Choriambus
unterscheiden lehrt, was nur verwirrend wirken kann; unglücklich ist überdies
sein Beispiel für einen Anapäst „im Gesang", wo die Präposition durch das folgende
schwache e gehoben wird und zur Hebung im Trochäus werden kann. Der Ballast
antiker Ausdrücke fällt ebenso ins Gewicht, wie die oft recht dunkle Beschreibung,
wenn es etwa von den altdeutschen Dichtern heisst, sie hätten nur die Hebungen
gezählt und „die Senkungen regellos dazwischen geworfen"(!l, was noch in volks-
tümlichen Dichtungen, ja auch bei Kunstdichtern vorkomme, obwohl in der heutigen
Poesie die Verse durchweg nach bestimmten Versfüssen gemessen würden. Im
Nibelungenvers bildet „eine überflüssige Senkung" vor der Cäsur den Unterschied
vom Alexandriner. Ebenso verwirrend sind die Bestimmungen über den Stimm-
reim (Assonanz) und über den Vollreim, besonders weil der Vf. hier und ander-
wärts Vorschriften für Dichter, nicht Beobachtungen für Schüler giebt; er lehrt, wie
man es machen soll, nicht was wir in den Dichtungen vorfinden. Wir erfahren
(S. 33), dass „ja alle Poesie belehrend sein muss", darum eine besondere Gattung
der didaktischen Poesie nicht anerkannt werden könne; aus Zweckmässigkeits-
gründen wird sie aber dann doch angenommen. Die Heroide wird zu den Elegien
gerechnet, die Epistel zur lehrhaften Dichtung. Von der subjektiven Poesie (Lyrik)
unterscheidet K. die objektive und sagt: „Die epische und die dramatische Poesie
bilden zusammen (!) die objektive Poesie und zwar die epische vorzugsweise (!)."
Das soll nun ein Schüler verstehen, besonders wenn er dann weiter hört, dass der
Dramatiker das epische und das lyrische Element verbindet. K, verwertet eben
verschiedene fremde Ansichten, ohne selbst zu einer klaren Ansicht durchgedrungen
zu sein; einmal ist Wackernagel, einmal Gottschall sein Gewährsmann, auch wenn
sie nicht übereinstimmen. — An der Darstellung von Schwahn32)^ die sich durch
Kürze auszeichnet, aber nur unter Leitung eines tüchtigen Lehrers gebraucht werden
kann, erscheint mir die Trennung des Lehrstoffes von den Beispielen ungeschickt
und unbequem, die Kürze oft so gross, dass sie zur Dunkelheit wird; im besonderen
jedoch ist die Schrift verständig und frei von Irrtümern. — In der rühmenswerten
Arbeit Lyons^^), die durch Beherrschung des Stoffes angenehm auffällt, ist die
26c) (I 1 : 41.) — 26d) X (I 1 : ''2.) — 27) E. T. Gottschall, Poetik. D. Dichtkunst a. ihre Technik. Vom Standpunkt
d. Neuzeit. 6. Aufl. 2 Bde. Breslau, Trewendt. XXIV, 388 S.; IV, 342 S. M. 10,00. l[LZgB. N. 132.]| — 28) X A. Saleck,
Z. Sprache e. Litt.: BLU. 8.807,9 (Darin e. kurze Verurteilung v. Kleinpauls 9. Aufl. [vgl. JBL. 1892 I 11 : 19], über d. auch
ÖLBl. 2, S. 589 u. DR. 2, S. 393.) — 29> C. Beyer, Kleine Poetik. Für höh. Schulen u. z. Selbststnd. Abriss d. dreibänd.
„Dtsch. Poetik". St., Dtsch. Verl.-Anst. 12». VIII, 127 S. M. 1,00. |[LZgB. N. 55 (sehr anerkennend); COIRW. 21, S. 438.] |
— 30) (I 7 : 45.) |[R. M. Meyer: DLZ. S. 881/3.]| - 3t) (I 7 : 138.) - 32) (I 7 : 144.) - 33) (I 7 : 149.) - 34) XO-Ly on.
I 12 : 35-40 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Lehre vom Vers (S. 1 — 60) viel eing-ehender behandelt, als die eig-entliche Poetik
(S. 61 — 80), trotzdem wird man nichts für die Schule Wichtiges vermissen. ^^-j _
Aus der übrigen Schar der Schulpoetiken hebe ich die durch Börner^s) besorgte
neunte Auflage von Webers Abriss hervor; der Rest^ß-*"*) ist Schweigen. —
Die Ausbeute an Arbeiten über Aesthetik ist in diesem Jahre mehr nach
Zahl als nach Wert reich, vor allem fehlt es an grösseren Darstellungen, so viel auch
Einzelbeobachtungen zu verzeichnen sind. Das Anmutige sucht negativ und
positiv Benini zu bestimmen; es ist das, was in uns Gedanken und Bilder des
Guten, Unschuldigen, der süssen Schwermut erweckt; es kommt daher sowohl unter
der Form des Traurigen als des Heiteren zur Erscheinung. Der Vf. behandelt das
Anmutige in der Natur, in den Gefühlen, in Geist, Moral, Gesellschaft, in den ver-
schiedenen Künsten, endlich den Begriff der Anmut. Perez"*^), dem allein ich die
Kenntnis des Aufsatzes danke, hebt die Feinheit wie den halbpoetischen, aber ganz
passenden Stil hervor. —
Die wichtige Frage nach dem Wesen von Lust und Unlust wird wohl
noch längere Zeit unentschieden bleiben. Gegen Wundts Ansicht, sie seien der Ge-
fühlston, wendet sich Bourdon^^), um die Hypothese zu begründen, die Lust sei ein
Gefühl für sich, nicht ein Allgemeingefühl oder eine Eigentümlichkeit aller Gefühle,
sie ist ihrer Natur nach gleich dem besonderen Gefühl des Kitzels. Kitzel entsteht,
wenn die Haut sehr leicht durch einen mechanischen Reiz getroffen wird; steigert sich
der Reiz, so haben wir den Eindruck der Berührung. Die Lust soll ein ausgedehnter
Kitzel von geringer Intensität sein, umgekehrt der Kitzel eine bestimmt lokalisierte
Lust von grosser Intensität. Wie die Physiologie nachwies, giebt es Nerven, deren
Reiz nicht Lust und nicht Schmerz erregt, so der Gesichts- und der Gehörsnerv;
damit ist Wundts Theorie von Lust und Unlust als Gefühlston widerlegt. B. be-
spricht noch andere Thatsachen, die ebenso wenig überzeugend sind. Er will unter-
schieden wissen zwischen dem Angenehmen und der Lust, wie zwischen dem Un-
angenehmen und dem Schmerz. Das Angenehme könnte durch die Leichtigkeit,
Plötzlichkeit, Energie der Anziehung, des Verlangens, erklärt werden, das Unan-
genehme durch die Zurückweisung, durch den Widerwillen. Das Bittere ist ein
gutes Beispiel für das Unangenehme, nicht Schmerzliche, während z. B. Ammoniak,
Essigsäure, Senfgeist die Geschmacks- und Geruchsnerven schmerzlich erregen. Nicht
alles Angenehme erregt Lust, nicht alles Unangenehme Unlust. B. verfolgt dies
durch die Sinne und beruft sich auf die Thatsachen, z. B. das Vibrieren des Kopfes
beim Aussprechen eines i usw. Er verfolgt auch die inneren Erscheinungen, um seine
Hypothese wahrscheinlich zu machen. Ob auf psychologischem Gebiete seine An-
sicht Billigung finden wird, das weiss ich nicht, die Aesthetik wird mit dem Satze
(S. 233): „Le beau ne fait pas beaucoup plaisir et le laid ne cause pas de douleur
veritable; le beau visuel produit une Impression agreable plutot que du plaisir
veritable et le laid une Impression desagreable plutot que de la douleur" nicht viel
gefördert. — Marshall'*') soll den Zustand der Lust und der Unlust aus der
psychischen Wirkungskraft oder Wirkungslosigkeit der Bewusstseinselemente herleiten,
an die Lust und Unlust geknüpft ist. — Gilman'*^) giebt einen guten Ueberblick über
die verschiedenen Theorien und behandelt selbständig nur die Gewohnheit; nach ihm ist
Lust in der Fertigkeit, Unlust in der Abspannung begründet. Die Quelle jeder Lust
ist die Wiederregung jener Thätigkeit, die von den Nerven gern geleistet wird, die
Quelle der Unlust eine Ueberwältigung der Nervengewohnheit. — Penjon'*^)
sieht die Freiheit als das Wesentliche beim Angenehmen und beim Lächerlichen in
allen seinen Formen an, das Lachen ist der Ausdruck der gefühlten Freiheit oder
unserer Sympathie für bestimmte, wirkliche oder imaginäre Aeusserungen einer
fremden Freiheit, gleichsam in uns der natürliche Widerhall der Freiheit. Das Lachen
ist die sichtbare Freiheit. Er unterscheidet zwei Arten des Spieles: eine, bei der
niemand gewinnt und niemand verliert, die andere, bei der es einen Sieger und einen
Kurzgefasste dtsch. Stilistik. 3. Aufl. L., Teubner. VIII, 94 S. M. 1,00. IfB. Löhner: ZOG. 44, S. 1098.] | — 35) Hugo
Weber, Dtsch. Sprache n. Dichtung oder d. Wichtigste über d. Entwicklung d. Muttersprache, d. Wesen d. Poesie u. d.
Nationallitt. 9. Aufl. her. v. B. Börner. L., J. Klinkhardt. SOS. M. 0,50. — 36) X (I 1 = 79; 7 : 143.1 — 37) X (I 7 = 136.)
— 37») X ff- Sommert, Grnndzüge d. dtsch. Poetik ftlr d. Schul- n. Selbstunterr. 4 durchges. Aufl. Wien, Beermann & Alt-
mann. 103 S. Fl. 0,90. |[0. P. Walze 1: ZOG. 44, S. 542/3.] | - 38) X d 1 = 851^; ' = 141.) — 39) X (I '? = 140.) — 40) X
(I 7 : 139.) - 41) X (I 7 : 137.) - 42) X M. Hoffmann, Leitfaden d. Aesthetik für d. Schal- u. Selbstunterr. 2. (Titel-)
Ausg. Mit 15 Fig. Wien, Beerraann & Altmann. (1891.) VII, 90 S. M. 1,00. — 43) O M. Pilo, Estetica. Mailand, Ulrico
Hoepli. 12". 260 S. L 3,,50. [[M. Dessoir: DLZ. S. 1350 (unnötige Kompilation).]] — 43a) O id., L'estetica psicologica
e la flsiologia del hello di Paolo Mantegazza (Epicuro e Dizionario delle cose belle). Milano, Cooperativa editrice italiuna.
1892. 16°. 323 S. M. 3,00. |[B. Perez: EPhilos. 35, S. 97/8.]| — 44) X Kleine Aesthetik oder kurze Erklärung d. Grund-
begriflfe. I. Vom Schönen. II. V. d. schönen Kunst. III. V. d. schönen Künsten. V. e. Lehrer. Luzern, Gebr. Räber & Cie.
12". 48 S. (Teilweise verwirrende Deflnitionen, teilweise tendenziös gefärbte; im ganzen nicht ungeschickt.) — 45) P.Pörez,
Le gracieux (nach V. Benini): RPhilos. 36, S. 558. — 46) B. Bourdon, La Sensation de plaisir: ib. S. 225-37. — 47) R.
Marshall, Plaisir, peine et Sensation (Referat nach PhilosophicalR. Maiheft): ib. S. 109. —48) B. J. Gilman, Report of an
experimental test of mnsical expressiveness: AmericanJPsychol. 5, S. 42-73. (Vgl. RPhilos. 36, S. 671/2.) — 49) A. Fenjon,
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : co-ssa
Besiegten g-iebt. Er bespricht das Lächerliche im Leben, wie das von der Kunst
beabsichtig-te Komische, dabei auch den Humor. Die deutschen Untersuchung-en
scheinen ihm nicht bekannt zu sein, wie er denn überhaupt auf die Litteratur des
Gegenstandes nicht eing-eht, wodurch der Eindruck des Konstruierten verstärkt
wird. Immerhin muss sein Aufsatz beachtet werden, weil er aus redlichem Be-
mühen hervorg-eht.^^) --
A. von Raciborski^') hat sich in seiner von Zetterbaum sehr mang-el-
haft ins Deutsche übertrag-enen Darstellung- die Aufg-abe gesetzt, mit Hilfe der Natur-
wisseo Schäften einmal die Art und Weise zu zeigen, wie unsere ästhetischen
Urteile durch die Eigentümlichkeiten unserer Sinnesorgane bedingt sind, dann aber
die objektiven Faktoren beim ästhetischen Urteil naturwissenschaftlich zu prüfen.
Er geht von der Thatsache aus, dass uns das gefällt, was angenehm (soll heissen:
was uns angenehm) ist, und das missfällt, was unangenehm ist; also die sinnliche
Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit kommt vor allem in Betracht. Es entsteht
die Frage, ob bei einem so subjektiven Urteile gewisse allgemeine Gesetze möglich
sind? Schon aus den einfachsten Thatsachen der Erfahrung, die er betrachtet, er-
geben sich dem Vf. vier Sätze: 1. Wir begehren im allgemeinen Sinnenreize (denn
der Mangel an Sinnenreizen führt zur Verkümmerung unserer Organe). 2. Wir
begehren sanfte Reize, die keine gewaltsamen Erschütterungen und schnelle Er-
müdung oder gar Schmerz hervorrufen, was die beginnende Vernichtung des ge-
reizten Organs anzeigt. 3. Wir begehren eine Mannigfaltigkeit der Empfindung und
ihre Abwechslung mit Ruhepausen. 4. Wir begehren Empfindungen, die dem
jeweiligen Zustande und den jeweiligen Bedürfnissen unseres Organismus angepasst
sind. Angenehm ist uns also, was zu einer gewissen Zeit unseren Organismus be-
fördert, unangenehm, was ihn beeinträchtigt. R. nimmt die einzelnen Sinne durch,
um zu erkennen, was ihnen angenehm, was unangenehm ist Im zweiten Teil
handelt er dann vom typischen Mass, das in den Objekten erscheint, vom Kanon der
menschlichen Gestalt, vom goldenen Schnitt, fremde Ansichten reproduzierend, die
er mitunter durch Beobachtungen nachprüfte. R. kommt zu dem Resultat: schön
sei ein in seiner Vollkommenheit dargestellter Typus, er sagt auch, schön sei die
vollkommene Darstellung der Typen, nach denen die Natur schafft. Unter den
Typen eines Menschen, eines Löwen, Adlers, Elefanten, Affen, einer Kröte, eines
Regenwurms und einer Mauerassel erkennt er nur eine Hierarchie wegen des
subjektiven Elementes im Schönheitsurteil; schön ist aber der voUkommne Typus
einer Mauerassel auch. Schön wäre nach R. also das Objekt, das den Typus der
Gattung vollkommen zur Darstellung bringt, abgesehen davon, ob es uns angenehm
oder unangenehm ist. Man sieht, dem Vf. schwebt die Hegeische Ansicht vom
Schönen vor, die er mit der Naturwissenschaft in Einklang zu bringen sucht, doch
fehlt ihm jeder philosophische Sinn im Erfassen des Problems, er spielt in rührender
Naivetät mit dem von mehreren Seiten zusammengerafften Wissen und steckt noch
in den Kinderschuhen des Aesthetikers. Er glaubt, die naturwissenschaftlichen
Grundlagen unserer ästhetischen Urteile dargestellt zu haben, thatsächlich streift er
nur einige Punkte, die freilich auch berührt werden müssen. Er spricht von Reiz,
Empfindung, von unserem Schönheitsgefühl nicht wie ein „Professor der Philosophie",
sondern wie ein Dilettant, der mit den Worten nur unklare Begriffe verbindet.
Wem mit der unbeholfenen Uebersetzung eines so unbeholfenen Originals gedient
sein soll, ist mir unerfindlich. Manches, besonders die Ausführungen über den
goldenen Schnitt, macht den Eindruck, als habe sich der Vf. selbst erst Klarheit
verschaffen wollen. — Auf dem internationalen Kongress für Experimentalpsychologie
hielt Widmer^'") einen Vortrag als „Beitrag zur experimentellen Aesthetik" ; er
suchte Zeisings Ansichten über den „goldenen Schnitt" als willkürlich und fehlerhaft
nachzuweisen^*^), da mit dem gleichen Recht andere mathematische Verhältnisse auf
die künstlerische Form übertragen werden könnten. Der Vf. führt das Gefallen an
ästhetischen Formen auf das Gesetz des ästhetischen Kontrastes zurück.^2-54 ^ —
Le Rire et la Liberte: EPhilos. 36, S. 113-40. — 50) X H. MBnsterberg, Beitrr. z. experimentellen Psychologie. Heft 4.
Freiburg i. B, Mohr. 1892. III, 238 S. M. 4,50. |tTh. Ziehen: PhilosMh. 29, S. 473,8.] | (Darin behandelt d. letzte Aufsatz
„Lust u. Unlust".) — 51) A. V. Eaciborski, D. naturwissensch. Grundlagen unserer ästhet. Urteile. Ans d. Polnischen mit
Genehmig, d. Vf. übers, v. M. Zetterbanm. Lemberg, Selbstverl. 124 S. M. 0,50. — 51a) L. Widme r, D. ästhet. Be-
deutung d. raathemat. Proportion für einfache Formen. Vortr. (Referat): Kw. 6, S.U. — 51b) O A. Goeringer, D. goldene
Schnitt (göttliche Proportion) u. seine Beziehung z. menschl. Körper, z. Gestalt d. Tiere, d. Pflanzen u. Kristalle, z. Kunst
u. Architektur, z. Kunstgewerbe, z. Harmonie d. Töne u. Farben, z. Versmass u. z. Sprachbildnng, mit Zugrundeleg. des
goldenen Zirkels dargest. M. 2 Taf. u. viel. Illustr. München, Lindauer. 37 S. M. 2,00. — 52) X A. Ehrhardt, Was ist
schön?: 20. Jh. 1, S. 173-83. — 52a) X H- Taine, Philos. de l'art 6. ed. 2 vol. (= Bibl. variee.) Paris, Hachette et Cie.
16". n, 334 S.; 419 S. Fr. 7,50. — 52b) O M. Griveau, Les Elements du Beau. Analyse et synthfese des faits esthetique
d'apr^s les documents du langage. Onvrage accomp. du 60 tableaux ou schSmas orig. et prec. d'une lettre de M. Snlly-
Prudhomme. Paris, Alcan. 1892. XX, 582 S. i[APC. 27, S. 327;S; L. Arreat: RPhilos. 35, S. 426-32: JSav. 8. 315.]|
- 520) O id., Le probleme esthetique et la statistique des epilhets: APC. 28, S. 138-56, 260-77. — 52d) O C.R.Nyblom,
Skönhetslärans Hufvudbegrepp : SvVAH. 8, S. 231-363. - 53) X (I H = 23.) [[BPhilos. 35, S. 270/l.]| - 53 a) X F- F»l>er,
System (vgl. JBL. 1892 I 11:52). |[0. Harnack: PrJbb. 71, S. 1389; N&S. 64, S. 270 1; R. M. Meyer: DLZ. 8. 401/2;
Jahieaberichte fäi neuere deutsche Litteiaturgesohiohte. lY. ^
I 12:54-60 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Raciborski nimmt Zeisings Ansicht unbesehen herüber. Auch über die
menschliche Gestalt spricht er nicht als Fachmann, wie etwa Brücke^^); dieser
nennt diejenig-e menschliche Gestalt schön, „welche sich in allen Stellungen und in
allen Ansichten, soweit sie in der idealen Kunst überhaupt zur Anwendung kommen,
vorteilhaft verwenden lässt". Er stellt nicht wie Raciborski einen Kanon der mensch-
lichen Gestalt auf mit der Kopflänge als Einheitsmass und den sieben Teilen, die
sich im Verhältnis des goldenen Schnitts gruppieren und in der Höhe von der
Fusssohle bis zum Scheitel, wie von den Mittelfingerspitzen der ausgestreckten
Arme zu einander erscheinen, sondern B. vergleicht die schönsten griechischen Statuen,
die Gebilde der Malerei mit jenen Thatsachen, die sich aus der anatomischen Be-
trachtung des Körpers ergeben, und entwirft nun für den Künstler und den Kunst-
freund jene Verhältnisse, die zur Schönheit der einzelnen Körperteile gehören.
Diese Schönheitsverhältnisse begründet er aus dem Bau des menschlichen Körpers,
aus den Muskeln und ihrem Spiel, aus dem Knochenbau, so dass feste Normen bei
der Beurteilung eines Modells und eines Kunstwerks gewonnen werden. Dabei be-
tont B. durchaus die Wichtigkeit der Linienführung, aber nicht etwa, um Hogarths
Theorie zu vertreten, sondern um den Grundgedanken seines Buches, den ich oben
angeführt habe, zu erläutern. Er folgert also z. B. so: Ich behaupte keineswegs,
dass dieses oder jenes Verhältnis, etwa der gerade angesetzte Vorderarm, überall
das häufigste und deshalb im anthropologischen Sinne das normale sei, aber es ist
dasjenige, das in die verschiedensten Lagen gebracht werden kann, ohne schlechte
Linien zu geben, das ich deshalb als das beste für künstlerische Zwecke betrachten
muss. Es kann nicht die Aufgabe dieses Berichtes sein, in die reichen und auf-
schlussgebenden Einzelheiten einzugehen; nur soviel sei hervorgehoben, dass der
Vf., weit entfernt von akademischer Regelrichtigkeit, immer nur das für den Kunst-
zweck Passende betont und der Künstlerindividualität ihr Recht so weit als möglich
wahrt. Die Lektüre des Buches ist nicht leicht, so sehr sich B. bemüht, das
Medizinische dem Laien verständlich zu machen und durch ausgezeichnete Ab-
bildungen näher zu bringen, aber die Fülle von kunsthistorischen Kenntnissen in
Verbindung mit dem anatomischen Wissen erweckt das Gefühl der Sicherheit den
Resultaten gegenüber.^^''"^^) Solche Darstellungen gehören unzweifelhaft in die
Aesthetik und sind geeignet, ein richtiges Erfassen ihrer normativen Bedeutung zu
vermitteln. — Jedenfalls ist es eine Uebertreibung, wenn van Eyck^') sagt,
Aesthetik sei „die Zwangsjacke der Kunst" und habe durch Lessings Laokoon be-
sonders die Plastik geschädigt. Der Vf. ist weit entfernt- vom einseitigen Naturalismus,
ja wenn er fordert, dass der Körper nicht zu Gunsten des geistigen Elements un-
nötig verhunzt werde, so nähert er sich, ohne es zu fühlen, sehr weit der von ihm
verworfenen Aesthetik ; auch diese kennt die materielle und die geistige Seite der Plastik
und kann den Satz des Vf.: „Körper und Geist müssen im gleichen Verhältnis sein, wo das
wahre Leben und die wahre Kunst zum Ausdruck kommen sollen" ruhig annehmen, um
so eher, da sie vielleicht noch weniger engherzig ist als der Vf. — Brücke wird nicht
müde, die Frage zu erörtern, wie genau sich der Künstler ans Modell halten dürfe, seine
Lehre geht dahin, nur so weit, als im Modell das für den Künstler Zweckmässige
zur Erscheinung kommt. Ganz ähnlich spricht Walle^^) im Anschluss an einen
Vortrag Moritz Meurers davon, dass die Kunst und das Kunstgewerbe zu studieren
hätten, wie die besten Meister aller Zeiten die Umbildung der Naturformen zu
künstlerischen und kunstgewerblichen Zwecken betrieben wissen wollten. Er unter-
scheidet Zweck- und Kunstformen und sieht in den Kunstformen nicht Kopien,
sondern Umwandlungen der Naturformen nach Gedanken, Materie und Zweck,
organisch gesetzmässiger Entwicklung.-^^^) — Hierin nähert sich ihm Schliep-
mann^^''), wenn er das Zweckmässige nicht an sich als schön erklärt, sondern nur
als eine Voraussetzung des Schönen. Die Kunst geht zum Unterschied von der
Wissenschaft auf Anschauung aus, muss daher das Kunstwerk nur in sich voll-
kommen erscheinen lassen, damit es einen ohne lange Reflexion fertigen, über-
zeugenden Eindruck macht. Das Wesen der Kunstschöpfung besteht also in der
Idealisierung des Zweckes. — Auch Rott^^) steht auf diesem „idealistischen" Stand-
punkt, wenn er gleich etwas unklar der neuen Kunst die drei Ideale: Natur, Kunst
Kunstchr. 4, 8. 24.1| - 54) O W. Knight, Philosophy of the Beautiful. Lonaon, Murray. Sh. 3/6. — 54a) O H. R.
Marshall, Hedonic Aesthetics. (Referat nach Mind, Heft 5): RPhilos. 85, S. 220. —54b) O id., La domaine de l'esthetiqne
consldere psyohologiqaement. (2. article.) (Referat nach Mind, Okt. 1892 bis Jan. 1893): ib. S. 219. — 55) E. Brücke,
Schönheit u. Fehler d. menschl. Gestalt. Mit 29 Holzschn. v. H. Paar. Wien, Braumüller. V, 151 S. M. 5,00. — 55 a) X
H. T. Finck, Romant. Liebe u. persönl. Schönheit. Entwicklung, nrsächl. Zasammenhänge, gesch. u. nat. Eigenheiten. Dtsuh.
T. U. Brachvogel. 2 Bde. 2. (Titel-)Anfl. (Billige Volksausg.) Breslau, Schles. Verl.-Anst. XYIU, 540 S.; VIU, 566 S.
M. 10,00. (Zuerst 1890-91.) — 55b) O (I 11:19.) — 56) O J. Merz, D. ästhet. Formgesetz d. Plastik. Mit 44 Abbild,
im Text. L., Seemann. 1892. VUI, 301 S. M. 4,00. |lLCBI. S. 614 (ablehnend); Kunstchr. 4, S. 210/3.]| — 57) van Eyck,
Aesthetik u. Bildhauerkunst: Atelier N. 56. — 58) P. Walle, D. Studium d. Natnrformen z. Belehrung d. Formensprache:
ib. N. 63. — 58 a) O (1 11 : 25.) |[M. S. : ML. 62, S. 743 ; ZChrK. 6, S. 285/6.]| - 58 b) H. S c h 1 i e p m a n n , Zweckmässigkeit u. Schönheit:
Atelier N. 57. (Citiert in Kw. 6, 8. 284/6.) - 59) V. R o 1 1 , Ideale : ib. N. 62. — 60) O B. t e P e e r d t , V. d. Wesen d. Kunst. Studie nach
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : ei-e-
und Empfindung", will heissen Naturstudium, Können und modernes Empfinden zu-
schreibt. Bei allen diesen Auseinandersetzung-en schwebt das Wesen der Kunst
vor.^''~®2) — Leuchtenberg-er ^3) kommt bei seiner populären Entwicklung der
beiden Beg-riffe Idee und Ideal auch auf die Idee des Schönen, die Vollkommenheit,
und die nach Zeit, Ort und Nationen wechselnden Schönheitsideale, denen g'eg-enüber
man vom Geschmacke reden könne. Der Vf. berücksichtig-t den modernen Sprach-
g-ebrauch, aber nur im allgemeinen, so dass die Ausdrücke im philosophischen Sinne
verstanden werden müssen, nicht im allgemeingebräuchlichen. Ihm schwebt die
Schule vor, doch kann eine solche schlichte Darlegung wichtiger Begriffe der
Philosophie auch dem grösseren Publikum willkommen sein-ö*) — In seinem Be-
streben, der Aesthetik eine neue Terminologie zu schaffen, hatte Naville^^) „la
beaute sensible, la beaute expressive et la beaute organique" unterschieden. —
Couturat^^) stimmt mit Naville in der Tendenz über ein, dass die richtige Termi-
nologie und klare Scheidung der Arten ein wichtiges Mittel zur richtigen Erkenntnis
seien, aber er nimmt die von Naville getroffene Einteilung nicht an. Was Naville
beaute sensible nennt, betrachtet er nur als das sinnlich Angenehme, eine Begleit-
erscheinung des Aesthetischen, nicht als das Aesthetische selbst, ja er stellt den Satz
auf, dass kein Objekt schön sein könne, das nicht aufhöre rein sinnlich zu sein. C.
geht weiter in seinem Kampfe gegen den Sprachgebrauch, indem er auch eine
„moralische Schönheit", das Gegenstück der „körperlichen Schönheit" nicht gelten
lässt; man solle nicht die verschiedenartigsten Dinge, die nichts mit einander ge-
mein haben, durch denselben Namen bezeichnen. Im Interesse der Klarheit und des
präzisen Ausdrucks sei es wünschenswert, durch Namen le beau litteraire, le beau
musical und le beau plastique zu unterscheiden, d. h. die Aesthetik der Dichtkunst,
die Aesthetik der Musik und die Aesthetik der schönen Künste getrennt von ein-
ander aufzubauen, ohne Rücksicht auf ihre Vereinigung. Wir werden die Scheidung
nach den Mitteln treffen, deren sich die drei genannten Künste allein oder vor-
züglich bedienen. Die Sprache und Schrift sind willkürliche Zeichen zum Ausdruck
der Bewusstseinszustände und Gefühle; Gesten, Haltung, Gesichtsausdruck sind un-
willkürliche, natürliche Zeichen; das Wort darf mit Gesichtsausdruck und Gestus
nicht in Eine Klasse eingereiht werden. Die Sprache ist eine künstliche Ueber-
setzung des Gedankens; Bewegungen usw. sind eine natürliche, unwillkürliche, jedem
verständliche Sprache. Die Worte bezeichnen (signifient) die Ideen, während die
natürlichen Zeichen sie ausdrücken (expriment). Das „Bezeichnende" ist der Text,
den „Ausdruck" verleiht der Accent, der Rhythmus, Klangfarbe und Modulation,
also das, was Bewegung und Gesang der Rede ausmacht. Die Dichtkunst kann nur
indirekt durch die Ideen Gefühle erwecken, was in ihr oder in der Rede Gefühle
erweckt, ist Bewegung, Rhythmus usw. „Ausdruck", „ausdrucksvoll" will der Vf.
als Terminus für die körperliche Darstellung des geistigen Lebens reservieren; die
Sprache nennt er „bezeichnend", alle indirekten Manifestationen und die Produkte
der geistigen Regsamkeit „suggestiv". Das Mittel, dessen sich die Dichtkunst be-
dient, ist die Sprache, also das „Bezeichnende"; die Musik dagegen „suggeriert" die
Gefühle; der „Ausdruck" ist das Mittel der bildenden Künste, wenn auch Ueber-
griffe, z. B. die Programmusik, die „litterature symboliste ou evocatrice" vorkommen.
Die „plastische Schönheit" ist „ausdrucksvoll". Mit der „plastischen Schönheit" be-
schäftigt sich C. im weiteren Verlaufe seines Aufsatzes, um zu erweisen, dass die
plastische Schönheit „Fexpression permanente de la conscience par le corps lui-
meme" sei, dass sie beruhe in der allgemeinen Gestaltung, den Verhältnissen, der
vorstechenden Physiognomie, kurz in all dem, was der lebende Körper im Zustand
der Ruhe dem Auge und dem Geiste zur Betrachtung darbiete; C. opponiert gegen
die Meinung, sie sei „der transitorische Ausdruck eines Gefühls durch die Be-
wegungen des Körpers". Seine Polemik gegen Naville wird mit vollendeter Grazie
geführt. — Das erkannte denn auch Naville^'') an; er räumte manche Einzelheit
ein, im wesentlichen aber gab er nicht nach. Was er „organische Schönheit"
nannte, hält er nicht für identisch mit Couturats „plastischer Schönheit", sondern für
mehr und für weniger: mehr, weil er organische Schönheit auch in einigen transi-
torischen und besonderen Bewegungen sieht, weniger, weil er im ruhenden Körper
nicht nur „organische", sondern auch „ausdrucksvolle" Schönheit findet. Im Jaguar,
der sich auf seine Beute stürzt, sieht er „organische" Schönheit trotz der Bewegung,
d. Leben. L., M. Spohr. VII,88S. M.1,80.— 61) O A. Germain, Ponr le bean. Essai de kallistique. Ean-forte d'Alex. S6on.
Paris, Girard. 128 S. — 61a) C. Muff, Idealismus (vgl. JBL. 1892 I 11 : 59). |[Paedagogiura 15, S. 74; LCBl. S. 1036;
DDichtnng. 14, S. 101,2.] (Vgl. I 11 : 24.) — 62) O K. de Gonrmont, L'Idealisine. Paris, Ed. du Mercure de France. 12».
65 S. — 63) G. Leuchtenberger, Idee u. Ideal. E. Stück philos. Propädeutik. Progr. d. Friedrich- Wilhelms-Gymn. Posen.
8». 34 S. — 64) X Ifipal T» Moral. E. Studie. Nebst Anh.: 50 eingelaufene Briefe auf d. Zeitungs-Inserat: Welches Fräulein
hat das höchste Ideal? St, A. Hintrager. 40 S. M. 1,00. IBLU. S. 590 (billigend).]! — 65) A. Naville, Beantö organique.
Etüde d'analyse esth6tique: RPhilos. 34, S. 182-91. — 66) L. Coutnrat, La Beaute plastique: ib. 35, 8. 53-72. — 67) A.
23*
I 12:68-70 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
im ruhenden Faun dag-eg-en, wenn er das Gesicht betrachtet, „ausdrucksvolle"
Schönheit neben der organischen Schönheit des Körpers. Beide Faktoren seien
verbunden, ja verwickelt, aber sie dürften doch nicht miteinander verwechselt
werden. Darin erkennt er den eigentlichen Streitpunkt. —
Allen diesen Forschungen und Darstellungen liegt die Grundfrage der
Aesthetik am Herzen, wie sich die Kunst zur Natur verhalte.^^^") Alt''«)
formuliert sie den neueren Ansichten gemäss etwas schärfer, indem er den Wider-
spruch des Charakteristischen und des Schönen betrachtet. Er geht von der That-
sache aus, dass für die Plastik und für die bildende Kunst überhaupt mit dem
Gattungsmässigen das Schöne in seinem Hauptmomente bezeichnet sei und erst
allmählich der genannte Widerspruch sich ausgebildet habe, der seinen stärksten
Ausdruck in von Hartmanns Aesthetik erreicht habe. Damit scheint das Charakteristische,
als der sinnfällige Ausdruck der wesentlich unterscheidenden Merkmale einer In-
dividualität, über das Gattungsmässige gesiegt zu haben. A. bezeichnet, wie in
seinem „System der Künste", die Zweckmässigkeit in der sinnlichen Erscheinung
als das Schöne am Organismus der Körper. Das Schöne als das Gattungsmässige
besteht also im Zweckmässigen, muss aber natürlich in einem einzigen Individuum
als seiner Spitze zur Anschauung kommen. Das Gattungsmässige ist nur dadurch
schön, dass es das Gattungszweckmässige ist; aber auch das Individualzweck-
mässige ist schön, da es für das konkrete Individuum die völlig gleiche Bedeutung
hat, wie das Gattungszweckmässige für das Gattungsmässige. Damit erscheint also
der Widerspruch zwischem dem Schönen und dem Charakteristischen aufgelöst; im
Schönen steckt doch auch das Charakteristische, da es sich in einem Individuum
verkörpern muss, im Charakteristischen deckt sich die Zweckmässigkeit mit der
Zweckmässigkeit im Schönen. Das Charakteristische ist an den schönen Vor-
stellungen eben als der Ausdruck der ästhetischen Wahrheit das Schöne. Das gilt
aber nur für die Organismen, nur in der organischen Schönheit ist das Charakteristische
das Schöne. „Das Charakteristische an sich ist schön, indem es das Zusammentreffen
einer Erscheinung mit der vorhandenen Vorstellung wesentlich bewirkt; aber es kann
mit anderen Beziehungen der Schönheit im einzelnen Falle in wirklichen Widerspruch
treten." Wir müssen also von der organischen Schönheit die Schönheit der Wahr-
heit trennen, könnten aber beide vereinigen, wenn wir von „Schönheit des Wesens
einer Sache" sprächen. In der Statue des Verocchio beruht unser ästhetisches Wohl-
gefallen an der Figur des Colleoni gewiss nicht auf der organischen Schönheit,
sondern auf der Realität, während in der mediceischen-Venus die organische Schön-
heit unmittelbar empfunden wird. Aber hier wird das Wohlgefallen durch den Be-
griff des Weibes, dort durch den Begriff des Bandenführers bestimmt, also ist in
beiden Fällen das Charakteristische der wesentliche Ausdruck der konkreten Idee,
mag diese der Gattung näher oder ferner stehen. Der einzige Unterschied zwischen
dem Charakteristischen und dem Schönen im engeren Sinne besteht also darin, dass
die konkrete Idee bei jenem der Gattung ferner, bei diesem ihr näher steht. Danach
wäre jedoch das Charakteristische stets nur ein Schönes auf engerem Gebiete, das
organische Schöne das umfassendere. Wenn der Colleoni nur der „Begriff" eines
Bandenführers, die mediceische Venus aber der „Begriff" des Weibes ist, so ist klärlich
dort das Charakteristische eines engen Gebietes, hier das Charakteristische eines
weiten Gebietes vorhanden, damit ist das Charakteristische das Gattungsmässige eines
kleinen Gebietes, das Schöne das Gattungsmässige eines umfassenden Gebietes, das
Charakteristische demnach das Unbedeutendere, das Schöne das Bedeutendere — und
wir sind wieder, wo wir waren. Oder mit anderen Worten, aus der Zweckmässig-
keit dürfen wir das ästhetische Wohlgefallen nicht ableiten, weil keine Versöhnung
der Gegensätze, sondern eine Drehung im Kreise dabei herauskommt. Das Hässliche
braucht nicht im Zweckwidrigen zu bestehen, es kann auch im Zweckmässigen be-
stehen ; ein grosser Mund mit stark ausgeprägten Kauwerkzeugen ist gewiss zweck-
mässig, aber er ist an sich hässlich, kann nur charakteristisch sein und unser ästhe-
tisches Wohlgefallen (unter bestimmten Voraussetzungen) erregen. Ein kleiner Frauen-
mund erscheint uns schön, aber gewiss schwebt uns dabei nicht die Zweckmässigkeit
vor, wir werden nicht ans Essen, sondern ans Küssen denken, also höchstens an eine
andere Zweckmässigkeit, oder mit der Zweckmässigkeit ist eben kein Massstab ge-
wonnen. A. bringt uns nicht einen Schritt weiter. Gern wird man ihm zugeben,
dass „in der vollendeten individuellen Charakterisierung die höchste That der Kunst,
und in der Vereinigung derselben mit der vollendeten gattungsmässigen Schönheit
ihr höchstes Erzeugnis würde gefunden werden müssen", wenn eine solche Vereini-
Naville, Beautö organiqne ei beaute plastiqne: ib. S. 287/9. — 68) X L. Douriac, V. Cherbuüez. L'Art et ]a Natnre
(vgl. JBL. 1892 I 11 :34): ib. S. 296-301. (Anerkennend, mehr referierend.) - 69l X W. Bormann, Kunst n. Nachahmung
(vgl. JBL. 1892 I 11 :50). |[0. Harnack: PrJbb. 71, 8. 138/9; E. M. Meyer: BLZ. S. 401/2; Knnstchr. 4, S. 67.]| — 70)
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 70a-74a
g-ung" überhaupt mög-lich wäre, es würde voraussetzen, dass die vollendete Verengerung
und die vollendete Erweiterung zusammenfallen, oder wenn das Individuum und die
Gattung identisch würden; damit ist ein Nonsens entweder nach dereinen oder nach
der anderen Seite behauptet, keineswegs aber der Widerspruch gelöst. Etwas anderes
ist es, wenn man mit Groos das Schöne zu einem Teil des Aesthetischen macht; das
aber hat A. (S. 27) bekämpft, da es ihm auf „die notwendigen Bedingnisse des ästhe-
tischen Wohlgefallens in seinen objektiven Substraten", nicht auf die psychologische
Seite ankommt. Ob das nicht zu einseitig ist? A. verwirft nun aber für die Kunst
in allem, was zur Sache gehört, die Subjektivität des Künstlers und verlangt mit dem
künstlerischen Realismus notwendig auch relativen Objektivismus, weil er sich sonst
keinen gemeinsamen Boden denken könnte, auf dem sich das anschauende und das
schaffende Subjekt fänden. Sie kommen aber zusammen in dem „Phantasiebild,
welches mehr oder weniger klar schon vor der Erscheinung des Kunstwerks in ihren
Seelen besteht"; das muss A. behaupten, wenn sein Zweckmässigkeitsprinzip festge-
halten und sein „Gesetz des Realismus" nicht zu Schanden werden soll. Freilich hat
schon Lipps (vgl. JBL. 1890 I 3:69) gegen dieses „Gesetz" Verwahrung eingelegt.
Der ganzen Behauptung A.s widersprechen die Thatsachen; die Subjektivität des
Künstlers tritt auch im Wesen hervor und zwingt den Beschauer, wenn sie stark
g-enug- ist, mit ihren Augen zu sehen. — Darin stimme ich mit Gurlitf^^) vollkommen
überein, während ich nicht so wie er, die Schönheit nur als etwas Subjektives gelten
lassen möchte; er sagt: „Schön ist alles, was mir schön erscheint" und leugnet kurz-
weg jede Gesetzmässigkeit im Schönheitserapfinden. Nach ihm gäbe es also weder
im Objekt des Schönen noch im auffassenden Subjekt einen festen Halt für die
Aesthetik, es bliebe nur die Subjektivität des Schaffenden und die Subjektivität' i"'' 2)
des Geniessenden, Aesthetik und Kritik wären gleich überflüssig. — Schachf^)
möchte untersuchen, „welche Rechte wir einer künstlerischen Individualität ein-
räumen müssen, was wir als Offenbarung der Kunst, was als blossen Ausfluss indi-
vidueller Launen oder persönlicher Unfähigkeit zu betrachten haben". Er sieht in
der Kunst als oberstes Gesetz das Streben nach dem Schönen, wie in der Philosophie
das Suchen nach Wahrheit höchste Tugend und einziger Lohn sei. Das Schöne sollte
als Gegenstand des künstlerischen Strebens uns „recht menschlich naherücken, dass
wir es auf einmal in uns liegend vorfinden". Mit Rücksicht auf den Spieltrieb, der
sich zuerst in der Nachahmung belebter und unbelebter Gegenstände äusserte, beim
Fortschreiten der technischen Fertigkeit aber auch Erinnerungsbilder, Bilder der
Phantasie festhalten lernte, betont er nachdrücklich die Tendenzlosigkeit der Kunst,
während sich das Tier bei seiner Thätigkeit lediglich durch die Zweckmässig-köit
bestimmen lasse. Neben dem Nachahmungstrieb erkennt er ein gewisses Autfassung-s-
vermög'en an, nach welchem der Mensch die Eindrücke seiner Sinne bearbeitet, ge-
wisse Formen, g^ewisse Farbenzusammenstellungen „müssen" in ganz bestimmter
Weise auf uns wirken, anziehend oder abstossend, angenehm oder unangenehm. Die
Kunst ist also gesetzniässig, notwendig und ewig als Thätigkeit, wandelbar und ver-
schieden in der Form. Die Kunst muss im Empfinden der Allgemeinheit begründet
sein; das individuelle Empfinden darf sich von dieser nur dem. Masse, nicht dem
Wesen nach entfernen. Unkünstlerisch wird jene Individualität empfunden, die „nur
das sie besonders Auszeichnende hervorhebt, statt das Gemeinsame verstärkend
auszubilden". —
Mit seiner übersichtlichen und gemeinfasslichen Darstellung des Gefühls
hat Ziegler ''^) einen wichtigen Beitrag zur Psychologie''*), damit auch zur Aesthetik
geschaffen. Es handelt sich ihm nicht darum, um jeden Preis Neues zu sagen oder
die Thatsachen durch neue Hypothesen zu erklären, sondern zu sehen, wie weit man
mit den bisherigen Erklärungsversuchen kommt. So entwickelt er die Thatsachen
durch eine Kritik der Erfahrung und der philosophischen Ansichten. Er setzt aller-
dings Fühlen, Wollen und Denken neben einander, richtet aber seine Aufmerksamkeit
besonders auf den Gefühlston und das jede Bethätigung unseres Ich begleitende Ge-
fühl. Man folgt mit Interesse, ja mit Spannung seinen klaren Auseinandersetzungen,
die allmählich und darum so überzeugend vom Leichteren zum Schwierigen hinüber-
leiten und vor uns das Ich entdecken und erläutern. Z. operiert nicht mit einer
„Seele", die wir annehmen müssten, nicht mit Kräften, die wir nicht zu erklären ver-
möchten, sondern hält sich innerhalb der Erfahrung, um die Thatsachen zu verstehen.
Er grübelt nicht über das Wesen des Gefühls, sondern behandelt so eingehend die
Gefühle, dass sich wie von selbst ergiebt, Gefühl sei die psychische Bethätigungs-
(IU:20.) |[M.Des80ir: DLZ.S.784 (vermisst d.8chärfereScheidungv.„schön''n.„ästhetisch''.l| — 70a) C. Gnrlitt, Aesthet.
Streitfragen : Geg. 43, S. 184,7. - 71) O Antoinette Brown-Black well: Philnsophy of Individnality. New-York, Putnams Sons.
Vin,519S. Sh. 15. — 72) O Ch. Bonnier, Persönlichkeit: BayreuthBll. 16, S. 168-76. - 73) (I 11 : 36.) - 74) Th. Ziegler,
D. Gefühl. E. psycholog. Untersuchung. St., Göschen. 328 S. M. 4,20. |[M. Carrifere: AZg". N. 288; Grenzb. 4, S. 44^5;
N&S. 67, S. 412,3.]| (Davon noch e. 2. Aufl.) — 74a) X K. Lasswitz, Vom Gefühl: Nation». 13, S. 667-70. (Eeo. v. N. 74;
I 12 : 74a R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
weise des Menschen gegenüber allen von aussen an ihn herankommenden Reizen,
der psychische Akt der Selbstbehauptung oder das psychische Zeichen für diesen Akt.
Ebenso hat er allmählich festgestellt, angenehm sei, was uns reizt und von uns
assimiliert wird oder werden kann, unangenehm dagegen, wenn entweder der Reiz
fehlt oder der eintretende Reiz für das Ich zu stark ist, um assimiliert werden zu
können, oder zu schwach, um dem Ich für den Reaktions- und Assimilationsprozess
Anhaltspunkte zu geben, „Lust ist die psychische Seite, die Innenseite oder Be-
gleiterin des Lebens, d. h. der Bethätigung des Vermögens, jedem als neu, als
Kontrast auftretenden Reiz gegenüber durch Gewöhnung und Assimilation sich selbst
zu behaupten; Unlust dagegen entspricht psychisch dem Mangel an solcher Be-
thätigung, sei es weil der Anlass dazu überhaupt fehlt, oder weil der Reiz jenes
Vermögen so weit übersteigt oder so weit unter der Grenze bleibt, dass von einer
Assimilation keine Rede sein kann." Z. vertritt die Ansicht, dass jede Empfindung
ursprünglich mit Gefühl verbunden ist, wenn es uns auch infolge der Gewöhnung
nicht mehr bewusst wird. Angeborene Gefühle gesteht er ebenso wenig zu als ge-
mischte. Neben der Hauptgliederung der Gefühle in Lust und Unlust teilt er die
Gefühle noch nach Intensität, Dauer und Qualität ein, verweist aber selbst darauf,
dass ihn diese Einteilung nicht ganz befriedige, jedoch im wesentlichen als aus-
reichend bedünke. Nach ihrer qualitativen Verschiedenheit ergeben sich ihm a parte
potiore körperlich-sinnliche und seelische Gefühle, die seelischen nach Vorstellen,
Denken undWollen als die ästhetischen, intellektuellen und sittlichen, denen er noch die
religiösen anreiht. Nach Intensität und Dauer, also dem Gefühlsverlauf: Gefühle im
engeren Sinne, Affekte und Stimmungen. Für unseren Bericht hat natürlich vor
allem die Besprechung der ästhetischen Gefühle die grösste Bedeutung, wenn auch
in der Behandlung der körperlich-sinnlichen nach den fünf Sinnen manches An-
sprechende, besonders das Eingehen auf Goethes Farbenlehre, zu verzeichnen ist.
Z. leugnet die Berechtigung der Kantschen rigorosen Scheidung des sinnlichen Lust-
gefühls vom ästhetischen, sieht vielmehr im sinnlichen Lustgefühl den Ausgangs-
punkt und ein bleibendes Ingrediens des ästhetischen Gefühls; der Sinnenreiz sei
„sozusagen der Köder, den der Gegenstand auswirft, um daran eine ästhetische
Wirkung anzufügen." Aber freilich, das sinnlich Angenehme ists nicht allein, es
fragt sich, welcher Art von Interesse das specifisch Aesthetische sei und auf diesem
Gebiete den Eintritt und die Aufnahme ins Bewusstsein herbeiführe. Schon bei den
körperlich-sinnlichen Gefühlen hat der Vf. gezeigt, dass in gewissem Sinne bei Auge
und Ohr der Sinnenreiz etwas vom Sinnlichen abgestreift habe und als solcher ästhetisch
wirke: „Je höher der Sinn, desto ästhetischer das ihm Angenehme." Darum habe die
Herbartsche Schule das Formale im Unterschied vom Sinnlich-Stofflichen beim Schönen
und Hässlichen angenommen, ohne jedoch etwas damit zu erreichen. Z. verwirft die
formalistische Aesthetik vollständig, weil sie nur eine Topik und Vorschule der
Aesthetik, nicht diese selbst ist. Einmal gefällt Regel und Symmetrie, weil sie die
Auffassung des zu Betrachtenden erleichtert und ermöglicht, d&s andere Mal missfällt
sie, wenn sie in ewiger Wiederholung dem Auge schliesslich nichts mehr zu thun
übrig lasse, daher das Reizlose einer zu weit getriebenen Regelmässigkeit. Aller-
dings ist die Form alles, und alles kommt auf sie an, aber die Form nicht bloss von
aussen, sondern auch von innen, die Form ganz, nicht losgelöst von dem, an dem
sie haftet, von dem Inhalt, dessen Form sie ist. Angemessenheit der Form an den
Zweck, an das Gattungsmässig- Typische wird allerdings angenehm, aber das genügt
nicht. Was ästhetisch wirken soll, darf nicht nur auf seine Form hin angesehen,
sondern muss als Erscheinung betrachtet werden. Damit ist einmal die Bildlichkeit
und Anschaulichkeit des ästhetisch Wohlgefälligen, zweitens seine Loslösung vom
bloss Stofflichen und drittens seine symbolische Bedeutung ausgesprochen. Diesen
Symbolbegriff bespricht Z. ganz im Sinne Vischers, ja er macht die anziehende
Bemerkung, man könnte die symbolische „Einfühlung" zur Erklärung unserer Freude
an bestimmten Formen heranziehen; das Ich ist das Einheitsband des mannigfaltigen
Bewusstseinsinhaltes, unsere Freude an der Form käme dann daher, dass wir unsere
Einheit in der Mannigfaltigkeit wiederfänden, also aus dem Einfühlen. Z. wirft
diesen Gedanken nur hin, ohne ihn weiter zu verfolgen, weil man mit der gewöhn-
lichen Erklärung, dass die Form rein sinnlich das Anschauen erleichtere, sein Aus-
kommen findet. Immerhin verdient dieser Gedanke allgemeine Beachtung; denn je
einheitlicher das Erklärungsprinzip ist, desto grössere Bedeutung gewinnt es; ja
Carriere nennt dieses Prinzip in seiner zustimmenden Besprechung geradezu den
„Ursatz der Aesthetik". Mit der Einfühlung wird uns auch das Erhabene klar, das
Z. scharf entwickelt, nur möchte ich ihm widersprechen, dass das Erste im Gefühl
des Erhabenen Unlust, erst das zweite Lust sei, Unlust das Gefühl des Bewältigt-
werdens, Lust das Gefühl des trotzdem Bewältigens. Allerdings wäre dann das Er-
habene jenes ästhetische Gefühl, das am wenigsten sinnlich, am stärksten* geistig ist.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 741
Die Sache lieg-t aber vielleicht anders. Die Lust muss sich sofort einstellen, wenn
wir ästhetisch fühlen sollen; denn solang-e wir das Erhabene unangenehm als ein uns
Ueberwältigendes fühlen, sind wir nicht ästhetisch thätig-. Wer beim Anblick der
Gletscherwelt oder des Meeres Unlust fühlt, der wird nie mehr dazu kommen, Lust zu
fühlen; er wird höchstens durch Gewöhnung abgestumpft gegen die Unlust; soll er
das Erhabene ästhetisch fühlen, so muss er sich sogleich hineinfühlen können, seine
Kraft, sein Ich darin wiederfinden, sonst muss sich das Grauen einstellen. Man sagt
von einem majestätischen Wasserfall nicht „furchtbar", aber trotzdem „schön", sondern
„furchtbarschön". Sollen wir uns den Verlauf des psychischen Vorgangs beim Er-
habenen etwa so vorstellen, wie Z. (S. 100) den Uebergang von Lust zu Unlust bei
allmählich sich verstärkenden Temperatureindrücken schildert: nicht ein Hindurchgehen
durch einen Nullpunkt, sondern ein Oscillieren von Unlust und Lust mit allmählichem
Ueberwiegen der Lust? Nach Z. können wir nicht etwa das gewöhnliche, sondern
das Maximum- und Minimum-Thermometer zum Vergleich herbeiziehen. Gemischte
Gefühle leugnet er, oder vielmehr er nimmt nur scheinbar einfache Gefühle an,
während das Gefühlganze „in Wahrheit immer ein gemischtes" sein werde. Beim
Erhabenen spricht er von der schliesslichen Ueberwindung des zwiespältigen Gefühls
und seinem Zusammenschliessen zur Einheit. Zwiespältiges Gefühl? wodurch unter-
scheidet es sich vom gemischten? haben wir auch nur einen raschen Wechsel von
einem zum andern, ein „Oscillieren" der Gefühle anzunehmen? Das sagt Z. nicht.
Beim Verlaufe des Tragischen, wie ihn Z. schildert, kommt es eigentlich gar nicht
zum Unlustgefühl, das Lustgefühl an dem Helden bleibt ti'otz, ja wegen seines Leidens.
Z. scheint mir hier auf dem richtigen Wege, den er sich beim Erhabenen selbst ver-
rammelt. Ich hebe aus der Betrachtung des Tragischen noch die Behandlung der tra-
gischen Schuld hervor, die Z. in der Nichtanerkennung der Relativität alles Endlichen
entdeckt. Im Abschnitt über die intellektuellen Gefühle geht Z. auf die Phantasie ein,
die er natürlich nicht für ein besonderes Seelen vermögen hält, sondern als einen „Sammel-
namen für eine Reihe von Reproduktionen, unter denen die Ideenassociation die primi-
tivste und die unwillkürlichste ist" bezeichnet. Die Phantasie ist immer reproduktiv,
auch wo sie wirklich fruchtbar und schöpferisch erscheint, wie in der kombinierenden.
Das Walten der Phantasie in Schlaf und Traum, in der Ideenassociation oder im Ge-
stalten der Kunst und Poesie ist immer viel mehr gefühlsmässig als mechanisch ; das
führt Z. überzeugend aus. Alle seine wohldurchdachten Abschnitte bieten Anregendes,
zum Nachprüfen Aufforderndes, aber hier kann nur das für die Aesthetik Wichtige
erwähnt werden, so aus dem Kapitel über die Stimmungen, die mich nicht ganz be-
friedigende Behandlung des Humors, in der er ausführlicher als in seiner Schrift
über Vischer (s. 0. N. 21) den naiven Humor bestreitet, weil er im Humor immer
ein Zeichen von „Gebrochenheit" sieht; aus dem Kapitel über die unwillkürlichen
Gefühlsäusserungen hat die Ausführung über Mimik Wichtigkeit; unter den will-
kürlichen steht obenan die Sprache, für die durch Betonung des Gefühls manches zu
gewinnen ist; sehr bedeutsam erscheinen mir jene Stellen (bes. S. 232), wo von dem
Streben der. Rede gehandelt ist, nicht nur Vorstellungen, Begriffe, Gedanken mitzu-
teilen, sondern im Hörer das im Redenden waltende, ihn zum Reden treibende
Gefühl zu erwecken. Hier giebt Z., ohne es zu sagen, eine Schilderung der dichte-
rischen Rede gegenüber der prosaischen. Das Spiel nennt Z. sehr richtig nicht wie
W'undt ein Kind der Arbeit, da vielmehr die Arbeit das Kind des Spieles ist. Zum
Spiel zählt der Vf. auch den Witz, den er als Ausdruck eines treffenden, blitz- und
schlagartigen, überraschenden Denkens bezeichnet. Mit dem Spiel verwandt, aber
doch verschieden ist eine weitere willkürliche Gefühlsäusserung: die Kunst; auch
über sie spricht Z. sehr bedeutsam, vor allem hebt er treffend hervor, dass der
Künstler aussprechen wolle, was Er gesehen, wie sich Ihm Welt und Leben darstellt,
aber er muss doch sehen, dass er verstanden werde, damit er auch in anderen sein
Gefühl weckt; da nun die richtige Linie zu finden, „das allzu Individuelle preiszugeben
und auszuscheiden, das rein Menschliche herauszuarbeiten und es doch nicht zum
Abstrakten und gattungsmässig Uninteressanten abzuschwächen und zu verflüchtigen",
ist die Thätigkeit des kritisch sichtenden Verstandes nötig, wobei Z. nur vergisst,
dass der wahre Künstler das richtige Gefühl für diese Linie haben wird. Der Künstler
bedarf der Technik, die erlernt werden kann, er muss sich aber in seiner Kunst so
bethätigen, als ob er der erste und der letzte wäre, der der Natur und dem Leben
das Geheimnis ihrer Erscheinung abzulauschen hätte. Darauf beruht die Freiheit
von Regel und Gesetz: „gebunden in allem, was Sache der Technik ist, gebunden an
die Schranken (nicht: Gesetze) seiner Kraft und des Stoffs, in dem diese zu arbeiten
hat, gebunden an Zeit und Ort, in denen es lebt und schafft, ist es als geniales
Individuum frei und ungebunden im vollsten Sinne des Wortes." Ich glaube, diesen
Satz, so hübsch er ausgedrückt ist, wird man nur mit einer gewissen Einschränkung
zugeben, da gerade das Genie sich durch Erweiterung der technischen Grenzen
I 12 : 75-76a R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
auszuzeichnen pflegt oder eine solche Erweiterung- wenigstens energisch anstrebt; in
diesem Sinne müsste Z.s Satz einen Zusatz erfahren. Von den Künsten rechnet Z.
die Architektur, „die vornehme Schwester des Kunstg-ewerbes", zu den unfreien,
Malerei und Plastik, Musik und Poesie zu den freien. Von der Plastik sagt er, ihre
Aufg-abe bestehe „vor allem in der Verherrlichung des menschlichen Körpers durch
die Form, in der organischen Durchbildung- desselben als des Trägers einer darzu-
stellenden plastischen Idee"; bei der Musik nimmt er Stellung gegen „die formalistische
Auffassung K. Köstlins, Hanslicks u. a., weil er in ihr „die Kunst des Gefühls im
eminenten Sinne" sieht, die ohne weitere Vermittlung der Bilder oder Vorstellungen
durch Töne Gefühlen Ausdruck gebe und Gefühle hervorrufe; bei der Poesie erhebt
er besonders mit Rücksicht auf das Drama Einwendungen gegen Valentins Einteilung
der Poesie in lyrische, epische und reflektierende (vgl. JBL. 1892 I 11:108). Das
Kunstverständnis fasst Z. ähnlich wie Groos (vgl. JBL. 1892 111: 37) als ein inneres
Nachahmen des äusserlich Gegebenen, das ästhetische Geniessen als eine innere Nach-
ahmung. Dabei kommt er aber meines Erachtens mit sich selbst in Widerstreit, wenn
er (S.250) sagt: „Je gewaltiger ein Kunstwerk ist, desto zwingender und überwältigender
ist seine Wirkung; es nötigt uns sozusagen in seine Bahn und Richtung, wir müssen
folgen, müssen im Bilde dasselbe nachdenken, was der Künstler vorgedacht, infolge-
dessen auch nach- und mitfühlen, was er gefühlt hat. Das ist die Verständlichkeit
und Klarheit eines Kunstwerkes." Nach Z.s beim Erhabenen entwickelten Ansicht
wäre also die erste Wirkung eines „gewaltigen" Kunstwerks ein Unlustgefühl; denn
ein Ueberwältigt-, Gezwungenwerden erregt unsere Unlust, und gerade darin soll die
Verständlichkeit und Klarheit des Kunstwerks bestehen. Z. hätte vorsichtiger sagen
können, je gewaltiger ein Kunstwerk ist — den Ton auf Kunst gelegt — desto mehr
werde es das Nachdenken und damit das Nachfühlen erleichtern, dem hätte jedoch
die Erfahrung widersprochen ; wie er jetzt die Sache dargestellt hat, müssten wir
wieder Lust aus Unlust oder mindestens Lust trotz (anfänglicher) Unlust annehmen,
was aber besonderes Eingehen erfordert hätte. Das Wesen der Kunst sieht er im
Können, aber nicht in der blossen Technik, die man zu lernen vermag. Unter den
„Abwegen der Kunst" bespricht er nur die allegorisierende und die einseitig aufs
Hässliche gerichtete Kunst und verurteilt (S. 255) Ibsens Vorliebe, „an Stelle von
sittlich zu beurteilenden Handlungen und Menschen pathologische Probleme zu be-
handeln." Sehr beachtenswert ist das, was Z. über die Erziehung, zumal das Interessant-
machen des Unterrichts ausführt; da er gezeigt hat, dass nur stark durch Gefühl
Betontes in unser Bewusstsein kommt, das Gefühl geradezu der Pass ins Bewusstsein
ist, kann er nachdrücklich hervorheben, dass im Unterrichte dem Gefühle mehr
Rechnung getragen werden solle, als gewöhnlich geschieht; ja Z. verlangt geradezu
ein stärkeres Wecken des ästhetischen Sinnes bei der Jugend als durch die „vielfach
so äusserlich und mechanisch" betriebene Religion und den Patriotismus. Aus dem
ganzen Buche geht der klare Sinn und die feine Geistes- wie Herzensbildung hervor,
die Z. in jedem seiner Werke bewiesen hat; es ist erfreulich, dass er wohl andeutet,
wie man auf seinem Wege leicht, nur zu leicht ins Metaphysische gelangen könnte,
dass er aber mit voller Absicht innerhalb des „verhältnismässig sicheren Ports der
Psychologie" bleibt. Er bekennt sich zum Schlüsse als Pantheist, darum kann er
aber weder im Panlogismus Hegels, noch im Schopenhauer-Wundtschen Panthelismus
und Voluntarismus, noch endlich in einem ihnen an die Seite zu stellenden Panästha-
nismus Befriedigung finden, weder Denken, noch Wollen, noch Fühlen allein als Welt-
grund setzen, sondern endet lieber mit Montaignes „Que sais-je?" "»^'^^^^ — Kratz''^)lässt
seiner Einteilung der Gefühle''^'') die Besprechung jenes Teils folgen, den Ziegler „Ge-
fühlsäusserungen", er „Ausdruck der Gefühle" nennt, also die unwillkürlichen und
willkürlichen Darstellungen des in uns Erregten. Der Vf. giebt eine Beschreibung
einiger solcher Aeusserungen, ohne nach Vollständigkeit zu streben, und ruft mehr
den Eindruck der Verwirrung als der Klarheit hervor, weil er die bunte Mannig-
faltigkeit nicht zu meistern versteht und durch seine schier endlosen Perioden mit
zahlreichen Zwischensätzen, Einschränkungen und Erweiterungen die Unruhe noch
steigert. Er nimmt neben Lust- und Unlustgefühlen auch neutrale Gefühle, die weder
angenehm noch unangenehm oder je nach der Veranlassung in dem einen Falle
angenehm, im anderen unangenehm sein können. Dies widerstreitet der Ansicht
erhebt einige Einwendungen gegen d. Gefühl als Kultarfaktor, berfthrt aber d. Aesthetische nicht.) — 75) X M. Diez, Theorie
d. Gefühls (vgl. JBL. 1892 I 11:64). UM. Dessoir: DLZ. S. 245 (zustimmend); LCBl. S. 4/5; Grenzb. 2, S. 476/7.]| —
75a) O G. Gerber, D. Ich als Grundlage unserer Weltanschauung. B., Gärtner. YII, 429 S. M. 8,00. |[H. Rickert:
DLZ. 8. 1381,2; LCBl. S. 1379.]| — 75b) X Alfr. Lehmann, D. Hauptgesetze d. menschl. Gefühlslebens. E. experiment
n. analyt. Untersuchung über d. Natur u. d. Auftreten d. Gefühlszustände nebst e. ßeitr. zu deren Systematik. Mit e.
Farbendr. u. 5 photolith. Tuf. V. d. kgl. dänischen Ak. d. Wissensch. mit d. gold. Medaille preisgekröntes Werk. Unter
Mitwirk. d. Vf. übersetzt v. F. Bendixen. L.. Reisland. X, 356 S. M. 8,00. |[LCB1. S. 939-40; Th. Ribot: RPhilos. 35,
S. 213/8.JI — 76) H. Kratz, D. Ausdruck d. Gefühle. E. ästh. Studie. Vortr. Gütersloh, Bertelsmann. 12». 48 S M. 0,60.
|[ThLB. 14, S. 122.JI — 76a) id., Aesthetik (JBL. 1891 I 3:57). |[E. Adickes: DLZ. S. 2i9-31 (tadelndj; Ch. Wirth:
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 77-85
Zieglers und steht auch mit der Erfahrung- im Widerspruch, In den g-emischten
Gefühlen sieht K. wie Zieg"ler nur einen schnellen Wechsel zweier Gefühle, denn auch
er hebt hervor, dass man nie zwei Gefühle zu g-leicher Zeit haben, sich zweier Gefühle
g-enau in demselben Zeitmoment bewusst sein kann. Hat Zieg-ler die Reihenfolge
Denken, Wollen, Fühlen aufg-estellt, bei K. steht das Fühlen zwischen Denken und
Wollen als eine Sphäre unseres Daseins, in der unser Geist „verhältnismässig- aus-
ruht", als „dem stillen, tiefen See gleichsam", in den beständig- Ströme des Denkens
einmünden und von dem Ströme des Wollens auslaufen. Fehlt auch die g-erade bei
der Einteilung- des Vf. so notwendig-e Andeutung-, wieso Gefühlsäusserung-en über-
haupt mög-lich sind, so vermag- das Heft seinen Zweck immerhin zu erfüllen, es will
ja nur zu einer Beobachtung- der Gefühlsäusserung-en anreg-en""'"''^'»). — Den Unter-
schied des „Menscheng-eistes" von der „Tierseele" sieht Kratz im Bewusstsein dort,
dem Unbewussten hier, während Zieg-ler viel vorsichtig-er über die Gefühle der Tiere
spricht. Ein Anonymus'**) zählt einig-e der bekanntesten Thatsachen auf, die als
Rudimente relig-iöser und ästhetischer Gefühle bei den Tieren g-elten können. Hervor-
gehoben sei der Satz, dass die Tiere das Unbelebte beleben, das wäre gewiss eine
Einfühlung im Sinne Vischers, oder gar Bieses, der im Metaphorischen den eigent-
lichen dichterischen Prozess gesehen hat (s. u. N. 107). '^^'^Oj _ Dqj, bekannte
Wiener Pädagoge Dittes^') legt seine Preisschrift aus dem J. 1852 über „das
menschliche Bewusstsein" ^2), zum weitaus grössten Teil vollständig umgearbeitet, neu
vor; er zielt darin zufolge der Preisaufgabe wie eigener Vorliebe auf eine Verwertung
der Psychologie für die Pädagogik ab. Wenn er freilich in der Vorrede behauptet,
er habe „hin und wieder" einige Bemerkungen einfliessen lassen, „zu denen der Vf.
erst durch Erscheinungen der Neuzeit und der Gegenwart veranlasst wurde", so
deutet er nicht etwa auf Verwertung der neueren Psychologie hin, diese hat er viel-
mehr vollständig unbeachtet gelassen, was recht bedenklich ist. Ganz im Gegensatze
zu Ziegler und Kratz geht er bei der Bestimmung des Gefühls von der Behauptung
aus, es müssten uns zwei Empfindungszustände „zugleich" bewusst sein, damit ein
Gefühl zu Stande kommen könne. Gefühl ist ihm „nichts anderes, als das Bewusstsein
des Unterschiedes zwischen zwei zugleich erregten und unter sich vergleichbaren
affektiven Seelengebilden." Wenn ich mir am Ofen die kaltgewordenen Hände wärme,
um dies Beispiel Zieglers anzuwenden, so müsste nach D. die Kälte- und Hitze-
empfmdung zugleich in mir bewusst werden, damit ich ein Gefühl habe. Ziegler
nimmt im Gegensatze zu Wundt hier nicht ein allmähliches Abnehmen der Unlust
über die Kälte bis zum Nullpunkt und dann ein allmähliches Zunehmen der Lust an
der Wärme an, sondern einen Zustand des anfangs spärlichen, dann rascheren
Oscillierens von Unlust und Lust, immer aber ein Nacheinander; und er befindet sich
dabei mit anderen Psychologen in Uebereinstimmung. An allen solchen Fragen ist
D. achtlos vorübergegangen, er weiss nichts vom Doppel-Ich, das doch eine so grosse
Rolle spielt; die modernen Theorien der Suggestion, des Hypnotismus etc. werden nicht
einmal gestreift, und so macht der ganze biedere Aufsatz einen etwas verstaubten
Eindruck. — Dem Verhältnis der Aesthetik zur Pädagogik^'*"^^») ist der zweite Auf-
satz von Dittes^*) gewidmet, d. h. es werden zuerst die wichtigsten Seiten der
Aesthetik nach ihrem psychologischen Wesen entwickelt und dann die pädagogische
Bedeutung des Aesthetischen dargelegt. Für die Zeit ihres Entstehens (1853) bean-
sprucht die Schrift allerdings. Wichtigkeit, indem sie sich bemüht, das Aesthetische
als ein Psychologisches naturwissenschaftlich zu beschreiben, gegenwärtig erscheint
sie aber vielfach überholt; da lesen wir vom Ur vermögen, vom Objektivieren einer
Idee im Kunstwerk, die Seele fühle sich von der Natur oder von Kunstwerken „be-
geistiget", von dem in ihnen gefundenen Geist durchweht, sie „empfinde" den „Geist
der Natur oder der Kunstwerke" (S. 88), die aufrechte Stellung des menschlichen
Organismus weise „auf des Menschen höhere Bestimmung hin", die Bekleidung s^)
sei „bestimmt, die bloss tierischen Teile zu verhüllen und hierdurch das Edlere, den
Geist Abspiegelnde, namentlich das freie Antlitz schärfer hervortreten zu lassen."
Solcher, leicht misszuverstehender Aussprüche giebt es viele bei D. Doch kann nicht
BB6.29, S. 118/9.]; — 77i O H. F. Walsemann, D. Empfinden: Paedjigoginm 15, S. 145-56, 242-53. — 77a) O 0. Flügel,
lieber Gefühl und Affekt: ZExalctPhilos. 19, S. 349-71. — 77b) O H. K. H. Delff, Philosophie d. Gemüts. Begründung u.
Umriss d. Weltanschauung d. sittlich-relig. Idealismus. Husum, C. F. Delff. VII, 309 S. M. 6,00. — 78) Aesthetik u. Re-
ligion bei Tieren: FrB. 4, S. 838-41. (Nach e. Aufsatze v. Jean d'Ault in d. „Revue des Revues".) — 79) o H. Scham
[—Puder], D.Leidenschaft in d. Kunst: DresdenerBll. N. 9. — 80) X W. v. Polenz, Leben u. Tod in d. Kunst: FrB. 4,
S. 1245/8. (Unbedeutende Erwägungen über d. ästhet. Wert v. Leben u. Tod mit e. paar Winken über d. verschiedene Ver-
halten d. Antike u. d. Neuzeit.) — 81) F. Dittes, Ges. Schriften. In zwangl. u. selbständ. Heften. 1. Heft. L., Klinkhardt.
XIV, 163 S. M. 2,40. |[Paedagogiura 15, S. 803.]| — 82) id., D. menschliche Bewusstsein, wie es psychologisch zu erklären
u. pädagogisch auszubilden sei. Gekr. Preissohrift. (= N. 81, S. 1-58.) — 83) O 0. Foltz, Einige Bemerkungen über d.
Aesthetik u. ihr Verhältnis zur Päd.: DBllEU 20, S. 269-72, 277-80, 285/9, 293/8. - 83a) X J- Bappold, F. Qassner, D.
ästhet. Moment (vgl. JBL. 1892 I 11:47): ZOG. 44, 8. 854/5. (Sehr anerkennend.) — 84) F. Dittes, D. Aesthetische nach
seinem Grundwesen u. seiner päd. Bedeutung. Gekr. Preisschrift. (= N. 81, S. 59-163.) — 85) X D. Grundsätze d. Schön-
Jahiesbericht« für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 24
I 12:86-93 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
geleugnet werden, dass manches klar und ansprechend entwickelt ist, wenn es auch
der tieferen Durchdringung- ermangelt. Von den drei wichtigen Begriffen des An-
mutigen, Schönen und Erhabenen ist nur im allgemeinen die Rede, das Tragische,
Komische, Humoristische etc. vermissen wir vollständig, so dass die Darstellung
vielfach lückenhaft erscheint. In dem besonderen Teil findet sich mancher beherzigens-
werte Wink, manche Anregung für den Pädagogen, einiges freilich ist schon Gemein-
gut der öffentlichen Erziehung geworden, woran gerade D. selbst eifrig und erfolg-
reich mitgearbeitet hat.^^-Qo^ —
Am wichtigsten erscheint mir an seinem Versuche, dass Dittes auch auf das
künstlerische Schaffen eingeht, das immer mehr in den Mittelpunkt der
ästhetischen Forschung rückt. Besonders eingehend und fördernd hat jetzt von Haus-
eg.g.(3j.9i-93j (Jas künstlerische Schaffen zu erforschen gesucht, nicht das Schaffen in
irgend einer bestimmten Kunst; denn ihm erscheint alle Produktion wesentlich gleich.
Er stellt einzelne Zeugnisse zusammen, aus denen wir für einzelne Künstler die
Weise des Schaffens entnehmen können, hat aber die schon vorhandene Litteratur
über diese Frage nicht ausgenutzt, wohl weil es ihm nur auf Beispiele ankam, denn
sonst citiert er sehr fleissig. H. sucht nun aber nach Zuständen, jenen ähnlich, die
wir beim Künstler bemerken, um an ihnen studieren zu können. Die grösste
Aehnlichkeit zeigt der Traum, dessen Wesen im Unterschied vom Wachen der Vf.
aus dem Verstummen der Sinne folgert. Dem Bewusstsein werden keine Eindrücke
zugeführt, die Sinne vermitteln höchstens zufällig Eindrücke, die im Traum ver-
arbeitet werden. Im Wachen waltet die Aufmerksamkeit und lässt nur eine be-
stimmte Menge von Eindrücken im Blickfeld des Bewusstseins, weil sie bestimmte
Zwecke verfolgt; trotzdem gehen die Eindrücke nicht verloren, die gleichsam ausser-
halb des Blickfelds eindringen, sie bleiben nur unbewusst. Im Schlaf hat mit
den Sinnen die von Absichten ausgehende, auf Zwecke gerichtete Aufmerksamkeit
des Tages ihre Thätigkeit eingestellt, das im W^achen laut gewesene Vorstellungs-
gebiet „versinkt", und ein anderes, aus jenem Unbewussten schöpfendes tritt an seine
Stelle. Das „Ich" des Traumes ist also ein anderes als das „Ich" des Tages. H.
leugnet den traumlosen Schlaf, wenn es uns auch so vorkommt als träumten wir
nicht immer; wir müssen bedenken, dass ein anderes Ich als das Traum-Ich sich des
Traumes erinnern soll. Auch im Schlaf sind wir nicht frei von Vorstellungen, nur
haben diese mit unserem wachen Ich wenig oder gar nichts zu schaffen und unterscheiden
sich von den Vorstellungen des Tages dadurch, dass ihnen das Streben nach Zwecken
fehlt. Der Vf. glaubt, im Wachen würden wir von unseren Sinnen zu Vorstellungen
genötigt, seien also im wesentlichen rezeptiv, während mit dem Einschlafen der
Sinne der Zwang aufhöre, und wir wesentlich produktiv würden. Die im Tagesleben
von Absichten und Zwecken in Anspruch genommenen „und an die diesen dienenden,
geläufigen Vorstellungen" gebundene Aufmerksamkeit wird gleichsam frei, und dieser
„Ueberschuss an Aufmerksamkeit" bethätigt sich nun in einem nur von unseren
Empfindungen beeinflussten freien Spiele. Dies Spiel benutzt „den unermesslichen
Vorrat von Vorstellungen, welche in unserer Seele aufgespeichert sind, des belebenden
Hauches harrend, um ins Leben zu springen." Denselben Unterschied wie zwischen
dem wachen Zustand und dem Traum, dass dort das Vorstellungsleben unter einem
eigentümlichen Zwange steht und auf einen gewissen Kreis von Vorstellungen be-
schränkt ist zufolge einer „Auswahl" für die Aufmerksamkeit, während sich hier im
Traum das Vorstellungsleben Empfindungen anderer Art zu Gebote stellt, zufällige
Reize, Rückwirkungen funktioneller Vorgänge im Körper usw. vom Zwange des
Denkens ganz befreit oder mindestens ihm nicht mehr in seiner ganzen Gliederung
unterworfen ist, denselben Unterschied findet der Vf. wieder zwischen dem wachen
gesunden Zustand und dem Wahnsinn. Aber „während im Traum an die Stelle der
gewöhnlichen Vorstellungen solche treten, welche ihren Grund in Vorgängen haben,
deren Einwirkungen durch das Tagesleben übertäubt werden", macht sich im Wahn-
sinn „neben dem Vorstellungsleben des Tages ein diesem fremdes, aber auch inneren
Vorgängen entsprungenes bemerkbar, in jenes übergreifend und es verwirrend";
den Wahnbildern wird die gleiche Bedeutung beigemessen wie der Wirklichkeit.
Es tritt also eine Verwechslung ein, ein wirkliches Irren. Auch im Hypnotismus
heitsharmonie in d. Daraentoilette : KZg. N. 99-100. — 86) X ^- ^h. Sharp, The aesthetic element in raorality and its place
in a utilitarian theory of morals. B., Mayer & Müller. III, 131 S. M. 3,00. |[LCB1. S. 1260; C. Chahot: RPhilo8. 36,
S. 652/9.] I (Handelt v. d. ästhet. Erziehung u. d. Bedeutung d. ästhet. Wohlgefallens für d. Sittliche. D. interessante Schrift
streift nur unser Gebiet.) — 87) O F. Van de rem, La Croix, le Bien et le Beau: RPL. 1, S. 30/1. — 88) O P- Talon,
A. Laveille, L'Eglise et les Belles-Lettres [Lyon, Vitte; Paris, Vic et Amat. 1892J: PolyhiblU 67, S. 421/2. -^ 89) O (14:605.)
|[RPL. Suppl. S. 4.]| — 90) X Herrn. Ritter, D. höchste Kunst. Lebensbetrachtungen. Bamberg, Handelsdr. XIV, 130 S.
M. 2,00. (Ansprechende Betrachtungen e. Gebildeton über d. „Lebenskunsf.l — 91t F. v. Hausegger, D. Jenseits d.
Künstlers. Wien, Konegen. XII, 311 S. M. 4,00. |[B. Waiden: WienAbendpost. N. 128.]| ~ 92) X i<l-. Künstlerisches Schaflfen :
Heimgarten N. 7. — 92a) O id., Aesthetik y. Innen: BayreuthBll. 16, S. 327-38. — 93) X M. Necker: D. Jenseits d.
Künstlers: BLU. S. 339-41. (Zustimmende Bespr. t. N. 91 u. von A. Freybe, D. ethische Oehalt in Qrillparzers Werken
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte, I 12:93
und in der Suggestion begegnen uns ähnliche Zustände; aber während im Traum
das Einschlafen, im Wahnsinn eine Störung des Organismus die Ursache der Um-
gestaltung ist, wirkt hier ein fremder Wille wesentlich gleich. In allen diesen Zu-
ständen zeigt sich die Phantasie, d. h. das produktive Gedächtnis thätig. Darin
ähnelt nun das Kunstschaffen. Der Vf. trennt es genau vom Forschen des Gelehrten,
das er auch wieder als rezeptiv, wenigstens passiv bezeichnet, weil es ihm nur auf
ein Nachschaffen des Vorhandenen, nicht auf das Neuschaffen ankommt, worin sich
eben das Produktive des Künstlers zeigt. H. steht keineswegs auf dem Standpunkte
Lombrosos, er hält das künstlerische Schaffen und den Wahnsinn haarscharf aus-
einander, erkennt nur Aehnlichkeit, die unser Verständnis fördere. Wesentlich ge-
meinsam dem Traum, Wahnsinn und Kunstschaffen ist die Abkehr vom Tagesleben,
das Verschliessen der Organe, „welche die Verbindung mit demselben herstellen."
Diese Abkehr ist beim Traum durch das Einschlafen, beim Wahnsinn durch organische
Vorgänge, beim Hypnotismus durch fremden Willen erzwungen und von einem
Verschwinden, Zerfallen oder wenigstens Abschwächen des „Ich" begleitet, das ge-
eignet wäre, die Errungenschaften jener Abkehr ins Leben zu retten, sie für das
Leben fruchtbar zu machen. „Des Künstlers Vorrecht ist es allein, in jene dem
nüchternen Auge verschlossenen Tiefen hinabzudringen, ohne dem Fluche zu ver-
fallen, welcher es dem, der sie schaut, verwehrt, wieder zu den lichten Höhen des
Tages zurückzukehren." Dem Künstler ist die Fähigkeit eigen, sich „von der an
die Zwecke des äusseren Lebens gebundenen Vorstellungsthätigkeit abzukehren, die
Funktionen des sich dabei beteiligenden Seelenorg'anismus schweigen zu machen,
sich den Eindrücken der Aussenwelt zu entziehen, sich auf sich selbst zurück-
zuziehen." Der Künstler hat die Gabe, sich zu sammeln, sich in einen Zustand der
„Entrücktheit" zu versetzen, ohne dabei die Berührung mit dem äusseren Leben zu
verlieren. „Während dasselbe den Träumer nur dumpf berührt und seinen Zu-
sammenhang mit den Gestalten des Traumes kaum ahnen lässt; während es den
Wahnsinnigen stört, weil es sich mit den Schöpfungen seiner Phantasie in keiner
Weise zu versöhnen vermag: wirkt es auf die Natur des Künstlers mit voller Kraft
und lässt ihn seine unerschöpfliche Fülle geniessen." H. nennt jenen Zustand das
Nacht-, dieses das Tagleben der Seele (somit gerade umgekehrt als Fechner); beim
Künstler wird demnach das Nachtleben fürs Tagleben ausgenützt. Im Traum wird
„gleichsam das Stadium der Empfindung, durch welche der Reiz sich dem wachen
Körper kundgäbe", übersprungen, „um unmittelbar mit dem Vorstellungsleben zu
verkehren", die Reize setzen sich sogleich in Vorstellungen verwickelter Art um;
der Zwang schläft, das Vorstellungsleben hat die Freiheit der Gestaltung erlangt,
und eine ähnliche Befreiung wie der Schlaf bietet das Kunstschaffen. Das wache
„Ich" mit seinen Bedürfnissen tritt in den Hintergrund, die Empfindungsreize führen
zu Reaktionen anderer Art, als sie dem vollthätigen Ich eigen sind. Des Künstlers
Gemüt hat die Anlage, leicht zu reagieren, er wird dadurch empfänglich. Beim
künstlerischen Schaffen wird die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand konzentriert,
sei es infolge bewussten Wollens, sei es unbewusst, so stark, dass das Gefühlsleben
auf die Eindrücke der Aussenwelt nicht mehr in gewohnter Weise reagiert, sondern
dem Gegenstande zufliesst, der im Blickpunkt der gesteigerten Aufmerksamkeit liegt.
Der Künstler reagiert auf die, sich in diesem Gegenstande erschliessende, Phantasie-
welt; „sein Subjekt empfindet sich nicht mehr als die gewohnte Summe von Re-
aktionen gegen die Aussenwelt, sondern wird in anderer Weise in Anspruch ge-
nommen." „Was also im Traum der Schlaf, was bei Geistesstörungen die Affizierung
oder Erkrankung von Organen erwirkt haben, die Lahmlegung des dem Tages-
bewusstsein dienenden Organismus, oder eines Teiles desselben, das erzielt im
Künstler bis zu einem gewissen Grade die Konzentrierung seiner Seelenthätigkeiten
auf einen ausserhalb der Interessen des gewöhnlichen Lebens liegenden Gegenstand,"
d. i. die „Sammlung". Daraus ergiebt sich nun ein Erregungszustand, „in welchem
der Künstler förmlich fühlt, wie sich seine innere Welt erweitert". Die Schranken,
welche seinem Denken und Vorstellen gezogen scheinen, fallen, die Fesseln lösen
sich, mit welchen er an die Scholle eines scharf umgrenzten Anschauungskreises ge-
bunden schien, er streift die Schwere des Erdenlebens ab, kein Hindernis stellt sich
seinem inneren Bilden entgegen, „der Zustand der Begeisterung hat ihn erfasst, in
welchem er produktiv wird". „Vom Traum und vom Wahnsinn unterscheidet sich
der Zustand des künstlerischen Schaffens nicht einzig dadurch, dass er wirkliche,
auch Anderen erkennbare Produkte ins äussere Leben setzt, sondern auch dadurch,
dass er keine Absonderung der Vorstellungsthätigkeit von den Fähigkeiten des
wachen Ich voraussetzt, vielmehr die Mithülfe dieser stets in Anspruch nimmt,
nicht um seine innere Thätigkeit durch sie zu stören, wohl aber um deren Er-
gebnisse dem Lichte zuzuführen." Während im Traum bewusste Willensakte nicht
veranlasst werden, beim Irrsinn die Wechselbeziehung zwischen der Thätigkeit des
24*
112: 93 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Tages-Ich und des Nacht-Ich fehlt, „ist es beim Künstler doch das wache Ich, in
dessen Bewusstsein die Erzeugnisse einer inneren Thätigkeit treten, welche sich
unter g-ewöhnlichen Verhältnissen dem nach aussen offenen Aug-e nicht enthüllt."
Der Künstler g-ehört gleichsam der äusseren und der inneren Welt „zur ungeteilten
Hand" an. Die Verstandeskräfte des Künstlers ziehen sich im Augenblicke des
Schaffens zurück, um einer anderen inneren Thätigkeit Raum zu schaffen, aber sie
verhalten sich nicht für die Dauer leidend, lauern vielmehr stets, das, was die Nacht
ihnen zubringt, für den Tag nutzbar zu machen. Der Verstand hat also seinen
Teil beim Hervorbringen des Kunstwerks, das aber wesentlich im Unbewussten
entsteht. Ich habe mich bemüht, den Gedankengang des Vf. möglichst genau, viel-
fach mit seinen Worten darzustellen, wobei freilich von seinen ausführlichen und
interessanten Begründungen abgesehen werden musste; sie stützen sich auf ein
reiches Material, genaues Ausnutzen der psychologischen Litteratur und eingehende
Beobachtungen. Vielleicht könnte mein Bericht den Schein erwecken, als seien die
Verhältnisse vom Vf. allzu mechanisch gedacht und mehr durch bildliche Ueber-
tragung als durch wirkliche Erklärung gelöst; doch haben wir es eben mit einem
Gebiete zu thun, auf dem wir weder mit Experiment, noch mit direkter Beobachtung
Resultate gewinnen können, und deshalb können wir uns schon mit einer solchen
relativen Klarheit begnügen. Manches bleibt allerdings recht zweifelhaft; besonders
die vollständige Scheidung des Traum-Ichs vom Tag-Ich erscheint der Thatsache
gegenüber bedenklich, dass wir uns immer als unser Ich im Traum begegnen, uns
wohl selbst über unsere Kenntnisse, Fähigkeiten und Kräfte während des Traumes
wundern. Nicht überzeugend möchte ich die Behauptung nennen, dass der Traum,
wie das Kunstschaffen aktiv, produktiv, unser Tagesvorstellungsleben passiv,
reproduktiv sei, wenn ich auch die Einschränkungen H.s mit in Betracht ziehe. Ist es
wirklich richtig, dass unser gewöhnliches Betrachten eines Baumes nur rezeptiv,
das eines Malers aber produktiv sei, sind nicht beide sowohl produktiv als rezeptiv,
nur rezipiert der Maler mehr als wir anderen, oder gesellen sich ihm mehr oder
doch andere Associationen beim Betrachten? Unterscheidet sich wirklich sein Sehen
von dem unseren dadurch, dass es nicht ein leidender Zustand, sondern eine
Thätigkeit ist, dass d^r Künstler nicht bloss sieht, wie wir, sondern schaut? Was
thut der Botaniker anderes, was der Forstmann? H. meint, das Wesentliche bei der
Produktivität dieser sei, dass sie sich nicht von selbst ergebe, sondern gleichsam er-
zwungen werden müsse, sie fordere einen Willensaufwand, um die entsprechende
Thätigkeit hervorzurufen und festzuhalten ; es komme darauf an, dass hier wir die
Vorstellungen suchen, dort den Künstler dagegen die Vorstellungen suchen. H. hat uns
Winke zum Verständnis zahlreich genug gegeben, doch ist die Frage so schwierig,
dass ihre Lösung auf diesem Wege nicht ganz gelingen kann; man erinnere sich
nur, dass Goethe auch für die Wissenschaft ein „geniales Apergu" forderte. Wichtig
ist H.s Aeusserung, das wesentliche Merkmal der künstlerischen Produktivität sei,
„dass der Akt des Produzierens ins Bewusstsein treten müsse", dass nicht das Ge-
wordene, sondern das Werden Gegenstand des Interesses sei, also nicht das Nach-
schaffen, sondern das Neuschaffen. Schon das Schauen des Künstlers sei ein Schaffen,
im Schauen geniesse er sein Subjekt, denn gerade weil bei der Aufnahme des
Objekts sein Subjekt sich in Anspruch genommen fühle, sei ihm das Objekt nicht
gleichgültig. Der Vf. verwirft darum die Nachahmungstheorie mit Konsequenz, und
diesen Ausführungen wird wohl jeder zustimmen. Da H. so vielfach Ansichten
vertritt, zu denen ich selbst („Lyrik und Lyriker") auf anderem Wege gekommen
bin, verweise ich nur im allgemeinen auf die Behandlung dessen, was H. Sammlung,
ich Stimmung nannte, auf den „Keim", auf das, was ich als „inneres Wachstum",
„inneren Abschluss" bezeichnete, H. ohne Namen lässt. Nur glaube ich, mit dem
Begriffe „Befruchtung" das künstlerische Schaffen wenigstens auf dem Gebiete der
Lyrik in einem wesentlichen Momente schärfer gefasst zu haben als H. Beachtens-
wert ist seine Erklärung für die geringere Bedeutung der Frau im Schaffen trotz
ihrer lebhaften Phantasie; es fehle ihr die Konzentrationsfähigkeit, die für das
Kunstschaffen massgebend ist. H. bleibt bei diesem Schildern des psychologischen
Vorgangs im Künstler nicht stehen, er geht auf den Symbolbegriff ein; mich will
bedünken, dass ihm dieser Abschnitt weniger gelungen sei; er betrachtet ferner die
Einteilung der Künste, die er nach ihren Erscheinungsarten in Raum und Zeit
trifft, wobei er aber nicht vergisst, dass Zeit und Raum untrennbar mit einander
verbunden sind. Also nicht dem Wesen, nur der Erscheinungsform nach kann man
von Künsten des Raumes und Künsten der Zeit sprechen. Wäre nicht der Ausdruck
dann besser: Künste im Räume, Künste in der Zeit? Gewiss hat H.Recht zu sagen:
„an sich als Objekt betrachtet" erscheine „jedes Kunstprodukt sowohl in der Zeit
als auch im Raum"; in der Kunst aber haben Raum und Zeit nicht bloss als An-
schauungsformen ihre Bedeutung, sie beziehen sich auch auf die Formen der künst-
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 94-ioic
lerischen Bethätig-ung*, die sich doppelt äussern kann: „in den Produkten, die sie
hervorbringt" und „in Aeusserungen des Zustandes des Produzierens", also ent-
weder im Gewordenen oder im Werden; dort tritt sie im Raum, hier in der Zeit
in die Erscheinung'. „Der Kunstg-eniessende erfasst die sich ihm vorstellende Be-
thätigung- nicht bloss in den Anschauungsformen des Raumes und der Zeit, sondern,
durch deren Vermittlung-, als in ihm selbst wachgewordene gleichwertige Bethätigung".
Der Vf. skizziert die Einzelausführung nur mit grossen Strichen, eingehender
verweilt er bloss bei der Plastik, dem Tanz und der Musik, die ihm in erster Linie
ein Nacheinander von inneren Vorgängen, in zweiter erst ein Nacheinander tonischer
und rhythmischer Verhältnisse ist; also nicht bloss gehörte Mathematik^^^^^^j^ g-e-
hörte Logik, sondern auch, „natürlich cum grano salis", Statik des Vorstellungs-
lebens. Im weiteren Verlauf betont er den Idealismus der Kunst, behandelt den
Realismus und den Naturalismus, wofür er durch die Ausführung, die Kunst sei
nicht Nachahmung, schon bedeutsam vorgearbeitet hat, und erläutert schliesslich
das Verhältnis von Kunst und Kritik, Kunst und Moral, Kunst und Technik. Die
eingehende Schilderung des Kunstschaffens und die massgebende Bedeutung, die
ihm der Vf. zuerkennt, sind wichtig; das Werk kann in vieler Hinsicht fördernd
wirken und verdient allgemeine Beachtung.^'ß 9''») — Hansson i^O) fasst das
künstlerische Schaffen ähnlich wie Hausegger, doch greift er nur Ein „Gesetz"
heraus, dass das grosse Kunstwerk aus dem Erinnerungsbilde, nicht aus dem An-
schauungsbilde hervorgehen müsse; er hat aber in seiner flüchtigen Plauderei wenig
zu einer tieferen Erkenntnis des Kunstschaffens beigetragen. — Nicht viel mehr
Brunner^oo.i)^ (je^ so g-ut wie ausschliesslich vom Dichter spricht; neben einigen
brauchbaren Erörterungen besonders über Edgar Poe und die Lyrik der Neuesten
findet sich in den vier lose zusammenhängenden Aufsätzen viel Missverstandenes
und leicht Misszuverstehendes, so dass man sich über den allzu bestimmten Ton des
Vf. nicht wundert. Er fasst Dichtung im weitesten Sinne als die W^irkung des
Wortes, den Poeten als Macher, „vornehmlich in dem Sinne, dass er ein Wort-
macher ist." — Schärfer sucht ein Ungenannter '^ij (jen Unterschied zwischen Poesie
und Rhetorik zu bezeichnen; diese rede und rede sogleich für die anderen, die
Poesie bilde und bilde zunächst für sich, sie sei Bildnerei mit Vorstellungen, die
Phantasie ihr Lebenselement. Das Wesentliche des Redners liege im Endergebnis
des ganzen Vorganges, das W'esentliche des Dichters im Verlaufe selbst. Freilich
hält der Vf. 99% aller „Gedichte", die gedruckt werden, nicht für Poesie, sondern
für blosse Schönrednerei, besseren Falls für Redekunst oder eine Mischung von
Redekunst und Poesie in metrischer Form. — Lombroso***''') hält natürlich an
seiner Ansicht fest, dass die Genialität eine Form geistiger Erkrankung sei; er hat
aus Dante nachgewiesen, dieser sei ein Epileptiker gewesen, Michelangelo dagegen
krankhaft trübsinnig. — Diesen Ansichten Lombrosos, doch auch Max Nordaus
gegenüber vertritt StröbeP^ib) dje Behauptung, die Psychiatrie helfe zur Er-
kenntnis der eigenartigen Erscheinungen in der Kunst, namentlich der modernen,
blutwenig. Den Irrenärzten vom Fach fehle meist die philosophische und ästhetische
Bildung, während umgekehrt die litterarisch Gebildeten meist der erforderlichen
medizinischen Fachkenntnisse ermangeln. Bei Nordau sei der Litterat zu sehr vom
Mediziner, der Mediziner vom Litteraten beeinflusst. Man benutze meist die Beob-
achtungen der Philister über die Genies, um diese als psychisch belastet dar-
zustellen, was aber ganz unrichtig sei. St. warnt vor den jetzt so sehr beliebten
Schlagwörtern, wie z. B. „Entartung", weil mit ihnen der Sache gar nicht genützt
werde. — Singer ^oic) rühmt an dem älteren Buche von Gelzelt-Nervin nicht nur
die reiche Sammlung und Verwertung von allerhand Selbstbeobachtungen schaffender
Künstler und Poeten, sondern auch die Erkenntnisse über die Art und Bedingung
künstlerischer, speciell dichterischer Produktion. Oelzelt legt an Beispielen dar,
dass beim Künstler und Denker Phantasie und Urteilskraft in ungewöhnlich hohem
Grade vorhanden sein müssten; er weist aus Zeugnissen nach, dass die Phantasie-
vorstellungen spontan , nicht bloss associativ entstehen können , bespricht die
fs. u. IV 4:205].) - 94) X ö- Engel, D. Bedeutung d. Zahlen Verhältnisse för d. Tonerapfindung. Dresden, Bertling. 1892.
59 S. M. 1,20. jtM. Dessoir: DLZ. S. 78; LCBl. S. 3751 (Vgl. JBL. 1892 19:6.) — 95) O R. Lonis, 1). Widersprach
in d. Musik. Bausteine zu e. Aesthetik d. Tonkunst auf realdialekt. Grundlage- L, Breitkopf & Härtel. VII, 115 S. M. 2,50.
i[LCBl. S. 1515.]| — 95a) X J- Comharieu, L'expression objective en musique d'apres le langage instinclif: EPhilos. 35,
S. 124-44. — 95b)XI' Dauriac, Psychologie du musicien. I. L'eyolution fles aptitudes mnsicales. II L'oreille mnsicale : ib. S. 449-70,
595-617.- 96)0(111:26.) |[ML. 62,S. 821/2.]| - 97)X Oarus Sterne, Traumerfahrung u. Volksdichtung: ML. 62, S.ll/4,44;6.
— 98) O (I 11 : 3.) — 99) O F. V. Z., Z. Psychologie d. Genies E. Studie. (= Samml. theol. u. soc. Beden u. Äbhandl.
V. Serie, Heft 2.) L., H. G. Wallmann. 13 S. M, 0,25. — 99a) O P. Poborykine, La Beaute, la Vie et la Creation
esthetique: Problfemes de Philosophie et de Psychologie (Moskau) 4, S. 71-108 (E. kurzer Auszug in d. RPhilos. 35, S. 661/2.)
— 100) 01a Hansson, Vom künstlerischen Schaffen: Zukunft 3, S. 321/5. — 100a)Const. Brunn er, D. Technik d. künstier.
Schaffens: Zuschauers. 110 5, 135-40, 169-75,212-20. (Als Sonderabdr. 24 S.) — 101) Bilde, Künstler, rede nicht!: Kw 6,8.193/5.—
101a) C. Lombroso, Keurose bei Dante u. Michelangelo. E. Beitr. z. Theorie d. Genialität: Zukunft 5, S. 553/8. — 101b)
H. Ströbel, Litt.-Psychiatrie: FrB. 4, 8. 421/8. — 101«) S. Singer, A. Oelzelt-NerTin, Ueber Phantasieyorstellungen. Graz,
I 12 : ioid-109 R. M, Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Associationen, die Eigenschaften und Bedingungen der Phantasiethätigkeit, das Kinder-
spiel, die objektlosen Gefühle, schliesslich die körperlichen Beziehungen, wobei durch
eine Tabelle „das Märchen" von der aufreibenden künstlerischen Thätigkeit wider-
legt wird. S. begleitet einschränkend, berichtigend und ergänzend die Auseinander-
setzungen des Vf. '*^'^) — Die psychologischen und physiologischen Momente bei der
künstlerischen Begeisterung stellt Benini ^^'«) klar und verständnisvoll dar. —
Chry sander^*'2) zeigt, wie rasch Händel komponierte, selbst Texte, für die er sich
nicht lange hatte vorbereiten können, und gedenkt in der Einleitung auch der raschen
Arbeitsweise Shakespeares und Lope de Vegas. Er beweist durch seinen ganzen
Aufsatz, dass auch Händel der Fleiss selbst war, wie so viele geniale Naturen.
Händel schrieb an einem Tage mehr als ein gewandter Kopist abzuschreiben ver-
mag. Zu dieser rein physischen Arbeit noch die künstlerische Thätigkeit. — Als
Psychologe beschäftigt sich auch Rells^*^^) nicht gerade neuartig mit dem Genie;
seiner Behauptung, dass einzelne wichtige Elemente in der seelischen Struktur des
genialen Menschen ein Vorrecht des starken Geschlechtes seien, tritt Münz'^*) ent-
gegen, indem er auf Marie Sophie Germain, ihr Leben und Wirken näher ein-
geht, los-io^) —
Bi ese ^*''') nennt das künstlerische Schaffen „ein Ausgestalten eines geistigen
Gehaltes", das Kunstwerk „die Metapher eines durchgeistigten Stoffes". Ausführ-
licher und umfassender als früher (vgl. JBL. 1890 I 3:88) sucht er das Metapho-
rische als das Wesentliche auf allen Gebieten zu erweisen. Von der kindlichen
Phantasie, den Vorstellungen der Naturvölker, zu der Sprache, dem Mythos, der Religion,
Kunst und Philosophie verfolgt er mit Geist und Geschmack das Metaphorische,
worunter er die Verinnerlichung des Aeusseren und die Verkörperung des Geistigen,
die Synthese des Inneren und des Aeusseren, den notwendigen Ausdruck unseres
geistig-leiblichen Wesens versteht. Die Metapher als Schmuck der Rede will er
nicht gelten lassen, was ich noch immer nicht als richtig zuzugestehen vermag.
Er merkt nicht, wie bei ihm Verschiedenartiges in einander fliesst, wenn er z. B.
den Fetischglauben, mythologische und religiöse Vorstellungen mit bildlichen
Ausdrücken Lagardes in eine Linie stellt; wenn er einmal die Einfühlung, dann
die schöpferische Thätigkeit der Phantasie, dann etwa die Uebertragung von
Bildern menschlichen Seelenlebens in Stein oder Erz, Ton oder Wort, die Gestaltung
dessen, was so rätselvoll im Inneren lebt, was das Herz füllt, den Geist bewegt,
alles metaphorisch nennt. Es ist nicht zu leugnen, dass er sein Prinzip mit Kon-
sequenz durchführt und vor allem das Metaphorische des Denkens in alter und neuer
Philosophie darlegt; ob damit jedoch viel erreicht ist, das wäre die andere wichtige
Frage. Die hat aber B. nicht einmal aufgeworfen. Sein Werk baut sich auf reichem
Wissen auf und ist spannend geschrieben, so dass die Lektüre jeden erfreuen und
anregen wird. Zur Tropik bringt es wichtige Beiträge und berührt auch dadurch
sympathisch, dass es gegen die unnötige pedantische Einteilung der Metapher in un-
.gezählte Unterabteilungen erfolgreich Front macht. —
Nimmt Biese das Metaphorische als eineThatsache hin, die er nur in ihrem ganzen
Umfang zu erkennen bemüht ist, so sucht, auf das Naturschöne Rücksicht nehmend,
Rob. Vischer"'^)zu erforschen, „wie es denn eigentlich zugeht bei dieser Verschmelzung
unserer Persönlichkeit mit der Erscheinung", speciell beim Betrachten der Natur. Es sind
dabei die verschiedenen optischen Funktionen massgebend. Die physische Reizung
unserer Nerven beim sensitiven Sehen wird zu einer seelischen umgesetzt, wir ver-
wechseln ihre äussere Qualität mit der Qualität unseres seelischen Gefühls. Beim
motorischen geht unser innerer Sinn dieselben Bahnen wie der Augapfel, unser be-
wegtes Schauen besteht in einem inneren Umreissen, Nachtasten, Zeichnen. Da im
motorischen Blicken das sensitive Empfinden mit enthalten ist, versetzen wir uns in
das Aeussere, wir haben die Einfühlung, ein dunkles Nachahmen der wirkenden
Naturkraft. Das Naturphänomen wird als ein Wesen vorgestellt, das etwas thut,
thun will oder gethan hat. Die betrachtete Landschaft reizt durch ihre Formen,
Lichter und Farben unseren inneren Menschen zu sympathischen und reaktiven Be-
wegungen, womit unser Leib im realen Leben Zustände und Erregungen der Seele
auszudrücken pflegt. Mit der Ideenassociation reichen wir zur Erklärung nicht aus,
weil es sich um das vorhandene Bild selbst handelt, nicht darum, was man sich dabei
Leuschner * Lnbensty. 1889. 130 S. M. 4,00: ZOG. 44, S. 50/2. — 101 d) O L. Arabrosi, L'imagination dans Testhetique
et diins la metaphysique (Referat nach RItalPhilos.) : RPhilos. 36, S. 558 — lOle) V. Benini, Esthetiqne: le moment de
Tobserviition (Referat nach RItalPhilos.): ib. S. 554. — 102) F. Chrysander, Händel als Schnellkomponist: Zukunft 3,
S. 28-33. - 103) E. W. Rells, Psycholog. Skizzen. L., A. Abel. VHI, 191 S. M. 2,40. |[LCB1. S. 1460.]| — 104) B. Münz,
Psycholog. Skizzen: BLU. S. 621/2 —105) O P- Stapfer, Le genie et roccusion: BÜRS. 53, S. 449-75.— 105a) O (111:378.)
IfKnnsichr. 4, S. 124/6.]| - 106) X F- Hitsohmann, D. Blinde u. d. Kunst: VWPhilos. 17, S. 312-20. (E. Blinder handelt Ober
d. Bedeutung d. Kunst, bes. d. Poesie, f5r d. Blindun, teilt e. „farbenreiches" Gedicht e. Blinden mit u. bespricht bes. d.
metrischen Sinn d. Blinden.) — 107) A. Biese, T>. Philosophie d. Metaphorischen. In Grundlinien dargest. Hamburg u. L.,
li. Voss. VII, 229 9. W. 5,00, — 108) Rob. Viecher, Ueber isthet. Natnrbetraohtung: DRs. 76, S. 192-207. — 109) R.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 -. iio-iiia
denken kann. Beim Anblick einer Ruine „beschäftiget uns ein eig^entümliches Durch-
einander von architektonischer Regelmässig-keit und felsenähnlichetn Trümmerwerk,
morscher Kunst und wildwüchsig-er Natur, ein abrupter Wechsel von Aussen- und
Innenansicht, plastischem Vollgefühl und perspektivischen Einblicken und Durch-
blicken." Darin liegt ihr malerischer Reiz, sie braucht uns nicht wie den Romantikerr
alte Zeiten ins Gedächtnis zu rufen und die Vergänglichkeit alles Menschenwerks zu
beweisen. Für die Einfühlung, wie für den Unterschied von Einfühlung und Ideen-
association giebt V. lehrreiche Beispiele aus der Poesie. Er fasst seine Meinung in
die Worte zusammen: „Der Inhalt einer Landschaft ist unser eigenes Wesen, aber
getaucht in das unbekannte Wesen der Natur. Sympathisch ahmen wir innerlich
ihre Erscheinung nach, doch wir würden es nicht thun, wenn wir nicht den gleichen
Ursprung mit ihr hätten, und es würde uns nicht beglücken, wenn nicht wir und
die Natur auf solches Glück eingerichtet wären." — Auch nach Kralik*^^) macht
nur die „Annahme oder vielmehr Thatsache", dass die ganze Natur mit Gefühl
begabt ist, eine Kunst überhaupt möglich; ohne sie würde kein Mensch Interesse
an der Natur nehmen, ohne sie der Mensch in seiner Umgebung sich selber nicht
verstehen. Die schönheitsuchende Seele findet aber in der Natur auch Willen und
Kraft, Thätigkeit und Streben, ja sie setzt in der Natur etwas der unserer Seele noch
zukommenden Reflexion voraus. Indem er so die Elemente herausschält, aus denen
sich das Schöne zusammensetzt, kommt er nach und nach zu folgenden Resultaten:
Schönheit ist der Ausdruck der Persönlichkeit; die Schönheit der Natur beruht auf
der einheitlich gegliederten Vielheit der sie tragenden Persönlichkeiten, weiter darauf,
dass die Träger der Individualitäten verschieden sind in ihrer Qualität, endlich
darauf, dass die Individuen, die die Welt ausmachen, in harmonischer Relation stehen.
Schön ist die Natur, insofern sie als mit Gefühl begabt angeschaut wird, insofern
sie als Ausdruck des Willens erscheint, insofern sie nach ihren Zwecken begriffen
und aufgelöst werden kann. „Schön ist der Stoff als wahrnehmbares Symbol des
Geistes, als Ausdruck der Ideen." Die Betrachtung ist originell, bringt uns aber
nicht vom Fleck. — Eine feinsinnige Schilderung des Naturgefühls in der italienischen
Poesie hat Adele Pugliese '^") gegeben. —
Wenn Kralik vom Schönen am Hässlichen spricht — er findet es wie Karl
Rosenkranz darin, „dass es nicht schön ist, sondern eig'entümlich hässlich, wie nur
etwas hässlich sein kann" — so beweist er, dass ihm die wichtige Unterscheidung
von schön und ästhetisch unbekannt blieb, die Groos*" '*•") andeutete und nun
näher ausführte. Der Vf. geht vom Lustgefühl aus, das beim Genuss entsteht, und
findet es in der inneren Nachahmung. Ist dies richtig, dann braucht es keiner positiven
Bestimmungen für das Objekt des ästhetischen Genusses, sondern nur negativer, dass
nämlich nicht durch vorwiegende Erregung irgendwelcher ausserästhetischer Inter-
essen das Spiel der inneren Nachahmung unmöglich gemacht werde. Der Vf. be-
ginnt diesmal, um jedem Missverständnis auszuweichen, mit dem Naturgenusse.
Gerade hier zeigt sich der ungeheure Reichtum der möglichen ästhetischen Wirkungen.
Nur dann ist ein Naturobjekt von jeder ästhetischen Wirkung ausgeschlossen, wenn
es uns z. B. mit Furcht, Grauen, Ekel, Abscheu, Zorn oder sittlicher Entrüstung
erfüllt, wenn der sinnliche Eindruck zu stark oder zu schwach, zu intensiv oder
zu wenig unser Interesse erregt. Dabei spielt aber das subjektive Verhalten des
Geniessenden eine grosse Rolle, seine individuellen Eigentümlichkeiten; man kann
nur sagen, hier und hier hört für die normale Menschenseele der ästhetische Genuss
auf, es treten ausserästhetische Interessen ein. Vielfach hängt diese Grenze jedoch
von Eigenheiten eines Zeitalters ab, so hört für uns gegenwärtig das Verständnis
für die rührseligen Freundschaften des vorigen Jh. oder für manche mittelalterliche
Foppereien auf. G. kommt also zu dem Resultat, dass jedes Objekt, das es nur über-
haupt erlaubt, mit dem Spiel der inneren Nachahmung zu beginnen, ohne weiteres
einen ästhetischen Eindruck auf mich machen könne. Man darf nicht vom Natur-
schönen sprechen, denn auch das Nichtschöne, z. B. ein kümmerlicher Weidenstrunk
im rieselnden Regen, ja selbst das Hässliche, z. B. das Durcheinanderzwitschern von
vielen hundert Vögeln an einem Sommermorgen, kann einen ästhetischen Eindruck
hervorrufen, weil die Thätigkeit der inneren Nachahmung den Genuss bewirkt.
Nicht durch Auflösung des Hässlichen ins Schöne, wenn sie überhaupt möglich wäre,
wirkt es, sondern selbständig kann die hässliche Naturerscheinung in den ästhetischen
Genuss eingehen; allerdings bringt sie ein Moment der Unlust mit sich, aber die
Lust der inneren Nachahmung kann die Unlust tragen, und darum kann das häss-
liche Objekt um seiner selbst willen genossen werden. Das Gegengewicht dieser
Lust wird wachsen mit unserem Interesse für das Objekt, mit der Erregung unseres Ge-
Kralik, üeber d. Naturschöne. E. ästhet. Versuch: ÖUR. 14, S. 332-92. — 110) Adele Pugliese, II seatimento della
natura nella poesia. Roma, G. Bertero. 1892. 16 S. — lU) K. Groos, Einl. in d. Aesthetik (vgl. JBL. 1892 I 11 : 37).
|[WIDM. 73, S. 558; Th. Alt: Kw. 6, S. 137 9 (zustimmend, d. Neue anerkennend).]! - 111 a) id., Aesthetisch u. schön;
I 12 : ii2-ii5a R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
fühlslebens; deshalb kann das Hässliche am stärksten bei der menschlichen Individualität
hervortreten. G. führt seinen Gedanken in einer sachlichen Polemik gegen frühere
Aesthetiker, Rosenkranz, Schasler, von Hartmann, Alt überzeug-end durch. Ihm ist
die Schönheit überall die gleiche, in Natur und Kunst, er unterscheidet scharf
zwischen dem sinnlich Ang-enehmen und Aesthetischen; er findet Phantasieschönheit
insofern überall, als wir vom sinnlich Angenehmen gar nicht zum Schönen kämen,
wenn wir das Naturobjekt völlig rezeptiv ohne Phantasiethätigkeit aufnähmen. In
der inneren Nachahmung verleihen wir dem Naturobjekte Charakter und nähern
es an das Typische, Gattungsmässige, Beim Kunstschönen verweilt G. diesmal
kürzer, er greift nur das Komische heraus, um darzuthun, dass keine Theorie
darüber hinauskomme, hässlich sei schön; schlagend erwidert er Zeising, wenn
das Komische dadurch zum Schönen werde, dass im Subjekte die Vollkommenheit
entstehe, dann müsste der Mord unter die guten Handlungen gehören, weil der An-
blick des Mörders in uns eine sittliche Reaktion und damit die Idee des Guten her-
vorrufe. Der Sprachgebrauch dehnt freilich die Anwendung des Wortes „schön"
aus, weiter als G. in seiner Definition, immer aber noch weniger weit, als die bis-
herigen Definitionen; nach der Logik ist es richtiger, den Terminus enger zu ver-
werten als der Sprachgebrauch. Zum Schluss verweist G. darauf, dass die von ihm
bekämpfte Gleichung „ästhetisch = schön" nicht immer gegolten habe, eigentlich erst
durch die spekulative Aesthetik nach Kant in richtiger Absicht zu ihrer falschen
Formulierung gebracht worden sei. Die Abhandlung wird wohl dazu dienen, die
Ansicht des Vf. noch weiter zu verbreiten. — Hör mann ^'^j gtimmt mit Groos darin
überein, dass er die Identifizierung von ästhetisch und schön verwirft; er bekämpft
nämlich die Ansicht, dass die Kunst das Schöne darstellen müsse, nur geht er von
ganz anderen Voraussetzungen aus, nicht wie G. vom ästhetischen Geniessen, sondern
vom künstlerischen Schaffen. Jenes „Gesetz", dass die Kunst das Schöne darstellen
müsse, hält er deshalb für unrichtig, weil sich das Genie nicht daran gehalten,
sondern häufig das Hässliche dargestellt habe ; ein Gesetz aber, das auf ein Genie nicht
passt, ist falsch. Groos sieht von dem Kunstschaffen ab, H. widmet ihm allein seine
Aufmerksamkeit und geht so weit, die künstlerische Wirkung einzig und allein dem
„hervorragenden individuellen Können" und gar nicht dem Manifestations-Objekt
zuzuschreiben. Dieses Manifestations-Objekt muss nur bestimmte Qualitäten haben,
dass es den Genuss am individuellen Können nicht beeinträchtigt. Aber seine Ansicht
unterscheidet sich von der Groosschen doch mehr durch eine gewisse Unklarheit
der Formulierung, als durch das Wesentliche; es rächt sich bei ihm, dass er auf die
Naturobjekte nur so weit eingeht, als sie in der Kunst durch die Beleuchtung, in die
sie der Künstler rückt, Verwertung finden. Er gesteht wie Groos zu, dass es that-
sächlich kein Manifestations-Objekt giebt, das, unter zweckmässiger künstlerischer
Behandlung, Unlust erwecken könnte, drückt dies aber wieder mit Rücksicht auf
das einseitige Betonen des Kunstschaffens einseitig aus. Man sieht das am besten,
wenn man die weitere, gewiss richtige Behauptung hinzunimmt, dass jedes in der
Wirklichkeit lusterregende Manifestations-Objekt im Kunstwerk Unlust erregen
würde, bei ungeschickter Behandlung durch den Künstler. Den Künstler in der
Wahl des Manifestations-Objektes beschränken, heisst die Kunst missverstehen. H.
gelingt es nicht, den Nachweis dafür zu leisten, was ihm an der Hand von Groos
Auseinandersetzung leicht wäre. So fehlt es seiner interessanten, anregenden und
fördernden Darlegung am eigentlichen Abschlüsse. —
Eine wichtige Rolle spielt auch in der Kunst das Gedächtnis. Drei Haupt-
theorien des Gedächtnisses unterscheidet van Biervliet^'^), dessen Werk mir nur
aus der kurzen ungünstigen Besprechung Dessoirs bekannt ist; nach der ersten
Theorie verharrt das seelische Bild im Unbewussten, nach der zweiten als Spur auf
der Grossgehirnrinde, nach der dritten als funktionelle Disposition. Reproduktion,
Wiedererkennung und Lokalisation in einen bestimmten Zusammenhang werden ge-
trennt. Der Recensent bezeichnet die dogmatische Zusammenstellung als nicht fördernd.
— Auf streng experimentellem Boden stehen G. E. Müller und S chumanni*^'')
in ihrer gemeinsamen Arbeit, die aus einer Erprobung der von Ebbinghaus (Ueber
das Gedächtnis, Leipzig 1885) eingeführten Methoden hervorging. Die überaus in-
struktiven Versuche können wir nicht berücksichtigen, aber einzelne Beobachtungen
sind auch für uns von Bedeutung. Es hat sich den Vf. ergeben, dass vor allem
der Rhythmus das Gedächtnis unterstützt, sie berufen sich auf ähnliche Beobachtungen
Binets"4->i5) und Gossensi^^a) und deuten selbst (S. 136) die Wichtigkeit dieser
PhilosMh. 29, S. 531-81. — U2) (I 11 : 53.1 |[Th. Alt: Kw. 6, S. 169-70, 187,8 (anerkennend, nur wird genügende üebersicht
u. Klarheit mit Unrecht vermisst.Jf — 113) J. J. van Biervliet, La memoire. {— RTÜnivGand.) Gand et Paris, Clemra
(II Engelcke, sncc). 40 S. Fr. 2,00. |[M. Dessoir: DLZ. S. 1028.JI —113a) G. E. Müller u. F. Schumann, Experiment.
Beitrr. z. Untersuchung d. Gedächtnisses. Hamburg n. L., L. Voss. IV, 192 S. M. 5,00. (Sonderabdr. aus ZPsycholgSinnesorg.
Bd. 6.) - 114) A. Binet, Memoire visuelle göometrique. - Notes complement. sur M.Jacques Inaudi: RPhilos. 35, S. 104-12.
— 115) X J M. Ohar cot et A. Binet, Un calculateur du type visuel: ib. S. 690/4. - 115 a) O H. Gossen, Ueber zwei
R. M, Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : ii5b-i20»
Thatsache für die Litteratur an. Speciell der trochäische Rhythmus prägte sich
dem Gedächtnis der deutschen Versuchspersonen leichter ein als der jambische, dabei
ergab sich ihnen, dass sie unwillkürlich bei ihren sinnlosen zwölfsilbig-en Silben-
reihen nicht alle trochäisch hochbetonten Silben mit demselben Iktus versahen,
sondern gewöhnlich die 1. und 5., 7. und IL, wobei nach der 6. Silbe ein Abfallen
des Tones und eine besondere Pause bemerkbar wurde; es kamen weiter Fälle
vor, wo ein besonderer Iktus nur auf der 5. Silbe lag, ferner Fälle, wo die 1. und
5. Silbe oder die 1. und 7. oder die 5. und 11. Silbe so ausgezeichnet wurden, end-
lich Fälle mit dem Hauptiktus auf der 1., 5., 7. und IL, besonders bei Uebung im
Lernen; niemals dagegen wurde ein besonderer Iktus auf der 3. oder 9. Silbe beob-
achtet. Die Vf. regen zu ähnlichen Versuchen an, womöglich mit Zuhülfenahme
des graphischen Weges, um sich nicht aufs Gehör verlassen zu müssen. NatürHch
begünstigten Allitteration, Vollreim und Assonanz das Lernen. Versuche, die Atmung
beim Sprechen der sinnlosen trochäischen Silbenreihen zu kontrollieren, ergaben
das Resultat, dass die Cäsur und Incision dem Bedürfnisse der Atmung wenigstens
zum Teil ihren Ursprung verdanken. Auch ihnen zeigte sich die verschiedene
Veranlagung der einzelnen Versuchspersonen, indem bei einzelnen mehr das
visuelle, bei anderen mehr das akustische Erlernen eintrat; auf solche Thatsachen
wird aber gerade die Erforschung der künstlerischen Individualitäten Gewicht legen
müssen. ^^^'»"i^^c) —
Die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Kritik wirft in seiner
scharf einseitigen Manier Bahrii^) auf, wobei er aber unter Kunst nur die bildende
Kunst versteht. Was muss der Künstler von der Kritik verlangen? so fragt B. und
antwortet: dass sie über Erfolg oder Niederlage seiner Absicht ein Urteil abgebe,
dass sie sage, ob er in diesem Bilde kann, was er in diesem Bilde will. B. behauptet,
die Wiener Kritiker, die er sehr rühmt, seien gebildet, aber gerade kritisch seien sie
nicht gebildet; er fordert strenge, die Kritik solle untersuchen: „Was will der Künstler?
Wie viel davon kann er schon, und was fehlt ihm noch, um sich ohne Rest auszu-
drücken, mitzuteilen." Als Muster bezeichnet er Albert Wolff, jetzt Gustave Geffroy,
in einiger Distanz Hermann Helferich und Cornelius Gurlitt. Er verlangt, dass in
den Zeitungen mehr von bildender Kunst gesprochen werde und will in der Wiener
Deutschen Zeitung mit gutem Beispiele vorangehen. — Ein Anonymus ^^'') bespricht
die Mängel unserer Kritik und charakterisiert die Verhältnisse, wie sie sind, in
grossen Umrissen gewiss richtig. Er meint, eine Besserung Hesse sich erwarten,
wenn das Publikum beachtete, dass die Kritik kein Richterspruch letzter Instanz sei,
und wenn die Gesamtheit der Schriftsteller für den Einzelnen gegen kritische Ver-
gewaltigung einträte. — Eichfeld"^), der im Ganzen zustimmt, hält dieses Aufbieten
der Gesamtheit für unmöglich, verspräche sich aber von einer litterarischen „Sezession"
eine ähnliche aufrüttelnde, reformierende, regenerierende Wirkung, wie von der Sezession
auf dem Gebiete der bildenden Kunst. — Berg^'^) verlangt von der Kritik geradezu
Subjektivität, Parteinahme, aber mit Konsequenz aus einer wirklichen Individualität
heraus. Ihm ist der Indifferentismus ein Greuel, der sich hinter dem Namen Ob-
jektivität verbirgt. Im „Persönlichen" entdeckt er den gemeinsamen Beruf von Kunst
und Kritik. „Einseitigkeit, Voreingenommenheit, Subjektivität, das sind jedenfalls
der Uebel grösste nicht: ohne Liebe und Hass keine Kunst und ohne Blindheit und
Voreingenommenheit keine Liebe. Und auch in der Kritik immer noch besser Vorein-
genommenheit als Niemalseingenommenheit (!), besser vorgeur teilt als nie geurteilt,
immer noch besser Tothass (!) als Gleichgültigkeit gegen Kunst und Künstler." Ich
glaube, bei einem solchen Satze kann die Kritik schweigen. — StoesseP^") deckt
einige der offenkundigsten Schäden auf, die leider bei der berufsmässigen Buchkritik
eingerissen sind, zum Glück aber nur bei jenen Tagesjournalen, denen das denkende
Publikum keine Bedeutung beimisst. Freilich ist nicht zu. verkennen, dass jene
„Schmierlinge" und Kritikaster Schaden anstiften können, da eben nicht bloss denkendes
Publikum Zeitung-en liest. Eine Abhilfe zu treffen ist so unendlich schwer, dass
es dem Vf. nicht einmal einfällt, irgend welche Mittel gegen eine solche Pest vor-
zuschlagen. — Lormi20a) vertieft seine Klage über die Kritik und verquickt sie
mit anderen Klagen, möchte jedoch eine Wendung zum Besseren erwarten, wenn in
der Mittelschule die Ethik und weltliche Moral gerade so gelehrt würden wie die
Religion. — Mit allem Spott und allen Lamentationen wird nichts erreicht, auch die
Dummheit will ihr Recht, oder, um einem herzlich unbedeutenden Aufsatz von
Fälle T. Aphasie: APsyohiatrie. 25, S. 85/6. — 115b) O B. Benzoni, n sapere empirlco i memoria. Palermo, Sandson.
112 S. L. 3,50. — 115c) O F. Queyrat, L'imagination et ses Varietes chez l'enfant. Etüde de psycholog. experiment.
appliquee ä l'education intellectuelle. Paris, Alcan. 12«. 162 S. Fr. 2.50. |[P. Piinlhan: RPhilos. 36, S. 87-90.]| — 116)
H.Bahr, D.Kunst u. d. Kritik: Kw. 6, S. 1535. (Citiert aus DZg.)— 117) E.W.,D. Heilung d. Kritik: ib. S. 273 5. —118) H.Ei ch-
feld: In Sachen: Heilung d. Kritik: ib. S.317.- 119) (I 1:150.)— 120) A. Stoessel, Bnchkritik: Geg. 43, 3. 378/9. — 120 a)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. 25
I 12:121-140 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
P löhn 121^ (Jas einzig- Gute, drum aber auch längst Bekannte zu entnehmen, die
Leser wollen, dass der Dichter sich ihrem Geschmack anbequeme; nur wenn er das
thut, folgen sie willig seinem Geschmacke.^2'''"'22~) —
Wie wird sich die Zukunft der Kunst gestalten, wenn die Social-
demokratie den Sieg erlangt? Dieser Zweifel beschäftigt jetzt schon die Gemüter.
Wittich ^23~) prophezeit, dass erst unter den Verhältnissen des Zukunftstaates mit
seiner Befreiung von Herrendienst und Barone ums nackte Dasein die Möglichkeit
einer wahren Kunstblüte geschaffen werden könne; nichts liege der Socialdemokratie
ferner, als die Kunst zu verachten. Die „schöne Kunst" werde der „Elendsmalerei"
in den Werken der Realisten und Naturalisten folgen, wenn die abscheuliche Wirk-
lichkeit, das sociale Elend, einmal abgeschafft sei. — Ruhig legt ein ungenannter
Vf. 124) die Verhältnisse dar, beruft sich auf Walter Cranei25) und Emil Reich '26)
und fasst seine Ansicht in die Worte: „Die socialdemokratische Kunst — oder wenn
man lieber will: die Socialdemokratisierung der Kunst — hat eine Zukunft, die be-
stehende Socialdemokratie hasst die Kunst nicht, und die Kunst, die nie des Volkes
entraten kann, hat von einem Siege der Socialdemokratie nichts zu fürchten, sondern
nur Vorteile zu erhoffen."^27-i3i) _ Ausdrücklich wird hervorgehoben '^2)^ dass sich
in den socialdemokratischen Zeitungen die Anzeichen häufen, man wolle die „Ge-
nossen" zur Pflege der Kunst erziehen. — Mehring^^s) g-esteht zwar, dass die
Form der Modernen dem Proletarier einzig verständlich sei, findet aber, dass auch
hier der Geist noch kapitalistisch geblieben. Weder das Klassische noch das
Moderne sei das, was die Masse brauche, aber es wäre thöricht, das Moderne ein-
seitig zu bevorzugen, es gelte vielmehr, bei dem Klassischen auf den ursprünglich
revolutionären Kern zu dringen, dann bekomme man für Geist und Herz kräftigere
Nahrung „so lange mindestens, bis aus dem Proletariat selbst eine neue Kunst er-
wachsen ist, in der die Begriffe des Klassischen und Modernen dann freilich ihre
dauernde Versöhnung finden werden." Den Unterschied zwischen dem vorigen und
unserem Jh. findet M. darin, dass sich die revolutionäre Bourgeoisie nur auf den
Gebieten der Litteratur und der Kunst bethätigen konnte, während diese Gebiete
dem revolutionären Proletariate geradezu verschlossen seien. Die Entscheidung werde
auf ökonomischem und politischem Gebiet erfolgen, aber die Kunst gehöre so un-
löslich zum Leben eines vollen Menschen, dass, ,,je mehr die Arbeiterbewegung den
Proletarier wieder zu einem vollen Menschen macht, um so stärker künstlerische
Bedürfnisse und Neigungen in ihm erwachen". — Brandt i^*) sieht den Mangel an
allgemeiner Wirksamkeit der Kunst darin begründet, dass wir eine „Künstlerkunst"
und eine „Publikumskunst" haben, jene sich aber um das Publikum nicht kümmere
und nicht national genug sei.'^^'i^öa) — Aldenhoven '^6) drückt in einer liebens-
würdigen Skizze die Ueberzeugung ans, es werde die Zeit kommen, „dass die
Poesie und die Musik wie die bildenden Künste wieder, wie einst in der Kirche,
eine Stätte finden werden, die dem ganzen Volke offen steht". — Hildebrandt^^'')
hofft gerade von der Kunst „die Besserung unserer socialen Zustände, die Hebung
von Handel und Gewerbe"; er begründet seine Hoffnung nur ganz allgemein haupt-
sächlich durch die erziehende, veredelnde Macht der Kunst, die aber der vorbereitenden
Erziehung zur Kunst in der Schule wie im Hause bedarf. — Rott'^*) ist der
Ueberzeugung, wir gingen ,, geraden Wegs" einer Zukunft entgegen, ,,wo Dichtung
und (bildende) Kunst wieder Hand in Hand zur Unsterblichkeit emporschreiten
werden. Ob diese neue Kunst mehr realistische Romantik oder mehr romantischer
Realismus sein wird, kann uns gleichgültig sein." —
Wie weit das Unanständige nach dem jetzigen Stand der Kultur in der
Kunst verwertet werden kann, sucht von Polenz'^") festzustellen. Als das Un-
anständige bezeichnet er „dasjenige, was unser Schamgefühl zu erregen geeignet
ist", also „das Nackte und Ekelhafte und das Unsittliche". Das Nackte aus Gewöhnung,
H. Lorm, D. litt. Sittlichkeit: ib. 44, S. 374/6. — 121) Rob. Plöhn, D. Gesohmacksgesetze d. Publikums: ML. 62, S. 475/6.
— 121a) X Publikum n. Kunst: Didask. N. 129, S. 515/6. — 122) X Reines Deutschtum in d. Kunst: Kw. 6, S. 245/7, 260/1.
(Bespr. V. F. Langes Aufsatzfolge: „Reines Deutschtum" [vgl. I 4:615], auch als bes. Schrift erschienen. In d. Grundsätzen,
aber nicht d. Resultaten zustimmend.) — 123) M. Wittich, D. bürgerl. Kunst n. d. besitzlosen Klassen: ib. S. 108/9. (Aus
BildhauerZg.) — 124) In Sachen: Kunst u. Socialdemokratie: ib. S. 362/5 - 125) X ^- Grane, The Claims of decorative
art. London, Lawrence and Buller. 1892. 4". Sh. 7/6. (Darin „Art and Labor" und „Ai-t and Socialdemocraty".) — 126) X
E. Reich, D. bürgerl. Kunst (vgl. JBL. 1892 IV 4: 178). |[R.: LCBl. S. 455/6; G. Manz: ML 62, S. 161,2.1| — 127) O Kurt
Baecker, D. Volksnnterhaltung. B., Dtsch. Sohriftstellerg. 83 S. M. 1,20. |[G. Manz: ML. 62, S. 161/2.]| — 127a) X
Proletarische Aesthetik: Volksbühne 2, S. 8-14. — 128) X 0 Krack, D. Kunst u. d. Volk: Geg. 44, S. 40/2. (Auszug aus
Reich.) — 129) X M. Wittich, Wie sich d. Socialdemokratie zu Litt. u. Kunst stellt: Kw. 6, S. 108. (Gegen Baumgarten.)
— 130) X H. Scham [Pudor], VolkstOml. Kunst: 20. Jh. 2, S. 51-72. - 131) X A. A. Naaff, V d. Luxuskunst z. Volkskunst:
ib. 1, S. 88-90. — 132) Kunst u. Socialdemokratie: Kw. 6, S. 108/9. - 133) F. Mehring, Klassisch u. Modern: ib. S. 347/9.
(Aus BildhauerZg.) — 134) H. Brandt, D. Volk u. d. Kunst: Atelier N. 61. - 135) X J- H., D. bürgerl. Kunst u. d. besitz-
losen Klassen : NZ8t. 11, S. 334/9. — 135 a) XO Seh wind razheira, Hie Volkskunst! (= Tages- u. Lebensfragen. Her. v. W. Bode.
N.13/4.) Bremerhaven, Tienken. 1892. 34 S. Mit 8 Taf. M. 0,50. |[A. Fuchs: ALBI. 2, S. 593/4.] | - 136) C Aldenhoven, Kunst
n Armut: Ntttion». 10, S. 378-82. — 137) (I 11 : 27.) |[M. S. : ML. 62, S. 820.]l - 138) V. Rott, Kunst u. Dichtung: Atelier
N. 60. — 139) W. V. Polenz, Ueber d. Grenzen d. Unanständigen in d. Kunst: ML. 62, S. 383/5. — 140) K. Schauer, Z.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. 1 12 : 140143
wegen des Dogmas von der Abtötung des Fleisches, der Enthaltsamkeit, der Keusch-
heitsgebote, endlich weil es uns an unsere Tierähnlichkeit erinnert. Ekelerregend
ist vor allem das, was uns an die Schwäche, Hinfälligkeit und Notdurft unseres
Körpers erinnert wie Verdauung, Krankheit, Verstümmlung usw., Verwesung,
Leichenstarre und alles, was der Tod im Gefolge hat; auch hier also stösst uns das
Tierische ab. Das Unsittliche kann gleichfalls als ein Zurücksinken von der Stufe
des Menschlichen zum Tierischen bezeichnet werden. Geradezu der Triumph des
Unanständigen ist das Geschlechthche, weil es auch dann, wenn es nicht gegen
das Sittengesetz verstösst, uns dem Tier am nächsten bringt, überdies in engster
Beziehung zum Ekelhaften und Nackten steht. Das Schamgefühl ist daher hier am
stärksten. Trotzdem kann man das Unanständige nicht prinzipiell von der Kunst
ausschliessen, will man nicht von vornherein auf Lebenswahrheit verzichten und
sein Stoffgebiet verkleinern und einem wichtigen Mittel der Charakterisierung und
des Kontrastes entsagen. Das Unanständig'e ist kunstfähig, nur darf es weder Selbst-
zweck noch gehäuft werden. Was die einzelnen Künste betrifft, so glaubt der Vf.
das Gesetz aufstellen zu dürfen: „In je deutlicherer Weise eine Kunstgattung das
Leben versinnbildlicht, in desto schwächerem Masse darf sie das Unanständige ver-
wenden." Im einzelnen hängt alles weit mehr vom Naturell des Künstlers als vom
Stoff ab. „Sinnlichkeit ist in der Kunst eine Tugend, Lüsternheit aber ein Ver-
brechen." Noch ein „Gesetz" findet der Vf.: „Das Unanständige stört nämlich dann
nicht, wenn es harmlos aufgenommen wird und sich selbst harmlos giebt, ja, es hört
dann geradezu auf, unanständig zu sein." Zwei Extreme werden aufgezeigt: das
Frivole, „eine Art geistiger Entblössung", und das Prüde. Am erträglichsten er-
scheint das Unanständige in der Form des Witzes. Das Unanständige kann durch
Harmlosigkeit geradezu aufg'ehoben, durch Witz erträglich gemacht werden, immer
aber sind es nur „mildernde Umstände", die für das Unanständige angeführt werden
können. Der Aufsatz ist verständig und legt die Thatsachen klar, wenn auch nicht
tiefsinnig dar. — Bedeutsam scheint Schauer i**^) in einer juridischen Abhandlung,
die ich nur aus Daudes Besprechung kenne, das Thema vom Unzüchtigen in der
Kunst behandelt zu haben. Er teilt die unzüchtigen Schriften in absolut, offen oder
versteckt, und relativ unzüchtige ein. Zu den relativ unzüchtigen rechnet er solche
nicht unzüchtige, streng wissenschaftliche oder künstlerische Werke der schönen
Litteratur, die durch die Art ihrer Verbreitung von Seiten des Buchhändlers oder
Verlegers in Kreise geleitet werden, denen es nur auf geschlechtliche Aufregung
durch den sexuell interessanten Teil der Schrift ankommt. Die Unzüchtigkeit eines
Werkes der schönen Litteratur beurteilt der Vf. in erster Linie darnach, ob die
Tendenz eine unzüchtige sei, und welchen Eindruck es auf den Leserkreis macht,
für den es bestimmt ist. Der Vf. meint also, dass die Frage, ob eine Schrift als
eine unzüchtige anzusehen sei, stets quaestio facti sein müsse. „Klassische" Werke
können höchstens durch die Art ihres Vertriebs zu unzüchtigen Zwecken miss-
braucht werden.^*') — Beachtenswert ist auch ein Aufsatz von Erdmann i^^^, der
zwar vom Thema „Suggestion und Dichtkunst" mit Rücksicht auf Franzos „Enquete"
(vgl. JBL. 1891 I 3 : 255; 1892 111: 240) ausgeht, aber die ganze ästhetische Frage
dabei behandelt. Er verwirft die Fragestellung, an der Franzos unschuldig sei, ob
die Dichtkunst die Erscheinung der Suggestion verwerten „darf", weil er eine
Einschränkung in dieser Hinsicht überhaupt nicht zugeben kann. Verständig die
Stoffwahl besprechend, kommt er zur umfassenderen Frage: „Giebt es an sich an-
rüchige, an sich verpönte Stoffgebiete?" Diese Frage lasse sich aber kaum so
direkt beantworten. E. ist mit der Auffassung der „Scheingefühle" nicht einver-
standen, die E. von Hartmann vorträgt, der Scheingefühle, die von der Kunst erregt
werden und sich ihrem Wesen nach von den wirklichen unterscheiden; ihm sind
Scheingefühle jene, die sich unmittelbar auf den Schein des Kunstwerks beziehen
und sich von jenen unterscheiden, die ganz ausserhalb der künstlerischen Illusion
stehen. Ein Scheingefühl ist die Angst beim Anblicke des brennenden Schlosses
um die imaginäre Person des Käthohens von Heilbronn, während die Furcht, das
brennende Schloss könne das Theater in Brand stecken, ein reales Gefühl ist. Ein
reales Gefühl ist es aber auch, wenn der Leser irgend einer Verführungsscene selbst
zur Lüsternheit erregt wird, weil der scheinbare Vorgang, den das Kunstwerk
bietet, ausser allem Zusammenhang mit der realen Person des Lesers steht. E.
meint also, es komme auf die Beziehung, nicht auf das Wesen des Gefühls an;
ob ich innerhalb oder ausserhalb der künstlerischen Illusion bleibe, darauf muss
Gewicht gelegt werden. E. geht auch auf das „interesselose Wohlgefallen" ein, um
Begriff d. unzüchtigen Schrift. E Beitr. z. Erläuterung d. § 184 B.St.G.B. L., Rossberg. Vm, 62 S. M. 1,60. |[P. Daude:
DLZ.S. 499-500 ]|"- 141) X F- Brentano, D. Genie; d. Schlechte als Gegenstand dichter. Darstell, (vgl. JBL. 1892 I 11 : 68, 106):
WIDM. 73, S. 142. — 142) K. Erdmann, Anrüchige Stoffe: Kw. 6, S. 113/6. — 143) X M. t. Flotow, Kunst u. Moral.
25*
I 12:144-145 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
die „übliche übertriebene Auffassung" zu widerlegen. Es kann nun die Vermischung"
von Schein- und realen Gefühlen Schuld des Beschauers sein, der eines rein
ästhetischen Verhaltens unfähig ist, oder weder vom Beschauer, noch vom Künstler
gewollt, aber, wie z. B. Langweile, unwillkürliche Heiterkeit durch das Verfehlen
des Zweckes hervorgerufen sein, oder endlich die realen Gefühle sind der eigent-
liche Zweck eines Werkes, dann haben wir es entweder mit Tendenz- oder mit
Sensationswerken zu thun. Unsittliche Werke sind jene, welche die Sinnlichkeit
reizen und Lüsternheit hervorrufen wollen. Es fragt sich also nun: giebt es
Stoffgebiete, denen „notwendig" die Erregung ausserästhetischer, realer Gefühle an-
haftet? Klar grenzt E. die Fälle ab, indem er die Meinung ausspricht, dass reale
Gefühle von gewissen Stoffen ganz unvermeidlich erregt werden, aber wegen rein
subjektiver, durch Erziehung, Kulturverhältnisse und Gewohnheit bedingter, ver-
änderlicher und sich verlierender psychologischer Erscheinungen; es ist also eine
nicht am Stoff, sondern am Individuum haftende Beschränkung. Die Thatsachen der
Suggestion speciell erscheinen uns so unerhört, so schreckhaft, dass sie reale Gefühle
erregen. Daraus ergiebt sich, dass entweder Sensationswerke, wie Samarows Roman
„Unter fremdem Willen" entstehen, oder dass „rein künstlerische", tendenz- und
sensationsfreie Werke, die solche Stoffe behandeln, von uns abgelehnt werden. Bei
dem täglichen Schwinden des Ungewohnten der Suggestion könnte eine Dichtung
über die Suggestion möglich werden. Aber nur die Erfahrung wird lehren, ob je
ein solches Kunstwerk zu stände kommen kann.^^^) —
Poetik. Von der Behauptung ausgehend, dass zwar in unseren Tagen
der Ruf nach einer induktiven Poetik oft genug ertöne, aber die Meinung noch
nicht geklärt sei, was man unter induktiver Poetik zu verstehen habe, beschäftigt sich
mit der Methode der Poetik neuerlich Eugen Wolff^^^). Er stellt, wie in seiner
Schrift „Prolegomena der litterarrevolutionistischen Poetik" (vgl. JBL. 1890 I 3 : 60),
die Ansicht an die Spitze seiner Auseinandersetzung: „Das allein mögliche Material
der Erfahrung über die Litteratur ist doch wohl die Litteraturgeschichte", während
er thatsächlich nur meint, es komme bei der Poetik die lückenlose und geordnete
Heranziehung der Litteraturwerke in geschichtlicher, ununterbrochener Folge in
Betracht. Doch spricht er in seiner Unklarheit statt von Litteraturwerken oder
Litteraturgeschehen immer von der Litteraturgeschichte. Bisherhabe die Poetik meist
die „Litteraturgeschichte" nur als starre Einheit oder als Raritätenkasten zu benutzen
gewusst, die „Litteraturgeschichte" sei aber ein „fliessender Org-anismus" „mit
Wandlungen und Umbildungen, mit Abweichungen, die -bei blosser ungeschichtlicher
Nebeneinanderstellung an einer Möglichkeit allgemeingültiger Begriffsbestimmung
der Poesie leicht zweifeln Hessen, die aber bei geschichtlich zusammenhängendem
Ineinandergreifen den zuverlässigsten Regulator für die Variationen des einen Grund-
typus darbieten." Soll die empirische Poetik „aus dem Stadium der Experimente (\)
in das des Systems übergehen", so muss sie „auf der Geschichte der Weltpoesie im
vollen Umfang und Zusammenhang fussen". Also ist „zusammenhängende Auf-
wicklung (!) der geschichtlich gegebenen Erscheinungen, systematische Geschichte
der Weltpoesie die Grundläge der Poetik". Es kommt demnach darauf an, „die
Teile des Materials nicht mehr als Regel, sondern als geregell" zu betrachten, „die
psychologische Quintessenz des Ganzen zur alleinigen Regel" zu erheben. Erst
wenn die induktive Poetik „die Einzelerscheinungen nach ewigen Prinzipien" er-
gründet, wird sie „philosophiefähig". Sie wird nicht mehr jede Einzelerscheinung,
jede Entwicklungsstufe für sich als g-esetzgebend anerkennen, sondern nur „als
eine Potenz der Entwicklung", und wird erst „aus dem Ineinandergreifen dieser
Potenzen das psychologische Prinzip der Entwicklung" erschliessen. Also hiesse
die Aufgabe, „die Urpoesie, den Typus der Poesie festzustellen". Die wahre Poesie
ist nur eine, doch giebt es „viele Offenbarungsformen derselben, deren identische
Urzellen nicht ohne weiteres dem Einzelbeschauer sichtbar sind". Nun wundert sich
der Vf. über das Resultat, zu dem er gekommen zu sein glaubt, und fragt mit
köstlicher Naivetät: „Die Poetik will die Poesie- regeln (!) — und soll sich nun von
der Poesie regeln lassen?!" Wir erstaunen freilich auch, denn wir hatten gemeint,
dass die Poetik seit Gottscheds Tagen die Entwicklung von der normierenden zur
historischen Grammatik durchgemacht habe, dass sie nicht darauf aus sei, der Poesie
„Regeln" zu geben, sondern das Wesen der Poesie zu ergTÜnden. W. aber sagt:
„Kennen wir die Gesetze, welche der Gesamtlitteratur in der Vergangenheit zu
Grunde liegen, kennen wir also die Grundzüge der Litteraturentwicklung, so haben
wir einen Massstab für Beurteilung der Einzelerscheinungen in der Vergangenheit
und Gegenwart gewonnen." Was soll das heissen? Kennen wir die Grundzüge der
Menschheitsentwicklung, so haben wir einen Massstab für die Beurteilung des
Vortr. (Eeferat): KZg. N. 983. - 144) Eng. Wolff, Vorsttidien z. Poetik MV.: ZVLB. 6, S. 423-47. — 145) O F. Houssay,
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 -. 144-145
einzelnen Individuiinis? Kennen wir die Geschichte einer Er seh einungsreihe, so ver-
mögen wir allerdings das Einzelindividuum in diese Geschichte einzureihen, aber
genügt das wirklich für eine Beurteilung des Individuums? Wir merken, W. spricht
ja gar nicht von der Poetik, er spricht von einer Entwicklung'sgeschichte der Poesie,
ohne die Frage nur zu streifen, ob das eigentlich die Poetik sei. Zum Glück für
uns hat der Vf. sogleich gezeigt, wie leicht diese Poetik zu ihren „Gesetzen" kommt.
Er stellt nämlich aus der Vergieichung von 14 Stellen aus 8 Dichtern die Neigung
der Poesie fest, die menschlichen Helden zu göttlichem Schein zu erheben, und
kommt zu dem ersten Teil eines Grundgesetzes der Dichtung, das Irdische in über-
irdischen Schein zu erheben, er bildet dafür das Wort „Theomorphismus". Nun
nimmt der Vf. 9 Stellen aus 7 Dichtern (Shakespeare, Boileau, Rousseau, Lamartine,
Goethe, Schiller, Bleibtreu), darunter „gekrönt von nahen IBergen", „gekrönt mit
Eichen", und kommt zum zweiten Teil des Grundgesetzes, wofür er den schönen
Namen „Heroomorphismus" bereit hat. Auf das religiöse folgt das heroische Ideal,
auf den Theismus der Heroismus, also auch ihre ,, Ausflüsse", der Theomorphismus
und der Heroomorphismus. Nun ist es aber „ein in geschichtlicher Zeit meist klar
verfolgbarer Gang der Entwicklung: vom Göttlichen durch das Heroische zum
Menschlichen oder gar Bürgerlichen". Wenn die Poesie „auch aus dem Bereich des
Heroischen herabsteigt, um die Menschheit und Natur selbst unmittelbar zu ver-
klären", so bereichert sie sich um das charakteristische Mittel, von dem der
,,Anthropomorphismus" nur eine Seite bezeichnet; W. fühlt sich versucht, „die Be-
zeichnung Physiomorphismus zu bilden, ohne zu finden, dass dieselbe besonders ge-
schickt g-ewählt sei". Nun haben wir das ganze Grundgesetz beisammen, „eine Er-
hebung über die gewöhnliche Sphäre als möglichst konformen Ausdruck der eben
ungewöhnlichen Empfindung des Dichters gerade für den dargestellten Gegenstand".
Poesie zeigt sich also „als entsprechender Ausdruck erhöhter Gefühle", woraus sich
„zwei Eigenschaften als notwendige Attribute des Dichters" ergeben , einmal
„erhöhtes, stark entwickeltes Gefühlsleben", zweitens „Fähigkeit zu entsprechend
erhöhtem Ausdruck — Gestaltungskraft". Sind wir einmal so weit, so ergiebt sich
das Weitere von selbst. „Ist das Wesen der Poesie Ausdruck erhöhter Gefühle, so
müssen gehobene Gefühle des Dichters die Voraussetzung jedes poetischen Werkes
bilden", so besteht aber auch ihre Wirkung darin, „dass sie diese gehobenen Gefühle
überallhin, wohin sie wirkt, eindrückt". Die Poesie grenzt sich von den übrigen
Künsten ab, „sie ist Ausdruck gehobener Gefühle durch die artikulierte Sprache",
sie unterscheidet sich von der Prosa als Sprache des gehobenen Gefühls gegenüber
der Sprache des Gedankens. Mit der „entwicklungsgeschichtlichen Verfolgung der
poetischen Gefühlserhebung" ist uns aber auch der Massstab „zur wahren, d. h.
historischen Schätzung des Verhältnisses zwischen Erhabenheit und Schönheit" dar-
geboten. Das Erhabene ist „das Prius". Die g'eschichtliche Betrachtung ergiebt die
Entwicklung Epos, Lyrik, Drama. Das Drama ist religiösen Ursprungs, geht „aus
dem epischen Vortrag" hervor, indem sich der Vorsänger vom Chor trennt, und dann
der Wechselgesang durch Thespis zum wirklichen, von Gesten belebten Dialog um-
gewandelt wurde. Immer bleibt im griechischen Drama das über dem Menschen
waltende Schicksal für sein Los massgebend, nicht sein Charakter. Der Schluss
bleibt also „äusseres Geschehnis im epischen Sinn", die antike Tragödie bleibt also
psychologisch „halb im Epischen stecken". Im modernen Drama treten für das Schicksal,
d. h. die Willkür der Götter, das Verhängnis, der Mensch selbst oder seine Mit-
menschen ein, damit ist die Tragödie gegenüber ihrer antiken Vorgängerin dramatischer
geworden. Der letzte Schritt wäre nun, dass der Mensch der Herr seines Schicksals
werde, ,gedes ihm widerfahrende Ereignis als unmittelbare Folge seines Charakters"
erscheine; „indem die Ereignisse, welche in der Tragödie noch schliesslich den
Menschen unterwarfen, in der neuen dramatischen Form umgekehrt durchaus dem
menschlichen Charakter unterworfen wären", streife das Drama den letzten „epischen
Rest" ab. Diese „dramatisch vollkommene Gattung" bildet sich in der Komödie aus.
Also auch hier der Weg vom Göttlichen übers Heroische zum Menschlichen! Ganz
ebenso wenn wir das Publikum- betrachten; zuerst der Priester-Sänger und die Ge-
meinde, Erhebung der Herzen zur Gottheit; dann der Sänger und der Stamm,
Pietät für die Vorfahren (Geschichte, Sage); endlich der Lyriker als Individuum,
Weihe des eigenen Gefühls, Selbstbewusstsein, das aber durch Selbstentäusserung
zur „weihevollen Mitempfindung mit dem Leben der Anderen" wird. Also nach der
Pietät für Götter und Heroen nun Humanität. Wir können sehen, dass sich „die
Poesie immer weiter von blosser Hingabe an die Sinnenwelt entfernt zu immer
reinerer Hingabe an die Geisteswelt, damit offenkundig in unendlicher Progession
immer näher zu dem, was wir Gottähnlichkeit nennen". Man weiss nicht recht, was
W. eigentlich will, er spricht immer von einer Induktion auf der all erbreitesten
Grundlage, redet von entwicklungsgeschichtlicher Lückenlosigkeit und dergleichen
I 12:145-162 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Unmöglichkeiten, begnügt sich aber dann mit dem flüchtigsten „beliebigen Aus-
wählen und Zusammenwürfeln von Beispielen", das er selbst „als Dilettantismus ge-
brandmarkt" hat, nur freilich mit dem Unterschiede, dass er in kühnster Kombination
auf dem Boden dieser kleinen Auswahl ein Luftschloss aufbaut, um uns die Frucht-
barkeit seiner „Methode" vorzugaukeln. Was W. unwissenschaftlich und echt
dilettantenhaft ausführt, sind keine „Gesetze", keine Ergebnisse wirklicher Forschung,
es sind Hypothesen, so wenig „vorsichtig" (S. 425), dass man sie auch nicht exempli
gratia hinnehmen kann. So lange W. uns den Beweis schuldig bleibt, dass seine
Methode durchführbar ist, nicht in einem eiteln Feuilletongetändel, sondern in ernster,
wohlerwogener Wissenschaftlichkeit, so lange müssen wir seine „evolutionistische
Poetik" '^^j für ein Hirngespinst halten.'*^) —
Den Wert der Poesie entwickelt Kuh merk er ''*'') in einem gutgemeinten
Heftchen; er vergleicht die „schöngeistige Litteratur" mit den Strahlen der Sonne,
deren Gluthitze tagsüber ebensowenig erfreuen könne, wie wenn man sich ihnen
grundsätzlich entzieht; es gehört die Einsicht dazu, wie sie zu geniessen seien. Die
Poesie ist „die reinste und gesundeste Quelle des wahren Fortschrittes, der unver-
fälschten Menschenwürde", „ihre Grundsätze gehen nicht unmittelbar auf das Leben
und seine Erfordernisse, sondern vielmehr und vornehmlich auf den Menschen, auf
sein Ich, auf seinen Intellekt und hauptsächlich auf sein Gefühl aus". „Ihre Ziele
richten sich auf die allgemeine und gesamte Ausbildung und möglichste Vervollkommnung
unseres Herzens und Geistes, auf die Ausgestaltung und x\usprägung der bewussten,
harmonischen Individualität, auf unsere Ganzheit als Mensch"; sie betähigt uns zu „ge-
deihlicher Selbsterziehung". „Die Lehre, die Moral, die Offenbarungen des Dichters,
die gehen .... schier unbewusst, mit einer natürlichen und zugleich wunderbaren
Notwendigkeit aus ihr hervor." „Der Künstler stellt uns das Seinsollende als seiend
dar", sagt der Vf. mit Carriere, darum ist ihre Aufgabe nicht, „die Thatsachen ledig-
lich historisch zu malen". Der Verflachung wirkt sie durch Erhebung entgegen.
Darum „sollten auch Alle, deren eigentliche Berufsbildung als vollendet anzusehen
ist ... . im Interesse eines edlen Denkens und Fühlens, im Interesse des wahren Fort-
schrittes und der civilisatorischen Bestrebungen, die einzig in der Kristallisation
genialer Schöpfungen ihren letzten Schliff und die höchste Weihe erhalten" die
schöngeistige Litteratur pflegen. Er sieht also in der Poesie die Schule der Er-
wachsenen. Seine Gedanken sind nicht neu, vielleicht hat aber auch das Aussprechen
alter Gedanken mitunter einen Wert. Die Behandlung der neuesten Litteratur lässt
Ruhe des Urteils vermissen und bleibt an der Oberfläche haften. '4^) — Den „Schön-
geist" im Gegensatze zum „Litteraturfreund" charakterisiert köstlich Schienther i^^),
indem er die drei Lieblingsschlagwörter der Schöngeisterei, das Wahre, Gute und
Schöne, durchnimmt und auf ihre wirkliche Bedeutung prüft. In der „gesteigerten
Sehkraft, in der Fähigkeit, Weltbilder in sich aufzunehmen" findet der Künstler über-
haupt, auch der Dichter seine Schaffenskraft. „Die Kunst stellt dar, was einen starken
harmonischen Eindruck auf unsere Empfindung macht, was wie ein Ganzes wirkt,
wie eine Welt für sich." Das ist „die eigentliche ästhetische Schönheit". Die
moderne Kunst führe, so könnte man sagen, „durch Furcht zum Mitleid", viele aber
hätten „Furcht vor dem Mitleid". Dass Seh. der modernen Litteratur mit Sympathie
gegenübersteht, weiss man längst. Was er aber unter dem Realistischen in der
Kunst versteht, wird jedermann als berechtigt erkennen, es ist ihm „alles, was den
Schein einer wirklichen Existenz hervorruft. So kann ein Shakespearescher Elfen-
könig weit realistischer sein, als ein L'Arrongescher Briefträger oder ein Wilden-
bruchscher Uhrmacher"; man darf nur nicht, wie der Schöngeist, Form und Stoff
verwechseln. i^o-i5«j — Heinrich Hart^^'') polemisiert gegen Dührings*^') Be-
hauptung, dass es „bei der Belletristik in erster Linie auf Stoff und Gehalt ankomme,
während mit schöner Form allein wenig, ja oft schlimmeres als nichts gethan sei".
H. meint vielmehr, in der Kunst seien Gehalt und Stoff nur insofern wesentlich, als
sie es überall sind, in speciell künstlerischem Betracht seien sie keineswegs Haupt-
sache. Erst die Form setze in den Stand, den Stoff in ein lebendiges Anschauungs-
bild und in einen Empfindungsgenuss umzuwandeln. Das Wesentliche der Kunst
Quelques remarques sur les lois de l'evolntion. (=; Extr. du BScFB. t. 24.) Paris, Carre (P. Klincksieck). 160 S. — 146) O
Gh. Morice, Le sens relig. de la polsie. Sur le mot poesie. Le principe social de la beaule. Genf, Ch. Eggimann & Co.
YIII, 104 S. M. 1,60. - 147) H. Kuhnierker, D. schöngeistige Litt. u. ihr praktischer Wert. B., BiHiogr. Bureau. 18 S.
M. 0,40. — 148) X iii-i Eeligion u. Fortschritt. E. popul.-philos. Zwiegespräch, ebda. 34 S. M.0,.50. - 149) P. S[chlenther],
Schöngeisterei: VossZgB, N. 40. — 150) O (1 1 : 144.) — 151) O Ed. C. Stedinan, The nature and Clements of poetry.
Boston and New-Yorlc. Houghton, Miftin & Co. 1892. XX, 338 S. IfCh. C. Starbuck: AndoverR. 19, S. 643/6.]| — 152) O
K. Sonnen, Vom Dichter z. Philosophen. I. D. Dinges Wesen ist Seele. L., A. Schnitze. XI, 136 S. M. 2,00. — 153) O X
K. Staatsmann, Künstler, Handwerker u. Publikum: Zinnendekoration. S. 44,5. — 154) O (I 1 : 59.) — 155) O H. Hart,
Litt. u. Schulreform: TglRs". N. 147, 149. — 156) O J- Sahr, Wie kann unsere alte dtsch. Dichtung aufs neue wieder
lebendig werden?: ib. N. 274/6. — 157) O M. Griveau, Les intompatibilites do la Science et la Poesie: APC. 27, S. 5-26.
— 158) O id., Science et Poesie. Conciliation par TÄsthetiquo: ib. S. 113-26. — 159) O R. Keltenborn, Dekorative
Poesie: SchwRs. 2, S. 328-36. - 160) H. Hart, Mit n, ohne Dßhving: FrB. 4, S. 210/.5. — 161) (lY 1 a : 1.) — 162) L.
,U. M. Werner, Poetik and ihre Geschichte. I 12 : i62-i«8
ist weder Gehalt noch Form, sondern die Verschmelzung- beider zu einer lebensvoll
wirkenden Einheit, durch die erreicht werde, dass das Phantasiebild, das im Dichter
lebt, ebenso lebendig' in den Geniessenden überg-ehe. Aber allerding-s wird ein be-
deutender Stoff den Künstler tiefer erreg-en und zu inbrünstig-erem Schaffen anspornen,
als ein unbedeutender. Der übrig-e Aufsatz g-ehört nicht hierher, er beschäftigt sich
mit der g-anzen Schrift Dühring-s und ironisiert in einer Einleitung- scharf Max Nordau.
— Huberti'^-j charakterisiert Kohler^^*) und würdig-t sein Buch mit Berück-
sichtigfung- von innerer und äusserer Form eines Werkes. H. stimmt den Ausführ ung-en
K.s rückhaltslos zu, besonders seiner Unterscheidung" von künstlerischer und un-
künstlerischer Sprache, seiner Ansicht, dass die Kunst über die ursprüng-lichen Zwecke
der Sprache, die Zwecke des Lebenstriebes hinauszug-ehen habe, weil sie dadurch
ihren eig-entlichen Zweck abwirft und relativ zwecklos wird. '^'*) —
Wichtig- ist die Frage, die bereits wiederholt Heinzel behandelt hat, wie weit
sich in Kunstdichtung-en W^idersprüche finden, die beim Volksepos zur An-
nahme liedmässiger Entstehung führen würden. Zwei Schüler Heinzeis, Jellinek
und Kraus'^^), teilen nun reiche Beobachtungen mit. Aus den Novellen Cervantes,
aus Zola, Dahn, Vischer, aus Schillers Don Carlos, Wallenstein, aus Goethes Wahl-
verwandtschaften, aus Älaler Müllers „Golo und Genoveva", aus Kleists „Familie
Schroffenstein" und seinen Novellen werden „Widersprüche zwischen zwei thatsäch-
lichen Angaben", „Behandlung unbekannter Dinge als bekannter", „Nichtbeachtung
der Rede einer Person seitens der anderen" angeführt. Damit werden dann Beispiele
aus der mittelalterlichen Litteratur verglichen und nach den soeben angegebenen
Kategorien, die für eine liöhere Kritik wichtig wären, gruppiert. Freilich lassen viel-
leicht einzelne Stellen eine verschiedene Deutung zu (besonders Veldekes Eneide
V. 6786 ff. ist nur verständlich, wenn man die früheren, scheinbar widersprechenden
Verse 6726 ff. im Gedächtnis hat), worauf die Vf. selbst mitunter hinweisen. Sie
ziehen dann Schlüsse aus ihrem Material, die nicht bloss für die höhere Kritik,
sondern auch für das künstlerische Schaffen von Bedeutung sind. Sie meinen, der
Begriff eines guten Dichters setze sich aus einer sehr grossen Anzahl verschiedener
Qualitäten zusammen, die nicht alle gleich entwickelt seien, die einen besonders aus-
gebildet, während andere zurücktreten; das bestimme die eigentümliche Stellung
des einzelnen Dichters unter seinen Genossen. Eine dieser Qualitäten sei die Gabe,
sich von jeder Situation ein plastisches Bild zu schaffen und unverändert festzuhalten.
Viele Widersprüche folgten aus einem, oft nur momentanen Mangel dieser Fähigkeit.
Man dürfe diese Fähigkeit weder über- noch unterschätzen. Als Ursachen der Fehler
ergeben sich: Kontamination zweier Quellen, Vergessen früherer Angaben, Unklarheit
über die Konsequenzen einer Ang-abe oder Mangel an logischer Konsequenz, unglück-
liche Wahl eines bestimmten Ausdrucks, wobei man zweifeln kann, ob der Dichter
wirklich eine widersprechende Vorstellung gehabt habe. Zu Ende des Aufsatzes
suchen sie den wesentlich gleichen Vorgang bei Volks- und Kunstdichtungen nach-
zuweisen, haben jedoch nur die mittelhochdeutsche Dichtung vor allem im Auge.
Hoffentlich regt der Aufsatz auch andere Leser an, auf solche Widersprüche zu achten
und ihre Sammlungen gelegentlich vorzubringen; ich selbst habe seit Jahren mancherlei
Material vereinigt (vgl. IV 4 : 59; 9 : 164). —
Das Wesen des Humors ^^^'^^'^j hat Werner '^^j mit Rücksicht auf ver-
schiedene Zweifel, die aufgetaucht sind, zu ergründen versucht. Er geht von jenem
Excerpt über die komischen Charaktere aus, das allgemeiner Ansicht nach aus der
Aristotelischen Poetik stammt. Mit den drei hier angeführten Typen, dem Possen-
reisser, Prahler und Ironiker vergleicht er einen Charakter wie Don Quixote, um zu
zeigen, dass er keinem dieser Typen angehört, sondern ein für die Wirklichkeit
Verblendeter ist. Auch Egmont aber ist ein Verblendeter, trotzdem lachen wir über
den Helden des Cervantes, während wir für den Helden Goethes fürchten und zittern.
Der Unterschied unseres Verhaltens ist nicht etwa durch den Einsatz bedingt; denn
Don Quixote riskiert sein Leben wie Egmont, wenn er es auch behält. Ebensowenig
giebt uns der Ausgang eine Erklärung an die Hand ; denn ein anderer Verblendeter,
der Prinz von Homburg, endet nicht mit dem Tode, trotzdem stehen wir ihm anders
gegenüber als dem Windmühlenritter. Daraus wird gefolgert, dass die Art der Ver-
blendung unsere Stellung erzwingt. Uns scheint, dass sich Egmont nicht aufklären
lassen kann, Don Quixote nicht will. Die Konsequenz Don Quixotes hat etwas vom
Eigensinn, den wir verwerfen, während die Konsequenz Egmonts uns berechtigt, wenn
auch verderblich erscheint. „Einem Egmont gegenüber haben wir die Ueberzeugung,
dass wir nicht so handeln würden, obwohl wir wünschen, so handeln zu können.
Hnberti, Jnrispradenz vl. Aesthetik: BLU. S. 33,7. — 163) X (I 3 "• 282.) — 164) O A. Jeanniard du Dot, Le langage
positif. Sa nature, son origine, ce qn'il a de naturel: APC. 27, S. 412-32, 559-74. — 165) M. H. Jellinek n. Carl Kraus,
Widersprüche in Kunstdichtnngen: ZOG. 44, S. 673-716. — 166) X E. Weissenborn, Poesie n. Humor: Jangdeutschland 1,
S.1/2, 13, 16.. — 167) O n. Nord, Humor n. Humoristen : Grenzb. 3, 8. 30/6. -168) E.M. Werner, Giebt es Humor?: ü Dichtung. 14,
I 12 : 169-182 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.,
darum imponiert er uns — und das tritt bei allen tragischen Charakteren ein. Dem
Don Quixote g-eg-enüber müssen wir uns gestehen, dass auch wir in gewisser Hin-
sicht so handeln könnten, obwohl wir auf diese Erkenntnis nicht gerade stolz sind,
aber darum bemitleiden wir ihn auch." Also liegt der Grund der verschiedenen
Wirkung in uns und unserer Stellung zu den Charakteren. Egmont steht über uns,
Don Quixote unter uns, deshalb sehen wir auf ihn mitleidig und erlustigt herab.
Allen komischen Charakteren, die sich in das Schema des Aristoteles nicht einfügen
lassen, ist ihrer ganzen Erscheinung oder doch einer hervorragenden Seite ihres
Wesens nach ein Zug ins Kleine eigen. Massgebend ist, dass sie uns nicht bloss
komisch, sondern aus Gründen, die dargelegt werden, auch mitleiderregend erscheinen.
Vom Ironiker unterscheidet den Don Quixote, dass dieser unbewusst komisch wird,
während der Ironiker bewusst komisch werden will, dadurch aber seine Trefflichkeit
enthüllt. Durch den Vergleich mit dem Benehmen des Sokrates bei der Aufführung-
der Aristophanischen Wolken wird der Unterschied klar gemacht. Mit Rücksicht
auf die germanischen Figuren bei Jean Paul, Raabe, Vischer, Reuter, Dickens wird
„der Stich ins Sentimentale" besprochen, darin aber nur eine Zeitrichtung, nicht das
Wesen des Humors gesehen. Der gute Kern, der durch die bizarre Schale hindurch-
schimmert, macht den Charakter zu einem humoristischen, nicht die besondere Färbung
der Schale. Dieselbe Behandlung erfährt nun der humoristische Konflikt, der wieder
am tragischen gemessen wird, endlich der Dichter als Schöpfer des humoristischen
Kunstwerkes. Dabei wird das Verkehrte der Meinung hervorgehoben, als müsste
alles, was der Dichter Eines humoristischen Werkes schreibt, für den Begriff des
Humoristischen in Betracht kommen. Die Frage des Titels beantwortet der Vf. mit
den Worten: „Ja es giebt Humor, er besteht in der unbewussten Gabe, das Er-
habene im Nichtigen zu erkennen, darzustellen, und wenn man das Bild brauchen
will vom Lächeln unter Thränen, so wird es zutreffen, soweit ein Bild zutrifft." —
Den Gegensatz zur humoristischen bildet die pessimistische Welt-
anschauung, die immer nur den Schmerz unter der Hülle alles Erdenwesens sieht.
Diese Poesie des Schmerzes •^'^) hat, selbst ganz pessimistisch, Annita Lenzi*'**)
durch die Weltlitteratur begleitet, indem sie einige der hervorstechendsten Figuren
vom Hiob bis zum Werther und Ortis verfolgt. — Uober den modernen Pessimismus
in Frankreich hat Pelissieri''^"i''3) unter besonderer Zustimmung seines Recensenten
Hemon viel Kluges gesagt. Er nennt ihn „unpersönlich und kalt" wie die Wissen-
schaft; er stosse keinen Schrei aus, sondern stelle ohne Erregung das unglückliche
Schicksal fest, um sich ihm klaglos zu unterwerfen. Der Künstler aber zeichnet sich
gerade durch die Lebhaftigkeit seiner Wahrnehmungen' und seiner Gefühle aus; je
lebhaftere Eindrücke die Dinge in ihm hervorrufen, desto weniger ist er zu jener
Neutralität befähigt, die ihm ein eingebildeter Objektivismus aufzwingen will. Von
diesem Standpunkte beurteilt P. nun die neueste französische Litteratur und findet
im Realismus oder Naturalismus die Form, die der Pessimismus bei der Betrachtung
des Lebens und des Menschen annimmt. Aber der Realismus hat mit dem Pessimis-
mus nichts zu thun, das beweist Eliot, die ihr moralischer Sinn vor dem Pessimismus
bewahrt ; das beweisen die Russen, bei denen sich der Pessimismus mit evangelischem
Geiste mischt, wodurch sie zur Caritas geführt werden; das beweist Alphonse Daudet,
der trotz seinem Realismus der geborene Optimist geblieben ist. Also nicht als
Realisten, sondern als Pessimisten verschliessen die meisten modernen Romanciers ihre
Seele dem Zarten, malen sie die Erbärmlichkeiten des Lebens, wollen sie uns den
Menschen verhasst machen, indem sie seine rohe Begehrlichkeit, seine ungezügelten
Instinkte zeigen, ^''^-i'^) —
In der Gesamtstimmung unterscheidet HerzU''''} zwei Elemente: Rezep-
tions- und Reflexionsstimmung. Empfängt der Dichter einen Eindruck in Erreg'barkeit,
wird er durch eine Stimmung bewegt, so ist das Rezeptionsstimmung. Ueberträgt er
seine Stimmung auf den Gegenstand, wodurch dieser eine eigentümlich fremde Färbung
erhält, so nennt H. das Reflexionsstimmung. Die Unterscheidung ermangelt der
vollen Klarheit. —
Zu den Schriften über Bild und Gleichnis ^'''''^^j (j^pf ^as zierliche
S. 29-32. — 169) O G. Monte, La poesia del dolore. Modena, E. Sarasino. 16^ 352 S. L. 5,00. — 170) Annita Lenzi,
II problema del dolore in alcane figure della lett. Roma, Bertero. 43 S. L. 1,00. — 171) (I 1 : 132; s. u. N. 306.) |[F. Hemon :
ECr.36, S 341/6.JI - 172) G. Pelissier, Le pessimisme dans la litt, contemp. (= Essais [vgl. JBL. 1893 I 3: 165J, S. 1-68).
— 173) X Ilse Ludwig, Litt. Pessimismus im lieutigen Frankreich: Didask. N. 187. (Im Ansohluss an Pelissier.) —
174) O Z. Naturgesch. d. Pessimismus: Grenzb. 2, S. 346-56. — 175) O Th. Benard, Le Pessimisme contemp. Orleans
(Imp. Jacob). 72 S. - 176) Th. Herzl, Stimmung. Bemerkungen: FrB. 4, S. 12623. — 177) O Th. Lindem an n, Z.
Gleichnislitt.: ThLBl. 14, S. 89-91. — 178) X K- Biltz, Neue Beltrr. (vgl. JBL. 1891 I 3:130). |[E. Harich: ZDU. 6,
S. 448; H. Löbner: BLU. 1891, 8,377/9; G. Carel: ASNS. 87, S. 449-50; Ph. Strauch: ADA. 19, S. 270/l.]| — 179) X H.
Schrader, Etliche Gleichnis-Redensarten, d. erst in d. neuesten Zeit entstanden sind u. entstehen konnten: ZDS. 7, S. 291/4.
(Aus d. Gebiete d. Eisenbahn, d. Sports, d. Aichkunst u. d. neueren Heilmethode.) — 180) H. Bllmner. Streifzüge auf d. Ge-
biete d. Metapher. Metaphern aus d. Geschichte u. d. Kultur d. Alterturas (vgl. JBL. 1892 I 11:29-30): Grenzb. 2, S. 558-64.
— 181) O H. Schrader, D. Haar in sprachlichen Bildern u. Gleichnissen: ZDS. 7, S. 21/7. 417. — 182) O E. Zastrow,
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : iss-iw
Heftchen von ö. und D. Schlatter '^•*) trotz dem Titel nicht gerechnet werden; es
enthält nur Verse und liebliche Zeichnung-en, aus denen verwandte Stimmung-en der
Natur und des Menscheng-emütes sprechen. '^^-•^'') —
Die einzelnen Dichtungsg-attungen finden ungleichmässige Behandlung,
Im Anschluss an Werners Werk über die Lyrik hat Biegeleisen ^^**) in pohiischer
Sprache die Belege aus der polnischen Lyrik beigebracht, die Werners Ansichten
bestätigen. — Ein Ungenannter '^") beschäftigt sich kurz aber verständig mit der
Gedankendichtung. „Gedanken wirklich durchzuführen", so sagt er, „ist nicht
Sache der Poesie. Angewiesen darauf, zu wirken durch Erregung von Anschau-
ungen und Gefühlen, die Kraft der Phantasie also und des Empfindens, kann die
Kunst gerade Gedankenreihen in losgelöster Weise, d. h. wissenschaftlich und be-
weiskräftig überhaupt nicht vorführen." Man könne geradezu behaupten, je poetischer,
desto weniger wissenschaftlich gelungen. Aber allerdings sind die Stimmungswerte
der Gedanken, und diese allein, dichterisch verwertbar; die Associationen, das Drum
und Dran des Denkens, nicht das Denken selber schätzen wir poetisch hoch. Es
kommt also nicht auf die Gedanken, sondern auf die Persönlichkeit des Dichters
an, nicht auf das Was, sondern auf das Wie. — Gegen Harnacks Unterscheidung
der Lyrik in die „metaphorische" und die „rhetorische" (vgl. JBL. 1892 I 11: 116J
nimmt Biese''"*) Stellung, weil ja das „Metaphorische" sein grosses Kunstprinzip
ist; er verwirft, wie ich es gethan habe, die Unterscheidung, indem er vor allem die
Bezeichnung „rhetorisch" als unrichtig und irreführend ablehnt, dann aber auch die
Gegensetzung des „Metaphorischen", das seit Aristoteles zu den rhetorischen Figuren
gerechnet wurde. Für B. ist im Gegenteil alle Poesie im weitesten Sinne metaphorisch,
„ein Wortwerden der Empfindung und des Gedankens, eine Ineinsbildung des Inneren
und Aeusseren". Nun bespricht er den Rhythmus, oder eigentlich „die harmonische
Ineinsbildung von Rhythmus und Empfindung", wobei er zuerst fast ausschliesslich
die Wiederholung erwähnt, um plötzlich beim Reim zu sein. „Ganz Rhythmus,
ganz Anschauung', ganz Empfindung: das sind die drei Faktoren, auf denen sich das
echte lyrische Lied (!) aufbaut (!)". Ob sich hier der Vf. nicht doch allzu metaphernreich
ausdriickt? ,,Sein" Poet, Storm, ist sparsamer, wie B. selbst ausführt; wenn er aber
dann wieder mit seiner unverständigen Einwendung vorrückt, ich hätte Hebbels
„frostiges, rein gedankenmässiges Gedicht" : „Wir Menschen sind gefrorne Gottge-
danken" als „klassisches Beispiel der Lyrik" bezeichnet, so beweist er nur seine
Unkenntnis ; denn ich habe natürlich nach dem ganzen Zusammenhang und nach dem
Zusätze: „Ein klassisches Beispiel . ., welches wie eigens zu unserem Zwecke prä-
pariert scheint", nur die juristische Bedeutung des „klassisch" (ein locus classicus,
ein klassischer Zeuge) im Sinne gehabt. B. kommt zu dem Resultate, die Einbildungs-
und die Gestaltungskraft des Lyrikers werde dann am höchsten sein, „wenn er ein
anschauliches, empfindungdurchwehtes Bild des äusseren und inneren Lebens in seelisch
(musikalisch) bewegter, rhythmischer Form, sei es mit oder ohne bildlichen (sym-
bolischen, metaphorischen) Ausdruck zu geben vermag". Zu diesem Satze „sucht"
dann der Vf. „einige Probfen in der Weltlitteratur" ! Dieser Ausdruck ist wohl nur
unglücklich gewählt, B. ist gewiss induktiv verfahren, hat also zuerst die Beispiele
gesammelt und dann erst seine Ansicht aus der Sammlung gewonnen. Er stellt
einige Gedichte zusammen, in denen eine Verlassene spricht, behandelt hierauf in
Kürze die Geschichte des politischen Liedes, vergisst nicht die Naturlyrik und
richtet ein wahres Blutbad unter den Lyrikern an, weil er zwar sagt, die Gedanken-
dichtung sei nicht aus der Poesie zu verweisen, ihr aber nicht innerhalb der Lyrik,
sondern neben ihr den Platz bestimmt. Er verwirft streng genommen das, was er
die rhetorische Lyrik nennt, völlig; aber er ist in seinem Urteil viel zu ein-
seitig, wenn er meint, der Rhetoriker schaffe Worte anstatt der Bilder, rede, um zu
reden, anstatt dass allein die Empfindung die Zunge löst, und vermöge mit dem
Glanz und Prunk der Diktion doch nicht die Hohlheit und das Gesuchte des Inhalts
zu verbergen. Was hier B. vor Augen hat, ist nicht die Gedankenlyrik, das ist
die schlechte Lyrik, die „konventionelle" Lyrik, deren Fehler nur stärker sichtbar
werden, wenn es sich um Gedankenlyrik handelt als um reine Lyrik. Wer so weit
geht, zu sagen „Schillers., ganze Lyrik ist rhetorisch und pathetisch" und dann:
„Wir sehen: der Gegensatz des Rhetorischen ist die echte, einfache Empfindung, aus-
geprägt in schlichten (!) Worten. Der echte Lyriker dichtet schon in der Anschauung,
Beschreibung in Dichtkunst u. Päd.: PommerscheBllSch. 17, S. ITl 3. — 183) S. u. D. Schlatter, Bild u. Gleichnis. Mit
z. T. färb. Illustr. St. Gallen, Huber & Co. 23 S. M. 3,20. - 184) X J- Sahr, D. Bild im dtsoh. Unterr.: ZDU. 7, S. 651-69.
(Handelt v. bildl. Darstellung., durch d. man d. Unterr. beleben kann, z. B. Könneckes Bilderatlas.) — 185) X F- Kubin,
D. Hyperbel u. d. Schule: ib. S. 2.57-62. (Bespricht einige auffallende Hyperbeln d. gewöhnlichen Sprache.) — 186) O G-e,
Farailien-Litt.: WTBl. N. 272. — 187) O Heimat- n. Vaterlandsliebe in Dichtermund u. Völkerleben. Vortr.: NßllEÜ. 22, S. 73-97.
— 188) ß. M. Werner, Lyrik u. Lyriker (ygl. JBL. 1890 1 3 : 36). |[H. Biegeleisen: MnzeumCiasopismo(Lemberg) 9,
S. 137-43; Kw. 6, S. 117; A. Chuqnet: KCr. 35, S. 214/5 („c' est . . une bonne et utile contribution ä l'hist. de la Psychologie
poetique"); A. Eeifferscheid: DWBl. 8. 192.]( — 189) Gedankendiohtung: Kw. 6, S. 33/4. — 190) A.Biese, Metephorisch
Jahresbericht« f&r neuere deutsche LitteraturgescMchte. IV. 26
I 12 : 191-194 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
er schafft Bilder vor die Seele des Lesers, nicht bloss Worte mit noch so schönem
Prunk", der macht eine Aesthetik der Lyrik unmöglich, weil er sie auf das Gebiet
des einfachen Liedes einschränkt. „Nicht deklamieren wie der Rhetoriker darf der
Lyriker, sondern er muss singen, nicht mit dem Kopf dichten, sondern mit dem
Herzen", so lesen wir; aber ist mit diesen Metaphern irgendwie dasselbe gesagt wie
mit dem ersten Satze? kann nicht auch das Herz deklamieren, in breiter Rhetorik
ausströmen? Wer Lenau und Leopardi, Heine wie Klopstock, Horaz, Rückert und
Platen, ja auch Schiller aus der Zahl der Lyriker streichen muss, wenn er seine Ansicht
von der Lyrik aufrecht erhalten will, der sollte sich doch vielleicht fragen, ob er
nicht einen Irrweg betreten habe. Mir wird es auch diesmal nicht schwer, dem Vf. „ge-
recht zu werden" (S. 70), wie es mir nie wurde; denn es kommt auf die Sache,
nicht auf die Person an. Meiner Ansicht nach hat B., wie es ihm schon früher
passierte, ein an und für sich richtiges Prinzip so sehr übertrieben, als wenn er es
ad absurdum führen wollte. — Ueber Volkslied und Gassenhauer spricht ein
Anonymus 1^1) ganz gescheit. Ihm erscheint die Gefahr nicht so gross, dass durch
den Gassenhauer das Volkslied geschädigt werden könne; schlechte Volkslieder
habe es immer gegeben, sie seien aber vergessen worden. Ins Volk dringen dafür
viele gute Kunstlieder und werden zu Volksliedern; darum brauche man sich vor den
Gassenhauern nicht zu fürchten.^^^ i93j _. Zum Kirchenlied rechnet T. Meyer^^*),
der mit seiner wichtigen Untersuchung eines Specialgebietes der induktiven Aesthetik
der Lyrik vorbauen will, „alles, was irgend einer kirchlichen Gemeinschaft als
Ausdruck ihrer religiösen Gesinnung gedient hat". Seine Quelle sind die üblichen
Gesangbücher. Er verhehlt sich die Schwierigkeit der ästhetischen Betrachtung
deshalb nicht, weil er weiss, dass das Kirchenlied in erster Linie dem religiösen
Bedürfnis dient und darum „bei rein ästhetischer Betrachtung ein voller, durchweg
befriedigender poetischer Eindruck mit dem Kirchenliede nicht verbunden ist". Sehr
richtig fragt er nun, ob denn dieser Mangel an Schönheit die Bedingung für die
religiöse Brauchbarkeit des Kirchenliedes sei, und muss diese Frage allerdings bejahen.
Dem Kirchenliede kommt es auf Erbauung an, d. h. auf die Förderung des ethisch-
religiösen Lebens, und es genügt daher nicht, die Stimmung des Gottesvertrauens zu
erzeugen, „sofern es eine solche überhaupt giebt", vielmehr muss der Wille dazu
gebracht werden, sie als wertvollen Schatz festzuhalten und ihr Einfluss auf die Wege
zu gestatten, die er selbst einschlägt. Nicht das flüchtige Gefühl der „Freude über
die erfahrene Versöhnung", der „Dankbarkeit für die Gnadenerweisungen Gottes",
sondern feste Zuversicht zur Liebe Gottes soll vom Kirchenlied erweckt werden,
damit sie dauernd in der Seele wohne und sich „zu lebendigen Erweisen ihres Vor-
handenseins" entfalte. Vor dem Schönen, das entwickelt der Vf. klar und einsichts-
voll, muss der Wille verstummen, da ihm die Möglichkeit seiner Bethätigung ent-
zogen ist; „es löst sich die Kette, mit der im Leben Gefühle und Willensbestrebungen
zusammengeschmiedet sind." Wenn die lyrische Poesie dem Hörer die Gefühle selbst
zu empfinden giebt, die sie nachbildet, so besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen
dem realen und dem ästhetischen Erlebnis. Je lebendiger das Gefühl beim wirk-
lichen Erleben ist, desto mehr steht „die ganze reale Persönlichkeit mitsamt dem
Willen unter seinem mächtigen Bann". Auch bei den religiösen Gefühlen ist es so;
wenn sie aber den Inhalt des echten Kunstwerkes bilden, wandeln sie sich in die
Leichtigkeit und das freie Spiel der Scheingefühle. Die Gefühle, wie sie die Er-
bauung verlangt, „sollen dauernd sein und den Stössen des Lebens trotzen", die
ästhetischen sind „beweglich und wandelbar, und jeder Hauch des Lebens verweht
sie". Ist es überhaupt möglich, „religiöse Gefühle in echter Lyrik auszusprechen,
so können sie in dieser Form nicht erbauen, und wo erbauliche Wirkung* (im kirch-
lichen Sinne des W^ortes) verspürt wird, kann keine volle Kunst vorhanden sein".
Es fragt sich also zunächst, „in welcher Weise" der Stoff des Kirchenliedes „be-
schaffen und geformt sein muss, um das Ueberwiegen der realen Wirkung gegen-
über den unleugbar vorhandenen ästhetischen Elementen zu sichern". Um das
sicher festzustellen, macht der Vf. einen grossen Umweg, der ihn aber zu wichtigen
Punkten auf dem Gebiete der Lyrik führt. Er betrachtet die „Gedankenlyrik" über-
haupt, die „Gesinnungslyrik" im besonderen. Unter „Gesinnung" versteht er die
„dauernde Entschlossenheit des Willens, sich in einer bestimmten Weise zu be-
thätigen", also „ein dauerndes, willenskräftiges Ergriffensein des Gemüts von einem
Ideal". Wo wir „in einem Gedicht ein Gut als erstrebenswert und ein Verhalten
als vernünftig gepriesen finden", da haben wir „Gesinnungslyrik" zu erkennen.
u. rhetorisch. E. polem. Studie z. Aesthetik d. lyrischen Liedes: ZVLR. 6, S. 68-105. — 191) (I 5: 249.) (Mit Rücksicht auf
e. Aufsatz d. „Grenzt.") — 192) XE. M. Schranka, D. Wiener Volkslied: Geg. 44, S. 404/8. — 193) X ö- Babuder,
Considerazioni sulla poesia popolare in generale con ispeciale rignardo a qnella della Grecia moderna. (Parte U) „Poesia
popolare patriottica militare". Progr. Capodistria, Obergyran. 87 S. (D. mir unzugängl. 1. T. erschien als Progr. dess.
Gymn. 1890-91.) — 194) T. Meyer, D. Kirchenlied, e. ästh. Untersuchung. Progr. d. evang.-theol. Seminars Schönthal. 1892.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : m
Zur Gesinnung-slyrik gehört das Kirchenlied, ist aber nicht der einzig-e Vertreter
der geistlichen Gesinnungslyrik, wir haben neben ihm die „religiöse Lyrik". Neben
der geistlichen giebt es die reich entwickelte weltliche Gesinnungslyrik. Ihr Wesen
besteht darin, dass sie „aus der Erfahrung oder der sittlichen Erkenntnis den Beweis
erbringen muss, dass das Ziel, das sie dein Willen vorhält, um seiner Vernünftigkeit
willen erstrebenswert ist". Es könnte scheinen, dass eine „rein theoretische", nur
der Verkündigung einer Erkenntnis dienende, und eine „mehr praktische" Ge-
sinnungslyrik, die einen Einfluss auf den Willen anstrebt, anzunehmen sei, aber
eine scharfe Grenzlinie lässt sich nicht ziehen, jene ist immer bereit in diese über-
zugehen, oder vielmehr ist es „nur ein Zufall, wenn die Erkenntnis nicht auch aus-
drücklich für den Willen fruchtbar gemacht wird". Nun muss aber zugegeben
werden, dass die Aufstellung eines Ideals für den Willen nicht Aufgabe unseres
ästhetischen Vermögens ist, dass daher eine Gattung der Lyrik, „die sich diese
Aufgabe setzt", nicht „reine, unvermischte Poesie" sein könne. Allerdings Hesse sich
denken, dass der Dichter die begeisterte Stimmung nachzubilden suche, die „im
Augenblicke der Betrachtung des Ideals in ihm geweckt wird"; aber „die Be-
geisterung ist von anderer Art als die übrigen Gefühle", indem sie nicht einen Zu-
stand des Subjekts zum Inhalte hat, sondern „eine vom Leben des Subjekts una^b-
hängige, durch Erkenntnis gewonnene üeberzeugung". Die Ursache der Gefühls-
erregung ist ein Erlebnis, die Ursache der Begeisterung — eine Erkenntnis. M. hält
Begeisterung an und für sich ohne Bewusstsein des Objekts, auf das sie sich richtet,
für eine Unmöglichkeit, „sie ist ganz an ihre Erkenntnis geschmiedet, von ihr un-
trennbar und muss sich bedingungslos ihrer Herrschaft unterwerfen". Die Erkenntnis
ist „individualitätslos und allgemein", daher auch die Begeisterung; die Erkenntnis
ist zeitlos, ebenso die Begeisterung. Der Anlass und der Affekt werden nicht als
organisch zusammengehörig empfunden, weil er den Charakter des Gefühls nicht
mit beeinflusst, der vielmehr durch den Inhalt der gleichbleibenden zeitlosen Er-
kenntnis bestimmt wird. Da nun aber die Begeisterung in der Gesinnungslyrik sich
als berechtigt und vernünftig wissen muss, also „jenseits der Grenzen des Indi-
viduellen" liegt, da sie der zeitlichen Bedingtheit und Bewegtheit entbehrt, da hin-
gegen die Poesie als Kunst volles, d .h. individuelles Leben, Bewegung und zeitliche
Begrenzung verlangt, so ist „über die Gesinnung als Stoff für echte Poesie der Stab
gebrochen". Die Komposition des Gesinnungsliedes ist ganz prosaisch und ver-
standesmässig, die Kirchenlieder sind „in Poesie umgesetzte Predigten, wie die
Kneiplieder an Kneipreden, die poetischen Nekrologe an Gedächtnisreden und die
politischen Lieder an politische Reden erinnern, sofern sie darauf ausgehen, nicht
den Verstand zu belehren, sondern Gesinnung zu wecken". Also lässt „die Leb-
losigkeit des Stoffes und der Form im Gesinnungsliede" keine rein ästhetische
Wirkung zu. In der Gesinnungslyrik ist das nicht nur Folge des Stoffes, sondern
auch unseres Auffassungsvermögens, weil das ästhetische Urteil dem Urteil unserer
praktischen Vernunft- den Platz räumen muss; wir können der Gesinnungslyrik
nicht „nacherleben und nachempfinden", sondern nur „nacherkennen". Sie ist bloss
für bestimmte Kreise „berechnet", unsere „sachliche Zustimmung" ist ein ausser-
ästhetischer Genuss, daher ihre Wirkung gleichfalls eine ausser ästhetische. „Die
Gefühlserregung muss im Erkalten sein, wenn der Dichter so Herr über sie sein
soll, dass er sie in die Form giessen und zum Gegenstand freien ästhetischen Spiels
machen kann; das Erlebnis wird von ihm losgelöst, aus seinem Inneren hinausgeschafft.
Die Gesinnung als dauernder Besitz der Seele kann jedoch nicht hinausgeschafft,
sondern durch ^eden Wiedereintritt ins Bewusstsein nur erfrischt und gekräftigt
werden." Der Kirchenliederdichter dichtet, „um sich zu erbauen" (!). Die Ge-
sinnungslyrik ist „durchaus paraenetisch und zugleich erbaulich", sie will allerdings
nicht wie die didaktische Poesie belehren, muss aber doch den Willen bestimmen,
was sie von der reinen Lyrik scheidet; darum nennt sie der Vf. „eine Gattung* der
lyrischen Poesie für sich", eine Mischgattung. Ihre Wirkung rührt her von der
Persönlichkeit des Dichters, wobei freilich vorausgesetzt wird, dass wir bei einem
Liede wie „Ein feste Burg" an Luther denken. Die Gesinnung einer Persönlichkeit
besteht aber in der Erhebung zum allgemeinen aus der Besonderheit ihres individuellen
Lebens, nur durchdringen sich Allgemeines und Individuelles in der Gesinnungs-
lyrik nicht, sondern stehen nebeneinander. Unsere Phantasie vergegenwärtigt uns
dabei nicht Angeschautes, und nur diesem Umstände ist es zu danken, „dass mit
dem Ausdruck ethisch-lebendiger Gesinnung im Gesinnungslied eine ästhetische
Wirkung, wenn auch nur subsidiär, verbunden sein kann". Nur das Versmass und
der Reim zwingen uns, am Gesinnungslied auch die ästhetische „Betrachtungsweise
zu üben". ,,Zu gleicher Zeit, da die ethische Lebendigkeit der Gesinnung als Kraft
uns ergreift, zwingt uns das Versmass, sie zugleich als Lebensfülle ästhetisch zu spüren (!),
wenn wir sie auch nicht als solche anschauen können". Dadurch entsteht nun eine
26*
1 12 : 195 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
ganz eig-entümliche Wirkung-: die ethische Forderung" möchte unsere Seele mit
realen Gefühlen erfüllen, zu ihnen g-esellen sich aber als Bundesgenossen die ästhe-
tischen Scheingefühle und leihen ihnen etwas von ihrer eigenen Leichtigkeit,
Mühelosigkeit und Beflügelung. Die Gattung besteht aber nicht rein, es finden sich
Uebergänge, ja es kann geschehen, dass der Gesinnungscharakter „nahezu ganz"
schwindet, wenn „aus den Lustgefühlen, die der naive Genuss eines Guten erregt,
die Erkenntnis von seinem Wert und mit ihr die Begeisterung für es geboren zu
werden scheint", oder wenn „das urplötzlich machtvolle Hervorbrechen der Ge-
sinnung thatsächlich eine Veränderung des Seelenzustandes schafft". Noch weiter,
„ganz auf dem Boden reiner und freier Dichtung" stehen jene Lieder, in denen
„nicht mehr die ethische Erkenntnis, wie sie entsteht oder plötzlich hervorbricht,
den Inhalt des Gedichtes bildet, sondern entweder der Akt, in welchem die Gesinnung
ausgeübt wird, mit den ihm voraufgehenden oder nachfolgenden Gemütsbewegungen
oder aber die Sehnsucht nach einem religiösen oder sittlichen Gut oder der Schmerz
um seinen Verlust". Gedichte wie Mörikes „Neue Liebe", „Wo find ich Trost" oder
Goethes ,,Der du von dem Himmel bist" führt der Vf. für diese Möglichkeit an. Er
betrachtet sie, wie gesagt, als Uebergangsformen von den vollgültigen Liedern der
Gesinnungslyrik zur reinen Lyrik; andererseits kann die Gesinnungslyrik entweder
nicht viel mehr als gereimte Prosa oder, kurz ausgedrückt, rhetorisch sein. Der
Vf. meint, dass es „in die freie Hand des Dichters gestellt" sei, „wie er seinen Ge-
sinnungsstoff behandeln will (!)", ob er „vor allem die praktische Wirkung fest im
Auge behalten, oder ob er auf ihre Kosten die poetischen Elemente in der einen
oder der anderen Weise schärfer hervortreten lassen will". Darnach hätte wohl
Goethe so dichten können, wie Schiller, wenn er nur gewollt hätte, und umgekehrt!
Einzig und allein „dem Kirchenlied ist der Zweck im voraus bestimmt, und wer
für die Kirche dichten will, muss sich durch ihn gebunden fühlen". Er darf nicht
„Formen den Eintritt in sein Gedicht gestatten", die seine Wirkung aufs reale Gefühl
und damit auf den Willen schwächen könnten, ihm ist alles verschlossen, was einer
Annäherung an die echte Lyrik ähnlich sieht; er muss sich im wesentlichen für
seine poetischen Bedürfnisse damit begnügen, was das Kirchenlied an ethischer
Lebendigkeit notwendig hat. Nur der kirchliche Zweck zieht diese Schranken, die
fallen, sobald es sich um die religiöse Lyrik handelt. Ihr weist M. alles zu, was
„infolge einer individuelleren Fassung oder einer grösseren Fülle poetischen Schmucks
nicht mehr unter das Kirchenlied gerechnet werden kann und doch durch seine grössere
oder geringere Erbaulichkeit von der echten Lyrik geschieden ist". Meiner Ansicht
nach geht der Vf. in seinen Auseinandersetzungen von einem ganz falschen Prinzip
aus, indem er die Gesinnung als Einteilungsgrund wählt; sie wird in den Gedichten
allerdings fühlbar werden, aber wie die Tonart in der Musik, wie sich die „Stimmung",
dies Wort im Sinne der Psychologie gefasst, fühlbar machen wird. Der Dichter
wird nicht dichten, „um sich zu erbauen", sondern getrieben durch Erlebnisse, die
eine erbauliche Wirkung in ihm hervorrufen; auch der echte Kirchenliederdichter
wird nicht dichten, um zum Gottesdienste Lieder zu machen, sondern hingerissen
durch das Erlebnis, das ihm im Gottesdienst entgegentritt. Wenn M. das Busslied
von Mörike „Wo find ich Trost?" zur reinen Lyrik rechnet, weil es einem indi-
viduellen Anlass entstammt, individuellen Gefühlen Ausdruck leiht, dagegen Luthers
ergreifendes Gedicht „Aus tiefer Not schrei ich zu dir" aus der reinen Lyrik hinaus
in die Mischgattung der Gesinnungslyrik weist, weil es nicht aus individuellem
Anlass entstammt, weil es einer „Gesinnung" Ausdruck giebt, so muss er einen
ganz anderen Eindruck von den Gedichten empfangen haben als ich; mich bewegt
und ergreift nicht die Gesinnung, sondern das tiefe Gefühl der Zuversicht zur
Gnade Gottes, die echt lyrische Hoffnung mit ihrer kindlich reinen Demut; nicht
Gedanken, sondern Gefühle rufen die Wirkung des Liedes hervor, so dass ich nicht
anstehen würde, das Gedicht zur Gefühlslyrik zu rechnen. Ganz im Gegenteil treten
mir im Gedichte Mörikes die Zweifel, die Gedankenqualen entgegen, die Ueber-
legungen: warum bin ich traurig, weil ich wieder böse Lust empfangen. Von einem
Gedankenerlebriis geht Mörike, von einem Gefühlserlebnis Luther aus, nicht einen
Augenblick erscheint mir die Zuweisung der beiden von M. verglichenen Gedichte
zweifelhaft. Seine ganze Betrachtung wird schief, weil er auf einem falschen Stand-
punkte steht und die unbewusste Thätigkeit des Dichters gar nicht ins Auge fasst.
Grundsätzlich möchte ich die sogenannte Gesinnungslyrik verwerfen, weil uns ihre
Annahme nicht zu klarerer Einsicht in das Wesen der Lyrik verhilft, sondern in
Widersprüche verwickelt. Dabei soll nicht geleugnet werden, dass gerade M.s Heft
zur richtigen Erkenntnis dieser Widersprüche beiträgt. — Sorgsam, aber nicht
ohne Lücken und Missverständnisse hat Hellmuth ^^s-j (jj^ Veränderungen nach
4». 28 S. (Vgl. JBL. 1892 1 11:117.) — 195) E. Hellmuth, Beitrr. z. lyrischen Technik Platens, gewonnen aus d. Um-
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 196-202
ihrem mutmasslichen Anlasse zusammengestellt, die Platen an seinen Gedichten
durchführte; sie suchen den Wohll5;lang- zu erhöhen, indem sie Konsonanten-
wie Vokalhäufungen tilgten und den Reim (Vollreim, Allitteration, Assonanz) reiner
machten, sie wollen den Versbau genauer zum Ausdruck bringen, Versehen gegen
die Sprachrichtigkeit, gegen die Klarheit beheben, Wiederholungen vermeiden oder
grössere Angemessenheit erzielen ; an einigen Gedichten wird dargethan, wie Platen
vollständige Umbildung vornahm. Die Auffassung des Hiatus verrät des Vf. Un-
bekanntschaft mit Scherers Abhandlung, lässt auch Vollständigkeit vermissen (vgl.
Redlichs Ausgabe 1, S. 727), dafür entschädigen nicht unbedeutende Berichtigungen
und Ergänzungen des textkritischen Apparates in der Hempelschen Ausgabe, die
sich aus der sorgsamen Ausnutzung der Quellen ergaben, besonders sei hervor-
gehoben, dass die „Neuen Ghaselen" nicht 1824, sondern 1823 erschienen. Auf-
fallend ist das harte Urteil H.s über „das einzige Platensche Gedicht, dessen Scherer
in seiner Litteraturgeschichte lobende Erwähnung thut" (Die Liebe hat gelogen);
der Vf. sagt, es sei „mehr der Form als dem Inhalte nach gelungen, da es nur eine
gereimte Schilderung eines Gemütszustandes" biete, während ihm „gehaltvolle Ge-
danken fehlen", so dass es nicht „für sich selbst", sondern nur „als Einlage in
einen dramatischen Text" wirken könne. Wie soll eine Einigung über ästhetische
Dinge möglich werden, wenn der eine Aesthetiker von einem Lyriker verlangt, was
der andere ihm strenge verbietet, und wenn die Geschmacksurteile sich direkt
widersprechen! i^ß) — Epigramm und Elegie als Gelagepoesie hat uns Reitzen-
stein '*•■') erkennen gelehrt. Er verfolgt die allmähliche Umbildung der Dichtungen,
bis die Elegie „eine allgemein angenommene und geübte Form der Gelage-Unter-
haltung, Volkslied" wird; er zeigt, wie die Verschmelzung des Gelage-Liedes mit
der „Aufschrift" zu einem ytvos sich vollzieht, und entwirft eine Geschichte des
Epigramms; auch die Bukolik mit ihren Streitliedern sieht er als eine Wieder-
spiegelung der Gelageunterhaltung'en an, hier in Uebereinstimmung mit der all-
gemeinen Ansicht. Das umfangreiche Werk verfolgt ausschliesslich philologische
Zwecke, dringt energisch in die verschiedenen Fragen ein, aber auch die Poetik
kann aus Einigem, besonders der Schilderung des Epigramms, Nutzen ziehen. —
Avenarius^'-'^) sucht in seiner Dichtung „Lebe!" das Beispiel „einer grossen
lyrischen Form", „etwas von neuer Art" zu geben, „bei der wie bei Drama und
Epos zu der Wirkung der Teile eine Wirkung der Beziehungen zwischen den
Teilen" tritt. Da die lyrische Dichtung „zum Gegenstande im eigentlichen Sinne
nur den Menschen haben kann, der in ihr spricht", so musste auf die Darstellung
des Helden alle Kraft verwendet werden, ohne Nebengestalten selbständig hervor-
treten zu lassen. — Eugen Wolff'^ö) hält dieser freiwilligen Beschränkung ent-
gegen, dass eine solche Auflösung jeder festen epischen Form zur rein-seelischen,
abstrakten und gestaltenlosen Darstellung führe. Zwar versteht er aus der Tendenz
der litterarischen Entwicklung das Vorgehen des Dichters, kann es aber nicht gut-
heissen. Dagegen findet er eine andere bedeutsame Seite an der von ihm sehr g-e-
rühmten Dichtung, den Versuch, eine modern germanische Versform, entsprechend
dem Geiste der germanischen Poesie, zu schaffen, durch reichen Wechsel des
Rhythmus das Charakteristische, Bezeichnende statt des bloss Gefälligen, Har-
monischen zu geben. Indem aber Avenarius das Innere seines Helden sich lyrisch
entfalten lassen wollte, musste er darauf Bedacht nehmen, die verschiedenen Stim-
mungen in entsprechender Form, in lyrischer Bewegtheit, nicht in dem gleichmässig
ruhigen Gange des Epos zum Ausdruck zu bringen. Was Avenarius bei seiner
Dichtung vorschwebte, das lässt sich am besten mit den Worten Schillers aus-
sprechen : „Mir deucht, dass diese Gattung dem Poeten schon dadurch günstig sein
muss, dass sie ihn aller belästigenden Beiwerke, dergleichen die Einleitungen,
Uebergänge, Beschreibungen etc. sind, überhebt und ihm erlaubt, immer nur das
Geistreiche und Bedeutende an seinem Gegenstand mit leichter Hand oben weg-
zuschöpfen." Ob das nun freilich „eine neue poetische Form" oder ein lyrischer
„Cyklus" ist, kann dahin gestellt bleiben, jedenfalls wird sich solche Lyrik stark dem
Epischen nähern.2«o-20i) _
Was die Epik betrifft, so hat Weddigen202j über die Fabel ungewöhnlich
seicht, ohne die neueren litterarhistorischen Arbeiten zu kennen, die Ansicht Lessings
und Jakob Grimms zusammengestellt, dann auf 2^/4 Seiten ganz äusserlich verglichen,
um Lessings und Gellerts Fabeln als berechtigt darzuthun und nach einem sehr
arbeitnngen seiner Gedichte. Progr. d. Realgymn. Ciefeld. 4*. 40 S. — 196) X ^'- Kölscher, L. Chevalier, Ballade (vgl.
JBL. 1892 I 11 : 120): ASNS. 91, S. 466. — 197) R. Reitzenstein, Epigramm u. Skolion. E. Beitr. 7.. Gesch. d. alexandrin.
Dichtung. Giessen, J. Ricker. VIII, 288 S. M. 6,00. — 198) F. Av enarin s, Lebe! E. Dichtung. L., 0. R. Reisland. 100 8.
M. 2,00. — 199) Eng. Wolff, E. neue poet. Form?: Geg. 44, S. 312/3. — 200) O F. Lechleitner, D. dtsch. Minnesang.
E. Darstell, seiner Gesch., seines Wesens u. seiner Formen. 2 Bde. Wolfenbüttel, J. Zwissler. XV, 402 S. ; UI, 424 S. M. 10,00.
— 201) O id., Buch d. Minnelieder (vgl. JBL. 1893 I 3:186). ebda. 120, 147 S. M. 3.00. — 202) 0. Weddigen, D.Wesen
I 12:203-212 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
chaotischen Verzeichnis der Fabeldichter dieser Gattung neues Leben zu wünschen.
Es ist wunderlich, dass „ein Kämpfer von 1870—71 und ein Poet" (S. 6), ein
Doktor und Oberlehrer (S. 1) mit solchen Flachheiten öffentlich aufzutreten
wag-t. — Unzufrieden mit der Lessingschen Definition versucht Hafner^os)^ der
recht ansprechend Fabel, Märchen und Sage vergleicht, eine neue, freilich „ohne
irgend welchen Anspruch auf richtige Lösung": „Die Fabel ist eine erdichtete Er-
zählung, in welcher eine allgemeine Lebenswahrheit (Regel der Lebensklugheit) in
einem besonderen Falle unter einmaligem Fortschritt der Handlung veranschaulicht
wird." Diese Definition ist im ganzen gewiss nicht unrichtig, nur noch nicht scharf
genug; der Vf. erläutert sie nach allen Seiten hin, bespricht die Einteilung, die Ge-
schichte der Fabeldichtung, endlich die pädagogische Bedeutung der Fabel schlicht
und bescheiden, aber verständig. An Missverständnissen fehlt es freilich auch bei
ihm nicht; da wird noch von der Tiersage nach der Ansicht Grimms gehandelt, da
fehlt z. B. Babrios in der Geschichte der Fabel vollständig. — Viel ernster hat
Noelle^"*) das Thema gefasst, indem er nur eine Monographie über die Lafontaineschen
Fabeln giebt; er weiss genau, dass die Fabel auch zur Lyrik gerechnet werden kann,
er macht gute Bemerkungen über das Didaktische und die sogenannte didaktische
Poesie, er kennt die neuere Litteratur und kann als ein verlässlicher Führer be-
zeichnet werden. Trefflich ist das, was er anführt, um zu zeigen, dass Lessing als
Dichter von Fabeln sich keineswegs an seine Theorie gehalten habe; einleuchtend
sind die Beispiele von Fabeln, in denen keineswegs der feststehende Tiercharakter
die Wahl etwa des Frosches bedingt hat. Seine Vergleichung der Lafontaineschen
Dichtungen mit ihren Quellen ist lehrreich, der Anhang mit Proben eigener, wohl-
gelungener und Catelscher Uebersetzungen, wie mit einer Auswahl Fröhlichscher
Fabeln willkommen. Die Arbeit überragt das Durchschnittsmass der Programme um
ein Bedeutendes. 205) — Ueber die Idylle vermag Schneid er ^06) nichts Neues vor-
zubringen. Er leitet ihr Wesen aus dem Vergleiche Theokrits, Gessners, Bronners,
Vossens und Goethes ab, rechnet sie teils der epischen, teils der dramatischen, teils
einer „eigentümlichen Verschmelzung" von epischer und dramatischer Dichtung zu,
weil er ganz einseitig auf die Darstellungsform achtet, und bestimmt ihre Stoffe.
„Der Grundcharakter der Idylle ist die Abgezogenheit von dem öffentlichen und be-
wegten lieben." Handlungen sind von ihr nicht ausgeschlossen, wohl aber grosse
und bedeutende. Detailmalerei, Schilderung von Empfindungen, die Ausführung von
Betrachtungen, Natur- und Landschaftsbeschreibungen sind Folgen der zurücktretenden
Handlung. Die Personen gehören meist ländlichen Verhältnissen an ; Vorliebe für
gutartige Charaktere, für glückliche Lebensverhältnisse, heiterer Ton, humoristische
Behandlung sind der Idylle eigen. Die angehängte Geschichte der Idylle nimmt es
denn doch mit der Chronologie etwas zu wenig genau; hervorgehoben sei besonders
die Würdigung Bronners. Dem Vf. fehlt die nötige Klarheit, er versucht nicht ein-
mal die Idylle vom idyllischen Epos zu scheiden, sondern nimmt Hermann und
Dorothea ruhig als Idylle hin, während er Hebbels „Mutter und Kind" gar nicht
nennt. In seiner „Geschichte" sucht man vergebens nach dem Namen Mörike, um
nur einen der bedeutendsten zu nennen. Mit solchen Arbeiten ist niemandem ge-
dient. 20'?- 21 o) _
Cnter allen Dichtungsgattungen nimmt das Drama die Forschung am
meisten in Anspruch. W^alzePU) stellt in Lipps Schrift besonders die negativen
Seiten hoch und erhofft eine reinigende Wirkung von ihr; er billigt die Verwerfung
der „poetischen Gerechtigkeit", nur wünschte er, dass von der Wissenschaft gezeigt
werde, „wo man aus ästhetisch-kritischer Kurzsichtig'keit die poetische Gerechtigkeit
mit Unrecht supponiert hat, und wo die Dichter mit Bewusstsein poetische Ge-
rechtigkeit in ihren Schöpfungen haben walten lassen", weil sie unter dem Einflüsse
der falschen Theorie standen. Darin steckt eigentlich der Tadel, dass Lipps Tragödien
verschiedener Art zusammengeworfen habe. — Diesen Vorwurf hat Lipps von
anderer Seite schon erfahren: Valentin 212^ hat ihn aus Anlass seines Schlusswortes
im Streite mit Lipps neuerlich erhoben. An sich wäre der Streit nicht zu bedauern
gewesen, hätte sogar im Gegenteil zur Klärung unserer Ansichten beitragen können.
n. d. Theorie d. Fabel n. ihre Hauptvertreter in Deutschland. L., Renger. 34 S. M. 0,75. |[BLU. S. 510/1; K. M. Meyer:
DLZ. S. 1078.]| — 203) G. Hafner, D. Fabel, ihr Wesen, ihre gesch. Entwicklung u. päd. Verwertung: NBUEU. 22. S. 1-31.
— 204) A. Noelle, Beitrr. z. Studium d. Fabel. Mit bes. Berücksichtig. Jean de la Pontaines. Nebst vergleich. Texten u.
metrischen Verdeutschungen. Progr. Kuxhaven (Selbstverl.). 4". 57 S. M. 2,50. (S.u. IV 6.) — 205) X Alb. Fischer, Lessings
Pabelnbhandlungen. Krit. Darstellung (vgl. JBL. 1891 IY7:41): 0. F. Walzel: ZOG. 44, S. 136/8. (S. u. IV 6.) —
206) Gnst. Schneider, Ueber d. Wesen und d. Entwicklungsgang d. Idylle. Progr. d. Wilhelms-Gymn. Hamburg. 4". 36 S.
— 207) O Jos. Kassewitz, Darlegung d. dichterischen Technik u. litterarhist. Stellung v. Goethes Elegie „Alexis u.
Dora". L.Fock. 27 S. M. 1,00. (Vgl. IV 8c.) — 208) O Auguste Groner, D. Moral in unseren Märchen: WienTBl. N. 260.
— 209) O D. Kolportage-Romane mit ihren verheerenden Wirkungen: StML. 45, S. 533/7. — 210) X F. Prosch, H. Prodnigg,
Goethes Wilh. Meister (vgl. JBL. 1892 IV 10:30): ZOG. 44, S. 934/5. (Nur referierend.) - 211) Th. Lipps, Tragödie (vgl.
JBL. 1891 I 3:142). |[0. F. Walzel: ZOG. 44, S. 132/6; A. Chuquet: RCr. 35, S. 215.]l - 212) V. Valentin, Tragödie,
R. M. Werner, Poetik und ihre Gescjiichte. I 12 : 218-220
leider hat er aber eine Wendung g-enommen, die mit der Sache nichts mehr zu thun hat,
sondern zu rein persönlichen Angriffen und Gegenangriffen führte. Darum können
wir von dem Schlusswort absehen, es handelt sich darin doch nur um die Frage, ob
Lipps Valentin und Valentin Lipps richtig oder falsch verstanden, wiedergegeben
und citiert habe. Man kann aber vielleicht behaupten, dass die beiden Aesthetiker
darum so sehr die Ruhe verlieren, weil sie sich im Grunde sehr nahe stehen,
viel näher als sie gegenwärtig- fühlen. ^'S) — Einen wichtigen Beitrag über das
Tragische2'4-2i9^ hat FT. F. Müller220) gegeben, indem er dabei auch nur die Tra-
gödie vor Augen hat. Wie Richter (vgl. JBL. 1891 I 3 : 149; 1892 I 11 : 136) ist er
durch Günthers „Grundzüge der tragischen Kunst" zum Widerspruch gereizt worden,
und er hat schon in einem Aufsatze „Was ist tragisch? Zugleich ein Wort für den
Sophokles" (Blankenburger Schulprogr. 1887) gegen die Ansicht Günthers Stellung
genommen, dass sich Sophokles nicht mehr auf der Höhe der tragischen Kunst zu
halten vermochte, die Aeschylus erreicht hatte; dieser Aufsatz eröffnet „ohne wesent-
liche Aenderuugen" die neue Arbeit M.s (S. 7—107). Mit aller Schärfe, mit über-
zeugenden Gründen und eingehender Erörterung aller wichtigen einschlägigen
Fragen bekämpft er Günthers „Kriminalrichterstandpunkt", die unglückliche Theorie
der tragischen ,, Schuld" und entsprechenden „poetischen Gerechtigkeit". Diese ganze
Theorie ist ihm „eine Absurdität", nach Goethes Ausdruck. „Unsere Schicksale
sind die Folgen unserer Handlungen, die Handlungen Folgen der Leidenschaften,
die Leidenschaften Folgen des Charakters. Und der Charakter? . . . Den Charakter
kann doch der (dramatische) Dichter nicht weiter motivieren, er entfaltet ihn nur
nach allen Seiten, und gelegentlich thun wir auch wohl Einblicke in das Werden
desselben; aber aus dem Charakter motiviert der Dichter die Leidenschaften
und Handlungen mit ihren Folgen." M. betont mit Nachdruck, dass die Poesie
„keine angewandte Moral oder praktische Theologie" sei, trotzdem der Dichter auf
der lebendigen Erkenntnis des Guten und Heiligen fusst, wie wir selbst ein All-
geraeinbewusstsein von den religiösen und sittlichen Grundlagen des Lebens haben.
Die „sittliche Weltordnung", von der wir reden, können wir aber mit unserem
Denken nicht begreifen, siebleibt etwas Wunderbares, Rätselhaftes; Goethe neuntes
das „Dämonische", Schiller das „Schicksal". Auch in der Tragödie sehen wir wohl,
wie alles sich nach strengen Gesetzen fügt, wir sehen eine hohe Gerechtigkeit
walten, aber die letzten Gründe der Erscheinungen aufzudecken, vermag auch der Dichter
nicht. Er will Menschen und Menschenschicksal darstellen, ,, leidenschaftliche, im
Wollen und Handeln energische Menschen, die in gefährlichen Lagen und harten
Kämpfen stehen und in solchen Gefahren schwer, ja tödlich leiden, eben weil sie trotz
aller Grösse doch Menschen, nur Menschen sind und als solche schuldig werden".
„Der kämpfende, leidende Held ist grösser und besser als wir, wir sympathisieren
mit ihm, wir bewundern und lieben ihn trotz seiner Schwächen und Gebrechen;
darum fürchten wir für ihn, wenn die Gefahr hereinbricht und das Unglück sich
über seinem Haupte zu entladen droht, für ihn und für uns, die wir uns ihm geistes-
verwandt fühlen und in gleicher Lage Gleiches thun und Gleiches leiden würden."
In dem interesselosen Anschauen, in der „kausalitäts- und willensfreien Kontemplation"
liegt „etwas Erhebendes und Befreiendes". Weil die Güntherschen Gesetze der
tragischen Kunst „thatsächlich kaum auf ein Zehntel unserer Tragödien und auch
auf diese nur wie die Faust aufs Auge" passen, verwirft er sie. Er bespricht, worin
der Unterschied zwischen dem Tragischen und dem Traurigen besteht; das Drama
beginnt, wo wir uns wehren und aktiv auftreten, die Tragödie, wo wir kämpfen und
in diesem Kampfe scheinbar oder wirklich unterliegen. Die Tragödie zeigt uns
also „den Menschen im Zustand des Leidens, aber zugleich thätig in der Bekämpfung
des Leidens, im Kampfe mit den inneren und äusseren Feinden, also mit den Leiden-
schaften, dem physischen Zwang und dem Schicksal, d. h. hier moralischer Not-
wendigkeit". Die Tragödie bezweckt die Erregung eines ganz bestimmten Affekts
im Hörer, das Tragische unterscheidet sich aber auch durch den Eindruck, den es
in unserem Gemüt zurücklässt, vom Traurigen. M. geht auf Furcht und Mitleid, im
Anschluss an J. Bernays auf die Katharsis ein, deckt die Uebereinstimmung Goethes
und Geibels mit dieser Deutung der Katharsis auf und formuliert das Wesen des
Tragischen gegenüber dem Traurigen durch folgende drei Merkmale: Das tragische
Leiden muss aus Lebenslage, Natur und Charakter des Leidenden folgen, auch die
wissenschaftl. Kritik u. Unfehlbarkeit. E. Schlasswort: ZVLR. 6, S. 160-87. fVgl. JBL. 1892 I 11 : 123/5.) — 213) O P.
Caner, Physiologie n. Ethik im Streit um d. Tragödie: PrJbb. S. 23-34. — 214) X M. Brasch, D. Wesen u. d Formen d.
dramat Dichtung (vgl. JBL. 1892 I 11 : 129). ![BLU. S. 159; R. M. Meyer: DLZ. S. 7278.]! — 215) X R- Franz, Aufbau d.
Handlung (vgl. JBL. 1892 I 5 : 15; 11 : 130): Paedagogium 1.5, S 273/4. - 216) X R- M. Werner, H. Gartelmann, Dramatik
(vgl. JBL. 1892 I 11 : 128) : DLZ. S. 122/3. - 2171 O H. Irving, The drama. Adresses. London, W. Heinemann. 13".
Sh. 36. |[A. W.: AZgB. N. 20 ]| — 218) O R. Donraic, Le theätre d'idees: SPL. 1, S. 2368. — 219) O W. L Courtney,
Dramatic criticism: ContempR. 64, S. 691-703 — 220) H. F. Müller, Beitrr. z. Verständnis d. trag. Kunst. (= Aufsatz«
I 12:221-222 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Verhältnisse müssen natürlich und einleuchtend sein; der tragische „Held" muss
kämpfen g-eg-en das drohende Unheil; das Tragische hat die specifische Wirkung-, die
Aristoteles Ueos y.al fößos genannt hat, Mitleid und Furcht, nicht „Rührung und Er-
schütterung". Das „eigenste Gebiet des Tragischen" beginnt da, „wo die Zwiespältigkeit
des Menschen- und Weltwesens ins Bewusstsein tritt". M. unterscheidet die Tra-
gödie des sittlichen Konflikts, die Charaktertragödie und die Schicksalstragödie, weil
der Held mit dreierlei Feinden im Kampfe liegen kann, mit den Leidenschaften, mit
der physischen Notwendigkeit und mit dem Schicksal d. h. der moralischen Not-
wendigkeit. Unter Schicksal versteht er also nicht etwas an eine blinde Naturkraft
Erinnerndes, sondern den technischen Begriff für das tiefere Weltgesetz, „welches
die Tragödie enthüllen soll und je nach der religiös-sittlichen Persönlichkeit des
Dichters, seiner Weltanschauung gemäss, enthüllt"; ein Teil des Schicksals ist also
in das Innere des Menschen verlegt. Er nennt demnach Schicksalstragödie eine Tragödie,
„bei welcher der sinnliche Schwerpunkt nicht sowohl in der Leidenschaft und dem
Charakter der handelnden Personen als in dem Gange der Handlung d. h. hier des
Schicksals oder der sittlichen Notwendigkeit liegt". Ohne Schuld und Fehler geht
niemand durchs Leben, die tragischen Personen haben ihr Leiden ,, verschuldet,
aber nicht verdient". Das wird an einigen Tragödien, besonders anziehend an der
„Jungfrau von Orleans" erwiesen. Noch näher geht M. auf das Verhältnis von Schuld
und Sühne im zweiten Aufsatze „Die Orestie des Aeschylus und Goethes Iphigenie"
(S.. 109 — 62) ein, nachdem er schon im ersten die Zusammengehörigkeit dieser
Werke beiläufig dargethan hatte. Die Entsühnung eines frevelnden Geschlechtes in
beiden Werken bietet den Vergleichspunkt; in einer Analyse der Trilogie zeigt
M., dass bei Aeschylus Orestes nur das Objekt im Streite der älteren und jüngeren
Götter ist, dass die Rechtfertigung nur objektiv, nicht auch subjektiv stattfindet, und
dass uns darum ethisch und psychologisch der Ausgang der Orestie nicht befriedigt;
es wird wohl das Sühnopfer gebracht, die Göttin Athene spricht Orestes frei, aber
die Versöhnung des eigenen Herzens für Orestes sehen wir nicht. Es fehlt also der
Läuterungsprozess von unseliger Zerrissenheit zu dauerndem Frieden im Gemüte
des gotterwählten Rächers und Retters. „Die Sehnsucht nach Erlösung, nach Sühne
der Schuld und Versöhnung war in den tiefsten Geistern des Altertums lebendig;
wie der sündige Mensch Vergebung empfängt und damit den Frieden seiner Seele
erlangt, das weiss selbst ein Aeschylus nicht zu sagen. Aber Goethe weiss es."
Die Liebe der Schwester vollbringt das grosse Werk, die Liebe, die sich in Mitleid
und herzlichem Erbarmen äussert; mit Kuno Fischer spricht M. „von einem stell-
vertretenden Leider". Orestes aber kann entsühnt werden, weil erst in ihm das
Schuldbewusstsein, die Reue, die Gewissensangst erwachen, die bisher im Hause der
Tantaliden schliefen. Die reine Menschlichkeit bewirkt durch die Macht der Persön-
lichkeit endlich die Entsühnung des Bruders und damit des ganzen Geschlechtes.
Das ist allerdings ein christlicher Zug, und so fasst M. sein Urteil in die Schluss-
worte zusammen: „So hoch das Christentum über dem Heidentum steht, so hoch er-
hebt sich Goethes Iphigenie über die Orestie des Aeschylus." — Anders hat
Kalischer22i) gleichzeitig diese griechische Trilogie betrachtet, um darzuthun, dass
ihre Komposition „das wirkliche, echte Wesen des Tragischen zur Erscheinung
bringt". Nach ihm kann sich das Tragische nur in zwei Hauptrichtungen offenbar
machen, „Der leidenschaftlich willensvolle Mensch kann sein eigenes äusseres Ich
auf Kosten der Mitmenschen ungebührlich betonen, so dass diese in unverdienter
Weise mit Unrecht leiden müssen. Der von einer derartigen Leidenschaft ergriffene
Willensmensch kann jedoch nicht davon loskommen, er muss — einem Dämon
folgend — sein lediglich egoistisches Ziel zu erreichen trachten." Darin hätten wir
den subjektiv tragischen Menschen, der wohl auch der „unedel Tragische" genannt
werden könnte: Macbeth, Richard III., Medea, Nero, Agrippina wären Vertreter
dieser Art des Tragischen. Anders die „objektive tragische Persönlichkeit". „Hier
tritt uns ein Menschengeist entgegen, der bei ausserordentlicher Thatkraft mit
Leidenschaft nur dem Edlen, Guten, Selbstlosen in der Welt ergeben ist" und dafiir
leidet; ein Sokrates, Christus repräsentieren uns ein solch edel Tragisches „in
höchstem Masse". Man könnte Tragödien mit Helden, die sich aus Liebe zur Mensch-
heit aufopfern, „christartige oder christgeistige" nennen. In der vorchristlichen Zeit
sind der Prometheus des Aeschylus und die Antigone solche „messianische tragische
Charaktere". Den Nachweis, dass in der Orestie nun wirklich die Sühne des Ge-
schlechtes auch innerlich erfolgt, muss K. allerdings schuldig "bleiben. — Der
dritte Aufsatz Müllers22ia) „König Oedipus von Sophokles und Schillers Braut
von Messina" dreht sich um das Verhältnis von Schicksal und Schuld, eigentlich
n. Vortrr. aus verschied. Wissensgebieten. VIII. Bd.) Wolfenbattel, Zwissler. 273 S. M. 3,00. — 221) A. Chr. Kaiisoher,
D. Oresteia d. Aeschylos u. d. Tragische: N*S. 65, S. 57-84. — 221a) (8. o. N. 220, S. 163-214.) - 222) M. Schneidewin,
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 223-224
um das schuldlose Leiden als Folg-e des Schicksals, des Verhäng-nisses. Die Aus-
führung"en verfolg-en den Zweck, das Unsinnig-e der Behauptung- zu erhärten, einem
Dichter sei der Name des Trag-ikers abzusprechen, wenn in seinem Werke das
„adäquate Verhältnis von Schuld und Strafe" nicht zu erkennen sei. Besonders
kann die Analyse der „Braut" gerühmt werden. Wenig"er ergebnisreich ist der
letzte Aufsatz „Euripides Hippolytos und Phädra von Racine", eine ruhige Ver-
gleichung" beider Dramen, hauptsächlich um darzuthun, dass selbst dort, wo ein
Dichter die „poetische Gerechtigkeit" durchführen wollte, wie hier Racine, dies un-
mög-lich ist. M. hat sich ganz enthalten, auf das neuere Drama einzug-ehen; trotzdem
lässt er sein Urteil durchfühlen. Die philosophischen Fragen, Freiheit, Verantwort-
lichkeit dagegen hat er, so weit wie nötig gestreift. — Auch Schneidewin^22j
findet in der „poetischen Gerechtigkeit" nicht das W^esentliche der Tragödie, freilich
aus anderen Gründen als Müller; ihm erscheint die Verletzung unseres Gerechtig-
keitsgefühls in manchen Tragödien, d. h. also das Missverhältnis zwischen Schuld
und Strafe, gerade als die tragische Empfindung. Dadurch wird gleichsam der
Schleier von den Ungerechtigkeiten des Lebens hinweggezogen, und die Aufgaben
des Kampfes gegen das grosse Weltübel, gegen das Ungerechte im Weltlauf ins-
besondere, werden hell erleuchtet in ihrer Notwendig-keit. Dass Seh. dies noch
ästhetisch-scheinhafte Empfindungen nennt, will mir nicht einleuchten, wie überhaupt
der ganze schwerfällige Aufsatz recht wenig befriedigt. — Von einem ganz richtigen
Standpunkte beurteilt die Frage der Schuld und Gerechtigkeit Stära-^^) in einem
Buche, dessen zwiespältiger Charakter eine ruhige Schätzung ganz unmöglich macht.
Der „em. Professor und Pfarrer i. P." stellt uns einen merkwürdigen Dualismus
dar; es ist, als falle der Dorfpfarrer mit seinen groben Poltereien dem Professor
fortwährend ins Wort. Sucht der Professor die Dinge ruhig als Aesthetiker zu be-
trachten, so hält ihm der Pfarrer sofort die gefärbten Gläser unduldsamer, einseitiger
Parteisucht vor. In jenem Tone, den Sebastian Brunner zum Schaden der Sache in
gewissen Kreisen modern gemacht hat, ergeht sich auch St. Man könnte ein ganzes
Schimpfwörterlexikon aus dem Hefte zusammenstellen, das ohne Unterschied gegen
alle Dichter aller Zeiten ausgenutzt wird; da heisst ein Stück von Anzengruber ,,zu
dumm", da hören wir von Schillers „Ignoranz" und „Unehrlichkeit", von Goethes
„Albernheiten" usw. usw. Da wimmelt es von leidenschaftlichen Ausfällen einer
blinden Parteiwut, während doch manches Gute, Gescheite und Beachtenswerte all
den krausen, geschmacklosen, barokken Phrasen zu Grunde liegt. Als katholischer
Geistlicher beschäftigt sich der Vf. mit dem Drama, legt überall den Massstab der
katholischen Moral an und verschliesst sich dadurch vollständig das Verständnis
ganzer Erscheinungsreihen. Bezeichnend schon, dass er die Betrachtung des Dramas
im ,, ästhetisch-moralistischen Teil" seiner Arbeit giebt. Manches Zutreffende hat er
besonders über das „Schauspiel" gesagt, ferner über die Stoffe des Dramas, freilich
kommen dann wieder Behauptungen, die man für ganz unmöglich hält. Die Be-
zeichnung des Buches als eines „drolligen" durch Karl Werner 224^ wird jeder
Leser billigen, besonders wenn er nun noch den zweiten „ästhetisch-sociologischen
Teil" (S. 179 — 202) beachtet, der mit den schwärzesten Farben die gegenwärtigen
Zustände des deutschen Theaters abmalt, wie sie sich einem katholisch-konservativen
Manne und einem „unaufgeführten Dramatiker" darstellen, wobei freiUch manches richtig,
wenn auch nicht neu ist. Ganz neu sind dagegen die Vorschläge, die St. zur gründlichen
Behebung aller Missstände bereit hat; sie betreffen die Selbsthülfe und die Staatshülfe.
Vor allem also muss das Publikum striken d. h. Stücke nicht besuchen, die seinen
Grundsätzen widersprechen, und dadurch in den kleineren Städten die Theater-
direktoren zwingen, nur „gute" Stücke aufzuführen; in grossen Städten müssten
sich reiche Konservative finden, die eine Bühne pachten oder kaufen, um eine Art
„Musterbühne" nach dem Geschmacke des Vf. zu versuchen. Bei den „subven-
tionierten" Bühnen müsste der Theater ausschuss „an der Hand dieses meines Buches"
dem Theaterpächter das Repertoire vorschreiben. In jeder Stadt müssten die Volks-
blätter „sofort eine fein geschriebene Rubrik für das Theater wesen eröffnen und
dem lesenden Volke die (häufigen) Giftblüten am Baume der dramatischen Börse (!)
aufweisen". „Nach Durchstudieren dieses meines Buches wird sich keine bezügliche
Redaktion mehr wegen einer ignorantia invincibilis entschuldigen können." Die
Katholikentage hätten sich ,,en gros und en detail" mit der Frage zu befassen, und im
Landtage oder Reichstage müsste der „ehrliche Volksvertreter" die Subventionen
verweigern, ,,so lange er nicht Garantien dafür hat, dass den in diesem meinen
Buche aufgestellten Forderungen entsprochen wird". Jeder Schauspieler müsste
sich zudem, selbst auf die Gefahr der Entlassung hin, weigern, in schlechten Stücken
Ueber d. „poetische Gerechtigkeit-* : WeserZg. N. 16695/6. — 223) A. Stära. D. Drumaturgie dargest nach kath. Grandsätzen.
Aesthet.-sociolog. Untersuchnngen. Wien u. L., Austria (F. Doli). III, 202 S. M. 3,00. — 224) Karl Werner, E. drolliges
Jahresberichte für neuere deutsche Litte raturgeschichte. lY. 27
I 12:225-229 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
— schlecht nach St. — aufzutreten. Damit erscheint dem Vf. die Selbsthülfe erschöpft;
nun hätte die Staatshülfe einzugreifen, um eine g-enaue Prüfung der abgefassten
Dramen zu veranlassen. Dazu hätte z. B. in Oesterreich jede Statthalterei einen
fachmännisch gebildeten Referenten anzustellen, der jedes vom Dichter oder Theater-
direktor eingereichte Stück binnen vierzehn Tagen sorgfältig zu prüfen und nach
Verhandlung mit dem Dichter über etwa nötige Aenderungen dem Ministerium vor-
zulegen hätte, wobei er sein Urteil „admittitur", „non admittitur" oder „non admittitur,
donec corrigatur" sorgfältig mit Gründen zu belegen hätte. Im Ministerium müsste
sich der Prozess wiederholen, wieder Prüfung (binnen vier Wochen), wieder Ver-
handlung mit dem Dichter, endlich Urteil. Durch das „admittitur" wäre die Auf-
führung in ganz Oesterreich gestattet; durch das „non admittitur, donec corrigatur"
neuerliche Einreichung nach Verbesserung erlaubt, gegen das „non admittitur"
hätte der Dichter, dem ja stets die Gründe des Urteils in Abschrift bekannt ge-
geben werden müssten, in einer eigens zu diesem Zweck gegründeten dramatur-
gischen Zeitschrift das Recht zu protestieren. Jedes Jahr müsste vom Staat ein Ver-
zeichnis aller eingereichten Stücke nach den Abstufungen des Urteils publiziert werden.
Die Kosten dieses Verfahrens wären dadurch zu decken, dass von jeder Vorstellung
an einer öffentlichen Bühne eine Taxe (von 10 fl. herab bis zu 5 fl.) entrichtet werden
müsste. Davon könnte dann an jeder Universität auch noch ein Professor der
Dramaturgie angestellt werden, der aber natürlich die Aesthetik des Vf. zu vertreten
hätte. In den anderen Staaten wären die entsprechenden Staatsstellen mit derselben
Aufgabe zu betrauen. Ueberdies müsste noch die ganze Bühnenlitteratur nach den
neuen Grundsätzen überprüft werden, was an der Hand des vorliegenden Buches
mit seinen zahlreichen Urteilen über die wichtigsten Stücke nicht mehr so viel
Mühe machen könnte. Man zweifelt bei den Ausführungen des Vf., ob er normal
denkt, oder ob er eines jener bezeichnenden Wörter verdient, die er für andere
Dichter so gern anwendet. — Gewiss wird niemand leugnen, dass die Theater-
verhältnisse manches zu wünschen übrig lassen, nur haben bisher alle Vorschläge
nichts erzielt. Martersteig^^s^ sieht die Ursache der Schäden darin, dass die Ge-
setzgebung das Theater unter die Gewerbe rechnet, und erhebt nach Auseinander-
setzungen über das gegenwärtige Theater, über die idealen Ziele der Bühne und
allerlei politischen Betrachtungen die Forderung der allgemeinen deutschen Bühnen-
genossenschaft: „Heraus aus der Gewerbeordnung mit dem Theater." — Neumann-
Hof er ^26) verwirft die Theatercensur, ohne Neues vorbringen zu wollen. —
Das Verhältnis des Dramas zur Bühne^?'') ist für Sitten berger^^S)
die Handhabe, um einzelne Forderungen an das Drama sinngemäss zu entwickeln.
Der Bühne fehlt die vierte Wand, das bedingt eine Reihe von Anordnungen der
Wirklichkeit, die uns den Schein der Natürlichkeit erwecken sollen; nicht volle
Wirklichkeit, sondern nur eine für einen bestimmten Zweck ausgewählte kann ge-
geben werden. Die Illusion ist durch Konventionelles zu erreichen, für das sich drei
Gesetze aufstellen lassen, das Gesetz der Perspektive, das Gesetz der Uebersicht-
lichkeit, das Gesetz der grösseren Intensität. Das Fehlen der vierten Wand, die An-
wesenheit des Publikums, das schauen will, die künstliche Beleuchtung, die Grösse
des Theaters und die Entfernung zwischen Zuschauerraum und Bühne fordern diese
Gesetze; sie gelten auch für das Spiel des Schauspielers und für die dramatische
Komposition. Klar und überzeugend entwickelt dies S. Die Aufführung bedingt
eine Maximalgrenze für die Zeitdauer, damit Auswahl und Gliederung. Das Pub-
likum soll den Bühnen Vorgängen folgen können, daher Anfang, Mitte (Höhe) und
Ende; es soll nicht ermüden, daher Abwechslung, Kontrast. Der dramatische Vor-
gang beachtet die drei Gesetze auch in der Charakterzeichnung und in der Sprache;
besonders eine gewisse Vergröberung ist unerlässlich. lieber den Monolog, das
a-parte, die Akteinteilung und den Vorhang spricht der Vf. fördernd und polemisiert
ruhig und sachlich gegen die Theoreme der Naturalisten. — Ein „Süddeutscher"-^^)
sieht den Krebsschaden des deutschen Theaters in der Uebersetzungswut, die jeden
nationalen Charakter raubt, in der übertriebenen Herrschaft der Frau über das
Theater wie über Belletristik, in dem Uebergewicht des Berliner Premierenpublikums,
dem schon das süddeutsche Volksstück zum Opfer gefallen ist (?), überhaupt in der
Centralisation des Theaters und der Vorherrschaft Berlins, dessen Kritik gleichfalls
nach Paris schielt; das Theater soll deutsch und modern sein, dann wird es er-
ziehend wirken. Vom süddeutschen Volksstück verspricht sich der Vf. nach den
Buch: MontagsR. N. 40. — 225) M. Martersteig, Theater-Manchestertum : Zukunft 5, S. 462/r,. (Vgl. IV 4 : 368.) — 226) 0.
K[enmann]-H[ofer], D. Frage d. Theaterzensur: ML. 62, S. .517,8. — 227) O X ^- Mauthner, Z. Streit um d. Bflhne.
E. Berliner Tagebuch. (= Dtsch. Schriften für Litt. u. Kunst. Her. v. Eng Wolff. 2. Reihe, 5. Heft.) Kiel, Lipsius & Tischer.
52 S. M. 1,00. (Vgl. IV 4 : 115.) - 228) H. Sittenherger, D. Wahrheit auf d. Bühne. E.Studie. Wien, Bauer. 34 8.
M. 0,75. IfR. Opitz: BLU. S. 355,6: E. Kilian: DLZ. S. 626/7; Grenzb. 2, S. 144; A. E. Schönbach: Vom Fels z. Meer 2,
S. 161.]| (Vgl. IV 4 : 321.) — 229) D. dtsch. Theater als Erzieher. V. e. Sßddeutschen. L., Reissner. 48 S. M. 0,75. (Vgl.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 230-242
Erfolg-en der Schlierseer eine Zukunft des deutschen Theaters. — Den Krebsschaden
des deutschen Theaters sieht Nelten^so^ mehr in der Theaterkritik als in der
Theatercensur und dem Geschmacke des Theaterpublikuras. Freilich hat ein so
seichter Kritiker moderner Stijcke, wie der Vf. nach dem ersten Teil seines Buches
ist, wenig- Recht über die Theaterkritik abzuurteilen; wenn sie fehlt und irrt, so
kann sie entschuldig-end den Zwang- rascher Berichterstattung- erwähnen, während
der Vf. in einem Buche, also mit Ruhe und Ueberleg-ung-, nichtssag-ende, schlecht-
geschriebene, wahllos durcheinander g-eworfene Dramenbesprechung-en zusammenfasst,
noch dazu unter einem irreführenden pompösen Titel. Solche Bücher verdienen
den allerschärfsten Tadel. — Dageg-en beanspruchen, wie Werner^si) hervorhebt
Wehls Aufsätze, die Kilian aus dem Nachlasse herausg-ab, auch die Beachtung- der
Poetik, insofern sie verschiedene dramaturgische Fragen über die Aufführung ein-
zelner Stücke oder die Auffassung- einzelner Rollen behandeln und für den Stil auf
der Bühne eintreten. 232-234j —
Ueber die Komödie ist nicht viel erschienen. Weilen^^s) stimmt in den
Tadel des Heftes von Bettingen ein. — Biltz^sß) hat seinen unbedeutenden Aufsatz
über den Mangel einer deutschen Komödie als Prolog eigener schwächlicher Pro-
dukte neu drucken lassen. ~ Kummer 231) billigt den Satz: „Der Humor ist der
Idealismus einer realistischen Zeit", stimmt überhaupt den theoretischen Ausführungen
von Biltz bei, verurteilt aber die eigenen dramatischen Leistungen dieses Dichters. -^^j —
Einen Ueberblick über die Geschichte der Oper giebt Tritonius^as),
hauptsächlich um, an Wagner anknüpfend, das Verhältnis von Oper und Drama
zu ergründen; er findet einen Widerspruch zwischen dem Musikalischen und dem
Dramatischen, die sich in der Oper doch vereinen. Das Musikalische will Seelen-
zustände schildern, das Dramatische will fortschreiten. Das Gesammtkunstwerk
Wagners ist undurchführbar, weil bei ihm die Musik überwiegt. Die Zukunft der
Oper werde wohl ein Kompromiss zwischen der alten „Opern"- und der neuen
„Musikdramen"- Form sein. — Stiehler^^o) wirft gleichfalls die Frage auf, ob die
Verbindung von Musik und Drama überhaupt möglich oder richtig sei. „Dramatisch
sind die starken Seelenbewegungen, die sich bis zum Willen und Thun verhärten;
also die inneren Vorgänge, welche der Mensch vom Aufleuchten der Empfindung
bis zum leidenschaftlichen Begehren und Handeln durchmacht; dramatisch ist das
Ausströmen der Willenskraft aus dem Gemüte, nicht die Darstellung des (xemütes
selbst, auch nicht die Darstellung der Leidenschaften an sich. Dramatisch ist: zu
sehen, wie aus Gedanke und Gefühl die Handlung wird, und welche Reflexe aus
den geschehenen Handlungen zurückfallen auf das Denken und Fühlen." Das
Wesen der Musik dagegen „ist das Verinnerlichen, das Fühlen, das Sinnen, das
Romantische, das Lyrische, das Ausklingen der Stimmung in schöner Form"; alles
das steht also dem Dramatischen direkt entgegen. In der modernen Oper ist die
Musik zur Magd der Dramatik geworden. Was der Vf. dann noch über den
„moralischen" Wert des Dramas sagt, der von der Oper nicht erreicht werden könne,
weil sie nur das dem Menschengeiste „Vergnügliche" vorführt, ist wohl etwas stark
für unsere Zeit und darum leicht zu widerlegen. — Hausegger^^i) kann sich eine
dramatische Musik, also eine Oper ganz gut denken, denn ihm liegt der Keim des
Dramas im Liede, das Drama ist ihm seinem innersten Wesen nach „gesteigerte
Lyrik"; die Handlung, insofern sie nicht das Gefühlsleben auslöst oder sich auf Ge-
fühle bezieht, ist „ein bloss episches Element". Mit der Frage nach der Zukunft der
Oper hat die Frage nach dem Werte des Wagnerschen Kunstwerkes nichts zu
schaffen, die Fragestellung selbst erscheint dem Vf. falsch. —
Neue Formen des Dramas zu schaffen, ist ein modernes Bestreben, das
schon in dem Versuche begegnet, das Drama novellistisch zu färben. Rust242) qj,_
hofi't von einer Verbindung des Dramas mit Tanz und Musik, wenn auch nicht ein
neues Genre des Dramas, doch die von Schiller erhoffte Weiterbildung der Oper.
In seinem Stücke wird die weibliche Hauptrolle getanzt, hat nur in einer einzigen
Scene zu sprechen, wo eine vermummte Schauspielerin für die Tänzerin eintreten
kann. Der Vf. will die Tanzkunst zu symbolischen Behelfen im Drama herbei-
IV 4:382.) — 230) L. Kelten, Dramaturgie d. Neuzeit. Essays u. Studien über d. mod. Theater. Halle a. S., H. Peter.
VlI, 152 S. M. 2,40. |[R. Opitz: BLU !^. 3.Ö56.]! — 231) E. M. Werner, F. Wehl, Dramatnrg. Bausteine (vgl. JBL. 1891
1 3:170): DLZ. 14, S. 1044. - 232> O E. Isolani, Am Schreibtisch. Ausplandereien. m. D. Personentanfe: DBühneng.
S. 736. (Vgl. IV 4:360) — 233) X Armin Tille, D. Anachronismus: Geg 43, S.2135. (Führt einige starke Anachronismen
ans alter u. neuer Zeit an, manches dabei verkennend.) — 234) X A. v. Weilen, M. Neuda, D. Gerichtsverfahren (vgl.
JBL. 1892 I 11 : 146): DLZ. S. 1491,2. (Vgl. IV 4:357.) — 235) id., F. Bettingen, Kom. Drama (vgl. JBL. 1891 I 3: 151j:
ib. 14, S. 1330 1. — 236) K. Biltz, Dramat. Humoresken. Nebst e. Prologe: „Warum d. Deutschen keine Komödie haben.-
B., Iraberg & Lefson. 234 S. M. 4,00. |(LCB1. S. 1716; Geg. 4.5, S. 319.JI (Vgl. JBL. 1892 I 11 : 170; s. u. IV 4 : 356.) —
237) F. Kummer, Dramat. Werke: BLU. S. 5558. — 238) O P. Stapfer, La comedie du hasard: RPL. 2, S. 1316. -
239) Tritonins, Einiges über d. Oper: Kw. 6, S. 65 7. - 240) A. Stiehler, Krit. Würdigung d. Oper als Kunstform: ib.
S. 282,5. — 241) F. T. Hausegger, Nochmals: D. Oper als Kunstform: ib. S. 299-301. — 242) F. Rust, Atalante. Dramat
27*
I 12 : 243-249 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
ziehen und die schönen Geberden, die verschieden sind von den charakteristischen des
Schauspielers^^s^, für das Drama nutzen. Sein Versuch ist interessant, aber freilich
nur ein vielleicht durch den Jean Mayeux (Buckelhans) mitveranlasstes244) Experiment,
das kaum viel Nachfolger finden wird. — Weitere Schichten hat dagegen jene neue
Form erobert, die sich Psychodrama nennt; eine eigene Gesellschaft mit ver-
schiedenen Zweigvereinen hat sich in Bremen gebildet, giebt auch eine besondere
Zeitschrift „Psychodramenwelt"245) heraus. Hähnel,246y der mit einer psycho-
dramatischen Dichtung „Eike" grossen Erfolg hatte, unterrichtet uns im Vorworte
zu einer Sammlung von Psychodramen^*") des Näheren über die angeblich neue
Form. Er tritt vor allem der Ansicht entgegen, dass das Psychodrama keine neue
Kunstschöpfung, sondern nur eine Modernisierung bereits vorhandener Kunstformen
sei. Der monologische Charakter mancher Psychodramen habe dazu geführt, dass
man Monolog, Monodrama, selbst Soloscene mit dem Psychodrama verwechselt habe.
Felix Zimmermanns 248) Schilderung wird acceptiert, wonach das Psychodrama
eine neue, einheitliche Dichtungsform, eigentlich eine Mischung aus dramatischen,
epischen und lyrischen Grundelementen, ein Drama in denkbar einfachster, idealster (?)
Ausführung sei. Es fehlt der äussere Apparat, dafür wird die Psyche zur innigsten
Mitarbeit erregt. Im Mittelpunkt einer dramatisch regelrecht gegliederten Handlung
steht der Psychodramenheld, in dessen Worten allein sich Wort und That aller
anderen mithandelnden Personen mit greifbarer Plastik abspiegeln müssen. Zugleich
lässt aber der Psychodramatiker die innere Motivierung- der That zum Ausdruck
kommen. Drei Gesetze gelten: 1. an der Handlung nehmen mehrere Personen teil;
2. die Entwicklung ist dramatisch, d. h. gegenwärtig, spielt sich unter thätiger Teil-
nahme, nicht bloss Schilderung und Erzählung des Sprechenden ab; 3. der scenische
Apparat fehlt, Geist wirkt unmittelbar auf Geist (richtiger hätte es heissen müssen,
es werde direkt auf die Mitarbeit der Phantasie beim Zuhörer gerechnet, also für die
Phantasie gesprochen). Vom Drama, so sagt H., das Charaktere nachahmend dar-
stellt, unterscheidet es sich, indem es das Medium eines Vorlesers braucht; nicht
für die Anschauung, sondern -für die Phantasie wirkt es. Damit gehört es aber
•nach Schillers und Goethes Ansicht vom Rhapsoden zur Epik, von der es sich
jedoch dadurch unterscheidet, dass der Vortragende zugleich den Psychodramenhelden
spielt, also das zu erleben scheint, was vorgeht. Mit dem Drama, so behauptet H.
weiter, will es nicht wetteifern, oder dieses gar verdrängen. Es bietet nur eine
einzige Form des Dialogs, für die ich in meinem Werke „Lyrik und Lyriker" die
Bezeichnung „Dialog mit verschwiegener Antwort" brauchte. Begründer der „Gattung"
ist Richard von Meerheimb, geboren am 14. Jan. 1825 zu Grossenhain in Sachsen;
er lebt gegenwärtig der Dichtung als Oberst ausser Dienst. Am 1. Okt. 1892 hat
sich eine „Litterarische Gesellschaft Psychodrama" gebildet, die in allen Kreisen
litterarisches Interesse wecken und das Psychodrama pflegen will. Das Bändchen
enthält von den im Titel genannten acht Dichtern und Dichterinnen 15 Psychodramen
recht verschiedenen Wertes, dazu zwei Uebersetzungen ins Französische. Die ganze
Gattung ist ihrem Wesen nach nicht ganz klar; so weit sich aus den vorliegenden
Proben entnehmen lässt, könnte man von einer Vertiefung der Soloscene sprechen,
bei der es ja auch auf verschiedene psychologische Momente ankommt, wenn nicht
die Soloscene die Aufführung verlangte und das Psychodrama nur vorgelesen würde.
Die strenger geschlossene Handlung, das tiefere Erfassen eines psychologischen
Problems zeigen sich freilich. Das Dramatische liegt aber hauptsächlich in der Form
der Darstellung, nicht im Wesen, es ist daher das Psychodrama kein Drama, sondern
Epik mit dramatischer Form und starken psychologischen Momenten, wie sie der
Novelle besonders eigen sind. Am nächsten käme daher das Psychodrama der Ich-
Novelle, jedoch in dramatischer Form. Jedenfalls bieten die Dichtungen der Poetik
ein interessantes Problem. — Bahr^^s) bespricht die Versuche, die besonders in
Italien und Oesterreich gemacht wurden, „eine scenische Fassung der neuen Psycho-
logie" zu bewirken; er bezweifelt zwar weder die Berechtigung der hauptsächlich
durch Ribot aufgestellten „Vielpersönlichkeit", noch das „Vermögen der Kunst",
diese Aufgabe zu bewältigen, wohl aber bezweifelt er das „Vermögen der Bühne"
hierzu. Dieses Vermögen hat Grenzen, darum setzt der Vf. wenig Vertrauen in die
neuen Versuche, glaubt jedoch, sie würden vielleicht, „während sie sich vergeblich
Dichtung mit Tanz in 3 Aufz. mit e. Vorbemerk. Breslau, P. Schweitzer. XVHI, 55 S. M. 0,50. — 243) X K. Skranp,
Katechismus d. Mimik n. Gebärdensprache. Mit 60 Abbild, h., 3. J. Weber. 1892. XIV, 247 S. M. 3,50. |[E. Kilian:
DLZ. S. 851,2; R. Opitz: BLU. S. 3556; 0. K.: LCBl. S. 1515,6.]| (Vgl. IV 4:341.) — 244) X P- Schienther, Mimisches:
ML. 62, S. 606,9. (Vgl. Geg. 44, S. 190,1; s. n. IV 4 : 354.) — 245) Psychodramenwelt. Mitteilungsorgan d. „Litt. Ges.
Psychodrama". Beil. d. NLBll. Her. v. F. Hähnel. 1. Jahrg. 4 Nrr. Bremen, Kühtmann (G. Winter), ä 8 S. M. 1,60.
— 246) V. Hähnel, Eike. E. psychodramat. Hallig-Geraälde in freien Rhythmen. 3. Aufl. d. Sonderabdr. ebda. 1891. 8 S.
M. 0,40. _ 247) id., Psychodramat. Dichtungen. Unter Mitwirk. v. R. v. Meerheimb, Panline Hoffmann v. Wangenheim,
E. Reeder, V. Zimmermann, W. Becker, Alice Freiin v. Gaudy u. W. Schubert (P. Merwin) her.' ebda. 16°. XVI, 114 8.
M. 2,00. — 248) X Felix Zimmermann, Psychodramen: NLBll. N. 1. — 249) H. Bahr, Psychologie u. Bühne:
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 250-261
um eine neue Bühne quälen, einem Späteren die Mittel der neuen Novelle be-
reiten". —
Für den Naturalismus eine Bibliographie zu schaffen, scheint entweder
nicht gelungnen zu sein, denn es ist g'anz still von dem Plane geworden, oder aber
es gelingt eben nicht die Grenzen des Gebietes abzustecken, weil der Begriff des
Naturalismus immer mehr schwindet und anderen Bezeichnungen der modernen
Litteraturbestrebungen Platz macht. Ein Anhänger nach dem anderen fällt ab, so
dass man eigentlich nicht mehr vom Naturalismas sprechen sollte, wenn man nur
einen besseren Namen dafür fände.250"252-) Albe rti 2^3) erkennt dem Naturalismus
und der modernen Versuchslitteratur gar nicht mehr Berechtigung zu, verlangt viel-
mehr Werke, die „Vorgänge des Alltags, aber vom Schimmer der Poesie, des wahren
Menschentums umflimmert" behandeln. Man sieht nur nicht recht ein, warum bloss Vor-
gänge des Alltags poetisch umflimmert werden sollen. — Avenarius ^54) geht viel mehr
in die Tiefe; er sucht in seinem Ueberblick über das deutsche Kunstleben zu ergründen,
wieso es kam, dass die Litteraturbewegung von Frankreich, Russland und Skandinavien
auf Deutschland so sehr wirkte. Er findet, das „stoffliche Interesse" sei in den Werken
eines Keller, Raabe, Storni usw. nicht ausreichend befriedigt worden, besonders die
modernen Fragen hätten sich nur der Behandlung durch minderwertige Schriftsteller
erfreut, wodurch diese bedeutend erschienen seien. Da jedoch das „Wie" der Dar-
stellung bei ihnen höheren Ansprüchen nicht genügen konnte, so nahm man die
deutsche Dichtung nicht mehr ernst. Dort war man mit dem Stoff, hier mit der
Form nicht zufrieden, kein Wunder, dass in der Litteratur „ein geistiger Halbschlaf"
zu herrschen schien. Nun kamen aber die Daudet, Zola, Ibsen, Dostojewski und
zwangen ihr Publikum zu ernstlicher Beschäftigung und ernsthafter Auseinandersetzung,
sie lehrten, dass auch die moderne Dichtung eine Macht sein könne. Das sei
vielleicht ihr Segen. Die Jüngstdeutschen hätten nun den Fremden nachzueifern
gesucht. Es bildete sich das Gefühl aus, dass „Modernes modern" behandelt werden
müsse, später die Ueberzeugung, dass jeder Gegenstand modern, d. h. nach unserem
Empfinden zu behandeln sei. Modern in diesem- Sinne könnte auch heissen : charak-
teristisch, aufrichtig, ursprünglich, wahr. Damit stieg die Wertschätzung des Per-
sönlichen in der Poesie. Darum werde aber auch die Zukunft der deutschen Dichtung
von der Stärke der Talente abhängen; die künftige Litteratur werde „gesund und
deutsch" sein. Auch in den anderen Künsten verlangt der gegenwärtige Zustand
vom Aesthetiker, dass er sich nicht einseitig einer Partei anschliesse.^^^-^öo^ — In
einem wichtigen, durchaus zu billigenden, klar und angenehm geschriebenen Auf-
satze sucht auch Dresdner^^o) das Wesen der modernen Litteratur aus den Ursachen
zu begreifen, die sie bedingen. Er erkennt ganz richtig auch in den Verirrungen
den gesunden Kern und erblickt eine sich vollziehende Klärung auf allen Gebieten.
Die Aufgabe der modernen Dichtung ist, „der reinen und vollen künstlerischen Ge-
staltung weiter zu ihrem Rechte zu verhelfen"; die Erreichung dieses Zieles hängt
zunächst von den schaffenden Persönlichkeiten ab. Die Methode ist eine andere ge-
worden. Seit der klassischen Epoche war immer mehr die Idee, die Tendenz in den
Mittelpunkt des Dramas gerückt, und gerade Sudermann hat sich an diese Methode
gehalten, darum mutet uns z. B. seine ,, Heimat" so theatralisch an. Wir glauben
nicht an den Zufall, der gerade solche Charaktere in Konflikt setzt, „mehr mit be-
klemmter Spannung als mit mitlebender Teilnahme" wohnen wir ihm bei; wir sehen
eine seltsame, stark bewegte Historie, aber kein Drama vor uns. „Denn das Wesen
des Dramas liegt doch im inneren Kampfe, in der sittlichen, charaktermässigen Ent-
wicklung." Eine solche ist bei ,, orthodoxen" Vertretern einer Idee, einer Lebens-
auffassung nicht möglich. Wir wollen Menschen sehen, d. h. zusammengesetzte, viel-
deutige, den verschiedensten Regungen zugängliche Wesen. Wir kehren wieder zu
Shakespeare zurück, aber mit dem Unterschiede, dass seine Charaktere „Ueber-
menschen sind und übermenschlich handein", während die Gestalten des modernen
Dramas „Menschen sind und menschlich handeln". Für alle Seiten des „modernen"
Dramas sind Hauptmanns „Weber" das Muster. Es zeigt sich auch die gewaltige
Entwicklung seit der Mitte des vorigen Jh.: „der Kunst, die einst im Leben unseres
Kw. 6, S. 23. — 250) X L. Berg, D. Naturalismus (vgl. JBL. 1892 I 11 : 194): LCBl. S. 159-60 (ablehnend). —
251) X R- M. Meyer, F. Faber, System d. Künste (vgl. JBL. 1892 I 11:52). — W. Bormann, Kunst u. Nachahmung (vgl.
JBL. 1892 I 11:50). — P. Philipp, D. Naturalismus (vgl. JBL. 1892 1 11:186/7): DLZ. S. 401,2. — 252) X E. Adickes,
A. Lassen, Realismus u. Naturalismus (vgl. JBL. 1892 I 11:181): ib. S. 420,2. — 253) Conr. Alberti, Hebungen u. Werke:
Zukunft 5, S. 568-72. (Vgl. IV 4:320.) — 254) [F. Avenarius?], Unsere Künste. Z. Ueberblick: Kw. 6, S. 14, 17-20. —
255) O F. P. Stearns, Real and Ideal in litt. Reply to W. D. Howells. Boston, F. G. Cupples Co. 1892. 12». 229 S.
Sh.7 6. — 256) O A. Sautour, Ideal et Naturalisme, ä propos de roman „l'Amour de Jacques" de Ch. Fuster. Paris, Fischbacher.
[1891.] 180. 36 g _ 257) X Rieh. Friedrich, Naturalismus heute u. sonst: BLU. S. 710,3. (ßespr. einige neuere Gedicht-
samml. v. H. v. Reder, K. Henckell, G. Falke u. E. Dehmel.) — 258) O H. Knhmerker, Z. Realismus in d. Litt.: Dichter-
heim N. 2. - 259) O H. Schreyer, Realismus u. Idealismus in d. Kunst. (-- Dtsch. Nat.-Bnhne 2, 8. 29-42.) (Vgl. IV 4: 333.)
— 260) A. Dresdner, D. „Moderne" im Drama. Z. Verständigung: Kv?. 6, S. 337-42. — 261) 0. J. Bier bäum, Neue Kunst:
I 12:262-267 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Volkes ihre ang-emessene Rolle als ursprünglicher Faktor gespielt hatte, . . . die ihr ge-
bührende Stellung wiederzuschaffen." Es gilt also nicht mehr den Kampf um Idealis-
mus und Realismus, sondern „das Bestehende anzuerkennen und sich über geraein-
same Arbeit zu seiner Läuterung und Förderung zu verständigen". Dabei muss auch
die Kritik ihren Platz im Geistesleben des deutschen Volkes durch ernste Bethätigung
wahren. Was besonders das Drama betrilTt, so sieht D. in Hauptmann und Suder-
mann die zwei berufenen Führer und hervorragenden Vertreter, gesteht aber selbst-
verständlich Hauptmann den ersten Platz zu. „Sudermann ist weniger kühn und
weniger eigenartig als Hauptmann, er schliesst sich den überlieferten Formen und
Formeln unseres Dramas näher an; und daraus erwächst ihm seine eigentümliche
und bedeutsame Aufgabe, dem Publikum das neue Drama schmackhaft zu machen
und es durch seine minder ungewohnten Werke allmählich mit dem neuen Geiste zu
versöhnen." — Bierbaum 26i-262j vertritt das Recht des Individualismus in der
Kunst, er verwirft den „berühmten hedonistischen Zweck der Kunst nach alter Aus-
legung", denn „die herzlichste Freude" ist ihm „neben der Freude an der frischen,
treuen Natur die Freude an dem Gedanken der Liebe von Mensch zu Mensch, nicht
im sinnlichen, sondern im christlichen Sinne der Barmherzigkeit und des Mitleids".
Er verwirft die Schlagwörter Naturalismus, Ueberwindung' des Naturalismus, ihm
kommt es auf „die ehrliche Kunst" der „Selbständigkeit, der freien Individualität"
an, also auf die Willkür, — Seemann 2fi3j weist die Forderung Bierbaums zurück, der
Künstler solle eine „Persönlichkeit" sein, weil mit diesem Worte nichts gesagt sei.
Ihm erscheint der Prozess in jeder Kunst so: „Jeder Künstler, ja jede Zeit sucht sich
nicht die Schönheit schlechtweg (denn absolute Schönheit giebt es nicht), sondern
eine ganz bestimmte Schönheit oder Wahrheit — die ja stets zusammengehen. Auf
dieser Suche nach dem Ausdruck des inneren Empfindens bilden sich die Stile, . . .
die gleichsam aus der Volksseele herauswachsen. So aber sucht mit langer Mühe
und emsigster Arbeit jeder rechtschaffene Künstler seinen eigenen Stil, der seiner
Anlage und den verschiedenen Einflüssen, die er erleidet, entspricht. Trifft dieser
Aufdruck, der unter schweren Zweifeln und Kämpfen der Seele sich entringt, auf
eine verwandte Umgebung, entspricht er dem Zeitgeiste, so breitet er sich allen
Widersachern zum Trotz aus und herrscht in den Seelen einer kleinen, doch stetig
wachsenden Gemeinde. Bis — ja bis eine veränderte Zeitströmung einen anderen
Ausdruck fordert. Dann kann zwar der mächtig gewordene Formenzwang noch eine
Zeit lang herrschen, aber ein dumpfes, allmählich stärker werdendes Gefühl treibt die
veränderte Jugend unablässig an, neue Pfade zu suchen." — In Anschluss an Bier-
baums 2^*) Musenalmanach bemüht sich Friedrich^^^) den Zusammenhang des
Naturalismus mit voraufgegangenen Perioden der deutschen Litteratur, also mit der
dorperlichen Dichtung, mit der Richtung Christian Weises, der Sturm- und Drang-
periode, der Romantik und dem jungen Deutschland aufzudecken. Neues sagt er
nicht, dafür übertreibt er. — üebertreibung ist es auch, wenn Zabel ^ßßj in den
modernen Künsten nur das Hässliche herrschen sieht, wobei er übrigens ganz richtig
hervorhebt, dass das Hässliche, Krankhafte schon an sich auf unsere Nerven wirkt,
daher es leichter zur Nervenerregung verwertet werden kann; freilich sei dieses durch
den Stoff hervorgerufene Mitleid vom künstlerischen Geniessen weit entfernt. Eine
kurze Geschichte der Aesthetik des Hässlichen und eine feine Würdigung von Karl
Rosenkranz ist in den Aufsatz verwoben. — Historisch den Naturalismus einzureihen
ist der eine Zweck eines anonymen Heftchens (von Karl Pröll?)^^'?). Hat Zabel eigent-
lich die Aesthethik des Hässlichen seit Lessing für die Mutter des Naturalismus
erklärt, so sieht der Anonymus im Fremden den Vater, in der romanischen Brutalität
Zolas, im jüdisch-undeutschen Witzeln und Spötteln Heines. Auch die von Bleibtreu
begonnene Litteraturrevolution blieb international und jüdisch, wurde noch überdies
„durch ein störendes Verbitterungselement" unangenehm. Dann kamen die inter-
nationalen Naturalisten, „diese abstrakten Schematiker", kokettierten mit der vater-
landslosen Socialdemokratie und Anarchie und dem Parisertum, natürlich waren auch
hier wieder „die geborenen Heimatlosen, die Juden" die „allerärgsten unter diesen
modernen, fortschrittlichen, internationalen Schreiern". Ihnen folgten die nervösen
Naturalisten mit ihren französischen Neigungen und ihrer „jüdischen" Abstammung,
bar jeder Gesundheit, jeder deutschen Kraft, Knaben, „die mit Spielereien und was
das Schlimmste ist: mit unreinen Spielereien ihre Zeit vergeuden!" Wie ganz anders
unsere echten alten Deutschen, Luther, die Dichter des Nibelungenliedes, der Gudrun,
des Heliand, des Hildebrandsliedes, die Minnesänger, „diese germanische Lust an
Wald und Gras und grünem Klee!" Die jetzige deutsche Litteratur hat „keine Seele";
sie muss national und volkstümlich, deutsch und gesund werden, nicht bloss sehen
und hören, sondern auch leben, sie muss frei werden, innerlich frei, und klar, eine
ML. 62. S. 476/9. - 262) O (I 11:50.) — 263) (I 11:42.) - 264) O (IV l:i:18.) — 265) ßich. Friedrich, E. Manifest
d. Modernen: BLU. 8. 145/7, 161/3. — 266} E. Zabel, D. Herrschaft d. Hässlichen: NatZg. N. 257, 281. — 267) (IV la:12.)
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 268-283
harmonisch ausg-ereifte Kinder- und Volksschriftstellerei im g-rossen. Ich g-laube,
diese Proben g-enügen völlig". — V. von Plazer^ßS) erwartet, dass der Geist des Natura-
lismus die wesentlichen Vorzüge der klassischen und romantischen Periode in sich
aufnehmen und als höchstes Ideal der Kunst die ganze gebildete Welt in seinen
Bannkreis ziehen werde. Seiner Ansicht nach ging der Naturalismus aus dem Lust-
spiel hervor, dessen Wesen ja „porträtmässige Wahrheit" ist; das besondere Merkmal
aber bildet in jedem (dramatischen) Werke aus der Schule des Naturalismus eine
„Idee". Ueber Idee und Motiv verbreitet sich der Vf. in seiner seichten, eitlen Weise
noch besonders. - Ein überzeugter Anhänger des Naturalismus wie Plazer ist
Für st 269), der gleichfalls vom künftigen Siege des Prinzips durchdrungen ist. Sein
Dreigestirn aber heist: „Naturforschung — Socialwissenschaft — die neue Litteratur."
Er versteht die neue Richtung in der Litteratur aus den socialen Voraussetzungen
der Zeit; der Bürgerstand, in seinem innersten Wesen verändert, hörte allmählich
auf, der Litteratur Anregung zu bieten, dafür regten aber die neuen Verhältnisse,
die nach naturwissenschaftlich-analytischer Methode geführte Untersuchung unserer
Gesellschaftszustände, zu dichterischem Schaffen an; der früheren individualistischen
folgte die gesellschaftliche Litteratur und musste natürlich zu neuen Ausdrucksformen
greifen. Nicht eine litterarische Revolution, sondern Evolution haben w4r vor uns,
nichts Hässliches und Krankhaftes, sondern Gesundes und Schaffenskräftiges. Die
neue Richtung wird mithelfen an der Hervorbringung jener idealen Weltanschauung,
die von der specialisierenden Naturwissenschaft bisher nicht gebildet werden konnte.
F. lässt nicht gelten, dass das Neue das Gegenteil des Alten sei, er nennt es „nur
die Vervollständigung und Ergänzung desselben", indem es für seine Zeit dasselbe
thut, was das Alte für die seine that. Es hat „neue" Ideale, aber es hat Ideale, wie
seine Vorgänger; seine neuen Ideale sucht es „aus der Herrschaft der Materie im
All abzuleiten". Eigentlich sind aber die neuen Ideale nur die Verwirklichung der
alten: B^reiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, es sind nämlich: „die Arbeit als die
alleinige Grundlage des menschheitlichen Wohls, das Recht in seiner unbeschränkten
Anwendung, das freie unabhängige, glückliche Kulturleben der Menschheit als das
höchste der anzustrebenden Ziele". Den Zusammenhang der Litteratur mit den Ge-
sellschaftseinrichtungen, die notwendige Gestaltung der neuen Litteratur darzustellen,
ist der Vf. im weiteren Verlauf seines anregenden Buches bemüht. Er deutet an,
dass ein social istischer Ausbau unserer Gesellschaft der Poesie wie der Kunst über-
haupt breiteren Raum schaffen würde, er geht auf viele moderne Einrichtungen,
Verirrungen und Hoffnungen ein, bespricht mit anerkennenswerter Unparteilichkeit
manche Erscheinungen, vor allem Nietzsche, nur in zwei Punkten trübt sich meiner
Ansicht nach sein sonst klarer Blick: er erwartet nämlich von der „Socialwissen-
schaft", dass sie „neue Grundlagen für das wirtschaftliche und damit für das ge-
samte moralische und geistige Leben der Menschheit" schaffen werde, wobei er der
Wissenschaft einen jeder Erfahrung widersprechenden Einfluss zuschreibt; dann aber
bezeichnet er ebenso einseitig die Aesthetiker und Litterarhistoriker als die ge-
schworenen Feinde der neuen Richtung, was gleichfalls den Thatsachen nicht ent-
spricht. Vielleicht könnte man auch an der Richtigkeit der Behauptung zweifeln,
dass die neue Litteratur untrennbar mit der socialistischen Bewegung zusammenhänge;
der Vf. steht mit sich selbst im Widerspruche, da er natürlich den mächtigen Ein-
fluss Nietzsches auf die neuere Litteratur nicht zu leugnen vermag, obwohl die Ueber-
menschentheorie, die er so heftig bekämpft, im direkten Gegensatze zu der Gesell-
schaftstheorie des Socialisraus steht. Es geht eben nicht an, geistige Strömungen
aus einer einzigen Quelle ableiten zu wollen, weil ihr von allen Seiten Einflüsse zu-
kommen. Trotzdem ragt die Schrift F.s aus der Menge solcher Tageslitteratur her-
vor.270-2'1) _ Dagegen beweist Kirch n er 2''2j geringes Verständnis für die neue
Litteratur, er will sie litterarhistorisch erfassen, thut es aber nicht und hat deshalb,
wie wegen seiner vielen schiefen Urteile (so stellt er z. B. „Die neue Zeit" von Voss
über die „Einsamen Menschen" Hauptmanns), von allen seinen, mir bekannt ge-
wordenen Recensenten2^3-2-4^ mit seltener Stimmeneinhelligkeit ein Verdammungs-
urteil erhalten.2''5-283) —
— 268) V. Ritter v. Plazer, Zeitgemässe Uetrachtungen. L., 0. Wlgand. 41 S. M. 0,50. — 269) H. Fürst, D. neuen Ideale.
Evolut. Plaudereien. Dresden u. L., E. Pierson. IX, 133 S. M. 2,00. i[PresseB. N. 164.]| — 270) O M. N. G. Moltzer,
Anarchismein de Kunst: NedSpect. S. 85 6. — 271) O G. Pelissier, Le Monvement litteraire an XIX. siecle. 3. ed. (= Bibl. variee.^
Paris, Lecene, Ondin et Cie. 16». 387 S. Fr. 3,50. — 272) (IV la:7.) )[BLU. 8.590,1 (ablehnendi; Kw. 6, S.372.]| — 273) X
C. Flaischlen, „Auch Einer": ML. 62, S. 507 9. — 274) Jost Seyfried, „Grün" u Grau-Deutschland. E. kora. Litt.-Gesch. :
FrB. 4, S. 1009-17. - 275) X (I 1:60.) — 276l X ^twas über Naturalismus: Volksbühne 2 (Dec. 1892), S, 7-11. — 277) X
D. heutige Naturalismus: ib. 3 (Jan. 1893), S. 9-12. - 278) O H. Bulthaupt, Shakespeare u. d. Naturalismus. Vortr. :
JbDShakespeareGes(Sapplement). 28, S. 4-25 |[J. R.: LZgR. N. 84 (scharf tadelnd): BLU. S. 333,4 ; H. Schreyer: DNB. 2,
S. 242 4.]| (Vgl. IV 4:322.) — 279) O id., Shakespeare u. d. Naturalismus. (Sonderabdr. v. N. 278.) Weimar. A. Hnschke.
25 S. M. 1,00. — 280) X K. Trost, Shakespeareolatrie u. mod. Empfinden: NorddAZg. N. 312. (Gegen Bnlthaupts Aufsatz
N. 278.) — 281) K. Kollbach, D. Naturwiihrheit in d. mod. realist. Litt.: KZEÜ. S. 154-60. — 282) X M. Keibel, D.
Religion u. ihr Recht gegenüber d. mod. Moralismus. L., C. E. M. Pfeffer. 1892. VH, 85 S. M. 1,50. |[A. Fischer-Colbrie:
ÖLBl. 2, S. 163;4.J| — 283) X F. Klein, Nonvelles tendances en religion et en litterature. Paris, Lecoffre. XLIII, 303 S.
I 12:284-291 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Das Verhältniss von Moral und Naturalismus stellt "Wille ^^^J dar mit
Rücksicht auf eine Schrift von Adolf Gerecke „Die Aussichtslosigkeit des Moralis-
mus" (Zürich, Schabelitz 1892); er entwickelt, dass die Unterdrückung- der Begierden,
dass Moralgesetze nur Satanismus, moralische Stickluft zur Folge hätten. Gerade
ein so grosser Socialkritiker wie Ibsen gestalte dichterisch die Korruption, „welche
Individuen und Gesellschaft von Seiten der Moralsatzungen erleiden". Solche kühne
Männer und Kritiker seien Sturmvögeln gleich. Es gelte eben frei zu werden von
der moralischen Herrschaft, dadurch würden nicht etwa verbrecherische Leiden-
schaften entfesselt, sondern vielmehr die Leidenschaften beruhigt und ungefährlich
gemacht. In einer Fussnote stellt die Redaktion die scharfe Fassung dieser Gedanken
zur Diskussion. — Aber Hartenau^sa^^ der allein das Wort ergriff, steuert nur
einige Reflexionen über sich selbst bei, ohne auf das Verhältniss der Poesie zur
Sittlichkeit einzugehen. —
Eine gescheite und mutige Frau, Clara Schreib er ^sß)^ hat es gewagt,
gewissen Schlagwörtern der Modernen über die Frauen frage scharf entgegen-
zutreten und besonders die „freie Liebe" als einen Unsinn und eine Ungeheuerlich-
keit zu bezeichnen. Die Frauenfrage wird als Brotfrage behandelt, das Ziel des
Weibes in der Ehe gefunden, aber nicht in einer gewöhnlichen, sondern in der von
einem reifen, geistig und körperlich entwickelten Weibe geschlossenen. Die Vf. tritt
für die erweiterte Frauenbildung ein, verwirft aber die Deklamationen von Prostitution
der Ehe, die Frau als Geliebte des Mannes usw., weil sie selbst ein normales Weib
ist. Gegen die französischen Romanciers nimmt sie die französische Moral in Schutz
und stellt die französische Frau, wie sie ist, dar. Man folgt den spannend ge-
schriebenen Aufsätzen mit Genuss und Gewinn. — Der grosse „Weiberhasser"
Strindberg^^") sucht aus Physiologie und Psychologie die Minderwertigkeit des
Weibes zu erweisen, wobei es ohne die stärkste Einseitigkeit natürlich nicht abgeht.
So behauptet St. (was schon die Redaktion zu einer Einwendung veranlasste), es
scheine Regel zu sein, dass Söhne niemals intellektuelle Anlagen von der Mutter
erben, „vielleicht weil nichts zu erben ist". Die litterarischen Verdienste einer Stael,
einer George Sand werden auf Männer, Aug. Wilhelm Schlegel, Alfred de Musset,
Chopin, Dumas fils, die Erfolge der Königinnen auf ihre Ratgeber zurückgeführt.
Ueberdies macht sich der Vf. lustig über eine Logik, die sagt : „Rosa Bonheur malte
schöne Tierbilder, ergo steht das Weib dem Manne nicht nach"; er verstösst aber
bei seinen Deduktionen ganz ähnlich gegen die Logik, freilich umgekehrt.
Die Bedeutung der Suggestion und Hypnose für die Litteratur be-
trachtet WalzeP^^) im Anschluss an die Franzossche Enquete ^89) ähnlich wie
Servaes (vgl. JBL. 1892 I 11:255); er sagt ganz richtig, von den Märchen und
Zaubergeschichten, denen ein Gutachten Suggestion, besonders posthypnotische zu-
weisen will, bis zu streng wissenschaftlichen Darstellungen des extremsten Naturalis-
mus führe ein weiter Weg an einer Fülle von Möglichkeiten anderer Art vorüber,
die Keime grosser Kunstwerke bergen. „Sie zu nützen, kann keiner dem Dichter
wehren." Er weist die litterarische Kritik zurück, die von Nichtkritikern ausgeübt
wird, sieht auch in der genannten Enquete, dass die Aufgaben der Dichtung verkannt
wurden. Fühle sich ein schaffender Dichter vom Problem der Suggestion gefesselt,
so werde er auch trotz dem Verdikte der Physiologen und Psychiater sich ihm nicht
entziehen können, und ist er ein gottbegnadeter Künstler, so werde ihm gelingen,
auch auf diesem Felde menschlich anziehende Menschen zu zeichnen. Maupassants
„Horla" ist ihm ein Beweis dafür, ebenso Theophil Gautiers „Jettatura".290) W. unter-
scheidet sehr wohl zwischen dem echten Künstler und dem seichten Kopisten. —
Dagegen wirft ein Ungenannter '•^^i) alles durcheinander und lehnt die Suggestions-
litteratur ab, weil sie auf schwache Nerven eine verderbliche Wirkung auszuüben
vermag. Er selbst muss aber gestehen, dass Dostojewskis „Raskolnikow" keinen
Mord zur Folge hatte, wohl aber Tolstois „Kreuzersonate"; damit stellt er sich auf
den Standpunkt jener Kritiker, die Goethes Werther verwarfen, weil durch ihn an-
geblich einige Selbstmorde hervorgerufen wurden. Gerade sie aber konnten beweisen,
dass Goethe mit seinem Werther wirklich eine Zeitkrankheitserscheinung gezeichnet
hatte, die Kritik ist also völlig im Unrecht. Kann er sich auf den Werther berufen,
wenn er sagt: „Dem Leser und Zuhörer schöne Gefühle und edle Gedanken, den
|[C. Seefeld: ÜLBl. 2, 8. 463/4.] | — 284) B. Wille, Moral. Stickluft: FrB. 4, S. 816-21. — 285) W. Hartenan, Moral heutzutage :
ib. S. 940-4. - 286) Clara Schreiber, Eva. Naturalist. Stadien e. Idealistin. Dresden. E. Pierson. VII, 155 S. M. 3,00. —
287) A. Strindberg, D. üeberlegenheit d. Mannes über d. Frau, u. d. hieraus sich ergebende Berechtigung ihrer unter-
geordneten Stellung. (Nach d. Resultaten d. Wissenschaft.) Dtsch. v. G. Lichtenstein: ML. 62, S. 58/9, 715. — 288) 0. F.
Walzel, E litt. Enquete: ZDU. 8, S. 518-25. — 289) X B- Münz, Hypnotismus u. Suggestion: BLU. .S. 364,5. — 290) O
P. Sourian, La Suggestion dans Tart. (=: Bibl. de philos. scientif.) Paris, Aloan. 1892. 3.")2 S. Fr. 5,00. |[G. Lechalas:
APC. 27, S. 364-74; L. Arreat: RPhilos. 35, S. 6.39-44.J| - 291) Snggestions-Litt. : Didaslc. N. 52/3. (Aus IlambNachr.) —
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 292-314
Antrieb zu guten Handlung-en zu sug-g-erieren, das ist die Avifgabe jener Sug-gestions-
Litteratur, der sich bisher noch alle grossen Dichter gewidmet" [haben] V^^'^'^iaj —
Es giebt auch andere Fragen der modernen Psychologie^"-^ """"j, deren
Verwertung in der Litteratur zweifelhaft sein könnte, weil sie wissenschaftlich noch
nicht vollständig klar gelegt sind. Dazu gehört das „Doppel-Ich", wie die von Dessoir
geschaffene Bezeichnung für eine lange bekannte, aber verschieden gedeutete Er-
scheinung lautet. Roisset ^"'J hat einen kurzen Rückblick auf die Geschichte dieses
Begriffs gegeben und dann einige Werke besprochen, in denen Dichter das Doppel-
Ich als Problem behandelten. Eduard Rod, Paul Bourget, Charles Epheyre, Zola,
Maupassant und Tolstoi werden kurz gewürdigt. Der Vf. erkennt zwei Arten der
Behandlung: entweder wird mit dem unbewussten Ich das Böse, Bekämpfens- ja
Unterdrückens werte, oder das Bessere, Reichere, Gewaltigere bezeichnet; so scheiden
sich die Dichter, je nachdem sie, wie Zola, Tolstoi, Bourget, das zweite Ich als das
Tier in uns schmähen, oder wie Epheyre als das höhere, vom Wachbewusstsein leider
meist verdeckte Wesen in uns bewundern. Der Aufsatz fördert uns auf engem Raum. —
Dehmel^"2j möchte das Doppel -Ich „lieber als palingenetische Funktionen unfertiger
Präexistenzen auffassen", da in jeder Individualität „verschiedene Individualitäten
einer vergangenen Zeit zum Zwecke ihrer gegenseitig-en Vollendung sich einheitlich
verbinden". Bei Goethe, Nietzsche, Julius und Heinrich Hart, bei Liliencron und
01a Hansson, vor allem aber bei Paul Verlaine findet der Vf. dichterische Verarbeitung
seiner Idee. Er ist jedenfalls in der Litteratur wenig bewandert, sonst hätte er auf
Wilbrandt und Niemann hinweisen können, doch hätten alle weiteren Nachweise doch
keinen Wert für uns, da D. nicht daran denkt, sein Material zu verarbeiten.^"^) —
Die verschiedenen Kreise des Naturalismus sind einzeln zum Teil
historisch behandelt worden, wobei sich natürlich die Dichtungsgattungen nahezu
lokal geschieden haben. In Frankreich ist es hauptsächlich der naturalistische
Roman304-305^^ ujit (jgjji Erfolge errungen wurden, während der Naturalismus auf der
Bühne nicht Fuss zu fassen vermochte. Das hat Pelissier^o^j [a seinen Essays
betont; er beklagt die Auflösung des französischen Alexandriners, steht dem
shakespearisierenden Drama etwas fremd gegenüber und sucht die modernen Er-
scheinungen, einen Zola, einen Paul Bourget, Marcel Prevost, Paul Margueritte sowie
die gegenwärtige Entwicklung der Litteratur zu verstehen, wenn ihn auch seine
Neigungen zum Klassischen hinziehen. Nicht mit trostreichen Gedanken blickt er
in die Zukunft, denn er glaubt nicht an die Aussichten des Symbolismus, zu dem
Mahrenholtz^o"?) mehr Zutrauen hat als P. und Juvalot^o») in seiner heiteren
Plauderei aus dem J. 3893. — Merkwürdig unhistorisch ist Morillot^^gj ^^ der Auf-
fassung des modernen Romans; er giebt eine Chronik des französischen Romans von
1610 — 1893 mit eingestreuten Proben. Jeder Romancier wird einzeln vorgenommen,
die Ordnung ist nur äusserlich getroffen, häufig rein chronologisch. Besonders ver-
wirrend wirkt es, dass der „roman realiste" (Balzac, Bernard, Flaubert, die Goncourts)
durch „Merimee et la Nouvelle" und den „roman populaire" (Dumas, Sue, Kock,
Erckmann-Chatrian) von dem zeitgenössischen getrennt ist; auch hier mangelt histo-
rische Ordnung und wirkliche Charakteristik. Als Nachschlagebuch kann das Werk
willkommen sein.3io-3i2j — j)[q Entwicklung der französischen Lyrik des 19. Jh. hat
Brunetiere^'S) jn Vorlesungen dargestellt, wobei auch die realistische Richtung
charakterisiert wurde. — In der gegenwärtigen italienischen Litteratur sieht Rod-^'^j
deutschen Einfluss, was die Historie und die Poesie betrifft, dagegen französischen
292) X H. Schmidkanz, Psychologie d. Saggestion. Mit ärztl. psycholog. Ergänzungen v. F. C. Gerat er. St., F. Enke.
XU, 425 S. M. 10,00. |[W. Bölsche: DRs. 74, S. 312 3.J1 - 293) X H. Ströbel, Litt. Psychiatrie: FrB. 1, S. 4218. —
294) XW. Bölsche. D. Angst vor d. Aufklärung: ib. S. 206 9. — 295) X id., D. Metaphysik in d. mod. Physiologie: ib.
S. 273-89. — 296) O Ad. Faggi, La psicologica moderna. Firenze, G. Civelli. 33 S. L. 1,00. — 297) X E. Sokal, Th. ribot
n. d. neuere Psychologie: Geg. 43, S. 215,3. — 298) X ■*•• Lalande, Sur un effet particulier de l'attention appliquee aui
Images: RPhilos. 35, S. 284,7. — 299) X Fr. Paulhan, L'attention et les images: ib. S. 502,7. — 300) Th. Achelis,
Ueber d. verschiedenen Methoden d. Psychologie: Geg. 43, S. 248-50. (Im Anschluss an W. Wundt, Vorlesungen über d.
Menschen- u. Tierseele. 2. umgearb. Aufl. Hamburg u. L., L. Voss. 1892. XII, 495 S. M. 10,00.) — 301) E. Roisset, D.
„Doppel-Ich" in d. neuesten franz. Litt.: N&S. 64, S. 328-39. (D. Uebereinstimmung mit Brandes [vgl. u. N. 316J ist höchst auf-
fallend.) — 302) R- Dehmel, Z. Wiederverkörperung in d. neuesten Litt.: Sphinx 17, S. 276/9. — 303) X L. Büchner,
Vererbung: AZg". N. 98. (Im Anschluss an S. S. Backmann, Vererbungsgesetze und ihre Anwendung auf d. Menschen.
Uebersetzt in d. ^ Darwinistischen Schriften". L., Günther; rein naturwissenschaftl.) — 304) O E. Zola, D. natnralist. Roman
in Frankreich. Autoris. dtsch. Uebers. v. Leo Berg. St., Dtsche. Verl.-Anst. X, 484 S. M. 4,00. — 305) 3. Wychgram,
Zolas Rückschau: BLU. S. 428-30. (Tadelt d. schlechte Uebersetzung d. interessanten Werkes.) — 306) (S. o. N. 171.) —
307) R. M[ahrenholtz?J, Tagesströmungen d. jetzigen franz. Litt.: AZg'i. N. 51. — 308) L. Juvalot, L'avenir du sym-
bolisme. Aix, l'Anteur. 8 S. Fr. 0,20. — 309) P. Morillot, Le Roman an France depuis 1610 jusqu'ä nos jours. Paris,
Massen. 12". 611 S. |[F. Hemon: RCr. 36, S. 508-10.]] (Keine Gesch., aber e. guter Ueberblick über d. Roman u. seine Ent-
wicklung in d. letzten drei Jhh.) — 310) O Jules Simon, Le röle du roman dans la litt, contemp. : JSav. S. 624-34. —
311) 0. Berdrow, Wie heute Romane gemacht werden: NZSt. 11, S. 478-34. (E. hübsche Schilderung v. Zolas n. Dsudets
Arbeitsweise nach ihren gelegentl. Mitteilungen.) — 312) O XX ^- Toldo, Figaro et ses origines. Milano, Dumolard frferos.
16". 394 S. L. 4,00. — 313) D. Evolution d. franz. Lyrik im 19. Jh. nach d. Vorlesungen d. Akad. F. Brunetiere: Post
N. 241. (Darnach abgedr. in Didask. N. 209; vgl. I 1 : 56.) — 314) E. Rod, L'evol. actuelle de la litt. Italienne: M. A. Fogaz-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgescbichte. IV. 28
I 12:316-316 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Einfluss im Roman, der zum französischen eine bis ins Einzelne g-ehende Parallele
liefert, freilich ohne die französische Orig-inalität. Das wird durch einige Beispiele
erörtert; all das ist aber nur Einleitung- für eine Studie über Fog-azzaro, den
Idealisten.3'!i) — Zu einer Gesamtbetrachtung der modernen Litteratur hat Georg
Brandes^^ß) durch eine neue Sammlung von Essays beigetragen, die fast aus-
schliesslich von neuen Erscheinungen der Weltlitteratur handeln, die wenigen Aus-
nahmen sind in der Anmerkung verzeichnet. Man kennt das ganz Persönliche von
B.s Darstellungsweise, sein Geschick, die geistige Physiognomie von Dichtern
und Schriftstellern nachzuzeichnen und ihr Wesen synthetisch auf eine kurze Formel
zu bringen; darüber sind die Akten längst g-eschlossen, ebenso über seine nicht
immer philologische Zuverlässigkeit. Portraits sind auch die neuen Essays, und es
ist kein Zufall, dass uns von einem Gruppenbild die Köpfe der besprochenen Schrift-
steller, um Goethe geordnet, entgegenblicken. Scharf umrissen in ihrer persönlichen
und schriftstellerischen Eigenart sehen wir auch die besprochenen „Menschen" vor
uns; wir hören, wie sie sich bildeten und entwickelten, wie sie mit ihrer Zeit und
den in ihr waltenden Ideen zusammenhängen. Internationales und Nationales in
seinen Verhältnissen zu einander beschäftigt den Vf. immer wieder, und so gipfelt
der einzige rein vergleichende Aufsatz „Das Tier im Menschen", wenn man genauer
zusieht, in der Darlegung, wie die Schriftsteller das Problem des Doppel-Ich, ihrer
Nationalität folgend, verschieden behandeln mussten. Für den Vf. sind eigentlich die
Sachen, die Ansichten, die Werke gleichgültig, er sucht Menschen und freut sich,
wenn er einen Alenschen gefunden hat, „das Seltenste, was es giebt". Dann sucht
er ihn zu ergründen, indem er ihm abfragt: was ist an dir? worin besteht der Kern
deines Ich? So machte er es mit Nietzsche, dessen Werke keineswegs seine
Billigung haben, aber er hat „seinen Spass" an dem Künstler, der grübelt, und
dem Denker, der träumt; für Nietzsches Wesenheit schafft er den Ausdruck „aristo-
kratischer Radikalismus". So macht er es in dem. glänzendsten Essay des Bandes
mit Zola, den er schon 1887 „halb scherzhaft und doch ganz ernstlich" einen
Symboliker, keinen Naturalisten nennt, denn nicht die Natur, die dargestellt wird,
sondern die Persönlichkeit, die darstellt, erkennt er in allen Romanen, vom ersten
an. Ein „Dichter der Kehrseite" heisst ihm Zola, der wohl gegen die historische,
nicht aber gegen die phantastische Kunst Front macht, der auf die Natur die Ana-
logien der griechischen Welt, des Biblischen überträgt, der direkt das Gebiet der
Mythenbildung betritt und nicht vor allem als Psycholog, sondern als j)sychologischer
Simplifizierer wirkt und dadurch zum Repräsentativen, .Typischen geführt wird. So
macht er es mit dem „unwiderstehlichen" Guy de Maupassant, dem „Dramatiker als
Erzähler", den er im heutigen Frankreich den einzigen eigentlichen Gallier, die
männlichste Erscheinung, das natürlichste Talent, eine „W^ildgansnatur" (nach dem
Gedichte „Die Wildgänse") nennt, zugleich den echt klassischen Stilisten, den klaren,
sicheren Kunstverstand; geschickt kontrastiert er ihn gegen Edmond de Goncourt,
Zola, Daudet, Richepin, Bourg-et und freut sich seiner Liebenswürdigkeit. Aus dem
Essay über Dostojewski fühlt man die Abneigung, ja das Grauen des Vf. vor der
„perversen Nervosität" heraus, mit der Dostojewskis Begabung zusammenhing ; ihm
ist dieser Russe „unheimlich genial", nachdem er ihm zuerst „unansehnlich und
gemein" vorgekommen war, trotzdem fühlt er sich durch die aussergewöhnliche Ver-
brechernatur angezogen. In dem Essay über diesen „Dichter des Proletariats"
fällt die Härte des Vortrags unwillkürlich auf, die zeigt, dass B. diesmal nicht mit
seinem ganzen Ich beteiligt ist. Auch Tolstoi steht er nicht mit Sympathie gegen-
über, obwohl er seine „historische Phantasie", seine „Wirklichkeitstreue" bewundert
und seine „Entferntheit von aller Ehrfurcht vor menschlicher Intelligenz und politischer
oder wissenschaftlicher Grösse" halb mitleidig, halb entsetzt anstaunt. Aber sein eigent-
liches Urteil über Tolstoi hat B. nicht in seinem, dem Vf. von „Krieg und Frieden" ge-
widmeten Essay ausgesprochen, sondern in jener schon genannten Parallele der Schrift-
steller, welche „Das Tier im Menschen" darstellen; hier erscheint Tolstoi als ein moderner
Johannes der Täufer, aber als einer, der Pose steht, und sich, „als er das härene Hemd
angethan, darin photographieren" lässt, man kann geradezu sagen, als ein moderner Barbar,
der sich in Scene setzt. Das stimmt nun freilich nicht ganz mit dem Urteil überein, das B.
zuerst ausgesprochen hat, aber dergleichen Widersprüche sind bei ihm Selbstkorrek-
turen, die er nach weiterer Durchdringung des Menschenproblems häufig genug
vornimmt; die Aufsätze sind eben zu verschiedenen Zeiten entstanden und nur zu
einem Buche zusammengelegt, nicht zusammengearbeitet. Was B. gegen einen
Dostojewski, einen Tolstoi einnimmt, das fühlt man am besten, wenn man das kurze
Gedenkblatt für Kristian Elster und die Studie über Alexander L. Kielland ansieht:
zaro: EDM. 118, S. 341-63. — 315 J X C- Lorabroso, D. litt. Bewegung in Italien: ML. 62, S. 189-92. — 316) Georg
Brandes, Menschen u. Werke. Essays. Mit e. Gruppenbild in Lichtdr. Frankfurt a. M., Litt. Anst. (Riitten& Loening). V, 533 S.
M. 10,.50. (Erwähnt seien daraus noch Ooethe u. D&nemarlc, Holberg, Öhlenschläger, Aladdln, endlieh Puschkin u. Lermontow.) —
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 317-323
Den Weltton schätzt B. g-anz besonders, den internationalen Freisinn; die nationale
Beschränktheit ist ihm dag-egen unsympathisch; einen Kielland lässt er g-elten trotz
seiner Volktümlichkeit „aus üeberzeug-ung- und Prinzip", weil Kielland in Haltung-
und Weltton aristokratisch ist. Er verhehlt sich nicht, dass Kielland mehr Physiog-
nomiker als Psycholog, dass er vor allem kein Maler ist, aber der Mut einer kühnen
Opposition imponiert ihm, darum möchte er den Dichter von den letzten Schranken
befreien, die ihn hindern, bedeutend zu werden. Jacobsen, den „grössten Koloristen", den
„seelenvollsten, poetischsten Sonderling" dänischer Prosa, bezeichneter direkt als einen
Aristokraten, er ist ihm ein Meister der Stimmungssprache, ein Meister des Unbe-
wussten und Halbbewussten, das er bei Kielland vermisst, an seinem Genius entdeckt
er Morbidezza, d. h. „jene durch einen leisen Leidenszug" doppelt rührende Anmut".
An Strindberg fesselt B. dessen „frische, unverwüstliche Widerspruchslust", sein
Kampf geg-en die Entmannung der Männer, seine Wahrheitsliebe, die er ihm mit
allen Poradoxien um seiner grossen Fähigkeiten willen verzeiht; der „Verkünder,
Polemiker, Kämpfer, Agitator" erscheint ihm für den skandinavischen Norden von
Bedeutung. Am kürzesten sind Sudermann und Hauptmann behandelt, die B. mehr
lobt als zergliedert; er wagt es offenbar noch nicht, ein zusammenfassendes Wort
über sie auszusprechen und das mit einem „Vielleicht" für Hauptmann gebrauchte
„eine schöne Seele" trifft entschieden daneben. Eine Eigentümlichkeit haben die
meisten Essays; wenn sie das fremde Wesen wirklich ergründen, dann zeigen sie
jenen Schriftsteller auf, der für die besprochene Persönlichkeit Epoche macht (vgl. S. 148);
für Nietzsche wird natürlich Schopenhauer, für Zola : Taine und Balzac, für Maupassant:
Flaubert, für Dostojewski: Bjelinski, für Elster: Ibsen, für Kielland: Heine und
Kierkegaard, für Jacobsen: Bergsöe und Darwin genannt; wo dieser Nachweis fohlt,
da hat man den Eindruck, als habe B. nicht so tief nach den Wurzeln gegraben.
Bei Zola bespricht der Vf. auch den Naturalismus, wie er mitunter allgemeinere
Digressionen macht. Dass ein grosser Zug durch B.s Essays geht, weiss man, kennt auch
seinen unwillkürlich vom Geg-enstand beeinflussten Stil, der gerade in seiner Mannig-
faltigkeit trotz kleiner Unebenheiten einen so ganz persönlichen Eindruck hervorruft. —
Im Mittelpunkte der Betrachtungen über Zola3'''~3isj steht der Abschluss
des grossen Romancyklus Rougon-Macquart durch den 20. Band „Doktor Pascal".
Schon vor dem Erscheinen dieses Werkes konnte van Santen Ko Iff^'^j nach Briefen
des Dichters einzelne Mitteilungen geben, die hauptsächlich Zolas Arbeitsweise be-
treffen. Zola gesteht, dass ihm Germinal, l'Argent und la Debäcle am meisten Mühe
und Sorge bereitet hätten, bei dem neuen Romane sei ihm nur eines Qual und Marter
gewesen, das Durchlesen des ganzen Cyklus, das sei „eine Tortur" für ihn. Freilich
bereitet ihm auch „das Gebären eines Buches eine abscheuliche Marter", und er ist
nie g-anz befriedigt, weil das beschränkte Terrain die Verwirklichung seines Bedürf-
nisses nach Universalität und Totalität verbietet. Bei der Hauptfigur seines Docteur
Pascal habe ihm Claude Bernard vorgeschwebt. Das Ende sei nicht idealistisch,
sondern realistisch. — Zum Teil wiederholt, zum Teil ergänzt werden diese Mitteilungen
durch einen späteren Aufsatz van Santen Kolffs^-^j, der berichten kann, dass
Zola zur Niederschrift des Werkes, mit dem er 25jährige Arbeit beendete, genau fünf
Monate (7. Dec. 1892 bis 7, Mai 1893) brauchte, dass die Souleiade nächst Aix that-
sächlich liege, von ihm aber nach diesem Gute „entworfen, im Geiste aufgebaut und
dann später im Detail ausgearbeitet worden sei". In Aix ist Zola bekanntlich auf-
gewachsen, und er hat hier ausser seinen Gedichten bereits im J. 1854 auf der Bank
der fünften Klasse nach Michauds Histoire des Croisades seinen ersten Roman „Une
Episode sous les Croisades" geschrieben. Zola bezeichnet seinen Zustand vom Sommer
1868 bis Mai 1893 als „la prison oü j'etais enferme, le cachot oü il me manquait d'air,
oü j'etouffais", seinen Zustand während des Niederschreibens als ein Fieber. Etwas
mit Schauder denkt er an die Ausarbeitung des Stammbaums und die Durcharbeitung*
der Litteratur über Vererbung zurück. 32ij _ Die Aufnahme des Romans war in
Deutschland recht geteilt, selbst Servaes322j, der Zolas Kraft bewundert, fühlt sich
doch durch die Schwäche der Anlage und das Harte der Ausführung etwas abgestossen.
Wenn S. die Selbstentzündung des Alkoholikers Antoine Macquart als „eine pikante
neue Nummer zu den hundert Roman todesarten" ansieht und Zola den Ruhm dieser
Erfindung zuerkennt, so vergass er, dass schon in Franz Hoffmanns Jugend-
erzählungen von der ganz gleichen Todesart nach englischem Muster Gebrauch
gemacht war. — Ledebur^^Sj hg^^ ^ie psychologischen und realistischen Unwahr-
scheinlichkeiten hervor, tadelt den Vergleich Pascals und Clotildes mit David und
317) X E. Zola, D. Anonymität in d. Presse. E. Vortr.: NFPr. N. 10447. (Vgl. I 3:174.) — 318) X id., D. Anonymität in
d. Presse: Zukunft 4, S. 593-601. (Mit einleit. Worten v. M. H[arden], d. diesen Vortr. übers.) — 319) J. van Santen-
Kolff, D. Entstehen n. Werden d. Kougon-Macquart-Romans : Didusk. N. 70. (Ans d. Berl. Börs.-Cour. abgedr.) — 320)
id., Zola über sein Werk. Brief 1. u. mündl. Mitteilungen: Geg. 44, S. 199-201. — 321) X W. H. Gleadell, Zola and bis
work: WestmE. 140, S. 614-26. — 322) F. Servaes, D. Schlussband v. Zolas Eougon-Macquurt: Geg. 44, S. 42 4. — 323) G.
2ö*
I 12 : 324-350 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Sulamith (sie statt Abisag- !), der Servaes interessant und bedeutsam, jedem unbefang-enen
Leser aber gewiss bei den ungezählten Wiederholungen ärgerlich erscheint; L. be-
handelt das Motiv von Abälard und Heloise, das Zola anders gestaltet habe, verweist
darauf, dass Pascal 1874 vieles sage, was nur Zola selbst 1893 sagen konnte, verspottet
das viel Poesie und wenig Wissenschaft enthaltende Vererbungsmärchen, dessentwegen
auch Trost^'-^*) dem Ruhme Zolas ein baldiges Ende prophezeit, zieht eine Parallele
mit Baumeister Solness, was die Verwertung des Symbolismus und Neomystizismus
betrifft, wobei aber die „allegorische Papier-mache-Attrape" Ibsens gegen die „reine
Saftbirne" Zolas im Nachteil sei. Zola wird als manieriert, altersschwach bezeichnet,
angelangt auf dem „Philisterstandpunkt", dass „trotz Schmutz und Unrecht eigentlich
alles zum Besten bestellt ist in dieser besten aller Welten". Servaes hat den versöhnlichen
Schluss mit vollem Recht gerühmt und Zola selbst als einen Vorzug angesehen.^^S)
— Während Erich Schmidt326j an Zolas la Debäcle die objektive Schilderung
der Deutschen rühmt, bezeichnet ein Ungenannter 32'] diesen Roman als Rachedichtung
und zieht zum Vergleich einige Rachelieder von Bergerat, Feydeau, Victor de Laprade
und Victor Hugo heran. ^^S] —
Gegen Zolas bekannte Rede an die Jugend ^^sj und gegen Dumas wendet
sich Tolstoi, um den Glauben an die Wissenschaft und an die Arbeit durch seine
Deklamation über „Nichtthun" zu erschüttern ^30-4 ij jj^j^^ jgj (jjg Wissenschaft ein
Aberglaube, und die Arbeit „wenn auch nicht gerade ein offenbares Laster", so doch
keinesfalls eine Tugend. Seine Ueberzeugung lautet: suchet das Reich Gottes in
euch, dann wird euch alles zufallen. Und diesem seinem Urchristentum ist die erste
Abhandlung, zugleich eine Verteidigung seines früheren Buches (1884) „Worin besteht
mein Glaube?" gewidmet. Tendenziös ist auch die naturalistische Skizze „Rekruten-
aushebung", die sich gegen das Kriegshandwerk und gegen den Eid wendet. —
Vom skandinavischen Kreise war schon bei Brandes die Rede. Mogk^'*^)
weist darauf hin, dass in Norwegen die besseren Stände zu hart über Ibsens Dichtung
urteilten, obwohl „kein Dichter so viel gekauft wird wie Ibsen". Der Vf. sucht nun
die Atmosphäre zu analysieren, aus der Ibsen in Norwegen hervorging, -zeichnet
aber nur die Litteratur vor dem Auftreten Wergelands und Welhavens etwas ein-
gehender und bricht seinen Aufsatz dort ab, wo die moderne Bewegung in Nor-
wegen beginnt.343-345j — Doumic^^ß) sucht mehr plaudernd als untersuchend, aber
gut plaudernd, darzustellen, wie sich von Scribe bis Ibsen die „forme vide" allmählich
mit Inhalt (substance) gefüllt habe.3'*^~348) _
Ibsens Einfluss auf England charakterisiert Kellner 3*9) in einem Rück-
blick auf das Theaterjahr; es zeigt sich, dass auf der Bühne das Interesse für den
Norweger nachgelassen hat und die hauptsächlich durch William Archer hervor-
gerufene Begeisterung nicht anhielt. Nach der ersten Aufführung der Nora (Juli 1889)
war eine tiefgehende Bewegung die Folge, ja Walter Besant schrieb eine Fortsetzung
zum „Puppenheim". Die Aufführung der „Gespenster" (13. März 1891) rief einen
Sturm der Entrüstung hervor und erreichte einen Höhepunkt der Unflätigkeit in
der englischen Theaterkritik. Dafür bemächtigte sich die socialistische Partei des
Dichters für ihre Zwecke, wofür das Buch von Bernard Shaw (The Quintessence of
Ibsenism. London 1891) zeugt, und die Frauenemanzipation folgerte aus der Nora,
dass die sich befreiende Frau nicht den Mann, sondern die Pflicht befehden müsse,
die sie zur Sklavin mache. Das letzte Theaterjahr brachte zwar nur den „Volks-
feind" auf die Bühne, aber Pinero, der mit seinem Stücke „The second Mrs. Tan-
queray" den grössten Erfolg der Saison hatte, steht ganz unter dem Einflüsse
Ibsens. — Archer ^^O) giebt eine Zusammenstellung von abfällig*en Urteilen der
Ledebnr, Zolas Doktor Pascal: FrB. 4, S. 1057-61. — 324) K. Trost, Vererbung: NorddAZg. N. 322. - 325) X Zola n.
d. „Idealismus" in Frankreich: FrB. 4, S. 1176-80. (Mit Bäcksicht auf e. Aufs, im „Mercure de Paris" über Zolas Altwerden.)
— 326) Erich Schmidt, E. Zola, La Debäcle: DLZ. S. 665 6. — 327) D. französ. Bachedichtung: NorddAZg. N. 272, 274. —
328) X ^- Bartels, Bücher u. Menschen. 8. Zolas ästhet. Theorien: Didask. N. 89-90. — 329) X E. Bede v. Emile Zola:
ML. 62, S. 3äl|3. — 330) O G. Glogan, Graf Leo'Tolstoi, e. russ. Eeformator. E. Beitr. z. Beligionsphilos. Kiel, Lipsius
& Tischer. 51 S. M. 1,00. |[M.: LCBl. S. 1377.]( — 331) O G. Dumas, Tolstoi et la Philosophie de l'Amonr. Paris, Hachette. 1893.
12". Fr. 3,00. |[A Lalande: BPhilos. 36, S. 648-52.JI — 332) X W. Nehring, B. Löwenfeld, Tolstoi (vgl. JBL. 1892 1 11 : 251):
DLZ.S.459-60. — 333)XK- V- Koeber, Neues v. u. über Tolstoi : Sphinx 17, S. 49-53. — 334) O Vicomte de Montjoyard,
Mystique Militante: NGids. 82'-, S. 300/3. — 335) O Le neo-christianisme et le tolstoisme: BÜBS. 59, S. 614,6. — 336) X A.
de Panthiere, Offener Brief an d. Grafen Tolstoi: FrB. 4, S. 600,1. (Aus d. „Bevue des Eevues'', bezieht sich auf Tolstois
relig. u. eth. Ansichten.) — 337) O F. S c h r ö d e r , Le Tolstoisme. Paris, Fischbacher. 150 S. Fr. 2,50. | [ H. W. : BUES. 60, S. 443, 5.] i —
338) O W. B., Tolstoi u. Turgenjew: TglBs'i. N. 220. — 339) L. Tolstoi, D. Beich Gottes in uns. I E. russ. Eekruten-
anshebung. D. Nichtthun. Aus d. Buss. übers, v. W. Henckel. Nebst e. Bede t. E. Zola u. e. Brief v. Alex. Dumas.
München, Dr. E. Albert & Co. I, 96 S. M. 1,00. — 340) X ß- Löwenfeld, L. Tolstois neuestes Werk: ML. 62, S. 836,8.—
341) X W. Jerogow, Neues v. u. über Leo Tolstoi: Geg. 44, S. 325/8. — 342) E. Mogk, D. Anfänge der neunorweg. Dich-
tung: BLU. S. 257,9. — 343) O S Consoli, Lett. norvegiana. Milano, Hoepli. XV, 270 S. L. 1,50. — 344) O E. Tissot,
Le draroe Norvegien (Ibsen, Björnson). Paris, Petrin & Cie. 16». IV, 299 S. liSchwBs. 2, S. 2301; NA. 47, S. 546,8.J| (Vgl.
IV 4:124.) — 345) O Ibsen et Björnson: BPL. 2, S. 254,6. — 346) E. Doumic, De Scribe ii Ibsen. Paris, Delaplane. 12«.
352 S. IIF. Hemon: BCr. 36, S. 341,6.J| (Vgl. IV 4:123.) — 347) O J. du Tillet, De Scribe ä Ibsen: BPL. 1, S. 6413. —
348) O A. Erhard, H. Ibsen et le theätre contemp. Paris, Lecene et Oudin. 1892. 472 S. |[Grisberg: Polybibli-. 67,
S. 166/7.]| — 349) L. Kellner, Ibsen in London: NFPr. N. 10404. (Vgl. IV 4:138.) - 350) Ibsen in England: Kritiken u.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 351-353
englischen Presse über Ibsen und im Geg-ensatze dazu eine Liste der Buchhändler-
zahlen. Der „Ibsenismus", die „Ibsenität" sei in Eng-land fortwährend tot g-esag-t,
mit Schimpfwörtern aller Art reichlich bedacht worden, von einem einzig-en Verlegner
aber konnten binnen drei Jahren 14 367 Exemplare eines Bändchens mit den
„Stützen", „Gespenstern", dem „Volksfeind", von Scott im J. 1890-91 nicht weniger
als 30000 Bände der Ibsenschen Werke und von allen Verlegern zusammen während
der letzten vier Jahre beiläufig 100000 Stück verkauft werden. 351-352-) _ Saitschik^''^)
vergleicht den Determinismus Ibsens mit der Lebensanschauung Tolstois, hebt die
jeden Quietismus ausschliessende Energie Ibsens, sein Streben nach individueller
Freiheit, seinen Individualismus, seine Verwerfung der Staatsidee hervor und er-
kennt ihn als Geistesaristokraten. Eine Fussnote der Redaktion weist auf den Zu-
sammenhang von Ibsens und Stirners Individualismus hin und will von einer
Aehnlichkeit mit dem Socialismus nichts wissen, da Ibsens Individualismus ,,in
diametralem Widerspruch zu den Grundsätzen der Socialdemokratie steht". — Hertz-
jjepg.354j behauptet, Ibsen habe bei der Gestaltung seiner Gesellschaftsdramen
Motive wie Personen behandelt, die durchaus nicht norwegisch seien, höchstens die
„äussere Gestaltung" habe er seinem Vaterlande entnommen. Der Vf. entwirft ein
wahrhaft ideales Bild der norwegischen Verhältnisse, besonders die Stellung der
Frau sei in keinem Lande so frei wie in Norwegen. Die Lebensverhältnisse seien
geradezu primitiv, Norwegen das demokratische Land „par excellence". Cafe- und
Kneipenleben gebe es, ausgenommen in der Hauptstadt, fast nirgendwo, das nor-
wegische Volk sei gegenwärtig eines der nüchternsten in g'anz Europa, es schliesse
mehr Ehen als ein anderes und mache von der gesetzlich normierten Scheidung nur
wenig Gebrauch (^3 Prozent der Verheirateten beträgt die Zahl der Geschiedenen),
auch sei Heuchelei wie geschäftlicher Schwindel kein Nationalfehler. Frauentypen
wie Rebekka West, Hedda Gabler, Hilde Wangel gebe es in Norwegen nicht.
Ibsens langes freiwilliges Exil habe ihm die richtige Beurteilung seiner Heimat
verschlossen. Der Vf. protestiert gegen einen Rückschluss von den Verhältnissen in
Ibsens Dramen auf die thatsächlichen Verhältnisse Norwegens; nur im „Bund der
Jugend" züchtigte Ibsen in Steensgaard, Lundestad und Monsen charakteristisch
norwegische Nationalfehler. — Die Psychologie einiger Ibsenschen Frauengestalten
entwirft Lou Andre as-Salome^^-^) mit fein nachfühlendem Verständnis, aber mit
etwas zu grosser Breite. Sie zeigt Sinn für das Problem, weniger für die ästhetische
Beurteilung der Stücke; in allen sechs Dramen erkennt sie verschiedene Variationen
desselben Grundthemas, was sie in einem einleitenden Märchen, dem kürzesten und
ansprechendsten Kapitel des ganzen Buches, im Anschluss an die Bodenkammer
der „Wildente" geschickt bildlich ausführt. — Schlenther^^^) sieht in „Kaiser
und Galiläer" das Fundament dessen, was Ibsen nachher geschaffen hat und zeigt
dies im einzelnen auf, um dann das Stück selbst verständnisvoll zu erläutern.
„Nicht oft in der Weltlitteratur ist von einem Dichter ein so kühnes Wagnis unter-
nommen worden." — Während bekanntlich Forel in seinem Gutachten aus Anlass
der Franzosschen Enquete und mit ihm übereinstimmend Delbrück 3^'^) in seinem
Nachweis, Hamlet sei ein „desequilibre", die Schilderung der Paralyse in den „Ge-
spenstern" so falsch genannt hat, ,,dass jeder Wärter einer Irrenanstalt und jede
Frau eines Irrenhausbeamten, von den Irrenärzten selbst nicht zu sprechen, sofort
sagt: W^as, das soll ein Paralytiker sein? findet Lombroso^^^), dass die Symptome
der Vererbung in diesem Drama „ebenso vollkommen wahr wie erhaben schrecklich
in ihrer dramatischen Wirkung seien", nur wäre in wenige Tage, ja in wenige
Minuten zusammengedrängt, ,,was an Ereignissen und Gefühlen lange Jahre eines
jungen Lebens erfüllt, und was thatsächlich selten so intensiv sich vollzieht wie bei
unserem Helden" (Oswald). Von diesem Fehler, der auch bei Zola wiederkehre, ab-
gesehen, sei die Charakterentwicklung vollkommen exakt. Dieser Fehler sei über-
dies keiner, sondern das Richtige, denn ähnlich gehe unser Sehapparat vor, der
auch nicht die einzelnen Sensationen registriert, sondern eine Auswahl trifft und
durch einen Prozess der Synthese eine Verschmelzung der Einzelsensationen her-
beiführt. „Wenn nun die Kunst sich ein wenig von der Wahrheit entfernt", um
eben dadurch zu ihr zurückzukehren, dann folgt sie den Gesetzen unserer Sensationen;
und so kommt es, dass sie uns durch ihre synthetische Thätigkeit die grossen
Linien der Wirklichkeit tiefer einprägt, als die Wirklichkeit selbst es vermag."
Bnchhändler-Ziffern : FrB. 4, S. 10648. (Nach W. Archer in d. FortnR.; vgl. IV 4:140.) — 351) O L. Simons, Ibsen as an
artist: WestmR. 140, S. 506-13. — 352) O W. Archer, The Mausoleum of Ibsen: FortnK. 54, S. 77-91. (Vgl. IV 4:139.) —
353) R. Saltschik, D. Weltiinschauung H. Ibsens: NZSt. n, S. 334-40. — 354) N. Hertzberg, Sind Ibsens Motive u.
Personen norwegisch?: ML. 62, S. 609-12. (Vgl. IV 4 : 126.) - 355) Lou Andreas-Salome (Henrik Lou), H.Ibsens
Frauen-Gestalten nach seinen 6 Familien-Dramen: E. Fuppenheim — Gespenster — D. Wildente — Rosmersholm — D. Frau
V. Meere — Hedda Gabler. Volk8(Titel-)Ansg. B., H. Lazarus. III, 238 S. M. 1,50. (Zuerst B., H. Bloch 1892; vgl. JBL.
1392 IV 4:87.) — 356) P. Schienther, Bemerkungen zu Ibsens „Kaiser u. Galiläer" : FrB. 4, S. 1096-1103. (Vgl. IV 4:130.)
- 357) A. Delbrück, üeber Hamlets Wahnsinn. (= SGWV. N. 172.) Hamburg, Richter. 32 S M. 0,60. — 358) C. Lom-
I 12 : 359-369 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
Nach L. hätte daher Ibsen nur ein eng" zusamnieng-edräng-tes Krankheitsbild g-e-
schaffen, nach Forel ein unmög-liches; wem sollen wir Laien nun g-lauben? — Das
neuerschienene Drama Ibsens^^^), der symbolistische „Baumeister Solness", wurde
von Kummer^^") als ein „Selbstbekenntnis, wie es kein zweites in der modernen
Litteratur g-iebt", als ein „Selbstg-ericht" bezeichnet, durch das Ibsen als Charakter
auch beim hartnäckigsten Geg-ner hohe Anerkennung- erwerben müsse. Dag-eg-en hegt
K. schwere Bedenken geg-en das Drama als Kunstwerk, vor allem weg-en der „Stil-
losigrkeit"; Symbol und Realität seien „unerträg-lich" g-emischt, worin sich eine Grenze
des Ibsenschen Könnens zeig-e; es g-elinge ihm nur selten auf Aug-enblicke, die Welt
der Mystik, den Zauber des Romantizismus aufzuwecken, nicht aber ein g-anzes
Werk in Mystik zu tauchen. K. bedenkt eben nicht, dass Ibsen auch einen „Brand",
einen ,,Peer Gynt" g-edichtet hat, und dass uns in den modernen Dramen Ibsens
nur deshalb das Symbolische so fremdartig" anmutet, weil es im Gewände des
Alltäglichen, Gewöhnlichen sich zeig-t und darum des Grossen zu entbehren scheint.
K. meint, ohne Pedanterie werde man im Baumeister Solness die Grenzen des
Dramas überschritten finden. Als Kern des Stückes bezeichnet er: Trag"ödie
des Unvermög-ens ! — Man wird wohl nicht fehlg-ehen, wenn man annimmt, dass Kummer
bei seiner (in der Nr. vom 16. Febr. erschienenen) Besprechung" unter dem Einflüsse
von Hardens^^'*''^) g"länzendem Aufsatz stand, der am 28. Jan. publiziert wurde.
Darin deckt H. mit g"enialer Kritik auf, was in Ibsens Dichtung" Erlebnis, Parallele
zu seinem eig-enen Leben sein dürfte. PI. sag-t: „Das Gedicht ist eine Beichte, und
als eine Beichte ist es einzig" in der poetischen Welt, einzig" in seiner schlichten
Grösse, in seiner Grausamkeit auch"; er bezeichnet es aber wohlweislich als eine
„poetische Beichte" und hütet sich darum, Ibsen und Solness zu identifizieren, wenn-
g"leich er ihre Aehnlichkeiten aufweist. Noch schärfer als Kummer, doch auch hier
deutlich sein Vorbild, nennt H. das Drama Ibsens „die Trag-ödie des Künstlers", der
nicht halten kann, was er versprochen hat, „die Trag"ödie der Impotenz", die offen
bekennt, sie habe „ein Richtmass" aufg"estellt, dem sie selbst nicht g"ewachsen war,
habe „Ideale verkündigt", zu deren „schwindelnder Höhe" sie selbst „kein sicherer Steg
trug". H.s Ausführungen verdienen die vollste Beachtung. — Ibsen selbst soll dem ihn
interviewenden Mitarbeiter des Pariser Figaro, Maurice Bigeon 3^'), gegenüber von den
Symbolen seines Dramas gesagt haben, sie seien die Anfänge, die Voraussetzungen, der
Wesensgrund der Dinge selbst, sie seien Realität, während Zolas Symbole erst durch die
Wirklichkeit erklärt würden, dann wären sie eben Allegorien. Ibsen bezeichnete
sich als Anarchisten und Individualisten zum Unterschied von dem Socialisten und
Kollektivisten Zola. — Dagegen sieht Mehring^^^^ in Ibsen den letzten, grossen
Dramatiker der untergehenden bürgerlichen Welt, über deren Bannkreis er nicht
hinaus kann, er entwirft aber im Baumeister Solness „das ekle Zerrbild kapitalistischer
Uebermenschheit", er raunt und stammelt darin „mit dunkeln Lauten vom [Jnter-
gange einer Welt, die er nur noch hassen, aber doch nicht lassen kann". — Aehnlich
fasst Holm 363) das Drama auf, als ein Trauerspiel der Bourgeoisie, vielleicht eine
an sie gerichtete Warnung. Er erblickt in den beiden Turmbesteigungen „einen Hinweis
auf die zwei gewaltigen Emanzipationsbewegungen des Menschengeistes, die unsere
Aera kennzeichnen: die Ablösung der christlichen Weltanschauung durch die materia-
listische, die andere, heute im Zuge befindliche, von dem religiösen auf das ethische
Gebiet verpflanzte; die Ablösung des sittlich altruistischen Prinzipes durch das
anarchisch-egoistische", „die Umwandlung des Gottes- in einen Menschheitskultus,
des letzteren in einen Monotheismus des Ich". Was wohl der Dichter Ibsen zu solchen
Aufsätzen sagen mag? — Auch Riess^^*) sieht in der Auflehnung gegen Gott und
der Auflehnung gegen die Moral „den roten Faden" des Stückes. 365) — Die Aus-
deuter mehr noch als den Dichter trifft Stinde366) mit seiner köstlichen Ibsen-
parodie 36'?-368) „Das Torfmoor". Mit Geschick hat er einige Typen der modernen
Kritik herausgeholt, die über sein Drama vom Standpunkte des „Nackturalismus"
tiefe Weisheit zum besten geben. Man mag die Parodie als Kunstgattung befehden;
es thut doch wohl, einmal durch sie über den Gegenstand gehoben und zum Lachen
befreit zu werden. — Die Parodie des Naturalismus durch Wagner369) wendet sich
broso, Ibsens Gespenster u. d. Psychiaiiie: Zulcunft 4, S. 554/6. (Vgl. IV 4: 131. ) — 359) H. Ibsen, Baumeister Solness.
Schauspiel in 3 Anfz., dtsch. v. Sigurd Ibsen. B., S.Fischer. 111, 124 S. M. 1,50. |[Kw. 6, S.84 5.]l (Vgl. IV 4:132.) - 360)
F. Kummer, „Baumeister Solness« v. Ibsen: BLU. S. 108-10. (Vgl. IV 4:133.) — 360a) M. Harden, Ibsens Beichte: Zu-
kunft 2, S. 173-82. (Vgl. IV 4:136.) — 361) E. merkwürdige Aeussernng Ibsens: ML. 62, S. 66. (Vgl. IV 4:128.) — 362) F.
Mehring, Ibsens „Baumeister Solness": NZ^t. n, s. 603/7. — 363) K Holm, Ibsens Tranerspiel d. Bourgeoisie: Geg. 44,
S. 513. (Vgl. IV 4:137.) - 364) M. Riess, Ibsens Baumeister Solness: ib. 43, S. 39-42. (Vgl. IV 4:135.) - 365l X P-
Schlenther, Baumeister Solness im Lessing-Tl'eater: ML. 62, S 64 — 366) J. Stinde, D. Torfmoor. Naturalist. Fa-
miliendrama in e Auf7. (Aufführung verboten'. Mit litt. Beitrr. v. Binar Drillquist: Vf Verhör, e. Interview. — 01a Bagge-
Olsen: D. ethische Bedeutung d. Torfmoors. — Rasmussine Tosse. stud. rer. nat.: D Franengestalten d. Torfmoors. — Mads
Dosmer: Fr. Nietzsches Philosophie u. d. Torfmoor. — Gurame Griis: D. Bühne d. Torfmoors n. a. B., Freund .6 .lectel. 58 S.
M. 1,00, — 367) O Un drame naturaliste de l'auteur de „La Familie Buchholz": BPL. 1, S. 21. - 368) F. Mauthner, E.
Ibeenparodie : NationB. 10, S. 385. — 369) Ose. Wagner, D. Bussel (Nulpus). Parodist.-naturalist.-realist. Vorgang in d.
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 370-38O
nicht so sehr gegen die auf dem Titel Genannten, Ibsen und Tolstoi, als gegen die
deutschen Naturalisten und wirkt nur durch die Häufung- der Motive parodistisch ;
man ist eben etwas abgestumpft. — Die Wirkung- Ibsens in der norwegischen Litteratur
zeig-t für das letzte Jahr Hansen^''^) an Hjalmar Christensens „Ein Siegerherr"
und Wilhelm Krags „Geg-en Westen im Blauberge" auf, Hanns Kinoks Roman,, Huldren"
verg-leicht er mit Sudermanns „Frau Sorge" und entwirft überhaupt eine anschauliche
Skizze des augenblicklichen Litteraturzustandes. —
Die Bedeutung Ibsens, Björnsons und Lies für den Umschwung der schwedi-
schen Litteratur entnehmen wir einem g-eschichtlichen Rückblick Strindbergs^"'),
der erzählt, wie zuerst der „Brand", dann die Vorlesung-en und Werke von Brandes,
endlich Björnsons „Fallissement" und Ibsens„Stützen"die jüngere Generation Schwedens
zum Realism.us führten. «^"^-ä^sj _ Von Strindberg selbst giebt Laura Marholm^^^)
in ihrer köstlichen, schon (vgl. JBL. 1891 I 3 : 281) charakterisierten Art, die zwischen
persönlicher Erinnerung und litterarisch-ästhetischer Analyse liegt, ein Porträt. Sie
nennt ihn „einen imponierenden und imponierenwollenden Gehirnmenschen mit der
Durchtriebenheit eines Knaben" und findet als Grundton seines Wesens „ein Miss-
trauen ohne Boden und ohne Grenze" ; sie sieht einen „Mischtypus" in ihm, was sie
aus seiner Biographie erläutert. Sie erkennt eine gewisse Verwandtschaft mit dem
russischen Wesen, sucht aber vergebens nach der Einheit in dieser Persönlichkeit,
so typisch sie ihr für die gegenwärtige Zeit erscheint. Man erhält einige sehr sinnige
Besprechungen von Strindbergs Werken, muss aber freilich mancherlei moderne
und modernste Schlagwörter mit in Kauf nehmen. Die Arbeit ist interessant
und auch für die Litteraturbehandlung insofern von Wichtigkeit, als die Vf. die
Rassenunterschiede in den Litteraturunterschieden zu erkennen sucht, was unmöglich
schon jetzt gelingen kann, aber eine bedeutsame Perspektive eröffnet. — Friedrich^'^^)
betrachtet Strindberg als Philosophen und Forscher, erst in zweiter Linie als Dichter ;
er wirft ihm vor, dass er unbewusst, in gutem Glauben, sein Induktionsmaterial
gruppiere und so zu falschen Schlüssen komme, dass er als Dichter vom Verstand,
nicht von dem Vorstellungsvermögen, der Anschauung ausgehe, dass er durchaus
lehrhaft sei und keinen Ausweg, keine Möglichkeit der Befreiung aufdecke, sondern
mit der „schlechthin leeren Aussichtslosigkeit" schliesse. Das Weib und der Mann
seien in Strindbergs Werken einander würdig. — Strindbergs Weiberhass erkennt
Servaes^^^) als Kehrseite seiner Liebe zum Weibe, hervorgerufen durch persönliche
Erlebnisse, dabei bekämpft er aber Strindbergs theoretische Folgerung-en.^'''') —
Unter den Geistern, die auf den Entwicklungsgang der deutschen Welt-
anschauungen den entscheidensten Einfluss ausüben, steht in erster Reihe
Friedrich Nietzsche, dessen Ideen Fürst (s. o. N. 269) auf Goethe, Brandes
(N. 316) auf Renan, E. von Hartmann, E. Dühring zurückführt, während Jordan^'^^j
behauptet, Nietzsche habe alles von ihm ; trotzdem warnt er vor diesem Truggeist. —
Ernster hat Stein^-» 38o^ die Warnung vor dem „Neo-Cynismus Nietzsches" be-
gründet, denn als Neo-Cynismus weist er schlagend diese modernste Philosophie
nach. Nietzsche hat durch seine Jugendschrift „Beiträge zur Quellenkunde und
Kritik des Laertiers Diogenes" (Basel 1870) selbst zur Erkenntnis der antiken Cyniker
beigetragen. Aber freilich Nietzsche ist „der radikalste Cyniker, den die Weltlitteratur
hervorgebracht hat". Das Gefährliche seiner Erscheinung liegt in der bestechenden
aphoristischen Vortragsweise, die keinen Gedanken konsequent durchbildet, sondern
nur wie eine Silhouette flüchtig hinwirft. Den Aphorismus in der Philosophie nennt
St. „eine Ausdrucksform philosophischer Schwächlichkeit und Bequemlichkeit", dazu
bestimmt, zu überreden, nicht zu überzeugen, eine Gefahr deshalb, weil er „zur
Oberflächlichkeit und zur Selbstüberhebung" verleitet, besonders wenn „ein Genie
des Aphorismus" wie Nietzsche mit hinreissender stilistischer Begabung „einen an
sich ernsten, wenn auch nicht gerade neuen philosophischen Text in einen prickelnden
Cynismus hüllt, der den brutalen Instinkten" des veredelten Kulturmenschen
„schmeichelt". Gegen diese Gefahr wendet sich der Vf., denn Nietzsches „Hedonismus"
ist ihm als Bundesgenosse gegen den Schopenhauerschen Pessimismus willkommen.
St. entkleidet Nietzsches Gedanken ihres buntschillernden Flitters, rückt sie in den
Dachkammer. Frei nach Ibsen n. Tolstoi. (= ÜB. N. 3069.) L., Reclara. 39 S. M. 0,20. — 370) H, Hansen, D. norweg.
Litteratnrjahr : ML. 62, S. 7713. — 371) A. Strindberg, D. Reaktion in d. Litt. Schwedens: ib. S. 6248. — 372) X id.,
Ueber mod. Drama u. mod. Theater: ib. S. 7-11. (Hauptsächlich d. Umschwung im Theätre libre wird dargest.; vgl. IV 4:319.)
— 373,1 X id-i Meine Jubelfeier: ib. S. 219-21. (Erzählt v. d. Studien zn e. Jubiläumsstöck über d. französ. Revolution,
d. St. dahin führten, d. ganze Stück zu unterlassen.) - 374» Laura Marholm, A. Strindberg: N&S. 66, S. 23-.50. (VgL IV
4:168.) — 375) Rieh. Friedrich, A. Strindberg: BLU. 8. 331/3. (Berücksichtigt Strindbergs Dramen. L Gläubiger. IL D.
Band. Herbstzeichen." III. D. Spiel mit d. Feuer. Vor d. Tode. B., Bibl. Bureau 1893. — An offener See. Roman. Autoris.
Uebers. v. M. v. Borch. Dresden, Pierson 1893. — Vgl. IV 4: 166.) — 376) F. Servaes, Strindberg u. d. Weib: Geg. 43,
S. 1669. (Vgl. IV 4:167.) - 377) X A. Kerr, „D. Spiel mit d. Feuer« v. A. Strindberg: ML. 62, S. 787,8. - 378) W.
Jordan, E. Truggeist. Tenzone: AZgB. N. 248. — 379) Lndw. Stein, F. Nietzsches Weltanschauung u. ihre Gefahren:
DRs. 74, S. 392-419; 75, S. 230-54. — 380) id., F. Nietzsches Weltanschauung u. ihre Gefahren. B. krit. Essay. B., G.
I 12 : 381-388 U. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
entsprechenden geschichtlichen Zusammenhang" und hofft sie so um ihre Ueberzeug-ung-s-
kraft zu bringen und als durchaus nicht neu nachzuweisen. Er zeigt, wie unsicher
und dilettantisch Nietzsche zwischen den philosophischen Ansichten überall dort hin-
und herschwankt, wo er die einzigen ihm wirklich vertrauten Gebiete, jenes der
Geschichtsphilosophie und jenes der Sociologie verlässt, wie er oft dicht neben ein-
ander die widersprechendsten Meinungen behauptet, wie er zwar die Systembildung
als einen Mangel an Rechtschaffenheit verwirft, dann aber durch seinen ,, Willen zur
Macht" nur einen anderen Namen für jenes treibende Agens in der Natur wählt, das
andere Philosophen Substanz, Idee, Gott, Kraft, Monade, Ich, Weltseele, Selbst-
entwicklung des absoluten Geistes, E]volution schlechthin, Willen zum Leben, Unbe-
wusstes genannt haben. Wohin man bei Nietzsche greife, „überall Widerspruch,
Unsicherheit, ruheloses Umhertasten". In der Geschichte der ,, Philosophie" verdiene
er auch nicht das bescheidenste Plätzchen, dagegen werde seine Bedeutung als
Geschichtsphilosoph und Sociologe nie wieder ignoriert werden, trotzdem er wegen
seiner Kulturfeindlichkeit als unheilvolle Macht zu bekämpfen sei. St. weist nach,
dass Nietzsche in seinem negativ-kritischen Teil von unbewiesenen und unbeweis-
baren Behauptungen ausgehe, ja direkt mit den Thatsachen in Widerspruch stehe,
wenn er als Folge der Kultur die physiologische Degeneration der jetzigen Mensch-
heit annehme, während alle Beobachtungen das Gegenteil zu erhärten scheinen.
Seine etymologischen Einfälle sind unhaltbar und ebensowenig ausschlaggebend, wie
seine Ansicht überzeugend, dass durch das Priestervolk der Juden die Sklavenmoral
zum Siege gebracht worden sei. Die ganze Darstellung Nietzsches sei ein socio-
logischer Roman, die Entstehung des Christentums „eine pikant zurechtgestutzte
Episode" darin. Aber auch die positiven Lehren Nietzsches sind nur Utopien und
von Nietzsche selbst widerlegt, wenn er einerseits den Uebermenschen, den „Europäer
von Uebermorgen" konstruiert, ihn „züchten" will, andererseits aber zugesteht, dass
die Kultur „Schritt für Schritt weiter in der Decadence vorwärts muss, dass man
diese Entwicklung hemmen und durch Hemmung die Entartung selber stauen, auf-
sammeln, vehementer und plötzlicher machen kann", mehr nicht. Nietzsches Aus-
führungen sind unhaltbar, seine Visionen, wie er selbst erkannte, undurchführbar,
alles also nur erhabene, entzückende Dichtung, nicht Philosophie. Die Gefahr dieser
Ansichten kann nur durch die mangelnde philosophische Bildung unserer Zeit herauf-
beschworen werden, St. bespricht die unbegreifliche Thatsache, dass die von Nietzsche
so scharf verspotteten Socialisten trotz ihrem demokratischen, selbst kommunistischen
Stich diesen aristokratisch-anarchischen Individualismus Nietzsches als Ideal ver-
künden. St. verweist weiter auf die naturalistische Schule der schöngeistigen
Litteratur, die Nietzsche zwar nicht verstehe, aber — vergöttere. Darum gilt es, vor
dieser „Modephilosophie" auf der Hut zu sein, die in Tolstoi einen Bundesgenossen
des Hasses gegen die Kultur fand. St. warnt, aber er selbst hat glänzend dargelegt,
dass ein gewisser Kulturüberdruss die ständig auftretende Begleiterscheinung blühender
Hochkulturen sei, dass auf das Zeitalter des Perikles der erste Cyniker Antisthenes
folgte, auf Julius Caesar und das Caesarentum Epiktet, auf Renaissance und Huma-
nismus Agrippa von Nettesheim, auf Voltaires Zeitalter Rousseau, ebenso auf die
Epoche Darwins: Nietzsche und Tolstoi; die historischen Parallelen scheinen also zu
sagen, dass alle Warnung. vor Nietzsche nichts nützen könne, der Einfluss kommen
und verarbeitet werden müsse. Ein ,, Truggeist" ist Nietzsche, er blendet und wird
wohl noch blenden, bis auch er verschwindet, um einem anderen Platz zu machen.
St. steht dem unglücklichen Nietzsche mit vollster menschlicher Sympathie gegenüber,
vermag manche interessante Mitteilungen über dessen Leben und Persönlichkeit
beizubringen, sucht nach dem Verständnisse des Menschen Nietzsche, in dessen
Schriften er keine Spur der geistigen Erkrankung findet, wohl aber starke Zeichen
seiner slavischen Abstammung, was spannend dargelegt wird, ^si-sss) — Nietzsches
bekannte Freundin Malwida von Mey senburg^sß) lässt einige herzlich unbedeutende
Notizen aus Gesprächen mit Nietzsche drucken. — KoegeP^') kann den Entwurf
einer Vorrede zur „Götzendämmerung" (die Schrift sollte zuerst „Müssiggang eines
Psychologen" genannt werden) nach Blättern mitteilen, die sich in Sils-Maria fanden ;
Nietzsche spottet über die Aufnahme, die sein Büchlein, ,, Jenseits von Gut und
Böse" bei der Kritik fand. — Köstlich, oft packend, oft freilich in bösen Kalauern
parodierte ein Ungenannteres«) den Stil, die Darstellungsform und die Philosophie
Reimer. VUI, 103 S. M. 1,80. - 381) O W. Weigand, F. Nietzsche. E. psycholog. Versuch. München, Franz. 116 S.
M. 2,00. irLCBl. S. 1.531.JI — 382) X ^- Preobrajensky , F. Nietzsche. Une oritiqne de la morale de raltruisme : Probteraes
de Philosophie et de Psychologie (Moscau) 3, S. 115-60. (Vgl. RPhilos. 35, S. 659-60.) - 383) X K. Eisner, Ueber u. unter
Nietzsche: ML. 62, S. 555-60. (Besprech. verschied. Scliriften d. Nietzschelitt.) — 384) X H. Kaatz, D. Weltanschauung F.
Nietzsches. I. Kultur n. Moral. IL Kunst u. Leben. Dresden u. L., Pierson. XI, 127 S.; lU, 105 S. ii M. 2,00. (Vgl. JBL.
1892 IV 5:91.) — 385) O R- Hodermann, Christentum im Streit mit d. Nietzscheanismus auf d. Bahne: DPBL 26, S. 117/8.
— 386) Malwida v. Meysenburg, Aus meinem Tagebuche über Nietzsche: NFPr. N. 10469. — 387) F. Koegel, F.
Nietzsche. E. ungedr. Vorw. z. Götzendämmerung. Erläut. : ML. 62, S. 702/4. — 388) Also sprach Confnsias. V. e. ün-
II
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 : 339-399
Nietzsches, übertrieb das Uebertriebene, steigerte das Paradoxe, stellte das Verkehrte
auf den Kopf und führte so alles ad absurdum. Die Parodie beweist eine über-
raschende Beg-abung-. Unter den Aphorismen steht: „Die Entwicklung* ist lediglich
Entartung"". Damit scheint der Vf. über Nietzsche hinweg einen anderen Mode-
schriftsteller zu treffen, der freilich nur in weitem Abstand nach Nietzsche genannt
werden darf: Nordau**^^"^^'). Dieser glaubt mit dem Schlagwort Entartung die
moderne Richtung zu bannen, wird darum von den einen, z. B. Rüttenauer^'*^),
scharf abgelehnt und bitter ironisiert, von den anderen, z.B. ZabeP^^)^ freudig will-
kommen geheissen.'^^* '^^^j Dabei kommt aber wenig heraus. (Vgl. IV 5.) —
Die einzelnen deutschen Naturalisten werden natürlich noch in den
verschiedenen Abteilungen zu würdigen sein ; zunächst kommt es mehr auf das Prin-
zipielle an. Hauptsächlich das Drama steht im Centrum des Streites. Wenn Bourget^^^)
den Vers und die Beschränkung auf eine bestimmte Spielzeit als Momente gegen den
Realismus anführt, so wird ihm mit Recht entgegengehalten, dass dies abgebrauchte
Schlagwörter seien, während g'erade der Kern der Sache, dass der Ehrgeizige nicht
in jedem Moment ehrgeizig sei und nicht alle die verschiedenen Formen des Ehr-
geizes gleichzeitig vertrete, auf den Realismus nicht zutreffe, weil sich dieser anderer
Mittel bediene und angeblich gerade das Typisieren der älteren Kunst vermeide. —
Interessant ist in dieser Hinsicht eine Vergleichung, die Lou Andreas-Salom e^^^)
zwischen Ibsen, Strindberg und Sudermanns neuesten Werken anstellt. Sie bewundert
an der „Heimat" eine Neuheit und Eigenart, die Sudermanns bisheriger Ibsenscher
Problemdichtung fehlte: die lebensvolle und überzeugende Wirklichkeit. Bisher habe
sich Sudermann begnügt, „seine Menschen lediglich als Produkte ihrer jeweiligen
socialen Lage, Umgebung und Erziehung aufzufassen" und in ihnen Anschauungs-
weisen entgegenzustellen, die sich aus verschiedenen socialen Verhältnissen ergeben ;
jetzt seien seine Gestalten vielseitiger bewegt. Das wird an den Charakteren des
Vaters und Magdas aufgezeigt und dargethan, dass sich Sudermann darin von Ibsen
unterscheide. Ibsen würde Zwiespalt und Krankheit im Seelenleben des Einzelnen,
die sich aus dem Beieinander von individuellen Wünschen und moralischen Bedenken,
von egoistischer Kraft und unegoistischer Liebe ergeben, zum Gegenstande genommen
haben. Sudermann dagegen zeige, wie natürlich und g'esund in all seinen Kämpfen
und Widersprüchen das Beieinander mit der Gesamtentwicklung der Einzelnen
zusammenhängt; er lasse sowohl durch die Kruste abgelebter, anerzogener Begriffe
als durch die Verirrungen noch ungezügelter Triebe hindurch das volle Menschentum
brechen; er gebe also das einfach Natürliche, Ursprüngliche des Rein-Menschlichen
in seinem Sieg über alles, was Stand, Erziehung und Verhältnisse ihm einverleiben.
Freilich findet die Vf., dass Sudermann manches zu grob und besonders die Neben-
personen zu typisch, zu wenig individuell gehalten habe. Darin erblickt sie den
Gegensatz zu Ibsens „Baumeister Soluess", der ein ähnliches Problem behandle.
Sudermann markiert, wo Ibsen zerfasert, wo jener zu grob bildet, zerreibt dieser seinen
Stoff; bei jenem rotbäckige, aber zu wenig durchgeistigte Seelengesundheit, bei diesem
blass und blutleer gewordene Seelenzersetzung. Die Vf. tadelt am „Baumeister Solness"
das allzu starke Hervortreten des Symbolischen (besser: Allegorischen), das, zumal
bei Ibsens rückläufiger Technik, in diesem Drama das Verständnis erschwert, weil
die Identifizierung der Allegorie und der Idee nur sehr schwer gelingt, ja bis zum
Schlüsse zweifelhaft bleibt. Dafür sieht die Vf. dieses Werk für Ibsens positivstes,
für ein Glaubenswerk und positives Glaubensbekenntnis an, durch das Ibsen seine
bisherigen Dramen desavouiert. Früher habe er gesagt: „Von der Macht der Tra-
dition, vom bloss Ererbten, Anerzogenen vermag nur der Mensch sich wahrhaft zu
befreien, der sich freiwillig aufs neue verantwortlich zu machen weiss", jetzt dagegen
sage er : „Der Mensch kann und soll sich überhaupt nicht befreien, sondern beugen,
denn die Ordnung der Dinge, in der er aufwächst, ist eine gottgewollte, und daher
vermag er sich ihr nicht zu entziehen." Indem Solness Gott trotzt, erkennt er Gott
an; nicht mit den Gedanken, nur mit der That befreit er sich von Gott, darum muss
in seinen Gedanken seine That als eine Unthat, ja als etwas geradezu Widersinniges
und Naturwidriges erscheinen, darum muss ihm vor der Wieder Vergeltung bangen, die er
aber nicht in etwas spukartig Abergläubischem, sondern in einem Natürlichen, Gesetz-
menschen. Ohne Bildnis n. Autogramm d. Vf. Wien, M. Merlin. V, 66 S. M. 1,00. — 389) XM. Nordau, Entartung.
2 Bde. 2. Aufl. B, C. Duncker. Vni, 427 S.; 563 S. M. 13,50. |[N&S. 67, S. 4134; Presse N. 189; A. Eulenburg: Zu-
kunft 4, S. 602-12; L. Ar reat, RPhilos.35, S. 434,9; 36, S. 660/5; G. Schoenaich: WienTBl. N. 151; H. Pfungst: FZg. N. 3.]|
— 390) X i^-1 Degenerazione. Versione autorizzata suUa 1. ediz. tedesca per Gr. Oheroslor. Vol. I. Fin de siecle. Mistioismo.
Milano, Fratelli Dumolard. 16» XV, 4-54 S. L. 4,00. - 391) O F. M. Jaeger, M. Nordau, Outaarding: Gids 2, S. 366-78.
— 392) B. Eüttenauer, V. d. Entartung d. Kunst: BLU. S. 577-Sl. — 393) E. Zahel, Im Zeitalter d. Entartung: NatZg.
N. 369, 377, 379 — 394) O Une forme nonv. de la critiqae litt : RPL. 1, S. 28S. (Ueber Nordaus „Entartung") — 395) O
J. Thorel, Une nouv. inethode de critique (M. Nordau): ib. 2, S. 208-14. — 396) X H. H[art], Nordau als Dramatiker.';;:
FrB. 4, S. 1072. (Ironisier jnj d. Stückes „D. Recht zu lieben^ — 397 1 P. Bourget, Ueber d. Realismus: ib. S. 735/6. —
398) Lou Andreas-Sa lome, Ibsen, Strindberg, Sudermann: ib. S. 149-72. (Vgl. IV 4:147.) - 399) F. Spielhagen, H.
Jahresberichte für neuere deutsclie Litteraturgeschichte. IV. 29
I 12 : 400-4P6 R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte.
mässig-en, der Natur der Dinge Entsprechenden erwarten kann : in der Jugend. Lou
A.-S. sucht die Charaktere zu erfassen, erblickt in Aline einen im Innersten zer-
brochenen Menschen und nennt die bekannte Stelle über die verbrannten Puppen
einen so genialen Zug", wie kein zweiter im Drama vorkommt; Litzmann nennt gerade
diese Stelle den Gipfel des Unsinns. Die Vf. fasst ihr Urteil in die Worte zusammen:
„dass auch die Menschen untereinander nicht frei, sondern voneinander abhängig",
und zwar wechselseitig* abhängig, handeln und träumen, und dass gerade die Augen-
blicke ihrer höchsten Kraft- und Willenssteigerung" diejenigen sind, in denen einer
zum anderen als zu dem Höheren, als zu seinem Gott emporblickt, sich beugt, und
sich Gehorsam befehlen lässt". Bei Ibsen existiert Gott; nur an einem Gott gemessen,
zeigt sich der Mensch in seiner Schwäche und Zerrissenheit, während bei Strindberg-
in seinen neuen Dramen schon das g-emeine Weib genügt, um den Mann all seiner
Gottähnlichkeit zu entkleiden. Bei Strindberg werde „das Typische, Allgemeine"
beabsichtigt, aber das „Pathologische, Allerbesonderste" gegeben. Die Kritik setzt
gut ein, sinkt aber im Verlaufe mehr und mehr; nur ist das Bestreben zu bemerken,
nach den grossen Momenten zu spüren und die Werke g-enau zu verstehen. — Spiel-
hagen399), der in Sudermanns „Heimat" einen bedeutenden Fortschritt des Dichters
sieht, trotzdem er auf einige Mängel hinweist, behandelt das Stück als „regelrechte
Tragödie", weil ,,zwei Weltanschauungen, deren jeder ein gewisses Recht innewohnt,
auf einander stossen und sich in diesem Zusammenstoss in ihrer einseitigen Ueber-
spannung offenbaren, in g-loriam der gesunden Sittlichkeit, der über den Parteien
schwebenden Gerechtigkeit, des unumstösslichen Lebensprinzips, oder wie man das,
was sich die Hellenen als Ate über Götter und Menschen herrschend dachten, sonst
bezeichnen mag". Würde der überspannte Ehrbegriff Schwartzes in der Welt herrschen,
so meint Sp., dann „müssten wenigstens alle Blütenträume zu Grunde gehen, ohne
deren Reifen uns Kulturmenschen das Leben nicht mehr lebenswert erscheint";
wollten alle Menschen wie Magda nur um ihrer selbst willen alles in' die Schanze
schlag"en, um sich auszuleben, so müsste jede Spur eines Gemeinwesens verschwinden.
Beide Standpunkte zeig-en sich in der Tragödie als unrichtig", darum liegt die
„Heimat" auf dem Wege zur echten nationalen Bühne. — An Ernst Rosmers
(Frau Elsa Bernstein) „Dämmerung" wird von Schlenther^oo) (jer helle Kunstverstand
bewundert, der ,,die Leute das rechte Wort am rechten Ort und in der rechten
Art sprechen" lässt. — Ebenso hebt Bölsche^'^^) die Schwierigkeiten des Dialoges
hervor und spricht die Ansicht aus, dass mit einem so trefflichen, natürlichen Dialog
schon sehr viel geleistet, ja der Beweis echter Begabung erbracht sei. Freilich
könne dann ein Poet immer noch im Anfang* stecken bleiben, weil ihm nur der Zu-
fall die Weltanschauung- zu verleihen vermöge, doch lasse sich ein solcher Dialog
nicht anlernen. „Wer beobachten kann Cim dichterischen Sinn), kann auch gestalten;
wer aber beobachtet, wird im modernen Leben geradezu selbstverständlich auf eine
gewisse freie, hochstehende Weltanschauung- getrieben". Den Gegensatz zu Rosmer
bilde etwa Wildenbruch, der trotz lauterem Streben eine jämmerlich beschränkte
Weltanschauung- habe, trotz ehrlicher und intensiver Arbeit zu einem wirklich guten,
natürlichen Dialog unfähig sei. Habe jedoch einmal die Weltanschauung eine ge-
wisse PTöhe erreicht, dann beginne im Bunde mit der feinen realistischen Technik
die Wahrscheinlichkeit für ein ganz grosses Kunstwerk. Darin sieht B. den Vorzug
der „Dämmerung". — Auch an Hartlebens „Hanna Jagert" wird von Lou Andreas-
Salome^^2) (jer natürliche Dialog, dann aber das Problem gerühmt. — Tiefer geht
Spielhagen^"^) in seiner Besprechung, indem er das Werk als Drama verwirft,
weil die „einheitliche" Handlung fehlt; Hartleben habe sich in der Form vergriffen
und einen ausgezeichneten Romanstoff im Drama nicht voll zur Geltung gebracht.
Er dringt auf eine reinliche Sonderung der Gattungen, wie sie Lessing verlangt
hatte, sonst entstehen zwitterhafte Werke.'*''*) — Bei der Lektüre vermisste Spiel-
hagen^oöj jn Hauptmanns „Webern" den Helden und verwarf das Stück als
Tragödie, bei der Aufführung leuchtete es ihm ein, dass „die Not, genauer ge-
sprochen : die Not der schlesischen Weber", noch genauer : „die Not der schlesischen
Weber in den vierziger Jahren" die Heldin sei, und nun ist das Stück für ihn ge-
rettet; er denkt an die „Geschichte Gottfriedens von Berlichingen" und beruhigt
sein ästhetisches Gewissen, fürchtet nur die Nachahmer. — Treffend erwidert
Schlenther^oß), die Webernot sei nicht die Heldin, sondern der einheitliche Kom-
positionsgedanke; nie sei ein Drama logischer komponiert worden, als die „Weber".
Sudermanns „Heimat": ML. 62, S. 21/6. (Vgl. IV 4:150.) — 4001 P. Schienther, Was kann dich in d. „Däramernng" so
ergreifen?: ib. S. 222/3. — 401) W. Bö Ische, „Dämmening«: FrB. 4, S. 462/6. — 402) Lon Andre as-Salom6, Hanna
Jagert: ib. S. 467-71. (Vgl. E.Nachwort zu „Hanna Jagert": ib. S. 607 8.) — 403) F. Spielhagen, 0. E. Hartlebens .Hanna
Jagert": ML. 62, S. 226-30. (Vgl. IV 4:165.) — 404) X Krit- Kundschau über Leben u. Kampf d. Zeit: FrB. 4, S. 107,9.
(Abdr. d. Urteils, durch d. „Hanna Jagert" für d. Aufführung freigegeben wurde, mit ästhet., durchaus objekt BemerVnngen.) — 405)
P..Spielhagen, Gerhart Hauptmanns „Weber" : ML. 62, S. 144/6. (Vgl. IV 4 : 157.) — 406) P. Schient her, D.Weber: FrB. 4,
R. M. Werner, Poetik und ihre Geschichte. I 12 -. 407 418
Ein Ameisenhaufen als Ganzes dargestellt, das seien die „Weber"; der Charakter,
der um sein Leben ringt, liegt in der Seele vieler, die alle das gleiche Los, das
gleiche Geschäft, das gleiche Sehnen haben. Seh. kommt nun zu dem bedenklichen
Schluss: eine Fülle kleiner Menschen seien dasselbe Naturobjekt für die Kunst
wie ein einzelner grosser Mensch; unter Kunst versteht er aber das Drama.
Auf die Wirkung" komme es an, und sie habe bei der Aufführung nicht ge-
fehlt, ja die Schauspieler hätten neue Aufgaben erhalten, an denen sie wuchsen.
Diesem Leben, dieser Welt auf der Bühne gegenüber müssten für jedes naive Empfinden
zwei Dinge vergessen werden: die sociale Tendenz und die ästhetische Regel; das
sei aber nicht geschehen. — Als ein Muster, wie im Drama das Milieu zu behandeln
sei, betrachtet Spielhagen**^') Max Halbes „Jugend"; hier findet er alles, was er
im „Eisgang" vermisste, die geschlossene Handlung, den zutreffenden Titel, wahr-
haftiges dramatisches Blut. An die ,, Menschen" dieses Stücks glaubt Sp. und sieht
die Idee in der Jugend der beiden Hauptpersonen. — Lou Andreas-Salome"*"^)
preist das durchaus Natürliche des Stückes und findet besonders bemerkenswert,
dass es von jeder Tendenz frei sei. — In seiner Besprechung von Hauptmanns
Diebskomödie streift Wille**'^) die Frage nach Form und Stoff in der Poesie, be-
handelt aber hauptsächlich das Verhältnis von Lektüre und Aufführung, d. h.
zwischen dem künstlerischen Vorgang in der Phantasie des Lesers oder Zuhörers
und dem sinnfälligen Vorgang auf der Bühne. Wenn das Stück nicht ganz wirkte,
so scheint dies W., so sehr er die Charakteristik bewundert, daraufzuschieben, dass
Hauptmann die Einzelheiten der Charakteristik nicht ganz richtig auf die Akte ver-
teilte, was gegen den Schluss ein gewisses Nachlassen der Wirkung zur Folge hatte.
— Spielhagen^'Oj^ gleichfalls ein Bewunderer des Stückes, erkennt einen tieferen
Grund, der sich ganz genau mit der naturalistischen Theorie deckt. Das Werk ist
kein Kunstwerk, sondern eine Studie; die moderne Ansicht hält aber gerade die
Studie für das Kunstwerk, das Kunstwerk im Sinne der Früheren für Künstelei. So
glänzend die Charakteristik in dem Stücke, so echt das Komödienhafte, es ist nur
ein Stück herausgeschnitten, sein Zusammenhang mit dem Ganzen des Menschen-
getriebes aber nicht angedeutet. Darin sieht Sp. den „tieferen Grund" des Miss-
fallens und Unbefriedigtseins beim Publikum trotz einer vollendeten Aufführung. —
Elias*'**») erkennt in dem Stücke „eine echte und rechte Posse", eine Posse, „die
von der Wirklichkeit gespielt wird"; während der „Kollege Crampton" eine „Charakter-
komödie" war, erhalten wir hier ein Bild des Lebens, der „Wirrungen" von Gut
und Böse, deren Notwendigkeit von einer „Fackel der Laune und der Satire"
blitzend erleuchtet, von , .hellem" Lachen begleitet wird. Darum nimmt E. an
dem Schluss ohne Abschluss keinen Anstoss, sondern rechtfertigt ihn, weil für
Hauptmann die „juristische" wie die „künstlerische Erfahrung" sprächen. — An
Hartlebens „Erziehung zur Ehe" wird von Lou And reas-Salome^^') wie
von Schlenther**^-) (j^r mittlere Akt getadelt, von jener, weil die Figur der Meta
tragisch angelegt sei und deshalb aus der Satire falle, von diesem, weil die Thesen-
deklamationen nicht künstlerisch, sondern moralisch wirken und ein künstlerisch
nicht verarbeitetes Element darstellen, — Spielhagen*'^) deutet die Wendung an,
die sich in Hauptmann mit „Hannele" vollzogen hat, nicht ins Phantastische, wohl
aber ins Phantasievolle, doch sieht er nur erst einen Anfang zu dem grossen Drama
darin. — lieber die geringere Bühnenwirkung des Stückes klagt Lou Andreas-
Salome '*''*), wie mir scheint, sehr mit Unrecht. Nach solchen Klagen müsste man
dem ungenannten Vf. der Broschüre „Konsequenter Realismus" (vgl. JBL. 1892
I 11: 209) Recht geben, obwohl Lier'*'^) treffend einwendet, die Zahlen bewiesen gar
nichts, denn zu Goethes und Schillers Zeiten — „Wer beherrschte damals die Bühne?
Die beiden Weimaraner gewiss nicht!" Die realistische Richtung ist noch sehr
jungen Datums, ein abschliessendes Urteil daher kaum möglich. Hauptmann brauche
noch ,, keinen Gipfel des Könnens der Jungen auf dramatischem Gebiete" darzustellen,
Ibsen sei zu specifisch nordisch, darum werde an ihrer Bühnenwirkung kein Massstab
für das realistische Drama überhaupt gewonnen. — So viel kann man bemerken,
allmählich klären sich die Ansichten, und es wird daran nichts ändern, dass
Jüngst*'^) die Sünden der Modernen unter Sudermann begreift und verurteilt, um
ihm in Lilien cron das Richtige entgegenzustellen; ganz zutreffend erwidert Opitz'*'''),
S. 269-72. (Vgl. IV 4:158.) — 407) F. Spielhagen, Max Halbes „Jugend": ML. 62, S. 266/8. (Vgl. lY 4:164.) — 408) Lou
Andreas-.'^alnme, E. FrfihlinsPtirfima: FrB. 4. S. .0727. — 409^ B. Wille, D. Biberpelz: ib. S. 1160,4. — 410) F. Spiel-
hagen, G. Hauptmanns „Biberpelz.": ML. 62, S. 638-40. (Vgl. IV 4:163.) -410a) J. Elias, „D. Biberpelz" : FreisZg. 23. Sept.
- 411) Loii Andreas-SaloiBe, 0 F. Kiirtlebens ,Er-ziehiirg -/.. Ehe": FrB. 4, S. 1165-7. — 412) P. Schlenther, 0. E.
Hartlebcns .Erziehung z. Ehe": ML. 62. S. 596. - 413> F. Spielhagen, G. Hauptmanns Hannele: ib. S. 7489. (Vgl. IV
4:161.)— 414i Lon A n d r eas- Salom e, „Hi.nnele": FrB. i, S. 1343;9. — 415) L. Lier, Nene dramaturg. Schriften: BLU.
.S. 2768. — 416) H C. J fingst. Sodermann eder Liliencron? E. Wort an Verständige. L., B. Clanssen. 18 S. M. 0,20.
|[B. Opitz: BLU. 8. 557.)! (Vgl. IV 4:141.) - 417) E. Opitz, D. Wahrheit auf d. Bühne: BLU. S. 35ij6. - 418) O M.
I 12:419-430 I 13 H. Reimann, Musikgeschichte.
ein solches Generalisieren sei nicht zu billigen, man müsse das Tüchtige an Suder-
mann schätzen können, trotzdem man Liliencrons echt deutsche, volkstümliche,
kernige, freilich mitunter noch gesucht kraftgenialische Art schätze.'* '^'^^o-) _ ^jg
Bahrs heimliches Leiden bezeichnet Holländer^^i) „sein brünstiges Suchen nach
dem Neuen in Stil und Form und das Ermatten seiner Kräfte, wenn er das, was er
greifbar sieht, gestalten möchte". Bahr schreibe in allem Selbstbiographie. Mit
freundlichen Strichen entwirft H. das Portrait Bahrs, folgt dem etwas krausen Lebens-
lauf von Station zu Station, schildert den epochemachenden Pariser Aufenthalt, die
glänzenden Feuilletons von dort, verdeckt aber die Gefahr keineswegs, der Bahr als
Künstler entgegenging: sich selbst an die französischen Muster zu verlieren. „Je
tiefer er in seiner kritischen Erkenntnis drang, desto heftiger trieb es ihn in nervöser
Hast von Experiment zu Experiment, desto weniger gelangte er zu ruhiger und reifer
Entwicklung seiner Persönlichkeit". Erst in Wien habe er sich gefunden. „Sein
Wollen ist begrenzter, enger geworden, zu bewusstem Kompromiss geneigt — sein
Können dagegen hat an Rundung und künstlerischer Geschlossenheit in einem Grade
zugenommen, der für einen naiven Beurteiler erstaunlich sein muss." Besonders
bewundert H. den „sexuellen Humor" in Bahrs neueren W^erken „und hält Bahr nun
für einen Künstler". In dem Bilde scheint mir nur Ein Strich zu fehlen, dass man
nämlich Bahrs Auftreten nie ernst nehmen dürfe, weil er selbst überhaupt nichts
ernst nimmt, sondern immer nur so thut. H. meint, Bahr dürfte nun auf der ge-
fundenen Linie weiterschreiten, ich glaube, er irrt sich. Bahr ist noch viel zu un-
ruhig, um nicht noch manche ,, Häutung" durchzumachen, aber wie kaum ein zweiter
ist er typisch für einen gewissen Teil der jüngeren Generation, gerade weil alles bei
ihm nur auf der Oberfläche bleibt.422-423j _
Wie die Zukunft der Litteratur aussehen wird, können wir wohl ahnen,
wenn wir auf die Malerei blicken, aber wir können uns täuschen'*^^"*^''). Jedenfalls
hat Spielhagen recht, auf dem Gebiete der Poesie ist die ,, Evolution" langsamer als
in der Schwesterkunst. Geistreich und witzig haben sich verschiedene Schriftsteller in
leichter dramatischer Einkleidung über Gegenwart und Zukunft unseres Lebens
und unserer Kunst ausgesprochen und zu einem von Lenz*^^) herausgegebenen
Bande vereinigt. Mauthner hält darin gründliches Reinmachen der Bibliothek
und stellt nur jene Bücher auf, in denen die Leidenschaften gross und die Kunst
echt ist.429-430j _
1,13
Musikgeschichte.
Heinrich Reimann.
Allgemeines: Bibliographisches N. 1. — Musikiihilosophie und -kritik N. 4. — Musikgeschichte: Zusammen-
fassende Darstellungen N. 14. -- Lokalgeschichte N. 19. — Musikinstrumente N. 27. — Sammelwerke N. 31, — Einzelne
musikalische Formen: Lied: Volkslied N. 43; Geistliches Lied N. 53. — Oper N. 58. — Einzelne Musiker und
Komponisten: A. de la Haie, J. Hothby N. 61. — Orlando di Lasso N. 63. — L. Zacconi, H. L. Hassler N. 64. — H. Baryphonus,
Cavalli, J. Praetorius, Ph. F. Böddecker N. 66. — Georg und Gottlieb Muffat, J. V. Eckelt N. 70. — J. S. Bach und die
Passionsmusik überhaupt N. 72. — Haydn N. 80. ~ Mozart N. 83. — Beethoven N. 87. — Schubert N. 95. — Moscheies N. 97.
— Schumann N. 98. — Zelter N. 100. — Mendelssohn N. 101. — B. Klein N. 105. — Wagner: Briefe N. 107; Lebensgeschichte
N. 113; Allgemeines über seine Werke N. 120; Geschichte und Analyse einzelner Werke N. 127. — Liszt N. 141. — P.Cornelius,
F. Möhring, Ch. Gounod N. 144. — P. Tschaikowski, B. Franz, A. Rubinstein N. 150. — C. Kistler, E. Chabrier, Schweizerische
Tonkönstler (Th. Kirchner), A. Snllivan, E. Hanslick N. 153. —
Allgemeines. Den diesjährigen Bericht eröffnet ein bibliographisches
Werk von hervorragender Bedeutung, das zwar schon 1892 erschienen ist, aber dem
Referenten erst jetzt zugänglich wurde. Seiner grossen Bedeutung wegen sei es
Brociner, D. Socialismus auf d. Bühne: WTBl. N. 111. — 419) O S. Schlesinger, Laube über socialist. Stöcke: ib.
N. 113. — 420) X P- Lorenz, D. Prostitution in d. Kunst. Zwei Worte z. Tlieaterfrage: NZSt. n, s. 375-82. (D. Theaterkulis
sind recht- u. schutzloser als d. Arbeiter; d. Schauspielerin werde fast notwendig z. Prostitntion getrieben.) — 421) F.
Holländer, V. H. Bahr n. seiner Bücherei: FrB.4, S. 82/9. — 422) X J- Proelss, Poesie u. Naturkenntnis: AZg«. N. 94/6.
{W. Jordans „Letzte Lieder« n. 6. Hauptmanns erste Geschichten.) — 423) X Wahrheit u. Schönheit. E. Xenienkranz:
ib. S. 236/7. (Nach vom Fels z. Meer.) — 424) OA. v. Hanstein, Wohin steuern wir : DBühneng. S. 1 1 3, 4. (Vgl. IV 4 : 325.) — 425) X P-
Stapfer, L'avenir de la litt.: BPL. 2, S. 554,9 —426) X ^ Zukunft d. Litt: FrB. 4, S. 13902. (Auszug aus d. Aufsätze v.
P. Stapfer.) — 427) X P- Pico, La poesia dell' uvenire. Acireale, V. Micale. 1892. 26 S. |[B. Perez: KPhilos. 35, S. 95 6.]|
(Scheint nach d. Rec. recht unbedeutend.) —- 428) L. Lenz, D. Kunst d. Unterhaltung. Mit Beitrr. v. J. Bayer, K. Haehnel,
M. Kalbeck, A. Klaar, A. v. Klinckowstroem, H. Lorm, F. Mauthner, K. Beissmann, E. Wiehert. B., G. E.
Nagel, in, 347 S. M. 5,00. — 429) O G. G. Gizzi, Fattori dell'arte e cause della sua decadenza odierna: EltalFilos. 8,
Heft 1. (Vgl. RPhilo8.36, S. 558.) — 430) X M. Burckhard, D. Kunst u. d. natftrl. Entwicklnngsgesch.: N&S. 66, S. 160-83.—
H. Reimann, Musikgeschichte. I 13 : 1-7
hier nachträg'lich besprochen. Es ist Vogels i) Bibliothek der gedruckten weltlichen
Vokalmusik Italiens von 1500—1700. Der Vf. hat aus beinahe anderthalbhundert
europäischen Musikbibliotheken ein ungefähr 4000 "Werke umfassendes bibliogra-
phisches Material zusammengetragen und in alphabetischer Ordnung sachgeraäss
zusammengestellt. Ein fachkundiger Bibliothekar hätte es nicht besser, sorgfältiger
und für den Gebrauch praktischer machen können. Den alphabetisch verzeichneten
Einzelwerken folgt ein chronologisch geordnetes Verzeichnis der Sammelbände (der
Streit über die Bezeichnung „Sammelwerke" oder „Sammlungen" ist demnach unnütz!),
sodann drei mit grösster Sorgfalt gefertigte Register, die der „Bibliothek" erst den
wirklich praktischen Werk verleihen. Und dieser Wert — das möchte ich hier
betonen — erstreckt sich nicht bloss auf die Musikwissenschaft. Litteraturgeschichte
und Geschichte haben ihren Anteil daran. — Während Vogel nur die Titel biblio-
graphisch registriert und weitere Zuthaten auf Angabe des Inhalts der einzelnen
Werke, der Fundorte und dgl. beschränkt, hat Kade^) in seiner Schweriner
Musikaliensammlung noch die Anfangstakte von einzelnen Musiknummern in Noten-
druck und ausserdem noch bei einzelnen der Autorennamen biographische Notizen
hinzugefügt. Dadurch ist der Katalog nicht bloss unnötig angeschwollen und
unhandlich geworden, sondern, da jene Notizen und Musikanfänge nicht bei allen
Namen und Nummern gegeben sind, so herrscht darin eine Art subjektiver Willkür,
die bekanntlich der Todfeind jeder Bibliographie ist und durchaus vermieden werden
muss. Sogar Facsimiles, manchmal ganz unbedeutender Art, sind beigegeben —
ein durchaus lästiges Beiwerk. Man sieht aus alledem, dass der Katalog von keinem
Fachmann gemacht und die verursachten, durch fürstliche Munificenz gedeckten
Kosten zum Teil unnütz aufgewendet sind. Dazu kommt, dass die biographischen
Notizen öfter unzuverlässig sind und deshalb äusserste Vorsicht bei deren Gebrauch
dringend zu raten ist. — Einen im allgemeinen sorgsam und genau abgefassten
Katalog der Lübecker städtischen Musikbibliothek bietet Stiehl^). Leider hat die
Lübecker Bibliothek durch den Verkauf der an Schätzen des 16. und 17. Jh. reichen
Bibliothek der Marienkirche an den österreichischen Erzherzog Rudolf (Bibl. d. Ges.
d, Musikfreunde) sehr viel Wertvolles eingebüsst. Immerhin bietet die Hss.- (namentlich
Buxtehude und Königslöw) wie die Druckschriften-Sammlung manches W^ertvoUe. —
Musikphilosophie und -kritik. Die wenigen Seiten der Schrift
Gotthelfs*) über das Wesen der Musik zeigen, dass auch aus Zeitungsfeuilletons
etwas Gutes werden kann. Die Art und Weise, wie der Vf. das Verhältnis der Archi-
tektur, der Tanzkunst und schliesslich der Poesie zur Musik als der „treuesten
Kunst des Ausdruckes" behandelt, ist ungemein fesselnd; die formale Seite unserer
Kunst wird zu der idealen, poetischen, richtiger noch: zu der wirklich seelischen
Musik in das rechte Verhältnis gesetzt und auf Grund dessen der Beweis geliefert,
wie Richard Wagners Kunst den alten Dreibund der Künste: Tanz, Musik und Poesie
auf das schönste erneuert und verjüngt hat. — Wesentlich propädeutischer Art ist
Brodbecks ^) Schrift über die physischen Grundfragen der Musikwissenschaft. —
Hauseggers^) Buch „Das Jenseits des Künstlers" ist, soweit es hier undnichtbei
allgemeiner Philosophie in Betracht kommt — es handelt mehr von Malerei und
Poesie als von Musik — , eine Fortführung seines früheren Werkes „Die Musik als
Ausdruck". Die Ursachen des Eindruckes, den ein Kunstwerk macht, beruhen nicht
in Tonfolgen, Tonverbindungen, Klangfarben usw., sondern in den psychologischen
und physiologischen Ursachen derselben, in dem „Schaffenszustande" des Künstlers.
Dies bedeutet das „Jenseits" der Kunst, das zuerst Schopenhauer durch das Licht
seines Geistes erleuchtete. Wagner-Tristans „Nacht" ist der Schoss, aus dem die
Produktionskraft des Künstlers geboren wird. Diese „Nacht" aber ist identisch mit
Schopenhauers Abtötung des Willens : „Sage dich los von den Absichten und Zielen
deines Individuums, und der Bann ist gebrochen, die ewig schöpferische Macht wird
auch in dir lebendig." Ein optimistischer Pessimismus, dem weiter nichts als eine
etwa smehr universelle Realität zu wünschen wäre ! — Dass des Heidelberger Professors
Thibauf) Buch „Ueber Reinheit der Tonkunst" in 7. Auflage erschienen ist, halte
ich für ein erfreuliches Zeichen der Zeit. So überlebt und veraltet auch vieles darin
einem modernen Musiker erscheinen mag, die Schrift enthält eine Fülle wertvollen
1) E. Vogel, Bibl. d. gedr. weltl. VokalnmsiV Italiens ans d. J. 1500-1700. Enthaltend d. Litt. d. Frottole,
Uadrigale, Conzonette, Arien, Opern nsw. Her. durch d. Stiltnng v. Schnyder v. Wartensee. 2 Bde. B., Haack. 1S92.,
XXIY, 530 S.; 599 S. M. 24,00. i[E. Eitner: MhMnfikgesch. 25, S. 146; M. Seiffert: ÄMnsZg. S. 61,2; A. Sandberger:
MnsWBl. S. 301/2.]| — 2) 0. Kade, D. Mnsikalien-Satnnil. d. Grossherzogl. Meclclenbnrg-Schweriner Fürstenhauses aus d.
letzten 2 Jhh. 2 Bde. Wismar, Heinstorff. 484 S.; 424 S. M. 8,00. — 3) C. Stiehl, Katal. d. Musiksamml. auf d. Stadt-
Bibl. zu Lübeck. Progr. d. Katharineums. Lübeck. 4». 56 S. |[MhMusikge8ch. 25, S. 118,9.]| — 4) F. Gotthelf, D. Wesen
d. Musik. Bonn, F. Cohen. 54 S. M. 1,00. l[BayrenthI31M6,N. 7 (Umschl.); 0. Bie: AMusZg. S.485.]| — 5) O A.Brodbeck, D.
phys. Grundfragen d. Musikwissensch., roethod. zusammengest. St., G. A. Zumsteeg. 13 Bll. M. 1,00. — 6) (I 12 : 91.)
|[0. Bie: AMusZg. S. 405 6, 4234.]| — 7) A. F. J. Thibaut, Ueber Reinheit d. Tonkunst. 7. Ausg. Mit d. Vorw. t. K. Ch.
W. F. Bahr z. 3. Ausg. Freiburg i. B. u. L, Mohr. XV, 100 S. M. 1,00. |[K. Sohle: Kw. 0, S. 311,2; H. Keimann: BLU.
I 13:8-17 H. Reimann, Musikgeschichte.
Materials für alle, die sich gründlich mit der Entwicklung der Musik, inbesondere
mit dem Studium der Alten, beschäftigen wollen. Das Buch ist ein Palliativ gegen
die Oberflächlichkeit der Musikauffassung' und Musikübung in unserer Zeit, welche die
Finger anstaunt und sich freut, „das Nichtige auf wundervolle Art vollbringen zu
sehen", während es doch Hauptaufgabe sein muss, durch das Gegebene uns zu ent-
zücken und unser Gemüt zu bewegen. — Einen auf viel zu beschränkter Einsicht
in die neuere Musik beruhenden und darum missglückten Versuch, die Begriffe
„Klassizität" und „Romantik" historisch zu definieren, unternahm Meinardus^J.
Des alten Philosophen Spruch ,,ITäina ^et" ist bei solcher Untersuchung der oberste
und leitende Grundsatz, und Rieh. Wagner ist heutzutage nahezu bereits „Klassiker".
— Bahnsens Problem von dem ewigen unlösbaren Widerspruch dieser Welt im
Wissen und Wesen hat Louis-') auf die Musik angewendet. Dem Elemente des
Schönen, d h. des Spiegelbildes der Gesetze der bildenden Kunst, widerstrebt das
ursprüngliche Wiesen der Musik als einer das Innerliche, Unendliche darstellen
wollenden Kunst. Gegen die Erreichung dieser erhabenen Wirkung aber kämpft die
Unbegreiflichkeit und darum Unausdrückbarkeit des unendlichen Inhalts. Die „Resig-
nation" allein bleibt übrig: sie eröffnet das Gebiet des „Humoristischen" — im Sinne
Bahnsens — , das die alte, endliche B^orm zwar beibehält, aber sie mit neuem,
unendlichem Inhalte erfüllt. Berlioz, Wagners, Liszts und Brückners Schaffen ist
in diesem Sinne „humoristisch". Darin lieg't der „Widerspruch in der Musik". — Das
ist eine Theorie, vor der sich Hanslick, wie vor dem leibhaftigen Gottseibeiuns be-
kreuzigen würde. Darum folge hier die französische Uebersetzung seines Buches
vom „Schönen in der Musik", die Bannelier i**) lieferte. Im eigenen Hause (auch
Louis ist W^iener !) ist Hanslick der grimmigste und gefährlichste Feind erstanden. —
Aber nicht bloss hier, auch im Auslande kämpft man rüstig gegen den künstlichen,
auf lauter Abstraktionen gegründeten Bau der Hanslickschen Theorie vom Schönen :
Bellaigues^'3 klar und überzeugend geschriebenes Buch weist die Irrtümlichkeit
der Hanslickschen Grundtheorie von der Ausdrucksunfähigkeit der Musik — auch
der Instrumentalmusik — vortrefflich nach (la religion, la nature, l'amour, l'heroisme
dans la musique), und hält dem Wiener Kritiker sehr treffend die Verse entgegen:
„Si vous n'exprimez rien, qu'avez-vous donc en vous, Qui fait bondir le coeur et
flechir lesgenoux!" — Einem „alten Musikfreund" '^j verdanken wir eine prächtige
Kapuzinerpredigt über das Thema: „Die Musik, ihrem innersten Wesen nach eine
Gnade, ein Labsal, ein welterlösendes Himmelsgeschenk, — in euren Händen, ton-
wutkranke Dilettanten und Modenarren, ist sie zur Geissei geworden. Ihr habt die
Göttin dämonisiert und die herzliebe wonnige Aphrodite ... in die Teufelinne ver-
wandelt, vor der sich Christ und Jude ganz mit der nämlichen Herzbeklemmung be-
kreuzigen." — Gegen den arroganten Dilettantismus in der Kunstübung und in der
Kunstkritik, speciell Berlins, wendet sich Reimanns'"^) dem vorgenannten Werke
wahlverwandte Satire: „Ein Zeitungsblatt aus Hinter-Indien". —
Musikgeschichte. Eine zusammenfassende Darstellung ist im
Berichtsjahr ausser Un tersteinersi*) Storia della musica, einem kompilatorischen
und Selbständigkeit in keiner Weise beanspruchenden Werke, nicht erschienen. —
Beachtenswerte Nachträge zu Ambros-Reiraanns zweitem Bande der Musikgeschichte
(vgl. JBL. 1892 I 9:12) bietet Eitner'S). - Dafür ist das laufende Jahr bedeutsam
geworden durch den Beginn zweier Quellen-Publikationen, deren erste nach bekanntem
Muster den stolzen Namen trägt „Denkmäler deutscher Tonkunst". In einem Auf-
satze kündigte Spitta'*), der die Seele dieses Unternehmens war, Zweck und Ziele
dieses gross angelegten Werkes an. Sollten aber die schönen und trefflichen
Worte, welche an jener Stelle veröffentlicht wurden, nicht leere Worte bleiben, sondern
zur That werden, d. h. sollten die „Denkmäler deutscher Tonkunst" auch nur an-
nähernd dasselbe für die deutsche Musik werden, was die Pertzschen Monumenta
für die Geschichte sind, so musste mit der Herausgabe des ersten Bandes sowohl
wie mit der Auswahl der Bearbeiter vorsichtiger umgegangen werden. Der erste
Band „S. Scheidts Tabulatura nova" vom J. 1624, von Seiffert'"') herausgegeben,
erschien verfrüht und nicht sorgfältig genug bearbeitet. Zudem ist das Werk, das
im Originaldruck keineswegs selten ist, teils aus diesem Grunde, teils auch wegen des
S. 457.11 — 8) L. Meinardus, Klassizität n. Romiintilc in d. dtsch. Tonkunst. Vortr., geh. am 2. Nov. in öffentl. Sitzung d.
legi. AV. d. gemeinnütz. Wissensch. in Eifuit. Erfurt, Villaret. 31 S. M. 0,60. (Sonderabdr. aus JbbAkErfurt. N. 19.) —
9) H. Louis, D. Widerspruch in d. Musik. Bausteine '/.u o Aesthetik d. Tonkunst. L., Breitkopf & Härtel. 115 S. M. 2,50.
|[0. Bie: AMusZg. S. 144; LCBl. S. 1515; K Sohle: Kw. 6, S. 215,7; H. Eeimann: BLU. S. 421; Signale N. 28.|| — 10)
E. Hanslick, Du beau dans la musique. (Trad. par Ch. Bannelier.) Paris, Maqnet et Cie. 124 S. — U) C. Bellaigne,
Psychologie musicale. Paris, Delagrave. 282 S. — 12) Dudler u. Dulder. Studien über d. Anmassnng d. Tonkunst. V. e.
alten Musikfreund. L, Reissner. 63 S. M 1,00. — 13j 11. R[eimann], E. Zeitnngsbl. aus Hinter-Indien: AMusZg. S. 669-71.
— 14) A. Untersteiner, Storia della musica. Milano, Hoepli. 298 S. L. 3,00. ((Signale N. 49.]( — 15) R. Eitner:
MhMuhikgesch. 25, S. 42/5. - 16) Ph. Spitta, Denkmäler dtsth. Tonkunst: Grenzb. 2, S. 16,7. — 17) L. Scheidt, Tabulatura
nova. 1024. Her. v.M. Seif f er t. (= Denkmäler dtsch. Tonkunst. Bd.l.) L., Breitkopf & Härtel. 1892. XV11I,224S. M 15,00. I[M.
H. Reimann, Musikgeschichte. I 13 : I8-30
g-eringen allgemeinen Interesses, das es bietet, als erste Publikation nicht recht glück-
lich gewählt. So lange nicht wissenschaftlich durchgebildete, philologisch und
archivalisch geschulte und dabei praktisch wohlerfahrene Musiker für die Herausgabe
gewonnen werden, bleibt das gross angelegte Quellenwerk ein kostspieliges Ver-
gnügen eines eng begrenzten Kreises. Das deutsche Volk und die musikalische
Praxis haben nichts davon. — Den Frieden der selig entschlafenen Wiener Musik-
und Theater-Ausstellung (vgl. JBL. 1892 II 4:2; IV 4:256— 69) störte Fleischer'»)
mit einer posthumen Oratio pro domo. Leider erreicht die wenig- geschickt geschriebene
Abhandlung, um die sich übrigens ein für den Vf. nicht ganz erquicklicher Verleger-
streit erhob, nicht die Wirkung, dem Leser eine Thräne des Mitleids um die Ent-
schlafene zu entlocken. —
Bedeutend sind die Kräfte, die sich zur Herausgabe des lokalen Sammel-
werkes „Denkmäler der Tonkunst in Oesterreich" vereint haben. Der nächste
JB. wird hierüber Näheres bringen. Hier seien sie nur erwähnt, weil die Gesell-
schaft zu ihrer Herausgabe sich im Okt. 1893 gebildet hat. — Zunächst werden hier
zwei Leipziger Schriften angereiht, von denen die Kneschkes'^) die Gewandhaus-
konzerte in der Zeit von 1743 — 1893 zum Gegenstande hat. Als Quelle diente
A. Dörffels bekannte Festschrift und für die letzten J. des Vf. eigene Erinnerungen.
Die in einem ungemein schwerfälligen Stil geschriebene, dazu zum weitaus grössten
Teil rein kompilatorische Arbeit kann eingehendere Beachtung nicht beanspruchen.
— Desto interessanter ist das Schülerregister, welches das Direktorium des Leipziger
Konservatoriums 20) gelegentlich seiner 50 jährigen Jubelfeier hat erscheinen lassen.
— Pazaureks^') Beiträge zur Geschichte der Musik in Böhmen zeigen, wie gerade
das deutsche Element in Böhmen stets musikalisch bedeutsam hervorgetreten ist.22)
— Wertvolle Beiträge über das wenig' bekannte, aber recht rege musikalische Leben
und Treiben am Hofe Christians IV. von Dänemark bietet eine Schrift Hammerichs,
von der Elling^^) einen dankenswerten Auszug giebt. Des berühmten englischen
Lautenisten John Dowlands Thätigkeit bildet nächst dem Wirken des Altmeisters
Heinr. Schütz den musikalischen Höhepunkt jener Zeit und jenes Ortes. — Die
Arbeit von Krebs^*) über die Privatkapellen des Herzogs von Alba erschöpft
sich fast ganz in Emolumenten-Tabellen. Als Schluss ist ihr ein „Heroicum Pane-
giricum" auf Herzog Ferdinand angehängt, dem ein ostinater Cantus firmus auf den
Text „Dux Albane vive!" zu Grunde liegt. — Kirchners^^) Schrift behandelt den
im J. 1727 zwischen den Kantorats-Kandidaten Hofmann und Neubert ausgebrochenen
Streit, der unterden Pfahlbürgern von Chemnitz grosse Aufregung hervorrief; ein Sturm
im Glase Wasser, der die Weiterentwicklung der Musikgeschichte nicht aufgehalten
hat. — Einen wirklich herzerfreuenden Eindruck macht der Bericht, den Bohn^^j
über seine innerhalb 12 Jahren veranstalteten 50 historischen Konzerte giebt. Was ein
von edelster Kunstbegeisterung durchglühter Künstler und hochbedeutender Musik-
gelehrter durch Energie und Ausdauer bei bescheidenen künstlerischen und mate-
riellen Mitteln leisten kann, liest man hier mit wachsendem Erstaunen. Von der
„Beigabe" soll weiter unten die Rede sein (s. u. N. 47). —
Für die Berliner Sammlung alter Musikinstrumente begeisterten sich
Seiffert^'') und Bie^^J. Eine solche Sammlung will weniger gelobt als besucht
und studiert und dann kritisch beurteilt sein. — Wiegen der nahen Beziehung des
Vf. zu dieser Sammlung und der Gleichheit des behandelten Stoffes sei an dieser
Stelle die Abhandlung Fleisch er s^^) über Musikinstrumente aus deutscher Urzeit
erwähnt. F. geht sehr unkritisch vor, nicht bloss, wenn er gelegentlich der keltisch-
gälischen Crwth (Crowth) von „Nachkommen der alten Barden" redet, sondern vor
allem, wenn er aus den spärlichen Andeutungen über Instrumente im „vorgeschicht-
lichen Griechenland", desgleichen im „nördlicheren und nachmals keltischen und
deutschen Europa" (!) mit positiver Sicherheit nur 2 Arten von Lyren statuieren will.
Er selbst versichert natürlich: dieses sein Forschungsergebnis sei „ein neuer brauch-
barer Baustein". 30) —
Seiffert: AMusZg. S. 406/8.]| — 18) 0. Fleischer, D. Bedeutung d. internat. Musik- u. Theater-Ausstellung in Wien für
Kunst u. Wissensch. d. Musik. Mit lUustr. nach Orig. v. W. Oertel u. E. Schlemo. (= ÜB. für Musiklitt. N. 6,7.) 5. Taus.
L. u. New-York, A. Laurencic. 71 S. M. 0,80. — 19) E. Kneschke, D. 150 j. Gesch. d. Leipziger Gewandhaus-Konzerte
1743-1893. (= ebda. N. 13.) 160 S. Mit Illustr. M. 1,20. |[Signale N. 47; MhMasikgesch. 25, S. 221,2.J| — 20) D. kgl.
Konservatorium d. Musik zn Leipzig 1843-93. Z. 50j. Jubelfeier. L. (Breitkopf & Härtel). 4". VII, 114 S. M. 2,00. —
21) O G. L. Pazaurek, Beitrr z. Gesch. d Musik in Böhmen: MVGDB. 31, S. 280-93. 1[A. Heintz: AMusZg. S. 645.]( —
22) X Heinr. Weber, D. Kirchengesang im Fürstbistum Bamberg. E. Beitr. z. Gesch. d. Kirchengesanges in Ostfranken.
(= Vereinsschriften d. Görres-Ges. N. 2.) Köln, J. P. Bachem. VIII, 64 S. M. 1,20. — 23) C. Elling, D. Musik am Hofe
Christians IV. v. Dänemark: VjsMusikwissensch. 9, S. 63-93. (Nach A. Hammerich, Musiken ved Christian d. Fj. Hof.) — 24)
C. Krebs, D. Privatkapellen d. Herzogs r. Alba: ib. S. 393-407. — 25) C. Kirchner, E. Streit um d. Kantorat in Chemnitz.
(= I 4:385, S. 15-38.) — 26) E. Bohn, 50 hist. Konzerto in Breslau (1831-92). Nebst bibliogr. Beigabe: Bibl. d. gedr.
iiiehrstimm. weltl. dtsch. Lieder vom Anf. d. 16. Jh. bis ca. 1640. Breslau, Koramissionsverl. v. J. Hainauer. VII, 188 S. M. 4,00.
|[M. Seiffort: AMusZg. S. 644.]| — 27) M Seiffert, D. kgl. Samml alter Musikinstrumente zu Berlin: AMusZg. S. 200/1.
— 28) 0. Bie, D. kgl Instrumentensammlung in Berlin: ib. S. 249-51. — 29) 0. Fleischer, Musikinstrumente aus dtsch.
Urzeit: ib. S. 399-401. — 30) X P- Wagner, Aus d. neueren Forschungen über d. ältere Notenschrift: MusWBl. S. 437/8,
I 13 : 31-40 H. Reimann, Musikg-eschichte.
Zu den Sammelwerken führen uns die Musiklexica, von denen das bekannte
Riemannsche^') im Berichtsjahre seine 4. Auflage erlebt hat. Die Brauchbarkeit
dieses Nachsohlag-ewerkes steht über allem Zweifel; auch die Zuverlässigkeit darf in
allen denjenigen Fällen als sicher betrachtet werden, wo der Vf. nicht seine eigenen,
zumeist recht" unzuverlässigen Theorien (z. B. Phrasierung, Dynamik, Agogik) in die
Darstellung verwoben hat. Zum guten Glück sind diese Fälle verhältnismässig selten
und übrigens leicht erkennbar. Das Werk kann demnach unter diesem Vorbehalt
sehr wohl empfohlen werden.-'^) — Ein wohlbewährtes vorzügliches Buch ist
von Wasielewskis-''^) Werk „Die Violine und ihre Meister", das in dritter sorgfältig
revidierter und sehr erweiterter Auflage vorliegt. Von Corelli bis auf Joachim und
seine Schule bietet das Buch eine treffliche Geschichte der violinistischen Technik.-^*)
— Wird uns hier ein Geschichtsbild edelster Virtuosenbestrebungen geboten, so zeigen
uns Ehrlichs^^) Memoiren den Revers. Virtuosen- und Autoreneitelkeit streiten
hier in einem von Selbstbewunderung überströmenden Geiste um die Palme. Der
edle Wettkampf erreicht eine nie geahnte Höhe, als der Vf. kalten Blutes der musika-
lischen Welt die „Thatsache" enthüllt, dass nicht Liszt, der geniale ungarische
Rhapsode, sondern er, d. h. Heinrich Ehrlich, der Komponist der bekannten und
allbeliebten 2. ungarischen Rhapsodie sei. Und das trug sich zu vier Jahre nach des
Meisters Tode, nachdem jenes angeblich E.sche Stück mindestens 50 Jahre alt
geworden war und ebensolange ohne den Einspruch seines vermeintlich legitimen
Vaters für Lisztisch gegolten hatte. Liszt schrieb mehr als ein Dutzend Rhapsodien,
alle in einem Gusse und nahezu in derselben Faktur, alle unter einander sich ähn-
lich, wie nur echte, rechte Geschwister sein können! Sein hoher, idealer und doch
bescheidener Geist, dem nichts ferner lag, als Anderer Verdienste zu schmälern, sollte
es geduldet haben, dass eines anderen Künstlers Werk unter seiner Flagge segelte?
Die Beleidigung, die hier dem unberührbaren Andenken eines der edelsten und
liebenswürdigsten Tonmeister angethan ist, sucht vergebens ihres Gleichen.^^) —
Kurze und im Stil schlichter, populärer, manchmal etwas zu novellistischer Dar-
stellung gehaltene Bilder aus dem Leben Joh. Seb. Bachs, Haydns, Mozarts und
Beethovens bietet Nietschmann^"), während Otto Schmid^*) als Kritiker einer
Dresdener Tageszeitung- selbstredend „höher hinaus" will! Er versucht sich in einer
Untersuchung über die Geschichte des Walzers bis auf Schubert als Musikhistoriker
insofern nicht ohne Glück, als er Litteraturkenntnis zeigt. Freilich musste ihn schon
Böhmes Geschichte des Tanzes belehren, dass er sein Thema längst nicht erschöpft
habe. Eine zweite Abhandlung über die Entwicklung der Ballade — ein sehr
beliebtes Thema — ■ gipfelt in einem übertriebenen Lobeshymnus auf Karl Loewe.
Auch das ist man gewöhnt. In der dritten: „Die Romanze in Dichtung und Musik"
hat Götzingers verschwommene Definition dieser Dichtungsgattung eine bedauerliche
Verwirrung' bei dem Vf. hervorgerufen; es folgen „Gedanken eines Nicht-Katholiken
über katholische Kirchenmusik". Die heilige KongTCgation der Riten dürfte keine
Veranlassung nehmen, des Vf. Protest gegen die Beseitigung der Instrumentalmusik
aus der Kirche zu berücksichtigen. Dazu müsste die Motivierung besser und ein-
sichtiger sein! Schliesslich folgt der letzte, aber zugleich auch der mindest gute Aufsatz :
Mascagni, für dessen unleidliche „Cavalleria" der Vf. eine Lanze bricht. Der Rest,
Dresdener Tageskritiken über lokale Opernaufführung'en , hätte Schweigen sein
müssen! Liest man von ,jeunesse d'oree" (sie) (S. 88), von der Oper „Jakob und seine
Brüder" (S. 92), vom „Götterfunken des Genies" u. a., so erkennt man, dass der Vf.
sich nicht einmal der Mühe unterzogen hat, seine kritischen Tagesergüsse für eine
dauernde Publikation zu säubern. 3") — Unter dem Titel „Reisende Musikerinnen"
verbergen sich Tagebuchaufzeichnungen der „Direktrice" einer den europäischen
Orient bereisenden Damenkapelle, die Delia*") nach gehöriger Säuberung' des Druckes
für wert erachtete. Die musikalische Ausbeute ist selbstverständlich gering, dagegen
muss das Buch als wertvoller Beitrag für die sociale Lage unserer männlichen und weib-
lichen Musiker angesehen werden. — Eine sehr interessante und lohnende Aufgabe
453/.5, 469-70. - 31) H. Riemjinn , Musiklex. 4. vollst, nmgearb. Aufl. L., M. Hesse. XI, 1210 S. M. 10,00. - 32) X E-
Paner, Birthday Book of Musici.ins and Composers. London, Forsyth Brothers. 363 S. — 33) W. J. v. Wasielewski, D.
Violine n. ihre Meister. 3., mit Abbild., sowie zahlreichen Nachtrr. u. Berichtigungen vers. Ausg. L., Breitkopf & Härtel.
Xn, 581 S. M. 9,00. |[0. Bie: AMusZg. S. 674.]| — 34) X "• Coutagne, G. Duiffoproucart et les luthiers lyonnais.
Paris, Fischbacher. 85 S. Et portr. |[C. Krebs: VossZg. N. 383; W. J. v. Wasielewski: MhMusikgesch. 25, S. 179.]| —
35) H. Ehrlich, 30 Jahre Künstlerleben. B., Steinitz. VIII, 416 S. Sl. 6,00. |[Didask. N 99.]| (S. auch u. N. 141 u. IV 1 c : 156.) —
36) X A, Ehrlich, Berühmte Klavierspieler d. Vergangenheit u. Gegenw. E. Samml. v. 116 Biogrr. n. 114 Portrr. L., Payne.
VIII, 367 S. M. 7,00. ILM. Ed.: MusWBI. S. 708/9; Signale N.70.]| — 37) Arm. Stein (=: H. Nietschmann), Aus d. Reich
d. Töne. Bilder aus d, Leben unserer grossen Meister. Halle a. S., Waisenhaus. VII, 204 S. M. 2,40. IfH Reimann: BLU.
S. 455.]| — 38) Otto Schmid, Bunte Bll. Studien n. Skizzen ans d. Reiche d. Töne. (Berichte n. Kritiken aus
d. Dresdener Opernleben.) Dresden, N. Damm. 144 S. M. 2,00. |[M. Selffert: AMusZg. S. 616; Signale N. 43.)(
— 39) X A. Lesimple, Aus d. Reiche d. Frau Musika. V. Mozart zu Mozart. L, C. Reissner. 68 S. M. 1,00. — 40) M.
Delia, Reisende Musikerinnen. Tagebuchbll. Wien, Hartleben. VIII, 143 S. M. 2,00. ([IL Reimann: BLU. S. 455.J| —
H. Reimann, Musikgeschichte. I 13 : «-51
stellte sich Bock**): die Beziehungen deutscher Dichter zur Musik darzulegen.
Der Vf. bezeichnet seine Schrift als einen „Versuch" und erhebt nicht den Anspruch,
sein Thema erschöpft zu haben. Aber was er giebt: Klopstock, Wieland, Lessing,
Schiller, Goethe, Herder, Jean Paul, die Romantiker, E. T. A. Hoffmann, Lenau,
Heine, Grillparzer, ist eine sachgemässe und sehr einsichtsvolle Darstellung der mehr
oder weniger intensiven Beziehungen dieser Männer zur Musik. Die betreffenden
Aussprüche, Abschnitte aus den Werken u. dgl. sind sorgsam zusammengetragen,
und ihre Behandlung ist vom musikalischen Standpunkte aus tadellos. — Eine auch
für den Musiker dankenswerte Studie giebt Friedlaender*^) in einer Beilage zum
1. Band von L. Pränkels öhland- Ausgabe. Am interessantesten ist das negative
Ergebnis, dass Beethoven, Weber und Rob, Franz keine Gedichte von Uhland
komponiert haben. Die am häufigsten komponierten Gedichte sind: „Frühlingsglaube"
und „Ständchen". —
Einzelne musikalische Formen. Die Liederlitteratur hat in dem
laufenden Jahr einen überaus reichen Zuwachs erfahren. Vor allem durch die grosse
Ausgabe des Erkschen „Liederhorts", der umfassenden Sammlung deutscher Volks -
lieder, die der um die Geschichte des deutschen Liedes verdiente Böhmens), der
Herausgeber des altdeutschen Liederbuches, besorgt hat. Das Werk wird im nächsten
Jahrgange zur Besprechung gelangen. — Von der Thatsache ausgehend, dass Volks-
liedersammlungen wie das Böhmesche Altdeutsche Liederbuch nur wenigen zugäng-
lich sind, dass ferner die Form, in der hier die Volkslieder geboten werden, sie mehr
für wissenschaftlichen als für praktischen Gebrauch bestimmt erscheinen lässt, glaubte
Reimann 44) einen Schritt weiter thun zu müssen, um die altdeutschen Liederschätze
dem singenden deutschen Volke zugänglich zu machen. In Deutschland ist die
praktische Musikübung allgemein verbreitet. Der Konzertsaal, die Opern- und
Operettenbühne, ja leider auch das Cafe chantant und das Specialitäten-Theater sind
heutzutage die Quellen, aus denen das Volk — in grossen wie in kleinen Städten —
seinen Bedarf an „Volksmelodien" bezieht. Die alten herrlichen Liederschätze des
deutschen Volkes geraten in Vergessenheit. Im Konzertsaal spielt der Erfolg die
Hauptrolle : man singt zumeist nur, was sich als Zug- oder Da-capo-Nummer bewährt
hat. Daher das einförmige und klägliche Konzertprogramm sehr vieler Sängerinnen,
dem ein noch jammervolleres Programm der Haus- und Familienmusik auf dem
Fusse folgt. Hier eine Remedur zu schaffen, hier Abwechslung zu bieten und auf
die unergründlichen Schätze unseres deutschen Liedes hinzuweisen, diese selbst aber
in einer Form darzubieten, die den Gesetzen der musikalischen Kunst in weitestem
Umfange gerecht wird, ist das Ziel, welches die von R. unter dem Titel „Das
deutsche Lied" herausgegebene Sammlung zu erreichen strebt. Die freundliche Auf-
nahme der Liedersammlung seitens des Publikums, insbesondere das Eintreten der
Frau Amalie Joachim für die Ideen des Herausgebers scheinen, abgesehen von der Zu-
stimmung der Kritik, Beweis genug, dass R. keinen Fehlgriff gethan hat. — Als
Gegenstück zu den vier Bänden deutscher Lieder veröffentlichte dann Reimann 45)
drei Bände ausländischer Volkslieder. Die deutschen Uebersetzungen hat zum grossen
Teil der Herausgeber selbst besorgt; in allem übrigen ist dieses Werk genau nach
den Grundsätzen des „Deutschen Liedes" angelegt und durchgeführt. — Das alte
deutsche mehrstimmige Lied und seine Meister behandelt Eitner46) in einer zwar
etwas nüchtern gehaltenen, aber mit reicher Sachkenntnis geschriebenen und durch
viele Musikbeispiele erläuterten Abhandlung, die eingehende Beachtung auch in rein
litterarischen, d. h. nicht fachmännisch-musikalischen Kreisen verdient. — Eine wert-
volle bibliographische Arbeit ist die Beilage zu Bohns*") Bericht über seine 50 histo-
rischen Konzerte in Breslau. Die hier beschriebenen Partituren sind zum Teil Selten-
heiten ersten Ranges. — Ein Aufsatz des bekannten Liederforschers Druffel48)
giebt eine höchst dankenswerte Berichtigung zu den Notizen über ein Lied mit
Instrumentalbegleitung aus dem 14. Jh. („Zart liebste Frau in lieber acht"), die sich
in Ambros-Reimanns Musikgeschichte (3. Aufl. 2, S. 5 18 ff; s. o. N. 15) befinden.40)
— Niederdeutsche und niederländische Volksweisen, zum Teil noch ganz unbekannt,
teilt Bolte^*^) in allbekannter und geschätzter sorgfältiger Behandlung mit.^') — Zum
41) A. Bock, Dtsch. Dichter in ihren Beziehungen z. Mnsik. L., Eeissner. 264 S. M. 4,00. |[H. Reimann: BLU. S. 4ö5.]|
— 42) Max Friedlaender, Uhlands Gedichte in d. Musik. (= IV 10: 106; Bd. 1, Beil. 5 S.) |[A. Heintz: AMusZg. S. 644.]|
— 43) (II 2:1.) — 44) H. Reimann, D. dtsch. Lied. E. Ausw. ans d. Progr. d. bist. Lieder-Abende d. Frau Amalie Joachim.
4 Bde. B., Simrock. 4». 360 S. M. 12,00. — 45) id., Internat. Volksliederbuch. E. Samml. ausländ. Volkslieder. 3 Bde. ib. 140 S. M. 9,00.
— 46) E. Eitne r, D. alte dtsch. mehrstimm. Lied u. seine Meister: MhMusikgesch 25, S. 149-55, 164-79, 183-204, 207-20. — 47) E.
Bohn, Bibl. d. gedruckten raehrstimm. weltl. dtsch. Liedes v. Anf. d. 16. Jh. bis ca. 1640. (— N. 26, Beil.) ([M. Seiffert:
AMnsZg. S. 645.JI — 48) P. Druffel, D. „Nachthorn". E. Lied mit Instrnmental-Begleit. ans d. 14. Jh.: MasWBl. S. 617/8,
6.33/4, 649-50, 6612. — 49) X K. Erbe, Loreley. E. Samml. v. zwei- u. dreistimm. Liedern u. Gesängen verschied. Inhalts.
Z. unterrichtl. Gebrauche für d. ob. Klassen höh. Mädchensch. ausgew., bearb. u. her. llildbnrghausen, Gadow & Sohn. 212 S.
M. 0,80. — 50) J. Bolte, Niederdeutsche u. niederländ. Volksweisen. (Mit Musikbeil.): JbVNiederdSpr. 18, S. 15 8. — 51) X
K. A. Hermann, Völkerlieder für Tierstimm, gemischte Chöre. E. Samml. y. 1.50 geistl. n. weltl. rolkstftml. Kompositionen
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrj^eechichte. IV. 30
I 13:52-61 H. Reimann, Musikgeschichte.
ersten Male hat sich ein philolog-isch geschulter Gelehrter, Nast^^)^ mit den Melodien
litauischer Volkslieder befasst. Die litauischen Dainos sind zumeist von bestricken-
dem musikalischem Reiz. Schon Chopins „Litauisches Lied" deutet darauf hin; die
Proben, die ich in meinem „Internationalen Volksliederbuche" (s. o. N. 45) gegeben,
bestätigen diese Thatsache. Die Untersuchung beschäftigt sich mit dem Inhalt, sodann
mit den Melodien der Dainos. Missglückt sind einzig und allein die Harmoni-
sierungen des Volksliedes auf S. 23 und 47 ff. Im übrigen ist die Arbeit durchaus
wertvoll und fördernd. (Vgl. auch IV 2.) —
Auf dem Gebiet des geistlichen Liedes ist zunächst der grundlegenden
Arbeit des verdienstvollen Zahn''^) zu gedenken, die mit dem vorliegenden 6. Bande
ihren Abschluss gefunden hat. Das monumentale Werk ist hinsichtlich seiner
litterarisch-musikalischen Bedeutung etwa dem Erk-Böhmeschen Liederhort vergleich-
bar. Die rastlose Arbeit eines ganzen Menschenlebens liegt vor uns, ein erhebendes
Beispiel deutschen Gelehrtenfleisses und unermüdlicher Ausdauer. Ueber den Haupt-
vorzug eines solchen Nachschlagewerkes, die Zuverlässigkeit und Richtigkeit der
Angaben und Melodieversionen, kann nur der ein Urteil abgeben, der das Werk
dauernd benutzt und vergleicht. Ich bin längere Zeit in dieser Lage gewesen und
nur an verhältnismässig wenigen Stellen bin ich auf Irrtümer gestossen, wozu ich
selbstredend nicht rechne, dass die Angaben und Verzeichnisse der Quellen nicht
überall erschöpfend und vollständig sind. Die Königliche Bibliothek in Berlin käme
z. B. sonst in den Verdacht, an liturgischen und hymnologischen Schätzen viel
weniger zu besitzen, als es wirklich der Fall ist. Der Schlussband giebt ja auch
laut Titel nur das Verzeichnis der vom Vf. „benutzten" Gesangbücher.^* ^^j — An
diese wesentlich liturgischen Zwecken dienende Liedersammlung darf ich hier
von Liliencrons^'') liturgisch- musikalische Geschichte der evangelischen Gottes-
dienste anschliessen, ein für die Liturgie wie für die Musikgeschichte gleich bedeut-
sames, mit eingehendster Sachkenntnis abgefasstes Werk. Der Hinweis darauf, dass
Luther keine Form des liturgischen Gesanges in seiner Formula missae vom J. 1523
als allgemein verpflichtend aufstellte, sondern den „Kirchenregimentern nach Mass-
gabe der lokalen Gewohnheiten" freieren Spielraum gewährte, dass dementsprechend
von Anfang an zwei Formen, die eine lateinisch „für Stifter und Dome", die andere
deutsch für kleinere Stadt- und Dorfkirchen in Gebrauch war, erklärt die Wand-
lungen, die die Form des evangelischen Gottesdienstes im Laufe des 16. und 17. Jh.
durchmachte, und ihre Darstellung bildet den Hauptinhalt dieses sehr verdienstlichen
Werkes. —
Gleichzeitig mit der Entwicklung der Oper in Italien zu einer selbständigen
Kunstform entstand in London als „Erfindung routinierter Komödianten" die Operette,
bezugsweise das Singspiel, als ein Ünterhaltungsmittel für das schaulustige Publikum.
An bereits bekannte und beliebte, strophisch gegliederte Liedweisen sich anschliessend,
übte dieses dem Inhalt nach gar oft burlesk-frivole Singspiel bereits gegen Ende
des 17. Jh. eine grosse Zugkraft in Deutschland aus und fand eifrige Nachahmung.
Mit gewohnter Gründlichkeit hat Bolte^^) die Entwicklung dieser Singspiele dar-
gestellt und durch einen Anhang von 30 Melodien die musikalische Qualität der
Stücke treffend erläutert. — Einen interessanten Beitrag zur Geschichte der ältesten
deutschen Oper giebt Zelle ^9) durch eine kurze, mit Musikbeispielen reich versehene
Abhandlung über Joh. Phil. Förtsch (1652—1732), seines Zeichens Arzt, aber auch
Staatsmann, Sänger, Dichter und Komponist, zumeist in Hamburg, sodann in Gottorp
und Eutin. — Als ein sehr unmusikalisches Buch eines Vf. mit dem sehr musika
lischen Namen Joachim 6«) (Pseudonym?) muss ich die Schrift „Von Rossini bis
Mascagni" bezeichnen. Nur derjenige, dessen musikhistorische Kenntnisse auf so
schwachen Füssen stehen (vgl. das Urteil über J. Peris Daphne), kann derart in
kritiklosem Enthusiasmus für Mascagni und Genossen untergehen. —
Einzelne Musiker und Komponisten. Mit einem der ältesten und
zugleich auch anmutigsten Liederspiele, mit Adam de la Haies „Robin et Marion",
beschäftigt sich eine Leipziger Dissertation von Meienreis^*). Leider lehnt sich
die Schrift allzu stark an Coussemakers Ausgabe an, so dass von selbständiger Arbeit
u. Volksliedern d. Italiener, Franzosen, Spanier; Russen, Tschechen, Serben; Letten; Niederländer, Engländer, Walliser,
Schotten, Iren, Amerikaner, Schweden, Dänen, Norweger; Armenier usw. L., Klinkhardt. IV, 328 S. M. 5,00. — 52) (15: 301.)
IIWSKPh. 10, S. 844;6.]| — 53) J. Zahn, D. Melodien d. dtsch. evangel. Kirchenlieder nach den Quellen hearb. 6. (Schlus8-)Bd.
Gütersloh, Bertelsmann. 578 S. M. 15,00. (Bd. 1-6: M, 92,00.) — 54) X Ohoralbuch d. evangel. Bradergemeinde. önadan,
Unitäts-Bnchh. VII, 170 S. M. 1,60. — 55) X K. Wagner, Weihnachten. D. beliebtesten Weihnachtslieder (z. T. mit
Klavierbegl.) U. e. Festspiel. Für Schule n. Haus her. Bielefeld, Helmich. 24 S. M. 0,35. — 56) X R- Barth, Geistl.
Volkslieder für Sopr.in, Alt, Tenor u Bass ges. Gütersloh, Bertelsmann. 16 S. M 0,40. — 57) (II 2:46.) |[R. Eitner:
MhMusikgcscb. 25, S. 156 ]| — 58) (III 4:7.) |[Signale N. 53.J| — 59) F. Zelle, J. Ph. Förtsch, 3. Beitr. z.
Gesch. d. ältesten dtsch. Oper. Progr. d. 4. Stadt. Realschule. Berlin (R Gärtner). 4". 24 S. — 60) G. Joachim,
V. Rossini bis Mascagni. E. Bild d. italien. Oper im 19. Jh. (= An d. Tagesordnung, Beitrr. z Klärung d. öffentl. Meinung.
Heft 4.) B, Lesser. 32 S. M. 0,50. — 61) Th. Meienreis, Adam de la Haies Spiel „Rohin et Marion*- u. d. letzteren
H. Reimann, Musikg-eschichte. I 13 -. 62-79
nicht viel mehr als die üebertrag'ung' ins Deutsche übrig" bleibt. — Eine um so gründ-
lichere und ausführlichere Studie über Johann Hothby (g"est. 1487j, den Vf. der
„Calliopea leghale", verdanken wir dem unermüdlichem Forscher auf dem Gebiet
mittelalterlicher Musikgeschichte Kornmüller ^^j jjas dunkle Gebiet der mittel-
alterlichen Mensuralmusik hat durch diese Arbeit wiederum eine neue Klärung-
erfahren. —
Nicht minder verdienstvoll sind die Beiträge zur Lebensg-eschichte Orlando
di Lassos und seiner Nachkommen von Haberl^^J. Leider Hnden wir über das
zweifelhafte Geburtsjahr dieses Meisters auch hier keine definitive Aufklärung-. —
Aus der Schrift „Prattica dimusica" (1592 — 1622) des Lodovico Zacconi
teilt Ch rysan d er^^) einzelne Kapitel in wohlgelungener deutscher üebersetzung-
mit erläuternden Bemerkung-en mit. Der umfassende, klare und vorwärts strebende
Geist dieses Augustinermönches tritt darin auf das lebhafteste vor unser Auge. Mir
ist nur unklar geblieben, weshalb Ch. bei dieser g-anz allg-emein die gesamte Musik-
theorie und musikalische Auffassung- jener Zeit behandelnden Darstiellung- Zacconi
als „Lehrer des Kunstg-esang-es" bezeichnet. Mich dünkt, seine Bedeutung- sei eine viel
universellere. — Eine sehr verdienstliche, sowohl die Eigentümlichkeiten der Madri-
g-alisten als die Hans Leo Hasslers in äusserst fesselnder und gründlicher Weise
darstellende Abhandlung- verdanken wir Seh war tz^^). —
Aus der Hamburg-er Ratsbibliothek wird ein kontrapunktisch recht interessantes
„Melos g-enethliacum" (Weihnachtsgesang-) des Heinrich Barjphonus von
Spitta^^) mitgeteilt. — Unter dem Titel „Cava 11 i als dramatischer Komponist"
giebt Goldschmidt^") einige Stücke aus seinen Opern, lediglich als Ergänzung-
zu Kretzschmars Abhandlung über die Venezianische Oper (vgl. JBL. 1892 I 9:27).
Der Musikdruck ist stellenweise inkorrekt, und die Arbeit selbst ohne weitere Be-
deutung.— Auf eine Choralsammlung des Jak. Praetorius in einer Kopenhagener
Pergamenths. macht Bolte^*^), auf einen der Berliner Königlichen Bibliothek ge-
hörigen seltenen Druck eines Werkes („Sacra Partitura") von Ph. Fr. Böddecker
(1651) Eitner^öj aufmerksam. —
Recht dürftig und lediglich auf Stollbrocks Forschungen fussend, ist die
biographisch-bibliographische Studie über Georg und Gottlieb Muffat, die von
W' er ra"*^) veröffentlichte. — Eingehend und gründlich wird dagegen über einen recht
unbekannten Meister, den Orgelspieler und „Musikgelehrten" Joh. Val. Eckelt
(1673—1732), von Jacobs'i) gehandelt.—
Die allumfassende Bedeutung, die Joh. Seb. Bach als Passionskomponist
hat, mag es rechtfertigen, dass ich unter seinem Namen hier vereinige, was über
Passionsmusiken überhaupt — allerdings zumeist mit Bach als Augen- und
Zielpunkt — geschrieben worden ist. Zunächst K ad es '2) Buch. Der Vf. giebt
eine bibliographische Darstellung einer grossen Anzahl Vor-Bachscher Passions-
musiken von Jak. Obrecht bis auf Schütz und als Beilagen noch die Partituren der
Matthaeus-Passion von J. Obrecht, von J. Walther und A. Scandellus. Die Arbeit
ist verdienstlich, sicher aber nicht erschöpfend. — Ein Vortrag Spittas'^j über die
Passionsmusiken von Seb. Bach und Heinr. Schütz will nachweisen, dass die Bachsche
Passion lediglich vom Standpunkt der evangelischen Liturgie, in die sie unmittelbar
hineingehöre, verstanden und recht beurteilt werden könne. — Gegen diese Auffassung
machte Reimann '^j begründete Bedenken geltend, — Weit schärfer, ja wie ich
glaube, schärfer als in diesem Falle nötig ist, zog Ziehn''^) in einem Aufsatze über
die Lukas-Passion gegen Spitta zu Felde. An die Echtheit dieser Passion glaubt
wohl heutzutage ausser A. Dörffel niemand mehr. — Die Frage, ob der grosse
Thomaskantor ein- oder zweimal in Kassel gewesen sei, erörtert Scherer'^), ohne
in dieser Staatsangelegenheit zu einer definitiven Entscheidung zu gelangen."^)
— Ueber den Schüler und späteren Nachfolger J. S. Bachs im Thomaskantorat,
Joh. F. Doles, teilt Eitn er "^) eine den Eckschen Leipziger gelehrten Tagebüchern
k
Stellung u. d. Entwickl. d. dratnat. u niusikal. Kunst. Diss. Leipzig. !06 S. — 62) U. Kornmfiller, J. Hothby :
KirchenmusJb. 8, S. 1-23. — 63) F. Haberl, Arehival. Excerpte über Orlando di Lasbo u. stine Nachkommen: ib. S. 61-73.
— 64) F. Chrysander, L. Zacconi als Lehrer d. Kunstgesanges. 2. T.: VjsMnsikwissensch. 9, S. 249-310. (Forts, zu ib. 7,
S. 337-96.) — 65) Kud. Schwartz, H. L. Ilassler unter d. Einflnss d. italien. Mudrigalisten : ib. S. 1-61. — 66) Ph. Spitta,
E. Weihnachttgesang d. H. Barj phonus : ib. S. 381-92. — 67) Hugo Goldschni idt, Cavalli als dramat. Komponist:
MhMusikgesch. 25, 8. 45. — 68) J. Holte, E. Choralsamml. d. J. Prätorius: ib S 37 8. - 69) R. Eitner, Ph. F. Böddecker :
ib. S. 116,8 — 70) E. T. Werra, Georg u. Gottl. Muffat. Bio-bibliogr. Studie: KirchenmusJb. 8, 8.42-52. - 71) Ed. Jacobs,
D. Orgelspieler n. Musikgelehrte Joh. Val. Eckelt 1673-1732: VjsMusikwissensch. 9, S. 311-32. — 72) 0. Kade, D. ältere
Passionskoniposition bis z. J. 1631. Gütersloh, Bertelsmann. IV, 346 S. M. 9,00. ||LHw. S. 662/3.]| — 73) Ph. Spitta,
D. Passionsnnisiken v. J. S. Bach u. H. Schutz. (=: SGWV. N. 176.) Hamburg, Yerlagsanst 40 S. M. 0,80.— 74) H. Reimann, Passion
u. Liturgie: BLU. S. 8014.- 75)B. Ziehn, 2. Beitr. z. Lnkaspassions-Forschung: AMusZg. 8.197/8,213 4,237,8,251/2. — 76) C
Scherer, J.S.Bachs Aufenthalt in Cassel: MhMusikgesch. 25, S. 129-33 — 77)X H. Riemann, Analysis of J. S. Bachs „Wohl-
temperiertes Klavier". Transl. by J.S. Shedlock. 2 Parts. London. Augener. XIX, 168 S.; 210 S. ä Sh. 2. l[WestmR.140,S.700/l.]| —
78) R. Eitner, J. F. Doles: MhMusikgesch. 25, S. 125,9. — 79) M. Seiffert, F. W. ßnst: AMusZg. S. 371/4, 383,6. —
30*
I 13 : 80-90 H. Reimann, Musikgeschichte.
von 1797 (S. 5 ff.) entnommene biographische Skizze mit. — Auf Grund der Schrift
von W. Hosäus über den Dessauer Tonkünstler Fr. W. Rust (1739—96) schrieb
Seifferfö) einen gutgemeinten Aufsatz. —
Für sogenannte „Rem iniscenzen- Jäger" und zur Kenntnis Haydns ist
Reimanns^ö^ Abhandhing „Zum Kapitel von den Entlehnungen" bestimmt. An-
knüpfend an eine abfällige Kritik des verdienstvollen Sammlers kroatischer Volks-
lieder F. S. Kuhac in einer österreichischen Zeitschrift, zeigt er an der Hand des
in den 4 Bänden „Juzno slovjenske narodne popievke" von dem letzteren auf-
gespeicherten Materials, dass Haydn in mehreren seiner Symphonien (Es-dur,
D-dur u. a.) notorisch kroatische Volksmelodien benutzt hat. Kuhac glaubt, dass
auch Beethoven die Hauptmotive seiner Pastoralsymphonie kroatischen Volksliedern
entlehnt habe. Diesen Beweis sieht indessen der Vf. als noch nicht vollständig ge-
lungen an.^i) — Das allbekannte und allgemein Haydn zugeschriebene Ständchen
„Liebes Mädchen hör' mir zu" weist Reimann^^-j ^[g q[j^q Fälschung nach. Das
Stück ist ursprünglich ein „Terzett"; als Autor ist in einem Drucke Anfang der
90er Jahre des vorigen Jh., wie in mehreren anderen späteren Drucken Mozart
genannt. —
Damit gelangen wir von selbst in den Kreis der M ozart-Litteratur, die in
diesem Jahre — es ist kein „Jubeljahr" — auffällig schwach vertreten ist. Aber sie
bringt eine wertvolle Publikation: Engls^^) „Studien" und in diesen wiederum
unter N. 3 (S. 11) eine gründliche Zurückweisung der bereits früher an dieser Stelle
(vgl. JBL. 1892 I 9 : 68) von mir bestrittenen Hypothese M. Friedlaenders. das be-
kannte Mozartsche „Wiegenliedchen" sei unecht. Wenn aber der Vf. am Schlüsse
Friedlaenders Entdeckung darauf beschränkt, „dass das Gedicht nicht von Claudius,
sondern von F. W. Gotter ist", so ist auch damit noch zu viel gesagt. Bereits in
der Mozart-Ausgabe ist Gotter, allerdings mit Fragezeichen, als Dichter angegeben,
und mir selbst war Gotters „Esther" als Fundort des Textes lange vor der Fried-
laenderschen Publikation bekannt. — Interessante Mitteilungen über die Prager Don
Juan-Partitur vom J. 1787 (nicht das Autograph, sondern eine für den Theatergebrauch
bestimmte Kopie) macht Bisch off ^4). Das Exemplar ist im Besitz der Frau Anna
Willhain in Graz. Es handelt sich danach um eine unter den Augen Mozarts an-
gefertigte Originalkopie, in welche die nachkomponierten Stücke eingefügt sind.
Das Original besitzt bekanntlich Frau Viardot in Paris, nach deren Tode es in den
Besitz der Nationalbibliothek übergehen soll. — Ein Aufsatz von Senffts^^) über
Mozarts Bild nach 100 J. ist im Geiste der „Grenzboten" gehalten, die bekanntlich das
„Ende der Wagnerei" im gleichen Jahre mutig prophezeit haben. Mozarts Musik zeige
Leidenschaft, meint der Vf., aber der Meister habe sie niemals so nahe auf sich eindringen
lassen, dass sie „seinen Blick vollständig ausfüllte". Die der Musik erreichbaren Grund-
linien habe er gewahrt. W^er so spricht, leugnet jede künstlerische Entwicklung. Mozart
war auf dem Gebiete der Oper genau ein ebenso grosser „Rebell" wie Wagner. Sein
„Figaro" spottet in den beiden Finalen, wie in einzelnen Solo- und Ensemblesätzen
jeder Regel der bis dahin zünftigen Musik. Leider giebt der Vf. diese Thatsache
selber zu und ahnt nicht, dass er sich selbst damit das Urteil gesprochen hat.
Mozarts Musik sei ein „Lächeln unter Thränen" — das klingt so sentimental wie
eine Spohrsche A-dur-Kantilene, mit verminderten Septimenakkorden garniert; aber
das ist kein Mozart, dessen G-moll-Symphonie die Brust zerwühlt, dessen Don-Juan-
Finale die Welt erbeben macht, dessen C-dur-Symphonie der Triumphgesang des
Helden ist ! — Zu einer Karlsruher Aufführung des Mozartschen Requiems dichtete
Bernays^^) einen Prolog, so tief empfunden und von echtester Mozart-Begeisterung
getragen, dass er mich auf das tiefste ergriffen hat. „Aus ewger Wahrheit" erblüht
einzig auch „ewge Schönheit" — in diesen wenigen Schlussworten des Prologes liegt
mehr Weisheit, als in dicken Kompendien über Mozart und weitschweifigen
Philosophemen über das „Schöne in der Musik"! —
Der Prolog zur Beethoven -Feier unter dem Titel „Beethovens Haus",
den E. von Wildenbruch^') dichtete, atmet bei weitem nicht die klare und
reine poetisch-musikalische Anschauung wie der ebengenannte Mozart-Prolog. ^^'"^'') —
Unter dem geschmacklosen Titel „Beethovens Beichtvater" behandelt Kali seh er ^"3
in bekannter Weise Beziehungen des Meisters zur Gräfin Erdödy, ohne über
80) H. Reimann, Z. Kapiiel v. d. „Entlehnungen": ib. S. 506/7, 524;5, 538-40. - 81) X K. Neumann-Strela, J. Haydn.
(= m 1:3, S. 329-30.) - 82) H. Reimann, E. „WaBsische" Liedfälschung: AMusZg. S. 467/9. - 83) J. E. Engl, Studien
ober W. A. Mozart. Salzburg (H. Kerber). 23 S. M. 0,50. [[AMnsZg. S. 673.]| (Sonderabdr. ans d. 12. .TB. d. Mozarteums.)
— 84) F. Bischoff, D. Prager „Don Jnan"-Partitur v. 1787: NZMusik. S.49. — 85) A. v. Senfft, Mozarts Bild nach 100 J.:
Grenzb. 1, S. 289-97, 330,9. — 86) M. Bernays, Prol. zu Mozarts Requiem. L., Breitkopf & Härtel. 1892. 16». 10 S.
M. 0,10. - 87) E. V. Wildenbrucb, Beethovens Haus. Prol. z. Beethoven-Feier in Bonn: AZgJ'. N. 108. — 88) X L. Nohl,
Life of Beethoven. Transl. by J. I. Salor. 2. ed. London, Reewes. Sh. 3/6. — 89) X H. Riemann, Beethoven als Klavierp&d.:
MnsWBl.S. 541/2, 553/4,569-70,581,2. — 90) A. C. Kali seh er, Beethovens Beichtvater : KZMnsik. S. 365/7,373/4,381/2,389-90,397/8,
H. Reimann, Musikgeschichte. I 13 : oi-ioe
die Hauptsache, den Grund ihrer Verbannung, zu einem Resultate zu ge-
langen. Was er vorbringt, beruht im wesentlichen auf Notizen Schindlers, also
auf unzuverlässigen Quellen. — Ein anderer, etwas besserer Aufsatz Kalischers-'*)
— nicht ganz so pikant — betrifft die Besuche zweier berühmter Sängerinnen,
Gertrud Schmehling ^^^ (La Mara) und Henriette Sontag, bei Beethoven. Die
der Kgl. Bibliothek gehörenden Konversationshefte Beethovens gaben hierzu das
Material. — Mit grosser Umständlichkeit und unter ausgedehntester Verwertung des
Inhaltes der Beethovenschen Skizzenbücher unternimmt Levinsohn^^) gegen Notte-
bohm und Thayer den Beweis, dass die erste, sogenannte kleine Leonoren-Ouverture
(in C-dur) nicht erst nach der grossen dritten komponiert sei, sondern die Reihenfolge
der Numerierung dieser drei Ouvertüren auch der chronologischen Kompositions-
folge entspreche. Nottebohais Ansicht fusste auf der in den Skizzenbüchern vor-
gefundenen Reihenfolge, wogegen L. geltend macht, dass die Unordnung in den
Skizzenbüchern zu sicheren, chronologischen Schlüssen keinen Anhalt geben könne.
— Als Kuriosum sei eine — ernst gemeinte — Mitteilung eines Herrn L. Austerlitz
erwähnt, die Kopf er mann***) bekannt giebt: Cherubinis Wasserträger sei von
Beethoven komponiert! —
Ueber Fälschungen in Schuberts Liedern spricht M. Friedlaender^^),
ohne jedoch zu bedenken, dass man doch wohl vorher die prinzipielle Frage er-
ledigen müsse, ob nicht gewisse von dem Schubertsänger Vogl herrührende
Aenderungen dem Sinne des sehr schnell und flüchtig arbeitenden Meisters entsprachen
und mit seiner Einwilligung in spätere Drucke aufgenommen wurden. Jedenfalls
halte ich es mit der S. 170 mitgeteilten Meinung dreier ,,der angesehensten und be-
kanntesten deutschen Musiker", welche die alten Voglschen Lesarten den wieder-
hergestellten (F.schen) vorzogen. — Eine berichtigende Notiz Friedlaenders in diesem
Aufsatz (S. 182), die als Komponisten des gemeiniglich Schubert zugeschriebenen
Liedes „Nach Osten geht, nach Osten der Erde stiller Flug" A. H. von Weyrauch
nennt, benutzt ein Anonymus ^^) zu einem Aufsatz, ohne seine Quelle zu nennen.
ImUebrigen hatNottebohms Schubertkatalog das Lied nicht, und Challiers Liederkatalog
rechnet es richtig Weyrauch zu. Daher stammt vermutlich auch Friedlaenders Notiz. —
Mosch eles Verkehr mit Beethoven betrifft ein Aufsatz von Kalischer^'),
der auch hier wieder die Konversationshefte Beethovens als Quelle benutzt. —
Briefe von R ob. Schumann veröffentlichten C. F. Müller ^** j und
S c h 1 e 1 1 e r e r ^'•') ; die letzteren, an L. Spohr gerichtet, sind die weitaus bedeutenderen. —
Recht bemerkenswerte Aufsätze von K.F.Zelter veröffentlichte M. Fried-
laender 10*^). Sie enthalten Berichte an Friedrich Wilhelm IIL, beziehungsweise an
den Kurator der Akademie der Künste, Freiherrn von Hardenberg, Vorschläge zur
Hebung der Musik, betreffen persönliche Verhältnisse Zelters, handeln über Fasch
und die Singakademie und bringen schliesslich Entwürfe zur Reform der Singakademie
und zur Hebung des Kirchengesanges. —
Mendelssohns Antigene -Musik in ihrem Verhältnis zur griechischen
Tragödie behandelt eine umfangreiche Leipziger Dissertation von Little'*^*). Da eine
absolute Wiederherstellung des alten griechischen Dramas unmöglich, auch Wagners
Musikdrama zu sehr verschieden von jenem ist, so ist Mendelssohns Methode, etwas
dem antiken Drama Nahekommendes zu bieten, der beste Ausweg. Der alte Effekt
ist von Mendelssohn mit modernen Mitteln erreicht: das Wort herrscht vor, die
musikalischen Rhythmen sind dem antiken Vorbild entsprechend gewählt, und so er-
neuert sich hier der antike Geist, soweit das möglich ist. Ja, wer solchen Berge ver-
setzenden Glauben an Mendelssohn hat, dem mag das alles so scheinen! Ich fürchte nur,
dass gar viele von dem antiken Drama zu hoch und ideal denken, um sich für
das Mendelssohnsche blassgefärbte Surrogat so recht warm interessieren zu
können. 102- 104) _
Einen kurzen, gutgeschriebenen Lebensabriss von Bernhard Klein mit
Mitteilungen aus dem Kleinschen Nachlass, den die Kgl. Bibliothek besitzt, giebt
Krebs 105). Seltsam berührt nur, dass die bekannteste und beliebteste Komposition
Kleins dem Vf. unbekannt zu sein scheint, der Psalm „Der Herr ist mein Hirf'.ioö) —
405/6.— 91) id., AnsBeethovensFrauenkreise: WUDM. 74, S. 822-44. — 92) X C. Scherer, Gertrud Elisabeth Schmeling u. ihre Be-
ziehungen zu B. E. Raspe u. C. Matthaei: VjsMnsikwissensch. 9, S. 99-127. — 93) A. Levinsohn, D. Entstehungszeit d.
Ouvertüre zu Leonore N. 1 (Op. 138): ib. S. 128-65. — 94) A. Kopferraann, Beethovens „Wasserträger": AMusZg. S. 110/1.
— 95)Max Friedlaender, Fälschungen in Schuberts Liedern: VjsMusikwissensch. 9, S. 166-85.— 96) D. Dichterkomponist
e. gemeinhin Schubert zugeschriebenen Liedes: MontagsK. N. 51. — 97 1 A. Ch. Kali scher, L Moscheies Verkehr mit Beethoven:
VossZgB. N. 15 6. — 98) C. F r. M ü 1 1 e r , Schumann-Briefe : MnsWBl. S. 205,6, 221;2, 233,4, 249-50, 2612. — 99)G.M. Schletterer,
Schumannbriefe an Spohr : NZMusik. S. 74/5, 85 6. — 100)MaxFriedlaencier, Einige Aufsätze v. K. F. Zelter : VossZg«. N. 26/8. —
101) A. M. Little, Mendelssohns music to the Antigene of Sophocles. Washington, Gidson Brothers. 91 S. — 102) X Bertha
Schroeder, 0. Nicolais Tagebücher (vgl. JBL. 1892 1 9:90). [[AMusZg. S. 350; H. Reimann: BLU. S. 135.]I — 103) X ?•
V. Flotow u. 0. Nicolai (Tagebuch u. Leben): Grenzb. 2, S. 363-71. (Vgl. JBL. 1892 I 9 : 94 u. s. o. N. 102.) — 104) X C.
Krebs, 0. Nicolai in Italien: VossZgB. n. 356. _ 105) id., Bernh. Klein: ib. N. 10/1. — 106) X 0. Löning, H. Berlioz.
E. Pionier d. Tonkunst. (= 81. Njbl. d. allg. Musikges. in Zürich.) Zürich, Faesi & Beer. 26 S. Mit Bild. M. 3,20. -^
I 13 : 107-123 H. Reimann, Musikgeschichte.
"Wie alljährh'ch, ist auch diesmal die Wag-ner-Litteratur am reichsten ver-
treten. Die Mitteilung von dreizehn Briefen Wagners, die an A. Apt, den Direktor
des Prager Cäcilien -Vereins und begeisterten Vorkämpfer für die neue Kunst,
gerichtet sind, verdanken wir Batka'O'?). Die Briefe stammen aus den J. 1^53— 61. '"^"'"j
— Das grösste Aufsehen hat in Wagnerkreisen Chamberlains "^j vernichtende
Kritik des Praegerschen Buches „Wagner wie ich ihn kannte" fvgl. JBL. 1892 I 9 : 95/6)
gemacht. Und in der That, die Beweise, die Ch. anführt, dass die in* dem Werke
mitgeteilten Wagnerschen Briefe keine Originalbriefe seien, sind zwingend. Nur
möchte ich betonen, dass wie das Beispiel des (Deutsche Ausgabe S. 273) mitgeteilten
Briefes an Fischer (vgl. Wagners Briefe an Uhlig usw. S. 330/1) ergiebt. Praeger
offenbar die ihm zur Verfügung stehenden Briefe ins Englische hat übersetzen lassen.
Die deutschen Originale scheinen aus seinen Händen gekommen zu sein, und er
beging die Thorheit, sie zurück zu übersetzen. Der Inhalt kann demnach sehr wohl
echt sein, der Text ist es sicher nicht. Aber auch für diese Manipulation ist die
Bezeichnung „Fälschung" nicht zu stark. Ebenso unhaltbar ist Praegers Darstellung
der Beteiligung Wagners am Dresdener Maiaufstand. Die komische Verwechslung
des Dresdener Kapellmeisters mit einem Konditor Woldemar Wagner gab Anlass zu
der auch von Praeger verbreiteten Mär, Wagner sei zum Tode verurteilt worden.
Ch. benutzt hier gegen Praeger das von Dinger aktenmässig festgestellte Material.
Das Treiben Praegers wird kein Mensch billigen; immerhin hat ihn Wagner ,,eine
gute Seele" genannt, und ich vermag dieser Bezeichnung nicht den hässlich-ironischen
Beigeschmack zu geben, wie der Vf. Dass er redlich und nach Kräften für Wagners
Sache gekämpft hat, steht über allem Zweifel, nicht minder, dass er durch die eingehende
Darstellung des Londoner Aufenthalts einen Baustein zur Wagnerbiographie bei-
getragen hat. Im übrigen ist er offenbar durch den Druck unbekannter Verhältnisse
auf unrechte Wege gelangt und hat Briefe und damit Geschichte gefälscht. —
Beiträge zur Lebensgeschichte der Mutter und des Stiefvaters Wagners
giebt Heintzi'3) in seiner gewohnten pietätvollen Art, während Lessmann "*) das
ideale Verhältnis Ludwigs IL von Bayern zu dem Meister auf Grund neuerdings
bekannt gewordener Briefe darstellen will. ^'^"*''') —
Von den allgemein gehaltenen theoretischen Schriften über seine Werke
sei in erster Reihe das französische Werk von Ernst ^^O') genannt, dessen erster
Teil Wagners dichterische Thätigkeit behandelt. Klarheit des Urteils und durch-
dringendes Verständnis bilden die Hauptvorzüge dieses bedeutsamen Buches. Der
zu erwartende zweite Band soll „L'oeuvre musical" behandeln. — Hier sei übrigens
noch nachgetragen Saint- Anbaus ^2t~) ^^Pelerinage ä Bayreuth" mit dem bezeichnen-
den Anfange: „Si j'aime Wagner aujourd'hui, ce n'est vraiment pas ma faute; j'ai
fait tout mon possible pour ne pas Faimer". Und der Gesamteindruck von Bayreuth?
„Vous entrerez en souriant, vous ferez comme mon sceptique: en sortant, vous serez
serieux. Car il est bien possible que cela ne vous plaise pas; mais cela vous semblera
grand". Mit diesem Urteil eines französischen Feuilletonisten wird jeder zufrieden
sein können. — In einer Abhandlung über Wagner und die Politik sucht Chamber-
laini22) (Jen Satz zu beweisen: „Die eigentliche Zeitpolitik blieb von Wagner gänz-
lich unberührt" (?); nur an jenem einen Abend, wo er im Dresdener Vaterlands ver-
ein den König „den ersten und allerechtesten Republikaner" nannte, „griff er in den
Gang der Politik ein". Sein Problem „von der Wiedergeburt der menschlichen Gesell-
schaft" habe Wagner nicht als eine politische, sondern social-religiöse (?) Frage an-
gesehen. — Wenig bedeutet Harzen-Müllers'^Sj Auseinandersetzung über Wagners
Beziehungen zu den bildenden Künsten. Ganz äusserlich werden Urteile Wagners
über Malerei usw. aneinandergereiht und schliesslich wird über Wagner und seine
Kunstgestalten in den Darstellungen verschiedener Maler und Bildhauer gehandelt. —
Eine recht gute Ergänzungen enthaltende Kritik des im Berichtsjahre noch wieder-
107) R. BatVa E. WsiRners Briefe an A. ApI : AMusZg. N. 28-?3. — lC8l X ^- Wagner, Briefe, a) An d. Mitglieder d.
Müncliencr Hofkapelle nach d. 1. Tristan- Aufführung; h) an H. Lovi vor d 1. Anffübrnng d. Walltüre in Münclien: MusWBl.
S. 531/2. - 109) X id, Briefe an d. Fürsten Metternidi über d rariser Tiuiniiänser-Aufführnngen am 13.. 18., 24. März 1861:
ib. N 42. — HO) X iä- Art-worlfs of tiie future. Transl. l.y W. A. Ellis. Lnndnn, Kejr.in Paul. Sh 12 6 - Hl) X iä-,
l!fcilii>ven, wi<h a Snpplemert from S(hopen>^auer 2. ed. London, Beowes. Sh. 6. — 112) X "■ ^t- Cham berlain:
BayreulliBIl. 16, S. 201 40; 0. Bie: AMusZg. S. 420/2; H. Kretzschmar: VjsMusikwissensch. 9, S. 447. - 113) A. Heintz,
R. Wagners Miilter u. sein Stiefvater Ludw. Geyer: AMusZg. S. 73.5. — 114) 0. Lessniann, König Ludwig II. v. B.ayern
u. R. Wagner: ib. S. 1402 - 115) X K^m. I'azy, Lnuis II. et R. WMgncr Paris. Pervin et Cie. 16». 222 S. |[WestmR. 140,
S. 222 ]l - 116) X W. Asbton Ellis, K. Wagners pros. S-ihviften. E. Vorw. (■/.. 2. Bde. d. engl. Uebersetzung d. Werke
Wagners): ÜayrenthBll. 16, S. 159 67. - 117' X H. T. Kinck, Wa?ner and bis works Critical cnrament. 2 vol. London,
Orc.vol, Sh. 21. — US) X H. E. Krehbiel, Studies in the Wagnorian drauia. New ed London, Osgood. Sh. 2/6. —
119) X ö Nnufflard, R, Wagner d'aprfes lui meme. P. II: L'elabora'ii'n du grai d teure d'art. Paris, Fischbacher. 16».
324 S. Fr. 3.5". |[0. Bie: AMusZg. S 376.]1 - 120) A. Ernst, 1/art de R. Wagner. P. I: L'cenvre po6tiqne. Paris, Plön,
Nourrit et Cie. IV, 550 S. Fr. 3 50. | 0. Bie: AMusZg. S. 3W"; H v. Wolzogen: BayreutbBU. 16, N. 7 (Uraschlag).]| —121) E.
de Saint-Auban, Un pelerinage ä Bayreuth. 2. ed. Paris, Savine. 189.'. 3.S8 S. — 122) H. St. Cham bar lain, R.
Wagner u. d. Politik: BayreuIhBlL 16, S. 137-58.— 123) V. A. N. H arzen-M üller, K.Wagners Beziehungen zu d. bildenden
H. R ei mann, Musikg-eschichte. I 13 : t24-ui
holt besprochenen Chamberlainschen Aufsatzes über das Drama Wag-ners (vgl.
JBL. 1892 I 9:99) giebt Louis.i^*) _ Wag-ner als den durch die Entwicklung der
Romantik bedingten Künstler feierte Kohl er ^^s^ bei Gelegenheit der zehnten Wieder-
kehr des Todestages. Der gebildete Musiker wird Sätze wie S. 9: „Chopin siecht
bald ermattet dahin", S. 10: „Melodiemusik ist niederen Ranges; Motivenmusik ist
allein fähig" oder S. 5 „Romantik steht höher als Klassizität" als recht unmusikalische
Aeusserungen eines sehr geistreichen Mannes mit Protest zurückweisen. — Wie anders
wirkt der Vortrag des Franzosen Ehrhard^^S) über die Bühnenfestspiele von 1892!
Die Franzosen geben sich vorurteilslos dem Wagnerschen Kunstwerk hin; sie suchen
nicht, darum finden sie ! Die Deutschen suchen und verlangen jeder sein eigenes
Ich mit allen Fehlern und Vorzügen in Wagner zu finden. Und je nachdem ihnen
ihre Absicht glückt oder missglückt, loben oder tadeln sie. —
Mit der Geschichte und Analyse einzelner Werke Wagners
beschäftigt sich eine Reihe von Schriften. Zunächst Neitzels'^?) Führer durch
sämtliche Wagnersche Bühnenwerke von Rienzi ab. Wir würden unbedenklich
diesem Werke den Preis unter allen Büchern ähnlicher Tendenz zuerteilen, wenn der
Vf. nicht von dem seltsamen Wahn befangen wäre, Wagner habe die Kunst des
Instrumentierens nicht recht verstanden und der Bühnenwirksamkeit seiner Dramen
müsse durch herzhafte Striche aufgeholfen werden. Eine solche Verquickung
gesunder und verkehrter, um nicht zu sagen krankhafter Anschauung ist mir kaum
je vorgekommen. — In musikalischer Hinsicht mangelhaft, aber litterarisch recht
brauchbar und vortrefflich geschrieben ist Chops^^s-) „Vademecum". — Zum
50jährigen Bühnenjubiläum des „Fliegenden Holländers" wies Heintz^^oj g^^f ^[q
ersten Anregungen hin, die Wagner zu diesem Werk erhielt: auf Heines „Memoiren
des Herrn von Schnabelewobsky" und die Berichte über Wagners Seefahrt in den
nordischen Scheren. Die Holländersage war „das erste Volksgedicht", das ihm „ins
Herz drang". — Von Naubert'^") erfahren wir auf Grund einer Stammbuch-
eintragung Wagners, die sich im Besitze der Frau Lydia Stechl in Plagwitz befindet,
dass Wagner die Absicht gehabt haben soll, den in Herzog Gottfried, den Bruder
Elsas, zurückverwandelten Lohengrin-Schwan ein ähnliches „Schwanenlied" wie seinen
Helden singen zulassen: „Leb' wohl, du wilde Wasserflut, die mich soweit getragen
hat, — Leb' wohl du Welle blank und rein, durch die mein weiss Gefieder glitt!"
— Ein ganz vorzüglich gearbeitetes französisches Textbuch zum „Ijohengrin" hat
Siraond'31) verfasst. — Anknüpfend an die Darstellung der Ortrud durch die
Sängerin Charlotte Huhn versucht Schubring^^-) glaubhaft zu machen, Ortrud sei
ein „politisches Weib" ! Wenn die frühere Kölner Sängerin die Ortrud so und nicht
vielmehr in erster Linie als dämonische Zauberin aufgefasst hat, dann hat sie — und
mit ihr auch Seh. — Unrecht. — Mit ermüdender Breite und Weitschweifigkeit
behandelt SeidP^^) den Stoff der Meistersinger in seiner Parallelbeziehung zu dem
Kunstschaffen Wagners. Worte. Worte! aber kaum ein neuer brauchbarer Gedanke !
— Der arme König Marke im Tristan kann ebensowenig wie Hans Sachs, der Meister-
singer, zu Ruhe kommen. Als Wlrthscher Greis, ^als Goltherscher Asket ist er
bereits vor unseren Blick getreten. Schlösser i^*) macht ihn zum braven Bieder-
mann. Ob wohl einer der Streitenden Recht hat? Warum verfällt denn keiner auf
das Natürliche, Nächstliegende?^35^ — Einen treuen und zuverlässigen Wegweiser
durch den Ring des Nibelungen verfasste in seiner bekannten, schlichten aber Vertrauen er-
weckenden WeiseHeintz'36). — Die„Walküre"erläutertnachSagenstoff und motivischem
Gehalt vortrefflich Kufferath^ä""'^^). — Der Beitrag von Poschingers '3**) zur
Geschichte des Bayreuther Theaters bietet in den Verhandlungen des Bürgermeisters
von Baden-Baden mit Wagner das Interessanteste. Wagner lehnte Baden-Baden ab,
weil er sein Festspielhaus nicht ausserhalb Bayerns erbauen wollte '4"). — Ein anonymer
Aufsatz^^i) richtet sich gegen das Attentat H. Ehrlichs auf Liszts zweite ungarische
Rhapsodie (s. o. N. 35) und zugleich gegen A. Moszkowskis apologetischen Artikel
Künsten: MusWBl. N. 22-30. - 124) X K. Louis: BayrentliBIl. 16, S. 349-56; H. Reimann: BLU. S. 236; F. Bosse: NZMusilr.
S. 86-97. — 125) J. Kohl er, Z. CharaVteristlk R. Wapfners Mannheim, Bensheiraer. 16 S. M. 0,80. — 126) A. Ehrhard,
R. Wagner d'apres des oeuvres Jones ä. Bayreuth en 1892. Clermont-Ferrand, G. Mont-Louis. 55 S. — 127) 0. Neitzel,
Führer durch d. Oper d. Theaters d. Ge?enw.. Text, Musilc u Scene erläuternd. Bd I. Dtsch. Opern. Abt. 3. L., Liebesicind.
III, 332 S. M. 4,00. IfSignale N 42.J! -- 128) Max Chop [M. Charles], Führer durch R. Wagners Tondraraen (mit über
400 Notenbeisp.). L., Rossberg. 494 S. M. 8,00. |fK. Söhlo: Kw. 6, S. 326 I| — 129) A. Heintz, Z. .50. Jahrestage d.
1. Aufführung des „Fliegenden Holländers" v. R. Wagner: AMusZg. S. 2;3, 179. — 130) A. Nauhert, E. bisher nngedrucktes
Stücltchen „Lohengrin": ib. S. 72/3. — 131) Ch. Siraond, Wagner, Lohengrin, Paris, Gautier. 130 S. Fr. 0,10. (Textbuch.)
-132)P. Schubr in g, Ortrud. Epsychol. Versuch :MusWBl.S. 109-10. 125,6, 141/2,173/4. -133) A. Sei dI,D. Kunstlehre d.Meister-
singer. E. Yortr.: Bayreuth Bll. 16, S. 362-92. - 134) R. Schlösser, König Marke: ib. S. 23/9. — 135) X G- Kobbe, How to
understand Wagners „King of the Nibelung". London, Reewes. 16». Sh 3 6. — 136) A. Heintz, Wegweiser durch d. Motiren-
welt d. Musik zu R. Wagners „Nibelungenring" : AMusZg. N. 11-35. — 137) X M. Kufferath. La Walkyrie. Paris, Fischbacher.
150 S. Fr. 2,50. |[0. Bie: AMusZg. S 376.]| — 138) X E de Morsier, Parsifal de R. Wagner ou l'idee de la rederaption.
ib. 16». 91 S. ifNedSpect. S. 246.]| — 139) H. v. Poschinger, Z. Gesch. d. R. W.agner-Theaters: NFPr. N. 10221. — 140 X
R. Frhr. v. Lichtenberg, Olympia u. Bayreuth: BayreuthBll. 16, S. 358 9. — 141) War Liszt e. Plagiator?: NZMusik.
I 13 : 142-167 H. Reiraann, Musikgeschichte.
im BeiiTBL (18. Febr.). Der Vf. nennt den letzteren sehr zutreffend eine „Klügelei,
die es mit niemandem verderben will". Ueber Ehrlich urteilt er so: „Dass Herr
Ehrlich bei Liszts Lebzeiten schwieg und erst nach dessen Tode mit der dis-
qualifizierenden Anklage auftritt, ... ist ein eklatanter Beweis dafür, dass seine Anklage
entweder vollkommen aus der Luft gegriffen ist, . . . oder aber eine Vorgeschichte hat,
welche H. Ehrlich während Liszts Lebzeiten zu berühren nicht für geraten fand".
Diese Vermutung scheint mir den Nagel auf den Kopf zu treffen. '^^-^^sj —
Einige Arbeitmi über Peter Cornelius, den genialen Komponisten des
„Barbier von Bagdad", seien hier nur angeführt^^*"'46j — Einem durchaus edlen und
verdienten, aber nur in einem kleinen Kreise bekannten und viel zu früh ver-
gessenen Tonmeister, Ferd. Möhring, hat Möbis'^'') ein wohlverdientes Denkmal
gesetzt. — Dem 1893 verstorbenen Gounod widmet Lessmann^^^) einen würdigen
Nachruf, während Dietz^^^) vergeblich sich abmüht, die Verballhornung des
Goetheschen Faust zur Gounodschen Margarethe zu rechtfertigen. —
Auch der in deutscher Schule gebildete Peter Tschaikowski, dem
Lessmann 15") einen Nekrolog widmete, gehört mit Rob. Franz, dem Lieder-
sänger, zu den Toten dieses Jahres. Von den zahlreichen Nekrologen auf den
Letzteren heben wir den von Seidl'^^) hervor, weil er persönliche Erlebnisse
berichtet und briefliche Mitteilungen enthält. — Etwas skeptisch muss man sich den
„Erinnerungen" A. Rubinsteins gegenüber verhalten. Der Redakteur der „Ruskaja
Starina" hat sie ihm abgefragt, Rubinstein hat die Veröffentlichung in dieser Revue
gestattet, und Kretschinann^^^j hat sie nun ins Deutsche übersetzt. Siegeben nach
Art biographischer Anekdotenarbeit Einzelzüge aus dem Leben des genialen Mannes
in mitunter sehr drastischer, echt russischer Darstellung. —
Eine sachgemässe Antikritik gegen die Lobpreisungen überCyrill Kistlers
Musikdrama „Kunihild" liefert Bauer ^53-154^ _ e. Chabriers „Gwendoline"
analysiert nach ihrem motivischen Gehalt Sand berger i^^"^^''). — Aus einer Sammlung
Biographien schweizerischer Tonkünstler 160-164^ hebe ich die Arbeit
von Niggli ^^s^ über Th. Kirchner, den Nachfolger und treuen Gesinnungs-
genossen Schumanns als den bedeutendsten und allgemeineres Interesse bean-
spruchenden Beitrag zur Musikgeschichte, hervor. — Eine sehr wohlabgemessene
kritische Würdigung A. Sullivans schrieb Bohn^^^). — Ueber Hanslicks i^")
Selbstbiographie, die in der DRs. 1893 begonnen, aber erst 1894 beendet wurde, soll
der nächste JB. eine eingehendere Kritik bringen. —
S. 442,4. — 142) X 0- Payer, Liszt «• I"- Sraetana: AMusZg. S. 470/1.— 143) X 0. Lessmann, E. Jngend-Porträt F. Liszts:
ib. S. 289-90. — 144) X P- Simon, P. Cornelius in München (Briefe): NZMusik. S. 225/8. - 145) X R- Pohl, D. 1. Auf-
führung d. „Barbier v. Bagdad" v. P. Cornelius: ib. S. 228-32. — 146) X A. Sandber ger, P. Cornelius Cid. Mit 32 Notenbeisp.
München, Lukaschik. 41 S. M. 0,60. (Sonderabdr. aus d. AMusZg.) — 147) E. Möbis, F. Möhriog. E. Lebensbild.
Stoli» i. Pommern, Hildebrandt. 53 S. M. 1,00. — 148) 0. Lessmann, Gh. Gounod: AMusZg. S. 556,7. — 149) M. Dietz,
Ch. Gounod: AZg«. N. 253. — 150) 0. Lessmann, P. Tschaikowski: AMasZg. S. 585,6. — 151) A. Seidl, Erinnerungen an
Rob. Franz. Persönliches u. Briefliches: MusWBl. S. 1/7. — 152) A. Rubinstein, Erinnerungen aus 50 J. 1839-89. Aus d.
Russischen v. Ed. Kretschmann. L., Senff. V, 124 S. Mit Abbild. M. 3,00. |[H. Reimann: BLU. S. 4.34; Signale N. 18.J|
- 153) F. Bauer, Kistlers „Kunihild" epochemachend? Nein!!! Krit. Studie. Würzburg, Dornauer. 29 S. M. 0,50. —
154) X Dichter u. Dichtung d. Musikdrama Kunihild. Studien v. G. Beck, H. Ritter, B. Vornhecke u. E. W. Schimmel -
busch. {—Im Geiste R. Wagners. Studien. N. 2.) Würzburg, ßallhorn & Cramer. 63 S. M. 1,00. (D. 1. T. erscheint
später.) — 155) A. Sandberger, E. Chabriers Gwendoline. Mit 25 Notenbeisp. München, Lukaschik. 29 S. M. 0,60.
(Sonderabdr. ans AMusZg.) — 156) X 0- Mokrauer -Maine, Herzog Ernst II. v. Sachsen-Koburg u. Gotha u. d. Tonkunst.
E. Studie. Hannover, L. Oertel. 29 S. M. 0,75. — 157) X 0. Schmid, Mary Krebs-Breuning. Biogr. Skizze. Dresden, Albanns.
1892. 36 S. Mit 2 Bildn. M. 0,50. — 158) X William George Cusins. (1833-93): AMusZg. S. 484/5 - 159) X F- H-Haberl,
J. Hanisch. Domorganist in Regensburg: KirchenmusJb. 8, S. 97-108. — 160) X A.. Glück, C. Attenhofer. (:= Biogr. Schweiz.
Künstler.) L., Gebr. Hng. 16 S. M. 0,50. - 161) Xi<l-. F. Hegar. ebda. 16 S. M. 0,50. - 162) X A-. Niggli, K Hunzinger.
E blogr.-krit Skizze, ebda. 25 S. M. 0,.50, - 163) XA. Schneider, Gust. Weber, ebda. 52 S. M. 0,50. — 164) X A.
Niggli, D. Künstlerpaar Aug. u. Anna Walter-Strauss. E. biogr.-krit. Essay, ebda. 56 S. Mit Bildn.-Taf. M. 0,50. —
165) id., Th. Kirchner. E. biogr.-krit. Essay, ebda. 38 S. M. 0,50. — 166) G. Bohn, A. Snllivan: N&S. 64, S. 322,7. —
167) Ed. Hanslick, Aus meinem Leben: DRs. 74, S. 337-69; 75, S. 60-92, 217-29; 77, S. 200-35, 372-403. (Vgl. IV 1 c : 157.) —
II. Von der Mitte des 15. bis zum Anfang
des 17. Jahrhunderts.
11,1
Allgemeines.
Max Osborn.
Geschichte: Allgemeine Darstellungen N. 1; Reform- und Eevolutionsbestrebungen N. 17; Specialgeschichtliches
N. 29; einzelne Persönlichkeiten N. 54. — Geistiges Leben: Allgeraeines N. 72; Litte nitargeschichte N. 85; Wissenschaft N. 93.
— Kulturgeschichtliches N. 115. — Quellen: Nuntiatur- und Gesandtschaftsberichte N. 140; Briefe N. 1.50; Reiseberichte und
Tagebücher N. 160; Stammbücher N. 172; Bibliographisches N. 174. —
Mehr als andere Kapitel der JßL. sind die den einzelnen Teilen voran-
geschickten Abschnitte über das „Allg-emeine" der betreffenden Epochen der Gefahr
ausgesetzt, zu unmässiger Grösse anzuwachsen. Das Bestreben, hier immer mehr
Elemente von allen Seiten zu sammeln, um den Studien über die Zeitlitteratur eine
feste Grundlage zu bieten, kann leicht zu allzu grosser Ausführlichkeit verleiten.
Bei der Reformationsperiode vollends, wo Dichtung, Wissenschaft, Politik, religiöses
und öffentliches Leben überhaupt inniger unter einander verknüpft sind als jemals
sonst in der Entwicklung unseres Volkes, ist doppelt Beschränkung geboten. Die
geschichtlichen Arbeiten können darum nur da herangezogen werden, wo sich
eine unmittelbare Beziehung zur Litteratur ergiebt, und wenn für die rein historische
Einzelforschung kurz auf die Zusammenstellungen der JBG. und die ausgezeichnete
Bibliographie der DZG. verwiesen werden muss, kann auch die Betrachtung der
allgemeinen Darstellungen nur vom Standpunkte des Litterarhistorikers aus
erfolgen. Die bedeutsamste Arbeit des Berichtsjahres ist diesmal der Zeit der Gegen-
reformation zugefallen. Droysens^) Schilderung stellt sich nahezu ebenbürtig
neben das Werk Bezolds^) (vgl. JBL. 1890 II 1 : 1). Auch D. ist ein Anhänger der-
jenigen Geschichtsschreibung, die neben den politischen Ereignissen die socialen und
kulturellen Zustände, die Erscheinungen der Litteratur und der Kunst in den Kreis
ihrer Betrachtung zieht und so ein gewaltiges, umfassendes Weltbild vor uns ent-
rollt. Wenn aus seinem Buche für unsere speciellen Zwecke weniger zu finden ist
als in Bezolds Geschichte der deutschen Reformation, so liegt das an dem Zeitabschnitt,
den er behandelt. In den Jahren des Sturmes und seiner unmittelbaren Folgen war
es das ganze Volk, das den Gang der Ereignisse bestimmte; die Gesamtheit der
Nation, die sich endlich nach langen Jahrzehnten des Garens und Grollens erhob,
war das aktive Element in der geschichtlichen Entwicklung, und eine Volkskunst
von köstlicher frischer Kraft gab das glänzende Spiegelbild dieses unerhörten Schau-
spiels. Nun aber nimmt die demokratische Periode ein Ende, und die Führung geht
von der Masse wieder auf einzelne Kreise über, so dass die Volkskunst sich mürrisch
mehr und mehr von den Fragen des Tages abwendet und die Dichtung der Gelehrten,
die immer grössere Macht gewinnt, sich noch weiter als früher vor dem Lärm der
lebendigen Welt verbirgt. In einem ersten Abschnitte schildert D. den Sieg des
Protestantismus, den Abschluss der deutschen Reformbewegung durch den Augsburger
1) (lU 1:6.) — 2) X G- Egelhaaf: HZ. 70, S. 125;9 (berichtigt Einzelnes). — 3) X (S- u- N. 124/6.) —
Juhreuberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (2)1
II 1:4-7 M. Osborn, Allg-emeines des 15./16. Jahrhunderts.
Reichstag" 1555 und die Ausbreitung- des neuen Bekenntnisses in Frankreich, Eng-
land, Schottland, Polen, den Niederlanden und den nordischen Reichen. Dann zeigt
er, wie die Lehre von der Rechtfertigung und vom Abendmahl in Verbindung mit
cälteren und neueren Streitfragen den Zwiespalt in die protestantische Kirche reisst.
Dom philippistischen Wittenberg wird als Hort der lutherischen Orthodoxie die neu
gegründete Universität Jena geg-enübergestellt. Und die Differeiizen in der Lehr-
meinung bringen schliesslich die völlige Zersetzung- der protestantischen Partei in
Deutschland zu stände. In einer polemischen Litteratur von wilder Leidenschaft-
lichkeit suchen diese Kämpfe Ausdruck; sie findet ihren Höhepunkt in dem Streit
um die Konkordienformel. Heftig-er als in dieser Frage hat sich die öffentliche
Meinung in der zweiten Hälfte des Jh. nicht vernehmen lassen, und eine wahre Flut
von Pamphleten ergoss sich über den deutschen Büchermarkt. Jakob Andreae steht
inmitten des Feuers (S. 114/6, 132/4). D. zeigt weiter, wie nun die Papstkirche,
die Verworrenheit und Zerfahrenheit der Protestanten ausnutzend, wieder vorzudringen
beginnt, wie dort Erstarrung und Verknöcherung, Händelsucht und dogmatische
Haarspalterei die Kräfte lähmen, während hier der verjüngte Ultramontanismus als ein
mächtiges, geschlossenes Ganzes mit Güte und Gewalt moralische • und unmoralische
Eroberungen macht. Es wird darauf hingewiesen, wie der restaurierte Katholizismus
von der festen Basis seiner Propaganda aus Schritt um Schritt deutschen Boden
zurückg-ewinnt, wie er die ganze europäische Welt überschwemmt und der Dichtung,
der Musik, der Malerei von neuem einen kirchlicheren, römischeren Charakter ver-
leiht (S. 168 — 72). Die Jesuiten erscheinen. Sie beleben aufs neue den erschlafften
papistischen Geist. Sie kommen nach Norden; von drei Punkten aus, von Bayern, von
W^ien und vom Erzbistum Köln, dringen sie, zumal unter Rudolf II. vorwärts-^). Der
bei ihrem Einzug ganz und gar protestantischen deutschen Bildung setzen sie in
Universitäten und Gelehrtenschulen eine katholische entgegen (S. 159 — 61, 233 — 41);
sie eröffnen, besonders nach des schwankenden Maximilian II. Tode, einen heftigen
litterarischen Kampf gegen die Ketzer, bei dem Jodocus Lorichius, Chrph. Rosen-
busch, Georg Scherer, Georg Eder in erster Reihe stehen (S. 353/6). Mit dem Gebote
der Einführung des neuen Kalenders versucht Papst Gregor XIII. eine Machtprobe,
der in wütenden Druckschriften und F'lugblättern geg-en das „Teufelswerk" die er-
bitterte protestantische Opposition entgegentritt (S. 350/2)4"^='). — Die Fortführung
der neuen verbesserten Auflage von Janssens Geschichtswerk hat als natürlicher
Erbe Pastor'') übernommen. Zwei Bände, der fünfte und der sechste, erschienen
im Berichtsjahr. Der Herausg-eber konnte für manche, Punkte Aufzeichnungen be-
nutzen, die sich Janssen selbst für eine Neubearbeitung gemacht hatte ; er konnte aber
auch mündliche Aeusserungen des verstorbenen Lehrers und Meisters verwerten.
Daneben füg-te er selbst vieles aus der neueren Forschung hinzu, selbstverständlich
nach den gegebenen Gesichtspunkten, und es bedarf wohl kaum der Betonung, dass
das Gesamtbild trotz der zahlreichen Aenderungen im einzelnen doch um nichts ver-
schoben ist. Für den fünften Band, der die Vorbereitungen zum dreissigjährigen
Krieg-e behandelt, die „politisch-kirchliche Revolution" und ihre Bekämpfung seit der
Verkündigung der Konkordienformel vom J. 1580 bis zur Rebellion in Böhmen 1618,
wo die „Lärm- und Sturmglocke" ertönte, boten hauptsächlich Duhrs Jesuiten-Apolog-ie
(vgl. JBL. 1892 I 4 : 826), Ritters (s. o. N. 4) und Hubers (vgl. JBL. 1892 III 1 : 5) letzte
historische Arbeiten, die Ausgabe der Nuntiaturberichte (s. u. N. 141, 145/6), die
jüngste Zeitschriftenlitteratur, freilich mit einseitig katholischer Auswahl, und zahl-
reiche, besonders Frankfurter Archivalien neue Quellen. Zur Schilderung der katho-
lischen Restauration und der konfessionellen Polemik bis zum Beginn des Krieg-es
(S. 327—584), also der Kampfschriften wider die Jesuiten, der Thätigkeit Fischarts,
dessen „Bienenkorb" ein eigenes Kapitel erhält (S. 353/9), des wilden Antipapisten
Georg- Nigrinus, der Konvertiten Friedr. Staphylus, Joh. Nas u. a., sowie auch der
lutherisch-kalvinistischen Streitlitteratur und der Auflehnung- gegen den neuen
Kalender (S. 361 — 75) kamen so vielfach interessante Parallelstellen hinzu. Der
sechste Band des Janssenschen Geschichtswerkes ist für uns der wichtigste. Er
giebt die grosse Uebersicht über Kunst und Volkslitteratur vom Ende des Mittelalters
bis zum Beginn des 17. Jh., die auf gewaltigen Studien beruhende, raffiniert tenden-
ziöse Darstellung der Entwicklung, die bildende Kunst, Tonkunst und Kirchenlied,
Volkslied und Meistergesang-, Drama und Satire, Schwankbücher und Schau erlitteratur
4iX M. Kitter, Dtsch. Gesch. im Zeitalter d. Gegenreformation u. d. 30j. Krieges. 11. n. 12. Lfg. (= Bibl. dtsch. Gesch.
N. 70, 81.J St., Cottii. Bd. 2, S. 101-320. ä M. 1,00. (Vgl. JBL. 1890 III 1 : 1.) — 5) X K. v. Hase, Kirchengesch. auf Grund
ak. Vorlesungen. 3,1. Reformation u. Gegenreformation. L., Breitkopf & Härtel. 1892. VII, 438 S. M. 5,00. ||LCB1.S. 1;
Th. Kolde: ZKG. 14, 8. 4,56.]| - 6l O X X G- Pariset, La reforme en Allemagne: AnnEst. 7, S. 21-46. — 6a) X Ph-
Schaff, Hist. of the Reformation. Vol. 2. The Swiss Reformation. (= Ilist of the Christian Chnrch. Vol. 7. Modern
Christianity.) New-York, Scribners Sons. 1892. XVII, 890 S. |[ThLBl. 14, S. 343/4.]| (Vgl. II 6 : 3.) - 7) J. .lanssen, Gesch. d. dtsch.
Volke? eitit d. Ausgang d. MA. 5. u. C. Bd. 13. u. 14. vorb. Aufl, bes. t, L. Pastor. Freibnrj i. B-, Herder. XLVI,7r)4S,;
M. Osborn, Allg-emeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 : s-io
sowie die Bestrebung-en der „sog-enannten Renaissance" in jener Epoche nahmen.
Auch hier sind die Veröffentlichung-en der litterarhistorischen Zeitschriften, die Neu-
ausg-aben älterer Denkmäler, unter denen Oldecops Chronik (vgl. JBL. 1891 II 3:43;
6:43; 1892 II 3:62) und die Publikationen der LLD. (vgl. JBL. 1892 II 8:5—10;
s. u. II 7) nicht fehlen, ferner Baechtolds Schweizer Litteraturgeschichte (vgl. I 1 : 110;
s. auch u. N. 85) und vor allem die kunstg-eschichtlichen Forschungen der letzten
Jahre fleissig- benutzt worden. Alles freilich geschieht nach Janssenschem Muster
zu Janssenschen Zwecken, und von dem durch P. im Vorjahre selbst mitg-oteilten
Gedanken einer objektiveren Fassung- (vgl. JBL. 1892 11 1 : 15) ist nichts zu
spüren. 8"'^) — In seinem für die Jugend berechneten Werke über deutsche Ge-
schichte lässt Neumann-Strela'ß^ in dem Abschnitte über unsere Zeit neben dem
politischen das kulturhistorische Element nicht zurücktreten. Die von K. Höhlbaum
herausg-eg-ebenen Aufzeichnung-en Hermanns von Weinsberg* aus Köln werden
für die knapp zusammenfassende Schilderung des bürgerlichen Lebens, des Volks-
g-laubens, der Sitten, des Studententums benutzt. —
Die g-anze Zeit vom Ende des 15. bis tief in das 16. Jh. hinein sind die
Köpfe der Deutschen erfüllt von Reform- und Re volu tionsbe strebung-en.
Wenn Mein cke^') in ehrlichen Artikeln die „friedfertige deutsche" Reformation
und die „blutig-e welsche" Revolution des vorig-en Jh. als die bedeutsamsten Er-
hebung-endesMenschengeistes mit masslosem Chauvinismus und lächerlicher moralischer
Entrüstung- einander g-egenüberstellt, so wäre solchen Aeusserung-en gar keine Be-
deutung- beizumessen, wenn sie nicht doch den Ausdruck der Gesinnung mancher
Kreise bildeten. — Wichtig- für die Kenntnis der politisch-religiösen Öppositions-
beweg-ung- am Vorabend der deutschen Reformation 'S) ist der höchst interessante
Entwurf eines unbekannten Elsässere, den Haupt^") in einer Kolmarer Hs. entdeckt
und teilweise zum Druck g-ebracht hat. Der Vf., der seine zum Teil durchaus g-esunden
Umsturzideen im J. 1495 auf dem Reichstage zu Worms, selbstverständlich erfolglos,
persönlich vertreten zu haben scheint, teilt die Ausführungen seiner ziemlich unklaren
und verworrenen Schrift in zwei Teile, eine historisch-polemische Einleitung („Das
Buch von den 100 Kapiteln") und eine systematische Darstellung seines Reform-
programms („Die 40 gebott der Trierer"; s. S. 216/9). Bei einer hohen Vorstellung
von der W^ürde des wahren priesterlichen Amtes (S. 178—80) ist er ein leidenschaft-
licher Feind des Klerus seiner Zeit (S. 116/9), ein energischer Gegner des Cölibats,
das ihm als eine Verletzung des göttlichen Gebotes erscheint (S, 180/3). Eifrig tritt
er ein für die Sache des „gemeinen Mannes" und ist erfüllt von kommunistisch-
socialistischen Plänen; die Beseitigung des Territorialfürstentums und des Gross-
grundbesitzes (S. 128— 35, 167—81) gehört mit zu seinen Forderungen; die Güter-
gemeinschaft schwebt ihm als Ideal vor. Die deutsche Nation erscheint als die erste,
zur Weltherrschaft bestimmt. Der Kaiser sei auch auf kirchlichem Gebiete oberster
Fürst, gleichsam ein „irtischer gott"; aber seine Macht sei dennoch keine absolute,
vielmehr soll eine Entthronung des Monarchen, falls er sich untüchtig zeigt, möglich
sein (S. 159 — 62). Er möchte das gleich praktisch verwerten, als er immer mehr
einsieht, wie wenig Maximilian geeignet ist, die Aufgaben seiner Zeit zu erfüllen,
und nach dem Abschlüsse der Ligue von Cambray ruft er zornig: „Man wird dem
Kaiser ein Bauernhütlein aufsetzen und ihn in das Elend schicken" (S. 104). Ja,
unser Vf. denkt an eine Revolution „im Heugabelsinne der Gewalt", wie man heute
sagen würde, und will, wenn es nötig ist, die „ganze Welt mit Heereskraft regulieren"
(S. 109). Zu diesem Zwecke möchte er eine „Brüderschaft vom gelben Kreuze" be-
gründen, unter deren Zeichen er ausziehen will, die Sünder zu strafen. Hinein spielen
zahlreiche excentrische, mystisch-visionäre Züge; der Vf. hofft mit Zuversicht auf den
in allernächster Zeit kommenden Messias, den rückkehrenden Kaiser Friedrich, oder
wie er ihn am liebsten und häufigsten nennt, den „König vom Schwarzwald" (S. 106,
198—212), der alle Ideale erfüllen, der auch die heruntergekommene Rechtspflege
wieder neu regeln und das jus naturale, die prinzipielle Anerkennung der Gleichheit
Aller, aufstellen wird. So blickt er, apokalyptischer Erwartungen voll, in die Zukunft. —
XXXVI, 546 S. M. 7,00; M. 5,00. IfDulilinR. 113, S. 6823; LRs. 19, H. 2745.]| — 8) O X X M. Schwann, J. Janssen n.
d. Gesch. d. dtsch. Reformation. E. Vrit. Studie. München, Mehrlich. 254 S. M. 3,00. (Vgl. IV 5.) — 8 a) X V. .Tanssens grossem Ge-
schichtswerk: LHw. 32, S. 306. — 9) X Zwei neue Kritiker Janssens: DEKZ. 7, S. 57;8 — 10) X (H 6 : 30.) |[E. Michael:
ZKTh. 17, S. 529-32; A. Bellesheim: DnhlinR. 113, S. 728,9.]| — U) X E. Paris, Jean Janssen, L'AUemagne et la reforme
(Tgl. JBL. 1892 II 1:8): DnblinR. 113, S. 947/8. — 12) X G- Egelhaaf, Dtsch. Gesch. 2. Bd. (vgl. JBL. 1892 II 1 : 2;
8. u. II 6:4). |[K. Hartfelder: ZKG. 14, S. 321 ; A. Baldamus: BLU. S. 198/9; LCBl. S. 1463.JI - 13) X Karl Maller,
K. W. Nitzsch, Gesch. d. dtsch. Volkes (vgl. JBL. 1892 II 1:3): ThLZ. 18, S. 328/9. — 14) X G. E. Haas, J. B. v. Weiss,
Weltgesch. 8. Bd. (vgl. JBL. 1892 II 1:4): HPBU. 111, S. 668-81. — 15) X G. E. Ledos, J. Zeller, La Eeforrae (vgl.
JBL. 1892 II 1:5): Polyhibl'.. 67, S. 448/9. — 16) (III 1:3; bes..S. 50-90.) - 17) R. Meincke, Reformation u. Re-
volution: DPBl. 26, S. 361,2, 369-70. — 18) O F. Rocquain, La Cour de Rome et l'esprit de reforme avant Luther. 1. La
Theocratie; Apogee du pouvoir pontiflcal. Paris, Thorin & Fils. VIII, 428 S. — 19) H. Haupt, E. oberrhein. Revolutionär
ans d. Zeitalter Kaiser Maximilians I. Mitteilungen aus e. kirchl.-polit. Reformschrift d. 1. Decenn. d. 16. Jh. (= WZ. Er-
(2)1*
II 1:20-32 M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.
Die politisch- sociale und die religöse Erreg-ung- des Volkes, die nur zum Teil durch die
Reformation beruhig-t und befriedigt wurden, fanden in den Bauernkriegen und in den
Täufergemeinden ihren radikalen Ausdruck. Ueber das Projekt eines Bauernparlaments
zu Heilbronn sowie die Verfassungsentwürfe von Friedr. Weygandt und dem „Bauern-
kanzler" Wendel Hipler aus dem J. 1525 brachte Kluckhohn^o) neue Nach-
richten.-'~23j — Der bereits 1850 entstandene Aufsatz K. von Hases über das Reich
der Wiedertäufer, der mit den Abhandlungen über die Jungfrau von Orleans und
Savonarola den Band von den ,, Neuen Propheten" bildet, ist nun im Rahmen der
g-esammelten Werke des grossen Kirchenhistorikers zum dritten Male, von Krüger^^)
besorgt, erschienen. K. fügt den wichtig-en ,, litterarischen Nachträgen" Hases bei,
was seit der zweiten Auflage (1861) an Material hinzugekommen ist, und zeig-t, wie
die neuere Forschung- die Behauptungen des Vf. als im wesentlichen richtig- erwiesen
habe (S. XXI— XXIV). In glänzender Schilderung führt uns Hase hier, hauptsächlich
nach Dorpius, Heinr. Gresbeck und Herrn, von Kerssenbroick, der ein Viertel Jh.
Rektor der Dom schule im restaurierten Münster war, durch die beiden Perioden
des täuferischen Reiches, die ernste „theokratische Demokratie" und die züg-ellose
„theokratische Monarchie", die dem Zusammenbruch vorausging. 25-26j — Auf Grund
der Erzählung- des lutherisch gesinnten österreichischen Lehnsmannes Klaus von
Graveneck, dessen Berichte der Täufer Wilhelm Reiblin dann legendarisch aufputzte,
gab Bossert-^) für weitere Kreise ein Bild von dem trag-ischen Schicksal des
würdig-en Michael Sattler, der mit seinen Genossen 1527 in Rottenburg am Neckar
bei Tübingen zum Feuertode verurteilt wurde. (Vg-1. auch II 6 : 177 — 83.) — Einen
Reformplan aus dem Ende des Jh., der sich mit der Reichsjustiz beschäftigt, leg-te
Weech^*^) vor. Der Entwurf stammt aus der Feder des originellen, stets mit hundert
Projekten aus allen Gebieten des öfi'entlichen Lebens beschäftigten Pfalzg'rafen Georg-
Hans von Veldenz-Lützelstein, der dem 1586 in Worms versammelten Reichs-
Deputations-Konvent mit einer Darlegung- seiner verwickelten Erbschaftsangelegen-
heiten und deren bisheriger Behandlung ein ausführliches „Votum justitiae" einreichte.
Das interessante Aktenstück, in dem der Pfalzgraf mit seiner derben, aber ungemein
plastischen Sprache einem der bösartigsten Schäden der damaligen Zustände rück-
sichtslos zu Leibe ging, und das vor hundert Jahren dem Biog-raphen des Fürsten
(1790) nicht vorlag, bringt W. nun g-anz zum Abdruck (S. 26—70); eine knappe,
gut orientierende Einleitung geht voraus. —
Zu den specialg-eschichtlichen Arbeiten, die für uns aus dem Berichts-
jahr in Betracht kommen, gehören die archivalischen Nachrichten, die Bach-
mann^s») aus der Zeit Friedrichs III. giebt. Bei den politischen Erörterungen über
die böhmischen Verhältnisse fällt manches ab, was für die Charakteristik des
Kaisers und seiner Beziehungen zu den Fürsten interessant ist. — Wenk^*^J macht
auf eine Studie von Simonsfeld aufmerksam, welche sich mit der kurz vor 1440 ge-
gründeten deutschen Kolonie in Treviso befasst. Die dortige „Schola Theotonicorum"
hatte ihre Hauptblüte in der Mitte des 15. Jh., erhielt sich aber bis geg-en Ende des
17. — Um die Mitte des 15. Jh. war es auch, dass das alte deutsche Ordensland
Westpreussen in lang-em blutigen Krieg-e seine Selbständigkeit an die Krone Polen
verlor. Richter^^) erzählt in volkstümlichem Plauderton, wie der Fall Marien-
burgs das Schicksal entschied, aber erst nach Jahren zähen Widerstandes der Friede von
Thorn es besieg-elte. — Ein interessantes Kulturbild aus dem Ende des 15. Jh. bot
Witte32) in der Lebensbeschreibung- Richard Pullers von Hohenburg, des letzten
seines Geschlechts, den das unglückselige Laster der Päderastie in seltsame Ver-
wicklungen brachte, bis er schliesslich durch Hans Waldmanns Energie gefangen
genommen wurde und sein den Anschauungen der Zeit nach todeswürdiges Ver-
brechen mit dem Leben büsste. — Als erstes Heftchen einer neuen, vortrefflich aus-
gestatteten Sammlung von Quellenschriften und Abhandlungen zur Geschichte Nürn-
gänzungsheft N. 8 (Trier, Lintz. IX, 228 S. M. 5,00], S. 77-228.) |[A. Schulte: ZGORh. 8, S. 716/7.]| — 20) A. Kluck-
hohn, Ueber d. Projekt e. Bauernparliiments zu Heilbronn u. d. Verfassungsentwürfe v. F. Weygandt u. W. Hipler aus d.
J. 1525: NGWGöttingen. S. 276-300. — 21) X H. Sander, D. Bauernaufstand in Vorarlberg im J.1525: MIÖO. 14, S. 297-372.
— 22) X L- Böhm, Kitzingen u. d. Bauernkrieg: AHVUnterfranken. 36, S. 1-185. — 23) X K- Hartfelder, W. Vogt, D.
Bodenseebauern (vgl. JBL. 1892 H 1:27): ZGORh. 8, S. 146. — 24) K. v. Hase, D. Reich d. Wiedertäufer. (= Werke.
10. Halbbd. Heilige u. Propheten. 2. Abt. Neue Propheten. Her. v. G. Krüger. [L„ Breitkopf & Härtel. XXIV, 304 S.
M. 5,00], S. 195-304.) — 25) X (H 6 : 181.) |[n. Detmer: MhComeniusG. 2, S. 287-90.]! — 25a) X G- Maisch, Religion u.
Revolution (vgl. JBL. 1892 II 1 : 30). |[S. Eck: ThLZ. 18, S. 524/5; A. Martin: 20. Jh. 1, S. 114/5; LCBl. S. 633/4.]| —
26) X J- liOserth, D. Anabaptismus in Tirol (vgl. JBL. 1892 II 1:29): MhComeniusG. 2, S. 82/4. — 27) (I 4:118.) —
28) F. V. Weech, E. Projekt z. Reform d. Reichsjustiz aus d. 16. Jh.: NHJbb. 3, S. 17-70. — 29) A. Bachmann, Urkundl.
Nachrichten z. österr.-dtsch. Gesch. im Zeitalter Kaiser Friedrichs III. (= Fontes rerum Austriacarura. 2. Abt. Diplomataria
et acta. 46. Bd.) Wien, Tempsky. 1892. XXVIII, 503 S. M. 11,80. ([LCBl. S. 1102; F. v. Krones: DLZ. S. 274/5;
NASächsG. 14, S. 346/7.] | — 30) K. Wenk, H. Simonsfeld, E. dtsch. Kolonie zu Treviso im spät. MA. (München, Franx.
1890. Aus AbhAkMünchen. 3. Kl. 19. Bd. 3. Abt.l: HZ. 34, S. 538,9. — 31) J. V. 0. Richter, Wie Westpreussen an Polen
fiel. E. Gesch. ans d. Zeit d. Verfalls d preuss. Ordensstaates. (=: Geschichten aus d Zeit d. prens«. Ordensstaates. 5. Bd.)
Hannover u. L., Ost. 170 S. M. 1,60. — 32) H. Witte, D. letzte Puller v. Hohenburg. E. Beitr. z. polit. u. Sittengesch.
d. Elsasses u. d. Schweiz im 15. Jh., sowie z. Genealogie d. Gesclilechts d. Puller. (= Beitrr. z. Landes- u. Volksk. v. Elsass-
M. Osborn, Allg-emeines des t5./16. Jahrhunderts. II 1 : 33-44
berg-s o-ab Kajiiann^'^) eine eingehende, zum Teil auf bisher unbekanntem, zumal
Bamberg-schem archivalischen Material beruhende Darstellung der Fehde, die Götz
von Berliching-en in den J. 1512 — 14 mit der Reichsstadt führte. Die Einleitung
und die Ausblicke entrollen ein lebendig-es Bild von dem Treiben der Strauchritter
und „Staudenhechte", die den Verzweiflungskampf des herunterg-ekommenen Adels
gegen die ihre Ungebundenheit einengenden Verhältnisse der neuen Zeit kämpften.
Auch Götz fühlte sich, wenn er Trossbuben und Fuhrknechte als Kundschafter in
die Stadt sandte, um Abg-ang und Ankunft von Warenzügen zu erforschen, wenn er,
im Verein mit Hans von Selbitz oder anderen Kumpanen, harmlosen, von der Messe
heimkehrenden Kaufleuten auflauerte, sie ausplünderte und mit sich auf die Burg'en
schleppte, stets als Rächer der unterdrückten ritterlichen Freiheit. Die Roheit und
Raffiniertheit, die er nicht selten zur Schau träg-t, passt schlecht zu der Grossmut
und biederen Ehrlichkeit des Goetheschen Bildes, wenn auch die volkstümliche
Beliebtheit des unerschrockenen Raufbolds der Darstellung- des Dichters gewiss eine
innere historische Berechtigung- giebt. Im Gegensatz zu Goethe erscheint der Bam-
berger Bischof, Georg III. Schenk von Limpurg, als ein sittenreiner, trefflicher
Fürst, der der Ordnungspartei im Reiche angehörte und darum Götzens erbitterten
Hass auf sich lud. — Aus den Berichten des Konrad Boss von Flachslanden, des
Hauptmanns auf der Plassenburg bei Kulmbach, an die sich die Sage von der
weissen Frau des ZoUerschen Hauses knüpft, erfahren wir^*) von der haarsträubenden
Gefangenschaft, in der Markgraf Friedrich der Aeltere von Brandenburg, der Sohn
Albrechts Achilles und der Vater des letzten deutschen Hochmeisters Albrecht^^),
von dreien seiner Söhne, besonders vom ältesten, Kasimir, dem Vater des Albrecht
AIcibiades, zwölf Jahre hindurch gehalten wurde (seit 1515). — Für die Zeit der
Wahl Karls V. zum römischen Kaiser brachte der erste Band der Reichstagsakten,
jüngere Reihe, die nach Sybels Antrag seit 1886 neben der von Ranke veranlassten
Sammlung der Reichstagsakten des späteren Mittelalters entstanden, riesenhaftes neues
Material. Kluckhohn^^), dem es nicht vergönnt sein sollte, das Erscheinen des
unter seiner Leitung in langen mühevollen Jahren zu stände gebrachten Werkes zu
erleben, gab hier nach einer umfangreichen Einleitung, welche die Verhandlungen bis
zum Tode Maximilians I. schildert (S. 1 — 140), die Masse der Wahlakten vom Jan.
bis zum Juli 1519 (S. 141— 876!). 2^) — Kardinal Reginald Pole, dessen Leben und
Schriften Zimmermann^Sj behandelt, der Wiederhersteller der katholischen Kirche
in Engiand, hatte auch mannigfache Beziehungen zu Deutschland (S. 259 — 68) und
erlaubte sich sogar in einem Briefe an Karl V. eine äusserst freimütige Kritik der
kaiserlichen Regierung (S. 296/7). — Von Strassburger Lokalstudien ausgehend
kam Winckelmanu"^'*) zu einer ausführlichen Untersuchung über die wichtige
Zeit zwischen dem Augsburger Reichstage und dem Nürnberger Religion sfrieden,
1530—32, wo sich die Parteien durch die Gründung des schmalkaldischen Bundes
endlich scharf von einander schieden. — Nach Papieren des Düsseldorfer Staats-
archivs brachte von Below^o) neue Schriftstücke zur Vermählung des Herzogs
Wilhelm von Jülich-Kleve mit einer Tochter König Ferdinands — er hoffte auf Anna,
erhielt jedoch Maria. Der jülische Gesandte Dr. Karl Horst und der Aachener
Probst Job. von Vlatten spielen als Werber hier eine Rolle.*') — Gegenüber der
Mythenbildung, die auf Grund der Memoiren des französischen Marschalls Vieillerille
von einem Versuch der Franzosen^^j berichtet, nach der Einnahme von Metz ver-
kleidet sich in Strassburg einzuschleichen, stellt Hollaender'*^) nach archivalischen
Funden und den Annales d'Aquitaine des Jean Bouchet den wahren Sachverhalt
fest. — Schlecht'*'') teilte aus dem päpstlichen Geheimarchiv drei Briefe Ferdinands I.
an Pius IV. mit — der letzte ist vom Kaiser selbst in einem barbarischen Latein
mit spanischem Accent geschrieben, — in denen der Papst ersucht wird, Maxi-
milian IL vom vorschriftsmässigen Empfang der heiligen Kommunion nach katho-
Lothringen N. 16.) Slrassbnrg i. E., Heilz. IV, 143 S. M. 2.50. — 33) {I 4 : 459.) — 34) D. Gefangenhaltung des Mark-
grafen Friedrich d. Aalt. v. Brandenburg auf d. Plassenburg: HohenKollerscheF. 2, S. 435-46. — 35) X I^- Joachim, D. Politik
d. letzten Hochmeisters (vgl. JBL. 1892 II 1 : 26J. |[r. Simson: MHL. 21, S. 148-52; LCBl. S. 359-60; H. Ehrenberg:
FBPG. 0, S. 303; id.: AltprMschr. 30, S. 207,9.J| - 36) Dtsch. Reichstagsakten. Jüngere Reihe. Auf Veranlass. S. M. d. Königs
V. Bayern her. durch d. his>t. Komm, bei d. Kgl. AV. d. Wissensch. 1. Bd. Dtsch. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. 1. Bd.
Bearb. v. A. Klnckhohn. Gotha, Perthes. IV, 938 S. M. 48,00. — 37) X H- ülmann, Studien z. Gesch. d. Papstes Leo X.:
DZG. 10, S. 1-13. (U. hält d. Breve d. Knrie an Cajetan vom Aug. 1518, Luther mit Gewalt z. Erscheinen vor d. Gericht in
Rom zu zwingen, obwohl ihm d. Aufforderung d. direkten Anklage noch e. längere Frist Hess, im Gegensatz zu Luther
selbst, zu Ranke u. Maurenbrecher für echt.) -- 38) Ath. Zimmermann, Kardinal Pole, sein Leben u. seine Schriften.
E. Beitr. z. Kirchengesch. d. 16. Jh. Regensburg, F. Pustet. 390 S. M. 3,60. - 39) 0. Winckelmann, D. schmalkald.
Bund 1530-32 n. d. Nürnberger Religionsfriede. Strassburg i. E., Heilz. 1892. XIV, 313 S. M. 6,00. |[LCB1. S. 398;
StrassbPost. N. 1; ZGORh. 8, S. 148,9.]| — 40) G. v. Below, Verhandlungen über d. Vermählung d. Herz. Wilhelm v. Jülich-
Kleve mit e. Tochter König Ferdinands. (= I 4:404, S. 1-16.) — 41) S. Issleib, D. Gefangenschaft Philipps v. Hessen:
NASächsG.14, S. 211-66. — 42) X J- Trefftz, Kursachsen u. Frankreich. L., Fock. 1891. V, 164 S. M. 2,40. |[A. Waddington:
RH. 51, S. 154/6.]| (Ueber Heinrichs II Verhältnis zu Moritz u. August v. Sachsen 1552-53; Neues aus Dresdener Archivalien.)
— 43) Ale. Hollaender, E. Strassburger Legende. E. Beitr. zu d. Beziehungen Strassburgs zu Frankreich im 16. Jh.
(= Beitrr. z. Landes- u. Volksk. Elsass-Lothringens N. 17.) Strassburg i. E., Heitz. 28 S. M. 1,00. — 44) J. Schlecht,
II 1:45-60 M. Osborn, Allg-eineines des 15./16. Jahrhunderts.
lischem Ritus bei der Krönuug-sfeier zu entbinden. Ein Antwortschreiben des
Papstes zeigt, wie er dem Herzenswunsch Ferdinands entgeg-enkam. Max nahm
am Morgen der Krönung das Abendmahl im geheimen sub utraque. — Aus dem
Briefwechsel Maximilians IL mit Papst Pius V., von dem bisher nur 40 Stücke be-
kannt waren, teilt nun Schwarz 4^) im ganzen 158 mit, 91 vom Kaiser und 67 vom
Papst. In einem zweiten, sehr beachtenswerten Bande druckt Seh. zehn für
Gregor XIII. bestimmte Gutachten über die Lage der katholischen Kirche in
Deutschland von 1573 — 76 ab, unter denen besonders die ersten drei, von Otto
Truchsess, Bischof von Augsburg, vom Kardinal Zach. Delphinus und von Canisius,
wichtig und interessant sind. Weiter bringt Seh. hier Protokolle der von Gregor
neugegründeten und eifrig geförderten Congregatio Germanica, die, wie Virck be-
tont, eine gute Ergänzung zu den Nuntiaturberichten bieten, zumal da, wo die
Antwortschreiben der Kurie wie die Gegenschriften zu den Depeschen des Nuntius
Portia aus den J. 1577—78, verloren sind (s. u. N. 140/6). ^^j — Einzelne Städte-
forschungen seien hier noch angefügt. Zunächst eine allgemeinere Abhand-
lung von Für stenwerth^''), einem Schüler Kluckhohns, über die Verfassungs-
änderungen in den oberdeutschen Reichsstädten zur Zeit Karls V., wo gegen
die Mitte des Jh. nach dem Vorgang von Augsburg und Ulm die Geschlechter
gegen die bis dahin mächtigen Zünftler wieder an Einfluss gewinnen. — Ueber
Nürnbergs Politik im Zeitalter Luthers, über seine Aufnahme der Reformation und die
vermittelnde Stellung des Rates, der trotz strenger Wahrung des protestantischen
Bekenntnisses der mit Zwinglischen Elementen durchsetzten Vereinigung oberdeutscher
Städte sich anschloss, aber sich durch Beitritt zum schmalkaldischen Bund nicht in
offenen Gegensatz zum Kaiser stellen wollte, berichtet Ludewig*^). Die ersten
Kapitel sind den Zuständen Nürnbergs vor der Reformation und der ICinführung der
neuen Lehre gewidmet; Scheurl, Spengler, Pirkheimer finden ihre Stelle in der
frischen Schilderung (S. 1 — 47). — Von Augsburg'*^), Köln^**), Gerresheim^'), im
heutigen Regierungsbezirk Düsseldorf gelegen, hören wir, und über Cöslin im 15. Jh.
bringt das Programm von Hanncke^^j gj^e kulturhistorisch wertvolle Studie. H.
beschreibt Häuser und Kirchen, das Leben der Bürger und der Geistlichen und teilt
zum Schluss einen Auszug aus der „matricula" der Gewandschneider mit, d. h. aus
dem Verzeichnis der ausgeliehenen Gelder der Gildelade, in dem der Adel sehr stark
angekreidet ist (S. 23/5). ^3) —
Unter den Arbeiten über einzelne Persönlichkeiten ist für Maximilian I.
neben Recensionen der früher besprochenen Werke von Ulmann ^^) (vgl. JBL. 1892 II 1 : 36)
und Ammann ^^) (ib. N. 37) nur die volkstümliche, recht munter geschriebene
erzählungsmässige Schilderung von Web er ^^) zu nennen, die im Vorwort freilich
ihre „strenge Geschichtlichkeit" betont und auch Ulmann ,, benutzt" haben will. —
Dem Nachfolger Maximilians ging es nicht besser. Ausser Besprechungen von Baum -
gartens^" ■''^) Buch (vgl. JBL. 1892 II 1:6) ist nur ein kurz zusammenfassender Vortrag
desselben Vf. über Karl V. und seine Stellung zur Reformation zu verzeichnen.
— Im Anschluss an Lenz (ADB. 6, S. 600ff.) erzählte Zw enger ^"j von dem hessischen
Staatsmann Job. Feige, der, abgesehen von seiner politischen Thätigkeit unter dem
Landgrafen Philipp, durch die Organisierung der Universität Marburg, deren erster
Kanzler er war (1527), und durch die Berufung' des Euricius Cordus und Eoban
Hessus an die Lahn sich verdient gemacht hat. Cordus dichtete auf ihn ein Epi-
gramm, und Hessus widmete ihm seine Bucolica sowie das Lobgedicht auf den
württembergischen Sieg Philippi Magnanimi. — Im Gegensatz zu Johann von
Schwarzenberg war sein Sohn Christoph, der „Landhofmeister" des Herzogs
Wilhelm IV. von Bayern, ein strenger Katholik ; von seinem Wirken giebt Paulus^")
Kunde. Auf der Universität zu Tübingen stand er in Verbindung' mit Heinrich Bebel
und dessen Schüler Jak. Heinrichmann sowie anderen Humanisten; später ver-
D. gelieitne Dispenslireve Pins IV. für d. röni. Königskrönnng Maximilians IL: HJb. 14, S. 1-38. — 45) W. E. Schwarz,
Briefe u. Akten z. Gesch. Maximilians II. 1. T. D. Briefwechsel d. Kaisers mit Papst Pius V. 2. T. Zehn Gutachten über
d. Lage d. kath. Kirche in Deutschland 1573-7t> nehst d. Protokolle d. dtscli. Kongregation 1573-78. Paderborn, Bonifacius-Dr.
1891-92. XVI, 208 S.; LU, 135 S. M .5,00; M. 4,00. ||ri. Virck: ThLZ 18, S. 213,4; F. X. Funk: ThQ. 75, S. 329-31. ]| —
46) M. Lossen, D. Magdeb. Sessionsstreit auf d. Augsb. Reichstag v. 1582: AbhAkMünohen. 20, S. 621-60. (Vgl. dazu
Th. Müller, G. Wolf, D. Anfänge d. Magdeb. Sezess.-Streites: ZGORh. 8, S. •587,8.) - 47) L. Fürstenwerth, D. Ver-
fassungsänderungen in d. oberdtsch. Reichsstädten z. Zeit Karls V. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. XIV, 105 S. M. 2,00.
— 48) G. Ludewig, D. Politik Nürnbergs im Zeitalter d. Reformation (v. 1520-34). ebda. lU, 156 S. M. 3.50. |[H. Virck:
ThLZ. 18, S. 619-20JI — 49) X (1 4:452 a.) - 50) X Wirn. Meyer, Stadt u. Stift Köln (vgl. JBL. 1892 II 1 :23). |[G. Winter:
BLU. S. 437; MllL. 21, S. 265.11 - 51) G. v, Below, Z. Gesch. v. Gerresheim im 16. Jh : BGNiederrh. 7, S. 201,6. — 52)
(I 4:341.) — 53) X F. V(etter), J. Dierauer, Gesch. d Schweiz. Eidgenossensch. (vgl, JBL. 1892 II 1: 16): SchwRs. 1,
R. 218-21. — 54) X G- Blondel: RH. 52, S. 382,5; Mkgf : HZ. 34, S. 1223. — 55) X A. Starzer: ÖLBl. 2, S. 712,3. —
56) P. Weber, Kaiser Maximilian, d. letzte Ritter. E kulturgesch. Erzählung für Jugend u. Volk. Kegensburg, Verlagsanst.
(vorm. G. J. Mnnz). I^, 295 S. M. 3,00. - 57) X LCBI. S. 6:W,9; G Egelhaaf: HZ. 35, S. 95,8; J. Stich: ÖLBl. 2,
S. 4246. — 58) H. Baumgarten, Karl V u. d. dtsch. Reformation. Vortr. Coburg, Sendelbach. II, 42 S. M. 0,60. —
59) F. Zwenger, Joh. Feige, e. hess. Staatsmann d. Beforraationszeit: Hessenland 7, S. 102/3. — 60) N. Pualns, Chrph.
M. Osborn, Allg-eineines des 15./16. Jahrhuaderts. Il 1 : 6i-?ä
knüpften ihn seine katholischen Interessen mit Cochlaeus, Nausea und dem Franzis-
kaner Schatzg-er. Als Freund der Wissenschaft schützte er 1519 in seiner Stellung-
als Statthalter des Herzogtums Württemberg in Stuttgart den bedrängten Reuchlin ;
aber er selbst schrieb so heftige antilutherische Traktate, dass sein eig-ener Vater
Johann sich offen geg-en ihn wandte. — Der interessanten Persönlichkeit des Lazarus
von Schwendi ist eine Studie Martins^') gewidmet. Er giebt eine lebendig-e Schilde-
rung- von den wechselvollen Schicksalen des rührig-en Schlaukopfs, der unter Karl V.,
Ferdinand I. und Maximilian II. politisch und militärisch sich auszeichnete, ohne
gerade sich einen makellosen persönlichen Ruf zu erwerben. Seit 1568 aber finden
wir Schwendi nur noch als jederzeit gern gehörten Berater (vgl. auch JBL. 1892
II 1:82). Und in die folgenden fünfzehn Jahre nun fällt sein inhaltreicher Brief-
wechsel mit Kaisern und Fürsten, sowie wesentlich auch seine schriftstellerische
Thätigkeit. M. g-iebt eine Uebersicht über die zahlreichen offiziösen Denkschriften,
die Schwendi g-ern im Anschluss an Macchiavellis ,, Diskurse" nennt, und unter denen
das die Summe seiner staatsmännischen Anschauung-en ziehende „Bedenken an Kaiser
Maximilian den Andern von Reg-ierung des heilig-en Rö:nischen Reichs und Frei-
stellung- der Religion...." aus dem J. 1574 hervorragt (S. 409 — 13). Bemerkens-
wert ist, dass Schwendi schon sich geg-en die Söldnerheere und für die Volks-
bewaffnung erklärt, die freilich nur bei volkstümlichen Kriegen durchzuführen sei.
M. meint, Schwendis Hauptg-egner, der Kardinal Granvella, habe den Kern seines
Wesens richtig erfasst, „indem er ihn einen starken Politikus nannte, dessen Ideale
aus den alten Republiken, aus Griechenland und Rom, stammten" (S. 415). Als durch
den Tod Maximilians IL die Fruchtlosigkeit aller Bemühungen Schwendis besieg-elt
wurde, sprach sich sein Unmut in mehreren kleinen Dichtungen aus, in denen er g-egen
schlechte Sitten, deutschen Partikularismus und geg-en die Intriguen der Hofleute
eiferte (S. 414). ^^j _ Dem merkwürdigen Hans Kleberg, einem Schwiegersohne
Pirkheimers, der hauptsächlich in Lyon weilte, wo ihm seine Wohlthätig-keit die
Bezeichnung „le bon Allemand" eintrug, suchte Ehrenberg^^) gerecht zu werden.
Kleberg-, der zu Franz I. nahe Beziehung-en hatte, war ein für die damalige Zeit in
Deutschland höchst seltenes Finanzgenie ersten Ranges; freilich hat ihm auch der
als anrüchig g-eltende Lebensberuf des „Finanzens" das Leben mehr als schwer g-e-
macht. — Eine Reihe von Persönlichkeiten, die für uns in Betracht kommen, weisen
die im Berichtsjahre erschienenen Bände der ADB. auf. Hans Landschad von
Neckarsteinach, der in seinem Sitze den evang-elischen Gottesdienst einführte, viel-
leicht noch selbst Melchior Ambach als Predig-er dorthin berief, fand seinen Bio-
graphen in Schneider^*). — Die Söhne des Grafen Botho zu Stolberg behandelte
wie den Vater selbst Jacobsß-'»-^^). Graf Ludwig, der erst Melanchthon nahe stand,
später im anderen Lager sich aufhielt, zeigte ein lebhaftes Interesse für das Schul-
wesen und beteiligte sich an der Einrichtung der Klosterschulen zu Ilfeld, Walken-
ried, Ilsenburg und Hirzenhain ; er machte sich verdient durch die Förderung der
Druckerei zu Ursel und war der erste Graf zu Stolberg, der sich Büchersammlungen,
zu Königstein und Wertheim, anlegte. Mit Lazarus von Schwendi verband ihn ein
angeregter Briefwechsel. Graf Heinrich, sein jüngerer Bruder, war unter Hermann
von Wied Domdechant beim Kölner Hochstift und trat 1543 zur neuen Lehre über.
— Der Schwabe Georg von Stein, dessen Leben Markgraf^^j beschreibt, hatte in
den Diensten mancher Herren zur Zeit Friedrichs III. ein unruhiges Schicksal. Aber
stets bewahrte er sich Lust und Freude an der Wissenschaft; Trithemius, Celtis,
Bebel rühmen ihn, und sein Neffe Eitelwolf von Stein widmete ihm die Schrift: „De
laudibus heroum et virorum illustrium". — P]in politischer Landsknecht ist der
intrigante Spedt, dessen gesinnungslose Thätigkeit Krause 6^) verfolgt. Spedt war
je nach Bedarf Protestant oder Katholik und taucht bei allen politischen Ränken
zwischen 1540 — 80 auf. — Einen echten, ehrlichen, frischen, kühnen Schweizer
Söldnerführer schilderte dagegen Blösch'^) in Albrecht vom Stein. Ihn hat Niklas
Manuel, der unter seinem Konunando kämpfte, in einem Totentanzbilde angebracht.
— Auch der Artikel Brechers'') über Lazarus Spengler fällt ins Berichtsjahr. B.
schildert in gedrängter Kürze das Leben und die Thätigkeit des vielseitigen Nürn-
berger Ratsschreibers, seine Stellung in der Stadt, seine Beziehungen zu Pirkheimer
und Dürer, ferner die Bestrebungen des Kreises um Joh. Staupitz in Nürnberg
1512— 16, als dessen Nachfolger der Augustiner Wenzeslaus Link erscheint, bis Luthers
V. Scbwurzenberg, e. kathol. Schriftsteller n. Staatsmann d. 16. .Jh : IlPßll. 111, S. 10-32; 112, S. 144-54. — 61) E. Martin,
Lazarus v. Schwendi n. seine Schriften: ZGORh. 8, S 3S9-418 — 62) X E. Marclcs, G. v. Ooligny. Sein Leben u. d. Frank-
reich seiner Zeit. 1. Bd. 1. Hälfte. St., Cotta. VII, 423 S M 8.00. |[F. Sander: AZj". N. 17.5.JI - 63) (I 4: 151.) —
64) Joh. Schneider, Hans Liindsohad v. Steinach: ADB. 35, S. (570/5. - 65)X ^<^ Jacobs, Botho Graf zu Stolberg: ib. 36,
S. 327/9. — 66) id., Ludw. Graf zu Stolberg: ib. S. .3:59-45. — 67) id., Heinr. Graf za Stolberg: ib. S. .335,9. — 68) H.
Markgraf, Georg v. Stein: ib. 35, S G08-13. — 69) C. Krause, Fr. Spedt: ib. S. 88-92. — 70) Blösch, Albr.
vom Stein: ib. S. 596,9. — 71) A. Brecher, Laz. Spengler: ib. S. 118-22. — 72,» K. Lamp recht, Dtsch. Geistesleben im
II 1:73-83 M. Osborn, Allgemeines des 15. /16. Jahrhunderts.
That allen diesen Wünschen einen festen Mittelpunkt g-iebt. Spenglers Förderung"
der Reformation, seine Begeisterung für Luther sowie seinen Anteil bei der Grün-
dung der Gelehrtenschule, für die er sich persönlich in Wittenberg bei den Refor-
matoren Rats erholte, werden dargestellt. —
Zur Geschichte des geistig-en Lebens sei zunächst die allgemeine Skizze
genannt, die Lamprechf'^) aus der Zeit des endenden Mittelalters entwirft. Sie
führt bis an die Grenze, bei der die JBL. einsetzen, aber sie mag* dem Studium der
neueren Zeit wohl als treffliche Grundlage dienen. — Wichtig- für die Vorgeschichte
unseres Abschnittes sind auch die von Burdach '3) nun zu einem Buche gesammelten
älteren Abhandlungen, dessen Einleitung ich mir für den nächsten Band zur Be-
sprechung vorbehalte. Dies erste Heft einer Sammlung von Einzelforschungen zur
Geschichte der deutschen Bildung enthält hauptsächlich B.s Besprechung des Keller-
Sieversschen Hss.-Verzeichnisses (vgi. JBL. 1890 11 1 : 12) sowie einen glänzenden
Aufsatz über die böhmische Kanzlei unter Karl IV, und ihre Bedeutung für die
deutsche Kulturentwicklung. Der Vf. hat den Zweck im Auge, das Nachleben der
mittelhochdeutschen Poesie darzustellen, soweit es sich in der Anfertigung neuer
Hss der alten Werke beweist, und dann „die Mächte zu ergründen und anschaulich
zu machen, welche sich diesem Fortleben der mittelhochdeutschen weltlichen Lehr-
dichtung und der von ihr vertretenen Sittlichkeit teils auflösend, zerstörend, teils
umgestaltend entgegen stellen". Die Einflüsse des Auslandes auf die Kanzlei, diesen
Mittelpunkt neuer Bestrebungen, die unermüdliche Thätigkeit des Kanzlers Johann
von Neumarkt werden gewürdigt, die bildende Kunst wird ebenfalls herangezogen und so
ein meisterhaftes Bild aus dieser Zeit des ersten Anfangs der deutschen Renaissance-Be-
wegung geboten. — Auch von den Werken über die Renaissance in Italien, deren
Studium zum völligen Erfassen der deutschen Litteratur des 15. und 16. Jh. ja un-
erlässlich ist, seien einige kurz erwähnt, wenn sie auch nur ein loserer Zusammen-
hang mit unserem eigentlichen Stoffkreise verknüpft. Da ist vor allem auf ein um-
fangreiches italienisches Werk''*) hinzuweisen, das in drei Abteilungen („Storia",
„Letteratura" und „Arte") zwölf Aufsätze von hervorragenden Gelehrten bietet,
welche die ganze Welt des Rinascimento umfassen. — Daneben stellen sich die
Studien des Engländers Pater^^) über Kunst und Litteratur der Renaissance, von
denen für uns die geistvollen Ausführungen der Einleitung und des Schlusses sowie
ein feinsinniger Aufsatz über Winckelmann und den steigenden Einfluss der Antike
zu Ende des vorigen Jh. (S. 187 — 246) besondere Wichtigkeit haben. ''6) — Während
Owen"') die bedeutendsten Männer aus dem Italien jener Jhh. schildert, plaudert
Jacobsen^^) von italienischen Frauen des Cinquecento. — Leben und Wirken
Lorenzo Vallas dem weiteren gebildeten deutschen Publikum bekannt zu machen,
hat von Wolff'^) mit vielem Fleiss und mit Geschick versucht, aber ohne die Ge-
stalt des Gelehrten, wie es geschehen musste, aus seiner ganzen Zeit herauswachsen
zu lassen. Von den W^erken Vallas, dessen Bedeutung nicht zum geringsten darin
lag, dass er bei aller Achtung und Bewunderung vor dem Altertum doch die ob-
jektive Kritik zur Geltung brachte, giebt W. ausführliche Analysen. Ganze Strecken
hat er übersetzt, so besonders aus dem Traktate „De voluptate ac de vero' bono"
(S. 13—36) und aus der Abhandlung über die Konstantinische Schenkung (S. 79— 93).80)
— Voll Geist weiss Paul Roden^'), hinter welchem Pseudonym sich ein weiblicher
Autor verbirgt, seine These zu verteidigen, dass in Shakespeares „Sturm" die ge-
waltige geistige Umwälzung allegorisch geschildert sei, welche vom Ende des 15. bis
zum Ende des 16. Jh. die Köpfe und Gemüter Europas erregte. — Ein kurzer, aber
inhaltreicher und beachtenswerter Vortrag Hampes^^j wägt die Werte der deutschen
Kunst und der deutschen Litteratur um die Wende des 15. Jh. gegen einander ab. H.
weist auf die seltsame Thatsache hin, dass in Deutschland Dichtung und bildende
endenden MA. : ZKnltG. 1, S. 5-49. — 73) K. Burdach, Vom MA. z. Reformation. Forschungen z. Gesch. d. dtsch. Bildung.
1. Hft. (Erweit. Abdr. aus CBlBibl. Bd. 8.) Hallo a. S., Niemeyer. XX, 134 S. M. 4,00. — 74) La vita italiana nel
rinascimento. Conference tennto a Firenze nel 1392. Milano, Fratelli Treves. 519 S. L. 6,00. (Enthält: I. Storia: 1. E. Masi,
Lorenzo il Magnifico; 2. G. Giacosa, La Vita privata ne' Castelli; 3. G. Biagi, La Vita privata dei Piorentini; 4. J. Del
Lungo, La donna fiorentina nel rinascimento e negli Ultimi tempi della libertä. II. Letteratnra: 1. Q. Mazzoni, II
Poliziano e rUmanesimo; 2. E. Nencioni, La Urica del rinascimento; 3. P. Rajna, L'Orlando Innamor.ito del Bojardo;
4. F. Tocco, II Savonarola e la Profezia. III Arte: 1. D. Mortelli, La pittura del 400 a Firenze; 2. V. Lee, La scultura
del Rinascimento; 3. E. Ponzacohi, Leonardo di Vinci [d. P. S. 4645 durch e. Hinweis auf d. Figur d. Faust sehr fein
zu charakterisieren suchtj; 4. P. Molmenti, L'arte veneziana del rinascimento.) — 75) W. Pater, The renaissance. Stndies
in art and poetry. New ed. London and New-Yort, Macmillan & Co. XVI, 253 S. Sh. lÜ/6. (Enth. ausser d. im Texte ge-
nannten Abschnitten u a. noch: Two early french stories S. 1-30; Tho poetry of Michelangelo S. 76-102; Leonardo da Vinci
5. 103-35.) — 76) X J- Klaczko, Rorae et la Renaissance. Essais et esquisses: RDM. 115, S.529-57; 116,8.37-62,624-51.
(S. bes. N. 4 „Au seuil de la sixtina" u. N. 6 „Une vue sur le rinascimento".) — 77) J. Owen, The Sceptics of the Italian
Renaissance. London, Swan, Sonnenschein & Co. 273 S. |[BLU. S. G53/4; M. Hewlet.t: Ac. 43, S. 4534.JI — 78) E. P.
Jacobson, Italian women of the 16. Cent..: WestmR. 140, S. 17-23. — 79) Max v. Wolff, Lorenzo Valla. Sein Leben u.
seine Werke. E. Studie z. Litt.-Gesch. Italiens im 1.5. Jh. L., Seemann. VI, 134 S. M. 2,50. — 80) X The Decameron of
Boccaccio: EdinbR. 178, S. 500-29. (Rec. e. Reihe v. Werken über Boccaccio u. Beine Zeit) — 81) P. Roden, Shakespeares
„Sturm". E. Kulturbild. L, W. Friedrich 62 S. M. 1,00. - 82) (I 11:184; 12:3.) — 83)XX A.John, Z. Kulturgesch. d. westl.
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 : 34-33
Kunst fast niemals mit einander Schritt g-ehalten, vielmehr stets in einem auffallenden
Missverhältnis g-estanden haben. ' Auf den mittelalterlichen Zustand, die hohe Blüte
der Poesie und den niedrig-en Stand von Plastik und Malerei, folgt nun g'egen das
J. 1.500 eine Zeit des Li tteratur Verfalls und des Aufschwungs der bildenden Künste.
Für die g-esamte Dichtung- der Reformationsperiode hat H. nicht viel Liebe übrig.
Während die Schriftsteller sich ganz und gar von Tendenz und Dogma in Ketten
schlagen Hessen, habe die bildende Kunst nur ausnahmsweise sich zur Mag-d politischer
und religiöser Parteien herabgewürdigt, ohne jemals im ganzen das eigentlich künst-
lerische Element völlig zu verlieren. Mit dem Handwerksmässigen in der Litteratur
kann der Vf. freilich aus seinen eigenen Forschungen in den Nürnberger Rats-
protokollen auch Erscheinungen in der ehrsamen Zunft der Maler und in den Kreisen
der Kunsthandwerker in Parallele bringen. Auch ist H. nicht ganz gerecht, wenn
er die Ausbildung eines gesunden naturalistischen Zuges für die bildende Kunst allein
in Anspruch nimmt und der Dichtung so gut wie völlig abstreitet. Im ganzen aber
wird man schwerlich seinen Ausführungen widersprechen, die beweisen wollen, wie
namentlich durch die humanistischen Gelehrten und durch den übermässigen Einfluss
der Renaissance überhaupt die Poesie der Gebildeten dem Volke mehr und mehr
sich entfremdete, während die Malerei niemals in jener Zeit den festen Zusammen-
halt mit der ganzen Nation einbüsste. In der deutschen Kunst, so behauptet der Vf.
mit Fug, ist zuerst die Abklärung der mystisch dunklen und verschwommenen
Ahnungen und Gefühle zu reformatorisch fruchtbaren Ideen erfolgt (S. 19), und mit
Recht weist er dem grössten bildenden Künstler jener Epoche, Albrecht Dürer, den
Platz des grössten Künstlers schlechthin im damaligen Deutschland an.^^j — Von
den englischen protestantisch-reformatorisch Gesinnten, die in der ersten Hälfte des
16. Jh. nach der Schweiz kamen und in Zürich in den Häusern der obersten Geist-
lichen, besonders bei BuUinger, Zuflucht fanden, berichtet Vetter^*). Er verweilt
besonders lange bei dem englischen Antipapisten John Bale (S. 15 — 20), der den
Pammachius des Naogeorg übersetzte und selbst in dem bedeutendsten seiner fünf
erhaltenen Schauspiele, dem „King Johan", den Einfluss jenes romfeindlichen
dramatischen Pamphlets deutlich verrät; dem Engländer widmete auch Konrad
Gesner sein Sprachvergleich endes Werk „Mithridates". In der zweiten Hälfte des Jh.
entspann sich dann ein äusserst reger Verkehr zwischen Zürich und England, der
schliesslich einen riesenhaften Umfang annahm. Die Abhandlung V.s bringt an der
Spitze die Abbildung eines Ehrenpokals, den die Königin Elisabeth Bullinger für
die freundliche Aufnahme der protestantischen Flüchtlinge unter dem Regimente der
katholischen Maria verehrte. —
Unter den zusammenfassenden Arbeiten zur Litteraturgeschichte des
16. Jh. sei auch hier wieder auf Baechtolds^^j gewaltiges Werk über die deutsche
Dichtung in der Schweiz hingewiesen, das an einer anderen Stelle dieses Bandes
eingehende Würdigung erfahren hat. Für die zweite Hälfte des 15. Jh. kommt das
vierte Kapitel (S. 190—244) mit seiner Darstellung des Volksliedes, der geistlichen
Dramen und des Fastnachtsspiels, der Predigt und der Schriften der Mystiker, der
historischen Prosa und des beginnenden Humanismus in Betracht, für das 16. Jh.
dann das grosse fünfte Kapitel (S. 245—446) und für beide Abschnitte von den An-
merkungen ein bedeutender Teil mit einer Riesenmenge Materials (S. 47 — 140). —
Lorenz^^) Dissertation über den Anteil Mecklenburgs an der deutschen National-
litteratur behandelt auf S. 7 — 21 unsere Zeit. Das für den Herzog Balthasar von
Mecklenburg hergestellte Heldenbuch Kaspars von der Roen steht hier an der Spitze.
Epen-Uebersetzungen schliessen sich an und, als Hauptpunkt des älteren Dramas,
das Redentiner Osterspiel. In den Anfangszeiten des Humanismus in Rostock richtet
sich die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf Hütten, der im Winter 1510 als ein
Jüngling von 22 Jahren von Greifswald her dorthin kam und ein Semester hindurch
Vorlesungen hielt, der ferner in Rostock sein erstes Werk, die Sammlung seiner
Elegien, fertig stellte. Von neulateinischen Dichtern seiner Heimat nennt L. in den
bibliographischen Anmerkungen (S. 36 — 47) 63, unter ihnen Joh. und Dav. Caselius,
Nath. Chytraeus, Joh. Freder. Daneben stellen sich die lateinischen Schuldramen,
mit dem „Nymphocomos" des Chrph. Brockhagius und dem „Cornelius Relegatus"
Wichgrevs in erster Reihe. Franziscus Omichius und Joachim Schlu vertreten das
deutsche Schauspiel, 30 Namen jedoch das geistliche Lied (Anm. S. 50/3), Omichius
wiederum mit seiner Beschreibung einer Reise von Wien nach Konstantinopel und
Chytraeus mit seinen Fabeln die Didaktik. — Die deutsche Dichtung in der Provinz
Posen hat sich, wie Skladny^'') in einem Vortrage zeigte, stets auf die schlesische
Böhmens. I. Hamanismas u. Reformation: ZDKG. 3, S. 177-208. — 84) Th. Vetter, Englische Flüchtlinge in Zürich während
d. ersten Hälfte d. 16. Jh. (= Njbl. her. v. d. Stadtbibl in Zürich.) Zürich, Orell Füssli. 4». 23 S. mit 1 Lichtdr. M. 2,20.
|[F. V(etter): SchwKs. 1, S 347.]| — 85) (I 1 : HO.) - 86) (I 1 : Hl.) - 87) (III 1 : 1.37; IV la : 46.) — 88) (II 3 : 50.)
Jahresberichte für nenere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (2)2
II 1 : 89-99 M. Osborn, Allgemeines des 15./ 16. Jahrhunderts.
Grenze beschränkt. Die ältesten deutschen Verse finden sich auf zwei Glocken zu
Klecko und in anderen Inschriften. Die g-edruckten Werke aus unserer Periode
verteilen sich auf Matth. Rüdinger, dessen Poesie hauptsächlich in verschnörkelten
Reimereien aufging-, ferner Valerius Herberg-er, einen Fraustädter von Geburt wie
Rüdinger, und Joh. Heermann aus Schlesien, die sich als geistliche Dichter bekannt
machten. — Für die Sammlung Goschen stellte Pariser ^S) ein Bändchen aus Bruch-
stücken der wichtigsten Litteraturwerke des 16. Jh. zusammen. Den halb populären
Zwecken entsprechen Auswahl und Anmerkungen sowie die orientierenden Vor-
bemerkungen vollkommen. Von Brant haben die Kap. 1, 17, 99 des Narrenschiffs Auf-
nahme gefunden; Murner ist mit einem Abschnitt der Narrenbeschwörung („Ein Esel
latin lernen") und mit einem des Grossen Lutherischen Narren („Das Banner der
Freiheit") vertreten. Von Luther ist neben der Vorrede auf den Psalter, einem
Stück aus dem Sendbrief vom Dolmetschen, einigen Briefstellen und Aesopischen
Fabeln auch nach der Ausgabe letzter Hand (1545) Ev. Matth. 26,6 — 1:3 abgedruckt
und dazu das gleiche Stück in der Uebertragung des Codex Teplensis, der Schrift „des
newen gezeuges", — ein prägnantes Beispiel für Luthers wundervolle Sprachgewalt.
Auch Hütten (Vorrede aus dem Gesprächbüchlein und „Ich habs gewagt"), Fischart
(„Ernstliche Ermahnung"; Stück aus dem „Glückhafft Schiff"), Joh. Pauli, der immer
noch der getaufte Jude ist (Ernst N. 333; Schimpf N. 422j, Waldis und Alber us
mit ein paar Fabeln sind berücksichtigt. Beim Kirchenlied kommen neben Luther
selbst Joh. Matthesius, Nik. Decius, Paulus Speratus, Nik. Hermann, Fisohart und
Hans Sachs zu Worte. Hans Sachs ist auch noch mit der ,, Klagred der Theologia",
mit einem epischen und einem dramatischen Werkchen vertreten. Proben aus dem
Reinke de vos und Rollenhagens Froschmäuseier (II, Teil 4, Kap. 2) machen den
Schluss. — Zu Wolkans Studien über die deutsche Litteratur in Böhmen (vgl. JBL.
1890 II 1 : 13; 1891 II 1 : 1 ; 1892 II 1 : 42) brachte Lambel^i') in einer ausführlichen
Besprechung zahlreiche kleine Nachträge und Berichtigungen. — Gauthiez'*^)
nimmt in seinen Aufsätzen über Rabelais, Montaigne und Kalvin, ,,ces peres de l'esprit
fran^ais", vielfach Rücksicht auf die deutsche Litteratur. — Wie die reformatorische
Anschauung von der Ehe auf die verschiedenen Zweige der zeitgenössischen Litteratur
auf Lyrik, Epos, Drama und vor allem didaktische Poesie wirkte, zeigte W. Ka werau**')
in einer vortrefflichen kleinen Schrift. — Osborn^^) suchte in seiner Studie über
die satirisch-didaktischen Teufelbücher protestantischer Theologen nach Luthers
Tode die Lasterpersonifikation in der Litteratur der Zeit überhaupt zu verfolgen. —
In einer Kritik der Abhandlung RochoUs über die wissenschaftliche
Beschäftigung der Renaissancezeit mit der Philosophie des Plato (vgl. JBL. 1892 II
l : 48) betont Stein"^), dass es in jener Periode doch nicht allein der mit neuplatonischen,
alexandrinischen und kabbalistischen Elementen durchsetzte theosophische Piatonismus,
wie ihn Ficino beispielsweise verdolmetschte, gewesen ist, der die Köpfe der Gelehrten
erfüllte. Es beginnt schon die Erforschung der reinen, unverfälschten platonischen
Philosophie, und seitdem Aurispa von Konstantinopel den ganzen Plato nach Venedig
gebracht hatte, arbeiteten Männer wie Manuel Chrysolarus, Angelus Politianus,
Vettorino de Feltre an der Herstellung der reinen Lehre des Griechen. — Die früher
besprochenen Arbeiten von Albert 9*) über den Minoriten Matthias Döring (JBL. 1892
II 1:56) und von Paulus 9^) über den Augustiner Hoffmeister (JBL. 1891 II 7:50;
s. u. II 6:6) fanden im Berichtsjahr noch mannigfache Beachtung. ^6) Auf Grund
von Frankfurter Archivalien schildert Heinze^') den Streit des gelehrten Magisters
Konrad Schade mit der Stadt Heidelberg, Diese Händel, durch die Absetzung des
Magisters im J. 1457 hervorgerufen, nahmen eine merkwürdige Wendung dadurch,
dass Schade, als er bei Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz sein Recht nicht erhielt,
die Hülfe der Feme in der Person des Freigrafen Johann Hackenberg anrief, und
dass nach langem Hin und Her schliesslich Papst Pius II. zu Gunsten des Spruches
der Feme intervenierte, die Heidelberg verurteilte. H. weist darauf hin (S. 210),
dass Aeneas Sylvius selbst sich in seiner Historia de Europa über die Femgerichte
ausgesprochen hat. — Sebastian Münsters grammatische Lehrbücher sucht Pul ver-
mach ers'-'^) Dissertation gegen mancherlei Vorwürfe zu verteidigen,^^) — Paracelsus
von Hohenheims 400. Geburtsjahr hat zahlreiche Gedenkartikel in Tagesblättern
IfM. P. C. Schmidt: ASNS. 91, S. 277/8 (kleine Verbesserongen u. Nachtrr); TliLBl. 14, S. 178.J| — 89) H. L a m b e 1 :
LBlGRPh. S. 385-95. — 90) P. Gauthiez. Ktudes litt, sur le 16. siecle. Paris, Lecfene & Oadin. XVIII, 337 S. Fr. 3,50.
HPolybibU'. 68, S. .547; SchwRs. 1, S. 630/l.JI — 91) (II 6 : 191; vgl auch JBL. 1894 II 5) — 92) (III 5 : 5 ) - 93) L.Stein:
AGPhilos. 6, S. 428-30. — 94) X ö' Kaweran: GGA. S. 497-504; C. Eubel: Kath. 2, S. 10-20; A. Cartellieri: MHL. 21,
S. 143/6; LCBl. S. 942; DLZ. S. 974/5; B. Gebhardt: HZ. 35, S 504/5; StML. 44, S. 377; MA. 6, S. 23; G. Bessert:
ThLBl. 14, S. 268,9; Karl Müller: TliLZ. 18, S. 362/4. — 95) X J- Schmid: LRs. 19, S. 140,2; Ale. Hollaender: HZ. 71,
S. 114/5; BPhWS 1892, S 1370/1; E. A Hai 1er: KathSchwBll. 9, S. 260/2 — 96) X Mimfr. Mayer, Wig. Hundt (vgl. JBL. 1892
II 1 :62). IIHPBll. 112, S. 202,3; 0. Braunsberger: StML. 44, S. 615,8.]| - 97) R. Heinze, Mag. Konr. Sohades Streit-
händel mit d. Stadt Heidelberg. (Mitte d. 15. Jh.): NHJbb. 3, S. 199-223. - 98) D. Pulvermacher. Seb. Monster als
Grammatiker. Diss. Erlangen (Berlin, IL S. Hermann). 1892. 32 S. (Vgl. auch II 0: 172.) — 99) X L. R, J. .J. Scaliger:
M. Osborn, Allg-emeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 : 100-124
hervorgerufen >"<'" 105). — Grottewitz 'o^) konnte den 350 jährigen Todestag" des
Kopernicus nicht ohne Jubiläumsaufsatz vorübergehen lassen."^') — Rudio'^^) hat
seinen bereits 1891 in Zürich gehaltenen Vortrag über die Bedeutung der mathematischen
Wissenschaften für die Kultur .und die künstlerische Entwicklung der Renaissance-
zeit (vgl. JBL. 1891 II 1 :20; 1892 II 1:50) nun im Wortlaut erscheinen lassen. —
Lo ewenberg "^•*) verfolgte den Anteil der Deutschen an der Forschungsarbeit der
Entdeckungszeit, wies auf die Ephemeridenberechnungen des Joh. Müller, auf Martin
Behaim, den Schöpfer des Erdgiobus, auf W^aldseemüller, den üebersetzer der Berichte
Vespuccis, und Peter Bienemann (Apianus) hin, der die erste Landkarte mit dem
Namen Amerika verfertigte, um dann bei Sebastian Franck und seinem „Weltbuch", der
Zusammenfassung des gesamten geographischen Wissens der Zeit, zu verweilen.
Einer nicht erschöpfenden Charakteristik Francks und seiner Anschauungen lässt der
Vf. eine Analyse des Weltbuchs folgen; die zumal für das Mainland und im besonderen
für Würzburg' wichtigen Sittenschilderungen werden nacherzählt. — In zwei Ab-
teilungen gab Hildenbrand i'O) Untersuchungen über Matthias Quads 50 Landtafeln
enthaltenden Atlas „Europae universalis et particularis descriptio" heraus, eine der
ersten Kartensammlungen in Buchform überhaupt. Der erste Teil handelt über
Quads Leben und Thätigkeit, speciell über die Descriptio ; der zweite bringt (S. 16/9)
u. a. eine interessante Zusammenstellung der Terra cognita um das J. 1590. — Neben
einigen Schriften, die noch dem Jubiläum der Entdeckung Amerikas ihr Dasein ver-
danken ^^ ' ^'^^ und Rüg es i'^) „Columbus" in Bettelheims Sammlung sei noch auf eine
lateinische „Oratiuncula" aufmerksam gemacht, die der Prof. Erasmus Schmidt im
J. 1602 über Amerika an der Universität Wittenberg gehalten, dann 1616 seiner
Pin darausgabe beigegeben, und die nun Wiesehahn"*) ins Deutsche übertragen hat.
Nach des Prof Erasm. Schmidt Meinung war Amerika den Alten schon wohlbekannt. —
Das kulturhistorische Werk von Alwin Schultz (vgl. JBL. 1891 I 5: 16;
1892 14:21; II 1:63) wurde noch wiederholt besprochen * '5); auch Dielitz"^)
Aufsatz über das deutsche Bürgerhaus ist durch Schultz veranlasst. — Nicht er-
schöpfend ist die Darstellung, die Falk'^') von dem klerikalen Proletariat um die
Wende des 15. Jh."^"'*^) giebt. — Nach den reichen Mitteilungen der Zimmerischen
Chronik plauderte ein Anonymus '^o) über Kaiser, Reichstage, Fürsten und Herren
im 16. Jh.'-') — Die Ausführungen Katts'22^ über das Studententum der Re-
formationszeit im Gegensatz zu den Zuständen des Mittelalters, die den ganz falschen
Schluss aufkommen lassen, als habe sich überhaupt erst im 16. Jh. das eigentliche
Burschenleben entwickelt, beruhen auf Sachs Kulturbildern (vgl. JBL. 1891 I 5 : 10). —
Neben Wichgrevs, des Rostocker Studenten und Privatdocenten, „Cornelius Relegatus"
boten Hoffmeister '23J zu einer Schilderung des Studentenlebens auf der mecklen-
burgischen Hochschule im 16. Jh. die seit 1560 vollständig erhaltenen Akten ein
reiches kulturhistorisches Material. Der Vf. weist auf Huttens und seiner huma-
nistischen Genossen Thätigkeit, auf das Wirken des Arnold Burenius und die Re-
organisation der Universitätsverfassung mit neuen strengeren Satzungen (1548) hin. Der
Karzer wird 1563 zum ersten Male erwähnt; bei einem der aufnotierten Duelle, die
meist nur aus zufälligen Rencontres entstanden, verlor der berühmte Tycho de Brahe
seine Nase. — Ueber die Entstehung des Jesuitenordens seit dem ersten Bunde des
Inigo Lopez de Recalde aus dem Hause Loyala mit Pierre Lcfevre aus Savoyen,
Didask. N. 19-20. (Nach J. Bernays.) — 100) X A. Pfungst, Th. Paracelsns: FZg N. 341.- 101) X A. B a u e r , Paracelsns :
WienerZg. 12.-14. Dec. — 102) X E. Langsdorf, Philippns Theophrastns Bcmbastus Paracelsns v. Hohenheim. (Z. 400. Ge-
bnrtst.): Didusk. N. 296 7. — 103) X A. Kohut, Paracelsns v. Hohenheim: IllZg. 101, S. 691/4. — 104) X K. Sudhoff,
Zu Hohenheiras Geburtstag: AZg''. N. 261. (Beitrr. z. Gesch. d. ersten Lebensjahre Paracelsns; über seine B^deutnng als Re-
formator d. Heilkunde vgl. dazu K. Sudhoff: DMedWschr. 1891.) - 105) X (S- u. N. 176.) — 106) C Grottewitz,
N. Kopernikus (gest. 24. Mai 1543): FZg. N. 141. — 107) X Felix Müller, Zeittafeln z. Gesch. d. Mathematik, Physik u.
Astronomie bis z. .1. 1500, mit Hinweis auf d. Quellenlitt. L, Tenbner. 1892. IV, 104 S. M. 2,40. 1[LCB1. S. 42.]| — 108)
F. Rndio, Ueber d. Anteil d. matheniat. Wissenschaften an d. Kultur d. Renaissance. (= SGWV. N. 142.) Hamburg, Ver-
lagsanst. 33 S. M. 0,60. — 109) S. Loewenberg, D. Weltbuch Seb. Francks. D. erste allg. Geographie in dtsch. Sprache,
ebda. N. 177. 37 S. M. 0,60. — HO) F. J. Hildenbrand, Matth. Quad u. dessen Europae universalis et particularis
descriptio. E. Beitr. z. Gesch. d. dtsch. Kartographie. 2 Tle. in 1 Bd. L., G. Fock. 48, 58 S. M. 2,00. )[W. Wolken-
hauer: DGeogrBll. 17, N. 4.]| — 111) X K- Gronau, Amerika. D. Gesch. seiner Entdeckung v. A. ältesten bis auf d. neaeste
Zeit. 23.-31. Lfg. (= Bd. 2, VI u. S. 225-532 mit Textill., Karten usw.) L., Abel & Müller. 4». äM.0,50; (kpl. 2 Bde.: M. 24.00.)
IfA. Kirchhoff: BLU. S. 189.]| — 112) X Hamburg. Festschrift z. Erinnerung an d. Entdeckung Amerikas. Her. v. wissensch.
Ausschuss d. Komitees für d. Amerika-Feier. 2 Bde. Mit 2 Taf, 1 Karte u. 25 Abbild. Hamburg, L. Friedrichsen & Co.
1892. LUX, 132, 90, 256, 22 S.; VII, 328, 9 S. M. 20,00. |[A. Beneke: DRs. 75, S. 469-71.]| — 113) X S. Rüge, Chrph.
Colnmbns. (= Föhrende Geister. Her. v. A. Bettelheim. Bd. 4.) Dresden, Ehlerraann. 1892. 164 S. M. 1,80. |[A Kroess:
ÖLBl. 2, S. 432 4.JI — 114) Wiesehahn, E. Vortr. über Amerika aus d. J. 1602: NJbbPh. 148, S. 152-60. — 115) X 0.
Behaghel: LBlGRPh. S. 423,4; R. W.: BohemiaK. N. 18. - U6) Th. Dielitz, D. dtsch. Bürgerhaus im 14. u. 15. Jh.:,
VossZgii. N. 35. — 117) F. Falk, An d. Wende d 15. Jh. (Klerikales Proletariat): HPBll. 112, S. 545-59. - 118) X X H-
Ulmann, D. Leben d. dtsch. Volkes bei Beginn d. Neuzeit. (r= Schriften d. Ver. für Reformationsgesch. N. 41.) Halle a. S.,
Niemeyer. III, 92 S. M. 1,20. — 119) X E. Liesegang, G. v. Buchwald, Dtsch. Gesellschaftsleben im endenden MA. U.Z.
dtsch. Wirtschaftsgesch. (Kiel, Homann. 1887): HZ. 34, S. 120 2. — 120) Kaiser, Reichstage u. Fürsten. (Aus d. Zimmerischen
Chronik): MagdZgl'. N. 3/4. — 121) X M. v. Ehren thal. D. Marschallstab d. Kurf August u. dessen Kleidung auf d. Reichstag
zu Augsburg 1566: NASächsG. 14, S. 138/9. — 122) (I 6: 123.) — 123) (I 6: 124.) — 124) F P. Hnber, Gründung n. Zweck
(2)2*
II 1 : 125-139 M. Osborn, Allg-eraeines des 15./16. Jahrhunderts.
Franz Xaver aus Pampelona in Navarra, den Spaniern Jakob Lainez, Alfons Salmeron,
Nikolas Bobadilla und dem Portugiesen Simon Rodriguez im J. 1534 sowie über die
Ziele der neuen Societät schrieb Huber^24j einen lehrreichen Aufsatz für weitere
Kreise. — Als „erster deutscher Jesuit" wird sowohl Petrus Faber in einem anonymen
Büchlein'-^) als auch Canisius vonDrews'^ßj bezeichnet; indessen kann der letztere
dein Paler Faber, dessen Schüler er war, den Titel kaum streitig- machen. —
Manliks'27j Darstellung des Lebens und Treibens der oberdeutschen Bauern im
13. — 15. Jh. auf Grund der gleichzeitigen Litteratur berührt sich nur wenig mit
unserer Periode. Das Material ist mit grossem Fleiss zusammengetragen, aber kein
warmer Hauch der Schilderung belebt es. — Vortrefflich ist die Dissertation von
Roth'^s) über Erziehung und Unterricht der Mädchen im Reform ationszeitalter, ein
Bruchstück aus einer 1892 preisgekrönten Geschichte des weiblichen Unterrichts vom
15. bis 18. Jh. Während noch im 15. Jh. eine Augsburger Bürgersfrau sich schämt,
dass sie allein in ihrer Vaterstadt lesen und schreiben kann, und ihrer Freundin
gesteht: „. . vnd furcht, man möcht über vns lachen, dass wir einander schreiben",
bringt die wachsende pädagogische Macht des Humanismus allmählich eine Aenderung.
Der Spanier Job. Ludw. Vives, ferner Thomas Morus und Erasmus, der hauptsächlich
in dem Dialog „Erudita puella" seine Ansichten ausspricht, werden als treibende
Kräfte genannt. Dann folgt Luthers Eintreten für die Mädchenschulen, in denen
freilich den jungen Maidlein nur eine Stunde täglich gegeben werden sollte. Wichtig
wird für Norddeutschland besonders Bugenhagens Braunschweiger Kirchenordnung;
in Sachsen entwickeln sich dann die Jungfrauenschulen besonders rasch (S. 15 — 20).
li'ür die ziemlich übereinstimmenden Schulverfassungen giebt der Plan einer Mädchen-
schule für Pirna vom J. 1578 (S. 32/3) ein typisches Beispiel. Religion und Lesen
sind Hauptfächer, Schreiben und Gesang wird meist auch gelehrt, sehr selten aber
Rechnen. Ueber Lehrmaterial, Schulzwang, über einzelne hervorragende Frauen der
Zeit und über Fürstinnenerziehung spricht R. auf Grund sorgfältig gesammelten
Materials. Das erste im Druck erschienene Schulbuch für Mädchen ist die „Jungfraw-
Schulordnung zu Torgaw" von Job. Jahn.'2'.ij — Ueber Heiligen- und Reliquien-
verehrung sind einige Schriften zu notieren'^'^'^^'J; im J. 1552 wurden in Nürn-
berg aus drei Kirchen, St. Lorenz, Unserer lieben Frauen und St. Sebald so viele
Kleinodien eingeschmolzen, dass der Ertrag beim Verkauf über 15844 Gulden er-
gab.^^2) — Kulturhistorische Studien und Notizen aus einzelnen Gegenden 1^3) schliessen
sich an. Knott^^*^ schildert auf Grund der Stadtbücher das Teplitzer Leben im
16. Jh., wo die Stadt nach längerer Zeit wieder einmal ein deutsches Gepräge
zeigte, das heftig gegen die Czechen verteidigt wird. K. beschreibt den Ort, die
Gemeindeverwaltung, die Bemühungen für die Heilquellen, das bürgerliche Leben,
die Kirchen und die Schule, für die man sich meist einen Baccalaureus von der
nahen Prager Universität borgte. '"'^''^^') — In dem Aufsatze über „Erzgebirgisches"
Volks- und Wirtschaftsleben im 16. Jh. hat Jacobi'^'^) hauptsächlich seine Auf-
merksamkeit dem Nordabhang des Erzgebirges, dem obersächsischen Lande, ge-
widmet. Er spricht über die Zustände in Zwickau, Freiberg, Annaberg und auf dem
Lande, über öffentliche Einrichtungen, wie die Wasserleitung in Annaberg (1515),
Judenkrawalle, Sitten, Gebräuche, Kleidung und Luxus. Das Rechenbuch des Adam
Ries aus Annaberg, sowie die Schriften und Predigten des Matthesius sind eine wahre
Fundgrube für den Vf. gewesen. J. schildert auch die industriellen Verhältnisse.
Es bilden sich damals schon im Zusammenhang mit dem Berg'bau Anfänge zum
gewerblichen Grossbetrieb, ja sogar Ansätze zu einer Art von Arbeiterschutzgesetz-
gebung (in der kurfürstlichen Bergordnung 1589, S. I7j. Auch von einem Strike
wird berichtet: 1543 legen die Bäcker in Zwickau die Arbeit nieder.'^") —
Zu den wichtigsten Quellen für die Erforschung der allgemeinen Verhält-
nisse im Deutschland des 16. Jh. gehören die Nuntiatur- und Gesandtschafts-
d. Jesuitenordens: VossZg". N. 13/4. (Vgl. auch I 4 : 510-516 a.) — 125) D. erste Jesuit in Deutschland, P. Petrus Paber. E.
Gesch.-Biia aus d. 16. Jh. (= Kath. Flugschriften z. Wehr u. Lehr N. 68/9.) B., Germania.' 128 S. M. 0,20. - 126) (II 6 : 26.)
— 127) M. Manl ik, D.Leben u. Treiben d. oberdtsch. Bauern im 13., 14. u. 15. Jh. Progr. d. k. k. Staatsobergymn. Landskron
(Böhmen). 1892. 24 S. — 128) (I -4 : 38.) — 129) X (I 4:35.) - 130) X St. Beissel, D. Verehrang d. Heiligen u. ihrer
Reliquien in Dtschld. während d. 2. Hälfte d. MA. Freibnrg i. B., Herder. 1892. VIII, 143 S. M. 1,90. |[ZKG. 14, S. 279-80.]|
(Forts, z. Ergänzungsheft zu StML. N. 47.) — 131) X H- Türler, Meister Joli. Bali u. d. Reliquienverehrnng d. Stadt Bern
in d. J. 1463-04. (Njbl. d. litt. Ges. Bern.) Bern, Wyss. 1892. 4". 34 S. M. 1,20. (Bali stiehlt im J. 1462 mit Zustimmung
d. hohen bern. Rates aus d. St. Lanrentiuskirche in Köln d. Haupt d. heil. Vincenz.) — 132) Z. Kirchenraub im Reformations-
zeitalter: Kalh. 2, S. 572. — 133) X J- Wood ward, D. Innshrucker Hofkirclie: NQ. 4, B. 18. (Dazu ib. 3, S. 471/2.) —
•134) R. Knott, Teplitzer Leben im 16. Jh. Progr. d. Gymn. Teplitz. 28 S. — 135) X G. Lösche, Kirchenordnung v.
Joachimsthal (vgl. JBL. 1892 II 1:74). ([Th. Tupetz: HZ. 34, S. 156; A. Paul: COIRW. 21, S 4.32.]| — 136) X A.
Noväcek, Femeschriften aus d. Egerer Archiv: SBGWPragf'. N. 5. — 137) X A. Sedläuek, 0 hubeni lidu a vypileni
vesnic v XV. st. (Ueber Raub- u. Mordbrenner d. 16. Jh.): ib. N. 10. — 138) H. Jacobi, Erzgebirgisches Volks- u. Wirt-
schaftsleben im 16. Jh. (= D. Erzgebirge. Gemeinverst. wissensch. Aufsätze her. v. Eizgebirgsver. Chemnitz. 2. Bd. 1. Heft.)
L, Gebhardt & Wittich (in Komm. d. Hengorschen Baohh.). 27 S. M. 0,50. — 139) X E. Barsch, Hamburgs Seeschiffahrt
U. Warenhandel v. Ende d. 16. bis z. Mitte d. 17. Jh. Hamburg, Gräfe & Sillem. 126 S. M. 2,40. (Ans ZVHambG.) —
M. Osborn, Allg-emeiiies des 15./ 16. Jahrhunderts. II 1 : i40-u5
berichte, die über die Alpen an die Kurie und die italienischen Reg-ierung-en
wanderten. Frieden sburg-'^'^) liess seiner vortrefflichen Ausgabe der beiden ersten
Nuntiaturberichtsbände*'**) über die Thätig-keit des Vergerio '*2-i44j ^„^1 Morone
(vg-l. JBL. 1892 II 1:75) nun eine nicht minder sorgfältige des dritten und vierten
Bandes folgen, die der Zeit nach wiederum gerade da abschliessen, wo Dittrichs weniger
rühmenswerte Sammlung '^^j einsetzte (vgl. JBL. 1892 II 1:77). Die beiden um-
fangreichen Kompendien bilden ein geschlossenes Ganzes: die Legation des Girolamo
Aleandro 1538—39. Dieser päpstliche Gesandte war erst verhältnismässig spät in die
klerikal-politische Laufbahn hineingekommen; von Hause aus war er ein gelehrter
Humanist, ein Philologe, der auch eine Zeit lang als apostolischer Bibliothekar und
Vorsteher der vatikanischen Büchersammlung fungierte (über sein Leben s. 3,
S, 28—48; 4, S. 421—45). Es war bezeichnend für den Geist der humanistischen
Zeit, dass man ihn, den Philologen, 1521 zum Kampfe gegen Luther nach Deutsch-
land entsandte ! Nun, 1538 kam er als Kardinal und päpstlicher Legat, um eine drei-
fache Mission zu erfüllen: zunächst die Einigung Deutschlands in sich, dann die
Einigkeit des Kaisers mit dem Ausland zu erzielen und auf dieser Grundlage schliess-
lich ein thatkräftiges Vorgehen der Christenheit gegen die Türken zu fördern, das
ohne die Deutschen, „li quali sono robur christiani nominis", nicht möglich schien.
Aleander zur Seite steht als Nuntius zuerst Fabio Mignanelli, dann Giovanni Morone,
weitaus der fähig'ste Diplomat der Kurie in jener Zeit, der dem Legaten freilich un-
behaglich war (4, S. 328) und ihn schliesslich auch in der That verdrängte. Morone
war weniger versöhnlicher Natur als Aleander. Sein Standpunkt war, es sei besser
für den heiligen Stuhl, „che la Germania sia discorde et non si faccia dieta ch'a che
siano uniti et stabiliti nei falsi dogmi contra Dio et con la ruina della sede apostolica",
und diesem Prinzip getreu handelte er später auch. Mit philologischem Ordnungs-
sinn hatte sich Aleander schon seit 1522 ein systematisches Verzeichnis angelegt, um
die Ketzer litterarisch zu bekämpfen (3, S. 5). Einen ganzen Schatz von Büchern,
Hss., Excerpten schleppte er mit sich, und ängstlich hütet er ihn (3, S. 192). Er
legte sich vom Okt. 1538 bis Aug. 1539 tagebuchraässige Aufzeichnungen an über
die Mitteilungen, die ihm gemacht wurden und oft seinen Depeschen als Grundlage
dienten (4, S. 245—430). Dauernd beschäftigte er einen Uebersetzer Dr. Judocus,
einen Schlesier (3, S. 47); denn im Deutschen war er nicht sicher. Darum bittet er
auch Cochleus, ihm einige neue Bücher „in re religionis", besonders die letzte
sächsische Kirchenvisitation, aber, wenn irgend möglich, lateinisch zu senden (4, S. 577).
Cochleus, Fabri und Nausea, die „poveri dotti cattolici", empfehlen sich auch hier
wie in früheren Jahren, stets zur geneigten Benefizien-Berücksichtigung (3, S. 402/4,
439-40; 4, S. 152, 162, 174). Nausea ist wiederholt eine Quelle für Aleander (4, S. 265/7)
und wird hoch gerühmt: „Dio volesse che in Germania fusseno quaranta predicatori
simili al Nausea . . . si potrebbe sperare una grandissinia reduttione di molti populi"
("3, S. 344); zum Lohne wird er zum Koadjutor von Wien ernannt (3, S. 505). Auch
Eck steht mit dem Legaten in dauerndem Briefwechsel (4, S. 370, 581 — 91); „nisi
Dens excitaverit spiritum Caesaris, multa plura perdemus" ruft der Ingolstädter Luther-
feind (S. 591). Denn die Fürsten tragen einen grossen Teil der Schuld; „per loro
troppo indulgentia" werden die Zustände von Jahr zu Jahr schlimmer (4, S. 198),
wenn auch B'erdinand in seinem Hause und an seinem Hofe aufs strengste den alten
Glauben aufrecht erhält (N. 45/6, 50, 86, 126, 204). Das Luthertum macht ununter-
brochen Fortschritte, in Tirol (3, S. 148-50), in Ungarn (3, S. 452; 4, S. 132), ja in
den habsburgischen Erblanden (4, S. 245/6). Gegen den Besuch der Universität
Wittenberg durch böhmische Katholiken werden energische Massregeln empfohlen
(3, S. 488). Vor Philipp von Hessen hat man Furcht; Aleander notiert sich, man
habe ihm gesagt, „lanzgravium esse Catilinam Germaniae" (4, S. 318). Laut warnt er
vor Vergerio, der heimlich den Lutheranern zugethan sei (3, S. 492/3). Vom Leben
am Hofe wird viel erzählt. So von einer Karnevalfeier (4, S. 303/9), wo Kampfspiele,
Tänze, Aufführungen zur Belustigung beitragen; aber alles geht mit rühmenswerter
Keuschheit, Ehrbarkeit und Einfachheit zu. Auch die königlichen Kinder beteiligen
sich an einem pantomimischen Spiel, das der Tanzlehrer als Venus mit einer Reihe
von Knaben in Cupido-Kostümen ausführt. Ferdinands und seiner Gemahlin Aber-
glaube an die Erscheinungen Verstorbener und an Wechselbälge wird erwähnt
(4, S. 351/2). Ein harter Schlag für den Katholizismus in jener Zeit war der Tod
140) (II 6:35; Bd. 3 u. 4.) — 141) X Gust. Wolf: MHL. 21, S. 29-35: J. Gniraud: RH. 52, S. 184-90; J. Stich: ÖLHl.
S. 105/7; A. Starzer: MIÖG. 14, S. 372/9. (Durchweg rühmende Anerkennung.) — 142) X (H 6 : 174.) |[LCBl. S. 1419-20.JI
— 143) X ^^- Henschel, P. P. Vergerins. (=r Schriften für d. dtsch. Volk, her v. Ver. für Reformationsgesch. N. 20.)
Halle a. S., Niemeyer. 32 S. M. 0,15. i[F. Hubert: ZHGPosen. 8, S. 3668.11 fin engem Anschluss an Sixt, ohne Neues zu
bringen; H. kennt nicht einmal d. Ausg. d. Nuntiaturber.) — 144) X ^- Finkel, J. Sembrzycki, D. Reise d. Vergerius nach
Polen 1556,7. (Vgl. JBL. 1890 11 7 : 32) : KwH. 7, S. 147 9. — 145) X Gust. Wolf: MHL. 21, S. 262/5; M. Philippson:
RH. 52, S. 383-91; F. Dittrich: DLZ. S. 156 (Erklärnng gegen H. Baumgarten: ib. 1892, 8.1590,2); J. Schmid: LRs. 19,
II l : 146 M. Osborn, Allg-emeines des 15./16. Jahrhunderts.
des Herzog'S Georg- von Sachsen und der unabwendbare Verlust seiner Länder an
den Protestantismus (4, S. 50/1, 196/7). Georg-s Nachfolger, Herzog Heinrich, war
schwankend; aber er verbot „li funerali del tricesimo", die dreissigtäg-ige Trauer-
feier nach katholischem Ritus (4, S. 58). Ein g-anzer Abschnitt (IV.) von F.s Bei-
lagen (4, S. 541—80) enthält Briefe über die sächsischen Zustände. Es taucht der
Verdacht auf, Georg sei vergiftet worden (S. 544). Der Bischof Johann von Meissen
sendet Julius Pflug und Cochleus an Aleander um Rat und Hülfe und bittet um Ge-
währ des Abendmahls in beiderlei Gestalt und der Priesterehe (S. 552—70), ein Ge-
such, das Cochleus warm befürwortet (4, S. 97/9). Der Kurfürst von Sachsen kommt
mit Luther, Jonas, Myconius und Crucig-er zu Herzog" Heinrich nach Leipzig,
um ihn zum völligen üebertritt zur protestantischen Kirche zu bewegen. Bei der Ab-
fahrt sass Luther zwischen den Fürsten, „qui relinquens Lipsiae Miconium et Cruci-
g-erum dixit eis ex curru: videte ut ante omnia ecclesiam in foro (id est senatum)
convertatis" (S. 565). Lutherische und antilutherische Schriften gehen hin und her.
Aleander sendet eine „invettiva" Luthers ein, wahrscheinlich die Erklärung- wider
Lemnius (3, S. 32G), und wundert sich, dass „tanti principi possino tolerar un simil
monstro sopra la terra" ; ferner Zeitungen über die Eroberung- der Moldau durch die
Türken (3, S. 234/6), eine ins Lateinische übersetzte Schrift, wohl Luthers Schmal-
kaldener Artikel vom J. 1538 (3, S. 332), ferner Stücke aus Luthers kursächsischen
Kirchenvisitationen von 1528 und 1538 (3, S. 522/3), und die „Querella Lazari pronun-
ciataaquodamscholaslico Wittenbergaeanno 1539", „ Opera diMelanchthon" (4, S. 180,205).
Cochleus schickt ein libellum des Simon Lemnius ein (4, S. 550/1), das der „poeta non
ingeniosus neque indoctus" „nimis foede" geschrieben habe, und zwar, wie er eitel
meint, „sequi volens lusus meos contra uxoratos sacerdotes et monachos" — also nach
seinem „Bockspiel"; gemeint ist offenbar des Lemnius Monachopornomachia. Ueber eine
Schrift Melanchthons und Bucers, nach F. wohl die „Artikel belangende die religion,
daruf mhan sich zu Nurenberg . . . vergleichen sali ..." (Hs. in Wien), g'eg-en die
sich auch Eck wandte, wird Mitteilung gemacht; sie arbeite auf den Ruin des geist-
lichen Standes und des apostolischen Stuhles, „il quäl fu il primo obiecto di Erasmo,
Luthero et Hutteno et li loro seguaci" (4, S. 213). Die Hoffnung Melanchthon
hinüberzuziehen ist noch nicht verschwunden. Es tritt ein Michael Braccetto auf,
der mit ihm in Unterhandlung stand, es ist sogar davon die Rede, dass der „messer
Phylippo" nach Italien kommen soll; schon wird davon geschrieben, dass man ihm
Geld vorstrecken möge, der Papst interessiert sich sehr für die Sache, und Aleander
meint: „non perdo del tutto la speranza" (3, S. 127/9). In den Beilagen finden
sich noch einige französisch geschriebene Stücke aus der Korrespondenz Karls V.
und Ferdinands (4, S. 445—67), sowie Briefe und Akten zur Religionsvergleichs-
verhandlung, die von dem König, von Joachim IL, Johann Friedrich und Philipp
stammen (4, S. 468—540). — Der von Hansen '4^) herausgegebene erste Band der
dritten Abteilung der Nuntiaturberichte birg-t für unsere Zwecke nicht g-anz so viel.
•Er schildert den Kampf um Köln 1576— 84 (S. XLI-LXVI), die Wahl und Be-
stätig-ung- des Erzbischofs Gebhardt Truchsess (S. 1 —292), seinen Abfall von der
katholischen Kirche und die endliche Wahl des Herzogs Ernst von Bayern ('S.293 — 715).
Die veröffentlichten Schriftstücke stellen die Korrespondenz des Staatssekretärs
Kardinal von Como mit den Beauftragten der Kurie in Deutschland dar, mit Morone,
der 67 jährig im J. 1576 zu dem wichtigen Regensburger Reichstage noch einmal
über die Alpen reisen musste, mit Joh. Delfinus, Joh. Bapt. Castagna, dem Kardinal-
legaten Ludwig Mandruzzo, seinem Sekretär Minutio Minucci, und vor allem mit
dem Nuntius Bartholomäus Grafen Portia (65 von 135 N.). Wir stehen mitten in
der Epoche der Gegenreformation. Das 13 Jahre dauernde Pontifikat Gregors XIII.,
der 1572, im Jahre der Bartholomäusnacht, den Stuhl Petri bestieg, ist die Blütezeit
der kathohschen Restauration. Man nimmt in Rom nun auf die deutschen Verhält-
nisse mehr Rücksicht als bisher und sucht das gelockerte Band mit den deutschen
Katholiken zu festigen, zumal mit den Fürsten, die das Zutrauen zum Teil verloren
hatten, beispielsweise mit Herzog Albrecht von Bayern und mit dem Erzherzog
Ferdinand von Tirol, dem Gatten der Welserin, dem Kunstbeschützer und Dichter
des „Speculum humanae vitae". Die von Gregor zur Bedeutung emporgehobene
Congregatio Germanica (s. auch o. N. 45) wird sich klar über das, was not thut.
Man gesteht sich die Unwissenheit und Sittenlosigkeit des deutschen Klerus offen
ein; das schon 1552 auf den Rat Morones und des Ignatius von Loyola durch
Julius III. begründete Collegium Germanicum wird aufs neue ins Leben gerufen,
und jährlich erhalten dort unter den Augen des Papstes und der Jesuiten etwa
S. 310/2; A, Stanzer: MIÜG. 14, S. 372/fl; H. Virck: ThLZ. 18, S. 307,9. - 146) J. Hansen, Nuntiaturberichte aus Deutsch-
land, nebst ergänzenden Aktenstücken. 3. Abt. 1572-85. Her. v. d. Kgl. prenss. hist. Inst, in Bonn n. d. Kgl. prenss. Archiy-
verwalt. 1. Bd. D. Kampf nm Köln 1576-84. B., Bath. 1892. LXVI, 802 8. M. 26,00. |[H. Virck: ThLZ. 18, S. 162/5;
M. Osborn, Allgemeines des 15./H). Jahrhunderts. II 1 : 147-152
hundert zukünftig-e deutsche Geistliche ihre Ausbildung (S. I— XL). Man täuscht
sich auf ultraniontaner Seite auch nicht über die Verwahrlosuno" des katholischen
Schulwesens im Reiche im Gegensätze zu den blühenden Universitäten und Bildungs-
anstalten der Protestanten. Portia, ein fein gebildeter Gelehrter, den Torquato Tasso
in seinem Dialog „II Messagiero" rühmt (S. 10), beschäftigt sich eindringlich mit
der Reform der Hochschule in Köln (S, 66 Anm. 1, 209, 264), mit der „instauratione
ö piü tosto nuova erettione di questa caduta universitä". Die ganze Frage spielt
auch eine Hauptrolle in der wichtigen Denkschrift des scharfblickenden geistvollen
Minucci, „Stato della religione d'Alemagna, pericoli che soprastanno e rimedii" (1588),
die H. im Anhange ganz zum Abdruck bringt (S. 744—85; vgl. auch LRs. 1892,
S. 217/8). Ihm scheinen die katholischen Universitäten bis auf Ingolstadt „quasi
dessolate"; Köln und Freiburg sind völlig heruntergekommen, Prag „e quasi
destrutta del tutto". Hoffnung setzt Minucci auf die 1582 neubegründete Universität
in Würzburg (Herbipolis). Die Stelle sei hier mitgeteilt: die Hochschule ist er-
richtet „con maggMor fabrica et con conveniente dotatione, ma non s'ha ancora
acquistato credito ; et gran difficoltä si prova in provederle di buoni professori ;
doveria perö di ragione crescere, sendo ella si puö dir nel centro di Allemagna in
paese commodo "per la navig-atione de fiume, ameno, salubre et fertilissimo de grani
et de vini, con abbondanza mirabile di tutte le cose necessarie del vivere" (S. 762/Ö).
Auch von Wien, Trier, Mainz, Erfurt, Basel, Heidelberg, Tübingen wird gesprochen.
Minucci hat von der Bedeutung der Universitäten für die katholische Sache eine so
hohe Meinung, dass er ernstlich vorschlägt, jeder Bischof müsse erst zum Doktor
promoviert sein, das Konzil von Trient solle bestimmen, „che nessuno sia habile al
vescovato se non e prima dottore". Dadurch wälzen die nobili gezwungen, eine Zeit
lang auf den katholischen Universitäten sich aufzuhalten, „da che derivaria poi ä
poco la Salute di tutte le chiese et la prima instauratione della religione catolicha"
(s. ferner S. 635, 665, 670/1). Das protestantische Deutschland wird in den
dunkelsten Farben geschildert: die Kultur dort sei völlig zurückgegangen, die
Lutheraner übten eine wahre Schreckensherrschaft aus und seien „sitibondi del sangue
humano, desiderosi d'incendii" CS. 774/5). — Zwischen die von Friedensburg und
Hansen behandelten Jahre fällt die Gesandtschaft des Kardinals Sfondrato, die von
Druffel ^*'') besprach; es ist die Zeit des Protestantenkrieges, wo Karl V. mit
Paul III. in Streitigkeiten geriet. — Eine Analyse des zweiten Bandes der von
Turba'''^) herausgegebenen venetianischen Depeschen Alvise Mocenigos vom Kaiser-
hofe, der die Jahre 1546—55, also die letzte Zeit von Karls Regierung, umfasst und
u. a. Beiträge zur Kenntnis der öffentlichen Meinung nach dem Interim bringt, muss
für den folgenden Band aufgespart werden. — Die Tagesdepeschen Mocenigos an
den Dogen und an die „Zehn" in der Zeit vom März bis Sept. 1546 über den
Donaufeldzug im schmalkaldischen Kriege verglich Gerwig-'^^) in einer vortreff-
lichen Programm-Abhandlung mit der in Fiedlers Sammelwerke abgedruckten, zwei
Jahre später niedergeschriebenen Finalrelation des Gesandten. G. findet, dass die Berichte
hier und dort sich vielfach gegenseitig ergänzen, in sieben Fällen allerdings auch
geradezu widersprechen. Mocenigo, der übrigens selten mehr mitzuteilen weiss als
den besseren Hofklatsch mit seinen halben Wahrheiten und halben Unrichtigkeiten,
interviewte alle erdenklichen Leute, von denen er erwarten konnte, dass sie „etwas"
wüssten, und berichtete sofort alles, was er vernahm, nach Hause. Kein Wunder,
dass in der bedächtiger geschriebenen Schlussrelation manches anders erscheinen
musste. —
Die für die innere Zeitgeschichte so wichtigen Privat b r i e fe , also Briefe
des Bürgertums, der Familie, die dem Forscher vom 17. Jh. an so überreichlich
zuströmen, finden sich in früherer Zeit bei weitem seltener. Unser Historiker des
deutschen Briefes, Steinhausen'»"), teilt nun aus seiner alten Fundgrube, den
Sammlungen des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, wieder einige Schrift-
stücke dieser Art mit, acht weltliche und acht geistliche von der Wende des 15. Jh.
Die weltlichen sind unbeholfener, ungewandter, die geistlichen zwar in Einzelheiten
konventioneller, aber doch, ebenso wie sie äusserlich schöner geschrieben sind,
reicher an wirklichem Gehalt. Mit Recht hebt St. zwei Briefe der Brigitta Holz-
schuher (N. I und IV) hervor. Nach ungekünstelter naiver Herzlichkeit wird man
jedoch in keinem vergebens suchen. — Ehses''»') macht aus dem vatikanischen
Archiv ein Schreiben bekannt, in dem Karl V. dem Papst Leo X. den Tod Ferdinands
des Katholischen mitteilt und sich selbst als Erben der Krone vorstellt. '^^j _ qj^
W. E. Schwarz: HJb. 14, S. 368-70.]| — 147j A. v. Druffel, D. Sendung d. Kardinals Sfundrato an d. Hof K^irls V.
1547-48. 1. T.: AbhAkMünchen. 20, S. 291-362. - 148) 6. Tnrba, Venetian. Depeschen v. Kaiserhofe (Dispacci di Germania)
her. T. d. bist. Komm. d. kais Ak. d. Wissensch. 2. Bd. Wien, Tempsky. LI, 789 S M. 12,00. — 149) L. Ger w ig, D.Ver-
hältnis d. Schlussrelation d. venetian. Botschafters Alvise Mucenigo zu seinen T.igesdepeschen über d. Donaufeldzug im
schmalkald. Kriege v. J. 1546. Progr. d. Kealsch. Heidelberg (G. Geisendörfer). 1892. 4". 40 S. — 150) (I 4 : 136,7.) —
151) St. Ehses, Karl V. über Ferdinand d. Kath.: HJb. 14, S. 832,3. — 152) X M. Lenz, Briefwechsel Philipps v. Hessen
II 1:153-158 M. Osborn, AUg-emeines des 15./16. Jahrhunderts.
Veröffentlichung- der Witteisbacher Briefe aus den J. 1590—1610 setzte Stieve^^^)
fort (vg-1. JBL. 1892 II 1:83; III 1:6); die Abteilung-en 6 und 7 umfassen die
J. 1600—8 mit einigen Nachträg-en zu den früheren Abteilung-en. Vortrefflich charakte-
risieren die Vf. sich selbst in ihren Schreiben. Der g-utmütig-e, redselig-e, treu zum
Hause Habsburg- stehende, in seinen Auseinandersetzung-en allerdings mehr breite
als klare Altherzog Wilhehn V., der mehr mit dem Gefühl als mit dem Verstand
urteilt und wichtige, verantwortungsvolle Entscheidungen gern von sich abwälzt.
Ferner der Coadjutor Ferdinand, fröhlich und oberflächlich, ein lustiger Bruder, dem
Reiherbeizen und Jagdfalken von gar hoher Bedeutung erscheinen. Als sein Gegen-
stück tritt der Herzog Maximilian auf mit seiner strengen Energie, seiner kühlen
Besonnenheit und seiner festen Religiosität. Ein warmes Familiengefühl verbindet
jedoch sie alle unter einander wie mit den näheren und entfernteren Witteisbacher
Verwandten. In jeder der beiden vorliegenden Abteilungen ist die Rede von einer
Heirat. Einmal möchte Wilhelm seinen Lieblingssohn Albrecht (VI.) mit einer Habs-
burgerin (Abt. 6), dann wieder seine Tochter Magdalena mit dem Erzherzog Matthias,
dem späteren Kaiser, vermählen (Abt. 7). Beide Pläne scheitern; dort stellt sich das
kurz zuvor erlassene bayerische Ehegesetz entgegen, bei Matthias aber sein „male-
ficium et impotentia", die weitläufig erörtert wird (N. 340, 370, 379, 382 usw.). Aber
ausser diesen Familien- und staatlichen Angelegenheiten werden auch weniger
wichtige Dinge genugsam erwähnt. So schickt Koadjutor Ferdinand an Herzog
Maximilian die deutsche Bearbeitung von Marcus Welsers bayerischer Geschichte
zurück (N. 280), so schreibt Wilhelm an Max von einem Augsburger Kunstsammler
(N. 309), in dem St. den Philipp Hainhofer vermutet. Geschenke gehen zwischen den
Einzelnen hin und her, und mitten in der Erörterung komplizierter Dinge lesen wir
wohl den Satz: „her gern, dass der visch frisch ankhomen; ich hab seidher ein
andern gesohikht; So schickhet ich gern ein frischen reinsalbn, sorg aber, er khem
nitt, wie ehr solle". Interessante Beilagen bringt die 6. Abteilung; so zwei Schrift-
stücke (C und D) über die Exorcisation des Herzogs Johann Wilhelm von Jülich,
dessen Kinderlosigkeit man nach dem Gutachten von Theologen einer Verzauberung
zuschreibt; ferner die Aufzeichnungen des Rentmeisters von Landshut für den Herzog
Maximilian (Beil. K) mit einer Fülle interessanten kulturhistorischen Materials, in dem
zumal der Luxus und das „unausgereitt" Konkubinat der Priester beklagt werden;
ein Jahr bringt über 300 uneheliche Kinder, und „Eebruch und Fleischspeisen" lassen
die Menschen sich nun einmal nicht verbieten. An anderer Stelle (Beil. A) hören
wir von den jährlichen Einkünften und Ausgaben des Herzogs Maximilian I.''^^) —
Der riesenhafte Briefwechsel des Stephan Roth in Zwickau mit seinen Wittenberger
Freunden, von dem Buchwald'^^) einen Auszug giebt, liefert in der That einen
nennenswerten Beitrag zur Wittenberger Stadt und Universitätsgeschichte aus den
J. 1521 — 46. Die Freunde aus der Lutherstadt unterrichten den Zwickauer Magister
über alles, was bei ihnen vorgeht. Die Hauptperson natürlich, von der gesprochen
wird, ist der Reformator selbst; seine Arbeiten, seine Erkrankung und Genesung
(N. 4, 8, 146, 153), sein plötzlicher Entschluss, nicht mehr öffentlich zu predigen
(1538; N. 84), dem sich einige Jahre später der Bericht über eine Predigt entgegen-
stellt (N. 165), seine Gastfreundschaft (N. 140, 209a), seine häuslichen Verhältnisse
werden erörtert. Auch die „Doctorin", Luthers Gattin, wird hoch verehrt, wenn
auch einmal weniger Günstiges von ihr erzählt wird (N. 120). Roths Psalter-
übersetzung, zu der Luther eine Vorrede schrieb (N. 8, 10 usw.), Wittenberger
Druckverhältnisse (N. 22), das teuere Leben an der Universität (N. 116), die Kosten
einer Magisterpromotion (N. 193), Pest und Türkengefahr werden besprochen. Urban
Balduyn sendet an Roth des Lemnius Epigramme und Luthers „betzalung darauff";
von Georg Thym (N. 201/2, 205, 207/8), von Joachim Greff (N. 207) und Lucas
Cranach (N. 208, 212) ist die Rede. Und als Seltsamkeit berichtet einer der
schreibenden Freunde: „Ey noch mehr, ich hab Melanchthonen mit der prebstin
(d. i. der Gattin des Justus. Jonas) sehen tantzen, es ist mir wunderlich gewesen"
(N. 68). Leider hat B, kein Sachregister beigefügt. — Karl Schmidt '^6) stellte
aus dem Briefwechsel des Baseler Druckers Joh. Oporin mit dem Strassburger
Prediger Konr. Hubert (1526—68) das zusammen, was sich auf Oporins Persönlich-
keit und typographische Thätigkeit bezog. Die Freundschaft der Beiden begann auf
der Baseler Universität, und so fehlen auch in den ersten Briefen nicht ein Liebes-
handel und ein Specimen der lateinischen Verskunst Oporins auf seine puella.
mit Bucer. Bd. 3. (Vgl. JBL. 1S91 II 1 : 6; 1892 II 1:81.) |[P. Vetter: NASfiohsG. 14, S. 149-33; MIIL. 21, S. 321-34;
Th. Brandi: HZ. 35, S. 506-12.]| — 153l F. Stieve, Witteisbacher Briefe aus d. J. 1590-1610. 6. u. 7. Abt. München,
Franz. 4". 152, 140 S. M. 4,50; M. 4,20. (Aus AbhAkMQnchen. 3. Kl. 20. Bd. 2. Abt., S. 365-514; 3 Abt., S. 663-800.) —
154) X D- SchraoUer, Schreiben Herzog Ludwigs an d. Prof. G. Liebe in Tübingen. Nach d. Orig. mitgeteilt: BBSW.
S. 175/6. -- 155) (I 6 : 113.) — 156) (I 3 : 251.) - 157) X (I 3 = 252.) — 158) X Brieffunde. (Kotiz): BerlTBI. 1892, N. 396.
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 : 159-173
Mehrere Briefe sind doppelt geschrieben für den Fall, dass ein Exemplar verloren
gehen sollte. i"->50) _
Von Reiseberichten und Tagebüchern ist einiges zu melden. Schell-
hass^^ö) druckt Aufzeichnungen ab, die den Kaiser Friedrich III. vom März bis
Dec. 1473 von Augsburg und [Jim über Strassburg, Freiburg nach Metz und Trier
geleiten. Der Vf., sicherlich ein Angehöriger der weiteren Umgebung des Kaisers,
erweist sich nach den sprachlichen Untersuchungen, bei denen Seh. von John
Meier unterstützt wurde, mit Wahrscheinlichkeit als ein Nürnberger. i^i) _ Ueber
die Reise des jungen Herzogs Philipp Julius von Pommern- Wolgast, der nach dem
testamentarischen Wunsche seines Vaters Ernst Ludwig 1602—3 nach einem kurzen
Aufenthalt auf der Universität Leipzig durch Mittel- und Süddeutschland nach Frank-
reich und England, dann durch die Schweiz und Norditalien fuhr, hat sein gelehrter
Begleiter Friedrich Gerschow nach Notizen eine zusammenhängende Beschreibung
verfasst, die sich, 446 Folioseiten stark, im Berliner Geheimen Staatsarchiv befindet.
Sehenswürdigkeiten, Feste, Besuche, Abenteuer, Sitten fremder Länder, alles wird ge-
wissenhaft verzeichnet. G. von Bülow^^^-ies^ gab einen Auszug aus den auf
Mecklenburg bezüglichen Stellen sowie einen Abdruck nebst englischer Uebersetzung
des Abschnitts über den Aufenthalt in England, bei der ihm Powell zur Seite stand,
und stellte eine Veröffentlichung des Ganzen in Aussicht. — Unzugänglich blieb mir
leider Mondscheins i^*^ Ausgabe von Ulrich Schmidels Bericht über seine süd-
amerikanische Reise (1534—54) nach einer Stuttgarter Hs., die dem früheren Heraus-
geber V. Langmantel (Bibl. d. litt. Ver. in Stuttgart N. 184. Tübingen, 1889) nicht
bekannt war. — Nach Burkhard Zinggs Augsburger Chronik schilderte Maser^^^)
vom pädagogischen Standpunkte den Bildungsgang des berühmten Memminger.^^^)
— Aus dem württembergischen Filial-Archiv zu Ludwigsburg teilte Röhricht ^^"'j
zwei Berichte über eine Jerusalemfahrt (1521) mit, die sich den Aufzeichnungen des
Pfalzgrafen Ottheinrich bei Rhein aus demselben Jahre zur Seite stellen. Manche
Einzelheiten über die heiligen Stätten, über das Leben und Treiben des Volkes
kommen als neu hinzu. Vorangeschickt hat der Herausgeber einige allgemeine
Bemerkungen über die ganze Gattung der „Pilgerschriften". — Arwed Richter i**^),
der übrigens Röhricht seine Unterstützung in sprachlichen Dingen geliehen hat, gab
nach dem mehrfach gedruckten Reisebericht des Leipzigers Joh. Helffrich eine
hübsche Beschreibung seiner an Abenteuern reichen Fahrt nach dem Orient im
J. 1565—66. — Fischer 169) veröffentlichte eine Studie über den Engländer Roger
Ascham, den Lehrer der Königin Elisabeth, der als Gesandtschaftssekretär am Hofe
Karls V. war, mit Bucer und Sturm in Verbindung stand und auch seine Erlebnisse
in Deutschland schriftlich niederlegte. — Nach der Hauschronik Pellikans^^^^) zeichnete
Reuss'"!) ein volkstümliches Bild des Elsässers. —
Die Sitte der Stammbücher, über die Rob. und Rieh. Keil^''^) ein
etwas wirres, aber doch ungemein interessantes Buch veröffentlicht haben, ist in
unserer Periode langsam aus den alten Turnier- und Geschlechtsbüchern („libri
gentilicii", daher „Stammbücher") entstanden und hat sich im 16. Jh. vorzugsweise
ausgebildet (S. 3 — 11, 14/5). In dem zweiten Abschnitt der Schrift, der ganz unserer
Zeit gewidmet ist (S. 53—99), finden wir unter den zahlreichen mitgeteilten Proben,
viele berühmte Namen: Melchior Pfinzing (N. 165), Luther (N. 1), Melanchthon
(S. 9—10), Salomon Gesner (N. 326), Paulus Melissus (N. 4), Petrus Lotichius (N. 205),
Joh. Stigel (N. 259), Nik. Varnbuler (N. 309). — Zum Jubiläum der Landesschule
zu Pforta teilte Petri^''^) aus der dortigen Bibliothek einige Stammbuchblätter mit,
die einem Exemplar von Melanchthons Corpus doctrinae christianae beigebunden
sind. Auf ihnen haben sich eine Reihe von W^ittenbergern, meist aus dem Kreise
der Philippisten und späteren Kryptokalvinisten, mit einem lateinischen oder
griechischen oder auch hebräischen Sprüchlein eingezeichnet. Vorn eingeklebt in
das Buch ist ein Brief Melanchthons, nach G. Kawerau, der P. beim Entziffern
mancher Autographen unterstützte, die richtige Fassung gegen eine andere, früher
(Ans d. Breslaner Ratbans: u. a. Beitrr. z. Leben d. Breslauer Geschichtsschreibers u. Stadtschreibers Peter Eschenloer; ans
Zerbst: n. a. Briefe t. Lnther u. Melanchthon.) — 159) X G. Bnchwald, Altenburger Briefe ans d. Beformationszeit
(1532-45): MGGOsterland. 10, S. 297-346. — 160) K. Schellhass, E. Kaiserreise im J. 1473: AFranWG. 4, S. 161-211. (Im
Anhang [S. 201-11] John Meier, Sprachliches.) — 161) X F. G. Hann, D. Eeisen d dtsch. Kaiser n. Könige dnroh Kärnten
V. Karl d. Grossen bis Max I. : Carinthia 38, S. 97-104, 165-78. — 162) (I 4 : 125.) — 163) Diary of the jonrney of Philipp
Jnlins, dnke of Stettin -Pomerania, through England in the year 1602. Ed. by G. v. Bnlow, assisted by W. Powell:
TRHS. 6, S. 1-67. — 164) (II 3 : 82.) — 165) H. Maser, Bnrkhard Zingg, e. fahrender Schüler ans Memmingen. (= Nachr.
ans d. Lndwigs- Seminare Memmingen N. 35 [Memmingen. Ottosche Buchdr. 40 S.], S. 8-12.) — 166) Hoclcenbeclt, D.Kosten
e. Beise t. Köln nach Breslan n. znrück. Progr. d. kgl. Gymn. Wongrowitz. 4». 13 S. |[H. Kenssen: KBWZ. 12, S. 58,9.]|
(Beise d. Joh. Ewann im Anf tr. d. Stadt Köln ; d. Rechnung wird abgedr.) — 167)B. Böhricht, Zwei Berichte über e. Jernsalemfahrt
(1521):ZDPh.25,S. 163-220,475-501. — 168) Arwed Biohter, Orientreise e. Leipzigers im 16. Jh.: LZgB. N.82. — 169) (14 : 77.)
1[F. Holthansen: DLZ. S, 1068;9 (F. habe e. ältere Schrift Katterfelds übersehen).]! - 170) X (113 : 71; 6 : 171.) — 171) B. Benss,
K. Pellikanns. E. elsäss. Lebensbild ans d. Zeit d. Beformation. (= Schriften d. protest. liberal. Ver. in Elsass-Lothringen N. 38.) Strass-
burg, Ed. Heitz. 16». 35 S. M. 0,20. — 172) (I 4 : 141.) - 173) (I 6 : 114.) — 174) (I 3 : 125.) — 175) a 3 : 245.) - 176) ff 3 : 124.) —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgescbichte. IV. (2)3
111:174-176 112:1-2 G. Ell! Hg" er, Ljrik des i5./16, Jahrhunderts.
(CR. 6, S. 249) abgedruckte. Unter den Männern, deren Eintrag-ung-en wir lesen,
fallen uns Justus Menius, der Reformator Thüringens (N. 2), Caspar Peucer (N. 10),
Joh. Bug-enhag-en der Jüngere (N. 15) und der Aeltere (N. 16), Paul Eberus (N. 21),
Georg Major (N. 24), George Buchanan, der berühmte schottische Humanist (N. 29),
Jak. Andreae(N. 31) und Nik. Selnekker (N. 38) auf. —
Die für uns besonders in Betracht kommenden bibliographischen Beiträge
von Adolf Schmidt^''*} zur älteren deutschen Litteratur, von Krause^''^) zur
Charakteristik des büchergierigen Mutian und zugleich zum Bücherbezug seiner
Zeit überhaupt, sowie von Sudhoff''^) zur Kenntnis der Paracelsisten im Anschluss
an Kiesewetters Geschichte des Okkultismus (vgl. JBL. 189 II 5:80) sind schon an
anderer Stelle dieses Bandes besprochen. —
11,2
Lyrik.
Georg Ellinger.
Allgemeines N. 1. — Kirchenlied: Einzelne Lieder, Liederhss., Drucke nnd Dichter N. 7. — Meistergesang N. 17.
— Volkslied: Allgenieines N. 26; Sammlungen N. 29; historisches Lied N. 30; Gesellschaftslied N. 37; einzelne Volkslieder
N. 39; volkstümliche Liebeslyrik N. 42. — Kunstdichtung N. 43. — Musikalisches N. 46. —
Allgemeines. Eine wirklich fördernde Gesamtdarstellung *) des geistlichen
Liedes ist diesmal nicht zu verzeichnen. Fischers''^) in dem vorigen Berichts-
jahr erschienenes Handbuch erweist sich als eine in wissenschaftlicher Beziehung
gänzlich unbrauchbare Arbeit, der man auch für den praktischen Zweck, für den
sie bestimmt ist, mehr Beschränkung auf das Wesentliche und innerhalb dieses
Rahmens eine grössere Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Angaben wünschen
möchte. Der verdiente Lexikograph des Kirchenliedes würde der Wissenschaft
sicher mehr durch Begrenzung auf sein eigentliches Arbeitsgebiet als durch derartige
weit ausschauende Darstellungen nützen. — Den ersten Teil eines ebenfalls recht
gut gemeinten Versuches über die Geschichte des evangelischen Kirchenliedes legt
Wirth^) vor. Die geschichtliche Einleitung, die er vorausschickt, ist viel zu aus-
führlich geraten, dazu von bedenklichen Irrtümern keineswegs frei. Man mag es
dem theologisch vorgebildeten Vf. verzeihen, wenn er ganz veraltete Angaben aus
der Geschichte der alt- und mittelhochdeutschen Poesie heute noch nachschreibt,
aber wenn es (S. 49) heisst: „Das hussitische Gesangbuch wurde im J. 1531 ins
Deutsche übertragen von Michael Weisse im Auftrage der Unitätsdirektion. Dies
ist das erste deutsche Gesangbuch", so muss das doch beanstandet werden, da es
auch einem Theologen leicht sein musste, sich über die neueren Forschungen auf
diesem Gebiete zu informieren. Etwas besser ist der Ueberblick über die Entwicklung
des Kirchenliedes geraten, obgleich auch hier manche irreführenden Angaben sich
einschleichen. Der Hauptteil des Buches beschäftigt sich dann mit Luthers Liedern,
deren Betrachtung ein an dieser Stelle recht unnötiger, umfänglicher Lebensabriss
Luthers vorangeht, worin ebenfalls manche falschen Ansichten, z. B. über die Bedeutung
der Romreise für Luthers Entwicklung, enthalten sind. Ausführliche Betrachtung wird
Luthers drei Liedern: Aus tiefer Not, Ein feste Burg und Wir glauben all an einen
Gott zu teil, die Wort für Wort und Zeile für Zeile durchgenommen werden. Die
Ausführungen, die diesen Liedern gewidmet sind, umfassen 113 Seiten, also mehr
als ein Drittel des ganzen Buches, und unzweifelhaft bieten sie auch der Wissen-
schaft im einzelnen manche Förderung, Allerdings hat den Vf. sein Eifer zuweilen
etwas zu weit getrieben. Gewiss wird es sehr häufig von grossem Nutzen sein, auf
die Grundbedeutung eines Wortes zurückzugehen, da zuweilen Hindernisse, die sich
der Erklärung in den Weg stellen, so am schnellsten ihre Erledigung finden. Aber
was soll man dazu sagen, wenn W. bei zahlreichen in den Liedern vorkommenden
Wörtern, z. B. Not, Ohr, gnädig, Sünde, die Formen aus allen germanischen Dialekten
anführt? Von diesen Sonderbarkeiten abgesehen, wird man den Abschnitt nicht ohne
1) X X !"• ^'^< Dtsoh. Liederhort. Ausw. d. vprzttglioheren dtsch. Volkslieder nach Wort u. Weise aus d. Vorzeit
u. Qegenw. ges. u. erläut. — Im Auftr. u. mit Unterstütz, d. Kgl. Preuss. Regierung nach Erks hs. Nachlass u. auf Grund
eigener Samml. neuhearb. u. fortges. v. F. M. Böhme. Bd. I u. II. L,, Breitkopf & Ilärtel. LX, 656 S.; 800 S. M. 24,00.
(Wird im nächsten Berichtsjahre zusammen mit d. 3. Bd. besprochen.) (Vgl. I 5 : 261 a.) — la) A. F. W. Fischer, D.kirchl. Dichtung,
hauptsachlich in Deutschland. (= Zimmers Ilandbibl. d, prakt. Theol, Bd. Via.) Gotha, Perthes. 18; 2. XV, 241 S. M. 3,80.
|[LCB1. S. 513 (absprechend); KonsMschr. S. 223/4.]| — 2) K. M. Wirth, D. evaog. Liederschatz, seine Entstehung n. seine
G. Elling-er, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts. 11 2 : 3-12
Nutzen lesen; die g-enaue Darlegung" des Gedankenzusammenhanges, das sorgfältige
Erwägen des Wortsinnes kann, wenn auch hie und da Kleinliches mit unterläuft,
nie ohne Resultat sein, und die, freilich nicht selten zu erbaulichen Zwecken erfolgte,
beständige Berücksichtigung der h. Schrift bringt ebenfalls das Verständnis einzelner
Stellen oft um ein gutes Stück weiter. Es wäre zu wünschen, dass der Vf. sich nur
auf diese verdienstlichen Ausführungen beschränkt und den historischen Abriss voll-
ständig unterdrückt hätte. Jedenfalls werden die noch ausstehenden Teile seines Buches,
wenn sie noch weitere Kirchenlieder in der gleichen eingehenden Weise behandeln,
uns ebenfalls zu Dank verpflichten. — Die Auswahl aus dem Kirchenliede des 16. und
17. Jh., die Eugen Wolff^) bietet, genügt auch massigen Anforderungen nicht. Die
Einleitung giebt biographische Notizen über einige Kirchenliederdichter und die
landläufigen, mehr oder weniger treffenden Werturteile und Charakterisierungs-
versuche, doch über die Hauptfragen auf dem Gebiete des Kirchenliedes erhält der
Leser nicht den geringsten Aufschluss. Die Abhängigkeit des evangelischen
Kirchenliedes von der lateinischen Hymnendichtung, die Wechselbeziehungen zwischen
Volks- und Kirchenlied, die zahlreichen sonstigen bereits entschiedenen und
noch schwebenden Probleme, ohne deren eingehende Berücksichtigung eine wirk-
liche Erkenntnis der Entwicklung des evangelischen Kirchenliedes ganz unmöglich
ist, werden überhaupt nicht berührt. Noch schlimmer steht es mit der Auswahl.
Zwar im 16. Jh., wo der Herausgeber sich auf Wackernagel stützt, ist noch ein
leidliches Verhältnis vorhanden; im 17. Jh, aber scheint W. ganz ratlos zu sein,
denn sonst wäre es nicht zu erklären, dass zahlreiche wichtige Erscheinungen dieser
Epoche gar nicht vertreten sind. Knorr von Rosenroth, der als wichtigster Vertreter
der mystischen Richtung innerhalb der evangelischen Kirche vor dem Pietismus ge-
wiss nicht fehlen durfte, erscheint nicht einmal mit dem Liede: Morgenglanz der
Ewigkeit; Johann Jakob Schütz, Michael Schirmer, Samuel Rodigast, um nur die
wichtigsten Namen zu nennen, werden überhaupt nicht erwähnt. So wenig man in
einer Auswahl durch eine allzu grosse Fülle von Namen verwirrt sein will, das
darf man doch jedenfalls verlangen, dass aus einer derartigen Fülle der Produktion
nicht bloss die allbekannten Hauptvertreter herausgegriffen, zahlreiche andere wichtige
Erscheinungen aber stillschweigend übergangen werden. Wie das Buch vorliegt,
muss man sagen, dass man nicht verstehen kann, für wen es bestimmt ist: Der Laie
kann aus ihm keine Vorstellung von der Entwicklung des Kirchenliedes gewinnen,
und dem Fachmann wird nirgends etwas Förderndes geboten. ^"^) —
Kirchenlied: EinzelneLie der, Liederhss., Drucke und Dichter. Die
vorreformatorischen Bearbeitungen lateinischer H^^mnen haben durch eine Veröffent-
lichung von Milkau'^) eine Bereicherung erfahren. Aus einer Königsberger Hs.
(Cod. ms. Regiom. 1859) teilt der Vf. eine aus dem 15. Jh. stammende Uebertragung
des Dies irae mit, die sich im Wortlaute genauer an das lateinische Original hält
als die späteren freieren Bearbeitungen, dagegen das dreizeilige Metrum des latei-
nischen Textes nicht beibehält, sondern sich vierzeiliger, paarweise gereimter Strophen
bedient; ferner die Hs. selbst stammt aus dem Ende des 15. oder dem Anfange des 16. Jh.
und enthält ausser dem Dies irae eine niederdeutsche Psalmenübertragung, ferner
Uebersetzungen der Kantika Confitebor tibi domine, der Litanei, dann ein niederdeutsches
Gebet und liturgische Bemerkungen. — Im Anschluss an diese Ausführungen weist
Milkau^) darauf hin, dass bereits im Niederdeutschen Jahrbuch 1877 (S. 70) sich
unter den dort aus dem Braunschweiger Stadtarchiv veröffentlichten Stücken das
Fragment einer Uebersetzung des Dies irae findet, das der Vf. unter Verbesserung
einiger bei der früheren Herausgabe mit untergelaufener Fehler noch einmal ab-
druckt. Diese Uebertragung behält den dreifachen Endreim bei; sie zeigt auch
sonst viel Geschick. Doch darf auch die zuerst erwähnte Uebersetzung nicht unter-
schätzt werden, da auch sie im Ausdruck sich als kraftvoll und nicht ungewandt
ausweist. — Einige unbekannte, im wesentlichen aber belanglose Drucke von bereits
bekannten geistlichen Liedern aus dem 15. Jh. beschreibt Roth^J; ein Aufsatz von
Boy'**) über das Weihnachtslied: „Es ist ein Ros entsprungen" bringt sachlich
nichts Neues und beschäftigt sich lediglich mit der praktischen Frage, wie die
Marienverehrung aus dem Liede auszumerzen und dieses so für die evang-elische
Verwertung für unsern eyang. Christenstand. 1. T. Nürnberg, Korn. 271 S. M. 3,00. — 3) (III 2 : 8.) — 4) X Kirchenlieder. 80 d.
schönsten Kirchengesänge. (— Meyers Volksbücher, N. 970/1.) L., Bibliogr. Inst. 122 S. M. 0,20. (Zu praktischen Zwecken
veranstaltet.) — 5) X G- Bötticher b. K. Kinzel, Kunst- u. Volkslied in d. Reformationszeit (vgl. JBL. 1892 U 2 : 17). |[E.
Schneider: COIRW. S. 435,6; R. Löhner: ZOG. 44, S. 129-30; G. Kawerau: ZDPh. 25, S. 137/9.]| — 6) X R. Wolkan, D.
dtsch. Kirchenlied d. böhmischen Brüder (vgl. JBL. 1892 II 1:4). |[H. Lambel: LBlGRPh. S. S85-95 (d. Resultate W.s werden
im wesentlichen anerkannt, überhaupt ist das vorliegende Buch nur kurz behandelt, während d. Hauptteil d. Rec. sich mit
Wolkans Buch: Böhmens Anteil an der dtsch. Litteratur beschäftigt n. dazu manches recht Fördernde beibringt [vgl. JBL.
1891 II 1:13; 1892 II 1 : 1]J; E. Chr. Achelis: ThLZ. 18, S. 291.]! ~ 7) T. Milk au, D. älteste Uebertrag. d. Dies irae:
JbVNiederdSpr. 17, S. 84,8. — 8) id., Noch einmal Dies irae: KBlVNiederdSpr. 16, S. 53,4. — 9) F. W. E. Roth, Mitteilungen:
Germania 37, S. 63 9. — 10) P. Boy, Es ist e. Ros entsprungen: KM. 11, S. 175,9. — U) (lU 2:9.)'— 12) R. Bechstein,
(2)3*
II 2:13-21 G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
Kirche zu retten sei. Um die katholische Fassung der 1. Str. zu beseitigen, will er
in Z. .5 an Stelle von „Und hat" die Worte „Uns ist" setzen, so dass also auch die
Rose auf Christus und nicht auf Maria zu beziehen wäre. Str. 2 soll dann in der
Fassung- von Prätorius beibehalten werden. — Zu einzelnen Kirchenliedern macht
Dibelius*') Bemerkungen, die indessen fast nur Bekanntes wiederholen. Hervor-
zuheben ist hier nur die Berichtigung einer Notiz in Fischers Kirchenliederlexikon
S. 89, dass im Dresdener Gesangbuch von 1656 Joh. Steuerlein als Vf. des durch
seine eigentümliche Entstehungsgeschichte so bemerkenswerten Liedes „Das alte
Jahr vergangen ist" genannt werde. D. weist darauf hin, dass das Gesangbuch
vielmehr als Vf. ausdrücklich Jakob Tapp nenne, und vertritt die wohl so gut wie
allgemein angenommene Ansicht, dass Steuerlein mit dem Texte nichts zu thun hat,
sondern aller Wahrscheinlichkeit nach bloss Urheber der Melodie ist. — Einen Bei-
trag zur Erklärung des Liedes „Ein feste Burg" giebt Bechs t ein^^^. Er bespricht
die Bedeutung der Worte „Er hilft uns frei" und erklärt frei helfen als: befreien,
frei machen, wie bei Luther ähnlich auch loshelfen vorkommt. Er erwägt dann, ob
das dazugehörige: uns als Dativ oder Akkusativ aufzufassen sei und entscheidet sich
für den Akkusativ. Die Erklärung ist wohl nicht neu, wenigstens habe ich die Stelle
immer so aufgefasst, allerdings ohne Erwägungen über den in „uns" vorliegenden
Kasus anzustellen ; auch Wirth in dem oben besprochenen Buche deutet die Stelle so und
führt auch ein späteres Beispiel an: in dem Liede von Martin Behm (gest. 1622) be-
ginnt Str. 4 mit den Worten: Christ, mein Erlöser hilf mir frei. Nach dieser Stelle
wäre „uns" als Dativ aufzufassen. — In der ADB. hat der oben genannte Steuerlein,
oder wie er eigentlich hiess, Steurlein (1546 — 1613), in diesem Berichtsjahre eine
kurze Behandlung durch Reu sch^-^j erhalten. — Ausser ihm sind noch einige andere
Kirchenliederdichter dort besprochen worden. Tschackerti*)giebtin seinem Lebens-
abriss des Speratus im wesentlichen eine kurze und bündige Zusammenfassung der
Resultate der von ihm auf Grund des Urkundenbuches zur Reformationsgeschichte
des Herzogtums Preussen (Bd. II und III) hergestellten Biographie (Halle 1891).
Nur seine Stellung zu den Liedern des Königsberger Gesangbuches von 1527 (zwei
Teile) hat eine Aenderung erfahren; während er in dem Urkunden buch und der
Biographie einen Anteil des Speratus an diesen Liedern nicht für ausgeschlossen
hielt, folgt er jetzt mit Recht Bertheau (ADB. 19, S. 154) und namentlich den Unter-
suchungen Buddes (Zeitschrift für prakt. Theolog. 1892, S. Iff.), durch die Caspar
Löner als Vf. dieser Lieder erwiesen wird. — Roethe^^) hat alles zusammengestellt,
was sich aus dem akrostichischen Liede „Christus Jhesus im Hymelreich" über den
Vf. Gregorius Springinklee ermitteln lässt. Er stammte aller Wahrscheinlichkeit
nach aus Nürnberg und war ein eifriger Lutheraner; gedichtet ist das Lied wohl
nicht vor Ende der ersten Hälfte des 16. Jh. Der mit dem sonst nicht bekannten
Autor öfter zusammengebrachte Messerschmied Gregor Springinklee, den Ayrer in
seinei Bamberger Reimchronik erwähnt, war wohl ein Vorfahr des Dichters. Dem
Gedicht hat R. eine gute Charakteristik zu teil werden lassen. — Christophorus Soll
(Solius, auch Seel, Seil, Scholl; geb. wahrscheinlich 1517, gest. 1557) wird von Bolte^^)
biographisch behandelt; auch auf seine Lieder, bei denen übrigens die Autorfrage
nicht ganz mit Sicherheit zu entscheiden ist, wird kurz verwiesen. —
Die Beiträge zur Geschichte des Meistergesanges beschränken sich in
diesem Berichtsjahre nur auf das 16. Jh. ^"'^i'-'). Roethe^o) widmet dem Meistersänger
Hans Sigel eine kurze biographische Notiz und charakterisiert seinen Meistergesang
auf die Stände des heiligen römischen Reiches, ein geistloses Verzeichnis der Kur-
fürsten; eine Bemerkung, aus der sich Sigels protestantisches Bekenntnis ergiebt,
macht es wahrscheinlich, dass dieser nicht vor den dreissiger Jahren des 16. Jh.
dichtete; er ist also wohl kaum identisch mit dem Maler Johann Sigel oder Siglin
aus Ulm, der 1492 wegen einer Rauferei verbannt, später durch Vermittlung von
Maximilians Gattin Blanka Maria vom Ulmer Rate begnadigt wurde. — Sehr dankens-
wert sind die Mitteilungen, die Keinz^t) uns bietet; er hebt zunächst aus der schon
von Hartmann (Das Oberammergauer Passionsspiel) benutzten Augsburger Hs. zwei
weitere Stücke aus, die wertvolle Nachrichten über den Zustand des Meistersinger-
kreises zu Augsburg in der zweiten Hälfte des 16. Jh. bieten, und verweilt dann aus-
führlich bei Johann Spreng aus Augsburg (1534—1601), dessen Lebensverhältnisse
hier zum ersten Mal eingehend dargestellt und dessen Thätigkeit als lateinischer
Dichter, als Uebersetzer und Meistersinger sorgfältig und unparteiisch gewürdigt
Er hilft uns frei aus aller Not: ZDU. 7, S. 165/8. — 13) F. Ben seh, Joh. Steurlein: ADB. 36, S. 156/7. — 14) P. Tschackert,
P. Speratus: ib. 35, S. 123-35. — 15) G. Roethe, Gregor SpringinHee: ib. S. 776/7. — 16) J. Bolte, Chrph. Soll: ib. 34,
S. 571. — 17) X A. Sei dl, D. Kunstlehre d. Meistersinger: BayreuthBU. 16, S. 362-92. (Beschäftigt sich mit Wagners Meister-
singern.) — 18) X V. Michels, 0. Weddigen, Z. Gesch. d. dtsch. Meistergesanges (vgl. JBL. 1891 II 2:20): ADA. 19, S.194/5.
(W.s Progr. wird mit Recht als völlig unzulänglich bezeichnet.) — 19) OXX Aus e. Meistergesänge d. Hans Sachs:
DDichtung. 13, S. 271. — 20) G. Roethe, Hans Sigel: ADB. 34, S. 250. — 21) F. Keinz, Aus d.. Augsburger Meistersinger-
G. E Hing" er, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts. II 2 : 22-25
werden. Eine grosse Anzahl bisher unbekannter Einzelnotizen hat der Vf. in diesem
Abschnitt ans Licht g-ebracht. Es schliesst sich an eine g-enaue Beschreibung- der
Münchener Hs. Cg-m. 5102. Der Schreiber der Hs. ist der Aug-sburg-er Meisersing-e
Georg" Braun (vgl. auch die unter der nächsten Nummer zu citierende Publikation,
S. 326), der am Ende des 16. und zu Beg-inn des 17. Jh. lebte und schrieb Aus
dieser Zeit stammt auch die Hs. und die in ihr enthaltenen Lieder. Die meisten der
in der Hs. vereinig-ten Lieder sind epischer Natur und zwar schöpfen sie ihren Stoff
fast nur aus den Schriftstellern des Alterums; biblische Stoffe sind merkwürdigerweise
gar nicht vertreten. Ausser dem Schreiber der Hs. sind mit zahlreichen Liedern
vorhanden Johann Spreng, der Weber Hans Weidner, Martin Dhir, ferner ein Dichter,
für dessen Anfangsbuchstaben H. P. sich im Siegerverzeichnis kein entsprechender
Name findet (Schulmeister Hans Bürzel, Kürschner Hans Banzer oder Weber Hans
Bart?). Mit wenigen Liedern kommen vor : Abraham Danbeckh, Schulmeister Abraham
Niggel, der Sattler Bartlme Welser, der Maler Daniel Holzmann, der Weber Daniel
Steichelin, der Prokurator Georg Danbekh, der Weber Hans Weidner, der Kauf-
mann Marx Schelchlin, der Weber Max Kleiber. K. giebt ein genaues und wert-
volles Register der Liedanfänge und druckt zuletzt zwei Meisterlieder von Johann
Spreng und eines von Georg Braun ab ; die beiden Stücke Sprengs rechtfertigen
das von K. gefällte Urteil, dass Sprengs Meisterlieder zu den besten Erzeugnissen
der Art zu rechnen seien. — Ebenfalls anziehende Aufschlüsse über die Geschichte
des Meistergesanges im 16. Jh. gewähren die Materialien, die Hampe22) zusammen-
gestellt hat. Er zeigt die Richtigkeit einer Notiz desCjriacus Spangenberg von der Neu-
aufrichtung einer Singschule in Rothenburg (1556) dadurch auf, dass er die von Spangen-
berg erwähnten Männer als Bürger von Rothenburg nachweist; er macht es weiter sehr
wahrscheinlich, dass eine andere Notiz von Spangenberg, die von einer Singeschule
in Ravensburg berichtet, ebenfalls auf Rothenburg zu beziehen ist, und teilt dann
archivalische Notizen über das Auftreten fremder Meistersinger (darunter G. Braun
aus Augsburg) in Rothenburg mit. Aus einer Nürnberger Hs. druckt H. Teile
eines Meisterliedes von Lorenz Wessel über den Zustand des Meistergesanges in Steyr
ab (1562). Von den Meistersingern, die Wessel aufzählt, ist uns bis jetzt nur
Severinus Kriegsauer bekannt. Es ergiebt sich aus dem Gedichte, dass der Meister-
gesang in Steyr fast ausschliesslich in den Händen der Messerer und der ihnen ver-
wandten Gewerbe lag, und dass auch hier sich zuerst zwölf Meister zur Uebung der
Kunst zusammen gethan haben. Schliesslich deutet H. auf einige Parabeln der
Meistersinger hin. Er bespricht zunächst zwei in einer Heidelberger Hs. erhaltene
Parabeln Michel Behaims; die eine behandelt die Erzählung von den drei Ringen;
zu Grunde liegen vielleicht die Gesta Romanorum, doch ist die Vorlage dann
mit grosser Freiheit behandelt und dichterisch erweitert worden; genauer schliesst
sich an die Gesta Romanorum die zweite an, die sich im Stoffe mit Rückerts „Leben
und Tod" deckt. Eine weitere meistersingerische Behandlung der Erzählung von
den drei Ringen, die sich Boccaccio genau anschmieg-t, weist der Vf. in der Berliner
Hs. germ. 4". 583 nach; eine andere Fassung desselben Meisterliedes bietet die
Münchener Hs. cgm. 5102 (s. 0. N. 21, S. 175, N. 35). — In eine etwas frühere Zeit
zurück führt uns das jetzt in den Besitz von Nürnberg gelangte Hans Sachs-Ms.,
das Mu m me nho f f23) beschreibt. Nur bei seinem ersten Bande hat Hans Meister-
gesangbuch und Spruchbuch zusammenbinden lassen, seitdem Hess er sie immer getrennt
binden, nur das vorliegende 16. Meistergesangbuch und das 14. Spruchbuch bilden wieder
eine Ausnahme. Der Band ist 1556 angefangen und 1567 vollendet, enthält aber
auch Gedichte früherer Jahre von 1520 an. Die beiden Vorreden sind von grossem
Wert, da sie sowohl über Hans Sachs damalige Schaffensweise als auch über das
Nachlassen seiner dichterischen Kraft und die schmerzlich resignierte Stimmung, die
ihn infolge dessen beherrschte, Aufschluss geben. Das Meistersingerbuch enthält
98 Meisterlieder, Liebeslieder, Kirchen- und Kriegslieder, ein Lied auf die Belagerung
von Wien (1529), zwei Lieder auf Karls V. Kriegszug nach Afrika (1535). Die Ge-
samtzahl der Stücke, die alle noch nicht veröffentlicht sind, beträgt 136. In dem
Spruchbuch findet sich nur ein unbekanntes Stück, die Tragödie : Artaxerxes der kung
Persie mit seinen mancherley vnfals der seinigen. (1560.) Der Text der bekannten
Nummern weist aber der Nürnberger Folioausgabe gegenüber so zahlreiche Varianten
auf, dass die Hs. wohl eine besondere Bedeutung für die Erforschung des Hans
Sachsschen Textes gewinnen wird. — Waldner 2*) deutet auf die Dresdener Hs.
(M. 109) hin; sie enthält das von Adam Buschmann für den Danziger Schuster
Schönwaldt zusammengeschriebene Meistergesangbuch, das 1584 in dessen Besitz ge-
Bchnle. E. gelehrter Meistersinger n. sein Liederbnch: SBAlcMünchenPi'. S. 153-200. — 22) Th. Hampe, Studien z. Gesch. d.
Meistergesanges: VLG. 6. S. 321-36. — 23) E. Mummenhoff, D. Iß. Meistergesanghuch n. d. 14. Spruchhuch d. Hans Sachs:
KBGV. 41, S. 92,3. — 24) E, Waldner, E. oberbayer. Meistersinger: ZDA. 36, S. 94/5. — 25j K. Meyer, Th. Odinga,
II 2:26-31 G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
langt ist. Auf der letzten Seite der Hs. ist von anderer Hand ein Meisterg-esang-
von Ag-nes Bernauerin angefügt, unterschrieben Jörg Wallner von B. 1604. Da nun
in Burghausen (Oberbayern) ein Bürgerssohn und Kürschner Georg Wallner als
Bürger aufgenommen worden ist, so könnte dieser Wallner der Vf. sein, zumal der
Vater der Agnes bei ihm zum Kürschner gemacht wird (während er in den anderen
Behandlungen der Erzählung ein Bader ist). Wallner müsste dann allerdings auf
seinen Wanderungen sich in üanzig aufgehalten haben, was aber nicht ausgeschlossen
wäre. — Der Schweizer Volksdichter Benedikt Gletting mag den Uebergang zum Volksliede
bilden. In seiner Anzeige der Ausgabe von Odinga spricht K. Mey er^^) dem Gletting
die Lieder N. 10 „Was kann ich bessers singen" und N. 20 „0 Jesu warer Gottes
Sohn" ab. Der Schluss aus den Reimen, die in den sicher von Gletting herrührenden
Liedern verwendet sind, scheint mir allerdings nicht zwingend. Darum sehe
ich keinen Grund, an Glettings Autorschaft bei N. 10 zu zweifeln. Bei dem ersten
Liede behauptet M., es gehe aus zwei von Wackernagel herausgehobenen Stellen hervor,
dass der Dichter ein Jüngling sei; da das nun nicht auf Odingas Datierung passt,
so sei Gletting das Lied abzusprechen. Allein Str. 6, 3 scheint mir eher gegen als
für die Jugend des Dichters zu sprechen, darum ist die Lesart ,,bin gsin" für „bin" in
Str. 4, 9 bei Odinga ebenfalls vorzuziehen; die überzählige Silbe Hesse sich leicht
beseitigen. Richtig aber ist, dass Glettings Autorschaft zweifelhaft; nach Wacker-
nagel (IV, 167) geben alte Drucke als Autornamen die Anfangsbuchstaben N. M.,
Gletting hat also das Lied vielleicht nur übernommen, M. rügt die Dürftigkeit der
beigebrachten thatsächlichen Angaben; Odinga habe zur Erklärung der Gedichte
so gut wie nichts gethan. Das Gedicht N. 6 Von dem Saltzbrunnen bezieht sich
auf die Auffindung einer Salzquelle im Kanton Bern (1554). —
Volkslied: Allgemeines. Mit zwei hs. Liederbüchern aus dem Anfange
des 17. Jh. macht uns Bolte^^) bekannt; beide sind für fürstliche Persönlichkeiten
angelegt: das eine 1601 für den jüngeren Bruder des Herzogs Heinrich Julius von
Braunschweig, Joachim Karl (das Ms. befindet sich auf der Wolfenbütteler Bibliothek),
das andere 1682 für Luise Charlotte, die ältere Schwester des Grossen Kurfürsten,
bekannt durch ihre Beziehungen zu Simon Dach und H. Albert (Ms. auf der Biblio-
thek der Petersburger Akademie der Wissenschaften). Das erste Liederbuch weist
nach den von B. mitgeteilten Anfängen die herkömmliche Signatur des deutschen
Liedes um die Wende des 16. und 17. Jh. auf: einige ältere Volkslieder, daneben
Erzeugnisse des Gesellschaftsliedes. In dem Tabulaturbuch der Luise Charlotte
scheint, wie schon der Name sagt, das musikalische Interesse zu überwiegen.
Eigentliche Volkslieder enthält die Sammlung nicht, sondern nur Gesellschaftslieder
und Stücke bekannter Dichter, von Dach, Opitz und Voigtländer, daneben drei
französische und zwei englische Lieder. Unter den Komponisten erscheint auch der
Engländer Walter Rowe, wie B. sicher mit Recht die Anfangsbuchstaben: W. R.
und Wal: Ro: deutet. — Wie es scheint, um eine Art Rechtfertigung der von Brentano
und Arnim in dem Lied: Zu Strassburg auf der Schanz interpolierten Zeilen vom
Alphorn zu versuchen, legt Geiser''^') den Bericht über einen 1574 in Aarwangen
aufgegriffenen Schweizer Landstreicher Jakob Henzi vor, der auf der Folter gestand,
ein Söldnerhauptmann habe ihn das Alphorn blasen hören und sei so von seinen
Leistungen erbaut gewesen, dass er ihn mit nach Frankreich genommen habe.
Hier sei er zunächst „in des Herzogen von Anjou Garde" beschäftigt worden (wohl
als Spielmann), dann habe er sich auch thätlich bei den Excessen der Bartholomäus-
nacht beteiligt. Für das Volkslied ist im allgemeinen au's dieser Notiz wohl nicht
so viel zu gewinnen als der Vf. vielleicht meint. 28) —
Es wird sich empfehlen, die Volksliedersammlung aus Niederhessen von
Lew alter 29) in den nächsten Bericht zu verweisen, da man sonst genötigt sein
würde, das abschliessende fünfte Heft in der Besprechung von den vier ersten zu
trennen. —
Die historischen Volkslieder des sächsischen Heeres hat Freytag^^)
gesammelt und mit einer von löblicher patriotischer Gesinnung zeugenden, aber
wenig fördernden Einleitung versehen. Für den von uns behandelten Zeitraum
bietet die Sammlung nichts Neues, die sämtlichen dort mitgeteilten Lieder waren
bereits bekannt. Für die Neuzeit dagegen (etwa vom siebenjährigen Krieg an)
wird manches Hübsche aus ungedruckten und so gut wie unbekannten gedruckten
Quellen mitgeteilt. Diese Stücke werden an einer anderen Stelle dieser Berichte ge-
würdigt werden müssen (vgl. IV 2); hier sei nur darauf aufmerksam gemacht, dass
unter den mitgeteilten Liedern zahlreiche Nummern offenbar Erzeugnisse der Kunst-
Henedikt Gletting (vgl. JBL. 1891 U 2:30; 1892 II 2:14): ADA. 19, S. 72/4. — 26) (HI 2:5.) — 27) K. Geiser, D. Knabe,
d. das Alphorn blies: BernerTb. 43, S. 118/6. — 28) X J- E. Waclcernell, D. dtsch. Volkslied (vgl. JBL. 1891 II 2:17). |[ß. M.
Meyer: ML. 62, S. 533; ÖLBL 2, S. 300,1.]| — 29) (I 5:282; vgl. JBL. 1892 I 9:38; IV 2:361.) — 30) (1 5:285.) — 31) F.
i
I
G. Elling-er, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts. II 2 : 32-38
dichtung sind. Das mindert indessen den Wert der Publikation nicht, muss aber
doch hervorgehoben werden. Interessant ist es dabei, die verschiedenen litterarischen
Einwirkungen zu beobachten, z. B. in N. 25 und 26 den Einfluss der Lieder eines
preussischen Grenadiers. — Von einzelnen in diesem Berichtsjahre bekannt ge-
wordenen historischen Volksliedern ist das älteste das von Gerhard^^) mitgeteilte
Lied vom Hussen-Krieg. Es ist der Heidelberger Hs. Cod. 363, 54 entnommen, die
im Anfange des 17, Jh. angelegt worden ist. Entstanden aber ist das Gedicht
zweifellos unmittelbar nach dem Ereignis, das es schildert, nämlich der Schlacht bei
Neunburg in der Oberpfalz, wo das Heer des Herzogs Johann von Bayern 1433 den
Hussiten eine grosse Niederlage beibrachte. Das achtzehnstrophige Lied ist Ott
ostmann unterzeichnet; es ist zweifelhaft, ob dies der Name des Dichters oder des
Schreibers der Hs. ist. — Zeitlich schliesst sich diesem Stücke das Lied auf die Walds-
huter Expedition an, dessen Autor, den 1468 in Appenzell lebenden Antonius (Toni)
Steinhuser, wir kennen. Roethe^^^ stellt kurz zusammen, was wir von dem Dichter
wissen und entwirft eine treffende Charakteristik des Gedichtes, das von dem da-
mals allerdings berechtigten Siegesübermut der Schweizer Zeugnis ablegt. — Der
Schweiz gehört auch ein weiteres Lied an. Zu den drei bekannten Liedern auf
die Schlacht bei Murten bringt G. T o b 1 e r ^3) ein viertes, das sich in der illustrierten
Chronik des Diebold Schilling (Züricher Stadtbibl.) erhalten hat. Das Lied ist zu Ende
1476 verfasst, die hier vorlieg-ende Niederschrift sicher vor 1484. Der Vf. nennt sich
Lurlebat. T. erwägt die ^rage, ob nicht auch dieses Gedicht dem Matthis Zoller zu-
zuschreiben sei, von dem eines der drei anderen Lieder auf die Schlacht herrührt;
mir scheint eine solche Annahme wenig für sich zu haben. — Leider ■ sind mir
L. Toblers^^) weitere Mitteilungen über das Lied trotz vielfacher Bemühungen unzu-
gänglich geblieben. — Aus einer Berliner Hs. (mscr. germ. fol. 621) teilt Bolte^^)
ein recht bemerkenswertes Lied aus dem 15. Jh. mit, das in einer Aufzeichnung
vom Anfange des 16. Jh. vorliegt. Es behandelt das Schicksal und die Hinrichtung
des Breslauer Bürgers Heinz Domnig oder Dompnig, der als Hauptmann des Matthias
Corvinus in Breslau die Interessen des Ungarnkönigs mit grosser Härte vertrat und
nach dessen plötzlich erfolgtem Tode vom Rate angeklagt und hingerichtet wurde.
Den poetischen Wert des Liedes möchte ich höher anschlagen, als B. es zu thun
scheint. — Roth 36) teilt vier Einzeldrucke von Volksliedern aus dem 17. Jh. mit.
Zwei davon sind nicht bekannt, darunter ein historisches (N. 3), ein Loblied auf
die Einführung der Reformation in Augsburg, 4 Strophen, das nach dem auf der
Mainzer Stadtbibliothek befindlichen Drucke vollständig gegeben ist. Von einem
anderen unbekannten balladenartigen Liede (N. 1) druckt R. nur die beiden ersten
Zeilen ab. —
Für die Zeit, in die wir die Entstehung des Gesellschaftsliedes, d. h.
des für das Erholungsbedürfnis der adligen und vornehmeren bürgerlichen Ge-
sellschaften gedichteten Liedes zu verlegen haben, sind zwei bemerkenswerte Publi-
kationen zu erwähnen. M. von Waldbergä"*) druckt unter dem schon früher von
ihm gebrauchten Namen: Jaufener Liederbuch eine Hs. der Wiener Hofbibliothek
ab. Sie stammt in ihrem von W. bekanntgegebenen Hauptteile, dem Liederbestande,
aus dem Anfange des 17. Jh. und ist von zwölf verschiedenen Schreibern geschrieben.
Der Haupturheber, der auch die ersten 26 Lieder geschrieben hat und als Vf. mehrerer
Stücke bezeichnet werden kann, ist Hans Jakob von Neuhauss auf Jaufen in Tirol.
Die Sammlung selbst bietet einige ältere Volkslieder, zahlreiche anonyme Gesell-
schaftslieder, daneben aber auch eigene Versuche der Urheber der Hs., die sich im
wesentlichen der im Gesellschaftsliede vertretenen Richtung anschliessen. Gerade
an den Stücken, die wir mit einiger Sicherheit für die Veranstalter der Hs. in An-
spruch nehmen können, lässt sich die Art, in der die Gesellschaftslieder vielfach
verfasst wurden, mit ziemlicher Deutlichkeit erkennen; nur ein kleiner Teil ist
geistiges Eigentum der Dichter, das Meiste entstammt dem Schatz formelhafter
Wendungen, wie er sich am Ende des 16. und am Anfang des 17. Jh. aufgespeichert
hatte. — Ganz ähnlicher Art sind die deutschen Gedichte des Christoph von
Schallenberg, die Hurch^S) aus der Wiener Hs. (ms. 19565) vorlegt; hinzu kommen
hier nur noch die Einflüsse aus der romanischen Litteratur, wie sie sich um 1600
in Deutschland besonders stark geltend machten. Schallenberg dichtet acht Lieder
dem Italienischen, eines dem Spanischen nach, bei drei eigenen Liedern benutzt er
die zu einem italienischen Texte gesetzte Melodie. (Der grösste Teil der italienischen
Texte ist jetzt nachgewiesen von Bolte, Herrigs Arch. 92, S. 65 ff.) Der Vf. macht
Gerhard, Vom Hassenkrieg. E. hist. Volkslied: NHJbb. 3, S. 22.5-30. — 32) 6. Roethe, A. Steinhuser: ADB. 35, S. 736.
~ 33) G. Tobler, E. nnbek. Lied t. d. Schlacht bei Murten (1476): SchwBs. 3, S. 312 20. — 34) O X X L. Tobler, D.
neu entdeckte Lied v. d. Schlacht bei Murten: AnzSchwG. 24, S. 497. — 35) (I 5:288.) — 36) (S. o. N. 9.) — 37) M. v.
Waldberg, D. Jaufener Liederbuch. (Sonderabdr. aus d. NHJbb. 3, Heft 2.) Heidelberg, G. Koester. 68 S. M. 3,00. — 38)
II 2:39-46 G. Elling"er, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
aus der Hs. noch weitere Mitteilung-en über lateinische Gedichte des Vf. (vg-l. II 7),
sowie über das Leben des protestantischen oberösterreichischen Dichters (1561 — 97)
und führt einig-e Zeugnisse für seine dichterische Thätig-keit an; auch erweist er
ihn als Vf. des bereits aus Zinkgrefs Anhang bekannten Lobgesangs von dem
warmen Bad zu Baden in Oesterreich, der in Schallenbergs Hs. vorliegt und in
dieser Zinkgrefs Druck gegenüber einige gute Lesarten zeigt. —
Zu einzelnen Volksliedern gab Erich Schmidt^^) in einem Vortrage
Notizen; aus Göckings Emigrationsgeschichte teilte er eine Fassung des Tannen-
baumliedes mit, die er als sehr alt nachwies und machte Mitteilung über eine Fassung
des Falkenliedes in einer Berliner Hs. des 16. Jh. — Roth hatte früher (Germania
36, S. 266) aus einer angeblich dem 15. Jh. gehörenden, jetzt in Amerika be-
findlichen Hs. eine Fassung des Liedes vom Blumenmacher Jesus abgedruckt und giebt
dieser vor der bekannten Moneschen Fassung (Mittler, S. 354) den Vorzug. Jei tteles^^^
sucht nun jetzt den Moneschen Text als den zuverlässigeren zu erweisen, worin
man ihm beistimmen wird. Ferner bezweifelt J., ob das von Bolte (ZDA.
34, S. 26/7) veröffentlichte Gedicht die älteste Behandlung der Sage sei. — Wirklich
weist Bolte'*') jetzt wenigstens noch eine ältere Prosaaufzeichnung in einer der
ersten Hälfte des 15. Jh. angehörenden Haager Hs. (N. 267) nach; er trägt auch noch
einige deutsche fliegende Blätter nach, von denen eines merkwürdigerweise den Vor-
fall genau datiert: 5. Febr. 1729. —
Der volkstümlichen Liebeslyrik gehören auch die vier Liebesbriefe
an, die aus einer Hs. der Bibliothek des weltpriesterlichen Kollegiatstiftes Mattsee
durch Pomezny und Tille'*''^) mitgeteilt werden; die Hs. selbst entnält ver-
schiedene im 15. und 16. Jh. entstandene Stücke, die später zusammengebunden
wurden. Die hier vorliegenden Gedichte sind wohl gegen Ende des 15. Jh. ge-
schrieben, das vierte ist nicht vollständig erhalten. Sie sind sämtlich augenscheinlich
Kopien aus etwas älteren Vorlagen, die aber schwerlich sehr weit ins 15. Jh. zu-
rückreichen. Doch bewahren sie eine Reihe von unzweifelhaft sehr alten typischen
Wendungen der Liebespoesie, speciell der Liebesbriefe, und können sowohl
deshalb wie auch um der treuherzigen Naivetät des Ausdrucks willen als eine will-
kommene Bereicherung des Materiales begrüsst werden. Edw. Schröder macht im
Anschluss an die vier Texte noch auf eine hübsche, bereits 1815 aus einer bayerischen
Hs. gedruckten Parallele zu: Ich bin dm usw. aufmerksam. —
Das Gebiet der Kunstdichtung betreten wir mit den brauchbaren
Mitteilungen, die Engler t^ä) giebt; aus den Hss. der Bibliothek von Zweibrücken
legt er zunächst ein äusserst umfangreiches Gedicht' in Reimpaaren vor, worin
die Hochzeit des Pfalzgrafen Friedrichs IL (1535) beschrieben wird. Weiter weist
er auf ein prosaisches Gespräch über den Gebrauch der Feuerwaffen (1574) so-
wie auf eine Hs. der „christlichen Reutterlieder" von Philipp von Winnenberg hin,
die auf dem Deckel die Jahreszahl 1581 trägt (Jahr der ersten gedruckten Ausgabe
1582); die Beschreibung der Hs. macht es in der That wahrscheinlich, dass wir es
mit dem Autograph Winnenbergs zu thun haben. Die vierte Notiz verweist auf
die von einem versöhnlich gesinnten Katholiken verfasste satirische Behandlung des
Regensburger Reichstages von 1613. Die beigefügten Proben des in Alexandrinern
abgefassten Gedichtes zeigen satirisches Talent, aber geringe Gewandtheit in der
Handhabung der Sprache. — DisteH*) teilt drei achtzeilige Inschriften in Reim-
paaren mit, die der auch sonst als Dichterling bekannte Sekretär Hans Jenitz (gest.
1589) auf Befehl des Kurfürsten August als Inschriften für das Tafelzimmer des in
den J. 1554—58 erbauten Schlosses Grillenburg verfasst hatte. In dem Schlosse
selbst durch Umbauten zerstört, haben sich die Verse abschriftlich im Dresdener
Hauptstaatsarchiv erhalten ; sie drücken in naiver Weise den Gedanken aus, Kurfürst
August habe das Schloss gebaut, weil Kummer und Gram ihm das Gemüt schwer
gemacht und er sich so die Grillen habe vertreiben wollen. — Der in deutschen und
ateinischen Wortverrenkungen gewandte Anagrammatist F. D. Stender (1628 — 78)
wird von Roethe'*^) kurz und bündig in seinen armseligen Leistungen charakterisiert. —
Von dem wichtigen musikalischen Grenzgebiete ist auch diesmal der
litterarhistorischen Forschung neue Förderung zugeflossen. Doch kann die wichtigste
der in Betracht kommenden Arbeiten, Liliencrons^^) wertvolle Darstellung der
liturgisch-musikalischen Geschichte des evangelischen Gottesdienstes erst im nächsten
J. Hnrch, Ana d. Liederbuch e. adligen Poeten d. 16. Jh.: ZDA. 36, S. 63-77. — 39) Erich Schmidt, TJeber Volkslieder.
Vortr. geh. in d. GDL.(vgl. auch I 5:253): DLZ. S. 187. — 40) A, Jeitteles, Zu Germania 33, S. 513 ff.; 36, S. 262 ff.: Ger-
mania 37, S. 268-71. (N. 1 giebt .aus e. Tiroler Bauernhanse e. Variante zu d. Spruch: „Mich wundert, dass ich fröhlich bin".)
— 41) J. Bolte, Zu ZDA. 34, S. 27: ZDA. 36, S. 95/6 -- 42) F. Pomezny und A. Tille, Vier gereimte Liebesbriefe aus
Mattsee: ib. S. 356-64. (Dazu Edw. Schröder ib. 8. 358.) — 43) (I 3:37; II 2 : 1.) — 44) Th. Distel, Kleinigkeiten aus
Kurfürst Augusts Regierungszeit: Z. Chronik d. Schlosses örillenbnrg: NASächsG. 13, S. 322/3. — 45) Q. Roethe, F. D.
Stender: ADß. 36, S. 44/6. — 46) XX K. v. Liliencron, Litnrgisch-musikal. Gesch. d. evang. Gottesdienstes v. 1523-1700.
A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts. 112:47-49 II 3: 1-4
Berichte in einem grösseren Zusammenhange gewürdigt werden. — Von den Kom-
ponisten des 16. Jh, haben Ludwig Senfl, Robert Siess nnd Joh. Stell durch
Eitner 47-48j ^nd Distel*") kurze Biographien erhalten. (Vgl. I 13.) —
11,3
Epos.
Adolf Hauffen.
Aeltere epische Dichtungen: Ritter Beringer N. 1; Minne-Allegorie N. 2; Gl. Spann N. 3. — Prosa- Erzählung:
A. von Eyb N. 4. — Volkstümliche Litteratur: Eulenspiegel N. 5; Portnnatus N. 8; Tierepos N. 13. — Niederländische Er-
zählungen und Volksbücher N. 18. — Schwanke: Hans Sachs N. 20; Peter Lew N. 23. — Faust N. 25. — Roman (G. Messer-
schmid, Schelmenroman) N. 38. — Uebersetzer (Murner, Steinhöwel, J. Spreng) N. 40. — Fischart N. 43. — Jüngere Tier-
dichtung (Joh. Sommer) N. 54. — Bibliographie N. 55. — Historische Litteratur: Kulturgeschichtliches: Seb. Franck N. 60;
Zimmersche Chronik N. 63; Chronisten und Geschichtsschreiber: Schweiz (Berner Chronik, A. von Bonstetten, Pellikan, W.
Steiner, zur Geschichte Basels) N. 65; Schwaben (Reutlinger Chronik, Tagebuch des Hans Lutz) N. 76; Bayern (V. Arnpeck,
Schmidel) N. 80; Mitteldeutschland (Stolle, Vogtländische Chroniken, J. Nuhn) N. 84; Niederdoutschland (C. Spangenberg,
Stralsnnder Chroniken, A. Erantz) N. 89. —
In dem Berichtsjahre sind zwei ältere epische Dichtungen unbekannter
Vf. in die Litteratur neu eingeführt worden. So das kurze, lebendige, zum Teil
derbe Gedicht von dem Ritter Beringer. Ein geiziger, feiger, prahlerischer Ritter
wird durch seine Frau beschämt und gebessert, nachdem ihn diese, als Ritter ver-
kleidet, besiegt und zu einer schmählichen Busse g'enötigt hat. Dieses Gedicht, das
vermutlich Ende des 14. Jh. auf alemannischem Boden entstanden ist, wurde 1495
zu Strassburg gedruckt. Nach dem einzigen bis auf die neueste Zeit ganz un-
bekannten Exemplar wurde es durch Schorbach^) in einer Nachbildung veröffent-
licht. Die Ausführungen von Sch.s Einleitung, die auch Nachrichten über den Strass-
burger Drucker Mathias Brant bringt, hat Werner wesentlich ergänzt. Er weist
u. a. hier nach, dass uns das Gedicht verworren, lückenhaft und unvollständig
überliefert ist, und giebt zahlreiche Parallelen zu dem Motiv von der verkleidet
kämpfenden Frau. —
Eine Minne-Allegorie hat H. Hofmann^) veröffentlicht. Sie ist 1486
in Schwaben gedichtet und in zwei Exemplaren eines (wahrscheinlich aus Ulm Ende
des 15. Jh. stammenden) Inkunabeldrucks erhalten. Beiden Exemplaren fehlt das
Titelblatt. Das Gedicht, dem der Herausgeber den Titel „Der nüwen liebe buch"
gegeben hat, bietet, von der Rahmenerzählung einer Jagd ausgehend, eine sehr un-
deutliche allegorische Schilderung vom Reiche der neuen idealen Liebe, als tendenziös
gefärbtes Gegenbild zur wirklichen Welt. Die gelehrten Beispiele und Ausführungen
erweisen denEinfluss des Humanismus; benützt wurde ausserdem die Minne-Didaktik
des Kapellans Andreas, die Schachsymbolik des Jacobus de Cessolis und die Jagd-
allegorie Hadamars von Laber. Die Mundart ist schwäbisch, der Stil, wesentlich
bedingt durch die sechssilbigen gepaart reimenden Verse, zeigt viele Pleonasmen
und Füllsel und eine interessante, aber unschöne Mischung von Formeln des höfischen
Epos mit W^endungen der Alltagsrede und der steifen Kanzleisprache. Ein Kanzlei-
beamter dürfte auch der Dichter gewesen sein. Aus einzelnen Erscheinungen des
Stils und aus zahlreichen wörtlichen Uebereinstimmungen ergiebt sich, dass der
Vf. die Dichtungen Hermanns von Sachsenheim nachgeahmt hat. —
Dem Reimnovellisten des ausgehenden 15. Jh. Claus Spaun oder Span, der
an der schwäbisch-bayerischen Grenze, etwa in Augsburg sesshaft, schmutzige Ehe-
bruchsgeschichten gedichtet und in zwei Hss. von 1494 und 1516 Spiele und Sprüche
zusammengetragen hat, widmet Roethe^) eine kurze, aber belehrende Skizze. —
Die im Vorjahre (vgl. JBL. 1892 II 3 : 7) besprochene Englertsche Ausgabe eines
Rittermärchens hat eine weitere Recension erfahren'*). —
Nach einer einleitenden Uebersicht über die Entwicklung der deutschen
Prosa-Erzählung im 15. Jh. werden in der an anderer Stelle (s. u. 117 : 10) in ihrer
vollen Bedeutung gewürdigten Eyb -Monographie von Herrmann^) (S. 285 — 301)
die in Eybs Ehebüchlein (1472) eingestreuten Erzählungen Guiscardus und Sigis-
Schleswig. ßergas. 171 S. M. 3,00. — 47) R. Eitner, Ludw. Senfl: ADB. 34, S. 27-30. — 48) id., ßob. Siess: ib. S. 217. — 49)
Th. Distel, Joh. Stoll: ib. S. 402,3. —
1) K. Schorbach, D. historien v. d. ritter Beringer. Strassb. 1495. Mit einl. Text. (= Seltene Drucke in
Nachbildungen. I.) L., Spirgatis. 4». 16, 12 S. M. 3,00. |[R. M Werner: ADA. 21, S. 145/7; LCBl. S. 1632/3.J| — 2) H.
Ilofmann, E. Nachahmer Hermanns v. Sachsenheim. Diss. Marburg (Univ.-Buchdr., ß. Friedrich). 72 S. — 3) G. Roetho,
Cl. Spaun: ADB. 35, S. 70. — 3a) X J- Herter: LRs. 19, S. 182/3. - 4) M. Herrmann, A. v. Eyb u. d. Frnh-
Jahresberiohte für neuere deutsche Litteratnrgesohichte. IV. (2)4
IT 3:5-15 A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts.
munda, Marina, Albanus und der (dem Spiegel der Sitten 1474 einverleibte) Dialog-
De nobilitate untersucht. H. weist ihre Quellen nach, vergleicht diese mit den Ueber-
setzungen und gewinnt daraus die Kennzeichen der Eybschen ITebertragungskunst.
Eyb ist darnach bestrebt, aus äusseren und inneren Gründen stark zu kürzen. Er
ist bedacht, den Rahmen des Gesamtwerkes nicht zu sprengen und will andererseits
durch seine Erzählungen einen allgemeinen Lehrsatz, indem er alles tilgt, was gegen
die Einheitlichkeit dieser Grundgedanken verstösst, deutlich und unaufdringlich er-
weisen. (Ueber die Grisardisnovelle vgl. JBL. 1892 II 3:5.) —
Volkstümliche Litteratur. Die Bearbeitung des Eulenspiegel-Volks-
buches von Seebald^) hat die vierte Auflage erlebt. S. erzählt die lustigen Streiche
nach der Ausgabe von 1519 (die er S. VI fälschlich als die älteste bekannte bezeichnet),
indem er sorgfältig alles, was Anstoss erregen könnte, weglässt. Darnach raussten
freilich mehrere Erzählungen ganz wegbleiben, während andere mit dem Verzicht
auf die derbe Pointe auch salz- und kraftlos geworden sind. Einige Schwanke von
Hans Clauert sind beigegeben. — Tannen^) hat den Eulenspiegel in plattdeutscher
Sprache bearbeitet und so einen kleinen Ersatz für die ursprüngliche, verloren ge-
gangene niederdeutsche Form zahlreicher Historien, die noch hier und da im Hoch-
deutschen durchschimmert, zu liefern versucht. Den zweiten Teil seines Buches
bildet eine Bearbeitung des Reinke de Voss in plattdeutschen Knittelversen. —
Ganz selbständig ist das hervorragende Werk „La legende d'ülenspiegel" von dem
belgischen Schriftsteller de Coster'), das 1867 zum ersten Mal veröffentlicht und
längst vergriffen, jetzt in einer neuen billigeren Ausgabe weiteren Kreisen zugäng-
lich wurde. Eulenspiegel ist hier ein Vläme. Er begeht zwar auch einige seiner
aus dem Volksbuche bekannten Streiche, doch seine Figur ist ganz verändert, idea-
lisiert, zu allegorischen Zwecken verwertet. Er stellt den unverwüstlichen Witzgeist
Flanderns dar, seine Geliebte Nele das Herz, sein Genosse Lamme Goedzak (Gutsack)
den Magen Flanderns. Eulenspiegels Wanderungen durch die Niederlande, seine
Schwanke und Heldenthaten bilden den Faden, an dem die Wirren, die Leiden und
die Freiheitskämpfe der Niederlande im 16. Jh. in ergreifenden Bildern aneinander
gereiht werden. Obwohl in edlem altertümlichen Französisch gehalten, ist das Werk
seiner geistigen Grundlage nach durchaus vlämisch. —
Die Elemente des zuerst in Augsburg 1480 erschienenen Volksbuches vom
Fortunatus untersucht Läzär^) auf ihren Ursprung hin. Erfindet, dass der Kern
des Märchens „Fortuna beschenkt den Helden mit einem Zauberbeutel" orientalischen
Ursprungs sei, während die geläuterte Weltanschauung der vorhandenen Fassung
auf Deutschland hinweise. L. zieht den Schluss, dass ein gelehrter, welterfahrener
Deutscher in der Mitte des 15. Jh. auf Grund eines orientalischen Märchens mit Ver-
wendung verschiedener europäischer Motive das Volksbuch verfasst habe.^"'^) — Die
Bearbeitungen, die die Volksbücher von den Schildbürgern, von den Haimonskindern,
der Magelone und der Melusine durch Tieck gefunden haben, bespricht Steiner.*^*) —
Dem Tierepos sind ausser der schon erwähnten Modernisierung (s. o. N. 6)
mehrere Arbeiten gewidmet worden. Der Aufsatz Novers^^). über die Tiersage
ist eine kritiklose, an Widersprüchen und Irrtümern reiche Kompilation aus den be-
treffenden Schriften von Jakob Grimm, Ernst Voigt, Wackernagel u. a. — Ueber
den im Vorjahre besprochenen Neudruck der niederländischen Historie vom Reynart
(vgl. JBL. 1892 II 3:13) sind einige Besprechungen zu erwähnen^^^ — j}[q nieder-
deutsche Dichtung Reinke de Vos hat Eug. Wolff '^J nach dem ältesten Druck von 1498
veröffentlicht. Von der letzten trefflichen durch Prien besorgten Ausgabe (1887)
weicht seine durch die Weglassung der sogenannten katholischen Glosse und durch
eine leise Modernisierung im Gebrauche bestimmter Lettern und der Interpunktion
ab. Die reiche Litteratur über diesen Gegenstand hat W. in der Einleitung knapp
zeit d. dtsch. Hnmiinismus. B., Weidmann. VIU, 437 S. M. 10,00. - 5) K Seebald, Till Enlenspiegels Instige Streiche.
E. Volksbucli für Jung u. Alt. Wiedererz. Mit 4 Fiirbendr.-ßild. 4. Aufl. L, 0. Drewitz Nachf. XUI. 127 S. M. 3,00. —
6) K. Tannen, Niederdtscli, Haupt- u. lleldenbucli. 2 Tle. in l Bd. Bremen, Hampe XII, 83 S.; LIV, 243 S. M. 7,50.
■ |[WeserZg. 3. Dec.]| — 7)Cli deCoster, La legende et les aventnres heroiques, joyeuses et glorienses d'ülenspiegel et
de Lamme Goedzak an pays de Flandres et aillenrs. Nouv. ed. Brnxelles, Lacomblez. VIII, 440 S. Fr. 5,00. |[KZg. 31. März.]|
— 8) B. Läzär, Ueber d. Fortunatus-Märchen : UngR. 13, S. 334-48. — 9) X Cr. Ena, Antiche novelle in versi di tradizione
popolare. Palermo, Clansen. 16". 105 S. L. 3,00. |[NAnt. 48, S. 749.]| (Antholog. aus d. Gesta Romanornm, Fortnnat n. a.) —
lOj X R- M. Werner, F. Pfaff, d. ätsch. Volksbuch v. d. Heymonskindern. Freiburg i. B., Herder. 1887. LXXII, 203 S.
M. 3,00: ADA. 19, S. 89-90. — U) X A. Hold er, D. Sage v. d. 7 Schwaben niich ihrer knlturgesch. Bedeutung u. in ihren
kirchl. Beziehungen: DPBl. 26, S. 290/3. — 12) X Schlaraffla politica. Gesch. d Dichtungen t. besten Staate (vgl. JBL. 1892 1 4 : 403;
V 5:282): K. Kautsky: NZ^t. n, s. 653-63. — 12 a) (III 3:1; IV 10: 41.) — 13) (I 5 : 221.) — 14) X E.Martin: ADA. 19,
S. 271/3; C. Voretzsch: DLZ. S. 426/8; LOBl. S. 1354/5. — 15) Eug. Wolff, Reinke de Vos n. satir.-didakt. Dichtung.
{— DNL. Bd. 19.) St., Union. XLIII, 540 S. M. 2,50. (D, Bd. enth. auch Proben aus Theuerdank, Weisskunig, B. Waldis,
Erasm. Alberus, ferner e. Ausw. ans Rollenhagens Froschmeuseler [Ausg. 1595], sowie Ringwaldts „Treuem Eckart" u. d.
„Lauteren Wahrheit" [Ausg. 1587 u. 97]. Anm. u. Einl. sind dürftig. In e. Qesamteinl. wird über d. litteratnrgesch. Stellung
A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts. II 3 : 16-28
verwertet. Neues bring-t (S. 6 ff.) die vergleichende Stiluntersuchung- des Originals,
der Gottschedschen Uebersetzung und der Goetheschen Umdichtung.^^''"') —
Unsere Kenntnis der älteren niederländischen Erzählungen und Volks-
bücher ist durch zwei Arbeiten gefördert worden. Bolte^®) fand, dass von der
allegorischen Dichtung „Le Chevalier delibere" des burgundischen Ritters Olivier de
la Marche auch eine niederländische (und zwar sklavisch getreue) Uebersetzung 1503
unter dem Titel Camp van der doot erschienen ist, und dass von der niederländischen
Bearbeitung des französischen Romans Buefves de Hantonne ein (gegenüber den be-
kannten Ausgaben um 50 J. älterer) Druck: Buevijn van Austoen Antwerpen 1504
vorhanden ist. — Meyer^^) bespricht nach Exemplaren der Göttinger Bibliothek
eine Reihe von niederländischen Volksbüchern, die bisher entweder nicht in den von
ihm verzeichneten Ausgaben oder überhaupt nicht bekannt waren. Ich greife davon
heraus: „Die sieben weisen Meister 1479" (also aus dem üebersetzungsjahre); die
Historie vom Bruder Rausch 1596; Den vryen kost 1610; Jan wt den vergiere 0. J.,
die Geschichte eines Findlings von bisher ganz unbekanntem Inhalt. —
Mit einer sorgfältigen Ausgabe sämtlicher Fabeln und Schwanke des
Hans Sachs hat uns der unermüdliche Hans Sachs-Forscher Goetze^") wieder eine
sehr willkommene Gabe beschert. Die inzwischen abgeschlossene Veröffentlichung
soll im nächsten Jahr im Zusammenhange gewürdigt werden. In unser Berichts-
jahr fällt nur der erste Band, der 200 Stücke in chronologischer Folge und, wo es
möglich ist, genau nach der Hs. des Dichters bringt. Die Einzeldrucke und Folio-
ausgaben sind zum Vergleich herangezogen worden. Die reichhaltigen Anmerkungen
bieten nicht nur die Lesarten dar, sondern auch eine Zusammenstellung über die
Verbreitung der in den einzelnen Nummern behandelten Stoffe und Motive. Gegen-
über der älteren Keller-Goetzeschen Ausgabe des Stuttgarter Litterarischen Vereins
sind die einzelnen Nummern mit wesentlichen Berichtigungen und Ergänzungen wieder-
gegeben; ausserdem enthält aber der vorliegende Band 67 Schwanke und Fabeln,
die zum ersten Male nach der Hs. oder den ältesten Einzeldrucken veröffentlicht
werden. Diese neuen Stücke, sowie der bequeme Ueberblick, den die Goetzesche
Ausgabe über die ganze Gattung gewährt, ermöglichen es erst, über die Fabeln und
Schwanke des Hans Sachs, in denen nach J. Grimms Urteil die Poesie unseres
Dichters am reinsten und eigensten waltet, ein abschliessendes Urteil zu fällen. —
Dass eine Reihe Hans Sachsscher Schwanke und Spruchgedichte, sowie Schwanke
aus dem ersten Teile von Kirchhoffs Wendunmut die Quellen zu Ayrerschen Sing-
und Fastnachtspielen gebildet haben, teilt PistPi) in einem vorläufigen Bericht
mit. — Den (heute im Volksmunde sehr verbreiteten) Schwank von den drei lispeln-
den Schwestern veröffentlicht Bolte22) in einer etwa aus dem J. 1550 stammenden
Aufzeichnung eines Liedes des Nürnberger Meistersingers Georg Hager. —
Dass der Vf. der History Peter Lewenin der That Achilles Jason Wid-
mann geheissen habe, weist Kolb^S) (gegen Schade) nach. Er muss etwa 1530 ge-
boren sein, findet sich 1551 in der Heidelberger Matrikel und starb als Vogt zu
Neuenstein (bei Oehringen) vor 1585. Die Abenteuer des Peter Lew haben auch teils
in der gereimten, teils in einer gekürzten prosaischen Form in spätere Bearbeitungen
der Widmannschen Haller Chroniken Eingang gefunden. Der Held der Abenteuer,
Peter Düsenbach, kommt in einer Urkunde der Stadt Hall 1486 vor.24) —
Auf dem Gebiete der Faustsage sind mehrere zusammenfassende Dar-
stellungen und etliche in Einzelheiten fördernde Beiträge erschienen. Zu den ersteren
gehört Kuno Fischers ^5) Faustbuch mit seinem ersten Bande, der die Faust-
dichtung vor Goethe behandelt. Sicher und bestimmt in der Beherrschung des
Gegenstandes, in schöner Darstellung, die grossen Züge fein hervorhebend, zeichnet
F. den geistigen Gehalt der Sage und steigt in zusammenhängendem geschichtlichen
Ueberblick von dem heidnischen und altchristlichen Magus über den mittelalterlichen
Theophilus zum Faust der Reformationszeit empor. Er charakterisiert dann die ver-
schiedenen örtlichen Ueb erliefer ungen über den geschichtlichen Faust und sucht
dessen wahres Bild aus den zum Teil widersprechenden Nachrichten zu gewinnen.
Darnach nimmt F. an (S. 96), dass dieser Mann um 1480 geboren und bald nach 1540
u. d. Stil d. einzelnen Werke zusammenhängend berichtet. Vgl. auch JBL. 1894 U 5.) — 16) X C. A. Serrure, Ueber d.
Ursprung d. Reinhart-Epos. Vortr. : KZg. 2. Juni. (Aus d. kurzen Ber. geht hervor, dass S. als Vf. d. Isengrimus [1100] d.
Meister Nivardus, als Vf. d. Reinardus [1150J dessen Sohn Odgerns ansieht. Beide waren Scholastiker an d. höheren Latein-
schulen in Gent.) — 17) X L. Sudre, Les sources du Roman de Renart. Paris, Bouillon. VIII, 356 S. |[LCB1.
S. 1393/5; A. Jeanroy: RCr. 36, S. 505/8.JI (S. versucht nachzuweisen, dass d. Hauptmasse d. Erzählungen d. franz. Renart
auf mändl. Volksüberlieferungen zurückgehen, hingegen d. griech. u. latein. Fabeln kaum etwas verdanken.) — 18; J. Bolte,
Beitrr. z. Gesch. d. erzählend. Litt. d. 16. Jh.: TNTLK. 4, S. 309-19. ~ 19) K. Meyer, Niederländ. Volksbücher:
BllThPBBibl. 2, S. 1-22. - 20) (110:28.) |[A. Schi ossär: BLU. S. 789-90.JI — 21) E. Pistl, Quellen für Ayrers Sing- u. Fast-
nachtspiele: VLG. 6, S. 430/2. (Vgl. 114:36.) — 22) (I 10:32.) - 23) C.Kolb, D. Vf. u. d. Held d. Peter Lew: VLG. 6, S. 110 4. —
24) X 0. G 1 ö d e , E. Jeep, Hans Friedr. v. Schönberg (vgl. JBL. 1890 II 3 : 25 ; 1891 II 3 : 24/5 ; 1892 II 3 : 34/5; : ZDU. 7, S. 849-51. —
25) (III 4 : 39; IV 8e: 63.) — 26) (II: 117; 2, S.42-51.) - 27) (I 5 : 225; IV8e : 56/7.) |[LCB1. S. 158y;8.]| - 28)(I 5 : 224; 10 : 25;
(2)4*
II 3:29-38 A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts.
gestorben sei, dass er vierzig- Jahre als fahrender Scholast und Gaukler ein unstetes,
höchst abenteuerliches Leben geführt, und dass es im Interesse seiner Profession gelegen
habe, namentlich in den Anfängen seiner Weltfahrt, unter verschiedenen Namen auf-
zutreten: so mag er sich den Vornamen Faustus in der Bedeutung Fortunatus und
den Beinamen Sabellicus nach dem alten Zaubervolk der Sabiner zugelegt haben.
In dem nächsten Abschnitte über das älteste Faustbuch treten auch die Grundlinien
des besprochenen Werkes klar hervor, aber doch nicht ganz den Thatsachen
entsprechend, wenn das Spiesssche Faustbuch fast wie ein einheitliches, aus einem
Gusse erstandenes Werk analysiert wird. F. hat im allgemeinen die neueren Arbeiten
auf dem Gebiete der Faustforschung für die dritte Auflage benützt, die ja zwei um-
fangreichere Bände gegenüber dem schmalen Bande der ersten und zahlreiche Ver-
mehrungen gegenüber der zweiten Auflage aufweist. Doch so wie F. mehrere in-
zwischen bekannt gewordene Zeugnisse über den historischen Faust nicht berück-
sichtigt hat, so erwähnte er auch mit keinem Worte den in mehreren (aus Erich
Schmidts Seminar hervorgegangenen) Arbeiten erbrachten Nachweis, dass viele Ab-
schnitte des Faustbuches aus verschiedenen Quellen abgeschrieben oder kompiliert
sind.' Statt dessen widerlegt er (S. 154 ff.) den allzukühnen und unmöglichen Er-
kärungsversuch Herman Grimms zur Entstehung des B^austbuches, „um durch dieses
Beispiel die Abwege und die Entartung zu kennzeichnen, in welche heutzutage die
Ausübung der historischen Methode mit ihrer Entlehnungssucht gerät." Meines Er-
achtens geht es jedoch nicht an, jene Herman Grimmschen Geistesblitze, die blenden
ohne zu beleuchten, der historischen Methode zum Vorwurf zu machen und sie in eine
Reihe zu stellen mit den nüchternen, aber festbegründeten Ergebnissen mühsamer
philologischer Untersuchungen. — Zu denzusammenfassendenDarstellungen desgleichen
Gegenstandes gehört auch der jetzt neu veröffentlichte Aufsatz Scherers^ß) aus dem
J. 1884, worin die damals bekannten Nachrichten über den historischen Faust sowie
die Konzeption des ältesten Faustbuches und dessen spätere Umarbeitungen genau
und übersichtlich behandelt sind. — Ferner die gleichzeitig in dänischer Sprache er-
schienene Dissertation Küchlers^'*), der auch eine Analyse der Volksbücher, der
Volks- und Puppenspiele giebt und sie mit Goethes Faust vergleicht. Weit hinter
K. Fischer zurückbleibend, bringen diese Untersuchungen weder in Thatsachen, noch in
Gesichtspunkten etwas Neues. Die deutsche Ausgabe war darum eigentlich über-
flüssig. — Aus der landläufigen Faustlitteratur fällt ganz heraus das umfangreiche
Buch von Kiesewetter^*^). Die Litteraturgeschichte fördert es wenig. K. kon-
struiert willkürlich aus den verschiedenen Nachrichten über den historischen Faust
(die er nicht vollzählig beisammen hat) dessen Lebenslauf; er betrachtet Faust
als einen weisen Zauberer, der das magisch-supernaturalistische Wissen vergangener
Jhh. in sich aufgenommen und in seiner Weise verarbeitet habe, und hält einen Teil
der unter Fausts Namen umlaufenden Zauberbücher für „relativ echt" und aus der
„Schule" Fausts stammend. Kein Kritik übender Historiker wird ihm hierin folgen
können. Eigenartig und belehrend aber ist das Buch hierin, dass K. eine ausführ-
liche Geschichte der Theurgie und Nekromantie, der Krystallseherei, des Geister-
bannes, des Höllenzwanges usw. entwirft und vom Standpunkt des kenntnisreichen
Okkultisten die Faustbibliographie sichtet und beurteilt.^s) — Unter den kleineren
Beiträgen zu Faust ist am wichtigsten das von Kluge ^^) mitgeteilte Zeugnis
Thurneyssers, der in seinem alchy mistischen Onomastikon 1583 drei Klassen von Zauberern
unterscheidet: Die gewöhnlichen Taschenspieler, deren Hexerei nur in der Geschwindig-
keit bestehe, „die andern seind die, so vmb ein Gradum höher und etwas von der
Philosophia verstehen, wie etwan Doctor Faustus . . . ." die höchsten seien jene, die
mit des Teufels Hülfe Wunderdinge fertig bringen. Nach Thurneysser, der selbst eine
Faustische Natur war, hat also Faust gar nicht mit dem Teufel in Beziehung ge-
standen.3^^32) — Werner^S) weist nach, dass auf Faust (entweder schon in der Volks-
sage oder erst im ältesten Volksbuche) zwei Streiche des Salzburger Zauberers Schramm-
hans, die Lindener im Katzipori (Kap. 33 und 46) erzählt, übertragen wurden. —
FränkeP^"^^)macht auf eine Bearbeitung von Bütners Epitome historiarum durch Stein-
hart (aus dem Ende des 16. Jh.) aufmerksam. Sie bringt zahlreiche Faust-Anekdoten,
in deren einer Helena zum ersten Mal in Fausts Gesellschaft erscheint. — F. van
Vo ss^*) bespricht zusammenhängend die bekannten Beziehungen Fausts zu Erfurt.^'') —
Zur Geschichte des Romans sind nur zwei Arbeiten zu verzeichnen. Dass
Georg Messerschmids beliebter Roman vom edlen Ritter Brissoneto (1559) dem
ni3:2; VI8e:61.) ([AZgB. N. 298 ; P. Seliger: NatZg. 24. Dec.]| — 29) X Ch. ThomaBsin, Simon Magus: Sphinx 17, S. 1-11,
123-30, 262-74. (,T. steht auf demselben Standpunlct wie Kiesewetter. Er sucht d. Leben, d. Lehre n. d. Wunderthaten d.
Simon Magus nach d. heutigen Erfahrungen d, Spiritismus zu erläutern.) — 30) F. Kluge, E. Zeugnis d. 16. Jh. über
DoVtor Faustus: ZVLR. 6, S. 479-80. — 31) X 0. Felsberg, V. bist. Faust: ZDU. 7, S. 56/7. — 32) X 0. Lyon, Z. bist.
Faust: ib. S. 193. - 33) (UI 3:5.) - 34) L. Fränkel, G. Steinharts Faust-Anekdoten: QJb. 14, S. 289-90. - 35) (m3:9.)
— 36) F. van Voss, Dr. Faust in Erfurt: NorddAZgi». N. 40. - 37)XX (Ul 3 : 8.) — 38) J. Holte, G. Messersohmid
A. Hauff en, Epos des 15./16. Jahrhunderts. II 3 : 39-47
Kerne nach ein echtes Volksmärchen (Grimm N. 62 Bienenkönig-in) sei, eing-ekapselt
in ritterliche Abenteuer und bombastische AUeg'orien, wurde von Bolte^^) nach-
gewiesen. Den bekannten Drucken fügt B. noch Ausgaben von 1568 und 1682
hinzu. — Den Lazarillo de Tormes, den Guzman de Alfarache und andere spanische
Schelmenromane des 16. und 17. Jh. und ihre Einwirkung auf fremde Schrift-
steller (Le Sage, Fielding, Smollet, Nicolaus Heinsius u.a.) bespricht Schultheiss^**).
Die deutsche Litteratur kommt hierbei schlecht weg. Aegidius Albertinus und der
Schellmufsky werden nur erwähnt, der Simplicius ganz kurz behandelt. Niclas
Ulenhart und andere Uebersetzer hätten auch berücksichtigt werden müssen. Und
wenn Seh. die französischen Nachahmer bis auf Zola herab verfolgt, so hätte er in
Deutschland doch auch auf Enks von der Burg Don Tiburzio 1831 eingehen sollen. —
Einiges zur hs. Uebersetzung der Weltgeschichte des Sabellicus durch
Murner erwähnt Martin^"). Nur einzelne Teile sind erhalten. Die Uebertragung
ist sklavisch und nachlässig, was durch eine Probe erwiesen wird. Genau beschreibt
M, die sicherlich von Murner herrührenden beachtenswerten Federzeichnungen der
Karlsruher Hs. und giebt von ihnen ein Verzeichnis. Murners Namenszug und eine Feder-
zeichnung sind in Nachbildungen beigefügt. — Ein überaus inhaltreicher Aufsatz wurde
dem fruchtbaren Uebersetzer Heinrich Steinhöwel von Strauch'*^) gewidmet.
Durch umfängliche archivalische Studien ist St. in die Lage versetzt, das Leben des
Mannes, seine persönlichen Beziehungen und seinen Studiengang genauer zu schildern,
als es bisher möglich war. Eingehend werden die Vorlagen Steinhöwels mit seinen
Uebersetzungen verglichen und dann im allgemeinen charakterisiert. Steinhöwel über-
setzt mit Freiheit ; er ist auf Betonung einer moralisch-lehrhaften Tendenz und auf all-
gemeine Verständlichkeit bedacht. Er schiebt litterarische Anspielungen, die von
Belesenheit zeugen, sowie Anspielungen auf eigene Lebenserinnerungen, auf zeit-
genössische Persönlichkeiten und Zustände ein. Er liebt Sprichwörter, Redensarten und
klassische Citate. Als Stilist hält er die Mitte zwischen Wjle und Eyb. (Vgl. II 7 : 17 b.) — Die
litterarische Thätigkeit des Augsburger Uebersetzers und Meistersängers Joh. Spreng
(nicht Sprenger) hat Roethe^^^ vollständiger, als es bisher geschehen ist, ins Auge
gefasst. Spreng hat neben zahlreichen geistlichen und weltlichen Meisterliedern
(nach fremden Tönen) zu Zeichnungen von V. Solls, die ihre Stoffe aus Ovids
Metamorphosen nehmen, erklärende lateinische Gedichte geschrieben. Diese ent-
halten eine Beschreibung des Bildes, eine freie Erzählung nach Ovid und eine er-
läuternde Nutzanwendung. Spreng hat diesen von ihm bearbeiteten Ovid, ferner
die Ilias, die Aeneis u. a. in deutsche Reime, den Josephus Flavius in Prosa über-
tragen. —
Den Uebersetzern in freierer Weise lässt sich Fischart anschliessen, dem
fortgesetzt eingehende Studien von verschiedenen Seiten gewidmet werden. Galle*^)
behandelt den Stil der Reimwerke Fischarts. Er weist mit Recht vorerst auf die
Mischung gelehrter und volkstümlicher Elemente hin, zeigt an Beispielen, wie
Fischart gelehrte Anspielungen und Citate zu komischen, satirischen und ernsten
Zwecken verwendet. G. erörtert dann die volkstümlichen Stilelemente : Die Er-
wähnungen aus der Welt der heimischen Sagen und Schwanke, die Redensarten,
Sprichwörter, Bilder und Vergleiche, die volkstümliche Freilieit der gesprochenen
Rede in der Syntax, ferner das persönliche Hervortreten des Dichters, dessen un-
mittelbare Beziehungen zu den Lesern und zum Helden der Erzählung, endlich die
verschiedenen Reimarten und Wortspiele. Erschöpft hat G. den behandelten Gegen-
stand nicht, schon deshalb nicht, weil er einige Dichtungen, so den Eulenspiegel und
den Stauffenberger nicht berücksichtigt hat. Die zu beachtenden stilistischen
Gruppen hätten bedeutend erweitert werden können; auch vermisst man eine zu-
sammenfassende Charakteristik. Gleichwohl bedeuten die übersichtlich geordneten
und mit zahlreichen Beispielen versehenen Beobachtungen einen erfreulichen An-
fang, der Nachahmung und Fortsetzung verdiente. — Frantzens Schrift über die
Geschichtklitterung (vgl. JBL. 1892 II 3 : 31) wurde neuerdings wiederholt be-
sprochen.44j — Das Jesuitenhütlein wurde von einem Anonymus in einer sprachlich
bearbeiteten, mit Anmerkungen versehenen Fassung herausgegeben^^). — Von seiner
inzwischen abgeschlossenen Auswahl der Werke Fischarts ^ß) (vgl. JBL. 1892 II 3 : 29)
hat Hauffen^') im Berichtsjahre den dritten Band veröffentlicht, der einen Neudruck
des Podagrammischen Trostbüchleins und des Ehezuchtbüchleins nach den ersten
Ausgaben bringt. Die ausführliche Einleitung wird mit einer Uebersicht über die
Podagralitteratur eröffnet. Es wird als ein glücklicher Griff Fischarts bezeichnet,
u. sein Roman: Alemannia 21, S. 13/5. — 39) (III 3 : 14.) — 40) (I 11 : 236.) — 41) Ph. Strauch, H. Steinhöwel: ADB. 35,
S. 728-36. — 42) G. Roethe, Joh. Spreng: ib. 8, 288-91. - 43) (I 8:35.) - 44) X L- Fränkel: LBlGRPh. S. 318-22
(mit einzeln. Ergänzungen); A. Chuquet: RCr. 35, S. 291,2; LCBl. S. 1534. — 45) J. Fischart, ü. Jesuitenhütlein.
(= Meyers Vollcsbücher N. 1055.) L. u. Wien, Bibliogr. Inst. 44 S. M. 0,10. — 46) X L- Fränkel, A. Hauffen, D. Werke
Fischarts: BLU. S. 40/1. — 47) A. Hauffen, J. FischartsJWerke.f 3. T. D. Podagrammisch Trostbüchlein. D. philosoph.
II 3:48-59 A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts.
dass er die zwei hervorrag-endsten Podagraschriften, des Carnarius De Podagrae
Laudibus Oratio (1553) und Pirkheimers Apologia seu Podag-rae Laus (1522) seinem
Trostbüchlein zu Grunde gelegt hat. Diese selten gewordenen Scherzreden wurden
von H. abgedruckt und eingehend mit Fischarts freien Uebertragungen verglichen.
Wenn Fischart auch den Gegenstand selbst nicht durch neue Motive bereichert, so
erweitert er doch seine Vorlage durch Hinzufügung von Citaten, Beispielen, Ver-
gleichen, durch eine Anzahl gereimter Stücke und andere Einschaltungen, für die er
gelegentlich grössere Sammelwerke verwertet. Flüchtig angedeutete Züge der
Quelle erweitert er mit Gelehrsamkeit oder mit Witz zu anschaulichen Gemälden.
H. beschreibt hierauf die verschiedenen Ausgaben des Trostbüchleins und die
Podagraschriften nach Fischart. Unter den Vf. der letzteren befinden sich drei
Böhmen: Georg Fleissner, Victorinus Rhacotomus aus Wodnian und Georg Berthold
Pontanus von Breitenberg, denen Hauffen*^) selbst einen besonderen kleinen Aufsatz
gewidmet hat. — Für die Einleitung zum Ehezuchtbüchlein verwertet Hauffen^^)
die Ergebnisse seiner Abhandlung über Fischarts Ehezuchtbüchlein, Plutarch und
Erasmus Roterodamus. In dieser Schrift, die auch gelegentliche Untersuchungen über
Fischarts Stil und Sprache enthält, wird der Beweis erbracht, dass der erste und
dritte Teil des Ehebüchleins nicht unmittelbar aus Plutarch, sondern aus einer
lateinischen Uebersetzung (Xylander, Basel 1572) frei übertragen sei. Als Haupt-
quellen des zweiten Teiles werden in der Einleitung die Anthologie des Stobaios,
Gesners Naturgeschichte (beide in deutschen Uebersetzungen) und die Egenolffsche
Sprichwörtersammlung erwiesen. Dem Neudruck sind die Nachbildungen der Titel
und die zum Teil durch Alciatis Embleme angeregten Zeichnungen Tobias Stimmers
beigegeben. H.s Anmerkungen verzeichnen neben Sach- und Worterklärungen die
Beziehungen zu den Vorlagen und die wichtigeren Varianten der späteren Ausgaben.
In die Titelangabe und in das Variantenverzeichnis der 2. Ausgabe des Ehezucht-
büchleins (1591) haben sich einige kleine Fehler eingeschlichen. ^^-53) —
Einen hübschen Beitrag zur jüngeren Tierdichtung liefert Kawerau^^),
indem er nach einer Charakterisierung des Ganskönigs von Wolfhart Spangenberg
eingehend die prosaische Lobrede auf die Martinsgans (1609) von Johannes
Sommer bespricht. Diese burleske Predigt lehnt sich zum Teil sehr enge an den
Ganskönig, an Hans Ackermanns Gedicht: „Die Tugent der Burekarts vnd Martins-
gans", an einzelne Neulateiner, an Fischarts Geschichtklitterung und andere an.
Nicht ohne Witz und volkstümlich, nur allzu breit werden von Sommer die Gans,
die Feder und die Schreiber gerühmt und alsdann- alle Körperteile und Vor-
züge der Gans zu christlichen Verhaltungsmassregeln und Heilslehren geistlich
ausgedeutet. —
Eine wesentliche Bereicherung hat die Bibliographie unseres Zeitraumes
erfahren durch A. Schmic'.ts^^) Beschreibung alter Drucke der Darmstädter Hof-
bibliothek. Seh, weist die ältesten datierten Ausgaben des Pfaffen vom Kahlenberg und
des Ritter Alexander nach und beschreibt, Goedekes Angaben berichtigend oder er-
gänzend: einen Eulenspiegel, Strassburg 1551; Bad zu Blumersch, Basel 1576;
Klingler „Wie man sich hüten soll vor dem Spiel", Strassburg 1520; Griseldis und
„Giletta von Narbonne" in der Sammlung: Zwo liebliche vn nützliche Historie,
Strassburg o. J.; Der Glück Haff zu Strassburg, Strassburg 1576. Zur Fischart-
bibliographie erwähnt Seh. Drucke des Nachtrab 1570, der Geschichtklitterung 1582
und 1594, des Bienenkorb 1588, die in Einzelheiten von bekannten Drucken der
gleichen Jahre abweichen, einen Stauffenberg 1598 (bisher nur in dem defekten
Wolfenbüttler Exemplar belegt) und mehrere bekannte Drucke. Endlich citiert er
aus Michael Kleinlawels Strassburgischer Chronik 1625 (Bl. 5a— b) eine Stelle, wo
„Joannes Fischart Doctor" unter den Strassburger Historikern aufgezählt wird. —
Die zahlreichen Arbeiten zur historischen Litteratur^ß-so) (jgr Zeit
können hier nur in aller Kürze und nur insoweit berücksichtigt werden, als sie
irgend eine Beziehung zu unserem Gegenstand aufweisen. Einen Hintergrund für
Ehezuchtbüchlein. (= DNL. Her. v. J. Kür sehn er. Bd. 18, Abt. 3.) St., Union. LXX, 332 S. M. 2,50. — 48) id., Trost in
Podagra. E. Beitr. z. Litt.-Gesch. Böhmens im 16. u. 17. Jh.: MVÖDB. 31, S. 293/6. — 49) id., J. Fischarts Ehezuchtbüchlein,
Plutarch u. Erasmus Eoterodamus. (= Syrabolae Pragenses [Wien u. Prag, Tempsky. 222 S. mit 2 Taf. M. 8,00], S. 24-41.)
— 50) X L. Pariser, S. Brant, Luther, H. Suchs, Fischart mit e. Ausw. v. Dichtern d. 16. Jh. (= Sammlung Göschen N. 24.)
St., Göschen. 154 S. M. 0,80. (Vgl. II 1 : 88; 4:28.) — 51) X C- Herford, Snme old german humourists: MacraillansMag.
1891, Maiheft. (Handelt über Pauli, Fischart u. d. Volksbücher d. 16. Jh.) - 52) X H. Merkens, Dtsch Humor. Schwanke
u. Erzählungen aus alt. Zeit. Ausgew. u. erneuert. (= Meyers Volksbücher N. 805/6.) L. u. Wien, Biblogr. Inst. 140 8.
M. 0.20. (D. sprachl. modernisierten Geschichten sind z. grössten Teil d. bekannten Seh Wanksammlungen d. 16. Jh. ent-
nommen.) — 53) X E Waldner, G. Wothly, Hieron. Boner (vgl. JBL. 1892 II 1:61; 3:10): ZGORh. 8, S. 144/5. (Be-
richtigung d. Bibliogr.) — 54) W. Kawerau, Z. Gesch. d. dtsch. Tierdichtung: GBlIMagdeburg. 28, S.264-82. — 55) (I 3 : 125.)
— 56) X W. Focke. Theodoricus Pauli (vgl. JBL. 1892 II 3 : 52). IfA. Bachmann: DLZ. S. 978/4; ZKG. 14, S. 275; LCBl.
S. 599.]| — 57) X A. Buchholtz, Ueber e. neu aufgefund. Hs. d. Bodeckerschen Chronik: SBGGOstseeprov. 1892, S. 36-41.
— 58) X F. X. Wegele, Chrn. Meyer, Familienchronik d. Ritters Michel v. Ebenheim (vgl. JBL. 1891 I 5 : 34): HZ. 34,
S. 339-40. — 59) X W. L, Schreiber, Liber regum. Her. v. R. Hochegger. (L., Harassowitz. 4». IV, 6 S. Mit 20 Faoa.-
A. Hauffen, Enos des 15./16, Jahrhunderts. II 3 : 60-78
die epischen Dichtungen bieten die kulturg-eschichtlich belehrenden Schriften
unseres Zeitraums. So besonders Sebastian Francks Weltbuch 1534, dessen
ethnog-raphische Abschnitte Loewenberg-^o) in einem Vortrag- eingehend besprochen
hat. Im Gegensatze zur riesigen Aufsammlung gelehrter Notizen in der Kosmographie
Münsters besteht der Wert des W^eltbuches nicht in den geographischen Angaben,
sondern in der eigenartigen Stellung, die Franck als Sittenprediger und Satiriker
moderner demokratischer Richtung den deutschen Sitten und Bräuchen gegenüber
einnimmt. Seine Aeusserungen über die Priester und Adeligen, über Bürger und
Bauern seiner Zeit sind noch nicht genügend ausgeschöpft worden. — Die etwas
kritiklose BewunderungFrancks, zu der uns Löwenberg mitreissen möchte, wird gedämpft
durch den Nachweis Vogts ^i), dass die ethnographischen Nachrichten Francks zum
grossen Teil ein Plagiat aus des Joannes Boemus Aubanus omnium gentium mores,
leges et ritus sind. Freilich hat Franck teils aus Flüchtigkeit und mangelndem
Verständnis, teils absichtlich seiner rationalistischen Tendenz wegen manche Ab-
änderungen vorgenommen. V. zeigt ferner, dass das von Birlinger herausgegebene
„Papistenbuch" nur die unvollständige Abschrift eines Kapitels aus dem Weltbuche
„Von der Romischen Christen fest-feyer" ist.^^j _
Die Aussprüche der Zimmerschen Chronik über deutsche Stammesart
sammelte L auch er t^^^. Gradheit des Charakters und Einfachheit der Sitten, doch
auch das Trinken wird als „deutscher Brauch" bezeichnet. Die Schwaben kommen
als Landsleute des Vf. gut weg und werden gegenüber den landläufigen Verspottungen
verteidigt. Von den Allgäuern, den Strassburgern, den Niederdeutschen (fast regel-
mässig Saxenkerle genannt) werden verschiedene komische Streiche erzählt. Die
Eidgenossen werden ihrer kriegerischen und politischen Tüchtigkeit wegen gerühmt,
das Schweizer „Volk" aber wird als „grob" bezeichnet^*). —
Neue Ausgaben von Chroniken und Arbeiten über die Chronisten und
Geschichtsschreiber unseres Zeitraumes sind in den meisten deutschen Land-
schaften erschienen. Am reichsten ist auch in diesem Zeitraum die Schweiz ver-
treten ^^'^s). Hier ist unter den Fortsetzungen grösserer Unternehmungen der 4. Band
der Berner Chronik des Valerius Anshelm^s) zu nennen, die die J. 1514—22 be-
handelt. — Büchi'O) veröffentlicht im 13. Bande der Schweizer Geschichtsquellen
88 lateinische Briefe hervorragender Persönlichkeiten an Albrecht von Bonstetten
aus den J. 1465 — 80 und drei Schriften Bonstettens: die allegorische Satire „De
Justitiae ceterarumque virtutum exilio", eine in Anlehnung an Aeneas Silvius verfasste
ungelenke Jugendarbeit, ferner die deutsche Darstellung der Stiftung des Klosters
Einsideln und die lateinische und deutsche Fassung der Beschreibung der Schweiz, die
älteste höchst wertvolle Geographie des Landes. B. hat seine Publikation mit reichhaltigen
Einleitungen und Anmerkungen versehen. — Die Hauschronik des Rufachers Konr.
Pellikanus (Kürschner, 1478 — 1556), eine treuherzige Darstellung seines Lebens
und der Anfänge der Reformation in Zürich, wurde in der lateinischen Original-
fassung bereits 1877 von Riggenbach herausgegeben. Im Berichtsjahr erschien
nun eine von Vulpinus"") besorgte gute und lesbare deutsche Uebersetzung.
Kleine Versehen derselben sowie Irrtümer der Anmerkungen hat Hart fei der
berichtigt. — Wie Pellikan, ehemals katholische Priester, dann Anhänger Zwingiis
und Prediger in Zürich, waren auch die beiden Historiker Wernher Steiner
(1492-1543) und Josef Stumpf (1500-76), deren Leben und Wirken in kurzen
Abrissen von Wyss''2-''3j vorgeführt hat. Von beiden rühren wichtige Aufzeich-
nungen zur Schweizer Geschichte ihrer Zeit her. — Zur Geschichte Basels ver-
öffentlichten Gessler'4) Felix Platters Histori vom Gredlin und Wackernagel'^^)
die Strübinsche Chronik der J. 1529—1627. —
Auf schwäbischem Gebiet ist unter anderem "'ß"''') die von Schön ''S) heraus-
gegebene älteste Reutlinger Chronik zu nennen, die Christof Laubenberger
Taf. M. 25,00): CBlBibl, 10, S. 94/5. (Seh. setzt d. AMassnng für ca. 1470 an n. zwar in Köln od. Umgebung.) - 60) J.
Löwenberg, D. Weltbucli Seb. Francks. D. erste allg. Geogr. in dtsch. Sprache. (= SGWV. N. 177.) Hamburg, Verlagsanst.
37 S. M. 0,80. — 61) (I 5:12.) - 62) X G- Loesche, A. Hegler, Geist u. Schrift bei Seb. Franck (vgl. JBL. 1892
II 5b: 3; s. u. II 6: 185): DLZ S. 34 — 63) F. Lauchert, Aussprüche d. Zimmerschen Chronik Z.Kennzeichnung d. Dtsch.
u. einzelner dtsch. Stämme in Ernst u. Scherz: Alemannia 21, S. 186-91. — 64) X R- Krone, D. Ziramersche Chronik über
Religion, Kirche u. Klerus: DEBll. 18, S. 235-48. — 65) X J- J- Rueger, Chronik v. Schaifhausen (ygl. JBL. 1892 I 4: 760):
ZGORh. 8, S. 150/1. — 66l X E. Meininger, Une chronique suisse inedite (vgl. JBL. 1892 II 1 : 19; 3 : 59). |[LCB1. S. 557,8;
AnnEst. 7, S. 128/9.J| - 67) X G- v. Wyss, Job. Lenz: SBB. 2, S 421,2. (Abgedr. aus ADB. 18. S. 276) - 68) X Th.
V. Liebenau, Diebold Schilling: ib. S. 417-21. - 69) D. Berner Chronik d. Valerius Anshelm. Her. v. Hist. Ver. d. Kantons
Bern. 4. Bd. Bern, Wyss. 532 S. M. 6,00. — 70) A. Bnchi, Albr. v. Bonstetten. Briefe u. ansgew. Schriften (= QSchwG. 13. Bd.)
Basel. Geering. V, XI, 288 S. M. 6,00. (S. n. 117 : 15.) — 71) (II 1:170; 6:171.) |[B. Stehle: Alemannia 21, S. 94; LCBl. S. 783;
G. Bessert: ThLBl. 14, S. 126/8; K. Hartfelder: ZQOEh. 8, S. 14-2/3.]| - 72) G. v. Wyss, W. Steiner: ADB. 35, S. 707/9.
- 73) id., J. Stumpf: ib. 36, S. 751/4. — 74) A. Gessler, F. Platters Histori vom Gredlin: BaslerJb. S. 251,9. — 75) B.
Wackernagel, Strübinsche Chronik: ib. S. 136-44. — 76) X P Thudichum, D. Tübinger Stadtrecht v. 1493: BBSW.
S. 220,2. — 77) X F. Frensdorff, D. Chroniken d. dtsch. Städte v. 14. bis ins 16. Jh. Bd. 22. D. Chroniken d. sohwäb.
Städte. Augsburg. Bd. 3c (vgl. JBL. 1892 II 3 : 60): GGA. S. 609-24. - 78) Th. Schön, D. Camerer- Laubenbergische
II 3:79-94 A. -Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts.
(g-est. nach 1591) niederg-eschrieben und Alexander Camerer bis 1599 fortgesetzt hat.
Sie bring-t wertvolle Einzelheiten für das 15. und 16. Jh., namentlich soweit die
Chronisten Selbsterlebtes erzählen: u. a. g-enaue Nachrichten über Besuche der
Kaiser und über die Protestantisierung* der Stadt. — Auf den Bauernkrieg" in Ober-
schwaben 1525 bezieht sich das Tagebuch des Hans Lutz von Augsburg, von
dem jetzt Adam''^) eine neu aufg-efundene Zaberner Hs. veröffentlicht hat, die das ver-
lorene Original weit treuer wiedergiebt, als die bisher allein bekannte und veröffentlichte
Aug-sburg-er Fassung. Aus den Zaberner Schlusszeilen ergiebt sich, dass Lutz
seine Aufzeichnungen noch mitten in den Krieg-swirren gemacht hat. —
In Bayern erschienen, durch ein Preisausschreiben der philosophischen
Fakultät zu München hervorgerufen, zwei treffliche Arbeiten über Veit Arnpeck,
den niederbayerischen Chronisten des 15. Jh., die preisgekrönte Schrift von L eidinger ^^)
und der Aufsatz von Joetze^^), beide in den grossen Ergebnissen übereinstimmend,
in den Einzelheiten einander ergänzend. Beide weisen nach, dass auch die deutsche
Bearbeitung seines Hauptwerkes, des Chronicon Baioariae, von Arnpeck selbst her-
rührt. Diese deutsche Fassung ist ein bemerkenswertes litterarisches Denkmal, weil
es volkstümlich gehalten ist und vielleicht auch auf volkstümliche Quellen zurück-
geht. Beide Vf. bezeichnen das Chronicon Austriacura als eine unbedeutende
Kompilation. — Den Bericht des Straubingers Ulrich Schmidel über seine Kriegs-
züge in Südamerika (1534 — 54) hat nun Mond schein ^^-j nach der Stuttgarter Hs.
veröffentlicht. Diese stellt die erste flüchtige Niederschrift des Reisenden dar und
ergänzt darum an mehreren Stellen die bereits veröffentlichte Münchener Hs. ^3) —
Auch auf Mitteldeutschland beziehen sich eine Reihe hierher gehöriger
Arbeiten ^*"^^). Dem Thüringer Stolle (1430 — 85), der in seiner thüringisch-erfur-
tischen Chronik für die J. von 1440 ab selbständige wichtige Nachrichten beibringt,
widmet Wegele^ö) eine knappe Skizze. — Ein Anonymus**'') veröffentlicht zwei wenig
umfängliche hs. vogtländische Ch roniken: Die Plauische Chronik und die Chronica
Theumaviensia, die beide aus dem letzten Dritteil des 17. Jh. stammen, doch in ihren
örtlichen Nachrichten vorzugsweise das 16. Jh. berücksichtigen. — Pis tor^^)giebt als
Einleitung zu seinen eingehenden Untersuchungen über Johannes Nuhn von Hersfeld
(gest. 1523) eine Uebersicht über die hessische Geschichtsschreibung des späteren
Mittelalters. Er zeigt, dass Nuhn in seinen zahlreichen Chroniken ungenau und
unkritisch vorging, dass er aber in der hessischen Fürsten- und Landesgeschichte
seiner Zeit gut unterrichtet war. —
Auf niederdeutsches Gebiet^^"^^) leitet uns- Cyriacus Spangenberg
über, der in den sechziger Jahren des 16. Jh. im Mansfelder Lande den Mittel-
punkt des geistigen Lebens bildete. Als unbeugsamer Flacianer war er stets in
dogmatische Streitigkeiten verwickelt, als historischer und theologischer Schriftsteller
und als Dichter war er von grosser Fruchtbarkeit. Seine vielseitige Thätigkeit und seine
zahlreichen Schriften hat Edw. Schröder^^^ in einem sehr inhaltreichen und belehrenden
Abriss besprochen. — Zwei Stralsundische Chroniken aus dem Ende des 15. Jh.
hat Bai er 93) veröffentlicht, die beide hauptsächlich zur Stadtgeschichte Stralsunds
für die 2. Hälfte des 15. Jh. wertvolle Nachrichten bringen. — In dem gleichen Zeit-
raum lebte Albert Krantz, dessen historische Schriften erst nach dem Tode des
Vf. gedruckt und viel gelesen wurden. Sein Hauptwerk, die Saxonia, die jetzt von
Schaerffenberg^*) einer gründlichen Untersuchung unterzogen wurde, behandelt
die Geschichte des sächsischen, vor allem des niedersächsischen Stammes von der
Urzeit bis zum J. 1504 in dreizehn umfangreichen Büchern. Ein Streben nach
kritischer Behandlung der Quellen und nach einer geschlossenen Darstellung muss
ihm nachgerühmt werden. Er ist ein humanistischer Geschichtschreiber, der in seinem
lateinischen Stile antiken Mustern nacheifert, und darum ist seine Saxonia, obschon
als historische Quelle ohne Belang, ein bedeutsames litterarisches Denkmal. —
Chronik, her. nach d. Orig. im Stadt-Arch. Reutlingen u. mit Komm, vers.: EeutlingerGBll. 4, S. 25/8, 65;8, 76-81. — 79) A.
Adam, D. Tagebuch d. Herolds Hans Lutz v. Augsburg über d. Bauernkrieg: ZGORh. 8, S. 55-100. — 80) 6. Leidinger,
Ueber d. Schriften d. bayer. Chronisten Veit Arnpeck. [Gekrönte Preisschrift.] Diss. München (Mehrlich). 175 S. — 81) K. F.
Joetze, Veit Arnpekch, e. Vorläufer Aventins: VHVNiederbayern. 29, S. 45-128. — 82) J. Mondschein, ülr. Sohmidels Reise
nach Südamerika in d. J. 1534-54. Progr. d. kgl. Realsch. Straubing (Attenkofer;. 60 S. (Vgl. II 1 : 164.) - 83) X Lupoid von Wedels Be-
schreibung seiner Reisen: DAdelsbl. S. 306/7. (Abdruck e. hs, Reisebeschreibung aus dem 16. Jh.) — 84) X Hellers Chronik
d. Stadt Bayreuth: HohenzollF. 2, S. 129-224. (Vgl. auch I 4 : 452.) — 85) X 'I * = 455; auch HohenzoUF. 2, S. 1-128.) - 86) F. X.
Wegele, K. Stolle: ADB. 36, S. 409-10. — 87) C. v. E., Zwei Vogtland. Chroniken: MAVPlauen. 9, S. 58-74. — 88) J.
Pistor, Untersuchungen über d. Chronisten J. Nuhn v. Hersfeld. Progr. d. K.-Friedrichsgymn. Kassel. 74 S. |[H. Dieraar:
WZB. 12, S. 144/5.]|' - 89) X Oldekops Chronik (vgl. JBL. 1891 II 3 : 43; 1892 I 4 : 637; II 3 : 62): HPBll. 112, S. 157-68,
263-78. (Vgl. II 6:25.) - 90) X H. Grube: Oldekop u. Stift Hildesheim: ib. S 397-407. — 91) X 0. Knipping, D.
litt. Nachl. d. köln. Historiogr. Steph. Broelmann: MStadtAKöln. 8, S. 178. — 92) Edw. Schröder, C. Spangenberg: ADB. 35,
S. 37-41. — 93) R. Baier. 2 Stralsund. Chroniken d. 15. Jh. Mit 2 Facs. Her. v. d. Altersmännern d. Gewandhauses.
Stralsund (Bremer). XVI, 47 S. M. 2,00. — 94) P. Sc haerff enberg, D. Saxonia d. Alb. Krantz. Diss. KieL (Meiningen,
Keyssner.) 38 S, —
W. Creizenach, Drama des 15./16. Jahrhunderts, II 4 : 1-4
Drama.
Wilhelm Creizenach.
Spiele des ausgehenden Mittelalters N. 1. — Das Redentiner Osterspiel N. 4. — Der erste deutsche Terenz N. 10.
— Sumnilungen von Dramen des 16. Jh. N. 11. — Fastnachtspiele N. 14. — Einzelne Dramatiker: M. Stessan, L. Stöckel,
J. Stricerins, Cl. Stephani N. 17; Hans Sachs N. 23; Valten Voith, M. Bohemus N. 29; J. Ayrer N. 34. — Geschichte des Dramas
im Aaslande N. 37. — Studentenaufführnngen N. 39. —
Die geistlichen Spiele des ausgehenden Mittelalters, d. h. die grossen,
öffentlichen Mysterienaufführungen, die in der zweiten Hälfte des 14. Jh. beginnen
und noch während des 16. Jh. fortdauern, behandelt der erste Band von Creizenachs i)
umfassender Darstellung des neueren Dramas (Buch IV, S. 162—358). Und zwar
wird hier die Greschichte dieser Spiele bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jh. ver-
folgt, bis in die Zeit, da Einflüsse des Humanismus und der Reformation sich geltend
zu machen beginnen. Zunächst unterzieht der Vf. die Entwicklung der Mysterien
bei den verschiedenen Nationen einer vergleichenden Betrachtung, er bespricht u. a.
die Prozessionsspiele bei der Fronleichnamsfeier, die Stellung der Geistlichkeit zu
den Mysterien, die Ansichten über ihre sittliche Wirkung, ferner ihren ästhetischen
Wert, den dramatischen Aufbau, die Entlehnungen aus Apokryphen und Legenden,
die Anachronismen, die komischen Bestandteile, die hs. Ueberlieferung und die
litterarischen Prätensionen der Dichter. Auch das Bühnen wesen des späteren Mittelalters
wird ausführlich erörtert. Es werden (S. 218—47) die auf uns gekommenen deut-
schen geistlichen Spiele besprochen. Am Schluss des Abschnitts wird die Frage
untersucht, inwieweit die geistlichen Spiele der verschiedenen Nationen von einander
abhängig sind; der Vf. kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die zahlreichen inter-
nationalen Uebereinstimmungen zum grössten Teil nicht auf direkter Entlehnung be-
ruhen, sondern auf die lateinische Predigt- und Erbauungs-Litteratur zurückzuführen
sind, in welcher die Begebenheiten der heiligen Geschichte, besonders der Passion,
ausführlich und lebendig ausgemalt waren. Dass verschiedene Nationen von einander
dramatische Texte entlehnen, wie dies z. B. die Czechen den Deutschen gegenüber
thaten, kommt im allgemeinen sehr selten vor. Häufiger geschah es, dass man
einzelne Bühneneffekte übernahm. Auf diesem Gebiete hatte Frankreich, wo die
dramatische Litteratur am reichsten und mannigfaltigsten entwickelt war, für die
übrigen Länder eine vorbildliche Bedeutung. Von dorther entlehnten die Deutschen
höchst wahrscheinlich die Kunstform des dramatischen Marienmirakels (Theophilus,
Jutta). In Buch V werden die mittelalterlichen „Ansätze zu einem ernsten weltlichen
Drama" besprochen, die indessen in Deutschland weit geringfügiger sind als in
anderen Ländern. Buch VI umfasst das komische Drama des Mittelalters; eine zu-
sammenhängende Gruppe von gleichartigen W^erken tritt uns hier auf deutschem
Boden zuerst in den Nürnberger Fastnachtspielen entgegen, die der Vf. ausführlich
charakterisiert, und dabei weist er nach, dass sie aus Kostümtänzen hervorgegangen sind.
Aus den Spielen der Wolfenbütteler Hs. nimmt der Vf. eine Gruppe heraus, die sich
von der gewöhnlichen Form der Nürnberger Spiele unterscheidet; hierher gehört u. a.
das grosse Neidhartspiel, das umfangreichste komische Drama, das wir aus dem Mittel-
alter besitzen. Sodann werden die Fastnachtsspiele ausserhalb Nürnbergs, besonders
die Lübecker nach Massgabe des bekannten Verzeichnisses betrachtet. Die Kunst-
gattung der Moralitäten (Buch VII) war in Deutschland weit weniger entwickelt als
in England und Frankreich; die vereinzelten Spuren, die noch erkennbar sind,
werden (S. 478 ff.) nachgewiesen. In Bezug auf die Totentänze schliesst sich der Vf.
der Ansicht Seelmanns an, dass dieselben ursprünglich im Zusammenhang mit der
Predigt aufgeführt wurden, und weist zur Unterstützung dieser Ansicht auf ander-
weitige Predigt-Aufführungen hin, wie sie namentlich im Franziskanerorden sehr
beliebt waren. ^"3) —
Das Redentiner Osterspiel wurde von Carl Schröder*) neu heraus-
gegeben und mit einem ausführlichen und reichhaltigen Kommentar versehen. In
der Einleitung führt Seh. seine früher bereits dargelegten Ansichten über diese Spiele
weiter aus (vgl. JBL. 1891 II 4:4). Danach wurde das Spiel von einem Cistercienser
aus Doberan, dem Redentiner Magister curiae Peter Kalff, verfasst; das in der Sub-
skription erwähnte Jahr 1464 bezieht sich auf die Zeit der Abfassung, nicht auf die
1) W. Creizenach, Gesch. d. neueren Dramas. Bd. I. Mittelalter u. Frührenaissance. Halle a. S., Niemeyer.
XV, 586 S. M. 14,00. — 2) X P- Tenber, Geistliche Komödien in alter Zeit: WFrBl. N. 358. — 3) O XX W. Koppen,
Beitrr. z. Gesch. d. dtsch. Weihnachtsspiele. Paderborn, Schöningh. 132 S. M. 2,40. (Vgl. JBL. 1892 U 4:11.) — 4) Carl
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (2)^
II 4:5-13 W. Creizenach, Drama des 15./16. Jahrhunderts.
der Abschrift, damit stimmt auch der Hinweis auf das grosse Sterben in Lübeck.
Aufgeführt wurde das Spiel wahrscheinlich nicht in Redentin, sondern in der benach-
barten Hansestadt Wismar. Ausserdem verg-leicht Seh. das Redentiner Osterspiel mit
anderen derartigen Spielen und erklärt sich mit vollem Recht gegen die beliebte
Manier, jede Uebereinstimmung als Abhäng-igkeitsverhältnis zu betrachten. Einige
sprachliche Eigentümlichkeiten der Spiele führen den Herausgeber auf die Ver-
mutung, dass Kalff aus dem Mutterkloster Amelungsborn an der Weser stamme. —
Doch scheint mir, was diese sprachlichen Eigentümlichkeiten betrifft, eine andere Er-
klärung den Vorzug zu verdienen, die Seelmann^) in seiner inhaltreichen Be-
sprechung der Schröderschen Ausgabe vorbringt. Nach S. hatte der Vf. eine ost-
fälische Vorlage, die ihrerseits die Bearbeitung eines mitteldeutschen Osterspieles
war. Aus dieser Vorlage wurde der erste Teil (V. 1 — 1043) übernommen; er enthält
viele Reime, die erst in mitteldeutscher Uebersetzung rein erscheinen. Der zweite
Teil dagegen, der uns in der Teufelsscene ein Prachtstück niederdeutschen Volks-
humors darbietet, ist aus einer gründlichen Umarbeitung der Vorlage durch den
mecklenburgischen Dichter hervorgegangen. — Ausserdem wurde das Redentiner
Osterspiel noch in mehreren Zeitschriften besprochen^-»). — Ebenso erschienen
mehrere Anzeigen'') von Haages Dissertation über Dietrich Schernberg (vgl. JBL. 1891
II 4:8). —
In die Zeit des beginnenden Einflusses des Humanismus führt uns ein Auf-
satz über den ersten deutschen Terenzübersetz er Hans Nithart, dessen Ueber-
tragung des Eunuchus in Ulm 1486 gedruckt wurde, von Wunderlich i"). Der
Vf. weist darauf hin, dass Nithart einer angesehenen Ulmer Familie angehörte und
in Felix Fabers Tractatus de civitate Ulmensi als ein gelehrter Mann gerühmt
wird, der u. a. auch „bucolica et comoedias, Virgilii Aeneida, Senecae tragedias,
Ovidii metamorphoses" studiert habe. Bei Erörterung der Ansichten Nitharts über
die sittliche Wirkung der Komödie erinnert W. daran, dass Terenz kurz vorher im
Schnitzwerk des Chorgestühls im Ulmer Münster in der Reihe der Philosophen
angebracht worden war. An einer bedenklichen Stelle des Eunuchus sieht freilich
Nithart sich genötigt zu bemerken: „Ist besser verborgen, wann glossiert." Auch
enthält der Aufsatz einige Bemerkungen darüber, wie sich die Satzkonstruktion
Nitharts zu der des Originals verhält. —
Der dritte Band der Sammlung schweizerischer Schauspiele aus
dem 16. Jh. von Baechtold^'), enthält das alte Urner Spiel von Wilhelm Teil, das,
obgleich es schon in zahlreichen alten und neuen Drucken vorliegt, in der Samm-
lung natürlich nicht fehlen darf. Dann folgt Rufs Wilhelm Teil, über dessen Ver-
hältnis zum alten Spiel in der Vorrede Bericht erstattet wird; im übrigen konnte der
Herausgeber auf seine Darstellung in der Geschichte der deutschen Litteratur in der
Schweiz verweisen. Ruf i&t auch der Vf. des Stückes, das den Band abschliesst,
„Von des Herren Weingarten" (4301 Verse); es wurde 1539 in Zürich dargestellt.
Es ist in einer Hs. der St. Gallener Bibliothek erhalten, die indessen nicht vom Vf.,
sondern von einem berufsmässigen Schreiber angefertigt wurde. Die in den Text
eingefügten Federzeichungen waren, wie der Herausgeber vermutet, dazu bestimmt,
in Holzschnitt nachgebildet zu werden. Die biblische Parabel ist hier zu einem
protestantischen Tendenzstück verarbeitet, Batt von Rom (der Papst) und Carli im
roten Hut (der Kardinal) treten als ungetreue Verwalter des Weinbergs auf. Was
die Persönlichkeit Rufs betrifft, so wiederholt der Herausgeber einige Mitteilungen
Konrad Brunners in seinem Vortrag über die Zunft der Schärer, wonach der ge-
schickte Chirurg Ruf vermutlich aus Königsberg im Württembergischen stammte
und sich vor seiner Uebersiedlung nach Zürich eine Zeitlang in Konstanz aufhielt.
Leider sucht man im Vorwort vergeblich eine Vergleichung des „Weingartens" mit
anderen Dramen, die denselben Stoff behandeln, sie „soll, wenn möglich, nachgeliefert
werden".— Weilen ^^^ {^ einer Besprechung der früheren Bände der Baechtoldschen
Sammlung vergleicht das dort mitgeteilte Spiel vom reichen Mann und Lazarus mit
einem Strassburger Druck von 1611.^3) —
S chröd er, _ Redentiner Osterspiel. Nebst Einl. u. Anm. her. (= Denlrmäler, her. vom Ver. för niederdtsoh. Sprachforsch. V.)
Norden n. L., Soltau. V, 110 S. M. 3,00. — 5) W. Seelmann: DLZ. S. 367/9. — 6) X D- Hs. d. Redentiner Osterspiels :
LBs. 19, S. 59. (Rec; vgl. JBL. 1892 II 4:10.) — 7) X A- Schöne, Z. Redentiner Osterspiel: ZDU. 7, S. 17-30. (Verteidigt
seine früher ausgesprochene Ansicht, dass d. im Redentiner Osterspiel vorkommenden Ausdrüclte: hnndetrecker, sleper n.
vnler sich anf d. Bergleute beziehen.) — 8) X ^- Kohlschmidt, Zu Schdnes Aufsatz Ober d. Redentiner Oaterspiel:. ib.
S. 702;3. — 9) J. E. Wackernell: ADA. 19, 8. 342/3; R. Bechstein: ZDU. 7, S. 702/3. (Weist darauf hin, dass schon
vor Haage „d. Beziehungen zwischen d. Spiel v. Praw Jntten u. d. Theophilus" v. A. Reichl im Progr. d. Gymnasiums
zu Aman in Böhmen festgestellt wurden.) — 10) H. Wunderlich, D. erste dtsch. Terenz. (= I 1:118, S. 201-16.) —
11) Schweiz. Schauspiele d. 16. Jh. Bearb. durch d. dtsch. Seminar d. Züricher Hochschule v. J. Baechtold. Her. v. d. Stiftung
V. Schnyder v. Wartensee Bd. III. Zürich (Frauenfeld, Huber). 311 S. M. 4,00. |[NatZg. N. 60ö.J| (D. erste Spiel warde bearb.
V. H. Bodmer, d. zweite v. J. Baechtold, d. dritte v. B. Wyss; vgl. JBL. 1891 II 4:13; 1892 II 4:23/4.) — 12) A.
v, Weilen: ADA. 19, S. 156-64. — 13) O St., J. Baechtold, Schweiz. Schauspiele d. 16. Jh.: BLChrSchw. S. 86/7. —
W. Creizenach, Drama des 15./16. Jahrhunderts. II 4 : 14-24
Zwei Reg-ensburger Fastnachtsspiele aus dem J. 1618, also aus der letzten
Fastnacht vor dem 30 jährigen Kriegte veröffentlicht Hartmanni*). Die bürgerlich-
volkstümliche Kunst, die bald darauf in Verachtung- sinken sollte, zeigt sich hier noch in
einem sehr vorteilhaften Lichte. Das erste Spiel, das Schreinerspiel, verfasst von dem
Reg-ensburger Schreinermeister Stephan Egl, behandelt einen Streit zwischen Meistern
und Gesellen wegen der Arbeit bei Licht. Wie der Herausgeber darlegt, bildet dieser
Streit ein Stück socialer Frage und hat seine Geschichte ; es scheint, dass in Regens-
burg schon früher der Brauch bestand, das Ende der Arbeit bei Licht um die Fast-
nachtszeit durch die scherzhafte Ceremonie der Ertränkung des Lichts festlich zu
begehen, und dass Egl diesen Gebrauch zu einem ausführlichen Spiel (1526 Zeilen)
erweiterte. Eine grosse Zahl von Meistern und Gesellen treten auf, und es wird
lange hin und her verhandelt, wobei der Vf. die widerstreitenden Interessen der
beiden Parteien mit gutem Humor zum Ausdruck bringt. Das Licht, das personifiziert
erscheint, wird schliesslich zum Tode verurteilt und bricht in lautes Wehklagen aus.
H. weist ähnliche Gebräuche in anderen Städten, zumal in Nürnberg nach, wo sich
ein Text von 1656 erhalten hat, der mit dem Regensburger teilweise übereinstimmt.
Ein hamburgischer Text von 1696 „Der Tischeier Gesellen lustiges Fastelabend-
Spiel" gehört, wie H. in einem Nachtragsartikel ausführt, zur nämlichen Gruppe ; es
stammt offenbar aus Oberdeutschland. Besonders beliebt war in dem Spiel, wie es
scheint, ein lustiges Intermezzo, das Bauernhobeln, das in allen Fassungen wieder-
kehrt. Das zweite Regensburger Spiel ist wie das erste in Knittelversen geschrieben und
in Akte eingeteilt, doch spielt es in bäuerlichen Kreisen und ist im Dialekt abgefasst,
während das erste Spiel ziemlich rein hochdeutsch ist. Es behandelt die Geschichte eines
Bauernjungen, der sich zum Kriegsdienst anwerben lässt, dessen er jedoch bald
überdrüssig wird, und ins Heimatsdorf zu seiner Braut Rosl zurückkehrt. Die Ver-
handlungen der Bauern über die Hochzeit und die Brautgeschenke werden in ähn-
licher Weise wie in den alten Nürnberger Fastnachtspielen geführt. ^^"'^) —
Einzelne Dramatiker des 16. Jh. hat Bolte^'^"!^) behandelt: Den
katholischen Dramatiker Math aeus Stessan, der 1589 zu Ueberlingen amBodensee
eine hs. erhaltene „Tragödie von der Märtirin Felicitas" aufführen liess, wie es
scheint, ein wertloses Machwerk; Leonhard Stöckel, der zu Bartfeld in Ungarn
das protestantische Schuldrama einführte und 1559 mit einer „Historia von Susanna"
nach der lateinischen Susanna des Betulius hervortrat; Johannes Stricerius,
dessen Düdesohen Schlömer (1589)20) B. schon früher mit einer ausführlichen biogra-
phischen und litterarischen Einleitung herausgegeben hat. -— Ueber den deutsch-
böhmischen Dramatiker Clemens Stephani berichtet Wolkan^i); er übersetzte
nach Terenz die Andria und den Eunuchus (1554), namentlich letztere Uebersetzung
wird von W. sehr gerühmt. Ferner haben wir von ihm Originalwerke : Eine „Historia
von einer Königin aus Lamparten" in der Art des Hans Sachs, eine „Geistliche Action"
(1568), die zu den Hecas tusdramen gehört, und eine „Satyra oder Bawrenspil mit
fünff Personen, von einer Müllnerin und einem Pfarrherr", die bekannte Geschichte
vom fahrenden Schüler mit dem Teufelsbannen, die noch durch die Einführung einer
Kupplerin bereichert ist.22) —
Was Hans Sachs angeht, so beschäftigt Duflou'^^) sich mit der Moral in
den Fastnachtspielen des Hans Sachs, zunächst mit der Frage, wie es zu der gang-
baren Ansicht von der sittlichen Tüchtigkeit des Meisters stimme, dass in mehreren
dieser Spiele eine liederliche Frau ihren Mann ungestraft hintergeht und die Lacher
auf ihrer Seite hat. Eine befriedigende Antwort weiss der Vf. hierauf nicht zu geben.
Es wäre zwar sehr schön, wenn die Beobachtung des Vf. richtig wäre, dass Hans
Sachs gewohnheitsmässig zur Beruhigung seines Gewissens auf solche Stücke andere
folgen liess, in denen die Sünder gegen das sechste Gebot von der poetischen Gerechtig-
keit ereilt werden, aber von den zwei Fällen, die er zur Bestätigung vorbringt, ist
nur einer zutreffend (Spiel N. 61/2), in dem anderen Fall (N. 54) ist zwischen dem
unmoralischen und dem moralischen ein vorhergegangenes ausgefallen. Dabei ver-
schweigt der Vf., dass in anderen Fällen, z. B. bei N. 46 (Das Weib im Brunnen)
und N. 56 (Die frumb schwiger) von einer solchen nachträglichen Beruhigung des
Gewissens nichts zu bemerken ist. Im weiteren Verlauf des Aufsatzes werden die
in den Fastnachtspielen niedergelegten Ansichten über das Verhältnis der Menschen
zu einander und zu Gott geprüft; besser wäre es gewesen, wenn der Vf. hier auch
die sonstigen Dichtungen des Hans Sachs zur Vergleichung herangezogen hätte. —
Die Untersuchungen Wahls^*) über das Verhältnis der Goetheschen Fastnachtspiele
14) (UI 4:2.) — 15) X (in 4:28.) ^ 16) X ^- Hol scher, P. Franz, d. sächsische Prinzenraub (vgl. JBL. 1891 U 4:17):
ASNS. 90, S. 340. - 17) J. Bolte, M. Stessan: ADB. 36, S. 125,6. - 18) id., L. Stöckel: ib. S. 282,3. — 19) id.,
Joh. Stricerius: ib. S. 579-80. — 20) H. Brandes, D. düdesche Schlömer her. v. J. Bolte (rgl. JBL. 1890 II 4 : 40) :
ZDPh. 25, S. 130/2. (Bec. mit Besserungsvorschlägen zu einzelnen Stellen.) — 21) R. Wolkan, Ol. Stephani: ADB. 36,
S. 87,9. (Vgl. JBL. 1891 II 4:38.) — 22) O W. Scherer, Jak. Funkelin: SBB. 2, S. 423/4. (Abdr. aus ADB. 8, S. 203/4.)
— 23) G. Duf lou, H. Sachs als Moralist in d. Fastnachtspielen: ZDPh. 25, S. 343-56. — 24) G. Wahl, H. Sachs u. Goethe.
(2)5*
II 4:25-37 W. Creizenach, Drama des 15./16. Jahrhunderts.
zu Hans Sachs werden an anderer Stelle besprochen 25-27), ebenso Kinzels^») für
die Schule bestimmte Auswahl. —
Die Dramen Valten Voiths bespricht in einem für weitere Kreise be-
rechneten Aufsatz W. Ka wer au^s); die „Esther" (1537) ist das dritte in der Reihe der
Magdeburger biblischen Dramen. K. stellt zusammen, was sich aus aktenmässig-en
Nachrichten über Voiths Leben erg-iebt und berichtet über die Schicksale seiner
Meisterliederhs., die sich jetzt in der Jenaer Universitätsbibliothek befindet; auch
weist er darauf hin, dass Voith sehr wohl mit dem Valentinus Vo.ydt de Kemnitz
identisch sein könnte, der 1507 im Album der Wittenberg-er Universität eing-etrag-en
wurde. Die Esther wird mit dem g-leichnamigen Drama des Hans Sachs verglichen, von
dem sie sich vor allem durch ihre Weitschweifigkeit und ihre symbolisch-lehr-
hafte Schlussmoral unterscheidet. Noch ungünstiger urteilt K. über Voiths Er-
lösungsspiel (1538), das, wie der Vf. mit Recht bemerkt, nicht sowohl unter die
Hecastusdramen, als vielmehr unter die alttestamentlichen Dramen gehört.^o) —
Spengler^i) beschäftigt sich in einer Programmabhandlung mit dem lausitzischen
Dramatiker MartinusBohemus, von welchem 1618 eine Judith, ein Tobias und ein ver-
lorener Sohn im Druck erschienen. Der verlorene Sohn, über welchen Sp. schon
früher berichtet hatte, wird hier beiseite gelassen. Die Judith vergleicht er mit
früheren deutschen Dramatisierungen aus dem 16. Jh. und zeigt, wie Bohemus die
Handlung durch die Reichhaltigkeit des Details, z. B. durch Einführung aus-
geplünderter Bauern und eines prahlerischen Kriegsmannes, Thraso, belebte. Einen
noch beliebteren und verbreiteteren Stoff hatte sich Bohemus in seinem Tobias ge-
wählt; jedoch auch hier wusste er dem Stoffe neue Seiten abzugewinnen. Sp. rühmt
besonders die Zankscene zwischen Sara und einer Dienstmagd.32-33) _
Das Verhältnis Ayrers zu Hans Sachs und den englischen Komödianten
betrachtet Robertson^*). Zuerst vergleicht er Ayrers Bühnentechnik und Kunst-
stil mit dem seines „grossen Vorgängers"; er macht einzelne zutreffende Be-
merkungen über Ayrers Weitschweifigkeit, über seine Vorliebe für Teufels-
erscheinungen usw., ohne jedoch hinlänglich in den Kern der Frage einzudringen.
Sodann untersucht er der Reihe nach die Dramen, in denen Ayrer und Hans Sachs
den nämlichen Stoff bearbeiten, in Bezug auf die „Comedia von Nicolay, dem ver-
lornen Sohn" schliesst er sich dem Urteil Helbigs an, der schon früher dieses
Stück mit der zu Grunde liegenden Hans Sachsschen Comedia verglichen hatte.
Im Anschluss an Ayrers Theseus wagt er den sehr kühnen Versuch, die Grundzüge
eines angeblich von Hans Sachs verfassten und angeblich verloren gegangenen
Theseusdramas, das angeblich Ayrer vorgelegen habe, zu rekonstruieren. Im übrigen
scheint es, dass die Uebereinstimmungen in den beiderseitigen Dramen auf die ge-
meinschaftlichen Quellen zurückzuführen sind. Ueber Ayrers Verhältnis zu den
englischen Komödianten weiss der Vf. nicht viel Neues vorzubringen; er steht
auf dem Standpunkte Tiecks, dass dieser Einfluss in der ersten Zeit von Ayrers
Wirksamkeit als Dramatiker noch nicht vorhanden gewesen sei, dass Ayrer jedoch
in späterer Zeit die Gestalt des englischen Narren auch in einige seiner früheren
Dramen eingeschoben habe. Doch kommt R. abweichend von Tieck auf Grund der
neueren Mitteilungeli über die Wanderzüge der englischen Komödianten zu der
Ansicht, dass dieser englische Einfluss 1598 begonnen habe. Verfehlt ist natürlich
des Vf. Bestreben, Ayrer als eigentlichen Erfinder des „Singsspiels" hinzustellen. ^S) —
P ist 1^6) leg-t in einem knappen Aufsatze dar, dass Schumanns „Nachtbüchlein" die
einzige und unmittelbare Quelle für Ayrers Singspiel „Der Münch im Keszkorb"
bilde; für eine grosse Zahl seiner Fastnacht- und Singspiele habe Ayrer die Stoffe
in Kirchhoffs „Wendunmut" und Hans Sachsschen Dichtungen vorgefunden. —
Von Schriften, die sich mit der Geschichte des Dramas im Auslande
beschäftigen, kommt hier nur eine Programmabhandlung Seiferts^") in Betracht,
welche die englischen „Wit and Sciencemoralitäten" behandelt und in den Moralitäten
„Disobedient Child" (1550), „Nice wanton" (1560) und „Contract of a Marriage
2. T. Progr. Koblenz. 4«. 24 S. (S. u. IV 8a; vgl. auch JBL. 1892 II 4 :46; IV 8e : 4.) - 25) X R Genee, H. Sachs u.
seine Zeit: IllZg. 101, S. 701/2. — 26) O V. Kiy, H. Sachs. Sein Leben n. Wirken zu dessen 400 j. Geburtstage d. dtsch.
Volke geschild. L.. K. Scholtze. IV, 85 S. M. 0,60. — 27) X (H 1:88; 3:50.) — 28) (I 7:56.) — 29) W. Kawerau,
D. Dramen Valten Voiths : MagdZgB. N. 37. — 30) X X i d., Joach. Greff u. seine Dramen. Vortr. Referat : GBllMagdeburg. 28,
S. 443. — 31) F. Spengler, M. Bohemus. Z. Gesch. d älteren dtsch. Dramas. Progr. d. Gyran. Znaim. 21 S. — 32) X
A. V. Weilen, J. Oeri, Tob. Stimmers Comoedia (vgl. JBL. 1891 II 4:14): ADA. 19, S. 164. — 33) J. Baeohtold, Th.
Odinga, H. R. Manuel, D. Weinspiel (vgl. JBL. 1892 II 4:25): DLZ. S. 203;4. — 34) J. G. Robe rtson, Z. Kritik Jak Ayrers.
Mit bes. Rücksicht auf sein Verhältnis zu Hans Sachs n. zu d. engl. Komödianten. Diss. L.-Rendnitz (D. Schmidt). 1892.
70 S. 35) X 0- N[eumann-J H[ofer], Jak. Ayrer, Cervantes, Holberg. (Ber. über e. v. d. königl. Schauspielern im
Neuen Theater veranstalt.<hist. Lustspielabend; Ayrers Spiel „D. ehrlich Bäckin mit ihren drei vermeinten Liebsten" wurde
vom PremiÄrenpublikum abgelehnt.) — 36) Ed. Pistl, Quellen für J. Ayrers Sing- u. Fastnachtspiele: VLG. 6, S. 430/2.
(Vgl. II 3 : 21.) — 37) J. Se if e r t, D. „Wit- and Science"-Moralitäten d. 16. Jh. Progr. d. dtsch. Staatsrealsch. in Karolinenthal. (Prag.)
G. Kawerau, Luther und die Reformation. 114:88-40 116-. 1-2
between Wit and Wisdome" (1579) Anklänge an den 1540 von Palsgrave übersetzten
Acolastus des Gnaphaeus erkennen will.^») —
Ueber Studentenauff ührung-en in Polen im 16. und 17. Jh. berichtet
Windakiewicz39). Nach einem kurzen Hinweis auf die bekannte Aufführung- von
Lochers ludicium Paridis in Krakau, sowie auf zVei Einträge in den städtischen
Rechnungsbüchern, aus denen hervorgeht, dass in den J. 1555 und 1569 bei Gast-
mählern der städtischen Behörden Komödien aufgeführt wurden, bespricht der Vf.
eine Reihe von hs. überlieferten Komödien teils geistlichen, teils weltlichen Inhalts,
deren Veröffentlichung er in Aussicht stellt. Seine vorläufigen Mitteilungen genügen
indessen noch nicht, um den litterarischen Charakter der Stücke und ihre etwaigen
Beziehungen zur deutschen dramatischen Litteratur deutlich erkennen zu lassen.'**') —
11,5
Didaktik.
Ernst Jeep.
[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1893 wird im fünften Bande
nachgeliefert.]
11,6
Luther und die Reformation.
Gustav Kawerau.
Gesamtdarstellungen N. 1. — Katholische Kirche: Paalus Arbeiten: Allgemeines N. 5; Einzelnes
(Joh. Hoffmeister, B. Arnoldi von Usingen, P. Sylvius, J. Fabri von Heilbronn, J. Mensing, A. Pelargus, B. Kleindienst,
M. Vehe, K. Querhamer, K. Braun, M. Bnchinger) N. 6. — Prierias N. 20. - Wimpina N. 21. — Heliae N. 22. — 0. Nachtgall
N. 23. — Witzel N. 24. — Oldekop N. 25. — P. Canisins N. 26. — Kardinal Albrecht N. 28. — Kardinal M. Lang N. 30. —
Andere Prälaten N. 31. — Nuntiatnrberichte N. 35. — J. Janssen N. 36. — Humanisten N. 40. — Evangelische
Kirche: Bibliographie N. 46. — Briefe N. 48. — Luther: Gesamtauegaben N. 51. — Funde N. 56. — Sprachliches N. 64. —
Einzelne Schriften: An den christlichen Adel N. 65: Von der Freiheit eines Chrietenmenschen N. 67; Tanfliturgie N. 68; Be-
kenntnis vom Abendmahl N. 69; Jakobusbrief N. 70; Bibel N. 71; Katechismus N. 75 — Biographie N. 91. — ültramontane
Lutherstudien N. 94. — Luthers Theologie und Weltanschauung N. 99. — Einweihung der Wittenberger Schlosskirche N. 109.
— Lutheroratorium N. UOa. — Reformationsgruppen und Sekten: Die engeren und weiteren Kreise der Wittenberger
Eeformation: Melanchthon N. 112; Bugenhagen N. 124; Justus Jonas N. 126; W. Linck N. 130; F. Myconius, M. Stifel,
U. Rhegius, A. Osiander N. 131; H. Bonnus N. 136; J. Sinter N. 140; P. Speratus K. 141; F. von Heydeck N. 142; Chph.
Hegendorf, G. Major N. 143; Erasmus Alberus N. 146; Veit Dietrich N. 148; J. Mathesius N. 149; A. Corvinus, Chph.
von der Strassen, J. Stössel, C. Spangenberg N. 152; L. Osiander N. 156; S. Sack N. 157; V. Wolfrnm N. 160. — Das
Snperintendentenamt N. 161. — Der oberdeutsche und schweizerische Protestantismus sowie der Kalvinismus: Bntzer N. 162;
J. Otter N. 165; Zwingli N. 166; Oekolarapadius, B. Amerbach, Pellikanus N. 169; S. Munster N. 172. — Ochino und Vergerio N. 173.
— Der Heidelberger Katechismus N. 175. — Ungarn N. 176. — Schwarmgeister, Separatisten und Wiedertäufer N. 177. —
Verschiedenes: Litteratur-, Sitten- und Kulturgeschichtliches N. 187. — Beurteilung der Reformation N. 192. — Re-
formationsfestspiele N. 199. —
Von Gesamtdarstellungen des Zeitraumes der Reformation und Gegen-
reformation sind zwei zu verzeichnen, die als Teile kirchengeschichtlicher Lehrbücher
erschienen sind. Zunächst der von Koffmane') überarbeitete und zum Abschluss
gebrachte Abriss der Kirchengeschichte von Herzog, dem weiland Erlanger Professor
der reformierten Theologie. Hier findet in Teil II, S. 1—271 das Reformationszeit-
alter (bis 1555) Behandlung, von S. 272—405 schliesst sich als zweite Periode
die Zeit bis Mitte des 17. Jh. (englische Revolution) an. Der Bearbeiter dieser
zweiten Auflage hat den behaglichen, breiten Ton der Berichterstattung, die geringe
Berücksichtigung der politischen Faktoren, die liebevolle Behandlung der Schweizer
Reformation als ebenbürtiger Schwester der lutherischen im wesentlichen beibehalten,
aber die Stoffdisposition häufig verbessert, manches nachgetragen, einiges gekürzt. Seine
Revisionsarbeit ist durchweg als Verbesserung zu bezeichnen; aber er wird auch em-
pfunden haben, wie misslich es ist, ein Werk, das schon bei seinem ersten Erscheinen
ein altmodisches Buch war, aufzubessern ; es bleibt Flickarbeit. — Unter günstigeren
Bedingungen konnte Kawerau 2) dem Möllerschen Lehrbuch der Kirchengeschichte
1892. 32 S. (Vgl. JBL. 1892 II 4 : 21.) — 38) X X (IH 4:4.) — 39) S. Windakiewicz, D. ältesten Schanspieler-
truppen in Polen: AnzAkWKrakau. S. 7/9. (E. ausführlichere Fassung desselben Ber. in d. Rozprawy Akademii Umiejetnosci.
Wydzial fllologiczny Serya II, tom. III Ogölnego zbioru tom. XVIII. w Krakowie S. 386-407, woselbst über einige Stücke d.
17. Jh. ausführlichere Mitteilungen gemacht werden.) — 40) X (HI 4:25.) —
1) J. J. Herzog, Ahriss d. gesamt. Kirchengesch. 2. Aufl. Besorgt v. G. Koffmane. 2. Bd. D. Kirchengesch.
d. neueren Zeit. (16.-19. Jh.) L., Besold. 1892. X, 758 S. M. 14,00. |[G. Kawerau: ThLZ. 17, S. 498-502.]| — 2) W.
II 6 : 3-4 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
als dritten Band die Geschichte der Reformation und Gegenreformation hinzufüg-en.
Möller hatte bei seinem Tode keinerlei druckfertige Ausarbeitungen für diesen Teil
hinterlassen (einen kleinen Abschnitt abgerechnet), nur Kollegienhefte aus teilweise
schon ziemlich weit zurückliegenden Jahren. Der Ersatzmann konnte also mit grosser
Selbständigkeit arbeiten. Der Stoff ist auf sieben Abteilungen verteilt : 1. die deutsche
Reformation bis 1555, hier ist Zwingiis Reformation als ein Seitenzweig hineingearbeitet,
und auch der Anabaptismus bis zur Katastrophe in Münster als ein Einschlag in die
deutsche Reformationsgeschichte behandelt, 2. die Reformation ausserhalb Deutsch-
lands, hier tritt als das charakteristisch Neue der Kalvinismus hervor, 3. die Restauration
des Katholizismus, 4. die Zerklüftung und konfessionelle Abschliessung des deutschen
Protestantismus, 5. der Kampf zwischen Reformation und Gegenreformation, 6. die
inneren Zustände der evangelischen Kirchen, 7. die kleineren akatholischen Gruppen
(Waldenser, Utraquisten und Böhmische Brüder, Wiedertäufer seit 1535, Antitrinitarier
und Socinianer, der mystische Spiritualismus). Es wäre weit leichter gewesen, den
gewaltigen Stoff in breiterer Ausführung zu behandeln; die Zwecke des Lehrbuches
erforderten beständig ein kondensierendes Verfahren. Doch hat der Vf. sich bemüht,
in Anmerkungen und Citaten über die nächsten Lehrbuchzwecke hinaus einen Beitrag
zur Forschung zu bieten. Dass ein holländischer Recensent dem Buche die freundlich
gemeinten Worte zum Geleit mitgab: Da der Vf. nicht Fachmann sei, müsse man ihm
nachsehen, dass er nur aus sekundärer Litteratur schöpfe, beruhte doch wohl auf
einer Verkennung der Person, und der Arbeitsweise des Vf. Wenn Lindsay rügt,
dass die deutsche Geschichte viel eingehender behandelt sei als die ausserdeutsche,
so darf erwidert werden, nicht nur dass das Buch für deutsche Studenten bestimmt
.ist, sondern auch, dass nun doch einmal Deutschland mit seinem Luther das Mutter-
land der Reformation geworden ist. Von verschiedenen Seiten ist es als ein Mangel
bezeichnet worden, dass der Polemik gegen die ultramontane Behandlung der Refor-
mation nicht specielle Bemühungen zugewendet seien; aber ist das Aufgabe eines
„Lehrbuches" der Kirchengeschichte? Ist es nicht genug, wenn der Darsteller selbst
diese Einreden durchgeprüft hat und seinen Bericht in bewusster Vergegenwärtigung
dieser erstattet, ausserdem die wertvollen Erzeugnisse der Streitlitteratur in seinen
Litteratur angaben verzeichnet? Was in freundlicher Anerkennung des Geleisteten von
deutschen Recensenten hervorgehoben worden, ist von mir hier nicht zu wiederholen ;
die Mängel des Buches sind niemand lebhafter bewusst als dem Vf. selbst. — Der
siebente Band des grossen amerikanischen Kirchengeschichtswerkes von Schafft)
(gest. am 20. Okt. 1893) behandelt in sehr ausführlicher und eine grosse Litteraturkenntnis
bekundender Darstellung die Reformation der Schweiz: Zwingli-Bullinger (S. 1 — 222),
Kalvin-Beza (S. 223 ff.). Gute „authentische" Abbildungen bieten einen unseren deutschen
Lehrbüchern bisher noch ungewohnten Schmuck. Kapitel werden eingeschaltet, die
den Stoff' der Vergangenheit mit Fragen und Interessen der Gegenwart verknüpfen.
So giebt Kalvins Verhalten gegen Servet Anlass, über Toleranz und Intoleranz über-
haupt zu handeln. Bei Zwingli ist ein Bericht über das Jubiläum von 1884 an-
geschlossen. Da Seh. aus Chur in Graubünden stammt, so behandelt er die Refor-
mation seiner Heimat mit einer sonst unverständlichen Ausführlichkeit. Seine Be-
kanntschaft namentlich mit deutscher Litteratur ist geradezu überraschend. Sein Urteil
ist milde, weitherzig vermittelnd, sein Wahrheitssinn widerstrebt jeder konfessionell-
parteilichen Behandlung. Doch macht ihn das Bestreben, Zwingli möglichst zu heben,
bisweilen gegen Luther ungerecht. An manchen Stellen tritt zu Tage, dass seine Arbeit
in den Grundlinien aus älterer Zeit stammt, und dass die Ergebnisse der neueren
Litteratur nur hinterher hineingefügt sind; teilweise sind diese aber überhaupt nicht
mehr nachgetragen: trotz der vollständigen Litteraturangaben beruht die Erzählung
dann nur auf den Ergebnissen und Annahmen älterer Schriften. Trotz solcher Mängel
ist es als ein schwerer Verlust für den englischen Protestantismus in Nordamerika
zu bezeichnen, dass der unermüdliche Vermittler der deutschen theologischen Forschung
nach Amerika aus seiner Arbeit abgerufen ist. — 1889 war der 1. Bd. der grossen
Egelhaafschen*) Reformationsgeschichte erschienen; drei Jahre hat der arbeitsfreudige
Vf. auf die Vollendung verwendet. Er behandelt in 3 Büchern zunächst „den Kampf
um das Recht der Reformation" bis zum Nürnberger Religionsfrieden 1532, so-
dann den gleichen Kampf bis zum Ende des schmalkaldischen Krieges 1547, endlich
„den Triumph der Reformation über Karl V." bis 1555. Schon diese Aufschriften
bekunden, dass der Historiker mit warmer Ueberzeugung auf der Seite der Refor-
Möller, LehrbDch d. Eirchengesch. 3. Bd. Reformation n Gegenreformation. Unter Benutz, d. Nachlasses v. W. M. bearb.
.V. G. Kawerau. Freiburg i. B., Mohr. XVI, 440 S. M. 10,00. |[0. Z 6 ekler: ThLBl. 15, S. 241/4; F. Loofs: ThLZ. 19,
8.490/4; T. M. Lindsay: CrEPhThL. 5, S. 57/8 ; K. Benrath: DLZ. 1892, S. 1385/7.]| — 3) Ph. Schaff, Hist. of the Christian
church. Vol. VII. Modern christianity. The Swiss reformation. New-York, Scribner's Sons. 1892. XVII, 890 S. Doli. 4,00.
|[G. Kawerau: ThLZ. 18, S. .592/4.11 (Vgl. II 1 : 6a.) ~ 4) G. Egelhaaf, Dtscli. Gesch. im 16. Jh. bis z. Angsb. Religionsfrieden (Zeit-
alter d. Reformation). 2. Bd. 1526-55. (= Bibl. dtsch. Gesch.) St., Cotta. 1892. VIII, 624 S. M. 8,00. |[A. Wrede: HZ. 69,
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 5-8
mation steht. Und die Darstellung- selbst zeigt ihre evangelischen Sympathien und
auch theologischen Interessen lebhafter als die treffliche Bezoldsche Reformations-
geschichte in Onckens grossem Sammelwerk. Die politische Geschichte beherrscht
Bezold gleichmässiger und sicherer als E. ; zwar bringt dieser auch eigene archiva-
lisclie Studien mit, die er besonders im Staatsarchiv zu Stuttgart angestellt hat, und
man wird ihm nicht verarg-en, dass er seine besonderen Studien ausgiebig in die
Darstellung hineinarbeitet. Aber eine gewisse Ungleichmässig-keit ist damit zugleich
gegeben. Besonders dankenswert ist die (S. 143 ff.) in der Geschichte des Augsburger
Reichstages ziemlich ausführlich reproduzierte Schrift „der evangelischen Stände
Schrift wider den Papst und seinen Anhang", eine wohl aus einer der oberdeutschen
Städte stammende, an den Kaiser g-erichtete Konfessionsschrift, die aber nicht zur
offiziellen Uebergabe gelangt isi. Sie redet eine viel kräftigere Sprache als die diplo-
matisch vorsichtige „Leisetreterin", die Augsburger Konfession. Freilich kann man
fragen, ob nicht das Ebenmass der Darstellung unter so ausführlicher Mitteilung von
Auszügen leide, wie denn dem Vf. in Bezug auf den ersten Band nicht mit Unrecht
vorgehalten ist, dass er mehr ein Nebeneinander von Auszügen als einheitliche Durch-
dringung des Stoffes biete. Während Bezold zu allgemeinem Bedauern alle Quellen-
nachweisungen unterlassen hat, hat E. nicht nur ziemlich umfängliche Angaben be-
sonders über neuere und neueste Litteratur angefügt, sondern auch da, wo er auf
direkte Quellenaussagen Bezug nimmt, dies angemerkt. Zahlreiche Nachträge und
Berichtigungen (auch zum ersten Bande) bilden den Beschluss. —
Wenden wii^ uns nunmehr zunächst den Schriften über die katholische
Kirche im Reformationszeitalter zu, soweit sie litteraturgeschichtliches Interesse haben,
so dürfen wir zuvörderst der Freude darüber Ausdruck geben, dass sich jetzt ein
katholischer Theologe gefunden hat, der mit vollem Eifer, energischen Studien, er-
staunlicher Arbeitskraft und auch anerkennenswertem Streben nach Objektivität, soweit
Janssensche Geschichtsbetrachtung ihn nicht in ihrem Banne hält, sich daran macht,
die bisher von der katholischen Forschung arg vernachlässigten katholischen Schrift-
steller des 16. Jh. bio- und bibliographisch in volles Tageslicht zu rücken,
manchen derselben überhaupt erst wieder zu entdecken. Es ist das der Elsässer
Paul US 5), jetzt Curatus in München. H. Weber erteilt ihm das charakteristische Lob,
er sei „ein Ammanuensis [so!j, wie Janssen deren ein Dutzend hätte wünschen müssen"
(Kath. 732, S. 187). Seine Stellung muss P. die schönste litterarische Müsse gewähren,
sonst könnte er die Arbeiten nicht bewältigen, die er alljährlich ausgehen lässt. Die
Münchener' Bibliotheken bieten ihm die wohl reichsten Sammlungen an katholischer
Litteratur der Reformationszeit; aber er hat auch seine Forschungen weit über diese
ihm nächstliegenden Fundstätten ausgedehnt und verfügt jetzt auch über eine vor-
zügliche Vertrautheit mit der weitschichtigen Litteratur über dieses Zeitalter. Hoffent-
lich sammelt und verarbeitet er später einmal seine jetzt meist in verschiedenen
katholischen Zeitschriften niedergelegten Aufsätze zu einer grossen Geschichte der
katholischen Litteratur in Deutschland während der Reformation. Nachdem Falk
(Kath. 71^ S. 440 ff'.) ein allgemeines mehr als 100 Namen zählendes Register
von katholischen Schriftstellern jener Zeit veröffentlicht hatte, kündigte P. (Kath. 72^,
S. 124) einen „Nachtrag" von mehr als 60 Namen an; als er diesen dann erscheinen
liess, war er schon auf 122 Namen angewachsen, wozu er dann selber abermals
eine Nachlese von noch 39 Namen lieferte: nur von Männern, die in Gegenden
deutscher Zunge vor Abschluss des Tridentiner Konzils (1563) gegen die Reformation
schriftlich aufgetreten waren. Freilich monierte A. Weber, man solle doch nicht
Männer, von denen etwa Predigten aus den ersten Jahrzehnten der Reformation hs.
erhalten sind, als „Schriftsteller" aufzählen. Dieser Einwand trifft allerdings etliche
Nummern in P.s überraschend reichhaltigen Verzeichnissen, z. B. N. 1, 9, 65, 72,
doch leuchtet unter allen Umständen der Wert einer solchen Zusammenstellimg ein,
und die Mühe, die darauf verwendet ist, verdient alle Anerkennung. —
Um auf seine Einzelarbeit zu kommen, so hat schon die 1891 erschienene gehalt-
volle, aber auch Widerspruch herausfordernde Biographie des Augustiners Joh, Hoff-
meister Paulus''"'^) veranlasst, besonders wegen der Einwendungen, die Bosser t^) er-
hoben, und wegen der Entschiedenheit, mit der dieser die protestantischen Berichte über
das verzweiflungsvolle Ende des katholischen Theologen als geschichtlich voll beglaubigte
Wahrheit festhielt und auch in populärer Bearbeitung dem evangelischen Volke aufs
neue vor Augen führte, zu antworten. Er beruft sich hier unter Beibringung mannig-
S. 95/7 (aber Bd. I.)]| (Vgl. JBL. 1892 U 1:2.) — 5) N. Paulus, Kath. Schriftsteller aus d. Reformationszeit. Naohtr.:
Kath. 72', S. 544-64; 73^, S. 213-23. I[A. Weber: HPBll. 110, S. 781.]| — 6) id., Joh. Hoffmeister. E. Lebensbild aus d.
Reformationszeit. Freiburg i. B., Herder. 1892. XX, 444 S. M. 4,00. |[0. Kawerau: ThLZ. 17, S. 97-101; Th. Kolde: ÖGA. S. 87-94;
G.Bossert: ThLBl. 13, S. 386-90; A. Bellesheim: HPBll. 109, S. 269-77; L. Pastor: HJb. 14, S. 628-30.]| (Dazu auch id.:
HJb. 14, S. 524/5.) — 7) id., Joh. Hoffmeister in Protestant. Beleuchtung: HPBll. 111, S. 589-609. — 8) G. Bessert, E.
dtsch. Fr. Spiera [Augnstinerprovinzial Joh. HoffmeisterJ: ChrW. 6, S. 673/8, 699-703. (Auch erschienen in FFFGAV. N. 165.
ll 6 : 9-i2 (jt. Kawerau, Luther und die Reformation.
facher Zeug-nisse auf die in der Reformationszeit in Deutschland g-rassierende Ver-
leumdung-ssucht, die er doch recht einseitig' für eine protestantische Specialität aus-
g-eben möchte, und g-ewährt eine interessante Zusammenstellung" von protestantischen
Berichten über den schrecklichen Tod kirchlicher Geg-ner (Katholiken, Zwing-lianer,
Schwärmer), um auf diesem Weg'e den Berichten über Joh. Hoffmeisters Tod'von
vornherein die Glaubwürdig-keit zu nehmen. Methodisch wichtig-er wäre doch wohl
die Untersuchung", ob die zahlreichen Hinweisung-en auf sein Ende in Verzweiflung
ersichtlich alle auf dieselbe Quelle zurückführen, oder ob von einander unabhäng"ig"e
Zeugnisse vorliegen. Mit dem Radikalmittel „protestantische Verleumdungssucht"
hat er auch schon alles Nachteilige, was uns über den Lebenswandel Hoffmeisters
überliefert ist, für apokryph erklärt — um so unbegreiflicher erscheint ihm hier
ein so qualvolles Ende. Ein sicheres Urteil wird schwer zu gewinnen sein; doch
will ich nicht verschweigen, dass ich den „Zeugnissen" skeptischer gegenüber
stehe als Bossert. — Diese Kontroverse zwischen Bossert und Paulus hat Ma-
junke^) veranlasst, sich auch zur Sache vernehmen zu lassen. Er will unter-
suchen , wie katholische Autoren über den Tod ihrer protestantischen Gegner
geurteilt haben, und meint konstatieren zu können, dass von jenen nur (?) über
Luthers Tod böse Originalnachrichten in Kurs gesetzt seien. Als eine höchst
„interessante Thatsache" hat er ausserdem entdeckt, dass zwischen 1546 — 60 alljähr-
lich mindestens Ein bekannter „Reformator" — gestorben ist. — Dem Buch über
den Augustinerpro vinzial Hoffmeister Hess Paulus'") dann gleichfalls in selbständiger
Schrift eine Biographie des Augustiners Bartholomäus Arnoldi von Usingen,
des Lehrers später Gegners Luthers in Erfurt, folgen. Bei grosser Belesenheit, die
auch in dieser Schrift viel Material zusammenträgt und manche Belehrung bietet,
zeigen sich doch auch Spuren zu eiliger Arbeit (vgl. die Anzeige von G. Kawerau).
Und in der Zeichnung des Kampfes zwischen Usingen und den Erfurter Prädikanten
stört denn doch die Voreingenommenheit für seinen Helden. — Neben den Augustinern
— auch über Staupitz besitzen wir bereits eine Arbeit von ihm (vgl. JBL. 189 1 H 6 : 64)
— hat Paul US 1') die Dominikaner unter Luthers litterarischen Gegnern in Arbeit
genommen. So den Petrus Sylvius, über den wir bereits eine gelehrte Studie von
Seidemann (in Schnorrs Arch. für Litt.-Gesch. 4, S. 177 ff. ; 5, S. 6 ff., 287) besassen.
Dieser, geboren um 1470 zu Forst in der Niederlausitz, trat als Leipziger Magister
1508 in das dortige Dominikanerkloster, bemühte sich alaer schon bald um Dispens
von der klösterlichen Observanz; zu diesem Zwecke reiste er 1513 selber nach Rom;
1514 erhielt er Dispens. 1524 begegnen wir ihm als Prediger in Kronschwitz bei
Weida; in demselben Jahre wird er Pfarrer in Weida, 1525 in Lohmabei Schmollen.
Aber von hier flüchtet er im Bauernkriege nach Dresden, wo er auf eigene Kosten
den Druck seiner Streitschriften gegen Luther beginnt, die er aber „mehr vergeben
als verkaufen" muss. Schon seit Beginn der 20er Jahre hat er 25 deutsche Traktate
gegen Luther geschrieben, ja noch früher zur Feder gegriffen, aber der Druck ist
ihm nicht gestattet gewesen. Nun schüttet er sie Jahr für Jahr auf den Büchermarkt
aus — aber der Biograph kommt zu keiner rechten Freude an diesen Erzeugnissen:
In der Polemik masslos, in ihren Anklagen übertrieben, dogmatisch oberflächlich, in
mangelhafter Sprache, so muss 'die Censur lauten. Sylvius verdanken wir ja die schöne
Nachricht, dass Luthers Mutter, als sie noch in Eisleben in einer Badestube diente,
nachts oft Besuche des in Gestalt eines schönen Jünglings in roten Kleidern ihr er-
scheinenden Teufels empfing, der ihr unter der Bedingung, dass sie nicht mehr beichten
sollte, den wohlhabenden Kaufmann (!) Luder als Freier besorgte. Zu Pfingsten
hielten beide Hochzeit, aber vor Martini schon gebar sie ihren Sohn Martin, so dass
klar zu erkennen ist, dass er einen Inkubus zum Vater gehabt hat; er ist „durch
Wirkung des bösen Geistes empfangen und geboren". Ob diese Mär auch Frucht
der grassierenden „protestantischen Verleumdungssucht" war? Sylvius unternahm
auch eine unvollendet gebliebene Ausgabe der Predig^ten des Augustiners Andr.
Proles. 1528 ist er Kaplan in Rochlitz; 1536 hören die sicheren Nachrichten über ihn
auf. — Einen anderen Dominikaner lehrt uns Paulus *2)in seinem Aufsatz über Johann
Fabri aus Heilbronn genauer kennen. Es ist ein Anlass fortwährender Verwechs-
lungen, dass uns in den Reformationsjahren drei Johann Faber (oder Fabri) in Süd-
deutschland begegnen : Joh. Fabri (Heigerlin) aus Leutkirch, der Konstanzer General-
vikar, nachmals Bischof von Wien, sodann der Augsburger Dominikaner, Beichtvater
Maximilians L, und der Heilbronner. Letzterer — geboren 1504 in Heilbronn, in
Wimpfen um 1520 Dominikaner geworden, 1534 Domprediger in Augsburg, dann
Barmen, Klein. 32 S. M. 0,10.) — 9) P. Majunke, Seitensttlclc z. Joh. Hoffmeister in Protestant. Beleuchtung (1546-60):
HPBII. 111, S. 840/8. — 10) N. Paulus, D. Augustiner Barthol. Arnoldi v. Usingen, Luthers Lehrer u. Gegner. (= Strassb.
theol. Studien, her. v. A. Ehrhard u. E. Maller. Bd. 1, Heft 3.) Freiburg i. B., Herder. XVI, 136 S. M. 1,80. |[H.
Weber: Kath. 73^ S. 187/9; A. Beilesheim: HPBll. 112, S. 301/4; G. Kawerau: ThLZ. 19, S. 113/5.]| — 11) id., Petrus
Sylvius. E. kath. Schriftsteller d. Reformutionszeit: Kath. 73', S. 49-67. — 12) id., Joh. Fabri v. Ileilbronn: ib. 72', S. 17-35,
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 13-14
wieder zum Studium in Köln, darauf als Prediger in Wimpfen, Kolmar, Freiburg i. Br.,
Schlettstadt, bis ihn Otto Truchsess abermals als Dompredig'er nach Augsburg zog,
schliesslich in Ingolstadt, wo er unter Canisius die theologische Doktorwürde er-
langt, gestorben 1558 — gehört zu den katholischen Asketikern und Polemikern der
Periode der ihr Haupt erhebenden Gegenreformation. Ein Katechismus, ein Beicht-
büchlein, ein Gebetbuch kennzeichnen seine Thätigkeit als Volks- und Erbauungs-
schriftsteller. In polemischer Thätigkeit finden wir ihn besonders seit 1550 : er be-
kämpft den Schriftgebrauch der Evangelischen, die Lehre der Wiedertäufer über
Kindertaufe, Eid und Obrigkeit; er streitet mit Flacius über den römischen Aufent-
halt des Petrus und über die Echtheit des Briefes des heil. Ulrich von Augsburg an
Nicolaus I. Als Mameranus 1552 gegen die Evangelischen Anklage erhob wegen der
Grausamkeit ihrer Kriegführung und die ganze Sache der Reformation als Rebellion
angriff, richtete Flacius seine Gegenschrift an die Adresse Fabris, doch wohl nicht,
wie P. meint, um die Schrift, gegen die er schrieb, von vornherein als „Mönchs"-
Schrift herunterzusetzen, sondern weil eben Fabri eine Schrift gegen ihn mit einem
Vorwort des Mameranus hatte ausgehen lassen und Flacius daher auch hier Mame-
ranus nicht für den eigentlichen Vf. hielt. Dass Fabris Polemik gelegentlich sehr
derb werden konnte, hebt P. gebührend hervor. Befremden muss es erregen, dass
der so verständige Vf. sich (S. 121) zu dem Satz versteigt: ,,Wenn Fabri den bayerischen
Herzog zur Unduldsamkeit aufforderte, so folgte er nur dem Beispiel der neugläubigen
Prediger." Da ist der Eifer für Herstellung der Glaub enseinheit wohl gar erst auf
dem Boden der Reformation gewachsen und katholischerseits nur Nachahmung? Ueber-
sehen ist ausserdem, wieviel Fabri in seinem Katechismus von Luther abgeschrieben hat.
— Einen Dominikaner des Magdeburger Konvents führt uns Paulus ^^^ j^ seinem Johann
Mensing vor. Unter dem Namen Joh. Hemici findet er sich 15i5 im Wittenberger
Album. Unter Karlstadt promoviert er 1517 zum Licentiaten, geht aber dann nach
Frankfurt a. O., wo er unter Wimpina bald nach Tetzel den theologischen Doktorhut
erwirbt. Wieder in sein Magdeburger Kloster zurückgekehrt, beginnt er seit 1523
sich an dem kirchlichen Kampf litterarisch zu beteiligen, muss aber schon im nächsten
Jahre die Stadt verlassen. Durch Vermittlung des nachmals evangelisch gewordenen
Fürsten Georg von Anhalt wird er Hofprediger in Dessau, von welchem Orte aus
er die litterarische Fehde, besonders gegen die Magdeburger Fritzhans und Amsdorf,
fortsetzt. 1529 wird er Professor und Prediger in Frankfurt. Auf dem Augsburger
Reichstage veröffentlicht er mit Wimpina u.a. die Gegenschrift gegen Luthers Schwabacher
Artikel — dass diese in der Erlanger Ausgabe (24, S. 345 ff.) neugedruckt worden ist,
scheint P. entgangen zu sein; er arbeitet an der Confutatio mit und lässt hernach
noch 1533 und 1535 seine „Antapologie" ausgehen (über diese vgl. auch meine Be-
merkungen in GGA. 1891, S. 901/2). Inzwischen häufen sich allerlei Ehren auf sein
Haupt: er wird 1534 Provinzial der sächsischen Provinz der Dominikaner, dann auch
1539 Weihbischof von Halberstadt. Auf einer Romreise, die er 1538 unternimmt, —
dass ihn Kardinal Albrecht damals als einen seiner Oratoren aufs Konzil zu Vicenza
geschickt hatte, lehren uns jetzt die Nuntiaturberichte (3, S. 182) — macht er mit
Aleander eine böse Erfahrung; dieser verspricht ihm, lateinische Schriften von ihm
in Venedig zum Drucke zu befördern: Mensing giebt ihm sein Ms., — aber dann
lässt Aleander nichts mehr von sich hören, und auf seine Anfrage erhält der bitter
enttäuschte Vf. nur den leidigen Bescheid, das Ms. sei nicht wieder aufzufinden.
In Worms erscheint er 1540 zum Religionsgespräch; während der nachfolgenden
Regensburger Verhandlungen trifft ihn ein Schlaganfall, — seitdem hören die Nach-
richten über ihn auf. — Ein weniger bekanntes schriftstellerndes Glied desselben
Ordens führt uns ein anderer Aufsatz von Paulus'*) vor: Ambrosius Pelargus
(Storch). Geboren 1493 in Nidda, tritt er in Frankfurt a. M. in den Predigerorden,
studiert 1519 in Heidelberg, ist ein Freund seines Ordensgenossen Joh. Dietenberger.
Er wird hernach Prediger in Basel, gerät hier 1527 und 28 in litterarische Fehde
mit Oekolampad, infolge deren er Jan. 1529 nach Freiburg i. Br. flüchtet. Lehrreiche
Mitteilungen erhalten wir aus seiner Schrift gegen Johann Brenz, gegen den er den
Satz verficht, auch falsche Lehre sei als Verbrechen von der Obrigkeit zu strafen,
und die Meinung bekämpft, dass Unglaube und Ketzerei die Obrigkeit nichts angehe.
Nach anfänglicher Freundschaft mit Erasmus in Fi^eiburg verdirbt er es bald und
zu wiederholten Malen mit dem reizbaren und empfindlichen Gelehrten. 1533 siedelt
er als Universitätsprofessor und Domprediger nach Trier über. Auch er nimmt teil
an dem Wormser Gespräch 1540 und den Regensburger Verhandlungen 1546. Als
Prokurator des Erzbischofs von Trier zieht er dann nach Trient, siedelt mit dem
Konzil nach Bologna über, wird aber bald abberufen, um dem Erzbischof auf den
Augsburger Reichstag zu folgen. 1551 erscheint er abermals in Trient; noch 1561
108-27. — 13) id., Joh. Mensing, e. Dominikaner d. 16. Jh.: ib. 73^ S. 21-33, 120-39. - 14) id., Ambros. Pelargus. E.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrge schichte. IV. '^{^)
II 6: 15-19 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
wirkt er mit bei der Aufnahme der Jesuiten an der Trierer Hochschule. Litterarisch
hat er sich noch durch eine lateinische Uebersetzung- der Liturgia Chrysostomi 1541
bekannt gemacht. — Noch weniger wusste man wohl bisher von dem Dominikaner
Bartholomäus Kleindienst, den Paulus'^) gleichfalls der Vergessenheit entriss.
Ein Annaberger von Geburt, Sohn eines bei Beginn der Reformation sich verheiratenden
Klausners, studiert er in Leipzig, gerät aber dort durch seine vom Vater über-
kommene zwinglianische Abendmahlslehre in Verdriesslichkeiten. So fällt er einem
jungen katholischen Hofmeister in die Hände, der einen Konversionsversuch mit
ihm macht; der Erfurter Franziskaner Konrad Kling vollendet die Konversionsarbeit
an ihm. Dem kaiserlichen Beichtvater Pedro Soto empfohlen, studiert er nun mit
dessen kräftiger Fürsprache in Löwen, wird nach Dillingen ans Seminar berufen,
tritt in Augsburg in den Dominikanerorden und wird nach weiterer Ausbildung in
Bologna durch Otto Truchsess theologischer Professor in Dillingen, dann General vikar
der oberdeutschen Kongregation der Dominikaner-Konventualen. Auf der Heimreise
von einer Romfahrt, auf der er die Gründung eines Generalstudiums der Dominikaner
an der Universität Freiburg betrieben, stirbt er 1560 in Wien. Oefters gedruckt
wufde seine Schrift „Ein recht catholisch vnd evangelisch Ermahnung an seine
lieben Teutschen" (1560), in der er als Hauptgegenmittel gegen die Glaubensneuerung
eine kurze volkstümliche Reformationsgeschiohte empfiehlt: „Die ganze 50jährige
Tragödie samt den vielfältig-en arglistigen Praktiken des Teufels" reimweise zu lesen,
zu singen oder zu agieren kurzweilig. — Zwei andere Aufsätze von P a ul us ^^"^''j
sind den Hallensern Michael Vehe und Kaspar Querhamer gewidmet. Ersterer,
geboren in Biberach, Dominikaner in Wimpfen, in Heidelberg 1506 Student, 1513
Dr. theol. und 1515 Regens der Ordensschule, kurz vor 1530 aber Rat Albrechts von
Mainz und Propst des Neuen Stifts in Halle, wird in der Reformationsgeschichte
thätig als Teilnehmer am Augsburger Reichstag 1530 und am Religionsgespräch im
Leipziger Dominikanerkloster mit Melanchthon. Bekannt ist er unter uns durch sein
von Hoffmann von Fallersleben wieder herausgegebenes Gesangbuch von 1537. P.
legt mancherlei Mitteilungen aus seinen Schriften vor, weist u. a. auch eine unge-
druckt gebliebene Gegenschrift gegen Melanchthons Apologie nach. Man wünschte
nur, der Vf. hätte deutlicher erkennen lassen, in welchem Masse ihm für diesen Auf-
satz der Fleiss Hoffmanns von Fallersieben bereits vorgearbeitet hatte. Neben Vehes
Bild tritt das des Halleschen Bürgermeisters Querhamer, eines der Liederdichter, die
für Vehes Gesangbuch die Lieder lieferten. Anfangs gefielen dem ehrenfesten Manne
Luthers Schriften wohl; dann stiess er sich an Luthers „Hoffarth und Stolz", und er
bemerkte nun „Widersprüche" in jenen Schriften, gegen die er daher 1533 und 35
in zwei Gegenschriften auftrat. In diesen offenbart er sich als einer jener grosse
innerkirchliche Reformen begehrenden und erhoffenden katholischen Idealisten; er
schilt auf die träg-en, verweltlichten Prälaten, fordert Herstellung einer deutschen
Bibel durch eine von den Bischöfen autorisierte Gelehrtenkommission ; denn jedermann
wolle die heil. Schrift lesen. P. hätte darauf hinweisen können, dass sich hier bei
Querhamer sehr deutlich der Einfluss der Schriften G. Witzeis zeigt. Interessant sind
auch seine Klagen über die Schwierigkeit, für katholische Schriften Drucker und Ver-
leger zu finden. Als Joh. Friedrichs Truppen 1547 Halle besetzten, wurde der Führer
der katholischen Partei schändlich gemisshandelt. Aber keine Gewalt, auch nicht
der Uebertritt seines Sohnes zur evangelischen Kirche vermochte den charakterfesten
Mann zu einer Aenderung seiner Ueberzeugungen zu führen. Er starb 1557. — Einen
in der Wolle gefärbten Verfechter der Papstherrschaft und rücksichtslosen Ketzer-
feind behandelt Paulus*^) in seinem besonders gehaltvollen Aufsatz über Konrad
Braun. Dieser, ein Schwabe aus Kirchheim am Neckar, geboren 1491, wird 1521
Professor der Rechte in Tübingen, 1526 Kanzler des Würzburger Bischofs, 1533 Bei-
sitzer des Reiohskammerg-erichts in Speier. Nach kurzer Unterbrechung ist er hier
wieder seit 1536 thätig und wird hier 1540 Direktor der Kanzlei. Er veröffentlicht
1537 eine kleine geschichtliche Arbeit über diesen Gerichtshof, arbeitet auch 1548 an der
neuen Kammergerichtsordnung mit. Vor allem aber vertritt er nun litterarisch die
katholischen Interessen in seinem Aufsehen erregenden ,, Gespräch vom Nürnberger
Friedstand" 1539 (abgedruckt bei Hortleder). Er plaidiert hier für eine möglichst
enge, d. h. den Evangelischen ungünstige Interpretation des „Stillstandes", beschuldig-t
die Protestanten der Rechtsverletzungen den Katholischen gegenüber, für die sie sich
stets auf ihr „Gewissen" beriefen, und erklärt die Abmachungen des Erzbischofs
von Lund zur Herstellung eines friedlichen Modus vivendi im Reich für unverbindlich
für die Judikatur des Kammergerichts. Ebenso tritt er der kaiserlichen Religions-
DominilcaneT d. Keforniationszeit: HPBll. 110, S. 1-13, 81-96. — 15) id., D. Dominikaner Bartholomäus Eleindienst. E.
Konvertit aus d. Reformationszeit: ib. 109, S. 485-502. — 16) id., Michael Vehe. D. Herausgeber d. ersten deutschen
katholischen Gesangbuches: ib. 110, S. 469-89. — 17) id., Kasp. Querhamer. E. kath. Börgermeister ans d. Reforinationszeit:
ib. 112, S, 22-37. — 18) id., K. Braun. E. kath. Rechtsgelehrter des 16. Jh.: HJb. 14, S. 517-48. - 19) id., M. Buchinger.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 -. 20-22
g-espräch - Politik entg-egen: nur ein Konzil habe hier zu entscheiden. Gegen
dieses „aufrührerische Mordbüchlein" schreibt Butzer unter den Pseudonymen Konrad
Treu von Friedesleben und Waremund Luithold (die genauen Titel dieser Gegen-
schriften s. in Mentz, Bibliogr. Zusammenstellung der Schriften Butzers, Strassburg
1891, N. 44/6). Braun antwortet in drei „Gesprächen" 1540: Wollen die Ketzer auf
Güte nicht hören, so brauche man doch Gewalt gegen sie! Sie sind ja nicht nur
Ketzer, sondern auch Aufrührer und Kirchenräuber! Trotz seiner prinzipiellen Ab-
neigung nimmt er am Wormser Kolloquium teil; 1542 sendet ihn Kardinal Albrecht
nach Trient zu dem einberufenen, aber bald wieder verschobenen Konzil. Dann
finden wir ihn in bayerischen Diensten als Kanzler in Straubing, hernach in Landshut;
auch wird er Freisinger Domherr. Inzwischen hat er mit Cochleus Freundschaft ge-
schlossen, unter dessen Beihülfe nun seine lateinischen Schriften meist polemischen
Inhalts erscheinen. So De haereticis 1549, De seditionibus 1550. Er lehrt, wenigstens
anfangs, in voller Schärfe die direkte Gewalt der Kirche über das Zeitliche. Aus
bayerischen Diensten tritt er kurze Zeit in die Dienste Ferdinands; dann beruft ihn
Otto Truchsess als Kanzler nach Dillingen. 1559 legt er sein Amt nieder, lebt fortan
(gestorben 1563) als Domherr in Augsburg. Noch einmal beteiligt er sich im Alter
an der Polemik, indem er eine Kritik des 1. Bandes der Magdeburger Centurien
schreibt (erst 1565 veröffentlicht), gegen die dann Flacius alsbald replizierte. Unser
Braun ist es auch, der 1549 des Cochleus Commentaria de actis et scriptis Lutheri
mit der lehrreichen Programmschrift Epistola ad universos pios et catholicos sacrarum
historiarum studiosos einleitet, in der er den Fürsten besonders das Studium der Ge-
schichte empfiehlt; lehrt sie doch u. a. auch die ad extirpandas haereses wirksamen
Mittel. Sie lehrt, dass man Ketzern weder Kirchen einräumen, noch Gottesdienst ge-
statten darf, auch dass Religionsgespräche schädlich sind; andererseits lehrt sie die
Fürsten, die Beschlüsse der Kirche gegen die Ketzer auch unter Anwendung- des
Schwertes treulich und gewissenhaft auszuführen. Hier regt sich klar und un verhüllt
der Geist, der die Gegem^eformation beseelte und Deutschland die Religionskriege
brachte. — In Michael Buchinge r endlich wird uns durch Paulus ^^) ein Ver-
wandter Wimphelings bekannt gemacht, der, in Kolmar geboren, anfangs in Heidel-
berg und Freiburg (unter Glarean) vorwiegend humanistische Studien betrieb, dann
im Elsass in Molsheim, Strassburg und Kolmar als katholischer Prediger und als ein
Schriftsteller (seit 1543) gewirkt hat, der als Verteidiger der Bilder, der Fastengesetze,
des Messopfers hervortritt, aber auch Kirchengeschichtliches (Ecclesia oder Historia
ecclesiastica nova 1556 und 60) sowie Predigtbücher veröffentlicht. Er ist ein ent-
schiedener Verteidiger des Scheiterhaufens für die Hexen und Gegner einer sich bereits
schüchtern regenden milderen Ansicht, aber auch ein bemerkenswerter Gegner der
Astrologie. Er stirbt vor 1574. —
Wir haben absichtlich über die hierher gehörigen Arbeiten von Paulus im
Zusammenhang- berichtet, um eine Vorstellung von dem zu geben, was dieser Eine
während der Berichtsjahre geleistet hat. Es erübrigt jetzt der Mitarbeit anderer Ge-
lehrte auf dem gleichen Gebiete zu gedenken. In der Dissertation über Silvester
Prierias bietet uns Michalski^o) einstweilen nur eine Abschlagszahlung auf eine
von ihm geplante grössere Arbeit über diesen scholastischen Gegner Luthers. Er
stellt sein Geburtsjahr fest (1456), untersucht die verschiedenen Formen, in denen
der Name des Dominikaners überliefert ist (am häufigsten Silvester de Prierio oder
Prierias), und sammelt die dürftigen Notizen, die über seine äussere Lebensgeschichte
erhalten geblieben sind. Ueber die Theologie des Prierias, über seine einst teilweise
weit verbreiteten Schriften, sowie über sein Auftreten gegen Luther, dem er allein
verdankt, dass sein Name weiteren Kreisen bekannt ist, soll die vollständige,
deutsche Schrift des Vf. näher orientieren. Diese ist unseres Wissens bisher nicht
erschienen. —
Mit musterhafter Akribie ist die Studie über Kon r ad Wimpina gear-
beitet, die Nikolaus Müllerei), der Berliner Kirchenhistoriker und Archäolog,
veröffentlicht hat. Sie beschränkt sich zwar auch nur auf Feststellung* der Externa:
Namen, Geburtsort und die äusseren Data der Lebensgeschichte, thut dies aber mit
einer Sorgfalt und hat darauf eine Mühe verwendet, wie keiner vor ihm. M. stellt
fest, dass Konrad Koch in Buchen 1465 oder kurz vorher geboren wurde, seinen
Namen Wimpina aber erhielt, weil es die nächste bekanntere Stadt, vielleicht
auch weil hier die ursprüngliche Heimat der Familie war. Die seit 1725 oft wieder-
holte Angabe, dass der Vater Lohgerber war, wird als ein Irrtum erwiesen, und es
wird gezeigt, wie er entstand. W.s Leipziger Studiengang verfolgt Müller genau:
E. Schriftsteller n. Prediger aus d. Reformationszeit: Kath. 72-, S. 203-21. — 20) F. Mich als ki, De Silvestri Prieriatis
Ord. Praed. raagistri sacri palatii (1456-1523) Tita et scriptis. Partie. I. Diss. Münster (Coppenrath). 1892. 34 S. |[G. Kawerau:
ThLZ. 18, S. 134,5.]| — 21) N. Müller, Ceher K. Wimpina. E. Quellenstudie: ThStK. 66, S. 83-124. — 22) L. Schmitt,
2(6)*
II 6:23-24 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Immatrikuliert im Wintersemester 1478—79, Baccalaureus Sommersemester 1481,
Magister Wintersemester 1485—86, 1491 Fakultätsmitg-lied, seit 1492 auch Mitglied
des Fürstenkollegs, Rektor 1494. Soweit die Laufbahn in der Artistenfakultät; da-
neben 1491 theologischer Baccalaureus ad cursum, 1494 Baccalaureus ad sententias
legendas, 1502 Licentiat. Dazwischen empfängt er 1495 in Würzburg die Subdiakonats-
weihe; die Jahre für die Priesterweihe und für eine Romreise bleiben unsicher. 1503
wird er Dr. theol., 1505 in die theologische Fakulät rezipiert. Nun folgt 1506 die
Abberufung an die neue Frankfurter Universität, deren erster Rektor er jetzt und
wieder im Wintersemester 1518 — 19 wird. Zugleich scheint er decanus perpetuus der
theologischen Fakultät gewesen zu sein. Später wird er auch Kollegiat beider
Kollegien sowie Domherr von Brandenburg und Havelberg. Die Frage, ob er vom
Reichstag in Augsburg 1530 noch einmal nach Frankfurt zurückkehrte oder nach
Köln zur Königswahl Ferdinands oder in die Heimat zog, bleibt unentschieden. Sein
Leben beschloss er am 17. Mai 1531 bei den Benediktinern in Amorbach; ob er aber
hier oder in Buchen begraben wurde, bleibt ungewiss. Das Dokument einer donatio
inter vivos vom 15. Juni 1529 bildet den Beschluss. —
Auch die fleissige Arbeit des Jesuiten Schmitt 22^ über den Vorkämpfer der
katholischen Kirche in Dänemark, Paulus Heliae, verdient hier genannt zu werden,
da dieser Karmeliter — freilich irrtümlich — oft als Vf. der flotten deutschen Re-
formations-Flugschrift „Vom alten und neuen Gott" (1521) genannt worden ist.
Schmitts Arbeit zeigt alle Vorzüge und Mängel der neuesten Geschichtsschreibung ä
la Janssen. Er räumt mit vielen Irrtümern älterer Biographen auf, nicht allein mit
der wunderlichen Tradition, die ihn jene evangelische Schrift verfassen Hess, sondern
überhaupt mit der Annahme, dass er in jähem Umschlag aus unlauteren Motiven der
anfangs begeistert ergriffenen Sache Luthers untreu geworden wäre. Andererseits
fällt es aber auch dem Vf. schwer, jenem reformfreundlichen, Luther zunächst als Ge-
sinnungsgenossen des Erasmus begrüssenden, humanistischen Katholizismus, dessen
Züge Heliae auch später im Kampfe gegen Luther nicht verleugnet, gerecht zu werden
und ihn geschichtlich zutreffend zu zeichnen. —
In seinem Aufsatz über Otmar Nach tg all (Luscinins) bietet A. Schröder^»)
eine wertvolle Nachlese zu Ch. Schmidt (Hist. litt, de l'Alsace 2 [1878], S. 174 ff.,
412 ff.), besonders über seine Stellung in Augsburg, wo ihm Jakob Fugger 1525 zu
einem Kanonikat mit Prädikatur und Pfarramt bei S. Moriz verhalf, und über die
Stellung, die der Humanist zur kirchlichen Frage einnahm: trotz des Einflusses, den
Luther in der Fassung des Glaubensbegriffes auf ihn ausgeübt habe, sei er doch seit
1522 entschieden den Gegnern der Reformation beizuzählen. Als Schüler Wimphelings
und Verehrer des Erasmus verbleibe er freilich beständig auch in Feindschaft gegen
die „Sophisten", die Vertreter der scholastischen Theologie. Dabei tritt Seh. auch
entschieden für die sittliche Reinheit Nachtgalls ein; die Zoten in seinen Schwank-
sammlungen seien nur „Anschluss an die Gepflogenheit der Zeit" (?). —
Auf Grund von Dresdener Archivalien beleuchtet Vett er 2*) die interessante
Episode im Leben Georg Witzeis, als nach dem Tode Herzog Georgs der Um-
schlag im Herzogtum Sachsen erfolgte, und nun der Mann, der durch seinen Abfall
vom Luthertum und seine litterarische Polemik gegen dasselbe den Zorn der Witten-
berger, besonders des Justus Jonas, und des Kurfürsten Johann Friedrich auf sich ge-
zogen hatte, plötzlich seine Existenz in Leipzig aufs gefährlichste bedroht sah. Eben
hatte er bei Wolrab, dem Leipziger Verleger der katholischen Streitschriften, seine
Postille in Druck gegeben, mit der er Luthers und Corvins Postillen vom Meissner
Lande hatte fern halten wollen, als am 5. Mai 1539 Herzog Heinrich, vom sächsischen
Kurfürsten aufgestachelt, den Befehl an den Leipziger Rat sandte, die Fortsetzung
des Drucks zu inhibieren, Witzel aber bis auf seine Ankunft zu „behaften". Der
Rat nahm ihm das Ehrenwort ab, die Stadt nicht zu verlassen; er selbst und hohe
Gönner sandten Bittgesuche an den Herzog; aber vergeblich. Da entfloh der Ge-
ängstete am Tage der Ankunft des Herzogs (22. Mai) auf Einladung des Bischofs
nach Meissen, dann nach Schloss Stolpe. Wolrab aber, der vergeblich den Druck
der Lutherbibel versprochen hatte, wenn man ihm die Vollendung und den Vertrieb
der Postille im Auslande gestatte, hatte heimlich den Druck fortgesetzt, einen Teil
der starken Auflage sogar schon über die Grenze geschafft. So entlud sich schwerer
Zorn — Herzog Heinrich wurde dabei durch Johann Friedrich vorwärts geschoben.
Der Rest der Postille und manche anderen reformationsfeindlichen Schriften wurden
konfisziert und vernichtet; Witzel, in Stolpe nicht mehr sicher, entwich in die
böhmischen Berge. Bald darauf berief ihn Joachim IL zu sich nach Berlin und
D. Kiirraeliter P. Heliae, Vorkämpfer d. kuth. Kirche gegen d. sogen. Reformation in Dänemark. (== StML. Ergänznngshefte,
N. 60.) Freiburg i. B., Herder. XI, 172 S. M. 2,30. |[N. Paulus: Kath. 73^ S. 563,6; Q. Kawerau: ThLZ. 19, S. 320,3.J|
— 23) A. Schröder, Beitrr. z. Lebensbilde Otmar Nachtgalls: HJb. 14, S. S3-106. - 24) P. Vetter. Witzeis Flucht aus
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 25-30
schützte ihn dort auch, als Herzog" Heinrich seine Auslieferung- forderte. Nicht lang-e
danach vertrieb ihn freilich auch von dort die siegreich vorrückende Reformation. V.
teilt als Anhang 4 Briefe Witzels mit: an Karlowitz (18. Jan.), an Herzog Heinrich
(lO.Mai), an den Leipziger Bürgermeister (21. Mai?), und an Joachim II. (30. Aug". 1539.) —
Grube 2^) referiert sachlich über die Aufschlüsse, die des Hildesheimer
Oldekop durch Euling veröffentlichte Chronik für die Geschichte des Stiftes Hildes-
heim g-ewährt. —
Ein anschauliches Bild von der Entwicklung" und der Wirksamkeit des so tief
und verhängnisvoll in die deutsche Geschiebe zielbewusst eingreifenden ersten
deutschen (genauer: niederländischen) Jesuiten Petrus Canisius entwirft Drews^ß)
(jetzt Professor in Jena). In ruhig-er geschichtlicher Objektivität zeichnet er die
ausserordentliche Beg-abung" und den Ernst dieser Leuchte seines Ordens. Rasche
Auffassung-skraft, hinreissende Beredsamkeit, Gewandtheit im Verkehr, unbeugsame
Festigkeit, unermüdliche Arbeitskraft, dabei umsichtige Klugheit sind die Charakter-
züge, die seine gewaltigen Leistungen erklären. Trotz gelehrten Wissens eine durch
und durch praktische Natur, ein vollkommener Jesuit in der Kunst zu weichen, um
bei nächster Gelegenheit doch seinen Vorteil wahrzunehmen. Dabei verbinden sich in
ihm beide Seiten der jesuitischen Frömmigkeit: die gefühlsmässige, in der sich ein
mystischer Zug mit einer abergläubischen Phantasie vereint, und die starre Kirchlichkeit,
die Gesetzlichkeit, der Mechanismus. Er leistet auch die schwersten Proben jesuitischer
Demut — und doch schaut selbstbewusster Hochmut unter dem Demutsmantel her-
vor. Gleichwohl fehlt ihm der volle Typus eines Jesuiten. Denn sein höchstes Ziel
ist doch die Heilung der Kirche von ihren klar erkannten mid tief g"efühlten Schäden.
Im letzten Grunde arbeitet er nicht für die Macht seines Ordens oder für die Papst-
gewalt als solche, sondern für die Reform des Katholizismus. Welche Gewalt hierfür
hülfreiche Hand bietet, der stellt er sich zur Verfügung. Und er empfindet noch als
Deutscher und versteht die deutschen Verhältnisse; darum gelingt es g"erade ihm,
dem fremden Orden in Deutschland Bahn zu machen, das Misstrauen gegen ihn in
weiten Kreisen zu besiegen. Der Protestantismus ist ihm Ausgeburt der Hölle;
seine vielgerühmte Milde geg-en Evangelische ist die Toleranz der Klugheit, nicht die
der Ueberzeugung. Besonders interessant ist der Nachweis, in welchem Masse in
den letzten Jahrzehnten seines Lebens er im Orden beiseite geschoben und an
weiterem Wirken g-ehemmt, ja geflissentlich gedemütigt wurde. Einleuchtend weiss
D. die Gründe und die mehr oder weniger bewussten Motive hiefür darzulegen.
Bei der ausserordentlichen Aufgabe, die er zu lösen gehabt, war ihm eine für einen
Jesuiten aussergewöhnliche Selbständigkeit zu teil geworden. Nun der Orden ge-
wachsen war, hiess man ihn von seiner Höhe herniedersteigen, und • „sein Provinzial
sorg-te, dass es ihm nie an Prüfungen des Gehorsams fehlte". — Braunsberger^'^)
bringt in seiner fleissigen bibliographischen Arbeit Klärung- in die verwirrten An-
gaben über Zahl, Aufeinanderfolge und Entstehungszeit der verschiedenen Katechismen
(vgl. JBL. 1892 II 5a: 1) des Canisius. Er lehrt uns deren drei zu unterscheiden: den
grossen (Summa doctrinae christianae), Ostern 1555 erschienen, darauf den kleinsten
(Summa doctrinae Christ. ... ad captum rudiorum accommodata) 1556 als Anhang zu
einer lateinischen Schulgrammatik herausgegebenen und endlich Ende 1558 oder An-
fang 1559 den kleinen (Parvus Catechismus Catholicorum). Die entsprechenden
deutschen Ausgaben erschienen 1556, 1558 und 1563. Neben diesen verdienstlichen
Feststellungen fehlt es auch nicht an tendenziöser Glorifizierung des „Seligen", wo-
bei besonders lehrreich die Methode ist, wie er Canisius vor der Anklage schützt,
die päpstliche Unfehlbarkeit nicht stark genug bezeugt zu haben. Bald „wollte"
er sie unter den dunklen Zeitverhältnissen nicht vortragen, bald sprach er sie nur
soweit aus, als es „jene Zeiten erlaubten und forderten". (Vgl. auch ThLZ. 19,
S. 85/6.) —
Die „Rettung", die Gredy mit Kardinal Albrecht in Bezug auf seine kirch-
liche Haltung 1891 vorgenommen hat, geht Stillbauer^s) denn doch zu weit. Wohl
sei dessen Arbeit als eine schätzenswerte Schutzschrift für den schwer verdächtig"ten
Kurfürsten zu begrüssen, aber für die erste Zeit der Reformation sei denn doch sein
schwankendes, unsicheres, ,,hyperfriedfertig"es" Verhalten nicht zu rechtfertigen. —
G es 8^9) giebt aus Dresdener Archivalien einen interessanten Beitrag" zum Bilde
d. albertinischen Sachsen: ZKG. 13, 8. 282-310. - 25) K. Grube, D. Chronist Oldekop u. Stift Hildesheira: HPBll. 112,
S. 397-407. (Vgl. 11 3: 89.) — 26) P. D r e w 8, Petrus (Janisius, d erste deutsche Jesuit. (Schriften d. Ver. für Reforniationsgesch. N. 33.)
Halle a. S., Niemeyer. 158 S. M. 1,20. — 27) 0. ßraunsberger, Entstehung u. erste Entwicklung d, Katechismen d.
sei. Petrus Canisius aus d. Ges. Jesu. Gesch. dargelegt. Freibnrg i. B., Herder. XU, 187 S. M. 2,50. |[A. Bellesheim:
Kath. 73•^ 8. 265,8; C. Somra er v ogel: ERPHLls.N.2; LRs.N.?; K. Knoke: ThLBl. 14, 8. 294/5; N. P(anlus): HJb. 14, 8.3;
G. Kawerau: ThLZ. 19, 8. 84/6; A. Ebner: HPBU. 112, S. 939-41.]| - 28) Stillbauer: H. Gredy, Kardin.al-Erzbischof
Albrecht II. v. Brandenburg in seinem Verhältnisse zu den Glaubensneuerungen. Mainz. 1891. (Vgl. JBL. 1892 II 1:38):
Kath. 72^ 8. 190/1. — 29) F. Gess, Herz. Georg, Kurfürst Joachim I. u. Kardinal Albrecht: ZKG. 13, 8. 119-25. - 30) J. P.
II 6:31-35 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Herzog" Georg-s in seinem Verkehr mit den katholischen HohenzoUern Joachim I. und
Albrecht. Wie er nach der Flucht der Kurfürstin Elisabeth (1528) dieser Fürstin in
ernstem Schreiben zuredet, Aussöhnung mit Joachim zu suchen, so hat er vorher
schon nicht unterlassen, diesem seinen ärgerlichen Ehebruchshandel mit der Frau
des Bürgers Hornung" vorzuhalten, und ihm zu bedenken gegeben, dass er auf diese
Weise den Lutherischen bösen Anlass zur Anklage gewähre. Aber auch dem Mainzer
Kardinal rückt er 1526 vor, dass er ja im Stifte Mainz „mit geistlichen und ehelichen
Personen ein unzüchtiges Leben führe" — was dieser ifreilich mit hohen W^orten als
„Ehrabschneidung" böser Leute zurückweist. —
Der Wert der Arbeit Datterers^o) über Kardinal Matth. Lang liegt in den
Beilagen, die besonders aus dem Konsistorial-Arohiv zu Salzburg interessante Doku-
mente über die Reformationsbestrebungen im Salzburgischen und in Niederösterreich,
über die Visitation, über den gegen Stephan Kastenpaur (Agricola) angestrengten
Ketzerprozess und über das Regensburger Bündnis enthalten. Ich verweise z. B.
auf den (S. LV ff. veröffentlichten) Modus procedendi et puniendi Lutheranos, ein
Gutachten für das Glaubensverhör solcher, die als Lutheraner verdächtig sind, mit
seinem Register von 82 Punkten, unter denen z. B. „der elfte" lautet: Novi testamenti
tralationem veram et iustam esse contendens potestati seculari tradatur. Der Vf.
dieser Inquisitionsartikel schwelgt in Verfügungen wie morte plectatur, vita privetur,
tollatur e medio.^*) —
Vom Leben eines anderen Prälaten, des Trienter Fürstbischofs Kardinal
Christoph Madruzz giebt Fessler-''^) sorgfältigen Bericht. Geboren 1512, wurde
Madruzz bereits 27 jährig auf Empfehlung seines Gönners Karls V. zum Fürstbischof er-
hoben, erhielt dann auch das Bistum Brixen, 31 jährig den Kardinalshut. Er war der
Freund und Berater des Kaisers in der Zeit des Konzils. 1567 resignierte er in
Trient zu Gunsten seines Neffen, behielt aber Brixen bis zu seinem Ende 1578,
Seine kaiserfreundliche Haltung im Konzil entschuldigt der Vf. mit den Zeitverhält-
nissen. — Uebel erging es Weber^^) mit seiner Ausgabe der Briefe des Kardinals
Otto Truchsess an Hosius aus den J. 1560—61; „primum edidit" stand auf dem
Titel zu lesen. Aber alsbald erinnerte Paulus daran, dass nicht nur ein Teil der-
selben schon in E. S. Cyprianus, Tabularium Ecclesiae Romanae 1743 stände, sondern
dass sie sämtlich in Lagomarsinis Ausgabe der Epistolae Julii Pogiani Vol. II 1756
zu lesen wären, ja dass die gelehrten Anmerkungen W.s fast ausnahmslos aus
Lagomarsini stammten. W.s Antwort darauf ^4) war doch nur schwach: er habe ja
aus einer Augsburger Hs. einige Verbesserungen des Textes gegeben, und ausserdem
seien die Anmerkungen Lagomarsinis nicht immer in ganz klassischem Latein ge-
schrieben gewesen! — • •
Angeschlossen sei hier auch ein Hinweis auf das Riesenwerk, das wir dem
historischen Institut in Rom verdanken, die Nuntiaturberichte, von denen uns
Friedensburg^^) in rascher Aufeinanderfolge bereits 4 Bände (1533—39) vorgelegt
hat: eine Quelle ersten Ranges für die Reformationszeit ist erschlossen. Vortreffliche
Einleitungen orientieren über die Einrichtung der päpstlichen Nuntiaturen, über die
dafür verwendeten Persönlichkeiten, für deren Biographie reiches und sicheres
Material geboten wird. Die Depeschen selbst werden durch Aktenstücke mancherlei
Art ergänzt, in den Anmerkungen werden Hss. und Gedrucktes zur Erläuterung heran-
gezogen. Sorgfältige Register erleichtem die Ausbeutung des Schatzes. Für die
Litteraturgeschichte von besonderem Interesse sind u. a. die Klagen über die mangel-
hafte materielle Unterstützung, die li poveri dotti catholici bei ihrer litterarischen
Verteidigung der katholischen Sache fänden (1, S. 84, 88/9, 95, 103, 141, 174, 184);
dann folgt aber auch die Klage über die Unersättlichkeit von Männern wie Faber
und Nausea (2, S. 123, 178/9, 196/7). Es wird für lange Zeit nach den verschiedensten
Richtungen hin zu arbeiten sein, um diese Fundgrube allseitig auszubeuten. Ich
nenne nur Namen wie Eck, Witzel, P. Anspach, Nik. Wolrab und verweise auf die
wertvollen Nachrichten über die Verbreitung evangelischer Schriften in Italien. —
Wir können diese Abteilung unseres Berichtes nicht schliessen, ohne des am
24. Dec. 1891 erfolgten Todes von Johannes Janssen, dem charakteristischen
Repräsentanten der neuesten katholischen Reformationshistorik, zu gedenken. Seine
Datterer, D. Kardinals u. Erzbischofs M. Lang Verhalten z. Reformation (v. Beginn seiner Regierung 1519 bis zu d.
Bauernkriegen 1525). Diss. Erlangen (Freising, Datterer). 1892. 73, LXXIV S. |[Th. Kolde: ThLBl. U, S. 185,6.]| — 31) X
II. E. Jacobs, Archbishop Hermann of Cologne and his „consnltation": LChR. S. 301-44. — 32) Fessler, Chrph. Madruzz:
WetzerWelteKirchenlex. 8, S. 426/9. — 33) Ant. Weber: Litterae a Trnchsesso ad Ilosium annis 1560 et 1561 datae ex cod.
augnstano primum ed. atque annotationibus illust. et prooemio indiceque exorn. A. W. Regensburg, Manz. 1892. 123 S.
M. 1,60. |[N. Paulus: Kath. 72', S. 571/2.] | - 34) id., Kardinal Otto Truchsess v. Waldburg, Bischof v. Augsburg:
HPBU. 110, S. 781-96. — 35) W. Friedensbnrg: Nuntiaturberichte aus Deutschland, nebst ergänzenden AktenstQcken.
1. Abt. 1533-59. Her. durch d. Kgl. preuss. bist. Inst, in Rom, u. d. Kgl. preuss. Archivverw. Bd. 1 u. 2. 1. Nuntiaturen d.
Yergerio 1533-36. 2. Nuntiatur d. Morone 1536-38. Bd. 3 u. 4. Legation Aleanders 1538-39. Gotha, Perthes. 1892. LVH,
6J5 S,; VIII, 470 S.; VIII, 537 S.; 038 S. M. 20,00; M. 14,00; M. 21,00; M. 24,00. |[H. Virck: ThLZ. 17, S. 469-73.]| (Vgl.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 36-40
jüngeren Freunde sind eifrig- daran gewesen, ihm alsbald litterarische Ehrendenkmäler
zu setzen. Wir erfahren vieles über seinen äusseren Lebensweg, wie er, der
schon bei einem Kupferschläger in die Lehre getreten war, zur Schule zurückkehrte,
auf der Universität von der Theologie zur Geschichte sich wendete, nach eben be-
gonnener Privatdocenten-Thätigkeit in Münster als katholischer Geschichtsprofessor
ans Frankfurter Gymnasium berufen wurde, hier in der Freundschaft mit Friedr.
Böhmer heranreifte zu einem der wirksamsten litterarischen Vorkämpfer einer Revision
der Geschichte nach katholischen Gesichtspunkten. Wir hören von seiner Arbeits-
weise und von seinem Verkehr im Freundekreise. Wo die Fehler in seiner
Quellenmosaikarbeit stecken, darüber darf man natürlich bei seinen Freunden und
Schülern keine Belehrung erwarten. Neu war mir die Enthüllung, dass Janssen selbst
der „Siegmund Altenrath" war, dessen populäre Schrift über Luther 1890 in zweiter
Auflage erschienen ist. Pastor 36) hat für sein Lebensbild ausser den Eindrücken in
langjährigem freundschaftlichen Verkehr mehr als 800 Briefe benutzt; die beiden
anderen Arbeiten tragen ganz den Charakter persönlicher Erinnerung^'^^S) an den
älteren verehrten Freund. Auch alsDichter lernen wir Janssen kennen in einem Poem „An
Barbarossa" vom J. 1859, zum Beweise seiner „echt deutschen Gesinnung". — Von
evangelischer Seite verdient der Aufsatz Beachtung, den ihm Walther^*^) gewidmet hat.
Er sucht uns das Problem zu lösen, wie ein Mann, der offenbar viel treffliche Eigen-
schaften gehabt hat, an dessen subjektiver Aufrichtigkeit zu zweifeln kein Anlass
vorliegt, doch objektiv der Wahrheit so schwer hat Gewalt anthun können, dass ihn
ja nicht selten der Vorwurf der Fälschung getroffen hat. W. erörtert zu diesem
Zwecke den katholischen Begriff der Wahrheit, d. h. des Probabeln in seiner Ver-
quickung mit dogmatischen Voraussetzungen. Probabel ist das Urteil der Zeitgenossen
— falls sie treu kirchlich gewesen sind, die Ansicht des katholischen Forschers der
Neuzeit, probabel aber auch jede Behauptung eines Protestanten, falls sie zu Ungunsten
der Reformation lautet. Die Quellencitate dienen nicht der Ermittlung objektiver
Wahrheit, sondern dem Erweis, dass der Vf. für seine Behauptungen irgend welche
probable Unterlage hat. Dies Vertauschen der Wahrheit mit dem Probabeln geht so
weit, dass es zu einem Sich-verstecken hinter Gewährsmänner führt, aus denen
Janssen Falsches — ihm selbst mindestens Unwahrscheinliches — abschreibt: wo
der protestantische Forscher sich der Fälschung schuldig fühlen musste, behält Janssen
ein „reines katholisches Gewissen". Hier klafft eben das sittliche Bewusstsein des
konsequenten Romanismus und des Protestantismus auseinander. Wir machen auf
diese Studie zur Psychologie eines katholischen Gewissens besonders aufmerksam.
Auch das ist ja bezeichnend, dass Janssen 1860 Priester wird, nicht etwa um priester-
liche Funktionen auszuüben, sondern um für den Dienst, den er als Historiker der
Kirche leisten wollte, einer Ijesonderen „Gnade" teilhaftig zu werden. —
Der Uebergang von den Arbeiten über die katholischen Kreise der Re-
formationszeit zu den evangelischen möge uns einen Blick auf die humanistischen
gewähren, die ja teils der einen, teils der anderen Partei zufielen. Knod^^) bringt
in seinen „Findlingen" einen bisher unbekannten Brief Reuchlins an Rudolf Agricola
hervor (zwischen 1482 und 85), der erwünschten Einblick in die hebräischen Sprach-
studien jenes gewährt und beweist, dass auch bei ihm dieses Studium zunächst aus
theologischem, nicht aus philologischem Interesse hervorging. Die dann folgende
Urkunde vom IB. März 1487 belehrt uns, dass Wimpheling eine Zeit lang Pfarrer in
Sulz im Elsass gewesen, und dass auch er nicht verschmähte, in Rom um An-
wartschaft auf Pfründen zu werben, so scharf er später gegen die „Kurtisanen" ge-
eifert hat. Betreffs des Briefes Wimphelings von 1491, der Joh. Beckenhaubs
Super libros sententiarum cum Bonaventura beigedruckt ist, macht K. darauf auf-
merksam, dass weder die Ueberschrift, die ihn als Dr. theol. bezeichnet, noch das
Datum („Nurnberga 1491") von seiner Hand stammen werden, dass somit die Erzählung
von seinem Aufenthalt in Nürnberg in diesem Jahre unzureichend beglaubigt sei.
Für Hütten bringt uns K. ein Schreiben des Schlettstädter Rates an ihn vom 27. März 1521,
in dem dieser sich bei dem mit dem Schwerte rasselnden Ritter entschuldigt wegen
einer Beschimpfung, die Luther und ihm jüngst durch fanatische Gegner in ihrer
Stadt widerfahren war. Denselben Tagen gehört somit auch der Brief eines jungen
Schlettstädters an, den Horawitz und Hartfelder (Briefwechsel des Beatus Rhenanus
S. 562) nur unbestimmt in die J. zwischen 1517 — 25 setzten. Wie aber der Schlett-
städter Rat lavierte und in Rom wiederum seine gutkatholische Gesinnung beteuerte,
zeigt ein anderes Schreiben desselben vom 14. Juni 1522. Für Hütten selbst wird
JBL. 1892 III :75; s. o. II 1 : 140/1, 1456.) — 36) L.Pastor, J. Janssen. 1829-91. E. Lebensbild, vornehmlich nach d. nngedr. Briefen
n. Tagebüchern desselben entworfen. Mit Janssens Bild u. Schriftprobe. Freibnrg i. B., Herder. 152 S. M. 1,50. (Vgl. JBL. 1892
II 1 : 15; IV Ib :141a.) — 37» X^. Wedewer, Z. Erinnerung an Joh. Janssen, d. Geschichtschreiber d. dtsch. Volkes:
Kath. 72', S. 385-420. (Vgl. JBL. 1892 II 1 : 9.) - 38) X Joh. Janssen im Frankfurter Freundeskreise: HPBll. 109, S. 750-68.
(Vgl. JBL. 1892 II 1:11.) _ 39) [W. Walther], J. Janssen: AELKZ. 25, S. 76/9, 104/6, 128-31, 152/4. — 40) G. Knod,
II 6:41-50 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
aber noch sein zornmütig-es Rundschreiben an die deutschen Städte „Wider den ehr-
losen Haufen der Kurtisanen" Ebernburg-, 15. März 1522, einst als Folioblatt gedruckt
und zu öffentlichem Anschlag bestimmt, uns als willkommene Gabe aus dem Strass-
burg'er Stadtarchiv bekannt gemacht. Einen Brief des Erasmus aus seinen letzten
Lebenstagen (23. Okt. 1535) teilt K. aus einer Hamburger Hs. mit; wahrscheinlich ist
er an den Strassburger Nik. Kniebs (vgl. Kolde, Analecta S. 39) gerichtet, dem er
einen jüngeren Freund für eine Strassburger Pfründe empfiehlt. — Das Lebensbild
des 1531 zu Blaubeuren verstorbenen Mathematikers und Astronomen Joh. Stöffler
von Hartf eider *'J ist hier zu erwähnen, insofern er als Tübinger Lehrer Melanchthons
es wohl gewesen ist, dem dieser seinen astrologischen Wahnglauben zu danken hatte.
— Krauses*^) Neudruck der Epigramme des Euricius Cordus verdient auch um der
sorgfältigen Einleitung willen Beachtung, in der K. nachträgt und berichtigt, was
sich seit dem Erscheinen seiner Biographie des Cordus 1863 an neuen Aufschlüssen
für die Lebensgeschichte des Poeten hat ermitteln lassen. Auch konstatiert die Ein-
leitung, welche Anleihen Lessing bei den Epigrammen des Cordus gemacht hat.
Für das sachliche Verständnis der Gedichte selbst hätte noch mehr Handreichung
dem Leser geboten werden können. — Ein kurzes Lebensbild des der evangelischen
Sache zugethanen Poeten Johann Stigel liefert die kundige Hand Hartfelder s^^).
— Thenn*^) teilt aus der Münchener Hof- und Staatsbibliothek den Brief mit, in
dem Stigel am 24. Febr. 1546 dem Theologen Johann Lange in Erfurt den er-
schütternden Eindruck bekennt, den Luthers Tod auf ihn hervorgebracht hat; denn
sicher bricht jetzt die schon längst drohende magna rerum mutatio herein. Er
übersendet ihm die lateinischen Distichen samt eigener deutscher Uebersetzung, in
denen er den Klagegesang auf Luthers Tod anstimmt, damit Lange den Druck be-
sorge. Treffend weist Th. darauf hin, wie viel mehr individuelles Gepräge die ehr-
lichen deutschen Knittelverse als die glatten, mit virtuoser Technik geformten lateinischen
Verse haben. — Auch auf diesem Specialgebiet ist des Todes eines Forschers zu ge-
denken, der mit rastlosem Fleiss und mit reichem Wissen eine Führerrolle sich erworben
hatte: Im Juni 1893 starb in Heidelberg Karl Hartfelder im rüstigen Alter von 45 Jahren,
der nach theologischen, philologischen und archäologischen Studien als Gymnasial-
lehrer in Freiburg, dann als Archivrat in Karlsruhe, seit 1882 aber als Gymnasial-
professor in Heidelberg anfangs für die Geschichte des Bauernkrieges, dann aber für
die des Humanismus (speciell des oberdeutschen) höchst verdienstliche Forschungen
ausgeführt hatte. Nachdem er mehrere Jahre auf Melanchthonstudien verwendet
hatte, waren es zuletzt grosse litterarische Pläne in Bezug auf Erasmus, die ihn be-
schäftigten und für die schbn tüchtige Vorarbeiten von ihm fertiggestellt waren. Es
ist bewundernswert, was dieser Mann den Mussestunden, die ihm von schwerem
Schulamte übrig blieben, für eine erfolgreiche Produktion abzugewinnen vermochte.
Bassermann*^) hat dem Freunde einen Nachruf gewidmet. (Vgl. I 6 : 163.1 —
Wenn wir an die Arbeiten über die deutsche Reformation, die evan-
gelische Kirche, herantreten, so begegnen wir zuvörderst einer trefflichen biblio-
graphischen Arbeit des durch seine mustergültige Beschreibung der Lutherdrucke
der Hamburger Stadtbibliothek bekannt gewordenen A. von Dommer*^). Es gilt
der Zusammenstellung und genauen Beschreibung der Marburger Drucke von 1527 — 66,
damit den Anfängen des Bücherdruckes in Marburg und dem Einfluss der Refor-
mation und dann der Universitätsgründung auf den Bücherdruck. Dabei ist bei
einer D. sehen Arbeit selbstverständlich, dass sie durch Akribie den höchst-
gespannten bibliographischen Ansprüchen genügt; aber auch der Reformations-
historiker freut sich über die Vertrautheit des Vf. mit der in Betracht kommenden
Litteratur und der immer verlässlichen Auskunft, die hier erteilt wird. — Einen Haupt-
buchdrucker der lutherischen Reformation behandelt Steiff*''), den Hagenauer Johannes
Setzer (Secerius). St. nimmt Lauchheim als Geburtsort an; nach seinem Studium in
Tübingen ist er schon 1516 als Setzer und Korrektor in der Anshelmschen Druckerei
thätig. St. vermutet auch, dass Setzer jener Schwager Anshelms war, der 1522
wegen einer Messeraftaire zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, und kombiniert da-
mit seine Uebersiedlung nach Wittenberg, wo er im Sommer 1522 als Mediziner sich
inskribieren Hess. Von hier datiert seine persönliche Beziehung zu den Häuptern
der Reformation. Schon Ende des Jahres übernimmt er Anshelms Druckerei und
stellt nun — in einer katholischen Stadt — eine der bedeutendsten Pressen in den
Dienst der Reformation. St. weiss 135 Drucke der Setzerschen Offizin nachzuweisen;
von diesen gehören nur 15 anderen Gebieten als denen des Humanismus und der
Findlinge. Reuchlin. Wimplieling. Hütten. Erasmus. Berns: ZKÖ. 14, S. 118-32. (Vgl. U 7 : 21.1 — 41) K. Hartfelder,
J. Stöffler: ADB. 36, S. 3178. - 42) Enricins Cordns, Epigrammata. Her. v. K. Krause. (= LLD. N. 5.) B., Speyer & Peters.
1892. LH, 111 S. M. 2,80. |[G. Kawerau: ThLZ. 18, S. 812.11 (Vgl. JBL. 1892 II 8:8.) - 43) (I 6:16; II 7:61a.) —
44)A. Thenn, Joh Stigel an Joh. Lange im J 1540 :ZKG. 13, S. 166/8. — 45) H. Bassermann, K. Hartfelder: PKZ. 40, S. 595,6.
— 46) (I 3 : 97.) |[0. Hartwig: CBlBibl. 10, S. 145/6.]j — 47) (I 3 : 79.) - 48) (I 6 : 113; II 1 : 155.) - 49) (I 3 : 244.) — 50) (II 1 : 159.)
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 51
Reformation an; letzterer aber fällt dabei der Löwenanteil zu. Luther, Melanchthon,
Jonas, Bug-enhagen, Ag'ricola, Urbanus Rhegius — dann besonders Brenz sim seine
Autoren. Dabei druckt er fast nur lateinische Schriften von ihnen, und seine Drucke
sind fast immer Orig-inaldrucke. Der Index von 1559 verbietet kurzer Hand seine
sämtlichen Drucke. Dass er dazu kam, auch Servets De trinitatis erroribus 1531 zu
drucken, sucht St. daraus zu erklären, dass Servet als Gegner der Schweizer und
Strassburger zu ihm kam, der ihnen gleichfalls als Lutheraner abgeneigt war. Aber
wenn er gar nichts Bedenkliches an dieser Schrift fand, bona fide druckte, warum
liess er dann sein Impressum weg, so dass er nur durch sachkundige Typen- und
Zierleistenvergleichung als Drucker zu ermitteln ist? Sein Tod erfolgte 1532, doch
führte die Presse noch bis 1535 die Firma officina Seceriana, dann übernahm sie (der
Schwiegersohn?) Peter Brubach, der sie 1536 nach Schwäbisch- Hall, 1540 nach
Frankfurt verlegte, wo sie bis 1567 bestand. Nicht genügend weiss St. dabei sich
mit Luthers Brief an Linck vom J. 1542 (de Wette 5, S. 487) abzufinden, wo Luther
dem Freunde betreffs des Verlages seines Genesiskommentars schreibt: bene fecisses,
si Secerio tradidisses. Das scheint mir doch am einfachsten so zu erklären zu sein,
dass unter den Bekannten noch immer der angesehene Verlag nach Setzer benannt
wurde, der ihn in 10 Jahren zu einem Hauptverlage reformatorischer Schriften er-
hoben hatte. Aehnlich reden wir ja auch heute noch. —
In diesen Zusammenhang reihen wir auch die Brief Sammlung Buch-
walds^S) ein. Er teilt aus der Zwickauer Ratsschulbibliothek 217 Nummern voll-
ständig oder excerptweise mit aus der Korrespondenz von Wittenbergern mit Stephan
Roth in Zwickau, aus den J. 1521 — 46, nachdem er kurz zuvor Excerpte aus
821 Briefen an Roth unter Berücksichtigung aller buchhändlerischen oder litterarischen
Notizen, die sie bieten, als Beitrag zur Geschichte des Buchhandels in der Refor-
mationszeit^''), und aus demselben Briefschatz 112 Nummern unter dem Gesichts-
punkte Altenburgischer Stadt- und Reformationsgeschichte excerpiert hatte.^^) So
hat er in dankenswerter Arbeit den grossen Briefschatz Roths durchgearbeitet, der
doch zu viel Unbedeutendes enthält, um ihn in extenso zu publizieren, aber gerade in
den Beziehungen, die B. in seinen drei Publikationen herausgegriffen hat, viele
schätzbare und der Veröffentlichung werte Notizen bietet. Sehr erwünscht ist auch
das (vgl. N. 48, S. V — IX) Verzeichnis aller der Schriften, in denen bereits früher
aus diesem Briefvorrat Stücke abgedruckt worden sind, und das Register der letzteren.
Für zahlreiche Schriften Luthers gewähren die Wittenberger Briefe höchst wichtige
Angaben über die Zeit ihres Erscheinens, über neue Auflagen usw. Das Wertvollste
von allem sind die neuen Aufschlüsse, die sich aus dem von Buchwald ans Licht ge-
zogenen Material für die Entstehungsgeschichte des kleinen Katechismus ergeben
haben. Da Buchwald inzwischen diese wichtigen Entdeckungen in einer neuen
Schrift näher dargelegt hat, genügt es hier auf den nächsten Jahresbericht zu ver-
weisen. Neben den Ergebnissen, die für den Buchhandel und die Büchergeschichte
aus dem Rothschen Briefwechsel zu gewinnen sind, finden sich zahlreiche Mitteilungen
zur Geschichte der führenden Persönlichkeiten in Wittenberg und aus dem diesen
befreundeten Kreise ; eine Anzahl von Männern zweiten und dritten Ranges aus den
Wittenberger Stadt- und Universitätskreisen wird uns bekannter, der Einblick in
das Leben und Treiben in der Stadt wird durch manchen charakteristischen Zug ge-
schärft. —
Luther. Der Bericht über 1893 beginnt füglich mit dem neuen Bande der
Weimarer Gesamtausgabe ^^), der freilich noch 1892 auf dem Titel zeigt, that-
sächlich aber erst im Berichtsjahre zur Ausgabe gelangte. Er enthält nur ein ein-
ziges Stück, den grossen Kommentar über die ersten 22 Psalmen, den Luther unter
dem Titel Operationes in Psalmos von 1519 — 21 stückweise erscheinen liess. Ursprüng-
lich hatte C. Bertheau in Hamburg die Herausgabe übernommen, dann aber die Arbeit
an Pastor E. Thiele in Magdeburg abgegeben, der seines Amtes mit Sorgfalt ge-
wallet hat. Mitgearbeitet hat aber auch der ganz als Sekretär in den Dienst der
Lutherausgabe getretene Germanist P. Pietsch, der unter dem lateinischen Texte
charakteristische Proben aus den deutschen Uebersetzungen mitteilt. Gegen das
stärkere Geltendmachen germanistischer Interessen, das durch seinen Eintritt in die
Redaktion eingeleitet worden ist, in Verbindung mit einer spürbaren Zurücksetzung
der für den theologischen Leser der Ausgabe wertvolleren sachlichen Erläuterungen,
sowie gegen gewisse durch die neue Leitung des grossen Werkes veranlasste Ab-
änderungen des Planes und der Editionsweise sind von theologischen Kritikern
Bedenken erhoben worden; die Wünsche zweier verschiedener Interessentenkreise der
Lutherausgabe gegenüber machen sich geltend, ohne dass bisher ein völlig befriedi-
gender Ausgleich gefunden wäre. — Der neue Band der amerikanischen Luther-
— 51) M. Luther, Werte. Krit. Gesamtausg. V. Bd. Weimar, Böhlan. 1892. 4". VUI, 676 S.' M. 17,00. |[G. Kawerau:
JahresbericMe für neuere deutsche Litteraturgesohichte. IV. (2)7
II 6 : 52-56 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
ausgäbe ^2) ist dem Referenten nicht zu Gesichte g-ekommen; aus dem Titel ist zu er-
sehen, dass er im ganzen dem 8. Bande der Walchschen Ausgabe, aber mit einigen
Umstellungen entspricht; die bedeutendste ist, dass der kleinere (ältere) Kommentar
zum Galaterbriefe voraufgestellt, der spätere grosse Kommentar für den nächsten Band
zurückgelegt ist. — Die Braunschweiger Ausgabe ist durch einen Registerband ^^^
abgeschlossen, der zwar für die dogmatischen und ethischen Begriffe recht voll-
ständig gearbeitet ist, dagegen das kirchengeschichtliche Material, namentlich die
Namen und Sachen der mittelalterlichen Kirche und Frömmigkeit, gegen die Luther
kämpft, nur ungenügend berücksichtigt.^'*) — Enders ^^) hat von seiner Ausgabe des
Briefwechsels, der bekanntlich einen Teil der Erlanger Lutherausgabe bildet, den
5. Band erscheinen lassen (Sept. 1524 bis Dec. 1526), der zugleich 6 Briefe zu den
früheren Bänden nachträgt. Hochbedeutsam ist hier vor allem der Fund von 5 Stücken
aus der Korrespondenz zwischen Luther und Joh. Eck aus der Zeit vor der Leipziger
Disputation; es sind 4 Briefe Luthers (19. Mai 1518 aus Anlass der Eckschen „Obelisci",
7. Jan., 18. Febr. und 5. April 1519) und ein Brief Ecks (vom 20. Sept. 1518). Freilich
sind sie nur in teilweise schwer lesbaren Abschriften der Nürnberger Stadtbibliothek
aufgefunden; Einzelnes bleibt unleserlich. Anderes unsicher. Aber gleichwohl ist es ein
Fund besonders erfreulicher Art, und man muss E. danken, dass er ihn schon hier
in Band V, nicht erst am Ende des ganzen Werkes den Fachgenossen mitgeteilt hat.
Dazu kommt als Nachtrag ein in München aufgefundener Brief Luthers an den
Bamberger Pfarrer Schwanhausen, 8. März 1523. Auch sonst ist der Band wieder
reich an Briefen, die aus seltenen Drucken ans Licht gezogen oder aus Hss. zum
ersten Male veröffentlicht werden. So ist Schwenkfelds Epistolar nicht unbeachtet
geblieben, und auch Theophr. Paracelsus erscheint unter den Briefstellern. Wenn
übrigens die in Gotha erhalten gebliebene Abschrift seines Briefes die Randbemerkung
Descriptum Tschopae principio Decembris Anno 1581 trägt, so weist dieser auf den
Zschopauer Pfarrer Valentin Weigel als auf den Mann, dem wir die Abschrift zu
danken haben; auch der Druck von 1618 erfolgte ja durch den bekannten Heraus-
geber der Weigelschen Schriften, Joh. Franck in Magdeburg. Ich hebe noch hervor,
dass E. auch die Briefe Melchior Hofmanns imd Bugenhagens an die Gemeinde zu Dorpat
und die Prediger in Livland aufgenommen und damit diese seltenen Stücke leicht
zugänglich gemacht hat. In den zahlreichen Anmerkungen ist wieder ein reicher
Schatz gelehrter Arbeit niedergelegt, der dadurch seinen Wert nicht einbüsst, dass
gelegentlich ein Versehen unterläuft und z. B. (S. 402) eine Briefnotiz auf die Ehefrau
des Zwickauers Stephan Roth statt auf die des Dr. Stephan Wild bezogen wird.
Ueberraschend ist, dass er (S. 96) auf den von Luther ausgestellten Eheschein für
Joh. Gülden unmittelbar ein Bittschreiben Luthers für denselben folgen lässt, das
neben seiner und seiner Frau Not auch bereits prolis duplicis necessitatem geltend
macht. Da bedürfte es doch einer Begründung dafür, dass das undatierte Schreiben
schon in das Jahr der Eheschliessung gehöre. —
Der glückliche Entdecker, der zugleich mit unermüdlichem Fleisse und
schneller Hand seine Funde hebt und zum Druck fördert, Buchwald^^), berichtet
über den Schatz, den er in der Jenaer Universitätsbibliothek wieder aufgefunden hat.
Es handelt sich um Georg Rörers hs. Lutherana, die einst, freilich nur unvoll-
ständig, für die Wittenberger und Jenaer Lutherausgabe, dann später für die Alten-
burger Ausgabe benutzt wurden, seitdem aber verschollen waren, denen er aber,
geleitet durch das Studium der im Weimarer Archiv bewahrten Akten der Jenaer
Lutherausgabe, wieder auf die Spur gekommen ist. Was die Zwickauer Bibliothek
als Poachsche Sammlung besitzt, erweist sich nunmehr als Abschrift einiger Bände
der Jenaer Rörerschen Sammlung. Schon 1537 wollten der Kurfürst Johann Friedrich
und auch Nik. Amsdorf diese Schätze, jeder für sich, abschreiben lassen. Bis zu
Luthers Tode mehrt Rörer unermüdlich seine Sammlungen; um ihrer willen rief man
ihn aus Dänemark nach Jena, als die Jenaer Ausgabe geplant wurde. Schliesslich
erwarben die Ernestinischen Herzöge den Schatz und übergaben ihn (20 Quart- und
13 Oktavbände!) der Jenaer Universitätsbibliothek. Hier schlummerte er und blieb
vergessen, bis B. über ihn kam. Er enthält, ausser 12 Originalhss. Luthers (teilweise
ungedruckten), Nachschriften und Reinschriften RÖrers von zahlreichen alt- und neu-
ThLZ. 18, S. 283/5; Th. Kolde: GGA. 8. 857-62; A. Stecker: DEKZ. 7, S. 370/l.]| — 52) O id-, Säratl. Schriften. Her.
T. J. Gr. Walch. Aufs Nene her. im Auftr. d. Minist, d. dtsch. evang.-luth. Synode v. Missouri, Ohio u. anderen Staaten.
Neue rev. Ster.-Ausg. 8. Bd. Auslegung d. Neuen Testaments. Auslegungen über d. Evangelisten St. Johannes Kap. 7-20,
&ber d. 16. u. 16. Kap. d. Apost.-Gesch. u. d. 7. u. 15. Kap. d. 1. Briefes an d. Korinther. Luthers Icürzere Auslegung d.
Epistel an d. Galater. St. Louis, Mo. (Drosden, Naumann). 4». XI S, 1925 Sp. M. 15,00. — 53) id., Werke für d. christl.
Haus. Her. t. G. Buchwald, G. Kawerau, Jul. Köstlin, P. M. Rade, E. W. Schneider u. a. Vollständ. Namen-
u. Sachreg. Bearb. v. R. Seil. Braunschweig, Schwetschke. III, 92 S. Kl. Ausg. M. 0,90; gr. Ausg. M. 1,20. \[ö.
Bessert: TliLZ. 18, S. 523/4.]| — 54) X M. Luthers Werke für das christl. Haus. Bd. 8 (vgl. .IBL. 1S92 II 6:2). ([G.
Bessert: ThLZ. 18, S. 83/5; A. Paul: COIRW. 21, S. 429-31.]| — 55) id., Briefwechsel. Bearb. u. m. Erläuterung vörs. v. E.
L, Bnders. 5. Bd. Briefe vom Sept. 1524 bis Deo. 1526, nebst Nachtrr. Calw, Vereinsbuchh. VIII, 418 S. M. 4,50. — 56)
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 57-64
testamentlichen Vorlesung-en Luthers, für die J. 1523—26, 1528—38 vollständige Predig-t-
reihen, für die ijbrig-en Jahre zahlreiche einzelne Predigten; daneben Kopien zahlreicher
Briefe, die zwar nur wenig Ungedrucktes enthalten, aber für die Textkritik, Datierung,
Feststellung der Adressaten usw. wichtiges Material bieten. Dazu kommen Tisch-
reden (teilweise mit Quellenangabe), eine Disputation von 1540, der Entwurf zu
einer Schrift contra Papistas (1545?). Zwei Bände endlich enthalten Vorarbeiten für
die Bibelübersetzung (zum Psalter 1525) und zur Bibelrevision von 1539. Man steht
hier vor ungeahnt reichen Schätzen, durch die der Plan der Weimarer Lutherausgabe
manche Erweiterung erfährt, die aber glücklicher Weise noch gerade rechtzeitig für
diese Ausgabe ans Licht gezogen sind. Einzelnes hat B. inzwischen schon auf eigene
Hand publiziert (s. u. N. 58), das Andere wird in den Bänden der Weimarer Aus-
gabe allmählich zur Herausgabe und kritischen Verwertung gelangen. B. hat sich,
wie schon durch seine grossen Zwickauer Funde, so durch diese noch grösseren für
alle Zeiten den Dank der Lutherforschung gesichert, sich .selbst aber damit seine
Lebensaufgabe gewiesen^"). —Aus dem Jenaer Hss.-Schatz veröffentlicht Buch wald^^)
die dort vorgefundenen Fragmente einer letzten, durch den Tod abgebrochenen, daher
nie veröffentlichten Streitschrift Luthers gegen die Theologen der Universitäten Löwen
und Paris. Zwar muss Luther erheblich mehr an dieser Schrift fertiggestellt haben
als B. aufgefunden hat, und das Aufgefundene trägt auch in der zweiten Niederschrift
nur den Charakter eines noch unfertigen Entwurfs (vgl. die Anzeige von Kolde);
aber auch der fragmentarische Entwurf ist in mehrfacher Hinsicht merkwürdig. Nicht
nur weil der überlegene Spott und die urwüchsige Grobheit den alten Feinden gegen-
über sich noch einmal kräftig bethätigen, sondern auch weil der prinzipielle religiöse
Gegensatz gegen das römische System mit aller Klarheit zum Ausdruck gelangt. Die
Zuthaten des Herausgebers sind etwas flüchtig gearbeitet. — Kolde^^) veröffentlicht
zwei bisher unbekannte Briefe, den einen (5. Juni 1534) an den Kurfürsten, seine
Fürbitte für die um ihres Glaubens willen vertriebenen Hallenser enthaltend, aus
Privatbesitz; den anderen (12. Sept. 1535) an Kanzler Brück, betreffend die Audienz
des englischen Botschafters Ant. Barnes und Melanchthons Reise nach England, aus
dem Public Record-office in London. Besonders interessant ist die Entschiedenheit,
mit der hier Luther für Gestattung der Reise Melanchthons eintritt, und die Wärme,
mit der er seinen dem Kurfürsten verdächtigten Genossen in Schutz nimmt, auch
dass er diesmal die Verhandlungen mit Heinrich VIII. als erfolgverheissend be-
trachtet. — Ins J. 1531 gehört der von Hans^^) aus der Augsburger Stadtbibliothek
mitgeteilte Brief Luthers an den Rat von Memmingen; er enthält die Fürbitte für
Joh. Schmeltz, einen Memminger, der in Wittenberg studierte, um Geldunterstützung
für die bevorstehende Magister-Promotion. — Aus Cod. 244 der Rigaer Stadtbibliothek
legt Haussleiter 61) Proben von Tischreden Luthers vor, die den Sprachcharakter
der primären Aufzeichnungen bewahrt haben und verglichen mit der in Loesches
Analecta (vgl. JBL. 1892 II 6 : 10) vorliegenden Recension einen besseren Text bieten.
Auch ein Vergleich einzelner Stücke mit Förstemann-Bindseils Ausgabe und mit
Cordatus fällt zu Gunsten der Rigaer Hs. aus. Natürlich genügen einzelne Proben
nicht, um den Wert der ganzen Sammlung, die dort vorliegt, zu beurteilen. ^2-63^ —
Der Aufsatz des Württemberger Theologen Klaiber^*), der die in den letzten
Jahren in der ZDPh. erschienenen Einzeluntersuchungen zu sprachlichen und lexi-
kalischen Erscheinungen in Luthers Schriften an zahlreichen Punkten fortsetzt, zeigt
recht deutlich, wie vieles in Luthers deutschen Schriften — trotz der Beachtung, die
ihm die deutsche Lexikographie schon längst geschenkt hat — noch der Erläuterung
harrt. Nicht weniger als 47 Stellen, Ausdrücke oder Redensarten, aus Luthers Schriften
werden hier besprochen (z. B. mit Lungen auswerfen; spielen tragen; in der Hand
raufen; das Wasser geht über die Körbe; halb Jacob werden; vom Habersack singen;
das Beil zu weit werfen usw.) und teils befriedigend erklärt, teils zu weiterer
Diskussion gestellt. Freilich ist für Arbeiten dieser Art eine kritische Textawsgabe
Vorbedingimg; für anderes zeigt sich, dass nicht überall die Sprachwissenschaft den
Schlüssel des Verständnisses zu bieten vermag. Man vergleiche z. B. die vergeblichen
Bemühungen, den seltsamen Decknamen „Pilatus" (für Abtritt) in der Redensart
„dem Pilatus opfern" zu erklären; hier hat gewiss Köstlin mit seinem Hinweis auf
Joh. 19, 13 Recht. —
Einzelne Schriften Luthers sind willkommene Gegenstände für populär-
wissenschaftliche Vorträge; man analysiert ihre Gedanken und macht allerlei Nutz-
G. Buchwald, Lutherfnnde in d. Jenaer Univ.-Bibl.: ZKG. 14, S. 6003. — 57) X id., Neue Lutherfunde : Pfarrhaus S. 161/5.
— 58) id., M. Luthers letzte Streitschrift. Im Original aufgefunden u. z. ersten M.ile her. L., Wiegand. 12 S. M. 1,20.
|[Cnltura 2, S. 194/5; Th. Kolde: ThLBl. 14, S. 583/5.] | - 59) Th. Kolde, Zwei Lutherbriefe: ZKG. 14, S. 6037. — 60) J.
Hans, Brief Luthers: ib. S. 4489. — 61) J. Haussleiter, Tischreden Luthers in e. Eig.ier Hs.: ThLBl. 14, S. 359-63. —
62) G. Loesche, Analecla Lufherana et Melanthoniana (vgl. JBL. 1892 I 10:17; II 6:10). |[Th. Kolde: HZ. 70, S. 514/5; D.W.
Simon: CRThPhL. 3, S. 309-12; W. Walther: ThLBl. 14, S. 3178.11 — 63) B Lutherautograph im British Museum: MAutographen-i
Sammler. S. 88,9. — 64) K. H. Klaiber, Lutherana: ZDPh. 26, S. 30-58. (Dazu Nachtrr. von J. Köstlin u. K. H. Klaiber:
(2)7*
II 6 : 65-70 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
anwendungen auf die Gegenwart. So behandelt diesmal Königes) die Schrift „An
den christlichen Ad el", deren reichen Stoff er unter den Rubriken Religiöses, Kirch-
liches, Sociales, Politisches darstellt; Applikationen und polemische Streiflichter auf die
Gegenwart im Gedankenkreise der PKZ. geben der Analyse das Gewürz. — Enger
begrenzt und tiefer eindringend ist die Betrachtung der gleichen Schrift inBeckhs^^)
Aufsatz. —
Ehlers^^) verfolgt bei ähnlicher Behandlung der Schrift „Von der Freiheit
eines Christenmenschen" (Gedankengang und praktische Anwendung) die Inten-
tionen des evangelischen Bundes, der evangelischen Christenheit auch positiv den
Wert ihrer religiösen Güter ins Bewusstsein zu rufen. —
Der stark erweiterte Vortrag über Luthers Taufliturgie von Althaus^^)
beruht auf recht umfänglichen Studien zur Geschichte der Liturgie; doch ist das
Interesse des Vortragenden hier das der kirchlichen Praxis: was und wie viel aus
Luthers Taufbüchlein lässt sich etwa heute noch unverändert beibehalten? an welchen
Punkten müssen Korrekturen eintreten? Dabei geht es ihm denn so, dass seine ge-
schichtlich-antiquarischen Studien es ihm erschweren, sich vor die schlichte Frage zu
stellen, was doch die Gemeindeglieder, die nicht studierte Liturgiker sind, den einzelnen
Stücken der Tauf liturgie für ein Verständnis abgewinnen können, und er verfällt der
Neigung, die aus der katholischen Tradition von Luther einst übernommenen Stücke
lieber mit umdeutenden Interpretationen in Schutz zu nehmen, als ihre Korrektur-
bedürftigkeit anzuerkennen. Was Luther seiner Zeit aus Schonung* der Schwachen
einstweilen möglichst ungeändert Hess, das ist nun durch 300 jährigen Brauch zu einer
geheiligten lutherischen Tradition geworden. Und gerade für den gelehrten Liturgiker
liegt die Versuchung nahe, gottesdienstliche Formulare so zu betrachten, als wenn
sie in erster Linie nicht für eine Gemeinde zu unmittelbarem Gebrauch und daher
auch zu direktem Verständnis, sondern für den Archäologen und Liturgiker bestimmt
wären, damit sie ihm interessante liturgische Reminiscenzen aus vergangenen Zeiten
vorführten. —
Aus Luthers „Bekenntnis vom Abendmahl" 1528 giebt ein Anonymus^^)
einen Abdruck des am Schluss dieser Schrift befindlichen Glaubensbekenntnisses
(vgl. Erlanger Ausg. 30, S. 363—73) mit einer Verkürzung; offenbar ist die Absicht
dabei, Luthers Credo mit seinen metaphysischen Aussagen modernen theologischen
Richtungen, die doch auch auf Luther sich berufen, kräftig entgegenzuhalten und
ihnen zu sagen, dass sie einen anderen Geist als Luther hätten.
Wertvoller ist Walthers"") kleiner Artikel über Luthers Ansicht über den
Jakobusbrief, indem er an eine in den Debatten der letzten Jahre über Luthers
kritische Stellung zu einzelnen Büchern der heil. Schrift stets übersehene Aeusserung
erinnert, die zwar bei Walch (Bd. 9) längst gedruckt war, aber, weil in der Erlanger Aus-
gabe fehlend, auch von solchen übersehen werden konnte, die sonst ihren Luther aus
eigenem Studium kennen. Luther hatte einst ein Exemplar seines Neuen Testaments
(Wittenberg 1530) als Handexemplar benutzt und an den Rand zahlreiche Bemerkungen
geschrieben. 1578 wurden diese Marginalien kopiert — das Buch selbst ist ver-
schollen — 1731 gedruckt, dann in Walch (9, S. 2774 ff.) wiederholt. Hier ist zu
ersehen, dass er bei seinem Verwerfungsurteil über den Jakobusbrief in aller Schärfe
beharrt: die Unvereinbarkeit von Jakobus Kap. 2 mit der Paulinischen Rechtfertigungs-
lehre ist dabei für ihn der ausschlaggebende Grund. Unhaltbar ist also der Trost,
an den sich die Lutheraner des 17. Jh. hielten, Luther habe nur „in den ersten
Jahren" — man meinte, bis 1526 — solch kritisches Verwerfungsurteil gefällt, später
dagegen seine Meinung geändert und stillschweigend zurückgezogen. Ich hatte bereits
früher (vgl. ZKWL. 10, S. 368) eine den späteren Jahren angehörige Tischrede
Luthers aus einer Gothaer Hs. angezogen, die geradezu erklärt: Epistolam Jacobi
ejiciemus ex hac schola. (Dieselbe ist jetzt auch in Loesches Analecta S. 296 zu finden.)
Ich hatte ferner auf eine Stelle in Luthers letzter Genesis -Vorlesung (Opp. exeg. ed.
Erl. 5, S. 227) mit einem sehr herben Urteil über diesen Brief verwiesen. Dazu
kommen nun noch als weitere Zeugen diese Marginalien, die jedenfalls der Zeit nach
1530 angehören. W. erkennt daher auch rückhaltlos an, dass Luthers Urteil unver-
ändert geblieben ist. Doch findet er es bedeutsam, dass Luther in dieser späteren
Zeit solche Urteile „in seinem Herzen" bewahrt habe, also Aergernis durch öffent-
liches Aussprechen habe vermeiden, seine Ansicht als eine doch nur subjektive,
ib. S. 281, 430/1.) — 65) K. König, Luthers Sclirift an d. Adel dtsch. Nation v. d. cliristl. Standes Besserung u. unsere Zeit
in ihrem Lichte: PKZ. 40, S. 409-14, 443/8, 471/6, 487-94, 512/8, 540/2. — 66) H. Keckh, Luthers Auffassung d. Verhältnisses
d. weltlichen Obrigkeit z. Kirche u. d nat. Gestaltung d. Kirche, nach seiner Schrift an d. christl. Adel: DEBII. 17, S. 749-68,
793-812. — 67) B. Ehlers, V. d. Freiheit e. Christenraenschen : PKZ. 40, S. 337-52. — 68) P. Althaus, D. bist. u. dogmat.
Grundlagen d. luther. Tanflitnrgie. Vortr., geh. auf d. 50. Inther. Pfingstkonf zu Hannover am IC Juni 1892. Hannover,
feesohe. HI, 102 S. M. 1,50. |[G. Kawerau: ThLZ. 18, S. 238-42]| - 69) Aus Luthers „Bekenntnis vom Abendmahl Christi«
aus d. J. 1528: AELKZ. 26, S. 983/6. — 70) W. Walt her. Zu Luthers Ansicht über d. Jakobusbrief: ThStK. 66, S. 595/8. -
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 = 71-82
vielleicht irrig-e Meinung- habe zurückhalten wollen. Es ist mir zweifelhaft, ob diese
Deutung" Luther richtig beurteilt. Im Kolleg- hat er jedenfalls seine Meinung durch-
aus nicht für sich behalten, sondern sie in scharfem Worte — er redet von einem
delirare bei Jakobus — ausgesprochen, auch im Freundeskreis sie nicht „im Herzen"
bewahrt. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn sich auch einmal in einer Predigt
aus späteren Jahren ähnlich freimütige Aeusserungen über einzelne biblische Schriften
fänden, wie solche aus Predigten früherer Jahre bekannt sind. Es sei hier nur
daran erinnert, dass noch 1572 Luthers Schüler Victorin Strigel in gedrucktem
Kommentar frei öffentlich die Verwerfung des Jakobusbriefes gelehrt hat. —
Der revidierten Lutherbibel hat Bähnisch''), derselbe, den der vorige
Bericht als eifrigen Verfechter der „Schulbibel" erwähnte (vgl. JBL. 1892 II 6:23),
eine sorgfältige Prüfung zugewendet. Er erkennt im ganzen die Kommissionsarbeit
als verdienstlich an, z. B. auch die Sorgfalt, die in der Revision der Zuthaten
(Kapitelüberschriften, Kapitelabteilungen, Parallelstellen) bemerkbar ist. Er tadelt
u. a., dass die Kommission als Text des Neuen Testaments im wesentlichen den von
Luther benutzten des Erasmus auch heute noch festgehalten hat, und urteilt, dass
trotz der Superrevision, die an dem zunächst von dem Germanisten Frommann her-
gestellten, altertümelnden Sprachcharakter vorgenommen werden musste, doch noch
vieles stehen geblieben, das sprachlich veraltet sei. — Wertvoller noch dürfte
Jehles"*-) Studie sein, die unter Beschränkung auf die 5 Bücher Mosis dieses Stück
einer sehr genauen und gründlichen Nachprüfung unterwirft und besonders allerlei
Inkonsequenzen in sprachlicher Beziehung aufdeckt. '3-74) —
Alljährlich überschüttet uns der Büchermarkt mit zahlreichen neuen Ver-
suchen, Luthers kleinen Katechismus zu erklären, und ältere Schriften dieser Art
erleben bald mehr, bald weniger umgearbeitete Ausgaben. Uns interessiert dieser
Litteraturzweig, der ja der Praxis des Unterrichts in Schule und Konfirmanden-
unterricht dient, hier nur so weit, als er sich durch tieferes Eindringen in Luthers
Gedanken und Intentionen legitimiert. Und solcher Schriften sind unter der Menge
der zur Verbreitung gelangenden doch nur recht wenige. Eine vieljährige Tradition
herrscht, die, wenig bekümmert um das, was Luther gewollt und nicht gewollt hat,
den Text seines Büchleins als Anlass benutzt, allen Stoff, den man meint überliefern
zu sollen, irgendwo und irgendwie hineinzupacken, die Schemata und traditionellen
Definitionen eines dogmatischen Systems der Jugend als „Katechismus-Erklärung"
vorträgt und „unentwegt" — hier passt das böse Wort — auch vieles, „was nicht
direkt darin ausgesprochen ist, entwickelt" (vgl. Dächsei [s. u. N. 78], S. 4). Doch
fehlt es jetzt auch nicht an einzelnen hervorragenden Versuchen, durch energischen
Rückgang auf Luther diesen Unterrichtszweig zu verjüngen und ihm neue Lebens-
fähigkeit zu geben. Bocks''^) aus der Seminarpraxis erwachsenes, für die Hand des
Lehrers bestimmtes Buch erscheint in 5. Auflage. Stoffreich mit vielem Guten im einzelnen,
Winken für den Lehrer, Verweisungen auf den parallelen Stoff des Lesebuches,
steht es doch den methodischen Fragen, die in den letzten Jahren verhandelt sind,
völlig fern. — Frickes''^) weitschichtiges Katechismus werk hat seinen Wert in
der Masse von Beispielen, Gleichnissen, Sentenzen usw., die als Erläuterungsmaterial
aufgehäuft sind, ein Arsenal für alle, die die Anschaulichkeit und Lebendigkeit des
Unterrichts mit diesen Mitteln meinen eiTeichen zu müssen. — Während sich L. W.
Frickes'"') Arbeit an die Gemeinde wendet, ist die von Dächsel'^^) als Lehrbuch
in den Händen der Schüler beim Konfirmandenunterricht (unter besonderer Anpassung
an schlesische Verhältnisse) geplant, zur „Vorbereitung-, Wiederholung, teilweise zur
Selbstbelehrung" — übrigens auch nur Ueberarbeitung eines älteren Versuches des
Vf. (2. Aufl. 1870). In 680 Fragen und Antworten, denen sorgsame Ausfeilung des
Ausdrucks nachzurühmen ist, kommt doch mehr eine popularisierte Dogmatik, als
Luthers Text zur Darstellung. Andere Novitäten auf diesem Gebiete sind dem Referenten
nicht zu Gesichte gekommen.''^ ^>) — Frantz^^j erhebt seine Stimme, um „aus der
Erfahrung" zu bezeugen, dass Luthers Katechismus ein spottschlechtes und unbrauch-
71) A. Bähnisch, D. revid. Bibel öbersetz.: NJbbPh. 148, S. 129-44. — 72) Fr. Jehle, Einige Bemerkungen zu d. durchges.
Lntherbibel: NKZ. 4, S. 579-612. (.Berichtigungen" [Drnclcversehen] dazu 8. 696.1 — 73) X Bibelrevis. u. Bibel übersetz.:
Grenzb. 1, S. 277-88, 307-19. - 74) X E. Beitr. z. Würdigung d revid. Lutherbibel: DEKZ. 7, S. 519-20. - 75) B. Bock,
Unterricht im kleinen Katechismus Luthers für Volks- u. höh. Schulen, sowie für Seminare u. kirchl. Unterweis. 5. uragearb.
Aufl. Breslau, Hirt. II, 275 S, M 3,00. - 76) A. Fricke, Handbuch d. Katechismus-Unterr. nach D.M.Luthers Katechis-
mus; zugl. Buch d Beispiele. Für Lehrer u. Prediger bearb. 2. Bd. D. 2. Hanptstück. 2. verb. Aufl. (= Päd. Bibl. 14. Bd.)
Hannover, C. Meyer. IX, 346 S. M. 4,00. — 77) L. W. Fricke. Katechismuslehre. E. Auslegung d. kl. lutherschen Kathe-
chismus für d. liebe dtsch. Christenvclk. 2. Aufl. Hannover, Feesche. 571 S. M. 4,00. — 78) K. A. Dächsei, Enchiridion.
D. kl. Katechismus Dr. Martin Luthers. Mit e. streng an d. Text sich anschliessenden u. dessen Inhalt sorgfältig entwickelnden
Erklärung in Frage u. Antwort. Wittenberg, Herrose. VIII, 232 S. M. 1,00. — 79) O X Th Schubert, Grundlinien d.
Konflrmandenunterr. nach M. Luthers kl. Katechismus. Halle a. S., Mühlmann. IV, 36 S M. 0,60 — 80) O X C. Fengler,
D. Konfirmanden-Unterricht, im Anschlass an d. kl. Katechismus Dr. M. Luthers dargest. L., Fr. Richter. III, 101 S. M. 1,40.
— 81) O XH. Stracke, Luthers Katechismus in ausgeführten Katechesen für Lehrende u. Laien. Oldenburg, Stalling. VI, 335 S.
M. 3,7.5. — 82) A. Frantz, Luthers Katechismus e. Schulbuch für unsere Kinder? Aus d. Erfahrung beantwortet (=: PZSP.
II 6:83-91 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
bares Schulbuch sei. Zwar sei es seiner Zeit ein recht verdienstliches Buch g-ewesen
— aber heutigen Tages? Diese weder musterg-ültig-e noch brauchbare Sprache mit ihren
„Ungeheuern von Sätzen", den groben Sprachfehlern, diesen Erklärungen, die immer
erst selber wieder der Erklärung bedürfen! Vf. hat bei den Schülern durch Nach-
fragen (!) festgestellt, dass ihnen die Katechismusstunden zu den unangenehmsten,
unerfreulichsten Unterrichtsstunden gehören. Und nun geht er Satz für Satz des
Katechismus durch und zeigt, wie dunkel, sprachwidrig, unzeitgemäss Ijuther sich
fast regelmässig ausgedrückt habe. Neben zahllosen sprachlichen Anstössen, die er
hier findet, verübelt er es z. B. auch Luther, dass er im 3. Gebot den „Sabbath" in
„Feiertag" umgesetzt hat, rügt es, dass er im 4. Gebot auch von den „Herrn" redet;
denn „wer war Israels Obrigkeit, zu der Zeit, als es die Gebote empfing ? Wer waren
die Vorgesetzten der einzelnen Israeliten?" Mit diesem Aufwand von Geist, Geschmack
und Verständnis, von dem sich Proben in Menge eitleren Hessen, wird dem Schul-
buben Luther sein Büchlein von einem „Kgl. Oberlehrer" durchkorrigiert und als ein
miserabel geratener Aufsatz mit schlechter Censur versehen. Auch die Wahrheits-
momente in dieser Kritik könnte man vergessen vor der unbeschreiblich geschmacklosen,
dem Herzschlag und der genialen religiösen Konzeption in Luthers Enchiridion völlig
verständnislos gegenüberstehenden Pedanterie. Aber man begreift, zu welcher Qual
den Kindern mit diesem Genius erteilte Katechismusstunden werden müssen.^^-sö^
— Gern flüchtet man von dem Schulmann Frantz zu dem Schulmann Bornemann^ß-^''),
um sich bei diesem Erfrischung und neuen Mut zu holen. Der weiss auch etwas
von den Schwierigkeiten, die Luthers Erklärungen dem Lehrer bereiten, und von der
Ermüdung, die durch die traditionelle Katechismusbehandlung entstanden ist. Aber
er ist von der genialen Kraft, die in dem Büchlein steckt, lebhaft durchdrungen und
sieht den hauptsächlichsten Schaden darin, dass man zu wenig nach dem ernsthaft
•gefragt hat, was Luther gewollt hat, und zu wenig von seinen Absichten sich hat
leiten lassen, „Zurück zu Luther" — so lautet hier die Parole und in tief ein-
dringender Auseinandersetzung und mit der Kraft freudigster Ueberzeugung zeigt er
an den beiden ersten Artikeln des 2. Hauptstückes, wie die Tiefe und Kraft der
Lutherschen Erklärung mit Verzicht auf den Ruhm eines lückenlosen dogmatischen
Systems katechetisch wirksam sich entfalten lasse. Er geht dabei von der Forderung
aus, dass man mit der „Zweiseelentheorie" breche, d. h. von der beliebten Art, erst
den Text des Katechismus nach dogmatischer Tradition zu behandeln und dann hinter-
her auch noch Luthers Erklärung nachhinken zu lassen, sich losmache; vielmehr möge
man entschlossen den ganzen Unterrichtsgang von Luthers Erklärungen aus kon-
struieren. Der Aufriss, den er in jeder seiner beiden Schriften für je einen der beiden
Artikel darbietet, wird auch solchen, die B.s Theologie nicht überall folgen können,
eine kräftige und gesunde Anregung bieten. Hier zeigt sich, was gerade in den
beiden „Satzungeheuern", über die Frantz nur zu klagen wusste, für eine Fülle
katechetischen lebensvollen Materials steckt. In der ersten beider Schriften erhält
der Leser auch einen interessanten Ueberblick über eine Fülle älterer und neuerer
katechetischer Litteratur. Von letzterer Schrift ist der Separatabdruck zu empfehlen,
da er um manche Zusätze der ersten Recension gegenüber bereichert ist^^^oj —
Für die Lutherbiographie ist der Abschluss des Koldeschen^^) Werkes
zu verzeichnen. Zum Lutherjubiläum 1883 hat er eigentlich seinen „M. Luther" aus-
gehen lassen wollen, aber doch die Arbeit zu diesem Zeitpunkt nicht bewältigen
können. Nur der 1. Band (bis 1521) erschien damals post festum, die Vorrede ist
vom 10. Okt. 1883. 1889 folgte die 1. Hälfte des 2. Bandes, 1893 die 2. Hälfte, die
auch für den ganzen 2. Band die Anmerkungen und Beweise sowie das Namen-
Register über das Ganze bringt — leider kein Verzeichnis der besprochenen Schriften
Luthers. Zwischen dem Erscheinen des 1. Bandes und der Gegenwart liegen so viel
neue Funde und neue Forschungen, dass naturgemäss jener nicht mehr den heutigen
Stand der Lutherforschung abspiegeln karm; für die 1. Hälfte des 2. Bandes hat K.
in den Anmerkungen noch vieles nachgetragen, für den 1. Band dagegen auf solche
Nachträge verzichtet. Die Vorzüge seiner Biographie sind bekannt. Der Verzicht
auf Vollständigkeit in dem Sinne, wie Köstlin sie anstrebte, ermöglichte ein schärferes
N. 30.) Gotha, Behrend. 32 S. M. 0,60. — 83) X Chr. Richter, D. Bau d. kl. Katechismus Luthers oder d. innere Zu
sammenhang d. fünf Hauptstüclce. L., Fr. Richter. 1891. IV, 278 S. M. 3,00. |[E. Chr. Achelis: ThLZ. 18, S. 334/0.]! —
84) X G- V- Eohden, Z. Gliederung des Lutherschon Katechismus. Mit Bezugnahme auf Ch. Richter: „IX Bau d. kl. Kate-
chismus Luthers": ZERU. 4, S. 108-26. - 85) X Th. Hardeland, Z. Auffassung d. Dekalogs in Luthers kl. Katechismus:
PBIIHKS. 35, S. 593 5. — 86) W. Bornemann, Z. katechet. Behandlung d. ersten Artikels im Lutherischen Katechismus.
Progr. d. Päd. z. Kloster U. L. Fr. Magdehurg. 40. 57 S. — 87) id., D. zweite Artikel im Lutherischen kl. Katechismus.
Fragen u. Vorschläge: ZPTh. 15, S. 1-32. (= Hefte z. ChrW. N. 10. L., Grunow. 44 S. M. 0,40.) - 88) X 0. Zuck, D.
Christi. Haustafel Dr. M. Luthers. E. Anleitung zu ihrer Behandlung auf d. Oberstufe im Anschluss an bibl. Lebensbilder in
Gesprächslehrform. Dresden, Külitmann. 63 S. M. 0,80. — 89) X H. Malo, Abspannen, abdringen, abwendig machen:
ZERÜ. 4, S. 228/9. — 90) X K. Ahrens, Was heisst „abspannen« in Luthers Erklärung z. 10. Gebot?: ib. 8. 149-50. — 91)
Th. Kolde, Martin Luther. E.Biographie. 2. Bd. 2. Hälfte. Gotha, Perthes. II u. S. 237-624. M. 6,00. HDEKZ«. S. 60/1 ;
G. Kawerau, Luther und die Reformation. TI 6 : 92-94
Hervorheben des Bedeutsamen, für die Entwickung der Person wie der sie umgebenden
Verhältnisse Wichtigen. Daneben ist die Zeitgeschichte stärker herangezogen; die
Charakteristik der Zeit, der Mitarbeiter und Gegner Luthers ist aus gründlichen
Studien der ganzen Zeitgeschichte erwachsen. Die gesamte Darstellung ist die koncise
und dabei durch kräftige Charakteristiken ausgezeichnete Verarbeitung mühsamer
Detailforschung. In vielen Einzelheiten ist die Forschung gefördert, und wo K., wie
meist, mit Köstlin zusammentrifft, ist es selbständige Bestätigung der Forschungs-
ergebnisse dieses. In den Anmerkungen steckt eine Fülle gelehrter Nachweisungen,
die den Ernst und die Ausdehnung seiner Vorarbeiten bekunden. Auch der Fach-
genosse findet hier immer wieder neue Belehrung. Gut gewählt sind die Einschnitte
für die 6 Bücher, in denen die Darstellung verläuft: 1517, 1521, 1525, 1530, 1537,
1546. Nur selten einmal wird der Erzähler zugleich zum Beurteiler der Handlungs-
weise Luthers; wo er es thut, wie bei dem Verhalten Luthers zu Landgraf Philipps
Doppelehe (S. 488), wird man anerkennen müssen, dass er auch dem geschicht-
lichen Standpunkt für die Beurteilung vollauf gerecht wird. Trefflich gelungen ist
die Art, wie charakteristische Worte Luthers in die Darstellung eingeflochten werden.
Die Auswahl dieser nur durch umfassendste Bekanntschaft mit den weitschichtigen
Werken des Reformators einzusammelnden Dicta verrät in besonderem Masse den
Kenner. — Einen sehr glücklichen Griff hat Hausrath^^-) mit seinem Büchlein über
die Romfahrt Luthers gemacht. Ist es immer schon eine anziehende Aufgabe, die
verstreuten zahlreichen Reminiscenzen an jene Reise aus seinen Schriften zusammen-
zutragen, so hat H. hier zugleich den guten Gedanken verwertet, ein altes Pilger-
buch, das für den Besuch der heiligen Stätten Roms als Fremdenführer diente, seiner
Rekonstruktion dieser Pilgerreise zu Grunde zu legen. Und H. versteht es, geschmack-
voll zu erzählen. Liesse sich auch aus Luthers Schriften noch manche, hier unent-
deckt gebliebene Aeusserung heranziehen, und bleibt auch sonst manches disputabel,
so ist doch ein höchst anmutig und anschaulich geschriebenes Büchlein entstanden,
das eine wirkliche Bereicherung der Luther-Litteratur bedeutet. Dabei ist die Be-
deutung jener Reise für Luthers damalige innere Entwicklung nicht, wie in populärer
Darstellung gewöhnlich geschieht, überschätzt, wohl aber ist die Bedeutung, die sie
später für ihn erlangte, gewürdigt. — Die kleine Schrift Rocholls^^^ ist jm wesent-
lichen ein Bericht über einen Besuch des Vf. im Trappistenkloster Oelenberg im
Ober-Elsass. Nur am Schlüsse dieses Berichts wird als Gegenbild in kurzen Zügen
Luthers Entwicklung zur Glaubensfreiheit während seines Aufenthalts im Kloster
gegenübergestellt, um der Betrachtung des katholischen Mönchsideals die evangelische
Beleuchtung zu geben. Ueber Luthers Mönchsleben selbst ist hier nichts Neues
geboten. —
C. von Höfler94) — wir sehen uns jetztinden ultramontanen Luther-
studien um — fühlt sich glücklich, von der Apologie des Wittenberger Poeten Simon
Lemnius gegen Luther, die wir schon längst durch einen Abdruck von 1767 kannten,
bei dem aber der Herausgeber Hausen thörichter Weise einige Stellen unterdrückt
hatte, die schon von Hausen benutzte Kopie wieder entdeckt und der Welt nun den
ganz vollständigen Text vorgelegt zu haben. Ob er dabei nicht doch etwas enttäuscht
gewesen sein mag? Man spürt seinem gegen Luther mit bekannter blinder Gehässigkeit
eifernden Vorbericht an, mit welcher Begier er sich auf die unterdrückten Stellen stürzte.
Was mussten da für gravierende Anklagen gegen Luther zu entdecken sein! Und was
ist nun Neues an den Tag gekommen? Nur dies, dass man nicht recht versteht, warum
Hausen jene Stellen nur punktierte. Mit der älteren Lemnius-Litteratur istH. nur massig
vertraut; für eine billige Beurteilung des harten Zorneseifers, der sich über Lemnius
ergoss, fehlt ihm jeglicher gute Wille. Er denke doch nur einmal, dass während
der Jahre des Kulturkampfes plötzlich der Schüler einer katholischen Hochschule
und Vertraute der massgebenden Persönlichkeiten einer gut katholischen Buchhändler-
firma ein Bändohen Gedichte, die von Schmeicheleien gegen Minister Falk strotzten,
als Kuckucksei ins Nest gelegt hätte, und dass sich dann allerlei sarkastische Verse
dieser Sammlung auf bekannte Persönlichkeiten der Stadt und der Partei beziehen
Hessen; würde es H. dann so unbegreiflich und entsetzlich finden, wenn die Partei-
häupter und Machthaber des Orts gegen den jungen Apostaten, der ihnen einen solchen
Schelmenstreich gespielt, recht grimmig aufbrausten und ihn ihren Zorn ordentlich
fühlen liesen? So stand es aber doch mutatis mutandis mit Lemnius und seinen un-
vermuteten Lobhudeleien auf Kardinal Albrecht. Ein alter Historiker wie H. sollte
doch eine solche Situation mit etwas geschichtlichem Verständnis und nicht nur mit
wohlfeilen Tiraden sittlicher Entrüstung erfassen können. Doch soll ihm dafür ge-
0. Z(öckler): EKZ. S. 590/l.]| — 92) A. Hausrath, M. Luthers Romfahrt. Nach e. gleichzeitigen Pilgerbuche orläut.
B., Grote. XIV, 99 S. M. 2,00. — 93) H. Koch oll, Lutherzelle u. Trappistenkloster. E. Betrachtung über Heiligung im
evang. u. kath. Sinne. (= ZFChrV. Bd. 18, Heft 6.) St., Belser. 27 S. M. 0,60. — 94) C. v. Höfler, D. Schutzschrift d.
Dichters S. Lemnius (Lemchen) gegen d. gewaltsame Verfahren d. Wittenberger Akad. wider ihn 1533: SBWQPragPh. S. 79-147.
II 6:95-99 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
dankt werden, dass er uns nun (S. 113—46) diesen neuen Abdruck der vollständigen
Apolog-ia geliefert hat. Nur dih-fte derselbe etwas sorg-fältiger sein: S. 130/1 ist sechs
Mal von dem Kanzler Brück (Pontanus) die Kede; H. druckt aber dreimal Pome-
ranus statt Pontanus!"^) — Auch Majunke^^) hat wieder einen stark gewürzten
Beitrag zur Lutherbiographie geliefert. Er hat sich über die von Euling 1891 heraus-
gegebene Chronik des Hildesheimers Oldekop hergemacht und sie auf Gehässigkeiten
gegen Luther durchforscht. Wie freut es ihn, dass auch Oldekop den Namen „Luder"
„bezeugt" ! Und wie wertvoll ist in seinen Augen die Nachricht, Luther sei nach
Rom gereist, um für 10 Jahre Dispens von seiner Ordenskleidung zu erhalten und
in Italien weiter zu studieren! M. setzt für „studieren" im Handumdrehen ein
„ein ungebundenes Leben zuführen" und dafür alsbald wieder „Glaubens- und Zucht-
losigkeit", und nun hat er den Schlüssel für Luthers Entwicklungsgeschichte gefunden:
erst versuchte er innerhalb der Kirche die Glaubens- und Zuchtlosigkeit einzuführen;
dann geht er, da dies bekanntlich „niemals" gelingt, zum offenen Angriff gegen die
Kirche vor. Wie sehr man dem Forscher M. immer auf die Finger sehen muss,
dafür nur ein charakteristisches Beispiel: versichert er doch (S. 268), Petrus Sylvius
stütze sich „auf das Zeugnis der eigenen Mutter Luthers" für seine Nachricht, dass
diese als Bademagd in Eisleben ihren Sohn in Unzucht mit dem Teufel erzeugt habe.
Bekanntlich beruft sich aber S.ylvius, als er 1534 diese Teufelsgeschichte mit biederem
Ernst vorträgt, auf eine „redliche gottesfürchtige (d. h. also in seinem Munde :
katholische) Weibsperson", die es ihm gemeldet. Diese Zeugin hat behauptet, es von
Luthers Mutter gehört zu haben. Aber diese Zeugin des Sylvius, deren Namen und Person
er verständiger Weise in Dunkel gehüllt hat, ist offenbar eine würdige Kollegin des
famosen Dieners N. N., auf dessen Zeugnis M. seinen Selbstmordroman aufgebaut hat.
— Der kleine Artikel von Kawerau ^""j greift zwei Stellen aus früheren Majunkeschen
Lutherstudien heraus, um an ihnen die Unkenntnis des Vf. und die Leichtfertigkeit
seiner Behauptungen zu beleuchten."*) —
Die Ueberleitung zu den Arbeiten über Luthers Theologie und Welt-
anschauung mögen die Schriften bilden, die sich mit seiner Stellung zur Ehe und
den das sexuelle Leben betreffenden Materien beschäftigen. Nicht aus dem ultra-
montanen, sondern aus dem Lager unserer modernen Naturalisten kam unerwartet
ein kräftiger Verstoss. Panizza*'-') wendete sein Dogma, dass ein Mensch, der erst
mit 42 Jaliren heiratet, notwendigerweise vorher aussereheliche Befriedigung seiner
Triebe gesucht haben müsse, auf Luther an und pries ihn darum, dass er angeblich
so oft und so ungeniert gethan und auch allen entgegenstehenden Kirchenlehren
zum Trotz eingestanden habe, gethan zu haben, „was jeder andere gesunde Mann in
diesem Fall ebenfalls thut", als einen „sittlich starken Helden". Es kann nicht
unsere Aufgabe sein, mit P. über sein Dogma von dem, „was jeder gesunde Mann
thut", hier zur verhandeln. Gespannt wai'en wir dagegen auf sein Beweismaterial.
Es ist doppelter Art. Einmal hat auch er die alten Ladenhüter vorgerückt, die
ultramontane Polemik gewöhnlich bereit liegen hat, wenn sie den „unkeuschen"
Luther abmalen will: von der „jungen" Frau Cotta an, der er den ersten Unterricht
in Frauenliebe verdanken soll, bis zu den apokryphen Versen aus Voss Musen-
almanach „Wer nicht liebt Wein usw." Hier würde sich P. sicher bei näherer Prüfung
leicht davon überzeugen, dass auch nicht eins dieser „Zeugnisse" stichhaltig ist. Um
so mehr wird er auf seine zweite Zeugenreihe Gewicht legen, eine Sammlung von
Citaten aus Luthers Schriften, in denen dieser von der Naturgewalt des Geschlechts-
triebes und von seinen Folgen redet, wenn ihm durch Satzungen, wie den
Cölibat, seine ordnungsmässige Befriedigung versagt wird. Aber er findet hier doch
nur die Behauptung, dass „das mehrer Teil" dieser Cölibatäre ihr Gelübde verletzen,
weil sie das „Brennen" nicht ertragen, und dass nur „fast wenig" in dieser Lage ihr
Gelübde halten. Von sich selbst sagt er offen heraus, dass er auch dies Brennen
gespürt habe und dass er „von sich nicht so viel habe, dass er sich enthalten könne".
Auf diese Stelle legt P. besonders Gewicht. Aber weiss er nicht, dass in Luthers
Weltanschauung dieses Bekenntnis von dem, was man aus eigener Kraft nicht ver-
möge, ein Korrelat hat? Es steht an der betreffenden Stelle (Erl. Ausgabe ^ 16, S. 52
— P. citiert: Vermischte Predigten, her. v. Enders 1817 [1. 1877], S. 156 ff\!) 6 Zeilen
vorher, von P. aber ausgelassen und nur durch Punkte bezeichnet: ..darum soll einer
seinen Herren Christum bitten und sprechen: Sieh, Heri', da bin ich, du weisst, dass
ich vergift bin in meinem Fleich und bedarf deiner Hülf". Luther kennt doch noch
einen anderen Rat als den ausserehelicher Selbsthülfe. — Gegen Panizza nur nebenher
(S. 43 ff.), in erster Linie dagegen gegen die ultramontane Behandlung dieses Kapitels
(Vgl. .TBL. 1892 II 8:102.) — 95) O S- Lemnius, Les Noces de Luther, ou la Monachopornomachie. Trad. du latin, ponr la
premifere foia avec le texte en regard. Paris, Liaenx. XX, 120 S. Fr. 25,00 — 96) P- Majunke, Oldekops Chronik.
(Luther u. d. Eeformation): HPBll. 112, S. 157-68, 263-78.) (S. o. N. 25) — 97) G- Kawerau, Bemerkungen zu
P. Majunkes Lutherforschungen: DEBll. S. 204/5. — 98) X H. Wedewer, Z. Frage nach Luthers Lebensende:
Llts. 1892, S. 321,6, 353/8. — 99) 0. Panizza, Luther u. d. Ehe. E. Verteidigung gegen Verleumdung: Ges. 9, S. 355-63.
fl
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 -. 100-109
hat Lutherophilus"''') — die Gegner werden sofort gespürt haben, wer unter
diesem Pseudonym mit ihnen Abrechnung- hält — sein vortreffliches Buch „Das
6. Gebot und Luthers Leben" geschrieben. In einem ersten Abschnitt erörtert er die
Anschuldigungen gegen Luthers „unanständige" Redeweise, indem er untersucht,
was jene Zeit für erlaubt hielt, öffentlich auszusprechen, und an den Beispielen von
H. Bebel, Poggius, Job. Pauli zeigt, was man in der Unterhaltungslitteratur vertrug,
an pädagogischen Schriften und an Predigten, was man auch der Jugend und der
zur Andacht versammelten Gemeinde unverhüllt meinte mitteilen zu können. (Eine
wichtige Ergänzung und Vorstudie dazu bietet der höchst instruktive Aufsatz
Walthers ^•^'J über die beliebten Predigten des Dominikaners Job. Herolt, der zu-
gleich zur Kritik von Quellencitaten in Janssen (Bd. I) einen sehr lehiTcichen Bei-
trag liefert.) Der Vf. zeigt dann weiter, wie viel decenter Luther redet als manche
Erzeugnisse der zeitgenössischen Litteratur, wie aber ein Teil seiner Derbheiten als
bewusster Cynismus eines durch Heuchelei und Unnatur gereizten, starken sittlichen
Bewusstseins zu erklären ist. Im folgenden Abschnitt behandelt er in wahrhaft ver-
nichtender Kritik die ganze, so oft siegesgewiss uns vorgeführte Zeugenschaft, auf die
man die Anklagen wegen Luthers Unsittlichkeit in That und Wort hatte begründen
wollen, vom Schiileiiiebesroman in Eisenach und der Erfurter Studentenliebschaft an
bis zu seinen unehelichen Kindern und seinen zweideutigen Dichtungen hin. Man
sieht hier einmal dicht bei einander so viel Verleumdungen, Entstellungen, gefälschte
Zeugnisse u. dergl., mit denen ultramontane Gehässigkeit fort und fort gegen ihn
operiert hat, dass man hier zugleich erbauliche Studien über die Waffen und die
Kampfesweise der Gegenreformation des 16. und auch noch des 19. Jh. anstellen
kann. Hoff'entlich unterlässt der Vf. die Fortsetzung nicht, die Beleuchtung- der an-
geblich so schrecklichen Lehren, die Luther über Dinge des ehelichen Lebens vor-
getragen haben soll. — Wie Luther seinen in der „Deutschen Messe" 1526 aus-
gesprochenen Wunsch nach einer Ausscheidung des rohen Haufens von denen, die
mit Ernst Christen sein wollen, seinen Gedanken einer zu sammelnden ecclesiola in
ecclesia, meinte verwirklichen zu können, zeigt Kolde"^^) aus Andeutungen, die in
Schwenkfelds Schriften sich darüber finden: er selbst wollte die „rechten" Christen
zu besonderen Gottesdiensten in der Klosterkirche sammeln, während der Kaplan
den anderen in der Pfarrkirche predigen sollte Es war doch gut, dass Luther diese
bedenklichen Pläne bald wieder fallen liess. — Unter den mancherlei Recensionen"^"^),
die Lipsius Buch über Luthers Busslehre (vgl. JBL. 1892 II 6 :74) besprechen, verdient
die von W. Herrmann, gegen den in erster Linie sich Lipsius gewendet hatte, ganz
besondere Beachtung. Neben williger Anerkennung mancher Vorzüge der Lipsius-
schen Schrift macht er doch gegen die dort vertretene Auffassung geltend, dass
sie teilweise Luthers Gedanken umdeute, teilweise, wo sie mit Luther überein-
stimmt, gleich diesem die eigentliche, sachliche Schwierigkeit ungelöst lasse. Aus
Luthers Lehrweise, nach welcher aus der Verkündigung, dass im Evangelium uns
die Gnade Trost anbiete, die Simiesänderung hervorgehen solle, sei ja das sinnlose
Vertrauen auf die Heilsmacht blosser Lehre erwachsen, eine Verkümmerung des
evangelischen Christentums, an der noch die Gegenwart schwer zu tragen habe. Dem
gegenüber sei zu betonen, dass Erlösung nur erfolge durch Erweisungen persönlichen '
Lebens. „Nur durch das persönhche Leben Christi und der Menschen, denen Christus
die Schlüssel des Himmelreichs gegeben hat, seiner Erlösten, kann der Sünder über
den Gesichtskreis der Sünde erhoben werden." Es ist sehr zu bedauern, dass durch
den Tod von Lipsius die weitere Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Mar-
burger Theologen abgeschnitten worden ist.'*'*"'*'^) —
Den offiziösen Abschluss der grossen Litteratur, welche die Renovierung und Ein-
weihung der Wittenberger Schloss kirche hervorgerufen hatte (vgl. JBL. 1892
II 6 : 60—70) bildet Wittes '"9) Schrift. Ausser dem Facsimile der Weiheurkunde mit
den Unterschriften der deutschen Fürsten bietet sie einen historischen Bericht über
die Schlosskirche in ihrer ursprünglichen Gestalt, über die Zerstörung der Kirche in
den Kriegen, ihre Wiederherstellung unter Friedrich Wilhelm III., über die Thesen-
thüren, die Friedrich Withelm IV. der Kirche stiftete, die Vorbereitungen zur Er-
neuerung in ihren verschiedenen Phasen bis zum Ausbau in der vom Kronprinzen
Friedrich veranlassten prächtigeren Ausführung. Ein ausführliches Referat über
(Auch schon Ges. 8, S. 1177. Dazu C. Fey in KirchlKorr. 1892, N. 35; 1893, N. 4.) — 100) Lutherophilus, D. 6. Gebot
n. Luthers Leben. Halle a. S., Niemeyer. 111 S. M. 2,00 —101) W. Walther, D. sechste Gebot u. Joh. Herolls Predigten;
NKZ. 3, S. 485-99. — 102) Th. Kolde, Luthers Gedanke von d. ecclesiola in ecclesia: ZKG 1.3, S. 487-512. — 103) X W.
llerrmann: ThLZ. S. 17-20; Ecke: ThLB. 14. S. 9; LCBl. S.274; H. .«Schmidt: ThLBI. 14, S. 173,5. —104) X A. Romann,
Luthers Bedentnng für d. Kirche Jesu Christi: KM. 12, S. 157-71. — 105) X B- 6- de Vries van Heyst, Luther zieh
zelf ontronw ten opzichte zijner leer van den aanvang der Mernrota? : ThT. S. 137-67. — 106) F. Pieper, Luthers doc-
trine of inspir.ition : PresbR. S. 249-66. — 107) X T. Hahn, Ob Luther wirklich ein Gegner d. „Homousios" gewesen?:
MNEKR. S. 21/8. — 108) X Luther d. Deutsche: 20. Jh. 1, 8. 216-20. - 109) L. Witte, D. Erneuerung der Wittenberger
Schlosskirche e. That evang. Bekenntnisses. Anf Grand d. anitl. Quellen dargest. Wittenberg, Herrose. 4". XII. 93 S.
Jahresbenohte f&r neuere deutsche Litteratnrgeschiobte. IV. (2)'S
II 6: 110-113 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
den Verlauf des Weihetag-es macht den Beschluss der würdig ausgestatteten Schrift.
— Die Urkunde der Einweihung selbst ist in doppelter photographischer Reproduktion,
in der Originalgrösse und verkleinert, in den Buchhandel gekommen^'^j In der ver-
kleinerten Form bildet sie auch die Beilage zu Wittes Festschrift."*''') —
Zu den beliebten Lutherfestspielen hat sich ein „Lutheroratorium" gesellt,
das von Neander^i^) darauf berechnet ist, mit einfachsten Mitteln Luthers Bild
einem Hörerkreise vorzuführen. Es ist eine geschichtliche Darstellung Ijuthers im
Spiegel deutscher Poesie, von einem oder mehreren abwechselnd zu deklamieren.
Je nach den vorhandenen Kräften können Chor- und Sologesänge eingelegt werden.
Gewiss ist damit eine Form der Festfeier geschaffen, die auch mit den bescheidensten
Mitteln, ohne Kostenaufwand und ohne das bedenkliche Drum und Dran einer
dramatischen Dilettantenaufführung herzustellen ist. Für eine gehobene Volksfest-
feier hat aber doch meines Erachtens Herrig den geeigneten Weg gewiesen, auf dem
die Mittel der dramatischen Darstellung in möglichster Vereinfachung erfolgreich
Verwendung finden können. —
Reformationsgruppen und Sekten. Mit dem engeren und weiteren
Kreise der Wittenberger Reformation beschäftigen sich zahlreiche Ar-
beiten. Unter den auf Melanchthon bezüglichen Arbeiten möge der schöne
Vortrag voranstehen, den der Jenenser Theologe Lipsius^^j (gest. 19. Aug. 1892)
als letzten öffentlichen Vortrag gehalten hat, und der aus seinem Nachlass publi-
ziert wurde, ohne dass er letzte Hand noch hätte anlegen können. „Er ist es
gewesen, der die Fluten der humanistischen Bewegung in das geregelte Strombett
der Reformation hin eingeleitet und dadurch die reichen Kräfte der humanistischen
Bildung der evangelischen Theologie und der neubegründeten evangelischen Kirche
dienstbar gemacht hat." Demgemäss behandelt er Melanchthon nach drei Beziehungen:
als Humanisten, als Theologen und als Kirchenreformator. An Universalität des
Wissens vergleicht er ihn mit Leibniz, nur dass das unmittelbare Verhältnis aller seiner
wissenschaftlichen Arbeiten zum praktischen Lehrberuf und zu der Erziehung der
Jugend ihn hoch über letzteren stelle. Als Theolog erreicht er die Höhe im
ersten kühnen Aufschwung in den Loci theologici von 1521. Doch hat er sich
hernach auf dieser Höhe nicht behaupten können: ei' selbst lenkt in den nachfolgen-
den Bearbeitungen der Loci in die traditionellen Bahnen der Sohuldogmatik zurück.
Freilich weist L. die durch Ritschi angebahnte Betrachtung Melanchthons als des
Mannes zurück, der für die verhängnisvolle Verwechslung des orthodoxen Dogmas
mit dem göttlichen Wort verantwortlich und somit der .erste konfessionelle Doktrinär
gewesen sei, der uns die Kirche in eine Theologenschule verwandelt habe. Aber
wenn ich ihn recht verstehe, bestreitet er doch nicht die Thatsache selbst, sondern
nur den Vorwurf, den man darum gegen Melanchthon erheben könnte. Denn er
erwidert darauf nur: man übersehe dabei, dass die reformatorische Bewegung sich
ihr Existenzrecht erst mühsam habe erkämpfen müssen, und dass es daher „ohne
Kompromisse mit dem Uebeiiieferten" nicht abging. Ich" glaube nicht, dass die,
gegen welche L. hier streitet, diese geschichtliche Erklärbarkeit des Thatbestandes
„übersehen" haben. In Frage würde nur kommen, ob es denn für den späteren
Melanchthon „Kompromisse" waren, die er in Erkenntnis der schwierigen Existenz-
bedingungen des Protestantismus einging, oder eine ihm selbst verborgen bleibende
Verdunklung und Umbiegung seiner eigenen evangelischen Grundbegriffe. Mit
gutem Rechte hätte aber L. daran erinnern dürfen, dass man Melanchthon darin
Unrecht thut, dass man diese Umbiegungen bei ihm so stark urgiert, bei Luther
selbst dagegen weniger beachtet, und ihn so im Gegensatz zu Luther zum Urheber
einer Deformation macht. Zur Erklärung der kirchen politischen Haltung Melanchthons
betont L., dass neben jener leicht zur Schwäche werdenden Nachgiebigkeit hier auch
seine konservative, immer an das Ueberlieferte anknüpfende Natur und sein
ökumenischer Zug in Betracht zu ziehen seien. Schliesslich preist er ihn als den
Vater der evangelischen Union, wobei jedoch meines Erachtens übersehen wird, dass
bei ihm dieser Unionszug der späteren Jahre zunächst nur der sehr begreifliche
Trieb ist, bei seiner im eigenen Lager durch seine Abendmahlslehre bedrohten
Stellung Bundesgenossen zu finden. Er möchte die Bruderhand den Reformierten
reichen, aber seine Union wäre sicher intolerant gegen die Lehre der Gnesio-
lutheraner. Man überschätze die Weitherzigkeit Melanchthons nicht! Wo seine
Leute vorübergehend die Herrschaft erlangt haben, haben sie ebenso engherzig
die Sache ihrer Partei betrieben wie die Gnesiolutheraner. — Der Lebensabriss
von Funks *i^) ist ein durch seine ruhige, rein wissenschaftliche Haltung aus-
M. 3,00. — HO) Urlc. über d. Einweihung d. erneuerten Schlosskirche zu Wittenberg vom 31. Okt. 1892. Mit allerhöchster Ge-
nehmigung her. ebda Fol. 4 Bll. M. 12,00. (Kl. Ausg. 4». M. 1,00.) — UOa) M. Fischer, Friedrich d. Weise u. d.
Schlosskirche zu Wittenberg: PKZ. 40, S. 330/1. (Auszug aus Köstlins Schrift [vgl. JBL. 1892 II 6:00],) — Hl) W. Neander,
M. Luther, d. dtsch. Reformator. D. Leben Luthers im Spiegel d. dtsch. Poesie. Hannover, (W. Otto). 32 S. M. 0,75.
|[AELKZ. 26, S. 875.]l — 112) K. A. Lipsius, Ph. Melanchthon: DRs. 73, S. 365-78. (Vgl. JBL. 1892 II 8:82.) — 113) F. X.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 114-119
gezeichneter Artikel. Sachlich gut orientiert, zeigt der katholische Kirchenhistoriker
das Bestreben, auch der Bedeutung Melanchthons voll gerecht zu werden. Er
erkennt an, dass ihm als Humanisten nächst Erasmus die erste Stelle in Deutsch-
land zukam. Aber auch seine Bedeutung für die Reformation wird in würdiger
Weise behandelt. Das Gesamturteil über seine kirchliche Haltung lautet dahin, dass
er der Neuerung im ganzen mit Ueberzeugung zugethan war und zugleich bei
starker Beeinflussung durch Luther selbständiges Urteil sich bewahrte. Seine Nach-
giebig'keit in Religionsverhandlungen, „die bis zur Verleugnung der reformatorischen
j Prinzipien geht", erklärt F. als eine sittliche Schwäche; ebenso deutet er sein Ver-
halten in Bezug auf Augustin, den Melanchthon öffentlich als Zeugen für seine
Rechtfertigungslehre aufrief, während ihm doch die Verschiedenheit der beider-
seitigen Anschauungen wohl bewusst war. Er hebt auch richtig hervor, dass
gerade Melanchthon gegen alles, was ihm Ketzerei ist, sofort nach der severitas
magistratuum ruft, um falsche Lehre zu strafen, nicht nur gegen Antitrinitarier wie
Servet, wo er die Exekution in Genf als pium ac memorabile ad omnem posteritatem
exemplum preist, nicht nur gegen Sektierer wie Schwenkfeld, sondern auch beim
Lehrstreit im eigenen Lager (z. B. CR. 9, S. 798); aber er ist unbefangen genug,
hierin nicht „protestantische Unduldsamkeit" als eine böse Frucht der Reformation,
sondern einfach ein Stehenbleiben auf dem Standpunkt des Mittelalters zu erblicken.
— Eine schöne, wertvolle Ergänzung zu seinem „Melanchthon als Praeceptor Ger-
maniae" (Berlin 1889), zu dem wir noch einige Besprechungen nachtragen '^*),
liefert Hartfelder ^1^) in seinen Melanchthoniana Paedagogica. Er bringt hier:
I. 3 Schulordnungen Melanchthons zum Abdruck (Eisleben 1525, Nürnberg 1526,
Herzberg~-1538); 2. 28 Briefe von, an und über Melanchthon; 3. Aktenstücke zur
Geschichte der Universität Wittenberg; 4. Wittenberger Studentenbriefe aus den
J. 1520 — 25; 5. den Entwurf der theologischen Promotionsordnung für Frank-
furt a. 0. von 1546; 6. einen Cisiojanus Melanchthons; 7. 12 Gedichte zum Teil aus
früher Zeit (1513, 1516, 1518); 8. interessante Aussprüche und Erzählungen
Melanchthons, wie sie namentlich aus seinen Vorlesungen gesammelt wurden;
9. Biographisches, teils aus seinen eigenen Erzählungen, teils aus einer hs. Vita, die
sich in Hannover befindet; 10. zahlreiche Ergänzungen zur Bibliographie im CR,;
II. Aufklärungen über die in antiquarischen Katalogen öfters angebotenen Drucke
„aus Melanchthons Bibliothek", „mit Randbemerkungen von Melanchthons Hand";
diese weisen alle auf den englischen Auktionskatalog der Klossschen Bibliothek (aus
Frankfurt a. M.) London 1835 zurück, gegen dessen betrügerische Angaben aber
schon Kloss selbst im Serapeum (2 [1841], S. 169 ff.) Protest erhoben hat; 12. Lob-
gedichte und Epitaphien auf Melanchthon (19 Nummern). Sorgfältige Register
beschliessen den reichhaltigen und wertvollen Band, der eine schöne Nachlese zum
CR. gewährt, teils Ungedrucktes, teils aus seltenen Drucken ans Licht Gezogenes.
Dabei ist neben dem biographischen und bibliographischen Interesse die Beziehung
auf den Praeceptor Germaniae bei der Auswahl massgebend gewesen: seine Thätig-
keit an der Universität und für das Universitätswesen, seine Verdienste um die
Begründung und Organisation der Lateinschulen, seine Stellung zu den Wissen-
schaften. Für das Einzelne muss ich auf die Recensionen verweisen; besonders auf
Kaweraus^'^) eingehende Besprechung. — Das städtische Museum in Nordhausen
besitzt in Nachschrift Melanchthons Diktat der Epitome Ethices, datiert Pridie Nonas
Dec. 1532. Heineck ^i"*) bringt sie zum Abdruck. 1538 hat Melanchthon selbst
sein Diktat zum ersten Male in Druck gegeben, dann häufig wieder in mannigfacher
Ueberarbeitung. Das CR. (16, S. 21 ff.) bringt den Abdruck der Ausgabe von 1546. Da
nun Melanchthon sicher 1532 über die Ethik des Aristoteles las — die Absicht hatte
er schon 1527—28 (vgl. CR. 1, S. 888) — , so ist wahrscheinlich, dass in der Nord-
häuser Hs. uns seine Epitome in ihrer ältesten Gestalt erhalten geblieben ist. H.
hätte freilich gut gethan, uns seinen Abdruck des Textes von 1532 in beständiger
Vergleichung mit der Editio princeps von 1538 zu geben. Man ist jetzt nur auf den
Vergleich des Textes mit dem mehrfach überarbeiteten von 1546 angewiesen. Viele
Sätze des Diktates kehren noch 1546 wörtlich wieder; aber es finden sich auch
erhebliche Erweiterungen und Umarbeitungen. Es sei hier hervorgehoben, dass
Melanchthon schon 1532 in dem Abschnitt „Licetne privatis tyrannos interficere?" in
einer Reihe von Fällen den Tyrannenmord billigi;; auch hier schon ist speciell Teils
Selbsthülfe als defensio in privato periculo — si atrox injuria et notoria est — (S. 162)
in Schutz genommen. — Vogt * '8) teilt aus Hs.-Band I der Landeshuter Kirchen-
V. Funk, Ph. Melanchthon : WetzerWelteKirchenlex. 8, S. 1198-1213. — 114) X G- Orterer: HJb. 13, S. 812-22; O. Kawerau:
HZ. 68, S. 325,8 (vgl. JBL. 1892 11 8:80). — 115) K. Hartfe"ldor, Melanchthoniana Paedagogica (?gl. JBL. 1892
I 10:19). |[HJb. 14, S. 215,6; H. Holstein: NJbbPh. 63, S. 568-71.]! — 116) G. Kawerau, Z. Melanchthon-Litt. :
ThLBl. 14, S. 1/3, 17,9. — 117) H. Hei neck, D. älteste Fassung t. Melanchthons Ethik. Z. ersten Mal her.:
PhilosMh. 29, S. 129-77. j[ThLBl. 13, S. 39.J| (Als Sonderabdr.: B., B. Salingor. 55 S. M. 1,00.) (Vgl. U 7 : 47.;
— 118) 0. Vogt, Ungedr. Schriften v. Pommern an Melanchthon: BaltSt. 42, S. 1-30. — 119) N. Müller, MelancUthonianu
(2)8*
II 6:120-126 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
bibliothek einige Schreiben des Theologen Jakob Runge an Melanchthon und Peucer
aus den J. 1553—58, einen Brief des jugendlichen Herzog Ernst Ludwig von 1559
und ein Schreiben Lorenz Mollers, Rektors der Andreasschule in Hildesheim, mit.
Er benutzt zugleich diese Publikation, um Hartfelders „Melanchthon als Praeceptor" in
einem Punkte zu vervollständigen: es sind dort nämlich die Beziehungen Melanchthons
zur Greifswalder Universität übersehen oder übergangen. S. 9—12 giebt V. zur Aus-
füllung dieser Lücke reichhaltige Nachweisungen. — N. Müllerei'') hat in der
Katharinenkirche in Brandenburg a. H. Bücher und Hss. aus dem Nachlasse des 1574
verstorbenen Superintendenten J oh. Garcaeus bezw. seines in dem gleichen Amte 1633
verstorbenen Sohnes Joach. Garcaeus entdockt; ebenso den hs. Nachlass des Schwieger-
vaters des letzteren, des bekannten AnJr. Musculus. Er teilt daraus einen Aufsatz
vom J. 1550 De electione ministrorum Evangelii et de publice ritu ordinationis eorum
mit, den Melanchthon verfasst, Joh. Forster und G. Major mitunterzeichnet haben;
ferner eine Responsio Melanchthons „ad calumnias Islebii" (Joh. Agricolas) vom
26. Jan. 1560, an den Berliner Propst Buchholzer gerichtet, von nicht misszuver-
stehender Grobheit gegen die „närrische Gans", den Eisleben, der totus ex mera
asinina justitia et superstitiosa arrogantia ventreque epicureo conflatus est. Es betrifft
die Zänkereien, die Agricola gegen Melanchthon wegen des Satzes von der Not-
wendigkeit der guten Werke fortsetzte. Als 3. Stück bringt er uns aus einem in
Venedig aufbewahrten Stammbuch des Mag. Heinrich Piperites den dort eingetragenen
Brief Melanchthons vom 9. Nov. 1542, dessen Adressat leider dort nicht genannt ist.
Er enthält eine Unterweisung über die Erfordernisse für den orator in ecclesia, mit
charakteristischer Schilderung der Predigtweise Luthers. — Die Zahl der schon be-
kannten Gutachten Melanchthons in Ehesachen vermehrt DisteP^*^) durch ein solches
von 1556. — Latendorf '2ij berichtet über die Aufzeichnungen, die Hartimg Tischer
aus Kulmbach, 1557 in Wittenberg immatrikuliert, in ein Exemplar von Ebers Kalen-
darium (jetzt in Halle, Univ.-Bibl.) eingeschrieben hatte, als er Melanchthons Vor-
lesung über Carions Chronik, im Winter-Semester 1557 — 58 anhörte, und vergleicht
diese Nachschriften mit dem Drucke im CR. (12, S. 712 ff.). — Zu Gedichten
Melanchthons , in denen K. Albrecht Inedita entdeckt zu haben meinte , liefert
Endersi223 den Nachweis, dass sie schon im CR. (10, S. 652, N. 341; 7, S. 965
N. 5075) zu lesen waren. — Seh äff '^^j behandelt die freundschaftlichen Beziehungen
zwischen Melanchthon und Kalvin als a testimony that a deep spiritual union and
harmony may co-exist with theological differences. Ihre persönliche Begegnung fand
zuerst 1539 in Frankfurt a. M. statt, wurde dann in Worms und Regensburg 1540
und 41 wiederholt. Die gegenseitigen Fi;eundschaftsbezeugungen werden zusammen-
getragen — nicht in gleicher Genauigkeit die Zeugnisse der seit dem Abendmahls-
streit mit Westphal erfolgten Abkühlung. Ich verweise nur auf den hier ganz über-
gangenen Brief Kalvins vom 5. März 1555 (Bindseil, Supplementa S. 373/4). Wie
teuer aber der lutherischen Kirche damals diese Freundschaftsepisode zu stehen
gekommen ist, wie verhängnisvoll es wurde, dass Kalvin sich auf Melanchthons
Einverständnis öffentlich berief, Melanchthon sich aber in immer scheueres Schweigen
hüllte, darauf wird nicht weiter reflektiert. —
Für Bugenhagen hat Buchwaldi24j ^uf der Suche nach hs. Predigten
Luthers in Nürnberg (Mss. Solger) 13 Nachschriften von Predigten gefunden, von
denen drei (aus den J. 1529 und 32) sicher Bugenhagen angehören; bei verschiedenen
anderen derselben Sammlung ist seine Autorschaft wahrscheinlich. Sodann weist
B. aus der Zwickauer Ratsschulbibliothek eine zwar bereits gedruckte, aber sehr
seltene Predigt Bugenhagens von 1529 über die Taufe nach, an deren Schluss der
Prediger die Mahnung ausspricht, nur Einen Paten zu nehmen; die grosse Zahl der
Paten sei vom Uebel. — Die mir nicht vorliegende Arbeit'25) über Bugenhagens
Gottesdienstordnung von 1524 beschäftigt sich offenbar mit der von einem speku-
lativen Buchdrucker herausgegebenen, angeblich von Bugenhagen gebrauchten Liturgie,
die dieser selbst hernach entschieden desavouierte. Ob der Vf. dies Pseudepigraphon
erkannt hat (es hat schon manchen irre geführt), vermag ich nicht zu sagen. —
Das 400 jährige Jubiläum des Justus Jonas hat allerlei Festschriften ver-
anlasst. Die Studie von K. Meyer'^ej ist im Hauptteile nach Presseis Biographie
und Kaweraus Briefwechsel des Jonas gearbeitet, bringt aber am Schlüsse von der
Hand des kundigen Lokalforschers einige dankenswerte Nachrichten über die Familie
uns Brandenburg !i. II. n. Venedig: ZKG. 14, S. 133-42. (Vgl. II 7:46.)— 120)Th. Distel: V. Melanchthons Iliind geschriebenes
BedonVen in d. Ehesache d. Grafen Ladislaus zu Haag (1556): DZKE. 1, S. 406/7. — 121) F. Latendorf, Melanchthon iana.
Aufzeichnungen e. Wittenberger Studenten ans d. J. 1558-60: CBlBibl. 10, S. 483,6. — 122» L. Enders, Zu d. Gedichten Melanch-
thons in dieser Zeitschrift (65, S.178fr.) Berichtigung: ThStK. (56, S. 599-000. (Vgl. II 7:43.) — 123) Ph. Schaff, The friendship
of Kalvin and Melanchthon: PASChH. 4, S. 141-63. — 124) G. Buchwald. Unbekannte Bngenhagenpredigten. gefunden in d.
Nfirnberger Stadtbibl. u. in d. Zwickauer Ratsschulbibl.: ThStK. 05, S. 339-42. 125 1 Bugenhagens Order of seryice of 1524:
LnthChR 1891, S. 288-93. — 126) K. Meyer, Festschrift z. Jubelfeier d. 400j. Geburtstages d. Dr. J. Jonas am 5. Juni.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 127-134
des Jonas (Koch), sein Geburtshaus, seinen Jugendfreund Melchior von Aachen
(Ocha), den Grabstein der Eltern und über das in Wolfenbüttel befindliche Luther-
Jonas-Glas. — Ist diese Schrift speciell für die Feier in Nordhausen als der Geburts-
stadt des Jonas bestimmt g-ewesen, so der hübsche Aufsatz von Ger mann '2') für
die Erinnerung an Jonas letzte Aemter in Koburg und Eisfeld und seine Superinten-
dentur über das Meininger Gebiet. Die hierher gehörigen Erinnerungen aus
seinem Leben sind daher besonders hervorgehoben. — Bahlow^^^) hat einen
längeren Festartikel geschrieben; Kawerau'^i») einen solchen für die Leser der
ChrW. (seine Autorschaft sei hier besonders festgestellt, da die ThLZ. [18, S. 559]
die Namenschiffre irrig als „Gustav Krüger" gedeutet hat). Hier sind besonders
die F"'ortentwicklung Jonas aus einem Erasmianer zum Lutheraner, sein eigenartiger
Anteil an der Reformationslitteratur als eines Hauptübersetzers der Schriften Luthers und
Melanchthons aus dem Deutschen ins Lateinische und umgekehrt, sodann seine
schwierige Position in der Zeit nach Luthers Tode und die unvermeidliche Erkaltung
der freundschaftlichen Beziehungen zu Melanchthon hervorgehoben. —
Der erste Band einer wissenschaftlichen Biographie über Wenzeslaus
Linck, Luthers gleichaltrigen Ordensbruder und Freund, erschien aus Reindells'^'')
Feder. R. behandelt auf Grund tüchtiger Vorstudien zunächst die Zeit bis 1522,
also bis zum Ende von Lincks General vikariat über die deutsche Augustinerkongregation
und bis zu seinem Amtsantritt im Predigtamt zu Altenburg, dem dann 1523 die Ehe-
schliessung und damit das defimtive Ende seines Mönchslebens folgte. In einem
Anhange (S. 223 — 89) werden bisher ungedruckte oder schwerer zugängliche Documenta
Linckiana abgedruckt, andere in Regestenform mitgeteilt, sie geben von den um-
fänglichen Forschungen R.s Zeugnis. Einzelne Berichtigungen bringt die Anzeige von
Kawerau, die den begabten und fleissigen Vf. aber auch wegen der hoffärtigen Kritik
seiner Vorgänger Caselmann und Bendixen und wegen der unwürdigen Behandlung,
die L. Enders zu teil wurde, zur Rede stellt. In letzterer Beziehung hat der Vf.
hinterher (ThLZ. 18, S. 292) sich zu entschuldigen bemüht. —
Am 26. Dec. 1891 feierte Gotha das 400 jährige Jubiläum des Reformators
Friedrich Myconius, des ehemaligen Annaberger Franziskaners, — freilich wohl
ein Jahr zu spät, da nach bekannter Weise, mit Weihnachten die neue Jahreszahl zu
schreiben, der 26. Dec. 1491 nach unserer Art zu rechnen das J. 1490 meint. Das
Jubiläum veranlasste die populäre Schrift von 0. Müller '3') in Gotha und den gut
geschriebenen Artikel von Kreyenberg'^^^. Die wissenschaftliche Erforschung der
Lebensgeschichte dieser besonders liebenswürdigen und sympathischen Persönlichkeit
unter den Reformatoren ist nicht weiter geiördert worden. — Dankenswert ist die
Biographie, die der Mathematiker Cantor^^S) (jem ehemaligen Augustiner, dann
evangelischem Prediger, dem Apokalyptiker und verdienten Mathematiker M. Stifel
gewidmet hat. Zwar folgt er für die Darstellung der Lebensgeschichte lediglich den
Arbeiten von Strobel und Kawerau, bietet dafür aber wertvolle Belehrungen über die
wunderliche Methode der apokalyptischen Rechnungen Stifels und über seine wirk-
lichen Verdienste um die Mathematik. (Zu Stifels Flucht aus Esslingen 1523
s. Bosserts Notiz in BWKG. 8, S. 80.) — N. Paulus »34) hebt aus des Urban
Rhegius „Enchiridion oder Handbüchlein eines christlichen Fürsten" 1537 den Ab-
schnitt „Ob man die Leute zum Glauben zwingen kann" heraus, ebenso Abschnittte
aus seinem Handbüchlein für die Söhne des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg
1540 und aus seinem Bedenken über die Wiedertäufer 1538. Aus ihnen erhellt un-
zweifelhaft, dass er lehrt: Zwar könne man niemand zum Glauben zwingen, aber
doch zum Anhören der Predigt. Falscher Gottesdienst lasse sich abschaffen, falsche
Lehre verbieten. Und die Pflicht hierzu liege dem Fürsten als eine Pflicht gegen
die erste Tafel des Dekalogs ob. Er geht auch weiter und lehrt: Oeffentliche Ketzer
sind mit dem Schwert zu strafen; denn Ketzerei ist ärger und schädlicher als Dieb-
stahl, Ehebruch und Totschlag. F. X. von Funk würde zu solchen Expektorationen
evangelischer Theologen sagen (s. 0. N. 113): Sie stehen noch ganz auf dem Stand-
punkt des Mittelalters. Janssens Schüler sagt dagegen: „So wurde schon im Katechismus
den jungen protestantischen Fürsten die Unduldsamkeit ans Herz gelegt" und jammert
über den drückenden Despotismus, den die Reformation erzeugt habe. Die Sache ist
doch nur die, dass im Mittelalter die katholische Kirche allein über die Fürsten-
gewalt verfügt hatte, jetzt aber unter den mannigfaltigen kirchlichen Spaltungen die
Mlt3Abbild. Nordhausen, Fr. Eberhardt. H, 64 S. M. 1,00. — 127) W. Gerraann, Dr. J. Jonas: HildburghansenerDorfzg«. N. 23.
— 128) F. Bahlow, J. Jonas: KZ. 40, S. 534-40. — 129) G. Kawerau, J. Jonas. Z. 5. Juni 1893: ChrW. S. 548-52. —
130) W. Reindell, Dr. W. Linck aus Coldilz. 1483-1547. Nach gedr. u. ungedr. Quellen dargest. 1. T : Bis z. reformator.
Thätigkeit in Altenburg. Mit Bild. u. e. Anh , entb. d. zugehörigen Documenta Linckiana 1485-1522. Marburg i. H.. Ehrhardt.
1892. XIV, 2S9 S. M. 4,50. |[G. Kawerau: ThLZ. 18, S. 193 6 (dazu S. 292;; K. Bendixen: ThLBl. 14, S. 468; H. Lösoh-
horn: MHL. 21, S. 261 2.] I - 131) 0. Muller F. Myconins. (= FFFGAV. N. 150.) Barmen, Klein. 1892. 12«. 52 S. M. 0,20.
|[PKZ. 39, S. 437.JI — 132) G. Kreyenberg, F. Myconius: Grenzb. 1892: 1, S. 114-27. (Vgl. JBL. 1892 I 10:23,5.) — 133)
G. F. L. Ph. Cantor, M. Stifel: ADB. 36, S. 208-16.- 134} N. Paulus, Urban ßhegius über Glaubenszwang u. Ketzerstrafen:
I 6 : 135-142 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
verschiedensten Parteien die Obrig-keit im Interesse dessen, was ihnen dort „katholische
Wahrheit", hier „reine Lehre" war, in Aktion setzten. Jetzt bekamen auch die
Katholiken unter Umständen die Zweischneidig-keit jener mittelalterlichen Theorie zu
spüren. Instruierten denn etwa die von P. behandelten Pelarg-us oder K. Braun
(s. o. N. 14, 18) die Fürsten anders als es hier Rhegius that? Recht gut hat über
Rhegius in dieser Beziehung schon Uhlhorn in seiner Biographie (1861, Ö. 214 ff.) ge-
handelt. Auch ist es ein Trugschluss, wenn P. ausführt: „Im Namen der Gewissens-
freiheit" sei doch Rhegius seiner Zeit gegen die Autorität der katholischen Kirche
aufgetreten, hätte er nun nicht auch anderen dieselbe Freiheit zulassen müssen? Denn
unsere moderne, durch viele Kämpfe errungene Anschauung- von Gewissensfreiheit
kennt bekanntlich kein katholischer und auch kein evangelischer Theologe der Re-
formationszeit. Das könnte und sollte P. wissen, — dazu hat er jetzt lange genug
Reformationsgeschichte studiert. — Ka w erau '^5) veröffentlicht den Brief, den Andreas
Oslander Ende April 1524 an die Strassburger schrieb (aus dem Thesaurus Bau-
mianus), in dem er über die gottesdienstlichen Reformen in Nürnberg Bericht giebt. —
üeber Hermann Bonnus, einen Hauptrepräsentanten des Luthertums im
niedersächsischen Sprachgebiet (Lübeck, Osnabrück) hatte Spiegel '^^) schon 1864
ein Buch geschrieben. Jetzt hat er es in neuer Bearbeitung wieder ausgehen lassen.
Unverkennbar ist es an vielen Punkten gegen die frühere, recht nachlässig- und un-
genügend vorbereitete Gestalt verbessert worden; wertvolle Bereicherungen sind hin-
zugekommen, aber man hätte doch nach 27 Jahren Zeit zur Nachreife etwas Ab-
schliessendes und Vollständiges erwarten können. — Wie wenig- das wirklich er-
reicht ist, haben dem Vf. die Recensionen gezeigt, die ihm Fehler und Ueber-
sehenes mancherlei Art nachwiesen und auch den Umstand rügten, dass er den
Recensenten seiner 1. Auflage, der ihm so vieles schätzbare Material nachgewiesen
(Grote in der ZHistTh. 1866, S. 435 ff.), nicht einmal erwähnt hatte. Er hat darauf freilich
geantwortet, dass er dies Material zumeist auf anderem Wege kennen g-elernt habe ;
um so mehr hätte er dann den bösen Schein meiden sollen. Dankenswerte Zugaben
hat die 2. Auflag-e erfahren: Des Bonnus Schreiben an den unordentlichen Rat
1534, den plattdeutschen Katechismus von 1539, eine plattdeutsche Predigt, das
Testament des BonnuS und mehrere Korrespondenzen. Für anderes ist auf die Re-
censionen zu verweisen. — Noch gerade rechtzeitig, um von Spieg-el noch benutzt
werden zu können, erschien der in der Paulinischen Bibliothek zu Münster befind-
liche Bericht, den des Bonnus Bruder Gerlach über seinen Tod und sein Begräbnis
aufg-esetzt hatte, im Druck '3'). — Das „geistliche Lied", das einen Neudruck
zu erbaulichem Zweck erfuhr^^^), ist des Bonnus bekanntes Lied „O wir armen
Sünder." 139) —
Dem Reformator Rostocks, Joachim Slüter, widmet Unruh '4**) eine kleine
populäre Arbeit, die an der Tradition festhält, dass er 1532 durch den Genuss ver-
gifteten Weines gestorben sei, eine Annahme, der von anderer Seite entschieden
widersprochen wird. Von der Wirksamkeit Slüters wird hier nur ein sehr un-
genüg-endes Bild gegeben. —
Buddes'*^) sorg-fältige kleine hymnologische Studie macht gegen Tschackerts
Ang-aben über die Liederdichtung- des Paul Speratus einige Einwendungen. Lässt
dieser (vg-l. JBL. 1891 II 6 : 70; S. 13) das Lied „Es ist das Heil uns kommen her"
schon im Gefängnis zu Olmütz gedichtet sein, so macht B. wahrscheinlich, dass es
erst nach seinearAnkunft in Wittenberg (Herbst 1523) direkt auf Anreg-en Luthers
verfasst wurde. Für andere Lieder aber (1527), die Tschackert gleich älteren
Hymnologen Speratus beilegt, bezeugt B. aus dem bei Wackernagel vorliegenden
Beweismaterial, dass vielmehr der Franke Kasp. Löner der Dichter gewesen ist. —
Ein fast verschollenes schönes und, weil von Laienhand stammend, doppelt wert-
volles evangelisches Bekenntnis hat T seh ackert ^^^j durch einen Neudruckzu verdienter
Beachtung gebracht: Die Aufforderung, die der Ordensritter Fried rieh von Heideck
1526 an den Deutsch-Ordensmeister W. von Plettenberg in Livland richtete, die
Reformation einzuführen (vgl. Tschackerts Urkundenbuch zur Reformationsgeschichte
Preussens 2, S. 148, N. 434 und besonders 1, S. 186/9, wo bereits eine ausführ-
liche Inhaltsangabe gedruckt ist). Nur ein einziges vollständiges Exemplar ist noch
IIPBU. 109, S. 817-30. (Vgl.JBL. 1892 II 1 : 59.) -135) G. K a w e r a u , Oslander an d.Strassbnrger ca. Ende April 1524 : ZKG. 13, S.390;2.
— 136) B. Spiegel , H. Bonnns, erster Superintendent v. Lübeck u. Reformator v. Osnybrnck, nach seinem Leben und seinen Schriften
dargest. Nebst 14 Anlagen n. 1 Bild. 2. nmgearb. u. vervollst. Aufl. Göttingen, Vandenhoeclc & Ruprecht. 1892. VIII,
211 S. M. 4,00. |[G. Bessert: ThLZ. 17, S. 261/2; 18, S. 171/2; G. Kawerau: DLZ. 1892, S. 522/5; DPBl. 26, S. 100/1.]| —
137) H. Bonnus Tod u. Begräbnis: MVGOsnabrück. 16, 8. 256-64. — 138) H. Bonnus, E. geistlich Lied v. Leiden Christi:
AELKZ.26, S. 297/8. — 139) Hans Sachs, Z. Reformationsfest: ib. S. 1079. (Neudruck.) — 140) Th. Unruh, Slüter aus Rostock.
E. Reformationsbild aus Rostock. (= FFFGAV.N. 152.) Barmen, Klein. 12". 16 S. M. 0,10. - 141) K. Budde, P. Speratus als Lieder-
dichter. 2 Randbemerkungen zu Tschackert, P. Speratus v. Rötlen : ZPTh. 14, S. 1-16. — 142) P. Tschackert, F. Herr zu Heideck,
Christi. Ermahnung an Hrn. Walther v. Plettenberg, d. deutschen Ordens-Meister in Livland. Königsberg 1526. Mit e. Einl.
her. V. d. Altertumsges. Prussia. (Aus SBPrussia.) Königsberg i. Pr. (Beyer). 1892. 44 8. M. 1,00. (Vgl. JBL. 1892 II 5b: 19.)
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 = 143-150
bekannt, daher ist der Neudruck besonders dankenswert. Er interessiert aber auch
um des Vf. willen, der hier noch völlig' in den Gedanken der Reformation Luthers
heimisch ist — bis hin zur Abhängig-keit von Luthers De servo arbitrio — : bald
hernach sehen wir ihn Schwenkfeldianer werden und seinen bedeutenden Einfluss
g-anz in diesem Sinne aufbieten. —
Auf die Persönlichkeit Christoph Heg-endorfs, dem wir nach einander
als Humanisten und Juristen in Leipzig, in Posen, dann an der Frankfurter Uni-
versität begegnen, darauf als Syndikus in Lüneburg", zeitweise auch in Rostock,
wo er bereits eine theologische exegetische Vorlesung hält, schliesslich wieder in
Lüneburg", aber jetzt als Stadtsuperintendenten (gest. 1540), hatte neuerdings Kawerau
in seiner Schrift „Zwei älteste Katechismen" (vg"l. JBL. 1891 II 6 : 25; 7 : 32) auf-
merksam gemacht. HenscheP'*^) ist den Spuren des interessanten vielseitigen
Mannes und Schriftstellers im Interesse der Reformationsgeschichte der Provinz
Posen weiter nachg"egangen.'**) — Der biographische Artikel über Georg Major, den
Fritz '*^) g-eschrieben hat, verrät keinerlei tiefer g-ehende und aus den Quellen g"e-
schöpfte Studien. —
Ganz anders die Schrift, die über den bekannten Theologen, Liederdichter
und streitbaren Polemiker Erasmus Alberus jetzt Schnorr von Carolsfeld**^)
veröffentlicht hat. Jahrelange mühsame Forschungen nach archivalischem Material,
die Herbeischaffung der verstreuten spärlichen Reste seines Briefwechsels, vorzüg-
liche Akribie in der Feststellung des bibliographischen Apparates bilden die Unter-
lage. Den verschlungenen, mehrmals in Dunkel gehüllten Wanderungen des so
oft Stellung und Wohnort wechselnden Mannes ist sorgsamst nachgespürt. Mit der
äussersten Voi'sicht ist Sicheres und nur Vermutetes geschieden. Dabei ist der Vf.
dem kecken, kampfesfrohen Luthertum des Alberus, auch seinen Schärfen, mit ge-
schichtlichem Sinn und mit Sympathie für den Mann gerecht geworden. Die Bei-
lagen (von S. 159 an) bieten den Ertrag jener mühevollen Forschungen auf Archiven
und Bibliotheken in einem musterhaft korrekten Abdruck dar. Wenn gleichwohl dem
Leser diese Arbeit so grosser Mühe und so langen Studiums eine gewisse Ent-
täuschung bereitet, so ist daran der notizenhafte, chronikalische Charakter der Zu-
sammenfügung schuld. Dieser erinnert etwas an den der Seidemannschen historischen
Arbeiten: lauter wertvolle, gesicherte Einzelangaben, aber die Umsetzung des Ge-
schichtsforschers in den aus den Einzelheiten ein künstlerisches Bild schaffenden
Darsteller möchte man gern noch mehr spüren. — Letzterer Aufgabe wird in weit höherem
Masse der Aufsatz von W. Kawerau'^"*) über Alberus Aufenthalt und litterarische
Wirksamkeit in Magdeburg gerecht, der gleichzeitig, unabhängig von Schnorrs Buch,
erschien. Zwar wird dieser frisch und anschaulich geschriebene Aufsatz in Einzel-
heiten durch Schnorrs tiefer dringende bibliographische Forschung berichtigt, aber
er behält trotzdem seinen selbständigen Wert neben der grösseren Biographie. —
Aus dem Archiv in Arolsen teilt Nebelsieck'*^) einen Brief mit, den Veit
Dietrich in Nürnberg am 10. Jan. 1546 an den in Regensburg weilenden Joh. Brenz
gerichtet hat. Es handelt sich um Melanchthons Erscheinen in Regeiisburg, auf das
man noch rechnet, und um die Gesamtbeurteilung der politischen Lage. Der Brief
scheint mir in dem Satze Est quidem apud nos etc. falsch gelesen zu sein, oder es
fehlen einige Worte. —
Wie sich Schnorr durch einzelne Aufsätze über Alberus schon seit Jahren
als mit einer Alberusbiographie beschäftigt ankündigte, so sendet Loesche^^^) seit
1886 einzelne Proben der von ihm vorbereiteten (inzwischen 1895 erschienenen)
Mathesius-Biographie voraus. Diesmal betrifft es das Kapitel Mathesius als Dichter.
Er ordnet und sichtet die deutschen wie die lateinischen Dichtungen des Joachims-
thalers, weist die verschiedenen Drucke nach und giebt sein Urteil über den ge-
ringen Wert des auf diesem Gebiete von Mathesius Geleisteten unverhohlen ab. Da-
zu kommt noch eine Anzahl von Mathesius gefertigter Epitaphia. Eine Uebersicht
über die Verse von zweifelhafter Echtheit oder von unzweifelhafter Unechtheit —
Antilegomena und Notha schreibt der Wiener Kirchenhistoriker in Reminiscenz an
Eusebianische Terminologie — bildet den Beschluss. Der Mühe und Sorgfalt, die
hier aufgeboten sind, muss alle Anerkennung gezollt werden. — Im weiteren Sinne
gehören auch hierher zwei andere Joachimsthal betreffende Veröffentlichungen
Loesches'^**). Zunächst Mitteilungen aus einer Pergamenths. in Joachimsthal : Cantica
Sacra Euangelia Dominicalia in prosarum formam redacta complectentia in usum
— 143) A. Henschel, Ohrph. Hegendorf: ZIIGPosen. 7, S. 337-43. - 144) X Chrph. Hegendorfor: EKZ. 1892, S. 841/5,
S60;6. — 145) Fritz, G. Major: WetzerWeltesKirchenlex. 8, S. 532/7. — 146) F. Schnorr v. Carolsfeld, E. Alberus. E.
biograph. Beitr. z. Gesch. d. Reformationszeit. Dresden, Ehlerraann VIII, 232 S. M. 6,00. |[G. Kawerau: HZ 37, S. 492;5.]|
— 147) W. Kawerau, E Alberus in Magdeburg: GBllMagdeburg. 28, S. 1-62. - 148) H. Nebel sieolc, Veit Dietrich an
Joh. Brenz, 10. Jan. 1546: ZKG. 13, S. 392 3. - 149) G. Loesche, J. Mathesius als Dichter. E. Beitr. zu seiner Biogr. n. z.
Hymnologie: ThStK. 66, S. 543-67. —150) id., Z. Agende v. Joachimsthal in Böhmen. E. Beitr. z. Gesch. d. Liturgie: Siona 17,
II 6:151-157 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Ecclesiae Vallensis oonscripta A. D. 1558. Schreiber dieser liturg-ischen Sammlung-
ist Nik. Hermann, der Joachimsthaler Kantor und Liederdichter. Dieses für die
Gestaltung- des lutherischen Gottesdienstes im Anschluss an katholische Kultus-
traditionen höchst lehrreiche Dokument gewährt einen Einblick in die Thätigkeit, die
dem Schulchore beim Gottesdienst zufiel, sowie in die hierbei noch verbleibende Vor-
herrschaft der lateinischen Sprache und lehrt uns zugleich Hermann als lateinischen
Prosendichter kennen. — Eine andere Studie Loesches'^') stellt zusammeti,
was noch an Beständen der alten, von Mathesius begründeten Schulbibliothek Joachims-
thals erhalten geblieben ist. Er ermittelt noch circa 200 Werke, die er übersichtlich
g-eordnet zusammenstellt. —
Der Vortrag über Antonius Corvinus, den Reformator von Kalenberg*-
Göttingen, dem Ulhorn^^^j wertvolle Anmerkungen (S. 31/8) beigefügt hat, behandelt
im wesentlichen die Episode der Gefangennahme und Haft Corvins vom 2. Nov. 1549
bis Herbst 1552 und den Geg-ensatz des 1548 wieder katholisch gewordenen Herzogs
Erich zu seiner im evangelischen Bekenntnis treuen Mutter Elisabeth — Die Bio-
graphie, die von Petersdorff '^3) dem brandenburgischen Staatsmann Christoph
von der Strassen (gest. 1560) gewidmet hat, zeigt uns einen charakteristischen Ver-
treter der Staats- und Kirchenpolitik Joachims II. Die Hausmachtpolitik fordert
vor allem die Bewahrung der kaiserlichen Gunst; daher auch bei evangelischem Be-
kenntnis eine geflissentliche Katholikenfreundschaft. Als Geheimrat nimmt Strassen
teil am Augsburger Interimsreichstag, ist 1551 in Trient, dann in Linz, Passau, Augs-
burg. Aus der Zeit seiner juristischen Professur in Frankfurt wird sein Konflikt mit
dem Schotten Alex. Alesius (1542) ganz übergangen; Strobels Aufsatz darüber (Neue
Beiträge II [1790] 2. Stück, S. 351 ff.) scheint P. unbekannt geblieben zu sein. Strassen
war ja der „homo impius, qui non veritus est ex cathedra dictare studiosis: accessum
ad publicas meretrices esse licitum" (S. 354). — Georg Müller'^^) behandelt die
wechselnden Lebensschicksale und Gesinnungen des Theologen Johann Stössel.
Geboren 1524 in Kitzingen, in Witttenberg 1549 Magister, wird er in Jena für das
reine Luthertum in Flacianischer Prägung gewonnen. Er wird Superintendent in Held-
burg, ist dann in Baden-Durlach bei der Reformation thätig; 1556 auf der Eisenach er
Synode, 1557 beim Kolloquium in Worms als Abgesandter Johann Friedrichs des Mittleren,
dann Professor in Jena: aber diese seine Professur, die er erhält, als die Flacianer-
partei in Ungnade fällt, zeigt uns ein erstes bedeutsames Schwenken bei Stössel.
Sein Entweichen aus Jena 1568 in die Superintendentur nach Mühlhausen bezeichnet
einen neuen Sieg der Gnesiolutheraner bei Hofe. Dei'selbe Stössel steht aber bald
darauf in Pirna als einflussreicher Führer der Kryptokalvinisten da, bis er 1574 eben
um dieser Gesinnung willen in Ungnade fällt und als Gefangener auf der Festung
Senftenberg 1576 sein Leben beschliesst. Eine genügende Erklärung für das Ab-
schwenken Stössels in den Kalvinismus hinein hat M. nicht geben können. — Zu
H. Rembes Briefwechsel des Cyriacus Spangenberg (Dresden 1888) hat
Hein eck 1^5) eine kleine Nachlese veröffentlicht. —
Ueber den Sohn Andreas Oslanders, den am 15. Dec. 1534 geborenen,
17. Sept. 1604 verstorbenen Lukas Oslander giebt Hochstetter '5^) einen auf um-
fänglicher Lektüre beruhenden, gut unterrichteten, aber nicht besonders durch-
gearbeiteten und mehr notizenhaften Bericht. Dadurch, dass Herzog Albrecht von
Preussen Oslander nach seines Vaters Tode (1552) in Tübingen studieren Hess, kam
er in den Dienst der württembergischen Kirche, der sein Geschlecht dann bis in die
Gegenwart hinein viele Glieder geliefert hat. H. hebt besonders Oslanders Bedeutung
als Prediger und sein Verdienst um den Kirchengesang hervor; sodann seine Mit-
arbeit am Konkordienwerk und am Gespräch zu Mömpelgard (1586), seinen Anteil am
Streit mit S. Huber über die Gnadenwahl und an der Kontroverse mit dem streit-
baren Katholizismus der immer bedrohlicher ihr Haupt erhebenden Gegenreformation. —
Hertel'^''), der rührige Specialforscher in der magdeburgischen Geschichte,
veröffentlicht ein Lebensbild des ersten evanglischen Predigers am Magdeburger Dom
Siegfried Sack. Geboren 1524 in Nordhausen, studiert Sack in Wittenberg unter
Melanchthon, verwaltet ein Schulamt in Nebra, studiert dann weiter in Jena unter
E. Schnepf, wird in Wittenberg Magister (15. Febr. 1554 Sigebertus Saccus Northu-
sanus, vgl. Köstlin, Die Baccalaurei und Magistri 4. Heft, S. 14), worauf er unter
Gottschalk (Abdias) Praetorius Konrektor der Mageburger Schule und Nachmittags-
S. 163-72, 183/7. — 151) id., D. Bibl. d. Lateinschule in Joacljimsthal : MGESchG. 2, 8. 208-46. (Vgl. JBL. 1892 I 3 : 103 ;
10:333; s. o. I 3:218.) — 152) G. Uhlhorn, A. Corvinus, e. Märtyrer d. evang.-luth. Bekenntnisses. (= Schriften d. Ver. för
Reforniationsgesch. Bd. 37.) Halle a. S., M. Niemeyer. 1892'. 38 S. M. 1,20. - 153) H. v. Petersdö rf f , Chr. v. der
Stiassen: ADB. 36, S. 506-10. — 154) Georg Müller, Joh. Stössel: ib. S. 471/3. - 155) 0. Spangenberg, 3 Briefe an M.
Andreas Fabricius, Pastor zu .St. Nicolai in Eisleben. Her. v. H. He in eck, mit e. Vorw. v. H. Grössler. [Aus: Mans-
fclder ßll. S. 150/5.J Nordhausen, Heinecks Selbstverl. 6 S. M. 0,50. — 156) E. Hoohstetter, Lukas Osiander d. Aeltere :
BWKG. 8, S. 37-40, 45/8, 53/5, 61/4, 68-72, 76/7. — 157) G. Hertel, D. Siegfried Sack, d. erate evang. Doraprediger: MagdZgB.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : i58-i65
predig-er wird; 1559 wird er Nachfolger des Praetorius als Schulrektor. Er tritt als
Verteidiger des Rates der Stadt litterarisch auf, als Til. Hesshusen mit diesem wegen
des Rechtes, den Bann auszusprechen, in schweren Streit gekommen war, worauf ihm
Hesshusen mit bekannter Grrobheit („Lügensack'' !) diente. 1567 wird er der erste
evangelische Domprediger und öffnet damit den seit 1547 geschlossenen Dom der
evangelischen Predigt; in dieser Stellung bleibt er bis zu sein'em 1596 erfolgten Tode.
Seine Schriften sind fast sämtlich Predigten, so sein grösstes Werk, die vierteilige
grosseEvangelien-Postille(1595-98), und die dreiteilige Epistelpostille (1600 erschienen).
Daneben viele Kasualreden, Hochzeitsansprachen und besonders die wegen der darin
enthaltenen geschichtlichen Nachrichten für Magdeburgische Geschichte wertvollen
Leichenpredigten. Aus seinen Predigten teilt H^ sittengeschichtlich Interessantes in
längeren Auszügen mit.'^**"'^^) —
Mit einem wenig bekannten Theologen, Kirchenliederdichter und Schrift-
steller aus den Kreisen des orthodoxen Luthertums, Veit Wolfrum (geb. 1564,
gest. 1626, von 1593—1626 Superintendent von Zwickau), macht uns Klotz ^^^j be-
kannt. Kulturgeschichtlich interessant sind die Schulwanderjahre Wolfrums, das Bild
eines lutherischen Pfarrhauses, das sich hier zeigt; auch schaut man die hässlichen
Nachwirkungen der Kämpfe wider den kursächsischen Krjptokalvinismus im Detail
der Pastorengeschichte einer einzelnen Stadt. —
Am Schlüsse dieser Revue über Arbeiten, die sich mit dem Gebiete der
lutherischen Reformation beschäftigen, sei die fleissige Studie über das Superinten-
dentenamt von Nobbe ^^0 genannt. Sie behandelt auf Grund der Kirchenordnungen
des 16. Jh. die rechtliche Stelllung der Superintendenten zur Gemeinde, zu den Geist-
lichen, zu den kirchlichen und weltlichen Behörden. —
Wir treten in das Gebiet des oberdeutschen, schweizerischen Pro-
testantismus des 16. Jh. und des Kalvinismus ein. Die Festschriften, welche die
400jährige Geburtstagsfeier Martin Butzers hervorrief, gehören noch dem J. 1891
an; aber ihre Besprechung fiel ins nächste Jahr; um letzterer willen sei daher
auf sie auch an dieser Stelle verwieseniß-"!^^^, —
Ein schätzenswerter Beitrag zur Geschichte der Reformation in Oberdeutschland
und der Schweiz liegt in einer Dissertation über Jakob Otter von Sussann ^^^J
vor. Dieser, geboren um 1490 zu Lauterburg im Elsass, ist Schüler Wimphelings,
begeisterter Hörer, später auch Herausgeber der Predigten Geilers von Kaisersberg.
Er studiert in Heidelberg seit 1505, habilitiert sich in Freiburg, wo er auch die
theologischen Promotionen absolviert; er steht in freundschaftlichem Verkehr mit
U. Zasius wie mit dem ganzen oberrheinischen Humanistenkreise. Früh (sicher
seit 1520) erscheint er aber auch unter den begierigen Lesern der Schriften Luthers ;
er ist nicht mehr an der Universität, sondern seit 1518 Landpfarrer ili Wolfenweiler
im Gebiet des Markgrafen Ernst von Baden. Hier predigt er bereits unter steigen-
dem Beifall des Volkes. 1522, als er nach Kenzingen berufen ist, geht er vom
Predigen zum Reformieren über, aber der Konstanzer Bischof zieht ihn zur Verant-
wortung; der Rat nimmt sich warm seines Predigers an und weist die Citation zurück.
Aber Erzherzog Ferdinands Erscheinen im Breisgau verschärft die Situation und
nötigt ihn zu weichen (1524), um die Stadt vor völligem Verderben zu bewahren.
Mit 150 evangelischen Bürgern flüchtet er nach Strassburg. Er findet 1525 neue
Thätigkeit in Neckar-vSteinaoh bei dem Ritter Hans Landschad — aber auch von hier
vertreibt ihn Ferdinand 1527; Strassburg herbergt ihn abermals, zwei Jahre später
begegnen wir ihin in der Schweiz: in Solothurn, dann in Bern und in Aarau. Die
Reaktion, die der Unglücksschlacht von Kappel folgte, verjagt ihn aufs neue. Nun
öffnet sich ihm die Reichsstadt Esslingen, in der erst 1531 die Reformation zum Siege
gelangte. Hier wirkt er fortan als oberster Geistlicher und als einer der Führer der
oberdeutschen Richtung, als einer der Abgesandten zur Wittenberger Konkordie, als
1892, S. 17, 25/7, 33/5, 41/4, 53/5. — 158) O W. Horning, Dr. Joh. Pappus v. Lindau. 1549-1610 Münsterprediger, Univ.-
Prof. n. Präsid. d. Kircheniconvents zu Strassburg, aus unbenutzten Urkk. u. Mss. Strassburg i. E., Heitz. 1891. VII, 323 S.
Mit Bild. M. 6,00. l[ThLB. 13, S. 164/5.11 - 159) O id.. Mag. Elias Schadäns, Pfarrer an d. Alt-St.-Peterkirche, Prof. d.
Theol. n. Mänsterprediger zu Strassburg. Beitr. z. Gesch. d. luth. Judenmission in Strassburg aus unbenutzten Urkk. {^= Schriften
d. InstitutuTO Judaicum N. 31.) L., Akad. Buchh. 25 S. M. 0,40. — 160) H. Klotz, D. V. Wolfrum, Superintendent zu
Zwickau 1593-1626. E. Stadie z. sächs. Kirchengesch. Zwickau, Zückler. 1892. IV, 84 S. M. 1,00. |[G. Kawerau: ThLZ. 19,
S. 115/6.]| — 161) H. Nobbe, D. Superintendentenamt, seine Stellung n. Aufgabe nach d. evang. Kirchenordnungen d. 16. Jh.:
ZKG. 14, S. 414-29, 556-72. — 162) X Z. 400j. Gebnrtsfeier Butzers. M. Butzers an e. christlich Rat vnd Gemeyne d.
Rat Weissenburg Suramary seiner Predig daselbst gethon. Bibliograph. Zusammenstellung d. gedr. Schriften Butzers t. F.
Mentz. Heber d. hs. Nachlass u. die gedr. Briefe Butzers. Verzeichnis d. Litt, über Butzer v. A. Erichson. Strass-
burg i. E., Heitz. 1891. VI, 181 S. Mit Bild. M. 6,00. [[ThLBl. 13, S. 309-10; G. Bessert: ThLZ. 17, S. 258-60; G.
Kawerau: ZKG. 13, S. 568.]| (Vgl. JBL. 1891 II 7 : 70.) — 163) A. Erichson, M. Butzer, d. elsässiscbe Reformator zu dessen
400j. Geburtsfeier d. elsäss. Protestanten gewidmet. 1.-3. Aufl. ebda. 1891. 76 S. M. 0,40. |[ThLBl. 13, S. 309; G.
Bessert: ThLZ. 17, S 253-60.] j (Vgl. JBL. 1891 U 7:75.) — 164) E. Stern, M. Butzer. E. Lebensbild aus d. Gesch. d.
Strassb. Reformation. Gedächtnisbll. z. 400j. Jubelfeier seines Geburtstages.' Strassburg i. E , Strassb. Druckerei. 1891. 87 S.
Mit Bild. M. 0,50. |[ThLBl 13, S. 309.]| (Vgl. JBL. 1892 II 7:76.) — 165) H. Sussann, Jak. Otter. E. Beitr. z. Gesch. d.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. \~)"
II 6:166-174 G. Kawerau, Luther und die Ueformation.
Volks- und Erbauung-sschriftsteller (Katechismus und Betbüchlein), bis ihn des'Kaisers
Interim noch einmal in die Verbannung- trieb. Kaum wieder heimgekehrt, verstarb
er 1552. S.s Darstellung- baut sich vor allem auf Archivalien und den teilweise
noch ungedruckten Briefwechsel Otters auf. Aus der gedruckten Litteratur ist ihm
Einzelnes entgangen, z. B. Strassburgs politische Korrespondenz II, S. 221; der
Brief Luthers, den er (S. 63) für ungedruckt hält, steht schon in Ditzinger, Esslingisches
Denk- und Dank-Mahl (1718; S. 142). Ungenügend ist wohl seine Beweisführung dafür,
dass Otter auch Karthäuser gewesen sei. Denn dass er den Karthäuserprior G. Reisch
in einem Briefe tituliert suo majori ac domino, beweist gar nichts. So schreibt ja
auch Eck an Luther (Enders 1, S. 428), Luther an Karlstadt (ib. S. 402) und an
Egranus (ib. S. 407) ; das ist reine Höflichkeitstitulatur. Eher spricht dafür, dass er
die Kollegien hören muss ratione statuti domus Carthusiani; aber zwingend ist auch
dieser Beweis meines Wissens nicht. —
Für Zwingli verdient Eglis'^^) Schrift Beachtung, die, anknüpfend an
seine ältere Studie über die Schlacht von Kappel (Zürich 1873), vor allem der ver-
breiteten Anschauung entgegentritt, als wenn Zwingiis Einfluss in Zürich bereits
im Sommer 1531 zusammengebrochen wäre, und sie der Uebertreibung der wirk-
lichen Sachlage beschuldigt: wohl zeigten sich Schwierigkeiten, aber seiner Energie
gelang es auch, sie zu überwinden. Nicht als gefallene Grösse, sondern als der
seinem Volke ins Gewissen redende zürnende Prophet stehe er damals da; er erreicht
— allerdings mit äusserster Kraftanstrengung — seinen Zweck und bleibt politisch
thätig bis ans Ende. In einer „Nachlese" bespricht E. die seit 1873 über Kappel neu
publizierten Quellen. iß''"^^^) —
Der Aufsatz von Burckhar dt- Bieder mann iß^'i'^o) über Oekolampad
macht u. a. darauf aufmerksam, dass die traditionelle Beurteilung des Baseler Refor-
mators als eines „melanchthonisch"- milden Charakters erheblicher Berichtigung be-
darf. Sein grösseres Werk über Bonifacius Amerbach führt in den Baseler
Humanistenkreis und dessen Verbindung mit der schweizerischen Reformations-
bewegung hinein: besonders interessant ist es zu sehen, wie wenig Amerbach sich von
dem Wege befriedigt fühlt, den man dort in der Abendmahlsfrage einschlägt. Es ist
bisher kaum beachtet worden, dass der nüchtern-rationale Zug derselben in ihrer
nächsten Umgebung auch auf entschiedene Abneigung gestossen ist, ja als ein Hindernis
für die Ausbreitung der Reformation betrachtet werden konnte. — Von dem 1877
durch B. Riggenbach veröffentlichten Chronikon des Belli kan, das nicht allein für
die persönliche Geschichte des Vf., sondern auch für die Kenntnis der Baseler und
Züricher Humanisten- und Theologenkreise, besonders auch für die Geschichte des
Franziskanerordens in den Jahren der reformatorischen Volksbewegung reiche Aus-
beute gewährt, hat Vulpinus^'^) (Renaud) eine deutsche Uebersetzung mit Erläute-
rungen veranstaltet. Erstere ist gut, letztere zeigen doch nur eine dilettantenhafte
Beschäftigung mit der Reformationslitteratur. —
Die drei Briefe Sebastian Münsters, die Pulvermacher '"'2) heraus-
gegeben hat, zeigen u. a. den engen Gesichtskreis des Hebraisten, der nicht will,
dass eine lateinische Uebersetzung des Koran herausgegeben werde. —
Dass von seiner Monographie (1875) über Ochino von Siena, den Kapuziner-
general und späteren Prediger und Schriftsteller der italienischen evangelischen
Flüchtlingsgemeinden, Benrath^'' 3) jetzt eine zweite, überall sorgfältig nachbessernde
und vervollständig-ende Ausgabe hat ausgehen lassen, darf bei der Beziehung seiner
schriftstellerischen Arbeit zu der deutschen Reformationslitteratur (z. B. in der Frage
wegen der Polygamie) nicht übergangen werden. — Noch mehr gehört hierher die schöne
Erstlingsarbeit von Hubert ''^) über die publizistische, die Waffen gegen Rom kehrende
Thätigkeit des ehemaligen Bischofs von Capo d'Istria, Vergerio, da diese sich
wesentlich auf deutschem Boden vollzogen hat. Die Unterlage für die zu den früheren
Arbeiten über Vergerio gar manche Berichtigung hierzu bringende, durchweg sorg-
fältige und lehrreiche Studie bietet eine gegen frühere Forschungen vielfach bereicherte,
exakte Biographie. Besondere Beachtung verdient der einleitende Abschnitt über
Reformation. Diss. Karlsruhe, J. Lang. VI, 70 S. M. 0,75. IfMHL. 22, S. 51/3.]| — 166) E. Egli, Zwingiis Tod nach seiner
Bedeutung für Kirche u. Vaterland. Vorles. Nebdt e. Anh.: Nachlese ■/.. d. Schrift: „D. Schlacht v. Kappel" (Zürich 1873).
"üricli, Leemann. 56 S. M. 1,50. — 167) X Strickler, Zwingiis Gutachten über e. Bündnis mit Konstanz, Landua u.
Strassburg. Sommer 1527.: AnzSchwG. S. 507-10. — 168) X A. v. Salis, E. geistlich Spiel auf Zwingiis Todestag. [Festspiel.]
(11. Okt.): SohwKs. 3', S 100. — 169) Th. Burckhardt- Biedermann, Ueber Oekolampads Person u. Wirksamkeit:
ThZSchw. S. 27-40, 81-92. - 170) O id., Bonif. Amerbach u. d. Reformation. Basel, Reich. VIII, 407 S. Mit Bild. M. 6,40.
|[G. Bessert: ThLBl. 14, S. 573/4.] | — 171) K. Pellikan v. Rufach, Hauschronik. E. Lebensbild aus d. Reformationszeit.
Dtsch. V. Th. Vulpinus. Strassburg i. E., Heitz. VIII, 168 S. M'. 3,00. [[Aug. Werner: PKZ. 40, S. 3734; G. Kawerau:
ThLZ. 19, S.83/4.]| (Vgl.II 1 : 170; 3 : 71.) - 172) D. Pul vermacher , 3 Briefe Seb. Münsters: ThStK. S. 797-804 — 173) K.Ben-
rath, B. Ochino v. Siena. E. Beitr. z. Gesch. d. Reformation. Mit Orig.-Dok., Portr. u. Schriftprobe. 2. vorb. Aufl. Brannschweig,
öchwetschke. 1892. XU, 823 S. M. 7,00. |fG. Bessert, ThLZ. 18, S. 211/3; G. Kawerau: HZ. 34, S. 540; G. Loesche:
PLZ. 8, 548/9 ; C. F. A r n 0 1 d : ThLB. 14, 8. 124/6.] 1 - 174) F. H u b e r t , Vergerios publizist. Thätigkeit, nebst e. biograph. Uebersicht.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 = ivs-iso
die Beweggründe für Vergerios Uebertritt zur evangelischen Kirche. H. betont, dass
die Berührung mit Spiera ausschlaggebend gewesen ist. Weil er nicht widerrufen
wollte, musste er übertreten. Mit Erfolg wendet sich H. hier gegen Th. Schott, der
verletzten Ehrgeiz als stark mitwirkendes Motiv gelten Hess, indem er entgegenhält:
dem Ehrgeizigen wäre es leichter geworden, dem Papst Widerruf zu leisten und damit
Ehren und Würden sich zu erhalten als auf alle Ehren des bischöflichen Amtes zu
verzichten, nur um der Demütigung eines Widerrufs zu entrinnen. —
Die neue gelehrte Arbeit über den Heidelberger Katechismus von
Goossen ^'•'^) knüpft an sein Werk von 1890 an; es behandelt die litterarische Polemik,
die sich in den seiner Entstehung nächstfolgenden Jahren wider und für den neuen
Katechismus erhob und ebenso um das (von Th. Erast verfasste) „Büchlein vom
Brodbrechen", das Doedes jüngst durch einen Neudruck wieder zugänglich gemacht
hat. G. beobachtet den Einfluss holländischer, nach der Pfalz geflüchteter Gemeinden
bei der Entstehung des Katechismus und sucht eine Gruppe nachzuweisen, die im
Sinne einer mittleren Position zwischen Kalvin und Luther wirksam war, deren
Spuren von der Schweiz bis Holland reichen. —
Der ungarische Kirchenhistoriker Szlävik^''^) berichtet in Kürze über die
Schola hungarica an der Wittenberger Universität: 442 Ungarn erscheinen von 1522—60
als Studenten in Wittenberg, fast alle Reformatoren des ungarischen Landes haben
hier studiert, seit 1546 organisieren sie sich an der Universität als eine nationale Körper-
schaft, deren Statuten 1555 bestätigt werden, mit Unterstützungskasse und eigener
Bibliothek. Ein daran anschliessender zweiter Artikel behandelt Leonhard Stöckel
aus Bartfeld in Ober-Ungarn, der 1530 — 31 in Wittenberg studierte und sich fest an
Melanchthon anschloss, auf dessen Empfehlung er Beschäftigung als Hofmeister in
Wittenberg selbst fand. (Die Nachricht, dass er auch einige Zeit in Eisleben thätig
gewesen sei, halte ich nicht für so unglaubwürdig, wie Sz. thut; er braucht ja nicht
gerade Rektor des Gymnasiums gewesen zu sein. Vgl. Kordes, Agricolas Schriften
S. 188.) 1539 kehrte er in die Heimat zurück, organisierte die Bartfelder Schule nach
dem Vorbild der Melanchthonschen Schulordnungen, entwarf auch 1546 die noch
heute in Ungarn gültige Confessio pentapolitana. 1556 aus seinem Amt durch per-
sönliche Gegner verdrängt, wurde er bald ehrenvoll zurückgerufen; er starb 1560.
Er repräsentiert noch den Wittenberger Zweig der ungarischen Reformation, aber
in Anlehnung mehr an Melanchthon als an Luther. —
Wenden wir uns zu den Personen und Kreisen der Reformationszeit, die als
Schwärmer, Separatisten und Wiedertäufer von den Hauptströmen der kirch-
lichen Bewegung sich lösten und Sonderwege einschlugen. Zur Biographie Carl-
stadts liefert Schäfer^") einen Beitrag, indem er gegen Kolde (ZKG. 8, S. 283 ff.)
nachweist, dass dieser die Nachrichten über Carlstadts kurzen Aufenthalt in Däne-
mark 1521 hyperkritisch für unzuverlässig erklärt, dass vielmehr aus dem Verhör,
das Spalatin am 24. Juni 1521 mit ihm anstellen musste, seine Anwesenheit dort wie
sein dabei dem König gegebenes Versprechen, auf ein volles Jahr abermals zu ihm
zu kommen, hervorgeht, der dänische Chronist Svaning also gerechtfertigt bleibt mit
seinem Bericht über Carlstadts Erscheinen in Kopenhagen. — Tschack er t *^^) hat
einen biographischen Artikel über den Zwickauer Propheten Nik. Storch geschrieben.
Es macht grosse Mühen, über einen Mann dieser Art die Materialien aus der Refor-
formationslitteratur zusammenzutragen. Auf manches Uebersehene hätte wohl mein
Artikel (in ThLZ. 5, S. 558—61; vgl. auch ThLBl. 1881, S. 36) aufmerksam machen
können. Namentlich ist es ein Mangel, dass der Vf. die älteste biographische Schrift
über Storch von dem Flacianer Markus Wagner nur in dem unvollständigen Auszuge
kennt, den Tentzel 1694 daraus gegeben hatte. — Ueber die Schlacht von Franken-
hausen und das Ende des Thomas Münzer handelt Lenz^'"') in vortrefflicher Kritik
der Quellen, auf Grund deren sich doch ein viel bestimmteres Bild von den Vorgängen
gewinnen lässt, als das skeptische Urteil G. Droysens (in ZPrGL. 1873) angenommen hatte.
Interessant ist auch, dass L. die Tradition kritisch beleuchtet, die Melanchthon als den
Vf. der „Histori Thoma Müntzers" bezeichnet, die 1525 in Hagenau erschien, dann in
Luthers Werken (zuletzt W^alch XVI) — dagegen nicht im CR. — abgedruckt wurde.
Wird sie vielleicht nur darum Melanchthon beigelegi;, weil die Jenenser Ausgabe II
(1569), 402 ihr die Randbemerkung beigefügt hat: diese Historie hätte eigentlich gleich
hinter Melanchthons Schrift wider die Artikel der Bauernschaft ihren Platz finden
sollen? — Ueber Jakob Strauss bringt uns Bossert****) in einem sorgsam gearbeiteten
Qöttingen, Vandenhoeck & Enprecht. XV, 323 S. M. 6,00. (Vgl. II 7 : 2a,) — 175) M. A. G o o s s e n , De Heidelbergsche Catechismns en het
boclqe van de Breking des Broods in het jaar 1563-64 bestreden en verdedigd. Leiden, E. J. Brill. X, 424 S. Fl. 3,90.
![0. Kohl Schmidt: ThStK. S. 3; id.: PKZ. 40, S. 3713; J. J. Prins: ThT. N. 3; J. J. van Toorenenbergen: ThSt. 11,
S. 259 74; LCBl.S. 1457 8.1 — 176) Szlävik, Z. ung. Reformationsgesch I. D. Schola Hungarica zu Wittenberg. U. Leonh.
Stöckel: ZKG. 14, S. 2' 2-13. — 177) D. Schäfer, Carlstadt in Dänemark: ib. 13, S. 3118. — 178) P. Tschackert, Nik.
Storch: ADB. 36, S. 442 5. — 179) M. Lenz, Z. Schlacht bei Frankenhausen: HZ. 69, S. 193-208. — 180) G. Bessert, Jak.
(2)9*
II 6:181-185 G. Kawerau, Luthei^ und die Reformation.
Aufsatz eine Ueberarbeitung- seines (für die theologische Realencyklopädie [1884]
gelieferten) Lebensbildes. Geboren in Basel zwischen 1480 — 85, als Schulmeister
seit 1506 in Strassburg- (auch in Wertheim?) und Horb thätig-, dann als Theologe an
der Freiburger Universität, wo er den Doktorgrad erwirbt, dann (vor 1521) Stifts-
prediger in Berchtesgaden, darauf in Schwaz, bald darauf stürmischer Reformprediger
in Hall am Inn. Aber hier muss er vor drohender Gefahr weichen; er begiebt sich
nach Wittenberg, wo er mit dem benachbarten Kemberger Propst Bernhardi und mit
Caiistadt Freundschaft schliesst. Ende 1522 erhält er Anstellung 'in Eisenach und
gewinnt sich das Vertrauen des Herzogs Johann. Hier beginnt Strauss mit seiner
eigenartigen socialen Predigt: Wiederherstellung des mosaischen Rechtes, Verbot des
Zinsnehmens. Bei den Bauern bisher in hohem Ansehen, verdirbt er es doch im
Bauernkriege mit beiden Parteien, den Bauern und den Fürsten. Vom Amte getrieben,
sucht er vergeblich Anschluss an Brenz. Als Stiftsprediger in Baden-Baden mischt
er sich in unklarem Eifer in den Abendmahlsstreit, wobei er von Zwingli grob ab-
gewiesen wird. Sein weiterer Lebensgang hüllt sich in Dunkel; doch hält B, für nicht
unmöglich, dass der Mann lebhafter Impulse aber mangelnder Klarheit schliesslich
als Katholik gestorben wäre. — Höchst schätzenswert ist es, dass Loserth^*^), der
verdiente Hus-Wiclif-Forscher, jetzt unter Benutzung des Nachlasses des Ritters von
Beck der Geschichte der mährischen Täufergemeinden seine Forschung zugewendet
hat. Der Aufsatz „Die Stadt Waldshut und die vorderöstereichische Regierung 1523 — 26"
(im AÖG. 77, S. 1 ff.) war vorangegangen, sowie eine Studie über den Anabaptismus
in Tirol von seinen Anfängen bis zum Tode Jakob Huters (1526—36; ib. 78, S. 427 ff.).
Darauf folgte die Schrift über Balth. Hubmaier, einen der bedeutendsten imd
anziehendsten unter den Führern der Täufergemeinden. Gebürtig aus Friedberg,
Schüler und Schützling Ecks in Freiburg, Pfarrer und Professor in Ingolstadt,
Dompfarrer in Regensburg, war er als guter Katholik noch 1521 in Waldshut
Pfarrer geworden. Im Sommer 1522 beginnt er Luthers Schriften zu lesen,
geht nach Basel zu Besuch, nimmt dann mit Eifer das Studium der Paulinischen
Briefe auf, folgt Advent 1522 einem zweiten Rufe nach Regensburg als Prediger
an der Kapelle der schönen Maria, wo er jetzt im evangelischen Sinne predigt.
Aber schon 1523 kehrt er freiwillig in die Waldshuter Pfarre zurück und tritt nun
in lebhaften Verkehr mit den Schweizer Reformatoren, nimmt auch am zweiten
Züricher Religionsgespräch teil (Okt. 1523). Aber auf den Einfluss Zwingiis folgt
der des Th. Münzer und die Verbindung mit den Züricher Stürmern; er nahm das
Bundeszeichen der Wiedertaufe an und trug damit die Spaltung in die Waldshuter
Gemeinde; er musste fliehen, die katholische Reaktion siegte. Aber auch in Zürich
stellt man sich gegen den Wiedertäufer feindlich. Ein erster Widerruf, den man
dem Gefangenen abnötigt, genügt nicht; erst nach erneuertem Widerruf (S. 120/1)
erlangt er seine Freiheit wieder (Ostern 1526). Er zieht nun in die Ferne, über
Augsburg nach Nikolsburg in Mähren ; persönlich und litterarisch betreibt er, immer
überzeugungsvoll und doch ruhig und ohne Extravaganz, die Propaganda der
Täufergemeinde. Ihm danken wir die Beschreibung ihrer Tauf- und Abendmahls-
liturgie (S. 155/6). Von Ferdinand gefangen gesetzt, muss er in mehrtägiger Dis-
putation seinem ehemaligen Mitschüler Joh. Fal3ri gegenüberstehen ; standhaft erleidet
er darauf den Ketzertod in Wien 1528.^^2-) — Ni coladonis^^^) umfängliche quellen-
mässige Arbeit über J. Bünderlin ist dem Berichterstatter leider nicht zugänglich,
— Ueber Seb. Franck liegen zwei neue Arbeiten vor. Die Dissertation von
Tausch ^^^) behandelt die Einflüsse, die der geistig bewegliche und aufgeschlossene
Geist Francks von den verschiedenartigsten seiner Zeitgenossen in sich aufgenommen
hat: humanistische, mystische, reformatorische. — Einen bedeutsamen Beitrag zum
Verständnis der Gedankenwelt Francks bietet Heglers^^^) Schrift. Es ist geistvoll,
dass hier bei den Begriffen Geist und Schrift eingesetzt wird, um die Gedanken
Francks zu analysieren; es gelingt dem Vf. von diesem Ausgangspunkt aus, nicht
nur Francks Gedanken bis in ihre entlegensten Verzweigungen hin zu verfolgen,
sondern auch ihre Kraft und ihr (wenigstens relatives) Recht, wie auch ihre
Schranken und Mängel zur Darstellung zu bringen. „Die Nähe Luthers wirkt
drückend, wenn man Francks Bild betrachtet. Aber dass man unwillkürlich ihn
mit Luther selbst vergleichen muss, nicht mit den kleineren Geistern, auch das ist
strauss: ADB. 36, S. 635/8. — 181) J. Loserth, Dr. Balth. Hubmaier u. d. Anfänge d. Wiedertaufe in Mühren. Ans gleich-
zeit. Quellen u. mit Benutzung d. wissensch. Nachlasses d. Hofrat Dr. J. Ritter v. Beck. Her. v. d. hist.-stiitist. Sektion d.
k. k. Ges. z. Beförderung d. Landwirtschaft, d. Natur- u. Landeskunde. Brunn, Winiker. VIII, 217 S. Mit 1 Lichtdr.
M. 2,40. — 182) X Ph. Kieferndorf, D. Prophetenübers. v. Ludw. Hätzer u. Hans Denck in neuer Beurteilung: Menno-
nitBll. 60/1. — 183) A. Nicoladoni, Joh. Bünderlin v. Linz u. d. oberösterreich. Tänfergemeinden in d. J. 1525-81. B.,
Gaertner. VIII, 314 S. M. 8,00. — 184) E Tausch, Seb. Franck v. Donauwörth u. seine Lehrer. Diss. B., Mayer u. Müller.
55 S. M. 1,00.-185) A. Hegler, Geist u. Schrift bei Seb. Franck. E. Studie z. Gesch. d. Spiritualismus in d. Reformations-
zeit. Freibnrg i. B„ Mohr. 1892. XII, 291 S. M. 5,00. |[G. Loesche: DLZ. 8. 3/4; J. Iverach: CRThPhL. 3, S.48-54; K.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 .- 186-193
ein Ruhm." Besonders sei auch auf die Abschnitte hingewiesen, die Francks Ent-
wicklung-sg-ang- aus dem lutherischen Pfarramt zum einsamen Spiritualisten trefflich
behandeln. — Die kleine Festschrift zu Menno Simons 400jährig'er Geburtstagsfeier
(6. Nov. 1892) von Mannhardt '*ö) enthält eine Darstellung der ältesten Gemeinden
der Täufer vor Menno Simons Wirksamkeit (S. 1 — 25); darauf ein kurzes Lebens-
und Charakterbild dieses Reorganisators der Taufgesinnten (S. 26—47) uad endlich
eine Betrachtung über den Geist, in welchem die heutigen „Mennoniten" diesen
Mann feiern: nicht als Stifter, aber als den Mann, der in schwerer Zeit viele Ge-
meinden vom Untergange gerettet hatte; ferner als den Verteidiger ihrer Grundsätze
mit Wort und Schrift und als den Mann vorbildlichen Wandels in den Grundsätzen,
die er lehrte. (Bei dieser Gelegenheit ist auch eine ältere Schrift Mannhardts wieder
in Erinnerung gekommen, seine „Stimmen aus der Reformationszeit" Danzig 1861,
in denen er reichhaltige Auszüge aus Simons Schriften [S. 1—68] wiedergegeben
hat.) Kieferndorf '^^^J druckt die Schrift neu ab: „Prozess, wie es soll ge-
halten werden mit den Wiedertäufern, durch etliche Gelehrte, so zu Worms ver-
sammelt gewesen, gestellet. Worms 1557", unterzeichnet von Melanchthon, Brenz,
Marbach usw. —
Schliesslich werfen wir noch einen Blick auf verschiedene Schriften, die ein-
zelne Gebiete der litterarischen, künstlerischen und kulturellen Wirksam-
keit im Reformationszeitalter behandeln. Die Erbau ungslitteratur der evangelischen
Kirche Deutschlands im 16. Jh. hatte Beck^^'') bereits 1883 ausführlich behandelt.
Sein neues Werk bietet in grösserem Zusammenhange das dort Geleistete in gedrängterer
Darstellung. — Hans^^^) bespricht folgende Augsburger Katechismen: 1. Catechismus,
das ist ein anfengklicher Bericht der Christi. Religion von den Dienern des Evange-
liums zu Augsburg . . . verfasset (0. J., Anfang der 30er Jahre des 16. Jh.). 2. Catechismus
christianae religionis institutionem paucis complectens. Per W^olfg. Musculum 1545.
3. Der Catechismus. Mit viel schönen Sprüchen . . . Casp. Huberinus (1543). 4. Catechismus.
Eine kurtze christliche leer. Durch Joh. Meckhart ( 1554, 1557— 1603). Diese Katechismen
werden nach Form und Inhalt charakterisiert. Ein Nachtrag behandelt noch : 5. Precepta
ac doctrinae Domini nostri Jesu Christi 1530. 6. Catechismus von etlichen Haupt-
artickeln des Christlichen g'laubens. Casp. Schwenckfeld. Augsb. 1531. (Die Frage, ob
dieser von Schwenckfeld selbst verfasst oder nur von einem seiner Anhänger zu-
sammengestellt wurde, bringt H. nicht zum Austrage, neigt aber [gegen Zezschwitz]
ersterer Annahme zu.) 7. Der kleine Catechismus. Casp. Huberinus 1544 (Auszug
aus N. 3), — Alb. Fischer'^'-'), der verdiente Hymnologe, hat mit seinem Ueberblick
über die kirchliche Dichtung doch der Kritik Anlass zu mancherlei Einrede geboten :
es fehlt an scharfer Unterscheidung zwischen der Species kirchliche Dichtung und
dem Genus religiöse Dichtung; aber auch seine Quellen- und Litteraturangaben
bieten gerade für das 16. Jh. manches Ungenaue oder geradezu Fehlerhafte (vgl. die
Recension von Achelis). — Wolf rums i^") Arbeit wird als ein nützliches Nach-
schlagebuch gelobt; doch wird die Ausstellung gemacht, dass es zu viel Geschicht-
liches, aber zu wenig Verarbeitung des geschichtlichen Stoffes enthalte. — W.
Kawerau 1^^) sucht zu zeigen, in welchem Umfange die sittlichen Ideale der Refor-
mation sich in der Ehelitteratur des 16. Jh. wiederspiegeln: der mittelalterlichen Ge-
ringschätzung der Ehe tritt eine neue Würdigung derselben gegenüber, aber der
Umschwung in der sittlichen Aufassung vollzieht sich nur langsam, denn die „grobia-
nische" Unterströmung bildet ein Hemmnis. Dass dieser Grobianismus nicht erst ein
Produkt der Reformation ist, sondern bereits vor ihr in voller Blüte steht, wird
gegen Janssen s Behandlung zur Geltung gebracht. Es wird zunächst der litterarische
Kampf gegen den Cölibat, dann die grobianische Litteratur dargestellt, schliesslich
kommen die evang-eli sehen „Ehespiegel" zur Behandlung, in denen die sittliche Er-
neuerung*, die Luthers Werk gebracht hatte, auch positiv in die Erscheinung tritt. —
Ein recht kleiner Geist ist der Anonymus ^''2), der sich zu einer Beurteilung
der Re forma tions zeit angeschickt hat und ihre sittliche Verkommenheit aufzu-
weisen gedenkt. Er will zu diesem Zwecke „Männer kleineren Stiles" aus Luthers
Gefolgschaft beleuchten. So wird denn von dem Torgauer Bürger Koppe, dem Be-
Brandes: lcbi.s. 595/6; F. Hummel: KAW.N.24;C. F. A rnold: ThLB. 14, S. 102/3.] | (Vgl. JBL. 1892 II 5 b : 3 ; s. o. II 3 : 62.) —
186) H. G. Mannhardt, Festschrift zu Menno Simons 400 j. Geburtstagsfeier d. 6.Nov. 18921ier.im Auftr.d.westprenss. Mennoniten-
Gemeinden. Danzig, Saunier. 60 S. M. 0,50. — 186a) Tb. Kieferndorf, E.Streitschrift evang. Theologen gegen d. „Wieder-
täufer" aus d. 16. Jh.: MennonilBll. S. 103 9, 114,5, 121/2. - 187) H. Beck, D. relig. Volkslitt. d. evang. Kirche Deutschlands.
i— Zimmers Handbibl. d. prakt. Theol. Bd. X, c.) Gotha, Perthes. 1892. X, 291 S. M. 5,00. [K. Knoke: ThLBl. 14, S. 283.]|
— 188) H. Hans, Angst. Katechismen aus d. 16. Jh.: ZPTh. 14, S. 101-20. (DazuNachtr: ebda. S. 339-45.) — 189) (II 2:1a.)
||E. Chr. Achelis: TliLZ. 18, S 336;8; W. Tümpel: Siona 17, S. 194,6; E. Krause: ThLBl. 14, S. 141 2.] | - 190) Ph.
Wolfrum, D. Entstehung u. erste Entwicklung d. dtsch. evang. Kirchenliedes in musik. Beziehung. L., Breitkopf & Härtel.
1890. XIY, 250 S M. 5,00. |[F. Zimmer: ThLBl. 1892. S. 31,3.]| — 191) W. Kawerau, D. Reformation u. d. Ehe. E.
Beitr. z. Kulturgesch d. 16. Jh. (= Schriften d. Ver. für Eeformationsgesch. Bd. 39.) Halle a. 8., Niemeyer. 1892. VI, 104 S.
M. 1,20. - 192) Aus d. Reformationszeit: Kath. 72^ S. 421/9. — 193) W. Walther, D. Bedeutung d. dtsch. ßeformation fftr
II 6 : 194-200 117 G. Elling-er, Humanisten und Neulateiner.
freier Katharinas von Bora, registriert, dass er 1523 beim Sturm auf das Franziskaner-
kloster in Torgau beteiligt gewesen war. Kaum ist nun Luther tot, so trat die
ganze Armseligkeit des mühsam aufgebauten Werkes in dem „lüderlichen*Leben"
der Pastoren zu Tage. Beweis? Erstens: 1575 wurde in Kurhessen ein Pastor wegen
salopper Behandlung des Abendmahls abgesetzt. Zweitens behorchte ein Merseburger
Superintendent verkleidet die Predigten seiner Pastoren, wurde dann abgesetzt. (Da
beide Belastungszeugen unseres Anonymus abgesetzt wurden, muss doch noch ganz
gute Zucht gewesen sein!) Aber noch viel schlimmer! Die Protestanten suchten ver-
ruchter Weise sogar ihre Gegner „moralisch zu töten" — Beweis: sie erzählten von
dem frommen Franziskaner Konr. Kling, er sei evangelisch geworden! (Man wundert
sich billig darüber, dass eine so angesehene Zeitschrift wie der Kath. einen so ab-
geschmackten Artikel abdruckt.) — Walther ^^•') macht zur Beurteilung der Be-
deutung, die Luthers Werk für die Gesundheit des deutschen Volkslebens gehabt hat,
vor allem geltend, dass die Reformation als die geistige Macht betrachtet werden
müsse, die in dem Zeitpunkt, als die Renaissance eine Fülle neuer Kräfte: Freiheits-
durst, Weltsinn usw. entfesselt hatte, den zerstörenden Strom, mit dem diese Kräfte
für sich allein das Volksleben aufgewühlt und mit sich fortgerissen haben würden,
aufgehalten und in ein ruhiges Bette geleitet habe.'^^) — Warum Hochstetters^^^)
schon in den 60 er Jahren niedergeschriebene Apologie der Reformation jetzt noch
posthura gedruckt worden ist, ist schwer zu begreifen. Er redet von dem verderb-
lichen Einfluss der römischen Kirche auf Menschen, Bürgertum, Korporationen,
Völker, Staaten — aber das alles in Form sehr allgemein gehaltener Urteile mit ge-
schichtlichem Material, das viel zu wenig ins Detail geht und nichts Neues bietet.
Der mit der Fülle gelehrter Einzelheiten ihre Wirkungen erzielenden Janssenschen
Darstellung kann doch nur mit einer Gegenrede geantwortet werden, die gleichfalls
diese Einzelheiten quellenmässig beherrscht. — Ob Schwanns^^^) kritische Studie nach
dieser Seite etwas geleistet hat, vermag ich nicht zusagen. — Auf Vir cks'^') licht-
volle Zeichnung' der Gründe und Verhältnisse, die in der zweiten Hälfte des 16. Jh.
den Niedergang des Protestantismus und die grossen Fortschritte der katholischen
Reaktion herbeigeführt haben, sei nachdrücklich hingewiesen. '^^j —
Ein neues Reformationsfestspiel hat Wächter '9^) gedichtet, das die
Gewinnung des anfangs widerstrebenden Grafen Ernst von Schön bürg zum evan-
gelischen Glauben behandelt. Es umfasst den Zeitraum von 1525—34. Das Gebrechen
derartiger Festspiele : Mangel an dramatischer Handlung und daher eine überwiegend
deklamatorische Darlegung der verschiedenen Standpunkte, wenngleich in lesbaren
Jamben, tritt auch hier zu Tage, und das stoffliche Interesse ist ausserdem zu gering,
um über die nächsten, in Lokalpatriotismus beteiligten Kreise hinauszugreifen. —
Stubbe^*^^), Pastor in Kiel, hat von den Vorbereitungen für eine Aufführung des
Devrientschen Gustav Adolf Anlass genommen, für das Recht solcher Aufführungen
im allgemeinen und für die Vorzüge der Devrientschen Dichtungen im besonderen mit
warmen Worten einzutreten. Ich verzichte darauf, hier meine teilweise abweichende
Meinung über die Richtung, in der sich das auf Dilettantenaufführungen berechnete
Volksfestspiel entwickeln miisste, darzulegen. —
11,7
Humanisten und Neulateiner.
Georg EUinger.
Allgemeines: ZnsammenfassQnde Darstellungen N. 1; „Lateinische Litteraturdenktnäler" N. 3. — Erste Anfänge
des Ilnmanisnius in Deutschland N. C. — Frühzeit: Albrecht von Eyb N. 10; studierende Deutsche in lt.alien N. 12; Herrn.
Schedel N. 13; Cassandra Fedele N. 14; A. von Bonstetten N. 15; Steinhöwel N. 17ii; Humanismus in Tirol N. 18. — Blüte-
zeit: Rud. Agricola, Pallas Spangel N. 19; Wimpheling, Jak. Spiegel N. 21; Reuchlin N. 23; Spalatin N. 24; Celtis, .1. Stabins
N. 26; Murmellius N. 29; M. von Bredenhach N. 31; Erasmus N. 32; Konstanzer Humanistenkreis N. 36; Hatten N. 37; 0.
d. Gesundheit unseres Volkslebens: AELKZ. 26, S. 1079-81, 1102/5, 1127-30, 1151,3, 1175/8, 1199-1201. — 194) Chr. Meyer,
D. Reformation u. d. dtsch. Bürgerstand: VYPK. 30, S. 51-60. — 195) K. Hochstetter, Einfluss d. Protestantismus u.
Katholizismus auf Staaten U.Völker. Gütersloh, Bertelsmann. 1892. 160 S, M.2,00. 1[K. Köhler: ThLZ. 18, S. 24/5 ]| (Vgl. JBL. 1892
111:45.) — 196) O (II 1:8.J— 197) H. Vi rck, D. Niedergang d. Protestantismus um Ende d. 16. Jh.: DEBll. S. 141-61. — 198) X P-
V. Rhein, Jesuiten u. evang. Bund. Zeitgemässe Betrachtungen über I. Jesuitenmoral u. Lutherraoral; II. D. Zweck heiligt
d. Mittel; 111. D. Lehre v. Tyrannenmord; IV. Protest- Verteidiger d. Tyrannen- u. Königsmordes. Speyer, Jäger. VI, 88 S.
M. 0,60. — 199) G. Wächter, E. v. Schönhurg. Reforniationsfestspiol. Glauchau, Peschke. VIII, 91 S. M. 1,00. — 200)
S t u b b e , D. Kocht d. Devrientschen Gustav-Adolf-Spiels : DPBl. 26, S. 250,3, 261/2. (Dazu i d., Gustav-Adolf-Spiele : ib. S. 274/7.) —
G. Elling-er, Humanisten und Neulateiner. II 7 : 1-4
Brnnfftls N. 39; Eifelwolf vom Stein N. 40; Veit Bild N. 42; Angsbnrger Aerzto N. 43; Lnscinius (Nachtgall) N. 44; J. Eck
N. 45; Melanchthon N. 46; E. Stellii. ,1. W. Stnclci, S. Sten N. 52. — Nenl.iteinische Dichtung: Drama (Allgemeines, M.
Steyndorffer, N. Frischlin) N. 56. — Lyrilt: J. Sligel N. 61; Q. und A. Fabricias N. 62; Chrph. von Schallenberg, S. Rettenbacher
N. 65a. — Lateinische Drucke (J. Schöfferj N. 67. — Humanistenschule N. 63 — Humanismus in Polen und Böhmen N. 69. —
Allg-emeines. Georg" Voigts g-rundlegende zusammenfassende Dar-
stellung* der „Wiederbelebung des klassischen Altertums" ist im Berichtsjahre zum
dritten Male aufgeleg-t worden. Die Neubearbeitung hatte für den schwer erkrankten
und bald darauf verstorbenen hochverdienten Vf. Lehn er dt') übernommen. Die
grossen Vorzüge und die eminente Bedeutung des Werkes für das ganze hier in
Betracht kommende Studiengebiet brauchen an dieser Stelle wohl nicht besonders
hervorgehoben zu werden. Ungewöhnlich innige Vertrautheit mit dem Gegenstande,
gründlichste Durchdringung des Materials und beständige Betrachtung der zu be-
handelnden Perioden und Persönlichkeiten unter grossen und eigenartigen Gesichts-
punkten haben hier ein Buch geschaffen, das zwar im einzelnen der Modifizierung
bedürfen, in seinen wesentlichen (ürundzügen aber wohl unangetastet bleiben wird. Die
. Ausstellungen, die Gaspary (Gesch. der italienischen Litt. 2, S. 650) macht, und die ähn-
lichen Bedenken, die neuerdings auch von anderer Seite geltend gemacht worden sind,
kann man nur insoweit anerkennen, als in der That durch Voigts Neigung zu möglichst
scharfer Herausarbeitung der Charakteristik die Beurteilung der Persönlichkeiten
sich zuweilen etwas zu -sehr zuspitzt. Keineswegs aber ist zuzugeben, dass durch
diese Neigung Voigts die Gesamtindividualität einzelner Humanisten verzeichnet
worden wäre; gerade die Charakteristik Petrarcas wird die Mehrzahl der Beurteiler
für eine der gelungensten Partien der Darstellung halten, wenn man auch mit der
Art, in der Voigt manche Züge zu sehr in den Vordergrund gerückt hat, nicht über-
einstimmt. L. hat, so weit ich nachprüfen konnte, die Litteratur immer sorgfältig
berücksichtigt und das Werk dem inzwischen im einzelnen erweiterten Standpunkte
der Wissenschaft angepasst. Dass der für die Geschichte des deutschen Humanismus
wichtigste Abschnitt des Buches im zweiten Bande jetzt in seinen wichtigsten Teilen
als überholt bezeichnet werden muss, ist nicht die Schuld des Herausgebers, da die
meisten der betreffenden Publikationen, z. B. Joachimsohns Heimburg (vgl. JBL.
1892 II 8 : 18) erst während seiner Arbeit, andere, wie Herrmanns Albrecht von Ejb
fs. u. N. 10) und der Briefwechsel H. Schedels (s. u. N. 13), erst nach deren
Vollendung erschienen sind. Andererseits hat gerade dieses Kapitel besonders
viel dazu beigetragen, die Forschungen über die Anfänge des Humanismus än-
zuregen,2'2bj —
Die Sammlung der „Lateinischen Litteratur denkmäler "3), deren
Leitung jetzt, nach S. Szamatölskis frühem Tode, allein in M. Herrmanns Händen
liegt, ist auch in dem Berichtsjahre i^üstig fortgeschritten. Das 7. Heft enthält eine von
EUinger*) besorgte Auswahl aus der neulateinischen Lyrik. Es kam dem Heraus-
geber darauf an, wie er in der Einleitung (S. IV) sagt, ein Bild von dem Gesamt-
bestande dieser Litteratur zu entwerfen, d. h. den inhaltlichen und formellen Grund-
charakter der neulateinischen Dichtung an einer grösseren Reihe zu diesem Zwecke
ausgewählter Stücke darzuthun. Da die Delitiae poetarum Germanorum, wie E.
(S. III) nachweist, trotz der Bedeutung, die ihnen als Stoffsammlung zukommt, ein
derartiges klares Bild nicht gewähren, sondern durch die wahllose Zusammenhäufung
des Materials zunächst nur einen verwirrenden Eindruck ausüben, scheint das
Bedürfnis einer für den Germanisten zur Orientierung auf diesem Gebiete be-
stimmten kleinen Auswahl wohl dargethan. Bei dem geringen Räume, der dena
Herausgeber zugemessen war, konnte selbstverständlich nicht daran gedacht werden,
jedem der in der Auswahl vertretenen neulateinischen Dichter so viel Platz zuzu-
weisen, dass ein einigermassen ausreichendes Bild seiner dichterischen Persönlichkeit
sich hätte ergeben können. Vielmehr schien es bei einer zur notwendigsten Orien-
tierung bestimmten Arbeit zweckmässig, möglichst alle bedeutenderen Vertreter der
neulateinischen Lyrik zu Worte kommen zu lassen, um so dem Leser eine Vor-
stellung von dem' Reichtum der Persönlichkeiten zu geben. Dass dabei mancher an
sich nicht unbedeutende Dichter nur durch ein oder zwei Gedichte vertreten sein
1) Georg Voigt, D. Wiederbelebung d. klass. Altertums oder d. 1. Jh. d. Humanismus. 2 Bde. 3. Aufl., bes. v.
ML Lehner dt. B., Eeimer. XVI, 591 S.; VIU, 543 S. M 20,00. - 2) X W. Cloetta, Beitrr. z. Litt.-Gesch. d. MA. u. d.
Renaissance (vgL JBL. 1892 II 8:44): LCBl. S. 17/8. - 2a) X (H 6:174.) — 2b) X A. Bömer, Neuere Litt, aber d.
Humanismus: MhComeniusG. 2, S. 297-302. (B. stellt d. wichtigsten Publikationen über d. Humanismus in d. J. 1890-92 zus.)
— 3) X Lat. Litt.-Denkmäler d. 15. u. 16. Jh. Her. v. M. Herrmann u. S. Szamatölski. N. 1-6 (1. J. Bolte, Gnaphens,
Acolastus; 2. S. Szamatölski, Eckius dedolatus; 3. J. Bolte u. Erich Schmidt, Pammachlus; 4. K. Hartfelder, Melanchthons
Declaraationes ; 5. K. Krause, Cordus Epigramme; 6. H. Holstein, Wimphelings Stylpho. Vgl. JBL. 1892 118:5/8,10/1.)
|[ZKG. 14, S. 315; ThLBl 14, S. 271/2; D. Jacoby: DLZ. S. 1386 3 (über N. 3); Y. Michels: ADA. 19, S. 69-72 (über N. 4;
M. bestreitet d. Zweckmässigkeit d. v. d. Heransgebern durchgeführten Ortbogr.); BPhWS. 13, S. 217 (über N. 5); ß. Sp renger:
ASNS. 90, S. 207 (über N. 5/6); G. Kawerau: ThLZ. S 81/3 (über N. 5/6); MHL. S. 259-61 (über N.5/6) ]| - 4) G. Ellinger,
Dtsch. Lyriker d. 16. Jh. Ausgew. u. her. (= LLD, N. 7.) B., Speyer & Peters. XL, 122 S. M. 2,80. |[H. U(agen): LCBL
II 7:5-7 Gr. Ellinger, Humanisten und Neulateiner.
konnte, ist gewiss ein Uebelstand, der aber durch die Anlag-e des Ganzen beding-t
war und unzweifelhaft einer Beschränkung auf wenige Dichter gegenüber als das
kleinere Uebel zu bezeichnen ist. Soweit ein einigermassen unparteiisches Urteil über
die eigene Arbeit sich gewinnen lässt, glaubt Referent wohl sagen zu dürfen, dass die
von ihm zusammengestellten Proben in der That ein ausreichendes Bild von dem
Gesamtbestande der neulateinischen Lyrik Deutschlands gewähren. In der Einleitung
hat E. auf Grund vierjähriger Arbeit versucht, auch eine darstellende Charakteristik
der in der Auswahl vertretenen Dichtungsgattungen zu entwerfen; hier hat er
danach gestrebt, auch die bedeutenderen dichterischen Persönlichkeiten herauszu-
heben und zu ihrem Rechte kommen zu lassen. Unter den in dieses Berichtsjahr
fallenden Recensionen der Auswahl nimmt die von Zupitza die erste Stelle ein.
Er weist einige stehen gebliebene Druckfehler nach, bringt recht bemerkenswerte
Vorschläge zur Besserung des Textes und der Interpunktion und macht auf ein
Versehen des Herausgebers aufmerksam, welches dieser allerdings unmittelbar nach
der Vollendung des Druckes selbst bemerkt und dem jetzigen Herausgeber der
Sammlung mitgeteilt hatte. In dem Gedichte des Valens Acidalius: Ad Venerillam (S. 29)
ist die erste Zeile durch die Interpunktion völlig entstellt, so dass das zweite mane
als eine mit dem Metrum wie mit dem Sinne unvereinbare Wiederholung des ersten
erscheint; Z. weist darauf hin, dass die Zeile selbstverständlich lauten muss:
„Lux mea, quotam mane? Mane! nondum orta usw." — In dem 8. Hefte der LLD. hat
Bolte^) einen sauberen Neudruck der Susanna von Sixt Birck nach der Editio
princeps (Augsburg 1532) gegeben. Die in der Baseler Sammlung von 1547 vor-
liegende zweite Bearbeitung des Dichters ist zur Berichtigung der Druckfehler mit
herangezogen, die in ihr enthaltenen Scenenanweisungen sowie die Abänderungen
sind in der vortrefflichen Einleitung mitgeteilt worden. Diese enthält ausser einer
kurzen Biographie (neu darin das Datum der Immatrikulation Bircks in Basel:
31. Dec. 1523) und einer wertvollen Analyse und Vergleichung des deutschen und
lateinischen Dramas den wichtigen, bisher übersehenen Nachweis zweier Perioden
in Bircks dramatischem Schaffen, einer Baseler und einer Augsburger, jene vor, diese
nach 1536. Aus einer von den früheren Forschern nicht beachteten Stelle in der
Biographie Bircks von Nysäus ergiebt es sich, dass nicht bloss Susanna und die
Tragödie wider die Abgötterey (später Beel), sondern auch die vier anderen deutschen
Stücke in die Zeit von Bircks Baseler Aufenthalt fallen, während die lateinischen
Dramen in der Augsburger Zeit entstanden sind. —
Die ersten Anfänge des Humanismus in Deutschland hat Burdach ^)
in seinen aufschlussreichen Untersuchungen behandelt "und damit einen sehr wert-
vollen Beitrag zur Erkenntnis der frühesten Einwirkungen der Renaissance in
unserem Vaterlande gegeben. Die Bedeutung der böhmischen Kanzlei für die Einigung
der neuhochdeutschen Schriftsprache stand seit Müllenhoffs Ausführungen in der
Vorrede zu den Denkmälern in ihren Grundzügen fest; jetzt lernen wir durch B.,
der die von Voigt (s. o. N. 1; 2, S. 2(33 ff.) gegebenen Anregungen durch eindringende
Benutzung des gesamten in Betracht kommenden Materials erweitert und vertieft,
die Kanzlei auch als die erste Vermittlerin des humanistischen Geistes kennen.
Summarisch hat B. die Ergebnisse seiner Untersuchungen selbst zusamraengefasst :
„Hier zuerst in Deutschland (d. h. in der Reichskanzlei) tritt das Gefühl für den
Stil der Prosa, für die Eleganz des Ausdrucks, für die Eloquenz im Sinne der Re-
naissance hervor als eine wirksame Macht; hier beobachten wir die ersten Versuche
einer Theorie der Epistolographie und Rhetorik ; hier werden die neuen litterarischen
Gattungen : der Brief, die Rede, der Dialog, die Novelle, alle in ungebundener Rede,
und die Ode, die Elegie in poetischer Form zuerst bewundert, verbreitet, teilweise
nachgeahmt; hier entwickelt sich zuerst der Sinn für das künstlerisch geschmückte
Leben, wie er sich besonders in den prachtvollen Miniaturen äussert, die für diese
Kreise und in ihnen entstehen; hier spielt zuerst, nach dem Vorbilde von Frankreich
und Italien, die Landesprache eine neue litterarische Rolle, indem auch sie fortan
unter das Gesetz des neuen Stilbegriffs, der neuen Kunstanschauungen gestellt
wird." Der Träger und Vermittler dieses neuen Geistes war hauptsächlich Johann
von Neumarkt, Karls IV. Kanzler; neben ihm kommen vor allen Dingen noch
Johann von Gelnhausen und Nicolaus von Kremsier in Betracht. Namentlich die
Thätigkeit Johanns von Neumarkt hat B. nach den oben angegebenen Gesichts-
punkten einer sorgfältigen Betrachtung unterzogen und so unzweifelhaft ein richtigeres
Bild von seiner Bedeutung entworfen, als es Voigt in seiner kurzen Charakteristik
S. 1116/8; WSKPh. 10, 8. 745,6; K. Wotke: BPhWS. 13, S. 1005; J. Z(iipitza): ASNS 90, S. 443-50.] - 5) J. Bolte,
Xystns Betnlius, Susannii. Mit e. Bilde u. e. Notenbeigabo. (= ebda. N. 8.) XYIII, 92 S. M. 2,20. (D. Bild ist Wieder-
gabe 0 llulzschnittes d. Augsburger Malers u. Formenschnoiders Jörg Brew d. J , d. d. Anregung dazu violleicht durch e. Aufführung v.
Birclis Drama erhalten hat; d. Notenbeigabe enthält d. vierstimmige Melodie zu d. abgeänderten Eingangschore nach d. Kölner Ausg.
V. 1538.) — 6) (11 l : 73.) — 7) X F- Kühl, P. de Nolhac, Petrarque et l'humanisme. Paris, Bouillon. 1891. X, 439 S.: BPh WS. 13,
I
G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner. II 7 : s-ia
gethan hat. In höchst lehrreicher Weise werden für seine ganze Thätig-keit die
analog-en Vorg-äng-e im italienischen Humanismus nachgewiesen. Auch da, wo ihn
die äusseren Zeugnisse im Stiche lassen, ist B. in seinen Vermutungen meist
glücklich; so erscheint der von ihm angenommene Zusammenhang Johanns von
Neumarkt mit den Augustinern von S. Spirito nicht unwahrscheinlich. Auch Karl IV.
wird in seinem Verhältnis zu der neuen geistigen Richtung vortrefflich charakterisiert.'"*^)
(Vgl. auch II 1 : 74—81.) —
Die bemerkenswerteste Leistung auf dem Gebiete der Frühzeit des deut-
schen Humanismus ist Herrmanns^") Biographie Albrechts von Eyb. '^) Bei
dieser monographischen Darstellung kann sich der Berichterstatter um so eher Be-
schränkung auferlegen, als es unmöglich ist, die ganze Fülle des durch H. neu auf-
geschlossenen Materials im einzelnen aufzuzählen. Nicht allein dass die Persönlichkeit
Eybs in ihrenLebensschicksalen wie nach ihren geistigen Bestrebungen in erschöpfender
Weise, wenigstens soweit Eybs Stellung innerhalb des Humanismus in Betracht
kommt, behandelt ist, auch der geistige Nährboden, auf dem die durch Eyb ver-
tretene Richtung erwuchs, ist auf Grund minutiösester Arbeit hier zum ersten Male
klar erkannt und wiedergegeben worden. Einerseits sind die Einflüsse der italienischen
Renaissance klargelegt und die Persönlichkeiten, die dabei die Vermittler abgeben,
z. B. Rasinus, vortrefflich dargestellt, andererseits wird die Eigenart dieses frühen
Humanismus, dem es vor allem darauf ankam, stofflich des gleichsam neu entdeckten
geistigen Gutes Herr zu werden, hier in einer typischen Persönlichkeit verkörpert.
Im einzelnen wird unsere Kenntnis auf Schritt und Tritt gefördert : wir greifen z. B.
nur die Neudatierung der Margarita poetica (1459), den Nachweis, dass die „Artis
rhetoricae praecepta" nicht von Enea Silvio, sondern von Eyb verfasst sind, heraus.
Besonders anzuerkennen ist, dass H. sich nicht durch falsche Rücksicht auf scheinbare
schriftstellerische Oekonomie hat verleiten lassen, manches zusammenzudrängen oder
zu kürzen: gerade einzelne Partien, die um der Einförmigkeit des Stoffes willen
vielleicht manchem Leser entbehrlich scheinen, wie die ausführliche Behandlung
Johannes Roths, die sehr lehrreiche Rekonstruktion der Bibliothek Eybs, gewähren
für die Geschichte des Humanismus die wichtigsten Aufschlüsse. Das ganze Buch
zeigt, was durch planmässige Ausnutzung* des gedruckten und ungedruckten Materials
auf diesem Gebiete zu leisten ist, und welche Aufschlüsse noch für die Geschichte
des Frühhumanismus aller Wahrscheinlichkeit nach erschlossen werden können. —
Für die Geschichte der auf den italienischen Universitäten studierenden
Deutschen hat Herrmann im wesentlichen auf Grund der Bologneser Matrikel lehr-
reiche Untersuchungen angestellt; bereits im vorigen Jahre ist auch auf die dahin-
gehenden Veröffentlichungen Luschin s von Ebengreuth '2) hingewiesen. L. hat
das archivalische Material in Padua, Bologna, Siena, Pavia, Pisa und Perugia ver-
wertet; aus den Statistiken, die er in der ersten Abhandlung aufstellt, lässt sich für
unser Gebiet mancher Nutzen ziehen; mehr noch sind die allgemeinen Aufstellungen
des zweiten Aufsatzes über die Nationen, den Wechsel des Studienortes, den Stand
der Studenten, die Einzelheiten der Prüfung von Wert und können mancher irrigen
Auffassung der Quellenstellen vorbeugen. (Auch der Aufenthalt deutscher Studenten
auf französischen Universitäten [Orleans] wird kurz berührt.) —
Eine höchst wertvolle Quelle für die weitere Erkenntnis des Früh-
humanismus ist durch die Herausgabe von Hermann Schede Is Briefwechsel
von Joachimsohn 13) erschlossen worden. Aus der Münchener Hs. Cod. lat. 224
teilt er mit Zuhülfenahme von fünf anderen Münchener Hss. die Korrespondenz
Schedels (namentlich dessen Briefe an seinen Neffen Hartmann) sowie die ein-
zelner seiner Freunde mit. Der Ueberlieferungszustand der Briefe ist ein sehr
schlechter; es sind Konzepte; sie bieten daher gewiss kein vollkommenes Bild der
abgesandten Briefe, auch sind sie vielfach durch Fehler entstellt, dennoch muss ihnen
ein grosser Wert zugeschrieben werden. Den Datierungen des Herausgebers wird
man in den meisten Fällen zustimmen müssen. Der Briefwechsel umfasst die
J. 1452 — 78; angehängt sind einige vorläufig undatierbare Stücke. Die Briefschreiber
stehen sämtlich in näherer oder fernerer Beziehung zu dem Augsburger Humanisten-
kreise. Ausser den beiden Schedel sind u. a. als Briefschreiber oder Adressaten
vertreten Lorenz Blumenau, Wilhelm von Reichenau, die beiden Sigismund und
Ulrich Gossembrot, Hieronymus Rotenpeck, Bischof Johann von Eichstädt, Valentin
S. 52. — 8) X P. de Nolhac, Les Mss. de Thisl. Angaste chez Petriirqnc. Kome, Caggiani. 1892. 19 S. — 9) X 'd.,
De patrntn et medii aevi scriptnrum codicibas in bibliotheca Petrarcae olira coUectis. Paris, Bouillon. 43 S. [C. Appel:
DLZ. S. 585;7 (bespr. aucli N. 8).]! — 10) M. Herrmann, Albr. v. Eyb u. d. Frühzeit d. dtsch. Hamanismas. ß., Weidmann.
Vm,437S. M. 10,00. |[J. Schlecht: LHw. 32, S. 649-54.] i (Vgl. II 3 : 4.) — U) X id., Dtsoh. Schriften A. v. Eyb (vgl. JBL. 189:)
II 8:56; 1892 II 8:22). |lJohn Meier: LBlGRPh. S. 1236 (weist einige Versehen in d. Textgestaltang nach); M. Blau:
MLN. 8, S. 3123.] — 12) A. Laschin v. Ebengreuth, Quellen z. Gesch. dtsch Rechtshörer in Italien: SBAkWienPi«. 124,
N. 11, S. 1-30; 127, N. 2, S. 1-144. (Vgl. JBL. 1892 II 8:16.) — 13) P. Joachimsohn, Herrn. Schedels Briefwechsel
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (2)10 %
II 7:14-15 G. Ellin g er, Humanisten und Neulateiner.
Eber, Thomas Oedenhofer, Andreas Kaufring-er, Jakob Sam, Heinrich Lur, Leonhard
Gessel. Was sich an thatsächlichen Angaben für die Adressaten und Briefschreiber
sowie für die in den Briefen nur erwähnten Persönlichkeiten, z. B. Sig". Meisterlin
und Johannes Kautzsch (in N. 62 participiert er nur als Adressat) Neues ergiebt,
ist nicht so wichtig wie der Ueberblick, den man aus den Briefen über die Be-
strebungen des älteren Aug-sburger Humanistenkreises erhält. Wir sehen die Männer
erfüllt von Begeisterung" für den neuen Studienbetrieb und beseelt von dem Wunsche,
es den vielbewunderten italienischen Vorbildern g-leichzuthun. So sind denn auch
die meisten dieser Briefe Prunkstücke ganz nach der Art der italienischen Humanisten-
briefe, und nicht allein dass in der Anlage und in dem Stil sich deutlich die Muster
erkennen lassen, manche Stücke sind auch wörtlich aus Petrarca, Pog'gio und Enea
Silvio entlehnt; der Herausg-eber hebt richtig" hervor, dass mit den von ihm nach-
g"ewiesenen Quellen die Entlehnungen wohl noch kaum erschöpft seien; seine Ver-
mutung", dass auch Guarino stark benutzt sei, hat viel W^ahrscheinliches. Man sieht,
wie es dem Frühhumanismus darauf ankam, zunächst stofflich sich so viel wie möglich
von den Erzeugnissen der neuen Geistesrichtung" anzueignen. Natürlich wird man
bei der üebernahme der aus den Briefen sich erg"ebenden thatsächlichen Nachrichten
nun doppelt vorsichtig sein müssen. —
An Hartmann Schedels Namen knüpft auch die Veröffentlichung über
Cassandra Fedele von S i m o n s f e 1 d i*) an. Seine Ausführungen über die
Chronologie der Drucke des Werkes der Cassandra Fedele, welches ihre Rede für
ihren Verwandten Bertuccio Lamberto und einige Briefe enthält, wollen in einem
Venetianer Druck von 1488 die editio princeps nachweisen, während sie einen an-
geblich aus dem J. 1487 stammenden Druck aus Modena dem J. 1494 zuweisen.
Wichtiger ist für uns der Hinweis auf einen Nürnberger Druck, von dem die
Münchener Bibliothek drei Exemplare besitzt; zwei davon stammen aus der Bibliothek
Hartmanns Schedels. Der Veranstalter des Nürnberger Druckes, der sich unter dem
Namen „Petrus Abietiscola Nerimontanus artiuin magister" verbirgt, war der Nürn-
berger Humanist und Freund des Celtis Peter Danhauser. Er hat seiner Ausgabe
ein gedrucktes Schreiben an Cassandra Fedele beigefügt (datiert: 22. Nov., wohl
1488), das um seiner ausserordentlichen Seltenheit willen von S. abgedruckt wird.
In diesem Schreiben beglückwünscht Danhauser Cassandra wegen ihrer oben er-
wähnten Rede; diese sei ihm durch Hartmann Schedel überbracht worden, der zugleich
ihre Beredsamkeit, Klugheit und Keuschheit gepriesen habe. Ob nun Hartmann
Schedel 1487 in Padua die Rede Cassandras mit angehört hat, wie S. aus dieser Stelle
folgert, muss man dahingestellt sein lassen; mit Sicherheit lässt sich nur das eine
schliessen, dass er Cassandra persönlich kannte und Danhauser einen Druck der
Rede übergeben hat, nach dem dieser seine Ausgabe herstellte. Am Schluss des
Schreibens bittet Danhauser die Cassandra um eigenhändige Briefe, die er zu ihrem
Ruhme in Deutschland verbreiten wolle, und schickt ihr eine Ode seines Freundes
Celtis, welche Cassandra zuweilen zur Lyra singen möchte. Jedenfalls legt das
Schreiben ein recht bemerkenswertes Zeugnis für die lebendigen Wechselbeziehungen
zwischen deutschen und italienischen Humanisten ab, —
Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Geschichte des früheren Humanismus ist
die Publikation von ausgewählten Briefen und Werken Albrechts von Bon-
stetten, welche Büchi^^) jetzt seiner Biographie folgen lässt. Aus dem Cod. 719
der Stiftsbibliothek in St. Gallen druckt B. den Briefwechsel Bonstettens mit Ein-
schluss der bereits bekannten Stücke ab. Für die Geschichte des Humanismus in
der Schweiz bieten zahlreiche der mitgeteilten Briefe schönes Material, so vor allen
Dingen die Schreiben, die sich an Bonstettens Aufenthalt in Pavia anschliessen
(namentlich N. 9— 34), aber auch die Briefe von Michael Cristan, Johannes Langfeld,
mehr noch die von Konrad Schoch und Johannes Hux und vor allem die Briefe
von Niklas von Wyle, deren Abdruck ganz besonders wünschenswert war. In einem An-
hange hat B. die Widmungsschreiben, die Bonstetten einzelnen Werken voranschickte,
sowie einige Aktenstücke zusammengestellt. Es schliesst sich der für die Geschichte des
Humanismus sehr wichtige, bisher ungedruckte Traktat von der Verbannung der Ge-
rechtigkeit an; weniger wichtig ist für uns das dann folgende Stück: Von der Stiftung
des Klosters Einsiedeln; dagegen wieder für diese Zwecke wertvoll die Beschreibung
der Schweiz, die offenbar humanistische Einwirkung aufweist und zwar vielleicht von
Enea Silvio beeinflusst ist; sie wird in den beiden Fassungen, der lateinischen und
der deutschen, abgedruckt; für die Herstellung des Textes der lateinischen Fassung
verwertet B. gleichmässig die drei Hss. zu München (ehemals im Besitze Peutingers),
Rom und Paris ; der deutschen liegt die einzig bekannte hs. Ueberlieferung in dem
(1452-78) her. (= Bibl. d. litt. Ver. Bd. 196.) Tübingen, Litt. Ver. X, 216 S. - 14) H. Simonsfeld, Z. Gesch. ä. Cassandra
Fedele. (=11:118, S. 99-103.) - 15) (U 3 : 70.) |[LCB1. S. 1421/2; Gh. Pf ister: RCr. 36, S. 225;6; A. Schulte : ZGORh. 8, S, 715,6.Ji
G. Ellinger, Humanisten und Neulatein^r. II 7 : 16-24
eben genannten Münchener Codex zu Grunde. B. hat der Ausgabe grosse Sorgfalt
zugewendet und manche neue Notiz auch zur Geschichte des Humanismus beigesteuert.
Wertvoll ist vor allem sein Hinweis auf das Vorbild des Traktats von der Ver-
bannung der Gerechtigkeit. In seiner Biographie Bonstettens (S. 54) hatte er fiir
die Einkleidung des merkwürdigen Werkes noch auf mittelalterliche Allegorien ver-
wiesen; jetzt macht er mit Recht darauf aufmerksam, dass offenbar der bekannte,
von Niklas von Wyle übersetzte Brief des Enea Silvio vom Traum der Fortuna
das Muster für die gewählte Form abgegeben hat, zumal Bonstetten am Anfang
seines Werkes in der Widmung an Niklas von Wyle selbst auf dieses Werk hin-
deutet.'*) — Schulte^") macht wahrscheinlich, dass die Chronik des Gallus Oehem
(nach 1496) durch Bonstettens soeben erwähnte Schrift: „Von der loblichen Stiftung
des hochwürdigen gotzhus Ainsideln unser lieben Frowen" ri494) angeregt ist. Den
Vermittler hat wohl Abt Martin von Weissenburg (1492—1508) abgegeben, der ein
intimer Freund und Bewunderer Bonstettens war. Wertvoll ist die von Seh. mit-
geteilte, eine andere Beziehung zu Bonstetten eröffnende Notiz, dass 1464 Niklas
von Wyle in seiner Eigenschaft als Comes palatinus den Gallus Oehem von dem Makel
unehelicher Geburt befreit. —
Die Studien über Heinrich Steinhöwel von S tr auch '''»"i'"») und des-
selben Vf. vortreffliche biographische Charakteristik Steinhöwels sollen im nächsten
Berichtsjahre in anderem Zusammenhange betrachtet werden. —
Den Anfängen des Humanismus in Tirol hat Zingerle '^) eine auf-
schlussreiche und lesenswerte Studie gewidmet. Auch in Tirol erscheint Enea Silvio
als der mächtige Anreger und Verkünder der Altertumsstudien. Er versucht den
Erzherzog Siegmund von Tirol für die von ihm vertretene Richtung zu gewinnen,
und er ist der Gönner und Lehrer des Bischofs Johann Hinderbach von Trient, der
zusammen mit dem Abt Kaspar Augsburger von Georgenberg und Johann Fuchs-
magen in Tirol den Humanismus unter Siegmund mächtig gefördert hat. Diesem
Thatbestande entsprechend, besteht auch die Arbeit von Z. im wesentlichen aus drei
Charakteristiken der eben genannten Männer, deren Wirken auf Grund der bekannten That-
sachen und neu aufgefundenen Materials gut beleuchtet wird. Namentlich gut dargestellt
sind die Beziehungen der drei Gelehrten zu italienischen und deutschen Humanisten, bei
deren eingehender und belehrender Auseinandersetzung Z. durchweg die in seinen
Beiträgen zur Geschichte der Philologie (Innsbruck 1880) gewonnenen wertvollen
Resultate zu gute kamen. Am meisten Neues hat Z. aus bisher unbekannten Quellen
für die Biographie des Kaspar Augsburger gewonnen; der Abschnitt über ihn be-
reichert in höchst dankenswerter Art unsere Kenntnis des früheren Humanismus.
Doch sind auch für Hinderbach einige neue Thatsachen mitgeteilt, so sein Geburts-
jahr 1418 und der Umstand, dass seine Mutter mit Heinrich von Langenstein ver-
wandt war. Von ganz besonderem Interesse sind noch die kurzen Abschnitte, die
uns über die Bücheranschaffungen Hinderbachs und Augsburgers unterrichten
(S. 30/1, 34/5). Auch für Johann Fuchsmagen wird die Arbeit von Ruf vielfach,
namentlich durch die von Z. in seinen Beiträgen benutzte Innsbrucker Hs., ergänzt. — ■
Blütezeit des Humanismus. Dem Rud. Agricola hat Ihm'^) eine
kurze, klar und sachlich geschriebene Biographie gewidmet, die die Verdienste des
grossen Anregers angemessen auseinandersetzt. Im wesentlichen folgt er seinen
Vorgängern; in der Auffassung war nach den ausgezeichneten Charakteristiken
Geigers und Bezolds nicht viel Neues mehr zu bringen, dagegen verwertet I.
zum ersten Male die von Hartfelder veröffentlichten Briefe Agricolas. Der Biographie
schliessen sich einzelne ausgewählte Stücke aus Agricolas Werken in Uebersetzungen
an; nach den angestellten Stichproben ist die Uebertragung geschickt und sinn-
gemäss. — Von Agricola hat nach Melanchthons Zeugnis Pallas Spangel sein
gutes Latein gelernt. Hartfelder^*^) hat diesem eine hübsche Charakteristik zu
teil werden lassen ; dass die beiden Geistesrichtungen, die sich sonst feindUch gegen-
übertraten, die scholastische und die humanistische, in dieser Persönlichkeit friedlich
neben einander bestanden, hätte vielleicht etwas schärfer hervorgehoben werden
können; richtig dagegen ist, dass die so oft missbrauchte Bezeichnung „Reformator
vor der Reformation" auf Pallas Spangel durchaus nicht passt. —
Für Wimpheling steuert Knod^') eine sehr bemerkenswerte, bisher un-
bekannte Urkunde bei, in der Wimpheling in der gebräuchlichen Form um die
- 16)XL.Stein, Büchi.A.v Bonstetten: AGPhilos. 6, S. 587/8. — 17) A.Schnlte, A. v. Bonstetten u. Qallns Oehein:ZGORh. 8,
S. 709-10. - 17a)XXPh. St r.i HC h.Z.Lebensgescli. Steinhöwels :VLG. 6, S. 277-90. — 17b) X X (H 3 : 41.) — 18) 0. Zingerle,
D. Hnmanismus in Tirol nnter Erzherzog Siegmund d. Münzreichen. (= Festgruss ans Innsbrnck an d. 42. Vers, dtsch.
Philol. u. Schulmänner in Wien. [Innsbruck, Wugner. UI. 203 S. M. 4,80|, S. 21-42.) — 19) G. Ihm, D. Humanist Rud.
Agricola, sein Leben u seine Schriften. (= Samml. d. bedeutendsten päd. Schriften aus alter u. neuer Zeit, her. v.J. Gänsen,
A. Keller u. B. Schulz. Lfg. 78,9.) Paderborn, Schöningh. VII, 88 S. M. 0,80. — 20) K. Hartfelder, Pallas Spangel:
ABB. 35, S. 32,3. — 21) (II 6 : 40.) — 22) G. Knod, Jak. Spiegel: ADB. 35, S. 156/8. — 23) (S.o. N.21.) — 24) X K. Hart-
(2)10*
II 7 : 25-28 G. Elling-er, Humanisten und Neulateiner.
Anwartschaft auf eine Pfründe anhält. Die vom 16. März 1487 datierte Urkunde ge-
währt auch insofern ein besonderes Interesse, als wir aus ihr erfahren, dass
Wimpheling- eine Zeit lang" das Pfarramt zu Sulz im Elsass (Kreis Molsheim) ver-
waltet hat. K. weist mit Recht auf den inneren Widerspruch hin, dass Wimpheling,
der so sehr gegen die Pfründenjäger geeifert, selbst den üblichen Weg nicht ver-
schmäht hat, sich um eine solche Einnahmequelle zu bemühen. In einem zweiten
Beitrag zu Wimpheling führt K. zu den bisher bekannten vier Ausgaben des von
Johannes ßeckenhaub besorgten Werkes: Tabula super libros sententiarum, cum
Bonaventura, in dessen viertem Bande sich ein Brief von Wimpheling findet, noch
eine fünfte an. In dieser trägt Wimphelings Brief die Ueberschrift : Jacobus
Wymffling Sletstatensis theologie doctor usw. Da nun Wimpheling sich niemals als
Doktor der Theologie bezeichnet hat, so folgert K., dass die Ueberschrift nicht von
ihm selbst herrührt. Stammt diese aber von anderer Hand, so meint K. auch das
Recht zu haben, ebenso die Zuverlässigkeit des Datums „Ex Nurnberga 1491" zu be-
streiten und es für einen Zusatz des Druckers zu erklären, während er die Authenticität
des Textes selbst allerdings nicht antasten will. Demgemäss meint er nun die auf
das Datum unseres Briefes gegründete Nachricht von einem zeitweiligen Aufent-
halte Wimphelings in Nürnberg im J. 1491 überhaupt in das Reich der Fabel ver-
weisen zu können. Mir scheint die Beweisführung K.s etwas zu scharf zu sein;
dass die Ueberschrift nicht vollständig zutrifft, giebt uns noch nicht das Recht, ohne
weiteres auch das Datum zu bestreiten, zumal der Text nicht wohl anzuzweifeln ist.
Immerhin scheint es daher noch nicht zulässig, den Aufenthalt Wimphelings in
Nürnberg ganz zu leugnen, wenn auch zuzugeben ist, dass er nach K.s Ausführungen
nicht mehr als unumstösslich sicheres Faktum zu betrachten ist. — Wimphelings
Neffe Jakob Spiegel ist ebenfalls von Knod22), der im wesentlichen die Resultate
seiner grösseren Arbeit zusammenfasst, biographisch behandelt worden. —
Einen bisher unbekannten Brief Reuchlins an Agricola teilt wiederum
Knod23) mit. Es ist das einzige bisher bekannt gewordene Schreiben Capnions
an Agricola und insofern recht interessant, als Reuchlin in ihm den Freund um
Rat über die Auffassung des Textes einer Psalmstelle fragt. Der Brief muss
zwischen 1482 und 85 geschrieben worden sein. Wenn K. bemerkt, aus dem Briefe
gehe hervor, dass auch Reuchlin zunächst aus theologischem und nicht philologischem
Interesse sich dem Studium der heiligen Sprache zugewandt habe, so scheint mir
der vorliegende Brief dafür keinen ausreichenden Beweis zu bieten. Dass freilich
das philologische Interesse zu Reuchlins hebräischen. Studien nicht in erster Linie
den Anstoss gegeben hat, ist unzweifelhaft; stärker aber als das rein theologische
Interesse hat zweifellos der Wunsch gewirkt, in der Kabbala die Geheimnisse ver-
borgener Weisheit zu finden. —
Von dem Mutianischen Orden -*), dem Kreise der jüngeren Freunde Mutians,
ist ausser Hütten diesmal nur Spalatin zu erwähnen. G. Müller 2^) hat ihm eine
biographische Darstellung zu teil werden lassen, die aber trotz ihrer Ausführlichkeit
wenig Neues bietet. Doch ist wenigstens Spalatins Verhältnis zu Mutian und den
in seinem Kreise herrschenden Anschauungen auf Grund des Briefwechsels charak-
terisiert worden. —
Ein von Konrad Celtis^ß) verfasstes, allerdings wohl nicht in des Dichters
eigenem Ms. vorliegendes Schriftstück teilt Ru eppr echt^") aus einer Münchener
Hs. mit. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es aber kein Brief, sondern ein Anschlag,
durch den die Studenten zu Celtis Vorlesungen eingeladen werden sollten. Celtis
war bekanntlich anfangs 1492 an die Universität Ingolstadt berufen worden. Noch
vor dem feierlichen Antritt seiner Professur (Aug. 1492) hatte er für seine Zuhörer
die Schrift herausgegeben: Epitoma in utramque Ciceronis rhetoricam cum arte
memorativa nova et modo epistolandi utilissimo (s. 1. e. a; Ingolstadt [Joh. Kachel-
ofen], 1492). Zu Vorlesungen über dieses Buch ladet der vorliegende Anschlag, der
im April oder Anfang Mai 1492 geschrieben sein wird, offenbar ein, wie aus den
nachfolgenden Worten klar hervorgeht: praecepta dicendi et omnem ut ita dicam
Ciceronianae eloquentiae succum in prospicuum et darum quendam ordinem redegimus:
eaque imprimenda curavimus: proximoque die lunae ad horam primam illa interpretari
et legere ita instituimus, ut totus iam Cicero non rhomana sed germana lingua
loqui intellegatur. Die Betrachtungen, die das Schreiben eröffnen, gehen übrigens
von dem gleichen Gedanken aus, den Celtis nachher in seiner feierlichen Antritts-
rede (im Aug.) zum Ausdruck brachte. Er beklagt nämlich auch in dem Ein-
ladungsschreiben an die Studenten den traurigen Zustand der sprachlichen Studien
fei a er, K.Gillert, Briefwechsel d. Mutian (vgl. JBL. 1892118:52): HZ 34,8.123,5.— 25) (1. Mttl 1er, Spalatin: ADB. 35, S. 1-29.
— 26) X Ö. List, Littoraria sodalitas Danubiana. (Aus ÖUR) Wien i^L., Litt. Anst., A. Schulze). 21 S. M. 0,40. (Popnl.
Abhandlung über Celtis u. d. Donauges., auf Grund d. allg. bekannteren Quollen gearbeitet u. nicht frei v. thatsächlichen
Irrtümern.) — 27) C. Euepprecht, E. Brief v. K. Celtis an d. Univ. Ingolstadt: ZVLR. 6. S. 121/2. — 28) F. v. Krones,
G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner. II 7 : 29-31
in Deutschland und weist auf die Alten als die alleinigen Lehrmeister hin. Gerade
Ciceros Rhetorik scheint ihm zur Verbesserung- des sprachlichen Ausdrucks am g-e-
eig'netsten zu sein, und so findet er den Ueberg-ang" zu der Ankündig-ung seiner
Vorlesung-. — Celtis Freund Joh. Stabius hat eine kurze biographische Darstellung
durch Krön es 28) gefunden. —
Seinen im vorigen Berichtsjahre besprochenen Ausgaben zweier Werke des
Murmellius^o) hatBömer^'^) jetzt einen Neudruck der Elegien des münsterischen
Humanisten folgen lassen. Man kann nicht sagen, dass Murmellius innerhalb der
humanistischen Poeten einen bedeutenden Rang einnimmt; seine Erfindungen sind
meist recht dürftig und prosaisch, der Ausdruck ist häufig hart und ungeschickt.
Der Herausgeber erkennt in seiner Einleitung die Schwächen des Dichters an, meint
aber trotzdem ihn noch recht hoch stellen zu können. Dennoch würde es besser
sein von Redewendungen wie: „Murmellius beweist in der poetischen Auffassung
seiner Stoffe glänzendes Talent" oder „Murmellius ist ein Dichter von Gottes
Gnaden" Abstand zu nehmen; bringt man schon im allgemeinen derartigen Urteilen
ein starkes Misstrauen entgegen, so hat man gerade bei der neulateinischen Dichtung
die doppelte Aufgabe, vorsichtig zu sein, da der poetische Gehalt im Durchschnitt
sehr gering zu sein pflegt und es auch, wie ein unparteiischer Betrachter zugestehen
muss, im vorliegenden Falle ist. Trotzdem wird man für die Erneuerung des
ziemlich seltenen Buches dankbar sein. Murmellius Elegien nehmen nämlich durch
ihre Form schon eine eigenartige Stellung innerhalb der neulateinischen Poesie ein;
der Dichter bestrebt sich, durch die vier Bücher eine bestimmte Disposition fest-
zuhalten und das Ganze so mehr dem Charakter des Lehrgedichtes anzunähern. Das
erste Buch will das Elend des menschlichen Körpers schildern, die Unbeständigkeit
der irdischen Güter darthun; das zweite rühmt die hohe Würde und Vortrefflichkeit
der menschlichen Natur ; der Uebergang vom zweiten zum dritten Buch-e ergiebt sich
aus einzelnen Elegien, z. B. III, 9 und 10 : Der Mensch soll sich bei den hohen An-
lagen seines Geistes nicht den Leidenschaften unterwerfen, sondern sein Glück nur
in der Tugend suchen. Um sich in diesem Kampf gegen die Versuchungen zu
stählen, empfiehlt der Dichter im Anschluss an die Aufstellungen Picos von Mirandola
zwölf geistige Waffen; ihrer Behandlung sollte das dritte Buch gewidmet sein, während das
vierte endlich von den zu erstrebenden Tugenden und dem höchsten Gute handelt. Der Ge-
dankengang, der dem Dichter vorschwebte, ist klar, aber die Disposition ist nicht immer
eingehalten; am besten ist sie noch im ersten Buche durchgeführt worden. Im einzelnen
wäre manches Interessante hervorzuheben; da hier eine Beschränkung auf das Wesent-
liche nötig ist, so sei nur auf Folgendes hingewiesen : I, 1 die echt humanistische Ein-
kleidung. II, 14 Lobgedicht auf Albertus Magnus. III, 1 bei der Variierung des
bekannten humanistischen Gedankens von der Un Vergänglichkeit des dichterischen
Ruhmes führt Murmellius eine ganze Reihe dichtender Zeitgenossen an, ausser den
älteren Humanisten Rud. Agricola, Faustus Andrelinus, Poliziano erscheinen Mur-
mellius Gönner Rudolf von Langen, Hermann von dem Busche, der Rektor der
Münsterer Domschule, Timann Kemner, mit dem Murmellius später (um 150B) in
Zwist geriet, so dass er von der Domschule zur Ludgerischule überging; ferner eine
Reihe wenig bekannter Freunde und Genossen des Murmellius, der Kanonikus
Bernhard Tegeder, Johannes Modersohn, Peter Gymnich, der Bibliophile Heinrich
Morlage in Münster, der sonst unbekannte Joh. Iserlohn, der Speirer Jak. Montanus,
Joh. Rötger und Murmellius Kollegen an der Domschule, Ludolf Bavink und Joh.
Pering ; als berühmter Rechtskundiger wird noch Joh. von Elen erwähnt. Das Ge-
dicht giebt uns einen guten Ueberblick über den humanistischen Freundeskreis des
Murmellius in Münster, und somit gewinnt es auch für die Geschichte des Humanismus
im allgemeinen einen gewissen Wert. III, 14 Loblied auf Thomas von Aquino.
IV, 11 Loblied auf den Karthäuserorden und seinen Stifter Bruno. S. XIX schliesst
B. sich der Ansicht Reichlings an, dass die Ausgabe der Elegien von 1508, nach
welcher der vorliegende Abdruck veranstaltet ist, nicht die erste gewesen, sondern
dass ihr schon eine andere 1507 vorausgegangen sei. Die Stellen indessen, die
Reichling und mit ihm B. für diese Ansicht anführt, scheinen mir keineswegs be-
weiskräftig zu sein. —
Mathias von Bredenbach mag hier angereiht werden, weil er seine Bildung
an der Domschule in Münster sich erwarb, wo er ein Schüler von Murmellius Gegner
Timan Kemner war, vielleicht auch bei Murmellius selbst Unterricht genossen hat.
Aus Heinrichs 31) Schrift über ihn (Frankfurter zeitgemässe Broschüren Bd. 11,
Joh. StaMus: ADB. 35, S. 337. — 29) X A.- Bömer, D. Murmellius „De magistri et discipulorum officiis . . ." u „Opnscnlnm
de discipulorum officiis..." (vgl, JBL. 1892 II 8:48/9). |[H. H(.agen): LCBl. S. 649-50; K. Wotke: BPhWS. 13, S. 534;
A. Mayer: ÖLBl. 2, S. 742.]| — 30) A. Bömer, D. Münsterischen Humanisten Joh. Murmellius Elegiarum moralium libri
qnattuor in e. Neudr. her. (=: Ansgew. Werke d. Münsterischen Humanisten J. Murmellius. N. 3.) Münster, Regensberg.
XXn, 140 S. M. 3,00. - 31) K. Heinrichs, D. Humanist Mathias Bredenbach als Exeget: Kath. 73^ S. 345-71, 445-69,
II 7:32 G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner.
Heft 12) kennen wir ihn als fanatischen Gegner der Reformation; derselbe Autor
führt ihn uns jetzt als Exeg-eten vor. Er behandelt zunächst den Kommentar Breden-
bachs zu den ersten 69 Psalmen. Nach den von H. im Auszuge mitgeteilten Stellen
fordert Bredenbach eine allegorische Auslegung der Psalmen, sucht aber auch mit
den Mitteln der philologischen Kritik die Bedeutung des Wortsinns festzustellen. Zu
diesem Zwecke g-eht er regelmässig auf den hebräischen Text zurück, zieht aber
noch andere Hülfsmittel herbei und fordert mit Nachdruck für die Erklärung der
Schrift die Betreibung- sprachlicher Studien. Doch soll das alles nur insoweit Geltung-
haben, als es der von der Kirche vorgetragenen Lehre nicht widerstreitet. Breden-
bachs Hauptgrundsatz ist: Bei der Auslegung der Psalmen „muss man sich an die
Erklärung der lehrenden Kirche halten". Damit ist der Standpunkt des Mannes
bezeichnet, wie denn auch über die Benutzung der jüdischen Grammatiker (S. 354)
sich Bemerkungen finden, die stark an eine bekannte Stelle aus den Dunkelmänner-
briefen erinnern. Für seine Erklärung hat Bredenbach hauptsächlich die Kirchen-
väter benutzt, ganz vereinzelt findet sich hier und da ein Citat aus den klassischen
Schriftstellern. Es stimmt dazu, dass Bredenbach auch sonst gelegentlich in dem
Kommentar recht geringschätzig von der Weisheit der Heiden redet, die sich beim
Ausgange des Evang-eliums „als reine Thorheit herausgestellt habe". H. giebt einige
Proben aus den Bemerkung-en Bredenbachs zu den ersten Psalmen und wendet sich
dann zu seinem Kommentar zum Evangelium Matthäi, der ebenso wie der Kommentar
zu den Psalmen erst 1560 nach des Vf. Tode erschienen ist. In der Erklärung des
Evangeliums Matthäi tritt die textkritische Behandlung- durchaus zurück; Bredenbach
hält sich an den Vulgatatext, der kapitelweise mit gelegentlicher Erklärung schwieriger
Stellen erläutert wird. Sowohl in dem Kommentar zu dem Psalmen als auch in
dem soeben besprochenen nimmt der Erklärer fortwährend auf die religiösen
Zustände seiner Zeit Bezug-, und die beiden Werke sind erfüllt von den heftig-sten
Ausfällen g-egen die Reformation und die Reformatoren. Diese Aeusserungen unter-
scheiden sich in nichts von den heftigen Ang-riffen, die Bredenbach in seiner Schrift
„De dissidiis" gegen, den Protestantismus und seine Begründer richtete. H. hat in
seiner oben erwähnten früheren Schrift aus diesem polemischen Buche reichliche
Auszüge geg-eben; ob es daher notwendig war, die entsprechenden Bemerkungen
aus den beiden Kommentaren in der gleichen Ausführlichkeit zu liefern, lassen wir
dahingestellt. Jedenfalls erfahren wir aus ihnen nichts Neues, es sind die bekannten
Vorwürfe, Versuche der Zurückweisung protestantischer Lehren und zum Teil grobe
Schmähungen. Am Schlüsse seiner Abhandlung weist H. auf einen bei Wolter,
Konrad von Heresbach, abgedruckten Brief Melanchthons hin (31. Jan. 1559), worin
dieser erklärt, er habe im Jahre zuvor durch Konrad von Heresbach den Herzog
Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg bitten lassen, dem Bredenbach „sein schändtlich vnd
vnchristlich schreiben" zu verbieten und komme jetzt nochmals auf die Bitte zurück.
Das Missfallen, das der Herzog, wie H. auf Grund einer Notiz Hamelmanns nach-
weist, dem Gelehrten bezeigte, als dieser ihm seine Schrift „De dissidiis" widmete,
kann vielleicht auf diesen Brief zurückgeführt werden, wenn auch chronologisch einige
Schwierigkeiten bleiben, da Bredenbachs Pamphlet schon 1557 erschienen ist. Wenn
nun aber H. gesperrt drucken lässt: „Wir nageln die hochinteressante Thatsache fest:
Hinterrücks hat Philipp Melanchthon zweimal den Versuch gemacht, durch fürstlichen
Machtspruch den unbequemen Gegner Mathias Bredenbach litterarisch tot zu machen",
so scheint das recht unnötig. Als ob wir nicht zur Genüge wüssten, dass von der-
artigen Mitteln zur Unterdrückung der Gegner im Zeitalter der Reformation von
beiden Seiten der ausgiebigste Gebrauch gemacht worden ist. —
Mit einem bisher unbekannten Gedichte des Erasmus, das nicht bloss um
seines Autors, sondern auch um des behandelten Gegenstandes willen Beachtung ver-
dient, macht uns Hartfelder^S) vertraut. Ein von Hieronymus Gebweiler besorgtes
und von diesem mit einem Widmungsbrief an den Pfalzgrafen Johann versehenes
Schriftchen (Hagenau 1536; Exemplar in Freiburg) enthält ausser einigen nachher noch
zu erwähnenden Stücken ein Gedicht des Erasmus auf den Tod des Thomas Morus.
Das in Hexametern geschriebene, mit Reminiscenzen aus den klassischen Dichtern
reichlich versehene Gedicht beginnt mit der Ankündigung des Gegenstandes, ruft
dann die Musen um Beistand an und wendet sich nach einer kurzen Erwähnung-
John Fischers, eines Leidensgenossen Morus, zu einer Darstellung der Verhältnisse, die
Morus Tod veranlasst haben. Mit starken Farben werden Heinrichs VIII. Abfall
von der katholischen Religion und die Veranlassung zu diesem Schritte geschildert ;
dem Könige wird prophezeit, dass ihn die Reue über die Unthat noch schwer
peinigen werde; der Dichter hält ihm Alexanders fruchtlose Verzweiflung nach der
Ermordung des Klitus als warnendes Beispiel vor. Mit einer erneuten Klage
519-37. — 32) K. Hartfelder, E. nnbekannt gebliebenes Gedicht d. Des. EraBtntis v. Rotterdam: ZVLR. 6, S. 457-64. —
G. Ellinger, Humanisten und Nenlateiner. II 7 : 33-36
um Morus und mit dem Preise seines Märtjrrertodes schliesst dann das Gedicht ab,
das an poetischem Wert die Durchschnittsleistung-en der neulateinischen Dichtung*
nirgends überragt. Ausser diesem Poem enthält der Druck noch eine Grabschrift
auf Morus in Distichen, wahrscheinlich von Johannes Sapidus, einige Erklärung-en
Gebweilers zu Stellen in dem Gedichte des Erasraus, eine kurze Biographie des oben
erwähnten John Fischer, die Erasmus zugeschrieben wird, und eine Passio
Episcopi Roffensis (Fischers) et Thome Mori, über die H. keine näheren Nachrichten
giebt. Einen kurzen Abriss von Gebweilers Leben und Wirken entwirft H. im
wesentlichen auf Grund von Schmidts Darstellung; hinzu kamen nur noch einige
kleinere, aber wenig belangreiche Notizen aus dem Briefwechsel des Rhenanus.
Die Entstehungszeit des Gedichtes lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen ; zwischen
Juli 1535 (Morus Tod) und Juli 1536 (Erasmus Tod) muss es entstanden sein. Das Wahr-
scheinliche ist, dass es in den ersten Monaten nach dem Tode des Morus gedichtet worden
ist. Schliesslich zieht H. als vielleicht Erasmianische Prosaparallele zu dem Gedichte die
aus Erasmus Werken bekannte, kleine lateinische Prosaschrift an, die bald nach dem
Tode des Morus unter dem Pseudonym Gulielmus Covrinus Nucerinus veröffent-
licht wurde. Freilich steht die Autorschaft des Erasmus in diesem Falle keineswegs
fest, und es wäre recht wünschenswert, wenn einmal in einer eingehenden Unter-
suchung die inneren und äusseren Gründe geprüft würden, die sich für oder gegen
Erasmus Autorschaft ins Feld führen lassen. — Als eine der letzten brieflichen
Aeusserungen des Erasmus von Interesse ist ein von Knod-^^) mitgeteilter Brief,
datiert Basel, 23. Okt. 1535. Er ist an ein Mitglied der Strassburger Schulherren-
kommission gerichtet, vielleicht an Jakob Sturm oder an Nikolaus Kniebs, und
empfiehlt einen Franciscus Berus (wahrscheinlich identisch mit dem 1527 in der
Basler, 1530 in der Freiburger Matrikel Genannten gleichen Namens) für eine erledigte
Pfründe. K. teilt noch einen im Strassburger Thomasarchiv erhaltenen Brief mit,
in welchem sich Bers Oheim, Ludwig Berus, in der gleichen Angelegenheit an den
Strassburger Rat wendet; ein weiteres Empfehlungsschreiben von Bers Vater findet
sich ebenfalls im Thomasarchiv.^^"^^) —
Erasmus war der geistige Mittelpunkt des Humanistenkreises, der sich
im Anfang des 16. Jh. in Konstanz zusammenfand. Für die Geschichte dieses
Kreises haben sich aus dem Briefwechsel des Beatus Rhenanus, aus den „Analekten
zur Geschichte der Reformation und des Humanismus in Schwaben" von Horawitz
(1878), sowie aus dessen Erasmiana und auch gelegentlich aus anderen an den Tag
gekommenen Stücken manche neue und wertvolle Thatsachen und Gesichtspunkte
ergeben. Mit Recht hat daher Hartfeld er ^ß) den Versuch gemacht, die Ergeb-
nisse des früher unbekannten Materials wieder zu einem Gesamtbilde zusammenzufassen.
In den einleitenden Bemerkungen streift er kurz die Männer, die man noch nicht
im eigentlichen Sinne für den Humanismus in Anspruch nehmen kann, wenn sie
ihm auch durch die Art ihres wissenschaftlichen Strebens nahe stehen: Georg
Nauclerus, den Neffen des Johannes Nauclerus, der die Veröffentlichung der Chronik
seines Oheims ermöglichte, den Präpositus Matthäus Schad, als Bewunderer des
Erasmus bereits bekannt, den Pfarrer Johannes Wanner, der indessen mehr für die
Entwicklung des kirchlichen als für die des geistigen Lebens in Konstanz in Betracht
kommt. Auch Ambrosius Yphofer von Yphofersthal wird in seinem lebhaften
wissenschaftlichen Streben, seinen Beziehungen zu Luscinius und Rhenanus kurz
geschildert, obgleich sein Aufenthalt in Konstanz erst in etwas spätere Zeit fällt.
Nach einem Ausblick auf die Fäden, die zwischen Konstanz und Tübingen sich an-
spannen (H. Bebel und Johannes Stöffler), und nach einer Erwähnung von Ambrosius
und Thomas Blaurer, deren Bedeutung ebenfalls mehr auf dem Gebiete der Geschichte
der Reformation zu suchen ist, wenn es auch an Beziehungen zum Humanismus
keineswegs fehlt, folgt eine sorgfältige und mit Wärme ausgeführte Charakteristik des
Johann von Botzheim. Walchners liebevolle Biographie Botzheims wird von H.
in einigen Punkten ergänzt; das Datum von Botzheims Immatrikulation in Heidel-
berg ergiebt die Matrikel: 23. Okt. 1496; wenn H. demnach Botzheims Geburt um
1480 ansetzt, so stimmt das auch zu der Thatsache, dass sich der Vater des Huma-
nisten 1488 zum dritten Male verheiratete, Botzheim aber aus der zweiten Ehe stammte.
Ebenso können wir seine Ankunft in Bologna auf das J. 1500 fixieren. Auch über
seine Persönlichkeit und seinen unermüdlichen Wissenstrieb wird aus Horawitz
Analekten noch mancher bemerkenswerte Zug gewonnen. Wie hier für Botzheim,
so bringt H. auch in den unmittelbar sich anschliessenden Charakterbildern von
Menlishofer, Hummelberg und Faber einige Ergänzungen zu den Skizzen von
Horawitz. Namentlich die Kenntnis von Hummelbergs Leben ist durch die neu er-
33) (S. 0. N. 21.) — 34j X Bibliothec.1 Erasmiana: NedSpect. S. 195. — 35) X K. Hartfelder, A. Richter, Erasmns-
stndien (ygl. JBL. 1892 118:56): HZ. 35, S. 505/6. — 36) id., D. humanistische Freundeskreis d. Desid. Erasmns in
II 7:37-39 G. Elling-er, Humanisten und Neulateiner.
schlossenen Quellen recht g-efördert worden: wir wissen jetzt, dass der Aufenthalt
in Paris 1503, nicht 1508 beg-ann, dass Humrnelberg- vorher (seit 1501) die Universität
Heidelberg" besuchte und dort 9. Jan. 1503 sein Baccalaureatsexamen bestand. Ebenso
bieten die Analekten von Horawitz und der Briefwechsel desRhenanus manche fördernde
kleinere Aufschlüsse über Fabers Freundesverkehr. Die Beziehung-en zwischen
Hummelberg und Urbanus Rhegius, dessen Frühzeit der fünfte Abschnitt H.s ge-
widmet ist, werden zum ersten Male nach den in den Analekten abgedruckten Stücken
dargestellt; ebenso wird zum ersten Male das Urteil Zwingiis über Rhegius
Schrift „De dignitate sacerdotum", wonach geradezu Faber die Autorschaft des Buches
zugeschrieben wurde, verwertet. Den Schluss bildet eine Schilderung- von Erasmus
Aufenthalt in Konstanz (Sept. 1522), die zum Teil auf dem bekannten und schon von
Walchner verwerteten Materiale aufgebaut ist; doch bietet auch hier der Briefwechsel
des Beatus Rhenanus reizvolle neue Züge, namentlich über die Unterhaltungen, die
in Konstanz zwischen Erasmus und seinen Freunden g-epflogen wurden. Im Anhange
teilt H. aus einer Hs. der Breslauer Stadtbibliothek zwei Briefe mit, deren
Inhalt bereits aus Horawitz, Erasmiana (3, S. 11, 14) bekannt war. Der eine von
Johann von Botzheim an Erasmus legt von der glühenden Verehrung* Botzheims
für Erasmus Zeugnis ab, der andere ist von Menlishofer an Erasmus g-erichtet und
verdient als das einzige bisher bekannte Schriftstück Menlishofers entschieden Be-
achtung. Menlishofer verbreitet sich hauptsächlich über seine und des Erasmus
Stellung zur Reformation; er selbst neigt der neuen Lehre zu und möchte anscheinend
auch Erasmus veranlassen, sich günstiger zu ihr zu stellen; Faber wird von ihm ge-
tadelt, weil er zu heftig der reformatorischen Bewegung gegenübertritt. —
Für Hütten 3'') bietet Knod^S) einige recht wertvolle Beiträge. Er teilt
zunächst ein bisher unbekanntes Schreiben des Schlettstadter Rates vom 27. März
1521 an Hütten mit, worin der Rat diesem Mitteilung macht, dass in Schlettstadt
sein und Luthers Bild von unbekannter Hand beschimpft worden sei, und dass der
Rat sich Mühe geben werde, den Thäter auszumitteln und zu bestrafen. Auf Grund
dieses Aktenstückes und der Freiburger Matrikel wird das Datum eines Briefes,
in dem der junge Johannes Sandizeller aus Schlettstadt seinem Landsmanne Beatus
Rhenanus Kunde von der Luther und Hütten angethanen Beschimpfung giebt,
(Horawitz-Hartfelder, Briefwechsel des Beatus Rhenanus N. 421) datiert: er rauss
nach dem 17. Febr. 1521 geschrieben sein. Ueber die weitere Haltung des Schlett-
stadter Rates teilt K. noch ein Zeugnis mit: in einem Schreiben an seinen Pro-
kurator Johannes Man in Rom (14. Juni 1522) sucht der Rat dem Papst gegen-
über sein Verhalten so darzustellen, als ob er die protestantische Sache niemals be-
günstigt hätte, was allerdings mit der Wahrheit nicht übereinstimmte. Weit wert-
voller indessen als dieses Schreiben ist der Fund, den K. an dritter Stelle mitteilt:
ein bisher unbekannter gedruckter Fehdebrief Huttens an die Kurtisanen. Die von
K. wiedergegebene Vorlage befindet sich im Strassburger Stadtarchiv und weist
Korrekturen von Huttens eigener Hand auf. Sie ist datiert Freitag vor Judika 1522
und offenbar aus einer Ebernburger Presse hervorgegangen. In heftigen Worten
kündigt der Ritter den Kurtisanen Fehde an, er will sie mit „Feür vnd Eysin be-
suchen" und alle, die sich ihrer annehmen, in der gleichen Weise behandeln. —
Die Schutzschrift für Hütten, mit der Otto B runfei s der Spongia des
Erasmus gegenübertrat, behandelt Hartfei der ^S). In der Lebensskizze des Brun-
fels, die H. der Betrachtung der Schrift vorausschickt, sind zum ersten Male die
sieben Briefe verwertet, die jener 1520 an Bealus Rhenanus geschrieben, und die im
Briefwechsel des letzteren abgedruckt sind. Sie geben uns Aufschluss über die Be-
ziehungen, die Brunfels zu dem elsässischen Humanistenkreise (Wimpheling, Sapidus,
Phrygio, Butzer, Capito, Volz u. a.) angeknüpft hatte, und über seine Versuche, mit
Erasmus in Berührung zu kommen; auch seine humanistische Geistesrichtung und
sein Widerwille gegen das Klosterleben kommen zum Ausdruck. Es kann nicht
zweifelhaft sein, dass diese Stücke für die Erkenntnis von Brunfels Entwicklungs-
gang von hohem Werte sind. Konnte sich H. hier auf noch nicht ausgebeutetes
Material stützen, so behandelt er die Beziehungen des Brunfels zu Hütten, die Schrift
selbst, die brieflichen Aeusserungen des Erasmus und dessen Beschwerde beim
Strassburger Rat im wesentlichen auf Grund der bei Böcking zusammengestellten
Aktenstücke des Streites. In der Besprechung der Schrift, der wir nur insoweit nach-
gehen können, als es sich nicht um eine direkte Inhaltsangabe handelt, bringt H.
eine Reihe guter Beobachtungen. Er weist mit Recht darauf hin, dass Brunfels Be-
hauptung, er habe in Neuenburg die Spongia noch bei Huttens Lebzeiten erhalten,
nicht zutreffend sei, da Hütten sicher schon tot war, als die Spongia herauskam.
Konstanz: ZGORh. 8, 8. 1-33. — 37) X R- Papp ritz, ülr. v. Hütten. E. Lebensbild. Marburg, Biwert. 49 S. M. 0,80.
(Wertlose Kompilation.) — 38) (S. o. N. 21.) — 39) K. Hartfolder, 0. Brunfels als Verteidiger Huttens: ZGORh. 8,
G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner. II 7 : 40-42
Richtig- ist auch die Bemerkung-, dass Brunfels g-ar keinen Versuch macht, das
Wahre und Unwahre in Erasmus Anklag-en zu scheiden; er schadet seiner Sache
damit, dass er keinen Flecken auf seinem Helden sitzen lassen will, während that-
sächlich doch manche Schwächen in Huttens Wesen nicht zu leug'nen waren. Hübsch
hebt H. auch hervor, dass fast alle Citate in Brunfels Schrift aus der Bibel stammen,
während Anführung-en aus dem klassischen Altertum fast vollständig- zurücktreten,
wie denn auch die heftig-e autipapistische Sprache sich durchaus an Luther ge-
bildet hat. So ist auch diese geg-en Erasmus g-erichtete Schrift ein sprechender Be-
weis für die Thatsache, dass seit Luthers Auftreten das Interesse sich immer mehr
verschiebt und die humanistische Bildung von dem grossen kirchlichen Kampfe
völlig- aufgesogen wird. — Schliesslich behandelt H. noch den Brief des Erasmus an
Brunfels. Die Kombinationen, durch die H. die Vorgeschichte dieses merkwürdigen
Aktenstückes herstellt, sind durchaus zutreffend: Brunfels hatte wegen seiner
reformatorischen Gesinnung Neuen bürg verlassen müssen und sich nach Strassburg
begeben, wo er am 26. März 1524 als Bürger aufgenommen wurde. Hier hatte er
eine lateinische Schule eröffnet, als deren Leiter er der Gerichtsbarkeit des Rates
unterstand. Nun hatte Erasmus sich bei dem Rate über den Drucker von Brunfels
Schrift, Johannes Schott, beschwert und damit wirklich insofern Erfolg gehabt, als
der Rat dem Drucker einen Verweis erteilte. Offenbar ist es nun auch der Rat ge-
wesen, der Brunfels veranlasst hat, sich mit Erasmus auseinanderzusetzen. Jeden-
falls hat Brunfels an diesen einen verloren gegangenen oder wenigstens vorläufig
nicht bekannten Brief geschrieben, dessen Ton sicher recht unfreuadlich war. Dem
entspricht denn auch die Haltung in Erasmus Antwort, die sehr kühl und gemessen
ist. Die litterarische Geschicklichkeit von Brunfels schlägt H. wie Strauss äusserst gering
an und zeigt an einer Reihe von Stellen auf, wie gerechtfertigt Straussens kurzes
und bündiges Urteil über den Wert der Verteidigungschrift ist. —
Huttens Gönner Eitelwolf vom Stein hat in Falk*^) einen Biographen
gefunden. Aus der Arbeit, die den Versuch macht, alle über Eitel wolfs Leben be-
kannten Thatsachen zusammenzutragen, ist zunächst die Untersuchung über sein
Geschlecht hervorzuheben ; F. weist nach, dass Eitelwolf einer Adelsfamilie angehörte,
die ihren Sitz in dem heutigen württembergischen Oberamte Ehingen hatte und in
einer „zum Rechtenstein" genannten Linie heute noch blüht. Zutreffend ist ferner
der Hinweis, dass in Schlettstadt nicht Kraft Udenheim, sondern Dringenberg selbst
Eitelwolfs Lehrer gewesen ist. Die Eintragung in der Matrikel von Bologna, in der
Eitelwolf zum J. 1489 als canonicus et custos Wratislaviensis erscheint, könnte eben
wegen dieses Zusatzes Zweifel an der Identität des hier Genannten mit unserem
Humanisten erwecken. F. weist aber zur Erklärung mit Recht darauf hin, dass
Eitelwolf wohl auf Grund der damals üblichen Gewohnheit diese Prälatur als
römische Pfründe erhalten hat, ohne die höheren Weihen zu besitzen. Annehmbar
ist auch die Vermutung, dass er diese Pfründe durch seinen Oheim, den einfluss-
reichen Georg vom Stein erhalten und nach dessen Tode 1490 wieder verloren habe.
Die Zeitbestimmung der Uebernahme des Hofmarschallamtes (vor Nov. 1514) ist
weniger wichtig, zumal wir allen Grund haben anzunehmen, dass Eitelwolf seine
Aemter bei Albrecht sofort nach dessen Amtsantritt in Mainz übernommen hat.
Hervorzuheben ist dann schliesslich noch die Grabschrift Eitel wolfs im Dome zu
Mainz nach einer 1727 von dem Domvikar Bourdon genommenen Abschrift. Die
Thätigkeit im Dienste Joachims I. wird von F. ausführlich dargestellt; neue Quellen
dafür sind freilich nicht erschlossen, sondern im wesentlichen ist das bekannte
Material verwertet' worden, allein es ist ganz nützlich, dass uns so einmal eine über-
sichtliche Schilderung der Thätigkeit Eitelwolfs auch nach dieser Seite hin gegeben
worden ist. — Auch in der ADB. ist Eitelwolf eine kurze biographische Darstellung
durch Hartfelder 41) zu teil geworden, die seine Persönlichkeit, seine Stellung zu
der geistigen Bewegung sowie zu den einzelnen Humanisten kurz, aber richtig
zeichnet. Die thatsächlichen Angaben würden hier und da (Aufenthalt in Schlettstadt
und Bologna) nach der vorstehenden Abhandlung zu berichtigen bezw. zu er-
gänzen sein. —
Eine sehr wertvolle Bereicherung unserer Kenntnis des Humanismus in
Augsburg gewährt die Arbeit über Veit Bild von A. Schröder42). Der Vf. giebt
zunächst eine kurze biographische Darstellung im wesentlichen auf Grund des gleich
noch zu besprechenden Briefwechsels Bilds und beutet sodann das gleiche Material
gründlich aus, um eine Uebersicht über die vielseitige wissenschaftliche Thätigkeit
des Humanisten zu entwerfen, deren zuverlässige Resultate man kurz so zusammen-
fassen kann: Bilds sprachliche Kenntnisse waren gering. Im Lateinischen brachte
S. 565-78. - 4ÖJ V. Falk, D. Mainzer Hofmarschall Eitelwolf vom Stein: HPBll. 111, S. 877-94. — 41) K. Hartfelder,
Eitelwolf vom Stein: ADB. 35, S. 606,7. — 42) A. Schröder, D. Hamanist Veit Bild: ZHVSchwaben. 20, S. 173-227. —
Jahresberichte ffir neuere deutsche Litteratnrgesohichte. lY. (2)11
II 7:42 G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner.
er es nicht zu einer erheblichen Fertig-keit, wenn auch im Laufe der Jahre die
Sicherheit in der Beherrschung- der Sprache wuchs, wobei ihm zu g-ute g-ekommen
sein mag-, dass er eine Zeit lang den lateinischen Unterricht an der Klosterschule
gab, für den er 1519 eine nie gedruckte, aber wiederholt in den Klöstern abge-
schriebene lateinische Grammatik verfasste. Im Griechischen genoss er höchst-
wahrscheinlich den Unterricht Otmar Nachtgalls und wurde in seinen Bestrebungen
von Joh. Kaiser, Pinician und Oekolompad unterstützt. Dennoch hat er es zu nennens-
werten Kenntnissen kaum g-ebracht. Ganz ähnlich ist es wohl mit dem Hebräischen
bestellt gewesen. Charakteristisch ist, dass der mächtigste Anstoss zur Erlernung-
dieser Sprache bei Bild von den Wittenberg-er Reformatoren herstammt, wenn auch
die Anfänge des Studiums in frühere Zeiten zurückgehen. In dem Augustinerprior
Konrad Amman in Lauingen, der wie Bild der Reformation zug-ewandt war und
Luther als „unsren Apostel" bezeichnet, findet er einen guten Lehrer, doch hat er
augenscheinlich nicht viel erreicht, da er sich nicht zutraute, die von Amman ver-
fassten Grundzüg-e einer hebräischen Grammatik richtig- abzuschreiben. Ausführlich
verweilt Seh. bei den mathematisch-astronomischen Studien Bilds und bringt zu dem
bereits bekannten Material noch eine Reihe von neuen Daten bei ; Bilds musik-
theoretische Thätigkeit wird nur g-estreift, dagegen erhält unsere Kenntnis seiner
hagiographisch-liturg-ischen und lokalhistorischen Arbeiten durch einig-e, in neuerer
Zeit noch nicht wieder verwertete Notizen Förderung-. Ebenso erhalten wir hier
zum ersten Mal aus dem Briefwechsel von einer theologischen Arbeit Bilds Kenntnis,
einem Auszug aus den Sentenzen des Petrus Lombardus, den Bild im J. 1507
Bernhard Adelmann zur Prüfung- vorlegte. Wichtig-er indessen als diese und andere
kleinere theologische Arbeiten ist Bilds allgemein-relig-iöser Standpunkt, wie er sich
namentlich in seinem Verhalten der Reformation g-eg-enüber kund thut. Auch er
nimmt Luther gegenüber jene Stellung- ein, die wir bei den Humanisten so häufig-
beobachten können: anfangs begrüsst er das Auftreten Luthers, dessen Schriften
ihm Bernhard Adelmann zuerst nahe g-ebracht hatte, freudig, er feiert ihn als den
neuen Elias und erklärt sich in allen Punkten mit ihm einverstanden. Auch drückt
er in zwei Briefen an Luther, auf die dieser aller Wahrscheinlichkeit nach aber g-ar
nicht antwortete, die g-leiche Gesinnung aus. Wenn er dann später von der Re-
formation sich g-änzlich zurückzog, so ist dieser Vorgang bei ihm wohl ähnlich wie
bei so vielen anderen Humanisten, z. B. bei Pirkheimer und Crotus Rubeanus zu
erklären. Die Förderung der humanistischen Interessen, die die Humanisten von
der Reformation erhofft hatten, erfolgte keinesweg-s, vielmehr trat das Gegenteil ein;
dazu kamen noch die grossen Volksbeweg-ungen, die Teilnahme der Massen, die
diesen weitabgewandten Gelehrten notwendig- unsympathisch sein und ihnen Be-
denken gegen die neue Lehre einflössen mussten. Derartige Eindrücke und Er-
wägungen werden auch Bilds spätere Stellung- zur Reformation bestimmt haben,
jedenfalls brach er völlig mit Oekolompad und schloss sich in dem AJbendmahlsstreit
durchaus an Pirkheimer und Peutinger an. — Seiner darstellenden Arbeit, deren
wesentliche Grundzüg-e in den vorstehenden Zeilen wiederg-eg-eben sind, lässt Seh.
dann den wichtigsten Teil seiner Arbeit, den Briefwechsel Bilds in Regesten folgen.
Die Hs. des Briefwechsels befindet sich in dem Archiv des bischöflichen Ordinariates
Augsburg; sie ist von Bild selbst angeleg-t, der seit 1506 alle abgesandten Briefe in
eigenhändigen Abschriften aufzubewahren pflegte und ebenso (regelmässig erst seit
1517) die an ihn ankommenden Briefe für seine Sammlung durch eine andere Hand
kopieren Hess. Es ist unmöglich, hier im einzelnen die Bereicherungen aufzuzählen,
die unsere Kenntnis des humanistischen Freundeskreises Bilds erhält. Die Briefe
von Spalatin, Oekolompad und Eilenbog an Bild, die wir bisher aus Veiths Ver-
öffentlichungen und gelegentlichen Mitteilungen in Pez Thesaurus nur unvollständig
und zum Teil bruchstückweise kannten, werden hier insgesamt nach ihrem Inhalte
wiedergegeben; dazu aber erhalten wir fast überall die bis jetzt unbekannten Antworten
Bilds. Ebenso werden wir mit den Briefen Bilds an Locher bekannt gemacht,
während bisher nur dessen Antworten zugänglich waren (vgl. N. 51, 65, auch 72).
Von den sonstigen Teilen des Briefwechsels waren die zwischen Bild einerseits,
Peutinger und Pirkheimer andererseits gewechselten Briefe schon durch Veith und
Braun (Notitia de codd. ms.) veröffentlicht, doch fehlt es in Sch.s Verzeichnis der be-
treffenden Briefe keineswegs an wertvollen Ergänzungen, namentlich für die Peu-
tingers. Von dem bisher nicht bekannten Material ist am wichtigsten und aufschluss-
reichsten der Briefwechsel mit Bernhard Adelmann, während die Briefe von Konrad
Adelmann zum Teil schon bekannt waren, auch weit weniger wertvoll sind; doch
vgl. den sehr wichtigen Nachtrag Sch.s N. 247, den bisher unbekannten Trostbrief,
den Bild nach Bernhards Tode an Konrad Adelmann richtet. Ferner die Briefe von
und an Otmar Nachtgall (Luscinius), die für den elsässischen Humanisten manches
Neue bieten (s. u. N. 44), der Brief an Heinrich Bebel (N. 112), durch den Bild mit
G. Elling-er, Humanisten und Neulateiner. II 7 : 43-45
dem berühmten Humanisten, dem er einige matte Beiträg-e zu seinen Facetien zu-
kommen lässt, anzuknüpfen sucht, ferner der Brief an Th. Murner, der Brief an B.
von Waldkirch, der Briefwechsel mit Kaspar Amman (auch die Briefe Kaspar
Ammans selbst, die teilweise schon durch Veith veröffentlicht waren, werden durch Seh.
ergänzt und vervollständigt), mit dem späteren Täufer Joh. Denck, Joh. Mader,
Joh. Pinician, Nikol. Poll und Joh. Stabius; doch auch die übrigen Briefe gewähren
manches schätzbare Material. Unter den 18 ungedruckten Stücken der Sammlung,
die im Anhang von P. Beda Grundl vollständig herausgegeben sind (1 Brief von
Luscinius, 6 von Spalatin, 4 von Oekolompad, 1 von Joh. Frosch, 4 von Bild und 2
von Bild entworfene Schriftstücke, ein amtliches und ein Bittschreiben), verdienen
die beiden Briefe Bilds an Luther als neue Zeugnisse für die anfängliche enthu-
siastische Stellung der meisten humanistisch Gesinnten zu dem reformatorischen
Gedanken und der Brief von Oekolompad (N. 266; womit zu vergleichen die Inhalts-
angabe von Bilds Brief N. 263, auf den Oekolompads Schreiben die Antwort bildet
als Anzeichen für die beginnende Abwendung Bilds von der Reformation) besondere
Hervorhebung. —
Einen anziehenden Gegenstand hat sich Radlkofer*^) zur Behandlung aus-
ersehen, indem er zehn Augsburger Aerzte (die drei Occos, Grünpeck, S. Grimm,
Wirsung, Gasser, Moiban, Rauwolf und Henisch) in ihrer Stellung zum Humanismus
schildert. Der Vf. hat offenbar seine Darstellung für einen grösseren Leser-
kreis bestimmt; so ist es wohl zu erklären, dass manches Bekannte recht breit vor-
getragen ist. Doch finden sich unter den von R. gegebenen Mitteilungen auch
einige bisher unbekannte Notizen, die meist den Protokollen des CoUegium medicum
in Augsburg entstammen. Neu ist z. B. die Nachricht von einem Gedicht Sebastian
Brants auf Adolf Occo I, S. 27; ebenso einzelne Angaben, die sich auf Anstellungs-
verhältnisse in Augsburg beziehen, vgl. z. B. bei Sigm. Grimm: Er wurde 1511
(nicht 1512 [ADB. 9, S. 690]) als Stadtarzt in Augsburg mit 50 Fl. in Augsburg an-
gestellt, erhielt durch seine Heirat mit Magdalena Welserin das Bürgerrecht, 1515
wurde sein Jahrgeld auf 60 Fl. erhöht. Aehnliche kleinere Notizen finden sich auch
sonst in dem Aufsatz; eine gewisse Förderung lässt sich daher, was kleinere Einzel-
angaben betrifft, für die Kenntnis des Augsburger Humanismus immerhin aus
ihm gewinnen; freilich im allgemeinen hätte sich der so dankbare Vorwurf weit
eindringender und fruchtbarer gestalten lassen. Ob es notwendig war, Leonhard
Rauwolf so ausführlich zu behandeln, lassen wir dahin gestellt; von speciell
humanistischen Bestrebungen ist doch bei ihm so gut wie gar nicht die Rede. —
Ueber Luscinius hat Schröder**) gehandelt. Er setzt mit Hartfelder
auf Grund der Heidelberger Matrikel, aus der auch Nachtgalls Aufenthalt in Heidel-
berg zum ersten Male festgestellt worden ist, dessen Geburtszeit zwischen 1478 und 80 an
und berichtigt die Auffassung des von Hartfelder mitgeteilten Zeugnisses des Kart-
häusermortuariums dahin, dass es sich nicht um eine Aufnahme Nachtgalls als
Ordensmitglied, sondern um geistliche Fraternität mit dem Orden handelte. Der
Briefwechsel Bilds (s. o. N. 42) ergiebt die wichtige Notiz, dass seine Pariser
Studienzeit nicht in das J. 1508, wie K. Schmidt meinte, sondern zwischen die J.
1511 — 14 fällt. Auf Grund der Augsburger Archive hat Seh. nun für den Augs-
burger Aufenthalt eine Reihe wertvoller Notizen zusammengestellt. Das Datum
seiner Anstellung als Prediger bei St. Moritz in Augsburg (auf Präsentation der
Fugger) ist der 30. Juni 1525. Wir sehen jetzt auf Grund der archivalischen Notizen,
die Seh. mitteilt, wie Luscinius von vornherein in Augsburg mit Schwierigkeiten zu
kämpfen hatte. Das Kapitel brachte ihm feindselige Gesinnungen entgegen und er-
schwerte ihm offenbar seine Thätigkeit. Auch über die späteren Lebensverhältnisse,
nachdem ihm in Augsburg vom Rat das Predigen untersagt war (15. Sept. 1528 —
das Datum war bisher unbekannt, ebenso die Thatsache, dass er schon am 7. Okt.
desselben J, nicht mehr in Augsburg, wohl Ende Sept. schon geschieden war — )
und nachdem er die Stadt verlassen hatte, erhalten wir von Seh. neue Aufschlüsse,
namentlich über die Pension, die ihm die Fugger später zahlten. An diese neuen
Notizen schliesst sich eine Betrachtung Sch.s über die Stellung Nachtgalls zu den
religiösen Fragen. Auf Grund einer eingehenden Darstellung gelangt er zu dem
Ergebnis, dass Luscinius, einige Schwankungen abgerechnet, sich nicht von der
Lehre der katholischen Kirche entfernt habe. Indessen lässt sich doch in der
Rechtfertigungslehre eine Hinneigung zur protestantischen Lehre bemerken, die er
aber schnell wieder überwunden zu haben scheint. Dass aus seiner begeisterten
Hingabe an den Humanismus, aus seiner Abneigung gegen Mönche und Scholastik
noch nicht eine feindliche Stellung zur katholischen Kirche überhaupt gefolgert werden
darf, ist Seh. gewiss zuzugeben. Auch ohne ausdrückliche Zeugnisse wird man annehmen
43)(I 4 : 121.) — 44) (II 6 : 23.) — 45) O F. Dittrich, Miscellanea Katisbonensia a. 1541. Ex ohartis Pflugianis bibliothecae
(2)11*
II 7 : 46 56 G. Elling-er, Humanisten und Neulateiner.
dürfen, dass Luscinius Stellung" zu Luther wohl ähnlich gewesen ist wie die der meisten
anderen Humanisten: er wird Luther sympathisch begrüsst haben, so lang-e er eine För-
derung- des Humanismus von der Bewegung- erwartete, und sich abgewandt haben, als
die ganz anderen Ziele der neuen Richtung offen zu Tage traten, lieber Nachtgalls
Auftreten als Prediger in Augsburg- giebt der Vf. eine Dai-stellung, die ebenfalls
meist auf archivalischem Material beruht und im wesentlichen den Zweck hat, Nacht-
gall von dem g'egen ihn erhobenen Vorwurf des fanatischen Eiferns gegen die re-
ligiöse Neuerung zu reinigen. Man wird Seh. jedenfalls darin unbedenklich zu-
stimmen dürfen, dass Nachtgall in der Polemik auf der Kanzel sicher nicht weiter
g-egangen ist als die protestantischen Prediger. Einzelne Urteile von Zeitgenossen,
die der Vf. am Schlüsse mitteilt, sollen Nachtg-alls sittliches Verhalten in das beste
Licht stellen; wir lassen die Frage, ob die wiederholt erhobene Behauptung, dass
sein Wandel nicht tadelfrei g-ewesen sei, zutrifft, vorläufig unentschieden, aber unzweifel-
haft hat Seh. recht, wenn er bei der allg-emeinen Auffassung der Geschlechtsverhältnisse
im 16. Jh. Schlüsse aus Nachtgalls Schwanksammlung- auf seinen Lebenswandel
ablehnt. —
Johann Eck darf zwar selbstverständlich nicht zu den Humanisten g-erechnet
werden, allein bei der Stellung, die er durch sein Auftreten gegen Pirkheimer,
Bernhard Adelmann und andere Humanisten gewinnt, sowie als Held des Eckius
dedolatus darf er doch bei einer Betrachtung des deutschen Humanismus nicht fehlen.
Neue Züge zu seinem Charakterbild ergaben sich aus einer Veröffentlichung von
Dittrich^^), die mir leider nicht zugänglich gewesen ist, so dass ich ihren Inhalt,
soweit er Eck betrifft, nur nach einer in dieses Berichtsjahr fallenden Besprechung
von J. Schmid wiedergeben kann. D. giebt auf Grund neuer Funde Aufschluss
über Ecks Verhalten bei dem Regensburger Religionsgespräch 1541. Das Bild, das
wir von Eck erhalten, ist auch hier entschieden kein sympathisches. Auch aus den
Unterhandlungen mit seinen Gesinnungsgenossen lassen sich Ecks unerfreuliche
Charaktereigenschaften, seine Eitelkeit, Leidenschaftlichkeit, aber auch seine geringe
Zuverlässigkeit und seine Hinterhältigkeit klar und deutlich erkennen. —
Die Vermittlung zwischen dem eigentlichen Humanismus und den theologisch-
philologischen Interessendes deutschen Gelehrten tums im 16. Jh. bildet Melanchthon.
Aus den Hss. der Bibliothek der St. Katharinenkirche in Brandenburg a. H. teilt
N. Müller'*^) eine Abhandlung und einen Brief Melanchthons mit, die für unsere
Zwecke wenig ergeben, wenngleich der gegen Agricola gerichtete, nicht lange vor
Melanchthons Tode geschriebene Brief durch seine derb-volkstümliche Ausdrucksweise
anzieht. Mehr in unser Gebiet gehört der an der gleichen Stelle von M. nach einer
Hs. in Venedig publizierte Brief „Ad amicum quendam"; freilich sind die Aus-
führungen über die Art der geistlichen Redekunst mehr theologischer Natur, auch
ist die Betonung, dass die Kenntnis der klassischen Litteratur für einen Prediger
ungemein fördernd sei, bei Melanchthon nichts Neues. — Recht wertvoll ist die
Mitteilung der ältesten Gestalt von Melanchthons Philosophiae moralis epitome, die
1538 zum ersten Male gedruckt worden ist. Aus einer jetzt in Nordhausen be-
findlichen Hs., über deren Herkunft Genaueres nicht bekannt ist, druckt Hei neck*'')
die vorliegende Fassung ab. Sie unterscheidet sich von den gedruckten Ausgaben
beträchtlich, und sichtlich bemüht sich Melanchthon, den Ausdruck möglichst präcis
zu gestalten, sowie die Thatsachen summarisch zusammenzufassen. Aller Wahrschein-
lichkeit nach ist die vorliegende Fassung 1532 entstanden; sie sollte offenbar den
Studenten zur Unterstützung von Melanchthons Vortrag- in die Hand gegeben werden
und ist wohl zu diesem Zwecke, wie es scheint, abscht-iftlich verbreitet worden. —
Die im vorigen Berichte (vgl. JBL. 1892 II 8 : 82) erwähnten beiden kleinen Gedichte
Melanchthons werden von Enders*^) als mehrfach gedruckt nachgewiesen; ein
Eingehen auf die Fragen nach der Ueberlieferung der Texte, wie sie sich aus dem
Vergleich der hs. Fassung ergeben, und auf die Varianten kann wohl unterbleiben,
da der Wert der Stücke gering ist.'^^'^i") —
Von Gelehrten des 16. Jh.^^j [q^ ({qj. seit Lessing durch seine Fälschungen
allgemein bekannte Erasmus Stella durch Wegele^^) biographisch behandelt
worden. — Eine recht gute biographische Darstellung wurde dem schweizerischen
Philologen und Theologen Jos. Wilh. Stucki von Koldewey ■'''*) gewidmet. —
Hoche^^) giebt eine kurze, nicht sonderlich orientierende Notiz über den Polyhistor
Simon Sten. —
Bcholae episcopalis. Progr. Bniunsberg. 1892. 4». 29 S. \[3. Schmid: Lßs. 19, S. 41,2.J1 — 46) (II 6:119.) — 47) (116: 117.)
— 48) (11 6 : 122.) — 49) X (H 6 : 62 ) - 50) X (U 6 = HS) l[K. Wotke: ZOG. 44, S. 321/2.]| - 51) X (H 6 : 121.) -
51 a) X B. Caspar i, F. Mykonius. L., Faber. 16 S. M. 0,10. (Behimdelt einige Tliatsaclien aus Mykonius Leben mit er-
baulich-päd. Absichten. Vgl. auch II 6:131/2) — 52) X X ß Neidhardt, De Jasti Lipsi vita .Tenensi crationibusque
ab eo habitis. Progr. d. Gymn. Passau. 41 S. - 53) F. X. Wegele, Erasm. Stella: ADB. 36, S. 30/1. — 54) F. Koldewey,
Jos. W. Stucki: ib. S. 717-20. — 55) (I 6: 17.) — 56) P. Bahlmann, D. lat. Dramen v. Wimphelings Stylpho bis z. Mitte
G. Elling-er, Humanisten und Neulateiner. II 7 : 57 64
Eine sehr brauchbare bibliographische Darstellung für das neulateinische
Drama im allgemeinen hat Bahlmann^*') geliefert. Er giebt ein Verzeichnis
der lateinischen Schauspiele in Italien, Deutschland, Frankreich, England und den
Niederlanden - an Zahl überwiegen weit die deutschen — und nennt bei jedem
einzelnen die Ausgaben mit den Fundorten, die Uebersetzung in andere Sprachen,
wenn solche vorhanden, und eine kurze Inhaltsangabe. — Neben dem Einflüsse des
Plautus auf die dramatische Produktion Deutschlands sowie auf die Uebersetzungs-
litteratur ist Terenz verhältnismässig zurückgetreten; jetzt sind auch diesem Gegen-
stande Untersuchungen gewidmet worden, auf die im nächsten Berichte zurück-
gekommen werden soll. ^''"^^) — Bis zu einem gewissen Grade kann man bei
Matern US Steyndorffer von einer Anlehnung an die Art von Eybs Plautus-
emeuerungen sprechen; Bolte^'-*) hat jetzt seine eigenen Forschung*en sowie die
von Roethe und Stiefel (vgl. JBL. 1892 II 8:23/5) in einer kurzen biographischen
Darstellung zusammengefasst. — Scherers schöner Aufsatz über Nikodemus
Frischlin ist in dem von Erich Schmidt^o) herausgegebenen zweiten Bande der
„Kleinen Schriften" neu gedruckt worden; er beschäftigt sich hauptsächlich mit den
dramatischen Arbeiten; Frischlins lateinische Lyrik ist dem poetischen Wert im
Verhältnis zu seiner Dramatik entsprechend weniger berücksichtigt worden. ^**^) —
Den Lyriker^i) Johann Stigel behandelt Hartfelder^'*); doch ruht der
Hauptnachdruck bei ihm auf der Schilderung der ausreichend bekannten Lebens-
verhältnisse; ein- Versuch, seine Dichtung zu charakterisieren, wird nicht gemacht. —
Die Briefe des Georg Fabricius an seinen Bruder Andreas (1528—71)
hat Peter^^j nach der von Andreas Enkel, Georg Andreas (1586—1645) zusammen-
gestellten Nordhäuser Hs. herausgegeben, Fi ekel scher er ^3) in ihrem Inhalte
kurz charakterisiert. Sie bieten für die Persönlichkeit des Georg Fabricius wertvolles
biographisches Material und gewähren einen anziehenden Einblick in das Gelehrten-
leben des 16. Jh. Das Bild, das wir aus ihnen von Georg empfangen, ist ein ungemein
sympathisches; wir lernen ihn als einen frommen, aufopferungsfähigen Mann kennen,
der mit rührender Zärtlichkeit an seiner Familie hing und namentlich seinen Ge-
schwistern stets hilfsbereit zur Seite stand. Ueber die Einzelheiten seines Familien-
lebens, Eheschliessung, häusliche Sorgen und ähnliches sendet Georg dem Bruder
regelmässige Berichte, ebenso über die Verhältnisse der Meissner Fürsten schule, deren
Rektor er war. Wichtiger als alle diese Fragen sind für uns die geistigen Beziehungen,
die sich ergeben. Selbstverständlich werden die poetischen und wissenschaftlichen
Werke des Georg Fabricius häufig erwähnt; der Briefschreiber teilt seinem Bruder
mit, welche Arbeiten ihn beschäftigen, er benachrichtigt ihn von dem Abschluss und
der Drucklegung der Werke. Neues zur Datierung der Werke ergiebt sich im
wesentlichen aus der Publikation nicht, aber immerhin verdienen die Mitteilungen
Beachtung. Auffallend gross ist der Kreis der Interessen des Dichters: ausser der
Altertumswissenschaft, der Geschichte ziehen ihn auch die Naturwissenschaften an,
und er sucht sich möglichst eingehend auch auf diesem Gebiete zu orientieren. Be-
zeichnend für seine Bescheidenheit ist der grosse Wert, den er auf die Urteile anderer
über seine Arbeiten legt. (1, S. 8.) Den entscheidenden Einfluss auf seine Geistes-
richtung und Weltanschauung hat Luther ausgeübt (N. 56), als einen Jünger Luthers
fühlt er sich und nimmt dem zufolge auch heftig Stellung gegen den Papst. Er
beglückwünscht den Bruder, dass dessen Dichtung „Christus lacrimans" auf den
Index gesetzt ist, und fordert ihn auf, noch einen Christus triumphans zu schreiben.
Dem Kardinal Otto von Augsburg, der dem Papst das Verzeichnis der auf den Index
zu setzenden Bücher übergeben haben sollte, schickt er eine Satire Naogeorgs, „vehe-
mentis poetae", zu, wahrscheinlich die Schrift „In catalogum Haereticorum". In dem
Streite zwischen Melanchthon und Flacius nimmt Fabricius keine bestimmte Stellung
ein; er beklagt die Uneinigkeit und spricht den Wunsch aus, dass die Gegner
Frieden halten möchten. Doch blieb er mit Flacius noch in Verbindung und Hess
später durch seinen Bruder den Centuriatoren einen Beitrag zugehen. Mit einer
grossen Reihe von neulateinischen Dichtern, z. B. mit G. Aem.ilius, Luthers Schwager,
David Chyträus, G. Major, Adam Siber u. a. stand Georg Fabricius in Beziehungen,
von denen die vorliegenden Briefe ein Zeugnis ablegen; auch sein Verhältnis zu
dem Drucker Oporinus spielt eine grosse Rolle. Ueberhaupt gewinnt man aus den
Briefen, aus der Art, in der neuere und ältere dichterische Produkte ausgetauscht,
und mitgeteilt werden, eine lebendige Anschauung davon, eine wie starke litterarische
Macht die neulateinische Dichtung damals in Deutschland gewesen ist. Uebrigens
d. 16. Jh. (1480-1550.) E. Beitr. z. Litt.-Gesch. Münster, Regensbnrg. 114 S. M. 3,50. — 57) X X (H * = 10.) — 58) XX
(I 6:246; Sonderabdr. B., Müller. 28 S.) - 59) J. Bolte, M. Steyndorfer: ADB. 36, S. 160 1. — 60) (I 1 : 117; 2, S. 51 6.)
— 60a) X (S. 0. N. 5.) — 61) X (S- o. N. 4.) - 61a) (l 6:16; II 6:43.) - 62) H. Peter, Georgii FabricU ad
Andream fatrem epistolae ex autographis primam editae. Progr. v. St. Afra. Meissen, Klinlcicht. 1891-92. 4". 31 S. —
63) M. Fi ekel 8 oh er er, D. Briefwechsel zwischen G. u. A. Fabricius. (=1 4:385. 8. 81/3.) — 64) X (116:94.)
II 7 : 65-67 G. EUing-er, Humanisten und Neulateiner.
hring-t Fabricius auch der deutschen Dichtung- ein g-ewisses Interesse entg-eg-en,
namentlich wenn diese, wie Cyriacus Spang-enbergs Schrift „Die bösen Sieben ins
Teufels Karnöffelspiel 1562" religiös-polemischen Zwecken diente (N. 83, vom 6. Juni
1552). Gewiss wird man, wenn auch Fabricius innerhalb der g-eistlichen neu-
lateinischen Poesie eine hervorrag-ende Stelhmg einnimmt (vgl. LLD. 7 [s. o. N. 4],
S. VII), den rein poetischen Wert seiner Arbeiten gering anschlagen ; allein es be-
weist doch immerhin eine gewisse Beweg-lichkeit und eine Art Reichtum der poetischen
Schöpferkraft, wenn Fabricius beim Vorschlagen eines Themas zur dichterischen
Behandlung* sofort selbst beginnt, dies im einzelnen auszumalen. So schreibt er an
seinen Bruder in der oben erwähnten Indexang-elegenheit: „Quod si revalescis,
Christum quoque Triumphantem scribe, de successu sui verbi, de ampliatione imperii,
de conversione multorum, de constantia suorum, qui in Italia, Belg-ico, Anglia vitam
posuerunt et eum exora, ut in illorum numero nos quoque simus et maneamus; eun-
dem item triumphantem de morte, diabolo, Inferno etc." Ausser den Briefen an
Andreas Fabricius enthält die vorliegende Ausgabe noch einen Brief Georgs an
seinen Bruder Blasius ; abg-eschlossen wird das Ganze zweckmässig durch den Brief
des Jakob Fabricius an seinen Bruder Andreas, der einen schönen Bericht von
Georgs Tod und Begräbnis enthält. Für eine künftig-e Geschichte der neulateinischen
Poesie Deutschlands bietet der Briefwechsel sehr schätzbare Beiträge. Durch sorg-
fältige sachliche Erläuterungen hat der Herausgeber den Wert der Publikation noch
erhöht, und er hat manches herbeigezogen, was keineswegs auf der Oberfläche lag.
Der in N. 33 erwähnte Johannes Mylius, über den P. die näheren Angaben fehlen,
ist der neulateinische Dichter Joh. Mylius aus Liebenrode (gest. 1575), der neben
Stigel und Georg Fabricius als der bedeutendste Vertreter der religiösen neu-
lateinischen Dichtung in Deutschland zu bezeichnen ist (vgl. LLD. 7 [s. o. N. 4],
S. VII f., XII f., wo seine poetische Eigenart charakterisiert ist; ferner ebda. S. 78);
es ist hübsch, dass sich nun auch persönliche Beziehungen zwischen den beiden Dichtern
ergeben. 64""6'^) — Die hs. erhaltenen lateinischen Gedichte Christophs von Schallen-
berg, über die Hurch^^») in seiner Arbeit über den Dichter berichtet, scheinen nach
den Mitteilungen des Vf. einen guten Einblick in das geistige Leben Oberösterreichs
in den letzten Jahrzehnten des 16. Jh. zu gewähren. Der Vf. glaubt, dass Scballen-
bergs Gedichte durch die gleichartigen Produkte seines [jehrers Calamimis (vgl.
LLD. 7, S. XXIII) beeinflusst seien, ob mit Recht, lässt sich aus den vorliegenden
Notizen nicht ersehen. Hervorgehoben werden zwei individueller angelegte Ge-
dichte aus des Dichters Studienzeit sowie ein Trauergedicht auf den Tod seines
kleinen Sohnes. —
Einen lateinischen Dichter des 17. Jh., den Klostergeistlichen P. Simon
Rettenbacher (geb. 19. Okt. 1634, gest. 9. Mai 1706) hat Lehner^*') in seinen
Dichtungen wieder aufleben lassen. Die vortrefflich ausgestattete Ausgabe giebt aus
dem hs. Nachlasse des Dichters vier Bücher Oden, eiYi Buch Epoden, zwölf Bücher
Silvae und dann noch carmina singularia, sämtlich in lyrischen Massen. Der
Dichter zeigt eine unleugbare Gewandtheit in der Handhabung der dichterischen
Form und für einen neulateinischen Dichter einen verhältnismässig grossen Reichtum
an Stoffen. Man merkt es diesen Gedichten an, dass ihr Autor nicht bloss hinter
den stillen Klostermauern gelebt, sondern die Welt kennen gelernt und mannigfache
Anregungen erfahren hat. Mit Recht hebt auch der Herausgeber die patriotische
Lyrik Rettenbachers besonders hervor; sie zeigt uns den Dichter in Gesinnung und
poetischer Gestaltungskraft von einer besonders erfreulichen Seite. Die Ausgabe ist
mit grosser Sorgfalt hergestellt; L. hat dem Text einen lesenswerten Lebensabriss
vorangestellt, in welchem namentlich die Beziehungen Rettenbachers zu italienischen
Gelehrten seiner Zeit von Interesse sind, und in dem auch die übrigen Werke des
Dichters (namentlich seine anonym erschienenen Satiren, über die man gern noch
nähere Aufschlüsse erhalten möchte, und seine lateinischen Singspiele, zu denen der
Dichter selbst die Musik schrieb) kurz behandelt werden. Ausserdem erhalten wir
noch eine grössere allgemeine Betrachtung L.s über Rettenbachers Dichtungen sowie
Bemerkungen über Sprache und Versmass. Bei der sorgfältigen und liebevollen Ar-
beit, die der Herausgeber seinem Helden gewidmet hat, wird man es ihm leicht ver-
zeihen, dass er bei der Charakteristik der poetischen Arbeiten ein für unser Gefühl
zuweilen etwas zu hohes Lob spendet. —
Eine Bibliographie der von Johann Schöffer in Mainz veranstalteten
Drucke lateinischer Klassiker und Schulbücher, die sich wohl noch vermehren
liesse, sucht Roth^'') zu entwerfen. Unter allen Umständen sind derartige Ver-
IfMVGDB". 31, 8. 51; Seh eldemanf el: AKKE. 70, 8. 3.36.]| — 65) X L- Frinkel, Keniat. Abderitenschwänke: Urquell 4,
S. 180/2. — 65a) (112:38.) — 66) T. Lehner, P. Simon Rettenbachers lyr. Gedichte. (In lat. Sprache.) Mit Unterstütz. d.Leo-Ges.
her. Wien, „St. Norbertns". LVI, 483 S. n. 1 Facs. M. 7,20. |[ÖLB1 2, S. 330 2.]l — 67) F. W. E. Roth, D. Bnchdrncker n.
Verleger Joh. 8choeffer in Mainz als Verleger liitein. Klassiker n. Sohniböcher: RomanF. 6, 8.462-74. (Vgl. JBL. 1891
G. Ellinger, Humanistea und Neulateiner. II 7 : 68-72
zeichnisse willkommen zu heissen, da sie wertvolle Aufschlüsse für die Entwicklung*
der humanistischen Richtung* und der Teilnahme an ihr g-ewähren, und es wäre nur
zu wünschen, dass auch für andere Drucker derartige Zusammenstellung-en ver-
anstaltet würden. Joh. Schöffer begann 1517 den Verlag" lateinischer Autoren und
führte ihn bis zu seinem Tode (1531) fort. Von lateinischen Klassikern erscheint
Livius (in der durch ihre Vortrefflichkeit bekannten, von Hütten und Erasmus ge-
förderten Ausgabe Nicolaus Carbachs), Cicero, Plautus, Terenz und Valerius Maximus,
Plutarch und Appian in lateinischen Uebersetzung-en. Dazu kommt die von Huttichius
herausgeg-ebene, vielleicht zum Teil von Gresemund d. J. verfasste Mainzer Inschriften-
sammlung", Peuting-ers Inschriften, einzelne juristische Werke, darunter die Institutionen
und der Gajus, eine Schrift des Grälen und der Donat. Von italienischen Humanisten
sind zwei mit ihren Werken vertreten: Valla und Pomponio Leto, von Franzosen
einer: Budäus; an Zahl der vertretenen Werke aber überrag-t alle Erasmus, der mit
8 Schriften erscheint, darunter eine (die Colloquia) in 2 Auflagen. —
Die 1511 g-estiftete Humanistenschule Colets zu St; Paul in London,
von deren Einrichtung- und Verfassung* Hartfelder^^) ein g-utes Bild entworfen hat,
berührt die Geschichte des deutschen Humanismus insofern, als es im wesentlichen
Erasmische Gedanken sind, die hier ins Werk gesetzt wurden. Nicht allein dass
Erasmus zahlreiche Lehrbücher wie die Institutio hominis christiani, ferner De duplici
copia verborum ac rerum, die Concio de puero Jesu, die Carmina scholaria für Colets
Schule geschrieben hat, das ganze Unternehmen stellte sich in den Dienst der Idee,
durch die Erasmus eine durchgreifende Reform des Christentums auf friedlichem
Wege herbeizuführen hoffte: der Verbindung der Pflege religiösen Sinnes mit
klassischer Bildung. Wenn die Schule eine sehr segensreiche Wirkung ausgeübt
und sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, so ist der Grund indessen wohl
nicht allein in den Erasmischen Gedanken, auf denen sich der Lehrplan aufbaute,
sondern auch in der sehr zweckmässigen äusseren Einrichtung zu suchen, die ihr
ihr Stifter, John Colet (1466 — 1519), der Freund des Erasmus, gegeben hat. —
In die neueren Arbeiten über die Geschichte des Humanismus in Polen ^^'''*)
und Böhmen führen besonders die Referate Wotkes'''"'^) gut ein. —
I 4:26; 1892 H 3: 139.) — 68) K. Hartfelder, D. Ideal e. Hnmanistenschule (d. Schale Colets zu St. Paul in London).
{= Sonderabdr. aus d. Verhandl. d. 41. Vers, dtsch. Philologen u. Schulmänner.) [L., Tenbner.J 1892. 4". 16 S. |[0. Kämmel:
DLZ. S. 9656.JI (Vgl. JBL. 1892 II 8 : 138.) — 69) X ö- Bauch, Rud Agricola Junior (vgl. JBL. 1892 U 8 : 91a):
Majchrowicz: Muzeum (Lemberg) S. 72. — 70) X J- Kallenbach, Les humanistes polonais (vgl. JBL. 1892 II 8:142):
K. Wotke: ZOG. 44, S. 320 1. — 71) X K. Wotke, D. Litt, über d. Humanismus in Böhmen u. Mähren: AZg«. N. 92. (Be-
spricht namentl. Truhlärs Arbeiten, so d. 1892 erschienenen „Anfänge d. Humanismus in Böhmen".) — 72) X i^-< Ueber
einige neuere Beitrr. z. Gesch. d. Humanismus in Oesterr. : ZOG. 44, S. 773,7. (Bespr. d. Arbeiten v. Morawski, d. in seinem
Buche „Andrzej Patrycy Nidecki" [Krakau 1892J d. Leben d. berühmtesten Philol. Polens zu e. Schilderung aller Faktoren
ausgestaltet, d. auf d. poln. Humanismus fördernd u. hemmend eingewirkt haben, in seiner Schrift „Jaköb Görski" [Krakau
1892J dagegen e. populäreres Bild v. d. poln. Humanismus in d. 3. Hälfte d. 16. Jh. und d. Verhältnissen d. Krakauer Univ.
entwirft. Ferner d. Ausg. d. Briefwechsels v. Bohuslaus Lobkowitz durch Truhläf [Prag, 1892J; d. für d. Gesch. d. böhm.
Humanismus sehr wichtige Ausg. entlehnt zwar 189 Nummern ans d. v. Mitis veranst. Ausg. v. Bohuslaus Lobkowitz Werken
(1562-63), d. aber t. Truhläf richtig chronologisch angeordnet werden. An vierter u. fünfter Stelle werden v. W. d. Ver-
öffentlichungen V. Zingerle [s. o. N. 18] u. v. Lehner [s. o. N. 66J bespr.) —
JAHEESBERICHTE
FÜR
NEUERE
DEUTSCHE LITTERATUEGESCHlCflTE
(JAHR 1893.)
ZWEITEE HALBBAND.
ä
III. Vom Anfang des 17. bis zur Mitte
des 18. Jahrhunderts.
111,1
Allgemeines.
Alexander Reifferscheid.
Politische und wirtschaftliche Verhältnisse N. 1. — Kirchliche und religiöse Zustände N. 84. — Geistesleben
N. 101. — Hoflehen N. 126. - Litteraturgeschichte N. 134. —
Die politischen und diewirtschaftlichen Verhältnisse
dieses Zeitraumes erfuhren auch in diesem Berichtsjahre vielfache Behandlung-, zunächst
in zusammenfassenden Werken. Von den populären Weltgeschichten für die weitesten
Kreise der Gebildeten, die eine kurze und bündige Darstellung- verlang-en, kommen
in Betracht die Fortsetzungen eines neuen Unternehmens von Kaemmel') und eines
älteren, das jetzt in „verbesserter" Auflage ausgegeben wird, von J. B. von Weiss^).
In der Ueberzeugung, dass der Geschichtsschreiber nicht bloss Staats Veränderungen
und Schlachten zu schildern habe, entwarf W. auch ein Bild des g-eistigen Lebens, in dem
er in grossen Zügen die Entwicklung von Kunst und Wissenschaft darstellte. Die neue
Auflage scheint übrigens nicht gleichmässig überarbeitet zu sein, das verraten u. a.
die Anführungen, die sich fast nur auf ältere Litteratur beschränken. Einmal (11,
S. 505) wird sogar auf die „vor kurzem" erschienene Selbstbiographie Edelmauns
hingewiesen, die doch schon vor 45 J., also beinahe einem heutigen Menschenalter,
veröffentlicht worden! — Eine deutsche Geschichte für die Jugend schrieb im Sinne
der Mahnung Kaiser Wilhelms IL, das Deutsche als Grundlage für das Gymnasium
zu nehmen, Neumann-Strela^) auf Grund der besten und neuesten Quellenwerke.
Er lässt darin die deutschen Kriegs- und Friedenshelden sich vom kulturgeschicht-
lichen Hintergrunde abheben. Die neuere Geschichte wird mit gutem Fug ausführ-
licher behandelt.*) — Ueber die Geltung des jus reformandi, eines Annexes der
weltlichen Gewalt, für beide Religionsparteien, machte Kloppt) eine gelegentliche
Bemerkung, anknüpfend an eine Aeusserung des Paderborner Fürstbischofs aus dem
J. 1607, in der dieser nach den Bestimmungen des Religionsfriedens das jus reformandi
für sich in Anspruch nahm. Er folgerte daraus, dass der erst in unserem Jh. ge-
prägte Ausdruck „Gegenreformation" überflüssig, ja irreführend sei. — Droysen®)
brachte von seinem gross angelegten Werke endlich die erste Hälfte als Geschichte
der Gegenreformation zum Abschluss. Sie zerfällt in fünf Bücher: 1. der Sieg des
Protestantismus, 2, die Zersetzung der protestantischen Partei in Deutschland, 3. der
1) X 0. Kaemmel, Vom Beginn d. grossen Entdeckungen bis z. 30 j. Kriege. (= Spamers illustr. Weltgesch.
5. Bd.) L., Spamer. XH, 752 S. M. 8,50. — 2) J. B. v. Weiss, Weltgesch. 2. u. 3. verh. Aufl. IX. D. 30 .j. Krieg. Kunst
u. Wissenschaft. X. D. englische Revolution. Ludwig XIV. Leopold I. XI. Staatengesch. Earopas t. 1700-44. Kunst u.
Wissenschaft. Graz u. L., Styria. VIII, 708 S.; M. 6,80; VH, 830 S.; M. 7,.50; VIU, 804 S.; M. 7,50. |[G. E. Haas: HPBll. 111,
S. 668-81; id.: LRs. 19, S. 338-41. ]| — 3) K. Neumann-Strela, Deutschlands Helden in Krieg u. Frieden. Dtsch. Gesch. IL
Mit vielen Brustbildern u. Textabbild. Hannover, Prior. 352 S. M. 5,00. — 4) X H- Lewin, Unsere Kaiser u. ihr Haus
nebst d. Wichtigsten aus d. Leben unserer Vorfahren. Geschichtsbilder für d. Schüler d. Mittel- u. Oberstufe. 3. Aufl. Dresden,
Jacobi. 170 S. M. 0,70. (D. Epoche d. 30 j. Krieges S. 105-10.) — 5) 0. Klopp, W. Richter, Gesch. d. Paderborner Jesuiten.
(Vgl.JBL. 1892 I 4:831.): ÖLBl. 2, S. 129-30. — 6) G. Droysen, Gesch. d. Gegenreformation. Mit Portrr., Illustr. n. Karten.
(3)1*
III 1:7-15 AI. Reifferscheid, Allg-emeines des 17./18. Jahrhunderts.
Ultramontanismus, 4. Vordringen des Ultramontanismus in Deutschland, 5. der Kampf
um den Relig'ionsfrieden. Die letzten Ausg'äng-e des fünften Buches sind den ersten
8 Jahren des 17. Jh. gewidmet. — Die zweite Hälfte, die Geschichte des ;-30jährigen
Krieges, bearbeitet von Winter'), liegt bereits vollständig vor. Er wird in drei
Büchern des grossen Materials FTerr. Sie tragen die Ueberschriften : 1. Gänzlicher
Zerfall der Reichsverfassung. Organisation entgegengesetzer Parteien. Union und
Liga. 2. Der oOjährige Krieg, in fünf Abschnitten. 3. Der westfälische Friede und
die Folgen des Krieges. Besonderer Aufmerksamkeit wert ist der Abschnitt des dritten
Buches über die Einwirkung der Kriegsnot auf die deutsche Kultur. Die furchtbare
Art der Kriegführung entsprach dem Charakter der damaligen Heere, dem zu Gunsten
der militärischen Anführer, zum Schaden der Staaten raffiniert ausgebildeten Söldner-
und Werbesystem. Aus der historiographischen Note am Schlüsse des W.schen
Werkes, die über die Quellen orientiert, ist anzuführen die Bemerkung, dass un-
ermessliche, historische Schätze über die ganze Epoche in den Archiven noch un-
berührt liegen, dass unabsehbares Material von Kriegs- und Verwaltungsakten des
Forschers harrt, der über der Unmasse des verwirrenden Details das Ganze zu er-
kennen und darzustellen weiss. — Dagegen vertrat Kl o p p *) in der völligen Umarbeitung
seiner verdienstlichen Monographie über Tilly, die das biographische Moment in den
Hintergrund drängte und zu einer eingehenden Geschichte des 30jährigen Krieges,
seiner Vorgeschichte und seines Verlaufes bis zum Tode Gustav Adolfs wurde, die
Ansicht, dass es bei der Beleuchtung dieses Zeitalters noch lange nicht allein darauf
ankomme, durch archivalische Enthüllungen den Stoff zu vermehren, als vielmehr
die Fülle der gedruckten Akten allseitig zu benutzen und aufzuarbeiten. — Die
Geschichtswerke von Ritter^) und von H. von Zwiedeneck- Süd enhorst'*')
schritten rüstig weiter, doch ohne im Berichtsjahr bis zum Schlüsse eines Bandes zu
gelangen. — Ueberden 1. Band von Erdmanns dorffer^^'^^j (ygl. JBL. 1892 III 1 : 3)
erschienen anerkennende Besprechungen. Durch den 2. Band kam das Werk zum
völligen Abschluss. Er beginnt mit den Kriegsjahren 1688 und 89, schildert den
Anteil Deutschlands an den gewaltigen Erschütterungen, welche die europäischen
Machtverhältnisse umgestalteten, und führt die Erzählung bis zum Tode König Friedrich
Wilhelms L, dem Endpunkte. Die verwirrten politischen Verhältnisse sind über-
sichtlich und klar, mit feinstem Verständnis für die treibenden Kräfte und unter steter
Beachtung der wirtschaftlichen und geistigen Momente dargestellt. Oft weicht E. von
der bisherigen Beurteilung ab und begründet seine Ansicht in den Anmerkungen, so
über das Testament des Grossen Kurfürsten (S. 107); oder er weist darin auf die
Notwendigkeit näherer Untersuchung hin, z. B. (S. 116) über die Versuche, die man
in Berlin nach englischem Vorbilde machte, eine Reform der Sitten auf anderem
Wege als auf dem der Kirchenzucht herbeizuführen. Hier interessieren am meisten
sein Ueberblick über die geistige Entwicklung vom westfälischen Frieden bis zum
Beginn des 18. Jh. (S. 148), seine Auseinandersetzungen über die litterarischen und
künstlerischen Bestrebungen am brandenburgischen Hofe (S. 110), mit kurzer, aber
treffender Würdigung der Bedeutung von E. von Danckelmann, Pufendorf, Spener,
Francke, Thomasius, über kirchliche Wirren und Kulturabeit (S. 374), mit knappen
Bemerkungen über die Leibniz-Wolffsche Philosophie, die moralischen Wochen-
schriften, Gottsched u. a., endlich die Erörterungen über die Reformversuche zur
Vermehrung und Hebung des Bauernstandes unter Friedrich I. (S. 316), über die
Reform des Städte wesens unter Friedrich Wilhelm I. (S. 499). '3) — Von den zahl-
reichen Einzelabhandlungen seien zuerst die genannt, die grössere Zeiträume um-
fassen. Wertvolle Beiträge zur deutschen Wirtschaftsgeschichte gab von Below'*)
aus Verfügungen der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg aus den J. 1625 — 1728, die sich
scharf gegen verschiedene Missbräuche bei der Veranlagung und Erhebung der
Steuerkontingente richten. Sie sind voll Wohlwollen gegen den gemeinen armen
Mann, der „bei den allgemein durchgehenden Landbeschwernissen" über seine Kräfte
belastet werden muss, weil Reiche sich zu eximieren verstehen; sie verlieren dabei
aber nie das Interesse des Staatssäckels aus den Augen, der durch stramme Heran-
ziehung zur Steuer, durch strengere Kontrollierung der Steuererheber besser gefüllt
wird. — Aehnliche I-i'ürsorge bewies der Herzog Augustus von I^auenburg 1641—54'^).
(-=Allg. Gesch. in Einzeldarst. her. v. W. Oncken.) B., Grote. 472 S. M. 7,00. ||HJb. 85, S. 216/7.]| — 7) G. Winter,
Gesch. d. 30j. Krieges. Mit Portrr., Ulustr. u. Karten, ebda. 671 S. M. 16,00. — 8) OXX 0. Klopp, D. 30j. Krieg bis z.
Tode Gust. Adolfs 1682. 2. Ausg. d. Werkes: Tilly im 30 j. Kriege. II. Vom Beginn 1621 an bis z. Uebertragung d. Herzog-
tumes Mecklenburg an Wallenstein 1628. Paderborn, Schöningh. XXVIII, 868 S. M. 13,00. |[DE. 4, S. 394/5; K. Jentsch:
BLU.S. 692/4; H. Landwehr: FBPG. 6, S. 620; J. Moser: Kath. 2, S. 315-28; 0. Pülf: StML. 45, S. 509-1 3.J| - 9) (JBL. 1891
III 1:1.) - 10) (JBL. 1891 III 1:2.) - U) A. Zimmermann: HPBll. 111, S. 951/6; Grenzb. 3, S. 397-402. — 12) B. Erd-
mannsdörffer, Dtsch. Gesch. vom westfäl. Frieden bis z. Eegierungsantritt Friedrichs d. Gr. Mit Portrr., Illustr. n. Karten,
n. (=Allg. Gesch. in Einzeldarst. hör. v. W. Oncken.) B., Grnte. 527 S. M. 12,00. |[Ed. Heyck: FBPG. 7, S. 605/S.]| —
13) X F. Stiere, L. Frhr. v. Stralendorf : ADB. 36, S. 493/5. — 14) G. v.Below, Beitrr. zur Verfussungs- etc. Gesch. d. Nieder-
rheinsTom 16.-18. Jh.: BGNiederrh. 7, S. 9-35.— 15)Allerlei fürstliche Reskripte d. Herzogs Augustus v. Lauenburg: AVGLauenburg.
AI. Reiff er scheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts, lll 1 : le-ae
Er suchte zu verhindern, dass sein Land „totaliter ruinirt und zu kunftig-er Herbei-
bring-ung- der kontributionsquoten untüchtig" g-emacht" werde. Er Hess seine Lehn-
güter nicht deteriorieren durch Verwüstung- des Holzes, vermahnte aber auch einen
Amtsdiener ernstlich, weil dieser sich „auf die Völlerei geleget, des morgens die Brant-
weinflasche und den ganzen Tag die Tabackspfeife weidUch gebrauchte". — G. von
Buchwald'^j entwarf an der Hand alter Wirtschaftsakten und Rechnungen wirt-
schaftsgeschichtliche Zahlenbilder aus dem 30jährigen Krieg, die mit erschreckender
Deutlichkeit von dem Elend zeugen, das Kaiserliche und vSchweden gleichmässig den
mecklenbm'gischen Aemtern bereiteten. Er gab Beiträge zur politischen Geschichte
Mecklenburgs in den J. 1691 — 1708, behandelte u. a. die Fortschritte der Volkswirtschaft
unter Adolf Friedrich II. (s. o. I 4 : 343). — Beiträge zur Städtegeschichte lieferten
Darpe»') (vgl. JBL. 1891 I 5:331; s. o. I 4 : 4Üb) und Demmei») (vgl. JBL. 1892 I
4:672), beide mit mannigfachen, lehrreichen Detaüs aus der Landesgeschichte und dem
Wirtschaftsleben, Darpe dabei auch mit manchen Zügen aus den Streitigkeiten der Konfes-
sionen. — Zu einer umfassenden, objektiven Geschichte des 30jährigen Krieg-es gewährten
reiche Aufschlüsse Ein e r t s '"j Mitteilungen aus der Kirchenchronik eines Zeitgenossen,
des Pfarrers Thom. Schmidt aus Dornheim in Thüringen, die leider überarbeitet und, wie
es scheint, verkürzt vorgelegt worden sind. Die Not der Zeit liess keine weicheren Ge-
fühle in ihm aufkommen, gleich in der ersten Aufzeichnung nennt er eine Exekution,
die er an drei Wegelagerern, einem Rittmeister, einem Cornet und einem Arkebusier,
vollziehen sehen, eine herrliche Augenlust. Er ist ein vortrefflicher Humorist und
schreibt überall unumwunden, was er denkt. Die Glaubensgenossen, die Herzoglichen
und die Schweden, kommen dabei schlimmer weg als die Feinde, die Kaiserlichen.
Von den Freunden des Evangeliums hatte er und seine Bauern kaum weniger zu
leiden, als wenn der Feind ins Land gebrochen. Er nennt sie (S. 40) „lutherische
Türken". Banner verwüstete (S. 37) „in Freundesland die Edelhöfe, die Pfarre und
verschonte keines Menschen, denn um Gottes Ehre allein war ihm zu thun!'' „Warum
sollen die Schweden nicht unsere Helfer heissen?" schreibt er (S. 17) und fügt die
Antwort hinzu: ,, Haben sie uns ja helfen um das unsere bringen. Gott helfe uns
vor solchen Beschützern !" Aus verschiedenen Aeusserungen Schmidts sehen wir, dass
die Städte, so lange es ging, alle Lasten auf die Landbewohner abwälzten, die
ohne dies mehr zu leiden hatten. — Wetzepf^) teilte aus der Ausgabe der Briefe
Banners an A. Oxenstierna die Stellen mit, an denen die schwedischen Pläne hin-
sichtlich Berlins erwähnt werden. — Bau er 2') veröffentlichte von seinen Unter-
suchungen der umfangreichen Akten des Memminger Stadtarchivs und vieler aus-
wärtiger Archive für die Geschichte Memmingens im 30jährigen Kriege den Teil, der
die bedeutenderen Begebenheiten vom Anfang des Krieges bis zur Besetzung der
Stadt durch die Schweden schildert — vier selbständige Abhandlungen, die geschickt
auch innerlich zu einem Ganzen vereinigt sind: 1. Wirtschaftliche Not und Krank-
heiten. 2. Die Streitigkeiten wegen Einführung der Jesuiten. 3. Die Kriegslasten
von Memmingen bis zur Gründung des Leipziger Bundes; Wallensteins Aufenthalt
daselbst zur Zeit seiner Absetzung 1630. 4. Die Beziehungen der Stadt zum Leipziger
Bund und zu Gustav Adolf. — Ebenfalls auf Grund umfassender archivalischer
Studien bearbeitete Donaubauer^^) die Geschichte Nürnbergs von der Schlacht bei
Breitenfeld an bis zur Ankunft Gustav Adolfs im Juni 1632. Seine Arbeit hat all-
gemeineren Wert, weil wir durch sie Aufschluss erhalten über die Politik einer evan-
gelischen Stadt, deren Bürgerschaft ganz schwedisch gesinnt war, deren Rat sich aber
nur zögernd mit Gustav Adolf einliess, um es mit dem Kaiser nicht ganz zu ver-
derben. — Einen Beitrag zur Geschichte Mecklenburgs gab Schulenburg'-^*') in
seiner Dissertation, in der er nach bisher unbenutztem hs. Material die Geschichte
bis zur Vertreibung der Herzöge, die Zeit der Wallensteinschen Herrschaft und
die Wiedereinsetzung der Herzöge geschickt behandelte.''^'*) — Ueber Wallenstein liegt
nichts Neues vor, abgesehen von Landwehrs^^) Schilderung der Zügellosig'keit
des jungen W'allenstein auf der Universität Altdorf, von dem skizzenhaften Aufsatze
Nedomas-^), der nur wegen Benutzung des auf Quellenstudium beruhenden Buches
4, S. 98-104. — 16) G. V. Buchwald, Bilder ans d. Volkswirtschaft!, vt. polit. Vergangenheit Mecklenburgs (1631-1708).
Nenstrelitz, R. Jacoby. V, 138 S. M. 2,25. - 17) F. Darpe, Gesch. d. Stadt Bochum. U. Bochum in d. Neuzeit. B. 1618-1740.
Progr. Gymn. Bochum (Stumpf;. S. 299-368. (Beigefügt ist e. Ansicht d. Stadt aus d. Zeit um 1700.) — 18) L. Demme,
Nachrichten u. Urkunden z. Chronik v. Hersfeld. U. V. lieginn d. 30 j. bis z. Beginn des 7j. Krieges. Mit 82 Beil. Hers-
feld, H. Schmidt. 360 S. M. 4,50. — 19) E. Einert, E. Thüringer Landpfarrer im 30j. Kriege. Mitteilungen ans e. Kirchen-
Chronik. Arnstadt, Frotscher. IV, 95 S. M. 1,60. — 20) A. Wetzel, Notizen über Berlin im 30 j. Kriege: MVGBerlin. 10,
5. 85,6. — 21) B. Bauer, Beitrr. z. Gesch. d. Reichsstadt Memmingen vom Begfinne d. 30 j. Krieges bis z. Besetzung d. Stadt
durch d. Schweden. Diss. München. (Augsburg, J. B. Himmer.) 1892. VI, 122 S. — 22) St. Donaubauer, Nürnberg um
d. Mitte d. 30 j. Krieges. (V. Okt. 1631 bis Mitte Juni 1632.) Diss. Erlangen. (Nürnberg, C.B.J. Bieling-Dietz.) 178 S. (Steht
ohne Inhaltsverzeichnis u. ohne Uebersicht d. benutzten Quellen im MVGNürnberg. 10, S. 69-240.) — 23) 0. Schulenburg,
D. Vertreibung d. mecklenb. Herzöge Adolf Friedrich u. Johann Albrecht durch Wallenstein u. ihre Restitution. E. Beitr. z.
Gesch. Mecklenburgs im 30j. Kriege. Diss. Rostock (Adlers Erben). 1892. 133 S. |[HZ. 35, S. 570.]| —24) O X B.. Ehlers,
Aus d. 30 j. Kriege: Heimat 3, S. 11-20. — 25) H. Landwehr, Aus Wallensteins Jugend: NatZg». N. 44. — 26) J. Nedoraa,
III 1 : 27-42 AI. Reifferscheid, Allg-emeines des 17./18. Jahrhunderts.
von Fr. Dvorsk^ beachtungs wert ist. ^''j — Röckls^^j Qaellenbeiträg'e zur Geschichte
der kriegerischen Thätigkeit Pappenhehns, für die er die erhaltenen Briefe und
Berichte des Feldherrn geschickt verwertete, sind mit dem 3. Teile zum Abschluss
gelangt. Sie lassen lebhaft wünschen, dass dem Vf. bald die Möglichkeit geboten
werde, die im Pappenheimschen Familienarchive liegenden Briefe zu veröffent-
lichen.-^) — Hopf^*'"3i) behandelte in der Fortsetzung seiner Untersuchungen (vgl.
JBL. 1892 III 1 : 20) über die politische und diplomatische Thätigkeit des Fürst-
bischofs Anton Wolfradt, des vertrauten Ratgebers Ferdinands IL, auf Grund bisher
noch nicht gedruckter Briefe, Wolfradts Verhandlungen mit Wallenstein, der zu ihm,
wie der Kaiser wusste, besonderes Vertrauen hatte, und dessen Wege Wolfradt im
Interesse des Kaisers mit hingebendem Eifer gegen die Absichten der eifersüchtigen
Reichsstände zu ebnen suchte. Wolfradts Einfluss am kaiserlichen Hofe wurde nicht
erschüttert, auch nicht unter Kaiser Ferdinand III. — Einen unschätzbaren Beitrag zur
Geschichte des 30 jährigen Krieges gab Wittich ''^J in seiner hochbedeutenden Studie
über Dietrich von Falkenberg, einen der hervorragendsten Werkmänner Gustav
Adolfs, worin er mit besonderem Erfolge dessen Thätigkeit in Magdeburg schilderte.
Nach W.s sorgfältiger Beweisführung kann es nicht mehr zweifelhaft sein, dass der
Brand Magdeburgs von Falkenberg und den Magdeburgern ausgegangen ist. —
Die Bemühungen von Vo Ikholz^'^), die alten Magdeburger Traditionen, die den
Kaiserlichen die Schuld zuschreiben, zu verteidigen, sind daher durchaus verfehlt.
Mit Recht wies Klopp dem gegenüber in seiner Anzeige auf die Beweiskraft der
fünf Tonnen Pulver hin, die auf dem neuen Markte vergraben waren und deren
Auffindung durch die Kaiserlichen den schönsten Stadtteil Magdeburgs rettete. —
Den Feldzug des J. 1622 schilderte von Reitzenstein 3^) auf Grund sorgfältiger
archivalischer Studien vom rein militärischen Standpunkte, er entwarf ein klares
und zuverlässiges Bild der Schlacht bei Wimpfen. — In einer Besprechung der Arbeit
von Opitz über die Schlacht bei Breitenfeld (vgl JBL. 1892 III 1 : 23) erklärte Krebses),
die bisher erschlossenen Quellen gestatteten noch nicht eine genaue und einwandfreie
Darstellung des eigentlichen Verlaufes der Schlacht. — Wittich^^) besprach einzelne
Untersuchnangen über andere Schlachten, die quellenkritische LI. Diemars über die
Schlacht bei Lützen und die kriegsgeschichtliche Täglichsbecks über die Gefechte'
und das Treffen bei Steinau. — - Zu einer von seinen Vorgängern wesentlich ab-
weichenden Darstellung der Schlacht bei Nördlingen gelangte Struck^"?) durch
strengere Kritik der Quellen, die eine andere Verwertung derselben bedingte. — Sehr
dankenswert w^ar es, dass das ausführliche Fürstlich Sächsisch Eisenachisch Kriegs-
recht in einem genauen Neudruck ^^j erschien. •^^"'*') — Die deutschen Kreditverhält-
nisse während des 30jährigen Krieges und unmittelbar darnach untersuchte ab-
schliessend Gothein42) in der ausführlichen Einleitung seiner Ausgabe der höchst
charakteristischen Flugschrift Pflaum ers, die für die Gläubiger eintrat und die sich
kurz als Programmschrift zu Gunsten des Bürgertums kennzeichnen lässt. Unter
steter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zustände und der Rechtsanschauungen
zeigte G., wie man damals in Theorie und Praxis die beispiellose Zerrüttung der
Volkskraft, die der Krieg verschuldet, durch bewusste Begünstigung des Schuldners
zu überwinden suchte. Mit Befriedigung stellt G. fest, dass das deutsche Volk nach
dem ärgsten Verhängnis, das es je betroffen hat, durch den Ernst und die Umsicht
seiner Staatsmänner und Gelehrten, auch materiell die Grundlage zu neuem, frucht-
barem Schaffen nicht in einem schimpflichen Bankerott, sondern in einer ehren-
Albr. V. Waldstein vor d. 30 j. Kriege: Öüß. 14, S. 289-303. ([HZ. 35, 8. 570.]1 — 27) X H. W., A. Glndely, Waldsteins Ver-
trag mit d. Kaiser bei der Uebernahme d. 2. Generalates. Prug 1889: HZ. 34, S. 135/7. — 28) S. RöcVl, Qaellenbeitrr. z.
Geschichte d. kriegerischen Thätiglieit Piippenheims V. 1627 bis z. Schlacht bei Breitenfeld. UI. Progr. Gymn. München,
F. Straub). 72 S. - 29) O G. Wolfram, 4 Briefe Octavio Piccolominis über Vorbereitung u. Verlauf d. Schlacht bei Dieden-
hofen (7. Juni 1639): JbGesLothrG. 5, S. 220y2. - 30) E. F. Kaindl, A. Hopf, Anton Wolfradt I. II 1. (Vgl. JBL 1892
m 1 :20): MHL, 21, S. 267/8. — 31) A. Hopf, Ant. Wolfradt, Fürstbischof v. Wien u. Abt d. Benedilctinerstiftes Krerasraünster,
Geh. Rat n. Minister Kaiser Ferdinands IL II, 2. Wien, Holder. 4') S. M. 0,72. — 32) K Witt ich, Dietrich v. Fallcenberg,
Oberst u. Hofmarschall Gust. Adolfs. E. Beitr. z. Gesch. d. 30 j. Krieges. Magdeburg, Liebscher. 1892. XII, 360 S. M. 6,00.
|[G. Rüthning: MHL. 21, S.35;8-, P Sonden: HTS. 13, S. 23-68.JI — 33) R. Volkholz, D. Zerstörung Magdeburgs (1631)
im Lichte d. neuesten Forschung. Magdeburg, Faber. 1892. VI, 91 S. M. 3,00. |[KBGV. 41, S. 87; 0. Klopp, ÖLBl. 2,
S. 327/9; R. Setzepfandt: MIIL. 21, S. 156/7; AMZg. 68, S 5; HJb 14, S. 440.]| — 34) K. Frhr. v. Reitzenstein, D.
Feldzug d. J. 1622 am Oberrhein u. in Westfalen bis z. Schlacht bei Wimpfen II. München, Zipperer. II, 225 S. M. 2,80.
|[LCB1. S. 1500/1; K. Obser: ZGORh. 8, S. 529-31; AMZg. N. 41.]| (D. 1. T. erschien 1891.) - 35) J. Krebs: NASächsG. 14,
S. 153/.5. (Vgl. JBL. 1892 III 1:23) - 36) K. Wittich, H. Diemar, Schlacht bei Lützen ,16. Nov. 16321. Marburg 1890. —
F. Täglichsbeck, D. Gefechte bei Steinau a. 0. vom 29. Aug. bis 4. Sept. 1632. D. Treffen bei Steinau a. 0. am 11. Okt. 1633.
B., Mittler. 1889: HZ. 34, S. 500/7. - 37) W. Struck, D. Schlacht bei Nördlingen im J. 1634. E. Beitr. z Gesch. d.
30j. Krieges. Mit e Uebersicht-skärtchen u. e. Karte v. Nördlingen u. Umgegend. Stralsund, Regierungs-Bnchdr. 106 S.
M. 3,00. |[HJb. 14, S 723; Tli. Lorentzen: DLZ. S. 1522/3.1| (Als Berliner Diss. 46 S. erschienen.) — 38) (I 4:192.) —
39) X S. Frey, D. Anfänge d dtsch. Heerwesens: Fenillef-Cg. N. 447. - 40) O X X D- Wehrmacht d. h. Rom. Reichs dtsoh.
Nation; AMZg. 68, S. 162,3, 170,1. — 41) X F- Philippi, Ueber die Wehrverfassung v. Stift n. Stadt Osnabrnck in froherer
Zeit: MVGOsnabrück. 17, S 23 -44. — 42) E. Gothein, D. dtsch. Kreditverhälfnisse u. d. 30 j. Krieg. E. Neu: Nutzlich- u.
Lnstigs CoUoquium. V. etlichen Reichstags-Puncten. Insonderheit d. Reformation d. Zöllen Zinsszahlung n. Verbesserung d.
Matricul betr. Colloquenlen seyn: Doctor. Edelmann. Bürger. Bauer. (= Samml. älterer u. neuerer staatswissensch. Schrifteu
AI. Reifferscheid, Allg-emeines des 17./18. Jahrhunderts. III 1 : 43-63
vollen Liquidation gefunden hat. — Zur Hälfte gehört noch in die Zeit des 30jährigen
Krieges das lesenswerte Buch aus der Kurländischen Vergangenheit, in dem die
Brüder Seraphim^^^ nach archivalischen, bisher unbenutzten Quellen weitere
Bilder und Gestalten des 17. Jh. zeichneten, Ernst S. den Kurländer W. Farensbach,
einen Parteigänger und Verräter, Aug. S. die herzoglose Zeit und ihre Vorboten
1655—60, die Schwedennot in Kurland^^}. — Die Schwedennot in Dithmarschen
illustrierte durch Mitteilungen aus den 1891 als Ms. gedruckten Kriegsberichten des
dänischen Generalfeldmarschalls E. Albrecht von Eberstein Niemeyer^^). — Einen
Beitrag zur Geschichte des westfälischen Friedens gab Rohdewald^^) in seiner
Arbeit über die Abtretung des Elsass an Frankreich, die aber durch die exakten
Untersuchungendes Ende März 1893 verstorbenen Kolmarer Archivars Mossmann"*')
weit überholt wurde. — Eine innere Folge des 30jährigen Krieges waren die Auf-
stände der Bauern, die schütz- und rechtlos jeglicher Willkür preisgegeben waren.
Die Bauernrevolutionen in Böhmen besprach kurz Hutter*^"*^); von Liebenau^*^)
dagegen begann eine umfassende, bis in die kleinsten Details sich erstreckende Unter-
suchung des luzernischen Bauernkrieges von 1653. Ee war kein Kampf des Volkes
gegen die Aristokratie. Die Empörung richtete sich anfangs gegen unkluge Mass-
nahmen der Regierung und gegen wirkliche Uebelstände, nahm aber bald eine
socialistische und destruktive Gestalt an, so dass sie den Bestand der Eidgenossen-
schaft bedrohte. Grundlage der Untersuchung sind die gleichzeitigen Akten des
Staatsarchivs, vor allem die Briefe der handelnden Personen, die Instruktionen der
Gesandten, die Protokolle des unparteiischen Gerichts. Man erkennt, dass es keine
plötzliche Empörung, sondern eine sorgfältig vorbereitete Revolution war.^*) —
Fester^^j schilderte zuerst auf Grund umfangreicher archivalischer Studien, unter
glücklicher Verwertung der bisher noch wenig beachteten Kreisakten, die geringe
Bedeutung der Augsburger Allianz von 1686, welche die französische Geschichts-
schreibung in Einklang mit dem französischen Kriegsmanifest von 1688 als Gefahr für
Frankreich darzustellen liebt. ^^ 54) _ F. von der Wengen^'^)erzählte nach bisher un-
benutzten Quellen die Uebergabe der Stadt Freiburg an die Franzosen. Feldmarschall
Freiherr von Harsch hatte die Festung, dem Befehle Prinz Eugens entsprechend, aufs
äusserste verteidigt, bei den Behörden Freiburgs aber nicht einmal moralische Unter-
stützung gefunden. — Einen namhaften kaiserlichen Feldherrn aus der 2. Hälfte des
17. Jh. charakterisierte Stieve^^), Joh. Grafen von Sporck, der sich durch kühne
Reiterthaten ausgezeichnet und ruhmvoll gegen Schweden, Franzosen und Türken
gekämpft hatte. — Schlitter^'-sSj schilderte die Grafen Ernst Rüdiger und Guido
von Starhemberg, die sich beide gegen die Türken hervorgethan^*^). Ueber die Grau-
samkeit, mit der die Kuruzzen des Grafen Emerich Tököly, der sich den Türken
angeschlossen, die israelitische Gemeinde zu Ungarisch-Brod in Mähren verheerten,
berichtete nach jüdischen Aufzeichnungen Kaufmann^*'). — Ueber den Frieden von
Karlowitz und seine Vorgeschichte, die Ereignisse des J. 1697, darunter die Schlacht
bei Zenta, welche mit der materiellen und moralischen Niederlage der Türken endete,
schrieb Popovic^^) eine Dissertation, ohne im wesentlichen Neues zu geben. — Wie
verlockend am Ende des 17. Jh. die Aussicht auf eine Königskrone für deutsche
Fürsten war, zeigt der Plan des Kurfürsten Joh. Wilhelm von der Pfalz, die arme-
nische Krone zu gewinnen; Heigel ^^^ behandelte ihn nach den erhaltenen Akten
erschöpfend. Ein armenischer Handelsmann hatte, allem Anschein nach nur in eigen-
nütziger Absicht, den Kurfürsten auf diesen Gedanken gebracht.^3-64j — Eine gute
her. V. L. Brentano u. E. Leser N. 3.) L., Dnncker & Htimblot. XCVn, 107 S. M. 3,20. — 43) (I 4:493; vgl. JBL. 1892
m 1:26) — 44) X E- ^- A. Seraphim, Aus Kurlands herzog]. Zeit (vgl. JBL. 1892 DI 1:25). |[F. Bienemann: BLU.
S. 1479; V. d. Brüggen: DLZ. S. 399; J. Girgensohn: GGA. S. 946; B. Seeberg: ThLBl. 14, S. 283.]| — 45) J. Nie-
meyer, Urkundl. Beitrr. z. Gesch. Dithmarschens ans d. J, 1658-60. Progr. Gymn. Meldorf (P. Bundies Nachf.). 4*. 21 S.
— 46) W. Rohdewald, D.Abtretung d. Elsass an Frankreich. E. Beitr. z. Gesch. d. westfäl. Friedens. (= Hallesche Abhandl.
z. neueren Gesch. XXXI.) Halle a. S., Niemeyer. 76 S. M. 2,00. 1[A. Meister: HJb. 15, S. 19.34.]| (Als Hallenser Diss. 32 S.)
— 47) X. Mossmann, La France en Alsace aprfes la paix de Westphalie: RH. 51, S. 26-43, 225-49; 53, S. 29-51, 280-300.
— 48) Th. Hutter, D. Banernrevoluticnen in Böhmen: ZDKG. 3, S. 375-86. — 49) O A. Kezek, Dva pfispevky k dSjinäm
selskych bouri a selsköho podanstvi v. XVII. stoleti. (Zwei Beitrr. z Gesch. d. Bauernaufstände im 17. Jh.): SBGWPragl*h. N. 2.
— 50) Th. V. Li eben au, D. luzernische Bauernkrieg v. J. 1653. I: JbSchwG. 18, S. 229-331. — 51) X A. Pr ihr am, 0. Klopp,
Coriespondenza epistolare fra Leopolde I. imperatoie ed il P. Marco d'Aviano capuccino. Graz 1888: HZ. 34, S. 137-43. (Betont
d. Wichtigkeit d. Veröffentlichung.) - 52) K. Fester, D. Augsburger Allianz v. 1686. München, Rieger. Vm, 187 S. M. 5,00.
|(Th. Lorentzen: DLZ. S. 1299-1302; J. W(eiss): HJb. 15, S. 447.|| - 53) X E. Strafgericht d. Markgrafen Ludwig Wilhelm
V. Baden (Tnrken-Louis): StiassbPost. N. 80. (Nach Schultes Werk; vgl JBL. 1892 III 1:28. D. Strafgericht erging ober
Feldmarschalllientenant v. Heddersdorf wegen d. schändlichen Uebergabe Heidelbergs an d. Franzosen 1693.) — 54) O X Aus
Württembergs Vergangenheit. D. Franzoseneinfall 1693: BBSW. S. 223-35. — 55) F. v. d. Wengen, D. Uebergabe d. Stadt
Freiburg i. Br. am 3. Novbr. 1713: ZGORh. 8, S. 312-72. — 56) F. Stieve, J. Grf. v. Sporck: ADB. 35, S. 264 7. — 57) H.
Seh [litter], E. Rüdiger Grf . v. Starhemberg : ib. S. 468-70. - 58) id.. Guido Grf. Starhemberg: ib. S. 473-82. - 59) X Feldzüge
d. Prinzen Eugen v. Savoyen. [Gesch. d. Kämpfe Oesterreichs] her. v. d. kriegsgesch. Abt. d. k. u. k. Kriegs-Archivs. Reg -Bd.
Wien, Gerold. V, 1021 S. M. 30,C0. (1.-20. Bd. u. Reg. M.6io,00.) — 60) D. Kaufmann, D. Verheerung v. Ung,irisch-Brod
durch d. Kuruzzenfiberfall vom 14. Juli 1683: MLWJ. 37, S. 270-82, 319-30. - 61) M. Popovic, D. Friede v. Karlowitz (1699).
Diss. L., (O.Schmidt). 73 S. |[HJb. 15, S. 904.]| - 62) K. Th. Heigel, Ueber d. Plan d. Kurfürsten Joh. Wilhelm v. d. Pfalz,
d. armen. Königskrone zu gewinnen (1698-1705) : SBAkMünchenPli. 2, S. 273-319. — 63) X T h. K ü k e 1 h a u s , D. Ursprung d Planes
III 1 : 64-86 AI. Reifferscheid, Allg-emeines des 17./18. Jahrhunderts.
Vorstellung von der masslosen Frechheit und der gewaltthätigen Selbsthülfe der Hand-
werker im Anfang des 18. Jh. gab Buff**^J in seinen gehaltvollen Aufsätzen über
den Ausstand der Augsburger Schuhknechte 1726. — Aus der brandenburgisch-
preussischen Geschichte ist zunächst zu nennen das treffüche Lebensbild des Grossen
Kurfürsten in populärer Darstellung von Wilh. Müller**^), der auch den Begründer
der russischen Macht, Peter den Gr., in grossen Zügen gezeichnet hate^). — Im aus-
gesprochenen Gegensatz zu der verfehlten Charakteristik des Kurfürsten in E. von
Wildenbruchs „Neuem Herrn" gab Prutz^**) eine historisch-psychologische Studie
über die Anfänge des Begründers der preussischen Machtstellung, in der er zeigte,
dass gerade die harte Schule, durch die Friedrich Wilhelm als Knabe und Jüngling
gegangen, und die furchtbare Krisis, die er gleich im Anfang seiner Regierung
durchzumachen hatte, ihm die Härte und die Biegsamkeit des Stahls verliehen, die
er beide zur Lösung seiner grossartigen Aufgaben nötig hatte. Hirschs^")
Ausgabe der Aktenstücke (JBL. 1892 HI 1 : 3ü) wurde anerkennend besprochen,
ebenso die Arbeiten von Schrötters ''*) (JBL. 1892 IIl 1:33) und Streckers -i) (JBL.
1892 III 1:36), sowie die Lebensbilder von Natzmers''23 (JBL. 1892 III 1:43). —
Poten'3) charakterisierte den Feldmarschall des Grossen Kurfürsten, 0. Frhrn. von
Sparr, Hirsch '*) den Oberpräsidenten 0. von Schwerin, den vertrautesten Freund
und Ratgeber Friedrich Wilhelms. — Daneben begann Hirsch"^) eine grössere Ab-
handlung über die Lebensverhältnissse und das staatsmännische Wirken 0. von
Schwerins.''^"''''"') — Neue, ziemlich zuverlässige Nachrichten eines Zeitgenossen über
den Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I., über die Zeit vom Tode bis zur feier-
lichen Beisetzung Friedrichs I. (1. März bis 2. Mai 1713) veröffentlichte Krauske'^),
fälschlich als Bruchstück einer geschriebenen Zeitung. In Wirklichkeit sind es die
vertraulichen Berichte eines Agenten, der seinem Auftraggeber, einem Höhergestellten
in der Provinz, auf das schleunigste die ersten Massnahmen des neuen Herrschers
meldet. Daher heist es (S. 118): „Seit meinen letztern gehorsambsten fällt diesmal
zu berichten." Er macht seine Meldungen, trotz des „sehr harten" Verbotes, etwas
aus Berlin zu schreiben, und bittet deshalb „alles wol zu menagiren". Seine Nach-
richten stammten aus gut unterrichteten Kreisen, wurden von ihm aber in solcher
Hast weitergegeben, dass er oft unhaltbare Gerüchte als Thatsachen gemeldet hat,
wie aus K.s Anmerkungen zu entnehmen ist. — Eine Verteidigung König Friedrich
Wilhelms I. unternahm Kraus ke'*'). — Sodann erhalten wir einen erwünschten Ein-
blick in das Seelenleben dieses Königs durch seine Briefe an den Domprediger Herm.
Reinh. Pauli in Halle aus den J. 1727—408"). — Die Mitteilungen Re mers«i) über
J. P. Gundling, den gelehrten Hofnarren am Hofe Friedrich Wilhelms L, lehren, wie
sehr dem praktisch gesinnten Könige alle Gelehrsamkeit verhasst war. — Mannig-
fache Belehrung gewähren die hs. erhaltenen Nachrichten über die Huldigung in
der Landgrafschaft Thurgau seit dem J. 1712*»2j. __ E. de Muralt*^) veröffentlichte
zeitgenössische Berichte über den Kampf der fünf katholischen Kantone gegen Zürich
und Bern, der sich zu einem regelrechten Religionskrieg entwickelte. —
Ueber die kirchlichen und religiösen Zustände in diesem Zeitraum
liegen neben kleineren Arbeiten einige grössere Abhandlungen vor. Wintera^*)
behandelte die für die Vorsgeschichte des 30 jährigen Krieges so wichtige Streitfrage
des Baues und der Schliessung der protestantischen Kirche in Braunau nach Akten
des Braunauer Stadtarchivs*^). — Die Notizen B e c k e r s**^) über das Amtsleben zweier
Zerbster Landpastoren schildern nach zeitgenössischen Berichten die Bemühungen
des Fürsten Johann von Anhalt, der 1642 zur Regierung gelangt war, in seinem
Gebiete den Kalvinismus durch ein strenges Luthertum zu ersetzen. — Aus dem
yom ewigen Frieden in d. Memoiren d. Herzogs v. Sally. B., Speyer & Peters VIII, 181 S. M. 3,50. l[HJb. 14, S. 190; JSav. S. 771.]|
(D. Hälfte d Arbeit erschien 1892 [als Berliner Diss. 58 S.].) - 64) X G- Heide, Ueber d. angebliche Bewerbung
Ludwigs XIV. um d. dtsch. Krone: UPBll. 112. S. 865-78. — 65) A. Buff, D. Aufstund d Augsburger Schuhlcnechte im J. 1726:
AZgB. N. 198-200. - 66) Wilh. Müller, D. Grosse Kurfürst. Peter d. Gr. (= Bilder ans d. neueren Gesch. [St., Bonz. III, 350 S.
M. 4,00J, S. 1-60.) — 67) O X L. Frey tag, G. Hiltl, d. grosse Kurfürst u. seine Zeit. 3. Aufl. 1892. Bielefeld, Velhugen & Klasing.
VIII, 447 S. M. 8,U0: CÜIRW. 21, S 367. — 68) H. Prutz, D. .Tugend u. d. Anfänge d. Grossen Kurfürsten. E. hist.-psycholog.
Studie: AZg". N. 38,9. - 69) LCBl. S. 277,8; EH. 53, S. 389. — 70) KonsMschr. S. 361; K. Br[ey ls[i] g: LCBl. S. 1006/7. -
71) Ed. Hey ck: HZ. 34, S. 5234. — 72) W. Arndt: BLU. S. 8203; ÖLBl. 2, S. 618; KonsMschr. S. 1032; R. Kos er:
FBPG. 6, S 6201; ThLBl. 14, S. 148. — 73) B Poten, 0: Chrph. Frhr. v. Sparr: ADB. 35, S. 64,7. — 74) F. Hirsch,
0. V. Schwerin: ib. S. 754-66. — 75) id., Otto v. Schwerin. I.: HZ. 35, S, 193-259 — 76i X *^- Fitte, D. preuss. Königs-
Icrone: VossZg". N. 34. — 77) X N. Thoemes, Aus d. Jesnitenbriefen d preuss. Krönnngsakten, oder wie d. Jesuiten d. Hause
HohenzoUern z. Königswürde mit verhelfen haben. E. Geschichtserzählung für d. dtsch. Volk. B., Kommanditges. Mark. Volkszg.
62 S. M. 0,30. ||0. Klopp: ÖLBl. 9, S. 650,1.]| — 77a) X »d., D. Anteil d. Jesuiten an d. preuss, Königskrone (vgl. JBL.
1892 III 1:38): Polybibl"'. 67, H. 270 1. — 78) 0. Krauske, Aus e. geschriebenen Berliner Zeitung: SVGBerlin. 30, S. 97-129.
— 79) id., Vom Vater Friedrichs d. Gr.: Didask. N. 125. (Ref. über e. Vortr.) — 80) 14 ungedr. Briefe König Friedrich Wil-
helms I. V. Preussen an e. Hallischen Geistlichen aus d. J. 1727-40: VossZg. N. 544. — 81) P. Rem er, J. P. Gundling:
VossZg". N. 36,7. — 82) D. Huldigung in d. Lundgrafscbaft Thurgau seit d. J. 1712: ThurgauischeBVtG. 33, S. 19-33. — 83)
E. de Muralt, Papiers de 1712: AnzSchwG. 24, S. 511;9. - 84) L. Wintera, Gesch. d. Protestant. Bewegung in Braunan:
MVGDB. 31, S. 13-42, 103-28, 237-62. — 85) O X X K. Reisse nberger, Z. Geschichte d. relig. Bewegung in Ober-
österreich: JGGPÖ. 14, S. 45-56. — 86)Heinr. Becker, Ueber d. Amtsleben zweier Zerbster Landpastoren d. 17. Jh.: MYAnhaltG.
AI. Reifferscheid, Allg-emeines des 17./18. Jahrhunderts. III 1 : 87-101
Kreis seiner sorg-samen und eingehenden Forschungen über die Kirchenpolitik des
Grossen Kurfürsten veröffentlichte Landwehr^'') eine weitere Vorstudie, eine Ab-
handlung- über den Hofprediger B. Stosch, der seit dem Beginn der 60er Jahre den
grössten Einfluss auf die EntSchliessungen Friedrich Wilhelms hatte. Er war Haupt-
vorkämpfer der Reformierten gegen die Lutheraner und wurde bei seinen Bestrebungen
unterstützt durch 0. von Schwerin und die Kurfürstin Luise Henriette, die als
Kalvinistin ihn allein von den Hofpredigern zu sich heranzog. Durch seine Be-
stallung von 22. Febr. 1644 war er in der freiesten Weise verpflichtet, „in Lehren und
Gottesdienst allein an das Wort Gottes, welches in den Schriften der Propheten und
Aposteln verfasst", also an keine Bekenntnisschrift, nicht einmal an das Apostolikum ge-
bunden. Erst nach der zweiten Vermählung des Kurfürsten trat sein Einfluss in
den Hintergrund^*"^^). — Grünberg^'') legte den Anfang seiner wissenschaftlichen
Untersuchungen über das lieben und Wirken Ph. J. Speners vor. In der richtigen
Erkenntnis, dass man Speners Streben, welches sich als eine Reaktion gegen die
bestehenden kirchlichen Zustände darstellt, nur auf Grund einer genauen Bekannt-
schaft mit den allgemeinen Zuständen und der herrschenden Richtung der lutherischen
Kirche um die Mitte des 17. Jh. würdigen könne, schilderte er zunächst die Zeit
Speners. — Eine aktenmässige Darstellung der Beziehung-en Zinzendorfs zu Er-
weckten, Separierten und zu der lutherischen Geistlichkeit in Frankfurt a. AI. ver-
öffentlichte Dechent*"). Von denen, die sich dort um Zinzendoi'f geschart hatten,
blieben ihm auf die Dauer nur wenige treu. Seine Methode, die betrübten Seelen
unmittelbar zu Christus zu weisen, galt mit Recht vielen als ungenügend. — Als
praktische Pietisten ohne jeden Anflug von schwärmerischem oder sektiererischem
W'esen feierte J a c o b s^^"''^) die Gräfin Sophie Eleonore zu Stolberg-Stolberg und
Christian Ernst, den regierenden Grafen zu Stolberg- W'ernigerode. — Von den
Schriften über die Aufnahme vertriebener Protestanten in Norddeutschland ist mit
Anerkennung zu nennen die gründliche Arbeit Pipers-'^) über die Aufnahme der
Reformierten und Mennoniten in Altona. Man erkennt daraus die hohe Bedeutung
der niederländischen Einwanderer für Gesittung und Erwerbsleben. P. verarbeitet
den reichen Stoff in 5 Kapiteln: 1. die Aufnahme der Reformierten, 2. die andere
Ausstattung und die Weiterentwicklung der Kirche, 3. die Geistlichen, die Kirchen-
ordnung und die Lehre, 4. die Geldverhältnisse der Gemeinde, 5. die Gemeinde, 6. die
Mennoniten. ^^"''^j — Ueber die Ausbreitung und die Thätigkeit des Jesuitenordens
handelten (s. 0. N. 21) von Krone s"^) und E h r e n b e r g'-*^). — Für die Ge-
schichte des Kapuzinerordens enthalten mancherlei die Mitteilungen Eschbachs'*'')
aus der lateinischen Chronik des Kapuzinerklosters zu Kaiserswerth. — Hierher ge-
hört auch die Veröffentlichung der Testamente von 2 Wiener Bürgermeistern aus dem
17. Jh.'^**^). Beiden liegt sehr viel daran, dass sie in gutem Andenken bleiben, sie
tragen Sorge für ihre Hinterbliebenen, vergessen auch die Armen und das Gemein-
interesse nicht. Beide lassen unzählige Messen für ihre Seelenruhe lesen und zeig-en
so ihre fromme und kirchliche Gesinnung. Um so wichtiger ist die ausdrückliche
Anordnung des einen, dass das Geld für die Messen nicht Ordensleuten, sondern den
armen Weltgeistlichen geg'eben werden solle.. —
Für die Geschichte des geistigen Lebens dieser Zeit ist mancher
schöne Beitrag geliefert worden. Wertvoll war Varrentrapps i^') Veröffentlichung
von 27 Briefen des berühmten Publizisten S. Pufendorf aus den J. 1668 — 93. Pufen-
dorf bekennt offen, dass man dessen Lied singt, dessen Brot man isset, deshalb soll
einem Publizisten nicht beigemessen werden, wenn er seines Herrn „sentimente mit der
Feder exprimiret" (S. 27). Er ist sich bewusst, dass er sich durch seine Schwedische
Geschichte viele Feinde gemacht, allein ein Geschichtsschreiber könne „sowenig von
allen leuten gloriose schreiben, als aller menschen actiones mit den regeln der klug--
heit und fugend" übereinstimmten (S. 28). Er spottet über die lächerliche Behut-
samkeit mancher Höfe, „solche dinge zu secretiren, die in den äugen der ganzen
VI. 3. |[HZ. 35. S. 572. I — 87) H. Landwehr, ßartholom. Stosch, knrbrandenb. Hofprediger (1604-86): FBPG. 6, S. 91-140.
|[A. M(eister): HJb. 14, S. 910 1; HZ. 35, S. 571.]| (Erschien auch als Sonderabdr. L., Dnnclcer & Hnmblot. 50 S. M. 1,40.)
— 88)X W. Bey schlag, D. Gr. Kurfürst als evang. Charalcter. Halle a. S., Strien. 62 S. M. 0,80. |[C. Spannagel:
FBPG. 6, S. 622 3; HZ. 35, S. 379-80; ThLBl. 14, S. 186.]i (Kaiser-Geburtstagsrede; auch DEBll. 18, S. 141-72.) — 89) X E.
Lepp, Preussen u. d. Protestantismus: DPBl. 26, S. 10,3, 18-21, 268, 34 7. — 90) P- Grünberg, Ph. J. Spener. Sein Leben
u. Wirken. 1. Bd.: D. Zeit Speners; d. Leben Speners; d. Theol. Speners. Göttingen, Vandenhoeclc & Ruprecht. VIII, 531 S.
M. 10,00. (Vgl. III 5:22; als Strassb. Dias. 1892. VII, 124 S.) — 91) H. Dechent, D. Beziehungen d. Grafen v. Zinzendorf
zu d. Evangelischen in Frankfurt a. M.: ZKG. 14, S. 19-68. (Vgl. III 5:33.) — 92) Ed. Jacobs, Sophie Eleonore Gräfin zu
Stolberg-Stolberg: ADB. 36, S. 3723. - 93) id., Ch. Ernst Graf zu Stolberg- Wernigerode: ib. S. 3816. — 94) P. Piper, D.
Reformierten n. d. Mennoniten Altonas. (= Altona unter Schauenburgischer Herrschaft VI.) Altona, Härder. 97 S. M. 2,00. —
95) O X H. Dalton, König Friedrich I. als Fürsprecher d. Hugenotten am Zarenhofe: Bär 19, S.4789. — 96)XD. Salzbnrger
Auswanderung V. 1731 u. 32: PomraerscheBllSch. 17, S. 98-100. (D. KathLehrerZg. entnommen.) — 97) F. y. Krone.s, Z. Gesch.
d. Jesuitenordens in Ungarn seit d. Linzer Frieden bis z. Ergebnisse d. ung. Magnatenverschwörnng 1645-71: AÜG. 79, S. 277-354.
— 98) R. Ehrenberg, D. Jesuiten Mission in Altona. (= Altona unter Schauenburgischer Herrschaft VII.) Altona, Härder.
61 S. M. 2,00. — 99) P. Eschbach, Aus e. Chronik d. Kapuzinerklosters zu Kaiserswerth: BGNiederrh. 7, S. 137-200. —
100) W. E., Testamente t. Wiener Bürgermeistern aus d. 17. Jh.: WienerKommKal. 21, S. 407-18. — 101) K. Varrentrapp,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (3)^
HI 1:102-115 AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.
weit passiret", da doch „die höchste belohnung- derjenigen, die solche verrichtet",
sei, „dass sie nicht in die Vergessenheit verscharret" würden (S. 47). Er ist für den
vernünftigen Gottesdienst der Christen, gegen die Atheisterei ebenso wie gegen das
unnütze Gezanke der Protestierenden, hat ebenso viel Sorge pro vera pietate gehabt
wie die Schwarzmäntel (S. 33). Er erklärt sich entschieden gegen die Theologen,
„homines servituti parati, die den fürsten zu grosse rechte einräumen" (S. 196). Es
fehlt nicht an sarkastischen Bemerkungen über die Jesuiten (S. 195, 200), über
Bossuet (S. 195). Er will nicht entscheiden, ob Thomasius auch ein Synkretist sei,
„weil ich noch definitionem syncretistae nicht weiss. Denn auch bei etlichen die-
jenigen darunter gerechnet werden, die käse und butter zusammen essen" (S. 204).
Er begreift die Zänkereien und Intriguen der Gelehrten nicht, denn „der weg durch
erudition zu inclaresciren ist so breit, dass viel hundert neben einander nach dem
zweck laufen können, ohne dass sie nötig haben einander ein bein zu stellen, oder
einem gegen den leib zu rennen" (S. 40). Er zeigt sich als Kind seiner Zeit, wenn
er die kritische Thätigkeit des Thomasius missbilligt und wie ein echter Philister
schreibt (S. 204): „Zwar ist dergleichen censur publice utilissima und denjenigen
sehr anmuthig zu lesen, die selbst nicht perstringirt werden. Allein es gebährt einen
unaussprechlichen hass, den ich nicht weis, ob ein weiser mann für lange zeit auf
sich zu lenken ursach hat. Man kriegt wol feinde genug, wenn man sich gleich
befleisst, keinem menschen etwas zu leide zu thun und in seiner Unschuld einher-
wandelt." — Aus dem ungeheueren Briefschatze, den Chrn. Daum nachgelassen, teilte
Beck^ö2j Interessantes über die Verhältnisse der Lehrer und der Studierenden an
der Leipziger Universität mit. — Eine reichhaltige Quelle sind die Stammbücher der
bürgerlichen Studierenden und der vornehmen Herren, doch müssen sie sorgfältig
gesichtet und kritisch behandelt werden. Musterhaft ist die Ausgabe von Lütg-en-
dorffs"*'^), dankenswert der Artikel von Bobe^***), aber völlig kritiklos die Sammlung
der Brüder Keil"*^). Beachtenswert ist die Beobachtung, dass die- Eintragungen
der Universitätslehrer, die übrigens selten eigenartig waren, im 18. Jh. merklich ab-
nahmen. — Der Pfälzer J. J. Callenfels, über dessen Album Janssen^t^^j ]^ej.jß|^^gjg^
scheint sein Buch fast ausschliesslich reformierten Glaubensgenossen vorgelegt zu
haben.io") — Geigers Werk (vgl. JBL. 1892 I 4:586; III 1:59) über das geistige
Leben Berlins wurde von Verschiedenen i^^) mit grosser Anerkennung^ besprochen. —
Ein Bild aus dem geistigen Leben Strassburgs entwarf mit geschickter Hand Bünger ^^ö)
in seiner musterhaften Biographie des vielseitigen Professors Bernegger, für die Reiffer-
scheids „Quellen" (I) beinahe alles Material boten. -— Seine geistreichen Unter-
suchungen über das natürliche System der Geisteswissenschaften im 17. Jh. setzte
Diltheyiio) (vgl. JBL. 1892 III 1:60) fort. Er behandelte die Entwicklung des
historisch-kritischen Denkens und die Auflösung des Kirchenglaubens vom Mittelpunkt-
der Bibel und des Dogmas aus, darauf den Einfluss der römischen Stoa auf die Ausbildung
des natürlichen Systems und wandte sich zuletzt zu Melanchthon, dem man in Deutsch-
land die erste Ausbildung dieses Systems verdankt.'*') — Einen der bedeutendsten
Geister seiner Zeit, der als Gelehrter und Staatsmann eine vielseitige, aber stille, fried-
liche Wirksamkeit entfaltete, Ezechiel Spanheim, schilderte von P etersdorff"^). —
Den Erzeugnissen der Publizistik wendet man immer lebhaftere Teilnahme zu. Frick"^)
lieferte einen Beitrag zur Geschichte der historisch-politischen Litteratur in der ersten
Hälfte des 17. Jh. Er beschäftigte sich mit den sogenannten Elzevirschen Republiken,
der bekannten Sammlung von Staatenbeschreibungen, die in lateinischer Sprache ab-
gefasst dem Studium der Politik dienen sollten, und alles enthielten, was man in damaliger
Zeit wissen musste, um am politischen Leben thätigen Anteil nehmen zu können. — Die
Autorschaft an einer bedeutenden Flugschrift, die grosses Aufsehen erregte, an den
Vindiciae contra tyrannos, schrieb Waddington "*j dem Du Plessis Mornay zu, auf
Grund einer Stelle in den Memoiren Conrarts und des Zeugnisses der eigenen Gattin.
— Der tüchtige Beitrag Gebauers (vgl. JBL. 1892 III 1 : 62) zu einer kritischen
Geschichte der deutschen Publizistik wurde lobend angezeigt"^). — Auf die Gothein-
Briefe v. Pufendorf: HZ. 34, S. 1-51, 193-232. — 102) R. Beck, M. Chrn. Daums Beziehungen z. Leipziger gelehrten Welt
■während d. 60er Jahre d. 17. Jh. Progr. Gymn. Zwickau (R. Zückler). 4». 16 S. — 103) L. Frhr. v. Lütgendorff, D.
Stammbuch Davids V. Mandelsloh. E. Beitr. z. Adelsgesch. d. 17. Jh. Hamburg, Verlagsanstalt. XXXUl, 164 S. Mit Facs. u. 4 Taf.
M. 12,00. |[F. W.: DHerold. S. 100/2.]| — 104} L. Bobe, D. Temlersche Samml. adel. n. bnrgerl. StammbScher aus d. 17. n.
18.Jh. in d.Kgl.Bibl. zu Kopenhagen: DHerold. S. 5 6 (s. u. IV la : 24). —105) (1 4:141; 5 : 309.) — 106) H. Q. Janssen, D. beiden
Stammbücher d. J. J. Callenfels: VHSQ. 21, S. 30.3-28. - 107) X F- v. W eech. Ans e. Stammbuch d. 17. Jb.: ZGORh. 8,
S. 711,4. -108) W. Arndt: BLU. S. 663/6; A. Chuquet: RCr. 35, S. 226,8; M. Fr.: LZg". N. 15; C. Spannagel: FBPQ. 6,
S. 319-21; Spectator: ML. S. 69-71; DRs. 75, S. 157: Geg. 43, S. 223; LCBl. S. 9425. — 109) C. Bünger, Matth. Ber-
negger, e. Bild aus d. geistigen Leben Strassburgs z. Zeit d. 30 j. Krieges. Mit e. Bildn. Strassburg i. E., Trübner. IX, 401 S.
M. 12,00. |[RCr. 36, S. 159-60; W. W.: ZGORh. 8, 8. 724; LCBl. S. 1607/8; StrassbPost. N. 2:W.J| — HO) W. Dilthey, D.
natürliche System d. Geisteswissenschaften im 17. Jh.: AQPhilos. 6, S. 60-127, 225-56, 347-79, 509-45 - 111) X A- Socin, R.
Hodermann, Universität svorlesungen (vgl. JBL. 1892 111 1:61): LBlGRPh. S. 8. — 112) H. v. Petersdorff, Ez. Spanheim:
ADB. 35, S. 50,9. — 113) G. Frick, D. Elzevirschen Republiken. Diss. Halle a. S., (E. Karras). 32 S. \[ÜZ. 35, S. 570.]| —
114) A. Waddington, L'auteur des Vindiciae contra tyrannos: RH. 51, S. 65/9. — 115) A. F. Pribrara: DLZ. S. 814,6;
AI. Reifferscheid, AUg'emeines des 17./18. Jahrhunderts. III I:ii6-i2d
sehe "^) Ausg-abe der Flugschrift Pflaumers „Colloquium von ethchen Reichstag-s-
punkten" sei hier nochmals hingewiesen, desgleichen auf die getreuen Facsimiles
interessanter Flugblätter in den Werken^'") Droysens, Winters und Erdmannsdörffers.
— Von Droysen angeregt untersuchte Güerler^'^j (\[q publizistischen Schriften über
die Kaiserwahl des J. 1658. Er unterscheidet zwei Gruppen: private Flugschriften,
die auf die leitenden Kreise wirken wollen, und Denkschriften der offiziellen Kreise,
die meistens erst später gedruckt wurden. Richtiger hätte er offiziöse und offizielle
Schriften unterschieden, die beide einander in die Hand arbeiteten. So nimmt die
offizielle Denkschrift des französischen Gesandten von Grammont ganze Gedanken-
reihen aus den Fhigschriften Frischmanns, des französischen Residenten zu Strassburg,
auf. Dasselbe thut das offizielle Schreiben des Mainzer Kurfürsten. Es bezeichnet
die Unklarheit der Situation, dass der offiziöse schwedische Publizist, D. Mevius,
mit Frischmann in litterarische Fehde geriet. Der in österreichischem Sinne schreibende
von Streithagen hatte, wie es zur Zeit scheint, keine Fühlung mit den offiziellen
Kreisen. — Die Geschichte des Zeitungswesens erfuhr keinerlei Bereicherung durch
Krauskes^'^) angebliches Bruchstück aus einer geschriebenen Berliner Zeitung. —
Einen wirklichen Beitrag zur Geschichte des Berliner Zeitungswesens gab Geiger '^oj
durch seine Studie über den Berlinischen Relations-Postillon 1711. Obgleich die Zeitung
länger als 100 J. dreimal wöchentlich, an den drei Posttagen Dienstag, Donnerstag
und Sonnabend, erschien, hat sich vom Jahrgang 1709 nur eine, vom Jahrgang 1711
80 Nummern erhalten. Jede Nummer enthielt 8 Seiten in klein Oktavformat. Die Zeitung
referierte kurz ohne persönliche Anteilnahme, wohl nach fremden Blättern, über die
Zeitereignisse, und tischte ihren Lesern recht viel „Vermischtes" auf, ohne auf Ber-
liner Verhältnisse, abgesehen von offiziösen Mitteilungen, Rücksicht zu nehmen.^^i)
Ueber den Anteil deutscher Fürsten an den Kunstbestrebungen ihrer Zeit handeln
zwei Arbeiten. F. von Reber '-2) zeigte in einer Festrede, wie Kurfürst Maximilian I.
von Bayern die von einem seiner Vorgänger auf der Basis eines naiven, rein gegen-
ständlichen Interesses g-egründete Gemäldesammlung zu einer von künstlerischen
Gesichtspunkten ausgehenden Galerie erhob. Das um 1628 entstandene fachgemässe
Inventar der Galerie Hess R. im Anhange abdrucken. — In einer Reihe wertvoller
Aufsätze, die sich vornehmlich mit dem Zusammenhang der Kunst in Holland und
Brandenburg beschäftigen, schilderte Galland ^^sj ^[q Beziehungen des Grossen
Kurfürsten zu den Künsten, seine Bemühungen, sie in seinem Lande durch hollän-
dische Meisler einzubürgern und deckte dabei auf Grund sorgfältiger archivalischer
Forschung die ausserordentlichen Verdienste des Fürsten Johann Moritz von Nassau,
des Statthalters von Kleve, um die Hebung der brandenburg-preussischen Kultur
aufi24) (vgl. I 11 : 256). -- Friedrich Wilhelms I. Verhalten zu Öhristian Wolff suchte
von Winter feld '25) in ein besseres Licht zu rücken. —
Ueber das Hofleben dieser Zeit liegen nur wenige Schriften vor. Reich-
haltige Belehrung über die Grundsätze der Prinzen erziehung im 17. Jh. gewähren die
von F. von Weech'^e^ veröffentlichten Bestallungen und ausführlichen pädago-
gischen Instruktionen, des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz für die Erzieher
des 6jährigen Kurprinzen und für die Hofmeisterin und den Hofmeister der 11 jährigen
Elisabeth Charlotte, der späteren Herzogin von Orleans. Das beste Zeugnis für die
hohe Denkart des Kurfürsten ist es, dass er die Haupterziehung des Thronerben dem
besten Manne, den er kannte, dem Staatsmanne und Gelehrten Ezechiel Spanheim
anvertraute. — Eine ansprechende Charakteristik der Kurfürstin Sophie von Hannover,
einer Tochter des böhmischen Winterkönigs, gab Fester'-"), er bemüht sich nur
zu sehr, sie als über jeden Tadel erhaben darzustellen. — Die einzige Tochter der
Liselotte, die letzte Herzogin von Lothringen, die Stammmutter der heute noch in
Oesterreich-Ungarn regierenden Herrscher familie, schilderte Fitte^^sj _ q[q prunk-
volle Hofhaltung Herzog Friedrich Casimirs von Kurland wurde, kurz bevor die
Schweden das Land besetzten, mit sichtlichem Behagen von seinem Kammerdiener
J. C. Brandt beschrieben, dessen Bericht über „Solenitäten so bei der Vermälung
seines gnädigsten Fürsten und Herrn Herzogs Friedr. Casimir und anderen Gelegen-
heiten beobachtet worden" nach zwei späteren Abschriften Diederichs '^Sj heraus-
LCBl. S. 639-40. — 116) (S. o. N. 42.) - 117) (S. o. N. 6/7, 112.) — 118) C. Goerler, Ueber d. Publizistik z. Kaiserwahl d.
J. 1658. Diss. Halle a. S., (Beyer & Konnger). 31 8. - 119) (S. o. N. 78.) - 120) L. Geiger, Berl. Studien. I. Berlinischer
Relations-Postillon 1711: VossZg«. N. 49. - 121) X A. Kebelliau, Bossuet (vgl. .7BL. 1892 UI 1:68.) |[A. Bauer: GGA.
S. 482-92; K. Benrath: DLZ. S. 962,4.]| — 122) F. v. Reber, Kurfürst Maximilian I. v. Bayern als Gemäldesammler. Festrede.
München, Franz. 1892. 4». 45 S. M. 1,30. — 123) G. Galland D. Grosse Kurfürst n. Moritz r. Nassau d. Brasilianer.
Studien z. Brandenburg, u. Holland. Kunstgesch. Frankfurt a. M., H. Keller. II 236 S. M. 4,00. |[K. Töche-Mittle r :
FBPG. 6, 8.3178; MVGBerlin. 10, 8. 12; HJb. 14, 8.463; ZChrK. 6, 8. 381 2.]| - 124) X A. Krieger, Wallerant Yaillant n.
Matthaeus Merian d. jüngere am baden-badischen Hofe: ZGORh. 8, 8. 3312. — 125) F. A. v. Winterfeld, Chr. Wolff in
seinem Verhältnis zu Friedrich Wilhelm I. u. Friedrich d. Gr.: N&S. 64, S. 224-36. — 126) F. v. Weech, Z. Gesch. d. Er-
ziehung d. Kurfürsten Karl v. d. Pfalz n. seiner Schwester Elisabeth Charlotte: ZGORh. 8, 8. 101-19. — 127) R. Fester,
Kurfürstin Sophie v. Hannover. (= 8GWV. N. 179.) Hamburg, Verlagsanst. 34 8. M. 0,60. — 128)8. Fitte, D. letzte
Herzogin v. Lothringen, e. Tochter d. Liselotte: VossZgB. N 51. — 129) H. Diederichs, Joh. Casimir Brandts Aufzeich-
(3)2*
1111:130-140 1112:1-3 L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.
gab. — Die enormen Kosten der Gesandtschaft, welche die Stadt Lübeck zur Krönung'
Friedrichs III., König-s von Dänemark, schickte, teilte nach dem Kämmereibuch
Brehmer ^''*'''3i) mit, ebenso die nicht minder bedeutenden Kosten, die der Stadt
Gevatterschaften bei Fürstenkindern machten. — Die servile Erniedrig-ung- vor den
Höherstehenden, besonders vor dem Hofe, suchte St einhausen>32-i33) als Folg-e
der ganzen Lebensauffassung des 17. Jh. zu erweisen. —
Auch aus dem Gebiet der Litteraturgeschichte sind diesmal einige Werke
und kleinere Abhandlungen zu verzeichnen. Vor allem die vortreffliche Neuausgabe
der vorzüglichen Litteraturgeschichte des 18. Jh von Hettner, besorgt von Harnack'34).
Mit der liebevollsten Sorgfalt ist der neue Herausgeber zu Werke gegangen. Mit
Geschick hat er die Ergebnisse neuerer Forschung eingefügt, manches von dem, was
jetzt überflüssig erscheinen durfte, mit schonender Hand gestrichen, die Anführungen
mit den Texten sorgsam verglichen und dabei manches Versehen Hettners berichtigt.
Die Vergleichung hätte mit Erfolg u. a. auch auf die aus Edelmanns Selbstbiographie
mitgeteilten Stellen ausgedehnt werden können. Manche bedenkliche Druckfehler
haben sich leider neu eingeschlichen, besonders in der ersten Hälfte des Bandes. ~
Aeltere Beiträge zur Litteraturgeschichte, auf selbständigen Studien beruhend, die
früher einzeln veröffentlicht worden, gab, in einer Sammlung vereint, neu heraus
Ad. Stern i35j^ ^lle zeichnen sich gleichmässig durch tiefes und lebensvolles Erfassen
der Vergangenheit aus. — Einen Anlauf zu einer Litteraturgeschichte Mecklenburgs
machte Lorenz '^^) in seiner Dissertation, welche die wenig erquicklichen Dichtungen
mecklenburgischer Prediger des 17. Jh. verzeichnet. — Nur im Auszug liegt ein
Vortrag Skladnys^^') vor über die deutsche Dichtung in der Provinz Posen, aus
dem sich ergiebt, dass fast ausnahmslos in den Schlesien benachbarten Teilen der
Provinz deutsch gedichtet worden, und zwar ganz in der Art der schlesischen
Dichter. '•'*"' 3 •') — Als Beleg für frühes Bekanntwerden Molieres in Deutschland ver-
öffentlichte Fränkel''*'*) eine Variante des Doctorandus Molieri, der Promotionskarikatur
am Schluss von Molieres Malade imaginaire, die starke Abweichungen von der
gewöhnlichen Lesart zeigt. —
111,2
Lyrik.
Ludwig Pariser.
Anonymes: Politische Verse N. 1; Volkslied und Gesellschaftslied N. 2. — Geistliche Lyrilc: Allgemeines N. 7;
das katholische Kirchenlied: Spee N. 10, Angelus Silesius N. 13; evangelische Poesie: J. V. Andreae N^ 14, J. H. Heermann
N. 20, P.Gerhardt N. 21, G. Neumarclt N. 24, Chrn. von Stökken und H. A. Stockfleth N. 25, Psalmenparaphrasen. (M. Stechow,
J. J. Spreng, Stresow, St&bner) N. 27. — Weltliche Kunstlyrik: Uebersetzungen (Anakreon, Horaz) N. 32; Weckherlin N. 34;
Fleming N. 37; Hofmannswaldau N. 38; Mühlpfort N. 39; Günther N.40; G.Stolle, Chrn. Stieff, D. Stoppe, F. D. Stender N. 42. -
Bibliographische Arbeiten sind auch in diesem Jahre nicht zu verzeichnen.
Neben historischen Ausführungen über die Entstehung der Gymnalsialbibliothek zu
Zweibrücken und die fast gänzlich verloren gegangenen Schätze der alten herzog-
lichen Bibliothek ebendort, wurde aus den Hss. der erstgenannten Sammlung einiges
auf die deutsche Dichtung Bezügliche, unter dem einige anonyme politische
Verse das Hauptinteresse beanspruchen, von Englert^) mitgeteilt. Es sind „Histo-
rische Reime von dem Vngereimbten Reichstage" (Katal. N. 36), eine Satire auf den
resultatlos verlaufenen Reichstag, den Kaiser Matthias 1613 nach Regensburg berief.
Der ziemlich unbeholfene Dichter, der aber offenbar satirisches Talent besitzt, be-
kämpft in gleichem Masse die Hartnäckigkeit seiner katholischen Glaubensgenossen
nungen über Ereignisse u. TToffestlichkeiten ans d. Zeit Herzog Friedr. Casimirs v. Kurland u. d. nächstfolgenden J. 1689-1701.
Her. V. d. kurländ. Ges. f. Litt. «. Kunst. Mitau (F. Besthorn). 1892. 4". X, 47 S. M. 2,40. — 130) W. Brehmer, Ge-
sandtschaft d. Stadt Lübeck z. Krönung d. dän. Königs Friedrich HL: MVLübG. 6, S. 8 9. — 131) id., Drei Gevatterschaften
d. Rates: ib. S. 9-11. — 132) G. Steinhausen, D. Lebensauffassung d. 17. Jh.: VossZg». N. 47. -- 133) X Th. Distel,
E. Schreiben d. Hofnarren Fröhlich an seinen Herrn (1727): NASächsG. 14, S. 339-41. — 134) H. Hettner, Litt.-Gesch. A.
18. Jh. III. D. dtsch. Litt, im 18. Jli. 1. Buch. Vom westfäl. Frieden bis z. Thronbesteigung Friedrichs d. Gr. 1648-1740.
4. verb. Aufl. Her. v. 0. HarnacV. Braunschweig, Vievreg. X, 400 S. M. 7,00. — 135) A. Stern, Beitrr. z. Litt.-Gesch. d. 17. u. 18. Jh.
L., E. Richter. 328 S. M. 7,50. (In Betracht kommen hier: D. Unt«rgang d. allengl. Theaters S. 1-34. D. Musenhof d. Königin
Christine v. Schweden zu Rom S. 35-59; vgl. III 3: 17.) — 136) (1 1:111.) — 137) A. Skladny, D. dtsch. Dichtung in d.
Provinz Posen vom 16.-18. Jh. Vortr.: ZHGPosen. 8, S. 386-90. (S. u. IV la : 46.) — 138) X C. Heine, D. Ausdruck „Zweite
schles. Schule": ZVLR. 6, S. 448-56. - 139) O X X l^- Faguet, La poesie fran9aise de 1600-20: RPL. 2, S. 738-46. - 140)
A. Fränkel, Zu Molifere in Deutschland nebst e. Textvariante seiner Promotions-Karikatur: ASNS. 91, S. 263-70. —
1) (I 3 : 37; II 2 :43.) - 2) R. M. Wem er, Z. Volkslitt.: VLG. 6,S. 290-300,433-48. - 3) H. Markgraf, Soldatenlob:
L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. III 2:4-7
und die Unversöhnlichkeit der evangelischen Partei. Von kulturhistorischem Stand-
punkt bemerkenswert in dem von E. abgedruckten Bruchstück ist die Vertrautheit
des unbekannten Vf. mit den niederländischen Malern seiner Zeit. Der Epilog- des
umfangreichen Gedichts ermahnt die hadernden Parteien zur Eintracht und endet
in einem kraftvollen Gebet um Erhaltung" des bedrohten Friedens. —
Auf ein bisher noch nicht gewürdigtes Volksl ied aus der Zeit des 30 jährigen
Krieges, „Soldatenlob", macht Werner-) aufmerksam. Es befindet sich hs. in einem
Sammelbande der Bibliothek des Reichsfreiherrn von Teuffenbach zu Salzburg und
in einem Quartdruck aus Fleyses Besitz in der kgl. Bibliothek zu Berlin. Druck
und Hs., von denen letztere offenbar den besseren Text bietet, werden von W. mit
einander verglichen. Das aus 36 Strophen bestehende, zuerst 1644 gedruckte Lied,
schildert in greller Beleuchtung allerhand Krankheiten und schädliche Natur-
erscheinungen, um zu dem Schluss zu gelangen, dass alle Plagen nicht so
schlimm seien als das Soldatenübel. — Markgraf^) hat auf der Breslauer Stadt-
bibliothek einen Druck des Soldatenlobs entdeckt, der zwar den gleichen Text, wie
das Berliner Exemplar enthält, sich aber dadurch von ihm unterscheidet, dass Sprache,
Metrik und Orthographie nach Opitzschen Grundsätzen modernisiert sind. — Zehn
Volkslieder aus Kärnten, von denen 8 geistlich und 2 weltlich sind, veröffentlicht
Jaksch*j aus einer Papierhs., die sich im Archiv des Geschichtsvereins für Kärnten
befindet. Die Lieder stammen etwa aus dem 1. Jahrzehnt des 18. Jh. und sind — wie
landwirtschaftliche Einträge derselben Hand beweisen — von Bauern oder Hand-
werkern aus dem Krapfeld niedergeschrieben. Die geistlichen Lieder sind über-
wiegend Weihnachts- bez. Adventlieder. (Die Hirten bei der Geburt Christi; die
Verkündigung; ein Zwiegespräch zwischen Joseph und Maria im Stalle usw.) Die
Marienlieder beginnen — wie so häufig in den Weihnachtsspielen — mit dem Lobe
des Hirtenlebens. Die beiden weltlichen handeln von „fallschen Weibszbildern" und
der Nichtigkeit der weltlichen Freuden, also von Motiven, die den Charakter der Lieder
nahezu zu einem geistlichen stempeln. J. weist auf die Uebereinstimmung dieser
Lieder mit denjenigen hin, welche Weinhold (Graz 185.5) und Lexer (1862 als Anhang
seines kärntnischen Wörterbuches) herausgegeben haben. — Aus den Mss. der Wolfen-
bütteler Bibliothek veröffentlicht Bolte*) die Anfänge der im Liederbuche des Prinzen
Joachim Karl von Braunschweig (1573 — 1615. Bruder des dramatischen Dichters
Heinrich Julius) enthaltenen Gedichte. Denjenigen Liedern, welche sich auch in
anderen Sammlungen finden, hat der Herausgeber eine reichhaltige Litteraturüber-
sicht beigefügt. Interessant sind namentlich die Analoga, welche er zu dem Liebes-
gruss (Bl. 26 a des Liederbuches) „so mannig laüb auf bhömen stehet" vergleichs-
weise heranzieht. Welche Lieder in der vornehmen Gesellschaft des 17. Jh. be-
liebt waren, sehen wir aus dem Tabulatur-Büchlein der Prinzessin Louise Charlotte
von Brandenburg, der älteren Schwester des Grossen Kurfürsten. Der auf der
Bibliothek der Petersburger Akademie der W^issenschaften befindliche Band ist im
J. 1632, dem 16. Lebensjahr der Prinzessin, angelegt und dann später fortgeführt.
Während ihres Aufenthaltes in Königsberg ergaben sich Beziehungen zu Simon
Dach und Heinrich Albert, welche in Liedern und Arien der Dichter zum Ausdruck
kamen. Im ganzen enthält das Buch 40 Lieder mit ihren Weisen in Mensural-Noten
und einer einstimmigen Begleitung (Viola di Gamba). Das von B. mitgeteilte Inhalts-
verzeichnis führt ausser Liedern von Dach noch solche von Opitz, Voigtländer u. a.
auf. Eigentliche Volkslieder fehlen ganz, dafür sind drei französische und zwei eng-
lische Lieder aufgenommen. Das Vorkommen der letzteren erklärt B. aus der
Nationalität des Komponisten Walther Rowe, von welchem verschiedene Lieder der
Sammlung herstammen. Sonstige Melodien rühren von H. Albert, J. H. Schein,
Kaspar Kittel, Andreas Hammerschmid u. a. her. — Das „Venusgärtlein", welches
von Waldberg herausgegeben hat (vgl. JBL. 1890 III 2 : 2), giebt im Gegensatz zu
diesem fürstlichen Liederbuch einen guten Begriff davon, welche Lieder in den
Bürgerkreisen und in den niederen Volksschichten um die Mitte des 17. Jh. Ver-
breitung gefunden hatten. Die Quellen für die Erzeugnisse der Kunstlyrik, welche
in dieser Sammlung enthalten sind, hat der Herausgeber in seinem Vorbericht bereits
nachgewiesen. Ellinger^) bietet nun einen Nachtrag, in welchem er einige ältere
Volkslieder und Gesellschaftslieder einer kritischen Prüfung unterwirft. Er kommt
zu dem Resultat, dass nur wenige Volkslieder des 16. Jh. sich um die Mitte des
folgenden noch allgemeiner Beliebtheit erfreuten. Die Gesellschaftslieder des „Venus-
gärtlein" verweist er zum Teil in das endende 16. und beginnende 17. Jh., während
eine andere Gruppe nicht weiter als in die vierziger Jahre des 17. Jh. zurückreichen
soll. E. charakterisiert das jüngere Gesellschaftslied dadurch, dass er ihm „die
ib. S. 6278. — 4) A. Jaksch, Alte Lieder aus Kärnten: Carinthia 1892, 1, S. 15-22 n. 1469. — 5) J. Bolte, Liederiiss. d.
16. u. 17.Jh.: ZDPh. 25, S. 29-36 (s. o II 2 : 26). - 6) G. Ellinger: ib. S, 273-86. - 7)X R- Maisch: KBlöRW 40,8.163,4; R.
III 2 : 8-14 L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.
Zierlichkeit und Anmut, die Gewandtheit in Sprache und Komposition und die treu-
herzige altfränkische Naivetät" abspricht, Eigenschaften, durch welche sich das
ältere Gesellschaftslied ausgezeichnet habe. Der Ton dieser Gattung wird im Laufe
des 17. Jh. prosaischer, nüchterner und roher. In diesem Zustand befand sich das
Gesellsohaftslied zur Entstehungszeit des „Venusg-ärtlein". Als den Hauptvertreter
dieser Richtung bezeichnet E. Gabriel Voigtländer. Er betont ferner den günstigen
Einfluss, welchen die lyrische Kunstdichtung des 17. Jh. auf die Entstehung des
neueren Volksliedes ausgeübt hat, und erklärt ihn aus der ungemeinen Verbreitung
von Sammlungen wie das Venusgärtlein, durch welche auch Produkte der Kunst-
lyrik dem Volke übermittelt wurden. —
Aus der Litteratur über die geistliche Lyrik ist von Darstellungen
allgemeineren Charakters neben Recensionen '') von Ellingers vorjähriger Aus-
wahl (vgl. JBL. 1892 II 2:18; III 2:6) nur eine populär gehaltene Arbeit von
Eug. Wolff^) zu nennen.^) Er bietet eine Auslese aus dem Kirchenlied des 16. und
17. Jh. auf Grund der von Wackernagel gesammelten ersten Drucke unter Berück-
sichtigung der dort mitgeteilten Varianten. Der grösste Raum ist der Wiedergabe
der Lieder Paul Gerhardts und der Trutz-Nachtigal von Spee gegönnt. Eine ge-
drängte Lebensschilderung der in der Sammlung vertretenen Dichter ist voran-
geschickt. Dem gewaltigen Stoffe gegenüber ist es kaum möglich, durch verhältnis-
mässig wenig Proben ein Bild von der geistlichen Dichtung des behandelten Zeit-
raums zu geben. So wird man z. B. in dieser Sammlung Liederproben von Matthesius
oder einzelnen fürstlichen Dichterinnen der Periode vermissen. Ein Hinweis auf
die in anderen Bänden der Kürschnerschen Nationallitteratur mitgeteilten geistlichen
Lieder (z. B. auf die von Hans Sachs in Bd. 20) wäre zu wünschen. Im übrigen
erfüllt die Auswahl ihren Zweck, durch kurze Anmerkungen und biographische
Nachrichten den behandelten Stoff einem weiteren Leserkreise nahe zu bringen
(vgl. II 2:3).-
An litterarischen Erscheinungen über das deutsche katholische Kirchen-
lied ist im Berichtsjahr wenig zu verzeichnen. Eine seiner Bedeutung entsprechende
Monographie hat F. von Spee noch immer nicht gefunden. Dre wes 'O) hat ihm in
der ADB. einen äusserst kurz bemessenen Lebensabriss gewidmet, welcher fast aus-
schliesslich auf die segensreichen Wirkungen der cautio criminalis eingeht. Eine
Würdigung der dichterischen Thätigkeit Spees hat der Vf. unterlassen. — Ausführ-
licher ist eine Besprechung der Trutz-Nachtigal in einem Programm des Coüegium
Josephinum von Gebhard'*). Anlass zu der Abhandlung bot 'der Umstand, dass
der Dichter kurze Zeit Mitglied dieses Jesuitenkollegs gewesen ist und im J. 1629
nach seiner schweren Verwundung dort Heilung und Pflege gefunden hat. Dem Vf.
ist es geglückt, namentlich den biographischen Teil seiner Skizze ansprechend zu
gestalten; die Wirksamkeit Spes — diese Schreibung erklärt G. nach den Jahres-
berichten des ehemaligen Jesuitenkollegs als die richtige — für die Gegenreformation
in Paderborn und Peine, der Mordanfall auf ihn, seine Bekämpfung der Hexen-
prozesse usw. sind, unter gewissenhafter Benutzung der Quellenschriften, lebendig
geschildert. 12) _
Die Mystik des Angelus Silesius hat Mahn'^) auf ihren Zusammenhang
mit den Schriften der älteren deutschen Mystiker geprüft. Er weist auf den Unter-
schied hin, der zwischen dem versöhnlichen Geist und der undogmatischen Haltung
des „Cherubinischen Wandersmanns" und der „Heiligen Seelenlust" im Gegensatz
zu dem streng konfessionellen Charakter der „Ecclesiologie" obwaltet. Der Dichter
habe beide Anschauungen nicht für widersprechend gehalten: die Ecclesiologie sei
eine Dogmatik und für den empirischen Verstand bestimmt, der Cherubinische
Wandersmann hingegen, das mystische Glaubensbekenntnis Schefflers, sei auf eine
davon ganz verschiedene Erkenntnisweise gegründet, die von der Welt der Er-
scheinungen abgewendet sich im „Schauen" des Wesens der Dinge verliere. Für
seine tiefsinnigen Sprüche setzte er — mit Recht — kein Verständnis bei seiner
Generation, die er „prava et adultera" schilt, voraus. Nach dem Vorgange Carrieres
werden Einwirkungen des Meister Eckhart auf Schefflers Weltanschauung zugestanden,
ohne die ihm zeitlich näher stehenden Mystiker auszuschliessen. Die Frage, ob die
„Monodisticha Sapientum" Czepkos, welche formell und inhalthch dem Cherubinischen
Wandersmann nahe stehen, diesen beeinflusst haben, wird dahin beantwortet, dass
Scheffler durch die Monodisticha nur die Anregung erhielt, seine mystischen Anschau-
Sohneider:.CO.IRW. 21, S. 216/7 (anerkennend). — 8) Eng. Wolff, D. dtsch. Kirchenlied d. 16. u. 17. Jh. (= DNL. 31.)
St., Union. XXII, 496 S. M. 2,50. -- 9) O X D- Dibelius, Bemerlcnngen ü. Verzeichnis d. Liederdichter im sächs. Landes-
gesangbnch: B8ächsKG. 8, 8. 345/8. — 10» G. M. Drewes, Fr. v. Spee: ADB. 35, S. 92 4. — U) Ign. Gebhard, Fr. Spe
V. Langenfeld. Sein Leben u. Wirlten, insbes. teine dichter. Thätigkeit Progr. d. Gymn. Josephinum. Hildesheim (A Lux).
4». 24 S. ||L. Kölscher: ASNS. 91, S. 468.J1 — 12) X F- ^ '-^^ Holfs, Fr. Spe v. Langenfeld. Vortr. Trier, F. Lintz. 19 S.
M. 0,50. — 13) P. Mahn, D. Mystik d. Angelus Silesius. Diss. Kostock. 1892. 62 S. — 14) L. Keller, J. V. Andreae u.
L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. III 2 : 15-21.
ung-en in der Form von Epigrammen niederzulegen. Das von M. rekonstruierte
System der Weltanschauung' des Dichters weist manche Berührung-spunkte mit der
Schopenhauerschen Philosphie auf; dem Vf., welcher auch das rein litterarhistorische
Material vollkommen beherrscht, muss man für die reichhaltig-en und sorgfältig-en
Litteraturangaben dankbar sein. —
Die Litteratur über die evangelische g-eistliche Po esie ist etwas reich-
haltig-er ausg-efallen, doch besteht sie hauptsächlich in einer Vermehrung- des bio-
graphischen Details und in kleineren Einzeluntersuchung-en. — Die in den letzten
Jahren eifrig betriebenen Comenius-Studien haben auch wertvolles Material für die
Kenntnis der litterarischen Zeitgenossen des grossen Pädagogen zu Tage gefördert.
So wird in dem Hauptorgan dieser Bestrebungen, den Monatsheften der Comenius-
Gesellschaft, das Verhältnis Joh. Val. Andreaes zu Comenius ausführlich dar-
gestellt, und dem ersteren der ihm gebührende Platz in der Geschichte der Päda-
gogik angewiesen. Schon von Criegern wies in der Darstellung der theologischen
Anschaungen des Comenius darauf hin, dass seine didaktischen und pansophischen
Grundgedanken sich bereits bei Andreae finden, und dass Comenius namentlich in
seinem „Labyrinth der Welt" den Andreae wörtlich wiedergegeben habe. Ein Auf-
satz Kellers**) erörtert die Wandlungen, welchen die Beurteilung Andreaes als
Geistlichen und Dichters unterworfen war, und stellt die einzelnen Daten seines Ver-
kehrs mit Comenius zusammen. Noch Adelung hat in seiner „Geschichte der mensch-
lichen Narrheit" Andreae zu den Astrologen, Sektierern und Fanatikern gezählt.
Herder und Schleiermacher schätzten ihn zwar hoch, doch erst vor einem Jahrzehnt
begann man bei der Darstellung der Lehrmeinung-en des Comenius auf den bedeuten-
den Einfluss aufmerksam zu werden, den der Dichter auf die Pädagogik seiner Zeit
ausgeübt hat. K. behandelt die von Andreae gegründete „Societas Christiana",
welche neben religiösen und humanen auch — nicht näher gekennzeichnete — litte-
rarische Ziele verfolgte. — Kemper^^) erklärt den Namen „Capharsalama" in der
Respublica Christiana des Andreae (1619) als Friedensdorf. Diese Auslegung ent-
spricht der Tendenz der Schrift, welche nach Art der Utopie des Thomas Morus das
Ideal eines christlichen Musterstaates behandelt. — Aus dem Hss.-Bande Extravag.
54 der W^olfenbütteler Bibliothek teilt Radi ach '^i'') einen Brief des Comenius d. d.
Lüneburg, 22. Aug. 1647 an Andreae mit. Wenn auch in erster Linie für die Bio-
graphie des Briefschreibers von Bedeutung und ein wertvolles Dokument für sein
Streben nach Versöhnung der Gegensätze auf kirchlichem Gebiete, ersieht man doch
aus ihm, welche Ehrfurcht Comenius vor dem Charakter und der geistigen Bedeutung
Andreaes hegte. In einem zweiten Aufsatz weist R. darauf hin, dass die Ueberein-
stimmung beider Männer nicht auf dogmatischem, sondern auf ethischem Gebiete zu
suchen ist, da Andreae in „eminentem Sinn lutherisch-orthodox" war, während
Comenius zum Mystizismus hinneigte. R. schildert ferner die Beziehungen Andreaes
zu Nürnberg und das dortige kirchliche Leben. Als Hauptquelle diente dem Vf.
hierbei Andreaes „Vita Sauberti". — Eine sehr erwünschte Bereicherung des biblio-
graphischen Materials über Andreae (der Artikel bei Goedeke 3, S. 29 bedarf noch
sehr der Ergänzung) bietet eine Zusammenstellung der Schriften über Andreae von
BrügePS), welche bis zum J. 1893 fortgeführt ist. — Zum Teil unbenutzt sind
noch die durch von Heinemann '^) verzeichneten Briefe von und an Andreae
und ihm gewidmete Glückwunschgedichte, die sich auf der Wolfenbütteler Biblio-
thek befinden. —
Ohne neue Quellen zu erschliessen, giebt ein anonymer Aufsatz^^) — offenbar
von einem geistlichen Vf — ein sorgsam ausgeführtes Bild von dem Leben und den
Drangsalen J. H. Heermanns. Seine litterarische Stellung, der schon von Palm
genau festgestellte Charakter seiner Kirchenlieder wird nur mit wenigen Worten
angedeutet. Auf die Verwendung eines Heermannschen Liedes in dem bekannten
Gedicht von Clem. Brentano, die „Gottesmauer" (zuerst 1819 in den „Schneeglöckchen"
verötTentlicht), wird — wir wissen nicht, ob zum ersten Male — hingewiesen. Die entlehnte
Stelle findet sich in dem Heermannschen „Treuer Wächter Isreals" (nach Psalm 121). —
Die volkstümliche Biographie Paulus Gerhardts von Roth hatLom-
matsch^i) mit einigen Zusätzen neu herausgegeben. Ein veralteter Anhang über
die Dichtungen Gerhardts und ihrer Ausgaben bis 1829 ist beseitigt worden. In der
Einleitung behandelt der Herausgeber Gerhardts Konflikt mit dem Grossen Kur-
fürsten und wendet sich gegen den noch immer verbreiteten Irrtum., das Lied „Be-
Comenius: MhComeninsG. 2, S. 230-41. (Vgl JBL 1892 1 10:135.) — 15) 0. Kemper, D. Inselname Capharsalama in
J. Y. Andreaes Schrift „Eeipublicae christianopolitanae descriptio" (1619): MhCoraeniusG. 2, S. 186-90. — 16) (I 6:26.") —
17) 0. Bad lach, D. Protest d. Comenius gegen d. Vorwurf, er sei e. Sektierer, beleucht. ans d. Bezieh. Andreaes zu Nürn-
börg: ib. S. 127-35. —18) J. Brügel, Litt, über J. V. Andreaa aus d. letzten 100 J.: ib. S. 250/3, 310. — 19) 0. t. Heine-
mann, Z. Gesch. V. Andreaes. (Aus „D. Hss. d. herzogl. Bibl. zu Wolfenbnttel" 1884 ff.): ib. S. 2338.— 20) Joh. Heermann:
LZgB. N. 20. — 21'» E. G. Roth, Paul Gerhardt. Nach seinem Leben u. Wirken, aus z. T. nngedr. Nachrichten dargest.
III 2 : 22-25 L. Pariser, Lyrik des 17./1B. Jahrhunderts.
fiehl du deine Weg-e" sei aus Anlass dieses Streites entstanden. — Vier Lieder,
welche man bisher der Kurfürstin Luise zuschrieb, werden ihr von Biltz^^j abg-e-
sprochen und für Gerhardt in Anspruch g-enommen. Es sind L ,,Ein Andrer stelle
sein Vertrauen — Auf die Gewalt und Herrlichkeit"; 2. „Gott, der Reichtum deiner
Güte, dem ich alles schuldig- halt"; 3, „Jesus, meine Zuversicht"; 4. „Ich will von
meiner Missethat — Zum Herren mich bekehren." B.s Zweifel an der Autorschaft
der Fürstin gründet sich einmal darauf, dass sie als Holländerin nur mang-elhafte
Kenntnis der deutschen Sprache besass, sowie auf den Umstand, dass vom J. 1653
ab, in welchem jene Lieder zuerst im Gesangbuch des Berliner Buchdruckers Rung-e
erschienen, über ein Jh. verg-ing", ehe man daran dachte, die Kurfürstin als ihre
Dichterin zu betrachten. Den Ausdruck „eigene Lieder" in der Rung-eschen Dedi-
kation, welcher das Missverständnis herbeigeführt habe, fasst B. so auf, als habe die
Kurfürstin diese Lieder, in welchen sie ihre religiöse Empfindung besonders
prägnant wiederg-egeben sah, zu ihren „Leib- und Lieblingsliedern" erhoben. N. 2, 3,4
seien von Gerhardt auf ihren Wunsch g-edichtet, um ihren wohl nur stammelnd auf-
gezeichneten gläubig-en Gedanken das dichterische Gewand zu g-eben. Schon vor
170 Jahren hat Pastor Herrmann aus Plauen aus sprachlichen Gründen Gerhardt als
Autor bezeichnet. B. macht auf einzelne bei Gerhardt beliebte Zusammensetzungen in
den Gedichten aufmerksam (,,hochbetrübt", „Erdenkluft" usw.). Dass Gerhardt sich nicht
als Vf. bekannt hat, wird aus der keuschen Zurückhaltung- der geistlichen Dichter
des 16. und 17. Jh. erklärt, sowie aus der Sitte, dass bei Liedern, welche auf Wunsch
hoher Personen verfertig-t waren, der eigentliche Autor mit seinem Namen hinter dem
des Bestellers zurücktrat. Die Kurfürstin als Reformierte und Gerhardt als eifriger
Lutheraner hätten überdies, bei der damaligen Spannung zwischen beiden Bekennt-
nissen, einen schwerwiegenden Grund gehabt, die Entstehung der Lieder verborgen
zu halten. — Blanckmeister^^j j^^t auf der Hamburger Stadtbibliothek zwei Briefe
des Zerbster Pastors Chrn. Reuter gefunden, welche über das bisher unbekannte
Schicksal von Paul Friedrich Gerhardt, dem Sohne des Dichters, einig-en Aufschluss
g-eben. Er fand, nachdem er in Wittenberg- und Greifswald Philosophie und Theo-
logie studiert hatte, in der Stadt Bauske bei Mitau in Kurland Anstellung- als Kon-
rektor. Seine dürftig-en Vermögensverhältnisse Hessen ihn häufig- sein Domizil
wechseln; doch bewahrte er — trotz seines unstäten und unsicheren Lebens — treu-
lich den hs. Nachlass und die Bibliothek seines Vaters. Auf diese Hss., welche er
dem D. Feustking in Zerbst vorlegte, hat letzterer seine Ausgabe der Gerhardtschen
Lieder (1707) mit gegründet. —
G. Neumaroks Lied „Wer nur den lieben Gott lässt walten" erklärt
Beck er 2*) als so farblos in christologischer Hinsicht, dass es auch in katholische
und israelitische Gesangbücher habe aufgenommen werden können. Gerade dieser
Charakter habe aber seine g-rosse Verbreitung- und mehrfache Verwendung in kirch-
lichen Kompositionen zur Folge gehabt. Auf die Persönlichkeit Neumarcks, dem
als Dichter nur formelle Gewandtheit zug-estanden wird, wirft B.s Schilderung- kein
g-ünstiges Licht. Er sei eine subalterne Natur gewesen, und dieser Qualifikation
entspechend wird ihm ein kleinliches Streben nach Anerkennung vorgeworfen. Zu
streng- beurteilt B. die späteren Poesien Neumarcks. Gerade das mitgeteilte Lied,
in welchem der augenleidende Dichter darüber klagt, in seinen schönen Büchern
nicht mehr lesen zu können, verdient nicht — im Vergleich mit anderen g-leich-
zeitigen Gedichten — den Vorwurf „äusserster Plattheit". Hier ist doch natürliche
Empfindung- zu spüren, wenn sie auch in verschnörkelten Formen zum Ausdruck
g-ebracht ist. Auf Grund von Specialstudien des in Kiel lebenden Vf. werden die
kirchlichen und g-esellschaftlichen Verhältnisse dieser Stadt zur Zeit von Neumarcks
dortigem Aufenthalt auseinander gesetzt, —
Zu denjenig-en, welche die alten Kirchenlieder „nach jetziger poetischer
Zierde" durchgehends verbesserten und verständlich einrichteten, gehörte der Rends-
burger Propst Chrn. von Stökken (1633—82). Von Opitzsohen Grundsätzen aus-
g-ehend und ein Mitglied der Zesenschen Lilienzunft, erregte er namentlich durch
sein 1680 herausgegebenes „Kleines holsteinsches Gesangbuch" unliebsames Auf-
sehen. Seine ang-eblichen Verbesserungen thun der poetischen Form zuliebe den
Gedanken schmählich Gewalt an und entstellen aus dogmatischen Befürchtungen
häufig den Sinn. Bertheau^s) hat sein poetisches Verfahren anschaulich analysiert.
— Ebensowenig- dichterisch beanlagt war H. A. Stockfleth. Sein Biograph von
Aufs neue her. mit e. Einl. v. S. Lommatsch. B., F. Schulze. XV, 64 S. M. 1,00 — 22) K. Biltz, W. ist d. eigentl.
Vf. d. d. Kurförstin Luise zugeschriebenen Lieder?: ZDU. 7, S. 521-34. — 23) F. Blandem eister, P. Gerhardts einziger
Sohn. Ungedr. Beitrr, z. Familiengesch. d. Dichters: Pfarrhaus S. 179-81. (Vgl. auch d Rothsche Biogr. Gerhardts [s. o. N. 21],
S. 63/4.) — 24) W. Becker, G. Nenmark u. sein Lied „Wer nur d. lieben Gott lässt walten". E. Bild aus d. Gesch. d. evang.
Kirchenliedes ü. Zeit d. 30 j. Krieges: NKZ, 3, S. 169-90. — 25) C. Bertheau, Chrn. v. SföVlten: ADB. M6, S. 284/6. —
L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. III 2 : 26-82
Waldberg-^ß) weist zutreffend auf die Unsitte jener Zeit hin, in welcher jeder
g-eistig- reg-e protestantische Predig-er sich verpflichtet fühlte, g-eistliche Lieder und
einig-e weltliche Lyrika zu veröffentlichen. Ebenso wie Stökken hat auch der
Peg-nitzschäfer Stockfleth (Dorus) ein verbessertes Gesangbuch (1690) herausgegeben,
in dem er versucht, den Liederschatz der evangelischen Kirche nach dem Ge-
schmack des Nürnberger Blumenordens metrisch und sprachlich umzugestalten. Auch
seine Gattin Dorilis hat sich eifrig in den verschiedensten Dichtungsarten ver-
sucht. —
Einer gereimten Paraphrase der „Psalmen Davids" verdankt das
Mitglied des Elbschwanenordens, der Pfarrer Mich. Stechow, seinen be-
scheidenen litterarischen Ruhm. Er passt, nach dem Vorgange Corn. Beckers, seine
Psalmen den Weisen bekannter Kirchenlieder an. Die fehlende poetische Voll-
endung entschuldigt er mit der Schwierigkeit der Aufgabe, deren Lösung ihm in
anderen Gedichten besser geglückt sei. Roethe^"), welcher auf Grund archivalischer
Nachrichten von dem unstäten Leben Stechows berichtet, macht es aber wahr-
scheinlich, dass diese Poesien keinen Anspruch auf das Lob der Freunde des Dichters
erheben konnten: „Tullius es Maroque simul, quin clarior illis!" — Nach unge-
druckten Akten der Bibliotheken zu Basel und Zürich wird das Leben Joh. Jac.
Sprengs, des Herausgebers der Werke Drollingers, von Socin^^) beschrieben. In
seiner „Neuen Uebersetzung der Psalmen Davids" (1741), welche einen Ersatz für
die veraltete und metrisch ungenaue Lobwassersche Bearbeitung bieten sollten, zeigt
sich eine pedantische, unpoetische Natur. Seine 1748 veröffentlichten geistlichen und
weltlichen Gedichte stehen nicht höher. — Unter dem Titel „Biblisches Vergnügen
in Gott' (1752) hat auch der Holsteiner Theologe S t r e s o w , von dem Carstens-'')
berichtet, eine Umdichtung sämtlicher Psalmen unternommen, welcher ebenso wenig
poetischer Schwung nachzurühmen ist wie den Psalmen des Baj^reuther Hofpredigers
Stübner3o-3i). —
An die Umdichtung der Psalmen sei — und damit kommen wir zur welt-
lichen Kunstlyrik — die spärliche Litteratur angereiht, welche über die deutschen
Uebersetzungen unseres Zeitraumes zu verzeichnen ist. Eine Ergänzung zu
Witkowskis „Vorläufern der anakreontischen Dichtung" (vgl. JBL. 1890 IV
2 : 1/2) hat G. Koch32).in einem sehr inhaltreichen Aufsatz geliefert. Er zeigt, wie die
Uebersetzungen der 'Avax^eoviEia am Schlüsse der Anthologia Palatina in der Zeit
von Weckherlin bis Gleim allmählich zu grösserer Vollkommenheit gediehen sind.
Der Anmut seines Vorbildes gegenüber bewahrt Weckherlin „eintönigste Lehrhaftigkeit"
und vermag trotz der ihm sonst eigenen Frische er bei der Anlehnung an ein
seinem Empfinden fremdes Werk nicht über die konventionellen Formen des Re-
naissancegeschmacks hinauszukommen. Opitz ist sich zwar bei der Uebersetzung* des
rj yrj uelaipa Ttivei, bcwusst, dass der Rciz dcs Originals in dem scherzhaften, epigram-
matischen Zug, der wirksam die Pointe vorbereitet, zu suchen ist — man erkennt
dies aus dem bei ihm seltenen Verzicht auf jedes Epitheton ornans, — allein der
schleppende Alexandriner vernichtet die angestrebte Wirkung. Burkhard Menke hat
1710 in den „Galanten Gedichten" und 1713 in den „Schertzhaften Gedichten" im
ganzen 7 anakreontische Lieder verdeutscht. Seine Uebersetzung, die durch malende
Zusätze der Einfachheit des Originals Abbruch thut, bedeutet einen Rückschritt
gegen Opitz und beweist kein Verständnis für die Sprachmelodie der griechischen
Verse. Triller wendet bei seiner Uebertragung in den „Poetischen Betrachtungen"
(1725) keinen Alexandriner an, sondern teils jambische, teils trochäische Tetrameter,
mit abwechselnd klingenden und stumpfen Reimen. Da er nur kurze Verse wählt,
kommt er dem Vorbild schon näher als seine Vorgänger. Gegen den Vorwurf einer
geschmacklosen Uebersetzung verteidigt ihn K. — wie mir scheint mit Recht —
gegen Witkowski. Nach einer kurzen Besprechung der schwülstigen Uebertragung
Hudemanns (1732) wird Gottscheds „Versuch einer Uebertragung Anakreons in
reimlose Verse" (1733) einer genauen Untersuchung unterzogen. Gottsched hat zu-
erst unter Verzicht auf den Reim eine dem Griechischen möglichst getreu nach-
gebildete metrische Form gefunden und ist vorbildlich für die meisten späteren
Anakreon-Uebersetzer, Uz, Götz usw. geworden. Freilich begegnen auch bei ihm
ungriechische Wendungen, z. B. wenn er von dem „lieben Vater Bacchus" spricht.
Andererseits findet sich in seiner Anakreon-Uebersetzung eine Grazie (z. B. in dem so
oft übersetzten eü.m Xeyeif 'ArosiSas}, welche bei der sonstigen dichterischen Persönlichkeit
Gottscheds überrascht. Mit einer eingehenden Charakteristik der Gleimschen Ueber-
tragung schliesst die an feinen ästhetischen und metrischen Bemerkungen reiche
26) M. T. Waldberg, H. A. Stockfleth: ib. S. 286,7.-27) G. Boethe, Mich. Stechow: ib. 35, S. 539. — 28) (I 2:5; 8:54.) —
29) 0. E. Carstens, K. F. Stresow: ADB. 36, S. 575. — 30j G. A. Stabiler: ib. S. 713. — 31) X A. Schumann, W. F. Stölzel:
ib. S. 430/2. — 32) Günth. Koch, Beitrr. z. Würdig^ing d. ältesten dtsch. uebersetzungen anakreont. Gedichte: VLG. 6,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IT. (ß)^
III 2 : 33-37 L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.
Betrachtung-. — Als üebersetzer horazischer Oden ist der Bautzener Advokat
M. Stubritz zu nennen, den Schnorr von Carolsfeld^^) behandelt. —
Aus der weltlichen Lyrik unseres Zeitraums hat besonders Weckherlin
die Forschung- auf sich g-elenkt. In der Abkehr von französischen Mustern und in seinem
Anschluss an die Poesie der Engländer sieht Bohm^*) Weckherlins Hauptverdienst.
Im Beg-inn seiner poetischen Thätig-keit folg-t er den Dichtern der Plejade. Seine
„Oden und Gesäng-e" lehnen sich noch durchaus an den französischen Renaissancestil
an. Nach Du Bellays Forderung in der „Defense et illustration de la langue
franpaise" zieht er den ganzen Olymp zur Ausschmückung seiner Dichtung heran.
Dass Ronsard nicht nur in der Behandlung des Stoffs, sondern auch in metrischer
Hinsicht das Vorbild des jungen Dichters gewesen ist, zeigt B. durch eine Zusammen-
stellung der Strophenformen in den „Oden und Gesängen", in denen Weckherlin
sogar bemüht ist,- in der Behandlung der Caesur Ronsards Technik nachzuahmen
(S. 12/3, 15/8). Die dauernde Uebersiedlung nach England bedingt den Umschwung
in der Dichtung Weckherlins. An Stelle des früheren mythologischen Rüstzeugs
und der am französischen Hof üblichen Lobhudelei tritt eine einfachere, freimütige
Sprache. Soweit die englischen Vorlagen davon durchdrungen sind, macht sich in
seinen Gedichten nach dem J. 1620 natürliche Empfindung bemerkbar. Ungemein
bezeichnend für seine rezeptive Natur ist es, dass er sich durch die neue Umgangs-
sprache sogar verleiten Hess, englische Satzkonstruktionen und Sprachwendungen
in seine Gedichte aufzunehmen fS. 42/4). Die englischen Belege hierfür hat B. mit
feinem Sprachgefühl aus der elisabethanischen Litteratur herausgefunden. In der
Psalmen-Paraphrase Weckherlins begegnet die in der damaligen Dichtersprache
Englands beliebte Häufung von Synonymen, sowie die euphuistische Spielerei,
jedem dieser gleichbedeutenden Substantiva Verben und Attribute in gleicher An-
ordnung folgen zu lassen. Ein Einfluss Petrarcas auf Weckherlins Sonettendichtung
wird abgelehnt, und unter seinen englischen Vorbildern ist hier namentlich Spenser
hervorgehoben. In den Epigrammen hat er sich, wie die meisten seiner deutschen
Zeitgenossen, Martial, den im 17. Jh. unglaublich überschätzten Owen und die be-
kannteren Neulateiner zum Muster genommen. Doch belehrt uns B., dass neben
diesen Dichtern ihm auch Ben Jonson, Harington, Sherburne und andere enghsche
Epigrammatiker während seines englischen Aufenthalts vertraut und vorbildlich ge-
worden sind. — Aus den unerschöpflichen Schätzen der Collectio Camerariana in
München teilt Schnorr von Carolsfeld^s) 4 Briefe Weckherlins an Ludwig
Camerarius (1573— 1651) mit, welche in den J. 1624 — 31 geschrieben sind. Der
Adressat war zu dieser Zeit schwedischer Rat und bevollmächtigter Gesandter bei
den Generalstaaten, nachdem er früher für seinen König Friedrich V. von der Pfalz
publizistisch thätig gewesen war. Die Briefe behandeln demgemäss grösstenteils
politische Fragen, mit Ausnahme des vierten, welcher einen intimeren, mehr per-
sönlichen Charakter besitzt. Weckherlin erwähnt hier seine Psalmenparaphrase und
kommt auf seine litterarische Thätigkeit zu sprechen. — Ein Lobgedicht von ihm in
englischer Sprache auf den Gesandten Lord Hays, das als Stuttgarter Einzeldruck
vom J. 1619 in englischen Katalogen verzeichnet ist, wird von Fischer^^) für seine
Weckherlin-Ausgabe gesucht. —
In seiner Kritik der deutschen Gedichte Flemings versucht der französische
Litterarhistoriker W^ysocki^') dem Dichter eine andere litterarische Stellung anzu-
weisen, als ihm in der deutschen Forschung bisher eingeräumt wurde. W. be-
hauptet — wie in seinem Buche über Gryphius — auch hier seinen Stoff „longe
aliter ac qui hactenus de eo scripserant" behandelt zu haben (S. 137). Dieser
Unterschied beschränkt sich jedoch im wesentlichen auf eine noch höhere ästhetische
Würdigung des Dichters und die Behauptung, Fleming sei ein Vorläufer unserer
anakreontischen Dichtung. Das einleitende Kapitel bringt einen kurzen Abriss der
deutschen Litteraturentwicklung von 1524 — 1624, in welchem besonders der Einfluss
der Reformation auf die deutsche Dichtung berücksichtigt wird. W. beklagt, dass
Luthers Beispiel folgend die führenden Geister sich vorwiegend der kirchlichen
Dichtung zugewendet und die weltliche Lyrik vernachlässigt hätten. Unter aus-
giebiger Benutzung der Geschichte des deutschen Pentameters und Hexameters von
W'aokernagel, Höpfners „Reformbestrebungen" und Borinskis Poetik der Renaissance
wird ein Ueberblick über die Geschichte der deutschen Verskunst bis Opitz geboten.
Die Abhängigkeit der ersten Gedichte Flemings von Opitz, auch in der äusseren
Einteilung und Benennung, wird hervorgehoben. Von ihm hätte der jugendliche Dichter
die Vorliebe für mythologische Schilderungen, auch bei religiösen Stoffen über-
S. 481-506. - 33) F. Schnorr t. Carolsfeld, Mart. Stubritz: ADB. 36, S. 714 — 34) W. Böhm, Englands Einfluss auf
G. R. Weckherlin. Diss. Göttingen, Dieterich. 80 S. M. 1,25.-35) H Schnorr t Carolsfeld, Briefe G. E. Weckherlins.
(= 1 1:118, P. 157-66.) — 36) Herrn. Fischer, Weckherlins Engliph Poem: Ac. 46, S. .16. — 37) L. Wysocki, De Pauli
L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. III 2 : 38-39
nommen. Im einzelnen wird g-esucht, Uebereinstimmungen in den Oden, Sonetten
usw. beider Dichter nachzuweisen (S. 36—47); doch wird man sicher nicht bei allen
Parallelstellen mit W. auf eine direkte Abhäng-igkeit Flemings von Opitz schliessen
dürfen, da die beiden gemeinsamen Gleichnisse und Metaphern auch bei anderen
Dichtern des Zeitraums, zum Teil auch solchen vor Opitz begegnen. Namentlich
das von beiden beliebte Kunstmittel, die körperlichen Vorzüge der Geliebten mit
edlen Gesteinen usw. zu vergleichen, ist der gesamten Renaissancelyrik eigen und
konnte von Fleming selbst unmittelbar aus den antiken Klassikern herübergenommen
sein. Dass Fleming sich bei seiner Psalmenparaphrase Opitz zum Muster genommen
hat, ist freilich unbestreitbar, da er es in der Vorrede selbst bestätigt. Auf metrische
Fehler und falsche Reime in den Jugendgedichten wird hingewiesen und die spätere
strenge Selbstkritik Flemings gerühmt. Das 4. Kapitel bringt — nach deutschen
Biographen — eine Lebensbeschreibung des Dichters und die Geschichte seiner
Reisen und Verlobungen. Feinfühlig im einzelnen wird sein dichterischer Schwung
(Schillers „Rekrutenlied" und Flemings „Lob eines Soldaten zu Ross" werden mit
einander verglichen), die Naturwahrheit seiner Schilderungen und seine Fähigkeit
zur formellen Gestaltung analysiert. Die grössere metrische Sorgfalt seiner späteren
Gedichte und das Fehlen trivialer Sentenzen in den Schöpfungen seiner letzten Jahre
wird gelobt. Das 5. Kapitel stellt die Aeusserungen der Litterarhistoriker über
Fleming von Morhof bis auf die Gegenwart zusammen. W. findet in seinen Ge-
dichten bereits die Eigentümlichkeiten unserer Anakreontiker, zumal die Anmut
und liebenswürdig-heitere Lebensauffassung eines Hagedorn. Er preist ihn als
Geistesverwandten Goethes, der auf dem von Fleming eingeschlagenen Wege die
deutsche Lyrik zur höchsten Blüte gebracht hätte. —
Eine in der Fürstlich Plessschen Bibliothek zu Fürstenstein befindliche
Hs. der Hofmanns wald auschen Epigramme wird von Friebe^S) mit den „100
Grabschriften" des Dichters verglichen, welche ein im J. 1663 ohne Ortsangabe er-
schienener Druck enthält. Letzterer galt bisher als erste authentische Ausgabe der
Epigramme; die früher veröffentlichte „Centuria Epitaphiorum" war von unberufener
Seite herausgegeben worden. Die Fürstensteiner Hs. bietet einen verständlicheren
und — trotz vieler Verschreibungen — besseren Text als die von einem gewissen
J. Pol besorgte Ausgabe von 1663; sie hatte also offenbar eine bessere Vorlage.
Da die Polsche Ausgabe nicht den vollen Namen des Dichters auf dem Titel führt,
ferner Lohenstein in seiner Lobrede auf Hofmannswaldau bezeugt, dieser habe
„seine Werke bis zu seinem Tode (1679) aus Bescheidenheit der Welt vorenthalten*',
und schliesslich Pol den Dichter wegen der von ihm unternommenen Ausgabe um
Verzeihung bittet, muss man mit F. auch den Druck von 1663 für einen unrecht-
mässigen erklären. Im einzelnen weist F. nach, dass die Centuria und Pols Aus-
gabe sich sehr nahe stehen, während die Hs. sowohl in der Reihenfolge der Epi-
gramme, wie im Text einen selbständigen Charakter trägt. Der Hs. ist eine vom
Dichter herrührende Vorrede vom 22. Juli 1643 vorangeschickt. Durch diese Datierung
wird die Annahme Ettlingers (vgl. JBL. 1891 III 2 : 25; 1892 III 2 : 26), die Epigramme
Hofmannswaldaus seien ungefähr um das J. 1660 entstanden, hinfällig. Der Text
der Hs. und derjenige der rechtmässigen Ausgabe von 1680 weichen zum Teil stark
von einander ab. So sind selbst manche Epigramme, die Anstoss erregen oder
Angehörige der Verspotteten hätten kränken können, ganz ausgemerzt worden.
Sonst ist, wie F. an mehreren Beispielen zeigt, in einzelnen Grabschriften der vulgäre
Ausdruck zu Gunsten eines edleren abgeändert worden. F. glaubt an eine grössere
Selbständigkeit Hofmannswaldaus seinen italienischen Vorbildern (Cimiterio des
Loredano und Michiele) gegenüber als Ettlinger und macht eine Uebereinstimmung
der Gedanken in Marinos Galeria und den Epigrammen des Schlesiers glaubhaft.
Die heftige Polemik gegen Ettlingers verdienstvolle Biographie, welche in der
ganzen Abhandlung hervortritt, wäre — nicht zum Schaden der ungemein sorgfältigen
Untersuchung — besser eine rein sachliche geblieben. —
Dem Leben und der Dichtung von Heinr. Mühlpfort ist eine sorgfältige
und eingehende Arbeit von Hofmann^'') gewidmet. Gegenüber der harten Be-
urteilung Goedekes, welcher in Mühlpforts Gedichten hauptsächlich „blühenden
Unsinn" finden wollte, und der zu günstigen Kritik Kahlerts, giebt der Vf. eine auf
genaues Studium zum Teil bisher unbenutzter Quellen gegründete Darstellung. Das
Gesamtbild, welches man hier von Mühlpforts dichterischem Schaffen gewinnt, nähert
sich dem, welches Erich Schmidt in seiner biographischen Skizze (in der ADB.)
entworfen hat. Im einzelnen schildert H. ausführlich den Bildungsgang des Dichters
auf dem Breslauer Elisabethanum und die Anregungen, die er durch seine Lehrer
Flemingi Germanice Scriptis et Ingenio. Diss. Paris, Bouillon. 1892. n, 140 S. M. 2,75. — 38) K. F riebe, Chrn. Hof man
V. Hofmanswaldans Grabschriften. Progr. d. Gymn. Greifswald (F. W. Kunilce). 4". 35 S. — 39) Karl Hof mann, H. Möhl-
(3)3*
III 2 : 40-42 L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.
Elias Major, Crph. Colerus und J. F. Schreck empfang-en hat; ihnen verdankte er
auch seine religiöse Vertiefung. Sein freundschaftliches Verhältnis zu dem Privat-
gelehrten Caspar von Barth, einem ehemaligen Studiengenossen von Opitz, erweist
sich Mühlpfort während seiner Leipzig-er Universitätsjahre förderlich. Zuerst widmet
er sich der Medizin; von Mai 1659 ab wird er als Cand. jur. utr. bezeichnet. Als
solcher wagt er, kaum 20 Jahre alt und ohne sicheren Unterhalt, ein Ehebündniss
einzug-ehen. Trotz angestrengter Thätigkeit wird seine Lage durch Geldnot und
Zwistigkeiten mit den neuen Verwandten immer peinlicher. Hofmaunswaldaus Einfluss
genüg-t nicht, ihm die durch M. Machners Tod vakant g-ewordene Registratorstelle
in Breslau zu verschaffen. Auch als er auf Grund einer Dissertation „De jure
sepulturae" von der Wittenberger Universität 1662 zum Doctor juris ernannt wird,
bleibt ihm nichts anderes übrig, als eine Hauslehrerstelle anzunehmen und seiner
Herrschaft auf ihre verschiedenen Güter zu folgen. Selbst im Besitze des Breslauer
Amtes wird er von Nahrungssorgen g-epeinigt. Aus dieser Notlage heraus wird man
den Ursprung- mancher Geleg-enheitsg-edichte herleiten und entschuldig-en müssen.
Mühlpfort empfindet tief den Zwiespalt zwischen seiner trockenen Thätig-keit und
der immer wachen Lust zum poetischen Schaffen, doch verwaltet er rühmlich sein
unerquickliches Amt bis zu seinem Tode. Die auch bei Goedeke wiederholten Be-
hauptung-en, er sei ein Zecher und seine Gattin Maria Sophia Berlich eine Xantippe
g"ewesen, werden von H. durch fast zu genaue Verg-leichung der Qellen als Miss-
verständnis einer Stelle bei Neumeister seitens der Biographen John und Leuschner
nachg-ewiesen. Opitz als Theoretiker und als Dichter steht natürlich hoch in Mühl-
pforts Wertschätzung, daneben die römischen Klassiker und Petrarca, dessen Triumphus
temporis er übersetzt. Die schlichten, vom schlesischen Schwulst freien Liebes-
g-edichte, welche mitunter an das Volkslied anklingen, werden auf Erlebnisse des
Dichters zurückgeführt, die Epigramme und Sonette auf ihre Vorbilder hin geprüft
und namentlich letztere genau formell untersucht. H. zählt sämtliche Einzeldrucke
von Mühlpforts deutschen und lateinischen Gedichten auf, sowie die ihm bekannt
g-ewordenen Gesamtausgaben. Im Anhang teilt er ein bisher ung-edrucktes Kuriosum
mit, das „Coemeterium Henrici Mühlpfortii". Es besteht aus lateinischen und deutschen
Epicedien, welche der kranke Dichter unter dem Namen und dem Charakter seiner
Kollegen gemäss, auf den eigenen Tod gedichtet hat. Ein zweiter Abschnitt ist dem
Einfluss gewidmet, welchen das Hohe Lied auf die sogen, zweite schlesische Schule
ausgeübt hat. Aus den „Leichengedichten" Mühlpforts stellt der Vf. gleichsam ein
Hohes Lied en miniature zusammen. Er zeig-t ferner, wie Lohenstein, Neukirch und
mehrere schlesische Gelegenheitsdichter in ihren Begr'äbnisgedichten sich oft wörtlich
an das Hohe Lied angelehnt haben, und wie dessen überschwengliche orientalische
Ausdruckweise dazu beig-etragen hat, der Herrschaft des schlesischen Schwulstes neue
Nahrung zuzuführen. —
Den Schauplatz von Günthers Liebesg-lück, das schlesische Lohethal, wo
Philindrene und die rätselhafte Leonore den jungen Dichter fesselten, hat Kopp'**') be-
schrieben. Die dort lieg-enden Güter Ruschkowitz und Borckut haben auch durch
den Aufenthalt und darauf bezügliche Dichtungen der Schlesier Logau, Lohenstein und
Chrn. Gryphius eine lokale Berühmtheit erhalten. — Friedlaender^^) will Günthers
Lied „Wie gedacht" (1715), das bald volkstümlich wurde und schon 1759 im „iVrien-
buch von Joh. Andr. Freytag" in veränderter Fassung begegnet, wegen seines
metrischen und melodischen Charakters auf ein altes geistliches Lied zurückführen.
In den J. 1810 und 17 ist es als fliegendes Blatt wieder gedruckt worden. Auf
seinen Zusammenhang mit Hauffs ,, Reiters Morgenlied, eine alte Soldatenweise"
(1824) hat Tillmann zuerst 1874 aufmerksam gemacht. Bolte bezweifelt, dass Günther
ein älteres Volkslied für seine Gedicht benutzt habe. —
Der Jenenser Polyhistor G. Stolle verdient mehr Beachtung wegen seiner
wissenschaftlichen Leistungen, in welchen von Waldberg ^^^ Berührungspunkte
mit Thomasius nachweist, als wegen seiner Gedichte. Seine Poesie findet sich zum
Teil im 6. Bande der Sammlung „Des Herrn von Hofmannswaldau und anderer
Deutschen auserlesene Gedichte", teils ist sie in anderen Anthologien unter dem
Pseudonym „Leander aus Schlesien" abgedruckt. Die Gedichte erheben sich nicht
über die gewöhnlichen Produkte der galanten Lyrik jener Zeit. Am geniessbarsten
sind die „im schlesischen Helicon", deren Stil W. als eine glückliche Mitte
zwischen dem Marinismus der Schlesier und der volkstümlichen Art Chrn. Weises
charakterisiert. — Einen Schüler des Chrn. Gryphius, Chrn. Stieff, hat Mark-
pfort u. d. Einflnss d. Hohen Liedes anf d. zweite schles. Schule. Nebst e. Anh.: Ooemeterinm Henrici Mühlpfortii. Diss.
Heidelberg, Ph. Wiese. VII, 107 S. M. 2,50. — 40) A. Kopp, E. schles. Musensitz: VossZg". N. 18/9. — 41) Max Fried-
laender, Ueber Günthers „Wie gedacht". Vortr. in GDL.: VossZg. N. 153. (Vgl dazu d Bemerkung J. Boltes ib ) — 42)
AI. Reifferscheid, Epos des 17./ 18. Jahrhunderts. III 2 : 43-45 III 3 : i-io
graf*') g-eschildert. Nach dem Beispiel seines Lehrers bildete auch er sich zum
Polyhistor aus und übte eine höchst umfangreiche poetische Thätig-keit. Er war
Jahrzehnte hindurch einer der beliebtesten Gelegenheitsdichter Breslaus, inbesondere
für Begräbnisse. Es existiert eine Sammlung von 400 einzeln gedruckten Gedichten
von ihm und das Fragment einer Selbstbiographie. — Ein weiterer Vertreter der
in Schlesien üppig gedeihenden Gelegenheitsdichtung war der Hirschberger Konrektor
Stoppe. Die kurze Charakteristik, die Markgraf **) von ihm entwirft, beschränkt
sich auf eine Wiedergabe des von Hoffmann von Fallersleben in den Schlesischen
Provinzialblättern (1831) und von Jakob Baebler im Archiv für Litteraturgeschichte
bereits Gesagten. — Das kümmerliche Leben und die anagrammatischen Bemühungen
Fr. D. Stenders hat Roethe''^) behandelt. Im „Teutschen Letterwechsel" (Hamburg
1667) und der nach seinem Tode in Braunschweig veröffentlichen „Anagrammatum
Latinorum et Germanorum Coronis" wird den Namen klassischer und zeitgenössischer
Berühmtheiten durch Umstellung der Buchstaben irgend ein Sinn abgewonnen.
Neben einer „Wolke unbekannter Theologen und Schulmänner" und zahlreichen
Gönnern, von deren Liberalität er lebte, besingt Stender auch Opitz, Fleming, Rist
und Dach. Wie schon Gervinus findet auch R. in Stenders poetischen Verirrungen
ein lehrreiches Beispiel dafür, wohin die Ueberschätzung der formellen Künsteleien
im 17. Jh. führen musste. —
111,3
Epos.
Alexander Reifferscheid.
Volksbücher: Tiecks Erneuerungen N. 1; Faust N. 2. — Schwanklitteratur N. 10. — Grimmelsliausen N. 12. —
Rudolf Gasser N. 13. — Schelmenroman N. 14. — Ttobinson und die Bobinsonaden N. 15. —
Für die Erforschung der Entwicklungsgeschichte des Epos ist auch in
diesem Berichtsjahre wenig geschehen. Abgesehen von einigen Abhandlungen sind
nur Notizen zu verzeichnen. Hinsichtlich der Volksbücher untersuchte Tiecks
Erneuerungen alter deutscher Volksromane Steiner') sehr sorgsam in ihrem
Verhältnis zu den Vorlagen ; er beschränkte sich dabei auf die Schildbürgerchronik,
das Buch von den Haimonskindern, die wundersame Liebesgeschichte von der
schönen Magelone und die Geschichte von der schönen Melusine. In einem be-
sonderen Kapitel werden Entlehnungen und Nachbildungen in Sprache und Stil erörtert. —
Zur Faustsage 2) liegen einige Kleinigkeiten vor. FränkeP) teilte die
Geschichte von Fausts Weintraubenzauber aus einer 1713 gedruckten lateinischen
Schwanksammlung mit, machte einige Bemerkungen über Fausts Fortleben in Eng-
land. Als isländische Volkslegende über Joh. Faust notierte er eine Geschichte von
unzweifelhaft g-elehrter Herkunft. — Werner*) veröffentlichte nach einer Wiener
Hs. aus der Wende des 17. und 18. Jh. eine Uebersetzung aus dem J. 1680 des
Teufelspaktes, den ein Herzog von Luxemburg 1676 in der Bastille zu Paris ge-
schlossen und der einige Aehnlichkeit mit der Faustsage hat. — Gleichfalls Werner^)
wies an zwei Stellen des alten Faustbuches Entlehnungen aus M. Lindeners Katzipori
vom J. 1558 nach. — Des leider so früh verstorbenen Szamatölski^) treffliche Aus-
gabe von dem Faustbuch des Christlich Meynenden wurde weiter mit verdientem
Lobe besprochen (vgl. JBL. 1891 III 3:5; 1892 ib.) — Walzel') zeigte, dass der
Herausgeber des Wagner Volksbuches von 1712 wirklich P. J. Marperger, seine
Vorrede aber eine gelehrte Dissertation war zu Gunsten der Hexenprozesse, einer
der letzten Schläge der Hexen- und Zaubergläubigen gegen den siegreich vor-
dringenden Anhang des Thomasius. — Recht dankenswert war das Verzeichnis der
Faustausstellung im Goethehause zu Frankfurt a. M., mit wohlgelungenen inter-
essanten Lichtdrucktafeln, von Heuer ausgearbeitet^""). —
M. T. Waldberg, G. Stolle: ADB. 36, 408/9. - 43) H. Markgraf, Chrn. Stieff: ib. S. 1745. — 44) id., D. Stoppe: ib.
S. 435,6. - 45) G. Koethe, F. D. Stender: ib. S. 44 6. —
1) B. Steiner, L. Tieck u. d. Volksbücher. E. Beitr. z. Gesch. der älteren roniant. Schule. B., C. Vogt. III, 83 S.
M.1,60. (Als Berliner Diss. 63 S.; vgl. U 3 u. IV 10.) — 2) O X (I 5 : 224; 10: 25; II 3.) — 3) L. Fränkel, Beitrr.. z Litt.-Gesch. d.
Faustfabel. 2. E. lat. Fanstschwank. 6 Zu Dr. Faust in England. 7. Joh. Faust in Island: GJb. 14, S. 290/2, 294/6. — 4) R.
M. Werner, Z. Faustsage. 2. D. Teufelspakt: ib. S. 264,8. — S'* id., Z. Faustsage. 3 Entlehnungen im ältesten Faustbuch:
ib. S. 269-70. — 6) X eo [= Erich Schmidt]: DRs. 74, S. 318; Polybiblionf. 67, S. 242; A. Bielscho wsky : ADA. 19,
S.74/7. — 7) 0. F. Walzel, D. Herausgeber des Wagnervolksbuches v. 1712: VLG. 6, S. 115 9. — 8) [0.] [Heuer], Ausstellung
T. Hss., Druckwerken, Bildern n. Tonwerken z. Faustsage u. Faustdichtung veranst. vom Freien Deutschen Hochstift. 28. Aug.
bis 10. Nov. Frankfurt a. M. (Gebr. Knauer). VIII, 127 S. (In zwei Ausg. erschienen, d. e. mit 20 Lichtdrucktaf., d. andere
ohne Illustr.) — 9) OX L. Fränkel, Z. Faustsage: Urquell 4, S. 171,2. (Gelegentl. d. Ausstell., s. N. 8.) — 10) F. Ger-
III 3 : 11-18 AI. Reifferscheid, Epos des 17./18. Jahrhunderts.
Ueber die Schwanklitteratur des 17. Jh. gab Gerhard'") eine
g-ut orientierende Skizze, in der er eine Gliederung- der verschiedenen Arten ver-
suchte, als Einleitung- zu seiner Untersuchung über Joh. Peter de Memels „Ijustige
Gesellschaft". Die Arbeit selbst behandelt: 1. die Elemente; 2. Schwanke und Anek-
doten; 3. Gedichte, Epigramme; 4. Ausgaben; 5. Geschichte der Ausgaben; 6. Ver-
fasserfrage. Zum Schlüsse wird der Einfluss der „[jUstigen Gesellschaft" auf die
Schwanklitteratur und deren Entartung behandelt. Der Schwerpunkt der Unter-
suchung liegt in dem sorgfältig ausgearbeiteten 3. Kapitel. Neu ist vor allem der
Nachweis der starken Verwendung der Epigramme Logaus in der „Lustigen Ge-
sellschaft ".'i) —
Ueber G ri m m el s h a u s e n s Dietwald und Amelinde, einen der ersten
deutschen historischen Originalromane, der 1670 erschien, handelt die tüchtige
Arbeit Stilgebauers'^)^ in der Absicht durch den Nachweis der benutzen Quellen
die Arbeitsweise des Dichters zu beleuchten. In einer Inhaltsangabe des Romans
deutet er recht geschickt durch verschiedenen Druck an, was Grimmeishausen aus
historischen Quellen und was er aus novellistischen Vorbildern entnommen hat. Der
historische Teil hat starke Anleihen bei dem 1640 erschienenen Armin von Joh.
Heinr. Hagelganss gemacht, während der eigentliche Romankern dem Meisterliede
„von dem Grafen von Safoi" entstammt. Sehr viele Einzelzüge nahm Grimmeishausen
aus Volksbüchern auf. Das Ganze hüllte er in ein historisches Gewand, das er sich
aus seinen historischen Quellen zusammenflickte. —
Auf einen interessanten, litterar- und kulturhistorisch wichtigen Roman, der
bisher völlig übersehen worden, lenkte HirzeP^) die Aufmerksamkeit. Es ist der
Roman „von Philologo, einem portugiesischen Cavalieren vnd Carabella, einer
Kaiserin in China" des Kapuzinerpaters Rudolf Gasser (1646- 1709) aus Schwytz,
der darin den Liebesromanen entgegenarbeiten wollte, „solchen Lasterbüchern die
Stirne bietend, insonderheit und voraus den sogenannten Romanzen oder Romanen,
d. i. den Dichtern unerbarer Geschichten und Buhlschaften". Gasser wollte unter
einer kurzweiligen Romanzenart den armen, von wahren Romanen, „d. i. leicht-
fertigen Gedichten-Schreiberen verführten, Seelen eine hilfreiche Hand bieten". Die
Poeterey war ihm „gar nit die Substanz, sonder nur ein Accidenz, nicht der Kern,
sonder allein die Heuischen". Nach H. ist diesem Roman, dem der ganze Apparat
der damaligen Romanschriftstellerei : Jagden, Entführungen, Verkleidungen, Turniere,
Kämpfe, Revolutionen, Naturschilderungen, Träume, Schlaftrunk, Seuchen, Mahl-
zeiten, Liebschaften, heimliche Geburt, Aussetzung von Kindern durchaus nicht
fehlt, eine gewisse Frische und unmittelbare Lebendigkeit nicht abzusprechen, ja er
wirkt sogar in den zahlreichen moralisierenden Kapiteln durch seinen geistigen Gehalt. —
Einen Ueberblick über die spanischen Schelmenromane, ohne ihre
Beziehungen zu den volkstümlichen Erzählungen auch nur zu streifen, gab Schult-
heiss'4). Ueber die deutschen Bearbeitungen handeln nur wenige Zeilen, in denen
von den selbständigen Zuthaten des Aegidius Albertinus, der hier irrtümlich Aug.
Albertinus heisst, gar nicht die Rede ist. —
In seiner Besprechung- der gründlichen Untersuchung Kippenbergs über
Robinson in Deutschland und die R o b i n s o n a d e n bis zur Insel Felsenburg
(vgl. JBL. 1892 III 3 : 8), teilte Bolte'-^) einige genaue Notizen über den Magister
Ludw. Fr. Vischer, den Verdeutscher des englischen Robinson mit; Ulrich'^'*), der
seit Jahren an einer Bibliographie sämtlicher Robinsonaden arbeitet, ergänzte
und berichtigte in der seinigen einige Angaben Kippenbergs. — Eingehender be-
sprach Biltz'ß) den Nachdruck, den der Leip>^iger Buchhändler Joh. Chr. Martini
gleich im J. 1720 von Vischers Verdeutschung veranstaltet; über das Leben Vischers,
sowie über sein Werk „Das Gross-Britannische Amerika" wusste auch er Neues beizu-
bringen. — Sterns'') ergebnisreiche Untersuchung über J. G. Schnabel, die zu-
erst wieder die Aufmerksamkeit auf die „Insel Felsenburg" gelenkt, den Vf. des
Werkes glücklich aufgespürt und unter Berücksichtigung, besonders seiner journa-
listischen Thätigkeit in Stolberg, trefflich charakterisiert hatte, erschien neu be-
arbeitet. — Näher ging Kleemann 'S) auf Schnabels journalistische Thätigkeit ein.
Unter Hinweis auf die katholisierende Tendenz des Schnabelschen Romans „Der aus
hard, Joh. Peter de Meraels Lustige Gesellschaft nebst e. Uebers. Aber d. Sohwank.-Litt d. 17. Jh. Halle a. S., Niemeyer.
127 S. M. 2,80. — U) X H. Merkens, Dtsch. Humor. Schwänice u. Erzählungen aus älterer Zeit. Aasgew. u. erneuert.
L , ßibliogr. Inst 140 S. M. 0,20. — 12) E. Stil gebauer, Grimmeishausens Dietwald u. Amelinde. E. Beitr. z. Litt.- Gesch.
d. 17. Jh. Gera, Leatzsch. .54 S. M. 1,20. — 13) L. Hirzel, E. Schweiz. Roman aus d. 17. Jh. u. sein Vf. (Sonderabdr. aus
BnndB.) Bern, Jent & Co. 42 S. M. 0,75. — 14) A. Schul theiss, D. Schelrffenroman d. Spanier u. seine Nachbildungen.
(=SGWV. N. 106.) Hamburg. Verlagsanst. 62 S. M. 1,00. |[LCB1. S. 1587; ÖLBl. S. 715; A. Schroeter: BLU. S. 582.]!
— 15) J. B 0 1 1 e : ASNS. 90, S. 464/6. — 15 a) H. Ulrich: Z VLR. 6, S. 259-66. — 161 K. B i 1 1 z , Zu Kippenbergs .Insel Felsenburg" :
ASNS. 90, S. 13-26. — 17) Ad. Stern, D. Dichter d. „Insel Felsenburg". (= Beitrr. z. Litt.-Üesch. des 17. u. 18. Jh. [L., R.
Richter. VII, 328 8. M. 7,50J, S. 61-93.) - 18) S. Kleemann, D. Vf. d. Insel Felsenburg als Zeitungsschreiber: VLG. 6,
J. Bolte, Drama des 17,/18. Jahrhunderts. III 3 : 19-30 III 4 ■. 1-3
dem Mond gefallene . . . Printz", der nach seiner Ansicht zu Heiligenstadt, nicht
zu Helmstedt oder Halberstadt erschienen, spricht er auch den 1748 gedruckten
Roman „Der Sieg des Glücks und der Liebe über die Melancholie" wegen ähnlicher
Tendenz demselben Dichter zu, indem er Genaueres für später in Aussicht stellt.
Schnabels Zeitung, die „Stolbergische Sammlung Neuer und Merkwürdiger Welt-
Geschichte" hat eine hervorragende Bedeutung* für die Sittengeschichte der da-
maligen Zeit. Sie enthielt manches in Skizze, was die „Insel Felsenburg" ausführte.
Während Strauch alle Epigramme der Sammlung Schnabel zuschrieb, wies K. nach,
dass sehr viele von dem Pastor Christian Andreas Teuber verfasst sind. — Von dem
englischen Robinsonbuch sind neuerdings wieder Ausgaben für den Schulgebrauch '^"2"),
andere zur Unterhaltung 2>-22j erschienen. Auch die Uebersetzungen23-24ii^^ Bear-
beitungen25) und Nachahmungen^ß'^o^ finden immer wieder ihr Publikum. (Vgl. I 7 : 53.) —
111,4
Drama.
Johannes Bolte.
Uebergangszeit : Fortleben des Hans Sachs N. 1; Stephan Egl N. 2. — Einfluss der englischen Bühne N. 4. —
Singspiele d. englischen Komödianten N. 7. — Chph. Stöltzer N. 11. — E. Stapel N. 12. — Andr. Gryphias N. 14. — A. A. von Hangwitz
N. 17. — Weise N. 18. — Moliere-Üebersetzer N. 19. — Schalkomödie N. 20. — Jesuitendraraen N. 21. — Theatergeschichte
einzelner Städte und Wandertruppen : Allgemeines N. 27 ; Bamberg, München, Gotha, Danzig N. 29 ; Spencer N. 33 ; Veiten
N. 34; deutsche Banden in Dänemark N. 33. — Geistliche Volksschanspiele N. 36. — Weltliche Volksschauspiele: Faust N. 39;
Puppenkomödien N. 44. —
So wenig wie im vorigen Jahre haben wir hier eine Arbeit allgemeiner oder zu-
sammenfassender Natur zu verzeichnen. Zur Charakteristik der Uebergangszeit
dient eine Untersuchung über das Fortleben des Hans Sachs im 17. Jh. von
Richter^). Fleissig, wenn auch nicht vollständig, stellt er die Abdrücke seiner
Bildnisse, die Ausgaben seiner Werke, die Aufführungen einiger Schauspiele in
Nördlingen und Kaufbeuren, die Plagiate von Zihler zusammen und mustert die
Urteile, die Vogel, Spangenberg, Gryphius, Grimmeishausen, Prätorius, Morhof u. a.
über den Nürnberger Meister fällen. '^J —
Ganz unter dem Einflüsse des 16. Jh. stehen auch zwei 1618 zu Regensburg
aufgeführte Fastnachtspiele, von denen schon Mettenleiter 1866 kurz berichtet hatte,
die aber erst jüngst wieder aufgefunden wurden. Hartmann 2) hat sie mit reichen
Worterklärungen zum Abdruck gebracht und ihren Zusammenhang mit anderen
Handwerkerspielen klar gelegt. IJas erste vom Schreinermeister Stephan Egl
auf Grund älterer Ueberlieferungen verfasste Stück behandelt den Streit zwischen
Meistern und Gesellen über die gegen Ende März aufhörende Arbeit bei Licht; der
zur Entscheidung aufgerufene Richter verurteilt infolge der von den Gesellen vor-
gebrachten Klagen das Licht zum Tode ; in einem Intermezzo wird ein ungeschlachter
Bauer vom Beilmeister behobelt. — Spätere Aufzeichnungen dieses Spiels vom
J. 1656 und 1696 sind aus Nürnberg und Hamburg erhalten und von Bolte=^) in einem
Vortrage besprochen. In dem anderen Regensburger Spiele zieht ein Bauernknecht,
Hänsl Frischenknecht geheissen, in den Krieg und hält nach seiner Heimkehr
Hochzeit. (Vgl. II 4 : 15.) -
S. 337-71. (Vgl. JBL. 1892 III 3:8.) — 19) X E. Grube, Life and surprising adventures of Robinson Crusoe of York,
mariner, by Dan. De Foe. (Im Auszuge.) (= Engl. Authors. 30. Lfg.) Bielefeld u. L., Velhagen & Klasing. 1892. 12». 184 S.
M. 1,00. — 20) X K. Foth, Robinson Crusoe v. Dan. Defoe. Für d. Schulgebr. bearb. (= Franz. u. engl. Schnlbibl. her. v.
0. B. A. Dickmann. Bd. 75) L., Renger. X, 86 S. M. 1,00. — 21) X D. Defoe, Robinson Crusoe, with 100 designs by
Gordon Browne. New. ed. London, Hutchinson. Sh. 3/6. — 22) D Defoe, Robinson Crusoe. (= Caxton Series.) London,
Routledge. Sh. 0/6. — 23) X Aventures de Robinson Crusoe. Trad. de Daniel de Foe. Ed. revue & corrigee avec sein, con-
tenant 88 grav. sur bois. Tonrs, Mame & fils. 1892. 4". 400 S. — 24) X Aventures de Robinson Crusoe. Paris, Vermot.
16". 139 S. — 24a) D. Del'oe, Les aventures de Robinson Crusoe. Trad. nouv. Avec norabr. grav. par K. Halswelle et V. A.
Poirson. Paris, Dreyfous et Dalsace. 300 S. — 25) X J- H- Campe, Robinson d. Jüngere. Erzählung für d. Jugend. L.,
Gressner & Schramm. 12". 93 S. M. 0,73. — 26) X Th. Weyler, D. Schweiz. Robinson nach J. D. Wyss frei bearb. Mit
Farbendrnckb. nach Aquarellen von 0. Försterling u. e. Karte v. F. Knopf. L., 0. Drewitz Nachfolger. 156 S. M. 3,00. —
27) X J- D- Wyss, Le Robinson snisse, Journal d'un p6re de famille naufrage avec ses enfants. Nouv. ed. avec 33 grav.
Limoges, Ardant & Co. 328 S. — 27a) id., Le Robinson snisse. Avec grav. Paris, Vermot. 188 S. —28) W. H. G. Kingston,
Swiss Family Robinson. London, Routledge. Sh. 2/6. — 29) X Marie Guerrier de Haupt, Le Robinsonjdes Antilles. Aven-
tures d'Owen Evans, abandonne en 1739 dans une ile deserte des Antilles Extrait du ms. orig. par W. H. Anderdon. Tradnit
de l'anglais. 5. ed. avec. grav. Tonrs, Mame & Als. 1392. 240 S. Fr 1,50. — 30 X E- ^oa, Les nouveaux Robinsons.
111. d. R. Bacard. Paris, Delarue. 202 S. —
l)Alb. Richter, Hans Sachsens Fortleben im 17. Jh.: ZDKG. 3, S. 353-74. — la) X J- Schlus Comedia von
Isaac. Her. v. A. Freybe. (Vgl. JBL. 1892 III 4:1): KBlVNiederdSpr 16, S. 93. — 2) Aug. Hartmann, Regensburger
Fastnachtspiele. Z. ersten Male her.: Bayerns Mundarten 2, S. 1-64, 139-42. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 3, S. 342.J| — 3) J.
IIT 4 : 4-16 J. Bolte, Drama des 17./18. Jahrhunderts.
Der bestimmende Einfluss, der zu Anfang- des Jh. von der englischen
Bühne auf die deutsche ausging-, nötig-t uns auch auf die wichtigeren Arbeiten
Rücksicht zu nehmen, die dieser gewidmet werden. Dass Fleays Chronik des eng-
lischen Schauspiels weder auf der Höhe der Forschung steht noch von groben Ver-
sehen frei ist, zeigt Boyle*) in ausführlicher Besprechung (s. II 4 : 38); er hätte hinzu-
fügen können, dass Halliwells von Fleay hart getadeltes „Dictionary of old english plays"
1892 in W. C. Hazlitts Manual einen guten Nachfolger gefunden hat. — Den Einfluss
der Tragödien Senecas auf die Entwicklung des englischen Dramas untersuchen
gleichzeitig der Engländer Cunliffe^) und der Deutsche Uud. Fischer^), der eine
mehr äusserlich auf die Nachahmung einiger Stellen achtend, der andere mehr auf
die inneren Gremeinsamkeiten eingehend. — lieber die Einbürgerung Shakespeares
in Deutschland, die alten Uebersetzungen der fahrenden Komödianten und die
selbständigeren Nachahmungen der fremden Stücke bei Ayrer, Herzog Heinrich
Julius, Gryphius und Weise orientiert kurz eine ansprechende, sachkundige Schrift
Hauffens^^). —
Eine Materialsammlung zur Geschichte der 1596 durch die englischen
Schauspieler in Deutschland eingeführten Singspiele giebt Bolte'). Im Gegensatze
zu der gleichzeitig entstehenden italienischen Oper behandeln diese niedrigkomische
Schwankmotive, schliessen sich an bekannte Liedmelodien an und sind daher durch-
weg strophisch gegliedert. Die englischen Originale sind bis auf zwei Stücke, „Singing
Simpkin" und „The black man", verloren; doch lassen sich bis 1760 über 30 deutsche,
5 holländische, 2 schwedische und 2 dänische Gesangspossen nachweisen, die teils
direkt, teils indirekt auf jene Anregung zurückgehen. B. druckt zwölf vollständige
Texte und sämtliche ihm erreichbaren Melodien ab und spürt den Quellen und Nach-
ahmungen nach. Für Christian Reuters Singspiel von Harlekins Hochzeit hat er
eine 1693 gedruckte Vorlag-e aufgefunden, die jener mit geringen Abweichungen
kopierte. — Zu dem Singspiele von der doppelt betrogenen Eifersucht hat Nyrop
in seiner früher erwähnten Schrift^) Parallelen nachgewiesen, über die schwedischen
Possen hat auch Schuck-') geschrieben und für den „Courtisan in der Kiste" eine Auf-
führung durch Upsalaer Studenten am 17. Mai 1685 erwiesen. i") (S. JBL. 1892 III 4 : 10.) —
Der Thüringer Schulmann Christoph Stöltzer, der 1618 von Rinkart als
Mitvf. seines „Indulgentiarius confusus" genannt wird, verdient nach Boltes") An-
sicht keinen Platz unter den dramatischen Dichtern, da Rinkart ihm nur seinen
Dank für die von ihm ins Werk gesetzte Aufführung ausdrücken wollte. —
Auf gleichen Rang will Holstein '2) Rists Studienfreund und Schwager
Ernst Stapel aus Lemgo herabdrücken, indem er ihm keinen Anteil an dem 1630
veröffentlichen Schauspiele Irenaromachia zugesteht; doch ist dies Rists eigenem
Zeugnis gegenüber eine etwas gewagte Behauptung. Auf Stapels Germania, die
jüngst noch Göckeler in Zusammenhang mit J. Mylius gebracht hat, geht H. gar
nicht ein.'-') —
Dem grossen dramatischen Talente des Andreas Gryphius ist eine sorg-
fältige Arbeit von Wysocki^^) gewidmet. W. charakterisiert die Stücke als
Situationstragödien und hebt auch die persönlichen Beziehungen und Erfahrungen,
die sich in diesen verraten, richtig hervor. Dagegen stellt er, wie Creizenach be-
tont, des Dichters Verhältnis zu den älteren und zeitgenössischen Schriftstellern
mangelhaft dar ; er vernachlässigt seine Beziehungen zum Drama der Wander-
komödianten, der Jesuiten und der Holländer und äussert über die Benutzung
Shakespearescher Bühnenwerke wunderliche Ansichten. — Der Frage nach der Quelle
von Gryphius „Cardenio und Gelinde" geht Herrmann '^) mit Glück zu Leibe.
Gryphius benutzte eine 1624 erschienene Novelle des Spaniers Montalvan „La fuerza
del desengafio" in der italienischen Uebersetzung von B. Cialdini (Prodigi d'amore
1637). Die Erzählung Harsdörffers, auf die Boxberger aufmerksam machte, giebt
offenbar eine ältere spanische Novelle wieder, die Montalvan nebst Zügen aus Bandello
und Tirso de Molina verwertet hat^^). —
Bolte, Ueber Handwerkerkomödien aus d. 17. u. 18. Jh. (Referat): KBlVNiederdSpr. 16, S. 81. — 4) R. Boyle, F. G. Fleay,
Abiogr. chronicleofthe engl, dramii 1559-1642. London. Reeves. 1891. VIII, 389 S.; VI, 406 S. Sh.30: EnglSt. 18,8.111-25. - 5) J. W.
Cunliffe, The influence of Seneca on Elizabethan Tragedy. London, Macraillan. IV, 155 S. Sh.4. — 6) Rud. Fischer, Z. Knnst-
entwicklnng d. engl. Tragödie v. ihren ersten Anfängen bis zu Shakespeare. Strassburg i. K., TrSbner. XIII, 192 S M. 5,00.
— 6a) A. Hauffen, Shakespeare in Deutschland. (= SGV. N. 175.) Prag, Haerpfer. 26 S. M. 0,20. — 7) J. Bolte, D.Sing-
spiele d. engl. Komödianten u. ihrer Nachfolger in Deutschland, Holland u. Skandinavien. (= TheatergeschF. N. 7.) Hamburg,
L Voss. VII, 194 S. M 5,00. |[(W. Creizenach:) LCBl. S. 1794; J. A. Worp: Mus«. 1, S. 361,3; MhMusikgesch. S. 221;
AMusZg. 20, S. 673/4; Grenzb. 4, S. 47.]| — 8) W. Golther, K. Nyrop, Nej. Et Motivs Historie. 1891: ZVLR. 6, S. 140,4. -
9) H. Schuck, Bidrag tili kännedomen om 1600-talets dramatik: Saralaren 13, S. 5-90. (Bes. S. 17/9.) — 10) X P-
Harms, Die deutschen Fortunatusdramon (vgl. .TBL. 1892 in4:3). |[[W. Creizenach:] LCBl. S. 797/8; L. Fränkel:
BLU. S. .344/5; AZg«. N. 9; A. Bing: WRDK. N. l.]| — U) J. Bolte, Chr. Stöltzer: ADB. 36, S. 420. — 12) H. Holstein,
E. Stapel: ib. 35, S. 448. — 13) X J- Bolte, Drei Königsberger Zwischenspiele (vgl. JBL. 1890 III 4:9h KBlVNiederdSpr. 15,
S. 11. — 14) L. G. Wysocki, A. Gryphius et la tragödie allemande au XVIL sieole. Paris, Bouillon. II, 456 S. I[(W.
Creizenach:) LCBl. S. 1396.11 — 15) M. Herrmann, Cardenio u. Gelinde. Vortr. in GDL.: DLZ. S. 184/5. — 16) X J- G-
J. Bolte, Drama des 17./ 18. Jahrhunderts. III 4 : 17-28
Aug". Ad. von Haug-witz unterzieht Hübner ^''J, der schon 1885 in einem
Trarbacher Prog-amra über ihn gehandelt, zum zweiten Male einer litterarhistorischen
Würdigung. Er berichtigt auf Grund eines 1836 im Lausitzer Mag. erschienenen Artikels
von Köhler einige biographische Einzelheiten und analysiert die 1684 im Prodroraus
poeticus veröffentlichen steifen Alexandrinerstücke von Haugwitz : die Maria Stuarda,
Soliman und Flora. Als Quellen dienten ihm Erasmus Franziscis Trauersaal, der
Ibrahim der Scudery in Zesens üebersetzung und ein französisches Ballet (von
Benserade?). Die Vergleichung mit den Vorlagen und älteren dramatischen Behand-
lungen durch Vondel, Kormart und Lohenstein könnte schärfer durchgeführt sein ;
interessant ist der Nachweis, dass 1686 ein Pleidelberg-er Anonymus eine gekürzte
Ueberarbeitung des Soliman drucken Hess. —
Eine Rostocker Dissertation'^) über Christian Weises historische Dramen
ist mir nicht zu Gesicht gekommen. —
Eloessers'") Untersuchung der M oli er e- Verdeutschung von 1670, von
der 1893 nur ein Teil veröffentlicht ist, bleibt besser für eine Besprechung in den
nächsten JBL. aufgespart. —
Zur Geschichte der protestantischen und katholischen Schulkomödie sind
einig-e Beiträge geliefert worden. Ueberdie in Arnstadt während des 17. Jh. auf-
geführten Weihnachtsspiele berichtet summarisch ohne Angabe genauerer Daten
Einert20). _
In das weite Gebiet der J esuitendrame n^i) hat Zeidler^^) erneute
Streifzüge unternommen. Er berichtet über zwei mit der Faustsage in losem Zu-
sammenhange stehende Stücke des 18. Jh. nach den in einem ihm gehörenden Sammel-
bande befindlichen Inhaltsangaben : einen 1736 zu Schussenried gespielten lateinischen
„Cyprianus poenitens", in welchem der böse Geist Megistophiles jenen Ahnherrn des
Doktor Faust verführt, und über eine 1754 aus Holbergs „Hexerei" hervorgegangene
deutsche Fastnachtskomödie „Der blinde Lermen", in der die geistlichen Herren zu
Wengen bei Ulm den Komödianten Leopold als angeblichen Zauberer mit einer paro-
distischen Beschwörung des Teufels Mephistopheles vorführten. — Ein anderer Aufsatz
Zeidlers^^Jüber die dramaturgische Thätigkeit des Paters Ferdinand Rosner ist mir
leider nicht zugänglich. — In Leipzig wurden 1660, wie Georg Müller-*) mitteilt,
mehrere Jesuitenkomödien gespielt, die protestantischen Geistlichen nicht unbedenk-
lich erschienen, und zwar „Androphilus und Sylvia" und „Tobiä Freudenspiel".
Offenbar handelte es sich dabei um Birkens 1656 gedruckte Bearbeitung des Androphilus
von Masenius, die auch 1658 in Zittau und 1686 in Lüneburg von Schülern 'dar-
gestellt wurde. — Auch in Lothringen pflegten die Jesuitenkollegien zu Pont-ä-Mousson,
Verdun, Nancy eifrig- die Schulkomödie, wie Germain^s) j^ seiner Kritik von
Jacquots lothringischer Theatergeschichte im einzelnen nachweist (vgl. II 4 : 40). —
Das Vordringen der Jesuiten in Ungarn nach dem 30jährigen Kriege schildert von
Kr ones^ß) auf Grund archivalischer Studien und teilt dabei Näheres mit über eine 1653
zu Ehren des Grafen Illeshäzy in Trentschin veranstaltete Aufführung von Joseph
und seinen Brüdern, die nicht weniger als sechs Stunden dauerte. Die Jesuiten
wollten, nachdem die Lutheraner kurz zuvor zur Fastnacht ein Josephdrama g-e-
spielt hatten, bei dem es nicht sehr sittsam herg-egangen war, durch ihre Aufführung-
zeigen, wie ein geistliches Drama beschaffen sein müsse. —
Zur Theatergeschichte einzelner Städte und zur Kenntnis der
Wandertruppen folgen zunächst einige allgemeine Beiträg-e. In einer Be-
sprechung von Heines Buch über die Wanderbühne des 17. Jh. weist Ellinger^"?)
auf eine bisher wenig ausgenutzte Quelle hin, nämlich auf die grossenteils aus den
Stücken der fahrenden Komödianten älterer Zeit hervorgegangenen jüngeren Puppen-
spiele. Den Hauptwert von Heines Leistung sieht er in den Analysen der Wiener
Dramenhss. und in den Nachweisen der ausländischen Vorbilder, während er die
schematische Zusammenstellung der dort verwendeten Motive wenig- fördernd findet.
— Bolte 28) bemerkt in einer Anzeige von Reulings Werk über die lustige Person
Schoch, Komödie vom Studentenleben her. v. W. Fabricius (vgl. JBL. 1892 III 4:6): LCBl. S. 11556. — 17) B. Hnbner, D.
kleineren Dichtungen u. Dramen d. Prodromus Poeticus v. A. A. v. Haugwitz. E. Beitr. z. Gesch. d. Eunstdramas im 17. Jh.
Progr. Neuwied, Heuser. 4". 35 S. |[L. Hölscher: ASNS. 91, S. 468/9.]| — 18) O A. Hess, Chr. Weises hist. Dramen
u. ihre Quellen. Diss. Eostock. 82 S. — 19) (I 8:95.) — 20) E. Einert, Aus d. Papieren e. Rathauses. Beitrr. z. dtsch.
Sittengesch. Arnstadt, Frotscher. III, 196 S. M. 3,00. (S. 162 7: Weihnachtsspiel.) — 21) X J- Zeidler, Studien u. Beitrr. z.
Gesch. d. Jesuitenkomödie. (Vgl. JBL. 1891 III 4: 15a.) |[K. Wotke: ZOG. 44, S. 220 1; M. Landau: ZYLR. 6, S. 136/8; G.
Ellinger: NatZg. N. 21.J| — 22) J. Zeidler, Beitrr. z. Gesch. d. Klosterdramas. 1. Mephistopheles: Z7LR. 6, S. 464-78. —
23) O id., Jesuiten u. Ordenslente als Theaterdichter u. über P. Ferd. Bosner insbes.: BVLNiederöstr. 27, S. 128-41. — 24)
Georg Müller, Z. Gesch. d. Jesuitenkomödie in Sachsen: NASächsG. 14, S. 140. — 25) L. Germain, A. Jacquot, Notes
pour servir ä l'hist. du theätre en Lorraine. (=: CR. de la Reunion des beaux arts des departements 1891, S. 561-685.):
AnnEst. 7, S. 621-33. — 26) F. v. Krones, Z. Gesch. d. Jesuitenordens in Ungarn 1645-71: AÖG. 79, S. 277-354. (Bes. S. 313.) —
27) G. Ellinger, C. Heine, D. Schauspiel d. dtsch. Wanderbühne vor Gottsched. Halle a. S., Niemeyer. 1889. VIL 92 S.:
ZDPh 25, S. 419-2L (Vgl. JBL. 1890 III 4:15.) — 28) J. Bolte, C. Renling, D. komische Figur (vgl. JBL. 1890 UI 4:32):
Jahresberiehte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. (3)4
III 4:29-41 J. Bolte, Drama des 17./18. Jahrhunderts.
den Zusammenhang zwischen der Bühne und einer Reihe von Schwanksammlungen,
die unter dem Namen einzelner bekannter Clowndarsteller wie Jan Tamboer, Scara-
muzza, Kilian Brustfleck veröffentlicht wurden. —
Leists^ö) Arbeit über die Bamberger Bühne ist uns nicht zu Gesicht
gekommen. — Ueber die Geschichte des Münchener Theaters in der ersten Hälfte
des 18. Jh., zu der Trautmann schon 1889 in seinem Aufsatze „Deutsche Schau-
spieler am bayerischen Hofe" wertvolles Material veröffentlicht hatte, giebt der un-
genannte Vf. 30) der Jubiläumsschrift des Eberlbräus einige Notizen. Um 1745 ver-
wandelte der Besitzer des Faber bräuhauses seine Malztenne in einen Komödienstadel,
auf dem die Truppen eines Wallerotty und Kurz auftraten. — Die für die Besucher
der Gothaer Musteropervorstellungen bestimmte Broschüre Ho derma n ns^^) liefert
nur einen flüchtigen Rückblick auf die 1669 in Gotha agierte Aktion von der argen
Grundsuppe der Welt, während Rub^^) in seinem Buche über die dramatische Kunst
in Dan zig die Periode von 1650—1730 auf drei Seiten wörtlich nach Hagens Ge-
schichte des Theaters in Preussen bespricht. —
Mit eingehender Sachkenntnis dagegen schildert Creizenach^^) die Per-
sönlichkeit des englischen Komödianten John Spencer, der auf seinen Wander-
zügen durch Deutschland in den J. 1605—29 überall durch reiches Personal, glänzende
Ausstattung und gewandtes Benehmen gegenüber dem Rat und der Geistlichkeit
Beifall und Ansehen gewann und auch einen neuen Clowntypus „Hans Stockfisch"
schuf. —
Einen Nachtrag zu Heines Untersuchung über den Schauspieler Johannes
Veiten liefert Nehring^^j^ indem er nach russischen Quellen über die Verhand-
lungen berichtet, die 1672 ein Abgesandter des Zaren Alexej Michailowitsch, der
Oberst van Staden, in Riga mit Veiten und Czarlus, d. h. Veltens Schwiegervater
Karl Paulsen, wegen eines Gastspieles in Moskau pflog, freilich ohne seinen Zweck
zu erreichen. —
Dankenswert sind die Zusammenstellungen Paludans^^) über die von
1600 — 1750 in Dänemark nachweisbaren deutschen Wandertruppen
eines Treu, Paulsen, Uhlich, der Witwe Veiten, Denner, Spiegelberg, Ecken berg,
Quoten, zumal da er die dänischen Quellen durch Vergleichung der deutschen Theater-
geschichten ergänzt hat. Willkommen heissen wir besonders den Abdruck mehrerer
ausführlicher Kopenhagener Theaterzettel: 1. Die in ein marmorsteinernes Bild ver-
liebte Prinzessin Adamira (1707 nach Cicognini); 2. Der verirrte Liebesstand, oder
der durchlauchtige Bauer (Orismanna von Böhmen und Sigislaus); 3. Des Glückes
Probierstein, oder der . . . verirrte Liebes-Soldat (Ormachus und Aribane 1719);
4. Der grossmütige Rechtsgelehrte Aemilius Paulus Papinianus (1719 nach Gryphius). —
Die geistlichen Volksschauspiele Süddeutschlands erhalten durch eine
tüchtige Arbeit von Amman n^ß) eine treffliche Beleuchtung hinsichtlich ihrer
Quellen. Nicht nur das Höriizer Passionsspiel, von dem in unserem vorjährigen
Berichte (JBL. 1892 III 4 : 35) die Rede war, ist durch das weitverbreitete Leben Jesu
des Kapuziners Martin von Kochem beeinflusst, sondern auch viele andere Passions-,
Weihnachts- und Paradeisspiele aus Böhmen, Schlesien, Oberbayern, Steiermark und
Kärnten, die von Weinhold, Peter, Hartmann und Schlossar herausgegeben sind,
zeigen Entlehnungen aus diesem von Scherer trefflich charakterisierten, zuerst 1676
gedruckten Volksbuche. — Zu der Litteratur über das Oberammergauer Passionsspiel
liefert die breite Reisebeschreibung von Niedenzu^'^) einen wissenschaftlich wert-
losen Beitrag. — Aus einem im Gianthale in Kärnten heimischen Spiele von Joseph
und seinen Brüdern, dessen Aufführung vier Stunden beansprucht, druckt Franz iszi^^)
die eingelegten acht Lieder der Schäfer, Josephs, des eingekerkerten Mundschenken
und der begnadigten Brüder Josephs ab. —
Unter den weltlichen Volksdramen steht diesmal das Volksschauspiel
vom Doktor Faust obenan. Ueber Kuno Fischers "^^) Einleitung zu Goethes
Drama wird an anderer Stelle dieser Berichte gehandelt werden. — Die Frage, ob
das deutsche Faustdrama auf Marlowe zurückgehe oder auf deutschem Boden er-
wachsen sei, wirft Werner^^) von neuem auf. Er betrachtet die Erweiterungen,
die Marlowes Stück in England durch ernste und komische Züge erfahren hat, und
ib. S. 563-5. — 29) O F. Lei st, Gesch. d. Theaters in Bamherg bis z. J. 1862: BHVBambg. N. 55; 278 S. — 30) (I 4:275.) —
31) R. Hodermann, Theatergesch. Erinnerungen. Gotha, (J. Qoltsch). 12». 15 S. M. 0,50. — 32) 0. Rub, D. dramat.
Kunst in Danzig v. 1615 bis 1893. Danzig, Bertling. 150 S. M. 2,50. — 33) W. Creizenach, John Spencer: ADB. 35,
8. 99-101. — 34) W. Nehring, E. unbekannte Episode aus d. Leben J. Veltens: ZVLR. 6, S. 1/4. (Vgl. C. Heine: ib. 6,
S. 150.) — 35lJ. Paludan, Dtsch. Wandertruppen in Dänemark: ZDPh. 25, S. 313-43. — 36) J. J. Amman n, D. Leben
Jesu V. P. Martinus v. Kochem als Quelle geistl. Volksschanspiele: ZVVolksk. 3, S. 208-23, 300-29. — 37) A, Niedenzu, E.
Reise z. d. Oberammergauer Passionsspielen im Sommer 1890. Wollstein, E.J.Scholz. 104 S. M. 1,60. — 38) F. Franziszi,
Lieder aus d. Josefl-G'spiel: Carinthia 83, S. 19-22. — 39) OX Kuno Fischer, Goethes Faust. 3. Aufl. 2 Bde. 1.
Kunstdichtung vor Goethe. 2. Entstehung, Idee u. Komposition d. Goetheschen Faust. St., Cotta. VIII, :i20 S.; VI, 260 S.
M. 8,00. (Vgl. II 3:25 und IV 8e.) - 40) R. M, Werner, Fauststndien : ZOG. 44, S. 194-205. - 41) Elisabeth Mentzel,
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. 1114:42-46 III 5
hebt hervor, dass einzelnes im Monologe des Helden, das Auftreten der beiden Lehr-
meister in der Zauberei und der Selbstmordversuch nicht zu dem Spiessschen Faust-
buche, sondern zu dem erst nach Marlowes Tode erschienenen Widmannschen Werke
stimme, mithin schwerlich von Marlowe geschrieben sei. Ferner sucht er für die
aus Schröders Bericht bekannte Danziger Faustaufführung von 1669 deutsche Parallelen
nachzuweisen, während Creizenach bekanntlich die einleitende TeufelssceneausDekkers
Stück ,Jf this play be not good, the devil is in it" herleiten wollte. — Elisabeth
MentzeH'), die verdienstvolle Geschichtsschreiberin des Frankfurter Theaters, hat
zwei bisher unbekannte Theaterzettel veröffentlicht, von denen der eine mutmasslich
um 1730 von der Witwe des Marionettenspielers Neufzer ausgegeben ist; er nennt
seinen Helden D. Joannes Faustus, ehemahgen Professor in Wittenberg. Die andere
Ankündigung ist ausführlicher und stammt von der Neuberin, die am 7. Juni 1737
auf vieles Begehren und Nachfrage das ruchlose Leben und erschreckliche Ende
des weltbekannten Erzzauberers D. Johann Faust gab, — In einer sonst anerkennenden
Besprechung der Arbeit von Kraus über das böhmische Faust-Puppenspiel bekämpft
Ellinger^-) die H3^pothese, das epische Faustlied sei mit dem „Prager Comoedi-
Lied" zu identifizieren und gebe den Inhalt einer Prager Aufführung des 17. Jh. wieder.
— Eine von mir nicht gesehene englische Uebersetzung ^^j des Puppenspiels von
Dr. Faust scheint auf Simrocks Text zu beruhen. —
In einem neuen Hefte seiner deutschen Puppenkomödien hat Engel^*"*^)
zwei ziemlich junge Stücke von dem 1858 entstandenen Alünchener Marionettentheater
„Don Juans zweites Leben, oder Kasperles Gefahren" und „Die Wasser- und Feuer-
probe, oder Kasperle als Wunderdoktor" herausgegeben und ihnen den „Verlorenen
Sohn" aus den Englischen Komödien von 1620 hinzugefügt, obwohl dies Stück durch
Tittmanns Neudruck längst bequem zugänglich war. Der als Einleitung voran-
gestellte Beitrag zur Geschichte des Puppenspiels vereinigt einige brauchbare
Notizen, verrät aber in litterarhistorischen Fragen häufig den Dilettanten. — Aus
einer kürzlich in den Besitz der Kgl. Bibliothek zu Berlin gelangten Sammlung von
Puppenspielhss. bespricht Bolte-*6j eine 1855 von dem sächsischen Marionettenspieler
E. Möbius verfasste vieraktige Komödie „Hamlet, Prinz von Dänemark," die sich von
dem Shakespeareschen Trauerspiele durch einen heiteren Abschluss und die ein-
gefügte Rolle des lustigen Kasper unterscheidet. Möbius hat die Hamlet-Bearbeitung
Schröders und zwar die dritte vermehrte Ausgabe von 1795 benutzt und sie in rück-
sichtsloser grober W^eise, aber nicht ganz ohne theatralisches Geschick umgestaltet. —
111,5
Didaktik.
Victor Michels.
Nationales Leben: Sprachgesellschaften: Allgemeines N. 1; Casp. Stieler N. 2; Pegnesischer Blnmenorden
N. 3. — Satire: Tenfellitteratnr N. 5; Soldatenlob N. 6; Cresc. Steiger, H. Josema N. 7; Mosoherosch N. 9; Veridor von Stack-
dorn N. 11; Lauremberg N. 12; C.Abel N. 15: FlnchpsalmN. 15a; Abraham aSanota Clara N. 16; J. P. de Memel N. 16a. — Religiöses
Leben : F. Spanheim Vater und Sohn, B. Stosch, V. E. Löscher N. 17. —Die Mystik des Angelas Silesins N. 20a. — Pietismus:
Allgemeines N. 21; SpenerN. 22; J.Gerhardt N. 26; Chrn. Scriver N. 27; Ziuzendorf N. 31 ; „Die schöne Seele", A. G. Spangen-
berg N. 34; Mich. Hahn N. 36. — Wissenschaftliches Leben: Gelehrtenbiographien: Fortanat Sprecher von Bernegg,
Frhr. von und zu Stadl, J. K. Spener, ß, G. Struve, .1. J. Stnbel, A. Stübel, Strunz N. 37; Th. G. Spitzel, J. J. Speidel, F. G.
Strnve, J. L. Hocker N. 4S. — Pädagogik und Unteirichtswesen: Morhof, moralische Wochenschriften N. 48. — Leibniz-
Wolfflsche Philosophie N. 51. — Gottsched und die Seinen: Gottsched selbst N. 59; die deutsche Gesellschaft in Königs-
berg N. 61; die deutsche Gesellschaft in Basel N. 63. —
In dreifacher Weise bereitet sich in dem Deutschland des 17. Jh. ein grosser
Umschwung vor, der für das geistige Leben des 18. die Vorbedingungen schafft.
Langsam, freilich sehr langsam erwacht das Selbstgefühl der Nation, inmitten der
Ausländerei des 30jährigen Krieges: die deutschen Sprachgesellschaften fördern die
Liebe für die „Haupt- und Heldensprache", die Satiriker appellieren lebhaft an das
Schamgefühl der Deutschen durch wenig schmeichelhafte Vergleiche mit dem Aus-
land und der Vorzeit. Allmählich vertieft sich das Gefühlsleben : die pietistische
2 Frankfurter Faustanff&hrungen in den 30er J. d. 18. Jh : BFDH. 9, S. 229-47. — 42) G. Ellinger, E. Kraus, D. böhmische
Puppenspiel vom Dr. Faust (vgl. JBL. 1892 III 4:43): ZDPh. 25, S. 421. — 43) The Life and Death of Dr. Johannes Faustus,
Master of the Black Art, as played by the Kasperle Company, and now first done out of German into English. London, Nutt.
63 S. Sh. 1. i[AZgB. N. 123 ]1 — 44) X J- Bolte, K. Engel, Dtsch. Pnppenkomödien 11. (Vgl. JBL. 1892 III 4:42.): DLZ.
S. 679-80. — 45) K. Engel, Dtsch. Pnppenkomödien 12. Oldenburg, Schulze. XXVIII, 86 S. M. 1,20. |[G. Ellinger
NatZg. N. 353JI — 46) J- Balte, Hamlet als dtsch. Puppenspiel: JbDShakespeareGes. 28, S. 157-76. -
(3)4*
III 5 : 1-5 V. Michels, Didaktik des 17./ 18. Jahrhunderts.
Beweg-ung — das Wort im weitesten Sinne genommen — setzt ein, und die Religion
wird mehr als im 16. Jh. Herzensangelegenheit, Ganz allmählich erstarkt aber auch
in allen Wirren und in der Roheit des Lebens der wissenschaftliche Sinn: die
massenhafte und stumpfsinnige Anhäufung von Wissensmaterial weiss ein universeller
Geist wie Leibniz zu nutzen, und in der Philosophie entsteht die Centralsonne, die
nach allen Seiten Licht und Leben spendet. Wer auf irgend einem Gebiete die ge-
lehrte Arbeit eines Jahres zur Erforschung des 17. Jh. mustert, darf sich fragen,
wie weit dieser dreifachen Umbildung Rechnung getragen ist. Wenn wir zunächst
die das nationale Leben fördernden Werke mustern, so werden wir in die
Kreise der Sprachgesellschaften, über deren Entstehung uns ein allgemein
gehaltener, populärer Aufsatz von K. Scherer ^) belehrt, durch den Namen Caspar
S tielers hineingeführt. Dem als „Spaten" mit dem Spruch „Uebertrifft den Frühzeitigen"
in die fruchtbare Gesellschaft aufgenommenen, als Dichter und Sprachbildner thätigen
Polygraphus widmet Edw. Schröder 2) einen kurzen Artikel. Die Identifizierung
mit „Filidor dem Dorferer", die schon Rudolphis Erfurter Programm vom J. 1872
als unwahrscheinlich erwiesen hatte, lehnt Seh. entschieden ab. Die beiden echten
Dramen Stielers vom J. 1680 tragen wesentlich anderen Charakter als die Rudolstädter
Festspiele. Die „Ballemperie" wird auf Grund einer Mitteilung Boltes indirekt auf
Kyds „Spanish Tragedy" zurückgeführt; das Lustspiel „Willmut" in Zusammenhang
gebracht mit den allegorischen Lehrstücken, deren erster Repräsentant der Göttinger
H. Tolle ist. —
Nur indirekt berührt es die Forschung über das 17. Jh., dass der Pegne-
sische Blumenorden in seinem zweiten Album „Altes und Neues aus dem Blumen-
orden" der Welt wiederum ein Lebenszeichen gegeben hat^). „Mit Nutzen erfreulich
zu sein" erscheint auch den Nachfahren der Harsdörffer und Bircken als der Zweck
des Ordens. Die Freude an der alten Tradition berührt wohlthuend in dem Nürnberg,
dessen Stadtverwaltung sich neuerdings gegen die alten Mauern mit moderner Barbarei
versündigt; und dass sich dabei ein harmloser Dilettantismus in Poesie und Prosa
ergeht, wird niemand verdenken. Der Präsident W. Beck, welcher in seinen Ge-
dichten ein freundliches Formtalent zeigt, leitet die Vorträge ein mit einem historischen
Ueberblick von 1644 — 1886 „Zweck und Ziel des Pegnesischen Blumenordens". Georg
B'reiherr von Kress handelt mit tüchtiger Kenntnis über gelehrte Bildung im alten
Nürnberg und das Studium der Nürnberger an italienischen Hochschulen. Vorträge
über Uhland von Mummenhoff, über Grillparzer von Volbehr, über Martin Greifs
„Konradin" von August Schmidt, Schillers „Braut von Messina" von J. P. Ree,
Shakespeares „Kaufmann von Venedig" von Adolf Freiherrn v. Scheurl, Lessings
(d. h. Weidmanns) „Faust" auf der Nürnberger Bühne von H. Pfeilschmidt bekunden
das Interesse der Mitglieder für Litteraturgeschichte.^) —
Für die Kenntnis der volkstümlichen Satire liegen mannigfache neue Bei-
träge vor. N ur Nachwirkungen der Teufellitteratur des Reformations-Zeitalters sind
es, die Osborn^) im letzten Teil seines Buches verfolgt, an der Hand von Goedeke,
aber doch selbständig prüfend und nachsammelnd. Zahlreich, führt er aus, sind im
17. Jh. die Auflagen und Nachahmungen von Musculus „Hosenteufel". Moscherosch
nennt im ,,Alamode Kehraus" im Sinne von Musculus, Oslander, Strauss den Teufel
als Urheber der Modethorheiten, und der Redaktor der „Hosenteufel"-Ausgabe von
1623 prägt den Namen „Alamode-Teufel". Der starre Weiberfeind Ellin ger schreibt 1629
einen „Allmodischen Kleyder-Teuffel" in drei Teilen; ein halbes Jh. später (1679)
folgen ein patriotischer Anonymus mit seinem „Teutsch-Frantzösischen Alamode-Teufel"
und Joh. Ludw. Hartmann ebenfalls mit einem „Alamodeteufel". Auf den Anonymus,
dessen Werk bei Goedeke fehlt, stützt sich 1682 Michael Freud der Aeltere — bei
Goedeke fälschlich Freund genannt — , der vergeblich mit Spener Fühlung zu ge-
winnen sucht. Der Titel klingt noch am zeitgemässesten: „Alamode Teuffei oder
Gewissensfragen von der heutigen Tracht und Kleider Pracht"; im übrigen segeln
wir nach O.s Angaben ganz im Fahrwasser des „Theatrum Diabolorum". Ebenso
findet im 17. Jh. der „Gesindeteufel" von Glaser Nachahmung. 0. hat einen „Sieben-
fältigen Ehehalten-Teuff'el" von Tobias Wagner, Ulm 1651, jetzt in der Kgl. Biblio-
thek zu Berlin aufgefunden. Auf ihn folgt Balthasar Schupp 1658 und auf diesen
1698 Philemon Menagius mit einem dickleibigen Opus. Ein Buch, das sich an Cyriacus
Spangenbergs Werk „Wider die böse Sieben ins Teuffels Carnöff'elspiel" anschliesst,
hat O, in dem Werk eines Mannes entdeckt, der sich Christian Warner nennt, weil
er ein christlich Warnender sein möchte. Ein „Soldatenteufel" entstand 1633 durch
Arnold Mengering; ein „Fastnachtteufel" 1672 durch Lubertus: O. hat die von Goedeke
1)K. Scherer, Dtsch. Sprachgesellschaften im 17. Jh.: DNJb. 3, S. 122-32. - 2) Edw. Schröder,
Kaspar (t.) Stieler: ADB. 36, S. 201/3. — 3) Altes und Neues aus dem Pegnesischen Bluraenorden. II. Nürnberg,
Schräg. VI, 293 S. M. 3,00. — 4) X H. Schultz, H. Graf, D. „Sprachverderber" (vgl. JBL. 1892 III 5:6): ADA. 19,
S. 90,1. — 5) M. Osborn, D. Teufellitt. d. Ifi. Jh. (= Acta Germanica her. v. R. Henning u. .1. Hoffory. Bd. 3,
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5 : e-io
citierten Werke eing-esehen. Der „Sanfteufel" muss schon um die Wende des 16. — 17. Jh.
durch H. Ammersbach aufgelebt sein. Es wird ein als zweite Auflag-e bezeichneter
Druck von 1605 angeführt. Als eine interessante Erscheinung tritt trotz der etwas
knappen Angaben O.s der „Gewissensteufel" von Heinrich Decimator aus der Masse
hervor. Es ist der Teufel, der den Menschen nach den Sünden nagende und verzehrende
Vorwürfe ins Herz legt und sie dadurch von dem frommen Gottvertrauen abzieht.
Das 16. Jh. kannte den melancholischen Teufel ; aber wir spüren in dieser Schöpfung
aus dem J. 1604 doch schon das allererste Wehen einer neuen Zeit, die sich von dem
starren Luthertum loslöst : Anlehnung an die Mystik ist zu konstatieren. Flüchtig
berührte, weiterhin Aegidius Albertinus,Moscherosch, Balthasar Kindermann-Curandor,
Veridor von Stackdorn, Zeidler. Für Kindermann hat er die Biographie von Kawerau
(siehe JBL. 1892 III 5:5), für Stackdorn die von Roethe (s. u. N. 11) noch nicht
benutzen können. Etwas ausführlicher geht 0. auf die Schriften von Joh. Ludw.
Hartmann ein. In einem knappen Schlusswort führt er dann aus, wie allmählich die
Teufellitteratur abstirbt. Der zunehmenden Aufklärung und ihrer Wirkung auf den
Dämonen glauben wird nicht gedacht, treffend aber betont, wie die pietistische Be-
wegung so grober Mittel, um auf die Seelen zu wirken, nicht mehr bedurfte. Die
Briefe Speners an Michael Freud, die 0. nur eben streift, sind höchst bezeichnend.
Kühl erklärt gegen Ende des Jh. Zeidler: „Man muss sich an die Redensarten nicht
kehren, dass die lieben Alten so einfältig gewesen und alles, wie es ihnen ins Maul
kommen. Teuffei geheissen, nach dem Sprüchwort : homo homini diabolus. Was mich
anlanget, fürchte ich mich weder vor dem Teuffei, noch vorm grossen Mogul." An
eine Einwirkung der Teufellitteratur auf den jungen Schiller glaubt 0. im Gegen-
satz zu Minor nicht. —
Ein ungedrucktes Soldatenlob vom J. 1644 teilt W e r n e r ^) neben gleich-
gültig-eren, aus Hs. geschöpften Mitteilungen (zwei satirischen Grabschriften, einer
Wetterregel, einem Reimbüchlein) unter dem Titel „Zur Volkslitteratur" mit. Das Lied
warnt die ehrliebenden Soldaten in nervösem Eifer vor den Lastern derer, die den
Kriegerstand durch ihr Treiben schänden. Merkwürdig, wie nahe manche Strophen
mit ihrer aufgeregten Rhetorik dem bekannten Weberliede vom J. 1844 rücken.
Aus den Kreisen des von der Soldateska des 30jährigen Krieges gepeinigten Mittel-
standes ist das Lied wohl hervorgegangen; schwerlich aus Soldatenkreisen. W.
kennt auch einen Druck in der Kgl. Bibliothek zu Berlin; Markgraf^-'^) fügt einen
in der Breslauer Stadtbibliothek hinzu. —
Den Vf. des „Wachtelgesanges" von 1621 gegen die „Kipper und Wipper",
Cresc. Steiger, hat Roethe'') hübsch und lebendig charakterisiert. Er vermutet,
dass Steiger ein Obersachse gewesen sei, und dass sich die zahlreichen Anspielungen
auf lokale Verhältnisse des obersächsischen Kreises beziehen. Der Name Valde-
Joachimicus werde nur seine dringende Wertschätzung der alten vollwichtigen
Joachimsthaler ausdrücken. — Den bibliographischen Apparat für Herm. Josemas (des
Jesuiten paters Hammerj „Prädikantenlatein" und die Gegenschriften (vgl. Goedeke,
Grundriss 2. Aufl. 2, S. 287) vervollständigt Bahlmann**). —
Seiner Münchener Dissertation über Moscher osch vom J. 1891 hat Pariser^)
einen Neudruck der „Insomnis Cura Parentum" folgen lassen und sich damit ein
Verdienst um den herrlichen Mann erworben, der in schweren Zeiten seine Kinder mit
dem Bibelwort trösten konnte: „Es ist ein köstlich Ding einem Manne, dass er das
Joch in seiner Jugend trage", dessen sittliche Grösse und Tiefe, dessen ernste und
männliche Frömmigkeit, dessen schriftstellerische Würde und Wucht in diesem wenig
gelesenen Schriftchen wahrhaftig nicht weniger imponierend zu Tage tritt, als in
den vielgelesenen „Gesichten Philanders von Sittewald". Nur hätte P. dem Ab-
druck immerhin noch etwas grössere Sorgfalt schenken können. Es begegnen zu viel
Druckfehler. So ist einmal (S. 69) eine ganze Zeile zweimal gesetzt. P. hätte wohl
auch aus der zweiten Strassburger Ausgabe von 1647 (Aj), die er mit nicht ganz durch-
schlagenden Gründen für einen Nachdruck erklärt, das englische „Traktätlein", das
Moscherosch zu seiner Schrift veranlasste, durch Neudruck zugänglicher machen können.
Dass er das nicht gethan hat, ist um so mehr zu bedauern, als inzwischen das einzige
Exemplar der Ausgabe von 1647, das die Göttinger Universitätsbibliothek besass,
verloren gegangen ist. Auch die „5 Creutz Gebettlein", die Moscherosch der ersten
x\usgabe „zu Gewinnung der vbrigen, sonst verlohrnen blätterlein" angehängt hat,
vermisse ich ungern. — H. Schlosser**^) hat eins davon biographisch verwertet.
Fleissige Lokalforschungen haben diesen zu interessanten Ergebnissen geführt. Er
Heft 3). B., Mayer & Müller. VI, 236 S. M. 7,00. (S. 1-56 auch als Berliner Diss. unter d. Titel: Theatmm Diabolornm.
1. T.) — 6) R. M. Werner, Z. Volkslitt.: VLG. 6, S. 290-300, 433-48. (S. o. m 2:2.) — 6a) (HI 2 : 3.) — 7) G. Boethe,
Cresc. Steiger: ADB. 35, S. 580. — 8) P. Bahlmann, Herm. Josemas (i. e Joh. Hammers) Prädikanten-Latein : CBlBibl.
S. 271/5. — 9) L. Pariser, Insomnis Cura Parentum v. Hans Michel Moscherosch. Abdr. d. 1. Ausg. (1643). (= NDL. N. 108/9.)
Halle a. S., Niemeyer. VIII, 139 S. M. 1,20. — 10) H. Schlosser, Joh. Mich Moscherosch n. d. Burg Geroldseck ini Wasgau:
III 5 : 6-10 V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.
weist nach, dass die Burg", die Moscherosch Geroldseck im Wasg-au nennt und mit
ihrer Umgebung- zum Schauplatz der letzten der sieben „Gesichte Philanders von
Sittewald" g"emacht hat, nicht die g-emeinhin Geroldseck am Wasichen oder im Wasichen
g-enannte Burg- Geroldseck bei Zabern sein soll, sondern Geroldseck an der Saar,
unterhalb von Finsting-en. Moscherosch scheidet („Soldatenleben" S. 792) ausdrücklich
„das gross Elsasische Vorgeburg" „auf Latein Vogesus, auf Frantzösisch Voge, auf
Teutsch Wassigin" (wofür er auch „Wass-Gebürge" sagt) und „das Land so hinder
selbigem Gebürg lig't, biss auff" Weissenburg", „geheyssen das Wassgaw", d. h. ge-
nauer die niederen oder nördlichen Vogesen, von Zabern bis nach Weissenburg,
sowie das westlich daran stossende und bis zur Saar sich erstreckende Hochland.
Er stellt ausdrücklich dem „Geroltz-Eck am Wassigin" die „alte Burg Geroltz-Eck"
im Wasgau gegenüber, „von deren ich diese Gesichte geschrieben". Seh. thut dar,
dass auf Geroldseck an der Saar alles zutrifft, was Moscherosch gelegentlich über
die Lokalitäten fallen lässt. Ein gut Stückchen Selbstbiographie ist in die „Gesichte
Philanders" eingewebt, wie immer deutlicher wird. Herzog Ernst Bogislaw von
Croy und Arschot, bei dem Moscherosch als Amtmann in Diensten stand, war Mit-
besitzer von (jeroldseck. Der Ausgangspunkt jener Wanderung, die Philander (d. i.
Moscherosch) bei Beginn des zweiten Teils der Gesichte unternimmt, um auf den
Berg Parnassus zu gelangen, und die er dann auf Schloss Geroldseck beschliesst,
kann nur Moscheroschs damaliger Aufenthaltsort Finstingen sein. Wenn Philander
sich stellt, als wolle er „nur in die Gärten spatzieren", so ist an die fürstlich Croyschen
Gärten vor der Stadt gedacht. Das Wasser, an dem er hinunterschleicht, ist die Saar.
Der „Bronnen unden am Brudergarten genant" ist die gegenwärtig Muttergottes-
brunnen genannte Quelle bei der Notre Dame de Bon Secours gewidmeten W^allfahrts-
kapelle Brüdergarten. Durch genaue Beschreibung und ein beigegebenes Kärtchen
wird der Weg, den Philander nimmt, klar. Er will ins Köllerthal bei Saarbrücken
und betritt zunächst den oberen Teil des Brüderwaldes, die Wasserscheide zwischen
Isch und Saar überschreitend. Von seiner östlichen Grenze, der heutigen Bezirks-
grenze an, verfolgt er einen „Altweg", nach Seh. einen W^eg, der sich längs der
Bezirksgrenze von der heutigen Strasse Finstingen-Posdorf bis auf den Hirsch-
berg, oberhalb Kirberg erstreckt. Er geht weiter auf der heutigen Strasse nach
Posdorf: denn der „Hohlweg", an dem er plötzlich etliche Reiter erblickt, ist der so-
genannte „Hohlackerweg", der einst Posdorf mit dem 1523 eingegangenen Ort Ohlingen
verband. Wenn die Reiter Philander zwingen, mit ihm „überzwerchs zurück durch
den Wald" auf die Matten zu gehen, so muss er von hier, der jetzigen Wiese Gross-
Eschermatt-Burggraben, Schloss Geroldseck an der Saar erblicken. Was Philander
von dem Innern der Burg berichtet, ist grossenteils Phantasie, doch nicht ohne
alle reale Grundlage. Mit dem mehrfach erwähnten „Burgthurn" muss der W^artturm
von Geroldseck an der Saar gemeint sein : Geroldseck bei Zabern hatte mehrere
Türme. Die Saar fliesst unmittelbar an der Burg vorbei. „Die Sar hienegst bey",
„die Saar alhie" heisst es („Alamode Kehraus" S. 65, 129). Philander steht vom
Tisch auf „hinaus an das Ufer der Saar zu spatzieren"; ein Schiff ist „unden vor der
Burg angelandet" („Hanss hienüber, Ganss herüber" S. 222). Das Echo, das jenseits
des Wassers „nechst bey einem Birnbaum an dem Hübel, rieht gegen dem Schloss
über, unden am Steinsal" aufgesucht wird, ist noch heute vorhanden, allerdings
längst nicht so \vundervoll, wie Moscherosch angiebt. „Steinsal, wo Fried Wolffs
Vater wohnete" ist das nah gelegene Dorf Niederstinzel; und hier war in der That
Christoph Wolfram , der Vater des „frommen , andächtigen , würdigen Friedrich
W^olffram von Steinsall", dem das Gesicht ,, Hanss hienüber, Ganss herüber" in der
Auflage von 1666 gewidmet ist, bis zum J. 1630 Pfarrer. Die Rittersmatt, auf der
im „Weiberlob" ein Turnier stattfindet, ist die heutige Rickerts- oder Rickersmatt.
Seh. versucht auch den Standort der im Gesicht „Thurnier" erwähnten hohen Eiche
im Ischwald zu bestimmen, indem er sie mit der „Drudden-Eiche" identifiziert, die in
der Widmung des ersten Teils der „Gesichte" an Pfalzgraf Karl Gustav genannt wird.
Die von Philander auf seiner Flucht aus Geroldseck besuchte Kirche mit der fingierten
Inschrift „Domus Vasalli" ist deutlich die Kirche des Dorfes Domfessel. Moscherosch
hat Anspielungen auch auf Personen seiner Zeit und Umgebung eingestreut. Erstens
ist, wie erwähnt, Friedwolff eine wirkliche Persönlichkeit, Moscheroschs Schwager,
der Pfarrer Friedrich Wolffram, und Seh. weist nach, dass das Erlebnis, auf das
Philander-Moscherosch anspielt, wenn er erzählt von der ihm und Estacker (d. i. Esther
Ackermann, Moscheroschs erster Frau) ,,von etlichen Jahren hero in der eussersten
Not erwiesener Freundestreue", wahrscheinlich 1632 kurz vor dem Tode der Esther
stattfand. Ferner hat der Satiriker bei dem altgermanischen Helden Kalofelss
nach Sch.s Ermittlungen an den Rittmeister Johann Heinrich von Steinkallenfels
gedacht, der, unter Bernhard von Sachsen-Weimar stehend, den Winter 1636—37 in
Finstingen zubrachte und vermutlich die Besatzung des Orts kommandierte. Dass
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5 : 11-15
mit den drei Feinden, vor denen Philander aus Geroldseck flieht, auf Moscheroschs
eigene Feinde g-estichelt sei, ist läng-st bemerkt, auch dass unter DonUnfallo Daniel
Vog-el verstanden ist. Mit Mutius Jung-fisch dürfte, wenn Seh. das Richtig-e trifft,
Moscheroschs Kollege, der Amtmann des Herzogs von Havre Frangois Thomas, gemeint
sein; Don Thraso Barbaviso könnte Jean de Tepp geheissen haben (wegen Epigr.
III, 41 „in. Schandetepp"). Moscherosch hat endlich auch bei Schilderung der Raub-
züge der ,, löblichen Gesellschaft Moselsar", an denen Philander teilnimmt, eigene
Erlebnisse verwertet. Das „Alt-Stättlein", das der Bande zum Schlupfwinkel dient,
ist Saarbrücken, Venustingen natürlich Finstingen. Der schwarze Amtmann aber,
den die Marodeurs bei der „Ringmatt", das ist dem heutigen „Ring", überfallen und
niederhauen wollen, weil er durch lose Leute namentlich durch Don Unfallo „mit
allerhand auffgedichteten Sachen angegeben gewesen", ist Moscherosch selbst. Auf
Grund des „Gebets in verlust zeitlicher Güter" vom 6. Sept. 1641, das sich im Anhang
der „Insomnis Cura" befindet, verlegt Seh. den Ueberfall auf den 5. Sept. 1641. Zur
Zeit der Abfassung der Gesichte lag Geroldseck, wie Seh. gegen X. Kraus ausführt,
schon in Trümmern. Schwerlich hat Moscherosch in der Burg sein Werk nieder-
geschrieben, sondern zu Finstingen im Salmischen Hause, das dem Schlosse gegen-
überstand. Was er von den alten Helden in Geroldseck erzählt, beruht nicht auf
Volkssage, sondern ist seine Erfindung. —
Einen Nachahmer der „Gesichte Philanders von Sittewald", der sich Veridor
von Stackdorn nennt, hat Roethe^^) in gewissem Sinne erst entdeckt: denn er
war trotz der Erwähnung bei Goedeke und Menzel vorher gänzlich unbeachtet ge-
blieben. R. weist auf das reiche kulturhistorische Material hin, das namentlich im
dritten Teil der „gross angelegten, ekelhaften" Beschreibung des teuflischen Reiches
(Leipzig 1664) stecke. Stackdorns Einkleidung lasse sich aus der reichen Teufels-
litteratur im Bunde mit Moscheroschs „Schergenteufel" und „Höllenkindern" ab-
leiten. —
Einen Beitrag zur Biographie Laurembergs verdanken wir Hof meiste r*^),
nämlich die Mitteilung des Universitätszeugnisses, das Hans Wilmsen Lauremberg
1616 beim Abschied von Rostock durch den Rektor Quistorp erhielt. Dessen enthu-
siastische Lobspriiche sind schwerlich zu überbieten. — Den Ausdruck „Karren
Amme ere flaschen" in Laurembergs Scherzgedichten (II, 106) erläutert Puls '3) in
einem für den vorjährigen Bericht übersehenen Aufsatz durch den Hinweis auf Fischarts
Geschichtklitterung (vgl. NDL. N. 65/7, S. 168)- „Vier Milchflaschen
das ist zwo Säugammen", woraus erhellt, dass Flasche ein scherzhafter Ausdruck
für Brust ist. — Für den Ausdruck „den schnöden fulen Gast" (II, 369), den er (in
JbVNiederdSpr. 5, S. 186) mit „Stank" erläutert hatte, bringt Sprenger ^'*), was auch
schon im vorigen Jahre hätte erwähnt werden sollen, einen Verweis auf Vilmars Kur-
hessisches Idiotikon (S. 116): „Garst bedeutet ursprünglich den Aasgestank, garstig,
stinkend wie Aas", ferner auf Alberus (Dictionarium Bl. n 4 a): ,,Stancar die feule
des Fleisches, g*arstig'keiten". —
Ein Nachahmer Laurembergs und Rachels, Caspar Abel, hat einen anonymen
Verehrer 15) gefunden, der die drei plattdeutschen Satiren „Ein Gespräch vom Frauen-
volk und dem Ehestande", „Ein Gespräch vom Mannvolke und dem Ehestande" und
„Die verkehrte Welt" im J. 1891 in einem geschmackvoll ausgestatteten Neudruck
publiziert hat. Leider ist diese hübsche Ausgabe, wie es scheint, so gut wie gar
nicht beachtet und auch an dieser Stelle seinerzeit übersehen worden. Der Heraus-
geber hat sich aber ein entschiedenes Verdienst erworben, dass er diese in Abels
Boileau-Uebersetzung (1729) ziemlich versteckten Dichtungen bequem zugänglich
gemacht hat. Sie haben keine grosse Tiefe, aber eine leichte Anmut: der Alexandriner
fliesst sanft dahin. Schon den Uebersetzer Boileaus wird man geneigt sein den
deutschen Horazianern Canitz und Neukirch anzureihen; das Muster der horazischen
Sermonen ist auch auf seine eigene Dichtungen nicht ohne Einfluss geblieben. Die
zweite Satire beginnt mit einem „Ibam" („Neulich ging ich an das Dohr in Gedanken
und spatzeren") und geht alsbald in ein munteres Geplauder über. Der Dichter be-
lauscht das Gespräch von Barbe und Suse, zwei betagten Jungfern, über die Männer-
welt. Am flottesten ist die erste Satire mit ihren priamelhaften Partien, ihren ge-
häuften Anaphern. Weil ein längst Verstorbener in populärer Weise ohne jedes
gelehrte Beiwerk Thorheiten geissele, die nicht zum wenigsten heute gegeisselt zu
werden verdienen, sagt die knappe Vorrede, ist diese Edition, die keine wissen-
schaftlichen Ansprüche macht, für ein gebildetes Publikum veranstaltet worden.
BSCMHAlsace. 16, S. 10-83. — 11) G. Koethe. Veridor v. Stackdorn: ADB. 35, S. 777. — 12) A. Hofmeister, Hans Wilmsen
Laurembergs Abgangszeugnis v. d. Univ.: JbbMecHGn. 2, S. 17 8. — 13) A. Puls, Zn Laurembergs Scherzgedichten:
KBlVNiederdSpr. 15, S. 53. — 14) R. Sprenger, Zu Laurembergs Scherzgedichten: ib. 16. S. 39. — 15) Casp. Abel, E. Gespräch v.
Frauenvolck u, d. Ehestande (16961; E.Gespräch vom Mannvolcke u. d. Ehestande (1717); D. T«rVehrte Welt. Drei plattdtsch
III 5 : i5a-2i V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.
Seelmanns Recension, der ich den Hinweis auf die Ausg-abe verdanke, lobt sie
in Bezug" auf Ausstattung- und Korrektheit des Drucks, tadelt aber die Auslassung-en,
die den Wert der Ausg-abe für litterarhistorische Zwecke beeinträchtig-ten. —
In Anlehnung- an diese Niederdeutschen sei erwähnt, dass ein Fluch-
psalm in niederdeutscher Sprache durch Glöde **•"•) in einem Codex entdeckt
wurde, der ein Exemplar der Erstling-e von Schröders Wismarscher Chronik von
1732, 1734 und 1743, sowie eine Schrift zur 500jährigen Jubelfeier der Domkirche
St. Cäcilien zu Güstrow von 1726 enthält. Den Kirchen- und Schuldienern wird
ihr Unterhalt von selten des Fürsten versprochen und angedroht, dass sich der
Seg-en Gottes bei ihnen in Fluch wandeln werde, falls sie ihr Amt ungetreu ver-
walten. Man schreibe ihn, heisst es, „döm Herrn Johanni Theologo" zu, „dass er
ihn verfertiget, und er soll zu Zeiten in den Kirchen gesungen sein." — Tech eni^'>)
verweist dazu auf Bachmanns „Geschichte des evangelischen Kirchengesanges"
(S. 317), Schröders „Evangelisches Mecklenburg" (1, S. 508/9), und G. verspricht eine
weitere Untersuchung. —
Eine ganz äusserliche und schwerlich erschöpfende Zusammenstellung der
Sprichwörter, sprichwörtlichen Redensarten und bildlichen Wendungen bei Abraham
a Sancta Clara hat Lauchert'^) gegeben. —
Walthers (vgl. JBL. 1890 III 5 : 31) Vermutung, G. Schnitze aus der Alt-
mark sei der Vf. von J. P. de Memels „Lustiger Gesellschaft", weist Gerhard i^"')
zurück. —
Am eingehendsten ist diesmal die religiöse Bewegung behandelt worden.
Ein paar biographische Arbeiten seien vorweg erwähnt. Den beiden ehrenfesten
Calvinisten, F. Spanheim dem Vater (1600—49) und F. Spanheim dem Sohn
(1632 — 1701) haben Tschackert'') und Cuno'^) kurze biographische Artikel ge-
widmet. — Eingehender handelt über Barth. Stosch auf Grund umfangreicher
Forschungen Land w ehr ^^). Stosch übte als kurbrandenburgischer Hofprediger
in den J. 1644 — 69 einen Einfluss auf die Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms des
Grossen Kurfürsten aus ; er stammte aus einer ursprünglich lutherischen Familie ; sein Vater
war zur reformierten Kirche übergetreten. Stosch selbst, seit 1646 in engster Beziehung
zur Kurfürstin Luise Henriette, seit 1659 Konsistorialrat, wirkte auch nach L.s
Darstellung im Sinne jener Versöhnungspolitik zwischen Lutheranern und Re-
formierten, bei .welcher die letzteren an Boden gewannen. So ging er dem Ober-
präsidenten Otto von Schwerin an die Hand. L. schildert die Streitigkeiten mit der
lutherischen Geistlichkeit und hat die Bibliotheken Preussens und Deutschlands
nach Schriften von Stosch und seinen Gegnern eifrig durchforscht. Nach dem Tode
der Kurfürstin 1667 und dem Abgang von Schwerin 1669 trat Stosch mehr in den
Hintergrund. — Von späteren Lutheranern hat der um Kirch- und Schulwesen in
Sachsen verdiente, als Prediger hervorragende Dresdener Theolog Val. Ernst
Löscher in dem Pastor Blanckmeister^o) einen etwas superlativisch arbeitenden
Biographen gefunden. —
Die Mystik des Angelus Silesius suchte Mahn^oa^ in ein System zu
bringen. Dem verdienstlichen Werk von Kern gegenüber (1866) rettet er die Ein-
heitlichkeit in Schefflers Denken, die freilich keine widerspruchslose Folgerichtigkeit
im Sinne eines philosophischen Systems ist. Im Gegensatz zu der wohl allgemein
angenommenen Meinung, dass Scheffler eine starke innere Wandlung durchgemacht
habe, vertritt M. die Ansicht, dass die scheinbar verschiedene Denkart im „Cherubini-
schen Wandersmann" einerseits, in der „Heiligen Seelenlust", der „Sinnlichen Be-
schreibung der vier letzten Dinge" und der „Ecclesiologie" andererseits nur auf ver-
schiedener — man kann etwa sagen: esoterischer und exoterischer — Ausdrucksweise
beruhe. Diese Auffassung ist gewiss beachtenswert, wenn auch zu scharf zugespitzt.
Mit Recht erkennt M. in der Betonung des Einsseins mit Gott die schwerwiegendste
Heterodoxie Schefflers, während sich die Vorstellung vom Einswerden mit Gott
lediglich mit der katholischen Lehre in Einklang bringen lässt. Verstand und Gemüt,
darauf glaubt M. das Schwanken bei Scheffler zurückführen zu können, ringen um
die Herrschaft. „Während dieses mit aller Kraft an den grossen Wahrheiten des
Christentums festhält, die von der Kirche und ohne Dogmen getrennt zu denken es
weder vermag noch wagt, strebt jener, unabhängig von kirchlicher Autorität,
schüchtern nur und gleichsam in unbewachten Augenblicken, eigene Pfade freier
Spekulation zu schreiten." Die Engherzigkeit des Protestantismus habe Scheffler zur
Konversion bewogen. Zu wenig geht M. auf die nächsten historischen Voraussetzungen
Satiren. München, Buchholz & Werner. 1891. H, 24 S. M. 1,00. |[W. Seelmann, KBlVNiederdSpr. 15, S. 62/3.]| — 15a) 0. Glöde,
Nlederdtsch. Fluchpsalm: KBlVNiederdSpr. 16, S. 19-20, 54/5. — 15b) F. Techen, Niederdtsch. Flnchpsalm: ib. S. 38.
- 16) (I 5:311.) — 16a) (III 3:10.) — 17) I'. Tschacitert, Fr. Spanheim d. Aeltere: ADB. 35, S. 59-60. — 18) F. W.
Cuno, Fr. Spanheim d. Jüngere: ib. S. 60/1. — 19) H. Landwehr, Barth. Stosch, kurbrandenburg. Hofprediger 1604-86:
FBPG. 6, S. 91-140. — 20) F. El anckrae ister, Aus d. Leben D. Val. E. Löschers: BSächsKG. 8, 8. 330-44. -
20 a) (II j 2:13.t TP- Grfinberg; PLZ. 16, S. 839-40.] | — 21) 0. Funcke, Wer ist e. Pietist?: Gütersloher Jb. 3,
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5 : 22-28
von SchefQers Mystik ein und beschränkt sich auf allg^emeine Bemerkungen. Scheffler
wurzele nicht in Jakob Böhmes Gedankenwelt, sondern sei einer der ersten Ausläufer
der Schule Meister Eckharts; von zeitlich Nahestehenden sei am bestimmendsten
für ihn Weig'el g*ewesen. Frankenberg-s Einfluss wird so g-ut wie g-ar nicht erwog-en.
So kommt er nicht viel über seine Vorg-änger hinaus, wenn er .auch in seiner
systematischen Darstellung- der. Schefflerschen Weltanschauung" manches klarer und
schärfer fasst. Er bedient sich dabei der Kantschen Terminolog-ie : das darf nicht
irre führen. Von festen philosophischen Einsichten kann nicht die Rede sein, und
die These, Scheffler habe sehr deutlich die Unterscheidung- der Erscheinung vom
Ding an sich, birgt zweifellos etwas Richtiges, ist aber zu scharf pointiert. Die Welt
ist meine Vorstellung, lehrt Scheffler nach M.s Ausdrucksweise; Zeit und Ort sind
lediglich Anschauungsformen; unser Erkennen ist nur ein relatives. Die Ewigkeit
weiss nichts von Jahren, Tagen, Stunden. Sie ist da, wo Gott ist, wo freier Raum
und Zeit. In Gott ist alles eins. Gut legt M. klar, wie Scheffler die „verneinende
Beschauung'" anwendet, dasselbe nämlich, was bei Dionysius x\reopagita d-eoloyia
dTTofuTix/;, bei Scotus Erigena „theologia negativa" heisst. Gott ist frei von allen
Prädikaten (die sein Wesen einschränken würden): daher Epigramme, die ihm aller-
hand Eigenschaften absprechen und in dem Paradoxon gipfeln „Gott ist ein lauter
Nichts". Gott ist die Ruhe, frei von Begehren: er hat nicht Willen. Ein schein-
barer Widerspruch entsteht: „Man kaim den höchsten Gott mit allen Namen nennen,
Man kann ihm wiederum nicht einen zuerkennen." Scheffler ist etwas von dem
Gegensatz des diskursiven und intuitiven Denkens aufgegangen. M. citiert (S. 31
Anm.) eine interessante Stelle aus dem „Abgott der Vernunft" über „der Weisen über-
einstimmenden Ausspruch, dass der Mensch nichts könne gedenken noch fassen ohne
Bilder". Was das Verhältnis von Gott zur Welt anlangt, so zeigt M., dass Angel us
Silesius in der Regel die Schöpfung als Emanation auffasst. Aber die Dinge
existieren nicht erst seit der Schöpfung; sie w^aren schon vor dieser in Gott
(„idealiter") vorhanden. Die Frage nach dem Zweck der Welt verwirft Scheffler.
ITnser Leben auf der Erde wird gelegentlich als Abfall von Gott aufgefasst. Ihrem
Wesen nach sind alle Dinge ewig'. Gott und Welt sind eins; Gott ist allenthalben
ganz. Daraus entspriesst eine völlige Gleichschätzung aller Dinge. In seiner Ethik
schwankt Angelus Silesius zwischen einer entschiedenen Freiheitslehre und einem
entschiedenen Determinismus. Das Ziel der Ethik ist die Rückkehr zu Gott, die
„Vergöttung", die durch Liebe oder durch Verneinung des Willens („Gelassenheit",
„Ruhe") erreicht wird. Die Liebe, das Aufgeben der „Ichheit" ist die Quintessenz
aller Tugenden. Gott ist aller „Ichheit" oder „Vielheit" feind. Alle Menschen sollen
in Christi Eines sein. Alle Sonderinteressen sollen schwinden : „je edeler ein Ding,
je mehr ist es gemein," Das höchste Ziel des Lebens ist Willenlosigkeit, die gleich
ist mit völligem Verlorensein in Gott. Sie muss aus der Einsicht in die Nichtigkeit
der Welt entspringen. Ein ausgesprochener Pessimismus durchzieht den „Cherubini-
schen Wandersmann". Die Welt ist „eitel nichts", sittlich ist sie schlecht, ihr Thun
ein Trauerspiel. Wir müssen uns selbst absterben. Zuweilen wird deutlich auf
Askese hingewiesen. Keuschheit, Demut, Armut werden empfohlen. Die Armut ist
ein geistiger Zustand; auch ein Kaiser kann (geistig') arm sein. Die Abtötung des
Willens muss so weit gehen, dass wir auch nach Gott nicht mehr Verlangen tragen.
Dass sich im „Cherubinischen Wandersmann" Sprüche mit protestantischer Färbung
finden, erklärt M. für unzutreffend; wohl aber giebt es solche mit entschieden anti-
protestantischer Tendenz. Zu bedauern ist, dass M. nicht für seine Arbeit die
Originalausgabe zu Rate gezogen hat; noch viel mehr, dass er die weiteren Schriften
Schefflers nicht genügend benutzt hat. —
Sorgsam wird die pietistische Bewegung erforscht. ,,Wer ist ein Pietist?",
diese ganz allgemeine Frage stellt sich Funcke-^). Er knüpft an die Verse
an, mit denen Joachim Feller, der Vf. des „Andächtigen Studenten", die Orthodoxie
angriff und den Begriff des Pietisten definierte: „Der Gottes W^ort studiert. Und
nach demselben auch ein heilig Leben führt". Im wesentlichen giebt er eine populäre
Darstellung von Speners und Franckes Wirken, die sich ganz an der Oberfläche hält
und auch die nötige Stimmung mit äusserlichen Mitteln wie der reichlich ein-
gestreuten Exklamation „Ach!" zu erzielen sucht. Am Schlüsse bricht allerdings
ehrliche Empfindung durch. F. macht für den Verfall des Pietismus verantwortlich:
1. die Verachtung der Kirche, 2. den sogenannten Terminismus, 3. die Uebertrieben-
heit und Macherei auf geistlichem Gebiete, 4. den Busskampf, 5. den Streit über die
Adiaphora. —
Eine reichhaltige wissenschaftliche Arbeit über den Pietismus ist die S pener-
Biographie von Grünberg-2). Im ersten Buch ist die Zeit Speners dargestellt. An
S. 95-129. - 22) (UI 1 : 90.) |[L. Loesche: DLZ. S. 1646; LCBl. S. 304/5; R. Albert: ThLBl. 15, S. 391.]! — 23) P.
Jahresberichte für neuere deutsche Littcraturgeschichte. lY. (^)5
III 5:23 V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.
die Arbeiten Tholucks knüpft G. in erster Linie an. Verständig- erwäg-t er die
Gründe für die Erstarrung- des Luthertums zur Pastoralkirche. Das innerste Mark
des religiösen Lebens im 17. Jh. legt seine Darstellung wohl nicht blt)ss; doch be-
rührt er wichtige Punkte und zeigt, wie die kirchliche Verfassung Obrigkeit und
Geistlichkeit zusammenwirken liess, ohne dem Volk Anteil am kirchlichen Leben zu
verstatten, wie der g-eistliche Stand sich aus plebejischen Kreisen rekrutierte, wie das
Schul- und Unterrichtswesen mit seinem Fanatismus und Schematismus weder auf
Gymnasium noch auf Universität geeignet war, für den geistlichen Stand vorzubereiten
(so dass z. B. die theolog-ische Moral erst in der zweiten Hälfte des Jh. allmählich in
den akademischen Lehrkreis trat), wie in der Lehre, im g-ottesdienstlichen und kirch-
lichen, relig-iösen und sittlichen Leben allerhand Schäden zu Tage treten. In Ritschis
„Geschichte des Pietismus" wird das Luthertum freilich schärfer und tiefgehender
g-eprüft. Was bemerkt wird über das Ueberwiegen des Lehrinteresses in der luthe-
rischen Kirche um die Mitte des 17. Jh. und die juridische Betrachtung der Kirchen-
lehre mit Bezug auf den nur der Augsburg-er Konfession zugestandenen Religions-
frieden, ist gewiss richtig; aber den Gründen dafür ist der Vf. nicht nachgegangen.
Treffend werden nun als Folgeerscheinungen hervorgehoben: die übermässige Aus-
dehnung der Polemik, die ins Subtile sich versteigende neue Scholastik, die Zurück-
drängung des Laien Clements und die Ausbildung der Kirche zu einer Theologenkirche, die
Ueberschätzung der Lehrtradition und theologischer Autoritäten, die krankhafteKetzer-
sucherei und Ketzermacherei. G. hält für nötig daran zu erinnern, dass es sich bei den
UnvoUkommenheiten der kirchlichen Lehre jener Zeit um Probleme handelt, welche trotz
des Fortschritts der dogmatischen und theologischen Arbeit noch zur Stunde keineswegs
gelöst seien. Zugestanden wird, dass schon Luther im Gottesdienst das didaktische
und pädagogische Element in bedenklicher und missverständlicher Weise in den
Vordergrund gestellt habe, hervorgehoben, dass der Glaube an die objektive Kraft
des Sakraments stark ausgebildet war, und schliesslich weiter daran erinnert,
wie sehr die Auffassung der Kirche als eines Zuchtinstitutes das religiöse Leben
schädigte. Ueber die herrschende Verquickung des bürgerlichen und kirchlichen
Wesens fällt gelegentlich ein ganz treffendes Wort. G. spricht von dem „einseitigen
kirchlichen Optimismus", der dazu verleitete, „Kirche und Religion als ein Fach für
sich anzusehen und zu pflegen". Einzelne Laster wie die Trunksucht werden für
die Schwächen des sittlichen Lebens über Gebühr verantwortlich gemacht, das frische
Emporkommen eines frivolen Atheismus und Skeptizismus dagegen schärfer vielleicht
als anderwärts betont. Wie die Deutschen dazu kamen auch ihrerseits den für das
17. Jh. so charakteristischen Typus derer auszubilden, die sich selbst als „Weltleute" fühlten,
hätte feinsinniger abgeleitet werden können. Sehr anerkennenswert ist es immer,
wenn einmal ein protestantischer Theologe energisch betont, dass das 17. Jh. eine
Art Blütezeit der katholischen Theologie ist — „zwar nicht in Deutschland", setzt
G. vorsichtig hinzu, „aber in den romanischen Ländern". Wohlthuend ist anderer-
seits gegenüber der landläufigen oberflächlichen Beurteilung des Verhältnisses von
Luthertum und Kalvinismus, dass unter den Gründen für den anticalvinistischen Eifer
auch die Abneigung gegen „den rationalistischen Zug" genannt wird „den man im
Kalvinismus witterte und dem gegenüber man das Mysterium des Glaubens um so
energischer verteidigen zu müssen glaubte". In der Reaktion gegen die Pastoral-
kirche unterscheidet G. vier Grundrichtungen, eine mystische Reaktion, die er an
die Namen Prätorius, Weigel, Böhmer, Arnd, Hohburg knüpft, eine praktische mit
Meisner, J. V. Andrea, Schupp, Grossgebauer als Hauptvertretern, eine im engeren
Sinne theologische, die Umbildung der kirchlichen Lehre anstrebende, am aus-
gesprochensten in Calixt, und eine Reaktion der persönlichen Frömmigkeit innerhalb
der Orthodoxie, vertreten durch Männer wie Herberger, Lüttkemann, Müller, Scriver.
Ueber die Gruppierung lässt sich streiten. Im ganzen werden an die neunzig „Vor-
pietisten" namhaft gemacht. Die Charakteristik ist etwas ungleich ausgefallen und
wird gelegentlich zur blossen Aufzählung. Bei Moscherosch findet man z. B. einen
dürren Verweis auf die Litteraturgeschichten und die Erwähnung der „Gesichte
Philanders von Sittewald", während der Vf. die „Insomnis cura" offenbar nicht
kennt. Gerade Moscherosch aber wäre in einer Spener-Biographie als Landsmann
Speners besonders zu berücksichtigen gewesen, weil zum Teil dieselben Persönlich-
keiten auf jenen einwirkten wie auf diesen, so Joh. Schmidt in Strassburg, und weil
Moscherosch Belesenheit in denselben Erbauungsschriften zeigt, die auch die Lektüre
des jungen Spener bildeten: Arnds „Wahres Christentum", Dykes „Nosce te ipsum",
Sonthomes „Güldenes Kleinod", Baylys „Praxis pietatis". Der Einfluss der englischen
Erbauungslitteratur auf die elsässischen Lutheraner hätte sich schärfer formulieren
lassen. Sollte nicht überhaupt für den Einfluss Englands auf die pietistische Be-
wegung sich noch manches beibringen lassen? Für die Lebensbeschreibung Speners
hat G. neues Material nicht herbeigeschaff't, aber das bereitliegende und zum Teil
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. TU 5 : 24-31
von seinen Vorg-äng-ern benutzte seinerseits in, wie es scheint, erschöpfender Weise
durchg-earbeitet. Vor allen Ding-en hat er Speners und seiner Geg-ner Schriften ein-
g-ehend studiert. Speners Geg-ner charakterisiert er aus ihren Schriften. Als der
heimtückischste und unsympathischste erscheint der Leipziger Carpzow, als der un-
fähig-ste und albernste Deutschmann, als der anständig-ste und bescheidenste Alberti.
Pfeiffers Scharfsinn wird anerkannt, Schelwig- lernen wir als erbitterten Pedanten
kennen. Für seinen Helden bemüht sich der Vf. Licht und Schatten g-erecht zu
verteilen. Er verschweig-t Speners Schwächen keinesweg-s, seine mehrfach hervor-
tretende Unentschiedenheit, seinen mangelnden Erkenntnisdrang-, der sich z. B. darin
kundgiebt, dass er Arnolds Ketzergeschichte ungelesen lässt, seine schwächliche
Neutralitätspolitik als Parteioberhaupt in Berlin, Auswüchse seines moralischen
Rigorismus. Dass in der Bittschrift um Abstellung der Schauspiele in Berlin (1703)
ganz besonders auf das Aergernis „durch die reizenden Liebesgeschichten und die
lästerliche Abschwörung Gottes an den bösen Feind in dem beliebten Doktor Faust"
hingewiesen wird (Geppert, Chronik von Berlin 1, S, 391), scheint von den Faust-
forschern bisher nicht notiert zusein. Weniger glücklich ist es, wenn G., nachdem er
in einem besonderen Buch die Theologie Speners zusammenfassend geschildert und
sein Verhältnis sowohl zur lutherischen Orthodoxie als zu fremden Konfessionen und
Sekten eingehend erörtert hat, seine Ergebnisse zusammenfasst und Speners geistigen
Gehalt auf die Formel bringt: „Spener ist religiöser Realist, religiöser Subjektivist,
und religiöser Moralist." Unter den Recensenten, die meist sehr anerkennend urteilen,
bemängelt Lösche, dass die hs. Briefschätze Speners nach des Vf. eigenem Ein-
geständnis nicht genügend herangezogen sind. — Neben Grünbergs erschöpfender
Darstellung müssen die übrigen Spenerbiographien zurücktreten. Tsc hack er t^S)
hebt in seiner Darstellung hervor, dass Labadies Einfluss auf Spener neuerdings
unterschätzt werde (Ritschi bestritt ihn sehr energisch). Speners „evangelischer Mannes-
mut" wird wohl etwas zu stark accentuiert. — Walrond24j hat in seinem populären
Schriftchen, so scheint es, Grünbergs Werk schon benützen können, hält sich aber,
ohne irgendwie Neues zu bringen, in seinem Urteil selbständig. Auch er bemerkt
gelegentlich Speners „weakness", und dass er im Gegensatz zu dem steifen Doktrinarismus
die intellektuelle Seite des theologischen Studiums zu wenig beachtet habe. — Pfarrer
Rade 25) erklärt in der Vorrede seiner populären Behandlung von Speners Frank-
furter Zeit selbst, dass er von Grünberg abhängig ist. —
Unter die Vorläufer Speners gehört J. Arnds Schüler und Freund J o h.
Gerhardt. Ein Vortrag vom Pfarrer Ferd. Schmidt^S) schildert panegyrisch die
Heldburger Zeit. Von dem wenig beachteten, auch von Grünberg nicht erwähnten,
allerdings kürzlich durch eine Uebersetzung verbreiteten, „Enchiridion consolatorium"
wird gesagt, „dass die christliche Kirche ein herrlicheres Trostbuch nicht hervor-
gebracht hat bis auf den heutigen Tag". —
Speners älteren Freund Chrn. Scriver hat zuletzt Carstens 2') biographisch
behandelt und namentlich „Gottholds zufällige Andachten" analysiert. Was ein
Zeituno-saufsatz D i 1 1 m a r s 2^) anlässlich seines 200jährigen Todestages über ihn
bietet, ist nichts als ein Auszug aus dieser Darstellung. — Erfreulicher ist, dass der
Gedenktag eine modernisierte Ausgabe von „Gottholds zufälligen Andachten" ver-
anlasst hat, die K ob er 2-') besorgte.^«) —
Dass Spener sichtlich viel von Labadie gelernt hat, wird auch in der die
Thätigkeit Jean de Labadies und Zinzendorfs in Parallele stellenden Abhandlung
von Bajorath^^) betont. Beider Frömmigkeit ist die innige Versenkung in Jesus; doch
ist das Ideal der Christusgemeinschaft bei dem ehemalig"en Jesuitenschüler ein
anderes als bei dem Zögling der Halleschen Pietisten. Aus einer fünfjährigen fort-
gesetzten Betrachtung des unendlichen Gottes entspringt bei Zinzendorf die Einsicht,
dass „das Wesen, was kein Auge schaut", sich in ,,Jesu, dem geringen Kinde" einen
Leib erschaffen hat als konkrete Erscheinung seiner Liebe ; Labadies Mystik ent-
springt von vornherein der Sehnsucht nach einem Lebensideal. Beide versuchen
anfangs durch ecclesiolae in ecclesia zu reformieren. Labadie wurde zwar gezwungen
zum Kalvinismus überzutreten, durchbrach dann aber ohne äusseren Zwang aus
eigener Initiative auch die Schranken der reformierten Kirche ; Zinzendorf dagegen
fühlte sich nicht zur Absonderung gedrängt, sondern kam erst nachträglich zum
Bewusstsein des Gegensatzes der von ihm geschaffenen Gemeinde gegen die luthe-
Tschackert, Ph. J. Spener: ADB, 35. S. 102-15. — 24) F. F.Wal rond, Ph. J. Spener. London, Soc. for promoting Christian Know-
ledge. 128 S. Sh. 2. — 25) M. Rade, Spener in Frankfurt. Z. Besten e. Spener-Gedenktafel in d. Paulskirche zu Frankfurt a.M. Frank-
furt a. M. (K.Brechert).32S. M.1,00. |(J. Scheuffler: ThLBl. 14, S. 201.]| - 26) Ferd. S c h m i d t , Joh. Gerhardt in Heldburg.
Vortr. (AusSVMeiningenGLK. Heftie.) Meiningen, Eye. 56 S. M.1,00.— 27) C. E. Carstens, Chrn. Scriver: ADB, 33, S. 489-92. —
28) M. Ü[ittraar], Z. Erinnerung an Chrn. Scriver: MagdZg". S. 114,5. — 29j Gottholds Zufällige Andachten oder Erhauliche Reden
T. M. Christian Scriver auf jeden Tag des Jahres geordnet. Durchges. neue Aufl. mit kurzem Lebensabriss Scrivers v. J. K o b e r. Basel,
Jaeger&Kober. (C. F. Spittlers Nachf) XVI, 366 S. M. 1,60. |[ThLBl. 15, S. 407.]| — 30) X K. Knoke, II. Beck, D. relig.
Volkslitt. d. evang. Kirche. (Vgl. .JBI-. 1891 II 7:30): TbLBl. 14, S. 283. — 31) M. Bajorath, Jean de Labadies Separations-
(3)5*
III 5:32-41 V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts,
rische Kirche. Er war tolerant in Bezug- auf die Staatskirche, während Labadie
intolerant war. Reiche Phantasie, plastische Anschauung-skraft, machtvolles Gefühl,
das nicht g-anz frei von Sinnlichkeit ist. ein fester Wille, ein sieg-esg-ewisses Gottes-
und Selbstvertrauen sind beiden eigen. Labadie separierte sich von der Landeskirche
und gTÜndete eine Gemeinde, Zinzendorf hatte eine Gemeinde geg-ründet oder um-
gestaltet, als er in einen gewissen Gegensatz zur lutherischen Landeskirche trat.
Labadie betrachtete als das wesentliche Kennzeichen der Wiedergeburt christliche
Lebenspraxis, Zinzendorf die Jesusliebe. Beide nehmen Einwirkung Gottes auf das
Thun der Menschen an. Zinzendorfs Anhänger suchen Proselyten zu machen, Labadies
weniger. AehnlicheAnsichten hegen beidein Bezug aufEheundKindertaufe, abweichende
in Bezug auf Kirchenzucht. Beide suchen das christliche Leben auf Erden zu fördern,
dringen nicht lediglich auf ein Absterben für die Welt. Beide treiben äussere
Mission. — lieber Zinzendorfs Bestrebungen auf diesem Gebiete handelt wiederum
Roy '^'^), indem er seinen früheren Aufsatz (vgl. JBL. 1892 III 5 : 27) jetzt auch in
einem erweiterten Sonderabzug publiziert hat. — Dechent^^) schildert die Be-
mühimgen des Grafen Zinzendorf, in Frankfurt eine Brüdergemeinde zu gründen,
auf Grund von Akten des Frankfurter Archivs, die zum Teil schon der Frankfurter
Senior Fresenius in seinen „Nachrichten von Herrnhutischen Sachen" (1746—51)
und Bischof Spangenberg in seiner Biographie Zinzendorfs benutzt hatten. Es ist
die Erweiterung eines Vortrags, über den auf Grund eines Berichts der „Didaskalia"
J. Elias schon früher an dieser Stelle referiert hat (JBL. 1891 III 5:2). Von ihm
ist alles Wesentliche berührt. Das Leben und Treiben der Erweckten namentlich
in den J. 1736 — 38 tritt nun durch die ausführlichen Berichte über die Verhandlungen
vor dem Konsistorium lebhafter hervor. Die Persönlichkeiten des Schusters Schick, mit
dem noch Susanna von Klettenberg 1767 korrespondiert hat, und des Perücken-
machers Biefer treten jetzt klarer heraus. Flüchtig geht D. auf die aus den „Bekennt-
nissen einer schönen Seele" bekannten Anfeindungen der Pietisten durch den Senior
Fresenius seit 1748 ein. —
Der „schönen Seele" selbst gilt dann eine Publikation von Erich
Schmidt^*). Der Vf. kann aus der als Hs. gedruckten Stolberg-Plessschen Familien-
korrespondenz schöpfen und bringt insbesondere Mitteilungen über die Beziehungen
zu Lavater und über den Tod des Fräulein von Klettenberg, die grösstenteils von
Auguste Friederike von Ysenburg- Büdingen herrühren. -^^j — Seinem grösseren
Werk über den herrnhutischen Bischof A. G. Spangenberg vom J. 1846 hat
Ledderhose "^^) nunmehr eine kürzere biographische Skizze folgen lassen. —
Als Stifter schwäbischer ecclesiolae in ecclesia, die noch heute bestehen, ist
Michael Hahn — der Altdorfer „Michele" — bekannt, dem die Litteraturgeschichte
auch als Dichter geistlicher Lieder ein bescheidenes Plätzchen einzuräumen hat. Das
Buch, das ihm Staudenmeyer^ß) gewidmet hat, ist keine Biographie, wie der Titel
vermuten lassen könnte, sondern eine Anklageschrift und ein Verdammungsurteil.
Nach dem „göttlichen Wort", d. h. nach den traditionellen Anschauungen der luthe-
rischen Orthodoxie werden Leben und Lehren Hahns beurteilt, und vor dem Tribunal
des Pfarrers von Wilferdingen, der freilich in all seiner naiven Ungerechtigkeit doch
mehr den Eindruck eines schwäbischen Dickschädels als eines fanatischen Ketzer-
richters macht, rückt der harmlose Schwärmer in bedenkliche Nachbarschaft mit
Türken und Anabaptisten. —
Für die Kenntnis des wissenschaftlichen Lebens im 17. Jh. sind wir sehr auf
Einzelarbeiten angewiesen. Zu einer Galerie von Gelehrten porträts vereinigen sich
leicht die biographischen Aufsätze, die grösstenteils dem Fortschreiten der ADB,
ihre Entstehung verdanken. Von Historikern hat der Graubündner Fortuna t
Sprecher von Bernegg (1585—1647) in von Jecklin^''), der steirische Genealog,
Frhr. von und zu Stadl (1678-1717) in Ilwof^«), der jüngere Jak. K. Spener,
der Sohn des berühmten Pietisten, in Landsberg^^) einen Biographen gefunden. —
Trefflich ist die Persönlichkeit des als Historiker verdienten Jenenser Bibliothekars
B. G. Struve (1671—1738), der in Günthers „Lebensskizzen der Professoren der
Universität Jena" (1858) zuletzt eine knappe biographische Behandlung erfahren
hatte, von Mitzschke***) herausgearbeitet worden. Die Unordnung der Jugend, der
lebhafte Ehrgeiz vorwärts zu kommen, die alchymistischen Versuche, die schweren
gemeinde u. Zinzendorfs Bruder- Unität. B. Vergleich: ThStK. 66, S. 125-66. — 32) H. Bo y , Zinzendorfs Anweisungen f&r d. Missions-
arbeit. Erweit. u. verb. Abdr. aus AMZ. Gütersloh, Bertelsmann. 34 S. M. 0,50. |[ThLBl. 15, S. 190.1| - 33) (111 1 : 91.) — 34) Erich
Schmidt, D. schöne Seele: VLCx. 6, S. 592/7. — 35) K. F. Ledderhose, A. G. Spangenberg: ADB. 35, S. 33/7. — 36) H.
Staudenmey er , Mich. Hahn. Sein Leben u. seine Lehre im Lichte d, göttlichen Wortes. Wilferdingen, Selbtetverl. (Karls-
ruhe, Keiff.) 11, 169 S. M. 1,50. ||ThLBl. 14, S. 403.]| — 37j P. v. Jecklin, Fortnnat Sprecher v. Bernegg: ADB. 35,
S. 279-81. - 38) F. llwof, F. L. W. Freiherr v. n. zu Stadl: ib. S. 376/8. — 39) E. Landsberg, Jak. K. Spener: ib.
S. 101,2. - 40) MitzschVe, BnrVh, Gotth. Strnve: ib. 36, S. 671/6. — 41) F. Koldewey, .Toh .lalc. Stfibel: ib. S. 704. —
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5 : 42-50
Schicksalsschläg-e, die religiöse Einkehr und Umkehr, die innerliche Ruhe und Be-
friedigung- in der Arbeit sind in hübschen organischen Zusammenhang gebracht,
so dass sich diese Darstellung vorteilhaft von den anderen in unserem Zeitraum unter-
scheidet. — Wie viel weniger hat es z. B. Koldewey '**"43) verstanden, die beiden
Brüder, denNeisser Rektor Joh. Jak. S tu bei, den Schüler und Herausgeber Buchners,
und den als Schulmann bedeutenden Konrektor der Leipziger Thomasschule Aug.
S tu bei lebendig werden zu lassen. Für den Wittenberger Professor Poeseos
Strunz macht er lediglich darauf aufmerksam, dass die Schriftverzeichnisse von
Jöcher und Zedier sehr der Berichtigung bedürfen. ^4) —
Th. G. Spitzel wird von T seh ack ert*^) als „lutherischer Geistlicher und
Polyhistor" erwähnt. T. erkennt relativen Wert nur seinen litteraturgeschichtlichen
Werken zu. Sollte sich z. B. aus dem „Augsburgischen Seelengarten" gar nichts zur
Charakteristik seines Vf. gewinnen lassen? — Die Juristen Speidel und Friedr.
Gottl. Struve hat von Eisenhart^^'^^a^ behandelt. — Zu erwähnen ist weiterhin,
dass die Selbstbiographie des als Prediger und Geschichtsschreiber bekannten J, L.
Hocker durch Chrn. Meyer*'') zum Abdruck gebracht wurde. Sie ist interessant
durch die Kriegs- und Reiseerlebnisse in den Niedei'landen während des Spanischen
Erbfolgekriegs und die Erfahrungen im Beruf, z. B. bei Hexenprozessen. Hocker
weiss gut zu erzählen und erscheint uns als ein kluger und aufgeweckter Mann, als
massvolle, wenn auch nicht gerade imponierende Persönlichkeit. Besonderer Mut
gehörte nicht zu seinen hervorragendsten Eigenschaften, wie ein Geschichtchen aus
der Belagerung von Kaiserswerth darthut. Mit ergötzlicher Naivität glaubt er überall
die specielle Fürsorge Gottes für sein kostbares Leben zu erkennen und bereut,
unbekümmert um das Gelächter des Erbprinzen von Kassel über seine furchtsame
Figur, ernstlich den Fürwitz, der ihn veranlasst hat, sich für einen Moment in der
Nähe der Durchlaucht den feindlichen Bomben auszusetzen. Für die seelische Grösse
des atheistischen Offiziers, der auf den Tod verwundet sich bei seinen Bekehrungs-
versuchen unwillig gegen die Wand wendet, um als ein Unbesiegter sein junges Leben
auszuhauchen, hat dieser Mann nur einen frommen theologischen Schauder übrig. —
Lebhaft regt sich neuerdings das Interesse für Pädagogik, Bildungs- und
Unterrichtstendenzen im 17. und 18. Jh. Eine Inhaltsgabe von Morhofs „Poly-
histor" giebt, angeregt durch Willmanns „Didaktik", Eymer^s) in einer jener be-
quemen Programmabhandlungen, in denen fortwährend über Platzmangel geklagt,
der vorhandene Platz aber keineswegs durch präzise Darstellung ausgenutzt wird.
Dass bereits vor ihm von Liliencron das Werk in der ADB. analysiert hat, ist ihm
entgangen. — Die pädagogischen Reformgedanken in den deutschen moralischen
W'ochenschriften des 18. Jh. stellt Lehman n^O) zu einer Mosaik ziisammen. Er
hat den „Patrioten", die „Vernünftigen Tadlerinnen", die „Disöourse der Mahlern", den
„Einsiedler", den „Eremiten", den „Jüngling" u. a. excerpiert. Dass unsere Kenntnis der
Anschauungendes vorigen Jh. dadurch wesentlich vertieft werde, kann ich nicht finden.
Die Aufklärung in ihrer ganzen redseligen Breite und Seichtheit passiert Revue,
wenn wir hören, wie den Eltern die Notwendigkeit und Wichtigkeit einer sorgfältigen
Erziehung eingeschärft wird, wie sie auf die Pflicht aufmerksam gemacht werden,
Kinder nicht fremden Personen anzuvertrauen, oder wie sie hingewiesen werden
auf die gewöhnlichsten Fehler in der Erziehung und ihre Folgen usw. Ueber die
Vorteile der öffentlichen oder Privat-Erziehung wird diskutiert, über die Stellung
des Hofmeisters, über Universitätsreformen. Beachtenswerter ist, dass schon die Frage
auftaucht (z. B. im „Eremiten"), ob nicht die Einflüsse der Erziehung überechätzt
werden. Dass Gottsched für höhere Mädchenbildung eintrat, ist bekannt ; weniger
vielleicht, dass gleichzeitig auch der „Hamburger Patriot" die Gründung einer
Frauenakademie befürwortete. Einige charakteristische Anekdoten sind ausgehoben,
so die Schilderung des Besuchs in einer wohlbestellten Schule im 28. Stück des
„Hofmeisters" (S. 35), ferner Musterbeispiele für den Unterricht, wie die Anweisung
zum Religionsunterricht aus dem 63. Stücke des „Greises" (S. 56). Als sociale,
patriotische und pädagogische Reformschriften des Bürgerstandes feiert L. zum
Schluss die moralischen Wochenschriften, glaubt die Litterarhistoriker vor schiefen
Urteilen warnen zu müssen und findet in Geliert die ganze Richtung auf ihrem
Höhepunkte^"). —
Gering ist diesmal die Ernte für die Erforschung der Leibniz-W^olffschen
Philosophie. Von den Recensenten, die Koppehls Schrift über Leibniz und Thomas
42) id., A. Stnbel: ib. S. 702 4. — 43) id, F. Strunz: ib. S. 669-70. — 44) X C. Siegf rie d, S. G. Starcke: ib. 3.5, S. 467. -
45) P. TschiicVert, Th. G. Spitzel: ib. S. 221,2. - 46) A. v. Eisenhart, J. J. Speidel: ib. S. 96 7. — 46a) id., Fr.
Gottl. Struye: ib. .^6, S. 676. — 47) Chrn. Meyer, Aus d. Lebensgang e. cvangcl. Gelehrten n. Geistlichen. Nach eigen-
händ. Aufzeichnungen: ZDKG. 3, S. 339-54, 4-28-48, 488-521. - 48) W. Eymer, D. G. Morhof n. sein Polyhistor. Progr.
Budweis. 38 S. - 49) (Hl 6:250) [[G. Oe.: liZg". N. 144.]| — 50) X 0. Lehmann, D. Kulturaufg. d. moraL Wochenschr-
III 5 : 51-61 V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.
Aquinas (vgl. JBL.1892 III5: 18)g'efundenhat^i),sprichtsichSiebertamg'ünstig-stenaus.
Er sieht einen historischen Zusammenhang- zwischen Thomas und Leibniz als bewiesen
an, bemerkt aber ergänzend, dass innerhalb des augenscheinlich thomistischenGedanken-
gewebes ein entschieden scotistischor Einschlag sich geltend mache, auf den auch
Windelband „Geschichte der Philosophie" (Freiburg 1892, S. 335, 387) hingewiesen
habe. Im Sinne der scotistischen Metaphysik sei es, wenn bei Leibniz die „Kontingenz"
aller Dinge in der Welt überhaupt auf den Willen Gottes zurückgeführt werde ; in
der Richtung der thomistischen dagegen liege die Bestimmung, dass in der Wahl
unter den verschiedenen möglichen Welten der göttliche Wille an den göttlichen
Verstand, d. h. an die in ihm liegenden „ewigen Wahrheiten", gebunden sei, mithin auch
in Gott der Wille nicht über, sondern unter dem Intellekt stehe. Will mann da-
gegen glaubt zu erkennen, dass der Vf. über die Aussenwerke der thomistischen
Philosophie nicht weit hinausgekommen ist, findet es verkehrt, dass Thomas als Rationalist
bezeichnet und ihm eine Abschwächung des Gegensatzes zwischen Gut und Böse zu-
geschoben werde. — In die neue Bearbeitung seiner Mitteilungen aus den „Manuscripta
juridica Leibnitiana" in Hannover hat Mollat^^j Proben aus dem „Novum systema
juris" aufgenommen. Wiedereingefügt ist aus der ersten Auflage die Skizze
„Axiomes ou principes du droit", die in der zweiten Auflage fortgeblieben war. —
Hartmanns Schrift über Leibniz als Jurist (vgl. JBL. 1892 III 5:19) hat warme, ja
zum Teil enthusiastische Beurteilungen gefunden^^^. Frank vermisst nur eine
schärfere Präzisierung der Stellung von Leibniz zu seinen Vorgängern und Nach-
folgern und behauptet, die spätere deutsche Rechtsphilosophie, namentlich die der
Wolffschen Schule sei abhängig von Leibniz, dem jüngeren, dem Scholastiker, nicht
von dem reifen Ijeibniz, dem freien Denker. •'''*"^^) —
Hand in Hand mit der Zunahme der philosophischen Bildung gehen die
Reform bestrebungen Gottscheds und der Seinen, sowie der Schweizer. Die
Specialforschung über Gott s che d selbst vertreten diesmal nur Recensionen früherer
Schriften von J. Reicke über die Lehrjahre (vgl. JBL. 1892 III 5 : 29)^") und von
P. Fischer über seinen Kampf mit den Schweizern (vgl. JBL. 1892 III 5 : 28)^"). —
Gottsched wird man immer am besten verstehen, wenn man sich seine philo-
sophischen Anfänge gegenwärtig' hält. Wie der Gegensatz zwischen lutherischer
Orthodoxie und Pietismus hinübergreift in den Gegensatz zwischen rationalistischer
Philosophie und Pietismus, ist aus Danzels „Gottsched" bekannt. Durch das Werk
über die deutsche Gesellschaft in Königsberg von Kr au se^*) erhalten wir
einen Einblick in die Kämpfe, die in Gottscheds Vaterstadt ausgefochten wurden
zwischen Gottscheds Lehrer, dem orthodoxen Hofpredi'ger Quandt und dem Pietisten
Professor Franz Albert Schulz, dem Lehrer von Knutzen und Kant. Wir sehen den
jüngeren Gottschedianer Coelestin Chrn. Flottwell in den Kampf eingreifen, Gottsched
aus der Ferne Anteil nehmen. Frau Gottscheds „Pietisterey im Fischbein-Rock"
rückt, wenn der Anschein nicht trügt, in eine neue eigenartige Beleuchtung. Es ist
der Kampf zwischen den Wirkungen der geistlichen Kanzelberedsamkeit und
denen des intimeren Verkehrs von Seelsorger und Pfarrkindern, der in eigen-
artiger Weise in die Litteraturgeschichte hineinspielt. Man erkennt, welche Be-
deutung Gottscheds Redegesellschaften dabei gewinnen; übersendet doch z. B.,
was Danzel erwähnt, aber nicht ins rechte Licht rückt, 1753 Lessings späterer
Gegner J. M. Goeze Gottsched eine Leichenpredigt mit sicherlich aufrichtigen
Schmeicheleien über seine Regeln und schätzbaren Muster. Bei Friedrichs IL
Regierungsantritt triumphiert die W^olffsche Philosophie und durch sie auch die
Orthodoxie! Gottscheds Beziehungen zu Kanzelrednern wie Mosheim wird man künftig
auf diesen Punkt hin näher zu betrachten haben. Für die Königsberger deutsche
Gesellschaft legt dann K. weiterhin — und das ist das eigentliche Thema seiner
Arbeit — das Verhältnis zu Gottsched klar. Er giebt eine Lebensskizze und gute
Charakteristik ihres Stifters, des Professors Eloquentiae Flottwell, dessen Treue und
Anhänglichkeit an Gottsched auch in den Zeiten des beginnenden Niederganges
d. 18. ,Ih : LZgii. n. 42. — 51) H. Siebert: ThLZ. 18, S. 4045; 0. Willraann: ÖLBl. 2, 8. 293,5; Drng.: LCBl. S. 972;
L. Ratus: ThLßl. 14. S. 281,2. — 52) G. Mollat, Mitteilungen ans Leibnizens ungedr. Schriften. Nene Bearb. L., Uaessel.
VII, 140 S, M. 2,40. - 53) R. Frank: DLZ. S. 2467; G. Pfizer: AZgU. N. 40; G. Mollat: MhComeninsG. 2, S. 812. -
54) O X La Monadologie de Leibniz. Publiee d'apres les mss. de la bibl. de Ilanovre, avec introd., notes et supplem., par
H. Lachelier. 3. ed. Paris, Hachette & Cie. 16". 103 S. Fr. 1,00. — 55) O X Corrispondenza tra L. A. Mnratori e. G. G.
Leibniz public, da Matteo Campori. Modena, Vincenzi. 1892. 335 S. L. 6,00. ||RCr. 85, S. 206.]| — 55a) XX O C.
CipoUa, Leibniz e Muratori: considerazioni a proposito di una recente publicazione. Modena, Societiv tip. modenese antica
tip. Soliani. 28 S. — 56) X L. Finkel, Przeglad literatury zagraniscznej : KwH. 7, S 170-82. (enthält S. 176 Besprechungen
über P. Zimmermann, Leibniz bei Spinoza; E. Bodemann, Briefe Leibnizens [ZIC6. 12, S. 362]; L. Levy-Bruhl, L'Allemagne
depuis Leibniz u. a.) — 57) X !*"• '^- V. Winterfeld, Chrn, Woltf in seinem Verhältnis zu Friedrich Wilhelm I. u. Friedrich d. Gr. :
N&S. 64, 8. 224-36. — 58) X G. Kraus, Chrn. Wolff .als Botaniker. Rede geh. z. Uebernahme d. Rektorats d. Univ. Halle a. S.
Halle a. 8., Niemeyer. 17 8. M. 0,50. |[0. Drude: BLZ. S. 504.JI — 59) X A. Chuquet: RCr. 35, S. 212; G. Waniek:
ADA. 19, S. 253,7; 0. Erdmann: ZDPh. 25, 8. 565,6; M. K[och]: LCBl. 8. 19-20. - 60) X G. Waniek: ADA. 19, 8. 253,7;
L. 1151 scher: ASNS. 90, 8. 341. - 61) G. Krause, Gottsched u. Flottwell, d. Begründer d. dtsoh. Ges. in Königsberg.
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5 : 62-64
sympathisch berülirt, und schildert die Wirksamkeit der Gesellschaft, der Friedrich IL
seine Gunst zuwandte: die rednerischen Bemühung-en, die Sorge für vaterländische
und monarchische Gesinnung-, die Pfleg-e der deutschen Sprache mit missg-lückten
Ansätzen zu einem deutschen Wörterbuch, weiterhin die Org-anisation der Gesell-
schaft, ihre Sitzungen und Arbeiten, ihre Ausbreitung-. Sie blieb die Stütze des Diktators,
als die Leipziger deutsche Gesellschaft von ihm abfiel. Auch hier freilich macht sich
schliesslich (aber erst nach dem Tode Flottwells) die Opposition geltend. Der Persönlich-
keit Gottscheds gewinnt K. auf Grund der Korrespondenz mit Flottwell, die im
Anhang abgedruckt ist, sympathische Seiten ab ; er hebt seinen Patriotismus hervor,
indem er Danzel gegenüber ein gewisses Interesse für politische Fragen konstatiert,
die Treue für sein ostpreussisches Heimatland, die Anhänglichkeit an seine alte
Mutter, für die sich Flottwell bemüht. Familienbeziehungen treten hervor ; es taucht
in Königsberg ein Fräulein Kulmus auf, eine bislang unbekannte Schwester der
Frau Gottsched, mit der sich ein kleiner Roman abspielt. Ein Kreis von Frauen,
um deren Bildung sich Gottsched und seine „gelehrte Freundin" verdient machen,
wird uns geschildert. Den Höhepunkt der Beziehungen zwischen Leipzig und
Königsberg bildet die Reise des Gottschedschen Ehepaares nach Preussen. So er-
halten wir ein lebhaftes Bild; allerhand Kleinigkeiten fallen nebenbei ab, Z.B.Nach-
richten und Notizen über Streitschriften der Gottschedschen Schule und ihre Vf.*'^) —
Ueber die Gründung der deutschen Gesellschaft zu Basel und ihre
Stellung zu Gottsched und den Schweizern wagt Socin^^^ in einem Aufsatz
über J. J. Spreng ein paar Kombinationen. Erwähnt wird sie zuerst 1743 in Sprengs
Gedächtnisrede auf DroUinger, in der Widmung seiner Ausgabe von Drollingers Ge-
dichten und sonst brieflich. Nach einem Briefe des Berner Professors Aitmann vom
24. Febr. 1744 (an Gottsched; bei Danzel S. 240) ist sie nach der Berner deutschen
Gesellschaft 1739 gestiftet. S. vermutet, dass sie sich bald nach dem 1742 erfolgten
Ableben Drollingers auf Betreiben Sprengs aus dem Freundeskreise des Verstorbenen
heraus entwickelte, etwa Männer wie Nik. Bernoulli, Pfarrer Beuter, Aug. Joh. Bux-
torf, Joh. Jak. Huber, Peter Mangold, Benedikt Stähelin, Joh. Rud. Burckhardt, Joh.
Buxtorf, Franz Christ, Jerem. Raillard, Lukas Schaub zu Mitgliedern zählte. Partei-
gängerin Gottscheds, wie Danzel meinte, war die deutsche Gesellschaft zu Basel nach
S.s Auffassung keineswegs: Spreng stand nur in einem gewissen Gegensatz zu Bodmer,
ohne deshalb Gottsched, mit dem er die Neigung zur Sprachmeisterei teilt, irgend-
wie zu lieben. S.s Versuch, Spreng zu charakterisieren, fällt etwas schwächlich aus.
Einzelne Züge, die er bemerkt, weiss er nicht zum Gesamtbild zu vereinigen.
Sprengs spöttische Bemerkungen über den heiligen Fridolin, die den Rat zur Unter-
drückung- seiner Schrift „Von dem Ursprung der mehreren und mindern Stadt
Basel" veranlassten, sein kritisches Verhalten gegen die Tellsage, seine höhnende
Polemik gegen die Herrnhuter in den Wochenschriften „Der Eidgenoss" und
„Sintemal", seine Abneigung gegen Hallers Dunkelheit, seine Verbesserungen und
Verwässerungen der Lobwasserschen Psalmen, seine schrullenhafte Bekämpfung der
Fremdwörter lassen sich doch wohl in einen psychologischen Zusammenhang bringen.
Ueber Sprengs germanistische Arbeiten urteilt S. recht enthusiastisch.^*) —
Festschr. z. Erinner, an d. 150 j. Bestehen d. Kgl. dtsch. Ges. zn Königsberg in Preussen. L., DnncVer & Hnmblot. IX, 293 S.
mit Facs. M. 6,00. — 62) X H. Prutz. Gottsched u. d. Kgl. dtsch. Ges. in Königsberg: NatZg. N. 674. — 63) (I 8:59.) —
64) X A. Lichtenheld, J. Presch, D. Fabelbnch Meyers v. Knonan. (Vgl. JBL. 1S92 lU 5:32): ZOG. 44, S. 181/2. —
IV. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts
bis zur Gegenwart.
iv,i
Allgemeines.
la. Litteraturgeschichte.
Adolf Stern.
Allgeraeines: Gesamtdarstellungen N. 1. — Die ^Moderne" N. 7. — Anthologien N. 15. — Almanache N. 17.
— Stammhncher N. 21. — Specialforschung und -Darstellung: Gesammolte Aufsätze N 27. — Briefe N 30. — Lokale
Litteraturforschnng: Oesterreich N. 32; Mittel- und Norddeutschland (Gotha, Weimar und Jena, Alsfeld, Bremen, Berlin,
Mecklenburg, Posen) N. 39; baltische Provinzen N. 47; Schweiz N. 43. —
Allg-emeines. Als in den Berichten der J. 1&91 und 1892 der Mangel einer
Gesamtdarstellung- der deutschen Litteratur im 18. und 19. Jh. hervorgehoben
und unzweideutig als ein Mangel an umfassendem Geist, an energischer Darstellungs-
kraft, als der Verzicht auf die Beherrschung grosser Entwicklungen und Erscheinungs-
reihen bezeichnet wurde, war schon oin Werk unterwegs, das nach seiner Anlage
nicht einmal auf die deutsche Litteratur beschränkt, sondern dazu bestimmt war, die
Grössen der modernen Litteratur überhaupt von Voltaire bis Byron unter neuen Ge-
sichtspunkten zu schildern. Der streitbare Philosoph, Mathematiker und National-
ökonom Du bring 1) (vgl. I 12 : 161) unternahm es, in den engen Raum zweier massigen
Bände gepresst, samt einer die Jahrtausende alte Vorgeschichte der modernen Litteratur
umfassenden Einleitung auch die vollständige Entwicklungsgeschichte der modernen
Litteratur in seinem Sinne zu geben. Dass er zu diesem Endzweck gewaltig radikal ver-
fahren und das Volk der Poeten und Belletristen auf ein Häuflein reduzieren musste, das
sich ausnimmt wie die kleine Zahl der wunden Helden, die im Nibelungenliede den tod-
geweihten Burgundenkönig in der ausgebrannten Halle am Heunenhofe umstehen,
leuchtet ein. In der Siebenzahl Voltaire, Goethe, Bürger, Rousseau, Schiller, Byron und
Shelley fasst D. die Grössen zusammen, die ihm selbst nach seiner an ihnen geübten
Kritik noch übrig zu bleiben scheinen. Mit unzweideutiger Geringschätzung der Forsch-
ungen, Resultate und Urteile aller zünftigen Litteraturgeschichte erklärt er. Litteratur-
geschichten böten gegen den Uebelstand, dass mit dem Guten das Schlimme eng ver-
wachsen sei und sich in den von der Autorität befangenen Geist mit einführe, als
wäre es auch ein Muster, so gut wie keine Gegenmittel. „Sie beschränken sich",
urteilt D., „auf einige herkömmliche ästhetische Sonderungen unzulänglicher Art und
lassen namentlich in den Fragen nach dem Charaktertypus ganz im Stich. Die
Autorität, von der sie befreien sollten, wuchtet auf ihnen selbst. In ihnen ist weder
Wille noch Fähigkeit anzutreffen, dem Publikum das zu leisten, dessen es am meisten
bedarf. Sie bestärken vielmehr in dem, was jetzt kritisch wegzuschaffen ist." Kein
Wunder, dass der Vf. der Grössen der modernen Litteratur nach diesen Ueberzeug-
ungen selbst den Führer aus der Wirrnis der bisherigen Täuschung und des Aber-
1) E. Dühring, D. Grössen d. modernen Litt., populär n. krit. nach neuen Gesichtspunjcten dargest. 2. Abt. L.,
C. G. Naumann. XI, 288 S.; XVI, 412 S.; M. 6,00; M. 8,00. |[Tgll{s«. N. 25 6; WoserZg. N. 16844; F. Mauthner: Nation".
Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV la : 2
g-laubens an falsche Götter und holile Ideale abgeben will. Bis zum pädagogischen
Gesichtspunkt, „dass sich unter der Hülle der Schöngeisterei nichts Gesuudheits-
zersetzendes einschleiche, dass die wirklich echten Ideale nicht verborgen bleiben, sondern
in Unterscheidung von den unechten um so wirksamer werden", erstrecken sich die
Notwendigkeits- und Zweckmässigkeitsgründe, mit denen ü. eine Darstellung' einführt,
die nicht allein bis zum äussersten subjektiv, durchaus nach dem Masse der persön-
lichsten Bedürfnisse ihres Vf. zugeschnitten, sondern im innersten Kern dazu be-
stimmt ist, die Schätzung der Poesie in entscheidender Weise auf ein Minimum herab-
zudrücken. Verkennen wir nicht, dass eine historische Uebersicht, die sich beim
Nebensächlichen und den Schöpfungen zweiten Ranges nicht aufhielte, die überall
auf das Vorzüglichste hinwiese und dabei nicht ängstlich um die Gerechtigkeit
gegen das bloss historisch, bloss als Vorstufe Berechtigte sorgte, die den Wust der
Namen und Titel entschlossen hinter sich würfe, in ihrer Art höchst wohlthätig und
erfrischend wirken könnte. Auf dem Wege D.s ist diese überschauende Dai'stellung
aber schon um deswillen nicht zu erreichen, weil die aufsteigende Linie der D. sehen
Kritik nicht dem künstlerisch Hochstehenden entgegen, sondern von der Kunst hinweg
führt. Unter den sieben oben genannten Grössen übt D. die schärfste und bitterste
Kritik an Goethe, der in dem Masse, als es ihm Ernst um die Dichtung als Lebens-
zweck war, verurteilt und verworfen wird, und er zollt Byron die unumwundenste
Anerkennung, weil diesem das Dichten ein Surrogat für die That, weil Dichtung an
sich ihm kein voller Ernst war, die er gelegentlich in denselben Akten verspottete,
in denen er seine höchsten dichterischen Mittel einsetzte. Je weiter D.s Darstellung
vorschreitet, um so offener und schneidiger tritt sein letztes Bekenntnis hervor, dass
die ganze Poesie, so wie sie vor uns liegt, zu 999 Teilen eine Kinderei sei. „Diese
Kindheitsthatsache berechtigt aber nicht die Albernheiten dieses Spiels in alle Zeit-
alter fortzusetzen und nie zu reifen." Zornig fragt der Vf., ob der Roman oder
überhaupt die Erdichtung von Lebensepisoden dauernd eine geistige Nahrung höher
entwickelter Menschen bleiben könne ; er meint, dass man ,,das Spiel isolierter Ein-
drücke, worauf die Wirkung alles dessen beruht, was anstatt Thatsache blosser
Schein ist, einen Missbrauch der Organe und namentlich des Hirns nennen könne."
Die ganze Hingabe an das Fiktive dürfe daher als menschheitliche Verirrung zu
falschen und schädlichen Genüssen betrachtet werden. Sie habe sogar einige Ana-
logien mit dem Opiumgebrauch und den Ueberregungen durch geistige Getränke,
nur sei sie ein noch feineres Gift, dessen Gebrauch sich nun schon Jahrtausende
der vollen Kritik entzogen habe. Endlich und in einer Art Einlenkung, die dem
Vorangegangnen gegenüber keine sonderliche Bedeutung mehr haben kann, erklärt
D. (und das ist vielleicht das einzige Mal, dass er mit Gervinus zusammentrifft), dass
wenigstens das Ende unseres Jh. der Poesie ganz und gar feindlich sei. „Wäre es
auch sonst möglich, höheren und edleren Konzeptionen eine dichterische Form zu geben,
so würde das wüste Durcheinander von umgebenden Verhältnissen und ungünstigen
Umständen den Aufschwung beeinträchtigen, ja verleiden und niederhalten müssen.
Mit der Widerstandskraft von Charakter und Verstand ist es etwas anderes; diese
bethätigen sich auch der grössten Ungunst der Umstände gegenüber." Fasst man
diese Gedankenfolge ins Auge, so ergiebt sich von vornherein, dass es überflüssig,
ja unmöglich ist, sich mit den Einzelurteilen des Vf. auseinanderzusetzen, so bald
man die Poesie als ein unverlierbares Völkererbe und ein kostbares Gut der ganzen
Menschheit betrachtet. Die meisten Beurteilungen des D. sehen Buches hielten sich
an Einzelnes, fochten des Vf. Urteile über Goethe und Schiller, seinen Hass gegen
Lessing, seine Religionsfeindschaft, seinen Anti-Judaismus usw. an und trafen eben
damit den Kern des Werkes nicht. Es ist ein Verdienst D.s, die Frage klar und
scharf gestellt zu haben, ob wir fernerhin einer Dichtung, einer poetischen Litteratur
bedürfen oder nicht? D.giebt die Antwort in seiner Weise; dass es die letzte und bleibende
Antwort sein werde, haben wir aus tausend guten Gründen zu bezweifeln. — Die
Neubearbeitung von Goedekes „Grundriss", unter Goetzes^) Redaktion, ist auch 1893
nur um ein Heft vorgeschritten, mit dem zugleich der Abschluss des 5. Bandes des
Gesamtwerkes erreicht wurde. Die Darstellung umfasst (von § 257—81) die Zeit-
genossen Goethes und Schillers, vorwiegend die schier unübersehbare Zahl der dii
minorum gentium in Drama, Lyrik und Roman, die Goedekes Anschauung bestätigen
helfen sollen, dass fast nichts von dem, was Goethe und Schiller durch Lehre und
Beispiel dargeboten hatten, fruchtbar geworden sei. So wie hier die Gruppen ge-
ordnet und verschränkt sind, und indem einerseits die grosse Schar der Nachzügler
aus früheren Entwicklungen (unter denen viele der Zeit ihrer fi-ischesten Wirksamkeit,
ja selbst ihres Todes nach, in den vierten Band des Werkes noch gehört hätten)
10, S. 504/6; AELKZ. 26, S. 209-10.]! — 2) K, GoedeVe, Grnndriss d. Gesch. d. dtsch. Dichtung. Aus d. Quellen. 2 ganz neu
bearb. Auflage. Nach d. Tode d. Vf. in Verbindung mit D. Jacoby, K. Jnsti, M. Koch, K. Müller-Praurenth, F.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (^)l
IV la:3 Ad, Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts.
den Zeitgenossen eingereiht erscheint und andererseits die wirklich von einem Hauch
üoetheschen oder Schillerschen Geistes berührten wenigen nicht aus der Masse hervor-
g-ehoben werden, wird das ExempeL freilich richtig. Bringt man jedoch in Anschlag,
dass z. B. Erscheinungen wie die baj'erischen Jesuiten Ferd. Reisner und Florian
Reichssiegel noch Fortsetzer der lateinischen und deutschen Jesuitendramatik des
17. Jh. waren, dass der Schweizer Fr. Jak. Hermann noch ein Gottschedianer vom
reinsten Wasser ist, dass die Hamburg-er Albrecht Wittenberg, B. 0. d' Arien, der
Potsdamer Fr. O. von Diericke, der Berliner B. V. Ephraim und viele andere zu
den Schauspieldichtern gehören, die nicht sowohl in, als höchst unsicher neben
Lessings Spuren gingen, trennt man alle diese Namen, die nur durch die landschaft-
liche Gruppierung' in den 5. Band geraten sind, fasst man andererseits ins Aug'e,
dass Goedeke mit vollem Recht im Drama Kotzebue und Iffland an die Spitze der
Goethe-Schillerschen Zeitgenossen stellte, die den Antagonismus gegen die Klassiker
vertreten, ohne den Versuch zu machen, die entschiedenen Nachahmer Kotzebues,
diejenigen Ifflands und endlich die eklektischen Talente zu unterscheiden, die in den
Stoppeln des einen wie des anderen Aehren zu lesen versuchten, so erg-iebt sich, dass
es in den §§ 256—70 ein wenig- bunt hergeht. Eine Ausnahme macht hier der § 259
„Bühnendichter in Oestereich", den von Weilen bearbeitet und mit reichen Nach-
weisen über den engen Zusammenhang- der dramatischen Dichtung Deutschösterreichs
mit dem Wiener und Prager Theater ausgestattet hat. Auch W. setzt noch bei dem Kampf
zwischen dem extemporierten und dem regelmässigen Schauspiel ein, der in W^ien
allerdings bis in die Tage Goethes und Schillers fortgewährt hat. W\s Darstellung
schöpft aus den verborgensten Quellen, vermag aber in einzelnen Fällen, so bei dem
interessanten Kringsteiner (Kriegsteiner? Kriegstein?) nicht einmal den Namen fest-
zustellen. Die akademischen Dramatiker wie die Gebrüder Collin, die doch unzweifel-
haft zu Schillers Zeitgenossen gehörten und vielen sogar als Rivalen Schillers galten,
haben in dieser Darstellung noch keinen Raum gefunden. Die §§ 271/9, die die
Lyrik und den Roman behandeln, suchen in dem wirren Durcheinander alter und
neuer Elemente so viel als möglich zu scheiden, ganz scharf und klar kann dies nur
im § 279 geschehen, in dem Müller-Fraureuth eine vortreffliche Uebersicht der
Ritter-, Räuber- undGeisterromanegiebt,diediedurch Goethes Götz und Schillers Räuber
erweckten Phantasierichtungen (der Einfluss der englischen Schauerromane von
Walpoles „Schloss von Otranto" bis zu Lewis „Mönch" wäre hier wohl zu untersuchen
und nachzuweisen gewesen) ins Grobe und Gemeine zogen und „eine Welt der idealen
Roheit" schufen. Ihnen schliesst M.-F. die frivolen Romane der Albrecht, Laun,
Jul. von Voss an. Handelte es sich nur um die Einheit eines gewissen Stils, so
würde dieser Gruppe vor den zahlreichen Poeten der unmittelbar vorangehenden Ab-
schnitte sogar ein Vorrang gebühren. W^enn in diesen letzteren Schmidt von Lübeck
und Tiedge an der Spitze der lyrischen Poeten älterer Schule erscheinen, J, J. Engel
als der namhafteste Vertreter des älteren Familien- und Sittenromans hervorgehoben
wird, Matthisson, Salis, Conz und Sophie Mereau, später Chr. L. Neuffer, Amalie von
Helwig, Fr. Hölderlin gebührendermassen über die Reihe der Poeten von klassischer
Richtung hervorragen, wenn endlich Jean Paul am Eingang von § 276 eine aus-
führlichere Darstellung zu teil wird, so erblicken wir darin wohl Ansätze zu einer
schärferen Charakteristik und einer energischem Zusammenfassung des geistig Zu-
sammengehörigen, aber doch nur Ansätze; der Versuch einer deutlichen Scheidung
nach inneren Motiven ist nicht gemacht. Die Fülle des Materials ist eine ausser-
ordentliche, die Litteraturnach weise sind mit grösster Sorgsamkeit vervollständigt
worden. Dass trotz aller rühmlichen Gewissenhaftigkeit gelegentliche Irrtümer nicht
bloss in Daten und Büchertiteln unterlaufen, ist bei der umfassenden Anlage des
Buches und der notwendigen Benutzung minderwertiger Quellen unvermeidlich. Im
§ 279 erscheint neben dem Zwickauer Buchhändler Fr. August Gottlieb Schumann,
dem Vf. der „Ritterscenen und Mönchsmärchen", ein gleichnamiger Ronneburger Kauf-
mann, Vf. der „Gemälde nach Originalien älterer und neuerer Zeit". Beide Autoren sind
ein und dieselbe Person: der von 1773-^1826 lebende Vater des Komponisten Robert
Schumann, der eben zuerst Kaufmann in Ronneburg, darnach Verlagsbuchhändler
in Zwickau, allezeit aber ein federfertiger Schriftsteller war. — Ein in drei vom Vf.
bearbeiteten Auflagen eingebürgertes Werk, Hettners Litteraturgeschichte, trat in
vierter von Harnack^) besorgter Auflage hervor, und dem Berichtsjahre gehören
die beiden ersten Bände an. Weist der Einleitungsband, der tief ins 17. Jh. zurück-
greift und die Zeit vom westfälischen Frieden bis zur Thronbesteigung Friedrichs
des Grossen behandelt, teilweise nach einem anderen Berichtsgebiet hinüber, so
Muncker, K. Ch. Redlich, A. Sauor, B. Suphan, K. Vorländer u. A. von Weilen fortgeführt von E. Goetze.
6. Bd. Heft 13. Dresden, Ehlermann. S. 241-565. M. 7,40. |[Ph. Strauch: ADA. 19, S. 128-31.]| — 3) H. Hettner,
Gesch. d. dtsch. Litt, im 18. Jh. 4. verb. Aufl. HI. Teil, 1. n. 2. Buch. Brannschweig, Vieweg. X, 400 S ; VI, 579 S. M. 7.00;
Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV la : 4
handelt das zweite Buch „Das Zeitalter Friedrichs des Grossen" ausschliesslich von
o-eistig-en Strömung-en und Erscheinungen, die auch beim Ablauf des 19. Jh. noch
immer eine über die specifisch wissenschaftlichen Kreise weit hinausg'ehende Teil-
nahme finden. Es ist eines der Hauptverdienste des Hettnerschen Werkes, dass
es diese Teilnahme, die unter der Einwirkung- gewisser Elemente zu erstarren drohte,
warm und in lebendigem Fluss erhalten, und es darf als gutes Zeichen g-elten, dass
das Bedürfnis nach diesem Werke den Tod seines Vf. überdauert hat. Ganz richtig
hebt der Neubearbeiter des umfangreichsten Hauptteils, der „Deutschen Litteratur-
geschichte", die grosse Schwierigkeit hervor, mit fremder Hand an ein Werk so be-
stimmter P^igenart zu rühren und g-iebt zu bedenken, dass diese Schwierig-keit noch
g-rösser g"ewesen sein würde, wenn nicht eine Bestimmung" des Vf. die Aufg-abe dahin
begrenzt hätte, dass nur Erg-ebnisse neuerer Forschung in das mög-lichst unveränderte
Werk eingefügt werden sollen. Hettner hat dabei zunächst an die Berichtigung that-
sächlicher Angaben, an die Ausfüllung ihm selbst bewusster Lücken, an die Berück-
sichtigung solcher Forschungen gedacht, die seine eigenen Anschauungen, die Er-
gebnisse seiner Untersuchungen zu stützen geeignet wären. Ob er mit der [Jm-
arbeitung aller Stellen einverstanden gewesen sein würde, die H. „ändern durfte, weil
herrschende Irrtümer in ihnen bekämpft wurden, die heuzutage nicht mehr herrschen,"
mag einigermassen fraglich sein; das Verdienst durch energische Polemik Irrtümer
zerstreut und beseitigt zu haben, soll zwar der Allgemeinheit zu gute kommen, hat
aber schliesslich doch auch einen gewissen persönlichen Charakter. Die ausser-
ordentliche Sorgfalt, mit der H. den Hettnerschen Text durchgearbeitet hat, die Pietät,
mit der er namentlich bemüht gewesen ist, seine zählreichen kleineren Zusätze und
Einschaltungen unscheinbar, aber für den Wissenden willkommen und schätzbar, an
Gedankengang und Darstellung des Vf. fest anzuschliessen, verdient hoch anerkannt
zu werden. Und obschon Wert und Wirkung des Hettnerschen Werkes in ganz
anderen Dingen als in der wörtlichen Genauigkeit seiner Citate und der unbedingten
Zuverlässigkeit seiner Daten beruhen, so ist es durchaus erfreulich, dass der junge
Herausgeber auch nach dieser Richtung hin eine strenge Revision geübt hat. Die
wichtigsten Zusätze H.s zum ersten Buche finden wir in den Abschnitten über
Thomasius, Leibniz, die Romane des 17. Jh., über M. Veiten, Chr. Günther, Gottsched,
über die Dramatiker zwischen Gottsched und Lessing (Cronegk, Brawe, C. F.Weise),
über Liscow und Geliert, — zum zweiten Buche in den Abschnitten über J. M. von
Loen, Alex. Baumgarten, J. J. Pjra, Klopstock, Fr. Nicolai, über die Anfänge der
Kantschen Philosophie, die Erziehungs- und Volkslitteratur, über Justus Moser, über
die Kunstschriftsteller des Zopfes, in denen über Wieland und Lessing. Der Ver-
gleich der vierten mit der dritten, von Hettner noch selbst überarbeiteten Auflage,
lässt keinen Zweifel, dass neben den Ergebnissen neuerer Forschung auch die be-
richtigten und geklärten Urteile zum Worte gelangen, auf die H. in seiner Vorrede
hindeutet. Einige Stellen, die recht gut in Wegfall kommen konnten, z. B. der Ausfall
gegen die episodischen Einschiebungen von Blutschande, Giftmischerei und andere
Scheusslichkeiten in Gellerts Roman „Das Leben der schwedischen Gräfin", die
„Geliert in eine ebenso unerwartete als unerfreuliche Nähe mit den allermodernsten
französischen Romandichtern setzen", während es sich hier in Wahrheit um Nach-
wirkung der Phantasierichtungen und Kunstmittel des Romans des 17. Jh. handelt, und
mancher ähnliche Satz, sind schliesslich doch stehen geblieben. Indessen jede Prüfung,
die man bei solchem Anlass über die Grenzlinien des streng Notwendigen, des Zweck-
mässigen oder gar des noch Zulässigen der Eingriffe in ein geistig gereiftes und
abgeschlossenes Werk anstellt, zeigt den bedenklichen Abstand dieser Grenzen von
einander und führt immer wieder zur Empfehlung der erstgenannten Linie, die denn
auch H. im wesentlichen eingehalten hat. Die Einbeziehung zahlreicher litterarischen
Verweisungen und Citatparenthesen in den Text und ihre geschickte Kürzung ist
ein offenbarer Gewinn für das Werk und ein weiteres Verdienst des Herausgebers.
— Der umfassenden, zur klassischen Geltung gelangten Litteraturgeschichte schliesst
sich eine neue (gleichfalls die vierte) Auflage des viel umstrittenen Werkes von
Brandes 4j an. Mit diesem Werk hat es insofern eine seltsame Bewandtnis, als
die vom Vf. selbst veranstaltete, mannigfach umgearbeitete und ergänzte deutsche
Bearbeitung („Die Litteratur des 19. Jh. in ihren Hauptströmungen" dargestellt von
G. Brandes), die zwischen 1882 und 1891 hervorgetreten ist, nur in ihrem ersten
und zweiten, ihrem fünften und sechsten Bande vorliegt, während der dritte und
vierte Band noch ihrer Neuentstehung harren. Inzwischen aber wird, soviel wir
verstehen, gegen den Wunsch und Willen des Vf. die deutsche Uebersetzung der
ersten dänischen Abfassung des Werkes, die in vier Bänden von Strodtmann und
M. 10,00. |[F. SchnOrer: ÖLBl. 3, S. ß21;2,]| - 4) G. Brandes, D. llanptströmnngen d. Litt. d. 19. Jh. üebers. v.
Ad. Strodtmann und W. Rudow. 4. verm. Aufl. (14 Lfgn.) Bd. 1-3. L., Barsdorf. XVIII, 228 S.; YIII, 304 S.; VIII,
(4)1*
IV la:5-7 Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts.
im fünften von Rudow herrührt, beständig- weiter verbreitet. Die 1893 beg-onnene
Lieferungsausgabe könnte eben nur durch die Vollendung- der Brandesschen eig-enen
Neubearbeitung- zurückgedräng-t werden. Die Bedeutung des Werkes liegt im wesent-
lichen in Eigenschaften und Vorzügen, die auch der ersten dänischen Fassung zu
eigen waren und darum werden sich leider eine grosse Anzahl von Käufern und
Lesern auch an der Strodtmann-Rudowschen Ausgabe genügen lassen. Für den
ernsteren Litteraturfreund müsste, von allem anderen abgesehen, schon die Thatsache
entscheiden, dass nur die von Brandes selbst veranstaltete Ausgabe den ,,Das junge
Deutschland" betitelten sechsten Band und eigentlichen Abschluss des Werkes ent-
hält, dass der Vf. ausdrücklich erst das J. 1848 als einen historischen Wendepunkt
und als die Grenze ins Auge gefasst hatte, bis zu der er beabsichtigte, dem Gange der
Entwicklung zu folgen, um der späteren Fassung der „Hauptströmungen der Litteratur
des 19. Jh." den Vorzug zu geben. Die vierte Auflage der ersten deutschen Be-
arbeitung giebt daher vor allem Anlass, den dringendsten W^unsch nach endlicher
Ergänzung und Vervollständigung der von Brandes selbst besorgten Ausgabe seines
tiauptwerkes auszusprechen. — Mehr pädagogischen als wissenschaftlichen Zwecken
dient eine Gruppe von Arbeiten, die das längst Bekannte entweder unter besonderen
Gesichtspunkten betrachten oder in besonderen, vom praktischen Zweck gegebenen
Formen darstellen. Voran stehen hier elf Essays von Landwehr^), die sich als ein
Beitrag zum Verständnis der klassischen Dramen einführen. — Carstensen'') giebt
elf kurz gefasste Biographien, die in etwas wunderlicher Folge Goethe, Schiller,
Arndt, Hebel, Geliert, Reinick, Th. Körner, Uhland, Hey, Matth. Claudius und Fr.
Rückert behandeln. Man sollte meinen, dass der Gewinn, der durch diese Art Litteratur-
kunde erreicht werden kann, sehr massig sei. Abgesehen von der Willkür
der Auswahl, heisst es doch kaum die Gestalten der Dichter dem Verständnis der
Jugend näher bringen, wenn man sich auf die Aneinanderreihung der äusserlichsten
Daten und statt der entscheidenden und charakteristischen auf die zufälligen Züge
beschränkt, die sich dem kindlichen Auffassungsvermögen am besten einprägen,
wobei viel Täuschung unterlaufen kann. Auch fragt sich, welches Lebensalter C.
im Auge hat; die flüchtigen Skizzen können im Grunde nur einer Unreife genügen,
für die jeder Litteraturuntericht überhaupt zu früh kommt. —
Die „Moderne" führt nach wie vor auf einen vielumstrittenen, an mehr als
einer Stelle brennenden und zur Abwechslung an anderen Stellen sumpfigen Boden.
Trotz aller Bemühungen, den Kampf zu einem sachlichen umzubilden, auf die eigent-
lichen prinzipiellen Fragen zurückzuführen und zu beschränken, trotz der allmäfilich
wachsenden Erkenntnis, dass von Hause aus eine viel schärfere Unterscheidung zwischen
der wirklich aus innerem Antrieb erwachsenden und der bloss Effekt und Abstand
von allem schon Gewordenen suchenden neuen Richtung hätte gemacht werden müssen,
trotz der immer mehr ersichtlichen Scheidung- zwischen der geistig belebten, von einem
grossen Zuge der Wahrheit erfüllten Poesie und einer blossen Atelierkunst, die ihr
Vertrauen auf raffinierte Kunstgriffe und modische Drucker setzt, ist der Wirrwarr
und Widerspruch noch immer gross. Wenn ein Buch wie Kirchners '') (vgl. I 12 : 272/3)
„Gründeutschland" es unternehmen wollte, diesen Widerspruch zu lösen und gleich-
sam ein abschliessendes Wort zu sprechen, so musste man von vornherein erstaunen,
dass dem Vf. die eben bezeichneten Unterschiede beinahe ganz verborgen blieben,
dass er, ohne auch nur den Versuch einer Gruppierung nach inneren Motiven zu
machen, ohne die Einwirkungen des Auslandes, der socialen Gärungen und Um-
bildungen, des ganzen modernen Lebens überhaupt genügend zu würdigen und
gegeneinander abzuwägen, gleich in die Mitte der Erscheinungen sprang und Dramen
und Romane, Erzählungen und Gedichte wirr durcheinander kritisierte und verur-
teilte. K.s Buch rühmt sich, keine Polemik gewöhnlicher Art zu sein, die den Gegner
mit einigen Phrasen und Schlagworten abthut, sondern ein Versuch, die modernen
Dichter vom litterarhistorischen Standpunkte aus zu würdigen. Aber von eigentlich
litterarhistorischen Gesichtspunkten ist wenig genug in dem ganzen Werke zu finden:
Die Kapitel „Der Naturalismus und die Liebe" und „Die sociale Dichtung und der
Naturalismus" sind die einzigen, in denen eine Art Versuch gemacht wird, die Masse
aneinandergereihter kurzer Recensionen durch eine allgemeinere Anschauung in Fluss
zu bringen. Was aber schlimmer war, als die Unzulänglichkeit der Einsicht und des
Urteils, die in der Polemik wie in der Zustimmung K.s zu Tage traten, war die
Thatsache, dass ein guter Teil der doch anspruchsvollen Darstellung überhaupt nicht
ihm gehörte, sondern einer Reihe von Aufsätzen über die moderne Litteratur im
242 S. M. 13,50. — 5) H. Landwehr, Dichterische Gestalten in hist. Treue. Elf Essays. E. Beitrag z. Verständnis d.
klass. Dramen. L., Velhagen & Klasing. VI, 191 S. M. 2,40. |[AkBll. 8, S. 148.J| - 6) C. Carstensen, Aus d Leben dtsch.
Dichter. Für Schule u. Haus. Braunschweig, Wollermann. IV, 156 H. Mit 11 Bildern. M. 1,00. — 7) F- Kirchner, Grün-
deutschland. E. Streifzug durch d. jüngste deutsche Dichtung. Wien u. L., Kirchner & Schmidt. XX, 246 S. M. 5,00.
|[Pre8seH. N. 184; Cäsar Flaischlen: ML. S. 507/9; B. Waiden: Wiener Abendpost N. 220; A. O.: WienTBl. N. 223;
Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV la : 7a-n
„20. Jahrhundert" entlehnt war. Der von Albert Stern''*) g-eführte Nachweis, dass
der Vf. von üründeutschland einen guten Teil der von ihm verurteilten Schöpfungen
überhaupt nicht näher kannte, seine Wiedergabe ihres Inhalts ausschliesslich auf die
Kritiken jener Zeitschrift stützte, der Vergleich der von K. besprochenen und berück-
sichtig-ten mit der thatsächlich vorhandenen Litteratur, der eine unduldbare Willkür
K.s herausstellte, das ganze Missverhältnis der rein kompilatorischen Arbeit, die
dabei nicht einmal eine gute und umsichtige Kompilation genannt werden konnte,
zu der Prätension, das abschliessende Wort zu sprechen, forderte die schärfsten Ab-
lehnung-en des Buches heraus, die um so berechtig-ter erschienen, als auch eine g-leich-
zeitig-e umfassendere Darstellung'''') K.s über die deutsche Nationallitteratur des 19. Jh.
die g-leiche hohle Aeusserlichkeit, die gleiche Abwesenheit jeder tieferen Erkenntnis
der schaffenden Kräfte und ihres Zusammenhangs mit dem Leben und den allg-emeinen
Geistesströmung-en ihrer Zeit, den gleichen Mang-el wirklicher Entwicklung-sgeschichte,
die g-leiche Dürftigkeit der wissenschaftlichen Grundlag-en erkennen Hess. Mehr
als Eine Be- und Verurteilung des K.schen Buches g-estaltete sich zu einem selb-
ständig-en Ueberblick über die gegenwärtige deutsche Litteratur und den Stand der
kämpfenden Parteien. — So versuchte Bartels^) die Kirchnerschen Engherzigkeiten
und Einseitigkeiten zu widerlegen, den berechtigten Bestrebungen der jungen und
jüngsten Talente gerecht zu werden, dabei aber der Litteraturgeschichte wie der
Kritik ihr Recht zu wahren zwischen dem Reifen und Umreifen, dem Bedeutenden
und Unbedeutenden. Die Anschauung der Vertreter des Alten, dass die Kunst der
Sittlichkeit und einer rein äusserlichen Versöhnung zu dienen habe, erklärt er für
unwürdig, findet jedoch, dass die Anschauung der Modernen, die Kunst habe Material
für die Wissenschaft, für Psychologie und Sociologie zu liefern, nicht eben höher
stehe und im Grunde ebenso utilitarisch sei. Nicht eher wwden wir wieder eine
grosse Kunst haben, als bis man die Kunst wieder für eine freie Bethätigung des
grossen Schöpfungs- und Gestaltungstriebes der Menschheit erklärt, der ihr ebenso
wesentlich ist wie der Forschungstrieb — Muss Bartels nach seiner Auffassung der
Dinge z. B. Gerhart Hauptmann für das am weitesten gediehene Talent unter den
Jüngstdeutschen erklären, so kommt Bahr^) in einer Abhandlung über das jüngste
Deutschland zwar gleichfalls zu dem Schluss : dass Hauptmann unter den Naturalisten
der Deutschen der einzige zur Wirkung auf die Menge vorgedrungene sei. Aber er
nennt ihn eine enge, schmale, keuchende Natur, dumpf, kümmerlich und mühsam,
in seiner Zeit, in seinem Kreise befangen, mit allen vergilbten Vorurteilen und
Schrullen des preussischen Kleinbürgers von Gestern, der so gerne von Morgen wäre.
Nach seinen Anschauungen, die „der Entwicklung einer höheren, feineren und aus-
erlesenen Menschlichkeit, eines erkünstelten Adels an Nerven" zugewandt sind, muss
er nicht nur Sudermann, sondern auch M. G. Conrad, Detlev von Liliencron, vor
allem aber Herm. Conradi höher stellen. ,,Man braucht mir nicht erst das Rohe,
Läppische, Abscheuliche an diesen wüsten Büchern zu zeigen, ich kenne es selber
ganz genau, aber mitten in ihrem wirren Wahne und ihrem jämmerlichen Schmutze
ist der grosse und sichere Drang nach einer reinen Schönheit, in die Tiefen mächtiger
Gefühle, in das Besondere der Menschen von heute und morgen." B. prophezeit,
auf die Gefahr hin, „sich unsterblich lächerlich zu machen", dass in 100 Jahren die
Litteraturgeschichte den neuen Abschnitt, der das 20. Jh. beginnt, von Conradis
Namen aus datieren werde. Ein neuer Beweis, dass noch nicht einmal die Anfänge
einer Verständigung gewonnen sind, wenn der malaische Wutlauf, den Conradi und
verwandte Naturen für Genialität hielten, in solcher Weise verherrlicht werden kann.
— Ein völlig anderer Geist belebt eine Studie von Sauer^*^), die u.a. dadurch aus-
gezeichnet ist, dass sie neben den Talenten, deren Namen im Streite am häufigsten
genannt werden, auch solche würdigt, die vor dem Getöse bei Seite getreten sind,
so Ad. Wilbrandt, dessen „Meister von Palmyra" S. als die bedeutendste Dichtung
der letzten beiden Decennien erachtet, „eine hoheitsvolle Schöpfung von getragener
Schönheit, tiefster Weisheit und erschütterndster Wahrheit". — Wunderbar genug
klingt der Bericht über einen Vortrag, den Conrad^^) über die neue Bewegung in
der Würzburger Gesellschaft für modernes Geistesleben gehalten, mit den geläutert-
sten Anschauungen zusammen, denen wir irgendwo begegnen. Der Begriff der mo-
dernen Litteratur, so heisst es da, bedarf einer scharfen Umgrenzung. Modern sei
nicht gleichbedeutend mit Feindseligkeit gegen das Alte, sofern es wahrhaft gut
und wurzelkräftig; modern sei auch nicht mit modisch in Beziehung zu setzen,
modern decke sich nicht mit Realismus oder Naturalismus oder Materialismus oder
0. Krack: Geg. 44, S. 1378; N*S. 67, S. 408-12; Ad. Stern: Grenzb. 4, S. 23-83; Jost Keyfried: FrB. 4, S. 1009-17.]|
— 7a) Albert Stern, Professor Plagiator n. d. Humboldt- Ak. : InternatLB. 1, S. 23, 15/7, 268, 39-41. — 7b) F. Kirchner,
r». dtsch. Nationallitt. d. 19. Jh. Heidelberg, G. Weiss. VIII, 686 S. M. 7,50. (7 Lfgn! a M. 1,00.) — 8) A. Bartels, D.
Moderne. Litt. Skizze: Didask. N. 165/6. — 9) H. Bahr, D. jüngste Deutschland: DZg. N. 7785, 7792, 7798. — 10) A. Siiuer,
üeber d. dtsch. Litt. d. Gegenw.: Bohemia N. 130, 132, 136. — U) M. G. Conrad, Ueber d. moderne Bewegung in Kunst n.
IV la: 12-15 Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts.
Atheismus. Modern sei vielmehr die Orig-inahtät in Schaffen und Denken, sei die
Wahrhaftigkeit, mit der der Dichter aus sich selbst, aus seinem innersten, tiefsten
Wesen seine Werke schöpfe und bilde, modern sei die Selbstveräusserlichung des
Schöpfers in seiner Schöpfung. Mit diesen Vordersätzen darf C. freilich nicht fürchten,
auf Widerspruch zu treffen; nur schade, dass bei ihrer Anwendung sofort die Zer-
klüftung und der ungeheure Gegensatz der Ueberzeugungen zu Tage tritt. Aus
ihrem eigensten tiefsten Wesen haben alle grossen Dichter geschaffen, die uns nach
der Auffassung der schlechthin Modernen nichts mehr zu sagen haben, die ,, Selbst-
veräusserlichung des Schöpfers" aber findet auch bei den Naturen statt, deren innerstes
Wesen Mass, Anmut, Sehnsucht nach Innigkeit und Reinheit ist und deren Wahrheit
oder Bedeutung eben darum von der Kritik der Modernen bezweifelt wird. Auf die
Prämissen scheint leider in diesem Geisteskampfe viel weniger anzukommen, als auf die
aus persönlichen Beziehungen entstammten Folgerungen. — Dass auch im anderen
Lager mit unglaublicher Einseitigkeit und Kurzsichtigkeit gesündigt wird, dafür
dienen Plugschriften wie die des „Provinzlers" über die undeutsche Litteratur der
Gegenwärtig) ujj(j verwandte x\rtikel zum unerquicklichen Zeugnis. Wohl gemeint,
unwiderlegbar in der Erkenntnis, welch eine Unsumme gemachter, die eigene Geistes-
armut schlecht verdeckender Scheingenialität sich in der fiebernden Nachahmung der
fremden Muster, im hastigen Aufgreifen des Abhubs französischer und russischer Belle-
tristik verbirgt, fehlt der Schrift andererseits doch die unterscheidende Schärfe der Ein-
sicht in das innere Wiesen der wirklich in Frage kommenden Schriftsteller; ohne Ver-
ständnis für den eigentlichen künstlerischen Drang betont sie viel zu ausschliesslich die
Hingabe an ein unklar formuliertes Deutschtum, das zuletzt wieder auf die beliebte Ge-
sinnungstüchtigkeit hinauslaufen würde, die litterarisch und ästhetisch oft genug
Schiffbruch gelitten (vgl. I 12:267). — Auch Kapff'^) verfällt in die Einseitigkeit blosser
Standeskritik, er klagt die „modernen" Dichter, unter die diesmal auch Heyse und
Spielhagen gerechnet werden, aufs heftigste an, weil bei ihnen „verkommene Menschen
als Prediger oder Kandidaten der Theologie" auftreten, er polemisiert gegen die
Wiedergabe der Nachtseiten des Lebens, ja der Leidenschaft selbst, er rühmt wohl, dass
Shakespeare vor der Darstellung der Tiefen der W^elt und der Seele nicht zurück-
geschreckt sei, aber er engt das Recht der neueren Dichtung auf ein Gebiet ein, in
dem über die lyrische Offenbarung der subjektiven gläubigen Empfindung und die
Sammlung moralischer Exempel nicht hinauszukommen wäre. Dass die alten An-
klagen gegen Goethe fgemildert allerdings durch die Einsicht, dass es Goethe ernst
um die Dinge war, wie durch den Respekt vor der poetischen Gewalt des Genius)
wieder laut werden, dass der grosse Dichter abermals der „vollendeten Selbstsucht"
und einer ,, mangelhaften Entwicklung des Gemütslebens" angeklagt und die vom
Vf. bekämpfte ünsittlichkeit der neuesten deutschen Litteratur in eine gewisse höchst
unklare Beziehung zu Goethes Unglauben gesetzt wird, darf nicht Wunder nehmen.
— Während Kapff im Grunde beklagt, dass die Schilderung des Pfarrhauses nicht
im Mittelpunkt der erzählenden Litteratur steht, der neueren Dichtung Geibel und
Gerok als Leitsterne preist, leitet Biedenkapp^*) die ,, geistigen Epidemien" im
19. Jh. aus der ,, Manie" für philosophische ,, einseitige, kitzliche und pricklige Lehren
ab". Nach dem Wallenstein sehen Motto: ,,Aber wie soll man die Knechte loben,
kömmt doch das Aergernis von oben" führte er die Krankheitserscheinungen der
Zeit und der Litteratur auf die drei grösseren geistigen Epidemien, die sich an die
Gedankenkreise Hegels, Darwins und Schopenhauers angeschlossen haben, zurück,
neben denen in kürzeren Zeiträumen „kleinere Verwirrungen der Geister", wie die
aus dem Buche „Rembrandt als Erzieher" entsprossene „Rembrandtmanie" herlaufen.
Gegenwärtig sei die „Nietzschemanie" im Entstehen begriffen, der gegenüber der
Vf. den „weit umspannenderen und besser begründeten Gedankenkreis" Dührings
rühmt. —
Von der umfassenden Anthologie Leimbachs^^) erschien nach längerer
Pause der Schluss des 5. und die erste Lieferung des 6. Bandes. Beide Tieferungen
reichen von Johanna Leitenberger bis zu Alfred Meissner. L.s Sammlung von Cha-
rakteristiken und Proben fährt fort, nach dem Ruhme der möglichsten Vollständigkeit
zu streben und neben den anerkannten und litterarisoh einflussreichen Dichtern auch
einer guten Zahl von vergessenen und nur in engeren Kreisen genannten Poeten zu
einem bescheidenen Plätzchen in der Litteraturgeschichte zu verhelfen. Der Fleiss, die
Hingabe, die Sorgfalt des Herausgebers, auch seine ernste Anschauung von den Auf-
gaben der poetischen Litteratur verdienen alles Lob, die biographischen Angaben
Dichtnng. Vortr. : AZg". N. 52. (Referat.) — 12) D. nndtsch. Litt. d. Gegenw. E Wort an d. Modernen. V. e. Provinzler.
B., IL Lüstenöder. lU, 74 S. M. 0,90. — 13) E. Kapff, D. Verhältnis zwischen Christentum n. Litt, mit bes. Beziehung auf
Shakespeare, Goethe u.d. junge Deutschland. (= ZKChrVL N.132.) St., Baisers Verl. 43 S. M.0,80. (Vgl.IVll) — 14)G.Bieden-
kapp, Geistige Epidemien im 19. Jh : Uidask. N. 305. - 15) K. Leimbach, D. dtsch. Dichter d. Neuzeit u. Gegenw.
Biographien, Charakteristiken n. Answ. ihrer Dichtungen. 5. Bd. 3. Lfg. ; 6. Bd. 1. Lfg, L„ Frankfurt a. M., Kesselringsche
Ad. Stern, Litteraturo-eschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV la : le
scheinen durchaus sorg-fältig* und zuverlässig*, berichtig"en zahlreiche Irrtümer bei
Brummer, Kurz, Hinrichsen usw. Leider lässt sich das Lob nicht überall auf den
Geschmack und das Urteil des Herausg-ebers erstrecken. Ganz abg-esehen davon,
dass «"eg-enüber den aufgenommenen und charakterisierten Uichtern andere und be-
deutendere fehlen, so macht sich eine kaum zu erklärende Ung-leichheit in der Wertung"
der vertretenen Dichter geltend, die Anerkennung" von Poeten wie Mähly oder Meer-
heimb durfte sich nicht zum Panegyrikus steigern; die Proben könnten bei mehr als
einem charakteristischer sein, auch ist nicht abzusehen, warum sie bei Albert Lindner,
Hans Marbach u. a. fehlen. Gelangt das Werk zum Abschluss, so wird es für die
Einführung" in die poetische Litteratur und namentlich in die Lyrik der letzten 50 Jahre
unentbehrlich und nach g'e wissen Richtungen hin höchst schätzbar sein, inzwischen
aber darf man den Wunsch aussprechen, dass L. die ästhetische Seite nicht minder
als die pädagogische erwägen und die Leistungskraft mindestens so hoch wie die
gute Gesinnung veranschlagen möge. — Eine Anthologie eigentümlichster Art und von
entschiedener litterarhistorischer Bedeutung redigierte Zimmermanns^) in Chicago
unter dem Titel „Deutsch in Amerika". Es sind nicht nur Biographien der deutsch-
amerikanischen Dichter nebst Auswahl ihrer Dichtung-en, um die es sich in diesem
Werke handelt, sondern es will zugleich eine geschichtliche Darstellung der deutschen
Poesie in den vereinigten Staaten von Nordamerika sein. Die litterarhistorische Ein-
leitung greift sogar über die geographischen Grenzen der Union hinaus. Die Lebens-
skizzen und Proben beginnen bei der Wirksamkeit der deutschen Pietisten und
Separatisten, die schon im 17. Jh. Zuflucht auf dem Boden Neuenglands suchten und
ihre religiösen Gesinnungen poetisch bekannten, und sie erstrecken sich bis zur un-
mittelbaren Gegenwart. Es sind nahezu dreihundert Namen, die das Register ver-
zeichnet; trotzdem liegt die Frage nahe, ob wirklich zwischen den spärlichen ältesten
Zeugnissen deutscher Poesie in Amerika und den poetischen Lebensäusserungen des
19. Jh. eine so breite Lücke klafft und aus dem ganzen 18. Jh. nichts überliefert ist?
Die grosse und einflussreiche deutsche Einwanderung in Amerika hat freilich erst
seit 1800 begonnen, und diesem Zeitraum gehörten denn auch die beiden Generationen
politischer Flüchtlinge an, die nach der Demagogenhetze der 20 er Jahre und wieder
nach dem Scheitern der revolutionären Erhebungen von 1848—49 unter dem Sternen-
banner Zuflucht suchten. Aus diesen beiden Generationen und einem massigen
Nachschub nach 1860 erwuchsen die Vertreter und Pfleger deutscher Poesie und
Litteratur in Amerika, die die umfangreiche Z.sche Sammlung verzeichnet, gruppiert
und in poetischen Proben zu charakterisieren sucht. Der Herausgeber scheidet dabei
nicht streng genug zwischen der Gruppe der poetischen Talente, deren eigentliche
Entwicklung noch im alten Vaterlande stattgefunden hat und den Späteren. Männer
wie Franz Lieber, Karl Folien, Aug. Becker (der Giessener Genosse Georg Büchners
und Weidigs), Karl Heinzen hatten ihre litterarische Physiognomie ohne jeden Einfluss
Amerikas im alten Europa erlangt, selbst Achtundvierziger wie Niklas Müller und
Reinhold Solger hatten, der erste mit seinen Liedern, der andere mit dem satirischen
Epos „Hans von Katzenfingen", ihre besten Leistungen hinter sich, ehe sie nach den
Vereinigten Staaten kamen. Eine Gruppe der Revolutionsflüchtlinge, unter ihnen Fr.
Hassaurek aus Wien, Carl Schnauffer aus Baden, Otto Dresel aus Detmold, wie die
Holsteiner Fr. Lexow und Theod. Kirchhoff haben, da sie als ganz junge Männer von
den Wogen der deutschen Bewegung nach Amerika geschleudert wurden, ihre Haupt-
entwicklung erst drüben durchlebt und gehören mit ihren litterarischen Leistungen
völlig der deutschen Diaspora in der grossen Union an. Immerhin reichten ihre
geistigen Wurzeln nach Deutschland. Auch die am meisten genannten deutsch-
amerikanischen Poeten des jüngeren Nachwuchses, Caspar Butz, Udo Brachvogel,
Karl Knortz sind alle noch in Deutschland geboren, und ein Ton leiser und gelegent-
lich starker Sehnsucht nach der alten Heimat klingt durch ihre Poesie. Die Zahl der
deutschen Talente, die als Bürger Amerikas zur Welt gekommen, ist verschwindend
klein; die Sprache scheint sich eben nirgends bis in die dritte und kaum bis in die
zweite Generation zu erhalten, mehr als einer der Poeten spricht die Klage aus, dass
ihn seine Enkel schon nicht mehr verstehen. Ohne den Nachschub von Europa würde
es, trotz der hunderte deutscher Zeitschriften und Schulen, kaum eine deutsch-ame-
rikanische Litteratur geben. Daher auch die Anlehnung der deutschen Dichter in
Hofbuchh. S. 321-488; S. 1-160. ä M. 1,50. (Berücksichtigt J. Leitenberger, 0. v. Leixner, K. Leraclce, B. v. Lepel, J. V. Leschke.
H. Leuthold, Max Leytbäuser, J. Lichtenstein, M. Liebermann v. Sonnenberg, Detlev v. Liliencron, P. Lindau, A. Lindner, H. Lingg,
0. Linke, A. Lohn-Siegel, F. Löwe, K. Löwe, Rnd. Löwenstein, P. Lohraann, J. Lohmeier, A. Lomnitz, H. v. Longer, K. Lotze,
H. Lubliner, H. Lucius, 0. Ludwig [d. .1. stolzen Beginn des 6. Bandes abgiebtj, A. Lutze, J. Machaneck, P. Macheol, J. H. Mackay,
Jak. Mähly, F. A. Märcker, Märzroth [M. Barach], J. Magewirth, K. Malachow, F. Mallebroin, H. Marbach, 0. Marbach, Ad.
Marees, L. de Marees, H. Marggraff, E. Marinelli, M. Martersteig, Fr. Marx, Fr. Maser, J. Matz, Ch. J. Matzerath, Ed Mautner,
K. Mayer, A. May, R. v. Meerheimb, A. Meissner.) — 16) Q. A. Zimmermann, Deutsch in Amerika. Beitrr. z. Gesch. d. dtsch.-
araerik. Litt. Her. vom Germ.inia-Männerchor in Chicago. Chicago, Ackermann & Eyller. 4". XLVI, 265 S. M. 10,00. —
IV la: 17-22 Ad. Stern, Litteratnrs-esohichte des 18./19. Jahrhunderts.
der Union an die Sang-esfreude ihrer deutschen Landsleute. Zwischen den deutschen
poetischen Bestrebung-en und dem Männergesang' besteht ein eng-eres Bündnis: auch
das in Rede stehende Sammelwerk ist ja vom Gerraania-Männerchor in Chicago
herausg-eg-eben worden. Verg-lichen mit den ersten Antholog-ien deutsch-amerikani-
scher Poesie, den „Heimatg-rüssen aus Amerika" (1870) und den „Dornrosen, Erst-
ling-sblüten deutscher Lyrik" (1871) lässt sich nicht leug-nen, dass die deutsche Lyrik
jenseits des Weltmeeres rasch in die Breite g-eg-ang-en ist, dass sie da und dort mit
Glück die Stoffe und Motive aufg-reift, die ihr das fremde mächtig-e Leben bietet, dass
sie aber immer noch nur schwachen Halt in und an diesem Leben hat. —
Das Schauspiel, das die Doppelausstellung der älteren Künstlerg:enossen-
schaft und der „Secession" in München g-ewährt, wiederholt sich in der Litteratur,
da von München zwei Musenalmanache in die Welt geschickt wurden. Der ältere
und reg'elmässig erscheinende Cottasche Musenalmanach unter der Redaktion Brauns i^)
behält in seiner äusseren Erscheinung-sform alle die Zierlichkeit der alten Musen-
almanache und Anthologien bei, während der von Bierbaum i^) geleitete moderne
Musenalmanach schon in seinem Royaloktavformat ein Geschlecht robuster und hoch-
strebender Poeten verkündigen soll. Für den unbefangenen Beurteiler liegt die Sache
doch ein wenig anders, als sie nach diesen und anderen Aeusserlichkeiten scheint.
Die Engel sind eben weder so weiss, noch die Teufel so schwarz, wie die mit blossen
Schlagworten arbeitende Tageskritik dem Publikum erzählen will. Der Braunsche
Almanach enthält neben den formell glatten Nichtigkeiten, die man als akademisch
bezeichnen kann, blut- und lebensvolle poetische Gebilde. Paul Heyses Beiträge m
Prosa und Vers gehören zum Besten, was wir vom Dichter überhaupt kennen.
Stephan Milows elegisches Idyll „Die Grafentochter", Albert Matthäis „Die letzten
Bonden", auch das etwas dunkle „Maja" von Isolde Kurz lassen eine wirklich dich-
terische Konzeption und Verkörperung nicht missen. Unter den rein lyrischen Gaben
hebt Muncker in einer eingehenden Beurteilung die Beiträge von J. G. Fischer, A.
Fitger, W. Jensen, Ad. Stern, W. Langewische als die wertvollsten heraus. Seinem
wie" jedem prüfenden Blicke entgeht auch im diesmaligen Jahrgang das entschiedene
Ueberwiegen der ernsten, schwermütigen über die heiteren lebenskräftigen Stimmungen
nicht, und in dieser Hinsicht besteht mehr Verwandtschaft zwischen dem alten und
dem modernen Musenalmanach als für die Gesamtschätzung unserer Zeit und ihrer
poetischen Litteratur erspriesslich ist. Auch die von Bierbaum redigierte Sammlung
hat in Pleinairismus, modischer Decadence, in ziellosem Sturm und Drang, in nach-
geahmter Wüstheit und Grellheit reichlich so viel konventionelle Elemente als die
Braunsche. Daneben aber strahlt aus den Beiträgen, namentlich des Herausgebers
selbst, aus denen von Karl Henckell, G. Falke, D. von Liliencron, W. Weigand so
lebendige, echte, zum Teil ergreifend schöne Poesie, dass die Etikette der „neuen
Richtung" ganz überflüssig wird. Der Windmühlenkampf wider die wirklichen oder
vermeinten „Spiesser" und „Kanneoiesser" kann die jüngste Schule in ihrer eigent-
lichen Entwicklung nur aufhalten (vgl. I 12 : 264). — Von ungleichem, im ganzen nur
massigem Gehalt zeigt sich das „Hamburger Weihnachtsbuch" i^), dessen Gewicht
freilich mehr in den künstlerischen als den litterarischen Beiträgen liegt. Die bunte
Mannigfaltigkeit des Stoffes umschliesst erzählende und lyrische Dichtungen, Novelletten,
Märchen und Legenden, historische Skizzen und Naturbilder, hamburgische Erinne-
rungen und Schilderungen. Die Zahl der poetischen Beiträge ist nicht gross und
hinterlässt, obschon Namen wie K. Woermann, Ilse Frapan, J. Stinde, R. Waldmüller
vertreten sind, keinen charakteristischen Eindruck. Unter den Prosabeiträgen finden
sich zwei litterarischen Gepräges: Eine Festrede zu Körners Gedächtnis von Schultess
und die kleine Studie „Robinson und Salas y Gomez" von G. H. Röpe.^o) —
Während die Musenalmanache und die ihnen verwandten Sammlungen nicht
unwesentlich zur Spiegelung des Geistes und poetischen Zuges der Gegenwart sind,
helfen die Stammbücher die Vergangenheit in Einzelheiten spiegeln. Wie auch
ein Splitter etwas Charakteristisches treu wiedergeben kann, so haben einzelne
Blätter dieser Stammbücher eine gewisse Bedeutung, und die reicheren und inter-
essanteren sind wenigstens einer Mitteilung wert. Die allgemeine historische Dar-
stellungder Gebrüder Keipi) hat einen Begriff von dem Reichtum kulturhistorischen
Materials gegeben, das in diesen Erinnerungsbüchern vergangener Tage und Manschen
aufgespeichert ist. Fort und fort zeigt sich, dass es noch eine grosse Zahl in-
haltvoller und in ihrer Art bedeutender Stammbücher giebt, woraus jedoch nicht
gefolgert werden sollte, dass es wünschenswert sei, sämtliche noch unbekannte in
17) Cottascher Musenalmanach anf d. J. 1894. Her. v. 0. Braun. St, Cotta. 16». VIII. 296 S. M. 6,00. 1[L. Geiger:
NatinnH 10 S. .^Söß; Ad. Pichler: ÖLBI. 2, S. 1,51/3; F. Muncker: AZg». N. 294.]| - 18) Moderner Musenalmanach a. d.
,T 1894 Her. v. 0. J. Bierbaum. München, Dr. E. Albert * Co. XI, 317 S. M. 6,00. - 19) Hamburger Weihnachtsbuch.
Mit 140 Bild. Hamburg, 0. Meissner. 4». IH, 567 S. M. 15,00. |[Geg 4S, S. 175; N&S. 66, S. 131/5.11 -- 20) X A. Fitger,
Neue Bremer Beitrr. (vgl. JBL. 1892 IV la:10): DDiohtung. 13, S. 1.52. - 21) d 4: 141 ; 5 : 309; Hl 1:105.) - 22) Blätter
Ad. Stern, Litteraturgeschichte des 18,/19. Jahrhunderts. IV la-. 23-27.1
Druck zu geben und sich nicht mit Berichten darüber und Auszügen daraus zu be-
gnügen. — Wie massig der Gewinn bei der wörtlichen Wiedergabe ist, zeigt der
autotypische Abdruck einer Reihe von Blättern aus Jens Baggesens Stammbuch,
Einzeichnungen, die das Jahrzehnt zwischen 1787—97 umfassen. Die Einleitung, von
Grupe, rechtfertigt die von ihm und dem Enkel Jens Baggesens, Theodor' von
Baggesen^s), bewirkte Auswahl aus dem Buche (auf dessen Titelblatt „der Däne
Jens Baggesen dem Andenken derer, die das Zeitalter schmückten, die durch Weisheit,
Tugend und Wissenschaft Ausgezeichneten" die sämtlichen Einzeichnungen gewidmet
hat) durch die Bedeutung der im Stammbuch vorhandenen Namen. In der That
finden sich hier neben Klopstock und Lavater die Poeten der älteren Generation
vom alten Gleim und dem Braunschweiger Ebert an, die Männer und Frauen des
Kopenhagener Kreises, zu dem Baggesen gehörte: Friedrich Christian Herzog von
Augustenburg und dessen Gemahlin Luise Auguste von Dänemark, die beiden
Bernstorff, Graf Ernst Schimmelmann, Friederike Brun. Maria Magdalena Pram,
die Holsteiner und Hamburger, wie Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg^
Graf Friedr. Reventlow, Gräfin Katharina zu Stolberg, J. H. Voss, Matth. Claudius'
die verschiedenen Glieder des Hauses Reimarus-Siveking, die Grössen von Weimar
und Jena mit Namen wie C. M. Wieland und dessen Gattin, Herder und Karoline
Herder, Schiller und Charlotte Schiller, Reinhold und dessen Nachfolger auf dem
Jenenser philosophischen Katheder Fichte, dazu Johannes von Müller, Niebuhr und
Pestalozzi, Chr. G. Körner und Fernow, — ein stattliches Naraensverzeichnis, das es
allenfalls begreiflich macht, weshalb neben den Herausgebern noch W. Fick in
Hamburg und H. Luthmer in Zabern zu den Erläuterungen herangezogen worden
sind. Leider sind nur die wenigsten Einzeichnungen so charakteristisch, wie die
Fichtes, der (Zürich am 8. Febr. 1793) wenige Wochen nach der Hinrichtung
Ludwigs XVL in acht Verszeilen die Timoleone pries, damit das „Sceptervolk" mit
Massigkeit „raube und wenigstens sich tötbar glaube", oder wie das längst bekannte
Gedicht Schillers vom 9. Aug. 1790, das wie ein Nachhall der „Künstler" klingt oder die
Distichen Fr. Leopold Stolbergs, die an die Botschaft vom Tode Bernstorffs (1797)
anknüpfen; die treue Wiedergabe der Hss. aber kann doch nur einen kleinen
Kreis anziehen. — Ueber das Stammbuch des schwedischen Grosshändlers Joh
Nik. Lmdahl zuNorrköping (1762-1813), der auf grossen Reisen die Bekanntschaft
der hervorragendsten Männer Deutschlands und Frankreichs machte, den Schiller an
Goethe empfahl, der zu Anfang unseres Jh. der Gastfreund Seumes und E. M.
Arndts bei deren Reisen in Schweden war, veröffentlichte Ad. Stern 23) einen
Aufsatz, der aus dem im Besitz des schwedischen Dichters und Reichbibliothekara
Graf Karl Snoilsky befindlichen Stammbuche vor allem die wichtigsten deutschen
Eintragungen berücksichtigt. Wir finden aus der Zeit zwischen 1783 und 1804 im
Stammbuche des Schweden u. a. Klopstock, Moses Mendelssohn, J. H. Voss, C. A.
0 verbeck. Fr Schiller (von diesem ein seither ungedrucktes Distichon vom
2. Sept. 1798), Jean Paul, Wieland und Herder, Arndt eingezeichnet. — Ein Auf-
satz2*) über ein jenaisches Studentenstammbuch aus dem vorigen Jh., das dem
Theologen und späteren Elsasser Pfarrer Schmidt gehört hat, der zwischen 1753
und 1757 in Jena studierte, rückt das ältere Jena mit seinem Renommisten- und
Raufwesen lebendig vor Augen, die poetischen Eintragungen in das gedachte
Stammbuch scheinen jedoch weder litterarische Bedeutung zu haben, noch auch nur
an bekannte und hervorragende Persönlichkeiten zu erinnern. -- Bob es 25) Bericht
über die Temlersche Sammlung adeliger und bürgerlicher Stammbücher aus dem
17, und 18. Jh., die sich in der Kgl. Bibliothek zu Kopenhagen befindet, ist viel zu
summarisch gehalten, um den Wert der einzelnen Stammbücher mit einiger Sicherheit
abschätzen zu können. — Sehr eingehend vergleicht hingegen L. Werner 26) eine
grössere Anzahl von Augsburger Stammbüchern aus dem 18. Jh., zu denen namentlich
die alte Patrizierfamilie von Stetten einen beträchtlichen Beitrag geliefert hat. Litterarisch
bedeutsame Namen sind in diesen Stammbüchern nicht eigentlich vertreten, mit
Glück aber weist der Vf. der Studie nach, dass die meisten Einzeichnungen, je 'nach-
dem die heitere Lebenslust oder die Tugend besonders betont wird, unter dem Ein-
flüsse Hagedorns und Gellerts stehen, deren Dichtungen etwas später den W^eg nach
Süddeutschland fanden und dafür dort um so länger nachwirkten. —
Specialforschung und -darstellung. Die Forschung über einzelne
Gestalten und Erscheinungen der Litteratur des 18. Jh. erhielt in gesammelten
Aufsätzen von Ad. Stern 27), namentlich in den Lebensbildern des Freiherrn
ans a. Stammbuch Jens Baggesens. 1787-97. Her. v. E. Grupe n. Th. v. Baggesen. Marburg, Eylhardt. VIT, 46 S, 48 Taf
M. 6,00. - 23) Ad. Stern, Lindahls Stammbuch: Grenzb. 1, S. 35-42. - 24) G. M.. E. jenaisches Studentenstammbuoh
^o,ro. '"T^^" ^^■- ^''*^^- ^- ^'- ~ 25) (111:104.) - 26) L. Werner. Augsburger Stammbücher d. 18. Jh.:
ZHVSchwaben 20, S. 53-92. (Vgl. 1 4 : 142.) - 27) (HI 3 : 17 ) - 27a) H. Hornberger, Essays (vgl. JBL. 1892 IV 1 a : 16; 1 b : 3; 5 : 180).
.lahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. ^4)2
IV la:27b-3o Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts.
0. von Schönaich, Gottschedschen Ang-edenkens, von J. K. A. Musäus, Friedrich
Rochlitz, in den Studien „Aus Chr. Gr. Körners Reisetagbüchern" und „Chr. P. Körner
und Göschen" eine kleine Folge wesentlich neuer Untersuchungen, obschon es dem
Vf. zuerst und zuletzt weniger auf besondere Hervorhebung des Neuen als auf
möglichst anschauliche und plastische Rundung der Bilder ankam. Während die
Skizzen über Karl von Dalberg, Amalie von Helwig, Charlotte von Kalb und Jean
Paul, J. G. von Salis-Seewis, Fr. Hölderlin sich als Besprechungen der biographischen
Werke von Beaulieu-Marconnay, H. von Bissing, P. Nerrlich, Ad. Frey und B. Litz-
mann erweisen, die die grösseren Portraits verkleinert wiedergeben, stützen sich die
obengenannten Monographien auf teilweise völlig" unbekanntes, unbenutztes oder
vergessenes Material. '■^"''"^'ß) — Die litterarischen Studien, die Marie Herzfeld^S) gab,
beziehen sich zumeist auf norwegische und schwedische Litteratur, enthalten indessen
eine Studie über den Vf. der Briefe eines Unbekannten, den geistreichen capriciösen
Alexander von Villers. Das Kind französischer Eltern, nach bewegten Jugend-
schicksalen im sächsischen diplomatischen Dienst ergraut, langjähriger Legations-
sekretär der sächsischen Gesandtschaft in Wien, war Villers eine Natur, die die
stärksten Gegensätze in sich vereinigte. Vielseitig unterrichtet, in seltener Art be-
lesen, der individuellste und freieste Mensch in vielen Einzelheiten, in anderen
kläglich abhängig von den Ueberlieferungen und Vorurteilen einer gewissen Wiener
Adelsgesellschaft, in der er Freunde und Freundinnen fand, künstlerisch begabt und
feinfühlig, dabei doch wieder vollkommen unempfänglich auch für die Schöpfungen
des Genius, war Villers aus einer Fülle von Widersprüchen zusammengesetzt. Marie
H. nennt ihn einen „Nietzsche in Duodezformat"; und noch als pensioniertem Legationsrat
blieb sein Aristokratismus immer der Aristokratismus des Aristokraten, und es hing
ihm ein Zöpfchen von ancien regime an. Stets beherrschte ihn das Gefühl, weder
in innerer noch äusserer Excentrität verleugnete er je die höfische Art. Genau
diesen Eindruck hinterlassen die „Briefe eines Unbekannten", in denen sich Villers
als Stilist von hohem Rang, von graziöser Laune und eigentümlicher Anmut be-
währt. — Der ersten Reihe seiner geistlichen, humoristischen und komischen Denk-
male schickte der wunderlich originelle Humbert 29) eine zweite Folge nach, deren
litterarische Ausbeute sich freilich als geringfügig erweist. Die ultramontanen Sym-
pathien und Antipathien des Vf. führen ihn zu einer Betrachtungsweise, die mit
der wirklichen Erscheinung der Dinge in Gegensatz steht; er nimmt frischweg
Shakespeare, Schiller und Goethe wenigstens als Kryptokatholiken in Anspruch
und zieht es offenbar vor, dass Goethe eine Art Heide, als dass er Protestant ge-
.wesen sei; er plänkelt und polemisiert mit Vorliebe auf dem Gebiet religiöser Streit-
fragen. Die aphoristische, anekdotische Behandlungsweise deckt sich schlecht mit
dem Ernst der behandelten Gegenstände. Die auch in der ersten Reihe nicht ganz
zuverlässigen litterarischen Erinnerungen beschränken sich diesmal auf alte Berliner
Zeitungs- und Theatererinnerungen, die nur sehr untergeordneten Wert beanspruchen
dürfen. —
Mit der Veröffentlichung von 34 Briefen aus den J. 1741 — 85 hat Schüdde-
kopf3ö) zur Lebens- und Entwicklungsgeschichte des Dichters Job. Nik. Götz
einen nicht unwichtigen Beitrag gegeben. Freilich sind alle diese Briefe von Götz an
Gleim, von Gleim an Götz, von Götz an Uz, an Ramler, an Knebel, schliesslich von
C. G. Götz (dem Sohn von Johann Nikolaus, dem Mannheimer Buchhändler) an Ramler
und von Gleim an C. G. Götz nicht mehr als Material zu einer wirklichen Biographie
des Dichters der „Mädchen-Insel" und des Verdeutschers von Gressets „Ver-Vert"
oder, wenn man will, auch Material zu einer deutschen Kulturgeschichte des 18. Jh.
Man empfängt auch aus diesen Briefen wieder den Eindruck, wie wichtig in dieser
Frühzeit des poetischen Strebens und eines allmählich sich bildenden künstlerischen
Geschmacks der zaghafteste und kleinste Schritt nach vorwärts war; man fühlt, dass
die Zerwürfnisse über rein litterarische Fragen unter damaligen Umständen mindestens
eben so viel zu bedeuten hatten und den Männern so tief gingen, als beute un-
heilbare Trennungen aus politischen und socialen Gegensätzen. Es fehlt auch in
Sch.s Beiträgen nicht an Zeugnissen sachlicher Kämpfe, die zu persönlichen wurden;
nichts ist rührender als die flehentlichen Bitten in dem letzten Briefe, den Götz
am 20. Okt. 1766 aus Winterburg an Gleim richtete, sich um jeden Preis mit
Ramler zu versöhnen: „Ich respektiere Ihre Wehmut über den Verlust eines solchen
Freundes und rühre Ihre Wunde nicht an. Ich sage nur dieses: Was auch HE. Ramler
|[H. Grimm; DBs. 74, S. 308-10; 0. Girndt: DWBl. S. 204; LCBl. S 336.]| — 27 b) Ella Mensch, Neuland (vgl. JBL. 1892
I 4:856; IV la:4; 1893 I 1:121). |[Ge8. S. 245/6; DR. 1, S. 392; WIDM. 73, S. 430/2.]| — 27 C) W. Weigand, Essays (vgl.
JBL. 1892 IV la: 15; 1893 11:120). |[E. Mahrenholtz: MHL. 21, S. 187/8; KZg. N. 897.JI — 28) Marie Herzfeld,
Menschen n. Bücher. Litt. Studien. Wien, L. Weiss. VII, 172 S. M. 3,50. — 29) E. Hnmbert, 70 geistl., hnmorist. n.
komische Denkmale. 2. F. d. geistl., humorist. u. a. Erinnerungen an 44 hedeut. zeitgenöss. dtsch. Männer nebst 87 Denkmalen
gleichen Charakters. Qrandenz, Gaebel. 89 S. M 1,60. (Vgl. .TBL. 1892 IV la:20.) -■ 30) C. Schflddekopf, Briefe v. u.
Ad. Stern, Litteraturg-esohichte des 18./19. Jahrhunderts. IV la: 31-32
verbrochen haben mag" sich Ihrer Freundschaft unwürdig zu machen, so wäre es
doch um der schönen Wissenschaften und um Ihres beiderseitig-en (!) Ruhmes willen
besser diese Freundschaft je eher, je lieber zu erneuern." Ein höchst charakte-
ristisches Stück Sittengeschichte sind die ängstlichen Massregeln, mit denen Götz sein
Poetentum in die tiefste Verborgenheit hüllt. Er fürchtet bei Entdeckung seines
Namens sein kleines Glück untergraben und sich um Brot und Frieden gebracht
zu sehen, wenn er als Autor erotischer Gedichte bekannt werden sollte. Seh. nimmt
an, dass Götz auch in der Furcht, Gleim möge über die Herausgabe der Blüten des
Parnasses nicht reinen Mund halten, mit dem Halberstädter Freunde seit 1766 ge-
brochen, sich ihm gegenüber wenigstens in Schweigen gehüllt habe. Der alte Gleim
blieb auch bei diesem Anlass er selbst; kaum waren nach Götz Tode die von
Ramler herausgegebenen Gedichte des Halleschen Studiengenossen, des Bruders aus
dem Halleschen Dichterkränzchen und langjährigen Freundes, erschienen, so war er
mit Subskriptionen, mit Lobeserhebungen und mit „zorniger Brandmarkung der
Stümper", die „von diesen Meisterstücken der deutschen Musen ein läppisches Urteil
öffentlich fällten", hurtig zur Hand. — Als ein Beitrag zur Frage der Volksschriften-
litteratur und ihrer Förderung in verschiedenen Richtungen, hier im Dienste der
kirchlichen Aufgaben, darfein Brief F. V. Reinhards, des 1812 verstorbenen Dresdener
Oberhofpredigers, angesehen werden, den S ander 3^) aus dem Nachlass des Abtes
Fr. Lücke mitteilte. Gerichtet war der Brief an einen der MitbegTÜnder des heute noch
bestehenden christlichen Vereins im nördlichen Deutschland, den Pastor J. G. Uhle
zu Seeburg und Helbra. Reinhard weist für den zu begründenden Verein auf die
musterhafte Organisation der 1799 ins Leben getretenen „Religious tracts Society"
hin und erklärt sich aus persönlichen und politischen Gründen gegen alles Ge-
heimnis bei dieser Angelegenheit, da das Gute nach dem Muster unseres Herrn und
seiner Apostel frei und öffentlich befördert werden müsse, auch die Lage der Welt
und der politischen Angelegenheiten jetzt so beschaffen sei, dass nichts leichter an-
stössig werde und die Aufmerksamkeit der Regierungen leichter auf sich ziehe als
Associationen, die etwas Geheimnisvolles an sich hätten. Zum Verständnis des
letzten Satzes verhilft das Datum des Briefes, er ist im Nov. 1811, also zur Zeit der
tiefsten und anscheinend hoffnungslosesten Demütigung Deutschlands unter die
französische Fremdherrschaft geschrieben. — Als eine Gestalt, die nach Abstammung,
Bildung, Verbindungen und Lebensschicksalen untrennbar mit der Geschichte der
deutschen klassischen Poesie verwachsen ist, ohne durch eigene grössere Leistungen
hervorzuragen, kennen wir längst Heinrich Voss, den Sohn des Homerübertragers
und Dichters J. H. Voss und seiner Ernestine. Für die reichen Beziehungen Heinrichs
spricht die durch Heuermann^'*) herausgegebene Auswahl von Briefen, die
B. R. Abeken zwischen 1800 und 1822 an Voss richtete. Aus Jena (1800), Berlin
(1802—7), Weimar (1808—9), Rudolstadt (1810-15), Osnabrück (seit 1815) be-
richtete Abeken über persönliche Erlebnisse, Eindrücke seiner Lektüre; zwischen wich-
tigen, für die Stimmungen der Zeit bezeichnenden Mitteilungen läuft auch etwelcher
Klatsch mit unter, im ganzen hat man immer wieder nur Ursache eine Zeit zu
preisen, die ihren Menschen ein so starkes Gefühl für das Grosse und Echte gab,
die selbst einfache Lebensgeschicke, wie die späteren Abekens waren, mit immer neuen
Erkenntnissen und inneren Beglückungen bereicherte. Die Briefe lassen uns anfänglich
in den Verkehr der beiden Freunde und ihre gemeinsamen Interessen hineinblicken,
rücken aber, da die Antworten von Heinrich Voss fehlen, allmählich seinen Kor-
respondenten in den Vordergrund. Aus den Briefen geht auch hervor, dass Abeken
mit einem Aufsatz im „Morgenblatt" zu den ersten kritischen Vorkämpfern der
Goetheschen Wahlverwandtschaften gehörte. —
Auf dem Gebiete lokaler Litteraturforschung tritt diesmal Oester-
reich bemerkenswerter Weise in den Vordergrund. Die Litteratur- und Lebensbilder,
die Müller-Guttenbrunn'2) unter dem Titel „Im Jh. Grillparzers" vereinigt hat,
und die ausser Grillparzer selbst „Th. Körner in Wien", „Otto Prechtler und Franz
Grillparzer", „Ferdinand Raimund", „Eduard von Bauernfeld", „Robert Hamerling",
„Ludw. Anzengruber", „Josef Weilen und Ed. Mautner" und endlich die kleine Studie
„Auch ein Dichter" enthalten, worin unter dem Namen Richard das Wesen und das
persönliche Geschick eines Vf. von gangbaren Kolportageromanen geschildert wird. Zu
dem Satze „den Göttern und Halbgöttern der Litteratur stehen die Beherrscher der
litterarischen Unterwelt gegenüber und ihre Macht über die Volkssele ist grösser,
als ihr da oben ahnt" liefert das Lebensbild des Anonymen einen traurigen und
erschreckenden Beleg. Das, worauf es eigentlich ankäme: Das Verhältnis der
anJoh.NiV. Götz. Nach d. Originalen. Wolfenbattel, Zwissler. XVI,130S. M.2,00. (Vgl. IV lo :65.) — 31) F. Sander, E. Brief F. V.
Beinhards: ThStK. 65, S. 769-73. — 31a) A. Heuermann, Aus B. R. Abekens Briefen an Heinr. Voss. Progr. der städt. höh.
Mädchenschule. Osnabrüclt (J. G. KislingX 4». 24 8. (Vgl. IV 1 0 : 68.) — 32) A. MOll e r-Outtenbrunn, Im Jh. Grillparzers. Litt.-
(4)2*
IV la:33-34 Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts.
neuesten belletristischen Unterströmung-en der Litteratur zu früheren verwandten
Unterströmung-en vergleichend zu untersuchen, kann der kurze Aufsatz freilich nicht
leisten. Aber ein Beitrag zur Geschichte der Litteratur und zur Geschichte der
socialen Fragen ist er jedenfalls. — Stellt hier Müller-Guttenbrunn die dunkle Kehr-
seite des Dranges nach poetischer Thätigkeit und litterarischem Erfolg dar, deren
Lichtseiten die übrigen Skizzen seines Buches behandelt haben, und verharrt er
dabei im hauptstädtischen Mittelpunkt Deutsch-Oesterreichs, dem nur Hamerling
nicht dauernd angehört hat, so beschreibt Schlossar^-^) die litterarischen Persönlich-
keiten und geistigen Bestrebungen, die, ungefähr auch im Jh. Grillparzers, einer
deutsch-österreichischen Provinz wie Steiermark im besonderen angehört haben, mit
guter Kenntnis und warmem Anteil. Nur die kleinste Zahl davon erlangte eine über
die Grenzen der Provinz hinausgehende Bedeutung. Mit der Grazer Wochenschrift
„Wochenblatt für die innerösterreichischen Staaten" (1775), deren Herausgeber der
spätere Professor in Lemberg Gottfr. Uhlig war, der als Poet zu den Nachfahren
Klopstocks zählte, mit dem Aufenthalt J. F. Schinks in Graz und dem ersten steier-
märkischen Musenalmanach, den der Lyriker und Dramendichter J. N. Ritter von
Kalchberg 1789 als „Früchte vaterländischer Musen" A'eröffentlichte, beginnt nach
Sch.s Darstellung das selbständige Litteraturleben in Steiermark. Aus den Forschungen
Sch.s tauchen nacheinander eine ganze Reihe vergessener Namen und Werke wieder
empor; schon ins 19. Jh. hinüber leiten Erscheinungen wie Karl Schröckinger, der
Schicksalstragödien schrieb, wie der Lyriker und Dramatiker Josef Kollmann, der von
1812—37 die litterarische Beilage der Grazer Zeitung „Der Aufmerksame" redigierte.
Dem neuen Jh. g-ehörten völlig R. G. Puff (1808-65), C. G. von Leitner (1800— 90) an; mit
der Zunahme der Wiener Belletristik schoss natürlich auch die steiermärkische ins Kraut.
War es in der erstenHälfte des g-eschilderten Jh. die Signatur beinahe aller Bestrebungen,
dass sie von Wiener Vorbildern beinflusst wurden, legt Seh. dem Aufenthalt
J. G. Seidls in Cilli und sog-ar Karl von Holteis in Graz eine gewisse Bedeutung
für die Entwicklung deutscher Dichtung in Steiermark bei, verwandelten sich in
eben dieser Zeit geborene Steirer wie Josef Hammer (von Purgstall) und Faust
Pachler völlig in Wiener Schriftsteller, so ist in der zweiten Hälfte des Jh. leicht
wahrzunehmen, dass die Provinztalente selbständig wurden. Anastasius Grün und
Robert Hamerling, die, obwohl keine Steirer im engeren Sinne, doch Steiermark
mannigfach verbunden und in Graz heimisch wurden, standen auf eigenen Füssen
und gaben der „Centrale" W'ien mehr als sie von ihr e'mpfingen. Vollends P. K.
Rosseger und Hans Grasberger dürfen als specifisch steiermärkische Talente angesehen
werden, die nicht bloss durch ihre Geburt und ihre äusseren Lebensverhältnisse der
Provinz angehören, sondern die alle ihre poetischen Wurzeln im Heimatboden haben. —
Zur lokalen Litteraturgeschichte Steiermarks gehört ferner die kleine Studie über
„Cilli in der Litteratur", die Kurz^^''') im Album ,,Celeja" veröffentlicht, in der
natürlich zum Teil dieselben Namen auftauchen, denen wir bei Schlossar begegnen.
— Auf die leidenschaftlichen Rivalitäten, die in dem doppelsprachigen österreichischen
Kronlande Böhmen nach wie vor herrschen und immer heftiger zu werden scheinen,
wirft ein Aufsatz des Prager Universitäts-Professors Mischler^^) ein grelles Streif-
licht. Die nationale Eifersucht der slawischen Bewohner Böhmens ruft die Statistik
zu Hülfe, um die Ueberlegenheit der cechischen über die deutsche Litteratur zu er-
weisen und versucht sich auf die Zahl der cechischen belletristischen W^erke gegen-
über den deutschen zu stützen. Mit Recht hält M. den nationalen Heissspornen
entgegen, dass ganz naturgemäss die cechischen Schriften in ihrer Gesamtheit in
Oesterreich zum Verlage kommen, während von deutschen, durch Oesterreicher
verfassten Schriften ein bedeutender Teil ausserhalb Oesterreichs gedruckt und ver-
legt werde. Viel wichtiger als die rein äusserliche Frage nach der Schriften- und
Bändezahl ist die Frage nach dem Gehalt und Wert der Werke, und diese Frage
ist mit der Erörterung, dass die cechische Litteratur im „poetischen" und die deutsche
im „scientivisohen Zeitalter" stehe, wahrlich nicht beantwortet. Es stände schlimm,
wenn in der That die belletristische Produktion der Cechen die der Deutschen so
weit hinter _ sich Hesse, wie der Wiener Abgeordnete Zucker behauptet hat und M.
indirekt zugiebt. Aber darauf freilich kommt nichts an, ob die paar deutsch-böhmischen
Poeten des letzten Jahrzehnts von ihren slawischen Rivalen übertroffen werden, da
eine Trennung der ersteren von ihren Genossen im übrigen Deutsch-Oesterreich (von
der allgemeinen deutschen Litteratur noch ganz abgesehen) schechthin sinnlos und
u. Lebensbilder ans Oesterreich. 1.-2. Aufl. Wien, Kirchner & Schmidt. V, 224 S. M. 4,00. [[Didaslc. N. 7; Grenzb. 2, S. 288;
B. Mfinz: ÖUR 14, S. 55/8; 0. Harnacls: PrJbb. 73, S. c41 ; DEs. 76, S. 159; N&S. 65, S. 136; J. Minor: ÖLBl. 2, S. 714/5;
R. Opitz: BLÜ. S. 183/4; A. Sauer: DLZ. S. 939-40.1| —33) A. Schlossar, 100 J. dtsch. Dichtung in Steiermark. 1785-1885.
(=0e8terr. Bibl. her. v. A. Ilg. 2. Bd.| Wien, Graeser. XI, 193 S. Mit 10 Abbild. M. 2,00. — 33a) M. Kurz, Cilli in d.
Litt. (= Celejii. Festschrift z. Feier d. 25j. Bestandes selbstärd. Gemeinsatznngen v. Cilli, veranst. v. d. „Deutschen Wachf
n. her. t. G. Ramberg [Cilli, J. Rakusch. 1892. 4». 78 S. niif Abbild. M. 6,00], S. 36-40.) — 34) E. Mi so hl er, D. dtsch
Ad. Stern, Litteraturgeschichte des 18./i9. Jahrhunderts, IV la : 35-39
unthunlich ist. Jedenfalls hat die Erörterung- die Folge gehabt, den Eifer der Deutsch-
böhmen für ihre heimatlichen Talente anzuspornen, wie u. a. der Aufsatz Pauchlers^^)
erweist. — Auch in Tirol, wo es deutsche Sprache und Litteratur gegen die von
Süden heraufdrängende Verwelschung zu verteidigen gilt, mischt sich der litterari-
schen Betrachtung die patriotische und parteipolitische nur allzuleicht bei. Dies
wird bei jedem Blick auf geistiges Leben in Tirol klar, gleichviel ob Vor- oder
Nachmärzliches dabei gemeint ist-'^). — Auf den gemeinsamen Boden deutsch-öster-
reichischer Litteratur führt uns zunächst Marianne Nigg^") mit ihren Biographien
der österreichischen Dichterinnen und Schriftstellerinnen zurück, die zu den durch
die Weltausstellung in Chicago veranlassten Arbeiten gehört. Vom Frauenkomitee
dieser Ausstellung, das in einer besonderen Abteilung- das weibliche Wirken in der ganzen
civilisierten Welt zur Anschauung bringen wollte und darum auch Bildnisse und
Lebensgeschichten litterarisch thätiger Frauen sammelte, war die Vf. beauftragt, die
Biographien der österreichischen (soll heissen deutsch-österreichischen) Zeitgenossinnen
zu sammeln, und sie unternahm es unter der Voraussetzung-, dass, wer in deutscher
Sprache in Büchern, Broschüren, Zeitungen oder Zeitschriften irgend etwas veröffent-
licht habe, in diesem Werkchen genannt werden müsse, daneben mit der Zuversicht,
dass das solchergestalt vereinte Wii'ken sich als „geistige Macht" darstellen müsse.
Darüber kann man nun verschiedener Ansicht sein, den fleissigen Bemühungen
Marianne N.s, ein zuverlässiges Verzeichnis der deutsch schreibenden Schrift-
stellerinnen Oesterreichs und ihrer Werke zu geben, wird man wenigstens den Wert
eines ersten Versuchs zusprechen müssen. Da das Heft alphabetisch geordnet ist,
gehen denn freilich die grundverschiedensten Leistungen bunt durcheinander, neben
blossen Notizen stehen eingehende und gelegentlich ein wenig ruhmredige Auto-
biographien; die Berühmtheiten gipfeln das eine Mal in der Dichterin Marie von
Ebner-Eschenbach und das andere Alal in der Edeln Katharine von Schweiger, deren
unter dem Pseudonym „Katharina Prato" veröffentlichte „Süddeutsche Küche" in
150 000 Exemplaren verbreitet ist. Die hochfliegenden Bestrebungen einer Bertha
von Suttner, die mit Romanen den Krieg aus der Welt zu schaffen trachtet, und die
rührend bescheidenen einer Josefine Godai, die sich auf einen nützlichen Leitfaden für den
Massenunterricht in den weiblichen Handarbeiten beschränkt, wohnen hier friedlich bei
einander. Charakteristisch für Oesterreich ist das starke Vorwiegen des aristokratischen
Elements unter den Schriftstellerinnen und die Vorliebe für exotische Kriegsnamen. Die
letztere wird einem künftigen Erläuterer von Pseudonymen insofern Not schaffen, als
einige der geschätzten Damen den gleichen Namen gewählt haben. So erfahren wir
z. B., dass die Novellistin Paula Dorn von Marwald unter dem Namen „Paul Andor"
schreibt, begegnen aber dem gleichen Pseudonym bei der Schrifstellerin Margarethe
Halm, von der das Verzeichnis rühmt, dass sie in Ecksteins Dichterhalle „siegreich
mit der Idee von einem höheren Menschentum aufgetreten sei". Etwas mehr Be-
schränkung in so hyperbolischen Behauptungen und etwas schärfere Genauigkeit
in den bibliographischen Angaben würden die Brauchbarkeit der Arbeit wesentlich
erhöht haben. — Ueber das „junge Oesterreich", eine Gruppe von jungen meist
Wiener Poeten und Schriftstellern, belehrt uns Bahr 3*) als ein Angehöriger. Um
alle Missverständnisse zu vermeiden, beginnt er mit der Erörterung, dass das junge
Oesterreich nichts mit den naturalistischen Experimenten des jüngsten Deutschland
gemein habe. Es will vielmehr, „da einmal unser Leben aus der deutschen Ent-
wicklung geschieden und heute der deutschen Kultur nicht näher als einer anderen
ist, den Anhang der deutschen Litteratur verlassen und nun aus eigener Art auch
eine eigene Kunst gestalten." Es möchte — sonst hat es keinen vornehmlichen Trieb —
„es möchte recht österreichisch sein, österreichisch von 1890, was dann Jeder wieder auf
seine Weise versteht." Die Versicherung, dass das junge Oesterreich „die Er-
bitterung der jüngsten Deutschen gegen die alte Kunst, als ob diese erst nieder-
gemacht und ausgerottet werden müsse", nicht teile, klingt ganz gut, aber der Nach-
satz, „das junge Oesterreich sei nicht revolutionär", steht im unlösbarsten Widerspruch
mit der voraufgeschickten Behauptung, dass Jung-Oesterreich in deutscher Sprache
schaffend gleichwohl den uralten Zusammenhang und die lebendige Wechselwirkung
zwischen der deutschen und deutsch-österreichischen Litteratur und Kultur zu lösen
und aufzuheben trachte. Wenn es sich so verhielte, und wenn diese Versuche Be-
deutung hätten, Bedeutung haben könnten, so wären sie revolutionärer als der
schroffste Naturalismus. Die Poeten, um die es sich hier handelt, sind ausser B.
selbst K. von Torresani, Arthur Schnitzler, Hugo von Hofmannsthal (Loris) und die
Lyriker F. Dörmann, H. von Korff und R. Specht. Sie alle lassen den naturalistischen
a. d. 2ecliische Litt, in Böhmen. E. Entgegnung: Bohemia'*. N. i. — 35) A. Panchler, E. deutschböhm. Litt.: MNord-
böhmExcursClub. 16, 8. 36-40. — 36) Geistiges Leben in Tirol: ÖUE. 14, S. 142/4. — 37) Marianne Nigg, Biographien d.
österr. Dichterinnen n. Schriftstellerinnen. E. Beitr. z. dtsch. Litt, in Oesterreich. Korneuburg, Kühkopf. 61 S. M. 2,00.
l[ÖLBl 2, S. 748/9.11 - 38) H. Bahr, D. junge Oesterreich: DZg. N. 7806, 7813, 7823. — 39) R. Schlösser, E. Fraaen-
VI la:40 Ad. Stern, Litteraturgeschichte des 18./19. Jahrhunderts.
Drang", „die unpersönliche Wahrheit ohne Wahl und Absicht, strenge wie das Leben
an der Fläche scheint, den Enthusiasmus der täglichen Dinge" vermissen, haben
vielmehr Verwandtschaft mit den französischen Parnassiens, „die nur in der Fassung
Pflicht imd Verdienst der Kunst erkennen und als eitel erachten, was nicht seltene
Nuance, malendes Adjektiv, gesuchte Metapher ist," In dem Geständnis, dass diese
Schule um den Gehalt unbekümmert sei, und in der Einräumung, dass die Zungen
des jungen Oesterreich meist aus fremden Litteraturen reden, liegt schon eine Art
Verurteilung dieser auf den Grund verzichtenden, nur „den vollen Taumel aller
Wallungen auf den Nerven und Sinnen" suchenden Dekadenten. B. charakterisiert
sich selbst dahin, dass „die europäische Seele keine Geheimnisse vor ihm habe. Es
sind nicht Viele, die das von sich sagen können. Maurice Barres, mein lieber
Meister, leitet sie. Sie hoffen, dass ihre wachsende Gemeinde langsam eine neue
Rasse geben wird, das Volk der Europäer, das die nationale Befangenheit zu einer
reinen Menschlichkeit verklärt. Dann würde man erst sehen, wie deutlich schon in
meinen Werken die Spuren dieser Zukunft sind, und mein Verdienst der Vorem-
pfindung wäre gross." Besonnen und dem Kritiker das letzte Wort vorwegnehmend,
setzt er dann hinzu: „Aber es ist auch möglich, dass es nur eitle und leere Marotten
nervöser Sonderlinge sind, die verschäumen." Uns deucht es nicht bloss möglich,
sondern gewiss, dass es so kommen wird. Wer wird in einem Menschenalter nach
Lebensdarstellern fragen, deren Welt „die gemütliche und liebe Weiblichkeit, die auf
dem Wege von der Grisette zur Kokotte ist, nicht mehr das Erste und das Zweite
noch nicht", — wem werden die „Sensationen, wo sich wunderlich die feinsten
Schrullen einer sehr künstlichen Kultur und die ewigen Instinkte des menschlichen
Tieres vermischen" dann noch einen Pfifferling gelten?! —
Auf mittel- und norddeutschen Boden, ja zum Teil darüber hinaus,
gelangen wir in einer Reihe von Abhandlungen, Vorträgen, Studien und Plaudereien,
die litterarische Erscheinungen und Entwicklungen unter lokalen Gesichtspunkten
behandeln oder auch rein lokalen Erinnerungen gewidmet sind. In die klassische
Periode hinein ragt noch Frau Juliane Franziska von Buchwald, die dem Hofe zu
Gotha angehörte und sich erst im Alter von der Teilnahme an französischem Geist
und französischer Litteratur den aufgehenden Gestirnen deutscher Dichtung zuwandte.
Schlösser 3^) zeichnet in dieser Prauengestalt aus dem geistigen Leben des vorigen
Jh. das Muster einer fürstlichen Hofdame und Obersthofmeisterin der Aufklärungs-
periode. Die Freundin der geistreichen Herzogin Luise Dorothea von Sachsen-
Gotha, die ihre Gebieterin um 22 Jahre überlebte (die Herzogin starb 1767, Frau von
Buchwald 1789), genoss die Verehrung der hervorragenden Menschen zwei grund-
verschiedener Zeiten und Bildungen, in ihrer Jugend von Voltaire als „grande Mai-
tresse de Gotha et des coeurs grande maitresse" gefeiert, von Friedrich dem Grossen
und seinem Bruder Heinrich ausgezeichnet, im Alter von Wieland, Herder und Goethe
um ihres Geistes, ihres feinen Urteils ebenso wie um ihrer persönlichen Liebens-
würdigkeit willen gepriesen („ehe noch Oberon, Egmont und andere Meisterwerke
an die Oeffentlichkeit traten, hatten sie der Frau von Buchwald im Ms. vorgelegen"),
half sie die Uebergänge von der französischen Hof bildung zu der neuen deutschen Bildung
erleichtern und vermitteln und verdient nicht bloss in der unmittelbar nach ihrem Tode ge-
schriebenen Biographie F. W. Gotters fortzuleben. — Unmittelbar aus persönlichen
Eindrücken in Weimar und Jena hervorgegangen, geschrieben wie der Neuheraus-
geber Ed. von der Hellen^'^) sagt, ,,in einer glücklichen Zeit, in der es dem Verehrer
Goethes und Schillers noch möglich war, seine aus den Werken der Dichter selbst
geschöpfte Anschauung ihrer Grösse frei und leicht und freudig mitzuteilen," trat
Ad. Stahrs „Tagebuch" zum dritten Mal in die Litteraturwelt. Mit allem Recht hat
sowohl Stahr bei der zweiten als v. d. H. bei der dritten Auflage eines Buches, dessen
eigentümlicher Charakter es ist, dass der Vf. den Hut auf dem Kopf und den Stock
in der Hand die Stätten aufsuchte, an denen unsere klassischen Dichter schufen, und
mit dem lebendigen Eindruck die lebendige Erinnerung paarte, die Tagebuchform der
ersten Niederschrift gew^ahrt. Ein Buch, das man „nicht benutzen, aber lesen kann",
das ohne Plan, je nach Gelegenheit und Stimmung entstanden ist, das an die frische,
aber unsystematische Heraufbeschwörung der einzelnen Lokalitäten von Weimar
und Jena, an den Park, an Schillers und Goethes Haus, an Goethes Garten am Stern,
an die Fürstengruft, an Jenas Umgegend und Höhen, an Schillers Gartenhaus an
der Leutra und an den Friedhof von Jena die Mannigfaltigkeit seiner Utterarischen,
künstlerischen und politischen Erörterungen, Rückblicke und Prophezeihungen knüpft,
in dem Vergangenheit und Gegenwart bunt abwechseln, behält seinen Wert natürlich
durch ganz andere Eigenschaften als durch die unbedingte Zuverlässigkeit seiner
Citate und die einwandsfreie Objektivität seiner Urteile. Berichtigungen seitens des
geetalt aus d, geistigen Leben d. vorigen Jh.: LZg". N. 14 — 40) Ad. Stahr, Weimar u. Jena. E. Tagebuch. 3. Aufl. Mit e.
Ad. Stern, Litteraturgeschichte des 18./ 19. Jahrhunderts. IV la -. 41-43
Herausgebers oder der Kritik wären hier nahezu vom Uebel, „dass einige Daten un-
genau, die Beziehungen einiger Gedichte nicht ganz richtig, einige Widersprüche
stehen geblieben sind, wird dem Leser nichts schaden und dem Buche auch nichts".
Man steht entweder auf dem Standpunkt, dass die Persönlichkeit des Vf., sein Geist,
sein Wissen, seine Art, die Dinge anzuschauen und die empfangenen Eindrücke
wiederzugeben, der Teilnahme wert sei und Anregung zu eigenem Nachdenken gebe,
oder man meint, dass diese Art der Betrachtung und Darstellung veraltet, die Vorzüge
des Vf. zu stark von persönlicher Eitelkeit in den Schatten gestellt wären. Die
freundlichere erstbezeichnete Anschauung- ist offenbar die vorherrschende, und so wird
Stahrs Buch eine weitere Generation von Lesern erfreuen und erfrischen, ihnen zeigen,
welcher Reichtum von Nachwirkungen auf unser Leben aus der klassischen Litteratur-
periode hervorgegangen ist, und ihnen für ein tieferes Eindringen in das Leben von
W^eimar und Jena die Pforten öffnen. — Zum Kapitel Weimar und Jena gehören die
Erinnerungen an „die litterarischen Abende der Grossherzogin Maria Pawlowna", die
wir Lili von Kretschmann^i) verdanken. Sie beziehen sich zumeist auf die nach-
goethesche Zeit, in der „W^eimar und Jena viel angegriffen wurden ; man verstand
nicht oder wollte nicht verstehen, dass der Rückschlag nach einer so gewaltigen
Epoche nur ein natürlicher war, und machte sich lustig über das, was jetzt für Kunst
und Wissenschaft geschah. Sogar Ranke hielt diese Bestrebungen nicht für Enthu-
siasmus, sondern meinte, man woUe nur den Kredit aufrecht erhalten." Lili v. K.
sieht die Dinge nun im richtigen Licht und betont, dass man sich nicht auf die
Herstellung der Dichterzimmer im Weimarer Residenzschlosse, nicht auf die Heraus-
gabe von Briefwechseln und Erinnerungen beschränken konnte, wenn auch natürlich
diese pietätvolle Pflege der Ueberlieferung im Mittelpunkte der geistigen Interessen
der Grossfürstin- Grossherzogin stand. Während der Regierung ihres Gemahls
(1828—53) versammelte Maria Pawlowna fast wöchentlich an einem Abend einen Kreis,
der mit ihr an geistigen Dingen lebendigen Anteil nahm und den Vorträgen lauschte, die
zumeist von Professoren der Universität Jena gehalten wurden. Neben K. von Hase,
J. F. Fries, C. W. Göttling, Huschke, M. J. Schieiden, Apelt, K. Fortlage, J. G. Droysen,
A. Schleicher, Kuno Fischer, Ad. Schmidt waren von Weiraaranern der Staatsminister
von Schweitzer, der Kanzler von Müller, St. Schütze, K. F. von Froriep u. a., deren
Anfänge imd persönliche Erinnerungen in die Tage des klassischen Weimar zurück-
reichten, später L. von Schorn, A. Scholl, L. Preller, H. Sauppe beteiligt. Alles in
allem hinterlassen die Schilderungen den Eindruck, dass es sich um eine Uebergangs-
zeit handelte, an deren Schluss freilich schon das „Neu-Weimar" Liszts und des
Grossherzogs Karl Alexander emporzu tau eben begann. Hübsch ist, was Lili v. K.
über die Wirkung dieser litterarischen Abende auf die Gelehrten- und namentlich
auf die Hofkreise erzählt. Maria Pawlownas Hofdamen mochten oft heimlich seufzen,
wenn die Herrin von ihnen verlangte, die gelehrten Abhandlungen den nächsten
Tag aus dem Gedächtnis nachzuschreiben. Es wurde ihnen nicht ganz leicht, den
Anforderungen gerecht zu werden, die die Grossherzogin an ihre Auszüge der Vor-
träge stellte, am wenigsten wenn der Stoff ihnen fern lag oder ganz neu war. Am
lebendigsten und gewinnendsten tritt aus diesen Erinnerungen die Gestalt des Kirchen-
historikers K. von Hase hervor. — Eine Alsfelder Dichterin des vorigen Jh. Johanne
Elisabeth Merk geborene Neubauer (1736—73) sucht Strack ^2) a^g völliger Vergessen-
heit zu retten. Eine Tochter des Giessener Theologieprofessors Neubauer und die Gattin
des Amtsphysikus Merk zu Alsfeld in Hessen, eines Bruders des Darmstädter Goethe-
Merk, lehnte sich Johanna Elisabeth in ihren poetischen Versuchen an Klopstock
und Geliert, vorzugsweise an den Engländer Young an, war eine Bewundererin Friedrichs
des Grossen und, im Gegensatz dazu, eine empfindsame Naturfreundin, eine der ersten,
bei denen sich die moderne Mondscheinschwärmerei findet. St. charakterisiert sie
als eine für ihre Zeit moderne Dichterin im guten Siim des Wortes, die ihr be-
scheidenes Teil dazu geholfen habe, unsere klassische Blüteperiode vorzubereiten und
deren heutige Unbekanntheit ihrer temporären Bedeutung nicht entspreche. — Voll
in den Drang und Streit des Tages versetzt uns hingegen Hähneis *3) litterarische
Plauderei über die bremischen Dichter und Schriftsteller der Gegenwart. Die alte
Hansestadt hat, trotz der Verknüpfung mit dem ersten grossen Aufschwung der
deutschen poetischen Litteratur durch die Bremer Beiträge niemals zu den bedeutenden
litterarischen Mittelpunkten Deutschlands gehört, aber auch zu keiner Zeit einzelner
Talente und geistig hochstrebender Mitbürger entbehrt. In den letzten Jahrzehnten
sind die Namen von H. Allmers, H. Bulthaupt, A. Fitger und 0. Gildemeister auf
verschiedenen poetischen Gebieten mit Recht zu Ansehen gelangt. Eine freilich
Vorwort v. Ed. v. der Hellen. 2 Bde. Oldenburg, Schulze. XV, 316 S.; IV, 246 S. M. 6,00. — 41) Lili v. Kretsch-
man, D. litt. Abende d. Grossherzogin Maria Pawlowna: DRs. 75, S. 422-43; 76, S. 58-89. — 42} A. Strack, E. Alsfelder
Dichterin d. vorigen Jh.: QBllHVHessen. 1, S. 341/2. (Referat.) — 43) F. Hähnel, D. bremischen Dichter u. Schriftsteller d.
IV la: 44-47 Ad. Stern, Litteraturgeschichte des 18./19. Jahrhunderts.
höchst unzuläng-liche Charakteristik dieser vier steht dann auch im Mittelpunkte der
Uebersicht, in der H. mit allzuweitg-reifendem Lokalpatriotismus 77 bremische Dichter
und Schriftsteller zusammeng-ebracht hat. Wenn es sich nur darum handelt, ein er-
trägliches Gredicht, eine vereinzelte Probe leidlicher Uebersetzung- vorzuführen, wer
könnte da nicht unter die Zahl der Berufenen gereiht werden? Natürlich befinden sich
auch unter den wenig Genannten Talente, und es wäre ein Verdienst gewesen, Be-
strebungen wie die von J. P. Willatzen, Ed. Ruete u. a. ins rechte Licht zu rücken.
Bei einer Verteilung der Anerkennung auf Dutzende und aber Dutzende von Namen
kann der Vf. den einzelnen wirklich Hervorragenden nicht gerecht werden. Die
zersplitternde Einteilung nach Lyrik, Epik, Dramatik, Roman und Novelle lässt auch
bei der kleinen Zahl derer, von denen mehr zu rühmen gewesen wäre als der redliche
Wille und eine gewisse Sinnigkeit oder Sprachfertigkeit, kein rechtes Bild entstehen. —
In einer Studie, deren lokales Interesse zunächst an Berlin geknüpft erscheint, die
aber nicht ohne Wert für die allgemeine Beurteilung der gesellschaftlichen und
litterarischen Zustände der Restaurationsperiode ist, berichtet Greiger^*) über ein
Berliner Hoffest und seine litterarischen Folgen. Das vom Archäologen A. Hirt ent-
worfene Programm der grossen Maskerade „Die Weihe des Eros Uranios", die
am 8. Jan.. 1818 zur Nachfeier der Vermählung des Prinzen Friedrich von Preussen
veranstaltet wurde, hatte einigen mitwirkenden Hofdamen ihre Stelle im Festzuge als
„Hierodulen" angewiesen; der Dresdener C. A. Böttiger Hess sich in einer gelehrt
hämischen Erörterung in der „Zeitung für die elegante Welt" dahin vernehmen, dass
im Altertum unter Hierodulen nicht keusche Tempeldienerinnen, sondern Mädchen
im Dienste der Venus verstanden worden seien. Darob entrüstetes Entsetzen in
Berlins höheren Kreisen, eine auf höhere Veranlassung verfasste Gegenerklärung
F. A. Wolfs, dass der Ausdruck Hierodule „ursprünglich" eine sehr edle, anständige
Bedeutung gehabt habe, eine Streitschrift Hirts, die den gleichen Standpunkt, eine
Replik des Dresdeners und eine Duplik Hirts, dazwischen viel Gerede und leiden-
schaftliche Korrespondenz, in der der Intendant Graf Brühl erklärte, dass „der Wurf
nicht bloss gegen Hirt gerichtet war, sondern hämisch und malitiös alle diejenigen
berühren sollte, welche an dem Feste teil haben." Charakteristisch an dem ganzen
Handel ist vor allem die hundertfach schon bewiesene und bei dieser Gelegenheit
wieder bewährte katzenhafte Tücke, mit der Ubique aus dem Hinterhalt zu verwunden
trachtete, und die persönliche Feigheit, die den Verdacht der Autorschaft durch die
Buchstaben W. R. auf den Weimaraner Riemer zu lenken versuchte und sich gegen
unliebsame Folgen durch fortgesetzte Zweideutigkeit zu decken trachtete, und dass diese
archäologische Angelegenheit in Berlin Wochen hindurch das eifrigste Tagesgespräch
sein konnte. Die ganze Neigung der Gebildeten gehörte eben noch dem Theater und
der Litteratur an. — Den Anteil Mecklenburgs an der deutschen Nationallitteratur
schildert Lorenz 4^); am Ende verzeichnet er auch die Namen neuerer Dichter. —
Einen sehr weiten Zeitraum umfasst der Vortrag, den Skladny^®) über die
deutsche Dichtung in der Provinz Posen vom 16. bis zum 18. Jh. gehalten hat. Da
Posen nicht viel über ein Jh. zum preussischen Staate gehört, so weisen die Anfänge
deutschen litterarischen Lebens in dieser Provinz auf die Zeiten zurück, da die An-
fänge deutschen Städtelebens und deutschen Geisteslebens unter den Fängen des
weissen polnischen Adlers gedeihen mussten. Die Mittelpunkte deutscher Poesie in
der nachmaligen Provinz waren Fraustadt und Lissa. Dort, wo der erlauchte evan-
gelische Liederdichter Valerius Herberger lebte und unvergessene Lieder schuf, war
im 17. Jh. ein Gottfr. Textor (vielleicht ein Angehöriger derselben Familie, der im
18. Jh. Goethes Mutter entspross) Rektor der Schule, der als lateinischer und
deutscher Dichter gerühmt ward. Andere Fraustadter Talente waren Abr. Lindner
und Fr. Bergmann (um 1710). In Lissa zeigt sich eine Folge deutscher Poeten bis
zu dem geistlichen Liederdichter Zach. Herrmann (gest. 1716), auch in Bojanowo gab
es deutsche Lyriker, natürlich nur von untergeordneter Bedeutung. Die deutsche
Poesie blieb nicht nur auf die an Schlesien grenzenden Gebiete beschränkt, sondern
schmiegte sich naturgemäss an das Wesen der schlesischen Schulen an, ja blieb, als
deren Einfluss anderwärts längst überwunden war, in den Formen der Schlesier bis
zum Schlüsse des 18. Jh. befangen. —
Entlegenen Absenkern des deutschen litterarischen Lebens in den baltischen
Provinzen galt eine Veröffentlichung von Jordan*''), der die Geschichte der „esth-
ländischen litterarischen Gesellschaft zu Reval" im Halbjh. zwischen 1842 und
1892 darstellte. In diesen Blättern giebt sich, wie es in der Lage der Dinge be-
gründet ist, neben dem Stolz auf die bewahrte deutsche Eigenart doch auch die
Qegenw. E. litt. Plauderei. Bremen, J. Kflhtrnann. 64 S. M 1,00. — 44) L.Geiger, E. Berliner Hoffest n. seine litt. Folgen : NatZg.
N. 703. -45) a 1:111; 1111:136.) - 46) (IUI : 187.) - 47 1 P.Jordan, Gesch. der esthl&nd. litt. Ges. in d. Zeit v. 1842-92. Bernl
Ad. Stern, Litteraturg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV la:48-5o
Sorg-e um das weitere Gedeihen deutscher Sprache und Bildung- in den mehr und
mehr russifizierten Ostseeländern kund. —
Die weite Spanne Zeit von der Mitte des vorigen bis zum Ende unseres Jh.
haben wir bei einer kleinen Gruppe litterarhistorischer und kritischer Arbeiten zu
durchmessen, die sich auf die deutsche Schweiz beziehen. Eine kleine Reihe von
Baechtold^^) entdeckter und veröffentlichter Briefe des jungen schweizerischen
Theologen Johann Georg Schulthess (1724—1804) an Bodmer gestaltet sich mit der
Einleitung und den Anmerkungen B.s zu einem Nachtragskapitel für dessen „Ge-
schichte der deutschen Litteratur in der Schweiz" und ist, da die Briefe von 1749—50
aus Deutschland an den Züricher Aesthetiker gerichtet wurden, ein denkwürdiges
Zeugniss, wie sich die deutschen Litteraturzustände von damals im Kopfe eines
jungen Schweizers malten. Nürnberg und Dresden haben ihn nichts erblicken
lassen, „das in die schönere Gelehrsamkeit einschlüge". Da er in Dresden die
Satiriker Rost und Liscow verfehlte (vielleicht verfehlen wollte), findet Schulthess
seine Rechnung erst in Leipzig, wo er Geliert kennen lernt, der ihm „wie ein Bach,
der sittsam fortwallet und nur an einigen Stellen kleine, lieblich murmelnde Wellen
wirft" erscheint. Rabener beklagt sich über sein Amt, bei dem so wenig Menschen-
liebe stattfindet, muss die Steuern streng eintreiben, auch wenn die armen Bauern
mit Weib und .Kind weinend vor ihm knien, und Geliert erteilt ihm das unter diesen
Umständen zweideutige Lob, dass er sich in seinem Amte als treuer Bürger erweise
und seine Dienste an der Accisenkammer sehr hoch geschätzt werden. Gegenüber
der Ansicht Gellerts und Rabeners, dass Klopstocks Messias zu frühe aufgetreten sei,
ehe der Geschmack der Deutschen genug-sam vorbereitet war, sich in solche Höhen
nachzuschwingen, wallt der Stolz des Schweizers und echten Jüngers Bodmers auf:
„Mich nimmt Wunder, wie viele Jahre man Klopstock noch hätte geben wollen für
Wartezeit oder dem deutschen Geschmack zur Reifungszeit: sind denn die Wege
nicht schon angezeigt und geöffnet, die den Geschmack zu dem natürlich Schönen
und Grossen hinaufführen?" Dieses Bewusstsein hält er in aller Bescheidenheit fest,
wenn er über die deutschen Pfarrhäuser, in denen in jener Periode die Lyrik
lebendig war, über Langes, des Horazübersetzers, Pfarre zu Laublingen, über Cramers
Pfarre zu Crellwitz, auf der Johann Adolf Schlegel, der Vater der Romantiker, als
ständiger Gast weilte, nach Berlin reist und hier ausser den Schweizer Landsleuten
(Sulzer, Schinz u. a.) Ewald von Kleist, Ramler usw., kurz das litterarische Berlin
von damals kennen lernt. Begi'eiflicherweise ist von Bodmers eben erscheinendem
„Noah" und seiner Aufnahme beinahe mehr die Rede als von allen anderen Neuig-
keiten der deutschen Litteratur, doch verrät der Briefschreiber, allerdings ohne es zu
wollen, dass ihm Klopstocks Messias das Herz tiefer bewegt und seine Erwartungen
höher spannt, als die Noachide des Landmanns und Meisters. Schulthess Urteile
sind im ganzen gesund und stehen auf der Höhe, die die poetische Entwicklung er-
reicht hatte. Freilich würde er sich heute wundern, dass schliesslich von allem,
dessen er in Gunst und Abgunst gedenkt, die von ihm so gering geschätzten Fabeln
Lichtwers am lebendigsten geblieben sind. Die Schilderungen, die der litterarische
Korrespondent Bodmers aus dem deutschen und im Schlussbriefe vom J. 1752 von
seinem eigenen Pfarrhausleben giebt, sind ganz hübsch. Dass auch in den Schrift-
steller- und Gelehrtenkreisen jener Frühzeit ein fröhlicher Klatsch gedieh, lassen des
Schulthess Briefe deutlich erkennen; man lese nur, was über Gottscheds angebliche
Uebersiedlung nach Wien und seine Wendung zu den Katholiken, von den Stock-
prügeln, die der Leipziger Geschmacksdiktator von einem preussischen Offizier er-
halten haben soll, gefabelt wird. Dass Schulthess schliesslich die Rückreise nach
seiner Heimat mit Klopstock antrat und den jugendlichen Sänger des Messias in die
Arme des Patriarchen von Zürich führte, ist aus den Klopstockbriefen bekannt
genug; einem kurzen Briefe von dieser Rückreise aus Nördlingen ist eine sechs-
zeilige Nachschrift Klopstocks hinzugefügt. — Mit gewaltigem Sprunge versetzen
uns Saitschiks^^) Meister der schweizerischen Dichtung des 19. Jh., die
sehr warm besprochen werden, aus dem Zürich Bodmers in das Gottfried Kellers.
— Ueber die neueste schweizerische Litteratur Hess sich auch Mähly^^) vernehmen,
in dessen Uebersicht das capriciöse Talent K. Spittelers gewürdigt, neben den
Dramatikern Ott und J. V. Widmann auch Th. Curti, der Vf. eines Catilina, gerühmt
und der bäuerische Erzähler J. Joachim freundlich hervorgehoben wird, während
M. mit unverminderter Feindseligkeit Keller gegenübersteht. Dass im Kompass
Kellers die Nadel „nicht stets und unwandelbar nach dem Pol des guten Geschmacks
gerichtet war", verschlägt gegenüber dem, was die deutsche Litteratur an dem
(F. KInge). 1892. 92 S. M. 2,50. — 48) J. Baech told, Briefe v. J. ö. Schulthess an Bodmer: ZürcherTb. 17, S. 1-46. —
49) O B. M. S a i t s c h i k , Meister d. Schweiz. Dichtung d. 19. Jh. J. Gotthelf, ö. Keller, K. F. Meyer, H. Lenthold. Frauen-
feld, Hnber. 428 S. Fr. 5,60. |[SchwEs. 2, S. 227/8.]j — 50) J. Mähly, Schweiz. Litt.: AZg». N. 56. —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (A")^
IV Ic: 1-11 F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechseid. 18./19. Jh. 1892, 1893.
Züricher Meister g-ewonnen hat, viel zu wenig-, um immer wieder als Hauptsache
vorgetragen zu werden. —
Ib) Politische Geschichte.
Georg Winter.
[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1893 wird im fünften Bande
nachgeliefert.]
Ic) Memoiren, Tagebücher und Briefwechsel. 1892, 1893.
Franz Muncker.
Fürstliche Personen N. 1. — Staatsmänner nnd Diplomaten N. 16. — Kriegsleute N. 47. — Dichter und Dichterinnen :
J. N. Götz N. 65; H. G. von Bretschneider N. 66; Lavater N. 67; Fr. L. Graf zu Stolberg, J.H.Voss N. 63; Romantiker N. 69 ;
J. Mosen N. 73: Annette von Droste-Hülshoff, L. Schücking N. 74; Thekla voa Sehoi)er, Helene Adelmann N. 75; Hebbel N. 81;
Ad. Pichler N. 82; E. Holenia, P. K. Rosegger N.84; F. von Bodenstedt N. 87; F. D.ihn N. 90; G. Ebers N. 91. - Philosophen
N. 94. — Theologen: protestantische N. 98; katholische N. 109. — Naturforscher and Aerzte N. 114. — Philologen nnd Schulmänner
N. 124. — Historiker N. 134. — Kunsthistoriker und Kunstkritiker N. 146. — Bildende Künstler N. 149. — Musiker und Musik-
schriftsteller N. 153. ^ Schauspieler N. 158. — Buchhändler N. 159. — Ihrem Berufe nach unbestimmte Autoren N. 161. —
Die Jahre 1892 und 1893 zeigen neuerdings ein mächtiges Anwachsen der
Memoiren- und Briefwechsellitteratur in Deutschland, ohne dass freilich die geistige
oder die künstlerische Bedeutung dieser Veröffentlichungen ihrer äusseren Fülle
irgendwie entspricht. Insbesondere ist die eigentliche litterargeschichtliche Ausbeute
daraus, um die es sich im Folgenden hauptsächlich und fast ausschliesslich handelt,
in den allermeisten Fällen kärglich. Nahezu ergebnislos sind in dieser Hinsicht die
neu erschienenen Mem.oirenwerke fürstlicher Personen^''') sowie der für die
politische Geschichte aufschlussreiche, teils Bruchstücke aus Memoiren, teils Briefe
aus den J. 1807—31 enthaltende, von A. du Casse^) herausgegebene Ergänzungs-
band zu der Korrespondenz der Königin Katharina von Westfalen.^^'^j — Auch
der von Knies i^) sorgfältig veröffentlichte und eingeleitete Briefwechsel des Mark-
grafen Karl Friedrich von Baden mit zwei Hauptvertretern der Physiokratie, mit
Mirabeau und Du Pont, von 1769 bis 1806 berührt gelegentlich nur Verhältnisse
der französischen Litteratur. So rühmt Du Pont z. B. 1774 in dem letzten Memoire
von Beaumarchais die ,,aventure romanesque aussi belle qu'aucune qu'ait peinte
Richardson" oder verurteilt 1796 auf das schroffste das extravagant-tolle Treiben der
Frau von Stael, sendet wohl auch voll Dankes 1773 einmal eine französische Ode an
den Markgrafen, der in deutschen freien Rhythmen antwortet, oder richtet an den
Erbprinzen Karl Ludwig allgemein ästhetisch^litterarische Zuschriften. An Mirabeau
empfahl Karl Friedrich 1775 die beiden Weimarer Prinzen bei ihrer Pariser Reise,
und Mirabeau berichtete darauf dankbar von seinem Verkehr mit Karl Auarust und
1) X L. Trost u. F. Leist, Pfalzgraf Friederich Michael v. Zweibröcken n. d. Tagebuch seiner Reise nach
Italien. Mit d. Bildn. d. Pfalzgrafen n. e. genealog. Taf. Bamberg, Buchner. 1892. LXXXII, 224 S. M. 10,00. |[APT. S. 126/8.] |
(Vgl, JBL. 189214:584.) - 2) X Memoiren d. Markgräfin v. Bayreuth: Seh wäbKron. 1892,8.4/3. - 3) X F- v- Krone s. Aus d Tage-
buche Erzherz. Johanns V. Oesterreich 1810-15 (vgl. JBL. 1891 IV 1 : 160) : LCBl. 1892, S. 316 7. - 4) X Th.v.Bayer [=Prin-
zessin Therese v. Bayern], Auguste Ferdinande Prinzessin Luitpold v. Bayern, geh. Prinzessin v. Toskana, Erzherzogin v.
Oesterreich. Mit Bildn. Wien u.Teschen.Prochaska. 1892. 12". 31 S. M. 0,50. (Liebevolle, dabei scharfe u. bei aller Kürze eindring-
liche Charakteristik.) — 5) O X W. Bartold, Friedrich Wilhelm, Grossherz. v. Mecklenbnrg-Strelitz, u. Augnsta Caroline
T. Grossbritannien, Irland u. Hannover, Grossherzogin v. Mecklenburg-Strelitz. E. Lebensbild nach Akten, Aufzeichnungen u.
Erinnerungen. Mit Bild. Nenstrelitz, Barnewitz. V, 111 S. M. 2,00. — 6) X Ernst IL, Herzog v. Sachsen-Koburg-Gotha.
Aus meinem Leben u. aus meiner Zeit. Bearbeit. in 1 Bd. (in 10 Lfgn.) 1. Lfg. B., Besser. VIII, 80 S. M. 1,00. |[K. T h.
Heigel: DLZ. 1892, S. 1436/8.]| (Blosse Bearbeit. d. bereits 1887-89 erschienenen Werks; vgl. JBL. 1892 IV 1 b : 99.) — 7) X
Kari-udo [= Prinz Philipp v. Sachsen-Koburg n. Gotha], Tagebuch-Skizzen. Breslau, Trewendt 1892. 95 S.
M. 1,60. IIAlfr. Kirchhoff: BLU. S. 732.]| (Abgedruckt ans DR 1891, Bd. 3 u. 1.892, Bd. 3; Schilderung v. Reisen nach
Honolulu, Onro Preto n. Dimantina.) — 8)A. lebaron du Gasse, Correspondance ined. de la reine Catherine de West-
phalie, nee princesse de Wurtemberg, avec sa famille et Celle du roi Jeröme, les souverains etrangera et divers personnages.
Paris, Bouillon. VL 398 S. |[ß. Mahrenholtz: AZg". N. 94; RH. 51, S. 69-83, 286-302: 52, S. 80-99.]| _ 9) X A.
Brückner, D. Memoiren d. Fürstin Johanna Elisabeth v. Anhalt-Zerbst: VossZg». N. 18/9. (Nach kulturgesch. interessanten
Briefen, d. d. Mutter Katharinas IL 17.58 an e. Herrn v. Pouilly über ihren Aufenthalt am russischen Hof 1741-45 schrieb.)
— 10) X Koederritz, E. Bodemann, Aus d. Briefen d. Herzogin Elisabeth Charlotte v. Orleans (vgl. JBL 1891 III 1:25):
MHL. 21, S. 42,6. — U) K. Knies, Karl Friedrich v. Baden. Briefl. Verkehr mit Mirabeau u. Da Pont. Bearb. u. eingel.
durch e. Beitr. z. Vorgesch. d. 1. franz. Revolution u. d. Physiokratie. 2 Bde. Heidelberg, Winter. 189i. CLXII, 284 S.;
XVI, .398 S. M. 25,00. ||LCB1. 1892, S. 1725|7; G. Cohn: DLZ. S. 729-30; NA. 48, S. 174/5.]| (Vgl. JBL. 1892 IV lc:96.) —
F. Munoker, Memoiren, Tag-ebücher U.Briefwechsel d. 18./19.Jh. 1892,1893. IVlc:i2-2o
dessen Bruder und von der Teilnahme, die beide Jüng-ling-e auch der physiokratischen
Wissenschaft entg-egenbrachten.^^) _ Die Beziehung-en deutscher Fürsten zur fran-
zösischen Politik und Kunstpfleg-e beleuchtet, freilich in Seltsamer Weise, auch der
Briefwechsel des für Herder und namentlich für Jean Paul schwärmenden, auch
schriftstellerisch thätig"en Herzogs August von Gotha (geb. 1772, regierte 1804—22)
mit der 1784 in Weissenfeis geborenen, 1806—8 in Paris studierenden, vor- und nachher
meist in Dresden lebenden Malerin Therese Emilie Henriette aus dem Winckel'^).
Die Briefe, denen der Herausgeber nur eine höchst dürftige biographische Einleitung
beigefügt hat, reichen vom Mai 1806 bis zum März 1811 und bieten ein kultur-
geschichtlich merkwürdiges neues Beispiel von freundschaftlicher Schwärmerei aus
dem Zeitalter der Romantik, werfen aber vornehmlich ein helles Licht auf das sonder-
bare, stellenweise verschrobene Wesen des im Umgang anziehenden, aber launischen
und reizbaren Herzogs, auf seine weiblich geartete und daher nach weiblicher Freund-
schaft (im edlen Sinn) besonders strebende Natur. Zuerst ergeht er sich in den
überschwänglichsten Schwärmereien und in unsinnlich verschwommenen Bildern, die
überall den dilettierenden Nachahmer Jean Pauls verraten; bittere, eigensinnige Ver-
stimmung bildet dagegen den Grrundton seiner späteren Briefe, nachdem die Freundin
sich in Dresden verehrungsvoll dem Kreise des ihm unsympathischen Malers
Kügelgen angeschlossen hatte. Neben allerlei Herzensergiessungen über die Kunst
und über den Edelsinn der Freundin bekunden die Briefe des Herzogs eine un-
fassbar hochgesteigerte Begeisterung für Napoleon. Auch Fräulein aus dem Winckel
bewundert den Welteroberer aufs höchste, doch nicht so, dass sie aufhören wollte,
deutsch zu sein. Sie fühlt sich sogar mehr als Deutsche denn als Sächsin und will
vor allem nicht Korsin oder Gallierin sein. So kommt ihr auch die Natur in Paris
herzlos vor. Desto entzückter spricht sie von den Fortschritten, die die französische
bildende Kunst David verdankte, auch von den Leistungen der Pariser Oper. Un-
mittelbar litterarische Themata werden in dem Briefwechsel kaum berührt. ^*"'^) —
Unter den autobiographischen Werken aus der Feder von Staatsmännern
und Diplomaten ragen an historisch-politischer Bedeutung die Memoiren des Fürsten
Talleyrand hervor, die nunmehr in der Originalausgabe des Duc de Broglie'^)
sowie in deutscher Uebersetzung von Ebelingi'^) zum Abschluss gediehen sind;
für die deutsche Litteraturgeschichte bringen die beiden letzten Bände, die die
J. 1830—38 umspannen, nichts Neues bei.^^"^^) — Viel ergiebiger in letzterer Beziehung
sind die mehrfachen Veröffentlichungen aus dem Kreise Wilhelm von Humboldts.
Für die Erkenntnis von Humboldts geistigem Entwicklungsgang eröffnet sich eine
neue, reiche Quelle in seinen Briefen an F. H. Jacobi, die Leitzmann^o) diplomatisch
genau mit vortrefflichen Erläuterungen herausgegeben hat. Die Briefe reichen vom
17. Nov. 1788 bis zum 18. Febr. 1815 und zeigen uns in ihrer ersten Hälfte namentlich
den werdenden Denker in seinem philosophischen Ringen und Zweifeln: bereits tief
in das Studium Kants eingedrungen, sträubt er sich doch gegen gewisse Sätze des
Königsberger Gelehrten, dessen Philosophie ihm noch nicht, wie in der späteren Zeit
seiner Reife, die wahre Philosophie schlechthin ist. So sucht er Aufschluss bei
Jacobi, dessen Persönlichkeit ihn beim ersten Zusammentreffen in Pempelfort 1788
begeistert, dessen Weltanschauung ihm trotz mancher Bedenken tiefen Eindruck ge-
macht hat. Wie zu einem Lehrer spricht er zu ihm u. a. über Kant, Hume, Spinoza
und Herders Ansicht vom Spinozismus; ja in seiner Verehrung gesteht er ge-
legentlich, indem er sich eines Lieblingswortes Jacobis bedient, diesem allein Tief-
sinn, allen anderen Philosophen nur Scharfsinn zu. Daneben berichtet er dem
Freunde von seiner ersten, noch ziemlich äusserlichen Begegnung mit Goethe, dem
er sich in höchster Verehrung* 1789 mit einer Empfehlung von Jacobi nähert, äussert
sich liebenswürdig-warm über Lavater, urteilt ausführlich über A. W. Schlegels
12) O X Gust. Haase, D. Briefe d. Herzogin Luise Dorothea v. Sachsen-Gotha an Voltaire: ASNS. 91, S. 405-26. — 13j
W. V. Metzsch-Schilbach, Briefwechsel e dtsch. Fürsten mit e. jungen Künstlerin (Herzog August v. Sachsen-Gotha u.
Altenbnrg u. Frl. aus d. Winckel). Mit 2 Portrr. B., Sigisninnd. 307 S. M. 4,00. IfM. Landau: Wiener Abendpost N. 169,
170; K. Kralik: ÖLBl. 2, S. 664; L. Geiger: FZg. N. 337; E. Jacobs: DLZ. S. 1097/9; Ottilie Moldenhauer: DR. 3,
S. 202-14; H. A. Lier: BLü. S. ö96; H. Br(endicke): MVGBerlin. 10, S. 50.]| - 14) O X H. C. Andersen, Correspon-
dence with the Grand Duke of Saxe-Weimar. London. Dean. Sh. 6. — 15) X L. Trost, König Ludwig I. r. Bayern in seinen
Briefen an seinen Sohn Otto v. Griechenland (vgl. JBL. 1891 IV 1:244.) |[0. Lorenz: DLZ. 1892, S. 472; ZDS. 5, S. 358-61,
391;2.]| -- 16)M.le duc de Broglie, Memoires du prince de Talleyrand. pablies avec une pref. et des notes. T. 5 et dernier.
Avoc portr. Paris, C. Levy. 1892. XVUI, 655 S. Fr. 7,50. |[A. Chuquet: RCr. 34, S. 417, 467.JI (Vgl. JBL. 1892 IV
le: 432-41.) — 17) A. Ebeling, Memoiren d. Fürsten Talleyrand. her. mit e. Vorrede u. Anm. vom Herzog v. Broglie.
Dtsch. Originalausg. 3. Tausend. Bd. 4 u 5. Mit 3 Bildn. (= Memoirenbibl. Bd. 8 u. 9.) Köln u. L.. Ahn. 1892. 283 S.;
XXn, 292 S. ä Bd. M. 6,00. [[VossZg«. 1892, N 23; MHL. 21, S. 169-71; ML. 61, S. 325; Lady Blennerhassett: DRs. 71,
S. 246-86; 0. Gildemeister: Nation«. 9, S. 316,9, 336 9, 513;6.J[ (Vgl. JBL. 1892 IV 1 e : 433.) — 18) X Un dernier mot sur
l'authenticite des memoires de Talleyrand: EPL. 1, S. 575. — 19) O X A. Ebeling, Napoleon III. u. sein Hof. Denk-
Würdigkeiten, Erlebnisse u. Erinnerungen ans d. Zeit d. zweiten franz. Kaiserreiches 1851-70. 2 Bde. 2. Aufl. Köln, Ahn.
1892. M. 12,00. |[F. W.: BLÜ. S. 171/2.]| — 20) A. Leitzmann, Briefe v. Wilh. v. Humboldt an F. H. Jacobi, her. u. erlänt.
Halle a. S, Nieroeyer. 1892. VIU, 142 S. M. 3,00. |IR. Steig: DLZ. 1892, S. 1617/8; F. Jonas: PrJbb. 73, S. 354/7
(4)3*
IV lc:2i F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
grosse Recension des Vossschen Homer und über F. öchleg-els Wolderaar-Recension,
indem er ungemein vorsichtig- die guten und schlimmen Seiten des oft verletzenden
Kritikers unparteiisch beleuchtet. Schön bestimmt er 1789 den Unterschied zwischen
sich und seinem Bruder Alexander: „Im ganzen hat er überall und in jedem Ver-
stände mehr Sinn, mehr Kraft, neue Ideen aufzufassen, aus dem Wesen der Dinge
selbst herauszuheben; ich mehr Fähigkeit, Ideen zu entwickeln, vergleichen, ver-
arbeiten." Redliche Mühe giebt er sich, Jacobis allzu geringe Meinung von Schiller
zu korrigieren. Er bekennt, dass ihm selbst eine Zeit lang das Verständnis für
manche Dichtung Schillers gefehlt habe. Nun aber (15. Okt. 1796) bewundert er an
dem befreundeten Dichter vor allem, wie sein Geist das philosophische und poetische
Genie in einander zu verschmelzen strebt; so sieht er mit Recht in Schiller, ohne
dessen einzelne Leistungen irgendwie zu überschätzen, den Schöpfer einer ganz
neuen Art von philosophischer Poesie und gesteht ihm ebenso in der Philosophie
eine Originalität zu, die sich auf weit mehr als den blossen Vortrag erstreckt.
Später beruhigt Karoline von Humboldt im Auftrag ihres Gatten Jacobi durch die
bestimmte Versicherung Schillers, dass keines der Xenien auf ihn gemünzt sei. In
einem langen, ausserordentlich interessanten Schreiben vom Okt. 1798 aus Paris
äussert sich Humboldt auch mit vieler Teilnahme über Frau von Stael und über
Baggesen sowie andeutungsweise über seine eignen „ Aesthetischen Versuche". 1808
berichtet er von Goethes ernsten Klagen über „Anarchie, Formlosigkeit und Mangel
an Technik" bei manchen hochbeg-abten neueren Dichtern Deutschlands, erwähnt auch
Napoleons lange Unterredung mit Goethe über den „Werther" und das französische
Theater. Den Briefen ist ein Stück eines fragmentarisch erhaltenen Reisetagebuchs
Humboldts aus dem Nov. 1788 beigegeben, das den ersten Eindruck schildert, den
er von Jacobi empfing, ferner sieben Briefe Humboldts an Schlabrendorf von 1800
bis 1809, litterargeschichtlich weniger bedeutend: 1801 beklagt Humboldt den lahmen
Gang der deutschen Litteratur infolge einer Erkrankung Goethes und der Mischung
von Gutem und von Rohheit in der „Schlegelschen Clique"; so stehe Schiller unter
den Dichtern nur allzu allein da. — Leider bloss in französischer, wie es scheint,
nicht immer wörtlich genauer Uebersetzung von Laquiante^^) herausgegeben sind
die Briefe Humboldts und seiner Gemahlin an Göttfried Schweighäuser (1777 — 1844),
der 1798 — 99 als Hauslehrer in Humboldts Familie weilte, sich dann aber wegen
seiner militärischen Pflichten von ihr trennen musste und schliesslich als Professor
des Griechischen der Nachfolger seines Vaters an der Universität Strassburg wurde.
Beide Humboldts bewiesen dem jüngeren Freunde auch in der Ferne die herzlichste
Teilnahme; die Briefe (vom Juli 1799 bis zum Okt. 1823 reichend) sind in warmem,
vertraulich -freundschaftlichem Tone gehalten. Für Schweighäusers geistiges und
materielles Wohl besorgt, hatte Humboldt ihn zuerst für die Stelle ausersehen, die
dann A. W. Schlegel bei Frau von Stael einnahm ; die Sache zei-schlug sich, vornehmlich
weil Schweighäuser irriger Weise fürchtete, immer in Coppet eingeschlossen zu
bleiben. Später, als der junge Mann die Absicht äusserte, Deutschland zu besuchen,
bemühte sich Humboldt, ihn in unmittelbaren Verkehr mit Schiller und Goethe zu
bringen; er riet vor allem zu einem mehrmonatlichen Aufenthalt in Jena. Ueber-
haupt erscheinen die Briefe Wilhelm von Humboldts an ihn, wie bereits Haym in
einer feinsinnigen Besprechung' hervorhob, als ein natürliches Seitenstück zu seinen
Briefen an W^elcker; litterarische, wissenschaftliche, namentlich auch philosophische
Erörterungen (über Kant, Fichte, Schelling) überwiegen. Karoline berichtet ein-
gehender über ihre Reiseerlebnisse, ihre häuslichen Verhältnisse und Sorgen. Aber
gleich ihrem Gatten giebt auch sie Rechenschaft von ihrer Lektüre und spricht sich
so z. B., als sie im Sommer 1800 Virgils Aeneide in Vossens Uebersetzung liest,
sehr klug über den Unterschied zwischen Homer und Virgil aus. Zur höchsten Be-
wunderung reisst sie im Sept. 1800 die Lektüre des „Wallenstein" hin. Sie meint,
Schiller müsse in sich eine ganze Welt von Empfindungen und Ideen getragen haben,
während er sein Werk vorbereitete, weil er wiederum bei dem denkenden Leser
eine ganze Welt von Eindrücken und Ideen hervorrufe. Die Familie Wallenstein
vergleicht sie mit der Atridenfamilie : die Hauptpersonen seien auf eine ideale Höhe
gestellt, und doch sei das Gemälde ihres Herzens von ergreifender Wahrheit.
Namentlich entzücken sie Max und Thekla, in denen sie zwei absolut neue und voll-
ständig natürliche Typen des Menschentums erblickt. Das Ganze gilt ihr trotz einiger
Fehler im einzelnen als das Schönste, was bisher in deutscher Sprache geschrieben
worden. Nicht weniger hoch stellt Wilhelm im Okt. 1801 die „Jungfrau von Orleans";
sie ist ihm das Shakespearescheste von Schillers Werken, an Intensität des Gedankens
und Tiefe der Empfindung allen seinen früheren Dramen überlegen. Später äussert
(= id., ADA. 19. S. 169-72); M. Kronenberg: Nation". 10, S. 62,3.]| (Vgl. JBL. 1892 lY 5:22; 10:21, 56.) - 21) A. La-
qniante, G. de Humboldt et Caroline de Humboldt (n6e de Dacheröden). Lettres ä G. Schweighaenser, trad. et annot. sur
les originaux ined. Mit 6 Ulustr. Paris & Nancy, Berger- Leyrault et Cie. XXXVIII, 238 S. |[R. Haym: 6GA. S. 654-64;
F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel des 18/19. Jh. 1892, 1893. IV 1 c:2-2
er sich mehrmals über seine eigenen litterarischen Arbeiten, über seine Ueber-
setzung- des „Agamemnon" von Aeschylus, über seinen Beitrag zu Goethes „Winckel-
mann", besonders über seine Elegie „Rom". Er beurteilt die Dichtung" streng- genug-:
die Verse ermangelten der Poesie, mehr in der Form als im Gedanken; und doch
war er überzeugt, in ihnen sein poetisches Maximum gegeben zu haben. Matthissons
verwandtes Gedicht freilich stellt er viel niedrig-er; aber A. W. Schleg-els Elegie über
Rom findet er, so arm sie auch an Ideen sei, doch unvergleichlich poetischer als
seinen eigenen Versuch. Aber auch hier drängt sich ihm die Erinnerung an
Schiller auf, der nun leider dieses Gedicht nicht mehr zu lesen bekomme ; er betont,
dass er ihm alle seine äusseren Antriebe verdanke, dass er nun nach dem Tode
dieses edelsten Freundes g-eistig- ganz vereinsamt sei. — Von einer anderen, nicht
weniger merkwürdigen Seite lernen wir Humboldt in seinen Briefen an eine Königs-
berg-er Freundin, Johanna Charlotte Motherby geb. Thielheim (1783—1842), kennen,
die Meisner 22J nebst den Briefen Arndts an dieselbe Dame mit trefflichen Er-
läuterungen und einer kurzen, aber in der Hauptsache erschöpfenden Biographie
Johannas herausgegeben hat. Die Tochter eines armen Handwerkers, heiratete Johanna
1806 den einer englischen P^amilie entstammenden, vielbeschäftigten und hochan-
g-esehenen Arzt Dr. William Motherby und trat damit an die Spitze des gesell-
schaftlichen Lebens in König-sberg-. Sie zog Humboldt, der, zum Geheimen Staats-
rat und Leiter des preussischen ünterrichtswesens ernannt, im April 1809 hier ein-
traf, ebenso an wie E. M. Arndt, der vom Jan. bis März 1813 in König-sberg- ver-
weilte. Von den Briefen des ersteren sind nur wenig-e erhalten (vom 17. Dec. 1809
bis zum 30. Mai 1813), anfäng-lich in besonnen-ruhigem Tone gehalten, dann leiden-
schaftlicher und innig-er, als wir es sonst von Humboldts Briefen g-ewöhnt sind, ohne
sinnliche Begierde, aber voll geistiger Schwärmerei, stets auf Gedanken gerichtet,
die „sich tiefer bewegen müssen" und ausser dem Kreise des Gewöhnlichen liegen,
zuletzt plötzlich abgebrochen. Scheint hier vor allem Johanna die massvoll Zurück-
haltende gewesen zu sein, so erwiderte sie Arndts hingebungsvolle Liebe mit der
gleichen Leidenschaft. Seine Briefe, viel zahlreicher als die Humboldts, reichen vom
24. x\pril 1813 bis zum 25. März 1836. Voll enthusiastischer Zärtlichkeit, die sich
gelegentlich in anmutigem Getändel ergeht, dann aber wieder in Werthersche Em-
pfindsamkeit und Jean-Paulsche Gefühlsschwärmerei verliert, beweisen sie deutlicher
als andere Zeugnisse, wie weit sich Arndt im Leben, Denken und Empfinden den
Romantikern näherte, freilich auch, was ihn schliesslich immer von diesen trennte.
In sittlicher Beziehung fasste er doch die Liebe ganz anders auf als etwa Friedrich
Schlegel und seine Genossen. An Geist und Herzen kerngesund, bekämpfte er mit
wankellosem Ernst die gewaltige Leidenschaft, und gerade die strenge Reinhaltung
der Pflicht, die männlich edle und grosse Gesinnung, die sich in seinen Briefen
offenbart, macht ihre Lektüre zu einem erhebenden .Genuss. Sie enthalten überdies
manches Gedicht, das zuerst für Johanna bestimmt oder aus der Liebe zu ihr er-
wachsen war, sowie allerlei Aufschlüsse über Arndts Leben in seiner bewegtesten
Zeit. Wir verfolgen sein Hin- und Herreisen in politischen Aufträgen, vernehmen
seine Angst, es möchte 1813 nicht zum rechten Kriege gegen den Unterdrücker des
Vaterlandes kommen, hören seine Urteile über Freunde, die ihm damals besonders
nahe standen, lernen seinen Patriotismus kennen, dem er sich selbst und was ihm
das Liebste war, aufzuopfern sich keinen Augenblick weigerte. Nachdem er seine
Leidenschaft bezwungen, verband ihn noch lange Jahre hindurch treue, besorgte
Freundschaft mit Johanna, deren Leben sich bald abenteuerlicher gestaltete. Schon
1814 suchte sie ihn in Frankfurt a. M. auf, wo er im Dienste des Freiherrn von Stein
arbeitete. Den Gedanken an eine Scheidung von ihrem Manne, den die innerlich
Unbefriedigte wohl schon damals hegte, verwarf sie vorerst wieder; in gegenseitiger
Entsagung trennten die Liebenden sich im Herbst, nachdem Johanna in Frankfurt
und besonders in den nahen Städten Hessens und Badens mehrere Monate verlebt
hatte. Wieder in Königsberg, fand sie, während Arndt 1817 Schieiermachers Schwester
Nanna heiratete, einen neuen schwärmerischen Verehrer in dem jungen Mediziner
Ludwig Dieffenbach, dem sie nach heftigen äusseren und inneren Kämpfen, nachdem
sie 1824 von Motherby geschieden worden war und Dieffenbach sich als Arzt in
Berlin niedergelassen hatte, angetraut wurde. Aber auch hier fand sie nicht das
gehoffte Glück; 1833 musste auch diese Ehe wieder gelöst werden. Für ihre letzten
Jahre g-ewann sie an Philipp Kaufmann, dem Uebersetzer Shakespeares, einen innig-
ergebenen, kindlich treuen Freund, an Elisa von Lützow geb. Ahlefeldt, die ihr
schon vor der Scheidung von Motherby ein Jahr lang in Münster eine Zuflucht be-
BLÜ. S. 333 4;K. Witte:NatZg. N. 725; H. Grimm: DLZ. S. 751 2.]| (Vgl. IV 5.) - 22)H. Meisner, Briefe an Johanna Motherby v.
W. V. Humboldt u. E. M. Arndt. Mit e. Biogr. -lohanna Motherbys u. Erläut. her. Nebst e. Portr. L., Brockhans. VII, 238 S.
M. 3,50. |[Ad. Stern: Grensb. 3, S. 134-40, 167-74; R. Steig: DLZ. S. 491/3; LCBl. S. 156,7; P. Goldschmidt: FBPG. 6,
S. 641,2; L. Geiger: FZg. N. 24; 0. Härtung: DDichtung 14, 8. 150,/2; F. Poppenberg: ML. S. 571/4: Ad. Schroeter:
IV lc:2s-33 F. Munck er, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechseid. 18./ 19. Jh. 1892, 1893.
reitet hatte, eine teilnehmende Herzens- und Lebensgenossin. Zumal seit Elisa sich
von Immermann getrennt hatte, gehörten die zwei Freundinnen unlösbar zu ein-
ander. 1839 reisten sie zusammen mit Kaufmann (bis Strassburg auch von Arndt
begleitet, den Johanna seit 1814 noch mehrmals besucht hatte) nach Italien bis
Florenz; dann wohnten sie beisammen in Berlin, wo ihr Salon noch immer ein
Mittelpunkt des geistigen Lebens war: Cornelius, Rauch, L. Tieck, F. von Raumer,
Steffens, F. Wehl verkehrten u. a. daselbst. — Gleichfalls mehr den Menschen
Humboldt als den Schriftsteller, speciell den Familienvater im Kreise der Seinigen,
für die er liebevoll sorgt und die ihn herzlich verehren, rückt uns das schöne,
nach Humboldts Tochter Gabriele (1802—87) betitelte Memoiren werk^S) nahe, das
Briefe und tagebuchartige Aufzeichnungen Humboldts, seiner Gemahlin und seiner
Kinder in den Rahmen einer Art von objektiv historischer Darstellung einschliesst.
Zuerst sind es vornehmlich Briefe von Karoline von Humboldt (seit 1799), darunter
kulturgeschichtlich höchst interessante Reiseberichte aus Spanien, dann mannigfach
anziehende Schilderungen aus ihrem Leben mit den Kindern und Freunden der
Familie in Rom und Italien. Briefe Gabrielens und ihrer Schwestern schliessen sich
daran; der Vater Wilhelm von Humboldt tritt erst nach dem Tode Karolinens in der
Korrespondenz thätiger hervor, dann aber mit sehr schönen, bedeutenden Briefen.
Verschiedene Einzelheiten über seine letzten Jahre berichten Gabrielens Briefe an
ihren Gatten, den preussischen Gesandten in London und späteren Minister des
Aeusseren, Heinrich von Bülow (1791— 1846), mit dem sie sich 1821 vermählt hatte.
In glücklichster Ehe verlebte sie an seiner Seite mehrere, auch an sie allerlei ge-
sellschaftliche Anforderungen stellende Jahre in London; doch blieb sie hernach,
teils aus äusseren Gründen, teils dem kränkelnden Vater zu Liebe, geraume Zeit
fern von Bülow bei den Geschwistern in Tegel, wo sie auch später als Witwe mit
geringen Unterbrechungen den Rest ihrer Tage hinbrachte. Unmittelbar litterar-
geschichtliche Ausbeute liefern diese Briefe und Memoiren nur selten. In seinen
Briefen an die Gattin, die innige, vollauf beglückte Liebe, aber ohne heisse Leiden-
schaft atmen, erzählt Wilhelm, der 1808 ohne seine Familie von Rom nach Deutsch-
land zurückgekehrt war, wie Goethe die Beschreibung, die Karoline von spanischen
Bildern geliefert hatte, als einen Schatz, ein wahres Meisterstück pries, auch Gewicht
darauf legte, dass sie die „Wahlverwandtschaften" lese. Auf ein Bild der beiden
Schwestern Adelheid und Gabriele, die Gottlieb Schick in Rom als Kinder gemalt
hatte, verfasste Th. Körner 1811 ein hübsches, bereits früher veröffentlichtes Sonett.
Dagegen ist in unserem Buch eine dramatische Gelegenheitsdichtung zum ersten
Mal gedruckt, die gleichfalls Körner zum Vf. hat und von den zwei Schwestern am
22. Juni 1812 zu Wien gespielt wurde, eine hübsche, namentlich metrisch recht ge-
schickt gemachte, obschon dichterisch nicht bedeutende Geburtstagshuldigung für
ihren Vater, den sowohl die Tibernymphe zu Rom wie die Donaunymphe zu Wien
schwer vermissen. — Noch unmittelbarer in die Geschichte des preussischen Staats-
lebens führen uns die ursprünglich französisch geschriebenen Denkwürdigkeiten
Heinrich von Beguelins (1765—1818) und seiner zweiten Frau Amalie geb. Gramer
(1778—1849) ein, die Ad. Ernst 24) nach einer deutschen Uebersetzung von Raimund
von Beguelin, dem Sohne des Vf., nebst Briefen Beguelins an seine Gattin (nach den
deutschen Originalen) und Briefen von Gneisenau und Hardenberg herausgegeben
und mit einer ausführlichen biographischen Skizze begleitet hat. In ihnen tritt be-
sonders die liebevoll, aber nicht parteiisch einseitig gezeichnete Gestalt des Frhrn.
von Stein, dessen vertrauter Mitarbeiter Beguelin war, charakteristisch hervor. Zur
deutschen Litteraturgeschichte im engeren Sinn haben diese Memoiren aus den J.
1807 — 13 keine Beziehung. — Die sonstigen Memoiren werke norddeutscher Staats-
männer und Regierungsbeamter25~33j liefern für die Litteraturgeschichte ebenfalls nur
BLU. S. 804; KonsMschr. S. 230/1 ; YossZg. N. 247 ; Didask. N. 1 (abgcdr. aus MagdZg.)J (Vgl. IV 5.) — 23) Gabriele v. Bülow, Tochter
W. T. Humboldts. E. Lebensbild. Aus d. Familienpapieren W. y. Humboldts n. seiner Kinder. 1791-1887. Mit 2 Bild. (2 Aufl.)
B., Mittler & Sohn. XI, 572 S. Nebst Stammbaum. M. 10,00. |[H. Grimm: DLZ. S. 751,2; LCBl. S. 943; E. Zabel: NatZg.
N.339; W. E. L.: Fremdenbl. N. 191.]| — 24) Ad. Ernst, H. u. Amalie v. Beguelins Denkwürdigkeiten aus d. J. 1807-13, nebst
Briefen t. Gneisenau u. Hardenberg. Mit 1 Lichtdr.-Bild. B., Springer. 1892. XVI, 2fi2 S. M. 5,00. |[0. Bailleu: DLZ.
S. 76/7; LCBl. S. 600; PrJbb. 70, S. 509-10; W. Arndt: BLU. S. 699-700; C. Bulle: WeserZg. N. 16481; J. v. Grüner:
MHL. 21, S. 167/9; Bär 19, S. 108; J. v. Belfert: ÖLBl. 2. S. 267/8; SchwäbKron. 1892, 19. Not.]| - 25) X L- Geiger,
Aus Briefen Dohms an Nicolai : ZGJuden.5, S.75-91. (Vgl. JBL. 1892IV 1 e : 376.) - 26) X R- Thi mm, Hist. Tagebuch d.StadtTilse
vom 17. Dec. 1812 bis zum 3. Aug. 1814 gef. v. d. Stadtsekretär Salchow. (= Beitrr. z. Gesch. v. Tilsit. II.) Tilsit, W. Lohauss.
45 S. M. 0,50. (Darin 3 Gelegenheitsgediclite d. Stadtjustizrats Klein nach d. Schlacht v. Leipzig 1813 n. z. Begrüssung d.
russischen Kaiserin im Jan. 1814.) — 27) X ß- Prümers, E. Reichenau, Erinnerungen aus d. Leben e. Westpreussen.
Gotha, Perthes. 1890. IV, 336 S. M. 5,00: ZHGPosen. 7, S. 356/7. — 28) O X Briefe berühmter Zeitgenossen an
W. Frhrn. v. Hammerstein, Chefredakteur d. Neuen Preussischen (Kreuz-)Zeitnng. Zürich, Verlagsmag. 1892. 54 S.
M. 1,00. |[BLÜ. S. 605/7.]| — 29) O X 0. L. Tesdorpf, Mitteilungen aus d. hs. Nachlass d. Senators J. M. Hudtwalcker
(1747-1818): ZVHambG. 9, S. 150-81. (Vgl. JBL. 1892 IV 1 e : 342.) — 30) X ß- Schieiden, Erinnerungen eines Schleswig-
Holsteiners (vgl. JBL. 1891 IV 1:166). ||G. Egelhaaf: DRs. 71, S. 471/2; A. Wetzel; ZSchlH. 23, S. 321/5.]| - 31) O X F-
Prensdorff, Zwei Briefsammlungen d. Welfenmns. in Hannover: NGWGöttingen. S. 305-37. —.32) O X H. Diederiohs,
Briefwechsel Juri Samarins mit d. Baronesse Edith Rahden: BaltMschr. 40, S. 368-80. — 33) O X Ans d. Leben d, Grafen
F. M uncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. IS./W.Jh. 1892,1893. IVlc:34-39a
schwache Ausbeute. So sind die von Lang-werth von Simraern^^) edierten
Tag-ebuchblätter und Essays Friedrich von Kling-gräffs g-anz ausschliesslich den
mannigfachsten politischen Gedanken und (nunmehr läng-st veralteten) abenteuerlichen
g-rossdeutschen Träumereien g-ewidmet, wobei sich der Vf. häufiger mit den An-
schauungen von Constantin Frantz freundschaftlich begegnet; Personen und Fragen
der schönen Litteratur werden darin nicht berührt. — Etwas mehr ist dies bei dem
nordamerikanischen Romanschriftsteller und Historiker John Lothrop Motley^^)
der Fall, der zuerst als Student, dann wiederholt auch in diplomatischen Aufträgen
sich in Deutschland aufhielt. Sogleich nach seinen Universitätsjahren in Göttingen
und Berlin wurde er 1834 mit Goethes Schwiegertochter bekannt und durch sie an
Tieck empfohlen. Von beiden entwirft er eine kurze, wenig Neues beibringende
Schilderung. Auch 1842 suchte er wieder Ottilie von Goethe auf, die er damals zwar
sehr gealtert, aber noch ebenso liebenswürdig und verständig wie früher fand ; seinen
Artikel über Goethe las sie mit Wohlgefallen. 1852 und hernach noch öfter lernte
er den sächsischen Prinzen und nachmaligen König Johann, den Uebersetzer Dantes,
kennen, der ihn freundlichst empfing, zugleich viel Sachkenntnis von der englisch-
amerikanischen Litteratur zeigte. Am meisten interessieren den deutschen Leser aber
die seit der Universität gepflegten freundschaftlichen Beziehungen Motleys zu
Bismarck. 1855 begegneten sich die Beiden wieder in Frankfurt. Schon damals sah
Motley in seinem Freunde den künftigen Premierminister Preussens; schon damals
erkannte er in ihm den grossen Staatsmann, den Mann „von sehr edlem Charakter
und grosser Geisteskraft", besonders von „hartnäckiger Wahrhaftigkeit". Die
Freundschaft dauerte bis zu Motleys Tod 1877; namentlich hatte Motley 1872 bei
einem längeren Besuch in Varzin auch Gelegenheit, einen gründlichen Einblick in
Bismarcks häusliches Leben zu gewinnen. Und wie er dieses und anderes, was sein
Verhältnis zu dem Freunde betrifft, in den (grossenteils an seine Eltern, seine Frau
und Kinder gerichteten) Briefen schildert, so enthält seine Korrespondenz auch
mehrere Briefe Bismarcks an ihn, darunter eine Anzahl, die der grosse Kanzler teil-
weise oder ganz in englischer Sprache abfasste. Mit Recht hat bei diesen der
deutsche Uebersetzer seiner Uebertragung stets auch das Original beigesetzt. — Mit
Motley, der besonders in Wien seine diplomatische Wirksamkeit entfaltete, mag
Wilhelm Frhr. von Wolzogen (1762 — 1809), der Freund und nachmalige Schwager
Schillers, den Uebergang zu den süddeutschen Staatsmännern bilden. Nach seinem
Besuch der Karlsschule blieb er im Dienste des Herzogs Karl Eugen von Württem-
berg und ging in dessen Auftrag zweimal (1788—91 und 1792 — 94) nach Paris, ohne
jedoch trotz aller Zähigkeit bei der Republik Erkleckliches für Württemberg zu er-
reichen. Später lebte er meistens in Weimar und griff bei der Besetzung des säch-
sischen Herzogtums durch Napoleon 1806 zum Wohle Weimars sehr energisch in
den Gang der Dinge ein. Noch einmal kehrte er 1807 nach Paris zurück, wo er nun
nahe mit Baggesen, wie schon früher ebenda mit Salis-Seewis befreundet wurde.
Sein Tagebuch vom Jan. 1793, aus Briefentwürfen bis zum Juni desselben Jahres er-
gänzt, teilt nebst einer Charakteristik des Vf. Ernst von Wolzogen^ß) rait.^''"^^) —
Manches geistreich treffende Wort über Goethe, Schiller, Hebbel, Wilbrandt, Rousseau,
Shakespeare, Byron und andere deutsche wie ausländische Dichter enthalten die
Aphorismen des österreichischen Staatsmanns Leopold von Hasner, die der Bruder
des 1891 Verstorbenen, Joseph von Hasner ^^), herausgegeben hat.^''«) Die Selbst-
biographie des gleichen Vf. erzählt besonders auch von dem gewaltigen Eindruck,
den die erste Lektüre Goethes einst auf den Jüngling machte. Erst als Student be-
kam der Neunzehnjährige 1837 zufällig Goethes Werke in die Hand; im Prager
Gymnasium hatte man ihn nicht einmal auf den „Faust" hingewiesen. Nun aber
fühlte er, überwältigt, bezaubert und erhoben von der Grösse, Weisheit und Schönheit
des Dichters, gleichsam eine neue Epoche seines Lebens anbrechen. 1848 machte
ihm wieder ein deutscher Dichter, Hebbel, und zwar durch eine zornmütige politische
Rede den Eindruck des Genies ; aber, wie diese Rede in öffentlicher Versammlung
ohne ein bestimmtes Ergebnis verlief, so berichtet Hasner auch von keinen weiteren
unmittelbaren Beziehungen zu Hebbel. — Münchener Gesellschaftszustände charak-
D. Keyserling: ib. S. 507-25, 579-95. — 34) H. Frhr. Langwerth v. Siramern, Ans d. Mappe e. verstorb. Freundes
(F. v.Klinggräff). 2. T. : Staat u. Kirche. B, B Behr. IX, 570 S M. 7,50. |[Geg 43,S.31; O(tto) H(arnack): PrJbb 69, S. 579-80;
N&S. 60. S. 137/8; KonsMschr. S. 815.]| (Vgl. JBL. 1892 IV Ie:276; 5:307.) — 35) J. Lothrop Motley, Briefwechsel.
Aus dem Engl. Bbers. v. A. Eltze. 2. wohlfeile Ausg. 2 Bde. B., Janke. 395 S.; 419 S. M. 6,C0. (Titelausg. d. 1890 er-
schienenen 1. Ausg.) — 36) E. V. Wolzogen, E Augenzeuge der Hinrichtung Ludwigs XVI.: VossZgB. N. 1, 2, 4/6. — 37) X
Jul. Fröbel, E Lebenslauf (Tgl. JBL. 1891 IV 1:179. irHJb. 13, S. 393; A. B.: Nation». 9, S. 59; Th. Tupetz: HZ. 68,
S. 123/5.]! — 38) O X B' Erdraannsd örff er, D. badische Oberland im J. 1785. Reisebericht e. österr. Kanieralisten.
(= BadNjbll. N. 3.) Karlsruhe, Braun. VL 86 S. M. 1,00. j[W. Wiegand: ZGORh. 8, S. 134 ;6.]j — 39) L. v. Hasner, Denk-
wQrdigkeiten. Autobiographisches u. Aphorismen. Her. v. J. v. Hasner. St., Cotta. 1892. III, 196 S. M. 5,00. |[J. Frhr.
V. Helfert: ÜLBl. 2, S. 39-41.)] (Vgl. JBL. 1892 IV Ib: 134.) - 39a) X A. v. Helfert, A. Graf t. Höbner,
K Jahr meines Lebens (vgl. JBL. 1891 IV 1:173): LBs. 18, S. 21/3. lln d. Hauptsache ablehnend, mit d. Nachweis
IV Ic: 40-47 F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechseid. 18./19.Jh. 1892,1893.
terisiert Otto von Völderndorff*") in seinen humoristisch-ung-eordnet vom
Hundertsten ins Tausendste überspringenden Plaudereien, die, seit etwa zwanzig
Jahren einzeln in der „Allgemeinen Zeitung" erschienen, jetzt zu einem stattlichen
Bande g-esammelt sind.^i) Auch die Theater Verhältnisse streift er dabei mehrfach.
Namentlich aber beschreibt er liebevoll die Abende bei Wilhelm von Dönniges und
seiner Gattin Franziska, wo in den fünfziger Jahren fast alle litterarisch, künstlerisch
und politisch bedeutenden Männer aus der Tafelrunde des Königs Maximilian IL ver-
kehrten. Unter ihnen hebt er Bodenstedt, Geibel, Heyse, Kobell, Kaulbach hervor.
Besonders beg-eistert ist er von Ding-elstedts Kunst des Vorlesens, die dieser g-e-
legentlich an seinem Trauerspiel „Das Haus des Barneveldt", einmal auch an Qe-
dichten Hebbels zum Entzücken des gerade anwesenden Dichters bewährte; nicht
minder schwärmt er für den Gesang* von Dingelstedts Frau und für die komische
Beg-abung des Grafen Tascher, späteren Herzogs de la Pagerie. — Zu mehrfachen
Veröffentlichungen gab der Nachlass des schweizerischen Staatsmannes und Gelehrten
Philipp Albert Stapfer (1766 — 1840) Geleg-enheit. Litterargeschichtliche Bedeutung-
haben in seinem reichhaltig-en, meist politischen und gelehrten Zwecken dienenden
Briefwechsel, der in Lug'inbühH2-44) einen vortrefflichen Herausg-eber und Kom-
mentator gefunden hat, namentlich die Briefe Job. G. Zimmermanns an den jung-en
Landsmann, dessen Beg-abung- der hochangesehene Schriftsteller bald erkannte.
Zimmermann spricht sich g-egen Stapfer oifen über mancherlei persönliche Ver-
hältnisse, Familiensorg-en, über seine Beziehungen zu Katharina H. von Russland,
über sein Werk von der Einsamkeit und andere schriftstellerische Leistungen und
Pläne aus. Seine späteren Briefe zeigen seine zunehmende Hypochondrie und seinen
heftigen Ingrimm gegen die Aufklärer nur allzu deutlich. 1790 entwickelt er dem
jungen Freunde seinen (bald wieder aufgegebenen) Plan, einen deutschen Aristophanes
zu einem satirischen Lustspiel gegen die Aufklärer zu bewegen; auch den Dichter,
der dieses Stück schreiben könne, glaubt er schon gefunden zu haben, in Kotzebue,
der sich ihm jüngst genähert hatte. Zimmermann rühmt ihn als einen der aller-
witzigsten Köpfe und als einen äusserst guten Mann von der edelsten und vortreff-
lichsten Denkart. Nicht lange darnach bereitet ihm Kotzebues anonymes Pamphlet
„Dr. Bahrdt mit der eisernen Stirn", das man im aufklärerischen Lager zuerst als
ein Produkt Zimmermanns verschrie, mehrere W^ochen lang qualvolle Aufregung.
Dann wieder tröstet er sich freudig in dem Wahne, in Goethe einen Kampfgenossen
gegen die Aufklärung gefunden zu haben; ihm schreibt er irrtümlich 1791 eine
grössere Anzahl von Schriften zu, deren Vf. E. A. A. v. Göchhausen war. In den
übrigen Briefen von und an Stapfer werden litterarische Persönlichkeiten und Ver-
hältnisse seltener gestreift, noch am ersten im Gedankenaustausch mit Frederic
Cesar Laharpe.^^^^ej —
Von den Staatsmännern zu den Kriegsleuten leitet Felix Theodor von
Bernhardi*') über (1802— 87), der ausgezeichnete Militärschriftsteller, der sich auch
als Diplomat im preussischen Dienst ehrenvoll bewährte. In den fünfziger Jahren
schrieb er die Geschichte seiner Kindheit von 1805—18; seit den vierziger Jahren
bis zu seinen letzten Tagen führte er Tagebücher. Die Zwischenzeit von fast dreissig
Jahren ergänzte der Herausgeber, ein naher Freund Bernhardis, mit Hülfe von
Briefen und gelegentlichen Notizen. Als drittes Kind entsprosste Bernhardi der
Ehe zwischen dem Schulmann Aug. Ferd. Bernhardi (1772—1820) und Tiecks
Schwester Anna Sophie (1775—1833). Die Ehe der beiden war auf die Dauer nicht
glücklich ; Anna Sophie trennte sich von ihrem Gatten und folgte mit dem Knaben
einem Herrn von Knorring aus Esthland, den sie später heiratete, für zwei Jahre
nach Rom, wo damals ihre Brüder Ludwig und Friedrich lebten. In diese Zeit
reichen Bernhardis früheste Erinnerungen zurück. Den Oheim Ludwig sah er
mannigfacher Fehler im einzelnen.) — 40) 0. Frhr. v. Völderndorff, Harmlose Plaudereien e. alten Münchners. Mönchen,
Beclc. 1892. XIV, 343 S. M 3,50. (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 717; IV 1 b : 4.) — 41) X (14:445.) (Humorist. Schilderungen
d. Altbayern in Traunstein u. Umgebung; litterargesch. interessant d. Bemerkung, dass d. Alpenbewohnern d. Schilderungen
V. L. Steub unsympathisch, weil „zu scharf'' sind.) — 42) X ß- Luginbühl, Briefe v. J. G. Zimmermann, E. v. Fellenberg,
S. Schnell, K. Schnell n. G L. Meyer v. Knonau an Ph. A. Stapfer : AHVBern. 13, S. 63-230. — 43) i d. , Aus Ph. A Stapfers Briefwechsel.
Bd. In. 2. (=QSchwG. Bd. llu. 12.) Basel, Geering. 1891. CXL1I,400S.; 523 S. M. 20,00. ([Grenzb. 1892, 1, S. 536-43; LCBl. 1892,
8. 775/6; Alfr. Stern: DLZ. 1892, S. 632/3; HJb. 13, S. 359; F. Bienemann: BLU. S. 150/1; DRs. 1892: 2, S. 127.]| (Vgl.
JBL. 1891 IV 1:235; 9a: 64.) - 44) id., Nachtr. z. Briefwechsel d. Ph. A. Stapfer n. P. üsteri: AnzSohwG. 24, S. 458-71. —
45) O X Auszug aus d. „Journal" d. Joh. K. Freienmuth, Regierungsrat: ThurgauischeBVtG. 33, S. 33-96. — 46) X E.
Dümmler, Aus d. Reisetagebuch e. jungen Zürichers in d. J. 1782-84. (= Njbll. her. v. d. Hist. Kommiss. d. Prov. Sachsen,
N. 16.) Halle a. S., Hendel. 1892. 46 S. M 1,00. (Tagebuch d. jungen J. H. Landolt (1763-1850), späteren Ratsherrn in
Zürich, d. 1782 mit Empfehlungen Layaters u. anderer Gönner nach Deutschland reiste, Gleims Haus aufsuchte u. länger in
Halle studierte; besonders genau beschreibt er Dessau, d.Philanthropin daselbst u. d. fQrstl Schloss zuWörlitz; vgl. JBL. 1892
IV lb:19d.) — 47) Aus d. Leben Theodor v. Bernhardts. 1. T.: Jugenderinnerungen. Mit e. Lichtdr.-Bild. d. Geschwister
Tieok. 2. T.: Unter Nikolaus I. u. Friedrich Wilhelm IV. Briefe u. Tagebuchbll. aus d. J. 1834-57. Mit Bildn. L., Hirzel.
XIV, 230 S.; 368 S. M. 14,00. |[HZ. 35, S. 414-60; DRs. 74, S 253-66; Grenzb. 2, S. 252/8, 494-507,541-58; B. Gebhardt:
Geg. 44, 8. 341/3; Th. Schiemann: DLZ. 8. 559-61; LCBl. S. 913/4; G. Ellinger: Nation». 10, 8. 582/4.]| (Bd. II war
F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893. IV lc:48-.58
1807 und 1808 wieder in Wien, wo dieser bei seiner Schwester wohnte. Bei ihr
verkehrten aber auch Collin und F. Schlegel, der im Aeusseren einen starken Gregen-
satz zu Tieck bildete. Doch wurde den Besuchen Schlegels ein schnelles Ende
bereitet, weil er gegen einen weiblichen Gast des Hauses sich allzu romantisch-frei
betragen hatte. Dann kam der Knabe Bernhardi oft in das Haus der Frau von
Stael und lernte dabei natürlich auch A. W. Schlegel kennen. Von München her,
wo seine Mutter 1808— 11 lebte, blieb ihm das excentrische Gebahren Bettina Brentanos
in der Erinnerung. Mit Tieck besuchte er damals oft das volkstümliche Lipperl-
Theater, von dem Tieck auch im .,Phantasus" erzählt; er sah hier noch den letzten
berühmten Lipperl, Franz Schweiger mit seinem unerschöpflichen Humor. Nach
Bernhardis Erzählung spielte man daselbst immer den ganzen Tag hindurch das
nämliche Stück, tags über in einem einaktigen Auszug, am Abend zur eigentlichen
Hauptvorstellung vollständig in drei Akten. Das beste damalige Stück der Komödianten-
gesellschaft erinnerte stofflich in seltsamer Weise an „Macbeth". Dann machte die
vornehme Erscheinung F. H. Jacobis tiefen Eindruck auf den Knaben. Traulich
verkehrte er namentlich im Hause Schellings, der dem aufmerksam Zuhörenden gern
allerlei Wunderabenteuer aus „Schelmuffski" und „Münchhausen" aufband. All-
mählich begann Bernhardi wahllos alles zu lesen, was ihm von W^erken der Romantik
in die Hand kam, darunter die Dichtungen seines Oheims, den Shakespeare, die
„Nibelungen", das „Heldenbuch" und andere mittelalterliche Epen, den „Don
Quixote". Noch vertrauter wurde er mit den Theorien der Romantiker während
der folgenden Jahre, die er in Esthland, in der Heimat seines Stiefvaters, verbrachte.
Gegen die Einseitigkeit dieser Theorien, die Schiller überhaupt nicht als Dichter,
Goethe fast nur in seinen Jugend werken, die W^erke dieser beiden sowie ihrer Vor-
gänger überhaupt aber noch nicht selbst als Litteratur, sondern nur als Anfang und
Vorbereitung einer künftigen Litteratur gelten Hessen, regte sich aber bald der
Widerspruch des Jünglings, zumal da seine Mutter, noch exklusiver als die meisten
Romantiker, auch von Fouque und Friedrich Schlegel nichts wissen wollte und selbst
an den Werken ihres Bruders Tieck vieles tadelte. Aber auf die Dauer fühlte sich
der an historische Kritik noch nicht gewöhnte Bernhardi auch durch Dante und die
Wilkinasaga, die ihm alle priesen, nicht entzückt. 1820 bezog er die Universität
Heidelberg, wo er namentlich Schlosser und Creuzer hörte. Auf kleinen Reisen be-
suchte er nun A. W Schlegel, 1823 in Teplitz Tieck, der ihn schon wegen seiner
Bewunderung von Walter Scott unfreundlich aufnahm, und wenige Tage darauf
Goethe in Marienbad, wo ihm ein herzlicher Empfang zu teil ward. Die späteren
Abschnitte des ersten Bandes seiner Lebensgeschichte, der bis 1834 reicht, enthalten
nichts litterargeschichtlich Bemerkenswertes mehr. — Den geringsten Ertrag für die
Litteraturgeschichte ergeben diesmal die Memoiren, Tagebücher und Briefe von
Kriegsmännern. Charakteristische preussische Kriegslieder volkstümlicher Art voll
Begeisterung für Friedrich H. enthält das von Kerler herausgegebene Tagebuch
eines preussischen Musketiers aus dem siebenjährigen Kriege, wie B a u e r ^^) in einer
Besprechung des älteren Buches auseinandersetzt.*^ '^^^ — Unter den späteren Werken
dieser Klasse verdienen die von Duhr^*) veröffentlichten Briefe des Feldmarschalls
Radetzky an seine Tochter aus den J. 1847 — 57 rühmlich hervorgehoben zu werden,
in denen sich das im Grunde weiche und innige, gottergebene Gemüt des alten
Kriegshelden schön offenbart s^"^^); desgleichen die Briefe des Generals Julius von
Hartmann^'') aus den J. 1870 und 1871, die seine Witwe nunmehr herausgegeben
hat: mitten im Verlauf der grossen Ereignisse unserer jüngsten Geschichte ge-
schrieben, stellen sie diese klar und lebendig, einfach und mit ergreifender Wärme
(ja^j. 58-63^ — Auch die Selbstbiographie des dichterisch thätigen Dagobert von Ger-
mir nicht zugänglich. 1 — 48) Karl Bauer, Ans d. siebenj. Kriege. Tagebuch d. preuss. Musketiers Dominikus. Nebst
nngedr. Kriegs- u. Sold.itenliedern. Her. v. D. Kerler (vgl. ,IBL. 1891 IV 1:80): ZDKG. 3, S. 128-32. — 49) O X B"on
Trenck, Menioirs written by hiraself. London, Biiutledge. Sh. 6. - 50) X A.. Haag, Erinnerungen d Obersten Johannes
Landolt v. Zürich ans d. J. 1307-15, nach seinem Tagebuch her. 1. T.: 1807-10 (span. Feldzug). Mit 5 Abbild.: ZürcherTb. 16,
S. 133-258. — 51) X Ed. Schulte, D. Denkwürdigkeiten d. Obersten Landraann: VossZgB. N. 401. (Vor etwa 40 J. bereits
englisch erschienen, behandeln besonders d Teilnahme d. engl. Obersts Landmann am span. Befreiungskrieg seit 1806.) —
52) X F. Meinecke, 0. Redlich, Tagebuch des Lieutenants Anton Vossen, vornehml. über d. Krieg t. 1812. Marburg,
Elwert. 1891. VIII, 20 S. M. 0,30: DLZ. S. 370. — 53) X A. Wetzel, Erinnerungen d. Generalmajors L. N. H. v. Bach-
wald an seine Kommandantschaft zu Altona im Dec. 1813: ZSchlH 23, S 121-208. — 54) B. Duhr, Briefe d. Feldmarsehalls
Riidetzky an seine Tochter Friederike 1847-57. Aus d. Arch. d. freiherrl. Familie Walterskirchen. Festschrift d. Leo-Ges.
z. Enthüllung d. Radetzkydenkmals in Wien. Mit 1 Portr. u. mehreren Facs. Wien, Roller. 1892. 194 8. M. 4,00.
||M : HJb. 1.3, S. 638; Kath. 72', S. 479; LCBl. 1892, S. 1117.]| (Vgl. JBL. 1892 IV Ib: 106.) — 55) X Denkwürdigkeiten
aus d. Leben L. v. Gerlachs, Generals d. Infanterie u. Generaladjntanten König Friedrich Wilhelms IV. Nach seinen Auf-
zeichnungen her V. seiner Tochter. Bd. 2. B., Hertz. 1892. 788 S. M. 11,00. (Umfasst d. J. 1853-61; über Ton u. Tendenz
vgl. JBL. 1891 IV 1:168. Enthält nichts v. Bedeutung für d. dtsch. Litt.-Gesch. im engeren Sinne.) - 56) X L. Riedt,
Heiteres u Ernstes im Krieg u. Frieden ans meinem Soldatenleben. 3. Aufl. Mit 1 Bild. Saulgau, Kitz. 317 S. M. 1,00.
(Behandelt d. J. 1848-71; mehrere patriot.-militär. Gedichte d. Vf., ohne künstlerischen Wert, sind in d. Erzählung ein-
geflochten.) — 57) Jul. General v. Hartmann, Briefe Cd. Führers d I. Kavallerie-Div.) aus d. dtsch. -franz. Kriege 1870-71.
(An seine Gattin.) Kassel, Freyschmidt. III, VI, 180 S. M. 3,50. - 58) X Karl Richter, Kriegstagebuch e. Sanitäts-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (4)4
IV lc:59-65 F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
hardt^*) mag- hierher gerechnet werden, ein Buch, dem es an einem bedeutenden
Inhalt ebenso wie an einer interessanten Autorenphysiognomie fehlt. Anschauliche
Bilder zeichnet der 1813 zu Lieg-nitz geborene Vf. von den Schicksalen seiner Familie
in der Franzosenzeit; dagegen schildert er seine eigenen kleinen Schulerlebnisse er-
müdend breit. Sein späterer Schriftstellername Gerhard von Amyntor stammt in
seiner zweiten Hälfte aus dieser Zeit: ein Lehrer in Prima, der alle Schüler seiner
Klasse mit antikisierenden Namen zu begaben pflegte, nannte Gerhardt wegen der
glücklich durchgeführten Verteidigung eines schwierigen Themas Amyntor, den Ver-
fechter. 1849 absolvierte dieser das Gymnasium, vertauschte in Breslau bald das
Universitätsstudium mit dem Militärstand, ohne die Beziehungen zur Hochschule
ganz aufzugeben, wurde 1850 Offizier und zwar in dem Regimente, das hernach ein Jahr
lang der spätere Kronprinz Friedrich Wilhelm kommandierte. Gerhardt erfreute
sich der persönlichen Gunst des Prinzen; so sind von ihm wie von dem General
Moltke einzelne hübsche Züge der Darstellung eingewoben. Von künstlerischen
Persönlichkeiten trat Gerhardt dem Komponisten Adolf Henselt und später in Minden
der Schriftstellerin Elise Polko näher, deren liebenswürdiges Wesen und musikalische
Talente er in seiner Autobiographie dankbar preist. Die Bekanntschaft mit Henselt
wurde der Anlass zu seiner Novelle „Frühlingstage bei Adolf Henselt". Kurz
bespricht der Vf. seine ersten politisch-militärischen Schriften, viel ausführlicher die
verschiedenen Garnisonen, in denen er stand, seine Erlebnisse daselbst, seine Ver-
lobung mit Gertraud, der Tochter des Generals von Natzmer, und den Feldzug von
1864, in dem er bei den Düppler Schanzen schwer verwundet wurde. Auch mehrere
mittelmässige Gelegenheitsgedichte sind im Rahmen der Erzählung mitgeteilt. —
Den Reigen der Dichter und Dichterinnen im engeren und der poetisch
thätigen Schriftsteller im weiteren Sinne eröffnet in diesem Zusammenhange der
Anakreontiker Johann Nikolaus Götz, aus dessen Freundeskorrespondenz
Schüddekopf^^) eine Anzahl von Briefen ungemein sorgfältig mit guten An-
merkungen und einer aufschlussreichen Vorrede über das freundschaftliche Verhältnis
zwischen Götz, Uz, Gleim und Ramler herausgegeben hat. Von den 28 teilweise
sehr ausführlichen Briefen sind zwei an Uz, einer an den Buchhändler und Schrift-
steller Chr. Friedr. Schwan in Mannheim, einer an Knebel gerichtet; die übrigen ge-
hören dem Briefwechsel Götzens mit Gleim und Ramler an. Dazu kommen noch
6 Briefe aus der Korrespondenz der beiden letzteren mit Götzens Sohne, von denen
Seh. einige nur im Auszug mitteilt. Die Briefe bereichern unsere Kenntnis vom
Leben und vom Dichten Götzens und gewähren uns namentlich einen schätzens-
werten Einblick in die persönlichen Beziehungen der Anakreontiker zu einander.
Von welchen Kleinlichkeiten hing bei diesen Sängern der Freundschaft und der
Liebe der Fortbestand oder die Lösung ihrer Freundschaftsbündnisse im Leben ab,
welche Komplimente häuften sie im Umgang mit einander, hinter welche Weihrauch-
wolken von übertriebenem Lob bargen sie schüchtern den kleinsten Tadel an einer
Dichtung ihrer Genossen, wie erschwerten sie sich durch das alles den Verkehr und
machten wahre Aufrichtigkeit unter sich zu einem Ding der Unmöglichkeit! Ramlers
Gedichten, auch seinen unbefugten Aenderungen an fremdem Gute spendet Götz
durchaus Beifall, und zwar aus voller Ueberzeugung ; gegen Gleims Poesie scheint
er dagegen einige Bedenken zu haben, die er aber nicht recht offen auszusprechen
wagt. Unumwundener äussert er sich über seine amtlichen Verhältnisse und per-
sönlichen Wünsche, die trotz aller Anerkennung, die er in Winterburg findet, mehr
auf eine Stellung in oder bei Berlin abzielen. Freilich bleiben diese Wünsche, die
auch Gleim teilt, erfolglos. Die litterarischen Ereignisse der Zeit werden im Brief-
wechsel der Freunde mit lebhaftem Interesse verfolgt; der deutsche Anakreon,
Bodmers „Erzählungen" von 1747, Gessners Idyllen, Lessings „Kleinigkeiten" und
„Miss Sara Sampson", Wielands „Erzählungen" von 1752, die Gleim zuerst für ein
Werk von Götz hielt, Klopstocks Dichtungen und der Kampf zwischen seinen An-
hängern und der Gottschedschen Partei, Moses Mendelssohns Anfänge, die litterarischen
Strömungen am Hofe Friedrichs IL und mehrere ähnliche Themata werden erörtert.
Offiziers beim Stabe d. Generalkommandos des X. Armeecorps aas d. J. 1870-71. Rathenow, Babenzien. 1892. VII, 378 S.
M. 5,00. ([F. Bienemann: BLU. S. 149.] | — 59) X Th. Bracht, Ernstes u. Heiteres aus d. Kriegsj. 1870-71. Erlebnisse
e. Studenten u. Einjährigen d. kgl. sächs. 8. Infanteriereg. N. 107, naraentl. während d. Belagerung y. Paris. Im besondern
für d. Jagend unserer höheren Lehranst. erzählt. Halle a. S., Waisenhaus. 1892. VII, 2.39 S. M. 2,40. |[F. Bieneraann:
BLU. S. 149.11 — 60) X L. Halevy, D. Feind im Land. Erinnerungen aus d. Kriege 1870-71. Nach d. Tagebuche e. Fran-
zosen her. Dtsch. autoris. Uebers. v. H. Altena. 2. Aufl. Brannschweig, Salle. 1892. IV, 124 S. M. 1,50. |[F. Biene-
mann: BLU. S. 150.JI — 61) X ^- Sarcey, D. Belagerung v. Paris. Eindrücke u. Erinnerungen. Aus d. Franz.
Obers, v. A. Tuhten. (= ÜB. N. 3118-20.) L., Reclam. 320 S. M. 0,60. — 62) X K- Graf v. Pfeil, Erlebnisse
e. preuss. Offiziers in russ. Diensten während d. törk. Krieges 1877-78. 4. Aufl. Mit e. Skizze, ß., Mittler & Sohn.
1892. YII, 234 S. M. 4,50. |[LCB1. S. 1263.] | — 63) O XEmil Schultz, Erlebnisse e. dtsch. Deserteurs, angeworben in
Frankreich bei d. Fremdenlegion, nebst e. Bearbeit. d. Krieges zwischen Frankreich u. China v. 1893-85. Mannheim (St.,
J. B. Metzler). 12". 52 S. M. 0,50. — 64) D. v. Gerhardt (Gerhard v. Amyntor), D. Skizzenbuch meines Lebens. 1. T.
Mit Bild. Breslau, Scbles. Verlagsanst. 806 S. M. 4,00. |[N&8. 67, S. 414; ThLBl. 14, S. 242.]| - 65) (IV la:30.) -
F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893. IVlc:66
Von litterarischen Neuig-keiten berichtet Gleim am 6. Februar 1764 auch eine für
die moderne Forschung-, indem er erzählt, dass Klopstock damals ausser seinem
„Salomo" auch schon den „David" und ein weiteres, uns g-anz unbekanntes, wohl
auch biblisches Trauerspiel „Der König" so gut wie fertig hatte. Die letzten Briefe
behandeln hauptsächlich die Herausgabe der sämtlichen Gedichte von Götz durch
Ramler. —
Ein ungleich bewegteres Leben lernen wir in den Denkwürdigkeiten
Heinrich Gottfried von Bretschneiders kennen, die hinger^^) aus den
seit 1783 verfassten, bereits 1816 und 1818 von Meusel gedruckten autobiographischen
Fragmenten des vielgewanderten Satirikers, aus seinen Briefen an Nicolai und
anderen Dokumenten zusammengestellt hat. Die eigene Dai'stellung Bretschneiders
umfasst seine Jugendgeschichte von 1739—57, also besonders seine Schuljahre im
Herrenhuter Erziehungshaus zu Ebersdorf und im Gymnasium seiner Vaterstadt
Gera, dann seine Kriegsjahre (seit 1753) bald in sächsischem, bald in preussischem
Dienst — auch in französische Gefangenschaft kam er während des siebenjährigen
Krieges. Hernach lebte er mehrere Jahre in Frankfurt a. M. und Wetzlar, wurde
1767 Landeshauptmann zu Idstein im Nassauschen, 1769 Major, trat mit Nicolai in
Verkehr und war nun auch schriftstellerisch thätig. 1771 gab er seine Stellung
auf, und da sich zunächst keine bessere für ihn fand, versuchte er sein Glück
auf einer ziemlich abenteuerlichen Reise durch England und Nordfrankreich, oft in
arger Bedrängnis, bis er endlich in Paris im Chiffern kabinet des Ministeriums mit
einem "reichlichen Gehalt angestellt, auch bisweilen mit diplomatischen' Sendungen
betraut wurde. Hier liegt wieder die eigene Darstellung Bretschneiders im Tagebuch
dieser Reise vor. Im französischen Auftrag kam er 1772 nach Berlin, wo er Lessing,
den er von früher her kannte, wieder sah und im Montagsklub neben Nicolai nun auch
Mendelssohn, Ramler und andere Aufklärer kennen lernte. Nach dem Tode Ludwigs XV.
trat er 1774 in österreichische Dienste, wurde nach vorübergehender Beschäftigung
in Koblenz, wo er zum Kreise der Frau von La Roche gehörte, 1776 Vicekreis-
hauptmann zu Werschnetz im Temesvarer Banat, dann Universitätsbibliothekar in
Ofen, endlich Professor und Bibliothekar an der neu errichteten Hochschule zu Ijemberg,
1801 mit dem Hofratsrang auf sein Ansuchen pensioniert, worauf er nach Wien über-
siedelte. 1810 starb der Einundsiebzigjährige infolge eines Schlaganfalls zu Kfimitz
bei Pilsen. Seine Briefe aus der österreichischen Periode seines Lebens berichten
zuerst u. a. von der Verachtung, in die Riedel schon damals in Wien gesunken war,
von seinem eigenen Verhältnis zum „Werther" und seiner Bänkelsängerei über Goethes
Roman; auch später enthalten sie einige litterarische Andeutungen, so 1792 über
Bretschneiders Roman „Georg Wallers Leben und Sitten". Vor allem erzählen sie
manche charakteristische Einzelzüge von Joseph IL, der an Bretschneiders Umgang
Gefallen fand, und klagen heftig über die Ränke, mit denen die Jesuiten den Vf.
verfolgten. Da er 1781 Nicolais Führer in Wien war, machte man für dessen ab-
sprechende Urteile in seiner Reisebeschreibung auch ihn — und vielleicht nicht
ganz mit Unrecht — verantwortlich, und selbst bei massgebenden Persönlichkeiten
am Hofe galt er als geheimer Preussen freund, ja als Arbeiter im Dienste Preussens.
Uebrigens schildert Bretschneider trotz seiner leidenschaftlichen Zuneigung zur Auf-
klärung doch einige Führer dieser Richtung in Oesterreich nicht eben mit den
freundlichsten Farben. Man rühmte den erfahrenen, durch Sprachenkenntnis und
praktischen Weltsinn ausgezeichneten Mann wegen seiner rücksichtslosen Wahrheits-
liebe und seiner Wohlthätigkeit gegen Arme und Bedrückte. In seinen Denk-
würdigkeiten zeigt er eine nichts weniger als sympathische Persönlichkeit. Nüchtern
und herzlos-roh behandelt er öfters zärtliche Herzensangelegenheiten ; Freude am
Frivolen und am Skandal ist ihm kaum abzusprechen. Eine gewisse Wärme und echte
Verehrung bekundet er fast nur, wenn er von Friedrich IL, und noch mehr, wenn
er von Joseph IL redet. Auf Grund der Angaben Meusels fügt L. den Denk-
würdigkeiten ein Verzeichnis der Schriften Bretschneiders mit kurzer Beurteilung
des Einzelnen bei. —
Aus dem Lager der Aufklärer in das der Stürmer und Dränger hinüber
leitet der Briefwechsel Johann Georg Schlossers mit Lavater aus den J. 1771 und
1772. Auszüge aus diesen Briefen hat schon 1879 Ludw. Hirzel („Im neuen Reich"
1879, 1, S. 273—85) bekannt gemacht und dabei die litterargeschichtlich bedeutendsten
Bemerkungen Schlossers über seine Liebe zu Goethes Schwester, über seine Mit-
arbeiterschaft an den „Frankfurter gelehrten Anzeigen" und über den von Lavater
der Unmenschlichkeit und Unbrüderlichkeit beschuldigten Ton der Recensionen
daselbst, über Wieland und seinen „Goldnen Spiegel", über den Patriotismus in
66) K. F. Linger, Denkwürdigkeiten ans d. Leben d. k. k. Hofrates H. 6. v. Bretschneider. 1739-1810. Mit Benütz, sehr
selten gewordener Quellen x. erstenmale vollst, her. Wien n. L., Eisenstein & Co. 1892. VIII, 376 S. M. 6,00. |[rt,:
(4)4*
IV lc:67-70 F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
Lavaters „Schweizerliedern" abgedruckt. Dennoch ist die vollständige Herausgabe
dieser Briefe durch Keller^'') erwünscht; sie liefern besonders zur Kenntnis der
religiösen Entwicklung im vorigen Jh. manchen brauchbaren Beitrag. Schlosser,
dessen Briefe ungleich zahlreicher sind, äussert gelegentlich der „Aussichten in die
Ewigkeit" Bedenken gegen Lavaters Vorstellungen von der Beschaffenheit der
Seelen im Jenseits, beleuchtet allerlei theologische und pädagogische Fragen, spricht
sich zornig über Goeze aus, dessen „Ernstliche Betrachtungen über das Leben Jesu
auf Erden" er, nach diesen Briefen zu schliessen, in den „Frankfurter gelehrten An-
zeigen" recensiert zu haben scheint, und beurteilt namentlich Lavaters Predigten.
Ueber den Inhalt sagt er weniger, da er sich bei seiner im Grunde rationalistischen
Richtung hier von vornherein im Gegensatz zu Lavater weiss; desto gewissenhafter
prüft er die Sprache des Freundes auf schweizerische Ausdrücke, kleine Nach-
lässigkeiten in Konstruktion und Rechtschreibung. Seine meisten derartigen Be-
merkungen sind berechtigt; auch nahm Lavater in der Hauptsache Schlossers
Korrekturen an. Freilich bekrittelte aber dieser auch einzelne Wörter, die sich seit-
dem bei uns völlig eingebürgert haben, und nahm selbst an poetisch bildlichen Aus-
drücken, die unmittelbar aus der Bibel stammten, allzu nüchtern Anstoss. Inhalts-
reiche Anmerkungen des Herausgebers, der sich nur hie und da auf einen ein-
seitig schweizerischen Standpunkt stellt, weisen dabei auf den modernen wie auf den
damaligen Sprachgebrauch (bei Frisch, Gottsched, Adelung, Bodmer, Goethe, Schiller)
hin. Auch dem Dichter Lavater giebt Schlosser bisweilen einen beherzigenswerten
Wink, den dieser freilich nicht immer gebührend beobachtet. So rät er ihm, die
„Aussichten in die Ewigkeit" in Blankverse umzuschreiben, dringt jedoch mit seinem
Vorschlag nicht durch, da Lavater gegen den Jambus ähnliche Bedenken hegte wie
Klopstock. Ebenso macht Schlosser an dem Anfang eines hexametrischen Gedichts
„Der Mensch", das ihm der Züricher Freund mitteilt, offenherzig allerlei Aus-
stellungen, so dass Lavater sich hier wirklich zu einer Umschmelzung der ungelenken
Verse in Jamben herbeilässt. —
Aus dem Stolbergisch-Vossischen Kreise brachte schon das J. 1891
eine bedeutsame Veröffentlichung, die noch mannigfache Besprechung fand^^); neu
gesellten sich dazu Briefe des Schulmanns und Litterarhistorikers B. R. Abeken an
Heinrich Voss, von 1800—22 reichend, mit Weglassung alles eigentlich philologischen
Materials sowie der für das Publikum gleichgültigeren P^amiliennachrichten von
Heuermann öö) gut herausgegeben. Abeken strömt vor dem Freunde seine Be-
geisterung über Goethes und Schillers neue Dichtungen aus, über die Dramen vom
„Wallenstein" bis zum „Teil", ebenso über „Iphigenie", die zu seinem Aerger 1802
in Berlin vor leerem Hause gespielt und von Garlieb Merkel boshaft-dumm kritisiert
wurde, über „Egmont" mit der Musik Beethovens, deren Meisterschaft er alsbald
erkannte, über die „Natürliche Tochter", den Musenalmanach von Goethe und Wie-
land, die „Wahlverwandtschaften", über die Abeken auch einen von Goethe beifällig
aufgenommenen Aufsatz im „Morgen blatt" veröffentlichte, über „Dichtung und
Wahrheit" und andere Arbeiten Goethes. Seine Bewunderung des Dichters steigt
noch, als er 1808 Hauslehrer der Kinder Schillers wird; voll Verehrung für Schillers
Witwe, voll inniger Liebe zu seinen Zöglingen, schwelgt er nun in dem Kreise, in
dem Heinrich Voss vorher geweilt hatte, immer aufs neue von der persönlichen
Liebenswürdigkeit Goethes entzückt, von seiner menschlichen Vortrefflichkeit hin-
gerissen. Neben seinen und Schillers Werken vermochten Tiecks formlose Dramen
und Matthissons empfindsame Briefe ihn nicht zu erwärmen. Tieferen Eindruck
machten wieder Oehlenschlägers Dichtungen, ebenso Moritz Reise durch Italien und
Johannes von Müllers Geschichtswerke auf ihn. Unendlich schätzt er das Nibelungen-
lied, das er 1807 kennen lernte, wohl durch den von ihm sehr gerühmten von der
Hagen darauf hingeleitet. Auch die Uebersetzungslitteratur von der Vossischen
Odyssee an wird vielfach erwähnt: vornehmlich der Aeschylus von Heinrich Voss
und die Dramen Shakespeares, an denen der Freund sich versuchte, „Othello" an
ihrer Spitze, Solgers Sophokles, Baudissins Verdeutschungen aus Shakespeare,
Calderon in der üebertragung von Gries und in der des Freiherrn von der Malsburg.
Seit 1814 treten neben den ästhetischen Interessen auch die patriotisch-politischen
in Abekens Briefen stärker hervor; Sands blutige That regt ihn 1819 tief schmerzlich
auf. Aus allen Briefen spricht ein warmer, begeisterungsfreudiger Sinn, den nur
das Grosse und Schöne, dieses aber auch unwandelbar, zu fesseln vermag. —
Von den Klassikern hinüber zur romantischen Schule führen Hahns''^)
AZgB. 1892, N. 226.]| (Tgl. JBL. 1892 IV 5 : 237; inzwischen in Wien beschlagnahmt.) - 67) J. Keller, D. Schlosser-
Lavatersche Korrespondenz aus d. J. 1771 u. 72: ZOrcherTb. 16, S. 1-74. — 68) 0. Hellinghaus, Briefe Fr. Leop. Grafen
zu Stolbergs n. d. Seinigen an J. H. Voss (vgl. JBL. 1891 IV 1:233). |[J. Heuwes: Gymn. 11, S 207; A. Sauer: DLZ.
S. 619-20; J. Seeber: ÖLBl. 1, S. 93/4; LKs. 18, S. 181; ECr. 33, S. 473: AZgB. 1892, 8. Jan.; H.: NatZg. 1892, N. 164.]| —
69) (IV la:31.) - 70) H. Hahn, Aue d. Naohlass v. Henrfette Herz: N&S. 63, S. 68-74. |[G. Karpeles: FZg. 1892, N. 292
F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./ 19. Jh. 1892, 1893. IV Ic: 71-74
Veröffentlichung'en aus dem Nachlass von Henriette Herz. Ausser einem noch recht
altmodischen Gelegenheitsg-edichte von Gumperz zur Hochzeit Henriettens (1. Dec. 1779)
teilt er einige Briefe von Markus Herz, dann psychologisch interessante Tagebuch-
blätter Henriettens aus dem Febr. 1820 und namentlich Briefe Schleiermachers und
A. von Humboldts an Henriette mit. In rückhaltloser Herzlichkeit berichtet Schleier-
macher 1817, kurz nach dem heimlichen Uebertritt der Fremidin zum Christentum,
über alle möglichen Dinge in seiner Familie, in seinem privaten und öffentlichen
Leben, trägt der nach dem Süden Reisenden Grüsse an „Väterchen Jacobi" auf,
versichert ihr vorläufige Geheimhaltung ihrer Taufe und schreibt so, selbst in
unruhiger Stimmung, das Verschiedenste durch einander. Humboldts Briefe sind
formal viel künstlerischer abgerundet, teils humoristisch-satirisch plaudernd, teils
phantastisch schwärmend, wie die beiden ersten langen Episteln aus seiner Jugend
von 1788 und 96, teils besonnen und klar in knapper Weise Aufschluss gebend, wie
die vier folg'enden Briefe aus den J. 1806 — 45; alle aber zeugen von wahrer
Anhänglichkeit und inniger Verehrung für die Jugendfreundin, der noch in ihrem
späten Greisenalter Humboldts Fürsprache eine Unterstützung von Seiten Friedrich^
Wilhelms IV. in zartester Form verschaffte.'' ^"''2) —
Eine sehr erfreuliche Gabe ist der Neudruck des autobiographischen Meister-
stücks von Julius Mosen, seiner 1848 verfassten, 1863 veröffentlichten „Er-
innerungen", durch Zschommler''^), der die Hs. neu verglichen und nach ihr den
Text in Kleinigkeiten verbessert hat. Daran schliessen sich ergänzende und er-
läuternde Beiträge des Herausgebers, der u. a. eine kurze Skizze Mosens zur Fort-
setzung seiner „Erinnerungen" mitteilt. In der Hauptsache sind diese Beiträge nur
eine leichte Umarbeitung einer älteren Schrift Z.s über Mosen (vgl. JBL. 1891 IV
3 : 104; 1892 IV 2 : 310). Neu hinzugekommen sind ein paar Briefe von Mosen und
von seinem Vater, die meisten an sich nicht bedeutend, aber in diesem Zusammen-
hang immer erwünscht, einzelne Briefe des Sohnes schon recht charakteristisch.
Wichtiger sind einige Briefe Mosens an seine Mutter; darin u. a. die Nachricht,
dass er mit einem Gedicht zum fünfzigjährigen Regierungsjubiläum Karl Augusts
den Beifall des Grossherzogs und Goethes geerntet, auch dafür 6 Louisdor von
Karl August erhalten habe, ferner ein Bericht von dem Anfang seiner grossen
italienischen Reise mit Dr. Kluge. Mehr Neues von Bedeutung dürfen wir von der
Fortsetzung der Lebensgeschichte Mosens auf Grund seiner Briefe erwarten, die Z.
in Aussicht stellt: ein Werk, das allen Freunden der neueren deutschen Dichtung
willkommen sein wird. —
Eine wahre Bereicherung hat unsere Litteratur durch Theo Schücking''^)
erfahren, der den bisher der Oeffentlichkeit entzogenen Briefwechsel zwischen Mosens
um wenige Jahre älterer Zeitgenossin Annette von Droste-Hülshoff und ihrem
jüngeren Freunde Levin Schücking sorgfältig herausgegeben hat. Vom Sept.
1840 bis zum Febr. 1846 währt diese Korrespondenz; grossenteils sind es Briefe
Annettens an Schücking, auch ein paar Zettelchen an dessen Frau Luise geb. von
Gall nebst ihren Antworten. Es sind richtige Plauderbriefe, ausserordentlich an-
mutig in ihrer Art, ohne jede Sucht nach Geistreichtum, vertraulich mit einer ge-
wissen wohlthuenden Nachlässigkeit niedergeschrieben, voll von Scherzworten, familiären
Lieblingsausdrücken, provinzialen Redensarten, Herzensergüsse einer hochbegabten
Dichterin voll Phantasie, lebendiger Anschaulichkeit und Gemüt, liebenswürdig und
erquickend durch und durch, auch wo nur gleichgültigere persönliche Nachrichten
mitgeteilt werden. Annette tritt persönlich dem Leser dieser Briefe näher; man ge-
winnt sie lieb, wenn man ihre mütterliche Teilnahme und innige Liebe zu Schücking
Schritt für Schritt verfolgt, wenn man all die übrigen Zeichen ihrer Herzensgüte
wahrnimmt, wie sie etwa durch ihre eigenen Gedichte der armen, nicht immer ge-
rade liebenswürdigen Schriftstellerin Luise von Bornstedt (dem Urbild der Lucinde
in Gutzkows „Zauberer von Rom") uneigennützig in edelster Weise aufhelfen wiU,
wie sie gerne für Freiligrath etwas thun möchte, überhaupt wie sie, die selbst nichts
übrig hat, Wohlthaten nach allen Seiten spendet. Dann freut man sich wieder des
spöttischen Humors, mit dem sie sich ärgerlich und doch meist recht gutmütig für
die wichtigthuerische, schwerfällige Umständlichkeit ihres Schwagers Lassberg rächt.
Einmal stellt ihr dieser sogar das Ansinnen, sie solle den „Liedersaal" ins Neu-
hochdeutsche übersetzen, natürlich unter seinen Augen, so dass zugleich für die
philologische Richtigkeit gesorgt sei. Auch von allerlei buchhändlerischen Geschäften
(im einzelnen manches ergänzend).]] — 71) X Aus d. Leben Philipp Veits: NorddAZgB. n. 7. ( Hauptsächlich nach Er-
innerungen V. Luise Seidler u. Henriette Herz; nichts nennenswertes Neues.) — 72) X J- Kerner, D. Bilderbuch aus meiner
Knabenzeit. Erinnerungen aus d. J. 1786-lö04. Vollst. Ausg. Frankfurt a. 0., H. Andres & Co. 294 S. M. 1,00. — 73) M.
Zschomniler, Erinnerungen v. Jul. Mosen. Fortgef., erläut. u. her. Nebst e. Vorw. t. Reinhard Mosen. Plauen i.V.,
Nenpert. IV, 168 S. M. 1,50. — 74) Theo Schücking, Briefe v. Annette v. Droste-Hülshoff u. L. Schücking. L., Grunow.
XI, 362 S. M. 4,00. |[L. Geiger: NFPr. 11. Not.; ß. Waiden: Wiener Abendpost N. 294; Geg. 44, S. 416; 0. Girndt:
IV lc:75-8i F. Munck er, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
ist die Rede; Schücking vernnttelt wiederholt den Druck von Gedichten Annettes
und führt zuletzt die Verhandlungen über eine Gesamtausgabe mit dem Cottaschen
Verlage. Ein Charakterzug der Dichterin ist dabei sehr bedeutsam. Schücking
hatte ihr früher bewunderungsvoll versichert, dass sie allein unter allen Zeitgenossen
noch „eigentlich klassisch schreiben" könne, während selbst Freiligrath und Lenau
hier und da etwas Mattes, Gemachtes, Dilettantenhaftes aufwiesen ; ihre Poesie allein
mache, wie die Shakespeares oder Walter Scotts, „den Eindruck des Tiefen und Ge-
diegenen, mit wunderbarer Intuition auf einem fremden Felde Gepflückten". Gleich-
wohl hatte er wiederholt eine strengere Feile der Form verlangt, und in gewissem
Sinne hatte Annette das zugegeben, und wenn sie hoffte, dass sie mit einiger Uebung
bald nach ihrem eigenen, ihr keineswegs schmeichelnden Geschmacke den Besten
gleichstehen werde, hatte sie beigefügt, Schücking müsse „zuweilen per Feder nach-
schieben". Jetzt aber bei den Verhandlungen mit Cotta fordert sie (am 8. Jan. 1844)
sein unverbrüchliches Ehrenwort, dass er an ihrem Ms. auch nicht eine Silbe willkürlich
ändern wolle; denn in diesem Punkte sei sie ungemein empfindlich. Dagegen
^schlägt sie ihm vor, dass er die ihm bedenklich scheinenden Stellen anzeigen und
nach Gutdünken unter den neuen Lesarten, die sie ihm vorlegen werde, die passendste
für den Druck wählen solle. Und derartige Auseinandersetzungen über verbesserungs-
bedürftige Verse sowie mannigfache Verbesserungsvorschläge begegnen denn auch
in den folgenden Briefen. (Vgl. IV 2.) —
Wie Annette alle deutschen Dichterinnen an Bedeutung weit überragt, so
steht auch dieser Briefwechsel hoch über allem, was an Memoiren von späteren
deutschen Schriftstellerinnen erschienen ist. Thekla von Schober''^) geb.
von Gumpert hat als eine Art von Fortsetzung ihrer autobiographischen Darstellung
„Unter fünf Königen und drei Kaisern" Autographen bedeutender Personen, denen
sie in ihrem langen Leben näher trat, gesammelt und mit kurzen Schilderungen
ihres Verhältnisses zu den Schreibern derselben begleitet. Das bescheiden und an-
spruchslos dargebotene Buch berichtet zunächst über die Jugendjahre der 1810 ge-
borenen Vf., namentlich über ihren intimen Verkehr mit den Mitgliedern des
fürstlich Radziwillschen Hauses. Unter den Autographen befinden sich mehrere
Blätter von deutschen Fürsten und Fürstinnen, neben ihnen besonders interessant ein
Brief der selbst schriftstellernden Fürstin Agnes von Reuss j. L., die sich über
einige ihrer eigenen Versuche gegen Frau von Schober 1886 aussprach, ebenso ein
Abschnitt aus einem Gedichte der Prinzessin Eleonore vofi Reuss. Aus der littera-
rischen Welt ist Alexander von Humboldt vertreten, der schöne Worte aus einem
Briefe seines Bruders Wilhelm aufzeichnete, ferner Arndt mit einem Stammbuchblatt
aus Jena vom 12. April 1794 an Theklas Vater, seinen Jugendfreund, der mystische
Naturforscher Gotthilf Heinrich von Schubert, Karl von Holtei mit einem scherz-
haften Gedicht nach aufgegebenen Reimen, Christoph von Schmid, Franz Allioli,
Marie Nathusius, Franz von Schober mit mehreren zum Teil noch ungedruckten Ge-
dichten, Klaus Groth, Gerok, Julius Sturm, Ludwig Richter, Georg Weber, Ebers
und andere, endlich Liszt mit einem bisher unveröffentlichten Liede. In den Be-
merkungen der Vf. über die einzelnen Autographen spricht sich keine grosse, aber
eine menschlich liebenswürdige Persönlichkeit aus, die jeder falschen Eitelkeit feind
ist und auch durch das in hohen und niederen Kreisen ihr reichlich gespendete Lob
sich nifcht verblenden Hess. — Mit drolligem Humor erzählt Helene Adelmann ''ß)
verschiedene Kindererlebnisse, streift dabei aber auch allerlei politische Ereignisse
des Vormärzes und der Revolutionsjahre von 1848 und 1849."''-***) — •
Sehr umfangreich und inhaltlich hochinteressant ist der vorläufige Schluss-
band von Hebbels Briefwechsel, den Bamberg*^), leider in einer wenig prak-
tischen Anordnung, aus dem Nachlass des Dichters veröffentlicht hat. Er enthält
namentlich die Korrespondenz Hebbels mit Dingelstedt, E. Kuh, Gutzkow, F. von
Uechtritz, H Th. Rötsoher, Jul. Glaser, Hettner, Ad. von Pichler, Klaus Groth, Ad.
Stern und mehreren weniger bedeutenden Verehrern, ferner Hebbels Briefe an die
Fürstin von Wittgenstein und deren Tochter und an seine Gattin Christine. Von
verschiedenen Seiten spiegelt sich in diesen Briefen sein menschliches wie sein
künstlerisches Wesen ab, je nachdem er mit einem als ebenbürtig geltenden, wohl-
DWBl. S. 587; Ad. Bartels: Didask. N. 260/l.]| — 75) Thekla v. Scholier, Autographen u. Erinnerungen. (Mit eingedr.
Autographen u. 1 Musikbeil.) Bremen, C. Ed. Müller. VUI, 3:i9 S. M. 4.H0. |[DBs. 74, S. 478; BLU. S. 830; 0. Lorenz:
DLZ. 1892, S., 598.] I (Vgl. IV 2.) - 76) Helene A delni ann. Aus meiner Kinderzeil. B., Appelius (L. Oehniigke). UI, 146 S. M. 1,80.
— 77) O X Nora Gräfin Strachwitz, Erinnerungen aus meiner .Tugendzeit. Gedichte. Strassburg i. E., Kattentidt.
XII, 236 S. M. 3,00. — 78) O X Letters of Jane Welsh Carlisle to Amely Bölte: NewR. 1892, Maiheft. — 79) O X Ch. 11.
Leland |= Hans Breitmann], Memoirs. 2 vols. London, Heinemann. Sh. 32. — 80) X Iwan Turgcnieff, Litteratur-
u. Lobenserinnerungen, dtsch. v. Franz Walter. (= ÜB. N. 2905.) L., Iteclam. 110 S. M. 0,20. UW. Nehring: DLZ.
S. :532/3.]| (Gute Uebers. d. seit 1874 d. Werken T.s beigeg. autobiograph, Essays.) — 81) V. Bamberg, F. Hebbels Brief-
wechsel mit Freunden u. berühmten Zeitgenossen. Mit e. Vorw. u e. Epilog zu Hebbels litt. Nachlass. 2. Bd. B., Grote.
1892. 616 S. M. 15,00. |[F. Lemmerroayer: ML. 62, S. 199-201; id.: WIDM. 71, S. 414/6.JI (Vgl. auch JBL. 1892
F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./ 19. Jh. 1892, 1893. IV Ic: 82-83
meinend für ihn thätig-en Freunde wie Dingelstedt oder mit einem in schrankenloser
Bewunderung- zu ihm aufblickenden Jünger wie Kuh verkehrt, je nachdem er einen
wortkargen tjandsmann wie Klaus Groth oder eine zu schwärmendem Ueberschwang
neigende, zartempfindsame Frauennatur wie die Fürstin Wittgenstein und ihre Tochter
sich gegenüber weiss. Das Bewusstsein seines eigenen dichterischen Wertes bleibt
zwar durchweg sehr stark, und im Zusammenhange damit spricht er sich ziemlich
gegen alle Korrespondenten mit der gleichen, nicht immer gerechtfertigten Herbheit
über viele Werke gleichzeitiger Dichter aus. Doch ist der Ton ein ganz anderer,
wenn er etwa zu wiederholten Malen seinen eigenen künstlerischen, philosophisch-
religiösen und politischen Standpunkt gegen die mannigfachen Bedenken und gegen-
sätzlichen Ansichten eines üechtritz verteidigen muss, oder wenn Kuh ihn durch,
masslos übertriebenes Lob zu schroffen Urteilen über andere förmlich reizt. Am er-
giebigsten ist der gesamte Briefwechsel insofern, als er über Einzelheiten im Leben
des Dichters und über die Entstehung seiner Werke sowie über die künstlerischen
Absichten, die Hebbel in ihnen verfolgte, ungemein reiche Aufschlüsse giebt. Dazu
kommt die Fülle von Urteilen der Freunde über Hebbels Dichtungen. Auch über
die Schicksale und litterarischen Leistungen dieser Freunde erfahren wir allerlei.
Sonst vernehmen wir doch nur gelegentliche Urteile der Briefsteller über andere Er-
scheinungen des Lebens und der Litteratur; ein wirkliches reges Interesse an der
Gesamtheit der übrigen deutschen oder ausländischen Litteratur aber bekunden,
wenigstens in diesen Briefen, weder Hebbel noch die meisten seiner Freunde : immer
und überall reden sie fast nur von Hebbels eigenen Dichtungen. Unter diesen steht
wieder „Agnes Bernauer" im Vordergrunde, vom Vf. selbst wiederholt als „moderne
Antigone" bezeichnet und in ihren Grundideen mit der antiken Tragödie dieses
Namens verglichen; daneben finden sich zahlreiche Bemerkungen und Urteile über
die „Nibelungen". Aber auch über „Gyges", „Judith", „Herodes", „Mutter und Kind"
und die anderen Werke des Dichters wird manches treffliche W^ort gesprochen, und
Hebbel selbst giebt in einem auch sonst bedeutenden Briefe offene Auskunft über die
traumhaft- visionäre Art seines poetischen Schaffens ohne einen klar bestimmten Plan
(S. 475). Anerkennend äussert er sich u. a. über Gutzkows „Ritter vom Geist",
über Meissner, über Schopenhauer, zu dem er sich mannigfach und lebhaft hin-
gezogen fühlt, über Heine, über R. Wagners „Lohengrin"; begeistert schreibt er über
Liszt. Neu erschienene historische oder litterarhistorische Werke von Bedeutung
fesseln seine ganze Aufmerksamkeit, so namentlich Hayms Buch über W. von Hum-
boldt, Köpkes Erinnerungen aus dem Leben Tiecks, Wilbrandts Biographie von H.
von Kleist, dessen Erzählungen er einen unmittelbaren Einfluss auf sein eigenes
Schaffen zugesteht, dessen ganze Natur ihm in mehr als einer Beziehung der seinigen
verwandt erscheint. Desto schroffer wendet er sich aber gegen Grabbe, mit dem ihn
nur die Niederträchtigkeit und Dummheit vergleichen könne, dessen krankhaftes
Wesen ihn anwidert, von dem er auch in seiner Entwicklungszeit so gut wie nichts
gelesen, also auch keinen bestimmenden Eindruck bekommen zu haben behauptet.
Doch auch über Grillparzer, Otto Ludwig, Laube und andere ältere und neuere
Dramatiker urteilt er hart und oft ungerecht. Er scheut sich nicht, Lenau jede
lyrische Ader abzusprechen und Gustav Freytag, dessen „Soll und Haben" ihm nur
eine Porträtierung des Philisters für Philister ist, mit dem gründlich verachteten
Julian Schmidt auf eine Stufe zu setzen. Namentlich ist ihm aber der „Phrasen-
drechsler" Geibel, zumal als Nebenbuhler im Nibelungenstoff, samt seiner ganzen
Münchener Schule unsympathisch oder verächtlich; am herbsten äussert sich diese
Stimmung vielleicht in Worten über Melchior Meyr, der es gewagt hatte, gleich-
zeitig mit Hebbel eine Tragödie „Agnes Bernauer" zu schreiben, die freilich nach
seinem und Dingelstedts übereinstimmendem Urteile kläglich verfehlt war. Seine
Korrespondenten lassen sich keineswegs alle zu gleicher Bitterkeit im Urteil fort-
reissen; nur Kuh übertrumpft — und zwar bisweilen recht ungeschickt — womöglich
noch seinen Meister. —
Von diesen Freunden Hebbels^^^ hat uns nunmehr auch Adolf Pichler^S) (vgl.
IV 2) mit der Darstellung seiner Jugendgeschichte beschenkt, wahrhaft beschenkt : denn
sein Buch, grossenteils aus alten Briefen zusammengesetzt, giebt das prächtige Bild
eines Einzellebens auf dem Hintergrunde der ganzen Zeitgeschichte, regt überall an
und ergreift durch seine Unmittelbarkeit und poetische Wärme. Pichler erzählt von
seiner an Entbehrung und Druck reichen Kinderzeit; als Sohn eines armen Zollamts-
schreibers 1819 im Zollhaus bei Erl (in der Nähe Kufsteins) geboren, verlebte er
IV 4:113.) — 82) X Erich Schmidt, Kl. Groth, Lebenserinnerungen (vgl. JBL 1S91 IV 1:203): DLZ. 1892, S. 279-80.—
83) Ad. Pichler, Zu meiner Zeit. Schattenbilder ans d. Vergangenheit. L., Liebeskind. 1892. 334 S. M. 6,60. ifA.
Brandl: DLZ. S. 181,4; 0. Harnaclc: PrJbb. 73, S. 540; E. H. Greinz: Geg. 42, S. 329-31; A. Schlossar: BLU. 1892,
S. 660,4; S. M. Prem: ÜLBI. 2, S. 121;2 ; Br(enning): WeserZg. N. 16646; M. Necker: AZg». 1892, N. 195; DE. 1892: 4,
IV Ic: 83 P. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
seine Knabenjahre meist bei Mittenwald und Füssen, wohin der Vater versetzt wurde,
g-enoss in Reutte, dann in Vils den ersten Schulunterricht, bis er nach der früh-
zeitig-en Pensionierung- des Vaters mit ihm nach Innsbruck zog und daselbst ins
Gymnasium eintrat. Hier ging dem Knaben, der anfangs sich zum Maler bestimmt
glaubte, auch für Musik Sinn und Talent fühlte, das Licht der Poesie bei Homer auf.
Auch den rechten Eifer für das Studium erweckte in ihm das hellenische Epos: zum
sachlichen Interesse gesellte sich sogleich bis zu einem gewissen Grade das formale.
Auch später blieb ihm die Antike wegen ihrer Gesundheit immer das Höchste. Von
neueren Dichtern erfuhr er freilich in der Schule so gut wie nichts; den unglück-
lichen Johann Senn, dem er später näher trat, sah er damals fast nur von ferne.
•Verschiedene poetische Versuche Pichlers, von ihm selbst zum grossen Teile 1888
verbrannt, fielen noch in jene Schuljahre, darunter manche, die von Faustischen Ge-
dankenkämpfen redeten und aus heftigen religiösen Zweifeln erwachsen waren. Auch
in fragmentarischen Dramen suchte er diese Kämpfe, die ihn beinahe zum Uebertritt
in die protestantische Gemeinde geführt hätten, darzustellen. Zwei solche dramatische
Bruchstücke aus seinen ersten Studentenjahren — seit 1838 besuchte er als an-
gehender Jurist die Universität Innsbruck — teilt Pichler mit: „Ulrich von Hütten"
und „Der Student''. Das erste, unter dem starken Eindruck der Reformationsschrift-
steller verfasst, derb-stürmerisch in Knüttelversen geschrieben, in der Behandlung
von Zeit und Ort sehr frei gehalten mit fast Shakespearescher Kühnheit, zeigt den
Dichter im schroffen Gegensatz zum Katholizismus, zu Kirche, Kloster, Papsttum.
Der „Student'' deutet auf genauere Beschäftigung mit Hegel hin: in seinen Monologen
ist der Student ein Hegelisch philosophierender Faust. Beachtenswert ist, dass schon
in diesem Fragment von 1840 die sociale Frage, die sonst in der deutschen Litteratur
meist erst einige Jahre später auftaucht, eine bedeutende Rolle spielt. Nur ungern
hatte Pichler sich zur Rechtswissenschaft entschlossen; er hätte lieber Medizin
studiert. Aber dazu hätte er nach Wien gehen müssen, und bei seiner bitteren
Armut durfte er daran nicht denken. Doch trieb er neben der Juristerei natur-
wissenschaftliche und andere, besonders auch litterargeschichtliche Studien, gründete
eine litterarische Studentengesellschaft, die sich die ,, Nibelungen" nannte, und hielt in
ihr Vorträge über den Wert des altdeutschen Studiums, über das Nibelungenlied
und ähnliche Themata. Da verschafften ihm 1842 Freunde die Mittel, auf einem
Frachtschiff nach Wien zu reisen; dort sollte er sich selbst weiter helfen. So konnte
er nun endlich seiner Neigung folgen, Medizin und Naturwissenschaften zu studieren.
Was er seit dieser W^endung seines Schicksals erlebte, stellt Pichler nur zum aller-
geringsten Teile mehr episch dar; wir erfahren das Meiste davon aus seinem Brief-
wechsel mit Cornelie Schuler (1824—83), der Schwester seines älteren Freundes
Professor Dr. Johannes Schuler in Innsbruck. In ihren Antworten offenbart sich
eine nur nach dem Edlen strebende Seele von seltener Klarheit: aufregende Schwärmerei
und falsche Empfindsamkeit sind ihr fremd; geistige Bildung und Gedanken über
das Ideale gelten ihr als das Höchste. Herzensreinheit, innige Religiosität ohne
jegliche Einseitigkeit, tiefe, warme, aber durch keine sinnliche Leidenschaft verwirrte
Empfindung-, echt weibliche Milde sind Grundeigenschaften ihres Wesens. Auch
mehrere Briefe ihres Bruders und anderer litterarisch thätiger Tiroler E'reunde, be-
sonders Joseph von Schnells, schaltet Pichler seinem Buche ein. Manches gute
Urteil über die gleichzeitige und die ältere Litteratur, manche geschichtlich be-
deutende Bemerkung namentlich über das poetische Treiben in Tirol während der
vierziger Jahre findet sich in diesen Briefen Pichlers und seiner Genossen. So hebt
Pichler z. B. gut den Unterschied von „Faust" und „Manfred" hervor, nennt 1843
einmal die „Natürliche Tochter" nach erneuter Lektüre „in dem Sinn, als es reine
Exempla der Geometrie giebt, ein Exemplum der Poesie", spricht sich über Halms
„Sohn der Wildnis" sehr schroff aus, stellt ein ander Mal A. Grüns „Schutt" und
Goethes „Iphigenie" in den entschiedensten Gegensatz zu einander (S. 222), äussert
sich möglichst objektiv auch über ihm unsympathische Schriftsteller wie Beda Weber
und Ludw. Steub, schätzt die Vorzüge und Mängel Platens, den er erst 1846 kennen
lernte, höchst zutreffend ab und widmet der „Ethik" und dem ganzen, „gotterfüllten"
Dasein Spinozas schöne Worte in einer Anzahl Aphorismen, die er 1845 an Cornelie
schickte. Auch war Pichler selbst litterarisch mannigfach thätig. Wir hören von
einer Dichtung „Die Habsburger", die er im ersten Guss gleich vollendet, von
Legenden, von einem Drama aus der römischen Geschichte, von verschiedenen damals
in Sammel- oder Wochenschriften gedruckten Erzählungen, die er nunmehr teilweise
sehr streng beurteilt, besonders von dem nach allerlei Censurhindernissen 1845 ver-
öffentlichten lyrischen Almanach „Frühlieder aus Tirol", der ihm manche wertvolle
persönliche Bekanntschaft (so die Herm. von Gilms) eintrug. Der letzte Teil dieser
Memoiren liest sich wie eine gute Novelle: die Briefe an Cornelie schildern mit aller
Wärme der unmittelbarsten Empfindung das Glück und Leid einer Jugendliebe, die
F.Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. la/ 19. Jh. 1892, 1893. IV 1 c : 84-s9
dem Vf. in einer Wiener Familie erblühte, in die er als Hauslehrer eingeführt war.
Die Eltern des Mädchens trennten mit unerbittlicher Strenge das Band, das die
Liebenden vereinigte. Als Pichler, kurz nach bestandener medizinischer Prüfung,
1848 am nationalen Kampfe sich beteiligte, hatte er die Greliebte trotz seiner wieder-
holten Versuche, ihre Eltern umzustimmen, endgültig verloren. Mit dem Ausblick
in die politischen Kämpfe von 1848 und mit den „Liedern an Emma" schliesst seine
Selbstbiographie. —
Formal und inhaltlich unbedeutend erscheinen neben diesem schönen Buche
die Lebenserinnerungen eines anderen Oesterreichers, des 1826 geborenen Edmund
Holenia^*). Sein Vater Franz Joseph Holenya kämpfte 18 lo als Kamerad Th.
Körners im Lützowschen Korps mit; der Sohn verfasste mehrere politische Schriften
und zeitgemässe Epigramme, deren er eine Anzahl als Anhang seiner Memoiren mit-
teilt. Auch schildert er darin eine flüchtige, feindliche Berührung, die er 1848 mit
Uffo Hörn hatte. Sonst bleibt seine Schrift für die deutsche Litteraturg'eschichte er-
gebnislos.^^) - Mehr bietet Rosegger^^) i^ seinen Erinnerungen an berühmte Zeit-
genossen. Er zeichnet kleine Charakterbilder, alle von einem sehr persönlichen
Standpunkt aus, so dass er unwillkürlich mit den geschilderten Autoren zugleich
sich selbst darstellt, und zwar von seiner besten Seite. Dabei beleuchtet er mehr
den persönlichen als den schriftstellerischen Charakter der porträtierten Freunde;
besonders zeigt er sie in ihrer Art, mit anderen zu verkehren, sowie in ihren An-
sichten von ihrer eigenen Bedeutung. Den breitesten Raum widmet er Anzengruber,
von dem er auch gegen fünfzig Briefe mit mamiigfachen Aeusserungen über seine
Dramen und deren Aufnahme im Publikum und in der Kritik mitteilt. Mit herzlicher
Wärme und Bewunderung spricht Rosegger von dem lange und vielfach ang-efeindeten
Dichter, für den er als Kritiker mehrmals einzutreten Gelegenheit hatte. Entschieden
aber lehnt er die öfters gehörte Behauptung ab, als ob er und Anzengruber bei ihren
dichterischen W^erken und Gestalten auf einander eingewirkt hätten. Lebhaft ver-
teidigt er die Naturwahrheit der Bauern Anzengrubers, ohne jedoch zu leug'nen, dass
einzelne von ihnen „mehr gedacht als geschaut" sind, wie denn der Dichter etwa 1875
ihm selbst sagte: „Ich bin nicht dafür vorhanden, dass ich naturwahre Bauern-
gestalten mache; sondern ich schaffe Gestalten, wie ich sie brauche, um das darzu-
stellen, was ich darzustellen habe." Durch Anzengruber lernte Rosegger 1871 Fr.
Schlögl kennen, dessen humoristisch-ironische Natur er höchst anschaulich darstellt.
Zum Teil kürzer und meist mit guter Laune schildert er A. Grün, F. Stelzhamer,
B. Auerbach, den vagabundenmässig-liebenswürdigen Emil Vacano, von dem er
mehrere gemütlich plaudernde Briefe abdruckt, den Naturforscher Rud. Falb, seinen
einstigen Lehrer in Graz, ferner Gottfr. von Leitner, Karl Morre, den Lieder-
komponisten Jak. Schmölzer, die Schauspielerin Josephine Gallmeyer, deren Neigung-
zu besseren Charakterrollen er betont; satirisch fertigt er den eitlen Kürnberger ab. —
Von den Dichtern des einstigen Münchener Kreises ^^) tritt uns Bodenstedt
in den Briefen an den Deckerschen Verlag, mit dem er seit 1849 in Verbindung
stand, nicht eben bedeutend, aber vielfach charakteristisch entgegen^'''**^). Die Briefe
bis 1869 sind meist an Wilhelm Schnitze, den Vertreter des Geheimen Oberhofbuch-
druckers Rud. von Decker, die folgenden an Decker selbst gerichtet; nach dessen
Tod 1877 waren Bodenstedts Adressaten die nunmehrigen Verlag'seigentümer Otto
Marquardt und Gust. Schenck, seit 1885 der letztere allein, dem wir jetzt
auch die Herausgabe der Briefe verdanken. In der Hauptsache dreht sich
die Korrespondenz um geschäftliche Dinge, neue Ausgaben des „Mirza-Schaffv",
um den Verlag von anderen Dichtungen oder Uebersetzungen Bodenstedts,
von denen einige hernach, wie es scheint, nicht zur Freude des eifersüchtigen
Verlegers, bei anderen Buchhändlern erschienen, um den Absatz dieser Bücher, der
dem Vf. stets viel zu langsam ging, um ihre Aufnahme bei der Kritik, der er ein
ungeheures Gewicht beilegte. Auch an Klagen, über deren Berechtigung man schwer-
lich Ulieilen kann, da uns nicht auch die Briefe des Verlegers vorliegen, an Bitten um
Geldvorschüsse, um Freiexemplare, an Drohungen, einen anderen Verlag aufzusuchen,
dann wieder an Dankesäusserungen gegen Decker ist kein Mangel. Nach der 22. Auf-
lage des „Mirza-Schaffy" deutet Bodenstedt ohne viele Umschweife seinem Verleger
an, dafs seines Wissens andere deutsche Dichter beim Ueberechreiten der 20. Auflage
S. 128.]| — 84) Edm. Holenia, ErLnaerungea aus meiaem Leben. Wels, Joh. Haas. 1892. 134 S. M. 1,50. — 85) O X
F. F. Masaidek, Herzerfrischnngen. (Erinnerungen an L. Anzengruber, A. Glassbrenaer. Wienerisches. Huraorist. Figuren.
Knnterbnnt. Lose Gedanken.) Wien, Lesk & Schwidernooh. 12". VIII, 157 S. M. 1,40. — 86) P. K. Rosegger, Gute
Kameraden. Persönl. Erinnerungen an berühmte u. beliebte Zeitgenossen. Mit 12 Bildn. Wien, Pest, L., Hartleben. VII, 223 S.
M. 3,00. |[A. Sauer: DLZ. S. 63Ü2; M. Necker: BLU. S. 247,9.]| — 87) X ^- F- Graf v. Schack, E. halbes Jh.
Erinnerungen u. Aufzeichnungen. 3 Bde. 3. Aufl. Mit Bildn. St., Verlagsanst. Vm, 432S.; IV, 443 S.; VI, 4U0 S. M. 15,00.
(Unverätid. neue Aufl. d. 1888 erschienenen Werkes.) — 88) G. Schenck, F. v. Bodenstedt. E. Dichterleben in seinen
Briefen 18.52-92. B., R. v. Decker (G. Schenck). X, 249 S. M. 3,00. (S u. IV 2.) — 89) X Aus Bodenstedts Nachlass
(Tgl. JBL. 1890 IV 1:60): DDichtung. 12, S. 101,4. (Rühmende Besprech. v. Bodenstedts „Erinnerungen aus meinem Leben"
Jühresberichte fBr neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (4)5
IV lo:oo F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
von Seiten ihres Buchhändlers eine „Manifestation" erlebt hätten; so hätten Uhland
und Freiligrath ein besonderes Honorar erhalten. Die Naivetät, mit der Bodenstedt
hier und in weiteren Briefen bettelt, entspricht der naiven Freude, mit der er auch
jeden Erfolg' und jede Hoffnung sorgsam seinem Verleger mitteilt: man kann ihm, auch
wo er eine ziemliche Einbildung bekundet, nicht leicht böse werden. In seinen
Urteilen über andere ist er gelegentlich recht schroff; Heines „Romanzero" z. B. nennt
er 1851 sehr schlecht. Der Herausgeber fügt Bemerkungen über die Hauptwerke
Bodenstedts mit Auszügen aus den Vorreden, ferner ein chronologisches Verzeichnis
seiner Schriften und ihrer verschiedenen Auflagen bei. —
Viel aufdringlicher als Bodenstedts harmlose Eitelkeit erscheint das Selbst-
bewusstsein des autobiographischen Darstellers in I^^elix Dahns^'^) „Erinnerungen",
von denen ein dritter Band, leider noch lange nicht der letzte, 1892 erschienen ist.
Die ermüdend breite Geschwätzigkeit, mit der der Vf. jede Nichtigkeit seines Lebens,
Thuns und Denkens erzählt, sowie die planlose Flüchtigkeit seines Vortrages, den
oft noch dazu ein gemachtes Pathos entstellt, ist bereits früher (vgl. JBL. 1890 IV
1:59; 1891 IV 1:198) gerüg-t worden; der dritte Band der „Erinnerungen" verdient
diesen Tadel um kein Haar weniger als die beiden ersten. Er behandelt die J.
1854 — 63, Dahns Thätigkeit als Praktikant an Münchener Aemtern, seine Doktor-
promotion und Habilitation an der Münchener Hochschule, seine Mitarbeit an der
„Bavaria" als Mitherausgeber, besonders ausführlich eine Heise nach Tirol und Italien
bis Ravenna (1862) mit wichtigen Studien für den „Kampf um Rom", endlich seine
Ernennung zum Extraordinarius in Würzburg nach einig-en mühsamen Privatdocenten-
jahren eben in dem Augenblick, da er meinte, er müsse die Universitätslaufbahn
aufgeben und Advokat werden. Auch die Abfassung und das Erscheinen seines
poetischen Erstlings „Harald und Theano" (1855; vgl. JBL. 1891 iV 3:212) und
seiner lyrischen Gedichte (1857) fällt in diese Zeit. Ihr gehören ferner mehrere erst
später veröffenthchte Werke an, die Erzählung „Kämpfende Herzen", das kleine
Epos „Die Amalung-en", die zwei ersten Bände des „Kampfs um Rom", der Plan
der „Könige der Germanen", die Grundzüge des Romans „Bissula". Auch über ver-
schiedene dieser und anderer seiner späteren Werke sagt uns der jede Chronologie
missaohtende Vf. schon jetzt allerlei Gehöriges und Ungehöriges. Dabei übt auch
er die Sitte mancher Autoren, die ihre minderwertigen Werke über die besseren
stellen; so zieht er dem Gedankeninhalt nach „Odhins Trost" und „Sind Götter?",
der Einheit und Vollendung der Form nach „Felicitas" und „Rolandin" seinem
dichterischen Hauptwerke, dem „Kampf um Rom", vor. Im Zusammenhange damit
redet Dahn noch einmal (S. 360 ff.) etwas pathetisch- theatralisch von seinem Bruch
mit dem Christentum und seiner tragisch-heroischen, aber nicht pessimistischen Welt-
anschauung. Sonst betont er die Anregungen, die er als Dichter von Shakespeare,
von Vischers Aesthetik und namentlich von seinen altgermanischen Studien her er-
hielt, und denkt dabei wiederholt dankbar Konr. Maurers, der ihm ein Führer zu
Jak. Grimm geworden. Auch die gesellschaftlichen Kreise des damaligen München
boten dem jungen Forscher und Dichter mehr als flüchtigen Genuss : Dahn schildert
das Haus eines Thiersch, wo Liebig, Sybel, Carriere und andere verkehrten, eines
Bluntschli, Kaulbach und charakterisiert gut durch einige humoristische Einzelzüge
die süddeutsch-gemütliche, derbe Art des von ihm besonders verehrten Schwind.
So sympathisch er sich zu diesen Männern der Wissenschaft und der bildenden
Kunst hingezogen fühlt, so kühl steht er mehreren Dichtern in und ausser seiner
Vaterstadt gegenüber. Von Dingelstedt will er nicht viel wissen; er gesteht ihm
zwar eine glänzende Begabung zu, zeichnet ihn aber als wenig fleissigen, im Grunde
unzuverlässigen, seinem Witz und Spott nie Halt gebietenden „Ironicus maximus".
Von Gutzkow urteilt er vollends ungerecht, wenn er nur das eine Lustspiel „Zopf
und Schwert" unter all seinen vielen Werken gelten lassen will. Den Münchener
„Krokodilen", Carriere, Melchior Meyr und Zeising ausgenommen, meint er an
philosophisch-ästhetischer Bildung überlegen gewesen zu sein, weshalla er nur wenig
von ihnen gelernt habe: das letztere mag richtig sein, das erstere erscheint jedoch
sehr fraglich. Doch rühmt er dankbar die mannigfachen Anregungen, die er im
Gespräch unter vier Augen von Geibel empfangen. Auch erkennt er unumwunden
gar manches poetische Verdienst bei den übrigen Genossen des dichterischen Kreises
an, selbst bei Hans Hopfen, der doch später — horribile dictu! — auf den alten
Freund, der ihm nie etwas zu Leide gethan, und auf seinen „Gott Odhin im Professoren-
frack" so bitterböse gestichelt hat, und noch dazu so unrichtig: denn Dahn trägt,
wie er uns (S. 298) heilig versichert, niemals einen Frack, wenn er es irgend ver-
mit mehreren Auszügen aus d. Buch.) -- 90) F. Dahn, Erinnerungen. 3. Buch: D. letzten MSnohener J. (18.54-63). L.,
Breitkopf & Härtel. 1892. 571 8. M. 10,00. |[DDichtung. 13, S. 28-32; Grenzh. 1892: 2, S. 187; N&S. 64, S. 407/9; A.
Schroeter: BLU. 8. 140/1; AZg">. N. 217; P. v. Szczepai'i ski: VelhagenKlasingsMh. 1892:1, S. 138-42, 732/4 (voll ver-
F. M u n 0 k e r, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893. IV 1 c : 91-93
meiden kann! Wirklich warm spricht er namentlich von Karl Heigel, Ludw. Steub,
Wilh. Hertz, Rückert und Scheffel. 1854 näherte er sich Rückert mit einem anonymen
Gedichte, 1855 legte er ihm „Harald und Theano" zur Prüfung vor und begründete
dadurch sowie durch einen Besuch in Neusess ein festeres Verhältnis zu dem älteren
Dichter, den er zugleich als Modell für seinen Dietrich von Bern benützte. Scheffel
aber lernte er im Winter 1856/7 im Hause Thierschs kennen, da er eben noch unter
dem frischen Eindruck des mit Begeisterung g^elesenen „Ekkehard" stand. Von da
an verband die Beiden bis zu Scheffels Tod eine nie gestörte, herzliche Freundschaft.
Unter allen mitlebenden Dichtern weiss Dahn keinen, der ihm innerlich so art-
verwandt gewesen wie Scheffel ; als den dann ihnen beiden am nächsten Stehenden
bezeichnet er — schwerlich mit Recht — Wilh. Hertz. Auch mit IJ'reiligrath ver-
standen beide sich gut. Dahn bringt u. a. schätzenswerte Nachrichten von einem
Romane Scheffels bei, der die Kämpfe der Albigenser behandeln sollte; die Ein-
gangskapitel las ihm der Dichter vor, führte aber nach dem Tode seiner Schwester
Marie, der er die weibliche Hauptgestalt hatte nachbilden wollen, das Werk nicht
weiter fort. —
Auch der als Romandichter mit Dahn vielfach verwandte Q cor g Ebers^^"^^)
(geb. 1837) hat begonnen, die Geschichte seines Lebens zu erzählen. Er schildert
vorläufig seine Kinderjahre in Berlin, wobei er mit inniger Liebe das Bild seiner
Mutter ausmalt, deren Märchen er auch die erste poetische Anregung verdankt, den
erschütternden Eindruck, den er von den Berliner Märztagen 1848 empfing, dann
die glücklichen Jahre, die der Knabe seit Ostern 1848 in der Fröbelschen Erziehungs-
anstalt zu Keilhau bei Rudolstadt verlebte (mit ausführlichen Charakteristiken der
Begründer und Leiter dieser von Ebers als musterhaft gepriesenen Schule), den darauf
folgenden Besuch der Gymnasien zu Kottbus, wo seine dichterischen Anlagen sich
mehr zu entwickeln beg-annen, und zu Quedlinburg, seine Studentenzeit in Göttingen,
wo er nominell Rechtswissenschaft, in der That aber hauptsächlich philosophische
Studien trieb, angeregt durch Lotze und die Schriften Karl Vogts und Feuerbachs,
endlich die schweren Jahre gefährlicher Krankheit und langsamer Genesung teils
in Berlin unter der treuen Pflege der Mutter, teils in Wildbad, zugleich die Periode
innerer Reife, in der er den bisherigen philosophischen und juristischen Studien ent-
sagte und sich unter der persönlichen Leitung von Rieh. Lepsius und Heinr.
Brugsch der Aegyptologie im umfassenden Sinne zuwandte. Aber auch für den Dichter
wurde diese Epoche bedeutend : während er sich bis dahin vornehmlich mit einem
grossen, philosophischen „Weltgedicht" getragen hatte, dessen Grundzüge die Auto-
biographie mitteilt, sah er jetzt die seine Kraft übersteigenden Schwierigkeiten
einer solchen Aufgabe und die Mängel der begonnenen Ausführung ein, verwarf
und vernichtete, was er überhaupt bisher gedichtet hatte, und schrieb mit leiden-
schaftlichem Eifer, meist in den Abendstunden nach der eigentlich wissenschaftlichen
Arbeit, seinen ersten Roman „Eine ägyptische Königstochter", dessen Thema ihm aus
seinen gelehrten Fachstudien erwachsen war. Mit der Vollendung dieses Romans,
dessen Hauptpersonen er zum Teil nach persönlichen Bekannten zeichnete, und mit
seiner gleichzeitigen Habilitation 1863 schliesst Ebers vorerst seine Darstellung. Sie
ist häufig breiter ausgefallen, als es die Schilderung eines Lebens erfordert hätte,
das ohne bedeutende Schicksale verlief. Aber sie ist durchaus anschaulich und
zeugt nicht nur von grosser formaler Gewandtheit, sondern auch von einer frischen
Lebendigkeit, die uns den minderwertigen Inhalt ebenso wie den wiederholten Still-
stand der Erzählung bei Betrachtung-en, die sich ganz hübsch lesen, aber nicht viel
Neues besagen, vergessen macht. Litterargeschichtlich interessante Beziehungen des
Vf. werden nur wenige erwähnt. Als Knabe schon kam Ebers mit den Brüdern
Grimm, die im gleichen Hause mit ihm wohnten, in nahe Berührung; sie blieben
auch dem reifenden Jüngling freundschaftliche Berater. In Kottbus lernte er den
Fürsten Pückler-Muskau kennen, mit dem er in Wildbad wieder zusammentraf. Mit
Jul. Hammer, Moritz Hartmann, Gutzkow, Auerbach, Andersen, Liebig, dem Kompo-
nisten Silcher, dem Maler Gallait und anderen Männern der Kunst und Wissenschaft
wurde er meistens in Wildbad bekannt. Ihnen allen, ebenso wie seinen Lehrern,
widmet er freundliche, vielfach auch scharf zutreffende Worte der Charakteristik. —
Auf eine Selbstbiographie Otto Roquettes, deren Titel die Jahreszahl 1894 trägt
(vgl. JBL. 1894 IV 1 c) wiesen bereits einige Zeitungsbesprechungen empfehlend
hin 93). _
Auf das Gebiet der Philosophie führt uns eine reichhaltige und sachlich
nichtender Ironie).]! — 91) G. Ebers, D. Geschichte meines Lehens. Vom Kind bis z. Manne. 1.-4. Aufl. St., L., B., Wien,
Dtsch. Vorlagsiinst. VIII, .522 S. Mit Bildn. M. 9,00. |[LCB1. S. 1759; ThLBl. 14, S. 242; Geg. 43, S. 15; DDichtnng. 13,
S. 179-80; A. Schroeter: BLU. S. 140;1; DBs. 77, S. 475; W. Paetow: Nation«. 10, S. 312; .1. R.: LZgü. 1892, N. 289;
U. Klein: Presse N. 39; F, Dittmar: FräntKnr. 1892, N. 637; SchwäbKron. 1892, 21. Dec; KonsMschr. S. 473/4.J| — 92) O X
id., Story of niy life from childhood to raanhood, transl. London, Ilirschfeld. Sh. 5. — 93) A Bartels: Didask, N. 300,301;
(4)5*
IV lc:94-96 F. M unck er, Memoiren, Tagebücher U.Briefwechsel d.l8./19. Jh. 1892,1893.
bedeutende Sammlung, die Briefe von, an und über Schopenhauer, die Schemann^^)
als Ergänzung der schon vorhandenen grösseren Briefsammlungen aus diesem Kreise
herausgegeben hat, die Briefe von Schopenhauer mit strengster Akribie auch in
Schreibung und Interpunktion, die Briefe an ihn etwas weniger diplomatisch genau.
An der Spitze stehen Briefe von Johanna Schopenhauer an ihren Sohn von 1806—7,
auszugsweise mitgeteilt, früher schon von Düntzer excerpiert; dann folgen u. a. Briefe
Schopenhauers an Frommann in Jena, an Bertuch, F. A. Wolf, Böttiger, der Brief-
wechsel mit Goethe (1814— 18), bereits früher veröffentlicht, reich an charakteristischen
Zügen zur Erkenntnis, der beiden Persönlichkeiten, Briefe an F. A. Brockhaus, an
Boeckh (im Zusammenhang mit dem Habilitationsgesuch an die Berliner philo-
sophische Fakultät), an den Jugendfreund F. Osann (1820—24), an Eichstädt, Thiersch,
Radius, der Briefwechsel mit dem Romanisten J. G. Keil (1832—39, hauptsächlich
wegen des Drucks der Gracian-Uebersetzung), ein französisch geschriebener Brief an
Aubert de Vigny, dem sich Schopenhauer zur Durchsicht einer von diesem ange-
kündigten Goethe-Uebersetzung wegen etwaiger Sinnesfehler anbietet mit der Ver-
sicherung, dass er zur vornehmen deutschen Litteratur und unter die intimen Freunde
Goethes gehöre, dann der Briefwechsel mit Karl Rosenkj^anz über die Ausgabe von
Kants "Werken, mit Joh. Gottlob von Quandt und besonders mit Adam Ludwig von
Doss (1849—60), Schopenhauers treuem Anhänger und „tiefsinnigstem Apostel", der
1858 den Meister zuerst nachdrücklich auf Leopardi hinwies, sowie mit Bahnsen
(1856 — 60), seinem bald hernach sich etwas freier entwickelnden Schüler, der damals
sogar eine Zeitlang den Plan hegte, eine Erklärung des „F'aust" im Sinne der
Schopenhauerschen Philosophie zu schreiben, Briefe an C. Bahr (1857—60), der Brief-
wechsel mit Crüger in Merseburg, mit G. W. Körber, Joh. Karl Becker, G. Brecht
usw. Daran schliessen sich eindringende, gewissenhaft nach Bedarf erläuternde An-
merkungen Sch.s, ferner Erörterungen über allerlei Beziehungen Schopenhauer»,
(z. B. zu Zacharias Werner), Alitteilungen über ihn aus Briefen von seiner und an seine
Schwester Adele, biographisch wichtig (hier auch ein Brief Adelens an Goethe), je
ein Brief Tolstois und Richard Wagners (der nebst Herwegh und anderen deutschen
Verbannten schon im Dec. 1854 den Philosophen vergeblich zu sich nach Zürich
eingeladen hatte) über Schopenhauer, endlich verschiedene biographische Analekten,
sein Testament und anderes. Der persönliche Charakter Schopenhauers erscheint in
diesen Briefen selten liebenswürdig, auch nicht immer bedeutend, oft sogar recht
kleinlich. Aber mit Recht betont der Herausgeber in' seiner Einleitung die Un-
abhängigkeit der sittlich-wissenschaftlichen Grösse des Philosophen von gewissen
Fehlern des Menschen, den Unterschied des weltbedeutenden Genies und des persön-
lichen Charakters. Wohlthuend berührt u. a. die innige, nie abgeschwächte Ver-
ehrung Goethes. -- Im Gegensatze zu dem allgemeinen, sachlichen Gehalte der
„Schopenhauerbriefe" hat das von Lind au''^''*^) veröffentlichte Tagebuch des jungen
Lassalle vom 1. Jan. 1840 bis zum Mai 1841 nur einen persönlichen, biographischen
W'ert. Wir beobachten darin den künftigen Denker und Agitator im Uebergangs-
stadium vom Knaben zum Jüngling während seines Besuchs des Magdalenen-
gymnasiums zu Breslau und der Handelsschule zu Leipzig, mit der er jenes frei-
willig vertauschte, keineswegs von seinen Eltern gezwungen. Es war dies aber
zugleich die Zeit, da Lassalle erkannte, dass er nicht zum Kaufmann geboren sei,
dass sein Beruf vielmehr (nach Lindaus Ausdruck) die „agitatorische Thätigkeit des
Wissenschafters" sei. Die Lektüre des vielfach durch falsches Pathos entstellten
Tagebuchs ist recht unerquicklich und bestätigt durchweg das Bild, das Lindau in
der Einleitung mit kühler Nüchternheit von dem Charakter des fünfzehnjährigen Vf.
entwirft: eitel, ruhmsüchtig, verlogen, verbummelt, im Grunde des Herzens gut, aber
grenzenlos leichtsinnig, furchtbar leidenschaftlich, im Hass zu den widerlichsten
Uebertreibungen geneigt, als Schüler bei bedeutender Begabung namenlos faul und
zerstreut, gegen sich selbst durchaus aufrichtig und darum meist voll klarer Selbst-
erkenntnis. l3ass der Herausgeber Gleichgültiges in den Ergüssen des unsympathischen
Knaben gestrichen hat, ist nur zu billigen; dass er aber auch „an zwei oder drei
Stellen unzulässige Derbheiten im Ausdruck durch sinnentsprechende Umschreibungen
gemildert" hat, war recht überflüssig: wenn Lassalles Tagebuch überhaupt den Druck
verdiente, was ja kaum unbedingt behauptet werden dürfte, dann musste es ohne
derartige Abschwächungen gedruckt werden; die Ausgabe gehört doch nicht für
höhere Töchterschulen! Litterargeschichtliches im engeren Sinne findet sich wenig
darin: am 31. März 1840 einige wegwerfende Worte über den „alten, wollüstigen.
Mür.chNN. N. 571. — 94) L. Schemann, Schopenhauerbriefc. Samml. meist ungedr. oder schwer zugänglicher Briefe v.,
an n über Schopenhauer. Mit Anm. u. biogr. AnaleVten. Nebst 2 Stahlstichportrr. Schopenhauers v. Rahl u. Lenbach. L.,
Brockhaus. XXX1I,566S. M. 12,00. |[B. Münz: BLU. S. 396/8.11 (Vgl. IV 5.) - 95) F. Lasalles Tagebuch. Her. u. mit e. Einl. vers.
V.P.Lindau. Breslau, Schles. Kunst- u. Verlagsanst. 1891. 259 S. Mit Bild. M. 3,00. IfllPBll. 109, S. 226/9; L. G[eiger]:
ZQ.Iuden.5, S. 284,9. 1| (Vgl. JBL. 1891 IV 1 : 184; 6 : 203.) - 96) X F- Lasalle, Briefe an Uans v. Bülow (1862-64). 3. Tausend.
F. Munck er, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. 18/19. Jh. 1892, 1893. IV 1 cmv-ios
verliebten Schäker" Wieland, von dem der Knabe doch erst nur „Musarion", die
„Grazien" und den „Verklagten Amor" gelesen hatte; am 21. Mai ein schiefes Urteil
über Goethes „Wahlverwandtschaften" und eine bessere, aber unbedeutende Aeusserung-
über den „Clavig-o". Etwas später schwelgt er in dem g-eliebten und heissbewunderten
Heine, an dem ihn nur sein Abfall von der Sache der Freiheit bitter schmerzt. Auch
„Nathan der Weise" erg-reift ihn tief, ebenso „Hamlet", „Fiesco", die Schriften Börnes.
Im „Wilhelm Meister" glaubt er sich selbst geschildert zu sehen (3. Aug. 1840).
[Jeher alle Begriffe herrlich findet er die Musik zu den „Hugenotten", besonders
Marcels Lied „Piff, paff, puff!" Im Nov. liest er begeistert Byron, dann ziemlich
skeptisch Fürst Pücklers „Briefe eines Verstorbenen"; im März 1841 lernt er die
Schriften Laubes kennen, gegen den er vorher ein unbegründetes Vorurteil hegte:
jetzt rechnet er ihn entzückt unter Deutschlands beste Männer und stellt ihn dicht
neben Börne und Heine. Gleichzeitig spricht er recht unreif über den „Egmont"
des „ewig lächelnden" Goethe. Schliesslich kommen noch anerkennende Worte über
den jüdischen Dichter Karl Maien. — Zur Theologie leiten die 1877 — 83 geschriebenen,
bis 1835 reichenden Lebenserinnerungen des Theosophen Karl Bayer (1806 — 8.3)
über, aus denen Haupt^'') Auszüge veröffentlicht. Bayer, zuerst für Kant, dann
besonders für Schelling und die deutschen Pantheisten begeistert, während Hegel
ihn bald abstiess, schwärmte frühzeitig für Klopstocks Oden und trat später in
Erlangen namentlich Rückert persönlich nahe. 1867 Hess er eine „Rede zu Rückerts
Gedächtnis" erscheinen. Auch versuchte er sich selbst in religiösen Gedichten über
alttestamentliche Helden, die unter dem Titel „Lobgesänge" 1854 herauskamen. —
Im allgemeinen dürftig ist die litterargeschichtliche Ausbeute aus den Memoiren
der Theologen. Auf protestantischer Seite kommt als der älteste unter
ihnen Joh. Dav. Tschirner (1748—1831) in Betracht, zuletzt Pastor in Saabor bei
Grünberg, der seit 1825, hauptsächlich seit 1828 seine Selbstbiographie schrieb. Den
Anfang derselben, etwa den achten Teil des Ganzen teilt nun sein Urenkel Sattig *^^)
mit, die Schilderung von Tschirners Jugend- und Schulei-lebnissen 1757—65, die
uns ein Bild des sonderbaren, vielfach rohen und unverständigen Schulwesens zur
Zeit des siebenjährigen Krieges giebt. Von Litteratur und Poesie ist in diesen Blättern
nirgends die Rede.^**) — Etwas mehr Berührungen damit zeigt die Jugendgeschichte
H. E. Schmieders, 1861 und 1863 geschrieben, von seinem Sohne Paul Seh miede r'*'")
im 99. Lebensjahre des 1794 geborenen Vf. herausg'egeben. Schmieder ist in Schulpforta
geboren und erzogen; er war zugegen, als 1801 der Schüler Küttner im Auftrag
Klopstocks Blumen auf das Grab des früheren Konrektors Stübel streute. Verehrung
für Klopstock ward auch ihm in Pforta eingeflösst; sonst schwärmte er für Schiller
und vergoss über Goethes „Wahlverwandtschaften" 1810 heisse Thränen. Seit 1811
studierte er Theologie in Leipzig, wo er sich bald an den talentvollen und charakter-
festen, in Philosophie und fremden Sprachen und Litteraturen gründlich gebildeten
Schriftsteller Ad. Wagner innig anschloss. Er wies ihn u. a. auf Jak. Böhme und
die ältere deutsche Mystik hin, wurde aber auch in philologischen Dingen sein
Lehrer. Auch seinen Bruder, der Polizeikommissar und „zugleich ausgezeichneter
Acteur auf einem Liebhabertheater" war, den Vater Richard Wagners, lernte er da
kennen. Die spätere Lebensgeschichte des eifrigen Theologen und geistlichen Schrift-
stellers Schmieder enthält nichts litterarhistorisch Bedeutsames mehr. — Ebenso un-
ergiebig ist die Lebensgeschichte des Superintendenten Gustav Lenz^*^!) in Friedenau
bei Berlin (1808 — 91), der von seinem als humoristischem Gelegenheitsdichter vor-
trefflichen Vater, dem Pastor Joh. Erdmann Lenz in Stettin, die poetische Begabung
erbte und mehrere geistliche und weltliche Gedichte verfasste, sowie die des Berliner
Theologen Gh. H. Otte (1808—90), die jedoch das Berliner Schulwesen und Universitäts-
studium bis zur theologischen Prüfung in der Jugendzeit des Vf., der noch bei Hegel,
Neander, Schleiermacher, Ritter hörte, auch das musikalische Treiben des damaligen
Berlin interessant schildert. Sie ist von Richard und Gustav Otte ^*^^), den Söhnen des
Vf., herausgegeben. — Das Schlussheft der pietätvoll zusammengestellten, den strengsten
kirchlichen Geist atmenden Biographie Wilhelm Löhes**'^) (1808—72) berichtet von
der Bekanntschaft Löhes mit Julius Sturm, der „dem lieben Schweiger" ein schönes,
in leicht verhüllter Form den Adressaten charakterisierendes Sonett widmete. — Noch
Dresden, Minden. 12". 76 S. M. 1,00. |[BerlTBl. N. 74.J| (Nur neue Aufl. d. schon 188.5 erschienenen 1. Ausg.) — 97) H.
Haupt, Aus d. Lebenserinnerungen e. Theosophen: DEBll. 18, S. 481-92. — 98) Joh. Dav. Tschirner, Lebenserinnerungen.
I. Jugend- n. Schulerlebnisse e. ehemal. Bnnzlauer Waiscnhauszöglings aus d. J. 1757-65. Her v. F. Sattig. Programm d.
Waisen- u. Schulanst Bunzlau (L. Fernbach). 4"*. 15 S. — 99) X 0 Hunziker, Bericht d. Antistes Hess über seinen
Anteil an d. Vorgängen d. 19. Jan. 1798: ZörcherTb. 16, S. 2.59-70. — 100) H. Ed. Schmieder, Erinnerungen ans meinem Leben
(1794-1823). Fiir d. Familie u. d. Freunde her. v. Paul Schmieder. Mit Bild. Wittenberg, Wunschmann. 240 S. M 2,00.
KThLBl. 14, S. 29-30: EKZ. S. 789 ]| — 101) G. Lenz, E. Frühlingsleben. Selbstbiogr. Als Ms. gedr. B., Buchhandl. d. Stadt-
mission. 1892. 284 S. M. 2,00. — 102) Chr. H. Otte, Aus meinem Leben. Nach d. Tode d Vf. her. v. seinen Söhnen Rieh.
Otte n. G. Otte. Mit Bildn. L., Grimme & Trömel. V, 174 S. M. 5,00. — 103) Wilh. Löhes Leben. Ans seinem scliriftL
IV Ic:i04-ii4 F. Muncker, Memoiren, Tag-obücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
einseitiger predigen die Memoiren Fr. Brunns ^^^j, zum Teil schon 1878 in der Zeit-
schrift „Kirche und Mission" erschienen, das orthodoxe Luthertum, rechthaberisch
und unduldsam und dabei in einem oft schwächlich-weinerlichen Ton. Geschichtlich
am merkwürdigsten ist in dieser Biographie des streitbaren Pfarrers die Darstellung
seiner Jug-end. 1819 in Hessen-Nassau geboren, wuchs Brunn im äussersten
Rationalismus auf, der Sohn eines g-anz rationalistischen hessischen Hofpredigers,
der allerdings in der Vermeidung" alles Offenbarungsg-laubens erstaunlich weit g'ing-.
Auch die Schilderung Brunns von der extrem aufklärerischen Unterrichtsmethode
im ganzen nassauischen Ländchen ist sehr interessant. Freilich schiesst auch er mit
seiner Polemik dagegen weit über das Ziel hinaus, wenn er z. B. jammert, dass die
Lektüre weltlicher Romane und Schauspiele, besonders die Bekanntschaft mit den
Märchen von „Tausend und einer Nacht" in ihrer ursprünglichen Gestalt ihm „un-
säglichen Seelenschaden" gebracht habe. Nach seiner Bekehrung zur „rechtgläubigen"
Kirche — welche Anmassung liegt in diesem Epitheton, das Brunn stets im Munde
führt! — auf der Universität Leipzig erzählt der Vf. nichts mehr, was für den Litterar-
historiker Wert hätte. — Viel bescheidener und liebenswürdiger tritt uns Bernhard
Rogge^*^^) in seiner kulturgeschichtlich interessanten Beschreibung von Schulpforta
etwa vor fünfzig Jahren (er besuchte die Anstalt 1843 — 50) entgegen. Mit besonderer
Dankbarkeit und Hochachtung" gedenkt er der durch und durch harmonischen Per-
sönlichkeit Aug. Kobersteins, seiner Wahrhaftigkeit, die allen falschen Schein hasste,
seines preussischen Patriotismus, der schon 1848 nichts von Grossdeutschland wissen
wollte. In Pforta erkämpfte er vornehmlich der deutschen Sprache und Litteratur
ihre Stellung* neben den klassischen Sprachen und Studien. Seine Lieblingsdichter
Goethe und Shakespeare las er an Winterabenden meisterhaft vor. Aber auch..
Immermanns „Münchhausen" würdigte er dieser Auszeichnung. Ausserdem berichtet
Rogge noch von der Feier des 100. Geburtstages Goethes, bei der Scenen aus dem
„Faust" mit eingelegten Chören vorgetragen wurden. — Kindlich fromm ohne Un-
duldsamkeit und im frischen Tone des echten Volksschriftstellers erzählt Eduard
Spach'06) (geb. 1836) von seinem Kinderleben im Elsass, gelegentlich Gedichte von
Karl Gerok sowie eigene Verse einflechtend. — Ebenfalls volkstümlich frisch schildert
Emil FrommeP"'') die Belagerung Strassburgs von 1870 nach eigenen Erinnerungen
und nach den Tagebuchblättern eines in der belagerten Stadt eingeschlossenen Strass-
burger Kindes; auch er webt seinem Bericht gelegentlich ein Volkslied ein, das
damals im Soldatenkreise gesungen wurde. — Umfassendere Bekenntnisse aus seinem
Leben und seelsorgerischen Wirken giebt Frommel^^s^^ durch Gerok dazu er-
muntert, indem er vom Schluss seiner Studienzeit und von seinen ersten Vikarsjahren im
Badischen erzählt. Dabei ist auch von allerlei Gelegenheitsgedichten die Rede, die
er verfasste oder die er — meist sehr drollig — von Gemeindemitgliedern empfing.
Auch begann er damals, um seinen Bauern die thörichten und nutzlosen Geschichten,
die sie sich erzählten, aus dem Kopfe zu bringen, zunächst Geschichten von Stöber,
Ahlfeld, Caspari und anderen auswendig zu lernen und ihnen vorzutragen, bis er
endlich selbst Volksgeschichten für sie schrieb. Diesen Jugenderinnerungen fügt
Frommel unter dem Titel „Allerlei Rauh" mehrere schon vorher in der „Christoterpe"
gedruckte, novellenartig abgerundete Aufsätze bei, die Erfahrungen aus seiner Pfarr-
thätigkeit von 1850 — 93 behandeln. —
Noch weniger als aus diesen Schriften gewinnt die Litteraturgeschichte aus
den Memoiren katholischer Theologen io9-ii2j — Von einem katholischen Priester
wenigstens eingeführt sind die „Lebenserfahrungen eines Siebzigers" '^3), keine
richtige Selbstbiographie, sondern mehr ein didaktisch-moralisches Buch mit religiösem
Beigeschmack, darin zahlreiche Citate und Anspielungen auf Goethe, die Romantiker,
Rückert, Schopenhauer, Tolstoi und andere Dichter und Schriftsteller. Ganz besonders
werden Vischers „Auch einer", Roseggers „Im Frieden des Alters" und Jung-Stillings
Autobiographie besprochen. —
Von den deutschen Naturforschern gehört vornehmlich Georg Forster
auch der Litteraturgeschichte an. L eit z m an n ^^*), der sich um den mannigfach
Nachlass zusammengest. 3. Bd., 2. Hälfte. Gütersloh, Bertelsmann. 1892. IV, S. 145-338. M. 2,40. — 104) Fr. Brunn,
Mitteilungen aus meinem Leben für meine Kinder u. Freunde zu meinem 50j. Amtsjnbil. Mit Bild. Steeden, Selbstverl. d. Vf.
(Zwickau, J. Herrmann). III, 272 S. M. 1,40. - 105) (I 6 : 193.) — 106) Ed. Spach, Elsäss. Pfarrhäuser. N. F. Erinnerungen
aus meinem Kinderleben. (=: Elsäss. Voltsschriften. N. 23.) Strassbnrg i. E., Heitz. 1892. 91 S. M. 0,80. — 107) E.
Frommel, 0 Strassbnrg, du wunderschöne Stadt! Alte u. neue, freudvolle u. leidvolle, fremde u. eigene Erinnerungen e.
Feldpredigera vor Strassbnrg im J. 1870. 4. Aufl. Mit e. Titelbild. (= Dtsch. Jugend- u. Volksbibl. N. 40.) St., Steinkopf.
1892. 128 S. M. 0,75. - 108) id., Aus Lenz u. Herbst. Erinnerungen. Bremen, C. Ed. Müller. VII, 193 S. M. 3,00.
KKonsMschr. S. 1365.JI — 109) O X A. U. Piscalar, Erinnerungen an Augustin Link, Priester d. Ges. Jesu, für d. Ver-
storbenen Freunde u. Schüler ges. Schwäb.-Gmünd, Roth. 1892. 322 S. M. 3,50. |[G. Weber: Kath. 72', S. 187/9.] | —
HO) X H Koetzschke, 50 J. in d. kath. Kirche: DWBl. .5, S. 309-10. — 111) X F. Lorinser, Ans meinem Leben. Wahr-
heit u. keine Dichtung. Bd. 1 u. 2 fvgl. JBL. 1891 IV 1 : 227). ÜHPBII. 109. S. 194-205; A. Rösler: LRs. 19, S. 18/9.]| —
112) X J- Elias, Luise v. Kobell. Döllinger-Erinnerungen (vgl. JBL. 1891 IV 1 : 226): Nation». 9, S. 306,9. — 113) Aus d.
Lebenser%ihrungen e. Siebzigers. Mit e. Vorw. v. P. F. v. Bodelsch wingh. Gotha, Perthes. 1891. IX, 199 S. M. 3,00.
(2. [Titel-]Aufl. 1894.) — 114) A. Leitzmann, Briefe u. Tagebücher Georg Forsters v. seiner Reise am Niederrhein, in Eng-
F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893. IV Ic: 115-121
Verkannten schon wiederholt verdient g-einacht hat, veröffentlicht nun seine Briefe
und Tagebücher von der Reise am Niederrhein, in England und Frankreich 1790,
die Briefe grösstenteils bisher ungedruckt, ebenso die erste Hälfte der Tagebücher,
während der Rest der letzteren schon von Huber 1794 im 3. Bande der „Ansichten vom
Niederrhein" herausgegeben wurde. Die Briefe erstrecken sich nur auf die Reise
am Rhein und durch Holland nach London ; sie reichen bis zum 1. Juni. Das Tage-
buch geht bis zum 9. Juli und umfasst auch die weitere Reise durch England und
Frankreich bis zur Ankunft in Metz. Den Reiz der Briefe bildet namentlich ihr
menschlicher Gehalt, die Herzlichkeit des Verhältnisses zwischen Forster und seiner
Familie, die Innigkeit, mit der er beständig an Weib und Kind denkt und für sie
besorgt ist, dann die Unmittelbarkeit der Darstellung, ihre sinnliche Anschaulichkeit
und Wärme bei aller Einfachheit, die Vereinigung von Humor und Enthusiasmus in
ihr. Jene persönlichen Beziehungen sind in den gedruckten „Ansichten vom Nieder-
rhein" überall getilgt; was die Briefe und Tagebücher dagegen unmittelbar litterar-
geschichtlich Bedeutendes enthalten, ging meist schon damals vollständig in den
Druck über. Gleich im Beginn der Reise treffen Forster und sein Begleiter A. von Hum-
boldt mit Iffland zusammen, der sie zu F. H. Jacobi nach Pempelfort begleitet. Ueber
Ifflands sittlichen Charakter urteilt Forster am 7. April in mteressanter, .leider nur
etwas verhüllter Art. Mit Jacobi fühlt er sich eins in seiner Grundansicht von
Goethes „Tasso": bei aller Bewunderung des prachtvollen Stils wissen sie beide aus
dem Antonio nichts zu machen. Von Kotzebues Stücken wollen sie beide nicht viel
wissen; doch findet Jacobi ihren Vf. im Umgang äusserst angenehm. Später zeichnet
Forster verschiedene Bemerkungen über neuere englische Stücke auf. Im Briefe vom
25. April tritt schon die tragische Grundstimmung hervor, die bald sein Leben
ganz und gar durchklingen sollte: schwer drückt ihn das Miss Verhältnis zwischen seinen
Handlungen und seinen empfundenen Pflichten, zwischen seiner Empfänglichkeit für
alles Vorzügliche und dem eigenen Guten. — Auch die Veröffentlichung'en aus Forsters
sonstigen Briefen, in denen Leitzmann^*^) mit gewohnter Gründlichkeit und Sorgfalt
fortfährt, ergeben weit mehr für die Erkenntnis von Forsters Leben, Charakter und
persönlichen Ansichten als für die deutsche Litteraturgeschichte im engeren Sinne.
Das gilt sowohl von den zahlreichen Nachträgen zum Briefwechsel mit Joh. Karl Phil.
Spener — darin 1776 eine beachtenswerte Aeusserung über Joh. Fr. Schiller f 1731 — 1815),
den Paten des Dichters — als von den mitunter sehr schönen Briefen an Chrn. Gottlob
Heyne, von denen L. vorerst die Hälfte, aus den J. 1778 — 85, herausgiebt. In ihnen
spiegeln sich gut die persönlichen Verhältnisse des Vf. ab, seine wechselnden Schick-
sale in früheren und späteren Jahren, seine sich rasch freundschaftlich gestaltenden
Beziehungen zu Heyne. Gelegentlich vermittelt er zwischen diesem und F. H. Jacobi,
den er ein andermal begeistert einen der würdigsten Menschen nennt, die er kenne.
Dann giebt er Nachrichten über Joh. von Müller während seines ersten Aufenthalts
in Kassel, nimmt Stellung in dem litterarischen Streite zwischen Lichtenberg und
Voss, den er wegen seines ,, unbändigen Hochmuts" für seelenkrank hält, flicht über-
haupt allerlei wissenschaftliche Bemerkungen und Berichte ein, auch philosophische
Betrachtungen über das Leben, über das wahre Glück des Menschen (nämlich zum
Glück anderer beizutragen). Voll Jubel und Dankbarkeit schreibt er nach seiner
Verlobung mit Heynes Tochter, voll überschwänglichen Entzückens nach der Hochzeit.
Mit der Ankunft der Neuvermählten in Wilna (Nov. 1785) schliesst vorläufig
die dankenswerte Veröffentlichung dieser Briefe. *'^"*'^) — Ohne Beziehungen zur
eigentlichen Litteraturgeschichte ist das vielbewegte, an Arbeit, Erfahrungen, auch
Reisen und Reiseabenteuern reiche Leben Werner von Siemens ^'^"•-'') geblieben,
dessen einfache, schmucklose Darstellung einen fesselnden und durchweg bedeutenden
Eindruck macht. — Einfach und anspruchslos stellen sich die Memoiren eines
Mediziners dar, des 1810 zu Dresden geborenen K. E. Hasse^^i), der besonders
aus seiner Jugendzeit über litterarische Persönlichkeiten, mit denen er in Verkehr
kam, zu berichten weiss. Sein Vater, damals Lehrer am Dresdener Gymnasium, später
Professor der Geschichte an der Universität Leipzig, war Mitglied einer litterarischen
Gesellschaft, der Graf Loeben, Frhr. von der Malsburg, Kind, Th. Hell, K. M.
land u. Franicroich im Prnhj. 1790. Halle a. S., Niemeyer. XI, 310 S. M. 6,00. |(LCB1. S. 1757/S; Edm. Lange: BLU.
S. 6413.] (S. n. IV 5.) —115) id., Ungedr. Briefe G. Forsters: ASNS. 90, S. 27-56; 91, S. 129-78 (S. u. IV 5 : 32;3.) — 116) O X
Ph. Lehzen, Ans allen Weltteilen. Reiseerlebnisse ans d. J. 1878-85. L., ühl. VIII, 428 S. M. 6,00. - 117) X Berzelins
u. Liebig. Ihre Briefe v. 1831-45 mit erlänternden Einschaltungen ans gleichzeit. Briefen v. Liebig n. Wöhler sowie Wissen-
schaft!. Kachweisen her. mit Unterstütz, d. kgl. bayer. Ak. d. Wiss. v Just. Carriere. Mönchen, .1. F. Lehmann. VIII, 279 S.
Mit 2 Bildn. M. 6,00. |[LCB1. S. 560/l.]| (S. n. IV 5 : 450.) — 118) OXl'TSchroeder, Jngendbriefe K. E. v. Baers an W. v. Ditmar:
BaltMschr. 40, S. 264-84. — 119} W. v. Siemens, Lebenserinnernngen. Mit Bild, in Photograv. B., Springer. 1892. 317 S.
M. 5,00. ![H. Albrecht: DRs. 75, S. 132/5; W. Berdrow: Geg. 43, S. 1.325; A. Berliner: Nation^. 10, S. 146/9, 166-70,
181/5; KonsMschr. S. 234/6; E. Lehmann: BLU. S. 91;9; AMZg. 68, N. 29; BBSW. S. 287/8.]| (Ebenso 2. u. 3. Aufl., unver.
bis 1893 erschienen. — 120) X W. v. Siemens, Personal Recollections. Translated by W. C. C o u p 1 a n d. London, Asher & Co. Sh. 15.
|[SBturdayR. 76, S. 574/5.] | — 121) K. E. Hasse, Erinnerungen aus meinem Leben. Als Ms. gedr. Braunschweig (Vieweg),
IV Ic:i22-i29 F. Munck GT, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. 18./l9.Jh. 1892, 1893.
von Weber, Böttig-er, Helmine von Chezy, Amalie von Helvig, Johanna Schopenhauer,
die Talvj und andere ang-ehörten ; intim war er mit Elisa von der Recke und Tiedg-e
bekannt. So trat ihnen auch der jung-e Hasse gelegentlich nahe. In Leipzig, wo er
sein Universitätsstudium beg-ann und sich später nach allerlei Zwischenstationen und
wissenschaftlichen Reisen als Privatdocent niederliess, verkehrte er besonders mit dem
Philosophen Krug, dessen Frau, der ehemaligen Braut H. von Kleists, und ihrer
Schwester. In Dresden nahm Hasse noch als jung-er Arzt an den berühmten, auch von
ihm hochgerühmten Vorlesung-en Tiecks teil. '-2) — Hier mag" die trefflich geschriebene
Autobiographie des um die wissenschaftliche Pflege der Landwirtschaft verdienten
H. Settegast'23) eingeschaltet werden, für unsere Zwecke natürlich wenig ergiebig.
Dankbar gedenkt der Vf. der Förderung, die er von Fr. von Farenheid (1780 — 1848)
erfuhr, dessen Gut Angerapp ihm mehrere Jahre zur Bewirtschaftung- übertragen war.
Er flicht eine liebevolle Charakteristik dieses Grönners in seine Darstellung ein :
Farenheid, der Schüler Kants in Königsberg, dann Heynes und Lichtenbergfs in
Göttingen, hatte Frankreich, Nordamerika, England, die Schweiz und Oberitalien
bereist und verbesserte, zurückgekehrt, auf seinen Gütern das Schulwesen wie die
socialen Zustände, eine durchaus humane, vornehm-liebenswürdige Persönlichkeit. In
seinen philosophischen Anschauungen war er eklektisch, ohne oberflächlich zu sein,
mannigfach durch Kant bestimmt; in politischen Fragen war er liberal im Sinne
Fichtes, Gneisenaus, Scharnhorsts, W. von Humboldts. Von gleichzeitigen deutschen
Dichtern verehrt Settegast vor allem Gust. Freytag, dem er auch das Motto für seine
Erinnerungen entlehnt. Ihm und seinem Genossen in den „Grenzboten", Julian
Schmidt, weist er einen hervorragenden Platz unter den Hütern gesunder Volksauf-
klärung an und schätzt die Dienste hoch, die sie zur Läuterung und Stärkung
besonnenen Fortschritts dem Vaterlande in schwerer Zeit leisteten. —
Die Reihe der Philologen und Schulmänner eröffnet der als Pädagog
thätige Jugendfreund Joh. G. Müllers, Hofrat Büel (1761 — 1830), aus dessen Stamm-
büchern Baechtold'2*) Mitteilungen darbietet. Büel lebte an verschiedenen
Orten in der Schweiz, Deutschland und Oesterreich und kam mit vielen Menschen in
Berührung. Seine Stammbücher enthalten Einträge von Dichtern, Geistlichen, Philo-
logen und anderen Gelehrten oder Künstlern in Prosa oder in Versen; so von
Ch. F. Weisse, J. G. Jacobi, Fritz Stolberg, Miller, Tiedge, Matthisson, Kotzebue,
Mayrhofer, Karoline Pichler (1809 und wieder 1814), Weishaupt, Schlichtegroll, Lavater
(zu wiederholten Malen), Pestalozzi, Joh. Jak. Hess, Höttinger, P. A. Stapfer, Joh.
von Müller und Joh. G. Müller. Höher ragen unter den Dichtern, die sich einschrieben,
Herder (1802), Schiller (4. Sept. 1802), Jean Paul (4. Juli 1802 mit bedeutenden
Worten), Tieck (1808), Friedrich und Dorothea Schlegel (1814) hervor; Goethe fehlt,
da Büel sich nicht zu ihm hingezogen fühlte. Von Musikern ist besonders Beethoven
(1805), von den zahlreichen Malern Schnorr von Carolsfeld zu nennen. '25) — Briefe
von der Hagens an die Göttinger Bibliothekare Heyne und Benecke aus den J. 1805 — 20
teilt Dziatzkoi26) j^n Es handelt sich dabei zunächst um Bücherbestellungen; dabei
schildert aber von der Hagen sein wissenschaftliches Streben und seine in aus-
schweifenden Plänen ohne sichere Methode sich gefallende Persönlichkeit und spricht
allerlei Vermutungen aus über den Zusammenhang der alten deutschen und der
nordischen Sagen im einzelnen, besonders über das gegenseitige Verhältnis der ver-
schiedenen Fassungen der Nibelungensage. Seine Erörterungen sind jetzt zwar
meistens durch die spätere, strengere Forschung- weit überholt; doch ist der Rück-
blick auf die allmähliche Entwicklung der Wissenschaft lehrreich. — Nur halb in den
Kreis der Philologen gehört Oechelhäuser^^''), von dessen ursprünglich nur für den
engeren Familienkreis bestimmten Memoiren ein Teil der Oeffentlichkeit übergeben
wurde. Es ist die Schilderung der Revolutionsjahre 1848—50, namentlich der
Ereignisse in Frankfurt, wo der massvoll liberale, allen demokratisch -extremen
Bestrebungen abholde, entschieden preussisch gesinnte Vf. seit dem Juli 1848 lebte,
vom Sept. an im Reichsministerium des Handels thätig. Am Wirtstisch traf er hier
des Abends öfters mit Ludw. Feuerbach zusammen, musste dabei aber wahrnehmen,
dass der von ihm früher emsig- studierte Philosoph im Bierhaus nur spiessbürg-erlich-
harmlose Gespräche liebte. Später verkehrte Oechelhäuser mehrfach mit dem durch
Humor ausgezeichneten Schriftsteller Rob. Heller. 1 28 - 1 29^ _ Nicht viel reicher ist die litterar-
IV, 238 S. [Bich. Friedrich: BLU. 8. 675/6.]! (Nicht im Hanael.) — 122) X Bmilie Ringseis, Erinnerungen an J. N.
V. Ringseis (vgl. .IBL. 1892 IV Ib: 138). 1[HPB11. 109, S. 128; 0. Pfalf: StML. 44, 8. 239-41. ]| — 123) H. Settegast, Er-
lebtes u. Erstrebtes. B., Puttkaramer & Mühlbrecht. 1892. XII, 324 8. M. 5,00. |[A. Thaer: DLZ. 1892, S. 376/7; F. Biene-
mann: BLU. 1892, 8. 152; L.: DK 1892:3, S. 126; Grenzb. 1892:1, 8. 415/6.]| — 124) J. Baechtold, Aus Hofrat Buels
Stammbüchern: ZnrcherTb. 15, 8. 132-68 — 125) O X J- ^- Beylcert, Notice biogriiph. Relation de sa captivite ä Dijon etc.
Lettres ä sa ferarae 1793-94. Mit e, Silhouette. Strassbur;,' i. E., Heitz. XXIII, 125 8. M. 3,20. - 126) (I 2 : 14.) — 127) W.
Oechelhäuser, Erinnerungen aus d. J. 1843-50. B., Springer. 1892. V, 138 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1892 IV 1 b : 27;
5:253.) — 128) X W. Mönch, Tagebuchbll. Eindrücke u. Gediinken in loser Aufzeichnung. B., Gfirtner. 1891. X. 100 8.
M. 2,60. |[0. Lyon: ZDÜ. 6, S, 316/7; H. Schirwer; DLZ. 1893, S, 606.]| — 129) X H- Kohrs, L. Kollner, LabensbU.
F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19.Jh. 1892, 1893. IV Ic: 130-133
geschichtliche Ausbeute aus den zwei Bänden der Lebenserfahrungen des thüringischen
Schulmanns Friedrich Polack^^"), die in französischer Uebersetzung erschienen, wie
es scheint, nicht nach einer zusammenhängenden deutschen Selbstbiographie verfasst,
sondern aus mehreren autobiographischen Einzelskizzen Polacks zusammengestellt.
Dadurch hat freilich das Ganze einen prätentiöseren Charakter bekommen, der zu dem
ziemlich unbedeutenden Leben des deutschen Schulmanns nicht recht passt, so
anregend und reich an pädagogischen Lehren wie an novellistischem Reiz auch immer
das Buch ist. Polack, 1835 geboren, erzählt seine Greschichte bis zu seiner Anstellung
in Erfurt 1869, nachdem er in den thüringischen Dörfern Schwenda und Kammer
mehrere Jahre als Lehrer thätig gewesen. Schon in der Schule wurde er von seinem
liebsten Lehrer auf Hebel und Bitzius hingewiesen und zwar auf den letzteren als
den gedanklich tieferen, wenngleich in der Form weniger einfachen und weniger
fesselnden Schriftsteller. So zog er denn auch damals Hebel weitaus vor. Später im
eigentlichen Lehrerseminar verweigerte man den Zöglingen gelegentlich selbst die
Lektüre Schillers und aller auch nur etwas philosophischen Schriftsteller. Dennoch
lernte Polack hier manchen Autor kennen ; besonders begeisterte er sich für Heine, nach
dessen Muster auch er sich in sarkastischen Gedichten versuchte. Die eigentlichen
Anfänge seiner Schriftstellerei fielen aber erst in seine eigene Lehrthätigkeit. Freunde
machten ihn mit Auerbachs Volksgeschichten bekannt und erzählten ihm zugleich
eine wahre Geschichte aus dem Thüring-er Volksleben mit der Aufforderung, sie nach
jenem Muster nachzuerzählen. So entstand sein Erstling „Eine einzige Tochter", der
im Freundeskreis mit wohlwollender Kritik aufgenommen wurde. Nun fuhr er fort,
denselben Freunden Gedichte nach Hebels Vorbild und sonstige schriftstellerische
Arbeiten vorzulegen. — Unverhältnismässig interessanter ist Heinrich Schlie-
mannsi3i) Selbstbiographie, zum grossen Teil schon 1881 in seinem Buche
„Ilios" gedruckt, nun von Alfr. Brückner im Auftrage der Witwe des Vf. er-
gänzt. Warm und lebendig schildert das fesselnde Buch ein rastloses Forecher-
leben von den Träumen des Knaben an, die sich schon um die Wiederentdeckung
Trojas drehten, die Hindernisse, die sich dem Jüngling lang entgegenstellten, dann
die Reisen des Mannes, seine Ausgi-abungen, die Mühen und Gefahren der Arbeit, die
wissenschaftlichen Ergebnisse seiner Thatigkeit.^^^j _ Zwischen den Philologen und
Historikern in der Mitte steht das Brüderpaar Johann Georg und Johannes Müller,
deren zum Teil schon (vgl. JBL. 1891 IV 1 : 236) besprochener Briefwechsel aus den
J. 1789—1809 nun abgeschlossen, von Haug^^^-j herausgegeben, vorliegt. Auch in
der zweiten Hälfte dieser Briefe (seit 1800) bleibt das Verhältnis der Brüder zu ein-
ander sowie der Charakter ihrer Briefe und der in denselben ausgesprochenen Urteile
in der Hauptsache wie zuvor. Wieder hätte Johann Georg seinen berühmteren Bruder
gern von den „heillosen politischen Geschäften" abgebracht. Darum freute er sich
im Herbst 1800 ungemein über dessen Ernennung zum ersten Kustos der
Wiener Hofbibliothek, nicht minder 1803 über seinen Anschluss an Goethe in Sachen
der Litteraturzeitung. Entzückt pries er 1806 die neue Vorrede zur „Schweizer
Geschichte" mit ihrer klassischen Sprache als ein Meisterstück „ganz im grossen Ge-
schmack der Alten". Bald darauf aber verhehlte er seine Besorgnis und sein Be-
dauern über den Eintritt des Bruders in politische Dienste durchaus nicht, obgleich
er das Genie Napoleons vollauf würdigte, den doch auch der nun von dem fran-
zösischen Glanz geblendete Johannes noch im Febr. 1800 einen Abenteurer und Lügner
von Anfang gescholten hatte, den man nimmermehr mit Sulla oder Cromwell ver-
gleichen dürfe. Johann Georg selbst wusste erst 1809 sich von den beengenden
politischen Angelegenheiten, zu denen ihn seine Stellung in Schaffhausen zwang,
etwas freier zu machen. Aber schon 1800 spielten allerlei Pläne, um ihn nach Nord-
deutschland zu versetzen. Lavater empfahl ihn nach Eutin an Vossens Stelle ; Herder
suchte ihn in Kiel unterzubringen. 1805 ward er wiederholt nach Heidelberg berufen.
Die Liebe zur Schweizer Heimat hielt ihn aber allen Verlockungen gegenüber in
Schaffliausen fest. Dabei nahm er unablässig innigen Anteil an den Ereignissen im
eigentlichen Deutschland. So begeisterte ihn mächtig 1804 der Brief des Frhrn.
von Stein an den Fürsten von Nassau: „Donnerworte sind es, eine mehr als Demosthe-
nische Beredsamkeit!" Die beiden Männer, zu denen er sich unter allen Schrift-
Erinnernngen ans d. Schulwelt. Freiburg i. B., Herder. 1891. VII, 587 S. Mit Bild. M. 4,50. |[ZDU. 7, S. 69-70.]| — 130)
F. PolacV, Les experiences d'nn maitre d'ecole allemand Trad. de A. Bosselet. 2 Bde. Paris, Firmin- Didot. 1892. 12*.
381,3948. — 131) H. Schliemann, Selbstbiographie. Bis zu seinem Tode verToUst. Her. v. Sophie Schliemann. Mit e.
Portr. in Heliograv. und 10 Abbild. L., Brockhaus. 1892. V, 100 S. M. 3,00. |[F. t. Duhn: DLZ. 1892, S. 268/9 ; LCBl. 1893,
S. 534/5; H. L. Urlichs: BBG. 29, S. 16t; F. Bienemann: BLÜ. 1892, S. 185.]| — 132) X H. Brugsch, Mein Leben u.
mein Wandern: VossZg. K. 347, 349. 851, 353, 355, 35", 359, 361, 363, 365, 367. 369, 371, 373. 375, 377, 379, 381, 383, 335, 387,
393, 395, 397, .S99, 401, 403, 405, 407, 409, 411. 413. 415, 417, 419, 421, 423, 425. 427, 429, 431, 433, 435, 437, 439, 441. (Als
Buch erst 1894 erschienen, wird im nächsten .1. bespr.) — 133) Ed. Hang, D. Briefwechsel d. Brüder J. G. Müller u. Joh.
V. Mailer 1789-1809. Frauenfeld, Hnber. XII, 440 S.; 134 S. M. 10,00. |[LCBI. S. 480/1; A. G.: ZGORh.8, S. 155; A. Chnqnet:
RCr. 36, S. 422/4; E. Foss: MHL. 20, S. 73; Ad. Schroeter: BLÜ. S. 805; W. Hosäns: LZgB. N. 18.]| (S. n. IV 5.) —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichte. IV. (A)^
IV Ic:i33-i34 F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
stellern am meisten hing-ezog-en fühlte, verlor er bald nach dem Beginn des neuen
Jh. durch den Tod. Im Sommer 1800 nahm er den letzten Abschied von Lavater.
„So ein Mann", schrieb er am 17. Juli, „kömmt so bald nicht wieder. In seinen
letzten Jahren hat er für das Vaterland gethan, was er konnte, und mit unglaublicher
Freimütigkeit geredt, gepredigt, geschrieben — aber ohne Erfolg." Und am 3. Jan. 1801
widmete er dem eben Verstorbenen, seinem lebendigen thätigen Glauben, seiner nie
ermüdeten Liebe, seinem grossen Herzen, seinem Mut, zu jeder seiner Ueberzeugungen
sich zu bekennen, seinem Wahrheitseifer einen schönen Nachruf. Keine drei Jahre
vergingen, und auch Herder, dessen „Entfesselter Prometheus" ihn noch kurz vorher
entzückt hatte, war dahin. Schmerzlich rief Johann Georg beim Eintreffen der Todes-
nachricht aus: „Unendlich liebte ich Lavatern, aber doch lange nicht so sehr wie
ihn." Und einige Wochen später fügte er u. a. hinzu : „Menschlichkeiten hatte er wie
wir alle, aber eine Reinigkeit und Heiligkeit der Seele, die er durch die strengste
Gewissenhaftigkeit von Jugend an und einen nie unterdrückten Hang zur Religiosität
sich eigen gemacht hatte, zu einem xt;?^« elg aei.^'- Mit allem Eifer widmete er sich
alsbald der Aufgabe, die Schriften des Verstorbenen herauszugeben, und immer be-
geisterter las er sich von neuem in dieselben ein, hingerissen u. a. von den
scharfsinnigen Ideen in Hamanns Briefen an den Verewigten, abgestossen von der
Plattheit in den Briefen Nicolais, der wegen seiner „grobhäutigen" Einseitigkeit im
Kampf gegen Jesuiten, Illuminaten und Schwärmer oder Pietisten und wegen seiner
hässlichen Polemik gegen den toten Lavater überhaupt von Jahr zu Jahr mehr seinen
Aerger reizte. Auch den Bruder zog er in diese Interessen herein. Johannes war
Herder gegenüber stets etwas kühler gewesen. „Er hat Ideale", schrieb er am
23. Aug. 1800, „woraus er Prokrustesbetten macht: wehe dem nicht herein Passenden!
und gut, dass der im Himmel etwas toleranter mit uns ist." Doch wollte er sich der
Ausgabe der Herderschen Werke nicht entziehen. Er sollte die historischen Schriften
übernehmen, auch die Biographie und Charakteristik des Autors liefern. Grosse
Arbeit erwartete man nicht von ihm; so sollte er z. B. zu den „Ideen" nur hie und
da „als Meister vom Stuhl" eine Anmerkung beifügen. Später erklärte er sich auch
bereit, die Ausgabe der „Volkslieder" zu besorgen, zur besonderen Freude Johann
Georgs, dessen Lieblingsbuch gerade dieses Werk Herders nie gewesen war.
Uebrigens ergiebt auch der Briefwechsel der Brüder deutlich, wie wenig philologisch-
methodisch sie bei dieser Ausgabe vorgingen. Während der Arbeit fällte der jüngere
Bruder gelegentlich im April 1807 ein ungerechtfertigt herbes Urteil über Karl August
und Goethe, für den er überhaupt nicht den rechten Massstab fand, wenn er auch
einmal (im Okt. 1803) das Urteil seines Bruders Johannes, der allezeit in Goethe
mehr oder weniger verliebt gewesen zu sein behauptete und in dem bewunderten
Dichter ,, viele Originalität, grosse Kraft, viel Ideenreichtum" wahrnahm, vollständig
unterschreiben wollte. Hauptsächlich beklagte Johann Georg das masslose Gräcisieren
der Weimarer. Vor allem Goethe sollte dieser Vorwurf treffen, doch auch Wieland,
an dem er sonst — auch hier schroffer als Johannes — die verweichlichende
Gallikanisierung der deutschen Sprache tadelte, und Schiller, von dessen Trauerspiel
„Die Braut von Messina" er dann doch urteilte: „Es übertrifft alles, was er je ge-
schrieben, und was jemals die deutsche Bühne hervorgebracht, an Interesse, Oekonomie
der Handlung, Hoheit der Gedanken und Wohlklang der Sprache." Seltener be-
rührte er in seinen Briefen die Romantik. 1805 klagte er, gelegentlich des Urteils
eines Schellingianers über Schleiermachers Piatonübersetzung, über die Unduld-
samkeit dieser neuen Sekte, namentlich gegen Herder und Heyne. Die intolerante
Heftigkeit gegen Heyne und andere Gegner in mythologischen Dingen entlockte ihm
in demselben Brief auch ein bitteres Wort über das „genus irritabilissimum" der
„Vosse, Vater und Sohn." Als Johannes ihm Zacharias Werners „Söhne des Thals"
nannte, antwortete er 1806 nur mit dem Wunsche, dass das ihm noch unbekannte
Werk kein Affe des Allerheiligsten, kein gekünstelter Mystizismus sein möge. Aber
an Tiedges „Urania" erkannte er an, dass die Dichtung trotz ihrer Ueberladung mit
Metaphysik doch „engelschöne Stellen" enthalte. Mit am schroffsten sprachen beide
Brüder über den ihnen von seiner politischen Laufbahn her unsympathischen
Zschokke ab; Johann Georg sah in ihm geradezu einen politischen Heuchler, während
Johannes seine wissenschaftliche Redlichkeit in Zweifel zog. —
Sogleich die ältesten Aeusserungen von Historikern, die hier in Betracht
kommen, vier kurze Briefe Varnhagens an Eckermann aus den J. 1830—36, von
Meyer-Cohn '34) mit einiger Emphase in den Druck gegeben, weisen durchweg in
die Litteraturgeschichte hinüber. Sie berichten von dem „unsäglichen Behagen", mit
dem Varnhagen Goethes „Italienische Reise" gelesen, verheissen einen Artikel, den
er über den Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe schreiben wolle, drücken
134) Alex. Meyer-Cohn, Gruss aus Budersee! Hrn. Prof. Dr. Erich Schmidt z. 20. Jani 1893 gesendet. (Varnhagen v. Ense
P. Muricker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893. IV Ic: 135-13^
dann Freude aus über Eckermanns Mitteilungen aus Gesprächen Goethes, dessen
Macht und Ansehen, Güte, Frömmigkeit, Arbeitsstrenge, Menschenliebe sich hier auf
das herrlichste darthun, und teilen dabei manchen Hieb aus auf Goethes kleinliche
Gegner, unter denen sie A. W. Schlegel i^ ei-ster Reihe, Tieck und Steffens als seine
vornehmsten Nachfolger nennen. — Dieselbe Verehrung Goethes bekunden Carljdes
Briefe an Varnhagen (1837—57), die Preuss '35-136) (vgl. JBL. IV 5:250; 10:31) in
deutscher Uebersetzung nach den in der Königlichen Bibliothek zu Berlin befindlichen
Originalen herausgegeben hat. Gleich in seinem ersten Briefe giebt Carlyle diesem
Gefühle, nicht minder aber seiner Bewunderung Chamissos und Rückerts, besonders
der „Makamen des Hariri", Ausdruck. An Varnhagen, der ihm die ersten vier Bände
der „Denkwürdigkeiten meines Lebens" übersandt hatte, rühmt er jetzt und später
die „Kunst" des Schreibens, die Wahrheit der Darstellung des wirklichen Lebens,
die Meisterschaft, mit der er ein „historisches Gemälde der lebendigen Gegenwart"
entwerfe. Skeptisch äussert er sich über Gentz, und mit Börnes nichtigem Sticheln
auf Goethe ist er wenig zufrieden. Aber auch Heines Buch über Börne erscheint ihm
als „das seltsamste Gemische von Sonnenstrahlen und brutalem Schmutz", dem er
seit langer Zeit begegnet. Treffend urteilt er 1847 über den Briefwechsel Schillers
und Körners, durch den man erst in die Lage versetzt sei, den wirklichen Schiller
leibhaftig zu sehen. Seine späteren Briefe drehen sich hauptsächlich um seine Ge-
schichte Friedrichs des Grossen, des „letzten wahren Königs, den wir in Europa
gehabt haben, auf lange Zeit hin". Schon 1840 hatte er die Frage nach einer an-
gemessenen Biographie dieses Fürsten sowohl wie Luthers oder wenigstens nach
einer Ausgabe der Tischreden Luthers aufgeworfen. Die Antworten Varnhagens sind
bisher nicht aufgefunden. Die sorgfältige Veröff'entlichung* der Briefe ist dankenswert,
wenng-leich uns aus ihnen die menschliche Persönlichkeit ihres Vf. nicht sonderlich
nahe tritt, und auch die sachliche Belehrung, die sie bieten, nicht überreich ist. —
Gerade für den Litterarhistoriker ist dagegen die Selbstbiographie ausserordentlich
wertvoll, die Gervi nus '•*') (oder, wie nach seinem Wunsche sein Name auf dem
Titelblatt eigentlich lauten sollte, Gerwin) schon 1860 seiner Frau Viktorie, der
Tochter des Botanikers Schelver, auf den Weihnachtstisch legte. Sie ist in mehr als
einer Hinsicht eine bewusste, in vielen Punkten auch eine gelungene Nachbildung-
von „Dichtung und Wahrheit". Von vornherein verzichtet Gervinus auf die Dar-
stellung seines ganzen Lebens; ihm genügt es, die „Geschichte seiner Ausbildung"
zu geben. So führt er die Erzählung bis etwa 1836, bis zu seiner Ernennung zum
ordentlichen Professor der Geschichte in Göttingen, zu seiner Heirat und den Anfängen
seines namentlich durch die Pflege der Musik verschönten häuslichen Lebens, zugleich
zum Beginn des Erscheinens seiner Litteraturgeschichte. Ausdrücklich betont er,
dass das Verhältnis des einzelnen zur Zeitgeschichte die Aufgabe aller Biographie
sei, und so stellt er denn auch, wie Goethe, seine Jugendschicksale, -plane und -an-
schauungen im Mittelpunkt der gesamten politischen und geistigen Geschichte der
J. 1805—36 dar, möglichst objektiv trotz des persönlichen Inhalts, mit sachlicher
Ruhe, ohne Eitelkeit und falsche Selbstbespiegelung, durchaus tüchtig. Nur wie sein
Leben und seine Persönlichkeit unbedeutender, ärmer, vor allem nüchterner war als
die Goethes, so fehlt auch seiner Biographie der dichterische Reiz, die lyrische
Wärme des Empfindens, die „Dichtung und Wahrheit" auszeichnet; durchaus über-
wiegt ein nüchterner Ernst, der jedoch eine gelegentliche humoristische Schilderung
(etwa bei Scenen aus den Knabenjahren) keineswegs ausschliesst. Langw'eilig wirkt
die Darstellung nirgends; davor schützt sie die markige Kraft und die Knappheit des
Vortrags: auch lüer steht hinter den geschriebenen oder gedruckten Worten immer
ein ganzer Mann. Auch Gervinus untersucht genau den Anteil seiner Eltern an der
Bildung seines Geistes und Charakters und kommt dabei zu dem Ergebnis: „Was
an mir klug sein möchte, hat mir mein Vater vererbt; was an mir gut ist, hab' ich
der Mutter zu danken." Schon als Knabe dichtet er nach Vorbildern, die nicht den
edelsten Kreisen der Litteratur angehörten, allerlei, was er natürlich später vernichtet,
darunter mehrere Tragödien, eine epische Theseide. Vierzehn Jahre alt, knüpft er
sogar nebst seinem Freunde, dem späteren Philologen Nodnagel, von dessen über-
legenem Wissen und reiferem Urteil er vielen Gewinn zog, wegen einer von ihnen
beiden herauszugebenden Zeitschrift „Euterpe" mit einem Frankfurter Verleger Verhand-
lungen an, die nur wegen der in den Karlsbader Beschlüssen verschärften Censurgesetze
scheiterten. Während seiner Kaufmannsjahre liest er sich, von der modernen Tages-
litteratur rückwärts schreitend, in allerlei deutsche Schriften des 18. Jh. ein. Da wird
an Gckermann.) 4 S. (Nicht im Handel.) — 135) R- Prenss, Briefe Thoraas Carlyles an Varnhagen v. Ense ans d. J. 1837-5".
Uebers. n. her. B., Gebr. Paetel. 1892. 163 S. M. 3,00. |[Grenzb. 1, S. 54,5; VelhagenKlasingsMh. 1, S. 574; M.-Fr.: LZgK.
N. 90; Ang. Weiss: AZgB. 1892, N. 262; B. B.: HambCorrB. 1892, N. 31; Krg.: WeserZg. N. 16586 (mit guter Charakterskizze
Carlyles).]! (Vorher in Dßs. 71, S. 96-120, 220-45 abgedr.) — 136) X Letters of Carlyle to Varnhagen von Ense: NewR.,
April and May 1892.— 137) (I 2 : 25; IV 5: 319.) |[Grenzb.4,S 572/7: S. Münz: NFPr. 17. Okt.; VossZg't. N. .50; AZg«. N.239-43.1|
(4)6*
IVlc 138-139 F. Muncker, Memoiren, Tagebücher U.Briefwechsel d.l8./19.Jh. 1892,1893.
ihm eine Zeitlang- Jean Paul Lieblingsautor und Trost, bei seinem eigenen "Wider-
spruch zwischen phantasievollem Innenleben und nüchterner Wirklichkeit ihm doppelt
sympathisch. Entscheidend aber wird für ihn während seiner Heidelberger Uni-
versitätszeit die Lehre und die mannhafte» Persönlichkeit Fr. Chph. Schlossers, dem
Gervinus dankbar in seiner Lebensgeschichte eine ausführliche, liebevolle Charakte-
ristik im grössten Zuge und in seinem besten Stile widmet. Durch ihn bestimmt,
wendet sich der Jüngling nach verzweiflungsvollen inneren Kämpfen von allen
falschen ästhetisch-poetischen Neigungen und Tändeleien zum ernsten Studium der
Philologie und der Greschichte. Das romantische Träumen wie das Jeanpaulisieren
hört auf; antike Humanität, klassische Sicherheit und Klarheit werden die neuen
Ideale des Studierenden; der Sinn für Wahrheit wird ihm zu einer „Dotation für
das ganze Leben". Eine italienische Reise 1832—33 vollendet seine Reife; ihr be-
deutendster Gewinn besteht darin, dass er, der als Kosmopolit ausgezogen ist, als
Deutscher heimkehrt. Noch tauchen in seiner Seele neue poetische Pläne auf: in
eine Dichtung vom ewigen Juden wünscht er eine Philosophie der Geschichte ein-
zukleiden; dann denkt er an eine Neubearbeitung der „Kudrun" im Homerischen
Geist und Ton, an politische Xenien und Aehnliches. Proben aus diesen poetischen
Arbeiten, die schliesslich alle vor seinen grossen wissenschaftlichen Werken zur Seite
rücken müssen, giebt der Anhang: üebersetzungen aus dem Arabischen, eine hexa-
metrische ümdichtung des 15. Gesanges der „Kudrun", einige politisch-satirische
Versuche. Beigefügt sind die , .Grundzüge der Historik", die er 1837 als Unterlage
für öffentliche Vorträge drucken Hess, deren Entstehung aber auf ein früheres Heidel-
berger Kolleg zurückgeht. Im gelegentlichen Urteil über gleichzeitige und ältere
deutsche Dichter verrät sich auch hier manchmal die gewöhnliche Schroffheit des
Vf., so wenn er Ernst Schulze, Clauren, Müllner und Houwald als ebenbürtig in
einem Atem nennt oder Th. Körner ohne weiteres zu den schlechten Poeten rechnet.
Das litterarische Treiben des Jungen Deutschland flösste ihm schon als Jüngling nur
Widerwillen ein. — Grossenteils auf das Gebiet der politischen Geschichte führen
Wiedemann s^"^^) Erinnerungen an Leopold von Ranke. Sie schildern ausführlich
Rankes politische Anschauungen, seinen streng monarchischen Konservatismus, sein
Verhältnis zu L. von Ger lach, J. von Radowitz und E. von Manteuff'el, seine politischen
Denkschriften und den Einfluss, den er etwa zeitweilig auf die preussischen Könige
und Prinzen ausübte, seine im einzelnen oft ungerechte Missstimmung gegen Bis-
marck, so lange sich dieser auf die liberale Partei stützte. Dabei tritt der religiös
und sittlich gefestigte Charakter Rankes, seine grundsätzliche Milde trotz einzelner
Anfälle von Heftigkeit, sein Geistesmut und seine Geistesfrische, seine muntere
Sinnigkeit, aber auch sein hohes Selbstbewusstsein, in dem er sich nur mit Piaton
und den grossen Schriftstellern aller Völker und Zeiten verglichen wissen wollte, in
helles Licht. Von den deutschen Schriftstellern der Gegenwart erkannte er keinen
als sich ebenbürtig an, wenn er auch mit Hochachtung von Treitschke und mit
persönlicher Teilnahme von einzelnen seiner eigenen Schüler sprach. Von den
neuesten poetischen Werken nahm er überhaupt keine Notiz mehr. Wildenbruchs
„Karolinger", die er sich vorlesen Hess, empörten ihn als eine „Karikatur der
wahren Geschichte". Aber in Hegels Werken las er noch viel trotz der bedeutenden,
namentlich religiösen Gegensätze, die ihn von Hegels Philosophie trennten; auch
Schelling schätzte er menschlich hoch. Schlossers Weltgeschichte und Schröckhs
christliche Kirchengeschichte benutzte er mit Eifer bei der Abfassung seiner
eigenen Weltgeschichte. Die freundlichen Beziehungen, die ihn mit F. von Raumer
verknüpften, blieben ungelockert bis zuletzt. Mit Verehrung sprach er von Neander,
mit höchster Achtung von Schleiermacher, mit inniger Zuneigung von den Brüdern
Grimm; teilnehmend fühlte er sich zu Imm. Bekker hingezogen, während Böckh ihn
abstiess. Schiller sprach er jeden Beruf zum Geschichtsschreiber ab ; aber dass Goethe
auch ein grosser Historiker hätte werden können, davon war er nach der Lektüre
der Noten zum „Westöstlichen Di van" überzeugt. Dagegen hielt er den grossen
Dichter für einen der schlechtesten Minister, die es überhaupt gegeben habe. Mit
Varnhagen stand Ranke zuerst in freundschaftlichem Verhältnis, bis zunächst die
politischen Gegensätze, dann auch andere Differenzen eine Entfremdung und 1848 die
vollständige Entzweiung der beiden herbeiführten. Sorgfältig berichtet W. auch
über die Entstehung von Rankes verschiedenen Werken, besonders von seiner Welt-
geschichte, der weit ausgreifende ethnographische und anthropologische Studien vorher-
gingen, und von den Eigentümlichkeiten seines Stils, von der Sorgfalt, mit der Ranke
hier auch das Einzelne behandelte, von seinem mit den Jahren sich beständig steigernden
Streben nach formaler Korrektheit. '^S) _ Als Mitglied der historischen Kommission traf
(Vgl. unch IV 5.) — 138) Th. Wiedemann, 16 J. in d. Werkstatt L. v. ßunkes. E. Beitr. z. Gesch. seiner letzten Lebens-
jahre. III-XV: DR. 1892 : 1, S. 95-102, 208-20, 342-53; 2, S. 100-16, 232-40, .341-50; 3. S. 93-102, 215-23, 356-67; 4, S. 228-38;
1893:.% S. 227-36; 4, S. 25.1-65. (Vgl. .IBL. 1892 IV 5: 146; s. auch u. IV 5.) — 139) X E- Ritter, Correspondance de
F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücheru. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893. IV Ic:i40-i45
Ranke in seinem Alter zu München öfters mit Alfred von Arneth^*") zusammen,
von dessen Selbstbiog-raphie nunmehi* auch der zweite, bis 1890 reichende Band er-
schienen ist, von derselben liebenswürdigen Milde und Bescheidenheit und der-
selben treuen Anhäng-lichkeit an Oesterreich und dessen Kaiserhaus zeugend wie
die erste Hälfte des schönen Werkes. Für die Litteraturgeschichte war diese freilich
eine bessere Fundgrube. Jetzt spricht Arneth nur noch bei Gelegenheit von seinen
freundschaftlichen Beziehungen zu Friedrich Halm, Laube, Jos. von Weilen und
anderen, besonders österreichischen Dichtern, oder von wiederholten Begegnungen mit
Döllinger, der ihm zuerst als Vertreter der ultramontanen Partei unsympathisch war,
später aber näher trat, so dass er selbst sein Gast in München wurde. Auch die
Körner-Erinnerung*en tauchen noch einmal auf. Arneths Alutter hatte nach Körners
Tod nur mehr wenige, aber stets gleich herzliche Briefe mit den Eltern ihres einstigen
Bräutigams gewechselt; noch 1838 schrieb Körners Matter an sie. 1852 besuchte sie
zum ersten Male Dresden, Körners Geburtsstadt, die sie läng-st zu sehen gewünscht
hatte; doch hintei'liess sie keine Aufzeichnungen von dieser Reise. 1856 wiederholte
sie diese Fahrt mit ihrem Sohn und dessen damals leidender Gattin; auch das Körner-
haus in Loschwitz besuchte sie mit ihnen, verschloss aber die mächtige innere Be-
wegung, die sie hier ergriff, wortlos in sich. 1863 lud sie Friedrich Förster im
Namen des Centralausschusses für eine Körnerfeier, die am Grabe zu Wöbbelin statt-
finden sollte, ein, pereönlich dort zu erscheinen. Sie lehnte aus richtigem Taktg-efühle
mit einem schönen Briefe ab und sandte nur einen riesigen Lorbeerkranz an das
Grab. Sie starb erst am 25. Dec. 1867 nach langer Krankheit; ihr Gatte, der 1861
in den Ritterstand erhoben worden war, ging ihr im Okt. 1863 voraus. '^^ '•■**) — Ueberaus
reich sind wieder die römischen Tagebücher von Gregoroviüs, die Althaus ^^^j mit
einer knappen, aber recht guten Lebensskizze des Vf. herausgab. Trotz ihres oft
aphoristischen Charakters in einem wahrhaft klassischen Stil geschrieben, geben
diese Aufzeichnungen über Gregoroviüs selbst und eine grosse Anzahl litterarischer
Persönlichkeiten mannigfache Aufschlüsse und bieten auch da, wo das Urteil des
Vf. einseitig erscheinen mag, eine höchst anregende Lektüre. Im Mittelpunkt steht
die Arbeit an seinem Hauptwerke, der „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter".
Trotz der Warnung eines kundigen Freundes, dass an einem solchen Versuch jeder
scheitern müsse, hält Gregoroviüs seit 1854 an diesem Plane fest; er geht von der
Ueberzeugung aus : „Ich muss etwas Grosses unternehmen, was meinem Leben Inhalt
gäbe." 1855 beginnt er die Vorarbeiten, 1856 die Niederschrift. Die russische Gross-
fürstin Helene, der er einige Abschnitte vorliest, bemerkt, dass sein Stil „tendu" sei,
„angestrengt" ; er sieht ein, dass sie Recht hat, und beschliesst, sich „leichter zu
machen". Im Juni 1858 kann er zwei Bände nach Stuttgart in die Druckerei schicken.
Und so arbeitet er nun Jahr für Jahr an dem Riesenwerk weiter, während die Er-
eignisse des italienischen Krieges 1859 und in der Folgezeit ihn umstürmen, oder
während er die deutschen Vorgänge von 1866 mit warmer Teilnahme und klar in
die Zukunft vorblickendem Geiste begleitet, dann wieder mitten unter den Um'uhen
des vatikanischen Konzils, von dem er nichts wissen will und das ihn doch einiger-
massen beschäftigt; aber der deutsch-französische Krieg von 1870 versetzt ihn in eine
so fieberhafte Aufregung, dass er die Arbeit unterbrechen muss. Wie schon öfter in
den vorausgehenden und wieder in den folgenden Jahren, verbringt er den Sommer
und Herbst in Deutschland, meistens in München. Als er im Winter nach Rom, dem
inzwischen von den Italienern eroberten Rom, zurückkehii;, muss er sich sagen, dass
nun auch hier das Mittelalter zum letzten Ende sich neige, und eilt, von den ver-
änderten Zuständen zunächst unbehaglich berührt, um auch mit seinem Werke zum
Schlüsse zu kommen. 1872 vollendet er den achten und letzten Band; im Juli 1874
nimmt er tief bewegt Abschied von der ewigen Stadt. Neben dem geschichtlichen
Hauptwerke spielen seine poetischen Versuche in den Tagebüchern nur eine kleine
Rolle. 1853 ist von einem Gedicht „DieEumeniden", 1854 von einer pompejanischen
Novelle „Der bronzene Kandelaber", die später in Hexameter umgeschzieben und
„Euphorion" betitelt wurde, ferner von Uebersetzungen aus Meli die Rede. Zahlreichen
Sainte-Beuve avec H. Renchlin: ZFSL. 13, S. 157-67. IIT. de L.: KCr. 33, S. 212.]| — 140) A. Ritter v. Arneth, Ans
meinem Leben. 2 Bde. Mit 2 Stehlstichen. St., Cotte. 1891-92. VUI, 282 S.; VIII, 368 S. M. 12,00. |[Th. Schiemann:
DLZ. S. 1003 8; LCBl. S. 1261,3; Grenzb. 4, S.45,6; FZg. N.3; Presse N. 200 (22. Juli); A. Königsberg: NFPr. 8. n. 9. Febr.]|
(Vgl. JBL. 1891 lY 1 : 170; 1892 IV Ib : 142a.) - 141) O X Chrn. Ritter d'Elvert, Gedenkbll. zu seinem 90. Geburtetage. (Her.
T. d. hist.-stat. Seirtion d. k. k. mährisch-schles. Ges. z. Beförderung d. Ackerbaues, d. Natur- u. Landeskunde, nunmehr
k. k. mährischen Ges. dieses Namens.) Mit Bild. Brunn (C. Winiker}. IV, 220 S. M. 3,20. — 142) X Z. Feier d. 90. Ge-
burtstages d. k. k. Hofrates Chrn. Kitter d'Elvert. Anh. zu d. v. d. hist.-stat. Sektion d. k. k. mährischen Ges. z. Beförderung
d. Landwirtschaft, d. Natur- u. Landeskunde her. Gedenkbll. Brunn, Verl. d. hist.-stat. Sektion (Druck v. R. M. Rohrer). IV, 71S,
(Beschreibung aller Feierlichkeiten, Reden, GlQckwunschadressen usw. z 90. Gebnrtstsg, auch ganz kurze Biogr. d'Elverts;
nicht im Handel.) — 143) O X Briefe aus d. Nachlasse Viktor Hehns: BaltMschr. 40, S. 160-71, 321-35, 569-609. — 144) X
J. Lantenbacher, W. A. Riehl, Kulturgesch. Charakterköpfe (vgl. JBL. 1891 I 5 : 418; IV 1 : 191): AZg'*. 1892, N. 138,9. —
145) F. Gregoroviüs, Römische Tagebücher. Her. v. F. Althans. St., Cotta. 1892. XXV, 624 S. M. 8,00. |[F. Poppen-
berg: ML. 62, S. 30/1; VossZg. N. 11, 53 (sehr rühmend).]| (2. Aufl. ebda. XVI, 416 S. Mit Bild ; vgl. JBL. 1392 IV 5:147.)
IV lc:i45 F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
litterarischen Persönlichkeiten tritt Gregorovius in Rom oder auf seinen wiederholten
Reisen nach Deutschland nahe. Schon 1853 lernt er Heyse kennen, einen „Jüngling
von fast mädchenhafter Schönheit," der „in so jungen Jahren schon völlig fertig zu
sein scheint". Die damals geschlossene Freundschaft erneuert er namentlich 1869 in
München, um sie ungelockert bis zum Tode sich zu erhalten. Ein gleich festes Band
verknüpft ihn mit A. F. von Schack, dem er am 31. Dec. 1856 zum ersten Mal be-
gegnet. Schon damals betrachtet er das Zusammentreffen als ein schönes Geschenk
des scheidenden Jahres. Mit der Zeit wird das Verhältnis immer inniger. 1874 nennt
er Schack „eine bis zur Kindlichkeit harmlose, von keiner Leidenschaft bewegte
Natur, immer von dichterischen Phantasien eingenommen". Ebenso wird er mit
Fröbel, Giesebrecht, Riehl, Liliencron, Kaulbaoh und verschiedenen Gelehrten und
Künstlern des Münchener Kreises bekannt und befreundet; auch mit Ranke trifft er
hier 1871 zusammen, und er findet in ihm einen der interessantesten Menschen, die
er je gesehen, zugleich einen Enthusiasten für das neue deutsche Reich; bezeichnend
äussert er sich über den greisen Gelehrten: „So mag ungefähr Thiers aussehen, für
dessen jüngeren Bruder ich ihn halten würde." Herber urteilt er zur selben Zeit
über DöUinger: „ein Mann des kalten Verstandes, nicht der Begeisterung für ein
hohes Ideal", und ähnlich wieder 1872 : „Döllinger ist ein einseitig grosser Gelehrter,
aber nur ein Verstandesmensch. Ohne das Feuer des Glaubens, welches vom Herzen
strömt, kann kein Reformator gedacht werden. Döllinger besitzt keine einzige Eigen-
schaft dazu. Die altkatholische Bewegung ist nur eine kleine Empörung auf einem
Schulkatheder." Auch zu König Max IL tritt Gregorovius, wie früher vorübergehend
zu Ludwig L, in Beziehungen ; aber vorerst lässt er sich durch ihn nicht in München
fest halten, seine Freiheit steht ihm zu hoch. 1864 schickt ihm Schack Hebbels
„Nibelungen"; sie machen ihm einen möglichst schlechten Eindruck. G. ist über die
„Gewöhnlichkeit in der Auffassung, Darstellung und Sprache" erstaunt: „Nichts von
echter Tragik; Menschen ohne Blut; Helden nirgends; kein grosser Zug; alles ins
Bürgerliche abgeplattet, trotz eingemischter Edda-Phantastik". Von sonstigen Poeten
nennt er Titus Ulrich, dem er 1854 begegnet, einen fein organisierten, geistreichen
Menschen, und den Enkel Goethes findet er 1855 gar nicht so verschroben wie seine
ganz unglaublichen Gedichte. Einen vortrefflichen Nachruf widmet er Rückert: „Ein
grosser Künstler; seine Poesie ein Kunstgarten. Er schaut seine Gefühle an und
macht sie zum Gegenstande der Kunst. Er fasst sie wie Diamanten ein. Er be-
spiegelt sich selbst darin. Daraus kommt Kälte und Künstelei." Sympathisch fühlt
er sich von Auerbach, ebenso von L. Schücking berührt, und mit Freiligrath verträgt
er sich 1869 gut, da sie abweichende politische Gespräche vermeiden. Wie ihm
Gottfried Keller gefallen, den er 1869 ebenso wie Kinkel in Zürich kennen lernt, lässt
sich aus seinen unbestimmten Worten über den „ernsten und verschlossenen, fast
schüchternen" Mann nicht entnehmen. Dagegen ist ihm Gutzkow höchst unangenehm ;
er sieht in ihm nur einen „virtuosen Sophisten unserer Litteratur", dessen ganze
Art zu denken auf ihn „wie eine Dissonanz" wirke. Das junge Deutschland hat er
überhaupt in böser Erinnerung; dass man ihm Gust. Kühne, der einst doch auch
dazu gehörte, 1869 als anspruchslos rühmt, setzt ihn in Erstaunen. Am ärgerlichsten
jedoch macht ihn Scheffel, als er ihm im Sept. 1870 „mit den Manieren eines Wilden
ganz unsinniges zusammenhangsloses Zeug über die Weltereignisse entgegenbrüllte,
wobei er sich als Socialdemokrat gebärdete". Durchaus verständnislos sind Gregorovius
Aeusserungen über Rieh. Wagner, während er sich über die Freundin des Verkannten,
Frau Wesendonc, liebenswürdig ausspricht. Auch Liszt, der ihm sehr freundlich
entgegenkommt, ist ihm zwar eine „auffallende dämonische Erscheinung"; aber es
dauert lange, bis er sich ihm innerlich nahe fühlt; 1869 schreibt er ihm einige Verse
für ein Musikstück auf, das Liszt zum hundertsten Geburtstag Beethovens komponieren
wollte. So ist ihm auch Liszts Freundin, die Fürstin Wittgenstein, nicht sympathisch;
aber ihren Geist bewundert er, und gern zeichnet er blendende Bemerkungen von
ihr auf. Mit Begeisterung spricht er 1868 von Karl Witte, dem „Dante-Üebersetzer
und Hohenpriester des Dantekultus": „ehedem ein Wunderkind, jetzt ein Wunder-
greis voll Feuer und Kraft". Auch für Kuno Fischer und F. Th. Vischer hat er
Worte hoher Anerkennung. Dagegen sieht er 1862 in Theodor Mommsen eine
Mischung aus „ Juvenilität und schulmeisterlicher Gewissenhaftigkeit" und erklärt sich
aus diesem Umstand auch das Wesen „seines durch kritische, destruktive Schärfe
und Gelehrsamkeit ausgezeichneten Werkes, welches aber eher ein Pamphlet als eine
Geschichte ist". Auch an Gervinus stört ihn zuerst, abgesehen von den abweichenden
politischen Ansichten, die „professorenhafte Schwerfälligkeit"; doch kommen sich die
beiden allmählich näher, und als Gregorovius 1871 die Kunde vom Tode des be-
freundeten Forschers erhält, beklagt er in ihm den „durchaus edlen Mann, fest in sich
begründet und unerschütterlich, von weit umfassendem Verstand", den „gross an-
gelegten prosaischen Geist." —
F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./ 19. Jh. 1892, 1893. IV Ic:i46-i52
Zur bildenden Kunst leiten die Memoiren von Kunsthistorikern und
Kunstkritikern hinüber^*^). Ludwig" Pietschi*'')hatdiezuerst in einer Zeitschrift ver-
öffentlichte Darstellung seiner schriftstellerischen Anfänge zu einem stattlichen Buche
erweitert, ohne ihr den ursprünglichen Reiz der behaglichen Plauderei zu nehmen,
worin er Meister ist. Ein reicher Einblick in die Berliner Schriftsteller-, Künstler-
und Gesellschaftswelt überhaupt während der fünfziger Jahre thut sich uns auf; kurz,
aber fast immer mild charakterisiert, ziehen Männer wie F. Dunoker, Palleske, Lewald,
Melchior Meyr, Widmann, Gottfr. Keller, Fr. Eggers, Lübke, Roquette, Kugler, Heyse,
Storm, Kaiisch, Stahr, Bogumil Goltz, Bruno Bauer, Lassalle, Varnhagen, von Pfuel,
E. Dohm, Hans von Bülow, Scherenberg, Pückler- Muskau, Titus Ulrich, Turgenjew
und andere an uns vorüber. Und mit ihnen belebt sich für uns das ganze Berlin
jener Zeit, das den stets gleichen und im einzelnen doch immer wechselnden Hinter-
grund zu der äusseren und inneren Geschichte des Vf. bildet. — Mit gewohnter
Vortrefflichkeit schrieb Anton Springer '^S) seit dem Herbst 1880 die Geschichte
seines bewegten Lebens bis zur Berufung nach Leipzig 1873 ; sein Sohn, der Heraus-
geber des Buches, fügt eine kurze Schilderung der letzten achtzehn Jahre des 1891
Verstorbenen bei. Die durchweg ausserordentlich anregende Darstellung schweift
auch bisweilen auf das litterargeschichtliche Gebiet hinüber. In die deutsche Litteratur
wurde Springer erst während seiner Prager Universitätsjahre durch das Studium
Lessings wirklich eingeführt; seine philosophischen Studien, die er namentlich bei
Schwegler und Vischer in Tübingen fortsetzte, mussten ihn auch in dem litterarischen Be-
zirke stets heimischer machen. Auf einer Reise wurde er zu Anfang der fünfziger Jahre
in Dresden mit Gutzkow und Auerbach bekannt. Jenen schildert er als einen
zugeknöpften, bloss verstandesmässig arbeitenden Menschen ; diesen findet er ungemein
warm und naiv in seinen Fehlern wie Tugenden. Als niedriger Verleumder, geraein
und ränkesüchtig erscheint dagegen Sacher-Masoch. Die polizeiliche Ueberwachung
der Litteratur in Preussen wie in Oesterreich zu jener Zeit beleuchtet der Vf. von
verschiedenen Seiten her. Ausser einigen akademischen Reden Springers enthält das
Buch eine Würdigung der Verdienste, die er sich als bahnbrechender Vorkämpfer
der Kunstgeschichte an unsern Hochschulen erworben, aus der Feder Janitscheks
und einen Aufsatz Freytags über Springer als Historiker und Journalist, sehr warm
gehalten, mit wenigen Worten fein charakterisierend. F. betont die besonderen
Schwierigkeiten, die Springer bei seiner Zwischenstellung zwischen Czechen und
Deutschen, bei seinem Ausgehen von der Revolutionszeit von 1848 zu überwinden
hatte, um die für den Geschichtsschreiber seiner Zeit nötige politische Schulung zu
gewinnen. —
Weniger ergeben die Memoiren bildender Künstler für die Litteratur-
geschichte. Ein hübscher Aufsatz Hans Müllers i^^) schildert, grossenteils nach
Briefen von Wilhelm Kaulbach an seine Frau und seine Kinder und nach Tagebuch-
blättern seiner jüngsten Tochter Josepha, das trauliche Leben des Malers in seiner
Häuslichkeit, mit seiner Familie, mit Freunden und Dienern. Dabei tritt seine
menschliche Liebenswürdigkeit, sein kindliches Gemüt, seine Milde und Wohlthätig-
keit, seine Liebe zu Blumen, Pflanzen und Tieren, seine Freude an einfach-melodischer,
auch an wertlos-sentimentaler Musik und andere ähnliche Züge in ein wohlthuendes
Licht. Von schriftstellernden Bekannten wird nur Ludw. Speidel genannt. — Die
lebendig, anschaulich und interessant geschriebene Selbstbiographie des böhmischen
Bildhauers Emanuel Max von Wachstein ^^^^ liefert uns eine Fülle von mensch-
lich und künstlerisch anziehenden Ereignissen aus dem Künstlerleben (namentlich in
Italien), auch eine Reihe kulturhistorisch beachtenswerter Bilder, doch kaum Ang-aben,
die für die Litteraturgeschichte speciell eine Bedeutung gewinnen dürften. — Mehr
ist das letztere in der mit Liebe und Gewissenhaftigkeit ausgearbeiteten Biographie
der Fall, die Hermann Schmidt i^i) dem Schöpfer des Hermanndenkmals, Ernst
von Bändel, nach Briefen und eigenhändigen Aufzeichnungen desselben gewidmet hat.
Wenigstens verkehrte Bändel 1826 und 27 in Italien viel mit Platen, der sich an
den ihm geistig in mancher Beziehung verwandten, eigenwilligen und selbstbewussten
Bildhauer innig anschloss, obgleich dieser durch und durch deutsch gesinnt war,
Platen aber in seiner Bewunderung alles Italienischen sich bis zu lächerlichem
Deutschenhass verirrte. Von seiner nervösen Ueberreizung, die im Juni 1827 sogar
— 146) X W. Löblce, Lebenserinnernngen (vgl. JBL. 1891 IV 1 : 209): WIDM. 72, S. 142/3. — 147) L. Pietsch, Wie ioli
Schriftsteller geworden bin. Erinnerungen ans d. fünfziger J. Mit Bild, in Photograv. B., Fontane. 398 S. M. 6,00. |[K.
Zabel: NatZg. 1892, N. 634 (darin Charakteristik d. Schriftstellers P., seine Verwandtschaft mit Je.'in Paul in idyllischen Scenen
aus d. Kleinleben); P. Schienther: VossZg». 1892, N. 46 ^sehr lobend); WeserZg. N. 1655«; M. Haese: ML. 61, S. 818;
P. L-g.: DRs. 74. S. 315.'7; N.feS. 64, S. 267/9; VelhagenKlasingsMh. 1, S. 5703; Bär 19, S.492; F. Bienemann: BLU. 1892,
S. 792/3.]l (Vgl. .TBL. 1891 IV 1 : 206/8.) — 148) (I U : 400.) |[PrJbb. 69, S. 292/5; Nation». 9, S. 200.]] — 149) H. M. [= Hans
MallerJ, W. Kaulbach in seiner Häuslichkeit: NatZg. 1892, N. 415, 417, 423, 429. — 150) F. Max v. Wachstein, 82 Lebens-
jahre. Mit Bild. Prag, Dominicns. IV, 537 S. M. 6,00. |fj. v. Helfert: ÖLBl. 2, S. 623/4; MNordböhmExcursCIub. 16, S. 82,3.J| -
151) (I 11:296.) - 152) H. Laders, Unter drei Kaisern. Malerfahrten. Mit 221 Illustr. vom Vf. 2 Bde. (= örotesche
IV 1 c: 152-157 F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. 18./ 19. Jh. 1892, 1893.
zu einem g"lücklicherweise rasch vorüberg'ehenden Tobsuchtsanfall führte, berichtet
Bändel mehrere Beispiele. Ebenso von seiner Selbstzufriedenheit, besonders nach
dem Erscheinen der „Verhäng-nis vollen Gabel ". So schildert er auch, wie Platen ihm
oder vielmehr sich, selbst seine neuesten Oden vorliest, „jede Silbe langsam und
gleich betonend", ohne durch die Hämmer der arbeitenden Bildhauer sich irre
machen zu lassen. Sonst erzählt die Biographie von Begegnungen Bandeis mit dem
Naturphilosophen Gr. von Schubert, mit W. Wackernagel, mit Massmann, der ihn in
seinen auf ein Hermanndenkmal abzielenden Bestrebungen mit am wirksamsten
unterstützte. Die Geschichte dieses Denkmals von den ersten Skizzen 1819 und 20
an bis zur Vollendung 1875, ein Jahr vor seinem Tode, bildet naturgemäss den Haupt-
inhalt des Buches ; aus dem eingehenden Bericht über die wechselnde Förderung oder
Hemmung des Werkes durch die politischen Verhältnisse des deutschen Volkes zieht
die Kulturgeschichte im allgemeinen mehr Gewinn als die Litteraturgeschiohte im
besonderen. — Noch weniger ist für ans aus den frisch und flott, namentlich auch
sehr anschaulich beschriebenen „Malerfahrten" von Hermann Lüders i^^) zu holen.
Eine gute Bemerkung fällt bei Gelegenheit des Krieges von 1866, den der Vf. als
preussischer Soldat mitmachte. Aus dem Umstände, dass dieser Feldzug kein eigent-
licher Volkskrieg war, der auch in der Masse verstanden wird, erklärt Lüders richtig
die Erscheinung, dass er auch kein populäres Kriegslied hatte; doch sang man
vereinzelt schon auf dem Marsche die „Wacht am Rhein", die dann 1870 zum Volks-
lied wurde. —
Von Musikern kommt als ältester hier J. F. Reichardt in Betracht, dessen
„Vertraute Briefe" von 1792 in französischer Uebersetzung in der ausländischen
Kritik noch manche Beachtung fanden. ^^3) — Gades für die Geschichte des Musik-
lebens von 1840 — 80 sehr wichtige, von Dagmar Gade'^*'^^^) veröffentlichte
Aufzeichnungen und Briefe, aus dem dänischen Original nunmehr auch ins Deutsche
übersetzt, enthalten nur wenige Bemerkungen über litterarische Dinge, besonders
Klagen über die Erbärmlichkeit des deutschen Schauspiels, das er hauptsächlich auf
Reisen nach Berlin und Leipzig seit 1843 kennen lernte, einmal eine schroffe
Aeusserung seiner Schwester Sophie über Bettina von Arnim, die sie 1852 in Leipzig
sieht und „hässlich wie eine Nachteule und sehr unwahr" findet, dann wieder von
1878 ein freundliches Wort Gades über den „herzlichen, stillen" Klaus Groth. —
Ein bischen mehr von litterarischen Persönlichkeiten handelt Heinrich Ehrlichs
Selbstbiographie*'^^), ein langweiliges und widerliches Buch, im Stil oft ohne Not
pathetisch, zerfahren und verworren, durchweg von kleinlicher Gesinnung zeugend,
subjektiv-einseitig in schlimmster Weise. Der Vf. hat das Glück gehabt, unter be-
deutenden Menschen zu leben, und hat kaum einen von ihnen in seiner wirklichen
Bedeutung erkannt, misst sie samt und sonders nur mit dem eig-enen, kleinlichen
Massstab, ja wird, wo er von ihnen redet, kaum jemals rechtschaffen warm. Seine
ersten vierzig Lebensjahre behandelt er summarisch; genauer und geordneter wird
die Darstellung erst seit 1862, seit er in Berlin wohnt. Da charakterisiert er um-
ständlich den ihm von Wien (1848) her bekannten Auerbach mit all seinen Vorzügen
und Schwächen, die beide nicht nach Berlin passen, und bespricht, bald kürzer, bald
länger, Hans von Bülow, den er zuerst 1852 in Weimar sah, und seine Gattin, die be-
deutendste „femme superieure", die ihm jemals vorgekommen, die ihm aber unsym-
pathisch bleibt, während er ihrem Vater Liszt gegenüber aus seiner sonstigen Eiseskälte
doch schliesslich etwas auftaut, fernerG.Freytag, G.Kühne, Lassalle, E. Dohm, P.Lindau,
Rodenberg, 0. Blumenthal und andere. Ganz besonders gehässig und zwar unehrlich-
gehässig spricht er von Rieh. Wagner, von dem nach seiner Meinung niemand auch
nur Eine menschlich edle That nachweisen kann! Auch was er über Wagner als
Dichter und Künstler sagt, ist ganz thöricht und verkehrt; selbst die oberflächliche
Bewunderung seiner Werke, die er mitunter äussert, beweist nur ein mangelhaftes
Verständnis. Auf den — doch gewiss nahe liegenden — Gedanken, die Widersprüche
in Wagners Leben und Ansichten aus der historischen Entwicklung des Menschen
und Künstlers zu erklären, lässt ihn seine hämische Parteilichkeit nicht kommen.
Ehrlichs eigene Erlebnisse interessieren uns hier weniger, da er in erster Linie
Musiker und Musikkritiker ist; doch hat er sich auch als Novellist versucht, und so
kann er in seinen Erinnerungen gelegentlich auf die Anlässe und begleitenden Um-
stände dieser Thätigkeit hinweisen. — Sehr vorteilhaft stechen von Ehrlichs Memoiren
die Lebenserinnerungen Hanslicks ab*^'). Nicht nur wegen der frischen, klaren,
anschaulichen und geistreich anreg'enden Darstellung; auch wegen der Wärme, die
Samml. N. 42/3 ) B., Qrote. 1892. VUt, .345 S. ; 328 S. M. 8,00. - 153) J. F. Reichardt, Un Prussien en France en 1792. Strasbourg, Lyon,
Paris. Lettres intimes. Trad. et annot. par A. Laqniante. Paris, Perrin. 1892. 436 S. Fr. 7,50. |[\.Chuquet: RCr. 34, S.467;
Polybibl''. 65, S. 260/2 ; Caltnre 2, S 225 ; BURS. 56, S. 165,7.] | - 154) Niels W. Gade. Optegnelser og breve udgivne afDagmarGade.
Mit mehreren Bild. u. Facs. Kopenhagen, Gyldendal (F. Hegel & Sohn). 1892. V, 328 S. — 155) id , Aufzeichnungen u. Briefe her. v.
Dagmar Gade. Uebersctz. ans d. Dan. Mit 3 Portrr. n. 2 Facs Basel, Geering. VI, 279 S M 4,00. — 156) (I 13 : 35.1 — 157)
F. Muncker, Memoiren, Tag-ebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893. IV Ic:i58-i59
sie unbeschadet der kritischen Schärfe belebt, und weg-en des Verständnisses, das
der Vf. allem Bedeutenden in Kunst, Litteratur und Leben entgeg-enbring-t, auch da,
wo ihm eine Richtung oder ihr Vertreter aus persönlichen oder sachlichen Gründen
unsympathisch ist. Hanslick strebt augenscheinlich nach möglichster Objektivität in
diesen Memoiren, und im allgemeinen mit bestem Erfolg. Am stärksten fällt das bei
den Bemerkungen über Rieh. Wagner in die Augen, für dessen Werke Hanslick,
wie bekannt, anfänglich Propaganda machte, mit dem er zuerst auch persönlich
freundliche Beziehungen unterhielt, während er später zu den gefährlichsten Gegnern
des Menschen Wagner und seiner künstlerischen Bestrebungen gehörte. In seiner
Selbstbiographie berührt er — wenigstens bisher — dieses ganze Verhältnis auf-
fallend wenig*, vielleicht weniger als recht ist, verdient sich aber durch solche Ver-
meidung- gehässiger Offensive gewiss den Dank vieler Leser. Denn dass er seine
Gegnerschaft gegen den späteren Wagner und dessen Anhänger in keiner Weise
aufgegeben hat, geht aus einzelnen bissigen Seitenbemerkung-en zur Genüge hervor.
Auch gegen Hebbel befolgt er eine ähnliche Taktik. Bei den paar Begegnungen, die
er mit ihm hatte, konnte in ihm wahrlich keine innere Zuneigung zu dem anspruchs-
vollen, unerhört sich überhebenden Dichter aufkeimen; aber seine dramatische Be-
deutung, die Kühnheit seiner Probleme und seinen psychologischen Scharfblick ver-
kennt Hanslick keinen Augenblick, wenn er auch seinen Mangel an Schönheitssinn
und naiver Schaffensfreudigkeit, ebenso an Sinn für Musik und landschaftliche Natur
beklagt. Ausdrücklich betont er Hebbels Virtuosität im mündlichen Vortrag, der bei
ihm nur stets etwas Docierendes gehabt habe. Im übrig-en sind es naturgemäss vor
allem musikalisch bedeutende Persönlichkeiten, bei denen Hanslick ausführlich ver-
weilt: Schumann, Meyerbeer, F. Hiller, Berlioz, Liszt, Bülow, Brahms und viele andere.
Daneben ziehen aber bei der vortrefflichen Schilderung des gesamten g'eistig-künstle-
rischen Lebens in Wien und anderen Orten, wohin den Vf. sein Lebensweg führte,
auch mehrere berühmte Schauspieler (Anschütz, Loewe, Laroche, Julie Rettich,
Lewinsky usw.) an unseren Augen vorüber. Von bildenden Künstlern tritt nament-
lich Schwind mehrmals in den Vordergrund, und eine ganze Reihe von Dichtern
und Schriftstellern wird, meistens nur mit wenigen, aber treffenden Strichen,
charakterisiert, von dem alten Tiedge an, der dem fünfzehnjährigen Jüngling allerlei
über Matthisson vorsagte, bis auf manche der neuesten. Als Student schwärmte H.
für A. Grün, Herwegh, Prutz, Hoffmann von Fallersleben und ihre Genossen; seine
ersten Musikreferate schrieb er als Nachahmer des Heineschen Prosastils. In Wien
trat er frühzeitig als Mitarbeiter der „Sonntagsblätter" in Beziehungen zu L. A. Frankl
und anderen dortigen Autoren, von denen er besonders Alex. Baumann anschaulich
schildert, später zu Mosenthal, den er, ohne seine dichterischen Schwächen zu ver-
leugnen, als liebenswürdigen, heiteren Freund rühmt. In Klagenfurt lernte er flüchtig
Tschabuschnig'g, in Gastein den kranken J. Mosen, in Berlin Fanny Lewald und
Ad. Stahr, in Köln R. Benedix, in Leipzig- Julian Schmidt kennen, in München
genauer Steub, Geibel, Heyse und Wilbrandt, in London Freiligrath, Kinkel und
Dickens, seinen Lieblingshumoristen, während ihm Jean Paul stets unbehaglich war.
Zu seinem nachmaligen Leidwesen näherte er sich aus Schüchternheit dem alten
Grillparzer nicht, der doch — wie Hanslick freilich erst später hörte — seine Musik-
berichte und grösseren Schriften mit Interesse las. Eingehender als diese verschiedenen
Autoren schildert Hanslick seinen Freund Ambros, den ausgezeichneten Musikhistoriker
und jeanpaulisierenden Feuilletonisten. —
Aus dem Schauspielerkreise ist diesmal nur das Stammbuch der durch
ihre mimisch-plastischen Vorstellungen hochberühmten Henriette Hendel-Schütz zu
erwähnen, aus dem Holstein ^^*) beg-eisterte Einzeichnungen von Goethe, Schiller,
Wieland, Karoline von Wolzogen, Johannes Schulze, Thümmel, Joh. von Müller, Wilh.
Grimm, Th. Körner, Seume, Tiedge, H. von Kleist, Iffland, Fichte, Blücher, Frau
von Stael, A. W. Schlegel und vielen anderen mitteilt. —
Die verschiedenartigsten Gebiete des geistigen Lebens in Deutschland am
Ende des 18. und in den ersten vier Decennien des 19. Jh., Politik, Philosophie,
Religion, Litteratur, Geschichte, Handels wesen, werden in der von Clemens
Th. Perthes '^^) herausg-eg-ebenen Biographie (und Korrespondenz) des Buch-
händlers Friedrich Perthes beleuchtet, deren 7. Auflage nunmehr abgeschlossen
vorliegt. Sie zeigt uns den treuen, klar blickenden und erfahrenen, patriotischen und
streng protestantisch-religiösen Mann im regsten Verkehr fast mit allen, die in der
deutschen Geistesgeschichte seiner Zeit eine Rolle spielten ; seine Urteile, oft treffend,
nur gegen Goethe und namentlich geg-en kritisch-neg-ative Geister, wie die Jung-
(I 13 : 167.) — 158) H. Holstein, Aus d. Stammbuche d. Henriette Hendel-Schütz: MagdZg«. 1892, N. 11/3. - 159) Cl. Th.
Perthes, F. Perthes Leben nach dessen schriftl. u. mändl. Mitteilungen anfgez. 7. Aufl. Bd. 2 u. 3. aotha, Perthes. 1392.
Jahresbericht« für neuere deutsche Litteratnrgesohichte. IV. M^)
IV lc:i6o-i66 F. Muncker, Memoiren, Tagebücher u. Briefwechsel d. 18./19. Jh. 1892, 1893.
deutschen, die Vf. der „Hallischen Jahrbücher", D. F. Strauss, bisweilen ungerecht,
streifen leichter oder nachdrücklicher eine kaum übersehbare Reihe von Persön-
lichkeiten, von denen er den meisten auf seinen zahllosen Reisen unmittelbar nahe
getreten war. Neben Claudius, Stolberg, dem gegen alles Romantische bitter unduld-
samen Voss, und dem an liebe so reichen F. H. Jacobi stehen da W. von Humboldt,
dessen wahre menschliche Grösse, tiefes Gemüt und ernsten guten Willen Perthes
durch die äusserliche Kälte und die sarkastischen Einfälle seines Witzes hindurch
erkennt, A. W. Schlegel, sein Bruder Friedrich und seine treffliche Gattin Dorothea,
Fouque und der liebenswürdige und wunderliche Chamisso, Görres, der unruhige
Hormayr, Jean Paul, von dessen menschlicher Persönlichkeit Perthes keinen be-
deutenden Eindruck erhält, aber auch der Frhr. von Stein, Arndt, Niebuhr und L.
von Ranke, der Frhr. von Meusebach, Neander, Job. Gg. Rist und viele andere. —
Wie Perthes, pflegte der Berliner Verlagsbuchhändler Georg Andreas Reimer einen
ausgebreiteten, meist freundschaftlichen Verkehr mit den verschiedensten Persön-
lichkeiten unserer Litteratur. Aus seiner reichhaltigen Korrespondenz ist zwar mit
das Beste verloren gegangen, die Binefe H. von Kleists, Novalis, Jean Pauls, Fichtes,
A. von Humboldts und anderer; immerhin aber kann Hirzeli^*^) noch eine hübsche
Anzahl von Briefen an ihn aus den J. 1802 — 39 mitteilen. Die ersten (1802—8)
stammen von F. Schlegel, von dessen dichterischen Plänen (einem Lustspiel „Florio"
und einem anderen Drama) und altindischen Studien in Paris sie berichten; mehrere
dieser Briefe behandeln Schleiermachers „Piaton" und den Ideendiebstahl, dessen
Sohlegel hier den Freund beschuldigte, wie bereits anderweitig bekannt ist. Dann
folgen Briefe von Varnhagen, von Steffens (aus der traurigsten Periode seiner
Hallesohen Professorenjahre), von Eichhorn und L. Tieck, von Arndt (aus der Zeit
seiner politischen Verfolgung 1821—22), endlich zwei Briefe A. W. Schlegels (1838—39)
über die Veränderungen, die Tieck an Schlegels Shakespeare-Uebersetzung anbrachte,
und über Tiecks Anmerkungen zu Shakespeare, die Schlegel bei aller sonstigen
Achtung für den Dichter und Gelehrten Tieck gar nicht befriedigten. Ueberhaupt
zeugen die beiden Briefe reichlich von dem berechtigten Selbstbewusstsein sowohl
wie von der lächerlichen Eitelkeit ihres Vf. ; dabei enthalten sie aber vortreffliche Be-
merkungen über die Aufgabe des dichterischen Uebersetzers im allgemeinen wie
im einzelnen. —
Schliesslich seien hier noch einige Schriften angereiht von Autoren,
deren Beruf sich nicht so ohne Weiteres bestimmen lässt. Luc GersaP^i)
plaudert in seinen (alsbald ins Deutsche übersetzten) Skizzen von Spree-
Athen auch ziemlich oberflächlich über die litterarischen Persönlichkeiten und Be-
strebungen in Berlin, charakterisiert kurz und stellenweise nicht übel mehrere
Männer der Wissenschaft, die dort lehren, nennt ein Dutzend oder mehr Dichter-
namen, giebt eine Uebersicht der socialdemokratischen und sonstigen Zeitungen von
Berlin, kanzelt das Theatertreiben der Reichshauptstadt, die Stücke, die man auf-
führt, die Schauspieler und Schauspielerinnen etwas arrogant, aber im einzelnen gar
nicht immer mit Unrecht ab und sagt so mehr oder weniger unreif und doch hie
und da zutreffend seine Meinung über Verschiedenes, was die moderne deutsche
Litteratur überhaupt berührt. — Für diese haben die Erinnerungen an die alte
Burschenherrlichkeit von Theobald Rassmus^^Z) kaum ein aktuelles Interesse.
In seiner sehr rosig gefärbten Schilderung der Jenenser Studententage und Studenten-
streiche giebt der Vf. (S. 42) eine bequeme Zusammenstellung der berühmten und
besonders litterarisch ausgezeichneten Männer, die in Jena studierten, lehrten oder
vorübergehend als Gäste wohnten. Später schildert er eine lustige studentische
Travestie der Schillerschen „Räuber" (litterarisch wertlos) sowie eine Vorstellung
desselben Dramas in Weimar unter Beteiligung der Studenten durch die üblichen
Gesänge. — Emils i^^-) novellistisch abgerundete Ghettogeschichten aus Prag haben
mit Litteraturgeschichte nichts zu thun ; einige vielleicht bedeutsamere autobiographische
Aufzeichnungen vornehmlich von Vf. aus den Ostseeprovinzen sind mir nicht zu-
gänglich gewesen^ß^"*^^). —
VI, 341 8 ; VI, 538 S. M. 11,40. (Alle drei Bde. M. 18,00.) — 160) G. Hirzel, üngedr. Briefe an G. A. Reimer: DR. 4,
S 98-114,238-53.- 161) (I 4 : 337.) |[E Koschwitz: DLZ. 1892, S. 1370/1.]| — 162) Theobald Rassmus [= 0. H. Leh-
mann], 0 qnae mntatio rerum! Reminiscenzen e. alten Jenensers. Mit 12 Illustr. 2. (Titel-)Aufl. Dresden, Alex. Beyer.
XII, 168 S. M. 3,50. (1. Aufl. 1890.) —163) Em. Emil, Erinnerungen e. alten Pragers. Ghettogesch. aus vergangenen Tagen.
L., Malende. 252 S. M. 3,00. - 164) O X V. Diederichs, J. H. Kant: BaltMschr. 40, S. 535-62. (S. u. IV 5.) — 165) OX
id., E. V. Klopmanns Aufzeichnungen über sein Leben: ib. S. 108-31. — 166) O X Baron L., Lose Blätter aus meinem un-
geschriebenen Tagebuche. 3. Aufl. B., Eckes & Co. 96 S. M. 1,00. —
Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./ 19. Jahrhundert. IV Id: i
Id) Die deutsche Litteratur und das Ausland.
Adolf {Stern.
Frankreich: Deutsche Litteratur in FrunVreich: Einfluss im allgemeinen N. 1; gesammelte Essays N. 3;
Anthologien N. 4; Goethe (Werther) N. 12; Schiller N. 13; Kotzebne N. 15; Heine, Jercmias Gotthelf N. 16; moderne
Litteratur (Hauptmann, Halbe) N. 18. — Französische Litteratur in Deutschland: Moliere N. 22; Anfklärungszeit N. 25;
Romantik N. 26. — England: Deutsche Litteratur in England: Carlyles Wirksamkeit N. 28; Anthologien N. 30;
Ausgaben (Eichendorff, Hauff) N. 33; Uebersetzungen N. 36; kritische Studien N. 45. - Englische Litteratur in Deutsch-
land: Volkspoesie (Percy) N. 57; Shakespeare (Allgemeines, Hamlet, Regis Uebersetzung, Verhältnis zu Lenz, zu Klinger, zum
Naturalismus) N. 59; Milton N 68; Einfluss auf Hölty, Kotzebne N. 69; Macauly N. 71. — Italien: Deutsche Litteratur in
Italien: Uebersetzungen (Lyrik, K. F. Meyer) N. 72; Studien (Goethe, Lessing) N. 77. — Italienische Litteratur in Deutsch-
land: Dante, Tusso N. 78; Goldoni N. 81; Mantegazza N. 85; Gildemeister N. S6. — Spanien: Allgemeines (Dorers Studien)
N. 87; Cid N. 89; Don Quixote N. 90; Calderon (Richter von Zalamea) K. 91; Spanische Litteratur der Gegenwart N. 92;
Goethe in Spanien N. 94. —
Bis auf den heutigen Tag" ist die Thatsache, dass Deutschland, in der Mitte
Europas, allen Einwirkung-en von West und Ost, von Nord und Süd ausgesetzt liegt,
dass in Wechselwirkung* damit unsere Litteratur den Einflüssen des Auslandes am
offensten, unsere Wissenschaft den Schöpfungen, Leistungen und Anregungen aller
Kultur- und Halbkulturvölker am zugänglichsten ist, ein Thema nie endender Er-
örterungen, nie zu schlichtender Streitfragen geblieben. Zwei Anschauungen, von
denen die eine nur den geistigen Gewinn veranschlagt, der uns durch den unermüd-
lichen Austausch mit der Fremde erwächst, die andere ebenso einseitig nur beklagt,
dass die Natur und wir selbst keine besseren Schranken gegen das Ausland auf-
gerichtet haben, stehen sich nach wie vor unversönlich gegenüber. Obschon unver-
kennbar die Teilnahme an deutscher Litteratur, namentlich in England, Frankreich
und Italien wächst, sind es noch immer wir, die der Vergangenheit und Gegenwart
nahezu aller Litteraturen ein weit stärkeres und in der That oft ein Interesse widmen,
das nicht überall berechtigt und fruchtbar g*enannt werden kann. In der Zahl un-
gleichwertiger Erscheinungen, mit denen ein Jahresbericht zu thun hat, ist es freilich
nicht möglich, alle einzelnen auch unter diesem Gesichtspunkte zu prüfen und ab-
zuschätzen, obschon der Punkt nie aus dem Auge verloren werden sollte. Die
Vielseitigkeit wie die Menge der hier in Frage kommenden Studien und Arbeiten
verlangt vom urteil sicher einige Zurückhaltung, aber sie hebt sein Recht und seine
Pflicht nicht auf. Eine annähernde Ausgleichung des Anteils, den wir der fremden
Litteratur widmen, und der vice versa unserer eigenen gegönnt wird, findet, trotz
allem, am ehesten zwischen Frankreich und Deutschland statt. Die Zunahme
ernster Beschäftigung mit deutscher Litteratur in Frankreich ist eine höchst
beachtenswerte und, im Gegensatz zur Stimmung im politisch lauten und mass-
gebenden Teile des französischen Volkes, bedeutsame Erscheinung. Und bei so
vielen Erörterungen und Nachweisungen über die Einflüsse französischer Geistesgrössen
auf die deutsche Litteratur hat eine Untersuchung im umgekehrten Sinne über den
Einfluss deutschen Geistes im allgemeinen auf die gesamte französische Litteratur,
namentlich aber auf die des 19. Jh. schon lange am Wege gelegen. Selbst die Behauptung
der Franzosen, dass ihnen bis zum Anfang unseres Jh. Deutschland fast ganz unbe-
kannt und die Gedankenbewegung im Nachbarlande nahezu völlig unverständlich
gewesen sei, hätte auf ihre Richtigkeit und namentlich auf ihre Ausnahmen geprüft
werden müssen. Die Thatsache, dass mit der Wende des 18. Jh. neben der englischen
auch die deutsche Litteratur stark auf die Franzosen zu wirken beginnt, stellt die
französische Geschichtsschreibung und Kritik selbst nicht in Abrede, immerhin war
es eine umfassende und dankenswerte Aufgabe, die sich Meissner i) mit der Arbeit
über den „Einfluss des deutschen Geistes auf die französische Litteratur des 19. Jh.
bis zum J. 1870" stellte. Leider hat der Vf. von vornherein ziemlich einseitig und
ausschliesslich die Aeusserungen der französischen Kenner und Beurteiler deutscher
Litteratur von Madame de Stael bis zu St. Rene Taillandier ins Auge gefasst und
ist nur gelegentlich dem weit wichtigeren Teile der Aufgabe der wirklichen Ein-
wirkung des deutschen Geistes namentlich der Poesie auf die französische Produktion
und Weltanschauung näher getreten. Die Würdigung der deutschen Litteratur seitens
einer kleinen Gruppe französischer Kenner ist sicher nicht unwichtig und die Ueber-
sieht des hier Geleisteten nicht uninteressant, aber von ganz anderer, wenngleich viel
schwerer nachzuweisender Bedeutung sind die Einflüsse deutscher auf französische
Schöpfungen. M. nimmt bei der Erwähnung Chateaubriands, Senancourts, Benjamin
Constants, Lebruns u. a. einen Anlauf hierzu, im Zusammenhang seiner Arlaeit jedoch
bedeuten diese vereinzelten Bemerkungen wenig. Selbst zu einer Geschichte der
1) F. Meissner, D. Einfluss dtsch. Geistes auf d. franz. Litt. d. 19. Jh. bis 1870. L., Renger. VIII, 249 S.
M. 5,00. IfDRs. 77, S. 158; E. Wasserzieher: ASUS. 91, S 3356; R. Mahrenholtz: LBlGRPh. S. 327 8: Th. Sttpfle:
(4)7*
IV ld:2-3 Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert.
französischen Kritik über neuere deutsche Werke g-iebt sein Buch nur Material;
weder treten die Gesichtspunkte, nach denen die französischen Kritiker geurteilt,
klar hervor, noch g-iebt sich der Vf. die Mühe, das Vei^wandte, g-eistig- Ueberein-
stimmende zu gruppieren. Er selbst will seine Nachweisung-en nur als Bausteine
zu einer zusammenhäng-enden Darstellung- des Einflusses deutscher Litteratur in
Frankreich angesehen haben, doch auch dafür können sie bei ihrer Zufälligkeit und
Lückenhaftigkeit nur im beschränktesten Sinne gelten. Wären wenigstens die
direkten und unmittelbaren Einflüsse der deutschen auf die französische Dichtung in
einiger Vollständigkeit dargestellt, so könnte man auf die Nachweisung der mittel-
baren, weniger rasch zu ergründenden einstweilen verzichten. Interessant bleiben
auch die mittelbaren und indirekten Einflüsse. Wenn es z. B. unter dem Stichwort
Victor Hugo heisst: „Unter seinen W^erken ist bloss seine sogenannte Trilogie ,,Die
Burggrafen" der deutschen Geschichte entnommen, aber so phantastisch behandelt,
dass man sich in die Zeiten der rohesten Barbarei versetzt glaubt und von deutscher
Art auch nicht die geringste Spur vorhanden ist. Ebenso unsinnig ist in „Hernani"
der Monolog Kaiser Karls V. in einem Keller in Frankfurt a. M., wie denn überhaupt
Hugo mit der Weltgeschichte in sonderbarer Weise umgeht", so wäre eben der
Nachweis wichtig gewesen, auf welchem Wege und durch welche Ueberlieferungen
Victor Hugos Phantasie zu dem Bilde des mittelalterlichen Deutschland gelangt ist,
das der Poet in den „Burggrafen" vor uns aufrollt. Auch verstehen wir nicht recht,
wie M. zu der Behauptung gelangt, dass im Trauerspiel „Hernani" Karl V. einen
Monolog „in einem Keller zu Frankfurt a. M." halte. Der vierte Akt besagter Tragödie
spielt allerdings in der Gruft Karls des Grossen zu Aachen, aber zwischen dieser
und einem beliebigen Keller in Frankfurt ist doch wohl noch ein Unterschied, und
derartige Flüchtigkeiten sollten wenigstens nie in Verbindung mit herb verurteilen-
der Kritik auftreten. Die grössere Zahl der Beurteilungen des M.schen Buches ist
daher auch ziemlich abweisend ausgefallen; mit allem Recht protestiert man gegen
die Begnügsamkeit, die von vornherein auf eine wirkliche Bewältigung der Aufgabe
verzichtet. Dürfte man den Tenor, mit dem ziemlich einstimmig das blosse Zusammen-
stoppeln von Material abgelehnt wird, als den Grundton künftiger Anschauung und
Kritik betrachten, so wäre bei dieser Gelegenheit ein wesentlicher Fortschritt zu
verzeichnen. Denn je ungeheuerlicher das wissenschaftliche Material auf allen Ge-
bieten anschwillt, um so rücksichtsloser muss geistige Erhebung über das Material
gefordert werden. — In einem wenn auch nur losen Zusammenhang mit der un-
gelösten Aufgabe des Meissnerschen Buches, steht ein Aufsatz über Tocquevilles
Memoiren 2), der daran erinnert, dass dieser Politiker und Historiker der deutschen
Einigung mit reiferem Urteil und freundlicheren Gefühlen gegenübergestanden hat,
als die Mehrzahl seiner Landsleute, und der es beklagt, dass die Einsicht Tocquevilles:
„Ich für meine Person bin der Ansicht, dass unser Westen bedroht ist, früher oder
später unter das Joch oder doch unter den Einfluss der Zaren zu fallen, und ich
meine deshalb, dass unser vornehmstes Interesse ist, die Einigung aller germanischen
Rassen zu begünstigen, um sie jenen entgegenzusetzen" in Frankreich zum weissen
Raben geworden ist. Der Aufsatz teilt u. a. eine Verbrüderungshymne „Teutonen
und Franken" mit, die vom Baron Taylor gedichtet, von französischen Gesang-
vereinen noch 1865 vorgetragen wurde. „Noch seltsamer als die Aeusserung Tocque-
villes wirkt dieses Gedicht als Stimmungsdenkmal einer Vergangenheit, die noch
gar nicht so weit hinter uns liegt, und deren Anschauungen wir uns doch heute
kaum noch vergegenwärtigen können." —
Ein charakteristisches Zeugnis für die Teilnahme, die eine Gruppe der
französischen Litteraturforscher unseren deutschen Dichtern und dem germanischen
Geiste überhaupt widmet, erhalten wir in den gesammelten litterarischen Essays
von Le Fevre-Deumier^), in denen „Oehlenschläger, der nationale Dichter Däne-
marks" ohne weiteres und schliesslich nicht ohne ein gewisses Recht, als „be-
rühmter Deutscher" behandelt wird, ausser Oehlenschläger aber Heinrich von Kleist,
Müllner, Ernst Schulze und in beinahe komischer Zusammenstellung — „Paracelse",
will sagen Theophrastus Paracelsus von Hohenheim, einem wissbegierigen fran-
zösischen Publikum vorgeführt werden. Schon diese Zusammenstellung verrät, dass
der Vf. trotz seiner Kenntnis der deutschen Litteratur die alte französische Vor-
stellung von deutschem Leben und Wesen nicht völlig abgeschüttelt hat und noch
immer meint, etwas von dem mystischen, sich geheimer Kräfte rühmenden, zu gleicher
Zeit forschenden und prahlenden Charlatan sei eben in Deutschland allgemeiner vor-
handen und echt „teutonique". Die beiden interessantesten Studien des Buches sind
die über Oehlenschläger und Heinrich von Kleist. Dass letztere sich auf kein anderes
DLZ. S. 874/6; LCBl. S. 1650/1; Bär 19, S. 731; LZg«. N. 68.]| — 2) Ans A. dt» Tocquevilles Erinnerungen: KZg. N. 288. -
3) J. Le Keyre-Denmier, Celebres Allemands. Essais bibliogr. et litter Puris, Firmin Didot. 289 S. |[WestroR. 140,
Ad. Ötern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert. IV ld:4-i2
unbekannteres Material stützt, als die grösseren biographischen Werke von Wilbrandt
und Brahm gereicht L. F.-D. natürlich nicht zum Vorwurf, und selbst auf kleine Irrtümer
braucht man kein Gewicht zu legen. Dass sich Henriette Vogel, die Todesgenossin
Kleists, in eine „Adolphine" verwandelt, dass die unbedeutenden Berliner „Abend-
blätter" ein litterarisches Journal genannt und wahrscheinlich mit dem „Phöbus"
verwechselt werden, wird den Franzosen wenig verschlagen und ihre Erkenntnis
Kleists nicht beeinträchtigen, viel bedenklicher erscheinen die Urteile des Vf. „Die
Hermannsschlacht" Kleists mit ihrem wilden Trotz und Hass gegen die Franzosen
Napoleons I. wird jedem französischen Beurteiler des Dichters unbequem sein. Aber
„Hermanns Schlacht" von Klopstock ihr zur Seite, ja über sie hinauszustellen, ist
nur dann möglich, wenn man den Deutschen einmal für allemal das Nebelhafte, Ge-
staltlose, Rhetorisch-Phantastische als ihr besonderes Gebiet anweist, wozu L. F.-U. trotz
guter und ernster Studien nicht übel Lust zeigt. —
Zur Einführung in die deutsche Balladenpoesie dient eine Anthologie,
durch Kont*) herausgegeben, die sich von Bürgers „Lenore" bis zu Hebbels Balladen
„Schön Hedwig" und „Der Heideknabe" erstreckt, übrigens nicht chronologisch,
sondern nach fünf bestimmten Stoffgruppen geordnet ist, wobei denn als eine Haupt-
gruppe eine Anzahl der Balladen und poetischen Erzählungen erscheint, in denen
die deutschen Poeten allzu eifrig französische Revolutionsscenenund die bonapartistische
„Gloire" verherrlicht haben. Eine gut geschriebene Einleitung und erläuternde Noten
unter allen einzelnen Balladen dienen dem unmittelbaren pädagogischen Zweck der
Arbeit. Hierbei fällt es wiederum auf, dass der Anteil der Franzosen an unserer
poetischen Litteratur sich auch auf Talente erstreckt, die bei uns völlig" in den Hinter-
grund getreten sind. K.s Auswahl bringt Balladen von Conz, Woltmann, AI. Schreiber.
K. Streckfuss, A. Nodnagel, W. Smets, W, Zimmermann, die aus unseren Anthologien
verschwunden, von A. Schnezler, Halm und Zedlitz, die seltene Gäste in ihnen ge-
worden sind. Die Noten zeugen von grosser Belesenheit in der deutschen Litteratur,
wenn auch einzelne Irrtümer und Flüchtigkeiten in ihnen mit unterlaufen. So ist
z. B. Wolfram von Eschenbach der Dichter des Parzival, aber nicht des Lohengrinepos;
Tiecks ,, Ritter Blaubart" und „Prinz Zerbino" gehören nicht zu den Romanen, sondern
zu den dramatischen Dichtungen des Romantikers, Goethes Singspiel heisst „Die
Fischerin" und nicht „Das Fischermädchen"; Wagners „Fliegender Holländer" stammt
von 1842 und nicht von 1872 usw. Urteile wie die, dass Hebbels Tragödie „Maria
Magdalena" ein Seitenstück zu Schillers „Kabale und Liebe", dass Geibel „der erste
klassische Dichter nach Goethe" sei, mag der Herausgeber verantworten, wie er
kann. — Dem Balladenbuch reiht sich LeFevre-Deumiers^) umfangreichere Aus-
wahl aus deutschen Dichtern und Prosaisten, mit einer Einleitung „Uebersicht der
deutschen Litteratur von Luther bis auf unsere Tage", als eines der zahlreichen
Hülfsmittel an, durch die der jüngeren Generation in Frankreich die deutsche Sprache
und Litteratur zugänglich gemacht werden sollen. — Hierher g-ehören auch die Samm-
lungen von Stoffel^) und von S cherdlin "), die Erzählungen und ausgewählte
Stücke von Schmid fdem Vf. der „Ostereier"), Krummacher, Liebeskind, Lichtwer,
Hebel, Herder und Campe mit Lebensabrissen der Vf. und französischen Noten
bringen. — Dagegen sind die kleinen Sammlungen von Millien^) und Marcou^),
die uns nicht zu Gebote stehen, wohl selbständige Uebertragungen deutscher Gedichte.
— Die Schweiz ist eine der gangbarsten Brücken, über welche die deutsche Litteratur
ihren Einzug in Frankreich hält. Die BURS. vermittelt mit Vorliebe die Leistungen
deutscher Lyrik (wie z. B. F. Oser) den französisch sprechenden Landsleuten und darnach
auch den eigentlichen Franzosen *'>"'^). (Vgl. IV 5 : 17.) —
Im Anschluss an Goethes Werther gab Hermenjat^^j eine vergleichende
Litteraturstudie, die leider die einzige ihres Vf. bleiben sollte. Der jugendliche Autor
(gest. zu Lausanne am 31. Okt. 1891) hatte die feinsinnige Untersuchung, die als
die „Brüder Werthers": Foscolos „Jacopo Ortis", Chateaubriands „Rene", Nodiers „Maler
von Salzburg", Senancourts „Obermann", Benjamin Constants „Adolphe" betrachtet,
also hauptsächlich die französischen Brüder des deutschen Helden charakterisiert,
auch die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Byrons Harold und Puschkins Eugen
Onägin und Werther nicht ausser Augen lässt, als Dissertation bei der Akademie
S. 688.]| — 4) J. Kont, Choix de ballades allemandes (Ballndenbuch). Avec nne inirod. et des notes. Paris, Garnier. 243 S.
— 5) J- Le FeTre-Denmier, Le^ons de 1a litt allenande. Morceanx choisis des poetes et des prosatenrs classiqnes.
Onvrage prec. d'un conp d'ceil sur la litt, allem, depnis Luther jusqu'ä nos jonrs. Paris, Firmin Didot. 4". XIX, 373 S.
— 6) J. Stoffel, Konv. cours de la lang-ne allein. Extraits en prose et en vers de principanx antenrs allemands. Paris,
Vic et Amat. 16". IV. 120 S. — 7) D £■ Scherdlin, Contes et morceanx choisis de Schmid, Kriimmucher, Lieheskind,
Lichtwer, Hebel, Herder et Campe. Avec des notices snr les antenrs et de notes en fran9. Nouv. ed. Paris, Hachette.
XVI, 260 S. Fr. 1,50. — 8) A. Millien, Fleurs de poesie. Morceanx des poetes etrangers contemp. Trad. en vers. Nevers,
Impr. Valliere. 16 S. — 9) F. L. Marcon, Recneil de morceanx choisis des poetes et prosatenrs. (Darin: Poetes allemands.)
Paris, Garnier. UI, 257 S. — 10) Poesies allemundes snr la Snisse: BURS. 57, S. 408.9 (Ueber d. Anthol. „D. Schweizerland
im Liede".) — U) Chroniqne allcniande: Fr. Oser: ib. 53, S. 402/4. ~ 12) L. Hermenjat, Werther et les freres de Werther.
IV Id: 13-15 Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert.
von Lausanne eingereicht, und diese ist der Arbeit, ohne ihre Meinungen vertreten
zu wollen, wenigstens so weit gerecht geworden, dass sie deren Druck ange-
ordnet hat. (Vgl. IV 8d u. 8e; ferner IV 11 : 49.) —
Von einer nicht bloss schulmässig bedingten Teilnahme an deutscher Litte-
ratur zeugen die Schillerübertragungen von Schmitt^^"'*), Uebersetzungen der
historischen Schriften und der „Braut von Messina", deren jedoch an anderer Stelle
zu gedenken sein wird (s. u. IV 9:32, 37, 41, 85, 96/8, 125, 140). —
Der Eifer der französischen Erforscher deutscher Litteratur ist so gross,
dass er es unternimmt, gewisse Lücken unserer eigenen Litteraturgeschichte zu er-
gänzen. Trotz einer kleinen Bibliothek von Schriften über und namentlich gegen
Kotzebue haben wir es zu einer umfassenderen und erschöpfenderen Darstellung
dieses problematischen Schriftstellercharakters, einem eingehenden Werke über seine
Zeit und die "Wirkungen, die er auf sie hatte, noch nicht gebracht und sind in dieser
Beziehung von einem Buche wie dem Rabanys^^) gewissermassen beschämt worden.
Zieht man freilich in Betracht, von welchen Voraussetzungen der französische Litterar-
historiker bei seiner Rettung Kotzebues ausgeht (er verwahrt sich zwar dagegen,
eine Rettung beabsichtigt zu haben, erklärt aber ausdrücklich, dass litterarischer
Hass und politische Parteileidenschaft Kotzebues Bild verdunkelt hätten), so darf
man noch bezweifeln, dass diese französische Wiederauferstehung dem viel angefochtenen
Dramatiker und Pamphletisten zum bleibenden Vorteil g-ereichen werde. Nach R.s
Meinung hat Kotzebue das ungünstige Schicksal gehabt, von seinen deutschen Lands-
leuten als eine Art fremder Vogel, in einem germanischen Nest ausgebrütet, be-
trachtet zu werden. Die Deutschen vermissen in ihm die charakteristischen Züge
ihrer Rasse, sind empört über seine Neigung zum Spott, und Kotzebue hat, wie
später Heine, erfahren müssen, dass die Deutschen von Natur den Geist — in dem
sie mit Joseph de Maistre etwas Satanisches finden — nicht lieben. W^enn den
Franzosen die lottrige geistige Beweglichkeit, die rasche, aber flache Eindrucks-
fähigkeit der Kotzebueschen Phantasie und die charakterlose Händelsucht des Lust-
spieldichters schon als Geist erscheint, lässt sich nur entgegnen, dass wir im allge-
meinen höhere Anforderungen stellen, um einen Schriftsteller als Mann von Geist zu
ehren, dass aber die starke gegen Kotzebue waltende Abneigung auf den Eindruck
zurückzuführen ist, dass er und sein Schaffen überall ein Zerrbild der tieferen und
mächtigeren geistigen Bewegungen darstellen, die Deutschland in der Wende des
18. und unseres Jh. durchdrangen. Immermanns gewichtiges Wort, dass Kotzebue
mit unfehlbarer Sicherheit auf den Plebejer und die plebejischen Neigungen jeder-
manns wirke, trifft eben tiefer, als R. zugiebt. Er meint, Kotzebue nehme in der
deutschen Litteraturgeschichte einen Platz ein, der gleich weit vom Genie und der
Mittelmässigkeit entfernt sei. Er berühre einigemal die erste Region, aber entbehre,
um sich in ihr dauernd zu behaupten, die edle Sehnsucht nach dem Ideal, er habe
die Freude am unmittelbaren Erfolg, an der Popularität bei Lebzeiten, die immer
auf Kosten des dauernden Ruhms erkauft werde, zu eifrig vorweggenommen. Das
alles ist wahr, aber es reicht nicht aus, den Widerwillen gegen das eitle, überall
von den niedrigsten Instinkten der menschlichen Natur bewegte Talent des Mannes
zu erklären, und alle Sorgfalt R.s wird diesen Widerwillen bei uns nicht beseitigen. Nichts-
destoweniger verdient das französische Werk die Anerkennung, eine Schuld der
deutschen Litteraturgeschichte eingelöst und Kotzebues fruchtbare Leichtigkeit voll-
ständig und mit Berücksichtigung aller ihrer so zahlreichen als vielseitigen Zeugnisse
gewürdigt zu haben. Der Massstab, den R. an poetische Werke anlegt, wird uns
nicht recht klar, da es ihm möglich ist, Dichtungen wie „Menschenhass und Reue",
„Octavia" und „Rollas Tod" als Werke ersten Ranges zu bezeichnen. Wenn er
geltend macht, dass Kotzebues wahre Originalität in der Komödie liege, die er in all
ihren verschiedenen Formen von der grossen Sittenkomödie bis zum „Schwank zur
Verdauung" beherrscht habe, so wird er auch in Deutschland auf wenig Wider-
spruch stossen. Immerhin hätte dem Landsmann Molieres der Mangel eines bleibenden
Elements, die überrasche Vergänglichkeit aller Typen und Gestalten Kotzebues
etwas stärker auffallen und die Betrachtung nahe leg'en sollen, dass in der ge-
samten Menschendarstellung Kotzebues eine wurzellose, scheinlebendige Geschick-
lichkeit die echten produktiven Antriebe weit überbot. Die umfassende Studie R.s
hat in Deutschland, wiederum im inneren Zusammenhang mit der über ihren Helden
Etüde de litt, comparee. Diss. Lansanne, Imprim. Ch. Pache. 1892. 141 S. (Vgl. JBL. 1892 IV 8d : 16.) — 13) X I^
Schinitt, F. Schiller, OOuvres historiques. Avec notices et notes. 4. ed. (= Les auteurs du prograinnie du cours snp. de
la langae alleroande [Extr. relies par des analyses].) Paris, Delagrave. 18". V, 70 S. (Vgl. IV 9:30.) — 14) X »d., La
fiancee de Messine, tragidie de Schiller. Avec notices et notes (Classiqnes alleroands). 4. ed. (=: Cours saperienr de langue
allemande. Les auteurs du programme [extr. reli^s par des analyses]. Classe de rhetoriqne.) ebda. 18°. VI, 63 S. Fr. 0,75.
(Vgl. IV 9:126.) — 15) Ch. Rabany, Kotzebue, sa vie et son temps, ses (Buvres draniat. Paris u. Nancy. Berger, Levrault & Co.
VII. 536 S. ||K Trost: NorddAZg.N. 376; BLU. S.5S9.]| (Thfese pourledoctorat. Pres. ii la Fac. des Lettres de Paris.) (Vgl.IV4:38.)
Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert. IV ld:i6-25
herrschenden Anschauung-, nur mässig-e Würdigung gefunden. In dem sehr sorg-
fältigen bibliog-raphischen Anhang seines Werkes verzeichnet R. 218 dramatische
Werke, 13 Romane und Novellensammlungen, 2 Gedichtsammlungen (es muss deren
mehr geben), 5 historische Werke, 4 autobiographische und Reisewerke, 12 pole-
mische und vermischte Schriften, 10 Zeitschriften, die der Unermüdliche veröffentlicht
hat. Unter die Zeitschriften ist allerdings auch eine Skizzensammlung" wie „Clios Blumen-»
körbchen" gerechnet worden. Alles in allem eine ungeheure litterarische Thätigkeit,
von der freilich nur kümmerliche Reste und Ueberlieferungen bis zu uns ge-
langt sind. —
Dass von den Vertretern der neueren deutschen Litteratur den Franzosen
Heinrich Heine noch immer am nächsten steht und fortgesetzt zu kritischen
Würdigungen Anlass giebt, wie denn Girots'^J Buch nur eine der zahlreichen
französischen Veröffentlichungen über diesen Dichter ist, darf uns nicht Wunder
nehmen. Indessen ist die Zeit vorüber, wo mit der Nennung der Namen Hoffmann und
Heine die Kenntnis grosser französischer Lebenskreise von deutscher Litteratur er-
schöpft und beschlossen war. — Selbst eine so ausschliesslich deutsche, ja provinziell
deutsche Erscheinung wie Jeremias Gotthelf '"J hat französische Uebersetzer und
Beurteiler gefunden. —
Die „Eroberung Frankreichs" durch die moderne Litteratur der „nordischen
Barbaren", zu denen neben Tolstoi und Ibsen auch Richard Wagner und die
deutschen Poeten naturalistischer Schule gerechnet werden, scheint nach den
Pariser Theaterereignissen und kritischen Kämpfen des J. 1893, wie uns Poppen-
bergs'^) interessante Zusammenstellung lehrt, im vollen Gange. — Den fragmen-
tarischen Uebersetzungen von Gerhart Hauptmanns „Einsamen Menschen" und
Max Halbes „Jugend" durch Cohen ^'■'-2*^) folgte die Aufführung von Hauptmanns
„Webern" 21), die gewaltigen Staub aufwirbelte, aber im Endergebnis doch ein ent-
schiedener Erfolg des deutschen Dichters war. —
Wenden wir uns nun zu dem, was im Berichtsjahre bei uns für das Ver-
ständnis und die Aufnahme französischer Litteratur in Deutschland geschah,
so ist zunächst noch einer Reihe mehr oder minder eingehender Besprechungen
der früher (vgl. JBL. 1892 IV Id: 1/2; 4 : 95) gewürdigten Moli er e Übertragung
Fuldas zu g'edenken'-2}. — Von der jüngsten zur ältesten Verdeutschung des fran-
zösischen Komödiendichters führt uns die Schrift Eloessers^^) über die älteste
deutsche Uebersetzung Molierescher Lustspiele, unter der er die Uebertragung-en
„Amor der Arzt" (L'amour medicin), „Die köstliche Lächerlichkeit" (Les precieuses
ridicules), „Der Hahnrei in der Einbildung" (Sganarelle ou le cocu imaginaire),- „Der
Geitzige" (L'avare) und „Georg Dandin" (Georges Dandin ou le mari confondu)
versteht, die in der „Schaubühne Englischer und Französischer Komödianten"
(Frankfurt 1670 bei Johann Georg Schiele) gedruckt sind. Den Uebersetzer kann
er nicht nennen; dass er selbst Schauspieler gewesen sei, lässt sich nicht beweisen.
„Dass er aber den Komödiantenkreisen zum mindesten nahe stand und für ihre
Zwecke arbeitete, geht aus der Anlage und dem Zwecke der „Schaubühne" hervor.
Das Verdienst, die Bedeutung Molieres für die deutsche Bühne erkannt zu haben,
gebührt den Komödianten. Der grösste Dramatiker Frankreichs, der sich durch
geniale Hebung vorhandener populairer Motive aufg*eschwungen hatte, fiel nicht in
die Hände eines bühnenfeindlichen gelehrten Interpreten, an der Hand eines un-
bekannt gebliebenen Komödianten setzte er, der selber als wandernder Komödiant be-
gonnen hatte, denFuss sogleich auf die deutsche Bühne." — Wie sehr Moliere noch immer
im Mittelpunkt alles Anteils an französischem Geist und französischer Kunst steht,
erweisen die fortgesetzten Anläufe, die Gestalt und das Schicksal des Dichters
poetisch zu beleben und uns näher zu bringen. Z a b e 1 ^4) hebt in einem diese Be-
mühungen charakterisierenden Aufsatz, in dem er die Molieredramen von Goldoni,
Gutzkow, George Sand, Paul Lindau zusammenfasst (es fehlt nur das eigentüm-
liche, für Ludwig II. von Baj'ern besonders gedichtete Drama „Der Weg zum
Frieden" von Ludwig Schneegans) hervor, dass das Leben des grossen französischen
Lustspieldichters, „halb Lustspiel, halb Tragödie", reich an interessanten und roman-
tischen Ereignissen sei, die zur Dramatisierung beinahe herausfordern. Freilich sei
es auch „schwer, ja unmöglich, eine Bühnenfigur für Moliere auszugeben, wenn man
ihr nicht etwas von Molieres Geist, Klugheit und Temperament einflössen kami. Die
Vorstellung, die wir von der Persönlichkeit des Mannes haben, muss durch lebendige,
— 16) A. Girot, H. Heiae, Extraits des oeaTres en vers et en prose. Ännotes. Paris, Delagraye. 1892. Vm, 100 S. (Vgl.
JBL 1892 IV 11 : 16; s.u. IV 11: 39.) - 17) Jer. Gotthelf en fran9ai8: Schw Es. 2, S. 623,6,744. - 18) F. Poppenberg, D „Eroberung"
Frankreichs: ML. 62, S. 8336 - 19) A. Cohen, G. Hauptmann, Arnes solltalres: RPL. 1, S. 724-30. — 20) id-, Encore un
drame realiste berlinois (M. Halbe, Jugend): ib. S. 579-80. — 21) BÜR9. 58, S. 1769; Lou Andreas-Salome: FrB. S. 606 7,
723,6, 836,8, 945-50; NFPr. 4. Juni. — 22) X 0. Härtung: DDichtung. 14, S. 78; Erich Schmidt: DLZ. S. 1421,2; K. A. M.
Hartmann: BLU. S. 1968. — 23) (I 3:95; III 4:19.) - 24) E. Zabel, Berliner Theater: NatZg. N. 76. - 25) H. Morf,
IV 1 d : 26-29 Ad. Stern, Die deutsch© Litteratüf und das Ausland im 18./ 19. Jahrhundert.
charakteristische Züge ausgefüllt sein und darf nicht ins Grewöhnliche herabgezogen
werden." —
Neben der klassischen Litteraturperiode der Franzosen ist es das Jh.
der Aufklärung, das noch immer zu eingehenden Untersuchung-en und
Studien, wie zu leichteren Skizzen Anlass giebt. t)ie Abhandlung Morfs^^j in
Zürich über Denis Diderot, trägt bezeichnenderweise den Titel „Aus dem philosophischen
Jh.", und die gesamte Beurteilung der französischen Litteratur des 18. Jh. muss
genau so mit der in ihr vorherrschenden Mischung des poetischen Darstellungs- und
des philosophischen Auf klär ungsdrang^es rechnen, wie jede Beurteilung unserer jung-
deutschen und Tendenzdichtungsperiode von der unlöslichen Verbindung litterarischer
und politischer Bestrebungen auszugehen hat. —
Auch die Romantik, die in Frankreich selbst als überwunden, völlig be-
seitigt und ziemlich vergessen gilt, findet bei uns noch ihren günstigen Beurteiler
und Fürsprecher. So bevorzugt die kleine Sammlung geschmackvoller metrischer
Uebertragungen neuerer französischer Gedichte, die Thamhayn-^) mit historisch
philologischen Erläuterungen veröffentlichte neben Beranger die Romantiker Lamartine,
Alfred de Musset, Emil Souvestre, Fr. Berat, so verbreitet sich Ulrich^'') über die
französischen Neuromantiker und den Wert ihrer Schriften für die deutsche Schule. —
Ohne elegische Anwandlungen lässt sich das Verhältnis der englischen
Litteratur zur deutschen betrachten und besprechen. Die Teilnahme, die für deut-
sche Poesie in- England von alters her vorhanden ist, scheint sich im all-
gemeinen weder vermindert noch gesteigert zu haben, sie stützt sich in erster Reihe
noch immer auf wertvolle Arbeiten eines früheren Geschlechts, unter dem Thomas
Carlyles Wirksamkeit über alles andere hervorragte. Als eine Mahnung an die
Verdienste, die er sich um Kenntnis und Erkenntnis des deutschen Geistes in seinem
Vaterlande erworben hat, als unvergängliche und bis heute unübertroffene Leistung
begrüssten wir daher die von Rhys^*) mit einer Einleitung versehene Neuausgabe
seiner kleinen Schriften zur deutschen Litteratur, die ausser einer kurzen Einleitung
historischer Natur die fünf vielgenannten Essays über „Novalis", „Richter", „Schiller",
„Das Nibelungenlied" und „Goethes Werke" enthält, die Carlyle zwischen 1829 und
32 zuerst in der „Foreign Rewiew", in „Fräsers Magazine", in der „Westminster
Rewiew" und „Quarter ly Rewiew" veröffentlicht hat, die seitdem in verschiedener
Gestalt wieder gedruckt worden und die Grundlage der Anschauung nahezu aller
lebenden Engländer bilden, die überhaupt nach deutscher -Litteratur fragen. Carlyles
Verständnis des specifisch deutschen Genius, der zeugenden Kräfte, der geistigen
Strömungen unserer klassischen und romantischen Litteraturepoche ging über die
Enge der vor ihm herrschenden englischen Vorstellung weit hinaus und hat dies
Verständnis bei hundert Anlässen während seines ganzen Lebens bewährt. In erster
Frische, mit der morgendlichen Freudigkeit einer neugewonnenen Anschauung giebt
sie sich jedoch vor allem in diesen Essays kund. Die spätere üeberzeugung Carlyles,
dass der wahre Dichter in unseren Tagen eben nicht Dichter, sondern Betrachter,
Agitator, Prophet und was sonst noch alles sei, die bewusste Wendung von der
schöpferischen Unmittelbarkeit zur Reflexion warf zur Zeit der Entstehung dieser
Essays kaum ihre ersten Schatten in seine geistige Welt und beeinträchtigte die
bewundernde Einsicht des schottischen Kritikers in das Wesen und eigentümliche
Wollen der schöpferischen Poeten Deutschlands nicht. Die Nachwirkung dieser
Jugendarbeiten Carlyles lässt sich durch die englische Litteratur Wissenschaft eines
halben Jh. verfolgen und lässt es doppelt beklagten, dass Carlyle die projektierte Geschichte
der deutschen Litteratur, deren Entwurf er nach R.s Versicherung im J. 1831 samt
dem Sartor resartus mit nach London brachte, nicht ausgeführt hat. Denn beim
Vergleich alles dessen, was neuerdings für deutsche Litteratur in England geschehen
ist, mit früheren Urteilen und Vorurteilen spürt man überall den klärenden Einfluss
Carlyles und wünschte ihn noch weiter erstreckt, als es durch die vorliegenden
Essays und seine anderen Arbeiten geschehen ist. — Zahlreiche Studien für die
unausgeführte Geschichte der deutschen Litteratur scheint Carlyle in den Vorträgen
über allgemeine Litteraturgeschichte, die er vom April bis Juli 1838 in London hielt,
verwertet zu haben, Vorträge, die nach stenographischen Aufzeichnungen lange nach
seinem Tode durch Greene zuerst veröffentlicht worden sind. Ueber die besondere
Rolle, die der deutschen Litteratur in diesen Vorträgen zugewiesen ist, berichtet
R. M. Meyer 29), dass sie nur Gedanken 'und Anschauungen enthalten, die aus den
Schriften des „umgekehrten Bonifacius" bekannt sind. Die Germanen speciell werden
in jener eigentümlich Neutaciteischen Beleuchtung gezeigt, die Carlyle mit Madame de
Aus d, philos. Jh.: Nation". 10, S. 294/6, 307-10, 323/4. — 26) W. Thamhay n, Aus neueren franz. Lyrikern. Metr. üebertrag.
Progr. d. Gymn. Seehausen i. d. A. 4". 12 S. — 27) W. Ulrich, Ueber d. franz. Neuromantiker n. d. Wert ihrer Schriften
far d. dtsch. Schule: BllHSch. 10, S. 2S-30. — 28) Th. Carlyle, Essays on tlie greater german poets and writers. With introd,
by K. Rhys. London, W. Scott. 12». XII, 245 8. Sh. 1/6. — 29) B. M. Meyer, Th. Carlyle, Lectnres on the history of
Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert. 1 V 1 d -. 30-37
Stael teilt. „Carlyle sieht in den Schweizern die typischen Vertreter deutscher Art,
in Luther den g-rössten Repräsentanten, neben den er gleich Erasmus und Hütten
stellt. Bedeutender ist seine Besprechung* der neueren deutschen Litteratur. Neben
Goethe und Schiller erhält Jean Paul ein liebevoll ausgeführtes, aber wenig ähnlich
geratenes Monument. Goethe wird als der Prophet der Entsagung und des Mitleids
gefeiert, sicher mit mehr Recht, als wenn man ihn für den Wortführer des Egoismus
und der Genusssucht erklärt, aber durch die theologische Färbung, die Carlyle seinen
Worten giebt, missverständlich genug. Deutsche Philosophie und Wissenschaft werden
energisch beiseite geschoben ; schliesslich ist es dann die deutsche Poesie, auf die der
leidenschaftliche Idealist seine Hoffnung einer neuen" Epoche stützt." (Vgl. IV 4:43.) —
Dass jüngere Kräfte in den Spuren Carlyles weitergehen, erweist eine Gruppe
englischer Studien und Abhandlungen zur Geschichte und Kritik der deutschen
Litteratur auch im Berichtsjahr. Kaum lässt sich noch sagen, dass die Engländer
einer bestimmten Periode der deutschen Dichtung' einen sichtbaren Vorzug gäben;
vom Nibelungenlied und den deutschen Volksliedern des ausklingenden Mittelalters
bis zu den Operndichtungen Richard Wagners, ja bis zu den Novellen Ossip Schubins
erstreckt sich in Herausgabe, Uebertragung und Besprechung die englische Teil-
nahme an deutscher Litteratur. Aus der lang*en Reihe der hierher gehörigen Er-
scheinungen gedenken wir zunächst einiger Anthologien deutscher Musterstücke in
Poesie und Prosa, die von englischen Herausgebern, offenbar meist zu Unterrichts-
zwecken, mit Einleitungen und Noten versehen, die Kenntnis deutscher Litteratur
von den verschiedensten Punkten aus zu fördern suchen. Die von Stevens-
White^o) veranstaltete Sammlung „Deutsche Volkslieder" steht hier im Vorder-
grunde; an sie scliliessen sich Buchheims ^1-^2) Sammlungen an, von denen die
erstere im Berichtsjahre schon in neuer Ausg*abe erschien, während sich die zweite
als ein Ergänzungsband an die erete anschloss. Die Einleitung giebt eine sehr kurze
und gedrängte Uebersicht der Entwicklung der deutschen Ballade, in der der Heraus-
geber mit Recht betont, dass ihm der Ueberreichtum der deutschen Balladenpoesie
bei einer knappen Auswahl hinderlich gewesen sei. Er teilt die Geschichte dieser
Poesie in drei Perioden, deren erste er von Bürger bis Chamisso, die zweite von
ühland bis Heine, die dritte von Freiligrath bis auf die Gegenwart rechnet. Wie in
diese streng gewählte Sammlung des Allerbesten Poeten dritten und vierten Ranges wie
J. N. Vogl, S. H. Mosenthal, H. Pröhle hineinkommen, ist uns nicht recht klar;
dass „Treuer Tod" nicht zu Th. Körners, „Liebesprobe" und „Die Weiber von
Winsperg" nicht zu Chamissos, „Die Thurbrücke zu Bischofszell" nicht zu Schwabs,
„Saul und David" nicht zu Platens, „Die letzten Zehn vom vierten Regiment" nicht
zu Mosens besten Stücken dieser Art gehören, weiss jeder, der die betrefTenden
Dichter näher kennt, aber es scheint, dass der Herausgeber ein imd das ander Mal
seine Auswahl getroffen hat, um gewisse Mannigfaltigkeiten und Absonderlichkeiten
in Metren und Rhythmen nicht unberücksicht zu lassen. —
Nächst der Lyrik und Balladenpoesie scheint für höhere und mittlere Unter-
richtszwecke in England die deutsche Erzählung und zwar wesentlich die der
romantischen Litteraturperiode bevorzugt zu werden. Die hübschen Ausgaben von
Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts", die Osthaus^^j^ von Hauffs
„Wirthshaus in Spessart", die Schlottmann und CartmelP*) veranstalteten,
erweisen ein lebenbiges Interesse an diesen frischen und liebenswürdigen Schöpfungen
unserer Litteratur. Auch bei den englischen Nach- und Neudrucken unserer Klassiker
stehen — vom Goetheschen „Faust" abgesehen, der fortgesetzt die stärkste Teilnahme
beansprucht und findet — Prosawerke im Vordergrund; die Veröffentlichungen von
Beresford- Webb^^) u. a. erweisen dies klar genug. —
Von englischen Uebersetzungen deutscher Dichtwerke hat sich die im
vorjährigen Bericht bereits angezeigte, von G. B'iedler bevorwortete, kleine Samm-
lung deutscher Lyrik von Aikman (vgl. JBL. 1892 IV 1 d : 25) besonderer Beachtung
bei der englischen wie bei der deutschen Kritik erfreut^^). — Auch die Auswahl aus
deutschen Humorigten, die mit Einleitung und biographischem Verzeichnis in der
Uebersetzung von MüUer-Casenow^'') erschien, gehörte noch dem J. 1892 an. —
Von selbständigen Schöpfungen unserer Litteratm' wurden Schillers „Maria Stuart"
litterature (vgl..IBL. 1892 I 4:13; IV 8a: 109): ADA. 19, S. S44/5. — 30) H. Stevens- White, Dtsoh. Volkslieder: a selection
from german folksongs. Ed. with intr. and notes. New- York, Putnams Sons. 1892. 324 S. Doli. 1,50. |[MLN. 8, S. 179-83;
NQ. 3, S. 380.] I — 31) C. A. BuchJieim, Dtsch. Lyrik. Select. and arranged with notes and a litter. introd. (== Golden
Treasury Series.) London, Macmillan & Co. 1892. Sh. 2/6. |[DRs. 74, S. 477.JI — 32) id., Balladen n. Romanzen. Select.
and arranged with notes and litter. introd. ib. 12». 318 S. Sh. 2 6. |[MLN. 7, S. 127/8; WestmR. 137, 8. 112; DRs. 71,
S. 317; K. M. Werner: DLZ. S. 1209.]| — 33) J. Frhr. t. Eichendorff, Aus d. Leben e. Taugenichts. Ed. with an introd.
and notes by 0. Osthaus. Boston, Heath & Co. 1892. 176 S. Doli. 0,40. |[MLN. 3, S. 311 2.J| - 34) W. Hauff, D.Wirts-
haus im Spessart. Ed. with notes by Ä. Schlottmann and J. W. Cartmell. (= Pitt Press.) Cambridge, Warehouse.
12». X, 292 S. Sh. 3. )[Ad. Maller: ASNS. 91, S. 293.JI — 35) H. S. Ber esford - Webb, Goethes iUlien. Reise. Selection
with notes. London, Percival. 12«. Sh. 2. - 36) DRs. 74, S. 477; Ac. 43, S. 1278. — 37) (I 4: 163.) IfWestmR. 139, S. 21.5.J|
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschiohte. IV. (4)8
IV Id: 38-56 Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert.
von B r e u P^"''^''), „Wilhelm Teil" von Maxwell^'') neu übertragen; die Verdeutschung-
des ersten Teiles des Goetheschen Faust von Anna S w an wick*") erschien in neuer
durchgesehener Ausgabe, Bailey-Saunders*') übersetzte Goethes „Maximen und
Reflexionen" („Sprüche in Prosa"), wobei es natürlich auf eine Auswahl hinauslief
(von den 1055 Maximen der Loeperschen Ausgabe von 1870 hat der englische Ueber-
setzer nur 590 mitgeteilt!), Oxenford*^^ vollständig die beiden ersten Bücher der
Autobiographie des Dichters. Die Popularität Hauffs in England wird u. a. durch
Nisbets^^) Uebertragung der „Bettlerin vom Pont des Arts" bekräftigt, deren Titel
sich freilich eine echt englische Umwandlung gefallen lassen musste. — Unter den
neuesten Dichtern ist J. V. Scheffel die Ehre einer metrischen Uebertragung seines
Trompeters vonSäckingen durch zwei Damen, Jessie Bekk und Loui se Lorimer**),
zu teil geworden. (Vgl. IV 9:43, 99, 120, 131, 139; 11:41/3.) —
Die Uebersicht über kritische Studien englischer Autoren, die der
deutschen Litteratur gelten, lässt uns wiederum den ganzen Zeitraum von der Mitte
des vorigen Jh. bis zur unmittelbaren Gegenwart durchmessen. — Als ein höchst
interessantes Zeugnis, wie die Bekanntschaft mit einer Reihe von deutschen Dichtungen
(von Lessings Minna von Barnhelm bis zu Schillers Räubern und Goethes von
Frederick Reynolds dramatisiertem Werther) auf die Engländer wirkte, sammelte
Singer^^) einige englische Urteile über die Dramen deutscher Klassiker. Aus seinen
Nachweisen geht entscheidend hervor, dass nichts der deutschen Dichtung empfindlicher
schadete, als die von Sheridan und den englischen Bühnenkreisen ein paar Jahr-
zehnte lang genährte Kotzebuebegeisterung. Freilich spricht es nicht für besondere
Feinheit des Sinnes, dass man in London zwischen Kotzebue und seinen grossen
deutschen Zeitgenossen nicht schärfer zu unterscheiden wusste, aber schliesslich darf
die Frage aufgeworfen werden, wie viele denn im damaligen Deutschland klar unter-
schieden? — Der stattlichen Reihe früherer englischer Betrachter und Beurteiler
Lessings hat sich Rolleston ^ß) gesellt, der sich im allgemeinen über Lessing und
seine Stellung in der deutschen Litteratur verbreitet, während Calthins*'') die
Doktorfrage, ob Nathan der Weise ein Gedicht oder ein Drama zu nennen sei, zum
hundertsten Male erörtert. (Vgl. IV 6.) — M oseley*^) untersucht dieBeziehungenzwischen
Goethe und Smollet, die im ganzen beschränkter Natur und von untergeordneter
Bedeutung sind. — Als Nachklang zum Körnerjubiläum von 1891 verzeichnet und
beurteilt Edgcumbe"*^) einige englische Aufsätze und Gelegenheitsschriften über
den Dichter von „Leyer und Schwert". — Eine Skizze über Chamissos Leben von
Lentzner^*^) stützt sich durchaus auf die allbekannten deutschen Veröffentlichungen
über diesen Poeten und W^eltfahrer. — Der neueren und neuesten deutschen Litteratur
widmen die englischen Kritiker unverminderten Anteil: Heinrich Heines Werke ^^),
van Embdens52)Buch über Heines Familienleben (vgl. JBL. 1892 IV 11: 12), die Er-
zählungen von Ossip Schubin 53j^ Paul Heyses Roman „Merlin", die Dramen Haupt-
manns ^^) erfuhren in den hervorragendsten litterarischen Blättern zum Teil eingehende
und umfassende Besprechungen ; kürzere Sammelübersichten über deutsche Litteratur
brachte nach wie vor die SaturdayR.^^) — Den denkbar unerquicklichsten Eindruck
hinterlässt das grosse, mit Hingabe, Geist und Fleiss entworfene und ausgeführte
Werk Fincks^^) über Wagner und seine Werke, hierher nur gehörig, soweit es
Bezug auf den Dichter Wagner nimmt. Der englisch-amerikanische Wagnerfanatismus
übertrumpft hier den deutschen mit einer Masslosigkeit und Einseitigkeit, die die
ältesten und enthusiastischsten Anhänger des grossen Meisters zu blöden Gegnern
stempelt. Wer sich gestattet, Mozarts Don Juan und Beethovens Fidelio neben Tann-
häuser und den Meistersingern noch gelten zu lassen oder gar zu bewundern, wird
— 38) K. Breul, F. Schiller, Maria Stuart. E. Trauerspiel, edit. with introd., english notes, genealog. tables etc. (= Pitt
Press Series.) Cambridge, Univ. Press. 12«. XXXH, 272 S. Sh. 3/6. |[Ath. 2, S. 64; MLN. 8, S. 494/7.]| (Vgl. IV 9 : 99.) —
38a) X id-' F- Schiller, D. 30 j. Krieg. Abridged and ed. (= Pitt Press.) Cambridge, Warehouse. 1892. 12». Sh. 3. (Vgl.
JBL. 1892 IV 9:34.) - 39) X P. Maxwell, F. Schiller, William Teil, transl. with an introd. and notes. London, Scott.
12". XXVI, 214 S. Sh. 1/6. 1[P. H.: LCBl. S. 1020; NQ. 4, S. 79.J1 (D. Uebers. ist sorgsam gemacht, d. Einl. nur für d. erste
Orientierung ausreichend; W. Teil gilt d. Uebers. als bist. Persönlichkeit; vgl. IV 9:131.) — 40) Anna Swanwick, The
flrst part of Goethes Faust. Revised edition. With Retzschs illustrations. London, Bell & Sons. XLIV, 167 S. Sh. 6. |[Ath. 2,
S. 768/9.]| (S. u. IV 8e:82; vgl. auch JBL. 1890 IV Ue:32b.) - 41) J. W. Goethe, Maxims and Reflections. Transl. by
Bailey Saunders. With a preface. (= Eversley Series.) London, Macmillan. 210 S. Sh. 5. (Vgl. IV 8a.) — 42) J. Oxenford,
Goethe, The boyhood and Youth. Being Books I to II of the aatobiography. Transl. (= Knickerbocker Nuggets.) London,
Piitnams Sons. 1891. Sh. 5. (Vgl. JBL. 1891 IV 9b : 31.) - 43) J. Nisbet, W. Hauff, A constant lover. Transl. London,
Fisher. 12». Sh. 3/6. ![Ath. 2, S. 319.]| — 44) Jessie Bekk u. Louise Lorimer, The Trumpeter. A Romance of Rhine
by Scheffel. Transl. Introd. by Sir Th. Martin. London, Blackwoods. Sh. 36. |[Ath. 2, S. 319.J1 - 45) H. W. Singer,
Einige englische Urteile über d. Dramen dtsch. Klassiker. (= I 1:118, S. 1-18.) — 46) T. W. Rolleston, Lessing and
his place in german litt.: ContempR. 64, S. 237-58. — 47) B. Galt hin s, Nathan d. Weise — poera or play?: MLN. 8.
S. 193-205. — 48) B. D. Moseley, Goethe and Smollet: NQ. 3, S. 53/6. — 49) R. Edgcumbe, Th. Körner: ib. S. .309. —
50) K. Lentzner, Chamisso, a sketch of his life and works with specimens of his poetry. London, Williams and Norgiite.
1892. 4». Sh. 5. — 51) The works of H. Heine: NQ. 4, S. 239. — 52) WestmR. 139, S. 212/3. — 53) The novels of Ossip
Schubin: ib. 140, S. 653-61. - 54) German Fiction. (Heyses Merlin, Hauptmanns Dramen): Blaokwoods Mag. 153, S. 87-108. —
55) Oermiin Litt.: SaturdayR. 76, S. 336/7, 364/5, 749-50. — 56) H. T. Finck, Wagner and his works. Critical comments.
Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert. IVld:57-60
ohne weiteres „höchst komisch" (very funny) gefunden; die Enge eines „Messianismus",
der von der unerm esslichen Weite und Lebensfülle der Kunst keinen Begriff hat
und haben will, kann sich kaum hochmütiger äussern, das Urteil über den Dichter
Wagner entspricht dem Urteil über den Musiker, Wagner ist für den Vf. der einzige
Deutsche, der je „Genie" gehabt hat, obschon er dem Kunstphilosophen, Politiker
und Pamphletisten gelegentlich mit echter Yankeepolemik zu Leibe geht. —
Gegenüber der vielseitigen, aber immerhin vereinzelten englischen Arbeit
an deutschen Schöpfungen erscheint die Thätigkeit, die für englische Litteratur
in Deutschland entfaltet wird, schon um deswillen reicher und tiefer, weil unsere
Litteraturforschung und Kritik fortfährt, den grössten bintischen Genius Shakespeare
aus hundert vollwichtigen Gründen als eine der Säulen unserer eigenen Dichtung
und unseres gesamten Geisteslebens anzusehen. Die unerloschene Dankbarkeit für
manche Anregung und Förderung-, die die neuere deutsche Litteratur in ihren Jugend-
tagen von England her empfangen hat, verbindet sich mit den alten kosmopolitischen
Neigungen, mit der methodischen Aliseitigkeit deutscher Litteratur- und Sprach-
forschung. Eines der W^erke, die zur Zeit ihres Erscheinens in Deutschland fast
noch unmittelbarere und lebendigere Wirkungen äusserten als in England, die viel-
berühmte Sammlung altenglischer Volkspoesie des Bischofs Percy, hat 130 Jahre
nach dem ersten Erscheinen Schröer^''J neu und höchst sorgfältig herausgegeben.
In seiner Einleitung rechtfertigt der Herausgeber den Neudruck gerade der ersten
ursprünglichen Sammlung von 1765 gegenüber dem in der Tauchnitz Edition und
anderwärts benutzten Text der Ausgabe letzter Hand (vierte Ausgabe) von 1794.
Er betont, dass die litterargeschichtUche Bedeutung der „Reliques" nicht jener er-
weiterten und veränderten Gestalt, wie sie sich in den gewöhnlichen Ausgaben ab-
gedruckt findet, sondern den älteren Ausgaben, vor allen der ersten zukommt. „Die
,Reliques' hatten durch die gewaltige und weitgehende Anregung, die sie geboten,
so viele Veröffentlichungen anderer zur Folge gehabt, dass sie selbst ihre wichtige
Rolle in den neunzig-er Jahren des 18. Jh. mehr und mehr ausgespielt hatten; auf
den stürmischen Enthusiasmus folgte die nüchterne Kritik; und macht die erste
Ausgabe den Eindruck eines naiven und mutigen Verstosses in einer neuen Richtung,
bei dem man trotz aller Mängel die Gelehrsamkeit und Umsicht des Herausgeber
bewundern musste, so erscheint die Ausgabe letzter Hand vielfach wie ein ver-
driesslicher Rückzug, trotz all des gelehrten Ballastes, und zeigt den Herausgeber
nicht mehr auf der Höhe seiner Zeit. Die Anschauungen über litterarhistorische und
kulturhistorische Fragen, so wie sie sich in der ersten Auflage von 1765 niedergelegt
fanden, und im Zusammenhang damit die von Percy als alte Volkslieder vorgeführten
Gedichte waren es, die in den sechziger, siebziger, achtziger Jahren die englischen
Litteraten und Poeten tiefeindringend beeinflussten und bekanntlich nicht weniger
auf Deutschland einwirkten." Seh. hatte seine Neuausgabe ursprünglich auf einen
weiteren Umfang und die grösstmögliche wissenschaftliche Vollständigkeit angelegt ;
sie sollte nicht nur den Text der editio princeps und die Varianten der späteren
Originalausgaben, sondern auch Materialien zur Kritik der Texte, Anmerkungen zu
den einzelnen Stücken, mit eingehender Erörterung über das Verfahren Percys in
Wiedergabe und Kritik seiner Texte, die alten Singweisen, eine Einleitung über die
englische Volksliederlitteratur im allgemeinen und die Stellung der „Reliques" in
der englischen und deutschen Litteraturgeschichte im besonderen, einen Motivenindex
u. a. m. enthalten. Ein Missgeschick der ursprünglichen Verlagsbuchhandlung zwang
den Herausgeber, sich auf eine vorzügliche, so verlässliche als handliche Gesamt-
ausgabe des Percyschen Textmaterials, auf Register und einen litterarischen Index
zu beschränken. Seine Anmerkungen und die alten Singweisen hofft Seh. in be-
sonderen Heften nachzubringen, an Stelle der Einleitung verweist er auf Brandls^^)
inzwischen erschienene meisterhafte Skizze der englischen Volkspoesie, durch die
seine eigene beabsichtigte Einleitung „einigermassen entbehrlich gemacht worden sei." —
Wie ein Prolog zu der stattlichen Zahl der deutschen Shakespeare-
forschungen erschien eine allgemein gehaltene Skizze Hauffens^^) „Shakespeare
in Deutschland", die in knapper, lebendiger Uebersicht die Geschichte der Shakespeare-
kenntnis, Shakespeareübertragimg und Shakespearewirkung in Deutschland vom
Beginn des 17. Jh. und den Wanderungen der englischen Komödianten bis zu den
Jahrbüchern der deutschen Shakespearegesellschaft vor Augen stellt. Der Vf. be-
tont mit Recht, dass die Begeisterung für Shakespeare in Deutschland nicht unter
den Begriff der tadelnswerten Ausländerei falle, dass sie in ihrer Tiefe wie in ihrer
Breite dem Goetheschen Wort „Von Verdiensten, die wir zu schätzen wissen, haben
2 ?ols. Ne w-York, Scribner Sons. 1892. Sh. 21. (Vgl. 1 13 : 117. ) — 57) M. M. A. S c h r ö e r , Percys Reliques of ancient english poetry . Nach
d. 1. Ausg. V. 1765. Mit d. Varianten d. spät. Originalansg. her. n. mit Einl. n. Reg. vers. Weimar, Felber. XXVUl, 1136 S.
M. 15,00. - 58) A. Brandl, Kngl. VolVspoesie. (= I 1 : 92, S. S.37-60.) - 59) (HI 4:6a; IV 4:25.) - 60) (I 2:45.)
(4)8*
IV ld:6i-66 Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert.
wir den Keim in uns" entspreche, dass wir Shakespeare errungen haben und
täglich neu erringen. — Allgemeines über Shakespeare in gedrängtester Fassung,
aber auf Grund der umfassendsten Litteraturkenntnis und selbständiger Anschauung
geben die fünf hinterlassenen Vorträge von ten Brink^^j^ (j^g a^^g (jg^ Nachlasse
des hervorragenden Gelehrten vonEdw. Schröder herausgegeben wurden. In der
brennenden Frage des Tages steht B. durchaus im Glauben an die Existenz und
Persönlichkeit des Dichters William Shakespeare und weist die „Bacon-Theorie"
energisch von sich. B.s Gruppierung der Shakespeareschen Werke wie seine Urteile
über einzelne Schöpfungen können angefochten werden, unanfechtbar ist die frische
Natürlichkeit und Sicherheit, mit der der leider zu früh Entraffte seine Hörer und
Leser in die Entwicklung einer grossen Dichterseele einführt, mustergültig ist das
zusammenfassende Talent, das, mit allen Kontroversen, allen Einzelresultaten des
Shakespearestudiums vertraut, vor allem erst eine sichere Basis der Anschauung
und des Verständnisses giebt. — Sowohl Hauffens als ten Brinks Vorträge haben
dann Aufsätze wie z. B. den von Fränkel^') veranlasst, die in wenigen Spalten
die Quintessenz der genannten grösseren Arbeiten und einiger Specialstudien zu
geben trachten. — Unter den kommentierenden Werken erregte das grosse Hamlet-
Werk Loenings^-) doch ein Interesse, als ob nicht eben erst Werder auf seine
Weise versucht hätte, das Rätsel der Tragödie und des Hamletcharakters zu deuten,
und als ob L. ganz frisch an den Stoff hätte herantreten können, anstatt sich mit
der zur Bibliothek angewachsenen erläuternden Litteratur eines ganzen Jh. aus-
einanderzusetzen. L. gelangt zu dem Resultat, dass trotz und nach allem Hamlet ein
tragischer Charakter, so reich entwickelt, so individualisiert, von solcher Eigenart
und dabei von solcher Lebenswahrheit sei, wie die dramatische Poesie keinen zweiten
aufzuweisen hat. Seine Erklärung, dass Hamlet, weil er nicht gern thätig sei und seine
Aktivität im Moralisieren bestehe, sich einrede, Handeln sei überhaupt unnütz, dass
die ihm gestellte Aufgabe, den Mord des Vaters zu rächen, Hindernisse weder in
Hamlets Gewissen, noch in der unklaren Rechtsfrage finde, dass ein Mann von
Hamlets Fatalismus nur handle, wenn er des Erfolges unbedingt gewiss sei, und auch
dabei den rechten Augenblick leicht verfehle, dass Hamlet selbst dem schlauen
Spiel des Königs, dieser aber der höhern Macht des Schicksals unterliege, muss
natürlich in ihrem besonderen Verhältnis zu den älteren und neueren Deutungen der
Tragödie ebenso viel Beifall als Widerspruch erwecken. Wer mit L. darin über-
einstimmt, dass der Dichter an einem bedeutenden Falle zeigen will, wie alle Dinge
einer höheren göttlichen Macht unterstehen, welche trotz des Widerstrebens der
Menschen stets Mittel und Wege findet, ihre ewigen Gebote durchzusetzen, wird die
geistvolle und kenntnisreiche, die logisch folgerichtige Entwicklung des Hamlet-
problems und Hamletcharakters rückhaltlos bewundern; wer von ganz anderen Prämissen
ausgeht, wird sie bekämpfen. An einen Abschluss der obschwebenden Streitfragen war
natürlich auch nach diesem Buche nicht zu denken, und die künftigen Erörterungen
spukten zum Teil schon in den zahlreichen Besprechungen des L.schen Buches vor.
— Einen neuen Gesichtspunkt versucht auch der Vortrag „Hamlet und die Blutrache"
von Hugo Meyer*^) zu eröffnen, nach welchem Hamlet das Drama der alt-
germanischen Blutrache ist, das der Dichter durch reiche Motivierung und ergreifende
psychologische Vertiefung der modernen Empfindung wieder nahe brachte. — Die
grosse Reihe der Einzelstudien zu Shakespeare eröffnen die aus dem hs. Nachlasse
von J. Gottlob Regis durch Elias^*) veröffentlichten Fragmente einer Shakespeare-
übe rsetzung, von denen der Herausgeber in Uebereinstimmung mit einem brief-
lichen Wort von Regis („Nach meiner Idee muss der rechte Uebersetzer nichts weiter
sein als ein Mensch, der die Hülse der fremden Sprache mit leisem Scherchen von
einem ausländischen Werke bloss abtrennt, so dass es auf einmal als das, was es
ist, den Einheimischen erkennbar dasteht") erklärt, dass sie Regis nicht unter denen
neue Freunde werben werden, welche die äussere Glätte der Form vor allem von
einer Uebertragung fordern. Wer aber die herbe, treue Art schätzt, im Ausdruck
den inneren Schatz der Gedanken und Empfindungen charakteristisch zu prägen,
dem werden die dargebotenen Fragmente eine längstgehegte Anschauung aufs neue
bestätigen. — Das Verhältnis zweier Dichter der deutschen Sturm- und Drang-
periode, Lenz und Klinger, zu Shakespeare fassen zwei besondere Schriften von
Rauch ö5) und Jacobowski^^) ins Auge. Während R. die theoretische Versenkung
1[E. Heilborn: Nation 10, S. 558-60; A. Schröer: DWBl. S. 382/3; L. Proescholdt: LBlQBPh. S. 427/8; SchwRs. 2,
S. 482/5.]| — 61) L. Fränkel, Shakespeare in Deutschland: NatZg. N. 611. — 62) E. Loening D. Hamlettragödie
Shakespeares. St., Cotta. X, 418 S. M. 8,00. | (Nation«. 10, S. 626; L. Proescholdt: LBlGRPh. S. 395/7; Grenzb. 2,
8.383/4; 0. Qranichstädten: Presse (Wien) N. 205; JbDShakespeareGes. 28, S, 332/3; 0. Harnack: PrJbb. 8. 184/5;
LCBI. S. 892/3; E. v. Sallwörk: BLU. 8. 289-91, 305;9.1| — 63) Hugo Meyer, Hamlet u. d. Blutrache. Vortr. L.,
A. Deichert Nachf. 32». M. 0,60. |[BLU. S. 367.]| — 64) J. Elias, Fragmente e. ^hakespeare-üebersetz. (=11:118,
8.252-330.; vgl. IV 4: 27.) — 65) H. Rauch, Lenz u. Shakespeare. E.Beitr.z. Shakespearonianie d, Sturm- u. Drangperiode. B.,Apn]Hnt.
1S92. 111 S. M. 3,00. (Vgl. JBL. 1S92 IV 4 : C.) - 66) L. Jacobowski, Klinger u. Sliakespearn. E. Beitr. z. Shakespearo-
Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. JahrJiundert. IV Id:ß7-T4
von Lenz in Shakespeares Dramen, seine Uebersetzungsversuche und die Einflüsse
Shakespearescher Gewalt auf Lenzens eig-ene weiche und eigentlich zum Idyll neigende
poetische Natur darzustellen hat und urteilt, dass Shakespeares gewaltige Rüstung
zu hart und schwer auf Lenz gedrückt habe, kann J. nachweisen, dass Klinger
die „Shakespearomanie" in gewissem Sinne gestählt hat, dass er sich aus ihr und an
ihr zu seinen besseren und abgeklärteren Schöpfungen emporrang. — Ein weitab-
liegendes und doch sinnverwandtes Thema behandelt Bulthaupt^') in der Studie
„Shakespeare und der Naturalismus". (Vgl. II 1 : 81.) —
Der zweiten grossen Erscheinung der englischen Litteratur des 17. Jh., bei
der zugleich ein Stück Frühzeit des deutschen Litteraturaufschwungs im 18. Jh. aus
den Quellen fein und erschöpfend darzustellen war, gilt die Studie über „Die An-
fänge des Zürcherischen Milton" von Bodmer^^). Milton war der erste hervor-
ragende englische Dichter, dessen Ruhm sich zu kontinentaler Bedeutung erhob,
Unerechöpflich an fortwirkender Kraft bildete sein Genius die Quelle, welche die
künstlerische Natur der Züricher erwärmte und belebte. Jakob Bodmers Prosa-
übersetzung von 1732 lenkte die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf das verlorene
Paradies und der Nachweis, auf welchem Wege er zur ersten Anschauung von
Miltons Hauptwerk gelangte, hat daher für die Geschichte der englischen wie der
deutschen Litteratur eine gewisse Bedeutung. —
Verwandte Untersuchungen wurden über den Einfluss der englischen
Litteratur auf Hölty von Rhoades^") und über Kotzebue und Sheridan von
Bahlsen'*') angestellt. —
Dass nicht immer Ursache ist, sich des deutschen poetischen Uebersetzer-
fleisses zu rühmen, erwies wieder einmal eine Neuübertragung von Macaulays
,, Legenden aus Alt-Rom" durch Hei eben''*), die im besten Falle eine Tautologie
g-ewesen wäre, da drei vollständige Uebertragungen von Alex. Schmidt, J. S. (Julius
Schanz) und H. von Pilgrim vorhanden waren, und die obenein namentlich gegen-
über der Schmidtschen Verdeutschung sehr unzulänglich und dilettantisch erschien. —
Die regere Teilnahme, die seit ein paar Jahrzehnten die deutsche Litteratur
in Italien gefunden hat, darf noch auf lange Zeit hinaus nur als der Anfang einer
Vergeltung für das seit Jahrhunderten unter wechselnden Umständen deutscherseits
an den Tag gelegte bewundernde und tiefreichende Verständnis der italienischen Poesie
gelten. Die deutsche Lyrik wird fortgesetzt durch eine Reihe von poetischen U e b e r -
Setzern den Italienern vermittelt, ein und das andere Mal offenbar mit mehr Eifer
als Glück, immer aber mit dem besten Willen, der Eigenart deutschen Empfindens
und Träumens mit den Mitteln einer völlig anders gerichteten Sprache und An-
schauung gerecht zu werden. Dass es sich in der That um Anfänge und nicht um
mehr handelt, erweist schon die volle Naivetät, mit der die italienischen Uebersetzer
aus alter und neuer deutscher Lyrik aufgreifen, was ihnen schön deucht und zu
Sinne geht. Zwei Sammlungen mit Proben deutscher Lyrik, eine umfassendere von
Cibrario"^) und eine kleinere von Losana'^), weisen in gleichem bunten Durch-
einander und Nacheinander Gedichte von J. P. Uz, Gaud. von Salis-Seewis, von
Voss und Matthias Claudius, von Theod. Körner, M. von Schenkendorf, von Uhland
und Simrock, von Heine und Eichendorff, von Gottfried Keller und Julius Sturm,
von K. Gerok und R. Baumbach auf, ohne dass einer der Uebersetzer auch nur durch
die Gruppierung seinen Landsleuten zum Bewusstsein brächte, dass es sich in diesen
Gedichten um gTundverschiedene Zeiten, Stimmungen, Sprach- und Stilentwicklungen
handle. — Auch eine grosse Anthologie von Vecchi und Targioni-Tozzetti''^)
„Das Meer" häuft, hier aber wenigstens unter einem leicht zu erkennenden Gesichts-
punkte, Altes und Neues zusammen, nimmt, um möglichst viele Beiträge aus der
Fremde zu haben, sogar die gänzlich veraltete Form der Prosaübertragung von Ge-
dichten auf und gönnt daneben einigen deutschen Dichtern in metrischer Wiedergabe
ihr Wort über das Meer. Neben Goethes „König in Thule" und Schillers „Taucher"
begegnen uns noch Ladislaus Pyrker, Nik. Lenau und Heinrich Heine, aus welch
letzterem die Auswahl leicht war, da er nicht weniger als drei italienische Ueber-
setzer (G. Chiavini, Bernardino Zendrini und Ettore Toci) gefunden. — Dass der
Auswahl deutscher, zur Uebertragung bestimmter Gedichte nicht bloss die individuelle
Sympathie, sondern eine in Italien noch vielverbreitete und sogar lehrhaft vorgetragene
manie d. Stnrm- n. Drangperiode. Dresden, Pierson. 1891. 66 8. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1892 IV 4:7.)— 67) (I 12 : 278.) —
68) H. Bodmer, D. Anfänge d. Zürcherischen Milton (=11: 118, S. 179-99.) — 69) L. A Rhoades, Höltys Verhältn. zu
d. engl. Litt. Diss. Göttingen. 1892. 48 S. — 70) L. Bahlsen, Kotzebne u. Sheridan. Kotzebues Peru-Dramen n. Sheridans
Pizarro. E. Beitr. z. Gesch. d. Beziehungen zwischen dtsch. u engl. Litt. Progr. Berlin (Gärtner). 32 S. — 71) W. Heichen, T. B.
Macauleys Legenden ans Alt-Rom, im Versmass d. Orig. übertr. B., (P. Bannenbergs Buchdr.). 168 S. |[J. Z(npitza):
ASNS. 90, S. 425/7 (scharfe Abweisnng d. stümperhaften Arbeit).]] — 72) L. Cibrario, Saggio di Tersioni poetiche dal
tedesco. Torino-Roma, L. Ronx & Co. 1892. 16". 180 S. L. 2,00. (Vgl. JBL. 1892 IV ld:28a.) — 73) C. Losana, Alcnne
liriche tedesche, tradotte in Tersi italiani. Tnrin, (Tip. Speitani). 60 S. (Nicht im Buchhandel.) — 74) H. V. Vecchi e
G. Targioni-Tozzetti, II Mare. Antolog^ia di prose e poesie di moderni e antichi scrittori, originali e tradotte. Livorno,
lVld:75-86 Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert.
Anschauung" über das innerste Wesen deutscher Lyrik zu Grunde lieg-t, erweist über-
zeugend die so warmherzig'e und liebenswürdige und doch so einseitige und von
vorgefassten Meinung"en beherrschte Studie des in deutscher Dichtung nicht unbe-
lesenen Nardelli''^) über die lyrische Frühlingssehnsucht Deutschlands. Der Vf.
erkennt als den treibenden Zug unserer Poesie die Sehnsucht des barbarischen
Nordens nach Wiederkehr der schönen Jahreszeit (die in der That bei unseren mittel-
alterlichen Dichtern aus guten, von Uhland schön nachgewiesenen Gründen eine
Hauptrolle spielt) in der ganzen deutschen Lyrik von Walther von der Vogelweide
bis zur Gegenwart. Wenn man freilich, wie N. selbst, in den Naturschilderungen
des Goetheschen Werther pantheistische Naturauffassung- und die Verkörperung-en
des Sommers und Winters erblickt, kann man viel nachweisen. Ein paar wunder-
liche Missverständnisse des Italieners hat Sauer in seiner Anzeige des kleinen
Werkes glücklich berichtigt; das Ganze zeig-t nur, wie fern auch den wohlwollenden
Romanen das Verständnis deutscher Dinge meist noch liegt. — Man sollte hoffen
dürfen, dass die Uebertragungen neuerer deutscher Prosawerke, die für Italien ein
besonderes Interesse darbieten, beispielsweise der Renaissanceerzählung-en K. F.
Mey ers, dessen jüngste Novelle, ,AngelaBorgia" von Maria Poli-Hardmey er''^) vor-
züglich ins Italienische übertragen wurde, das Verständnis wesentlich fördern werde,
aber wahrscheinlich nehmen die Italiener das specifisch deutsche Element in diesen
mit der Kenntnis ihrer Vergangenheit und ihrer Eigenart durchtränkten Schöpfungen
gar nicht wahr. —
Als ein höchst beachtenswertes und gewinnendes Zeugnis des guten und
besten Willens, Deutschland gerecht zu werden, müssen die Studien über fremde
Litteratur gelten, in denen Zumbini'''') über das Goethe-Museum berichtet und Goethes
Egmont wie Lessings Nathan behandelte. (Vgl. IV 9:34.) —
Müssten wir den Bericht über die Beiträge zur Kenntnis und Würdigung
italienischer Litteratur in Deutschland auf die alten längst anerkannten und
wirksamen Leistungen zurückerstrecken, so würde er gewaltig anschwellen. Gerade
im gegenwärtigen Berichtsjahre ist eine Reihe Neuauflagen sowohl deutscher Aus-
gaben italienischer Klassiker als deutscher Uebertragungen italienischer Meisterwerke
neu erschienen. Als Beispiel für die ersteren möge an die kleinere Dante-Ausgabe
von W^itte''^), als Beispiel für die letzteren an die Verdeutschung von Torquato
Tassos Befreitem Jerusalem von Gries, die nun Fleischer^") herausgab, und an
die der „Göttlichen Komödie" von Streckfuss erinnert werden. Die letztere ist durch
Roquette^*^) von mancherlei Härten und einigen empfindlichen Irrtümern befreit
worden. —
Im Vordergrunde des Tagesinteresses stand durch die Feier des hundertsten
Todestages der venezianische Lustspieldichter Carlo Goldoni (gest. 6. Febr. 1793
zu Paris). Wenn eine neue Bearbeitung seiner „Pamela" von Grünstein^') für
das Berliner Lessingtheater mehr dem Gastspiel der Eleonore Düse als der Säkular-
feier galt, so wurde eine Anzahl von Studien und Kritiken über Goldonis Thätigkeit,
seine Bedeutung für das verflossene und für unser Jh. doch durch die Erinnerung
an das traurige und verkümmerte Ende, das der heitere Italiener im revolutionären
Paris der beginnenden Schreckenszeit gefunden hat, veranlasst. — Ueber Goldonis
bleibende Wirkung Hess sich Henzen 82) vernehmen, der spöttisch der vielen litterarischen
Weltsysteme gedenkt, die seit Goldonis Tod gebaut worden sind und darauf vertraut,
dass die Schutzengel ,, Wahrheit und Natur" den Dramatiker Goldoni nicht sterben
lassen werden. — In ähnlichem Sinne äusserten sich Wittmann^^-j ^j^j Salomon^*). —
Unter den Arbeiten, die der neueren und neuesten Litteratur Italiens gelten,
wurde die problematische Erscheinung von Paolo Mantegazza in einem Feuilleton
Land aus 8^) geschildert, das die Popularität Manteggazzas, des Physiologen, mit
der Mascagnis, des Musikers, in einen etwas wunderlichen Vergleich zieht, übrigens
aber seine ausführlichen und dankenswerten Mitteilungen über Mantegazzas Lebens-
und Entwicklungsgang dem italienischen Werke von Carlo Renaudy entnimmt. Ein
wunderlicher Druckfehler lässt Mantegazza am 31. Okt. 1731 (1831) zu Monza ge-
boren werden. Auch er hatte den Hauptteil seiner inneren Bildung und seiner
E. Ginsti. 16». XVIII, 715 S. L. 4,00. — 75) G. Nardelli, Le primavere liriche dellu Germania. Koma, G. L. Para via & Comp.
1891. 183 S. L. 3,00. |[K. M. Sauer: DLZ. S. 269-70.]; (Vgl. JBL. 1892 IV 2:370.) - 76) C. F. Meyer, Angela Borgia.
Traduz. di Maria Poli-Hard mey er. Milano, Hoepli. 16". 249 S. L. 3.50. - 77) B. Zumbini, Studi di lett. striiniere.
Firenze, Le Monnier. 16». VII, 264 S. L. 2,00 ||R. M. Meyer: Nation 10, S. 620/1 („E. italien. Weimarpilger«).J| (Vgl. IV 6
u. IV8a.) — 78) C.Witte, La divina coramedia di Dante Alighieri. B., K. v. Decfcer. 537 S. M. 5,00. — 79) J. D. Gries, Torquato
Tassos Befreites Jerusalem. Mit e. biogr. Einl. v. H. Fleischer. 2 Bde. St., Cotta. 256, 272 S. M. 2,00. — 80) K.
Streckfuss, Dantes Göttl. Komödie. Uebers. n. erläut. Neu bearb. u. mit e. hist.-biogr. Einl. v. 0. Roqnette. 2 Bde. ebda.
269 S.; 288 S. M. 2,00. — 81) C Goldoni, Pamela. Komödie in 3 Auf/,. Dtsch. v. J. Grflnstein. (Bearb. d. Lessingtheaters
in Berlin.) (= ÜB. N. .3148.) L., Ph. Eeclam. 64 S. M. 0,20. — 82) W. Henzen, Z. Goldoni- Jubiläum: BLU. S. 177/9. —
83) H. Witt mann, C. Goldoni: NFPr. 5. Febr. — 84) L. Salomon, Zu C. Goldonis Gedächtnis: IllZg. 100, S. 128. —
85) M. Landau, P. Mantegazza; FZg. N. 319. - 86) E. Keil, Z. 70. Gehurtpt. 0, Gildemeisters: IllZg. lOn, S, 263,4. —
Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19. Jahrhundert. IV ld:87-9!i
litterarischen Neig-ung-en seiner Mutter zu danken. Ueber seine Beziehungen zu
Deutschland erfahren wir, dass er sich soviel Kenntnis des Deutschen angeeignet
hatte, um den Werther übersetzen zu können (allerdings eine merkwürdig-e Vor-
bereitung zur „Physiologie der Liebe") und im J. 1855 Deutschland bereiste. Die
Zahl seiner Schriften ist eine ausserordentlich g-rosse, und L. führt die Thatsache,
dass nur eine kleinere Gruppe dereelben eigentliche Popularität gewonnen hat, „auf
eine g-e wisse lüsterne Neugier, die Begier nach dem Verbotenen und die Selbst-
kuriersucht mancher Leidenden" zurück, womit die B'rage freilich kaum gestreift,
g-eschweige denn erschöpft wird. —
Dem lebenden Meister der poetischen Uebertragungskunst Otto Uilde-
m e i s t e r , dessen rühmliche und weit nachwirkende Thätigkeit in der zweiten Hälfte
seines litterarischen Lebens vorzug-sweise der älteren Litteratur Italiens g'alt, widmete
Keil*^) zu seinem siebzigsten Greburtstag- ein pietätvolles Gedenkblatt. —
Die spanische Litteratur, in den Tagen der Romantiker eine Domäne
deutscher Uebertrag-ungskunst und bis auf den heutig-en Tag für einzelne katholische
Kreise die mustergültige Litteratur, scheint zwar seit einer Reihe von Jahren
etwas in den Hintergrund gerückt, aber keineswegs aus dem Gesichtskreis deutscher
Forschung verschwunden. Unter den Arbeiten allgemeiner Art zur Geschichte
der spanischen Litteratur trat diesmal kein so umfassendes und wichtiges Werk
wie das im vorigen Bericht angezeigte Buch Farinellis (vgl. JBL. 1892 IV 1 d : 29)
hervor.^'') — Neben Uebertragungen spanischer Volkslieder und lyrischer Gedichte
sowie dreier Zwischenspiele des Cervantes brachten die gesammelten Nachlass-
schriften des schweizerischen Dichters und Litteraturforschers Edm. Dorer (geb. 1837
zu Baden im Aargau, gest. 1890 zu Dresden), die Graf Schack^®) herausgegeben
hat, eine Reihe von kleinen Studien zur spanischen Litteratur. Dorer hätte, wie
einer seiner Beurteiler sagt, „in den Kreis gebildeter junger Männer gehört, den
Ludwig Tieck in seinen Dresdener Jahren um sich sammelte, — lauter Leute von Ge-
schmack und mannigfachen litterarischen Interessen, im Besitz nicht alltäglicher
Sprach- und Litteraturkenntnisse, alle hoch -über der Plattheit der Alltagsreimerei
und des stümpernden Biedermeiertums stehend und alle doch ohne stärkere Phantasie
und Gestaltungskraft, ohne tieferen Zusammenhang mit Welt und Leben". Die
einzelnen Studien über „Heinrich von Villena", „Cristoval de Virues", „Ludwig Hol-
berg und das spanische Theater", „Die Burg des Glückes", „Die Emancipation der
Frauen und der Dichter Calderon" bekunden die umfassende Kenntnis der spanischen
Litteratur und die Vorliebe für die spanischen Dichter, die Dorers bester Trost in
einem von vielfachen Leiden beeinträchtigten Leben waren. —
Ein nur in kleineren Kreisen bekanntes, in diesen aber voll gewürdigtes
Werk, eine der zahlreichen Arbeiten, für die die deutsche Litteratur Gottlob Regis
verpflichtet ist, das „Liederbuch vom Cid", das Regis vor einem halben Jh. nach
dem spanischen Original (in der damals vollständigsten Ausgabe A. von Kellers) über-
setzte, ist, bevorwortet von Laus er ^^), in neuer Ausgabe erschienen. Kann auch
keine Rede davon sein, dass diese Uebertragung jemals die Herdersche Bearbeitung,
durch die uns zuerst der Cid nahe getreten ist, verdrängen wird, so gewährt sie doch
in ihrem engen Anschluss an das Original, an den treuherzig volkstümlichen Ton
der alten Cidromanzen eine wertvolle, dem Litteraturkenner unentbehrliche Ergänzung
und hilft zugleich die Erinnerung an den selbstlosen und vielverdienten üebersetzer
bewahren. —
Von älteren Verdeutschungen spanischer Meisterwerke wurde ferner der
„Don Quixote" von Hieronymus Müller durch R o q u e 1 1 e ^") neu herausge-
geben. —
Die Aufführung von Calderons „Richter von Zalamea" in Wilbrandts
Bearbeitung auf der Berliner Freien Volksbühne gab zu einem stark fortschrittlich ge-
färbten Aufsatz über dies dramatische Meisterwerk Anlass.***) —
Aus der spanischen Litteratur der Gegenwart schöpften Litte n^^j^
der die „Letzten Betrachtungen" des Gaspar Nunez de Arce in klangvollen Oktaven
wiedergab, und Braun ^3), der Proben aus einer ganzen Reihe neuerer spanischer
Dichter, Jose de Espronceda, Angel Saavedra Herzog von Rivas, Juan Escudero,
87) Spanien im Lichte d. dtsch. Kritik u. Poesie: KZg. N. 723. -- 88) Edm. Dorer, Nachgel. Schriften. Her. v. Ad. Fr.
Grafen v. Schack. 3 Bde. 1. Lyr. Gedichte, Fastnachtsspiele. Uebersetzungen. 2. u. 3. Verm. Schriften. Dresden, L.
Ehlermann. XX, 228 S.; Y, 184 S.; Y, 160 S. (Mit Bild.) ä M. 4,00. |[Ad. Stern: Grenzb. 4, S. 368-73; K. Pasch:
ÖLBI. 2, S. 6634; J. Y Widmann: Nation». 10, S. 700/2.]; — 89) G. Begis, D. Liederbuch v. Cid. Nach d bis jetzt yoll-
ständigsten Kellerschen Ansg. verdeutscht. Mit e. Einl. v. W. Lauser. 2 Bde. St., Cotta. I, 200 S.; H, 251 S. M 2,00. —
90) Ceryantes Don Qnijote t. d. Mancha. Neue Ansg. d. Uebers. v. Hieron MQller. Mit Einl. v. 0. Roquette. 4 Bde.
ebda. 308, 236, 275, 272 S. M. 4,00. — 91) Calderons Richter v. Ziilames: Yolksbnhne 3, S. 1-10. - 92) F. W. Litten,
Oaspar Nunez de Arce, ultima lamentaciön de Lord Byron. (Lord Byrons Letzte Betrachtungen). Dtsch. Abers. Santiago
(Berlin, B Frjedländer £ Sohn). 22 S. M. 0,60. (Sepanttabdr. aus d. Yerhandl. d. dtsch. wissenschaftl. Yer. zu Santiago.) - 93)
lVld:5>4 Ad. Stern, Die deutsche Litteratur und das Ausland im 18./19, Jahrhundert.
Breton de los Herreros, vom Grafen Campo Alang-e, Manuel del Palacio und Luise
Arroyo in meisterhafter Form und mit feiner Nachempfindung- gab, Proben, aus denen
hervorgeht, dass auch die spanische Ljrik beim Schluss des Jh. von pessimistischem
Verzagen heimgesucht wird. Auch ein paar vorzügliche Stücke cälterer spanischer
Klassiker (Ijope de Vega, Fray Ponce de Leon, Argensola und der heiligen Theresa)
fanden in der vorzüglichen kleinen Sammlung- B.s Aufnahme. —
Alles in allem zeigt sich, dass die Beziehungen der deutschen Litteratur zur
spanischen noch zahlreich und mannig-faltig genug sind. Wenn es wirklich wahr ist,
dass die im Liceo Rins zu Madrid 1892 erfolgte Aufführung der „Mitschuldigen""'')
die erste Aufführung eines Goe theschen Dramas in Spanien überhaupt war, so
sind die Aussichten, dass die Spanier uns je unsere Teilnahme an ihren Schöpfungen
und ihrem litterarischen Leben heimzahlen werden, verzweifelt dürftig. — Wir haben
für diesmal den Kreis der gegenseitigen Beziehungen der alten fünf Hauptlitteraturen
durchmessen. Die wenigen Erscheinungen, die den Beziehungen der deutschen
Litteratur zu den nordischen und slavischen Litteraturen angehören, mögen im
nächsten Berichte mit den gleichartigen des J. 1894 zusammengefasst werden. —
0. Braun, Aus allerlei Tonarten. Verdeutschte spanische und eigene Lyrik. St., Cotta. 16". 120 S. M. 2,00. — 94) GJb. 14,
S. 307/8 (aus BerlTBl. 31. Mai). —
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a: 1-4
IV,2
Lyrik. 1892, 1893.
a) Von der Mitte des 18, Jahrhunderts bis zu den Freiheitskriegen.
Aug-ust Sauer.
Allgeraeines N. \. — Hiiller N. 5. — Hagedorn N. 6. — Ch. G. Stdckel N. 7. — Anakreontik N. 8. — Gleim,
Romanze N. 9. — Götz N. 18. — Uz N. l'O. — Karschin N. 21. — J. G. Jacobi N. 23. - Klopstock N. 24. — Bardische Lyrik
N. 28. — ßobbo N. 29. — J. F. Schmidt N. 30. — Graf Reinhard N. 31. — Göttinger Dichterband: Auswahl N. 32: Hölty
N. 34; Miller N. 35; Chrn. nnd Vt. L. Stolberg N. 36. — Claudius N. 43. — Bürger N. 44. - Lenz N. 54. — Schubart N. 55. —
M. Etenhueber N. 62. - Gelegenheitsgedichte (Neuberin, Chrn. Gottfr. Ludwig, Musaeus) N. 63. — Wieland N. 69. — F. A. Cl. Werthes
N. 70 — K. Th. Conz N. 71. — Matthisson N. 72. — Salis K. 74. — Amaliu von Helvig N. 76. — Berliner Musenalmanach von
1791-97 N. 77. — H. Ch. L. Senf N. 78. — Geistliche Liederdichter (H. Ernst Graf Stolberg, Ch. H. A. Silber, Marie Clara
von Silberradi N. 7^>. — U. Spekmoser, K. L. Strnve iV. 82. — M. Döring N. 84. — F. W. Ehrhardt N. 85. — Arndt N.87. —
Körner N. 94. ^ J. D. Gries N. 112. —
Zusammenfassende Arbeiten über die Lyrik dieses Zeitraumes im allgemeinen
liegen nicht vor. In Goedekes unter Goetzes^) Leitung fortgeführtem Grundriss um-
fassen die §§ 270/o die Lyrik zur Zeit Schillers und Goethes, und zwar § 270 die
Lyriker der alten Schule, wie Seume, und die von bloss lokaler Bedeutung, § 271 die
Lyriker, die sich eine besondere Manier des Klassizismus erwählt hatten, wie
Matthisson, Conz, Salis, Friederike Brun, § 272 die Gesellschaftslieder (Schmidt
von Lübeck, Lappe), § 273 die geistlichen Lieder (Magenau). Die neue Bearbeitung
rührt von G. selbst her; nur § 270 N. 32/3, Johann Jakob und Maria Mnioch, hat
Daniel Jacoby beigesteuert. Alle Paragraphen weisen reichliche Vermehrung auf,
am meisten § 270, der von 41 auf 118 Nummern gebracht ist. Im einzelnen lässt die
Bearbeitung' viel zu wünschen übrig: Bei Seume fehlt biographisches und briefliches
Material, bei Matthisson hätten wir ein Verzeichnis der ersten Drucke seiner Gedichte
erwarten dürfen; aber auch die übrig'en bibliographischen Angaben für Matthisson
sind ungenau. — Den ganzen hier zu behandelnden Zeitraum umfasst Mendheims-"^)
dreibändige Sammlung: Lyriker und Epiker der klassischen Periode in Kürschners
DNL. Den Plan dazu hatte A. Sauer entworfen, der die Ausgabe ursprünglich
übernommen hatte: Die Gruppierung nach den einzelnen Musenalmanachen, d. h. den
litterarischen und lokalen Centren. Für die meisten dieser Gruppen hat sich die
Einteilung bewährt, für den Göttinger und Hamburger Musenalmanach ist die Grenze
allerdings eine fliessende. Aber durch die Feststellung mehrerer Unterabteilimg'en
hätte sich auch hier eine schärfere Scheidung durchführen lassen. Auf eine eigent-
Kche Charakteristik, auf die der Plan angelegt war, hat aber der Bearbeiter sowohl
bei den einzelnen Dichtern als bei den Dichtergruppen leider vollständig verzichtet;
es fehlt durchweg an Gründlichkeit und Vertiefung. Im übrigen muss bei einer
gerechten Beurteilung der Bände allerdings im Auge behalten werden, dass sie zur
Ergänzung einer ganzen Reihe von anderen, teilweise damals noch gar nicht er-
schienenen Bänden der DNL. bestimmt sind. Für die Auswahl der Gedichte war
nicht immer ihr poetischer Wert allein massgebend; es kam dem Herausgeber viel-
mehr vor allem darauf an, das für die betreffenden Dichter oder ihre Zeit besonders
Charakteristische oder auch das durch augenblickliche oder nachhaltige Wirkung be-
sonders Hervortretende auszuwählen, soweit es sich in den benutzten Quellen vor-
findet. W^o es möglich war, sind die ersten Drucke zu Grunde gelegt. In der Ein-
leitung zum ersten Bande giebt M. einen raschen üeberblick über die Centralstätten
der Lyrik, über die fremden Einflüsse, besondei's den von Young und Ossian, und
verfolgt dann die einzelnen lyrischen und epischen Gattungen in ihrer Entwicklung
während des 18. Jh.: Lied, Elegie, Ballade, Romanze, Epos, Idylle, Satire, Epigramm,
Epistel, Sonett, Hymne, Lehrgedicht. Der erste Band bringt dann in alphabetischer
Reihenfolge Proben von 51 Dichtern des Göttinger, von 29 Dichtern des Hamburger
und von 16 Dichtem des schwäbischen Musenalmanachs. Die Dichter des Göttinger
Bundes hätten zweifellos in die erste Gruppe gehört. J. N. Götz und J.G. Jacobi, beide un-
genügend vertreten, fallen aus dem Rahmen heraus. S. 360 ein Verzeichnis der Dichter
und der anonymen Beiträge des schwäbischen Almanachs. Für die Charakteristik dieser
1) (IV la:2; S. 404-45.) (Lyrische Dichter, Gesellschaftslieder, Geistliche Lieder.) — 2)M. Mendheim, Lyriker
u. Epiker d. klass. Periode. 1. T. D. Dichter d. Göttinger Musenalmanachs. D. Dichter d. Vossischen Musenalmanachs. D.
Dichter d. Schwab. Musenalmanachs. (== DNL. 135 Bd. 1. Abt.) St., Union. XXXI, 428 S. M. 2,50. — 3) id., Dass. 2. T.
D. Dichter d. Berliner Mnsenalm. D. Dichter d. Wiener Musenalm. D. Dichter d. Schillerschen Musenalm. u. d. Hören.
F. V. Matthisson. Chrph. A. Tiedge. F. Hölderlin. (= ebda. 2. Abt.) 459 S. M. 2,50. (Vgl. auch IV 10 : 7.) — 4) id., Dass.
3. T. L. G. Kosegarten. Amalie v. Helvig-Imbotf. D. romant. Musenalmanache: D. Dichter d. Musenalm. T.Schlegel u.Tieck;
D. Dichter d. Musenalm. v. Vermehren ; D. Dichter d. Musenalra. v. Chamisso u. Varnhagen. Lyriker d. Freiheitskriege.
Jahiesbeiiohte für neuere deutsche Litteraturgesohiohte. IV. (A)^
IV 2a: 5-7 A, Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
Gruppe hätten die neuen Schillerbiographien reiche Beobachtungen dargeboten. Reinhard
ist viel zu kurz gekommen. Im zweiten Bande ist der Berliner Musenalmanach durch 14
Dichter vertreten; die übrigen Beiträge und die chiffrierten Namen sind S. 6 verzeichnet.
Von Ernst Christoph Bindemann wird behauptet: „Selbständige Werke sind von ihm
nicht bekannt". M. kennt also nicht dessen bis auf Mörike fortwirkende Ueber-
setzung von Theokrits Idyllen und Epigrammen (Berlin 1793) und weiss nichts von
Hermann Petrichs Biographie, Charakteristik und Gedichtauswahl im Stargarder
Programm von 1878. Es folgen 20 Dichter des Wiener Musenalmanachs, deren
Charakteristik durch einen Ausblick auf die späteren bekannten österreichischen
Lyriker, besonders auf Grillparzer, der mit Leon in Verbindung stand und Martin
Spans Schüler war, leicht hätte belebt werden können. Von Leons Versuchen, die mittel-
hochdeutsche Lyrik zu erneuern, erfährt man nichts; die neue Ausgabe von Kalch-
bergs Werken lalieb M. unbekannt. Der Schillersche Musenalmanach und die Hören
sind durch 14 Dichter vertreten, darunter Gries und Knebel; Luise Brachmann,
Friederike Brun, Sophie Mereau, Elise von der Recke. Das S. 154 erwähnte Gedicht
der Brun: „Ich denke dein, wenn über Roms Ruinen" (Hören 1796) war vollständig
mitzuteilen, und ein Hinweis auf Goethes Nachahmung hätte nicht fehlen dürfen. —
Von Matthisson werden 31 Gedichte mitgeteilt; auch Lesarten aus späteren Drucken;
bei der „Adelaide" fehlen alle Quellennachweise. Von Tiedge: „Urania" und 12
kleinere Gedichte. Hölderlin ist mit 34 Gedichten dürftig vertreten, und in der Vor-
bemerkung dazu keine Spur zu einer Würdigung dieses oft Charakterisierten vor-
handen. — Der dritte Band enthält von Kosegarten die „Jucunde" nach der Ausgabe
von 1808 und 4 kleinere Gedichte (H. Francks Monographie Halle 1887 wird ignoriert);
von Amalia von Helvig-Imhoff „Die Schwestern von Lesbos" nach dem ersten Druck
im Schillerschen Musenalmanach für das J. 1800 mit den Aenderungen der Buch-
ausgabe von 1801, zwei kleinere Gedichte und die Reproduktion einer Zeichnung:
Die Dichterin auf dem Totenbette. Die romantischen Musenalmanache sind durch
den von Schlegel und Tieck, den von Vermehren und den von Chamisso und Varn-
hagen repräsentiert. Prometheus, Phoebus, Trösteinsamkeit hätten sich anreihen
müssen. Auch die bedeutenderen romantischen Dichter, denen eigene Bände der DNL.
eingeräumt sind, kehren hier überflüssiger Weise wieder. Bei Schelling vermisse ich
sein bekanntestes Gedicht: „Die letzten Worte des Pfarrers zu Drottning auf See-
land"; der Neudruck des dritten grünen Almanachs durch Geiger ist M. entgangen.
In der Liste der Mitarbeiter dieses Almanachs S. 174 hätten auch noch mehrere
andere Chiffren an der Hand des Chamissoschen Briefwechsels leicht aufgelöst werden
können: P (1805) = Paalzow; MZ (1806) ist Herr von Jariges, der Recensent des
Almanachs in der Jenaischen Litteraturzeitung; die Ungenannte (1806) ist Frau
von Fouque. Unter den Lyrikern der Freiheitskriege, die mit 11 Namen den Schluss
bilden, nimmt die Wiederholung bekannter Gedichte Körners, dessen Werke bereits
vollständig in derselben Sammlung vorliegen, anderem den Raum weg. —
Im einzelnen liegen über die Lyrik dieses Zeitraums viele und wichtige
Arbeiten vor. Den Einfluss Hallers auf Klopstock sucht Drescher^) im Gegen-
satze zu Frey und Muncker nachzuweisen ; in einer feinsinnigen Analyse der Elegie
„Die künftige Geliebte" deckt er die Nachwirkung von Hallers „Doris" auf; die un-
sinnliche Verwendung des substantivischen ,,Ach" bei Klopstock leitet er über Haller
auf Lohenstein zurück. Er ergänzt ferner Freys und Wanieks Arbeiten, indem er
auch bei Pyra und Lange den Einfluss Hallers sicher nachweist. —
Hagedorns Verhältnis zu Burkard Waldis stellt in einer ansprechenden
Quellenuntersuchung Kunz^j fest. Bei zehn Fabeln nennt Hagedorn Burkard Waldis
als seine Quelle; bei drei von diesen, „Der Fuchs und der Bock", „Johann der Seifen-
sieder", „Der Bauer und die Schlange", lässt nichts auf die Benutzung von Waldis
schliessen, während die sieben anderen sie deutlich zeigen. Ausserdem hat Hagedorn
noch 14 Fabeln verfasst, deren Stoffe ebenfalls bei Waldis vorbereitet erscheinen;
zwei davon, „Der Hirsch und der Eber", „Der Wolf und der Fuchs", verraten deutlich
Waldis Einfluss; in den übrigen 12 überwiegt derjenige Lafontaines. Hagedorn weist
seinem Vorbild gegenüber Selbständigkeit auf, eingehendere Motivierung und Charak-
teristik, Neigung zu beissendem Witz und grosse Sorgfalt in der Durchführung seines
Themas; für Waldis ergiebt sich eine grössere Einfachheit und Natürlichkeit der Dar-
stellung und daraus entspringende Naivetät; endlich zeigen sich bedeutende Unterschiede
in der Art, wie die Moral mit der Fabel verknüpft wird. (Vgl. JBL. 1892 III 5 : 33.) —
Das Leben des schlesischen Dichters Chn. G. Stock el (1722—74) erzählte
Markgraf) in der ADB. Stöckel verfasste ausser dem grösseren patriotisch-epischen
Gedichte „Das befreyte Schlesien" (1745—46) auch lyrische Gedichte, Oden, Elegien,
f= ebda. 3. Abt.) 430 S. M. 2,50. (S. u. IV 10: 7.) — 5) (IV 5:1.) — 6) F. Kunz, Hagedorns Verhältnis zn Burkard
Waldis. 19. .IB. d. Staats-Oberrealschnle. Tescben (K. ProchasVa). 1892. S. 19-30. — 7) H. MarVgraf, Ch. G, Stöckel:
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskrieg-en. IV2a:8-io
Briefe und Kantaten, die als schwung-los und in der glatten Sprache als Produkte
seines g-rossen Fleisses charakterisiert werden. Als sein Fleiss vom Amte in An-
spruch genommen wurde, verstummte seine Muse. —
Witkowskis Untersuchungen über die Vorläufer der anakreontischen
Dichtung in Deutschland (vgl. JBL. 1890 IV 2:1/2) hat Günther Koch») ergänzt
und erweitert; nach einem Blick auf Weckherlins und Opitzens einschlägige Versuche
behandelt er die Bearbeitungen anakreontischer Gedichte von Burkhard Menke (1710,
1713), der ihnen den epigrammatischen Charakter geraubt, es nicht verstanden habe,
den kunstvollen Bau eines Gedichtes im ganzen und im einzelnen zu erkennen und
wiederzugeben, unvorteilhafte Erweiterungen und Modernisierungen vorgenommen
und an Stelle des einfach treffenden den weitläufig kennzeichnenden Ausdruck gesetzt
habe; ferner die gereimten Uebertragungen Dan. Wilh. Trillers (1725), welche in
mehrfacher Beziehung einen Fortschritt bezeichnen: Er wählt kurze Verse, teilweise
Strophen und strebt, den durch die Anzahl der griechischen Verse vorgezeichneten
Raum innezuhalten; sein Ausdruck sei meist einfach und treffend; er bemühe sich
den natürlichen Ton der Vorlage beizubehalten, ja auf manchem seiner Verse ruhe
ein Hauch volkstümlicher Frische. Den Vorwurf der Geschmacklosigkeit, den
Witkowski gegen Triller erhoben hat, weist K. zurück. Ebenso sei Witkowskis Be-
hauptung, dass Ludw. Friedr. Hudemann in seinen Uebersetzungen (1732) ein grösseres
Geschick als Triller bewiesen habe, durchaus irrig ; seine Ausdrucksweise sei sehr
reich an schwülstigen Wendungen und steche gegen den volkstümlichen Ton Trillers
ausserordentlich ab. Gottsched endlich habe mit der Aufnahme einer dem Original
analogen poetischen Form (1733, 1736) zugleich einen Grad von Objektivität erreicht,
den die früheren Uebersetzer nicht erreicht hätten; er überschreite den gegebenen
Umfang der Vorlage bei vollständiger Wiedergabe des Sinnes nicht und sehe sich
daher genötigt, auf knappen schlagenden Ausdruck mehr als jeder Uebersetzer vor
ihm zu achten, Weitläufigkeiten zu meiden, eigene Zuthaten ferne zu halten, kurz
von einer mehr oder weniger willkürlichen, subjektiven zu einer strengeren objektiven
Uebertragungsweise fortzuschreiten. In Gleims „Liedern nach dem Anakreon" (1766)
dagegen lebe der Subjektivismus wieder auf; er bereichere seine Vorlage durch wirk-
same Motive aus der Zeitgeschichte; breit und geschwätzig, male er Nebendinge über
Gebühr aus und flechte lehrhafte oder satirische Randglossen ein; die sinnliche
Frische erscheine bei ihm sehr gedämpft. —
In einer Weiterführung dieser Untereuchung über Gleim vergleicht Koch®)
dann die „Scherzhaften Lieder" (Berlin 1744 — 45) mit ihren Quellen und zwar nach
derjenigen Seite, auf die es bei der Beurteilung dieser mehr durch Witz und
klügelnden Verstand, als durch Gefühl und Phantasie zu stände gekommenen Produkte
naturgemäss vor allem ankommt — nach ihrem formalen Charakter als Kunstganzes,
ihrer Komposition. Er unterscheidet unter den Anakreonteen erzählende, dramatische
und schildernde Gedichte und findet in den beiden Bändchen der scherzhaften Lieder
16 erzählenden Charakters; er zeigt an einer Analyse des Gedichtes „Der Vermittler",
wie sehr in ihnen vor der Massenhaftigkeit des Stoffes die künstlerische Beherrschung
zurücktritt; es mangeln dem Dichter Gestaltungskraft und Ebenmass; dagegen kann
seiner Phantasie eine gewisse Fruchtbarkeit im Ersinnen von Situationen nicht ab-
gesprochen werden. Ein Exkurs führt aus, dass in der Entwicklung Gleims als
anakreontischen Erzählers von einem künstlerischen Fortschritte nicht viel wahrzu-
nehmen sei, dass die Kunst der Erzählung- nicht wachse, seine Phantasie mehr und
mehr vertrockne. Auch jenen Gedichten, in denen die Begebenheit dramatisch vor-
geführt wird, vermag K. wenig Lob zu spenden; meist schliesse die Vermischung
der Darstellungsformen Ebenmass und Uebersichtlichkeit aus. Im Anschluss an die
Kritik der schildernden Gedichte untersucht K. die Technik seiner Schilderungen mit
Blicken auf seine Lebensauffassung und Weltanschauung. — Von Gleim muss auch
die geschichtliche Betrachtung der Romanze im 18. Jh. ausgehen; aber Klenze'^)
hat in seiner Abhandlung darüber, deren Einleitung eine ungenügende Zusammen-
stellung über den Gebrauch der Worte Ballade und Romanze und einen ebenso
ungenügenden Ueberblick über die Geschichte der Romanze enthält, die nötigste
Vorarbeit dazu, nämlich die genaue Entstehungsgeschichte der Gleimschen Ro-
manzen an der Hand der Halberstädter Papiere und den eingehenden Vergleich
mit den Quellen, nicht geliefert. Von der älteren Fassung der Gleimschen Romanze
„Cornelius van der Tyt" („Der neue Jonas") werden nur die ersten drei Strophen
aus einem Briefe von Gleim an Uz (12. März 1746) mitgeteilt; J. G. Jacobis Ueber-
setzung des Gongora nur in einer Anmerkung flüchtig erwähnt. Der Abschnitt
ADB. 36, S. 281/2. — 8) Günther Koch, Beitrr. z. Würdigung d. ältesten dtsch. Uebersetzungen anaVreont. Gedichte:
VLG. 6, S. 481-506. — 9) id., Gleims scherzhafte Lieder u. d. sog. Anakreonteen. E. Beitr. zu ihrer Charakteristik. JB. d.
PfeifTerschen Lehr- n. Erziehungsanst. S. 1-19. Jena (Univers.-Buchdr. G. Nenenhahn). 4». S. 1-19. — 10) C. t. Klenze,
(4)9*
IV 2a: 11-17 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
„Zur Technik der Romanzendichter" stellt zusammen: 1. Bänkelsäng-er-Elemente
(Lange Titel, Anrufen des Publikums); 2. Weitere volkstümliche Elemente, Moral,
Spuk und Teufel. Der nächste Abschnitt behandelt die Stoffe und ihre Gruppierung,
Motive und Tendenzen. In dem Abschnitt „Quellen und Vorbilder" ist d^r Nachweis,
dass Gleims nach Gongora gearbeitete Romanze „Der schöne Bräutigam" unter dem
Einfluss der „Lenore" geschrieben sei, nicht überzeugend; daher der Schluss: „Es
giebt kaum etwas Charakteristischeres an diesem Wendepunkt in der Geschichte der
Romanze, als diese Kreuzung von Gongora und Bürger in einem Gleimschen Gedichte"
mehr blendend als zwingend. Die von Löwen und Schiebeier aus dem „Recueil des
Romances" übersetzten Stücke werden zusammengestellt, ohne dass ein Vergleich der
Bearbeitungen mit der Quelle durchgeführt würde. Aufschlussreich ist die Geschichte
der dem Ovid entlehnten Stoffe: Quevedo, Senece, Scarron, Marmontel, Grecourt
reichen sich in der burlesken Bearbeitung dieser Stoffe die Hand; dagegen finden
sich bei Bouffiers nur zwei ernste Bearbeitungen Ovidischer Motive. Diese Dichter
wirken auch nach Deutschland herüber. Schiebelers Pygmaleon zeigt Einfluss von
Grecourts „Pigmalion" und Marmontels „Daphne"; „Daphne und Apollo" von J. N. Götz
verrät gleichfalls die Bekanntschaft mit Marmontel, die meisten Stücke aber hat
Schiebeier auf eigene Faust aus Ovid geschöpft. Es werden dann die anderen antiken
Stoffe, ferner die Stoffe der neueren Zeit und der deutschen Sage zusammengestellt.
Hier erscheint auch die Faustsage: In den „Leyerliedern" von Karl Ferdinand
Schmidt (1780) steht ein Gedicht: „Faust. Autorhand", das aber mit der Faustsage
wenig gemeinsam hat und auf eine Satire gegen den englischen Messias-Uebersetzer
Collier hinauszulaufen scheint; in der Preussischen Blumenlese für das J. 1781:
„Doktor Faust. Eine akademische humoristisch-moralische Vorlesung" von K.
A. Herklots, von A.Tille („Die deutschen Volkslieder vom Doktor Faust", S. 284 ff.)
nach einem fliegenden Blatt abgedruckt. — Schüddekopf^') weist nach, dass das
von Muncker in der AZgB. vom 3. Nov. 1891 (N. 305) mitgeteilte „Sieges-Lied der
Preussen nach der Schlacht bey Lissa" (vgl. JBL. 1892 IV 2:7) nicht von Gleim
herrühre, sondern eine schlechte Nachahmung der Grenadierlieder sei, und bringt
neue Beweise dafür bei, dass die dort genannten Sammlungen nur unechte Nach-
drucke seien. — Schüddekopf *2j veröffentlicht auch einen Brief Gleims an
E. von Kleist, Halberstadt 31. Aug. 1757; Kleists Erzählung „Die Freundschaft",
Geliert, Lessing und Weisse werden darin erwähnt; im übrigen enthält er Kriegs-
geschichten. — Pawel 13) setzt seine Veröffentlichungen aus dem Briefwechsel zwischen
Gleim und Herder (vgl. JBL. 1892 IV 7 : 1) fort; N. 29-68 aus den J. 1795-1803.
Das Schwergewicht der Publikation liegt in den Briefen Herders. Ungedruckt ist
eine Stelle aus einem nicht abgesandten Briefe Gleims an Herder über die Humanitäts-
briefe (S. 42) und der Brief vom 6. Jan. 1800 über die Entstehung seines Gedichts
„Amor und Psyche"; ferner ein Gedicht an Karoline Herder „Den 2. Apr. 1799".
Auch Briefe Gleims an Frau von Klenke, geb. Karschin, werden mitgeteilt: 12. Okt. 1796
und 14. Apr. 1797 über die Xenien und seine Antixenien, 22. Jan. 1800 Verse auf
Jean Paul, 17. Juni 1800 über Jean Paul. — Pawel^*) veröffentlicht auch zwei Briefe
von J. H. Voss an Gleim: 1) Eutin 24. Juni 1784 über Gleims Episteln, über die
unechte Ausgabe der Vossischen Gedichte und den Plan einer echten Sammlung,
über die Luise und die Idyllen. Klopstock, Gerstenberg und Stolberg werden er-
wähnt ; 2) Eutin 28. Apr. 1785 über die erste Ausgabe seiner Gedichte, die er Gleim
übersendet; über Gerstenberg und dessen Minona, über die Dramen der Stolberge,
Klopstocks Bardiete und neuere Oden; über den künftigen Musenalmanach. —
Schüddekopf 1^) verfolgt in einem hübschen Aufsatz die Beziehungen Gleims zur
Königin Luise. Dreimal wandte sich der Dichter an die Monarchin: am 29. Dec. 1797,
bald nach ihrem Regierungsantritt; am 19. Okt. 1800 übersandte er ihr ein Lied zum
Beginn des neuen Jh. und am 28. Apr. 1802 empfahl er ihr den Einländischen Barden
Kretschmann; für den zweiten Brief und das „schöne" Gedicht dankte die Königin
dem „Ossian unseres Hauses" in einem eigenhändigen Schreiben vom 30. Okt. 1800:
„Es ist, als wäre es in meiner Seele gedichtet". — In Gleims Halberstädter Freundes-
kreis führt uns Pröhle^^), indem er in der ADB. den von Gleim viel besungenen
Domdechanten Ernst Ludwig von Spiegel zum Desenberge (gest. 1785) behandelt.
Ein unter seinem Namen gehendes Gedicht rührt von Gleim her. In seinem Sieges-
liede auf die Schlacht bei Rossbach führte Gleim unter den fliehenden Reichstruppen
(V. 193 ff.) auch den Paderborner ein, weil der Domherr die dortige Mundart gern
im Scherze sprach. — An demselben Orte charakterisiert Pröhle*'') auch den Frei-
D. kom. RoiDiinzen d. Deutschen im 18. Jh. Diss. Marburg i.H. (Univ.-Buchdr. [C.L.Pfeil]). 1891. 46 S. - IDC.Schttdde-
Icopf, E. angeblich Gleimsches Kriegslied: VLG. 6, S. 128-32. — 12) id., E. Brief Gleims an E. v. Kleist: VLG. 5, S. 612/4.
— 13) (IV 7:4.) — 14) J. Pawel, Zwei Briefe v. J. H. Voss an Gleim: VLG. 6, S. 133/6. — 15) K. Schüddekopf, Königin
Luise u. Gleim: NatZg. N. 721. — 16) H. Pröhle, E. L. Frhr. v. Spiegel: ADB. 35, S. 146/9. - 17) id., F. E. Frhr. v. Spiegel :
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a: I8-20
herrn Dietrich Ernst Spieg-el von Pickelsheira (1737—89) als Vf. zahlreicher Geleg-en-
heitsgedichte und grenzt dessen dichterisches Eigentum gegen das der anderen Halber-
städter Dichter ab. —
Der von der Forschung lang vernachlässigte J. N. Götz ist durch Schüdde-
kopfs*^""*) Bemühungen in helleres Licht gerückt worden. Zwar ist es dem
Herausgeber der DLD. leider nicht gelungen, die Schwierigkeiten, welche eine voll-
ständige Ausgabe der Gedichte von Götz bisher verhindert hatten, schon jetzt aus
dem Wege zu räumen; Sch.s Ausgabe konnte sich nur auf die Schöpfungen der J. 1745
bis 65 erstrecken, die er zum ersten Male in unverfälschter Form vorlegt; aber es
ist damit wenigstens ein tüchtiger Anfang zur richtigen Erkenntnis und Würdigung
des Dichters gemacht. In der Einleitung zu der Ausgabe zählt Seh. die Bemühungen
auf, die bisher gemacht wurden, um zur echten Gestalt der Götzischen Gedichte vor-
zudringen, legt die Geschichte der Ramlerschen Ausgabe dar und charakterisiert das
ihm zur Verfügung stehende Material. Die Ausgabe selbst enthält den bisher fast
unzugänglichen „Versuch eines Wormsers in Gedichten" 1745 (N. 1/7), welcher, wie
es scheint, auf verlorene Einzeldrucke zurückgeht und schon 1744 gedruckt ist; die
Ode „Ueber den Tod seines Bruders Cornelius Georg Götzens" (N. 8) nach einem
Einzeldrucke ohne Angabe des Druckorts aus dem J. 1747 und zwei Gedichte aus
dem Anakreon von 1760 (N. 18/9); endlich 88 Gedichte (N. 9—17, 20—99) nach der Hs.,
von welchen 15 bisher ungedruckt waren (darunter N. 17 „Prosaische Ode An den
Marquis von Montbarey" 1749) und 8 weitere in der Ramlerschen Ausgabe fehlten.
Die Anordung ist chronologisch; gute Register tragen zur raschen Orientierung bei.
Ist hier an dem jugendlichen Dichter die verdiente Rettung vollzogen worden, so be-
zieht sich der von Seh. musterhaft herausgegebene Briefwechsel Götzens auf dessen
ganze Lebenszeit. Er enthält 23 Briefe von Götz an Gleim, Uz, Ramler, Schwan und
Knebel (1741—80), 7 Briefe von Gleim an Götz und dessen Sohn Gottlieb Christian,
4 Briefe von diesem an Ramler (1783—85) über die Gedichtausgabe und die Lebens-
sfeizze. Ausserdem sind noch zahlreiche Stellen aus dem Briefwechsel zwischen
Gleim und Uz verwertet und der Brief Gleims an Ramler 2. Dec. 1755 (S. 47). Auch
Götzens Eintragung in Gleims Stammbuch (Sentenz aus Hallers Gedicht über die
Ehre) 1. Aug. 1741 bei des letzteren Weggang aus Halle. Die Briefe führen uns in
die Zeiten des Hallenser Dichterbundes, in die jugendlichen Freundschaften und die
späteren Zerwürfnisse, in die Entstehung der Anakreonübersetzung und anderer
Dichtungen von Gleim, Götz, Uz und Rudnik ein. Man kann die Bemühungen der
Freunde um die Veröffentlichung der Götzischen Gedichte verfolgen, ebenso aber
auch seine grenzenlose Furcht vor der Enthüllung der Anonymität. Immer von,
neuem beschwört er Gleim und Ramler, seinen Namen, so lange er lebe, zu ver-'
schweigen, damit er nicht um Amt und Brot gebracht werde. Neben litterarischen
Fragen, der Besprechung neuer Erscheinungen des Büchermarktes, Kritik von Ge-
dichten usw. kommen auch die persönlichen Schicksale Götzens und seiner Familie
vielfach zur Sprache. Es ist der wichtigste Beitrag zu seiner Biographie und
Charakteristik, den wir bisher besitzen. Von Einzelheiten, die sich nicht auf Götz be-
ziehen, seien hervorgehoben: S. 30 eine Anmerkung über die „Freundschaftlichen
Briefe" Berlin 1746 ; S. 25, 44 Drucke Gleimscher Gedichte, die bei Goedeke fehlen.
S. 70, 89 Bemerkungen über Gleims Lieder nach dem Anakreon, mit Günther Kochs
bereits angeführten Untersuchungen (s. 0. N. 8) zusammenzustellen ; S. 67 über Gleims
versifizierten Philotas; S. 48 f. Gessner; S. 49 Lessings Kleinigkeiten und Miss Sara
Sampson; die neuen kritischen Briefe, Zürich 1749 (die meisten Briefe sind von Bodmer,
einige wenige von Schultheiss); Wielands Erzählungen 1752, von Gleim Götzen
zugeschrieben; S. 52 Klopstock; S. 56 Gerstenberg; S. 61 Ramler; S. 68 G.
S. Lange. —
Aus einer umfassenderen Arbeit über Johann Peter Uz legt Petzet^«)
jene Teile vor, welche das Verhältnis des Dichters zur Anakreontik und zu Horaz,
sowie seine philosophische Odenpoesie behandeln. Uz ist kein unselbständiger Nach-
ahmer der Anakreontik und Gleims. Der Ton des heiteren anakreontischen Liedes
war ihm angemessen, weil er selbst einen fröhlichen Sinn besass, und er hatte sich
in den Vorstellungskreis Anakreons so ganz eingelebt, dass er für ihn nichts nach-
gemachtes, sondern sein wirkliches Eigentum war. Er war nicht frei genug von den
konventionellen Anschauungen der Zeit, um sich Günther zum Vorbild zu nehmen,
aber neben Anakreon und Horaz, neben Lafontaine und Rost war das Muster Marots, den
er nicht sehr glücklich übersetzte, Chaulieus und Hagedorns für seine jugendlichen
ib. S. 159. — 18) K. Schfiddekopf, Gedichte v. J. N. Götz ans d. J. 1745-65 in ursprüngl. Gestalt. (= DLD. N. 42.) St.. Göschen.
XXXVI,89S. |[M. K(ooh):LCBl. S. 1396.]| — 19) (IV lc:65.) [[R.Friedrich: BLU. S. 644; M. K(och): LCBl. S. 1551,2.]| —
20)G. Petsse t, Studien zu J. F. üz. D. Ginflnss d. Änalcreontik u. Horazens auf J. P. Uz. Dias. München. B.,G. Felber. 6S S. 11.1,50.
IV 2a: 20 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den ^Freiheitskriegen.
Versuche vorbildlich. Aber schon in seiner ersten, vorwiegend anakr eontischen Ge-
dichtsammlung (1749) predigt er zugleich ernste Lebensfreude; mehrere Gedichte
deuten schon damals auf eine spätere Stufe von üzens Entwicklung vor, wo philo-
sophische Lyrik und die Einflüsse von Horaz das spielende Getändel der Jugend und
der anakreontischen Freunde verdrängten; auch in manchen der anakreontischen
Tändeleien kann man eine grössere Tiefe und Innerlichkeit bemerken, als sie bei den
anderen Anakreontikern zu finden ist, die einen wirklich persönlichen Anteil des
Dichters erkennen lassen. Stilistisch zeigen diese Jugend versuche ebenfalls den
Einfluss von Anakreon und Horaz, den der französischen und der schäferlichen Poesie;
von Hagedorn lernte er die Leichtigkeit in der Behandlung des Versmasses. Die „Briefe"
verraten das Studium der Episteln von Horaz, Boileau und Pope. Für seine Oden-
poesie war Horaz das Hauptmuster; aber er ging über die seichte anakreontische
Auffassung Horazens bei vielen seiner Zeitgenossen hinaus, begriff ihn tiefer und ge-
langte endlich zu einer selbständigen philosophischen Lyrik. Er geht von horazischen
Stoffen und Ideen aus, wird allmählich selbständiger und individueller, behandelt
schliesslich die seine eigene Zeit bewegenden philosophischen und vaterländischen
Fragen. Seiner Technik jedoch bleiben immer Spuren des horazischen Vorbildes an-
haften, wenn er sich auch durch sein Festhalten am Reim grössere Beweglichkeit
sichert als die meisten seiner Vorgänger und Zeitgenossen. Wörtliche Entlehnungen aus
Horaz bei Uz, Haller, Hagedorn, Geliert, Pyra, Lange, Kleist, Ramler werden angeführt;
im „Silenus" wird Anlehnung an Vergil nachgewiesen. Auch die Personifikationen
und Bilder sind bei Uz meist horazisch. In stofflicher Beziehung kommt wie bei
Hagedorn in Betracht, dass die modernen Dichter dem antiken eben in den Gesinnungen
verwandt sind; Uz suchte die horazischen Weisheitslehren auch im Leben zu ver-
wirklichen. In einzelnen pathetischen Oden wird er allerdings manchmal mehr
rhetorisch als lyrisch. Im allgemeinen ist aber ein bedeutender Fortschritt auf dem
Wege zur Verinnerlichung der Gedankendichtung bei Uz festzustellen. Schon der
Bruch mit dem fast allein herrschenden Alexandriner einerseits, den steifen reimlosen
Versen Pyras andererseits brachte eine grössere Beweglichkeit mit sich; dem Verlassen
der trockenen Versformen entsprach auch immer mehr gesteigertes Abweichen von
dem rein moralisch didaktischen oder orthodox frommen Gehalte der Gedichte. Durch
die Entfesselung der Versform wie der Phantasie kam allmählich auch mehr Gefühl
in die Gedankendichtung, Schillers Gedankenlyrik vorbereitend. Auch die Gelegen-
heitspoesie wird durch Horaz gehoben; in den Klagegedichten werden individuellere
Töne als früher angeschlagen; selbst die patriotische Dichtung ist von Horaz nicht
unabhängig. Zwar verfällt Uz nicht in Ramlers Unfreiheit der Nachbildung, sondern
mit dem Inhalt wird auch die Form eingedeutscht; trotzdem sind nahe Anlehnungen
vorhanden. Uz selbst ist von edelster patriotischer Begeisterung erfüllt, die sich
nicht bloss auf seinen kleinen Heimatsstaat, sondern auf ganz Deutschland bezieht.
Mit Haller, Klopstock und Kleist berührt er sich in seinem Groll über den Verfall
deutscher Sitte und Sittlichkeit, in dem Abscheu gegen Eroberungskriege, in den
Forderungen an die Fürsten für das Glück der Völker, nicht bloss für ihren Ruhm
und ihre Macht zu sorgen; er steht im Gegensatze zu Lange, Gleim, Ramler und
anderen, die, von der Grösse der Persönlichkeit Friedrichs IL hingerissen, kaum etwas
anderes kannten als Bewunderung und Preis des siegreichen Königs. In der An-
merkung S. 44 wird hervorgehoben, dass die erste Strophe von Ramlers Ode „An die
Feinde des Königs 1760" unter dem Einfluss von Uzens Gedicht „Das bedrängte
Deutschland" entstanden sei. Die philosophischen Oden von Uz stehen unter dem
Einfluss von Leibniz, Shaftesbury, Haller und Pope. In einer eingehenden Be-
trachtung der „Theodicee" wird der enge Anschluss an Leibniz klar gemacht, zugleich
aber auch betont, dass Uz mit Haller und Shaftesbury in der Annahme der Freiheit
des menschlichen Willens und in der Auffassung der ethischen Aufgabe des Menschen
von Leibniz abweicht. Das Gedicht wird gegen den Vorwurf der Unklarheit in Schutz
genommen: Durch den Schwung und das Feuer seiner Ausführung sei Uz weitaus
der erste unter den Gedankendichtern seiner Zeit. Die Gedanken der Theodicee
werden hierauf bei Brockes, Haller, Kleist, Cronegk, Creuz, Withof, J. J. Sucro,
Zernitz und Wieland nachgewiesen. „So ergeben sich bei Wieland und Uz in der
Zeit ihrer erbitterten Fehde in ihrer philosophischen Dichtung Berührungspunkte, die
den stürmischen Angreifer hätten belehren können, wie ungerecht seine einseitige
Polemik war. Aber auch bei Wieland erschien in lehrhaftem Gewände, was Uz mit
lyrischem Schwung vortrug". In formeller Beziehung ist Uz in seinen Gedanken-
dichtungen auch vielfach von Haller abhängig; aber es eignet ihm eine grössere Be-
weglichkeit. Die Tendenz zu kürzeren leichteren Versen als dem Alexandriner lag
ihm nahe. Er bricht dessen Alleinherrschaft, setzt seiner Monotonie einen wohl-
abgemessenen Strophenbau gegenüber. Durch den meist sehr feinsinnig und geschmack-
voll gewählten Wechsel seiner jambischen und trochäischen Verse erreicht er einen
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des lÖ. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a: 20-23
hohen Grad von Leichtigkeit und Beweglichkeit. Und auch den Reim handhabte er, wenn-
gleich nicht sehr rein, so doch geschickt in der Verschlingung des männlichen und weib-
lichen Versausgangs. Im Versbau erscheint er noch oft als Suchender, der die ver-
schiedensten Zusammensetzungen probiert und daher auch manchmal fehl greift. Oft
ist der Strophenbau durch die Verschiedenheit der einzelnen Verse zu unruhig und
lässt allzu sehr jede Gleichmässigkeit vermissen. Es ergiebt sich eine grosse Mannig-
faltigkeit von Strophenbildungen, wenn er auch in einzelnen Fällen nicht glücklich
ist. Doch auch in den komplizierteren Versinassen bewegt er sich meist ohne Schwer-
fälligkeit. Denn er besitzt ein sehr feines Gefühl für Rhythmus und eine grosse
Leichtigkeit der Sprache. Sein Satzbau ist stets einfach und klar; die Ausdrücke
vermeiden meist glücklich den Schwulst wie die nackte Prosa und sind würdig und
angemessen. So hat Uz einen bedeutenden Schritt gethan, die poetische Sprache auch
beim Ausdruck philosophischer Gedanken freier, leichter, natürlicher, deutscher zu
machen; fast stets bewährt er guten Geschmack und sicheren Takt. Die mit Junck-
heim und Hirsch gemeinsam verfasste prosaische Horazübersetzung- ist ein schwächeres
Werk, bei dem von vornherein darauf verzichtet wurde, die poetische Schönheit
Horazens wirklich wiedergeben zu können; aber bei aller Einfachheit ist doch ein
Streben nach rhythmischem Wohllaut nicht zu verkennen, und der Ausdruck ist
meist minder prosaisch, als in den meisten poetischen Uebertragungen, wenn natürlich
auch eine gewisse ängstliche Abhängigkeit vom Wortlaut des Originals sich bisweilen
recht störend geltend macht. Anhangsweise wird der Einfluss von Uz auf Schiller
charakterisiert, wobei seine epochemachende Stellung in der Entwicklung der Ge-
dankenlyrik noch einmal betont wird. —
Von Anna Luise Karschin teilt Kohte'-^) eine „Ode an die christliche Ge-
meinde zu Tirschtiegel" mit, die in der dortigen Kirche aufbewahrt wird, um deren
Erbauung (1780—81) sie sich verdient gemacht hat. — Die Beziehungen R. E. Raspes
zu ihr verfolgt Scherer--J in einem Aufsatze, worin die Darstellung der Lebens-
schicksale Raspes bis zu seiner Flucht aus Kassel (1775) mit ungedruckten Briefen
und Gedichten der Karschin recht unglücklich vermischt ist. Für die Karschin ergiebt
sich wenig neues, es wäre denn die barocke Idee Nicolais, der sie zu dramatischen
Versuchen veranlassen wollte (S. 398). Raspe steht mit ihr seit 1767 in Verkehr.
Sie sucht durch seine Vermittlung hauptsächlich mit fürstlichen Persönlichkeiten in
Beziehung zu treten, mit dem Prinzen Karl von Mecklenburg-Strelitz in Hannover
und später mit dem Landgrafen Friedrich II. von Hessen. Wichtiger ist die Publi-
kation für Raspe, insbesondere für dessen Beziehungen zu Berlin, wohin ihn als
Mitglied der Akademie zu bringen die Absicht seiner Freunde war, und seinen
Aufenthalt daselbst im J. 1770. Einzelheiten: S. 387 (Anmerkung): J. G. Jacobi muss
bereits Ende 1768 nach Halberstadt übergesiedelt sein; 30. März 1769 ausführlich über
Ramler, dessen Tod Jesu im Vergieicu mit dem Messias; die gegen Raspe gerichtete
Vorrede zu den „Neuen Kriegsliedern mit Melodien. Leipzig, Cassel und Zwäzen 1769"
soll von Klotz herrühren, das Werk selbst nach einem Brief Matthäis von einem ge-
wissen Gerstenberg aus Erfurt, einem Anhänger Riedels; 30. Sept. 1770 über Boies
Kritik von den Liedern der Karschin; S. 402 die Karschin über Klotz, über Jacobi,
dessen Kantate auf den Geburtstag des Königs und dessen Gedicht „An das Publikum";
S. 106 Raspes Plan einer Beschreibung von Berlin und Potsdam unter Teilnahme
von Nicolai und Gatt, die nicht zum Druck gelangt zu sein scheint; S. 379 dürfte
statt „Mnomine" zu lesen sein: „Monimia". —
Ueber Johann Georg Jacobis Jugendwerke liefert Ransohoff^^) eine
gi'undlegende vorzügliche Arbeit. Mit Ausnahme der „Vindiciae Torquati Tassi" 1763,
des „Tempels der Glückseligkeit" 1764 und der „Romanzen aus dem Spanischen des
Gongora" werden alle seine wichtigen Arbeiten bis zum J. 1774 analysiert und
charakterisiert. Der Einfluss von Uz, Horaz, Petrarca (besonders „Das Körbchen"
S. 49), Dante (Aus dem 33. Gesang des Inferno ist die Erzählung des Grafen
Ugolino ausgehoben. Der herben Einfachheit Dantes genügt Jacobis Stil nicht; seine
Uebersetzung nimmt sich oft wie eine Anmerkung zu dem Original aus: S. 11),
Metastasio, Gresset, Chaulieu, Rousseau, Voltaire, der Gegensatz zu Young, die per-
sönlichen Beziehungen zu Klotz und Gleim, werden nachgewiesen, seine Lyrik mit der
Gleims und Gerstenbergs verglichen, ihr spieleriger, tändelnder, anakreontischer
Charakter beschrieben, der späte und vorübergehende Einfluss Klopstocks wird auf-
gedeckt. Die „Winterreise" steht unter dem Einflüsse von Chapelle und Sterne; in
dem anakreontischen Roman ,jCharmidas und Theone" lassen sich die Anregungen
(Vgl. ZVLR. 6, S. 329-92.) — 21) J. Kohte, Ode d. Anna Luise Karschin an d. evangel. Gemeinde in Tirschtiegel: ZHGPosen 8,
8. 362,4. — 22) C. Scherer, Knd. Er. Raspe u. seine Beziehungen zu Anna Luise Karschin. Nach zumeist ungedr. Briefen:
VLG. 6, S. 371-409. — 23) G. Ransohoff , Ueber Joh. G. Jacobis Jngendwerke. Diss. B., Buchdr. G. Schade (0. FrancVe).
1892. 59 S. (Thesen: 1. Bereits in d. ersten, nicht erhaltenen Fassung d. „Tasso" war e. Gegenfigur wie Antonio; 2. Zu
d. Marianne d. gGeschwister" hat Lotte Baff Züge beigesteuert; 3. Grinijnelshansens „RatstQbel Platonis" [sie!] ist vor
IV 2a: 23-28 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
Winckelmanns und Petrarcas erkennen. Gesamtcharakteristik: „Der Grundzug- in
Jacobis Wesen war eine schwächliche Empfindsamkeit. Ihr fehlte Gedankenfülle, die
sie zum Sentimental-Pathetischen erheben, Innigkeit und Ernst, durch den sie er-
greifen konnte; Leidenschaft und Seelentöne, durch welche sie hingerissen hätte.
Ohne stärkere Impulse, immer nur zärtlich und rührselig, verflachte sie und verlor
sich zum Empfindungslosen" (S. 36/7) . . . „Man braucht Jacobi nicht gerade mit
Goethe zu vergleichen, um ihm den Vollgehalt einer lyrischen Natur abzusprechen.
Ihm fehlt . . . die tiefe Innerlichkeit, die Leidenschaft des Empfindens, der subjektive
Ausdruck des Gefühls. Er bietet nur allgemeine Stimmungen, ohne das Besondere
des Momentes und der Person hervorzuheben; und das Eigenartigste seiner Kunst ist
eigentlich die schöne, fliessend weiche Form. Aber innerhalb seiner bescheidenen
Sphäre wiesen ihn die vornehmsten Eigenschaften seines dichterischen Charakters,
Phantasie, Empfindsamkeit und Weichheit des Gemütes, unzweifelhaft zur Lyrik. Auf
diesem Gebiete fand er seine schönsten Erfolge" fS. 44/5). —
Klo p stock 8^4-26^ Kenntnis des germanischen Altertums beleuchtet ScheeP''),
indem er als Klopstocks altdeutsche Quellen vor 1766 Resenius (daraus der Name
Bragor in der Ode „Sponda" 1764), Mallet und Lohensteins Roman Arminius nach-
weist, aus welch letzterem alles über das Bardenwesen stammt, und indem er für die
Zeit nach 1766, nach den einzelnen Göttern geordnet, die Stellen bei Resenius und
Mallet anführt, aus denen Klopstock seine Ansichten schöpfte. Klopstocks Kennt-
nisse der nordischen Mythologie sind weit reicher als die der bardischen Dichter,
die sich nur mit den Brocken nährten, die von seinem und Kretschmanns Tische ge-
fallen sind. —
Der bardischen Lyrik widmet Ehrmann-^) eine umfangreiche Unter-
suchung, indem er sie als ein abgeschlossenes Gebiet von der historischen Entwick-
lung losgelöst nach Inhalt und Form eingehend betrachtet. Er definiert die Barden-
lyrik etwas umständlich folgendermassen : „Entscheidend, allerdings ganz äusserlich,
kann nur dies sein, dass in dem Gedicht gesagt oder in seinem ganzen Charakter
stillschweigend aber klar vorausgesetzt wird: Der Dichter will als Barde singen, das
Gedicht soll ein Bardenlied sein, oder dass dadurch, dass ein Gedicht einer alt-
deutschen Person, z. B. Thusnelda, oder einer Gesamtheit wie den Cheruskern in den
Mund gelegt ist, eine deutliche Nachahmung altdeutschen Gesanges beabsichtigt wird".
Er findet die erregenden Momente in Herder, in den Schleswiger Litteraturbriefen,
in den Grenadierliedern, in Klopstock und Ossian, weist auch kurz auf Gerstenbergs
Lehrer und Gönner Gottfried Schütze hin, ohne aber die entscheidende Stellung dieses
Mannes genauer zu präzisieren, stellt dann in übersichtlicher Weise .die die Dichter
beherrschenden Vorstellungen (1. Der Barde und sein Ruhm, 2, Die Harfe, 3. Das
Lied, 4. Klang und Echo, 5. Geisterwelt, 6. Natur), sowie die behandelten Gegenstände
und Stimmungen f 1. Vaterland, 2. Kriegslust, 3. Gelegenheitsdichtung, 4. Moralische
Zwecke, 5. Deutsche Mythologie) zusammen und verfolgt die Mischung mit anderen
Zeitideen (Sturm und Drang, Anakreontik). Er sondert hier überall das Formelhafte
und Konventionelle von dem Neuen, Persönlichen, Erlebten. Er macht schöne Ansätze
dazu, die einzelnen Motive auf ihre Quellen zurückzuführen, aber er scheidet die An-
regungen, die vom deutschen, resp. nordischen Altertum ausgehen, nicht scharf genug
von den Einflüssen des Volksliedes und denjenigen Ossians. In Bezug auf die Quellen
und die Verwendung der mythologischen Kenntnisse ist er durch Scheels Aufsatz
bereits überholt. In formeller Beziehung weist er nach, dass die Form des Gersten-
bergischen „Skalden", der sonst in Ehrmanns Untersuchung viel zu kurz kommt,
nicht nur im Versmasse, sondern auch in ihrem charakteristischen Aufbau geschichtlich
aus der musikalischen Poesie und zwar aus der Kantate herzuleiten sei. Ramlers
„Ino" bildet die Vermittlung zu Dryden und Pope. Er betrachtet dann die freien
Rhythmen, die antikisierenden Versmasse, den formellen Einfluss der Kriegslieder
(S. 5/6 eine Zusammenstellung von deutschen Kriegsliedern in den letzten drei
Decennien des 18. Jh.) und die von ihm nicht sehr glücklich „ossianische Scene" be-
nannte Form des Bardenliedes, wonach das eigentliche Lied durch die Erzählung der
Umstände, die es veranlassten, eingerahmt wird. Den Schluss bildet ein Quellen-
verzeichnis, eine revidierte und chronologisch geordnete Uebersicht über die bei
Goedeke § 218 unter den Barden aufgeführten Gedichte. In einer ausführlichen
Recension dieses Buches macht Kost er E. eine gewisse Unklarheit und die Ver-
quickung zweier Prinzipien der Betrachtung zum Vorwurfe. Er habe sich bei seinen
Untersuchungen gar zu leicht mit dem Aeusserlichen begnügt und aus dem, was er
„Proximns u. Lympida" entstanden.) — 24) E. Naumann, J. Imelmann, Klopstoclcs Oden (vgl. JBL. 1891 I 7:43):
ZGymn. 26, S. 481/2. — 25) X L- FränVel, D. freie Rhythmik in d. nhd. Lyrik vor, bei u. nach Klopstock: ZDU. 6, S. 817-29.
(Knappe Skizze e. älteren, v. d. Forschung teilweiee überholten Vortr. ohne neue Gesichtspunkte; vgl. JBL. 1892 I 7 : 11.) —
26) X (I 7:44; IV 8c : 8.) — 27) W. Scheel, Klopstocks Kenntnis d. gerraan. Altert.: VLG. 6, S. 186-212. — 28} E. Ehr-
mann, D. bardische Lyrik im 18. Jh. Halle a. S., Niemeyer. 1892. VIII, 108 S. M. 2.40. |[M. K(ooh): LCBl. S. 796/7
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskrieg-en. IV 2a : 29-33
uns schuldig- geblieben, Hesse sich ein zweites Büchlein von dem Umfange des
seinigen schreiben. Wir hätten gern von ihm erfahren, welchen Umfang die bardische
Bewegung annahm, was alles von ihr in stärkere oder schwächere Mitleidenschaft ge-
zogen wurde. Es hätte die Technik der Barden genauer erörtert werden müssen,
die wichtige Frage: Woher haben Klopstock und die Barden die nordische Mytho-
logie? war zu erledigen, die andere: Was war die bardische Lyrik für ihre Zeit?
war aufzuwerfen. Er bringt zur Beantwortung dieser letzteren Frage eine Aeusserung
der Karoline Flachsland bei, welche beweist, wie ernst diese Bewegung aufzu-
fassen ist. —
Mit einem Nachzügler der Bardenpoesie macht uns Masius^'') bekannt durch
die Veröffentlichung eines Gedichtes, das der spätere Oberpfarrer Bobbe in
Mehringen bei Aschersleben als Sekundaner im J. 1784 auf einem Aktus des früheren
reformierten Gymnasiums zu Halle unter grossem Beifall der Zuhörer vorgetragen
hatte : Ein Hymnus auf die Befreiung Amerikas vom Sklavenjoche im verstiegensten
Bardentone. Während er die „Hellenen unsrer Tage" preist, mahnt ihn die klirrende
eiserne Kette, . . . dass er ein Deutscher sei. „Nichts halfen deine Schergen . . .
gesandt zum Mord auf hundert ehrnen Kielen und zahlenlos geheur'te deutsche
Sklaven . . .". —
In der ADB. wird Jakob Friedrich Schmidt (1730—96) von Schumann^*')
als Nachahmer Klopstocks, Bodraers und Gessners, als Horaz Übersetzer und als Heraus-
geber der ersten Auflage der moralischen Wochenschrift „Der Hypochondrist", die
sein Mitarbeiter Gerstenberg später umarbeitete, kurz charakterisiert. —
Eine ausführliche Würdigung wird dem Grafen Reinhard als deutschem
Dichter durch Lang^i) zu Teil. Er beginnt 1778 mit 2 Elegien: „Lotte bei Werthers
Grab" und „Sigwart"; durch Klopstock wurde er zur elegischen Versart hingezogen;
früh schon übersetzt er aus Tibull und Properz; durch den Ephorus Schnurrer (so
ist statt „Schumann" zu lesen in Reinhards Brief an Goethe 1. Febr. 1820) wurde er
zu metrischen Uebersetzungen aus dem Arabischen angeregt, die sich in seiner
Probeschrift zur Erlangung der Magisterwürde 1780 finden. Aus dem März 1781
stammt sein Gedicht an Schiller. Die Göttinger sind seine Muster. Im Staeudlinschen
Musenalmanach auf 1782 ahmt er Bürger und die Anakreontiker nach, singt leichte
Lieder und patriotische Weisen. In diesem Almanach schreibt ihm L. die mit — t ge-
zeichneten Strophen „An F. L. Graf zu Stolberg" und „Der Tanz" zu, im Musen-
almanach auf 1783 die mit — h — gezeichnete empfindsame Ode „An Luisen", „An
ihrem Geburtstag". Im Musenalmanach auf 1784 giebt er die Ugolinoscene aus
Dantes Hölle als erster in Terzinen wieder. Er überwindet die Klopstock-Ossianischen
Stimmungen unter Swifts und Lukians Einfluss. Der Uebersetzung des Tibull
(Zürich 1783) sind eigene, im einzelnen vielfach dunkle Elegien beigegeben. Er
macht den Uebergang zur horazischen Epistel nach Goeckingks Muster und legt
1785 eine Sammlung „Episteln" vor, in denen neben den allgemeinen Eigenschaften
der Gattung als individuelle Züge zum Vorschein kommen: Das grausame Zer-
pflücken der eigenen Empfindungen, ein beständiges Schwanken zwischen wühlendem
Weltschmerz und ironischer Kälte und häufige Ausbrüche seiner Misslaune. In der
schwäbischen Blumenlese für 1786 gehört ihm die mit — r — gezeichnete Elegie „An
Minna", deren Anmut und beredter W^ohllaut anzeigt, dass kein weiter Weg mehr
zurückzulegen bis zu der Vollendung der Goetheschen Elegien. Von da ab zeigt sich
in Reinhards Lyrik keine weitere Entwicklung mehr. Aus dem Schwäbischen
Museum 1785 — 86 sind hervorzuheben: Ein Märchen „Zobeide" (nach Gozzi?) und
Uebersetzungen aus lateinischen Dichtern des 14. und 15. Jh., unter den späteren Ge-
dichten, die Lang zusammenstellt, das politische Gedicht „Bassevilles Schatten"; auch
französische Gedichte hat er verfasst. Endlich wird die bisher ungedruckte Elegie
„Auf Goethes Genesung" 1823 mitgeteilt. —
Aus den Gedichten des Göttinger Dichterbundes^^j wurden im zweiten
Bande der Auswahl von Sauer ^^-j Gedichte von Hölty und J. M. Miller vereinigt.
W^ährend S. sich bei der Wiedergabe des Höltyschen Textes an Halms Ausgabe an-
schliesst, geht er bei Miller auf die ersten Drucke, vereinzelt auch auf Hss. zurück.
Die Einleitungen bieten kurze Biographien und knappe Charakteristiken. Als Beilage
ist Millers Aufsatz: „Einiges von und über Höltys Charakter" abgedruckt. Das
reproduzierte Bildnis Höltys ist unbedeutend; dagegen ist Millers Wachsbild von
Buckle aus dem J. 1776 nach dem Original sehr g-ut wiedergegeben. —
In einer sehr sorgfältigen Untersuchung wird Höltys Verhältnis zu der
A. Schlossar: BLU. S. 789; A. Koste r: ADA. 19, S. 77/9.J| — 29) H. Masin s. Auch e. Stock Schulgesck: NJbbPh. 146,
S. 549-jjI. (Vgl. JBL. 1892 1 10:338.) — 30) A. Schumann, J. F. Schmidt: ADB. 36, S. 777-81. — 31) W. Lang, Graf
Reinhard als dtsch. Dichter: VLG. 6, S. 251-77. — 32) X Th. Uhle, D. Göttinger Dichter. Z. Erinn. an d. 12. Sept. 1772;
LZgl». N. 108. — 33) A. Sauer, D. Göttinger Dichterbnnd. 2. T. L. H. Chr. Hölty u. J. M. Miller. (= DNL.Bd.50, I.Abt.)
Jahresberichte f&r neuere deutsche Litteraturgesohicbte. IV. (4)9 a
IV 2a : 34-39 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freilieitskrieg-eü.
eng-lischen Litteratur von Rhoades^*) festg-estellt. An der Hand der Ausleih-
bücher der Göttinger Bibliothek kontroliert er Höltys ausgebreitete Lektüre auf dem Ge-
biete der englischen Dichtung*; er vergleicht sodann die Nachahmungen und Umdich-
tungen ganzer Gedichte mit den Originalen: Die „Elegie auf einen Dorfkirchhof" ist von
Gray so abhängig, dass wir darin keinem einzigen Motiv von Höltys eigener Erfindung
begegnen; „Toffel und Käthe" ist nicht direlE^t nach Ovid, sondern nach der Swift-
schen Umarbeitung gestaltet; auf die Idee der Geistererscheinungen kam er, unab-
hängig von Bürger, durch das Studium der Sammlung Percys. Weiterhin verfolgt
R. die Entlehnung einzelner Motive oder die Anregung durch ein englisches Original.
Die „Elegie auf den Tod des Freiherrn Gerlach Adolph von Münchhausen" ist durch
Thomsons „Poem to the Memory of the Right Honorable, the Lord Talbot, Late
Chancellor of Great Britain" beeinflusst, „Adelstan und Röschen" durch Mallets Ge-
dicht „Margarets Ghost", das auch in Percys Sammlung enthalten war; für die
Balladenreihe „Leander und Ismene" ist ein englisches Original nicht vorhanden, aber
die Beschreibung des bezauberten Schlosses ist Thomsons „Castle oflndolence" nach-
gebildet. In den Mailiedern, besonders demjenigen, das „Schön im Feierschmucke"
beginnt, ist der Einfluss von Thomsons „Spring", deutlich; für die „Elegie bei dem
Grabe meines Vaters", in dem uns auch biblische Reminisoenzen auffallen, ist Tickells
Elegie „To the Earl of Warwick on the Death of Mr. Addison" das Vorbild gewesen;
die Anregung zu der „Ballade": „Ich träumt', ich war' ein Vögelein" erhielt Hölty
wahrscheinlich aus einem Gedicht in der Sammlung von Moses Mendez (London 1777)
„The lady and the Linnet, a Tale". Ein Schlussabschnitt charakterisiert Höltys Ver-
hältnis zur englischen Dichtung im allgemeinen und sucht bei der Betrachtung der
verschiedenen Gruppen, Gedankenreihen und Stimmungen, die sich in seiner Dichtung
vereinigen, festzustellen, wo der englische Einfluss auf ihre Entstehung oder ihre
Entwicklung eingewirkt hat. Das Verhältnis scheint ein durchaus sympathisches ge-
wesen zu sein. Durch den Einfluss der ländlichen Poesie und die melancholische
Betrachtung der Natur sowohl, wie durch die in ihr herrschende sentimentale Stimmung
wurde seine angeborene Anlage in dieser Richtung noch weiter entwickelt; in der
Liebeslyrik ist er durch den englischen Einfluss auf eine höhere und ruhigere
Fassung der Liebe geführt, und in seiner trüben Lebensanschauung stimmt er mit
den englischen Dichtern seiner Zeit überein. —
Die Abhandlung über Millers Gedichte von Kraeger^^) ist ein Abschnitt
aus einer abgeschlossenen Monographie über J. M. Miller und die Empfindsamkeit
des 18. Jh. (vgl. JBL. 1894 IV 2 a und IV 3). K. schliesst sich an die Charakteristik
und Einteilung an, die sein Lehrer Erich Schmidt von Millers Gedichten in der ADB.
gegeben hat, und bespricht eingehend die Bauern- und Gesellschaftslieder, die revo-
lutionäre Lyrik der Hains, den Minnesang und die Nonnenlieder. —
Christian und Friedrich Leopold Stolberg werden von Erich
Schmidt36-37j j^ der ADB. glänzend charakterisiert. — Den Einfluss dieser Aufsätze
verspürt man in Keipers^^) auch an eigenen feinen Beobachtungen reichem Buche
über F. L. Stolbergs Jugendpoesie, das für ähnliche Untersuchungen als ausgezeichnetes
Muster gelten kann. Der erste Abschnitt charakterisiert den ,, Schüler Klopstocks",
stellt den Einfluss des Bundes auf Stolberg fest und analysiert die Vaterländischen
Gedichte. S. 15 wird in einer Anmerkung das Bild des Adlers durch die Dichtung
des 18. Jh. verfolgt. S. 20 wird in dem „Lied eines schwäbischen Ritters" Einfluss
Ossians angenommen. Der zweite Abschnitt „Der Stürmer und Dränger" behandelt
die Gedichte der Schweizer Reise, analysiert eingehend den „Freiheitsgesang", sucht
Goethes Einwirkung auf Stolbergs Lyrik festzustellen und giebt einen knappen
Abriss von Stolbergs Poetik und poetischem Charakter. Der dritte Abschnitt „In
Dänemark" ist der Naturlyrik nach der Rückkehr in die Heimat, den Einflüssen der
Anakreontik und den Balladen Stolbergs gewidmet, die eine zusammenstellende Dar-
stellung, selbst über die Zeit der Jugend hinaus, erfahren. Auch die Quellen-
forschung und Stoffgeschichte werden für die Balladen gefördert. S. 64 eine kurze
Analyse von Bodmers Gedicht: „Hedwig, Gräfin von Gleichen" (Karlsruhe 1771).
Das folgende Kapitel behandelt: „Text, Metrik und Sprache der Gedichte"; S. 69 Ver-
besserungen zu Hellinghaus Ausgabe von Stolbergs Briefen an Voss (vgl. JBL. 1891
IV 1 : 233), die in dem Berichtsjahre noch eine nachträgliche Besprechung erfuhr"^^) ;
St., Union. XXH, 332 S. M. 2,50. |[L. Fränkel: BLU. S. 41.j| — 34) (IV ld:69.) — 35) H. Kräger, J. M. Miller. E.
Beitr. z. Gesch. d. EmpflndeamVeit. Bremen, M. Heinsius Nachf. X, 165 S. M. 2,80. (Davon 1. T.: J. M. Millera Gedichte.
Berliner Diss. 1892. ib. VI, 54, V S. M. 1,60; Thesen: 3. Es ist anzunehmen, dass Grimraelshausen d. Simplicissimus ursprlingl.
mit Buch V, c. 9 zu schliessen heabsicht. hat; 4. Goethes Gedicht. „Dies wird die letzte Thrän" nicht sein" [in Ewalds Urania
1793J ist gegen Düntzer für e. Jngendgedicht zu erachten; 5. D. method. Standpnnkt, d. Goedeke beim Egraont vertritt
[Grundr.* 4', S. 464J ist für e. endg<ige Würdigung d. Goetheschen Schauspiels u. Oberhaupt zu einseitig.) — 36) Erich
Schmidt. Chrn. Graf zu Stolberg-Stolberg: ADB. 36, S. 348-50. - 37) id., Friedr Leop. Graf zn Stolberg-Stolberg: ib.
S. 850-67. — 38) W. Keiper, Friedr. Leop. Stolbergs Jngendpoesie. B., Mayer & Müller. VI, 103 S. M. 1,60. |[DRs. 77,
8. 319; M. K(^ooh): LCBl. S. 1272; A. Saleck: BLU. S. 809.J| (D. 1. T. [52 S.] auch als Berliner Diss. 1892.) — 39) X
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : 39-6I
S. 70 ein Verzeichnis der im Bundesbuche enthaltenen Gedichte mit ihren Varianten
und der. Entsteh ung-szeit nach dem Protokollbuch des Bundes. Die Bundesbücher
sind auch sonst in K.s Studie benutzt. Ein Ueberblick über Stolberg-s Verhältnis zu
seinen Zeitgenossen, über die Kritiken, die seine Gedichte erfuhren, über seine Nach-
ahmer und Nachfolger und ein Ausblick auf seine spätere Lyrik schliesst das ver-
dienstliche Buch ab. — Puls*^) erklärt das Wort „Geschoss" in dem „Lied eines
schwäbischen Ritters an seinen Sohn" kollektiv = Trefi'waffen*i). — Jacobs^^j
Charakteristik der Gräfin Katharina Stolberg, Schönborns Altersfreundin, der merk-
würdigsten Charakterfigur des Stolberg-schen Geschwisterkreises, ist ein Auszug aus
einer grösseren, meist nach hs. Quellen gearbeiteten Biographie. Auch Verse aus
ihrer letzten Zeit lagen J. vor. —
Claudius wird in Stockmay ers*3) Vortrag hauptsächlich als „Bote des
Glaubens" behandelt. —
Unsere Kenntnis von Bürgers"**"*^) Leben wird durch Schröters ^^) Bei-
träge zur Familiengeschichte des Dichters nicht gefördert. Er verbreitet sich über
die Schreibung und Erklärung des Ortsnamens Molmerschwende, giebt eine Schilderung
des Ortes, stellt dem Gedichte „Mein Dörfchen" zum Beweise, dass Bürger dabei
nicht seinen Heimatsort im Auge gehabt habe, das französische Original gegenüber,
findet aber mit Pröhle in der Ballade „Des Pfarrers Tochter von Taubenhain" die
heimischen Lokalitäten wieder. Er berichtigt einige Angaben über die Familie des
Dichters in unwesentlichen Punkten. Der Vater, Johann Gottfried Bürger, ist nach
der Eintragung in das Pansf eider Taufregister am 15. (nicht am 8.) Dec. 1706 ge-
boren^^j. — Bergers Ausgabe der Bürgerschen Gedichte (vgl. JBL. 1892 IV 2 .• 25)
ist in den Berichtsjahren noch mehrmals angezeigt worden''*). — Desgleichen be-
sprach Waag*^) Bonet-Maurys Abhandlung „G. A. Bürger et les origines anglaises
de la Ballade litteraire en Allemagne" (vgl. JBL. 1890 IV 2: 35; 1892 IV 2 : 36)50-5i).
— Kohl^^j bringt sachliche und sprachliche Erklärungen zum „wilden Jäger" vor.
Bin der ^3) neue Beiträge zur Stoffgeschichte des Gedichtes „Kaiser und Abt":
Mehrere , an die Person des König Mathias anknüpfende ungarische Fassungen
der Anekdote nach der Jökaischen Anekdotensammlung „Ungarischer Volkswitz"
S. 3, 14. —
Die Ausgabe der Gedichte von Lenz, die Weinhold veranstaltete (vgl. JBL.
1892 IV 2 : 66), wurde noch mehrmals besprochene^). —
Von Schubart wurden durch Krauss und S e uff ertee)zwei Briefe publiziert;
der erste ein überschwenglicher Dankbrief in Vers und Prosa, Asperg 27. Nov. 1783,
an einen nicht näher zu bestimmenden Schwarz (vielleicht war er Hofpauker), der
ihm durch Hauptmann von Ehrenfeld ein Geschenk hatte zukommen lassen; die
Selbstbiographie wird erwähnt; der zweite Brief, Hohenasperg im Mai 1786, ist an
eine Dame, vielleicht an die Schriftstellerin Frau Fanny von Heppenstein in München,
gerichtet. Er erwartet von ihr neue Gedichte, die er in das Strassburger Frauen-
zimmer-Magazin, an dem er mitarbeiten wolle, einrücken werde. Er ermahnt sie aufs
dringendste, sie möge sich von aller fremden Manier fern halten und sich gleichsam
in ihre Eigentümlichkeit verweben: „So bald der Mensch sich selbst gefunden hat;
so fängt er erst an zu existieren. Jeder Mensch hat sein Eigenes — an Denkart,
Geistesfarbe, Herzgefühl; ja sogar Wort und Ausdruck ist eigentümlicher Nachhall
seiner Innern Stellung. Wir alle sprechen und schreiben Deutsch; aber änderst
Luther, änderst Klopstock, änderst Wieland und änderst die göttliche Karschinn"^^"^'').
— Solger^S) fasst seine älteren Artikel über Schubart (vgl. JBL. 1891 IV 2:47/8)
in einer verständig geschriebenen Broschüre zusammen.^^"^^) —
L. P.: ThLBl. 13, S. 125/7. — 40) A. Puls, „Geschoss" in Stolbergs Lied e. schwäbischen Ritters an seinen Sohn: ZDÜ. 7,
S. 497/8. — 41) X W., L. F. Graf zu Stolbergs Geleitbrief an seinen Sohn bei dessen Eintritt in d. Armee: Sammler^. 1892,
N. 83. (Abdr. d. v. Janssen veröffentl. Briefes t. 30. Juli 1803.) — 42) Ed. Jacobs, Katharina Gräfin zu Stolberg-Stolberg:
ADB. 36, S. 367-70. — 43 J K. Sto.ckmayer, Matth. Claudius, d. Wandsbeoker Bote. B. popul. Vortr. Basel, Jaeger & Kober.
18 S. M. 0,20. (Separatabdr. aus d. „Kirchenbl. für d. reformierte Schweiz".) — 44) X H. Pröhle, Aufforderung u. Bitte:
LCBl. S. 1030. — 45) X Denkmal für G. A. Bürger: BerlTBl. N. 178. — 46) 0. Schröter, Beitrr. z. Familiengesch. G. A.
Bürgers: MansfelderBll. 7, S. 156-61. — 47) O G. A. Bürgers ausgew. Werke in 2 Bdn. Mit e. biograph. Einleitg. t. R. M.
Werner. St., Cotta. 283 u. 220 S. M. 2,00. — 48) X LCBl. 1892, S. 329-30; A. Sauer: DLZ. 1892, S. 1646; O.Behaghel:
LBlGRPh. S. 158,9. — 49) X A. Waag: LBlGRPh. S. 424,5. — 50) O Schiller et Bürger. Le Chant de la cloche et Lenore.
Trad. en Ters equimetriques et equirhythmiques par Ed. Pesch. Pref.de L. de Fourcaud. Paris, Hinrichsen. 1891. XV, 56S.
Fr. 1,50. — 51) X I*6rcy, Reliques of ancient english poetry. By R. A. Willmott. New ed. London, Routledge. Sh. 2. (Vgl.
auch IV ld:57.) — 52) 0. Kohl, Bürgers wilder Jäger u. Goethes getreuer Eckart: ZDU. 6, S. 6-35. (Vgl. JBL. 1892 15:34;
IV 8c : 33.) — 53) E. Binder, Weiteres zu Bürgers „Kaiser u. Abt": ZVLR. 5, S. 466/9. (.Vgl. I 10:33.) - 54) X A. Chuqnet:
RCr. ;55, S. 213/4; A. Sauer: DLZ. S. 42/3. — 55) R. Krauss u. B. Seuffert, Zwei Briefe Chr. Fr. D. Schubarts: VLG. 6,
S. 585,8. — 56) O E. Brief V. Schnbart. Mitget. v. K. Waicker: BBSW. S. 69-73. - 57) X Erich Schmidt, Brief
Schubarts an Prof. Nast. Mitget. in GDL. (März). Referat: DLZ. S. 1370,1. — 58) H. Solger, Schnbart, D. Gefangene auf
Hohenasperg. E. Bild seines Lebens u. Wirkens. Mit e. Portr. Schubarts. Bamberg, Handels-Dr. 56 S. — 59) O L.
Simmet, D. Dichter, Publizist u. Musiker Ch. F. D. Schubart in Augsburg 1774 u. 75. Progr. Augsburg. 32 S. — 60) X
F. A. V. Winterfeld, Schubarts Beziehungen zu Preussen: Bär 19, S. 355/6. — 61) X Luise Pichler, D. Expeditionsrat.
Erzählung aus d. Zeit d. Dichters Schubart. 3. Aufl. (= Eist. Erzählungen für d. Jugend N. 4.) L., A. Oehmigke. 12*. 96 3,
(4)9 a*
IV 2a : 62-68 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
In der Charakteristik des bayerischen Hofpoeten und Journalisten Matth.
Etenhueber (1720—82) liefert von Reinhardstöttner^^-) einen interessanten Bei-
trag" zur lokalen und provinziellen Litteratur- und Kulturgeschichte. Etenhueber gab
von 1759—77 das „Münchnerische Wochenblatt in Versen" (der Jahrgang 1767 betitelt
sich „Der poetische Zeitungsfabrikant"), eine Art Reimchronik über die zeitgenössischen
Ereignisse, meist in Alexandrinern, heraus. Alle europäischen und aussereuropäischen
Vorfälle werden berührt, vor allem spukt der „klug und tapfre" Prinz Heraklius
in einer Reihe von Wochenblättern ; die Auflösung des Jesuitenordens wird betrauert.
In späteren Jahren mehr Themen religiösen und ethischen Gehalts. Sehr interessante
kulturhistorische Schilderungen, z. B. über die Bierverhältnisse im alten München,
Schilderung Münchener Festlichkeiten; Satiren auf alle Stände, über die Kinderzucht;
Gedichte auf den Kaffee, auf das Bier; ein „Lob der kleinen und magern Leute" ge-
mahnt vielfach an Castellis „Trostgedicht für die Kleinen"; Fabeln; auch Ueber-
setzungen finden sich, die Etenhueber fast um die Gunst seiner Leser gebracht hätten :
aus Ovids Herolden, das erste Buch der Tristia ex Ponto (der ,.Traurigen"), Horaz.
Einen eigentümlichen Anstrich erhält die Zeitschrift durch die versifizierten Urteile
der in erschrecklicher Zahl in München Hingerichteten, „widerliche Galgenpoesie";
hervorzuheben sind ferner die offiziellen Glückwünsche an den Kurfürsten und andere
Gelegenheitsgedichte von ihm; ferner seine Bettelgedichte, unter denen die regel-
mässig wiederkehrenden Holzmemoriale an den Kurfürsten des Humors nicht ganz
entbehren; endlich seine Bildergedichte. Bemerkenswert sind auch seine Streitig-
keiten mit dem kurbayerischen Intelligenzblatt. 1763 war er zum Hofpoeten ernannt
worden; seine politische Poesie brachte ihn im J. 1778 trotzdem für einige Zeit ins
Gefängnis. —
An Etenhueber reihen sich zwanglos die übrigen Gelegenheitsgedichte
an, die während der Berichtsjahre gedruckt wurden. — Eine gereimte Eingabe der
Neuberin an Brühl, Leipzig 17. Mai 1734, mit der Bitte um Spielerlaubnis und um
Wiedererteilung des Prädikates „Hofkomödianten" an ihre Truppe, voll von Seiten-
hieben auf die Müllersche Truppe, veröffentlicht Distel^^)^ — Gädcke^*) lässt ein
anonymes Spottgedicht aus dem J. 1738 auf den Kriegs-, Domänen- und Steuerrat
Titius abdrucken, welcher sich durch seine „hitzigen" Verordnungen bei der Bürger-
schaft von Salzwedel missliebig gemacht hatte, bei Friedrich Wilhelm I. in Ungnade
fiel und sich erschoss. — Ferner wurde veröff'entlicht eine bewegliche versifizierte
Bitte des Pfarrers Chrn. Gottfr. Ludwig^s) zu Oetlingen (1752— 75) in der Mark-
grafschaft Baden an die markgräiliche Verwaltung zu Rötteln um Ausbesserung seines
jämmerlichen Pfarrhauses. Ihr poetischer Wert ist durch den Schlussreim „Glück:
Ludwig" genügend charakterisiert. Der Markgraf ging auf den Ton ein und versah
das Gesuch mit dem Vermerk: „Hierauf wird resolvieret: Die Fenster reparieret!"
— Junghaus ^ß) teilt eine Reihe von Akten mit, aus denen hervorgeht, dass das
Hanausche Konsistorium zum Regierungsantritt des Erbprinzen Wilhelm zu Hessen-
Hanau im J. 1764 bei dem Sekretär Scheel zu Frankfurt ein Gedicht bestellte, dieses
drucken Hess und in kostbaren Einbänden überreichte. Die Kosten 210 Fl. 4 Heller
waren einzelnen Geistlichen zu hoch, und sie hielten mit ihren Klagen nicht zurück.
Das Konsistorium verteidigte sich: „Das dem Hrn. Secretario Scheel gegebene
praemium (40 fl.) scheint zwar, wie es in der That auch ist, viel, wir müssen aber
ohnverhalten, dass solches von sämtlichen Herrn Directoribus und resp. Deputatis in
Betracht, dass derselbe sein Meisterstück bewiesen, viele ausserordentliche Aenderungen
vornehmen und alle übrige bei dieser Gelegenheit verfertigte Gedichte noch weit
höher bezahlt bekommen, einmüthiglioh beschlossen worden". Das so umstrittene
Carmen hat sich bis jetzt nicht wieder auffinden lassen. — Als Probe von C. A. Musaeus
Gelegenheitsdichterei und als Beweis von dem kläglichen Aussehen der Dichtkunst
in Weimar vor Wielands Eintritt veröffentlicht Seuffert^^) dessen konventionell
schwülstiges Trauergedicht auf die Frau des als Goethes Amtsgenossen bekannten
Weimarer Geheimden Assistenz-Rates D. Achatius Ludwig Karl Schmid, Karoline
Friederike Marie Schmid geb. Heimburg, welche am 3. März 1767 in Jena gestorben
war. Unter den sonstigen Trauergedichten auf diese Dame befindet sich auch eines
von Kotzebues Mutter. — Endlich kam auch überflüssiger Weise das Gedicht eines
Ungenannten^^) zu Tage: „Freyberg, den Siebenten August 1781. Als der Blitz mit
M. 0,75. — 62) K. V. Reinhardstöttner, D. knrfürstl. bayerische Hofpoet Matth. Etenhueber: FKLB. 1, S. 7-68. (Dazu
Notiz S. 232.) — 63) Th. Distel, Noch e. Gedicht d. Neuberin an Brühl: VL6. 5, S. 604 7. — 64) (14:168.)
— 65) W. K., E. poet. Bittschr.: Didask. 1892, N. 252. — 66) G. Junghans, Nachricht v. e. Glückwünschnngs-Carmen,
welches d. Durchlauchtigsten Hohen Landesherrschaft, nämlich Sr. Hochfürstlichen Durchlaucht d. gnädigst regierenden Fürsten
u. Herrn, Herrn Erbprinzen Wilhelm zu Hessen-Hanau u. Höchst-Deroselben Frauen Gemahlin, d. Frau Erbprinzessin Wil-
helmine Karoline zu Dänemark u. Norwegen Kgl. Hoheit, gelegentl. dero höchst beglückter Vermählung u. demnächst erfolgten
Einzugs u. Segierangsantritts nomine d. Hanauischen reformierten Ministerii ist fiberreicht worden. Hanau im Okt. 1764 :
Hessenland S. 1148. — 67) B. Seuffert, E. Trauergedioht v. C. A. Musaeus: VLG. 6, S. 137-41. — 68) Blitzschlag in d.
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : 69-74
einem entsetzlichen Krachen in den am Erbischen Thore befindlichen Thurm oben
herein und g-antz durchschlug-". —
Zu Wielands Gespräch: „Goethe und. die jüngste Niobetochter" (GJb. 9,
S. 7 ff.) versucht Weizsäckers^) einen Kommentar zu geben, indem er nachweist,
dass in der jüngsten Niobetochter nicht eine überlebensgrosse Statue, sondern nur
ein Abguss des Kopfes zu erkennen sei. —
Für Fr. Aug. Cl. Wert he s Biographie liefert Heinrich'") wertvolle Er-
gänzungen zu Wurzbach 55, S. 132/4 aus Akten der Budapester Universität und
des kgl. ungarischen Landesarchivs. Die Studien-Hof-Kommission in Wien schlägt
Werthes am 29. Sept. 1784 zur Ernennung für den durch den Tod Szerdahelyis er-
ledigten Lehrstuhl der schönen Wissenschaften an der Universität zu Pest vor. In
diesem Schriftstück wird er als „ein Schüler des berühmten Wieland" bezeichnet; er
habe in Deutschland, in der Schweiz und in Italien wiederholte Reisen gemacht, sei
1782 an die neue Stuttgarter Universität auf den Lehrstuhl der Aesthetik berufen
worden, habe diesen Lehrstuhl ein und ein halbes Jahr innegehabt, worauf er
dies Amt niedergelegt habe und nach Wien gekommen sei, wo er sich derzeit
litterarischen Arbeiten widme. Am 12. Okt. 1784 ernannt, eröffnete W. seine Vor-
lesungen mit einer in demselben J. gedruckten Rede. Er trug deutsch vor, während
die Vortragssprache lateinisch war und nur einzelne Lehrer ungarisch docierten.
Schon am 8. Jan. 1791 bittet Werthes mit Berufung auf seine geschwächte Gesundheit
um seine Entlassung, die er nebst einer Abfertigung von 1000 Fl. auch erhielt. Den
eigentlichen Grund seines Wegganges sieht H. in politischen Verhältnissen. Während
seines ungarischen Aufenthaltes veröffentlichte Werthes „Kirchengesänge auf das am
1. Mai 1791 von den Protestanten in Ungarn zu feiernde Religionsfest für das
evangelische Bethaus zu Pest verfertiget" (0. 0. 1791) und das Drama „Niclas Zrini"
(Wien 1790), das noch in demselben Jahre, bearbeitet von Stefan Csepän von György-
falva, in ungarischer Uebersetzung erschien (Komorn 1790); die Beziehungen zu
Körners „Zriny" werden kurz erörtert; ein fünfaktiges „nationales ungarisches, teil-
weise trauriges Lustspiel": „Matthias Korvinus" scheint nicht vollendet worden zu
sein. H. erwähnt ferner neben der sechsbändigen Gozziübersetziing noch zwei selb-
ständig erschienene Uebersetzungen Gozzischer Stücke von Werthes : „Die zwei schlaf-
losen Nächte oder der glückliche Betrug" (Wien 1775) und „Die zwei feindlichen
Brüder" (Wien 1782). —
K. Th. Conz wird von einem Ungenannten''^) als Lorcher Dichter gefeiert;
die lokale Färbung seiner poetischen Stillleben und der historische Hintergrund seiner
stimmungsvollsten, vaterländischen Gemälde werden hervorgehoben. —
Ueber Matthissons Verkehr mit Goethe stellt Bock'^) eine Reihe von
Notizenbequem zusammen. Eine Einwirkung Schillers oder Goethesauf Matthissons künst-
lerisches Schaffen lasse sich nirgends nachweisen, seine dichterische Erscheinung gehöre
vielmehr zu den Epigonen der Klopstockepoche. B. hebt -ferner hervor, dass Matthisson
im J. 1826 von dem Erbgrossherzog von Sachsen- Weimar eine Abschrift des Tiefurter
Journals erhalten habe, die nach seinem Tode versiegelt an den Herzog wieder zu-
rückgegeben w^urde, und wünscht eine Veröffentlichung der Weimarer Zeitschrift
„Chaos", an der Matthisson mitgearbeitet hat. — Mit Matthissons „Adelaide" be-
schäftigt sich Englert^3^. Im Gegensatze zu Sprenger {ygl. JBL. 1892 IV 2 :23b)
meint er, es läge näher anzunehmen, dass Matthisson den Namen Adelaide einfach
aus formellen Gründen gewählt habe, da derselbe gerade einen adonischen Vers ab-
gab und sich so als wohllautender Refrain verwenden Hess, weist aber dann, ohne
Scherers Aufsatz (ZDA. 24, S. 279 =1 1 : 117; 2, S. 356/7) zu berücksichtigen, auf ein Ge-
dicht von Marmontel „A Mademoiselle d& Saint-S**" mit dem Refrain „Adelaide" hin,
das jedoch keine innere Aehnlichkeit mit Matthissons Gedicht besitze. —
Der Dichter J. Gaudenz von Salis-Seewis ist in dem Buche von Salis-
Soglios'*) über die Konvertiten der Familie von Salis nur anmerkungsweise er-
wähnt; dessen Sohn Johann Ulrich Gaudenz Dietegen 1794—1844 und seine Familie
werden behandelt. Im übrigen sind besonders folgende Mitglieder der Familie Salis-
Soglio hervorzuheben: Graf Johann von Salis-Soglio-Bondo 1776—1855 (Auszüge aus
Briefen an ihn von dem Herzog Franz V. von Modena S. 45; über die Revolution
des J. 1848 S. 48; von Erzherzog Maximilian S. 45, 51, 55; von Erzherzog Ferdinand
S. 46, über Haynau: „Das ist der Mann für das 19. Jh., wo kein Band mehr hält";
von Huster S. 48, von Baron Moy de Sons S. 50 ; von und an Graf Senfft S. 47, 53,
115). Freiherr Anton von Salis-Soglio 1762—1831 (S. 64 Briefe aus Wien 1808;
S. 65 f. über den Wiener Kongress 1815; S. 69 über Aenderungen in der öster-
Erbische Thor: MFreibergAV. 30. Heft, S. 117/8. — 69) P. Weizsäcker, Wielands Niobetochter: VLG. 6, S. 141,5. —
70) Gnst. Heinrich, Fr. Aug. Ol. Werthes in Ungarn: UngR. 13, S. 508-13. — 71) W. Z., Erinnerung an d. Lorcher Dichter
K.Phil. Conz: SchwftbKronB. 1892, N. 182. — 72) (IV 8b : 48.) - 73) A. Englert, Zu ZDU. 5, S. 637,8: ZDÜ. 6, S. 439-40. —
74) P. N. V. Salis-Soglio, D. Konvertiten d. Familie v. Salis. Mit e. Bilde d. Stammsitzes Soglio. Luzern, Gebr. Räber.
IV 2a : 75-79 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
reichischen Volkshymne 1822). Fida Adelheid Zaire von Salis-Sog-lio, g-eb. 1788, die
ihren Namen der damals noch sehr lebhaften Vorliebe ihres Vaters für die Werke
Voltaires verdankt S. 96. Eine Selbstbiographie des Vf. S. 123. — Das anziehende
und gewinnende Bild, das Frey von dem Dichter J. Gaudenz von Salis-Seewis entworfen
hat, zeichnet Adolf Stern ''^j in einer liebevoll ausgeführten Skizze nach. Frey hätte die
Zusammengehörigkeit Salis und Matthissons zu stark betont, er hätte auch den Vorzug
grösserer Frische, einfacherer Männlichkeit und unmittelbarer Natiirempfindung, den
der Graubündner in seinen Gedichten vor dem Sohne der norddeutschen Ebene
voraus hatte, entschiedener betonen dürfen. Wenn der Leser von heute die Gedichte
von Salis und Matthisson gegen einander halte, so falle der Eindruck grösserer
Wahrheit, schärferen Blicks für die verborgenen Reize der Natur, runderer Plastik
und sinnlicheren Sprachgefühls durchaus auf Salis Seite. Er sei viel mehr aus
einem Guss als Matthisson. —
In dem Buche der Henriette Bissing über Amalie von Helvig vermisst
Adolf Stern''^) in einem fesselnd geschriebenen Essay nähere Aufschlüsse über
ihres Vaters erste Ehe. Die Annahme, dass Imhoff seine erste Frau an Warren
Hastings überlassen, gleichsam verkauft, dass er in der ganzen Angelegenheit eine
unwürdige Rolle gespielt habe, gehe durch ganze Reihen englischer Werke über den
berühmten Nachfolger Imhoffs in Indien hindurch; sie habe durch Macaulays
glänzenden Essay, der in hunderttausenden von Exemplaren verbreitet, in alle
europäischen Sprachen übersetzt sei, eine gewaltige Geltung gewonnen. Die Ver-
fasserin hätte diesen Anschuldigungen entgegentreten, Gegenbeweise vorbringen
müssen, nicht an dem Kern der Frage vorbeihuschen dürfen ; oder sie hätte die ge-
schichtliche Wahrheit wenigstens durch Schweigen ehren müssen; dies würde umso
eher möglich gewesen sein, als in Wahrheit Amalie von Imhoff sehr wenig von den
früheren Lebensverhältnissen ihres Vaters berührt worden sei. St. ergänzt das Buch
ferner durch eine Würdigung von Amaliens dichterischer Produktion, insbesondere
ihres Epos „Die Schwestern von Lesbos". Mannigfache Geister hätten in wunder-
lichem Reigen dieses Werk umschwebt. Eindrücke aus Goethes „Iphigenie", einzelne
Bilder aus „Alexis und Dora" und dem „Neuen Pausias", fein nachempfundene Klänge
aus Schillers antikisierenden Gedichten, Erinnerungen an Vossens „Bomer", ein und
der andere Nachhall aus Goethes „Hermann und Dorothea", ja aus Vossens „Luise",
Sentenzen, die Herders sittlicher Grazie entsprungen schienen, Züge und Farben jener
„Griechheit", die die bildende Kunst der Zeit in den Blättern von Rafael Mengs,
Angelika Kaufmann, Füssli und Füger bevorzugte, und in die sich auch Fräulein
von Imhoff hineingesehen hatte, hätten sich darin verbunden mit einer feinen Em-
pfindung, einem beobachtenden Natursinn, der in der Seele des jungen Mädchens ge-
lebt, mit einer stillen Hoheit des Sinnes, die sie in lebendigen und wirklichen
Menschengestalten ihrer Umgebung vor Augen gehabt. Ein wohlthuender Hauch
klaren und reinen Lebensgefühls, milder Menschlichkeit und stiller Freude am
Schönen gehe durch das Gedicht hindurch. In den späteren poetischen Versuchen
der Dichterin, nach ihrer Rückkehr aus Schweden, sei ein Fortschritt über das hinaus,
was sie schon zu Anfang des Jh. vermocht hätte, nicht zu erkennen; ersichtlich g'e-
sellen sich Einflüsse der herrschenden Romantik zu den poetischen Elementen, die
bei der Schülerin Goethes und Schillers früher vorgewaltet hätten. —
Die Herausgeber des Berliner Musenalmanachs von 1791—97,
K. H. Jördens, Bindemann, F. W. A. Schmidt werden von Geiger'''') kurz charak-
terisiert. Er zählt ihre Mitarbeiter auf, unterscheidet in den Beiträgen eine den
Neuerungen freundliche und eine antirevolutionäre, royalistische Strömung, hebt die Be-
ziehungen zum Herrscherhause hervor und «teilt das Berlinische aus den Almanachen
zusammen. —
Das Dunkel, das über den mutmasslichen Vf. der „Gedichte von Filidor"
(Leipzig 1788), den Leipziger Advokaten Heinr. Chr. Lebr. Senf^), schwebt, ist
durch den anonymen Artikel der ADB. nicht gelichtet worden. —
Auch mit einigen Dichtern geistlicher Lieder hatte sich die ADB. der
Reihenfolge des Alphabeths nach diesmal zu beschäftigen: Jacobs"*^) Artikel über
den Halberstädter Domherrn Henrich Ernst Graf zu Stolberg-Wernigerode
(1716—78) beruht vorwiegend auf den Briefen und Journalen der Fürstin Luise
Ferdinande zu Anhalt-Cöthen, von denen 7 Teile 1764—84 als Hs. gedruckt sind.
Stolberg war der Mittelpunkt für einen Kreis Wernigerodischer geistlicher Sänger.
688 von ihm verfasste Gedichte sind hs. erhalten, 338 wurden durch Prof. Siegm.
Jak. Baumgarten in Halle von 1748—52 in vier Bänden zum Druck befördert. Ver-
schiedene haben sich lange in Gesangbüchern und geistlichen Liedersammlungen ge-
1892. 4 Bl., 134 S. M. 2,40. — 751 (UI 1 : 135; S. 305-14.) — 76) (=N. 75, S. 282-95.) — 77) L. Geiger, D. Berliner
Musenalm. v. 1791 u. seine Nachf.: YossZg". 1892, N. 26. — 78) — d, H. Chr. L. Senf: ADB. 34, S. 23. — 79) Ed. Jacobs.
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : so 99
halten, zwei sind ins Eng-lische übersetzt. — Von Chr. Heinr. Aug. Silber (gest.
1797), der in dem „Liturgischen Vermächtnis für seine Zeitgenossen" (Freiberg 1800)
als Vf. und Ueberarbeiter geistlicher Lieder bekannt wurde, weiss die ADB.***) zu be-
richten, dass er hinsichtlich der Sprache und des Reimes grosse Ansprüche an sich
gestellt habe, und dass in dieser Hinsicht seine Lieder teilweise nicht so übel ge-
raten seien; inhaltlich gehören sie der moralisierenden Richtung jener Zeit an, die
wenig poetische Kraft bewährte. — Von demselben ungenannten Autor^') ist der
Artikel über die Dichterin Marie Klara von Silberrad (gest. 1815), die 1793
„Biblische Denksprüche mit Liedern" anonym in Nürnberg herausgab. Ob sie identisch
ist mit Marie Klara von Lemp auf Ebenmut, der Gattin des Nürnberger Advokaten
Joh. Gust. Silberrad, der erst nach seiner Hochzeit geadelt worden wäre, bedarf noch
weiterer Untersuchung. —
In der ADB. behandelt weiterhin Ilwof^^) den Benediktiner des Stiftes
Admont Ulr. Speckmoser (1781—1845), geboren -zu Stegmühl in Obersteiermark,
einen an den Gymnasien zu Graz und Marburg thätigen Schulmann, der der Vf. einer
Reihe gediegener lyrischer Dichtungen in der Beilage zur Grazer Zeitung „Der Auf-
merksame" ist; Strieda^^) den Philologen K. L. Struve (1785—1838), der in
Dorpat und Königsberg wirkte und auch einen Band nicht weiter charakterisierter
„Gelegenheitsgedichte" (Königsberg 1817) herausgab. —
Das Verzeichnis der Schulprogramme des Freiberger Konrektors Mo r. Döring,
des Dichters des Bergmannsgrusses, welches B. Richter in seinem Lebensbild Dörings
(Osterprogr. des Gymnasium Albertinum 1884) gegeben hat, ergänzt Heydenreich^^)
durch eine neuaufgefundene Schulschrift zum 11. Apr. 1823, Konjekturen zu Homer
enthaltend. —
Ganz in der alten Manier des 18. Jh., im Geiste Gellerts und Hagedorns,
Gleims und Goeckingks dichtete Fr. Wilh. Ehrhardt, dessen Andenken Heineck^^)
in lokalgeschichtlichem Interesse aufgefrischt hat. Ehrhardt war geboren in Rüx-
leben 24. Dec. 1752, studierte in Göttingen, Halle und Jena, war 1775—78 Feld-
prediger in Witzenhausen, 1782—86 Erzieher in der Familie Bethmann, seit 1786 in
Nordhausen ansässig, wo er 1820 starb. Dort erschienen seine Gedichte 1805 bei
J. A. Nietzsche unter dem Titel „Gedichte eines Nordhäuser Bürgers". Auch seine
Tochter Elise war dichterisch thätig. Ihre Gedichte wurden unter dem Titel
„Wiesenblumen" 1818 gesammelt^^). —
Von E. M. Arndts ausgewählten Werken^") begannen Ausgaben von Rösch®*)
und von Geerds^^'^**) zu erscheinen.'-'i'^^) —
Th. Körners Werke^*"^*) gab Zimmer^s) in der Klassikersammlung des
Bibliographischen Instituts neu heraus. Hier kommt nur der erste Band in Betracht,
der neben den kleinen Lustspielen die Gedichte enthält. Die Texte sind mit den
ersten Drucken verglichen; nur Castellis Taschenbuch „Selam" für 1813, in welchem
das Gedicht „Der Rynast" zuerst erschien, war dem Herausgeber unzugänglich. Im
allgemeinen ist die Textrevision nicht sehr ergiebig. Zu zwei zuerst von Latendorf
veröffentlichten Gedichten „An Toni" und „Zum 13. Juni" werden Verbesserungen
nach neuerlicher Vergleichung der Hs. mitgeteilt. Ein Anhang bringt vier bisher
ungedruckte Gedichte: Ein Sonett „Zum 6. März", dem Geburtstag der Dora Stock;
„Mit einer Rute"; „Im Kreis der Musen"; „Kunzens Jule", ein poetisch wertloses,
aber biographisch nicht uninteressantes Gedicht auf die Heirat Julie Kunzes mit
Alexander von Einsiedel 3. Dec. 1808. Er flucht Leipzig, das ihm seine Schwester
geraubt habe. Die Hs. des letzten Gedichts ist schwer leserlich. I, S. 19 ist ein
Gedicht an Körner: „W^ohl dir, dass du als Jüngling dich verblutet!" mitgeteilt, das
bisher ungedruckt sein soll und nach dem Urteil W. Künzels von C. A. Tiedge her-
Heinr. Ernst Graf zn Stolberg- Wernigerode : ib. 36, S. 393 6. — 80) 1. n., Ohr. H. A. Silber: ib. 34, S. 308. — 81) id., Marie
Clara v. Silberrad: ib. S. 314. — 82) F. Ilwof, U. Speclcmoser: ib. 35, S. 845. — 83) L. Strieda, K. L. Struve: ib. 36,
S. 687-90. — 84) E. Heydenreich, E. verschollene Schrift d. Konrelitors Mor. Döring, d. Dichters d. Bergmannsgrusses:
MFreibergAV. 80, S. 115 6. - 85) H. Hei neck, Gedichte e. Nordhäuser Bürgers. Als Ms. gedr. Nordhausen, Fr. Eber-
hardts Buchdr. 11 S. — 86) X E. dtsch. Dichterin u. Edelfruu aus d. 18. Jh.: DAdelsBl. 10, S. 439-41. — 87) X R- Geerds,
E. M. Arndts säratl. Werke: AZgl*. 8. Sept. — 88) E M. Arndt, Ausgew. Werke. 1. Gesamt- Ausg. Her. v. H. ßösch. 1. Bd.
L., K. F. Pfau. 1892. IV. 344 S. M. 3,00. |[BurschenschaftlBll. 7 (S.-S.), S. 306; VossZg«. N. 17.] - 89) K. Geerds, Ge-
dichte V. E. M. Arndt. In neuer Ausw. mit biogr. Einl. her. (= ÜB. N. 3081 2.) L., Ph. Eeclam jnn. 12". 188 S. M. 0,40.
— 90) X id-- E. M. Arndt, Erinnerungen aus d. äusseren Leben, ebda. 1892. 12". .391 S. Mit Bild. M. 0,60. — 91) X
id.. Von E.M.Arndt. Einige wunderbare Erlebnisse aus seinem Leben, zusammengest.: Sphinx 14, S. 248-52. (Fälle t. Hell-
sehen, Telepathie etc.) — 92) X E. M. Arndts Urteil aber d. Jesuiten: DPBl. 26. S. 53. — 93) X H. Keferstein, E. M.
Arndt als Pädagoge: DB11EÜ. 20, S. 2136, 2215. — 94) X Th- Körners sämtl. Werke in 4Bdn. Mit Einl. v. Herrn. Fischer.
St., Cotta Nachf. 258, 243, 327, 247 S. Mit Bild. M.4,00. — 95)X Körners Werke. 2 Bde. L, Th. Knaur. VL 411 S.; III, 389 S.
M. 2,00. — 96) X id., Werke. 111. Pracht-Ausg. Her. v. Heinr. Laube. 2. (Titel-)Aufl. 2 Bde. Wien, S. Bentinger. 1892.
VII, 440 S.; 427 S. h. M. 11,00. — 97) X 0. Hellinghaus, Leier u. Schwert u. andere Gedichte v. Th. Körner (vgl.
JBL. 1892 I 5 : 63). — 98) X Th. Körner, Leier u. Schwert. Kriegs- u. Freiheitslieder. L., Walther Fiedler. 16». 65 S.
M. 1,00. (Kurze Einl. v. M. Mendheim.) — 99) H. Zimmer, Körners Werke Krit. dnrchges. u. erläut. Ausg. 2 Bde.
L u. Wien, Bibliogr. Inst. 28, 398, 461 S. (Nicht zu übersehen, dass 2, S. 363 d. d. Erzählung J. Heiderich zu Grunde
liegende Begebenheit aus Akten d. k. u. k. österr. Kriegsarchirs nachgewiesen wird. E. Gefreiter namens J. Heidrich diente
IV 2a : 100-111 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskrieg-en.
rührt. — Den wertvollsten Beitrag- zur Körnerforschung' lieferte in den Berichtsjahren
PeschePoo) durch die Veröffentlichung" des Taschenbuches, das Körner im Feldzuge
bei sich trug* und in das er bis kurz vor seinem Tode Einzeichung-en machte. Körner
hatte es von Frau von Pereira-Arnstein zum Geschenk bekommen, von der auch
offenbar die Eintragung- S. 30: „Gedenken Sie meiner letzten Bitte" herrührt. Es
enthält S. 25/9 Körners Tagebuch vom 15. März— 29. Mai 1813; S. 30/7 ein Diarium
unter der Ueberschrift „Mein Feldzug-" vom 15. März— 22. Aug-.; S. 38—103 die
Krieg-slieder teils in ersten Entwürfen, teils in Reinschriften, mit vielfachen Ab-
weichung-en von den bekannten Texten, darunter am interessantesten die erste Fassung-
von „Lützows verwegene Jagd". Auch den Entwurf des Aufrufs „An das Volk der
Sachsen". Sechs Gedichte waren bisher ungedruckt: „An L. als Dank für das
Feldzeichen", unbedeutend; „Gebet", schwermütig und träumerisch; „Als ich schwer
verwundet lag, im Augenblicke des höchsten Schmerzes" mit dem schönen Schluss:
„Der Leib, der Schmerz ist sterblich. Unsterblich ist der Geist"; „Auf Wieknitzens
Tod" und das wutschnaubende „Lied von der Rache". Leider ist der Abdruck der
vielfach korrigierten Hss. sehr unklar und unübersichtlich, auch der Text durch die
Lesarten der gedruckten Fassungen interpoliert, Zusammengehöriges auseinander-
g-erissen und die Anmerkungen vom Text oft durch mehrere Seiten getrennt. Ein
Anhang enthält Mitteilungen über Körners Tod und Beerdigung; S. 22 ist ein Gedicht
„An Theodor Körner" von Friedrich Grafen von Kaikreuth. Endlich ist dem Buche
u. a. beigegeben Körners Bildnis nach der Kreidezeichnung seiner Schwester Emma;
Autotypien von Körners Brief an Parthey vom 23. Aug. 1813 und von 6 Gedichten. '"'*=')
— Latendorf 'Ol) trägt zu seiner Schrift „Friedrich Försters Urkundenfälschungen"
(vgl. JBL. 1891 IV 4:101; dazu JBL. 1892 IV 4: 37, 39) ein neues und augenfälliges
Beispiel für Sinn und Wesen des Fälschers nach: In dem erdichteten Brief aus
Jauer den 30. März 1813 lässt Förster unachtsamer Weise von der Einsegnung in
der „hiesigen Kirche" schreiben, während die kirchliche Einsegnung der Lützower'
für die das Weihelied gedichtet war, in dem etwa 5 Meilen entfernten Rogau statt-
fand. — Sanders"^-) bestreitet im Anschluss an eine Bemerkung von K. E. Franzos
in der Deutschen Dichtung die Berechtigung, gegen Körners Gedichte Bedenken und
Einschränkungen geltend zu machen und versieht die drei Gedichte „Schwertlied",
„Lützows wilde verwegene Jagd" und „Gebet während der Schlacht" mit einigen
sprachlichen und metrischen Bemerkungen. — In einem bunten Sammelschriftchen
stellt Mus iol^o^) die Beziehungen der Familie Körner zur Musik zusammen. Erzählt
die Musiker auf, die in Körners Vaterhause verkehrten und berichtet über die
Musikliebe und die Kompositionen des alten Körner; dann über Theodors Alusik-
unterricht, über die von ihm gebrauchten Instrumente und deren Verbleib. S. 21 :
Verzeichnis der im Körnermuseum im Ms. erhaltenen Kompositionen Theodors, darunter
die Schillerschen Gedichte „Der Alpenjäger", „Teilung der Erde", „Resignation" und
„Hoffnung" für Gesang und Guitarre komponiert. Es folgen Briefstellen über Musik-
aufführungen in Wien, Nachrichten über seine Musikliebe und Musikkenntnis, Stellen
aus seinen Werken über Musik; ein Verzeichnis von Komponisten, die Körnersche
Gedichte gesetzt haben; Kompositionen zu seinen Dramen; seine Operntexte und
deren Kompositionen ; Lieder, die auf ihn Bezug haben, und musikalische Dramen, in
denen er auftritt. 'o*"">'<) _ Das früher erschienene Werk Peschels (vgl. JBL. 1891
IV 4:100) wurde von Frank el"*^), die Arbeiten von Brockhaus (vgl. JBL.
1891 IV 4:103), Hauflen (ib. N. 50) und Bischoff (ib N. 106) von Sauer i««) re-
censiert.i'o-iii) —
wirklich im Rejfimente Stuart. D. Oberlieutenant hiess Hrorauda.) — 100) W. E. Peschel, Th. Körners Tagebuch u.
Kriegslieder aus d. J. 1S13. Mit d. Bilde Th. Körners, Abbild, seiner Grabstätte, sowie 6 autotyp. Gedicliten u. 1 Briefe
Th. Körners. Nach d. Orig.-Hs. veröffentl. Freiburg i. B., F. E. Fehsenfeid. VIII, 107 S. M. 2 00. [AMZg. 68, N. 61;
K. Siegen: Didaslc. N. 160 (aus LeipzTBl.); E. B.: LZg.N. 158; E.G.: NatZg. N.433; E. M. Meyer: ML. S. 727; R. Broclt-
haus: BLU. S. 449-51; Grenzb. 3, S. 236,8.1| — 100a) X H. Zimmer, 6 neue Gedichte zu Th. Körners „Leier u. Schwert" :
BurschenschaftlBll. 7 (3.-S.), S. 240,1. — 101) P- Latendorf, E. frivole Körnerfälschnng an e. einzigen Worte nachgewiesen :
KonsMschr. 4, S. 4634. — 102) I). Sanders, Tli. Körner (geb. 23. Sept 1791, gest. 26. Aug. 1813): ZDS. 5, S. 329-33. 369-76.
— 103) R. Musiol, Th. Körner u. seine Beziehungen z. Musik. Musikhist. Studie. Ratibor, E. Sinimich. 96 S. M. 1,50.
IIP. A.: LZg". N. 89.]| — 104) X A. Kohut, Th. Körner, Sein Lehen u. seine Dichtungen. Für d. Jugend u. d. Volk.
2. (Titel-)Anfl. Mit d. Portr., e. Namens- u. Gedichts-Facs. B., C. Georgi. 1891. X, 319 S. M. 4.00. — 105) X Th.
Schemmling, Andenken an Wöbbelin! Leben, Dichten, Sterben, Abbild, u. Inschriften d. Grabstätte d. Heldendichters
Th. Körner. Güstrow (Opitz & Co). 30 S. M. 0,40. — 106) X (IV la:32; S. 82-96.) -- 107) X Th. Körner. Erinnernngsbll.
ges. aus Anlass d. Wiederkehr seines 100. Geburtst. v. d. Lese- u. Eedehalle d. dtsch. Studenten in Prag. Prag, J. G. Calve.
1892. 56 8. M. 0,80. (Enthfilt Gedichte v. F. Adler, J. Bendel, R. Bunge, R. Byr, B. Curneri, J. J. David,
L. A. Frankl, M. Greif, F. Herold, P. Heyse, F. Keim, A. Klaar, St. Milow, A. A. Naaff, H. Rollet,
P. K. Eosegger, Emil Prinz zu Schön aich-Carolath, A. Silberstein, H. Swoboda, M. Urban; Sprüchen. Briefe
V. H. Heiberg, E. Herbst, Ph. Knoll, 0. v. Leixnor, K.F.Meyer, E.Plener, A. E. Schönbach, A. G. v. Suttner,
B. Voss, Weitlof; Aufsätze: Th. Körner als Student v. A. Hauffen; Th. Körner u. d. akad. Jugend v. E. Keil; D. Ver-
mächtnis Körners an d. dtsch. Jugend in Oesterr. v. K. PröU: Körners Sonett: Hofers Tod im Autogramm.) — 108) L.
Fränkel: ZDU. 6, S. 8523. — 109) A. Sauer: DLZ. S. 15612. (Brockhaus S. 47: Krusst verlesen für Krufft :i= Freiherr
Nikolaus V. Krufft.) — HO) X R- Edgcnmbe, Th. Körner: NQ. 3, S. 309. (Kurze Anz. englischer Werke 6ber Körner.)
— 111) X Th. Körner, Z. Nachtr. Transl.: Jonrn.il of Education. 1892, Nov. - 112) K. Th. Gaedertz, Hamburger Friedens-
J. Elias , Lyrik : Von den Freiheitskrieg-en bis zur Gegenwart. IV 2a : na-iu IV 2b : i-5
Gaedertz"2) teilt das zu einer privaten Festfeier Haraburgischer Freunde
in Jena verfasste Gedicht von Johann Diedrich Gries: „Hamburgs Befreiung
1814" in erster Fassung mit: „Sei uns gegrüsst vom fernen Saalestrande", ebenso ein
zweites zu derselben Feier verfasstes Gedicht von Ed. Wesselhöft: „Der Herr gebot!
Europas Fesseln fielen". — Ferner publiziert Gaedertz "^) ein bisher ungedrucktes
humorvolles Theelied von Gries, das dieser als Dank für eine Sendung Thee 1829 an
Alexis Bohn nach Stuttgart richtete.^'*) —
b) Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
Julius Elias.
Alliremeines N. 1. — Schwäbische Dichter N. 6. ~ Hedwig von Olfers N. 20. — Heinrich und Charlotte Stieglitz
N. 29. — Platen N. 33. — Rackert N. 39. — Bodenstedt N. 43. — Annette von Droste- Hülshoff N. 81. — Freiligrath N. 87. —
F. von Sallet, G. Herwegh, J. Ohm. von Zedlitz N. 89. — Hoffmann von Fallersleben N. 97. — Geibel N. 104. — G. von Leinburg,
Alex. Kaufmann, 0. L. Heubner N. 108. — L. Sehefer, Spiller von Hanenschild, J. Hammer N. 112. — K. J. Ph. Spitta und
K. Gerok N. 116. —
An der Spitze dieses Berichtes verdient ein allgemein charakterisierender
Aufsatz Brunetieres^), der der Entwicklungsgeschichte der französischen Lyrik in
diesem Jh. sehr sorgfältig nachgegangen ist, wenigstens kui'z verzeichnet zu werden.
Allerdings wird der Einfluss Goethes auf den französischen Lyrismus zumal an der
Stelle nicht verschwiegen (S. 137, 196, 199, 300), wo es sich um die ästhetische Frage
nach der Befreiung des Individuums handelt, aber B.s Betrachtungsweise ist doch nur
zögernd und wenig tief. Er konsultiert über Deutschlands Kultur- und Litteratur-
verhältnisse sehr stark Mme. de Stael, ferner Heine (S. 200, 203, 298). Die Geistes-
verwandschaft Baudelaires und Richard Wagners ist in späteren Abschnitten über den
Symbolismus lebhaft betont; von unseren Philosophen huschen Kant, Fichte, Schopen-
hauer, Nietzsche durch die Darstellung. — Wie sehr sich pädagogische Kurzsichtigkeit
und Zimperlichkeit gegenüber dem Liedergut des deutschen Volkes versündigt, das
schildert mit Leidenschaft und Spott ein Anonymus^), zumal an gemütvoll-kräftigen
Liebesliedern, die sich unter der Hand von Schulmeistern in banale und gleich-
gültige Reimereien verwandelten; zu den Pädagogensünden gesellen sich allerlei
„Komponistensünden"3)^ die an altdeutschen Gesängen versucht und im einzelnen
von Mendelssohn an Spee und von Schumann an Mahlmann begangen wurden. —
Thekla vonSchober*) sammelte hs. Gedichte von vielen Poeten dieses Jh. Stücke
von Scheffel, Arndt, Holtei, Klaus Groth, Gerok, Julius Sturm, das fromme Gedicht
des Knaben E. von Willich, das Kaiser Friedrich so sehr liebte, sind längst gedruckt.
Dann finden sich in dem hübschen Buche ein Gelegenheitsgedicht des Dr. Baer in
Hirschberg auf Kaiser Friedrich zur Einweihung eines Denkmals und mehrere
liebenswürdig-fromme Verse aus dem wohl auch schon veröffentlichten Gedichte
der Fürstin Eleonore von Reuss: „Flügel und Hände". Etwas bedeutender sind
Stammbuchverse Arndts vom 12, April 1794 an den Vater der Sammlerin, die in
warmer Begeisterung, einigermassen bilderreich, das Lob der Freundschaft singen,
und lustige Zeilen Holteis nach aufgegebenen Reimen. Das Beste sind nach Form
und Gehalt die vorgelegten Proben aus Franz von Schobers Nachlass, darunter
schwungreich aus dem nationalen Bewusstsein der Ungarn herausempfunden: „Ungarns
Gruss an F. Liszt" und „Hungaria" (von Liszt komponiert). Noch ist der „Fahnen-
schwur" hervorzuheben, der Sammlerin 1845 überreicht: das Gelübde des Poeten,
nur für Edles und Gutes, Recht und Freiheit seine Gaben zu gebrauchen.^) —
feier in Jena 1814: HambCorr. 1892, N. 165. — U3) id., E. ungedr. Gedicht v. J. D. Gries: ib. N. 678. — U4) X Dichter-
iclänge ans Deutschlands grosser Zeit. Patriot. Dichtungen z. Feier d. nat. Gedenktage in Schulen u. Vereinen. 3. Aufl.
Langensalza, Beyer & Söhne. 12». XH, 212 S. M. 1,20. (Vorrede unterzeichnet F. M.) —
1) F. Brunetifere, L'evolution de la poesie lyriqne au XIX. sifecle. Conrs libre de la Sorbonne: RPL. 1,
S. 65-72. 99-107, 135-42, 164-72, 195-203, 257-64, 293-302, 331/9, 363-72, 495-504, 517-24, 594-603, 613-22, 650,9. 6S6-94,
743-51, 773-80. (D. Stoff verteilt sich im einzelnen so: Les origines; Bernardin de Saint-Pierre ; Chateaubriand et Andre
Chönier; La poesie de Lamartine; L'emancipation du Moi par le romantisme; La premi^re maniere de V. Hugo; L'cBuvre
poetiqne de Sainte-Beuve; A. de Musset; La trunsformation du lyrisme par le roroan; A. de Vigny; L'oenvre de Th. G.-iutier;
La seconde maniere de V. Hugo; Leconte de Lisle; De Heredia, Sully Prndhomnie et F. Coppee; Le syrabolisme; im zu-
sammenfassenden Schlusskap. werden u. a metrische Fragen erörtert.) — 2l D. Verunstaltung dtsch. Lieder: Grenzb. 1392: 4,
8. 316-23. - 3) Komponistensünden: ib. S. 3412. — 4) (IV Ic: 75.) — 5) X Weihnacliten in d. alt. u. neueren Dichtung.
(= Kinderglocken N. 1.) B., L. Burmeister. 1892. 16". 32 S. M. 0,10. (Ans d. Sonntagsschnl-Litt.; u. a. Volkslieder,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. lY. (4))0
IV 2b : 6-16 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Geg'enwari
Aus der Restgruppe der schwäbischen Dichter, die das Kapitel
Romantik übrig- lässt (vgl. IV 10 : 105—63), sei zunächst Leo von Seckendorff ge-
nannt, in dessen Musenalmanach für das J. 1807 öhlands wie Kerners erste
Gedichte erschienen sind. Seckendorff war dem Uhlandschen Kreise, der sich um
das „Sonntagsblatt" scharte, ein treuer Berater. Fränkel^) spricht für eine Sammlung
und Veröffentlichung des Seckendorffschen Briefwechsels, aus dem sich auch für
Goethe manches ergeben müsste. — Einen Jüngling aus Uhlands Kreise, eine hoffnungs-
reiche, am politischen Elend der Zeit verendete Dichternatur schildert wehmütig,
warm, Rümelin''): August Mayer, Karls Bruder, den eine tiefe und auch litterarisch
nicht unfruchtbare Freundschaft mit Kerner und Schwab verband. Er war, ein sehr
begabter Mensch, dazu geschaffen, sich künstlerisch auszuleben; auch die Musik war
ihm tief ans Herz gewachsen — er hat Lieder Uhlands, z. B. „Ich hatf einen
Kameraden" komponiert, — doch die sklavische Napoleonvergötterung seines Landes-
herren riss den Widerwilligen in den russischen Feldzug. Eine nervöse Todessehn-
sucht ergriff ihn; hier setzt eine sehr hübsche Charakteristik der Mayerschen Feld-
zugsbriefe ein. Das letzte Gedicht stand in Kerners Almanach für 1813, und Schwab
hat das traurige Opfer der Despotie rührend besungen. R. bringt den jungen Schwaben
in einen wirksamen Gegensatz (übrigens angeregt durch Goedeke^ 3, S. 345) zu einem
anderen Dichterfreunde Uhlands, Fr. von Harpprecht, der, ein Kriegsmann aus Neigung,
begeistert zu den Fahnen Napoleons sich schlägt. — Von Mörike sind wiederum
launige Kleinigkeiten ans Licht gekommen: Durch C. von Arnswaldt**) veröffentlicht,
ein Sprüchlein gegen die, die sagen, dass „Gutenbergs Erfindung so nahe lag"; so
nahe, meint Mörike, wie dem Herrgott die ganze Weltschöpfung: sie musste ersonnen
sein^). — Unter den jüngsten Recensenten'^) des Mörike-Stormschen Briefwechsels
(vgl. JBL. 1892 IV 2 : 119) wünscht ErichSchmidt mit Recht, dass der neunzehn-
bändigen Ausgabe der Werke Storms ein zwanzigster Band hinzugefügt werde, der
das bekannte Bruchstück der Jugendgeschichte und eine sorgfältige Auswahl der
Briefe böte^i"^^^. — Das nicht eben fruchtbare Verhältnis zwischen Mörike und Tieck
unterzieht Krauss^^^ einer neuen Betrachtung. Tieck hat wohl im Sommer 1828
zum ersten Male, in Schwaben, von Mörike gehört. 1832 erscheint der „Maler Nolten" ;
Tieck ist voll Bewunderung für das Buch, und Mörike wendet sich nun, durch das
rückhaltlose Lob ermutigt, in einem herzlich verehrenden Briefe (bei Holtei 2, 3657)
an Tieck, dessen Novellen ihm Muster gewesen. TiecJcs wiederholter Besuch in
Schwaben (Sommer 1841) erregte in Mörikes B>eunden grosse Erwartungen: Der
Dichter kränkelte, mühte sich in unzuträglichen Verhältnissen ab, und so dachte man,
der einflussreiche Tieck werde hier etwas thun. In diesem Sinne schreibt Hermann
Kurz unter dem 26. April 1841 an Mörike. Der indessen stellte sich beim Rendezvous
in Weinsberg nicht ein. K. bekämpft, überzeugend, die Ansicht, Mörike habe aus
Hochmut den Besuch Tiecks erst abwarten wollen. Unbefriedigender Gesundheits-
zustand war der Grund. Auf eine Anregung Kerners schreibt Tieck am 3. Juli einen
liebenswürdigen (von K. abgedruckten) Brief an Mörike, der die Antwort schuldig
bleibt. Tieck that dann auch nichts mehr. Mörikes stille Verehrung aber für den
greisen Dichter dauerte fort. — Am 30. Nov. 1893 erinnerte Bett elhe im i*J an den
achtzigsten Geburtstag des Hermann Kurz durch eine litterarische Würdigung, die
den Dichter und Schilderer der Natur der Vergessenheit entreissen möchte, den Er-
forscher schwäbischen Lebens, den Gelehrten und Uebersetzungskünstler wieder vor
Augen bringt und den treuherzigen Süddeutschen, den Lebensfreund der grossen
Schwaben charakterisiert. B.s heisser Wunsch einer ausführlichen Biographie wird,
fürchte ich, nicht allzu Vielen am Herzen liegen. — Sprenger*^) citiert nach Long-
fellow (Prose works, author. ed. London, Routledge, S. 469), dass der englische Dichter
Dec. 1827, aus Verehrung für Wilhelm Müllers Romanze „Est est", von Montefiascone
aus das Grab des Bischofs Johann Defoucris aufgesucht habe, ,,who died a martyr
to bis love of this wine of Montefiascone". — Ueberaus anmutig ist die Schilderung,
die ein Anonymus^^) (Johannes Trojan?) von einer sommerlichen Wanderfahrt nach
der Stätte entwirft, wo einst Chamissos Stammburg stand. Aus Bauernmunde hat er
Manches erfahren von den Schicksalen des Schlosses Boncourt, von dem Nachruhm
des Geschlechtes. Die Einwohner von Vieildampierre an der Aube hatten während
des Krieges 1870 — 7 1 nichts zu leiden, weil der feindliche Regimentschef, von Chamisso,
Arndt. Reinick, Krnmmacher, Prutz, Klette.) — 6) L. Fränkel, Leo v. Seckendorff u. d. schwäb. Dichter : BBSW. 1892, S. 207/8.
— 7) Ad. Rümelin, Z. Gedächtnis e. Verschollenen: BBSW. S. 3-17. — 8) E. Mörike, Gutenbergs Erflndung. (Her. v. C.
T. Arnswaldt): DDichtung. 14, S. 161. — 9) X »d.. Versus domesticns: ib. 12, S. 19. — 10) DR. 1892: 4, S. 251 ;
Nation". 9, S. 232; Erich Schmidt: DLZ. 1892, S. 100/1; DRs. 77, S. 474; WIDM. 73, S. 141. — 11) X L. v. Donop,
J. Bächtold, Briefwechsel zwischen M. v. Schwind u. E. Mörike (vgl. JBL 1890 IV 2:81): DLZ. 1892, S. 232. — 12) X
E. Mörike, Ges. Werke. 4 Bde. 3. Aufl. St., Göschen. 1889-90. |[DRs. 77, S. 474; YossZg». 1892, N. 4.]| — 13) (IV 10:40.)
— 14) A. Bettelheim, H. Kurz: AZg". N. 278. — 15) R. Sprenger, Zu W. Müllers Romanze „Est est." : ZDPh. 23, S. 142/3.
— 16) J. T., Sohloss Bonconrt: DRs. 74, 8. 281/6. — 17) F. Notter, Gedichte. In Ausw. her. v. R. Kranss. St, Cotta.
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Geg-enwart. IV 2b : 17-21
der Enkel ihres eigenen Schlossherrn war. Bei eiijer Bäuerin fand der Vf. ein Bildnis
der Dichtermutter, im Watteaugeiste der Zeit gehalten. — Eine kleine, doch angenehme
Persönlichkeit, Friedrich Notter (geb. zu Ludwigsburg 23. April 1801, gest. 15. Febr.
1884) führt Kr aus s'') in die Geschichte der deutschen Lyrik ein, indem er aus
seinem dichterischen Nachlass eine geziemende und vorteilhaft geordnete Auswahl
veranstaltet und eine massvoll anerkennende Einleitung dazu schreibt. Notter ist
bekannt aus seinem freundschaftlichen Verhältnisse zu Uhland, aus seinem intimen
Verkehr mit Mörike und F. Th. Vischer. Auch Schwab, Lenau, Kerner, Graf
Alexander Alb. Knapp, H. Kurz, M. Hartmann, Freiligrath interessierten sich für ihn,
und sein litterarischer Pylades war Paul Pfizer. Er war Publizist (als Redakteur
verschiedener Cottascher Unternehmungen), Politiker, Dramatiker, Litterarhistoriker,
Uebersetzer und seiner Anlage nach Lyriker. Er hatte ein grossdeutsches Herz und
schwärmte früh für ein neues Kaiserreich unter Preussens Führung. Als Mensch
war er rein, sanft, treu; eine gewisse Melancholie war seinem Wesen nicht fremd,
die aus dem Unterschiede seiner begrenzten natürlichen Gaben und seiner viel weiter
gesteckten Absichten entsprang. K. gesteht selbst zu, dass Notters Dante-Ueber-
setzung, die ihm übrigens die lebhaften Sympathien König Johanns (Philalethes)
eintrug, länger leben werde, als alles andere, was er hervorgebracht, auch als seine
Lyrika, die in schlichtem, doch wenig persönlichem Tone die Natur, Lebens-
stimmungen, Herzensgeheimnisse singen, in leichtem Distichengang die Freundschaft
feiern, unter Mörikes Einfluss antike Formen zu beleben suchen und, in ühlands Art,
Balladenstoffe nicht verschmähen; Gelegenheitsgedichte bezeugen, dass Notter seine
Zeit verstand. In der Hauptsache ist es bewährtes schwäbisches Schema. — Aus der
schwäbischen Meistersingerstube her wird auch der jüngere Stern, Eduard Paulus'^),
gefeiert, dessen umfangreiche Sammlung mir nicht vorlag. U. a. charakterisiert ihn
Ebner als Kunst- und Alterstumsforscher und als Künstler: als den Poeten des
Seelenfriedens, den Freund des Helldunkels und Dämmerlichtes. — Weitbrecht*'^)
vergleicdit den „merkwürdigen überzwerchen Schwabenkopf' in dem Punkte mit
Vischer, dass er mit Bewusstsein Schwabe war und Schwabe sein wollte, dabei „aber
ebenso bewusst über das schwäbische Wesen sich hinausstreckte und für die grossen
Angelegenheiten der Nation ein offenes Auge hatte". Dabei aber teilt er ihm so tiefe
und weite lyrische Eigenschaften, eine solche Kraft der gestaltenden Phantasie, ein
so , starkes Gefühl der Persönlichkeit, einen so bedeutenden Humor, eine so gewaltig'e
Ausdrucksfähigkeit zu, dass man sagen kann, W. habe, ohne Distanz zu seinem
Gegenstande, den Typus des grössten Lyrikers der W^elt zeichnen wollen. —
Zu Wilhelm Müller gehört Hedwig von Ol fers, das Ideal seiner Jugend,
der Stolz seiner frühen Gesänge. Ueber die Entstehungsgeschichte der Müllerlieder
ist (vgl. JBL. 1892 I 9:79; IV 2: 124/6) schon Einiges" mitgeteilt worden. Fried-
la ender 20-21) hat seine interessanten Nachweise zu einem Vortrag verarbeitet und
ihn auch drucken lassen. Nach Rellstabs Werk: Ludwig Berger. Ein Denkmal (1846)
schildert er, wie jene Lieder aus dem feinen Unterhaltungsbedürfnis einer romantisch
erregten Gesellschaft hervorgingen, die das Thema von der Rose der schönen
Müllerin nach „La bella molinara" von Paisiello anschlug- (Winter 1816 auf 17). Der
Tonsetzer Ludwig- Berger — er arbeitete langsam, zaudernd, vielfach verwerfend —
hat Müller getrieben, seine Lieder zu einem Cyklus zusammenzustellen. Bergers
Kompositionen, ein schmächtiges Heft, „Gesänge aus einem gesellschaftlichen Lieder-
spiele Die schöne Müllerin" findet sich auf der Königl. Bibliothek in Berlin; es ent-
hält fünf Lieder des Müllers, eins des Jägers und je zwei des Gärtnerknaben und der
Müllerin; auch der Junker muss aufgetreten sein. F. giebt nun wichtige textgeschicht-
liche Bemerkungen und lässt einzelne der im Cyklus nicht vorhandenen Gedichte
abdrucken. Der Gärtnerknabe ist Luise Hensel; ein Lied der Müllerin über ihre
Lieblingsfarbe Grün giebt den Anstoss zu W\ Müllers Lied „Die liebe Farbe". Ueber
den Schluss berichtet F., dass sich die Müllerin dem Müller ins W^asser nachstürzt,
und der Jäger auf dem Grabe der Beiden ein wehmütiges Trauerlied anstimmt. Ver-
schiedene Fassungen der ersteren und der späteren Publikationen von Müllers Ge-
dichten stellt F. zusammen, und er hebt auch ein „ungereimtes Lied" aus, das Müller
1817 veröffentlichte, ohne es dann in den Cyklus aufzunehmen. F. handelt endlich
über Bergers Melodien und über Schubert. Auch den Einfluss des Wunderhorn auf
einzelne Lieder des Cyklus hat er nachgewiesen. — Das entzückende Bildnis der
fünfeehnjährigen „schönen Müllerin" schmückt, höchst charakteristisch, das litterarische
16». 152 S. M. 2,00. i[E. Weitbrecht: BLU. S. 679-80.] — 18) O Ed. Paulus, Ges. Dichtungen. St., Frommann. 1892.
Vni, 454 S. M. 4,00. |[Th. Ebner: Geg. 42, S. 83-90; K. Weitbrecht: BLU. 1892, S. 4813; AZg«. 1892, 7. Juni;
Vom Fels z. Meer 1892, Heft 11, S. 337,8; Schw&bKron». 1892, 12. Nov.; J. Hart: TglRs". 1892, N. 142.]| — 19) K. Weit-
brecht, V. Schwab. Dichtern (Ed. Paulus): NZürichZg. 1892, N. 194. — 20) M. Fried laen der, D. Entstehung d. Müller-
lieder. E. Erinnerung an Frau y. Olfers: DEs. 73, S. 301 7. — 21) X >^< ^- Entstehung d. Müllerlieder. Vortr. geh. inGDL.:
(4)10*
IV 2b : 22-32 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
Denkmal^-), das Herman Grrimm.^ä), Erich Schmidt^^) und Ernst von Wiiden-
bruch der am 11. Dec. 1891 heimgegangenen Hedwig von Olfers, geb. von Stägemann,
mit einer diskreten, das persönliche Wesen dieser ausserordentlichen Frau erschöpfenden
Auswahl ihrer Dichtungen, gesetzt haben, eine pietätvolle Trias mitfühlender Freunde.
Der Zauber dieses (von Wolff in Paris gemalten) Porträts ist innerlich mit dem Buche
verwachsen und verwandt: Ueber dem Leben und dem Dichten Hedwig von Olfers,
dieser „Unwandelbaren, Unverwundbaren", liegt ewige Jugend gebreitet. Aus per-
sönlichen Erinnerungen schöpfen die Nekrologisten alle drei: G. lässt die merk-
würdige Gestalt psychologisch aus ihrer Zeit herauswachsen; er ist geistreich. Erich
Seh. stellt die neu gewonnene dichterische Persönlichkeit litterarisch dar; er übt, be-
deutend, das Amt des Historikers; W., der sich schon als werdender Poet ihrer warmen
Nähe erfreuen durfte, schildert das entzückende Menschenkind; er ist ganz dichte-
risches Temperament und erregtes Gemüt. Was Hedwig von Olfers selbst uns spendet,
ist der naive Schatz einer poetisch gestimmten Lebenskunst. Sie hat nicht produziert,
um litterarisch wirksam zu sein. Fein sagt Grimm: „Frau von Olfers war eine
Dichterin, aber sie war ein Veilchen im Walde. Es entzückte sie, an ihrer Stelle zu
empfinden, dass sie im Blühen stehe" (S. VI). Nicht minder treffend Erich Schmidt,
der auch in ihren Brietwechsel Einsicht nahm: „Ihre Gedichte sind Blüten der Ge-
legenheit, nicht gedankenschwer, nicht leidenschaftlich, — zierende Gewinde, auch
Kränze verblichener Freuden, bildlich, melodisch, phrasenlos, mit zarter, aber durch-
aus gesunder Weltansicht durchwirkt, gern Freunden in Lust und Leid dargebracht,
immer wohlthätig" (S. XVI). Zugleich aber werden diese documents humains un-
schätzbare Zeugnisse einer grossen Epoche im deutschen Gefühlsleben. Im Gedächtnisse
der Frau von Olfers wurzelten ihre jugendlichen Beziehungen zu Heinrich von Kleist,
den sie noch kurz vor seinem Todesgange sehen durfte, und ihr reiferer Verkehr mit
Klemens Brentano und Tieck besonders tief. Robert-tornow und Bee r haben sehr
angenehm und verständig über das Büchlein geschrieben, das in jedem Sinne ein
Büchlein der Erinnerung ist. 25- 28) —
Ueber die Lebensschicksale des krankhaft- weichlichen Heinrich Stieglitz
und seiner heroischen Charlotte hat Kummer 2'') die wesentlichen Momente nach
bekannten Quellen wiederum zusammengestellt, ohne in seiner Charakteristik mehr
als die landläufige Urteilsmünze zu geben. Er bestimmt nach dem Arolsener Kirchen-
buche das Tautjahr 1814; auch Heinrichs Eltern Hessen sich 1819 noch taufen.
— Wie sehr übrigens Stieglitz, über den die litterarhistorische Kritik nicht ohne
Grund den Stab bricht, als Mensch und Persönlichkeit unter den Zeitgenossen ge-
schätzt war, davon zeugt ein, durch Elias ^^j auszugsweise veröffentlichter, enthu-
siastischer Brief des Breslauer Litterators und Uebersetzers Joh. Gottlob Regis an
Karl Gustav Carus in Dresden (14. Okt. 1835). Die beiden Männer waren durch
Wachler bekannt geworden, als Stieglitz auf der Heimkehr von einer Karpathenreise
in Breslau Station machte. Sie waren sich vom ersten Augenblick sympathisch
und öffneten einander bald ihr Herz, was bei Stieglitz etwas Leichtes, bei Regis aber
etwas sehr Schweres und Seltenes war. Regis nennt seinen neuen Freund einen
wirklichen Menschen, ein liebenswürdiges Kind und einen durchaus reinen, an d-en
Griechen gebildeten und durch seinen grossen Lebensschmerz befestigten Geist. Ihre
Gespräche kreisen fast ausschliesslich um Charlotte : „Stieglitz lebt ganz im Jenseits",
die Grabstätte der Frau ist „sein Mekka". Regis wird wohl das Rechte treffen mit
seinem Urteil: „Es werden mitunter Menschen geboren, die es in ihrer Schale nicht
leidet, und diese würde sich früher oder später entleibt haben, auch wenn sie den
Stieglitz niemals hätte kennen lernen". Von einem Werke spricht Stieglitz, das er
herausgeben wolle: „Denktafeln", worin u. a. auch das Bild des Regis festgehalten
werden sollte.*^*) — Als Dramatiker ist Michael Beer s bescheidene Epigonengestalt
vergessen, um wieviel mehr als Lyriker. Manz^^) (vgl. JBL. 1892 IV 4:58) er-
neuert auch in dieser Richtung das Andenken des Mannes, wobei er nachgelassene
Poesien und Briefe benutzen durfte (u. a. Briefe Eduard von Schenks, nach denen
ich für meine Schenk-Biographie [s. ADB. 31, S. 37—44] lange und vergeblich
forschte). Der Vf. schlägt Beers lyrische Begabung nicht allzu hoch an und betrachtet
BLZ. 1892, S. 348/9. — 22) Hedwig v. Olfers, Gedichte. Nebst Nachrufen v. H. Grimm, Erich Schmidt u. E. v. Wilden-
brnch. B., Besser. 1892. XXX\, 88 S. Mit Bild in Heliogr. M. 2,00. |[W. Bobert-tor riow: DLZ. 189'>, S. 1694;6;
L. Beer: Nation». 10, S. 258/9; BLU. S. 225/7; Grenzb. 2, S.517/9.]f — 23) H.Grimm, Frau v. Olfers. Vereach e. Schilderung:
Dßs. 70, S. 249-52. (Vgl. JBL. 1692 IV 3:67; s. o. N. 22.) — 24) X Erich Schmidt, Ueber Frau v. Olfers. Vortr. in
GDL.: DLZ. 1892. (Vgl. JBL. 1892 IV 3 : 68; s. o. N. 22.) — 25) X K. B., Dichtende Frauen: Grenab. 2, S. 507-19. (Reicht
d. Palme d. Frau v. Olfers. j — 26) X F. Dernburg, Hedwig v. Olfers (1800-91): BerlTBl. 1892, N. 637. — 27) X Hedwig
T. Olfers: AZg». N. 109. - 28) Wilhelraine Hensel: NatZg. 1892, N. 533. (D. 90 j. Dichterin giebt Lebenserinnerungen;
u. a. plaudert sie recht nett über d. jungen lebensfrohen Lieutenant Helmuth v. Moltke.) — 29) F. Kummer, H. W. A.
Stieglitz n. Charlotte Stieglitz geb. Willhöfft: ADB. 36, S. 177-8U. —30) J.Elias, J. G. Regis über H. Stieglitz: YossZg».
1892, N. 51. (Vgl. JBL. 1892 IV la : 30; s. u. N. 100.) — 31) X F- Brandes. W. t. Studnitz: ADB. 36, S. 735,6. (Soldat n.
Dichter. Auszug aus Goedeke' 3, S. 360/1.) — 32) G. Manz, M. Beers Lyiik. Mit ungedr. Gedichten aus seinem Nach!.:
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskrieg'en bis zur Gegenwart. IV 2b : 33-39
vornehmlich die Tendenzseite der Beerschen Poesie. Hier wie überall Glätte und
Sauberkeit der Form, und in der Verteidigung- der religiösen und politischen Ideale ein
warmer Schwung. Am Ende der 20er ist Beer von. besonders starkem Zeitgefühl er-
fasst; er empfindet „Abstumpfung gegen die illusorischen Emotionen der Tragödie,
seit das Leben selbst so ungeheure gab". Aus dem Rausch der Julirevolution ent-
stand die von M. abgedruckte, höchst pathetische „Ode an die Hauptstadt". Die beiden
Eingangszeilen hätten M. an die Anfangsverse der „Germania" von Strachwitz erinnern
können. Beer schleudert ferner, ein Patriot, glühende Anschuldigungsverse gegen
Deutschland: Weil es seine grossen Männer so schlecht lohne und durch die ganz kleine
Stadt Chäteauthierry sich beschämen lasse, die ihrem Lafontaine ein Denkmal
errichte. —
Die Forschung über Platen33-34^ hält sich in bescheidenen Grenzen. Zur
Frühzeit giebt Friedrich ^s), nach einer ziemlich breiten und an Wiederholungen
leidenden Charakteristik von Döllingers Studiengang und Glaubenskämpfen, Auszüge
aus dem Tagebuche des Dichters, die durchaus auf DöUinger zugeschnitten sind und
im wesentlichen die Zeit gemeinsamer Studien vom Sommer 1818 bis Herbst 1819 um-
fassen. Sie bilden eine Ergänzung zu Karl Pfeuffers fragmentarischer Veröffent-
lichung (Stuttgart 1860); das Ms. bewahrt die Münchener Hof- und Staatsbibliothek.
Für Platens dichterische Entwicklung kam aus diesem Verkehr fast nichts heraus,
wohl aber für seine Ausbildung, zumal durch eine Lektüre fremder Litteraturen, die
geregelt betrieben wurde. Es ist von den ersten lateinischen Versen die Rede, die
Platen machte (16. Juli 1818), Widmungsdistichen, bestimmt für Ovid- und Tasso-
Ausgaben — sodann von Döllingers medisanter Kritik am „Sieg der Gläubigen"
(31. Dec. 1818), dessen Umarbeitung erfolgt (15. Aug. 1820); bei der Sammlung seiner
Lyrika schickt Platen an Döllinger zur Durchsicht hundert Epigramme (13. Nov. 1820);
er unterlässt fei^ner nicht, ihm ein Exemplar der „Ghaselen" zu überbringen
(5. Okt. 1823). Die Dichter, mit denen Beide sich besonders tief beschäftigt haben, sind :
Anakreon, Euripides, Catull, Tibull, Properz, Calderon, Camoens, Cervantes, Tasso,
Shakespeare, Racine, Voltaire; Goethe zieht fortdauernd durch ihr Gespräch. Der
jugendliche Rückert erscheint in der Schilderung eines Freundes, des Assessors Merk;
Ernst Schulzes „Bezauberte Rose" macht auf Platen ungewöhnlichen Eindruck
(12. Okt. 1818). Eine warme, jugendfrohe Freundschaft hat sich zwischen Platen und
Döllinger nicht herausgebildet; litterarische Interessen führten sie zusammen, die
Herzen blieben kühl. Döllinger führte, unbegreiflich schroff, einen Bruch herbei
^(1. Aug. 1819), der im Mai 1820 oberflächlich geheilt wurde. Nur vereinzelt noch
'taucht in Platens Papieren der Name Döllingers auf, zum letzten Male in einem Briefe
Max von Grubers an Platen (Memmingen, 7. Dec. 1825). — In Rom lernte, 1826, der
Bildhauer Ernst von Bändel (vgl. 111: 296), durch den Schweden Schröder, Platen
kennen und hat über den Verkehr mit ihm einige Briefe in die Heimat gerichtet, an
seine Braut Karoline von Kohlhagen. Hermann Schmidt^ß) legt Auszüge daraus vor
(15. Nov., 10. Dec. 1826 und 3. Febr., 26. März 1827): Von Platens Dichtung ist
wenig die Rede; nur einmal wird die Aufnahme der „Verhängnisvollen Gabel" ge-
streift, um Platens masslose Eitelkeit zu charakterisieren. „Seine W^ut, gegen alles,
was von Deutschen gemacht wird", rügt Bändel, dann seinen Jähzorn, seine groteske
Leidenschaftlichkeit, die die Entwicklung des inneren Menschen hindert, seine
überreizten Verkehrsformen; auch von einem nervösen Krankheitsanfall berichtet
der Korrespondent, in der Erregung des Moments. Im ganzen sind die Mitteilungen
wenig behaglich. — DüseP') gewährt aus dem in der Münchener Hof- und Staats-
bibliothek verwahrten hs. Nachlass Platens (nach eigenen Abschriften) frühere Les-
arten und sucht durch sie für einzelne Gedichte (Columbus Geist; Der Pilgrim von
St. Just; Das Grab im Busento; Willst du lauen Aetber trinken; So hast du reiflich
dir's erwogen; Mädchens Nachruf; Lockt es nicht auch dich in die Weite; Choröbus
der Cassandra) ein Bild ihrer allmählichen formalen Entstehung zu gewinnen, wobei
die im kritischen Apparate der Redlichschen Ausgabe verzeichneten Varianten zu
Hülfe genommen werden. Es wird versucht, nach dem Worte Goethes von der „Ver-
igleichung der stufenweisen Korrekturen in den Ausgaben unseres Wielands, dieses
un ermüdet zum Besseren arbeitenden Schriftstellers," aus ähnlicher Betrachtungs-
weise auch für die stilistische Geschmacksbildung des Lesers ästhetische Belehrung
zu ziehen. — Hellmuths^») Beiträge zur lyrischen Technik Platens sind an anderer
Stelle hinreichend gewürdigt worden. —
Beim Rückert Jubiläum 1888 hatte Reuter^^) eine Rettung des klassischen
Geg. 44, S. Ö3IÖ. — 33) O X Platens sämtl. Werke in 4 Bdn. Mit e. biogr. Einl. v. K. Goedeke. St.. Cotta. 319, 344,
380, 320 S. Mit Bild. M. 4,00. — 34) X A. Gr.if v. Platen-Hallermünde: BnrschenschBll. 6. S. 180/1. - 35) Job. Friedrich,
Döllinger u. Tlaten: FKLB. 1, S. 69-102. — 36) Herm. Schmidt, Platen in Born: ZDU. 6, S. 553,8. — 37) (I 8:49.) —
38) (I 12:195.) — 39) F. Benter, D. Erlanger Freunde F. KQckert n. J. Kopp. Nach Familienpapieren dargest. Progr.
IV 2b -.39 44 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskrieg-en bis zur Geg-enwart.
Philolog-en Joseph Kopp versucht, der in der schweren Erlang-er Zeit so treu zn dem
recht isolierten Dichter und ITniversitätsprofessor stand und von den Litterarhistorikern
immer nur als Rückerts Schildknappe angesehen wurde. Durch F. g-ewann man von
Kopp den Eindruck eines zwar beg-eisterung-svoll seinem Dichterideal liingeg-ebenen,
doch ganz selbständig empfindenden und urteilenden Menschen, einer sehr g-elehrten
und viel konsultierten Persönlichkeit. In einer zweiten, die J. 1834 — 36 umfassenden
Schrift, die u. a. auch die Zeitgeschichte der Erlanger Universität und die relig-iösen
wie politischen Verhältnisse Bayerns gut beleuchtet, im Tone aber vielleicht etwas zu
schwungvoll ist für den immerhin bescheidenen Gegenstand, setzt sich R. vor, zu be-
weisen, dass Kopp dem Dichter ebenbürtig war, „überdies harmonischer und fester
in sich", ferner dass ein Teil der Erlangter Schöpfungen ohne Kopps Einfluss kaum
entstanden wäre. Er druckt den Kommentar, den Kopp zu Rückerts Sammlung vom
J. 1834 in die Allg*. Litt.-Zg". schrieb (Sept. 1835) in extenso wieder ab, und sucht
nach Gründen für diese weitgehende Herzensergiessung des „grundehrlichen und
g-rundgescheiten" Mannes, der seinen Tadel, trotz oder gerade wegen des öffentlichen Lobes,
in Briefen keineswegs zu unterdrücken pflegte. Er findet sie in Kopps Persönlichkeit,
die ein Produkt romantischen Gefühlslebens, nach der „Urgestalt eines Freundes"
suchte, die „reiner ist als wir selbst" und die „desto zarter und heilsamer" von uns
behandelt wird, je klarer das „innere Gefühl" von dieser Urgestalt in uns hervor-
tritt. In der Entstehungszeit der „Weisheit des Brahmanen" teilt Kopp völlig Rückerts
Seelenleben. Er war es, der ihm mit Intensität die philosophischen Ideen Schellings
zuführte, ihn von der „Macht des Persönlichen", von der „Bedeutsamkeit der Natur"
durchdrang' und so die unmittelbarste Einwirkung auf den Charakter der Rückertschen
Lyrik besass. Rückerts Kampf mit dem jüng-eren Deutschland, mit Menzel, fand in
Kopp den treuesten Genossen, sein politisches und religiöses Ringen an ihm die
wärmste Stütze, einen Berater in seinen traurig-en häuslichen Verhältnissen und in der
angefeindeten Stellung als Universitätslehrer den aufrichtenden und befestigenden
Tröster. Wissenschaft und Kunst flochten, durchaus produktiv, ein festes Band
zwischen den beiden Männern. Der Nachweis geling-t R. aus teilweise unbekannten
und durchaus zuverlässigen Quellen. Zu einer Rückertbiographie ist hier neues
Material geboten. — Das kann man leider über Arndts ^i') „Beitrag zur Feier
deutscher Dichter" nicht sag-en, einen wohlgemeinten, grotesk-stilvollen Hymnus, der
sachlich längst Bekanntes wiederbringt und in drei Abteilungen „Vaterland", „Fremde",
„Haus und Jahr" die Lyrik und Weisheitsdichtung- kompilatorisch abwandelt. „Der
grösste Baumeister am Riesendom der Weltlitteratur", „Formenbändiger" — sind WortCj
mit denen A. nur so um sich wirft. — Zwar rückt auch Herford'*^) seinen Helden
in die nächste Nähe Goethes, zwar ist auch seine Darstellung vom Leben und Dichten
Rückerts durchaus herkömmlich, aber die Art, wie er den von der Schule vernach-
lässigten Dichter für die Schule fruchtbar machen will, ist recht bemerkenswert. W^as
Rückert, vertraut mit dem Empfindungsleben der Jugend, von Vaterland und deutscher
Einigkeit, von Gottesfurcht und stillem Glück in der Natur sang, was er an ernsten
Lehren für den Lebensweg spendete und pädagogisch Wertvolles im Versgewande
äusserte, könnten Lehrer und Erzieher billiger W^eise eifriger berücksichtigen fiir
ihre pi^aktischen Zwecke, als es bisher geschehen ist. — Neuerdings spricht Walle *2^,
nach Gust. Kühnes kritischen Schilderungen, über die unbehaglichen Verhältnisse, die
Rückerts in Berlin warteten. Er teilte das Schicksal der Cornelius, Tieck, Schlegel.
Sein Dasein an der Universität spürte man kaum, als Sprachlehrer ist er neben Bopp
wirkungslos, und in den glänzenden Salons ist er ein schwerfällig-schweigsamer
Gast. — Steidle*^) teilt eine briefliche Aeusserung über den rheinhessischen Dialekt-
dichter Friedrich Lennig mit, der Rückert sympathisch ist wegen der „Fülle der
Volkstümlichkeit" und harmlosen Heiterkeit, aber auch deshalb, weil er, gleich ihm,
„als Bauer an der Gutenberg-Statue", humoristisch-oppositionell gesinnt ist gegen die
überproduzierenden Buchhändler. — Ein anderer rastloser Rück ertforscher, Bayer**),
holt, ergänzend, ordnend und feilend, aus des Dichters weitschichtigem Nachlass
wiederum ein Buch hervor: Umdichtungen Rückerts aus dem Diwan Saadis (1184— 1291),
der ihm ohne Zweifel durch die Auswahl Hammer-Purgstalls (Geschichte der schönen
Redekünste Persiens, 1818) ans Herz gewachsen war. Doch er ging von anderen
Gesichtspunkten aus als Hammer, der fast nur die erotischen Stücke bekannt ge-
macht hatte (K. H. Grafs Uebersetzungen, 1855—64, hätten erst später in Frage
kommen können, sind aber dann nicht mehr berücksichtigt worden). Er nimmt vor
allem „die hoch mystischen und ernst moralischen" heraus und erweist sich hier wie
überall als tiefdringender Nachempfinder und vollkommener Sprachkünstler. B., dem
Altena (P. Meyers Bnchdr.) 4». 79 S. |fS. Gönther: Nation". 10, S. 625/6; AZgB. N. 42.JI (Vgl. JBL. 1892 IV 2: 138.) —
40) 0. Arndt, F. Rückert. E. Beitr. z. Feier dtsch. Dichter. Progr. Gleiwitz. 4». 29 S. — 41) E. Herford, F. Rücltert
u. seine Bedeutung als .Tugenddichter. Progr. Thorn. 4". 12 S. — 42) P. W., Rückert in Berlin: MVGBerlin. 10, S. 40. —
43) E. Steidle, F. RQckert n. F. Lennig: LMerk. 1892 (Bd. 12), S. 33/5. — 44) Edm. Bayer, F. Rückert, Ans Sadis Diwan.
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b: 45-70
die Redaktion des schlimm erhaltenen Ms. (Königl. Bibl. zu Berlin) schwer zu
schaffen machte, verleg-t die Entstehungszeit der Verdeutschungen in die vierziger
Jahre. Er hat aufgenommen: 3 „Oden und Hymnen", 62 ,,Süssigkeiten", 29
„Wunderpoesien", 6 „Siegelringe", 92 ,, Vierzeilen", 130 „Ghaselenbruchstücke", 15
„Frivolitäten", 47 „Einzel verse" und als Zugabe ein kleines 36 zeiliges Lehrgedicht.
Ein hs. Rest (Sahibbuch, Politische Trauergedichte, Lobgedichte, Fragmente) bleibt
für eine weitere Publikation aufgespart, so dass die Absichten einer umfassenden
Auswahl, die Rückert bei seiner Beschäftigung mit Saadi leiteten, noch erfüllt
werden sollen. — Ausserdem veröffentlicht Bayer*^) eine bunte Reihe von
Rückertiana, zumeist bibliographischer Art. Er weist auf eine druckfertige Hs.
„Albanesischer Volkslieder" hin, die auf eingehender Kenntnis von J. G. von Hahns
„Albanesischen Sünden" (1854) beruht, und teilt hübsche toskische Sentenzen daraus
mit; sodann legt er Proben persischer Lyrik (Erlangen, Dec. 1831) nach dem Rückert-
schatze der königl. Bibliothek zu Berlin vor, ferner ein Seitenstück zu den „Rätseln
der Turandot" aus dem Schähnäme des Firdusi, die Prüfung eines Philosophen (über-
setzt Ende der dreissiger oder Anfangs der vierziger Jahre). B. citiert aus dem
Nachlass des weiteren zwei ethische Stücke aus Rückerts Dschämisstudien sowie
eine aus dem Diwan Jämis übersetzte Fabel von der Lerche und dem Veilchen. Im
ganzen bedeuten diese Späne nicht viel. — Sanders*^), in bekannter, wenig fördernder
Art, reiht interpretierende sprachliche Bemerkungen zur Brahmanenweisheit an-
einander.'*'^) —
Gleich hier sei Boden stedf behandelt, der in orientalischer Vermummung
als Dichter seine grössten Erfolge gehabt, ein Nachfolger Rückerts. Er hat am
23. April 1892, hochbetagt, in Wiesbaden das Zeitliche gesegnet und die Federn
zahlreicher Nekrologisten^^"^^) in Bewegung gesetzt. Es seien besonders erwähnt
die Artikel von Klaar^'), der nach Prager Erinnerung*en auch die menschliche Per-
sönlichkeit schildert; von einem Anonymus >''''), der ihn mit kritikloser Wärme hin-
nimmt; von Brenning^^), der Bodenstedts „Eigenartigkeit" stark in Zweifel
zieht, und von Theodor Wolff^*^), der in stimmungsvollem Plaudertone die rechte
Mitte des Urteils hält. — Herzfeld er^'), der Lyriker, findet den dauernden
Wert der Mirza Schaffy-Gedichte in der feinen ITebereinstimmung von innerem Ge-
halte und äusserer Form, in der künstlerischen Annäherung der hafisischen Denkart
an gesunden deutschen Geist. Und dann, etwas gezwungen: „Goethe tritt uns als
„westöstlicher" Dichter gern in Shawl und Turban entgegen, Rückerts Virtuosität
schwelgt in allen Verskünsten des Orients, Bodenstedt giesst nur fremdes Erz zu
eigensten heimisohen Gefässen um." — Eine umfassendere litterarhistorische Charak-
teristik des Lyrikers, Uebersetzers, Forschers, Kulturhistorikers Bodenstedt versucht
Ad. Stern^2j mit Glück; Neumann-Hofer^^^j geht mit leichter Ironie dem freundlich
lächelnden Optimisten Bodenstedt und seinem unecht fühlenden, aber doch verständig
sich drapierenden Mirza Schaffy zu Leibe; er stellt hübsch dar, wie diese Poesie des
bon sens und des bürgerlich gemässigten Temperamentes litterarisch als Reaktionspoesie
zu fassen und für ihre Zeit eine nicht ungesunde Kost gewesen sei; auch Svendson^*)
stellt fest, dass die entzückende Scenerie der Mirza Schaffy-Landschaft, nicht wirkliche
Natur, sondern ein lyrisches Panorama ist. — Alexander Meyer^») spricht mass-
voll, in offizieller Eigenschaft für das Shakespeare-Jahrbuch, dessen erster Heraus-
geber Bodenstedt gewesen: Als üebersetzer und Forscher hat der Mann keine Gross-
thaten, doch brauchbare Bausteine geliefert; mit dem Mirza Schaffy war seine
dichterische Kraft erschöpft. — Misch^^) und Friedmann^") folgen mit affektierter
Trauermiene, in belanglosen „Erinnerungen", der Poetenbahre; ^*) Gantter^") schildert,
recht überschwenglich, das Wiesbadener Heim und auch das Familienleben des an-
geschwärmten, harmlos eitlen Bodenstedt. — Was in den von Schenck'") heraus-
Auf Grund d. Nach!, lio.r. B., Lüstenöder. 12». XIV. 172 S. M. 3,00. |[ß. Weitbrecht: BLU. S. 461/2; LCBl. S. 1043. J|
— 45) id., Eückertiana: ZVLR. 6, S. 245-5-5. (Vgl. JBL. 1S90 IV 2: 118-20.) - 46) D. Sanders, Zu Rüclcerts Weisheit d.
Brahmanen: ZDS. 6, S. 469-70. — 47) X H. Pröhle, D. Kyffhäuser-Kaisersage u. Rückerts Barbarossa-Gedicht: AZg". N. 83.
(Im wesentl. Sagengeschichfliches.) - 48) X Bodenstedt: FrB. 3, S. 554 5. — 49) X ^- v- Bodenstedt: Post 1892, 20. April.
— 50) X L. Salomon, F. v. Bodenstedt: lUZg. 1892, S. 476. - 51) X F. v. Bodenstedt: ScliwäbMerk. 1892, 19. u. 22. April.
— 52) X F. de Bodenstedt: RPL. 1892: 1, S. 607. - 53) X ^- Bodenstedt: BÜRS. 54, S. 6314. (Schwungvolle Anerkennung;
Streiflichter auf SchleRel, Goethe. Rückert, Platen, D.iumer, Freiligrath. „Son Orient n'est pas saupoudre de la poussiere des
bibliotheques".) — 54) X F- M. v. Bodenstedt: NedSpect. 1892, N. 18. - 55) X ^- Bodenstedt. (Mit Portr. u Autogr.):
FiCho muzyczne. teatralne i artystyczne 1892, S. 199-200. iNur kurze Biogr., da erst vor 3 J. in derselben Zs. e. grösserer
Aufsatz über d. Dichter stand.) — 56) X A., F. Bodenstedt: Tygodnik ilustrowany 1892, S. 286. — 57) A. K[ laar], F. Boden-
stedt: Bohemia». 1892, N. 110. — 58) R. v. G., F. v. Bodenstedt: SchlesZg. 1892, N. 233. — 59) E. Brenning, F. v. Boden-
stedt: WeserZg. 1892, N. 16305. - 60) Theod. Wolff, F. v. Bodenstedt: BerlTBl. 1892, N. 198. — 61) J. Herzfelder.
F. Bodenstedt: MünchNN. 1892, N. 188. — 62) Ad Stern, F. Bodenstedt: WIDM. 73, S. 220-33. — 63i 0. Neuniann-
Hofer, F. Bodenstedt: ML. 61, S. 281/3. — 64) 0. Svendson, F. v. Bodenstedt: Nation». 9. S. 458/9. — 65) Alexander
Meyer, F. v. Bodenstedt. Nekrol.: JbDShakespeareGes. 28, S. 337-41. - 66) R. Misch. Bodenstedt-Erinnerun<;en : BerlTBL. 1892,
N. 201. — 67) Alfr. Friedmann, Erinnerungen an F. v. Bodenstedt: Zeitgeist 1892, N. 18. (Vgl. JBL. 1892 IV 2: UD-
OS) O X '• I^M Erinnerungen an Bodenstedt: HambNachrB. 1892, N. 26. — 69) E. Gantter, Erinnerungen an F. v. Boden-
stedt: Didask. 1892, N. 94. — 70) (IV lo:88.) |[Fremdenbl. N. 336.]. — 71) 4 unveröffentl. Briefe F. v. Bodenstedts an e.
IV 2b : 71-75 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
gegebenen Bodenstedt-Briefen steckt, hat schon Muncker in allgemeiner zutreffender
Charakteristik angedeutet. „Dieses Dichterleben" giebt nicht intimere Aufschlüsse
über Bodenstedts Dichtergeschäft; es lässt sich im wesentlichen nur die äussere Ent-
stehungsgeschichte seiner Werke daraus zusammen lesen. Man kann bequem
verfolgen, wie Mirza Schaffy in der stets wachsenden Zahl der Auflagen, die zu Be-
ginn der 60 er Jahre nachlassen und wieder nach dem Kriege ungeahnt sich mehren
(S. 180/5, 209), sich verbreitet und inhaltlich zunimmt, wie Bodenstedt mitarbeitet am
Vertriebe und das Büchlein durch seine litterarischen Verbindungen poussiert. Er
gesteht dem Herrn von Decker zu, dass er, der Verleger, die erste Idee zu einer
Sammlung der Lieder gehabt habe (S. 161), und spricht nicht ohne Eitelkeit von den
vielen Nachbildungen und üebersetzungen fS. 162), vornehmlich vom Interesse des
italienischen Dichters Zendrini. Ueber die neue Einteilung der Lieder, die mit der
50. Auflage erscheint, verhandelt Bodenstedt ausführlich (S. 181/2). Parallel damit
läuft die Anordnung einer zweiten Gruppe von Mirza Seh affy-Liedern, die unter dem
Titel des „Nachlasses" und, aus materiellen Gründen, einem anderen Verlage,
A. Hofmann & Co. (später Brockhaus), gegeben worden sind (S. 183/5). Die Samm-
lung seiner übrigen Gedichte machte Bodenstedt zu allen Zeiten viel zu schaffen;
ihre Gruppierung, Verbesserung, Vermehrung, vorteilhafte Verwendung betrieb er
mit grosser Sorgfalt. Ihre geringe Verbreitung begründet er selbstbewusst mit
billigen Seitenhieben auf „die durch Geibel und Andere vertretene süssliche Mode-
poesie" (S. 128), während er doch sonst behauptet (S. 71), sich in litterarischen Dingen
mit Geibel, ferner mit Hejse und Schack stets eins zu wissen, öeber die musi-
kalische Verwertung seiner Lieder, zumal des Mirza Schaffy, teilt Bodenstedt manches
mit und weist mit besonderem Stolze auf Spohr, Marschner, Rubinstein hin; ein
Konflikt über die Einschiachtung des Mirza Schaffy zu einer Operette wirkt er-
götzlich (S. 214/9). Auch die Uebersetzung der Shakespeare-Sonette ist auf eine An-
regung von Deckers zurückzuführen; in einem Briefe vom 25. April 1861 ist zum
ersten Male die Rede davon (S. 117). Mit einer starken Begeisterung beginnt und
vollführt Bodenstedt die Arbeit, nicht ohne seine Vorgänger, so oft er kann, zu
diskreditieren: mit Unrecht den trefflichen Regis (z. B. S. 124); Menzels künstlerische
Beilage wird kritisiert (S. 183) und mit Genugthuung von Lewinskys Vorlesung
aus dem Sonettenbuche erzählt, die 1863 in Wien zu Gunsten des kranken Otto
Ludwig veranstaltet worden war (S. 139). Am 18. Okt. 1851 berichtet Bodenstedt
über seine Beschäftigung mit den „schönsten Gedichten" seines Freundes Lermontow,
dessen gesamter litterarischer Nachlass auf ihn übergegangen war (S. 17). Er stellt
das Ms. im Laufe weniger Monate fertig (S. 19); es leitet ihn das Streben, nur solche
Üebersetzungen zu liefern, die sich wie „formvollendete Originalwerke lesen" (S. 24);
er bedenkt den Kenner Varnhagen von Ense, ferner den Kaiser von Russland mit
einem Dedikationsexemplar ('S. 22/3). Dass Bodenstedt mit Hammer-Purgstalls
Studien zur persischen Poesie sich eingehender beschäftigt hat, wird in Erinnerung
gebracht (S. 108). Der Herausgeber teilt manches über Mirza Schaffy-Parodien
(S. 201/2) mit, druckt ünediertes ab (S. 108, 206), lässt den Prolog der ersten Mirza
Schaffy- Ausgabe, der später gekürzt wurde, in extenso wieder folgen (S. 235/9) und
citiert zum Ueberflusse, was Bodenstedt selbst über die Person seines persischen An-
regers bekannt gemacht (S. 195/9). Endlich schreibt er, dass ihm ein grösseres episches
Gedicht Bodenstedts, „Der Hermanshof" im Ms. gezeigt worden sei (S. 240). Ueber
die grosse Zahl bedeutender Namen, die im Briefwechsel auftauchen, unterrichtet ein
Register. — In einer Tageszeitung werden Briefe veröffentlicht, die Bodenstedt im
J. 1891 und 92 an eine Berhner Dame gerichtet hat.''*) Es wiederholen sich die
Klagen über den bösen Zustand seines Körpers und über seine häuslichen Verhält-
nisse; von dem Epos „Theodora" rühmt er, es solle dem deutschen Volke sagen,
wie es vor Bismarck war; die „Schul- und Bekenntnisfrage" der Zedlitzschen Aera
macht ihm schwere Sorge und diktiert ihm ein Gedicht in die Feder, das den Frieden
„zwischen Herz und Himmel" predigt. -^ Olga Morgensterns''^) Plauderei bringt
den in Wiesbaden lebenden Botaniker Staatsrat M. J. Schieiden, der 1858 unter dem
Pseudonym „Ernst" Gedichte herausgab, in einen ganz äusserlichen Zusammenhang
mit Bodenstedt.") — Kreiten''*) fährt, einigermassen verspätet, schweres Geschütz
auf, um von katholisch-ethischer Höhe herab den leichten Mirza Schaffy zusammen-
zuschiessen. So sehr diese prosaische Auflösung dichterischer Motive kritisch ab-
zulehnen ist, so sehr kann man mit dem eifernden Kleriker in dem Punkte überein-
stimmen, dass Bodenstedts Mirza Schaffy überschätzt worden, und diese Ueberschätzung
auf die liebe deutsche Philisterei zurückzuführen ist. — Pröllss'^) dagegen, ein
Freundin in Berlin: NorddAZg. N. 440. — 72) Olga Morgenstern, F. v. Bodenstedt u. M. J. Schieiden: Zeitgeist 1892,
N. 20. — 73) X A. W. Ernst, F. Bodenstedt u. sein letztes Werk: Geg. 42, S. 25/6. (Resümiert: B. wird nur als Spruch-
dichter fortleben.) - 74) M. K reiten, D. Lieder d. Mirza Schaffy: StML. 45, S. 496-507. — 75) J. Pr ölss, D. Urbild d.
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 76-si
unbeirrter Bodenstedtenthusiast, trägt aus Bodenstedts Werken und nach den Auf-
schlüssen, die er gelegentlich selbst von dem Poeten empfangen, alles das zu-
sammen, was sich über die Person Mirza Schaffys, des Weisen von Gjändsäh, er-
mitteln lässt. Ein Mirza Schaffy war thatsächlich Lehrer der Tartarensprache an der
Tifliser Garnisonschule ; er war Bodenstedts Freund und Förderer, ein schöpferischer
Dichter aber nicht. Die Lieder sind des Deutschen rechtmässiges Eigentum, und
doch wäre ohne den wirklichen Mirza Schaffy das Buch nicht entstanden. P. be-
schreibt die Entwicklung des Liederbüchleins aus Bodenstedts ethnographischem
Werke „Tausend und ein Tag im Orient". — Mehring'^) verfolgt durch die neuere
deutsche Poesie die Geschichte der Ghaselenform und bringt im Gegensatz zu Rückerts
und Platens ausgeprägter und starrer Behandlung die freiere, leichtere, vollere, ganz
auf verstärkte Klangwirkungen angelegte Art Bodenstedts, den er für den grössten
Reimkünstler der Welt erklärt. Erst der Mirza Schaffy-Dichter habe das Ghasel
germanisiert.''''"^'') —
Das wundervolle Buch, das die Ueberreste eines Briefwechsels zwischen
Annette von Droste-FIülshoff und Levin Schücking birgt^'), ist, seinem mensch-
lichen wie litterarhistorischen Gehalte nach, schon an anderer Stelle der JBL. ge-
würdigt worden; auch auf das, was es im Besonderen für die lyrische Dichtung der
ausserordentlichen Frau ergiebt, ist hingewiesen worden. Als eine ihrer wichtigsten
Aeusserungen wird mit Recht, im Briefe vom 8. Jan. 1844, die Stelle bezeichnet, wo
sie Schücking zum Versprechen zwingt, dass er ohne ihr Vorwissen nichts ändern
werde (S. 235/6). Reinigungskünste hatte der kritisch gestimmte Freund an den
früheren Dichtungen, zumal an denen, die Annette ihm für das „Malerische und
romantische Westfalen" lieferte, zur Genüge geübt, indem er ihr herbes, persönliches
Sprachgefühl zu meistern suchte, — ein Bestreben, das ihm später leid that gegen-
über dem „charakteristischen Wesen dieser unvergleichlichen Poesie." Schücking
giebt nun zwar bedingungslos das geforderte Ehrenwort, unbewusster Humor aber
ist es, wenn er in der Antwort spricht von Annettens „ganz kurioser Befürchtung":
„bei Ihrer die meinige so anerkannt, zweifellos und entschieden überragenden poetischen
Begabung" (S. 238/9, 241). Im Hin und Her der brieflichen Verhandlungen kamen
so mannigfache Aenderungen in Ausdruck und Sinngestaltung zur Sprache, dass
sich aus der Korrespondenz eine gute Variantensammlung für eine wünschens-
werte kritische Ausgabe gewinnen lässt (S. 252—61, 264, 285/8, 296/7); sogar ein
Druckfehlerverzeichnis für die Ausgabe von 1844 stellt Annette zusammen (S. 297/8).
Sie zeigt sich „rechtlichen Bedenken" willfährig. Und Schücking gegenüber ist sie
diesmal in besonders guter Stimmung, die sie — halb witzig, halb resignierend —
ihn auffordert gründlich auszunützen. Man kann in diesen Briefen die Entstehungs-
geschichte der Ausgabe genau verfolgen: Am 10. Okt. 1842 ist zum ersten Male
die Rede davon; man erfährt von Annettens hoher Freude an der Arbeit des Ver-
mehrens, Sichtens, Feilens, Ordnens und nicht zum Wenigsten von der Mühe des
Abschreibens; von Schückings anspornender Teilnahme; von Lassbergs Bedenklich-
keiten; von einer Verlegerkonkurrenz; von Verhandlungen mit Cotta, die der Komik
nicht entbehren; von dem unklugen Verfahren Annettens gegenüber ihrem früheren
Verleger Hüffer. Ein wehmütiger Ton des Verlangens nicht nach wohlfeiler Berühmt-
heit, doch nach einer tiefen und intimen Wirkung auf weitere Kreise klingt durch
die Zeilen. Keine Spur von dem Selbstbewusstsein, das nicht gleichbedeutend wäre
mit dem naiven Vertrauen auf die eigene künstlerische Sache. Man fühlt: wie würde
sich diese volle, überstarke Dichternatur erst entwickelt haben unter fi'eieren, erquick-
licheren Lebensverhältnissen. Oft wird ein Brief ihr zum Lied; das kleine Leben,
in dem sie steht, gewinnt dichterische Grösse, da sie es, mit seinen sonderbaren
Menschen in stiller Kammer charakteristisch schildern will, und aus ihren Natur-
beschreibungen leuchtet nicht selten ihr starkes malerisches Talent. Man liest von
Stimmungen, „wo Gedanken und Bilder ihr ordentlich gegen den Hirnschädel pochen
und ans Licht wollen" (S. 54); wo ihr eine Fülle von Gedichten im Sinne liegt, „die
sie nur herausschreiben muss, um sie los zu werden" (S. 278); sie arbeitet meistens
sehr schnell, und Schücking mahnt zur Ruhe (S. 26/8). Diese abwartende Stellung
Schückings, seine westfälische Natur, „die um so fester wurzelt in Allem, was ihr
einmal heimisch und eigen geworden ist", die schwerfällige Beharrlichkeit seines
poetischen Empfindens, die sie mit dem Philister in ihm aussöhnt, wenn dieser „sie
so oft miserabel en bagatelle behandelt" (S. 279) haben ihr litterarisches Verhältnis
zu diesem kindlichen Manne befestigt. Sie drückt es einmal impulsiv so aus: „Schreib
Mirza Schaffy: Vom Fels z. Meer 1892, Heft 11, S. 265-71. — 76) S. Mehring, D. Eeimknnst d. Mirza-Schaffy : Didask. 1892,
N. 114. — 77) X D. Lieder d. Mirza Schaffy: ZDS. 5, S. 2Ö9-76. — 78) X D. Sanders, Zu Bodenstedts Neupm Liederbuch:
Ans d Nachl. Mirza Schiiffys: ib 7, S. 146,8. (Sprach]. Stoppelarbeit wie N. 46, 77.) — 79> O F. Bodenstedt, E. Bild
d. Welt: Vom Fels z. Meer 1892, Heft 10, S. 243. - 80) O i<J-- Liebe n. Leben. E. Samml. dtsch Lyrik. Ul. r. H. Kettig.
L., Adb Fifcher. 1892. 4». VII, 150 S. Mit Text-Illustr. M. 15,00. — 81) (IV 1 c : 74.) |[Grenzb.4, S,519-27; LZgB.N. 135.]l —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgescfaichte. IV. (4)10 a
IV 2b : 81-86 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
mir nur oft, mein Talent steigt und stirbt mit Deiner Liebe; was ich werde, werde
ich durch Dich und um Deinetwillen; sonst wäre es mir viel lieber und bequemer,
mir innerlich allein etwas vorzudichten." Von vielen hervorragenden Männern ist
im Buche die Rede: Von den Schwabenkreisen und dem Stuttgarter Litteraturtreiben
(S. 36/7, 200/2), insbesondere von Lenau, der Annette wie Schücking ans Herz ge-
wachsen war (S. 64, 66, 202, 301; er nennt Geibel einmal sehr bitter „Die letzte Eule
anf den Trümmern von Thron und Altar"), vom bescheidenen Uhland (S. 277), vom
treuherzigen Zedlitz, der sich für die westfälische Dichterin so aufrichtig begeistert
hat (S. 317, 327), von Geibel und Dingelstedt und ihrer lieben Eitelkeit (S. 201, 21H, 301),
von Frau von Binzer (S. 217); ferner von Guido Görres (S. 313) und, in sehr be-
lustigender Schilderung — vom aufgeblasenen Kleriker Wessenberg (S. 55/6);
die Freundschaft mit Freiligrath (S. 19-20, 23, 92, 110, 143, 148; seine innere Hin-
neignng zu Victor Hugo wird treffend betont) findet in Annettens wie Schückings
Briefen einen sehr warmen Ausdruck. — Eine billige, durch Alexander
von Schmidt^^) besorgte Sammlung der Gedichte, die die Ausgabe von 1844 ganz
enthält und aus Annettens posthumen Büchern eine geschickte Auswahl trifft, auch
einen brauchbaren Text liefert, ist als Volksbuch nicht unwillkommen.^^'^'*) —
Löwenberg^^) sucht in einem Vortrage, der sich als die litterarische Rettung einer
grossen „Unbekannten" giebt, x\nnettens entfernte Verwandtschaft mit der modernen
Produktion zu erweisen. — Buddes*^) Betrachtungen über das „Geistliche Jahr"
gehören zu den aufschlussreichsten und anziehendsten Studien über das Gemütsleben
und Dichten der Droste. Der streitbare Geist, der durch den Beitrag geht, giebt dem
Urteil etwas erfrischend Persönliches. An diese rätselhaften „Schmerzenslieder"
hat die Dichterin ihr Bestes gesetzt; durch ihr ganzes Dasein hat das schwere
Werk sie begleitet. 1819 findet sich die erste Spur, 1820 werden 25 fertige Gedichte
der Mutter üljergeben, 1837 erfolgt die Fortsetzung, die eigentliche Arbeit aber be-
ginnt erst Aug. 1839; April 1840 sind die 72 Lieder vollendet. Den Druckauftrag
erhält erst Ende des Jahrzehnts B. Schlüter, jener ergebene Mann, von dessen
rührender Persönlichkeit im Briefwechsel mit Schücking so oft die Rede ist. Bei der
Veröffentlichung hat die orthodoxe Familie ihre Hände im Spiel. Sie liess die Ge-
dichte mit allgemeinen religiösen Empfindungen bestehen und merzte die Stücke aus, in
•denen Annette „in den Schacht des eigenen Herzens" hinabstieg, weil man dogmatischen
Anstoss umgehen wollte. Noch heute bestreitet Kreiten, als Helfershelfer, dass das
„Geistliche Jahr" ein poetisches Selbsbekenntnis sei. Es liegt hier eine Fälschung
von Annettens persönlichem Geständnis vor. Die Lieder enthalten unumwundene
Zeugnisse „wechselnder Gemütsstimmungen", einer gedrückten und „vielfach geteilten"
Seele, eines „Selbstgerichtes vor Gott". In den Liedern von 1820 klingen die An-
klagen eigener Sünden, eigenen Unglaubens, wird versucht, die eigene Persönlich-
keit zu läutern. Sie nimmt, poetisch, aus jedem Evangelium die Note auf, die am
stärksten in ihr nachklingt und modelt diese Note nach den Bedürfnissen ihres
Herzens. In den späteren Gedichten redet der reife, in schmerzlicher Erfahrung ge-
läuterte Mensch, der sich um das Seelenheil der Mitmenschen mühen will: der Ton
der Predigt herrscht vor. Sie hat ihres Gleichen nur in F. von Spee. Nachdem B.
so Annettens eigenes Verhältnis zu ihren Dichtungen auseinandergesetzt, kommt er
zur religiösen Seite der Erklärungsaufgabe, indem er fragt: Inwiefern war Annette
Katholikin, inwiefern nicht. Sie übt Duldung, doch sie hält an gewissen Glaübens-
formen fest, die sie ererbt hat; sie steht im Kirchenstreite zum Katholizismus, doch
der Verwandlung der Kirche in eine politische Partei ist sie durchaus abhold. „In
ihr innerstes Heiligtum" darf „kirchlicher Autoritätsanspruch" nicht dringen; hier
hat ihr Katholizismus seine Grenze. Das „Geistliche Jahr" offenbart durchaus, dass
sie den Glauben, der in ihr wankte, nicht durch theologischen Zuspruch, sondern
nur durch die Kämpfe der eigenen Seele wiedergewonnen habe. Die „erleichternden
Mittel", die die Kirche gegen den Unglauben bereit hat, verschmäht Annette. Sie
will keinen Mittler zwischen sich und Gott. In ihrem verzweifelten Kampfe um eine
Weltanschauung mit oder ohne Gott, will sie nicht durch die Macht der Kirche „zum
Himmel steigen"; sie will „fliegen oder gezogen werden". Zu so freier und selb-
ständiger Art des inneren Ringens, befeuert sie die heilige Schrift selbst. Das Buch
ist aus dem intimsten Leben mit der Bibel entsprossen. Alle Werkheiligkeit, auch
die Anwendung der Beichte weist sie zurück. B. kommt zudem Schlüsse, dass durch diesen
unmittelbaren Verkehr mit Gott die Lieder sich stark evangelischer Auffassung
nähern, dass man in Annette eine grossartige Zeugin für wahrhaft evangelisches
82) Annette Freiin v. Droste- Hülslioff, Gedichte. (Her. v. Alex, von Schmidt.) (= Uibl. d. Gesinnt- Litt. d. In- u. Aus-
landes N. 710/3.) Halle u. S., Hendel. VIU, 283 S. M. 1.75. l[LZg". N. 12-2.]| - 83) O id., Gedichte. L., Reclam. 1892.
Ifl". 456 S. M. 1,75. - 84) X E. Genniges, H. Hüffer, Annette v. Droste-Hülshoft' (vgl. JBL. 1890 IV 2:184): Gymn. 1892,
S. 61;3. (Master e. vornehmen Biogr.) — 85) J. Löwenberg, Annette v. Drosto-Hülshoir. Vortr. geh. in d. Litt. Ges. zu
Hamburg. Referat: ML. 62, S. 162. — 86) K. Budde, D. geistl. Jahr d. Annette v. Droste-Hülshoff: PrJbb. 69, S. 340-85. —
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : s7-99
Christentum zu erblicken habe. Obwohl B.s Betrachtung des „Geistlichen Jahres"
im wesentlichen auf diese beiden Punkte, die Individualitäts- und Religionsseite,
sich stützt, so berührt der Vf. doch auch Fragen der Aesthetik, der Komposition,
der Form mit nicht gewöhnlichem Verständnis und Gefühl für Poesie. Vor allem
der Prozess der ümschnielzung biblischer Motive und die künstlei'ische Bedeutung
des eigenartigen und mannigfaltigen Strophenbaues lag klar vor dem Geiste des Vf. —
Aus Freiligraths Gedichten bringt Hertel ^') ein kärgliches Sammelsurium
über Occident und Orient und behauptet dadurch des Dichters Bedeutung für die
Geographie erwiesen zu haben. Die Schrift ist für einen abendlichen Zeitvertreib
der Alpenvereinssektion Landsberg a. L. zusammengestoppelt worden. H. betrachtet
es als eine besonders geistreiche Entdeckung, dass Freiligraths erstes Gedicht dem
isländischen Moosthee gegolten habe, sein letztes mit einem Hinweis auf den China-
wein endige. Aus einem Ms. des vierzehnjährigen Dichters teilt er einen romantisch-
phantastischen Aufsatz über die Abenteuer eines Seefahrere mit und möchte einzelne
Motive in späteren Dichtungen wiedererkennen ; der Auszug aus einem ungedruckten
Briefe Freiligraths vom 29. Dec. 1836 enthält Nichtigkeiten. '^s) —
Friedrich von Sallets fünfzigjähriger Todestag hat die Erinnerung an
den Offizier und Laienevangelisten aufgefrischt. Erwähnt seien hier die Aufsätze
von Müller-Rast at t^^), von Westenberger^o)^ einem ganz jung verstorbenen
rheinländischen Schriftsteller, der unseren JBL. ein warmer Freund gewesen, und eine
kurze Charakteristik ^i) des Salletschen Haupt- und Lebenswerkes. — Classen^^)^
in einem Hymnus, meint, Sallet habe in seinem Gesamtschaffen Tendenzpoesie im
edelsten und bedeutendsten Wortsinne bekundet: Er predigte mit grosser
sittlicher Würde eine Religion der Thatkraft und des idealen Strebens; in wahrhaft
christlichem Sinne wollte er die Menschenwürde zur Anerkennung bringen und durch
eine veredelte Moral auf die Umgestaltung der Staatsverhältnisse hinwirken. Sallet
hatte nichts zu thun mit der gewöhnlichen Revolutionsformel der Zeit. — Georg
Herwegh ist für Ebner ^^) zwar der ideale Dichter der Freiheit, aber doch auch
der schwäbische Starrkopf, dessen demokratischen Eigensinn der Geist einer neuen
Zeit nie eines Besseren belehren konnte. Er sah nicht die Annäherung zwischen
Fürst und Volk oder verstand sie falsch. Seine Freiheit hat im Grunde mit Politik
nichts zu schaffen; es ist die schwäbische Lust am Protestieren. Sein Ideal ver-
steinert in persönlicher Verstimmung: über die Audienz beim Könige und die Nieder-
lage von Dossenbach. E. lehnt den Vergleich Uhlands als politischen Dichters mit
Herwegh ab: So klar wie Uhland hat kaum sonst einer politische Tagesfragen in
dichterisches Gewand gekleidet; man wusste, was dieser Poet im württembergischen
Verfassungskampfe um das gute alte Recht wollte. Herweghs politische Ideale waren
Utopien und Träumereien und endlich der kleinlichste Partikularismus. So ein
jüngerer Landsmann Herweghs. — M ü n z ^*) veröffentlicht ein Spottgedicht Joseph
Christians von Zedlitz^^) auf Herweghs Wort an den preussischen König: „W^er
mit seinem Gott gegrollt, darf auch mit seinem König grollen." Kindischer Atheis-
mus habe diese Worte eingegeben, und Gott werde sich aus Herweghs Groll nicht
viel machen. Die Verse sind wohl um dieselbe Zeit wie Geibels Gedicht „An Georg
Herwegh", Anfang 1842, entstanden. ^^) —
Die „Gesammelten Werke" Hoffmanns von Fallersleben, in der treff-
lichen Ausgabe Gerstenbergs 9'), sind fvgl. JBL. 1892 IV 2: 146) wieder um zwei
Bände vermehrt worden, wovon der eine die Gelegenheitsgedichte und Trinksprüche
(1820 — 74), der andere das erste bis vierte Buch der Autobiographie enthält. Im
nächsten Berichtsjahre wird die Ausgabe eine Gesamtbesprechung erfahren, da sie
1894 vollendet wurde. Auch hier besorgte G. das Geschäft des Herausg'ebers so
umsichtig und lobenswert wie früher. — Zu Reklamezwecken sind aus dem ungedruckten
Nachlasse Hoffmanns, den Gerstenberg benutzt hat, 35 Stücke: Kinderlieder, Lieder im
Volkston, Liebeslieder wieder abgedruckt worden^^). — Gaedertz "^) gewährt, nach hs.
Quellen, einen tieferen Einblick in Hoffmanns Freundschaftsverhältnis zum Freiherrn
von Meusebach und in ihren aus Gelehrsamkeit und poetischem Humor gemischten
Briefwechsel. Die Korrespondenz von Seiten Hoffmanns ist schon durch Wendelers
87) E. Hertel, F Freiligrath in seiner Bedeutung for d. Geographie Progr. Landsberg. 1S92. 20 S. — 88) X Edw.
Schröder, K. J. Siniroclt: ADB. 34, S. 382/5. (D. Lyriker S. e. sehr sympath. „Erscheinung aus d Gefolge Uhlands u.
Chamissos-'. Seine .,Warnung vor d. Rhein" n. d. „Ständchen" besonders herausgehoben.) — 89) K. Müller-Rastatt, Vom
Leutnant z. Laienevangelisten. (Zu F. v. Sallets 50. Todestage): FZg. N. 52. — 90) G. Westenberger. F. v.Sallet: LZg".
X. 22. — 91) Gedenkbl. an F. v. Sallet anlässl. seines 50 j. Todestages: VossZg. N.ST.— 92) Jürgen Classen, F. v.Sallet:
MontagsB. N. 8. — 93) Th. Ebner, G. Herwegh. E. Dichter d. Freiheit. E. litt Skizze: N&S. 64, S. 374-82. — 94) G. H.
Mfinr., Zedlitz u. Herwegh: DDichtnng. 13, S. 227. — 95) X J- Ch. Frhr. v. Zedlitz, Gedichte. Mit e Einl. v. A. Kohut.
(= ÜB. N. 31412.) L., Reclani. 232 S. M 0,80. (Kurze Biogr.; ausführlichere Inhaltsang, der „Totenkränze".) — 96) X
L. Frinkel, M. Graf v. Strachwitz: ADB. 36, S. 4803. (Als Lyriker e. Haudegen n. Ritter romantischen Schlages.) —
97) Hoffmann v. Fallersleben, Ges. Werke. Her. v. H. Gerstenberg. Bd. 6 n. 7. B., Fontane. 1892. XH, 375 S.; X, 424 S.
M. 6,00. - 98) id., Ungedr. Nachlass: DDichtung. 13, S. 260 2; 14, S. 28, 55, 124/6, 138-40, 215, 269-72. — 99) K. Th.
(4)10 a*
IV 2b : 99 104 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
bekannt geworden; die höchst originellen, inhaltreichen und so menschlich schönen
Briefe Meusebachs verdankt G, dem Sohne des Dichters, Franz. Eine Liebesepisode
(1829), die tief in Hoffmanns Leben griff und ihn in lange Seelenkämpfe stürzte,
wird durch litterarische Zeugnisse belegt. Hoff mann bewirbt sich in fingierten
Tagebuchkapiteln (Leiden und Liebe; Liebe und Leiden) um Meusebachs Tochter
Karoline, der er, unverstanden, seit Jahr und Tag innig zugethan ist. Meusebachs
Antwort, die alle Aussichten zerstören muss, lässt die innere Bewegung deutlich
spüren; erschütternd sind die Zeilen, die Hoffmann im ersten Schmerze aufs Papier
wirft. Die Beziehungen zum väterlichen Freunde hat dieser schwere Herzenskonflikt
keinen Augenblick getrübt. G. führt uns in die zwischen Freude und Trübsinn,
zwischen Hoffen und Verzweifeln, zwischen Lebenslust und -überdruss schwankenden
Stimmungen, die dem Entschlüsse vorausgehen, sich zu erklären. Wir erfahren,
wie väterlich zu allen Zeiten Meusebach um die Zukunft Hoffmanns besorgt war,
wie sehr ihm u. a. daran lag, den Breslauer Kustoden als Hauptbibliothekar nach
Wolfenbüttel zu bringen, als F. A. Ebert nach Dresden ging (Brief vom 22. Dec. 1824).
Er findet zahlreiche zärtliche Wendungen und Formen, um sich über des jungen
Freundes Thun und Fühlen zu unterrichten, ihn zu korrigieren und ihm den Spiegel
vorzuhalten, wenn es nötig ist. In einer „Parabel" schildert er Hoffmanns naive
Streberei; indessen, er ist durchdrungen von der einstigen Berühmtheit des jungen
Menschen und schildert in einem erdichteten Schriftenwechsel von Philologen und
Litteratoren, der in die J. 1881 auf 82 verlegt wird, wie kommende Geschlechter
Hoffmanns litterarischen Spuren nachgehen. In der Korrespondenz war Meusebach
der eifrigere; seine Wünsche und Meinungen zielen zumeist auf gelehrte Dinge, dach
er vergisst auch nicht den Poeten in Hoffmann: „Meine Frau spielt und singt ihre
Lieder, und ich singe das meine, dass ich nämlich nie aufliören werde, Sie zu lieben.
Sie Gefeierter machen eine Ausnahme, nämlich die schönsten Gedichte neben den
trefflichsten litterarischen Sachen. Aber Sie sind freilich auch ein Einziger und ein
Tausendsassa." - Das schrieb Meusebach nach Breslau. Dort hatte Hoffmann, wie
er in seinem ,, Leben" (2, S. 230; neue Ausg. 7, S. 193) erzählt, „in der Poesie einen
Beichtvater" gefunden: Johann Gottlob Regis ^"^o^. Im Aug. 1833 übergab Hoffmann,
der eine zweite Auflage seiner Gedichte vorbereitete Terschienen bei Brokhaus 1834),
ein Exemplar der ersten Auflage seinem Berater, damit er die Sammlung im ganzen
und im einzelnen begutachte. Regis berichtet darüber an Carus (s. o. N. 30); er
nennt den Dichter einen guten Gesellen und „edlen, liebenswürdigen Kerl bis auf
etwas Vetter-Michelei". Er hat zahlreiche Aenderungen vorgeschlagen; er meint
— als einer, der immer von weltlitterarischer Höhe herab urteilt — Hoffmanns
Sphäre sei beschränkt; das mancherlei ,, Nette, Brave, Reingeformte" drehe sich nur
um W^ein, Liebe und Frühling; Hoffmanns volksmässiger Ton geht ihm freilich zu
Herzen, i^i) _ Ueber die Entstehung und die Schicksale des Liedes „Deutschland,
Deutschland über Alles" schreibt ein Anonymus ^'^^); nach der Ausgabe Gerstenbergs
wird das Facsimile der Hs. wieder abgedruckt. Es war zunächst ein liberales
Lied, das die Reaktionäre hassten und verfolgten. Seine zweite Blütezeit fällt in
die sechziger Jahre. 1870 versuchte man es als Nationalhymne emporzubringen.
Theodor Ebeling in Hamburg lässt es als Flugblatt drucken und verteilen. Hoffmann
hatte die Absicht, eine „Oratio pro domo" voraufzusenden, die indessen nie gedruckt
wurde (Brief an Ebeling vom 18. Aug. 1870). Der Grundgedanke war: Sobald wir
zu fragen aufgehört „Was ist des Deutschen Vaterland?" hatte dieses ,, Deutschland,
Deutschland über Alles" seine Zukunft. Die Komponisten des Liedes waren :
F. Abt, A. Dresel, M. Ernemann, W. Graef, H. Grosse, L. Hahn, C. Halbmair, Iper,
L. Kindscher, F. G. Klauer, C. Kreutzer, F. Lachner, Fr. Müller, V. Nessler, Ernst
Richter, L. Scherff, C. G. Schöne, L. Stark, E. Thiele. Aber Hoffmann selbst hat
sich immer für die Melodie Haj^dns zu ,,Gott erhalte Franz den Kaiser" ausgesprochen.
Der Vf. des Aufsatzes teilt eine Variante des Schlusses mit: „Stosset an und ruft
einstimmig: Hoch das deutsche Vaterland!" — Auf Helgoland, wo am 26. Aug. 1841
dieses Lied der Deutschen gedichtet ist, wurde ein Denkmal Hoffmanns enthüllt '**3). —
Reizvoll ist, was über Emanuel Geibels schöne Jugend- und Studentenzeit
Gaedertz^*^*) zu berichten weiss nach Briefen des angehenden Dichters an seinen
Freund Wilhelm Wattenbach, der 1835 — 36 noch zu Lübeck auf dem Gymnasium sass,
und zweier Universitätsfreunde aus Berlin, Moritz und Julius Sotzmann, Söhne eines
Oberfinanzrates, sowie nach mündlichen Ueberlieferungen des alten Gaedertz, der mit
Niebuhrs Sohne Markus damals das feuchtfröhliche Convivium teilte. Geibel hat die
Gaedertz, Hoffmann v. Fallersleben u. sein Berliner Gönner: N&S. 62, S. 210-27. - 100) J. Elias, J. G. SegU über Hoff-
mann V. Fallersleben: VossZg». 1892. N. .51. (S o. N. 30.) — 101) X — z, Hnffraann v. Fallersieben: BnrsohenschBU. 6, S. 271/3.
— 102) E. dtsch. Nationallied: DDichtunp. 14, S. Ö4/6. (Vgl. JBL. 1892 IV 2: 146.) - 103) D. EnthBllung d. Denkmals für
Hoffmann v. Fallersleben: NorddAZg. Is92, 4. Sopt. (D. erste Anregung gab K Th. Gaedertz: vgl. JBL. 1S90 IV 2:211/2;
iB. auch N*S. 62, S. 226) — 104) K. Th. Gaedertz, Aus E. Geibels Studienzeit: N&S. 60, S. 136-211. -- 105) O X X
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 105-112
beiden Bonner Semester in naivem, von romantischer Schwärmerei vergoldetem
Lebensgenüsse dahin gebracht und auch seine Philologie nur genossen. Dass aber
bei gelehrter Fein schmeckerei oft mehr herauskommt als beim Silbenzählen, das be-
zeugt die ausgezeichnete, von moderner Künstlerempfindung eingegebene Charakte-
nstik des Lukrez, dieses „götterleugnenden Lord Byron des Altertums" (S. 197/8), aus
dessen Schicksal die jugendlich berauschte Phantasie sich gleich die Grundzüge
eines tragischen Dramas schafft. Der Grundton dieser Jugendbriefe ist zunächst
Heimweh, das sich bis zur Krankheit steigert, und Liebe, die entsagen lernt; dann
eine humoristische Auffassung der Welt, die der um Herzens- und Gefühlsweh un-
bekümmerte Geist des Rheinlandes in Geibel erzeugt, und die der Ernst der Berliner
Zeit fürs erste nicht verdrängen kann. Dichterische Gaben: die hexametrische
Schilderung einer drollig-abenteuerlichen Landpartie ins Bonner Land, das Weihelied
des karnevalistischen Hampelmänner- Vereins, eine breite komische Ermahnungsrede
an den zur Universität abgehenden Wattenbach kommen aus dieser Stimmung.
Den romantischen Sinn des Jünglings erfasst, im Gedanken an die verfallene Staufen-
burg, mit Macht die Kaiseridee (S. 198/9); doch Preussens steigende Bedeutung ver-
ringere die Aussicht. Später sollte Geibel anders denken. Von Goethe ist oft die
Rede, auch von Kerner und Jean Paul, vor allem aber von Bettina (S. 189 j, für die
er nicht genug enthusiastische Worte finden kann. Litterarisch bemerkenswert ist
der Nachweis, dass der Stoff zu Geibels Lustspiel „Meister Andrea" aus einer
Humoreske Sotzmanns, des Vaters, stammt: „Der dicke Tischler", die im Almanach
„Urania" (1824) veröffentlicht worden ist (vgl. AZg«. 1884, N. 246)'"5). _ Ueber
Geibels Beziehungen zu Cäcilie Wattenbach wird erst dann völlige Klarheit ge-
schafft werden, wenn einmal Cäciliens im Aug. 1836 angelegtes Tagebuch ver-
öffentlicht ist, das Gaedertz ^*^^) in der Hand gehabt hat. Der greise Geibel selbst
hat, als nach einem Menschenalter die Jugendgeliebte es ihm zur Lektüre lieh, unter
Thränen bekannt, dass alles, was dieses Buch enthalte, die reine Wahrheit sei. G.
hat ausserdem ein Poesie-Album Cäciliens (angefangen am 6. Nov. 1839) durchgesehen,
das gleichfalls als ein menschliches Dokument gelten muss. Die Citate aus ein-
heimischen wie ausländischen Dichtern und Prosaisten sind so gewählt, dass sie fort-
laufend den jeweiligen Seelenzustand des liebenden und entsagenden Weibes schildern*
Auch Poesien des geliebten Mannes finden sich in erster Niederschrift darunter. —
Neuerdings sind wieder verschiedene ungedruckte Kleinigkeiten aus Geibels rührigem
Poetendasein veröffentlicht worden, ^ö') —
Freunde und Schüler Geibels waren der in Oesterreich-Ungarn geborene, doch
in Deutschland heimische Gottfried von Leinburg und Alexander Kaufmann,
der dem vormärzlichen Bonner Dichterkreise angehörte und vor allem auch ein ver-
trauter Kamerad Kinkels, Simrocks und Freiligraths war. Beide sind im J. 1893 ge-
storben, jener am 8. und dieser am 25. April. Frank el ^*^**j schildert, mehr be-
richtend als charakterisierend, das ganz in der Zurückgezogenheit abgelaufene
Dichterleben Kaufmanns, der gemütvoll sang von Natur, Wein und Minne, humor-
reiche Epen schrieb und im Balladenstile Uhlands arbeitete. Als Forscher beschäftigte
er sich im wesentlichen mit Sagengeschichte. Seine Gattin Mathilde, eine geborene
Binder, war ihm auch eine litterarische Gefährtin; sie hat als „Amara George"
1850 unter dem Titel „Blüten der Nacht" ein Bändchen Gedichte herausgegeben. —
Lebhafter spricht für Gottfried von Leinburg ein Anonymus ^09j^ als für einen traurig
verkannten deutschen Schriftsteiler. Als Lyriker war von Leinburg, der ein wechsel-
volles, doch durch wichtige litterarische Beziehungen interessantes Leben führte,
überzeugter Platenide. Seine Gedichte sind indessen bis heute nicht gesammelt
worden. Wichtiger ist er wohl für die Geschichte der Uebersetzungskunst als ge-
schickter Vermittler zwischen Skandinavien und Deutschland. Er versuchte sich mit
Erfolg u. a. an Teg-ner, Oehlenschläger und Björnson. — In Otto Leonhard
Heubner (geb. am 17. Jan. 1812 zu Plauen i. V., gest. am 4. April 1893 zu Dresden)
gräbt Isülani^^*^) einen begeisterten Sänger der deutschen Turnerei aus, der, ein Frei-
heitskämpfer, in Dresden auf den Barrikaden stand, später aus dem Gefängnisse Lieder
schrieb, mit Mosen befreundet war, litterarisch zu Geibel und Freüigrath sich hin-
gezogen fühlte und auch als Uebersetzer thätig gewesen („Englische Dichter" in
Auswahl, Leipzig 1856). i^^ —
In Leopold Schefer, dessen dreissigstem Todestage er ein Gedenkblatt
widmet, sieht PröU^'^j einen „romantischen Naturalisten", romantisch in den Motiven,
Lindenberg [Hanptpastor], Geibels Vater. Vortr. L&beck (L&bcke ü Hartmann). 12°. 44 S. M. 0,50. — 106) K. Tfa.
Gaedertz, Cäcilie Wattenbach n. E. Geibel: NChristoterpe. 1892, S. 113-24. — 107) S., Zehn nen aafgefnndene Gedichte
E. Geibels: Hessenland 6, S. 3001. — 108) L. Fränkel, Alex. Kaufmann: Geg. 44, S. 169-71. — 109) L. R., Gottfr. y. Lein-
bnrg: AZgi*. N. 110. — HO) E. Isolani, 0. L. Heabaer. Lebensbild e. dtsch. Mannes. Mit e. Einfdhr. v. F. Goetz. Dresden,
Hönsoh & Tiesler. 40 S. M. 0,60. — 111) X A. Englert, Zu Kopischs „Bärenschlacht'': ZDÜ. 7, S. 4912. (E. interpretiert
d. Stelle „Zeigt, dass ihr nicht vom Kassbaum seid" unter neuen Belegen ao wie Sprenger ZDÜ. 4, S. 160.) — 112) E. Pröll,
IV 2b : 112-119 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
naturalistisch in der Schilderung" und Zergliederung von Seelenzuständen. Das
„Laienevangelium" 1^3^, dessen erste Lieder Schefer schon auf dem Gymnasium ge-
dichtet hat, stellt P. in Vergleich mit Rückerts „Weisheit des Brahmanen" — es ist
Betrachtungspoesie mit stark lyrischem Schwünge. — Ein entschiedener Anhänger
Schefers ist R. G. Spiller von Hauenschild, genannt Max Waldau, gewesen,
den jetzt FränkeP^'*) weit sachlicher betrachtet als sein schwächlicher „Retter"
Rudolf von Gottschall (vgl. JBL. 1892 IV 2 : 299). — An Rückert und Schefer auch
schliesst sich Julius Hammer, dessen zarte Gedankenlyrik („Schau um dich und
schau in dich" 1851) Brummer i^^) neu herausgiebt. —
Die neue Ausgabe des Spitta-Buches von Münkel, die Mejer*'^) für seinen
verstorbenen Freund besorgt hat, stellt sich im wesentlichen als ein treuer und sorg-
fältiger Abdruck der ersten Edition (1861) dar.^''"i^*^) — Ein neuerei^, vielgelesener Ver-
treter der geistlichen Dichtung sei hier gleich angeschlossen, der Schwabe KarlGerok,
der bewundernde Freund Uhlands, Schwabs undMörikes. Gustav Gerok i'^), der Sohn,
hat nach Tagebüchern, Kalendern und Briefen ein Buch zusammengestellt, das die
gewöhnlichen Mängel der Familienpublikationen besitzt: die Breite der Darstellung
und die Aufhäufung von vielem unwesentlichem Materiale aber schliesslich die liebens-
würdige Persönlichkeit des dichterischen Theologen und theologischen Dichters charak-
teristisch hervortreten lässt, wenn man sich durch die 670 Seiten erst einmal hindurch
gelesen hat. Der Band bildet eine Fortsetzung der „Jugenderinnerungen", die Gerok
noch selbst zum Druck befördert hat. Eine Fülle ungedruckter Gedichte, zumeist
Gelegenheitssachen von bedingtem Werte, ist unter die Prosadokumente gemischt,
versteckte und verstreute Aufsätze theologischen wie schöngeistigen Inhaltes werden
neu abgedruckt. Geroks Hauptkorrespondenten waren: der Rektor Fritz Köstlin, zu-
gleich sein treuer Ratgeber in poetischen Dingen, Ottilie Wildermuth, der Schwager
Ijang und, seit den sechsziger Jahren, A. W. Grube, einweit schärferer Richter, als
der gute Köstlin. Heute schreibt Gerok an die Prinzessin Wera von Württemberg,
morgen an einen armen Zuchthausgefangenen. Eine weite edle Seele thut sich auf,
ein Priester spricht, der die Menschenliebe nicht bloss auf der Zunge, auch im Herzen
hat, ein Mensch, der den Weltlauf begreift, der das Glück des Lebens ernst geniesst
und Schicksalsfügungen demütig hinnimmt. Ein positiv gläubiger Christ, hat
Gerok in litterarischen Angelegenheiten doch ganz ästhetisch empfunden und unab-
abhängig geurteilt. In der Verehrung für Goethe ging er geradezu auf, und er
lehnte es ab, diesem grossen und harmonischen Leben den Sittenrichter zu spielen.
Wohl nie hat ein Theologe Goethes „nicht specifisch christliche, ja meinetwegen
heidnische, aber jedenfalls tiefe und ungeheuchelte Frömmigkeit gegenüber dem
Schöpfer und der Schöpfung" bewundert. Er schwärmte für Schelling, liebte Hegel,
schätzt Heine und hatte selbst noch für D. F. Strauss Individualität Worte der
Anerkennung. Wie sehr Gerok sich auf echte Poesie verstand, das zeigen die brief-
lichen Nekrologe über Mörike und ühland, seine Worte über Gottfried Keller. Mörike
gegenüber fühlt er sich als Lyriker unsagbar klein: Ihm selbst fehle „das punctum
saliens der Lyrik: der Duft, der Schmelz, das Unsagbare, das Irrationale, was Goethe
meint, wenn er sagt, ein gutes lyrisches Gedicht müsse im ganzen sehr vernünftig,
im einzelnen immer ein wenig unvernünftig sein", und des Gedichtes „Hauch"; nur
ein einziges seiner Stücke, „Das Herbstgefühl" wagt er ein wirkliches Lied zu
nennen (S. 481). Sonst aber lehnt er Grub es ehrliche Charakteristik seines Schaffens
als eines „behäbigen" und „hausbackenen" gar nicht ab; er findet selbst, dass das
„Lehrhafte" der Hauptzug seiner Poesie, dass sie darin aber „gesund, natürlich und
nahrhaft" sei (S. 495). Er freut sich dessen, dass es ihm, dem Theologen, durch
Anlage vergönnt war, sich auch auf dem Gebiete der weltlichen, „wenn auch mehr
oder weniger christlich beleuchteten" Poesie zu bewähren, dass er „vor den ordinärsten
geistlichen Liedermachern, die in der Schule der weltlichen Poeten gebildete Form
voraus hatte." W^ie Geibel, den er sich oft als Muster vorsetzte, war Gerok ein
Epigone der Romantik. Die „liebliche Beschäftigung" des Dichtens, für das ihm sein
schweres Predigeramt die Zeit nur knapp bemass, folgt ihm auf seine Spaziergänge
und sommerlichen Wanderungen. Manche lebhafte Naturschilderung von Rügen, von
Helgoland und aus der Schweiz liest sich wie die erste naive Fassung eines Liedes. —
(Der Schluss folgt im nächsten Hefte, dem ersten des fünften Bandes.)
L. Schefer. E. GedenTcbl.: Didask. 1892, N. 35. — 113) X L- Schefer, Laienbreyier. Mit e. Einl. y. A. Kohnt. (= ÜB.
N. 3031/3.) L., Reclara. 16». 355 S. Mit Bildn. M. 1,00. — 114) L. Fränkel, K. 6. Spiller v. Hanenschild : ADB. 35,
8: 190/6. — 115) J. Hammer, Schau um dich n. schau in dich. Dichtungen. Her. v. F. BrQmmer. (= ÜB. N. 3024.) L.,
Reclam. 16". 100 S. Mit Bildn. M. 0,60. — 116) K. K. Münkel, K. J. Ph. Spitta (vgl. JBL. 1892 : 158). |[ThLBl. 13, S. 12;
ThLB. 14, S.221.]| — 117)X !• «•. K. J. Ph. Spitta: ADB. 35, S. 204,8. —118) X K. J. Ph. Spitta, Psalter u. Harfe. E. Samml.
Christi. Lieder z. häusl. Erbauung. L., W. Fiedler. 12». 190 S. M. 1,50» — 119) Gust. Gerok, K. Gerok. E. Lebensbild,
aus seinen Briefen u. Aufzeichnungen zusammongest. St., Krabbe. 1892. V, 670 S. Mit Bildn. M. 6,00. |[Geg. 42, S. 336
warm anerkennend); LCBl. 1892, S. 1754; BBSW. 1892, S. 269-78; SchwäbKron. 1892, 16. Nov.]| (S.u. IV 5:129.) —
A. von Weilen, Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV 4:i3
IT, 3
Epos.
Max Freiherr von Waldberg".
[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1893 wird im fünften Bande
nachgeliefert.]
IV,4
Drama und Theatergeschichte.
Alexander von Weilen.
Geschichte des Dramas: Allgemeines N. 1. — Dramatiker zur Zeit Gottscheds N. 4 — Sturm und Drang
N. 7. — Shakespeare in Deutschland N. 23. — Kotzebufi N. 29. — Körner N. 44. — H. von Kleist N. 03 — Charlotte Birch-
Pfeiffer, Holtei N. 79. — Otto Ludwig N. S3. — \V. K. Stolte. F. A. Steinmann N. 87. - Neueres deutsches Drama: M.Greif,
F. Wehl, K. Werder, L. Fulda, F. von Wildenbruch, G. von Moser, A. Wilbrandt N. 90. — Die Moderne: Allgeraeines N. 113;
Ibsen N. 119; Sndermann N. 141; Hauptmann N. 152; Halbe, Hartleben, Strindberg, E. von Wolzogen N. 164. — Oesterreichische
Dramatiker: P. Weidmann, die Familie Stegmayer, A. E. Frhr. von Steigentesch, J. L. von Deinhardstein N. 175; Raimund
K. 184; Nestroy N. 191; Grillparzer N. 193: Bauernfeld N. 225; Friedrich Halm N. 231; Hebbel N. 234; M.Schleifer, F. Nissel
N. 251; F. von Saar N. 262; Anzengrnber N. 267. — Drama der Schweiz N. 273. — Geistliches volkstümliches .Schauspiel
N. 279. — Festspiele N. 286. — Volkstheater und Dialektdichtung N. 290. — Puppenspiele N. 305. — Dramaturgisches:
Allgemeines N. 309. — Modernes Theater N. 317. — Eeformvorschläge N. 324. — Schauspielkunst N. 340. — Technisches
N. 351. — Einzelheiten: Lustspiel N. 355; Gerichtsverfahren N. 357: Blinde N. 362. — Censur N. 364. — Bühnenbearbeitungen
N. 369. — Sammelwerke N. 372. — Theatergeschichte: Allgemeines N. 373. -- Einzelne Städte: Bamberg N. 383; Berlin
N. 386; Danzig N. 393; Frankfurt a.. M. N. .394; Hamburg N. 398; Karlsruhe N. 402: München N. 404; Wien N 409; Würzburg
N. 418. — Schauspielerbiographien: Spencer, Veiten, Beibehand, Ackermann, die beiden Stephanie, Döbbelin N. 429; Schröder
N. 445; K. D. Stegmann, P. A.Wolff, Iffland, Frl. Maass N. 450; Antonie Adamberger, S. H. Spiker, Familie Spitzeder, F. lUen-
berger, K. Chr. L. Starklof N. 454; Seydelmann, L. Devrient N. 459; A. W. T. Stahr, A. Hessler N. 467; Ludwig und Zerline
ßabillon N. 469; Eleonora Düse N. 473. —
Drama: AUg-emeines. An die Spitze dieses Berichtes muss die verdienstvolle
Neubearbeitung treten, welche die das Theater zu Schillers und Goethes Zeiten be-
handelnden Paragraphen in der Neuausgabe des Goedekeschen Grundrisses*) erfahren
haben. Eine reiche Vermehrung im einzelnen ist jedem Abschnitte zu gute ge-
kommen, während die einleitenden Bemerkungen Goedekes meist ungeändert blieben.
Die Bibliographie der Theatergeschichten ist (S. 245) sehr vervollständigt. § 257
bringt die Uebersetzer, voran ein höchst dankenswertes genaues Verzeichnis des
Dykschen Theaters der Franzosen. N. 6, 15 fVgl. § 259, N. 71, 3) ist falsch. Bei
der dänischen Schaubühne (S. 254) fehlt von Weilens Anzeige (ZVLR. 2, S. 128—34).
Unter den italienischen Uebersetzern vermisst man Joseph Landes, der schon früher
(4, S. 249) zu kurz gekommen war, und J. G. Heubel. Bei den Shakespeare -Ueber-
setzungen fehlt Leonhardis „Hannibal von Donnersberg oder der geizige Soldat", Lust-
spiel in 5 Akten (Wien 1784) nach Shakespeares Lustigen Weibern. § 258:
Bühnendichter. Iffland ist Hollands Mitwirkung sehr zu gute gekommen, die
Kotzebue-Bibliographie lässt noch manches zu wünschen übrig. Bei Hagemann (N. 10)
fehlt zu 7 die Ausgabe : Graz 1796, bei Hagemeister (N. 12) zu 8 die Ausgabe Graz 1797 ;
am schwächsten ist wohl F. W. Ziegler geraten (N. 14); J. N. Komarek CN. 15) ist
nach dem Theater-Kalender (1782, S. 164) zu Prag 1757 geboren und debütierte als
Schauspieler daselbst 1776. Dort werden auch drei Dramen genannt: Die Promotion,
Karl von Braunwald, Der geplagte Mann, die im Verzeichnisse fehlen. Die alte, von
der ersten Auflage beibehaltene Einteilung wirkt gerade in diesem Paragraphen recht
störend, in dem Dramatiker vorangestellt werden, die besser und gründlicher später
in den einzelnen Ländern abgehandelt worden wären. Ziegler und Steigentesch
z. B. hätten gleich im nächsten Abschnitte (§ 258) Platz finden können, der die
Bühnendichter Oesterreichs umfasst. Dieser ist durch A. von Weilen vollständig neu be-
arbeitet worden. Die Einleitung hebt besonders den Zusammenhang des Wiener
Stückes mit den in Deutschland beliebten Dramen, speciell mit den Erzeug-nissen des
Sturms und Drangs, hervor und skizziert den Gang der Wiener Volksbühne. Im
einzelnen bleibt hier noch viel Arbeit übrig, aber es ist doch ein erster Versuch,
die Massenproduktion eines Kurz, aus dessen Arien zum ersten Male die sämtlichen
Titel mitgeteilt werden, Hensler, Schikaneder, Perinet zu überblicken. Die Angabe
1) (IV la:2.) — 2) R. Schlösser, Z. Qotter-Bibliographie : VLG. 6, S. 3015. (Dazu ib. 3 585.) — 3) K.
Jabresberiebte für neuere deutsche Litferatnrgeschichte. IV. (4)1 1
IV 4:4-10 A. von Weilen, Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts.
CS. 314 N. 40), dass Weidmanns Bettelstudent auf Boccaccio zurückgeht, ist falsch.
Man streiche bei Otterwolf (N. 35, 4) die Osmonde; das Stück ist von Gebier.
J. Friedel (N. 70) ist 1750 geboren. N. 77 die Warnung des Schicksals ist von
Ayrenhoff. Arnsteins Maske (N. 80, 5) ist gedruckt als einaktiges Lustspiel: Wien 1788,
8", 56 S. Eberls Unglücksvogel (N. 112, 22) erschien als Oper mit Musik von Roser
am 28. Febr. 1819 am Theater in Wien. Zu Hutt (N. 153) vgl. Oest. Pantheon Bd. 2,
§ 260: Das Drama in der Schweiz hat wenig Bereicherung erfahren; da fand Hirzels
Anzeige vieles Bibliographische nachzutragen; einiges steuert sie auch für die
Iffland-Bibliographie bei. Viel besser sind die übrigen das Drama betreffenden
Paragraphen (§ 260/9) behandelt. Dazu muss hier noch erwähnt werden § 277 mit
Engel, L. F. Huber, Karoline Pichler, deren zahlreiche Zeitschriftenaufsätze leider
ganz unberücksichtigt geblieben sind u. a. Vieles Dramatische bietet auch der von
M Uli er-Fraureuth meisterhaft ausgearbeitete §279, der die Ritter- und Räuberromane
behandelt. — Als Nachträge zufrüheren Abschnittendes Grundrisses sind Schlossers^)
„Zur Gotter-Bibliographie" und Schüddekopfs^) ,, Bibliographisches über Goue"
laeachtenswert. —
In seiner Anzeige des Heitmüllerschen Buches*) (vgl. JBL. 1890 IV 4 : 6) über
die Hamburgischen Dramatiker zur Zeit Gottscheds liefert Leitzmann
kleinere Nachträge; Redlich bringt reiche Korrekturen und Verbesserungen für
Dreyer, Schönemann, Stüven und aus Kirchenbüchern Mitteilungen über Borkensteins
Familiengeschichte. Für Behrmann ist die Sammlung theatralischer Gedichte (Leipzig
1776) von Wichtigkeit, in der nachgewiesen ist, dass Behrmann seine Horatier 1751
in seinem Hause siebenmal gespielt hat und Aufklärungen über den Bericht Schützes
gegeben werden. Ein Urteil Pyras über Behrmann wird mitgeteilt.^) — Aus Briefen
Pfeffels schöpft Funck^) Kenntnis von den ersten dramatischen Versuchen Pfeffels,
die zum Teil ganz verschollen sind. Er projektierte 1760 einen Henoch, verwundert,
dass Bodmer, W^ieland oder Gessner noch nicht nach diesem Stoffe gegriffen haben ;
im selben Jahre arbeitet er seinen Einsiedler, ein Trauerspiel, das er schon vor zwei
Jahren entworfen, zunächst in Prosa, dann in „zehnsilbigen Zeilen, wie Schlegels
Sophonisbe", endlich in Alexandrinern. Fertig hat er unterdessen ein kleines komisches
Impromptu, bestimmt für die Ackermannsche Gesellschaft, „Die Pockennarben", das
seinen Stoff einem alten Romänchen aus dem Mercure de France entnahm. Es wurde-
auch nicht zu seiner Zufriedenheit (im Dec.) gespielt. , Ebenso ist auch ein (Febr.
1761 vollendetes) Schäferspiel, Der Schatz, als stimmungsvolles Nachspiel nach grossen
Tragödien gedacht, was Lessing als gute Absicht bezeichnet. Wegen des Druckes
des Einsiedlers und des Schatzes ergaben sich Streitigkeiten mit dem Verleger in
Karlsruhe. 1761 arbeitet er an einem kleinen Schauspiel Philemon und Baucis, das
1763 gedruckt wurde, sein bestes Jugenddrama, wie die Analysen zeig-en, die F. von
diesem Drama, dem Schatze und dem Einsiedler giebt. —
Wir kommen zur Sturm- und Drangzeit. Klingers Lustspiel „Der Der-
wisch" (Prag 1780, nur aufgenommen im dritten Teil seines Theaters 1786) hat seine
Quelle nach K. 0. Mayer') in H. Pajons Histoire des trois fils d'Hali Baba (zuerst
1745), die Wieland auch in Dschinnistan übersetzte. Klingers Derwisch trägt auch
Züge von AI Hafi und Cagliostro; märchenhafte Motive spielen öfter hier hinein. —
Dass die Stelle im Briefe Goethes an Kestner 15. Dec. 1772: „Klinckern habe ich nicht
gesehen, aber viel mehr Guths davon gehört, als der Frankfurter Recensent davon
sagt" sich nicht auf Klinger bezieht, sondern auf Smolletts Roman Humphrey Clinker,
hat Leitzmann**) gezeigt. — Ein Lenz -Autograph aus dem Besitze Loepers vom
Mai 1776 veröffentlicht Franzos**). Auf einer Schneiderrechnung aus Weimar
stehen abgerissene Notizen über Soldatentum und Soldatenheirat, ein Verzeichnis von
einigen aus der Weimarer Bibliothek entliehenen Büchern, worunter u. a. Plutarch
und Polybius, Citate aus französischen Schriftstellern und eine Anweisung für sich
selbst: „Im Styl beständige Abwechslung! Aber kürzer! Zusammengezogenheit ohne
Undeutlichkeit! Mehr Witz!" — Gegen Froitzheims Darstellung der Beziehungen
zwischen Goethe und Lenz (vgl. JBL. 1891 IV 4 : 15) wendet sich Düntzer^O), der die
Unwahrheit der Berichte Falks und Böttigers und den Klatsch Wielands und
Bertuchs klar darlegt. Als Lenz am I.April 1776 in Weimar ankam, jedenfalls ohne
sich früher brieflich bei Goethe angemeldet zu haben, war dieser in Leipzig; ein bal
pare, von dem Falk erzählt, war gar nicht. Die Stelle im Briefe an die Frau von Stein
wird von D. in demselben Sinne interpretiert, den ich ihr in dem oben erwähnten
Passus dieser JBL. gegeben. Lenz war auch nie herzoglicher Vorleser, sein Wort
Schaddekopf, Bibliographisches über Goue: ib. S. 145-52. — 4) A. Leitzmann: LBIGRPh. S. 155/fi; K. Oh. Redlich:
ADA. 19, S. 165j9. — 5) X P- Brandes, J. H. Steffens: ADB. 35, .S. 558/9. — 6) H. Funclc, G. K. Pfeffels erste drainat.
Versuche: VLG. 6, S. 37-67. - 7) K. 0. Mayer, D. Quellen v. Klingers Lustspiel D. Derwisch: ZDPh. 25, S. 356-62. —
8) A. Leitzmann, Zu Goethes Briefen 2,40: VLG. 6, S. 320. — 9) K. K- Franzos, E. Lenz-Kuriosum : DDichtung. 13,
S. 17C/7, 2Ü3,4. — 10) H. Düntzcr, D. Dichters J. Lenz flucht v. Strassburg an d. Weimarer Hof: WIDM. 74, S. 266-72.—
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV4:ii-:is
über eine derartige Stellung- war eine augenblickliche Einbildung-, zu der ihn das
Glück, bei Hofe zu sein, hinriss. — üie Arbeiten Jacobowskis und Rauchs (vg-1. JBL.
1892 IV 4:5/6) sind besprochen worden^'). — Einen vortrefflichen Artikel hat Erich
Schmidt^2) mit Wahles Unterstützung rtprickmann gewidmet. P]r fühlt sich in
seinem Amte unglücklich, obwohl er es gut verwaltet, und lebt sich in innerliche
und äusserliche Wirren hinein. Seine Dichtung, der er 1780 entsagt, arbeitet
im Krassen und Monströsen mit groben Sprachverhunzungen. Von seinen grösseren
Dramen ist vieles verloren gegangen. Seine Singspiele sind unbedeutend. „Die
natürliche Tochter" ist ein weinerliches Familiendrama, der „Schmuck" steht auf dem
Wege zu Schröder und Iffland, in Knalleffekten zeigt sich der Einfluss Lenzens, sein
Stil erinnert aber mehr an Klinger. „Eulalia" behandelt einen alten, schon aus
Geliert bekannten StoflP, mit Motiven der Emilia Galotti, in Bombast und Hyperbeln
schwelgend. — Weniger Bedeutung für das Drama haben die Stolbergs, die, wie
Erich Schmidt'^"'*) zeigt, diese Form gar nicht bewältigten. '^"'ß) — Ein so frucht-
barer und gelesener Schriftsteller, wie C. H. Spiess hätte eine weit ausführlichere
Würdigung verdient, als ihm Lier^') hat zu teil werden lassen. — Wie Gotter aufUm-
änderungsvorschläge Schröders '*''^^) einging, zeigt Schlösser^») an Theaterhss.
seiner Dramen aus Ekhofs Bibliothek. So erhielt das Stück „Der weibliche Haupt-
mann", nach Monfleury gearbeitet, starke Umänderungen für den unter dem Titel
„Der Fasching^sstreich" 1778 erfolgten Druck. Die „Dorfgala", 1774 gedruckt, erscheint
in einem durchkorrigierten Exemplare nach Schröders Intentionen in seinen groben
Motiven sehr gemildert. Aehnlich steht es mit Romeo und Julie, das hs. in
einer dem Drucke (1779) vorangehenden Fassung vorliegt. Seh. fügt noch einige
Bemerkungen zu Litzmanns Ausgabe der Briefe bei und teilt im Anschlüsse an den
letzten Brief Schröders ein Schreiben Karoline Böhmers an Meyer mit (7. Juni 1794),
der Schröder ,, aufgeblasen und hartherzig" in seiner höhnischen Abweisung der
Gotterschen Dramen nannte. — Franz von Kleist wird von Schulze-') gegen die
Ungerechtigkeit der Litterarhistoriker verteidigt. Als Dichter g-eht er aus der Schule
Wielands in die Bürgers und Schillers, dessen Räuber und Don Carlos namentlich
sein uneinheitliches, sentenzenreiches Drama „Graf Peter der Däne" beeinflusst haben.
Die „Sappho", welche Grillparzer nicht benutzt hat, erscheint als ein Werk voll
mass voller Schönheit und bedeutet einen grossen Fortschritt Kleists. — Schmidt-
Neuhaus ^2) teilt einen unbedeutenden Brief Kleists an Albertine Jung (1. Dec. 1791)
mit und weist im Anschluss an Ackermann (vgl. JBL. 1892 IV 4:25) einen weiteren
Stich nach, der ebenfalls Verwechslung Kleists mit Schiller zeigt. —
Shakespeare in Deutschland'^^~'24j stellt Hauffen-^) in einem knappen
Vortrage recht übersichtlich dar, wobei er die Hauptmomente, auch aus den Dramen
der englischen Komödianten gut hervorhebt. Nachdrücklich betont er den Gegensatz
zwischen Schiller-^), der Shakespeare immer näher kam, und Goethe, der sich be-
wusst von ihm trennte. — Proben der Shakespeare-Uebersetzung J. G. Regis lernt
man durch Elias^'') kennen, der auch des Mannes ganze reiche Thätigkeit als Ueber-
setzer und Shakespeare-Forscher aus seinen in Breslau aufbewahrten Papieren über-
blicken lässt. — Eine deutsche, stark germanisierende Bearbeitung* der „Beiden Veroneser"
von Kleediz (1802) charakterisiei-t G. von Vincke-*) als nüchtern und dürftig. —
Unter den Dramatikern des 19. Jh.^'^'ä") ist Kotzebue ausführlich behandelt
worden. Aus Frankreich kommt uns eine umfangreiche Biographie über ihn, allzu
umfangTeich, wenn man bedenkt, dass der Vf. Rabany^sj nur das Leben und die
dramatischen Werke in Betracht zieht und sehr zu seinem Schaden die ganzen
prosaischen Schriften ausser Acht lässt. Darf man auch der hübschen Würdigung,
die der Schriftsteller erfährt, beistimmen, ohne sich durch die allzu blendenden
Lichter, die R. auch dem Charakter Kotzebues aufsetzt, beirren zu lassen, so
muss man doch bedauern, dass ihm die notwendigen Kenntnisse fehlten, um eine
U) X M. Koch: Engist. 18, S. 235/6. — 12) Erich Schmidt, A. M. Spriclnnann : ADB. 35, S. 305-13. — 13) id., Graf
Chrn. Stolberg- Stolberg: ib. m,S. 348-50. — 14) id., F. L. Stolberg-Stolberg: ib. S. 350-67. — 15) X J- A. Leisewitz, Julius
T. Tarent. E. Tranerspiel. Mit Einl. und Anm. v. A. Lichtenheld. (— Graes(-rs Schulausg. kliiss. Werke N. 42.) Wien,
Graeser. XVI, 48 S. M. 0,50. — 16) O E. Schmidt, E. Brief von Maler Müller an Wieland: MGNM. S. 13/'.). - 17) H. A.
Lier, C. H. Spiess: ADB. 35, S. 177,8. — 18) X G. Frhr. v. VincVe, F. L. Schröder, d. dtsch. ShaVespeare-Begründer (= s.
U.N.372, S. 21-56) - 19) X Th. Mehrin g. F. L. Schröder als Mensch: DBühneng. S. 81 2 (Nach F. L W.Meyer;vgl ib. S. 106 8).
— 20) R.Schlösser, Schröder u. Gotter: VLG. 6, S. 574-85. — 21) B. Schulze, E. vergessener Dichter (F. v. Kleist): N&S. 65,
8.322-41. — 22)P. Schraidt-Neuhans,F. V. Kleist: Bär 19,8. 48. —23) X G. Frhr. v. Vincke, Z. Gesch. d. dtsch. Shakespeare-
Bearbeitung (= s. u. N. 372, S. 81-106). - 24) X id., Z. Gesch. d. dtsch. Shakespeare-Uebersetzung {= s. u. N. 372,
S. 64-S6). — 25) (III 4:6a; IV 1 d : 59.) IfL. Proesoholdt: LBlGRPh. S. 423.]| — 26) X G- Frhr. v. Vincke, Schiller als
Shakespeare-Bearbeiter (= s u. N. 372, S. 115-22). — 27) (IV Id : 64.) — 28) G. Frhr. v. Vincke, D. beiden Veraneser in
alter Bearbeitung (= s. u. N. 372, S. 106-14). — 29) X L- Fränkel, R. G. Spiller v. Hauenschild: ADB. 35, S. 190/6. —
30) X id., A. R. K. Spindler: ib. S. 200,2. - 31) X *"• Brummer, F. Steffens (C. H. Dammar): ib. S. 554 5 — 32) X K.
Ileigel, L. Steub: ib. 36, S. 135-40. - 33) E. Martin, ü. E. Stoeber: ib. S. 271,2. — 34) 0. Hörth, F. S. Stoltze: ib.
S. 415/9. — 35) X L- Fränkel, F. A. Strubberg: ib. S. 630,5. - 36) X id., A. F. K. Streckfuss: ib. S. 560,2. — 37) X
A. S[chlos8ar], J. L. Stoll: ib. S. 404. - 38) (IV Id: 15.) |[L. Geiger: FZg. N. 293; A. Chuqnet: ECr. 36, S. 5I3'5.]|
4(11)*
IV 4:39-58 A. von Weilen, Drama und Theater^eschichte des 18./19. Jahrhunderts.
derartige Arbeit unternehmen zu können. Er kennt nicht einmal die landläufigsten
Quellen der Weimarer Zeit, er teilt mit, dass Schröder ans Hofburgtheater als
Direktor berufen wurde, Antonie Adamberger mit Th. Körner sich vermählte, die
Anti-Kotzebue-Bewegung der Romantik bleibt unbeachtet, Schlegels Ehrenpforte fährt
ebenso schlecht wie Tiecks Gestiefelter Kater, der nach seiner Meinung keinen Ver-
gleich mit Kotzebues Parodien aushalten kann. Sehr lobenswert ist der Versuch,
die Stücke in grössere Gruppen zu gliedern, und im ganzen auch gelungen; aber es
fehlt z. B. die ganze Reihe der Schauspielerstücke, die lediglich für den Virtuosen
geschrieben sind, und Dramen wie „Die Indianer in England" und „Bruder Moriz"
nehmen sich mit der Ueberschrift „Comedies philosophiques" recht sonderbar aus.
Für die Fehler seines Dichters ist der Vf. oft blind, das Lob der historischen Dramen
muss sehr eingeschränkt werden, der Vergleich der Oktavia mit Shakespeare fällt
nicht eben zu Ungunsten Kotzebues aus, von dessen „genie tragique" R. durchdrungen
ist. Vollständig fehlt die Quellenuntersuchung: Von Holberg, Iffland, Schröder weiss
R. so gut wie gar nichts, selbst Moliere wird nicht genügend herbeigezogen. Auch
die Berücksichtigung und Würdigung der einzelnen Dramen ist oft sehr ungerecht.
Die beiden Klingsberg kommen viel zu kurz gegen die Organe des Gehirns. Die
Roheit in dem Pachter Feldkümmel wird ebenso beschönigt wie die Frivolität des
Rehbock. Sind einzelne von Kotzebues Typen hübsch entwickelt, so vermisst
man dafür eine zusammenfassende Studie über die dramatische Technik. Die mit
grosser Papierverschwendung gedruckte Bibliographie ist unvollständig und'über-
haupt überflüssig. Dem französischen Leser werden viele der Auszüge wertvoll sein ;
die Kotzebue-Biographie bleibt aber nach wie vor zu schreiben. 39"42^ — lieber die
grosse Beliebtheit, deren sich Kotzebue in England erfreute, berichtet Süpfle*^):
Menschenhass und Reue war 1797 als „The Stranger" übersetzt worden von Sheridan,
der bald darauf die Spanier in Peru folgen Hess. —
Körners'**"^'') engen Zusammenhang mit Wien, in das er gewiss zurück-
gekehrt wäre, um ein Wiener Dichter zu werden, schildert Mü ller-Gutten-
brunn^S"*^). — Isolani^^^ bespricht ein Alexandrinerlustspiel aus Körners Frei-
burger Zeit, „Cleant und Cephise", im Kömer-Museum aufbewahrt, mit Mitteilungen
aus der letzten Scene. — Dass im Zriny^') Eva den Turm in die Luft sprengt, stammt
nach Bisch off ^2) ^^s dem Drama von Clem. W^erthes. B. steuert auch einige An-
gaben zur Geschichte der Zriny-Bearbeitungen in Ungarn bei. Schon in der Wahl
des Stoffes war Körner beeinflusst durch den ungarischen Maler und Dichter Karl
Kisfaludy, der seinerseits wieder die Einwirkung der Körnerschen Lustspiele in seiner
Dichtung verspüren lässt. —
Auch Heinrich von Kleist^^"^^) hat einen ausserdeutschen Biographen
in Fried mann^^) gefunden, der mit ihm seine noch weiter hier zu erwähnenden
italienischen Studien aus dem deutschen Drama des 19. Jh. eröffnet. Er erfasst Kleist
richtig als Vorläufer des modernen Dramas. Ungemein geschickt sind die Analysen
der Dramen, nur ist es hier wie in den anderen Biographien bedauerlich, dass die
Anmerkungen notwendige Ergänzungen zum Texte bieten. Der Einfluss Schillers
wird zu gering angeschlagen. Die Liebesscene der Schroffensteiner hält F. für
bühnenmöglich, wie sie ist. Sehr gelungen ist die Charakteristik der Hermanns-
schlacht und des Prinzen von Homburg, obwohl das Buch Jungfers übersehen ist.
Des Prinzen Todesfurcht ist „debolezza fisica" und wird mit Egmonts Monolog zu-
sammengestellt. Bedauerlicher Weise hat F. den Robert Guiscard nur nebenbei er-
wähnt und den Araphitryon ganz übersehen. So findet er im Zerbrochenen Krug
den einzigen Ausdruck für Kleists komische Begabung. — Mandl^") macht auf den
im Goethe- und Schiller-Archiv befindlichen Brief Kleists an Goethe aufmerksam
(24. Jan. 1808), in dem er ihn zur Mitarbeiterschaft am Phoebus einladet. Hebbel erzählte
— 39) X A. V. Kotzebne, D. neue Jahihnndert. Neu l)eaib. von C. F. Wittmann. (= ÜB. N. 3099.) L., Eeclam. 42 S. M. 0,20. —
40) X i^-> I'^ petite ville alleraande et extraits de „Misanthl-opie' et Repentir". Texte allemand par M. Bailly. (= Classiques
ulleraands.) Paiis, Hachette. 16". XXIV. 187 S. Fr. 1,50. — 41) X i^-' Natura e gratitudine: dramraa in tre atti, ridotto
per soll uomini, da G. Harlan i. — L'assistente del medico: farsa tradotta del tedesco da G. Leva. Milano, S. Majocchi.
16". 109 S. L. 0,50. — 42) X '^m L'angelo del perdono: commedia ridotta per soll uoraini da V. Zagni. Modena, tip. pont.
ed arcio dell' Immacolata Concezione. 16". 55 S. L. 0,.30. — 43) Th. Süpfle, Beitrr. z. Gesch. d. dtsch. Litt.
in England im letzten Drittel d. 18. Jh : ZVLR. 6, S. 303-28. - 44) O Th. Körner, Werke her. v. H. Zimmer.
2 Bde. (= Meyers Klass.-Bib.) L., Bibl. Inst. 28, 398 S.; 401 S. M. 4,00. i[KZg. N. 868; DB. 77, S. 474; LZg". N. 133;
Geg. 44, S. 367; A. Säle ck (A. Schröter): BLU. S. S23.]l — 45) X Körners Werke in 2 Bdn. L., Knaur. VI, 411 S.;
m, 389S. M. 2,00. — 46) O Körners sämtl. Werke in 4 Bdn. Mit Einl. r. H. Fischer. St., Cotta. 258, 243, 327, 247 S.
M. 4,00. — 47) X Th. Körner, D. Gouvernante. Posse. (= Meyers Volksbücher N. 999.) L., Bibliogr. Inst. 32 S. M. 0,10. —
48) A. Müller-Guttenbrunn, Th. Körner in Wien (= s. u. N. 206, S. 92,6). ~ 49) X H. K. Frhr. v. Jaden, Th. Körners
Andenken in Wien: Alt-Wien 2, S. 9-12, 26-31, 435. — 50) E. Isolani, E. neues Stück v. Th. Körner: DZg. N. 7763. -
51) X H. Landwehr, Zriny (=IV la:5, S. 180,8). — 52) H. Bischoff, Zu Körners „Zriny": ASNS. 92, S. 135-40. — 53) X
IL V. Kleist, Werke. Neue Ausg. 2 Bde. Gütersloh, Bertelsmann. 468, 433 S. M. 3,30. — 54) X '^^t Sämtl. Werke. Neue
Ausg. Mit Einl. v. F. Muncker. 4 Bde. St., Cotta. 8". 312, 347, 218, 332 S. M. 4,00. (Dass. in 12". 193, 232, 228, 228 S.
M. 2,00.) — 55) X ^M H. V. Kleist: DAdelsbl. S. 914 6. — 56) L. Friedmann, II dramma tedesco del nostro secolo. I. Enrico
di Kleist. Milano, Chiesa. VII, 92 S. L. 1,50. |[A. Sauer: DLZ. S, 777/8; W. Creizenach: ASNS. 91, S. 435/6; M. Koch:
LCBl. S. 1156; Cultura 1, S. 346.J] — 57) M. Mandl, Titan u. Olympier (H. v. Kleist u. Goethe): DZg. N. 7557,8. — 58) F.
A. von Weilen, Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV 4:59-67
K. Beck, Goethe solle die Penthesilea an die Wand geschleudert haben. Goethes
Missg-unst hatte auch den Abbruch der Beziehungen zu Cotta zur Folge. Die Dar-
stellung des Verhältnisses zwischen Kleist und Goethe ist sehr wirr und unklar. —
Ein ähnlicher Geist spricht aus der Studie Becks^^). Die Katastrophe von Kleists
Leben war „eines der zahlreichen Menschenopfer, welche die öffentliche Auffassung*
vom Dichterberufe als nimmersatter Moloch verschlingt". In seiner Liebe zu Wilhelmine
von Zenge, die keine Individualität war, verkündet er die wahre auf physische und
psychische Uebereinstimmung' gegründete Ehe als Vorläufer Ibsens und des jüngeren
Geschlechts; dass das Mädchen seiner nicht würdig war, zeigt seine fast vierzigjährige
giückliche Ehe. Goethe erscheint als der Unterdrücker von Kleists Talent. — In
der Familie Schroffenstein finden JeUinek und Kraus^^) einen Widerspruch im
5. Akte, in dem Kleist vergass, dass das Schwert schon aus Agnes Brust gezogen
war. — Eine ausführliche Untersuchung der „Penthesilea" liegt von Niejahr^^) vor.
Die antike Ueberlieferung hat Kleist dem Sinne nach ins Gegenteil verkehrt, dort steht
der Sieger vor der entseelten Penthesilea. Nur bei Ptolemaeus Chennus findet sich
die Kleistsche Wendung, aber auch bei ihm lebt der gefallene Achill wieder auf
und tötet sie. Kleist bringt Einzelheiten der Penthesilea- und Amazonensage
nach den verschiedensten Quellen, die Erzählung von der Gründung des Frauen-
staates ist freie Erfindung. Verstösse gegen die alte Sage, besonders in Namen, und
Anachronismen sind zahlreich; auch um die geographische Lage des Schauplatzes
hat sich der Dichter nicht gekümmert. Er bildet zur romantischen Handlung den
romantischen Hintergrund. Anklänge an Homer finden sich nicht, dagegen an die
Aeneis; Iphigenie hat Einfluss geübt, besonders im 14. Auftritte; der Vergleich mit
der Jungfrau von Orleans, den Brahm gezogen hat, hat nur für das Käthchen von Heil-
bronn,'nicht für dieses Drama Berechtigung. Aeusserlich in Handlung und Aufbau
antikisiert das Drama; der Bericht Meroes vom Tode des Achill (23. Auftritt) ist dem
Berichte über den Tod des Pentheus in den Bacchen des Euripides nachgeahmt.
Kleist konnte, wenn er den Artikel Penthesilea in Hederichs Lexikon las, leicht auf
dieses Motiv geführt werden, da unmittelbar darauf der Artikel Pentheus folgte.
Von diesem durchaus sicheren Boden der Ergebnisse schwingt sich N. mit seinen
Vermutungen über die erste Gestalt der Penthesilea in das Luftgebiet kühner Hypo-
thesen. Aus dem Fragment des Phoebus und dem Berliner Ms. ergiebt sich für
N., dass der Tod Achills durch Penthesilea nicht ursprünglich gedacht war, sondern
dass Penthesilea durch Achill fiel. Diesem Entwurf g-ehörten die ersten dreizehn
Scenen an. Da lernt Kleist die vereinzelte Version der Sage und dasjMotiv^aus
Euripides kennen und arbeitet die elf letzten Auftritte nach einem ganz neuen
Plane, die durch die Täuschungsscene im 14. Auftritte mit dem vorhergehenden
Teile verbunden wurden, was natürlich nicht ohne Widersprüche abging. — In der-
selben Weise hat Nie jähr 0^) auch den Prinzen von Homburg^-) und die Hermanns-
schlacht ^3-64-) untersucht. Er weist im einzelnen den Einfluss des Wallenstein und
des Don Carlos auf den Prinzen von Homburg nach; für die Traumscene war die
Egmont- Vision Vorbild. Fast alle Scenen, in denen Hohenzollern auftritt, zeigen
Widersprüche. Die ersten Auftritte des zweiten Aktes harmonieren nicht mit denen
des ersten. Wir haben, wie oft bei Kleist, doppelte Entwürfe anzunehmen;
die Motive des ersten Aktes gehören einer späteren Entwicklung an, wie auch
Hohenzollerns Eintritt im letzten Akte. Freilich, wie ursprünglich die Zerstreutheit
des Prinzen motiviert war, lässt sich nicht mehr erraten. Auch die Friedensunter-
handlung hat der Dichter, um den Zorn des Kurfürsten glaublicher zu machen, später
hinzugefügt, aber gleich wieder fallen lassen. N. kommt zu der schwer annehmbaren
Vermutung, dass ursprünglich nur das Kriegerische der Handlung da war, j^und
Hohenzollern, Natalie und die Kurfürstin dem ersten Entwürfe fehlten; für die Her-
mannsschlacht schöpft Kleist seine historischen Kenntnisse, die grösser waren, als
man gewönlich annimmt, wohl nirgends aus den Quellen selljst. Klopstock ist Kleist
wohl bekannt, die Charakteristik des Varus stammt wohl indirekt aus Vellejus.
Deutlich erkennbar ist die Einwirkung Fiescos; der Vf. hätte für seine Nach-
weise auch das gewagte Spiel mit der Frau hinzufügen können. Auch in diesem
Drama soll sich ein starker Widerspruch finden; II, 7 raubt Ventidius Thusnelda
die Locke ; III, 3 erklärt sie, sie werde sich gegen einen Angriff auf ihre Locken zu
schützen wissen. N. schliesst: „Man wird zugeben, dass das unmöglich, wenn Ventidius
durch seinen Lockenraub Bedenken erregt hätte." Sonach gehöre III, 3 einer früheren
Bearbeitung an(?j.^^'^") — Unter den Schulausgaben Kleistscher Dramen ist die des
Beck, H. T. Kleist n. d. Dichterbernf : WienerZg. N. 16,8. — 59) (I 12:165.) — 60) J. Niejahr, H. v. Kleists Penthesilea:
VLG. 6, S. 506-53. — 61) id., H. v. Kleists Prinz t. Homburg n. Hermannsschlacht: ib. S. 409-29. — 62) X H. Landwehr,
Prinz Friedrich v. Homburg. (= IV la:5, S. 169-79.) — 63) X Welche Ziele verfolgte H. v. Kleist mit seiner Hermanns-
schlacht: KZg. N. 898.— 64) X C. Alberti, D. Hermannsschlacht: Zukunft 6, S. 571,4. — 65) X H. v. Kleist, Prinz Friedrich
T. Homburg. E. Schansp. Mit Einl. u. Anmerkungen t. E. Kade. (= Graesers Schuluusg. klass. Werke N. 37.) Wien,
Graeser. XI, 67 S. M. 0,50. — 66) X id.. D. Hermannsschlacht. Her. v. F. Khull. (= Freytags Schulausg. klass. Werke.)
Wien u. Prag, Tempsky. 130 S. M. 0,60. 1[H. Herzog: ZOG. 44, S. 11004.JI - 67) X »d-. I>. Käthchen v. Heilbronn oder
IV 4:68-86 A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts.
Prinzen von Homburg- durch Benedictes) weg-en ihrer sprachlichen und metrischen
Beobachtungen zu erwähnen. — Für den scheinbaren Widerspruch zwischen dem
lauten Gespräche in der ersten Scene und den Worten: „Weck' ihn mit deinem Zirpen
nur nicht auf" (V. 80) hat v on We ilen ^^j in seiner Anzeige der Heuwesschen Ausgabe
(vgl. JBL. 1892 I 5 : 68) die Erklärung aus Gmeilins Beobachtungen über Somnambule
gegeben, die lautes Gespräch nicht störe, wohl aber das Ticken einer Uhr. — Für dasselbe
Drama verweist Sprenger^*^) zu 1, 1, 46, der Nennung der Weide als Zeichen
des unglücklich Liebenden, auf Ophelias Lied und eine Ballade bei Percy.''^) — Einige
Stellen, die Einfluss Shakespeares zeigen, notiert Heu w es"-).— Der Vortrag" Gilows^^),
der im Vorjahre nur nach dem kurzen Zeitungsberichte wiedergegeben werden konnte
(vgl. JBL. 1892 IV 4 : 50), liegt nunmehr im Drucke vor. Die Begnadig-ung- des
Prinzen ist der Angelpunkt des Dramas. Der Erfolg der Schlacht ist nicht das eigenste
Verdienst des Prinzen und nur ein partieller. Eigentlich hat der vermeintliche Tod
des Kürfürsten die Keiter angespornt. Der Prinz vollbringt keine That für Vater-
land und Krone, wie Kottwitz auszuführen sucht, sondern er übereilt sich und ver-
liert alle Selbstbeherrschung. Nicht das Recht des freien Heldenmuts und das
Unrecht der toten Reg"el, sondern das Unrecht des unfreien Eigenwillens und das
Recht des lebendig-en Staatsbewusstseins stehen sich gegenüber. Wohl möglich, dass
das Kleistsche Drama die Verurteilung der abenteuerlichen Unternehmung Schills
ist. Der Kurfürst thut einen kühnen Schachzug-, die Verurteilung zur Selbstent-
scheidung ist der Weg-, der dem Prinzen zur inneren Befreiung" führt. Dass der
Kurfürst mit der äusseren Enthaftung- zögert, ist die Folge der Fürsprache des
Militärs, die eine Parteinahme für die That des Prinzen involviert. So werden auch die
Offiziere belehrt. — Es ist interessant, in Au erbachs ■"•*) Aufzeichnungen über diese
„spartanische Dichtung" zu lesen: „Es ist dem Kurfürsten bitterer Ernst. Es muss
ihm bitterer Ernst sein, sonst ist alles nur Theaterspielerei." — Zu dem Satze „Hat sie
das Licht dabei gehalten" im „Zerbrochenen Krug" citiert Spreng"er^^) den Kauf-
mann von Venedig". — Den Ausdruck „mausen" (vg"l. JBL. 1892 IV 4 : 52) weist
Spandl'^) als bayerisch-österreichischen Ausdruck für „stehlen" nach. — Eine sonderbare
Charakteristik entwirft Semler'''') vom Dorfrichter Adam: Er schwebte mit freiem
Humor über seiner gefährlichen Situation, sein Behagen steigerte sich, je weiter die
Verwickelung" geht. — Im „Käthchen von Heilbronn" erklärt Reich el'^) den Aus-
druck ,, ordinieren" als zum Ritter schlagen (IV, 1). „Was? bist du ein Jud?" lässt
ihn an die Redensart, die man den Juden (?) in den IMu'nd legt, das Wasser habe
keine Balken, denken. —
Eine liebenswürdige Schilderung der Birch -Pfeiffer''^) entwirft aus per-
sönlichem Verkehr Helene von Hülsen^"). Zum Drama wurde sie eig"entlich
1828 durch Direktor Karl ang"ereg"t. Sie hat einen vierten Akt zu Mey erbeers
Afrikanerin geschrieben, der nie gegeben wurde. In ihren auszug"sweise mitgeteilten
Briefen spricht sie sich enthusiastisch über Fanny Lewald aus. Ihr Drama „Der Gold-
bauer" soll auf einer wirklichen Begebenheit beruhen.^') — In der Vorrede zum
Trauerspiel in Berlin vindiciert sich Holtei^^j den Ruhm, den Eckensteher Nante
geschaffen zu haben. —
Sauers Vortrag über Otto Ludwig^S) (vgl. JBL. 1892 IV 4 : 66) giebt Bettel-
heim^*) Anlass, ein Wort der Anerkennung für Auerbach einzulegen. Aus einem
Briefe Anzengrubers vom 12. Mai 1871 citiert er einen Passus, der von Ludwig
als genialem Kleinmaler spricht, und konstatiert den Einfluss, den Ludwig- auf Anzen-
gruber geübt. — Berger **^) zieht eine Parallele zwischen Schiller und Ludwig.
Beide erlagen in der Periode der Ernte, Schiller schaffend, Ludwig grübelnd. Schiller
schuf sein Selbst um, aber er genas, Kleist und Ludwig gingen dabei zu Grunde.
Wie Ludwig selbst wenden sich auch alle seine Figuren zerstörend gegen ihr Inneres.
Schillers Helden sind schöpferische Grössen, sie geben ein Werk ausserhalb ihres Ich.
So arbeitet Schiller seinen Wallenstein, so konstruiert Ludwig" den seinen. — Von
einer persönlichen Begegnung mit Ludwig in Dresden 1851 berichtet Lorm^^). Er
d. Feuerprobe. Mit Einl. n. Anm. v. A. Lichlenheld. (= Graesers Schulausg. klass. Werke N. 40.) Wien, Graeser. XII, 82 S.
AI. 0,50. — 68) id., l'rinz l'riedrich von Uomburg. Her. v. A. lienedict. (= Frey tags Schnlausg. klass. Werke.) Wien u.
Prag, Tempsky. 109 S. M. 0,.50. IfH. Herzog: ZOG. 44, S. 1100;4.]| — 69) A. v. Weilen: ZOG. 44, S. 1149. — 70) B.
Sprenger, Zu Kleists Prinz. V. Homburg: ZDU. 7, S. 60/1. — 71) X K. Reicbel, Zu Kleists Prinz v. Homburg: ib. S. 4945. —
72) J. Heuwes, Zu Kleists Prinz Friedrich v. Hombnrg: ib. S. 422/4. — 73) H. Gilow, D. Grundgedanken in H. v. Kleists
Prinz Friedrich v. Hombnrg. Progr. Königstädt. Gymn. B. (Gaertner). 4". 25 S. M. 1,00. |[R. Friedrich: BLU. S. 644.JI
— 74) (S. n. N. 314, S. 191,5.) - 75) R. Sprenger, Zu Kleists Zerbrochenem Krug: ZDÜ. 7, S. 683. - 76) J. Spandl,
Zu Kleists Zerbrochenem Krug: ib. S. 561. — 77) C. Semler, D. Dorfricliter Adam im Zerbrochenen Krug v. H.v, Kleist: ib.
S. 374-84. - 78) R. Beichel, Zu H. v. Kleists Käthchen v. Heilbronn: ib. S. 495. — 79) X F. Koppel, Charlotte Birch-
Pfeiffer: FeuilletZg. N. 477. (Auch Sammler'^. N. 101 usw.) — 80) Helene v. Hülsen, Drei Lebensepisoden. B., R. Eck-
stein Nachf. 1892. 139 8. M. 3,00. |[N<tS. 64, S. 134.]| — 81) X H. Lee, E. dtsch. Lustspieldicliter. Z. Erinnerung an
K. Töpfer: FeuilletZg. N. 444. (Auch SammlerA. N. 2 usw.) — 82) Zu Holtei: Ußühneng. 22, S. 177 8. — 83) X 0. Ludwig,
Werke (vgl. JBL. 1891 lY 4 : 12äa.| \[A. Sauer: DLZ. S. 11; H. Nord: Grenzb. 4, S. 174-86.ji - 84) X A. Bettelheim:
'AZgT. N. 236; Bohemia N. 83. — 85) A. Frhr. v. Berger, 0. Ludwig u. F. Schiller: WienerLZg. N. 1. — 86) H. Lorm,
A, von Weilen, Dratna und Theaterg-eschichte des 18. '19. Jahrhunderts. IV4:87-n3
bemühte sich die Tragödie „Die Rache des Herzens" für Eduard Devrient herbei-
zuschaffen, von der Ludwig* nicht mehr wusste, in welcher Theaterkanzlei sie liegen
mochte. L. tritt für eine Aufführung dieses Stückes ein und stimmt Laube bei, der
einen versöhnlichen Ausg-ang des Erbförsters wünschte. —
Einen verschollenen Genossen Gutzkows^") führt Brümmer^^) in W. K. St ölte
vor (1809—74). Auf dessen Anraten schrieb er seinen „Faust", der Stellen von
grosser Tiefe enthalten soll. — F. A. Steinmann (1801—75), ein erbärmlicher
Geg'ner Heines, wird von Fränkel^'') wegen seines kultur-historisch wichtigen Volks-
dramas „Zum Tode verurteilt" (184:^) hervorgehoben. (Vgl. IV 11:56.) —
Neueres deutsches Drama.^""''^) Die Biog-raphie Greifs von Prem
(vgl. JBL 1892 IV 4: 84) wird von Necker^^) in ihrem kritiklosen Enthusiasmus, der
gänzlich verkennt, wie wenig sich Greifs Drama den berechtigten Forderung-en der
Zeit anzupassen vermochte, entsprechend charakterisiert. Das von Prem citierte
Urteil Hehns über Greif fasst Necker als Ironie. — Dageg-en tritt Lyon 9') für den Ernst
des Hehnsohen Urteils ein und leitet Neckers Auffassung von einem Druckfehler in
Hehns Briefe ab, der aber für den Sinn des Ausspruches durchaus nicht massgebend
ist. — Wehls Umdichtung des Cid von Corneille, „Liebe und Ehre", wird von
Bormann»^) in einer Studie über den Cid im Drama, die auch ein wirres deutsches
Drama von Bruno Rodel (1867) neben Castros und Corneilles Werken anführt, an
Naturwahrheit und Lebendigkeit über das französische Original gestellt. — W^ er der
erscheint in Schlenthers'"') stimmungsvollem Nekrologe als Meister in der Be-
schränkung, voll edler Strebsamkeit. In seinen Vorlesungen über dramatische
Kunst spricht nicht der grosse Gelehrte und Forscher, wohl aber der Dichter. —
Seine Columbus-Tragödie figuriert auch in der stoffgeschichtlichen Arbeit Loevin-
sons^oo^^ dig^ nach Frank eis Referate, ausser ihm Klingemann, Rückert, Kösting,
H. von Schmid, Herrig und Dedekind nennt. F. trägt die Bearbeitung E. Wolffs
(1892) und E. Karpffs nach; auch Halm scheint einen Columbus geplant zu haben.
— Gegen Fuldas i"') Moliere-Uebersetzung (vgl. JBL. 1892 IV 4:95) haben sowohl
Schient her als Erich Schmidt'02^ i,q[ aller Anerkennung kleine Bedenken, die sich
auf die allzugrosse Glätte und Flottheit des Verses beziehen, wodurch die Tiefe des
Misanthrope etwas beinträchtigt wird. Schi, weist für Fulda auch darauf hin, wie er
als Dichter selbst von Moliere ausging, aber sein Ziel stand stets über seinen
Leistungen. — Spi elhagen 'o^) vergleicht den „Talisman" mit Wildenbruchs^*'^)
Heiligem Lachen, das die Märchenregion vollständig verlassen. Aber auch Fulda hätte
noch mehr Märchenhaftes geben können. —Für die Schule analysiert Gloel '<*^) Die
Quitzows, die ihm als höchst bedeutendes Werk erscheinen, wenn auch die Ge-
schlossenheitfehlt.—G.vonMoser wird von Zabel •t^^) als echter liebenswürdiger Theater-
praktiker geschildert, der durch seine Verwertung des Militärs für die deutsche Bühne
bedeutsam geworden. Das Stiftungsfest von Benedix^o'^i^^) arbeitete er in einer
Weise aus, dass dieser nichts mehr davon wissen wollte. i'^"'*') — In Wilbrandts
„Meister von Palmyra" sieht Deinhardt ^^-j die Wiederverkörperungslehre, wie sie
Hellenbach u. a. gepredigt. Aber vom Standpunkt der Metaphysik fehlte dem Werke
das Moment der aufsteigenden Seelenwandlung, es ist mehr zusammenhangslose
Seelenwanderung, das Ahasver-Problem. —
Lawinenartig wächst die Flut der Aufsätze an, welche sich mit den Dramen
der Modernen sowie mit später zu besprechenden dramaturgischen Fragen, die
sich an sie anknüpfen, beschäftigen ^^^j Wer kann die Legion Zeitungsartikel über-
sehen, die sich an bedeutsame Neuaufführungen, wie sie das Berichtsjahr bot,
anschliessen ? Man gestatte mir hier gleich im allgemeinen als einen kundigen
Erinnerung an 0. Ludwig: NPrr. N. 10218. - 87) O W. Volkmann, Uriel Acosta. E. Skizze. [Aus: .Festschrift z. Jubel-
feier d. Gymn. zu St. Maria Magdalena (vgl. I 6 : 205.)J Breslau, Morgenstern. 38 S. M. 0,50. — 88) F. Brömmer, W. K.
Stolte: ADB. 36, S. 4113. - 89) L. Fränkel, F. a'. Steinraann: ib. 36, S. 744/6. — 90) X P- Heyse, Kolberg by R. H.
Allpress. London, Rivington. Sh. 2. — 91) X ö Frey tag, D. Journalisten: Lustsp. in 4 A. Texte allemand avfic notes par A.
Girot. (= Bibl. Allemande contemp. N. 1.) Paris, Delagrave. 183 S. — 92) X L. Sal omon. Zu R. t. Gottschalls 70. Ge-
burtstage: niZg. 101, S. 3746. — 93) X J- E- ▼. Grotthnss, R. Voss: VelhagenKlasingsMh. 2. S. 664-71. — 94) X L-
Salomon, 0. Justinns: IllZg. 101, S. 274. — 95) X E. Pohl, La cavallerizza. Commedia in un atto. Milano, Kantorowicz. 16».
32 S. L 1,20. - 96) X M. Necker: AZ». N. 2; K. Eisschilt: ÖLBl. S. 75; 0. Lyon: ZDÜ. 7, S. 75/7; R. H. Greinz:
Geg. 43, S. 19. - 97) 0. Lyon, V. Hehn n. M. Greif: AZg". N. 13. — 98) W. Bor mann, D. Cid im Drama: ZVLR. 6,
S. 5-33. — 99) P. Schienther, Am Grabe d. alten Werder: ML. 62, S. 249-52. - 100) (I 10 : 24 ) — 101) X ^- Falda. II
paradiso perduto. Commedia in 3 atti, riduzione per le scene Italiane di 0. Eisenschitz. Milano, Kantorowicz. 16". 90 S. L. 1,50.
— 102) E. Schmidt: DLZ. S. 14212; 0. Härtung: DDichtung. 14, S. 78: P. Schienther: ML. 62, S. 2368. — 103J F.
Spielhagen, L. Fuldas Talisman: ML. 62, S. 85/7. — 104) X E. v. Wildenbrnch, Harold. Transl. by A. Vagelin. (= Modem
German advanced.) London, Rivington. Sh. 1-20. — 105) H. Gloel, D. Quitzows E. v. Wildenbruchs: ZDU. 7, S. 734-50. —
106) E. Zabel, G. v. Moser: NatZg. K. 527. - 107) X K. Benedix, Aschenbrödel. Schausp. in 4 A. 2. Aufl. (= R. Benedir
Yolkstheater Bd. 17.) L., Weber. 125 S. M. 1,00. — 108) X id., Scenes choisies du theätre de famille. Texte allemand
avec des notes par M. Feuillie. (= Classiqnes AUemands.) Paris, Hachette. XIV. 217 S. Fr. 1,50. — 109) X »^-^ ^
pxochs. Comedie en 1 acte, publiee avec une notice sur le theätre allemand et des notes par A. Lang. Nouv. ed. ebda. 16*.
55 S. M. 0,60. — HO) X -A" Kohnt, G. v. Moser: Bühne u. Leben S. 2Ö/1. — Hl) X G- Goetschel, G. v. Moser: NFPr.
N. 10320. — 112) L. Deinhardt, D. Wiederverkörperungslehre im Drama: Sphinx 15, S. 297-304. - 113) X B- Friedrich,
IV4:ii4]'.'o A. von Weilen, Drama und Theatcrg-eschichte des 18./ 19. Jahrhunderts.
Führer durch die neueste dramatische Litteratur das ML. zu nennen, dem diesmal
in F. Spielhag^en^i'*) ein ruhiger Beobachter zugewachsen ist. Dieser zieht auch
in einem grösseren Artikel das Facit des Theaterjahres : Es war gute Mittelernte.
Das ist wenig, wenn man sieht, wie sich die Jugend zum Drama drängt, wo
der Dichter leichter das Publikum erobert als mit der epischen Darstellung. Die
meisten der, fast durchweg- naturalistischen, Dramen zeigen wieder die bekannte
Verwechslung- zwischen dramatischer und epischer Kunst. In der Alleinherrschaft
des Milieu leiden Handlung und Held Schaden. Sp. hebt einzelne Werke kurz
charakterisierend hervor. Bei den „Webern" darf man frag-en, ob das Elend nicht
auch andere Gründe als die vorgeführten habe. Der jungen Schule fehlt es, trotz
mancher Vorzüge, an Disciplin und Strenge gegen sich selbst. — Die Forderung nach
modernen Menschen stellt Mauthner^'^) an Dichtung und Darstellung-, wenn er die
Berliner Novitäten des J. 1892 mustert. i'^) — Praktischen Zwecken dienen die kurzen
Analysen der Monatsschrift „Freie Volksbühne"'^"), Anzengrubers Viertes Gebot und
Meineidbauer, Kleists Zerbrochener Krug, Sudermanns Heimat und Ehre und
Sodoms Ende, Gutzkows Uriel Akosta umfassend. — Ein sonderbarer Versuch
Wunderlichs "^) beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Sprache des modernen
Dramas, die Spielhagen unnatürlich genannt hatte. Es zeigt sich ein Fortschritt zur
Sprache ohne Worte, sogar bis zu verwickelten Vorstellungen. So bietet sich manche
Aehnlichkeit mit der Sprache des Sturms und Drangs, aber der junge Schiller spricht
alles direkt aus, was ein Hauptmann schamhaft verschweigt. Alle sprachliche Kraft
konzentriert sich ins Nomen, im Anschluss ans tägliche Leben und die Entwicklung
der neueren Sprache. Ueberall wird von der natürlichen Rede ausgegangen, so
entstehen die Ellipsen, fallen die Pronomina, öfter sogar die Prämissen eines Satzes, die
Frageform dringt stark ein. Besondere Zunahme erfahren die Sätze, die aus mangel-
hafter Gedankenbildung- an einander gereiht werden, ähnliche Gründe sind mass-
gebend für die vielen Wiederholungen, das Ringen nach dem Ausdrucke u. a.
Ueberall aber muss die Mimik auf das sorgsamste berücksichtigt werden, sie diktiert
eig-entlich den sprachlichen Ausdruck. So bringt das neuere Drama ein wertvolles
Material für die Sprachbeobachtung. —
Ueber Ibsen i'^'^'^i) plaudert Doumic '^^-'^sj recht oberflächlich. Und doch
wollte er seine Feuilletons an einen Faden reihen, der von Scribe bis hinauf in die
neueste Zeit zu verfolgen sein soll. In Reaktion zu Scribe entwickelte sich das
Drama aus dem theätre d'analyses zu einem theätre d'idees. D. prüft nun an den
älteren wieder hervorg-eholten französischen Dramen, was in ihnen für unsere Zeit
lebendig", und kommt, besonders für das romantische Drama, zu negativen Erg-ebnissen.
Aber dieser ganz hübsche Grundgedanke geht unter den vielen, bedeutungslosen
Eintagskritiken verloren, und g-erade für die von Ibsen beeinflussten Motive der
Dramen von F. de Curel, Aicard u. a. hat D. wenig- Verständnis. Von Ibsens Dramen
analysiert er sehr ung-eschickt die ,, Wildente", ohne rechtes Erfassen des Hjalmar, be-
sonders rühmt er die „Hedda Gabler" als „un beau drame, d'une allure simple, vigoureuse
et hardie", während er mit der „Frau vom Meere" nichts anzufangen weiss. — Ein
zweites französisches Werk, von Tissot '^^j, über Ibsen und Björnson blieb mir leider
unzugänglich. — Dass die deutsche Ibsenschule ihr Vorbild oft missverstanden,
sucht Hansson'25j ^u zeigen. Ibsen wirkte als technisches Vorbild und wurde als
Dichter des Realismus in Deutschland proklamiert, zu einer Zeit, da er schon längst
diese Richtung- verlassen hatte. Man wollte eine neue Kunst imd suchte nicht zum
neuen Inhalt die neue Technik, sondern erstrebte die neue Technik als etwas Primäres.
Von Ibsens socialen Dramen blieb nur der einzelne Familienkonflikt im klein-
bürgerlichen Kreise übrig-, dagegen wurde die Detailmalerei ausgebildet. Das Ver-
hängnis war, dass man nur seine Gesellschaftsdramen kannte. Die deutschen
Dramatiker gehen von der Socialdemokratie aus und sehen deren poetischen Ver-
treter in Ibsen, für den Norden ist er der Mystiker. Was Ibsen bietet, ist ein
Zerg-rübeln seiner eigenen Gedanken, jede Dichtung- ist die Auflösung einer seiner
früheren, „Baumeister Solness" die Auflösung seiner sämtlichen Dramen; den Inhalt
fasst H, in die Formel zusammen: „Wenn der Mann auf ein Weib hört, bricht er den
Hals." In seinen Frauengestalten, die auf konstruktivem Wege entstanden sind, g*eht
Ibsen von der Verfechtung der Emancipation aus, bis er das Unheil darin entdeckte.
Ibsens Phasen und die Phasen der nordischen Kulturentwicklung- sind Eins. „Brand".
Moderne Dramen: BLÜ. S. 42/5. — 114) F. Spielhagen, EücWlicTce auf d. Theaters.aison 1892-9.3: PrJbb. 72, S. 3S5-405. —
115) fl 12:227.) - 116) X 0. Neumann - Hof er, D. dtsch. Schauspiel d. letzten Saison: Vom Fels z. Meer 2, S. 253-64. —
117) F. Mehring, Freie Volksbühne. E. Mschr. B., Maurer & DimmieV. 14 Hfte. ;i Mk. 0.10. — 118) (I 8:96.) - 119) X
W.Kempe, Ibsens Motivierungsknnst in seinen berühmtesten Dramen: DWBl. S. 511/4. — 120) X A. Boccardi, La donna
neir opere di H. Ibsen. Trieste, G. Balestra. 16". 51 S. Fl. 0,.50. — 121) O Th. Odinga, H. Ibsen. E. Essay. (= Kleine
Studien. Her. t. J. Bacra eister N. 2.) Erfurt, Bacmeister. 1892. 12». 15 S. M. 0,20. |[BLU. S. 430.|l — 122-123) (1 12 : 346.)
— 124) O (I 12:344.) — 125)0. Hansson, D. dtsch. und d. nordische Ibsen: Nation". 10. 8.276 8,291/3.-126) (112:354.)
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./ ID. Jahrhunderts. IV 4 : 127-151
der ihn zum Oberg-ewissen Skandinaviens machte, und „Peer Gynt", der nordische
Durchschnittsmensch, sind Evangelien für das Volk geworden. H. schildert die
Bedeutung" des Krieges von 1864 für Ibsen, der ihm seine Ideale raubte. Sein
grösster Triumph wurde „Nora". Wie unter dem Einfluss seiner obengenannten
Dramen die Bauernerhebung sich vollzog, begann nun eine lebhafte Erörterung der
Frauenfrage; ganz parallel mit späteren Dramen wie „Hedda Gabler" vollzog sich
im Norden die Einschränkung dieser Bewegung. Ueberall giebt er die tiefsten
Impulse im Leben seines Volkes. — Im diametralsten Gegeusatze zu dieser nationalen
Erfassung Ibsens stehen Hertzbergs 126) Ansichten: Nach Werles und Bernicks
Häusern würde man im Norden vergebens suchen; Ibsen sei auch gewiss nicht der
Meinung gewesen, dass seine Konflikte und Lebensanschauungen norwegisch seien.
Nur im „Bund der Jugend" habe Ibsen wirkliche Nationalfehler gezeichnet, später
nicht mehr. H.s Argumente, unter denen z. B. auch figuriert, dass es in
Norwegen keinen solchen CJeberfluss an Kammerherren gebe, wie die „Wildente" glauben
mache, können Hanssons scharfe Darlegungen nicht erschüttern. — Einen kleinen
Jugend-Aufsatz Ibsens über die Kämpeviser leitet Jireczek'-^) mit einer Ueber-
sicht der romantischen Dramen Ibsens ein. — Auf die Frage, die ein Interviewer
Bigeon '2^) nach Mitteilungen im Pariser „Figaro" an Ibsen stellte, ob er Zola zu
seinen Mitarbeitern rechne, erwiderte er: Ja und Nein; er ist Socialist und Kollektivist;
ich bin Anarchist und Individualist. Er spricht seine Freude an den Symbolisten aus
und nennt seinen „Baumeister Solness" ein symbolisches Stück. Aber seine Symbole
seien die Anfänge der Voraussetzungen, wahre Realität, während Zolas Symbole erst
durch die Wirklichkeit erklärt werden. — Die Methode, nach der Loris^-^J die
Menschen Ibsens charakterisiert, kennzeichnet er selbst als eine „halb g-eistreiche,
halb leichtfertig-e Art, die Dramen Ibsens zu zerpflücken und durcheinander zu
schütteln." Gleich im Eingange seiner Erörterung steht der höchst bedenkliche Satz:
„Man ist wohl nie in Versuchung gekommen, einen Vortrag zu überschreiben: Von
den Menschen in den Dramen Shakespeares oder 0. Ludwigs oder Goethes." Er ver-
gleicht Ibsen mit Byron. Alle seine Gestalten treiben Selbstpsychologie. — der Glaube
an das Wunderbare, Stendhals „imprevu", wird ihnen innerlichste Ueberzeugung. Sie
repräsentieren nur eine Leiter von Seelenzuständen, die Julian schon im Keime trägt.
Das Grundproblem ist wesentlich undramatisch. In jedem Stücke wird eine Idee
betont und in französischer Manier durchgeführt. — „Kaiser und Galiläer" erscheint
Schlenther^^*') als Ibsens Faust, als Fundament seiner ganzen Dichtung. Er zeigt
die Keime, die in dem Stücke für die modernen Dramen, besonders in der bedeutungs-
vollen Rolle des Weibes, liegen, und plaidiert für eine Darstellung. — Die „Gespenster"
reklamiert Lombr OSO '"^') für die Wissenschaft als Beweismittel der Vererbungstheorie. —
Die regeste Diskussionhat natürlich das zuletzt erschienene Drama „ Baumeister Solness" '^^j
hervorgerufen. '3^) Gemeinsam heben alle Recensenten das Ueberwuchern der Symbolik
hervor. Berger ^3'*) betont, das Entree Hildes mit Raimunds Jugend vergleichend,
die ungeheuere Hebung, welche in dieser Gestalt das Rollenfach der Naiven bis ins
Dämonische hinauf erfahren hat. — Berger wie Riess'-'^) sehen den Zusammenhang
mit Nietzsche. — Harden'^^) fasst das Stück als Beichte Ibsens, in der er in gross-
artiger Weise seine Kleinheit eingesteht. — Für Holm*"'^) ist es das Trauerspiel der
„Bourgeoisie", in dem der Baumeister als typische Gestalt des Grössenwahns und der
Grossmannssucht erscheint. — Ibsens Einbürgerung in England, die hauptsächlich
W. Archer zu danken ist, hat gegenwärtig, nach Kellners ^^^j Ausführungen, einen
Rückschritt erfahren, obwohl sein Einfluss auf die dramatische Litteratur deutlich
merkbar ist und B. Shaw 1891 ein Werk über das Wesen des Ibsenismus veröffentlicht
hat, das „Nora" für die Frauenfrage stark verwertet. — Archer '3'-') konstatiert den
grossen Absatz, den die Dramen im englischen Buchhandel finden. '*'*) —
S udermann^*'"^*3jhatergötzlich die Geschichteseinesunaufgeführten Erstlings-
werks, „Die Tochter des Glücks", erzählt '*4); seine Mitteilungen ergänzt Neumann-
Hof er *^^), der das Stück als Nachahmung der Freytagschen „Valentine" charak-
terisiert. — An die Aufführung der „Heimat"''*^) schloss sich eine reiche Artikel-
litteratur '4'-i49^: Spielhagen '^oj sieht trotz starker Unwahrscheinlichkeiten in ihr
einen Fortschritt des Dichters zum Lessingschen Ideale des Dramas, dagegen nennt
Alb. Stern '***) Magdas W^andlung und Schuldgefühl inkonsequent, ihr Herz sehe
— 127) 0. L. Jireczelc, H.Ibsen, D. Kämpeviser a. ihre Bedeutung für d. Kunstpoesie: AZgü. N. 111. — 128) (I 12:361.)
— 129) Loris, D. Menschen in Ibsens Dramen: WienerLZg. N. 13. — 130) (I 12:3-56.) — 131) (I 12 : 35S.) — 132) X
(I 12:359.) — 133) X (I 12:360.) — 134) A. Frhr. v. Berger, Baumeister Solness v. H. Ibsen: WienerLZg. N. 5. — 135)
(I 12:364.) — 136) (I 12:360ii.) — 137) (1 12:363.)— 138) (I 12:349.» - 139) W. Archer, D. Ibsenmausoleum: Zakunftü,
S. 174-87. (Vgl. I 12 : 352.) — 140) X d 12 : 350.) - 141) X O (I 12 : 416.) - 142) X W. K., Sndermann: DWßl. S. 2502.
— 143) X H. Sudermann, La flne di Sodoma. Drama in 5 atti. Milano, Kantorowicz. 16". 117 S. L. 1,20. — 144) id..
Mein erstes Drama. (D. Gesch. d. Erstlingswerkes): DDichtung. 13, S 16-20.— 145) 0. Keu man n-Hof er, Z. Charaltteristik
II. Sudermanns: ib. S. 52. —146) X H- Sudermann, Casa paterna ^Heimat). Dranima in 4 atti, traduzione di E. Nathan son.
Milano, Kantorowicz. 16". 116 S. L. 1,50. — 147) X (I 12:393.) — 148) X F- Kummer, Sadermanns neuestes Drama
(Heimat): BLU. S. G02. - 149) X F- Mehring, Sudermanns Heimat: NZSt. U, S. r)44 6. — 150) (I 12:399.) — 15li Alb.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschioht». IV. 4(12)
IV 4152-182 A. von Weilen, Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts.
aus „wie eine Weihnachtsnummer der Gartenlaube". Das Stück, gänzlich undeutsch,
biete nur Koulissenpsychologie, meisterhaft sei die Stimmungsmalerei. —
Zu Gerhart Hauptmanns '^-"i^*) „Webern"i^s-'56j hat Spielhagen •&') die
Formel gefunden: Der Held ist die Not. In diesem Sinne besteht auch eine Einheit.
Zu fürchten sind aber die Nachahmer. Er zieht eine Parallele mit dem Götz. Auch
in der Sturm- und Drangperiode nahm die Jugend die Natur aus zweiter Hand,
damals hatten sie als Quelle Shakespeare, heute Ibsen, Zola, Tolstoi. — An Spiel-
hagen knüpft S ch len t h e r '•''^) an. Eine Fülle kleiner Menschen ist nach
seiner Ansicht dasselbe Objekt für die Kunst wie Ein grosser. — Mehring'^^j
citiert als Hauptmanns Quelle das Bürgerbuch von W. Wolff (1845). Dort erscheinen
als Mittelpunkt des Aufstandes auf Seite der Fabriksherrn die Gebrüder Zwanziger
(bei Hauptmann Dreissiger). Der Polizeiverweser heisst bei Wolff Christ, bei Haupt-
mann Heide u. a. Von den 25 Strophen des „Weberliedes" hat Hauptmann sieben
mit kleinen Aenderungen aufgenommen. Dass aber aus der Benutzung dieses Buches,
wie M. meint, schon folgt, dass Hauptmann eine socialistische Tendenz mit bewusster
Parteischattierung zum Ausdrucke bringe, ist nicht richtig. — Als eine misslungene
Verhimmlichung der Idee der „Weber" betrachtet Har den '6*)j (j^s „Hannele", ein Stück,
das verständnislos mit einem grossen Gedanken .spielt und nur Bonbonpoesie zu
bieten vermag, während S pielhagen '^') in ihm eine Phantasie im besten Sinne
erkennt. Die beiden genannten Autoren begegnen sich in der Verurteilung des
„Biberpelz", 162- 163) ^er äusserlichsten Ausbildung der Kleinmalerei. —
Den grossen Fortschritt, den Halbe vom „Eisgang" zur „Jugend" durch-
gemacht, konstatiert Spielhagen i^^), das ausgezeichnete Studium des Milieu her-
vorhebend, mit richtigen Bemerkungen über das Bedenkliche des Schlusses. —
Dagegen macht Spielhagen '^s^ bei Hartlebens „Hanna Jagert" schon auf das Frag-
würdige und Schiefe des vorangesetzten Hebbelschen Mottos, das für jedes dramatische
Werk ein Problem fordert, aufmerksam. Das behandelte Thema, die Emanicipation
einer Frauenseele, kann in dieser Weise nur im Romane behandelt werden. Ein
Lessing, der die Gattungen sondern könnte, thäte heute dringend not. — An
Strindbergs^ö^) „Gläubiger" anschliessend, deren grandiose Einfachheit gerühmt
wird, erörtert Servaes i^''), wie der Dichter das Weib nur in Gestalt seiner Thekla
sieht; nicht der Intellekt, sondern der Affekt hat ihn zum Weiberhasser gemacht.
Er predigt die Ueberlegenheit des Mannes und giebt auf der Bühne nur das den
Mann ganz beherrschende Weib. Die unbesonnene Jugend sah aber in seinen Ge-
stalten gleich das Weib überhaupt. — In seinen Dramen sieht Laura Marholm^^*)
biographische Beiträge zur Lösung seines Ich-Rätsels. Poesie und Barbarei steht in
seiner Dichtung neben einander, ein finnischer Zug geht durch sein ganzes Wesen.
Seine Dramen bauen auf trivialen Voraussetzungen erschütternde Tragödien auf. —
Eine befreiende That auf dem Gebiete des Dramas nennt Schienther i^^) Wol-
zogens „Lumpengesindel", mit dem die Zukunftsform der neueren Komödie, die Tragi-
komödie beginne. Dann wird auch das Drama, wenn es erst echten Humor biete, die
Höhe der deutschen Erzählung Kellers und Fontanes erreichen. Nur Anzengruber
kann als Keller der deutschen Komödie gelten. — Hier mögen auch summarisch
einige Sammlungen dramatischer Schriften neuerer deutscher Autoren verzeichnet
stehen.i''o-i^4) _
Zu den österreichischen Dramatikern i"^"''^) teilt aus einem Th.
Ackermannschen Antiquariatskataloge Fränkel'^") eine darin herausgehobene
Stelle aus den „Faschingskrapfen für Wiener Autoren 1785" über den „Faust" Paul
W^eidmanns mit. — Die Familie Stegmayer 'S') hätte eine würdigere Behandlung
in der ADB. verdient, als ihr zu teil geworden. — Dagegen hat Brandes '^2) eine
hübsche Charakteristik Steigenteschs geliefert. Er hätte einer der besten deutschen
Stern, D. Dichter d. Heimat u. die Heimat d. dtsch. Dramas: Bär 19, S. 343/7. — 152) X ßr., G. Hauptmann: WeserZg.
N. 16897. — 153) X E. Goldmann, G. Hauptmann. Vortr. (= Ber. d. Lese- u. Redehalle d. dtsch. Studenten in Prag fiber
d. J. 1892.) Prag (Haase). 23 S. - 154) X L. Salomon, G. Hauptmann: IllZg. 101, S. 689-90. - 155) X G- Hauptmann.
Les tisserands, drame en 5 actes. Trad. fran^;. p. J. Thorel. Paris, Charpentier. VIII, 149 S. Fr. 4,00. — 156)XG. Frie-
. berger, E. verbotenes Theaterstück (D. Weber v. G. Hauptmann): WienTBl. N, 69. — 157) (I 12:405.) — 158) (I 12:406.)
— 159) F. Mehring, G. Hauptmanns „Weber": NZ"*». 11, S. 769-74. — 160) M. Harden, D. Weberhimmel: Zukunft 5,
S. 380/4. — 161) (I 12 : 413.) - 162) M. Harden, D. Biberpelz: Zukunft 4, S. 661 6. — 163) (I 12 : 410.) - 164) (I 12: 407.)
— 165) (I 12:403.) — 166) X (I 12:375.) — 167) (I 12:376.) ~ 168) (I 12:374.) — 169) P. Schienther, E. theatral.
That: ML. 62, S. 56 8. — 170) X E. Derer, Nachgelassene Schriften. Her. v. A. F. Graf v. Schack. 3 Bde. Dresden,
Ehlerraann. XX. 228 S ; VIII, 184 S.; VIII, 160 S. M. 12,00. |[K. Pasch: ÖLBl. S. 663,4; R. M. Meyer: ML. 62, S. 817.]|
— 171) X A. Dulk, Sämtl. Dramen. 1. Ges.-Ausg. Her. v. E. Ziel. 2. Bd. St, Dietz. III, 388 S. M. 3,00. UNZ"". 11.
S. 138-44 ]| - 172) X H- Merriff, Ges. Schriften. 4. T.: Christnacht. E. Weihnachtsspiel für d. Volksbühnen. 2. Aufl. B.,
Luckhardt. VIII, 63 S. M. 1,30. — 173) X H. Hopfen, Neues Tlieater. Bd. III. B., Paetel. 237 S. M. 3,00. |[F. Munckor:
AZ". N. 283.J] — 174) X 0. Weddigen, Ges. Werke. Bd. 4. Epische n. dramat. Dichtungen. 2. Aufl. Wiesbaden, Bechtold.
VII, 392 S. M. 4,00. — - 175) X A. S[chlossar]: A. Frhr. v. Stifft: ADB 36, S. 217. -- 176) X id> F- Stamm: ib 35,
S. 430/2. — 177) X ifl-. Tli. Stamm (Graf Heusenstamm): ib. S 4334. — 178) X i<l . J- Streiter: ib. 30, S. 5678. - 179) X
K. Reissenberger, E. siebenbürg.-sächs. Dichter. (M. Albert): ÖUR. 15, S. 213/5. — 180) L. Fränkel, Z. sogen. Pseudo-
Lessingschen „Faust" d. P. Weidmann: G.Ib. 14, S. 293/4. - 181) F. Br., K. u. F. Stegraayer: ADB. 35, S. 565/7. - 182) F.
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./ 19. Jahrhunderts. IV*4:i8.3-20o
Lustspieldichter werden können, wenn er weniger oberflächlich und lebenslustig" ge-
wesen wäre. Seine Auffassung des Dramas, die sich auch in theoretischen Schriften
ausspricht, ist eine weit höhere, als die Kotzebues. — D ei n har d s t e i n stellt
sich in einem Briefe 's^) aus dem J. 1841 weit über Bauernfeld. —
In Raimunds 'S'*J „Gefesseiter Phantasie" sieht Müller-Guttenbrunn '**^)
ein Symbol seines dichterischen Schaffens. '^^"'^^) Er legt die Grundsätze dar,
welche ihn in der Bearbeitung dieses zur Eröffnung eines Raimund-Theaters wie
geschaffenen Festspieles geleitet haben. Er hat die Zusätze und Einlagen, die
Sauers Ausgabe bietet, gestrichen, auch manches Parodistische in den Reden der
Zauberschwestern getilgt und das Lied Amphios durch ein weniger schwülstiges
Gedicht ersetzt. Aus der Geschichte des Werkes, die Glossy skizziert, ersieht man,
dass Raimund es nur zögernd zur Aufführung brachte. Die Krones vergriff sich in der
Rolle der Phantasie vollständig. Auch Nestroy nahm das Stück nochmals auf. Im
Anhang werden einige ältere Zeitungskritiken mitgeteilt und ein Aufführungs Verzeichnis
gegeben. — Mülle r -Gutt enbr u nn i*^j hat auch eine Charakteristik Raimunds ge-
liefert, die mit Recht starken Nachdruck auf seine schauspielerische Thätigkeit
legt: aus ihr erwuchs erst der Dichter. Als solcher hat er keine neuen Formen
geschaffen, aber den Inhalt geadelt. Verwandlungen und Zauberkünste werden ihm
zu Symbolen in vollster Belebung. Dass Nestroys Erfolg Schuld an seinem Tode ge-
wesen, wird, wie gewöhnlich, auch hier wieder mit allzu starkem Nachdruck heraus-
gearbeitet. — Dass speciell das Vorbild Korntheuers Raimund zum Dichten aneiferte,
wie Wimmer 1^^) ausführt, scheint mir fraglich. Aus der Theater-Zeitung teilt W.
einige Scherze mit, die Raimund in andere Stücke einlegte. Am 17. Dec. 1823 sprach
er die Einladung zum „Barometermacher auf der Zauberinsel" „von Irgend Jemand".
Bekannt ist der Streit um die Autorschaft und Raimunds Protest. Noch 1846 gab
Meisl die Erklärung ab, dass das Stück ganz Raimunds Eigentum sei: ,, Ich habe dabei
kein Verdienst, als einen bis dahin vielleicht mit sich selbst unbekannten Dichter,
auf den wir stolz zu sein Ursache haben, aus dem Schlafe geweckt zu haben." —
Zum Verschwender-Stoffe weist Dorer'-'") auf ein Stück Lopes: Die Prüfung der
Freunde hin. —
Die Nestroy- Ausgabe von Ganghofer undChiavacci (vgl. JBL. 1891 IV 4:164;
1892 IV 4:117) giebt Ernst "") Anlass, Vischers Vorwürfe gegen Nestroys Frivolität
als unbegründet zurückzuweisen. Er ist ein Künstler der Karikatur, eines der
grossen, komischen Genies der Weltlitteratur und heute noch vollkommen lebendig.
— W'itttmann'-'2) repliciert auf Vorwürfe, die ihm eine Notiz des „Wiener Tage-
blattes" wegen Verdeutschungen in seinen Nestroy-Ausgaben gemacht '"^"i^ß): Er
habe nach norddeutschen Bühnenmss. einige dem grösseren deutschen Publikum
unverständliche Ausdrücke durch andere ersetzt, so z. B. nach dem Darmstädter
Regiebuch „Beuschl" durch — „Kamillenthee". — Die Ausgabe der Werke durch
Gottsleben 1"') nenne ich nur, um vor deren Kauf zu warnen. —
Grillparzer i'>8-i99j kehrt, nachdem die Hochflut der letzten Jahre abgelaufen,
wieder an seinen Platz unter den österreichischen Dramatikern des Gesamtkapitels
zurück. Das bedeutendste Ereignis ist der Abschluss der fünften Ausgabe der Werke,
der Sauers^ooj unermüdliche Sorgfalt neuen Glanz verlieh. Sie umfasst jetzt
zwanzig Bände (vgl. JBL. 1892 IV 11 : 130a). Die Einleitung (vgl. JBL. 1892 IV
11: 105a) hat, zumeist nach S.s eigenen Forschungen (vgl. JBL. 1892 IV 11:46, 170,
203, 204 usw.) im Detail viel gewonnen: so in dem Exkurs über das österreichisch-
patriotische Drama, für das die Anregung Hormayers bedeutungsvoll ist, über
Bearbeitungen des Medea-Stoffes u. a. Auch der Aufbau ist gelegentlich glücklich
abgeändert, bedeutsam tritt „Des Meeres und der Liebe W^ellen" in den Vordergrund.
Ottokar erscheint viel ausführlicher gewürdigt, mit Rücksicht auf die in N. 222 aus-
Brandes, A. E. Frhr. v. Steigentesch : ib. S. 577-SO. — 183) Ans Deinhardsteins Briefwechsel: Bohemia«. 1S92, N. 72. —
184) X >"• lf-1 Raimunds Flora: Fremdenbl. N. 329. — 185) A. Müller-Guttenbrunn, D. gefesselte Phantasie. Gelegen-
heitsschrift z. EröfFnnng d. Eaimnnd-Theaters. Mit e. Anh. z. Gesch. d. gefesselten Phantasie (von C. Glossy). Wien,
Konegen. 36 S. M. 0,50. |[Fremdenbl. N. 32.3.]l — 186) X F- Raimund, D. gefesselte Phantasie. Orig.-Zanberspiel in 2 A.
(Einrichtung d. Eiiimund-Theaters.j (= ÜB. N. 3136.1 L., Reclam. 64 S. M. 0,20. — 187) X F- Schütz, F. Ruimund, D.
gefesselte Phantasie: NFPr. N. 10517. — 188l A. Müller-Guttenbrunn, F. Raimund. (=IVla:32 [s. u. N. 206],
S. 94-116.) - 189) J. Wimmer, F. Raimunds erstes Theaterstück: Fremdenbl. K. 341. — 190) E. Dorer, D. Verschwender
auf d. Bühne. (== N. 170, S. 99-114.1 — 191) A. Sauer: LCBl. S. 21/2: P. Ernst: ML. 62, S. 6034. — 192) 0. F. Witt-
raann. Zu Nestroy: WienerLZg. N. 5. — 193) X »^ i J- Nestroy, Zu ebener Erde u. erster Stock oder d. Launen d. Glücke.
Posse inSA Durchges. u. her. (= ÜB. N. 3109.) L., Reclam. 92 S. M. 0,20. - 194) X id., id., D. böse Geist Lumpacivagabundus
oder D. liederliche Kleeblatt. Zanberposse in 3 A. Durchges. u. mit d. Extempores her. (= ebda. N. 3025.) 75 S. M. 0,20. —
195)Xidi id-, E. Jux will er sich machen. Posse in 4 A. Durchges. u. mit d. Extempores her. (= ebd.i. N. 3041.) 93 S. M. 0.20.
— 196) X id.. id., Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack. Posse in 4 A. Durchges. u. her. (= ebda. N. 3042.) 72 S.
M. 0,20. — 197) id., Werke. Her. v. L. Gottsleben. In 18 Bdchn. B., A. H. Fried & Co. 48, 56, 62, 64, 96, 74, 64, 60,
74, 80, 60, 64, 72, 62, i04, 103, 52 S. ä M. 0,20 (kompl. M. 3,00). (VIII S. Vorrede.) — 198) O R. Batka, Z. Andenken an
F. Grillparzer: BayreuthBll. 16, S. 82-90. — 199) O Th. Volbehr, Rede .auf Grillparzer. (= UI 5 : 3, S 153-75.) - 200)
F. Grillparzer, Werke. 5. Ausg. Her. v. A. Sauer. 20 Bde. .St., Cotta. 264, 240, 251, 232, 236, 256, 276, 268, 220, 268, 266, 219,
266, 191, 178, 196, 260, 203, 262, 250 S. M. 20,00. |[J. Seemüller: AZ». N. 296; J. Volkelt: DLZ. S. 34; A. Schlossar;
(4)12*
IV 4: 201-203 A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./ 19. Jahrhunderts.
gesprochenen Ansichten hat der „Treue Diener seines Herrn" eine viel gründlichere
Darstellung' erhalten. Das in der früheren Ausgabe ausgesprochene Bedenken gegen
Bancbans Verstummen vor der Leiche nimmt !S. hier zurück. Auch die politischen
Verhältnisse erhalten eine eingehendere Würdigung. Die vollendeten Dramen um-
fassen jetzt die Bände 4 bis 9. Dem Abdrucke sind die Nachworte Laubes aus der
ersten Gesamtausgabe wieder beigegeben worden, eine sehr erfreuliche Veränderung.
Band 10 bringt die Jugendarbeiten, Band 11 und 12 die dramatischen Fragmente,
mit manchen Textbesserungen und neuen Datierungen. Hinzugekommen sind die
früher (VLG. Bd. 1) von S. selbst mitgeteilten Fragmente und kleinere Stoff-
notizen. Im 13. Bande erscheinen jetzt zusammengefasst die dramatischen Ueber-
setzungen und Fragmente, mit zwei neu hinzugefügten Nummern: Otways „Gerettetes
Venedig" und Lopes „Der letzte Gote in Spanien". Dann folgen, um einige Stücke
vermehrt, zwei Abteilungen Satiren. Für die Bände 14 — 18 wurde mit Recht die
sachliche Einteilung beibehalten, im einzelnen erscheinen die verschiedenen Rubriken
bedeutend bereichert. Auch für die Schlussbände ergab sich manches Neue. Mög'e
jetzt aber auch der Text der Grillparzer-Ausgabe für lange Zeit sichergestellt sein!
In den Bemerkungen zur Kunstlehre (12, S. 1) sucht Volkelt Beziehungen auf
Schopenhauers „Welt als Wille und Vorstellung" (1, S. 218). Nachdem der Band
erst Ende 1818 erschien, dürfte wohl der Text irrtümlich 1819 datiert sein. — Ein
Aufsatz Grillparzers, der für die Gesellschaft der Musikfreunde, anknüpfend an die
Aufführung der „Jahreszeiten", Unterstützung aus den Kreisen der Kunstliebhaber
fordert, wird von Sauer^o') nach dem Abdrucke in der Wiener Zeitschrift für Kunst,
Litteratur und Mode vom 10. Jan. 1839 mitgeteilt. Das Grillparzer-Jahrbuch-''^)
bringt diesmal als bedeutsamste Gabe Grillparzers Tagebücher, herausgegeben und
mit Anmerkungen begleitet von Glossy^os). Nur zum Teil lag die Hs. des Dichters
vor, eine Abschrift, die Rizy hatte anfertigen lassen, musste ergänzen. Der Beginn
der Tagebücher fällt in die zweite Hälfte des J. 1808. Die letzte Aufzeichnung stammt
aus dem J. 1859. Das Grübeln des Dichters über sich und seinen Beruf, sein Selbst-
quälen lässt sich in diesen oft weit auseinander liegenden einzelnen Aufzeichnungen
genau verfolgen und liefert zu einer Charakteristik des Dichters nicht gerade neue,
aber sich jetzt verstärkende Züge. Gleich im ersten und zweiten Briefe erscheinen
die Jugendarbeiten „Bianca von Castilien" und „Die Schreibfeder", die ihm Zweifel an
seiner dramatischen Begabung überhaupt erregen. Erst die Anfänge des „Robert von der
Normandie" (N. 7) geben ihm Vertrauen. Der Tod der Schauspielerin Roose zerstört
seine Hoffnungen auf Aufführung der Tragödie (N. 17). N. 53 bringt ein Konzept
seiner Antwort auf Müllners Brief über die „Ahnfrau" an Schreyvogel vom 6. Mai
1817, der in der Anmerkung (S. 245) abgedruckt ist. Grillparzer bemerkt, dass „die
Ahnfrau in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht meine Ahnfrau, die Vorrede nicht
meine Vorrede ist". Er skizziert seinen dichterischen Entwicklungsgang. —
Bemerkung-en zur „Medea" bringen die Nr. 62, 69, 70. Ueber die Aufführung des
„Treuen Dieners" ist N. 95 nachzulesen. Im Anschluss daran sagt der Dichter von
sich selbst: „Ich fühle mich gerade jenes Mittelding zwischen Goethe und Kotzebue,
wie ihn das Theater braucht." — Die Arbeit an der „Hero" lässt sich vom 104. Briefe
ab verfolgen, schon im Febr. 1829 (N. 111) stellt sich Ueberdruss ein. Ueber die
Aufführung berichtet N. 127, besonders über den unwirksamen vierten Akt. „Wenn
ich durch ein paar noch folgende, gelungene Leistungen mich in der Zahl der
bleibenden Dichter erhalten kann, mochte leicht eine Zeit kommen, wo man den
W^ert des wenn auch nur Halberreichten in diesem 4. Akte einsehen möchte." 1832
arbeitet er an einer Revision (N. 145/6). Beim Zusammentreffen mit Erzherzog Johann in
Gastein denkt er an ihn als Erzhei-zog Matthias, wenn er seinen Rudolf II. aus-
führen sollte (N. 128). Er arbeitet Dec. 1831 mit Unlust an „Libussa" (N. 131). Im
Anschluss an die Aufführung von „Traum ein Leben" erzählt er die Entstehungs-
geschichte (N. 154). Für den Monolog des Bischofs in „Weh dem der lügt" macht
Grillparzer auf eine auffallende Parallele bei Montaigne aufmerksam (N. 166). Was
persönliche Beziehungen Grillparzers betrifft, so sind die Tagebücher besonders über
den Verkehr mit Fröhlichs und Daffinger sehr aufschlussreich. In den ersten Briefen
erscheinen Jugendfreunde wie Wohlgemuth und Altmütter. Am 28. Febr. 1829
empfing Grillparzer den Besuch des Schauspielers undDirektorsF. L.Schmidt. DieFuss-
reise nach Ischl wird ihm (26. Aug. 1831) durch seine Genossen verleidet. Besonders
scharf ist das Urteil über Bauernfeld : „Bauernfeld fängt an, durch das Komödien-
wesen und den Umgang mit Schauspielern verdorben zu werden . . . Bauernfelds
Vorzüge gehen alle aus der Empfindung hervor; wenn er ihr untreu wird, ist auch
BLU. S. 346/7.JI — 201) A. Sauer, E. verschollener Aufsatz Grillparzers: NFPr. N. 104S9. — 202) Jahrbuch d. Grillparzer-Ge-
sellschaft. Bd. 3. Wien, Konegen. V, 398 S. M. 10,00. l[AZgl!. N. 275; LCBl. S 828/9; M. Necker: BLU. S. 163/6; F. Beck:
WienerZg. 22. Apr.; M. Necker: FZg. N. 40; Presse N. 33; 0. Teuber: Fremdenbl. N. 33; R. M. Meyer: ML. 62, S. 341 ]|
— 203) C. Glossy, Ans d. Grillparzer- Arohiv. Tagebuchbll. (= N. 202, S. 95-268.) (Auch als Sonderabdr. erschienen.
A. von Weilen, Drama und Theatergeschichte des 18/19. Jahrhunderts. IV 4 -. 203
sein g-anzer Wert verloren." Sein Leichtsinn wird ihm (16. Sept. 1832) widerlich,
„seine dramatische Anlage ist ohnehin schwach." Das Lustspiel „Das letzte Aben-
teuer" (10. Okt. 1832) „zum Teil bezaubernder Dialog', aber Anlag-e und Erfindung*
doch einmal gar zu ärmlich. Ob es der Mann je im Lustspiel zu etwas bringen
wird? Ich verzweifle beinahe." Grosse Anerkennung spendet er (20. Dec. 1831) den
poetischen Leistungen seines ehemaligen Schulkollegen Hornbostel, den er über Tieck
stellen möchte. Die Anmerkungen bieten (S. 258) einige Nachrichten über diesen
verg-essenen Schriftsteller und seinen ung-edruckten Nachlass. In Berlin lernt
Grillparzer 1847 A. von Humboldt kennen (N. 172), bei dem ihm die g-eistig-e
Athmosphäre fehlt: „Man fühlt nicht die Gegenwart eines bedeutenden Mannes."
Dadurch, dass Grillparzer sich, um sein oft gescholtenes Gedächtnis zu unter-
stützen, Aufzeichnung-en über und aus seiner Lektüre macht, kommt es zu in-
teressanten litterarischen Urteilen. 1809 betrübt ihn Lichtenbergs Urteil über
Sternes Charakter, dessen „Empfindsame Reise" immer seine Liebling-slektüre war
(N. 23, 28). 1810 vollzieht sich die Wendung von Schiller zu Goethe (N. 33/4), die
durch die Lektüre des Tasso entschieden worden, doch stellen sich (N. 35) wieder
Zweifel ein, ob er nicht Schiller Unrecht thue, besonders bei der Lektüre der „Jung-
frau von Orleans" (N. 35). Noch 1859 hat er Geleg-enheit, anlässlich der Schillerfeier
seine Stellung- zu präcisieren (N. 186). 1811 spricht er ein scharfes Urteil über das
„behagliche Wohlgefallen an sich selbst . . nebst einer gewissen gelehrten Affektation",
die in J. von Müllers Briefen herrschen (N. 78, vgl. auch N. 64). Aus den Confessions
Rousseaus, die ihn erschrecken, sich selbst darin zu sehen (N. 63), zeichnet er sich
gelegentlich Stellen auf (N. 69, 70, 71, 74). Nach G.s Mitteilung (S. 247) findet
sich eine Uebersetzung des Contrat social aus dem J. 1808 im Nachlass. 19. Dec.
1831 heisst Diderot, dessen Memoiren er liest, der Lessing der Franzosen. „Diderot
ist feiner und beweglicher, begabt mit dem glücklichen Takt der Franzosen. Lessing
aber ist mehr Mann. Als Kunstrichter und Kenner steht Lessing weit über jenem." Er
bespricht 1850 (N. 177) die Stelle aus der Dramaturgie, wo Lessing sich anheischig
macht, jedes Stück Corneilles besser zu machen. „Wenn er damit meinte „verbessern",
so mochte er allerdings recht haben. Hätte er aber damit gemeint, von vornherein
besser oder auch nur eben so gut zu machen als Corneille, so wäre er in einem
grossen Irrtum befangen gewesen, schon darum, weil Corneille ein eigentlicher Dichter
war. Lessing aber in seiner Vielseitigkeit die Poesie nur nebenbei zum Ausruhen
von anderer Beschäftigung trieb." Grillparzer bedauert, dass Lessing sich der
bürgerlichen Tragödie zuwendete. Julius Caesar erscheint ihm nach Holteis Vor-
lesung (1841, N. 162) als kein gutes Stück, es verläuft in rein historisches Interesse
und endet als „Begebenheit, statt dass es zur Handlung geworden wäre." Während fran-
zösische, eng'lische und spanische Litteratur oft mit einig-en Worten erwähnt erscheint,
die klassische Litteratur durch Tacitus, Thukvdides usw. vertreten ist, spielt die zeit-
genössische deutsche Litteratur eine ziemlich geringe Rolle in Grillparzers Lektüre.
Im Theater sieht er Raupachs „Fürsten von Chawansky" : „Miserables Stück. Gefällt
dem Publikum sehr. Recht en niveau mit ihm" (21. Dec. 1831, N. 134). Am IL Okt.
1832 verzeichnet er den kompletten Durchfall von Mailaths „Zauberschwestern": „Ich
habe es ihm vorausgesagt. Eine abgeschmackte unwahre Natur, dieser Autor"
(N. 144). S. Engländers Auftreten im „Humoristen" giebt Grillparzer Anlass zu ab-
fälligen Bemerkungen (N. 175). Viele verstreute Notizen begegnen über Musik und
musikalische Werke; Weber erscheint ihm als der musikalische Müllner (N. 90, 108).
Die Anmerkungen G.s orientieren vorzüglich über die erwähnten Persönlichkeiten und
Werke, vielfach aus hs. Mitteilungen schöpfend. Einige Druckirrtümer seien im
Folgenden berichtigt. Lies: N. 4 (S. 102) Altmütter für Altmüller, N. 8 (S. 106) Mose
für Wieser. N. 128 (S. 191) heisst der Name Heidegger; in der Anm. S. 256 steht:
„Richtig: Heidegger." Folglich muss der Name Inder Hs. anders lauten. N. 134 (S. 199)
die Fürsten Chavansky für Fürstin. N. 147 (S. 209) Rosetti für Roselli. N. 157
(S. 217) spricht er über den geringen Erfolg von „lieben ein Traum;" gemeint ist
„Traum ein Leben". Hat Grillparzer den IiTtum selbst begangen? N. 175 (S. 224)
muss es heissen: in ein hiesiges Blatt. In der Anm. zu N. 2 (S. 234) muss es nach
freundlicher Mitteilung D. Daubrawas heissen „11. Jan. 1808 in crudis vollendet"; die
zweite Fassung wurde am 20. (nicht 10.) Jan. 1809 vollendet. Zu N. 16 (S. 238)
muss es heissen: Hekabes Klage (f. Kloya). Enks Brief an Heinzel ist (S. 250) un-
genau citiert. Zu N. 108 (S. 254) die erste Aufführung des Oberon war am 15. Febr.
(nicht 25.) 1829. Zu N. 133 (S. 258) Hornbostels „Maria" hat 3 (nicht 5) Akte. Zu
N. 137 (S. 260) Vigny ist 1863 gestorben. Zu N. 142 (S. 260) Karr ist zu München
geboren. Zu N. 162 (S. 264) das Citat aus den „Vierzig Jahren" steht VI 348. Im
allgemeinen möchte ich noch mit Bedauern hervorheben, dass diesem Bande des
„Jahrbuches" jedes Register fehlt. Auch mangelt bisher eine kritische Bibliographie
der neuen Erscheinungen der Grillparzerlitteratur, wie sie jedes derartige Jahrbuch
IV 4: 204-211 A. von Weilen, Drama und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts.
bietet und bieten muss. — Als dritten Band seines deutschen Dramas des 19. Jh.
hat Fried mann 204^ eine Grillparzer-Biographie g-eg-eben; er fasst ihn beinahe zu sehr
als Epigonen Schillers und Goethes, als „antike Statue"; Kleist hätte vor allem mehr
beachtet werden können. Wieder sind die Analysen sehr wohl geraten, das
Urteil ruhig und verständig. In der „Ahnfrau" sieht F. weniger eine Schicksals-
tragödie, als die Darstellung des Vererbungsgesetzes; der eigentlichen Jugenddramen
geschieht nur gelegentlich Erwähnung. Zur ,,Sappho" zieht er die italienischen
Dichtungen L. Marencos und L. Scevolas (1815) herbei. Sehr verdienstlich ist es, dass
F. gerade die späteren Dramen Grillparzers, die dem Ausländer schwerer verständlich
sein dürften, mit besonderer Sorgfalt behandelt. In „Weh dem der lügt" fasst
er Galomir zu sehr als „idiota bestiale", der Vergleich des Stückes mit Beaumarchais
Figaro, den der Vf. selbst eigentlich wieder zurückzieht, ist etwas gesucht. Dadurch,
dass er die Figur des Bischofs aus seiner Analyse fast wegeskamotiert hat, wird das
Grundproblem nicht klar. Mit der „Libussa" weiss er nicht viel anzufangen. Dass er
Bergers Vorlesungen nicht kennt, fällt bei der ,, Jüdin von Toledo", die er hübsch mit der
Carmen Merimees vergleicht, viel einschneidender aber bei der „Esther" auf, die er
so nicht richtig auffasst. Die Fragmente werden nur gestreift, der „arme Spielmann"
mit Annunzios „Giovanni Episcopo" verglichen. — Ein gänzlich verunglückter Versuch
Fr eybes -"•'') sucht Grillparzers Weltanschauung als auf der Offenbarung- beruhend
darzustellen, mit fortwährenden Hieben auf unsere arge Zeit. — Eine Sammlung
biographischer Artikel hat Müller-Guttenbrunn^oöj unter den Titel „Im Jh.
Grillparzers" zusammengefasst. Er betont einleitend, dass mit Grillparzer, Hamerling
und Anzengruber das Acht-Millionen- Volk der Deutschen in Oestereich in diesem Jh.
seine Schuldigkeit gethan habe. Der erste Aufsatz bietet eine hübsche Charakteristik
des Menschen Grillparzer (vgl. JBL. 1892 IV 12 : 78). — Zur Familiengeschichte des Dichters
liefert Sauer-"^) wertvolle Beiträge; der Name Grillparzer, der mit dem sla vischen
po rece (am Flusse) zusammenliängt und so viel bedeutet, wie der an einem Grillen-
parz ansässige, begegnet uns schon im 15. Jh. bei österreichischen Weinbauern. Der
(irossvater Josef erscheint in den siebziger Jahren als Gastwirt in Wien; er hinterliess
eine Tochter, verehelichte Koll, deren sieben Kinder eine schwere Sorge für den Bruder
Wenzel, den Vater des Dichters, wurden. Dieser, um 1760 geboren, studierte Jus und
wurde Advokat. Seine Dissertation ,,Von der Appellation an den römischen Stuhl" atmet
JosefinischenGeist und ist voll dramatischer Wärme. Soviel der Sohn an Gesinnung und
Temperament vom Vater überkommen, der dem Vater des „armen Spielmanns" und
Rudolf II. Züge geliehen, ist seine Haltung doch streng antipoetisch. Hier steuerte
die Mutter bei, eine geborene Sonnleithner, deren Eltern und Voreltern im litterarischen
und künstlerischen Wien eine bedeutende Rolle spielten, besonders auf musikalischem
Gebiete. Auch die drei Brüder des Dichters gerieten mehr nach der Mutter. Am
meisten der verhätschelte Camillo, ein echtes musikalisches Talent, der 1865 in Linz
als Hypochonder endete. Er schwebt im „armen Spielmann" sichtlich vor. Der
jüngste Bruder Adolf, musikalisch und poetisch veranlagt, tötete sich selbst. Karl
hat das interessanteste Leben gehabt, das ihn abenteuernd zu Andreas Hofer, nach
Corfu, in den französischen Feldzug- führte. Auch ihn umnachtet öfter der Wahnsinn, der
Dichter muss für ihn sorgen. Auch ein Grossneffe Grillparzers, ein natürlicher Sohn
einer Tochter Karls, endete durch Selbstmord. So liegt ein Fluch auf der Familie,
den der Dichter schwer empfindet. — In den Gesuchen des Beamten Grillparzer^o»)
findet Schleich^"«*) eine Mischung von Bescheidenheit und Selbstbewusstsein,
der Schriftsteller zeigt sich in der Art, wie einzelne Gedanken zq selbständigen
Exkursen ausgesponnen werden. — Von Testamenten^'oj Grillparzers sind drei vor-
handen: Das eine vom 7. Okt. 1848 setzt seinen Bruder als Erben ein, nur der schrift-
stellerische Nachlass gehört Kathi Fröhlich. Die „dem Schein nach vollendeten"
Trauerspiele „Rudolf IL" und „Libussa" sollen vernichtet werden. Er will nicht, dass
sein Name „durch derlei leblose und ungenügende Skizzen geschändet werde". Er
bittet Kathi seinen Tod mit Fassung zu ertragen, „da er mein Wunsch ist". Das zweite
Testament vom 29. April 1863 ernennt die Kinder seines Bruders und den Sohn seiner
Nichte zu Erben, er bestimmt seine litterarischen Arbeiten und den Ertrag der Ge-
samtausgabe den Schwestern Fröhlich. Diese erscheinen im letzten Testamente 1866
als alleinige Erbinnen und die Beteilung der Familie wird ganz ihrem Ermessen
überlassen. — Von persönlichen und litterarischen Beziehungen Grillparzers sind die
zu Feuchtersieben von Necker ^n) beleuchtet worden. Seine Stellung im Kreise des
Wien, Konegen. 172 S. M. 4,00.) — 204) S. Friedraann, II dramma tedesco del nostro secolo. III. F. Grillparzer. Milano,
Chiesa. 203 S. L. 3,00. -■ 205) A. Freybe, D. ethische Gestalt in Gvillparzors Werken. Gatersloh, Bertelsmann. 39 S.
M. 0,80. ([M. Neclter: AZg". N. 165; KcnsMschr. S. 592; ThLBl. 14, S. 188.]| (Zuerst in BGl. 14, S. 24-35, 57-73, 93-127;
s. 0. I 12:93.) — 206) (IV 1 a : 32.) ([F. Poppenberg: ML. 62, S. 146.J| — 207) A. Sauer, Studien z. Familiengesoh.
Grillparzers. (= II 3:49; S. 195-214.) - 208) X Grillparzer als Beamter: DBühneng. 22, S. 444. — 209) R. Scheich,
Grillparzers Beamtenl auf bahn: ZDU. 7, S. 540;5. — 210) Grillparzers Testamente: WienerZg. N. 3. (Auch: BerlTßl. N. 8;
Didaslt. N. 46; MünchNN. N. 1; ML. 62, S. 34.) — 211) M. Neck er, E. Frhr. t. Feuchtersieben, d. Freund Grillparzers.
A. von Weilen, Drama und Tlieaterg-eschichte des 18./ 19. Jahrhunderts. IVt:2i2-2i8
Dichters beruht nicht auf der Intimität des Verkehrs, sondern auf der Bedeutung
seiner Persönlichkeit, die aus einigen neu mitgeteilten Briefen klar hervortritt. In
der Charakteristik, die Grillparzer von Feuchtersieben gegeben, zeigt sich die Ver-
wandtschaft beider Naturen. Feuchtersieben ist aber kein Dichter von weiter
Phantasie; er wurde zum Muster eines Bildungsmenschen. Aehnlich sind sich beide
Individualitäten in ihrer hypochondrischen Stimmung, aus der heraus sie schaffen, gegen
die Feuchtersieben eigentlich seine „Diätetik der Seele" richtet, um sie zu bekämpfen.
Der Gegensatz von Thun und Betrachten, der Feuchterslebens Persönlichkeit durch-
zieht, macht ihn Grillparzer so sympathisch. Aus einer Reihe von Stellen in
Feuchterslebens Schriften spricht seine Verehrung für Grillparzer. — Sehr viel Per-
sönliches über Grillparzer steht in den von Glossy2i2j vorgelegten Briefen
Karoline Pichlers an Therese Huber, von denen wohl kurze Auszüge genügt hätten.
Die litterarischen Urteile über ihn, Deinhardstein (S. 280), Kurländer (S. 293), Raupach
(S. 309, 324), Zedlitz (S. 346), Immermann u. a. sind ziemlich belanglos; ausführ-
licher^wü'd über die Aufführung der Schlacht von Fehrbellin (S. 318) gehandelt, mit
spöttischem Seitenhieb auf Dresden, das sich von Tieck am Gängelband führen liesse.
Hauptgegenstand der Unterhaltung bilden die schriftstellerischen Erzeugnisse der
Damen selbst. — Ein Anonym us^ '3) zieht die Kritik Börnes in der „Wage" vom
Aug. 1819 über die Aufführung der „Ahnfrau" in Frankfurt hervor, scharf gegen
die Schicksalstragödie, aber voll Anerkennung des herrlichen und geistreichen
Dichters. Ebenda feiert er die „Sappho" und die Scenen aus „Traum ein Leben".
Eine briefliche Aeusserung vom J. 1825 wendet sich gegen das „Goldene Vliess". Der
Besuch Grillparzers bei Börne (1836) wird nach der Selbstbiographie dargestellt. —
Seine Beziehungen zu 0. Prechtler (vgl. JBL. 1892 IV 12: 126/7) geben Müller-
Guttenbrunn2'4) Anlass, ein Wort zur Rettung des vergessenen Dichters ein-
zulegen. Er wurde ein Abklatsch Grillparzers, aber, dass er Bühnentalent hatte,
zeigt sich in seiner .Begabung, Stoffe zu finden. So stammen der zu Laubes „Cato
von Eisen" und der zu Mosenthals „Deborah" von ihm. — Aus Tagebuchblättern Bauern-
felds teilt Clara Schreiber 2'5) einige Aeusserungen über Grillparzer mit. Ueber sein
zur Preisbewerbung eingereichtes Lustspiel „Der kategorische Imperativ" äusserte
sich Grillparzer, wie Laube Bauernfeld mitteilte (1851), günstig, forderte aber, dass
die politischen Ausfälle weg' blieben. Bei der Grillparzer-Feier „oder Laube-Feier
sprach Laube, der sich „patzig" machte, die zu lang und litterarisch sich ausspinnende
Festrede sehr wirksam, viel Selbstveiheniichung." Er charakterisiert: „Grillparzer
hat wohl Gemüt, aber ein passives". Er war auch ein dramatischer Einsiedler.
„Bin ich es nicht auch, aber in anderer Weise." Beleidigungen vergass er selten oder
nie. „Dem Beethoven trug er es sein Leben lang nach, dass er die „Melusine" nicht
komponieren wollte." Deshalb pries er Mozart: „Auch gegen Goethe hatte er eine
Ranküne. Es scheint, dass der grosse Pan in Weimar den jungen österreichischen
Dramatiker zu seinen Theorien bekehren wollte. Das war genug, um Schiller zu lob-
preisen." Ebenso ging es mit Shakespeare. Er blieb eigensinnig bei seinem Lope,
bei dem er abends immer einschlief. „Die Natur hat ihn gross angelegt, aber er
blieb ein Torso." „Ottokar" erscheint Bauernfeld als das beste Stück, „Das goldene
Vliess" sollte nur einen Abend haben. Das Traumleben in der „Hero" ist vortrefflich,
„aber die Hauptsache hausbacken", Melitta ist zu modern. Die ersten Akte der
„Jüdin" sind vortrefflich, die letzten abscheulich. Dieses Urteil bestätigt Bauernfeld
die Aufführung. Persönlich zieht er sich von Grillparzer zurück, weil er sich ihm nicht
aufdrängen wollte. — Es sind hübsche Beobachtungen von Tomanetz^ie-siTj ^u ver-
zeichnen, die sich leider auf Grillparzers Prosa beschränken. Er holt einige auffällige Wort-
bildungen und dialektische Wendungen hervor. Ersichtlich ist der starke Einfluss,den die
Umgangssprache auf Grillparzers Stil genommen. — Den Einfluss, den Goethe auf
ihn geübt, erörtert Waniek^i^j. Die Wendung, welche Grillparzer von Schiller zu
Goethe durchmachte, geht auf Schreyvogel zurück, dessen Schätzung Lessings auch
in den der „Minna von Barnhelm" entlehnten Motiven der „Schreibfeder" ersichtlich
ist. Spartacus wie der Faustplan, aus dem manches in „Traum ein Leben" über-
gegangen, zeigen Goetheschen Geist. ,,Wer ist schuldig?" klingt schon im Titel an die
Mitschuldigen an. Später tritt Goethe gegen Shakespeare und die Spanier zurück.
Doch ist in der „Ahnfrau" noch manches Goethesche Element, so in dem Liede Berthas:
„Ich kann's nicht fassen." Am merkbarsten ist der Einfluss Goethes in der Sappho,
nicht so sehr der Tassos, sondern der Iphigeniens. Mit dem Tasso hat Sappho mehr
den Begriff, mit Iphigenie mehr die Anschauung gemein. Besonders lernt Grill-
parzer bei Goethe das Periodisieren; die Klagen um das verlorene Glück kehren im
(= N. 202, S. 61-93.) - 212) C. Qlossy, Briefe v. Karoline Pichler an Therese Huber. (= N. 202, S. 269-315.) — 213)
Örillpiirzer ii. Börne: MontagsR. N. 5 — 214) A. Müll er-Gnttenbrunn, 0. Prechtler n. P. GriUparzer. (= N. 206, S. 29-81.)
— 215) Clara Schreiber, Bauernfeld aber Grillparzer: NFPr. N. 10348. (Auch Didask. N. 141.) — 216-217) (1 8: 115.)
(Dazu R. T. Payer: ZOG. 44, 1Ü69.J — 218) G. Waniek, Grillparzer unter Goethes Einfluss. (Aus Xenia Austriaca. Abt. 2,
IV 4: 219-223 A. voii Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./1 9. Jahrhunderts.
Monolog der Melitta wieder, der ähnlich wie die erste Rede der Iphigenie disponiert
ist. W. findet auch Aehnlichkeiten in der Charakteristik Iphig-eniens und Sapphos.
Mit mehr Recht werden Melitta und Gretchen zusammengestellt und der Faustplan
herbeigezogen, in dem sich Melitta und ein Phaon vorgebildet finden. Für die
Expositionsscene wird auf „Elpenor'- verwiesen. Auch in späteren Werken Grillparzers
zeigt sich Nachwirkung Goethes, besonders in der Faustischen Verhen*lichung' der Selbst-
begrenzung. Auch die Hero weist Parallelen im Aufbau zu Iphigenien auf. üie Figur der
Rahel erinnert W. an „die natürliche Tochter". Auch die Freude an weiblichen Gestalten
ist beiden Dichtern gemeinsam. — Von der „Ahnfrau" liegt eine gute Schulausgabe
durch LichtenheDPi») vor. — Das Buch Schwerings (vgl. JBL. 1892 IV 12:14,
164, 171, 181, 193, 213, 228) hat zwei grössere Recensionen220^ erfahren. Sauers
Besprechung strotzt von stoffgeschichtlichen Nachweisen für die antikisierenden
Dramen, besonders für Sappho. Er macht auf Thorwaldsens Jason aufmerksam, den
Grillparzer kannte. Das Calderonsche Drama El mayor monstruo los zelos wirkt nicht
nur auf die „Ahnfrau", sondern auch auf „Medea" ein. Der Bericht Costenobles über
die „Sappho" wird ganz mitg'eteilt. S. weist den Einfluss F. von Kleists entschieden
ab und teilt einen Brief seiner Witwe mit, worin sie Grillparzer um ein Exemplar
der „Sappho" bittet (13. Juli 1818). S. zeigt an Sappho und Hero, wie Grillparzer
das Meer für seine Bilder verwertet. In der Stil- und Versverschiedenheit des
Goldenen Vliesses wie in der Anwendung der Allitteration ahmt Grillparzer Fouque
nach. In den Einwendungen gegen die Disposition und den Aufbau des Buches stimmt
S. mit A. von Weilen überein, der den Einfluss H. von Kleists stärker betont sehen
möchte. Elr weist nachdrücklich auf die echt wienerischen Elemente hin, die „Sappho"
und „Des Meeres und der Liebe Wellen" durchziehen. Das letztg-enannte Stück zeigt
Spuren der Berührung mit Marlowe-Chapmans Epos, möglicher Weise hat Grill-
parzer auch Byrons Bride of Abydos gekannt. — Ungerechtfertigte Bedenken
Kilians22ij gegen scenische Angaben im 1. Akte der Argonauten hat schon die
Redaktion des Jahrbuchs zurückgewiesen. — Eine ausführliche Studie hat Sauer'-22)
dem „Treuen Diener seines Herrn" gewidmet. Katona hat eine Tendenztragödie ge-
schaö'en, Grillparzer, teilweise anderen Quellen folgend, giebt die Tragödie der Treue,
wie er sie schon längst mit einem anderen Stoffe (in „Zwei gute Hornbläser" oder
„Jaromir in Böhmen") geplant hatte. Der Stoff kam ihm von aussen, durch einen
offiziellen unausgeführten Auftrag, kein innerliches Bedürfnis leitete ihn dazu. Gerade
dadurch wurde aber das Stück von so grosser Wirkung-, dass es ihm ferner stand
und sich von seinem Innenleben loslösen konnte. Bancban wird auf eine dreifache
Probe gestellt. Die Hauptsituation war im zweiten Akte, in der Stellung Ernys
zwischen Prinz und Gemahl. Diese Scenen hat Grillparzer immer wieder um-
gearbeitet, nach VerStärkungsmitteln suchend, um schliesslich ganz auf solche zu ver-
zichten. S. giebt Bancbans Charakteristik, deren Schlüssel im letzten Akte liegt. Da
drängt sich das Menschliche vor; Pflichten, die von den Unterthanen begehrt werden,
sind auch Pflichten für den Herrscher und die Seinen. Da trifft der Dichter mit
Hans Sachs zusammen, und sein Werk wird ein Fürstenspiegel, wie besonders aus
den in älterer Fassung- mitgeteilten Schlussworten hervorgeht. In der Spitze, die das
Drama g'egen die Unsittlichkeit erhält, hängt es mit den Plänen einer Lucretia zu-
sammen, bei der Tarquinius Züge Ottos aufweist, und tritt in nahe Verwandtschaft zum
„Marino Falieri". Der geplante „Saul" mit der biblischen Scene, in der Saul mit dem
Speer wirft, ist deutlich im „Treuen Diener" noch erkennbar. Hier zeigt sich in
Grillparzers Dichtung zum ersten Mal der Einfluss der Spanier, der Grundgedanke
weist auf Lopes „Demetrius" hin, wie die ganze realistische Charakteristik im allgemeinen.
Bancban hat in seinem etwas pedantischen Rechtsgefühle auch Züge von Grillparzers
Vater, König und Königin, die in einem älteren Ms. noch sicherer erscheint, von
Graf und Gräfin Stadion. Dort war auch Erny noch kühler angelegt. Grillparzers
Kunst zeigt sich im Herzog Otto am grossartigsten. Das Verbot des Stückes wird
durch die mitgeteilten Akten und Briefe neu beleuchtet, besonders in den gewundenen
Berichten Sedlnitzkys. Auf dessen Rat urgierte Grillparzer eine Entscheidung mit
der Motivierung, dass fremde Bühnen das Stück forderten, und das Werk wurde frei
gegeben. Grillparzer war durch diesen unerhörten Handel auf das tiefste getroffen.
Zum Schluss teilt S. einen schönen Brief Feuchtersieb ens über das Drama mit. —
Ein würdiges Seitenstück zu diesem Aufsatze bildet Minors 223) Studie über „Weh
dem der lügt". Die Jugendlustspiele zeigen die Art Kotzebues, aber trotz aller
Kindlichkeit hat die „Schreibfeder" im Problem eine gewisse Verwandtschaft mit
„Weh dem der lügt". Grillparzer war ein Kenner des europäischen Lustspiels und stand
S. 65-99.) Bielitz, Fröhlich. 33 S. M. 0,80. — 219) F. Grillparzer, D. Ahnfrau. Mit Einl. n. Anm. v. A. Lichte nheld,
(= Schulausg. dtsch. Klass.) St, Cotta. 182 S. M. 1,20. j[F. Frosch: ZOG. S. 333/6 ][ —220) A. Sauer: ADA. 19, S. 308-38;
A. T. Weilen: ZOG. 44, S. 919-26; ÜLBl. S. 205. — 221) E, Kilian, Miscellen z. 2. Teil d. Vliess-Trilogie. (= N. 202,
S. 366;?.) — 222) A. Sauer, E. treuer Diener seines Herrn. (= N. 202, S. 1-40.) — 223) .T. Minor, Grill[.arzer als Lust-
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des IB./l 9. Jahrhunderts. IV 4: 224-237
Bauemfeld mit Rat und That zur Seite. So wird „Weh dem der lügt" eine not-
wendige Frucht. Aus der Quelle, einer Erzählung* Gregors von Tours, hat Grillparzer
den Gang der Handlung beibehalten, aber reiche Zuthaten und feinere Motivierung-
gegeben, besonders durch die frei erfundene Figur der Edrita. Der Gegensatz von
Barbarei und Kultur, der in dem „Goldenen Vliess" tragisch ausgeführt wurde, erscheint
hier von der humoristischen Seite, Edrita folgt dem Fremdling wie Medea. Das
Interesse bei Grillparzer beruht nicht darauf, ob die Flucht gelingt, sondern wie sie
gelingt. Leicht und ungezwungen wird das Thema in der Exposition gegeben. In
Leons „Man wird ja sehen" liegt das Lustspiel im Gegensatz zum Imperativ des
Trauerspiels. Grillparzer vertieft das Thema in der Durchführung: Leon geht von
der äusserlichen Beobachtung des Grundsatzes zur inneren Wahrhaftigkeit vor, vom
Buchstaben zum Geiste des Gebotes. Zum Schluss siegt mit Humor wahr handeln
über wahr reden. Leon, ein Verwandter des Grazioso, malt, was Grillparzer ganz
fehlte: die Weitläufigkeit; wienerische Elemente machen sich glücklich geltend.
Atalus ist der Typus des herabgekommenen Adligen, wie er im vormärzlichen
Oesterreich gedieh. Galomir war vom Dichter nicht als abstossende Figur gedacht,
sondern dem heimatlichen Typus des Hanswurst genähert. Auch von Seite der
Technik gehört es zu den echt Grillparzerschen Thesenstücken, bei denen Anfang
und Schluss den Rahmen der Dichtung bilden. — Bei Besprechung einer Dresdener
,,Esther"-Aufführung 1875 gesteht Auerbach224)^ Jass er Grillparzers frühere Dramen
wie nachgemachte Antiken in Stearin angesehen. Erst Ottokar und Esther hätten ihm die
Ueberzeugung gegeben, dass in Grillparzer ein wirkliches Talent stecke. Er ver-
mutet, dass sich in der weiteren Handlung der Ueberschätzung Esthers eine Unter-
schätzung der Jüdin entgegengestellt haben dürfte, und leugnet die Möglichkeit eines
tragischen Schlusses. Am „Traum ein Leben" tadelt er, seine frühere Aeusserung
gegen die antiken Dramen wiederholend, dass, ähnlich wie bei Raimund, die Stimmung
zwischen Realistik und Märchenton gaukle, und der Grundgedanke eigentlich platt
sei. „Es bleibt aber doch ein Dichter, nur ein gedrückter, fast gebrochener."
Aus Bauernfelds Nachlasse sind vereinzelte Blätter ans Licht gedrungen,
die selten Eigentümliches und Wertvolles hieten'^'^'^-^^'). In den Notizen, die
Clara Schreiber228) bringt, betrauert er tief und erschüttert den Tod AI. Schwinds,
nennt Strauss alten und neuen Glauben unerquicklich, bewundert Wilbrandts Kleist-
Biographie. Ueber Shakespeare heisst es : „Mit Shakespeare kann ich nicht behaglich
genug umgehen, ich fühle nur zu sehr, dass ich nicht seines Gleichen bin." Ge-
legentliche kleine Ausfälle richten Laube und die Schauspieler, die er tadelt, weil sie
bei einem neuen Stücke nur an ihre Rollen denken. — Viel Anlass zur öffentlichen
Besprechung hat die Herausgabe seines dramatischen Nachlasses durch F. von
Saar -29 j gegeben, der ein kurzes Vorwort über die Entstehungszeit der vom Dichter
selbst noch zum Druck bestimmten Stücke vorausschickt. — Nach Bauernfelds münd-
lichem Berichte stellt Franz os^^O) seinen Gang in die Hofburg mit Auersperg am
15. März 1848 und das Gespräch mit Erzherzog Franz Carl dar. —
Im Anschluss an die Wiederaufführung von Friedrich Halms23i-232^ „Verbot
und Befehl" entwirft Speidel233^ eine kurze Charakteristik des Dichters, von dem
eigentlich nur mehr der „Sohn der Wildnis" lebt, der aus dem echtesten Wiener
Geiste die Civilisation des Menschen durch echte Weiblichkeit darstellt. In dem oben-
genannten doktrinären Lustspiele macht sich Halms persönlicher Hass gegen das
Beamtentum Luft. —
Friedrich Hebbel 234-236^ erscheint als Höhepunkt des psychologischen Dramas
in der italienischen Studie Friedmanns237^^ welche ihre grossen Vorzüge mitden beiden
anderen bereits genannten Biographien teilt. Nur flüchtig wird Grabbe als Vorläufer
Hebbels ins Auge gefasst, eine Rolle, die Büchner abgesprochen wird, am Schlüsse
des Buches werden R. Griepenkerl und Elise Schmidt als Schüler genannt, als
Geistesgenosse erscheint 0. Ludwig allzu flüchtig behandelt, dem der Vf. weiter
weniger Sympathien als Hebbel entgegenbringt. Hebbel selbst sind ausgezeichnete
Analysen gewidmet, welche die psychologische Seite seines Dramas stark heraus-
spieldichter u. Weh dem der lügt. (= N. 202, S. 41-60.) — 224) (S. u. N. 314, S. 182/8.) - 225) X A. MQller-Gutten-
brunn, E. v. Bauernfeld. (= N. 206, S. 117-36.) — 226) X E. v. Bauernfeld, Leben u. Sterben. (Ungedr. Nachlass):
DDichtung. 13, S. 712. - 227) X 1"- Hirschfeld, TJngedruclttes v. Bauemfeld: DZg. N. 7764.-228) Clara Schreiber,
Aus Bauernfelds Tagebuch: NFPr. N. 10399. (S. o. N. 215.) — 229) E. r. Bauemfeld, Dramat. Nachlass. Her. t. F. v. Saar.
St., Cotta. XVI, 280 S. M. 5,00. |[L. Hevesi: Fretndenbl. N.283; H. v. Hof f raannsthal (Loris): FZg. N. 338; BerlTBI. N. 405;
F. Armin: WienerTBl. K. 310; E. Heilborn: Geg 45. S. 311 2.|j (S.s Vorw. abgedruckt AZg". N. 182.) — 230) K. E.
Franzos, Bauernfeld im März 1848: DDichtung. 15, S. 294,5. — 231) X *' Halm, D. Sohn d. Wildnis. Dramat. Gedicht.
4. Aufl. (=Oesterr. Nat.-Bibl. Her. v. L. Weichelt. N. 201.) Wien, Dr. H. Weichelt. 76 S. ä M. 0,20. — 232) X iä-
Griseldis. Dramat. Gedicht. 3. Aufl. ebda. K. 29-30. 70 S. ä M. 0,20. — 233) L Speidel, Verbot u. Befehl v. F. Halm:
KFPr. N. 10235. — 234) X J- H. Krumm, Hebbels Werke (vgl. JBL. 1892 IV 4: 111). |[K. Werner: AZg". N. 116; id.:
MontagsR.N.l; K. Krauss: BBSW. S. 115-22.]| - 235) X A. Bartels, F. Hebbel: Didask. N. 2923 — 236) X A. J. W[eltner],
D. 30. Todestag F. Hebbels: Fremdenbl. N. 345. — 237) L. Friedmann, II dramma tedesco del nostro secolo II. I psicologei
Jahresberichte f&r neuere deutsche Litteraturgeschichte. lY. 4(13)
IV 4: 238-244 A. V 0 11 Weilen, Drama und Theaterg-esohichte des 18./19. Jahrhunderts.
arbeiten, dagegen fehlt der Zusammenhang mit Kleist und 0. Ludwig, dessen
dramaturgische Studien z. B. kaum erwähnt werden. Die Hingabe Klaras in „Maria
Magdalena" ist rein aus dem Pflichtgefühl abgeleitet, Bergers Vorlesungen hätten
dem Vf. hier wieder den richtigen Weg gezeigt. Sehr wirksam sind die Hinweise
auf Ibsen. Von den erwähnten Fehlern" abgesehen, bleiben die drei Bücher F.s nicht
nur für fremdsprachliche Leser durch das sorgsame Verständnis der verschiedenen
Dramen wertvoll. Abschliessend bemerkt der Vf., dass die psychologische Reaktion
in Deutschland zu früh gekommen war, um auf Erfolg rechnen zu dürfen. Kochs
Besprechung hebt hervor, dass Laube nicht, wie F. meint, beim Burgtheater war, als
Hebbel nach Wien kam. Zum Herodes nennt er Calderons „Eifersucht das grösste
Scheusal" und englische Dramen; auch Grillparzer wollte Herodes und Gyges behandeln.
— Eine Ikonographie Hebbels giebt Seis^s»)^ in der er das Porträt Rahls als
besonders gelungen hervorhebt. — Im Anschluss an den Briefwechsel, dessen zweitem
Bande (vgl. JBL. 1892 IV 4:14) noch viele Besprechungen und Einzeldarstellungen
folgten2^9-24i), sind neue Mitteilungen aus ungedruckten Briefen zu Tage getreten:
Lemmermayer242) veröffentlicht Briefe Hebbels an den Verleger Campe. Am
20. Aug. 1841 äussert er sich günstig über Dingelstedts Nachtwächterlieder. 1861
erwähnt er den Plan einer Gesamtausgabe, in, der er viel bessern will: „Einiges
z. B. den Diamant muss ich ganz umschmelzen; die Grundidee ist eine der besten,
die ich je gehabt habe, aber die Ausführung schwankt auf eine mir jetzt unerträgliche
Weise zwischen Satire und naiver Komik, auch ist der märchenhafte Hintergrund bei
weitem nicht tief genug. Welch einen Gedanken hatte ich zum Moloch und wie
manches davon ist auch wirklich fertig; aber wo bleibt der Rest und wie ungern
erklärte ich ihn für einen ewigen Torso." Der „Zauberer in Rom" ist ihm tödtlich
langweilig. 1862 druckt er an den „Nibelungen", nie habe er so viel Arbeit an ein
Werk gewendet. „Bei aller Bescheidenheit wollen wir auf Geibels Marzipan und
R. Wagners Krüppelholz mit Lächeln herabschauen . . . Diese Leute haben nicht ein-
mal eine Ahnung vom Gegenstande und behandeln das Götterschwein Särimier, das
in Walhalla die Äsen fett macht, ohne zu sterben, wie eine gewöhnliche Sau." Er
berichtet auch über die Proben, die er mitmacht, und die Aufführung: „Ich habe das
Theater stets vor Augen gehabt und keine Scene geschrieben, die nicht gespielt
werden könnte." — Lemmermayer^^s) veröffentlicht auch Briefe an die Familie,
zumeist an die Schwester seines Freundes E. Rousseau. Er sendet nach dessen Tode
(1838) seine Bücher und Effekten, behält aber Schiller und Kleist zurück, über welche
beide Schriftsteller er zu arbeiten gedenke. Er bespricht die Gedichte des Freundes,
denen er Mangel an Form vorwirft: „Form ist in meinen Augen Ausdruck der Not-
wendigkeit." Am 24. Jan. 1840 klagt er, dass sein Roman (Schnock) von Brockhaus
abgelehnt wurde; er verzweifelt aber nicht am Durchdringen: „Seit ich meine Judith
in den Händen habe, rechne ich mit Zuversicht auf den Sieg. Sie ist jetzt ganz
fertig . . . Ich hatte mir vorgenommen, nie wieder ein Drama zu schreiben, wenn die
Judith mich täuschen sollte, denn ich wusste wohl, dass es sich nicht mehr, wie wohl
früher, um einen blossen Versuch handelte, sondern dass ich mein Höchstes aufbot."
Eine neue Tragödie ist in ihm schon vollständig ausgebildet, am meisten reizt ihn
ein Lustspiel. Er bezweifelt aber, dass sich die Judith für das Theater eigne. „Das
Herbe, Entschiedene, das sich keine Modifikationen gefallen lassen will, ist nicht die
Speise des jetzigen Publikums . . . Gutzkow ist der rechte Mann für die Leute. Der
kann ihnen geben, was sie brauchen. Das Genie ist in seiner höchsten Freiheit
gebunden, das forcierte Talent kann, was es soll." Am 17. Febr. 1840 sagt er wieder
über die Judith, deren Aufführung er am liebsten in Berlin sähe: „Es ist mir aus
dem Innersten des Gemüts geflossen; und ich habe, um es zu gestalten, die höchsten
Kräfte angespannt; wäre es Nichts, so wäre ich selbst Nichts." Er glaubt Laube wie
Gutzkow verachten zu dürfen. Am 27. Juli 1841 schreibt er über den Schluss der
seit drei Monaten fertigen Genoveva: „Allerdings ist er fürchterlich, aber nach meiner
festen Ueberzeugung ist es die nächste Konsequenz des Goloschen Charakters und
lässt nicht die geringste Aenderung zu." Der Moloch soll an Furchtbarkeit noch
weiter gehen. Ein Brief aus Paris (14. Juni 1844) spricht die Hoffnung aus, dass seine
künftigen Dramen seine „individuellen Schmerzen" nicht wieder erkennen lassen werden.
So sei schon die Maria Magdalena objektiv geworden. In Rom werde er am Moloch
arbeiten. — Ueber den Eindruck, den Judith und Genoveva ihm in späten Jahren
machten, spricht er sich in einem Brief an den Naturforscher J. Grailich
aus 244^: „Genoveva und Judith wurden mir durch das Theater wieder aufge-
(Fed. Hebbel). Milano, Chiesa. III, 192 S. L. 2,50. |(M. K(och): LCBl. S. 1156/7.]| - 238) E. Seis, D. Hebbel-Bildnisse:
Presse N. 30. ~ 239) X M. K(och): LCBL. S. 2934; F. Lemmermay er: ML. 62, S. 199-201; id.: NatZg. N. 469; K.
Werner: WienerZg. N. 4; Geg. 43, S. 87-90; 44, S. 15; E. Granichstädton: Presse N. 1756; Ad. Stern: Grenzb. 2,
S. 211-23, 258-71. - 240i X E. G., Hebbel u. Dingelstedt: Presse N. 1756. - 241) X A. Bartels, F. Hebbel n. F. Dingelstedt:
DidasV. N. 31;2. — 242) F. Lemmermay er. Aus ungedr. Briefen F. Hebbels: NFPr. N. 10418. — 243) id., F. Hebbel u. d.
Familie Ronssean. (Ungedr. Briefe): ML. 62, S. 430/1, 526/8, 670/2, 688-90. — 244) Ungedr. Briefe F. Hebbels an Grailich:
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./ 19. Jahrhunderts. IV 4: 245-257
drung-en und bei der Geleo"enheit kam es mir dann allerdings vor, als ob eine
gewisse Fülle des Totaleindrucks, das Ungenüg-ende, oft BizaiTe und wohl gar
Lächerliche der Einzelheiten überwöge. Der Stumme in der Judith wird
wohl immer seinen Rang in der deutschen Litteratur behaupten und etwas Er-
schütternderes, als das Verhältnis zwischen Golo und Siegfried, wie es sich zuletzt
entwickelt, dürfte es nicht geben." — In p]i'M'ideruno' eines Aufsatzes in der Frank-
furter Zeitung von E. Sack, der den Bericht, den Jordan in seinen Vorträg'en und
Episteln über seinen und Hebbels Besuch bei Schopenhauer g-egeben unter dem
Hinweis auf die andere Darstellung, in einem Briefe Hebbels in Zweifel zieht, erklärt
Jordan 2^^), dass Hebbel der herbe Tadel, den Schopenhauer über seine Vorrede zu
Maria Magdalena aussprach, aus der Fassung brachte, besonders da J. Zeuge der
Niederlage gewesen, und deshalb, wie Kuh J. erzählte, auch über diese Begegnung-
mit Schopenhauer immer Schweigen beobachtete. — Die dramatischen Nibelungen-
Bearbeitungen mustert Weitbrecht^^ßj. Unbedingt theatralisch ist der zweite Teil
des Liedes, in dem Kriemhild Hauptfigur ist. Spröder ist der erste Teil, Siegfrieds
Tod, da er als Held ohne jede Schuld erscheint. Aber doch existiert ein Verschulden
Siegfrieds: seine Plauderei und Gedankenlosigkeit. Er missbraucht seine üeber-
legenheit einem Weibe g-egenüber, das ihn liebt. Dieses Motiv macht Waldmüller
zum Mittelpunkt seiner Brunliild-Trag'ödie. Hebbel trifft haarscharf den springenden
Punkt: Sieg-friedist einem Trugspiel nicht gewachsen. So rücktHag-en an die bedeutung-s-
voUe Stelle, während er bei Geibel und Wilbrandt stark zurücktritt. Für das moderne Em-
pfinden liegt die Schwierigkeit der Behandlung im Verhältnis Brunhilds zu Siegfried.
Wir haben Brunhild- und Kriemhild-Tragödien, je nachdem die eine oder die andere
zur Heldin geworden. Auch Günther ist eine dramatisch unmögliche Figur. In
Wag-ners Dichtung ist der Gedanke zum Mythus zurückzugehen und die Konzeption
grossartig"; doch erheben sich starke Bedenken gegen die Ausführung". So ist auch
für diesen Stoff das letzte Wort noch nicht gesprochen. — Mit Bezugnahme anf diese
Studie erörtert Gnad^'*') Hebbels Verhältnis zu dem Stoffe. Ihn lockten die ins Un-
geheure vergrösserten Charaktere, denen er noch einige Züg'e des Grosssprecherischen
l)eigab, und das im Mittelpunkte stehende Weib. Sein Lieblingsproblem ist der
Kampf zwischen den beiden Geschlechtern, der sich auch in seiner Selbstüberhebung-
gegen Emilie Lensing" äussert. Er erscheint in diesem Werke am bedeutendsten, wo
er am wenig-sten aus Eigenem gegeben. G. meint, die Zusammenstellung Hebbels
und Ibsens sei etwas schief, weil seine Probleme immer klar und keine Fragezeichen
seien. Auch sei seine Sprache ganz anders. — Den Verg-leich aus den Rolandsäulen,
den Siegfried anstellt, citiert Koch 2*^) zu Eickes Rolandstudie (vgl. JBL. 1892 IV
4 : 57) unter Hinweis auf Briefe 2, S. 475, wobei er auch Fouquesche Dramen und
zahlreiche lyrische Gedichte nachträgt. —DieLustspiele Hebbels untersucht K.W erner^^^).
Der Stoff des „Diamant", aus Jean Pauls „Leben Fibels" geschöpft, musste vielfach
abgeändert werden, um Hebbels Gedanken von der Bedeutung des Steines hervor-
treten zu lassen. So viel auch Hebbel, besonders durch das reiche Personal, an Humor
hinzuthat, zerfiel gerade dadurch das Stück in zwei Gruppen, eine ernste und eine
komische, und die Hoffiguren kamen schablonenhaft heraus. Auch die Komposition
ist fehlerhaft. Ebenso suchte er im „Rubin" den Kontrast zwischen Ernstem und
Heiterem, aber die tolle Welt, die er vorzuführen strebte, wurde in Wien nicht ver-
standen. Das Stück ist auch zu knapp verständlich schwer und in seiner Motivierung,
das Märchenhafte verschwimmt; aber doch bedeutet es einen technischen Fortschritt
gegen das erstere Tjustspiel und dürfte heute bessere Aufnahme finden. — Scharf
urteilt Auerbach über Hebbel ; in „Maria Magdalena" sieht er nur eine Kumulation
von Unglücksfällen: „Nie ist ein frevelhafterer Missbrauch mit der Dichtkunst getrieben
worden als in diesem Machwerk." Schon der Titel ist eine Frechheit. Alles ist
Unnatur, ein Aufrühren verschiedener Gestänke. Er vergleicht ihn mit R. Wagner:
beide haben keine Lieder, ^^o) —
In einem von Neck er ^si) abgedruckten Briefe an M. Schleifer erwähnt
Hamerling dessen Dramen, darunter die ungedruckte ,,Jacobäa von Bayern". — Die Aus-
gabe der dramatischen Werke F. Nissels252^ wie der Tod des Dichters haben viele
Besprechungen, beziehungsweise Nekrologe hervorgerufen. 253-255^ Gottschall ver-
gleicht in seiner Anzeige die „Agnes von Meran" mit dem Drama von B. Tschisch-
AZB. N. 107. — 245) W. Jordan, Hebbel bei Schopenhauer: AZ'«. N. 168. — 246) C. Weitbrecht, D. Nibelungen im
modernen Drama. E Antrittsvorlesung. Zürich, Schulthess. 37 S. M. 1,00. — 247) E. Gnad. F. Hebbel u. d. Nibelungen-
Tragödie: AZgU. N. 172 3. — 248) M. Koch: ZVLR. 6, S. 2369; L. Frank el: LBlGRPh. S. 2867. — 249) K. Werner,
Diamant u. Rubin. E. Hebbel-Studie: AZg». N. 279. 2801. - 250) (S. u. N. 314, 8. 198-211.) — 251) R. Hamerling, Briefe.
Mitget. V. M. Necker: AZg». N. 71. — 252» F. Nissel, Ausgew. dramat. Werke. St., Cotta. XU, 375 S. M. 6,00. |[E.
V. Gottschall: AZg". N. 1 ; J. Minor: DLZ. S. 14602: DRs. 76, S. 476; A. Friedmann: BLU. ^'. 746: M. Necker:
SchwRs. 2, S. 3905; Grenzb. 1, S. 58; K. Pröll: NatZg. N. 184; BURS. 59, S. 628-30; H. Klem: Presse N. 63: ML. 62,
S. 17,8; Freradenbi. N. 62.]] — 253) X A Dorda, F. Nissel: WienerLZg. N. 8.-254) X I'- Salomon, F. Nissel: IllZg. 101,
S. 191/2. — 255) X A. Bettelheim, F. Nissel: AZg". K. 168. — 256) J. Bayer, F. Nissel: NFPr. N. 10389. — 257) (S. u.
(4)13*
IV 4: 258-285 A. von Weilen, Drama und Theatergeschichte des 18/19. Jahrhunderts.
witz; von den Panegyriken, die meist kritiklos erhoben wurden, sticht die gerechte
Beurteilung" in Minors Recension vorteilhaft ab. Sie zeigt, wie Nissel sich an
grossen Charakteren ohne Glück und mit mangelhafter Technik versucht; rühmens-
wert erscheint die vornehme, edle Sprche. — Auch Bayer^sß) hebt hervor, wie trotz
echter dichterischer Begabung seinem Talente die wirkliche Kraft gebrach und die
Richtung desWollens in seinen Gestalten immer unklar bleibt. — Auerbach-^") nennt
seinen „Heinrich den Löwen" ein „Sekundanerstück". — Im Gegensatz zu diesen
Beurteilern sieht Neck er ^^S) in ihm einen geborenen Theatermenschen mit vollendeter
Technik und vergleicht seine Weltflucht der Grillparzers. So stellt er das Nacht-
lager Corvins, dessen Bau auch Spei deP^'*) unter Bedenken gegen die unsprechbare
Diktion rühmt, zusammen mit dem ,, Treuen Diener" und hofft auf ein litterarisches
Nachleben Nisseis. — Aus persönlichen Erinnerungen teilt Schlesinger 26o-26ij^
einen früheren Bericht ergänzend (vgl. JBL. 1891 IV 4: 162), einiges über gemein-
same Jugendstücke und einzelne dramatische Versuche Nisseis mit. Laube erwies
sich wenig fördernd für Nissel. Seh. bringt einen Brief Laubes vom J. 1859, der
Nisseis „Jakobiten" ablehnt mit Rücksicht auf die Missstimmung, welche der
,,Düwecke" Mosenthals bei Lanckeronski hervorgerufen. —
Die innere Verwandtschaft, die zwischen F. von Saar2^2-263j und Anzengruber
im Kampfe gegen die Hierarchie besteht, aus dem Heinrich IV. wie der Pfarrer von
Kirchfeld hervorgegangen, charakterisiert Bet telheim^^*). Als bühnenwürdigstes
Stück Saars erscheint ihm Tempesta, an dem der Einfluss der Emilia Galotti deutlich
wahrnehmbar sei. — Müller-Guttenbrunn^ßs) charakterisiert J, Weilen und E.
Mauthner, den persönlichen Eigenschaften des ersteren volle Anerkennung zu-
wendend, aber ohne historischen Sinn für seine Stellung in der dramatishen Litte-
ratur Oesterreichs. Auch kann von einer Förderung, die er durch Laubes Nach-
folger erfahren, keine Rede sein. — Im Nachlass F. Schlögls fand sich, nach
Tann-Berglers266) Bericht, der Entwurf zu einem Volkstück „Die Kinder vom
Grunde", für die Gallmeyer gedacht, ganz im Anzengruberschen Ton. —
Von Anzengruber^^f-ses^ teilt Rosegger^ßS) eine Reihe von Briefen mit,
die manches über seine Dramen und Entwürfe enthalten. Hamerling ist ihm „ein
genialer Dichter, aber ebenso wenig populär wie Hebbel". Das (S. 39J erwähnte
Trauerspiel „Das Kronenhaus" ist von V. Stern. Was R.s Büchlein sonst über Auer-
bach, Schlögl, Kürnberger, Morre und Josefine Gallmeyer etc. erzählt, ist litterarisch
belanglos. — Ein ungedrucktes Gedicht des Vaters Anzengruber an Grillparzer legt
Müller-Guttenbrunn2''0) .jj-^ seiner enthusiastischen Charakteristik vor. — Dass
seine Dramen, anders als die O. Ludwigs, vollständig im Dialekt empfunden, dieses
Moment trennt sie, nach Bergers?'' ^) Meinung, vom Burgtheater. — Die Charakteristik,
die Schere r2''2) von Anzengruber, Nisseis „Agnes" und Wilbrandts „Krimhild" bei
Gelegenheit der Verteilung des Schillerpreises 1878 gegeben, ist in die kleinen
Schriften wieder aufgenommen. —
Das Drama der Schweiz^'^'^'^^a) mustert flüchtig Mähly^'J^). Er warnt
vor der Ueberschätzung des Kellerschen (vgl. JBL. 1892 IV 4 : 94) Fragments
„Therese"^'''), Nur kurz erwähnt er J. V. Wi dm anns 2''^) „Jenseits von Gut undBöse",
für dessen Doppelhandlung ein Recensent Grillparzer und Calderon herbeizieht, —
Von geistlichen volkstümlichen2''9'28i^ Schauspielen steht das Höritzer
im Vordergrund des Interesses 282-284j Dass Kochems Werk nicht nur für
dieses Spiel (vgl. JBL. 1892 IV 4 : 176), sondern für eine Reihe anderer, wie
das Vordernberger Paradeisspiel, Obergrunder Weihnachtsspiel etc. als Quelle gedient,
weist Am mann 285) nach. —
N. 314, S. nn.) — 258) M. Necker, F. Nissel: ML. 62, S. 505 7. — 259) F. Speidel, F. Nissel, E. Nachtlager Corvins:
NFPr. N. 10484. — 260) S. Schlesinger, Ans meinem Znsanimenlehen mit F. Nissel: WienerTBl. N. 20O. — 261) iä., Zu
F. Nisseis Gedächtnis: ib. N. 287. — 262) X F- t. Saar: NWienerTBl. N. 270. — 263) B. Rüttenauer, F. y. Saar: ML. 62,
S. 619-21. — 264) A. Bettelheim, Z. 60. Geburtstag v. F. v. Saar: AZ». N. 226. — 265) A. Müller- Gnttenbrnn n,
J. Weilen u. E. Mauthner. (= N. 206, S. 190,8.) — 266) 0. Tann-Bergler, F. Schlögl als Dramatiker: NWienTBl. N. 96.
— 267) X L. Anzengruber, D. Pfarrer v. Kirchfeld. Volksstück mit Gesang. Nebst e. dramatnrg. Ber. v. H. Laube. 5 Aufl.
St., Cotlii. 104 S. M. 2,00. — 268) K. Gründorf, Aber Anton! Z. Gesch. meines Koropagniestücks mit Anzengruber:
Fremdenbl. N. 35. — 269) P- K. Rosegger, Gute Kameraden. Persönliche Erinnerungen an berühmte Zeitgenossen. Wien,
Hartleben. VH, 223 S. M. 3,00. |[AZgii. N. 92; A. Sauer: DLZ. S. 630/2; M. Neck er: BLU. S. 247/9; Geg. 44, S. 175.]| —
270) A. M&ller-Guttenbrnnn, Ludwig Anzengruber. (= N. 206, S. 150-89) — 271) A. v. Berger, Anzengruber im
Burgtheater: MontagsR. N. 44. - 272) W. Scherer, D. Schillerpreise. (= I 1:117; 2, S. 170/6.) — 273) O J. Suter,
Wahrheit u. Dichtung in A. Freys hist Trauerspiel „Erni Winkelried": SchwRs. 2, S. 467-76, 596-607. — 274) X Ausw.
dramat. Dichtungen für d. Schweiz. Dilettantenbühne. Bearb. im Auftr. d. Schweiz, genieinnütz. Ges. Aarau, Sauerländer.
32 S. M. 0,40. — 275) X F. Wichmann, Thalia in d. Schweiz: TglRs". N. 161. |[Knnstwart 6, S. 325.11 — 275a) O F. A.
Stocker, D. Volkstheater in d. Schweiz. 3. verm. u. verb. Aufl. Aarau, Sauerländer. IV, 180 S. M. 2,80. |[G. Hinz:
LBlGRPh. S. 358.JI— 276) J. Mähly, Schweiz. Litt.: AZg«. N. 48. - 277) X LtlB'- S. 761/3; E. Schmidt: DRs. 77, S. 472/3;
M. Necker: BLU. S. 24; FZg. N. 4; BURS. 57, S. 6313; DDichtung. 13, S. 149-51. — 278) J. V. Widmann, Jenseits v.
Gut u. Böse. Schausp. in 3 A. St., Cotta. 152 S. M. 2,00. |[AZg". N. 137.]| — 279) O L. Kelber, Prukt. Christentum
u. geistl. Schauspiele: NKZ. 4, S. 372-410. — 280) X Missionsfestspiel u. Pastor Buumann: DEKZ. 7, S. 165,6. — 281) X
(III 4:37.) — 282) X L. Stettenheim, D. Passionsspiel in Höritz: NFPr. N. 10433. — 283) X E. Knh, D. österr. Ober-.
Ammergau: NWienTBl. N. 190. - 284) X F. Gross. E. böhmisches Ober-Ammergau : Fremdenbl. N. 175. — 285) (1II4 : 36)
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./ H*. Jahrhunderts. IV 4:236-314
Die Litteratur über Festspiele hat wenig- Neues zu Tag-e g-efördert^^ß). Mit
Recht wendet sich Flaischlen^»^) g'eg-en die litterarisch wertlosen Lutherspiele, die
sich überlebt haben. — Stubbe-^^^'^soj vergieicht das Gustav -Adolf- Spiel Devrients
und das eines Stockholmer Predigers Kaiser, von denen das erstgenannte kunstvoller
und tiefer, das letztere einfacher und volkstümlicher sein soll. —
Zum Volkstheater und zur Dialektdichtung hat Brenner-^") die im
bayerischen Dialekt gehaltenen Zwischenspiele des Dechanten F. Kiennast abgedruckt
(1728—83), der 1759 die Leitung der Dachauer Dilettantenbühne übernahm. Die Stücke:
Hirlanda Herzogin aus Burgund (1759 gespielt), Die heilige Itta, Johanna d' Are (1770
gespielt) zeigen den Typus der Haupt- und Staatsaktion; die Hauptfigur der sehr
derben Zwischenspiele ist Hansdampf oder Kasperle. Im ersten Stück erscheint
eine wohl viel ältere Scene mit dem Quacksalber, in der noch Reime stehen geblieben
sind, 291) — Grosses Aufsehen erregte das Schlier seer Bauerntheater von K. Dreher,
besonders durch Gastspiele in München und Berlin. Schaumberger-"-) feiert
seine Darstellungskunst als naivste Reproduktion, erreicht durch die vollständige
Deckung der Individualität der Darstellenden mit den Figuren. Es bietet den ersten
gelungenen Versuch, die Bauernkomödie zur künstlerischen Höhe zu erheben.
Bedauerlich ist nur, dass die Stücke nicht lebenswahr, sondern sentimental-oberfläch-
lich gehalten sind. Gerade aber von dieser volkstümlichen Bühne erhofft Seh. die
Schaffung eines wirklichen Volksdramas. Während die meisten kürzeren ArtikeP''"'"^^^)
im Tone dieser Broschüre gehalten sind, sieht Kerr -"''•) in den Schlierseern nur
schlechte Dilettanten, die unglücklicherweise einem Berufsmimen in die Hände
gefallen sind, und in ihrem ersten Darsteller einen ganz geriebenen „Coulissen-Aelpler"
mit schauspielerischer Begabung. — Vom ältesten Frankfurter Dialektstück, ,,Der
Prorektor", weist Grotefend^**") eine dem Drucke von 1794 vorangehende, hs. ausführ-
lichere Fassung nach. Das Stück, das in dieser Gestalt zum ersten Mal abgedruckt
wird, hat F. K. L. Textor in seinen Jugendjahren abgefasst, auf Grundlage wirklicher
Schulpersonen und Ereignisse. — Die Werke des oberschwäbischen Dialektdichters
S. Sailer, dessen Bedeutung schon die kurze Biographie Becks ^oi) kennzeichnet,
sind in vierter Auflage herausgegeben worden von Hassler^''^). — Ueber das
Volksschauspiel in Tirol giebt von der Passer^^^^) schlechte Auszüge aus Pichlers
Buche. 304) _
Zum 11. Bande der Engeischen Puppenspiele bemerkt B ölte 3"^), dass,
nach den Sprachformen zu schliessen, die Stücke nicht vor der zweiten Hälfte des
18. Jh. entstanden sein können. Dem Vf. der Comedia des kleinen Cupidinis scheint
Ayrers Phenicia vorzuschweben. — Bolte^ocj teilt auch einen interessanten Text eines
Hamlet-Puppenspiels mit, das Ms. eines Puppenspielers M. Möbius, 1855 nieder-
geschrieben. Es geht zurück auf den Berliner Druck des Schröderschen Hamlet von
1795, in dem auch Scenen aus Wieland und Eschenburg aufgenommen wurden. Zum
Schluss des Puppenspiels erscheint der Geist des Vaters, Hamlet wird König*. Die
Monologe sind ganz beseitigt. Kaspar spielt eine sehr grosse Rolle. — Einen dankens-
werten Neudruck hat das Poccische^^ij Komödienbüchlein erfahren. — Hier sei auch
der Katalog der vom Freien Deutschen Hochstifte veranstalteten Faust-Ausstellung^"^)
erwähnt, der eine Reihe von Theaterzetteln, Puppenspielhss. u. dgl. nachweist. Das
Wiener Theater ist wenig berücksichtigt, so fehlt Hopp u. a. gänzlich, merkwürdiger
Weise bleiben auch Kraliks Texte unbemerkt. —
Dramaturgisches309 3i3j j)[q wichtigste Publikation des Berichtsjahres
bilden die allgemeinen dramatischen Eindrücke Auerbachs. Es sind zumeist kurze,
— 286) X A. Brandt, Ber. über H. Herrigs Luther-Festspiel in Grandenz. Graudenz, Gaebel. 13 S. M. 0,15. — 287j C.
Flaischlen, Z. Lutherfestspiel- Volkskunst: FrB. 4, 8.903,8.-288) Chrn. Stubbe, Gustav-Adolf-Spiele: DPBl. 26, S. 274/7.
— 289) X i^' !*■ ßecht d. Devrientscben Gustay-Adolf-Spiels. Gustav-Adolf-Spiele: ib. S. 250 3, 261/2, 274/7. — 290) F.
Kiennast, Altbayer. Possenspiele. Z. erstenm;il her. v. 0. Brenner. München, Kaiser. XVI, 40 S. M. 1,20. — 291) X
D. Volksschan spiel im bayer. Hochlande: lUZg. 101, S. 239-42. — 292) J. Schaumberger, K. Drehers Schlierseer Bauern-
theater. E. Zeit- u. Zukunftsbild. München, Albert. 71 S. M. 1,00. — 293) X 0. J. Bierbanm, D. Schlierseer Bauern-
komödien: ML. 62, S. 569-71. — 294» E. t. Wolzogen, Münchener Kunst u. Theater: ib. S. 537-40. — 295) X Bauern-
theater in Schliersee: BÜES. 60, S. 60, 402/5. — 296) X D- f^cWierseer Bauerntheater: AUgKunstChr. S. 493/7. - 297) X
0. Hansson, Bauerntheater in Schliersee: Zukunft 4, S. 81,6. ~ 298) X J- Edgar. Bauerntheater in Schliersee: DBühneng. 22,
S. 245,6. — 299) A. Kerr, D, Bauernkomödie im Wallner-Theater: ML. 62, S. 646. — 300) H. Grotefend, „D. Prorector«
u. d. Frankf. Gymn. am Ende d. vorigen Jh.: AFrankfG. 4, S. 1-63. — 301) P. Beck, S. Sailer: ADB. 36, S. 763;5. — 302)
S. Sailer, Sämtl. Schriften in schwäb. Dialekt 4 Aufl. Mit Wörterbuch u. Einl. v. K. Hassler, illustr. v. G. Heyberger.
Ulm, Ebner. XVI, 271 S. M. 300.— 303) A. von der Passer, Volksschauspiele in Tirol. München, Huttier. 1892. 32 8.
M. 0,50. (Vgl. JBL. 1892 III 4:31.) ifÖLBl. 8. 172.]| - 304) X D- Saul, D. Meraner Yolksschauspiel: Vom Fels z. Meer 1,
S. 234,9. — 305) (III 4:44.) - 306) (III 4:46.) — 307) F. Graf Pocci, Lustiges Koraödienbüchlein. Neue Ausg. 6 Bde.
München, Galler. I, 272 S.: H, 311 S.; III, 285 S.; IV, 285 8.; V, 256 S.; VI, XXXVI, 264 S. M. 12,00. — 308) (II 3 : 37;
HI 3:8.) — 309) O L. Nelten, Dramaturgie d. Neuzeit. Essays u. Studien über d. moderne Theater. Halle a. S, Peter.
Vm, 152 8. M. 2,40. ||R. Opitz: BLU. 8. 553 4.]| — 310) O B. Fischer, Kochbuch d. Kalliope. Handbuch für Kunst- u.
Theaterfreunde. L., Slav. Buchh. 112 S. M. 1,00.-311) O V. Leon, Dramaturg. Brevier. München, Bnbinverl. VUI, 132 8. M. 0,60.
l[AllgKunstChr. 8. 738,9.]| — 312) X H. von Basedow, Charaktere u. Temperamente. Dramaturg. Studien. I. Shakespearesche
Charaktere mite.Anh.:UeberGoethe8„Fau8t".(VgLIV 8a:136;8e:70.)|[LZg".N. 64.]| - 313) X (1 12 : 415.) - 314) B. Auerbach,
iV4:3i5-3i6 A. von Weilen, Drania und Theatergeschichte des 18./19. Jahrhunderts.
nach der Vorstellung' aufgezeichnete Einfälle, vom J. 1855—80, mit einer grossen
Lücke von 1866—75. Richtig charakterisiert der Herausgeber Neumann-Hofer^'*):
Der Weg-, auf dem Auerbach die Erkenntnis gewann, kein Dramatiker zu sein, steht
in dem Buche. So liegt der Vergleich mit O. Ludwigs Studien nahe: aber diese
sind wühlender, selbstquälerischer. Der hohe Ernst ist in jeder Zeile unverkennbar ;
überall spricht der Schriftsteller, der das Drama nur vom litterarischen Standpunkt
würdigen will. Das Theater ist für das heutige Publikum nur die Verdauungsstunde
oder ein Surrogat für das Kartenspiel, er vergleicht es einem Wurstladen. Mehrmals
hebt er hervor (S. 71, 181), dass nur alle acht Tage gespielt werden sollte. Die Auf-
gabe des Dramas bleibt die Schaffung des bürgerlichen Schauspiels, die immer von
neuem versucht werden muss. Aber das moderne Drama giebt die Verwitterung des
Gesunden, die heutige Schauspielkunst ist selbständiger Zweck, und damit hat das
Drama aufgehört, Werk der Dichtung zu sein. Unter den Begriff' der Theatermacher
fallen für Auerbach die Franzosen und die Mehrzahl der zeitgenössischen deutschen
Dichter wie Holtei (S. 4D, die Birch-Pfeifer (S. 147, 176), Laube (S. 53, 89); von
Unnatur strotzt Gutzkow (S. 56, 65), Heyse (S. 131), Bauernfeld, den er einst be-
wundert, wird als frivol abgelehnt (S. 227), am schärfsten geht er Brachvogels Narciss
zu Leibe (S. 49). Höher stehen ihm Dichter wie Freytag (S. 1 19), der in den ,, Journalisten",
einer „purzelbaumschlagenden, forciert humoristischen Dichtung", doch den Typus
des modernen Journalisten gegeben, (S. 83) Ad. Wilbraiidt (S. 212). dessen „Tochter des
Herrn Fabricius" trotz der theatralischen Packungen viel echte Tiefe enthält und
das W^erk eines echten Dichters ist, und L'Arronge (S. 253). Nach dem Grundsatze,
den Auerbach bei dem als Meister der Technik gerühmten Sardou ausspricht
„dichterisch darf man keine Frage aufwerfen, die man nicht zu beantworten vermag"
(S. 303), kann ihm Ibsens Nora, die er nach der Lektüre beurteilt, nicht sympathisch
sein (S. 208). Er anerkennt, wie hier die Kunst und Mache der Franzosen mit nordischer
Strenge vereint erscheint und neue Menschen vorg-eführt w^erden. Das Motiv der
Schuld des Vaters ist nicht ausgenutzt. Auch der Schluss erscheint ihm peinlich:
wohl kann ein Drama mit einer Dissonanz schliessen, aber hier liegt ein ausgleich-
bares Missverständnis vor. Er vergleicht das Drama mit dem „Erbförster" in der sub-
jektiven Unschuld der Hauptpei^son. Diesem Stücke 0. Ludwigs prophezeit er (S. 286)
keine Fortdauer auf der Bühne, da alle Menschen in unerträglicher Siedhitze dargestellt
sind. Die Fabel ist die Hauptsache, das Ganze bleibt peinlich. A. sieht den Zu-
sammenhang des Stückes mit den „Jägern", das ihm als bestes Schauspielerstück
erscheint, von dem die Kunst viel lernen könne (S. 9). Wie sich Auerbach über
Kleist, Grillparzer, Hebbel und Nissel geäussert, wurde schon an den betreffenden
Stellen (s. N. 74, 224. 250, 257) hervorgehoben. Besonders interessant ist sein Ver-
hältnis zu Anzengruber. An dem Romane „Der Schandfleck" tadelt er die theatralische
Haltung und bezweifelt, dass der Dichter noch je zu etwas Rundem kommen
werde (S. 216). Der „Ledige Hof ' und das „Jungferngift" werden als Machwerke be-
zeichnet (S. 219, 246). Diese harten Urteile nimmt er beim „Meineidbauer" (S. 239)
zurück. Dies ist das Werk eines wirklichen Dichters, obwohl das Melodramatische
störend auftritt. In der „Trutzigen" findet er (S. 269) Züge voll Wahrheit, doch die
Handlung" ist lose und ohne Fleiss zusammengefügt. Auch Anzengruber schreibe,
um Theaterstücke zu verfertigen, und lasse sich vom Theatermässigen unterjochen,
statt es zu beherrschen. Er findet den Reiz, den das Bauernleben in der Litteratur
ausübe, in der „Nudität der Psyche". Aber das Theater übernaturt die Natur.
Dieselbe Strenge wendet Auerbach auch gegen sich. Als grosses Muster erscheint
ihm, wie 0. Ludwig, Shakespeare, besonders, wie man die Reflexion dramatisch in
Personen und Handlungen zu verarbeiten habe (S. 68); er bewundert, wie er immer
das zutreffende Wort findet (S. 151). Von seinem eigenen Stücke, dem „Wahrspruch"
fordert er, genau so wie O. Ludwig immer sein „Schlanker!" sich zuruft, ein festeres
Rückgrat. Er habe aber, im Kampfe mit der dramatischen Form nach verschiedenen
Seiten ausgebogen, statt „alle geilen Nebenschosse an dem einen festen Stamm zu
stützen" (S. 186). Besser gelungen erscheint ihm das „erlösende Wort" (S. 233),
das zwar unzulänglich, aber doch eig-entümlich und ohne Phrasen ist. Im Anschluss
an das Buch erzählt Zabel von der Berliner Vorstellung des „Andreas Hofer" (1879),
der er mit Auerbach beiwohnte. — Ueber das Stück, das Auerbach mit W^ilbrandt
zu schreiben vor hatte, teilt der letztere Lothar mit, dass es der Roman „Das Wald-
baus" war, den Auerbach zu gemeinsamer Bearbeitung- vorschlug und im raschen Wurt
skizzierte. — Von Bulthaupts^'^) Dramaturgie ist der erste Bd. in 5. Aufläge erschienen.
— Burckhard^^^) sucht den Kunstsinn mit Hinweis auf Darwinsche Sätze aus vitalen
DraiDttt. Eindrücke. (Her. t. 0. Neumann-Hof er.) St., Cotta. 326 S. M. 4,00. |[E. KiUan: AZjf'*. N. 119-20; K. Friedrich: BLU.
. S.6pl;3; E. Zabel: NatZg.N. 178; Grenzb. 2, S. 88-91; Nation 10, S. 864; E. Heilbor n: Geg. 43, S. 200,1; L. Fulda: ML. 62, S. 265,6;
R Lothar: KFPr. 25.Apr.]| —315) H. Bulthaupt, Dramaturgie d. Schauspiels. Bd. 1. (Lessing. Goethe, Schiller, Kleist.)
y. Aufl. Oldenburg, .Schuhe. XXIII, 509 S. M. 5,00. ||B. Lothar: NFPr. N. 10370.]! — 316) M. Burckhard, D. Kunst u.
A. von Weile», Drama und Theaterg'eschichte des 18. 19. Jahrhunderts. IV 4: 317-343
Instinkten abzuleiten und begründet aus der historischen, organischen Entwicklung*
die Rechte der socialen Bewegung auf die Kunst, in der heute an Stelle des Schönen
das Wahre eintritt. Diese gar nicht neue Entdeckung wird im dem prätentiösen, mit
philosophischen Phrasen überladenen Vortrage nicht geniessbarer. —
Eine scharfe Kritik am modernen ^'i') Theater übt Ha r dentis). Es ist
heute ein Geschäft für die Männer, für die Damen ein Nebenberuf. — Mit einem
Ausblick auf die historische Entwicklung des deutschen Theaters fordert Strind-
5epg.3ii)j g[,jß Bühne ganz vom Schriftsteller ausgehend, ähnlich dem „Theätre libre"
und redet mit Berufung auf Lessing Dilettanten- Vorstellungen das Wort. Er ver-
mutet, dass man im Suchen nach der konzentrierten Form des Dramas das einaktig-e
Stück immer mehr bevorzugen werde. — Alber ti-^^*^) spricht dem modernen Drama
die Fühlung mit dem Publikum ab. Es hat seine Form noch nicht gefunden, Haupt-
manns Arbeiten sind nur Studienblätter. Der Naturalismus hat die Teile, aber das
geistige Band fehlt. — Die Unmöglichkeit, volle Wahrheit auf der Bühne zu geben,
zeigt Sittenberger^^i) Die drei Gesetze der Perspektive, der Ueb ersichtlichkeit und
der Illusion ergeben sich aus den räumlichen Verhältnissen des Theaters, sie haben
auch volle Geltung für die dramatische Komposition und die schauspielerische Aktion.
Dadurch entsteht nur Wahrscheinlichkeit, nie Wahrheit. Das wird an einzelnen
Beispielen hübsch gezeigt, und zahlreiche Verstösse, besonders in Strindbergs „Julie"
nachgewiesen. Einige Behauptungen, wie dass die Naturalisten nicht für die Auf-
führung schreiben, dass sie nicht Individuen, sondern Typen geben, sind anfechtbar.
— Bulthaupt3'-2j geht von der Liebesscene in Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang" aus,
der er ,, Romeo und Julie" gegenüberstellt, und fragt, ob diese hülflose Nachahmung
des Verstummens noch Kunst zu nennen sei. Nach seiner Ansicht muss entweder
der eine oder der andere Dichter irren. So gestellt entscheidet sich die Frage zu Gunsten
Shakespeares, der psychisches, nicht physisches Leiden dargestellt hat. Das Verdienst
der modernen Beweg'ung bleibt, auf die Natur hingewiesen zu haben. — Zwischen der-
artigen Ansichten, die Bulthaupt in einem Vortrage geäussert, und denen Schienthers,
der Goethe für den Naturalismus reklamieren wollte, sucht Sittenberger^^sj einen
Mittelweg. —
Viel wird über den Zustand des gegenwärtigen Theaters geklagt^-*^^**), zur
Abhülfe und Reform stellt ein Anonymus die kategorische Forderung auf, es müsse
in eine nationale Erziehungsanstalt verwandelt werden, und lädt alle Schuld auf die
Schultern der Schriftsteller und Theaterleute; ein anderer^^') wettert gegen die Führer-
rolle Berlins und das üeberwuchern des französischen Geistes, der ihm auch in L.
Fulda zu leben scheint, und ruft nach einer echten deutschen Volksbühne, zu der
Sudermanns „Ehre" den ersten Anlauf genommen habe. Shakespeare und dem Volksstücke
gehöre die Zukunft. — Mit grossem Ernste, aber nicht ohne moralisierende Ein-
seitigkeit stellt die deutsche Bühnengesellschaft332) ihr streng nationales Prog-ramm
auf, das sie durch Volksbühnenvereine, städtische Bühnen und specieli durch ein von
Martersteig bis ins Detail entworfenes Festspielhaus zu verwirklichen hofft.
Mit Recht werden die dilettantischen Aufführung-en zurückgewiesen, aber die Mög-
lichkeit, zur Sommerzeit ein Theater mit den disponiblen Kräften der Winterbühne
zu schaffen, erscheint mir recht problematisch. Mit Tiraden, wie sie Westarp hier im
Anschluss an seine vorjährige Schrift (vgl. JBL. 1892 IV 4 : 149) gegen die Aus-
länderei vorbringt, ist wenig gethan; um so angenehmer beruhigt Schreyers Ruhe,
mit der er dem Idealismus wie dem Realismus sein Recht in der Kunst zugesteht. —
Eine grosse Bedeutung für die Zukunft des Theaters will Ste wart-Chamberlain^^s^
der die Festspiele vorbereitenden Schule in Bayreuth zusprechen. — Vor der Ueber-
schätzung, die dem Theater in der socialistischen Bewegung durch die Volksbühnen
zu teil geworden, warnt ein Anonymus.^'"**"336^ — Auch Reform der Kritik wird von
verschiedenen Seiten gefordert.337-339j —
Für den Schauspieler^*'^) giebt Skraup^*») einen Katechismus der Mimik,
d. natQrl. Entwiclclungsgeschichte: N&S. 66, S. 160-83. — 317) X R- Renard, Vom dtsch. Theater d. Gegenw.: AllgKunstChr.
S. 700. — 318) M. Hiirden, D. Schaubühne als unmoralische Anstalt: Zukunft 2, S. 34/7. — 319) (I 12: 372.) — 320)
(I 12:253.) — 321) (I 12:228.) — 322) (I 12:2789: IV ld:67.) - 323) H. Sittenberger, V. Kampf d. Meinungen:
WienerLZg. N. 12. - 324 1 X Vivus, D. üeberschätzung d. Theaters: ib. N. 9. — 325) X (I 12 : 424.) —
326) X Vivus, D. Repertoirenot: WienerLZg. N. 2. — 327* X L. Lier, Schriften z. modern. Bühnen- Reform:
Kw. 6, S. 182/3, 196. — 328) X Z. Reform d. dtsch. Bahnenwesens: BurschenschaftlBll. 7, S. 41/2. — 329) X <>• Kraok,
D. Theater d. Zukunft: Geg. 43, S. 85 7. — 330) L, Wie d. dtsch. Theater d Kunst fördern: 20. Jh. 3, S. 394-405. —
331) (I 12:229.) — 332) Dtsch. Nationalbühne. Mitteilungen d. AUg. Dtsch. Bnhnenges. her. v. H. Schreyer.
Heft 1 u. 2. L, Kreysing. 50, 48 S. M. 1,00. i[E. Kilian: DLZ. S. 11701; LZg». N. 64; Qrenzb. 4, S. 191/2; 20. Jh. 2,
S. 2657; 0. Harnack: PrJbb. 74, S. 180 1; F. Poppenberg: ML. 62, S. 650.]! (S. o I 12 : 2.J9.) — 333) H. Stewart-
Chamberlain, Z. Eröffnung d. Stilbildnngsschule in Bayreuth: PrB. 4, S. 188-96. — 334) X ^- Mehring, E. letztes Wort
in Sachen d. Freien Vollfsbühne: NZSr. n, S. 317-23.— 335) X G- Ledebour, Z. Krisis d. Freien Volksbühne. E.Erwiderung:
ib. S. 284. — 336) Freie Volksbühnen: ib. S. 4816. — 337) O M. Trausil, D. Schule d. Theaterkritikers. Handbuch für
Theaterfreunde. L., Slav. Buchh. 96 S. M. 1,00. — 338) X J- Knopf, Andere Kritiker: Ges. 3. 210,2. — 339) X G.
Morgenstern, Andere Kritiker: ib. S. 625,6. — 340) X '^^ Moldauer, Betrachtungen über moderne Schauspielkunst: ib.
S. 333-40. — 341) (I 12:243.; — 342) X ^- Borger, Realist. Schauspielkunst: WienerLZg. N. 8. — 343) A. Fr hr. v. Borger.,
lV4:344-:?64 A. von Weilen, Drama und Tlieaterg-eschichte des 18./ 19. Jahrhunderts.
ein i^echt praktisches Handbuch zum Nachlesen, wiewohl es viel Konventionelles und
Schematisches enthält. Manche allgemeine Regeln erhalten, wie ziemlich begreiflich,
recht Schiefes, wie z. B., dass die Bewegung um so lebhafter sein muss, je lebhafter
die Empfindung ist. Die Erörterungen über Mimik gehen auf Darwin zurück und bringen
zahlreiche Beispiele aus Dramen. Ich möchte den Schauspieler aber nicht sehen, der
den Hamlet-Monolog so mit Spiel überlädt, wie der Vf. es (S. 98) vorschreibt. Auch
gegen die Empfehlung des Besuchs von Kranken- und Irrenanstalten lässt sich viel
einwenden, geradezu komisch wirkt die Erörterung, wie die Vergiftung naturg'etreu
darzustellen sei und das erläuternde Beispiel der Louise in „Kabale und Liebe", die
im Tode die Symptome der Arsenikvergiftung zu geben habe. — Der Realismus in
der Schauspielkunst3''2) besteht nach Berger^'*^) darin, dass der Schauspieler auch
erdichteten Ausdrucksmitteln den Anschein verleihe, als seien sie der Wirklichkeit
abgelauscht. — Den Stand und die Lage des deutschen Schauspielers^**'^*^) be-
leuchtet Wichers von Gogh^^*'), mit scharfer Verurteilung der Kontrakte und Gre-
setze. Seine Forderungen, die Besetzung der Rollen habe durch die Schauspieler
selbst stattzufinden, es stehe ihnen das Recht zu, sich überall über ein Stück frei zu
äussern und dgl., sind mehr als sonderbar. Fast so sonderbar wie die Ansicht des
Recensenten, der die Tage der Berufsmimen überhaupt gezählt sieht. —
Vom Technischen^^^) des Theaters plaudert Lindau^^'^) in einer höchst
anregenden Studie über den Regisseur und seine Aufgabe, die sich in Inhaltsregie
und Formregie teilt. Die erstere war einseitig bei Laube ausgebildet, von dem
einige Aussprüche citiert werden. Er hebt die Sorgfalt der Meininger in der
Inscenierung hervor, der auch Weidmann 3^^) nach den Erfahrungen bei seinem
eigenen Stücke das höchste Lob zollt, und die er mit der unhistorischen Ausstattung des
Münchener Hoftheaters kontrastiert. Besondere Anerkennung erfährt, dass auf dem
„Theater des guten Gewissens", wie er die Meininger Bühne nennt, kein Wort aus
„Jenseits von Gut und Böse" gestrichen war. — Fast wie eine Erwiderung auf die
oben citierten Ausführungen Bulthaupts klingen die Bemerkungen, die Schlenther^^^j
an die Aufführung des französischen Mimodramas „Jean Mayeux" knüpft. Auch die
Sprache der Gebärde hat ihr Recht, jeder Stil konsequent durchgeführt giebt ein
Bild der Natur. Die dramatische Kunst ist keine blosse Kunst der Rede. Vom Stand-
punkte des Realismus wird im Drama überhaupt zu viel geredet, auch ein Stück
wie Shakespeares „Irrungen" dankt seinen neuen Erfolg in Berlin hauptsächlich
der Aktion. —
Wir kommen zu dramaturgischen Einzelheiten. Das Lustspiel ent-
steht nach Alberti^^^J nur dann, wenn eine Gesellschaft vorhanden und zusammen-
gesetzt ist. Da dies in Deutschland nicht der Fall ist, so waren Bolz und Schmock die
einzigen humoristischen Gestalten des neueren deutschen Dramas. Dann that Moser
einen glücklichen Griff mit ,, Reif-Reiflingen", indem er diese Gestalt einer Kaste
entnahm, die sicher genug ist, über ihre eigene Schwäche zu lachen. — Biltz-^^^)
will dem Lustspiele aufhelfen durch Verwertung aller socialen und politischen
Zustände der Nation. Den Beweis, dass er der Mann dazu, erbringen seine Versuche
leider nicht. —
Wie wenig das Gerichtsverfahren im Drama dem wirklichen Vorgang* ent-
spricht, skizziert Neuda^^''), einige Beispiele, ohne die richtige litterarische Schätzung
herausgreifend. — Dass die guten Manieren der Gesellschaft im Drama nicht beobachtet
werden, zeigt KroscheP^*"-'^^). —
Falsch werden, nach Anna Pötsch^^^), die Blinden im Schauspiel charakteri-
siert; selbst Shakespeare hat den Fehler begangen, Gobbo im Kaufmann von Venedig die
Stimmen nicht erkennen und Gloster sich über den Weg täuschen zu lassen. Von
diesem Standpunkt aus ist „König Renes Tochter" von Hertz eine Meisterleistung. ^^•*) —
Die Frage der Censur ist durch den Prozess um die „Weber" in den
Vordergrund getreten. Für Grelling-^^^J ist die Theatercensur ein LJeberbleibsel des
Polizeistaats. So lange sie besteht, kann sie nur aus dem Gesichtspunkte der
Opportunität gehandhabt werden, nach lokalen und zeitlichen Gründen. Jedes Verbot
D. Realismus in d. Schanspielkanst: ib. N. 6. — 344) X ^'^^ willst du worden? D. Berafsarten d. Mannes in Einzel-
darstellungen. ]). Schauspieler. L., Beyer. 44 S. M. 0,50. ~ 345) X M. Kaufmann, Schminke. E. Blick hinter d.
Coulissen. B., Lehmann. 32 S. M 0,75. — 346) X ö. Engelsmann, Schauspieler. Direktoren u. Publikum: WienerLZg.
N. 11. — 347) X 0- Teuber, Hinter d. Coulissen. E. Wort z. Schauspieler-Elend: Fromdenbl. K 248. — 348) X § 2. An
d. dtsch. Schauspieler. E. offenes Wort v. Veritas. B., Centralbuohh. 43 S. M. 1,00. - 349) X E. Schugay, Künstler u.
Komödianten: Didask. N. 100. — 350) 0. Wichers v. Gogh, D. Elend d, dtsch. Schauspieler. Zürich, C. Schmidt. 31 S.
M. 0,50. ![Ed. B.: NZS». 11, S. 30ii8.), — 351) X A. Schütte, Hinter dem Theatervorhang: Didask. N. 913. - 352) P.
Lindau, Bemerkungen üb. Regie u. Inscenierung: N&S. 65, S. 85-106, 227-42. — 353) J. V. Widmann, Wie d. Meininger
e. neues Stück aufführen: SchwRs. 1. S. 364-73. — 354l (I 12:244.) — 355) C. Alberti, D. dtsch. Lustspiel: Zukunft 3,
S.C09-12. — 356)(I12:236.)— 357)(112:234.) |[A. v. Weilen: DLZ. N. 47.J| - 358) M. K rösche 1, D. guten Manieren u. d. Theater:
Geg. 43, S. 278,9. — 359) X E- Isolani, Ueber d. Alter auf d. Bühne: DBühneng. 22, S. 189-90. — 360) X (I 12:232.) —
361) X Vi V US, D. Frau auf d. Bühne: WienerLZg. N. 3. — 362) Anna Pötsch, Wahrheit n. Dichtung über Blinde: Geg. 43,
S. 118-22. — 363) X *'• T- Salpins, Kleinstädter- Typen in Altertum u. Neuzeit: DBühneng. 22, S. 326/7, 342 3. — 364)
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./19. Jahrhunderts. IV 4 : 3ß5-a7i
dräng-t Stücke wie die „Weber" den freien Bühnen zu und vergTÖssert die Gefähr-
lichkeit.^^^) — Ihm tritt ein Anonymus scharf entg-eg-en (vg-l. JBL, 1892 IV 4 : 180).
Grelling' hätte hervorheben müssen, dass in den „Webern" überhaupt keine pohtische
Tendenz liege, er aber behaupte, dass der Dichter nicht auf Seite des Aufruhrs
stünde und verweise demg-emäss denunziatorisch (?) auf. die freien Volksbühnen, die
socialdemokratische Tendenzen zur Darstellung bringen.''^''ö) — Wie lebhaft die Frag-e
in Fluss geraten ist, zeigt die durch Franzos^^^) veranstaltete Enquete. Bulthaupt
spricht sich für die Censur als notwendiges üebel aus, ähnlich L'Arronge, Wiehert,
Barnay, Devrient, nur wünschen einig-e, dieses Amt einer höheren Instanz zu über-
tragen. Weitaus gewichtiger sind die Gegenstimmen, deren stärkste in Fuldas
Schreiben ertönt. Nach seiner Ansicht reicht das Strafgesetzbuch für den Schutz des
Bürgers vollkommen aus, die Möglichkeit einer subjektiven sittUchen Gefahr ist bei
keinem Stück ausgeschlossen. Der Prüderie erscheint die Frivolität anständiger als
die Natürlichkeit. Ihm schliessen sich J. Kohler, Heyse, Grelling, Bernstein und
Lindau an. Der letztere giebt einige historische Belege und hebt hervor, dass der
censurierende Lektor überhaupt nicht im stände ist, nach dem Lesen über Sittlichkeit
oder ünsittlichkeit zu entscheiden. Mitten in diese anregende Debatte hinein fiel
das Urteil der Oberverwaltung über das Verbot der „Hanna Jagert" Hartlebens,
durch das zwar das Urteil selbst aufgehoben, aber die Rechtsgültigkeit des Instituts
der Theatercensur unbedingt anerkannt wurde. — Die Streichung des Theaters aus
der Gewerbeordnung und eine eigene Gesetzgebung und Vertretung im Ministerium
beantragt Martersteig--^^*). —
Den Uebergang zur Theatergeschichte mögen einige Studien zur Bühnen-
bearbeitung bilden. Kilian^ß») findet die Hauptverschiedenheit der Shakespeareschen
Dramen von den modernen in der Zersplitterung der Akte in kleine Scenen und im
Mangel des Vorhangs begründet. Da muss und kann der Dramaturg energisch ein-
greifen durch festere Verbindung und Aktabschlüsse, wo Shakespeare zu technischen
Kunstgriffen Zuflucht nehmen musste. Alle Vorteile der modernen Scenierungskunst
dürfen auch hier zur Geltung gebracht werden. — In diesem Sinne berichtet Kilian^''**)
auch über eigene Bearbeitungen der Königsdramen für die Karlsruher Bühne, in der
Art des allerdings zu weitgehenden Dingelstedt auf die Theaterwirkung, aber mit
stärkerem Anschlüsse an das Original hinarbeitend. Für Heinrich VI. folgt er
Oechelhäuser, der den 2. und 3. Teil in ein Stück zusammenzog, er trifft aber eine
Reihe selbständiger Aenderungen, von denen die bemerkenswerteste die Beseitigung des
ganzen dritten Akts, des Aufstandes Cades, ist. — Die Geschichte des „Götz" auf der
deutschen Bühne schildert Scholte-Nollen"^"'), über dessen Buch ich nur nach
dem ausführlichen Referate Kilians berichten kann. Er unterscheidet' zwei
Gruppen von Bearbeitungen. Die eine nach dem Texte von 1773 ohne Mitwirkung
des Dichters, die andere von 1804 ab auf die Goethesche Bearbeitung zui^ückgehend.
H. G. Koch brachte das Stück 1774 in Berlin mit grossem Erfolg, es verschwand
aber und wurde erst 1795 von Fleck wieder hervorgeholt; 1805 brachte Iffland
Goethes Bearbeitung. Berlin folgte Hamburg; Schröder brachte das Stück am
24. Oktober in einer, bis auf kleine Versehen sinngemässen Bearbeitung. Koch hielt
sich noch konservativer; ein Zigeunerballet wurde eingelegt. Kochs Text liegt wohl
der Breslauer Aufführung bei Wäser 1775 zu Grunde. In Frankfurt spielte Abel
Seyler das Stück 1778 oder 1779; K. teilt mit, dass dieselbe Truppe es schon 1776 in
Dresden gespielt hatte. Die Mannheimer Fassung von 1786 bezeichnet einen be-
dauerlichen Rückschritt. Das entsetzlich zusammengestrichene Stück hatte auch
keinen Erfolg. Der Bearbeiter ist wahrscheinlich Rennschüb. Merkwürdig ist, dass
auch nach 1804 noch drei Bearbeitungen nach dem Texte von 1773 in Wien entstanden.
Das Stück wurde unter Hensler im Leopoldstädter Theater am 23. April 1808 mit Ge-
sang in einer angeblich von Ehrimfeid stammenden Redaktion gegeben, 1809 erschien
Fr. Grüners Bearbeitung, die 1810 am Theater an der Wien gegeben wurde, eine
wahre „Rosskomödie", willkürlich ändernd und voll Plattheiten. Diskret und fein-
fühlig stellte Schreyvogel 1830 das Stück wieder her, mit Kenntnis des eben ge-
nannten Vorgängers. Goethes Bearbeitung wanderte nach Mannheim 1811, wurde
dort stark gekürzt, und ging so nach Karlsruhe 1820. Zumeist nahmen aber die
deutschen Theater den Text an, welchen die Weimarer Bühne nach der Aufführung
des ungekürzten Textes der Bearbeitung (am 22. Sept. 1804), in wesentlich verkürzter
Gestalt am 8. Dec. hatte in Scene gehen lassen. Ein Konglomerat der Texte von 1773
und 1804 lieferte Dingelstedt, die grosse Adelheid-Scene zur Sensationsnummer will-
R. Grelling, Glossen z. Weberprozess: ML. 62, S. 649-52. — 365) Entweder — Oder: NZ^t. n, s. 778-82. - 366) X E.
Wengraf, D. Theatercensur: WienerLZg. N. 9. — 367) 0. Frage d. Theater-Censur : DDiohtung. 13, S. 22 7, 72 3, 124 6, 146 9,
1736, 2512. — 368) (I 12:225.) — 369) E. Kilian, D. scenischen Formen Shakespeares in ihrer Beziehung zu d. Aufführung
seiner Dramen auf d. modern. Bahne: .JbDShakespeareGes. 28, S. 90-110. — 370) id., D. Königsdramen auf d. Karlsruher
Bühne. Mit bes. Berücksichtig, d. Einrichtungen t. Heinrich V. u. Heinrich VI.: ib. S. 111-56. — 371) J. Scholte-NoUen, Goethes
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. (4) 1 4
IV 4 : 372-.i78 A. voii Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./ 19. Jahrhunderts.
kürlich ausgestaltend. Perfall griff 1890 sogar teilweise auf die erste Fassung von
1779 zurück,' noch weiter ging im selben Jahre Devrient in Berlin, der lediglich
auf der ältesten Gestalt des Dramas fusste und damit auch die eine Scene zwischen
der Gräfin Helfenstein und Metzler für das Theater gewann. —
Die verstreuten Abhandlungen Vinckes zur Bühneng'eschichte hat Litz-
mann ^^^j zu einer Sammlung vereinig-t. Einige wurden anderweitig* (s. N. 18,23, 24,26,
28) angeführt. Ich kann nicht finden, dass diese Hervorhebung" von Studien, die seiner
Zeit g-anz schätzenswert waren, heute aber in den meisten Punkten längst überholt
sind, einem wirklichen Bedürfnis entspräche, selbst wo teilweise Nachträge geboten
werden. Was soll z. B. ein Aufsatz über die Mannheimer Schauspieler Beil, Beck
und Iffland, wo nicht einmal auf die Protokolle des Theaters Rücksicht genommen
wird? Ich hebe die Studie über die Bearbeitungen der Sheridanschen Lästerschule in
Deutschland, und die höchst flüchtig-e über das spanische Schauspiel in Deutschland
hervor. —
Ebenso wenig als der Bericht über Dramaturgisches die im ewigen Einerlei sich
wiederholenden Klagen und Verbesserungsvorschläge auch nur in den Anmerkungen
verzeichnen könnte, ist es auf dem noch immer recht schwach bestellten Gebiete der
Theatergeschichte mög"lich, all den Anekdotenkram und die verstreuten un-
wissenschaftlichen Notizen zu buchen. Dem praktischen Bedürfnisse des Theater-
freundes soll das allgemeine ^''3) Verzeichnis der Theaterstücke der Weltlitteratur,
das im vorigen Berichtsjahr übersehen wurde, dienen. Ob die dem Scenarium
folg"enden nackten Inhaltsangaben wirklich jemandem nützen werden? Ueber die
Auswahl kann man manchmal den Kopf schütteln. Das Wiener Theater ist sehr
spärlich berücksichtigt. Von Bauernfeld fehlt u. a. „Krisen", „Aus der Gesellschaft";
von Fulda erscheinen nur die Jugendstücke. Bei Hebbel fehlt „Maria Magdalena",
bei Lindau „Ein Erfolg", gar nicht erscheinen Hopfen, Costa und andere. — Das
Gegenunternehmen von Melitz^''*) ist mir leider nicht zugeg-angen. — Auf dem
Umfang von 104 Seiten die ganze Theatergeschichte, noch dazu mit besonderer Be-
rücksichtigung" der modernen Bühne darzustellen, war ein schwieriges Unternehmen.
Es ist auch Heine ^'^J, wenigstens im historischen Teile, nicht übermässig" geglückt.
Schon die Einteilung in Kapitel: Die Unbehausten, Das Heim an den Höfen, Das
Heim in den Städten, Im neuen deutschen Reich verschwimmt, besonders wie H.
sie durchführt, im 2. und 3. Abschnitte vollständig. Zahlreich begegnen uns schiefe
Urteile wie: Ackermann hat im Vereine mit Eckhof (sie!) dem gesunden Realismus
Bahn gebrochen. Es passiert ihm der bedenkliche Lapsus, das Wort Lessings über
Gottsched als Verderber des deutschen Theaters in der Hamburgischen Dramaturgie
zu suchen. Kein W^ort über die Entwicklung des Bühnenwesens, kaum eine An-
deutung über die Einbürgerung Shakespeares, dagegen wird der „27. Februar" aus-
führlich besprochen. Geradezu erheiternd ist seine Unkentnis des W^iener Theaters.
Da heisst es : „Hier wirkten Sartori, J. Schuster und Korntheuer, der durch die Aus-
bildung einer besonderen Staberl-Maske sich zum Liebling des Publikums machte."
Das Theater an der Wien ,, verwandelte sich 1829 in das Karl-Theater". Das Burg-
theater wird recht flüchtig" behandelt, aus Laubes Repertoire hebt er besonders den
Erbförster und den „allerliebsten" Königslieutenant hervor. Sicherer bewegt sich
H. in der Neuzeit; was er über Gewerbefreiheit und Sprache der modernen Bühne
vorbringt, ist recht gut, die Charakteristik der Meininger ebenfalls ansprechend. Mit
ruhigem Blick weist er die Volksbühnen zurück. Nur hätte ich auch hier die vielen
Namen mit den charakterisierenden Beiworten gerne vermisst. Er sieht in der g"rossen
Beschäftigung mit dem Theater eine Wendung zum Besseren. Das sich gegenwärtig"
entwickelnde Drama scheint ihm den Realismus der Form beizubehalten, aber einen
Inhalt zu suchen. Es wird Leute geben, die gerade das Gegenteil behaupten.
— Bei Gelegenheit der Besprechung" des Heineschen Buches über die Wandertruppen
hebt Ellinge r3''6) die Notwendig"keit hervor, für ihr Repertoire das Puppenspiel zu
Hülfe zunehmen. — Ueber deutsche Truppen in Dänemark berichtet Paludan-^"'').
1663 erschien in Kopenhagen eine niederländische Truppe des J. A. Wulff, dessen
Hauptspieler der bekannte M. D. Treu ist, zu gleicher Zeit kam A. Pandszen, 1672
C. Andreas (Paulsen) u. a. Auch die Witwe Velthen scheint im J. 1703 in Kopen-
hagen gewesen zu sein. Einige Zettel werden mitgeteilt: Von der „Prinzessin Adamira",
(um 1707), der „Verirrte Liebessoldat" und „Der eiserne Tisch". Die beiden Stücke
stammen aus dem Repertoire Denners, der mit Joh. Spiegelberg in Kopenhagen war
Götzv.Berlichingen auf d. Bahne. Diss. L.,(0. Schmidt). 133 S. | [M.Koch: BFDH. 10, S. 225; E. Kilian: AZg». N. 205 6.J| (Vgl.
IV8e:10/l.)— 372) Ö.Frhr.v.Vincke, Ges. Aufsätze z.Bühnengescb. Her. v. B. Litzmann. (= TheatergesehF. VI.) Hamburg u.L.,
Voss. 254 S. M.5,00. |fE. Kilian: DLZ. S.945,7.J| - 373) D. Theaterstücke d. Weltlitt., ihrem Inhalte nach wiedergegeben. B., L.,
Budapest. Fried. 1892. XVI, 648 S. M. 3,00. — 374) O (1 1 : 162. ) - 375) C H e i n e , D. Theater in Deutschland. Seine gesch. Entwicklung
u. kulturelle Bedeutung bis z. Gegenw. (= Lessers Handbibl. für Zeitungsleser. Bd. IH.) Einbeck, Lesser. VI, 104 S. M. 1,25.
— 376) (111 4:27.) — 377) (in 4:35.) - 378)Xt!. Alberti, D. Hervorruf im Theater: FeuilletZ. N. 478. (Auch Fremdenbl.
A. von Weilen, Diania und Theaterg-eschichto des 18./19. Jahrhunderts. IV 4: 379-402
und auch den Gryphiusschen ,.Papinian" in Hasscarls Verarbeitung- spielte. P. kon-
statiert auch die Anwesenheit eines Christian Spiegelberg. Nach 1720 kamen keine
Wandertruppen mehr. In diesem Jahr und 1722 traf Eckenberg- mit Seiltänzern ein.
Mit den dänischen Komödianten wetteiferte Salomon Paulsen von Quoten, der früher
Soldat, dann Zahnbrecher und Okulist gewesen war. Er spielte von 1715 ab wieder-
holt, aus seinem Repertoire werden einige Titel mitgeteilt. 3'^"-^'*'') — Eine Reihe von
berühmten Theaterskandalen registriert Sternberg •'^'). 1734 wurde in Braunschweig
bei einem Trauerspiele vom Magistrat das Lachen verboten. — Aus der Geschichte
der Theaterkritik ^i^^) wird ein interessanter Fall erzählt: 1828 erhielt Gubitz als
Redakteur des „Gesellschafter" eine Verwarnung, mit dem Bedeuten, dass eine
tadelnde Kritik eines auf der Königlichen Bühne vorgestellten Schauspiels erst zu-
lässig- sei, bis es entweder dreimal gegeben oder im Zeitraum von 14 Tag-en nicht
so oft aufgeführt worden sei. —
Zur Theatergeschichte einzelner Städte^^^-^^*). Trotz des grossen Um-
fanges bietet die Studie über das Theater in B a m b e r g von L e i s t ^s^), wie leider die meisten
derartigen Monographien, fast nichts litterarisch und geschichtlich Wertvolles. Die
Quellen, die dem Vf. vorlagen, sind auch ausserordentlich dürftig. Nicht einmal über
E. T. A, Hoffmann und Holbein, die interessantesten Persönlichkeiten, die für diese
Bühne gewirkt, erfahren wir etwas Neues. —
Ein kleiner ArtikeP^ß) erinnert gelegentlich der Eröffnung des „Theaters Unter
den Linden" an das Schuchsche Theater in der Behrenstrasse in Berlin. ^^'J — Einen
scharfen Angriff gegen die Hofbühne richtet Verdi ng^^^*) bei Musterung der geringen
Novitätenausbeute des verflossenen Jahres. Die Lässigkeit der Berliner Bühne, die eines
wirklichen Dramaturgen bedarf, wirkt lähmend auf die deutschen Theater. Sie soll
nationale Dichtung- fördern und echte Talente. „Herrn Hauptmann zählen wir nicht
zu den Dramatikern." (l) — Aehnliches erhofft Lorenz^^''J vom Schiller-Theater. —
Im „Ronacher" sieht Elias^''**) ein Institut, das zwischen Kunst und Gesellschaft zu
vermitteln berufen ist; künstlerische Freude an der Form zu bereiten ist seine
Sendung. — Ein französischer Kritiker^'**) tadelt an der Berliner Vasantasena-Vorstellung
die brutale Kunst der deutschen Schauspieler, bewundert aber die Volksscenen.3"2j _
Nicht viel mehr als aus Hagens Buche, das nur in den preussischen Provinzial-
Blättern erschienen sein soll, erfahren wir aus der Geschichte des Theaters in
Danzig von Rub^^-'j. Er registriert die Truppen, ohne die Litteratur gehörig zu
kennen, bei Schönemann erwähnt er den „Bocksbeutel", dessen Titel der Namen einer
Person sein soll. Mit Karoline Schuch erschien J. F. Kurz 1771 und 1772, ohne dass
seine Bernardoniaden hier grossen Beifall fanden. 1784 wurden die ,, Räuber" als
unmoralisches, sittenbeleidigendes Stück verboten, —
Was über die Bühneng-eschichte der Schillerschen Jugenddramen in Frank-
furt a. M. uns Elisabeth MentzeP^*) erzählt, war schon im Vorjahr an anderem
Orte erwähnt, es sei hier nur wegen der eingefügten Biographie Grossmanns nochmals
hervorgehoben. — Interessant weiss Elisabeth MentzeP^^) auch über die Auffuhr ung
Lessingscher Dramen zu berichten. J. von Kurz brachte 1767, wie er behauptet und die
Vf. etwas leichthin glaubt, die ,, Minna von Barnhelm" zur ersten Aufführung, wahr-
scheinlich Ende Sept. oder Anfang Okt. Auch den „Freigeist" kündigt er 1768 als
Novität an. Er gab überhaupt viele ernste Stücke, auch die Aufführung der „Eugenie"
von Beaumarchais (1768) ist vielleicht die erste in Deutschland. ^*^ö'397j _
Die Geschichte des Thalia - Theaters in Hamburg erzählt chronikartig
Schön wald^^s). — Ein hübsches Porträtwerk^^-'^), die Künstler der Hamburger
Bühnen darstellend, gab die Firma Fritzsche heraus,^<'ö-40ij _
Einen wertvollen Beitrag liefert für die Geschichte des Karlsruher Hof-
theaters unter E. Devrient der oft genannte Dramaturg Kilian*02j g^n Artikel
N. 242 usw.) — 379) X K. Spitteler, Etwas vom Theaterzettel: Kw. 6, S. 321/2. — 380) X Schanspieler-Gehalte v. Einst:
Didask. N. 121. — 381) H. Sternberg, Denkwürdige Theaterskundale: DBühneng. 22, S. 89-91. — 382) D. goldene Zeitalter
d. Theaterkritik: Didask. N. 109. — 383) X J- Knopf, Theater-Statistisches: Bühne n. Leben S. 84. — 3841 X Gedenk- n.
Jubeltage: NTheaterAlm. 4. S. 71-101. — 385) O (HI 4:29.) — 386) D. Theater Unter d. Linden: Bär 19, S. 171 4. — 387) X
D. Brand d. Berliner Kgl. Opernhauses vor 50 J. : VossZg. N. 385, 387. — 388) G. Veiding, D. künstler. Leistungen d.
Kgl. preuss. Hofbühnen im .1. 1892: 20. Jh. 3, S. 253 8. — 389) G. R. Lorenz, D. Aufgaben d. Schiller- Theaters: Geg. 44,
S. 2046. — 390> J. Elias, „Ronacher«: Nation". 10, S. 15 6. — 391) Dtsch. Schauspielkunst in französ. Augen : Kw. 6, S. 325,6.
— 392) X D- Jnl>il- ä- Bremer Stadttheaters: SchorersFamilienbl. N. 41. — 393) (lU 4:32.)- 394) Elisabeth Mentzel,
Schillers Jugenddranien z. ersten Mnle auf d. Frankfurter Bühne. II. D.Verschwörung d.Fiesco, Kabale u. Liebe u. Don Carlos:
AFrankfG. 4, S. 64-160. |LE. Kilian: AZg«. N. 4l'.j| (Vgl. JBL. 1892 IV 9 : 65, 65a, 74.) — 395) id., Lessings Minna
V. Bariihelm n. Freigeist auf der Frankfurter Bühne in d J. 1767 u. 68: ib. S. 375-84. (Vgl. IV 6.) — 396) X H. Becker,
D. Schaubühne im alten „Krachbein" in Frankfurt a. M.: DBühneng. 22, S. 138,9, 149-50. — 397) X (lU 4:31.) — 398) A.
Schönwald, D. Thalia-Theater in Hamburg 1843-93. Festschrift. Hamburg, Raderaacher. 114 S. M. 2,00. || DBühneng. 22,
S. 390,1.J| — 399) Künstler-Album d. Opern- u. Schauspiel-Ensembles d. vereinigten Stadttheater zu Hamburg. Saison 1892-93.
Hamburg, Pritsche. Fol. 30 Bl. M. 4,75. — 400) X Tb. Mehrin g, Ueber d. Hamburger Theaterlogen vor 200 J.:
DBühneng. 22, S. 318. — 401) X D. 50j. Jnbil. d. Thalia-Theaters in Hamburg: ib. S. 3901. ||Didask. N. 266.]| -- 402) E.
Kilian, D. Karlsruher Holtheater unter E. Devrient. Karlsruhe, Braun. VH, 167 S. M. 2,00. [AZg". N. 148; H. Sitten-
berger: WienerLZg. N. 9;StrassbPost. N. 171; ElisabethMentzel: Didask. N. 124; F. Kunkel: BerlTBl. N. 338; A.Bette 1-
(4)14*
IV 4: 403-417 A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18. /19. Jahrhunderts.
Koffkas in der Badischen Landeszeitung" charakterisiert die Desorganisation des
Theaters, die zu heben Devrient 1852 aus Dresden berufen wurde. Schon nach zwei
Jahren kann der obengenannte Recensent die Verdienste hervorheben, die sich der
neue Leiter erworben, besonders durch Einführung' Shakespeares, zum Teil in eigenen
Bearbeitungen, und durch sorgfältige Pflege der Klassiker. Grillparzer aber kommt
nur sehr selten zu Wort. In seiner Einrichtung des „Richter von Zalamea" hat er schon
von der geteilten Bühne Gebrauch gemacht. Von bedeutenden Dichtern der Neuzeit
brachte er besonders G. Freytag zur Geltung. Auch interessante Experimente wie
Immermanns „Andreas Hofer" (i861), Uhlands „Herzog Ernst" (1868) fehlen nicht.
Ablehnend hält er sich gegen die Franzosen. Auch das Opernrepertoire baut er auf
klassischer Grundlage auf. Der Schwerpunkt lag in dem stilvollen Zusammenspiel,
dem sein ausgezeichnetes Lehrtalent zu gute kam. So schuf er eine kleine Muster-
bühne, ähnlich der Immermanns. Aus seiner Hs. teilt im Anhange 0. Devrient
Aufzeichnungen über die Berufung' mit, der er nur zögernd folgt, weil die Freude,
neu zu schaffen, mit dem Kummer, nicht mehr zu spielen, in ihm streiten. Den
Ausschlag giebt, trotz aller Verdriesslichkeiten, die persönliche Liebenswürdigkeit des
Prinzregenten. Noch 1857 fühlt er sich in dem Gedanken zufrieden, hier alles durch-
geführt zu haben, was er gekonnt und beabsichtigt.*"^) —
Für München mustert, unter grosser Anerkennung, Bierbaum ^o*) (\[(^,
Leistungen Perfalls, die in der Einführung Ibsens und Schaffung der Münchener
Oper gipfeln. Zu scharf tadelt er den Kultus der Franzosen und fordert für die
Zukunft Befreiung von der künstlerischen Bevormundung Berlins und grösseren Stil
in der Darstellung. Den meisten Raum des Buches nehmen die statistischen Angaben
wie die nicht besonders gehmgenen Porträts der Mitglieder ein.^oäj — Die Jubiläums-
schrift des ,,Bberlbräu"*"^) birgt hübsche Beiträge zur Geschichte der Münchener
Bühne. 1745 wurde die Tenne zu einem „Comoedienstadel" umgewandelt, auf dem
eine Reihe von Truppen wie Steph. Mayer, Borsch von WaUrode, Kurz (1768) u. a.
erscheinen. Zu der Truppe von Lorenzoni und Sartori trat Niesser, der bei Teresina
Kurz seine Ausbildung gefunden, und reformierte das Theater, das er bald allein über-
nahm. 1771 wurde dort als erstes regelmässiges Stück die Wirtschafterin von
Stephanie d. Ae. gegeben. Ein Protest der Stadtmusikanten gegen sein Spiel während
der Adventzeit hatte keinen Erfolg. Obwohl Niesser auch 1773 das Opernhaus erhielt,
behielt er dieses Theater noch eine Zeit weiter und brachte noch die „Minna von
Barnhelm" 1774. Die Truppe löste sich 1778 auf; bei der letzten Vorstellung „Romeo
und Julie" hielt die Darstellerin der Julie, nachdem sie das Gift genommen, eine
Abschiedsrede an die Zuschauer. *07-408-) _
Eine höchst oberflächliche, nur die landläufigsten Notizen zusammenraffende
Arbeit liefert Lentner*«») über die Hanswurstkomödie, vornehmlich in Wien. —
Ueber die Neujahrsgaben der Wiener Komiker Stranitzky und Prehauser berichtet
Weilen'*^'*), bei erstgenaniitem kurz auf Benutzung Grimmeishausens und Callenbachs
hinweisend. — Auf Faustdramen der Wiener Bühne verweist Werner^i'). Er citiert
eine Kritik Hebenstreits aus der Wiener Mode-Zeitung von 1816 über eine Vor-
stellung des „Faust" von weiland Kringsteiner im Leopoldstädter Theater (vgl.
Goedeke 5, S. 342); 1818 wurde daselbst Bäuerles Posse „Der Schatten von B^austs
Weibe" gegeben. Aehnlich ist ein Stück, „Faust im 18. Jh., Singspiel in 3 Akten",
hs. in der Hofbibliothek erhalten. Es benutzt Motive des Faustdramas, um den Frei-
herrn von Faust von seiner Schuldenmacherei zu heilen und zu seiner Braut zurück-
zuführen. Grosse Zauberscenen sind eingefügt. — Näheres über die Aufführung des
Götz (s. N. 371) im Leopoldstädter Theater 1808 teilt Kilian^'^^ mit. Er ist
mit specieller Berücksichtigung dieser Bühne um einen Schneider Sindelfinger samt
Familie und eine Marketenderin bereichert worden, vielleicht wurde die Bauern-
hochzeit des Götz von 1773 dazu benutzt. Erasmus von Onoldsbach ist offenbar
Olearius, Liebetraut ist ein „Meistersänger". Die Maximilian-Scene fehlt nicht, im
Gegensatz zu den späteren Wiener Bearbeitungen. EigentümUch ist die Teilung in vier
Akte. — Das Sündenregister der neuen Burgtheater-Direktion führt ein Anonymus*'^),
nach dem unsicheren Tasten in moderner Litteratur Rückkehr zum Alten fordernd*'*"*'^).
— Einen bösen Nekrolog hält Marsop*'^) der Musik- und Theaterausstellung. An
heim: NationU. 10, S. 555/7; DBahneng. 22, S. 167, 183/4.JI — 403) X Wer ist schuld? Betrachtungen über d. Leipziger
Stadttheater v. e. The.ilerfreund. L., Eeussner. 21 S. M. 0,50. — 404) 0. J. Bi erbau m, 25 J. Mfinchener Hof-
theater-Gesch. München, Albert. 1892. 90 S. M. 4,00. |[E. Kilian: DLZ. S. 373/5; L. Fränkel: BLU. S. 345/6; M. G.
Conrad: Ges. S. 1145; DDichtung. 15, S. 79-80.] — 405) O Z- Münchenev Tlieatergesch.: TglRs". N. 166,7. — 406)
(I 4:275; III 4:30.) — 407) X A.. Elger, D. Dilettanten-Theater in Reiohstadt: MNordböhraExcnrsClub. 16, S. 149-51. —
408) X B- Stern, D. Anfänge d. Theaters in Enssland: AllgKunstChr. S. 333/7, 372/4, 411/2. — 409) F. Lentner, Dtsch.
Volkskomödie u. Salzburgisches Hanswurstspiel. Studie über d. Entwicklnngs- u. d. Rechtsgang d. Bühnenwesens in Oesterreich.
Innsbruck, Wagner. 39 S. M. 1,00. — 410) (1 4:5.5.) — 411) R- M. Werner, Z. Faustsage. I. E. unbekanntes Faustdrama:
GJb. 14, S. 245-64. (Vgl. IV 8e : 62.) — 412) E. Kilian, Z. Hühnengesch. d. Götz t. Berlichingen: ib. S. 2768. (Vgl.
IV 8o: 12.) — 413) Im neuen Burgtheater. Krit. Streiflichter. 2. Aufl. L., Schnitze. 35 S. M. 0,50. — 414) X A. Bettel-
heim, Billige Mustervorstellungen : Nation". 10, S. 188. — 415) X K. Goldmann, D. Raimund-Theater in Wien: DBühneng. 22,
S. 82/3. — 416) X L. Hevesi, D. Raimund-Theater: Fremdenbl. N. :124. — 417) P. Marsop, Gegen Theater- n. Musik-
A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./in. Jahrhunderts. IV4:4i8-*52
und für sich ist ein derartiges Unternehmen widersinnig", hier wurde es unter
Leitung" von Dilettanten unmög-lich. Eine zusammenhängende Darstellung war nicht
zu bieten, trotz des Fleisses, der von Fachleuten aufgewendet worden, auch der Ge-
lehrte habe nicht den g-ering-sten Nutzen davon gehabt. Er plädiert für Musik- und
Theatermuseen in grossen Städten. Die einzig richtige Musik- und Theateraus-
stellung bleibe aber eine gute Aufführung. —
Angesichts der ausführlich darg-elegten Missstände des Würz burger Theaters
wünscht NeaH'^) dring-end die Uebernahme in städtische Regie.* •'•'-^^o-) _
Zahlreiche unbedeutende biographische Notizen über Schauspieler und
Bühnenangehörige sind im Org-an der deutschen Bühnengeijossenschaft und ander-
weitig verstreut. Auch die ADB. führt eine ganze Reihe von Bühnenkünstlern
yoi..43o-436-) Hervorzuheben ist Cr ei zenachs*^'') Biographie des englischen Banden-
führers Spencer. — Dass Veiten durch Oberst van Staden 1672 mit einer Truppe
von 12 Personen nach Moskau berufen wurde, teilt Nehring*^^) mit. — In P. A.
Schraders Scherzen (1762) findet FränkeH^") einen interessanten Passus über den
berüchtigten Prinzipal Reibehand und ähnliche sohlechte Schauspieler: „Wennsich
die Schönen nicht würden sehen lassen, w^elcher junge Herr würde einen Faust
sehen wollen." — Litzmann^^o^ charakterisiert Ackermanns letzte Rolle, den
Korporal Kauzer in Stephanies „Werbern" 1771. — Die beiden Stephanie hat
Walzel44i) g-ut behandelt. Der ältere wurde trotz ehrlichen Strebens eine Last für
das Burgtheater als Künstler und Dichter. Viel gewandter zeigte sich der jüngere in
beiden Fächern, er bereitet Kotzebue vor und erinnert in der Leichtigkeit seiner
Produktion an Holtei. — Des hundertjährigen Todestag-s Döbbelins wurde mehrfach
g-edacht. 442-4443 —
Der erste Band der Schröder-Biographie von Litzmann (vgl. .TBL. 1890
IV 4:166) wird von Sau er 445) bei grösster Anerkennung als zu umfangreich und
im Ausdrucke schwülstig- bezeichnet. S. hebt in einer allg-emeinen Betrachtung die
Missstände, welche der theaterg-eschichtlichen Forschung anhaften, hervor. — Ueber
den vornehmen Anstand auf der Bühne, den Ph. Ed. Devrient Schröder zu Gunsten Ifflands
abstreitet, führt Vincke446) die entgegengesetzten Zeug-nisse Meyers und Schinks an.
— Das Rundschreiben Schröders zur (Gründung einer deutschen Theater-Pensions-
anstalt wurde bei der Gedenkfeier in das g-ebührende Licht gestellt, und seine Ver-
dienste werden auch in dieser Richtung" g'efeiert.447-440ii3 _
Einen seiner Schauspieler, R. D. Steg mann (1751 — 1826), der ihm vor-
nehmlich als Komponist von Nutzen wurde, behandelt Lier*^«). — Koch45i) ver-
öffentlicht zu P. A. Wolffs Aufnahme in Weimar die besorgten Briefe der Mutter
über die von ihr und den Seinen nicht gebilligte Berufswahl und Goethes beruhigende
Antwort vom 1. Sept. 1803. Er giebt ferner Auszüge aus Familienbriefen und
eigene Briefe Wolffs aus seiner Berliner Zeit, die manches Interessante für den Schau-
spieler und Schriftsteller bieten. — Geiger452) teilt hübsche Briefe Marianne von
Eybenbergs mit, die an Cioethe über das Theater berichten. Aus Berlin melden sie 1796
über Ifflan d s Essig-händler; er habe einen alten Deutschen, aber nicht einen Franzosen
gespielt. 1798 hat Marianne mit Fleck gesprochen, wohl ohne Auftrag Goethes,
und ihn geneigt gefunden nach Weimar zu gehen. Sie teilt auch eine Art Xenion
F. Schlegels auf IfTland mit, das sagt, er sei ein „bouffon, den die Moral debauchiert
hätte". Aus Wien 1803 weiss sie nicht viel Gutes über die Hoftheater zu sagen.
Sie werden „täglich schlechter und erbärmlicher, dass wir nichts als Ifflandiaden oder
was noch ärger Kotzebuejaden sehen müssen", und Schikaneder giebt Opern mit ver-
ausstelliingen : AZg^'. N. 141. — 418) M. Neal, D. Reform d. Würzburger Sfadttlieatere. E. Signalrakele zu Itommender
Saison. Wiirzbnrg, Dornauer. 44 S. M. 0,50 — 419) X J-. Schanspieler-GedenVtage: DBühneng. 22, S. 98. (J. F. Rüthling
u. C. W. Unzelmann.) - 420) X F- Katt, Christiana FriederiVa Weidner: ib. S. 29-30. — 421) X A. J. Weltner, D. erste
Melitta. Z. 50. Todestage v. Willielniine Korn: Fremdenbl. N. 253. — 422) X J- Neumann, Naclirnf an Polyxena Boclte:
DBühneng. 22, S. 15. - 423) X B- Heibig, Francisca Berg: ib. S. 157. — 424) X J- Lewinsky, Thron n. Bühne. Hof-
konzerte n. Theater-Eeminiscenzen. (= Ecksteins Reisebibl. N. 37.) B., Eckstein. 96 S. M, 1,00. (Enth. Biographisches v.
Scholz n. Nestroy.) — 425) X F- Walter, J. M. Boeck (gest. 18. Juli 1893): FZg. N. 197. - 426) X J. Hart, Marie Nie-
mann- Seebach: VelhagenKlasingsMh. 1, 8. 53/6. — 427) X E. Zabel, Nuscha Bntze: IllZg. l, S. 801,2. — 428) X A. Bartels,
F. Mitterwurzer u. d. Schauspielkunst: Didask. N. 154. — 429) X C. v. Vincenti, Charlotte Wolter: VelhagenKlasingsMh. 1,
S. 640,2. — 430) X H. A. Lier, J. A. Stenzel: ADB. 36, S. 57/8. - 431) X id- Familie Steinbrecher: ib. 3.5, S. 691;2. —
432) X P- Schlenther, K. Stawinsky: ib. S. 536. — 433) X E. Handy czewski, J. Staudigl: ib. S. 512/3. — 434) X
H. A. Lier, W. Stich: ib. 36, S. 163,4. — 435) X id., J. 3. u. Marie Strassmann : ib. S. 510,2. — 436) X A. v. Weilen.
F. Strampfer: ib. S. 496,7. — 437) (HI 4 : 33.) - 438> (1114:34.)- 439) L. Fränkel, Reibehiinds Faust-Aufführung:
GJb. 14, S. 292,3. — 440) B. Litzmann, Ackermanns lelzte Rolle: Salon-Feuillet. N. 17. — 441) 0. F. Walzel, C. G. d. ä.
u. G. d.j. Stephanie: ADB. 36, S. 96-100. — 442) X W. 6., E. Schauspieldirektor d. 18. Jh. (E. Gedenkblatt z. lOOj. Todestage
Döbbelins): VolksZg. N 289. — 443) X H. Lee, D. letzte dtsch. Komödienvater. E. Gpdenkblatt an d. 10. Dec. 1893: FeuilletZg.
N. 492. — 444) X K. Döbbelin: DBühneng. 22. S. 427. - 445) A. Sauer: GGA. S. 414,9. — 446) G. v. Vincke, Schröder n.
Ifflands vornehmer Anstand auf d. Bühne. (= N. 372, S. 51-63.) — 447) Th. Mehring, KOj. Jubeltag e. dtsch. Theater-
Pensionsanst.: DBühneng. 22, S. 14, 22, 30, 41,2. — 448) X Ueber ein Rundschreiben F. L. Schröders: BerlTBl. N. 13. —
449) X Schröder-Feier. (In Hamburg 19. März): DBühneng. 22, S. 106,8. - 449a) X F- Walter, J. M. Boeck (gest. 18. Juli 1793):
FZg. N. 197. - 450) H. A. Lier, K. D. Stegmann: ADB. 35, S. 788/9. — 451) M. Koch, E. Brief Goethes nebst Auszügen
aus Briefen P. A. Wolffs. (=11: 118, S. 19-39.) - 452) L. Geiger, Briefe v. Marianne v. Eybenberg an Goethe: G.Tb. 14,
IV 4:453-472 A. von Weilen, Drama und Theaterg-eschichte des 18./H)- Jahrhunderts.
schwenderischer Pracht. Noch 1805 konstatiert sie die künstlerische Abnahme des
Nationaltheaters. „Kotzebue ist hier und ist wieder fortgereist, dies ist alles, was
über ihn zu sag-en, ich hasse ihn wie die Sünde." 1809 in Berlin bewundert sie den
Teil Ifflands als unnachahmlich schön. Am 24. Febr. 1810 spricht sie über die Auf-
führung von Zach. Werners „Weihe der Kraft", die mit vielem Pompe in Scene ging:
„Allein diese Hyacinthen duften mir nicht, dieser Karfunkel leuchtet mir nicht." In
einem undatierten, aber wohl ins J. 1804 nach Vermutung- des Herausgebers zu
setzenden Briefe begeistert sie sich für Ifflands Lear und schreibt ausführlich und
freundlich über Frl. Maas. — Diese Schauspielerin, die früher in Weimar engagiert war,
wird auch von Varnhagen in Prag 1812 sehr bewundert. Dieser berichtet in einem
andern Briefe an Goethe aus Berlin 1828, den Geiger^^^) vorlegt, über Töpffers
„Hermann und Dorothea". —
Die reizvolle Schilderung, die Arneth von Antonia Adamberger gegeben
(vgl. JBL. 1891 IV 11:170), ist jetzt, nachdem das Buch ^^4^ {^ Handel erschienen,
auch dem grösserem Publikum zugänglich. — Eine journalistisch imd dramaturgisch
für Berlin bedeutsame Persönlichkeit lernt man durch Pröhle^^"') in S. H. S pik er
(1786—1850) kennen. — Die Künstlerfamilie Spitzeder behandelt Welti^sß). — Ein
schnuiTiges Original führt Wittmann'*^'') in dem 1841 gestorbenen F. lUenb erger
vor. — Die Verdienste K. Chr. L. Starklofs (1789— 1850) um das Oldenburger Hof-
theater anerkennt Mutz enbecher*^^). —
Ziemlich viel erschien über Se3''delmann45!'-462-) Sehr gut entwickelt
Schlenther^^^) die Persönlichkeit im Gegensatz zu der L. Devrients. Er ging
vom Handwerk aus und hob es nur durch Anspannung aller seiner Kräfte ins
Künstlerische. Sein Wesen war die klare Schärfe, der Geist baute ihm den Körper.
Wenn man ihm vorwarf, dass er aus dem Ensemble heraustrat, muss man berück-
sichtigen, dass kein Ensemble da war. Seh. giebt einen etwas heroinenhaften Brief
Auguste Crelingers an den Intendanten über Seydelmanns Künstlerschaft (1833) und
einen Brief des Künstlers selbst vom 1. Mai 1835 über seine Aufnahme in Berlin und
die Kritik. — Loewenfel d*^*) bespricht Seydelmanns Regiebuch des,,Clavigo", in dem
er sich Bemerkungen zu der Rolle des Carlos, die er noch mit Goethe durch-
gegangen, aufzeichnet. Aus ihnen geht hervor, wie stark Seydelmann das Welt-
männische der Figur ohne den tradionellen Bösewicht-Typus herauszuarbeiten suchte.
Der Herausgeber teilt auch einige Briefe mit, darunter einen von 1826 an den Ham-
burger Direktor F. L. Schmidt wegen eines Gastspiels mit eventuellem Engagement.
— Kohut^ös) citiert einen Brief Laubes an F. Grunert, zwei Tage vor dem Tode
Seydelmanns geschrieben: „Er ist für unsere Kunst ein Ungeheuer, weil selten so
eine reiche Verstandesbildung dem Talente beiwohnt." — Die Todesanzeige Ludwig
Devrients (1832) ist aus den Berliner Tagesblältern wieder abgedruckt worden^^^), —
Stah rs Verdienste um den Aufschwung des Oldenburger Hoftheaters werden
von Fränkel'*^^) erörtert. Dass die freie Bearbeitung- des Shakespeareschen Winter-
märchens, die daselbst in Scene ging, von ihm und Mosen, nicht von Palleske sei,
wird in der ADB. (36, S. 792) zu Gunsten Palleskes richtig gestellt. — Ueber seine
persönlichen Beziehungen zu Herzog Ernst von Gotha plaudert Hessler^^^). Er
erzählt auch einen Besuch bei Rückert (1862), der sich« gegen das ekle Getriebe
der schauspielerischen Virtuosen, dieser „Ehren passagiere aller Eisenbahnen" aus-
spricht. —
Zum Schauspieljubiläum Ludwig Gabillons haben Hevesi*^^)
und Speidel'*''^) Charakteristiken entworfen, die sein Reckentum als Grundlage
seiner künstlerischen Persönlichkeit auffassen. Für H. ist er „der eiserne Mann"
des Burgtheaters. Hebbel vergleicht seinen Hagen bei der Generalprobe der Nibe-
lungen mit einem Gewitter. — Ein Verzeichnis seiner von 1853 — 93 im Burgtheater
gespielten Rollen hat Bettelheim^'') als Festgabe für Freunde erscheinen lassen. —
Obwohl mit 1894 bezeichnet, gehört dies warmfühlende, von echter Freundschaft durch-
wehte, nur in der Disposition etwas unübersichtliche Lebensbild, das Hevesi'*"^) von der
unvergesslichen Zerline Gabillon entworfen hat, in unser Berichtsjahr. Wir
8. 27-46. - 453) id., Briefe, v. Vainhagen v. Ense an Goethe: ib. S. 60. - 454) (IV Ic :140; vgl. JBL. 1892 IV Ib : 142a
und AZgH. N. 143,4.) |[Th. Schiemann: DLZ. S. 1003;S; M. Necker: BLÜ. S. 513/5.] | — 455) H. Pröhle, S. H. Spiker:
ADB. 35, S. 1646. — 456) H Welti, Familie Spitzeder: ib. S. 217-20. - 457) A. Wittiuann, F. Illenberger: VolksZg.
N. 71 4. — 458) A. Mutzenbecher, K. Chr. L Starklof: ADB. 35, S. 496 7. - 459i X E. I[solani], K. Seydelmann:
DBühneng. 22, S. 129-30, 137,8. — 460) X R- Loewenfeld, K. Seydelmann: Didask. N. 95;6. — 461) X A. v. Winter feld ,
K. Seydelmann über Schauspielkunst: FZg. N. 76. - 462) X A. Dresdner, Zu K. Seydelmanns Ged&chtnis: NatZg. N. 260. —
463) P. Schienther, K. Seydelmann: VossZg". N. 17/8. 464) R. Loewenfeld, Eigenes v. K. Seydelmann. Ungedr. Briefe
u. Eegiebemerkungen : N&8. 65, S. 82-93. — 465) A. Kohnt, K. Seydelmann in Oesterreich: Fremdenbl. N. 198. — 466)
Todesanzeige C. Devrients: DBöhneng. 22, S. 33. — 467) L. Fränkel, A. W. T. Stahr : ADB 35. S. 405 6. — 468) A. Hessler ,
Künstlerische Erinnerungen an Herzog Ernst: StrassbPost. N. 244. — 469) L. Hevesi, L. Gabillon: Fremdenbl. N. 299. —
470) L. Speidel, L. Gabillon: NFPr. N. 10486. — 471) A. Bettelheim, Verzeichnis d. Rollen, d. L. Gabillon als Mitglied
d. Hofburgtheaters in d. J. 1853-93 gespielt hat. Wien, Fromme. 32 S. (Nicht im Handel.) — 472) L. Hevesi, Zerline
Gabillon. E. Künstlerleben. Mit 18 Zeichnungen v. Helene Bettelheim-Gabillon. St., Bonz. 1894. VIII, 238 S. M. 3,60.
R. M. Meyer, Didaktik des I8./19. Jahrhunderts. IV 4: 473-477 IV 5
lernen ihr ganzes Repertoire von ihren Anfäng-en als Sentimentale ab in hübschen
Charakteristiken kennen, die nur, soweit es die jüng-ere Generation beurteilen kann,
ihre trag-ische Beg-abung- überschätzen. Ihr künstlerischer Ausg-ang-spunkt ist der
Stil Sophie Schröders, neben dem sich der Einfluss der Rachel für einig-e Zeit störend
g-eltend machte. Ihr eigentliches Gebiet wurde aber, besonders durch Laubes von ihr
zunächst ung-ern ertragenes energisches Eing-reifen, das Konversationsfaoh. Sie war
die ideale „femme de trente ans", die beste Bauernfeld-Spielerin, die berufenste
Interpretin von französischem Geiste und französischer Pikanterie. All ihr Denken bezieht
sich auf die Bühne; zahlreiche briefliche und mündliche Aeusserungen zeigen ihr Ver-
ständnis für Stücke, aber auch ihre leidenschaftliche Natur, die besonders im Kampfe
mit Laube durchbricht. Ein grosser Reiz des Buches liegt in den intimeren Partien
über ihr häusliches Glück und ihre freundschaftlichen Beziehungen zu Schriftstellern
und Künstlern. Ein Brief Gutzkows an sie über Ella Roose (S. 99) und Briefe
F. Th. Vischers (S. 181) werden abgedruckt. —
Obwohl Italienerin, kann Eleonora Düse wegen des starken Eindrucks,
den sie in Deutschland hervorgerufen, und den vielen Betrachtungen, die an sie
über deutsche Schauspielkunst geknüpft wurden, nicht ganz übergangen werden.
Zabel '•'3) giebt einen Ueberblick über die Geschichte der italienischen Schauspiel-
kunst in Deutschland, die natürliche Begabung der Romanen, aber auch ihre Willkür
dem Dichter gegenüber hervorhebend. Die Ristori wird nach den für sie geschriebenen
Dramen Giacomettis und besonders nach ihrer Glanzrolle der „Maria Stuart" Schillers
als ideale Heldin voll Hoheit und Schönheit geschildert, das Dämonische lag ihr ferne,
wie ein Vergleich ihrer Lady Macbeth mit der der Wolter deutlich zeigt. Rossi
verfügt über die grössere Natur, Salvini über den grösseren Intellekt. Rossi giebt
mehr Leidenschaft, Salvini mehr Poesie. Z. analysiert ihre Shakespeare-Rollen und
besonders Salvinis „Sohn der Wildnis", der ganz als Charakterrolle gehalten ist.
Als einzig dastehende Erscheinung und Persönlichkeit tritt die Düse, deren einzelne
Rollen sorgfältig' durchgesprochen worden, in den Vordergrund. Der deutsche Schau-
spieler kann von ihr ungezwrmgene Bewegung und vor allem die meisterhafte
Technik des Atemholens lernen. Z. teilt auch briefliche Aeusserungen Salvinis,
Rossis und der Ristori über sie mit. Sie ist als Künstlerin immer sie selbst, ihr
Nervenleben ist ein wesentlicher Faktor ihres Genies, — Laura Marholm*"*) er-
klärt, dass vor der Düse das moderne Weib auf der Bühne noch nicht dargestellt
worden sei.*''^"'*"^) — Schlenther*''^) feiert in ihr die grösste Künstlerin der Mimik
und Plastik. —
IV, 5
Didaktik.
Richard M. Meyer.
Didaktische Litteratur: Haller N. 1. — Geliert N. 5. — Pfeffel N. 8. — Kästner N. 11. — Zachariä,
Kortum N. 12. — Eberhard, Hey N. 14. -- Leop. Schefer, Ad. Fischhof N. 18. — Popnlarphilosophen: Die alte
Schule: Nicolai N. 2.3; Lichtenberg N. 24: Joh. G. Zimmermann N. 30; G. Forster X. 31; K. J. Weber, Dav. Friedlaender.
Haro.inn N. 34. — Neuere Richtung: Steffens N. 38: Jean Paul. R. 0. Spazier und seine Eltern N. 39; Fenohterslehen, H. E.
Sachse N. 43. — Neueste Richtung: Büchner, Häckel N. 45; Aufklärer, „Feinde des Aberglaubens" N. 54; Egidy, Ethische
Kultur, Freidenker N. 60; Max Müller N. 74: H. Lorm, R. Hamerling, B. Wille N. 75; Spiritisten, Theosophie, christlich-naive
Wendung N. 78. — Uebersichten N. 86. — Philosophie: Gesamtdarstellungen N. 89. — Gruppendarstellungen N. 101. —
Einzelne Philosophen: Die grosse Reihe: Kant N. 106; Hegel N. 130: Schelling N. 137; Fichte, F. H. Jacobi, Krause, Beneke
N. 139; Schopenhauer N. 147; Ed. v. Hartmann N. 163: Nietzsche N. 170; Stirner N. 198; Steiner N. 204. — Nebenwege:
Herbart N. 205; Steinthal, Stiedenroth N. 211. — Einzelne: Michelct, Frohschammer, Carri&re N. 215; Drobisch, Lotze, F. A.
Lange, Paulsen, Steudel N. 225. — Allgemeine Kritik der Philosophie N. 233. — Specialuntersuchungen: Metaphysik. Er-
kenntnistheorie N. 234; Ethik N. 240; Verschiedenes N. 249. — Theologie: Lavater N. 253. — Schleiermacher N. 260. —
Baur, D. F. Stranss N. 263. — Neuere N. 268. — Popnlartheologen N. 275. — Katholische Theologen (Alban Stolz, Stattler)
N. 279. — .Jüdische Theologen N. 287. — Geschichte: Umfassende Betrachtungen N. 290. — Einzelne Historiker: Joh.
von Müller, Spittler, Niebnhr N. 293; Ranke N. 299; Döllinger, Moramsen, Gregorovius N. 306. — Politisierende Historiker:
Gervinus N. 319; H. Leo N. 322; Troitschke, M. Duncker, Kluckhohn, Maurenbrecher, Baumgarten N. 323; Janssen, Pauli,
Roepell. Gindely; Streitigkeiten der Historiker N. 334. — Urknndenforschung: Stumpf-Brentano, Spruner N. 343. — Lokal-
geschichte N. 345. — Philologie: Samuel Schmidt, Friedrich Samuel, Steinbrüche!, Spalding N. 357. — Boeckh, Lachmann,
Döderlein, Sauppe, Spengel, J. Th. Struve, Studemund, Kiessling. R. Scholl, Müller-Strübing N. 361. — Archäologie: Stark,
Brunn N. 376. — Hartfelder, Romanische Philologen N. 378. — Litterarhistoriker: Eschenburg, H. Kurz, Streckfuss. Strodt-
mann N. 384. — Volkskunde: Rochholz, Steub, A. v. Spann, R. Hein N. 390. — Kulturgeschichte: V. Hehn, Haym N. 394. —
irO. T(euber): Fremdenbl. N. 297; E. Z(abel): NatZg. N. 650; Geg. 44, S. 382]1 - 473) E. Zabel, D. Italien. Schau-
spielkunst in Deutschland. B.. Rentzel. 68 S. M. 1,00. |[Dida8k. N. 51; 0. Harnack: PrJbb. 4, S. 182/3.]| — 474) L.
Marholm, Eleonora Düse: N&S. 64, S. 169-85. — 475) X L. Schönhoff, Eleonore Düse: Nation". ID, S. 200,1. — 476) X
P. V. Szczepanski, D. Duse-Gastspiel in Berlin: Velhag^nKlasingsMh. 2, S. 64/8. — 477) P. Schienther, Eleonora Dnse:
DRs. 74, S. 127-39. —
IV 5 : 1-3 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Uebersetzer: San Marte, Gelbcke, Steinacker, Geffcken N. 403. — Sprachvergleichung: Von der Gabelentz, Max Müller N. 407. —
Kunstlehre und Kritik: K. Ph. Moritz, F. Th. Vischer, K. Werder N. 409. — Stabr, E. v. Gottschall, W. Jordan N. 423.
— Andere Wissenschaften: Geographen, .Juristen N. 432. — Staatswissenschaften N. 444. — Naturwissenschaften:
Chemie, Physik, Botanik N. 449. — Medizin, Psychophysik N. 462. — Stennj^raphie, Mathematik N. 472. — Pädagogen:
Hamann, Overberg, Steffens, Basedow, Salzmann, Trapp, Pestalozzi, Schleiermaoher, Herbart N. 470. — Jahn, Guts Muts,
Fröbel, Bertha von Marenholtz, Stamford, Stoll, K. Strnve, Universitäten, Volkserziehnng (Fichte) N. 4S.5. — Journalismus:
Uebersichten, Zeitungsbiographien N. 499. — Einzelne Journalisten: Scbubart, Wckhrlin N. 512; Job. Theoph. Lessing, Saphir,
Sporschil, Spiker, Streit, Stegmann, Th. Stampf, B:ister, Wechsler, Steinmann, Schmidt-Weissenfels, D. Spitzer N. 514. —
Politiker: Staatsmänner N. 532. — Agitatoren: E. M. Arndt K. 546. — Verfassungskämpfe N. 5.50. — Socialpolitik N. 558.
— Staat und Kirche N. ,597. -- Allgemeines (Reden) N. 605. — M. G. Conrad N. 607. — Ausserhalb des deutschen Reiches
(Ad. Fischhof, Ph.A. Stapfer, F. A. von Spann) N. 610. — Volkserziehung und Zeitkritik: Rousseau N. 61.3. — Gerh.
van Swieten, W. von Humboldt (Gabriele von Bülow) N. 616. — De Lagarde, Riehl, Jentsch, der Rembrandtdeutsche,
Dühring N. 624. — M. Nordau N. 633. — Kritik der Gegenwart N. 637. —
Die litterarhistorische Behandlung- der Didaktik des 18. und 19. Jh.
steht im Berichtsjahre g-anz unter dem Zeichen der Philosophie. Nicht nur nimmt
die Besprechung- der Philosophen selbst den gTÖssten Raum in dem uns vorg-elegten
Material ein ; auch bei anderen Klassen überwiegt die Vergleichung- und Würdigung
des Gedankeninhalts und der allgemeinen Auffassung die Beobachtung der Sprache,
der Metrik oder Technik, der rein litterarischen Zusammenhänge. So stützt sich
gieich der Aufsatz über litterarische Nachwirkungen Hallers, den Drescher •)
veröffentlichte, mehr noch auf CJebereinstimmungen im Gredankengang- als auf wört-
liche Anklänge, um bei Klopstock und Langte Entlehnungen von Haller zu behaupten,
die nicht immer genüg-end erwiesen scheinen. — Widmann^) hat den Staatsromanen
Albrecht von Hallers ein fleissiges, aber etwas trockenes Buch g-ewidmet. Auf eine
Einleitung, die über die Geschichte des Staatsromans orientiert, ohne (wie natürlich)
Vollständigkeit zu erreichen, folg't für jeden der drei Romane eine gut disponierte
Abhandlung: Inhalt, Entstehung, Quellen, Ausgaben, Uebersetzungen. Dann wird
Haller allgemein als politischer Schriftsteller betrachtet, und diesen Teil halten wir
für den bestgelungenen; endlich wird kurz über die Aufnahme der Romane referiert
und über ihre Bedeutung geurteilt. Der Vf. hat ausser der gedruckten Litteratur
den Briefwechsel zwischen Haller und Bonnet und den zwischen Haller und dem
württembergischen Regierung-spräsidenten und Schriftsteller von Geramingen benutzen
können. Er konnte daher (S. 45) nachweisen, dass Haller ursprünglich „le roman
d'un savant" zu schreiben plante, aus dem Bruchstücke in der Geschichte des Oel-
fu in „üsong-" erhalten sind; er fand auch (S. 44) Hallers authentische Deutung des
Oel-fu auf Christian Wolff. Wir erfahren ferner, dass Haller ursprünglich nur den
einen üsong schreiben wollte und also nicht eine systematische Behandlung der drei
Reg-ierungsformen beabsichtigte. Aber auch wo W. keine neuen Quellen benutzt,
verdanken wir ihm neue Aufschlüsse. Sehr gut weist er (S. 105) schon in den
„Alpen" jenen „politisch-ethischen Zug" nach, der später die Staatsromane erfüllt;
vorzüglich beleuchtet er (S. 159 — 60) Hallers Stellung zur bernischen Aristokratie und
seinen Einfluss (S. 182); ob freilich eine „A. H." sig-nierte Denkschrift (S. 179—80) dem
Dichter gehöre, bleibt unentschieden. Mit g-rosser Aufmerksamkeit sucht W. sowohl
die historischen Modelle als auch die litterarischen Vorbilder aufzufinden. Friedrich
der Grosse und üsong (S. 117), Rousseau und Karneades in „Fabius und Cato" fS. 92)
waren wohl schon erkannt; wie aber Hallers eigene Lust zu regieren mitspielt (S. 112),
das hat erst dieser scharfsichtige Beobachter herausgefühlt. Unter den litterarischen
Vorbildern wird Montesquieu TS. 101, 128/9) besonders eingehend gewürdigt (nur
als Beweis, wie leicht ein lapsus calami sich festsetzt, mache ich den Autor auf den
[S. 128/9] mehrmals wiederholten falschen Titel „Esprits des lois" aufmerksam). Das Ver-
hältnis wird sehr gründlich untersucht; bald ist Montesquieu, bald Haller der Demokratie
näher (S. 138), wie es denn bei diesem überhaupt nicht an demokratischen Gedanken
fehlt. Sein Hauptaugenmerk bleibt aber immer der Wahrung der Staatshoheit gegenüber
der Kirche als dem geborenen Feind (S. 200); national-ökonomische Fragen treten zurück
fS. 198), wogegen auf die Frage nach der Moralität der Schaubühne (in „Fabius und
Cato") breit eingegangen wird (S. 203). Zu all diesen Fragen beleuchtet W. auch
die geistige Umgebung Hallers, Iselin (S. 152), Fenelon (S. 187/9), den Goldenen
Spiegel (S. 190). Unter den Urteilen hebe ich die von Herder (S. 213) und Wieland
(S. 216) sowie die bekannte Recension der Frankfurter Gelehrten Anzeigen (S. 214)
hervor, die Haller nach W.s Mitteilung Leuchsenring zuschrieb. Durchweg be-
deutet das Buch eine wirkliche Förderung unserer Kenntnis und zwar über das
eigentliche Thema hinaus. — Im Gegensatz zu Widmanns umfassenderem Thema
sucht Bondi^) nur ein einziges Gedicht Hallers und auch dies nur in zwei schwie-
rigen Punkten aufzuklären, das Gedicht „Ueber die Ewigkeit". Dass mit dem un-
bekannten „Freund", dessen Hinscheiden V. 11—30 beklagt wird, Marianne gemeint
1) K. Drescher, Litt. Nachwirkungen A. v. Hallers: VLG. 6, S. 451-60. — 2) M. Widmann, A. v. HaUers
Staatsromane n. Hallers Bedeutung als polit. Schriftsteller. E. litt.-gesoh. Studie. Biel. E. Kuhn. 224 S. M. 2.40. — 3) G.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 4-i7
sei, ist eine geistreiche Vermutung-, die aber durch stärkere Analog-ien hätte g-estützt
werden müssen. Die Schwierig-keiten aber, die V. 8 — 10 dem Verständnis entg-egen-
setzen, hat B. scharfsinnig- bemerkt und wahrscheinlich auch richtig aufgehellt.*) —
Der zweite Hauptmeister der eigenthchen didaktischen Litteratur im Eingang
unserer klassischen Periode, Geliert^), ist durch einen wahrscheinlich an den Ober-
konsistorialpräsidenten von Grlobig gerichteten Brief vertreten, den Distel^) nebst
einer flehentlichen Eingabe Liscows an den Minister von Hennicke und nebst Nach-
richten über des Dichters unglücklichen Neffen Gabriel Meese aus dem sächsischen
Hauptstaatsarchiv mitteilt. - Auch über einen anderen nahen Verwandten Gellerts,
seinen Freiberger Bruder, hat Distel '') bei Gelegenheit einer Briefpublikation
gehandelt. —
In einem geistreichen Aufsatz „Etwas von Pfeffel und Geliert" setzt
Hildebrand*) die politische Stellung des einen und den europäischen Ruhm des
anderen in helles Licht. „Ein deutscher Lehrer, freilich französischer Unterthan,
aber auch deutscher Dichter vom besten Ansehen auf dem damaligen Parnass, und
mit den Zeitgenossen diesseits des Rheins aufs engste verbunden, als Mitstrebender
in den Arbeitsbahnen unserer Dichter, deren Ziele er mit Begeisterung zu den
seinen machte — also ein deutscher Dichter im Elsass unterweist einen jungen
B>anzosen im Kriege gegen Deutschland wie in seiner Lebensaufgabe, setzt auch
dabei, echt französisch, als sicher voraus, dass er als Sieger in deutsche Städte ein-
ziehen würde" (S. 85). Und diese Zeit der deutschen Vaterlandslosigkeit war es
gerade, in der die Franzosen die Deutschen um ihre „Begeisterung" beneideten !
(S. 86.) H. bespricht dann noch ein Gedicht Pfeffels (von 1777), das ihn als Ver-
treter der alten Schule dem Hainbund gegenüber zeigt (S. 88), und schliesst mit
einem russischen Zeugnis für Gellerts Ruhm. — Mit Pfeffel^) befinden wir uns in
der Schar jener eigentümlich leichtgesinnten Aufklärer, die noch ernstlich an das
„ridendo castigat mores" glaubten, während Liscow sich nicht auf die „mores", Geliert
nicht eigentlich auf das „castigare" und Haller gar nicht auf das „ridere" einliess.
Die ganze Reihe der Satiriker zieht in Goedekes*^) Grundriss an uns in neuer,
aber nicht wesentlich geänderter Bearbeitung vorüber. Neue Namen wie der Justs
und eine ganze Zahl von Einzelsatiren sind hinzugekommen, die Litteratur ist fast
durchgängig (z. B. bei Cranz, von Pahl, von Rebmann) vermehrt, kleine Fehler
sind verbessert (Robert statt Urbert Busch), aber an den hier so wunderlichen
Anordnungsprinzipien Goedekes durfte leider nicht gerüttelt werden. —
Eigentlich Neues bringt auch der Aufsatz über Lessing und Kästner
von Holstein^i) nicht, den Nachweis etwa ausgenommen, dass ein ursprünglich
von Lessing im „Neuesten aus dem Reiche des Witzes" veröffentlichtes Sinngedicht
auf Moritz von Sachsen von Kästner herstammt, das er später auf Leibniz umschrieb. —
Zachariä wird in einem gründlichen Vortrag von Rosenbaum '2) be-
handelt. Er untersucht seine Vorläufer, findet die Sonderstellung des jenaischen
Studenten schon bei Menantes, den Keim der Handlung des „Renommisten" in einer
Stelle von Gottscheds „Kritischer Dichtkunst". Dann wirkte ein verlorenes Lustspiel
,, Das Gespräche im Reiche der Toten" ein, ferner von fremden Mustern Boileau und
Pope. Aber der Autor wusste dem Ganzen ein originelles Gepräge zu geben, das
sich schon in der Behandlung der Sprache zeigt. — Von der Methode, die dieser
Vortrag über Zachariä aufweist, findet sich leider keine Spur in einem Büchlein über
den Vf. unseres populärsten komischen Epos, über den Jobsiadendichter Kortum,
von Deicke'^). —
Das rein lehrhafte Epos ist aus der freien Lektüre längst in die Schulen
geflohen, wo Eberhards unleidliches „Hannchen und die Küchlein", von Jahn^*)
herausgegeben und mit kurzen Fragen und Nachrichten ausgestattet, fernerhin zur
„stillen bescheidenen Tugend" anhalten mag. — Einen höheren litterarischen Wert
haben die lehrhaften Epen kleinsten ümfangs, die Fabeln, wie Hey sie für Kinder
schrieb; sie erscheinen in immer neuen Ausgaben i^~'^) und Uebersetzungen ^^). —
Die lehrhafte Litteratur unserer Tage schlägt nicht mehr gern den über-
Bondi, Hallers Gedichte über d. Ewigkeit: VLG, 6, S. 570,4. — 4) X A. v. Haller-Litt. (Bibliogr.): BLChrSchw. S. 155-60.
(Antiquar. Anz.) — 5) X 0- Behagliel, Gellerts Dichtungen, her. v. A. Schnllerus (vgl. JBL. 1891 IV 6 : 3; 1892 IV 5:2):
LBlGRPh. S. 158. — 6) Th. Distel, Aktennachlese zu Liscow u. Geliert: VLG. 6, S. 448-51. - 7) id.. Schreiben d. Freiberger
Geliert v. J. 1747, mit wissensch. Beilagen: MFreibergAV. 30. Heft, S. 108/9. (Christlieb Ehrgott Geliert, d. ältere Bruder d.
Dichters; Bergkomraissionsrat.) — 8} K. Hildebrarid. Etwas v. Pfeffel u. Geliert: ZDÜ. 7, S. 84-90. —9) H. Pfannenschmid,
G. K. Pfeffels Fremdenbuch (vgl. JBL. 1892 IV 5:3). |[LCB1. S. 1117/8; PädBll. 22, S. 72/6.]l - 10) (IV 1 a : 2, S. 539-52.) -
11) H. Holstein, Lessing u. Kästner: MagdZgU N. 44/7. — 12) R- Rosenbaum, Ueber Zachariäs „Renommisten". Vortr.
geh. in GDL. Mai: DLZ. S. 1370/1. — 13) H. Deicke, D. Jobsiadendichter C. A. Kortum, sein Leben u. seine Schriften.
Mfilheim a. R., H. Baedecker. VL 111 S. M. 2,00. |[F. Kanffmann: ZDKG. 1, S. 475.]| — 14) (I 7:87.) - 15) W. Hey,
.50 Fabeln für Kinder. 8 Far.bdr.- Bilder nach Aquarell v. E. Klimsch u. 60 Textabbild, t. W. Schäfer u. Ch. Votteler. 2. Aufl.
St., F. Loewe. 4". 31 S. M. 3,00. — 16) id., F.ibeln u. Gedichte nebst 55 Sprüchen; neu her. v. D. Theden. 4 lUustr. v. E.
Limmer. (= ÜB. für d. Jugend N. 2978.) St., Union. 120 S. M. 0,40. — 17) M. Mathis, Choix de fahles et de contes
Jahresberichte für neuere deutsche Litte ratnrgesohicbte. IV. (A)^*^
IV 5 : \s--2<.< R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
leg-en-schulmeisterlichen Ton an, den frühere Zeiten pflegten; sie giebt ihre Belehrung*
als Ergebnis eig'ener Erfahrung und hebt so das Didaktische in die Sphäre indivi-
dueller Kunst. Das gilt selbst von Produkten, wie Leopold Sc he fers „Laienbrevier",
trotz ihrer strengen Lehrhaftigkeit. Dieses Buch hat lange Zeit eine Popularität in
den besseren Kreisen des deutschen Bürgertums genossen, wie sie in ähnlichem Grade
vielleicht nur Zschokkes „Stunden der Andacht" erlebten. Die billige neue Ausgabe
wird sie schwerlich neu beleben. Obwohl Kohuts '^J Einleitung, verhältnismässig
gut kompiliert, in das Wesen des Autors leidlich einführt, versäumt sie doch, das
einzelne Werk richtig auf seinen litterarhistorischen Hintergrund zu stellen. Vorläufer
und Nachwirkung — man denke nur anSallet! — raussten untersucht werden, und
jene Popularität selbst, die Groedeke zu ungerecht heftigem Einspruch reizte, ver-
langt Erklärung. Mit dem Verweis auf die Schriften von Lindemann und Brenning ist es
nicht gethan. Der pantheistische Realismus war eine Zeitstimmung, die z. B. in
Frankreich Michelet glänzend vertrat, Schefer auch in seiner senilen Lüsternheit
verwandt (La femme, l'oiseau-Hafis in Hellas). Schefer schrieb die Bibel dieser
Stimmung, und unter derartigen künstlichen Bibeln (deren Geschichte bei uns Gleims
„Halladat" eröffnetj nimmt sein Andachtsbuch keinen geringen Rang ein. Auf solche
Fragen aber, oder gar auf die nach metrischen Dingen lässt der Herausgeber sich
gar nicht erst ein.'^ ^oj _ Eine Anzahl von neuesten „Gedankendichtungen" be-
spricht Ev er s^'); zu ihren philosophisch-weltumfassenden Betrachtungen stehen die un-
bedeutenden meist politischen Epigramme Ad. F i s c h h o f s , die Jacques F i s c h e r ^2)
veröffentlicht hat, in schneidendem Gegensatz. —
Ein Mann wie Leopold Schefer könnte schon den Populär philo sophen
unserer Tage zugezählt werden, deren Schriften sich mit der rein didaktischen
Litteratur so nahe berühren, dass kaum die Grenzen zu bestimmen sind. Wichtig
und interessant ist ein Brief von einem Führer der Populari)hilosophen der alten
Schule, von Nicolai über Weimar im J. 1773, den S ch ü d d e k o p f^^) mitteilt. Er
lag bisher in Ramlers Nachlass versteckt; er berichtet über Musäus kurz, über Wieland
ausführlicher, am breitesten über Aufführungen von „Emilia Galotti" und anderen
Stücken mit Eckhof. Nicolai wird der Herzogin Amalia vorgestellt, die nach einem
„kleinen Kritiker in Berlin" fragt, „der solch dumm Zeug vom Theater schreibt" ;
sie meint Grossmann. „Der Erbprinz (Karl August) ist von der Litteratur sehr
unterrichtet, und hat für alles, was deutsch ist, viel guten Willen. Ich sagte ihm
unter andern, dass ich im Schlosse eben den Saal besehen hatte, wo die frucht-
bringende Gesellschaft an der Tafel eines seiner Vorfahren sei abgeredet worden
(eine Anekdote, die, wie es schien, man in Weimar nicht wusste), und dass ich mir
dabei seine künftige Regierung in einem angenehmen Traum vorgestellt hätte. Er
antwortete: Er werde nie vergessen, dass er ein Deutscher sei. Nicolai am Vorhof
des Weimarer Genietums, die Blütezeit prophezeiend, die ihn abdanken sollte —
welch merkwürdiges tragikomisches Gemälde ! Mit hohem Lob erwähnt der Brief-
schreiber noch Dalbergs und schliesst mit Theaternachrichten. —
Von Lichtenbergs Schriften hat kein geringerer als Wilbrandt-4"25j
eine neue Auswahl veranstaltet. Die Einleitung ist hübsch und warm, aber nicht
eben tief; die Auslese reichhaltiger als bei Grisebach und Reichel, besonders durch
Mitteilung von Briefen. Im ganzen glaub ich doch, dass Grisebachs „Lichtstrahlen"
zur Werbung und Einführung noch besser geeignet sind als Wilbrandts dankens-
werter neuer Versuch, der deutschen Nation einen vergessenen Klassiker wieder zu er-
obern. — Ganz ausgezeichnet ist L a u ch e r t s ^^"2^) chronologische üebersicht von
Lichtenbergs schriftstellerischer Thätigkeit. Auf eine musterhaft gründliche chrono-
logische Aufzählung, die jedesmal „die wichtigsten Daten zur Geschichte der einzelnen
Schriften" und vor allem eine genaue Vergleichung der Drucke bringt, folgt (S. 161)
eine knappe Üebersicht über „unausgeführte litterarische Pläne", sodann (S. 16.^)
„allgemeine orthographische und sprachliche Bemerkungen zum Text der vermischten
Schriften". L. stellt ferner (S. 169-70) Notizen über Lichtenbergs Verarbeitung seiner
„Vermischten Bemerkungen" zusammen, höchst lehrreich für des grossen Humoristen
Art zu arbeiten; und den Schluss bildet (S. 179-80) eine „Nachlese von kleineren
litterarischen Arbeiten Lichtenbergs, die in den Ausgaben keine Berücksichtigung
en allemand, publie avec nne introd. des notices et des notes. Pavis, Hachette * Cie. 16''. H, 215 S. Fr. 1,50. — 18) L.
Schefer, Laienbrevier. Mite Einl. v. A. Kohut. (= ÜB. N. 3031 3.) L., Reclam. le^ 355 S. M . 0,60. - 19) X K.
Gutzkow, V. Baum d. Erkenntnis (vgl. .TBL. 1892 IV 5:11): DDichtung. 13, S. 32. - 20) X D- Haek, Demokrit d. .lungere.
Aus d. Papieren e. lachenden Philos. 1. Bd. L., A. Fischer. 632 S. M.4,00. — 21) F. Evers, Gedankendichtungen: Sphinx 17,
S. 119-22. — 22) Jacques Fischer, Aus d. Nachlass Ad. Fischhofs: NWienTBl. N. 350.— 23) K. Schüddekopf, Nicolai
über Weimar 1773: VossZg. N. 590. - 24) Ad. Wilbrandt, G. Ch. Lichtenbergs ausgew. Schriften. St., Cotta XII, 368 S.
M. 5,00 |[Nautilus: BLU. S. 273/5; L. Geiger: Nation". 10, S. 549-50; Presse N. 221; E. Zabel: NatZg. N. 656; AZg».
N. 69; Didask. N. 75; Grenzb. 3, 8. 192; BsrlTBl. N. 140; NWienTBl. N. 183.J( - 25) id.. G. Chr^Lichtenberg: NFPr. 24. März.
(Ans W.s Lichtenberg- Ausg., s. N. 24.) — 26-29) F. Lauchert, 6. Chr. Lichtenbergs schriftstell. Thätigkeit in chronol.
üebersicht. Mit Nachtr«. zu Lichtenbergs „Vermischt. Schriften" u. textkrit. Berichtigungen. Göttingen, Dietrich. IV, 192 S.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 30-35
fanden". Besonders wichtig- sind hier die Nachrichten über Lichtenbergs Mitarbeiter-
schaft an der Allg-emeinen Deutschen Bibliothek (S. 175/6): dag-eg-en vermissen wir
seine Mitteilung« über Lichtenbergs von Grisebach doch wohl erwiesene Beteiligung-
an Bürgers Münchhausen. Von dort wird auch eine Recension (über des Fürsten
Galitzin Sendschreiben über die Elektricität) abgedruckt, ebenso fS. 183/4) ein paar
kleine Gedichte, worunter eine mit Bürger gemeinschaftlich verfasste Parodie von dessen
Lied „Die Holde, die ich meine", sonst nur Epigramme und Prosafabeln. Uebrigens
finden sich auch in de'in Verzeichnis selbst mehrfach Stellen wiedergegeben, die in
den „Vermischten Schriften" unterdrückt waren, so dass auch hierdurch L.s Buch eine
unentbehrliche Ergänzung der Gesamtausgaben wird. —
Ueber Lichtenberg-s Geg-ner Joh. G. Zimmermann handelt Ischer^^j j)jes
sehr ausführliche Buch ist vielleicht die beste Monographie, die bis jetzt einem der
kleineren Popularphilosophen zu teil geworden ist. Mit gründlicher Kemitnis ver-
bindet L grosse Objektivität und eine sichere Methode. Zu rühmen sind vor allem
die vortrefflichen Analysen sowohl der Werke Zimmermanns als der durch sie er-
weckten Streitschriften. Es ist üblich geworden, alle solche Schriften einfach als be-
kannt vorauszusetzen, während doch die Wenigsten sie kennen, ja auch nur ein-
sehen können; in Wirklichkeit ist eine zuverlässige Analyse verschollener Schriften
zur vollen Würdigung eines Autors geradezu unerlässlich. Zuverlässig muss sie
freilich sein, und I. hat nachgewiesen, dass Bodemann dies Prädikat nicht verdient
(S. 204, 3; 292; 394 Anm. u.^ö.); doch auch Goedeke (S. 267 Anm.), Hamel (S. 97j
und Minor (S. 195, 197 Anm.) waren in Kleinigkeiten zu berichtigen. Auch I.
konnte ungedruckte Briefe benutzen, unter denen namentlich die von Zimmermann
an Haller nicht nur für den Schreiber charakteristisch sind. Hallers Eitelkeit ver-
trägt sich all seinen Gönnern gegenüber recht gut mit wegwerfender Demut. Dennoch
ist Zimmermann auch als Mensch nicht bloss zu tadeln, und geg^en Goethes harte
Darstellung (in Dichtung und Wahrheit) hat L (S. 192/3) ihn gewiss mit Recht in
Schutz g-enommen. Auch für manche andere litterarhistorisch wichtige Persönlichkeit
liefert das (mit einem guten Namenregister ausgestattete) Buch wichtige Nach-
w^eise; so vor allem für Haller, aber auch für Creuz (S. 31j, van Swieten (S. 53),
Kleist (S. 62, 99), Wieland (S. 46, 64/5), dessen Briefe Zimmermann piagierte (S. 69,
89), Julie Bondeli (S. 72), Lavater (S. 83), Kauffmann (S. 92), Iselin (S. 93), Herder
(S. 129-30) im biographischen Teile; für Muralt (S. 227), Kästner (S. 248), Kotzebue
fS. 292, 323), dessen Kleinstädter-Spott ganz von Zimmermann abhängig ist, für
.Öbereit, den „Entdecker der Nibelungen" (S. 308, 336/7), den Zopfschulz (S. 354),
Hippel (S. 358) und vor allem die Hauptgegner Lichtenberg und Knigge im litterar-
historischen Abschnitt. Charakteristische Dokumente sind Zimmermanns Urteil über
den „W^erther" (S. 141) und Gleims (schon bekannter) Brief über Friedrich den
Grossen (S. 348). Auf die kulturhistorisch merkwürdige Anekdote von dem über-
fahrenen Vorreiter (S. 114) weise ich noch besonders hin; sie erinnert an eine sehr
bekannte Stelle in einem Briefe der Madame de Sevigne. Nachdem L im Lauf des
Buches besonders Zimmermanns politische Entwickelung (S. 102/3) und seine religiöse
Stellung (S. 360) eingehend geprüft, schliesst er (S. 419-20) mit einer guten Charak-
teristik. Störend waren uns an dem trefflichen Buch nur die hässlichen Komposita mit
Eigennamen: „Tscharnerkorrespondenz (S.242) Anm.), „Zürcherauflage" (S.267 Anm.),
„Leipzigerausg-abe" (S. 306), „Berlinerprodukt" (S. 350), „Potsdamergarnison" (S. 351),
„Leipzigermagister" (S. 359) „Berlinermonatsschrift" (S. 371), „Pariservolk" (S. 376);
von Druckfehlern ist uns nur der bei einem Schweizer sehr verzeihliche „Käser"
statt „Haeser" (S. 258 Anm. 3) aufgefallen. (Vgl. IV 8d : 21.) —
Gehört Zimmermann zu Lichtenbergs Opfern, so ist dagegen Forster sein
liebster Freund. Leitzmann3'~33) zeichnet von ihm ein knapp umrissenes biographisches
Bild und begleitet einen von ihm entdeckten neuen Brief Goethes an Forster mit
kurzen Notizen über beider Verhältnis und Briefwechsel. —
Von K. J. Webers Demokrit erschien wieder einmal eine billige Ausgabe^^). —
Einen in seiner Art nicht minder charakteristischen anderen Vertreter der Aufklärungs-
Periode, David Friedlaender, kennzeichnet Geiger ^s) im Anschluss an die
Mitteilung von Briefen desselben an Böttiger; auch einige von Böttiger werden mit-
geteilt oder analysiert. Die beiden Korrespondenten sind einig in der g-eheimen
Abneigung gegen Goethe; die „alte Sara" heisst er in einem der späteren Briefe,
die keine Kinder mehr hervorbringen könne. Sie leben ganz in Engel, ^endels-
M. 3,60. — 30) K. I scher, J. GJ Zimmermanns Leben u. Werke. Litt.-hist. Studie. Bern, K. J. Wyss. 428 S. M. 5,00. —
31) A. Leitzmann, G. Förster, e. Bild aus d. Geistesleben d. 18. Jh. Halle a. S., Niemeyer. VI, 32 S. M. 0,60. IfNatZg.
N. 697.]1 (Akad. AntrittsvorlesunR.) —,32) (IV 10:114.1 1|L. Geiger: NationB. 10, S. 804,6; NatZg. N. 697;
NedSpeot. S. 347/8.]| — 33) A. Leitzmann^ Zu Goethes Briefwechsel mit G. Forster: VLG. 6, S. 152/6. (Vgl. IV 8b : 4/5.) — 34)
K. J. Weber, Demokritos od. hinterlass. Papiere e. lachenden Philosoph. V. d. Vf. d. „Briefe e. in Deutschland reisenden
Deutschen". (Ausw. in 3 Bd.) 3. Bd Halle a. i^., 0. Hendel. VI, 777 S M. 1,75. — 35) L. Geiger, Z. Charakteristik Dar.
(4)15*
IV 5 : 36-5fi R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
söhn und ihren Genossen, und Hamann ist für Friedlaender der „Noah", der Jean
Paul und all die anderen züg-ellosen Witzling-e erzeugt habe, von denen noch be-
sonders Fichte durch die Hechel gezogen wird. Als Stimmen aus dem Kreise der
alt-nikolaitischen Fronde haben die Briefe typische Bedeutung. — Inzwischen war
damals schon längst der Kampf gegen die alte Aufklärung im Gang^^l, und die
geistigen Enkel Hamanns 3^) spielten wieder eine grosse Rolle. —
Aus diesem Kreise der Popularphilosophen neuerer Richtung hat einer
der originellsten und liebenswürdigsten, Steffens, in Lieb mann 3^) einen Bio-
graphen gefunden, der freilich eine psychologische Analyse des merkwürdigen Mannes
gar nicht erst versucht, sondern ihn mit seiner Bezeichnung als „Schellingianer" ge-
nügend charakterisiert zu haben meint. Ebenso wenig wird eine litterarische Wür-
digung des einflussreichen Schriftstellers angestrebt. —
Eine Darstellung von Jean Pauls Seelenlehre giebt von Koeber^^j^ sein
Biograph R. O. Spazier wird von Brandes*^'*^) gewürdigt, der auch dessen
Eltern, dem Pädagogen J. G. K. Spazier und die Schriftstellerin Karoline Spazier, in
der ADB. geschildert hat, Jean Pauls Schwägerin und Freundin, —
Aus diesen gemütswarmen, leicht sentimentalen Kreisen führt der vortreffliche
Arzt und Popularphilosoph Feuchtersleben*^) in die kühlere Luft einer jüngeren
Autklärungsepoche herüber. Sie kündigt sich tumultuarisch genug mit stürmischen
Religionsbestreitungen und Religionsgründungen an. Als einer der letzten Vertreter
der „Freien Gemeinden" wird H, E. Sachse von Isolani^*) gefeiert. —
Auf ihren Bahnen schritt mit noch grösserem Radikalismus die neueste
Richtung, ein materialistisches ,,Freidenkertum" fort, dessen letzter Kirchenvater,
Büchner''^), nach allen Seiten seinen Standpunkt mit bewährter Trockenheit zu ver-
teidigen fortfährt.'*^"^^) — Die Unfehlbarkeit dieser „wissenschaftlichen Weltansicht"
wird aber neuerdings durch den auf eine andere Phase der Naturforschung aufgebauten
,, Monismus" Ha eckels^'*"''^) in Anspruch genommen, dessen 1892 erschienenes
„Glaubensbekenntnis eines Naturforschers" neben verschiedenen abwehrenden Kritiken
von protestantischer^^) und katholischer^^) Seite auch die Gegenschrift des Pfarrers
B rüsselbach^3) hervorgerufen hat. Der wehrt sich gegen TTltramontanismus und
orthodoxen Dogmatismus, lässt sich aber durch seine christliche Liebe nicht an dem
Avisspruch hindern: „Auch die edelsten Geister ausserhalb des Christentums zeigen
wenig Moral" und erläutert dies durch den Satz: „Welche Zoten reisst nicht der grosse
Goethe !" (S. 1 1). B. darf freilich den Autor der Hexenküche verachten, denn das
Hexeneinmaleins ist leicht durch seinen kühnen Satz überboten: ,.Dass Haeckel die
Dreieinigkeit sogar unbegreiflich ist, verrät wenig Mathematik. Wer begreift, dass
ein Meter lang, ein Meter breit und ein Meter tief nicht drei Kubikmeter, sondern
ein Kubikmeter ist, der kann auch einsehen, dass der Vater ewig, der Sohn ewig
und der Geist ewig und doch nicht drei Ewige, sondern Ein Ewiger ist. Denn es
giebt nicht nur eine Addition, sondern eine Multiplikation, Potenzen" (S. 12). So
wird das Geheimnis des Glaul)ens zum mathematischen Spielzeug gemacht, und so
lenkt die christliche Popularphilosophie imserer Tage triumphierend wieder in die
Bahnen der mittelalterlichen Scholastik ein, welche die Dreieinigkeit etwa an Wasser,
Schnee und Eis nicht minder siegreich darthat. —
Eine mildere Fortsetzung der alten Aufklärer wird durch die Freimaurer^*)
und verwandte, höchst unschädliche Feinde des „Aberglaubens" vertreten^^),
die zumeist in naivster Weise unter diesem Namen religiösen Wahn, wissenschaft-
liche Irrtümer und beliebige andere ihnen nicht zusagende Dinge zu vereinen pflegen.
Ein kleines Handbüchlein wie Strapparellos in seiner Art vorzügliches über die
,,Errori e pregiudizi volgari" vermag gewiss viel Gutes zu stiften; drei dicke Bände,
wie die Hellenbachs^^), welche die „Vorurteile der Menschheit" hauptsächlich im
Interesse des Spiritismus bekämpfen, werden wohl im günstigsten Falle alte Vor-
Friedlaenders. Ungedr. Briefe 1816-20: AZgJudent. N. 20/1. -- 36) X *'■ Grünhagen, D. Kampf gegen d. Aufklärung unter
Friedrich Wilhelm 11.: ZVGSchlesien. 27, S. 1-25. — 37) X J- G. Hamann, Aussprüche aus seinen Schriften, ges. v. P.
Demmler: NBllEÜ. 22, S. 177-207, 209-25. (Sch)uss folgt.) — 38) 0. Liehmann, H. Steffens: ADB. 35, S. 555 8. — 39) R.
V. Koeber, Jean Pauls Seelenlehre. E. Beitr. z. Gesch. d. Psychologie. (= Schriften d. Ges. für psychol. Forschung. Heft 5
[L., A. Abel. V, 37, 176 S. M. 7,00.], S. 115-51.) - 40) F. Brandes, R. 0. Spazier: ADB. 35, S. 75,6. — 41) id., J. G. K.
Spazier: ib. S. 74 5. — 42) id., Johanne Karoline Wilhelmine Spazier: ib. S. 73/4. — 43) X Fenohtersleben. Z. Diätetik d.
Seele. 2. Aufl. Halle a. S., Gesenius. 12». XV, 179 S. M. 2,00. — 44) E. Isolani, Dem Andenken Sachses: VolksZg. N. 168.
— 45) L. Büchner, Monismus u Dualismus: KBlDFreidenkerbund. 7, S. 62/4. — 46) X E. Dreher, Materialismus u.
Dualismus. E Antikritik: ib. 8, S. 79-81. -47) X Wie sieht Herr Prof. Büchner z. Socialismus?: ib. 11, S. 118-20. — 48) X
L. Büchner, E. moderner Geisterseher: Zukunft 2, S. 2169. — 49-50) E. Haeckel, D. Monismus als Band zwischen Re-
ligion u. Wissensch. Glaubensbekenntnis e. Naturforschers. Vortr. Bonn, Strauss. 46 S. M. 1,60. [Didask. N. 45; ThLBI. 14,
S. 121;2.J| — 51) X E. Böhme, Haeckels ..Monismus": PKZ. S 754-61, 777-85. — 52) H. Grub er, E. Hueckel als Stifter
e. neuen „Konfession": Kath. 73', S. 350/7. — 53) J. Hrüsselbach, Religion u. Wissensch. wider d. Glaubensbekenntn. E.
Haeckels. L., Ernst Rnst. 20 S. M. 0,5(». |[Holtzheuer: EKZ. S. 234/5, 307/8.]| — 54) X 3. G. Findel, Schriften über
Freimaurerei. 13.-15. (Schlu8s-)Heft. (= Verm. Schriften. 5. Bd. 2. Aufl.) L., J. G. Findel. VH, 202 u. VIII S. M. 3,00.
— 55) X A. Brodbeck, D. Welt d. Irrtums. 2. Aufl. L., W. Friedrich. V, 121 S. M. 1,50. - 56) L. B. Hellenbaoh,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts, IV 5 : 57-74b
urteile durch neue ersetzen. Lehrreich ist in den schlecht geschriebenen Büchern
höchstens das Litteraturverzeichnis, das eine Uebersicht der augenblicklich in
diesen Kreisen geltenden Autoritäten g'iebt. Sonst citierte man in solchen Werken
g-ern Dichter; jetzt statt dessen — Nationalökonomen. Gemeinsam ist all diesen neuen
Popularphilosophen die absolute Sicherheit ihrer Aussagen; aller Zweifel liegt hinter
ihnen und da am meisten, wo der Boden am unsichersten ist. — Wohlthuend berührt
es in dieser Zeit allgemeiner Skepsis, -dass es auch noch Männer giebt, die über nichts
im Zweifel sind. Behrends^^) aus Frankfurt am Main — wohl ein Verwandter von
Lenaus einstiger Braut — hat unter dem Titel „Fausts Vermächtnis" über Adam und
Eva, Dämonen und Engel (S. 147), Prometheus (S. 271) und Moses (S. 276) endgültige
Auskunft erteilt; seine Kenntnis giebt uns (S. 241) die beruhigende Gewissheit,
dass das grosse Ganze des Weltalls in Ordnung ist. In seiner neuest-platonischen
Philosophie und Theologie kehren uralte Mythologeme wie das Weltei (S. 179) wieder
und reichen kühnen Etymologien, wie der über Devos und Zebaoth (S. 460) die
Hand. Schildert uns der Autor sogar Schöpfung und Himmelreich (S. 347), so bleibt
uns schliesslich nur Eins noch ungewiss : was der Name „Fausts Vermächtnis" zu
bedeuten habe. ZM'ar sind alle Motti aus dem Faust genommen, es wird gezeigt,
dass Goethe ein Lichtwesen war (S. 551), und ein Anhang* verbreitet sich über seine
Adelung; bei alledem wäre es doch vielleicht angezeigt gewesen, den Titel zu be-
schränken und das Buch etwa „Aus der Hexenküche" zu taufen. — Popularphilo-
sophie neuesten Stils, im Charakter der Religionsgründung, bietet Paris ^*^) ,, Glaubens-
bekenntnis des Humanisten", ein von Wohlwollen und Allgemeinheiten erfülltes
„Evangelium unseres Zeitgeistes" ohne jede andere Bedeutung als die symptomatische,
dass eben solche Schriften wieder Verleger und vielleicht auch Leser finden. — Eher
begreift man das beiM.R.von Stern s^^j Bibelversuch, der in der Art von Lamennais den
socialen Frieden auf Gedanken und Wendungen des Evangeliums und zugleich auf
moderne Anschauungen aufzubauen versucht. —
Eine Erneuerung des Christentums in diesem Sinne strebt auch Egidy^**)
an und mit stärkerem Radikalismus die viel diskutierten Gesellschaften für ethische
Kultur^i'^^), deren Wesen und Ziele JodpO) am klarsten hervorhebt. '''*") — Strebten
sie die Gründung einer neuen Kirche, einer Religionsgemeinschaft der Aufgeklärten
erst an, so haben die „Freidenker" schon längst ihre Konzile'*), ihre offiziellen
Heiligen und ihre zelotische Orthodoxie. — Ein Naturforscher, Do d e H 2) in Zürich,
hat durch seine leidenschaftlichen Werbereden für Socialisraus und Freidenkerei schon
wiederholt den alten Erfahrungssatz bestätigt, dass die ,, Exakten", wenn sie ihr
eigenes Gebiet verlassen, kritikloser und dogmatischer zu sein pflegen als Forscher,
die sonst mehr wagen. Knallphrasen wie die, der Privatbesitz an Grund und Boden
sei die abscheulichste Missethat, zu der der Mensch sich verführen liess (1, S. 13),
abgeschmackt-durchsichtige „Märchen" (1, S. 103), hohle Phrasen über die menschen-
unwürdigsten Laster, die im Gefängnis gedeihen (2, S. 153), mögen bei pathetischem
Vortrag vielleicht auf ein im voraus zum Beifall gestimmtes Publikum ihre Wirkung
nicht verfehlt haben; der Leser kann sich davon nur angewidert fühlen. Auch wo
D. lobt, wie in dem Vortrag über Konrad Deubler (2, S. 131/2), zeigt er sich unfähig,
über Redensarten hinauszukommen, die selbst in die einfache Erzählung- vom Leben
des Bauernphilosophen eindringen. — K. Deubler ist auch von einem Pseudonymen
Kuno Faust'''*) ausgiebig verherrlicht worden. Die wirklich lohnende Aufgabe,
den „Bauernphilosophen" in seine beiden Elemente zu zerlegen, hat keiner von beiden
auch nur versucht. —
Einen völlig anderen Weg-, die Religion von der Wissenschaft aus zu erreichen,
schlägt Max Müller^*"'''*''), der berühmte Sprachforscher, ein, der die Sprache und
das Denken für identisch hält. Er sucht auf historischem Wege die Grundlage der
Vorurteile d. Menschheit. 3 Bde. L., Osw. Mutze. VU, 363 S.; XVI, 299 S.; VU, 376 S. M. 12,00. - 57) P. F. Behrenda,
Fausts Vermächtnis. Geist-, Seelen- u. Körperwelt Tolkstümlich erörtert. Z. Förderung allg. Bildung, Menschenliebe u. Duld-
samkeit. L., Baldamus. XVI, 556 S. M. 6,00. (Vgl. lY 8e : 69.) — 58) A. Paris, D. Glaubensbekenntnis d. Humanisten.
E. Evangelium unseres Zeitgeistes. B., Bibliogr. Bureau. 48 S. M. 1,00. — 59) M. E. v. Stern, Ans d. Papieren e. Schwärmers.
Worte an d. Zeitgenossen. Dresden u. L., E. Pierson. 42 8 M. 1,00. — 60) X H. Schnell, Herrn v. Egidys Volksschrift
„Einiges Christentum": EKZ. S. 334 9. — 61) X F. Jodl, Was heisst eth. Kultur?: EthKult. 1, S. 2/3. — 62) X H. Köh I er .
D. sogen, eth. Bewegung u. d. Socialdemokratie. L.. J. C. Hinrichs. 48 S. M. 0,60. [Braasch: PKZ. S. 597;8.]| — 63) X
A. K.Hardey (=Adele Gerhard), Einige Worte z. eth. Bewegung: NZSt. H, S. 728-31. — 64) X Braasch, D. Ges. für
eth. Kultur: PKZ. S. 183,5, 597,8. — 65) X D. dtsch. Ges. für eth. Kultur: AELKZ. 26, S. 868,9. — 66) X 0. Veck, Eth.
Kultur: DPBl. 26, S. 35-67. — 67) X H. Gruber, D. Gesellschaften für eth. Kultur: StML. 44, S. 385-404, 517-37. — 68) X
D. eth. Bewegung in Deutschland: BnrschenschBll. 7, S. 107,9. — 69) X F. Wyss, Ueber d. eth. Bewegung in Amerika u.
Deutschland: Pädagogium 15, S. 315-23. — 70) F. Jodl, Wesen u. Ziele d. eth. Bewegung in Deutschland. Nach e. Vortr.
Frankf. a. M., Gebr. Knauer. 26 S. M. 0,40. — 70a) X F. Mehring, Ethik u. Klassenkampf: NZSt. 11, S. 698-702. - 71)
D. geschäftl. Sitzung d. XI. Hauptvers. d. dtsch. Freidenkerbundes in Karlsruhe: KBIDFreidenkerbund. 12, S. 129-34. — 72)
(I 4:586, 597.) - 73; Kuno Faust, E. Bauernphilosoph (K. Deubler). D. Volke z. Ehren dargest. München, C. Mehrlich.
52 S. M. 0,45. — 74) Max Müller, Phys. Eeligion: WeserZg. K. 16681. — 74a< X id., Theosophy, or psychological re-
ligion, Clifford lectures. London, Longmun. Sh. 10,6. |[J. Owen: Ac. 44, S. 285;6.]| — 74b; X id., Introd. to the soience
IV 5 : 75-80 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Religion zu ermitteln und auf dieser Grundlage dann einen neu-alten vedisch-bud-
dhistisch- christlichen Glauben aufzubauen. —
Einsam stellten andere Denker sich ihre eigene Lebensphilosophie auf:
Lorm'^), Hamerling"^), für den sich zwar in Brukner''^"') ein Prophet fand,
Wille"). -
Eine Gemeinde für sich bilden die Spiritisten, zu denen auch Hellenbach
(s. o. N. 56) schon zählt. Kiesewetter "^) gi'eift auf Mesmer zurück, der einmal
auch in unserer Litterat Urgeschichte durch seinen Einfluss auf Lavater, Kerner u. a.
wichtig wurde; du Prel '"^") erzählt von sich selbst. — Indische Theosophie, wie
Max Müller sie lehrt, wollen andere mit europäischem Spiritismus verquicken ^i"^2).
und Schneidewi n*3j meint schon ernstlich die Aussichten des Buddhismus in Europa
untersuchen zu sollen. Für die Litteraturgeschichte sind alle diese Dinge, so kurios
sie meist im einzelnen sind, als GaiTzes nicht ohne Interesse: diese Reliongsgründungen,
diese esoterischen Lehren, diese Geisterbeschwörungen und Entlehnungen aus dem
Orient sind Symptome dafür, wie wir wieder in eine neue Romantik hineinsteuern. —
Andere Zeugnisse, wie das neu erwachte Interesse an Hoffmann und Brentano, die
Analogie der französischen Kunst, und manche Theorie der deutschen Modernen
stimmen hierzu. Daher können wir uns nicht wundern, Seite an Seite m^it raffinierter
Originalitätssucht dem Streben nach christlich-naiver Lebenshaltung zu be-
gegnen*'*); Andresen^^) sucht diese noch mit specifisch nationalem Gehalt zu
durchdringen.
Was denn schliesslich die signatura temporis sei, suchen in zusammen-
fassenden Ueb ersichten aus diesen und anderen Symptomen Salomon*^) und
Fritz Schnitze^') zu erschliessen, und der letztere geht darüber hinaus an die
Konstruktion des mutmasslichen Zeitgeistes im 20. Jh. Solchen nur allzu populären
Versuchen, aktuelle Geschichtsphilosophie zu treiben, stellen wir einen wunderhübschen
Aufsatz Delbrücks*^) gegenüber, der den Kardinalsatz aller populären Geschiciits-
philosophie, das Dogma von der „guten alten Zeit", durchdie Jahrhunderte verfolgt. ITeber-
all findet er ihn wieder; von Pontius werden wir zu Pilatus geschickt, wenn wir
die gute alte Zeit suchen, und kommen wir zu Pilatus, so ist sie auch da schon ge-
wesen. Jeder Zeit erscheint in dem A^erschönernden Licht der historischen Perspektive
die alte Zeit als eine gute, und jede Zeit schwelgt in der populären Vorstellung
einstigen Glücks, weil sie die Lücken des eigenen Behagens mit Träumen ausfüllt.
Unveränderlich bleibt durch die veränderten Zeiten diese Lehre, unveränderlich auch
die geheime Hoffnung auf Wiederkehr der goldenen Tage; und es ist vielleicht nur
die leichtsinnigere Annahme einer baldigen goldenen Zukunft, in der die dilettantische
Popularphilosophie sich von der gelehrten Fachphilosophie unterscheidet. Träumt ja
doch sogar Schopenhauers Weltverzweiflung von einstiger Erlösung, von der Rückkehr
in die gute alte Zeit, des vom principium individuationis noch nicht gestörten Chaos! —
Kommen wir nun zu der Philosophie selbst, so treffen wir hier eine solche
Fülle von Litteratur und. was besonders zu beachten, neben zahlreichen Monographien
eine solche Zahl von Gesamtdarstellungen, dass wir auch hierin ein Symptom
für die gegenwärtige Litteraturepoche zu sehen nicht umhin können. Berg-
mannes) jjat seine Geschichte der Philosophie zu Ende geführt (vgl. JBL. 1892
IV 5 : 32); in sorgsam, aber arg nüchtern ausgeführten Einzelschilderungen stehen
Schelling, Baader, Schleiermacher, Krause, Hegel, Schopenhauer und Fries, Herbart,
Beneke neben einander. Selbst wenn B. die kühnsten Proben von Schellings^natur-
philosophischen Orakeln (S. 290) oder von Krauses Verdeutschungen (S. 339) mitteilt,
widersteht er der Versuchung zu lächeln. Er identifiziert sich oft so weit mit dem je-
weils dargestellten Philosophen, dass seine und des Betreffenden Rede (z. B. S. 285) kaum
entwirrbar durcheinandergehen. Besonders dankenswert sind die ausführlichen Analysen
der oft nicht nach Gebühr gewürdigten kleineren Helden wie Fries und Beneke; Baader
kommt etwas zu kurz, weil seine Bedeutung eigentlich mehr eine kulturhistorische
of religion, lectnres. New ed. ebda. Sh. 36. — 75) H. Loim, D. Muse d. GlücVs u. moderne Einsamkeit. 2 Beitrr. z.
Lebensphilos. 2. Aufl. Dresden, H. Minden. 12». 78 S. M. 1,00. — 76) R. Hamerling, D. Atomistik d. Willens (vgl. JBL. 1891
IV 3: 176). IfAth. 10, S. 88/9.]| - 76a) X B- Brukner, Hamerling als Erzieher (vgl. JBL. 1892 IV 3: 141). |1K. Opitz:
BLU. S. 184; Spectator: ML. 62, S. 3214 („Hamerling e. Erzieher?"). — 77) Br. Wille, Selbstportr. : Ges. S. 164-72. —
78l (I 4:183.) - 79) K. du Frei, Wie ich Spiritist geworden bin: Zukunft 2, S. 356-67. - 80) X L. Büchner, E. moderner
Geisterseher: ib. S. 2169. (Heber K. du Frei, 1). Eätsel d. Menschen [vgl JBL. 1892 IV 5 : 19J.) - 81) X W. Hflbbe-
Schleiden, D. theosoph. Vereinigung. Lebe deinem höchsten lde:il gemäss: Sphinx lö, S. 83. — 82) X id., Theosophie
auf d. Weltkongress d. Religionen: ib. 17, S. 165-70.— 83) M. Schneidewin, D. Charcen d. buddhaist. Glaubens für Europa :
WeserZg. N. 16559, 165634. - 84) X U. Oeser, D. Herrn Archemoros Gedanken (JBL. 1892 IV 5:809): Grenzb. 1, S. 455 6.
— 85) C. Andresen, D. Entwicklung d. Menschen im Lichte christl.-nation. Weltanschauung (vgl. JBL. 14:8). |[DDichtung. 14,
S. 101; ThLBl. 14, S. 25; DWBl. S. 336.]] -^ 86) L. Salomon, Deutschlands Leben u. Streben im 19. Jh. St., Levy & MüHer.
XV, 326 S. M. 4,50. — 87) Fritz Schnitze, D. Zeitgeist in Deutschland, seine Wandlungen im 19. u. seine mutraassl. Ge-
staltung im 20. Jh. L., E. Günther. III, 194 S. M. 3,00. (Vgl. JBL. 1894 IV Ib) — 88) (I 4: 166.) — 89) J. Bergmann,
Gesch. d. Philos. 2. Bd. 2. Abt. Nach Fichte. B., E. S. Mittler & Sohn. 338 S. M.4,00. |[R. Falkenberg: DLZ.S. 612/3;
WIDM. 73, S. 857; LCBl. S. 1813; L. Weis: BLU. S. 349, 652; N&S. 06, S. 139; DR. 3, S. 253; G. Glogau: PhilosMh. 29,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 90-105
ist als eine rein philosophische. Zahlreiche Besprechungen heben die Zuverlässigkeit
und den Ernst des Werkes hervor.^'') — Zwei andere Historiker der Philosophie,
Erdmann und Windelband, sind — jener von Hough"'), dieser von Tufts^^j —
ins Englische übersetzt worden, Zeugen der fortdauernden Führung Deutschlands auf
diesem Gebiete. — Nur als Unterrichts buch, nicht als selbständige wissenschaftliche
Leistung- ist Braschs''^) Lehrbuch der Geschichte der Philosophie gedacht. Es wäre
indessen besser, wenn ein Repetitorium, statt sich äusserlich mit Stoff zu überfüllen,
ihn gründlich durcharbeitete. B. bespricht freilich auch die Philosophen der Renais-
sance und ihre arabisch-jüdischen Vorgänger und geht in der Behandlung der neuesten
Philosophie nicht bloss auf Wundt, sondern sogar auf Frohschammer, Noire, Berg-
mann ein, um mit einem Dithyrambus auf — J. Rülf zu schliessen. Was nützt es
aber dem Leser, wenn z. B. (S. 402) Hermes Name mit einem Gefolge anderer Namen
vorgebracht wird, ohne dass man irgend etwas über den Inhalt seiner Lehren erfähi't?
Es ist ganz schön, auf Solger einzugehen; aber man muss ihn besser charakterisieren
können als mit den Worten: „Solger war eine feingeistige, klassisch gebildete Per-
sönlichkeit und ein anziehender Stilist" (S. 395). Doch sind hier und öfter (z. B. bei
Kant) die Belegstellen nicht ohne Geschick gewählt; ob auch die Litteraturbelege,
kann ich nicht überall g-enügend beurteilen. Ein entschiedener Fehler ist der Mangel
eines Sachregisters, ohne das gerade ein Repetitorium nur die halbe Brauchbarkeit
besitzt; dagegen macht die übersichtliche Inhaltsangabe ein Namensregister wenigstens
für die wichtigeren Persönlichkeiten entbehrlich. Es sind aber überhaupt viel zu viel
Namen genannt, wobei denn noch mit echt B.scher Flüchtigkeit Henricius
Renerius (S. 176) in zwei Philosophen, Renerius in Utrecht und Renery in Leyden,
gespalten wird. Ganz wüst ist der Namenhaufen z. B. bei den „Anfängen der neueren
Rechts- und Staatsphilosophie" (S. 144), wo Thomas Morus der Vf. der ersten kommu-
nistischen Utopie heisst, erst Grotius und dann „ein Vorläufer des Grotius" genannt
wird usw. Zuverlässig ist überhaupt kaum ein Abschnitt des Buches; aber dies hat
man ja läng'st aufgehört von Repetitorien zu verlangen. — Unter den im Vorjahr
verzeichneten Büchern^^-ö"*) hat besonders das von Spicker"") (vgl. JBL. 1892 IV
5 : 107) zu interessanten Diskussionen Anlass gegeben. -'Sj Während er über den Verfall
der Philosophie sprach, handeln Brentano^") und JoeP^*^) über ihre Zukunft. —
In ihren Gruppendarstellungen aus der Geschichte der Philosophie kommen
Vaihinger'oi)^ der bis zu Kant geht, und D r e w s '02) ^ der mit Kant begimit, einander
entgegen. — In Goedekes '"^j (jrundriss bringt die Neubearbeitung die Philosophen
aus der Zeit Goethes und Schillers; ein einzelner von ihnen, der zu Schillers näheren
Freunden gehörte, und dem er den „Verbrecher aus verlorener Ehre" verdankt,
J. Fr. Abel, erhielt eine Monographie durch Aders^*^^). Im übrigen gilt für jenen
Paragraphen bei Goedeke etwa das Gleiche wie für die ganze Neubearbeitung. In
der Einleitung ist Kants Stellung zur deutschen Litteratur mit einig-en neu ein-
gefügten Worten charakterisiert; Fichte, Schelling, Hegel werden anders als in der
ersten Auflage dargestellt, insbesondere fielen die Worte weg-, dass Schelling „die
bis dahin zur Seite geschobene Natur in sein System fügte". Lessings Erwähnung
ward gestrichen, dagegen Herbart zug-ebracht. Die Litteraturangaben sind natürüch
durchweg, besonders auch für die Gesamtdarstellungen, stark vermehrt. Aus dem
Zusammenhang der Philosophen (§ 247) wurde Garve entfernt, dagegen Mellin und
Ratze neu aufgenommen. Mehrfach musste die Reihenfolge g-eändert werden. Endlich
wurden Einzelheiten umgeformt; so blieb bei Kant (weshalb?) der Satz fort: „seit
1794 ermattend und in fast völlige Geistesschwäche verfallen", wog'egen bei Platner
die Charakteristik „erst Leibnizianer, später dem Skeptizismus sich zuneigend" neu
aufgenommen wurde usw. Bei Joh. Jak. Wagner ward der Hinweis auf Platen unter-
drückt, dagegen bei Baader der auf Schelling eingefügt; eine Würdigung der
litterarischen Beziehungen von Männern wie Baader und Solger und Schubert unter-
blieb aber auch diesmal. — Eine seltsame Auswahl bietet Brasch'*^^) in seinen
S. 76-87.]| — 90) X R- Fallcenberg, Gesch. d. neueren Philos. (vgl JBL. 1892 IV 5 : 31). |[DLZ. S. 789-90; C. Güttler:
LRs. 19, S. 112 3.]| — 91) J. E. Erdmann, Hist. of philos., ed. by W. S. Hongh, 3 vols. .3. ed. London, Swan Sonnenschein 4 Co.
Sh. 42. — 92) W. Windelband, Hist. of philos. Transl. by J. H. Tafts. New-York u. London, Macmillan & Co. XHI, 659 S.
Sh. 21. — 93) M. Brasch, Lehrbuch d. Gesch. d. Philos. zngl. als Repetit. L., Rossberg. XIV, 441 S. M. 5,60. — 94) X
R. EucVen, D. Lebensideale (vgl. JBL. 1891 IV 6:43): Geg. 43, S. 79. — 95) X J- Volkelt, Vortrr. z. EinfQhrg. in d.
Philosophie d. Gegen w. (JBL. 1892 IV 5:29): N&S. 65, S. 409-10. — 96) X J- Royce, The spirit of the mod. philos. ( JBL. 1892
IV 5:32a.) |[F. Jodl: DLZ. S. 2934; LCBl. S. 172,3.J| — 97) X E- Volkelt: DLZ. S. 549-51; B. Münz: BLÜ. S. 5234;
LCBl. S. 3113; C. Montanus: AZgB. N. 166; Nation". 10, S. 4iO; ThLBL 14. S. 73,4; K. Gntberlet: PhilosJb. 6, S. 190. —
98)XL.Büchner, D.Verfall d. Philos.: Zukunft 4, S.366,9. - 99) F. Brentano, Ueber d. Zukunft d. Philos. Mit apologet.-
krit. Berücksichtig, d. Inaugurationsrede v. A. Exner „Ueber polit. Bildung-' als Rektor d. Wiener Univ. Wien, Holder. IX, 75 S.
M. 2,00. \[K. Twardowski: ÖLBl. 2, S. 337 3.]| — 100) K. Joel, D. Zukunft d. Philos. (Antrittsvorles.) Basel. B. Schwabe.
35 S. M. 0,80. |[DR. 3, S. 379.JI — 101) H. Vaihinger, Litt.-Ber. über d. neuere Philos. bis auf Kant für d. J. 1890-91:
AGPhilos. 6, S. 276-97. — 102) A. Drews. D. dtsch. Spekulation seit Kant, mit bes. Rücksicht auf d. Wesen d. Absoluten
u. d. Persönlichkeit Gottes. 2 Bde. B., Mater. XVIU, 531 S.; VIU, 632 S. M. 18,00. |[L. Weiss: BLU. S. 285 6; LCBl.
S. 7802; P. V. Lind: AltprMschr. 30, S. 357-63; E. Uelzer: PhilosMh. 27, S. 624-31. || - 103) (IV la:2; S. 1-14.) — 104)
F. Aders, J. F. Adelbachs Philos. B., F. Trautwein. UI, 93 S. M. 2,40. — 105) M. Brasch, Leipziger Philosophen.
IV 5 : 106-131 R. M. Meyer, Didaktik des 18./i9. Jahrhunderts.
„Leipziger Philosophen", einem von der Kritik mit Recht abgelehnten Buche, aus dem
Ernsthaftes nicht zu entnehmen ist. Ganz richtig haben die Recensenten darüber gespottet,
dass B. Autoren hereinzieht, die nicht Leipziger sind (wie Ueberweg) oder nicht
Philosophen (wie Stallbaum); aber auch der Artikel, der nach Röscher benannt ist,
beschäftig't sich in Wirklichkeit mit Schmoller. Und wo B. über Fechner, Drobisch,
Wundt, Ahrens, Biedermann handelt, da sind seine Analysen so schwerfällig, und da
ist seine Kritik so unbedeutend, dass bei aller zur Schau getragenen Belesenheit man
den Eindruck hat, der Autor habe sich traurig übernommen, als er ernste Forscher
popularisieren wollte. —
Unter den einzelnen Philosophen fiel natürlich auch diesmal unter den
Arbeiten über die „grosse Reihe" der Löwenanteil Kant zu. Populäre '•^^-log-)
und streng fachgemässe Aufsätze und Schriften ^*'^""''), Ausgaben ^'^) und Ueber-
setzungen^i^), allgemeine Raisonnements über Kant'^O), Mitteilungen über seine
Familie^-i) und Recensionen über ihm g-eltende Schrifteni22j können hier nur ver-
zeichnet werden, ebenso die Arbeiten, in denen Punkte seiner Lehre mit ihren Ent-
sprechungen bei Hegel ^23-)^ Maimon^-^j, Schopenhauer '25j oder in der modernen
Wissenschaft ^''^^) verglichen werden. Allgemeinere Bedeutung hat der grosse, vielfach
besprochene Kommentar Vaihinger s ^^''j zur Kritik der reinen Vernunft und
das Kantlexikon Wegners '^S), — Neues aus Kants Nachlass teilte Reicke ^^''3 mit. —
Aus Hegels hs. Nachlass veröffentlichte MoUat^^"^) sein „System der Sittlich-
keit" von 1802. Rosenkranz und Haym haben es bereits eingehend gewürdigt; im Druck
lag es aber noch nicht vor. Wichtig ist besonders die Staatslehre (S. 30/ Ij und in
dieser wieder die Polemik gegen Fichte (S. o6). Als Anhang sind Stücke der Vor-
lesungen über die Philosophie des Geistes (Jena 1803—6) mitgeteilt; ich hebe einen
interessanten Punkt heraus: ,,Das geistige Band ist die öffentliche Meinung: Dies
das wahre legislative Corps , Nationalversammlung, Erklärung des allgemeinen
Willens, der in der Exekution aller Befehle lebt. Die Regierungsbeamten gehören
diesem Geiste an. Es wird jetzt anders regiert und gelebt in Staaten, deren
Konstitution noch dieselbe ist, und diese ändert sich nach und nach mit der Zeit"
(S. 59 Anm.). Wer würde diese g-esunde Rücksicht auf die Erfahrung einem Mann zu-
trauen, der Sätze schreibt wie (S. 23) : „Das Zutrauen ist in der Identität des Ersten
und der Differenz des Zweiten"? — In weiteren Kreisen hat eine andere Publikation
aus Hegels Nachlass, die wir gleichfalls Mollat^^') verdanken, Interesse erregt:
seine „Kritik der Verfassung Deutschlands", 1801 — 2 geschrieben. Wie Hegel sich
zu dem verzwickten Problem der damaligen Reichsverfassung stellt, wie selbst er, der
spätere Lobredner des Absolutismus, Abgeordnete verlangt, wie er mit grosser Heftig-
keit Friedrich dem Grossen entgegentritt, um Macchiavelli zu preisen, all das bringt
uns den noch nicht in der eigenen Theorie erstarrten Philosophen menschlich näher;
und mit Recht hebt eine Besprechung als prophetisch die Worte heraus : ,,Wenn alle
Teile dadurch gewönnen, dass Deutschland zu Einem Staate würde, und wenn auch
Portrr. u. Studien aus d. wissensch. Leben d. Gegenw. Mit e. bist. Einl.: D. Philos. an d. Leipziger Univ. v. 15.-19. Jh. L.,
A. Weigel. XXVIII, 371 S. M. 4,00. |[Geg. 44, S. 414; VossZg«. N. 51.]i — 106) X Z. Erinnerung an Kants „Religion
innerhalb d. Grenzen d. blossen Vernunft". 1793: VossZg". N. 52 3.— 107-108) X E. Zabel, I. Kant u. seine Tischgenossen:
NatZg. N. 547. — 109) X E- v. Hartmann, Kants Erkenntnistheorie u. Metaphysik in d. 4 Perioden ihrer Entwicklung. L.,
W. Friedrich. XIV, 256 S. M. 4,00. |[A. Drews: PrJbb. S. 542-50.]| — HO) X H. Gisevius, Kants Lehre v. Baum u.
Zeit. Krit. beleuchtet vom Standpunkte d. gemeinen Menschenverstandes. Hannover, Helbing. 1890. 38 S. M. 0,80. |[A.
Schneider: JbPSPh. 7, S. 472.J| — Hl) X ^- Triemel, D. Aufgaben d. Kantschen Metaphysik u. deren Lösung innerh. d.
Kritik d. reinen Vernunft. Progr. d. Gymn. Koblenz, Krabbensche Bachdruckerei. 4". 44 S. — 112) X H. Seeger, D. Straf-
rechtstheorien Kants u. seiner Nachfolger im Verhältnis zu d. allg. Grundsätzen d. krit. Philos. Progr. Tübingen. 1892. 38 S.
— 113) X W. Vorländer, D. Formalismus d. Kantschen Ethik in seiner Notwendigkeit u. Fruchtbarkeit. Diss. Marburg. 83 8.
— 114) X ßadulescu-Motru, Z. Entwicklung v. Kants Theorie d. Naturkausalität. Diss. Leipzig. 121 S. — 115) X
F. W. Foerster, D. Entwicklung d. Kantschen Ethik bis z. Kritik d. reinen Vernunft. Diss. Freibnrg. 75 S. — 116) X M- J-
Zang, üeber d. Verhältn. d. Anschauung z. Vorstand in Kants Kritik d. reinen Vernunft. Diss. Giessen. 1892. 36 S. —
117) X A. Baur, A. Hegler, D. Psychologie in Kants Ethik (vgl. JBL. 1892 IV 5 :41j: GGA. S. 309-12. — 118) X I- Kant,
Prolegomena zu e. jed. kunft. Metaphysik, d. als Wissensch. wird auftreten können. Her. v. J. H. v. Kirch mann. 3. Aufl.
(= Philos. Bibl. N. 1023.) B., Philos.-hist. Verl. (Dr. R Salinger). VII, 152 S. M. 1,00. — 119) X E. Kant, La pedagogia.
Proemio e tradnz. di A. Valdarnini. 4. ed. (= Collezione di libri d'itrnzione e di educazione. N. 248.) Torino, Roma, Milano,
Firenze, Napoli, G. B. Paravia e Co. 104 S. L. 1,50. — 120) X E- Amol dt, Z. Beurteilung v. Kants Kritik d. reinen Ver-
nunft u. Kants Prolegomena: AltprMschr. 30, 8. 501-635. — 121) X V. Diederichs, J H. Kant: BaltMschr. 40, S. 535-62. —
122) X C. Ludewig, E. Temming, Beitr. z. Darstellung u. Kritik d. moral. Bildungslehre Kants (vgl. JBL. 1892 IV 5: 40):
ÖLBl. 2, 8. 646/7. — 123) X G- Sodear, Vergleichende Untersuchung d. Staatsidee Kants u Hegels. Diss. Erlangen. 68 8.
— 124) X L. Rosenthal, L. Maimons Versuch über d. Transcendentalphilos. in seinem Verhältnis zu Kants transcendent.
Aesthetik u. Analytik. Diss. Halle a. 8. 36 8. — 125) X R- Böhm, Vergleichung d. Kantschen u. Schopenhauerschen Lehre
in Ansehung d. Kausalität. Diss. Heidelberg. 1892. 88 8. —126) X L- Graf Pfeil, Ist d. Kant-Laplacesche Weltbildungs-
hypothese mit d. heutigen Wissensch. vereinbar?: DR. 4, 8. 78-89. — 127) H. Vaihinger, Kommentar zu Kants Kritik d.
reinen Vernunft. 2. Bd. St., Union. 1892. -VIII, 563 8. M. 13,00. ifA. W ernicke: DLZ. S. 1127-30; L. Herr: RCr. 35, 8. 336;
DR. 3, 8. 127/8; JSav. 8. 62;3; L. Busse: AZg». N. 286, 289; N&S. 66, 8. 271; L. Weis: BLU. 8 347; E. v. Hartmann:
PrJbb, 71, 8. 340/6; LCBl. S. 1219-21; VjWPh. 17, 8. 134/5 (Selbstanzeige)]!. — 128) G. Wegner, Kantlexikon. E. Handbach
für Freunde d. Kantschen Philos. B., Wiegandt & Schotte. IV, 347 8. M. 6,00. [LCßl. 8. 1459-60; BLU. 8. 638.]| — 129)
R. Reicke, Lose BU. aus Kants Nachl. (Forts.): AltprMschr. 30, 8. 229-308, 330-72. — 130) G. W. F. Hegel, System d. Sitt-
lichkeit. Aus d. ha. Nachl. d. Vf. her. v. G. Mollat. Osterwieok, A. W. Ziehfeldt. IV, 71 8. M. 2,00. — 131) id., Kritik
d. Verfassung Deutschlands. Aus d, hs. Nachl. d. Vf. Her. v. G. Mollat. Nebst e. Beil. Kassel, Th. Fischer & Co. VII, 143 8.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 132-151
der allgemeinen Bildung* g-emäss dieses Bedürfnis tief und bestimmt g-efühlt würde,
so ist eine solche Begebenheit nie die Frucht der Uebeiiegung- gewesen, sondern der
üewalt"*32) — Zeigt sich hier, wie aus Hegels Grundauffassungen heraus die
revolutionäre Doktrin der Rüge und Genossen so gut wie die hochkonservative des
gealterten Philosophen selbst erwachsen konnte, so verfolgt Kronenberg^^^)
speciell den Einfluss Hegels auf Marx und Lassalle, ohne freilich dabei tief hinein-
zutauchen. — Auch Hegel ist mehrfach übersetzt '3^'»), mit Männern wie Darwin ver-
glichen^^'') und zum Gegenstand specieller Untersuchungen gemacht worden^^s i37j_ —
Auffallend wenig kam uns dagegen diesmal Sehe Hing vor. Ueber seine
Philosophie der Mythologie schrieb Schaper'^S), der sich als aufrichtiger Verehrer
der „unwiderleglichen Prinzipienlehre" Schellings bekennt (S. 5) und seine knappe Analyse
mit Seitenblicken auf Schopenhauer und Ed. von Hartmann (S. 10, 13) ausstattet. —
In populären Aufsätzen werden Fichte von Prutz'^i»)^ F. H. Jacobi
von Wachler ^^<'), Krause von Hohlfeld^*^) besprochen, während die un-
endlichen Mitteilungen aus des letzteren Nachlass (vgl. JBL. 1892 IV 5:58— 60 d)
rastlos weiterfliessen^^--*^*j; eine gilt der Erläuterung von Fichtes Grundlag'e des
Naturstaats '*^j. — Benekes Sittenlehre findet in Kühn**^) einen Bearbeiter, wie ja
überhaupt die Ethik bevorzugt wird. —
Ebenfalls bei Schopenhauer'*^) finden wir dies, der freilich auch sonst viel-
fach besprochen wurde '*S"i*^), wie auch die neue Brockhaussche Ausgabe •^•*). — Die
bedeutendste Leistung, welche die Geschichte der Philosophie in diesem J. zu ver-
zeichnen hat, ist Kuno Fischers '^i) Schopenhauer. Zwar fehlen auch diesem Werk
die befremdenden und zum Teil verletzenden Eigenheiten nicht, mit denen der be-
rühmte Gechichtsschreiber der Philosophie seine Werke zu signieren pflegt. Schon
seine Art, uns den Stoff in kleinste Portionen vorzuschneiden, wird die Kost nicht für
jeden schmackhafter machen; noch viel wenig-er aber der Ton, in dem F., über seinen
Gegenstand erhaben, wie der Lehrer über den Schüler, von Schopenhauer spricht.
Gewiss ist es verdienstlich, der Legendenbildung entgegenzutreten, die den „Buddha
unserer Zeit" zu einem Heiligen und einem Heros zu verklären strebt; hat er selbst
auf die Erfüllung seiner beiden Ideale doch nur zu bald verzichtet! So sind denn auch
gerade die Abschnitte, die den Charakter des Philosophen schildern, inhaltlich höchst
dankenswert; sie wären es aber noch mehr, wenn man weniger merkte, wie viel
Anteil der Autor an der Schwäche Schopenhauers hat, die er am heftigsten schilt:
an der Eitelkeit. Er citiert fast nur die eigenen Schriften; er hebt eifrig ein Stellchen
heraus, an dem Schopenhauer seinen Namen genannt hat; und wemi er (übrigens
mit vollem Recht) des Philosophen Freude iiber die Professoren-Massregelungen
der Reaktionszeit tadelt, so spielt ein gewisser, nicht genannter „junger Docent der
Philosophie in Heidelberg" (S. 94) die Hauptrolle. Dergleichen macht misstrauisch.
Wenn F. mit Schärfe Schopenhauers Anklagen gegen die Philosophie-Professoren
zurückweist, so wird wohl jeder Unbefangene ihm zugeben, dass von einer böswilligen
„Verschwörung" nicht die Rede sein kann. Dass aber jenes dumpfe Uebelwollen der
auf eine bestimmte Richtung eingeschworenen Mittelmässigkeiten gegen den originellen
Neuerer, das z. B. auch Goethe als Naturforscher erfuhr, das Robert Mayer und
Helmholtz kennen lernten, dass dies auch gegen Schopenhauer wirkte, wird ebenso
schwer zu bestreiten sein. Und am wenig-sten wird man dem Widerspruch gerade
F.s hierin Vertrauen schenken, wenn man sieht, wie er selbst (S. 483) über Nietzsche
spricht und es nicht einmal verschmäht, mit der einigermassen kindlichen Wendung
„ein ehemaliger Gymnasial- und Universitätslehrer in Basel" den grossen Gelehrten,
M. 4,00. irDßs. 77, S. 159. ]| — 132) X P. Michaelis, Hegels Gedanken über Deutschland: VossZgB. N. 34. — 133) M.
Eronenberg, Hegels Geschichtsauffassung im Socialismus : ib. N. 39-40. — 133a)XG. W. F. Hegel, Lectures on the bist, of
philos. transl. by E. S Haidane. London.Panl. 1892. Sh. 12. i[A. Bern: Ac. 44, S. 559-60.J1 - 134) X D- 6- Ritchie, Darwin
and Hegel, with other philosophical studies. London, Swan Sonnenschein & Co. Sh. 7/6. |[W.K.Leask: Ac. 44, S. 209 : WestmB. 140,
S. 193/4. ]| — 135) X Kackwitz, Hegels Ansicht über d. Priorität von Zeit n. Baum u. d. Kantschen Kategorien. E philos.
Kritik nach Hegels „Phänomenologie d. Geistes". Halle a. S., Pfeffer. 1891. 82 S. M. 1,50. |[M. Schneider: JbPSTh. 7,
S. 486.JI — 136-137) X A. Seth. Hegelianisra and Personality, 2. series of ßalfour lectures. 2. ed. London, Blackwoods.
Sh. 5. — 138) F. Schaper, Schellings Philos. d. Mythol. Progr. d. Realprogymn. Nauen, Freyhoffsche Buchdr. 4''. 29 S. —
139) H. Prutz, J. 6. Fichte in Königsberg: AZg«. N. 181. - 140l D. Wächter, Briefe F. H. Jacobis über d Tod seiner
Frau: BGNiederrh. 7, S. 217-25. (Vgl. JBL. 1892 IV 6 : 52.) - 141) P. Hohlfeld, V. u. über Krause: MhComeniusG. 2,
S 191/7. — 142) X K. Ch. Fr. Krause, D. Begriff d. Philos. Aus d hs. Nachl. d. Vf. her. v. P. Hohlfeld o. A. Wünsche.
B., E. Felber. Till, 108 S. M. 2,50. — 143) X id., Aphorismen z. Sittenlehre. Aus d. hs. Nachl. d. Vf. her. v. P. Hohl-
feld n. A. Wünsche, ebda. VUI, 137 S. M. 3,00. - 144) X id.. Z. Religionsphilos u. spekulat. Theol. Aus d. hs. Nachl.
d. Vf. her. v. P. Hohlfeld n. A. Wünsche, ebda. XII, ISO S. M. 3,50. |[L. Weis: BLÜ. S. 443/4.JI — 145) X id..
Erklärende Bemerkungen u. Erläuterungen zu J. G. Fichtes Grandlage d Xaturrechts. Aus d. Nachl. d. Vf. her. v. G. Mollat.
ebda. IV, 64 S. M 1,50. — 146) T. Kühn, D. Sittenlehre F. E. Benekes. K. Beitr. z. mod. Ethik. Diss. Leipzig. 1892. 61 S.
— 147) X-*-- C. Kali scher, Schopenhauers eth. Anschauungen: VossZg". N. 24. — 148) XE. Sack, A. Schopenhauer: FZg. N. 128 9.
— 149) XP-P- N. Land, Reclame voor Schopenhauer: NedSpect. S. 401 2. (üeber A. Schopenhauer, De vier Hocksteeuen der wereld en
haar Bouwmeester in het Nederduitsch overgebracht en van Anteekeningen voorzien door D. Kiel. 2 deelen. f's Gravenhage.]) —
150)XFBremer, Brockhaus neueste Schopenhauerausg. (vgl. JBL. 1891 IV 6:69-73:1892 IV 5:68): 20 Jh. 2, S. 978. — 151)
Kuno Fischer, Gescn. d. neuer. Philos. Bd. 8. (Schopenhauer.) Heidelberg, Winter. XVI, 495 S. M. 12,00. |[L. Busse: DLZ.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschicbte. lY. (^)i6
IV 5 : 151-152 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
der allerdings (wie die Schweizer Professoren in der Regel) auch in der Schule zu
unteiTichten hatte, diskreditieren zu wollen. Man ist seiner Zeit mit Schopenhauer
umgegangen wie jetzt mit Nietzsche: erst hat man ihn vornehm ignoriert, während
das kleinste Zunftlämpchen an die goldene Kette gehängt wurde; dann machte man
billige Spässchen, wiehierF.über die „Luftfahrt" Nietzsches — und schliesslich wird man
auch über ihn dicke Bücher von ordentlichen Professoren der Philosophie zu lesen
bekommen. F. behauptet zwar, die ,,Tumultuanten", wie Schopenhauer die führenden
Hegelianer seiner Tage nannte, hätten „sämtlich um ihrer Reden und Schriften willen
Amt, Stellung und Wirksamkeit" eingebüsst (S. 84); man wird aber fragen dürfen,
ob zur Zeit «Johannes Schulzes wirklich die Katheder der Philosophie keinen einzigen
Hegelianer trugen ! Auch sonst darf man F. öfter vorwerfen, dass er den Splitter im
Auge des Nächsten sieht, nicht den Balken im eigenen Auge, lieber Schopenhauers
Stil spricht er zwar lobend (S. 491/2), tadelt aber doch die vielen Wiederholungen;
und er selbst bringt fast jede wichtigere Stelle des Philosophen zwei- oder dreimal. Er
giebt allgemeinen Sprachunterricht (S. 212), zwar in gesunder Weise, aber doch sehr
vom hohen Ross herab, als hätte er selbst nie geschrieben: „Die evangelischen
Zeugnisse wohlgeprüft und erwogen, gewinnen wir ein Bild — " (S. 428), „. . in welcher
das Kolon eine ähnliche Rolle spielt, als bei Lessing das Semikolon" (S. 493) oder
gar, völlig undeutsch: „Auf diese Art wird aus den Weltbegebenheiten eine Art
Rummel" (S. 458). Es fehlen auch nicht jene berühmten F.schen Stilblüten, die ihm
mehr in weiten als in geschmackvollen Kreisen Beifall sichern: ,,Jene Weglassung
glich dem amputierten Beine, diese Hinzufügung dem hölzernen" (S. 77), was oben-
drein unlogisch ist, da die Weglassung doch höchstens der Amputation, aber nicht
dem Bein verglichen werden konnte. Es fehlen nicht pompöse Erklärungen wie die:
Schopenhauer habe so lange keinen Erfolg gehabt, weil seine Philosophie dem Zeit-
geist nicht entsprach CS. 8), was doch im Grunde nur heisst : Sie konnte seiner Zeit
nicht gefallen, weil sie seiner Zeit nicht gefallen konnte. Sogar kühne Erschleichungen
begegnen, wie die, dass Schopenhauers Lehre von den angeborenen Greistesgaben mit
dem Zwischensätzchen „angeboren, das heisst doch wohl vererbt" (S. 487) ad absurdum
geführt werden soll, während doch nach der Lehre des Philosophen „angeboren"
keineswegs „vererbt" heisst! Doch all diese Dinge ist man gewohnt, und F.s be-
g'eisterte Anhänger versichern sogar, sie erhöhten die Kraft seiner Vorzüge. Wir finden
auch ohne solche Würze die Vorzüge bedeutend genug: Klarheit und Schärfe in Auffassung
und Darstellung, sichere Beherrschung des Stoffes, geschickte Veranschaulichung an
gut gewählten Beispielen (vgl. S. '610). Wie hübsch sind z. B. die Kommentare Hegels und
Schopenhauers über die Kammerdiener grosser Männer (S. 297) verglichen! Aus-
gezeichnet werden die Lücken von Schopenhauers Kenntnis Spinozas (S. 433/4) und
der Bibel (S. 428) beleuchtet; seine widerspruchsvolle Stellung zu dem Problem der
Weltgeschichte wird (S. 446, 456) so scharf dargelegt wie der circulus vitiosus des als
Gehirn phänomen gedachten Gehirns (S. 468). Gegenüber verdunkelnden Anpreisungen
der „Prophezeiungen" des Frankfurter Philosophen hebt F. dessen Stellung zu Darwins
und Goethes Naturauffassung (S. 463) bestimmt hervor, während er andererseits
seine Lehren von der Erblichkeit mit Ibsens Drama (S. 368) illustriert. Als Glanz-
punkt hebe ich den Abschnitt über die „Komposition der Lehre" (S. 291/2) hervor;
er beweist allein zur Genüge, wo F.s unerreichte Stärke liegt: in der scharfen
Analyse, aus der er wieder eine restlose Synthese aufbaut. Manches mag dabei „ver-
dampfen"; auch von F. als Historiker gilt, was er von Schopenhauer behauptet: dass
er mehr noch Künstler ist als Forscher. Gar manches Mal baut er die Teile nicht
wie sie waren auf, sondern wie sie hätten sein sollen. Aber ist Geschichtsschreibung
möglich ohne solche leise Verschiebung? Man hat oft gefordert: Nur wer Geschichte
macht, solle sie schreiben dih^fen; man könnte die Forderung auch an den Historiker
der Philosophie stellen. Aber er wie der Weltgeschichte Schreibende könnte ant-
worten: Giebt es andere Geschichte als die, die ich mache? —Ein wertvoller Beitrag
zur Geschichte der Philosophie ist die Sammlung von Schopenhauer-Briefen, die
Schemanni52) veranstaltet hat. Mit grösster Sorgfalt ist er den Briefen des Philo-
sophen nachgegangen und hat eine ganze Reihe von Korrespondenten Schopenhauers
der allgemeinen Kenntnis erst zugänglich gemacht, so insbesondere den liebens-
würdigen und tiefsinnigen Adam von Doss. Denn mit gutem Grunde hat er
sich nicht auf die Briefe Schopenhauers beschränkt und seine ursprüngliche Absicht,
ein vollständiges Korpus derselben anzustreben, einem zugleich engeren und weiteren
Plan geopfert : Er bringt von dem Philosophen selbst fast nur ungedruckte oder doch
schwer zugängliche Briefe, dafür aber reiche Mitteilungen aus den Zuschriften seiner
Verehrer. Da Seh. ausserdem über alle sonstigen Veröffentlichungen gewissenhaft
S. 1059-62; DR. 4, 8. 394; DEKZ». S. 51/2; LCBl. S. 16689; B. Zabel: NatZg. N. 451; AZg>». N. 41.]| — 152) (IV lc:94.)
j[L. Busse: DLZ. S. 1317,8; WienerZg, 21. März; i.CBl. S. 1843/4; Grenzb. 2, S. 346-56; AZg". N. 41; KZg. N. 257.]| —
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 103-154
Nachricht giebt und sogar auch die Namen aufzählt, die unter den bisher nach-
gewiesenen Briefen fehlen, aber mit Wahrscheinlichkeit in Schopenhauers Brief-
wechsel vertreten waren, so g-iebt das Buch von seiner gesamten privaten schrift-
stellerischen Thätigkeit ein vollständiges Bild. Sogar Auktionsaufträge sind in Proben
mitgegeben, ebenso offizielle Aktenstücke: Eingaben an die Universität Berlin,
Testament und Codicille. Man kann dennoch nicht behaupten, dass man über
Schopenhauer selbst viel Neues lerne. Aus der in mühsamem Prophetenton geschriebenen
Einleitung mit ihren überflüssigen Seitenhieben auf alle, die an dem „Meister"
zweifeln, und auf Eduard von Hartmann, der über ihn hinausgehen wollte, lernt man
nur, dass es unbedingt s-läubige, im religiösen Sinn gläubige Verehrer des ,, Buddha
von Frankfurt" auch heute noch g'iebt; aus den „Biographischen Analekten" (S. 513/4)
erfährt man einiges über die Jugend des Philosophen. Aber aus seinen eigenen
Briefen ist kaum etwas Neues zu seinem Bilde zu entnehmen. Um so mehr aber
sind sie wie auch die Briefe von Doss, von Quandt u. a. wichtig und aufschlussreich
für das, was man die Populärgeschichte der Schopenhauerschen Philosophie nennen
möchte : für die Geschichte ihrer Aufnahme, ihrer ersten Eroberungen, der Apostel-
thätigkeit ihrer ersten Anhäng-er. Es ist von Bedeutung* auch zur Würdigung des
Systems selbst, wie fast immer dieselben Punkte bei den begeisterten Jüngern
Zweifel erregen : die Frage der individuellen und allgemeinen „Erlösung" vor allem.
Ist doch in dieser Sehnsucht nach Erlösung von der Welt der stärkste Hebel für die
werbende Kraft jenes wundersamen Systems zu finden ! Charakteristisch ist dann die
demütige Verehrung dieser Gefolgsleute. Wie hart behandelt er sie! Wie übt er ihre
x\skese, wenn er dem armen Schütz zum Trost für seine Erblindung (S. 340) meldet,
wie vorzüglich seine eigenen Augen noch seien! Wenn er eine unterwürfige Bitte
um etwas von seinem Tabak („ist es mir auch nicht mehr gestattet, dieselbe Luft
mit Ihnen zu atmen, so habe ich doch dann die Genugthuung, denselben Tabak mit
Ihnen zu priesen und dadurch die Thätigkeit meines Geistes auf ähnliche Art an-
zuregen" S. 366) mürrisch mit Angabe von Adresse und Preis beantwortete. Nur
einmal stiehlt ein leiser Zug von Menschenfreundlichkeit sich in das starre Gesicht,
wenn er (S. 395) des armen Bahnsen Anstrengung-en rührend findet. Sonst ist nur
von der „Sache" die Rede, womit keineswegs nur der Sieg der „wahren Erkenntnis"
gemeint ist, sondern vor allem auch der persönliche Ruhm des Entdeckers. Wie
skrupellos Schopenhauer hierin war, zeigt z. B. ein Brief an Joh. Carl Becker (a. a. O.),
worin er zugiebt, eine Schrift für Goethes Farbenlehre sei schlecht, sie aber dennoch als
heilsam begrüsst. „Das Publikum schaut auf: man wird die Akten revidieren, Goetholatrie
ist in höchster Kulmination." Siegesgewiss ist er überall; wenn von Doss ihm
zwei Namen nennt, deren Träger an der Besiegung des Schopenhauerschen Systems
grossen Anteil haben sollten: Renan und — Darwin, so erkennt er (S. 325) weder
bei dem Mann, der dem Christentum die Sympathien der Kulturwelt wieder erobert
hat, noch bei dem Begründer der Entwicklungslehre Bedeutung und Kraft. Und dem
Tischrücken gegenüber haben (S. 256) Faraday und Humboldt sich einfach blamiert.
Hübsch ist es, wie man Schopenhauers erster Bekanntschaft mit Leopardi beiwohnt,
den von Doss (S. 305) ihm als Gegengabe für die Empfehlung Lichtenbergs ans
Herz legt, und andererseits, wie wir Leopold Schefer (S. 253) sich in Schopenhauer
versenken sehen. Zu diesen Punkten giebt dann der Herausgeber überall lehrreiche, wenn
auch vourteilsvolle Anmerkungen (S. 439 über die „drei Kardinal thesen" Schopen-
hauers; S. 418 über Goethe; S. 425 über Beneke; S. 428 sehr hübsch über Rosen-
kranz; S. 443 Herder; S. 440 Majer), wie er denn auch kurze Biographien der
Korrespondenten beifügt. Höchst dankenswert ist es, dass er ausser dem Portrait
des alten Schopenhauer von Lenbach noch (aus eigenem Besitz) ein prächtiges
Jugendbild von Ruhl reproduzieren liess, in dem zu den starren Zügen des Unterkopfs
die funkelnden Augen und das dichterisch verwirrte Haar ein bezeichnendes Geg'en-
stück liefern. Endlich gab Seh. noch allerlei kleine Beiträge zur Geschichte der
Philosophie Schopenhauers; namentlich handelt er (S. 467/8) lehrreich über dessen
Lehrer und weist (S. 534/5) die Behauptung Lehmanns, das Wesentliche an Schopen-
hauers System stamme von — Bouterwek her, siegreich zurück. Dass auch in diesen
historischen Abschnitten ein von Schopenhauer selbst gelobter Geschichtsschreiber der
Philosophie, Weigelt, der „Fälschung" beschuldigt wird (S. 479), weil er einen Punkt
in Schopenhauers System falsch auffasste, das beweist von neuem den Grundton der
Schopenhauerianer: eine fanatische, religiöser Unduldsamkeit gleichkommende Un-
bedingtheit des Glaubens. Sie wollen sich unterwerfen, ganz, ohne Zweifel; auch
das ist Askese. Und so wird das Buch zu einem unschätzbaren Dokument für die
Psychologie der Anhängerschaft Schopenhauers.'^"^) — Diesen beiden wichtigen Werken
reihen sich wiederum kleinere an, Vergleichungen Schopenhauers mit Kant^^"*) und
153) XI^ Schemann, E. Nachw. zu d. Schopenhauerbriefen: BayreuthBll. 16, S. 67-81, 95/6. — 154) X K. Richter,
(4)16*
IV 5 : 155-172 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
SchelHng^^^) oder Schiller^^^^ und Einzelausg-aben seiner Schriften ^^''"i^^) _ Ej^e
englische üebersetzungiß^) und eine französische Besprechung aus der geistreichen
Feder von Valbert-Cherbuliez^^*) sind auch für Schopenhauer Zeugnisse inter-
nationaler Wirkung, während seine historische Bedeutung für die Entwicklung der
monistischen Weltanschauung von Lehmann i^^) untersucht wird. — Ueber den
Pessimismus im allgemeinen handeln Wir th'^^) und Voneisen^ß'). W.s burschikos
geschriebene Widerlegung der Weltschmerzphilosophie (aus der wir mindestens die
hässliohe Stelle S. 12 wegwünschten), führt allerlei erhebende und erfreuliche Momente
gegen diese ins Feld, ohne doch die Thatsache wegräumen zu können, dass das von
Tausenden empfundene Weltelend mindestens für Diese eine nicht wegzudisputierende
Wahrheit ist. V. hat „Perlen der pessimistischen Weltanschauung" mit mehr Be-
lesenheit als Geschmack g-esammelt; die kleinen machen sich da sehr breit und die
Glasperlen verdecken die echten. — ,
Eduard von Hartmann wird von Büchner'^^) mit der diesem Autor
eigenen populären Leichtfertigkeit erledigt; sein Hauptinteresse gilt freilich dem
Schutze seines eigenen Kraft- und Stoffevangeliums. — Viel gründlicher prüft
Achelisi^^) den Kernpunkt von Hartmanns System, das „Unbewusste", um allerdings
ebenfalls mit einer verwerfenden Kritik zu schliessen. —
Aber der eigentliche Held des Tages — ich meine das Wort nicht im ab-
getragen-ironischen Sinne, sondern in seiner ursprünglicheren hohen Bedeutung —
ist nicht mehr Schopenhauer oder Eduard von Hartmann: es ist Nietzsche. Was
in unserer Zeit nach Philosophie strebt — und was ihr widerstrebt, das findet einen
Vereinigungspunkt in dem wunderbaren Mann, der alle Geisteskämpfe dieser Zeit im
eigenen Herzen durchlebt hat. Ein neuer Winkelried drückte er die Speere aller
Glaubenslehren, aller philosophischen Systeme in die eigene Brust, um der Freiheit
eine Gasse zu bahnen. Wie man sich auch zu seinen Ergebnissen stellen mag, für
die Persönlichkeit darf Niemand ein inniges Interesse verleugnen, der für geistigen
Kampf überhaupt ein Herz hat. Recht aus solchem vollen Interesse an der Per-
sönlichkeit heraus sind die Erinnerungen von Mal vida von M ey senbug^^^'i'")
und von Lanzky^''^) geschrieben. Die Verfasserin der „Memoiren einer Idea-
listin" hat ihr liebenswürdig für alles Grosse empfängliches Gemüt auch dem
jugendlichen Philologen geöffnet, den sie durch Cosima Wagner kennen lernte. Sie
teilt herrliche Briefstellen mit, in denen er über das Erlernen fremder Sprachen so
gut wie über die tiefsten Probleme sich äussert. Er blüht in reichster Gedanken-
fülle: „Da fällt mir immer ein Gedanke herunter", sagt er scherzend, indem er beim
Spazierengehen auf einen Baum zeigt. Alles muss bei ihm der Erkenntnis dienen,
selbst das Leiden, das er deshalb fromm segnet. Seine Herzensfrömmigkeit, seine Güte
tritt überhaupt rührend hervor: „Ich wünschte, ich könnte anderen Menschen täglich
etwas Gutes erweisen. Diesen Herbst nahm ich mir vor, jeden Morgen damit zu be-
ginnen, dass ich mich fragte: Giebt es keinen, dem du heute etwas zugute thun
könntest? Mitunter glückt es, etwas zu finden." So schreibt der Mann, über dessen
Härte man klagt; aus dieser Gesinnung heraus erklärt er Goethes Wahlverwandt-
schaften milde und weise ; aus dieser Gesinnung heraus träumt er davon, eine Pflanz-
schule für Apostel einer höheren Lebensanschauung zu errichten (man denkt un-
willkürlich an „Rosmersholm", an den Schluss des „Volksfeindes".) Aber wegen dieser
heimlichen Milde seines Herzens lastet auch die Einsamkeit schwer auf ihm, die
härtere Gemüter leichter tragen. Wohl schreibt er erst: „Dass jetzt alle Welt mich
Schopenhauers Verhältn. zu Kant in seinen Grundzügen. I. Diss. Leipzig. 205 S. — 155) X-^- Wyezolkowska, Schopenhauers
Lehre v. d. menschl. Freiheit in ihrer Beziehung zu Kant u. Schelling. Diss. Zürich. 53 8. — 156) X (I 12 : 17.) — 157) X
A. Schopenhaiier, Parerga u. Paralipomena. Kleine philos. Schriften. VI.: Z. Lehre v. d. Unzerstörbarkeit unseres wahren
Wesens durch d. Tod. Nachtrr. z. Lehre v. d. Nichtigkeit d. Daseins her. v. H. Hirt. (= Bibl. d. Gesatntlitt. d. In- u. Aus-
land. N. 663.) Halle a. S., 0. Hendel. IV, 55 S. M. 0,25. (Vgl. JBL. 1892 IV 5:63.) — 158) X id., id. VH.: üeher Ee-
ligion. Her. v. H. Hirt. (= ebda. N. 664.) IV, 69 S. M. 0,25. — 159) X id-, id. VHI.: Einiges z. Sanskritlitt. Einige,
archäol. Betrachtungen. Einige mythol. Betrachtungen. Z. Metaphysik d. Schönen u. Aesthetik. Her. v. H. Hirt. (= ebda.
N. 665.) IV, 54 S. M. 0,25. — 160) X id-, id. V.: Einige Worte über d. Pantheismus. Z. Philos. u. Wissensch. d. Natur.
Z. Farbenlehre. Z. Ethik. Z. Rechtslehre u. Politik. Her. v. H. Hirt. (= ebda. N. 652,3,) IV, 61 S. M. 0,50. — 161) X
id., id. IX.: Ueber Urteil. Kritik, Beifall u. Ruhm. Ueber Gelehrsamkeit u. Gelehrte. Selbstdenken. Her. v. H. Hirt.
{— ebda. N. 666.) IV, 45 S. M. 0,25. — 161a) X id- Neue Paralipomena: Vereinzelte Gedanken über vielerlei Gegenstände.
(= Schopenhauers hs. Nachl. Aus d. auf d. Kgl. Bibl. in Berlin verwahrten Ms.-Büchern her. v. Ed. Grisebach: ÜB. N. 3131/5.)
L., Reclam. 510 S. M. 1,00. — 162) id., Nachlass her. v. E. Grisebach (vgl. JBL. 1892 IV 5:64-66): LCBl. S. 1219. —
163) X id., Studies in pessiniism. (Afterdinner series.) London, Temple & Co. 12». Sh. 1. — 164) G. Valbert [= Cherbuliez],
Schopenhauer, l'homme et le philos. d'apres une public, recente: RDM. 119, S. 214-25. (Im Anschl. an Kuno Fischer; s. o.
N. 151.) - 165) Th. Achelis, R. Lehmann, Schopenhauer u. d. Entwicklung d. monist. WeHanschauung (Progr. B., R. Gaertner.
1892. 4». 25 S. M. 1,00): PhilosMh. 29, S. 624-36. — 166) Th. Wirth, D. Ansicht d. modernen Pessimismus über d. Ursprung
d. Uebel dieser Welt. Progr. d. Gymn. Bayreuth, Ellwanger (vorm. Th. Burger). 41 S. — 167) F. Von eisen. Nirwana.
Perlen d. pessimistischen Weltanschauung. (= ÜB. N. 3140.) L., Ph. Reclam. 100 S. M. 0,20. - 168) L. Büchner,
Das Unbewusste: AZg". N. 64. — 169) Th. Achelis, D. Begriff d. Unbewussten in psycholog. u. erkenntnistheoret. Hinsicht
bei Ed. V. Hartmann. E. Studie z. 50. Geburtstage d. Philosophen: PhilosJb. 6, S. 49-72, 395-407. — 170) Mal vida
v. Meysenbug, Erinnerungen an F.Nietzsche: NFPr. 16./7. Juni. (Vgl. Didask. N. 148-51; s. o. 112:386.) — 171) ead.. Ans
meinem Tagebuche über Nietzsche: ib. 14. Okt. — 172) P. Lanzky, Erinnerungen an F. Nietzsche: AZg«. N. 240. — 173) R. V. \V. A.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 172-185
allein lässt, darüber beklag-e ich mich nicht; ich finde es vielmehr nützlich und
natürlich." Aber bald entring-t sich ihm doch der bittere Schrei: „Giebt es denn keinen
Menschen, der mich lieb hat?" Aber er überwindet auch das: „Seit Jahren bin ich
nun g-anz allein, und Sie werden mir zugeben, dass ich eine gute Miene dazu ge-
macht habe — auch die gute Miene g-ehört unter die Bedingungen meiner Askese".
Tapfer hielt er aus und erfüllt hat er, was er 1878 schrieb: „Der Bogen, den meine
Bahn läuft, ist gross, und ich muss an jeder Stelle desselben g-leich gründlich und
energisch gelebt und gedacht haben." Neben diesen heiTlichen Dokumenten treten
die eigenen Worte der Erzählerin bescheiden zurück; doch gebührt auch ihnen Be-
achtung, wenn sie den Standpunkt der letzten Jahre nur als eine Uebergangsphase auf-
fasst, „aus der, wenn das Schicksal es erlaubt hätte, sein Geist in erneuter Schönheit,
frei von den Schlacken, welche Bitterkeit, Empörung und Hass in ihm erzeugt hatten,
hervorgegang-en sein würde." L. dagegen giebt nur persönliche Urteile und
Erlebnisse, die wieder Nietzsches persönliche Sanftmut, daneben die unge-
heuere Intensität seiner geistigen ArlDeit hervorheben; er teilt nur Ein Wort des
Philosophen mit, freilich ein sehr merkwürdiges: „In Nizza sprachen wir eines
Abends, im Jardin public auf- und abg-ehend, sehr ruhig über das Ende, das ihm
einmal bevorstehe, und er schloss die lange Erörterung mit den Worten: 'Sie werden
vielleicht am Wahnsinn verg-ehen, wenn die Götter Ihnen nicht darüber hinweghelfen;
ich jedoch g-edenke des freien Todes teilhaftig zu werden.'" — Hat sich auch diese
Prophezeiung läng-st als trag"ischer Irrtum erwiesen, so ist doch auch längst Nietzsches
traurig-e Klag'e widerlegt, er sei g-anz allein, niemand liebe ihn. Von der Fürsorge
seiner Verwandten ^'^) zeugt glänzend schon die neue Ausgabe seiner Werke i^*).
Unter der Leitung- seiner Schwester, der Frau Elisabeth Förster-Nietzsche i"^),
ward das grosse Unternehmen begonnen und vollendet; Fritz Koegel stellte mit ihr im
Einvernehmen den Plan und die Grundsätze fest und besorgte den grössten Teil der
philologischen Arbeit, wobei ihn Eduard von der Hellen für anderthalb Bände ab-
löste. Es kam auf diese Weise eine Ausgabe zu stände, die an philolog-ischer Gründ-
lichkeit, Zuverlässigkeit, Sauberkeit unter denen neuerer Philosophen schwerlich
ihres g-leichen hat. Diechronolog-ische Folg-e ward nur beim„Zarathustra" unterbrochen,
um dessen vier Teile vereinigt erscheinen zu lassen. Neu aufg-enommen ist ausser
einer Reihe von Gedichten — Dithyramben, EpigTammen — der „Antichrist", Nietzsches
Auseinandersetzung mit dem Christentum, soweit es die Vernichtung der antiken
Kultur bedeutet. Da jedoch das Erscheinen dieses Bandes noch nicht in das Berichts-
jahr fällt, muss eine Besprechung des hochbedeutenden Werkes noch unterbleiben.
Aufmerksamkeit verlangen in allen Bänden die knappen, aber vorzüglich orientierenden
Notizen der Herausgeber. In einer zweiten Reihe der „Werke" werden Elisabeth
F. und Koegel nun bald die zahlreichen Einzelaufsätze und Fragmente veröffent-
lichen, soweit diese nicht in die grosse und schöne Lebensbeschreibung des Philosophen
vcm der Hand seiner Schwester verarbeitet werden. Manches Neue ist bereits an
mehreren Stellen erschienen i'ß-i'S), sehr geeignet, auf die Fülle des noch zu Erwartenden
gespannt zu machen. — Natürlich ging auch die Diskussion über einzelne Bücher ^^'^~'^')
wie über die Gesamterscheinung des merkwürdigen Denkers fort. Die Gegner
schlugen zumeist den Ton des Warners an. — Geg-en Jordans greisenhafte Anklag-e
hat Mauthner 1^2-) (jen Philosophen verteidigt; aber Stein ^^^"i^*) hat fast nur Beifall
g-eerntet, als er in breiten Ausführungen vor diesem „neuen Cynismus" warnte.
Scheint uns schon der Standpunkt an sich recht wenig philosophisch, der vor einem
Denker warnt, weil er „gefährlich" sei — Gefahren bring-t jede neue Tendenz, jede
Erfindung-, jeder neue Sonnenaufgang- sog-ar — so ist die ganze Art, wie Nietzsche
einerseits als Nichtphilosoph „entlarvt" wird und andererseits doch St. ein „System"
aus seinen Schriften aufbaut, von jedem tieferen Verständnis für die Eig-enart Nietz-
sches erstaunlich fern. Anzuerkennen ist, dass St. die hässliche Art, wie Türck u. a.
aus der Erkrankung- des Philosophen Kapital schlug-en, nachdrücklich ablehnt, wie
er sich denn überhaupt eines ruhigen Tons befleissig-t. Aber welch unglaubliche
Verkennung-, wenn diesem Manne des vornehmen Stils und der g-eistig-en Askese
Oehler, F. Nietzsche: Didask. N. 234. - 174) F. Nietzsches VVerlce. 2.-4., 7. Bd. u. 8. Bd., 1. Aht. (2.: Unzeitgemässe Be-
trachtungen. 2 Tle. in 1 Bd. 2. Anfl. mit e. Vorw. d. Herausg. XV, 206 n. 205 S M. 10 50. — S.u. 4.: Menschliches, AUzn-
menschliches. E. Buch für freie Geister. 2 Bde. 2. Aufl. Mit e. Brieffacs. u. e Vorw. d. Herausg. .XLVIII, 408 S.; 379 S.
ä M. 9.00.— 7.: Also sprach Zarathnstra. E. Buoh für Alle u. Keinen. 3. Aufl. Mit Portr. u. Brieffacs. d. Autors n. e. Vorw.
d. Herausg. XLUI, 472 S. M. 12,00. - 8,1.: Jenseits v. Gut u. Böse. Vorspiel e. Philoe. d. Zukunft. 3. Aufl. 292 S. M. 6,25.)
L., Naumann. M. 47,75. [F. Poppenberg: ML. 62, S. 710.]| — 175) X Elisaheth Förster-Nietzsche, Mitteilungen
über F. Nietzsches Schriften u. seinen Nachl.: AZg". N 258. — 176) X Neues v. F. Nietzsche: Zukunft 3, S. 39-40. — 177) <
F. Nietzsche, Ueber d. Zukunft unserer Bildnngsanstalten : ML. 62, S. 825,9. — 178) X (I 12:387.)— 179) X Une preface
in6d. de Nietzsche: KPL. 2, S. 670/1. — 180) X F. Nietzsche, Götzendäramerung od. wie man mit d. Hammer philosophiert.
2. Aufl. L., Naumann. VUl, 116 S. M. 2,25. — 181) X M. Schindler, F. Nietzsche, Jenseits t. Gut u. Böse. E.Genealogie
d. Moral: OLBl. 2, S. 197-200. — 182) F. Mauthner, Jordan gegen Nietzsche: Nation». 16, S. 787/8. (Vgl. 1 12:378.) —
183) (I 12:379.) (Vgl. RPL. 2, S. 748-51.) — 184) (1 12:380.) |[W. Bölsche: FrB. S. 719-22.]| — 185) X F- Nietzeehe:
IV 5:186-192 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
nachgesagt wird, er „ringe mit cynischen Mitteln nach hedonischen Zielen" (DRs. 74,
S. 894)! Und wenn eine Prüfung- von Nietzsches Weltauffasung" zu dem Urteil gelangt,
von einer Weltanschauung könne bei ihm im Ernste gar nicht gesprochen werden
(S. 419), so hat der Kritiker sich selbst gerichtet, der gegen den so deutlichen und
klaren Kern in Nietzsches Gedankenwandlungen blind ist. Er mag im einzelnen
öfters im Recht sein, wo er etwa über das Bedenkliche der aphoristischen Form
spricht (S. 399) oder Nietzsches allzu summarische kritisch-historische Dogmata an-
zweifelt (DRs. 75, S. 231/2), aber für die Gesamterscheinung fehlt es ihm zu sehr
an jeglicher verwandten Ader. Wer für die künstlerische Freude an der Umbildung
und Ausbildung eigener Gedanken so wenig Verständnis besitzt, wer Philosophie
nur als nüchternen Ausbau einer starren Prämisse auffassen kann, der steht dem
Philosophen unserer Zeit fast so fremd gegenüber wie ein giäubiger Katholik *^5), und
der selbstbewusste Ton seiner Lehrreden wird niemanden darüber täuschen, dass
dieser philosophische Warner ein ganz guter Dogmatiker sein mag, in der Psychologie
aber noch etwa alles zu lernen hat. — Ein Zeug^nis für die fortwirkende Kraft
Nietzsches sind auch die zahlreichen Parodien — eine Lieblingsgattung unserer Zeit,
weil sie zwei Hauptleidenschaften unserer Generation zugleich befriedigt: die, sich
an einen Heros anzuschliessen, und die, ganz unabhängig- scheinen zu wollen.
Wirklich witzig ist „Also sprach Confusius"^^^). Zumal die Vorrede trifft die Be-
denklichkeiten in Stil und Gedankenart Nietzsches mit Glück und die Schilderung
des Verlegers, des „trillernden Ostermesse-Besuchers, des kühnen Turners, des lallenden
Tänzers, des Mannes mit dem alles verkaufenden Geiste" (S. 4.), fügt den „hässlichsten
Menschen" des vierten Zarathustra ein lustiges Gegenbild bei. Auch im übrigen
Text sind z. B. die unerwarteten Gedankenstriche Nietzsches, seine Art, fremde Aus-
drücke zu benutzen, seine kühnen Verbalsubstantiva mit Geschick nachgeahmt ; auch
die Aposiopesen und andere Stileigenheiten. Inhaltlich steht die Parodie hier freilich
nicht auf der Höhe der Vorrede — das gewöhnliche Schicksal der Parodien ; doch ist
der „Fall Mascagni" keine schlechte Karikatur von Nietzsches Selbstbekehrungen,
und ein Aphorismus wie die „Summe aller Aesthetik" (S. 49) verdient citiert zu
werden: „Das mauvaiseste Genre ist immer auch das ennuyanteste." — Eine weniger
gelungene Karikatur war es, die Türck von Nietzsche entworfen hatte; Zerbst^®'')
hat darauf geantwortet.'^**) — Mehr sich selbst parodiert Eisner'^"), der eine ge-
legentliche Erwähnung benutzt, um im Ton des Baccalaureus im zweiten Teil des Faust
seine Ueberlegenheit an den Mann zu bringen, als habe er in seiner noch jugendlicheren
Schrift ,,Psychopathia spiritualis" die ungemeine Sicherheit seines Urteils noch nicht
genügend offenbart !''**^"'^'). — Bedeutender ist Weigands '^^j vielbesprochener „psycho-
logischer Versuch". W. stellt sich zu Nietzsche wie dieser zum „Fall Wagner":
,,Für den Psychologen bedeutet das Problem Nietzsche einen Glücksfall der aller-
seltensten Art" sagt er mit wörtlicher Anlehnung an jene Schrift, wie er denn über-
haupt von Nietzsches Stil stark beeinflusst ist; „aus diesem hochgespannten Geiste
reden die geheimsten modernen Wünsche und Begierden ihre bezauberndste Sprache;
in seinen Ausbrüchen finden wir alles, was die widerspruchsvolle moderne Seele
peinigt und beglückt: Kraft, Adel, Fülle, Harmonie, dichterische Anschauung und
historischen Scharfblick, Zorn, Hass, Empörung, Bosheit, Naivetät, Schalkhaftigkeit,
Grössenwahn, prophetischen Tiefsinn, sublimierteste geistige Genusssucht; hier ward
der Geist der Vergangenheit Mensch und — glaubt die Sprache der Zukunft zu
reden" (S. 6). Gewiss, das heisst nicht schlecht charakterisieren, wenn auch vielleicht
der Schlusssatz das Uebrige verdirbt. Der Versuch, nicht nur der Person, auch ihrem
Denken die Ahnentafel zu stellen (S. 6/7), entbehrt nicht des Scharfsinns und die
Liste „Darwin, Comte, ^tendhal, Dostojewsky, Bourget, Renan" (S. 45) ist nicht voll-
ständig, doch aber gut gewählt. Ueber die Decadence spricht W., der sie sorgfältig
studiert hat, aus der Fülle seiner Lektüre heraus (S. 64/5), besser als ich mich noch
entsinne über sie je gelesen zu haben, und ihre Verwandtschaft mit der Romantik
ist ihm klar (S. 66). Aber auch wo er ins Geheimste dieser Rätselnatur hinabsteigt,
gelingt ihm mancher glückliche Fund. „Und wozu zwangen ihn nach der schranken-
losen Entfesselung seiner geistigen Gelüste, seine Erfahrungen? Zum Dekretieren von
Wahrheiten" (S .74). Manchmal mag er sich von Lou Andreas-Salome (vgl. JBL. 1892
IV 5 : 95/6) zu stark beeinflussen lassen (S. 86) ; er mag das Krankhafte in den
letzten Schriften übertreiben fS. 97j; aber eine tiefe Erkenntnis wie die über die Selbst-
opferung (S. 99) entschädigt für vieles. Auf der Grundlage des antiken Individualismus
(S. 80) und seiner Erneuerung in der Renaisance (S. 82; wie Zumbini vor kurzem
HPBll. 112, S. 747-57. — 186) (I 12:388.) - 187) M. Zerbst, Nein u. ja! Antwort auf H. Türcks Broschüre ..Nietzsche u.
seine philos. Irrwege" (Dresden, Druckerei Glöss. 72 S. M. 1,70.) L, C. G. Naumann. Vm, 84 S M. 1,00. |[F. Jodl
DLZ. S. 166,'7.]i - 188) X Lndw. Salomon, F. Nietzsche: BlZg. 101, S. 292/3. - 189) (I 12:383.) 190) X H. Kaatz,
D.Weltansciiaunng F. Nietzsches (vgl. JBL. 1892 IV 5: 91; s. o. I 12:384). |[VossZgB. N. 53: ThLBl. 14, S. 122; WIDM. 73. S. 143
M. Schindler: ÖLBl. 2, S. 197-200.] — 191) X !>'« ideeSn van F. Nietzsche: NedSpeot. S. 28.3/4. — 192) (I 12:381.) |[J8aT.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 193-210
in einem auso-ezeichneten Aufsatz, weist W. auf Rabelais Abba.ye de Theleme hin)
lässt er in Rousseau das „kritische Individuum" neuen Stils entstehen: das „schöpferische
Individuum aus Mangel" (S. 83) — auch das ist ein g-utes Wort zur Charakteristik
Nietzsches. Nicht minder treffend weiss er Schopenhauers Definition als mit Nietzsches
Standpunkt unverträg-lich zu beg-ründen: ,, Nietzsches g-anze Aesthetik geht, um es
kurz zu sag-en, nicht von dem Betrachtenden, sondern von dem Schaffenden, von dem
Zeugenden aus, dem das Moment der Produktion als Augenblick höchsten, intensivsten
Lebens gilt" (S. 101). Träfe Kuno Fischers Lösung von Schopenhauers „Charakter-
rätsel" zu (s. 0. N. 151), so fiele dieser Gegensatz dahin. Eine glückliche Idee ist
es ferner, zu sammeln, wen Nietzsche hasst (S. 104), oder was er als schön empfindet
(S. 112); das müsste nur systematisch und erschöpfend geschehen. Endlich weiss W.
auch Nietzsches Stil gut zu charakterisieren fS. 105), was an ihm deutsch, undeutsch
(S. 110) und antideutsch (S. 111) ist, zu scheiden. Weniger gut ist die Revue über
seine Anhänger (S. 106 f.) geraten. Indessen, man sieht, es ist ein Buch, das man nicht
ungelesen lassen darf, wenn man sich für die philosophische signatura temporis in-
teressiert. Schade nur, dass der Vf. sich im Ausdruck oft gehen lässt. Er verwickelt
sich in der Negation: „Wer möchte leugnen, dass dieses Bild der Grossartigkeit ent-
behre" (S. 93). Er schreibt über Chamfort: „Viel tiefer blickend als alle seine Zeit-
genossen, war ihm das Gestalten versagt" (S. 100). Und so gerade über Nietzsche
und Chamfort zu schreiben! — Wiederum folgen Konfrontierungen Nietzsches mit
Richard Wagner »9»- 194), Chopin i»^), Stirner »9ö->9'). -
Stirner selbst wird von seinem Biographen Liebmann'^*) mit antiken
Sophisten verglichen, während Laut er ba ch '*'*') vor seiner neuen Ausgabe des be-
rühmten Buches vom „Einzigen" nicht nur von neuem Nietzsche als seinen „Ausbauer
und Umschöpfer" anspricht, sondern in hastiger Rhapsodie auch auf Feuerbach,
Rudolf von Ihering\ Spencer, Dostojewsky verweist. — Horn^ooj^ Johannes^»'),
T h o r e 1 -*'2J stellen ebenfals Nietzsche und Stirner mit anderen Vertretern des theoretischen
Anarchismus zusammen, während Steiner^oaj tiefer g-reifend alte und neue Moral-
begriff'e überhaupt zu scheiden sucht. --
Mit Steiner sind wir bei dem jüngsten Vertreter jener philosophischen
Entwicklung angelangt, die von Kant über Schopenhauer zu Nietzsche führt ^O'*). —
Neben der gTossen Strasse, die in regelrechter Ausbildung' bestimmter
Grundanschauungen von Kant zu Nietzsche leitet, schlängeln sich zahlreich die
Nebenwege einzelner Philosophen. Die Abweichung vom kantischen Weg'e beginnt
mit Herbart, dessen Unterrichtsmethode 2**^) eine besondere Untersuchung gefunden
hat 206)^ während wieder verschiedene Abhandlungen seine Lehre in einzelnen Punkten
mit der Lotzes-**^ 208^ ^j^f^ Steinthals ^o^) vergleichen. — Hartensteins^'^) Ausg*abe
von Herbarts Werken (vgl. JBL. 1891 I 6^: 36; 1892 1 10:59; IV 5:55) ist mit dem
dreizehnten Band zu Ende geführt worden. Dieser bringet wenig Ung'edrucktes, dagegen
vieles, was schwer zugänglich war, aus Zillers Herbartschen Reliquien und besonders
aus kritischen Zeitschriften. Gerade die mitgeteilten Recensionen enthalten wichtige
Beiträge zur Charakteristik Herbarts selbst: was er über „populäre Darstellungen"
(S. 276) und über den „Rhythmus der Spekulation" (S. 463), über Atheismus (S.438)
und Skeptizismus (S. 564) bemerkt, ist für seine ganze Denkweise ebenso bezeichnend
wie die seltsamen I'rteile über Tempel und Kirche (S. 464) und die ängstlich scheue
Zurückhaltung bei einer Erörterung über den Adel (S. 479) für seine Anschauungen.
Zahlreich finden sich über hervorragende Zeitgenossen oder Vorgänger kürzere
Urteile (Sulzers „ganz ordinäre Ansicht" S. 291) oder ausführlichere Besprechungen
(Schloezer S. 278'; Adam Müller S. 277/8; Baader S. 453; Salat S. 463; F. Schlegel
S. 520/1, bes. S. 528; Tennemann S. 457; Fries S. 406; Fichte und Reinhold, Jacobi
oft, bes. S. 227, .327 J. An Süvern, der durch Diltheys Artikel in der ADB. uns allen
wieder näher gerückt ist, nimmt Herbart (S. 39) menschlich Anteil; zwei Figuren aus
S. 704; Kw. 6, S. 2013; DR. 2, S. 393; Ed. B(ernstein): NZS:. 11. S. 38; PolybiblU 63, S. 340.]| — 193) X P- Gast. F.
Nietzsche n. Rieh. Wagner: FZg. N. 286. — 194) X Wagner et Nietzsche: RPL. 1, S. 609-11. — 195) X St. Przybyszewslci,
Z. Psychol d. Individuums. I. Chopin u. Nietzsche (vgl. JBL. 1892 I 11 : 257; IV 5 : 87): WIDM. 73. S. 144. — 196j X R-
Schellwien, M. Stiiner u. Fr. Nietzsche (vgl. JBL. 1892 IV 5:89-90): M. Schindler: ÖLBL 2, S. 197-200. — 197) X 01a
Hansson, D. Philosophie d. Egoismus: VossZg". N. 1/2. — 198) 0. Liebmann, M. Stirner: ADB. 36, S. 258,9. — 199) M.
Stirner (= Kasp. Schmidt), D. Einzige u. sein Eigentum (her. v. P. Lauterbach). (= ÜB. N. 3057-60.) L., Ph. Reclam jun.
16". 429 S. M. 0,80. - 200) E. Hörn, M. Stirner u. d. Anarchismus: Zukunft 2, S. 2526 — 201) W. Johannes, Feuer-
bach, Stirner, Nietzsche: BerlTBl, N. 7. — 202) J. Thorel, Les peres de l'anarchisme: Bakounine. Stirner, Nietzsche: RPL. 1,
3. 449-54. — 203) R. Steiner, Alte u, neue Moralbegriffe: Zakunft 2, S. 714. — 204) id., Wahrheit U.Wissenschaft. Vor-
spiel e. „Philosophie d. Freiheit'-. Weimar, H. Weissbach. VIII, 43 S. M. 1,00. |[N.ftS. 67, S. 137; B. Münz: BLU. S. 714 5.] 1
— 205) X A. Gleichmann, D. bloss darstellende Unterr. Herbarts. E. Studie. (= PaedMag. Her. v. F. Mann. N. 24.)
Langensalza, H. Beyer * Söhne. V, 50 S M. 0.60. — 206) X 0. Hostinsky. Herbarts Aesthetik (vgl. JBL. 1891 I 3 : 12 ;
IV 6:86): Ath. 10, S. 218-22. — 207) X Th. Simon, Darstellung d .Seinslehre Lotzes in ihrem Verhältn. zu der Herbarts.
L, G. Focke. 77 S. M. 2,00. — 208) X M. Nath, D. Psychol. H. Lotzes in ihrem Verhältn. zu Herbart. Diss. Halle a. S.
1892. 4». .37 S. — 209) X T. Ivanoff, D. Abweichungen Steinthals v. Herbart auf d. Gebiete d. eth. ElemenUrlehre. Diss.
Jena. 56 S. — 210) J F. Herb»rt, Sämtl. Werke, her. t. G. Hartenstein. 13. Bd. N*chtrr u. Ergänznnjen. Hamburg
IV 5:211-230 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Goethes Umkreis, Heinroth (S. 582) und Oken (S. 591) werden mit abwehrenden
Worten vorg-eführt. Herbarts eig'ene Persönlichkeit tritt selten hervor, etwa wenn
der Gedanke eines g'etöteten Jag-dtiers ihm elegisch stimmt (S. 141), oder wenn er Verse
macht (S. 267), die es doppelt beg-reiflich erscheinen, lassen, wie entschieden diese
nüchtern mathematische Natur gegen die Einmischung* von Poesie in g-elehrte
Abhandlung"en (S. 348) oder gegen überflüssige Citate (S. 468) Widerspruch erheben
musste. So reg-t er sich denn auch (S. 273) auf, wenn ein unbedeutender Skribent
Kants Kritik der reinen Vernunft mit der französischen Revolution verg-leicht, und
denkt nicht an den bekannten Ursprung" dieser Parallele. —
Mit Herbarts bedeutendstem Schüler Steinthal besohäftig-en sich ausser der
schon angeführten Dissertation ^^*) mehrere Gratulationsartikel zu seinem siebzig-sten
Geburtstag"e ^^2-213^^ unter denen die beiden von Achelis^'^-^i^a) am vollständig-sten
das eig-enartig-e Wesen Steinthals zu charakterisieren suchen. Der Jünger Wilhelm
von Humboldts und Herbarts sah eben in der Volksindividualität so zu sagen erst
den vollständigen Menschen, von dem alle einzelnen Individuen nur Bruchstücke,
zufällige Spiegelungen geben. Diesem „Kollektivmenschen" ging seine Sprach-
forschung und seine Völkerpsychologie nach, während seine Ethik den einzelnen
nach dem Muster des idealen Typus zu erziehen sucht. Hierin liegt das Eigenartige
seiner „Humanität", die übrigens A. mit Recht als Grundzug seines Wesens heraus-
hebt, hierin der Punkt, der ihn mit Herder und W. von Humboldt verbindet und ihn
zum dritten grossen Inter])reten der Volksindividualitäten (vorzugsweise auch durch
seine berühmte Lehre vom Volksepos) gemacht hat. — Einem anderen bedeutenden
Schüler Herbarts, Stiedenroth, hat Häckermann2i4»>) ein biographisches Denk-
mal errichtet. —
Während Steinthal noch weiter wirken darf, sind einzelne ältere Philosophen
im Laufe des Berichtjahres dem Nekrolog entgegengereift: Michelet2i5-2i6)^ (jer
noch das Jubiläum der von ihm gestifteten Philosophischen Gesellschaft mit einer
Festrede hatte feiern können -i''), Frohschammer''^'^-'^^'), der eben erst sein „System
der Philosophie im Umriss" als Siebzigjähriger hatte erscheinen lassen 222j^
Carriere223), der, wie er gelebt hatte, in religiös-philosophischen Betrachtungen
dahin ging224)_ —
Wieder eine Gruppe für sich bilden jene Philosophen, die durch engen
Anschluss an die moderne Naturforschung eine neue Richtung des Positivismus ein-
leiteten. Ueber Drobisoh schrieb Grosse 225)^ überLotze ausser den schon
Erwähnten ('s. o. N. 207/8) Powers 226); und Ellissens Buch über F. Lange (vgl.
JBL. 1891 IV 6:225; 1892 IV 5: 269) fand weitere Beurteiler 227). _ Dieser Richtung
steht aber eine neueste gegenüber, die die Philosophie wieder auf die individuelle
Erfahrung, auf. das Gemütsleben basieren will und somit zu den Positivisten etwa
dieselbe Stellung einnimmt, wie einst der Pietismus gegenüber der Orthodoxie 228).
Als ein charakteristischer Vertreter dieser Tendenzen gilt Paulsen229) der
ultramontanen Kritik 230) Der Recensent der HPBll. misst in lehrreicher Weise die
„neue Religion", wie er sich ausdrückt, an dem Massstabe katholischer Rechtgläubig-
keit und polemisiert in derber iVrt, übrigens nicht ohne witzige Vergleiche, g'egen
Paulsens kritische Ausführungen. Insbesondere soll der teleologische Beweis gegen
alle Anfechtungen gerettet werden. Es geschieht in der üblichen Art: weist Paulsen
an der Verschwendung von Lebewesen, an zwecklosen oder gefährlichen Rudimenten
usw. nach, wie wenig der Begriff der menschlichen „Zweckmässigkeit" sich auf
den „Haushalt der Natur" übertragen lässt, so erwidert sein Gegenpart, unsere Ver-
nunft reiche hier blos nicht aus, um den Sinn solcher Einrichtungen zu verstehen ;
diese selbe Vernunft kann aber natürlich, wo es der Orthodoxie passt, Gott in die
Karten sehen und in jedem beliebigen Unfall, der einem „Gegner der Kirche"
tt. L., L. Voss. X, 633 S. M. 6,00. - 211) X (S. o. N. 209.) — 212) X G. Karpeles, Z. 70. Geburtst. H. Steinthals:
niZg. 100, S. 545/6. — 213) X Z. 70. Geburtst. v. Prof. Steinthal: VossZg. N. 22.5. - 214) Th. Achelis, D. Begründer d.
Yölkerpsychol., H. Steinthal, z. 70. Geburtst.: NatZg. N. 310. - 214a) id.. Zu Steinthals 70. Geburtst: WeserZg. N. 16686.
— 214 b) A. Hacker mann, E. Stiedenroth: ADB. 36, S. 473. — 215) X K. L. Michelet: VossZg. N. .')8S. - 216) X ^- ^■
Michelet, overleden: NedSpect. S. 409. — 217) X Bericht über d. Feier d. .50 j. Bestehens in d. Philos. Ges. Festreden v. K.
L. Michelet, A. Lassen n. a.: VossZg. N. 49. — 218) XJ. Frohsoharamer: AZg». N. 142. - 219) X J- Frolischammer: PhilosJb. 6,
B. 473. — 220) X P. Kirchner, .1. Frohschamraer: UlZg. 101, S. 15,6. — 221) X J- Frohschammer: Ath. S. 799. - 222) J.
Frohschamm er, System d Philos. im Umriss. (Philos. als Idealwiss. u. System.) 1. Abt. München, A. Ackermanns Nachf.
1892. XXXn, 234 S. M. 3,00. IfA. Baumann: GGA. S 649-59.]| - 223) M. Carrifere, E. Philosoph am Altar d. un-
bekannten Gottes: AZg". N. 68. — 224) id.. Ges. Werke. 14. Bd. 14 relig. Reden u. Betrachtungen fSr d. dtsch. Volk v. e.
dtsch. Philos. 3. Aufl. L, F. A. Brockhaus. XX VH, 365 S. M. 7,00. - 225) H Grosse, M. W. Drobisch: DBIIEU. 20,
S. 361)2, 368-70. — 226) J- H. Powers, Krit Bemerkungen zu Lotzes Seelenbegriff. Diss. Göttingen, V.indenhoeck & Ruprecht.
49 S M. 1,00. — 227l X T. Adrian: COIRW. 21, S. 552. — 228) X H. Delff. Philos. d. Gemüts. Begründung u. Umriss
d. Weltanschauung d. sittl.-relig. Idealismus. Husum, Delff. VU, 309 S. M. 6,00. I[L. Weis: BLÜ S. 443 4; ThLBl. 14,
S. 192.]i — 229) X F. Paulsen, Einleitung in d. Philos. (vgl. JBL. 1892 IV 5:28). |[PhilosJb. 6, S. 264-72, 382-94; K.
Gutberiet: Grenzb. 4, S. 10-20; G. Glogau: ThLZ. 18, S 233; R. Willy: VWPh. 17, S. 389-400 (dazu S. 132/3); P.
Barth: BLU. S. 689-92; A. Baumann: GGA. S. 14.5-63; J. Volkelt: DLZ. S. 133/6; Ad. Lassen: Pr.Ibb. S. 514-20; P.
Michaelis: VossZg". N. 9J| - 230) X Wieder e. neue Religion: HPBll. 112, S. 582-98, 650-61. (Ueber F. Paulsen.) —
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 231-235
beg-egnet, den „Fing-er Gottes" mit Sicherheit erkennen. Gutberiet bekämpft
ebenfalls vorzugsweise Paulsens Zweifel an der Zweckmässig-keit aller natürlichen
Einrichtungen, „beweist" die Notwendig-keit einer immateriellen Seele usw. — Ist
aber in all diesen Punkten von den katholischen Kritikern Neues nicht zu lernen,
so treffen sie doch damit ins Schwarze, dass sie die pantheistische Richtung- Paulsens
für ein Zeichen der Zeit erklären. ^^i) — Auch ein Liebhaber der Philosophie vom
alten Stil, wie Steudel, dessen Bild Schott^si) gezeichnet hat, fühlt sich zu
Spinoza hingezog-en. —
Wir sind damit bei der Kritik philosophischer Strömungen wieder ange-
langt. Mehr eine allgemeine Kritik der Philosophien aus einem bestimmten
Gesichtspunkte, als ein eigenes System bietet, seinem Titel zum Trotz, Dieses ^33)
„Philosophie des Metaphorischen". Der Grundgedanke des Buches ist der, dass
die Metapher, d. h. die Uebertragung aus einem Anschauungsgebiet in das andere,
keine willkürliche Erfindung geistreicher Köpfe sei, sondern eine notwendige Aus-
drucksweise der Urvölker (vgl. S. 10). Diese gewiss richtige Meinung ist nun
freilich keineswegs so allgemein verkannt, wie B. behauptet. Ausser Vico und Jean
Paul hätte er vor allem Hamann und Herder anführen müssen. „Wenn diese Lippen
sich öffneten, ward es gewiss lebendiger Laut, Bild der Sache im Atem der
Empfindung: und das ist, dünkt mich, der Geist der ebräischen Sprache." „Man
wird . . . dahinkommen, das Wesentliche und Zufällige in der Bedeutung zu unter-
scheiden, die sanften Üebergänge zu finden, und auch in Ableitung der Wörter, in
Anwendung der Metaphern eine wahre Erfindungskunst des menschlichen Geistes,
die Logik der Bildersprache früherer Zeiten inne werden." Da stände, meine ich,
die Anschauung deutlich genug da, auf deren Neuentdeckung B. sich etwas viel zu gute
thut. Sie ist aber auch keineswegs seit Herder verschüttet, so dass er sie neu hatte
ausgraben müssen. Scherer, von dem B. (S. 14) nur die Definition der Metapher als
stilistischer Figur citiert, handelt wiederholt über die Ursprünglichkeit der Ver-
gleichung (Poetik S. 87, 209, 265, bes. S. 116) und sagt ausdrücklich (S. 267):
„Femer gehören hierher auch die Metaphern, die entweder Abstraktes sinnlich
machen oder eine einzelne Eigenschaft hervorheben oder wieder auf Personifikation
beruhen und in der Regel eben dadurch entstehen, nicht durch einen Umweg über
das Bild." Und Nietzsche, dessen Abkanzelung B. zum Schlusseffekt seines Buches
macht, hat in seinem Erstlingswerk bereits dasselbe ausgesprochen: „Die Metapher
ist für den echten Dichter nicht eine rhetorische Figur, sondern ein stellvertretendes
Bild, das ihm wirklich, an Stelle eines Begriffes, vorschwebt" (Geburt der Tragödie
S. 39). Diese Auffassung, die sich fast unvermeidlich jedem aufdrängt, der den
Stil poetischer Kunstwerke zu prüfen gelernt hat, konnte B. also einfach mit
weiteren Belegen erhärten, statt sich einer überflüssigen Polemik gegen zurück-
gebliebene Lehrbücher zu widmen. Er ist aber in seiner Entdeckerfreude sicher
ganz aufrichtig; dass er Stellen, wie die angeführten — „luoghi d'oro" würde unser
gemeinschaftlicher Freund Vico sagen — nicht kennt, liegt in seiner unglücklichen
Art zu sammeln. Seine früheren Arbeiten zeigten es längst, dass B. von einer
systematischen Durchforschung des Materials keinen rechten Begriff hat; eine weit
umgreifende, aber nirgends erschöpfende Lektüre giebt ihm einen Haufen von Beleg-
stellen an die Hand, die er dann ziemlich tumultuarisch vorbringt. Statistik,
gründliche Scheidung von chronologischen oder nationalen Gruppen, individuelle
Erfassung des Einzelfalles sind dieser hastig hinwirbelnden Art unbekannte Dinge.
Völlig diesen Charakter trägt auch sein neuestes Buch. Er geht die kindliche
Phantasie, die Sprache, den Mythus, die Religion, die Kunst, schliesslich die Philo-
sophie durch, um überall Belege für die Unvermeidlichkeit der Metapher zu sammeln.
Eine glückliche Idee! Und wie fruchtbar hätte sie bei gründlicher Durchführung
werden können! Da hätte man die innere Form untersuchen müssen, die bei ver-
schiedenen Volksindividualitäten verschiedene Färbung der Metaphern bewirkt, den
Einfluss der Tradition auf die Bildung neuer Metaphern feststellen können, und wie
viel andere interessante Probleme hätten einer wenigstens vorläufigen Lösung näher
gebracht werden können! Dazu wäre aber eben nötig gewesen, dass statt des
Umherfahrens von Storm auf die Bibel und von Paulus auf Piaton irgend ein Gebiet
fest umgraben und sicher durchgepflügt worden wäre. Was B. nun gethan hat,
bleibt eine lockere Vorarbeit. Dass auch sie Verdienste hat, leugne ich nicht; zumal
sein Kampf g"egen Max Müllers eulenspiegelische- Mythologie (S. 39) ist sehr nach
meinem Herzen; g-egen Bruchmann hat B. fast immer Recht (wenn er ihm auch
S. 33 Anm. mit Unrecht Schuld g-iebt, alle nachbiblischen Dichter für blosse „Nach-
dichter" zu erklären; wenn Bruchmann von den Nachdichtern redet, die sich Jahr-
231) X M- Kronenberg, Moder. Pantheismns: Nation". 10, S. 527-30. — 232) Th. Schott. A. Steudel: ADB. 86, S. 150/1.
— 233) (I 12:107.) — 234) E. Fröhlich, D. Metaphysik in d. modern. Physiologie : VossZgB. N. 29-30. — 235) L. B Ochner,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgescliichte. IV. (4)17
IV 5:236-263 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
hunderte lang an dem Feuer des Alten Testaments wärmten, so meint er eben
weder den armen Groethe, noch den armen Byron, noch den armen Shelley, noch
den armen Mörike, die B. ihm in so bizarrer Zusammenkuppelung: entgegenwirft).
Auch bringt seine Belesenheit ihm oft sehr hübsche Citate, wie (S. 84) das aus Tiecks
„Gemälden". Im ganzen kann man ihm doch das Urteil nicht ersparen, er habe
nur fumum ex fulgore zu machen gewusst. —
Der Anschauung, dass selbst die strengste Wissenschaft sich der Metaphern
kaum erwehren könne, verdankt auch die interessante Specialuntersuchung von Karl
Hauptmann „Die Metaphysik in der modernen Physiologie", über die Fröhlich -3*)
referiert, ihren Ursprung. — Ueber die Berechtigung der Metaphysik als Wissenschaft
handelt Büchner^ss) und in populären Aufsätzen besprechen Dreher^a^)^ von
Stern23'') und Tille ^38) Fragen der Erkenntnistheorie und andere hierher ge-
hörige Themata. — Die Grundanschauung, auf der mehrere von ihnen fussen, die des
Materialismus, beleuchtet Hagemann^s^) vom katholischen Standpunkt aus. —
Dies führt uns zu dem Einzelgebiet der Ethik über, auf dem Paulsens^^Oj
„System der Ethik", in dritter Auflage erschienen, zwischen dem ausgesprochen
christlichen Standpunkt des Protestanten Luthardt^*') und der Katholiken Gutberiet
(von dessen ethischen Schriften Pfeifer^*^) Bericht giebt) und Cathrein^^S) auf
der einen Seite, dem radikal individualistischen Simmels^^^) auf der anderen Seite
die Mitte hält. Eine ausführlichere Besprechung dieser wichtigen Werke, unter denen
zumal die von Simmel, Cathrein, Paulsen auch eine grosse symptomatische Bedeutung
haben, würde den Rahmen eines litterarhistorischen JB. überschreiten, während
wiederum eine Anzahl kleiner Artikel zur Ethik^'^^'^^ß) zu leichte Ware sind. 247) _
Den Versuch, über die ethischen Gegensätze unserer Zeit zu orientieren, macht
Tille248). _
Aus anderen Specialgebieten der Philosophie verzeichnen wir noch ver-
schiedene Beiträge zur Geschichtsphilosophie von RochoU-*^), zur Rechtsphilosophie
von JodPso^^ zur Psychologie von Dandolo^^') und schliessen den Kreis mit
Knauers252j J)[q Hauptprobleme der Philosophie" besprechendem Buche. —
Die Theologi e253"254j berührt uns hier nur, insofern sie sich mit litterar-
historisch wichtigen Persönlichkeiten beschäftigt. Oberlin^^s) und Lavater führen
in die Zeit, da Geistlichkeit und Laienwelt sich mehr als jemals sonst auf dem Boden
des Philanthropinismus begegneten. Ein konservativer Journalist, Wenton^sß),
stellt Goethes Urteile über Lavater zusammen und sucht nachzuweisen, dass dieser
mit Unrecht „zwei Lavater" unterscheide: Der gereifte Mann sei immer noch derselbe
fromme Prophet gewesen wie der jüngere, der auch Goethe entzückte. Doch gesteht
auch W. Ijavaters Schwächen ein, seine Eitelkeit, seine Schreibseligkeit ; und er hält
sich von dem Tone fern, in dem nur zu oft Lavaters Freunde über seine Gegner
herfallen. — Waldmann ^ö"?) handelt über Lenzens Stellung zu Lavaters Physiognomik,
ein Ungenannter über Lavaters Verhältnis zu Frau Aja^^sj; weitere Litteratur ver-
zeichnet eine schweizerische Chronik^^»), die uns nicht zugänglich war. —
Schleiermacher, von dessen Predigten Stage^ßO) eine Auswahl veran-
staltet hat, bot Bachmann26i-262-) Stoff für eine Einzeluntersuchung. —
Baur, der Vater der neueren kritischen Theologie^^^j^ ist in die „Bibliothek
D. Metaphysik als Wissensch.: Zukunft 5, S. 500/4. — 236) E. Dreher, D.Quellen unserer Erkenntnis: KBlDFreidenkerhund. 12,
S. 136/8. — 237) M. V. Stern, Streifzüge durch d. neueste dtsch. Erkenntnistheorie, Psychol. u. Logik: BaltMschr. 40,
S. 613-26. — 238) Armin Tille, D. Unsterblichkeitsglaube: KBlDFreidenkerbund. 10, S. 1059. — 239) G. Hagemann,
Materialismus: WetzerWelteKirchenlex. 8, S. 930-1011. — 240) F. Paulsen, System d. Ethik mit e. Umriss d. Staats- u. Ge-
sellschaftslehre. 2 Bde 3. Aufl. B., Besser (W. Hertz). XVI, 429 S.; V, 576 S. M. 11,00. — 241) Chr. E. Lnthardt,
Gesch. d. christl. Ethik seit d. Reformation. L., Dörffling & Francke. XII, 744 S. M. 16,00. IfHoltzhener: EKZ. S. 446/8. ||
— 242) X. Pfeifer, Gutberlets eth. Schriften: HPBll. 112, S. 67-76. - 243) V. Cathrein, Moralphilosophie. E. wissenschaftl.
Darlegung d. sittl., einschliessl. d. rechtl. Ordnung. 2. verm. u. verb. Aufl. 2 Bde. (1. AUg. Moralphilos. 2. Besondere
Moralphilos ) Freiburg i. B., Herder. XIX, 538 S.; XVI, 662 S. M. 15,50. |fA. Qlossner: JbPSTh. 7, 9. 247-53.]| — 244)
G. Simmel, Einleitung, in d. Moralwissensch. E. Kritik, d. eth. Grundbegriffe. (In 2 Bdn.) 1. Bd. B., W. Hertz. 1892.
Vlir, 467 S. M. 9,00. IfWIDM. 73, S. 858; NationB. 10, S. 658.]| — 245) X Allerlei Ethik: NZSt. H, S. 92/3, 265-70. —
246) X Noch Einiges über Ethik: ib. S. 103. - 247) X W. Bender, Z. Moral u. Religionsphllos.: PhilosMh. 29, S. 337-42.
— 248) Alex. Tille, Zwei eth. Welten: Zukunft 4, S. 250/7. — 249) (I 1 : 15.) |[ThLBl. 14, S. 96/8.]( — 250) F. Jodl,
Ueber d. Wesen d. Naturrechts u. seine Bedeutung in d. Gegenw. Nach e. Vortr. in d. Wiener Jurist. Ges. (Separatabdr.
aus Jurist Vjs.) Wien, Manzsche Buchh. 20 S. M. 0,50 — 251) G. Dandolo, La dottrina della „Memoria" nella fllosofia
tedesca. Padova, Draghi. L. 1,00. — 252) V. Knauer, D. Hauptprobleme d. Philos. in ihrer Entwicklung u. teilw. Lösung
V. Thaies bis E. Hamerling. Vorlesungen, geh. an d. k. k. Wiener Univers. Wien, Braumfiller. XVllI, 408 S. M. 8,00.
|[LCB1. S. 237/8; Ath. S. 286/7.]| — 253) X E- »e^ie Gesamtdarstell. d. Theol.: HPBll. 111, S. 894-913. — 254) X D- neue
ThJB.: ib. S. 457-67. — 255) X De Boureulle, Le Ban-de-la-Roche, h propos d'une correspondance ined. du pastenr
Oberlin. (Extr. du BSPVosgienne.) Saint-Die, Humbert. 23 S. — 256) B. Wenton, Lavater im Lichte Goethes: KonsMschr.
S. 184-95. - 257) F. Waldraann, Lenz Stellung zu Lavaters Physiognomik: BaltMschr. 40, S. 419-36, 482-97, 516-33. —
258) 0. K., Lavater u. Frau Aja. (Im Anschl. an K. Heinemanns Werk: Goethes Mutter): BLChrSchw. S. 169-71. (K. Heine-
mann, Goethes Mutter [vgl. JBL. 1891 IV 9b: 63; 1892, IV 8b:38-41J.) - 259) X J- K., Larater-Litt. (Bibliogr.): ib. S. 174-80.
— 260) C. Stage, .Schleierraacber. E. Ausw. aus seinen Predigten, Reden u. Briefen. (= Relig. Volksbibl. her. v. C.
Werckshagen. I, 5.) B., Bibliogr. Bur. IV, 95 S. M. 0,50. — 261-262) F. Bachmann, D. Entwicklung d. Ethik
Schleiermachers nach d. Grundlinien e. Kritik d. bisher. Sittenlehre. Diss. Leipzig. 1892. 54 S. — 263) X K. Weizsäcker,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 264-290
theologischer Klassiker" aufgenommen worden; Pfleiderer 264) j,at die Einleitung
beigesteuert. — Strauss^ßs-sesü)^ dessen Biographie Zell er ^«ö) schon einmal ge-
schrieben hat, ist auch für die ADB. von ihm bearbeitet worden. Die neue Dar-
bietung, wesentlich ein Auszug aus der älteren, teilt mit ihr die Klarheit der Dar-
stellung, die meisterhafte Analyse der Schriften, aber auch die freundschaftliche
Voreingenommenheit, die z. B. in der Frage nach Strauss Haltung seiner Gattin
gegenüber kein tadelndes Wort für seine Härte und nachtragende Bitterkeit hat und
ebensowenig die krankhafte Empfindlichkeit des schwäbischen Theologen zu be-
merken weiss.26^) —
Einige neuere liberale Theologen, Lipsius und Schrempf, werden, der
eine von G. Richter und N i p p 0 1 d 268), der andere von Z i e g 1 e r269) charakterisiert.
— Allgemeiner erörtert Paulsen^'JO) die Frage über das Grenzrecht der kirchlichen
Obrigkeit der unabhängigen Moral gegenüber, wie die Orthodoxie^'^ 1-273) gjg ver-
tritt. — Hüb eners2'4) „Erinnerungen an den Pastor Brauer" schildern einen strengen
Lutheraner alten Schlages, wie sie unter Landgeistlichen noch leben, und haben in-
sofern allgemeinere Bedeutung, als sie die schroffen Gegensätze innerhalb der strammen
evangelischen Orthodoxie Mecklenburgs an den Tag legen: die Staatskirche und die
separierten Gemeinden klagen sich gegenseitig des Abfalls an. —
Wie man von Popularphilosophen spricht, könnte man von Populär theologen
reden, die sich bemühen, den Inhalt ihres theologischen Systems nach Möglichkeit
auf das Niveau des allgemeinen Verständnisses zu bringen. In der Blütezeit der
Popularphilosophie vertrat mit vielem Beifall, aber eine Zeitlang zu Herders Ent-
setzen, Spalding, den Petrich2'5) kurz charakterisiert, diese Richtung. Ihr ge-
hören auch die beiden Spieker an, der Hesse, den Otto 2^6) und der Brandenburger,
den P r ö h 1 e 277) schildert. — Mehr als Philolog denn als Theolog hatte Schlott-
mann 2'8) Bedeutung-, den ausser einigem orientalistischen Missgeschick besonders
sein entschiedenes Auftreten gegen den Ultramontanismus bekannt gemacht hat. —
Die katholische Theologie ist im Berichtsjahr durch Reuschs2"ö~280)
Biographie Sterzingers, eines tapferen Bekämpfers des Hexenglaubens, und durch
desselben Lebensbild von Alban Stolz, dem bekannten journalistischen Volksprediger,
vertreten28 1-282) — Graf Hoensbroech, über dessen Uebertritt G. Ka u f f m an n 283)
spricht, hat vielfach die Diskussion über den Jesuitenorden und seine einstige Auf-
hebung wieder aufleben lassen, die einst Stattler, für die ADB. von R e u s c h 284)
geschildert, eifrig im Sinne der Jesuiten führte — durch seine Gegenschriften gegen
Kant, Mendelssohn, Bahrdt, Weishaupt und die Illuminaten eine litterarhistorisch
interessante Figur, Sailers Freund und einer der ersten in der Reihe jener eifrigen
katholischen Kirchenlehrer, die durch die Selbständigkeit ihres Denkens mit der
Kurie in Konflikt gerieten, und damit ein Vorgänger der Hermes, Günther, Döllinger,
Rosmini. — Den Dogmatikern schliesse ich den Kirchenhistoriker Stäudlin an, dessen
Leben Tschacke rt 285) schrieb, und den als Historiker erfolgreichen Stichart, den
Georg Müller 286) würdigte. —
Paulus Cassel, der bekannte Konvertit und vielseitig thätige Schriftsteller287-288)^
leitet dann zu dem jüdischen Theologen Phüippson289) über. —
Alle diese letztgenannten Theologen stehen in Beziehungen zu der Geschichts-
wissenschaft, zu der wir uns nun zu wenden haben. 2^0) Umfassendere Be-
F. Chr. Baur (vgl. JBL. 1892 IV 5 : 117): ThLBl. 14, S. 10. - 264) P. C. Banr, Vorlesungen fiber neutestanientl. Theol. Her.
V. F. F. Banr. Nene Ansg. mit Einl. v 0. Pfleiderer. 1. n. 2. Tl. (= Bibl. theol Klassiker. Bd. 45/6.) Gotha, Perthes.
Vm, 251 S.; VIII, 224 S. M. 4,80. — 265) X D. F. Stranss, The life of Jesns, critic. examined transl. by G. Eliot. 2. ed.
London, Swan Sonnenschein & Co. 1890. Sh. 15. [[WestminsterK. 139, S. 317,8.]| — 265 a) X Stranss. Life of Jesus. A new
translat. by. J. L. M'Ilraith. London, Temple & Co. 1892. Sh. 2. — 266) E. Zeller, D. F. Stranss: ADB. 36, S. 538-48. —
267) X Agnes Willms- Wild ermnt, Erinnerungen an D. Stranss u. J. Kerner: SchorersFamilienbl. S. 155/7. — 268) G.
Richter u. F. Nippold, L. Adalb. Lipsius. Zwei Gedächtnisreden, geh. in d. Rose zu Jena (I. G. Richter, Lipsius Lebens-
bild. II. F. Nippold, Lipsius bist. Methode.) Jena, G. Fischer. 66 S. M. 1,00. (Ans ZVThürG.) — 269) Th. Ziegler, Chr.
Schrempf als religiöser Redner: AZgB. N. 21. — 270) F. Paulsen. D. unabhängige Moral u. ihre kirchl. Richter: EthKult. 1,
S. 4,5. — 271) X Mathilde Tholuclc (geb. Freiin v. Gemmingen), Erinnerungen an Prof. Tholucks Heimgang. L., Akad.
Bnchh. (W. Faber). 63 S. M. 1,00. ([ThLBl. 14. S. 80.]| — 272) X 0. Kraus, G. Schlosser (vgl. JBL. 1892 IV 5:132):
BLÜ. S. 15. — 273) X 0. Zöckler, D. B. F. Grau: BGl. 14, S. 317. — 274) W. Hübener, Erinnerungen an Pastor A. K.
Brauer. (Sonderabdr. aus d. „Ev.-Luth. Freikirche.'' J Zwickau, Verl. d. Schriftenver. (St., Vereinsbuchhandl.). 1892. 50 S.
M. 0,50. — 275) H Petrich, J. J. Spalding: ADB. 35, S. 30/1. — 276) F. Otto, Job. Spieker: ib. S. 164. — 277) H.
Pröhle, Chrn. W. Spieker: ib. S. 162 4. — 278) Jugendbekenntnisse von K. Schlottmann. (Mit e. Vorbemerk, v. J. Jacobi):
DEBll. 18, S. 689-706. — 279) F. H. Bensch, F. Sterzinger: ADB. 36, S. 124/5. - 280) id., A. Stolz: ib. S. 421/4. - 281) X
A. F. Maier, J, Stöckle: RhBllEÜ. 67, S. 479-80. — 282) X J- B- Stillbauer, Jos. Klein, 1. Generalvikar d. Erzbistums
Mfinchen-Freising, e. Bekenner ans d. Anfang unseres Jh. (= Frankfurter zeitgemässe Broschüren. Bd. 14, Heft 8.) Franl»-
furt a. M., A. Poesser Nachf. 24 S. M. 0,50. — 283) G. Kauffmann, Warnro ist Graf Paul v. Hoensbroech aus d. Jesuiten-
orden ausgetreten?: DWBl. S. 193,5, 207-10. — 284) F. H. Reusch, B. Stattler: ADB. 35, S. 498-506. - 285) P. Tschackert,
K. F. stäudlin: ib. S. 516-20. - 286) Georg Müller, F Stiehart: ib. 86, S. 164,5. — 287i X P- Kirchner, Paulus
Cassel: IllZg. 100, S. 14. - 288) X G- E. v. Natzmer, E. Erinnerung an Paulus Cassel: KonsMschr. S. 424-31. — 289) X
D. Philippson, Ges. Schriften (vgl. JBL. 1892 IV 5:136): BLU. 8. 111. — 290) 34 Plenarvers. d. bist. Kommiss. bei d.
(4)17*
IV 5:291-300 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
trachtungen über diese herrschende Wissenschaft^^^) fehlen diesmal, Ellissens^^^)
Aufsatz über F. A. Lang-e und die Geschichtswissenschaft etwa ausg-enommen,
in dem der Biograph Langes seinen Helden mit Fug gegen einen höchst un-
gerechten Angriff Treitschkes in Schutz nimmt; es handelt sich um die Geschichts-
auffassung des Socialismus und um die historische Praxis seiner Anhänger; einem
F. A. Lange hätte man wahrlich nicht vorwerfen dürfen, ihm lohne es nicht der
Mühe, die „gefälschte Ueberlieferung" der Geschichte ernsthaft zu durchforschen! —
Zahlreich sind dagegen Mitteilungen über einzelne Historiker und
Versuche, sie selbst historisch zu behandeln. Eine Denkschrift Johannes von Müllers
aus dem J. 1787 wurde veröffentlicht^^s)^ sie handelt „sur la convenance et les moyens
d'attacher les princes ecclesiastiques d'AUemagne au Systeme de l'Union". Ranke hatte
den Autor, welcher „die ältere Geschichte des Reiches und der Päpste mit den da-
maligen Zuständen in Bezug setzte", gelobt, ohne ihn zu erkennen^^*). _ Gundlach^^S)
behandelt Müllers Aufenthalt am hessischen Hofe. Der interessante Briefwechsel des
Historikers mit seinem Bruder Georg ist an anderer Stelle besprochen. 2^^) — An Johannes
von Müller reiht sich Spittler, Geschichtsschreiber und aktiver Politiker wie er.
Wegele^ö^) wird in seiner Darstellung den grossen Vorzügen des schwäbischen
Historikers gerecht, ohne seine Schwächen zu bemänteln; besonders beklagt er das
für Spittler verhängnisvolle Verhältnis zu Friedrich von Württemberg. Den Stilisten
weiss er nicht wie einst F. D. Strauss zu würdigen. — Aber die Beziehungen
zwischen Historie und Politik sind zu eng, als dass man nicht jedem echten Ge-
schichtsschreiber den Wunsch zu gute halten sollte, auch selbst Geschichte zu
machen. Auch Niebuhr^^^) hat ja eine diplomatische Mission übernommen. —
Und nicht minder hat Ranke auf den Gang der Ereignisse im preussischen
Staate einzuwirken gesucht. Von ihm hat uns Guglia^ös^ eine Biographie gegeben,
die in ihrem leisen, stillen Fluss und in dem gleichmässigen Stil eine gute Schulung
an dem Meister zeigt. Aber während sie alle äusseren Thatsachen klar und knapp
hinstellt , teilt sie oft auch Rankes Schwäche, die inneren, geheimen Triebkräfte zu
rasch als unbegreiflich beiseite zu schieben. Wenn G. trefflich zu zeigen weiss, was
bei Ranke neu und originell ist (S. 72, 79), so vermissen wir einen Hinweis auf das,
was er mit seinen Zeitgenossen teilt; wir vermissen ihn umsomehr, als dem Vf.
(unseres Er achtens mit Unrecht) die Lorenzsche Generationenlehre „ganz im Geiste
Rankes" (S. 395) gedacht scheint, wofür er sogar so völlig anders geartete Dinge wie
eine periodische Epidemie (S. 397) anführt. Ueberhaupt aber scheint G., wo er in die
Urgründe Rankescher Geschichtsanschauung einzudringen sucht, nicht so glücklich
wie in seiner vortrefflichen Charakteristik des Stils (S. 208, 241). Dass die Ideen-
lehre Ranke fern gelegen habe (S. 75), wird er nach Festers ^oo) schönen Ausführungen
vielleicht selbst nicht mehr aufrecht erhalten; aber schon er selbst citiert jenen
Passus Rankes, dass es auch eine Invasion der Ideen gebe (S. 256), womit der .
Altmeister doch der Ideenlehre schon ein recht weitgehendes Zugeständniss macht.
Mit feinem Verständnis verfolgt G. dagegen die politische Entwicklung Rankes,
seine leise Annäherung an die liberalen Ideen (S. 345), sein Verhältnis zu Bismarck
(S. 364), und wenn wir ihm auch darin nicht zustimmen können, dass Ranke mit
der Haltung der Historisch-Politischen Zeitschrift recht behalten habe (S. 206), oder dass
in seiner Denkschrift vom März 1849 mehr Prophetisches sei als damals, da die
Zukunft sich so deutlich ankündete, an vielen Orten zu finden war (S. 266), so ist
das politische Element der „Neun Bücher preussischer Geschichte" (S. 244/5) um so
glücklicher ausgeführt. Nirgends hält G. sich in den Niederungen biographischer
Anbetung auf; er kritisiert freimütig die Revolutionsgeschichte (S, 341), er sieht in
Rankes vorsichtigen Aeusserungenüber Christus und die Weltregierung einen Ausdruck
subjektiver Empfindung, den man vielleicht auch Beschränktheit nennen dürfe (S. 390).
Ohne Unbilligkeit stellt er sich zu anderen Historikern, nicht nur zu Ranke nahe-
stehenden, wie Johannes von Müller (S. 80), sondern auch zu Gegnern wie Janssen
(S. 241), Bergenroth (S. 319), den Kämpen des Ranke-Schlosser-Streites (S. 320/1),
der auf historischem Gebiet eine so hübsche Parallele zu dem philologischen
G. Herrmann-Boeckh-Streit bildet; nur gegen Mommsen klingt (S. 386) eine subjektive
Ungerechtigkeit vor. Nicht allzu glücklich läuft das schöne Büchlein in eine
politische Predigt (S. 403) aus und versäumt auch nicht, was jetzt kaum je versäumt wird.
kgl. bayer. Ak. d. Wissensch. Bericht: DLZ. S. 982/5. (Verhandlungen üher ABB., Reichstagsalcten usw.) — 291) A. Gull lau d,
0. Lorenz, L. v. Ranke (vgl. JBL. 1891 I 1 : 27; IV 6 : 133; 1892 IV 5:146a): RH. 52, S. 191/6. — 292) 0. A. E Hissen.
F. A. Lange u. d. Geschichtswissensch. : DZG. 9, S. 312/4. — 293) M. L., E. Denkschrift v. Joh. Müller aus d. J. 1787:
HZ. 35, S. 68-76. — 294) X E. Guglia, Neues t. J. v. Müller: VossZgB. N. 47. — 295) F. 6 und lach, .Toh. v. Müller am
landgräfl. hess. Hofe: JbSchwG. 18, S. 159-228. — 296) X (IV 1 c : 133.) — 297) F. X. Wege le, L. Th. Spittler: ADB. 35,
S. 212/6. — 298) X B- G. Niebuhr, Lectures on the bist, of Home, by Leonb. Schmitz, 5. ed. London, Lockwood. Sh.3/6.
— 299) E. Guglia, L. t. Bankes Leben u. Werke. L., Grunow. 424 S. M. 4,50. |[B. Waiden: Wiener Abendpost N. 237 ;
A. Bartels: Didask. S. 164; LZg". N. 65.]| — 300) X R- Fester, Humboldts u. Eankes Ideonlehre (vgl. JBL. 1892 IV 5 : 146b):
R. M. Meyer, Didaktik des 18./ 19. Jahrhunderts. IV 5 : 301-319
den Leser damit zu entlassen, dass der Vf. Nietzsche den Fehdehandschuh ins Gesicht
wirft. Wenn Nietzsche vom Nutzen und Nachteil der Historie fürs Leben sprach
(S. 406), so ging er von einem Satz Goethes aus, der Ranke nicht strafen würde;
denn was kann unsere Thätigkeit mehr lördern, als Rankes unermüdliche Freude
am Menschen (S. 189)? Aus demselben Geist ist aber auch diese Biographie geboren:
aus der reinen Freude an einem reichen, in mannigfaltigen Formen sich offenbarenden
Geistesleben. Nur aus solchem Anteil heraus konnte die schöne Charakteristik
eines frühen Aufsatzes (S. 183) entspringen, nur daraus der stille Glanz behaglich
bewundernden Nacherzählens, der das Buch zu einer der liebenswürdigsten Er-
scheinungen auf dem Gebiet neuerer biographischer Kunst macht. 3oi-302j _ Ueber
Rankes Art zu arbeiten setzte Wiedemann^us) seine lehrreichen Mittheilungen
(vgl. JBL. 1892 IV 5:146) fort.304) _
Für das Interesse, das Döllingers persönliches Auftreten erregte, giebt eine
Uebersetzung305-306) der Erimierungen Luise vonKobells (vgl. JBL 1891 IV 6: 122) »O')
den besten Beweis. — Ins Französische wurden Döllingers Erklärungen in der
Unfehlbarkeitsfrage übertragen ^"**-3i0j_ _ Mommsens Jubiläum rief eine Reihe
von deutschen '^^^), englischen ^ 12), holländischen ^'^j Aufsätzen hervor; ein noch besseres
Zeugnis seiner Autorität ist die französische Uebersetzung des Staatsrechts ^i*). —Be-
sprechungen von Gregorovius letzten Schriften ^'^"^ iß) gingen über diese selten heraus,
während Necker'-^i') seine litterarischen Beziehungen skizzierte und ein ultramontaner
Richter, Bellesheim^is), ihn, wie üblich, vom katholischen Standpunkt aus aburteilt,
ohne der Individualität auch nur gerecht werden zu wollen. —
Von den Historikern, die eine vornehm-diplomatische Thätigkeit nicht
verschmähten, sind wir mit den letzten Nampn schon zu denen hinübergeglitten,
die in eifriger agitatorischer oder parlamentarischer Thätigkeit am politischen
Leben teil nahmen. An der Spitze dieser Reihe steht Gervinus^i»). Selten hat
wohl ein bedeutender Mann seinen Verehrern die Bewunderung mehr erschwert,
als dieser Gelehrte mit seiner Selbstbiographie, die jetzt erst, nach dem Tode seiner
Gattin, veröffentlicht worden ist. Die unerträgliche Selbstgefälligkeit des Mannes,
der sich nie geirrt, immer alles am besten gewusst hat und beständig unter dem
Druck seiner eigenen Verdienste seufzt, sie macht den Leser leicht gegen diese doch
wirklich sehr bedeutenden Verdienste ungerecht. Den Autor aber verführt sie zu
Dingen, die schlimmer sind als sein unermüdlicher Selbstruhm. Auf derselben
Seite, die über „Vergiftung" seiner Stimmungen durch Verdächtigungen klagt (S. .313),
scheut Gervinus sich nicht, dem Vormund seiner späteren Gattin auf die Nachsage der
Welt hin hässliche Dinge nachzureden: „Ich habe keine ausreichenden Gründe, das
bestätigen oder ihm widersprechen zu können." So bricht die Rachsucht der
gekränkten Eitelkeit selbst den Wahrheitssinn, den er sich sonst (S. 147) mit Recht, aber
mit allzu viel pharisäischen Seitenblicken nachrühmt. Kann man aber dem in Erfolgen
gereiften Manne, der der eitelsten Periode unserer Weltgeschichte (die Renaissance
etwa ausgenommen) angehörte, viel verzeihen, so ist doch der Jüngling geradezu
unausstehlich, der an einen Freund schreibt: „Ich kann alles werden" (S. 75) und
die hingehendste Freundschaft durch dünkelhafte Tadelsucht (S. 138) zu verderben
weiss. Wenn er nach Italien kommt, so ist es unter der Würde des Historikers,
zu bewundern (S. 252) ; das durfte ein Goethe, — ein Gervinus sieht in der Welt wie
in der Geschichte immer nur die eigentlich überflüssige Bestätigung seiner Voraus-
setzungen. Durfte dieser Jüngling wirklich sich über Eitelkeit und Anmassung des
„Jungen Deutschland" so erhaben fühlen, wie er es (S. 234) damals that und
noch im Rückblick thut? Ist aber die Biographie der unerfreulichsten eine, so ist
sie doch, wie bei solchem Mann sich von selbst versteht, immer lesenswert. Nicht
nur werden Historiker wie Schlosser (S. 122, 150/1) K. Hegel (S. 295) und, mit
W. Bröcking: MHL. 21, S. 195/9. — 301) X F- J- Schmidt, L. Bänke: DWBl. S. 387/9. — 302) X ^- Keussler, L.
V. Rankes Leben u. Wirken. Yortr. St. Petersburg, Eggers & Co. 12». 36 S. M. 0,80. |[BaltMschr. 40, S. 187/8; LCBl.
S. 517.]' — 303) Th. Wiedemann, 16 J. in d. Werkstatt L. v. Eankes. E. Beitr. z. Gesch. seiner letzten Lebensj.: DR. 3,
S. 227-336, 342-54; 4, S. 253-65. — 304) X F- Schmidt, L. v. Ranke n. König Maximilian IL v. Bayern: TglRs». N. 238/9.
— 305-306) J. Owen, Luise y. Kobell, Convers. of Dr. Döllinger (vgl. JBL. 1891 IV 1 : 226; 6 : 122): Ac. 43, S. 258. — 307)
X E. S. A.: Polybibl''. 68, S. 71. — 308) X J- J- Döllinger, Lettres et declarations au snjet des decrets du Vatioan. Trad. de
Vallem. et preced. d'une introd. par G. Bon e t-Mandy. Paris, Solin & Cie. 16". 292 S. Avec portr. — 309) X I^^ chanoine
Doellinger et le haut clerge catholique: RPL. 1, S. 633/5. — 310) X J Owen, J. v. Döllinger, Papsttum (vgl. JBL. 1892 IV
5 : 141): Ac. 43, S. 257. — 311) X 0. Arendt, Th. Mommsen: DWBl. S. 352,4. — 312) X Mommsen-Jubilee: Ac. 44, S. 548. —
313) X J. B. Kan, Th. Momrosen gehuldigt: NedSpect. S. 417/8. — 314) X Th. Mommsen, Le droit public romain. Trad. sur
la 3. ed. allem., avec l'autorisation de l'auteur par P. F. Girard. (= Manuel des antiquitäs romaines, par Th. Mommsen et
J. Marquardt. Trad. sous la direction de G. Humbert. III.) Paris, Thorin. 395 S. — 315) X F- Gregorovius, Kleine Schriften
(vgl. JBL. 1892 I 4 : 26; III 4 : 33; IV 5 : 148). |[E. Heyck: HZ. 34, S. 468; Grenzb. 2, S. 143/4 Jj — 316) X id-, Römische
Tagebücher (vgl. JBL. 1892 IV 5: 147; 8e : 14). [R. Prölss: VossZg. N. 11, 53; K. Heinrich: Nation". 10, S. 136/8, 151/4;
DDichtung. 14, S. 249-51, 272/5.]| — 317) M. Necker, F. Gregorovius: FZg. N. 23. (Manches ober Gutzkow, Redwitz usw.) —
318) A. Beilesheim, F. Gregorovius, Rom. Tagebücher: HPBll. 111, S. 489-510. — 319) (12:25; IVlc:137.)
IV 5:320-322 R. M. Mejer, Didaktik des 18./ 19. Jahrhunderts.
höchst ung-erecht abschätzig-em Urteil, Ranke als Lehrer (S. 296) charakterisiert;
auch über Dante und Macchiavelli (S. 258/9), über Jean Paul (S. 71, 83) hören wir
belehrende Auseinandersetzung-en. Und in die Entstehung von Gervinus eigener, so
bedeutender und charakteristischer Persönlichkeit führen die geistreichen Bemerkungen
über seine kaufmännische Thätigkeit (S. 60), die Mittheilungen über seine Lektüre
(S. 36, 70), über seine poetischen und litterarischen Pläne (S. 271/2), über seine
Hausgründung (S. 300) ein, wobei man freilich mit wahrem Schmerz den hof-
meisternd überlegenen Ton selbst in der Charakteristik der liebenswürdigen und
geliebten Gattin (S. 323) festgehalten sieht. Beigegeben sind Uebersetzungsproben
aus arabischen Dichtern (S. 333) und aus der Gudrun (S. 337), die „Grundzüge der
Historik" (S. 353; vgl. für Gervinus Geschichtsphilosophie S. 259, 276) und endlich
entsetzliche Xenien politischen Inhalts (S. 397/8). Seit Gramer von und über Klopstock
schrieb, hat kaum ein Biograph so unbeschränkt seinen Helden verherrlicht wie der
Autor dieser Autobiographie; die Wirkung ist die, dass man eine Rettung des
Helden gegen seinen geschmacklosen Propheten schreiben möchte ! ^2*^- ^2') —
Aus Heinrich Leos geschichtlichen Monatsberichten und Briefen teilt
Kraus^22j Proben mit. Ehrlich gesteht er ein, dass Leo von Frivolität, sogar von
Roheit nicht frei war (S. 818), schilt aber doch (S. 832) Wegeies Artikel in der
ADB. ungerecht. Wir glauben fast, dass Heinrich Leo heut eher unter seinen
Gegnern auf gerechte Richter rechnen darf als unter seinen Parteifreunden. Wenn
Leo (S. 818) im Nov. 1853 schreibt: „Lnd so werden wir uns in impotenten Ge-
lüsten und Velleitäten verzehren, immer dünnere Charaktere produzieren, immer
herzensschwindsüchtigere Gemüter, bis uns der Herr erlöst und macht, dass wir in
einem frischen blutigen Kriege der Natur auch still halten müssen und den Herrn in
seinem Wettern erkennen lernen", — so ist diese Anschauung trotz der theologischen
Ausdrucksweise jedenfalls unendlich mehr nach dem Herzen der Verehrer Ibsens
und Nietzsches, als nach dem ihrer konservativen Ankläger. Interessant genug sind
allerdings K.s Auszüge. Leo spricht über das „Seid unterthan der Obrigkeit" und
verwirft (S. 931) den Schmalkaldener wie den dreissigjährigen Krieg als „straf-
baren Aufruhr gegen Kaiserliche Majestät", wogegen er (S. 930) die Kämpfe der
Hugenotten rechtfertigt; er urteilt sehr sachlich über unseren Adel (S. 933), sehr
scharf über die deutsche Burschenschaft (S. 934) und über die Slaven (S. 935). Er
nennt, dem germanischen Pochen auf „reine" Nationalität entgegen, die Deutschen
(S. 938) ein Mischvolk: „Denn in Deutschland ist ja kein Mann, nicht einmal ein
König, der nicht unter seinen Vorfahren Kelten, Slaven oder Romanen hat" (vgl. S. 1050).
Ueber die Civilisation spricht er wieder wie die Neuesten, über das „Erfinden"
(S. 1157) so skeptisch wie Anatole France. Auch was er (S. 1052) über die „Volks-
seele" ausführt, entspricht den herrschenden Anschauungen seiner Partei so wenig, wie
seine stark zu Rom neigenden Urteile über die Reformation und ihre Wirkung
(S. 1280/1), gegen die K. „den grössten Theologen unseres Jh., Vilmar," anrufen
muss" (S. 1284 Anm.). Man fühlt sich an solchen Stellen lebhaft an Lagarde er-
innert, mit dem Leo auch die geheime Verwandtschaft mit der Renaissance (S. 1155)
teilt; nur ist er viel kräftiger und lebhafter, recht ein „Landsknecht" (S. 948)
und nicht so stark wie Lagarde zur Paradoxie geneigt (S. 932). Aber in der
Abneigung gegen das Slaventum giebt er Lagarde — und Viktor Hehn nichts
nach ; dies wirkt auch auf seine Beurteilung von Hus und den Hussiten (S. 943/4)
ein, so dass er sogar den „Freibrief" für einen den Kaiser keineswegs bindenden
„Pass" erklärt. Hierüber gehen lebhafte Briefe zwischen ihm und seinem Gesinnungs-
genossen von Rappard (S. 929) hin und her; sonst wird hauptsächlich Politik ge-
trieben, wobei Leo in Betreff der Zukunft des Papstes sich nicht gerade als vorwärts
schauender Prophet erweist: um 1860 hätte der Papst danach in Italien keinen Raum
mehr gehabt, sondern hätte nach Luzern gehen müssen. Reichlich strömen die Ur-
teile des leidenschaftlichen Mannes, über die schwarzrotgoldene Fahne (S. 1052) wie
über den Treubund (S. 1167), zumeist jedoch über Personen: Haller, der „Restaurator
der Staatswissenschaft" (S. 938), Neander (S. 1042), König Ludwig von Bayern (S. 1049),
der Geograph Ritter (S. 1 156), die Gagern (S. 1 159), der Rationalist Wegscheider (S. 1 162),
der Missionär Gützlaff (S. 1171), Görres (S. 1296) werden knapp und meist hart beurteilt,
und nun gar Robert Prutz (S. 1160) und andere politische Gegner fahren übel. Dem alten
Ernst Moritz Arndt wirft er (S. 1172) „Frechheit" vor! Aber auch über Luther urteilt er
(S. 1042, 1286) in einer Art, die wieder zuweilen an Lagarde erinnert : Der „wüste lieder-
liche Hütten" und die „Ebersburger" sollen auf ihn einen schlimmen Einfluss ausgeübt
haben usw. Ein Recht der Revolution gesteht Leo eben (S. 1047) schlechterdings
nicht zu; wie konnten ihm die grossen Revolutionäre genehm sein? Aber das sagte
nur seine Theorie; sein leidenschaftliches Herz verstand jede Empörung und dies
— 320-321) W. K(awerau), G. Gervinus: MagdZg. N. 533. — 322) 0. Kraus, Aus H. Leos gesch. Monatsberichten u.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 323-351
eben machte ihn zum grossen Geschichtsschreiber der italienischen Staaten — gerade
wie dies ihn zum bitteren und ungerechten Feind des Autors der „Römischen Päpste"
machte. Dem Herausgeber hätten wir manche Anmerkung erlassen; er fühlt
mit Ludwig von Ger lach (S. 1058) und steht deshalb Leo im Grunde seiner Seele
vielleicht ferner als viele, die er schilt. —
Treitschke^23) wird von Guillaud324j charakterisiert, M. Duncker von
Flathe^25) und Brode^-^), Kluckhohn von S tieve 327) und einem Ungenannten^^»),
Maurenbrecher von G. Wolf 3-^). — Bedeutender sind die Aufsätze, in denen
Marcks^^") seinen Lehrer Baumgarten zeichnet, den Politiker allerdings aus feind-
lichem Gesichtswinkel betrachtend, den Historiker und den Lehrer und den Schrift-
steller nach Gebühr feiernd. — Gegen die einseitige politische Verurteilung des Alt-
liberalen erhob sich Alfred Stern^^^), während Wiegand-^^^^ m^(j andere ^^3)
diesen Streitfragen ferner blieben. —
Janssen kann freilich überhaupt nicht ohne politische Stellungnahme be-
urteilt werden. Ellinger-^^*) hält sich noch so objektiv wie möglich, aber der
Verherrlichung durch Pastor (vgl. JBL. 1892 H 1 : 15; IV IbrUlapS) trat u. a.
Lenz mit grosser Schärfe und wohl allzuhart entgegen. 3^^) — Dagegen schwächt
bei Pauli'^"^'') und Roepell"*^**), obwohl beide eifrige Politiker waren, doch die Be-
thätigung an dem öffentlichen Meinungskampfe sich ab, und von Gindely berichtet
Jung 33^), er habe sich wohl über die einzelne politische Frage sehr erhitzen können,
sei im Grund aber doch so objektiv gewesen, dass er es in beiden Lagern verdarb.
Vielleicht ist das freundschaftliche Auslegung ; vielleicht ist auch der Kampf zwischen
Deutschen und Tschechen keiner, bei dem man eine „Objektivität" von der Art
Gindelys liebt.^^^) — Und da wir denn gerade bei den Streitigkeiten der
Historiker angelangt sind, müssen wir auch jene höchst unerquicklichen Flug-
schriften verzeichnen, in denen Georg von Below und eine Gruppe von Schülern
Nitzschs ihre Animositäten austauschen. 3* ^"^^-j Auf wessen Seite das sachliche
Recht ist, wissen wir nicht; formell scheint die grössere Summe von Unrecht Below
zuzufallen, der den schi'offsten Urteilen über wissenschaftliche Leistungen Anders-
denkender persönliche Verdächtigungen beimischt. Jedenfalls aber sind diese uner-
freulichen Kämpfe unter den Historikern, die der einstigen Nibelungennot der Ger-
manisten ein schlimmeres Gegenbild liefern, nicht ohne Wert für die Psychologie
der Wissenschaft: sie beweisen, dass die Gelehrten nie reizbarer sind, als wenn eine
für untrüglich geltende Methode dem Irrtum des Einzelnen auch nicht den geringsten
Spielraum übrig zu lassen scheint. Deshalb hat unter den Historikern, gerade seit
sie alle so „exakt" geworden sind, sich die Tonart so sehr verschärft. —
Die eig-entlichen Meister der exakten Geschichtsforschung freilich, der
Urkundenforscher Stumpf- Brentano, den Wattenbach^*^) etwas kühl
charakterisiert, oder auch ein Geringerer von den Aelteren wie Spruner, der vor-
treffliche Vertreter historischer Geographie, den HeigeP**) schildert, waren zu
vornehm zu einer derartigen Kampfesweise und entbehrten auch noch der aber-
gläubischen Verehrung für eine Methode, die sie selbst erst schufen. Spruner freiüch
hat auf seine Weise auch gekämpft: als Bayer, obwohl liberal, glaubt er gegen
Sybel eine Warnung an den Kabinetssekretär des Königs Alaximilian eingeben zu
müssen; später aber schloss er sich dem neuen Reich begeistert an und focht gegen
die Ultramontanen. —
Der eifrige Bayer führt uns zu den Vertretern der Lokalgeschichte
über.^'*^"^*^) Dem Braunschweiger Spehr wurde von Zimmmermann^*^), dem Franken
Sprenger durch Wegele^^'^f), den beiden Augsburgern Paul von Stetten durch V ogt^^*')
Briefen: KonsMschr. S. 798-800, 817-34, 929-48, 1041-61, 1153-73. 1279-1301. — 323) X W. S. Lyon, H. Treitschke, Dtsch.
Ordensland Preussen. London, Kivington. Sh. 2. — 324) M. A. Gailland, Un historien du nonvel empire allemand.
H. de Treitschke: RPL. 2, S. 257-65. — 325) Th. Flathe, B. Hayra, D. Leben Max Dunokers (vgl. JBL. 1891 IV 6:134;
1892 IV le:402): HZ. 35, S. 139-44. — 326) R. Brode, Mas Dunckers Anteil an d. dtsch. Geschichtsschreibung: FBPU. 6,
S. 501-27. - 327) F. Stieve, A. Kluckhohn: AZg». N. 156. - 328) A. v. Kluckhohn: HZ. 35, S. 396,8. - 329) G. Wolf,
W. Maurenbrecher. E. Lebens- u. Sohaffensbild. B., 0. Seehagen. 32 S. M. 0,80. |[BLÜ. S. 49.3,5.]| — 330) E. Marcks,
H. Banmgarten: AZg". N. 227 8, 230. - 331) Alfr. Stern, H. Baumgarten: Nation^. 10, S. 634/6. — 332) W. Wiegand,
H. Baumgarten: ZGORh. 8, S. 542/5. — 333) H. Baumgarten: HZ. 35, S. 398,9. — 334) G. Elllinger, J. Janssen: Nation». 10,
S. 210/2. — 335> X M. Lenz: PrJbb. 71, S. 5407; ThLBl. 14, S. 221; LCBL S. 401/2; KonsMschr. S. 236/7; A. Banm-
gartner: StML. 44, S. 100. - 336) X (^ l = 8.) |[NatiönB. 10, S. 576; ÖLBL 2. S. 745; LCBl. S. 1180/1.]| — 337) X PaalJ.
Blake and Cromwell. (= German Series.l London. Bivington. Sh. 2. — 338) X Th. H. Lange, R. Roepell: IllZg. 101, S. 592.
— 339) J. Jung, A. Gindely: AZgB. N. 7. - 340) X A. Kleinschmidt, Dtsch. Historiker: IllZg. 100, S. 366. - 341) X
R. Hoeniger. G. v. Belows „Detailpolemik". B., H. Walther. 1892. 69 S. M. 1,50. — 342) X G. v. Below, D. Höniger-
Jastrowsche Freundeskreis. E. Beitr. z. Zeitgesch. Düsseldorf, L. Voss & Co. 32 f. M. 1,00. — 343) W. Wattenbaoh,
K. F. Stumpf-Brentano: ADB. 36, S. 757/8. — 344) K. Th. Heigel, K. v. Spruner: ib. 35, S. 325,8. — 345) X M. Stoeger,
D. fränk. Geschichtsschreiber P. 1. Gropp aus Kissingen. Progr. Kissingen. 1891. 36, 21 S u. 4 Beill. |[Ph. E. Ullrich:
AHVUnterfranken. 36, S. 247.J| (Vgl. JBL. 1891 IV 6:130; 1892 III 5:41.) — 346) X R- Beuss, M. Xavier Mossmann,
Archiviste de la Tille de Colmar: AnnEst. 7, S. 299-306. — 347) X X. Mossmann: Polybibl''. 67, S. 372 3. — 348) X B-
Beuss, X. Mossmann: BH. 52, S. 120 4. — 349) P. Zimmermann, L. F. Spehr: ADB. 3.5, S. 946. — 349a) F. X. Wege le,
P. J. Ph. Sprenger: ib. S. 304 5. - 350) W. Vogt, P. v. Stetten: ib. 36, S. 127/8. - 351) P. Stalin, Chph. v. Stalin : ib. 35,
IV 5:352-377 R. M. Meyer, Didaktik des 18./ 19. Jahrhunderts.
ein Denkmal gesetzt; der jüngere von ihnen hat durch seine Korrespondenz mit
Wieland, Weisse, Nikolai, besonders aber durch seine „Briefe eines Frauenzimmers
aus dem 15. Jh." auch litterarische Bedeutung-. — Den Autor der besten deutschen
Landesg-eschichte, den Württemberg-er von Stalin, hat ein Geschlechtsg-enosse P.
von Stälin^^i) in die ADB. g-estiftet; der ausg-ezeichnete Mann war auch Döllinger
und den Dichtern Hang- und Matthisson durch Jugendfreundschaft, dem Historiker
Böhmer durch Arbeitsgemeinschaft verbunden. — Die Schweizer Segesser und Sailer
wurden als Historiker von Jonelli352^ und Götzinger^^sj gewürdigt, die Hessen
Steiner und Strieder von Winter^i^*) und Kretzschmar^^^), der Schleswiger Stuhr
von Meyer von Waldeck^sß). Den letzteren setze ich an diese Stelle, obwohl er
sich keineswegs auf Lokalgeschichte beschränkt hat, vielmehr Weltgeschichte und
Geschichtsphilosophie mit Vorliebe trieb, weil das köstliche Bildchen, das sein Bio-
graph von ihm zeichnet, den Charakter eines eingezogenen Sonderlings verrät, der
heimisch doch immer nur in der engeren Heimat blieb. Seine platonische Liebe zu
der Prinzessin Alexandrine, sein Tabakschnupfen, all das ist so unberlinisch, so ganz
im Stil des Lokalgeschichtschreibers. Unrichtig ist es übrigens, wenn M. v. W.
unter den Gelehrten, die die Ehe mit der Arbeit für unverträglich hielten (S. 738),
auch Ranke nennt. —
Wie die Geschichtsforschung, so ist auch die ihr nah verwandte Philo-
logie im Berichtsjahr durch keine umfassendere Arbeit von methodologischer Be-
deutung vertreten.35^) Zahlreich sind dagegen auch hier Einzelbilder von Gelehrten,
besonders von klassischen Philologen. Drei alte Schweizer eröffnen den Reihen:
Die Berner Samuel Schmidt und sein Sohn Friedrich Samuel, von denen
D(jbi358j handelt, und der von Hunziker^s^) geschilderte Züricher Steinbrüche!.
Der ältere Schmidt ist hauptsächlich Bibelausleger, handelt aber auch über den
Ursprung der Schweizer, der jüngere ist Aegyptolog, Steinbrüche! klassischer Philolog,
Uebersetzer, besonders aber als Lehrer wirksam. — Ist bei ihnen allen die Philologie
noch mit Theologie oder Philosophie verquickt, so ist Spalding, über den
Hoche^^**) handelt, schon „reiner Philolog", ein Freund Philipp Buttmanns. —
Böckhs Leben und Leistungen schildert Max H of f mann 36') unter dankens-
werter Beigabe von Proben aus seinen Festreden. — All diese kleinen Arbeiten
überragt aber weit die glänzende Rede, in der Leo^^^-aesj einen anderen Haupt-
meister der Philologie, Lachmann, schildert. Er fasst ihn als Vereinigungspunkt
der Gottfried Hermannschen und der ßöckhschen Richtung und wirft von diesem hohen
Standpunkt aus auf die Entwicklung der Philologie in unserem Jh. einen rasch
orientierenden Blick. Was bei klassischen Philologen selten: L. wird bei aller
Bewunderung Lachmanns nicht ungerecht gegen J. Grimm und vergleicht glücklich
dies Paar mit Goethe und Schiller. Leben, Arbeit, Persönlichkeit werden in raschen,
aber sicheren Zügen hingezeichnet und ein schönes Schlusswort mahnt an die
bleibende Bedeutung des gerade in unseren Tagen oft so hart gescholtenen Meisters. —
Kleinere Lehrer wie Döderlein364-365^^ Sauppe366-367j^ SpengeP^sj, J. Th.
Struve369j, Studemund3^o)^ Kiessling^-t), R. Scholl 3'2) haben ebenfalls ihre
Biographien gefunden, meist freilich nur in kurzen Nekrologen oder (was für den
Artikel über Studemund [s. o. N. 370] gilt) in Panegyriken, welche die der Nachwelt
geschuldete Wahrhaftigkeit über der unbedingten Verteidigungssucht des Schülers
vergessen. — Höchst individuell sind dagegen die Erinnerungen, die H. Müller-
Strübings originelle Figur bei Pietsch ^''s-s''^) hervorgerufen hat. Der Neffe
von Theodor Mundt und Luise Mühlbach, der alte „Demagog", der gelehrte Aristo-
phanesforscher, wird auch von B uff 375), und von diesem mehr nach seiner philo-
logischen Seite geschildert. —
Bedeutende Namen hat diesmal die Archäologie in unseren Bericht
gebracht. H o c h e 316) erzählt das Leben Starks, Flasch 3") feiert das Doktor-
jubiläum Brunns, das der unvergleichliche Meister der Kunstbeschreibung nur so
kurz überleben sollte. —
S. 417-22. — 352) A. Jonelli. A. Ph. v. Segesser als Historiker: BBaselG. 13, S. 213-59. — 353) E. Götzinge r, Landammann
Sailer als Dichter u. Gescliichtsschreiber: SchwRs. 2, S. 315-27. — 354) G. Winter, J. W. Ch. Steiner: ADB. 35, S. 703,5.
— 355) H. Kretzschniar, F. W. Strieder: ib. 36, S. 589. — 356) F. Meyer v. WaldecV, P. F. Sluhr: ib. S. 738-41. —
357) X V. d. Wiener Philologen vers.: DLZ. S. 762,3. - 358) H. Dübi, Zwei vergessene Berner Gelehrte ans d. 18. Jh. (Sam.
Schmidt u. Friedr. Sam. Schmidt.) Neujahrsbl. d. litt. Ges. Bern. Bern, K. J. Wyss. 4". 44 S. M. 1,20. — 359) J. Unnziker,
J. J. Steinbrüche!: ADB.35, S.6936.— 360) (I 7:71.)- 361) Max Hof fmann, Z. Erinn. an A. Böckh. Progr. d. Kathiirineams.
Lübeck. 4". 44 S. — 362-363 1 (I 2:17.) — 364-365) X -^ Döderlein, Unsere Väter: Kirchenrat Chph Doderlein, Ober-
konsist.-Rat J. v. Niethammer n. Hofrat L. v. Döderlein (vgl. JBL. 1892 I 4:797). |[J. K. Fleischmann: BBG. 29, S. 419-21.]|
— 366) X P- H-. H. Sanppe: NatZg. N. 549. — 367) X F. Kirchner, H. Sanppe: IllZg. 101, S. 377-80. - 368) X R- Hoche,
L. Spengel: ADB. 35, S. 115/7. — 369) X (S. n. N. 403a.) — 370) X Leop. Cohn, W. Studemund: ADB 36, S. 721-31. —
371) X Prof. Dr Kiessling: StrassbPost. N. 124. - 372) X R- Scholl: ib. N. 163. - 373) L. Pietsch, H. MOller-Strlbing.
Persönl. Erinnerungen: VossZg. N. 393. — 374) X id., Persönl. Erinnerungen an H. MüUer-Strübing: AZg«. N. 196. — 375)
A. Buff, H. MüUer-Strabing: ib. N. 265. — 376) E. Hoche, K.B. Stark: ADB. 35, S. 488-90. — 377) A Flasch, H. v. Brunn:
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 378-399
Hartfelder, der verdienstvolle Forscher auf dem Gebiete des Humanismus,
dem Knod^"^) und der Nekrologist der HZ. 3'») Nachrufe widmen, leitet uns von
der alten zur neuen Philologie herüber ^^^^ — d[q romanische Philolog-ie, die
zu unserem Stolz auch die Italiener aus Neumanns trefflichem, nun von Lallici^^^)
übersetzten Grundriss kemien lernen 3*'-), ist ja schon durch ihr Stoffgebiet auf fort-
währende Berührungen mit dem klassischen Altertum angewiesen ; aber auch die
deutsche Philologie wird schon durch das Vorbild ihrer ersten Stifter^*"*) auf solche
Berührungen hingelenkt. —
Die Hauptvertreter dieser Disciplin fallen freilich einem anderen Abschnitt
desJBL. (s. o. I, 2) anheim; uns bleiben einige Litterarhistoriker. Auf die Ver-
dienste Eschen burgs weist Mendheim^***) hin, Bettel h eim^^^j auf die von
Hermann Kurz. — Schriftsteller und Litterarhistoriker zugleich sind auch
Streckfuss und Strodtmann. Der Uebersetzer Ariosis, Tassos, Dantes, über
den FränkeP^^) eine charakterisierende Bibliographie schrieb, kann wegen seiner
Einleitungen und Kommentare den Litterarhistorikern beigezählt werden; der eben-
falls von FränkeP^') behandelte Vermittler zwischen nordischer Litteratur und
deutschen Lesern verdient dies Prädikat in höherem Grade : wegen seiner Arbeiten
zur Kenntnis Bürgers, wegen seiner „Dichterprofile", vor allem wegen seiner
Biographie Heines. — Einen Namensvetter von ihm, der sich um deutsche
Dialektkunde verdient gemacht hat, schilderte Edw. Schroeder'^^^), einen dritten,
der Mitarbeiter an Grimms Wörterbuch war und auch klassische und orientalische
Philologie trieb, Carstens ^^^). —
Der zweite gehört schon zu jenen Dialektphilologen, Folkloristen und
Erforschern der Volkskunde, deren liebenswürdigster einer Roch holz war.
Ihm hat Hunziker^^^) ein hübsches Büchlein gewidmet. Wir erfahren, wie der
spätere Germanist Schelling studiert, mit den drei „Frankendichtern" Rückert, Jean
Paul und Platen Bekanntschaft macht, wie er unmögliche Jugendgedichte verfertigt,
wie er Spottgedichte auf Ludwig von Bayern hinwirft. Rochholz geht dann zu
dem Pädagogen Fellenberg nach Hofwyl, entzweit sich aber mit dem „Bonaparte
der Pestalozzischen Erziehungsrevolution" (S. 14). Von W. Wackernagel geprüft,
erhält er eine Lehrerstelle in Aarau, wo er den Fabeldichter Fröhlich (S. 21)
ersetzt. Aber mit seiner wirklich recht unpädagogischen — und unkollegialischen
Art können die Aufsichtsbehörden sich nicht befreunden: er muss schliesslich
die Stelle verlassen, widmet sich nun aber um so eifriger der Volkskunde und
— wenn man den neuen Kunstausdruck wagen darf — der Volkshistorik. Es
ist bekannt, wie er erst den Teil dauernd als unhistorisch erwiesen hat;
zahlreiche andere Beiträge zur Sagengesohichte , Kulturgeschichte , Dialektkunde
verzeichnet der bibliographische Anhang mit ungedruckten oder überhaupt erst
geplanten Entwürfen, z. B, über die Etymologie der deutschen Autorennamen. —
Merkwürdig-, dass gerade diese Forscher auf dem idyllischen Gebiet der Volkskunde
so oft eine ungewöhnliche persönliche Streitlust und Empfindlichkeit zeigen!
Kampflustig wie Rochholz ist Steub, dessen Biographie Heigel *^') geschrieben
hat. Dem Autor der „Drei Sommer in Tirol," dem eifrigen Etymologen und ver-
dienten Namenforscher waren wohl grössere Erfolge und ein froheres Ende zu
gönnen gewesen, als da gemeldet werden. — Einen Vorgänger Steubsin österreichischer
Volkskunde, Anton von Spaun, schildert Schlossar ^^'*). — Auch R. Hein^'-'-)
von dem L. Fr änkeP'«*») erzählt, erlebte eine schwere Enttäuschung: der fleissige
Leser und Aufspürer hatte gehofft , seine Kenntnisse und Talente als Herausgeber
der „geflügelten Worte" verwerten zu können, was ihm versagt blieb. —
Auch den grossen Kulturhistoriker Viktor Hehn ordnen wir dies-
mal an dieser Stelle ein, weil mehr und mehr der Autor der „Gedanken über
Goethe" über den Volkspädagogen 39*) und Richter der Volksindividualitäten ^^^-^s^)
die Oberhand gewinnt ^''S). Aus seinen Reisetagebüchern hat sein posthumer Freund
Schiem ann 399) eine stattliche Auswahl von Bruchstücken veröffentlicht. Die ältere
Reihe , Aufzeichnungen aus Italien von 1840, ist nicht nur (wie der Herausgeber
AZgB. N. 68. — 378) G. Knod, K. Hartfelder: ZGORh. 8, S. 538-41. — 379) K. Hartfelder: HZ. 35, S. 398. — 380) X P-
Geyer, Alte n. neue Philol. in ihrem gegenseit. Verhältnis: BBG. 27, S. 1Ö1-63. |[P. Cauer: DLZ. 8. 231.]| — 381) Fed.
Neumann, La Filologia Romanza. Traduz. del Dottore Sl. Lallici. Citta di Castello, S. Lapi. IV, 224 S. L. 3,00. — 382) X
Ed. Schwan: Ac. 44, S. 236. — 383) X (I 2:11.) — 384) M.Mendheim, J. J. Eschenbnrg : LZg«. N. 146. — 385) A. Bettel -
heim. Zu Ehren v H. Kurz: AZg«. N. 278. — 386) L. Fränkel, M. F. K. Streckfuss: ADB. 36, S. 560/2. — 387) id., A.
Strodtmann: ib. S. 605-11. — 388 J Edw. Schroeder, J. Chr. Strodtmann: ib. S. 611/2. — 389) C. E. Carstens, J. S.
Strodtmann: ib. S. 612/3. - 390) (I 6:178.) — 391) K. Th. Heigel, L. Steub: ADB. 36, S. 135-40. - 391a) A. Schlossar,
A. Bitter v. Spaun: ib. 35, S. 68/9. - 392) X R- Hein: NatZg. N. 390. — 393) L. Fränkel, R. Hein: Urquell 4, S. 152. —
394) X (I 7:54.) - 395) X V. Hehn, De moribus Ruthenornra (vgl. JBL. 1892 lY 5:289). i[NationB. 10, S. 193/6; M.
T. Oettingen: DWBl. S. 32,4; F. Bieneraann: BLÜ. S. 118-20.]; - 396) X G. S., Russ. Intimitäten: WienTBl. N. 5.
(Nach V. Hehn.) — 397) X V. Hehn n. d. Juden: KonsMschr. 4, S. 1153-73; 5, S. 1279-1301. — 398) X 0. Schrader, V. Hehn
(vgl JBL. 1891 IV 6: 145/6; 1892 I 2:21; IV 5:288): KonsMschr. S. 420/2. — 399) V. Hehn, Eeisetagebücher. Mitget. r.
Jahresberichte fftr neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. ^(13)
IV 5:400-408 R. M. Mejer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
selbst bemerkt) stilistisch, sondern auch inhaltlich weitaus die bedeutendere. Wir
hören den Mann, der später den kühnen Gedanken einer umfassenden Kultur-
geschichte Europas im Haupte trug-, über den Beg-riff der Weltgeschichte (N, 183)
und über die Auffassung der Historie (N. 186) tiefsinnig'e Worte äussern ; wir ver-
nehmen von dem zukünftigen Autor der „Gedanken über Goethe" die Aeusserung :
„Goethe, der der Geschichte fremd und der Natur vertraut war", und sehen
Niebuhr als Vertreter echt historischer Auffassung ihm entgegensetzt (N. 190). Ueber
Overbecks absichtsvolle Naivetät (N. 224), über Strauss und Kotzebue (N. 128) werden
Urteile gefällt, aber auch politische Fragen berührt: entschieden spricht Hehn hier
(N, 234) noch als Liberaler. Scharfe Worte erinnern an die radikalsten Neuesten,
denen er späterhin so feindlich gesinnt war: „Die erste Regung der Kunst ist die
erste Regung der Irreligiosität" (N. 126); „Nichts hat die alte Welt so geschwächt
wie das Christentum" (N. 183). Aber all das ist Intermezzo; fast ganz gehört seine
Seele dem Schwelgen in italienischer Natur. Herrlich schildert er den Charakter
der italienischen Landschaft mit ihrer hehren Einfalt und stillen Grösse: „Keine
Leidenschaft jauchzt rasch oder schluchzt in der italienischen Landschaft" (N. 225).
Einen reizenden Ausdruck findet er für die „süditalienische Poesie der Sorglosen
und Verwahrlosten" (N. 230); den italienischen Gartenstil (N. 187) wie den Kunst-
charakter des Menschenlebens in Italien (N. 190), die Architektur der Städte (N, 229)
wie den Klang italienischer Vollworte (N. 234) weiss er ti'efl'end zu charakterisieren.
Und welche Bilder malt er von Neapel (N. 128), vom Tanz in Genzano (N. 186), von
Albano (N. 190), dem Soracte (N. 224), Pisa (N. 225)! Wenn der künftige Vf. der
„Kulturpflanzen und Haustiere" sich auch erst geringe botanische Kenntnisse nach-
sagt (N. 221), so achtet er doch schon sorgfältig auf den Oelbaum (N. 194) und den
Pflanzenwuchs an der Riviera (N. 230); und ebenso studiert er schon auffallende
Wagenformen in Nemi (N. 186). Die Einseitigkeit aber, die das Buch „Italien"
durchzieht, liegt ihm hier noch fern: der italienische Kunstgeschmack ist nicht der
seine (N. 187; über italienische Musik N. 186). Hier wahrt er sich inmitten der
Begeisterung das individuelle Urteil: „Die Kunst", sagt er bedeutungsvoll, „gehört
dem Individuum, die Wissenschaft der Gattung an" (N. 182). — Zwanzig Jahre später
reist er nach Frankreich; da ist der jugendlich feurige Ton erloschen und oft
genug klingt schon die spätere Grämlichkeit hinein. Aber er zeichnet noch immer
meisterlich Genrebilder aus Genua (N. 260), spricht über Massilia (N. 298) und
Paris (N. 302) von hohen Gesichtspunkten aus. Doch - drängt die politische Be-
trachtung sich in den Vordergrund (N. 245, 255, 298) und noch mehr die persönliche
Empfindung. Der Jüngling berichtete von seinem Heimweh (N. 183); der Mann
ergeht sich in Klagen über die erste Nacht im Wagen (N. 255). Eine etwas
gefährliche Parallele lässt ihn Franzosen undJonier, Germanen und Dorier (N. 262)
zusammenstellen — ein Vergleich , der jene bedeutsamen Erörterungen über die
menschliche Perfektibilität (N. 183) so wenig aufwiegt wie die Schilderung des
Kolosseums (N. 260) jene Städtebilder. Nur die geistreichen Ausführungen über
die Wirkung des nackten Felsens (N. 254) stehen hier noch auf der alten Höhe;
im ganzen ist auch das Nebeneinander dieser beiden Tagebücher ein Beweis dafür,
wie wenig Hehns glänzende Begabung und seine imposanten Pläne zu voller Ent-
faltung gelangt sind. ''00-40 ij — Einen Litterarhistoriker, der an Feinheit des psycho-
logischen Verständnisses Hehn mindestens erreicht , den bedeutendsten lebenden
Meister biographischer Kunst , H a y m , beglückwünscht Kirchner ^02^ zum
Doktorjubiläum. —
Den Philologen gesellen wir wieder die üebersetzer bei, indem wir an Stein-
brüche!, Streckfuss, Strodtmann (s.o. N. 359, 386/7) nochmals erinnerndes). SanMarte*^«)
und Gelbcke^05^ haben beide ihre Uebersetzungen durch Abhandlungen und Er-
klärungen noch wertvoller gemacht. — Aus dem Ungarischen übersetzte G. Stein-
acker, dessen vielbeschäftigtes Leben uns Schlossar-^^öa^ schildert. — Geffcken^06j
fügt seine Uebersetzungen von griechischen Grabinschriften in eine fortlaufende Ab-
handlung ein. Insofern er die griechischen Verse durch deutsche Reime wieder-
giebt, trägt er praktisch zur Beantwortung der durch Wilamowitz neu angeregten
Frage nach der inneren Form der Uebersetzungen bei. —
Zwei Sprachvergleicher, H. G. C. von der Gabelentz^^?^ ^ind Max
Müller*o8), machen den Schluss der Philologen. —
Unter den Kunstlehre und Kritik vertretenden Autoren begegnen uns
Th. Sohiemann: AZg». N. 125,6, 128, 183, 186/7, 190,1, 194, 221, 224/5, 230, 234, 245/6, 254,5,262,290,292/3,300/2. - 400) X
Briefe aus d. Nachlasse V. Hehns: BaltMschr. 40, S. 160-71, 321-35, 596-609. — 401) X Aus d. Nachlasse V. Hahns: Didask.
N. 122. - 402) F. Kirchner, Zu R. Hayras 50 j. Doktorjubil. : IIIZr. 101, S. 267. — 403) X J- Mähly, Verdeutschen u.
Uebersetzen: Geg. 43. S. 102/5. — 404) X Alb. Schulz. (= San Marte): IllZg. 100, S. 678. - 405) X F- Ad. Gelboke:
JbDShakespeareG. 28, S. 353. — 405a) A. Schi ossär, G. Steinacker: ADB. 35, S. 675,6. — 406) J. Geffcken, Stimmen
d. Griechen am Grabe. Hamburg, L. Voss. 50 S. M. 1,00. — 407) X H. G. C. v. d. Gabelentz: Ac. 44, S. 552. — 408) X
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 409-443
diesmal wieder besonders orig-inelle Gestalten: K. Ph. Moritz (von Sack^"^J und
Isolani'*^'*) o-eschildert), F. Th. Vischer^'**''), Karl Werder, dessen Tod eine
o-anze Reihe von Nekrolog-en Nathans*^'), Schlenthers^^^j^ Zabels^'^j und andere
i.4.ufsätze zu seiner Charakteristik (von Wich mann'*''*), ja sog'ar zur Beurteilung
der so ungewöhnlich rasch errichteten Gredenktafel*'^"**^) Anlass gab. Zumeist wurde
der „latente Schauspieler" in unserem Kunstkritiker hervorgehoben; das merkwürdige
Problem, wie ein so langes, in behaglicher Ruhe stets denselben Kunstaufgaben zu-
gewandtes Leben nur vier Bücher als Grruss an die Nachwelt zurückliess, ward meist
nur gestreift. — Eins von ihnen, das am meisten angefochtene, über Macbeth, unter-
warf der italionische, im litterarischen Leben aller Kulturvölker heimische Litterar-
historiker Zumbini*'') einer gehaltvollen Kritik. — Theod. Wolff'**^"*'^) stellte
Werder und Fontane zusammen und gab, wie auch Schlenther*20-42i-)^ persönliche
Erinnerung-en.*--) —
Stammt Werder ganz aus der philosophischen Periode des Hegelianischen
Berlins, so ist dagegen in der Physiognomie Stahrs wie in der Rud. vonGottschalls
der politische Zug vorherrschend geblieben. Stahr der Philolog, Historiker, Litterar-
historiker, Kunstschriftstelier, Kritiker wird von Frank el^^s) massvoll gefeiert, und
eine „Rettung" verdient der in „Rettungen" so gern bemühte Mann gewiss gegenüber
dem Fluch der Lächerlichkeit, der aus G. Kellers und anderen doch recht subjektiven
Erinnerungen sich an das Ehepaar Lewald-Stahr, das „vierfüssige Tintentier", ge-
heftet hat. — Gottschall kann sich gegen Alb ertis*24-) schiefes Lob noch selbst ver-
teidigen und die Lobeserhebungen von Bartels^^ö)^ Br asc h ^26-)^ Friedrich'*-''),
ZabeH^sj noch selbst geniessen. — Hähneis Litterarische Reliquien^^S) sind an
diesem Orte nur zu erwähnen und Wilh. Jordans^^Oj Kritik über „die Moderne"
nur aus schuldiger Ehrfurcht vor früheren Verdiensten des Autors zu verzeichnen.'*^!) —
Wenden wir uns zu anderen Wissenschaften, deren Verbindung mit der
Litteraturgeschichte loser ist, so treffen wir unter den Geographen neben Reinhold
Forsters Schwiegersohn Sprengel, über den Ratzel*^^) schrieb, einen Weltreisenden
Kohl*^2a^, dessen Schriften längst der deutschen Litteratur angehören, sowie einen
anspruchslosen Lokalgeograplien Moosmann, dem Sander*^^) eine Dankrede hielt.
Der um die Geographie von Vorarlberg verdiente Mann hat auch kameralistische
Aufsätze abgefasst. — Von den beiden grossen Juristen, die 1893 gestorben sind,
stand W^indscheid^^*) dem allgemeinen Interesse ferner als Ihering*^^"'*"^ ''"■), der
wiederholt mit populären Schriften das öffentliche Rechtsbewusstsein zu erziehen
suchte''38-'*39^, — Landsberg**") schrieb eine ausgezeichnete Biographie Stintzings.
— Allgemeiner handelt über die moderne Jurisprudenz** i) ein Aufsatz von de
Jonge**-J. — Das Sohriftchen von Gensel**^) über die Sprache des Entwurfs eines
bürgerlichen Gesetzbuches ist beachtenswert als Symptom dafür, dass endlich wieder
in unseren Rechtsgelehrten ein litterarischer Ehrgeiz erwacht, ihrer eigenen Berufs-
sprache geweiht. Für den Entwurf selbst findet G. mehr Worte des Lobes als des
Tadels und weist manche Rüge, als sei er durchaus unvolkstümlich und schwer-
verständlich gehalten, zurück; dagegen hat er an den begleitenden „Motiven" sehr
viel auszusetzen. Der Kritiker selbst gehört dem Sprachverein an, ohne sich von
dessen Fremdwörterfeindschaft auszuschliessen; er steht auch dem Kreis Wustmanns
nahe, aber mit Mässigung, und kennt sogar Fälle, wo man „derselbe" sagen muss
(S. 59). Sein Sprachgefühl ist ihm ein sicherer Führer, dem er auch wirklich mit
gutem Erfolg sich anvertraut; und so wird seine Schrift durch das, was er selbst
sagt, wie durch das, was er bespricht, für die Sprach- und Litteraturgeschichte der
Gegenwart ein Baustein, den wir bei dem ungeheueren Einfluss gerade der Juristen
auf das „öffentliche Deutsch" unserer Tag-e nicht unterschätzen dürfen. —
(I 2:51.) - 409) Ed. Sack, K. Ph. Moritz. E. Gedentbl. z. 100. Todest. (26. Juni): FZg. N. 175. — 410) E. Isolani, E.
Journalist u. Aesthetiker d. 18. Jh. (Z. 100 j. Todest. t. K. Ph. Moritz): VossZg. N. 293. - 410a) X (I 12: 28.) |[LZgB.N. 152.]|
— 411) P. Nathan, K. Werder: Nation». 10, S. 457-61. - 412) P. Schienther, Nachruf auf K. Werder: VossZg. N. 166. —
413) E. Zabel, Z. Erinnerung an K. Werder: NatZg. N. 242. — 414) H. Wichmann, E. Beitr. z. psycholog. Charakteristik
K. Werders: DR. 4. S. 132,8. — 415) X K. Werder: NalZg. N. 230. — 416) X K. Werder: ih. N. 278. — 417 1 B. Znmbini,
F. Th. Vischer. (= IV ld:77, S. 77-95) — 418) Th. Wolff, Th. Fontane — Karl Werder: BerlTBl. N. 638. - 419) id.,
Erinnerungen an K. Werder: ib. N. 183, 187. — 420) P. Schienther, Am Grabe d alten Werder: ML. 62, S. 249-53. —
421) X id., K. Werder: VossZg. N. 169. - 422) X K. Werder: Ath. 44, S. 508. - 423) L. Fränkel, A. W. Th. Stahr:
ADB. 35, S. 403/6. — 424) C. Alberti, R. v. Gottschall: FeuilletZg. N. 482. — 425) A. Bartels, R. v. Gottschall: Didask.
S. 230. — 426) (I 2 : 47.) |[ÖLB1. 2, S. 524.]| - 427) B. Friedrich, R v. Gottschall: BLU. S. 209-11. — 428) E. Zabel,
R. V. Gottschall: NatZg. N. 557. — 429) (I 11:21.) — 430) W. Jordan, Dtsch. Hiebe (Frankfurt a. M., Selbstverl.
1891. 16». 31 S. M. 0,60): DDichtung. 13, S. 22. — 431) X (1 ^ =53.) |[R. M. Meyer: DLZ. S. 971/3.]| ~ 432) F.Ratzel,
M. Chrn. Sprengel: ADB. 35, S. 299-300. — 432a) Gedenkbl. für J. G. Kohl: WeserZg. 30. Apr. — 433) H. Sander, Rede z.
Moosmann-Feier in Schnepfenthal. Dornbirn, F. Rusch. 16 S. M.0,10. — 434) X E. Landsberg, B. Windscheid: Nation". 10,
S. 84/6 — 435) X K. E. Franzos, R. v. Ihering: DDichtung. 13, S. 50/2, 78-80. — 436) X ß- Leonhard, R. v. Ihering:
Zukunft 3, S. 600/8. — 437) X K- ^- Ihering: NationB. 10, S. 34 — 437a) X Ad. Merkel, R. v. Ihering. Jena, J.Fischer.
37 8. mit Bild. M. 1,20. |[DRs. 77, S. 312/4.J1 (Abdr. aus Iherings Jb.^ — 438) X J- Kohler, Windscheid n. Ihering: Zu-
kunft 2, S. 54-63, 1138. — 439) X R- Leonhard, Ihering u. Windscheid: ib. 4, S. 74-80. — 440) E. Landsberg, J. A. R.
T. Stintzing: ADB. 36, S. 249-54. - 441) X E. Imm. Bekker, Ernst u. Scherz 6ber unsere Wissenschaft (JBL. 1892 IV 5: 278):
DR. 3. 3. 252/3. — 442) Chr. M. de Jonge, R v. Ihering u. d. Jurisprudenz: KonsMschr. S. 63-70. — 443) (I 8: 146.) —
4(18)*
IV 5:444-445 R. M. Mejer, Didaktik. des 18./19. Jahrhunderts.
Als wir im vorig-en Jahrgang* in der Besprechung staatswissen-
schaftlicher Werke bei Gelegenheit von Roschers444) „Politik" (vgl. JBL. 1892 IV
5 : 231) den Wunsch nach« einem empirischen, Thatsachen statt der Abstraktionen
bringenden Lehrbuch der Politik aussprachen, da ahnten wir nicht, dass wir diesmal
schon ein solches Werk anzuzeigen haben würden. Als das Ergebnis langjähriger
Arbeit, sorgfältigen Sammeins und ernstesten Durchdenkens liegt jetzt R atzen -
hofers**'^) „Wiesen und Zweck der Politik" vor. Das bedeutende Werk hat für uns
zunächst als „document humain" Wichtigkeit. Es liegt ein nicht geringer Triumph
der auf exakte Beobachtung von Thatsachen gerichteten Strömung unserer Zeit
darin, dass ein Forscher wirklich wieder wagt, von Konferenzen und Verträgen, von
Kriegsführung und Handelspolitik zu reden, „als ob es sich um geometrische Figuren
handle". Und zwar thut er dies mit solcher Ziiversicht, dass er seinen Unter-
suchungen (3, S. 305) „jene unveränderliche Wahrheit" zuschreibt, „die wissenschaft-
lichen Erwägungen im engsten Anschluss an die lebendige Natur eigen ist"; so zu-
versichtlich, dass er dem genialsten Praktiker unserer Zeit einmal (2, S. 100) ziemlich
von oben herab die Anerkennung zuerteilt, er scheine in einer bestimmten Frage
„richtig zu sehen". Diese Zuversicht ruht eben vor allem auf dem ehrlichen Be-
wusstsein, den Thatsachenvorrat vorurteilslos geprüft zu haben; und wieder diese
Vorurteilslosigkeit, die energisch der Politik einen Standpunkt jenseits von Gut und Böse
anweist (z. B. 3, S. 411) gehört zu den Zeichen der Zeit. In den Gedankenkreis der
Renan und Nietzsche führt auch dieses Zurückgreifen auf die Renaissance: mit Be-
wusstsein führt R. die Politik in Macchiavellis Spur zurück (1, S. 60) und stellt sich
in seiner (übrigens nicht uneingeschränkten) Bewunderung Bismarcks rein auf den
praktischen Standpunkt, wie der Florentiner seinen „duca Valentine" um seiner
Virtuosität willen bewundert. Als andere symptomatisch bedeutsame Punkte hebe ich
die Ueberzeugung von einem ständigen Fortschritt der Menschheit (3, S. 91), die
Unterscheidung civilisatorisch fähiger und unfähiger Völker (3, S. 44), den Glauben
an die definitive Sesshaftigkeit der Nationen (3, S. 58) und die kühne Konzeption
einer Weltpolitik (2, S. 242/3) heraus. All diese Auffassungen führen in die Mitte
brennender Zeitprobleme: Die erste antwortet auf die pessimistische Verzweiflung
unserer Jüngsten, denen die gepriesene „Entwicklung" nicht rasch, nicht deutlich
und greifbar genug marschiert; die zweite schliesst sich der von Renan, Nietzsche,
Dühring gelehrten Wertunterscheidung der Nationen an, mit der einer der letzten
Punkte aus dem Katechismus der „Aufklärung" gestrichen wird; die dritte hängt mit
der Theorie des „Milieu" eng zusammen und ist daher z. B. von dem dänischen
Mythologen Vodskov noch allg-emeiner als Theorie der örtlichen Gebundenheit aller
Kultur ausgesprochen worden; die vierte endlich schliesst sich den oft phantastischen
Ideen des geistreichen „Rembrandtdeutschen" an. Wenn in all diesen Punkten R.
wichtige Fingerzeige für die herrschende Gedankenlagerung und Gedankengestaltung
liefert, die doch schliesslich für die Litteraturgeschichte immer das letzte und höchste
Problem bleibt, so ist auch im einzelnen für uns manche Ausbeute aus dem gedanken-
reichen Werk zu gewinnen. So werden Gentz (1, S. 126), Sjbel und Treitschke
(1, S. 141), Gneist und Ihering (3, S. 443), Feuerbach (3, S. 468) gestreift; es wird über
den Stil der Staatsschriften (2, S. 15) gesprochen, und zur Charakteristik der
Thätigkeit Bismarcks finden sich zahlreiche, zur Beurteilung der verschiedenen „Zeit-
geiste" (1, S. 96) beachtenswerte Hindeutungen. Vor allem ist aber die Erörterung über
Politik und Geschichtskenntnis (3, S. 445) wichtig, die den berufenen Streit zwischen
Staaten- und Kulturgeschichte schlichtet, indem sie beide nur als einzelne Seiten der
richtig, d. h. universell, aufgefassten „Politik" darstellt. Zu bedauern ist, dass das
treffliche Buch in einem grauen, trocknen Stil geschrieben ist, der oft sogar in-
haltlich wertvolle Sätze verdirbt (z. B. 1, S. 325; dagegen 1, S. 273; 3, S. 58 gut ge-
prägte Sätze: „Der Verkehr führt ungeheure Gütermassen spazieren, um sich zu er-
halten und dem Kapitel Gewinn zu schaffen".) Hierin hat der Vf. sich leider
weniger Macchiavelli zum Vorbild genommen als die modernen Gelehrten, von denen
er gelernt hat: Gumplowicz und Spencer (welch letzteren er allerdings auch mehrfach
bekämpft, weil dieser Individualist die „sociale Notwendigkeit" nicht versteht: 3, S. 233,
270). Wie R. in seinen Anschauungen den deutschliberalen Oesterreicher nirgends
verleugnet, so auch in seiner sorglosen Schreibart, wobei denn allerdings eine
fein gegliederte Disposition und eine allzu häufige Anwendung der bestimmten Zahl
zur Gruppierung unzählbarer Dinge (z. B. 1, S. 223) dem Mangel einer hell durch-
leuchteten Schreibart abhelfen müssen. Einen Grenzstein in der Geschichte der
theoretischen Politik wird deshalb doch dies Buch bedeuten, dessen Autor so scharf
und klar Grosses und Kleines sieht und bei der Vorführung der politischen Faktoren
444) X L. Humberti: BLU. S. 133/4; AZgU. N. 130; J. Eahm: Schwßs. 1, S. 607-20; 0. Gildemeieter: Nation». 10,
S. 346/8. — 445) G. Ratzenhofe r, Wesen u. Zweck d. Politik. Als Teil d. Sociologie U.Grundlage d. Staatswissensohaften.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 4*6-472
das internationale Gaunertum (2, S. 284) so wenig- vergisst wie den Adel oder die Kirche.
Und da die Litteraturg-eschichte dieser politisch sturmbeweg-ten Zeit eine Ein-
sicht in das Getriebe der gouvernementalen, parlamentarischen, journalistischen
Maschinerie nicht entbehren kann, wird R.s Werk schliesslich auch g-anz direkt dem
Litterarhistoriker zum wertvollen Hülfsmittel. Und der praktische Pädagog, der
Schulmann wird R.s Worte über das Schulwesen (3, S. 273/4) vielleicht auch dann
beachtenswert finden, wenn er (wie ich) die Nachahmung der Napoleonischen
„universite", die Verwandlung aller Schulen in eine uniformierte Pyramide, nicht
wünschenswert findet. — Einige Einzelstudien zur Nationalökonomie, über den
Schweizer Muret (von Lauterburg^^^) und über F. A. Lange (von Reiches-
berg 447-448^^ schliessen sich an. —
Der Versuch, durch die „Sociologie"*49^ (jie Nationalökonomie auf den Boden
der Naturwissenschaften überzuführen, bringt uns zu diesen. Interessant muss
nach den mitgeteilten Auszügen der Briefwechsel zwischen den Ch emikern Berzelius
und Liebig sein, den J. Carriere^^oj herausgab. Leider schliesst diese Korrespondenz,
so herzlich sie beginnt (Liebig schreibt an den schwedischen Kollegen: ,, Ich bin Dein
Sohn im Herzen, ich will es im Geiste sein"), mit einem Bruch. Charakteristisch
lautet Liebigs abschliessendes Urteil: „Es würde ein Verzug gewesen sein, wenn
Berzelius etwas empfänglicher gewesen wäre für das Schaffen durch den Gedanken,
was ich die Poesie des Naturforschers nenne." — Neben den Chemikern stehen die
Physiker: Abt Steiglehner, der Physiker und Meteorolog und letzte Fürst von St.
Emmeran, von Knotf^^i) gewürdigt, scheint durch eine Welt getrennt von den
Neueren, von Wilh. Weber452)^ von Rob. Mayer ^^^^^ von Helmholtz 4^4) und W. v.
Siemens 455"*5')^ den vor allem Kundt^^^) aus seinem eigenen Geist heraus schildert.
— Kommen wir zu den Botanikern, so scheint der Abstand kaum geringer zwischen
einem Polyhistor des vorigen Jh. wie Sprengel, über den Strasburger '*^9) sowie
Wunsch mann und PageH^**) schrieben, und einem neueren Systematiker wie
Reichenbach, dem Gr ott ewitz*^') eine Gedächtnistafel errichtet. —
Mit der Botanik wieder steht die Medizin in alter Verschwisterung. Unter
dem Titel „Medizinisches aus der Weltgeschichte" hat der Tübinger Arzt V ierordt462)
„Buntes Allerlei" zusammengestellt: Nachrichten über die Schädel Schillers (S. 7)
und Kants (S. 9), über Goethes Geburt (S. 2), Hallers Jugendkrankheit (S. 7), die
Esslust Friedrich Wilhelms I. und den Geschmack Fi'iedrichs des Grossen an stark
gewürzten Speisen (S. 20), über den Tod dieser beiden Könige (S. 24), Schillers (S. 27)
und Luthers (S. 43) und das Ende Ludwigs II. von Bayern (S. 63). Ueber die Gicht
(S. 41) und eine schlimmere Krankheit (S. 52) hätte die Litteraturgeschichte mancherlei
Material beisteuern können, während andererseits V. besser daran gethan hätte, in der
Aufnahme litterarischer Namen in die Liste der „griechisch Liebenden" (S. 67) vor-
sichtiger zu sein : Platen muss hier noch auf Heines Zeugnis hin am Pranger stehen! —
Einzelne hervorragende Aerzte wie Stifft und Schönlein erhielten durch Pagel*^^)
und Leitschuh 46'*) Biographien, Moleschott durch Marschall^^^) und Albu^eß)
Nachrufe; uns interessiert dieser näher durch sein Buch über Hettner als Stricker^^")
durch kleinere Schriften, auch über Goethe. ■*68- 469^ _ Aus der Medizin ging auch
Fechner hervor, der Gründer der Psychophys ik^^O), über dessen „Humor und
Glauben" Lasswitz*'*) klar und hübsch wie immer schrieb. —
Erfinder anderer Art sind die Stenographen Gabelsberger, den Krüger4''2)
3 Bde. L., Brockhans. X, 400 S. ; VH, 363 S.; IX, 481 S. M. 20,00. - 446) A. Lauterbarg, J. L. Muret, e schwei«.
Nationalökonom u. Statistilcer d. 18. Jh. (= Berner Beitrr. z. Gesch. d. Nationalölconomie. Her. v. A. Oncken. N. 5.) Bern,
H. J. Wys8. 71 S. M. 1,40. — 447-448) N. Eeichesberg, F. A. Lange als Nationalölconom. Diss. Bern. 1892. 35 S.
(Vgl. JBL. 1892 IV 5:270a.) - 449) X P- Barth. D. Sociologie e. neue Wissensch.: BLU. S. 529-32, 545/7. — 450) Berzelius
u. Liehig. Ihre Briefe v. 1831-45 mit erläut. Einschaltungen aus gleichzeit. Briefen v. Liehig u. Wöhler, sowie wissenschaftl.
Nachweisen her. mit Unterstützung d. kgl. hayer. Ak. d. Wissensch. v. J. Carrifere. München, J. F. Lehmann. VIII, 279 S.
M. 6,00. |[E. Lehmann: BLÜ. S. 461,3; Didask. K. 28 ]( (Vgl. IV Ic : 117.) — 451) R. Knott, Cöl. Steiglehner: ADB. 35,
S. 593/5. — 452) X H. Weber, W. Weber (vgl. JBL. 1892 IV 5:205). ![E. Rehnisch: GGA. S.163-75; E. Lehmann: BLU.
S. 625/8; KonsMschr. S. 1258.]| — 453) X R"l>- Mayer, Kleinere Schriften u. Briefe. Nebst Mitteilungen ans seinem Leben. Her.
V. J. J. W e y r a u c h. St., Cotta. XVI, 503 S. Mit 2 Abbild. M. 10,00. | [L. G r a e t z : AZgB. N. 222.]| — 454) X H. v. Helmholtz,
Populär lectures on scientific subjects, trans. series 1, new ed. London, Lor.gman. Sh. 3,6. — 455) X W. v. Siemens, Personal
recollection8.Transl.by W.O. Coup land. London, Asher and Co. Sh. 15. l[SaturdayR. 76, S. 574;5.]| — 456) X W.T.Siemens:
NationB. 10, S. 158. — 457) X G- van Muyden, W. de Siemens: BÜRS 57. S. 345-61. (S. dazu ib. S. 176 )-- 458) A. Kundt,
Gedächtnisrede auf W. v. Siemens. B. (G. Reime). 4». 21 S. M. 1,50. (Ans AbhAkBerlin.) — 459) Ed. Strasburger, Z.
lOOj. Gedächtn. an „D. entdeckte Geheimnis d. Natur": DRs. 77, S. 113-30. — 460) J. Wnnschmann u. J. L. Pagel, Kurt
Sprengel: ADB. 35, S. 296,9. — 461) K. Grottewitz, Z. Gedächtnis L. Reichenbachs: NatZg. N. 13. — 462) H. Vierordt,
Medizinisches aus d. Weltgesch., Buntes Allerlei. Z. Feier d. 50j. Doctorjubil. R v. Roths. Tübingen, Laupp. VL 80 S.
M. 1,60. — 463) J. L. Pagel, A. J. Frhr. v. Stifft: ADB. 36, S. 216 7. — 464) F. Leitschuh, J. L. Schönlein. Zu seinem
lOOj. Geburtst. (Aus: ,.D. Bayerland.") München (Bamberg), C. Hübscher. 19 S. Mit Bild. M. 0,50. — 465) W. Marschall,
J. Moleschott: IllZg. 100, S. 604. - 466) A. Albu, J. Moleschott: Geg. 43, S. 354,6. - 467) X C. Cohn, Z. Erinnerung an
W. Stricker: AFrankfG. 4, S. 385/9. — 468) X Z. 70. Geburtst. F. v. Esmarchs: IUZg. 100, S. 38. — 469) X W. Krebs,
M. T. Pettenkofer: ib. S. 562. — 470) X F. Kuh, Ausblicke auf e. junge Wissensch.: WeserZg. N. 16798. — 471) K. Lass-
witz, Humor u. Glauben bei G. Th. Fechner (Dr. Mises): VossZgB. n. 6, 8. — 472) Bernh. Krüger, F. X. Gabelsberger.
Allegor. Festspiel. (= Reuters Bibl. für Gabelsberger Stenographen. Bd. 26.) Dresden, Wilh. Reuter. 23 S. M. 0,50, -,
IV 5:473-504 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
feiert, und Stolze, über den Alberti^'^-^ handelt. ^''■*) — Die reine erfinderische
Phantasie aber, von allen technischen Behinderungen frei, zeigt sich in grossen
Mathematikern wie J. Steiner, dessen Leben Cantor*''^) schrieb. ^^^'i) —
Steiner verdankte die ersten Anregungen zu seinen geometrischen Leistungen
der Pestaiozzischen Anstalt in Iferten, So verbindet er uns mit der Pädagogik.
Hamann, den Lettau*''^) mit ostpreussischem Lokalpatriotismus als Geistesver-
wandten des Comenius rühmt und für dessen Bedeutung er Citate sammelt, und
Overberg, von dem A. Richter*'''') Nachricht giebt, vertreten noch den alten
Geist christlicher Schulzucht. — Aber schon ein Mann wie J.H.Steffens kommt nach
Brandes'*'^) Schilderung der Pädagogik der Aufklärungszeit nahe, ohne sie doch
zu erreichen: „Seine Schrift 'Von der Moralität der Schauspiele' (Celle 1746) regt
zu einem interessanten Vergleich mit Schillers ähnlichem Aufsatze an und bringt
den himmelweiten Abstand der ästhetischen Auffassung zweier aufeinanderfolgenden
Zeitalter drastisch zur Anschauung." — Die ästhetische Auffassung ist nun freilich
auch nicht die starke Seite B a s e d o ws*'^) und seiner Nachfolger, wie S a 1 z m a n n *^^)
und T r a p p*^^). — Diese Richtungen aber sind in der Gegenwart wohl fast ganz auf
bestimmte Anstalten beschränkt; von Pestalozzi*^^^ bleibt die neuere Pädagogik be-
herrscht trotz Schleiermacher*^^) und trotz H e r b ar t****). —
Nur als neue Reiser an dem von ihm gepflanzten Baum blühten die Turn-
kunst und die Kindergärtnerei auf, beide auf systematische Erziehung der mensch-
lichen Herrschaft über den eigenen Körper gerichtet, lieber J ah n *^^"***öj epg(>]^gij^gjj
jedes Jahr eine Reihe unbedeutender Aufsätze'*^''), die zu seinem Bilde keine
neuen Züge bringen. — Das erste deutsche Turnbuch, die „Gymnastik für die
Jugend" von Guts Muts, hat darch Lukas**^) Sorge eine Jubiläumsausgabe
erlebt. Das liebenswürdige Büchlein ist hier auch mit seinen charakteristischen
Kupfern geziert; eine knappe Einleitung orientiert ausreichend und anspruchslos. *^^)
— Ueber F r ö b e 1 schrieb Pappenheim 490-4« i), der auch seiner getreuen Schülerin
Bert ha von Marenholtz ein Denkmal setzte. — Ein pädagogischer Specialist,
Stamford, hervorragend als Militärlehrer, wird von Pröhle45>2) geschildert: Mau-
villons Nachfolger, der Erzieher des Prinzen Louis Ferdinand (und Friedrich Wil-
helms IIL), selbst Lyriker im Kreis der Bürger und Goeckingk, lässt er uns so recht
den Abstand zwischen der Zeit der Ewald Kleist und unserer Gegenwart erkennen.
— Von den Gymnasialpädagogen S t o 1 1 , der uns wohl fast alle in die Sagen des
klassischen Altertums eingeführt hat — Koldewey^a») schrieb über ihn — und
K. S t r u V e*^^'») kommen wir mit M a s i u s 494) auf die Universitäten und zu
Virch 0 w s*^^) viel besprochener Rektoratsrede, Sie charakterisiert kurz die Blüte-
zeiten der Philosophie in Halle (S. 14), Königsberg (S. 15) und Berlin: Fichte (S. 16),
Hegel (S. 16/7), Schelling (S. 18) und Friedrich Wilhelms HI. Stellung zur Philosophie
(S. 19). A. von Humboldt (S. 22) bedeutet ihm den definitiven Uebergang in die
naturwissenschaftliche Zeit, die aber doch (S. 29) vor dem Mystizismus nicht sicher
ist. Vielleicht kann sie doch auch die Hülfe von Geschichtsforschung und Philologie
noch fürder gebrauchen.496) — Fichte49''-498) selbst gehört mehr zu den „Volks-
erziehern" als zu den eigentlichen Pädagogen; dagegen ist an Männer wie Stein-
brüchel und Rochholz nochmals zu erinnern (s. o. N. 359, 390). —
Pädagogen und oft Volkserzieher wollen auch die besseren Journalisten
sein. Eine ganze Reihe von Uebersichten von Franck499), Mähly ^oo-50ij u. a.
handelt über die Presse im allgemeinen oder einzelne Seiten derselben. ^os'j — Specieller be-
handelt Osk. Lehmann ^03j ^{q deutschen moralischen Wochenschriften des 18. Jh.
als pädagogische Reform Schriften. 504-) — Auch dies Jahr hat ein Paar Zeitungs-
473) B. Alberti, W. Stolze: ADB. 36, S. 425/8. - 474) X E. Erfindergenie (v. Drais): StrassbPost. N. 275. - 475) M.
Cantor, J. Steiner: ADB. 35, S. 700/3. — 475a) X ^'- Stieda, Wilh. Strnve: ib. 36, S. 693/8. — 476) Lettau, J. G.
Hamann als Geisterverwandter d. Comenius: MhComeniusG. 2, S. 201-13. — 477) (I 6 : 56.) — 478) F. Brandes, J. H. Steffens:
ADB. 35, S. 558/9. - 479) X (I 6 = 44.1 — 480) X N. Anastasiu, Salzmann als Erzieher. Diss. Leipzig. 1892. 53 S. —
481) X A. Gündel, Leben n. Wirken E. Chr. Trapps. Diss. Leipzig. 1892. 53 S. (Vgl. JBL. 1892 I 10:49.) - 482) X
(I 6:48.) — 483) X P- Diebow, D. Pädagogik Schleierraachers im Zusammenhange mit seiner Philos. n. d. Bildungs-
bestrebungen seiner Zeit. Diss. Halle a. S. 31 S. — 484) X d 6:49.) — 485-486) X M. Ring, F. L. Jahn: NatZg». N. 10/2.
— 487) X Stammbuchbll. F. L. Jahns: BurschenschBll. 7 (S.-S.\ S. 169-71. — 488) J. C. F. Guts Muts, Gymnastik für d.
Jugend, ünveränd. Ausg. d. ersten. 1793 erschienenen Aufl., veranst. v. G. Lukas. Wien u. L., A. Pichler. XVII, 258 S.
Mit 11 Taf. M. 2,00. (Vgl. anoh I 6:14.) — 489) X K. Waasmannsdorff , Guts Muts 1793-1893, D. Kupfer u. Einiges
V. Texte d. 1. Turnnnterrichtsbuches d. Welt, „Schnepfenthal 1793". Mit e. turngesch. Einl., e. Facs. d. Hs. Jahns in Schnepfen-
thal, d. Idealturnplatz Basedows v. J. 1771. L. (E. Strauch). 16». 43, XXIV S. u. S. 139-57. M. 0,80. - 490) (I 6 : 53a.) -
491) E. Pappenheira, Bertha Freifrau v. Marenholtz, geb. v. BOlow: YossZgB. N. 12. — 492) H. Pröhle, H. W. v. Stamford:
ADB. 35, S. 24/6. — 493) F. Koldewey, K. W. Stell: ib. 36, S. 401/2. — 493a) X (1 6:74.) - 494) X H. Masius :
IllZg. 100, S. 603/4. — 495) X (I 6:90.) — 496) X E. Haufe, Freidenkertum u. Pädagogik: KBlDFreidenkerbund. 9, S. 91/3.
- 497) X Neufeld, Fichtes Plan e. Nationalerz.: PommerscheBll. 17, S. 121/3, 130/1. - 498) X W. Fricke, Fichtes Reden
an d. dtsch. Nation u. ihr Verhältnis z. Gegenw.: AkBll. 8, S. 16/8. 499) A. Franck, Reformateurs et publicistes de
I'Europe: Ath. 2, S. 415/6. — 500-501) J. Mähly, D. öffentl. Presse: SohwRs. 1, S. 717-29. - 502) X 0- J- Bierbaum,
Moderne Pamphletschreiberei: FrB. 4, S. 1.3303. — 503) (I 6:250; III 5:49.) — 504) X E. V. Zenker, Gesch. d. Wiener
Journalistik während d. J. 1848. E. Beitr. z. dtsch. Kulturgesch. Wien, Braumüller. XI, 159 S. M. 4,00. |[LCB1. S. 479-80;
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : öos-öis
biographien gebracht. Der Bericht der Weser-Zeitung- von Lindemann^'>^)
hat nach dem ersten Redakteur, Arens, den Shakespeareforscher Delius, den Bremer
Senator und Dante-Üebersetzer Gildemeister, den Dichter des Mirza Schaffy, Bodenstedt,
den Historiker Frese und den Generalpostmeister Stephan unter den Redakteuren
und Mitarbeitern zu nennen. — Die „Neue Zeit"^*^*), die socialdemokratische Revue,
hat eine nicht weniger stattliche Reihe von Namen aufzuweisen, allerdings nur, indem
sie sich als direkte Fortsetzung ähnlicher Unternehmungen giebt: der „Deutsch-fran-
zösischen Jahrbücher", der „Neuen Rheinischen Zeitung" u. a. Hier werden Marx,
Rüge, aber auch Freiligrath erwähnt und bei Besprechung anderweitiger Tendenzen
Weitling und Kinkel beurteilt. ^o'-so«) — Kraus^^g-sioj giebt Auszüge aus dem
hochkonservativen „Volksblatt für Stadt und Land" unter der Leitung des eifrigen
Tippeiskirch und des talentvolleren Florencourt. — Brunold^*') erinnert an eine
vergessene Zeitschrift mit dem lustigen Titel „Laufen Sie doch nicht so!" —
Wir kommen zu den einzelnen Journalisten. Einen interessanten Brief
Schub arts teilte Erich Schmidt-"*''^) mit. — Aber ein Gegner Schubarts hat von
allen deutschen Journalisten zuerst eine wissenschaftliche Biographie erhalten.
Böhms^iäj „Ludwig Wekhrlin", trotz Vaihingers Kant-Kommentar und Kuno
Fischers „Schopenhauer" wohl das meistbesprochene Buch des Berichtsjahres auf unserem
Bezirk, hat die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf einen fast ganz Vergessenen zu
lenken gewusst. Das ist schon kein geringes Verdienst; ein grösseres ist es, dass
B. von dem abenteuerlichen Leben und der zerflatternden Thätigkeit Wekhrlins zum
ersten Mal ein zuverlässiges Bild giebt. Die Schwierigkeiten waren nicht gering,
nicht bloss weil Wekhrlins Schriften und Briefe selten sind, sondern besonders auch,
weil er selbst durch allerlei Flunkereien (vgl. z. B. S. 37, 106-51, 190, 199, 202)
seine Spur verdunkelt hat. Mit emsigem Fleiss ist sein neuer Biograph den Quellen
nachgegangen, w^ährend die früheren, wie er selbst spottet, „mit mehr deutscher Treue
als deutscher Gründlichkeit" (S. 42) einer den anderen ausgeschrieben hatten. In der
Ausdeutung von Anspielungen oder vermeintlichen Selbstzeugnissen ist B. mit Recht
sehr vorsichtig gewesen; doch hat er sie gelegentlich (S. 31) sehr glücklich zur Auf-
hellung dunkler Stellen verwandt. Nie hat er es sich aber erlaubt, Lücken unserer
Kenntnis durch freie Phantasien auszufüllen, wie es besonders der unglückliche
Ebeling thut, der für Wekhrlins Haft auf Hochhaus einen vertrauten Umgang mit
dem Fürsten von Wallerstein erdichtete (S. 210/1). Auch ist B. sicher im Recht,
wenn er aus einem Artikel Wekhrlins, den Ebeling für eine überströmende Satire
erklärt hatte, vielmehr eine ernste Philippika gegen die Tierquälerei herausliest
(S. 265). Sonst möchten wir seine Auffassung des abenteuernden Publizisten, die
sich übrigens grosser Objektivität befleissigt, nicht immer teilen; mit Recht hat ein
Recensent getadelt, dass B. dem „Boheme" und seinen übermütigen Erfindungen und
Gelegenheitsfinten mit allzuviel Ernst gegenübertritt. Wekhrlin hatte nicht umsonst
einen Tropfen des berühmten Ludwigsburger Blutes in den Adern und der Verwandte
Mörikes (dessen Mutter als Kind den alternden Mann bezauberte, s. S. 275) hat gewiss
oft, mehr mit naiver Erfindungslust als mit böser Absicht, seine Arabesken von
grossen Gönnern und schönen Aussichten hingemalt. „B.", sagt jener Recensent zu-
treffend, „nimmt das freie Spiel der Phantasie, die renommistischen Aufschneidereien,
hinter denen sich bald ein ganz bestimmter Zweck verbirgt, bald nur die Lust am
Fabulieren steckt, halb und halb auf Treu und Glauben hin. Er hat keine richtige
Empfindung für das Jägerlatein seines fahrenden Journalisten, für das Gemisch von
ehrlicher Ueberzeugung und opportunistischer Anschmiegsamkeit, für die kleinliche
Spiessbürgerei und grossmäulige Renommage, für das Versteckenspiel hinter schlank-
weg angemasstem, falschem Adelsprädikate und Beamtentitel, welche Wekhrlin vor
den kleinstaatlichen und kleinstädtischen Behörden ein Lustre geben mussten, für
des Mannes grosses Pumpgenie, der dabei als ehrlicher Arbeiter im Schweisse des
Angesichts mit der Feder sein Brot verdiente." „Ebenso wenig arbeitete B. den be-
deutenden Publizisten aus seinem Milieu, aus der entsetzlichen politischen Misere
der damaligen Zwergstaaterei im Deutschen Reiche entsprechend heraus." Muss ich
diese Worte auch als eine zutreffende Berichtigung und Ergänzung des von B. g*e-
zeichneten Bildes gelten lassen, so fordert doch die Gerechtigkeit, hinzuzufügen, dass
B. direkt zwar wenig, indirekt aber mehr als irgend ein Vorgänger für das Ver-
ADA. 19, S. 79-85; Grenzb. 1, S. 1023.]l - 505) M. Lindemann, E. Rückbliclc auf d. Gesch. d. We^erZg.: WeserZ?. N. 16913 4.
— 506) Z. lOj. Bestand d. „NZ": NZ. 1, S. 1-11. — 507 1 X B- W., Aus d. Zeitung vor 10) J.: NFPr. 19. Jan. - 508) X
G Bujard, Aus d. Tagebuch e. Provinz-Zeitung. 1843-90. E. Beitr. z Gesch. d. Zeitung-swesens. Neuenburg (L. G. Fock). 32 S.
M. 1.50. — 509) 0. Kraus, D. Volksbl. für Stadt u Land unter F. v. Tippelskirch : KonsMsohr. S. 129-4% 241-56. - 510)
id., D. Volksbl. für Stadt u. Land unter F. v. Florencourt: ib. S 369-85, 481-99. — 511) F. Brunold, „Laufen Sie doch
nicht Bo!" Erinnerung an e. vergess. Zschr. : Bär 19, S. 284 5. — 512) Erich Schmidt, Brief Schubiirts an Prof. Nast;
Brief Franziskas v. Hohenheim. Mitteilung in GDL. (März): DLZ. S. 13701. — 513) (I 4:134.) |[K. Th. Heigel: DLZ.
8. 1361; Presse N. 147; E. Wasserzieher: COIRW. 21, S. 572; DPBl. 26, S. 184: H. A. Lier: BLÜ. S. 595 6; DRs. 77,
S. 319; LZgB. N. 80; G. Grnpp: HPBU. 112, S. S81-96; KonsMschr. S. 1032/3; LCBl. S. 1181; Didask. N 133; 0. Krack:
IV 5:514-531 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
ständnis von Wekhrlins Wesen und seines Milieus gethan hat. Die Briefe, die er
mitteilt, zeig-en das g-utmütig-leichtfertige Herz des schwäbischen Aufklärers so an-
schaulich, wie etwa das Ratsprotokoll (S. 78) den Glanz kleinstädtischer Senate.
Zahlreiche Proben aus Wekhrlins Zeitschriften illustrieren sein Verhältnis zu den
grossen Zeitfragen, zu Josef IL (S. 55) und der französischen Revolution (S. 260/1).
Zu wenig erfahren wir von seinen Mitarbeitern (S. 248), unter denen nur Bahrdt und
der „Zopfschulz" genannt seien ; zu wenig auch von seinen Gegnern und Konkurrenten :
nur mit Schubart sehen wir ihn (S. 236) im Konflikt. Von seinen Freunden hätten
Jung Stilling (S. 227), Sailer (S. 344, 246) und vor allem der Ritter von Lang eine
genauere Betrachtung verdient; des letzteren Angaben über seinen Fürsten werden
(S. 178) mit zweifelhafter Berechtigung bestritten. Im allgemeinen aber hütet sich
B. allzu ängstlich über das direkt Biographische hinauszugehen. Dies bringt freilich
immer noch mancherlei Seitenblicke mit sich: wir hören, wie der gescheite Publizist
über van Swieten (S. 34) und über den „Kardinal-Patriarch von Zürich", Lavater
(S. 129), urteilt, wie seine Bibliothek aussieht (S. 103, 171), und dass er Wielands
Büste als Schmuck der armseligen Wohnung aufstellt (S. 103); wir begegnen dem um die
Leibnizforschung hochverdienten Dutens (S. 39) und lesen eine interessante Ver-
fügung Hardenbergs zur Pressfreiheit (S. 299). Auch ist es nicht uninteressant, zu
hören, dass 1780 in Nördlingen der „Clavigo" mit dem Nebentitel „oder: Wie der
innerliche Schmerz töten kann" aufgeführt wurde (S. 169), oder dass der Prediger
Lang, des Ritters Oheim und Pflegevater, einer Predigt die Ueberschrift gab: „Die
Pflicht des christlichen Menschenfreundes, anderen gern einen vergnügten Abend zu
machen" (S. 233). Wekhrlins Sprache scheint der Eigenheiten nicht zu ermangeln
r„mutter - blitz - nackt" S. 229), aber B. versäumt sie zu würdigen; und doch hätte
diese Aufmerksamkeit ein Autor verdient, der vielleicht Goethen einen vielcitierten
Vers an die Hand gab („Ich mag die Hirtendichter nicht — sie verderben mir die
Natur" S. 222). Solche Ausstellungen entheben uns aber keineswegs der Pflicht,
für ein lehrreiches, sorgsames und (trotz dem furchtbaren Genetiv „eines Anachronis-
musses" S. 178) gutgeschriebenes Buch zu danken. B.s Werk gehört gewiss zu den be-
merkenswertesten Bereicherungen unserer Kenntnis von der „kleinen Litteratur" unserer
klassischen Zeit; und was etwa Nördlingen einst an Wekhrlin gesündigt hat, das
hat ein Sohn der alten Reichsstadt mit dieser Arbeit gesühnt, und ein Nachkomme
von Wekhrlins Nördlinger Verleger hat das mit zwei hübschen Porträts geschmückte
Buch würdig ausgestattet.
Eine der vielen Fortsetzungen von Wekhrlins Zeitschriften, das „Neue
graue Ungeheuer", brachte als Begleiter eine Schmähschrift auf Chemnitz mit, über
die, wie über die schwache Widerlegung, die Lessings Bruder Joh. Theophilus
ihr angedeihen liess, Uhle^'^) mit ausführlichen Proben berichtet. — Auch Saphir^*^)
ist mehr Pamphletist als Journalist. — Aber der Oesterreicher Spors chil, über den
Wegele^^^) berichtet, und der Bremer S piker, von dem Pröhle^*'') handelt, sind rechte
Journalisten ; der letztere war als Mitglied des dramaturgischen Komitees am Berliner
Schauspielhaus und als Redakteur der Spenerschen Zeitung längere Zeit nicht ohne
Einfluss. Beide haben auch Uebersetzungen geliefert. — Eine ähnliche, nur noch
selbständigere Stellung hatte Streit in Breslau, dessen Theaterverwaltung Holtei
(nach Grünhagen s^'^) Nachricht) höchlich lobte, und der den Schlesischen Provinzial-
blättern eine hervorragende Bedeutung sicherte. — Dagegen hat Stegmann, über
den Petz et ^1^) schreibt, der „Allgemeinen Zeitung" noch nicht auf die Höhe ver-
helfen, die sie später erreichte. — Der altkatholische Publizist Stumpf^^"), der
deutschamerikanische Journalist Raster ^^i-j^ (jer Wien-Berliner Tagesschriftsteller
Wechsler^22-) haben es zu grösserer Bedeutung nicht gebracht, Steinmann, der
fingerfertige Litterat, den Fränkel^^^) zu besprechen hatte, kam nur durch seine
Heine-Fälschungen zu schlimmem Ruf. — Dagegen erhebt Schmidt-Weissen-
f el s^24-525^^ (jej. Biograph Freiligraths, der Historiker der Berliner Parlamente, sich
schon zu grösserer litterarischer Bedeutung. — Spitzer aber, den neben anderen^^e-sis^
Erich Schmidt 529^ ^j^^j Speidel^^o) würdigten, hat mit Recht in der ADB., wo
ihn Frank eP^ij behandelte, Aufnahme gefunden als einer der ersten Feuille-
NatZg. N. 729; KZg. N. 565; FränltKnr. N. 270.] I — 514) P. Uhle, E. Schraähscbr. auf Chemnitz ans d. vorig. Jh. mit Er-
widerung V. J. Th. Lessing. {— I 4:385, S. 51-73; vgl. I 6: 12.) — 515) X M. Gt. Saphirs Bibl. gegen Liingeweile. 11 Bde.
(Einzel-Ansg. d. ausgew. Schriften.) Brunn, Karaflat & Sohn, ä M. 1,20. (1. Romane, Novellen. [255 S.] — 2 Blüthen. [248 S.]
— 3. Humorist. Allerlei. [252 S.] — 4. Humorist. Bll. [252 S.] — 5. Humorist. Vorlesungen. [252 S.] - 6. Humorist. Plaudereien.
[252 S.] — 7. Ernste DeWamationsgedichte. [235 S.] — 8. Heitere Deklamationsgedichte. [316 S.| — 9. Litt.-artist. Plaudereien.
[252 S.] — 10, Aphoristisches, Memoiren. [234 S.] — 11. Wilde Rosen, Liebesgedichte an Hertha u. Mathilde. [127 S.]) — 516}
F. X. Wegele, J. Ch. Sporschil: ADB. 35, S. 277/8. — 517) H. Pröhle, S. H. Spiker: ib. S. 164,6.- 518) C. Grünhagen,
K. K. Streit: ib. 36, S. .564/5. — 519) C. Petzot, K. J. Stegmann: ib. 3"), S. 564/5. — 520) X F. H. Reusch, Th. Stumpf:
ib. 36, S. 756/7. — 521) X F. Schupp, E. dtsch.-amerik. Journalist (Raster): BerlTBl. N. HO. - 522) X E. Wechsler:
FZg. N. 192. — 523) IV 4 : 89: 11, : 56. — 524) X Ed. Schmidt- Welssenfeis. E. Nachruf: BerlTBl. N. 209-10,
212. — 525) X L. Salomon, Ed. Schmidt-Weissenfels: lUZg. 100, S. 490. — 526) X I>- Spitzer: NFPr. 12. Jan.
— 527) X D. Spitzer: UlZg. 100, S. 130. - 528) X D.Spitzer: Ath.44,S.89. — 529) Erich Schmidt, D. Wiener Spazier-
gänger: VossZgU. N. 4. — 530) L. Speidel, D. Spitzer: NFPr. 15. Jan. - 531) L. Fränkel, D. Spitzer: ADB. 36, S. 785/6.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 53:^-548
tonisten Deutschlands und in seiner, speciell vom Jungen Deutschland eingeführten
Form Heines letzter Erbe. —
Politiker sind schon alle diese Journalisten; aber doch eben immer mehr
an der schriftstellerischen Verbreitung der politischen Gedanken beteiligt als an
ihrer Umsetzung in die Praxis. Dies aber ist es, was den Politiker von Beruf, den
Staatsm ann, macht. Freilich kann ihm leicht der Weg zur Praxis verlegt
werden, so dass er in die journalistische Bahn geworfen wird. So ging es F. K.
von Moser, dessen vielfach an die moderne Demokratie erinnernde Lehren R. M.
Meyer532J (hauptsächlich auf Grund des „Herrn und Dieners") schilderte, während
L ö b e 1 1 ^^^) Mosers Gegner Merck als politischen Autor behandelte ; er analysiert
dessen Schrift gegen den hessischen Minister und sucht Mercks Gehässigkeit zu
motivieren oder doch zu entschuldigen. — Bei anderen bringt gerade das Amt eine
publizistische Thätigkeit mit sich, wie bei dem hannoverschen Juristen Strube, den
F r e n s d 0 r f f ^34^ Q^g vorführt. — Recht in die Mitte der josefinischen Periode führen
Karl Friedrich von Baden, denFunck^^^) in La vaters Physiognomischen Fragmenten
aufsucht, und Struensee, dessen wechselvolle Laufbahn Wittich ^3^) uns vorführt. —
Für uns ist er schon als Held von M. Beers Trauerspiel von grösserem Interesse als
sein (durch von P etersdorff^^'') beurteilter) Bruder, der preussische Minister,
Th. von Schöns Gönner, aber (wie Friedrich Wilhelm III.) aller „Poesie" abgeneigt
und nur an Lichtenbergs Prosa Behagen findend. Auch er hatte als Lehrer der
Kriegskunst begonnen, ohne es darin zu solchem Ruhm zu bringen wie Stamford.
oder gar Erzherzog Karl^^^'^^^). — Zu den Höfen führen uns auch die beiden
(von Sam wer ^*ö"^4i) geschilderten) Stockmar. Der ältere hat wie Struensee sich vom
Arzt zum Vertrauten von Fürsten erhoben; das Amt aber, das jener leichtsinnige
Abenteurer schnöde missbrauchte, hat er nur immer im höchsten Sinne ausgenutzt.
Sein weniger bedeutender Sohn, der Privatsekretär des späteren Kaisers Friedrich,
hat wie der Vater stets zu litterarischen Kreisen Beziehungen gehabt; er war mit
G. Freytag und Heinrich Rückert befreundet und H. Hettners Schwager.^^^j _ ^Is
Diplomat von geringerer Geltung hat Bamberg^*^"^^*), Hebbels Freund und der
Herausg'eber seines Nachlasses, um die Litteraturgeschichte noch direktere Verdienste.
— Das Leben des Schweizer Staatsmanns A. R. von Planta, durch P. C. von Planta^*^)
geschildert, berührt den Litterarhistoriker insofern, als es die alte Tradition der
schweizerischen Aufklärer in ungebrochener Kraft zeigt. Wie diese Iselin, Bonstetten
und Zschokke (den man ja doch den Schweizern zurechnen darf), wie auf der Gegen-
seite Haller, üsteri und Bitzius, vereinigt Planta in sich den politischen Partei-
führer, den wirtschaftlichen Reformer und den grossen, allgemeinen Interessen zu-
gewandten Schriftsteller. Die grosse Rede (S. 69—70), die schönen Worte über die
politische Aufgabe der Schweiz (S. 61), das Revisionsprogramm (S. 49—50) und die
,, Bauernrede" (S. 79) zeigen die parlamentarische Beredsamkeit der Schweiz auf un-
verächtlicher Höhe, während die Klagen über den Bureaukratismus (S. 73) beweisen,
wie eine ringsum iDcklagte Exklusivität des Beamtentums selbst in der alten Bauern-
republik Wurzel fasst. Auch für das „Milieu", innerhalb dessen der grosse Stadt-
schreiber von Zürich seine reifen Werke schrieb, hat dies einfach und schlicht in ur-
kundlicher Form gegebene Bild eines Mannes Bedeutung, dessen Heimat und Familie
gleichzeitig auf den Boden des „Georg Jenatsch" führt und somit auch zu dem
zweiten bedeutenden Schweizerdichter unserer Tage. —
Von diesen Staatsmännern gehen wir zu den Agitatoren über, deren
Reihen E. M. Arndts ruhmvoller Name eröffnen solP*^). Die neue Auswahl seiner
Werke schreitet fort.^*"') — Zu den wertvollsten Gaben, die das Berichtsjahr uns ge-
bracht hat, gehören jedenfalls die von Meisner^*^) veröffentlichten und erläuterten
Briefe an Johanna Motherby von Wilhelm von Humboldt und Arndt. Der grösste
Teil fällt in die Jahre der Befreiungskriege; man sollte meinen, da wäre für jene
beiden mächtigen Führer der nationalen Bewegung keine Zeit gewesen zum „buch-
stabieren in Liebes-Fibeln, tändelnd grübeln nur am Liebeln, müssig liebeln fort im
Grübeln." Dennoch kennzeichnen gerade diese Worte Arndts Briefe am treffendsten.
— 532) B. M. Meyer, E. frommer Demokrat: VossZg». N. 24. — 533) R. Löbell, J. H. Merck als Vf. d. Anti-Necker u.
F. K. ?. Moser: QBllHVHessen. 1, S. 256-91. - 534) F. Frensdorff, D. G. Strube: ADB. 36, S. 635,9. — 535) H. Funck,
Karl Friedrich t. Baden in Laraters Physiognom. Fragmenten: ZGORh. 8, S. 1324. — 536) K. Wittich, J. Fr. v. Struensee:
ADB. 36, S. 647-61. — 537) H. v. Petersdorff, K. A. t. Struensee: ib. S. 661 5. — 538) X Karl, weil. Erzherz. v. Oesterr.,
Ausgew. Schriften. Her. im Auftr. seiner Söhne, d. Herren Erzherz. Albrecht u Wilhelm. 2 u. 3. Bd. Wien, Braumäller.
VII, 415 S.; VI, 432 S. M. 7,00; 7,50. HPresse N. 123, 266.]| — 539i X W., Aphorismen vom Erzherz. Karl t. Oesterreich:
ÜLBI. 2, S. 134/6. — 540) H. A. F. Samwer, Chrn. v. Stockmar: ADB. 36, S. 295-305 —5411 id., E. A. Ch. Frhr. v. Stockmar:
ib. S. 305-15. - 542) X Moltke als Schriftsteller: Didask. N. 280. - 543) X ^ Bamberg: BerlTBl. N. 88. — 544) X F.Bam-
berg: AZgB. N. 40. — 545) P C. V. Planta, A. R. ?. Planta. E. republikan. Staatsmann. Zürich, Inst. Orell Fössli. 170 S.
M. 2,00. — 546) X E- M. Arndt, D. Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze. Neudr. d. Leipziger Ausg.
V. 3. 1813. Düsseldorf, Silbermann. 92 S. M. 0,40. — 547) id., Werke. 1. einheitl. Ausg. seiner Hanptschriften bearb. t.
H. Rösch. 2. Bd. L., Pfau. VI, 216, 172, 23 S. M. 3,00. |[A. Preybe: KonsMschr. 3. 122;3.J[ - 548) (IV 1 c : 22.) —
Jahresberichte f&r neuere dentsche Litteratargesohichte. lY. (4)19
IV 5:548 550 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Nicht so Humboldts; bei aller Schwärmerei bleibt er auf die Unabhäng-igkeit, die er
sich selbst nachrühmt und in höchst bezeichnenden Worten (S. 54) beschreibt, be-
dacht, und lehrhaft ist Charlotte Diedes Korrespondent auch hier (S. 43), obwohl
Varnhagen mit Recht meinen konnte, man würde Humboldt aus diesen Briefen ganz
anders kennen lernen als aus jenen allbekannten (S. 5). In der That sagen die vier
Briefe, die allein von Humboldts Briefwechsel mit Johanna Motherby, der Gattin
eines Königsberg-er Arztes, erhalten sind, mehr als ein halbes Hundert Forsterbriefe.
„Es ist nicht notwendig, glücklich zu sein, aber unerlässlich, seine eigentliche, tiefe
Bestimmung zu erfüllen; auch der Seidenwurm mag nicht glücklich sein, wenn er
sich einspinnt, aber es giebt ein Gefühl, das weit mehr als Glück ist, die Ruhe der
"Wehmut, und die geht allemal aus der Erfüllung der Bestimmung hervor. Die Be-
stimmung aber ist in jedem Menschen eine eigne" (S. 48). Diese Worte geben das
Losungswort zu Humboldts ganzem Leben, und sind für ihn deshalb nur um so mehr
charakteristisch, weil sie gleichzeitig eine Reminiscenz an Goethes Tasso und eine
Ermahnung an die Freundin in sich schliessen. Geben aber schon die wenigen
Briefe Humboldts eine wichtige Bereicherung unserer Kenntnis von ihm und zugleich
einen dankenswerten Zuschuss zu dem litterarischen Nachlass dieses Meisters im
Briefstil, so sind die zahlreichen Briefe Arndts ein grosser ungeahnter Schatz. An
Leidenschaftlichkeit und Innigkeit könnte man sie fast Goethes Briefen an Frau
von Stein vergleichen; auch die wunderbar individuellen Anreden kehren wieder:
„Kleine Süssigkeit" (S. 95), „Mein kleines süsses romantisches Pipvögelein der Mitter-
nacht" (S. 130), „Mein Blumenseelchen und Sternenseelchen" (S. 201). Wir sind, wie
schon diese Proben zeigen, mitten inne in der Romantik, und auch ihr tiefster Zug,
die Sehnsucht nach Auflösung und Vergehen, kehrt wieder (S. 117, 129). Dennoch
trennt den tapferen Kämpfer eine weite Kluft von den Brentano und Friedrich
Schlegel: Es ist das leidenschaftliche Pflichtgefühl, das ihn beseelt (S. 129, 161).
„Dass mich das Leben doch nie matt und faul machte"! (S. 87) — hätte das der
Autor der Lucinde rufen können? Und so kämpft Arndt auch tapfer gegen|die Ver-
suchung (S. 139, 201); er findet das köstliche Wort: „Es ist Sünde, dich zu lieben,
doch grössere Sünde, dich nicht zu lieben" (S. 155). Wie wir ihn hier mit dem
mächtigen Eindruck einer heissen Liebe ringen sehen, so zeigen andere Briefe ihn
unter der vorübergehenden Ansteckung des im Kreise der Frau von Krüdener
herrschenden Tones (S. 156); andere berichten über die Anfänge der Universität Bonn
(S. 208), über die Demagogenhetze (S. 213), über sein häusliches Glück: „In meinem
Hause wimmeln und tosen jetzt fünf kleine Buben umher, feines lebendiges Volk,
was aber Mühe macht und auch etwas Bedrängnis bei knapp zugeschnittenen Umb-
ständen (sie). Indessen wünscht sich doch jeder dergleichen Kräuter und Sprösslein"
(S. 223). Ein glückliches Schicksal führte den wackeren Reichsherold doch aus den
Netzen der kleinen dunkeläugigen, schwarzlockigen „Furia" in ein gefestetes eigenes
Heim ; sie aber gewann noch zweimal bedeutende Männer für ihr Herz : den Chirurgen
Dieffenbach (den ich immer für das Modell des Arztes in der „Letzten Recken-
burgerin" gehalten habe) und den Shakespeare-Uebersetzer Kauffmann; in inniger
Gemeinschaft mit einer anderen verlassenen Dichtergeliebten, mit Elise von Ahlefeld,
hat sie ihre letzten Tage verbracht und Varnhagens Huldigung empfangen. Man
sieht also, dass diese Briefsammlung ausser dem litterarischen Wert vieler, ja fast
aller Stücke, ausser ihrer Bedeutung für Humboldts und Arndts Biographie noch
weiterhin für die Litteraturgeschichte der Restaurationszeit fruchtbar ist. Die Heraus-
gabe ist mit all der Sorgfalt und Geschicklichkeit geschehen, die man von M. ge-
wohnt ist; die Ausstattung ist hübsch, die Korrektur hätte noch etwas sorgfältiger
sein können.549^ —
Mit Arndt, den die Demagogenhetze zum Opfer der Reaktionszeit machte,
und den noch bei Heinrich Leo weder das Alter noch der verdiente Ruhm vor
Beschimpfung schützen konnte, treten wir in die Aera der Verfassungskämpfe
ein. Zum hundertsten Geburtstag Sylvester Jordans hat Schaefer ^^<') „Lesefrüchte"
aus seinen „Wanderungen" mitgeteilt. Die „W^anderungen aus meinem Gefängnisse"
sind kein uninteressantes Werk, nicht bloss als politisches und kulturhistorisches
Monument, sondern auch in litterarhistorischer Hinsicht. Zwei litterarische Traditionen
kreuzen sich in ihnen: die „politischen Reisen", deren bekanntestes Beispiel Längs
Hammelburger Satiren sind, und die „Reisen im Zimmer", für die Xavier de Maistre
der Klassiker geworden ist. Diese Beziehungen jedoch wie auch die interessante
Frage nach dem Verhältnis von Jordans Buch zu E. M. Arndts „Wanderungen aus und
um Godesberg" (1844) hat der von Mollat beratene Aehrenleser am Boden liegen
lassen. Ihnen nachzugehen war er ja auch nicht verpflichtet, aber wohl mit seiner
549) XCl. Th. Perthes, Fr. Perthes Leben nach dessen schriftl. u. mündl. Mitteilnngen anfgezeichn. 3. Bd. 7. Anfl. Gotha,
Perthes. VI, 588 8. M. 7,00. |[ThLBl. 14, S. 149.]| - 550) Fr. Schaefer, Lesefrüchte aus Sylv. Jordans „Wanderungen.«
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 •. 551-5-3
Auslese doch einig-ermassen ein Abbild des ganzen Werks zu geben. Leider sind
die ausgewählten Stellen weder an sich hervorragend noch bezeichnend. Auch
hätte mindestens Ein grösserer Abschnitt, etwa der köstliche über die „bestellte
Konstitution" mitgeteilt werden sollen. Diese disiecta membra hier werden den
armen Absj^rtus nicht wieder lebendig machen. — Das „böse Prinzip" Hessens,
Hassenpflug, uns noch als Schwager der Brüder Grimm interessant, schildert von
Sybepsij jnit gewohnter Meisterschaft. — Wie anders als der Freund Vilmars
fasste ein Bunsen, von Beyer als Vorläufer des evangelischen Bundes gefeiert ^^2^^
die Aufgabe des christlichen Staatsmanns auf oder gar Stahl, der gerade in unseren
Tagen (durch Treitschke und andere) wieder aufs Schild gehobene Lehrer des
konservativen Rechts und des Rechts der Konservativen. Landsbergs ^^3) vor-
zügliche Biographie weiss Stahls Standpunkt wohl von dem eines J. de Maistre oder
L. von Haller zu scheiden (S. 394) und stellt ihn und Bunsen als „die beiden Typen
des religiösen Charakters in vollendetem Gegensatz" neben einander (S. 397) : „Es ist
der Kampf des starr theokratischen reinen Verstandesmenschen von felsenfester Ueber-
zeugung mit dem tiefreligiösen Gemüte voll idealen Schwunges und humaner all-
seitiger Bildung." Auf eine vortreffliche Analyse seiner wichtigen Vorträge über
„die Parteien in Staat und Kirche" folgt eine glänzende Schlusscharakteristik (S. 400):
„Bürgerlich einfach in seinen Sitten, peinlich höflich gegen jedermann, fein und
liebenswürdig im näheren Umgang und von unermüdlichem Fleiss; in gewählter
schwarzer Kleidung den Eindruck des vornehmen juristischen Professors demjenigen
des Geistlichen annähernd; ohne Pathos, aber mit scharfer Stimme redend, — so
bildete der ein stilles und glückliches Familienleben führende, kleine, zarte, den
Typus seiner Abstammung in der äusseren Erscheinung deutlich aufweisende Mann
gegen die Mitglieder der Partei, deren führender Geist er zu Lebzeiten gewesen
und deren geistiger Heros er geblieben ist, einen Gegensatz von geradezu welt-
geschichtlicher Ironie. Er selbst scheint nichts derart empfunden zu haben — in
dieser unerschütterten Sicherheit lag ein guter Teil seiner Kraft." — Vergleicht man
mit diesem Mann des Prinzips einen stürmischen Parteigänger wie Kleist-Retzow ^^*),
so erscheint er kaum weniger als Revolutionär als ein Struve, dem auch ein Gegner,
wie sein Biograph Wipp er mann 55S), „Mut und Wahrheit im Kampfe für sein Ideal"
nachrühmen muss. Jedenfalls wäre es schwer festzustellen, auf welcher Seite man
sich weiter von dem „Rechtsboden" entfernte, den der alte „Kammerliberalismus"
so streng festhielt ; einen Vertreter , den Braunschweiger K. Steinacker , schildert
sein Sohn Ed. Steinacker ^^e-ssi^^ _
Als die Verfassungskämpfe im „Konflikt" ^^8) eine neue Schärfe erfuhren,
hatte daneben sich schon ein neuer stärkerer Gegensatz geregt: der der social-
politischen Anschauungen. Die wohlthätige Finanzpolitik des alten preussischen
Beamtentums ^^9) genügte nicht mehr den Forderungen des „vierten Standes".
Marx 560-562J und Engels ^63-566)^ (jie n^^ durch üebersetzungen auch in England
und Italien socialistische Klassiker werden s^'), bauten die Theorien auf, die
Lassalle 568-569) in die Agitation einbrachte. — Zu ihnen tritt Lothar Bucher ^''o-s^sj
in Beziehungen, zu dem Historiker Marx und dem Redner Lassalle gesellt sich ein
vortrefflicher Schriftsteller. Aber die Auswahl von Buchers kleinen Schriften
politischen Inhalts, die sein Bruder veranstaltet hat^'S), lässt das Merkwürdigste an
Bucher, seine Entwicklung vom alten Achtundvierziger zur „rechten Hand Bismarcks",
nicht erkennen, weil sie fast ausschliesslich Schriften aus seiner späteren Epoche
bringt. Eigentlich zeigt nur die „Vertheidigungsrede" von 1850 (aus England
geschrieben) noch den Unbekehrten. Dennoch ist die Sammlung mit Dank zu
Kassel, G. Th. Fischer & Co. 20 S. M. 0,40. — 551) H. v. Sybel, H. D. Hassenpflug: HZ. 71, S. 48-67. |[F. Seelig:
Hessenland 7, S. 213 6.1| — 552) X E. Beyer, Chr. C. J. v. Bunsen, d. Vorläufer d. evang. Bundes (JBL. 1892 lY lh:121):
ThLBl. 14, S. 147. — 553) E. Landsberg, F. J. Stahl: ADB. 35, S. 392-400. — 554) X M. Gensichen, Hans v. Kleist-
Betzow. Lebensbild. Vortr. B., Vaterland. Verlagsanst. 24 S. Mit Bild. M. 0,30. |[ThLBl. 14, S. 220.]| - 555) C. Wipper-
mann, G. V. StruTe: ADB. 36, S. 681/7. — 556) Ed. Steinacker, K. Steinacter: ib. 35, S. 676-81. — 557) X K. E. Raab,
H. T. Raumer. E. biogr. Versuch. Erlangen, Menclce. X, 138 S. Mit Bild. M. 1,60. - 558) X B- PoteHjEr. K. L. Starenhagen:
ADB. 35, S. 5335.— 559) X B- Berner, F. Chr. A. t. Motz u. G. K. Maassen: DWBl. S. 537/9, 547-50, 557-61. — 560) X
K. Marx, Tlieory of value, the flrst 9 chap. of „Capital". London, W. Reeves. Sh. 1. — 561-562) X Car. Marx, Capitale e
salario, colla biografia dell' autore e con una introduz. di F. Engels. Prima traduz. ital. di P. Martignetti. Milano,
Critica sociale (tip. degli Operai). 16*. 59 S. L. 0,25. — 563-564) X C. Marx e F. Engels, II manifeste del partito comunista
con un nuovo proemio di F. Engels. Versione completa, esegnita suUa 5. ed. da P. Bettini. ebda. 16°. 46 S. L. 0,25.
— 565) X E. Engels, Barbarie et Civilisation, extr. de l'eTolution, de la propriete de Tetat et la famille. (= Bibl. de l'Ere
nouT. N. 1.) Saint-Amand, Pivoteau. 24 S. — 566) X >d., L'origine de la famille, de la propriete privee et de l'etat (pour
faire suite aux travanx de Lewis H. Morgan). Trad. franyaise p. H. Rave. Paris, Carre. XXXUI, 296 S. — 567) X J-
Bourdean, Le Socialisme allemand et le Nihilisrae rnsse. (Le Parti socialiste en Allemagne: les origines philosophiqnes,
Tagitation politique, Tesprit et la doctrine. Karl Marx, Ferdin. Lassalle, Michel Bakonnine.) (= BibL d'hist. contemp.) Paris,
F. Alcan. 1892. 322 S. Fr. 3,50. (Vgl. JBL. 1892 IV lb:45.) — 568) X E. Bernstein, F. Lassalle. (= Social Science
Series.) London, Sonnenschein Swan * Co. Sh. 26. — 569) X E. Bernstein, Lassalle, as a Social Reformer. Transl. by El.
Marx Aveling. ebda. Sh. 26. — 570) X W. G., L. Bucher u. K. Marx: VolksZg. N. 221. — 571-572) X Bischer u. Lasalle:
NZ. 11, N. 46. — 573) X I-- Bucher, Kleine Schriften polit. Inhalts. St., C. Krabbe. VII, 352 S. M. 5,00. IfAkBll. 8, S. 226;
4(19)*
IV 5:573-578 R. M. Meyei', Didaktik des 18. /19. Jahrhunderts.
beg-rüssen. Sie fügt dem nicht allzu grossen Vorrat an Staatsschriften von littera-
rischer Bedeutung, den wir besitzen, eine ganze Reihe interessanter Stücke bei (bloss
das Selbstbekenntniss „Nur ein Märchen" war schon in Posohingers „Achtund-
vierziger" abgedruckt), darunter eine geistreiche Rede über Schiller als Juristen
(S. 72), die freilich nach neuerer und genauerer Terminologie eher „Schiller als
Sooiolog" heissen müsste. Sie zeigt, wie Schiller ("zumal im ,,Teir') die Stände
gliedert, und sucht nachzuweisen, dass seine Auffassung der Rechtsentwicklung der
eines Pufendorf näher stehe als dem „Contrat social" Rousseaus CS. 76). Aber weit-
aus die meisten dieser kleinen Schriften scheinen der Litteraturgeschichte fern zu
bleiben: sie sind dem leidenschaftlichen Kampf gegen England, seine innere und
äussere Politik, seine Presse, seine Freihandelslehre gewidmet. Rucher spricht hier
mit dem ganzen glühenden Hass des enttäuschten Liebhabers; England ist ihm der
Sitz aller Heuchelei, und alles ist Heuchelei, was dort vorgeht. Als ob nicht der
Eine Name Darwins bewiese, dass auch dort noch grossartig-schlichte "Wahrhaftigkeit
existiert! Als ob nicht auch Frankreich oft genug seine Ländergier unter wohl-
klingende Vorwände versteckt hätte! Als ob nicht auch bei uns weite Kreise durch
eine Mischung von Selbstbetrug und bewusster Heuchelei den Gegensatz von Leben
und Lehre auszufüllen verständen! Dieser Hass gegen das „perfide Albion", der z.B.
in dem Aufsatz über denCobdenklub (S. 180) Bucher zu hässlichen Verdächtigungen jedes
Freihändlers hinreisst und der überhaupt in seiner fanatischen Unbedingtheit an
den Franzosenhass der Jahn und Wolfgang Menzel erinnert, — er bedeutet das
Absterben eines in unserer Litteratur lange wirksamen Zuges. Steht ja doch
Bucher mit seinem Hass auf England nicht allein; ich brauche nur an Treitschke
zu erinnern. Und doch war einst der edle Engländer eine Lieblingsfigur unserer
Schriftsteller , wie Buch er selbst (S. 327) bemerkt. Er führt das auf Rousseaus
Mylord Edouard in der „Neuen Heloise" zurück — zu eng, wie ich glaube. Die
Bewunderung englischen Wesens im Anfang unseres Jh. entsprang so gesunden
Wurzeln wie in der Zeit der Leibniz und Thoraasius der Hinweis auf französische
Art. Der Gegensatz gegen deutsche Pedanterie, Unterwürfigkeit, Unselbständigkeit
hat den „idealen Engländer" in die deutsche Litteratur gebracht. Nachdem in der
Freundschaft zwischen Kant und Green die Annäherung der bis dahin fremden
Nationen sich symbolisch vorgebildet hatte, wies vor allem Lichtenberg auf das
englische Muster hin. Er stellte den deutschen Gymnasiasten „im Haarbeutel, gepudert,
demütig und gespannt, auf den mindesten Druck mit einer Menge Gelehrsamkeit
loszubrechen, in seinen Meinungen schlechterdings nichts anderes als der kleine
schlecht kopierte Papa oder Präceptor" dem jungen Schüler von Eton gegenüber :
der „hat sein reines lockiges Haar um die Ohren und Stirne hängen, die Miene
blühend . . .; in seinen Meinungen ist er bestimmt und eigen, irrt sich tausend
Mal, aber verbessert sich selbst" (Werke 1, S. 215). Dieser Gegensatz wird von
Goethe völlig angenommen; auch er stellt die jungen deutschen (belehrten „kurz-
sichtig, blass, mit eingefallener Brust, jung ohne Jugend" den Engländern gegen-
über : „So jung und siebzehnjährig sie hier auch ankommen, so fühlen sie sich doch
in dieser deutschen Fremde keineswegs fremd und verlegen ; vielmehr ist ihr Auf-
treten und ihr Benehmen in der Gesellschaft so voller Zuversicht und bequem, als
wären sie überall die Herren und als gehöre die Welt überall ihnen" (12. März 1828
mit Eckermann, Gespräche 6, S. 294/5) Ebenso notiert er im Tagebuch (6, S. 42,
Apr. 1816): „Vorzüge der Engländer, Gewandtheit im Leben und Sprechen.
Sicherheit persönlicher Gegenwart." Nannte doch Herder den jungen Goethe
selbst einen „Mylord", und auf Goethes Anerkennung aller inneren Unabhängigkeit
und Frische beruht die bevorzugte Stellung, die die Engländer in Weimar nicht
nur am weltlichen, sondern auch am geistlichen Hofe (wie es im Kotzebue-Streit
hiess) einnehmen. Diesen theoretischen jungen Engländer übersetzt dann z. B.
Goethes Verehrer Hegner (in der „Molkenkur") in die litterarische Praxis. Die
Bewunderung des Engländers aus der politischen Doktrin heraus, die bei Forster,
Chamisso, Heine kräftig einsetzt, hat erst später allgemeinen Wiederklang gefunden.
Und als sie sich verbreitete, trat auch gleich die Gegenströmung auf, deren Abschluss
eben Lothar Bucher und Treitschke bedeuten: schon Immermann verspottet im
„Tulifäntchen" den englischen Maschinenmann mit seinem wohlregulierten Innern.
So haben wir hier eine bedeutsame, kultur- und welthistorisch wichtige Entwick-
lung vor Augen und Lothar Buchers Hass gegen England — der vielleicht sogar
den grossen Reichskanzler gelegentlich zu ungewöhnlicher Schärfe des Tons
der englischen Diplomatie gegenüber bestimmt hat^''^) — gewinnt in diesem
Licht die Bedeutung eines Wendepunkts in der deutschen Geistesgeschichte.^''^"^''') —
Grenzb. 2, S. 618-20.]! — 574) X I>othar Buclier et M. de Bismarolc: BTJRS. 57, S. 402/4. — 575) X H. v. Poschinger,
L. Bücher: DB. 2, S. 823-39; 3, S. 36-57, 171-87, 295-309; 4, S. 44-61. 194-211, 319-27.— 576) X t- Bieter : NZSt.H, S. 129-38.
— 577) X W. Gittermann, L. Bucher. E. Kr-widermig: Grenzb. 1, S. 176-83. - 578) F. Greiff enrath, Bischof W. E.
tl. M. Meyer, Didaktik des 18./ 19. Jahrhunderts. IV 5 : 578-«o6
Neben .den Demokraten waren es die Ultramontanen, die zuerst der „Socialreform"
näher traten; auf Bischof Kettelers Wirksamkeit in diesem Sinn weist Greif fen-
rath ^''^) hin. — x\us der Mitte des g-emässig-ten Liberalismus heraus g-ing-en
Industrielle wie der „alte Harkort", den Gr essler ^'^) feiert, zuerst auf diesem
Weg"e weiter, während die eigentlichen Politiker dieser Richtung-, Bamberg-er voran,
sich jeder „Hilfe von oben her" feindlich g-eg-enüberstellten. — Bamberg-er ist zum
70. Geburtstag' von keinem Geringeren als T h. M o m m s e n ^^*') öffentlich beglück-
wünscht worden ; aber diese Feier fällt in eine Zeit, in der die von Bamberger und
seinen Genossen, wie Braun^^') und Otto Gildemeister 582- 587 j^ vertretene politische
Richtung sehr unpopulär ist: gerade jenes „Manchestertum", das niemand heftiger
bekämpft hat als Bucher. Glücklicherweise haben alle drei sturmfestere Lorbeeren
als die ihrer Handelspolitik. Der Anekdotenerzähler aus Wiesbaden wird zwar nur
als Kulturhistoriker der deutschen Kleinstaaten fortleben. Bamberger und Gilde-
meister aber auch als ausgezeichnete Stilisten, als Vertreter der in Deutschland so
seltenen Kunst, Charakter und Geschmack zu vereinigen. In Gildemeister konnten
ausserdem Heyse^^sj ^^(j B u 1 1 h a u p t ^*^) den Uebersetzungskünstier feiern. —
Ein Mann wie Lammers, der die politische Socialreform durch private Vereins-
thätigkeit zu ersetzen sucht, vermittelt zwischen den Männern des „Laissez faire"
und den Socialisten.^'-"^) — Auf ihre Social politik werden jetzt aber nicht nur
Politiker geprüft, sondern auch Philosophen ö^i-s^sj Neben theoretische Erörterungen ^9^)
treten Utopien, ernst oder parodistisch gemeint ^^■*). —
Als dritte Einzelfrage trat nach der konstitutionellen und der social-
politischen die über das Verhältniss von Staat und Kirche neben die grosse
dauernde Hauptfrage der Reichseinigung und Reichsbefestigung. Die ultramontane
Partei, deren mächtigen Gründer Görres auch ein Beitrag von Grün er ^'•^") beleuchtet,
hatte das Glück, solche Talente wie Peter Reichensperger, den erfahrenen Juristen,
Windhorst , den gewandten Taktiker (der jetzt nach beliebter Modeform von
Mönch^''"*) als „Erzieher" gepriesen wirdj, und Mallinckrodt , den feurig'en
Redner 60 ij^ neben einander an ihrer Spitze zu sehen, während kleinere Talente 6*^-)
im Lande wirkten. — Wie weit sich diese Partei im Lauf eines Jh. von ihrem
einstigen Standpunkt entfernt hat, sieht man recht deutlich, wenn man einen
Mann wie den „Westphalus Eremita" als Vorgänger gepriesen sieht : J. F. J. Sommer,
der es für „unvaterländisch" erklärte, „die Abhängigkeit Deutschlands von Rom
und die Suprematie (nicht Primat) des Papstes zu verteidigen" ^o*). —
Wesentlich als eine aus den Quellen geschöpfte allgemeine Geschichte
der inneren Entwicklung unserer Politiker erscheint das wichtige Werk Flathes^**^):
die „Deutschen Rede n". Allerdings verfolgt diese ausgezeichnete Sammlung nach
Aussage des Vorworts einen doppelten Zweck: „Sie will Meisterstücke deutscher Be-
redsamkeit bieten, sie will aber zugleich auch die Abwandlung der Anschauungen
über unsere nationalen Verhältnisse, wie sie sich unter den Eindrücken wechselnder
Zeitumstände gebildet haben, und damit auch die Kämpfe unserer Väter und Vor-
gänger um Güter des öffentlichen Lebens, welche die Gegenwart sich längst als
unantastbaren Besitz zu betrachten gewöhnt hat, in einigen ihrer bedeutendsten Phasen
wie in einem Spiegel und gleichsam als Momentphotographien zur Erscheinung
bringen." Aber der Herausgeber bemerkt es selbst, dass es nicht immer gelang,
beiden Zwecken zugleich zu dienen ; und wir unsererseits möchten glauben, dass für
den ersten zu wenig geschehen ist. Dies liegt schon darin begründet, dass die Aus-
wahl mit beständigem Hinblick auf die politische Bedeutung geschah. Es werden
daher geistliche Reden nur aufgenommen, wenn sie (wie die von Ahlfeld [2, S. 113]
nach den Siegen von 1870—71, von Kögel [2, S. 412] nach Hödels Attentat, von
V. Eetteler u. d. dtsch. Socialrefoim. (.= Frankfurter zeitgemässe Broschüren Bd. 14, Heft 10,1.) Frankfurt a. M., A. Foesser Nachf.
80 S. M. 1,00. — 579) J. Gressler, F. Harkort, e. Bahnbrecher heimischer Industrie u. Kultur. Festrede. (Yereinsbl. d.
lib. Schnlver. für Rheinland u. Westfalen.) Bonn, Strauss. 29 S. M. 0.60. — 580) Th. Momnisen, L. Bumberger: Nation». 10,
S. 645,6. — 581 1 X K. Braun: BURS. 59, S. 410/1. — 582) X 0- Gildemeister : BerlTBl. N. 130. — 583) X Lebensbild v.
0. Giidemeister z. 70j Geburtst: VobsZg. N. 121. — 584) X ^u 0- Gildemeisters 70. Geburtstag : MünchNN. N. 120. — 585) X
0. Gildemeister. Z. 70. Geburtstag 13. März: FZg. N. 72. - 586) X 0- Gildemeister. Zu seinem 70. Geburtstag: TglRs. N. 61.
— 587) X 0. Gildemeister: NatZg. N. 173. — 588) P. Heyse. An 0. Gildemeister. Z. 70. Geburtstage: AZgH. N. 61. —
589) H. Bulthaupt, 0. Gildemeister: WesetZg. 12. März. — 590) X P- l>ehn, A. Lammers: IllZg. 100. S. 1034. — 591)X
W. Lotz, Socialpolitik e. dtsch. Philos. E. Antw. an E. v. Hartmann: Zukunft 3, S. 114-20. - 592) X ^d. t. Hartmann,
Antw.: ib. S. 1812. — 593) X N. Eeichesberg, D. soc. Frage d. Gegenw., ihr Wesen n. ihr Werden: SchwRs. 2, S. 566-79.
— 594) X Schlaraffla politica (JBL. 1892 I 4:403; IV 5 : 282U |[K. Kautsky: NZSt. H, S. 21; KonsMschr. S. 110.J| —
595-596) X E- Gregoroviu», D. Himmel anf Erden in d. J. 1901-12. L., Grunow. 1892. 159 S. M. 1,00. |[DBs. 75,
S. 317.|| — 597) J. V. Grüner, E. Beitr. z. Briefwechsel v. J.v.Görres: DR. 3, S. 241-52, 354-69. — 598) X P- Reichensperger:
NZ. 11, N. 16. — 599) H. H. Mönch, Windhorst als Erzieher. (Aus „Pastor bonus«.) Trier, Panlinusdr. 16 S. M. 0,30.—
600) X 0. Pfülf, H. V. Mallinckrodt (vgl. JBL. 1892 IV 1 b : 141 ; 5 : 272^ 1[H. Kaich: Kath. 1, S. 269-73; KonsMschr.
S. 118-20.]i — 601) X Pinline v. Mallinckrodt: HPBll. 111, S. 389-96. - 602) X Justizrat F. Reinhard in Ehrenbreitstein :
ib. 112, S. 76-88.-— 603) X J- A., D. Westphalus Eremita. Zu J. F. J. Sommers 100 j. Geburtst. : ib. 111, S. 81-93. — 604) X
J. F. V. Schulte, Joh. Fr. Jos. Sommer: ADB. 34, S. 606i7. — 605) Th. Flathe, Dtsch. Reden. Quellen u. Denkmäler z.
vaterländischen Gesch. d. 19. Jh. In 2 Bdn. I.-IO. Lfg. L., F. W. t. Biedermann. S. 1-480. M. 7,50, i[AkBll. 8, S. 137,
IV 5 : 605 R. M. Meyer, Didaktik des^lS./lQ. Jahrhunderts.
Rogge [2, S. 666] bei der Grundsteinlegung der Protestationskirche in Speier) y/ichtige
Momente der nationalen Geschichte besprechen; und ebenso wissenschaftliche Reden
bloss, wenn in ihnen (wie in der J. Grimms [1, S. 243] beim ersten Germanistentag,
in der Virchows [1, S. 612] über die nationale Entwicklung und Bedeutung der
Naturwissenschaften, in der du Bois-Reymonds über die Hohenzollern und die
Akademie der Wissenschaften) politische Fragen durchklingen, sei es auch nur in
jener abgeklärten leisen Art, die Döllingers Festreden (1, S. 578; 2, S. 154)
eignet. Die gerichtliche Beredsamkeit (falls wir eine solche besitzen) fehlt gänzlich,
und doch wäre selbst vom Standpunkt des Herausgebers es zu empfehlen gewesen,
etwa Holtzendorffs Rede für den Grafen Harry Arnim oder auch eine der Verteidigungs-
reden Lassalles aufzunehmen. Auch jene den Deutschen eig-entüm liehe oder doch
von ihnen am besten gepflegte Gattung der Beredsamkeit, die ich ,, Vereinsbered-
samkeit" nennen möchte, hätte ausser einer überlangen, zugleich steifen und pathe-
tischen Kommersrede von Felix Dahn (2, S. 643) wohl noch etwa durch eine Schützen-
festrede des Herzogs Ernst von Koburg charakteristisch vertreten sein sollen.
Endlich vermisse ich eine reichere Vertretung jener amtlichen Eröffnungsreden, die
bei uns etwa die gleiche Rolle spielen wie in Frankreich die akademischen „eloges";
die Sammlung der „Ansprachen und Reden" des Herrn von Gossler hätte dafür manches
inhaltlich und formell wertvolle Beispiel liefern können. Auch die Enthüllungsreden,
z. B. die prachtvolle, die Erich Schmidt beim Berliner Lessingdenkmal hielt, gehören
dahin, auch hier sind die Proben zu spärlich. Alle diese Gattungen deutscher
Beredsamkeit — und es sind weder die ärmsten noch die schlechtesten — hätten
auch dann Berücksichtigung fanden können und sollen, wenn die Reden lediglich
als Symptome der politischen Umbildung gefasst wurden. Lieber hätte ich dafür
z. B. die gehäufte Zahl von Reden über die Sonntagsruhe (2. S. 386 ff.) entbehrt, da
ja doch nur die beiden Gegner Kleist-Retzow und Stumm wirklich charakteristische
Aeusserungen vorbrachten. Und so mag man auch sonst mit F. über die Auswahl
selbst der politischen Reden rechten. Die kleinstaatliche Beredsamkeit der Restaura-
tionszeit kommt etwas zu kurz; neben Welcker und Rotteck hätte mindestens Itzstein
zum Worte kommen müssen. Ebenso fehlen später die Verhandlungen in Kurhessen
ganz, die doch schon ihres Wiederhalls in ganz Deutschland wegen neben den preussi-
schen Reden über diese Frage (1, S. 391 ff.) Raum forderten. Desgleichen kommt
die Revolutionszeit zu kurz; so charakteristische Persönlichkeiten wie Waldeck und
Johann Jacoby haben für eine Sammlung von Zeugnissen zur Geschichte der deut-
schen Politiker (und als solche giebt sich das Werk) eine unvergleichlich grössere
Bedeutung als der Staatssekretär Hofmann (2, S. 418) oder H. von Kusserow
(2, S. 584). Ueberhaupt ist die Wahl gerade der preussischen Regierungsvertreter
keine allzuglückliche; neben Roon, Moltke und Bismarck (der ganz gewiss, wie
F. hervorhebt, trotz den vorzüglichen Sammlungen seiner Reden auch hier nicht
fehlen durfte) hätten mindestens Radowitz, Bismarcks romantisierender Vorläufer,
Delbrück, der klassische Vertreter des preussischep Geheimratstums, Stephan, der
redegewandte und redelustige Typus der neuen Bismarckschen Schule, nicht aus-
bleiben dürfen. Alle diese Einwände hat sich aber der Herausgeber doch nur da-
durch zugezogen, dass er mit seltener und fester Folgerichtigkeit Ein Ziel verfolgte :
die Grundmelodie unserer politischen Entwicklung aus dem betäubenden Geräusch
der neben und gegen einander spielenden Musikanten hervortreten zu lassen. Die
Umbildung unserer Politiker ist die Vorbedingung für die Umgestaltung der deut-
schen Politik gewiesen; und indem F. diese allmähliche Umformung an den wichtigsten
Wendepunkten vor unsere Augen treten lässt, liefert er für das Verständnis der
deutschen Geschichte in unserem Jh. ein unschätzbares Hilfsmittel. Gerade weil
die Masse der Reden spurlos im Getümmel der Thatsachen verschwindet (denn nur
einen Augenblick lang vermag das Wort die That zu übertäuben), gerade deshalb
geht uns so leicht alles psychologische Anpassungsvermögen für ältere Epochen
verloren und wir kommen zu der masslosen Ungerechtigkeit gewisser neuerer
Historiker. Die Geschichtsschreiber des Altertums wussten sehr wohl, was sie
wollten, wenn sie die Entschlüsse ihrer Helden mit erfundenen Reden einleiteten ;
sie gaben eben nur einen Ersatz für die wirklichen Reden, weil ohne solche Aus-
sprache der individuellen Gründe der Entschluss so oft fremdartig, isoliert bleibt.
Besässen wir etwa die Reden, die im Rate Heinrichs IV. vor dem Gang nach Canossa
gehalten wurden — trotz allen diplomatischen Verstellungen, dialektischen Kunst-
stücken, gewaltsamen Selbsttäuschungen, die sicher nicht gefehlt haben werden,
verständen wir den so verschieden beurteilten Akt ganz anders! So erscheint uns
jetzt z. B. die berüchtigte „Polen-Interpellation" vom Febr. 1863 selbst aus Bismarcks
Gegenrede (1, S. 533) heraus viel verständlicher, als wenn sie lediglich als Thatsache
erzählt wird: wir fühlen die Luft, in der sie entstand, fast entstehen musste. Hierfür
nun gerade hätte der Herausgeber vielleicht noch etwas mehr thun können. Zwar
R. M. Meyer, Didaktik des 18./ 19. Jahrhunderts. IV 5 : 605-eo«
dass er biog-raphische Daten, wie sie die meisten solcher Sammlung-en bringen, fort-
liess, ist kein gTOSser Schade. Wenn das Gresamtbild der Redner gezeichnet werden
soll, wie z. B. in dem ausgezeichneten „Treasure of British Eloquence", dann ist
natürlich nötig, dass auch die individuellen Vorbedingung*en, aus denen Jeremy
Taylor oder Burke oder Brougham erwuchsen, skizziert werden. Wo aber das Ge-
samtbild so entschieden zur Hauptsache wird, wie bei F., da kann für solche Daten
auf die Nachschlagebücher verwiesen werden. Etwas anders steht es schon mit ein-
leitenden Bemerkungen. Eine ganz kurze Orientierung, wie sie z. B. sogar das
handliche Büchlein „British Oratory" bietet, hat mit Recht auch F. für unerlässlich
gehalten, und hat dabei den Tadel nicht gefürchtet, dass er die Objektivität trübe.
Seine Einführungen zeigen sicher, dass er „Kulturkämpfer", dass er für Bismarck
und gegen Caprivi ist; aber der thäte mir leid, den gegenüber dieser Fülle von mit-
geteilten Zeugnissen die paar kleingedruckten Worte stören würden! Dass F. in der
Auswahl von seinen politischen Meinungen stark beeinflusst wäre, kann ich kaum
finden; höchstens hätten Centrum und besonders Socialdemokratie bessere Vertretung
finden dürfen; freilich fehlen auch die besten .,Elomstürmer" jener Tage: Petri, Eduard
Windthorst, Jung. Auch wird Windthorst durch seine langen Reden nicht am glück-
lichsten vertreten: ihn hätte F. im Kreu2feuer der Unterbrechungen zeigen sollen.
Er streicht aber sogar die Beifalls- und Alissfallensäusserungen (nur Heiterkeit ver-
zeichnet er), die doch auch bezeichnend sind und gerade das ,, Milieu" anschaulich
machen. Ueberhaupt wird das Wort. „Rede" zu streng genommen; kurze Ansprachen,
wie manche glänzende Bismarcks, sollten die langgesponnenen Vorträge unterbrechen.
Wiegt Napoleons Ausruf am Fusse der Pyramiden nicht ein Dutzend Prunkreden
auf? Dagegen gehört eine Thronrede (2, S. 82) nicht in diese Sammlung, weil sie der
mündlichen Beredsamkeit nur scheinbar angehört, und ausserdem Vf. und Sprecher
nicht zusammenfallen. Aus all diesen Gründen glauben wir, dass das ausgezeichnete
Werk für eine Geschichte der deutschen Beredsamkeit nicht dieselbe Bedeutung be-
anspruchen kann wie für die politische Geschichte. Die litterarische Wichtigkeit
tritt hinter der weltg'eschichtlichen zurück. Aber als eine Sammlung von Urkunden
für die „allgemeine Geschichte der deutschen Politiker", als eine Quellenschrift für
die Durchschnittsbiographie des deutschen Parlamentarismus und der öffentlichen
Meinung in den gebildeten Kreisen Deutschlands ist das Werk unschätzbar und recht-
fertigt die ausführliche Würdigung, die wir für nötig hielten. Mit bewunderswerter
Sicherheit hält F. den Faden fest. Geistreich ergänzt er den Mangel gleichzeitiger
Zeugnisse durch spätere Gedenkreden, z. B. über W. v. Humboldt (1, S. 103J, über die
Gründung der Universität Berlin (1, S. 22). Ungemein geschickt lässt er einen
Punkt nach dem anderen hervortreten; nur die Kolonialpolitik vielleicht nicht ganz
an der richtigen Stelle und nicht breit genug. Und was wir auch an der Auswahl
auszustellen hatten — es wird doch jedenfalls auch der deutschen Litteraturgeschichte
ein reiches Material geradezu neu geschenkt, indem vergrabene und verschüttete
Reden wieder lebendig gemacht und in den grossen Zusammenhang der Dinge ein-
geschaltet werden. Die Reden vom Wartburgfest (l, S. 74) und vom Hambacher
Fest (1, S. 144) erscheinen wie leg-endarische Gestalten der Vorzeit, die plötzlich
ans Tageslicht hervorgezaubert werden; Aehnliches gilt z. B. von Hases Jugendrede
fl, S. 88). Trotz dem Unwert mancher Einzelstücke könnte man das Buch mit einem
anderen Unternehmen des gleichen Verlags vergleichen : mit der Sammlung von
Goethes Gesprächen, die ebenfalls unfindbare Reden wieder dem deutschen Leser hörbar
gemacht hat. Es geht allzuviel verloren in unserer hastigen Zeit, und die Nachwelt
flicht auch dem Redner keine Kränze; hier ward einer geflochten, der dem Sammler
und Herausgeber den herzlichsten Dank aller sichern sollte, die die neuere Geschichte,
die neue Litteratur, die neuere Weltanschauung in ihren Wurzeln studieren, in ihrer
Entwicklung begreifen wollen! Die Ausstattung ist gut, der Druck vortrefflich, die
beiden Bände sind handlich und ausnahmsweise gut geheftet. — Auch Blums^"^) zwei-
bändiges Werk ,,Auf dem Wege zur deutschen Einheit" bringt in seinem grösseren
Teil vorzugsweise Parlamentsreden, allerdings oft in kurzer Analyse und immer in
einen ausführlich raisonnierenden Bericht eingebettet; der kleinere Schlussteil enthält
Briefe, die der Vf. 1870 als Kriegsberichterstatter des „Daheim" schrieb. Führen
diese zum Teil ganz anschaulich in das militärische Kleinleben hinein —
von der grossen Anschauung etwa der „Feldbriefe" Rindfleischs oder der vor-
nehmen Haltung Wilmowskis ist hier nichts zu spüren — so bietet der Wieder-
abdruck von Blums Parlamentsreferaten aus den J. 1867 — 70 nur wenig, was
nicht knapper und durch den grossen Zusammenhang dennoch klarer bei Sybel
zu finden wäre. Es kann jedoch nichts schaden, wenn an gewisse Dinge wieder-
holt erinnert wird, und man wii'd z. B. den Bericht über Laskers Inter-
147, 197.]| (Vgl. JBL. 1894 IV Ib.) — 606) H. Blum,» Auf d. Wege z. dtsch. Einheit. Jena, Costenoble. VI, -377; 3.58 S,
IV S : 606 611 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
pellation betreffs Badens Eintritt in den Bund (2, S. 56) oder besonders auch den
über die Schlusssitzungen des Norddeutschen Reichstages nicht ohne Interesse lesen.
Wiederholt fügt B. eine kurze üebersicht der Vorgeschichte bei, z. B. für die Frage
der parlamentarischen Redefreiheit (1, S. 248), der Ehebesohränkungen (1, S. 278),
des Strafgesetzbuches (2, S. 132). Auch charakteristische kleine Anekdoten, wie die
Mitteilungen über die Wahlen des Herrn vonOertzen (1, S. 115) und Max Kirschs (I5Ö. 308),
oder über die Notenbank in Reuss ä. L. (2, S. 75) sind dankenswert. Wäre nur die Art,
wie das alles vorgetragen wird, irgendwie geniessbar! Aber zunächst stösst die kleinliche
Polemik ab, die in jeder abweichenden politischen Meinung die schlimmsten Motive
wittert, während er bei den „Nationalen" (wie B. die Nationalliberalen schlechtweg
zu benennen beliebt) eitel Weisheit und Selbstverleugnung findet. Noch hässlicher
ist die persönliche Grehässigkeit, die noch nach 25 Jahren eine Unhöflichkeit durch
eine hämische Indiskretion zu bestrafen sucht (2, S. 255). Dabei ein blasses, trübes
Deutsch, das sich in poetischen Momenten bis zu der berühmten Wellenbewegung,
die der geworfene Stein hervorruft, aufschwingt (1, S. 107), sonst aber Redeblumen
erzeugt wie die, dass ein kühner Schritt „sich ermisst" (2, S. 94). Die dankbare
Aufgabe, unsere parlamentarischen Führer zu zeichnen, wird nur bei wenigen wie
Wagener (1, S. 29), Miquel (1, S. 58), Braun- Wiesbaden (1, S. 107), Ewald (1, S. 306)
ernstlicher versucht; sonst müssen ein paar Adjektiva wie „tiefdenkend" und „wacker"
die Sache besorgen. Was die sonderbare Bezeichnung „der kahle Minister Windt-
horst" (1, S. 306) bedeuten soll, blieb mir unklar, da für einen Verehrer Bismarcks
eine Glatze doch füglich keine Schande sein kann! üebrigens sei angemerkt, dass
B. gelegentlich sich Widerspruch gegen Bismarck erlaubt und es bedauert, wenn
dieser g'egen seine Partei „ungemütlich" wird (1, S. 323); dagegen hält er die
offiziösen Blätter für höchst massvqll (l, S. 240). Es scheint mir übertriebene Pietät,
wennder Vf. in keinem dieser Punkte seine früheren Aufzeichnungen glaubte berichtigen
zu dürfen, und wenn er sogar nach fast dreissig Jahren weder die thörichte Meinung,
hinter der Berliner Fortschrittspartei stehe der „süsse Mob" (1, S. 25), noch den
taktlosen und auserdem g-rammatisch unmöglichen Angriff auf die „Royal Britain
Princess" (2, S. 176) unterdrücken lernte. Auch was ein „Frey-Haus" ist (1, S. 22),
oder weshalb Becher der Reichsregent hiess (2, S. 33), hätte ein anderer in dieser
Zeit zu erforschen vermocht. B. aber bewahrt liebevoll sogar alle Schreibfehler auf,
lässt dem Kriegsminister Verdy du Vernois den Namen des Troubadour-Komponisten,
schreibt Zeilenrode statt Zeulenroda (2, S. 76) und le Clerc statt de Ciaer (2, S. 202) ;
der Krieg von 1870 ist seiner Ansicht nach um den „Fürsten" von Hohenzollern
entbrannt (2, S. 341) und wie der schwäbische Dialekt klingt, muss man bei ihm
selbst (2, S. 349) nachlesen. -
M. G. Coni^ad^'^'') fasst sich selbst als Politiker auf, wenn er unter dem
blutrot gedruckten Titel „Ketzerblut" ein „nationales Protestbuch" herausgiebt. Diese
Sammlung von „offenen Briefen" und anderen offenen Artikeln gehört zu den über-
flüssigsten Neudrucken unserer Tage. Der Vf. ist von der viel verbreiteten Ueber-
zeugung durchdrungen, Grobheit sei schon Originalität und Entschiedenheit des Tons
könne Tiefe des Gedankens ersetzen. Da schreibt er dann etwa unter dem Titel „Das
lächerliche Berlin" eine angebliche Charakteristik der Reichshauptstadt im Stile Victor
Tissots und wärmt die uralten Redensarten von Nicolai als dem unsterblichen Berliner
auf — als ob z. B. Ludwig Tieck und Paul de Lagarde, zwei echte Berliner, Nicolais,
oder als ob etwa Herr Max Nordau, der moderne Nicolai, ein Berliner wäre! Dies
gewaltsame Verhetzen gegen die Stadt, die doch nun einmal Mittelpunkt des Reiches
ist, hat ernsthafte nationale Gefahren; das Schlimmste ist, dass die Gehässigkeit und
Oberflächlichkeit des Tadels nicht einmal die Möglichkeit einer Verständigung er-
öffnet. Auch wo man mit C. übereinstimmt, wenn er etwa gegen atheistischen Bettler-
hochmut oder gegen alberne Bibeldenunzianten kämpft, auch da ist das in lauter
dünnen Ausrufen verpuffende Geschreibe unerfreulich und ungesund. Und nun be-
fasst dieser Herr sich gar mit Nietzsche oder nimmt sich selbst ernsthaft als Typus
des modernen Denkers und urteilt vom hohen Stuhl über Tolstoi. Es genügt nicht,
dass man die Heiligen und die Heroen nicht versteht: Ein rechter Ketzer muss selbst
ein bisschen von beiden haben, und das wird man in den Urteilssprüchen, die hier
in Dutzenden verschenkt werden, vergeblich suchen. ^'^^'^'^^^ —
Ausserhalb desDeutschen Reiches wirkten der Oesterreicher Ad. Fisch-
hof, von dem Jaques Fischer^"^) ein paar schwache Epigramme mitteilt, und der
Schweizer S tapfer, dessen Biographie Alfr. Stern^^^) schrieb. Er hatte in
Göttingen bei Eichhorn, Michaelis, Heyne, Spittler, Schloezer, Lichtenberg gehört,
M. 10,00. — 607) M. a. Conrad, Ketzerblut, Socialpolit. Stimmungen u. krit. Abschlüsse. Mönchen, Poessl. VIII, 271 S.
M. 3,00. |[L. Huberti: BLU. S. 312/3.J| — 608) X id., Bergfeuer. Evangel. Erzählungen. (I.Reihe.) München, E. Albert & Cie.
Sep.-Conto. III, 103 S M. 2,00. l[ThLBl. 14, 8. 248.J| — 609) X ^- Stümcke, M. G. Conrad. E. litt. Skizze. (Sonderabdr.
aus NLBU. N. 10/1.) Bremen, Kühtraann. 15 S. M. 0,30. — 610) (S. o. N. 22.) - 611) Alfr. Stern, Ph. A. Stapfer : ADB. 35,
R. M. Meyer, Didaktik des l8./i9. Jahrhunderts, IV 5 : 612-6I8
mit Zimmermann Bekanntschaft gemacht; dann hat er eifrig" für die Einheit der
Schweiz g-ewirkt, Pestalozzi unterstützt, mit [Jsteri korrespondiert. Von der Politik
ermüdet schreibt er über Kant, sorg-t für Uebersetzung-en von fleeren, Wessenberg-
u.a., arbeitet mit Alexander von Humboldt zusammen; im hohen Alter lebt er, „ein
Virtuose g-eistvoller Unterhaltung-", auf seinem Schloss — fürwahr ein reiches Leben!
— F. A. von Spaun^''-), der Mathematiker und Goethefeind, der weg-en einer
„staatsg-efährlichen Schrift" zehn Jahre auf der Festung- verbüssen musste, leitet mit
seinem politischen Roman „Der sarmatische Lykurg-", mit seinen „pohtischen und
litterarischen Phantasien" von den Politikern zu den Volkserziehern über, die
die Politik nur für eine einzelne Aeusserung- der Zeitpädag-og-ik ansehen. —
Volks er Ziehung- und Zeitkritik hat es in beschränktem Mass immer
g-egeben und oft haben sie sich zu hoher Bedeutung- erhoben; so in der Zeit
Walthers von der Vogelweide und Bertholds von Regensburg. Die Tradition der neueren
Schriften dieser Art aber geht nur bis auf Rousseau zurück; er hat die „Anklage-
litteratur" unserer Tage geschaffen, er auch die leichtsinnige Art, alle Schmerzen aus
Einem Punkt kurieren zu wollen. Ausnahmsweise müssen wir deshalb aus Anlass
von Chuquets^i^j vortrefflich berichtender Biographie auf diesen ausserdeutschen
Autor Bezug nehmen. Viel Neues bringt Ch. nicht, und den „Confessions" gegen-
über ist er fast noch so befangen, wie früher die Goetheforschung gegenüber
„Dichtung und Wahrheit"; aber Persönlichkeit und Umgebung werden knapp und
klar geschildert. 6 '4j Besonders im Vergleich mit den üblichen Verhimmelungen
des Genfers ist das Buch eine Wohlthat und ein Fortschritt.^'äj _
Gerhard vanSwieten, über den Jacoby^'^j sprach, ist noch ein Volks-
erzieher vom alten Schlag.6i''j — In ganz andere Luft kommen wir mit Wilhelm
von Humboldt, Goethes und Schillers Genossen bei der Erziehung des deutschen
Volkes im Sinn des klassischen Ideals. Laquiant e^'^) hat von ihm und seiner
Frau Briefe an den Philologen Schweighäuser veröffentlicht, leider in französischer
Uebersetzung. Dies wunderliche Verfahren, eine doch fast a,usschli esslich für deutsche
Leser bestimmte Veröffentlichung in französischer Uebersetzung zu bringen (nur
zwei Briefe Karolinens S. 76, 89 sind französisch geschrieben), ist um so mehr zu be-
dauern, als die Briefe wirklich sehr wichtig sind. Humboldt eröffnet dem jungen Strass-
burger Philologen sein Herz mit vollstem Zutrauen. Wir hören den niedergedrückten
Patrioten über den Frieden von Tilsit klagen, aber doch im Blick auf die Antike
Trost finden (S. 137), hören ihn über Schillers Tod und seine letzten Pläne (3. 161),
über die neugegründete Universität Berlin und seinen allzu raschen Abschied von
ihrer Verwaltung (S. 173) berichten. Er erzählt manches, was für sein ganzes
Wesen bezeichnend ist: seine langsame Art zu arbeiten (S. 3); seine Abneigung gegen
die Urgeschichte (S. 105) und (gut Goethesch !) gegen die formlose indische Philosophie
(S. 178) kommen zum Ausdruck, und jene Verdrängung von der Leitung der
akademischen Angelegenheiten entreisst ihm das Geständnis: „En g-eneral, j'ai toujours
eu du goüt pour la carriere diplomatique" (S. 153). Freimütig urteilt er über
Madame de Stael (S. 112), sehr hart über la Harpe (S. 153). Ueberhaupt stehen
litterarische und philosophische Fragen entschieden im Vordergrund. 1801 klagt
Humboldt (S. 46) über einen allgemeinen Stillstand in Philosophie und Poesie; er
nennt Schiller und die Schlegel als Ausnahmen, Goethe nicht. Auf dem Gebiete der
Geschichte sei gar nichts Ernstes zu erwarten: Gentz schreibe nicht mehr, Woltmann
habe nie was getaugt (S. 47). Aber die „Jungfrau von Orleans" bewundert er als
das Shakespeareschste Werk Schillers (S. 48). Ueber das Verhältnis der Nationen zur
Philosophie stellt er (S. 68), ähnlich wie schon in seinen Jugend briefen, Betrach-
tungen an, die natürlich sehr zu Ungunsten Frankreichs ausfallen. Als Kriterium jeder
echten Philosophie giebt er (S. 70), charakteristisch genug, dies an, ob sie das
dämmernde Licht einer anderen Welt, das wir alle ahnen, lebhafter schauen lasse oder
es verdunkele. Seine Neigung, alles, was er sieht, schön zu finden, erinnert ihn
selbst fS. 99) an den Candide, Voltaires Parodie auf den Optimismus. Dann zahl-
reiche Mitteilungen über seine Arbeiten, seine Bewunderung des Demosthenes (S. 140),
den Plan einer Geschichte des Verfalls der griechischen Freistaaten (S. 146), der
ein merkwürdiges Gegenstück zu Gibbons Werk geliefert hätte, seine Elegie „Rom",
auf die er ein nicht geringes Gewicht legt (S. 158), die er mit Schlegels und
MatthissoES Gedichten über die Weltstadt (S. 159, 161) vergleicht und die ihm zu Be-
trachtungen über ersten Wurf und Feile (S. 126) Anlass giebt. All das bespricht er
mit dem jungen Freunde. L^nd was für Etymologien tauschen sie noch 1807 aus:
S. 4ö\j6. — 612) F. A. Ritter v. Spann: ib. S. 69-70. — 613) A. Chuquet, J. J. Bousseau. (= Les grands ecrivains fran9.)
Paris, Hachette. 201 S. Fr. 2,00. — 614) X K. Fr., E. neues Buch aber J. J. Kousseau: NatZg. N. 278. — 615) K. Fester,
Kousseau u. d. dtsch. Geschichtsphilos. (vgl. JBL. 1890 IV 1 : 27): WIDM. 73, S. 288. (Vgl. I 1 : 23c.) - 616) D. Jacoby,
G. van Swieten. Vortr. geh. in GDL.: DLZ. S. 698;9. — 617) X L. Rupprecht, Just. Mosers soc. u. Volkswirtschaft!.
Anschauungen In ihrem Verhältn. z. Theorie u. Praxis seines Zeitalters. Diss. München. 173 S. — 618) (IV lc:21.) |[E. 6.:
JahieBberickte f&r neuere deutsche Litteraturgeschiohte. IV. '^(^'^0
IV 5:619-630 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
„alt" soll von „oleo" kommen, „denken" von Sumo (S. 131) — solche Arbeit hatten
J. Grimm und Bopp noch zu leisten! Auch Karolinens Briefe sind, wie immer, lesens-
wert: ihr Urteil über den „Wallenstein" (S. 88), ihre Schilderung- Roms (S. 60),
ihre Freundschaft für Fernow (S. 63) finden den klaren festen Ausdruck, der ihr
eigen ist, und ihre Reiseskizzen aus Spanien sollte man einmal mit den hoch-
modernen des M. Barres vergleichen, um zu sehen, dass wirklich eine Landschaft
nichts anderes ist als ein „etat d'äme". Ueberall bei den Gatten der ruhige milde Ton,
aufrichtiges Wohlwollen für den begabten jungen Mann, dem Humboldt (S. 12) ein
Programm vorzeichnet. Die Ausgabe ist sorgfältig, die Anmerkungen sind zumeist
ausreichend, doch nicht frei von kleinen Nachlässigkeiten in Namen und Personal-
angaben: Haym heisst nicht Robert (S. VIII. Anm.), Zoega fvon dem die An-
merkung- S. 99 überhaupt ein falsches Bild giebt) stammte von väterlicher, nicht
von mütterlicher Seite aus Italien; Ruhnkenius heisst auf deutsch nicht Ruhneken
(S. 139 Anm.). Beigegeben sind ein paar Auszüge aus Briefen und Mitteilungen, die
über Tegel, den Montserrat, Humboldts Tod und andere in den Briefen berührte in-
teressante Punkte orientieren; hier ist die Auswahl sehr geschickt, wie sie es auch
bei den Briefen scheint. Druck und Papier sind prachtvoll, die beigegebenen Ab-
bildungen zu loben. — So recht in die Lebensluft hinein, die das Haus Humboldts er-
füllte, führt das schöne und mit verdientem Erfolg gekrönte Buch „Gabriele
von Bülow"^'^). Natürlich steht zwar die Tochter Humboldts durchaus im Vorder-
grunde. Aber zahlreich sind doch auch Briefe Wilhelms mitgeteilt, rührend er-
greifende nach dem Tode seiner Gattin (über „das Schmerzliche" S. 245). Sein Ge-
spräch wird oft charakterisiert (S. 210), seine Heiterkeit und Liebenswürdigkeit
dankbar gerühmt. Wie er seine Entlassung aufnimmt (S. 172), wie er im Alter,
gleich Goethe, die Zeitungen verabschiedet (S. 327), endlich sein körperlicher Ver-
fall (S. 300) — das alles wird anschaulich geschildert. Und dann, wie charakterisieren
seine Frau, seine Töchter, sein Schwieg-ersohn Bülow sich selbst in ihren Briefen!
Welche Fülle der geistigen Interessen, welche Grossartigkeit der Auffassung- (S. 82
über die Einheit des Lebens), welche Bestimmtheit des Urteils (Karoline über
Preussen S. 81; Bülow über Italien S. 130, Canova S. 137, Talleyrand S. 311) und
welche Kunst der Schilderung (Assisi S. 146)! Dazu bei ihnen allen so viel Witz
(„umbrelliferous" S. 162) und so viel moralische Festigkeit! Diese g-lücklichen
Naturen bewegen sich nun auf dem g-lücklichsten Hinterg-rund, in dem päpstlichen
Rom (Rom 1817; S. 132, 145), in London während diplomatischer Kämpfe, in dem
mit kostbaren Kunstdenkmälern geschmückten Tegel (S. 184 geschildert), sie erleben
kleine Genrebilder (die Weinbäder S. 50) und grosse Ereignisse (Humboldts Tod
S. 347; Friedrich Wilhelms IV. Thronbesteig-ung S. 463), diese voll aufzunehmen,
jene innerlich zu verarbeiten befähigt — kurz, es ist eins jener Bücher, bei dem
eine Anzeige nur die Aufgabe haben kann, zum Lesen anzureizen. Die ung^enannte
Herausgeberin hat in der Auswahl der Briefe so viel Geschick und Takt bewiesen
wie in ihrer Verbindung und Verarbeitung-; wir ver4anken ihr ein Memoiren werk,
dem in seiner Art kaum ein zweites in unserer Litteratur^20-622j 2iir Seite g-estellt
werden kann. — Mit Freuden begrüssen wir es auch, dass Humboldts „Briefe an
eine Freundin" auch in Frankreich populär g-emacht werden sollen^-^). Das Heft,
das diesem Zweck gewidmet ist, bringt aber nach einer ganz gut orientierenden Ein-
leitung von Simond nur eine ganz kleine Reihe von Proben aus jenen Briefen und
dann noch ein paar aus Alexanders „Ansichten der Natur" — zwei klassische
Werke, von deren reichem Mahl diese Bröckchen doch kaum einen Urgeschmack
geben. —
Wir überspringen abermals eine Generation und mehr, um bei de Lagarde^-*)
und Riehl anzukommen; den letzteren schildert Sträter^^s^ recht hübsch.^-^) —
Mit Riehl lässt Jentsch^^v^ gicji in mannigfacher Hinsicht vergleichen: sie wollen
beide die Socialreform auf dem Wege der Kulturreform und gehen dabei viel histo-
rischer vor als Lagarde, der mit Rousseauschem Eifer Jahrhunderte negieren möchte. —
Kulturreform verlangt auch der „Rembrandtdeutsche" ^^s-j^ der aber bei allem
„niederdeutschen" Chauvinismus doch auch Venedig und England zu rühmen weiss.
Aber die Neuesten wollen ein exklusives Deutschtum.*'29-630^ — Mindestens absoluten
AnnBst. 7, S. 97-118, 326-30; A. Ch(uqTiet): ECr. 35, S. 474; H. Grimm: PrJbb. S. 168; LCBl. S. 921/2.]| - 619) (IV 1 c : 23.)
|[H.Grimm: PrJbb. 73 S. 167/8; Grenzb. 2, S. 398-404; L.Ziemssen: DEs. 77, S. 468-72; TglBs. N. 139; KBGV. 41, S.38.]| —
620) X Aus Briefen Wilh. v. Humboldts: Grenzb. 4, S. 10-20, 649-51. — 621) X »Aus d. Lebenskreise W. v. Humboldts«:
NFPr. 10. Nov. — 622) X L- Geiger, Aus d. Humboldtschen Hause: FZg. N. 254. — 623) W. de Humboldt, Lettres ä uns
amie. Avec une pref. de C h. S i m o n d. (= Nouv. bibl. pop.) Paris, H. Gautier. 35 S. Fr. 0,10. — 624) X Tlie late Prof.
de Lagarde: Ac. 43, S. 153. — 625) E. St räter. Zu H. W. Riehls 70, Geburtst. 6. Mai: Post N. 123. (S. auch Montags-Presse
N. 20.) — 626) X W- G-. Z- 50. Geburtst. P. K. Eoseggers: VolksZg. N. 178. - 627) X K. Jentsoh, Geschichtsphilosophisclie
Gedanken (vgl. JBL. 1892 IV 5:283). |[KonsMschr. S. 919-20; ThLBl. 14, S. 192,3; J. Wychgram: BLU. S. 56-77.JI —
628) X D- Eembrandtdeutsche (vgl. JBL. 1892 IV 5 : 304). 1[20. Jh.. 1, S. 339-41; A. Freybe: KonsMschr. S. 225/6;
BurschensohBll. 7 (W.-S.), S. 212/3; HPBll. 111, S. 48-56; dazu ib. S. 406/8.]| — 629-630) X (I 4:615.) |[J. Hart: FrB. 4,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 631-643
Ausschluss aller orientalischen und griechischen Einflüsse fordert auch Dühring^^*),
auf dessen neuestes Werk wir im übrig'en froh sind, nicht näher eingehen zu
müssen, gerade weil wir den Mann trotz all seinen Schwächen hoch schätzen. ^^^^ —
Dies können wir von dem grossen Arzt der „Krankheit des Jahrhunderts" nicht
behaupten. Dieser leichtfertigste Journalist unserer Zeit, der jeden Tag eine Meldung von
gestern zu widerrufen hat, ist der Mann nicht, um die Zeit von ihrer „Entartung" zu
heilen. Hat Nordau^33-634j q^qY^ nicht vielleicht selbst charakterisieren wollen, wenn
er (2, S. 445) citiert: „Die Schwachsinnigen lieben es. Unflätigkeiten zu sagen. Das ist
eine besondere Neigung, die namentlich bei Entarteten beobachtet wird; sie ist ihnen
so natürlich, wie es bei Geistesgesunden der gute Ton ist." In der That, kann man
ohne pathologische Hypothesen dies masslose Schimpfen, dies unanständige Ver-
dächtigen erklären? Wenn dieser Mann ganz ernsthaft rät, die Tolstoi und Ibsen und
Zola ins Irrenhaus zu sperren — sollte man nicht an einen Narren denken dürfen,
der jeden für verrückt erklärt, dem der Mond nicht grün scheint? Und seine
„Methode"! Auf leichtfertige Aussagen hin — ein Artikel der „Presse"^35j bietet ein
hübsches Beispiel an Nordaus Vergleich Whitmans mit Verlaine — werden polternde
Phrasen losgelassen; ein verzerrtes Bild des Besprochenen wird mit einem ungefähren
Krankheitsbild identifiziert — und die „Wissenschaftlichkeit" hat einen neuen Triumph
über die konventionellen Lügen der Kiüturmenschheit zu verzeichnen! Wüsste ich
nur, wer auf solche Weise nicht für toll erklärt werden könnte! Man nehme etwa
Goethe. Er sieht in seiner „Zueignung" eine Gestalt, die gar nicht existiert —
Hallucination ! Er sehnt sich in die Einsamkeit und verwünscht das laute Gewühl
— Agoraphobie ! Er spricht unter der Maske des Faust und des Prometheus mit Gott
wie mit seinesgleichen — Grössenwahn ! Die „Geheimnisse" dokumentieren religiösen
Wahnsinn, die Briefe, in denen Friederikens unglücklich-glücklicher Liebhaber klagt,
Kains Fluch liege auf ihm, zeigen Verfolgungswahnsinn, die Paralipomena zum
Faust Satyriasis; Melancholie versteht sich ohnehin von selbst. Auch liebt er neue
Worte zu bilden, nach N. ein sehr gravierendes Symptom ; er führt zeitweilig einen
„dissoluten Lebenswandel". Und von solch einem während aller Phasen seines Lebens
gestörten Geist hat die Elite des modernen Europa „in hysterischem Nachahmungs-
und Bewunderungstrieb" sich nasführen lassen, bis endlich ein psychiatrisch ein-
geweihter Kenner das Geheimnis aufdeckt! So entlarvte der unsterbliche Schuster
von Jerusalem den grössten Propheten der W^eltgeschichte ; so wies der Rat von
Salamanca dem Narren Columbus seine Thorheiten nach; so bemerkten nach Zelters
Mitteilung einige scharfsinnige Beobachter, dass Beethoven ein Narr sei. Auf der
plumpen Gleichsetzung einer nervösen Disposition, wie sie zart organisierten und
eben deshalb zu hohem Dichten und tiefem Denken beanlagten Naturen selten fehlt,
mit Geisteserkrankung und „Entartung" beruht das ganze Spiel. Zu lernen ist dabei
für den Litterarhistoriker nichts, als dass die Nicolais nicht aussterben und nur immer
schlimmer werden. Nicht nur, wenn N.s unästhetische Faust sich an Nietzsche ver-
greift (S. 303/4), sogar wenn er mit den „jungdeutschen" Zolaisten (S. 460/1) wirk-
lich bedenkliche Objekte in die Hand bekommt — das Verfahren ist das gleiche von
jedem psychologischen Eingehen entfernte blinde Lostappen, und Beiträge zur
Charakteristik liefert es nur für Herrn N. Dass aber dies schmutzige Buch un-
gerügt durch die Welt gehen durfte, das bleibt (S. 398) „immer noch eine schwere
Schmach für das deutsche Geistesleben der Gegenwart". ^^^j —
Aber natürlich hat auch Nordaus Kritik der Gegenwart Nachfolger ^37)
und Nebenbuhler^^s^ Mehrfach hat man versucht, den Geist unserer Zeit fest-
zustellen^^^), seine Wandelungen^^o)^ seine Forderungen^* ^"^'*2^, und hat daraus auch
Ausblicke in die Zukunft gewinnen woUen^^^^. Solche Versuche der Zeit, sich auf
sich selbst zu besinnen, sind immer löblich; auch pflegen sie alle fünfzehn bis
zwanzig Jahre wiederzukehren. Aber es scheint, sie werden nicht besser. 1806 gab
Fichte „Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters" heraus und 1807 E. M. Arndt
den „Geist der Zeit"; ihnen folgte 1808 Brandes mit seinen „Betrachtungen über den
Zeitgeist in Deutschland". Als 1820 Zschokke „Vom Geist des deutschen Volkes im An-
S. 1068-71; AkBll. 8, S. 95.]| — 631) (I 12 : 161; IV la : 1.) — 632) X H- Hart, Mit n. ohne Dichtung: FrB. 4, S. 210/5.—
633) (I 12:389.) |[DR. 2, S. 395.]j (Vgl. JBL. 1892 I 11:85.)— 634)X M. Nordau, Deprayation. London, Heinemann. Sh. 16.
|[B. Purcell: Ac. 44, S. 1205.]| — 635) E. falsche Diagnose M. Nordaus: Presse N. 189. — 636) X M. Nordau, Entartung
u. „D. Recht zu liehen": BURS. 60, S. 405/8. — 637) X G. Zepler, Moderne Sünden. II.: D. Sünden unserer Civilisation.
B., Steinitz. IV, 144 S. M. 2,00. — 638) X H. Hansjakob, D. Wunden unserer Zeit u. ihre Heilung. 6 Yortrr. Prei-
burg i. B., Herder. IV, 116 S. M. 1,80. |[ÖLB1. 2, S. 453.]| — 639) X R- Eucken, D. Grundbegriffe d Gegenwart (vgl. JBL. 1892
IV 5: 842):N&S. 66, S. 269-70. — 640) X Wandlungen d. Zeitgeists in Deutschland: TglRs. N. 249. — 641) X H. Gall-
witz, D. Problem d. Ethik in d. Gegenw. E. Beitr. z. Lösung desselben. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1891. VIII,
272 S. M. 5,00. ITHerm. Schmidt: ThLBl. 14, S. 32/4.]| — 642) X L. Auerbach, Wie ist d. Judenhetze erfolgreich zu
bekämpfen? (= An d. Tagesordnung. Beitrr. z. Klärung d. öffentl. Meinung. Heft 3.) B., R. Lesser. 20 S. M. 0,40. —
643) X L. B. Hellenbach, D. 19. u. 20. Jh. Kritik d. Gegenw. n. Ausblicke in d. Zukunft. Aus d. hs. Nachlass her. v. K.
du Prel. L., Mutze. Vm, 136 S. M. 3,00. —
(4)20*
IV 5 IV 6:1-6 Erich Schmidt, Lessiag'.
fang- des 19. Jh." schrieb, erreicht er sie so wenig- als um 1840 Rohmer mit ähn-
lichen Versuchen ihn. Und die Heutig-en g-ar? Nun, man liebt eben das direkte
Charakterisieren heut wenig*; sieht man zu, wie die Gegenwart sich indirekt charak-
terisiere, so giebt vielleicht ein Berichtsjahr voll didaktischer Litteratur einen nicht un-
wichtigen Beitrag zur Beurteilung dieser Frag-e! —
IV, 6
Lessing.
Erich Schmidt.
Ausgal)en N. 1. — Sprache N. 3. — Aufnahme N. 6. — Lehen und Werke N. 8. — Dramen: Faust N. 14; Minna
von ßarnhelm N. 17; Matrone von Ephesns N. 19; Emiliu Galotti N. 20; Nathan N. 22. — Aesthetik: Fabel N. 30; Laokoon
N. 33; Hamburgische Dramaturgie N. 36. — Theologie und Philosophie N. 38. — Vereinzeltes N. 41. —
Ausgaben. Im 9. Bande g-iebt Muncker^) den Laokoon, für den er die
Berliner Originalhs., die Korrekturbog"en und die Citate sorgfältig neu verglichen hat,
und, ohne hs. Material, aber die von Weibert entdeckten Doppeldrucke berück-
sichtigend, den ersten Teil der Hamburgischen Dramaturgie. Er bleibt durch I^ach-
manns g"ewiss unglückliches Prinzip gezwungen, die hs. Varianten des Laokoon
nicht auszubeuten; was doch viel wichtiger wäre als die Mitteilung- blosser Satzfehler
wie „Mormontel" „öffende;' „Plaisanteriern." Die Emendationen 189, 6 „abgetäuschet"
und 298, Bl „seiner" gehören als zweifellos in den Text, während 326, 17 die
Vermutung, es sei „hatte" zu lesen, unnötig ist, aber zu 196, 25 Kettners Be-
merkung, Lessing habe „wagrecht" und „senk- oder lothrecht" verwechselt, hätte
erwähnt werden sollen. Im ganzen zeigt der Text, dass Grosse die Ueberlieferung'
der Dramaturgie allzu pessimistisch beurteilt hat. — Albert Cohn'-^J veröffentlichte
aus dem Stammbuch des Regensburgers Johann Ludwig Grimm Lessings Eintrag,
Braunschweig 30. August 1771: Wess Herz war nicht ein Schalk? Freund, trau
dem Schmeichler nicht, | Der durch dein Lob, nur Hohn der deutschen Sitte spricht! |
Das Herz hat seinen Wunsch; die Weisheit ihre Lehren, | Worunter die: Sein Herz
mit Misstraun nur zu hören. (S. 175 Winckelmanns Brief, 10. Dec. 1766, an Gleim
über L. ; S. 154 Brocken aus einem Klotzischen Schreiben, 25. Juli 1771.) —
Sprache. Während Dunger^J und Du sei*) nur ein paar abgerissene
puristische oder auf „welcher" und „derselbe" gerichtete Beobachtungen zu Markte
bringen, behandelt TyroP) ausführlich und trotz allgemeinen Schwächen wie einzelnen
Fehlern erspriesslich die formale Redaktion fünf älterer Lustspiele in der Sammlung
von 1767, auch die Sara (1755, 1772) heranziehend, sächsische Zeitgenossen ver-
gleichend, Gottscheds Sprachkunst, Adelung usw. aufschlagend. Was den Setzern
gehört, wird nicht erwogen. Die vielen Aenderungen der Flexionen, der Syntax, des
Stils zeigen keine strenge, für die Folgezeit gültige Konsequenz, aber doch bestimmte
Absichten in der Einführung voller Deklinationsformen, die überhaupt normiert
wurden, der Vermeidung des Hiatus, der Wahrung des Mundartlichen in charakte-
ristischer Rede, der Präcisirung und Belebung des Gesprächs. Die Abschnitte
„Wortschatz" und „Wortfügung" ermangeln klarer Rubriken. —
Aufnahme. Nach einer Pause von neun Jahren schliesst Brau n'^) sein
leider nicht nach den Schriften, sondern rein annalistisch geordnetes Sammelwerk ab.
Er hat es an unverdrossenem Eifer nicht mangeln lassen, obwohl mancherlei fehlt und
nicht selten Anmerkungen über Vf. und Beziehungen vermisst werden — aber ist
das Ergebnis der Mühe wert? Macht die ältere deutsche Tageskritik in diesem
Areopag zum allergrössten Teil unbedeutender oder alberner oder verrannter Richter
nicht einen kläglichen Eindruck? Das Sammelsurium müsste aus den Briefen hervor-
ragenderer Zeitgenossen ergänzt werden. Schweigen doch autfällig genug die Frank-
furter Gelehrten Anzeigen von der Emilia, aber an Herder sendet Goethe sein inhalt-
schweres Urteil. Ist es nötig ganze Bogen mit Engels längst verwerteten Ab-
schnitten des „Philosophen für die Welt", mit schalen Briefen über den Nathan, mit
dreistem Gerede Kleins über die Emilia zu füllen? Herders Kritik „Wie die Alten"
und seinen grösseren Nachruf aus dem Merkur — freilich auch hier ein Labsal nach
1) F. Muncker, G. E. Leasings sämtl. Schriften. Her. v. K. Lachmann. 3., aufs neue durchges. u. verm. Aufl.
9. Bd. Stuttgart, Göschen. X, 406 8. M. 4,50. — 2) (I 3 : 53, S. 172.) (Vgl. auch DDichtung. 18, S. 272.) — 3) (I 3 : 37.) —
4) (I 8:38.) — 5) (I 8:39.) - 6) J. W. Braun, Lessing im Urteile seiner Zeitgenossen. 2. Bd. 1773-81. B., Stahn. XVI,
Erich Schmidt, Lessing-. IV 6
7-14
den unnützen Zeitungsnachrichten vom tötlichen „Steckfluss" — sucht man jetzt in
Suphans Ausgabe seiner Werke. B. hätte sich in zahh^eichen Fällen mit einem
kurzen Regest begnügen sollen. Vor allem der vasten und wüsten Fragmenten-
Litteratur gegenüber: denn der Abdruck zweier Stücke aus Goezes „Vorläufigem",
die zunächst in einer Zeitung erschienen waren, kann keinem Forscher g-enügen,
und was all die Bekämpfer des Ungenannten ausgekramt haben, wird er sich von
ihnen selbst sagen lassen, nicht von ihren Parteigäng-ern oder von rationalistischen
Berichterstattern. Das Buch führt also einen schweren Ballast, doch erkennen wir
die Nützlichkeit so mancher Ausgrabung gern an. — Ganz äusserlich und unge-
schickt rafft Singer'') Notizen zusammen über Aufführungen und Uebersetzungen
der Minna (Haymarket 1786 The disbanded officer, von Johnstone verballhornt; in
York 1788 heisst der „landlord" Katzenbuckle; 1799 School for honour; 1806 in
Holcrofts Theatrical Recorder II, ziemlich treu, vorn ein Tadel der Riccautscene und
die Entschuldigung- : the manners of Germany admit, or rather require, the woman
to make direct advances, which halfshock our customs) und der Emilia(Drurylane 1794,
ungedruckt, erst Thompson 1800; Orsina: Mrs. Siddons); über den „Nathan" nur
ein nichtssagendes Sätzchen. Bernays möchte sich derartige „Spenden" verbitten ! —
Leben und Werke. Scherers^)1881in der Deutschen Rundschau
erschienener Jubiläumsaufsatz ist nun, mit einer einzigen sachlichen Aenderung,
seinen „Kleinen Schriften" einverleibt worden. — Den äussersten Gegensatz dazu
bildet das 1892 in den Heften der socialdemokratischen „Neuen Zeit" (vgl. JBL.
1892 IV 6:4a) abgedruckte Pamphlet Mehrings'^), worin Lessing von der durch
Goethe eingeleiteten, durch Gervinus fortgebildeten, durch Scherer und mich, wie
der Vf. meint, aus preussischem Byzantinismus und akademischer Borniertheit zu
Tode gehetzten „Legende" befreit werden soll, Friedrich der Grosse habe mittel-
bare und unmittelbare Verdienste um die deutsche Litteratur. M. ist ein gescheiter
und beredter Mann, aber ein Rabulist, der hier seinen Lessing in die Reihe
socialistischer Vorreformatoren hinein „retten" möchte, von dem König ein äusserst
tendenziöses Zerrbild entwirft, unbequeme Gedichte und Briefe Lessings und der
Seinen ebenso eskamotiert, wie er z. B. meine Sätze über die, Ode „An Mäcen"
dreist auf den Kopf stellt. Immerhin sind die rein polemischen Absätze viel frischer
zu lesen als die ruhigeren über Lessings Bildungsgang und das sächsische Wesen. —
Rolleston'*') hat uns Deutschen in seiner langen Einleitung nichts Neues zu
sagen, und der specielle Teil, der Lessing als Neuschöpfer des Dramas über-
schwenglich feiert, bietet ausser Gemeinplätzen (S. 253) einen schiefen Vergleich
zwischen Teilheim und Don Quixote und fS. 255) einen nicht minder schiefen
zwischen Lessing und Goethe; dieser habe leider als Dramatiker andere, falsche
Wege eingeschlagen. Schliesslich bricht R. über die deutsche Dichtung der Gegen-
wart den Stab. — Erich Schmidts Lessing (vgl. JBL. 1892 IV 6:4) hat Chuquetu)
sehr freundlich besprochen, ohne dieser Kritik, den kleinen über „Lessings Ueber-
setzungen" und Munckers Ausgabe, den grösseren über Gruckers „Laokoon" und
„Dramaturgie" ausser dem Reiz der Form auch das Gewicht eigener Bemerkungen
zu geben. — Lessings Bruder Theophilus erscheint 1799 mit dem Anhang zu seinem
Gedicht „Liebe und Dank" als zahmer und lahmer Verteidiger der Stadt Chemnitz
gegen ein unverschämtes Pasquill, das Uhle'^)^ die Zoten streichend, nach dem
einzigen erhaltenen Exemplar wieder abdruckt. — f^H o 1 s t ei n'-') stellt kundig in
einem grossen Citatenteppich alles zusammen, was die Werke und Briefe Lessings
und Kästners über ihre persönlichen und geistigen Beziehungen enthalten. In einem
bisher ungedruckten Brief an Scheibel (29. Nov. 1797) nennt Kästner als nachher
berühmt gewordene Genossen seines Leipziger Disputatoriums Lessing , Gramer,
Zachariä, Mylius. Am 1. April 1799 schreibt Kästner, Lessing habe ihm vor vielen
Jahren gesagt : „Die Philosophie, wie sie damals vorgetragen wurde — Deklamationen
statt Beweise — wird so seicht, dass man es fühlen muss, sie kann nicht so bleiben!"
In der Spinozafrage — er macht den Wortwitz : Spinosisten von spina. Dorn -- g-laubt
er an eine Schrauberei: „Lessing war ebenfalls so mutwillig,"dass er, um gute Leute
zum besten zu haben, sich schlimmer stellte als er war". Die Mitteilung an Frau
Baidinger (12. Nov. 1779) über seinen dreisprachigen Brief an Lessing und dessen
Antwort über die drei giftigen Cerberus-Zungen deckt sich ungefähr mitjKästners^
Worten an Nicolai, die ich (VLG. 4, S. 273) abgedruckt habe. —
Dramen. Für den Faust verweist Schönbach'*) kurz auf eine
Variation des nächtlichen Teufelkonvents in der um 1250 entstandenen, 1483 ge-
415 S. M. 9,(X). — 7) H. W. Singer, Englische Urteile über d. Dramen dtsch. Klassiker. (= I 1:118, S. 1-12.) — 8)
(I 1 : 117; 2, S. 71-102.) — 9) F. Mehring, D. Lessing-Legende. E. Rettung. Nebst e. Anh. über d.'hist. Materialismus.
St., Dietz. Vin, 500 S. M. 3,00. |[A. Sauer: DLZ. S. 1323; (Beplik S. 1524; Duplik S. 1589).]| — 10) T. W. Rolleston,
Lessing and his place in German litt.: ContempR. 64, S. 236-58. — U) A. Chuquet: RCr. 35, 8. 130 1, 212 3; 36, S. 304,420/1.
— 12) (IV 5:514.) — 13) H. Holstein, Lessing u. Kästner: M»gdZgB. N. 44/7. — M) A. Schön bach, Zu Lessings Faust-
IV 6 : 15-24 Erich Schmidt, Lessing-.
druckten Predigtsammlung' des F'ranziskaners Lucas (Haureau, Notices et extraits
V 1892. S, 62). — Pf eilsch midt^^) berichtet, marktschreierische Zettel mitteilend,
über eine Aufführunsr des „Faust von Lessing" in Nürnberg" 1782, während dort
1777 Weidmann als Urheber genannt war, und erblickt in diesem nicht den Schau-
spieler Paul Weidmann, wie man bisher mit Werner meinte, sondern Karl Weid-
mann, Referendar der böhmischen Kanzlei. — Das bestätigt Fränkel^^}. —
In allzu konstruierender Weise, doch mit feinen Bemerkungen, erklärt
Kettner'') die Charakteristik der Minna von Barnhelm aus dem „Gesetz des
Komischen": sie vertrete so einseitig, wie Tellheim die Ehre, das Recht der Liebe, und
das Spiel kehre sich endlich um, dass er der Gebende, sie die Empfangende sei. — Die
verdiente Elis ab et hMentzel*^) bietet neu aufgefundeneZettel der Kurz-Bernardonschen
Truppe (vgl. Litzmanns Schröder Bd. 2) aus Frankfurt a. M. dar, die mit An-
preisungen der Stücke versehen, aber undatiert sind: „Der Freigeist" 1768 (Brock-
mann als Theophan); „Minna von Barnhelm" (ohne Riccaut, wie bekannt): „Ein ganz
neues, hier und an keinem Ort noch vorgestelltes Lustspiel", doch ist der Schluss,
diese Aufführung falle vor die Hamburgische vom 28. Sept., nicht unbestreitbar.
Zur Matrone von Ephesus bieten mittelbares Interesse Colli gnons '8)
lose aufgefädelte gelehrte Nachrichten über die Kunde Petrons in Frankreich; für
unseren Stoff kommen in Betracht S. 59 Brantome (nach d'Aurat), S. 66 Balzacs und
S. 80 J. B. Rousseaus Anspielungen; S. 68ff. Uebersetzungen in Briefen Meres,
Plassacs, Bussys; S. 73 Lafontaine; Dramen S. 73 P. Brisson, L'Ephesienne, fünfaktige
Tragikomödie in Versen (Theätre frangais 1614); S. 74 Parodie in einer ,,scene du
compliment et de la bouteille" von Noland de Fatouville, La Matrone d'E. ou Arlequin
Grapignan (Theätre Italien 1682); S. 82 la Motte, ein Prosaakt (Theätre frangais
1702); Fuseliers dreiaktige komische Oper (Foire St. Laurent), Legays Einakter
in Versen 1788, Radets Einakter mit Vaudevilles 1792, Verconsins Einakter in Versen
(Gymnase 1869). Die Nachahmung im 6. Kapitel des Daudetschen Immortel ist auch
mir sofort aufgefallen. Von Lessing ist bei C. nicht die Rede. —
Aus der Wasserflut der Schulschriften über EmiliaGalotti erhebt sich
ein scharfer, geistreicher Aufsatz Kettners^^), der, hie und da wohl zu streng, den
Hintergrund der Zeit, die Verkettung der motivierenden Umstände oder Zufälle, die
Rolle des Intriganten (ein Davus ins Teuflische hinübergespielt), die innere Ge-
bundenheit der nervösen Personen, das endliche Hervorspringen der sittlichen Frei-
heit aus dem äussersten Determinismus prüft und, was uns das Anregendste scheint,
Lessings dramatische Psychologie im Zusammenhange mit Leibnizens „Nouveaux
essais sur l'entendement humain" zeigt: Wichtigkeit der „perceptions petites et
insensibles" für Charakterbildung und Willensakte, Bewusstes und Unbewusstes,
Temperament, vage Unruhe verbunden mit Erinnerungen und dem Spiel der Ein-
bildungskraft, innerer Kampfder„penseesconfuseset distinctes". — Als Odoardo übertreffe
Ekhof die höchsten Erwartungen, meint Nicolai, wie, S ch ü d d e k o p f ^i) mitteilt,
nach der Aufführung in Weimar 1773 (6. Mai); die Hensel-Seyler findet er nicht so
erschöpfend, doch in den „furiosen Stellen" meisterhaft, Bock als Prinzen „ziemlich
gut", die Mecour als Emilia „ziemlich mittelmässig", Madame Bock als Claudia der
Starkin nicht gewachsen, Brandes als Kammerherrn im Stil eines Kammerdieners. —
Nathan. Feiert Trost 22) obenhin die unreifen „Juden" als Messias des socialen
Dramas, so nimmt Zumbini23) mit einer Verurteilung des Antisemitismus den
Anlauf zu einem langen, wohl nur in dem Abschnitt über Cardan, dessen Recht-
gläubigkeit Lessing fälschlich, d. h. politisch verfochten habe, für uns beachtens-
werten Aufsatz; denn auch alles, was über die Italiener gesagt wird, ist geläufig,
die Verwertung anderer Geschichten des Decameron (10, 5) durch Caro vorweg-ge-
nommen (Z. selbständig, Fanfulla 7. Dec. 84). Mehrmals erfreut ein gesunder
W^iderspruch gegen Konstruktionen der deutschen Forschung, die dem Vf. aber nur
teilweise bekannt zu sein scheint. -- Durch eine unzulängliche Erstlingsarbeit
Fioravantis (II Saladino nelle leggende francesi e italiane del medio-evo, Reggio
1891) aufgefordert, erstattet Paris^*) schwergelehrten Bericht über Saladins
romantisches Nachleben in gedruckten und ungedruckten, poetischen und prosaischen
Werken des französischen Mittelalters. Aus der sauber gegliederten Abhandlung
Vorspiel: VLG. 6, S. 320. — 15) H. Pfeilschmidt, Lessinge „Faust" auf d. Nürnberger Bühne. (= III 5:3; S. 176-88.)
(Sonderabdr. 1.5 S. Schon 1888 als Zeitungsfeuilleton erschienen.) - 16) (IV 4 : 180; vgl. BLU. S. 403/5.) — 17) G- Kettner,
D. CharaVter der Minna v. Barnhelm n. seine Stellung im Drama: ZDU. 7, S. 217-30. — 18) Elisabeth Mentzel, Lessings „Minna
V. Barnhelm" n. „Freigeist" auf d. Frankfurter Bühne 1767 u. 68 : AFranljf G. 4, S. 375-85. — 19)A.Collignon, Pef rone au MA. et dans
la litt, f rany. : AnnEst. 7, S. 47-91. — 20) G. Kettner, Ueber Lessings Emilia Galotti. (= Illustrissimae Scholae Regiae Afranae con-
gratulantur Scholae Regiae Portensis rector et collegae. (Naumburg, Lipperts Buchdr. 32 S., S. 5-32.) — 21)K.Schüddeko p f, Nicolai
über Weimar im J. 1773: VossZgB. N. 51. — 22) K.Trost, D. sociale Drama: NorddAZg. 5. Dec. - 23) (IV 1 d : 77; S. 173-216.)
irA. Zardo: NAnt. 48, S. 711-20.]| — 24) G. Paris, La legende de Saladin. (Extr. du JSav., Mai h Aoüt.) Paris, Imprim. nat.
Erich Schmidt, Lessing-. IV 6 : 25-36
hebe ich hervor S. 14/5 (der sterbende Saladin fragt die drei weisesten Männer
Jerusalems, einen Juden, einen Christen, einen Muselmann, nach der besten Religion.
Der Jude antwortet: meine, und gab' ich sie auf, so würde ich die christliche
wählen, die von ihr stammt; der Saracene : meine, und gab' ich sie auf, so würde
ich die christliche wählen, von der sie stammt; der Christ: meine, und um keinen
Preis würde ich sie für eine andere aufgeben. Ihm folgt der Sultan. Lateinisches
Ms. von Tours, 13. Jh., citiert von Lecoy de la Marche, Etienne de Bourbon p. 64).
Ferner die Erörterung der europäischen Reise Saladins vom Busone an ('S. 29—30).
Für die Ring-Parabel verweist P. kurz auf seinen älteren Aufsatz. — Hampe^^)
druckt aus einem Codex der Berliner Kgl. Bibliothek „Ein gleichnus Eines Juden
[von] der Religion" ab, einen elenden anonymen Meistergesang von 1605, worin
nach unbekannter Quelle mit widerspruchsvoller Auszeichnung des jüngsten Lieblings-
sohnes Kaiser Max II. und ein Prager Jude zusammengebracht werden. — J a c 0 b y 2^)
leitet die Frage des Schillerschen Jünglings „Ist deine Wahrheit . . . nur eine
Summe" von dem Nathan-Monolog 3, 6 ab. — Mehr als aus C a 1 k i n s 2'') Ueberlegung
„Gedicht oder Stück?" mögen wir aus klugen Theaterkritiken, z. B. Kalbecks^S),
lernen, und Auerbachs ^9) Aufzeichnungen, frisch nach wiederholtem Besuch des
„Nathan", der ,,Emilia", wird man sowohl seinet- als L.s wegen gern mit Beifall und
Widerspruch lesen. Das Register lässt diese und allgemeinere Reflexionen leicht
übersehen. —
Aesthetik. An Fischers förderlicher, aber zu orthodoxer Arbeit (vgl.
JBL.1891IV 7 : 41) über Lessings Theorie derF ab e Ihaben W^alz e 1 und Pr o s ch^o)
verständige Kritik geübt. — Programme, in denen immer wieder dasselbe Stroh
gedroschen wird, lassen wir bei Seite ^t). Dagegen verdient rühmende Erwähnung
das von Noelle^^j über La Fontaine wegen seiner liberalen, gar nicht schul-
füchsischen Poetik, der Nachweise, dass der Dichter Lessing keineswegs immer so
knapp sei wie der Gesetzgeber Lessing heische, der über Lessings „Bestandheit"
hinausweisenden Tierpsychologie, der guten Citation des Babrius, der von Abdrücken
begleiteten Vergleichung mehrerer Fuchsfabeln. — Für Lessings Wolfenbütteler
Studien wäre aus dem Vorjahre Braunes 32a j treffliche Einleitung zu Erasmus
Alberus nachzutragen. —
Laokoon. Lessings Erklärung der körperlichen Schönheit als Schönheit
der Form, der Farben, des Ausdruckes in seinen Vorarbeiten zur Fortsetzung führt
Harnack^S) auf Mengs Riflessioni sulla bellezza (deutsch 1765) zurück: Raphaels
„espressione", Correggios „certe forme", Tizians „colori". — Ueb er egg er 3*) sucht
Lessings zuversichtliche Behauptungen über das Verhalten der leidenden Griechen
und Barbaren, schon von Herder angefochten, durch einen Schwall homerischer, sopho-
kleischer und mittelhochdeutscher Steilen zu widerlegen und schliesslich, Blümner folgend,
noch einen Widerspruch zu beleuchten, da Weinen und Lachen nicht transitorisch
sei. — H a r m s 35) citiert Walthers „Ich sa^ üf eime steine", um Lessings Theorie,
der Dichter schildere Körper andeutungsweise durch Handlungen, zu bestreiten und
zu erklären, durch konkrete Verba schaffe die Sprache im Hörer deutliche Vor-
stellungen von Dingen im Räume. Mit einer Klage über den Schwund der echten
Verba schwingt er sich dann fernab vom Laokoon auf Wustmanns Tummelplatz,
haut die akademische Litteraturgeschichte in die Pfanne , stellt die lotterigen
Kathederredner an den Pranger, versetzt dem Poetiker und Stilisten Scherer die
üblichen Tritte und nagelt ein paar „geschmackvolle" Sätze (wie „Die winzige Scene
vor dem Kreuz entfiel") fest zum Beweis, dass ich „den litterarischen Gigerlrock noch
etwas kürzer trage". Ein geschmackvoller Kritikus! —
Dramaturgie. Ich lege Grucke rs^ß) gleich seiner früheren Laokoon-
Studie sehr lehrreichen und anregenden Aufsatz über L. und das französische
Drama und das Verhältnis beider zu Aristoteles zurück, weil er nur einen Teil
des grossen, der Hamburgischen Dramaturgie gewidmeten Kapitels bildet und dieses
im 2. Bande der „Historie des doctrines litteraires et esthetiques en Allemagne",
hoffentlich recht bald, noch „certains developpements, ainsi que certains details et
commentaires d'erudition" aufnehmen soll. — Die Verbesserungen in der 2-. Auflage
4». 48 S. — 25) Th. Hampe, Zwei Parabeln v. Meistersingern. 1. D. Ringparabel: VLG. 6, S. 102,6. (Vgl. H 2:22.) — 26)
D. Jacoby, Zu Schillers Gedicht „D. verschleierte Bild zu Sais": ib. S. 158/9. (Vgl. lY 9 : 50.) — 27) ß. Calkins,
Nathan d. Weise — poem or play?: MLN. 8, S. 193-205. — 28) M. Kalbeck, Nathan d. Weise: NWienTBl. N. 15. — 29)
(IV 4:314.) - 30) 0. F. Wulzel: ZOG. 44, S. 1368; F. Prosch: ib. S. 535/8; id.: Gyran. 11, S. 12 3. — 31) O X A. E.
Z witzers, Lessings Stellung z. Fabel. Progr. Emden. 16 S. — 32) A. Noelle, Beitrr. z. Studium d. Fabel mit bes. Be-
rücksichtig. Jean de La Fontaines. Nebst vergleichenden Texten n. metrischen Verdeutschungen. Progr. Cnxhaven ( Ranschenplat).
4». 57 S. — 32a) W. Braune, D. Fabeln d. Erasmus Alberus. (= NDL. N. 104,-7.) Halle a. S., Niemeyer. LXXII, 216 S.
M.2,40. (Vgl. JBL. 1892 II 5b:27.) — 33) (1 12 : 15 b.) — 34) J. Ueberegger, üeber d. v. Lessing in d. ersten drei Abschnitten
seines Laokoon ausgesprochenen Ansichten. Progr. d. Staatsgymn. Olmütz. 30 S. — 35j P. Harms, Laokoon, Kap. 16:
Grenzb. 2, S. 591-605. — 36) E. Grncker, La „Dramaturgie" de Lessing, Corneille, Aristote et la tragödie fran9.: AnnEst. 7,
IV 6:37-41 Erich Schmidt, Lessing-.
der Cosackschen „Materialien" (vgl. JBL. 1891 IV 7 : 58) würdig-t kurz K ö s t e r 3"). —
Das Heftchen „Der bremische Lessing" •^'a') hat mit Gütthold Ephraim nichts zu thun,
sondern bringt die Abfertigung des Herrn Henri Gartelmann (vg-l. JBL. 1892
I 11: 128) durch einen empörten „Cerberus". —
Theologie und Philosophie. Seiner Darstellung" der Händel lässt
Erich Schmidt^s) (^q^^ Abdruck der Goezeschen Streitschriften „Etwas Vor-
läufiges" und „Lessings Schwächen" 1 — 3 folgen und stellt in einem Anhang, zum
Teil nur referierend (vg-l. nun auch Braun Bd. 2), alles zusammen, was die Ham-
burgischen „Freywillig"en Beyträg-e" 1774 — 78 und der „Beytrag zum Reichs-Post-
reuter" 1777 — 80 aus den Kreisen Goezes und Wittenberg-s auf Lessing und den
Fragmentenstreit Bezügliches enthalten, auch Goezes drei Erklärungen über die
„bibliothekarische Ungefälligkeit" und seinen Artikel über den „Papst Hammoniens".
(Zur Abwehr von Missverständnissen sei bemerkt, dass M. Sdraleks „Wolfen-
bütteler B'ragmente" kircheng-eschichtliche Analekten des Mittelalters aus Hss. der
Guelferbytana enthalten.) — Man n^^), in Lessings Werken wohl beschlagen, bezeichnet
die Recensionen Wielands und Cramers, den 5. Fabelaufsatz und die „Erziehung-",
ausser zerstreuten Aeusserungen, als Quellen der Erkenntnis nicht eines geschlossenen
Systems, doch der Hauptpunkte einer Lessingschen Pädagogik und behandelt, mit
umfassendem Hinblick auf das selbständige Streben nach sittlicher und intellektueller
Vervollkommnung als Lessings Ideal, seine Ansichten vom „erziehenden Unterricht" :
Aufgaben (Anregung des Denkens, Interesse), Unterrichtsstoff, Auswahl, Bearbeitung,
Durcharbeitung , „formale Stufen", Specielles. Schon die Schlagworte zeigen den
Herbartianer. Er könnte genetischer, entwickelnder verfahren, auch dem Dichter
Lessing mehr entnehmen und das praktische Lebensideal stärker betonen. — An
einem schwierigen Thema erprobt A r n s p e r g" e r 4*^) seine Kraft mit umfassender
Kenntnis der älteren Litteratur bis zu meinem Kapitel und mit eigenen Ergebnissen,
die wohl nach Art des Meisters Kuno Fischer manchmal in zu klarer Periodisierung
dargeboten werden, denn die Probleme sind verwickelter, die Grenzscheiden der
Gedankenarbeit fliessender, als die bis zu einem gewissen Grad ja unerlässlichen
log-ikalisch-historischen Gewaltakte unserer Forschung" sie erscheinen lassen.
Natürlich hat auch A. von Dilthey viel gelernt. Er legt dar, wie Lessing von
seiner vernunftgemässen Umdeutung" der Dogmen und im Zusammenhang damit von
Leibniz her — S. 13 : aber auch von einem Reimarischen Wink aus — zur Metem-
psyohose kam , dass seine Palingenesie , mit Umbildung" alter und neuerer Vor-
stellungen, Metamorphose, seine Fortdauer Fortentwicklung" ist, der von mir strikt
g"eleugnete Gedanke einer kosmischen Wanderung" allerdings nur den jüngeren
Lessing" beschäftigt hat, und wie der Determinismus (S. 21 auch für das „Horoskop"
wichtige Citate über Wissenschaft des Zukünftigen) anders als bei Jerusalem durch
die Theodicee ergänzt werde. Dass Lessing" starke Einwände gegen seine Metem-
psychose, besonders die Frage, warum ein Teil des Intellekts, das Gedächtnis
schwinde, bloss rhetorisch von der Hand geschlagen habe, ist richtig. Dem Erweis,
in der letzten Phase trete die Palingenesie nicht mehr als Hypothese, sondern als
religiöses Postulat, als Idee auf, vermag ich hier nicht nachzugehen. Vor den
Belegen findet man rasche Ausblicke auf Schlosser, Herder, Goethe, Schopenhauer. —
Vereinzeltes. Zum Schluss verweise ich auf die Paralipomena der von
Erich Schmidt und Suphan^^) herausgegebenen Xenien und meinen Kommentar
zu den alten und neuen Lessing wie Nicolai gewidmeten Distichen. N. 267 : Nicolai hat
in seiner Albernheit von der Nähe des „Edeln" so wenig" profitiert wie Lessings
Stuhl. N. 482 : Lessing verfolgt als ungeheurer Orion auf der Asphodeloswiese die
Würg"opfer der Litteraturbriefe. —
S. 489-537. — 37) A. Köster: ADA. 19, S. 196/7. — 37a) D- bremische Lessing (H. Gartelmann). Bremen, Hampe.
15 S. M. 0,40. — 38) Erich Schmidt, Goezes Streitschriften gegen Lessing. (= DLD. N. 43,5.) St., Göschen. V, 208 S.
M. 3,30. — 39) G. Mann, Lessings Päd., dargest. auf Grund seiner Philosophie. Diss. Jena. 55 S. — 40)W. Arnsperger,
Lessings Seelenwanderungsgedanke krit. beleuchtet. Diss. Heidelberg (Hörning). 52 S. — 41) Erich Schmidt u. B. Suphan,
Xenien 1796. Aus d. Hss. d. Goethe- und Schiller-Arch, her. (= Schriften d. Goethe-Ges. 8. Bd.) Weimar, Böhlau. XXXVI,
267 S. (Vgl. IV 8a : 34a; 8c : 20; 9 : 56.) —
E. Naumann, Herder. IV 7 : i-s
iy,7
Herder.
Ernst Naumann.
Geburtshaus nnd Familie N. 1. — Briefe N. 4. — Geistesleben: Ein::elheiten N. 7; Gesamtbild N. 11. — Werke:
Gesamtausgaben N. 14; Blätter von deutscher Art und Kunst N. 16; Cid N. 17. — Herder und Goethes „Satyros" N. 19.
Das Geburtshaus Herders in Mohrung-en, welches im Dec. 1891 von einem
Urenkel des Dichters, Herrn Gottfried von Herder-Porchheim, käuflich erstanden ist,
wurde, vollständig- wiederhergestellt, dem Kreise Mehrungen zu einem wohlthätigen
Zwecke am 3. Mai feierlich übergeben und somit auf absehbare Zeit vor Verfall
bewahrt. Das Gelingen des Planes ist durch die thätige Teilnahme der Herderschen
Familie, des Sohnes von Herders Tochter Luise, von Stichling, gefördert worden.
Vor allen aber hat sich Suphan^) warm der Sache angenommen. 2) — Gottfried
Theodor von Stichling ^J war geboren am 14. Juni 1814; er starb am 22. Juni 1892
als Staatsminister des Grossherzogtums Sachsen-Weimar, um das er sich grosse
Verdienste erworben hat. Die lebhaften Beziehungen zur deutschen Litteratur, ins-
besondere zur klassischen Weimarer Periode, in denen er als Herders Enkel stand,
hat er bis zu seinen Tode gepflegt. Suphans kritische Ausgabe der sämtlichen
Werke Herders sowie Hayms Herderbiographie danken ihm fruchtbarste Unterstützung-;
neben seiner amtlichen Thätigkeit fand er Müsse zu eigener schriftstellerischer Be-
schäftigung, mit hervorragenden Männern der Wissenschaft und der Litteratur stand
er in engem Verkehr. Während seiner 53 Dienstjahre war es ihm vergönnt, segens-
reiche Einrichtungen im Grossherzogtum einzuführen und zu fördern, und auch in
den grossen Angelegenheiten, um die es sich 1866 und 1870 — 71 handelte, hatte Herders
Enkel Gelegenheit, ein gewichtiges Wort mitzusprechen. —
Die Veröffentlichung ungedruckter Briefe und übergangener Stellen aus
Herders Briefwechsel mit Gleim setzt Pawel*) durch Mitteilung von 30 Nummern
aus den J. 1795—1803 fort. — An einen bereits bekannten Briefe Herders an seine
Braut knüpft Sanders^) sprachliche Bemerkungen, besonders den Gebrauch von
„bei" mit dem Akkusativ bei Herder, Moritz, Goethe, Jung-Stilling nachweisend. —
Nach einer ersten Bekanntschaft Herders und seiner Gattin mit Georg und Therese
Forster im Sept. 1785 entstand zwei Jahre später ein inniger Verkehr zwischen den
verwandten Seelen. Aus dem sich nunmehr entspinnenden Briefwechsel teilt Leitz-
mann^) ein erhalten gebliebenes Blatt von Karoline und Herder an Therese Forster
vom 3, März 1788 mit. Karoline entschuldigt ihr längeres Schweigen mit Krankheit
bald nach der Geburt ihres Sohnes Karl Alfred (11. Dec. 1787) und spricht freudige
Erwartung zu Goethes Heimkehr aus Italien aus. Herder fährt fort, berichtet über
das Söhnlein, berührt manches, was Forster persönlich betrifft, wünscht sich über
den Berg seines vierten Teils der „Ideen" hinweg und schliesst mit einem Seitenhieb
auf Kants Metaphysik. —
Geistesleben. Herders Wirken im einzelnen, wie an dem Weimarer
Gymnasium behandelt Francke'') auf Grund der Schulreden, indem er die Haupt-
gesichtspunkte Herders für Erziehung und für den Betrieb der verschiedenen Lehr-
fächer zusammenstellt und auch einen Blick auf dessen Bemühungen um Hebung
des sittlichen Lebens der Schüler wie um die Stellung der Lehrer wirft. — Als ein
schönes Denkmal für Herders und Schillers geistigen Verkehr im J. 1795 weist
Imelmann^) den Eingang Herderscher Ideen in Schillers „Wallenstein" nach.
Der Aufsatz „Das eigene Schicksal", in jenem Jahre entstanden, in Schillers „Hören"
erschienen und von diesem mit lebhaftem Beifall gelesen, enthält eine ganze Reihe
einzelner Betrachtungen und bezeichnender Gedanken, welche in zahlreichen Stellen des
„Wallenstein" oft bis auf den Ausdruck wiederklingen. Die von I. beigebrachten
Parallelen sind überzeugend, sie werfen sogar auf einige schwierigere Stellen des
Dramas neues Licht. Aber auch die weitere Vermutung ist begründet, dass auch an
der Einführung der Schicksalsidee selber in den Wallenstein-Plan Herders Meditationen
in Schillers Zeitschrift ihren Anteil gehabt haben mögen, zumal eine frühere Spur
dieser Idee im Zusammenhange mit dem Wallenstein nicht bekannt ist. Eine gewisse
Kongruenz der Schicksalsbegriffe bei Herder und bei Schiller, so schwer fassbar sie
bei beiden sind, lässt sich nicht verkennen; jedenfalls kann das Fundament der
1) B. Suphan: AltprMschr. 30, S. 372. — 2) X ^Zg- N. 75. - 3) X., Staatsminister D. G. Th. Stichling:
NJbbPh. 148, S. 473/4. — 4) J. Pawel, Briefe Herders an Gleim: ZDPh. 25, S. 36-70. — 5) D. Sanders, Zu e. Briefe
Herders: ZDS. 6, S. 393 4. — 6)A. Leitzmann, E. Brief v. Herder u. Karoline an Therese Forster: VL6. 6, S. 588-91. —
7) (I 6:47.) — 8) J. Imelmann, Herder u. Schillers Wallenstein. Progr. d. Joachimsthalschen Gymn. Berlin. 4". 16 S.
Jahresberichte fftr neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (4)21
rV 7:9-11 E. Naumann, Herder.
Dichtung" aus Herders Behandlung* des Themas eine Verstärkung- erfahren haben.
Erwähnungen Wallensteins und seiner Zeit bei Herder im Jahre jenes Aufsatzes, meist
im Anschluss an Baldes Oden, legt I. in grösserer Zahl dar; oft ergeben sich auch
hierbei An- und Nachklänge bei Schiller. — An Herders Wahlspruch „Licht, Liebe,
Leben" knüpft Rohde-Beyersdorf^) Betrachtungen pädagogischen Inhalts. —
Herders letzten Kampf gegen Kant in der Metakritik und der Kalligone erklärt
Kühne mann 10) aus der eigenartigen rein persönlichen Denk- und Anschauungs-
weise des ersteren. Herder fühlte sich als Vertreter der Erfahrung in Natur, Ge-
schichte und Kunst dem Metaphysiker gegenüber, war in dem von ihm herauf-
beschworenen Vernichtungskampf aber der kritischen Philosophie nicht ge-
wachsen. Nicht geschult genug im abstrakten Denken und nicht einmal gewillt
oder ruhig genug, die Einzelausführungen Kants in Zusammenhange des Systems
zu prüfen, vermag er in der Kantschen Philosophie nichts mehr als Wortstreit zu
sehen und glaubt die einzelnen Sätze desselben durch Einzelerörterungen beseitigen
zu können. Das ganze Problem ändert sich unter seinen Händen. Nicht mehr die
menschliche Vorstellung ist das erste feststehende Element der Untersuchung, sondern
Gott, der als Ursein und Urkraft lebt, ist ihm von vornherein gegeben, er ist bereits
mitgedacht im Begriffe des Seins. Es kümmert ihn also nicht die Gewissheit und
der Prozess des menschlichen Erkennens; er durchdringt vielmehr die Fülle des
empirischen Wissens und überträgt das tiefe Gefühl, durch welches ihm die Vielheit
der Welt aufging, auf die Dinge selbst. Die Grundbegriffe, von denen Herder aus-
geht. Sein und Kraft, erzeugen ihm in der Kalligone eine vielgestaltige blühende
Welt. Aber sie sind gleich den mannigfachen Ausführungen, die sie in den Tabellen
der Metakritik erfahren, nur logische Allgemeinbegriffe, die wohl den Gang der Ab-
straktion, aber nicht die Methoden der Wissenschaft erschliessen ; so vermischt sich
ihm selbst das Problem der Sprache mit dem der Philosophie. Die Individualität
des Denkers erklärt seine Philosophie. Was ihm die eigentliche Welt und damit
der Inhalt seiner Philosophie war, der nicht erforscht, sondern mit religiöser
Inbrunst erfasst ward, die organische Natur bis zu dem Geistesleben des Menschen
hinauf, davon fand sich bei Kant kein Wort. So war dessen System für Herder
von vornherein leer. Dann aber nimmt dieser die philosophischen Kunstaus-
drücke im Sinne des gewöhnlichen Lebens und verschliesst sich durch diese Um-
drehung der Begriffe die gründliche Erfassung der Sätze, die er bekämpft. So sehr
Herder auch gegen den Kantianismus als Richtung streitet, so wenig kann er sich
doch enthalten, gegen die Person des Gegners, der ihm seine Lebensarbeit durchkreuzt,
Widerwillen zu hegen und zu äussern ; er empfindet dessen Widerspruch als persön-
liche Kränkung. Der Inhalt der beiden Werke zeigt Plerder im Besitze der ihm
möglichen grössten Kraft, aber auch an der Grenze seiner Kraft. —
Ein Gesamtbild von Herders geistigem Leben zu entwerfen, diese Aufgabe
stellt sich Kühnemann ^^) in einer umfangreicheren Schrift. Er sucht jenes Leben
mit seiner Fülle der verschiedenartigsten, oft schwer mit einander zu vereinigenden
Aeusserungen in Wort und Schrift, auf einen einheitlichen Grund zurückzuführen,
indem er unter den Einzelerscheinungen übei'all die Persönlichkeit des Schriftstellers,
des Menschen aufsucht. Er prüft die Reihe seiner Schriften zwar ihrer zeitlichen
Folge nach, aber nicht mit dem Ziele des Litteraturforschers, sondern unter dem
einen Gesichtspunkt, wie sie alle dem Drange eines philosophisch thätigen Geistes,
der mit der Kraft einer ausgeprägten Persönlichkeit ausgerüstet, sich eine eigene
Geschichtsphilosophie und Weltanschauung erringt, als Bethätigung dieses Prozesses
ihre Entstehung verdanken. Es handelt sich also in diesem Werke um eine philo-
sophische Aufgabe, um eine Zergliederung des Herderschen Geistes überhaupt; der
Vf. beabsichtigt eine genetische Psychologie des Herderschen Denkens zu geben.
Ganz kann sich dieser Aufgabe, wenn sie auch nie so entschieden gestellt worden
ist, kein Biograph entziehen, und auch Haym hat sie keineswegs unbeachtet gelassen.
Aber die Entwicklungsgeschichte ist, nach K., Hayms Hauptaugenmerk nicht gewesen,
er vergleicht ihn vielmehr mit dem beschreibenden Anatomen, für den jeder Körper
etwas Abgeschlossenes, Fertiges, Seiendes ist, der also die Entwicklungsgeschichte
nur insofern mit vertritt, als die einzeln präparierten Stücke sich als Glieder einer
Entwicklungsreihe aufweisen lassen. K. hat dagegen das Ziel, die treibenden Motive
in den Arbeiten Herders zu erkennen, danach die Gedanken in dem Verhältnis zu
seinem Gesamtlebensgefühl zu begreifen, die ganze Gedankenbildung also auf die
ursprünglichen Lebensrichtungen seiner Persönlichkeit zurückzuleiten und so den
Gedanken als ein Element psychologischer Entwicklung zu erweisen. Bei dieser
|[H. Unbescheid: ZDU. 7, 8. 555.]| — 9) A. Rohde-Be yersdorf , Welche Bedeutung haben d. Grabworte Herders
„Licht, Liebe, Leben" für d. Lehrer?: PommerscheBll. 17, S. 345/8, 353,4. — 10) E. Kühnemann, Herders letzter Kampf
gegen Kant. (= I 1 : 118; 8. 133-55.) — 11) id., Herders Persönlichkeit in seiner Weltanschauung. E. Beitr. z. Begründang
e. Biologie d. Geistes. B., Dümmler. XYl, 269 S. M. 5,00. |[E. Friedrich: BLU. S. 628-31; H. Roetteken: ZVLR. 6,
E. Naumann, Herder. IV 7 : 12-is
psychologischen Forschung sieht sich K. an als im Dienste systematisch-philosophischer
Arbeit stehend; sie gilt ihm als ein Stück Methodenlehre, welche Entstehung und
Ausbau der Wissenschaft in der psychologischen Erzeugung aus den Persönlichkeiten
der Denker verfolgt (S. 35). Diese Behandlung der Probleme gestaltet sich zu
einer Biologie des Geistes (S. 248) Einer nach diesen Grundsätzen angelegten Be-
trachtung bietet Herder einen besonders geeigneten Gegenstand; früh gezwungen,
sich aus sich selbst heraus zu entwickeln, und früh überschäumend von einer Menge
in ihm gärender Gedanken, Pläne und Aussichten, brauchte er späterhin nur die
Gedankenfülle seiner Jugendjahre auseinander zu legen und zu entfalten; es würde
nicht schwer sein, alle Gebiete seiner späteren Arbeit bereits in dem „Journal meiner
Reise" bezeichnet und teilweise mit den ersten Keimen späterer Werke besetzt zu
finden. Herders Geistesentwicklung vollzog sich vor den Augen der Welt in seinen
Schriften; das „Journal" offenbarte die ersten Ansätze, es wies auch den Weg, auf
dem man Herdern in der Beurteilung gerecht wird, denn es „fesselt (Suphans Worte)
den Leser durch die Kunst, die Herder hier in einer fast unheimlichen Weise be-
thätigt, das Geheimnis des eigenen Inneren zu belauschen und zu enthüllen". K.
behandelt in zwei Büchern die Entwicklung und die Vollendung der Geschichts-
philosophie und Weltanschauung Herders. Die Jugendschriften bekunden die Ent-
stehung und Ausbreitung der Grundanschauungen, darunter bezeichnet das „Journal"
die psychologische Stufe der Selbstbesinnung, die religiöse Begründung seiner Welt-
anschauung steht im Zusammenhang mit den metaphysischen Gedanken seiner
Welterklärung, die Ideen enthalten die allseitigste Offenbarung seiner Persönlichkeit,
die sich in ihrem Werk vollständig auslebt, sie zeigen sich als ein Werk einer in
ihrem Lebensgefühl isolierten Persönlichkeit; in gleichzeitigen und späteren Schriften
tritt der Verfall von Herders Geistesform allmählich hervor. Die mit hoher Be-
geisterung für ihre Aufgabe verfasste, vielleicht mit zu grossem Aufwand an Ueber-
redungskunst und zu umständlicher Beweisführung- ausgestattete Schrift ist gerade
durch ihre Beschränkung auf den gewählten Standpunkt ein wichtiger Beitrag für
die Kenntnis Herders geworden, sie zeigt uns einen Herder in abstracto, der aber
in Wirklichkeit doch nicht so in die Erscheinung trat. Um ein vollständiges Bild
seiner Persönlichkeit zu erhalten, wird man nicht umhin können, die vielfachen An-
regungen, denen ein Herder zu folgen mehr als andere im stände war, nachzugehen;
wenigstens als Hebel für die Förderung seiner Gedanken an das Tageslicht sind die
persönlichen und wissenschaftlichen Beobachtungen, Streitigkeiten, Reibungen imd
Förderungen wirksam gewesen und haben dazu geholfen, den Herder zu gestalten,
wie er als geschichtliche Person dasteht. — Ganz im Sinne des besprochenen Werkes
behandelt Kühnemann i^) an anderer Stelle Herders Seereise als ein Kapitel aus
dessen Seelengeschichte. Aus der Empfindung des Moments steigen dem Reisenden
die Gebilde seines Geistes auf, noch in Beziehung stehend zu seinem Leben in Riga,
aber ihn erhebend und befreiend. Das Gebilde der Idealschule wird ihm ein Ent-
wurf, wie er selbst hätte erzogen werden wollen. In dem hervortretendem Drange nach
thatenreichem Leben regt sich seine reine Lebenskraft, er sieht sich als Reformator
Liflands, Menschheit und Wirkung ist sein Ideal, seine Selbsterziehung stellt sich
ihm dar unter dem Bilde einer Erziehung der Welt. Und doch kehren seine Ge-
danken immer wieder zu Büchern zurück, aus denen er lernen, oder die er schreiben
will. Kühn führt er die Künste auf die Sinne der Menschen zurück, baut er aus
den Kräften der Seele die Wissenschaften auf, will er die menschliche Seele in
allen ihren Erscheinungen erforschen. Dazu soll ihm die Geschichte dienen. Aus
der ihn umgebenden Natur, aus dem Leben selbst gehen ihm die geschichtlichen
Gedanken hervor. Aber das geschichtliche Problem erscheint als Seitenweg von dem
eigentlichen Ziele, die Welt erziehend zu gestalten, und auf diesem Abwege liegt die
Gefahr. Denn um die historischen Darstellungen schwankt das ungewisse ethische
Ideal, und so trägt dieser Geist in seiner Anlage sein Schicksal. — Herders Stellung
zu den Zeitgenossen berührt Carriere^^) in einer Besprechung der Kühnemannschen
Schrift. In Herder durchdringen sich Poesie, Wissenschaft, Religion, und als eine
Sonderung dieser Gebiete in Goethe und Kant hervortrat, verharrte Herder auf
seinem Standpunkt. Nicht ganz unberechtigt; während Schiller und Goethe sich in
das Reich freier Schönheit flüchteten und das Leben zu typischer Symbolik abklärten,
suchte er Gehalt und Form der Poesie aus dem ureignen Geist deutschen Volkstums,
er forderte von Sängern und Dichtern eine prophetische Wirkung in den Fragen
der Gegenwart. Religion war ihm Lebensatem der Seele, das Christentum, gegen
das Goethe und Schiller sich kühl verhielten, Blüte der Humanität. Kant schied
die Elemente, die in Herders Gemüt durcheinander wogten; dieser übersah, dass die
wissenschaftliche Forschung sie sondern muss, aber es war sein Recht, dass der
8. 487-94.] I — 12) id., Herders Seereise nach Frankreich im J. 1769. E. Kap. dtsch. Seelengeschichte: FZg. N. 168. — 13) M.
(4)21*
IV 7 : u-19 E. Naumann, Herder.
ganze Mensch, der ganze Geist mit allen seinen Kräften im Ineinander wirken derselben
lebendig ist. Des weiteren würdigt C. Hayms und Suphans Verdienste um das
Wiederaufleben Herders und gesellt ihnen Kühnemann zu. —
Von Suphans Ausgabe der sämtlichen Werke ist der neunte Band er-
schienen. ^^) Er teilt sich im unmittelbaren Anschluss an den achten zwischen
Bückeburg und Weimar. Der vorweimarschen Periode gehört die älteste Gestalt
der Schrift über die Offenbarung Johannis an, ferner eine Anzahl der kleinen Schriften
und Recensionen. Beim Abschluss der Schrift über die Apokalypse glaubte Herder
einen Ruhepunkt oder einen Wendepunkt seiner Thätigkeit erreicht zu haben; un-
verkennbar hat er in dieser Zeit Schriftstellerei mit „menschlicher" Wirksamkeit
aufs engste verknüpft. Das zeigt der gemeinsame Gedankenkreis, dem alle diese
Schriften entsprossen sind. Die Obliegenheiten der Herausgabe hat Suphan auf S t e i g ^^)
übertragen, nachdem die wichtigsten Punkte der Anordnung und Einrichtung ge-
meinsam festgestellt waren. Den Vorbericht erstattet St. gleichfalls. Wir entnehmen
daraus zunächst den geschichtlichen Bericht über Herders Beschäftigung mit der
Apokalypse. Spuren reichen zurück bis 1770, etwa vier Jahr später wurden die
Gedanken über die „Offenbarung Johannis" niedergeschrieben; aus diesem Heft ist
die Hs. hervorgegangen, die Herder 1777 einem engeren Freundeskreise mitteilte, sie
liegt nun (S. 1—99) zum ersten Male im Druck vor. In drei Stufen von Um-
arbeitungen näherte sich Herder der Druckgestalt von 1779, mit Uebergehung jener
folgt die letzte Fassung (S. 101—288), zwei Vorreden sind im Anhange (S. 99—100)
mitgeteilt. Den Text der Preisschrift „Ueber den Einfluss der schönen in die höheren
Wissenschaften" (S. 289 ff.) liegt der erste Druck in den Abhandlungen der bayerischen
Akademie der Wissenschaften zu Grunde. Für den Wortlaut der Berliner Preisschrift
„Vom Einfluss der Regierung auf die Wissenschaften und der Wissenschaften auf
die Regierung" boten Bruchstücke hs. Materials einige Verbesserungen. Ueber
Herders Anteil an der Lemgoischen Bibliothek (S. 409 ff.) bestand kein Zweifel; als
sein Zeichen wählte Herder die Zahl des apokalyptischen Tieres : 666. Aus Lavaters
,,Physiognomischen Fragmenten" sind das Stück über Hamann nebst drei anderen
Absätzen aufgenommen; aus hs. Aufzeichnung kommt hinzu das „Bild der Maria",
Gräfin von Schaumburg-Lippe, und „Melanchthon" (S. 470 ff.). Die Stücke aus dem
„Teutschen Merkur" (S. 476ff.) gliedern sich als „Charaktere" im grösseren Stile an,
der Aufsatz über Hütten ist die Vorgestalt zu der überarbeiteten Form in den
„Zerstreuten Blättern", zu demjenigen über „Nikolaus Kopernikus Leben" lieferte
eine der Druckgestalt nahe kommende Hs. einige gute Lesarten und Verbesserungen.
Die Betrachtungen Herders „Ueber die dem Menschen angeborene Lüge" (S. 536 ff.)
sind, wie St. nachweist, von Düntzer nicht mit Recht als zu „Karl von Dalbergs
Betrachtungen über das Universum" (1777) gehörig bezeichnet, Herders Abhandlung
ist vielmehr, wie Johannes von Müller richtig erkannt hatte, durch eine andere, hs.,
von Dalberg veranlasst worden. Der Text bietet nicht die endgültige an Dalberg
gelangte Redaktion, welche ebenso, wie Herders Konzept, das der Vulgatausgabe zu
Grunde liegt, verloren ist. Den Schluss des inhaltreichen Bandes bildet das von
Matthisson aufbewahrte und 1890 von Fresenius wieder aufgefundene „Fragment
über die beste Leitung eines jungen Genies zu den Schätzen der Dichtkunst"
(S. 541 ff.). —
Zu den „Blättern von deutscher Art und Kunst" führt Erich
Schmidt 16)^ unter Begrüssung der Ausgabe, sachliche und sprachliche Parallelen
an und teilt eine Reihe von Verbesserungen mit. —
An der Schulausgabe des Cid von Büchner^'') hebt Gl öde die Unter-
scheidung der Grundbestandteile der Dichtung durch den Druck billigend hervor. ^^) —
Zu Scherers Deutung des Goetheschen „Satyros" auf Herder trägt
Seuffert*^) nach, was Flögel an Klotz mit Bezug auf das gegen diesen gerichtete
kritische Wäldchen am 20. Juli 1769 schreibt: „Herder, der Waldbruder, sucht unter
der Nebelkappe unsichtbar zu werden, weil er merkt, dass die Welt seinen Unsinn
kennt." —
Carrifere, Herder: AZgB. N. 128. — 14) O X Herders ausgew. Werke in 6 Bdn. Mit e. l)iogr.-litt. Einl. v. J. Lauter-
bacher. MitBildn. St., Cotta. 288, 324, 286, 235, 252, 280 S. M. 6,00. — 15) B. Snphan, Herders sämtl. Werke, Bd. 9. (Bearb.v.
E. Steig.) B., Weidmann. XVm, 554 S. M. 7,00. - 16) Erich Schmidt, H. Larabel, V. deutscher Art u. Kunst (vgl.
JBL. 1892 IV 7:13): DLZ. S. 11/2. — 17) (I 7:63.) |[0. Glöde: ASNS. 90, S. 416/7.]| — 18) X 0- 10:23.) — 19) B,
Seuffert, Herder, D. Waldbruder: VLG. 6, S. 480. (Vgl. IV 8e:22.) —
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a : i-iv
IV, 8
Goethe,
a) Allgemeines.
Veit Valentin.
Bilder und Denkmäler N. 1. — Erinnernngsstätten N. 19. — Vereine N. 31. — Feiern N. 38. — Ausstellungen N. 44.
— Theater N. 47. — Bildende Kunst N. 55. — Musik N. 66. — Religion N. 71. — Philosophie N. 79. — Kabbala N. 82. — Stellung in der
socialen Entwicklung N. 33. — Stellung in der Kulturgestaltnng N. 83. — Politische Stellung N. 90. — Naturwissenschaft
N. 97. — Sprache N. 101. - Metrik N. 110. — Ausgabe der Werke N. 112. — Art zu Arbeiten N. 124. — Urteile von Zeit-
genossen N. 125. — Stellung zur Gegenwart N. 131. — Moderne Beurteiler N. 134. — Stellung in der Weltlitteratur: Zu
England N. 135; zu Amerika N. 149; zu Frankreich N. 151; zu Dänemark, Böhmen, zur indischen und antiken Litteratur
N. 158. — Goetheforscher N. 169. —
Unter den Goethebildern behauptet zunächst noch das Collinssche Bild,
das dem Freien Deutschen Hochstift von Herrn Albert Holz in Breslau überlassen
worden ist (vg-l. JBL. 1892 IV 8a : 1), einen wichtigen Platz in der Untersuchung.
Der Maler Donner- von Richter i) hält vom künstlerischen Standpunkt daran
fest, dass das Goethebildnis ein nach der Natur geschaffenes ist,- während 0. Heuer 2)
es fiir ein komponiertes Porträt erklärt: Beide begründen ihre Annahmen aus-
führlich. — Valentin 3) schliesst sich dem ersten Urteil an und weist besonders
darauf hin, dass der Umstand, Collins werde nicht in den Tagebüchern erwähnt, und
von einer Originalaufnahme Goethes durch ihn sei nichts bekannt, wissenschaftlich
als Gegenbeweis nicht gelten könne. — Eine Bestätigung hierfür giebt das durch
Ruland*) veröffentlichte, von G. von Bosse gemalte Miniaturporträt: auch Bosse wird
nicht in den Tagebüchern erwähnt und von einer Originalaufnahme Goethes durch
ihn ist nichts bekannt; dennoch kann es nur eine solche sein. Am meisten nähert
es sich der früher in den Hochstiftsberichten veröffentlichten Zeichnung X. v. Schön-
bergs (vgl. BFDH. 1888, S. 88). — Neu veröffentlicht wurde das Goethebild der
Gräfin Julie Eglofstein; Ruland^) giebt darüber nähere Nachricht. — Einen ein-
gehenden Vortrag über Goethebildnisse hat E. Lehmann 6) in Leipzig im Anschluss
an die Ausstellung der Sammlung Zarncke gehalten. — Aus dem in der Neuen
Pinakothek befindüchen Bild Goethes von Stieler ist ein dreieckiges Stück heraus-
geschnitten worden, das die Nase und die Hälfte der Augen umfasst; das heraus-
geschnittene Stück wurde jedoch sofort wieder gefunden und in das Bild wieder ein-
gesetzt, so dass ein Schaden nicht sichtbar isf^). — Das Goethebild Kolbes in der Uni-
versitätsbibliothek zu Jena, das rissig geworden war, ist vorzüglich wieder her-
gestellt worden»). — Ueber Trippel berichtet Vogler ^j, und Baechtold'") fügt
wertvolle Notizen von Goethe selbst über Trippel, Vater und Sohn, hinzu. — Eine
neue Darstellung hat Augusto Benvenuti geschaffen: der sterbende Goethe in
Marmor^'); ebenso Frank Kirchbach: der jugendliche Goethe in der FamiHe in
einem Garten auf dem Mühlberg. Das Bild ist in photographischer Nachbildung er-
schieneni2j. _ Ein Goethedenkmal wird in Böhmen am Wolfsberg geplant'^j.
— In Wien wächst der Fonds zur Errichtung eines Goethedenkmals laugsam
an und wird gelegentlich durch einen Vortrag gefördert (s. u. N. 40). Zu-
nächst ist endlich der Platz vom Ministerium des Inneren bestimmt und bewilligt
worden: Zwischen dem Kaisergarten und dem Hause N. 3 in der Albrechtsgasse.
Das Denkmal soll in Erz ausgeführt werden und den Dichter im reiferen Mannes-
alter darstellend^). — Im Anschluss an die Denkmalfrage behandelt Schröeri*»)
Goethes äussere Erscheinung. - Aus Goethes „Freundeskreise" bringt Heine-
m a n n '5) zum neunzigsten Geburtstag Ulrikens von Levetzow (4. Febr.) eine
sorgfältige Darstellung von Goethes „letzter Liebe"; er giebt die Porträts der
Ulrike mit Mutter und Schwestern aus dem J. 1822 und das letzte Bildnis der
noch lebenden Greisin bei. — Illustrationen, die in Prems Biographie Goethes er-
scheinen sollen, finden sich vorläufig abgedruckt * 6), — Der Maler E. Palm hat in
1) 0. Donner-v. Richter, D. Goethebild v. Collins: BFDH. 9, S. 20,3. ~ 2) 0. Heuer, D. Goethebild t.
Collins: ib. S. 23,8. — 3) V.Valentin, D. Goethebild v. Collins: ib. S. 29-30. — 4) C. Ruland, E. Goethebildn.: IllZg. 100,
S. 453/4. - 5) id.: GJb. 14, S. III-IV. IfM. Koch: BFDH. 9, S. 358.]| (In L. Geigers Vorw.) — 6) E. Lehmann über
Goethe-Bildnisse. Vortr. Bef. v. E. Kiesling: LeipzTBl. 30. Okt. (S. auch Didask. N. 237.) — 7) D. Zerschneidung d.
Goethebildes v. Stieler in d. Neuen Pinakothek: AZg. N. 292. — 8) LeipzTBl. 11. Okt. (S. auch FZg. N. 282.) — 9) (1 11 : 281.)
10) (S. 0. N. 9.) — 11) D. sterbende Goethe in Marmor (v. A. Benvenuti): FZg. N. 319. — 12) Frank Kirchbach, D. jngendL
Goethe in d. Familie in e. Garten auf d. M&hlberg. (Heliograv., Verlagsanst. Bruckmann in München): ib. N. 351. — 13)
GJb. 15, S. 360. (Notiz.) — 14) D. Platz für d. Wiener Goethe-Denkm.: FZg. N. 299. (Aus NFPr.) — 14a) K. J. Schröer,
Goethes äussere Erscheinung: ML. 62, S. 6013. — 15) K. Heinemann, Goethes letzte Liebe: Gartenlaube S. 124/5. (Vgl.
F. Gross: Fremdenbl. N. 26.) — 16) LLB. 1, N. 10. — 17) Ausstellung t. Werken v. E. Palm: AZg. N. 84. (Ausstellung
IV 8a : i8-29a V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
einer Sammlung- von 109 Bildnissen, die Persönlichkeiten von hervorragender Be-
deutung wiedergeben, dargestellt: Goethes Gretchen aus „Dichtung und Wahrheit",
Käthchen Schönkopf, Friederike Brion, Lili Schönemann, Charlotte Buff, Frau von
Stein, die „junonische prachtvolle" Corona Schröter, Christiane Vulpius, Johanna
Schopenhauer „in jugendlicher Schönheit", Bettina Brentano und Ulrike vonLevetzow^'').
— Als Geleite für jeden Tag des Jahres ist ein Goethekalender**) erschienen. —
Von den Erinnerungsstätten hat die Goethehauskommissioni^) des Freien
Deutschen Hochstiftes das diesem gehörige Goethehaus zu Frankfurt planmässig
weiter ausgestaltet. Die Bildersammlung ist durch ein Kircheninneres (St. Leonhards-
kirche in Frankfurt) von Morgenstern sowie durch zwei Landschaften von Seekatz, die
Sammlung der Goethebilder durch eine treffliche, von H. Junker ausgeführte Kopie
des von Angelica Kaufmann in Rom 1787 gemalten Porträts bereichert worden.
Ein wertvolles Depositum^o) wurde der Sammlung anvertraut: ein Glasbecher mit
einer gelben, geringelten Schlange auf blauem Grunde aus Goethes Besitz; Goethe
benutzte ihn, um seine Farbenlehre zu stützen (vgl. Ausgabe letzter Hand 60, S. 49).
Das nächste grössere Ziel ist die gänzliche Befreiung des Goethehauses von der Ver-
wendung einzelner Zimmer zu Arbeitsräumen des Hochstiftes: eine Reihe von Ent-
würfen für einen Neubau auf einem anstossenden, von dem Hochstift erworbenen
Grundstück liegen vor. Es steht in sicherer Aussicht, dass diese Befreiung des
Goethehauses durch Beihülfe der städtischen Verwaltung zu stände kommen wird. —
Eine interessante Beurteilung dieser Bestrebungen giebt T heuriet ^i) bei der Er-
zählung seines Ausfluges an den Rhein. Er schliesst die Schilderung des Goethe-
hauses mit den Worten: „Mit einer geradezu frommen Sorgfalt haben die Bewunderer
Goethes die Wohnung des grossen Schriftstellers wiederhergestellt, jenes Dichters,
der nicht nur Deutschland, sondern der Menschheit gehört. Und wegen dieses
Kultus einer ganzen Stadt für ihr Kind, dem sie ihre Berühmtheit verdankt, habe
ich Frankfurt erst recht lieb gewonnen". ^ 1^.-2 ib) _ Einen weiteren Bericht über einen
Besuch des Hauses giebt ein Berichterstatter der Wiener Presse^^j. — Eine Ab-
bildung der Gräber der Eltern Goethes (und der Kätchen Schönkopf) giebt die Ge-
legenheit einen geschmacklosen Titel „Familiengräber zur Goethelitteratur" mit vollem
Rechte zu rügen23-24j_ _ Eine wertvolle Darstellung von sonstigen Frankfurter Er-
innerungsstätten bietet die neue Auflage von Reiffensteins^^) schönem Werke
„Bilder zu Goethes Dichtung und Wahrheit". Früher waren die Nachbildungen
Photographien: an ihre Stelle sind jetzt trefflich ausgeführte Lichtdrucke getreten,
wodurch das Werk wesentlich billiger geworden ist. Die Zahl der Tafeln ist um zwei
vermehrt worden. Sie geben 1. Goethes Geburtshaus vor dem Umbau 1755 (eine auf
gründlichen Studien gieichzeitiger Bauten beruhende Rekonstruktion); 2. Aussicht
aus den hinteren Fenstern des oberen Stockwerks 1755 ; 3. Goethehaus nach dem Um-
bau; 4. Hof des Hauses; 5. Vorsaal im ersten Stock 1759; 6. Haus der drei Brüder
von Ochsenstein 1752; 7. Haus und Garten des Stadtschultheissen Textor 1755; S.Haus
und Garten des Herrn von Reineck in der Hasengasse 1753; 9. Theater im Jung-
hof 1759; 10. Klingers Wohnhaus in der Rittergasse 1768; 11. der Goethesche
Garten vor dem Friedberger Thor an dem Bornheiraer Fusspfad; 12. das Schoene-
mannsche Haus auf dem grossen Kornmarkt. Eine Textzugabe enthält bei der
Erklärung der einzelnen Tafeln, deren jeder auch die dem Gegenstande entsprechende
Stelle aus „Dichtung und Wahrheit" beigedruckt ist, eine Fülle interessanter An-
gaben, die von dem sorgfältigen Studium des Künstlers Zeugnis ablegen. — Ueber die
gedeihliche Fortentwicklung des Goethe-Nationalmuseums im Goethehause zu Weimar
berichtet Ruland^ß) und im Anschluss an ihn andere2''"27b) — Zumbini^S) druckt
seinen im Vorjahr (vgl. JBL. IV 8a : 17) besprochenen Bericht in einer Essay-
sammlung wieder ab. — H od ermann-^) schildert das Schloss Friedenstein in Gotha
und hebt besonders auch die Besuche Goethes dort hervor. — Goethes Beziehungen
zu Franzensbad, seinen Aufenthalt dort, seine Beobachtungen, Bemerkungen und
Dichtungen, die sich darauf beziehen, schildert Kar pel es 2^"). — Eine Berichtigung
„Berühmter Liebespaare" in Berlin.) — 18) Goethekalender für 1893. Nürnberg, Th. Ströfer. 12 Bll. M. 2,00. — 19) Ber.
d. Goethehaus-Komm. an d. Hauptvers. über ihre Thätigkeit während d. Verwaltungs-J. 1891-92: BFDH. 9, S. 55;6. (Im Titel
steht dnrch e. Druckfehler 1890-91 statt 1891-92.) — 20) Goethehaus zu Frankfurt: FZg. N. .303. — 21) A. Theuriet:
Journal 30. Aug. | Bericht mit teilw. Debers. : FZg. N. 242.) — 21a) X D. Franzosen in Frankfurt a. M. u. d. Königsleutnant
in Goethes Elternhause: ZDS. 5, S. 1,6, 49-56, 89-102. (Vgl. da-/.u A. Bauer, D. Königsleutnant: ib. S. 162). — 21blX B.-e,
D. Goetheturm auf d. Mühlberg in Frankfurt: FZg. 19. Nov. — 22) M. B-n, V. Goethes Geburtshaus zu Goethes Sterbehaus:
Presse N. 242. — 23) Familiengräber z. Goethelitt.: ChVVGV. S. 19-20. — 24) FZg. N. 244. - 25) C. Th. Reiffenstein,
Bilder zu Goethes Dichtung u. Wahrheit. Blicke auf d. Stätten, an denen d. Dichter seine Kindheit verlebte. Nach eigenen
Forschungen dargest. u. mit e. Einl. vers. 4. Aufl. Frankfurt a. M., H. Keller. Fol. 16 S. u. 12 Bl. Text mit 13 Heliograv.
M. 18,00. |[K. Heinemann: BLU. S. 229; Kunstchron. S. 292/.3.]i (Für Mitglieder d. Goethe-Ges. z. ermäss. Preise v. M. 13,50
v. d. Verlagsbuchh.) — 26) C. Ruland, D. Goethe-Nationalmus.: 8. JB. d. Goethe-Ges. (= GJb. 14, Anh.), S. 12/4. —
27) id., Aus d. Goethe-Nationalmus.: WeiraarZg. N. 10 . — 27 a) FZg. N 118; AZg. N. 14; VossZg. N. 186. — 27b) X 0.
Menke-Höltzke, D. Goethe-Sammlungen u. d. Sammlungen Goethes im Goethe-Nationaimns. zu Weimar: Sammler^. 15, N. 11/2.
— 28) B. Zumbini, U Museo Goetheano in Weimar. (= IV Id : 77; S. 129-53.) |[NAnt. 48, S. 711-20.]| - 29) R. Hoder-
mann, Schloss Friedenstein. 1643-1893. Gotha (J. Goetsch). 16". 32 S. M. 1,00. i[FZg. N. 241.J| — !59a) G. Karpeles,
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a : 30-89
über den jetzig-en Zustand der Goethe-Kneipe in Rom g-iebt Torresani^o): der Raum
ist nicht wiederherg-estellt, sondern wird zu einem Milchgeschäft benutzt. —
Vereine. Das Freie Deutsche Hochstift legt in seinem 9. Jahresbericht
Rechenschaft über seine Thätigkeit bis zum 1. Okt. 1892 ab, während die Berichte
aus der Akademischen Abteilung die Zeit vom 1. Mai 1892 bis 30. April 1893 um-
fassen^'). Die satzungsgemäss zu feiernden Geburtstage von Goethe und Schiller
brachten Festreden von A. Biese über Goethes dichterischen Pantheismus (s. u. N. 79)
und von Eugen Wolff: Schillers und Goethes Verhältnis zur Litteratur und zum
Leben unserer Zeit (s. u. N. 131). Aus den Fachabteilungsberichten gehören in das
Gebiet der Goetheforschung die Untersuchungen über das CoUinssche Bild fs. o.
N. 1/3), eine Kritik von Froitzheims historischer Goetheforschung von O. Heuer
und von Louviers Buch „Goethe als Kabbaiist" von A. Sulzbach (vgl. JBL. 1892
IV 8a : 69; 8e : Gl; s. u. IV 8 e : 71/2). In den „Litterarischen Mitteilungen" erscheinen
die Berichte von Max Koch über „Neuere Goethe- und Schillerlitteratur" weiter. —
Ein im Inhalt ungerechter und in der Form taktloser Angriff auf die „Berichte" ver-
anlasste den Vorsitzenden der Akademischen Abteilung zu einer ernsten sachlichen Ver-
wahrung gegen solche Angriffe, die, aus irgend welcher Gereiztheit hervorgehend,
noch mehr das Ansehen der litterarischen Kritik überhaupt als ihren Urheber
schädigen^-). — Elisabeth Mentzel berichtet über zwei Frankfurter Faustauf-
führungen ; W. V. Biedermann teilt ein lateinisches Carmen von Goethes Ururgross-
vater Joh. Wolffgang Textor aus dem J. 1673 mit, und A. Biese veröffentlicht einige
litterarisch interessante Stammbucheintragungen. Die Goethebibliothek erfuhr einen
Zuwachs von ungefähr 1100 Bänden, so dass sie einen Bestand von rund 6400 Bänden
aufweist. Eine besonders wichtige Förderung erhielt sie ausserdem durch den Erwerb
der Lessingsammlung des kgl. Auktionskommissars Müller zu Berlin; durch rasches
Eingreifen von Freunden des Hochstiftes wurde es möglich, diese Lessingbibliothek
ungeteilt zu erwerben. Sie übertrifft die berühmte Sammlung der Wolfenbütteler
Bibliothek mit ihren 250 Nummern um das Doppelte und zeichnet sich durch fast
lückenlosen Bestand der seltenen Erstausgaben in ausgesucht schönen Exemplaren aus.
Sie enthält auch die späteren Ausgaben, Uebersetzungen, Erläuterungen und Schriften
über Lessing und seine Einzel werke. — Für die Goethe-Gesellschaft berichtet
Ruland^^) nur Erfreuliches über das J. 1892, den Verlauf der Generalversammlung
mit den in ihr gehaltenen Vorträgen über den Stand des Goethe-Archivs und der
Bibliothek, das Goethe-Nationalmuseum, die Jahresrechnung und die Zuwendungen.
Einen Zuwachs von 256 Nummern erhielt die Bibliothek durch Vermächtnis aus dem
Nachlasse G. von Loepers.^^a) — Suphan^*) berichtet über den Stand des Goethe-
und Schiller-Archivs und dessen Bereicherungen, über Nachträge des Freiherrn
Ludwig von Gleichen-Russwurm zu seiner Stiftung vom Mai 1889, über den Nach-
lass Immermanns, Hebbels und Ludwig- Bechsteins, und die Deponierung des
Kestnerschen Familieneigentums, d. i. des Nachlasses von Georg und Sophie Kestner,
sowie eine Reihe wertvoller sonstiger, dort einzeln aufgezählter Schenkungen; ferner
wurden wichtige Ankäufe gemacht. — Als 8. Band ihrer „Schriften" hat die Goethe-
Gesellschaft die Xenien in ihrer ursprünglichen Gestaltung durch Erich Schmidt
und Suphan3^=^) herausgegeben, worüber an anderer Stelle berichtet wird. — Ueber
den 7. Band, das „Journal von Tiefurt" (vgl. JBL. 1892 IV 8a : 34; 8c : 21), sind
weitere Besprechungen erschienen^^b). — Der Wiener Goethe-Verein^^) berichtet über
seine Thätigkeit in seiner Chronik, der Zwickauer Goethe- Verein in Mitteilungen^^),
die in Lokalblättern und in besonderem Abdruck erscheinen. — Die English Goethe-
Society hat ihre von Oswald 3^) redigierten Transactions aus den J. 1891 — 92 heraus-
gegeben: über die einzelnen Arbeiten wird geeigneten Ortes berichtet. —
Besondere Feiern veranstaltete die Goethe-Gesellschaft bei Gelegenheit ihrer
Generalversammlung: Lorenz-^^) sprach über „Goethes politische Lehrjahre". —
Goethe in Pranzensbad : PragTBl. N. 177. — 30) K. t. Torresani, D. Goethe-Kneipe in Rom: ChWGV. S. 28. (Vgl. FZg. N. 267 .)
— 31) BFDH. Her. vom Akad. Gesamt-Ansschnss. N. F. Bd. 9. Frankfurt a. M., Gebr. Knaner. 51*, 425 S. M. 6,00. — 32)
V. Valentin, Herr Prof. J. Minor u. d. Goethe-Schiller-Litt.-Berichte d. BFDH.: BFDH. 9, S. 59-71. — 33) [C. Rnland],
8. JB. d. Goethe-Ges.: GJb. U, Anh. S. 1-14. |[AZgn. N. 121; P. Weizsäcker: BBSW. S. 296-304; RPL. 1, S. 676 („Les
soc. litt, ä Weimar"); BURS. 59, S. 183/4 („Declin de la fete de Goethe"); P. Schienther: Kation". 10, S. 5458.]| —
33a) X GJb. Her. V. L.Geiger. 14. Bd. Frankfurt a. M., Litt. Anst. VUI, 379 S. (Dazu Anh. [8. JB. d. Goethe-Ges.]
64 S.) mit 1 Bild. M. 10,00. UM. Koch: BFDH. 9, S. 3567; FZg. N. 110; H. C. K(ellner): MGoetheVZwickau. N. 3; A.
Chuqnet: RCr. 36, S. 490; K. Heinemann: BLÜ. S 468-70; R. M. Meyer: ML. 62, S. 341; 0. Pniower: Nation". 10,
S. 651/4; ZDÜ. 7, S. 7713; Ath S. 536.]i — 34) B, Suphan. (= N. 33; S. 8-12.) — 34a) (IV 6:41; 8c : 20; 9:56.) |[H.
Grimm: DLZ. S. 1579-80; FZg. N. 145; W. K(awerau»: MagdZg. N. 566; Gh. B.: Post N. 297; A. v. Weilen: ChWGV.
S. 38/9; R. Wulokow: Zeitgeist N. 52.]| — 34b)X M. Koch: BFDH. 9, S. 226; K. Heinemann: BLÜ. S. 20/2; L.Geiger:
MagdZgB. N. 11; Grenzb. 1, S. 3209; W. Paetow: Nation". 10, S. 172; G. Kreyenberg: PrJbb. 74, S. 343-65. — 35)
ChWGV." Bd. 7. Her. v. K. J. Schröer. Wien (Holder). 4«. 46 9. M. 4,00. — 36) MGoetheVZwickau. (= Beil.
z. ZwickauTBl.) Her. v. H. C. Kellner. N. 1-4. — 37) Public, of the English Goethe-Soc N. VU. Transact. 1891-92. Ed.
by E. Oswald. London, David Nntt. 288 S. |[M. Koch: BFDH. 9, S. 361/4; Ac. 44, S. 387 8, 491.1| (Vgl. JBL. 1392
IV 8a : 26a, 53; s. GJb. 15, S. 327.) — 38) (3. n. N. 91.) |[AZg. N. 148; NatZg. N. 331.]l - 39) H. C. Kellner, Feier t.
IV 8a : 40-57 V. Valentin, Goethe: Allg-emeines.
Das Freie Deutsche Hochstift feierte Goethes Geburtstag-: R. Steiner sprach über
„Goethes Naturanschauung- g-emäss den neuesten Veröffentlichungen des Goethe-
Archivs". Die Festrede wird im 10. Bande der Hochstiftsberichte zum Abdruck
kommen (vgl. JBL. 1894 IV 8a). — Im Zwickauer Goethe-Verein behandelt nach
Kellners^**) Bericht W. Weicker die Frage, welche Stellung Goethe zur französischen
Revolution genommen habe. — Der Wiener Goethe- Verein beging den Todestag-
festlich: Robert Vischer**^) sprach über „Goethes Ansichten über Bildkunst". —
Eine kleine Feier auf dem Brenner erhielt durch Hervortreten eines von Goethe g-e-
schriebenen Stammbuchblattes weiteres Interesse"*'). — Zu den Feiern der g-oldenen
Hochzeit des Weimarer Fürstenpaares (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 32/3, 34b— 39a) sind
noch einig-e Kundgebung-en nachzutragen^-"^^). —
Am 28. August eröffnete das Freie Deutsche Hochstift eine Faustausstellung-,
von deren Bestand der von Heuer 4*) bearbeitete Faustkatalog ein bleibendes
Zeugnis ablegt. Die Ausstellung gliederte sich in vier Hauptabschnitte: I. Der
Faust der Sage (1. Der historische Faust und die Faustsage bei den Gelehrten; 2. die
Volksbücher; 3. Fausts magische Schriften); IL Der Faust der Dichtung (1. Drama-
tische Dichtungen; 2. Dichtungen in erzählender Form); III. Faust in der Bildkunst;
IV. Faust in der Tonkunst (1, Tondichtungen für Theater u. a.; 2. Lieder). Die
Lichtdrucktafeln geben eine Reihe von Blättern, die hier zum ersten Mal überhaupt
oder doch zum ersten Mal in authentischer Form erscheinen, darunter besonders ein
Bremer und ein Frankfurter Theaterzettel so wie der einzige Frankfurter Marionettenzettei
des 18. Jh."*^) — In Heidelberg veranstaltete der Kunstverein eine Sonderausstellung von
Gemälden, Zeichnungen und Kunstblättern, die ihrem wesentlichen Inhalte nach eine
Goetheausstellung war : unter 63 Nummern waren 30 Bilder von Goethe (einzelne
Nummern umfassten wieder ganze Reihen), von seinen Angehörigen und Freunden
sowie Zeichnungen von der Hand des Dichters^^). —
Theater, üeber Burckhardts Schrift (vgl. JBL. 1891 IV 5:68; 9a: 73;
1892 IV 8a : 43) gab Bechstein^") einen ausführlichen Bericht.'*^) — Ueber die
Persönlichkeit des Kilian Brustfleck, dessen Name Goethe in „Hanswursts Hochzeit"
verwendet hat, oder, wie er wirklich hiess, Johann Valentin Petzold, macht Mencik'*^)
ausführliche Mitteilungen, veröffentlicht ein Bittschreiben des Schauspielers, das in
seine Verhältnisse Einblick gewährt, sowie ein zu der Vermählung Karl Egons von
Fürstenberg mit Maria Franziska von Schwarzenberg 1699 von ihm verfertigtes Ge-
dicht, bei dem ,,in dem zierlichen Ton der Schäferpoesie derber Ausdruck und Schwank
mit eingeflochten" ist. — Eine eingehende Schilderung des Wirkens der Herzogin
Anna Amalia giebt Kreyenberg*^**) im Anschluss an die Erzählungen des Sohnes
von Karl Ludwig von Knebel, besonders über die Erziehung ihrer Söhne. — Das
Heranwachsen der später für das Weimarer Theater so wichtigen Schauspielerin
Karoline Jagemann schildert Kellner^'). — Zur Bühnengeschichte des Götz bringt
Kilian^^-) q[j^q interessante Mitteilung über die erste Aufführung des Dramas in
Wien und seine Umgestaltung auf Grund eines von ihm abgedruckten Theaterzettels
aus dem J. 1808. — Goethes eigene Bemerkungen über das Theater in Weimar in
dem durch von der Hellen ^3) herausgegebenen Vortrag ,, Ueber die verschiedenen
Zweige der hiesigen Thätigkeit" finden sich herausgehoben bereits in Wahles Geschichte
des Theaters unter Goethes Leitung (vgl. JBL. IV 4:250; 8a: 45; 8e:2; S. 70). —
Sittenberger^'') macht den Versuch, die Begriffe „dramatisch" und „theatralisch"
zu bestimmen: das Dramatische sei „die Geschichte eines Willens, der im stände ist,
unser Gefühl sympathisch zu erregen", während theatralisch alles sei, „was von der
Bühne herab unmittelbar auf unsere Nerven einwirkt". Nach diesen Gesichtspunkten
charakterisiert er die bekannteren Dramen Goethes. —
In Goethes Beziehungen zur bildenden Kunst gewährt einen allerdings
nur spärlichen Einblick in seine Ansichten sein eigener Vortrag, den von der
Hellen^^) aus dem Goethe- und Schiller-Archiv veröffentlicht. Als ersten Zweig der
„hiesigen Thätigkeit" schildert Goethe das Zeicheninstitut und im Anschluss daran die
Goethes Geburtstag im „Deutschen Hause« zu Zwickau: MGoetheVZwickau. N. 1, 3/4. (Vgl. ChWGV. 7, S. 33/4; s. u.IV 8e : 44.)
— 40) R ob. Vis eher, Goethes Ansichten über Bildkunst. Vortr. geh. an Goethes Todestag. Ref.: ChWGV. S. 7/8. |(AZgB.
N. 72.]| (S. u. N. 57.) — 41i Goethefeier auf d. Brenner: ib. S. 25, 32, 39. — 42) X K- Bärlf ne r. Karl Alexander u. Sophie.
E. färstl. Jubelpaar. Festschr. z. 8. Okt. 1892. Weimar, Böhlau. 1892. 32 S. M. 0,20. (Mit 2 Bildn.) — 43) X Festschrift
z. 8. Okt. 1892 (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 32). |[V. Valentin: BFDU. 9, S. 75; H. C. Kellner: MGoetheVZwickau. N. l.]| —
44) (II 3 : 37; III 3 : 8; IV 4 : 308: 8e : 55.) |[HambNachr. N. 221.]| - 45) X M. Koch, Wertheransstellung (vgl. JBL. 1892
IV 8a: 40; 8d : 14): BFDH. 9, 8. 57/8, 189. (S. u. IV 8d:29.) - 46) Goethe- Ausstell, in Heidelberg: AZg". N. 59. — 47)
[R.] B[echstei]n, Goethes Theaterleitnng in Weimar: RostockZg". N. 317, 329. — 48) X A.. Chuqnet: RCr. 35, S. 132. —
49) F. Mencik, Ueber Kilian Brustfleck: MVGDB. 31, S. 183/9. — 50) G. Kreyenberg, Amalia v. Sachsen- Weimar u. ihre
erziehliche Thätigkeit. Päd. Skizze aus Alt-Weimars Tagen: RhBllEÜ. 67, S. 146-68. — 51) H. C. Kellner, Karoline Jage-
mann u. ihre Mannheimer Lehrjahre: MGoetheVZwickau. N. 1,2. — 52) (IV 4:412; 8e : 11.) — 53) E. v. d. Hellen, Ueber
d. verschiedenen Zweige d. hiesigen Thätigkeit. E. Vortr. v. Goethe: GJb. 14, S. 3-26. (S. bes. S. 7/8, 20.) — 54) H.Sitten-
berger, D. Dramat. u. Theatralische in Goethes Dramen. Ausz. aus e. Vortr. im Wiener Goethe-Ver.: ChWGV. S. 13/9. (S.
u. IV 8e : 1.) — 55) (S. o. N. 53; S. 3/7.) - 56) M. Koch: BFDH. 9, S. 358-60. (Bespr. v. N. 53.) — 57) (S. o. N. 40.) —
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a : 56-70
Thätigkeit in Weimar auf dem Gebiete der Bildkunst überhaupt. Er knüpft gerade
hieran an, weil es das Gebiet ist, worüber das Publikum („man") „am ersten etwas All-
gemeines sich zu sagen erlaubt". — Koch^^j versteht unter „man" Goethe selbst,
und stellt daher Goethes Meinung von seiner Berechtigung hierüber zu reden das
Urteil von Malern entgegen, die sie ihm absprechen, besonders die von Stauffer-
Bern. — In zusammenfassender Weise behandelt „Goethes Ansichten über Bildkunst"
Robert Vischer^"). Der Hauptzweck ist, mit möglichstem Anschluss an Goethes
eigene Worte das realistische Element in seinen Ansichten über bildliche Darstellungen
und seine Neigung zu Dürer und den Niederländern darzuthun. Goethes Entwick-
lungsgang zeigt ihn zuerst als Romantiker und Realisten, hierauf als Idealisten und
Puristen, aber dann wieder ab und zu auf den Lieblingspfaden seiner Jugend. Einen
Hauptbeleg für V.s Darlegungen bildet der Aufsatz Goethes „Nach Falconet
und über Falconet", — Dieses „wichtigste Zeugnis der Kunstanschauungen Goethes
in den Jahren der Gärung" hat Witkowski^*) einer sorgfältigen Untersuchung
unterzogen und das Rätsel des Titels im Verhältnis zum Inhalte des Aufsatzes glücklich
gelöst. Er schildert eingehend Falconets künstlerische Bedeutung, seine Stellung zu
Diderot und besonders zu Lessing und der deutschen Litteratur überhaupt. Ein-
gehend untersucht er Falconets Schrift „Observations sur la statue de Marc-Aurele",
aus der Goethe eine Stelle zu Anfang seines Falconetaufsatzes wörtlich übersetzt
hat. Er weist die Verwandtschaft zwischen Falconets und Goethes Auffassungen nach,
die sich bis auf den Stil erstreckt. So ergiebt sich, dass Falconets Werke ausser
durch die Beziehung auf Goethe überhaupt „als Zeugnisse eines eigenartigen Geistes
und eine unbeachtete Quelle für die Erkenntnis der Kunstanschauungen seiner Zeit"
Bedeutung haben. ~ Den Einfluss, den Mengs auf Goethe ausgeübt hat, legt
Harnack^^j eingehend dar; er zeigt die übereinstimmenden Punkte, weist die
Abweichungen Goethes von Mengs auf, erläutert das Eingreifen Lessings und Goethes
Umarbeiten und Weiterführen, so dass seine Darlegung einen trefflichen Einblick in
Goethes eigene Entwicklung bietet. Das Studium der Natur und ihre Umgestaltung
zu Schönem, die Beurteilung der antiken Malerei, die Darstellung des prägnanten
Augenblickes der Handlung, ob nicht transitorisch oder transitorisch, die Methode der
Betrachtung und Beschreibung von Kunstwerken nach festem Schema, die historische
Kunstbetrachtung Goethes sind die Hauptpunkte, die zur Behandlung kommen. —
Einen Einfluss auf Goethes kunstwissenschaftliche Auffassung weist Harnack^^*)
für den Schluss von Goethes Laokoonaufsatz durch Heranziehung einer Stelle aus
Gh. Heynes Sammlung antiquarischer Aufsätze nach. — Lambels Ausgabe „Von
Deutscher Art und Kunst" (vgl. JBL. 1892 IV 7 : 13; 8a : 50J wird weiter be-
sprochen^o). — ygn eigenen Arbeiten Goethes schildert Ruland®') aus dem reichen
Schatze des Goethe-Nationalmuseums einige Blätter aus den ersten weimarischen
Jahren, aus der Zeit des frohen und freien Umherschweifens in den Thüringer Wald-
thälern ; sie erhalten ihre besondere Bedeutung durch ihre Niederschriften und Verse
und deren Beziehung zu Charlotte von Stein. — Zwei Radierungen Goethes veröffentlicht
Wustmann 62-63j_ Eine Handzeichnung Goethes, eine an die Hexenküche im Faust
erinnernde, sie jedoch nicht darstellende Beschwörungsscene giebt in photographischer
Nachbildung der Faustkatalog^*). — Ueber persönliche Beziehungen zu dem
schwäbischen Künstler Heinrich Rapp und zu Stuttgart berichtet S trörafeld^^). —
Goethes Beziehungen zur Musik behandelt Bock^^'^"), aber in wenig
genügender Art: weder die Briefe Goethes noch die neueren Mitteilungen von
Ruland sind hinreichend verwertet. — Geiger ^S) schildert den Missbrauch von
„Werthers Leiden" für einen französischen Operntext zur Musik von Massenet. —
Max Chop69) charakterisiert Bungerts Sinfonische Dichtung „Tasso. Nach W.
V. Goethe." Er findet in der Komposition „den ganzen Gedankengang des Goetheschen
Dramas." Alle Personen erstehen vor unserem geistigen Auge, alles ist specialisiert :
„An der Hand der in scharfen Umrissen die Charaktere zeichnenden Motive drängt
sich uns die Handlung mit unabweisbarer Ueberzeugungstreue auf, kein Miss Ver-
ständnis ist möglich" — ein Urteil, das auf völlige Unkenntnis des Wesens der ab-
soluten Musik hinweist, die weder Personen noch Handlungen specialisieren kann,
so dass sie jeder Hörer gleichmässig auffassen müsste. — Ritters Studien und
Skizzen (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 56) sind weiter besprochen worden "'ö). —
58) G. Witkowski, Goethe u. Falconet. (= I 1 : 118; S. 75-96.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 379.]| — 59) (I 12 : 15b.) — 59a)
0. Harnack, Zu Goethes Laokoonaufsatz : YLG. 6, S. 156,3. - 60) X BLÜ. S. 143; M. Koch: BFDH 9, S. 192. (Vgl. IV 7: 16.) - 61) C.
Bnland, Verse u. Niederschriften Goethes zu Zeichnungen. (Mitteil, aus d Goethe-Nationalmus.): GJb. 14, S. 142-50. |[M.
Koch: BFDH. 9, S. 358.]| (S. bes. S. 142/7.) — 62) G. Wustmann, Zwei Radierungen Goethes: ZBK. 4, N. 5, S. 97/9. —
63) X Niwa 24, N. 16 (17. [19.] Apr.). (Abdr. e. Radierung d. jungen Goethe mit d. Dnterschr. : „Dedie k Monsiear Goethe,
conseiller actuel de S. M. Imperiale, par son Als trfes obeissant"; vgl. Th. Hey se: GJb. 15, S. 359.) — 64) iS. o. N. 42; Beil.) —
65) G. Ströhmfeld, G. H. Rapp, e. schwäb. Kaufmann u. Künstler: FZg. N. 159. (S. n IV 8b : 49; 9:20.) — 66) (113: 41;
S. 86-115: Goethe.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 399-400.]| — 67) X A, Bock, Goethe u. Spontini: Zeitgeist N. 38. — 68) L.
Geiger: FZg. N. 124. — 69) M. Ohop (— M. Charles), Sinfonie u. sinf. Dichtung: D. neue Kurs 2, S. 6528. — 70) X
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. lY. ('^)^2
IV 8a: 71-78 V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
Goethes Stellung- zur Relig-ion wird vom Standpunkte strengster dog-
matischer Gläubigkeit aus durch Dekan Kap ff"') behandelt. Er betrachtet in
Goethes religiöser Entwicklung drei Stufen: bis 1786, bis 1805, bis 1832. Schon
in der ersten Periode findet sich neben Goethes Sympathie für das Christentum eine
zunehmende Erkaltung- ihm gegenüber. Dann wii'd Goethe „in der Schule des
Pantheismus der vollendete Heide." In der dritten Periode hat er mehr als ihm be-
wusst war, von dem Wege der Versöhnung mit Gott durch Christum in sich auf-
genommen: er wusste wenigstens ganz gut, was Wiedergeburt ist. Daneben werden
Goethe seine vielen Liebschaften sowie seine Idealisierung des Selbstmordes in Werthers
Leiden vorgehalten, durch den er „zu der ungeheuren Zunahme des Selbstmordes in
der neuesten Zeit viel beigetragen hat." Ebensowenig wird der Vorwurf des Mangels
patriotischer Gesinnung vergessen. — Gleichfalls vom streng christlichen, aber nicht
engherzig dogmatischen Standpunkt aus beurteilt Heinzelmann'^) Goethes rehgiöse
Entwicklung. Er erklärt es für verfehlt, „den Genius mit der Elle eines ob auch noch
so schulgerechten dogmatischen oder kritischen Alltagsverstandes messen zu wollen",
und will seine Aufgabe vom Gesichtspunkt „rein geschichtlicher Betrachtung" lösen.
Aus der schwankenden Jugendzeit mit ihren mancherlei Anregungen zum Deismus,
Rationalismus und zur Gefühlssch wärmerei gelangt Goethe zu seiner Hinneigung zum
Pantheismus. In der zweiten Periode 1786 — I8ü5 werden seine Naturforschung sowie
seine sittlichen und ästhetischen x\nschauungen vom Pantheismus beherrscht, aber
„als Mensch ist er durchaus Theist." Er offenbart das besonders in der Harzreise
im Winter: „Das ist der wahre Goethe, der mit dem tief mitfühlenden, frommen,
deutschen und von Natur doch christlichen Herzen — das ist unser Goethe." Im
Ganymed zeigt er sich als „der fromme Theist." In der ,, Periode der Vollendung"
trägt seine theistische Weltanschauung „so unverkennbar die Einwirkungen des
christlichen Geistes an sich, dass wir ihr das Prädikat einer echt christlichen Denk-
weise nun und nimmer mehr versagen können", so wenig auch seine „religiös-
sittliche Weltanschauung in den engen Rahmen irgend eines besonderen kirchlichen
Bekenntnisses passen möchte." H. bleibt bei den grossen Gesichtspunkten und hält
sich von kleinlicher Nörgelei durchaus frei. — Goethes Verhältnis zum Christentum
behandelt Umfried'^), indem er den Kampf gegen den Gekreuzigten als den eigent-
lichen Inhalt der Fausttragödie zu erkennen glaubt''*'"''). — Zardo'^) dagegen unter-
sucht Goethes Verhältnis zum Katholizismus. Er geht davon aus, dass Goethe als
artista e poeta als Polytheist, dagegen als naturalista als Pantheist zu betrachten ist;
in späteren Zeiten glaubt er auch an die Unsterblichkeit, wenn nicht aller, so doch
der grossen Entelechien. Indessen verhindert Goethe seine philosophische Anschauung
nicht, das Christentum als etw^as Grosses anzuerkennen, was wiederum seine Antipathie
speciell gegen den Katholizismus hervorzubrechen nicht abhält : so in den venezia-
nischen Epigrammen, in der Braut von Korinth — wo es sich freilich um das
Christentum, nicht um den Katholizismus handelt! — und in der italienischen Reise.
Z. findet es dem gegenüber geradezu erstaunlich, -dass trotzdem Goethe die Inni
sacri von Manzoni, obgleich sie ein Ausdruck strenggläubigsten Katholizismus
sind, doch warm begrüsst und im Gegensatz zu Manzonis Landsleuten für gross
und bedeutend erklärt. Das Rätsel löst sich ihm in der Erkenntnis, dass „il Goethe
aveva animo cosi grande che tutto abbracciava e tutto comprendeva quanto gli paresse
veramente degno, senza cercare donde venisse, a quäle scuola appartenesse e a quali
principii fosse inspirato." Statt sich mit dieser trefflichen Erkenntnis zu begnügen,
unternimmt Z. es nun aber zu zeigen, wie allmählich bei Goethe die ästhetische
W^ertschätzung des Katholizismus einer sachlichen Platz gemacht habe, und beruft
sich dafür auf Goethes Charakterisierung der sieben Sakramente und ähnliche Urteile, auf
den tiefen Eindruck, den katholische Kirchenmusik auf Goethe gemacht hat, auf
sein Verständnis des heiligen Philipp Neri. So kam Goethe, als er „maturo d'anni
e giä provetto nell arte" seine katholische Legende des Faust machte, dazu, aus ihr
die Inspiration der schönsten Scenen zu gewinnen. Dass Z. die Scene Gretchens vor
der mater dolorosa und die Domscene zu den Schöpfungen des Goethe „maturo d'anni"
zählt, ist freilich kühn. Nicht minder kühn ist die unbedenkliche Annahme der
Identität eines dramatischen Motivs mit der persönlichen Ueberzeugung des Dichters,
und gänzlich übersehen ist, dass Goethe seinen Faust durchaus unkathoiisch statt
DLZ. S. 149-50. — 71) (IV la:13; 11:3.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 331/2; BLU. S. 686/7.]! — 72) W. Heinzelmann,
Goethes religiöse Entwicklung. (= Vortrr. u. Aufs, aus d. Comenins-Ges. 1, N. 2 ) h., B. Voigtländer. 24 S. M. 0,75. (Vorher
schon erschienen: MhComeniusGes. 2, S. 105-26.) — 73) 0. L. Umfried, Goethe d. dtsch. Prophet in d. Faust- u. Meister-
dichtung mit e. Anh. d. benützten, teilw. erst neu aufgefundenen Quellen in Goethes Werken, Korrespondenzen usw. St., Bonz.
XVI, 178 S. M. 3,00. |[M. Koch: BFDH. 9, S. 382; KBIGRW. 40, S. 251/3; L. Fränkel: BLU. S. 401; BerlTBl. N. 346.]|
(S. u. IV 8e:68.) — 74) X Stimmen ans d. Vergangenheit: „Goethe u. d. Religion": BayreuthBll. 16, S. 29-31, 307-19. —
75) X Goethe aber d. Bibel: DAdelsbl. 8. 956/7. - 76) X Goethe Ober Religiosität, Christentum u. Judentum: DSBll.N. 240.
— 77) X H. Baumgarten. Goethes relig. Weltanschauung. Vortr. Koburg, Sendelbach. HI, 24 S. M. 0,40. — 78) A.
V. Valentin, Goethe: AUg-emeines. IV 8a : 79-91
durch Dogmeng-läubigkeit und Bekehrung- vielmehr infolg-e seines strebenden Sich-
beraühens der Himmelsherrlichkeit teilhaftig- werden lässt. —
In Goethes Verhältnis zur Philosophie wird dageg-en seine panth eistische
Weltanschauung hervorgehoben. Biese'-') legt dar: was Goethe dem System
Spinozas entlehnte, das war die Ueberzeugung, „dass nur die klare Erkenntnis der
Affekte die Befreiung von ihnen in sich schliesse, dass alles einen endlosen Kausal-
nexus wirkender Ursachen bilde, der weder für Zufall noch Willkür einen Raum lässt,
dass nichts anderes sei und geschehen könne als es ist und geschieht, und vor allem
der metaphysische Hauptsatz von der Immanenz Gottes, von der Einheit von Gott
und Welt." ,,Von dieser Harmonie ist seine Dichtung, vor allem seine Naturpoesie
durchdrungen; sie ist die Seele seines dichterischen Pantheismus, sie führt zur
innigen Sympathie mit allen Lebewesen, die ja dem gleichen Urgrund wie der Mensch
entflossen sind." B. führt dies besonders am Werther und an Goethes Lyrik durch.
— Optimismus in Goethes Weltanschauung findet Alford^*^); er legt diese „very
important side of Goethe's character" in einer Auswahl von Aussprüchen in Briefen,
lyrischen und reflektierenden Gedichten dar. — Wenley^^) dagegen sucht das
pessimistische Element in Goethe. Er findet es überall, wo das Hecht des Indi-
viduums gegen die Uebergewalt des Allgemeinen ankämpft und so zu einem tragischen
Konflikte führt. Hier liegt eine Verwechslung ästhetischer und ethischer Probleme
vor : die Lösung des Dichters fällt nicht zusammen mit der Lösung- des philosophischen
Denkers. W. erklärt die Erweiterung und Vertiefung des pessimistischen Elements
in Goethe als „the first eff'ect of devotion to Spinoza" und will nachweisen, dass die
späteren Werke eine richtigere Lösung versuchen als die früheren. Als bleibende
Schwäche erkennt er jedoch den Umstand, dass Goethe „who was a stranger to
deep sense of sin, could not apprehend the mediatory power of a God able to save."
Das Ziel der Untersuchung ist philosophisch, der Gesichtspunkt der Beurteilung
rein theologisch. —
Die von Louvier zur Erklärung von Goethes Faust versuchte Anwendung
der Kabbala (vgl. JBL. 1892 IV 8a :^ 69/70; 8e:60/l; s. u. IV 8e:7l/2) hat einen
Apostel gefunden: Müller-Holm^^^ giebt „eine Stelle, die kein Mensch erklären
kann," in der Erklärung Louviers, um ein deutliches Beispiel von der Richtigkeit
seiner Methode aufzuweisen. Die unerklärliche Stelle ist: „Habt Ihr mit Herren Hans
noch erst zu Nacht gespeist?" Freilich muss sich M.-H. sofort belehren lassen, dass
der Vers längst richtig verstanden wird; das stört ihn aber nicht, da ja stets
ein Doppelsinn da ist. So bleibt „Herr Hans" : Don Juan und „Ihr" : der steinerne
Gast. Ein Neubekehrter wird nicht wieder rückfällig, und Louviers Methode ist
gerettet. —
Goethes Stellung in der socialen Entwicklung der Menschheit wird
in Besprechungen von Mühlhausen (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 82) weiter behandelt.^^) —
Temming^^) giebt an der Hand von Wilhelm Meisters Lehr- und W'anderjahren eine
Schilderung von Goethes Bildungsideal und kommt zu dem Ergebnis, diesem „Bildungs-
ideal, das hinsichtlich der Frage nach Irrtum und Schuld immerhin einer gewissen
Sophistik nicht ganz entbehrt, aus streng ethischen Gründen nicht in allen Stücken"
zustimmen zu können: „Die Schule der Romantiker nahm dieses Ideal der sittlich-
freien Persönlichkeit in sich auf: sie hat sich heute überlebt." — Kerns^^) Behandlung
von Goethes Wort: „Es bleibt Idee und Liebe" ist eine adhortatorische Rede an
Abiturienten. ^^"S'') —
Auf Goethes Stellung in der Kulturgestaltung wirft Tille^^) einen
interessanten Blick, wenn er nachweist, dass Goethe es war, der den Christbaum in
die deutsche Litteratur eingeführt hat. — In den vom Grafen von Schack^^) heraus-
gegebenen Schriften E. Dorers wird Goethe unter den Dichtern hervorgehoben,
die ihrem Volk ins Gewissen reden, wie unwürdig es civilisierter Menschen ist, die
Tierwelt roh zu behandeln. —
Goethes politische Stellung behandelt Ella Hagemann^") auf Grund
bekannten Materials von dem Gesichtspunkte aus: „It is unfair and undesirable to
let the man as he was in his old age entirely overshadow the man in his youth
and in his prime." — Auf Grund wirklich historischer Forschung behandelt Goethes
politische Lehrjahre L o r e n z *> ' J. Zuerst sprach er hierüber auf der General-
Zardo, Goethe e il catholicismo: NAnt. 127, S. 673-89. — 79) A. Biese, Goethes dichterischer Pantheismus. Festvortr. zu
Goethes Geburtstag im FDH. zu Frankfurt a. M.: BFDH. 9, S.3-25. — 80) G. Alford, Goethes Optimism. (_=N. 37; S. 25-31.)
— 81) M. Wenley, The pessimistic element in Goethe. (= ib. S. 246-71.) — 82) E. Müller-Holm, Goethe als Kabbaiist
in d. Faust-Tragödie: HambCorr. N. 16, 18. — 83) X L. Huberti: BLU. S. 5025: NZSt. n, S. 8634. — 84) E. Temming,
Goethes Bildungsideal. (= Samml. päd. Vortrr. her. v. W. Meyer-Mark au.) Bielefeld, Helraich. 14 S. M. 0,40. — 85)
F. Kern, Ueber Goethes Wort: „Es bleibt Idee u. Liebe." (= Progr. d. Kölln. Gymn. zu Berlin, S. 3/6.) — 86) X Goethe u. d.
Sociulismus: DSBll. N. 245. — 87) X Goethe u. d. Mittelstand: ib. N. 272. — 88) A. Tille, D. Weihnachtsbaum: AZg.
N. 355/6. — 89) (IV ld:88) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 400/1; E. Böcker: FZg. N. 223.] (Im 3. Bd. über Goethes Ver-
hältnis z. Tierwelt.) — 90) Ella Hagemann, Goethe as minister of state. (= N. 37; S. 52-65.)— 91) O.Lorenz, Goethes
(4)22*
IV 8a : 91-96 V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
Versammlung- der Goethe-Gesellschaft, und nach dem ihm von L. überlassenen Konzept
hat N eumann-Hofer^^-) ^[q Rede wiedergegeben. L. selbst hat dann die ganze
Untersuchung mit dem reichen Materiale der Anmerkungen etwas später veröffentlicht.
Nach einleitenden Bemerkungen zu den zeitgenössischen Urteilen über Goethe, über
die einschneidende Bedeutung der französischen Revolution für Goethes Ansichten
und seine weisheitsvolle Betrachtung der Ereignisse bis in sein höchstes Alter schildert
L. im ersten Abschnitt Goethes politische Weltanschauung auf Grund der möglichen
Quellen. Den Schlüssel hierfür sowie für die Lösung der ganzen Frage findet er
in dem Ausspruche Goethes, jeder solle „sein Metier treiben, das er gelernt habe";
das Regieren des Fürsten sei aber auch ein Metier, das gelernt sein wolle, und das
sich niemand anmassen solle, der es nicht verstehe. Demgemäss war Goethe für
seine Person der politischen Thätigkeit eher abgeneigt und gehörte auch keiner Partei,
keinem System an; er war der Mann der Thatsachen, der historischen Erfassung
des Gegenstandes und der auf den Regierungszweck gerichteten Geschäftstüchtigkeit.
Im zweiten Abschnitt schildert L. Goethes Lehrjahre und Lehrmeister: Goethe ist
in politischen Dingen nicht der Lehrer, sondern der Schüler Karl Augusts. Dagegen
ist Goethe auch in staatsmännische Aktion (3. Abschnitt) selbstthätig eingetreten :
Von ihm rührt der Grundgedanke des Fürstenbundes her. Der gewonnene feste
Standpunkt bewährt sich auch im Kriege (4. Abschnitt : Politik im Kriege) und in
der Bewahrung der monarchischen Idee (5. Abschnitt : Im Vollgefühl der monarchischen
Idee). Das Ergebnis ist, dass Goethe sich in politischen Dingen nicht nur willig
Karl August unterordnete, sondern mit einer Art von Begeisterung und mit einerawahrhaft
fatalistischen Glauben, dass sein teurer Herr unter den Berufenen zu den Auserwählten
gehöre, deren staatsmännische Weisheit keinen Zweifel lasse. Was Goethe in den Lehr-
jahren vor der französischen Revolution für seine politische Denkungsart an den Ein-
drücken gewonnen habe, spiegle sich in all seinen Urteilen und in seiner ganzen Stellung
bis ans Ende seines Lebens wieder. Um diesen Kern fügt sich eine Fülle von Fragen,
deren Behandlung zeigt, wie nützlich es ist, wenn eine einzelne Seite Goethes von
der ihr entsprechenden fachmännischen Stelle aus behandelt wird, zumal wenn es in
so vorurteilsloser und auch dem eigenen Fache gegenüber freimütig urteilender
Weise geschieht wie hier. Gerade nach dieser Seite hin sind die ausführlichen
„Anmerkungen" sehr bedeutend. Es seien hier nur einige Punkte hervorgehoben:
Die specifische Gabe der Weissagung bei Goethe; die Epimenidesfrage : L. verwirft
mit aller Entschiedenheit die Auffassung, als ob Epimenides Goethe selbst darstellen
solle; ferner die Uebereinstimmung Goethes mit Taine; seine Stellung zu Napoleon,
hier besonders mit Bezug auf Talleyrands Memoiren und deren Beurteilung in
Deutschland, sodann Goethes Stellung zu den Freiheitskriegen und zur Vaterlands-
liebe; der Okensche Handel; über das Verhältnis Goethes zu Karl August, besonders
mit Bezug auf das Gedicht Ilmenau: L. leugnet die erziehlichen Momente in dem
Verhältnis Goethes zu Karl August gänzlich; ferner das Verhältnis Goethes zu
Friedrich dem Grossen, zur Geschichte des Fürstenbundes; endlich die Campagne in
Frankreich und die Belagerung von Mainz. — Einen wertvollen Beitrag zur Erkenntnis
von Goethes Anteilnahme an der obersten Leitung der Geschäfte und seiner Thätig-
keit im Rate des Fürsten, zu dem er seit Juni 1776 gehörte, giebt Suphan^») aus
der älteren Zeit, für die die Quellen spärlich fliessen : die Fülle des von den neunziger
Jahren an vorhandenen Materials ist erstaunlich. Seit 1889 werden alle Urkunden
von Goethes amtlichem Wirken dem Goethe-Schiller- Archiv in den Originalen über-
wiesen. Hier handelt es sich um ein von Goethe gegebenes Gutachten in der Frage
über die Abschaffung der Kirchenbusse. S. teilt es mit und giebt ausführlich Nach-
richt über die zu Grunde liegenden Verhältnisse sowie den Verlauf der Angelegen-
heit. Er verweist zugleich auf die „poetischen Akten" und zeigt, wie tief Goethes
menschliche Teilnahme auch bei dieser Sache thätig ist. — Die aus Goethes Stellung-
nahme zu den politischen Zeitereignissen der neunziger Jahre hervorgegangenen oder
mit ihnen in Beziehung stehenden Dichtungen behandelt Weicker^*) in seiner
Festrede zu Goethes Geburtstag, und Morsch^^^ößJ erklärt „Des Epimenides Er-
wachen" als eine Goethesche Konfession im grossartigsten Stil, durch die sich der
Dichter zu seinem Volk über die gewaltige Zeit der Befreiungskriege ausspricht.
Er erklärt es für eine dreifache Palinodie hinsichtlich der von Goethe seit 1792 unter-
schätzten sittlichen Kraft des preussischen Staates, hinsichtlich des überschätzten
polit. Lehrjahre. E. in d. 8. Generalvers. d. Goethe-Ges. geh. n. erweit. Vortr. mit Anm., Zusätzen u. e. Anh.: Goethe als
Historiker. B., Hertz. V, 180 S. M, 3,00. |[K. Heinemann: BLU. S. 662/3; M. Osborn: FZg. N. 330; id.: MagdZg.
N. 561; M. Koch: DWBl. S. 573/5.]| (Sonderabdr. aus DRs.; s. o. N. 38: vgl. auch IV 8b:17.) — 92) 0. Neumann-Hof er,
Goethes polit. Lehrjahre. Nach 0. Lorenz (s. o. N. 91): AZg«. N. 129-30 — 93) B. Suphan, Goethe im Conseil. Urkund-
liches aus seiner amtl. Thätigkeit 1778-85: VLG. 6, S. 579-608. — 94) G. Weicker, Goethes Stellung z. französ. Eevolntion.
Festrede im Goethe- Ver. zu Zwickau am 28. Aug.: MGoetheVZwickau. N. 3. — 95) H. Morsch, Goethes Festspiel „D. Epimenides
Erwachen." Vortr. geh. in GDL.: DLZ. S. 59-60. (S. u. IV 8e:ö2.) — 96) id., Goethes Festspiel : „D. Epimenides Erwachen" :
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV Sa-. 97-io4
Napoleon und in Bezug auf seine eigene, in allzugrosser Bescheidenheit als „Ruhe
und Schlaf" bezeichnete, zurückgezogene, nur auf Kunst und Kultur gehende Thätig-
keit. M. untersucht dabei die Epimenidessage, ihre Behandlung in der französischen
Litteratur und Goethes Beziehungen zu ihr, sowie den Gegensatz seines ernsten
Dramas zu den lustspielartigen, oft possenhaften Scenen bei seinen Vorgängern. Eine
ausführliche Darstellung seiner Untersuchungen und seiner Auffassung giebt M. in
seiner Abhandlung über das gleiche Thema. —
Auf dem Gebiete der Beziehungen Goethes zur Naturwissenschaft sind
noch Besprechungen zu dem Vortrage von Helmholtz über Goethes Vorahnung
kommender naturwissenschaftlicher Ideen (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 73) erschienene^).
— Ruland^s) veröffentlicht einen bisher ungedruckten Nachtrag zu den Paralipomena
der morphologischen Schriften. Bei zwei Aquarellen, die die Entwicklungsstadien
der Wolfsmilchraupe vom Ausschlüpfen aus dem Ei bis zur Puppe in 14 Phasen
darstellen, fand sich unter den Kollektaneen zur Naturwissenschaft eine französische
Niederschrift Goethes, die die Gesichtspunkte aufstellt, nach welchen die Wunder der
tierischen Metamorphose in einem kleinen Bande zusammengefasst werden könnten.
— Von Goethes naturwissenschaftlichen Schriften sind in der zweiten Abteilung
der Weimarer Ausgabe drei Bände erschienene^): Band 3 bringt die Farbenlehre,
Historischer Teil, von Kalischer bearbeitet; er entspricht dem 53. Bande der Aus-
gabe letzter Hand oder dem 13. Bande der nachgelassenen Schriften. Von der grossen
Zahl von Excerpten, Ueber Setzungen, Notizen, Dispositionen und Entwürfen, die
noch vorhanden sind, wurden nur diejenigen benutzt, die sich einigermassen dem
Texte anschliessen. Sodann der S.Band: Zur Morphologie, 3. Teil, bearbeitet durch
von Bardeleben. Die Anordnung der einzelnen Aufsätze und Fragmente ent-
spricht nicht der zufälligen Folge ihrer Entstehung, sondern sie soll ein Bild von
dem anatomisch-zoologischen Systeme Goethes liefern. Die einleitenden Bemerkungen
zu den „Lesarten" führen dies im einzelnen begründend durch. Die Lesarten selbst
bringen zwölf Paralipomena, Vorarbeiten, Schemata und Ergänzungen zu den Auf-
sätzen des Bandes. Endlich noch der 11. Band; Zur Naturwissenschaft; Allgemeine
Naturlehre, 1. Teil, bearbeitet von Steiner. Er soll ein Bild von Goethes
naturphilosophischen Ideen und Methoden geben. Somit war der inhaltliche Zu-
sammenhang der Ideen und die methodische Behandlung anschaulich zu machen.
Beide Gesichtspunkte in ihrer Durchführung in der Folge der Aufsätze werden in
den Bemerkungen zu Anfang der „Lesarten" eingehend begründet. Den Schluss
bilden die Paralipomena, von denen I die fragmentarischen Aufzeichnungen zu den
einzelnen Teilen des Bandes giebt, während II den Inhalt eines Heftes bringt, das die
Aufschrift führt: ,, Eigene philosophische Vorarbeiten und Kantische Philosophie,
circa 1790". Das Heft, von Goethe selbst geschrieben, giebt jedoch nur Auszüge aus
Kantschen Werken. — Im Anschluss an die in der Weimarer Ausgabe erschienenen
Tag- und Jahreshefte (L Abt., Bd. 3.5/6; s. u. N. 112/3) giebt von Bieder-
mannieo) höchst verdienstliche Erläuterungen. Fast ein Drittel des Bandes wird
durch Register (Sach-, Geographisches, Personen-) angefüllt, sowie durch ein Ver-
zeichnis der Goetheschen Dichtungen urid andere Zusammenstellungen, die diese
Erläuterungen für sämtliche Ausgaben der Goetheschen Werke benutzbar machen. —
Goethes Sprache soll in neuestes Gewand gekleidet werden: So wie Goethe
seine Sprache schrieb, war zu seiner Zeit die Rechtschreibung modern; schreiben
wir seine Werke heute, wie er es gethan hat, so erscheint sie veraltet, und die Werke
selbst machen durch ihre Erscheinungsform nicht den unmittelbar nahen Eindruck
wie sie ihn auf seine Zeitgenossen gemacht. Demgemäss befürwortet Mähliss'^i)
Modernisierung der Rechtschreibung, und zwar nach der Reformmethode. Zur Be-
gründung seiner Forderung führt er eine Anzahl Stellen in der Goetheschen Recht-
schreibung selbst an. — Als ein Verschreiben in der Hs. des Gedichtes „Ilmenau"
V. 113 wird „Freiheit" bezeichnet: es soll heissen: „Und Redlichkeit und Froheit
sonder Zwang"io2j — pyj. ^je Sprache selbst giebt Schneidewin*03) eine Unter-
suchung über die Anwendung von „welcher" und „der" als relativischen Wörtern und
erklärt sich auf Grund der Thatsachen gegen W^ustmanns Bekämpfung von „welcher"
(vgl. JBL. 1891 I 8 : 59). — Den Einfluss der Frankfurter Mundart auf
Goethe behandelt Hammeran^^^*). — Dehnickes Untersuchung über Goethes
Verwendung von Fremdwörtern (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 92) ist weiter besprochen
GJb. 14, S. 212-44. |[M. Koch: BFDH. 9, S. 357.]| — 97) X M. Koch: BFDH. 9, S. 225; S. Günther: BBG. 29, 8. 661/3;
E. Gerland: DLZ. S. 1019. — 98) C. Ruland, Verse u. Niederschriften Goethes zu Zeichnungen: GJb. 14, S. 147-50. —
99) (S. u. N. 112/3.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 225.]| — 100) W. v. Biedermann, Erläuterungen zu d. Tag- u. Jahresheften
V. Goethe. (= Anh. an Goethes Werte. Abt. für Erläuterungen. Bd. 35 u. 36. Zu d. Tag- u Jahresheften.) L., F. W.
V. Biedermann. XU, 865 S. M. 5,00. — 101) J. F. Mähliss. Di reßtsreihnng Götes unt Sillers: Reform 17, S. 50/3. —
102) E. Schreibfehler Goethes ? : AZgB. N.8. (S. u. IV 8c : 15a.) — 103) M. Schneidewin: BerlCourB. N. 70. - 104) (1 8 : 46 ; s. auchFZg.
IV 8a : 105-119 V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
worden^^*^), desg-leichen Olbrichs Untersuchung" über Goethes Sprache und die An-
tike (vg-l. JBL. 1891 IV 9a: 114)106). — Georg- Schmidti»'') untersucht speciell
die Sprache Goethes im Clavig-o. Dies Drama nimmt nach ihm eine Ausnahme-
stellung- unter den Werken der ersten Schaffensperiode ein und zwar in malara
partem, sowohl in Bezug auf den dramatischen Gehalt als auf die sprachliche Form.
Darnach gliedert sich die Untersuchung in zwei Teile, von denen hier nur der erste über
die Sprache in Betracht kommt. Es sollen die Einflüsse der französischen Quelle, der Em-
pfindsamkeit und des Sturmes und Dranges nachgewiesen werden, was teils durch
Nebeneinanderstellen der Quelle und der Dichtung geschieht, teils durch Paralle-
lisierung von Stellen aus Werken derselben Periode: hier werden besonders auch
die Briefe herangezogen. Hieran schliesst sich eine sehr eingehende Untersuchung
über die „rhetorischen Kunstmittel", die gerade im Clavigo „unverhältnismässig
reichlich verwendet" sind. Um ein Urteil darüber zu gewinnen, hat S. den ganzen
„jungen Goethe" auf diese Gesichtspunkte hin geprüft und giebt darüber das ge-
fundene statistische Material. Es handelt sich um Polysyndeton, Asyndeton,
Anaphora und Geminatio: Ueberall findet S., dass diese Kunstmittel im Clavigo an
falscher Stelle, überladen, gekünstelt angewendet worden sind. Nirgends aber
taucht bei S. der Gedanke auf, dass Goethe absichtlich seinen Stil der Quelle und
der in ihr herrschenden Tonfarbe angepasst hat, dass der Dichter sich dessen ge-
rühmt hat, das Fremde und das Eigene so zusammengefügt zu haben, dass niemand die
Nähte erkennen könne. Von dieser Absicht aus war die Untersuchung zu führen
und aufzuweisen, in wie weit dem Dichter die Absicht gelungen ist, deren ErfiJllung
ihn naturgemäss sehr weit von der Behandlungsweise seiner übrigen Werke führen
musste. — Eine Zusammenfassung des deutschen Sprachschatzes, zunächst der
Klassiker und besonders Goethes, schlägt Grimm i^S) vor. io9) —
Für die metrische Gestaltung der Sprache durch Goethe weist Borinskiiio^
in einer historischen Darlegung der Entwicklung der Ueberführung des Sinnes über
den Versschluss auf einen Kunstgriff' hin, durch den Goethe diese Ueberführung sich
dienstbar gemacht hat. Er bezeichnet die „Vorausnahme des syntaktischen Integrals
eines Verses durch die Endsilben des voraufgehenden Verses" als Versvorschlag,
während ein entsprechendes Austönen des syntaktischen Gefüges in der ersten
Silbe des folgenden Verses als Versnachschlag bezeichnet wird. Goethe hat nun
den Versvorschlag, der auch schon den antiken Tragikern geläufig war, gern ver-
wendet, während der Versnach schlag seltener erscheint, — lieber andere die Vers-
gestaltung Goethes berührende Werke berichtet Koch^). —
In der W^eimarer Ausgabe erscheinen Goethes Werke weiter. Das Be-
richtsjahr brachte acht neue Bände, die an anderen Stellen im einzelnen besprochen
werden^ 12-113) __ g^jt ^qjj^ Vorjahre erscheinen Goethes sämtliche Werke mit Ein-
leitungen von Goedeke in einer neuen 36 bändigen Ausgabe und sind bis zum
15. Bande gediehen' i*). _ Düntzer^i^) giebt die sämtlichen Werke Goethes, von
deutschen Künstlern illustriert, heraus; von 90 Lieferungen sind 6 Lieferungen er-
schienen. — In Kürschners DNL. werden Goethes W^erke fortgesetzt: es sind Band
25—28 ausgegeben worden n^'^^^. — Eine Notiz über die Wiener Goetheausgabe
1816 kündet eine ausführliche Untersuchung im nächsten GJb. über das Verhältnis dieser
Ausgabe zu der gleichzeitigen Stuttgarter Cottaschen an^'^). — Wohl durchdachte
N. 284.) - 105) X M. Koch: BFDH. 9, S. 212,3; DBühneng. S. 923, 320/1. - 106) X ZDPh. 25, S. 144. - 107) (I 8 : 44:
IV 8e:23.) — 108) (I 8:100; s. auch AZg". N. 260 u. E. M. Werner: ib. N. 22.) - 109) X (^ 8:45; IV 9:163.) —
HO) K. Borin Ski, D. Ueberführung d. Sinnes über d. Versschluss. (= I 1:118; S. 43-60.) (Vgl. JBL. 1894.) — 111) M.Koch:
BFDH. 9, S. 215 (über H. Kruses Exkurs zu E. Westphal, Allgem. Metrik [vgl. JBL. 1892 1 7 : 1]), S. 216 (über E. Kuno, Beobachtungen
über d. Verhältnis d. Eeimes z. Inhalt bei Goethe [Stargard 1888] u. über A. öoldbeck-Loewe, Z. Gesch. d. freien Verses [vgl.
JBL. 1891 I 9:18.]) —'112) Goethes Werke. Her. im Auftr. d. Grossherzogin Sophie v. Sachsen. Weimar, H. Böhlau. I. Abt.,
35. Bd. (1892.) Tag- u. Jahreshefte als Ergänzung meiner sonstigen Bekenntnisse, v. 1749-1806. Her. v. W. t. Bieder-
mann, m, 325 S. M. 2,50; 36. Bd. Dass. v. 1807-22; Biograph. Einzelheiten; Beden. Her. v. dems. Ill, 454 S. M. 3,50.
IS. 0. N. 100, u. IV 8b: 21); 5. Bd., I.Abt. Gedichte 5. T., I.Abt. Her. v. K. Chr. Eedlich u. Erich Schmidt
IX, 313 S. M. 3,30. (8. u. IV 8c: 5.) IL Abt. Naturwissensch. Schriften. 3. Bd. Z.Farbenlehre. Hist. T., I.Abt. Her.
T. S. Kalischer. XXIV, 4C0 S. M. 4,25; 8. Bd. Z. Morphologie, 3. T. (Zoolog. Arbeiten; dabei bisher ungedr. Auf-
sätze). Her. T. K. v. Bardeleben. VIII, 362 S. mit 5 Taf. M. 4,00; 11. Bd. Z. Naturwissenschaft. Allg. Naturlehre, 1. T.
Her. V. R. Steiner. VII, 3S2 S. mit 1 Taf. M. 4,00. (S. o. N. 99.) III. Abt. Tagebücher. 5. Bd. 1813-16. Her. v. C. A. H.
Burkhardt u. J. Wähle. V, 402 S. M. 4,00. (S. u. IV 8b : 1.) IV. Abt. Briefe. 12.-14. Bd. 1797-99. Her. v. E. v. d. Hellen.
XI, 472 S.; Xn, 438 S.; X, 292 S. M. 4,80; M. 4,50; M. 3,00. (S. u. IV 8b : 2.) |[K. Heinemann: BLU. S. 229-30, 660;2;
M. Koch: BFDH. 9, S. 219 21; 0. Harnack: PrJbb. 72, S. 535/6; NedSpect. S. 292/3, 355,6.] | — 113) X Ber. d. Eedaktoren
u. Heransgeber (zu N. 112): GJb. 14, S. 317/8; 15, S. 312-21. — 114) Goethes sämtl Werke in 36 Bdn. Mit Einl. v. K.
Goedeke. St., Cotta. Bd. 1-15. XVL 373 S.; XIV, 378 S.; VIH, 304 S.; XII, 420 S. mit Bild; XU, 250 S.; XU, 314 S.;
XU, 312 S.; XU. 312 S.; XIV, 357 S.; XVL 4'8 S.; XIL 343 S.; X, 273 S.; XU, 379 S.; IV, 335 S.; XIV, 363 S. ä M. 1,00.
|[AZgB. N. 89; DRs. 76, S. 316.]! — 115) H. Düntzer, Goethes sämtl. Werke. 111. v. ersten dtsch. Künstlern. 4. Aufl. Lfg. 1/6.
St., Dtsch. Verlagsanst. S. 1-176. ä M. 0,50. — 116) Goethes Werke. 25. Bd. Her. v. H. Düntzer. (= DNL. N. 794, 801.)
St., Union. VIII, 319 S. M. 1,00. (S. u. IV 8b : 22.) - 116a) X Goethes Werke. 26.-29. Bd. Her. v. A. G. Meyer u. G.
Witkowski. (= ebda. N. 745, 752, 756;9, 761, 783/5, 788-90.) VII, 356 S.; 396 S.; LXXIV, 563 S.; U, 276 S. M. 10,00.
IIW. V. Biedermann: LZg». S. 502; M. Koch: BFDH. 9, S. 223/4, 379-80; id.: LCBl. S. 1274,5; A. Bielschowsky :
ML. 62, S. 98; E. Wolff: ib. S. 77; L. Fränkel: BLU. S. 41.]i — 117) X Goethes Werke in 4Bdn. (Taschen-Ausg.)i2. Ausg.
St., Cotta. 12». XU, 818 S.; III, 781 8.; III, 767 S.; m, 823 S. Mit Bild. M. 7,00. — 118) X Goethes poet. Meisterwerke.
Gedichte u. Dramen. (Neue Aufl.) Strassburg i. E., Strassburger Verlagsanst. XVIII, 901 S. mit Bild. M. 4,50. — 119) D.
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. JTV 8a : 120-130
Bemerkungen über die Normen einer Ausgabe von Goethes Sprüchen in Prosa
macht Harnack^^") und begründet die von ihm vorgeschlagene Anordnung. Er
geht dabei von dem Gesichtspunkt aus, die Anordnung, welche Goethe zum Teil ge-
wünscht, zum Teil schon selbst getroffen hat, sei beizubehalten und auszubilden. —
lieber Goethes Gespräche ^^^) wird weiter berichtet. — Einen Ueberblick über die
Goethe betreffenden litterarischen Erscheinungen giebt Geiger 122) f^j. 1992 in
der auch früher eingehaltenen Weise. — Auch verschiedene Antiquariatskataloge*-^),
die gedruckte Goetheschriften und Goethe-Autographen verzeichnen, sind wiederum
erschienen. —
Goethes Art zu arbeiten hat R. M. Meyer ^24) untersucht. Eine falsche
Parallelisierung der äusseren und der inneren Form mit der äusseren und der
inneren Technik bringt ihn dazu, die Gestaltung des Kunstwerkes zu einem ein-
heitlichen Ganzen als die äussere Technik, die Einzelentstehung des "Werkes jedoch
als die innere Technik zu bezeichnen, was ihn weiter dazu führt, die diese Ent-
stehung des Werkes im einzelnen erforschende philologische oder litterarhistorische
Untersuchung mit der psychologischen zu identifizieren. Er geht von der falschen
Voraussetzung aus, als ob Kunstwerk und Naturwerk gleichmässig in ihrer Ent-
stehung nach naturwissenschaftlicher Methode untersucht werden könnten, eine Vor-
aussetzung, die sofort versagen und auf Willkürlichkeiten subjektivster Art führen
muss, sobald die thatsächlichen Grundlagen für die Verfolgung der Einzelentstehung
nicht bekannt sind, sondern erst aus dem fertigen W^erke durch Rückschlüsse fest-
gestellt werden sollen. Dies wird aber unter allen Umständen eintreten müssen;
denn „für das Studium der inneren Technik besitzen wir das gesamte Material
schlechterdings niemals". Sehr richtig stellt M. das „Aperpu" als das eigentlich
Schöpferische hin : es ist das aber für Goethes dichterische „Technik" nichts
Eigentümliches, da es vielmehr das Charakteristische eines jeden künstlerischen Er-
finden s ist. Gerade weil das Apergu abgewartet werden muss, gehört es überhaupt
nicht zur ,,Technik", unter welchem Begriff das Handwerksmässige der Kunst ver-
standen wird; dieses tritt in sein Recht, sobald das schöpferische Apergu bereits da
ist, und kann nur dann Geringwertiges schaffen, wenn es ohne diesen schöpferischen
Anstoss arbeiten will. In den Kompositionen dagegen, die M. sodann kurz be-
handelt, tritt das Technische in sein Recht: hier lassen sich bei den einzelnen
Künstlern, sei es für einzelne Epochen, sei es für ihr gesamtes Schaffen, bestimmte
Methoden nachweisen: hierauf wäre das Hauptgewicht zu legen gewesen. Dies wird
aber nicht durch Zusammenstellen einzelner aus ihrem Zusammenhange genommener
Aussprüche, sondern durch Betrachtung und Untersuchung der Werke selbst und
zwar besonders durch den Vergleich der fertigen Werke mit früheren Gestaltungen
und Entwürfen erreicht werden. Der auch von M. hervorgehobene Grundzug von
Goethes Technik soll das Typisieren sein: so soll das Apercu specifische Fälle auf
typische Begriffe zurückführen. Das Gegenteil ist richtig. Die ungeklärte Fülle der
Empfindung wird durch das Apergu an den einzelnen Fall gefügt und gewinnt die
für die künstlerische Existenz notwendige individuelle Gestaltung. Ob die Fähigkeit,
so zu schaffen, in Goethes Alter zurücktrat oder gar aufhörte, ist eine Frage, wenn
es auch hier einfach als selbstverständliche Thatsache angenommen wird. M.s Dar-
legungen geben ein interessantes Bild historischer Entwicklung: psychologisch hat
er die Vorgänge im Dichten beim Schaffen und vor dem Schaffen nicht ergründet,
weil sie sich überhaupt der Ergründung entziehen, da jegliches Material fehlt und
die Nachahmung der naturwissenschaftlichen Methode es nur zu Umschreibungen
und bildlichem Ausdrucke, nicht aber zu wissenschaftlich begründeten Nach-
weisen bringt. —
Urteile von Zeitgenossen über Goethe werden mitgeteilt von Erich
Schmidt 125-126)^ Leitzmann^^?-) ^^d Geigerin»). _ Hierhin gehören ferner die
Aeusserungen in dem Briefwechsel der Brüder von Müller i29), sowie die Unter-
suchung Trögers^3oj ü^er Manso: T. zeigt, wie der Streit durch Mansos harte
und nicht zutreffende Urteile besonders über Schillers ästhetische Briefe entstand,
schildert den Verlauf des Kampfes, dessen Ausgang darin bestand, dass Manso gleich-
Wiener Goethe-Ausg. v. 1816: VLG. 6, S. 627. — 120) 0. Harnack, Bemerkungen aber d. Normen e. Ausg. v. Goethes
Sprächen in Prosa: ib. S. 463-72. — 121) X 0- Härtung, W. v. Biedermann, Goethes Gespräche (vgl. JBL. 1891IV 9b :21/2;
1892 IV 8b :22b): DDichtung. 14, S. 149. — 122) L. Geiger, Bibliographie: GJb. 14, S. 321-59. - 123) X Jos. Baer & Cie.,
Prankfurt a. M., N. 319; H. Kerler, Ulm a. D., N. 190; P. E. Lederer, B., N. 56; Verzeichnis d. v. C. E. Hofmeister hinterlass.
Antographen-Samml., versteigert durch List & Francke, L.; L. Liepmannssohn, B., N. 102; J. A. Stargardt, B., E. Autographen-
samml. (=1 3 : 51, S. 141/7.) - 124i R. M. Meyer, Goethes Art zu arbeiten: GJb. 14, S. 167-95. |[M. Koch: BFDH. 9, S. 3ö5/6.J|
— 125) Erich Schmidt, K. Weinhold mit herzl. Glückwünschen z. 26. Okt. dargebracht. (Weimar, Hofbuchdr.) 7 S.
(Nicht im Handel; Briefe Blumenbachs an Heyne u. Sophiens Brentano an Henriette v. Arnstein. Vgl. auch GJb. 15, S. 358
u. s.u. IV 8b: 15; 10: 66.)— 126) id., Urteil über Goethe. Mitt. ans GDL.: DLZ. S. 187. (S. o. N. 125; vgl. auch VossZg. N. 51)
— 127) (IV lc:115; IV 5:115 [8. 168].) - 128) (lY 1 c : 13.) jfL. Geiger: FZg. N. 337 („Fürst u. Künstlerin«.)]! — 129)
(IV lc:133; IV 5:133.) UM. Koch: BFDH. 9, S. 360,1.]| - 130) J.Tröger, Rektor Manso im Xenienkampfe. (= Sonderabdr.
aos d. Festschrift z. 250j. Jubelfeier d. Gymnasiums zu St. Maria Magdalena zu Breslau [vgl. I 6 : 205].) Breslau, Morgenstern,
IV 8a : 131-147 V. Valentin, Goethe: Allg-emeines.
sam zur Sühne eine gerechte und unparteiische Besprechung des Wilhelm Meister
schrieb. —
Schillers und Goethes Stellung zur Gegenwart unterwirft Eugen
Wolff*^*) in seinem Festvortrage zu Schillers Geburtstag im Freien Deutschen
Hochstift einer eingehenden Prüfung. Er schildert das Auf- und Abfluten in der
Wertschätzung beider und gelangt zu dem Ergebnis, dass beide noch lebendig sind
und jeder in seiner Weise mannigfaltig fortwirkt, dass aber unsere Zeit neben dem
festen, unverlierbaren Besitz an Schillerschem Geiste die Domäne Goethes zu er-
weitern strebt: ist Schillers Geist heute ohne Rest Gemeingut der deutschen Nation,
so muss es Goethes Geist in gleichem Masse werden. — In kurzem Ueberblick wird
ferner Goethes Verhältnis zu unserer Zeit betrachtet *32^. ^^Die Ueberzeugung von
einer weiteren Bedeutung Goethes als Mannes gerade unserer Zeit bricht sich immer
entschiedener Bahn. Still aber unaufhaltsam schreitet der Goethische Geist auf seinem
Siegeszug zur Weltherrschaft vor." Die Untersuchung verfolgt dies auf den ver-
schiedenen Gebieten und zeigt, wie Goethe durch das allumfassende Ganze seines
Wesens besonders auch auf das Ausland wirkt. „Der unermessliche Gewinn, den
Gegenwart und Zukunft aus dem Anschauen des Vorbildes Goethes ziehen kann",
ist der, dass wir uns durch Selbsterziehung im Strome der Welt zu immer höherer
Vollendung emporbilden". ^^sj _
Ein Goethe in seiner ganzen sittlichen und dichterischen Nichtigkeit auf-
deckender moderner B eurteiler, der allenfalls ein oder das andere „Gedichtchen"
— andere hat Goethe nicht gemacht — gelten lässt, dagegen sein „Wertherromanchen"
und sonstige epische und dramatische Torheiten in ihrer Blosse und Erbärmlichkeit
aufzeigt, hat sich in Dühring*^*) gefunden. Die „neuen Gesichtspunkte" seiner
ganzen Litteraturbetrachtung möchten wohl vorzugsweise in einem möglichst stark
ausgeprägten und möglichst unverständig verwendeten Antisemitismus bestehen. —
Braitmaiers Schrift über Goethekult und Goethephilologie (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 41)
wurde wiederholt besprochen i^*'^). —
Goethes Stellung in der Weltlitteratur äussert sich zunächst in den
reichen Beziehungen zu den englisch redenden Germanen. Besonders sein
Verhältnis zu Shakespeare wird vielfach behandelt: so von Hauffeni^s^; in be-
sonderer Beziehung zu einzelnen Goethischen Dramen von Basedow i^^), Winkler^^'),
Huther 13^). — Loening^^sj widmet in seinem Hamletwerke Goethes Auffassung ein
besonderes Kapitel und schliesst daran ein zweites „Die Nachfolger Goethes": Goethe
und seine Nachfolger sind durch die falsche Uebersetzung von 0 cursed spite (I, 5,
V. 88) irregeführt worden: Hamlet hat nicht nur keinen Plan, sondern auch kein Ziel;
bis zum Schlüsse ist er gar nicht gewillt, den Vollzug der Sache auf sich zu nehmen.
Goethes Vorschlag, den Geist im Gemach der Königin im Hauskleid statt in der
Rüstung auftreten zu lassen, weist L. zurück. — Kilian^'**') tadelt die übertreibende
Nachahmung Skakespeares im Scenenwechsel des Götz und von Vincke'*^) vergisst
bei seinem Hinweis auf Goethe als den Berufensten in Shakespeares Sinn zu dichten, auf
Goethes Inscenierung des König Johann, Julius Cäsar und seine Bearbeitung von Romeo
und Julia einzugehen. — Singer ^^^^ verfolgt eine Reihe von Urteilen der Tages-
presse und der populären Wissenschaft: er zeigt, wie der Engländer sich meist in
der Beurteilung bei den äusseren Umständen, dem Formellen, aufhält, und wie
gerade hierin der Unterschied seiner Auffassung von der des Deutschen hervortritt.
Bei Goethe werden Clavigo, Götz, Iphigenie, Werther und Stella behandelt. — Von
englischen Kritikern behandelt Alford^^^) die Beurteilung Goethes durch . frühere
englische Kritik als besonderes Thema: er zeigt den gegen Goethe und die deutsche
Litteratur geführten Kampf etwa von fünfzig Jahren vor Carlyle an bis zu dessen
Auftreten. — Ueber Boyesens Untersuchung über die Wertschätzung Goethes in Eng-
land (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 110) wird weiter berichtet i44), _ Die "Stellung Carlyles
zu Goethe bespricht NichoP^^), und Mensch i^^) versucht vergeblich, eine innere
Beziehung zwischen Wordsworth und Goethe zu konstruieren. — Saunders ^*'') hat
sich der verdienstlichen Arbeit unterzogen. Goethes Sprüche in Prosa den englisch
Lesenden zugänglich zu machen. Aus der grossen Fülle wählt er einen Teil aus, in-
25 S. M. 0,50. (S. u. IV 8c: 21; 9:60.) — 131) Eugen Wolff, Schillers u. Goethes Verhältnis z Litt. u. Lehen neuerer
Zeit: BFDH. 9, S. 27*-51*. (S. u. IV 9 : 166.) - 132) E. M., Goethes Stellung z. Gegenw.: Kw. 7, S. 65/7. - 133) X J- Seeley ,
Goethe reviewed after sixty years. London, Seeley. Sh. 3/6. — 134) (I 12:161; IV 5:631 [1, S. 155-203].) — 134 a) X 0.
E[rdmann]: ZDPh. 25, S. 287/8; 0. Harnack: PrJbb. 71, S. 134/6; A. Köster: HZ. 34, S. 308-11; 0. Hellinghaus:
Gyran. 11, S. 322/3; 0. Glöde: ASNS. 90, S. 417/8. — 135) (UI 4:6a; IV ld:59; 4:25 fS. 11-22].) - 136) (IV 4: 312;
8e:70.) - 137) (IV 8e:75.) — 138) (IV 8e : 5.) — 139) (IV ld:62.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 365/6.]| - 140) (IV4:369.)
|[M. Koch: BFDH, 9, S. 368.]| — 141) (IV 4 : 372.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 367/8.JI — 142 1 (IV 1 d : 45.) [M. Koch:
BFDH. 9, S. 364.JI - 143) G. Alford, Goethes earliest critics in England. (= N. 37, S. 8-24.) |[M. Koch: BFDH. 9,
S. 264/5.] I — 144) X M. Koch: BFDH. 9, S. 194. — 145) J- Nichol, Thomas Carlyle. London, Macmillan & Cie.
1892. |[H. Grimm: DLZ. S. 204/6.]| — 146) Bob. Mensch, Goethe and Wordsworth. (= N. 37, S. 85-107.) |[M.
Koch: BFDH. 9, S. 365.]| - 147) (IV ld:41.) |[WestmR. 140, S. 337/8; ScottishE. 22, S. 459; Ath. 2, S. 347/8.]l - 148)
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a : i48-i62
dem er das weglässt, was ihm als veraltet, unwichtig", von nicht mehr aktuellem
Interesse erscheint, oder das eine nature too abstruse hat, um ohne Erklärungen be-
stehen zu können; er aber scheut sich mit Recht, den unmittelbaren Eindruck beim
Lesen durch Fussnoten abzuschwächen und zu unterbrechen. Dagegen giebt er aus-
führlich Bericht über die Entstehung, über Inhalt und Bedeutung der Sprüche, so
dass des Translators Preface 55 Seiten in Anspruch nimmt. Bei seiner Auswahl
wurde er für die Sprüche über Kunst von dem Maler Sir Frederic Leighton und für
die Sprüche über Natur von Professor Huxley unterstützt. — Sonstige Uebersetzungen
bieten Kroeker (My Goddess; Song of the Parcae), Tomlinson (Sonnets) und
Martin (The Roman Elegies), von denen die letzten als eine wirklich gelungene
Arbeit bezeichnet werden dürfen ; sie alle sind in den Publications der Englischen
Goethe-Gesellschaft erschienen. i*^) —
Ein Bericht der deutschen Abteilung des Havard-College in Cambridge-
Boston i^^) schildert die Pflege des Deutschen an dieser amerikanischen Hochschule:
Goethe hat der Anstalt seine Teilnahme durch Zusendung von Werken von ihm be-
wiesen ; der Brief Goethes, der diese Zusendung begleitete, ist abgedruckt. Die
Kurse der sprachlichen Gruppe bezwecken die praktische Erlernung der deutschen
Sprache, während die Kurse einer zweiten und einer dritten Gruppe die Geschichte
der deutschen Sprache und der deutschen Litteratur behandeln und den Charakter von
wissenschaftlichen Fachschulen tragen. Auch an anderen amerikanischen Hochschulen
wächst die Pflege des Deutschen. — Ueber die von dorther gekommene Abhandlung
über Mantegnas Triumph Caesars im zweiten Teil des Faust urteilt Koch^^**) zu-
stimmend und günstiger als es in diesen Berichten geschehen konnte (vgl. JBL.
1892 IV 8a: 51). -
Auch die Beziehungen Goethes zu Frankreich treten vielfach auf.
Meissner ^^1) behandelt die französischen Autoren, die sich mit deutscher Litteratur
beschäftigt haben. Goethe wird von Frau von Stael an bis auf die neueste Zeit sehr
häufig genannt: es kommt M. besonders auf Goethes Würdigung durch die fran-
zösischen Kritiker an. Auch einige Uebersetzungen Goethescher Gedichte werden
mitgeteilt. — Von Weiss i^^) gj^d früher (1855—57) erschienene Studien gesammelt
worden, deren wichtigsten Teil sein Essai „Sur Hermann et Dorothee de Goethe" bilden:
Er sucht den den französischen Lesern fremdartigen idyllischen Charakter der Dichtung
näher zu bringen, während die Besprechung von Sklowers Entrevue de Napoleon I
et de Goethe überholt ist. — Uebersetzungen von Werken Goethes führt das GJb. an.
Eine Uebertragung von hervorragender Bedeutung ist die des Faust von Sabatier *53);
die Deutschen rühmen den treuen deutschen Charakter, die Franzosen erklären die
Sprache für unfranzösisch. — Der weiteren Verbreitung der Kenntnis Goethes dienen
besonders die Schulausgaben 1^4- 157-)^ —
Goethe und Dänemark behandelt Brandes i^^) in einem Aufsatz, von
dem ein Teil schon früher (GJb. 2, S, 1 — 48) erschienen war: hier wird er in seiner
ursprünglichen umfangreicheren Fassung gegeben, die noch durch Zusätze und weitere
Ausführungen ergänzt ist. Erst Steffens lehrte die dänische Jugend Goethe ver-
stehen und lieben; Oehlenschläger und Heiberg förderten wesentlich die Schätzung
des Dichters. Das neue Schriftstellergeschlecht weiss wenig von ihm. — Vodskov ^^^)
hat Gedichte Goethes ins Dänische übersetzt. — Die Beziehungen .Goethes zum
böhmischen Lande hat von Kraus i^^^) behandelt. „Im Anschluss an Goethes
Reisen nach Böhmen sollen die Beziehungen Goethes zur böhmischen Litteratur be-
handelt werden. Goethe nahm lebhaften Anteil sowohl an dem, was das Land in
naturwissenschaftlicher Hinsicht bot, als besonders an den wissenschaftlichen und
künstlerischen Bestrebungen. Das geistige Leben der Czechen konnte er um so eher
in den weiten und freien Bereich seiner weltlitterarischen Betrachtung ziehen, als
von einer feindseligen Zuspitzung der nationalen Gegensätze damals noch nicht die
Rede war. Ein grosser Teil des Buches ist Goethes böhmischen Freunden gewidmet."
— Eine Sammelstelle für die Ergebnisse der Forschungen über Goethes Beziehungen
zu Böhmen bildet das von John'^i) herausgegebene LJb. Von Biedermann ^^^^
(8. 0. N. 37.) |[M Koch: BFDH. 9, S 361/2.] I — 149) D. Pflege d. Deutschen an amerik. Hochschulen: AZgB. N. 110. —
150) M. Koch: BFDH. 9, S. 194/5. — 151) (IV ld:l.) |[GJb. 15, S. 329.]| — 152) J. J. Weiss. Sur Goethe. Etndes crit.
de litt, alleraande avec une pref. de F. Sarcey. Paris, Colin & Cie. XI, 355 S. fM. Koch: BFDH. 9, S. 188; id.: LCBl.
S. 1314/5 ]| — 153) (IV 8e:80.) — 154) X !'• Schmitt, Classiqnes allemands. Goethe. Extr. des CBUvres en prose. Prec.
de notices et annot. Paris, Delagfrave. 119 S. — 155) X ^^-^ Classiqnes allemands. Eitraits de l'antohiographle de Goethe
prec6des de deux notices et annotes. ebda. 76 S. (S. u. IV 8d:3a.) — 156) X i^-' Goethe, Iphigenie en Tauride. 3. ed.
ebda. IV, 104 S. (S. u. IV 8e:38a.) — 157) X B- Levy, Goethe, Iphigönie en Tauride. Paris, Hachette <fe Cie. 135 8.
(S. u. IV 8e:38b.) - 158) (I 12:316.) |[L. Geiger: FZg. N. 305] | — 159) H. S. VodskoT, Digte af Goethe. J Udvalg
oyers. Kopenhagen, Lehmann & Stages. 227 S. — 160) A. t. Kraus, Goethe a Cechy. Gast I. Prag, Bursik * Kohut.
IV, 154 S. M. 2,40. |[GJb. 5, S. 349 (Inhaltsang.); J. Karäsek: ÖLBl. 2, 8. 620/1 ]| — 161) A. John, LJb., Centralorg.
für d. wissensch., litt. u. k&nstler. Interessen Nordwest-Böhmens u. d. dtsch. Grenzlande. Bd. 1-3. Eger. Selbstverl. 1891-98.
96, 88, 97 S. ä M. 1,80. — 162) W. v. Biedermann, Zu Goethe in Böhmen: LJb, 2, 8. 32/4. — 163) H. C. Kellner,
Jahresberichte fflr neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. '^C^^)
IV 8a: 163-172 IV8b:i K. Heinemann, Goethes Leben.
veröffentlicht dort einen Brief Goethes (Wohnung-sbestellung- in Marienbad). Die Biblio-
graphie des LJb. macht mit sonst kaum zag-äng-lichen Aufsätzen böhmischer Zeitungen
bekannt. — Kellner^^sj erwähnt Goethes Berührung mit der inciischen Litteratur. —
Goethes Beziehungen zur antiken Litteratur werden von Schreyer i^*) zunächst für
seine Beschäftigung mit Homer nachgewiesen: aus der sorgfältigen Untersuchung er giebt
sich, dass die Einwirkung Homers auf Goethe über dessen ganzes Leben sich aus-
dehnt. Sie erscheint besonders stark zur Zeit der Reise nach Italien; ihren Gipfel-
punkt aber erreicht sie in der Zeit des Zusammenwirkens Goethes mit Schiller. In
beiden Zeiten treibt es den Dichter, die Schönheit des Altertums selbstschaffend neu zu
beleben. Seh. untersucht nun weiter die so angeregten Dichtungen eingehend und
weist ihren Zusammenhang mit Homer nach. — Böhms Untersuchung über Goethes
Verhältnis zur Antike (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 114) wird weiter besprochen i^^). —
Auch Bronner 166) untersucht Goethes römische Elegien und ihre Quellen. —
Bintziß'') erforscht den Einfluss der Ars poetica des Horaz auf die Litteratur des
vorigen Jh. und sammelt dafür auch aus Goethe die Belegstellen. Die Untersuchung
ist nach des Vf. Tode von A. Metz herausgegeben. — Eine neulateinische, mit
Französisch untermischte Uebersetzung eines Goetheschen Liedes (des Königs von
Thule) bringt die lateinische Zeitschrift Alaudae^^s^, —
Von jüngst verstorbenen Goetheforschern, über die das Berichtsjahr
Nekrologe gebracht hat, sind zu verzeichnen: Reinhold Köhler, dessen umfassende
Thätigkeit und sympathische Persönlichkeit Erich Schmidt i^S) eingehend
schildert; der Maler K. Th. Reiffenstein*''"), der Arzt und Litteraturforscher Wilhelm
Stricker, über den E. Cohn^''*) berichtet. — Auch der Enkel von Charlotte Buff,
Georg W. E. J. Kestner^'^)^ gei hier genannt. —
b) Leben.
Karl Heinemann.
Quellen: Tagebücher N. 1. — Briefe Goethes N. 2. — Briefe an Goethe N. 14b. — Briefe über Goethe N. 146.
Gespräche N. 16b. — Autobiographische Schriften N. 18. — Darstellungen: Goethebiographien N. 26. — Beziehungen
zu anderen Personen: Goethes Mutter, Susanna von Klettenberg N. 28; Friederike N. 29; Charlotte Kestner N. 36; Frau
von Stein, Ulrike von Levetzow N. 38; Karoline Luise, Maria Paulowna, Anna Amalia N. 41; Kaiserin Maria Ludovika N. 45;
Brüder Grimm, Lavater, Matthison N. 46; Gottl. Heinr. Rapp, Fr. Karl Meyer, K. Reitenberger N. 49. —
Quellen. Für den Goethekenner und Goetheforscher ist diedritte und vierte Ab-
teilung der Weimarer Goetheausgabe fast noch wichtiger als die neue Ausgabe der Werke.
Vielen Goethefreunden aber, die dem eigentlichen Studium Goethes ferner stehen,
wurde der Genuss der Lektüre vieler Briefe und • noch viel mehr der Tagebücher
durch manches ungelöste Rätsel, viele unerklärliche oder an und für sich nicht
sofort verständliche Stellen verkümmert. Diesem Uebelstande suchen die Herausgeber
soviel als möglich abzuhelfen. Von den Tagebüchern ist in unserem Berichtsjahr
nach längerem Stillstand der Ausgabe der fünfte Band*), der die J. 1813—16 umfasst,
erschienen. Das J. 1813 hat Burkhardt herausgegeben, das übrige Wähle, dem
wir auch den gesamten kritischen Apparat und die in die Lesarten aufgenommenen
erläuternden Anmerkungen verdanken. Er gedenkt dankbar der Beihülfe von
Biedermanns, Rulands und Valentins, sowie der freundlichen Uebersendung der Teplitzer
Kurliste von 1813 und der Wiesbadener von 1814 und 15; im übrigen war er für die
gewaltige Arbeit auf eigene Kraft angewiesen und auf das reiche ungedruckte
Material des Goethearchivs in Weimar. Von diesem erschienen hier zum ersten Male
gedruckt eine Anzahl Briefstellen aus Briefen Goethes an Christiane und August,
Goethes Aufzeichnungen über Unterredungen mit Friedrich von Kurowski-Eichen
und dem Weimarer Kupferschmidt Henniger. Zum ersten Male tritt in diesem Bande
das Kapitel „Agenda" (S. 301/7) auf, eine wertvolle Ergänzung der Tagebuchnotizen.
Die Hauptarbeit des Erläuterers lag in den genaueren Mitteilungen über die im
Vasantasena oder d. irdene Wägelchen. E, ind. Schauspiel in 10 Anfz. v. König Cndraka. Uebers. (^ IIB. N. 3111/2.) L.,
Ph. Reclam jr. 16». 200 S. M. 0,40. — 164) H. Schreyer, D. Fortleben homerischer Gestalten in Goethes Dichtung.
(= Gymn.-Bibl. Her. v. E. Pohlmey und H. Hoffmann. 3. Heft.) Gütersloh, Bertelsmann. 92 S. M. 1,20. |[R. Spitz:
BLU. S. 532/3; R. Oeppmüller: BPhWS. 13, S. 1334/7.]| (S. u. IV 8d:l.) — 165) X F- Presch: ZOG. 44, S. 1052. —
166) F. Bronn er, Goethes röm. Elegien u. ihre Quellen: NJbbPh. 148, S. 33-50, 102-12, 145-50, 247-65, 305-16. 367-71,
440-69, .525-41, .572-88. (S. u. IV 8o: 17.) - 167) (I 12:4b.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 214.1| (Progr. d. Kaiser- Wilhelras-
Gymn.) — 168) Neulat. Uebers. d. König v. Thule: AZg". N. 61. (Nach d. Zeitschrift „Alaudae".) — 169) (I 2: 30.) — 170)
K. Th. ReifTenstein : FZg. N. 340. (S. o. N. 25.) — 171) E. Cohn, Z. Erinnerung an W. Stricker: AFrankG. 4, S. 385-99.
(Ueber Strickers Arbeiten z. Goethe-Litt. S. 397;8.) — 172) G. W. E. .T. Kestner : AZg. 20. Febr. (8. auch GJb. 14, S. 305/6.) —
1) (IV 8a: 112/3.) — 2) (ib.) - 3) A. Leitzmann, Zu Goethes Briefen: VLG. 6, S. 320. — 4-5) (IV 5:33.) —
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b : 1-2
Tagebuch erwähnten Ereignisse, Personen, Briefe und Goethes Lektüre, für welche
die Ausleihebücher der Weimarer Bibliothek die beste Quelle waren, sowie der
"Werke und Arbeiten Goethes. Ueber das äussere Leben Goethes erfahren wir in
den Tagebüchern nicht viel neues; merkwürdig kurz sind die politischen Ereignisse
des J. 1813, u. a. auch die Schlacht bei Leipzig, weggekommen. Wichtig und
daher seit ihrer Veröffentlichung schon oft citiert sind die Aufzeichnungen Goethes
über die letzte Krankheit und den Tod Christianens (Juli 1816). Von Goethes
Werken kommen, wie natürlich, Dichtung und Wahrheit, Des Epimenides Erwachen,
die italienische Reise, Aufsätze für Kunst und Altertum, Schriften zur Morphologie
und der Divan hauptsächlich in Frage. In der Aufklärung, die wir über die Ent-
stehung der Goetheschen Werke erhalten, liegt ja der Hauptwert der Tagebücher.
Aber diesmal ist der hauptsächlichste Gewinn schon längst vorweggenommen durch
den im J. 1888 erfolgten Abdruck der den Divan betreffenden Tagebuchstellen
in Burdachs immer mit Dank und Anerkennung zu nennender Ausgabe (Weimarer
Ausg. I. Abt., 6. Bd.). —
Viel wichtiger ist deshalb diesmal die Ausbeute, die die drei neuen Bände
der Briefe Goethes 2) ermöglichen. Unter den 702 Nummern sind 269 bisher
ungedruckt, 71 davon allein an Christiane. Ueberspannte und unberechtigte Erwartungen
haben es verschuldet, dass der Wert und die Bedeutung dieser Briefe Goethes an
Christiane öfters nicht anerkannt worden ist. Sie geben ein treffliches und schönes
Bild der Fürsorge und Liebe Goethes für Weib und Kind und beweisen durch Ton
und Inhalt, dass sie an eine Goethes würdige und wackere Hausfrau gerichtet sind.
Dass es sich meist in den Briefen um wirtschaftliche Angelegenheiten handelt, wird
wohl niemanden wundern, aber die Nachrichten, die Goethe von Jena aus der
Geliebten von dem Fortschritt seiner Arbeiten giebt, beweisen deutlich, dass Christiane
dem geistigen Wirken Goethes doch wohl nicht so verständnislos gegenüber stand,
wie man im allgemeihen zu glauben geneigt ist. Goethes Liebe zu Christianen tritt
geradezu rührend in den Briefen aus der Schweiz hervor. Immer wieder versichert
er ihr seine grosse Sehnsucht nach ihr und dem Kleinen; nur um ihretwillen, wie
er schreibt, giebt er die geplante Reise nach Italien auf. Schon bevor er die Fahrt
antrat, hatte er August und Christianen zu Erben seines Vermögens eingesetzt, nach-
dem Frau Rat zu deren Gunsten verzichtet hatte. Die vom Herausgeber der drei
Bände, von der Hellen, in den „Lesarten" abgedruckten Stellen aus Christianens
Briefen führen uns u. a. auch in die Leiden und Bekümmernisse ein, die
für Christiane aus ihrer schiefen Stellung in Weimar erwuchsen. Goethe sucht die
Arme mit freundlichen und liebevollen Worten zu trösten und giebt ihr im Aug. 1798
das Versprechen, dass er keine andere Sorge habe, als ihr eine unabhängige Existenz
zu verschaffen. Derjenige Adressat, an den eine noch grössere Zahl der bisher
ungedruckten Briefe der drei Bände sich richtet, ist F. H. Meyer. Es handelt sich
in diesen Briefen um Goethes gemeinsam mit Meyer geplante Reise nach Italien und
später um die Propyläen, den Aufsatz „Der Sammler" und den über den
Dilettantismus, die Preisaufgaben und die Mitarbeit Schillers an den Propyläen; über
Schiller schreibt Goethe einmal, er sei herrlich, insofern von Erfindung und Durch-
arbeitung des Planes, von Aussichten nach allen Richtungen die Rede sei, aber
Beistand zu einem bestimmten Zwecke müsse man von ihm nicht erwarten. Die
feste und unwandelbare Freundschaft Goethes und Meyers wird auch durch diese
Briefe wieder bestätigt. Von dem äusseren Verhältnis des Hausgenossen zu seinem
Wirt erfahren wir etwas in den Briefen vom 3. März 1799. Goethe erklärt sich
bereit, von Meyer jährlich 150 Thaler Zuschuss zur Haushaltung anzunehmen, „da
Meyer eine leidliche Einnahme habe und Goethe selbst nicht reich sei, sondern nur
durch Ordnung und Thätigkeit eine freilich etwas breite Existenz soutenieren könne".
Um die Propyläen handelt es sich auch hauptsächlich in den neuen Briefen (16 Nummern)
an Cotta. Auch der Faust, um dessen Vollendung Cotta nach den Schillerschen
Berichten sehr interessiert war, wird erwähnt (2. Juni 1799): „Mein Faust ist zwar
im vorigen Jahre ziemlich vorgerückt, doch wüsst ich bei diesem Hexenprodukte die
Zeit der Reife nicht voraus zu sagen. Wenn die Hoffnung näher rückt, sollen Sie
davon hören." Ein Billet von einem anderen Verleger, Hans Friedrich Vieweg, der
im Jan. 1797 auf Goethes Verlagsbedingungen für Hermann und Dorothea einging,
vom 16. Jan. dieses Jahres (N. 3467) wird in den Lesarten wohl mit Recht als kein
wirklich geschriebenes, sondern ein aus der Tradition der Viewegschen Buchhandlung
irrig rekonstruiertes bezeichnet. Von Adressaten der anderen bisher noch unbekannten
Briefe sind zu nennen : Karl August, Bergrat Lenz in Jena, Kaufmann Rapp in
Stuttgart, Böttiger und Osann, Knebel, Lerse, der alte Freund aus der Strassburger
Zeit, Prinz August von Gotha, Burg, Dannecker, Hirt, die Brüder Humboldt und
Schlegel, Tieck, Max Jakobi u. a. Der Brief an den zuletzt genannten, den Sohn
von Fritz Jakobi, der von 1793—95 in Jena studiert hatte und dann bei Aachen als
(4)23*
IV 8b: 3-12 K. Heinemann, Goethes Leben.
Arzt lebte, ist sehr wichtig. Goethe sandte dem befreundeten jungen Manne in jenem
Briefe einen ausführlichen Bericht über seine dichterische und wissenschaftliche
Thätigkeit. Hübsch und interessant sind hier Goethes Bemerkungen über die Ent-
stehung seiner Elegie Euphrosyne, nicht weniger wichtig die Berichte über seine
naturwissenschaftlichen Studien; am Schluss folgt das schöne Eingeständnis, dass die
Freundschaft mit Schiller und Meyer sein Glück ausmache. Wenn wir auch Schiller
hier nicht zu erwähnen hatten, da ja Goethes Briefe an ihn längst gedruckt sind, so
ist es doch natürlich, dass die Briefe an ihn die erste Stelle in diesen Jahren ein-
nehmen. Eine grössere Zahl Briefe beweist Goethes Interesse für den seit 1789
begonnenen Schlossbau, für den er mit Schmidt, Voigt und Wolzogen zu soi'gen hatte;
aus dem Briefe an A. W. Schlegel (vom 18. Juni 1798j erfahren wir, dass dieser die
Verbindung Goethes mit Zelter vermittelt hat. Schlegels Bericht über Zelter hat der
Herausgeber dankenswerter Weise in den Lesarten abgedruckt, in denen sich über-
haupt eine Reihe zur Erklärung notwendiger Mitteilungen aus Briefen an Goethe
befinden. — Im Anschluss hierzu sei auf Leitzmanns^) Nachweis aufmerksam
gemacht, dass in dem Briefe vom 15. Dec. 1772 die Worte „Klincker habe ich nicht
gesehen" auf Smollets Roman „Humphrej Clincker" sich beziehen. — Mehrere Stellen
aus Goetheschen Briefen sind im J. 1893 bekannt geworden und später im GJb. (15. Bd.)
zusammengestellt worden ("vgl. JBL. 1894 IV 8b). Erstlich Stellen aus 4 ungedruckten
Briefen an Batsch und an Professor Sturm, die sich in der am 23. März 1894 ver-
steigerten Sammlung von Autographen des Grafen Ludwig Paar befanden, ferner eine
von Leitzmann^^^) mitgeteilte Briefstelle an Georg Forster vom 16. Nov. 1789,
ebenso eine an Friederike Unzelmann vom 1. Okt. 1801^), ferner ein von Witkowski')
jetzt vollständig mitgeteilter Brief Goethes an Karl August vom 29. Juni 1809, in dem
Goethe erklärt, aller Ansprüche auf den litterarischen Nachlass Hackerts sich begeben
zu wollen, und eine Briefstelle an den Bürgermeister Lössl in Eger^), in der Goethe
u. a. um Nachricht über den Volksdichter Firnstein bittet. '— Karl Schmidt 9)
schliesslich veröffentlicht in seinem Buch über Schillers Sohn Ernst einen gemein-
samen Brief von diesem und Goethe an Cotta vom 14. Sept. 1826, der den Vertrag
über die Goethe-Schillersche Korrespondenz betrifft. — Eine nicht neue, aber höchst
willkommene Gabe in neuem Gewände bietet Burkhardt^^^ in dem Büchlein „Goethes
Briefe an Philipp Seidel (Italien 1786—88)"; es ist ein Neudruck, der ursprünglich
,,Im Neuen Reich" (1871) veröffentlichten Briefe. Die Briefe sind wohl bekannt und
viel benutzt, ebenso wie die wertvolle Einleitung, die uns zuerst über den intelligenten
Schreiber Goethes, der aus der Stellung eines Dieners zu der eines Freundes aufrückte,
aufgeklärt hat. Nur Einiges hätten wir hier zu erwähnen, das vor allen Dingen wohl
dem Drucker zur Last fällt. Auf S. 14 und 49 befinden sich bedauerliche Druckfehler,
auf S. 5 aber der verwunderliche Satz: „Goethes Mutter erinnerte sich noch nach
Jahren, als Philipp längst in Weimar war, wie er den Götz von Berlichingen am
rimden Tisch abgeschrieben und ein besseres Verständnis für die Leistung gehabt
habe, als jener französische Offizier, der nichts bei der Sache zu denken gefunden."
Was hier der „französische Offizier" soll, der „nichts bei der Sache zu denken (!)
gefunden", ist ganz unklar. Frau Rat meinte natürlich den von Götz in die Flucht
geschlagenen Ritter im dritten Akt, dem der Hauptmann höhnisch zuruft: „Dankt
Gott, dass ihr noch davongekommen seid", worauf dieser antwortet: „Es ist nichts zu
danken, ein paar Rippen sind entzwei." Bei der Schilderung der 13eziehungen zu
Seidel und Frau Rat wäre ein Hinweis auf ihren schönen Brief an Seidel vom 10. Okt.
1777 erwünscht gewesen. — Von Neudrucken Goethescher Briefe ist hervorzuheben
der von Muncker'*) herausgegebene Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in
der Cottaschen Weltlitteratur, der sich durch eine treffliche, alles Wissenswerte
zusammenfassende Einleitung und durch fünf Register (Goethe-, Schiller-, Personen-, Sach-
und Ortsregister) auszeichnet^!'^). — Auch das GJb. enthält eine grössere Anzahl Briefe
von Goethe. Zwei davon gehören zu dem Briefwechsel Goethes mit Marianne von Eyben-
berg,den zugleich mit acht Briefen von Sara vonGrotthus und zwanzigvon Varnhagen von
Ense Geig er !2) abgedruckt und ausführlich erläutert hat. Die Korrespondentinnen
Frau Marianne von Eybenberg und Frau Sara von Grotthus, waren Schwestern,
Töchter eines reichen jüdischen Kaufmanns Namens Meyer in Berlin. Marianne war
heimlich mit dem Fürsten Heinrich XIV. von Reuss, demselben, der aus Goethes
6) ChWGV. S. 44. — 7) (IV 8a : 115; S. 94.) — 8) LJb. 4, S. 62/3. (Vgl, IV 8a : 161/2.) — 9) Karl Schmidt, Schillers
Sohn Ernst. E. Briefsamml. mit Binl. Mit Bildn. u. 2 Hss. v. Schiller u. Goethe. Paderborn, Schöningh. YUl, 531 S. M. 6,00.
|[LZgK N. 117; A. H.: FränkKur. N. 638; H. Düntzer: BLU. S. 785/8.JI (S. u. N. 14c-14d; IV 8e:51; 9:21.) — 10)
Goethes Briefe an Ph. Seidel 1786-88. Mit Einl. v. C. A. H. Burkhard t. Wien n. L., W. Seidels Sohn. 54 S. M. 1,00.
|[K. Heineraann: BLU. S. 660/3.]| (Eevid. Abdr. aus „Im neuen Reich", 1871.) — U) Briefwechsel zwischen Schiller u.
Goethe. Mit Einl. v. F. Muncker. 4 Bde. (= Bibl. d. Weltlitt.) St., Cotta. 224, 230, 278, 270 S. M. 4,00. — Ha) X
A. T. Winterfeld, F. Hölderlins Verhältnis zu Goethe u. Schiller: BLU. S. 337/9. (Vgl. IV 10:59.) — 12) 21 Briefe
T. Marianne v. Eybenberg, 8 v. Sara v. Grotthus, 20 v. Varnhagen v. Ense an Goethe, 2 Briefe v. Goethe an Marianne v. Eyben-
K. Heine mann, Goethes Leben. IV 8b : i2-i2a
Kampagne in Frankreich bekannt ist, verheiratet gewesen und hatte nach dessen
Tode den Namen einer Frau von Eybenberg" angenommen. Sara wurde mit fünfzehn
Jahren die Frau eines ungeliebten Mannes, des Kaufmanns Lipmann Wolff in Berlin.
Auch in einer zweiten Ehe mit dem von ihr schon lange vorher geliebten Baron von
Grotthus wurde die eitle und krankhaft aufgeregte Frau nicht glücklich. Beide
wurden mit Goethe während seines Aufenthalts in Karlsbad 1795 bekannt. Nicht
nur die innere Grösse Goethes, nicht nur der Wert seiner Werke, sondern vor allem
seine Berühmtheit und seine cäussere Stellung fesselte diese Frauen an ihn. Wie gar
manche der emanzipierten Berliner Jüdinnen jener Zeit suchten sie mit der Gabe des
Witzes und des Reichtums die Schranke, die sie von der höheren Gesellschaft trennte,
zu durchbrechen, auch auf die Gefahr hin, aufdringlich und anmassend zu erscheinen.
W'ie Rahel und ihr Man-n, so wirkten auch Marianne und Sara in Berlin für das
Verständnis Goethes mit B^euereifer, und der Lohn blieb nicht aus. Die ursprüng-
liche Kühle des Dichters machte einer wärmeren Empfindung Platz; es kommt zu
einem vertraulichen Verhältnis, besonders mit der schönen und geistreichen Marianne.
Durch ihre Anhänglichkeit und durch Sendungen von auserlesenen Tafelgenüssen
schufen sie sich das Recht, Goethes Werke beim . Erscheinen von ihm selbst zu er-
halten. Die Briefe des Dichters an die beiden Schwestern sind schon früher bekannt
geworden; sie wurden 1837 von Varnhagen veröffentlicht; neben anderen später be-
kannt gewordenen sind erhalten: 22 an Marianne, 25 an Sara; die Briefe der
Schwestern an Goethe, 21 von Marianne, 8 von Sara, erscheinen nun liier abgedruckt,
zusammen mit 20 Briefen Varnhag-ens. Von der neu gewonnenen Bekanntschaft (im
Juli 1795) unterrichtet Goethe sofort Freund Schiller, er nennt sie ein allerliebstes
W^eibchen und erzählt von einer lustigen Verwechselung Mariann ens, die ihn für den
Vf. Klingerscher Schriften gehalten hätte. Varnhagen geht wohl etwas zu weit, wenn
er von der „lebhaftesten Neigung" Goethes spricht, „die nach überstandenem
Schwindel der Verliebtheit als aufmerksame Beachtung fortdauerte". Im Juni und
Juli 1808 waren Goethe und Marianne wiederum in Karlsbad zusammen; er hielt die
Gespräche mit ihr für wichtig genug, um sie in seinem Tagebuch anzuführen. Da-
neben weihte er sie in seine Dichtung ein, er las ihr „Die pilgernde Thörin", „Die
neue Melusine" und anderes vor. An diese Zusammenkunft knüpfte sich ein leb-
hafter brieflicher Verkehr, bei dem sogar manchmal die Rollen wechseln und Goethe
der sehnsuchtsvoll Wartende ist. Das letzte Zusammentreffen fand im Juli 1810 in
Teplitz statt. Vom 8. Juli bis 3. Aug. berichtet das Tagebuch getreulich von dem
innigen und vertraulichen Verkehr, von gemeinsamen Spaziergängen und Fahrten,
auch von Gegenständen der Unterhaltung-, die meist an Goethesche gedruckte oder
im Entstehen begriffene Werke anknüpfte, wie z. B. an die „Wahlverwandtschaften",
„deren letztes Kapitel er für sie zusammengeschrieben hatte, um ihr keinen frag-
mentarischen Eindruck zu hinterlassen". Am 16. Sept. nahm Goethe von Teplitz
Abschied, er hat die Freundin, die zwei Jahre darauf starb, nicht mehr gesehen.
Mariannens eitler und gefallsüchtiger Schwester geg-enüber hatte Goethe bisher sich
kühl und zurückhaltend gehalten. Etwas lebhafter wird der Verkehr erst seit dem
Tode Mariannens. Von ihren Briefen ist besonders interessant der vom 30. Juni 1814,
in dem sie um Erfüllung der Bitte des Theaterdirektors Liebich in Prag, der Goethe
um ein Friedensfestspiel gebeten hatte, unter rührender Berufung auf Goethes
Patriotismus bittet, und eine Schilderung aus ihrer Jugend, in der Lessings Nathan
und Werthers Leiden eine Rolle spielen. Sie hatte im dreizehnten Jahre hinter dem
Rücken des Vaters einen empfindsamen Roman mit einem Hamburger Kaufmg-nns-
sohn, der ihr zum Trost für unglücklich Liebende den Werther sandte. Der Vater
erfährt das, und ihr Mentor Mendelssohn wirft den Werther aus dem Fenster. Zu
diesen Briefen hat G. sehr ausführliche und sachkundige Erläuterungen gegeben, die
genau auf alles, was irg'end der Erklärung bedarf, eingehen. In dem Briefe N. 19,
den G. in das J. 1804 (?) setzt, ist von Lerse, dem bekannten, im Götz verewigten
Jugendfreund Goethes, die Rede. Nun hat aber Düntzer längst auf eine Stelle in
Wielands „Merkur" vom 17. Juni 1800 aufmerksam gemacht, nach der Lerse bereits
1800 gestorben war. In dieser Todesnachricht aus Wien, in der Lerse als Kunst-
kenner und Numismatiker gepriesen wird, wird auch mitgeteilt, „dass herzliche Grüsse
von Goethe die letzte Empfindung war, mit der er aus der Welt ging". Aus dem
Briefe Mariannnens vom 6. Jan. 1804 und 23. Juli (N. 17/8) ergiebt sich, dass das
Goethesche Gedicht an den Fürsten von Ligne^^aj ( j^ früher Zeit noch froh und
frei"), das auch in der Weimarer Ausgabe (I. Abt, 4, S. 240) mit dem Datum 1810
bezeichnet ist, schon 1804 gedichtet worden ist. Von den beiden hier zuerst ver-
öffentlichten Briefen Goethes an Marianne ist der eine am 27. April 1801 geschrieben,
nach Goethes Krankheit, „ein lakonischer Gruss als Lebenszeichen eines beinahe ver-
berg. Her. t. L. Geiger: GJb. 14, S. 27-143. (8. auch N. 14b; IV 8d:6, 22; 8e:28, 47, 54.) — 12a) X E. önglia,
IV 8b : 13-16 K, Heinemann, Goethes Leben.
lorenen Freundes"; der zweite, von G. mit dem 18. Sept. 1803 als Datum bezeichnet,
ist ein Begieitschreiben zu der Uebersendung- einer von Mariannen gewünschten
Goetheschen Zeichnung-. G. weist nach, dass ausser den erhaltenen 24 Briefen Goethes
an Mariannen von ihm noch 17 andere an sie geschrieben worden sind, die bisher
unbekannt waren und auch in den Konzepten des Goethe-Schiller- Archivs nicht erhalten
sind. — Briefe Goethes an Lotte und ihren Sohn Theodor Kestner aus dem J. 1801
und 1803 hat im GJb.i^) Günther aus dem Kestnerschen Nachlass, den jetzt die
Universitätsbibliothek in Leipzig* besitzt, mitgeteilt. Diese Billets sind inhaltlich
weniger wichtig- als der Abdruck einer früher unterdrückten Stelle des Briefes
Goethes an J. G. Kestner vom 19. Apr. 1773, die wir ebenfalls G. verdanken. Hinter
den Worten: „Und nun seht, wie fern ich neidisch bin und es sein muss" folgen im
Orig-inal die Worte: „ . . . und das sag ich euch, wenn ihr euch einfallen (lasst),
eifersüchtig zu werden, so halt ich mir's aus, euch mit den treffendsten Zügen auf
die Bühne zu bringen und Juden und Christen sollen über euch lachen". Hält man
dazu die Aeusserung Goethes aus dem Juli 1773: „Heut vorm Jahre war's doch anders,
ich wollt schwören, in dieser Stunde vorm Jahr sass ich bei Lotten. Ich bearbeite
meine Situation zum Schauspiel zum Tröste Gottes und der Menschheit. Ich weiss,
was Lotte sagen wird, wenn sie's zu sehen kriegt und ich weiss, was ich sagen
werde", — so ergiebt sich wohl daraus, dass Goethe im Juli und Aug. 1773 die Ab-
sicht hatte, ein Drama „Werther" zu schreiben. Pick teilt zwei kurze wenig be-
deutende Billets Goethes 1817—18 an Frau von Hopfgarten, Oberhofmeisterin der
Prinzessinnen Maria und Auguste von Weimar mit, Hüffer den ersten bis jetzt be-
kannt gewordenen Brief Goethes an Johanna Schopenhauer. — Ihm folgt ein
hübscher Aufsatz Hüffers'^) „Goethe und Adele Schopenhauer". — Hüffer '4")
veröffentlicht auch in dem Aufsatz: „Zu Goethes Briefwechsel mit der Fürstin Galizin"
ein bisher unbekanntes Distichon, das für das Album der Tochter der Fürstin,
Prinzessin Marianne Dorothea, im J. 1793 gedichtet worden ist. —
Unter den Briefen an Goethe sind vor allem die schon besprochenen
Briefe der Schwestern Marianne von Eybenberg und Sara von Grotthus und Varnhagen
von Ense zu erwähnen'*^). Die letzteren erfahren hier durch Geiger eine ausführliche
und fast erschöpfende Erläuterung. Ihr Inhalt bezieht sich in der Hauptsache auf
litterarische Fragen und Dinge, verbietet also an dieser Stelle ein näheres Eingehen.
— In Karl Schmidts i*«) Buch über Schillers Sohn Ernst (S. 260) ist eine Stelle
aus einem Briefe Karolinens von Wolzogen an Goethe vom 21. März 1824 abgedruckt.
Karoline ist für den Fall, dass Goethe seinen Plan, den Goethe-Schillerschen Brief-
wechsel herauszugeben, ausführen wolle, bereit, bei Cotta anzufragen, und wünscht für
die Schillerschen Kinder die Hälfte des Gewinnes. Ebenda (S. 277) findet sich die
Mahnung Ernst von Schillers in einem Brief an Goethe vom 21. März 1826 an sein
Versprechen, bis Michaelis 1825 den Schillerschen Anteil dieser Korrespondenz mit
2000 Thalern abzutragen. —
Unter den im J. 1893 veröffentlichten Briefen, die Nachrichten oder wich-
tigere Andeutungen von Zeitgenossen über Goethe bringen, ist abermals zuerst die
von Karl Schmidt i^^) herausgegebene Briefsammlung „Schillers Sohn Ernst" zu
nennen. In den Briefen an ihre Kinder berichtet Charlotte von Schiller über Musik-
abende bei Goethe und über seine Vorlesung (S. 62) der Geschichte des Bergmanns
von Falun, über Goethes Rücktritt vom Theater (S. 125), über seine Stellung zu
Ottilien (S. 128, 257, 375) sowie zu August, insbesondere bei dem 1822 auftauchenden
Gerüchte der Verheiratung Goethes mit Ulrike von Levetzow, und zu den Enkeln
(S. 123/8, 182), über seine Krankheit im J. 1818, 1819, 1822 (S. 129, 188, 192, 194,
226), über die Verhandlungen wegen der Veröffentlichung des Goethe-Schillerschen
Briefwechsels (S. 260—355); endlich berichtet Karoline von Wolzogen (S. 375) über
Augusts Tod. — Erich Schmidt ^^) teilt in seinem Karl Weinhold zum 26. Okt.
gewidmeten Festdruck einen Brief von Blumenbach an Heyne vom 4. Mä^rz 1783 mit,
der sich begeistert über Goethes Erscheinung, Auftreten und Verhalten ausspricht:
„Nichts den Geh. Rat ankündigendes, zurückhaltendes, sondern ein gesetzter, aber
ganz unaffektierter, äusserst umgänglicher Mann; unglaublich offen, hell und doch
tief penetrierend in seinem Urteil". Auf S. 6 findet sich ein weniger günstiges
Urteil in einem Briefe von Sophie Brentano an Henriette von Arnstein vom 8. Aug.
1799: „Goethes Umgang allein thut einem nicht wohl; er ist kalt und trocken für
Menschen, die ihm gleichgültig sind, und um ihm mehr als das zu sein, dazu gehört
viel". — Leitzmann^ß) druckt einen Brief Georg Forsters an Heyne vom 19. Sept.
1785 ab, wo er von einem „griechischen Abendmahl" erzählt, das Goethe ihm und
Goethe n. d. Prinz v. Ligne: WlenerZg. 1. Jnni. — 13) 6 Briefe Goethes. Mitget. v. 0. Günther, H. Häffer, A. Pick
nebst e. Notiz zu Goethes Briefen v. 0. Günther: GJb. 14, S. 151-67. (S. u. N. 37; IV 8d: 20.) — 14) H. Hüffer, Goethe
u. Adele Schopenhaner: ib. S. 154-60. — 14a) id.. Zu Goethes Briefwechsel mit d. Fürstin Galizin: ib. S. 161/4. — 14b)
(S. 0. N. 12.) - 14c) (S. 0. N. 9.) - 14 d) (S. o. N.9.) — 15) (IV 8a : 125, S. 3,6; vgl. IV 10:66.) — 16) (IV 1 c : 115; 5 : 33.) - 16a) End.
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b : i6a-23
seiner Frau «gegeben, und zu dem Herder und Frau nebst Wieland und Amalie
Seidler eingeladen waren. — Rudolf Schmidt ^^a) veröffentlicht einen Brief des
Maler Müller an Wieland vom 29. Juni 1778, worin jener sich für die durch Wieland
Goethe und Dalberg* ihm zuliebe veranstaltete Subkription bedankt. —
Von den Gesprächen Goethes ist die Unterhaltung* mit Napoleon im J.
1808 (vgl. JBL. 1891 IV 9b: 72 -85) auch diesmal Gegenstand der Erörterung- ge-
wesen. Dieses Gespräch ist bekanntlich durch die Verötfentlichung- der Memoiren
Talleyrands wieder in den Vorderg:rund des Interesses gerückt worden. An dieser
Stelle (vgl. JBL. 1891 IV 9b : 72) hat Geiger eing-ehend über den Wert dieser
Memoiren g-eurteilt und mit seinem Urteil, dass Talleyrands Bericht nicht als
authentische Quelle anzusehen sei. Recht behalten. Zwar hat sich von Biedermann ^^^)
Talleyrands ang-enommen und darauf hing-e wiesen, dass sich kein vernünftiger Grund für
ihn erdenken liesse, in der Schilderung" der Unterredung- Napoleons mit Goethe
eine Fälschung zu begehen. — Doch diese mehr subjektive Behauptung ist schlagend
zurückgewiesen worden durch Lorenz i^) in seinem Buche „Goethes politische
Lehrjahre". In Goethes Bericht finden sich, wie bekannt, nach der Beendigung'
des ersten Teils des Gesprächs die Worte: „Talleyrand hatte sich entfernt"'. Daraus
folgt, dass Talleyrand bei dem zweiten Teil des Gespräches nicht zugeg-en gewesen
ist, also die von ihm angeführten Aeusserungen über Dalberg- und Alexander von
Russland nicht gehört haben kann. Viel wichtiger aber ist noch folgender Wider-
spruch, den L. aufdeckt. Talleyrand will Goethe nach Beendigung des Gesprächs
zum Diner zu sich eingeladen haben und dort sich die Richtigkeit der unmittelbar
nach dem Gespräch gemachten Aufzeichnungen von Goethe haben bestätigen lassen.
Nun wissen wir aber aus dem 1889 veröffentlichten Tagebuch (Weimarer Ausg.
in. Abt.; 3, S. 391), dass Goethe am 2. Okt. 1808 beim Herzog Karl August, und bei
Talleyrand überhaupt nie gespeist hat. Diesen Widerspruch wird wohl niemand be-
seitigen können. Ein eigentümliches Schlaglicht auf die Entstehung der Memoiren
Talleyrands wirft die Veröffentlichung des für ihn von Fr. von Müller aufgesetzten
Berichts, mit dem wir uns aber erst im nächsten JB. zu beschäftigen haben
werden, i''") —
Von neuen Ausgaben der autobiographischen Schriften Goethes ist
neben den Arbeiten zu „Dichtung und Walirheit" — einer Schulausgabe^**), einer
französischen Uebersetzung von Porchat '^) und der Neuauilage des Bilderwerkes
von Reiffenstein^O), ^uf (j^s schon oben näher eingegangen worden ist, — vor
allem zu nennen der 35. und 36. Band der Weimarer Ausgabe, die durch
von Biedermann^^) unter Mitwirkung K. Redlichs herausgegeben wurden. Wir
finden hier die Tag- und Jahreshefte und die autobiographischen Einzelheiten, die
um den Aufsatz „Herzogliches Hoftheater zu Weimar" vermehrt worden sind. Dieser
Aufsatz stand im Tagebuch für die Schaubühne 1793. Ohne urkundlich als Goethes
Eigentum beglaubigt zu sein, wird er aus inneren Gründen dem Dichter zugewiesen.
Ferner enthält der 36. Band : Die Reden auf Anna Amalia 1807 ; Zu brüderlichem
Andenken Wielands 1813; Kleine Biographien zur Trauerloge 1821; Rede bei Er-
öffnung des neuen Bergbaues zu Ilmenau den 24. Febr. 1784 und Reden bei der
Feierlichkeit der Stiftung des weissen Falkenordens am 30. Jan. 1816. Der Text der
Annalen enthält eine Reihe Verbesserungen der Ausgabe letzter Hand, worüber das
GJb. (15, S. 314) später berichtet hat. Die Lesarten bringen einige später unter-
drückte oder versehentlich nicht abgedruckte Stellen, u. a. den ziemlich umfang-
reichen Schluss vom J. 1807 (S. 387 f.). Dieser Schluss berichtet von Fernows Ein-
fluss und seiner Bibliothek, von Hebels Gedichten, Schlegels Sonetten, Kleists
Amphitryon, „dem bedeutenden aber unerfreulichen Meteor", über Adam Müllers Vor-
lesungen über das spanische Drama, den Tod von Rat Kraus und seinen Ersatz durch
H. Meyer u. a., besonders ausführlich über Zacharias Werners Aufenthalt in Weimar.
— Wenn die Weimarsche Ausgabe auf ausführliche Erläuterungen verzichten muss,
so ist gerade der Hauptwert der Ausgabe der DNL. darin zu suchen, dass sie den Text mit
eingehenden, von Düntzer^-) mit bekannter Akribie bearbeiteten Erläuterungen be-
gleitet. Im Berichtsjahre ist der 25. Band der Goetheausgabe der DNL. erschienen;
er enthält die Tag- und Jahreshefte von 1809 — 22, dann die „Ergänzungen der Tag-
und Jahreshefte". Unter der Rubrik „Biographische Ausführungen mit einer Skizze"
folgen die Artikel: Aus meinem Leben; Bedeutung des Individuellen; Das Luisenfest;
Kotzebue; Unterredung mit Napoleon, — die die Ausgabe letzter Hand ebenso wie
alle anderen Ausgaben unter den „Biographischen Einzelheiten" aufgeführt haben, —
und die Schweizerreise vom J. 1779. Bei den wertvollen und zuverlässigen An-
Schmidt, Maler Müller an Wieland, 29. Juni 1778: AGNM. April. — 16b) W. v. Biedermann, Goethe bei Napoleon nach
Talleyrands Denkwürdigkeiten: GJb. 14, S. 282/4. — 17 J (IV 8a: 33, 91.) — 17a) X F-v. Voss, Goethe in Erfurt: NorddAZgB.
N. 44/5. — 18) X (I 7 : 73.) — 19) J. Porchat, Oeuvres de Goethe, „Memoires-. Trad. nouv. Paris, Hachette. 672 S. Fr. 6,00.
— 20) (IV 8a: 25.) — 21) (IV 8a:ll'2,3.) — 22) (IV 8a: 116.) — 23) J. Biese, Goethes ital. Eeise. Progr. Rudolstadt,
IV 8b : 23a-27 K. Heinemann, Goethes Leben.
raerkungen wurden die Tagebücher bis 1813 — soweit lagen sie vor — benutzt, die
Weimarer Ausgabe der Tag- und Jahreshefte konnte wenigstens noch in einem
Nachtrag verwertet werden. — Von erläuternden Studien zu Goethes autobiographischen
Schriften ist die Abhandlung von Riese^S) über die italienische Reise^^^) anzuführen.
Die Abhandlung ist völlig wertlos. Nicht nur, dass sie nichts bringt: es ist auch der
Versuch, die Bedeutung der Reise für den Menschen und Künstler zu schildern,
verunglückt. — Zu Goethes „Campagne in Prankreich" und „Belagerung von Mainz"
sind anlässlich der Thatsache, dass gerade vor 100 J. die Wiedereroberung von
Mainz durch die Deutschen stattgefunden hat, mehr erläuternde als berichtende
Artikel und Schriften ersjchienen. Heidenheimer ^4) hat einen hübschen Aufsatz
mit Benutzung der neuesten Quellen geschrieben. — Bocke nheimer^^} hat die
Wiedereroberung von Mainz in einer besonderen Schrift behandelt^^''). —
Der erste, der seit Düntzers verdienstlicher Darstellung den Mut gehabt
hat, das fast ins Unabsehbare angewachsene Material zu einer Goethebiographie
zusammen zu fassen und zu verarbeiten, ist Prem^ß). Seine Absicht war, ein allgemein
brauchbares, dem jetzigen Stande der Forschung entsprechendes Buch herzustellen ;
er nennt sein Werk eine kritische Biographie für weitere Leserkreise. Zu rühmen
ist an dem Buch die klare und selbständige Einteilung, die treffliche Inhaltsangabe
der Werke Goethes, das meist besonnene, auf Kenntnis und Verständnis beruhende
Urteil. Demgegenüber muss jedoch ein Tadel ausgesprochen werden, der freilich das
Lob wohl aufwiegen dürfte. Das Werk will eine populäre Biographie sein und ist
weder eine Biographie noch populär. Eine wirkliche Biographie ist es nicht, weil
die Darstellung der Entwicklung des Dichters und Menschen Goethe fehlt. Wer z. B.
über die Wandlung Goethes zum Aristokraten und Hofmann, oder die künstlerische
Entwicklung Goethes oder über den Einfluss der Frau von Stein Aufklärung zu
erhalten hoö't, wird sehr enttäuscht das Buch wieder aus der Hand legen. Gewiss war dem
Vf. grosse Kürze und Knappheit aufgezwungen oder von ihm geplant. Aber es giebt
eine Reihe von Dingen, die in jeder Goethebiographie ausführlich behandelt werden
müssen; es sind die Einflüsse, die für den Dichter oder Menschen Goethe
bestimmend gewesen sind. Wer von Goethe und Herder in Strassburg spricht, muss
auch von Shakespeare, Ossian, der Bibel, den Griechen, der Muttersprache, dem Volks-
lied, der bildenden Kunst, von Rousseau ausführlich sprechen und muss zeigen, wie
die in Strassburg gewonnenen Ideen in Götz, Werther und Urfaust sich verkörpert
haben. Was P. hierüber sagt, ist auch für die kleinste Biographie, abgesehen von
den Bemerkungen über das Volkslied, unzulänglich. Dasselbe gilt von der italienischen
Reise, wo die beste Gelegenheit war, Goethes künstlerische Entwicklung bis und
während dieser Reise klarzulegen. Es war das um so nötiger, als durch die Ein-
teilung P.s die Anschauung erweckt wurde, als habe Goethe erst seit Italien unter
dem „Zeichen der Antike" gestanden. Aehnlich enttäuscht uns, was der Vf. über den
Clavigo sagt. Selbst wenn P. über dieses Drama die Ansicht Mercks teilt, so ist ihm
doch gewiss die grosse Bedeutung dieses Dramas i,n der Entwicklung des Dichters
nicht so unbekannt geblieben, ' dass er glauben konnte, ihm mit einer Inhalts-
angabe gerecht zu werden. Hier musste schlechterdings gezeigt werden, dass der
Clavigo die Umkehr Goethes bezeichnet, dass er das Ergebnis einer neuen, im Gegen-
satze zur Lehre Herders gewonnene Einsicht darstellt, jener Einsicht, dass der Dichter
sich am meisten schade, der die Rücksicht auf die Bühne ausser Acht lässt. Auch
die Figur des Carlos wird mit wenigen Worten abgethan, und doch offenbart sich in dieser
Gestalt und ihrem Verhältnis zu Herder zum ersten Male Goethes innerste Anschauung
und Auffassung des Tragischen. Und auch einem zweiten Tadel müssen wir Ausdruck
geben. Er betrifft die Form und den Stil. Trotz der gebotenen Kürze, trotz der
Absicht, eine populäre Biographie zu schreiben, hat der Vf. es doch nicht über sich
gewonnen, sich des gelehrten Ballasts ganz zu entschlagen. Dass P. uns gar den
ganzen Friederikenklatsch in dieser „für weitere Kreise" bestimmten Biographie von
neuem auftischt, das ist ihm schon oft genug vorgeworfen worden. — Den Versuch,
einen Teil des Goetheschen Lebens zusammen zu fassen und zu behandeln, hat
Siegmar Schnitze-'') in seinem Buch „Der junge Goethe" unternommen. Das Werk
ist in sieben Lieferungen erschienen, von denen die ersten vier, die in das Berichts-
jahr fallen, bis zu Goethes Abreise nach Wetzlar reichen. Der Vf. will etwas unter-
nehmen, was seiner Meinung nach noch niemand versucht hat; er will ein Bild der
4». 23 8. — 23a) X (IV ld:35.) — 24) H. Heidenheimer, Goethe vor u. in Mainz 1793: MainzAnz. N. 170/1. — 25)
K. Q. Bookenheimer, D. Wiedeieroberung v. Mainz durch d. Deutschen im Sommer 1793. Mainz, V. v. Zabern. HI, 124 S.
mit 2 Plänen. M. 2,00. (Aus ZVßhGMainz.; vgl. JBL. 1894 IV Ib.) — 25a) X F- H. Junghans, D. Belagerung v. Mainz
nach d. Tagebuch d. Grenadiers J. Reuter v. Miedervellman: üessenland 7, S. 209-10, 222/3. — 26) 8. M. Prem, Goethe.
L., G. Fock. 473 8. Mit Abbild. M. 5,00. — 27) Siegmar Schnitze, D. junge Goethe. E.Bild seiner inneren Ent-
wicklung (1749-75). Ifeft 1-4. Halle a. 8., C. A. Kaemmerer & Co. VIT, 79 S.; 80 8.; 102 8.; V, 74 8. M. 1,20; M. 1,20;
M. 1,20; M. 1,50. |[K. Heinemann: BLU. 8. 468-71; ML. 8. 341; Erich Schmidt: DLZ. 8. 556/7; LCBl. 8. 569-70; 0.
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b : 27a-28a
inneren Entwicklung- Goethes geben, „die Zeitverhältnisse, die Umgebung", den Verkehr,
den inneren Seelenzustand des Dichters schildern!" Als wenn das nicht die Pflicht
eines jeden Biographen wäre! Gleich die erste Lieferung beweist, dass dem Vf.
die Kunst der Charakteristik völlig abgeht. Was er da über Goethes Eltern und
über ihren Einfluss auf den Dichter sagt, ist geradezu kläglich. Wer die Entwicklung
des Menschen darstellen will, muss doch von den ererbten Eigenschaften und dem
Einfluss der Vorfahren und Eltern ausgehen. Davon findet sich fast gar nichts bei P.
Ebenso unzulänglich ist trotz der vorhandenen Vorarbeiten der Einfluss des französischen
Theaters auf den jugendlichen Geist und die Einwirkung der Frankfurt-Darmstädter
Künstler auf Goethes künstlerische Ausbildung geschildert. Dabei wimmeln die ersten
Lieferungen von Irrtümern, Versehen und Druckfehlern. Um nur einiges anzuführen :
Die Eröffnung des Leipziger Theaters wird auf den 6. Okt. 1766 verlegt; Engelbach
in Strassburg wird beharrlich Engelmann genannt: der Eintritt Goethes in die Arkadische
Gesellschaft wird als Thatsache angenommen und in den Juni 1764 verlegt; Apels
grosser Garten wird als Kuchengarten bezeichnet, Behrisoh ein geborener Leipzig*er
genannt; die Laune des Verliebten hält Seh. für eine neue Bearbeitung des Frankfurter
„Schäferspiels Amine"; Klopstocks direkter Einfluss auf Goethe wird geleugnet trotz
der offen vorlieg'enden, von Goethe selbst zugegebenen Thatsache; die Weimarer Aus-
gabe von Dichtung und Wahrheit mit ihren Lesarten und wichtigen Mitteilungen
scheint Seh. überhaupt nicht benutzt zu haben. — Eine Seite des Goetheschen Geistes
behandelt zusammenfassend die prächtige Schrift von Lorenz^^'i): ihr eigentlicher
Wert besteht in dem Nachweis, dass Karl August in politischen Dingen Goethe über-
legen gewesen ist, dass aber auch Goethe auf diesem Gebiete Bedeutendes geleistet
hat, Goethes grosses Interesse für Mosers patriotische Phantasien war bekanntlich eine
der Ursachen, aus denen sich die Freundschaft beider Männer begründete. Goethes Stand-
punkt war der eines konservativen reichsstädtischen Bürgers. Erst in Weimar bekam
er Einsicht in das grosse politische Getriebe. Am Hofe des Fürsten von Dessau, auf
der Reise in Berlin, im Verkehr mit Minister Edelsheim in Karlsruhe und vor allem
mit dem Koadjutor von Dalberg wurde er in die Diplomatie und Politik eing^eweiht.
Seine Sorge wegen der unglücklichen Stellung der zwischen Oesterreich und Preussen
eingeklemmten kleinen Staaten Hess ihn den Gedanken fassen, einen Bund der mittleren
Staaten als ein Gegengewicht geg-en Oesterreich und Preussen zu schaffen. Dieser
Fürstenbund trat auch zu Tage, nur dass Friedrich der Grosse es verstand, bevor
die Fürsten sich einigten, die Fäden in seine Hand zu bekommen und den Bund unter
Preussens Leitung zu stellen. Karl August erkannte auch bald, dass an eine Einheit
und wirksame Machtentfaltung nur unter Preussens Führung zu denken sei; er hat*
an Preussen festgehalten sein Leben lang. Goethe folgte ihm hierin nicht. Seine ihm
fast angeborene Abneigung' gegen Preussen und das mangelnde Verständnis für die
Bedeutung der politischen Einheit Deutschlands hinderte ihn daran. Er hatte die nur
heute etwas naiv klingende, an die Anschauung seiner Mutter erinnernde Ansicht, dass
die Kriege von den grossen Staaten allein ausgefochten werden sollten. Auch war
ihm eine andere Einheit viel wichtiger. L. hätte darauf hinweisen sollen, dass Goethe
gerade in der Zeit der tiefsten Erniedrigung eine Verbindung aller geistig bedeutenden
Männer Deutschlands herstellen wollte. Der Hass gegen andere Nationen, auch gegen
die Franzosen lag- ihm fern. Sein Wunsch war der friedliche Wettstreit der Kultur-
völker. Napoleons gewaltige Thaten trübten eine Zeit lang seinen Blick, so dass er
die Macht des deutschen Volkes verkannte. Sehr interessant sind L.s Nachweise,
dass Goethes Anschauung über die französische Revolution sich fast genau mit denen
des neuesten Historikers der Revolution, Hippolyte Taine, decke. Darin sind beide
einig, dass die Revolution die ruhige Entwicklung der bestehenden Verhältnisse zum
Unglück unterbrochen, und dass die segensreichen Neuerungen der späteren Zeit sich
auch ohne die blutige Selbsthilfe aus den vor der Revolution bestehenden Verhältnissen
entwickelt hätten. —
In dem Kapitel Goethes Beziehungen zu anderen Personen wird füglich
Goethes Mutter die erste Stelle gelassen. Ich bescheide mich darauf hinzuweisen,
dass von Heinemanns^S) Buche über die Frau Rat (vgl. JBL. 1891IV 9b: 63; 1892
IV 8b : 38) im Berichtsjahr die vierte Auflage, die von der dritten, ein Jahr vorher
erschienenen, in nichts abweicht, ausgegeben wurde. — Ueber die Freundin der Frau
Rat, Susanna von Klettenberg, die schöne Seele, hat Erich Schmidt^s») Stellen
aus Tagebüchern und Briefen von Personen, die ihr nahestanden, veröffentlicht.
Wichtig sind darin ein Bericht über Lavaters Anwesenheit in Frankfurt und eine
Predigt in Bockenheim und über den Tod der „schönen Seele", bei der Dr. Metz,
Harnack: PrJbb. 72, S. 539-40.]! (S. n. IV 3c: 7.) — 27a) (S. o. N. 17.) — 28) K. Heinemann, Goethes Mutter, E.
Lebensbild nach d. Qaellen. 4. verb. Aafl. Mit vielen Abbild, in n. ausser d. Text n. mit 4 Heliograr. L., Seemann. X, 383 S.
M 6,50. |[L. Fränkel: ZDÜ. 7, S. 436/7; K. Domanig: ÖLBl. 2, S. 1402; Kunstchr. 4, S. 126/7.]| — 28a) (HI 5 : 34;
Jahiesberiobte ftx neuere deutsche Litteraturgesohichte. IV. ^(^4)
IV 8b: 29-35 K. Keinem ann, Goethes Leben.
Frau Rat Goethe, Frau Rat Moritz, Frau Pfarrer Claus und Frau Pfarrer Koppel, alles
aus Goethes Jugendzeit wohl bekannte Personen, zug-eg-ea waren. —
Unter den Goetheschen Fraueng-estalten war g-eg-en Friederike von Sesenheim
im Vorjahr von Froitzheim (vgl. JBL. 1892 IV 8b : 44) eine abscheuliche Anklag-e
erhoben worden. Sie hat im vorjährig-en Berichte die verdiente Zurückweis ang-
erfahren. Leider spukte dieser Friederikenklatsch auch in diesem J, in den Tag'es-
blättern lustig- weiter^^). Besonders erg-ötzlich ist der Schluss der Besprechung- in der
KonsMschr.: „Die auf streng sittlichem Boden stehende und darum dem Geniewesen
mannhaft entgegen tretende Monographie Froitzheims ... sei allen Lesern der Monatsschrift
angelegentlichst empfohlen." — Auf eine sehr verständige und objektive Darstellung
des Sachverhaltes von Sack-^^) erliess Froitzheim^") eine Entgegnung, die durch-
aus nichts Neues brachte, sondern die alte Behauptung wiederholt, der damalige
Pfarrer Brion von Goxweiler habe zu Dr. Leyser in Gegenwart von Prof. Baum im
J. 1868 gesagt, dass er als kleiner Junge den Sohn Friederikens noch gekannt hätte.
Dass eben dieser Pfarrer im J. 1877 seine Aussage zurück genommen hat, geniert F.
nicht ; ebenso wenig giebt er etwas auf die Erklärung des Sohnes des genannten Pastors,
des Herrn A. Brion in Strassburg, vom 1. Dec. 1892, „dass sein Vater Jakob Brion,
früher Pfarrer in Goxweiler, niemals etwas dem Entsprechendes ihm gegenüber
geäussert habe"; F. bringt als neuen Zeugen einen 70jährigen Pfarrer, Namens Ungerer.
Dieser Zeuge will vom Pfarrer Brion dasselbe gehört haben und führt für die Richtigkeit
der Behauptung an, dass er selbst Pfarrhäuser gekannt hätte, wo ähnliche Geschichten
vorgekommen seien. Man kann sich eines Gefühls des Ekels nicht erwehren, wenn
man immer wieder haltlose und vage Gerüchte unbeglaubigter Zeugen herbeigeschleppt
sieht, um die Ehre eines Mädchens zu vernichten. Alles kommt, sagt F., auf den
Nachweis an, dass Friederike später gefallen ist. Ist dies glaubwürdig gemacht, dann
lassen sich Rückschlüsse ziehen in der Frage, weshalb Goethe mit ihr 1771 gebrochen
hat ! Ein schöner Gedanke, um den wir F. nicht beneiden. — Da er sich u. a. auch auf
den gegenwärtigen evangelischen Pfarrer RübePi) zu Sesenheim berief, dem A. Brion
in Strassburg pinvatim erklärt habe, dass er von der Richtigkeit der Behauptung des
verstorbenen Pfarrers Brion im J. 1868 überzeugt sei, so verwahrt sich dieser
dagegen, indem er feststellt, dass „aus den Briefen des Herrn A. Brion in Strassburg
an ihn gerade das Gegenteil von dem hervorgehe, was Froitzheim insinuiert". — Wenn
nun der Ankläger Froitzheim seine Angriffe nur gegen die Friederike der nach-
goetheschen Zeit richtet, weil er gegen Goethes Verhalten auch nicht den Schatten
einer Anklage erheben kann, so sucht von Biedermann^-), ein sonst so besonnener
•Forscher, Froitzheim noch zu übertrumpfen; er nimmt die Existenz eines Kindes
Goethes und Friederikens an und zwar aus dem Grunde, weil Gretchen im Faust
und Friederike identisch wären: „Aehnlich wie Gretchen im Faust, so mag
Friederike Goethes lüsternen Anwandlungen entgegen gekommen sein!" „Goethe
mochte dann mit furchtbarem Ernst empfinden, dass Friederike, nachdem sie ihm zu
Willen gewesen, ihm nur noch sagen konnte: 'Ich habe schon so viel für dich
gethan usw.' Und wenn auch trotz des frühen Todes von Goethes und Friederikens
angeblichem Sohn dennoch (!) von Kindesmord nicht die Rede ist, so mochte doch
in Goethe die schreckliche Möglichkeit aufsteigen, dass eine nicht absichtslose Vernach-
lässigung des Neugeborenen als Todesursache nicht ausgeschlossen sei." Es verlohnt
wohl nicht, auf diese ungeheuerliche Behauptung, die sich von selbst richtet, einzugehen.
— Alle Verdächtigungen gegen Friederike und deshalb auch diese darauf bestehende
Hypothese sind widerlegt worden durch das Buch des alten Goetheforschers
Düntzer33-34)^ der schon im J. 1840 in den BLU. einen ähnlichen Angriff gegen
Friederikens Frauenehre glänzend widerlegt hatte. Sein Buch erfüllt in vier Abschnitten :
Der Detektiv, womit Froitzheim gemeint ist, Friederike und Goethe, Friederike und
Lenz, Friederikens letzte vierzig Jahre und die Skandalsage, seinen Zweck. Wenn
auch das Buch die bekannte Eigenheit der D.schen Schreibart aufweist, und werni
auch D. in der Datierung der Briefe Goethes an Salzmann wohl nicht das Richtige
trifft, so findet er doch in allem, was uns hier angeht, d. h. in der Abwehr des Angriffs
Froitzheims, unsere Billigung. Das Buch bringt zwar wenig Neues, aber die
erschöpfende und zusammenfassende Darstellung verleiht der Verteidigung D.s unwider-
legliche Beweiskraft. Auf die einzelnen Anklagepunkte, die der Vf. entkräftet, ist im
IV 8d: 30.) — 29) X LCBl. S. 20/1; KonsMschr. S. 122; A. Chuquet: RCr. 35, S. 132/3; DR. 1, S. 272; R. M. Werner:
ZOG. 44, S. 229-33; M. van Hall: Gids 3, S. 478-500; COIRW. 21, S. 568/9; ÖLBl. 2, S. 6>2/3; M. Erdmann: N&S. 65,
S. 270/2; ChrWGV. S. 29-32. — 29a) E. Sack, Friederike v. Sesenheim: FZg. N. 206/7. — 30) J- Froitzheim, Friederike
V. Sesenheim. E. Entgegnung: ib. N. 217. — 31) Rubel, üeber Friederike Brion: ib. 13. Aug. — 32) W. v. Biedermann,
Friederike Brion u. Gretchen: LZg«. N. 23. (S. u. IV 8e : 100.) — 33) H. Dantzer, Friederike v. Sesenheim im Lichte d.
Wahrheit. St., Cotta. III, 152 S. M. 3,00. [DR. 3, S. 256; Geg. 43, S 351; Ath. S. 440; K. Heinemann: BLÜ. S. 227-30;
ML. 62, S. 263; M. van Hall: Gids 3, S. 478-500; ÖLBl. 2, S. 652/3; E. E(lster): LCBl. S. 922/3; ChrWGV. S. 32.]| (S.u.
IV 8c: 10.) — 34) id., Goethes Sesenheimer Briefe an Salzmann: AZg«. N. 23. — 35) H. Kruse, Goethe u. Friederike:
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b : so
vorjährig-en JB. ausführlich eing-egangen worden. Nur auf eine Vermutung' Froitz-
heims und ihre Widerlegung- durch D. müssen wir hier noch eing-ehen. Es betrifft den
Goetheschen Aufsatz von 1822: „Wiederholte Spiegelungen." Jeder Unbefangene wird
den Eindruck von diesem Aufsatz haben, dass hier, wenn auch in etwas wunderlicher
Form, Friederiken von Goethe die höchste Achtung g-ezollt wird. Froitzheim aber
kommt zu anderem Ergebnis. Dieser Aufsatz war die Antwort. Goethes auf des
Philologen Näke „Wallfahrt nach Sesenheim-' (1B22J, in der auch das Gerücht von
einem Kinde Friederikens erwähnt war. Aus der Thatsache, dass Goethe dieses
Gerücht in den „Spiegelung-en" nicht zurückweist, schliesst Froitzheim auf seine
Bestätigung-. D. widerlegt diesen Irrtum eing-ehend. Goethe wollte in den „Spiegelung-en"
nur von sich, von seiner Friederike und der durch Näkes „Wallfahrt" neuerwachten
Erinnerung an sie sprechen, und diese Erinnerung mit den entoptischen Erscheinungen
vergleichen, mit denen er sich gerade damals beschäftig-te. Es war gar keine Veran-
lassung, ja fast keine Möglichkeit, von der Friederike der späteren Zeit in diesem
Aufsatze zu reden, wie ja auch Goethe den Irrtum Näkes, dass Friederike einen Herrn
von Dürkheim g-eheiratet hätte, unberichtigt Hess. — Die masslosen Angriffe veran-
lassten schliesslich Kruse^^), der im J. 1835 auch eine Wallfahrt nach Sesenheim
unternommen, Sophie Brion noch lebend angetroffen und viele Leute g-esprochen hatte,
die sich Friederikens noch erinnerten, seine gewichtig-e Stimme erschallen zu lassen.
Er berichtet, dass Schweppenhauser, der Pfarrer, von dem das Gerücht ausg-eg-ang-en war,
ihm auf seine Frage, was er Böses über Friederiken zu erzählen habe, keine Auskunft
geg-eben, sondern ihn mit der Antwort, „alle alten Leute wüssten davon", abgefunden
hätte. Die alten Leute hätten aber auf Befragen nichts davon gewusst. —
Ein freundlicheres Geschick im irdischen Leben sowie in der Erinnerung
der Nachwelt hat über einer anderen Geliebten Goethes, Charlotte Kestner, ge-
waltet. An die glückliche Gattin und Mutter hat die Verleumdung sich nicht ge-
wagt. Auch haben pietätvolle Nachkommen schon frühe wichtige und unantastbare
Dokumente aufbewahrt, die jede Verunglimpfung unmöglich machten. Düntzer und
Herbst haben diese Dokumente schon längst bei ihren Veröffentlichungen über Goethe
in der Wetzlarer Zeit verwertet, aber dennoch nicht so ausgenutzt, dass nicht für
einen anderen Forscher, der die Familienpapiere zur Durchsicht erhielt, manches
Wichtige und Interessante zu finden gewesen wäre. Eugen Wolff^^) hat das Er-
gebnis seiner eingehenden Lektüre mitgeteilt. Wie natürlich, haben sich die früheren
Forscher das auf Goethe sich beziehende Material nicht entgehen lassen; W. bietet
uns daher hauptsächlich Nachrichten über Kestner und die Buffsche Familie. Aus
Kestners Selbstschilderung und seinen Briefen erfahren wir, dass er nicht der
Philister und kalte Verstandesmensch war, für den er als Urbild Alberts gilt. Er
erscheint nicht ohne Sentimentalität, für die Dichtung sehr interessiert, ja selbst als
Dichter thätig. Von seiner Werbung um die 15 jährige Lotte unterrichtet uns ein
Brief Kestners an die Mutter und an Lotte selbst; die Sorge, dass seine Eltern ihre
Einwilligung versagen würden, und die Jugend Lottens waren der Grund, dass das
Verlöbnis mehrere Jahre geheim gehalten wurde. Ein Brief Kestners berichtet von
Goethes Ankunft: „Er hasset die Juristerei und bedarf ihrer auch nicht, da sein
Vater reich, er aber sein einzig-er Sohn ist"; gleich darauf wird in einer Tagebuch-
notiz Kestners der Ball in Volpertshausen geschildert. Da auch Jerusalem dabei
war, finden wir hier bei diesem berühmtesten aller Tanzvergnügungen alle Personen des
Werther vereinigt. Ein prächtiger Brief vom März 1773 von Hans Buff, Goethes
Liebling, einem 15 jährigen Primaner, giebt eine geradezu köstliche Schilderung des
Lebens in der Familie Buff. Die ganze Kinderschar, jedes einzeln nach seinen
Eigentümlichkeiten charakterisiert, passiert vor uns Revue. Der wichtigste Brief ist
der von Herbst und W. mit Recht in die Zeit nach dem 13. Aug. 1772, an dem der
verhängnisvolle Kuss sich ereignete, gesetzte, den W. zum ersten Mal vollständig ab-
druckt. Dieser Brief giebt uns überraschenden Aufschluss über Kestners Em-
pfindungen und lässt uns erkennen, dass Goethe für den eifersüchtigen Albert sich
auch von Kestner Farben" leihen konnte. Kestner schreibt u. a. an Lotte: „Jedoch
aber muss ich Ihnen als Freund sagen, dass nicht alles Gold ist, was da glänzt; dass
man sich auf die Worte, welche vielleicht aus einem Buche nachgesagt, oder nur
darum gesagt werden, weil sie glänzend sind, nicht verlassen kann, und daran das
Herz oft keinen Teil haben kann; dass es von einer Mannsperson schwer wird, sie
ganz kennen zu lernen, wenn man sie nicht in einer ziemlichen Zeit und in
mancherlei Situation und Begebenheiten handeln gesehen hat; denn auf das Handeln
kommt es an, nicht auf die schönen Worte; dass eine Mannsperson, welche man nur
selten gesehen hat, vielleicht in denen von dieser selbst gewählten, ihr vorteilhaften
DE. 4, S. 119-31. — 36) Bug. Wolff, Bll. aus d. Werther-Kreis. (= Urkk. z. Gesch. d. neueren dtsch. Litt. N.2.) Breslau,
Schles. Yerlagsanst. 80 S. M. 1,50. |[A. Leitzmann: ZDPh. 27, S. 277-80; A. Eöster: ADA. 19, S. 281/5.JI (Sonderabdr.
4(24)*
IV 8b : 37-42 K. Heinemann, Goethes Leben.
Stunden, darum noch nicht vorzüglicher sein kann; dass bei einer Mannsperson
schwer zu entscheiden ist, wann sie keiner Veränderung-, keinem Wankelmut mehr
unterworfen ist, zumal wenn sie noch an keine gewisse Lebensart oder Beschäftigung
gebunden ist ; dass es keine Kunst ist, munter und unterhaltend zu sein, wenn man.
völlig sein eigener Herr ist, wenn man thun und lassen kann, was man will, dass
jenes sich aber in ein mürrisches Wesen verändern kann, wenn dieses wegfällt und
eine vielleicht unangenehme Beschäftigung gewählt werden rauss." — Von den
späteren Beziehungen zu Lotte und Goethe haben wir durch Günthers 3') Ver-
öffentlichungen Neues erfahren. — Ebenfalls Günther 3'") verdanken wir einen kleinen
interessanten Aufsatz über den Besuch Lottens und ihrer Tochter Klara in Weimar
im J. 1816. Nach beider Bericht war das Wiedersehen nicht besonders er-
freulich. Lotte und Goethe waren einander fremd geworden und Goethes „steife
Art" war nicht dazu angethan, die Kluft zu überbrücken. Goethe Hess es bei einigen
Beweisen höflicher Freundlichkeit bewenden. —
lieber Frau von Stein, das unerschöpfliche Thema, brachte das Berichts-
jahr einen aus dem Dänischen übersetzten Aufsatz von Brandes^^). Der Artikel
handelt in der Hauptsache von dem Bruch Goethes mit Frau von Stein ; das Ver-
hältnis selbst wird nur oberflächlich dargestellt. B. ist von der Sinnlichkeit des
Verhältnisses durchaus überzeugt, und wird sogar gegen Herman Grimm grob,
weil dieser anderer Ansicht ist. Sehr ausführlich wird die Rache der Frau von Stein
an Goethe geschildert. Das Trauerspiel Dido, meint B., ist geradezu erschreckend
für den, der sich ein Fünkchen Glauben an die Menschen bewahrt hat und noch
staunen kann über eine Dummheit oder Niedrigkeit von selten eines Weibes, das
auf Rache sinnt, weil es nicht mehr geliebt wird. Die Behauptung hätte wohl etwas
weniger kräftig ausgesprochen werden können. B. führt auch Schillers allerdings
etwas sonderbares, sehr lobendes Urteil über das Trauerspiel Dido und seine Auf-
forderung, es drucken zu lassen, an, und weist besonders darauf hin, dass Schiller
dieses Urteil 1797 zur Zeit der Blüte des Freundschaftsbundes geschrieben habe.
Eine solche Bemerkung kann irre führen. Es müsste doch erst bewiesen werden,
dass Schiller von Beziehungen des Dramas auf Goethe unterrichtet war.^^*"^^'') —
Von den anderen Goetheschen Frauengestalten ist die letzte, Ulrike von Levetzow,
bekanntlich noch am Leben. Sie feierte am 4. Febr. 1893 ihren 90. Geburtstag in
voller Gesundheit auf ihrem Schloss Tfiblitz bei Lobositz in Böhmen. Es war
natürlich, dass viele Tagesblätter und Zeitschriften von diesem Tage Notiz nahmen.
Wir heben aus diesen Festartikeln den des bekannten bayerischen Gelehrten Herz-
felder^ö) hervor und bemerken, dass Heinemann ^^j den Tag benutzte, um in der
Gartenlaube in einem das Wesentliche hervorhebenden Artikel drei Bilder von
Ulrike, ihrer Mutter und ihrer Schwester sowie von dem Schloss Tfiblitz zu ver-
öffentlichen. 40a) _
Zwei Fürstinnen des Weimarer Hofes, zu denen Goethe in näheren Be-
ziehungen gestanden hat, haben in dem Buch von Lily von Gizycki*^) „Deutsche
Fürstinnen" ein biographisches Denkmal erhalten: Erstlich die am 18. Juli 1786
geborene Tochter Karl Augusts, Karoline Luise, die voll Begeisterung an Herder
und Goethe, Schiller und Wieland hing und auch von Goethe Beweise freundlicher
Gesinnung und aufrichtiger Zuneigung erhielt. Von ihrer Verehrung für Goethe,
der ihrer schönen Begabung und besonders ihrem Zeichentalente oft und gern Be-
achtung und Förderung zu teil werden Hess, erzählt die Vf. den hübschen
Zug, dass sie in ihrer Kindheit mit ihren Freundinnen einen Bund „Zum Schutz und
Trutz der besten Meister" geschlossen habe. Zur Ehrung der schon im J. 1816 als
Erbprinzessin von Mecklenburg verstorbenen Weimarschen FürstentoGhter dichtete
Goethe bekanntlich das Gedicht Trauerloge: „An dem öden Strand des Lebens". . . .
In die nachgoethesche Zeit führt uns das Thema des dritten Aufsatzes desselben
Buches: Die litterarischen Abende der Grossherzogin Maria Paulowna. Aber in
der Einleitung werden die regen Beziehungen dieser von Goethe und Schiller oft
gepriesenen und auch besungenen, geistreichen und wohlthätigen Fürstin zu dem
Dichter ausführlich dargelegt; wenn wir auch nichts erfahren, was nicht schon aus
dem Buche von Preller, den Briefen Goethes und seinen ihr gewidmeten Gedichten
bekannt wäre. — Von einer anderen Weimarer Fürstin, der Mutter Karl Augusts,
Anna Amalia, hatte das Vorjahr zwei Biographien gebracht. Ueber Bornhaks
Werk (vgl. JBL. 1892 IV 8b: 48) ist eine Reihe von Recensionen erschienen^ ^j^ auch
aus N&S. 66, 8. 184-201, 295-315; vgl. auch IV 8d : 19.) — 37) (S. o. N. 13.) — 37a) 0. Günther, Goethe u. Lotte. 1816:
GJb. 14, S. 284/9. (S. u. IV 8d:20a.) — 38) G. Brandes, Goethe u. Charlotte v. Stein. Autorls. Uebers. v. E. Holm:
FZg. N. 237, 239. — 38a) X F. Muncker, Charlotte v. Stein: ADB. 35, S. 602/5. — 38b) X E- Prh''- t- örotthns, Charlotte
V. Stein: VelhagenKlasingsMh. 1, S. 302-13. — 39) J. Herzfelder, Ulrike v. Levetzow u. Goethe: Sammler^. N. 15. — 40)
V. Heinemann, Goethes letzte Liebe: Gartenlaube N. 8. — 40a) X Ulrike v. Levetzow: Fremdenbl. 5. Febr. — 41) Lily
K. Gizycki, Deutsche Fürstinnen. B., Paetel. III, 285 S. M. 4,00. — 42) X K. Heinemann: BLU.S. 20/2; 0. Härtung:
DDichtung. 14, S. 149-50; LCBl. S. 184/5; F. Schwarz: FBPG. 6, S. 327 ; KonsMschr. S. 117/8; Qrenzb. 1, S. 303; L. Geiger:
K. Heinemann, Goethes Leben, IV 8b : 43-50
über die Schrift von "Weizsäcker (vgl, JBL. 1892 IV 8b:47)^3), — Ebenso g-edenken
wir hier des Buches von Heitmüller (vgl. JBL. 1892 IV 8b: 20), das mehrfach be-
sprochen wurde'*^''), — Als Einleitung zu einer Darstellung „Aus den Papieren eines
Hofmanns" über den Hof in Weimar zu Goethes Zeit ist eine Schilderung des
Weimarer Hofes zur Regierungszeit Anna Amaliens kurz vor dem Eintreffen Goethes
erschienene^). Es werden hier hauptsächlich die Belustigungen des Hofes beschrieben,
von den Promenaden der Fürstin zu Pferde, den Redouten, Hofschlittenfahrten und Hof-
bällen bis zum Theater. Oberstallmeister von Stein wird als „einer der galantesten
Reiter seiner Zeit" bezeichnet, Hauptmann von Knebel als geistreicher, lebendiger,
liebenswürdiger Gouverneur, Graf Görz als vornehmer, feiner Hofmann, der immer
scharfe Bemerkungen über das Benehmen der jungen Kavaliere im Munde führt, —
Auch die Beziehungen Goethes zur österreichischen Kaiserin Maria
Ludovika sind im Berichtsjahre Gegenstand ausführlicher Darstellung geworden
und zwar in einem Vortrag' von Guglia*^). Er konnte das Goethesche Tagebuch
(1810 ff.) und den Briefwechsel der Kaiserin mit ihrer Mutter Maria Beatrice von Este
benutzen, so dass sein Vortrag auch trotz Düntzers Schrift über dasselbe Thema
Neues brachte. Die erste Notiz im Tagebuche 1808 merkt an, dass Frau von Eyben-
berg viel von der neuen Kaiserin erzählt habe. In Karlsbad 1810 meldet das Tage-
buch, dass die Kaiserin, nachdem GOethe ihr vorg-estellt. ihn häufig gesehen und
gesprochen hätte. Die Kaiserin erwähnt Goethe in ihren Briefen nur einmal flüchtig,
unter dem 18. Febr. 1811 vermerkt Goethe den Empfang einer goldenen Dose von
der Kaiserin. Von der zweiten wichtigeren Begegnung (im Sommer 1812) berichtet
das Tagebuch ausführlich. In den 26 Tagen, da die Kaiserin in Teplitz weilte, wurde
Goethe elf Mal zur Tafel gezogen, beinahe täglich sah er sie und las ihr sieben Mal
vor. Alexis und Dora wurde i)esonders gut aufgenommen. Dann las er den Neuen
Pausias, Teile der Pandora, Scenen der Iphigenie und die Ballade „Wirkung in
die Feme", auch Schillersche Balladen, Calderons Leben ein Traum. Daran knüpften
sich ästhetische Gespräche („über die Fundamente des ästhetischen Urteils" sagt das
Tagebuch). Am 28. Juli bemerkt Goethe im Tagebuch : „Aufgabe zweier durch eine
Wette getrennter Liebenden". Daraus entstand das Lustspiel „Die Wette". Es sollte
in Teplitz aufgeführt werden, und Goethe und die Kaiserin sollten darin mitwirken.
Ob das geschehen, ist nicht erwiesen, ebenso auch nicht, ob die Kaiserin in der
Aufführung des ersten Aktes des Tasso (mit Goethe in der Titelrolle) mitgespielt hat. —
Von Schriften über das Verhältnis Goethes zu bedeutenden Männern der
Wissenschaft oder Kunst war im Vorjahr besonders das Buch von Steig, Goethe und
die Brüder Grimm (vgl. JBL. 1892 I 2:3; IV 8b: 43; 10:22;- s. auch o. I 2 : 10)
besprochen wordenes). Es hat auch in diesem Jahre noch eine Reihe Recensionen
erfahren. Lavater im Lichte Goethes nennt sich ein Artikel von Mendon*'^), der,
anstatt sich bei der Thatsache, dass Goethe seit den 80er Jahren von Lavaters
Unwahrheit und Heuchelei überzeugt war , zu beruhigen , die total veränderte
Stellung Goethes zu Lavater als eine unbegründete, von persönlicher Empfindlichkeit
und durch fremde Einflüsterungen erzeugte Umwandlung bezeichnet. — Ueber Goethe
und Matthisson berichtet ein ausführlicher Artikel von Bock*»). Goethes
Aeusserung über Matthissons Poesie klingt sehr skeptisch; dagegen fanden beide
Männer in dem gemeinsamen Interesse für die Naturwissenschaft nähere Berührungs-
punkte. Von 1815 an, nach vielen Reisen, kam Matthisson öfter nach Weimar, wo
er stets von Goethe gerne gesehen und auch von Ottilien wohl aufgenommen und zur
Teilnahme am „Chaos" aufgefordert wurde. Im Herbst 1829 war er zum letzten Male
dort. Diesmal wurde er von Schmeller für Goethes Porträtsammlung gemalt. —
Ueber Gottl. Heinr. Rapp, den Stuttgarter Kaufmann und Künstler, mit dem
Goethe während seines zweiten Stuttgarter Aufenthalts verkehrt hat, brachte St rö hm-
feld^^) schon im Vorjahr eine Studie. Er hat dieser einen Artikel über dasselbe Thema
folgen lassen. Rapp war durch Dannecker mit Schiller befreundet geworden. Diese
Freundschaft führte zum Besuch Goethes, den Schiller am 21. Juli^ 1797 in einem
Briefe Cotta anzeigt. Goethe überbrachte Rapp einen Brief Schillers und. machte mit
ihm Ausflüge in die Umgebung. Den Höhepunkt des Verkehrs bildete Goethes
Vorlesung von Hermann und Dorothea vor Dannecker, Rapp und ihren Frauen im
Rappschen Hause. — Gaedertz^^^ berichtet über den Legationsrat Friedrich Karl
Meyer, der identisch ist mit jenem bisher rätselhaften, enthusiastischen Studenten
Nation». 10, S. 336,8; NaIZg. N. 5, 9. — 43) X N&S. 95, S. 275; K. J. S(chröer): LCBl. S. 1083; BLU. S. 462. — 43a)
A. By: ML. 62, S. 263; 0. Harnack: ADA. 19, S. 172/6; LCBl. S. 570; VossZgB. N. 14; L. Geiger: Nation". 10, S. 389, 576/8.
— 44) D. Hof in Weimar zu Goethes Zeit. Kulturbild ans d. Papieren e. Hofmanns. (Niedergeschr. 1840): EonsMschr. 50,
S. 1089-95. — 45) E. Guglia, Goethe n. d. Kaiserin Maria Ludovika v. Oesterreich: ChrWGV. S. 42/5. (S. u. IV 8c: 25.) —
46) X J- Minor: GGA. S. 419-21; 0. Harnack: PrJbb. 71, S. 136/7; L. G[eiger]: Nation». 10, S. 94; 8. M. Prem:
ÖLBl. 2, S. 302/3; Ph. Strauch: DWBl. S. 105/7; NatZg. N. 154. — 47) P- M e n d o n , Lavater im Lichte Goethes : KonsMschr. 50,
S, 184-95. — 48) A, Bock, Goethe u. Matthisson: FZg. N. 32. — 49) (IV 8a :65; 9:20.)— 50) K. Th. Gaedertz, Goethe,
IV 8b : 5i-52a IV 8c : 1-6 0. Piiiower, Goethes Lyrik.
Meyer, der im J. 1824 die Bekanntschaft Goethes machte und sich dessen Sympathie
in hohem Grad erwarb. Durch Empfehlung* an das Frommansche Haus in Jena mit
Knebel bekannt g-eworden, wusste er trotz mehrfachen Abweisung-en durch mehrere
an den Dichter g^esandte, von Begeisterung" durchwehte Gedichte Goethes Erlaubnis
zum Besuch und dessen reg'e Teilnahme zu erw^erben (vg-l. Gespräche mit Eckermann
15. Febr. 1824). — Ueber den Gründer von Marienbad, den Abt Karl Reiten-
berg-er hatte Prem im April 1890 in derNFPr. ausführlich gehandelt in dem Feuilleton
„Goethe und Abt Reitenberger" (vgl. JBL. 1890 IV IIb: 115). Die sehr ausführliche
biographische Skizze von Schneider^') liefert zwar über die Beziehungen zu Goethe
nichts Neues, aber doch einige wichtige authentische Mitteilungen zu Reitenbergers
Leben. — Der Aufsatz von Karpeles^^^ „Goethe in Franzensbad" bringt ebenfalls
nichts Neues.^^a-) —
c) Lyrik.
Otto Pniower.
Ein pseudogoefhesches Gedicht N. 1. — Saroinlungen und Ausgaben N. 3. — Zusammenfassende Betraclitnngen
N. 6. — Einzelne Schöpfungen: Leipziger Liederbuch N. 9. — Strassbnrget Zeit N. 10. — Weimarer Zeit: Einflnss des
Joh. Secundus N. 11; Der Fischer N. 12; Grenzen der Menschheit N. 14; Ilmenau 'S. 15; Morgenklagen N. 17; Komische
Elegien N. 18; Wer kauft Liebesgötter? N. 19; Xenien N. 20: Elegie Hermann und Dorothea N. 22; Deutscher
Parnass K. 24; Karlsbader Gedichte N. 25: Memento N. 26; Trauerloge N. 27; Zum 28. August 1823 N. 28; „Die beiden lieben
sich gar fein" N. 29. —
Wenn wir sonst unseren Bericht mit der Besprechung neuer Funde begannen,
so sind wir dieses Mal in der Lage, ihn mit der Mitteilung zu eröffnen, dass ein pseudo-
goethesches Gedicht (vgl. Weim. Ausg. 6, S. 353) dem Dichter nun endgültig ab-
gesprochen wird. Wustmann 1) führt den Nachweis, dass nicht Goethe, sondern Prof.
Heinroth der Vf. der Verse ist : „Lange hab' ich mich gesträubt. Endlich gab ich
nach; Wenn der alte Mensch zerstäubt. Wird der neue wach", und Hildebrand 2),
der sie noch vor kurzem für Goethesch hielt (Gesammelte Vortrr. und Aufsätze [vgl.
JBL. 1890 17:3], S. 249ff.), erklärt sich durch W.s Ausführungen für bekehrt. —
Von Sammlungen der Gedichte, von denen der' Büchermarkt, wie es scheint,
immer noch neue verträgt^"^), ist besonders diejenige bemerkenswert, die uns im
fünften Bande der Weimarer Ausgabe vorliegt^). Sie enthält Gedichte „Aus* dem
Nachlass", d. h. solche, die Goethe selbst nicht in seine Werke, bezw. nicht in die
die Gedichte enthaltenden Bände aufgenommen hat. Sie sind unter Rubriken, deren
sich Goethe teilweise schon bedient hat, wie „Vermischte Gedichte", „An Personen",
„Zahme Xenien", „Tnvektiven" und „Xenien" geordnet. Die letzte Gruppe enthält
zuerst das ungeteilte Werk der Goethe-Schillerschen Xenien, wie es der Musenalmanach
auf das J. 1797 an den Tag brachte. Es folgen dann sämtliche von Schiller bei der
letzten Redaktion ausgeschlossene Xenien ohne Rücksicht auf die Frage, ob er oder
Goethe ihr Vf. sei. Dagegen werden aus den Tabulae votivae nur die sicher Goetheschen
oder wenigstens diejenigen, die Schiller nicht für sich in Anspruch nahm, gegeben.
Der Band enthält mancherlei bisher Ungedrucktes, nicht bloss unter den Xenien,
wovon noch weiter unten die Rede ist (s. u. N. 20). Auch die „Zahmen Xenien"
bieten eine stattliche Reihe bisher unbekannter Sprüche, vielfach von einer leiden-
schaftlichen, derben Sprache, aber alle voll der köstlichsten Weisheit und Weltkenntnis.
Eine nähere Besprechung des Bandes muss bis zum Erscheinen des noch ausstehenden
kritischen Apparates verschoben bleiben. —
Kommentierende Arbeiten, die Goethes gesamte lyrische Thätigkeit ins Auge
fassen, hat das Berichtsjahr nicht hervorgebracht und an zusammenfassenden
Betrachtungen, die über einen grösseren Zeitraum verbreitete Schöpfungen behandeln,
war auch nicht gerade Ueberfluss. Eine textkritische Studie Schraders*) zeigt den
Vf. nicht im Besitze des erforderlichen Rüstzeuges. Ohne Kenntnis der Textgeschichte,
auf alten schlechten Ausgaben fussend, sucht er eine Reihe üblicher Lesarten als
Entstellungen zu erweisen, für die er Besserungsvorschläge bei der Hand hat. Sie
erscheinen um so weniger annehmbar, als ihnen das gefährliche Kriterium des
subjektiven, von Verstand und Logik geleiteten Geschmackes zu Grunde liegt. —
Gries b. Friedr. Karl Meyer: N&S. 65, S. 173-89. — 51) H. Schneider, D. Abt K. Reitenberger: Bohemia N. 228/9, 230, 232.
— 52) G. Karpeles, Goethe in Franzensbad: FeuilletZg. N. 469. - 52a) X Goethe u. Kaiser Nikolaus L: FZg. N. 157.
(Mitteil, aus d. Aufzeichn. d. russ. Schriftstellerin A. 0. Smirnow.) —
1) G. Wustmann, E. angeblich Goethescher Vers: Grenzb. 1, S. 596/7. — 2) Rtid. Hildebrand, D. wirkl.
Urheber e. angeblichen Verses v. Goethe: ZDü. 7, S. 291/3. — 3) X (1 '^ = «5-) — 4) X K. Goedeke, Goethes Gedichte mit
Einl. 2 Bde. 8t„ Cotta. 304, 315 S. M. 2,00. — 5) (IV 8a: 112/3.) — 6) Herrn. Schrader, Entstellungen Goethescher
O. Pniower, Goethes Lyrik. IV 8c : 7-11
Auch Siegmar Schultzes') Buch ist vom Standpunkte des wissenschaftlichen Fort-
schrittes aus betrachtet eine Nullität. Bekanntlich kann aber auch das Unzuläng-liche
Ereig-nis werden und das Mang-elhafte nutzbring-end sein. Auch fehlt es natürlich in
dem Werk nicht an richtig-en, gelegentlich auch wohl neuen Beobachtungen. Aus
diesen Gründen, und weil es überdies unserem Programm entspricht, von jeder
Erscheinung Notiz zu nehmen, wollen wir registrieren, wie weit die Darstellung*, die
Seh. von der Entwicklung" des jungen Goethe giebt, den Lyriker betrifft. Das erste '
Heft bietet eine Zusammenstellung derjenigen deutschen und auswärtig-en Litteratur,
die von Goethe teils sicher g-elesen wurde, teils ihm wenigstens zur Verfüg-ung* stand.
Seh. giebt nicht mehr als eine katalogartige Aufzählung. Ich kann mir aber vorstellen,
dass ein schöpferischer, über Geist und Kritik verfüg-ender Forscher aus diesem Stein
Funken schlägt. 1, S. 37 handelt von der Naturbetrachtung- des 16jährigen Goethe,
wobei es freilich an unbegründeten Behauptungen nicht fehlt. Heft 2, S. 9 berichtet
über die Fortschritte, die Goethes Lyrik in Leipzig macht, und bespricht das kleine
Stimmungsbild; S. 19 seinen üebergang zur Anakreontik; S. 26, 33, 40 zeigt
die Einwirkung der von Eifersucht geplagten Liebe zu Käthe Schönkopf auf die Lyrik
des Dichters und ihre Widerspiegelung darin. Heft 3, S. 11 wendet sich der Lyrik der
Frankfurter Periode (Herbst 1768 bis Ostern 1770) zu und berührt (S. 18) Wielands Einfluss,
behandelt aber weiterhin die Strassburger Zeit. S. 45 ist von Herders Einfluss die
Rede. S. 56 gelangen die Friederikenlieder zur Besprechung. Seh. vermehrt die
Zahl derer, die für sie eine eigene Chronologie bereit haben, ohne dass er
nach meiner Meinung überall das Richtige trifft. Absurd ist die Ansicht, die er über
die Entstehung von „Willkomm und Abschied" vorträgt. Danach ist das Lied
nicht in einem Zuge gedichtet, sondern die ersten beiden Strophen sind am 30. März
1771, die beiden letzten im Juni desselben Jahres verfasst ! Im vierten Hefte, in der die
vor der Wetzlarer Episode liegende Frankfurter Zeit (1771 — 72) charakterisiert wird,
kommen neben den Liedern im Götz, Goethes Beschäftigung mit Ossian (S. 9) zur
Sprache: S. 51 die Pindarisch-Klopstocksche Lyrik; S. 55 „Der Wanderer" und
„Wanderers Sturmlied"; S. 61 die Freundschaftsoden (Elysium, Pilgers Morgenlied,
Felsweihegesang an Psyche). Sie werden mit ähnlichen Gedichten Mercks verglichen,
und es wird eine Einwirkung dieser auf sie konstatiert. — Sechs Gedichte der Frank-
furter und ersten Weimarer Zeit (Prometheus, Ganymed, Lied an den Mond, Gesang
der Geister über den Wassern, Ilmenau, Zueignung) unterwirft K. Lorenz^) einer für
das Niveau der Schule berechneten Betrachtung, bei der es ihm in erster Linie auf
Analysen ankommt. Beim „Prometheus" trägt er einen im engeren Sinne religiösen
konfessionellen Charakter in die Schöpfung, der vom Dichter nicht beabsichtigt ist.
Im „Ganymed" ist das Momentane der Situation nicht scharf genug festgehalten und
der Sinn in einer miss verständlichen Weise verallgemeinert. Die Analyse von „Ilmenau"
verdient nicht mehr diesen Namen. L. giebt eine roh skizzierende Inhaltsangabe, die
den poetischen Gehalt des Gedichtes nicht ahnen lässt. Dergleichen ist der Tod der im
guten Sinne ästhetischen Betrachtungsweise und erscheint mir für Schüler nichts weniger
als musterhaft. In der Behandlung der „Zueignung" macht L. Aufbau und Gliederung
des Gedichtes klar, um sich dann der Betrachtung der Form zuzuwenden. Er verweist
zur Erklärung der Scenerie auf die zahlreichen, in Nebel gehüllten Göttererscheinungen
bei Homer, zeigt aber, wie Goethe im Vergleich zu ihm darauf bedacht ist, die Vision
auf einen Naturvorgang zu gründen, den er mit höchster Treue beschreibt. Das
Bekenntnis, dass er die poetische Erfindung in dem einen Punkte nicht für glücklich
halten könne, dass der Dichter gerade den Schleier von der Wahrheit empfange, hätte
ich L. gern erlassen. Das Symbol steht durchaus nicht folgenlos da, wie er meint.
Zuletzt giebt L. den Zweck des Gedichtes an. —
Das Hauptkontingent zu unserer Heerschau stellen auch dieses Mal diejenigen
Schriften, die einzelne Schöpfungen betrachten, sei es, dass sie diese im ganzen
behandeln, sei es, dass sie einen einzelnen Beitrag zu ihnen liefern. Doch liegen auch
solche vor, die ganze, vom Dichter veranstaltete Sammlungen zum Gegenstand ihrer
Erörterung genommen haben. Um den chronologischen Faden, der uns wieder leiten
soll, nicht zu zerreissen, scheiden wir diese Gruppen und etwaige Untergruppen nicht
weiter. Gleich die erste lyrische Sammlung, die Goethe hat erscheinen lassen, das
Leipziger Liederbuch, hat in Strack^) einen trefflichen Bearbeiter gefunden. St.
behandelt jedes der 20 in dem Buch vereinigten Lieder einzeln. Seine Schrift ist also
ein Kommentar. Bei jedem giebt er äussere und innere Entstehung, sowie Ueber-
lieferung an, um sich dann der Interpretation zuzuwenden. Den Schwerpunkt seiner
Betrachtung bildet die Frage nach der Tradition. Stets ist er bestrebt, sie für die
Gattung, der das Gedicht angehört, zu bestimmen. Aber nicht bloss für die Gattung
Gedichte n. Besseningsvorschläge: ZDS. 7, S. 243-53. - 7) (IV 8b: 27.) — 8) (I 7 : 44 ) |[L. Hol scher: ASNS. 91, 8.469-70.])
— 9) A. Strack, Groethes Leipziger Liederbuch. Giessen, J. Ritter. 175 S. M. 3,60, — 10) (IV 8b: 33.) — 11) L. Blame,
IV 8c : i2-i3a 0. Pniower, Goethes Lyrik.
verfolg-t er ihre Spuren, sondern auch für einzelne Motive und Züge. Ja sogar für
einzelne Worte thut er es, wenn sie, wie etwa „tändeln", irgend charakteristisch sind.
Sein Blick ist dabei keineswegs auf denjenigen Kreis der poetischen Litteratur
beschränkt, dem die Lieder hauptsächlich angehören: die Anakreontik, wenngleich er
natürlich sie vor allem berücksichtigt, sondern er ist auch auf die ältere Produktion,
die sie vorbereitete, die Poesie des 17. und 16. Jh. gerichtet. Sogar die Urquelle dieser
" Renaissancelitteratur, die Antike (Griechische Anthologie und Römische Elegiker)
berücksichtigt St. vielfach. Für die Anakreontik zieht er die gesamte Litteratur
heran, neben der französischen auch die entlegenere deutsche. Man begegnet Autor-
namen, die selbst die Litteraturgeschichte nicht mehr zu verzeichnen pflegt. Neben
der Frage nach dem Zusammenhange der Motive beschäftigt St. am meisten die
sprachliche, im engeren Sinne lexikalische Seite seiner Aufgabe. Um Wortgebrauch
und -bedeutung festzustellen, sammelt er reichliche Belege. Er hat dabei den glück-
lichen Gedanken gehabt, ausser der Praxis, d. h. den Dichtern, auch die Theorie zu
Rate zu ziehen, indem er für die Erklärung gleichzeitige Grammatiker und Lexiko-
graphen citiert. Auch hier schrickt er vor der Obskurität eines Namens nicht zurück.
Manchen interessanten Bedeutungswechsel lernt man durch ihn kennen. Damit sind
aber die Vorzüge des Buches, soweit sie sich aus seiner Anlage, aus der Tendenz
des Vf. ergeben, noch nicht erschöpft. Auch das ist noch zu loben, dass auf die
Gesamtlyrik Goethes Streiflichter fallen, insofern für bezeichnende Motive oder Epitheta,
für solche, die für seine spätere Poesie charakteristisch wurden, die Stellen aus der
späteren Produktion nach Kräften gesammelt sind. So die für die Mondpoesie, für Bei-
wörter wie „heiter'\ „rein", „still". In Bezug auf den Geist, mit dem die Intentionen
St.s durchgeführt sind, sei noch gesagt, dass er alle Mittel der Philologie beherrscht,
sich in den Charakter der Gedichte tief eingedrungen zeigt und manche neue
Beobachtung zu Tage gefördert hat. Bemerkenswert ist der Eifer, mit dem er, wie
hohen Wert er auch auf den Nachweis der Tradition legt, darauf achtet, wann und
wie der junge Dichter die Fesseln der Ueberlieferung bricht und selbständigen,
individuellen Geist kundgiebt. —
Die Lieder der Strassburger Zeit, von jeher ein beliebtes Thema, fanden
dieses Mal keinen Bearbeiter. Doch geht Düntzer'<^3 in seiner Rettung Friederikens
von neuem auf sie ein. Mit der Darstellung der Beziehungen Goethes zu ihr verbindet
er eine hauptsächlich der Chronologie der Gedichte geltende Betrachtung. Seine
Auffassung zeigt sich von seiner bisherigen (vgl. JBL. 1892 IV 9c: 17) nicht ver-
schieden. —
Auch für diejenige Epoche, die den Höhepunkt der Goetheschen Liebeslyrik
umfasst, die Frankfurter Zeit (1771—75) liegt kein Beitrag vor. Erst die Weimarer
Zeit (vgl. IV 8a: 168) fand ihre Homere. Georg EUinger hat zuerst zusammenfassend
auf den Einfluss hingewiesen, den Johannes Secundus in dieser Periode für eine
längere Zeit auf Goethe ausgeübt hat (vgl. JBL. 1892 IV 9c: 14). Zur Stütze dieses
Nachweises macht Blume ^^J auf eine in der zweiten Abteilung des Taschenbuches
für Dichter und Dichterfreunde für das J. 1780 unter der Chiffre v. K .erschienene
Umdichtung einer Elegie des Neulateiners aufmerksam. War dieser der Bearbeiter,
dann zeigt sich, meint B., wie bekannt Job. Secundus in Weimar war. Indem er
dann das Verhältnis der Umdichtung zum Original betrachtet, kommt er zu dem Schluss,
dass das Gedicht in mehrfacher Beziehung als eine Art Vorläufer von Goethes
Römischen Elegien anzusehen ist. —
Ueber eine Stelle im „Fischer", die W^orte : „W^as lockst du meine Brut . . .
Hinauf in Todesglut" lassen sich zwei Stimmen vernehmen. Nach' der Ansicht
Kohlschmidts 12J erklärt sich der Ausdruck „Todesglut" daraus, dass auf die im
kühlen Bereich des Wassers lebenden Fische, wenn sie an das Ufer gebracht werden,
die warme atmosphärische Luft gewissermassen versengend wirkt. Ihr Verschmachten
auf dem trockenen Lande könne danach dichterisch sehr wohl als ein Verbrennen
aufgefasst werden. — Für diese Meinung liest ihm Lyon^^) ein wenig den Text.
Er ist der Ansicht, dass die Aeusserung, die Goethe zu Frau von Stael über die Stelle
that, für die Erklärung allein massgebend sei. Danach ist mit „Todesglut auf die
Tod bringende Glut des Küchenofens, auf dem die Fische zubereitet werden, an-
gespielt". Mir ist es unbegreiflich, wie man eine derartige Aeusserung des Dichters
für Ernst nehmen kann, aber auch Kohlschmidts Auffassung scheint mir nicht un-
anzweifelbar. Könnte Goethe nicht „Todesglut" gesagt haben, ohne an Atmosphäre
oder Temperatur zu denken? Giebt man als möglich zu, dass er das Sterben unter
der dichterischen Vorstellung des Verglühens ansah, so kann man seiner sprachlichen
Kühnheit zutrauen, den Tod als Todesglut zu bezeichnen, i^») —
Joh. Secundus in Weimar: ChWGV. 8. 30. — 12) W. Kohlsohmidt, Zu Goethes Fischer: ZDU. 7, S. 502. — 13) 0. Lyon,
Zu Goethes Fischer: ib. S. 571/2. — 13a) X L- Hö Isoher, E. Grosse, Z. Erklärung v. Goethes Gedicht „D. Göttliche" (vgl.
0. Pniower, Goethes Lyrik. IV 8c : u-ica
Zwischen den „Grenzen der Menschheit" und Ovids Metamorphosen
schläg-t der kühne Konstrukteur S p r e n g- e r ^4) eine Brücke. Erblickte kürzlich
ein anderer Forscher (vgi. JBL. 1891 IV 9c: 28) in den Worten der zweiten
Strophe „Hebt er sich aufwärts und berührt mit dem Scheitel die Sterne usw." einen
Reflex der ersten Versuche auf dem Gebiete der Luftschifffahrt, so vernimmt Sp. darin
Ankläng-e an den Ikarusmythus und denkt an Einwirkung- von Ovids Darstellung
(lib. VIII, V. 189 ff.) auf sie. Auf das Bild von den „unsicheren Sohlen" aber soll
Goethe, wenn ich ihn recht verstanden habe, durch die geflügelten Sandalen g-eführt
worden sein, mit denen Hermes bei Homer die Luft durchschreitet! —
Besonderer Aufmerksamkeit von selten der Forschung- erfreut sich seit
läng-erer Zeit das Gedicht „Ilmenau" (vgl. JBL. 1892 IV 8c : 22). Ausser K. Lorenz '^)
in der schon angeführten Arbeit beschäftig-ten sich noch zwei andere mit ihm. —
Der eine, ein Anonymus^^'), nimmt in V. 114/5: „Und wenn ich unklug Mut und
Freiheit sang Und Redlichkeit und Freiheit sonder Zwang" an dem zweiten „Freiheit"
Anstoss. Schon andere vor ihm wollten es nicht gelten lassen und schlugen dafür
Worte wie „Treue" und „Freimut" vor. Düntzer hielt es ledigiich für ein Versehen
des Abschreibers. Die Orighialhs. Goethes von dem Gedicht, die wir seit einig-er Zeit
kennen (GJb. 7, S. 267 ff.), lehrt aber, dass der Dichter selbst so schrieb.
So muss es, wie der Anonymus meint, ein Schreibfehler sein. Schon die
Tautologie in der V/endung „Freiheit ohne Zwang" nötige zu dieser Annahme. In
Wahrheit habe er „Frohheit ohne Zwang" sagen wollen. Mir will der Vorschlag-
nicht glücklich erscheinen. Abgesehen von anderen Einwänden, die sich machen
Hessen, will ich nur bemerken, dass sachlich der damit ausgedrückte Gedanke wenig
in den Zusammenhang* passt. Es handelt sich an dieser Stelle um eine kurze
Charakteristik der für den Dichter jetzt überwundenen Poesie der Sturm- und Drang-
zeit. Für sie kann aber „ungezwung-ene Fröhlichkeit" als ein irgend treffendes
Kennzeichen gewiss nicht gelten. Ich g-laube, die als Angriffspunkt benutzte Tautologie
ist eine durchaus bewusste und dient zur Verschärfung des Geg-ensatzes zu der vor-
herg'ehenden in „Mut und Freiheit" enthaltenen Charakteristik. Mit dieser ist auf den
Götz, mit der ,, Freiheit ohne Zwang-" auf die Stella ang-espielt. — Der andere,
Fi eli tz '^), erörtert in einem frisch g-eschriebenen Programm die Frag-e, welche Per-
sönlichkeiten der Dichter bei den V. 59 ff. im Auge gehabt habe. Dass V. 59—68
Knebel gemeint sei, wie Goethe geg-en Eck ermann 45 J. nach der Abfassung des Ge-
dichtes äusserte, hält er für unmöglich, weil die in den Versen g-egebene Charakteristik
bis auf den äusserlichen Zug- des starken Rauchens ganz und gar nicht auf diesen
Mann passe. Goethes Irrtum, den anzunehmen F. sich nicht leicht entschliesst,
macht er psychologisch verständlich durch den Hinweis auf die Veränderung, die
sich in der Zwischenzeit in Knebels Wesen vollzog. Indem der „behaglich gewordene
Mann das Bild des früheren nervösen Hypochonders unmerklich verdrängt, konnte
er wohl für das altgewordene Original jenes gutmütigen Spassmachers, wie ihn das
Gedicht schildert, gelten, eine Verschiebung der Bilder, zu der die Tabakspfeife, die
auch der greise Knebel nicht leicht ausgehen Hess, der unwillkürliche Anlass ge-
wesen sein mag". Wie sich aber Goethes Aeusserung, dass in diesen Versen Knebel
dargestellt sei, als unrichtig erweist, so auch die, dass in den folgenden V. 69—76
Seckendorf geschildert ist. Denn auch hier stimmen, wie F. zeigt, die der Persön-
lichkeit beigelegten Eigenschaften zu denen dieses Mannes, so weit wir ihn kennen,
nicht. Dagegen passen sie vortrefflich auf — Knebel. Dass dieser an zweiter Stelle
porträtiert ist, hatte schon Blume behauptet (vgl. JBL. 1890 IV 11c: 21), was F.
erst während der Arbeit am Programnr bekannt wurde. Doch begründet F. die Ansicht
besser als jener. Er weist nach, dass das vom Dichter entworfene Porträt Zug
für Zug der Physiognomie dieses Mannes entspreche. Auch die Stelle, wonach der
Geschilderte es liebte „vom Tanz der himmlischen Sphären ein monotones Lied mit
grosser Inbrunst zu singen", bringt F. zu Knebel in weit überzeug-enderer Weise in
Beziehung, als es Blume gelungen war. Dessen Ansicht, dass Knebel schon 1783
monotone, den Kosmos feiernde Hexameter gedichtet habe, bestreitet er. — Dem gegen-
über verteidigt Blume '^'') seine Ansicht. Die Frage, wer, wenn Knebel nicht in
den Versen 59—68, sondern 69—76 porträtiert ist, an jener Stelle gemeint sei, ist nach
F. nicht einfach unter der Annahme einer bei Goethe oder Eckermann vorliegenden
Verwechslung dahin zu beantworten, dass dort Seckendorf dargestellt ist. Jene
Charakteristik passe auf ihn so wenig wie die in V. 69 — 76 gegebene. F. ist nicht ab-
geneigt anzunehmen, dass Goethe bei den Versen Wedel im Auge gehabt habe. Er
führt für diese Ansicht eine ganze Reihe wieder aus gründlichster Sachkenntnis ge-
JBL. 1892 IV 8c: 23): ASNS. 90, S. 344/5. — 14) B. Sprenger, Zu Goethes Grenzen d. Menschheit: ZDU. 7, S. 833,4. —
15) (S. 0. N. 8.) - 15a) E. Schreibfehler Goethes?: AZg". N. 8. — 16) W. Fielitz, E. Untersuchung zu Goethes Gedicht
Ilmenau. Progr. d. evang. Fürstenschule. Pless. 4». 13 S. |[L. Hölscher: ASNS. 91, S. 470.]| — 16a) (S. o. N. 11.) —
Jahresberichte f&r neuere deutsche Litteraturgeschiohte. lY. 4(25)
IV 8c : i7-i8a 0. Pülower, Goethes Lyrik.
sohöpfter Gründe vor, doch sie bis zur Evidenz zu beweisen, erklärt er sich bis jetzt
ausser stände. --
Für die Morg-enklag-en weist Bronn er'"') in seinem sog-leich näher zu be-
sprechenden Aufsatz (S. 309) auf die Verwandtschaft hin, die das Gedicht in ein-
zelnen Züg-en mit Ovids Amor. I, 6, besonders V. 49 ff., zeigt. Die Uebereinstimmung*
ist derart, dass die Annahme einer unmittelbaren Einwirkung- der antiken Verse auf
die Goetheschen wohl erforderlich scheint. —
Im ganzen ist diese umfangreiche Untersuchung über die Römischen
Elegien^^) von Bronner i***) so beschaffen, dass sie hier weder erschöpfend
charakterisiert noch ihr wissenschaftlicher Ertrag genau angegeben werden kann.
B. wandelt mit seinem Versuch, die Quellen aufzugi'aben, in den Spuren Hellers, so
oft er ihn auch bekämpft. Dieser ging bekanntlich darauf aus, die Goethesche
Sammlung als eine Art Falsifikat zu erweisen, ihr gleichsam die Echtheit abzusprechen.
Nach ihm sollte Goethe von ihm in Rom zur Kunstübung bearbeitete und übersetzte
Stellen des Properz, Tibull und Ovid nachher zu den Elegien zusammengesetzt haben.
So weit geht B. allerdings nicht, der bei aller Abhängigkeit, die er den Elegien von
antiken Mustern zuschreibt, sie durchaus für originale Schöpfungen hält. Und doch
hat man bei der Lektüre seines Aufsatzes fortwährend den Eindruck, dass er sich
die Entstehung der Gedichte ziemlich in der Hellerschen Weise denkt. Es ist das
zum Teil stilistisches Ungeschick, die Folge einer saloppen, nicht genügend sorg-
fältigen und bedachtsamen Ausdrucksweise. So unterscheidet er in seiner Darstellung
nicht einmal zwischen Anspielung und Entlehnung. Liegt bei Goethe ein bewusstes
Citat vor, so schaltet er damit nicht anders als wenn es dieselbe Art Entlehnung
wäre, mit der er es hauptsächlich zu thun hat: die unbewusste Reminiscenz. Dieses
Moment des Unbewussten im dichterischen Prozess aber — und das scheint mir der
Kardinalfehler seiner Darstellung — lässt er nicht scharf genug hervortreten. So
gut wie gar nicht berücksichtigt er bei der Zerlegung der Gedichte in ihre einzelnen
Motive, für die er die antiken Vorbilder anführt, ob und wie viel als unbewusste
Kombination von Reminisoenzen anzusehen ist, als eine Kombination, die schon vor der
Abfassung des jeweiligen Gedichtes in der Phantasie des Dichters vollzogen war.
Indem er das unterlässt, führt seine Behandlung' zu einer grenzenlosen Atomisierung
der Gedichte und erweckt den Schein, als habe Goethe die Motive mühsam zu-
sammengesucht und seine herrlichen Schöpfungen ängstlich aus Einzelheiten zu-
sammengestoppelt. Und wenn er gelegentlich, wie S. 52-7, in Bezug auf die fünfte
Elegie, ebenso auf die vierte geradezu annimmt, es sei ein Einfall erst später zur
Abrundung vorn angefügt worden, so muss dieser Eindruck noch verstärkt werden,
auch wenn wir zu B. das Vertrauen haben, dass er sich die Gedichte im ganzen
keineswegs in dieser handwerksmässigen Weise entstanden denkt. Und noch ein
Moment kam diesem Eindruck zu Hülfe. Es ist bekannt, dass zwischen der
Sammlung der Römischen Elegien und der der Venetianischen Epigramme ein engeres
Verhältnis besteht. Der Zusammenhang ist wohl ein' mehrfacher. Sicher besteht der
zwischen ihnen, ,dass bei der Schlussredaktion unter die Epigramme Gedichte ge-
rieten, die ursprünglich für die Elegien bestimmt waren. B. aber fasst, veranlasst
durch eine gezwungene Interpretation der Aeusserung Goethes über die Elegien in
den Annalen zum J. 1790 die Beziehungen der beiden Sammlungen noch in einem
besonderen Sinn eng auf. Indem er den Ausdruck „ausarbeiten", den Goethe von
seiner Beschäftigung mit den Römischen Elegien gebraucht, geradezu presst, schliesst
er daraus, dass manche der Elegien vom Dichter nachträglich aus kurzen Epigrammen
zu ihrer jetzigen Gestalt aufgeschwellt seien: So soll beispielsweise die letzte
Elegie, die zwanzigste, aus einem Epigramm erwachsen sein (S. 370/1, 442/3), ähnlich
die vierte (ib.). In die achtzehnte soll ein altes Eroticon „hineingearbeitet" sein (S. .540).
Ob er das aber wirklich bewiesen hat? Im vorletzten Fall wirft er nicht einmal die
Frage auf, ob denn das Epigramm, von dem die Elegie die Erweiterung sein soll,
unbedingt älter ist, überlegt nicht, ob das Motiv, in dem die beiden übereinstimmen,
nicht von der Art ist, dass seine Wiederholung innerhalb der erotischen Poesie
gar nicht auffallen kann und deshalb aus ihr solche Schlüsse gar nicht gezogen
werden dürfen. Auch sonst vermisse ich bei B. eigentliches Urteil. Er ist viel
zu rasch geneigt, bei einer Uebereinstimmung im Ausdrucke zwischen Goethe und einem
antiken Dichter auf unmittelbare Beziehungen zu schliessen. Wie viel Aehnlichkeit
und Gleichheit der Motive sich aus dem gleichen Charakter der Poesie, dem gleichen
Kostüm, dem gleichen oder verwandten Thema (Liebesglück, Furcht vor Verrat der
geheimen Liebe, ungeduldiges Erwarten der Geliebten) ergeben, erwägt er nicht.
Auch wie viel Goethe, als er sich der Antike ausschliesslich hinzugeben begann, an
17)(IV8a:166.j — 18) L. di S. Qlusto, Wolfango Goethe. Elegie Roraiine. Traduz. Turin-Rom, L. Roux e C. 51 S. L. 1,00.
— 18a) (8. 0. N. 17.) - 19) Ph. Birt, Wer kauft Liebesgötter?: DRs. 74, S. 370-91. — 20) (IV 6 : 41; 8a: 34a; 9:56.) —
O. Pniower, Goethes Lyrik. IV 8c : 19-20
Vorbildung" in der Kenntnis des antiken Wesens, der Litteratur, Mythologie usw.
mitbrachte, was ihm in ung-efähr vierzig- Jahren durch Erziehung, Lektüre, Studium
zugeflossen war oder sein konnte, bringt er nicht genügend in Anschlag. Um so zu-
versichtlicher ist der nicht selten hochmütige Ton, mit dem er einen unmittelbaren
Zusammenhang feststellt. Bei all diesen Mängeln aber bin ich weit entfernt, der sehr
fleissigen, auf umfassende Lektüre und Belesenheit gegründeten Untersuchung ihren
Wert abzusprechen. Vermag ich auch dem Vf. in der Grundauffassung, die er von
der Entstehung der Römischen Elegien hegt, nicht beizustimmen, kann ich vielfach
seinen Schlüssen rieht folgen, so habe ich doch aus seiner Untersuchung gelernt, wie
durch und durch antik die Gedichte sind, mit welcher Intensität Goethe in das antike
Wesen eingedrungen ist und es in diesen Versen verkörpert hat. Kein Wunder, dass
das persönliche Element in ihnen nicht nur geringer ist als es sonst bei Goethe zu
sein pflegt, sondern auch viel geringer als gemeinhin angenommen wird. Im einzelnen
weist B. dann z. B. zuerst auf den starken Einfluss hin, den die Herderschen Ueber-
setzungen der griechischen Anthologie auf die Elegien gehabt haben. Auch Wielands
Uebersetzung der Horazischen Satiren schreibt er eine Einwirkung zu. Sehr be-
stimmt leugnet er dagegen den immer wieder behaupteten Einfluss der Gedichte
Tibulls auf sie oder auf Goethe im allgemeinen. Auf welche Quellen überhaupt nach B.s
Ansicht die Enstehung der Römischen Elegien zurückzuführen ist, ist auf S. 265 zu-
sammengestellt. Das Verzeichnis weist 17 Nummern auf. Neben antiken Dichtern
nennt es das Hohe Lied, Heinses Ardinghello (dem schon 0. F. Gruppe Einwirkung
auf die Elegien zuschrieb), J. Chr. Günther usw. Von S. 305 an führt B. aus, was
diese Quellen den Gedichten boten erstens in Bezug auf Situationen, dann in Bezug
auf Motive ; zuletzt zeigt er, wie die Motive von Goethe durch Verquickung mit anderen
aufgeschwellt oder vereinfacht, endlich verändert, mit Eigenem durchsetzt, modernisiert
wurden. Auch hier in der Disposition des Stoffes finde ich B. nicht glücklich. Die
Anlage seiner Untersuchung hat viele Wiederholungen zur Folge und bewirkt, dass
die Lektüre des Ganzen nicht gerade erfreulich ist. —
Wie in den Römischen Elegien lebt auch in dem Liede „Wer kauft Liebes-
götter" der Geist der Antike. Wenigstens ruht es im Kern auf einer im 17. und
18. Jh. und im allgemeinen wohl bis heute für antik gehaltenen Vorstellung. Jetzt
erfahren wir in einem lehrreichen und interessanten Essay von Birt^^), der den
Ursprung und die eigentliche Bedeutung der Putten und Amoretten auf den antiken
Bildwerken behandelt, dass die Auffassung Goethes und anderer eine missverständ-
liche und keine ursprünglich antike ist. Die ein verwandtes Motiv wie unser Lied
darstellenden pompejanischen Wandgemälde, deren Zusammenhang mit dem Goethe-
schen Gedicht Düntzer zuerst bemerkt hat, zeigen nicht mehr als idealisierte Scenen
aus dem antiken Kinderhandel. Wenn dagegen in Goethes tändelndem Liede Geliebte
feil geboten werden, von denen man allerlei Freuden erwartet, so ist diese Auffassung
zwar aus der antiken Kunst abstrahiert, aber erst mit Hilfe einer in die Kunstwerke
hineingetragenen Symbolisierung, die ihren Schöpfern fern lag. —
Die Römischen Elegien und das eben besprochene Gedicht bezeichnen noch
nicht den Höhepunkt der antikisierenden Lj^^ik Goethes. Ihn erreicht sie erst in der
Mitte der neunziger Jahre, in der Zeit seiner Mitarbeiterschaft an den „Hören"
Schillers. Goethes Anteil an dem Unternehmen seines Freundes und das Gefühl der
Gemeinsamkeit der Interessen, das er sehr bald empfand, nachdem er Schiller näher
getreten war, führten dann zu dem gemeinsamen Werke beider, zu den Xenien,
bei denen wiederum ein antiker Dichter, Martial, Pate stand. Zu der Erkenntnis
dieses Manifestes, seiner Entstehung wie seiner Beschaffenheit, wird uns in einer neuen
von Erich Schmidt und Suphan^O) veranstalteten Ausgabe der Xenien ein un-
erwarteter, reicher Beitrag gespendet. Man wusste schon aus dem Goethe-Schillerschen
Briefwechsel, dass die Xenien, die der Musenalmanach für das J. 1797 brachte, nicht
in der Gestalt erschienen, die ursprünglich für sie beabsichtigt war. Was in einer
über mehrere Monate sich erstreckenden, gemeinsamen Arbeit auf Grund eines all-
mählich sich ergebenden Planes entstanden war, erschien Schiller, als er im Juli 1796 an
die Redaktion der Distichen ging, in dieser Form nicht mitteilbar und zu Goethes nicht
geringem Schmerz verwarf er den geplanten Aufbau. Seinem uubarmherzig-en Streichen
und Umstellen drohte die erstrebte Harmonie völlig zum Opfer zu fallen; was als ein
schönes Ganzes gedacht war, schien zerstückelt und vereinzelt werden zu sollen.
Glücklicher Weise kam es nicht zu dem radikalen Vernichtungswerk, zu dem Schiller
anfangs entschlossen war. Noch im letzten Augenblicke fand er den Ausweg, was
als ein ungeteiltes Ganzes gedacht war, dem Publikum wenigstens gruppenweise, in
mehr oder minder grossen Massen vorzulegen. Die aggressiven Xenien, um deren
willen das Werk unternommen wurde, bildeten die für sich bestehende Hauptmasse.
Das vorhandene Material schonte Schiller jetzt mehr als er anfangs gewillt war, doch
Hess er immerhin einen recht beträchtlichen Teil fallen; auf der anderen Seite be-
(4)25*
IV 8c : 20 0. Pniower, Goethes Lyrik.
reicherte er freilich die vorhandene Menge und nicht um die schlechtesten Nummern.
Auch die Tendenz, die dem g-eraeinsamen Unternehmen zu Grunde lag", brachte die
neue Redaktion genüg-end zur Geltung. Eher Hess sie sie stärker hervortreten, als
es bei der unveränderten Publikation des alten Werkes geschehen wäre. Aus diesem
alten Werke ward eine nicht geringe Anzahl derjenigen Distichen, die Schiller bei
seiner Redaktionsthätigkeit unterdrückt hatte, schon im J. 1856 durch Boas-Maltzahn
(Schillers und Goethes Xenien-Ms.) veröffentlicht. Sie waren auf einigen Blättern
überliefert, die sich von der zwischen Weimar und Jena wandernden FTs. erhalten
hatten, in die beide Dichter abwechselnd die jeweiligen Erträge an Distichen eigen-
händig eintrugen. Von diesem Originalms. Hess Goethe um den Anfang Juli 1796
von seinem Schreiber Geist eine Abschrift anfertigen, und diese ist es, die jetzt ans
Tageslicht getreten ist. In den Besitz des Goethe und Schiller-Archivs gelangt, gab
sie den Anlass zur vorliegenden Publikation und sie bildet ihren Kern. Nach den
Begriffen derjenigen, denen die wissenschaftliche Erforschung unserer klassischen
Litteratur am Herzen liegt, ist damit ein herrlicher Fund gemacht. Seine Bedeutung
Hegt nicht bloss darin, dass wir das gemeinsame Werk der Dioskuren in einem älteren
Stadium kennen lernen, dass wir dessen Plan sich bilden sehen, das allmähliche
Werden des Unternehmens überschauen, auch nicht allein darin, dass uns nicht
weniger als 178 bisher unbekannte Xenien Goethes und Schillers dargeboten werden,
sondern auch die Lösung des Problems, das die Xenien der Forschung stellen, wird
durch ihn erheblich gefördert. Für die Frage nach der Verfasserschaft ist die durch
die Hs. überlieferte, nach der Entstehung geordnete Gruppierung nicht selten von
Wichtigkeit, mindestens giebt sie einen Wink. Auch die durchaus noch nicht völlig
erreichte sachliche Erklärung der Distichen ist sie zu unterstützen geeignet. Denn
die besondere Natur dieses Werkes bringt es mit sich, dass viele von ihnen, reich an
dunklen, oft absichtlich versteckten Anspielungen, ihr Licht von der Nachbarschaft
empfangen. Wie leicht mochte das eine Xenion ein verwandtes hervorgelockt haben,
das dieselbe Erscheinung zur Zielscheibe nahm! In dieser Weise reicht uns
das neu aufgetauchte Ms. Stützen dar, deren uns Schiller durch die Zerstörung
der ursprünglichen Ordnung vielfach beraubt hatte. Dazu kommt, dass in dem
früheren Stadium die Ueberschriften der Xenien meistens weniger verhüllt
wurden als später, so dass wir in einigen zweifelhaften Fällen jetzt aus ihnen
erfahren, wer den Gegenstand ihres Spottes bildete. EndHch übersehen wir,
indem das Ms. das Korpus der bis Ende Juni 1796 vorhandenen Distichen überliefert,
jetzt erst in Wahrheit Schillers redaktionelle Thätigkeit, die sich von ihrer glänzendsten
Seite zeigt. Auch auf die Frage nach seinem Anteil als Autor erhalten wir dadurch
reichere Antwort als die Forschung bisher zu geben vermochte. Wir sehen, wie
seinem satirischen Genie noch vor Thoresschluss die schlagendsten und witzigsten der
Xenien wie die Episode mit den Homerischen Rhapsoden, der sich anschliessende
Dialog mit den Philosophen u. a. zuströmen. Für diese Frage nach der Verfasserschaft
bietet der Band übrigens noch mehr Neues. Ausser der erwähnten Abschrift Geists
fand sich ein Konvolut Goethescher Konzepte und Geistscher Munda (in dem Bande
mit H" signiert), die Goethes festes Eigentum vermehren. Diesen schönen Gewinn an
poetischem und wissenschaftlichem Material legen uns die Herausgeber in der Weise vor,
dass zuvörderst das wichtigste : das Geistsche Mundum vom Juli 1796 abgedruckt wird.
Um aber die ganze Summe der von den Dichtern in dieser Zeit verfassten Distichen zu
geben, lassen sie dann zunächst unter dem Titel „Skizzenblätter und Vereinzeltes" die in
H» überlieferten, also von Goethe verfassten, folgen. Daran schliessen sich in einem
„Anhang" die von Boas-Maltzahn zuerst veröffentlichten, soweit sie nicht im Geistschen
Mundum vom Juli enthalten sind, denen diejenigen „Xenien" und „Distichen aus dem
Almanach" folgen, die weder im grossen Korpus stehen noch von Boas-Maltzahn
publiziert sind. Es sind also diejenigen, die Schiller während der Redaktionsthätigkeit
(oder kurz vorher) verfasste. Das ist eine Gruppierung, die von der hergebrachten,
durch Schiller bestimmten Anordnung natürlich total abweicht. Im ersten Augenblick
findet man sich auch nicht zurecht. Doch da der Lesartenapparat und ein Register
sorgfältig angeben, an welcher Stelle im Almanach oder bei Boas die bisher bekannten
Distichen stehen, so ist es, wenn man sich mit dem Bande vertraut gemacht hat, ein
leichtes, den überreichen Stoff zu übersehen. Der Ausgabe geht eine Einleitung voraus,
die eine gedrängte Entstehungsgeschichte des Distichenwerkes giebt. Hier wird auch
(S. 24/5) eine Charakteristik des dem ursprünglichen Korpus zu Grunde liegenden
Planes begonnen, zu dem der Kommentar die Belege und zugleich die Fortsetzung
liefert. Dieser Kommentar dient der Sacherklärung und berührt natürlich auch die
Autorschaftsfrage. Er benutzt die dahin einschlagenden Arbeiten von Jenisch bis
Jonas und setzt sie vielfach voraus, bringt aber eine Fülle neuer Aufschlüsse, die
von der grossen Belesenheit der Herausgeber und ihrer liebevollen, keine Mühe des
Nachsuchens scheuenden Versenkung in die Aufgabe ein rühmliches Zeugnis ablegen.
0. Pniower, Goethes Lyrik. IV 8c : 21-26
— Eine häufig benutzte Zielschiebe für die Xenien war der Breslauer Rektor Manso.
Ihm galt eine ganze Reihe von Distichen. Das neu aufgefundene Ms. bietet mindestens
vier gegen ihn gerichtete (worunter ein sehr cynisches), die später unterdrückt
wurden. Mit diesem Manne und seinem Verhältnis zu Goethe und Schiller beschäftigt
sich Tröger 21) in einer Gelegenheitsschrift. In dem ersten Abschnitt „Herausforderung
zum Xenienkampf" charakterisiert er unparteiisch Mansos Horenrecension, die Schillers
ästhetisch-philosophischen Schriften so wenig gerecht wird. Im zweiten, „Xenienangriff",
werden die auf Manso gemünzten Distichen im einzelnen erörtert. Im dritten, „Mansos
Gegenwehr", charakterisiert T. hübsch die Gegenxenien, von denen er eine reiche
Auswahl unter den sieben Dutzend citiert. Im letzten Abschnitt „Nachklänge und
Friede" bespricht er die Nachwirkung der „Gegengeschenke an die Sudelköche" auf
beiden Seiten. —
Der Sturm, den die Xenien in Deutschland erregten, dauerte noch fort, als
Goethe unbekümmert um das Tagesgeschi'ei wieder über einer stillen dichterischen
Arbeit sann. Die beste Antwort auf das hässliche Echo, das seinem und Schillers
keckem Unternehmen von allen Seiten entgegenscholl, war das in dem Xenienjahre
begonnene und im Anfang des folgenden abgeschlossene bürgerliche Epos: Hermann
und Dorothea. Die Elegie, mit der Goethe dieses Gedicht den Lesern empfahl,
hatte wie teilweise die Xenien seinen Ursprung in der Verständnislosigkeit, die das
grosse Publikum gegenüber seiner antikisierenden Lyrik, den Elegien und den Vene-
tianischen Epigrammen, bewies. Indem Goethe in dieser Elegie eine poetische Recht-
fertigung dieser seiner Dichtungen giebt, zeigt sie sich durch dieselben Angriffe
hervorgerufen, die die Xenien veranlassten. Zugleich ist sie wie das Epos eine
Antwort auf die neuen durch die Distichen heraufbeschworenen Streitschriften, nur
keine so diskrete. Eine schöne Charakteristik dieser Elegie gewährt Hehn auf S. 57—60
seiner Schrift über das Epos, die Schiemann und Leitzmann22) aus dem
Nachlass herausgegeben haben. -^) —
Auch das im JuU 1798 entstandene Gedicht „Deutscher Parnass" ist eine
Folge der Xenienbewegung. Das zeigt von neuem Jacoby^*), nachdem er zunächst
den Gang der schwierigen Dichtung angegeben und ihren ironisch - satirischen
Charakter festgestellt hat. Die in ihr enthaltene Satire zielt mittelbar auch auf Herder
und Wieland, gilt aber hauptsächlich Gleim. Er hatte auf die Neckereien, die er in
den Xenien erfuhr, mit schwerem Geschütz erwidert, indem er ihnen die unglück-
seligen Reimereien, die das Büchlein „Kraft und Schnelle des alten Peleus" enthält,
entgegensetzte. J. zeigt hübsch, wie^ Goethe in ihnen den Anlass zu seinem Liede
fand, wie Bilder, die Gleim hier gebrauchte, „seine satirische Phantasie befruchteten."
Ich halte den Beweis für schlagend und alle Zweifel, die man in Betreff der Ent-
stehung des Gedichtes noch hegen konnte, scheinen mir endgültig beseitigt. Wie J. weiter
ausführt, soll auf die Entstehung des Liedes noch ein Gedicht Retzers eingewirkt
haben, ein Gedicht, worin Gleim und seine Freunde in dem in diesem Kreise üblichen
rührseligen Tone verherrlicht wurden und das im Juniheft des Teutschen Merkurs
erschien. Wenigstens soll es in Goethe die Lust zu dem satirischen Scherz verstärkt
haben. Ob die Annahme richtig ist, ist schwer zu entscheiden; möglich wäre es immerhin,
dass das Gedicht den letzten Anstoss gab. Zeigt so die Entstehung des Liedes, wofür
wir es zu halten haben, so beweisen es noch einzelne Züge, die nur dann verständ-
lich sind, wenn man die Satire als seinen Grundcharakter anerkennt. Zum Schluss
zeichnet J. in raschen Strichen Goethes Verhältnis zu Gleim. (Vgl. auch JBL. 1892
IV 8c: 28.) —
In einem Vortrage über Goethes Beziehungen zur österreichischen Kaiserin
Maria Ludovica werden die im Namen der Bürgerschaft von Karlsbad im J. 1810
von ihm verfassten Gedichte „Der Kaiserin Ankunft", „Der Kaiserin Becher" usw.
von Guglia-^) erörtert. —
Unter dem Titel „Gedicht-Ms. Goethes" veröffentlicht ein Anonymus^«) ein
Faksimile einer Goetheschen Niederschrift der beiden unter der Ueberschrift „M em ento"
in der Rubrik „Epigrammatisch" vereinigten Vierzeiler. Der Titel ist nicht ganz
zutreffend oder wenigstens irre führend, insofern das Original der Niederschrift aus
dem J. 1825 stammt. Das ist 10 Jahre nach der Abfassung der betreffenden Verse,
die zuerst in der Ausgabe von 1815 veröffentlicht wurden. Es handelt sich also
genau genommen um kein Gedicht-Ms., sondern um eine Stammbucheintragung oder
ein Autograph, das lediglich sportlichen Wert hat, für die Textgeschichte der Sprüche
aber nicht in Betracht kommt. —
Von dem im Nov. 1816 verfassten tiefsinnigen, im Ausdruck nicht leichten
21) (IV 8a: 130.) — 22)(IV8d:4.) - 23) X K. Heinemann, J. Kassewitz, Darlegung d. dichterischen Technik t.
„Alexis u. Dora« (vgl. JBL. 1892 IV 8c : 24): BLÜ. S. 660/3. — 24) D. Jacoby. Goethes Gedicht: Deutscher Parnass:
GJb. 14, S. 196-211. |[ZDÜ. 7, S. 772.]| (Auch Vortr. geh. in GDL. Okt.: DLZ. S. 60.) — 25) (IV 8b : 45.) — 26) Gedichtms.
IV 8c : 27-29 IV 8d : 1-4 G. Witkowski, Goethes Epos.
Gedicht „Trauerloge" (Weim. Ausg. 3, S. 65) giebt Vogel ^'') eine gute, die Loepersche
(Hempelsche Ausg. 2. Aufl., S. 548) bei weitem übertreffende Erklärung. —
Von dem Zum 28. Aug. 1823 von Goethe an eine Gesellschaft ver-
sammelter Freunde gerichteten Sendeblatt (Weim. Ausg. 4, S. 28) fand sich in einem in
Schweden aufbewahrten Stammbuch als eingeklebtes Autograph das Konzept. Arn-
heim^S) giebt davon unter Mitteilung der in einigen Versen hervortretenden Ab-
weichungen Nachricht. —
Mit einer Original-Niederschrift, wahrscheinlich ebenfalls dem Konzept zu
dem in der Mitte der zwanziger Jahre verfassten Zahmen Xenion „Die beiden
lieben sich gar fein" usw. (Weim. Ausg. 3, S. 355), macht uijs auch Pick2^)bekamit.
Die Mitteilung liefert ein bezeichnendes Beispiel für den Gegensatz des Momentanen
und Endgültigen, des, wenn man will, Privaten und Offiziellen, des Besonderen und
Allgemeinen beim bejahrten Dichter. Die erste Fassung des Spruches, die wir jetzt
erst kennen lernen, war ein „poetisches Kompliment" Goethes an seinen Mitstreiter
Purkinje. Dieses persönliche Moment verwischt er später, als er daran geht, dem
Gedichtchen Aufnahme in seine Werke zu gewähren. Indem er es aber statt in den
Hinweis auf die W^erke des befreundeten Physiologen in den Ausdruck eines Grund-
gedankens seiner Weltanschauung auslaufen lässt, erhebt er es aus einer beschränkt
persönlichen in eine weite allgemeine Sphäre und giebt ihm jene grandiose Per-
spektive, die uns so oft gerade die Schlüsse seiner Schöpfungen, auch solcher von
geringstem Umfang, eröffnen. —
d) Epos.
Georg Witkowski.
Allgemeines N. 1. — Hermann und Dorothea N. 4. — Der ewige Jude N. 17. — Werther N. 18. — Wilhelm
Meister N. 30. — Novelle N. 35. —
Von allgemeiner Bedeutung für Goethes epische und dramatische Dichtung
ist sein Verhältnis zu Homer. S ehr eye r^), der es schon früher mit umfassender
Kenntnis behandelt hat, schildert jetzt in einer Schrift, 'die in erster Linie für die
Hand reiferer Schüler bestimmt ist, von neuem kurz Goethes Stellung zu dem
griechischen Sänger und erörtert sodann dessen "Einfluss auf die einzelnen Werke: unter
den epischen „Werther", „Hermann und Dorothea", wo das Homerische besonders in
den Schilderungen hervortritt, und „Achilleis". Hier wird die Ueberlieferung des
Stoffes in Ilias, Odyssee und bei den Späteren vorgeführt, Goethes Aeusserungen
über den Plan sind zusammengestellt und an dem Ausgeführten weist Seh. nach,
dass der Dichter sich zu eng an das antike Vorbild angeschlossen hat. — Unmittel-
bar an Homer erinnert auch Goethes Absicht einer kleinen epischen Dichtung
„Margites" 2), die er in einem bisher unbekannten Briefe an Friedrich Schlegel von
Mitte Juli 1798 äussert. 3-3a) _
Die hervorragendste Erscheinung des Jahres auf unserem Gebiete liegt ihrer
Entstehung nach um mehr als vier Jahrzehnte zurück. Es ist die Schrift über
Hermann und Dorothea von Hehn. Aus Vorlesungen entstanden, war sie schon
1851 zur Veröffentlichung vorbereitet, als sie bei der Verbannung 'des Vf. von der
russischen Polizei konfisziert wurde. Als er sie zurückerhielt, war sie an mehreren
Stellen verstümmelt, und er hat später diese Lücken nicht wieder ausgefüllt, da er
den Gedanken der Herausgabe offenbar aufgegeben hatte. Das wird dadurch bewiesen,
dass er grössere Abschnitte in spätere Aufsätze wörtlich hinübernahm. Trotzdem
sind wir aber den Herausgebern Leitzmann und Schiemann^) zu lebhaftem
Danke verpflichtet, dass sie diese Arbeit aus dem Nachlass des Vf. hervorgezogen
haben. Hehn erscheint darin in voller jugendlicher Kraft, weicher und liebenswürdiger
als in späterer Zeit, auch Goethe selbst gegenüber noch nicht durch einseitige Vor-
liebe für die Schöpfungen der mittleren Periode des Dichters befangen. Freilich ist
in den thatsächlichen Teilen manches seitdem durch die Forschung und neue Funde
überholt worden, auch die Anschauungen, soweit sie vom Geiste der Entstehungszeit
der Schrift beeinflusst sind, können jetzt nicht mehr auf Anerkennung rechnen. Denn
Goethes: DDichtnng. 13, S. 274/5. - 27) Th. Vogel, Z. schulmäss. Behandlung v. Goethes Trauerloge: ZDÜ. 7, S. 81/4. —
28) F. Arnheira, Goethes Gedicht Zum 28. August 1823: GJb. 14, S. 280. — 29) A. Fiele, Zu d. Zahmen Xenien. YL:
ib. S. 279-80. —
1) (IV 8a : 164.) — 2) Goethes Briefe Bd. 13-14 (vgl. IV Sa : 112(3) Darin: 13, S. 208. — SlOXB-DMcseley,
Goethe and SmoUet: NQ. 3, S. 55/6. - 3a) O X (IV 8a: 155.) — 4) V. Hehn, Ueber Goethes Hermann u. Dorothea.
Aus dessen Nachlass her. v. A. Leitzmann u. Th. Schiemann. St., J. G. Cotta Naohf. V, 164 S. M. 3,00. (S. o.
G. Witkowski, Goethes Epos. IV 8d : 4-i3
wer wird heute in Ludwig- Börne einen „ebenbürtigen Geg-ner Goethes", einen „Geistes-
verwandten Lessing"s" sehen? Wer wird der Prophezeiung* glauben, dass die Popu-
larität der Nibelung-en eine künstliche, der Schule angehörig"e sei und daher wahr-
scheinlich mit den Tendenzen, von denen sie getragen wurde, wieder absterben werde?
Aber in der Hauptsache behauptet sich Hehns Urteil auch jetzt noch, und die richtige
Auffassung der politischen, socialen, litterarischen Grundlagen, aus denen das Gedicht
emporwuchs, die Feinheit im Nachempfinden des poetischen Gehaltes, die treffliche
Analyse der Charaktere und des Ganges der Handlung* lassen es noch jetzt als den besten
Führer zu einem tieferen Verständnis der herrlichen Dichtung* erscheinen. Hervorrag*end
sind insbesondere die einleitenden Abschnitte über das Wesen des epischen Gedichtes, in
denen der Einfluss Heg-els deutlich bemerkbar wird (in den Anmerkungen durch
wertvolle, mehr aphoristische Bemerkungen über denselben Gegenstand erg*änzt), der
Nachweis der specifisch epischen Begabung Goethes, die Schilderung* der Zustände
des 18. Jh., zumal des unpolitischen Charakters der Deutschen, der freilich nicht
als ständige Eigenschaft, sondern als Ergebnis der Zeitverhältnisse dargestellt werden
musste, und der Beweis, dass „Hermann und Dorothea" seiner innersten Substanz
nach antipolitisch ist. Einen Vorklang* der späteren Untersuchungen, auf die sich
Hehns Ruhm als Goetheforscher gründet, vernehmen wir vor allem in den Schluss-
kapiteln, die der Form der Dichtung gewidmet sind, besonders das über die Diktion
Gesagte birgt eine Fülle der feinsten Beobachtungen. Die bewusste Einfachheit
und Mässigung in der Wahl der Worte, der Ausschluss alles bloss Rhetorischen, der
Periodenbau und die Wortbildung, die leisen Anklänge an Homerischen Sprach-
gebrauch, — alles das wird nicht nach der landläufigen Dissertationsmethode auf-
g'ezählt, sondern in Verbindung mit dem innersten Wesen des Gedichtes und seiner
Gattung erläutert und mit stetem Bezug auf die ästhetische Wirkung vorgeführt.
Ebenso weiss Hehn die Wahl und Gestaltung des Hexameters bei Goethe treffend zu
erklären; freilich ist er dabei von einer gewissen Einseitigkeit nicht freizusprechen,
da er weder dem Hexameter Klopstocks noch dem Vossens gerecht wird und jede
Anlehnung Goethes an die Technik des letzteren als Fehler betrachtet. Ungerecht
erscheint Hehn auch in der Schlussbetrachtung, die zwar der „Luise" mit Recht
eine niedere Stelle anweist, dagegen für die Grösse des „Messias" gar kein Ver-
ständnis zeigt. Die anspruchslosen Anmerkung*en L.s wollen in der Hauptsache
den Text von litterarischen Nachweisen entlasten und liefern hier und da Ergänzungen
aus Hehns hinterlassenen Papieren. — Die neu bekannt gewordenen Briefe^) Goethes
an Christiane, die Herzogin Luise, J. H. Meyer (5. Aug. 1797), an Böttiger (25. Okt.
1797) eröffnen Blicke in die Entstehungsgeschichte von „Hermann und Dorothea",
die Korrespondenz mit Vieweg berichtet über die Herausgabe des Gedichtes, ein
Schreiben an Hirt (30. Jan. 1798) über die Aufnahme in Berlin. — Im J. 1823 fragt
Varnhagen bei Goethe über die Lokalität von „Hermann und Dorothea" an. Er
meint, es müsse sicher ein bestimmter Ort, eine bestimmte Gegend die Grundlinien
der Schilderung geliefert haben, und wünscht auch sonst noch zu erfahren, was
über das Gedicht vom Standpunkte des Dichtei^s selbst zu sagen wäre. Er berichtet
über die Aufführung von Töpfers „Hermann und Dorothea" im Berliner Schau-
spielhaus am 20. Okt. 182.3. Geiger^) bezieht auf diese Anfrage das Gespräch
mit Eckermann, datiert vom Dec. 1826 (Biedermann 5, S. 337/8), indem er es in
den Dec. 1823 setzt. — Gruber ^) schildert kurz die Geschichte der Salzburger
Emigration, wiederholt Goeckings Erzählung und berichtet über die Kolonisation der
Salzburger in Litauen. — Regel^) erklärt thörichter Weise „die munteren Träume
der Freiheit" (6, V. 24) aus bewusster Nachahmung des Englischen, ebenso „Tasso"
V. 16 „den frohen Kranz". — Dagegen wendet sich Kohlschmidt ^), indem er das
Attribut richtig kausativ deutet : als Zeichen der Munterkeit und Munterkeit erregend.
— Sprenger '") konstruiert in dem Verse (7, V. 35) „Denn ein jeglicher denkt
nur sich selbst und das nächste Bedürfnis" denken mit Akkusativ und tadelt die
Einsetzung des in den alten Ausgaben fehlenden Kommas nach „nur". — Erich
Schmidt*') legt einige Verse vor, die vermutlich der ersten Fassung von „Hermann
und Dorothea" angehören und lenkt die Aufmerksamkeit auf den reichen kultur-
historischen Inhalt von Goethes Quelle, der Emigrationsgeschichte Goeckings. '2) —
Eine gute Schulausgabe des Gedichts hat Hauffen'^j geliefert. Die Einleitung
unterichtet kurz, aber genügend über das Notwendige; nur fällt eine gewisse Un-
klarheit in den chronologischen Angaben auf, wenn „Reineke Fuchs" zwischen der
„neuen, veränderten Ausgabe" der „Luise" von 1795 und „Alexis und Dora" genannt
IV 8c: 22.) - 5) (S. o. N. 2.) — 6) (IV 8b: 12; S. 65/7, 134.) - 7j C. Gruber, D. Salzburger Emigranten. Progr. Marien-
bürg (L. Giesow). 71 S. — 8) E. Eegel, E. Seitenblick aufs Englische beim dtsch Unterr.: ZDU. 7, S. 304.— 9iW. Kohl-
schmidt, D. Beiwort „munter" in ..Hermann u. Dorothea" 6, V. 24: ib. S. 277/8. — 10) R. Sprenger, Zu Goethes Hermann
u. Dorothea: ib. S. 492. — 11) Erich Schmidt, Mitteilung in GDL. Jan.: DLZ. S. 187. (Vgl. VossZg. N. 51.) - 12) O X
G. Chiarini, Arminio e Dorotea: NAnt. 45, S. 429-41. — 13) (I 7:72.) |[COIRW. 21, S. 3801; H. Herzog: ZOG. 44,
IV 8d : u-29 G. Witkowski, Goethes Epos.
wird. V. 795 ist aus überflüssiger Prüderie unterdrückt. In den Anmerkung"en ist
alles Notwendige erklärt, vielleicht hier und da etwas zu viel, z. B. könnte die Er-
läuterung von „Kattun" und „Flanell" wohl fortfallen. Die Erklärung von „einen
Korb geben" hätte noch weiter zurückgehen müssen, um ganz klar die sinnliche
Bedeutung des Ausdrucks zu zeigen, i*"^^) —
Gegen Hoffmanns Untersuchungen über den „Ewigen Juden" (vgl. JBL. 1891
IV 9d: 13) wendet sich Düntzer^''). Während Hoffmann das Frühjahr 1775 als Ent-
stehungszeit ansetzt, möchte D. lieber am J. 1774 festhalten. Er leugnet, dass in
dem Fragmente eine krankhafte Stimmung herrsche und findet darin nicht Ver-
bitterung und Hohn gegen die Kirche, sondern den heitersten Humor, auch nicht
einen cynischen Ton, in dem von der Gottheit geredet werde, wohl aber die Stimmung
des entschiedenen Freidenkers, der Goethe damals schon längst war. —
In die Vorgeschichte des „Werther" führt Schüddekopf s*^) sorgsame
Bibhographie aller erreichbaren Schriften Goues mit genauer Beschreibung und
kritischen Notizen. — Sodann berührt sich damit näher die Publikation Eugen
Wolffs^^-)^ die aus den Kestnerschen Familienpapieren die früheren Sammlungen und
Darstellungen A. Kestners, Düntzers (Morgenblatt 1863, N. 45 ff.) und Herbsts ergänzt.
Er bietet autobiographische Notizen von Lottens Bräutigam und will aus ihnen das
bisherige Charakterbild des etwas pedantischen Mannes zu dem eines romantischen,
grüblerischen Jünglings umgestalten, wobei er freilich zu viel in seine Quellen hinein-
interpretiert. Daraus, dass Kestner einmal versucht hat, einen Roman zu schreiben,
dass er überhaupt litterarischen Interessen nicht ganz abgeneigt war, dass er sich
gesellschaftlichen Vergnügungen gern hingab, lässt sich doch ein solcher Schluss
noch nicht ziehen. Im Gegenteil bestätigen die von W. veröffentlichten Zeugnisse
für den ruhigen Verlauf seines Verhältnisses zu Lotte, zumal die Werbebriefe vom
22. Jan. und 25. April 1768, unsere bisherige Vorstellung von seiner leidenschafts-
losen Art. Auch die Proben der Gedichte, in denen er Lotte besang, sind schlagende
Beweise dafür. Eine bisher unbekannte Tagebuchstelle giebt eine Schilderung des
Balles in Wolpertshausen, der Goethen zuerst mit Lotte zusammenführte und auf
dem auch Jerusalem anwesend war. Ausserordentlich lebensvoll malt ein Brief von
Hans Buff an Lotte das Treiben der Geschwister im Deutschen Hause. Die Zu-
sammenstellung von Kestners Notizen über die Witterung in der Zeit von Goethes
Aufenthalt in Wetzlar bestätigt, dass die atmosphärischen Einflüsse, die im „Werther"
eine so grosse Rolle spielen, vom Dichter künstlerisch frei angeordnet, nicht dem
wirklichen Verlauf nachgezeichnet sind. Das wäre ja schon dadurch unmöglich ge-
wesen, dass der Roman sich über eine mehr als doppelt so lange Zeit erstreckt. Die
in „Goethe und Werther" abgedruckten Notizen Kestners über Goethes Verhältnis zu
Lotte werden durch einzelne dort übergangene, aber nicht unwichtige Stellen ergänzt,
ebenso gewinnt der von Herbst (S. 118/9) teilweise veröffentlichte Brief Kestners an
Lotte jetzt beträchtlich an Wert, weil Kestner in dem früher unbekannten Teil eine
indirekte Charakteristik Goethes giebt. In demselben Geleise wie dieses Schreiben
bewegt sich eine Erörterung des Bräutigams über die Eifersucht. Sehr hübsch ist
seine spätere Schilderung seiner Annäherung an Lotte. Jerusalems Geliebte, Frau
Hert, nennt er die schönste Frau der Stadt und preist ihre Geistes- und Seeleri-
eigenschaften. Den Schluss von W.s Nachlese bildet ein recht schwaches Werther-
lied einer Elise von N. und ein gar nicht hierher gehöriger Bericht Kestners über
den angeblich durch die Erregung bei einer Aufführung des ,, Kaufmanns von
London" herbeigeführten Tod des Landgrafen Ludwigs VIII. von Hessen-Darmstadt
im J. 1768. — Eine ausgefallene Stelle in Goethes Brief an Kestner vom 14.(?) April
1773 (Briefe N. 144), die Günther2o-20a^ ergänzt, giebt einen Hinweis auf die früh-
zeitige Absicht Goethes, das Verhältnis zu Lotte dichterisch zu gestalten. Er droht,
Kestner und Lotte, wenn sie sich einfallen Hessen, eifersüchtig zu werden, mit den
treffendsten Zügen auf die Bühne zu bringen, und Juden und Christen sollten über
sie lachen. — Ischer^i) teilt aus einem Briefe Zimmermanns an Haller vom 30. Jan.
1775 Nachrichten über die historischen Grundlagen des „Werther" mit. — Eine
höchst merkwürdige, schwerlich genau wiedergegebene Aeusserung Lessings über den
Roman Goethes steht in einem Briefe von Sara von Grotthus 22) an den Dichter.23-29) —
S. 1099-1104.]! — 14)X 0 F- Walzel, W. T. Hewett, Hermann u. Dorothea (vgl. JBL. 1891 IV 9d : 8): ZOG. 44, S. 543/5. —
15) O X Goethe, Hermann et Dorothee. Illustr. de Marold. Paris, Dentn. 221 S. Fr. 1,25. — 16) O X i^-. Herman og
Dorothea. Oversat af P. Hansen. Met 8 Illustrationer in Fototypier af A. Ramberg. Kjöbenhavn, Bojesen. 4». V, 91 S. Kr. 4,50.
— 17) H. Düntzer, Ueber Goethes Bruchstücke d. Gedichtes „D. ewige Jude": ZDPh. 2.5, S. 289-303. - 18) (IV 4:3.) —
19) (IV 8b: 86.) — 20) 0. Günther, Lücke im Goethe-Kestnerschen Briefwechsel: GJb. 14, S. 161. (S. o. IV 8b: 13.) —
20a) X (IV 8b:37.) - 21) O (IV 5:30.) — 22) (IV 8b: 12; S. 50/2.) — 23) O X W. Seiht, J. G. Schlosser u.
Werthers Leiden: FZg. N. 263. — 24) O X Goethe, Werther. Nouv. ed. avec grav. (= Petite bibl. omnibus ill. N. 10.)
Paris, Roy & Geffroy. 16». 192 S. Fr. 0,30. — 25) O X »d,, Werther. Trad. fran9. prec. d'nne etnde snr Goethe par
H. Heine. Paris, C. Lövy. 270 S. Fr. 1,25. - 26) O X id., Werther. Trad. d'Aubry, enti&rement refondne par
J. Rodleinmann. (= Bibl. nat.) Paris, Berthier. 16». 160 S. Fr. 0,25. — 27) O X id., Leiden d. jungen Werther.
(Rnss. üebersetz.) Petersburg, A. Suworin. (Seiten u. Preis nicht zu ermitteln.) — 28) O X id., Leiden d. jungen Werther.
(RusB. üebersetz.) Moskau, M. Lederle & Go. 280 S. Rub. 0,60. — 29) (IV 8a: 45.) — 30) (1115:34; 8b : 28a.)
G. Witkowski, Goethes Epos. IV 8d : 30-35
Die schöne Seele im „Wilhelm Meister" zeichnet sich in den Schilderungen
ab, die Erich Schmidt^") aus dem Briefwechsel von Aug-uste Friederike von Ysen-
burg'-Büding'en mit ihrer Schwester Luise Ferdinande zu Anhalt-Köthen heraushebt,
und die sich auf Susanne von Klettenberg" und Lavater beziehen. — Es ist eine
anerkannte litterarhistorische Thatsache, dass der Roman der Romantiker unter dem
beherrschenden Einflüsse des „Wilhelm Meister" steht. An den einzelnen Er-
scheinungen wie im g-anzen ist dieser Einfluss häufig" genug konstatiert worden, in
Bezug auf Tieck z. B. erst vor kurzem von Prodnigg^') (vgl. JBL. 1891 IV 9 d: 21;
1892 IV 10:30). Donner^^^ will nun die Form ermitteln, unter der sich die Ge-
sinnungen, Begebenheiten und Schicksale des „Wilhelm Meister" in dem romantischen
Roman, speciell den Bildungsromanen, fortsetzen. Er hat mit guter Litteraturkenntnis,
die auf selbständig'er Forschung beruht , die einzelnen Uebereinstimmungen des
Originals und der Nachfolger festgestellt, vor allem den Subjektivismus der Romantiker
auf die Einwirkung von Goethes Roman zurückgeführt, zugleich aber auch die Unter-
schiede kräftig betont. Ihre Helden lassen die Welt um sich herum spielen, sie
bleiben ganz unthätig, während Goethes Held immer weiter strebt, und sie kommen
fast immer ohne ernsten Kampf ans Ziel. Das sorgenlose Dasein Wilhelm Meisters
ist nicht denkbar ohne sinnliche Verhältnisse. Er durchlebt Lehrjahre der Humanität,
in denen sich Müssiggang und Streben auf der Grundlage äusserer Wohlhabenheit
vereinigen. Bei den Romantikern durchleben die Helden Lehrjahre durch Müssig-
gang ohne Streben, daher überwiegen die leichten lockeren Schilderungen sehr be-
trächtlich. Ueberall ist die Gestalt Philinens, teilweise in die höhere Gesellschaft
übertragen, nachgezeichnet, insbesondere wird ihr nächtlicher Besuch im fünften Buche
wiederholt. Den stärksten Einfluss hat die Mignonepisode ausgeübt: Miguon selbst
kehrt in den meisten der besprochenen Romane mit leichten Veränderungen wieder,
ebenso das Motiv der geheimnisvollen Geburt (freilich ein uralter Kunstgriff der ge-
samten Romanlitteratur, um die Spannung zu erregen), die deutsch-italienischen
Wahlverwandtschaften, bei manchen auch die lyrischen Einlagen. Dagegen wird
der Harfner nur von Brentano benutzt. D. stellt die Abhängigkeit der Romantiker
nach allen diesen Richtung-en hin zuerst in einem Schema zusammen und prüft
dann eine Reihe ihrer Romane auf ihre Beziehungen zum „Wilhelm Meister" hin
im einzelnen, nämlich Tiecks „Sternbald" und „Der junge Tischlermeister", Friedrich
Schlegels „Lucinde", Dorothea Schlegels „Florentin", Novalis „Heinrich von Ofter-
dingen", Brentanos „Godwi", Eichendorffs „Ahnung und Gegenwart" und Immer-
manns „Epigonen". Schon Koch hat darauf hingewiesen, dass auch Hölderlins
„Hyperion", Jean Pauls „Titan", Eichendorffs „Dichter und ihre Gesellen", die D.
freilich kurz (S. 185/6) charakterisiert hat, und vor allem Fouques „Alwin" in die
Reihe der Nachfolger „Wilhelm Meisters" zu setzen gewesen wären. Wir vermissen
noch Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts", mit Recht oft geradezu als
Typus der Gattung bezeichnet, und Arnims „Hollins Liebeleben", das schon
Tieck als „eine läppische Nachahmung des Wilhelm Meister" verurteilte. Die an-
gezogenen Werke behandelt D. nach Entstehungsgeschichte, Form, Inhalt und Auf-
nahme bei den Zeitgenossen, stellenweise beträchtlich den Umkreis seines Themas
überschreitend, so bei der übrigens gut dargestellten Genesis der „Lucinde", auch
nicht ohne Wiederholungen (S. 82). Im ganzen ist aber die Schrift als ein recht
förderlicher Beitrag zur Geschichte der Alotive anzuerkennen, der eine grosse Reihe
von guten Beobachtungen enthält. Auszusetzen wäre nur ein Reihe von grösseren
und kleineren Unebenheiten im Ausdruck, die zeigen, dass das Deutsche nicht die
Muttersprache des Vf. ist. — Offenbar durch den grossen Erfolg der Oper von
Ambroise Thomas veranlasst ist eine gar nicht ungeschickte französische Nach-
erzählung der Geschichte Mignons für Kinder von Simond^^). Philine und alles,
was über das kindliche Gefühlsleben hinausgeht, musste dabei fortfallen. ^4) —
In der „Novelle" (Hempel 16, S. 155) spielt die Frau des Tierbändigers
bekanntlich mit den Worten „Speise von den Fressern und süsse Labung von den
Starken" auf das Rätsel Simsons (Richter 14, 14) an. Seh rader •*^) weist auf das
versteckte Wortspiel des hebräischen Urtextes hin und versucht eine entsprechende
Uebersetzung, was mit Goethe und seiner Novelle gar nichts zu thun hat. —
— 31) P. Prosch: ZOG. 44, S. 934/5. (Vgl. IV 10:14.) — 32) J. 0. E. Donner, D. Einflass Wilhelm Meisters auf d. Boraan
d. Romantiker. Diss. Helsingfors. (B., R. Heinrich.) IV, 211 S. M. 4,00. [M. K och: BFDH. 10, S. 260.]| (Vgl. IV 10 : 13.)
— 33) Ch. Slmond, Mignon. Imite de TAllemand. Paris, Lecfene, Ondin & Cie. 91 S. — 34) O X i*- Chmielo wski,
W. V. Goethe, Wilhelm Meister. Przetozyl. Warschan, Lewental. 832 S. Rah. 3,00. |[PNL. 21, S. 473 j| — 35) H. Schrader,
Zu zwei Stellen t. Goethe: ZDS. 7, S. 128-30. —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (4)26
IV 8e : 1-2 G. Witkowski, Goethes Drama.
e) Drama.
Georg- Witkowski.
Allgemeines N. 1. — Götz von Berlichingen N. 5. — Götter, Helden und Wieland N. 18. — Jahrmarktsfest zu
Plundersweilern N. 19. — Das Neueste aus Plundersweilern N. 20. — Satyros N. 22. — Clavigo N. 2.3. — Elpenor N. 25. —
Egmont N. 26. — Iphigenie N. 34. — Torquato Tasso N. 39. — Bnrgergeneral N. 44. — Mahomet N. 46. — Die natürliche
Tochter N. 48. — Pandora N. 49. — Romeo und Julie N. 51. — Des Epimenides Erwachen N. 52. — Faust: Allgemeines N. 55 ;
Urfaust N. 88; erster Teil N. 89; zweiter Teil N. 102. —
Schon in einem früheren Bericht machten wir darauf aufmerksam, dass es
uns noch an jeder Behandlung von Goethes dramatischen Dichtungen im allgemeinen,
von ihrer Technik, ihrem dramatischen und theatralischen Gehalt fehlt. Einen Anlauf zur
Lösung dieser Aufgabe unternimmt Sittenberger '). Er geht davon aus, dass der
Begriff' des Dramatischeu nicht zu definieren, aber wohl zu erläutern, erklärend anzu-
deuten ist. Dramatisch ist ein Vorgang, der als die Geschichte eines Willens erscheint,
der im stände ist, unser Gefühl sympathisch zu errege q. Theatralisch ist alles, was
von der Bühne unmittelbar auf unsere Nerven einwirkt. Allgemein gilt die Anschauung,
Goethe habe nicht verstanden, für die Bühne zu arbeiten, trotzdem man der Mehrzahl
seiner Dramen wirklich dramatischen Fluss zugesteht. Aber dieser Ansicht liegt ein
Mangel an Ueberlegung und an Verständnis für Bühnenwirkung zu Grunde. Goethe
hat vielmehr die äusseren Kniffe, das Theatralische, so gut wie ein anderer erlernt
und anzuwenden verstanden, doch hat er die Fähigkeit, das eigentlich Dramatische
herauszuwittern und es mit keckem Griff auf die Bühne zu stellen, nur in seltenen
Fällen gezeigt. In der Jugend schrieb er dramatisch bewegter als in späterer Zeit;
seine theatralischen Künste treten um so stärker hervor, je schwächer der eigentlich
dramatische Gehalt seiner Stücke wird. Die „Mitschuldigen" sind dramatisch recht
gut veranlagt, vielleicht eins der besten Stücke Goethes, aber das Theatralische ist
durchweg vernachlässigt. (Das ist unseres Erachtens unbedingt falsch.) Der Mangel an
Wirkung' erklärt sich aus den widerlichen Verhältnissen, die vorgeführt werden. „Götz"
ist nur eine dramatisierte Chronik, der Wille des Helden zu wenig auf ein bestimmtes
Ziel gerichtet. Die Götz-Scenen wirken weniger als die Adelheid- und Weislingen-
Scenen. Das Dramatische zeigt sich hier mehr im Detail als im Aufbau des Stückes.
Die Art, wie z. B. bei Götzens Tod Stimmung erregt wird,- spielt schon ins Theatralische
hinüber. Viele kleine Scenen haben nur den Zweck, Stimmungsbilder zu entwerfen.
Theatralisch sind die Vorgänge am Bischofshofe, das Zigeunerlager, die aufrührerischen
Bauern. Im „Clavigo" drängt der dramatische Zug vom dritten Akte an nicht mehr
energisch genug vorwärts; hier kommt Goethen ein dramatischer (theatralischer?)
Effekt zu Hilfe, der noch jederzeit seine Wirkung gethan hat: die Schwindsucht auf
der Bühne, und er rettet das Stück (?). Der Leichenzug im letzten Akte ist ein starker
theatralischer Effekt. Mit ,, Stella" weiss S., wie er gesteht, für seine Betrachtung
nicht viel anzufangen. Alle wollen etwas und dabei will doch im Grunde keiner
etwas. Das Stück ist nichts als eine fortlaufende Reihe lyrischer Stimmungen,
dazwischen Stellen, die so platt sind, dass sie abstossen. Wenn das ,, Schauspiel für
Liebende" von der Bühne herab überhaupt eine Wirkung thut, so hat es dies wohl
nur dem Charakter Stellas und etlichen Genl^escenen zu verdanken. Egmonts Will©
ist bestimmter auf ein festes Ziel gerichtet als der Götzens, wenn auch vielleicht
schwächer. Man könnte sich den ganzen Stoff mit grösserer Wucht behandelt denken,
aber gewiss nicht schöner. Theatralisches durchzieht das ganze Stück, die Schluss-
scene ist opernhaft, die Erscheinung Clärchens ein Verlegenheitsmittel, weil der
Dichter im natürlichen Gange der Ereignisse keinen Sohluss finden konnte. Die
Siegessymphonie ist ein ganz willkürlicher theatralischer Effekt, der uns aus der
Illusion reisst. (Hier berücksichtigt S. nicht, dass es sich nur um eine Anweisung
für den Komponisten der damals allgemein üblichen Musik „vor, zwischen und nach
dem Stücke" [siehe Hamb. Dramaturgie St. 26] handelt). Die „Geschwister" sind
dramatisch vielleicht das beste Stück Goethes, In „Iphigenie" ist die Form das Erste
und Alles, und damit wird der Inhalt zur Formel. Goethe hat sich vollständig in die
griechische Denkweise eingelebt (?), und schon daraus ergiebt sich eine Beeinträchtigung
der Wirkung für ein modernes Publikum. Er geht in seiner gräcisierenden Richtung
noch weiter als die Griechen selbst, er vernachlässigt das Persönliche gänzlich. Es
mangelt die nötige Objektivität: wir sehen den Dichter auf der Bühne stehen und
wissen damit, dass seine Personen nicht wirkliches Leben besitzen. Aehnliches gilt
auch von „Torquato Tasso". Immer mehr richtet Goethe sein Augenmerk auf scenische
Effekte. Er strebt nach aufdringlicher theatralischer Wirkung, und daneben geht oft
1) (IV 8a: 54.) — 2) (IV la:5.) (S. 116-27: Götz v. Berlichingen. S. 128-35: Clavigo. S. 136-45: Egmont.
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 2-9
ein ganz undramatisches und wirkungsloses Spielen mit Symbolischem und Mystischem.
Der Sturz Eugeniens im ersten Akte der „Natürlichen Tochter" erinnert an den
symbolischen Sturz des Baumeisters Solness. In der Faustsage liegt viel Dramatisches;
aber das (von Goethe hineingetragene) Moment der Verjüngung thut der Bühnen-
wirkung wesentlichen Einti-ag. Das Leitmotiv, das sich durch alle Sceuen hindurchzieht,
ist der Wissensdurst (?). Das Theatralische hindert gerade die Theaterwirkung, weil
alles, was die Aufführung bieten kann, durch unsere Phantasie übertrotfen wird.
„Faust" ist nicht für die Bühne geschrieben und alle Versuche, ihn einzurichten,
werden vergeblich bleiben. Man verdirbt sich den Genuss am „Faust", wenn man
ihn sieht. — Landwehr^) liefert kurze Biographien der historischen Persönlichkeiten,
die Goethe zu Helden seiner Dramen gemacht hat: ein gutes Hilfsmittel, zumal für
den Schulunterricht, das aber noch gewonnen hätte, wenn nicht an einigen Stellen
wichtige Daten fehlten. So hätte z. B. Egmonts Beteiligung an der Niederschlagung
des Aufstandes der Bilderstürmer erwähnt werden müssen. — Die schon früher
besprochene Schrift Schreyers^) behandelt auch eine Reihe der dramatischen
Gestalten Goethes in Bezug auf ihr Verhältnis zu Homer. Er weist zur „Iphigenie
auf Tauris" die Ueberlieferung der Tantalidensage bei Homer, den Cyklikern und
Tragikern nach, und stellt Goethes Behandlung zu den von Homer berührten Punkten
des Stoffes in Parallele. Den in der „italienischen Reise" mitgeteilten Plan der
„Iphigenie in Delphi" hält Seh. gegen die Weim. Ausg. 10, S. 415 für über-
einstimmend mit dem ursprünglichen. Das beabsichtigte Drama entspricht der von
Aristoteles am höchsten gestellten, vierten Art tragischer Fälle. In der „Nausikaa"
Goethes wird, wie auch bei Sophokles, die Wendung zum Tragischen dadurch bedingt,
dass Nausikaa in den Mittelpunkt der Handlung tritt. Der zweite Plan in der
„italienischen Reise" entwickelte sich notwendig aus dem in den Skizzen angedeuteten
ersten, sobald sich Goethe durch Lektüre der Odyssee den Zusammenhang der Ereig-
nisse wieder lebhafter vergegenwärtigte. Die Art, wie Goethe die Helena im „Faust"
einführt, entspricht vollständig der Darstellung bei Homer; aber den weiteren Verlauf
der Ereignisse gestaltet er selbständig. Die Gestalt ist nicht allegorisch, sondern real
aufzufassen^). —
üeber das vielfach und gründlich behandelte Verhältnis des Götz von
Berlichingen zu den Shakespeareschen Dramen bringt Huther^) wenig, noch dazu
unklar gefasst, in der Hauptsache die unnötige Widerlegung einer verfehlten Auf-
fassung der Grundidee. Die Aenderungen in B sollen nach H. dazu gedient haben,
den Grundgedanken des Stückes in einheitlicherer Weise zur Durchführung zu bringen.
Organisch ist nur das Verhältnis Götzens zu Weisungen umgestaltet worden, und
zwar am deutlichsten im fünften Akt, indem die Adelheid-Scenen beschnitten wurden,
Weisungen die Führung des Gegenspiels, die er in A am Schlüsse verlor, bis zuletzt
behielt und Götz selbst mehr in den Vordergrund gerückt wurde. Zugleich
wurde das Verhältnis Weislingens zu dem Helden vor seinem Abfall inniger
gestaltet, sein Charakter gehoben. Der Grundgedanke des „Götz" ist nicht der Kampf
zwischen Mittelalter und Neuzeit, wie Klaucke behauptet hat, den H. mit einem über-
flüssigen Aufwand von Beweisen widerlegt. Dann geht er dazu über, die Abhängigkeit
des Aufbaues von Shakespeares Technik zu zeigen. Wie im „Julius Cäsar" tritt in
A am Schlüsse ein übernatürliches Element ein, die Erscheinung von Franzens Geist.
Der übrige Bau des Stückes ist wesentlich vom „Macbeth" beeinflusst. Es sollen im
„Götz" eine Menge von Stellen vorhanden sein, die auf das üebernatürliche hinweisen und
die Handlung fortlaufend motivieren, und darin soll sich die durchgängige Abhängigkeit
von Shakespeare zeigen. Adelheid entspricht der Lady Macbeth, die Zigeunerscene
ist eine direkte Nachbildung der Hexenscene, beide bilden die Grundlagen für den
weiteren Verlauf der Handlung. Ueberhaupt ist der Plan des „Macbeth" der allgemeine
Rahmen gewesen, in den der deutsche Dichter seinen Stoff, zumal in A, gefasst hat.
In B ist das übernatürliche Element beseitigt. Den tragischen Gehalt des „Götz" legt
H. richtig dar und weist die Durchführung der Grundidee am Gange des ersten Aktes
nach. Den Aufsatz „Zum Shakespearestag" citiert er nach dem Auszug von Genee!
— Heidt^) liefert einen wertlosen Vergleich des ersten Aktes in A und B, um die
Vorzüge von B nachzuweisen, mit Parallelabdruck langer Stellen. Er hat keine
Ahnung von der Existenz der Baechtoldschen Ausgabe. — Haehnel') wendet auf
den „Götz" das Schema aus Frey tags ., Technik des Dramas" (S. 100/1) an und zeigt
daran den planvollen, kunstgemässen Aufbau®}. — Halbfass^j schildert lebhaft eine
S. 146-68: Torquato Tusso.) — 3) (IV 8d:l.) — 4) J. Minor, H. Düntzer, Z. Goetheforschung (vgl. JBL. 1891 IV 9e:3):
GGA. S. 2C0-20. - 5)A. Hnther, Goethes Götz v. Berlichingen n. Shakespeares hist. Dramen. Progr. d. Gymn. Cottbus
(A. Heine). 4». 22 S. ;[M. Koch: BFDH. 9, S. 366: id.: EnglSt. S. 466; L. Hölscher: ASNS. 91, S. 471/2.]| (S. o.
IV 8a: 138.) — 6) K. H. Heidt, Goethes älteste Bearbeitungen d. Götz v. Berlichingen. Progr. Trier. 4". 22 S. |[Ij.
Hölscher: ASNS. 91, S. 471.]| - 7) K. Haehnel, Z. dramat. Aufbau d. „Götz v. Berlichingen": ZDU. 7, S. 269-70. —
8J X (14:459; II 1:33.) |[E. Mnmmenhoff: PränkKur. N. 31.)| — 9) Halbfass, Aus d. Heimat y. Göti v.
(4)26*
IV 8e : 10-13 G. Witkowski, Goethes Drama.
Wanderung durch alle historischen Götzstätten und beschreibt u. a. den Mechanismus
der eisernen Hand nach eigener Anschauung, — Nach mannigfachen Einzelforschungen
der letzten Jahre giebt uns Scholte-Nollen^") jetzt eine ganz vortreffliche, auch
vieles Neue enthaltende, zusammenfassende Darstellung der langen Bühnenlaufbahn
des „Götz". In der schwierigen Frage der inneren Entstehungsgeschichte entscheidet
sich Seh. dafür, dass Goethe die Selbstbiographie des Ritters erst nach der Rückkehr
von Strassburg kennen gelernt habe. Er sei durch eine Anmerkung bei Datt „De
pace publica" darauf hingeführt worden. Aus den kritischen Stimmen beim öffentlichen
Erscheinen des Dramas werden diejenigen herausgehoben, welche die Möglichkeit der
Darstellung bestreiten oder behaupten. Dann handelt Seh. ausführlich über die erste
Berliner Aufführung, bei der neben den bekanntlich historisch getreuen Kostümen
alte Dekorationen, Zimmer im Stile des 18. Jh., verwendet wurden. Interessante Notizen
auf den gleichzeitigen Berliner Theaterzetteln beleuchten den grossen Erfolg. Bis 1777
wurden die Aufführungen in Berlin fortgesetzt, dann trat eine Pause bis 1795 ein.
Die Hamburger Inscenierung zeichnete sich vor der Berliner durch zeitgemässe
Dekorationen aus. Indem er die unzuverlässige Vergleichung Winters (vgl. JBL. 1891
IV9e:16) berichtigt, zählt Seh. die Aenderungen Schröders auf, giebt auch im Anhang
ein Scenarium von B und H (Hamburg) in paralleler Darstellung. Dann sucht er auf
Grund der spärlichen Zeugnisse mit grossem Scharfsinn die verlorene Berliner
Bearbeitung Kochs zu rekonstruieren. Er vermag festzustellen, dass die Bauernhoch-
zeit und die ganze Reichsexekution, wie auch nachher in Hamburg, gestrichen waren,
dass dagegen I, 1 und 4 und III, l,die dort fehlten, in Berlin beibehalten wurden. Der
Wortlaut blieb bis auf die Milderung einiger Derbheiten unangetastet. Ein Scenarium
der Berliner Bearbeitung gewährt einen klaren Ueberblick ihres Verhältnisses zu B.
In Bezug auf das Verhältnis Schröders zu Kochs Einrichtung erscheint die Vermutung
begründet, dass er zwar sicher darüber unterrichtet war, aber die seinige unabhängig davon
unternahm. Die dritte Stadt, in der „Götz" aufgeführt wurde, war Breslau, wo er
vom 17. Febr. bis zum 10. März 1775 viermal auf der Bühne der herumziehenden
Truppe des Prinzipals Wäser erschien, vielleicht mit Gästen aus Berlin und vermut-
lich nach der dortigen Einrichtung, aber ohne Elrfolg. Es scheint, dass Wäser in
demselben Jahre den „Götz" auch in Leipzig gespielt hat. Es folgen Aufführungen
in Goethes Vaterstadt 1778 und 79, in Mannheim 1786 (wahrscheinlich in Rennschübs Ein-
richtung). Ueber die Anfänge des „Götz" in Wien haben wir schon durch Kilian Näheres
erfahren; seine Nachrichten vervollständigt Seh. beträchtlich (vgl. jedoch N. 11). Er
vergleicht das Scenarium Grüners mit dem zwanzig Jahre jüngeren Schreyvogels,
das zwar eine Anzahl von gemeinsamen Zügen aufweist, so dass eine Benutzung des
ersteren sicher ist, aber doch sich viel enger an B anschliesst. Sodann schildert Seh.
die Entstehung und Beschaffenheit von Goethes eigenen Bearbeitungen 1803 — 4, C und
D, über die er etwas günstiger als Brahm urteilt (auch hier erleichtert wieder ein
Scenarium den Vergleich mit B), er berichtet über die schnell folgenden Berliner
Aufführungen von D, über die Zweiteilung von 1809—13, über die letzte Umarbeitung
Goethes, die 1819 und 1828 in Weimar aufgeführt wurde. Ein Ueberblick über die
Schicksale des „Götz" auf der deutschen Bühne seit 1804 und den jetzigen Stand der
Götzfrage bildet den Schluss der höchst verdienstvollen Arbeit: Dingelstedts Ein-
richtung, 0. Devrients Versuch, A auf die Bühne zu bringen, die Vorstellungen auf
der Münchener sog. Shakespeare- Bühne (nach B und C), die in Prag und Stettin
Nachahmung fanden, endlich die verschiedenen Inscenierungen in, Mannheim, Karls-
ruhe, Hannover, Leipzig, Köln, Kassel, Halle. Die schwer kontrollierbare Statistik
der Aufführungen scheint nicht ganz genau zu sein ; wenigstens zählt Seh. in Leipzig
nur zwanzig Vorstellungen auf, während nach Müller (Das Stadttheater zu Leipzig
[Leipzig 1891] 2, S. 142) der „Götz" dort seit 1817 dreissigmal gegeben worden ist.
— - Kilian 11) stellt auf Grund eines Theaterzettels, den er abdruckt, fest, dass die
erste Aufführung des „Götz" in Wien nicht, wie früher von ihm angegeben, 1810,
sondern am 23. April 1808 im Theater in der Leopoldstadt, vor sich ging. Der Vf.
der leider verlorenen Bearbeitung war der Journalist und Schauspieler T. Freiherr
von Ehrimfeid. Sie wurde als „historisches Schauspiel mit Gesang" in nur vier Akten
angekündigt, als Träger des in der Leopoldstadt notwendigen komischen Elements
war der Schneider Sindelfinger und seine Familie eingefügt, vermutlich mit Anknüpfung
an die Erwähnung des von Götz befreiten Schneiders im Original und vielleicht in
Verbindung mit der Bauernhochzeit in B. — Die Erfolglosigkeit dieser Aufführung wird
durch eine Kritik bewiesen, die Glossy '2) 2^^ ^eil abdruckt. Nur mit Mühe konnte
eine Wiederholung dem Publikum aufgedrungen werden. — Am 28. Dec. fand die
100. Aufführung des „Götz" im Wiener Burgtheater statt. Ein Anonymus i3) stellte
Berliohingen: LZgB. N. 5. — 10) (IV 4:371.) - U) (IV 4:412; 8a: 52.) - 12) C. ölossy, Theatergesch. Ausstellung d.
Stadt Wien [Wien, Bibl. d. Stadt Wien. 1892. XHI, 281 S. PI. 0,40], S. 61. — 13) A. J. W., Z. 100. Aufführung d. „Götz
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 14-23
bei dieser Geleg-enheit die vor dem „Götz" in Wien aufgeführten Goetheschen Dramen
und die Zahl ihrer Aufführungen zusammen, dann die des „Götz" selbst, wobei er
insofern irrt, als er sagt, dass Dingelstedt die alte Bearbeitung Schrey vogels angewandt
habe. Er giebt ferner eine Paralleltabelle der ersten und der gegenwärtigen Besetzung
und zählt die nach dem ,,Götz" auf dem Burgtheater erschienenen Goetheschen Werke
auf. Im ganzen haben seine Bühnendichtungen dort bis jetzt 657 Vorstellungen
erlebt 14-' 7), __
Einzelheiten der satirischen Farcen der letzten Frankfurter Jahre erläutert
Henkel*^) in einer Reihe von kleinen Bemerkungen. In „Götter, Helden und
Wieland" entscheidet er sich für die Lesart „abge weihet" (Hempel Bd. 8, S. 271, Z. 20)
mit Berufung auf die „abgeweihten Haare" in der Invektive auf Himburg (Weim.
Ausg. 29, S. 16, Z. 9) und den Ausdruck ayriar, bei Euripides, Alkestis V. 76. —
Im „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern" erklärt Henkel*") die
Strophenform V. 164 ff. gegen Düntzer und Schröer für eine der üblichsten Formen
des Volksliedes und sieht in dem häufigen „Sie" des Schattenspielmannes (V. 576 ff.)
einen ethischen Akkusativ des radebrechenden Romanen. —
Im „Neuesten aus Plunders weilern" soll nach Henkel^") das Mädchen
mit schlechten Sitten die Nachdrucker versinnbildlichen, der Barbier bedeutet
Ramler und dessen Wut, alle möglichen Dichtungen seinem Messer zu unterwerfen.
Der Pack, den der Merkur mit sich schleppt, stellt die Mühe vor, die Wieland durch
die Herausgabe der Zeitschrift bereitet wurde. Der Engel kehrt nach H.s gewagter
Vermutung deshalb betrübt zum Himmel wieder, weil er Lessing nicht mehr hienieden
findet. — Zu anderen Ergebnissen gelangt, in Bezug auf die Auslegung dieser und
anderer Stellen desselben Gedichts, Weizsäcker^!). V. 17 — 38 zielt nach ihm auf
die Leserwelt, und zwar V. 17—26 auf die alles Neue verschlingenden urteilslosen
Leser, V. 27 — 32 auf die Benutzer der Leihbibliotheken, V. 33 — 38 auf die Lesenarren.
V. 39—46 trifft den Nachdruck, V. 47—58 nicht speciell Nicolai, sondern die Verleger
im allgemeinen. Die böse Nachbarschaft (V. 56) ist nicht, wie bisher immer an-
genommen, die Kritik, sondern das Nachbarhaus auf dem Bilde, aus dem Jemand
auf das Haus des Verlegers seine Notdurft verrichtet. Wen das bedeuten soll, sagt
W. nicht. V. 59 — 104 meint die Kritik, und zwar V. 63 — 70 die Allerweltskritiker,
V. 71 — 104 die höhere Kritik. V. 141—56 zielt auf den Hainbund, nicht auf die
Halberstädter, wie Scholl wollte. Der Engel mit dem Lorbeerkranz (V. 205 — 8) ist
als eine Huldigung für Wieland, nicht als Verspottung desselben (vgl. Scholl) auf-
zufassen. Wieland sei der einzige, dem der Engel den Lorbeerkranz reichen könne,
deshalb kehre er betrübt zum Himmel wieder. Der Pack (V. 203), den der Teutsche
Merkur trotz aller Bewunderer nicht los wird, bezieht sich auf den schlechten Absatz
der Zeitschrift. V. 215—24, über die W. nichts Bestimmtes ermitteln kann, gehen
gewiss gegen die Vertreter der petite poesie, Gleim und die Anakreontiker, worauf
das Schiessen nach Schmetterlingen, die ja ihr Lieblingsattribut sind, klar hin-
weist. —
Seuffert22) führt für die Deutung des W^aldbruders im „Satyros" auf
Herder eine Stelle aus einem Briefe von Flögel an Klotz vom 20. Juli 1769 an, wo
Herder der Waldbruder genannt wird. —
Den „Clavigo" hat Georg Schmidt^s) in einer umfangreichen Arbeit,
hauptsächlich auf den Stil hin, untersucht. Er beginnt mit einer Verurteilung:
„Clavigo" nehme unter den Werken der ersten Schaffensperiode Goethes eine Aus-
nahmestellung ein, und zwar in mal.im partem, sowohl hinsichtlich des dramatischen
Gehalts wie der Sprache. Seh. untersucht nun zuerst die Sprache, aber nur in Be-
zug auf gewisse, stark hervortretende Besonderheiten, da der Stil an sich, wie er
meint, Gefühlssache ist. Beeinflusst ist der „Clavigo": 1. durch die französische
Quelle (Gallizismen in den wörtlich entlehnten Stellen, Steifheit infolge ihres
stolzierenden Stils, französisches Milieu); 2. durch die Empfindsamkeit (daher der
Schwulst, die Tiraden, das Verschwommene, Süssliche des Ausdrucks. „Stella" sei
ganz durchsetzt von unsittlicher und darum in sich verderbter Empfindsamkeit);
3. durch den Sturm und Drang (Beaumarchais rast wie ein Tollhäusler, so dass man für
diese wüsten Ergüsse einer mehr als verschrobenen Phantasie nur ein Lachen findet).
Diese Ausbrüche, die im „Götz" am Platze sind, passen weder für den Pariser noch
V. Berlichingen" im Bnrgtheater: Fremdenbl. N. 357. — 14) O X Goethes Götz v. Berlichingen. (Rass. Uelersetz.) Peters-
burg, M. Lederle & Co. (In d. 8bänd. Gesatntansg. d. rass. Goethe-Uebers. [Knb. 15,00].) — 15) X (I 7:67a.) — 16) X
W. T. Goethe, Götz v. Berlichingen mit d. eisernen Hund. Her. v. A. Hentschel u. K. Linke. (== Gew. Lektöre für Schule
n. Hans N. 3.) L., E. Peter. 1892. 92 S. M. 0,30. - 17) X id-, Götz of Berlichingen with the iron band. Transl. by
E. Stanhope Pearson. (= German class. plays N. 8.) Dresden, Pierson. 1892. 136 S. M, 1,00. — 18) H. Henkel, Zn
„Götter, Helden u. Wieland": GJb. 14, S. 273. — 19) id., Z. Jahrmarktsfest zu PInndersweilern: ib. S. 2734. — 20) id.,
Z. Neuesten ans Plundersweilern: ib. S. 274/5. — 21) P. Weizsäcker, D. Neueste v. PInndersweilern. Beitrr. z. Erklärung
einiger Stellen: VLG. 6, S. 67-78. - 22) (IV 7:19.) — 23) (I 8:44; IV 8b: 107.) - 24) X A. Lichtenheld, E. Soffö,
IV 8e : 23-25 G. Witkowski, Goethes Drama.
für die soliden kleinbürgerlichen Kreise, in denen sich alles abspielt). Die Einflüsse
dieser drei Faktoren zeigen sich in der Eigenart des Clavigostils, besonders in der
häufigen Anwendung des Polys,yndetons, des Asyndetons, der Anaphora und der
Geminatio. Seh. stellt eine genaue Statistik des Auftretens dieser Redeformen in den
Jugendwerken Goethes an und kommt zu dem Ergebnis, dass ihnen gewisse Schwächen,
zumal die Einseitigkeit bestimmter, zu Typen erstarrter Wendungen allgemein an-
haften; aber nirgends treffen so viele Mängel auf engem Räume zusammen wie im
„Clavigo", vor allem die übermässige Häufigkeit der Anaphora. Die sprachlichen
Mängel stehen nun in enger Beziehung zu dem minderwertigen künstlerisch-ästhe-
tischen Gehalt des Dramas. Das sucht Seh. an dem Charakter des Helden nach-
zuweisen. Die Urteile über das Stück zählt er auf; die zeitgenössischen lauten im
allgemeinen nicht günstig, die späteren widersprechend, beeinflusst durch die Be-
ziehungen des „Clavigo" zu Goethes Leben. Der Vorwurf, den er darzustellen hatte,
war an sich ebenso ungewöhnlich wie abstossend. Seh. widerspricht dem Panegyrikus
Schröers; man müsse sich Clavigo auf dem Wege der Reflexion nähern. Goethe
stellt in ihm unmännliche Veränderlichkeit dar, und ein solcher Charakter gehört
nicht auf den tragischen Kothurn, er ist ästhetisch nicht lebensfähig, jeder Un-
befangene legt den „Clavigo" mit einem Gefühl des Missbehagens aus der Hand. Der
Held ist nicht nur wetterwendisch, auch ein Heuchler, er verbindet in sich unvereinbare
Gegensätze: er will sich vor dem neuen Minister bücken und wird von Maria als ein
Mann im wahren Sinne des Wortes geschildert. Wir glauben nicht an seine Reue
und seine Liebe, nur im Munde Mariens erscheint er sympathisch, in Wahrheit steigt
er bis zu einer schurkischen Handlungsweise hinab. Konsequent ist er nur in der
Inkonsequenz. Es ist Goethe sehr zu verargen, dass er, um die Untreue Clavigos
zu begründen, ein so „ekelhaftes" Motiv wie die Krankheit Mariens verwendet. Aus
den Worten des Carlos (Weim. Ausg. 10, S. 100, Z. 27 ff.) schliesst Seh. ohne triftigen
Grund, dass eine Krankheit gemeint sei, die das Weib in der ehelichen Gemeinschaft
durch ansteckende Berührung auf den Mann überträgt. Der Tod Clavigos ist nicht
innerlich motiviert; er könnte ruhig weiterleben. Die Parallele Clavigo-Goethe, die
Schröer gezogen hat, wird von Seh. abgewiesen. Die Hauptzüge des Charakters
waren von Beaumarchais vorgezeichnet. Schliesslich sucht Seh. zu beweisen, dass
Marie nicht schwindsüchtig, sondern herzleidend ist; sie ruft wohl eine tragische
(besser : rührende), aber keine dramatische Wirkung hervqr, da sie immer passiv bleibt.
An dieser philisterhaften Schrift haben nur die fleissigen stilistischen Zusammen-
stellungen einigen Wert.^^) —
W 0 0 d 25) betont die geringe Ueberein Stimmung unter den bisherigen
Rekonstruktionen des „Elpenor", ihren Mangel an Rücksicht auf die Einfachheit
des klassischen Stils (mit Ausnahme von Kettner, vgl. JBL. 1891 IV 9e:38). Die
Lösung sollte nicht im Sinne antiker Tragik, sondern durch eine Wiedererkennung
ähnlich wie in der „Tphigenie in Delphi" erfolgen. Zarnckes Ansicht, dass das Stück
allegorisch, als Feier der Geburt des Weimarschen Erbprinzen aufzufassen sei, ist ab-
zuweisen, besonders mit Hinblick auf den Brief an Knebel vom 21. Nov. 1782. Als
den Boden, auf dem das Drama erwachsen ist, sieht W. das Verhältnis Goethes zu
Frau von Stein und ihrem Sohne Fritz an. Er stützt sich dabei auf die Briefstelle
(19. Aug. 1781): „dass Deine Liebe mich mit dem Onkel zusammenschmilzt", für die
er zum ersten Male eine befriedigende Deutung giebt, indem er sie auf Lykus, den
Oheim Elpenors, bezieht. Also Lykus ist Goethe, Antiope Frau von Stein, Elpenor
Fritz. Ein ähnlicher Bezug herrscht schon im „Falken" und den „Geschwistern",
wo Wilhelm-Goethe als Erzieher von Charlottens Tochter erscheint. Lykus darf nicht
getötet werden; seine früheren Thaten löscht die Versöhnung aus. Wie in „Lila",
wo eine Versöhnung der Gatten eintritt, wird hier Antiope in einer ganz ähnlichen
Situation gezeigt. (Die Analogie ist nicht sehr kräftig.) Im Eingang mischt sich in
Antiope das Luisen- und das Charlotten-Motiv, Elpenor steht zwischen Antiope und
Lykus, wie Felix im „Wilhelm Meister" zwischen Natalie und Wilhelm, wie Fritz
von Stein zwischen der Mutter und Goethe. Die Episoden in den „Lehrjahren" VIII,
10 und den „Wanderjahren" III, 18 bieten eine offenbare Parallele zum „Elpenor".
Wir dürfen annehmen, dass er von Lykus beim Herabstürzen gerettet wird und
vielleicht dabei das goldene Kettchen mit dem Bilde der Sonne (dem Zeichen der Frau
von Stein in Goethes Tagebuch) bemerkt, dass ferner der vermeintliche Sohn der
Antiope überhaupt nicht auftreten sollte. Für die tragische Verwicklung (die W. auf
Grund der Bezeichnung „Tragödie" für nötig hält, da er noch nicht weiss, dass sie
statt der ursprünglichen „ein Schauspiel" von Riemer eingesetzt ist), schlägt er
einen ungenügenden, nun überflüssig gewordenen Behelf vor. Die Anschläge des
Polymetis waren zu durchkreuzen; er musste der tragischen Gerechtigkeit verfallen.
P. erlebten n. litt. Qrupdlagen t. Goethes Clavigo (vgl. .TBL. 1890 IV 11 e : 13): ZAG. 44, 8. 182 — 25) H. Wood, Goethes
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 26-34
Antiope muss den Göttern danken, dass ihr Racheschwiir nicht erfüllt wird, dass
Elpenor nicht die Herrschaft mit dem „Ungeheuer in den Klüften des Gebirg'es" zu
teilen braucht, Lykus muss dankbar sein, dass sich seine Schuld nicht rächt. Elpenors
Zukunft wird problematisch g-eblieben sein ; als dem Vereinig-er des Lykus und der
Antiope, als dem Abbild des Fritz von Stein, stellt ihm der Dichter sein Horoskop in
den Stammbuchversen vom 17. März 1785. —
Die Berliner Freie Volksbühne^^) hat unter ihre Darbietuno^en auch den
„Eg-mont" aufgenommen und bei dieser Gelegenheit zur Orientierung ihrer Mit-
glieder und zur Rechtfertigung der Wahl des Stückes wie gewöhnlich eine Be-
trachtung vorausgeschickt. Wir glauben es aufs Wort, dass Goethes Freiheitsgöttin
für Bruno Wille und die Seinen nicht die „Freiheit, die wir meinen" ist. Der
historische Egmont war als Mitglied des grossen Feudaladels der Niederlande im Ver-
hältnis zu Spanien Mitausgebeuteter, im Verhältnis zum Bürgertum Mitausbeuter.
Goethe hat zwar den historischen Helden nicht brauchen können, aber die historischen
Verhältnisse richtiger als die Geschichtsschreiber aufgefasst. Schiller ist dem „Egmont"
gegenüber zu sehr moralisierender Philister, dagegen urteilt er richtig über die
dramatische Schwäche des Stückes, die dadurch erklärt wird, dass Goethe vom Herbst
1775 bis zum Sommer 1785 (!) ruckweise daran gearbeitet hat^'*). — Marianne
von Eybenberg-^) erwähnt in einem Briefe an Goethe vom 3. Aug. 1796 die be-
zeichnende Thatsache, dass Friedrich Wilhelm H. von Preussen noch nicht den „Egmont"
gelesen hat. — Niejahr^^) sieht das Vorbild der Traumscene im „Prinzen von Hom-
burg" in der Traumscene des „Egmont". Wie Klärchen als Genius der Freiheit, so
erscheint Natalie als Genius des Ruhmes, einen Kranz über das Haupt des Helden
haltend. Vielleicht, meint N., Messen sich noch in anderen Punkten Anklänge an
„Egmont" feststellen. Sie würden wohl aber ebenso den Eindruck des Zufälligen
machen wie der von N. hervorgehobene. — Zum bin i^*') macht darauf aufmerksam,
dass die Widmungsworte, mit denen Manzoni seinen „Adelchi" an Goethe übersandte,
aus dem „Egmont" entnommen sind. Mit diesem Drama weist Manzonis Erstlings-
stück, der „Graf von Carmagnola", viele und merkwürdige Aehnlichkeiten auf: in den
historischen Vorbedingungen, den Charakteren der Hauptpersonen, zumal der Helden,
in den Ursachen des Konflikts, in der Peripetie und der Katastrophe, in der Ver-
bindung der historischen Treue mit den Grundsätzen der modernen Kunst. In beiden
Dramen steht auf der einen Seite eine Staatsgewalt, die mit List und den schlechtesten
Mitteln jeden Widerstand zu unterdrücken sucht, auf der anderen ein freimütiger,
offener Held. Im Verlauf der Handlung herrscht die grössteUebereinstimmung, besonders
in der Scene, wo der Held, gepanzert mit dem Bewusstsein seiner Unschuld, sich dem
Gegner darbietet, der ihn unter dem Vorwand einer wichtigen Beratung, in Wahrheit
um sich seiner zu bemächtigen, zu sich gerufen hat. Beiden Helden ist die Seelen-
grösse o'emeinsam, die keinen Hinterhalt fürchtet, auch der Mang-el an Vorsicht.
Beide folgen dem Rate ihrer Freunde nicht, nur ihrem Dämon, der sie völlig be-
herrscht und die Katastrophe herbeiführt. Zumal in der letzten Stunde gleichen sie
einander, in der Erinnerung an das Schlachtfeld ähnliche Empfindungen wie Othello
(III, 3) aussprechend. Die Gattin und die Tochter Carmagnolas entsprechen in dem
Eindruck, den sie hervorrufen, der Gestalt Klärchens. Sie dienen dazu, uns den
Helden unter der Herrschaft zarterer Gefühle zu zeigen. Marco spielt eine gleiche
Rolle wie Oranien, sie vertreten den Gegensatz zum Charakter des Helden. Beide
Werke sind nicht eigentlich dramatisch. Z. tadelt besonders mit guten Gründen das
Melodrama am Schlüsse des „Egmont". den „Uebergang von Shakespeare zu
Metastasio". In Parallele dazu stellt er die Trennung der historischen und der er-
fundenen Personen bei Manzoni, die auch Goethe nicht gebilligt hat, und die dem
,, Carmagnola" nur Nachteil brachte. Manzoni hat mutiger als Goethe mit der über-
lieferten Manier gebrochen, indem er alle Liebesverhältnisse ausschloss und sich eng
an die Vorbilder des historischen Dramas hielt, nur lässt er das Volk nicht an der
Handlung teilnehmen und schädigt so die Wirkung seines Werkes. Er verwarf eben-
so wie Goethe in der Praxis die Einheiten und suchte sie theoretisch zu vernichten.
— Unter den Schulausgaben3i-32j des „Egmont" hat die von Blume^S) einen ver-
dienten Erfolg davongetragen. Sie ist jetzt, nachdem auf Grund der Weim.
Ausg. der Text verbessert wurde, noch mehr als früher zu empfehlen. —
Als Beleg zu seiner Auffassung des Tragischen, die hier nicht zu erörtern
ist, vergleicht H. F. Müller^*) die Orestie des Aeschylos mit Goethes „Iphigenie".
Elpenor: VLG. 6, S. 78-101. (Vgl. JBL. 1892 IV 8e : 19.) — 26) Goethes Egmont: Volksböhne N. 6. - 27) O X Egmont,
its derivatlon: NQ. 8', S. 273-341. — 2S) (IV 8b: 12; S. 31.) — 29) J. Niejahr, H v. Kleists Prinz r. Homburg u. Har-
mannsschlacht: VLG. 6, S. 409-29. (Darin S. 421.) — 30) B. Znmbini, L' „Egmont" del Goethe e il „Conte di Carmagnola«
del Manzoni. (= IV ld:77; S. 1.5.5-72) - 31) O X (I 7:69.) |[COIRW. 22, S. 267; BB6. 30, S. 316.]i — 32) O X (I" = 70.)
— 33) Goethes Egmont. Mit Einl. u. Anm. t. L Blnme. 6. Tausend. (= Schulausg. klass. Werke N. 29.) Wien, Graeser.
XXXII, 88 8. M. 0,50. — 34) (I 12:220.) (S. 109-62: D. Orestie d. Aeschylos u. Goethes Iphigenie. Schuld u. Söhne.) —
IV 8 e : 35-39 G. Witkowski, Goethes Drama.
Das g-emeinsame Thema beider ist die Schuld und die Entsühnung- des Pelopiden-
hauses; wie aber der innere Friede für Orest zu erlang-en ist, weiss Aeschylos nicht
zu sag-en, wohl aber Goethe. Iphigeniens reine Menschlichkeit vermittelt und spendet
dem Orestes die Versöhnung*. In ihm erwacht das Schuldbewusstsein, die Reue, die
Gewissensangst, von der zuvor in seinem Geschleohte nichts zu spüren war. Dieses
Leiden trägt die schuldlose Iphigenie mit, sie kämpft um seine Seele, befreit sie und
richtet sie wieder auf. Bei Aeschylos ist Orest nur das Objekt, um das Götter gegen
Götter streiten, seine Entsühnung nur das Mittel zu dem Zwecke, die neue reinere,
humane Religion siegen zu lassen. Bei Goethe ist die Entsühnung- die Hauptsache,
wir erfahren in tiefer psychologischer Ausführung, wie der schuldig unschuldige
Mann entsündig-t, seine Sünde vergeben, der Fluch in seinem Herzen und Gewissen
getilgt wird.35~38b^ —
Durch eine äusserlich stattliche Ausgabe des „Torquato Tasso" bringt
Kern39) seine Arbeiten über dieses Drama (vgl. JBL. 1891 IV 9e:65; 1892 IV
8e:33) zum Abschluss. Wie früher spielt die Polemik, zumal gegen Kuno Fischer
und Kirchner, eine bedeutende und an dieser Stelle nicht ganz angemessene Rolle.
Der Text schliesst sich im allgemeinen dem Weinholds in der Weim. Ausg. an;
doch zieht er stellenweise ältere Lesarten denen in C vor und ist damit an einzelnen
Stellen gewiss im Recht, z. B. V. 309, wo uns in der Weim. Ausg. bei dem
Fehlen jeder Aufklärung im Apparat ein Versehen vorzuliegen scheint. Auch in
V. 3342 halten wir mit K. die ältere Fassung für die bessere. K. vermehrt in dem
Bestreben, die Reden scharf zu gliedern, die vom Dichter angebrachten Absätze; zuweilen
zerreisst er aber dadurch den Sinn, wie vor V. 1845. Während alle Aenderungen
dieser Art dem berechtigten Bemühen entstammen, eine auf Gründen beruhende sub-
jektive Anschauung zum Ausdruck zu bringen, müssen wir der von K. eingeführten
Verszählung, die mit jedem Auftritt von neuem beginnt, alle Berechtigung und jeden
vernünftigen Grund absprechen. Er hat dadurch die Benutzung seiner Ausgabe ausser-
ordentlich erschwert, ohne irgend einen ersichtlichen Vorteil zu erzielen. Zahlreiche
Anmerkungen unter und hinter dem Text dienen zum Teil seiner Erklärung in einem
Umfange, der sich nur durch die Rücksicht auf die Zwecke der Schule rechtfertigen
lässt, zum Teil erscheinen sie überflüssig und störend, indem entsprechende und wider-
sprechende Stellen zu den Worten Goethes aus alten, neueren und neuesten Quellen
der verschiedensten Art wahllos zusammengetragen sind. Zuweilen sind dem Dichter
Absichten, die ihm gewiss fremd waren, untergelegt, z.' B. wenn in V. 607 „unter-
scheidet" eine Bosheit gegen Tasso sein soll. Die Ueberschriften, mit denen jede
einzelne Scene versehen ist, sind zum grossen Teil unzutreffend. Vor und nach dem
Texte sind die selbständigen Beiträge des Herausgebers, angeblich nach dem Grade
der Wichtigkeit, angeordnet. Zuerst behandelt K. nach einer Einleitung, in der
er weit auseinandergehende Urteile über den „Tasso" anführt, die Handlung des
Dramas. Sie bewegt sich nach K. um Tassos Heilung von krankhaften Vorstellungen
und ungehörigen Ansprüchen. Das Heilmittel kann nur in seiner Entfernung vom
Hofe liegen. Am Schlüsse sehen wir ihn genesen und in eine Lage versetzt, in der
er den Kampf mit dem praktischen Leben und dessen Anforderungen besser bestehen
kann als früher und ohne tief eingreifende Störung seinen idealen Aufgaben leben
wird. Seine dichterische Thätigkeit wird nun ihm selbst Frieden und der Welt Freude
bereiten, und so ist am Schlüsse des Dramas der Goethesche Tasso auf dem Wege
zum Glücke. Wir müssen dieser Auffassung aufs entschiedenste widersprechen, denn
sie drückt das Schauspiel zu einer Episode, die sich noch beliebig oft wiederholen
kann, herab, nimmt ihm dadurch den grössten Teil seiner Bedeutsamkeit, widerspricht
in unerlaubter Weise den historischen Verhältnissen und zwingt dazu, den Seelen-
kämpfen, die sich vor uns abspielen, keine grosse Schwere beizumessen. Besonders
Tassos Liebe zur Prinzessin wird davon berührt. K. muss annehmen, dass sie keines-
wegs so tief und innig sei, um einen „todesdunklen" Schatten auf Tassos ganzes
künftiges Leben zu werfen. Trotzdem bleibt K. dabei, dass das Drama im Goethe-
schen Sinne tragisch sei. Gut weist er die Einheit von Handlung, Ort und Zeit, die
Art der Exposition, den Gehalt an dramatischen Situationen nach. Bei der Erörterung
der Charaktere der fünf auftretenden Personen sieht er in dem Sanguiniker Tasso
den Uebergang vom empirischen zum erworbenen Charakter (nach Schopenhauer) ge-
zeichnet, die Prinzessin ist von phlegmatischem Temperament und sucht deshalb
35) O X V. Paul, D. Entsühnnnif Orests bei d. Griechen u. bei Goethe: Jnng-Deutschland 1, S. 44, 53/4; 2, S. 10/1. —
36) X K. Sprenger, Zu Goethes Iphigenie I, 3, V. 226: ZDÜ. 7, S. 687/8. (Verteidigung gegen Erich Schmidts Vorwurf [vgl.
JBL. 1890 IV lle:22J, er habe d. ältere Lesart nicht berücksichtigt.) — 37) X K. Hessel, Nochmals Goethes Iphigenie u.
Schacks Arete: Mädchenschule 6, S 1-15. (Vgl. JBL. 1892 IV 8e : 25.) — 38) O X Goethe, Iphigenie paa Tauris. Et Skuespil.
Oversat af P. Hansen. Kjöbenhavn, Gyldendal IV, 119 S. Kr. 3,00. — 38a) X (IV 8a: 156.) — 38b) X (IV 8» : 157.)
— 39) F. Kern, Torquato Tasso. E. Schauspiel v. Goethe. Mit Einl. u. Anm. her. B., Nicolai. VI, 394 S. M. 10,00. 1[W.
T. Biedermann; LZg«. N, 33; K. Heinemann: BLU. S. 463-71; DR. 3, S. 379; LCBl. 8. 693; W. Creizenach: ASNS.91,
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 40-49
Tasso nicht zu halten, Antonio wird in mög-lichst g-ünstig-em Lichte dargestellt. Der
Anhang- bietet zuerst Ergänzungen zu den einleitenden Kapiteln, bei denen man nicht
einsieht, warum sie von ihnen g-etrennt sind, behandelt dann höchst oberflächlich den
geschichtlichen Tasso und die Quellen Goethes, unter denen die wichtigsten, Serassi
und Manso, viel zu flüchtig gestreift sind, und erörtert die Entstehung der Dichtung
in der von früher her sattsam bekannten Art. Das Bestreben, Moritz als Modell
Tassos im Anschluss an S. Auerbach nachzuweisen, erscheint unnütz und verfehlt.
Der letzte Abschnitt „Formelles" ist in jeder Beziehung ungenügend, *''-'*3) —
Der „Bürgergeneral" wurde von Mitgliedern des Zwickauer Goethe-
vereins unter der Leitung- Kellners^*) am Geburtstage des Dichters mit grossem
Lacherfolg aufgeführt. — Ein hübscher Prolog von Mosen^^j ^jgg ^^f den Feldzug
in der Champagne und die Stimmung, aus der das kleine Stück geboren ist,
passend hin. —
Von der Uebersetzung des „Mahomet" schreibt Goethe*^) an Christiane den
3. Okt. 1799. — Marianne von Eybenberg^') meint, dass das Verbot der Aufführung
des „Mahomet" in Wien keinen anderen Grund habe, als dass man in einigen Zügen
Aehnlichkeit mit Bonaparte fand. —
Die Darstellung der „Natürlichen Tochter" bei Gelegenheit der Weimarer
Goetheversammlung giebt Valentin*^) Anlass, die Bühnenwirksamkeit des Stückes im
Gegensatz zu dem landläufigen Urteil zu konstatieren. Dieses beruht in erster Linie
darauf, dass das Werk ein Bruchstück ist, welches nur die Exposition der Handlung
giebt und doch äusserlich als ein ganzes erscheint. Die „Natürliche Tochter" wäre
keine Trilogie geworden, ebenso wenig wie es der „Wallenstein" ist. Ferner wird
die Wirkung durch die Namenlosigkeit der Personen geschädigt, die sich nicht aus
dem Streben nach Aufstellung von Typen, die hier gar nicht vorhanden sind, erklärt,
sondern daraus, dass Goethe die geschichtlichen Ereignisse möglichst verallgemeinern
wollte. Er konnte das berechtigte Verlangen nach einem historischen Hintergrund
der Handlung- nicht erfüllen. V. zeigt dann den Gedanken, der die treibende Kraft
des Stückes werden sollte: Eugeniens Erkenntnis und Erfüllen ihres Berufes als
Retterin des Vaters und des Königs. Durch dessen Durchführung wäre die „Natür-
liche Tochter" ein Gegenstück zur „Jungfrau von Orleans" geworden und in Ver-
wandtschaft zu der in der „Iphigenie" herrschenden Weltanschauung getreten. —
In der „Pandora", die meist nur auf ihi-e symbolische und allegorische Be-
deutung hin betrachtet wird, will Harnack^^) den speciell dramatischen Gehalt, das
Zusammenwirken individueller Persönlichkeiten, würdigen. Die Benennung nach der
Idealgestalt der Pandora, welche die meisten verleitet, von ihr bei der Erklärung-
auszugehen, ist ein Missgriff, veranlasst durch den ursprünglichen, nicht durch-
geführten Plan. Der Kontrast des Prometheus und Epimetheus beruht bei Goethe,
abweichend von der Ueberlieferung, in der Verschiedenheit des Empfindens, und
zwar wird die weichere Empfindungsart, die Epimetheus vertritt, hier so sehr, wie
nirgend sonst bei Goethe, als die höhere hingestellt. Die Haupthandlung ist beim
Beginn schon g-eschehen. Die Brüder sind einander völlig entfremdet, weil sie sich
nicht verstehen. Klar ist ihr Gegensatz beim Erscheinen Pandoras zu Tage getreten,
die Prometheus als Verführerin fortgewiesen hat, während der Bruder sie aufnahm.
Die luftigen Götterbilder, die ihrer Büchse entstiegen sind, haben zwar nicht Epi-
metheus selbst, aber die grosse Masse der Menschen verführt, ihnen nachzujagen und
sich dadurch in Gefahr zu stürzen. Die Menge hascht nach dem Schein der Schönheit,
Epimetheus verlangt nach ihrem Wesen. Nachdem sie in Pandoras Gestalt ihm ver-
schwunden ist, bleibt er trauernd und sehnsuchtsvoll zurück mit der Tochter Epimeleia,
die sie ihm gelassen hat, und die zur Jungfrau heranwächst. Vor seinem Bruder hat
er sie verborgen. Aber dessen Sohn Philemon liebt sie, er glaubt sich von ihr be-
trogen, sein Wüten führt die Väter zusammen, Prometheus nähert sich dem Stand-
punkte des Epimetheus und beide vereinigen sich in der Verehrung der verschwundenen
Tochter Elpore. Von Rachsüchtigen wird das Besitztum des Epimetheus zerstört;
Phileros, durch die Strenge des Vaters verzweifelt, hat sich ins Meer gestürzt; Epi-
meleia sucht den Tod in den Flammen. In dieser höchsten Not vereinigen sich beide
Brüder zu gemeinsamem Handeln. Den Sohn kann Prometheus nicht retten; das
vermögen, wie Eos verkündet, nur die Götter. Das Liebespaar ist durch ihre Macht
unversehrt geblieben, das Wiedererscheinen Pandoras kündigt sich an. Das Folgende
S. 282/4; A. Jonas: ZGymn. 27, S. 116/8.]| — 40) X H. C. Kellner, H. Grimm, Leonore v. Este (vgl. JBL. 1892 IV8e:30):
MGoetheVZwickau N. 1. — 41) O X J- B- Rinaldi, Vita Torquati Tassi: oratinncala ad pneros gymnasii alamnos. Bononia,
ex typ. Regia. 1892. 16». 23 S. — 42) O X L. Berle, Torquato Tasso: appunti storico-critico-biograflci ad uso degllstituti
d'istrazione secondaria e specialmente delle scuole norraali. Torino, Canonica. 16". 78 S. L. 1,25. |[NAnt. 47, S. 160;1.J| —
43) O X (I 7:71.) — 44) (IV 8a: 39.) — 45) G. Mosen, Prolog z. Jahrhundertautfülirong v. Goethes „Bärgergeneral":
MGoetheVZwickau. N. 3. (Vgl. ChWGV. S. 35,6.) — 46) (IV 8d : 2; 14, S. 196.) — 47) (IV 8b : 12; S. 37.) —
48) V. Valentin, Z. Aufführung v. Goethes „Natürlicher Tochter" in Weimar: DWBl. 8. 3213. — 49) 0. Harnack, Ueber
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV. (4)27
IV 8e : 49-54 G. Witkowski, Goethes Drama.
ist nicht mehr ausgeführt. Am Schlüsse muss Prometheus, der die Grenzen seiner
Kraft erkannt hat, versöhnt sein. Der Realist wird nicht durch die üebermacht des
Ideals ins Nichts zurückg-eworfen, sondern alles klingt in Harmonie aus. Die Vor-
bedingung des Erscheinens der Pandora ist die Versöhnung der beiden Brüder, und
erst müssen Phileros und Epimeleia als Pfleger der Erbschaft des Epimetheus ver-
einigt sein, ehe er von der Erde entrückt und mit Pandora endgültig verbunden werden
kann. Pandora ist die Verkörperung der Schönheit, aber deshalb in unserem Drama
nicht eine blosse Allegorie, sondern durchaus individuell in den Erzählungen der beiden
Brüder gezeichnet. Sie ist die Schönheit im weitesten Sinne, alles Erhabene und
Beseligende, auch Wissenschaft und Religion, in sich umschliessend. Die Form des
Dramas ist die letzte, die sich Goethe geschaffen hat, angeregt von der griechischen
Tragödie und der Oper. Ein in durchgehendem Versmass gehaltener Dialog wechselt
mit lyrischen Strophen, die teilweise für den Gesang berechnet sind und den handeln-
den Personen, nicht einem griechischen Chor, in den Mund gelegt werden. Wir finden
diese Form zuerst in dem Vorspiel von 1807, dann ausgebildet in der „Pandora."
Hier tritt im Dialog der Einfluss des griechischen Dramas, in den lyrischen Partien
der der Oper mehr hervor. Noch stärkeres Hinneigen zur Oper zeigt „Des Epimenides
Erwachen"; doch ist die Grundform beider Stücke die gleiche. Sie fand die aus-
gedehnteste Anwendung im zweiten Teile des „Faust". Verwandt sind mit dieser
Mischform nicht Schillers Dramen, trotz lyrischer Einschiebsel, sondern eher die
dramatischen Dichtungen der Romantiker ; nur dass Goethe die specifisch romantischen,
südländischen Formen mit Ausnahme der Stanze gar nicht verwendet. Er hat auch
in der „Pandora" die Kunst des Rhythmus weit getrieben, den Reim aber sehr ein-
fach gehalten. Es überwiegt darin durchaus für den Totaleindruck das antike Ele-
ment. — Aehnlich wie Harnack entwickelt Büchner^'') klar den Gang der Handlung
in der „Pandora"; doch hält er sie in der vorliegenden Form für abgeschlossen ; das
Fragment kann als ein Ganzes betrachtet werden, weil die Prophezeiung der Eos am
Schlüsse alles Wesentliche, was nachher dargestellt werden sollte, enthält. Wie die
,, Wahl Verwandtschaften" ist auch „Pandora" unter dem schmerzlichen Gefühl der Ent-
behrung, entspringend der hoffnungslosen Leidenschaft für Minna Herzlieb, entstanden.
Die dunkle Seite der Dichtung soll nach B. in der Lehre bestehen, dass derjenige,
der auf Liebe, Freundschaft und Pietät sein Lebensglück aufzubauen unternimmt,
leicht die Beute verbitternder Enttäuschungen wird. Den Grundgedanken hat die
„Pandora" mit der „Trilogie der Leidenschaft" gemein.' —
In „Romeo und Julia" hat Goethe, wie Charlotte von Schiller in einem
von K. Sohmidt^^) mitgeteilten Briefe an ihren Sohn Ernst schreibt, die Kraft des
Originals mit seiner schönen Sprache vereinigt. Sie berichtet auch (S. 76) sehr
günstig über die erste Aufführung. —
Eine Abhandlung über „Des Epimenides Erwachen" eröffnet Morsch ^^^
mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Forschung über die Doppelgestalt
des historischen Epimenides. Wie Loeper rechtfertigt er die Wahl des Stoffes und
erklärt sie durch litterarische Ueberlieferung. Er zählt drei französische Behand-
lungen des Themas auf, von Poisson 1735, von Henault 1755 und von Flins 1790.
Die letzte kannte Goethe aus Grimms „Correspondance litteraire". Eine andere, sehr
wahrscheinliche Quelle, die Inhaltsangabe in Kotzebues ,, Meine B^lucht nach Paris",
hat sich M. entgehen lassen, worauf Koch^^) hinweist. Alle früheren dramatischen
Einkleidungen gehen von der Stelle Diog. Laert. I, 109 aus; erst Goethe erhebt die
lustspielartigen Motive zu ernster Tragik. In den französischen Dichtungen erwacht
der Weise am Anfang, bei Goethe ist auch sein Entschlummern und die Zeit seines
Schlafens geschildert, während der Titel, der Tradition folgend, nur das Erwachen
erwähnt. Die Verbindung mit Staatsumwälzungen geht gemeinsam auf die Antike
zurück. Noch andere Aehnlichkeiten mit den Vorgängern erwähnt M.; aber im ganzen
hat doch Goethe den Stoff völlig in der Richtung des Antik-Tragischen umgewandelt.
Auch die enge Beziehung der Schlussscene zur „Alkestis" des Euripides zeigt das.
Nur ist der „Epimenides" im Gegensatz zu den früheren antikisierenden Dramen antik-
romantisch, die antiken Figuren sind, wie schon in der „Pandora", mehr Symbole.
Das Festspiel ist eine Goethesche Konfession im grossartigsten Stile: Epimenides ist
Goethe selbst, M. weist frühere Vergleichungen Goethes mit dem mythischen Seher
nach, ebenso dass das Verhalten, die Hoffnungen und Klagen desselben der Stellung
des Dichters zu den Zeitereignissen entsprechen. Seiner Ansicht, dass der Schluss-
gesang, von einem patriotischen Künstler, etwa Richard Wagner, gesetzt, zu einer
deutschen Nationalhymne werden könnte, vermögen wir uns nicht anzuschliessen. —
Sara von Grotthus^^) unterstützt die Bitte des Theaterdirektors Liebich um ein Fest-
spiel Goethes zur Feier von Deutschlands Befreiung mit beweglichen Worten. —
Goethes „Pandora": PrJbb. 73, S. 105-22. — 50) W. Büchner, üeber Goethes Pandora: ZDÜ. 7, S. 355-68.— 51)(IV8b:9;
9:21;S.63) — 52) (IV Sa : 95/6.) - 53) M. Koch, Neuere Goethe- u. Sohillerlitt. VHI: BFDH. 10, S. 211-74. (Darin : S. 253.) - 54)
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 55-63
Wie g-ewöhnlich ist der Jahresertrag- der Erzeugnisse, die sich mit Goethes
„Faust" beschäftig-en, wieder äusserlich ein reicher. Aber es findet sich in dieser
Ernte eine grosse Anzahl von tauben Aehren, zumal unter den Arbeiten, die den
„Faust" im allgemeinen behandeln. Heuers^^) trefflich gearbeiteter Katalog der
Frankfurter Faust-Ausstellung bringt besonders für die ältesten Gestaltungen der
Sage manches Neue; Goethes Dichtung ist durch sämtliche Originalausgaben, zahlreiche
Nachdrucke, illustrierte und kommentierte Ausgaben (im ganzen 462) vertreten, ausserdem
enthält das Verzeichnis 8 Bühnenbearbeitungen, 7 Fortsetzungen, 66 üebersetzungen,
9 Texte zu Faustopern, 8 Possen, 6 Ballets, 14 Satiren und Parodien, und eine gTosse
Anzahl von darauf bezüglichen Bild- und Tonwerken. — Küchlers^^) Dissertation,
die zugleich dänisch*'^} erschien, ist nur ein eilig zusammengerafftes Konglomerat der
allerbekanntesten Dinge. Neu ist die Ansicht, dass Faust in „Trüber Tag. Feld" sich
von Mephistopheles lossagt, dessen er von nun an nicht mehr bedarf, und der sich
nur noch als höchst lächerliche Figur einschiebt und aufdrängt^^ ^^). — Kiesewetters^')
eigenartiges Buch muss auch hier genannt werden, weil auch auf eine Anzahl Stellen
des Goeth eschen „Faust" von dem spiritistischen Standpunkt des Vf. ein neues,
freilich wohl meist trügerisches Licht fällt. — Unter den beiden Wiener Faustdramen,
die Werner 62-) aufgefunden hat, kann das eine von Goethe beeinflusst sein. Es wurde,
von Kringsteiner verfasst, 1816 im Leopoldstädter Theater gegeben. Das andere zählt
unter die Sing'spiele des 18. Jh. ; es lehnt sich an die bürgerlichen Trauerspiele und
die Tendenzen der Aufklärungszeit an. — Die Vorgeschichte des Stoffes, in welche die
zuletzt erwähnten Arbeiten hineinführen, ist meisterhaft in grossen Zügen dargestellt
im ersten Bande von Kuno Fischers ''33 Faustschrift, die jetzt in dritter Auflage
vorliegt. Sie steht, trotz manchen Lücken und Versehen im einzelnen, durchaus auf
der Höhe der W^issenschaft. F. hat jetzt den Fund des Urfaust, den die vorher-
gehende Auflage noch nicht verwerten konnte, in seine Darstellung der Entstehungs-
geschichte eingegliedert, und er konnte das um so leichter, weil dadurch seine früheren
Aufstellungen nur erhöhte Gewissheit erhielten. Die Einheit der Dichtung setzt F.
in die Persönlichkeit des Dichters; eine andere vermag er bei den mannigfachen
Widersprüchen nicht anzuerkennen. — Dagegen wiederholt eine neue umfangreiche
Gesamterklärung des „Faust", die von Baumgart ^*), die früher mehrfach unter-
nommenen Versuche, eine präexistierende philosophische Idee, der die Ausführung in
allen ihren Stadien entspricht, zu konstruieren. Mit dentlich erkennbarem Anschluss
an Hegel stellt er den Erdgeist in die Mitte der gesamten Handlung. Er ist das Symbol
alles Lebens, und Mephistopheles handelt überall nur in seinem Auftrage, er ist
nirgends transcen dental zu denken; der Teufel der Sage, an den auch Faust nicht
mehr glaubt, ist verschwunden. Infolgedessen bedeutet auch die Magie nicht ein
Mittel zur Erkenntnis des Uebersinnlichen, sondern sie ist nur ein Symbol für die
Weltanschauung von der Immanenz der Gottheit; Faust sucht durch sie den Weg
ins weite Leben. Anwendung findet sie nur bei der Beschwörung des Erdgeistes,
während die des Pudels von B. als Halluzination gedeutet wird und das ganze
folgende Gespräch mit Mephistopheles in Wahrheit ein Selbstgespräch Fausts sein soll.
Kleine und grosse Welt werden durch Hexenküche und Walpurgisnacht symbolisch
verkörpert. In der Gretchentragödie leidet Faust unter einer schweren geistig-sittlichen
Erkrankung, sein ganzes Gebahren gegen Gretchen ist nur Maske. In dieser Weise
deutet B. die ganze Dichtung, vorläufig bis zur ersten Scene des zweiten Teils, dem
Anfangs entwickelten Grundgedanken entsprechend aus. Wir müssen dabei der Worte
Goethes (an Schiller 17. Mai 1795) gedenken: „Die Idee mag gut sein und die
Bemühung ist respektabel, wenn nur nicht diese Herrn, um ihre schwachen Flanken
zu decken, gelegentlich die fruchtbarsten Gärten des ästhetischen Reichs verwüsten
und in leidige Verschanzungen verwandeln müssten. Und am Ende ist mehr Subjektives
als man denkt in diesem ganzen Krame". ^^■"^') — Auch Umfried^^) sucht den ganzen
„Faust" unter einen beherrschenden Grundgedanken zu bringen. Er sieht darin die
Verkörperung des christlichen Glaubens; aber frei von jeder dogmatischen Beschränkung.
Diese Absicht ist nur fragmentarisch im ersten Teil zum Ausdruck gekommen, indem
die Idee der Erlösung nur bis zum Gericht durchgeführt ist, das die Walpurgisnacht
(lV8b : 12; S. 56,7.) — 55) (H 3 : 37: HI 3 : 8; IV 4 : 308; 8a : 44.) |iM. O(sborn): MagdZg. N.592; A.Bartels: Didask. N. 215;
NatZg. N. 509 ; MAutographensaramler. S. 79-81 , 87, 8, 94, 6 ; E. S a c It : FZg. N. 256.] | — 56) C. K ü c h 1 e r , D. Faustsage u. d. Goethesche
Faust. Diss. Kopenhagen. (L., Fock.) 56 S. M. 1,20. 1[M. K och: BFDH. 9, S 193; LCBl. S. 1587,8; L. Franke 1: BLU. S. 401.] | — 57)
(15 : 225;n3 : 27.) — 58) X ^'- Küchler, Goethes ,,Faust"u. seiDeQaellen:LZgB.N. 34. (Nur e. wörtlicher Ausz. aus N. 56.) —
59) X I"- Lewes, Ueber d. hist. u. myth. Faust im Verhältnis z. Goetheschen Dichtung. Vortr.: ChWGV. S.o. (Kurzes Kef.) —
60) X A. Pick, Faust in Erfurt: Erfurter Echo N. 30/1. (Forts. 1894, N. 1/3.) — 61) (I 5 : 224; 10 : 25; II 3 : 28; m 3 : 2.)
— 62) (IV 4:411.) — 63) (U 3:25; III 5:39.) |[BLU. S. 447.], — 64) H. Baumgart, Goethes Faust als einheitliche
Dichtung erläut. 1. Bd. Königsberg, Koch IV, 420 8. M. 4,00. |[0. Harnack: PrJbb. 75, S. 87; K. J. Schröer: LCBl.
S. 1272/3.JI — 65) X K- J- Schröer, Faust (vgl. JBL. 1892 IV 8e:55): LCBl. S. 1436,7. — 66) X C- Thomas, Faust (vgL
JBL. 1892 IV 8e:56): ib. S. 411,2. — 67) O X D- Kitto, Goethes „Faust": NQ. 3, S. 187. (Dazu H. Krebs: ib. S. 356/7.)
— 68) (IV 8a:73.) — 69) (IV 5:57.) — 70) (IV 4:312; 8a:136.) |[M. Koch: BFDH. 9, S. 383; J. Riffert: LZgB.N.64.]|
(4)27*
IV 8e : 68-76 Gr. Witkowski, Goethes Drama.
als Traum g-esicht, die Kerkerscene realistisch darstellt. Der zweite Teil hat ausser
dem Namen des Helden nichts mit dem ersten g-emein als das Problem der mensch-
lichen Bestimmung-; denn Faust verfällt am Ende des ersten in Wirklichkeit der Hölle,
und alles Folg-ende behandelt die objektive Seite der deutsch-menschlichen Aufgabe
der Erziehung- des deutschen Geistes zum sittlich -religiösen Bewusstsein, durch das
die Versöhnung des Menschen mit sich selbst und seinem Dasein erreicht werden soll.
Infolgedessen wird der ganze zweite Teil von U. allegorisch aufgefasst. Faust
selbst ist der kranke Zeitgeist, der durch Entsagung und Busse gesunden soll,
Mephistopheles der dem Zeitgeist innewohnende Widerspruch gegen das höhere Ziel.
Am Schlüsse handelt es sich nicht um den physischen Tod Fausts, sondern um den
geistigen, einen bei Lebzeiten eingetretenen Zustand geistiger Impotenz, Erschlaffung
und unbedingter Ruhe. In diesem Sinne deutet U. mit heissem Bemühen und Heran-
ziehung zahlreicher paralleler Goethestellen, unter denen sich eine Anzahl zwar nicht
neu aufgefundener, aber bisher nicht verwerteter und wirklicher wertvoller befindet,
den ganzen Gang der Dichtung ; doch da der Rahmen, in den er sie presst, bald zu
weit und bald zu eng ist, so geht es vielfach nicht ohne Gewaltsamkeit ab, wie
andererseits das Kunstwerk zerstört wird in diesem Bestreben, den Gedankengehalt
herauszuschälen. Zur Erklärung stützt sich U. vornehmlich auf die Theodicee am Ende
des achten Buches von „Dichtung und Wahrheit" und auf die „Wanderjahre". Im
Vorspiel auf dem Theater repräsentiert der Direktor das stoffliche Element der Dichtung,
der Dichter den höheren sittlichen Gehalt, die lustige Person die Form. Der Schluss-
vers „Vom Himmel durch die Welt zur Hölle" findet seine Bestätigung- durch den
Triumph des Bösen in Walpurgisnacht und Kerkerscene. Ueberall sucht und findet
ü. Symbolik, selbst im Namen Nostradamus und den ersten Scenen „Vor dem Thor",
die angeblich zeigen, wie völlig christliche Zucht und Ordnung darniederliegt, wie
untauglich unser Leben für den höheren Zweck, wie unfähig aber auch die Kirche
für ihre Aufgaben sich erweist. Das Glaubensbekenntnis Fausts in der Katechisations-
scene heisst ,, Phrasenwerk, Wortgeklingel, Gefühlsspielerei." Der Knabe Lenker ist
der Glaube, Plutus das Wunder. Die Mütter sind die almae matres, die Universitäten,
entsprechend der „akademischen Bestie" des ersten Teils. Gegen eine Aufführung
des „Faust" legt U. im Namen des Dichters und des gesunden Menschenverstandes
feierlichst Verwahrung ein. Wir verwahren uns nicht minder feierlich gegen eine
solche, jedes Verständnisses bare Auslegung des g-rossen Werkes. — In seinem
Buche, das sich mit dem „Faust" nur im Titel berührt, liefert Behrends^^) ein
unklares Produkt ohne jeden Wert, das sich vergeblich mit den höchsten
Fragen abmüht. — Nach Basedows 'O) Ansicht beruht der undramatische Eindruck
des „Faust" darauf, dass Mephistopheles undarstellbar ist. Um das zu beweisen,
bringt B. zuerst allerlei Unsinn über den Grundgedanken des Werkes vor. Faust,
der alte Gelehrte, kommt zur Liebe durch Mephisto, der die Verneinung ist. „Und
das ist die Formel für das Christentum ; denn das Christentum ist ursprünglich die
Religion der Entsagung, der Verneinung." Das grell Dämonische in Mephisto dar-
zustellen, erscheint für menschliche Kräfte unmöglich; deshalb soll statt des Theater-
teufels lieber ein diabolischer Mensch dargestellt werden. Den Prolog im Himmel
hat Goethe nachträglich gedichtet, um für Gottes, durch Mephisto vollzogene
„Malträtierung" Fausts einen Grund zu finden. ''i"'^). — Begeben wir uns nun aus den
Wo] kengebieten der Spekulation auf den Boden der realen Faustforschung, so begegnet
uns ein guter Ueberblick über die neueren Ergebnisse für englische Leser von
Coupland''6). Er berichtet nach kurzer Ablehnung von Scherers Hj^pothesen von
dem Funde des Urfaust, wobei er irrtümlich die Scene auf der Landstrasse für bisher
unbekannt hält. Die Wichtigkeit des Fundes sieht er vor allem in seinem Nutzen
für das Verständnis des vollendeten Werkes; denn der beste Schlüssel zu diesem Buche
mit sieben Siegeln ist seine Entstehungsgeschichte. Sodann lenkt C. die Aufmerksamkeit
auf den metaphysischen Kern des Par. j. Inhalt und Form sind technische Ausdrücke
aller Metaphysiker. Kuno Fischers Faustschrift nennt C. mit Recht die nützlichste
für die Erkenntnis der Entstehungsgeschichte und wendet sich nur gegen Fischers
Behauptung, dass die Einheit lediglich in der Person des Dichters liege. Mit guten Gründen
lehnt er die Einheit der philosophischen Idee ab, weil Goethe nicht vom Abstrakten
ausgegangen sei, und verurteilt Louviers Machwerk. Er bespricht das Mephistopheles-
und Erdgeist-Problem im Anschluss an die Aufstellungen Cornishs, Fischers und
— 71)X I-- Fränlcel, F. A. Louvier, Goethe als Kiibbalist. — id., Sphinx locuta est (vgl. JBL. 1892 IV 8a: 69-70): BLU.
S. 66/8. — 72) X F. A. Louvier, Sphinx locuta est (vgl. JBL. 1892 IV 8a : 70). i[P. Harms: FZg. N. 94: E. Müll er-Holm:
HambCorrB. N. 17/8; A. Sulzbach: BFDH. 9, S. 78-92.]| (S. auch o. IV 8a:82) — 73) X ?• Harms, W. Gwinner, Goethes
Faustidee (vgl. JBL 1892 IV 8e:57): FZg. N. 94.— 74) X ^- Hölscher, K. Schmidt, Gedanlten über Goethes Faust (vgl.
JBL. 1892 IV 8e:59): ASNS. 90, S. 345/6.- 75)X Ph- Winkler, Grnndzüge e. „Parallele zwischen Shakespeares „Hamlef^
u. Goethes „Faust" (vgl. JBL. 1892 IV 8e : 64). ||BLU. S. 367; L. Hölscher: ASNS. 91. S. 472; M. Koch: BFDH. 9, S. 193.] |
(S. 0. IV 8a: 137.) — 76) W. S. Coupland, Recent contributions to the study of Faust: PEGS. 7, S. 32-51. — 77) X F.
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 77-85
Curtos, zählt die Widersprüche in der Charakteristik auf, und meint, hier sei nicht
nur ein verneinender, sondern ein „selbstverneinender" Geist. Mephisto ist nicht vom
Erdgeist gesandt; der Geist, der Faust sein Angesicht im Feuer zugewendet hat, ist
Gott. Goethe hat, wie der Urfaust beweist, schon bei der ersten Konzeption in
Mephistopheles den Teufel, nicht einen Kobold im Dienste des Erdgeistes gesehen'''').
— Sprenger ''S) meint, dass Goethe beim Mammon der Walpurgisnacht nicht die Verse
Miltons Paradise lost II, 228 ff., auf die schon Loeper verwiesen hat, sondern I, 670 ff.
und 678fT. vorgeschwebt zu haben scheinen. Auch zum zweiten Teil (V. lOlOSff.)
findet S. bei Milton Gedankenparallelen. — Für die abschätzige Meinung Goethes von
seinem Werke in den 90 er Jahren bieten die neu veröffentlichten Briefe der Weim.
Ausg."*^) zwei weitere Belege. An Hirt schreibt er den 30. Jan. 1798 (13, S. 46J,
er sei für den Moment himmelweit von reinen und edlen Gegenständen entfernt, indem
er seinen Faust zu endigen, sich aber zugleich von aller nordischen Barbarei loszu-
sagen wünsche. Und an Cotta 2. Jan. 1799 (14, S. 1): „Mein Faust ist zwar im vorigen
Jahre ziemlich vorgerückt, doch wüsst' ich bey diesem Hexenproducte die Zeit der
Reife nicht voraus zu sagen." — Als die beste aller französischen Uebersetzungen
des ersten Teils ist von der gesamten deutschen Presse einstimmig die von Sabatier^o^
anerkannt worden, welche nach dem Tode des Vf. jetzt von seiner Witwe heraus-
geg-eben worden ist. In jahrzehntelanger Beschäftigung hat S., mit der feinsten Kenntnis
der deutschen und der französischen Sprache ausgerüstet, seine Arbeit als Liebhaber
im höchsten Sinne des Wortes zu einer so getreuen Wiederg-abe des Urbildes gestaltet, dass
sie in dieser Beziehung schwerlich zu übertreffen sein wird. Nicht nur die Zahl der Verse
ist bis auf einen einzigen Fall (V. 2346) genau übereinstimmend; er sucht auch die
feinsten metrischen Eigentümlichkeiten nachzuahmen und setzt sich über alle herrschenden
Gesetze der französischen Metrik hinweg, indem er die Neuerungen, die erst in der
französischen Dichtung der letzten Jahre, bei den Parnassiens und Decadents, auf-
getreten sind, vorwegnimmt. Er geht soweit, unreine Reime der deutschen Dichtung
im Französischen durch eben solche anzudeuten. Die Freiheiten der Goetheschen
Sprache veranlassen ihn, auf die kühnen Bildungen der Volkssprache und der
französischen Dichter des 16. Jh. zurückzugehen: er verwendet die Elision von i in
si und qui, die Inversion des Objekts in einem Masse, das von seinen Landsleuten
als gewaltsam bezeichnet worden ist. Die Anmerkungen zeugen von dem Ringen des
Uebersetzers mit seinem Stoff, dem steten Suchen nach der schärfsten Wiedergabe des
Sinnes, auf Grund einer eingehenden Kenntnis der g-esamten zu seiner Zeit vor-
handenen Litteratur. Wir glauben gern der Versicherung- der Vorrede, dass S. Tage
und Wochen darauf verwendet hat, um für einen einzigen Ausdruck die entsprechende
Wendung zu finden, bietet er doch für alle schwierigen Stellen eine Reihe von zum
Teil in ihrer Art vollendeten Uebertragungen zur Auswahl, von denen jede mit der
reiflichsten üeberlegung motiviert ist. Darunter hat die Frische, der Humor, die
Kraft der Sprache nicht gelitten, im Gegenteil scheint er dem Französischen nach
diesen Richtungen hin neue Fähigkeiten abzugewinnen, wobei es freilich für uns
schwer zu entscheiden ist, ob er nicht schon die Grenze des vom französischen Sprach-
geist Erlaubten überschritten hat. Leider ist das äussere Gewand dieses Meisterwerkes
ein ganz unwürdiges, das Papier ist schlecht und der Druck überaus flüchtig. Wir
wollen hoffen, dass der wohlverdiente Erfolg der Uebersetzung bald eine zweite,
sorgfältiger hergestellte Ausgabe ermöglicht. — Die Bedeutung der Leistung Sabatiers
tritt um so klarer hervor, wenn man sie mit den älteren französischen Faustüber-
setzungen vergleicht, z. B. mit derjenigen der „Bibliotheque nationale" ^i), die von
neuem erschienen ist und noch immer in ihrer steifen Prosa komische Fehler in Fülle
birgt. — In englischer Sprache ist der erste Teil von neuem in einer wesentlich ver-
besserten Ausgabe der Uebersetzung von Anna Swanwick^^j^ tlie vor 44 Jahren
ihren ersten Versuch auf diesem Gebiete veröffentlichte, ans Licht getreten. Die aus-
führliche Einleitung schliesst sich eng an Kuno Fischer an^^j _ j^-'üj. ^{q Beliebtheit
des Fauststoffes in England spricht es, dass schon wieder ein neues Spektakelstück,
verfasst von Jones***), auf dem Haymarkettheater erschienen ist, das sich eng an
Goethes „Faust", zumal die Gretchenepisode und seine Zeichnung des Mephistopheles-
charakters, anlehnt. — In englischer Sprache ist auch eine wertvolle Studie eines
deutschen Gelehrten, Tille s^), über die Faustbilder erschienen. Er sieht in den
Strehlke, Wörterbuch zu Goethes Faust; id., Paralipomena (vgl. JBL. 1891 IV 9e : 89-90). fO. F. Walzel: ZOG. 44,
S. 538-42.]! - 78) R. Sprenger, Anklänge an Milton in Goethes Faust: EnglSt. S. 304,6. — 79) (IV 8d : 2.) — 80) F.
Sabatier, Le Faust de Goethe. Trad. en franj. dans le metre de l'original et suivant les regles de la versification allemande.
Paris, Delagrave. XIX, 186, 186, 198 S. Fr. 7,50. |[J. Wychgram: BLU. S. 180/2; M. Koch: BFDH. 9, S. 374; L. Schmidt:
ML. 62, S. 667-70; E. Hildebrandt: Grenzb. 2, S. 605-10; PolybibU-. 67, S. 333,4; Arn. Krause: ASNS. 91, S. 284-92;
K. J. Schröer: LCBl. S. 923,4; J. Ettlinger: VossZg». N. 20; W. Lübke: AZg». N. 31; A. Kippenberg: WeserZg.
N. 16760; F. Gross: Fremdenbl. N. 203; MünchNN. N. 143; C. v. Glüraer: TglRs». N. 37.]| (S. o. IV 8a : 153.) — 81)
Goethe, Faust. Tragödie. (= Bibl. Nat.) Paris, Librairie de la Bibl. Nat. lö». 185 S. Fr. 0,25. (Enth. nur d. 1. T.) —
82) (IV ld:40.) — 83) O X Goethe, Faust, from the German by J. Auster, by H. Morley. (= Lubbocks Bocks.)
London, Routledge. Sh. 2/G. — 84) H. A. Jones, The Tempter: St. James Qaz. 21. Sept. — 85) A. Tille, The artistic
IV 8e : 85-88 G. Witkowski, Goethes Drama.
bildlichen Darstellung-en den Stempel der Popularität und weist an den Abbildungen
auf Gebrauchsg-eg-enständen, Illustrationen, Karikaturen usw. die unvergleichliche Volks-
tümlichkeit von Goethes „Faust" nach, Deutschland besitzt 32 illustrierte Faustaus-
gaben, England 22, Frankreich 8. Keines der Dramen Shakespeares ist in den drei-
hundert Jahren seit ihrer Entstehung so oft der Gegenstand künstlerischer Darstellungen
geworden wie Goethes „Faust". Zuerst bespricht T. die Faustbilder vor Goethe. Die
frühesten brachte die Ausgabe von 1588 (Zarncke a^), dann die Gruppe C, die
flämische Uebersetzung von 1592, die holländische Ausgabe o, O. und J. (Engel N. 280),
die französische von Cayet (1720) und die holländische von 1728. Die englische
Ballade (Engel N. 289) zeigt drei Holzschnitte. T. untersucht die Geschichte der
Bilder in Auerbachs Keller, die wohl aus dem J, 1636 stammen, bespricht die Porträts
Rembrandts und Vliets mit ihrer Sippe, über Szamatolski (vgl. JBL. 1891 III 8:5) hinaus-
führend, und die fliegenden Blätter, Christoph van Sichem, die Titelvignette Klingers. In
den Faustillustrationen bei Goethes Lebzeiten ist Faust überall gehoben, aber sehr ver-
schieden dargestellt, da eineBühnentradition fehlt. Später haben Bilder und Aufführungen
sich gegenseitig beeinflusst. Dieselbe Schwierigkeit, welche die Doppelgestalt des
alten und des verjüngten Faust der Darstellung bietet, besteht auch für die bildende
Kunst. Seibertz hat sie am besten überwunden. Bühne und Malerei vernachlässigen
die Anfangsscenen zu Gunsten der Gretchentragödie. Dagegen hat der Osterspazier-
gang, der auf der Bühne meist zu kurz kommt, die Maler und Zeichner sehr angezogen,
ebenso die Rabensteinscene. Im April 1811 erhielt Goethe Nauwerks Zeichnungen,
die 1826 — 31 erschienen, im Mai die von Cornelius, mit denen er nicht einverstanden
war. Während sie erst 1816 veröffentlicht wurden, traten schon 1811 die beiden
Lithographien von Näke ans Licht. 1816 erschienen auch Retzschs überaus populäre
Umrisse, häufig wiederholt, noch in der neuen Ausgabe von Anna Swanwick (N. 82),
auch karikiert, sogar in England. 1826 folgte Delacroix, von Goethe aufs höchste
anerkannt, 1828—29 Ramberg, 1832 Nehrlich. Nach Goethes Tode kamen zuerst die
Lithographien von sieben Künstlern zu der Komposition des Fürsten Radziwill heraus,
dann die Stiche nach Kaulbach (1836) und Seibertz (1840— 51), Konewkas Silhouetten
1866. Einzelne Darstellungen lieferten Schwerdgeburth, Makart, Gabriel Max (zehn
Zeichnungen), Ary Scheffer (einen Gretchenoyklus). In den 70 er und 80er Jahren
endlich illustrierten den „Faust" Kreling und Liezen-Meyer. Zum zweiten Teil hat
ebenfalls Retzsch (1836) Zeichnungen geliefert, ferner Kaulbach (1840), Seibertz, Vogel
von Vogelstein (1861); M. Klinger hat solche angekündigt. Alle die genannten Ver-
körperungen werden von T. in ihrer Eigenart charakterisiert und auf ihren künst-
lerischen Wert hin geprüft. — Ein deutscher Aufsatz Tilles^^) über denselben Gegen-
stand giebt in etwas kürzerer Fassung im wesentlichen den Inhalt der besprochenen
Abhandlung wieder. — Der trüben Schar der Faustparodien reiht sich ein Erzeugnis
des Berliner Witzes von Böhm^"*) an^''-'*"^'''). —
Seine scharfsinnigen, durch gute Methode und Selbständigkeit ausgezeichneten
Untersuchungen über den Urfaust setzt Collin^^) fort. Er behandelt die sati-
rischen Scenen, die deutsches Universitätsleben und -treiben unmittelbar auf einander
folgend darstellen. Die dritte von ihnen ist zugleich die erste Station auf Fausts Weltreise.
Alle drei bilden den Hintergrund für Fausts Streben in einer Schilderung der Welt,
in der er sich bis dahin bewegt hat, ebenso wie in der Sage und z. B, beim Maler
Müller. Der burleske Gegensatz der Erscheinung Wagners zu der des eben ver-
schwundenen Erdgeistes giebt für die ganze Reihe den Grundton. Das Motiv der
Störung stellt die lose Verbindung mit dem Vorausgehenden her; es fliesst aus der
Erfahrung des Dichters und ist, wie schon Scherer bemerkt hat, von ihm öfter ver-
wendet worden. Das Thema des ersten Teils der Scene ist der Kampf gegen die
äussere Form, besonders im Reden, den Goethe auch sonst mehrfach (Anhang zur
Mercier-Uebersetzung) nach Herders Vorbild aufgenommen hat. Par. 1, in dem dieser
Punkt aus dem Inhalt des Gesprächs mit Wagner besonders hervorgehoben wird,
fasst C. mit Recht als spätere Rekapitulation auf. „Der Menschheit Schnitzel kräuselt"
umschreibt C. durch „die Abfälle des Menschenlebens künstlich aufstutzen," was
keine klare Vorstellung zu erwecken vermag. Später verfolgt er ausführlich die
Genesis des Bildes ; der Zusammenhang von Fausts Hervorhebung des Gefühls mit
der allgemeinen Zeittendenz wird von C. stark betont. Im zweiten Teile der Scene
spricht Wagner als Strebender, wie zuvor Faust. Aber während dieser sich nach
dem Quell des Lebens sehnt, verlangt Wagner nach den Quellen der Wissenschaft.
Er versteht Fausts erneute Verweisung auf das Gefühl gar nicht in dem stolzen Be-
treatment of the Fanet legend: PEGS. 7, S. 151-225. — 86) id., D. Bilder zu Goethes Faust: PrJbb. 72, S. 264-99. — 87)
M. Böhm, Faust. D. Tragödie dritter u. unwiderruflich letzter T. (Eepertoir- Stück d. Parodie-Theaters zu Berlin.) B., Böhm.
20 S. M. 1,50. — 87a) X (JV 8a: 78.) — 87b) X Elisabeth Mentzel, üeber zwei Fanstiiuffflhrungen. (= IV 8a:31.)
— 88) J. Co Hin, Untersuchungen aber Goethes Faust in seiner ältesten Gestalt. 11. D. satir. Scenen. (1. D. Wagnerscene. —
2. D. Schftlerscene. — 8. D. Scene in Auerbachs Keller.) Habilit.-Sohrift. Giessen, W. Keller. 82 S. M. 1,50. (Vgl. JBL. 1892
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : sa
wusstsein, von der Höhe seiner Zeit alle anderen zu überblicken, eine Anschauung",
die vornehmlich von Voltaire ausgesprochen wurde. Wieder im Sinne der neuen
Richtung" und besonders Herders befehdet Goethe das unhistorische Verfahren, der
historischen Wissenschaften und die lächerliche Ueberhebung des aufgeklärten Zeit-
alters. Zahlreiche Belege, vor allem aus Herders Schriften, werden von C. dafür bei-
gebracht. Wagners Ablenken auf die Lieblingsmode der Zeit, das Studium des
menschlichen Herzens, weist Faust zurück, weil die Erkenntnis hier nur wenigen
möglich und überdies gefährlich sei. Die Schlussworte Fausts nach Wagners Ab-
gang stellt C. treffend zu „Adler und Taube" in Parallele. Die Entstehung der
Scene setzt er wegen der vorwaltenden Tendenzen in die J. 1773—74. Die Ueber-
einstimmungen mit Wagners Mercier (1775—76) und Herders Schriften von 1774
können nichts gegen die frühere Entstehung beweisen, weil die neue Richtung sich
schon 1773 eine bestimmte, bei allen Anhängern wiederkehrende Ausdrucksw^eise
gebildet hat. Die Schülerscene, die später unter allen die durchgreifendsten Ver-
änderungen erfuhr, zerfällt in zwei Teile, zuerst äussere Lebensbedingungen des
Studenten, dann das Studium selbst behandelnd. Schon der erste Teil ist beabsichtigte
Satire auf das Professorentum, nicht, wie Erich Schmidt will, unreifes Geplauder. Sie
ist ein Ausfluss der von Klotz vertretenen Gegenbewegung gegen die akademische
Pedanterie. Unter seinen Anhängern waren Riedel und Bahrdt, der selbst für den
Tisch seiner Studenten sorgte und ihnen gegenüber einen ähnlichen Ton wie hier
Mephistopheles angeschlagen haben mag. Schlafrock und Perücke scheinen auch
sein bevorzugtes Kostüm gewesen zu sein. Somit kann die Satire auf Bahrdt gehen.
Der Student entspricht nur zum Teil dem Wesen des Leipziger Goethe. Er hat die
Lebensanschauung von Goethes empfindsamer Zeit, er ist zugleich ein jugendlicher
Faust, beiden ist die Universalität des Wollens gemeinsam. Im Schema zum elften
Buch von „Dichtung und Wahrheit" nennt sich Goethe selbst „Vorbild zum Schüler
im Faust." Der zweite Teil der Scene setzt den mit derber Komik begonnenen
Spott gegen die Wissenschaft und ihre Vertreter in feiner Ironie fort. Der starre
Mechanismus unter der Gestalt der Logik, des Systematisierens, der Spekulation
wird von Mephistopheles bekämpft und dagegen auf das Leben verwiesen. Am
Schlüsse ist durch die biblischen Worte die symbolische Bedeutung der Scene deutlich
ausgedrückt. Sie steht im Gegensatz zur Wagnerscene, der sie Goethe später im
Par. 1 ausdrücklich gegenüberstellte. Der Anlage nach bleibt sie als Belehrungs-
dialog ganz in der volkstümlichen, eingebürgerten Form; deshalb braucht man aber
nicht anzunehmen, dass Goethe das Spiel von Frau Jutten gekannt habe (vgl. JBL.
1891 IV 9e:107). Besonders merkwürdig ist die Aehnlichkeit mit J. V. Andreas
„Gutem Leben eines rechtschaffenen Dieners Gottes", die C. im einzelnen nachweist.
Trotzdem die Scene aus zwei verschiedenen Teilen besteht, ist doch ihre Einheit
gegen Pniower (vgl. JBL. 1891 IV 9e: llOJ aufrecht zu erhalten. Die formalen Ver-
schiedenheiten beider Teile erklären sich vollkommen durch den verschiedenartigen
Inhalt, auch alle sonstigen Gründe gegen eine gleichzeitige Entstehung erweisen sich
vor C.s Kritik als nichtig. Treffend deutet er auf ähnliche Derbheiten wie im ersten
Teil der Scene in „Hanswursts Hochzeit" und „Nikolai auf Werthers Grabe" von
1775. Mit gleichem Erfolg bekämpft er Seufferts Datierung der Scene auf die Leipziger
Zeit (vgL JBL. 1891 IV 9e: 111). Sie weist vielmehr auf das J. 1772 als Grundlage
zurück und steht wie die Wagnerscene auf einer Linie mit den satirischen Dichtungen
von 1773 und 74. Am Schlüsse giebt uns Mephistopheles eine Hindeutimg, wie er
im Urfaust zu Faust gesprochen hätte : „Hinaus ins Leben!" Das bietet zugleich einen
Hinweis auf sein Verhältnis zum Erdgeist, dem Geiste des Lebens der Erde, in dem
Mephistopheles mit einbegriffen ist als Vertreter des Schlechten und Gemeinen, das
sich auslebt. Durch solche Fäden ist die Scene überall mit dem Ganzen verbunden.
In „Auerbachs Keller" ist die Satire nicht feindselig; es wird nicht kritisiert, sondern
dargestellt, und so tritt an Stelle des Kampfdialogs der beiden vorhergehenden Scenen
ein dramatisches Gemälde. Goethe kehrt hier auf den Boden der Sage zurück ; aber
er hat aus ihren Elementen einen ganz eigenartigen Vorgang geschaffen. Mit dem
dramatischen Element tritt die Prosa hervor, wie in den Werken von „Götz" bis
zum „Egmont". Der Uebergang vom Vers zur Prosa lässt darauf schliessen, dass
diese die zuerst entstandene der Prosascenen in U ist. In Siebel soll Goethe nach
C.s Meinung seine eigne unglückliche Stimmung in der Zeit seiner Liebe zu Lilli
verspottet haben. Wie passt aber dazu U, S. 20, Z. 19 ff.? Höchstens das Rattenlied
mag auf diese Stimmung zurückgehen. Im Flohlied sieht C. einen Nachklang der
Abneigung von Goethes Vater gegen das Hofleben. Wie wenig eine solche
specielle Beziehung hier angebracht ist, lehrt der Nachweis von P. Hoffmann (VLG.
2, S. 160). Die Entstehungszeit der Scene verlegt C. auf diese Indicien hin in den
Sept. 1775. Sie ist es, die Goethe nach der bekannten Briefstelle vom 17. Sept. 1775
an demselben Tage verfasst hat. Die Frage bleibt nur, wo er bei allem, was er
IV 86:89-101 G. Witkowski, Goethes Drama.
laut seinem Bericht den Tag" über getrieben hat, die Zeit zu einer so umfang-reichen
Dichtung hernahm. Sie spiegelt vielleicht die tolle Stimmung der Schweizerreise
wieder; aber sollte da nicht eine andere Art von Derbheit als die hier geschilderte
geherrscht haben? C. selbst deutet darauf hin. Wir hoffen, dass er seine ertragreichen
Forschungen auch auf die folgenden Teile des Urfaust ausdehnen wird. Es kann
der Sache nur förderlich sein, wenn das problematische Bruchstück in seinem ganzen
Umfang in so gründlicher, vorurteilsloser und kenntnisreicher Art untersucht
wird. —
Einen Vorläufer des Teufelspakts im ersten Teil, den längst bekannten
Vertrag des Herzogs von Luxemburg mit dem Satan, druckt Werner^^) aus einer
Wiener Hs. ab (vgl. Kiesewetter [N. 61] S. 129).80 9i) _ in V. 364 („dass wir
nichts wissen können") betont, nach Schröer'*^), Sonnenthal das „können", Krastel
das „wir", die NFPr. schlägt vor, das „nichts" zu betonen. Richtig erscheint Seh.
allein die Betonung des letzten Wortes, indem der Vers ein Hauptmotiv des „Faust",
das Unerforschliche, ausspricht. Seh. verweist zum Beleg auf Goethes Brief an
Boisseree vom 25. Febr. 1832, Spruch N. 1019 und Faust V. 11440ff. — Vogel ^^j
macht auf die unerhörte Kühnheit der Beziehung des Relativums in V. 1179/80 auf-
merksam. — Rachel"*) meint dagegen, dass wohl nicht „die", sondern „und" das
zu Beginn von V. 1180 fortgelassene und zu ergänzende Wort sei. Es ist ein als Neben-
satz schlechthin fortgesetzter Relativsatz, wie öfter bei Goethe. — B^ür die natürlichste
Auslegung von V. 1710 („Wie ich beharre, bin ich Knecht") hält es Huss^^j^ (jass
Faust der Knecht des Mephistopheles werden wird von dem Augenblick an, wo er
zu streben aufhört. Denn Faust meint, dass er dann äusseren Gewalten und Ein-
flüssen unterliegen und auf jeden Fall Knecht irgend jemandes sein wird. Es fragt
sich aber, ob „beharren" in dem Sinne von „anhalten", „still stehen" gebraucht
werden kann. Das ist zulässig; denn „beharren" bedeutet an sich nur „in einem
gegebenen Zustand verbleiben", und das kann ein Zustand der Ruhe oder der Be-
wegung sein. Man vergleiche „Beharrung" in der Physik. Das „beharre" bezieht
sich also nicht auf Fausts gegenwärtige Lage, sondern auf eine hypothetische zu-
künftige. Wenn er zum Augenblicke sagt: ,, Verweile doch, du bist so schön", dann
steht die Zeit für ihn still, er mit ihr, er beharrt; denn ohne Fortschritt der Zeit ist
keine weitere Entwicklung, kein Wachstum möglich. So bekommt der Vers eine
allgemeine Bedeutung; er bezieht sich nicht auf Faust allein, sondern auf jeden von
uns. — Haase"^) und Franke 1"^) bringen neue Belege für die weite Verbreitung
des in Auerbachs Keller verwendeten Zauberspruchs bei (vgl. JBL. 1892 IV 8e : 99—100).
— Die Behauptung Pniowers (vgl. JBL. 1892 IV 8e : 92), dass der Ausdruck „mich
übeiiäufts" selten und ungewöhnlich sei, wird von Sande rs"^), der sich auch gegen
die darauf gestützte Beweisführung Pniowers wendet, im Anschluss an M. Koch
(vgl. JBL. 1892 IV 8e:93) bestritten. Blume"") weist den ältesten Beleg dafür in
den „Mitschuldigen" V. 762 nach, ebenfalls ohne das Substantivum Schauder und
ohne ein Adverb, wie kalt oder heiss. — W. von Biedermann^oo) erkennt die
Richtigkeit von Froitzheims Nachweisen über Friederike an; auch er glaubt, dass
sie Kinder von Goethe und Reinbolt geboren habe. Bei ihrem Verhältnis zu Goethe
wird sie, wenn sie über das Erlaubte hinausging, auch eine so gefällige Nachbarin
wie Frau Marthe, die ihre Zusammenkünfte ermöglichte, aufgetrieben haben.
Ebenso wie Gretchen dem Faust wird Friederike Goethes lüsternen Anwandlungen
entgegengekommen sein, der dadurch gerade ihr entfremdet wurde. Bei dem frühen
Tode des Kindes, das sie von Goethe empfangen hatte, wird bei diesem die Ahnung
eines Kindesmordes aufgestiegen sein. — In der Domscene hat Goethe nach der
Meinung W. von Biedermanns lo^) eine wirkliche Bühne im Sinne gehabt. Die
verschiedenen Versuche, den bösen Geist scenisch darzustellen, werden gemustert;
sie alle haben zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt, weil man annahm, der
böse Geist bedeute Gretchens Gewissen. Das wäre eine platte Allegorie, und weshalb
sollte Goethe darauf verfallen sein, das Gewissen als bösen Geist zu bezeichnen? Er
entnahm den bösen Geist als Erreger des Gewissens der Bibel (1. Sam. 15, 20—26;
16, 1). Er kommt von aussen, von Gott gesandt, nicht von innen. Er muss als ein
männliches Wesen auf der Bühne dargestellt werden, als Teufel oder dunkelfarbiger
Engel. Da das Totenamt Gretchens Mutter gilt, muss Gretchen in dieser Scene
Trauerkleidung tragen. Die neben ihr sitzenden Frauen sollen nicht bei ihrem Kommen
von ihr abrücken, wie dies häufig geschieht. —
IV 8e:89.) — 89) (III 3:4.) — 90) O X Hirzel-EU wangen, Schiller, Goethe nnd Saknntala: KBIGRW. 40, S. 43/6.
(Z. Vorspiel im Himmel; vgl. IV 9:53.) — 91) X W. Sauer, Sakuntala, Goethe u. Schiller: ib. S. 297-306. (Vgl. IV 9 : 52.)
— 92) K. J. Schröer, „Dass wir nichts wissen können": ChWGV. S. 24. — 93) Th. Vogel, Verlassen hab ich Feld u. Auen :
ZDü. 7, a. 193. — 94) M. Rachel, „Verlassen hab ich Feld u. Auen": ib. S. 573. — 95) H. C. 0. Hnss, „Wie ich beharre
bin ich Knecht': MLN. 8, S. 367/8. — 96) K. E. Haase, Z. Zauberspruch in Auerbachs Keller: ZDÜ. 7, S. 141/2. — 97) L.
Fränkel, Z. Zauberspruch in „Auerbachs Keller": ib. S. 501/2. — 98) (I 8:43.) - 99) L. Blume, „Mich überläuft's!":
ChWGV. S. 24. — 100) (IV 8b: 32.) - 101) W. Frhr. v. Biedermann, D. Domscene im „Faust": LZg«. N. 33. —
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 102-109
Einen Schlüssel zum zweiten Teil glaubt Sehr ade r ^"2-) in Goethes staats-
männischem, gelehrtem und philosophischem Leben entdeckt zu haben. Der erste Akt
lehrt, welchen Einblick Goethe in den Staat und in die bürgerliche Gesellschaft ge-
than hat, der zweite zeigt ihn uns als Gelehrten und Künstler, insbesondere als
Naturforscher, der dritte offenbart uns den Dichter, der vierte und fünfte schildei't
seine allmähliche freie Eingliederung in die grosse bürgerliche Gesellschaft. — Eine
neue, sehr entlegene Quelle für Einiges im zweiten Teil des „Faust" meint Francke ^**3)
aufgefunden zu haben. In der Hypnerotomachia Poliphili des Mönches Francesco
Colonna (Venedig 1499), wird der Held im Traume in das Reich des klassischen
Altertums zurückgeführt. In seinen Visionen findet nun F. Aehnlichkeiten mit der
klassischen Walpurgisnacht und der „Helena". Die Grundlage bildet hier wie dort
eine grenzenlose Verehrung der antiken Ideale. Hier wie dort sehen wir einen Mann
von Fleisch und Blut in eine Welt von Erscheinungen versetzt, er findet das Ziel
seiner Wünsche in einer schönen Frau, mit der er sich zu einem Leben voll para-
diesischer Wonne zurückzieht; die Geliebte verschwindet, und er befindet sich allein
in der kalten Wirklichkeit. Auch die von F. zum Teil wiederg-egebenen berühmten
Holzschnitte der „Hypnerotomachia" sollen Beziehungen zum „Faust" haben, und
zwar sollen sie anregend für die Mütter, die Blumen im Mummenschanz und die Ver-
einigung Fausts mit Gretchen im Himmel gewirkt haben. Diese Annahme müssen
wir aber nach Betrachtung der betreffenden Darstellungen ablehnen, zumal es doch
nur Wahrscheinlichkeitsgründe sind, die F. für Goethes Kenntnis des Buches vor-
bringt. Selbst wenn man die Erwähnung in Goethes Briefwechsel mit Göttling für
beweisend halten will, so beschränkt sich doch die Möglichkeit einer Einsichtnahme
auf Goethes kurzen Aufenthalt in Göttingen, wo ihm Fiorillo das seltene Werk ge-
zeigt haben kann. Und sollten diese Eindrücke dann in der langen Zeit, die zwischen
ihnen und der Ausführung des zweiten Teils verging, in Goethes Gedächtnis gehaftet
haben? — Als ein Unikum auf dem grossen Gebiet der Faustlitteratur ist zum Glück
die Schrift zu bezeichnen, in der ein anonymer Vf.io4j^ jn (j^n gestohlenen Talar
eines verstorbenen üniversitätsprofessors gehüllt, den zweiten Teil als Spielball seiner
schmutzigen Phantasie benutzt und allenthalben pornographische Anspielungen heraus-
liest. Wer in dem Schlüssel, der zu den Müttern führt, das männliche Glied sieht,
im Dreifuss die mons Veneris benannte Partie des weiblichen Körpers, wer selbst im
Namen Peneus eine Anspielung wittert, der verdient, wenn er noch bei Verstände
ist, eine Züchtigung, im entgegengesetzten Falle ist er dem Psychiater und nicht der
wissenschaftlichen Kritik zu übergeben. — Schrader "'^j meint, so schlechtes Deutsch
wie jetzt in V, 5473 („Da krümm' und winde dich sogleich!") zu lesen steht, habe
Goethe nicht geschrieben. Wenn statt des Wortes „da" das Wort „hier" stände, so
gäbe es doch allenfalls einen Sinn, w^enn auch einen wenig geistvollen. Eine Aende-
rung und Verbesserung ist sehr leicht zu machen, indem hinter „da" ein Ausrufungs-
zeichen, oder wenigstens ein Komma gesetzt wird. Das „da" begleitet nämlich den
Schlag des Herolds, der sogleich wirkt. — Nach Tilles^o;^ Behauptung hat Goethe
seiner eigenen Schöpfung widersprochen, als er auf Eckermanns Bemerkung ein-
gehend sagte, dass Mephistopheles bei der Entstehung des Homunkulus mitwirkte.
Wie Goethe in der Ankündigung der „Helena" (Weim. Ausg. 15, 2 S. 199) angiebt,
ist der Homunkulus schon fertig, als Mephistopheles mit Faust ankommt. Er ist in
Uebereinstimmung mit Paracelsus von Wagner ganz selbständig auf alchymistischem
Wege hervorgebracht worden. Die Schlussverse vor der klassischen Walpurgisnacht
beziehen sich nur auf Wagners Verhältnis zu seinem Erzeugnis, ebenso wenig be-
weisen die Worte Mephistos zum Famulus, V. 6683/4, etwas für seine Mitwirkung. —
Schrader^*^^) erklärt den Homunkulus als die trockene Gelehrsamkeit, das theoretische
Wissen des Philologen vom klassischen Altertum, das sich aus viel hundert Stoffen
aufbaut. Er ist deshalb für Faust der geeignete Führer in das Reich der Antike,
bis zu dessen Schwelle er ihn bringen kann; die Welt der griechischen Schönheit
öfi'net sich ihm in Helena. — Ungewöhnlich gehaltvoll ist die Theaterkritik Klaars "^^)
gelegentlich der Aufführung des zweiten Teils in Prag, die nach der Bearbeitung von
L'Arronge erfolgte. Er sieht in dieser einen Fortschritt, weil man trotz der gewaltigen
Striche äusseiiich kaum einen Zwang bemerkt; aber innerlich ist eine ganze Welt
verloren gegangen, die der Kenner der Dichtung schmerzlich vermisst. K. hebt
die Bedeutung des von L'Arronge unterdrückten Ganges zu den Müttern treffend
hervor und deutet die Mütter selbst gründlich. In dem Kolonisationsgedanken
102)H. Schr.-ider, E. Schlüssel z. 2. T. d. Goetheschen Faust: ZDS. 7, S. 361,5. - 103) K. Francke, Did the Hypnerotomachia
Poliphili inflnence the Second Part of Faust? (With plate): StNPhL. 2, S. 121/5. — 104) 0. v. Seh., f Univ.-Prof., D. Erotische
im 2. T. d. Goetheschen Faust (IL Alrt, 1-3). E. Beitr. zu d. Dichters Denkweise, gleichzeitig als Versuch, d. ganze Dichtung
in verständigen Zusammenhang zu bringen. Hagen i. W., Risel & Co. 30 S. M. 0,75. — 105) O X A. Pigeon, Napoleon I.
et le second „Faust" de Goethe: Le Livre et l'Image N. 3. — 106) (IV 8d : 35.) — 107) A. Tille, D. Entstehung d. Homunkulus:
HambCorr». N. 18. — 108) H. Schrader, D. Rätselhafte d. Homunkulus im 2. T. d. GoetheschenFaust: ZD3. 7, 8. 161,9. — 109) A.
Jahresberichte f&r neuere deutsche Litteratargeschiohte. lY. (4)2S
IV 8e : 110 IV 9 : 1-9 A. Köster, Schiller.
liegt nicht die Lösung", sondern er ist der Schluss von Fausts Weltwanderung: der
Genuss der souveränen Macht, die absolute Herrschaft über Land und Menschen.
Auch da wandelt ihn wieder die Unbefriedigung in Gestalt des Cäsarenwahnes und
der Herrscherlaune an. In der Abneigung gegen das Glockengeläute erkennt K.
einen individuellen Zug Goethes, der sich auch in den Wanderjahren ausspricht. Am
Schlüsse entsagt Faust dem Streben nach Macht, will die Kolonisation als gemein-
nütziges Werk vollenden, und sagt sich dadurch von Mephistopheles los; er gewinnt ein
neues Glücksgefühl, das dieser irrtümlich durch seine Mittel herbeigeführt zu haben
meint. — Am 2. Mai wurde in Stuttgartii") der zweite Teil zum ersten Male auf-
geführt, teilweise mit Anlehnung an L'Arronge. —
IV,9
Schiller.
Albert Köster.
Biographisches: Vollständige Biographien N. 1. — Quellenschriften N. 7. — Berühmte Stätten N. 10. —
Schillers Zeitgenossen und Nachkommen N. 14. — Briefwechsel N. 22. — Werke: Gesamtausgaben N. 28. — Prosa-
schriften N. 30. — Gedichte: Allgemeines N. 40; Einzelerläuterungen: Ring des Polykrates, Das verschleierte Bild, Kampf mit
dem Drachen, Gang nach dem Eisenhammer, Alpenjäger, Künstler, Virgil-Uebersetzung N. ^3; neue Funde N. 56. — Dramen:
Allgemeines N. 64; Räuber N. 74; Kabale und Liebe N. 79; Don Carlos N. 80; Wallenstein N. 8.5; Maria Stuart N. 95; Jung-
frau von Orleans N. 104; Braut von Messina, Teil N. 124; Nachlass: Warbeck N. 141; Prinzessin von Celle N. 142: Polizey
N. 148; Deraetrius N. 144. — Verschiedenes N. 148. —
Während die grösseren Werke über Schiller im Berichtsjahr nicht fortgesetzt
sind, haben wir doch eine vollständige Biographie erhalten. In der neuen Auf-
lage von Goedekes „Grundriss" nämlich hat Koch*) Schillers Leben und Werke
(§ 248 — 55) behandelt. Soweit es anging, hat er in dem Lebensabriss die Worte
Goedekes stehen lassen; nur erkennt man in jeder Zeile die bessernde Hand: Irrtümer
sind beseitigt, viele Angaben präziser gefasst worden usw.; vor allem darf die
Bibliographie durchaus als K.s Arbeit gelten. Natürlich konnte sie nicht vollständig
bis zu dem Grade werden, dass jedes Eintagsfeuilleton verzeichnet wurde; aber
alles Wissenswerte ist zusammen getragen. Ja, es fragt sich, ob nicht die Masse der
aufgezählten Schriften schon zu gross ist für einen Grundriss, der selbstverständlich
die Werke der einzelnen Dichter in allen Ausgaben vollständig anführen, unter den
Abhandlungen über diese Werke aber eine vorsichtige Auswahl treffen muss. Die
Einteilungsprinzipien K.s sind die gleichen wie bei seiner Goethe-Bibliographie im
vierten Bande des Grundrisses. Die vorausgeschickte Inhaltsübersicht und das ein-
gehende Register machen das Nachschlagen leicht. 2' 6) —
Auch unter den Quellenschriften'') ist nichts Neues, wohl aber die ver-
besserte Auflage eines älteren Werkes zu verzeichnen. Dass die 1865 erschienene
Ausgabe von Schillers Kalender mancher Ergänzung und Verbesserung bedürfe, hatte
man schon aus Urlichs Ausgabe der „Briefe an Schiller" und später aus einem Auf-
satz von E. Müller (vgl. JBL. 1891 IV 10: 138) erfahren. Danach wäre ein neuer
zuverlässiger Abdruck des Kalenders erwünscht gewesen. Aber die Verlagshandlung,
die noch reichliche Exemplare der Ausgabe von 1865 auf Lager hatte, konnte sich
nur entschliessen, diese durch ein „Vorwort", „Ergänzungen und Berichtigungen",
einen „Anhang", einen „Kommentar" und noch einen „Anhang" zu einer verbesserten
Titelauflage erweitern zu lassen. Ernst Müller^) hat sich um die Kollationierung
wie um den alphabetisch angeordneten Kommentar sehr verdient gemacht; aber was
entstanden ist, ist doch nur Flickwerk. Das Buch ist zuverlässig, aber sehr un-
bequem zu benutzen. — Unter Bezugnahme auf seinen Kommentar verzeichnet
Ernst Müller 9) ferner eine ganze Reihe von Briefen, die Schiller an schwäbische
K[laar], Fausts 2. T. in d. Bearbeitung v. A, L'Arronge: BohemiaB. N. 240. — HO) 1. Aufführung d. Faust IL in Stutt-
gart: GJb. 15, S. 304. —
1) (IV la: 2.) - 2) X K. Land manu, D. Neubearbeitung Schillers in Goedekes Grundriss: ZDÜ. 7, S. 93-105.
(Ansführl. Rec. über N. 1.) — 3) X R. Weissenfeis, .L Minor, Schiller (vgl. JBL. 1890 IV 12 : 1): LBlGRPh. 14, S. 196-202.
(Neben grosser Anerkennung doch bes. d. Tadel, dass M. Wichtiges u. Unwichtiges nicht gebührend scheide. Beachtenswerte
Hinweise auf d. frühe Ausbildung d. Tragikers in Schiller.) — 4) X A. Köster, S. Peter, Schillers Leben (vgl. JBL. 1892
IV 9 : 5) : DLZ. S. 1608/9. (Weitere Besprech. KZg. N. 17 ; DE. 1, S. 394.) — 5)XA.. Stein, Schillers Jugendleben : ThLB. 14, S. 243.
— 6) X Th. Carlyle, John Sterling and Frederick Schiller. London, Chapman. Sh. 2/6. — 7) X A. Köster, J. Minor,
Aus d. Schiller-Aroh. (vgl. JBL. 1890 IV 12:2): DLZ. S. 238. — 8) Ernst Müller, Schillers Kalender. Nach d. im J. 1865
erschienenen Text ergänzt u. bearb. M. 1 Facs. St., Cotta XII, 309 S. M. 5,00. |[R.M Meyer: ML. S. 342; J. Wy chgram:
BLU. S. 388; M. K(och): LCBl. 8. 1315/6; H. ünbescheid: ZDU. 7, S. 558/9.]| — 9) id., Schiller u. Schwaben: BBSW.
A. Köster, Schiller. TV 9 : 10-20
Landsleute gerichtet, bezw. von ihnen empfang-en hat, und die bis heute verloren
sind. M. regt zu erneuten Nachforschungen an, besonders auch nach der ver-
schollenen Jugendkomödie Schillers, von der Göritz 1838, angeblich nach Schillers
eigenen Gresprächen, Mitteilung* gemacht hat. —
Wieder knüpfen einige biographische Beiträge an berühmte Stätten ^'')
an. Elisabeth Mentzel hat sich so tief in die persönlichen und künstlerischen Beziehungen
Schillers zu Frankfurt a. M., bezw. zu Sachsenhausen eingelebt, dass aus ihren
Archivstudien eine, von Bartels^') besprochene, Litteraturkomödie erwachsen ist, die
zwar etwas grau von Aktenstaub erscheint, aber in den Dialaktscenen den Schau-
spielern dankbare Aufgaben stellt. Das Stück behandelt die zweimalige Anwesenheit
Schillers in Frankfurt und verhält sich zu „Kabale und Liebe" etwa ebenso wie
Gutzkows „Urbild des Tartüffe" zu Molieres Komödie. — Ein durch Erich Schmidt^^)
ans Licht gezogener Bericht über die ersten Jenaer Uni versitäts Vorlesungen Schillers
befindet sich im Besitz der Familie Niethammer in Erlangen; wahrscheinlich stammt
er aus der Feder eines Jenaer Privatdocenten , der obendrein Landsmann des
Dichters war. — Als Ergänzung zu dem im vorigen Jahre verzeichneten Aufsatz von
Karpeles über Schiller in Karlsbad (vgl. JBL. 1892 IV 9:17) berichtet ReichP^)
in Eger, dass der Dichter im J. 1791 auch Franzensbad besucht habe. Zwar existiert
der Badeort dieses Namens offiziell erst seit 1793; aber die jetzige Franzensquelle,
damals Egerbrunn genannt, hat, wie wir aus Schillers Briefen wissen, dem Dichter
bei der Nachkur die besten Dienste geleistet. Dass er die Quelle auch wirklich in
Person besucht hat, weiss R. aus den Erzählungen des Dr. jur. Joseph Schaffer,
dessen Vater Lorenz Schaffer als stud. jur. im J. 1791 den Dichter am Rande des
Egerbrunn ens angetroffen hat. —
Endlich ist eine Reihe von Aufsätzen den Zeitgenossen und Nach-
kommen Schillers gewidmet. Was Sydow''*) über Christophine Reinwald zu-
sammenstellt, giebt ein ausreichendes Bild von der vielgeprüften, bescheidenen Frau ;
auch ihre jüngst veröffentlichten Briefe sind benutzt worden (vgl. JBL. 1892 IV
9 : 21 a)'5"'^). — Die 50jährige Wiederkehr des Todestages der Charlotte von Kalb
brachte ausser dem mehrfach gedruckten wertlosen Artikel von A. von Hanstein'")
eine Zusammenfassung der bekannten biographischen Daten über die unglückliche
Titanide von Trinius*^); der Aufsatz zeichnet sich, wie bei dem Vf. so mancher
Wanderbilder begreiflich ist, durch knappe ansprechende Schilderungen von Walters-
hausen und Kalbsrieth aus. — Zur Biographie Christian Gottfried Körners hat
Ad. Stern^^) zwei kleine Aufsätze beigesteuert. Der erste führt den Titel, „Aus
Chr. G. Körners Reisetagebüchern" und benutzt die (leider fragmentarischen) Auf-
zeichnungen, die der 27jährige Dr. jur. und Leipziger Privatdocent in den J. 1779
und 1780 gemacht hat. Auf einer Reise, die er mit dem Grafen Karl von Schönburg-
Glauchau durch Deutschland, England, Holland, die Schweiz und Frankreich unternahm,
legte er verschiedene Tagebücher an, die heute im Dresdener Körner-Museum auf-
bewahrt werden. Sie beginnen mit dem 1. Okt. 1779 und brechen im Okt. 1780
plötzlich ab. Körner hatte auf der Reise stets die Augen offen; aber nicht immer war
der Aufenthalt an den einzelnen Orten lang genug, um wirklich tiefe Einblicke zu
gewinnen. Den Litterarhistoriker interessieren Körners Aeusserungen über die ge-
selligen Zustände in Frankfurt a. M., über Düsseldorf, über das Theater in London
und über einzelne berühmte Persönlichkeiten, wie Angelika Kaufmann, die Brüder
Jacobi, Goethes Schwager Schlosser, Lavater und Saloraon Gessner. Der zweite Auf-
satz mit dem Titel „Chr. G. Körner und J. G. Göschen" behandelt das Societäts-
verhältnis beider zum Zweck der Gründung einer gemeinsamen Verlagshandlung. Es
war darüber schon manches bekannt gemacht von Goedeke, Chr. G. Lorenz und Karl
Buchner; aber St. konnte •aus Körners Briefen an Göschen, die in der Dresdener Kgl.
Bibliothek bewahrt werden, noch einiges Neue mitteilen, besonders über die Schwierig-
keiten, die mit dem Zustandekommen der ersten Gesamtausgabe von Goethes Schriften
verknüpft waren, und über die Lösung des Körner-Göschenschen Abkommens im
J. 1787. Einiges erfahren wir auch über schriftstellerische Pläne des Herrn Appellations-
rat aus den J. 1792 und 1797. — In Schillers Leben greift auch der kunstsinnige
Stuttgarter Kaufmann Gottlob Heinrich Rapp (1761—1832) ein, von dem Ströhm-
feld^") ein liebevoll ausgeführtes Lebensbild mit wenigen Strichen entwirft. Rapp
's. 63/4. — 10) X J- Hartmann, Vor 100 J.: ib. S. 305-12. (Vgl. d. Urteil JBL. 1892 IV 9:11a.) — U) A. Bartels.
Schauspielneuheiten d. Franlcfurter Stadttheaters: „Der Räuber", Volksslfick v. Elisabeth Mentzel. Aufgeführt Samstag, d.
19. Aug.: Didaslt. N. 196. — 12) Erich Schmidt, Mitteilung in GDL. April: DLZ. S. 699-700. (Vgl. VossZg. N. 216; auch
in d. Privatdruck: K. Weinhold mit herzl. Glückwünschen z. 26. Okt. dargebr. v. Erich Schmidt.) — 13) E. Reichl,
Schiller in Franzensbad: AZgB. N. 131. - 14) M. Sydow, Schillers Lieblingsschwester: VossZgB. N.34. — 15)X L. Geiger,
Eeinwald über Schiller: BLÜ. S. 656. — 16) X ^- Stern, Karl v. Dalberg, d. Koadjntor u. Fürstprimas. (= III 3: 17;
S. 265-82.) — 17) A. V. Hanstein, Charlotte v. Kalb. E. Gedenkbl. z. 12 Mai: FeuilletZg. N. 462 (Auch: Sammler*. N. 56
n. Didask. N. 110.) - 18) A. Trinius, Z. Erinnerung an Charlotte v. Kalb. L u. IL: NatZg. N. 304, 308. — 19) A. Stern,
Beitrr. z. Biographie Ch. G. Körners. (= lU 3:17; S. 237-62.) — 20) (IV 8a:65; 8b:49.) — 21) (IV 8e:51.) — 22) F.
(4)28*
TV 9 : 21-24 A. Köster, Schiller.
hat mit Cotta zusammen die erste lithographische Anstalt in Stuttgart errichtet, aus
der als eine der frühesten Leistungen 1807 Schillers Reiterlied mit den Kompositionen
von Chr. J. Zahn und J. R. Zumsteeg hervorg-ing. Schiller war durch Dannecker
mit dessen Schwager Rapp bekannt gew^orden, er sprach in den J. 1793 und 1794
während seines Besuches in Schwaben wiederholt bei ihm vor und vermittelte nun
seinerseits wieder die Bekanntschaft mit Goethe. Im Aug-. 1797, auf der Reise nach
der Schweiz," traf dieser in Stuttgart ein, suchte Rapp auf und las in dessen'^Hause
einem kleinen Zuhörerkreise „Hermann und Dorothea" vor. — Endlich hat der
jüngere Sohn Schillers, Ernst, in Karl Schmidt^i) einen treu beflissenen Biographen
gefunden. Bei dieser Arbeit ist freilich der Wille besser als die Ausführung. Das
dicke Buch bring-t zunächst eine trockene annalistische Zusammenstellung der Lebens-
daten Ernsts von Schiller. Ist diese reizlose Einleitung- dürftig ausgefallen, so ist die
folgende Sammlung* von Auszügen aus Briefen und sonstigen Schriftstücken viel zu
ausgedehnt. So lange Charlotte von Schiller noch an der Korrespondenz Teil nimmt,
bereiten manche Briefe dem Leser Freude; es ist rührend, wie sich die Mutter in
treuer Sorge um die Studien Ernsts kümmert, wie sie im Stillen hofft, dass bei ihm
sich dereinst dichterische Begabung zeigen möge, wie sie ihm stets das Muster des
Vaters vorhält, dem der Sohn äusserlich so sehr ähnelt. Auffällig- ist dabei, dass die
belesene Frau, die gern ihre Briefe durch Citate schmückt, sehr häufig falsch citiert.
In den späteren Teilen der Briefsammlung hat eigentlich nur das, was Karoline von
Wolzog-en schreibt, allgemeines Interesse. Die beigefügten Bilder sind von ganz
schlechter Ausführung. Von Einzelheiten sei erwähnt: Schon sehr bald nach Schillers
Tode müssen viele Blätter mit seiner Hs. verschenkt und verzettelt worden sein
(S. 266, 453 usw.); S. 82 Wielands Tod; S. 121/5 Gerüchte über das Wartburgfest
von 1817; S. 128 Goethes Krankheit im Juni 1818; S. 220 Charlotte, erzürnt über
Dörings Schillerbiographie, plant selbst, mit Ernsts Hülfe das Leben ihres Gatten zu
beschreiben; S. 226 Goethes Krankheit vom März 1823 und die „falschen Wander-
jahre"; S. 251 und 257 Besorgnis der Weimarer, Goethe möge Ulrike von Levetzow
heiraten; am 21. März 1824 leitet Karoline von Wolzogen in einem Brief an Goethe
die Verhandlungen über den Goethe-Schillerschen Briefwechsel ein; ihre Betrieb-
samkeit ist in dieser Angelegenheit von grosser Bedeutung gewesen (vgl. besonders
S. 260, 277, 291, 322, 499); S. 284 über die Bergung von Schillers Gebeinen 1826
(auch S. 290 und 294); S. 286 Tod der Charlotte von Schiller; S. 320 Schillers
Beisetzung in der Fürstengruft; S. 339 zu Andreas Streichers Bericht über Schillers
Flucht (auch S. 342, 346j; S. 375 aus Goethes Hauswesen 1831. —
V^on der Gesamtausgabe der Schillerschen Briefe, die Jonas 2^) besorgt,
sind zwei weitere Bände erschienen (abgeschlossen : Ende Jan. und Sept. 1893). Die
Einrichtung ist natürlich die gleiche geblieben, nur sind in den „Lesarten und An-
merkungen" die Nummern der einzelnen Briefe jetzt fett gedruckt ; das Aufsuchen ist
dadurch erleichtert. In den biographischen, stilistischen, sprachlichen und litterar-
historischen Erläuterungen findet sich viel Beachtenswertes; schade nur, dass zum
Text mancher Briefe erst die Anmerkungen die letzte, zuverlässige Kollation bringen.
Die Briefe an Lotte von Lengefeld hat J. nach Fielitz letzter Datierung angeordnet;
die an Körner sind zum Teil durch Geigers Mitteilungen aus dem Druckms. der Aus-
gabe von 1847 ergänzt worden. Der zweite Band bringt 2, der dritte 31 bisher un-
gedruckte Briefe, nämlich: N. 376 an Karl von Knebel, Mitte Febr. 1789: Dank für
einen übersandten Aufsatz; N. 449 an Ludwig Schubart, 15. Nov. 1789: Dank für
ein Exemplar von Schubarts Thomson-Uebersetzung; N. 543 an Joh. Mich. Mauke,
9. Okt. 1790: Geschäftliches, die Memoires betreffend; N. 603 an Karl Georg Curtius,
Anfang 1792: handelt von der Rücksendung des „Demetrius" von Curtius und
Rechlin; N. 700 an Eberhard Gmelin, 7. März 1794: Schiller, der bereits Ehrenmitglied
der naturforschenden Gesellschaft in Jena war, ist beauftragt, auch Gmelin als socius
honorarius zu gewinnen. Die Hauptmasse der zum ersten Mal veröffentlichten Briefe
besteht aus Geschäftsbriefen Schillers an Georg Göschen, die das Goethe- und Schiller-
Archiv in Weimar bewahrt: N.480, 522,527,528,536,549, 597, 598,605, 609,611, 612,
614, 615, 622, 625, 633, 645, 649, 655, 660, 661, 664, 669, 672, 676, 680, 687. Von
Einzelheiten sei hervorgehoben, dass J. eine schon früheres) mitgeteilte Beobachtung
in der Anmerkung zu N. 572 wiederholt: das bekannte Gemälde „Schiller auf dem
Esel reitend" kann nicht in Karlsbad 1791 entstanden sein, da der Maler des Bildes,
J. Chr. Reinhart, damals in Rom lebte; es muss vielmehr in die Zeit des Aufenthalts
in Sachsen (1785/7) zurückdatiert werden. — Die von Muncker^^) besorgte und mit
Jonas, Schillers Briefe. Her. u. mit Anm. versehen. Krit. Gesamtansg. 2. u. 3. Bd. St., Verlagsanst. 484,560 8. kM. 3,00.
|[A. Schlossar: BLÜ. S. 29-30; E. E.: LCBl. S. 1619; 0.: SchwRs. 2, S. 729; AkBll. 8, S. 185; A. Reif f ersch eid: DWBl.
S. 153/4; Q.: DR. 2, S. 394; COIRW. 21, S. 382; KonsMschr. S. 262.]| — 23) X id-. Vortr. geh. in GDL.: VoseZg. N. 51. —
24) F. Muncker, Briefwechsel zwischen Schiller n. W. v. Humboldt in d. .T. 1792-1805. Mit Einl. (= Cottasche Bibl. d.
A. Köster, Schiller. IV 9 : 24-38
einer gut unterrichtenden Einleitung- versehene Ausgabe des Briefwechsels zwischen
Schiller und W. von Humboldt ist, abgesehen von einigen Korrekturen im Personen-
verzeichnis, ein Abdruck der zweiten Cottaschen Ausgabe von 1876. In dieser war
der 42. Brief doppelt gezählt; dieser Fehler ist verbessert worden. Nach N. 54 fehlt
ein Bi'ief Humboldts „s. 1. vom 20. Febr. 1796" (Radowitz Autographenkatalog, 3,
S. 568, N. 7272; Kalender S. 19) und „Berlin, den 2. März 1796" (ebda. N. 7274 ; Kalender
S. 20). — Einige neue Briefe von Schiller selbst oder von Personen, die ihm nahe
standen, sind zu verzeichnen. Unter den Mitteilungen vonKrauss und Seuffert^-^)
befindet sich: 1. ein Billet Schillers an den Geheimen expedierenden Sekretär Bertram
in Berlin, vom 26. Jan. 1786 (einzureihen bei Jonas zwischen N. 150 und 151): Schiller
empfiehlt einen jungen Schauspieler; 2. ein Brief von Schillers Vater an Reinwald
und Christophine, Solitüde, 16. Jan. ]789: nimmt Bezug auf einen verlorenen Brief
des Dichters und handelt von dessen Berufung nach Jena; 3. ein Brief von Charlotte
von Schiller an den Grafen Schimmelmann, Weimar, 9. Nov. 1807: Erkundigungen
nach dem Schicksal der Familie; 4. Nachträge aus Hss. des Germanischen Museums
in Nürnberg zu den Schillerbriefen: Jonas N. 27, 167, 578, 618; 5. ein Billet Wie-
lands an Schiller, 26. Dec. 1800, bei Uebersendung des „Aristipp"; 6. ein kurzer
Briefwechsel zwischen Schiller und Böttiger vom 17. Mai 1801. — Schmerzlich ver-
misst wurden bisher die Briefe Schillers an den Grafen Schimmelmann; der Kalender
verzeichnet im ganzen 22. Nachdem man fast alle Hoffnung- aufgegeben hatte, sie
wiederzufinden, hat jetzt Bobe^^) zwei von ihnen unter den Papieren Schimmelmanns
im Königlich dänischen Reichsarchiv entdeckt und herausgegeben: 1, 13. Juli 1793 : Erst
durch Baggesen ist dem Dichter ein klares Bild des Grafen aufgegangen ; er sendet eine
seiner ästhetischen Abhandlungen (ich möchte sie im Gegensatz zu B. für die Schrift
„Ueber Anmut und Würde" halten) und spricht die Hoffnung aus, von der Geschichte
aus, durch die Philosophie, sich der Dichtkunst wieder zu nähern; 2. 5. Febr. 1796:
Schiller wiederholt den schon früher abgestatteten Dank für die Güte des Grafen und
des Herzogs von Augustenburg\ Es folgen vier Briefe von Charlotte von Schiller:
drei an die Gräfin Schimmelmann, 4. April 1814, 2. Aug. 1814, 24. Mai 1816, und einer vom
7. Jan. 1817 anden Grafen nach dem Tode derGräfin; endlich das schöne Antwortschreiben
des Grafen mit den verständnisvollen Schlussworten über Schillers Grösse. — Im
Goethe- und Schiller-Archiv befindet sich noch eine ganze Anzahl von Briefen an
Schiller, die Urlichs mit gutem Grund von seiner Sammlung ausgeschlossen hat. Sie
werden aber sicherlich noch unter irgend welchen Vorwänden nach und nach ans
Licht treten, in Feuilletons oder Kommentaren oder sonstwie. Vorläufig teilt Ernst
Müller^'J) zwei Briefe des armen kranken Studenten Steinhaus mit, den Schiller im
J. 1799 wiederholt mit Geld unterstützte. Warum nur wird der Notschrei eines
Unglücklichen nach 100 Jahren so schonungslos der Neugier gleichgültiger Leser
preis gegeben? Für Schillers Opferwilligkeit und Güte hatten wir ja Beweise
genug. —
Unter den volkstümlichen Ge samtausg aben^S) von Schillers Werken ist
und bleibt die Cottasche mit den Einleitungen von Goed ecke ^9) die wohlfeilste und
vornehmste. Auffällig ist in der neuen Auflage bisweilen die Anordnung der einzelnen
Werke. Es scheint, als ob der Herausgeber jeden Band mit einem besonders populären
Stück habe eröffnen wollen; daher ist unter den sonst chronologisch geordneten Dramen
Don Carlos vor Semele, Teil vor die Braut von Messina gestellt worden. —
Ueber die Prosaschriften^'^"^'') Schillers, und zwar die philosophischen, hat
Gneis se 3^) ein lehrreiches Buch geschrieben. Etwas gar zu absprechend äussert er
sich über seine Vorgänger, sei es nun, dass sie Schillers Ansichten systematisierend
zusammengefasst hahen, sei es, dass sie historisch und psychologisch die Entwicklung
seiner Lehre erläutern wollten. G. greift in kluger Beschränkung nur einen Teil
der Schillerschen Ideen heraus, nämlich die Lehre von der ästhetischen Wahrnehmung,
Weltlitt. Bd. 230.) St., Cotta 292 S. M. 1,00. — 25) E. Krauss u. B. Seuffert, Briefe z. Schillerlitt.: VLG. 6, S. 6139.
— 26) L. Bobe, Neue Schillerbriefe. Aus Ernst n. Charlotte Schimmelmanns Briefwechsel mit Schiller u. dessen Gattin:
DEs. 74, S. 64 81. — 27) Ernst Müller, Schiller als Wohlfhäter: AZgB. N. 234. — 28) X Schillers poet Meisterwerke.
Gedichte v. Dramen. (Nene Aufl.l Mit Bild. Strassburg i. E., Druckerei n. Verhigsanst. XI.\', 977 S. M. 4,50. — 29) id..
Sämtl. Werke in 16 Bdn. Mit Einl v. K. Goedeke. St., Cotta. XII, 365 S.; X, 405 S.; VI, 339 S.; VIU, 387 S.; Vin,346S.;
X, 302 S : X, 242 S.; VI, 336 S.; X, 401 S. ä M. 1,50. |[LZgB. N. 38; (>: DRs. 77, S.317.J1 — 30) X (IV 1 d : 13.) — 31) X
Schiller, Gesch. d. Abfalls d. vereinigten Niederlande v. d. spanischen Regierung. Mit Bild. (= Bibl. d. Gesamt-Litt. d. In-
u. Auslandes N. 708.) Halle a. S., Hendel. IV, 306 S. M. 0,25. — 32i X i^- Hist. de la guerre de trente ans. Nonv. ed.,
publice avec des notices, des arguments analytiqnes et des notes en fran9ai3 par H. Schmidt. (= Classiques allemands.)
Paris, Hachette. 16». XV, 482 S. Fr. 2,50. — 33) X K. Julg, Schillers Abhandlung über d. Gesetzgebung d. Lykurg, d.
XLII. Vers, dtsch. Philologen u. Schulmänner als Probe e. üebersetz. aus d. klass. Deutschen in d. klass. Griechisch vorgelegt.
Trient, Selbstverl 31 S. M. 0,85. - 34) X A. Foii, L'ideale estetico di F.Schiller. Saggio critico. Parma (Ferrari e Pellegrini).
1892. 84 S. |[NAnt. 45, S. 344,6; Cultura 1, S. 382.]| (Nicht im Handel.) — 35) X Ernst Müller, Schiller als
Kritiker. E. kleiner Beitr.: KBIGRW. 40, S. 280/4. — 36) X F. Muncker, Kuno Fischer, Schillerschriften, 2. Reihe (vgl,
JBL. 1892 IV 9:38): BBG. 29, S. 306/7. — 37) X P- Tannery, F. Montargis, Testhetique de Schiller (vgl. JBL. 1892
IV 9:35): AGPhilos. 6, S. 425/6 (S. o. I 12:15a.) — 38) (I 12:14.) |[H. Unbescheid: ZDÜ.7, S. 545-51.]| - 39) (I 12: 12.)
IV 9 : 38-eo A. Kost er, Schiller.
die er abgerundet zunächst aus derjenig-en Schrift ableitet, in der sie am reinsten
ausgebildet erscheint, nämlich aus den Briefen über die ästhetische Erziehung- des
Menschen. Mit sorgfältiger Prüfung der oft etwas krausen und doppeldeutigen Ter-
minologie Schillers entwickelt er diese grundlegende Lehre klar, beinahe nüchtern,
oft elementar im besten Sinne, und gipfelt in folgendem Satze, mit dem er das End-
ergebnis von Schillers Untersuchungen über das Wesen des Schönen zusammenfasst:
„Schön ist der Gegenstand, welcher, auf der Stufe sinnlich-vernünftiger Thätigljeit,
im Zustande des Betrachtens, zu unserem Bewusstsein gelangend, höchste innere Not-
wendigkeit und Unendlichkeit zeigt und unserem Gemüte zu einem Maximum seiner
Kraftäusserung Veranlassung giebt." Nun erst wendet sich G. im zweiten Kapitel
zurück zu Schillers früheren Schriften, in denen dieser gerade in Bezug auf das von
G. behandelte Thema wesentlich andere, unfertigere Anschauungen äussert, während
er seit den ästhetischen Briefen die Lehre von der ästhetischen Wahrnehmung nicht
mehr ändert. Diese Konsequenz bis zum Gipfel und das spätere Verharren wird bei
G. völlig klar. Nur eins vermisst man bei ihm, wie bei so manchem, der über Schillers
Aesthetik geschrieben hat: nämlich den Sinn dafür, dass hier ein Dichter philosophiert,
und nicht etwa ein so klarer, aber unpoetischer Denker wie Kant. Zwar betont G.
gelegentlich, dass die Normen, die Schiller für den ästhetisch Geniessenden aufstellt,
auch für den ästhetisch Schaffenden gültig sind ; dass aber in dieser Philosophie, die
ganz der künstlerischen Produktion dienstbar sein sollte, die Phantasie häufig die
Offenbarerin gewesen ist, während der Verstand dann nur als nachprüfender Richter
gerufen wurde, wird bei G. nicht klar. Dem dritten Kapitel, das Schillers Lehre von
der ästhetischen Wahrnehmung mit den Ansichten Kants und Fichtes vergleicht,
schliesst G. im Schlusswort den Wunsch an, dass doch die moderne Psychologie,
wie sie sich, den Bahnen Kants wieder nähere, auch Schillers Lehre von der Wahr-
nehmung prüfen, ja, hoffentlich auch zu neuen Ehren bringen möge. Ob das mög-
lich ist, müssen die Fachgelehrten entscheiden; G.s Ruf lautet unzweideutig: Zurück
zu Kant und Schiller! — Gerade das, was man bei Gneisse vermisst, findet man in
vollem Masse bei H. von Stein^^). Was hier zum Druck befördert wird und früher
schon in den „Bayreuther Blättern" (Mai— Juni 1887) erschienen war, ist ja nur Skizze.
Aber sie wirkt in jeder Zeile anregend und lässt schmerzlich bedauern, dass der
junge geist- und phantasievolle Forscher so früh der Wissenschaft genommen worden.
Wie schön und sicher tritt in seiner Reproduktion das Einigende und Trennende in
Goethes und Schillers philosophischen Anschauungen hervor. —
Zu Schillers Gedichte n^o-^t) ist manches Neue zu verzeichnen, zunächst
als allgemeine Schrift die dritte Auflage von Düntzers^^^ Erläuterungen,
aller Voraussicht nach die letzte, wie der greise, nimmer müde Vf in der Vor-
rede wehmütig selbst meint. Wieder bewundern wir in diesem Werke den immer
gleichen Fleiss des Kommentators bei der Zusammenfassung der zahllosen, weit ver-
streuten Quellen, Studien und Deutungsversuche anderer Forscher. Für die erste
Interpretation eines einzelnen Gedichtes von Schiller ist D. stets ein nützlicher zuver-
lässiger Führer; aber der erste Band seiner Erläuterungen, der eine historische Ent-
wicklung Schillers als Lyriker geben will, kommt über annalistische Trockenheit
nicht hinaus. —
Und doch hat Düntzer mit seiner Art der Einzelerläuterungen^^"*"^), die
von rein subjektiven Geschmacksurteilen nicht frei sind. Schule gemacht. Was sollen
z. B. Bemerkungen, wie sie Draheim*^) aus engherzigster christlicher Befangenheit
und wieder aus offenkundigem, wenn auch nicht zugestandenem Hochmut gegenüber
der Antike vorträgt? Sie können das Verständnis von Schillers Gedichten gar nicht
fördern. — Wie wenig er mit seiner schroffen Gegenüberstellung antiker und christlich-
romantischer Vorstellungen Recht hat, zeigt Becker^^) am „Ring des Polykrates",
indem er die unbestimmte Furcht vor dem Neid böser Mächte im Volksaberglauben
christlicher Zeit nachweist. — Jacoby^") stellt die auffällige Thatsaehe fest, dass
Schiller in demselben J. 1795, da er in der Abhandlung über naive und senti-
mentalische Dichtung so schroff über Lessings „Nathan" urteilte, im „Verschleierten
Bild von Sais" sich im Tonfall der Rede an Lessings Drama anlehnt. Offenbar hatte
er in jener Zeit durch erneute Lektüre den Eindruck eben wieder aufgefrischt. —
— 40) X (I ' = '^5-) — 41) X Goethe et Schiller, Poesies lyriques, texte allemand, publie avec des notices litt, et des notes
par H. Lichtenberger. 2. ed. Paris, Hachette. 16". XXXIX, 271 S. Fr. 2,50. — 42) H. Düntzer, Schillers lyrische
Gedichte. Erläut. I. Schiller als lyrischer Dichter. IL D. Gedichte d. 1. Periode. IV. D. Gedichte d. 3. Periode. 5. 6. Bdchn. 3.,
neu dnrchges. Aufl. (= Erläuterungen zu d. dtsch. Klassikern. 3. Abt.: Erläuterungen zu Schillers Werken 7. 3. 9. 15. 16.
d. ganzen Reihe 36. 37. 38. 44. 45. Bdchn.) L., Wartig. 320, 172, 290 S. ä M. 1,00. - 43) X F. Schiller, Song of the bell
and other poems, with notes by G. Macdonald. London, Blackie. Sh. 0/6. - 44) X (I 1 =76.) |[W. Sm.: LZg. N. 277.]| —
45) X R- Sprenger, Zn Schillers ..Bürgschaft" V. 65 u. 83 f.: ZDU. 17, S. 563/4. — 46) X B. Stein, Zu Schillers „Kampf
mit d. Drachen«: ib. S. 768-70. — 47) X A Köster, J. Thikötter, Ideal n. Leben (vgl. JBL. 1892 IV 9 : 51): DLZ. S. 747/8.
— 48) H. Draheim, Ueber Schillers antike u. romant. Gedichte: ZDU. 7, S. 7-16. — 49) Th. Becker, Zu Schillers Ring
d. Polykrates: ib. 8. 589-94. — 50) (IV 6:26.) — 50a) A. Richter, D. Geschichte vom „Kampf mit d. Drachen" : PrJbb. 71,
A. Kost er, Schiller. IV 9 : soa-eo
Wer über den „Kampf mit dem Drachen" sich unterrichten will, findet manches
Beachtenswerte in einem Aufsatz von Richter^^"). Ob alle seine Kombinationen an-
nehmbar sind, muss der Specialist auf dem Gebiete der Sag-enforschung- entscheiden.
R. sieht die älteste noch lebende Form der Erzählung- im Siegfriedslied und in dem
Märchen bei den Brüdern Grimm (N. 60). Dann soll durch Johanniter die Sag-e in
Rhodus lokalisiert sein. Und in der Form, die sie dort annahm, findet sie sich zuerst
in dem Bericht über die Orientreise Ottheinrichs, des Pfalzgrafen bei Rhein: an die
Stelle Sieg-frieds oder des Jägers ist der französische Ritter g-etreten, an die Stelle
Engels oder des Wirtes der Grossmeister. Ein allgemeines Verbot des Drachen-
kampfes besteht noch nicht. Nach dieser Richtung weitergebildet findet sich die
Sag-e erst bei späteren Geschichtsschreibern; übergeht man Bosios Geschichte des
Johanniterordens, so ist vor allen Vertots Histoire des Chevaliers hospitaliers zu
nennen, Schillers direkte Quelle: hier ist aus dem beliebig-en Ritter der Provengale
Dieudonne de Gozon geworden, aus dem namenlosen Grossmeister Heiion de Ville-
neuve, der ein Verbot wider den Drachenkampf öffentlich erlassen hat. Aber noch-
mals schreitet Schiller über seinen Gewährsmann hinaus, indem er die bloss äussere
Verletzung- des Verbots vertieft zu dem bekannten Konflikt der Pflichten. — Zum
„Gang nach dem Eisenhammer" stellt Hildebrand^') die Vermutung- auf,
Schiller habe die Gräfin nur aus Reiranot zu einer Gräfin von Savern (d. i. die fran-
sische Form für Zabern im Elsass) gemacht ; denn die Vorlage, Retif de la Bretonne,
spricht von einer Gräfin von K... — Die Vermutung H. Sau er s^^-^^ (jass Schiller für
seinen „Alpenjäger" ausser den oft citierten schweizerischen Quellen, besonders
Bonstetten, auch Kalidasas Sakuntala benutzt habe, sucht HirzeP^) in Kürze zu
entkräften. Ebenso will er in Goethes „Faust" zwar für das „Vorspiel", nicht aber
für den Prolog im Himmel einen Einfluss des indischen Dramas zugeben. — Umfang-
reicher ist ein Aufsatz von Bormann, ^^j ein panegyrischer Brief über die „Künstler".
B. widerspricht der Ansicht, als habe Schiller jemals (selbst in seinem Aufsatz über
die Schaubühne als moralische Anstalt) der Kunst die erniedrigende Rolle einer
Dienerin zuweisen wollen. Stets habe sie ihm als grosse, selbständige, freie Macht,
als Vermittlerin zwischen Sinnlichem und Geistigem für den Menschen gegolten.
Einen Beweis für diese hohe Auffassung von der Kunst sieht B. darin, dass Schiller
Gott als Weltschöpfer sich schon in seinen frühesten Werken am liebsten als den
grossen Künstler denkt. Auch in den „Künstlern" feiert Schiller die Allgewalt der
schönen Kunst; aus ihr entspringt alle Kultur, alle Erkenntnis. Der Gedankengehalt
des B. sehen Aufsatzes ist nicht neu, aber mit Wärme vorgetragen. Er gipfelt in dem
Wunsche, dass die ästhetisch-philosophischen Gedichte und Abhandlungen Schillers
in die Schullektüre eingereiht werden möchten. — In einer kleinen Notiz endlich
möchte Rubensohn^^) nachweisen, dass die ursprüngliche, später verworfene Lesart
in Schillers Virgil-Uebersetzung, Zerstörung Trojas 231 f. „wütender Gebärde"
mit dem Reimwort „Erde" eine Reminiscenz aus Bürgers Lenore sei, da ja die
Recension von Bürg-ers Gedichten und die Aeneis-Uebersetzung in die gleiche Zeit
fallen. Möglich! —
Wichtiger aber als alles Bisherige sind zwei neue Funde, die im J. 1893
ans Licht traten, nachdem man schon früher Einzelnes über sie erfahren hatte. Ein
kostbares Geschenk war die neue Ausgabe der Xenien.^^) Fast ein Jh. sind sie jetzt
alt, diese stachlichten Verse; aber sie bleiben jung, weil sie so schön sind. Wohl
ist uns das Verständnis für einige Anspielungen verloren gegangen; das ist zu ver-
schmerzen. Ueber das Meiste orientieren die Anmerkungen der neuen Ausgabe knapp
und zuverlässig. Aber nicht das ist der Hauptgewinn, den wir aus dieser Publi-
kation ziehen. Vielmehr: wir erkennen klarer als bisher die Entstehung der Xenien,
sehen, wie die Schaffenslust der beiden Dichter den ursprünglichen engen Plan zer-
sprengt, wie die Masse der Epigramme wächst, ja, wie sie über das Mass hinaus
anschwillt, so dass grosse Teile unterdrückt werden mussten, die erst jetzt ans Licht
treten; wir sehen schliesslich mit Bewunderung, wie Schiller, der schon vorher die
meisten und zugleich treffsichersten Pfeile geschmiedet hatte, nun schliesslich den ganzen
Vorrat noch einmal durcheinander schüttelt, sichtet und mit rücksichtsloser Ent-
schlossenheit das endgültige Xenien-Ms. fertigstellt, ein souveräner Künstler.^'-^^) —
Trögers ßt*} Schrift über Joh. Kaspar Friedr. Manso erschien zur Unzeit. Inhaltlich
fasst sie nur Bekanntes zusammen und verfolgt dabei den Zweck, dem ehemaligen
Rektor des jubilierenden Gymnasiums ein Ehrendenkmal zu setzen. Leider geschah
das gerade, als die Weimarer Xenienausgabe Manso in seiner bedauerlichen Rolle
S. 472-83. — 51) (I 8:65.) - 52) X (I^ 8e : 91.) - 53) (IV 8e:90.) - 54) W. Bormann, Ueber Schillers „Künstler".
(= I 1:113; S. 109-31.) — 55) M. ßnbensohn. Zu Schillers Uebers. d. Aeneide: NJbbPh. 147, S. 1434. - 56) (IV 6:41;
IV 8a :34a; 8c: 20.) — 57) X Vom Wiener Philologentag. Erich Schmidts Vortr. „Ueber d Xenienhss." : AZgB. N. 119. —
58) X Neues v. Goethe- Schillers Xenien: Didask. N. 127. (Abdruck aus AZgB.: Vorlauf. Bericht B. Snphans über d. Xenien, am
Goethetage.) — 59) X Erich Schmidt, Mitteilung in GDL. Nov.: DLZ. S. 1845. - 60) (IV 8a: 130; 8c:21.) - 61) B.
IV 9:61-77 A. Köster, Schiller.
wieder auferstehen liess; und wiederum kam diese Sammlung zu spät, als dass T.
die bis dahin unbekannten Epigramme noch zur Vervollständigung seiner Schilderung
hätte brauchen können. — Die zweite Gabe, durch welche die Sammlung von Schillers
Gedichten vermehrt wurde, ist eine Schöpfung aus der Dresdener Zeit (wahrscheinlich
aus dem Herbst 1785), ein Wechselgesang zweier Liebenden, Delia und Leontes, den
Suphan^i) veröffentlicht hat. Das Gedicht^^^) hielt Minna Körner bis in ihr höchstes
Alter verwahrt; dann gelangte es direkt oder auf Umwegen in die gräflich Paarsche
Autographensammlung, aus der es durch die Auktion im März 1893 in den Besitz
des Grossherzogs von Sachsen- Weimar und dann in den Bestand des Goethe- und
Schiller-Archivs überging. Mit Recht erkennt S. in Leontes und Delia Körner und
seine Gattin. Das Lied mit seinem hohen Schwung stellt sich neben das Lied an die
Freude; freilich bleibt zwischen beiden ein grosser Wertunterschied, den niemand
besser als der Dichter selbst erkannt hat. — Ein Facsimile zweier Strophen ist gleich-
falls erschienene^). —
Wenden wir uns den Dramen im allgemeinen^* e^)zu. Der nochimmer weit
verbreiteten Anschauung, als ob Klassizismus und Romantik oder, ins rein Persönliche
übertragen, Schiller und die Brüder Schlegel Gegensätze bedeuteten, tritt Walzet") mit
Entschiedenheit entgegen. Ausgehend von Schillers direkten Beziehungen zu Wilhelm
und mehr noch zu Friedrich Schlegel weist er nach, dass die W^erke beider Parteien
überall Verwandtschaft zeigen, wo sie sich das Uebernatürliche, das Unbegreifliche
zum Thema wählen, wo sie die Berliner Aufklärung bekämpfen und wo sie auf
Kantscher Philosophie beruhen. Als bedeutsamste Symptome einer Abhängigkeit
Schillers von romantischen Anregungen führt W. an : im „Wallenstein" die Versform,
für die W. Schlegels Shakespeare-Uebersetzung entscheidend war; in „Maria Stuart"
die katholische Dulderin und Morlimer, der sich ganz unter dem Banne römischer
Kunst befindet; in der „Jungfrau von Orleans," der romantischen Tragödie, das
Motiv der Suggestion und die vielen lyrischen Einlagen, die besonders auf Tiecks
„Genoveva" zurückzuführen sind; in der „Braut von Messina" der Farbenreichtum
Siziliens und der Stauferzeit, Vererbungstheorie und Schicksalsidee. — Wie in diesen
Dramen Schiller unter dem Einfluss der aufblühenden Romantik steht, so kann man
andererseits wieder seine Einwirkung auf manche junge Romantiker erkennen.
Niejahr ''^) sucht dies bei Heinrich von Kleist nachzuweisen, dessen „Prinz von
Homburg" manche Nachwirkung des „Wallenstein" zeigt, sowohl in der Gruppierung
der auftretenden Personen, wie in einzelnen wörtlichen Reminiscenzen : in Homburg
und Natalie m.öchte N. Max und Thekla wiedererkennen, bei Hohenzollern denkt er
an den Marquis Posa. Ebenso sieht er in dem letzten Auftreten des Varus in der
„Hermannsschlacht" eine Erinnerung an die Scene Talbots in der „Jungfrau von
Orleans" und erblickt (einer Anregung von Otto Brahm folgend) an Hermann deut-
liche Züge von Schillers Fiesko. — Die sprachlichen Bemerkungen, die Fischer "2)
an Schillers Dramen anknüpft, betreffen vor allem schwäbische Dialektworte. Doch
weiss auch F. nicht alles zu deuten. — Was es mit der Meldung über einen Schiller-
fund''^-)^ (jje YQj^ (jeui „Dramatischen Centralbureau" in Leipzig ausgeht, für eine
Bewandtnis hat, ist nicht zu erkennen: es soll die Litteratur und das Theaterrepertoire
eine wichtige Bereicherung erfahren haben durch die Auffindung zwar nicht Schiller-
scher, aber auf Schiller zurückgehender Fragmente in einem thüringischen kleinen
Orte. Bis jetzt ist nichts Näheres darüber bekannt geworden. —
Zur Textgeschichte der „Räuber"''*" ''5) stellt Kettner''«) fest, dass Schiller,
nachdem er die erste Fassung des Stückes (U) zu dem „Schauspiel" (S) umgearbeitet
hatte, für die Mannheimer Bühnenbearbeitung (M) und für die erste Ausgabe des
„Trauerspiels" (T) nochmals auf U, nicht auf S zurückgegangen ist. Und gestützt
auf diesen Nachweis möchte K. besonders in der Erkennungsscene zwischen Moor,
Amalia und Karl im fünften Akt die Fassung von T, M für älter halten als die von
S. — Von der seltsamen Uebersetzung oder richtiger gesagt Bearbeitung des
Stückes, die man 1792-93 in Paris im Theätre du Marais spielte, und die zum Vf.
J. H. F. La Marteliere hatte, weiss als Augenzeuge Wilhelm von Wolzogen zu be^
richten.'''') Er ist empört über die Verunstaltung; denn „Robert, chef des brigands"
Snphan, E. Carmen amoebaeum ans Schillers Nachlass: VLG. 6, S. 608-12. — 62) X ^- interessantes Ineditnm v. Schiller:
VossZg. N. 597. — 63) -n-. Nur e. Autographensamml.: DDichtung. LS, S. 273 (Bespricht d. Katalog d. gräfl. Paarschen
Samml.) — 64) X G- Hauher, L. Bellermann, Schillers Dramen (vgl. JBL. 1891 IV 10:87): KBIGRW. 40, S. 181/3. • 65) X
H. Conrad, E. Schiller-Denkmal: DWBl. S. 126/9. (Ref. üb. Bellermann, Schillers Dramen. Vgl. JBL. 1891 IV 10:87.) —
66) X (I 7:43a.) — 67) X E. Hermann, Schillers Dramen, bearb. v. 0. FricV: PaedA. 35, S. 53/7. — 68) X J- Wy chgrnm,
E. Mentzel, Schillers .Tngenddramen z. erstenmal auf d. Frankf. Bühne (vgl. JBL. 1892 IV 9 : 65): BLU. S. 389. — 69) X E.
Kilian, Z Erstaufführung v. Schillers Jugenddramen: AZgR. N 40. (Ansz. ans Mentzel, Schillers Jngenddramen (vgl.
JBL. 1892 IV 9:65.) - 70) 0. F. Walzel, Schiller n. d. Romantik: VossZgB. N. 41/2. — 71) J. Niejahr, H. v. Kleists
Prinz V. Homburg u. Hermannsschlacht: VLG. 6, S. 409-29. - 72) (I 8 : 47 ) ~ 73) Notiz über e. Schillerf and : BerlTBl. N. 178.
— 74) X F- Br^no'd, D. Räuber. Litt. Erinnerung: Bär 19, S. 99. - 75) X ^^^- '^^^^ ^- übliche Weimarer Aufführung d.
„Räuber" unter Mitwirk. d. Jenenser Studenten (1. Febr. 1893): NatZg. N. 83. — 76) ö- Kettner, Zu Schillers Dramen:
i])V, 7, S. 455-70. — 77) B. v. Wolzogen, E. Augenzeuge d. Hinrichtung Ludwigs d. Sechzehnten (21. Jan. 1793) : YossZg».
A. Kost er, Schiller. IV 9 : 73-99
war durchsetzt mit Anspielung-en auf die Revolution, eine Glorifizierung- des
Tyrannenmordes. — Die „Engel mit Schwänzen", von denen Roller (Räuber I, 2)
spricht, deutet Spreng-er'^) mit Recht als Teufel, im Gegensatz zu Düntzer, der hier
von Raubvögeln spricht. Zugleich sucht Sp. den Ausdruck „Brandschande Maal-
g-eburt" im Urfaust mit Hinweis auf Schillers Räuber II, 3 als eine doppelte Um-
schreibung für ein Kind, das bei der Geburt Galgen und Rad als Muttermal mit auf
die Welt bringt, zu erklären. Inhaltlich ist das natürlich richtig, sprachlich wohl
kaum. —
Zu „Kabale und Liebe" ist nur zu verzeichnen, dass Bellermann"")
die Zeitberechnung des Stückes erörterte und dabei zu dem Schlüsse kam, dass das
Stück sich über drei Tage ausdehne, da Wurm die Luise in dem Briefe schreiben
lasse: „Wir haben gestern den Präsidenten im Hause gehabt" und ,, Morgen hat
der Major den Dienst!" —
Denjenigen, welche den „Don Carlos"^""^^) und die übrigen historischen
Dramen Schillers gern mit den zu Grunde liegenden historischen Thatsachen ver-
gleichen möchten, bietet hierzu Landwehr ^*) die bequemste Gelegenheit. Auf Grund-
lage der besten wissenschaftlichen Litteratur entwirft er fünf Lebensabrisse (Fiesko,
Don Carlos, Wallenstein, Maria Stuart und die Jungfrau von Orleans) und überlässt
dem Leser, die Parallele mit Schillers Dichtungen zu ziehen. Da L. ruhig und ganz
geschickt erzählt, und da sein Urteil milde und besonnen ist, so kann sein Buch für
den Schulunterricht nützlich sein. Seine Bemerkung im Vorwort über das Verhältnis
des Dichters zum Geschichtsschreiber ist freilich nicht zutreffend. —
Bei einer Besprechung des Wallen stein ^^'^^) sucht Bellermann^^) dem
Tadel Kettners, dass die Zeitrechnung beim Tode des Max Piccolomini einen Wider-
spruch enthalte (vgl. JBL. 1892 IV 9:93), zu entkräften: Max scheide von Wallen-
stein am dritten Tag"e vom Beginn des Stückes an gerechnet; noch am gleichen Abend
ereile ihn der Tod. Am nächsten Morgen finde das Begräbnis statt, und im Laufe
dieses vierten Tages treffe W^allenstein in Eger ein. In den Worten „Ein starkes
Schiessen war ja diesen Abend" sei „diesen Abend" gegen den üblichen Sprach-
gebrauch als „letzten (d.h. in diesem Falle: gestern Abend)" aufzufassen. — Beller-
mann^") hat seine Ausführungen auch als Aufsatz drucken lassen. — Die letzte Er-
klärung Bellermanns (diesen = den gestrigen) will nun Düntzer^*^) nicht gelten lassen,
so dass er wieder in den W^orten „Heut früh . . ." eine Ungenauigkeit des Dichters
findet. Was D. sonst in seinem Aufsatz vorträgt, ist unfruchtbare Polemik gegen
Kettners Erklärungen (vgl. JBL. 1892 IV 9 : 93). — Nach abermaliger Prüfung ver-
sucht dann Kettner*") nochmals eine neue Deutung: Max ist am vergangenen
Abend bei Neustadt gefallen und „heute früh" bestattet worden. Das Schiessen bei
Neustadt „diesen Abend" deutet auf ein zweites Treffen, in das der heranrückende
Octavio verwickelt ist. — Vortrefflich gelungen ist in Imelmanns"^) Aufsatz der
Nachweis, dass in Schillers Wallenstein für die Auffassung des Schicksals als der
natürlichen Folge unserer Handlungen, unserer Art zu denken, zu sehen, zu wirken
Herders Aufsatz „Das eigene Schicksal" eine wichtige Anreg'ung- gegeben hat. Er
erschien im dritten Stück des ersten Jahrgangs der „Hören". — Ein paar Kleinig-
keiten steuert Spreng er "3-94^ bei. Zu dem Ausdruck „Er ist gefroren" (Wallen-
steins Tod V, 2) citiert er Samuel Zimmermanns „Bezaar, wider alle Stich, Straich
und Schüss, voller grossen Geheimnussen", ein Werk, das auch Gust. Freytag
(Bilder aus der deutschen Vergangenheit 3, S. 77) benutzt hat ; und zu dem Schwank,
den der erste Jäger aus Wallensteins Altorfer Studententagen berichtet, zählt Sp.
einig-e Parallelen auf, besonders citiert er ein Gedicht von Longfellow. —
An der Ausgabe der „Maria Stuart"^^"^^) von BreuP^), wie überhaupt
an den Ausgaben dieses sorgsamen Vf. können deutsche Kommentatoren und Veran-
stalter von Schulausgaben viel lernen, auch wenn man in Rechnung zieht, dass diese
N. 5. — 78) B. Sprenger, Volkstümliches aus Schiller u. Goethe: Urquoll 4, S. 182 3. -- 79) L. BeUermann, Mitteilnng
in GDL.: DLZ. S. 699-700. (Vgl. VossZg. N. 216.) — 80) X Saint- Real, Don Carlos, nour. hist. Conjuration des Espagnols
contre la repnblique de Venire. Paris, Berthier. 191 S. Fr. 0.25. — 81) X J A. Heyl, M. BOdinger. Don Carlos Haft u.
Tod (vgl. JBL. 1891 IV 10: 73): ÖLBl. 2, S. 137,8. — 82) X A. Kleinschmidt, E. neues Werk über Don Carlos: IllZg. 101,
S. 305. (Behandelt Büdingers Werk [vgl. JBL. 1891 IV 10: 73].) - 83 ) X Don Carlos Haft u. Tod: Bohemia". N. 90,1. (Besprech.
V. Bndingers Buch [vgl. JBL. 1891 IV 10:73].) — 84) (IV la:5.) - 85) X Schiller, Wallenstein, poeine dramat. en (rois
parties. Texte alleinand, puhlie avec une notice, des arguments analytiques et des notes en fran9. par G. Cottler.
(= Classiques allemands.) Paris, Hachette. 16". XXVI, 299 S. Fr. 2,50. — 86) X (I '^ = 78.) - 87) X L. Kölscher, H.
Beckhaus, Zu Schillers Wallenstein (vgl. JBL. 1892 IV 9:91): ASNS. 90, S. 346/7. — 88) L. Bellermann, Mitteilung in
GDL. (April): DLZ. S. 699-700. (Vgl VossZg. N. 216.) - 89) id., Z. Zeitberechnnng in Schillers Dramen: NJbbPh. 148,
8. 239-47. — 90) H. Düntz.er, Zu Schillers Dramen: ZDÜ. 7, S. 168-80.— 91) (S. o. N. 76.) — 92) (IV 7:8; vgl. auch I 9 : 8.)
— 93) (I 5 : 83.) — 94) (I 5 : 148.) - 95) X (I 7 : 80.) - 96) X Schiller, Marie Stuart. Ed. class. du texte allemand, avec
introd. et comment. par E. Henry. Paris, Belin freres. 1892. 12». XIX, 260 S. - 97) X i* , Marie Stuart, trag. Reduite
en trois actes et arrangee pour pensionats et congregations de jeunes Alles par P. Lebrun. Bordeaux, Coussau et Coustalat.
1892 67 S. Fr. 1,00. — 98) X E. Riquiez, Marie Stuart (d'aprÄs Schiller), drame en cinq actes et sept tableanx en vers.
Paris, Cerf. 16». XVL 224 S. Fr. 3,.50. - 99) (IV ld:38.) — 100) X A. Bellesheira, Maria Stuart, Königin v. Schott-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. ^C'^^)
IV 9 : 100-133 A. Köster, Schiller.
englischen Ausgaben mehr für Studenten als für Schüler bestimmt sind. Die Ein-
richtung des Drucks, die reichlich bemessenen Beigaben und Register, die Auswahl
aus dem bibliographischen Material usw. sind musterhaft. — Das neueste grosse
historische Werki'"'"^'*^) über Maria Stuart, die dreibändige Biographie vonPhilipp-
soni*>3) beweist unwiderleglich, dass in Schillers Tragödie der Historiker dem Dichter
Zugeständnisse gemacht hat. Zwar behandelt Ph., wie schon der Titel seines Werkes
zeigt, nur die Zeit, in der Maria regierende Fürstin war, bricht also mit der Flucht
nach England ab. Aber man erkennt doch an diesem Ausschnitt aus dem Leben der
schottischen Königin hinlänglich, dass jeder Versuch, sie reinzuwaschen und als
unschuldig Leidende hinzustellen, vor der Unerbittlichkeit aktenmässiger Widerlegung
sich zurückziehen muss. —
Die Frage nach den Quellen zur „Jungfrau von Orleans" ^*^*"" ^22-) j^^t
Quiquerez^23j noch einmal zum Gegenstand einer Monographie gewählt. Vieles,
was er sagt, ist nicht neu, manche längst bekannte Beobachtung hat aber Qu. wahr-
scheinlich wieder völlig selbständig gemacht; jedenfalls nennt er seine Vorgänger nur
selten. Die Arbeit ist deshalb willkommen, weil die Belegstellen hier besonders voll-
ständig bei einander sind. Ob L'Averdy wirklich die wichtigste Quelle für Schiller
war, ist doch fraglich. Schon der Umstand, dass manche Wendung des Dramas sich
zweifach, dreifach aus verschiedenen Vorlagen belegen lässt, kann zur Warnung
dienen, eine einzige Quelle auf Kosten der anderen zu überschätzen. Eine der ent-
scheidendsten früheren Anregung'en scheint mir doch immer der Pitaval zu sein. Im
ganzen erkennen w4r aus Qu.s Zusammenstellung wieder, dass dem Dichter solche
Quellen am willkommensten waren, in denen weltgeschichtliche Vorgänge durch rein
menschliche Motive und anekdotische Züge erläutert wurden. Für seine künstlerischen
Zwecke stand ihm die historische Novelle höher als die ausführliche g-elehrte Dar-
stellung. Ausser der Quellenfrage behandelt Qu. auch die litterarischen Anregungen,
Shakespeare, Goethe (Götz und die durch ihn hervorgerufenen Ritterschauspiele,
Faust, Balladen usw.) und Tieck (Genoveva). Auch hier sind die Beobachtungen
nur zum kleinen Teile neu. An eine Einwirkung Voltaires vermag ich nicht zu
glauben. —
Zur „Braut von Messina" 124-127J ^nd zum „Tell"'28-i3i) ist nur wenig
zu bemerken. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Sagen, die sich mit der
Erzählung vom Apfelschuss berühren, findet man in dem Aufsatz von Harzen-
Müller^32^. Er verfolgt das Motiv durch den Sagenschatz von Persien, Island, Däne-
mark, Norwegen, Holstein, Serbien, Esthland, die Rheinlande und äussert schliesslich'
die Vermutung, dass die Erzählung durch eine Hs. des Saxo Grammaticus nach der
Schweiz gelangt sei. — Von Schillers Notizen zum „Teil" hat Ernst Müller^^s-^
wieder ein Bruchstück abgedruckt; es bildet die Ergänzung, zu dem im Vorjahre
(vgl. JBL, 1892 IV 9 : 130) veröffentlichten. Die Meinung, man müsse alle diese ver-
streuten Zettel drucken, teile ich übrigens gar nicht. Wir sind über die Weise, wie
land. 1542-87: WetzerWelteKirchenlex. 8, S. 757-77. — 101) X Th. H. Pantenius, Maria Stuart in Schottland:
VelhagenKlasingsMh. 2, S. 93-105. — 102) X &• Storm, Maria Stuart. Uebers. v. P. Witt mann. Mit Textabbild, und Taf.
München, Mehrlich. X, 264 S. M. 5,00. [Didasfe. N. 200: J.: AZgB. N. 215.11 — 103) M. Philippson, Hist, dn rfegne de
Marie Stuart. 3 vols. Paris. Bouillon. 1891-92. XI, 344, 408 S.; 520 S. |[M. Brosch: DLZ. S. 1101; Ath. 2, S. 653/4.]|
— 104) X (I 10:22.) (Gedenkt Schillers nur flüchtig auf d. letzten Seite.) — 105) X P- T. Mitschke, Ueber Southeys
Joan of Are. II.: EnglSt. S. 23-43. — 106) X J- Etwalt-Lessuor, Jeanne d'Arc, ou l'Evasion, dratne en trois actes, en
vers. Paris, Retanx et Fils. 57 S. — 107) X ^- Pinchon, Jeanne d'Arc, drame en quatre actes et six tableaux, en vers.
Ronen, Cagniard (Paris, Schneider). 68 S. Fr. 2,00. — 108) X LPicherit, Jeanne d'Arc ä Ronen, draroe en trois actes
et en vers. Angers, Germain et Grassin. 1892. 18". 72 S. (Vgl. JBL. 1892 IV 9:117.) — 109) X ^- Piaget, Huitains
inedits de Martin le Franc sur Jeanne d'Arc: MA. 6, S. 105/7. — HO) X ?• A.llard, Jeanne d'Arc ä Bonsecours, ode
triomphale. Musique de Ch. Lenepveu. Compos. ponr l'inauguration du monuinent de Jeanne d'Arc, le 30. juin 1892. Ronen,
Cagniard. 1892. 18". 10 S. — 111) X B Duhr, üeber Jeanne d'Arc-Schriften : StML. 44, S. 103/6. — 112) X M. Sepet,
Jeanne d'Arc. 18. ed. Aveo grav. (=: Bibl. des familles et des maisons d'educ.) Tours, Mame et Fils. 1892. 367 S. —
113) X H. Walion, Jeanne d'Arc. 6. 6d. 2 vols. Paris, Ilachette. 16". III, 465 S.; 455 S. Fr. 7,00. - 114) X P- R»''''«'
Jeanne d'Arc en Angleterre. 2. ed. Paris, Savine. 1892. VIII, .376 S. |[R. Mahrenholtz: LBlGRPh. 14, S. 438/9.] | —
115) X Quis?, Jeanne d'Arc e. Heilige? Skeptische Studien gelegentlich d. Kanonisationsprozesses. München, Poessl.
VIII, 147 S. M. 3,00. — 116) X Gh. Thomassin, D. echte n. d. falsche Jungfrau v. Orleans: DFBl. 26, S. 160. —
117) X M. Desnoyers, L'Iconographie de Jeanne d'Arc. 2. ed. Orleans, Herluison. 36 S. — 118) X (I 7 : 81.) — 119) X
(I 7 : 82.) - 120) X E. H., Schillers Maid of Orleans. Transl. by Maxwell (vgl. JBL. 1892 IV 9 : 119): Nation^. 10, S. 48.
(E. weitere Besprech.: WestmR. 139, S. 99.) — 121) X A. Englert, Z. Erklärung d. Stelle: Jungfrau v. Orleans V. 633 f.:
ZDü. 7, 8. 425. — 122) X v. G., K. Breitsprecher: Johanna d'Arc u. d. schwarze Ritter. (Breslau, Kern. 1888. 64 S.):
DDichtung. 14, S. 128. — 123) J. Quiquerez, Quellenstudien zu Schillers Jungfrau von Orleans. Diss. L., (Osw. Schmidt). 81 S.
— 124) X (I '^ • 85.) — 125) X E- Scherdl in, Schiller, La flancee de Messine, ou les freres ennerais. Texte allemand, publ. avec
nne notice litt., des argnments et des notes en fran9. 4. ed. (= Class. allemands.) Paris, Hachette. 16*. LI, 173 S. Fr. 1,50.
— 126) X (IV ld:14.) — 127) X J- B- Gerlinger, D. griech. Elemente in Schillers Braut v. Messina. E. Beitr. z. dtsch.
Litt.-Gesch. 4., unveränd. Aufl., durchges. v. J. E. Ein haus er. Neuburg a. D., Preohler. 1892. 107 S. M. 1,80. |[J.
Wychgram: BLU. S. 390; M. K.: LCBl. S. 1236; H. ünbescheid: ZDU. 7, S. 551/3.JI (E. anerkannt gute Arbeit, d. heute
nur durch einige Belegstellen zu bereichern wäre.) — 128) X (I ' = 83.) — 129) X F'- ^- Schiller, Wilhelm Teil. Schausp.
Für d. gesell. Vereinsbflhne bearb. v. A. Dinspel. (= Theaterbibl. N. 10.) Trier, Paulinus-Druckerei. 70 S. M. 0,75. —
130) X id., Wilhelm Teil. Schausp. Z. Uebers. aus d. Engl, neu bearb. v. Ph. Hangen. 3. Aufl. (= Engl. Uebangsbibl.
z. Benutz, an höh. Lehranst., sowie z. Privatstud. her. v. Ph. Hangen. N. 1.) Dresden, Ehlermann. 12". III, 185 S. M. 1,20.
— 131) X (IV ld:39.) -- 132) A. N. Harzen-Müller, D. Sagen vom Apfelschuss: LZg». N. 149. — 133) Ernst Müller.
A. Kost er, Schiller. IV 9 : 134-143
Schiller mit Hilfe seiner Excerpte arbeitete, jetzt ausreichend belehrt '^^''^s). —
Wichtiger ist, das Verhältnis seines Dramas zur Geschichte noch tiefer verstehen zu
lernen. Von den Schweizern, die er im „Teil" auftreten lässt, hat ausser dem Frei-
herrn Wernher II. von Atting-husen nur Stauffacher eine bedeutende geschichtliche
Rolle bei der Gründung der Eidgenossenschaft gespielt. Mehrere Abkömmlinge dieses
Geschlechts haben es zu hohem Ansehen unter den Landsgenossen g"ebracht. Oechsli'^^)
berichtet von dem älteren Werner von Slauffach, der 1267 genannt wird, und von
dessen weit bedeutenderem Bruder oder Sohne Rudolf, dem ersten urkundlich
genannten Ammann von Schwyz; er war vielleicht der einflussreichste Führer der
Freiheitsbewegung.* Die Sage hat ihn identifiziert mit dem jüngeren Werner von
Stauffach, der gemeinsam mit dem gleichfalls historischen Walther Fürst im 14. Jh.
die Eidgenossenschaft vor schweren Krisen bewahrt hat^^''"'^*^). —
Interessante Studien sind zu Schillers Nachlass zu nennen. Als Er-
gänzung zu seinen Untersuchungen im vergangenen Jahre (vgl. JBL. 1892 IV 9 : 147)
veröffentlichte Kettner ^'*i) zwei Aufsätze. Der erste behandelt den „Warbeck". Erst
jetzt erkennt man, wie sorglos Goedeke bei der Herausgabe oder richtiger Redaktion
des Schillerschen Nachlasses vorgegangen ist; der 15. Band seiner grossen Ausgabe
ist weder historisch noch kritisch. Hoffentlich erhalten wir von K. bald eine neue
Ausgabe. In der Warbeck - Abhandlung gelingt es K., die einzelnen Entstehungs-
phasen der Dichtung zu sondern. Aus der historischen Novelle entspringt der Plan
in flüchtigen Umrissen. Von da geht Schiller an die Ausbildung des Charakters der
Hauptperson, des geborenen Fürsten, der kein Fürst ist, des Betrügers mit dem
starken Drang nach Wahrheit. Um ihn baut sich die Handlung auf; und wiederum
erst aus dieser, vornehmlich aus der Peripetie des Dramas wächst das Bild des
wichtigsten Gegenspielers heraus: das der Herzogin Margarethe. Als Typen, nicht
als Individuen gehen die handelnden Personen diesem Dichter auf. Mehr und mehr
gewinnt Warbeck den Charakter eines Wallenstein in jüngeren Jahren, die Herzogin
einen mephistophelischen Zug. Nun erst folgt die Gliederung des Stoffes in Akte,
dann die Scenierung, und als Letztes das, wovon mancher andere Dichter ausgehen
würde, die Ausgestaltung der einzelnen Situationen, besonders auch der Herzens-
neigung Warbecks zur Prinzessin. Weist K. dabei mit Recht auf den Zusammen-
hang mit dem „Wallenstein" hin, so wäre auch noch Goethes „Egmont" in Betracht
zu ziehen, wie denn gerade Schiller aus einer geringen Zahl von Meisterwerken
immer wieder neue Anregung zu schöpfen wusste. Aufg-egeben hat der Dichter das
Stück offenbar deshalb, weil sich ihm die verschiedenen Elemente der Handlung nicht
zu einem organischen Ganzen vereinen wollten. —
Der zweite Aufsatz von Kettner ^*2) behandelt die „Prinzessin von Celle".
Wollte K. in der Besprechung des „Warbeck" mehr die Arbeitsweise Schillers und
die Entstehung der Charaktere des Schauspiels erläutern, so geht er hier vornehmlich
auf Erkenntnis der dramatischen Komposition aus. Beginnend mit der aus dem vor-
jährigen Bericht bekannten historischen Novelle, zeigt K. die Zusammenhänge mit
Schillers früheren Dramen. Dann schreitet er an der Hand der neugeordneten Teile
des Entwurfs vorwärts zu einer Analyse des Stückes. Es wird klar, dass Schiller
bei dem Aufbau dieser Handlung, wie auch in anderen Fällen, durchaus nicht etwa
von einem abstrakten Grundgedanken ausgegangen ist, sondern dass bei ihm, wie
auch bei Goethe, der konkrete Rohstoff vorhanden ist, der nun durch die Form
bemeistert wird. K, schliesst mit dem Urteil, dass die „Prinzessin von Celle", wenn
sie ausgeführt wäre, vielleicht das reinste Beispiel Schillerscher Tragik darstellen
würde. —
Den Entwürfen zur ,,Polizey" hat Stetten heim ^*3) eine vortreffliche, sorg-
same Untersuchung gewidmet, und er ist zu folgendem Resultate gekommen: der
Stoff ist in der uns vorliegenden Zusammensetzung von Schiller nicht völlig entlehnt,
aber auch nicht ganz frei erfunden worden. St. weist auf die Anregungen hin, die
der Dichter aus den von ihm selbst mit einem Vorwort versehenen „Merkwürdigen
Rechtsfällen" (1792 — 95) erhielt. Daraus sind dann im J. 1795 ein Lustspiel- und ein
Trauerspielplan hervorgegangen, die Jahre lang in des Dichters Phantasie neben
einander lebten. Der Lustspielentwurf umfasst in Goedekes Hist.-krit. Ausg. Bd. 15, 1
Vorarbeiten zu Schillers Teil: VLG. 6. S. 460/2. (Abgedr.: BerlTBl. N. 589.) — 134) X 0. Schröder, „Jetzt, Retter, hilf
dir selbst, - du rettest alle!«: ZDU. 7, S. 62. - 135)X P. Weizsäcker, „Jetzt, Better, hilf dir selbst,— du rettest alle.'«:
ib. S. 763,4. — 136) W. Oechsli, Stauffacher: ADB. 35, S. 523/7. — 137) X F. Frosch, K. Schraidtniayer, Schillers
Iphigenie u. ihr Verhältnis z. gleichnamigen Drama d. Enripides (vgl. JBL. 1S92 lY 9:144): ZOG. 44, S. 380,1, 1133/9. —
138) X (IV 4:372; S. 115-22.) — 139) X f"". Schiller, The parnsite or the art to malce one's fortnne. A com. from the
German. Bev. by Ph. Hangen. Dresden, Ehlermann. 12°. 90 S. M. 0,80. — 140) X id-, Oncle et Neven, com. en trois
actes. Texie allemand, pnblie avec nne introd., un argument analytique et des notes en frany. par 0. Briois. 3. 6d.
(= Classiqnes allemands.) Paris, Hachette. 160. 109 S. Fr. 1,00. — 141) G. Kettner, Schillers Warbeck. Progr. d. Gymn.
Pforta. 4». 28 S. — 142) id., Schillers Prinzessin v. Celle: PrJbb. 72, S. 84-104. — 143) L. Stettenheim, Schillers
Fragment: „D. Polizey" mit Berücksichtig, anderer Entwürfe d. Kachlasses. B, Fontane. 73 S. M. 1,50. (Als Eostocker
^(•29)*
IV 9:144-151 A. Köster, Schiller.
die Seiten 266,24 bis 273,15. Der Trauerspielplan ist nur in Ansätzen erhalten;
Keime finden sich bei Goedeke (S. 146/7) und zeigen, wie dieser Entwurf im Laufe
der Zeit sich zu dem verwandten Plane der „Kinder des Hauses" umgestaltete. Was
Goedeke (S. 259, 3 bis 266, 23) bring-t, sind spätere Vorarbeiten zu einem „Schauspiel",
in dem die Polizei der Hebel der Handlung- sein sollte. Dies Stück spielte nun nicht
mehr in irgend einer Kleinstadt, sondern in dem vorrevolutionären Paris; im Mittel-
punkt sollte der Polizeilieutenant d'Argenson stehen. Dieser dritte Entwurf, der nur
in den allgemeinsten Umrissen ausgeführt ist, ohne Detail der Handlung, aber mit
grossartigen Absichten, stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem J. 1802; denn
es haben die „Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs" von F. J. L. Meyer
(1802) den Anstoss gegeben. Die klare unbefangene Anschauung von dem Treiben
in der Riesenstadt hat Schiller aber erst aus dem Studium von L. S. Merciers
„Tableau de Paris" gewonnen, das er in der Nouvelle edition, einer Erweiterung der
1. Ausgabe, benutzt hat, wie St. durch viele Belegstellen nachweist. An Einzelheiten
sei aus St.s Schrift noch angemerkt, dass Schiller für viele seiner Entwürfe die
„Merkwürdigen Rechtsfälle", für die „Flibustiers" auch wohl die „Historisch-kritische
Encyklopädie" von Hoff benutzt hat. —
Die Ausführungen über den „Demetrius" von Franz^**) sollen in erster
Linie dem Schulunterricht zu gute kommen, . können aber auch anderen Lesern zur
Einführung in das Fragment und die Entwürfe dienen. Das erste der beiden Pro-
gramme legt den Grund zur Betrachtung durch die Mitteilung der wichtigsten Daten
aus der Entstehungsgeschichte des Stückes, durch Zusammenfassung der zu Grunde
liegenden historischen Ereignisse (nach Herrmanns Geschichte des russischen Staates)
und durch eine Analyse des letzten Schillerschen Entwurfes. Das zweite Programm
ist dann eine Art Kommentar zu dieser Skizze der Handlung. Indem F. die Charaktere
der auftretenden Personen erläutert, stellt er besonders eingehend dar, welch tiefe
Tragik in der Schillerschen Erfindung liegt, dass Demetrius schon in der Mitte des
Stückes den Glauben an sich selbst verlieren soll. Den Schluss der Abhandlung
bildet eine schnelle ITeberschau über die Leistungen der fünf Fortsetzer Schillers:
Maltitz, Kühne, Gruppe, Laube, Sievers ; der letzte erhält von F. den Preis. — Neuerdings
ist noch ein weiterer Versuch gemacht worden, den Demetrius-Torso^^^) zu ergänzen.
Warum nur? Es wird ja doch immer nur Flickwerk. So gut wie man Grillparzers
Esther-Fragment oder Schuberts unvollendete Symphonie spielt, kann man ja den
„Demetrius" als Bruckstück geben. Die jüngste Bearbeitung, die auf dem Ergänzungs-
versuch von Gustav Kühne beruht und in Weimar aufgeführt worden ist, rührt von
einer Leipziger Dame her, die sich unter dem Pseudonym A. Weimar verbirgt ^'*^"^*^). —
In einem Schlussabschnitt sei Verschiedenes zusammengefasst. Um Schiller
ist man natürlich nach wie vor besonders eifrig in Schwaben bemüht, und zwar um
so lebhafter, je mehr bei Kritikern und Litterarhistorikern in den letzten Jahren
Lauheit oder Feindseligkeit g^egen den Dichter zu Tage getreten ist. Besonders
Ernst Müller^^^) ruft zur Wehr gegen die Zweifler und Widersacher und fordert
neben dem „Goethe-Jahrbuch" ein „Schiller-Jahrbuch", das ein Centralorgan sein soll
für alle Bestrebungen, die deutsche Sprache und Litteratur und damit Schiller zum
Mittelpunkt des Unterrichts in den höheren Schulen zu machen. Ob sich dieser
Wunsch jemals verwirklichen lässt, steht dahin. Jedenfalls müsste das Schiller-Jahr-
buch gestützt sein durch eine Schillergesellschaft, deren Sitz dann naturgemäss
Marbach sein würde. Denn das dortige Schillerhaus '*^) gewinnt von Jahr zu Jahr
an Bedeutung. Seine Schätze vermehren sich durch hochherzige Schenkungen aller
Art (Porträts, Autographen, Bücher), durch Erwerbungen aus der Sammlung des
Grafen Paar usw. so sehr, dass bereits im Berichtsjahr die Sammlung auf 1086 Nummern
angewachsen war. Man liest schon in Zeitungen, dass Gelehrte dorthin reisen, um
Studien an Ort und Stelle vorzunehmen; und so wird der Zeitpunkt wohl nicht fern
sein, an dem man das Schillerhaus als ein Nationalmuseum dem deutschen Volke
eröffnet. — Einen ausführlichen Bericht über diese Neuerwerbungen hat Krauss^^^)
veröffentlicht. Aus seinen Mitteilungen sind besonders Briefe von Schillers Mutter
an ihre Tochter Luise zu erwähnen. — Sodann sind einige Urkunden über Schillers
Vater'^'), den Anteil an dem Immobilienbesitz seines Schwiegervaters Kodweiss
betreffend, in den Besitz des Marbacher Schillervereins durch Vermittlung seines
Vorstandes, des Stadtschultheissen Haffner, gelangt. — Auch sonst tritt immer noch
Diss. gedr.) — 144) E. Franz, Gesichtspunkte u. Materialien z. Behandlung v Schillers Demetrius in Prima. I. II. Progr. d.
Realgymn. Halberstadt (Doelle). 1892-93. 40. 20, 24 S. |[L. Kölscher: ASNS. 90, S. 347 u. 91, S. 473; H. ün he scheid:
ZDÜ. 7, S. .554.]| (Vgl. JBL. 1892 I 5 : 41 ; IV 9:149.) — 145) E. neue Bearbeitung d Schillerschen Demetrius-Fragments:
NatZg. N. 230. — 146) X X A. Popek, D. falsche Demetrius in d. Dichtung. I. Progr. d. Gymn. Linz (Verl. k. k. Staatsgymn.)
37 S. (Wird erst besprochen, wenn d. Fortsetzungen erschienen sind.) — 147) X 0- 7:86.) — 148) Ernst Müller, Ueber
d. heutige Schillerkritik: BBSW. S 110/5. — 149) Verschiedene Berichte über d. Schillerhans in Marbach: VossZg. N. 218,
229, 372. — 150) R. KrausB, Neues v. Schiller u. vom Marbacher Schillerhaus: BBSW. S. 241-55. — 151) id., Mitteilungen
A. Köster, Schiller. IV" 9 -. 152-I66
Verschollenes ans Licht. Erich Schmidt '^^^ wies auf eine Reihe von Autog-raphen
aus dem Besitz des Dr. Keller in Prag- hin; für Schillerforscher ist daraus interessant:
l. ein Karlosfrag-ment aus der Zeit der ersten jambischen Fassung; 2. ein Brief
Schubarts an Professor Nast; 3. ein Brief der Franziska von Hohenheim,
„Herzog'in von Württemberg", an einen schwäbischen Gelehrten. Was von
diesen Schriftstücken inzwischen gedruckt ist, wird in einem späteren Bande
der JBL. anzuzeigen sein. — Von sonstigen kleinen und kleinsten Beiträgen '^^"'^')
zur Schillerforschung erwähne ich, dass Jeep'^^j auf den Fehler „Käthchen"
statt „Clärchen" in J. Grimms Rede auf Schiller deshalb nachdrücklich aufmerksam
macht, weil sich dieser Lapsus von Buch zu Buch in Citaten weiter vererbt. — Die
schon öfter zusammengestellten Aussprüche Goethes und Schillers über die deutsche
Sprache, speciell über Sprachreinigung werden von RiegeP^^) noch einmal vereinigt.
Es ist für die heutige Praxis eigentlich gleichgültig, was die beiden Dichter über diese
Sache geäussert haben; denn selbst wenn sie das Gegenteil gesagt hätten, müssten
wir uns nach den Erfordernissen unserer heutigen Sprache richten, die nicht mehr
völlig die Sprache Goethes und Schillers ist. Zum Glück aber stimmen die
Ansichten der beiden Weimarer Grossen im ganzen auch heute noch mit der Meinung
derer überein, die ein lebendiges Sprachgefühl besitzen. — Mögen dann zwei Schriften
den Schluss machen, die ich nicht aus Geringschätzung, sondern wegen ihres bunten
Inhalts ans Ende rücke. Jellinek und Kraussi^*) weisen durch eine grosse Zahl
von Belegstellen nach, dass Widersprüche in Kunstdichtungen, die man für unmög-
lich halten sollte, recht häufig anzutreffen sind. Oft macht ein Dichter, wenn er eben
eine Thatsache berichtet hat, schon wenige Seiten darauf eine gegenteilige Angabe.
Uns interessieren hier vor allem die Beispiele aus Schillers W^erken: Es kommen in
Betracht die Stellen, auf die Minor (Schiller 1, S. 342; 2, S. 58, 61) verweist, Don
Carlos 1268 und 3622, Wallensteins Lager ö4f. und Piccolomini 1149 usw. Aber auch
bei anderen Dichtern kommen ähnliche Versehen und Vergesslichkeiten vor; Belege
finden sich bei Cervantes in einer ganzen Reihe von Novellen, bei Zola (La bete
humaine und L'Assommoir), Felix Dahn (Ein Kampf um Rom), Fr. Vischer (Auch
Einer), Goethe (Wahlverwandtschaften), Maler Müller (Golo und Genoveva), Heinrich
von Kleist (Familie Schroffenstein und Novellen). Die vielen, noch weit interessanteren
Beispiele aus der mittelalterlichen Litteratur hier einzeln zu verzeichnen, würde die Grenzen
der JBL. überschreiten. J. und K. leiten aus ihrer Zusammenstellung von Widersprüchen
in Kunstdichtungen die Forderung ab, dass man in anonymen Werken, in Volksepen
usw. nicht unterschiedslos aus inhaltlichen Inkongruenzen sofort auf eine Mehrheit von
Autoren schliessen soll. — Ein Buch, aus dem man viel lernen kann, hat uns endlich
Stick elberger 165) beschert. Jedem Leser von Schillers Werken ist es gewiss
schon aufgefallen, wie oft der Dichter sich selbst ausschreibt. Aber eine Untersuchung,
wie weit diese Entlehnung geht, fehlte bisher. St. bringt sie und leistet damit der
Wissenschaft einen guten Dienst. Denn jetzt erst, nachdem wir wissen, wie der Klang
gewisser Wortverbindungen aus den eigenen Werken dem Dichter im Ohre blieb und
ihn bei späteren Gelegenheiten, vielleicht ohne dass er es wusste, zu Wiederholungen
veranlasste, jetzt erst treten auch die Entlehnungen aus anderen Dichtern in das
rechte Licht. St. hat sich, was den Vortrag anlangt, Büchraanns „Geflügelte Worte"
zum Muster genommen; er verteidigt seine Disposition als die übersichtlichste, die zu
wählen war, und gruppiert nach „äusseren grammatischen Gesichtspunkten". Viel
wichtiger aber ist, dass jeder, der sich in St.s Anordnung nicht zurecht findet, an dem
Register einen sicheren Führer hat. St. verspricht, nachdem er hier nur die unbewussten
Wiederholungen verzeichnet hat, später noch eine Schrift über die bewussten; auch
stellt er schliesslich ein „erschöpfendes" Werk über Schillers Sprache in Aussicht.
Dass sich ähnliche Zusammenstellungen von Entlehnungen aus den eigenen Werken
mit Nutzen auch bei anderen Dichtern machen lassen, zeigt St. an Proben aus Lessing,
Herder, Goethe und Lenau.^^^) —
u. Nachrichten: AZg». K 151. — 152) Erich Schmidt, MiUeilungen in GDL. (Mai): DLZ. S 1370/1. — 153) X A. v. Winter-
feld, F. Hölderlins Verhältnis zu Goethe n. Schiller: BLU. S. 337 9. — 154) X (I '7:46.) KVogrinz: BUHSch. 10, S. 36;
E. Opitz: BLU. S. 532,5; J. Hänssner: BPhWS. 13, S. 1302.]| - 155) X L. Kölscher, A. Ruhe, Schillers Einfluss auf
d. Entwicklung d. dtsch. Nationalgefühls. III. (vgl. JBL. 1892 IV 9:161): ASN3. 90, S. 346. — 156) X R- v. Gottschall,
GedanVenharmonie au» Goethe u. Schiller. Lebens- u. WeisheitssprBche aus d. Werken. 8 Aufl Mit o. Lichtdr. L., Anielang.
XVI, 296 S. M. 5,00. — 157) X Schiller als Karikaturenzeichner: Didask. N. 159. (Handelt v. d. bekannt. „Avantnren d.
neuen Telemachs".) — 158) X L. Kölscher, L.Böhme. Schillerstudien. IL (vgl. JBL. 1892 IV 9: 156): A.SNS. 90, S. 346.—
159) X A. Köster. L. Böhme, Schillerstudien (vgl. JBL. 1892 IV 9:156): BLZ. S. 618,9. - 160) X H. ünbescheid, An-
zeigen aus d. Schillerlitt. 1892-93: ZDU. 7, S. 545-60. (D. wichtigsten dieser kurzen Anz. habe ich bei d. besprochenen Werken
eingereiht.) — 161) X 33. JB. über d. Stand u. d. Wirksamkeit d. dtsch. Schiller-Stiftung: NatZg. N. 310. — 162) E. Jeep,
E. Druckfehler in J. Grimms Rede auf Schiller: ZDU. 7, S. 499-500. - 163) (I 8:45; IV 8a: 109.) — 164) (I 12:165;
IV 4:59.) — 165) H Stickelberger, Parallelstellen bei Schiller. Progr. d. Gymn. Burgdorf (Eggenweiler). 125 S. —
166) X (IV 8a: 131.) -
IV 10 : 1-7 0. F. Walzel, Romantik,
IV, 10
Romantik.
Oskar F. Walzel.
Allgemeines: Romantik der Weltlitteratnr N. 1; deutsche Eoniantik N. 7; Verhältnis Goethes und Schillers
zur Komantilc N. 10; romantische Frenndeslcreise N. 16. — Schlegelscher Kreis: A W. Schlegel N. 20; F. Schlegel
N. 29; Kiiroline N. 33: Tieclc N. 35; Waclcenroder N. 45; Novalis N. 46; Schelling N. 49; Steffens N. 51. — Hölderlin N. 52. —
Heidelberger Romantik: Arnim N. 60; Brentano N. 63; Sophie Mereau N. 65; Bettina N. 67. — Norddeutsche
jüngere Romantik: Zach. Werner N. 68; Fouque N. 71; Chamisso N. 79; E. T. A. Hoffmann N. 93; Eichendorff N. 99. —
Schwäbische Romantik: Allgemeines N. 105; Uhland N. 106; Kerner N. 139; Schwab N. 143. —
Um den Blick nicht engherzig- nur auf das Feld der deutschen Romantik
zu bannen, sollen an dieser Stelle wenigstens die allgemeinen Darstellungen be-
rücksichtigt werden, welche die Romantik der Weltlitteratur behandeln.
An erster Stelle sei eine Studie Larroumets*) genannt. Die bemerkenswerte That-
sache, dass gleichzeitig neben der deutschen Romantik auch in den Nachbarländern
ähnliche, ja gleichnamige Bewegungen sich abspielen, ist noch immer nicht auf
Grund umfänglicheren Materials untersucht worden. Kein Wunder, dass die An-
schauungen über den Zusammenhang dieser Strömungen sich noch lange nicht ge-
geklärt haben. L. möchte die französische Romantik zu einer ausschliesslich fran-
zösisch-autochthonen Erscheinung machen und leitet sie unmittelbar aus den vor-
klassischen und antiklassischen Regungen der nationalen Litteratur des 17, Jh. ab,
Einfluss nichtfranzösischer Litteraturen wird geleugnet, — Gegen Larroumets Auf-
stellungen erhebt Mazzoni^) Einspruch und vertritt Anschauungen weniger eng-
herziger Natur, die freilich in ihren kühnen Verallgemeinerungen nicht durchaus mit
unseren wissenschaftlich begründeten Ansichten von der deutschen Romantik stimmen
wollen. Interessant ist M.s Zusammenstellung der sich oft direkt widersprechenden
Definitionen des Wortes Romantik. Auch M. muss zugeben, dass die Romantiker
Deutschlands, Englands, Frankreichs und Italiens kein gemeinsames Banner hatten.
„Accade di loro come delle opposizioni parlamentari, concordi nel disfrugg-ere, dis-
cordi nel riedificare," Für Italiens Romantik stellt er als Programm fest: „Sciogliersi
dalla imitazione degli antichi nelle invenzioni e nelle forme, trattando argomenti
cristiani, patrii, moderni, cacciando la mitologia, non osservando le unitä drammatiche
pseudoaristoteliche; proporsi un intento morale, civile, politico, volgendosi ai molti
con mezzi adeguati," Allzu voreilig schreibt er diese Ideen auch der Romantik der
anderen genannten Nationen zu. Die Opposition gegen den Klassizismus dann als
erste Regung aller Romantik fassend, verfolgt M. in raschem Ueberblick die gegen un-
bedingte Nachahmung der Klassiker gerichteten Bewegungen von dem Dialogus de
oratoribus bis auf Perrault, In ihnen sieht er die origini del romanticismo, — Noch
weniger Gewinn wird die Wissenschaft aus einem phantasievollen, aber weit heruin-
schweifenden Rückblick des greisen Cantü"') ziehen können; was er über die
italienische Romantik, über Romantik überhaupt vorbringt, ist eher geeignet, zu ver-
wirren als zu belehren, zieht keine Grenzen, sondern lässt Romantik sich ins Un-
endliche ausdehnen, — Bausteine zu einer Darstellung des Verhältnisses Frankreichs
zur deutschen Romantik lassen sich aus dem sonst wenig ertragreichen Büchlei^n
Meissners^) holen. Er stellt französische Kritiken über deutsche Autoren des
19. Jh. zusammen, ^"^) —
Der deutschen Romantik wurden im Berichtsjahre grössere zusammen-
fassende Arbeiten nicht gewidmet. Dennoch trat einiges Förderliche zu Tage. In
Mendheims'') Anthologie deutscher Lyriker und Epiker der klassischen Periode
kommt auch die romantische Lyrik zu ihrem Rechte. 3, S. 157 — 298 giebt M. Proben
aus den romantischen Almanachen, aus dem Schlegel-Tieckschen, dem Vermehrenschen
und dem Chamisso-Varnhagenschen. Die Vorbemerkung charakterisiert etwas äusser-
lich und nach veralteten Kategorien die Romantik überhaupt, sagt ein paar Worte
über Sophie Bernhardi, Schelling und Novalis, giebt das vollständige Mitarbeiter-
verzeichnis des Vermehrenschen und des „grünen" Almanachs, erzählt nach Varnhagen
die Geschichte des letztgenannten und schildert raschhin die Hauptmitarbeiter:
1) G. Larroumet, Les origines franyaises du romantisme. (= Etudes de litt, et d'art [Paris, Hachette. 376 S.],
8. 215-47.) — 2) Q. Mazzonl, Le origine del Romanticismo: NAnt. 47, S. 377-99. — 3) C. Cantü, Un ultimo Romantico:
ib. S. 569-92. — 4) (IV 1 d : 1.) - 5) X E' Fagnet, 19. sifecle. Etudes litt. 11. dd. Paris, Lecöne, Ondin et Cie. XII, 453 S.
Fr, 3,50. (Chateaubriand, Lamartine, Vigny, V. Hugo, Musset, Th. Gautier, Merimee, Michelet, G. Sand, Balzac behandelnd.)
— 6) X G. Brandes, D. romant. Schule in Frankreich. Uebers. v. W. Rudow. (= Hauptströmungen d. Litt. d. 19. Jh.
4. Aufl. Bd. 5.) L., ßarsdorf. V, 348, XY S. M. 5,50. (S. o. IV la:4.) — 7) M. Mendheim, Lyriker u. Epiker d. klass.
Periode. (= DNL. N. 135, Bd. 1;8.) St., Union. XXI, 428, 459, 430 S. M. 7,50. (S. o. IV 2:24; vgl, JBL. 1894 IV 3.)
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 : 8-12
Chamisso, Varnhag-en, Fouque, Koreff. In M.s Sammlung" sind dann noch an anderer
Stelle die Romantiker Brinkmann (2, S. 150—1), Gries (2, S. 163—4), Sophie Mereau
(2, S. 172 — 7) vertreten; endlich sei Hölderlin g-enannt (2, S. 389 — 458), über dessen
Leben M. in engem Anschluss an Litzmann berichtet, ohne eine Charakteristik
der Dichtung- Hölderlins zu versuchen. 34 Gedichte Hölderlins werden abgedruckt.^)
— Die Sammlung der kleineren Schriften Scherers durch Erich Schmidt und Bur-
dach**) ist nicht ohne Ertrag für die Romantik ausgefallen. Freilich lässt sichg-erade
aus ihr ersehen, um wie viel näher die Wissenschaft in den letzten fünfzehn Jahren
der Romantik gekommen ist, um wie viel sympathischer und verständnisvoller man
heute über die Romantiker spricht. Zwar schreibt Scherer schon im J. 1865: „Immer
dringender erwächst für uns das Bedürfnis, in die Grundlagen unseres heutigen
g"eistigen Lebens sichere Blicke zu thun. Immer deutlicher stellt sich heraus, dass
diese Grundlag"en sehr wesentlich durch die Bestrebungen jener Männer g-ebildet
werden, die wir unter dem Namen der Romantiker zusammenfassen und seit Arnold
Rug-es Vorgang bis vor wenigen Jahren so hart und ungerecht zu schmähen pflegten"
(1, S. 17). Die Worte sind mit Hinblick auf J. Grimm niedergeschrieben, und immer
wieder hat Scherer die Brüder Grimm, in deren Kinder- und Hausmärchen er das
einzige dauernde Kunstwerk der Romantik sah (1, S. 57), g'egen die Romantiker
selbst ausgespielt. An die Veröffentlichung des Briefwechsels der Grimm anknüpfend
schreibt er seinen Aufsatz „Die Brüder Grimm und die Romantik" (1, S. 41—6),
setzt die Schlegel tief herab, spendet den jüngeren Romantikern ein kärgliches Lob
und feiert nur den fernerstehenden Kleist. Ueberhaupt beurteilt er die Romantiker
am liebsten vom Standpunkt einer Geschichte der Germanistik und kann ihnen ver-
moore dieser Einseitigkeit wenig gerecht werden. Solche Einseitigkeit schädigt auch
die°Studie über Arnim (2, S. 102-23; vgl. JBL. 1890 IV 13:32). Wenn Arnim die
Brüder Grimm zur Herausgabe ihrer Märchen drängt (1, S. 36), wenn Lachmann von
W. Schlegel sich beeinflusst zeigt (1, S. 109), fühlt sich Scherer stärker interessiert,
als wenn er von den Romantikern unmittelbar zu sprechen hat. Der Aufsatz über
den Uhland-Lassbergschen Briefwechsel (1, S. 57—71) beschäftigt sich nur mit dem
zweiten der Briefschreiber. Chamissos wird einmal gedacht, wenn Scherer vom Natur-
eingang der Volkslyrik spricht (1, S. 698). Das sorgfältige Register des ersten Bandes
notiert noch einige Erwähnungen der Romantiker, die hier füglich übergangen werden
können. Der zweite Band bringt die kurzen Anzeigen von Minors ,,Fi'. Schlegel"
(S. 250/1), von Raichs „Dorothea" (S. 251/2), von Waitz „Karoline und ihre Freunde"
(S. 252/4), von dem Neudrucke der „Nachtwachen Bonaventuras" (S. 254/5) und von
den Briefen an Villers (S. 255/6). —
Das Verhältnis Goethes und Schillers zur Romantik, insbesondere
zu den Schlegel und zu Tieck, fand im Berichtsjahre mannigfache Beleuchtung. An
erster Stelle ist Erich Schmidts'") Kommentar zum Xenienms. zu nennen; die
neueren und neuesten Briefpublikationen verwerfend, konnte Seh. manches Fragezeichen
beseitigen, musste aber ebenso wieder, neueren Ansichten gerecht zu werden, manches
neue Fragezeichen einsetzen. Gegen die Annahme, dass Madame B. (N. 815) Karoline
Schlegel sei, hat Seh. wichtige Bedenken beigebracht. Im übrigen sei auf das
Register verwiesen. — Meyers gerade in ihren auf die Romantik bezüglichen Auf-
stellungen verfehlte Deutung von Goethes „Deutschem Parnass" wurden ausführlich von
Jacobyi') widerlegt (vgl. JBL. 1892 IV 10:24). — Schillers Verhältnis zur
Romantik, das im vorigen Jahre zu mannigfacher Meinungsverschiedenheit Anlass gegeben
hatte (vgl. JBL. 1892 IV 10:2/4), wurde von Walzel '^j nochmals in populärer Form
erörtert, nicht um es in neues Licht zu stellen, sondern um weiteren Kreisen ein
richtigeres Bild zu geben und ihnen Minors Ansicht von diesem Verhältnisse zu vermitteln.
W. zeigt zunächst, wie stark die Romantik wieder im modernen Geistesleben sich
rege macht; wieder hat sich die Litteratur mit Vorliebe auf das Grenzgebiet von
Wissenschaft imd Mystik geworfen; bis in kleine und kleinste Regungen hinein zieht
sich die Verwandtschaft romantischer und moderner geistiger Bestrebungen. Schiller
steht als rationalistisch angehauchter Schwabe von vornherein aller Mystik fern ; aus
persönlichen Motiven ist er von Anfang an mit den — zum Teile seine besten Be-
strebungen teilenden — Romantikern verfeindet; er fällt bittere Urteile über sie zu
einer Zeit, da Goethe ihnen noch sein volles Wohlwollen schenkt. Trotzdem konnte
er in seinen eigenen Schöpfungen sich ihres Einflusses nicht erwehren. An Minors
Hand (vgl. GJb. 10, S. 212 ff.) zeigt W. noch einmal, wie starke romantische Ten-
denzen in Schillers Dramen, in den Wallenstein, die Maria Stuart, die Jungfrau von
Orleans und in die Braut von Messina sich eingeschlichen haben. — Die romantische
Nachfolge von Goethes „Wilhelm Meister" kam zum ersten Mal in der anspruchslosen,
8) X (IV la : 4, Bd. 2.) — 9) (I 1 : 117.) - 10) (IV 6 : 41 ; 8a : 34a; 8c : 20; 9 : 56.) — U) (IV 8o : 24.) — 12) (IV9:70.)
IV 10:13-15 0. F. Walzel, Romantik.
aber auch wenig- förderlichen Abhandlung- Donners'^) zu umfäng-lich zusammen-
fassender Erörterung". D. beschränkt sich auf den Bildungsroman, weist aber auch
Arnims „Gräfin Dolores" aus dem Rahmen seiner Darstellung hinaus; ihre Quelle
sei Richardson und nicht Goethe. Das einleitende Kapitel schildert in einer langen
Reihe von Zeugnissen die Aufnahme des „Wilhelm Meister". Neben der g-rossen
Menge der Missurteile zeigen beinahe nur Schiller und die Romantiker wahres Ver-
ständnis. Fr. Schlegel stellt die im Roman entwickelten Rechte des Subjekts in den
Vordergrund und wandelt die Goethe genehme Formel „Das Subjekt masst sich ein
Recht an" in die Formel „Das Subjekt hat Recht". D. zeig-t, wie dieses Recht als-
bald zu einem Recht des Nichtsthuns wird, und wie die lockeren Schilderungen des
Goetheschen Romans rasch Schule machten. Eine leider zu wenig- ausführlich ge-
ratene Tabelle lässt diese Wandlungen leicht überblicken, stellt überdies die Gegen-
bilder für Philine und Mig-non aus den von D. herang-ezogenen romantischen Romanen
zusammen und weist auf das Liebling-smotiv der geheimnisvollen Geburt hin. Der
von Goethe ausgehenden lyrischen Einlagen wird zuletzt gedacht. Im ganzen lassen
sich aus Minors Eichendorff-Aufsatz (ZDPh. 21, S. 2 14/5) alle diese Verhältnisse klarer er-
fassen. Stück für Stück nimmt sodann D. die Romane der Romantik vor; zunächst
Tiecks „Sternbald". Der Anfang zeiget wenig Züge „Wilhelm Meisters"; der dilet-
tantische Kunstbetrieb Sternbalds rückt dem ernsten Bildungsstreben des Goetheschen
Helden nicht näher, wenn Sternbald erklärt, er wolle „immer ein Kind bleiben". Der
Eintritt in die vornehme Gesellschaft zu Anfang- des 2. Teils bringt dann eine ganze
Reihe Goethescher Gestalten mit sich. Stark betont D. die innere Verwandtschaft
Sternbalds und Mignons. Goethes Muster leitet Tieck endlich an, sinnliche Situa-
tionen seinem Roman einzufüg-en, die mit Heinsescher Lüsternheit ausgemalt werden.
D. bemerkt, dass schon die Zeitgenossen den Goetheschen Einfluss im Sternbald ge-
spürt haben. Solchen Einfluss stellt D. auch im ,, Dichterleben" und in der Novelle
„Der Mondsüchtige" fest, um dann zum „Jungen Tischlermeister" überzug-ehen. Geg-en
Friesen, der manchen an ,, Wilhelm Meister" gemahnenden Zug des Tischlermeisters
aus eigenen Erlebnissen Tiecks ableiten will, weist D. besonders auf das dem Roman
Goethes entnommene Theaterwesen der Tieckschen Dichtung-. Minors Charakteristik
des Tieckschen Romans (AkBll. her. v. 0. Sievers S. 215 ff.) ist D. nicht bekannt
geworden. D. erzählt die Entstehung-sgeschichte der ,,Lucinde" nach den Briefstellen
und setzt die trotz allem bestehende sittliche Tendenz des Romans fest. Bei aller
Bewunderung für den „Wilhem Meister" erreiche F. Schlegel keinen festen sittlichen
Standpunkt. Das Gegenbild zu Philine, Lisette, ist auch die einzige an Goethe g-e-
mahnende Figur des Schlegelschen B^'ragments, dessen Subjektivismus der objek-
tiven Goetheschen Charakteristik sich nicht einmal nähern konnte. Auch die Be-
trachtung- von Dorotheas „Florentin" beginnt mit der Entstehungsgeschichte. Wilhelm
Meister selbst, Franz Sternbald und d'Alton, nicht aber Jacobis Woldomar werden
als Urbilder Florentins in Anspruch genommen. Kapitel für Kapitel den Roman
analysierend hebt D. die oft bis ins kleinste an Goethe gemahnenden Stellen heraus
und nimmt für die Lyrik nicht immer stichhaltig-e Beziehungen zu dem Vorbilde des
„Wilhelm Meister" an. Wenn indessen Florentin seine Geschichte Julianen erzählt,
möchte D. über Goethe hinaus auf Wielands „Agathon" zurückgreifen, der ja auch
für die von Wilhelm an Marianne gerichteten Bekenntnisse Muster war. Ueber die
geplante Fortsetzung giebt D. einige, zum Teil (vgl. S. 113^) neue Daten. Ueber-
sichtlich, aber nichts Neues vorbringend zeigt D. dann auf, wie die durch das Ab-
leben Sophiens von Kühn in Novalis angeregte Todesmystik ihn von seiner Bewunde-
rung des „Meister" ablenkt, bis sein „Heinrich von Ofterding-en" neben starker Be-
einflussung durch den „Sternbald" nur mehr in der „Magie des Vortrags" mit
Goethe wetteifert. D. begnüg-t sich, diese stilistische Abhängigkeit durch ein paar
Worte über das kathederhafte Docieren der Personen des Romans, dann durch einen
Hinweis auf die unverschnörkelte, von Archaismen freie Sprache des „Ofterding-en"
zu erläutern. Zwei Lieder bezeichnet D. als unverkennbare Nachahmung- Goethescher;
sie begründen auch die Verwandtschaft, die man zwischen Mig-non und der Morg-en-
länderin empfunden hat. Geheimnisvolle Geburt spielt, wie im Meister auch bei
Novalis eine Rolle. Wenn endlich Novalis in Kling-sohr ein Porträt Goethes entwirft,
und wenn gerade Klingsohr das Märchen des Romans erzählt, so schleicht sich trotz
aller Opposition zum „Wilhelm Meister" nachträglich doch noch die Bewunderung-
für Goethe, insbesondere für den Märchendichter, in den „Ofterdingen" ein. Mit sehr
abfälliger Kritik setzt das dem „Godwi" gewidmete Kapitel ein. Eine ausführliche
Inhaltsangabe und einige Proben folgen. Für die Verherrlichung des Nichtsthuns
möchte D. nicht Tieck oder F. Schlegel, sondern diesmal g-anz besonders Goethe ver-
antwortlich machen; denn Brentano „hat seinem Buch das Gepräge einer allg-emeinen
— 13) (IV 8d:32.) — 14) X (IV 8d:31.) — 15) O E. leolani, Dresdener Romantik: BerlTBl. N, 390. — 16) H.r.Peters-
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 : iß-24
Freude am Dasein geg-eben, und hierin ist er ein Nachfolger Groethes". Zum ersten
Male kling-t in Brentanos Buche die Philinenepisode tragisch aus. Sehr gross ist die
Zahl der rätselhaften, romantischen Personen, die dem Harfenspieler und Mignon
entsprechen. Das Verhältnis der Brüder Römer zu Grodwi kann aus Fieldings „Tom
Jones" abgeleitet werden. Der zweite Teil, der die Spitze seiner Satire gegen den
ersten richtet, wird kurzhin erledigt. Die durch Fouque erleichterte Druckleg'ung
von Eichendorffs „Ahnung und Gegenwart" leitet zu den mannigfachen Beziehungen
über, die Eichendorff mit der älteren und mit der Heidelberger Romantik verbinden.
Der starke romantische Einüuss gestattet D. auch nicht, die Einwirkung- des „Wilhelm
Meister" allein darzustellen. In ausführlicher Analyse, eng an Minor sich anlehnend,
geht er den Roman durch, vermerkt, an welcher Stelle der Florentin oder Arnims
„Gräfin Dolores" stärker gewirkt haben, zieht auch mehr fragend als entscheidend
Scarrons „Roman comique" heran. Die Gräfin Romana kommt zum Teil auf Bren-
tanos Rechnung (vgl. S. 156'). Endlich behauptet D. gegen Minor eine Aehnlichkeit
von Leontin und Laertes. In abgeschwächter Form, das Bildungsproblem in den
Hintergrund schiebend, variiert Eichendorff die Gestalten von „Ahnung und Gegen-
wart" in den „Dichtern und ihren Gesellen". Mit Immermanns „Epigonen" schliesst
D. seine Untersuchung. Ernstere Lebensauffassung unterscheidet Immermann von
seinen romantischen Vorläufern. Nachdem er schon im „Papierfenster des Eremiten"
den Goetheschen „Werther" nachgebildet hatte, wollte Immermann von einem Einfluss
des „Meister" auf die „Epigonen" nichts wissen. D. gedenkt des Versuches von O.
L. B. Wolff, die Verwandtschaft beider Romane in für Goethe ungünstiger Wendung
zu verwerten. Von Goethes und seines „Meister" harmonischer Weltanschauung
weiss Immermann nichts, der nach eigenem Bekenntnisse nur mit Mühe den „Abweg
in eine trübe Lazarethgeschichte" gemieden hat. Trotzdem der Held der „Epig-onen"
gereifter in den Roman tritt als Wilhelm Meister, verfällt doch auch er dem alten
romantischen Nichtsthun; noch mehr als dieser Zug gemahnt Flämmchen an das
Goethesche Vorbild. Sie ist Philine und Mignon zugleich. Einzelne andere Wechsel-
beziehungen flüchtiger streifend, erinnert D. bei Gelegenheit der socialen Probleme
der „Epigonen" an die „Wanderjahre", ohne einen direkten Einfluss nachweisen zu
können.'*" 15) —
Den weiteren Kreis romantischer Freunde einzubeziehen, sei hier
auf eine Schilderung des Salons von Elisabeth Stägemann hingewiesen, die
von Pe t ersdorff '^"''') entwirft. Neben dem Salon Raheis hat Elisabeth Stägemanns
Empfangszimmer die Berliner Romantiker und das Varnhagensche Paar selbst auf-
genommen. P. meint, dass der stärkere sittliche Gehalt bei Stägemanns anzutreffen
war. — Po ppen ber g"^) verwertet die Briefe W. von Humboldts und Arndts
an Johanna Motherby 1^), um an ihnen das Liebesleben der Romantik und ihre Ge-
fühlswelt zu exemplifizieren. Mit geschickter Hand zeigt er, wie selbst die eherne
Natur eines Arndt es nicht verschmäht, einer an Karoline und Dorothea gemahnenden
weiblichen Erscheinung gegenüber sich erotisch-phantastischem Schwelgen hinzugeben.
Auch Arndt wählte zum Ausdruck seiner Gefühle jene romantischen Ausdrucksformen
voll schwelgerischer Weichlichkeit. Krankhaft zärtlich hegte auch dieser Recke seine
schmerzlich-süssen Empfindungen. Johanna Motherby, die über das Philisterhafte
einer bürgerlichen Ehe nicht anders denkt als Schlegels „Lucinde", hat auch, nach-
dem Arndts Liebe zur Freundschaft sich abgetönt hatte, dem Bedürfnisse, Leidenschaft
zu fühlen und zu erregen, nicht entsagen können. —
Der Schlegelsche Kreis tritt im Bericht schon in den Hintergrund. Aus
Urlichs Nachlass veröffentlicht Seuffert^o) eine Hs. A. W. Schlegels:
„Bemerkungen über die Dekoration zum Jon und ihren Gebrauch". S. zweifelt
nicht, dass das Ms. für die Weimarer Aufführung bestimmt war, und macht
einige Mitteilungen über die Verwendung, die das Ms. bei der Aufführung gefunden
hat. — Sauer 2') erläutert Walzeis Schlegelbriefe S. 307 und 317 durch den Ver-
weis auf W. Schlegels Werke 11, S. 48 und auf die Bambocciaden 1, S. 183 ff. 22^ —
W. Schlegel kommt in B e r n h a r d i s -^J Denkwürdigkeiten wenig- zur Geltung.
Mit Frau von Stael vertrug sich Sophie von Knorring nicht; ihr Sohn schildert
Schlegels Gönnerin, mit deren Kindern er verkehrt, in wenig anziehender Weise
(1, S. 29 ff.; vgl. 2, S. 67 ff.). — Die Weimarer Goetheausgabe 24) bringt Goethes
Briefe an W. Schlegel aus den J. 1797 und 98 (N. 3557, 3586, 3606, 3696, 3741, 3766,
3785, 3817, 3942, 3947, 3959). Zum ersten Male gedruckt erscheint ein Schreiben
vom 18. Juni 1798 (N. 3817), in dem Goethe für ein Athenäumheft dankt und seinen
dorff, F. A. stägemann: ADB. 35, S. 3839. 17) id., Elisabeth Stägemann u. ihr Kreis: MVGBerlin. 30, S. 67-95. — 18)
F. Poppenberg, Aus d. Gefühlswelt d. Romantik: ML. 62, S. 571/4. (S. u. N. 19.) — 19j (IV lc:22; 5:548.) — 20) B.
Seufl'ert, Schlegels Bemerkungen über d. Dekoration z. Jon: VLG. 6, S. 619-27. — 21) A. Sauer, F. Schlegels Briefe her.
V. 0. F. Walzol (vgl. JBli. 1890 IV 13 : 5; 1891 IV 11:21; 1892 IV 10 : 11): ZOG. 44, S. 780,3. - 22) X L. Fränkel, A. W.
u. F. Schlegel, in Ausw. her. v. 0. F. Walzel (vgl. JBL. 1892 IV 10:9): BLU. S. 42. — 23) (IV lo : 47.) — 24) (IV 8a: 112/3.)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichto. IV. 4(.30)
IV 10:25-41 0. F. Walzel, Romantik.
Inhalt als ihm sehr angenehm und erfreulich bezeichnet. — K o c h ^S) erhebt Ein-
wendung-en gegen Holtermanns Studie über die Vossische und Schlegelsche Ueber-
setzung des Romeo. Der Vf. erwähne nicht, dass die Uebersetzung Arbeit des Vaters
Voss und nicht der Söhne sei. Zu der Frage des Wechsels von Vers und Prosa
weist K. auf A.W. Schlegels bekannte Aeusserungen in den „Briefen über Poesie, Silben-
mass und Sprache" und in dem Horenaufsatz über Romeo und Julia hin. Dann
ergeht sich K. in weiteren Betrachtungen über den Alexandriner bei Schlegel und
über die Vers- und Reimtechnik seiner Uebersetzung.26"28) —
Ein interessantes Ineditum von Friedrich SchlegeP*') wurde zu
tage gefördert. Es parodiert in 14 Paragraphen einen Konstitutionsentwurf von
gleicher Paragraphenanzahl, den W. von Humboldt dem Kongresse vorgelegt hatte.
Die Knittelverse wenden manche scharfe Spitze gegen die führenden Mächte, ins-
besondere gegen Preussen, und zeigen, dass Schlegel sich über die reaktionären
Tendenzen der Metternichschen Aera keinen Täuschungen hingegeben hat. — Bern-
hardi^o) weiss von einem Wiener Liebesabenteuer Schlegels zu berichten, das
diesen mit Sophie von Knorring in Konflikt brachte (1, S. 271). — Frau von Eyben-
bergs^^) Briefe an Goethe gedenken Schlegels und seiner Lucinde, eitleren auch
ein Xenion Schlegels auf Iffland: er sei ein bouffon, den die Moral debauchiert hätte.
— Einen ungedruckten Brief Goethes ^^^ an Friedrich bringt die Weim.
Ausg. (N. 3836). Goethe bittet (Mitte Juli 1798) den Adressaten, ihm Notizen über
den Margites zukommen zu lassen. —
Aus ungedruckten Briefen Dorothea Schlegels an Schleiermacher wurden
Verdikte über Karoline Schlegel von J o n a s "3) mitgeteilt. Bei dieser Gelegen-
heit äusserte J. auch den Wunsch, dass endlich durch die Veröffentlichung der im
Besitze der Schellingschen Familie befindlichen Papiere Karolinens Beziehungen
zu Schelling in eine bessere Beleuchtung kommen möchten. 3^) —
In dem auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin verwahrten Nachlasse T i e c k s
hat B ölte 3^) einen bisher ganz unbekannten hs. 3. Band der „Vorschule Shake-
speares" gefunden, und zwar ein von Kopistenhand herrührendes, von Tieck gründlich
durchkorrigiertes Ms. und eine Reinschrift dieses Ms. mit vereinzelten Besserungen,
die wohl auch Tieck zuzuschreiben sind. Der Band enthält: 1. Mucedorus. 2. Das
schöne Mädchen von Bristol. 3. Niemand und Jemand. B. druckt das erstgenannte
Stück ab, fügt Anmerkungen hinzu, die das Verhältnis von Urtext und Uebersetzung
beleuchten, und giebt in der Einleitung Notizen über die Geschichte des Stückes,
über Tiecks Beschäftigung mit dem englischen Theater, endlich auch eine sehr wert-
volle Zusammenstellung der seit 1700 erschienenen Verdeutschungen älterer englischer
Dramen. Gerade aus dem hs. Nachlass, den B. (S. XXI) verzeichnet, lässt sich
ersehen, wie wenige von Tiecks Shakespearestudien ans Licht getreten sind, wie viel
er im Pulte zurückgehalten hat.^ß'^Sj — Umfängliche, aus intimer Beobachtung geschöpfte
Mitteilungen über den Kreis der Geschwister Tieck traten aus dem Nachlasse
Bernhardis^s) ans Licht. Ludwig Tiecks Neffe, der Sohn Sophiens und des
Sprachforschers und Athenäumsgenossen August Ferdinand Bernhardi trägt keinen
Tropfen romantischen Blutes in seinen Adern; kühl und teilnahmslos, aber um so
schärfer schildert er die Umgebung seiner Jugend. Auch er gesteht zu, dass Deutsch-
land der Romantik viel verdanke, und der reichen Anregungen, die Shakespeare
und deutsche Heldensage dem Knaben gaben, gedenkt er mit Freuden (1, S. 48 ff.).
Doch, während er den von der Romantik gebotenen Stoff gern in sich aufnimmt,
verurteilt er die ganz subjektive, völlig unhistorische Art der romantischen Dilettanten,
Kunst und Litteratur zu geniessen; augenblicklicher Genuss, eine feine entnervende
Schwelgerei sei ihr ganzes Ziel gewesen. B. weist auf die ungünstigen sittlichen
Folgen dieses auf Emotion, auf Nervenreiz ausgehenden ästhetischen Treibens. Wenn
aber B. den Romantikern vorwirft, sie sähen in Werken der Kunst „nur etwas All-
— 25) M. Koch, K. Holterraann, Vergleiohung d. Schlegelscheti u. Vossischen Uebers. v. „Roraeo u. Julia^ (vgl. JBL. 1892
I 6:57; IV 10:12): EnglStud. S. 244/6. — 26) X Shakespeares dram. Werke nach d. Uebersetz. v. A. W. Schlegel, Phpp. Kauf-
mann n. Voss, rev. n. teilw. neu bearb. mit Einl. vers. u. her. v. M. Koch. St., Cotta. 3927 S. M. 12,00. — 27) X id-<
Sämtl. Werke. Eingel. u. übers, v. A. W. Schlegel, F. Bodenstedt, N. Uelius etc. 111. v. .1. Gilbert. 7. Aufl. Lfg. 1-27. St.,
Dtsch. Verhigsanst. ä M. 0,50. — 28) X i*!-. Ausgew. dramat. Werke in A. W. Schlegels berichtigter Uebers. her. v. Imm.
Schmidt. Bd. 1 (vgl. JBL. 1892 IV 10:17): JbDShakespeareGes. 28, S. 334/5. — 29) F. Schlegel, Toutsche Constitution in
14 Paragraphen. Polit.-satir. Gedicht. Mitget. v. F. v. Meyenn: JbbVMecklG(Quartalsber.). S. 19-23. — 30) (= N. 23;
1, S. 27/8.) — 31) (IV 8b: 12, S. 35,7.) — 32) (IV 8a: 112; 4. Abt. Bd. 13, S. 208.) - 33) F. Jonas, Mitteil, in 6DL.:
VossZg. N. 548. — 34) X S. Rudolph, H. Rinn, Schleiermacher u. seine romant. Freunde (vgl. JBL. 1890 IV 13:26):
COIRW. 21, S. 706. — 35) J- Bolte, Mucedorus, e. engl. Drama aus Shakespeares Zeit, übers, v. L. Tieck. B., W. Gronau.
XXXIX, 67 S. M. 1,00. |[(W.) C( reizenach): LCBl. S. 531; L. Proescholdt : ASNS. 91, S. 306/8; A Chnquet: RCr. 35,
S. 22.5/6.]| — 36) O L. Tieck, Ausgew. Werke in 8 Bdn. Mit e. Einl. v. H. Welti. St, J. G. Cotta Naohf. 2021 S. mit Bildn.
M. 8,00. - 37) X id., Werke. Her. v. G. L. Klee (vgl. JBL. 1892 IV 10:27). |[R. Kade: ZDÜ. 7, S. 696-701; A. Sauer:
DLZ. S. 1164,5; M. K(och): LCBl. S. 612/3; A. Saleok: BLU. S. 824/5.]| — 38) X »d., E. Spruch: DDichtang. 13, S. 149.
(D. Gedicht „An d. Verständigen" in Klees Ausgabe [1, 8. 62] z. 1. Male gedr., wird nochmals wiedergegeben u. zu zeitgemässea
InTectiren miBsbraucht.) - 39) (S. o. K. 23, 30.) — 40) R. Krause, Tieck u. Möricke: AZgB. N. 147. —41) (II 3: 12u; 1113:1.)
0. F. Walzel, Romantik. IV 10:«
gemeing-ültig-es, das unabhängig- von allen g-eschichtlichen Bedingung-en eines g-egebenen
National-Daseins gleichsam in Gottes freier Luft schwebte", so verwechselt er den
kritischen und litterarhistorischen Dilettantismus seiner Mutter und ihres zweiten
Gatten Knorring, also romantischer Epigonen, mit dem historischen Feinsinn der
Schlegel. Diese haben niemals aus der Feme für Dante und für germanisches
Altertum geschwärmt, um dann bei näherer Besichtigung die komischsten, un-
historischesten Missurteile zu fällen. Scharf spricht sich B., dem es ein Bedürfnis
war, in einer durchsichtigen Atmosphäre vollkommener Klarheit zu leben, über
romantischen Glauben an die „Geheimnisse der Natur" aus und über die Gewohnheit
seiner Mutter, alle historischen Ereignisse auf den Einfluss geheimer Orden und
Gesellschaften zurückzuführen. B. gedenkt auch des sentimentalen Interesses, das
der Kreis seiner Mutter dem gestürzten Napoleon entgegenbrachte (1, S. 132), nachdem
man früher ihn leidenschaftlich gehasst hatte (], S. 126). Der" Oheim Ludwig
Tieck spielt natürlich in B.s Denkwürdigkeiten eine grosse Rolle; sein Leben und sein
Verkehr in Rom (1, S. 5), in Wien während der J. 1807 und 1808 (1, S. 24), in
München (1, S. 42 ff.) werden geschildert. In I^Iünchen besuchte er mit dem Neffen das
„Lipperle-Theater" und studierte die Volksbühne, um die Eindrücke im Phantasus zu
verarbeiten. Während Tieck jetzt mit dem aufgeweckten Jungen gerne sich abgiebt,
verstehen sich beide später weniger gut. Ein Brief B.s vom 1. Sept. 1823 bekundet
diese Wendung (1, S. 195 ff.). Seine Bewunderung für Walter Scott teilte Tieck
nicht. Wohlwollender verhält sich der Oheim im J. 1851; allein man versteht sich
doch nicht. Tieck, der eben Casanova liest, spielt den jungen Goethe gegen den
alten aus. B. entnimmt den Worten des Oheims, dass in der Romantik ein gewisser
Nihilismus stecke, weil die Leute nicht wirklich zu Ernst und Reife durchgedrungen
sind (2, S. 83 ff.); er beleuchtet die auffallende Unkenntnis, mit der Tieck über das
Nibelungenlied spricht (2, S. 94). 1852 ist Tieck körperlich und geistig schon stark
gesunken. Für J. Grimms wissenschaftlich gedachte Germanistik hat er kein Ver-
ständnis; er will nicht, dass man nach der Bedeutung einer Dichtung frage; nur
auf Gefallen oder Alissfallen komme es an. Wiederum abfällige Urteile über Goethe,
dann über Schillers Idee vom Chor in der Tragödie (1, S. 119 ff.). Ueber Tiecks
Tod hat B. nur wenig zu berichten (1, S. 165). Enger verwandt als mit Ludwig*
Tieck fühlte er sich mit dem anderen Oheim Friedrich. Briefe B.s an diesen kommen
zum Abdruck (1, S. 187 ff.); sein Ableben wird beklagt (2, S. 78). Die Dichtung der
Mutter Sophie Bernhardi tritt durchaus in den Hintergrund ; nur einzelne Gestalten
ihres Romans „Evremont" werden gelegentlich gedeutet (1, S. 101, 175). — Ohne
den Aufsatz von L. H. Fischer (vgl. JBL. 1891 IV 11:31) zu nennen, schildert
K r a u s s ^'') die auch dort erörterten Beziehungen von Tieck und Möricke. Zu einem
rechten Verhältnis zwischen den beiden Dichtern ist es nie gekommen, Möricke hat
eine sonderbare Zurückhaltung an den Tag gelegt. Seine Freunde setzten grosse
Hoffnungen in Tieck: er werde etwas thun, um die böse materielle Lage Mörickes
zu bessern. Kerner arbeitet noch in einem Brief an Tieck am 14. Juni 1841 in dieser
Richtung. — Steiner*') möchte Tiecks Verhältnis zu den deutschen Volksbüchern
ergründen. Seine eigene Zusammenfassung lehrt (S. 1), dass er über Hajm und
Minor nicht viel hinausgekommen ist. St. beantwortet zunächt die Frage, wie Tieck
überhaupt zu den Volksbüchern gekommen ist, und behauptet, dass Tieck „im Grunde
seiner Seele trotz allen Straussfederngeschichten niemals nicolaisiert habe". Er stellt
nach dem Fieber der Lovellstimmung eine Epoche des Enthusiasmus für Homer,
Sophokles, Shakespeare, Goethe, Ariost, Calderon und Cervantes fest. Jetzt findet
Tieck auch für die Volksbücher eine abergläubische Hingabe in sich. Dieser Taumel
der Begeisterung' wird begreiflicher, wenn A. W. Schlegel tendenziös die Volksbücher
als Litteratur des gemeinen Mannes bezeichnet, den Gebildeten der Zeit überhaupt
jede Litteratur abspricht. Zur Schildbürgerchronik schreibt St. einen ausführlichen
Kommentar und erläutert kundig alle Anspielungen auf Personen und Verhältnisse
der Zeit. Von Aristophanischer Satire kann St. in dieser lediglich ästhetisch-litte-
rarischen Polemik Tiecks keine Spur finden; überhaupt spricht er der Satire Tiecks
jedes Pathos ab. Komposition und Technik gemahnt an den Peter Lebrecht. Die
ganze Erzählung- hat etwas Improvisatorisches, Eiliges. Unverkennbar sei der
sprachliche Einfluss der Vorlage. Von dieser sprachlichen Anlehnung scheidet St.
die Verwertung altmodischen Ausdruckes zum Zwecke der Satire. Endlich bringt St.
die Schildbürgerchronik mit Wielands Abderiten in Zusammenhang und findet trotz
der aufklärenden Tendenz Wielands manches Gemeinsame. Eichendorfl', Brentano und
E. T A. Hoffmann erscheinen als Nachfolger in der Bekämpfung des Philistertums.
Freilich sollte Eichendorffs „Krieg den Philistern" nicht ohne Einschränkung als
Fortsetzung genannt werden. Die Haimonskinder knüpft St. mit W. Schlegel an
Ariost an. Tieck kürzt das Volksbuch auf ein Drittel des Umfangs. Die Kürzungen
sind ebenso glücklich wie Tiecks eigene Zuthaten unglücklich. 32 Jahre nach der
4(30)*
IV 10:42-46 O. F. Walzel, Romantik,
Abfassung' dieser Jugendarbeit ist Tieck nochmals und zwar als Philologe an das
Thema herangegangen. Seine Bearbeitung der schönen Magelone merzt die christ-
lichen Elemente aus, während W. Schlegel den Volksroman in seinen Vorlesungen
(her. V. J. Minor 3, S. 148) tendenziös christlich interpretiert. Wie im Sternbald gehen
auch hier schon die einzelnen Künste in einander über. Eng verwandt sind die
lyrischen Einlagen beider Dichtungen. St. gedenkt endlich der Verbesserungen der
zweiten Bearbeitung im Phantasus und erörtert den Plan einer dramatisierten Magelone,
die ihre Stelle zwischen Genoveva und Octavian haben sollte. Auch für die Melusine
zieht St. Schlegels Urteil (a. a. O. 3, S. 146) heran. Tieck, wohl durch das Dämonische
des Stoffes angezogen, hat den Stoff doch nicht nach dieser Richtung ausgenützt,
sondern sich auf schlichte Nacherzählung beschränkt. Auch hier strebt Tieck nach
Konzentration. Neu ist die Einführung künstlicher Masse. Im Gegensatz zu den
Liedern der Magelone sind die lyrischen Einlagen zum grössten Teil nur auf Reime
und in Rhythmen gebrachte Wortfolgen der Vorlage ; zuweilen gestattete die Vorlage
einen fast wörtlichen Anschluss. Zum Schlüsse bespricht St., mannigfach mit
H. Betriebs „drei Kapiteln vom romantischen Stil" sich auseinandersetzend, das Sti-
listische und Sprachliche und stellt als schönsten Ertrag der Volksbücherbearbeitungen
den einfachen durchsichtigen Stil des blonden Eckbert fest. — Roetteken^^y
möchte dem Seelenleben der Charaktere von Tiecks „Sternbald" eine möglichst um-
fassende Behandlung zu teil werden lassen. Sorgsam Stelle für Stelle zusammen-
tragend, giebt R. eine Uebersicht der Ursachen, durch die bei Sternbald Gefühle aus-
gelöst werden, und sucht die Qualität dieser Gefühle festzustellen. Das Triebartige,
meint R., tritt in Sternbalds Gemütsbewegungen ganz zurück, seine Gefühle sind
passiv und drängen nicht zum Handeln. Ueber die ganze Willenssphäre ist Schwäche
gebreitet. Obwohl R. zugeben muss, dass durch das allmähhche Zurücktreten der
frommen Empfindungen Sternbalds Charakter dem Wackenroders immer unähnlicher
wird, kann er Haym nicht beistimmen, der behauptet, Tiecks Physiognomie dränge
sich mehr und mehr vor. R. meint, dass Sternbald schon von vorn herein viel von
Tieck an sich habe. Als äusserster Gegensatz zu Sternbald wird Ludovico, allerdings
weit weniger ausführlich, geschildert, Ludovico und die ihm Nächststehenden treten
mit ihrer souveränen Art das Leben zu gemessen in schärfsten Gegensatz zum
„Wilhelm Meister", Friesens Annahme („Ludwig Tieck" 2, S. 127), dass Ludovico
aus dem 5, Buche des Don Quixote entnommen sei, findet bei R, keinen Glauben,
Im ganzen ist R.s unendlich fleissiger, aber ganz ünplastischer Versuch einer
psychologischen Sternbaldstudie wohl als resultatlos zu bezeichnen, R.s Aufsatz
macht den Eindruck einer wenig geordneten Materialiensammlung. 43-44-) —
Ein dürftiges Aufsätzchen über Wackenroders „Herzensergiessungen"
schrieb Wölfflin^^). Wenn Wackenroder über die Erfassung des Schönen spricht,
polemisiert er offen gegen Ramdohr und versteckt gegen Mengs. Wenn. Rafael von
seiner Galatea sagt: Essendo carestia di belle donne io mi servo di certa idea che
mi viene al mente, so überträgt Wackenroder diese Worte auf die Schöpfung der
Madonnen und erdichtet sich ein Geschichtchen, in dem unmittelbarer göttlicher
Beistand Rafael diese certa idea beibringt. Die entscheidenden Züge, die das
Wesen der christlich-romantischen Maler ausmachen, sind bei Wackenroder schon
angedeutet. Dennoch möchte W. Overbeck nicht zum Schüler Wackenroders machen,
er sieht vielmehr in Fr. Schlegels Europaaufsätzen das Motto der romantischen Kunst-
periode, ohne indessen an dieser Stelle Wackenroders Einfluss anzunehmen, —
Für die Sammlung des bibliographischen Instituts wurde eine Auswahl aus
den Schriften von Novalis von D o hm ke*^) besorgt. Die biographische Einleitung
lehnt sich an bekannte ältere Darstellungen an und sucht auf einer zusammenfassenden,
im wesentlichen wohl richtigen Charakteristik der Romantik Novalis Wesen auf-
zubauen. Anzuerkennen ist, dass D, die Romantik aus dem Klassizismus der
Weimaraner hervorgehen lässt, überhaupt Klassiker und Romantiker in engste Be-
ziehung stellt. Auch Novalis ist ins rechte Licht gestellt; die katholisierende Tendenz
des Fragments „Die Christenheit und Europa" wird energisch betont, D, vergleicht
Hardenbergs „Hymnen an die Nacht" mit Tennysons Gedichtsammlung „In Memo-
riam". Abgedruckt sind: die Hymnen, zu deren Erklärung D. die Studie von Wörner
verwertet, die geistlichen Lieder und 12 Stück vermischter Gedichte, endlich der
Ofterdingen, zu dessen Erläuterung Schubarts Darstellung herangezogen wird.
Leider hat D,, entgegen seiner ausdrücklichen Versicherung (S, [2]), nicht die von
Novalis selbst besorgten Drucke, sondern durchaus die von F, Schlegel und Tieck
— 42) H. BoetteVen, D. CharaVtere in TiecVs Roman „Franz Sternbalds Wanderungen": ZVLR 6, S. 188-242,— 43) X J-
Bolte, Vortr. in GDL.: (April): DLZ. S. 700. (Vgl. auch VossZg N. 216; Anekdoten über d. Kreis Leasings aus e. Samml.
Tiecics werden mitget.) — 44) X F- Brummer, F. Steffens: ADB. 35, S. 554/5. (Sekretär u dramatnrg. Helfer d. greisen TiecV.)
— 45) H. Wölfflin, D. Herzensergiessungen e. kunstliebenden Klosterbruders. (= I 1:118; S. 61-73.) — 46) Novalis
Werke. Fonqnets Undine. Her. v. J. Dohmke. Krit. durchges. u. erlänt. Ausg. L., Bibliogr. Inst. 16, 327 S. mit
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 : 4?
hergestellte Ausgabe seinem Texte zu Grunde gelegt; die richtigen Lesarten der
,, geistlichen Lieder" muss man darum im Apparat (S. 322) aufsuchen. Beigegeben
ist das Porträt von Eschen nach dem Stiche der Reimerschen Originalausgaben,
dann das Facsimile des auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin verwahrten Gedichtes an
Brachmann („Der "Weisheit Pfad schlingt sich durch Schattengänge"). — Ein fein-
fühliges Buch über Novalis wird uns durch Bing*") geschenkt. Mit sicherem Blicke
das menschlich Bedeutende herausgreifend, verwertet B. die neuerdings bereicherte
Quellenlitteratur zu einem auch stilistisch anheimelnden Buche. Rasch eilt er über
Hardenbergs Jugendzeit hin und stellt als unschätzbaren Gewinn der Kinderjahre
nur die Wirkung des ausgeprägten Charakters von Novalis Vater und der lebendigen
Macht des Christentums fest, die im Elternhause waltete. Zwiespältig angeregt durch
den strengen, äusseren Glanz verschmähenden Vater und durch den lebenslustig
adelsstolzen Oheim gehtNovalis zur Universität und wird sofort von den Musen angelockt.
Er singt Bürger und A. W. Schlegel an. Reinhold und Schiller werden seine Führer.
Neben Versen in Baggesens Art schreibt er die Schillerisierenden „Klagen eines
Jünglings". Schon in diesen Klagen, die B. glücklich mit einer Briefstelle an Reinhold
zusammenhält, zeigt sich der Lebensnerv seiner Dichtung: das Suchen und Finden
eines Haltepunktes, von dem aus er seine Eindrücke beherrsche. Diese Sehnsucht
nach einem feststehenden Charakter flösst ihm in Leipzig Lust ein, Soldat zu werden.
In Wittenberg' seine Studien beschliessend, büsste er in strenger Arbeit für manche
Leipziger Extravaganz. In Tennstädt vom Kreisamtmann Just zu praktischer Arbeit
angehalten, bewährt Novalis immer sein Streben, sich alles zu assimilieren. In leben-
digen Farben zeichnet B. das Bild Sophiens von Kühn, schildert den Eindruck ihres
Todes und des Ablebens von Erasmus auf Novalis und stellt fest, wie auch diese
bitteren Thatsachen ihm nur zu einem Hebel seines Geistes werden. Novalis Tage-
buch excerpierend erhärtet B., wie viel echtes und grosses Gefühl und wie viel „er-
zwungenes Hochdruckgefühl" er auf die Erinnerungen an jene traurigen Er-
lebnisse wendete. Den Hauptzug von Novalis Charakter, alles ihm entgegen Tretende
sich zu assimilieren und seine [Jeberzeugung, dass seine Persönlichkeit nicht in dieser
Welt vollendet werden solle, sucht dann B. aus den litterarischen Einwirkungen ab-
zuleiten. Schon der ganze Entwicklungsgang des deutschen Geisteslebens im 18. Jh.
zeigt jenen individualistischen Grundzug. Hemsterhuys, Fichte und Goethes „Wilhelm
Meister" helfen Novalis seine menschliche und künstlerische Individualität ausbilden.
Allein er kommt durch zwei Bedingungen in Opposition zum „Meister". F. Schlegel
bestärkt ihn in seinem Glauben, dass Poesie ein Lebenselement, nicht bloss eine
Kunstform sei. Der Tod Sophiens, der religiöse Geist im Vaterhause und die Lektüre
Zinzendorfs und Lavaters vollenden seine religiösen Anschauungen und belehren
ihn, dass er eine erst in der Ewigkeit sich vollendende Persönlichkeit besitze. Novalis
Empfänglichkeit scheint dann in Freiberg erst abgestorben zu sein; bald aber wirkt
Werners originelle Persönlichkeit auf ihn ein, und die „Schule zu Freiberg ist zur
Schule des Tempels von Sais geworden" fHaym). In ausführlichen Auszügen führt
B. die „Lehrlinge zu Sais" vor. In Novalis Fragmenten ist, wie in den Lehrlingen
zu Sais die Freiheit des Ich das A und 0. Bei der Betrachtung der inneren Sinne
geht der Charakter des Ich ins Mystische über. Verstand und Phantasie werden nicht
mehr getrennt. Die grenzenlose Freiheit des Ich wird zur Freiheit des gestaltenden
Dichters. Unserem Magus wird auch die Politik zur Dichtung. Die staatswissen-
schaftlichen Anschauungen, die er in den „Jahrbüchern der preussischen Alonarchie"
entwickelt, sind wieder von denselben Ideen beherrscht wie seine ganze Philosophie:
Persönlichkeit, Wille, Poesie, Freiheit. Der Monarch, der seine Nation in seinem
Sinne bildet, bethätigt künstlerisch seinen freien Willen freien, künstlerisch thätigen
Individuen gegenüber. Aber nicht in Preussen, für dessen Königspaar jene poli-
tischen Gedanken bestimmt waren, fanden seine Ideale einen näheren Anhalt. Julie
Charpentier gewinnt ihn dem Leben und bürgerlicher Thätigkeit zurück. Tieck
aber führte ihn der Poesie zu. B. sucht das Rätsel zu lösen, wie Novalis zu dem
Anempfinder Tieck sich so mächtig hingezogen fühlen konnte. Tiecks Kunstandacht
und seine Wunderwelt berührt sich mit Novalis magischem Idealismus. Das Religiöse
findet bei Tieck Anklang. Gerade auf religiösem Gebiete vollzieht sich die Vereinigung.
Schleiermachers Reden über die Religion entscheiden. Tieck, Novalis und Schleier-
machers Reden erscheinen als unzertrennlich verbunden; diesem Bunde entkeimt
Novalis Aufsatz „Die Christenheit oder Europa". Wackenroders unhistorisch er-
sonnene „andächtige" Renaissancekunst ist in das Bild des mittelalterlichen Katholi-
zismus hinein gewoben. Der Zinzendorfianer Novalis tritt mit seiner „Herzensreligion"
„dem Philologenchristen" Luther entgegen. Aber die historische Darstellung ist
falsch gefärbt, weil sie immerfort mit in die Zukunft hinüberspäht! Wie Novalis
2 Bildn. n. 3 Face. M. 2,00. |[A. Saleck: BLTJ. S. 824,5.]( — 47) J. Bing, NoTalis (F. t. Hardenberg), E. biogr.
IV 10 : 48-50 0. F. Walzel, Romantik.
und Tieck in der von Schleiermacher ang-ereg-ten Religionsfrage Hand in Hand vor-
gehen, so wollten sie auch zusammen geistliche Lieder und Predigten herausgeben.
Nur Novalis hält Wort. In der Gemeinde wollte er Inspiration erwecken, den allen
gemeinsamen Zug nach dem Ueberirdischen anregen. Das einzige Mal, dass Novalis
auf sein Publikum Rücksicht nimmt. Zinzendorfs „Connexion mit dem irdischen
Christus" leuchtet überall hindurch. Wenn auch ein individueller Zug vorherrscht,
so weiss Novalis seine Mystik noch so zweifelhaft vorzutragen, dass die Gemeinde
mit ihm solidarisch wird. Nur der ganz Zinzendorfisch die Analogie des Abend-
mahls mit der Ehe durchführende Abendmahlshymnus fällt aus dem Rahmen der
geistlichen Gedichte hinaus. Diesmal findet der Mystagog dithyrambischen Schwung.
Auch das Marienlied (N. 14) sondert B. von den geistlichen Liedern. Die „Hymnen
an die Nacht" reiht B. unmittelbar an die geistlichen Gedichte, und zwar durch die
Datierung: um die Jahreswende 1799 — 1800. In ausführlicher Analyse begründet er
dieses Datum und verwahrt sich dagegen, dass die Hymnen 5 und 8 erst in dieser
Zeit, nachdem alles Uebrige längst fertig war, eingefügt worden seien und einen
„Kompositionsbruch" bedeuten. Zeitlich und inhaltlich rücken die Hymnen in un-
mittelbare Nähe des Ofterdingen-Märchens. Zum Ofterdingen selbst übergehend be-
tont B., dass auch dieses Fragment Novalis eigentümliche Weltanschauung durch-
führt: ,,Das Individuum reicht über die Zeit hinweg, wird erst in der Ewigkeit voll-
endet". Das künstlerische Problem lautet, eine Entwicklung zu zeichnen, deren Ziel
die Unendlichkeit ist. Wenn in mystischer Verbindung mehrere Personen zuletzt als
eine einzige sich offenbaren, so interpretiert B. im Gegensatze zu anderen Kom-
mentatoren: „Sie sind nicht dieselbe Person, aber sie werden es in der vollendeten
poetischen Welt." B. beutet Schubarts Deutung der „blauen Blume" aus und weist
in der Blume von Tiecks „Traum", dem Schlussgedichte der „Phantasien", ein Vor-
bild der „blauen Blume" nach. Gegen Hayms abfälliges Urteil über Klingsohrs
Märchen gewendet, lehnt B. eine Vergleichung- mit dem Märchen der „Lehrlinge von
Sais" ab. Klingsohrs Märchen sei nicht nur eine eingeschaltete bedeutsame Geschichte;
es bedeute eine Welt, die W'elt der Ewigkeit, deren Schleier sich hebt. Darum die
Menge der Personen und ihre bald geheimnisvolle, bald grell heraustretende Bedeut-
samkeit. Goethes „Märchen" ist Vorbild; bei Goethe indessen ist das mystische Schweben
zwischen Person und Nichtperson, wie im Haidenröslein, im Erlkönig, die poetisch-
wirksame Kraft. Bei Novalis ist die bestimmte Auffassung der Persönlichkeit in
jedem Existierenden das dichterische Grundvermögen.- Das Märchen selbst kündet
das Programm des 2. Teils. Auch in Heinrich ist das Reich der Ewigkeit begründet.
Die Poesie ist ihm weltgestaltende Macht geworden ; in der Liebe lernt er die Ewig*-
keit kennen. Den Prolog „Astralis" im einzelnen erläuternd (vgl. auch S. 173/4),
stellt B. dann noch den Gedankengehalt des Bruchstückes fest: es ist der Kern der
Philosophie von Novalis, dass im reinen Streben des Willens alle ethische W^ürde
liege; dass dieses Streben mit der Vervollkommnung verbunden ist. B. ist erfreut,
dass Tiecks Anempfinderei sich nicht an die Vollendung der grossartigen Konzeption
gewagt hat. Zusammenfassend schildert schliesslich B. noch die Persönlichkeit
Hardenbergs. Auf der Höhe optimistischer Lebensbetrachtung stehend, machte er
seinen magischen Idealismus zur absoluten Souveränitätserklärung des Menschen-
geistes. Aus den Zeugnissen der Mitlebenden entnimmt B. die Kunde von dem
eigentümlichen Eindruck, den Hardenbergs geschlossener Charakter auf die Menschen
machte. Seine Nachwirkung war gering. E. T. A. Hoffmann benutzt seine Motive;
aber der Rationalismus Hoffmanns war Novalis fremd.^^) —
Dass Schellings „reifstes und grossartigstes Lebenswerk", „die Philosophie
der Offenbarung und der Mythologie" seine Zeit noch nicht gefunden habe, wird von
Schaper'*^) beklagt. Die Ursache solcher geringen Beachtung erblickt Seh. in dem
Materialismus der Zeit, in der Schellings Buch hervortrat. Fälschlich habe man
Schelling reaktionärer Tendenzen beschuldig-t; der Mann, der das schöne Wort ge-
sprochen „Das Heil der Deutschen ist in der Wissenschaft", dürfe nicht als Reaktionär
gelten. Um Schelling zu besserem Rechte gelangen zu lassen, analysiert Seh. seine
Philosophie der Mythologie, während er die Philosophie der Offenbarung späterer
Erörterung vorbehält. Er erblickt in jener nicht eine längst abgethane, eine ge-
schichtlich interessante Erscheinung; Seh. ist vielmehr überzeugt, dass diese Philosophie
in ihrer letzten Gestalt ein Ferment moderner Bildung werden müsse. Sie allein könne
zwischen dem Christentum und dem herrschenden pantheistischen Materialismus ver-
mitteln. Sch.s sorgfältige Analyse zeigt die Punkte auf, in denen Schelling sich mit
der neueren Philosophie, insbesondere mit Schopenhauer und Hartmann berührt, imd
sucht auch auf diesem Wege Schelling der modernen Welt nahezubringen. — Eine
liebenswürdige Rolle spielt Schelling in Bernhardis^'*) Denkwürdig'keiten ; dem
ChaTBkteristilc Hamtnrg n. L., L. Voss. VI. 176 S. M. 4,00. |[Geg. 44, S. 431.]| — 48) O W. Bey schlag, Novalis u. seine
goigtl, Lieber, ReTttoratsrede : DEBll. 18, S. 505-28.— 49) (IV 5:138.) - 50) (S.o. N 23, S. 47/8.) - 51) 0. Liebmann,
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 •. sim
Knaben fabuliert er nach Münchhausen und Schelmuffski mehr oder minder frei
Erfundenes vor. —
Einen kurzen Ueberblick über Heinrich Steffens Leben schrieb Lieb-
mann^i). Er bietet nicht viel mehr als etwa der Artikel des Brümmerschen Dichter-
lexikons, verschweigt sog-ar einzelne Erlebnisse, so Steffens religiöse Wandlungen.
Ausführlicher sind nur die Wege geschildert, die ihn von Kant und Jacobi zu
Schelling führten, dann Steffens Anteil an den Freiheitskriegen, endlich Wesen und
Wirkung seiner „Anthropologie" von 1822. —
Der arme Hölderlin soll noch immer nicht zur Ruhe kommen; die fünf-
zigste Wiederkehr seines Todestages hat eine Reihe wertloser Nekrologe gezeitigt,
die mit Längst überwundenen Anschauungen arbeiten und zur Erhellung der Gestalt
des Dichters nichts beitragen. Haustein^-) bringt lebendigere Farben in die öde
Eintönigkeit dieser Eintagslitteratur, Farben, die zum überwiegenden Teil auf
Wilbrandts Rechnung zu setzen sind. Wilbrandts Fehler machen sich darum auch
in seiner Studie geltend.^^"^') — Aus dem auf der Kgl. öffentlichen Bibliothek zu
Stuttgart verwahrten Nachlasse Schwabs teilt Müller-Rastatt^*^) fünf Jugendgedichte
Hölderlins mit; das erste, scherzhafte, ist an Louise Nast gerichtet und feiert Schwabens
„Mägdelein"; zwei Oden in horazischen Strophen sind melancholischen Betrachtungen
gewidmet und entstammen der Studienzeit. In Strophen, die an Schillers Gedanken-
Ijrik gemahnen, feiert er seine zweite Flamme Elise Lebret. Das Gedicht ist nach
seinem Abschied von Tübingen entstanden und widerlegt Litzmanns Annahme, dass
die Liebe zu Elise noch in Tübingen erkaltet sei. Den freudigen Stimmungen des
nach beendeten Studien frei in die Welt ziehenden H. entspricht das gleichfalls an
Schiller erinnernde Gedicht an Herkules. — Winterfeld^'-') vergleicht Hyperion und
Werther, findet, dass im Gegensatz zu Goethe bei H. die Anschauung und plastische
Schilderung" der Natur gegen das Uebermass der Empfindung zurücktrete und
sammelt endlich Briefstellen über die persönlichen Beziehungen Hölderlins mit Goethe
und Schiller. —
Auch die Heidelberger Romantik fand im Berichtsjahre wenig Be-
achtung. Die Auswahl Arnimscher Schriften von Dohmke^") beschränkt sich auf
einen Abdruck der „Kronenwächter", des tollen Invaliden und des Fürst Ganzgott.
Die Lesarten haben wenig zu sagen. Die Einleitung zeichnet einen streng prote-
stantischen, ganz unromantischen Arnim. H. Grimm steuerte einen ungedruckten
Brief Arnims an Bettina vom 26. Mai 1808 bei, dessen Facsimile der Ausgabe voran-
gestellt ist, ebenso wie eine vi erzeilige Strophe aus der Sammlung Künzels. Das
,, herrliche Jugendbild" Arnims, das in England von E. H. Strehling gemalt wurde
und in einer Radierung Krauskopfs der Ausgabe zur Zierde gereichen soll, fehlt in
dem von mir benutzten Exemplar.^*) — Ueber die Stoffg-eschichte von Cardenio und
Gelinde sprach Herrmann^^^ Er wies auf den Zwiespalt von Realistik und Phan-
tastik in Arnims „Halle und Jerusalem" hin und stellte den Goetheschen Ton des
Stückes der Shakespearisierenden Behandlung gegenüber, die Immermann dem Stoff
angedeihen Hess. —
Auch von Dichtungen Brentanos lieferte D o h m k e ^3) eine iiberknappe Aus-
wahl. Die Einleitung stellt Novalis und Brentano geg^enüber: die schöne Gleich-
mässigkeit der Stimmungen des in strenger Zucht erwachsenen Novalis und die aller
Selbstbeherrschung bare Haltlosigkeit Brentanos, die fromme, echt religiöse Natur dort
und die katholische Mystik hier. Preisend weist D. auf Brentanos Kindersinn. Unter
den Dichtungen, die recht äusserlich an einander gereiht sind, fällt das meiste Licht
auf die Rosenkranzromanzen. Abgedruckt sind neun Gedichte, die Chronika des
fahrenden Schülers, Kasperl und Annerl, Gockel und Hinkel (ursprüngliche Gestalt),
die Märchen vom Murmeltier und vom Schulmeister Klopfstock. Beachtenswert sind
die Lesarten. Beigegeben ist ein Facsimile (Original auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin).
Die Radierung Krauskopfs von Brentanos Büste, die in der Einleitung erwähnt ist,
fehlt in dem von mir benutzten Exemplar. Sophie Brentanos Sonett auf die gedachte
Büste ist (S. 7) wiedergegeben. — Steig^^) teilt ein Gedicht Brentanos mit, das er
H Steffens: ABB. 35, S. 555/8. — 52) A. v. Hanstein, F. Hölderlin. E öedenkbl. z. 7. Juni: FeuilletZg. N. 465. (S. auch
Didask. N. 131.) — 53) X ö, W estenberger, F. Hölderlin. E. Gedenkbl. z. 50. Todestage d. Dichters: LZgB. N. 67.
(Citate ans Litzmanns Bach [ygl. JBL. 1890 IV 13:30].) — 54) X F- Olper, D. Manen F.Hölderlins. (Z. 7. Juni): MSnohNN.
N. 256. (S. auch: FränkKur. N. 2.59. Ganz wertlos; hantiert mit veralteten Anschauungen.) — 55) X A Winterfeld, F.
Hölderlin in Frankfurt. E. Gedenkbl. zu d. Dichters 50. Todest. : FZg. N. 156. (Aneinanderreihung allbekannter Notizen über
Hölderlins Beziehungen zu Susette Gontard.) — 56) X (M 3:17; IV 1 a : 27, S. 315-23.) (Abdruck des JBL. 1892 IV 10 : 33 be-
sprochenen Aufsatzes.) - 57) X A. Kost er, B. Litzmann, Hölderlin: HZ. 68, S. 339-40. (Vgl. JBL. 1890 IV 13:30; 1891
IV 11:38,9, 41,9; 1892 IV 10:37.) - 58) K. MQller-Rastatt, Aus d Nachl. v. F. Hölderlin: BLU. S. 417-21. — 59)
(IV 8b: 11.) — 60) L A. Arnim, Werke. Her. v. J. Dohmke. Krit. durchges. u. erläut. Ausg. L., Bibliogr. Inst. VI, 18,
375 S. mit Bildn. u. 2 Facs. M. 2,00. — 61) X id., Unbekannte Aufsätze u. Gedichte (vgl. JBL. 1892 IV 10:39). ||R. Jeep:
DLZ. S. 43,5; F. Poppenberg: ML. 62, S. 31; A. Chuquet: RCr. 35, S. 134.]| — 62) (III 4: 15.) — 63) Ol. Brentano,
Werke. Her. v. J. Dohmke. Krit. durchges. u. erl&ut. Ausg. L., Bibliogr. Inst. VI, 24, 331 S. mit Bildn. n. 1 Facs.
M 2,00. — 64) R. Steig, E. Jugendgedicht v. Ol. Brentano: VL6. 6, S. 159-60. — 65' id., Brentano u. Sophie Mere.in,
. IV 10 : 65-71 0. F. Walzel, Romantik.
in seinem 17. Lebensjahre an Büschler richtete. Das „eigentümlich Beg-länzte" der
Poesie Brentanos breche, meint St., auch hier schon durch. —
Eine aus bisher unbekannten Dokumenten g-eschöpfte, genaue, insbesondere
das Chronologische richtigstellende Erörterung der Beziehungen von Brentano und
Sophie Mereau gab ebenfalls Steig ®^). — Erich Schmidt^ß) teilte einen Brief
Sophie Mereau-Brentanos an Henriette von Arnstein vom 8. Aug. 1799 mit, der
die Grössen Weimars schildert und insbesondere Schillers in origineller Auffassung
gedenkt. —
Das „Kind" Bettina stürmt mit etwas gezwungener Naivetät auch durch
Bernhar dis^"*) Denkwürdigkeiten. —
Der norddeutschen jüngeren Romantik widmeten im Be-
richtsjahre mehrere Forscher förderliche Untersuchungen. Die Mystik in Zacharias
Werners „Söhnen des Thals" untersuchte P oppenberg^^); er wollte, angeleitet
durch Krafft-Ebings Psychopathia sexualis Z. Werners aus religiöser Mystik und
sinnlicher Perversität gemischtes Naturell ergründen. P. erörtert die Verhältnisse,
aus denen das katholisierende Kunstevangelium der Romantik erwachsen ist. Auf
diesem Hintergrunde baut er Werners Gestalt auf. Mnioch, der ihn zum Maurertum
hinleitet, Rousseau und der seltsame Christian Mayr sind die Führer seiner Jugend.
Durch sie kommt Werner zu dem Resultate, dass „Kunst, Liebe, Tod jedes in seiner
Art Mittler, beinahe Synonyma seien, die uns ins Universum, aus dem wir genommen,
für das wir da sind, wieder mit mütterlichen Händen versenken". Auf diese Welt-
anschauung begründet P. die „Söhne des Thals". In der Bearbeitung von 1807 zeigt
P. Einfluss gnostischer W'eisheit auf, die dann auch als ideelle Grundlage des zweiten
Teils festgehalten wird. Von den Thalssöhnen aus dann weitere Umschau haltend,
erhärtet P., dass Werners wollüstiges Schwelgen in Blut und Wunden eine der
Romantik überhaupt geläufige Anschauungsweise sei. Novalis, Tieck, F. Schlegel,
Kleist in seiner „Penthesilea", Brentano im „Godwi" haben auf den Spuren Spees,
Schefflers, Baldes mit Werner denselben Weg beschritten. Adam Müller und W^ Schlegel,
endlich Goethes pater ecstaticus werden herangezogen. Das Schlusskapitel der Mono-
graphie erläutert die Form des Dramas. Tiecks und Schillers Einfluss wird beobachtet. —
In raschem Ueberblicke verfolgt auch eine kleinere Studie Poppenbergs®'') durch
Werners ganzes Leben jene Vereinigung glühender Sinnlichkeit und glühender
Religiosität und zeigt in anderen Dramen Werners die jenen Programmpunkten der
Thalssöhne verwandten Züge auf. Eine Anmerkung, die 0.-Neumann-Hofer dem Aufsatze
anfügte, und die Werner in abfälliger Weise mit der neuesten französischen Dichtung
in Beziehung setzt, wurde Anlass, dass man von französischer Seite P. mit Lombroso
und Nordau identifizierte und ihn neben jene Gegner moderner Romantik stellte.
P.s Studie wurde bei dieser Gelegenheit ins Französische übertragen. 'O) —
Seine Auswahl Fouquescher Schriften eröffnet Koch''') mit einer Biographie
des Dichters; sie ist die erste von wissenschaftlicher Seite unternommene Darstellung
vom Leben und Wirken Fouques. Das erste Kapitel wirft einen Blick auf Familien-
geschichte und Kindheitseindrücke, zeigt insbesondere, wie Fouques Jugend in seinen
Dichtungen weiterlebt. Der Rheinfeldzug 1794 leitet zu Fouques erster Heirat, der
sich die Geschichte der zweiten Ehe anschliesst. K. weist nach, dass Fouques Roman
,, Abfall und Busse" die Abwege ausmale, auf die ihn die Annahme eines Antrages,
in französische Dienste zu treten, hätte führen können. Der erste Besuch in Weimar
bei Goethe und bei Schiller lässt K. erwähnen, wie Fouque trotz romantischer Partei-
rücksichten 1806 einen Prolog zur Schillerfeier, dann in pietätvollem Wetteifer einen
„Don Carlos" dichtet. Der Schützling W^. Schlegels spricht mit H. von Kleist nur über
Kriegskunst, weil Kleist der Wlelandschen, er selbst der Schlegelschen Schule an-
gehört. Pellegrins „Dramatische Spiele" nennt K. mit Fouque selbst „redliches
Sehülerwerk". Im Roman „Alwin" weist er Züge des Ofterdingen und W. Lovell nach;
auch Heinse wird genannt, dem Autobiographischen besondere Beachtung geschenkt.
In Zusammenhang handelt K. die aus der Karlssage geschöpften Dichtungen ab und
weist ihre Quellen nach (Stricker und Benedikte Nauberts „Eginhard und Emma").
Neben den grossen Dichtungen geht das lyrisch- epische Schaffen ununterbrochen
weiter. Die Freunde, Chamisso, dann der später von Fouque mit einer Biographie
bedachte Rüchel führen wieder ins Kriegerleben zurück. E'ouque fordert schon 1808
allgemeine Wehrpflicht. Indessen vermehrt sich der Freundeskreis und auf ihn ge-
stützt, möchte Fouque die Einsiedlerzeitung neu ins Leben rufen; er begründet die
„Musen", arbeitet an den Zeitschriften Fr. Schlegels und Schellings mit, giebt die
„Jahreszeiten" und das „Taschenbuch der Sagen und Legenden" heraus. K. wendet
Yortr. in GDL (Nov.): VossZg. N. 548. — 66) (IV 8b : 15; S. 5/7.) - 67) (S o. N. 23, S. 37/8.) — 68) F. Poppenberg, Zach.
Werner. Mystik n. Romantik in d. „Söhnen d. Thals". i= Berl. Beitrr. z. german. u roraan Philol. Veröffentl. v. E. Ehering.
Germ. Aht. N.2.) B., C. Vogt. 1894. 79 S. M. 1,30. (Seite 1-43 anch als Berl. Disa.) -69) id., E. erot. Mystiker : ML. 62, S. 444/8.
— 70) T, W., ün Verlaine alleraand; BPL. 2, S. 126,7. — 71) Fr. Baron de la Motte Fouque u. Joseph Frhr. t. Eiohendorff
O. F. Walzel, Romantik. IV 10 -. 71-72
sich gegen Fr. Schlegels „hochfahrende Unduldsamkeit", der Fouqae das Recht be-
stritt, Leg-enden zu dichten. Litterarhistorische Bemerkungen über das Trauerspiel
„Numancia" von Cervantes und Fouques Uebersetzung* beschUessen das erste Kapitel.
Das zweite beginnt mit A. W. Schlegels Brief an Fouque vom J. 1806. Fouques Ant-
wort war seine Nibelung-entrilogie und die vaterländischen Schauspiele. K. baut die
Nibelungenstiicke auf breitem Grunde auf, weist ihren Zusammenhang mit dem
Ritter drama nach, verfolgt die allmähliche Hinneigung der deutschen Litteratur zur
nordischen Sage und rechtfertigt Fouques Verwechslung nordischer und deutscher
Sage durch den Hinweis, dass auch die junge Germanistik nicht schärfer sah. In
Anmerkungsform (S. XXXII) ergänzt K. Pipers Zusammenstellung neuerer dichterischer
Bearbeitung des Nibelungenstoffes (DNL. 6, 2, S. 184). Wenn Fouque auch „Sigurds
Geschlecht", d. h. seine Tochter Aslauga in den Rahmen der Dichtung aufnimmt, so
erinnert K. an W. Jordans verwandtes Verfahren. Bei den Baidur- und Helgidramen
gedenkt er Dahns. Zu den vaterländischen Dramen märkischen Stoffes wird Fouque
von Veit Weber geleitet. In „Waldemar" trifft seine Stoffwahl mit Arnim, in den
„Rittern und den Bauern" mit Zach. Werner zusammen, die „Familie Hallersee" führt
in einer Nebenrolle den geschichtlichen Prinzen von Homburg ein; der „Pappen-
heimer Kürassier" wetteifert mit „Wallensteins Lager", das Thema des „Demetrius"
kommt im „Jarl der Orkneyinseln" zur Behandlung. An Wallensteins Charakter
erinnert „Hieronymus von Stauf , und auf der von Törring eröffneten Bahn bayerischer
Geschichtsdramen bewegt sich „Tassilo". Das Motiv des Bruderzwistes, schon in
der „Familie Hallersee" und in „Alf und Yngwi" angeschlagen, gelangt zu breiter
Darstellung in der „Pilgerfahrt" und in den „Zwei Brüdern". Der Heiligenlegende
gehört die „Liebesrache" an. Vorgänger und Nachfolger werden zur Vergleichung
herangQzogen bei dem „Sängerkrieg auf der Wartburg" (Novalis, Wagner), bei
„Albion" (Hans Sachs, Chr. F. Weisse), beim „Hermann" (Klopstock, Grabbe). Den
fragmentarischen „Altsächsischen Bildersaal" hält K. mit ähnlichen Bemühungen,
mit unausgeführten Plänen Raupachs und Rückerts, endlich mit Freytags „Ahnen"
zusammen. Die in dem genannten „Bildersaal" enthaltene „Welleda" spielt vor
Fouque bei Benedikt Naubert, nach ihm bei Dahn eine Rolle. Das dritte Kapitel
zeichnet den Freiheitskrieger B'ouque von 1813 und führt die auf Krieg und Politik
sich beziehenden Dichtungen Fouques auf. In der „Sängerliebe" ist der freiwillige Jäger
Fouque und seine romantisch angeschwärmte Herrin Prinzess Wilhelm ins Proven-
zalische . übersetzt. An die Befreiungskrieg'e knüpfen auch Fouques Erörterungen
über den Adel, die sich schliesslich zu einer unbehaglich lächerlichen Verehrung des
adligen Offizierstandes steigern. Er stimmt der „Restauration der Staatswissenschaft"
von C. L. von Haller zu und trennt sich von den „besten Bestrebungen" des deutschen
Volkes. Zurückschreitend beleuchtet K. den Höhepunkt der Dichtung Fouques,
„ündine", und die ihr zunächst stehenden Elfennovellen, dann den „Zauberring"
und seine Fortsetzungen. Beim „Zauberring" erörtert er das Problem, wie Fouque
neben der romantischen W^iederbelebung des Don Quixote von neuem zum Genre
des Amadisromanes greifen konnte, und erkennt dem Genre Fouques die „höheren
dichterischen und ethischen Gesichtspunkte" zu. Fouque holt sich das Kostüm aus
Veit Weber, die Idee von der Einheit der ritterlichen Christenheit aus Novalis. Neben
der Fortsetzung des „Zauberrings", neben „Sintram und seinen Gefährten" stellt K.
das motivverwandte „Galgenmännlein", das er mit Recht ebenso hoch schätzt, wie
er die „Fahrten Thiodulfs" tadelt. K. giebt noch einige bibliographische Notizen
über den Herausgeber Fouque und über seine lyrischen Dichtungen, gedenkt des
Heineschen Urteils über Fouques Lyrik, sagt ein paar Worte über die letzten Hallenser
und Berliner Jahre, über Fouques dritte Gattin, über seine Beziehungen zu Friedrich
Wilhelm IV. und schliesst seine Skizze mit einer Bibliographie. K. stellt in einem
zusammenfassenden Verdikte Fouques Dichtung durch den Vergleich mit Arnim,
Wagner und Dahn in ein allerungünstigstes Licht. In der Auswahl werden ab-
gedruckt und z. T. mit reichen Anmerkungen versehen: „Sigurd, der Schlangen-
töter", „Undine", die ersten 8 Kapitel des „Zauberrings", endlich ein paar glücklich
gewählte Gedichte, insbesondere Lieder der Freiheitskrieg'e. — Dohmke'^^) druckt
im Anhange seiner Novalisausgabe Fouques „Undine" nach dem Texte der „Aus-
gewählten Werke" ab, setzt die Lesarten der 2. Ausgabe von 1814 hinzu und schiebt
eine kurze Einleitung vor, die über die Undine wenig, über Fouque so g'ut wie nichts
mitteilt. Eine Nachbildung von Fr. Fleischmanns Stich des Henselschen Fouque-
Porträts, dann ein Facsimile dreier Zeilen aus Fouques Brief an Ludwig Nolte vom
9. Juni 1827 (sie rühmen die Porträtähnlichkeit des Stiches von Fleischmann), endlich
das Facsimile einer Seite aus einem in W. Künzels Besitze befindlichen Tagebuche
her. V. M. Koch. (= DNL. N. 146, Bd. 1/2.) St., Union. CXXVI. 270 S.; 344 S. M. 5,00. — 72) (S.o. N. 46.) —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. IV. (4)31
IV 10:73-79 O. F. Walzel, Romantik.
Fouques zieren den Neudruck. — Krejci''^) leitet Fouques Kenntnis nordischer
Stoffe und sein Interesse für nordische Dichtung- von Gerstenberg-, Klopstock, Kretsch-
mann und Denis ab und zeigt, wie hauptsächlich durch die Vermittlung- Gräters die
Romantik an jene Vorarbeiten des 18 Jh. anknüpft. Fouque hat seine Vorlagen in
wörtlicher Anlehnung- ausgenützt; seine Dichtungen sind reine Sage; von leitender
Grundidee zeigt sich keine Spur. Die Quellen sind: a) „Held des Nordens" Teil 1:
Entwurf aus der Snorra Edda; poetische Edda, Völsungasaga und Nornageststhättr
dienen zu ausführlicherer Ausmalung. Teil 2: Nur Saemundar Edda (Belege wört-
licher Uebereinstimmung). Teil 3: Letzte Kapitel der Völsungasaga und Ragnar Saga,
b) AlfundYngwi: Das wesentliche aus Heimskringla Ynglingasaga 24. Viel hinzu-
erfunden, c) Baidur der Gute : Nicht nur Gylfaginning c. 49, sondern auch Saxo. Das
Historische Saxos ist mit dem Mythischen der Edda verbunden. Ganz Eigentum des
Dichters ist die Darstellung, wie die Äsen nach Griechenland kommen, d) Helgi.
Teil 1: Helgakvidha Hjördvardhsonar. Teil 2: Helgakvidha Hundingsbana I., IL
cf. Völsungasaga c. 15/7. Teil 3: Hrömundarsaga Greipssonar. Das Julfest bei Bragis
Becher, der in Helgi berührt wird, verwertet Fouque auch in dem sonst frei er-
fundenen „Sintram". K. hebt noch hervor, dass die dramatischen Dichtungen Fouques
nicht für die Bühne bestimmt waren. Deshalb tritt auch das mythische Element
stärker hervor, durch das schwächliche Ansätze, Situation und handelnde Personen
zu dramatisieren, sofort zurückgedrängt werden. — Müller-Rastatt^*} nennt Fouque
den typischen Vertreter der Romantik. Er bezweifelt, ob seine ,,Undine" im Zeit-
alter des elektrischen Lichts eine Stätte finden könne. Fouque sei ein schlichter,
gediegener deutscher Dichter (?). Mit Heine wird Fouques Lyrik gelobt, seine frischen,
gesunden Kriegslieder, die Lieder an die Königin Louise, die geistlichen Lieder. M.-R.
macht aufmerksam, dass Scheffel, „dieser Meister des historischen Romans", trotz jahre-
langer Vorarbeiten sich nicht an den von Fouque behandelten Stoff des Wartburg-
krieges, an diese „Riesenaufgabe", gewagt habe.''^"''^) —
In seiner Auswahl von Schriften Chamissos druckt Walzel '''') die Gedichte
nach der Ausgabe letzter Hand samt den Zugaben der Edition Palms, dann den
Schlemihl ab. Die älteren Fassungen wurden verglichen, zugleich der Versuch eines
Kommentars gewagt, der eine Reihe von Quellennachweisen erbringen konnte. Die
umfängliche Einleitung betont, dass in dem Sohne der Champagne von Anfang an
eine Mischung germanischen und gallischen Wesens liege, die ihn den Weg zum
Deutschtum erleichtere. Des Faustversuches und des ,-,grünen" Almanachs ausführ-
lich gedenkend, erforscht W. die philosophischen Grundlagen und die formalen Vor-
bilder von „Adelberts Fabel", sammelt die kargen Notizen über den Fortunatplan
und bespricht den Roman „Die Versuche und Hindernisse Karls". Rascher über die
Zwischenzeit hinstreifend, verweilt W. des längeren beim Schlemihl und scheidet
zwischen den in das Märchen hineinverwebten autobiographischen Zügen Chamissos
und zwischen der schwer fassbar durchschimmernden Idee, die von W. umschrieben
wird: „Wer schnödem Gewinne zuliebe ein Gut hingiebt, das er selbst gar nicht
schätzt, auf das jedoch die Welt einen grossen Wert legt, der wird ein für allemal
der öffentlichen Meinung als verfehmt gelten." Dieselbe Idee sollte in einer zweiten
Erzählung zum Ausdrucke kommen, die von Chamisso an E. T. A. Hoffmann abgetreten und
von diesem in seiner Datura fastuosa behandelt wurde. W. führt eine Reihe von
Nachahmungen und Nachbildungen des Schlemihl an. Die Weltreise, wie überhaupt
Chamissos wissenschaftliche Bemühungen kommen in engem Anschluss an Du Bois-
Reymond zur Darstellung. Von den poetischen Ergebnissen der Weltreise blieb
„Haimatochare" wiederum nur ein Plan, dessen Ausführung gleichfalls Hoffmann
zufiel. Das Biographische der Höhezeit Chamissos wird kurz abgethan, nur bei dem
Streit um das Heineporträt gestattet sich W. ein paar Worte zu Gunsten Heines.
Das Schlusskapitel bespricht die metrischen Dichtungen der Blütezeit, nennt Chamisso
im Sinne Heines einen modernen Dichter und zeigt auf, um wie viel er über die
Romantik hinausgeschritten, um wie viel er hinter ihr zurückgeblieben ist. Die
politische Dichtung wird mit der Freiheitslyrik der Zeit verglichen, Beranger und
mit ihm Chamissos Napoleonkultus wird erwähnt, endlich Chamissos Vorliebe für
realistische Themen im modernen Sinne gewürdigt, nicht ohne die Grenzen seines
Realismus zu ziehen. Als Vorbild der Terzinendichtung erscheinen nach Form und
Inhalt Schellings „Letzte Worte des Pfarrers zu Drottning". Chamissos Ethik und
73) J. Krejci, Nord. Stoffe bei Fouque: VLG. 6, S. 553-70. - 74) K. Müller- Rastatt, Fouque als Dichter d. Undine: BLÜ.
8. 49-51. — 75) X Z-- Friedr. Baron de la Motte-Fouque. E. Qedenkbl. zu s. 50. Todest.: DAdelsbl. S. 69-70. — 76) X Ge-
denkbl. an Friedr. de la Motte-Fouque anlässl. seines 50 j. Todest.: VossZg. N. 37. - 77) X D- Dichter d. Undine. Gedenlcbl.
zn seinem 50j. Todest.: NorddAZg». N. 4. (Nachrichten über Fouques 2. Gemahlin. Un vollst. Aufzählung u. oberflächl.
Würdigung seiner Werke.) — 78) X (IV 8b: 12; Sara v. Grotthus Briefe, S. 46-60; S. 59 will sie für Frau v. Stael gegen
Frau V. Fouque auftreten.) — 79) A. v. Chamisso, Werke her. v. 0. F. Walzel. (= DNL. N. 148.) St., Union. CXXII,552S.
O. F. Walzel, Romantik. IV 10 : 80-98
Aesthetik wird in g-leichem Zusammenhang-e berührt.^"'^") — Sehr anspruchsvoll über
seine Vorarbeiter wegblickend gab Oswald ^^) dem englischen Publikum eine Skizze
von Chamissos Leben und Wirken. Sie bietet nichts Neues oder Bemerkenswertes.
Chamissos „Faust" wird mit Marlowe in enge Beziehung gebracht. Beim „Schlemihl"
denkt auch 0. an die Unfähig-keit zu ,,scheinen", trotzdem wird die Vaterlandslosig-
keit Chamissos nebenbei in Erwägung gezogen. Ueber die Lyrik weiss 0. wenig zu
sagen; die einzige positive Angabe („he introduced the verse of Dante into German
poetry") ist falsch. Ueber die Orte Napoleonville und Napoleon (jetzt Pontivy und
La Roche-sur-Yon) giebt O. nach Bouillet nähere Details. Endlich erwähnt er eine
amerikanische Uebersetzung von Chamissos Faust.^^) — Zur Ergänzung der vor-
jährigen Mitteilungen aus den Briefen Chamissos an die Weidmannsche Buchhandlung
(vgl. JBL. 1892 IV 10 : 69) erhalten wir noch ein Schreiben Chamissos an Karl Reimer
vom 30. April 1829^'^). Neues wird nicht geboten. Bemerkenswert ist nur, dass
Chamisso auch hier „Salas y Gomez" sein bestes Gedicht nennt. — HirzeP^) end-
lich beschliesst seine Mitteilungen über die Geschichte von Chamissos Musenalmanach
mit dem Abdruck der Briefe Gaudys an Salomon Hirzel. Er erinnert, wie lieb
Chamisso die Mitarbeit Gaudys war, und stellt Gaudys Devise „Lieber keinen
Almanach, als einen schlechten!" dem milderen Wesen Chamissos gegenüber. Den
15. Febr. 1834 spricht Gaudy von dem Drucke seiner Novelle „Desengano" und bietet
sich zu weiteren Arbeiten an; den 21. März 1835 meldet er die Beendigung von
Chamissos Reiseberichte; den 22. Okt. desselben Jahres spricht er von seinem Sommer-
Aufenthalt in Italien und hebt hervor, dass Chamisso der Besuch des Bades Reinerz
gut gethan habe. Den 4. April 1836 klagt er seine Redakteursorgen. Der Brief
vom 11. April 1836 wurde bereits im Vorjahre mitgeteilt (vgl. JBL. 1892 IV 10:69).
Unter dem 26. Juni 1836 urteilt er sehr kühl über Rückert und hofft auf Heine und Ana-
stasius Grün; Briefe vom 12. Dec. 1836 und vom 13. Jan. 1837 gedenken der Marg-
graffschen Recension des Musenalmanachs von 1837 (BLU." 1836, N. 343) und ihres
scharfen Angriffs auf Gaudy. Den 3. März 1837 möchte Gaudy seinen Aufenthalt
verändern und ein schlesisches Provinzialstädtchen wählen. Dem bitteren Gefühl, das
die kühle Aufnahme seines Tagebuchs eines wandernden Schneidergesellen und seiner
Venetianischen Novellen weckte, giebt ein Brief vom 14. Juni 1837 Ausdruck. Den
30. Okt. 1837 nimmt Gaudy den Antrag an, Mitredakteur des Almanachs zu werden
und nicht länger nur „stillschweigender Compagnon" zu sein. Das Schreiben vom
15. April 1838 zeigt Gaudy schon voll Herausgeber-Geschäftigkeit. Den 5. Juni 1838
denkt er, gar keinen Almanach herauszugeben und „Neue Lieder von A. C. und
F. Gv." an seine Stelle treten zu lassen, und erwähnt sein Gedicht „Die Landflüchtigen",
das er den Göttinger Sieben widmete. Aus Capri meldet er am 28. Sept. 1838 den
Eindruck von Chamissos Todesnachricht. Der letzte Brief vom 27. Jan. 1840 urteilt
scharf über Hitzigs Chamissobiographie ab und spottet über die Berangerübersetzungen
von L. S. Rubens und Ph. E. Nathusius.^^^ —
Notizen über Goethes Frankfurter Jugendfreund Johann Bernhard Crespel,
der durch Brentanos Vermittlung der Held von E. T. A. Hoffmanns gleichnamiger
Novelle geworden ist, stellt Seibt93) zusammen. Zu den Absonderlichkeiten Cr espels
hat Hoffmann aus eigenem den Musikenthusiasmus hinzugethan; ferner fügt er die
Abenteuer der berühmten Primadonna Francesca Cuzzoni hinzu, insbesondere eine
Scene aus ihrem Leben, in der Händel die von Hoffmann dem Rate Crespel zugeteilte
Rolle spielte. Die possenhaften Uebertreibungen möchte S. nicht auf Brentanos,
sondern auf Hoffmanns Rechnung setzen. Crespels Tochter wollte jedoch Brentano
wegen seiner Verleumdungen zur Rede stellen.^*"^^) —
M. 2,50. |[B. Waiden: WienerAbendpostB. N. 108; L. Fränkel: BLU. S.566.]| — 80) X W-. Werte. Her. t. W. Eauschen-
busch. 2 Bde. B., Grote. XX, 414 S.; XX, 417 S. M. 5,00. — 81) O id., Ges. Werte. Neue dnrchges. u. Term. Ausg. in
4 Bden. Mit biogr. Einl. her. v. M. Koch. St, Cotta. 360, 348, 279, 304 S. M. 4.00. — 82) X i^- <5es. Werke in 4 Bden.
(= Cottasche Volksbibl. Bd. 3-6.) ebda. 12». 279, 319, 251, 282 S. M. 2,00. — 83) X i^-. Ansgew. Gedichte. In Stenogr.
Schrift übertragen u. autogr. v. A. Schöttner. (= Reuters Bibl. für Gabelsberger Stenographen. N. 22.) Dresden, W. Reuter.
12». 55 S. M. 0,90. - 84) X id., Frauen-Liebe n. Leben. Lebens-Lieder u. Bilder. Mit Dlustr. t. A. Zick. B., Grote. 4».
64 S. mit 31 111. n. 11 Taf. Kupferdr. M. 10,00. — 85) X i^-- The crucifl.x. An art-legend. From the German by C. M.
Aikman: PGoetheSoc. 7, S. 144-50. — 86) X id., D. Mann ohne Schatten oder Peter Schleraihls wundersame Gesch. D.
Jugend erz. L., Gressner & Schramm. 12». 48 S. M. 0,50. — 87) id., Pierre Schlemihl. 111. de Marold et Mittis. (=Petite
coli. Guillaume.) Paris, Dentu. H, 156 S. Fr. 3,00. — 88) E. Oswald, Chamisso. Life; poems; Faust; Schlemihl:
PGoetheSoc. 7, S. 108-43. — 89) O K. Lentzner, Chamissos life and work, with specimens of his poetry. London,
Williams & Norgate. 4». Sh. 5,00. |[Ath. 2, S. 321.]| — 90) id., E. Brief: DDichtung. 14, S. 296. — 91) G. Hirzel, Franz
Frhr. v. Gaudy. Ungedr. Briefe aus d. J. 1834-40: ib. S. 147/9, 177/9, 202j4, 225 7. — 92) F. Pfaff, Karls Recht: ZVLR. 6,
8. 897 9. (E. Beitr. z. Stoffgesch. v. Chamissos „Urteil d. Schemjäka" aus e. Rechtsbuche d. Stadt Villingen. 2. Hälfte d.
16. Jh.) — 93) W. Seibt, Rat Crespel u. d. Novelle in d. „Serapionsbrüdern" v. E. T. A. Hoffmann: FZg. N. 317. — 94) O
H. V. Wol zogen, E. T. A. Hoffraann, d. dtsch. Geisterseher: BayreuthBll. 16, S. 11-22, 33-55, 177-91, 390-407. — 95) X E.
T. A. Hoffmann, Meister Martin n. seine Gesellen. E. Erzählung. L., Gressner & Schramm. 12». 74 S. M. 0,60. — 96) id.,
Maitre Martin le tonnelier. Adapti de l'allemand par Ch. Simond. Illustr. de Firmin Bouisset. (= Nouv. Bibl. ill. de
vulgarisation.) Paris, Lecene, Oudin et Cie. 140 S. — 97) X id.. L'elisir del diavolo. Napoli, L. Pierro. 1892. 96 S. L. 0,10,
— 98) X id.. II nano Zaccaria, soprannominato Cinabro. Vers. ital. di L. Agnes. Milano, Sonzogno. 16». 106 8. L. 0,25.—
(4)31*
IV 10:99-104 O. F. Walzel, Romantik.
Vor seine für Kürschners DNL. bestimmte Auswahl Eichen dorffscher
Dichtung-en stellt Koch^^) eine kurze Charakteristik des Benjamin der Romantik.
Die litterarischen Jug-endeindrücke, Volksbücher, Campe und Claudius, dann die
Lektüre der Gymnasialzeit werden hervorgehoben. Die Studentenjahre zu Halle liefern
Material für „Die Entführung". Das J. 1806 bringt Napoleunische Scharen nach
Schlesien; K. meint, Eichendorff habe, in seinem Roman „Ahnung und Gegenwart"
die letzten Kämpfe eines Gebirgsvolkes schildernd, ebenso gut an seine engeren
Landsleute wie an die Tiroler denken können. Bei Eichendorffs Wiener Verkehr
länger verweilend, spricht K. von einer Universität, die Adam Müller nach nord-
deutschem Muster in Wien errichten sollte. Es handelte sich indessen nur um eine
Erziehungsanstalt für junge Edelleute. Eichendorffs unkriegerische Kriegsfahrten,
seine Vermählung, seine amtliche Laufbahn werden beleuchtet. Den „Taug-enichts"
beiläufig- streifend, protestiert K. gegen die Auffassung-, das hier geschilderte Ideal
entstamme der Sehnsucht eines viel beschäftigten Bureaukraten nach einem Augen-
blick sorgenlosen Müssigganges. Aus dem Amtsleben Ei-chendorff's hebt K. das
vorsichtige und kluge Gutachten über die Säkularisation geistlicher Landeshoheiten
heraus und stellt es neben Novalis Aufsatz ,,Die Christenheit". Auch Eichendorffs
auf das Schloss Marienburg gerichtete Bemühungen werden als Zeichen seiner er-
folgreichen Amtsthätigkeit hingestellt; den unzufriedenen, verstimmten Brief an Görres
vom 30. Aug. 1828 und Eichendorffs Bitte um eine bayerische Anstellung verschweigt
K. darum nicht. Eichendorffs an Marienburg anknüpfenden tragischen Versuchen
stellt K. die stofflich verwandten neueren Dichter g-egenüber. Im Lustspiele „Die
Freier" möchte er nicht Shakespeareschen Einfluss, sondern Züge von Moliere und
Marivaux annehmen. K. betont, dass Eichendorffs politische Bestrebungen nicht mit
dem W^orte Reaktion abgethan werden können. Abfällig beurteilt K. die epischen Versuche,
deren bedeutendsten, „Julian", er mit Ibsens „Kaiser und Galiläer" verg-leicht. Wenig
über die Novellen, Breiteres über die Calderon Übersetzung vorbringend, stellt K. die
litterarhistorischen Arbeiten zusammen, deren ästhetisch-religiöse Grundstimmung er
im Zusammenhang- mit den beiden Romanen erörtert. Scholl und Dietze weisen den
Weg-. Die Stoffmotive der Romane und ihre Verwandschaft mit dem „Wilhelm
Meister" und mit den Romanen der Romantik kommen in einig-en Gleichungen zur
Erledigung. Die Auswahl Eichendorffscher Schriften besteht aus den Aufsätzen
„Deutsches Ordensleben am Schlüsse des 18. Jh." und „Halle und Heidelberg". Der
„Taugenichts" folgt, dem „Marmorbild" ist eine Einführung- beigegeben; sie teilt die
Quelle der Erzählung, Happel, mit, erinnert an die verwandten Stellen des „Julian"
und der ,, Entführung" und gedenkt der Deutung Keiters. Den 147 mitgeteilten Ge-
dichten fügt K. biographische und erläuternde Noten bei und nennt Komponisten. Ueber
den Lyriker Eichendorff ist er eine breitere Erörterung- schuldig geblieben. '°'*"i"^) —
Hob er 104^ handelt von den Dichtungen Eichendorffs, die bis zum J. 1815 reichen,
und setzt innerhalb dieses Zeitabschnittes zwei Epochen fest, das J. 1808 und das
J. 1812. Er verwertet das von Meisner („Gedichte aus dem Nachlasse des Freiherrn
J. von Eichendorff", Leipzig- 1888) schon benützte Berliner Ms. Eichendorffscher
Jugenddichtungen. Ausgehend von den Stanzen „Italien" stellt H. fest, dass Eichen-
dorff nur in der ersten Jugend seiner Lyrik relig-iöse Accente leiht; freilich deuten
sie auf keine bestimmte Tendenz, sondern sind nur Ausfluss seiner damaligen Stimmung.
Schon jetzt spielt die Natur eine grosse Rolle; die Waldhorntöne der Tieckschen
Romantik erklingen. Romantisch ist auch der mehrfach behandelte Gegensatz von
dichterischer Phantasie und plattem Nützlichkeitssinn. Gerne behandelt Eichendorffs
Romanze auch in ihren ersten Erscheinungen den Stoff magischer Verlockung, den
Goethes „Fischer" und Brentanos Loreleyballade nahelegen. Seit 1808 wirkt Heidel-
berg auf Eichendorff ein; die Volksliederdichtung tritt ihm näher. Liebe und Patrio-
tismus machen sich geltend. Nur einige Gedichte religiösen Inhalts und wenige
Stimmungslieder Tieckscher Manier gemahnen noch an die erste Entwicklungsstufe
der Eichen dörfischen Lyrik. Die Romanzen bleiben im Stoffbereiohe des Goetheschen
„Fischers"; Bürger, dann der „Erlkönig" und der Herr Olof des Wunderhorns er-
scheinen nebenher als Vorbilder. Neben einer einzigen historischen Romanze kommt
das ganz volksliedermässige „Zerbrochene Ringlein" zur Betrachtung, als dessen Vor-
bild die 2. Strophe von „Des Müllers Abschied" (Wunderhorn 1, S. 103) angenommen
wird. „Die wunderliche Prinzessin" möchte H. als Poesie deuten, nicht mit Scholl
politische Ideen in ihr suchen. Auf die Zeitgedichte fällt ein Blick, H. gedenkt des
Einflusses der Volkslieder, greift ein paar volksliedmässige Verse aus den Gedichten
Eichendorffs heraus und giebt Beiträge zur Textgeschichte des fünften Gedichtes
99) (S. 0. N. 71.) — 100) X J- V. Eichend-rff, Wei Vp her. v. R. Dictzc I vgl. JBL. 1892 IV 10 : 71). |f E r i c h S c h m i d t : DRs. 74, S. 477 ;
HambCorr". N. 29.]| — 101)X i^-. Aus d. Leben c. Taugenichts. Nov. Mit 19 111. L., C. F. Anielang. 135 .S. M. 3,00. — 102) X i^-i
Aus d. Leben e. Tiiugenichts. Mit 17 Lichtdr.- Bildern nach R. E. Kepler. 3. Aufl. St., Qreiner & Pfeiffer. 133 S. M. 3,60.
- 103) X J- Taft-Hatfiold. Ans d. Leben e. Taugenichts. Kd. by €. Ostlians: MLN. 8, S. 310/2. — 104) E. Höber,
0. P Walzel, Romantik. IV 10 : i04 loo
„In der Fremde" und des Gedichtes „Trost" aus der Berliner Hs. Seit 1812 treten
die Zeitgedichte in den Vordergrund, H. kommt über das bekannte Urteil nicht
hinaus, dass Eichendorffzum Freiheitssänger zu lyrisch weich war. Erst 1815 findet
er stärkere, kräftigere Töne. Die Liebeslieder der Periode sind flach, leise religiöser
Klang haftet den meisten Gedichten jetzt an. Ueber die Metrik der Jugendgedichte
bringt H. wenig vor. Die Veröffentlichung des Romans „Ahnung und Gegenwart"
zu schildern, druckt er an Fouque gerichtete Briefe des J. 1814 ab; zur Charak-
terisierung des Romans -weist er auf das Urteil der Stael über den „Sternbald" hin,
betont seine lyrisch zerfliessende Sprache, die geringen lokalen Anspielungen, sieht
in der „zarten Naturstimmung" den Hauptvorzug, in der unplastischen Darstellung
den Hauptmangel des Romans und möchte das damalige Deutschland gegen Eichen-
dorffs Schilderung retten. Im engen Anschluss an Minor kommen die Beziehungen
zum Wilhelm Meister und zum romantischen Roman, insbesondere zur „Gräfin
Dolores" und zum „Godwi" zur Besprechung, ohne dass man erfährt, was Elchendorff
seinen Vorbildern verdankt. Den biographischen Grundlagen des Romans ist eine
kurze Betrachtung gewidmet. Abschliessend erklärt H.. dass in den von ihm be-
sprochenen EichendorfTschen Dichtungen der Keim fast aller späteren Schöpfungen
des Dichters liege. Nur das Feld des Dramas hat er erst nachträglich, und zwar
mit geringem Erfolge betreten. —
Der schwäbischen Romantik kommt zunächst im allgemeinen ein
Aufsatz von Krauss'**^) zu gute, der die württembergischen Fürsten durch Sage
und Dichtung verfolgt. Schon wegen der häufigen Verwechslung der verschiedenen
Eberharde — auch Uhland hält sie nicht auseinander — empfiehlt es sich nachzulesen,
was K. über Eberhard den Greiner oder Rauschebart, über Eberhard den Milden
und über den durch Kerner verewigten „reichsten Fürsten" Eberhard im Bart zu
melden hat. Herzog Ulrich wiederum spielt in der Dichtung Hauffs und Schwabs
eine grosse Rolle. —
Unter den Schwaben stand dies Jahr Uhland in erster Linie. Das Ver-
lagsrecht der Cottaschen Buchhandlung ist erloschen. Eine Menge neuer Ausgaben
stellen sich ein. Fränkel ^^^) besorgte eine brauchbare Auswahl Uhlandscher Schriften.
Die biographische Einleitung gedenkt der Vorfahren des Dichters. Aus dem Milieu,
in dem Uhland erwuchs, möchte F. sein Wesen und seine poetische Art ableiten, den
Mangel des Genialen, das allmählich und ungestört sich entfaltende Talent. Lange
verweilt F. bei dem rätselhaften Problem der innigen Freundschaft Uhlands und
Kerners und vergleicht ihre Dichtart. Gegen den Namen einer „schwäbischen Dichter-
schule" Einspruch erhebend, bespricht F. in nicht ganz unanfechtbarer Weise die
Beziehungen der jung-en Dichter zur Romantik. F. wendet mit sichtlichem Interesse
sich der politischen Thätigkeit Uhlands zu, der eine ausführliche, Uhlands Stand-
punkt verteidigende Würdigung zu teil wird. Nicht nur Uhlands Eintreten für das
„alte, gute Recht", auch seine Polemik gegen eine Adelskammer wird begreiflich ge-
macht. Ein besonderes Augenmerk schenkt F. auch der im J. 1832 erneuten politischen
Thätigkeit Uhlands, dann seinem Anteil am Frankfurter Parlament und sucht endlich
am Schlüsse seiner Einleitung den Menschen und Dichter Uhland zu charakterisieren.
Vischers etwas panegyrisch klingende Beschreibung von Uhlands Kopf wird auf ein
richtigeres Mass eingeschränkt. Ausdrücklich wendet F. sich gegen den „oft genug
gedankenlos nachgesprochenen Satz", Uhlands Poesie habe keine Entwicklung. Die
dramatischen Fragmente werden hoch über die beiden ausgeführten Dramen gestellt.
Die Stoffe der Uhlandschen Lyrik sucht F. zu gruppieren. Dass Uhland „den Dienst
im Heiligtume der Poesie stets nur auf inneren Antrieb" verrichtet habe, wird mehr-
fach betont. Der erste Band der F.schen Auswahl bringt zunächst den Text der
Uhlandschen Gedichte nach der 48. Ausgabe von 1863, dann eine umfangreiche Nach-
lese der von Uhland nicht in. seine Sammlungen aufgenommenen Dichtungen. Ob-
zwar F. trotz eifriger Umfrage ungedrucktes Material nicht zu stände gebracht hat,
ist diese Nachlese doch sehr umfangreich ausgefallen und macht F.s Ausgabe zur voll-
ständigsten Sammlung Uhlandscher Lyrik. Aus K. Mayers Uhlandbiographie ist
noch ein Fragn;ent aus dem „Ersten Nachtblatt" und das zweite Nachtblatt angefügt.
Eine knappe Vorbemerkung giebt Notizen zur Geschichte der Ausgaben Uhlandscher
Gedichte. Die dem Texte beigegebenen Anmerkungen erläutern teils Selbstverständ-
liches, teils begnügen sie sich, die Litteratur über das betreffende Gedicht zusammen-
zustellen. Der Abschnitt „Zur Revision des Textes" giebt im wesentlichen nur den
ersten Druckort an, sehr selten eine Lesart. In Anhangsform berichtet endlich Max
Fried laender ausführlich, kenntnisreich und übersichtlich über die Kompositionen
der Gedichte Uhlands. Der 2. Bd. druckt den „Herzog Ernst" und „Ludwig den
Eichendorifs Jngenddichtnngen. B., C. Vogt. 80 S. M. 1,80. (S. 1-47 als EoBtocVer Diss.) — 105) (I 1 : 142.) — 106) L.
Uhland, Werke. Her. v. L. Fränkel. Krit. dnrchges. rx. erläut. Ausg. 2 Bde. L., BiWiogr. Inst. 52, 558 S. ; 424 S. äM.2,00.
IV 10:107-115 O. F. Walzel, Romantik.
Baier" ab, dann die Fragmente von „Franceska da Rimini", „König Eginhard", „Die
Bärenritter", „Tamlan und Jannet", „Benno", „Normannischer Brauch", „Konradin".
Die Vorbemerkungen geben nur allerwichtigste Notizen und spielen gegen Vischers
abfälliges Urteil über den Dramatiker Uhland die Autorität eines Boxberger aus.
Wie die biographische Einleitung dem Politiker Uhland ihr besonderes Augenmerk
schenkt, so rückt auch der Text diese Seite des Dichters in helleres Licht: F. druckt
neun politische Reden und Aufsätze ab. Von „wissenschaftlichen Aufsätzen" erscheint
hingegen nur der jugendliche Erguss über das Romantische, die Inauguralrede über
Herzog Ernst, und ein paar jüngst im Weimarischen Jahrbuch (5, S. 49 — 51) mit-
geteilte Worte über die Nibelungen. Endlich kommen noch 17 Briefe Uhlands zum
Abdruck, unter ihnen 3 ungedruckte (an Varnhagen vom 4. Mai 1812 und 24. Jan. 1827,
an G. Reimer vom 21. Dec. 1818). Den beiden, den preussischen Orden pour le
merite ablehnenden Briefen Uhlands an A. von Humboldt vom 2. und 10. Dec. 1853
sind Humboldts Briefe vom 5. Dec. zur Erläuterung angefügt. F.s Ausgabe fand
allgemein Beifall; Sauer, der insbesondere den textlichen Teil lobt, trägt den ersten
Druckort des „Kom-adin" (vgl. Goedeke^ 3, S. 335, N. 29) nach. — Auch die von
F. Brand es^'*'') besorgte Reclamsche Ausgabe sucht in einem „Nachtrage" den
Gedichtbestand der Cottaschen Sammlung zu überbieten, ohne jedoch mit 34 Nummern
an Fränkels Reichtum heranzukommen. Dafür beutet B. das Buch Keilers stärker
aus und giebt 14 dramatische Entwürfe; ferner ist bei ihm der Germanist Uhland
viel stärker vertreten, als in irgend einer anderen populären Sammlung. Endlich
erscheint der Politiker Uhland noch mit fünf Stücken; zwei gehören dem württem-
bergischen Landtage, drei dem Frankfurter Parlament an. Die Einleitung nennt
Uhland einen Gelegenheitsdichter im edelsten Sinne des Wortes und stellt ihn als
solchen sogar über Goethe. Sie preist Uhland, weil er die „wehleidige Stimmung
der Zeit", über die Justinus Kerner nie weggekommen sei, schnell überwunden habe,
und ebenso auch die „schwärmerische Manieriertheit und Unwahrheit der romantischen
Schule". In Uhland trete Genialität gesund und anspruchslos, klar und ungetrübt
hervor. Er feiert Uhland als einen Protestanten im schönsten Sinne des W^ortes und
nennt endlich Goethes bekanntes Urteil über Uhland „abgeschmackt". — Bölsches^^^)
Uhlandausgabe will nicht der Wissenschaft dienen und beschränkt sich auf den Ab-
druck des Vulgattextes, ohne indessen die dramatischen Fragmente mit aufzunehmen.
In der Einleitung weiss B. lebendigere Farben auf das Porträt Uhlands zu wenden
als die Mehrzahl seiner Konkurrenten. Er warnt, den' Dichter Uhland aus der Zeit
seiner stärksten politischen Thätigkeit, also aus dem J. 1848 verstehen zu wollen : die
Harfe des Achtundvierzigers war längst eingerostet. B. sieht die Tragik von Uhlands
Leben in der Thatsache, dass seine Ehrlichkeit ihn zwang, sich immer wieder in die
politische Unrast hineinzustürzen, während er seine Dichterkraft früh welken sah
und sich auf dramatischem Gebiete missverstanden glaubte. Uhland aber hat resigniert,
ohne Lärm, ohne Raketengeprassel. Stellung auf Stellung opfert er der Politik, um
schliesslich doch auf Grund der Einnahmen aus einem einzigen Bande Gedichte ein
wohlhabender Mann zu werden. Aus Paris hat sich Uhland keinen französischen
Geist geholt; nicht einmal für den kecken Plan des Epos „Fortunat". Als irgendwie
hervortretender Sänger der Freiheitskriege ist Uhland nicht zu fassen. Uebersicht-
lich schildert B. den württembergischen Konflikt; während Uhlands äusseres Leben
in diesem Konflikt Schiffbruch leidet, hat er mit seiner Lyrik ausserordentliches Glück.
Im „Herzog Ernst" erkennt B. eine dramatisierte Ballade, ja er nennt Uhland den
allerbesten Vertreter des Balladendramas. Wenn Handlung der Nerv des Bühnen-
dramas sei, so sei dieser Nerv hier geradezu der tote Punkt des Stückes. Viel
schärfer noch urteilt B. über „Ludwig den Baier". Das psychologische Schlussmotiv
der Versöhnung beider Rivalen sei mit dem geschichtlichen Hintergrund nicht ver-
ankert. Mit wenigen Worten den Johannistrieb der Uhlandschen Muse bedenkend,
zeichnet B. ausführlich den Achtundvierziger und nennt Uhland die anständigste,
ehrenwerteste Gestalt des Jahres. Zusammenfassend stimmt B. dem Urteile Heines
bei, der in Uhlands Poesie nichts Umbildungsfähiges fand, rühmt aber Uhland selbst,
der zu rechten Zeit absattelte und nicht mit seinen Epigonen in Wettstreit trat. Sei
doch der ganze Uhlandsche Nachwuchs ein lebender Anachronismus und geradezu der
Todfeind der Uhlandschen Muse geworden. 100-123^ — Düntzeri24^ berichtigt einige
|[J. R(iffert): LZgB. N. 66; A. Saleck: BLU. S. 824/5; A. Sauer: DLZ. S. 1544/5.]| (S. auch I 13:42.) — 107) id., Ges.
Werke in 2 Bdn. Her. v. F. Brandes. L., Eeclam. 636, 632 S. M. 2,00. |[A. Sauer: DLZ. S 154ö.]| — 108) id., Gedichte
u. Dramen. Mit e. Biogr. v. W. B öl sehe. Ausg. in 1 Bde. B., R. Trenkel. XXVI, 444 S. M. 2,50. — 109) X id., Ges.
Werke mit e. biogr.-litterarhist. Einl. v. Herrn. Fischer (vgl. JBL. 1S92 IV 10:81): Kw. 6, S. 147. - HO) X id., Werke.
3 Tle. in 1 Bd. B., Bibl. Anst. A. Warschauer. 12». XDI, 127 S.; VII, 188 S.; IV, 159 S. M. 1,75. — 111) X id., Gedichte
u. Dramen. (Schlnss-Bd.) (= Cottasche Volksbibl. Bd. 2.) St., Cotta. 12». 276 S. M. 0,50. — 112) X W-. Gedichte u.
Dramen. Bd. I. 111. v. 0. Herrfurth n. C. Storch. B., Bong. 259 S. M. 4,00. — 113) X i'' . Gedichte. (= Meyers Volks-
bücher N. 941,4.) L., Bibliogr. Instit. 16». 327 S. M. 0,40. — 114) X id., Gedichte. (= Bibl. d. Ges. -Litt. d. In- u. Aus-
landes N. 64.'J/7.) Halle a. S., Hendel. XVI, 284 S. M. 0,75. — 115) X id., Gedichte. Her. v. F. Brandes. Mit d. Bildn.
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 : 116-125
Versehen, die Keller bei dem Abdrucke von Uhlands „Thjesf-Uebersetzung* sich zu
Schulden hat kommen lassen. Die Uebersetzung der Tragödie von Seneca ist mög-
lichst treu, wenn auch „häufig zu leichterem Flusse freier". D. stellt die ausgelassenen
Partien zusammen und sucht die Veranlassungen der Striche zu ergründen. In
Sprachgebrauch und Satzverbindung ist manches aus dem Lateinischen herüber-
genommen. Geschickt handhabt Uhland das Versmass;^um so auffallender sind die
Betonungen Plisthenes, Alpheos; die Versschlüsse nachspaht, schickt' ihm, Waldei'chen.
D. möchte die Uebersetzung in das J. 1802 setzen. Einfluss Senecas auf den Tragiker
Uhland lasse sich nur im Prolog der Franceska feststellen. Nicht die stoische Moral
Senecas, sondern das Schaurige und Grelle habe Uhland angezogen, der gleichzeitig
seine Phantasie an den Romanen der Spiess und Gramer nährt. Lessings Seneca-
studie war Uhland während der [lebersetzung nicht bekannt geworden, dagegen ver-
werten sie später zugefügte Randbemerkungen, die (was Keller übersah) oft wörtlich
Lessing eitleren. Wann Uhland diese Randbemerkungen zugefügt hat, konnte D.
nicht feststellen. — Nägele '25) prüft die Berichte, die uns von Uhlands Jugend
und von seinen ersten dichterischen Versuchen melden. Aus Notters Erzählung ent-
nimmt er ein ziemlich frühes Erwachen und Erstarken des Glaubens an einen dichte-
rischen Beruf. Den Bericht der Witwe sucht er wenigstens zum Teile zu kommentieren
und ergänzt ihn aus einem Aufsatze von L. Bauer (Tübinger Ghronik 1862, N. 110—43).
N. stellt dann zusammen, was ihm von eigenhändigen Aufzeichnungen Uhlands aus
der Zeit bis 1804 bekannt geworden ist: 1. eine Brieftasche von 1799—1804(1805?);
sie wird ausführlich beschrieben, ihr Inhalt genau angegeben; 2. zwei Heftchen
poetischer Versuche, zum grossen Teil unbekannt; 3. 6 Hefte Gedichte, viele ungedruckte,
dann Varianten zu gedruckten ; 4. einige Hefte mit Abschriften aus N. 3, von Uhlands
eigener Hand; 5. Uhlands Tagebücher (beginnend erst mit 1808); 6. 4 Excerpthefte
in 4*^ auf der Tübinger Universitäts-Bibliothek mit Auszügen aus Tiecks Minneliedern
und aus dem Teuerdank (Ulm 1672); 7. die Uebersetzung des Thyest von Seneca,
ebenfalls auf der Tübinger Universitätsbibliothek. Mit Benutzung dieses Materials
giebt N. eine Tabelle der ersten 54 Gedichte Uhlands aus den J. 1800—4; 34 dieser
Gedichte sind noch an keinem Orte gedruckt, 10 von diesen Ineditis teilt N. selbst
mit und versucht zunächst die Gedichte der J. 1800 — 2 zu charakterisieren. Der
moralisierende Ton überwiegt; die früheste Gruppe ist Schulpoesie angelernten Stoffs
mid angelernter Form. Eine zweite Gruppe steht in engem Zusammenhange mit dem
Religionsunterricht und ergeht sich in biblisch-neutestamentlichem Stoffe. Eine dritte
Gruppe fasst N. als Gesinnungsgedichte zusammen und weist auf die reiche Nachfolge,
die sie in der späteren Lyrik Uhlands findet. Auch Naturlyrik macht sich schon
geltend, so in der „Bitte um Frühlingsvakanz". Wenig Raum nehmen die Gelegen-
heitsgedichte ein. Hymnenartige Strophen, „Der Dichter" betitelt, bilden den ersten
Versuch der Gedankenlyrik. Erzählende Dichtungen finden sich schon in der ersten
und zweiten Gruppe. 1802 schreibt Uhland eine Ballade in 11 Strophen „Das Lied
vom armen Vater"; sie ist ein Ansatz zum „Blinden König". Ueber das Ms. der
Thyestübersetzung giebt N. wertvolle Aufschlüsse, die Düntzers Bedenken gegen den
Kellerschen Text zum Teil rechtfertigen. Von der Dichtung der J. 1803 und 1804
stellt N. fest, dass Uhland im ersten Jahre wenig gedichtet habe: er trug sich mit
zwei epischen Stoffen aus Paulus Diakonus und Saxo (Alboin und Kunimund; dann
Helgo und Starkater). Die Ballade will noch immer nicht gelingen. Jetzt nimmt
Gelegenheitspoesie einen grösseren Raum ein. Das Schulmässige und Schülerhafte
wird im Laufe des J. 1803 abgestreift, das Empfindungsleben tritt stärker hervor und
schenkt uns eine Reihe sentimentaler Gedichte. 1804 entstehen die ersten, von Uhland
in seine Sammlungen aufgenommenen Balladen ; am liebsten bewegt sich Uhland auf
nordischem Boden und in einer Welt heroischen Lebens. In den rein lyrischen Ge-
dichten des J. 1804 ist Wehmut und Liebe die Grundstimmung. Gesinnungslyrik
stellt sich auch jetzt wieder ein; zu ihr, nicht zur Stimmungsdichtung zählt N. das
„Lied eines Hochwächters". In Anhangsform giebt N. dann noch eine Tabelle
von 42 Gedichten aus dem J. 1805; von den neun hier verzeichneten ungedruckten
Gedichten teilt N. vier mit und giebt wichtige Lesarten zu vier anderen. Jedenfalls
hat N. durch die Fülle neuen Materials und durch eindringende Untersuchung über
die ersten fünf Jahre Uhlandscher Dichtung helles Licht verbreitet. Möge er bald
d. Dichters. (= ÜB. N. 3021/2.) L., Reclam. 303 S. M. 0,40. — 116) X id-, Ausgew. Gedichte. L., Versandt-Bureau
(N. Fiedler). 16". 199 S. M. 1,20. — 117) X id., Dramat. Dichtangea. Ernst Herzog v. Schwaben, Ludwig d. Baier. (= ÜB.
N. 3023.) L., Eeclam. 126 S. M. 0,20. — 118) X id., Herzog Ernst v. Schwaben. Trauersp. in 5 Anfz. {= Bibl. d. Ges.-Litt.
d. In- u. Ansl. N. 648.) Halle a. S., Hendel. 72 S. M. 0,25. - 119) X (I 7 : 89.) - 120) X (I 7 : 90.) |[0. F. Walzel:
ZOG. 44, S. 785/6.JI — 121) X L. Uhland, Ludwig d. Bayer. Schausp. in 5 Aufz. (= Bibl. d. Ges.-Litt. d. In- n. Auslandes
N. 662.) Halle a. S., 0. Hendel. 79 S. M. 0,25. — 122) X id-, Ludwig d. Baier. Schausp. in 5 Aufz. In Stenograph. Schrift
nbertr. u. autogr. t. A. Schöttner. (= Reuters Bibl. für Gabelsberger-Stenographen N. 210.) Dresden, Wilh. Renter. 72 S.
M. 1,00. — 123) O L. Uhland: BurschenschBll. 7, S. 134,5. — 124) H. Düntzer, Uhlands Uebersetz. d. Thyestes v. Seneca:
VLG. 6, S. 308-19. — 125) E. Nägele, Beitrr. zu Uhland. Uhlands Jngenddichtung. Progr. d. Gymn. Tabingen (Arm-
IV 10:126-144 0. F. Walzel, Romantik.
den Rest der Inedita uns zugäng-lich machen. — Sprenger ^'^^) deutet jetzt in Uhlands
„Herzog- Ernst" 5, V. 1838 „seines Blutes Qualm" als „rauchendes Blut". — In
Uhlands Gedicht „Pilger" von 1806 hält Sprenger ^^t^ y 3 ^^ ^jg^, älteren Lesart
„durchblüht" (gegen die jüngere „durchglüht") fest. — Zu dem „Wirte wundermild"
der „Einkehr" bringt Sprenger ^^8^ ferner eine Parallele aus Konrads von Fusses-
brunnen „Kindheit Jesu" (ed. Kochendörffer V. 1474 ff.) bei, in der er die Quelle
des von Uhland gebrauchten Bildes erblickt. — Im „Kastellan von Coucy" empfindet
die Dame von Fayel, nachdem sie das Herz des Sängers gegessen, unbezwingliche
Wehmut; Sprenger '29) betont, dass Uhland diesen Zug aus seiner französischen
Quelle hat, während das Herzmäre Konrads von Würzburg der Dame entgegen-
gesetzte Empfindungen leiht. Sp. stellt noch verwandte Geschmacksgegensätze zu-
sammen.'äo) — Gegen Düntzers Interpretation sich wendend, behauptet Heintze'^'),
dass Uhlands „Schwarzer Ritter" nur die „furchtbare Macht des Todes" schildere. —
Weymann 1=^2^ stellt einen antiken Schwabenstreich bei Paulus Orosius 5, 4, 5 f. fest;
er gemahne an Uhlands „Schwäbische Kunde", beziehungsweise an Uhlands Quelle,
die Annales Suevici von Crusius. — Flaischlen'33) teilt, anknüpfend an den Auf-
satz H. Steinthals (ZVölkerpsychol. 11, S. 28 ff.) die ihm geläufige volkstümliche Form
von Uhlands „Gutem Kameraden" mit, stellt die Abweichungen fest und versucht sie
zu erklären. '34- 138J —
Den echten Romantiker Justinus Kerner hat Roden b er gi^^) stimmungs-
voll geschildert. Gerade das romantisch-deutsch Sehnsüchtige, das Unbestimmte und
Unbestimmbare kommt in Kerner zur Geltung, der von dem grösseren Freunde
Uhland das unmittelbare, nicht erst durch die Gelehrsamkeit ermittelte Verständnis
voraus hatte. Dem mächtigen Zauber der Persönlichkeit Kerners gieb.t sich seine
Umgebung hin. Mit Dingelstedts Worten zeigte R. uns den greisen Kerner und
sein Riekele und ergreifend berichtet er von des Dichters Erblindung, auch hier
Dichterworte den eigenenBetrachtungen einschiebend. '39a) — Thomassin-St. Paul '^o)
handelt, an Gabriel Max neueste Darstellung der Seherin von Prevorst anknüpfend,
über die unglückliche Kranke. Er meint, sie sei stark der Autosuggestion zu-
gänglich gewesen. Ihre Gedichte möchte er nicht auf Kerners Rechnung setzen;
sie verrieten ein grösseres Talent. Die philosophischen „Wahrheiten", die sie er-
schaute, gemahnen an verwandte indische Vorstellungen; Th.-St. P. stellt indessen die
indischen Hellseher viel höher und kann Kerners Interesse nicht durchaus be-
greifen.'*') — Sprenger '*2j erblickt in Longfellows „Walter von der Vogelweide"
eine Uebersetzung des gleichnamigen Gedichtes von J. Kerner. Schanzenbach
hingegen weist nach, dass nicht Longfellow, sondern Kerner der Uebersetzer sei. —
Einige Artikel zum Seh wab- Jubiläum 1892 sind im Vorjahr übersehen
worden. Lebendig schildert Schienther '''3) die Bedeutung, die Schwab heute noch
für die deutsche Knabenwelt hat. Ihm imponiert der Mann, der so schlicht und
kräftig einen grossen Gegenstand ergreifen und ihn vor ein offenes Knabenherz zu
stellen wusste. Ueber Schwabs Balladen kühler urteilend, feiert Seh. ihn noch als
den Sänger der alten Burschenherrlichkeit, erblickt in Schwabs Haus einen Mittel-
punkt sinnigen und innigen Geisteslebens und gedenkt seines Wandertriebes, der
ihn auch nach Berlin führte und ihm die Mark und ihre Dichter nahe brachte.
Schwab war nicht ein eigentlicher Liebling des Volkes. Auf goldener Mittelstrasse
wandelnd, wendet er sich an ein etwas mehr als mittleres Bildungsniveau. — In
Ebners ''*^j Festartikel tritt Kerner, der „die romantischen Neigungen sein Leben
lang nicht ganz überwinden konnte", dem „in sich selbst gefestigten" Schwab
gegenüber in ein ungünstigeres Licht. Reiner und hingebender habe kein Dichter
seinen Beruf gefasst als Schwab; weise und verständig hielt er mit seinem Pfunde
Haus. Von der vielbesprochenen Sentimentalität der Schwaben findet sich bei ihm
brnstor & Kiecker). 48 S. - 126j R. Sprenger, Zu Uhlands Herzog Ernst: ZDU. 7, S. 143. — 127) id., Zu uhlands „Pilger" :
ib. S. 561. — 128) id.. Zu Uhlands „Einkehr^: ib. S. 627/8. - 129) id.. Zu Uhlands Kastellan v. Coucy: ib. S.634. — 130)X
id.. Zu Uhlands „D. Sängers Fluch": ib. S. 687. (Wertlose Parallelstellen zu Vers 11.) — 131) A. Heintze, Uhlands
Ballade „D. schwiirze Kitter«: ib. S. 669-72. — 132) C. Weymann, Antiker „Schwabenstreich": ZVLR. 6, S. 403. — 133) C.
Flaischlen, Z. Volksdichtung (Uhlands „D. gute Kamerad"): ZVVolksk. 3, S. 79-84. - 134) O R. Sprenger, Zu Uhlands
Volksliedern u. Simrocks dtsch. Mythol.: Urquell 4, S. 33/4. - 135) X W. Crem er, Uhland u. d. Fremdwörter: ZADSprV.
S. 79-80. (Zeigt an e. Citate .aus Uhland, wie sorgfältig er d. Fremdwort meidet.) — 136) X Erich Schmidt, Vortr. in
GDL. (März): DLZ S. 1371. (Seh. legt aus d. Samml. v. Prof. Keller in Prag Autographe v. Uhlandschen Gedichten U.V.Briefen
Preiligraths an Uhland vor.) — 137) X E. Brandes, Beitrr. zu Uhland (vgl. JBL. 1892 IV 10:92). |[L. Kölscher: ASNS. 91,
a 1189; A. Sauer: DLZ. S. 1540.]| - 138) X (I 2 : 24.) - 139) J. Rodenberg, J. Kerner. Z. 30j. Gedenkt, seines Todes:
Didask. 1892, N. 44. (Auch MünchNN. 1892, N. 83.) - 139a) X Agnes Willms Wildermuth, Erinnerungen an D. Strauss
u. J. Kernor: SchorersFamilienbl. S. 15.'j,7. (Plauderei über Strauss Hochzeit mit d. Sängerin Schebest; K. improvisierte e.
Trinkspruch.) -- 140) Ch. de Thomassi n-St. Paul, ,1. Kerner u. d. Seherin v. Prevorst: KZg. 1892, N. 320. — 141) X
(IV 8b : 12; S. 00-95 Varnhagen an Goethe, S. 82 gedenkt er d. Absicht Hegels, gegen d. „Seherin v. Prevorst" öffentl. sich
zu äussern.) — 142) R. Sprenger, Longfellows „Walter v. d. Vogelwoide", e. Uebersetz. aus d. Deutschen: ZDU. 7, S. 275/7.
(Vgl. 0. Schanzenbach: ib. S. 081/3; R. Faust;: ib. S. 684/6.) - 143) P. S[chlenthe r]. Zu Ehren G. Schwabs: VossZg. 1892,
N. 281. — 144) Th. Ebner, G. Schwab. E. Erinnerungsbl. zu seinem lOOj. Geburtst.: Didask. 1892, N. 140. — 145) X Z.
E. Elster, Das jung-e Deutschland. IV10:U5-i63 IVll-.i-is
keine Spur. Wenn Schienther in Schwab den „grössten Biedermann" unter den
deutschen Dichtern sieht, so ist durch dieses Woi't das Philisterhafte der Pei'sönlich-
keit Schwabs g-enugsani gekennzeichnet. E. scheint diese Philisterhaftigkeit über
Kerners geistvollere Lebhaftigkeit setzen zu wollen. i'*^'') — Sprenger'*^) zeigt, dass
Schwabs Gedicht „Kaiser Heinrichs Waffenweihe", Gerberlohe und die Lohe des
Schmiedefeuers verwechselnd, einen Schmied Leder gerben lasse. '^ö'^''^'') —
IV,11
Das junge Deutschland.
Ernst Elster.
Allgemeines N. 1. — Börne N. 4. — Heine: GesaratcliarjiTtteristik N. 6; Leben N. 24; Werke: Ausgaben N. 29;
üebersetzungen N. 40; Untersuchungen N. 47. — Gutzkow N. 55. — F. Steinmann N. 56. —
Das Berichtsjahr hat über die Schriftsteller des jungen Deutschland zwar
vielerlei, aber nicht viel zu Tage gefördert; die Presse äusserte sich noch nachträg-
lich über die allgemeinen Darstellungen der Epoche von Brandes') (vgl. JBL. 1890
IV 14:1) und Proelss^) (vgl. JBL. 1892 IV 11:1), Dekan Kapff») berührte in einer
von Irrtümern nicht freien Abhandlung über Litteratur und Christentum auf wenigen
Seiten auch das junge Deutschland, ohne aber mehr als eine sehr oberflächliche Sach-
kenntnis zu verraten. —
In guten Zeitungsartikeln wurde einiges zu Börnes Biographie beigesteuert:
Bock*) erzählte von dessen Studentenleben in Giessen und Holzamer^) nach den
Kriminalakten des Frankfurter Archivs von Börnes Verhaftung zu Frankfurt am
22. März 1820. —
Wenn in diesen Artikeln ruhige Forschung das Wort führte, so erhob sich
dagegen über Heine und seine Gesamtcharakteristik der alte ingrimmige Partei-
hader^) in höchst tumultuarischer Form. Die Düsseldorfer Stadtverordneten hatten
nämlich in ihrer Sitzung vom 24. Jan. 1893 abermals eine Verhandlung über das
dem Dichter zu setzende Denkmal anberaumt, nachdem schon fünf Jahre zuvor der
Platz dazu bewilligt worden war. Dieser ältere Beschluss wurde jetzt auf den Antrag
Beckers hin aufgehoben, der Platz für das von Prof. Herter bereits entworfene Monu-
ment verweigert. Dieser Vorgang in Düsseldorf fand in der Presse'" '-) und in Flug-
schriften eifrige Besprechung. B"ür die Erkenntnis von Heines Wesen kam freilich
so gut wie nichts dabei heraus. — Der deutschsociale Verein Düsseldorfs sandte vor
jener Verhandlung einige Aufsätze von König- Witten '3^, die dieser bereits 1888
über den „Schmutzfinken im deutschen Dichterwald" veröffentlicht hatte, aufs neue in
Erinnerung an G. Schwab: ib. N. 143. (Aus d. SchwäbMerk. wird d. v. E.Paulus bei d. Schwab-Gedenkfeier d. Stuttg. Lieder-
kranzes vorgetragene Festgedicht abgedr.) — 145 a) X Ph. Stein, G.Schwab. E. Säkularerinnernng z. 19. Jani: FeuilletZg. 1892,
N. 415. — 146) ß. Sprenger, Zu Schwabs Gedicht Kaiser Heinrichs Waffenweihe: ZDÜ. 7, S. 687. — 146a) X Wie e.
schönes Gedicht entstand. Gedenkbl. zu G. Schwabs 100. Gebnrtst.: Tglßs«. 1892, N. 141. (Anekdotenhafte Entstehnngs-
gesch. d. Ballade „D. Gewitter" [1828].) — 147) X 0. Behaghel, W. Hauff, Werke. Her. v. M. Mendheim (vgl. JBL. 1892
IV 10 : 115): LBlGRPh. S. 158/9. (B. tadelt d. Textbehandlung.) - 148) X W. Hauff, Werke. Her. u. erlänt. v. F. Bobertag
(vgl. JBL 1892 IV 10: 117). i[Eug. Wolff: ML. 62, S. 77; Söhns: COIRW. 21, S. 379-80.]| — 149) X id-. Werke. Her. v.
C. Flaischlen (vgl. JBL. 1892 IV 10: 116). |fN&S. 65, S. 411; Geg. 43, S. lll.JI — 150) O id., Sämtl. Werke in 6 Bdn. Mit
biogr. Einl. v. Herrn. Fischer. St., Cotta. 1737 S. M. 6,00. — 151) X id., Gedichte u. Skizzen. (= Bibl. d. Ges.-Litt. d.
In- u. Auslandes. N. 725.) Halle a. S., Hendel. 99 S. M. 0,25. -■ 152) X id , Lichtenstein. St., Cotta. 348 S. M. 1,00.
— 153) X id., Märchen, ebda. 336 S. M. 1,00. — 154) X id-, Ansgew. Märchen. L., Gressner & Schramm. 12'». 63 S.
M. 0.50. — 155) X id-, Wirtshans im Spessart. With notes, vocabulary etc. London, Hachette. Sh. 2/6. — 156) X id.,
Wirtjnaus im Spessart, with notes, by G. Eng. Fasnacht. London, Macmillan. 12». Sh. 3. |[Ath. 2, S. 623.J| — 157) X id-,
Wirtshiius im Spessart, by Schlottmann and J. W. Cartmell. (= Pitt Press Series.) Cambridge, Warehouse. 12". X,292S.
Sh. 3. |[0. F. Walzel: ZOG. 44, S. 786.]i — 158) X id-, L-Jngnose the Dwarf, and other Fairy T.iles w. plates. London,
Sonnenschein. Sh. 26. — 159) X id-, Little Glass Man etc. Stories from the German. ill. (= Childrens Library.) London,
ünwin. 12». Sh. 2,0. - 160l X (IV 1 d : 43.) |[W. Wallace: Ac. 44, S. ll.J| — 161) X Wilh. Hauff, Jud. Süss. Novelle,
bearb. v. H. Erdmann. L, E. Werther. 120 S. Mit 1 Bild. M. 0,75. — 162)0 A. Kopp, Reiters Morgenlied : BarschenschBU. 7,
S. 144 7, 1713, 264,7, 233,6. (Stellt d. Gedichte Hauffs d. Lieder v. Günther u. Hunold gegenüber; vgl. JBL. 1892 IV 10:115.)
- 163) O (in 2 : 41.) -
1) X N&S. 66, S. 134/5; ÖLBL 2, S. 461/3; J Thorel: BDM. 119, S. 337-53. - 2) X J- Minor: DLZ. S. 1000/2;
L. Marholra: N&S. 65, S. 200-10; J. Krejci: Ath. 10, S. 251,-2; SchwKs. 2, S. 1014; 0. F. Walzel: ADA. 19, S. 176-85;
G. Morgenstern: Ges. S. 2445. — 3) (IV la:13; 8a: 71.) — 4) Ä. Bock, Börne in Giessen: FZg. N. 249. — 5) W.
Holzamer, D. Verhaftung L. Börnes am 22. März 1820: ib. N. 108. — 6) X H. Keiter, H. Heine (vgl. JBL. 1891 IV 12:4):
ÖLBl. 2, S. 205/6. — 7) X E. Peschkau, Kunstpolizei. Glossen z. Heine-Denkmal: SchorersFamilienbl. 8. 174/5. — 8) X
P. Heyse, Heine in Düsseldorf: Zukunft 2, S. 451/4. (Vgl. N. 20.) - 9) X H. Heine u. d. Kleinen v. d. Seinen: Grenzb. 1,
S. 3914. — 10) X J- Legras, La statue et TAlmanach de H. Heine: RPL. 1, S. 578,9. - - 11) X Dusseldorf et le monument
de Heine: BURS. 57, S. 630/1. — 12) X K. Henckell, Heines Denkmal in Düsseldorf 1893: FZg. N. 34. (Vgl. N. 20.) —
13) König- Witten, U. Heine, d. Schmutzfink im dtsch. Dichterwald. Düsseldorf, E. Schaber (L., H. Beyer). 32 S. M.0,20.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratargeschichte. IV. ('^)>^-
IV 11 : 14-27 E. Elster, Das junge Deutschland.
die Welt. Sie behandeln Heines Stellung* zum Christentum, zu Deutschland und Preussen
und stellen Aeusserungen des Dichters zusammen, durch die seine bekannten Ver-
sündigungen in grellste Beleuchtung gerückt werden. Dabei fehlt es nicht an Irr-
tümern: so z. B. wird behauptet, dass Heine auch Immermann und „den genialen
Grabbe" „wie ein bissiger Köter" angefallen habe. Ein besonderes Kapitel handelt
über „Heine als Vater der Revolverpresse" und erörtert seinen unsauberen Feldzug
gegen seine ebenso unsaubere Hamburger Verwandtschaft. — Allen, die Lust hatten,
für ein Heinedenkmal einzutreten, hat ein Pseudonymus^*) ein Schriftchen über
Heinrich Heine als Antisemiten und Nihilisten „mitleidsvoll gewidmet". Auch er hat
wie König- Witten die Schriften des Delinquenten ziemlich genau angesehen ; er urteilt
nach dem Gesetzbuch der katholischen Kirche wie jener nach dem Antisemiten-
Katechismus. Zunächst werden Heines antijüdische Kundgebungen angeführt, dann
diejenigen gegen das Christentum, den Protestantismus, den Katholizismus, Deutsch-
land, Preussen, die Monarchie, das Volk und gegen die Bourgeoisie, endlich „der
deutsche Charakter und das deutsche Gemüt" beleuchtet; und das Ergebnis ist eben,
dass der Dichter ein sittlicher Nihilist sei. — Gegenüber solchen Angriffen suchte
Heinrich Fränkel^^) die nationale Gesinnung Heines darzulegen und führte zu
diesem Zwecke eine Anzahl bekannter Stellen aus den Gedichten und Prosawerken
an, die von echt patriotischen Stimmungen zeugen. — Bartels ^^) versuchte in einer
„Art Apologie" ohne genauere Kenntnis der neueren Forschung und auch ohne tiefere
Auffassung in einer Gesamtwürdigung Heines den Dichter zu „retten", während er
den Schriftsteller und Journalisten „ruhig fallen" Hess. — Endlich aber gab die
Denkmalsangelegenheit auch Anlass zu begeisterten Kundgebungen für den „ge-
schmähten Dichter" i"^-'^): Lachmanski ^0) verrät freilich mehr guten Willen als
kritische Geschicklichkeit, er beherrscht den Stoff nicht, bleibt abhängig vom Urteil
anderer, führt (S. 18) ein angebliches Gedicht Heines an, das Elster längst als nicht
von diesem herrührend erkannt hatte, und versäumt es, den begründeten Vorwürfen,
die gegen den Dichter erhoben worden sind, ehrlich und umständlich zu Leibe zu
gehen; es ergiebt sich eben dann zweifellos, dass auf dem hochbegabten, jetzt oft so
schmählich verkannten Dichter viel, sehr viel hängen bleibt, was kein anständiger
Mensch, welcher Partei er auch angehöre, gutheissen kann. — Mit solchem Mass-
stabe tritt man freilich nicht dem Heine- Almanach^") gegenüber, den die Litterarische
Gesellschaft zu Nürnberg in die Welt gesandt hat. Er enthält poetische und pro-
saische Aeusserungen zahlreicher Schriftsteller über Heine und insbesondere über den
Beschluss der Düsseldorfer Stadtväter in Betreff des Denkmals. Dieses über 200 Seiten
starke Büchlein birgt sehr ungleiche Urteile über den Dichter: da sind solche, die
ihn wegen seiner süssen Romantik bewundern, solche, die in ihm einen Vorläufer
des modernen Naturalismus begrüssen, solche, die seine Hinneigung zu socialdemo-
kratischen Doktrinen mit Freuden erkennen; und in der That von Elise Polko zu
Zola, M. G. Conrad, Leo Berg, Bertha von Suttner usw. ist ein weiter Weg. Aber
fast durchweg sind es gute Leute und schlechte Musikanten, die hier das Wort er-
greifen; von Heines Geist ist kaum einer dieser Verehrer erfüllt: am besten sind
Heyses und Henckells Verse, und auch Lorms „Zwiegespräch auf Korfu" ist originell
aus Heineschen Versen zusammengestellt. Im ganzen aber herrscht eine erschreckende
Geistesarmut in diesem Almanach, was bei der anfechtbaren Auswahl der Mitarbeiter
nicht zu verwundern ist. — Als das Düsseldorfer Denkmalsprojekt gefallen war,
wurde Mainz^^) dafür in Aussicht genommen, und bereits im April 1893 machte man
in Protestversammlungen geltend, dass diesem „Lotterbuben" Heine, der „zu sieben Achtel
ein Lump und zu etwa ein Achtel ein Schwein" gewesen sei, zu Mainz „selbst auf
dem Viehhofe" kein Denkmal gebühre^^), — Dagegen hiess es, dass die Deutschen
in New-York im dortigen Centralpark dem Dichter des Buchs der Lieder ein Monu-
ment errichten würden^^). —
Zur Erkenntnis von Heines Leben^*"^^) ti-ug Eugen Wolffs^'') Veröffent-
— 14) „Dr. J. Stuarstecher", H. Heine, d. Antisemit n. Nihilist. Bausteine z. HeinedenTcraal aus Heines sämtl. Werken
zusammengetragen. Köln, Bachern. 55 S. M. 1,00. |[LZg. N. 57; DAdelsbl. S. 409-10; KonsMschr. S. 928; ÖLBl. 2, S. 397/S.]|
— 15) Heinr. Fränlcel, H. Heine als Ueutschnationaler: VolksZg. N. 223. — 16) Ad. Bartels, H.Heine. E. Art Apologie:
Didask. N. 115/7. — 17) O K. Soipio, D. Würdigung H. Heines: BerlTBl. N. 10/4. — 18) X Bulgarus, Glossen z. Zeitgesch.
G. Schmoller u. H. Heine: Nation«. 10, S. 475. — 19) H. Lachmanski, Düsseldorf u. H. Heine. E. Würdigung d. ge-
schmähten Dichters. B., Friedrichstädt. Buchh. 31 S. M. 0,50. — 20) Heine-Almanach. Als Protest gegen d. Düsseldorfer
Denkmalverweigerung. Her. in Verbindung mit hervorrag. Schriftstellern v. d. Litt. Ges. in Nürnberg. Nürnberg, C. Koch.
V, 217 S. M. 2,00. |[AZgi>. N. 134; L. Berg: NatZg. N. 409; Spektator: ML. 62, S. 310; H. Lorm: NFPr. 11. März.]| —
21) X BerlTBl. N. 192. - 22) Zwei Kundgebungen für n. gegen H. Heine: ib. N. 218. — 23) ib. N. 196. — 24) X L.
van Embden, H.Heines Familienleben (vgl. JBL. 1892 IV 11:12). |fK. Frenzel: NatZg. N. 48; M. Bernstein: Nation«. 10,
S. 228-31; K. E. Franzos: DDichtung. 13, S. 94/7, 126/7; R. M. Lintock: Ao. 43, S. 364/5; Geg. 43, S. 239; E. Elster:
BLU. S. 4/7; id.: LCBl. S. 21; A. Sauer: DLZ. S. 395; KonsMschr. S. 231/2; L. Pränkel: Geg. 44, S. 21,3; DR. 2, S. 142/3;
G. Morgenstern: Ges. S. 244/5; P. v. Szczepänski: VelhagenKlasingsMh. 2, S. 222; BÜRS. 57, S. 404/7; Polybibl''. 67,
S. 363,5; J. Legras: ECr. 35, S. 228; WestmR. 139, S. 212/3; H. Hüffer: DKs. 76, S. 288/9.]l (Engl. Uebersetz. v. C. G.
Lei and. London, Heinemann. Sh. 5.) — 25) X J- Mähly, Ph. Audebrand, Petita Memoires (vgl. 1892 IV 11:6): AZgB.
N. 66. — 26) X G- Karpeles, Neues über Heine: NFPr. N. 10353. (Gute Besprech. v. JBL. 1890 IV 14:27.) — 27) Eug.
Wol ff, Briefe V. H. Heine an H. Laube. (= Urkk. z. Gesch. d. neueren dtsch. Litt. I.) Breslau, Schles. Verl.-Anst. 63 S. M. 1,50.
E. Elster, Das jung-e Deutschland. IV 11 : 27-47
lichung' von Briefen des Dichters an Laube bei: in den umfangreichen witzigen
Schriftstücken nimmt Heine insbesondere auf seinen Streit mit Gutzkow, auf den
Druck des „Atta Troll" und auf den Erbschaftszwist mit den Hamburger Verwandten
Bezug: am wichtigsten sind die Bemerkungen und neuen Lesarten zum „Atta Troll";
aber auch sonst erfahren wir manches Interessante, und namentlich der Brief vom
12. Okt. 1850 ist äussert charakteristisch; die Sprache der Briefe ist wiederum von
bösen Fehlern nicht frei. Leider hat der Herausgeber, der sich mit einmaligem Ab-
druck der Dokumente hätte begnügen können, sich veranlasst gesehen, „wenige neben-
sächliche Bemerkungen, die auch im Ausdruck anstössig erschienen", auszumerzen.
Seine erläuternden Anmerkungen sind der Sache entsprechend ausgefallen, nur wäre
etwa nachzutragen, dass der nach Aussage des Briefes vom 3. Sept. 1840 von der
Redaktion der „Allgemeinen Zeitung" zurückgesandte Artikel Heines jetzt g-edruckt
vorliegt (in Elsters Ausgabe Bd. 7, S. 351/2). — Wenig glücklich war Karpeles^»)
mit einem Artikel über Heine und Mignet, da nämlich der Brief Heines, durch den
der Artikel angeregt worden, dem deutschen Publikum durch den Abdruck in der
„Täglichen Rundschau" bereits seit längerer Zeit bekannt war ("vgl JBL. 1890 IV
14 : 25). Wenn K. seine Uebersetzung des Briefes als „an Heines Art und Weise
hintastend" bezeichnet, so hat ihn dieses Tastgefühl bei der Wiedergabe von „acide
prussique" („Blausäure") durch „Berliner Blau" leider ganz im Stiche gelassen, —
Von Neudrucken der Werke Heines erwähnen wir zunächst die neuen Auf-
lagen der Gesamtausgaben von Elster 2*') und Karpeles*^"): erstere ist gegenüber
der ersten Auflage von 1890 nur wenig verändert; sie enthält etliche Textbesserung-en
im einzelnen und einen Nachtrag zu den Lesarten des Buchs der Lieder; letztere
bietet die ersten 7 Bände auch in nahezu unveränderter Form, bringt aber zu den in
Bd. 8 und 9 abgedruckten Briefen umfangreiche Zusätze, namentlich die 1892 ver-
öffentlichten Familienbriefe Heines, die oben erwähnten Briefe an Laube usw., sodass
die Sammlung um 178 Nummern bereichert worden ist. — Andere Neudrucke der
Werke sind belanglos.^'"^^) — Sehr ansprechend ist Hess eis ^3) Sammlung von
Heines „Meerdichtungen": sie umfasst alle Seegedichte des Buchs der Lieder usw.
und von Prosastücken das kleine Fragment „Ramsgate", die dritte Abteilung der
„Nordsee" („Nordern ey"), soweit sie Schilderungen des Meeres- und Insellebens enthält,
sowie endlich den „Fliegenden Holländer" aus dem „Schnabelewopski". Ist schon
diese Auswahl geschickt und erfreulich, so ist die im Anhang beigeg-ebene Ab-
handlung über „Heinrich Heine als Dichter des Meeres" noch grösseren Lobes wert.
Die Dichtungen werden hier in geschmackvoller Form durch die Lebensumstände
Heines erläutert, insbesondere die beiden ersten Nordseecyklen durch die Liebe zu
Therese. Eine kühne und zweifelhafte Hypothese H.s, dass die drei letzten Gedichte
des ersten Cyklus durch Heines Glaubenswechsel zu erklären seien (vgl. KZg. 1892,
N. 426, 434), wird hier mit geistreicher Begründung wiederholt. — Andere Ausgaben
ausgewählter Werke^*) sowie Abdrucke von Gedichtsammlungen^^'^") und Prosa-
werk en^**" 39) Heines sind ohne wissenschaftlichen Wert. —
Die Uebersetzungenins Italienische***), Englische*'"**) und Kleinrussische*^)
waren uns zum Teil unzugänglich.*^) —
Von den Untersuchungen über Heines Schriften erwähnen wir zunächst
die treffliche Abhandlung Lichtenbergers*'') über Heines poHtisch-sociale An-
schauungen, eine objektive, auf gründlicher Kenntnis aufgebaute und sehr ansprechend
|[E. Elster: BLU. S. 447; N&S. 66, S. 273;4; A. Sauer: DLZ. S. 14501; F. Schnürer: ÜLBl. 2, S. 523/4; Presse N. 94.]|
— 28) G. Karpeles, Heine n. Mignet: FZg. N. 164. — 29) H. Heine, Säratl. Werke, her. v. E. Elster. Neuer Abdr. 7 Bde.
L. u. Wien, Bibliogr. Inst. 122 u. 576, 555, 579, 634, 554, 635, 655 S. M. 16,00. — 30) id., Ges. Werke, her. v. G. Karpeles.
2. verb. n. verm. Aufl. 9 Bde. B., Grote. LXXV, 402 S.; XIX, 590 S.; XXII, 403 S.; XXIV, 380 S.; XXXIV. 463 S.; XVII,
481 S.; XVII, 505 S.; X, 618 S.; 579 S. M. 22,50. — 31) X id., Säratl. Werke Mit e. biograph.-litterarhlst. Einl. v. St. Born.
St., Cotta. 272, 326, 259, 228, 248, 287, 254, 272, 288, 276, 320, 312 S. Mit Bild. M. 12,00. (B.s Einl. stammt aus d. J. 1886,
ist daher hier nicht zu besprechen.) — 32) X Dasselbe in 12 Bdn. (= Cottas Volksbibl.) ebda. 12». 228, 307, 246, 191,
220, 252, 228, 247, 246, 240. 284, 276 S. Mit Bild. M. 6,00. — 33) id., D. Nordsee. Meerdichtnngen. Nebst e. Anh.: H. Heine
als Dichter d. Meeres v. K. Hessel. Norden, Braams. 12". IV, 180 S. M. 3,00. — 34) O X id., Ausw. aus sämtl. Ge-
dichten, für dtsch. Frauen u. dtsch. Jugend zusamniengest. u. mit Vorw. u. Biogr. vers. v. D. Eckart. L. u. Baden-Baden, C.Wild.
12». XLIII, 227 S. M. 3,50. ||LZg. N. 296.J - 35) X id.. Buch d. Lieder. {— Bd. 1 v. N. 31.) - 36) O X id.. Buch d. Lieder.
3. Aufl. St.. Krabbe. 12". XYI, .332 S. M. 3,00. |(DRs. 77, S. 475.]| — 37) X "d . Buch d. Lieder. L., Fiedler. 16». IV,
269 S. M. 1,50. (Mit „Heines Leben" [2 S.] v. M. M[endheimJ. Text nicht gut, nach Strodtmann, Gedichte eingefügt, d.
nicht ins B. d. L. gehören.) — 38) O X id.i D. Harzreise. Für d. reifere Jugend bearb. L., Gressner & Schramm. 12». 60 S.
M. 0,50. — 39) X id., Extraits des ceuvres en vers et en prose, annotes par A. Girot. Paris, Delagrave. VIII, 100 S. (Z.
Unterricht für Franzosen; vorangeschickt e. „Notice biograph."; Ausw. gut.) — 40) X Da Enr. Heine: nuove traduzioni dl
D. Menghini. Milano, Galli di C. Chiesa e F. Guinduni. 16». 34 S. — 41) X X H. Heine, Salon, French afl'aires (Lutece),
Lettres from Paris, 2 vols. Transl. bei C. G. Leland. London, Heinemann. Sh. 5. ||NQ. 4, S. 239; Ac. 44, S. 313/4. 440/1;
Satnrdayß. 76, S. 497/8.]| ~ 42) O id., Lyrics and Balhids. Transl. by Francis Hellmann. London, Pntnams Sons. 16».
250 S. Sh. 7/6. |[ML. 62, S. 146; AZg». N. 18; Ac. 43, S. 364,5.]| (Dasselbe Werk scheint vorzuliegen in „Heine and other
German Poets, Lyrics and Ballads, transl. by F. Hellroann. ebda. 12». Sh. 6.) — 43) O id., Poems and Ballads, in English
Verse, by Sir T. Martin. 3. ed. London, Blackwoods. Sh. 5. — 44) X Elizabeth A.. Sharp, H. Heine, Italian travel (vgl.
JBL. 1892 IV 11 : 18): Ac. 43, S. 128. — 45) X Heines Werke in kleinruss Uebersetz.: ML. 62, S. 81. — 46) O H. Parlow,
D. Spanier n. H. Heine: BerlTBl. N. 3.54. — 47) H. Lichtenberger, Les th6ories sociales de Henri Heine: AnnRst. 7,
(4)32*
IV 11 : 47-48 E, Elster, Das jung-e Deutschland.
g-eschriebene Arbeit. L. deckt die Motive von Heines oppositioneller Richtung-
ähnlich wie andere vor ihm auf: als Rheinländer unter der Napoleonischen Herrschaft
aufgewachsen, beobachtet der Dichter als Student die Unterdrückung der Burschen-
schaft, erfährt als Schriftsteller die endlosen Plackereien der Censur, als Mensch die
tief wurzelnde Abneigung- gegen das Judentum, und so wird er, durch seine persönliche
Lage der preussischen und deutschen Heimat überdrüssig, in das Lag-er der Oppo-
sition getrieben und fühlt sich mit Stolz als einen Vorfechter der Armen und
Unterdrückten. Aber mit dieser Rolle des Volkstribunen blieb Heines romantische
Dichternatur in dauerndem Widerstreit. In Paris schien der Saint-Simonismus, über
den L. sehr gut berichtet, diesen Gegensatz seines Wesens überbrücken zu wollen:
Heine fand hier Nahrung für seine demokratischen Bestrebung-en und seinen künst-
lerischen Geschmack;, aber er unterschied sich doch bald von jenen Doktrinären
durch die Ansicht, dass nur durch eine gewaltsame Revolution den neuen Ideen zum
Durchbruch verholfen werden könne. Der baldige Zerfall der saint-simonistischen
Schule musste Heine vollends über deren Einseitigkeiten, ja Lächerlichkeiten auf-
klären. Aber in der Negation verharrte er beim Alten, er fuhr fort. Thron und Altar
zu bekämpfen. Dabei war er durchaus nicht reich an neuen Gedanken: er wieder-
holte nur mit grösserem Hailoh und grösserer Heftigkeit die seit längerer Zeit vom
Liberalismus ausgegebenen Schlagwörter. Sein sogenanntes Exil war durchaus frei-
willig, nichts ist unrichtiger als Heine für einen Märtyrer seiner politischen Ueber-
zeugungen zu halten. Er überwirft sich daher auch bald mit den Radikalen und
verharrt bei solcher Gesinnung auch nach der Revolution von 1848. Andererseits
gewinnt er frühzeitig der socialistischen Bewegung ein starkes Interesse ab, pro-
phezeit mit bemerkenswertem Scharfsinn ihre künftige Bedeutung, wird aber als
Dichter und Künstler von Grauen erfüllt, wenn er an den endlichen Sieg' dieser trost-
losen Gleichmacherei denkt. Heine ist ein politischer Dilettant, ein Künstler, der
eine Liebhaberei für Politik besitzt, ein Mann von ausgeprägter Subjektivität, zum
Tribunen ganz ungeeignet und viel mehr zur Klasse derjenigen Menschen gehörig,
die kein anderes Gesetz als ihr individuelles Vergnügen kennen (S. 408); er ist ein
politisches „enfant perdu", wie er sich selbst nennt. Er liebte als echter Dichter das
schlichte Volk aufrichtig, aber nicht das souveräne Volk, und wenn S. Majestät das
Volk ihm die Hand drücken sollte, so würde er sich diese gleich darauf waschen.
Eristeinvom Skeptizismus durch und durch erfüllter Dichter, aber wir müssen bedenken,
dass die letzte Wahrheit in den schwierigen Fragen des sopialen Lebens auch heut-
zutage noch niemand durchschaut hat. Heine hat das Verdienst, als politischer Schrift-
steller mit oft bewundernswerter Feinheit einen Seelenzustand aufgedeckt zu haben,
der zu seiner Zeit häufig anzutreffen war und auch jetzt, nachdem mehr als 40 Jahre
verflossen sind, noch weit verbreitet ist. Erschöpfend ist L.s anregende Darstellung
nicht, er berührt Heines schwankendes Verhalten in den J. 1828 und 1837 teils gar
nicht, teils zu flüchtig, er hebt keineswegs alle Widersprüche in seinen Aeusserungen
hervor, er urteilt zu milde über die französische Staatsunterstützung, die der deutsche
Dichter bezogen hat. Von Einzelheiten bemerken wir (zu S. 263), dass Heine gelegent-
lich auch in seinem Napoleonkultus geschwankt hat (vgl. Elsters Ausg. Bd. 4, S. 517),
dass der Name „Junges Deutschland" (S. 379) keine Erfindung des Bundestages
(L. schreibt fälschlich „Bundesrat") war, dass Verhaftsbefehle gegen Heine (S. 380)
1844 und in den folgenden Jahren in Preussen thatsächlich vorlagen, und dass unter
den nach der Revolution von 1848 verfassten Gedichten Heines das von Elster
wieder aufgefundene „Michel nach dem März" (Bd. 2, S. 187) besonders charak-
teristisch ist. Die Vorzüge von L.s Arbeit bleiben aber durch diese Einwände un-
berührt.— Eine nicht wertlose, aber im einzelnen oft anfechtbare Abhandlung über die
rheinischen Eigentümlichkeiten in Heines Schriften hat Zillgenz^^) veröffentlicht.
Bei einer solchen vorwiegend sprachlichen Untersuchung war es die Hauptsache,
einen sauberen und zuverlässigen Text zu Grunde zu legen. Z. hat sich aber der
in Hamburg 1884 erschienenen ,, Ausgabe von Karpeles" bedient, die zu den schlechtesten
und fehlerhaftesten gehört, die es überhaupt giebt. Es ist das nicht die „kritische",
die Karpeles bei Grote veröffentlicht hat, sondern die billige sog. Bibliothoksausgabe
von Hoffmann und Campe; Karpeles hat nur eine Biographie dazu beigesteuert.
Dort findet sich z. B. solch ein sinnloses Wort wie „Nelkenlilie" (in dem Gedicht
„Begegnung": Elster Bd. 1, S. 284) statt „Neckenlilie" (von „Neck, Nix"), was Z.
ohne Scheu citiert (S. 2); nur dort und in anderen Drucken gleichen Wertes oder
Unwertes steht im W^intermärchen „Deutschland", Kap. 14, die von Z. zu anderen
Stellen in Gegensatz gebrachte Form „Brauen" statt des Heineschen „Braunen" (Elster
Bd. 2, S. 460, Z. 12). Wenn Z. weiterhin schreibt: „Tn einem Briefe vom 17. Okt. 1816
(Bd. 1, S. 236 in der Biographie)" spreche Heine „von Kindtaufs-Carminaden, worunter
S. 228-70, 375-410. - 48) (I 8:50.) — 48a) X D- Sanders, Einzelne spraohl. Bemerbangen zn Stellen ans Briefen v.
E. Elster, Das jung-e Deutschland. IV 11 : 48-56
die heute sogenannten Koteletts zu verstehen sind", so könnte man zweifeln, ob er
im Ernst rede; denn „Carminaden" sind natürlich „Carmina", und wenn dem Dichter
bei Niederschrift dieser spöttisch-hybriden Form auch „Karbonaden", die wir alle
kennen, im Ohre angeklung-en haben mögen, so meint er doch beileibe keine Kote-
letts, sondern Gedichte; der Zusammenhang- ist ja ganz klar. Ausserdem findet sich
jene Stelle in dem Briefe vom 27. (nicht 17.) Okt. und ist bei Karpeles S. 26 (nicht
S. 236) abgedruckt. Das Wort „Beghinen" (S. 8) (Heine schreibt und spricht fälsch-
lich „Beguinen", viersilbig) unmittelbar mit to beg zusammenzubringen, geht nicht
an; die Etymologie ist noch zweifelhaft. Das Wort ,,ruddeln" (S. 12) ist jüdisch-
deutsch (Elster 4, S. 479) und wird mit „rütteln" wohl nicht zusammenhängen. Die
Vorlage des Gedichts „Tragödie" („Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht") ist von
Hüffer („Aus dem Leben H. Heines", Berlin 1878, S. 121) längst nachgewiesen worden
(bei Z. S. 14). Im allgemeinen ist gegen die Schrift geltend zu machen, dass sie
vieles als speciell rheinisch in Anspruch nimmt, was sehr viel weiter verbreitet ist.
Aber sie berührt zahlreiche Dinge und giebt gelegentlich auch recht erwünschte Aus-
kunft; z. B. die Erläuterung zu der Stelle „Die Hunde bellten so laut" in der „Wall-
fahrt nach Kevlaar" III (S. 14), ferner diejenige der „Fallhütchen", womit die
schwäbischen Dichter nach Tannhäusers Bericht bedeckt gewesen sein sollen (S. 14;
man vgl. dazu auch Gottfried Kellers Brief vom 1. Juli 1883: DRs. 22, S. 245).
So scheidet man schliesslich nicht ohne Belehrung von der kleinen Arbeit.**^-') —
Einzelne Bemerkungen über Heine brachte Weiss*-*) in seinen kritischen Studien
über Goethe vor. — Der Divan des Jehuda Halevi^^-)^ (j^g {^ Heines „Romancero"
so begeistert gefeierten jüdischen Dichters, ist in deutscher Uebersetzung von Ver-
schiedenen erschienen. — Karpeles^^) widerlegte in einem Aufsatz das dumme Ge-
schwätz einiger Tagesblätter, Heine habe das Lied ,,Du bist wie eine Blume" von
Philipp Spitta gestohlen. Wenn er aber die alte Tradition neu zu beglaubigen sucht,
das Gedicht sei 1822 in Berlin oder Gnesen verfasst und an eine arme Jüdin Miriam
gerichtet worden, so bleiben dagegen die von Elster bereits 1887 (u. ö.) geltend ge-
machten Bedenken (DLD. N. 27, S. 33) bestehen. Es bezieht sich zweifellos auf
Therese. Solche Traditionen sind stets bedenklich: wird doch auch hartnäckig
wiederholt, das Lied „Wenn ich an deinem Hause des Morgens vorübergeh" sei 1833
für die zwölfjährige Lucy Austin, spätere Lady Duff Gordon, verfasst worden, während
es schon 1824 gedruckt wurde. — Wertvoll waren Seufferts^-) Mitteilungen über die
Druckvorlage der zweiten Auflage des Buchs der Lieder, die ihm von der Wittich-
schen Plofbuchdruckerei in Darmstadt zur Einsicht übergeben worden war. Die
Vorlage besteht aus der berühmten Vorrede zu der Ausgabe von 1837, aus einem
bis S. 64 reichenden Bogen sorgfältiger „Korrekturen" von Heines Hand und aus
einem von fremder Hand unvollständig durchkorrigierten Leihbibliotheksexemplar
der ersten Auflage des Werkes. S. berichtet mit gewohnter Genauigkeit über die
Einzelheiten dieser Vorlage und erkennt, dass die Aufmerksamkeit des Dichters von
der Interpunktion bis zum künstlerischen Durchbilden gegangen sei, und dass er
auch auf die strengere Sitte feinfühlige Rücksicht genommen habe. -''3) —
Ueber die anderen Vertreter des „jungen Deutschland"^*) erfuhren wir wiederum
nur sehr wenig Neues. Volkmanns^^) Skizze über Uriel Acosta beschäftigt sich
nur mit dem Urbild von Gutzkows Drama, nicht mit diesem selbst, und bringt das
„Exemplar humanae vitae" Acostas nach Phil, von Limborchs Buch „De veritate
religionis Christianae" (1687) zum Abdruck. In der Vorrede berichtet V. über die
religiösen Zustände in Amsterdam um das J. 1625 und widerlegt die Behauptung
von Graetz, dass Acosta weder ein theoretischer Denker, noch ein praktischer W^eiser,
noch ein mannhafter Charakter gewesen sei. —
Wenn wir schliesslich des miserablen Fälchers Fr. Steinmann, des Jugend-
freundes von Heine, als eines Schriftstellers dieser Gruppe gedenken sollen, so ge-
schieht es nur, um die Berechtigung von Fränkels^^) Notiz über ihn in der ADB.
zu bezweifeln. —
H. Heine: ZDS. 6, S 450/1. (Zu N. 24.) — 49) J. J. Weiss, Sur Goethe. Etudes crltiques de litt, iilleraande. Paris, Colin & Co.
XI, 355 S. j[M. Koch: LCBl. N. 37.]l (Vgl. JBL. 1892 IV 8a : 111.) — 50) Divan d. Jehuda Halevi. E. Ausw. in dtsch.
Uehertragungen v. Abr. Geiger, S. Heller, S. J. Kämpf, S. Kristeller, Jul. Landsberger, M. Levin,
M. Eappaport, Mich. Sachs, A. Sulzbach. M. Steinschneider. (= Schriften d. Ver. für jüd. Gesch. u. Litt. Bd. 1.)
B., (Schildberger). X, 173 S. (Nur ^fir d. Mitglieder d. Ver.) — 51) G Karpeles, Heine oder Spitta: BerlTBl. N. 453. —
52) B. Seuffert, D. 2. Auflage v. Heines Buch d. Lieder: VLG. 6, S. 472-80. - 53) X 0. Netoliczka, Zu Heines Balladen
u. Romanzen (vgl. 1891 IV 12:32): ZOG. 44, S 378. — 54) XX F. Zwenger, Aus d. Leben F. Dingelstedts. Altes u.
Neues. IL Dingelstedt in Fulda: Hessenland 7, S. 154/8, 169-71. (Vgl. JBL. 1892 IV 11 : 27.) — 55) W. Volkmann, Uriel
Acosta (Aus: „Festschrift z. Jubelfeier d. Gymn. zu St. Maria Magdalena".) Breslau, Morgenstern. 36 S. M. 0,50. — 56)
(IV 4 : 89.) —
Autorenregister.
Abel, C, 111 5 : 16.
Al)ert A. I 4 : 441.
Achelis, E. Chr. I 1:143 a; 112:6,
83, 189.
— Th. 14:12, 14, 31; 12:300; IV
5 : 165, 169, 214.
Ackermann, K. I 6: 176.
Adam, A. 11 3 : 79.
Adamy, K. 1 2 : 37.
Adehoch, B. I 1 : 22.
Adelmann, Helene. IV 1 c : 76.
Aders, F. IV 5 : 104.
Adickes, E. I 12 : 76 a, 252.
Adler, G. I 4 : 200.
— F. 1 11 : 118.
Adrian, T. IV 5 : 227.
Agnes, L. IV 10 : 98.
Ahlheim, A. I 7 : 33
Ahlwardt, Vf. 13: 34.
Ahrena, K. II 6 : 90.
Aichelbnrg, M. Frhr. zu. 15: 306.
Aikraann. C. M. IV 10 : 85.
Albert, H. 15: 175.
— R. III 5 : 22.
Alberti, C. I 12 : 253; IV 4 : 64, 320,
355, 378; 5 : 424.
— E. I 3: 15. 16; IV 5:473.
Albrecht, A. 18: 73.
— H. IV Ic: 119.
Albu, A. IV 5 : 466.
Aldenhoven, C. 112: 136.
Alford, G. IV 8a : 80, 143.
Allard, P. IV 9 : 110.
Allfeld, J. I 3 : 281.
Allpress, R. H. IV 4 : 90.
Alt, Th. I 11 : 20; 12:70, 111/2.
Althans, Fr. IV 1 c : 145.
— P. n 6 : 68.
Altena, H. IV 1 c : 60.
Ambrosi, L. I 12 : 101 d.
Ammann, J. J. III, 4 : 36; IV 4 : 285.
Amyntor, Gerhard v. IV Ic : 64.
Anastasiu, N. IV 5 : 480
Andersen, IL C. IV 1 c : 14.
Andersson, A. 13: 121.
Andreae, C. 16: 220.
Andreas- Salome, Lou. 111: 276; 12 :
355, 398, 402, 408, 411, 414; IV 1 d :
21 ; 4 : 147.
Andree, R. 15: 132.
Anschütz, R. I 10 : 42.
Anster, J. IV 8e : 83.
Appel, C. II 7 : 9.
Archer, W, I 12 : 352; IV 4 : 139.
Arendt, H. I 11 : 46.
— 0. IV 5 : 311.
Armin, F. IV 4 : 229.
Arndt, A. 13: 275/7,
— 0. IV 2b: 40.
— P. 15: 218.
— W. III 1 : 72, 108; IV Ic : 24.
Arneth, A. v. IV 1 c : 140; 4 : 454.
Arnheim, F. IV 8c : 23.
Arnold, 0. F. II 6 : 173.
— H. 15: 110.
Arnoldt, E. IV 5 : 120.
Arnsperger, W. IV 6 : 40.
Aren, 0. I 8 : 73ii.
Arreat, L. I 11 : 23; 12 : 52b/3, 290, 389.
Ascherson, F. 13: 130.
Anerbach, A. I 6 : 159.
— B. IV 4 : 224, 250, 257; 6 : 29.
— L. IV 5 : 642.
Aufleger, 0. I 11 : 143/4.
Anfsberg, Th. 15: 172.
Ault, J. d\ I 12 : 78.
Anricoste de Lazarque. I 5 : 58.
Avenarius, F. I 12 : 198, 254.
Baasch, E. II 1 : 139.
Babncke, H. 12: 34.
Babnder, G. I 12 : 193.
Bach, M. I 11 : 192/3.
Bachmann, A. I 5:15, 16; 8:109;
II 1 : 29; 3 : 56.
— F. IV 5 : 261/2.
— H. II: 112.
Bacmeister, J. IV 4 : 121.
Baechtold,J. 11 : 110; 11:281 ; II 1 : 85;
4:11, 33; IV la:48; Ic: 124.
Baecker, K. I 12 : 127.
Bäckler, M. I S : 12
Bähnisch, A. II 6 : 71.
Bahr, K. Ch. F. W. I 13 : 7.
— 0. 18: 147.
Biiggesen, Th. V. IVla:22.
Bahlmann. P. I 3 : 120, 122; II 7:56;
III 5 : 8.
Bahlow, F. II 6 : 128.
Bahlsen, L. I 10 : 40; IV 1 d : 70.
Bahr, H. I 12:116, 249; IV 1 a : 9,
38
Baier, B. II 3 : 93
Baillen, 0. IV 1 c : 24.
— P. I 1 : 63.
Bailly, M. IV 4 : 40.
Baja, A. I 1 : 130.
Bajorath, M. 111 5 : 31.
Baldamns, A. II 1 : 12.
Baldi, A. 1 1 : 85; 7:114.
Ballas, G. I 6 : 180.
Baltzer, M. I 4 : 191.
Bamberg, F IV 1 c :81.
Bamberger, L. I 1 : 32.
Bannelier, Ch. I 13 : 10.
Bardeleben, K. v. IV 8a : 112.
Bares, F. 14: 559.
Baröti, L. I 5 : 127
Bartels, Ad. I 2 : 25; 11 : 21; 12 : 328
IV la:8; 1 c : 74, 93; 4:235, 241
428; 5:425, 299; 8e:55; 9:11
11 : 16.
— F. 15:3, 22, 27, 93, 98; 6 : 67.
— P. I 8 : 34.
Barth, P. IV 5 : 229, 449.
— R. I 13 : 56.
- Th. 13: 155.
Bartold, W. IV 1 c : 5.
Bartsch, Z. 1 4 : 553.
Barzellotti, G. II: 62.
Basedow, H, v. IV 4 : 312; 8a: 136;
8e:70.
Bass, J. I 1 : 29
Bassermann, H. 12: 41 ; II 6 : 45.
Basset, R. 15: 230.
Bastian, A. I 5 : 117.
Batka, R. 1 13 : 107; IV 4 : 198.
Bauer, A. II 1 : 101; III 1 : 121; IV
8a: 21.
— B. in 1 : 21.
Bauer, F. I 13:153.
— F. F. IV 5 : 264.
— Karl. IV 1 c : 48.
Banmann, A. I 1 : 15; IV 5 : 222, 229.
— F. 15: 70.
— F. L. 14: 440.
Baumert, G. 13: 176.
Banmgart, A. 15: 37.
— H. IV 8 e : 64.
Q I *i • 298
Baumgarten, H. H 1 : 58, 145; lY 8a : 77.
— F. I 4 : 507.
Baumgartner, A. IV 5 : 335.
Baur, A. IV 5 : 117.
Bayer, Edm. IV 2 b : 44/5.
— J. I 12:428; IV 4:256.
— Th. T. IV 1 c : 4.
Bayersdorfer, Ad. I 11 : 60.
Bazing, St. 15: 316.
Bebel, A. I 4 : 594/5.
Becher, R. 17: 119.
Bechstein, L. 15: 210/1.
— R. 18:86, 117; 112:12; 4:9;
IV 8 a : 47.
Beck, E. 13: 39.
— F. IV 4 : 58, 202.
— G. I 13 : 154.
— H. 11: 143; II 6: 187.
— M. 14: 270/1.
— P. I 8 : 25; 11 : 109, 133, 250.
— R. I 3:96; III 1 : 102.
Becker, H. 16:223; III 1:86; lY
4 : 396
— K. 15: 280.
— Th. IV 9 : 49.
— W. III 2 : 24.
Beckh, H. II 6 : 66.
Bedier, J. I 10 : 9.
Beeger, J. 13: 215.
Beer, L. IV 2b: 22.
Behaghel, 0. I 2 : 12; 5 : 365; 8 : 69,
105; II 1:115; IV 2a: 48; 5:5;
10 : 147.
Behla. I 5 : 71.
Behm, R. IV 5 : 125.
Behrends, P. F. IV 5 : 57 ; 8 e : 69.
Beissel, St. I 11 : 126; 11 1 : 130.
Bekk, Jessie. IV Id :44.
Bellaigue, C. I 13 : 11.
Bellardi, P. 14: 233, 326.
Bellermann, L. IV 9 : 79, 88,9.
Bellesheim, A. II 1 : 10; 6 : 6, 10, 27 ;
IV 5:318; 9:100.
Below, G. V. 1 1 :4, 24; 4:404; II
1 :40, .51; IH 1: 14; lY 5:342.
Benard, Ch. 1 12 : 15 a.
— Th. I 12 : 175.
Benda, A. I 5 : 48; 11 : 130.
Bender, H. I 7 : 46; IV 9 : 154.
— W. IV 5:247.
rfendixen, F. I 12 : 75 b.
— R. II 6 : 130.
Bendt, F. I 4 : 299.
Benedict, A. IV 4 : 68.
Beneke, A. II 1 : 112.
Benes, J. 13: 226.
Benini, V. I 12 : 45, 101 e.
Benrath, K. II 6 : 2, 173; III 1 : 121.
Benzoni, R. I 12 : 115 b.
Berbig, M. 14:6.
Autorenreg'ister.
Berdrow, 0. I 12 : 311.
— W. IV Ic: 119.
Beresford-Webb, H. S. IV ld:35;
8b : 23a.
Berpr, L. II: 90, 150; 12 : 119, 304;
IV 11 : 20.
— W. I 7 : 13.
Berger, A. Frhr, v. IV 4 : 85, 134, 271,
343.
— Ph. 12: 48.
Bergmann, J. IV 5 : 89.
Beringuier, R. 14: 529.
Berle, L. IV 8e : 42
Berlepsch, H. E. v, I 11 : 334, 375.
Berliner, A. IV 1 n : 119.
Bern, A. IV 5:133 a.
Bernardns Americanus. I 4 : 379.
Bernau, F 15: 179.
Bernays. M. I 1 : 44; 13:86.
Berner, E. IV 5 : 559.
Bernhöft, J. 14: 33.
Bernstein, Ed. IV 5 : 192, 568.
— M. IV 11 : 24.
Bersohn, M. I 11 : 271.
Bertheau, C. III 2 : 25.
Bettelheim. A. I 1 : 117; 2 : 2; II 1 :
113; IV 2b : 14; 4 : 84, 255, 264, 402,
414, 471; 5:385.
Bettini, P. IV 5 : 563/4
Beyer, C. I 4 : 378; 7 : 145; l.' : 29 ;
6 : 178.
Beyerhaus, A. I 6 : 52
Beykert, J. D. IV 1 c : 125.
Bey schlag, W. III 1 : 88; IV 10 : 48.
Bezold, Ct. V. I 11 : 67, 85. 151.
Bezzenberger, A. 15:1, 220 a.
Biagi, G. II 1 : 74.
Bie. 0. I 11 : 29, 374; 13 : 4, 6, 9, 28,
33, 112, 119-20. 137.
Biedenkapp, G. IV 1 a : 14.
Biedermann, W^. V. IV 8a: 100. 112,
116a, 162; 8b: 16b, 32; 8e : 39, 100,
101.
Biegeleisen, H. I 12 : 188.
Bielschowsky , A. III3:6;IV8a:116a.
Bienemann, F. I 11 : 16: III 1 : 44;
IV 1 c : 43, 58-60, 123, 131, 147 : 5 : 395.
Bierbanm, 0. J. I 11 : 43, 50, 276, 349,
352, 359; 12:2612, 264; IV la:18;
4:293. 404; 5:502.
Biernatzky. J. 14: 235.
Biervliet, .1. J. van. I 12 : 113.
Biese, A. I 12:190, 197; IV 5:233;
8a: 79.
Biltz, K. I 12:178, 236; III 2:22;
3 : 16; IV 4 : 3.56.
Binder, E. IV 2a : 53.
Binet, A. I 12 : 114/5.
Bing, A. III 4 : 10.
— J. IV 10 : 47.
Bintz, .T. 14: 27; 12:4b; IV 8a: 167.
Binz, G. IV 4 :275 a.
Bippen, W^. v. 14 : 347.
Birkler, M. I 11 : 147.
Birt, Ph. IV 8c : 19.
Bischoff, F. I 4: 113: 13:84.
— H. IV 4 : 52.
Blanckmeister, F. I 4 : 162; III 2 : 23;
5:20.
Blau, M. II 7 : 11.
Bleicher, H. 14: 423.
ßlennerhasset, Lady. IV lc:17.
Bloch, M. 14: 536.
Blösch. II 1 : 70.
Blondel, G. H 1 : 54.
Bloos, G. I, 4 : 418.
Blürael, E. 14: 195.
Blum, H. IV 5 : 606.
Blume, L. IV 8c : 11, 16a; 8e : 33, 99.
Blnmentritt, F. 15: 181.
Bobe. L. III 1 : 104; IV 1 a : 25; 9 : 26.
Boccardi, A. IV 4 : 120.
Bock, A. I 13:41; IV 2a: 72; 8a: 66/7;
8b :48; 11 : 4.
— E. I 6:253: II 6:75.
— P. IV 4 : 301.
Bockenheimer, K. G. I 11 : 323; IV
8 b : 25.
Bode, W. 14: 170, 607; 11 : 64, 70.
Bodelschwingh, P. F. v. IV lc:113.
Bodley, Ella. I 5 : 204.
Bodmer, H. IV 1 d : 68.
Boeck, M. 17: 32.
— R. I 11 : 271, 296.
Böcker, E. IV 8a : 89.
Bödekker, K. 18: 74.
Böe, A. 14:7.
Boeheim, W. I 4 : 237; 11 : 433/5.
Böhm, G. I 4 : 134.
— J. 16:4.
— L. II 1 : 22.
— M. IV 8e:87.
Böhme, E. IV 5 : 51.
— F. M. 15: 261 a; 13 : 43: II 2 : 1.
— 0. 18:8.
— P. 16: 196.
— W. I 3:222.
Bölsche, W, I 12 : 292, 294/5, 401 ;
IV 5 : 184.
Bömer, A. II 7 : 2b, 30.
Börner, R. I 7 : 119; 12 : 35.
Bosch, G. 13: 50.
— H. I 3:81; 4:39, 273; IV 10:108.
Böttger, L. I 11 : 96.
Bötticher, A. I 4 : 310: 11 : 98.
— G. I 1 : 83: 7 : 14, 56/7; II 4 : 28.
Bohatta, H. 18:7.
Böhm, W. III 2 : 34.
Bohn, E. I 13 : 26, 47.
— G. I 13 : 166.
Bojnici6, J. v. 13: 47.
Bole, F. I 11 : 73.
Bolle, C. 14: 338.
Bolte, J. 15:234, 243, 288; 6:34:
10:1, 12, 31/2; 13:50, 58, 68; II
2 : 16, 26, 35, 41; II 3 : 18, 22, 38;
4 : 15, 17/9; 7 : 5, 59, 60a: III 2 : 5;
3: 15; 4:3, 7, 11, 28, 44, 46; IV
4 : 305/6; 10 : 35, 43.
Bondi, G. IV 5 : 3.
Bonet-Maury, G. IV 5 : 308.
Bonnassieux, P. 14: 253.
Bonnier, Ch. I 12 : 72.
Bonnefont, G. 13: 158.
Boos, H. I 4 :403a
Borheck, A. 14: 416.
Borinski, K. I 1 : 89; IV 8a : 110.
Borkowsky, Th. I 10 : 30.
Bormann, W. I 10:23; 12:18; IV
4:98; 7 : 18; 9:54.
Born, St. IV 11 : 31.
Bornemann, W. II 6 : 86/7.
Bornhak, G. 17: 73.
Borrraann, R. 14: 328, 332; 11 : 103.
Bosse, F. I 13 : 124.
Bessert. A. I 1 : HO.
— G. 14:118, 508; 111:27, 94; 3: 71;
6 : 6, 8, 53/4, 136, 162/3, 170, 173, 180.
Bourdeau, J. IV 5 : 567.
Bonrdon, B. 112: 46.
Boureulle, de. IV 5 : 255.
Bousset, Alice. I 4 : 603.
Boy, P. II 2 : 10.
Boyesen, H. H. II: 109.
Boyle, R. II 4:38; III 4:4.
Braasch. IV 5 : 62, 64.
Bracht, Th. IV 1 c : 59.
Brachvogel, U. 112: 55 a.
Bräutigam, L. 14: 565.
Brahm, 0. I 11 : 13/6.
Braitmaier, F. II: 42-
Brandes, F. IV 2b : 31; 4:5, 182;
5:40/2, 478; 10: 107, 115.
— G. I 12:316; IV la:4; 8a:l.=)8:
8b : 38; 10:8: 11 : 1.
— H. I 8:33; II 4:20.
— K. n 6 : 185.
Brandi, Th. 11 1 : 152.
Brandl,A. I 1 : 52; IV Ic : 83; Id : 58.
Brandstetter, .7. L. 14: 486.
Brandt, A. IV 4 : 286.
— H. I 12 : 134.
— 0. I 11 : 31.
— S. I 2 : 43.
Brasch, M. 1 2 : 47; 4 : 592; IV 5 : 93,
105.
Braun, J. W. IV 6 : 6.
— - 0. IV la: 17; Id : 93.
Braune, W. IV 6 : 32 a.
Braunfels, Ed. I 11 : 279.
Braunsberger, 0. II 1 : 96 ; 6 : 27.
Breal. I 2 : 12.
Brecher. A. II 1 : 71.
Bredl, S. 14: 473.
Brehmer, W. 14:51, 172, 180: III
1 : 130/1.
Breitmann (= Leland), Hans. IV Ic : 79.
Bremer, F. IV 5 : 150.
— 0. 15: 294.
Brendicke, H. I 11:339; IV 1 c : 13.
Brenner, F. IV 4:290.
— 0. 11:119; 5:16.
Brenning, E. IV Ic : 83; 2b : 59.
Brentano, F. I 12 : 141; IV 5 : 99.
— L. ni 1 : 42, 116.
Breul, K. IV Id: 38-38 a.
Breymann, H. I 10 : 41.
Breysig, K. I 1 : 5; III 1 : 70.
Briele, van der. I 4 : 35.
Brinkmann, Ad. 111: 99, 443.
Brioris, 0. IV 9 : 140.
Brociner, M. 112: 418.
Brodbeok, A. 14:570; 13:5; IV 6: 55.
Brode, R. IV 5 : 326.
Bröcking, W. IV 5 : 300.
Broglie, Duc de, M. IV 1 c : 16.
Bronner, F. IV 8a : 166; 8c : 17. 18a.
Brosch, M. IV 9 : 103.
Brown, J. R. 13: 243.
— -Blackwell, Antoinette. I 12 : 71.
Browne, R. G. M. I 12 : 20.
Brnchmann, K. 15:7.
Brücke, E. I 12 : 55.
Bröckner, A. IV 1 c : 9.
Brügel, J. 16: 23/4, 29; III 2 : 18.
Brüggen v. d. III 1 : 44.
Brftramer, F. I 6:80; IV 2b: 115;
4: 31, 88; 10:44.
Brüsselbach, .1. IV 5 : 53.
Brngier, G. I 1 : 79; 7 : 143; 12 : 36.
Brugsch, H. IV 1 c : 132.
Bruiningk, H. v. I 4 : 48; 11 : 79.
Bruneti&re, F. I 1:19, 56; 12:313;
IV 2b: 1.
Brnnk, A. 15: 355.
Brunn, Fr. IV 1 c : 104.
Brunner, A. I 7 : 114. 123.
— Const. I 12 : 100 a.
Brunold, F. IV 5 : 511; 9 : 74.
Bruns, Fr. 14: 75. 248.
— Ivo. I 11 : 16.
Bucher, B. I 11 : 69.
— J. 16: 212.
Bnchheim, CA. IV 1 d : 31/2.
Bachholtz, A. II 3 : 57.
— H. I 10 : 3.
Buchner. 0. I 4 : 112.
— W. I 7: 63; 11:58.
Buchwald, G. 13: 173, 246: 4 : 100;
6 : 113; II 1 : 155, 159; 6 : 48-50, 53,
56,8. 124.
v. 14: 343; IH 1 : 16.
Bück, J. 14: 258.
Buckmann, S. S. I 12 : 303.
Budde, K. II 6 : 141; IV 2b : 86.
Bücheier. I 7 : 100.
Bücher, K. I 3 : 154; 4 : 199.
Büchi, A. n 3 : 70; 7 : 15.
Büchner, L. I 12 : 303; IV 5 : 45, 48.
80. 98, 168, 235.
— W. IV 8e:50.
Bülan, F. 14: 569.
Bülow, G. V. 1 4 : 125; II 1 : 162/3.
Bünger, C. III 1 : 109.
— E. 13: 223.
Bunker, J. R. 15: 317.
Bürkner, R. IV 8a: 42, 64.
Büttner Pfänner zu Thal, F. 111: 100,
438.
Bnff, A. I 11 : 131, 436/7; II 1 : 49;
III 1 : 65; IV 5 : 375.
— M. 14: 452a.
Bujard, G. IV 5 : 508.
Bulgarus. IV 11 : 18.
Bulle, C. IV 1 c : 24.
Bulthaupt. H. I 12 : 278,9; IV Id: 67;
4: 315, 322; 5:589.
Burckhard. M. I 12 : 430; IV 4 : 316.
Burckhardt. C. A. H. IV 8a : 112;
8b : 10.
— D. I 11 : 138. 172. 189-190. 207.
Biedermann, Th. II 6 : 169-70.
Burdach. K. I 1:50/1, 57. 117; 2:2;
8 : 1, 10. 29, 60, 72, 90, 127; II 1 : 73;
3:26; 7:6; IV 6:8; 10:9.
Burger, K. 13: 94.
— L. IV 4 : 342.
Burgerstein, A. I 4:468a.
Burghanser, G. 1 7 : 69; 8 : 48; IV8e :31.
Busch, W. I 11:379.
Buschmann, J. 16: 179.
Buss, G. I 4:2.56; 11:294.
Busse, L. IV 5:127, 151/2.
By, A. IV 8b :43a.
Byvanck, W. G. C. II: 64.
Calkins, R. IV 6 : 27.
Oalthius, R. IV 1 d : 47.
Campori, M. III 5 : 55.
Cantalamessa, G. I 1 :61.
Cantor. G. F. L. Ph. II 6 : 133.
— M. IV 5 : 475.
Cantü, C. IV 10 : 3.
Capuana. L. II: 136.
Autorenreg-ister .
Capra, A. 13: 195.
Carel, G. I 12 : 178.
Carrifere, Just. IV Ic : 117; 5 : 450.
— M. I 12 : 74: IV 5 : 223/4; 7 : 13.
Carstiinjen, P. 111: 157.
Carstens, C. E. III 2 : 29; 5 : 27; IV
5 : 389.
— H. 15: 238.
Carstensen, A. 15: 189.
— C. I 7:92, 134a; IV la:6
— H. A. 15: 120.
Cartellieri, A. II 1 : 94.
CartmoU, J. W. IV Id : 34; 10 : 157.
Caspari, B. II 7 : 51 a
Castan, A. 13: 109.
Castle, E. I 3 : 240,
Cathrein, V. IV 5 : 243.
Cauer, P. I 1 : 47/8; 12 : 213; IV 5 : 330.
Cederschjöld, G. I 2 : 29.
Cerny, A. 15: 147.
Chabot, C. I 12 : 86.
Chamberlain, A. J. 15: 241.
— H. St. I 13:112, 122.
Charap, J. A. I 5:319.
Charaux, C. I 1 : 18.
Charcnt, J. M. I 12 : 115.
Charles, M. (= Max Chop) I 13 : 128;
IV 8a: 69.
Charpentier, F. V. I 12 : 5.
Cheney, E. D. I 11 : 290.
Cherbuliez, V. (= G. Valbert) IV
5 : 164.
Chevalier, L. I 7 : 71; IV 8e : 43.
Chiarini, G. IV 8 d : 12.
Chmelarz, E. 13: 26.
Chmielowsltj, P. IV 8d : 34,
Chop, M s. Charles, M.
Christ, K. 14: 434.
Chry Sander, F. I 12 : 102; 13 : 64.
Chuquet, A. I 1 :5I, 173; 12:9, 211;
II 3:44: 111 1 : 108; 5:59; IV
lc:16, 133, 153; 2a: 54; 4:38-
6:613, 618; 6:11; 8a :33a, 48;
8b: 29; 10:35, 61.
Cian, V. 15: 245.
Cibrario, L. IV 1 d : 72.
Cipolla, C. III 5: 55 a.
Classen, J. IV 2b: 92.
Claudin, A. 13: 87/9.
Clauswitz, P. I 11 : 103.
Giemen, P. I 11 : 237, 398.
Cleveland, Duchess of. I 4: 566.
Cohen, A. IV 1 d : 19-20.
Cohn, C. 14: 281.
~ E. IV 5:467; 8a : 171.
— G. IV Ic: 11.
— L. IV 5 : 370.
CoUignon, A. IV 6 : 19.
Collin, J. IV 8e:88.
Corabarieu, J. I 12 :95 a.
Conrad, H. IV 9 : 65.
— M. G. 14: 610; IV la: 11;
4:404; 5: 607/8.
Consoli, S. I 12 : 343.
Copinger, W. A. 13: 105/6, 290.
Corradi, G. I 1 : 17.
Costa-Rossetti, A. I 4:472a.
Coster, Ch. de. II 3 : 7.
Cottler, G. IV 9 : 85.
Coupland, W. C. IV 1 c : 120; 5 : 455;
8e:76.
Courtney, W. L. I 11 : 362; 12 : 219.
Coutagne, H. I 13 : 34.
Conturat, L. I 12 : 66.
Cox, Marian Eoalfe. I 5 : 232.
Crane, W. I 12 : 125.
Crawford, Emily. I 4 : 604,
Creizenach, W. II 4 : 1 ; III 4 : 7, 10,
14,33; IV4:56, 437; 8e: 39; 10:35.
Cremer, W. IV 10 : 135.
Criegern, H. v. 14 : 150.
Crohn, H. I 7 : 90.
Gronau, R, II 1 : 111.
Grnsins, 0. I 10 : 6.
Gube, M. V. 14: 209.
Gunliffe, J. W. III 4 : 5.
Cuno, F. W. I 6:35; III 5:18.
Cnrtius, C. 13: 208.
Gast, L, I 11 : 210.
Badelsen, H. v. 17: 102, 115.
Dfichsel, K. A. II 6 : 78.
Daffner, F. 14: 504.
Dahmen, J. 14: 225.
Dahn, F. I 1:119; IV 1 o : 90.
Dalman, G. H. 15: 94, 226.
Dalton, H. III 1 : 95.
Pamlcöhler, E. 15: 231.
Daraus. I 4 : 315.
Dandolo, G. IV 5:251.
DanVö, J. 14: 512.
Darpe, F. I 4 : 406; III 1 : 17.
Daszynslia. S. 14: 218.
Datterer, J. P. II 6 : 30.
Dawbenspeck, H. 18: 147.
Daude, P. 13: 280/1, 288; 12 : 140.
Dauriac, L. I 12 : 95 b.
Deohent, H. III 1 : 91 ; 5 : 33.
Dehio, G. I 11 : 67, 172.
Dehmel, R. I 12 : 302.
Dehn, P. IV 5 : 590
Deicke, K. IV 5 : 13.
Deinhardt, L. IV 4 : 112.
Doininger, J. W. I II : 107.
Dejob, Ch. I 10 : 42.
Delbrück, A. I 12 : 357.
- H. 14: 166, 410; IV 5:88.
Delff, H. K. H I 12 : 77b; lY 5:228.
Delia, M. I 13 : 40.
Delisle, L. 13: 60, 106.
Del Lungo, J. II 1 : 74.
Dembowski, S. 14: 66.
Derame, L. I 4 :403: III 1 : 18.
Demmin, A. 18: 137.
Demmler, P. IV 5 : 37.
Denecke, A 14: 324.
Derfel, R. 14: 585.
Dernburg, F. IV 2b : 26.
Derujac, J. I 4:479; 11:449.
Desnoyers, M. IV 9 : 117.
Dessoir, M. I 12 : 13, 43, 70, 75, 113.
Detlefsen, S. D. F. I 4:217.
Detmer, H. 14: 404/5 ; II 1 : 25.
Detten, G. v. 14: 404.
Deutsch, E. 16: 50.
- G. 14: 500.
Dibelius, D. II 2 : 11; IIl 2 : 9.
Dickmann, 0. E. A. III 3 : 20.
Diebow, P. IV 5 : 483.
Dieckmann, Chrn. I 4 : 375.
Diederichs, V. III 1 : 129; IV Ic : 32,
164/5; 5 : 121.
Diefenbach, J. 1 5 : 115.
Dieffenbach, G. Chr. I 6 : 62.
Dielitz, R. II 1 : 116.
Diemar, H. II 3 : 88.
Dietlein, W. I 10 : 46.
Dietz, E. I 6 : 140.
- M. I 13 : 149.
Dilthey, W. III 1 : 110.
Dinspel. A. IV 9 : 129.
Dippe. A. II: 16.
Oirksen, K. 15: 42, 237, 323.
Disselhoff, J. 1 11 : 175, 299.
Distel, Th. I 3 : 279 ; 4 : 87/8, 117,
215, 388a: 11:121; II 2:44, 49;
6 : 120; III 1 : 133; IV 2a : 63; 5 :
6/7.
Dittmar. F. IV Ic: 91.
- G. II: 97.
- M. 14: 216, 371 ; III 5 : 28.
Ditfurth, Th. v. 14: 550.
Dittes, F. I 12 : 81/2, 84.
Dittrich, F. II 1 : 145; 7 : 45.
Doblhoff, .1. 14: 480.
Dobson, A. I 11 : 208.
Dodel, A. I 4 : 586, 597; IV 5 : 72.
Döbner, R. 14: 369.
Doenges, W. I 4 : 64.
Dörfler, A. F. 15 : 272,
Döring, E. I 11 : 302.
Dohany, G. 14: 5S0.
Dohme, R. I 11 : 64, 450.
Dohmke, J. IV 10 : 46, 60, 63, 72.
Dom.anig, K. I 11:171, 445a; IV
8 b : 23.
Dombart, B. 13: 216.
Domino, Signor. I 4 : 187.
Dommer, A. v. II 6 : 46.
Donaubauer, St. III 1 : 22.
Donner, J. 0. E. IV8d:32; 10:13.
- V. Richter, 0. IV 8a: 1.
Donop, L. V. I 11 : 345/6; IV 2b : 11.
- 0. I 11 : 12.
Dorchester, D. I 12 : 21.
Dorda, A. IV 4 : 253.
Dorenwell, K. I 4 : 257; 7 : 52.
Derer, E. IV 4 : 190.
Dorneth, J. v. 14: 514
Donmic, R. I 1 : 125; 12 : 218, 346;
IV 4 : 122/3.
Douriac, L. I 12 : 68.
Dove, A. 15: 368.
Draheim, H. IV 9 : 48
Dreher, E. IV 5 : 46, 236.
Drescher, K. IV 2 a : 5; 5 : 1.
Dresdner, A. I 12 : 260; IV 4 :462.
Drewes, G. M. IH 2 : 10.
Drews, A. IV 5:102, 109.
— P. II 1 : 3, 126; 6 : 26.
Dreyer, F. I 4 :8a.
Droysen, G. II 1 : 1; III 1 : 6, 117.
Droz, Ed. I 1 : 59; 12: 154.
Drude, 0. III 5 : 58.
Druffel, A. V. II 1 : 147.
— P. I 13 : 48.
Du Gasse, A. IV 1 c : 8.
Duden, K. I 8 : 103, 108.
Dnbi, H. IV 5 : 358.
Dühr, A. 18: 18.
Dühring, E. I 12 : 161; IV la: 1;
5: 631; 8a: 134.
Düramler, E. IV 1 c : 46.
Duntzer, H IV 4 : 10; 8a : lln/6; 8b :
9, 33,4; 8c : 10; 8d : 17; 9 : 42, 90;
10 : 124.
Düring, H. 14: 67.
Dürnwirth, R. 15: 271.
Düsel,F. I 8:38, 49; IV 2b: 37; 6:4.
Dixff, E. G. 13: 101, 297.
Duflou, G II 4 : 23.
Dufresne de Saint Leon, A. 13: 107.
Duhr.B. I 4 :523; IV lc:54; 9:111.
Dnller, E. I 4 : 515.
Dumas, A. I 12 : 339.
— G. 112: 331.
Dundatschek, R. 18: 118 a.
Dunger, H. 18: 37, 133; IV 6 : 3,
Du Prel, C, I 4:185; IV 5:79.
Durm, J. I 11 : 83.
Dute, A. I 6 : 142.
Du Tillet, J. I 12:347.
Dziatzko, K. I 2 : 14; 3 : 113, 193, 197;
IV 1 c : 126.
Ebe. I 11:257.
Ebel, C. 14: 393, 506; 6: 105.
Ebeling, A. IV 1 c : 17, 19.
Ehering, E. IV 10:68.
Eberlein, G. I 11:378; 12:105a.
Ebers, G. I 11 : 338; IV Ic : 91/2.
Eberstein, A. Frhr. v. 14: 541.
Ebner, A. II 6 : 27.
— Th. IV 2b : 18, 93; 10:144.
Eck, S. II 1:25 a.
Eckart, D. IV 11 : 34.
— R. I 5 : 322
— Th. 15: 158.
Ecke. II 6 : 103
Eckstein, E I 8:74/5.
Edgar, J. IV 4:298.
Edgcumbe, R. IV 2a: 110; 1 d : 49.
Edlinger, A. 14: 533.
Elfmann, W. 14: 404; 11 : 124.
Egelhaaf, G. II 1 : 2, 57 ; 6 : 4; IV 1 c : 30.
Eggers, K. I 11:289.
Eggert. I 4:119a.
Egli, E. II 6:166.
— J. J. 15: 369.
Ehlers, H. III 1 : 24.
— R. II 6:67.
Ehrecke, G. I 7:94.
Ehrenberg, H. 1 1 1 : 98, 104/5, 421 ; II 1 : 35.
— K. I 11 : 54.
— R. I 4:151; II 1 :63; III 1:98.
Ehrenthal, M. v. II 1 : 121.
Ehrhard, A. I 13:126; II 6:10.
Ehrhardt, A. 1 12:52.
Ehrlich, A. I 13:36.
— H. I 13:35; IV lc:156.
Ehrmann, E. IV 2a: 28.
Ehses, St. II 1 : 151.
Ehwald, B. 1 3:38, 95.
Eichfeld, H. I 12:118.
Eichholz, K. I 5:310.
Eichler, M. 15: 151/2, 193.
— 0. 18: 150.
Eichner, W. II: 159.
Eid, L. I 6:232.
Einert, E. I 4:395; III 1:19; 4:20.
Einhanser, J. E. IV 9 : 127.
Eisenhart, A. v. III 5:46/6».
Eisenschitz, 0 IV 4 : 101.
Eisner, K. I 1 : 65 ; 12 : 383 ; IV 5 : 189.
Eisschilt, K. IV 4 : 96.
Eitner, R. 13: 266 a; 13 : 1, 15, 46. 57,
69, 78; II 2:47/8.
Elger, A. IV 4 : 407.
Elias, J. I 1 : 173 ; 11 : 408 ; 12 : 410 a ;
IVlc:112; ld:64; 2b:30, 100;
4 : 27, 390.
Eliot, G. IV 5 : 265.
Elling, G. I 13:23.
Ellinger, G. 110:47; 117:4, 61;
Autorenregister.
1112:6; 4:21, 27, 42,45; IVlc:47;
4:376; 5:336.
Ellis, W. A. I 13 : 110, 116.
Ellissen, 0. A. IV 5 : 292.
Elm, H. 14: 380.
Eloesser.A. I8:95;III4:19; IVld:23.
Elster, E. IV 8b: 33; 11:24, 27,29.
Elton, C. J. 13: 99.
— Mary Augusta. I 3:99.
Eltze, A. IV lc:35.
Emil, E. I 4:546; IV lo: 163.
Endeis, E. L. II 6:55.
— L. n 6:122; 7:4S.
Endres, J. 14: 438.
Engel, G. I 12 : 94.
— K. m 4 : 45.
Engelhard, R. I 11 : 16».
Engels, F. IV 5 : .5636.
Engelsmann, G. IV 4 : 346.
Engl, J. E. 113: 83.
Englert, A. 13:37:5:255,329,332;
II2:43;m2:l;IV2a:73;2b:lll;.
9:121.
Erbe, K. I 4 : 45; 7 : 1 ; 8 : 130; 13 :49.
Erdmann, H. I 10:4; IV 10:161.
— K. I 12 : 142.
— M. IV 8b: 29.
— 0. I 8:105; 12:4; lUö :59;IV8a:
134 a.
Erdraannsdörffer, B. 1111:12, 117;
IV lc:38.
Erhard, A. I 12:348.
Erichson, A. II 6 : 162,3.
Ernst, A. I 7 : 120 : 13 : 120 ; I V 1 C : 24.
— A. W. IV 2b: 7.3.
— P. IV 4:191.
Bschbach, P. 111 1 : 99.
Essenwein, A. v. I 11 : 163.
Ettlinger, J. I 11 : 294a; IV 8e:80.
Etwalt-Lessnor, J. IV 9 : 106.
Eubel, C. II 1 : 94.
Enlenburg, A. I 12:389.
Euler, K. 16: 14, 185.
Evans, Elizabeth. I 4:567.
Evers, E. I 7:76.
— F. IV 5:21.
Ewert, M. I 10:34.
Eyok, Dr. van. 1 12:57.
Eye, A. v. I 11 : 174.
Eymer, W. IH 5 : 48.
Eynatten, Carola v. I 5:134.
Eyth. H. I 11 : 10.
Faber, K. W. 15 : 14.
Fabricius, G. 15: 196; 7 :5.
Fack, M. I 7 : 26.
Fäh, A. 1 11 : 65.
Faggi, Ad. I 12 : 296.
Fagnau, E. 13: 31.
Faguet, E. II: 124; DI 1 : 139; IV
10:5.
FalcV, P. Th. I 11 : 325.
Falckenheiner, W. 16: 106.
Falk, F. 1 3 : 40, 69, 83/4; II 1 : 117;
7:40.
Falke, J. v. I 11 : 64.
Falkenberg, B. IV 5 : 89-90.
Falkenheim, H. II: 53.
Fasnacht, E. IV 10 : 156,
Fasola, C. 18: 128.
Faulmann, K. 18: 102.
Faust, Kuno. IV 5 : 73.
— ß. IV 10 : 142.
Fazy, E. I 13 : 115.
Feohner, H. 16: 73.
Feilberg, H. F. 15: 122, 232.
Fellner, K. II: 58.
Pelsberg, 0. n 3 : 31.
Fengler, C. II 6 : 80.
Ferber, H. I 4 : 419.
Fessler, II 6 : 32.
Fester, K. III 1 : 52, 127.
Fenllie, M. IV 4 : 108.
Fichte, E. 1 11 : 330.
Fickelscherer, M. II 7 : 63.
Fielitz, W. IV 8c: 16.
Knck, H. T. I 12 : 55a; 18 : 117; IV
1 d : 56.
Findel, J. G. 14 : 132; IV 5 : 54.
Finke, H. I 4 : 404.
Finkel, L. II 1 : 144; Hl 5:56.
Firnienich-Richartz, E. I 11 : 71, 241.
Fischbach, C. v. 14: 436.
— F. I 2 : 36; 11 : 404.
Fischel, H. I 11 : 343.
Fischer. Alb. I 12 : 205; II 6 : 189.
— A. F. W. II :143:i; II 2:1a.
— B. IV 4 : 310.
Fischer, E. 1 11 : 5.
— Georg. I 11 : 102.
— Herrn. I 5 : 259; 8 : 47; 111 2 : 36;
IV 2a : 94; 4 : 46; 9 : 72; 10 : 150.
— Jacques. IV 5 : 22, 610.
— Kuno. II 3:25; III 4:39; IV
5: 151: 8e:63.
— M. U 6:111.
— 0. 16: 172.
— Paul. I 12:4 a.
— Rud. III 4 : 6.
— Th. 14: 77.
— Th. A. II 1 : 169.
Colbrie, A. I 12 : 282.
— v. Röslerstarom, E. I 3 : 54.
Fitte, S. m 1 : 76, 128.
Flaischlen, C. 1 1 : 87 ; 5 : 250 ; 12 : 273;
IV 4:287: 10:133.
Flasch, A IV 5 : 377.
Flathe, Th. IV 5 : 325, 605.
Fleiner, A. I 4:30; 11:16.
Fleischer, Ernst. I 11:305.
— Herm. IV ld:79.
— 0. I 13 : 18, 29.
Fleisohmann, J. K. IV 5 : 364/5.
Flex, E. 18: 20.
Florin, A. 17: 45.
Flotow, M. V. 112: 143.
Flegel, 0. I 12:77 a.
Foä, A. IV 9 : 34.
— E. III 3:30.
Fock, G. 13: 137.
Förster, C. I 4:612.
— F. W. IV 5 : 115.
— 0. 15: 214.
Nietzsche, Elisabeth. IV 5 : 175.
Foertsch, A. I 4:80; 6: 9C.
Fokke, A. I 11 :S7.
Foltz, 0. I 7:129; 12:83.
Forst, H. I 3:71; 4:366.
Fortebracoi, G. 1 10:24.
Foss, R. I 7:113; IV lc:133.
Foth, K. III 3 : 20.
Fourcaud, L. de. IV 2a: 50.
Fränkel, L. I 1:89, 95. 139, 173;
5:2/3, 117, 223, 226, 236, 252, 312;
8:78, 94; 10:18, 24, 33; II 3 : 34,5,
44, 46: 7:65; III 1:140: 3:3, 9;
4:10; IV ld:61; 2a: 25, 33, 108;
2b: 96, 103, 114; 4:29-30, 35,6, S9,
180, 248, 404, 439, 467 ; 5 : 3S6/7, 393,
423, 523, 531; 6:16; 8a: 73, 116a;
8b: 28; 8e:55, 71, 97; 10:22, 79,
106; 11:15, 24, 56.
Frahra, L. 14: 259.
France, A. II: 127.
Franck, A. IV 5 : 499.
Francke, K. IV 8e:103.
— 0. I 6:47; IV 7:7.
Frank, R. III 5 : 53.
Franke, C. I 1:46.
— J. H. I 4:18 b.
— K. I 4 : 408.
— L. A. 13: 288.
Frankfurter, S. 16: 63.
Fraoquet, E. v. I 11 : 49.
Frantz. A. 11 6:82.
— E. I 11 : 68.
Franz, R. IV 9 : 144.
Franziszi, Fr. I 5 : 269; III 4: 38.
Franzos, K. E. IV 4:9, 230; 5:435;
11 : 24.
Frege, F. 14: 252.
Freiberger, G. IV 4 : 156.
Freihofer, A. I 11:276.
Freivogel, L. I 4:490.
Frensdorff, F. II 3:77; IV lc:31;
5 : 534.
Frenxel, K. IV 11:24.
Freson, J. G. I 12:17 a.
Freudenthal, A. 15: 45.
Freund, L. I 5:313; 10:50.
Frey, C. 1 11 : 2, 65, 85, 106 ; II 6 : 99.
— E I 8 ' 91
— S. I 4:62, 193; III 1:39.
Freybe, A. I 5:57; 10:45; IV 4:205:
5:547, 628.
Freyer, P. I 6:240.
Frey tag, E. R. I 5:285; U 2:30.
— Gnst. I 11:400; IV Ig: 148.
— L. I 1:80; 5:28; 7:6, 66; III
1:67.
Frick, G. lU 1 : 113.
— J. 15: 346.
— 0. I 7:43a: IV 9:66.
Fricke, A. II 6 : 76.
— h. W. II C : 77.
— W. IV 5:498.
Friebe, K. 111 2 : 38.
Fried, A. H. II: 161.
Friedel, E. 15: 21, 39.
Friedensburg, F. I 4:323b.
— W. II 1:140; 6:35.
Friedl&nder, E. I 3 : 259 ; 4 : 95.
Friedlaender, M. I 8: 147; 11 : 221/2,
429; 13:42, 95. 100; III 2:41; IV
2b: 20/1; 10:163.
Friedmann, A. 11:138,149; lV2b:67;
4 : 252.
— Fr. 14: 186.
— L. IV 4 : 56, 237.
— 8. IV 4 : 204
Friedrich, Job. IV 2b: 35.
— Rieh. I 12:257, 265. 375; IV
lc:121; 2a:19; 4:73, 113, 166,314;
5:427; 7: 11.
Fries, W. 17:43.
Frietinger, A. 15: 160.
Frimmel, Th. 111 : 409.
Frischauf, E. 15: 68.
Fritsch, K. E. 0. I 11 : 81, 117, 160.
Fritz. II 6 : 145.
Fritze. I 11 : 165.
Froehde, 0. I 1 : 54.
Fröhlich, G. 16: 59.
— R. IV 5 : 234,
Frohschamraer, J. IV 5 : 222.
Froitzheim, J. IV 8b: 30.
From.inn, Fr. 17: 122.
Fromm el, E. IV 1 c : 107,8.
Frotscher, P. I 4:593.
Fuchs, A. I 7:53; 12:135a.
— K. 15: 278.
Führer, A. 17: 101.
Ffirst, H. I 12 : 269.
— M. I 11:300.
Fürstenwerth. L. 11 1:47.
Fuhse, F. 111: 171, 173/4.
Fulda, L. IV 4 : 314.
Kumagalli, G. 13: 93.
Funok, H. IV 4:6; 5:535.
Funcke. 0. III 5 : 21.
Funk, F. X. V. II 1 : 45; 6 : 113.
Funke, A. I 7:60, 81, 84; IV 9:113.
»abrielli, Fr. 14: 284.
Gade, D. IV 1 c : 154/5.
Gädcke. I 4 : 168
Gaedechens, C. 14: 351.
Gädeke. IV 2a: 64.
Gaedertz, K. Th. IV 2a : 112,3; 2b : 99,
104, 106; 8b: 50.
Gärtner, R. 13: 261.
Gaidoz, H. 15: 93/4.
Galland, G. 111: 256/7. 276, 282 ;
m 1 : 123.
Galle, F. I 8:35; H 3:43.
Gallwitz, H. IV 5 : 641.
Gänsen, J. 16: 55, 118; II 7 : 19.
Gareis, C. I 1 : 119.
Gasch, F. R. 14: 233.
Gast, P. IV 5 : 193.
Gattel, A. 13: 57.
Gattiker. G. 15: 156.
Gaudig, H. I 7 : 43a; IV 9 : 66.
Gauthiez, P. II 1 : 90.
Gautter, E. IV 2b: 69.
Gebhard, Ign. III 2 : 11.
Gebhardt,B. 11:98; II 1 : 94;IVlc:47.
Geerds, E. IV 2a : 87, 89-91.
Geffcken, J. IV 5 : 406.
Gehmlich, E. I 6 : 199-200, 227/8.
Geiger, Abr. IV 11 : 50.
— L. 1 1 : 166; 4 : 3.30; 6 : 167;
11 : 399; III 1 : 120; IV la : 44;
Ic : 13, 22, 25. 74, 95: 2a : 77; 4 : 38,
452,3; 5 : 24, 32. 35, 622: 8a : 5, 33a,
34b. 68, 122, 128. 158; 8b: 12. 14b.
42, 43a, 46; 8d:6, 22; 8e:2S; 9:15:
10:78. 141.
Geiser, K. II 2 : 27.
Gempeler, D. 15: 155.
Genee, R II 4 : 25.
Genniges, E. IV 2b : 84.
Gensei, W. I 8 : 146; IV 5 : 44.3.
Gensichen, M. IV 5 : 554.
Georg, C. 1 3 : 271.
Gerard, Francis A. 1 11 : 278.
Gerber, G. I 12:75 a.
Gerecke, A. 14: 540.
Gerhard, Adele. (= Hardegg,A.i IV5:63.
— F. n 2 : :n; III 3 : 10; 5 : 16.-1.
Gerhardt, D. v. (= Gerhard v. Amyntor.)
IV 1 c : 64.
Gerin-Cassal, 0. I 5 : 62 a.
Geriath, G. I 6 : 134.
.Tshresberioht« für nenero deutsche I.itteratnrgeschiclite. IV.
4(.S8)
Autorenreg-ister.
Gerlach, H. 1 3 : 77/8 ; 4 : 229 a; 11 : 122.
— B. 16: 150.
Gerland. E. IV 8a: 97.
— 0. 14: 183. 560.
Germain, A. 1 12 : 61.
— L. II 4:40; lU 4 : 25.
Germann, W. II 6 : 127.
Gernet, A. v. 14 : 497.
Gerok, G. IV 2b: 119.
Gersal, Luc. (= Le Gras.) IV Ic : 161.
Gerstenberg, H. IV 2b : 97.
Gerster, F. C. I 12:292.
Gerth, E. I 1 : 133.
Gervinns, G. G. I 2 : 25; IV Ic : 137;
5 : 319.
Gerwig, L. II 1 : 149.
Gess, F. II 6 : 29.
Gessler, M. II 3 : 74.
Geucke, C. E. I 11 : 47.
Geyer, P. IV 5 : 380.
Giacosa, G. II 1 : 74.
Gieclte, 0. 14: 431.
Giesswein, A. 18:5.
Gildemeister, 0. IV 1 c : 17 ; 5 : 444.
Gillhoff. J. 15: 340.
Gilman, B. J. I 12 : 48.
Gilow, H. IV 4 : 73.
Girard, P. F. IV 5 : 314.
Girgensohn, J. I 11 : 326; III 1 : 44.
Girndt, 0. IV la:27a; lc:74.
Girot, A. IV 1 d : 16; 4 : 91; 11 : 39.
Giry, A. II: 14.
Gisevins, H. IV 5 : 110.
Gittermann, W. IV 5 : 377.
Gizycki, Lily v. IV 8b: 41.
Gizzi, G. G. I 12 : 429.
Glabbach, W. 16: 59.
Gleadell, W. H. I 12 : 321.
Gleichmimn, A. IV 5 : 205.
Glöckl, L. 16: 57.
Glöde, 0. I 4 : 111; 5 : 130, 134, 140,
291, 297/8, 333, 351, 334, 357, 3.i9;
8 : 35, 68; 10 : 30; II 3 : 24, 43;
III 5:15a; IV 7: 17; 8a: 134a.
Gloel, H. I 7 : 33; IV 4 : 105.
Glogau, G. I 12 : 330; IV 5 : 89, 229.
Glossner, A. IV 5 : 243.
Glossy, C. IV 4 : 185, 203, 212; 8e : 12.
Glück, A. I 13 : 160/1.
Glfiner, C. v. IV 8 e : 80.
Gnad, E. IV 4 : 247.
Gneisse, H. I 12 : 14; IV 9 : 88.
Goebel, F. I 7 : 111.
Göbl, S. I 4 : 130.
Goedeke, K. IV 8a : 114; 9 : 29.
Gödel, G. 14: 362.
Göllnitz, H. 18: 98.
Goeringer, A. I 12 : 51 b.
Goerler. C. III 1 : 118.
Goetschel, G. IV 4 : 111.
Götting, C. F. J. II: 38.
Goetze, E. 110:28; 113:20: IVla:2;
2a :1.
Götzinger, E. IV 5 : 353.
Goldmann, E. IV 4 : 153.
— K. IV 4 : 415.
Goldscheider, P. 17: 40.
Goldschmidt, H. I 13 : 67.
— P. IV lc:22.
Golther, W. II: 94, 119 ; 5 : 136, 228;
10 : 43; III 4 : 8.
Goltz, F. IV 2b: HO.
Gombert, A. 18: 106.
Goncourt, de. II: 128.
Goossen, M. A. II 6 : 175.
Gossen, H. I 12 : 115 a.
Gothein, E. I 4 : 499; III 1 : 116.
Gotthelf, F. I 13 : 4.
Gottschaldt, A. 14: 129.
Gottschall, R. t. I, 3 : 66; 12 : 27;
IV 4:252; 9: 156.
Gottsleben, L. IV 4 : 197.
Gourmont, R. de. I 12 : 62.
Gradl, H. 15: 173, 376.
Graetz, H. 14: 535/6.
— L. IV 5 : 453
Graf, A. I 5 : 116.
Graffander, P. I 1 : 140; 4 : 148.
Grandjean, M. 14: 476.
Granichstätten, E. IV 4 : 239.
— 0. IV 1 d : 62.
Granier, H. 14: 95.
Grasberger, H. 111: 199.
Grasset. I 3 : 159.
Granl, R. I 11 : 2, 17, 853, 857, 360,
876, 451.
Grans, J. I 11 : 114.
Gr«zer. R. I 4 : 32.
Greene, Reag. I 1 : 108.
Gregorovius, E. IV 5 : 595/6.
Greiffenrath, F. IV 5 : 578.
Greinz, R. H. 15: 263; IV Ic : 83;
4:96.
Grelling, B. IV 4 : 364.
Gressler, J. IV 5 : 579.
Grenssing, P. 15: 19.
Grien, Fr. I 5 : 371.
Grienberger, Th. v. 18: 134.
Griessbach, J. 17:3.
Grillenberger, G. 16: 30.
Grimm, H. I 1 : 108/9: 8 : 100; 11:38;
IV la:27a; lc:21, 23; 2b:22/3;
5:618|9; 6:41; 8a:34a, 108, 145.
Grisberg I 12:348.
Grisebach, Ed. IV 5 : 161 a.
Griveau, M. I 12:52 b, 52 o, 157/8.
Gröning, A. 15: 188.
Grössler, H. 15:33, 142; 11:99;
II 6 : 155.
Groner, Auguste. I 12 : 203.
Groos, K. I 12:111a.
Gross, F. IV 4:234; 8a:15; 8e:80.
— J. 14: 562.
Grosse, H. IV 5 : 225.
— J. I 11:21; IV 5:429.
Grosser, R. 13: 223.
Grotefend, H. IV 4 : 300.
Grottewitz, C. I 1:133; II 1:106;
IV 5:461.
Grotthus, J. E. T. IV 4: 93; 8b :38b.
Grnbe, Anna. I 5:48.
— E. III 3 : 19.
— H. II 3 : 90.
— K U 6 : 2,5.
— W. 1 4:367 a.
Gruber, C. IV 8d:7.
— H. IV 5:52, 67.
— K. 14: 6,i.
Grucker, E. I 12 : 9; IV 6:36.
Grünberg, P. III 1 : 90; 5 : 20a, 22.
Gründorf, K. IV 4 : 268.
Gränhagen, C. I 4 : 323 a ; IV 5 : 36, 518.
Grünstein, J. IV 1 d : 81.
Grüner, J.v. IV Ic : 24; 5 : 597.
— 0. 111: 16'3.
Grupe, B. IV 1 a : 22.
Grupp.Q. I 1:14a; 4:575; IV 5: 513.
Gude, C. I 7 : 55.
GnÖmundson. I 1 : 119.
Gündel, A. IV 5 : 481.
Günther, B. I 3 : 219.
— F. 15: 190.
— 0. IV 8b : 13, 37-37a ; 8 d : 20-20a.
— S. IV 2b:39; 8a:97.
Guerrier de Haupt, M. HI 3:29.
Guglia, E. I 4 : 157, 463/4 ; IV 5 : 294,
299; 8b :12a, 45; 8c: 25.
Gnillaud, A. I 1 : 5; IV 5 : 291, 324.
Guiraud, J. II 1 : 141.
Gundlach, F. I 5: 265; IV 5 : 295.
Gnppenberger, L. 13: 149.
Gurlitt, C. I 4 : 70; 11 : 158, 354, 367,
390; 12:24, 70a.
Gutberiet, K. IV 5 : 97, 229.
Gutscher, H. I 5:305.
Gutzeit, yf. V. I 8:111.
Haape, W. 18: 146 o.
Haas, A. 15: 40, 242.
— G. E. II 1 : 14; III 1 : 2.
Haase, G. IV 1 c : 12.
— H. 14: 354.
— K. E. 15: 91, 121, 125, 149, 195.
197, 240, 254, 292, 353; IV 8e : 96.
Haberl, F. X. I 13 : 63, 159.
Haberland, F. 18: 99.
Habs, R. I 4 : 206.
Hach, Th. I 4 : 234.
Hack, E. 14: 202.
Haeberlin, C. 13: 199, 244.
Haeckel, E. IV 5:49-50.
Häckermann, A. I 6:37; IV 5:214b.
Hähnel, F. 112: 245/7 . IV 1 a : 43.
— K. I 7:135; 12:428; IV 8e:7.
Haek, D. IV 5 : 20.
Haendcke, B. I 11 : 216/7, 227.
Haese, M. IV 1 c : 147.
Häussner, J. IV 9 : 154.
Haeutle, Chrn. I 11 : 145.
Hafner, G. I 12 : 203.
Hagedorn, E. 13: 61.
Hagemann, Ella. IV 8a: 9«.
— G. IV 5 : 239.
Hagen, H. n 7 : 4, 29.
Hageneier, E. 14: 584.
Hager, G. I 11 : 146.
Hahn, H. IV 1 c : 70.
— T. II 6 : 107.
Halbfass. IV 8 e : 9.
Haidane, E. 8. IV 5 : 133 a.
Halevy, L. IV 1 c : 60.
Hall, M. van. IV 8b: 29, 33.
Haller, E. A. II 1 : 95.
Halling, K. I 4 : 311.
Hamilton, W. 13: 241.
Hamm, J. 14: 210.
Hammeran, A. I 8 : 46; IV 8a : 104.
Hammermann, F. 17: 94.
Hammerstein, Frhr. v. IV lc:28.
Hampe, Th. I 11 : 184; 12 : 3; Hl:
82; 2: 22; IV 6: 25.
Handtmann, E. 15: 111, 339.
Hanebuth, K. I 10 : 22; IV 9 : 104
Hangen, Ph. IV 9 : 130, 139.
Hann, F. G. I 4:240; 11:245/6; 11
1 : 161.
Hanncke, K. 14: 341 ; II 1 : 52.
Hanover, E. I 11 : 336, 849.
Hans, H. II 6 : 60.
— J. II 6 : 188.
Hansen, H. I 12 : 370.
— J. I 4:502, 525; II 1:146.
— K. 17: 117
— P. IV 8e:38.
Hansjakob, H. IV 5 : 638.
Hansllck, Ed. I 13 : 167 ; IV 1 o : 157.
Hansson, 0. I 12 : 100; IV 4 : 125, 297 ;
5 : 197.
Hanstein, A. v. I 12 : 424; IV 4:825;
9:17; 10 : 52.
Hardeg, A. R. IV 5 : 63.
Hardegger, A. 14: 513.
Hardeland, Th. II 6 : 85.
Harden, M. I 12:318, 360a; IV 4 :
136, 160, 162, 318.
Härder, C. I 6 : 33.
Hardnng, V. II: 164.
Hardy, E. 18: 5.
— W J. 13: 100.
Harich, E. I 12 : 178.
Harms, P. IV 6 : 35; 8e : 72/3.
Harnack, 0. I 1 : 53, 173; 2 : 45; 11 :
2; 12 : 14, 53 a, 69; IV 1 a : 32; 1 c :
34, 83; Id : 62; 4 : 332, 473; 6 : 33;
8a:59-59a, 112, 120, 134a; 8b : 27,
43a, 46; 8e : 49, 64.
Hart, H. 112: 155, 160, 396; IV 5 : 682.
— J. I 1 :77; IV 2b: 18; 4:426;
5 : 629-30.
Hartel, W. v. I 6 : 64.
Hartenau, W. I 12 : 285.
Hartenstein, G. IV 5 : 210.
Hartfelder, K. I 6 : 16, 117; II 1 : 12,
23; 3 : 71; 6 : 41, 43, 115; 7 : 20, 32,
35/6, 39, 41, 50, 61a, 68.
Hartmann, A. I 4 : 63; II 4 : 14; III
4:2.
— E. V. I 4 : 241 ; IV 5 : 109, 127, 592.
— H. I 5 : 82, 307.
— J. I 4:437: IV Ic : 57; 9 :10.
— K. A. M. IV 1 d : 22.
Härtung, B. II: 15.
— 0. IV Ic: 22; Id: 22; 4:102; 8a:
121; 8b: 42.
Hartwig, 0. I 3 : 194; II 6 : 46.
Harzen-Müller, V. A. N. I 13:123;
IV 9 : 132.
Hase, 0. V. 13: 113/4, 269.
Haselmayer, J. E. 17: 25, 146.
Hasenclever, A. I 11:40.
Hasner, J. v. IV 1 c : 39.
Hasse, K. E. IV 1 c : 121.
— P. I 11 : 129.
Hassell, U. v. 14: 293.
Hassenkamp. R. 14: 181.
Hassler, K. IV 4 : 302.
Hauber, G. IV 9 : 64.
Hanfe, E. IV 5 : 496.
Hauffen, A. 17:72; II 8:47/9; III
4:6a; IV ld:69; 4:25; 8a: 135;
8d:18.
Hang, E. I 1:110; IV lc:133; 5:
296; 8a: 129.
Haupt, H. I 2:42; 6:107, 144; 8:
32-32a; H 1 : 19; IV lc:97.
Hanreau, B. 18: 82.
Hansegger, F. v. I 12 : 91-92 a, 241;
13 : 6.
Haussleiter, J. II 6 : Ol.
Hausrath, A. 11 6 : 92.
Haym, B. IV lc:21.
Hegler, A. II 6 : 185.
Hehl, K. 17: 19.
Hehn, V. 14: 13.
Autorenregister.
Heichen, W. IV 1 d : 71.
Heiok, Ed. 111 1 : 71.
Heide, G. XU 1 : 64.
Heidemann, J. 14: 340.
Heidenheiroei, H. IT 8b: 24.
Heidt, K. H. IV 8e:6.
Heigel, F. 14: 585.
— K. V. I 1 : 68; 3 : 201; 4 : 444; 11 :
254; m 1 :62; IV lc:6; 4 : 32;
5 : 344, 391, 513.
Heilborn, E. I 4 : 609 ; IV 1 d : 60; 4 :
229,314.
Heilig, 0. 15: 262, 830/1.
Heilinann,K. I 1:86b; 7:141; 12:38.
Heimann, F. C. I 11 : 414.
Heimbucher, M. 13: 150.
Heindl, H. 1 5 : 160.
Heine, C. HI 1 : 138.
— G. I 8 : 70
— P. IV 4 : 375.
Heineck. H. II 6 : 117, 155; 7 : 47.
— Z. IV 2a: 85.
Heinemann, K. I 7 : 64: 11 : 273; IV
8a: 15, 25, 33a, 34b, 91, 112; 8b : 10,
27/8, 33, 40, 42; 8c : 23; 8e : 39,
— 0. V. III 2 : 19.
Heinrich, G. A. II : 104; IV 2n : 70.
— K. I 1:2; 3:231: IV 5:316.
Heinrichs, E. II 7 : 31.
Heintz. A. I 13 : 21. 42, 113, 129, 136.
Heintze, A. 15: 256; IV 10 : 131.
Heinze, R. Hl: 97.
Heinzelmann. W. I 4 : 147 ; IV 8a : 72.
Heibig, B. IV 4 : 423.
— J. 14: 471.
Helferich, H. I 11 : 7, 366.
Helfert, A. t. IV lc:39a.
— J. T. IV 1 c : 24, 39, 150.
Hellen, Ed. v. d. IV la : 40; 8a : 53,
55, 112.
Hellenbach, L. B. IT 5 : 56.
Heller, J. 15: 62.
— S. IV 11 : 50.
Hellinghaus, 0. IV 1 0 : 68; 2a : 97;
8a :134a.
Hellmann, Fr. IV 11 : 42.
Hellmuth, E. I 12 : 195; IV 2b : 38.
Hellwig, L. 14: 359.
— P. 17: 116.
H6mon, F. 1 12 : 15 b, 171, 309, 346.
Henckel, W. 1 12:339.
Henckell, K. IV 11 : 12.
Hengesbach, J. II: 78.
Henkel, H. IV 8e: 18-20.
Henne am Khyn, 0. I 4 : 23, 285 ; 5 : 81.
Henning, K. 16: 136.
— K. ni 5 : 5.
Henry, E. IV 9 : 96.
Henschel,A. 14 : 363; II 1 : 143; 6 : 143.
Hense, J. 17: 15.
Hentschel, A. I 7 : 11 ; IV 8 e : 16.
— C. 17:4.
Henzen, W. I 12: 16; lY ld:82
Heraens, M. 16: 125.
Herber, F. 14: 421.
Herbert, H. I 4 : 484.
Herford. C. U 3 : 51.
— E. IV 2b: 41.
Hermann, E. IV 9:67.
— K. A. I 13:51.
Hermenjat, L. IV ld:12.
Herr, L. IV 5 : 127.
Herrraann. A. 15: 27, 30, 103, 273 4.
— M. 11:173; 6:246; n 3:4; 7:10,
58; m 4:15: IV 10:62.
— W. n 6 : 103.
Hertel, E. IV 2b: 87.
— G. n 6 : 157.
— L. I 4:390; 5:16; 8:113.
Herter, J. II 3:3a.
Hertz, M. 12: 16/7, 23 ; 5 : 363.
— W. I 5:157, 229; 10:7.
Hertzberg, Ebbe. I 1 : 119.
— G. 14: 374.
— N. I 12:354; IV 4:126.
Hertzka. Tb. 14: 589.
Herwig, 0. I 8 : 112.
Herzfeld, Marie. IV 1 a : 28.
Herzfelder, J. IV 2b: 61; 8b : 39.
Herzl, Th. I 12:176.
Herzo-, H. IV 4 : 66, 68; 8d : 13.
Heskamp, H. I 7 :80, 85; IV 9: 124.
Hess, A. III 4 : 18.
— J. 14: 501.
Hessel, K. I 7:103,4; IV 8e:37:
11 : 33.
Hessen, R. 18: 142.
Hessler, A. IV 4:468.
Hessmert, C. 16: 191.
Hettner, H. III 1 : 134.
Henbanm, A. 16: 183.
Heuer, 0. HI 3:8; IV 8a: 2, 44;
8e:55.
Henermann, A. IV 1 a : 31 ; 1 C : 69.
Heuwes, J. I 7 : 66; IV Ic : 68; 4 : 72.
Hevesi, L. I 4:29; 5:51; IV 4:229,
416, 469, 472.
Hewlett. M. U 1 : 77.
Heyck, Ed. III 1 : 12, 117; IV 5 : 315.
Heydenreich, E. I 6 :201; IV 2a:84.
Heyl, J. A. IV 9:81.
Heyn, E. 14: 420.
Heyne, M. 18: 104 5.
Heyse, P. IV 5:588; 11:8.
— Th. IV Sa: 63.
Heyst, B. G. de Vries van. II 6 : 105.
Hieke. W I 4:229.
Hildebrand, A. I 11:19; 12:65b.
— P. I 11:27.
— E I 7:37; 8:62, 65, 67, 71, 104;
IV 5:8; 8c:2; 8e:80; 9:51.
midebrandt, A. M. I 3:236.
— P. I 12 : 137.
Hildenbrand, F. J. I 4 : 60; II 1 : 110.
Hilken. I 8 : 152
Hillebrand, J. 14- 397.
Uimmelstoss, M. 18: 114.
Hinneberg, P. I 1:4, 23 c.
Hinrichsen, A. II: 165.
Hintze, 0. 14: 255.
Hippe. M. I 10 : 42.
Hiptmair, M. I 11:72.
Hirsch, Aug. I 4 : 278.
— F. I 1:153; 4:314; m 1:74/5.
Hirschberg, C. I 4:407.
Hirschfeld, L. IV 4 : 227.
Hirt, H. IV 5 : 157-61.
— P. 17: 116.
Hirth, G. I 11:22/3, 62/3.
Hirzel, G. IV Ic: 160: 10 : 91.
— L. I 1:96; III 3:13; IV 9:53.
Ellwangen. IV 8e:90.
His-Heusler, E. I 11:218.
Hitschmann. F. I 12:106.
Hoch, R. IV 5:360.
— S. I 4 : 545.
Hoche, R. I 6:17, 19, 71, 75,6, 83,
197; II 7:55; IV 5:368, 376.
Hochstetter, E. U 6:156.
— K. II 6 : 195.
Hockenbeck. II 1 : 166.
Hodermann, R. I 4:391: 12:385; III
4:31; IV 4:397; Sa: 29,
Hoeber, E. IV 10 : 104.
— K. I 10:16.
Höffer, K. 14: 227.
Höfler, Ct. II 6:94: 7:64.
— M. I 5:11, 2T.
Hölscher, L. I 8: 99: 12 : 196; H 4: 16;
II12:11;4:17:5:60; IVSc:8,13a,
16; 8e:5/6, 745; 9:87, 144, 155,
153; 10:137.
Honig. B. I 5:55; 10:33.
Hoenjger, E. IV 5 : 341.
Hoensbroech, Graf P. 14: 524.
Hörmann, F. (W. Kantorowicz). 1 11 : 53;
12:112.
Hoernes, M. 1 11 : 106, 286.
Hörth, 0. I 8:28; IV 4:34,
Hörtnagl, J. 17: 22.
Hoffmann, H. IV 8a: 164.
— Jul. I 5 : 216/7.
— Max. I 6:184; 7:36; 12:42; IV
5 : 361.
— T. I 5:219-20; 7:147.
Hoffm.innsthal (Loris). IV 4:229.
Hoffory, J. Ill 6 : 6.
Hoffs, F. van. III 2 : 12.
Hofmann, H. II 3 : 2.
— K. III 2 : 39.
— R. I 4:386.
Hofmeister, A. I 6 : 124: n 1 : 123;
lU 6 : 12.
— G. I 7 : 73.
Hofmiller. J. 14: 146.
Hofstede de Groot, C. Ill: 9, 276, 414.
Hohlfeld, P. IV ö : 141/4.
Holder, A. I 2 : 32 ; 4 : 425; 5 : 227 ; II
3:11.
Holenia, E. IV 1 c : 84.
Hollaender, Ale. n 1 : 43, 96.
— F. I 12 : 421.
Holland, H. 16:42; 11:308-16, 424,
427.
Holly, F. J. II: 104.
Holm. E. 112:363; IV4:ia7:8b:38.
Holmes, R. I 3:296.
Holstein, H. 14:103; 6:39-40, 108,
116; II 6: 115; m 4: 12; IV Ic: 158;
5:11; 6:13.
Holthausen, F. II 1 : 169.
Holthof, L. 15: 371 a.
Holtzheuer. IV 5:53, 241.
Holzamer, W. IV 11:5.
Hopf, A. III 1 : 31.
Hopfen, H. IV 4 : 173.
Hopp, E. 14: 453.
HoruiJka, A. 13: 17.5; 11 : 106.
Hörn, E. I 3 : 1.36: 6 : 86a; IV 5:200.
Home, H. P. 13: 103.
Horning, W. II 6 : 158/9.
Hüsäus, W. IV 1 c : 131.
Hosmer, J. II: 107.
Hossfeld. I 11 : 81.
Hostinsky, 0. IV 5 : 206.
Hottenroth, Fr. 14: 262.
Hottinger, M. I 11 : 140.
Hongh, W. S. IV 5 : 91.
Houssay, F. I 12:145.
Howells, W. D. I 12 : 255.
Hruschka, A. 17: 91.
Huber, F. C. 14:287, Ö16-16a; 6:87;
II 1:3, 124.
— L. 13: 110.
Hubert, F. II 1:142,3; 6: 174; 7:2a.
Huberti. L. I 12 : 16i; IV 5:444, 607;
8a: 83.
Hübbe-öchleiden, W. IV 5 : 81/2.
Hübener, W. IV 5 : 274.
Hübler, F. 14: 245.
Hühner, B. lU 4:17.
Hüffer.H. IV8b:13-14a, 37; 8d:20a;
11 : 24.
Hüllemann, E. I 6:25.
Hülsen, Helene t. IV 4:80.
Hüser, B. 15: 43.
Hüttman, J. V. I 7 : 139; 12 : 40.
Hnlley, J. I 11 : 156.
Human, A. I 6:84.
— R. I 4 : 91.
Humbert, E. IV la:29.
— G. IV 5 : 314.
Hummel, F. 14: 606 ; II 6 : 185.
Hunziker, J. I 6 : 78 9; IV 5 : 359, 390.
— 0. I 6:53, 211; IV lc:99.
Hurch, J. II 2:38; 7:65 a.
Huret, J. II: 134.
Hnss, H. CO. IV 8 e : 95.
Huther, A. IV 8 a : 138; 8e : 5.
Hntter, Th. III 1 : 48.
Hnyer, E. 14: 302.
Ibsen, H. I 12 : 359; IV 4: 132.
— S. I 12:.i59; IV 4:1.32.
Ihm, G. I 6:118; U 7:19.
Hg, A. I 11:69, 106, 199,286; IV
la:33.
Ilgen. I 4 : 404.
Ilwof, F. 15: 303; HI 5 : 38; IV
2a: 82.
Imelmann, J. IV 7:8; 9:92.
Inn- u. Enyphausen, E. Graf cn. I
4:263 a, 364 a.
Irving, H. I 12 : 217.
Ischer, R. IV 5 : 30; 8d:21.
Isenbart. H. I 6:252.
Isolani, E. 1 12: 232; IV 2b : 11"; 4: 50,
359-60, 459; 5:44, 410; 10:15.
Israel, A. 16: 22.
Issleib, S. n 1 : 41.
Ivanoff, T. IV, 5 : 209, 211.
Iverach, J. II 6 : 185.
Jacobi, H. n 1:138.
Jacobowski, L. I 1 : 72; 12 : 26d;
IV 1 d : 66.
Jacobs, A. 14: 71, 182.
— Ed. I 3 : 181; 4 : 213: 13 : 71;
111:65/7; 1111:92,3; IVlc:13;
2a: 42, 79.
— H. E. II 6:31,
— P. 14: 414.
Jacobsen, E. P. II 1 : 78.
Jacoby, D. II 7 :3; IV la: 2; 2a: 1;
4:1; 5:616; 6:26; 8c:24; 9:50;
10:11.
Jaden, H. K. Frhr. v. IV 4 : 49.
Jaeger, F. M. I 12:391.
J&ger, G. 14: 18.
Jahns, M. 14: 15, 269.
Jagemann, H. C G. v. I 8:56.
Jahn, M. I 7:87; IV 5:14.
Jakobi, J. IV 5:278.
Jaksch, A. v. I 4:179: IH 2:4
(4)33*
Autorenreg-ister.
Janitscb, .1. I 11:382.
JanitscheV, H. 111: 64, 142. 171,2,
191, 2.'2, 238, 400; IV 1 c : 148.
J.-inssen, H. Q. 111 1 : 106.
Jastrow, J. I 1 : 100.
.Jeaiiniard dn Dot, A. 112:164.
■leanroy, A. II 3 : 17.
.Techt, R. 14: 323.
Jecklin, F. v. III 5:37.
Jeep, E. IV 9:162: 10:61.
Jehle, F. I 8:ö9; II 6:72.
Jeitteles, A. I 8: 77; II 2 : 40.
Jellinelc, A. 1 4 : 538.
— M. H. I 8:66; 12:165; IV 4 : 59;
9 : 164.
Jellinghaus, H. I 1:93; 4:114: 8:79.
Jentsch, K. I 1 : 21 : 4 : 317 ; III 1 : 8.
Jerogow, W. I 12:341.
Jireczek, 0. L IV 4 : 127.
Joachim, G. I 13:60.
Joachiinsohn, P. II 7 : 13.
Jod). F. I 1 :21; IV 5:61, 70, 96,
187, 250.
Joel, K. IV 5 : 100._
Joesten, J. 14: 415.
Joetee, K. F. II 3:81.
Johannes, W. IV 5 : 201.
Johansson, A 18: 101, 125.
John, A. I 5:22; II 1:83; IV 8a: 161.
— W. 16: 145.
Jonas, F. I V 1 c : 20 ; 9 : 22/3 ; 10 : 33.
Jonelli, A. IV 5 : 352.
Jönsson, F. I 1 : 119.
Jordan, A. I 11 : 180.
— P. IV la:47.
— E. 1 1 : 82.
— W. I 12:378; IV 4:245.
Josenhuns, J. 16: 126.
Jostes, F. I 4:404.
Joyce, H. 14: 202.
Jülg, K. IV 9:33.
Jüngst, H. C. I 12 : 416; IV 4 : 141.
Jung, J. I 4:291; IV 5:339.
— R. I 3:46; 4:221.
Junghans, F. H. IV 8b :25a.
— G. IV 2a: 66.
JusskiewicK, A. 14: 41.
Justi, K. I 11:195; IV la:2; 2a:l;
4:1.
JuTalot, L. I 12 : 308.
Kaatz, H. I 12 : 3S4.
Kade, 0. I 13 : 2, 7.'.
— E. I 4:244: IV 4:65; 10:37.
Kaeding, F. W. I 3 : 13,4.
Kaemmel. 0. I 6 : 2; II 6 : 115; 7 : 68;
III 1 : 1.
Kaemmerer, L. I 11 : 356.
Kämpf, S. J. IV 11 : 50.
Kahl, W. I 8 : 23, 83
Kahnraeyer, L. 17: 23, 27.
Kaindl, R. F. 15: 85, 102; 8 : 7 ; III 1 : 30.
Kaiser, M. 14: 176, 442.
Kaisser, B. IG: 58, 229-30.
Kalb, W. 16: 139.
Kalbeck, M. I 12 : 428; IV 6 : 28.
Kalischer, A. Chr. I 12 : 221 ; 13 : 90 1,
97; IV 5:147.
Kamann, J. I 4 : 459; 11 1 : 33 ; IV 8e : 8.
Kan, J. B. IV 5 : 313.
Kantorowicz, W. (= F. H5rmann).
I 12 : 112.
Kapferer, J. A. 15: 243/4.
Kapff. E. 14:437; IV la:13; 8a:71;
II :3.
Karäsek, J. IV 8a: 160.
Kari-udo (= Prinz Philipp v. Sachsen-
Koburg u. Gotha). IV 1 c : 7.
Karl, Erzherzog v.Oesterreich. IV 5: 538.
Karpeles, G. I 1 : 90; IV Ic : 70;
5 : 212; 8a : 29a; 8b : 52; 11 : 26,
28, 30, 51.
Kaspret, A. IV 5 : 305.
Kiissewitz, J. I 12 : 207.
Katscher, L. I 1 :67; 4:32
Katt, F. I 4 : 84; 6 : 123; II 1 : 122;
IV 4 : 420.
Kauffraann, F. I 5 : 8; IV 5 : 13.
— G. IV 5 : 283.
Kaufmann, A. I 11 : 430.
— D. III 1 : 60.
— G. I 1 : 98
— L. I 11 : 171/2.
— M. IV 4 : 345.
Kaulich, J. I 1 : 11/2.
Kautsky, K. II 3 : 12; IV 5 : 594.
Kaweran, G. II 1 : 94; 2:5; 6 : 1/3,
6, 10. 20, 22, 27, 42, 51. 58. 68, 97,
114, 116, 129-30, 135/6, 146/7, 160,
162, 171, 173; 7:3.
— W. I 4 : 171; 6 : 111; 10 : 29;
II 1 :91; 3:. •4; 4 : 29-30; 6:191;
IV 5:320/1; 8a :34a.
Kayhausen, G. 14: 365.
Keferstein, H. IV 2a: 93.
Kehrbiich, K. 16: 54, 235, 24S;'9.
Keibel, M. I 12 : 282.
Keil, E. IV 1 d : 86.
— Rieh. I 4 : 141; 5 : 309; II 1 : 172;
III 1: 105; IV la : 21.
— Rob. I 4 : 141: 5 : IHOI); II 1 : 1T2;
m 1 : 105; IV la:21.
Keinz, F. II 2 : 21.
Keiper, Ph. 16: 165.
— W. IV 2a: 38.
Keiler, E. 15: 53 a, 164, 304.
— H. II: 144, 156; 12 : 150.
Kekule, E. I 11 : 206.
kelber, L. IV 4 : 279
Keller, A. I 6 : 118; II 7 : 19.
— J. I 6:77: IV Ic: 67.
— L. III 2 : 14.
Kelleter. I 11 : 85.
Kellner, H. C. IV 8 a : 33 a, 36, 39, 43,
51, 163; 8e:40. 44.
— L. I 6 : 69; 12 : 349; IV 4 : 138.
Keltenborn, R. I 12 : 159.
Kerape, W. IV 4 : 119.
Kemper, 0. IIl 2 : 15.
Kenner, K. I 11 : 76.
Kern, F. IV 8a: 85: 8e: 39.
Kerr,A. 11:55,152; 12 : 377; IV 4 : 299.
Kettner, G. 1 7 : 41; IV 6:17, 20;
9 : 76, 91, 141/2.
Keussen, H. I 11 : 71; II 1: 166.
Keussler, F. v. I 11 : 154; IV 5 : 302.
Khaynach, F. Frhr. v. I 11 : 51.
KhuU, F. IV 4 : 66.
Kieferndorf, Ph. II 6 : 18.', 186a.
Kiel, D. IV 5 : 149.
Kiesewetter, C. 14: 183/4; 5 : 224.;
10:25; U 3 : 28; 1113:2; IV 5: 78;
8e :61.
Kiesling, E. IV 8a: 6.
Kiessling, A. 14: 389.
Kilian, E. I 12 : 2-28, 243; IV 4 : 221,
314, 332, 369-72, 394, 402, 404, 412;
8a: 52, 140; 9:69.
— J. IV 8e:ll.
Kind, 0. 14: 383.
Kindscher, F. 14: 143.
Kingston, W. H. G. III 3 : 28.
Kinzel, K. I 1 : 83; 7 : 56; II 4 : 28.
Kippenberg, A. I 3 : 225; IV 8e : 80.
Kirchhotr, A. I 3 : 248; II 1 : 111;
IV lc:7.
Kirchmann, J. H. v. IV 5:118.
Kirchner, C. I 4:226; 13:25.
— E. 13: 49.
— F. I 2:51; 12:272; IV la:7, 7b;
5 : 220, 287, 367, 402, 403.
Kissel, C. 13: 2:i7.
Kissling. E. 14: 276.
Kitto, D. IV 8e : 67.
Kiy, V. II 4 : 26.
Klaar, A. 1 1 : 113; 12 : 428; IV 2b: 57;
8e:109.
Klaczko, J. II 1 : 76.
Klaiber, K. H. II 6 : 64.
Klebs, E. 11:5.
Klee, G. 1 7:48, 83b.
Kleemann, S. III 3 : 18.
Klein, H. IV lc:91; 4:232.
— M. I 11:380.
Kleinpaul, E. I 4:18a: 8:2.
Kleinschniidt, A. I V 5 : 340 ; 9 : 82.
Kiele, J. I 5:114.
Klement, K. 14: 472.
Kiemich, 0. I 8:148a.
Klemm, A. I 11 : 136.
Klenz, H. 16: 198.
Klenze, C. v. IV 2a: 10.
Kletke, H. I 7 : 121.
Klewitz, E. 16: 105.
Klinckowstroem, A. v. I 12 : 428.
Klinger, M. 1 11 : 11.
Klören, J. B. I 7:62 a.
Klokow, Ida I 4 : 34.
Klopp, 0. III 1:5, 8, 33, 77.
Klotz, H. II 6 : 160.
Klnckhohn, A. II 1 : 20, 36.
Kluge, F. 12:31; 5:13; 8:101; II
3:30.
Klussmann, B. 13: 138.
Knabe, K. A. F. 16: 173/6.
Knapp. H. I 4 : 108.
Knauer, V. IV 5:2.52.
Knauthe, K. I 5:97, 137, 185, 287.
Kneschke, E. I 13 : 19.
Kniel, C. I 4:503
Knies, K. IV lo:ll.
Kniest, Ph. 14: 355.
Knight, W. I 12: 54.
Knipping, V. II 3 : 91.
Knod, G. II 6 : 40 ; 7 : 21/3, 33, 38 :
IV 5:378.
Knoke, K. I 4 : 102 ; 6 : 109 ; n 6 : 27
187 ; III 5 : 30.
Knoop, 0. I 5:40. 129, 244.
Knopf, J. IV 4:338. 383.
Knothe, F. 15: 286.
Knott, E. II 1 : 134; IV 5:451.
Kobbe, G. I 13:1.35.
Kober, J. III 5 : 29.
Koch, A. I 4:423; 11:92.
— F. E. I 11 : 128.
— Günth.' III 2:32; IV 2a: 8/9.
— H. H. 14: 502.
— L. I 8 : 88.
— Max. I 1:88; 7:134: 10:17, 39;
11:400; III 5:59; IV la:2; 2a:l
18 9, 28, 38; 4:1, 11, 56. 2-37, 239,
248, 371, 451; 8a: 5, 33a, 34b, 37,
45, 56, 58, 60/1, 66, 71, 73, 89, 91,
96/7, 99, 105, 111,2, 116 a, 124, 129,
139-44, 146, 148, 1.00, 152, 167;
8e:5, 53, 56, 64, 70, 75, 80; 9:1, 8;
10:25/6, 37, 71, 81, 99: 11:49.
— V. Berneok, M. 14: 61.
Kocbendörffer, K. I 3 : 25, 97.
Koeber, E. v. I 12:333; IV 5:39.
Knederritz. IV lc:10.
Knegel, F. 112: 3S7 ; IV 5 : 178
Köhler, Ch. I 3:30.
— H. IV 5:62.
— K. II 6 : 195.
Koehne, C. 14: 246.
Koellitz. K. I 11 :201.
König, B. E. I 5:113.
— J. 16: 99-100.
— K. II 6 : 65,
— 0. I 1:85a.
— R. I 1 : 80.
Witten. IV 11 : 13.
Königsberg, A. IV lc:140.
Koeppel, E. I 10:41.
Koppen, W. II 4 : 3.
Köster, A. IV 2a: 28; 6 : 37; 8a: 134a;
8b: 36; 8e:64; 9:4, 7, 47, 159;
10 : 57.
Kösterus, F. 16: 222.
Köstlin, A I 11 : 120.
— J. I 11:303; II 6:53, 64,
Koetschau, C. I 11 : 228.
Kötzschke, H. I 4:599; IV lc:110.
Koffmane, G. II 6 : 1.
Kohl, 0. IV 2a: 52.
Kohler, J. I 3 : 282/3 ; 1 2 : 163 ; 13 : 125 ;
IV 5 : 438.
Kohlschmidt, 0. II 6 : 175.
— W. II 4:8; IV 8c:12: 8d:9.
Kohn, G. I 10:49.
Kohrs, H. IV lc:129.
Kohut. A. I 4:186: II 1:103; IV
2a: 104; 2b: 95, 113; 4:110, 465;
5:18.
Kolb, C. II 3 : 23.
Kolbe, K. I 6 : 160.
Kolberg, J. I 11 ; 98.
Kolck, H. J. I 7:138; 12:31.
Kolde, Th. II 1:5; 6:6, 30, 51, 58/9,
62, 91, 102; 7:49.
Koldewey, F. 14:42; 6:46,251; II
7:54; in 5:41,3; IV 5:493.
Kollbach, K. I 12 : 281.
KollhofF, W. 14: 348.
Kollraann, P. I 4:361.
Kont, J. I 5:28; IV ld:4.
Koopmann, W. I 11:26; 12:96.
Kopfermann. A. I 13:94.
Kopp, A. III 2:40; IV 10:162.
Koppel, F. IV 4 : 79.
TT I 8 * 1*^2 3
Koppmann, K." I 2 : 33 : 4 : 344/5 : 6 : 121.
Kornmüller, U. I 13 : 62.
Koschwitz, E. IV 1 c : 161.
Koser, R. I 4:115; III 1:72.
Kothe, J. IV 2a: 21.
Krack, 0. I 11:35; 12:26», 128; IV
la:7; 4:3-29; 5:513.
Kräger, H. IV 2a: 35.
Krätschel, J. I 11 : 304.
Krafft, K. I 4 : 89
I Kralik, E. I 12:109: IV lc:l».
Autorenregister.
Kfiimer, K. 16: 231.
Kramsall, E. 13:9.
Krantz, E. I 12 : 6.
Kratz. H. I 12:76.
Kraus, C. IV 4 : 59.
— F. S. I 5:27, 93.
— F. X. I 11 : 88^9.
— G. III 5:58.
— K. I 12:165.
— 0. IV 5 : 322, 509-510.
— E. IV 4 : 234.
— V. IV 8a: 160.
Krause, A. IV 8e:80.
— B. I 4:381.
— C. II 1 : 69.
— E. II 6 : 189.
— Ernst 8. Carus Sterne.
— G. III 5 : 61.
— K. I 3:245; II 1:175; 6:42.
— K. E. H. I 5:324; 11:252.
Kranske, 0. III 1 : 78/9, 119.
Krauss, C. IV 9 : 164.
— F. S. I 5 : 3, 96
— R I 1:142; IV 2a: 55; 2b: 13,
17; 9:25, 150: 10:40, 105.
Krebs, C. I 13 : 24, 34, 104/5.
— J. III 1 : 35.
— W. IV 5:469.
Krehbiel, H. E. I 13 : 118.
Kreiten, M. IV 2 b : 74.
Krejci, J. IV 10:73; 11:2.
Kretschmann, Lily v. I 4:613; IV
la : 41 (s. a. Gizycki, Lily v.).
— Ed. I 13:152.
Kretzschmar, H. I 13: 112; IV 5: 355.
Kreyenberg, G. U 5: 132; IV 8a: 34b,
50.
Krieger, A. I 11 :274; UI 1 : 124.
Kriegsmann, G. 14: 349.
Krier, JB. 17:8.
Krimmel, 0. 14: 282
Krippenstapel, F. 14: 196.
Kristeller, P. I 3 : 114.
— S. IV 11:50.
Kroess, A. II 1:113.
Krone, R. II 3 : 64.
Kronenberg, M. IV lc:20; 5:133,
231.
Krones, F. v. II 1:29; 7:28; III
1:97; 4:26; IV lc:3.
Kroschel, M. IV 4 : 388.
Krüger, Bernh. IV 5:472.
— CA. II :81.
— G. II 1:24.
Krüner. I 1 : 30.
Krusch, B. 14: 188.
Krusche, 6. 16: 218.
Kruse, H. IV 8b: 35.
— W. I 5 : 46.
Krusemann, A. C. I 3:263.
Kruspe, J. I 11 :4.
Kubin, F. I 8:143: 12:185.
Kubier, A. I 5:367.
Küchler, C. 15:225; n 3:27; IV
8e:56/8.
Küenen, M. I 7:76.
Kühn, A. 14: 156.
— T. IV 5 : 146.
Kühnemann, E. IV 7:10/2.
Kfikelhans, Th. III 1 : 63.
Kürschner. J. II: 163.
Kufferath, M. I 13 : 137.
Kuh, E. IV 4:283.
— F. IV 5 : 470
Knhl, J. I 4:412; 6:182.
Kuhmerker, H. I 1:148; 12:147/8,
258
Kuhn, A. I 11 : 66.
— E. I 10 : 8.
— R. I 4 : 284 a.
Kukula, R. I 3 : 147 ; 6 : 86.
Kummer, F. I 12 : 237, 360 ; IV 2 b : 29 ;
4 : 133, 148.
— H. F. I 1 : 84.
Knndt, A. IV 5:458.
Knnz, F. IV 2a:6.
Kunze, K. 13: 45.
Kurz, M. IV la:33a.
Kvacsala, Joh. I 6 : 28.
I>a Bouraliöre, A. de. 13: 86.
Lachelier, H. III 5 : 54.
Lachmanski, H. IV 11 : 19.
Lagarde, P. de. II: 158
Lalande, A. I 12 : 298, 331.
Lallici, St. IV 5 : 381.
Latßbel, H. U 1 : 89; 2 : 6
Lamprecht, K. I 4 : 197: II 1 : 72.
Land, P. P. N. IV 5 : 149.
Landau, M. I 10 : 36; III 4:21; IV
Ic: 13; ld:85.
Landmann, K. IV 9 : 2.
Landsberg, E. lU 5 : 39; iV 5:434,
440, 553.
Landsberger, Jul. IV 11 : 50.
Landwehr, H. I 1 : 102: III 1 : 8, 25,
87; 5:19; IV la:5; 4:51, 62; 8e:
2; 9 : 84.
Lang, A. I 5 : 232; IV 4:109.
— F. 14: 146.
— R. 16: 161.
— W. IV 2a: 31.
Lange, Edm. IV 1 o : 114; 5 : 32.
— F. I 4 : 615; IV 5 : 629-30.
— Friedr. Alb. I 6 : 243.
— Helene. 1 4:601; 6:219.
— K. 1 11 : 2. 173, 178.
— Th. H. IV 5 : 338.
Langsdorf, E. I 4 : 280; II 1 : 102.
Langwerth v. Simmern, H. Frhr. IV
1 c : 34.
Lanzky, P. IV 5 : 172.
Laquiante, A. IV Ic : 21, 153; 5 : 618.
Larroumet, G. I 1 : 60; 12 : 15 b, 275;
IV 10 : 1.
Lassen, A. IV 5 : 217, 229.
Lasswitz, K. I 12 : 74 a; IV 5 : 471.
Latendorf, F. II 6 : 121 ; 7:51; IV
2a: lOL
Laube, H. IV 2a : 96.
Lauchert, F. I 5 : 311; H 3 : 63: 111
5 : 16; IV 5 : 26,9.
Lauckner, A. 14: 231.
Lauffer, V. 14: 249.
Lauser, W IV 1 d : 89.
Lautenbacher, J. IV Ic: 144; 7 : 14.
Lanterbach, P. IV 5 : 199.
Lauterburg, A. IV 5 : 446.
Laverrenz, V. 15: 336.
Lavolle, R. I 1 :14 a.
Lazar, B. 11 3 : 8.
Leask, W. K. IV 5 : 134.
Lebrun, P. IV 9 : 97.
Lechalas, 6. I 12 : 290.
Lechleitner, F. 1 12 : 200/1.
Ledderhose, K. F. I 6 : 60; III 5 : 35.
Ledebour, G. I 12 : 323; IV 4 : 335.
Ledos, E. G I 3 : 188 ; II 1 : 15.
Lee, V. II 1 :74; IV 4:81, 443.
Le FeTre-Denmier, J. IV 1 d : 3, 5.
Legras, J. (s. auch Luc Gersal). 14:
337; IV lc:161; 11:10.
Lehmann, Alfr. I 12 : 75 b.
— Ernst. 1 11 : 9, 22, 172, 182, 196,
294/5: IV lc:119; 5:450, 452.
— K. II: 119.
— Max. I 1:23b.
— Osk. I 6:250; m 5:49-50; IV 5:
503.
— Otto. I 5 : 169-70.
- 0. H. (s. auch Rassmus). IV 1 c : 162.
Lehtelat, P. I 11:84, 34L
l.ehner, T. II 7 : 66.
Lehnerdt, M. II 7:1.
Lehrs, M. I 11 : 361, 413,4, 416.
Lehzen, Ph. IV lc:116.
Leidinger, G. II 3 : 80.
Leimbuch. K. IV 1 a : 15.
Leinung, W. I 6:45.
Leipolu, E. I 7:14C; 12:39.
Leisching, Ed. I 11 :9.
Leist, F. 13:4; III 4:29; IV lc:l;
4 : 385.
Leitschnh, F. I 3:22; 11:403; IV"
5 : 464.
Leitzmann, A. IV Ic : 20, 114/5; 4 : 4,
8; 5 : 31/3; 7 : 6; 8a : 127; 8b : 3'5,
16, 36; 8c: 22; 8d : 4.
Leixner, 0. v. II: 78.
Leland, Ch. 6. (= Hans Breitmann).
IV lo:79; 11 : 24, 41.
Lemcke, C. I 11 : 385.
— H. 16: 158.
Lemke, E. 15: 53.
Lemmermeyer, F. I 1:173; IV xc:
81 ; 4 : 239, 242 3.
Lenbach, F. v. I 11 :8.
Lentner, F. IV 4 : 409.
Lentzner, K. I 8:22; IV 1 d : 5*?
11 : 89.
Lenz, G. IV 1 c : 101.
— L. 112: 428.
— M. II 6: 179; IV 5:336.
Lenzi, Annita. I 12 : 170.
Leo, F. I 2:17; IV 5: 362/3.
Won, V. IV 4:311,
Leonhard, R. IV 5 : 436, 439.
Leonhardi, P. I 7 :31.
Lepp, E. III 1 : 89.
Leroyer de Chantepie, Marie-S. I
1 : 129.
Leser, E. m 1 : 42, 116.
Lesimple, A. I 13 : 39.
Lessing, J. 111: 212.
— 0. I II : 152.
Lessmann, 0 I 13 : 114, 143, 148, 150.
Lettau. IV 5 : 476.
Leuchtenberger, G. I 12 : 63.
Leutz, F. 16:5.
Leva, G. IV 4 : 41.
Leveque, Ch. I 12 : 2.
Levin, M. IV 11 : 50.
Levinsohn, A. I 13 : 93.
Levy, B. IV 8a: 157.
— J. 14: 427.
lie Walter, J. I 5 : 282; 11 2 : 29,
Lewes, L. IV 8 e : 59.
I.«win, H. III 1 : 4.
Lewinsky, J. IV 4 : 424.
— L. 13: 41.
Lexer, M. 18: 104.
Lexis, W. 16: 85.
Leybold, L. I 11 : 131.
Licht, W. 13: 285.
Lichtenberg, R. Frhr. t. I 11:432;
13 : 140.
Lichtenberger, H. IV 9 : 41: 11 : 47.
Lichtenheld, A. I 7 : 61, 86; III 5: (54;
IV 4: 15, 67, 219; 8e : 24; 9:147.
Lichtenstein, G. I 12 : 287.
Lichtwark, A. 111: 284.
Liebe, G. 14: 95, 543.
Liebenau, Th. v. I 4 : 488; II 3 : 68;
III 1 : 50
Liebermann, B. 14: 394.
Liebmann, 0. IV 5 : 38, 198 ; 10 : 51.
Liek, G. 14: 320.
Lienhard, F. I 11 : 41.
Lienhart, H. I 8 : 110.
Lier, H. A. 13: 294/5; 11 : 74, 321,
406, 425; IV 1 c : 13; 4:17, 430/1,
434/5, 4.".0; 5: 513.
— L. I 12 : 415; IV 4 : 313, 327.
Liesegang, E. II 1 : 119.
Liliencron, R. v. I 1 : 167; 13 : 57; II
2 : 46.
Lind, P. V. IV 5 : 102.
Lindau, P. IV 1 c : 95 ; 4 : 352.
Lindemann, M. IV 5:505.
— Th I 12 : 177.
Lindenberg, P. 14: 335/6.
— (Hanptpastor), IV 2b: 105.
Lindner, Fr. 1 7 : 109.
— Th, 14: 110.
Lindsay, T. M II 6 : 2.
Linger, K. F. IV lc:66.
Lingke. A. 14: 58.
Linke, K. IV 8e : 16.
Lintock, R. M'. IV 11 : 24.
Lippmann, Fr. 111: 69, 170, 411.
Lippold. A. 14: 387.
— F. 16: 129.
Lipsius, R. A. II 6 : 112.
List, G. I 11 :33; n 7 : 26.
Litten, F. W. IV 1 d : 92.
Little. A. M. I 13 : 101.
Litzmann, B. IV 4 : 440.
Löbell, R. IV 5 : 533.
Löbner, H. I 12 : 178.
Löhner, R. 17:107; 12:34; 112:5
Löhrer. I 1 : 86.
Loening, R. IV Id :62: 8a: 139.
Loersch, H. I 4:236: 6:89.
Loesche, G. 13:218: II 3 : 62; 6: 149-51,
173. 185; m 5:22.
Löschhorn, H. II 6 : 130.
Loevinson, E. 1 10:24; IV 4:100.
Loewenberg, J. U 1 : 109; 3 : 60;
IV 2b: 85.
Loewenfeld, E. I 2 : 20; 12 : 340; IV 4
460, 464.
Loewinson, H. 11:2.
Lohmeyer, E. I 4:400.
— K. I 4:199tt.
— Th. 15: 373.
Lombroso. C. I 12:101a, 315, 358,
IV 4:131.
Lommatsch, S. III 2 : 21.
Loofs, F. n 6 : 2.
Loos, J. 16: 63.
Lorck, C. B. 13: 164.
Lorentz, K. 16: 221.
Lorentzen, Th. III 1 : 37, 62.
Lorenz, G. B. IV 4 : 389.
Autorenreg-istei*.
Lorenz, H. 1 6:44; IV 5:479.
— K. I 1:111; 7:44; II 1:86; IUI:
136; IV la:4ü: 2a:26; 8c :8, 15.
— O 11: 5,6; IV 1 c : 15, 75; 5 : 291 ;
8a: 38, 91: 8b: 17, 27a.
— P. 112: 420.
Lorimer, Louise. IV 1 d : 44.
Lorinser, F. IV lc:lll.
Loris. IV 4:129, 229.
Lorm, H. I 12:120a, 428; IV 4:80;
5:75; 11:20.
Losana, C. IV 1 d : 73.
Losch, F. 15:9, 109.
Loserth, J. II 1:25; 6:181.
Lossen, M. I 1 : 34; II 1 :46.
Lothar, B. I 4:1G4; IV 4:314/5.
Lothrop-Motley, J IV lc:35.
Lotz, W. IV 5 : 591.
Lon, Henrik (=. Lon Andrea-Salome).
1 12 : 355.
Louis, R. I 12:95; 13:9, 124.
Luhan, E. I 4 : 72
Lnc Gersal (= J. Legras). I 4 : 337.
Ludewig, 0. IV 5 : 122.
— G. II 1:48.
Lndorff, A. I 11:94.
Ludwig, Ilse. 1 12 : 173.
Lübke, W. I 11:56, 81, 394; IV 8a:
153; 8e:80.
Lückerath, W. I 6:213.
Luders, H. IV 1 c : 152.
— K. 14: 239.
Lüning, 0. I 13 : 106.
Luerssen. I 4 : 109.
Lütgendorff, L. Frhr. v. III 1 : 103.
Lützow, C. V. I 11:6/7. 64, 420.
Luginbahl, K. IV 1 c : 42,4
Lukas, G. IV 5:488.
Luschin v. Ebengreuth, A. II 7 : 12.
Luthardt, Chr. E. IV 5:241.
Luther, J. 14: 372.
Lutherophilus. II 6 : 100.
Luthmer, F. 111: 69, 442.
Lutsch, H. I 11:82.
Lyon, 0. I 1:99: 7:134, 149; 8:66,
136, 155; 12:33/4; II 3:32; IV Ic:
123; 4:96,7; 8c: 13,
— W. S. IV 5:323.
MIaag, A. IV 1 c : 50.
Maass, W 16: 189.
Macdonald, G. IV 9:43.
Hachetes. I 4 : 596.
Macin tyre, J. I 3:16.%
Mackowsky, H. I 11 : 291.
Madan, F. 13: 27.
Mäder, R. 16: 18.
Mähliss, J. F. IV 8a: 101.
Mähly, J. IV la:50; 4:276: 5:403,
500/1 ; 11 : 25.
Mahn, P. III 2:13; 5:20a.
Mahrenholtz, R. I 12 : 307 ; IV 1 a : 27 c ;
lc:8; ld:l; 9:114.
Maier, Aug. Ferd. I 6 : 214 ; IV 5 : 231.
Maigniez, M. I 4:430.
Maindron, M. I 11 : 439.
Mair, Fr. 17: 123.
Maisch, G. 14: 26.
— R. III 2 : 7.
Majchrowicz. II 7 : 69.
Majunke, P. II 6 : 9, 96.
Malo, H. II 6 : 89.
Mandl, L. I 5:320.
— M. IV 4:57.
Mandyczewski, E. IV 4:433.
Mangold, W. I 4: 127.
Manlik, M. II 1 : 127.
Mann, F. I 6:51, 67, 200; IV 5:205.
— G. IV 6:39.
Mannhardt, H. G. II 6:186.
Manteuffel, G. I 4 : 496; 11 : 249.
Manz, G. I 4 : 608 ; 12 : 126/7 ; IV 2b : 32.
Marais, P. 13: 107.
Marbelli. D. II 1 : 74.
Marcks, E. II 1 : 62; IV 5 : 330.
Marcou, F. L. IV 1 d : 9.
Marholm, Laura. I 11:276; 12:374;
IV 4: 163, 474; 11:2.
Mariani, G. IV 4:41
Markgraf, H. I 6:207/8; II 1:68; III
2:3, 434; 5:6a; IV 2a: 7.
Markhauser. I 1 : 97.
Marqaardt, H. I 3:217.
Marshall, H. R. I 12:47, 54a/b.
— W. IV 6 : 465.
Marsick. I 5:89.
Marsop, P. IV 4:417.
Martersteig, M. I 12 : 225; IV 4:868.
Martiguetti, P. IV 5 : 561/2.
Martin, A. II 1:25 a.
— E. I 1:91, 94; 3:188n; 5:157;
8:27. 110; 11:236; II 1:61; 3:14,
40; IV 4:33.
— J. I 3:143: IV 11:43.
— Th. IV ld:44.
Martins. I 4:611.
Marty, A. 18:6, 63.
Marx-Aveling. El. IV 5:579.
Masaidek, F. F. IV 1 c : 85.
Maser, H. II 1 : 165.
Masi, E. II 1 : 74.
Masius, H. I 6: 3; IV 2a : 29.
Mass, Th. 16:6.
Masslieb. W. I 3:68
Mathis, M IV 5 : 17.
Mating-Sammler, A. I 4:505,
Mattauch, J. 15: 65.
Matthäi, A. I 11 :2, 155.
Matuszewski, J. 110: 44.
Mätyäs, L. 15: 29.
Mau, H. 14: 358.
Maurenbrecher. M. 13: 227.
Maury, A. 14: 294.
Mauthner, Fr. 111:16; 12:227,368,
428; IV la:l; 4:115; 5:182.
Max, F. 15: 212.
Maxwell, P. IV ld:39.
May, J. I 7 : 47.
— R. 16: 245.
Mayer, A. II 7 : 29.
— Herni. 1 6 : 101/3.
— Jul. I 4:499.
— J. G. 14: 432.
— K. 0. IV 4 : 7.
Mays, A. 14: 434.
Mayser, E. I 3:191.
Mazzi, C. 13: 151.
Miizzoni, G. II 1 : 74: IV 10 : 2.
Meckens, N. I 5:280 a.
Meienreis, Th. I 13:61.
Meier, John. II 1:160; 7:11.
Meinardns, L. I 13 : 8.
Meinberg, M. 13:6.
Meincke, R. II 1 : 17.
Meinecke, Fr. I 6 : 141 ; IV 1 c : 52.
Meisner, H. IV lc:22.
Meissner, F. H. I 11 : 349, 352.
— Fr. IV ld:l; 8a:151: 10:4.
— H. I 11:358; IV 10: 19.
Meister, A. III 1 : 46, 87.
— F. 16: 206.
— W. 14: 561.
Mehring. F. I 12:133, 362; IV 4: 117,
149, 159, 334; 5:70a; 6:9.
— S. IV 2b: 76.
— Th. IV 4 : 19. 400, 447.
— W. IV lc:80.
Melitz, L. I 1:162; IV 4:374.
Meli, A. I 4:511.
Melzer, E. IV 5:102.
Mencik, F. IV 8a: 49.
Mendheira, M. IV 2a:2'4; 5:384;
10:7; 11:37.
Mendius, J. 13: 62.
Menden, P. IV 8b: 47.
Menge, K. I 1:87; 8:131.
Menges, H. 18: 24.
Menghin^ D. IV 11 :40.
Meiike-Höltzke. 0. IV 8a: 27 b.
Menkes, H. 15: 289.
Mensch, Ella. I 1 : 121.
Mensinga, J. 14: 53.
Mentz, F. I 8 : 17 ; II 6 : 162.
Mentzel, Elisabeth. III 4 : 41 : IV 4 :
394/5, 402; 6:18; 8e:87b.
Meringer, B. I 5:66.
Merkel, Ad. IV 5 : 437 a.
Merkens, H. II 3 : 52 ; III 3 : 11.
Mertens, K. I 11 : 78.
— W. I 3 : 18.
Merz, Jobs. I 12 : 56.
Metzger. I 8 : 23.
Metzsch-Schilbach, W. t. IVlc:13.
Meurer, J. 14: 462.
Meusch, R. IV 8a: 146.
Meyenn, F. t. IV 10 : 29.
Meyer, Alex. I 1 : 169; IV 2b : 65.
— A G. IV 8a:116a
— Chrn. 1 4 : 230, 4r.2, 455, 551 ; 11 : 400;
II 3:85; 6:194; III 5:47.
— Erich. ) 6:236.
— Ernst. I 1 : 119.
— E. H. 15:8, 13.
— E. T. I 4:201.
— Fritz. I 11:452.
— F. G. 13: 262.
Meyer, Gnst. I 2:49; 8:4.
— H. I 7:43.
— Hugo. IV ld:63.
— J. I 4 : 8 a.
— J. B. 14: 614.
— K. n 2:25; 3:19; 6:126.
— R. M. I 1:56, 118; 2:10; 4:149;
5 : 221 : 8 : 53; 12 : 23, 30, 53a, 69, 202.
214, 251; 112:28; IVld:29, 77i
4:170, 202; 5:431, 532; 8a :33a,
124; 9 : 8.
— T. I 12 : 194.
Cohn. A. I 3:55; IV Ic: l34.
Markau, W. 14:602; 7:92,111;
8: 154; 8a: 84.
Waldeck, F. v. IV 5 : 356.
Meysenburg, Malwida v. I 12:386;
IV 5:170/1.
Michael, E. II 1 : 10.
Michaelis, C. 17: 79.
— P. IV 5:132, 229.
Michalski, F. 11 6 : 20.
Michelet, L. IV 5 : 217.
Michels, V. II 2:18; 7:3.
Middend(.rf, H. II: 106.
Mielck, W. I 4:353.
Mieloke, H. 15: 40.
Mielke, R. I 4:204.
Milkan. T. II 2 : 7/8.
Miller, M. I 7 : 78.
Millien, A. IV ld:8.
Minckwitz, A. v. 14: 189, 882.
Minor, J. IVla:32; 4:223, 252:
8b: 46; 8e:4; 11:2.
Mirbt. C. I 1 : 31.
Misch, R. IV 2 b 66.
Mischler, E. IV la:34.
Mitschke, P. T. IV 9 : 105.
Mitzschke, P. I 5 : 370 ; III 5 : 40-
Möbis, E. I 13 : 147.
Mönch, H. H. IV 5:599.
Mogk, E. I 12 : .342.
Mokrauer-Maine, 0. I 13 : 156.
Moldauer, S. IV 4 : 340.
Moldenhauer, Ottilie IV 1 c : 13.
MoUat, G. III 5 : 52/3 ; IV 5 : 130/1, 145
Molmenti, P. II 1:74.
Moltzer, M. N. G. I 12:270.
Mommsen, Th. IV 5 : 580.
Mondschein, J. II 1 : 164; 3 : 8%.
Montanus, C. IV 5 : 97.
Monte, G. 112: 169.
Montjoyard, Viconite de. I 12 : 334.
Mor-Sunuegg, E. 1 3:58/9.
Morf, H, IV 1 d : 25.
Morgenstern, Chrn. IV 11 : 2, 24.
— G. IV 4 : 339.
— Lina. I 4 : 6f 0.
— Olga. IV 2b: 72.
Morice, Gh. I 12:146.
Morillot, P. I li:309.
Morley, H. IV 8e:83.
Morsch, H. I 12:4b; IV 8a: 95/6;
8e:52.
Morsier, E. de. I 13 : 138.
Moseley, B. D. IV ld:48; 8d:3;
8e:46, 79.
Mosen, G. IV 8e:45.
— R. IV 1 c : 73.
Moser, J III 1 : 8.
— 0 I 4 : 92.
Mossmann, X III 1 : 47.
Moszeik, C. I 4 : :112.
Müliling. C. II: 35.
Müller, Ad. IV 1 d : 34.
— C. I 4:242; 8:87.
n p- T IQ . Qg
— E 15:159; II '6:10; IV9:8/9,27,
35, 133, 148.
_ Felix. II 1 : 107.
— F. Max. IV 5:74b.
— G. 13: 253; I 4 : 73.
— Georg. I 6 : 239, --'44; II 6 : 154;
7:25; III 4:24; IV 5:286.
— G A. I 3:287; 5: 145.
— G. E. I 12 : 113a.
— Hans. I 11:294; IV Ic: 149.
— HF 17:67; 12:2-'",221a;IV8e:S4.
— KI 4:5U; II 1 : l:^. 9*.
— Max. I 8:3; IV 5:74,4a; 9:86.
-N I 4: 138; II 6:21, 119; 7:46.
— 0. II 6 : 131.
— B. I 4; 50, 482; 5:374/5; 11:113.
— Rud. 1 11 : 268.
— Th. II 1 : 46.
_ Wilh. I 5:284; III 1:66.
— Willibald. I 5 : 38, 186.
Casenow, H. I 4: 163; IV Id :87.
Autorenregistei'.
Müller-Franreuth, K. IV 1 a : 2; 2a : 1;
4:1.
Grote, G. I 11 : 127.
Guttenbrunn, A. lVla:32; 2a:106;
IV 4 : 48, 135, 183, 206, 214, 225, 265,
270.
Holm, E. IV 8a: 82; 8e: 72.
Rastatt, K. IV 2 b : 89 ; 10 : 58, 74.
Mülverstedt, G. A. t. 14: 94.
Münch, A. 14: 219.
— W. I 7:35; IV lc:128.
Münsterberg. H. I 12 : 50.
Münz, B. 112:104,289; IVla:32;
lc:94; 5:97, 204.
— G. H. IV 2b: 94.
— S. IV 1 c : in.
Müschner. I 5:321.
Muff, Chrn. I 7:112; 11:24.
Muramenhoff, E. 1 3 : 73 ; 4 : 90 ; 11 : 151 ;
II 2:2:i; IV 8e:8.
Mnncker, F. I 1:87. 118, 173; 8:26;
IV la:2, 17; 2a:l; 4:1. 54, 173;
6:1; 8b: 11, 33a; 9:24, 36.
Muoth, J. C. 15: 367.
Muralt, E. de. UI 1 : 83.
Mdsiol, R. IV 2a: 103.
Muth, K. I 4 : 510.
Muther, R. I 11 : 63, 276.
Mutzenbecher, A. I 6:66; IV 4:408.
Mnyden, G. van. I 3 : 1Ö4; IV 5 : 457.
Mylius, E. I 4 : 377.
Bfaaff, A. A. I 12 : 131.
Nägele, E. IV 10 : 125.
Näther, A. 13: 17.
Nagelberg, A. 15: 187, 290, 356.
Nagl, W. 18: 105/6.
Nardelli, G. IV ld:75.
Nasser, M. I 1 : 71: 12 : 26 c.
Nast, L. I 5 : 301 ; 13 : 52.
Nathan,?. I 1 : 173; IV 5 : 411.
Nathansen, W. 14: 350.
Nathanson, E. IV 4 : 146.
Natzmer, G. E. v. IV 5 : 288.
Naubert, A. I 13 : 130.
Naumann, E. I 7 : 58; IV 2a: 24.
— K. 14: 104.
Nautilus. IV 5 : 24.
Naville. A. I 12 : 65, 67.
Neal, M. IV 4 : 418.
Neander, W. II 6:100 a.
Nebelsieck, H. II f> : 148.
Necker, M. I 1:117; 2:2; 12:93;
IV lc:83, 86; 4:96, 202, 205. 211,
251/2, 269, 277, 238, 454; 5:317.
Neder, E. 15: 180.
Nedoma, J. III 1 : 26.
Nehring, W. I 12 : 332; HI 4 : 34;
IV 4 : 438.
Neidhardt, R. II 7:52.
Neitzel, 0. I 13 : 127.
Nelten, L. I 12:230; IV 4:309.
Nencioni, E. II 1 : 74.
Netoliczka, 0. 17: 62.
Neubauer, A. 14: 537.
— J. I 4 : 469-70; 5 : 112; 7 : 61 ;
IV 9 : 147.
Neubaur, L. I 3 : 126 ; 5 : 226 ; 10 : 14/5.
Nenburg. C. 14: 220.
Neuda, M. IV 4 : 357.
Neudegger, M. J I 3 : 43.
Neufeld. IV 5 : 497
Neuhaus, F. 13: 232.
Neuraann, C. I 11:349.
— H. I 1:160: 11:249.
— J. IV 4 : 422.
— K. 1 7 : 147.
— W. 14: 496.
Hofer, 0. 11:151; 11:402; 12:
226; II 4:35; IV 2b: 63; 4:74,116,
145, 319; 8a: 92.
Strela,K. 1 1:101; 13:81; II 1:16;
III 1:3.
Neuwirth, J. 13: 21, 175; 11 : 64, 106,
200. 229, 286, 447.
Nichol, J. IV 8a: 145.
Nioklas, J. I 7 : 97/8.
Nicoladnni, A. II 6 : 183.
Niedenzu, A. III 4 : 37 ; IV 4 : 281.
Niejahr, J. IV 4:60/1; 8e:29; 9:71.
Niemeyer. J. III 1 : 45.
Niese, Charlotte. I 4:356.
Nissel, F. IV 4 : 252.
Niessen, P. van. I 4 : 340.
Nietzsche, Fr. IV 5 : 177.
Nietschmann, H. I 13:37.
Nigg, Marianne. 11:115; IVla:37.
Niggli, A. I 13 : 162, 164/5.
Nippold, P. IV 5 : 268.
Nisbet, J. IV ld:43; 10:160.
Nitzsoh, F. I 4 : 154.
Nobbe, H. II 6 : 161.
Nöldechen, W. 16: 194.
Nöldecke, W. I 7 : 64.
Noelle, A. I 12:204; IV 6:32.
Nörrenberg, C. 13: 193.
Nohl, Cl. 16: 162.
Nolhac, P. de. II 7 : 8/9.
Nord, H. I 4 : 564; 12 : 167 ; IV 4 : 8.3.
Nordau, M. I 12 : 339-90; IV 5: 633/4.
Noreen, A. 13: 125.
Normann, H. 17: 17.
Nossig, A. I 11 : 106, 286.
Noufflard, G. I 13 : 119.
Noväcek, A. II 1 : 136.
Nover, J. I 5 : 221 ; II 3 : 13.
Nüscheler. A. 14: 437.
Nyblom, C. R. I 12:52d.
Oberländer, S. 17: 18.
Obser, K. III 1:34.
Oechelhäuser, W. IV lc:127.
Oechsli, W. I 4:485; IV 9:136.
Oedinga, Th. IV 4:121.
Oehler, R. V. W. A. IV 5 : 173.
Oemke, H. 14: 267.
Oesterlen, K. 14: 435.
Oettingen, M. v. IV 5:395.
Ohnesorge, K. I 11 : 229.
Olper, F. IV 10:54.
Olsen, Bj. M. II: 119.
Oncken, A. IV 5:446.
— H. 13: ISO.
— W. 11 1:1; III 1:6/7, 12, 117.
Opitz, R. I 12:416/7, 223, 230, 243;
IV la:32; 4 : 309: 5 : 76a; 9: 154.
Orterer, 6. II 6:114.
Ortjohann, F. 15: 364.
Osborn, M. II 1: 92; 1115:5; IV 8a: 91;
8e:55.
Osthaus, C. IV 1 d : 33.
Ostini, F. v. I 11 : 377.
Oswald, E. IV 8a: 37, 143; 10:88.
Otte, G. IV Ic: 102.
— R. IV 1 c : 102.
Otto, E. 14: 57. 214
— F. I 6:43; IV 5:276.
Owen, J. 111:77; IV 5 :74 a, 306, 310.
Oxenford, J. IV ld:42.
Pabst, A. 14: 274.
Paetow, W. 1 V 1 c : 91 ; 8 a : 34 b.
Pagel, J. L IV 5 : 460, 463.
Pahner, R. 16: 237.
Palm, H. I 5:171.
Paludan, J. III 4 : 35; IV 4 : 377.
Panizza, 0. II 6 : 99.'
Pantenius, Th. H. IV 9 : 101.
Panihiere, A. de. I 12:336.
Pappenheim, E. I 6: Ö3a; IV 5 :490/l.
Pappritz, R. II 7 : 37.
Paris, A. IV 5:53
— G. I 10:19; IV 6:24.
Pariser, L. II 1 : 33; 3 : 50; 4 : 27;
IIl 5 : 9.
Pariset, G. II 1 : 6.
Parlow, H. IV 11:46.
Pasch, K. IV ld:83; 4:170.
Passer, A. v. d. IV 4 : 30 i.
Passler, P. 15: 146.
Pastor, L. I 4:25; II 1:7; 6:6, 36.
Pater, W. U 1 : 75.
Pauchler, A. IV 1 a : 35.
Paudler, A. 15: 178, 377.
Pauer, E. I 13:32.
Paul, A. I 7 : 107, 151 ; 8 : 61 ; II 1 : 135;
6:54.
— U. II: 92;3.
— V. IV 8e:35.
Paulhan, F. I 12:115 c, 299.
Pauli, G. I 11 : 397.
Pauli, II B. I 5:202/3, 206,7.
Pauls, E. I 3:112, 250; 4:411.
Paulsen, F. I 6 : 63; IV 5 : 240, 270.
Paulsiek. K. I 7:112.
Paulus, E. I 11:87; IV 2b: 18.
— N. 111:60; 6:5 7,10/9,22,27,33,134.
Pauly, M. I 5 : 168.
Pawel, J. IV 2a: 13/4; 7:4.
Pawlowski, J. 14: 316.
Payer, 0. I 13 : 142.
Pazanrek, G. E. I 13 : 21.
Peetz, H. 1 4:445; IV lc:41.
Peez, A. 15: 95.
Peine, H. I 6 : 241.
Pelis8ier,G. 11:132; 12:1712,271,306.
Pelleohet, Marie. 13:90/1,108.
Penjon. A. I 12:49.
Perez, B. I 12:43 a, 45, 427.
Perktold, F. I 7 : .50.
Perlbach, M. I 1 : 171.
Perlbock, M. I 11 : 93.
Perthes, Cl. Th. IV Ic : 159; 5 : 549.
Posch, E. IV 2a:. 50.
Peschel, W. E. IV 2 a : 100.
Peschkau, E IV 11:7.
Peter, H. I 5:316; II 7:62.
Peters, J. 15: 376.
— R. I 10 : 41.
Petersdorff, H v. 14: 95/6, 139;
II 6 : 153; III 1 : 112; IV 5 : 537;
10 : 16/7.
Petersen, A. I 1 :119.
Petri, H. I 6:114; II 1:173.
— J. I 10:21.
Petrich, H. IV 5 : 275.
Petzet, E. IV 2a: 20; 5:519.
Pezold, L. V. I 11:322.
Pfaff, F. 13:65, 75; 5:13; 10:37;
IV 10 : 92.
— K. 16: 163.
Pfalz, F. I 8:61.
Pfeifer, H. 111: 167.
— W. I 7:10b.
— X. IV 5 : 242.
Pfeil, L. Graf. IV 5 : 126.
— R. IV 1 c : 62.
Pfeilschmidt, H. IV 6 : 15.
Pfister, C. I 3:72; n 7:15.
— M. I 4:450; 11:150.
— 0. V. I 3:151.
--Schwaighusen, H. v. I8:124/4a.
Pfltzer, H. V. 16: 135.
Pfizer, G. I 8:146a; in 5:53.
Pfleiderer, 0. IV 5:264.
PfQlf, 0. III 1:8; IV 1 n : 122.
Pfungst, A. I 12:389; II 1: lOa
Pfutz, R. 15: 176.
Philipp V. Sachsen - Kobnrg, Prinz
(s. Kari-udo). IV lc:7.
Philippi, F. III 1 : 41.
Philippovich. E. v. I 4:17.
Philippson, M II 1:145; IV 9:103.
Piaget. A. IV 9 : 109
Picherit, L. IV 9 : 103
Pichler. Ad. IV 1 c : 83.
— J. I 3:128.
— Luise. IV 2a: 61.
Pick, A. IV3b:13, 37;8c:29;8d:20a;
8 e : 60.
Pickford, J. 15: 138.
Pico, P. I 12 : 427.
Picot, E. I 3:113.
Pieper, F. II 6 : 106.
Pietsch. P. I 4 : 321 ; S : 57.
• L. I 11 : 187, 332 3, 363, 365, 384;
IV lc:147: 5:373,4.
Pigeon, A. IV 3e:105.
Piger, F. P. 15: .38, 67.
Pilk, 6. I 5:177.
Pilo, M. I 12:43 3 a.
Piltz, E. 16: 215.
— K. I 6:70.
Pinchon. R. IV 9:107.
Piper, P. III 1 : 94.
Piscalar, A. U. IV lc:109.
Pisoicelli, 0. 13:3.
Pistl, E. II 3 : 21 ; 4 : 36.
Pistor, J. I 1 : 21 ; II 3 : 88.
Planer, H. 16: 2J3.
Planta, P. C. v. IV 5 : 545.
Plazer, V. Ritter v. I 12:268.
Plöhn, R. I 12:121.
Pniower.O. I 1 : US; 2 : 10; lV8a:33a.
Poborykine, P. I 12:99 a.
Poeck, W. 15: 86.
Pötsch. Anna. IV 4 : 362.
Pohl, R. I 13 : 145.
Pohlandt, M. I 6:98.
Pohle, J. I 3:132.
Pohler, J. 14: 190.
Pohlig, C. Ph. 1 11 : 2.
Pohlmey, E. IV 8a: 164.
Polenz, W. V. 112: 80, 139.
Poli-Hardmeyer, Maria. IV 1 d : 76.
Pollard, A. W. 13: 102.
Poltkier, C. 13: 223.
Poraezny, F. II 2:42.
Pommer, J. I 5:266.
Pontani, B. 16: 177.
Ponzacchi, E. II 1 : 74.
Popek, A. I 10:26; IV 9:146.
Popovic, M. m 1 : 61.
Poppenberg, F. IV Ic : 22, 145: 1 d : 18;
Autorenreg'i ster.
4 : 206, 332; ö : 174; lo : 18, 61,
68/9.
Popper, L. M. 14: 544.
Porchat, J. IV 3b: 19.
Poschinger, H. v. I 13 : 139; IV 5 : 576.
Poske, F. I 12:13 a.
Poten, B. I 6 : 234 ; IUI : 73 ; I V 5 : Ö58.
Powell, H. II 1: 163.
Powers, J. H. IV 5 : 226.
Prat, P. I 1:77a.
Prato, St. 15: 239.
Prel, K. du. IV 5 : 643.
Prem, S. M. 12: 38/9; 4 : 477 ; IV Ic : 83;
8b: 26, 46.
Preobrajensky. V. I 12:332.
Presber, ß. I 12:17; IV 5:156.
Preuss, K. IV 1 c : 135.
Prideaux, S. T. 13 : 297.
Pribrara, A. III 1:51, 115.
Primbs, K. 14: 557.
Prins, J. J. II 6 : 175.
Probst, F. I 11 : 108, 134, 228, 232.
Prodnigg, H. IV 10:14.
Pröhle, H. I 5:144; IV 2a:16/7. 44:
2b:47; 4:455: 5:277, 492, 517
Pröll, K I 4 : 333; 5: 22; 12 : 267;
IV 2b: 112; 4:252.
— L. 15: 165.
Proelss, J. I 12:422; IV 2b: 75.
— R. IV 5:316.
Proescholdt, L. IVld:60: 4:2.5; 10:3.5.
Presch. F. I 7:90a; 12:210: IV4:219:
6:30; Sa: 165; 8d:31; 9: 137.
Pramers, R. IV 1 c : 27.
Prutz. H 11:33; 1111:68; 5:62;
IV 5 : 139
Pndor, H. (s. auch Scham, H.) 111:3;
12:79, 98, 1.30.
Pngliesi, Adele. I 12:110.
Puls, A. m 5:13; IV 2a: 40.
Pulvermacher, D. II 1 : 98; 6: 172.
Purcelf, E. IV 5:634.
Pyl, Th. 13: 256.
^uade, G. 14: 342.
Quetsch, F. H. 14: 288.
Queyrat, F. I 12: 115 c.
Qnilland. A. I 1:106 a.
Qttis. IV 9:11.5.
Quiqnerez, J. IV 9 : 123,
Raab, K. R. IV 5:557.
Raabe, F. IV 9 : 114.
— W. 14: 342.
Babany, Ch. IV ld:15; 4. -38.
Rabns, L. III 5 : 51.
Rachel, M. IV 8 o : 94.
RaciborsVi, A. 1 12:51.
Rackwitz. IV 5 : 135.
Rade, P. M. 116:53:1110:2.5.
Rademacher, C. I 5:60. 76: 7:107.
Radlach. 0. I 6 :26; III 2 : 10/7.
Radlkofer, M. 14: 121 ; 11 7 : 43.
Radulescu-Motru. IV 5:114.
Raffalovich. A. I 4:334.
Rahm, J. IV 5 : 444.
Rahn, J. R. I 11 : 140.
Raich, H. IV 5:600.
Riijna, P. II 1 : 74.
Rak, H. 16: 1.52.
Rambaldi, K. Graf v. 14: 449.
Ramberg, G. IV la: 33a.
Ransohoff, 6. IV 2a: 23.
Kappold, J. I 12:83 a.
Rappaport, M. IV 11:50.
Rassmann, E. 17: 99.
Rassmus, Th. IV 1 c : 162.
Rath. M. IV 5 : 208.
Rathgeber, J. 15: 314.
Batzel, F. IV 5 : 432.
Ratzenhofer, G. IV 5:44.5.
Rauch, H. IV ld:65.
Rauprich, M. 14: 251.
Rauschenbach, L. 14: 107.
Rauschenbusch, W. IV 10 : 80.
Ranthe, E. R. 15: 135.
Rav6. H. IV 5:566.
Raydt, H. 14: 576
Reber, F. v. 111:601, 197/8, 446;
III 1 : 122
- J. I 6:31.
Reck, F. X. 17: 21, 30.
Redlich, K. Chrn. IV la:2: 2a: l;
4:1, 4; 8a: 112.
- 0. I 4:290, 417.
R6e, P. J. 111:251,417 8,422.
Regel, E. IV 8d:8.
Rehnisch, F> IV 5 : 4.52.
Rehorn, K. I 10:11.
Rehsener, Marie. I 5 : 20.
Reichel, B. I 5 : 104; IV 4: 71, 78.
Reichesberg, N. IV 5:447/8, 593.
Reichl, E. IV 9 : 13
Reichlin v. Heldegg, A. 15: 162.
Reichling, D. 16:9.
Reicke, E. 14: 76, 456.
— J. I 12 : 4,
— R. IV 5 : 129.
ReifFenstein, C. Th. IV 8a: 25; 8b : 20
Reifferscheid, A. IV 9:22.
Reimann, H. I 13 : 7. 9. 13, 37, 40;1,
44/5, 74, 80, 82, 102. 124, 152.
Reindell, W. II 6 : 130.
Reinhardt, G. 14: 392.
Reinhardstötner, K. v. 1 4:21, 116,
135; 11:145: IV 2a: 62.
Reischel. I 4:261.
Reissenberger, K. 1111:85; IV 4 : 179.
Reissmann, K. I 12:428.
Reitllng, A. 13: 36.
ßeitzenstein, K. v. III 1 : 34.
— R. I 12: 197.
Reks, E. W I 12 : 103.
Reltis, N. 15: 163.
Remer, P. III 1:81.
Renard, ß. IV 4:317.
Renatns, J. 18: 13.
Rennert, H. A. I 10:32.
Ressel, G. 14: 474.
Rethwisch, K. I 1 : 2,3, .5. 27 ; 6 : 162.
Reusch, F. H. II 2 : 13 ; IV 5 : 279-80,
284, 520.
— H. A. II: 141.
Renss, F. 14: 542.
— R. II 1 : 171 ; IV 5 : 346, 348.
Reuter, Uhr I 4 : 357.
— F. IV 2b: 39.
ßey. J. 18: 84.
Reyer, E. 1 3 : 229-30.
Rezek, A. III 1 : 49
Rhein, P. v. II 6 : 198.
Rhnades, L. A. IV Id : 69; 2a: 34.
Rhys, E. IV 1(1 :2S
Rlbot, Th. I 12:75 b.
Richter. A. 15:152, 337; 6:20, 41,
44, 56; 8:121; UI 4:1; IV 5:477;
9 : 50 a.
— Ärwed. II 1 : 168.
— Chr. II 6 : 83.
— E. 14: 590/1.
— Ed I 5:183.
— G. IV 5:268.
— Job. I 11 : 123.
— J. Alb. I 6 : 13.
— J. V. 0. II 1 : 31.
— Karl. IV 1 c : 58.
— L. I 11:296.
— FE. 15: 34.
— R. IV 5 : 154.
— ßob. 1 7 : 88, 119.
— W. I 4:101, 409, Ö26;6a; 11 : 125.
Rickert, H. I 12:75 a.
Ried, L IV lc:.56.
Rieffei, A. I 11 : 231.
Kastei, F. 111: 183.
Riegel, H. I 8:45; IV 9:163. •
Riegl, AI. I 11:25, 69: 12:58 a.
Riehl, B. I 11 : 85,6, 196.
Riemann, H. I 13:31, 77, 89.
Ries, J. I 8: 91.
Riese, J. IV 8b: 23.
Riess, M. 112: 364 ; IV 4 : 135.
Riessen, P. I 6:12.
Rietschel, G I 11:161.
Riffert, J. IV 8e:70.
Rinaldi. J. B. IV 8 e :41.
Ring, M. IV 5:485,6.
Biquiez, E. IV 9 : 98.
Ritchie, J. G. IV 5 : 134.
Ritter, E. IV lc:139.
— II. I 12:90; 13:154.
— M. I 1:25; 4:3; II 1; 4; 1111:9.
Roberts, W. I 3:115.
Robertson, A. I 10 : 6.
-JG. 11 4 : 34
Robert-tornow, W. IV 2b: 22.
Robinson, E. F. I 4:306.
Rocholl, H. I 4:. 522; n 6: 93.
— R. I 1:15; IV 5:249.
Rocquain, F. II 1 : 18.
Rod, E. I 12:814
Roden, P. II 1 : 81.
Rodenberg, J. I 2: 9; IV 10- 139.
Rodleinmann, J. IV8d:26.
Röckl, S. III 1 : 28.
RoedigM. M. I 2:22.
Röhricht, R. 11 1 : 167.
Rösch, H. IV 2a: 88; 5:547.
Roeschen, A. 14: 399.
Roescholdt, L. IV 1 d : 62.
Röseler, W. I 5: 75a.
Rösler, M. 15: 69.
Röster, A. IV lc:lll.
Roethe, G. I 1:103, 158; 8:52; II
2 : 15, 20, 32, 45; 3:3, 42; 111 2 : 27,
45: 5:7, 11.
Roettecken, H. IV 7 : 11 ; 10 : 42.
Bogge, B. 16: 184, 193: IV 1 c : 105.
Rohde-Beyersdorf, A. IV 7 : 9.
Rohden, G. v. II 6:84.
Rohdewald, W. UI 1 : 46.
Rohmeder, W. I 6:233.
Roisset, E. I 12:301.
Kolleston, T. W. IV ld:46; 6:10.
Rollett, H. I 11 : 69.
Boraang, R. 111: 288.
Roraann, A II 6 : 104.
Itoquette, 0. IVld:80, 90.
Röscher, W. H. I lu : 2.
Rosegger, P K. IV lc:86; 4:269.
Kosenauer, M. 13: 220.
Rosenbauni, R IV 5 : 12.
Rosenberg (Aachpn). I 4 : 236.
— Ad. I 11 : 194, 263, 275, 378, 391,
420.
- Marc I 11 :440.
Rosenkranz, C. 15: 106.
Rosenthal, L. IV 5 : 124.
Rosselet, A. IV Ic: 130.
Rossner, A. I 4 : 289 ; 5 : 378 ; 6 : 195.
Roth, E. I 3 : 138.
— F. I 4:38: II 1: 128.
— F. W. E I 3:70, 278; 6:181; II
2:9, 36; 7:67.
— V. I 5 : 25.
Rothbart, F I 5 : 31
Rott, V. I 12:59, 138.
Rotter, L. 17:9
Rowald, P. 15: 72.
Roy, H III 5 : 32
Rozycki, K. v. I 3:247: 11:421,
ßua, G. II 3 : 9.
Bub, 0. III 4:32; IV 4 : :JC3.
Bubensohn, M. IV 9 : 55.
Rudio, F. II 1 : 108.
Rudolph. L. I 3:215.
— S. IV 10 : 34.
Rudow, W. IV Ia:4; 10:6.
Rubel. IV 8b: 31.
Böbenkamp, W. 17: 148.
Bümelin, Ad. IV 2b: 7.
Buepprecht, C. II 7 : 27.
Büthning, G. UI 1 : 32.
Rüttennauer, B. I 11:352; 12:392;
IV 4 : 263.
Rüge, S. II 1 : 113.
Ruhemann, A. 15: 154.
Ruhl, F. II 7 : 7.
Roland, C. IV 8a: 4/5. 26/7, 33, 61,
98.
Runge, G. 13: 111.
— K. I 8:150
Runkel, F. IV 4 : 402.
Rnpprecht, Chr. I 11:85.
— L. IV 5 : 67.
Rüssel Wallace, A. 14: 32.
Rust, F. I 12 : 42.
Saar, F. t. IV 4 : 229.
Sabatier, F. IV 8e:80.
Sabin, J. 18: 138.
Sachs, M. IV 11 :50.
Sack, Ed. I 1:169; IV 5:143, 409;
8b :29a; 8e:55.
Sacken, E. Frhr. v. I 4:556.
Sägmüller. I 3 : 157.
Sahr, J. I 7:39; 12:156, 184.
Saint-Auban, E. de. 113:121.
Saitsohik, R. M. I 12 : 383 ; IV 1 a : 49.
Salek, A. (= Schröter, A.). I 8:5; 12:
28; IV 2a: 38; 4:44; 10:37,46,106.
Salis, A. V. II 6 : 168.
Soglio, P. N. V. IV 2a: 74.
Sallwürk, E. V 16:217; IVld:62.
Salomon, L. IV Id : 84: 2b : 50; 4 : 92.
94, 154, 254; 5:86, 188, 525.
Salor, J. I. I 13 : 88.
Salpins, F. v. I 4:165; IV 4:363.
Salzmann, E. I 7:105.
Sumwer, K. A. F. IV 6 : 540/1.
Sandberger. A. I 13 : 1, 146, 155.
Sander, F. I 2: 18; 6 : 61, 81/2; II 1 : 62;
IV la:31a.
— H. I 4 : 207 ; II 1 : 21 ; IV 5 : 433.
Autorenregnster.
Saüfler. W. I 11 : 292.
öanlers, D. I 5:340; 8:43, 80, 116;
IV 2a: 102; 2b : 46, 78; 7 :5; 8e: 98;
11:48 a.
San Giusto, L. di. IV8o:18.
SanV Ambrogio, D. 14: 263.
Santen-Kolff, J. Tan. I 12:319-20.
Sarcey.F. II : 74; IV Ic: 61; 8a: 152.
Sarre, Fr. I 11 : 103.
Sartori, H. 15: 48.
Sartorius-Burckhardt, C. 4:491.
Sattigr, F. IV 1 c : 98.
Saubert, B. 15: 105.
Sauer, A. I 1 : 173: IV la: 2, 10, 32;
lc:68, 86; ld:75; 2a : 1, 33. 43, 54,
109; 4:1, 56, 83, 191, 200,1, 207, 220,
222, 269, 445; 6:9; 8e:64, 91:
10:21, 37. 106 7, 137; 11:24, 27.
— H. IV 9 : 52.
Sani, D. IV 4:304.
Saunders, B. IV ld:41; 8a: 147.
Sautour, Auguste. I 12 : 256.
Savi-Lopez, Maria. I 5 : 154.
Schaaf, 0. I 4:402.
Schacht, H. I 11:36; 12:73.
Schack, Ad. Fr Graf v. IV ld:88;
4:170; 8a: 89.
Schade, J. 15: 184.
Schäfer, Ang. I 11:287.
— D. II 6: 177.
— F. I 4 : 431 ; IV 5 : 550.
— G. I II : 90 I.
— J. W. 17: 110.
— Karl. I 11 : 137, 270.
Schäffler, A. I 4:451.
Schaerffenberg, P. II 3:94.
Schaff, Ph. II 1:6a; 6:. 3, 123.
Schall, E. 14: 583.
Scham II. ( ». a. Pudor, H.). 1 12 : 79, 130.
Schandl, C. I 4:47.
Schanze, J. I 7 : 96.
— W. I 7 : 90.
Schanzenbacb. 0. I 6:210: IV 10: 142.
Schaper, F. IV 5:1.38; 10:49.
Schauberg, E. 15: 107.
Schauer, R. I 12:140.
Schaumberger, J. IV 4 : 292.
Scheel, W. I 8 : 9, 30, 81 ; IV 2 a : 27.
Scheele, G. I 3:280.
Scheffler, K. I 6:106a, 126, 14S.
Scheibler. L. I 11:210.
Scheich, R. IV 4 : 209.
Scheidemantel. II 7 : 64.
Schell, 0. 15: 92, 150, 257/8, 293, 352.
Schellenberg, G. 1 4:298.
Schellhass, K. II 1 : 160.
Schemann, L. IV lc:94: 5:152/3,
Schemmling, Th. IV 2a: 105.
Schenck, G. IV 1 c : 88 ; 2 b : 70.
Scherdlin, D. E. IV ld:7; 9:125.
Scherer, Chr. I 11 : 444.
— K. I 8:56; 13:76, 92; m5:l;
IV 2a: 22.
— W. IV 4 : 272.
Scherman, L. 15:4.
Scheuffler, J. I 6 : 184; III 5 : 25.
Schenrleer, D. F. I 3:192.
Schiemann, Th. IV lo :47, 140; 5:398;
8c: 22; 8d:4.
Schiller, H. I 7 : 131 ; 11 : 132.
Schilling, A. 14: 509.
Schillmann, H. I 7 : 122.
Schimmelbusch, E. W I 13:154.
Schindler. M. IV 5 : 181, 190, 196.
Schinke, C. II: 145
Schirmer, H. IV lc:128.
Schlatter, D. I 12 : 1S3.
— S I 1^ * 183
Schlecht, J I 3:116; U 1:44; 7:10.
Schienther, P. I 11:18, 407; 12:149,
244. 356. 365, 40ü, 406, 412: IV Ic:
147; 4:99 102. 130, 158. 169, 3.54,
403, 432, 477; 5:412, 4201; 8a: 33;
10 : 143
Schlesinger, 8. I 1 2 : 419 : IV 4 : 260/1 .
Schletterer, G. M. I 13 : 99.
Schlieben, A. 14: 272.
Schliemann, Sophie. IV 1 c : 131.
Sohliepmann, H. I 11:265; 12:58 b
Schlingmann, B. 111:263.
Schlitter, H. III 1 : 57 8.
Schlögel. Fr. I 4:465.
Schlösser, R. I 4:74; 13:134; f?
1 a • 39 • 4:2 20
Sohlossar, A. 15 : 22, 38, 89, 173, 194,
264, 285, 299, 302; 8 : 4; 11 : 106; II
3:20: IV la:33; lc:83; 2a:28;
4 : 37, 175,3, 200 ; 5 : 391 a, 405 a ; 9 : 22.
Schlosser, H. III 5 : 10.
— J. T. I 1:8; 3:24.
Sohlotke, C. I 11:168.
Schlottmann, A. IV 1 d : 34 : 10 : 157.
— K. IV 5 : 278.
Schlüter, H. 17:7.
Schmarsow, A. I 11:1, 248.
Schmeller, Chrn., I 5:372.
Schmeltz, J. D. E. 15: 100.
Schmid, A. I 11:203, 239, 247.
— J. I 3:185; U 1:95, 145: 7:45.
— K. A. 16:1.
— Otto. I 13:38, 157.
Schmidknnz, H. I 12 : 292.
Schmidt, Ad. 13: 125, 233; II 1 : 174;
3:55.
— Alex. IV 2b: 82.
— Berth. I 3:42.
— C. I 3 : 72, 177.
— Erich. 11:43, 117; 2:2,30; 5
253; 8:1, 10, 29, 36, 60. 72, 90, 127
12:326; II 2:39; 3: 26; m 3: 6; 5:34
IV lc:82; ld:22; 2a:36/7, 57
2b: 10, 22, 24; 4:12/4, 102, 277
5:512, 529; 6:8, 33, 41; 7:16; 8a
34a, 112, 125/6, 169; 8b : 15, 27, 28a
8c : 20; 8d : 11, 30; 9 : 12, 56, 59, 152
10:9-10, 66, 136.
— Ferd. III 5 : 26.
— F. J. IV 5 : 301, 304.
— G. 16:1, 23, 29; 8:44: IVSa: 107
8e:23.
— Gust. 111: 99.
— H. II 6:103; IV 9:32.
— Herrn. I 11:296/7; IV lc:15I:
2b: 36; 5:641.
— K. I 3:251; II 1:156; IV 8b: 9,
14c-d; 8e:51; 9:21.
— Leop. I 1:47; 8e:S0.
— M. P. C. II 1 : 88.
— 0. 17: 122.
— K. IV 4:16; 8b: 16a.
— Wilh. I 11 : 177, 223 5, 448.
Neuhans. Paul. I II : 331 ; IV 4 : 22.
R. 14: 329.
Weissenfels. E. 14: 577.
Schmieder, P. IV 1 c : 100.
Schmits, A. 18: 132
Schmitt, J. D. 13 : 132.
— L. 116:22; IV ld:13'4;8a:lö46;
8d:3a; 8e:38a-b; 9:30, 126.
Schmitz, L. IV 5 : 298.
— W. 13:5.
Schmoller, D. H 1 : 154.
— G. 14: 199.
Schneider, A I 13 : 163; IV 5: 110.
-EW. II 6 : 53.
— Gast I 12:206.
— GH. 16: 137, 147, 149.
— H IV 8b : 51.
— J. 14: 4111 ; 6 : 97.
— Job. II 1 : 64.
— K. I 6 : 68.
— M. IV 5 : 135.
— R. 16: 48,9 ; 7 : 56a, 83a, 110, 139 ;
n 2:5; lU 2:7.
— B., Ritter v. I 11 : 106, 236.
Sohneidewin, M. I 2:11; 12:222; IV
5:83, 383; 8a : 103.
Schnell, H. IV 5:60.
Schneller, Chrn. I 4 : 478.
Schnerich, A. I 11 : 106.
Schnorr v. Carolsfeld, F. I 11:327/8;
II 6:146; III 2::i3, 35
Schnürer, F. I 1 : 789 ; IV 1 a : 3; 11 : 27.
SchnStgen. A I 11:196.
Schober, Thekla v. IV lc:75; 2b: 4.
Schoch, R. I 5:15; 8:109
Schoeller, R. II: 37.
Schön, Th. I 4:558; 6:38; n 3: 78.
Schoenaich, G. I 12:389
Schönbach, A. E. I 1:154/5; 12:228;
IV 6: 14.
Schöndörffer, 0. I 12 : 10.
Schöne, A. II 4 : 7.
— L. I 11 : 45.
— Th. I 11 : 135.
Schöneraann, J. I 7 :54; IV 5:394.
Schönermark, G. I 11:99.
Schönhoff, L. IV 4 : 475.
Schöntog, F. 13: 214.
Schönwald, A. IV 4 : 398.
Schöppe, K. I 8:21. 82.
Schöttner, A. IV 10:83, 122.
Schofield, W. H. I 10:10.
Scholl, C. 14: 519.
Soholte-Nollen, J. FV 4 : 371 ; 8e : 10.
Schorbach, K. I 3 : 64; II 3 : 1.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV
Schott, Th. IV 5 : 232.
Schrader, H. I 5 : 123 ; 8 : 85, 1 19-2na ;
12 : 179, 181 ; IV 8o:6; 3d : 35 ; 8e : 102,
106, 108.
— 0. I 4 : 13.
— W. 16: 110.
Schrammen. J. 17: 42.
Schranka. E. M. I 12:192.
Schrauf. K. 1 6 : 122.
Schreiber, Klar». I 12 : 286; IV 4 : 215,
228
— w! L. I 11:63, 412: H 3 : 59
Schreyer, H. I 12 : 259, 278 ; IV 4 : 332;
8a:164; 8d:l; 8e:3.
Schricker, A. I 3:98, 113; 11:276.
Schröder, A. I II : 233 ; II 6 : 23; 7 : 42,
44: IV Ic: 133
— Edw. I 1:37; 2:34. 6; II 3:92;
III 5:2; IV ld:60; 2b:88; 5:388.
— Felix. I 12:337.
— K. II 4 : 4
— L. V. IV lc:118.
— 0. IV 9:134.
Schröer. A. I 1 : 52 ; IV 1 d : 60.
— K. J. I 5:28, 3.i0; IV 8a: 14a, 35;
8b: 43; 8e:64, 80, 92.
— M M. A. IV 1 d : 57.
Schröter, A. (s. auch Saleck, A). I
1:118; 5:313; 6:106; HI 3:14;
IV 1 c : 22, 90 1 ; 4 : 44.
— 0. IV 2a: 46.
Schroot, A. 15: 84.
Schubert, K. I 7 : 24.
— Th. II 6 : 79.
Schuberth. G. I 4:384.
Schubring, P. I 13:132.
Schuck, H. III 4 : 9.
Schücking, Th. IV lc:74; 2b: 81.
Schüddekopf. C. IVla:30; lc:65;
2a:ll,'2, 15, 18/9;4:3; 5:23; 6:21;
8d:18.
Schütte, A. IV 4:351.
Schüttelkopf, B. I 5:270.
Schngay, E. IV 4 : 349.
Schnlenburg, 0. III 1:23.
— W. V. I 5 : 49, 141.
Schuller, H. 18: 139.
Schallerus. A. 15:3. 26, 153, 222.
Schulte, A. 14:431,499; 11:157;
II 1:19; 7:15, 17.
— Ed. IV lc:51
— J. F. V. IV 5 : 604.
Schnltheiss, A. I 7:126; 113:39;
III 3 : 14
— F. G. 14: 153.
Schultz. E. IV Ic:63.
— H. I 8 : 31 ; III 5 : 4.
Henke. I>. 13: 291.
Schnitze. E. I 4 : 554.
— F. IV 5:87.
— Siegmar. IV 8b: 27; 8c: 7.
— W. I 3:246; 4:370.
Schulz, B. U 7 : 19.
— Bernh. 1 6 : 118.
— F. IV 4 : 187.
Schulze, B. IV 4 : 21.
— H. 17: 23, 27
Schumann, A. III 2 : 31; IV 2a : 30.
— C. I 4:208; 5:47, 73, 296.
— F. I 12: 113a
— P. I 8:139; 11 :2, 66, 272.
— Th. IV 4 : 454.
Schnpp, F. IV 5 : .'^'>1.
Schurig, E. 15: 335.
Schurtz, H. 14:11.
Schwab, 0. I 8 : 93
Schwahn, W. I 7 : 144; 12 : 32.
Schwalbe, E. 16:8.
Schwanfelder, A. 15: 133.
Schwann, M. II 1 : 8; 6 : 190; IV 5 : .■:36.
Schwartz, P. 16: 169.
— R. I 10:35; 13:65.
— W. I 5 : 10, 36.
Schwarz. F. IV 8 b : 42.
— Walther. 111: 263.
— W. E. II I : 45. 146.
Sohwendiroann. J. 14: 205.
Schwenk, B. I 8 : 61, 129.
Schwenke, P. 13: 194.
Schwieters, J. I 11 : 94.
Schwindrazheim. 0. 14: 607.
Soipio, K. IV 11 : 17.
Söurat, W. I 5 : 101.
Sebald, H. I 7 : 121.
Secher, V. A. II: 119.
Sedläöek. A. Hl: 137.
Seebald, K. II 3 : 5.
Seeber, Jos. IV lc:68.
(4)34
Atuorenregister.
Seeberg, R. IH 1 : 44.
Seefeld, C. I 12 : 283.
Seeger, H. IV 5 : 112.
Seehaussen, R. I 7 : 137; 12 : 41.
Seeley, J. IV 8a: 133.
Seelig, F. IV 5 : 551.
Seelmann, F. 14: 534.
— W. I 4 : 46; 5 : 322; 6 : 10/1; 11 ;
209; II 4: 5; III 5 : 15.
Seemann, A. I 11 : 42 ; 12: 263.
Seemüller, J. I 8 : 66; IV 4 : 200.
Sehling. E. I 6 : 93.
Seibt, W. IV 8d:23; 10:93.
Seidel, P. I 11 : 103, 258-63.
Seidl, A. I 13:133, 151: II 2:17.
Seidlitz, W. v. I 4 : 238; 11 : 74, 179,
277, 396.
Seifert, J. II 4 : 37.
Seiffert, M. I 13 : 1, 17, 26/7, 38, 47, 79.
Seiling, M. I 4:010.
Seis, E. IV 4 : 238.
Seitz, K. I 6 : 209.
Seliger, P. II 3 : 28.
Seil, K. II 6 : 53.
Sello, G. I 4 : 360; 11 : 95.
Sembrzycki, J. I 5 : 299-300, 327.
Semler, C. IV 4 : 77.
Semper, H. I 11 : 110/1.
Semrau, A. 14: 319.
Senfft, A. V. I 13 : 85.
Sepet, M. IV 9 : 112.
Sepp, J. N. 14: 59, 446; 5 : 17/8.
Seraphim, A. III 1 : 43/4.
— E. 14: 493; III 1 : 43/4.
Serrure, C. A. II 3 : 16.
Servaes, F. I 1 : 173; 11 : 48, 400; 12 :
322, 376; IV 4 : 167.
Seth, A. IV 5 : 136/7.
Settegast, H. IV 1 c : 123.
Setzepfandt, R. III 1 : 33.
Seuffert, B II: 174; IV 2a : 55, 67;
7 :19; 8e:22; 9:25; 10:20; 11 :52.
Seyfried, J. I 12 : 274; IV 1 a : 7.
Sharp, F. Ch. I 12 : 86.
Shedloclc, J. S. I 13 : 77.
Sieber, F. 13:8.
— L. I 3:252; II 1 : 157.
Siebert, H. III 5 : 51.
Siebold, P. F. 13: 67.
Siebs, Th. 15: 44.
Siegfried, C. III 5 : 44.
Siemens, W. v. IV Ic: 119.
Simmel. G. I 1 : 1 ; IV 5 : 244.
Simmet, L. IV 2 a : 59.
Simon, D. W. II 6 : 62.
— J. I 12 : 310.
— 0. I 6 : 166
— P. I 13 : 144.
— Th. IV 5 : 207.
Simond. Ch. I 13:131; lY 5:623;
8d:33; 10:96.
Simons, L. I 12 : 351.
Simonsfeld, H. I 4 : 124: II 7 : 14.
Simpson, W. I 3 : 179.
Simson, P I 3 :36; II 1 : 35.
Singer, H. W. I 11 : 214; IV Id : 45;
6:7; 8a: 142.
— L. I 8 : 40.
— S. 112: 101 c.
Sittonberger, H I 12:228; IV 4:321,
323, 402; 8a: 54; 8e : 1.
Sixt, Fr. 14: 454.
SklBdny, A. U 1 : 87 ; III 1 : 137 ; IV
1 a : 46.
Skranp, K. I 12 : 243.
Smirnow, A. 0. IV 8b : 62a.
Socin, A. I 2:5; 8:54, 149; III 2:
28; 5 : 63.
Sodeur, G. IV 5 : 123.
Sohle, K. I 13 : 7, 9, 128.
Sohns. I 1 : 110 ; 5 : 246; 8 : 130; IV
10 : 148.
8off6, E. I 10 : 20.
Sohnrey, H. 14: 169.
Soltal, E. I 12 : 297.
Soldan, F. 14: 396.
Solger, H. 14: 610; IV 2a : 58.
Soltan, W. I 8 : 23.
Sommer, G. I 11 : 99.
— W. 14: 426.
Sommerlad, Th 14: 198.
Sommert, H. I 12:37 a.
Sommervogel, 0. II 6 : 27,
Sondheira, M I 11 : 234.
Sonnen, K. I 12 : 152.
Sorgenfrey, Th. 13: 213.
Sosnosly, Th. t. I 8 : 140.
Souriau, P. I 12 : 290.
Spach, Ed. IV lo:106.
Spandl, J. IV 4 : 76.
Spannagel, C. III 1 : 88, 108.
Spectator (= Eisner, K.). I 1:65;
12:26b; III 1 : 108; IV 5:76a;
11 : 20.
Speidel, L. IV 4 : 233, 259, 470; 5 : 530,
Spengler, F. 11 4 : 31.
Sperling, H. 0. 13: 170.
Speyer, Fr. I 5:866; 7:127.
Spiegel, B. II 6 : 136.
Spielhagen, F. I 1 : 147; 12 : 399, 403,
405, 407, 410, 413; IV 4:103, 114,
150, 157, 161, 1635.
Spier, Anna. I 11 : 342, 368.
Spiesser, J. 15: 243 a., 315.
Spiller, R. I 5 : 233.
Spitta, Ph. I 1 : 49; 13 : 16, 66, 73.
Spitteler, K. IV 4 : 379.
Spittler, C. IV 5 : 90.
Spitz, R. IV 8a: 164.
Sponsel, J. L. I 11 : 162.
Sprenger, R. I 5 : 78/9, 83, 148, 260,
326, 349, 379; 8 : 89, 118; II 7 : 3;
m 5:14; IV 2b: 15; 4:70, 75;
8c : 14; 8d : 10; 8e : 36, 78; 9 : 45,
78, 93/4; 10 : 126-30, 134, 142, 146.
Springer, A. I 11:171.
— J. I 11 : 171, 400; IV Ic : 148.
Staarstecher, J. IV 11 : 14.
Staatsmann, K. I 12 : 153.
Stäcker, N. I 5:325.
Stähelin, H. I 11:243.
Stalin, P. IV 5 : 351.
Stage, C. IV 5:260.
Stamminger, J. B. I 11:153.
Stammler, J. I 11 : 139, 219-20.
Stanzer, A. II 1 : 145.
Stapfer, P. I 1 : 131 ; 12 : 105, 238, 425.
Stära, A. I 12 : 223.
Starbuck, Ch. C. I 12 : 151.
Starzer, A. II 1 : 55, 141.
Staub, F. I 5:15; 8:109.
Staudenmeyer, H. III 5:36.
Stearns, F. P. I 12 : 255.
Stechele, U. 16: 204.
Stegmann, H. I 11 : 445.
Stehle, B. I 8 : 23; II 3 : 71.
Steidle, E. IV 2b: 43.
Steiff, K. 13:74,79,85,92,254,260;
II 6 : 47.
Steig, R. I 2:8; IVlc:20,22; 7:15;
10 : 64/5.
Steiger, J. I 7:10a.
Stein, A. I 11:181; 13:37; IV 5:184;
9 : 5.
— B. ' IV 9 : 46.
— H. T. 112: 12 ; IV 9 : 39.
— L. I 12:379-80; II 1:93; 7:16;
IV 5 : 184.
— Ph. IV 10:145 a.
— W. I 3 : 45.
Steinacker, Ed. IV 5 : 556.
Steinberger, A. I 5:161.
Steinel. 0. 14: 443.
Steiner, B. H 3:12a; HI 3:1;
IV 10:41.
— R. IV 5:203/4; 8a: 112.
Steinhansen, G. I 1:100, 173; 4:4,
19-20, 43/4, 123, 136/7, 152, 167;
5:362; 6:238; II 1 : löO; 1111:132.
Steininger, E. M. 15: 267.
Steinmeyer, E. I 2:10, 92.
Steinschneider, M. 1 3 : 119 ; IV 11 : 50.
Stejskal, K. I 1:84; 7:142.
Stern, Ad. II: 76; III 1 : 135; 3 : 17
IV la:7, 23, 27; lc:22; ld:88
2a:7ö/6; 2b:62; 4:239; 9:16, 19
10 : 56.
— Alb. IV la:7a; 4:151.
— Alfr. IV lc:43; 5:331, 611.
— B. IV 4:408.
— E. II 6 : 104.
— M. 14: 537.
— M. R. V. I 11 : 16; IV 5 : 59, 237.
Sternberg, H. IV 4 : 381.
Sterne, C. (= Ernst Krause). I 5:59;
12:97.
Stettenheim, L. IV 4 : 282; 9 : 143.
Stettiner, R. I 4:238 a.
Stewart-Chamberlain, H. IV 4 : 333.
Stiassny, R. I 11 : 222, 226.
Stich, J. II 1 : 141.
Stickelberger, H. IV 9 : 165.
Stieböck, L. I 4 : 467 ; 8 : 12.
Stieda, L. 16:74; IV 5:. 369, 475a,
493 a.
— W. I 4 : 222, 250, 803.
Stiefel, A. L. 1 10:42.
Stiehl, 0. 13: 190; 13 : 3.
Stiehler, A. I 12:240.
Stieler, K. 14: 444.
Stieve, F. U 1:153; 1111:13, 56;
IV 5:327.
Stilgebauer, E. III 3 : 12.
Stillbauer, J. B. II 6:28; IV 5:282.
Stinde, J. I 12:366.
Stocker, F. A. IV 4 : 275 a.
Stockhan ser, G. I 11 : 69.
Stockmayer, K. IV 2a: 43.
St5ckel, H. I 3:118.
Stöcker, A. II 6 : 51.
Stoeckert, G. 11:3.
Stoeger, M. IV 5:345.
Stoessel, A. I 1:10; 12: 120.
Stötzner, P. I 6: 20;1, 247; 7:89.
Stoffel, J. IV 1 d : 6.
Stolz, F. 14: 478.
Stolze, F. 13:7.
Strachwitz, Nora Gräfin. IV 1 c : 77.
Strack, A. I 8:41; IV la:42; 8c:9.
Stracke, H. II 6:81.
Sträter, E. IV 5:625.
Strassburger, E. I 4 : 371a; 5 : 32;
IV 5 : 459.
Strauch, Ph. I 2 : 24 ; 5 : 308 ; 12 : 178 ;
II 3:41; 7:17a-b; IV la:2; 8b:46;
10:138.
Strauss, K. IV 4:341.
Streit, W. I 8:51, 97; 11:205.
Streitberg, W. I 4 : 155 ; 8 : 66.
Strickler. II 6 : 167.
Strieder, L. IV 2a: 83.
Strindberg, A. I 12:287, 371/3; IV
4 : 319.
Strodtmann, Ad. IV 1 a : 4.
Ströbel, H. I 12 : 101 b, 293.
Ströhmfeld, G. IV 8a: 65; 8b: 49;
9:20.
Struck, W. m 1 : 37.
Strümpell. A. 16: 91.
Struve, E. 14: 228.
Strzemcha, P. I 7 :83; IV 9: 128.
Strzygowski, J. 1 11 : 106, 286.
Stubbe, Chrn. II 6:200; IV 4:288/9.
Stübel, B. I 4:98; 6:119.
Stühlen. I 11:1.
Stümcke, H. IV 5:609.
Stummel, Fr. I 11:242.
Stuhr, F. I 4 : 211.
Sudermann, H. IV 4 : 143/4, 146.
Sudhoff, K. 13: 124; II 1 : 104/5, 176.
Sudre, L. II 3 : 17.
Süpfle, Th. IV Id: 1; 4:43.
Sully-Prudhomme. M. 112:52 b.
Sulzbach, A. I 4 : 539 ; IV 8 e : 72 ; II : 50.
Suphan, B I 2 : 10; IV la:2; 2a : 1;
4:1; 6: 41; 7:1, 15: 8a: 34, 34a, 93;
8o:20; 9:56, 61; 10:10.
Sussann, H. II 6 : 165.
Suter, J. IV 4 : 273
Svendson, 0. IV 2b: 64.
Swanwick, Anna. IV 1 d : 40.
Sybel, H. V. IV 5:551.
Sydow, M. IV 9 : 14.
Szamatölski, S. II: 173.
Szczepanski, P. t. IV 1c:90; 4:476;
11 : 24.
Szlävik. II 6 : 176.
Taft-Hatfield, J. IV 10 : 103.
Taine, H. I 1:122/3; 12:52a.
Talon, P. I 12:88.
Tann-Bergler, 0. IV 4:266.
Tannen, K. II 3 : 6.
Tannery, P. IV 9 : 37.
Targioni-Tozetti, G. IV ld:74.
Tascheck, W. 18: 130.
Tausch, E. II 6 : 184.
Techen, F. III 5: 15 b.
Teelz, F. 15: 90.
Temming, E. IV 8a: 84.
ten Brink, B. I 2:45.
te Peerdt, E. I 12 : 60.
Terey, G. v. I 11 : 176, 215, 230.
Tesdorpf, 0. L IV lc:29.
— W. I 11 : 267.
Tetzner, F. 15: 361.
Teuber, 0. 11 4 : 2; IV 4 : 202, 347, 472.
Teuscher, R. I 5:116.
Teutsch, G. 14: 483.
Tews, J. I 7 : 120.
Thaer, A. IV 1 c : 123.
Thamhayn, W. IV ld:26.
Theden, D. I 3:145; IV 5:1«
Thelert, G. 13: 270.
Autorenregister.
Thenn, A. 11 6:44.
Theumer, E. 14: 95.
Theuriet, A. IV 8a : 21.
Thiancourt, C. 13: 173.
Thibaut, A. F J. I 13 : 7.
Thiele, G. I 12:2 a.
Thierae, U. I 11 : 202.
Thimm, K. 14: 313: IV 1 c : 26.
Thode, H. 1 11:186, 188, 350/1.
Thoemes, N. III 1 : 77/7a.
Thoinan, E. I 3:299
Tholuck, Mathilde. IV 5:271.
TUomälen, G. 13: 261. 291.
Thomas, Calv. 1 1 : 173.
Thomassin, Ch. II 3 : 29 ; IV 9 : 116
St-Paul, Ch. de. IV 10 : 140.
Thnmpson. E. M. 13:2.
ThorbecVe, A. I 7 :ö9a.
Thorel, J. I 12 : .395; IV 4 : 155; 5 : 202;
11:1.
Thndichnm, F. 11 3 : 76.
Thürlings, A. 1 3 : 82
Tille. Alex. I 1 : 23 a ; 3 : 1S4 ; 5 : 54, 61,
94; 8 : 126; II 2 : 42; IV 5 : 248; 8a : 88;
8e:85,6, 107.
— Armin. 1 12 : 233 ; IV 5 : 238.
Tillmann, H. I 11:74.
Tissot, E. I 12 : 344 : IV 4 : 124.
Tobler, G. 14: 547 ; II 2 : 33.
— L. I 2:7; 5:15; 8:109; II 2:34.
Tocco, F. 11 1 : 74.
Töche-Mittler, K. III 1 : 123.
Toepke, G. I 6:115.
Toeppen, M. 14: 318.
Toischer. W. I 7 : 65 ; IV 8 c : 3,
Toldo, P. I 12:312
Tollin. H. I 4:527, 530.
Tolstoi. L. I 12:3^9.
Tomanetz, K. 1 8 : 92, 115; IV 4 : 216/7.
Toorenenbergen, J. J. v.in 11 6 : 175.
Torresanl, K. v. IV 8a: 30.
Toula, F. 14: 16.
Transil. M. IV 4 : 337.
Trautmann. F. I 4:458/8».
— K. 1 11 : 143/5.
Trefftz, J. II 1 : 42
Treichel, A. I 5:64, 75, 80. 99, 121.
198/9. 342/4, 348.
Triemel, h. IV 5 : 111.
Trinins, A. 14: 28. 327 ; IV 9 : 18.
Trinks, F. 14: 393.
Tritonins. I 12 : 239.
Tröger. J. IV 8a : 130; 8c : 21; 9 :60.
Trojan, J. I 11 :344.
Trost, K. I 12:280, 324; IV ld:15;
6:22.
— L. IV lc:l.
Trümpelmann. A. 16: 192.
Tschache, G. I 7 : 16
Tschackert, P. 11 2:14; 6:142, 178;
m 5 : 17, 23, 45. 2s5.
Ts'hiersch, 0. 1 6:170.
Tschirch, 0. 16: 168.
Tuchert, G. 14: 36.
Tuchmann, J. 1 5 : 88.
Tümpel, W. 11 6 : 189.
Türler, H. II 1 ; 131.
Tufts, H. IV 5:92.
Tuhten, A. IV 1 c : 61.
Tunilirz, C. I 8: 153.
Tupetz. Th 11 1:135; IV lc:37.
Tnrba. G. 11 1 : 14s.
TurRenieff, J. IV lc:80.
Twardowski. K. IV 5:99.
Tyrol, F. I 8:39; IV 6 : 5.
Uebelacker, M. 17: 28 9.
Ueberegger, J. IV 6 : 34.
Uellner. V. 1 7:75; IV 9:40.
Uhde, Const. I 11:101.
Uhl. W. I 4:144.
Uhle, P. 1 4 : 385; IV 5 : 514 ; 6 : 12.
— Th. IV 2a: 32.
Uhlhorn. G. II 6 : 152.
Ullrich, H. I 5 : 235; UI 3 : 15.
— Ph. E. IV 5 : 345.
Ullsperger. Fr. I 7 :82: IV 9 : 119.
Ulmann. H. II 1:37. 118.
Ulrich, W. 1 12:5a; IV ld:27.
Umfried. 0. L. IV 8 e : 68. 73.
Umlauft, Fr. 17: 12.
Unberath. J. 16: l.i.
Unbescheid. H. IV 7 : 8 ; 9 : 8, 38, 127,
144, 160.
Unruh, Th. n 6 : 140.
Untersteiner. A. I 13 : 14.
Urlichs, H. L. IV 1 c : 131.
Usaune, 0. 13: 266.
Vachon. M. 1 4:605; 12:8«.
Vagelin, A, IV 4:104.
Vahlen. J. 12: 16.
Vaihinger. H. IV 5:101. 127.
Valbert, G. (s. auch Cherbnliez. V.).
IV 5 : 164.
Valdarnini. A. IV 5 : 119.
Valentin. V. I 11:295, 317; 12:212;
IV 8a:3, 32, 43; 8e:48.
Valt^r. 1 1:119.
Van der Briele 11 1:129.
Vanderem. F. 1 12 : 87.
Varnhagen. H. I 10:42.
Varrentrapp, K. lll 1 : 101.
Vecchi. A. V. IV 1 d : 74.
Veok, 0. IV 5 : 66.
Veesenmeyer. G. 13: 255.
Verding, G. IV 4:388.
Versenyi, G. I 5:275/6.
Veth, Jan. I 11 : 39.
Vetter, F. I 1:110; 2:15; 5:6; 11:
140; II 1:53. 84.
— P. II 1:152; 6:24.
— Th. n 1 : 84.
Vielau. H. I 3 : 221.
Viereck, L. 13: 215.
Viergutz, F. 14:8.
Vierordt, H. I 4: 279; IV 5:402.
Villamaria. I 5 : 215.
Villari, P. 11:2.
Vincenti, C. v. IV 4:429.
Vincke, G. t. IV 8a: 141.
Violet. F. 17: 77.
Virchow, R. 1 6 : 90; IV 5:495; 7: 7.
Virck. H. II 1:45, 48. 145 6; 6:35.
197.
Vischer. Kob. I 12 : 1 08 ; IV 8 a ; 40. 55.
ViTUS. IV 4 : 324. 326, 361.
Vodskov, H. S. IV 8a: 159.
Vöge. W. 13: 23.
Völderndorff. 0. Frhr. v. IV 1 c : 40.
Vogel. A. 1 6:48;9; IV 5:482, 484.
— E 1 3:127; 13.1.
— Th. I 7:119a; IV8c:27; 8e:93.
Vogler, C. H. I 11 : 281 ; IV 8 : 9.
Vogrinz. IV 9 : 154.
Vogt. F. 1 1 : 92; 2 : 26 ; 6 : 12, 52. 63.
128; II 3:61.
— J. 14: 587.
— 0. II 6:48.
— W. I 3:80; IV 5:350.
Vogüe, E. M. de. II: 126.
Voigt. L 1 7:118. 136; 12:37.
— Ph. H. I 6:202.
Voigtländer, K. 13: 284.
Volbehr, Th. IV 4 : 199.
Volkell, F. IV 5 : 97.
— J. IV 4:200; 5:229.
Volkholz, R. III 1:33.
Volkmann, W. IV 4 : 87; 11 : 55.
Volksmann, A. 15: 151.
— H. I 5 : 87, .S47.
Voneisen, F. IV 5:167.
Voretzsch, C. 15: 2S3 : II 3 : 14.
Vorländer. K. IV la:2; 2a:l; 4:1;
6:113.
Vornhecke, B. 1 13 : 154.
Voss, Ft. IV 8b: 178.
— J. 11 3 : 36.
Vnlpinus.Th. U 1 : 170; 3: 71; 6: 171.
Waag, A. IV 2a: 49.
Wachler, E. 11:9.
Wachbtein. E. M. v. IV 1 c : 150.
Wächter, D. IV 5 : 140.
Wackernagel. R. 1 4 : 492; II 3 : 75.
Wackernell, E 1 7 : 10; II 4 : 9.
Waddington. A. U 1 : 42; III 1 : 114.
Wächter. G. II 6 : 199.
Waetzold. St. 17: 2. 68.
Wagner. E. 1 11 : 88.
— F. 14: 521.
— Hugo. I 4:376; 10:48; 11 :119.
— H. F. 16: 226.
— K. I 13 : 55.
— M. 14: 122.
— Osk. I 12 : 369.
— P. 113: 30.
Wahl. G. II 4 : 24.
Wähle, J. IV 8a: 112.
Waitler. J. 1 11:115/6.
Waizer. R. 15: 166.
Walch, J. G. II 6 : 52.
Walcker, K. I 1 : 26; 4 : 602; 11 : 255;
IV 2a: 56.
Waldberg. M. v. 11 2 : 37 ; lU 2 : 26, 42,
Waiden, B. I 12:91; IV lc:74; IV
5 : 299; 10 : 79.
Waiden, P. IV 1»: 7.
Waldmann. F. IV 6 : 257.
Waldner, E. II 2 : 24: 3:53.
Wallace. W. IV 10 : 160.
Walle, P 111: 256, 302 a; 12 : 5ä.
Walion. H. IV 9 : 113.
Wallraff, H. 111: 151.
Wallus, W. 15: 108.
Walrond, F. F. 111 5 : 24.
Walsemann. H, F. 1 12 : 77.
Walter. F. 1 11 : 369-73; IV Ic : 80
4:425, 449 a.
— J. 1 12 : 1.
Waltersdorff, H. I 11 : 324.
Walther, Ch. 1 8 : 11.
— W. I 11:185; II 6:39, 62. 70.
101. 193
Walzel.O. F. 1 1:173; 8:42; 12:37 a,
205, 211, 288; III 3:7; IV 4 : 441;
6:30; 8d : 14; 8e:77; 9:70; 10:
12. 120, 157; 11 : 2.
Wanbald. I 11 : 90.
Wanlek. G 1 12 : 4/4 a; 111 5 : 59-00;
IV 4 : 218.
Warnecke. G. I 11 : 57.
Warner, G. F. 13: 182.
Warren. J. S. 13: 34.
Warschauer, 0. 14: 578.
W:isielewski. W J. t. 1 13 : 33/4.
Wasserzieher. E. I 5 : 2: 8 : 4. 64, 103,-
141; IV Id: 1; 5:513.
Wassmannsdorff, K. IV 5 : 489.
Wattenbach, W. 1 4:410, 434; IV
5 * 343 * 7 * 7
Weber. A. il 6 : 33/4.
— G. IV 1 c : 109.
— H. 14: 447; 13 : 22; 11 6 : 5. 10.
— L. I 7 : 49.
— P. II 1 : 56.
Websky, J. 14: 520.
Weddigen. 0. I 5:213; 12:202; IV
4 : 174.
Wedewer, H. 11 6 : 37. 9S.
Weech, Ft. 14: 429; 11 : 159; II 1 .
28; m 1 : 107. 126.
Wegele, F. X. U 3 : 58, 86; U 7 : 53;
IV 5:297, 349 a. 516.
Wegner. G. IV 5 : 128
Wehrmann, C. 14: 300.
— M. 14: 105 6; 6 : 1.53/7; 11 : 96.
Weichelt, L. IV 4 : 231.
Weicker. G. IV 8a: 94.
Weigand. K. 18: 104.
— W. II: 120; 12 : 381; IV 5 : 192.
Weigel. A. 13: 292.
Weilen. A. t. II: 117; 2:2; 4 : 55
12:2345; 114:12, 32; IV la:2
2a : 1; 4:1, 69, 220, 410. 436; 8a
34 a.
Weinberg. M. 14: 243.
Weinhold, E. I 4 : 532.
— K. 1 1 :40; 2:1. 19, 28; 5 : 3, 5,
1.5/6, 50. 77. 93, 139. 2302, 328, 334,
3.58: 10:5, 18; 111 4:2.
Weis, L IV 5 : 89, 102, 127, 144, 228.
Weiss, A. IV Ic: 135.
— J. III 1 : 52.
— J. B. T. III 1 : 2.
— J. G. 16: 224.
— J. J. IV 11 :49; 8a: 162.
— K. I 11 : 269.
Weissberg, M 15: 318.
Weissenborn, E. 1 12 : 166.
Weissei.fels, R. IV 9 : 3.
Weisstein, G. 13: 52, 202.
Weitbrecht. K. IV 2b : 19; 4 : 24«.
— R. IV 2b : 17/8, 44.
Weithase, H. 14: 296.
Weitzenböok, G. 18: 144.
Weizsäcker, H. I 11 : 16a.
— P. 1 11 : 77: IV 2a : 69; 8a: 33;
8e:21; 9: 135.
Welti. H. IV 4:456; 10:36.
Weltner, A. J. IV 4 : 236. 421.
Wendt, G. I 6 : 151
Wengen, F. t. d. III 1 : 55.
Wengraf, E. I 4: 54; IV 4: 36«.
Wenk, K. II 1:30.
Wenley. M. IV 8a: 81.
Wenton, R. IV 5 : 256.
Wercksh.Mgen, C. IV 5:260.
Werder. M I 4:428.
Wemecke. R. 17:51,93 3a.
Werner. A. II 6:171.
— K. I 12:224: IV 4:234, 239. 249
— L. I 4:142; IV la:26.
— R. M. I 12:168. 216, 2.S1; II 3:1.
10, 33; in 2:2; 3:4,5; 4:40; 5:6;
Sachregister.
IV ld:32; 2a:47; 4:411; 8a:108;
8b: 29; 8e:62, 89.
Wernicke, A. IV 5 : 127.
- E. I 11 : 148.
Werra, E. v. I 13 : 70.
Wessely, J. E. I 11 : 419.
Westenberger, G. IV 2b : 90; 10: 53.
Westerfeld, F. 16: 133.
Westermayer, G, 14: 457.
Wetzel, A. III 1:20: IV lc:30, 53.
Weyler, Th. .1 5:210: III 3:26.
Weymann, C. IV 10 : 132.
Weyrauch, J. J. IV 5 : 453.
Wheatley, L. A. I 5:202/3, 206/7.
Whitman, S. I 4:461.
Wichers v. Gogh, 0. IV 4:350.
Wiehert, E. I 12 : 428.
Wichmann, F. IV 4 : 275.
- H. IV 5 : 414
— J. 13: 224.
Wickhoif, F. 13: 20, 186.
Widniann, J. V. IV ld:88; 4:278,
353.
— M. IV 5 : 2.
Widmer, L. I 12 : 51 a.
Wiechowsky, A. 15: 182.
Wiedemann, A. I 5:74, 124.
- Th. IV lc:138; 5:303.
Wiegand, W. IV 1 c : 38 ; 5 : 832.
Wiener, B. I 3 : 291, 293.
- S. 13: 212.
Wiese, L. I 6:72.
Wiesehahn. II 1 : 114.
Wiesner, J. II: 114.
Wiessner, E. 17: 51, 93/3 a.
Wilamowitz-Moellendorf, 0. v. II: 41.
Wilbrandt, Ad. IV 5 : 24/5.
Wildenbrnch, E. v. I 1:146; 13:87;
IV 2b: 22.
Wille, B. I 12:284, 409: IV 5:77.
Willmann, 0. 17: 43 ; III 5 : 51.
Willmott, E. A. IV 2 a: 51.
Willras- Wildermnth, Agnes. IV 5 : 267 ;
10:139 a.
Willy, E. IV 5 : 229.
Wilmanns, W. I 8:66.
Wilte, C. 13: 161.
Wimmer, Emilie. I 5 : 174.
— J. IV 4 : 189.
Winckelmann, 0. I 3:44; 11:141; II
1 : 39.
Winckler, Ph. IV 8a: 137.
Windakiewicz, S. II 4 : 39.
Winkler, A. I 11 : 441.
— F. I 7:111.
Winter, G. I 1 : 1, 98; 6 :36; II 1 : 50:
III 1 : 7, 117 ; IV 5 : 354.
Wintera, L. III 1 : 84.
Winterfeld, F. A. v. III 1 : 125; 5 : 57 ;
IV 2a: 60; 4:461; 8b :11a; 9: 153;
10:55, 59.
Winther, H. 17: 132.
Wintterlin, A. I 11:426. _
Wippermann, C. IV 5 : 555.
Wirth, A. I 10 : 6.
— Ch. I 12:76 a.
- K. M. II 2 : 2.
Wirth, Th. IV 5 : 166.
Wislicenus, P. 15: 131.
Witkow8ki,G. IV8a:58, 116a; 8e:64.
Witte, C. IV ld:78.
— H. I 6:188; II 1:32.
— K. IV lc:21.
— L. II 6 : 109.
W ttich, K. III 1 : 32, 36; IV 5 : 536.
— M. I 12 : 123, 129.
Wittmann, A. IV 4 : 457.
— C. F. IV 4:39, 192/6.
— H. IV 1 d : 83.
— P. IV 9 : 102.
Wlislocki, H. V. 15:3, 22/3, 28, 118,
126.
Wölfflin, H. I 11 : 335; IV 10 : 45.
Wörndle, H. v. I 11:298.
Wohlfahrt. I 8 : 102.
Wohlgemiith. J. I 12 : 11.
Wohlrabe, W. I 7 : 20.
Wohlwill, A. 14: 352.
Wolf, G. II 1 : 141, 145; IV 5 : 329.
-3. 14: 588.
Wolff, C. I 3 : 234.
— Eng. I 1 : 28, .57: 12 : 144, 199. 227 ;
112:3; 3:15; III 2: 8; IV 8a: 116 a,
131;8b:36:8d: 19; 9:166; 10:148;
11:27.
— H. I 4:212.
— Max V. II 1 : 79.
— Tbeod. IV 2b: 60; 5:418/9.
Wolfram, E. H. 15 : 281.
— G. III 1 : 29.
Wolfrum, Ph. 11 6 : 190.
Wolkan, E. II 4:21.
Wollschläger, W. I 11 : 211.
Wolter, E. I 10 : 13.
Wolzogen, E. V. IV lc:36; 4: 294.
— H. V. I 13:120; IV 10:94.
Wood, H. IV 8e:25.
Woodward, J. 11 1 : 133.
Worp, J. A. III 4:7.
Wortmann, H. (= J. H. Franke). I
4:18 b.
Wossidlo, R. I 5:41, 341.
Wotke, K. II 7 : 4, 29, 50, 70/2 ; III
4:21.
Wouvermans, A. v. I 11:44.
Wrede, A. II 6 : 4.
Wülcker, E. 18: 104, 107.
Wünsche, A. I 12:8; IV 5: 142/4.
Wulckow, E. I 1:173; IV 6:41;
8a :34a.
Wunderlich, H. I 8:66, 96; II 4: 10;
7:57; IV 4:118.
Wundt, W. I 12 : 300.
Wunschmann, J. IV 5 : 460.
Wurzbach, A. v. I 11:415.
Wustmann, G. 1 11:213, 423; IV
8a:62; 8c: 1.
Wychgram, J. 11:66; 12:15, 305;
IV 5:627; 8e: 80; 9:8, 68, 127.
Wyczolkowska, A. IV 5 : 155.
Wysocki, L. III 2:37; 4:14.
Wyss, B. 111: 283.
— F. IV 5 : 69.
— G. V. II 3 : 67, 72/3.
Wyss, J. E. III 3: 27/7 a.
Wyze-wa, T. r. 14: 579.
Yongo, Chr. M. de. IV 5 : 442.
Zabel, E. 111:16; 12:266,393; IV
1 c : 23, 147; 1 d : 24; 4 : 106, 314, 427,
472/3; 5:29, 107/8. 151, 413, 425.
Zacher, J. 111: 431.
Zähnsdorf, J. 13: 298.
Zagni, V. IV 4 : 42.
Zahn, J. I 13:53.
V. 14: 481.
— Th. 15: 338.
— W. I 4 : 97, 373, 552.
Zanetti. F. 14: 582.
Zang, M. J. IV 5 : 116.
Zangemeister, K 13: 203.
Zardo, A. IV 0:23; 8a: 78; 8e:87a.
Zastrow, E. I 12 : 182.
Zeidler, J III 4 : 22/3.
Zelle, F. I 13:59.
Zeller, E. I 1:7; IV 5:266.
Werdmüller, H. I 4:549; 11:140.
Zenz, W. 16: 225.
Zepler, G. IV 5:637.
Zerbst, M IV 5 : 187.
Zernial, U. 17: 116.
Zettfirbaum, M. I 12 : 51.
Ziegler, C. 1 7 : 111.
— Th. I 12:23, 74; IV 5:269, 410 a.
Ziehen, Th. I 12 : 50.
Ziehn, B. I 13:75.
Ziel, E. IV 4 : 171.
Ziemssen, L. I 11 : 266; IV 5 : 619.
Ziller, Fr I 7 : 34.
Zillgenz, G. I 8 : 50; IV 11 : 48.
Zimmer, F. II 6 : 190.
— H. IV 2a: 99, 101; 4:44.
— 0. 17: 119.
Zimmermann, A. 111:38; 1111:11,
117.
— F. I 12:248.
— G. A. IV la:16.
— H. 111: 106, 286.
— M. G. 111:6, 204, 318-20.
— P. IV 5 : 349.
Zimmern, Helen. I 11:364.
Zingerle, 0. II 7 : 18.
Zix, 0. 13: 63.
Zöckler, 0. I 1 : 15; II 6 : 2, 91;
IV 5 : 273.
Zola, E. I 3:174; 12:304, 317/8, 339.
Zorn, Ph I 1 : 119.
Zschommler, M. IV lc:73.
Zuck, 0. II 6 : 88.
Zucker, M I 11:2.53.
Zürn, G. V. 1 4:451a.
— L. I 7 : 70.
Zumbini, B. IV Id : 77; 5 :417; 6: 23;
8a:28; 8e:30.
Zupitza, J. 110:31a; 117:4; IV
ld:71.
Zwenger, F. II 1:59; IV 11 :.54.
Zwiedeneck-Südenhorst, H. v. III 1 : 10.
Zwitzers, A. E IV 6:31.
Sachregister.
Aachen. I 3:250; 4: 236, 410/1.
- (Ocha), M. V. II 6:126.
Abecedarium Magdeburgense. I 6 : 10.
Abeken, B. R. IV la;31a; lc:69.
Abel, C. III 5:15
- J. Fr. IV 5 : 104.
Abendmahlslehre. II 1:1.
Aberglaube. 1 5:25, 32, 81-113; II
1:34.
Abietiscola, T. (Danhauser). II, 7 : 14.
Abraham a Santa Clara. I 5:311; 111
6:16.
Abt, F. IV 2b: 102.
Acidalius, Valens. II 7 : 3.
Ackermann, C. IV 4 : 6, 375, 440.
- Esther. III 5 : 10.
- H. II 3 : 54.
- 0. IV 4 : 22.
- Th. IV 4 : 180.
Adam, J. I 11 : 370,
Adamberger, Antonie. IV 4 : 38, 454.
Adel. I 6:151.
Adelger, Herzog. I 5 : 152.
Adelmann, B. II 7 : 42.
— Helene. IV lo:76.
— K. II 7 : 42.
Adelspartikel. I 4 : 53.
Adelung, J. Ch. 18: 40, 46; IV 1 c : 67.
Adlermotiv. IV 2a: 38.
Aegir. I 5 : 17/8.
Aemilius. II 7 : 62/3.
Aeneas Sylvius. II 1:97; 3 :70.
Aerzte. I 4 : 121, 282.
Aeschylus. 1 12 : 220/1; IV 1 c : 21, 69;
8e:34.
Aesthetik. I 11 : 9 ; 12 : 23, 45- 143.
- d. Klassiker. I 12: 12/5 b.
- u. Pädagogik. 112:78,83,4.
Aesthetisch u. schön. I 12:70, 111/2.
Aestbetisches Urteil. I 12 : 11, 51.
Agrargesohichte. 14:2018.
Agricola, J. II 6:47, 119; 7:46.
— K. 16:118; n6:40; 7:19,23,30.
d. J. II 7 : 69.
— St. (Kastenpanr). II 6:30.
Agrippa v. Kettesheim. I 12:379-80.
Ahasverus. I 10 : 14; IV 4 : 112.
Ahlborn, W. I 11 : 292.
Ahlfeld. J. F. I V 1 c : 108 ; 5 : 605.
Aicard, G. IV 4 : 122.
Akademie, deutsche. I 8 : 122,3.
Akademien s. Schulen.
Akosta, Uriel. IV 11 : 55.
Aktualität. I 1 : 120.
Alamode-Tenfel. HI 5:5.
Albert, H. III 2:5.
— M. IV 4 : 179.
— P. n 1 : 94.
— Tan Soest I 11 : 252.
Alberti, V. lU 5 : 22.
Sachregister.
Albertinns, Aeg. III 3 : U; 5:5.
Albertus, Magnus. II 7 : 30.
Alberus, Erasm. II 1:88: 3:15; 6:
146;7; III 5:14; IV 6:32a.
Albrecht, Kurf. v. Brandenburg. I 3 : 41.
— Herz. V. Bayern. II 1 : 146, 153.
— V. Brandenburg, Hochmeister. II
1 : 34/5.
Kardinal. I 11 : 215.
— V. Mainz. II 6 : 13, 16, 18, 28/9, 94;
7:40.
— F. E. A. IV 1 u : 2.
— K. n 6 : 122.
Alciati, A. II 3 : 47.
Aldus, Miinntius. I 3 : 245.
Aleander, Hier. 111:140:6:13.
Alesius, AI. II 6 : 153.
Alexander d. Gr. I 5 : 229.
— I. V. Eussland. IV 8b: 17.
— de Villa-Dei. 16:9.
Alexandersage. I 5 : 223.
Alexandriner. I 12:31; IV 2a: 20;
4:6, 50; 10:25.
Alford, G. IV Sa: 80, 143.
Allegorie I 12:74: II 1:81.
Allerleirauh. I 5 : 232.
Allgäu. I 4 : 440
Allioli, h\ IV 1 0 : 75.
Allmers, H. IV 1 a : 43.
Allotria, Gesellschaft in München. I
11:277.
Almanache. IV 10 : 7 (s. a. Musen-
almanache).
Alpenländer. I 5 : 303.
Alphabete. I 3:91.
Aisted, J. H. 16: 23, 29.
Alt, Th. I 12: Ulla.
Altdorf. I 6 : 148. '
Altdorfer, Alb. 1: 11, 2213.
— (Superintendent in Kulmbach). I
6 : 95/6.
Altertum, germanisches. IV 2 a : 24,6.
— klassisches. I 1:41, 54; 7:19, 33.
Althenneberg. I 11 : 165.
Altmann (Prof. in Bern). III 5:63.
Altmüller, G. IV 4 : 202.
Altstedt. I 5 : 42.
Amadisroman. IV 10 : 71.
Amazonen. IV 4 : 60.
Ambach, Melch. II 1 : 64.
Ambros, A. W. IV lc:157.
Amelungsborn. II 4 . 4.
Amerbach, B. II 6:170.
— H. 13: 109.
— (Verleger). I 11 : 172.
Amerika. U 1 : 109-14, 164.
Ammann, H. U 1 : 55.
— J. I 3:238; 11:216.
— Kasp. II 7 : 42.
Ammersbach, H. III 5 : 5.
Amor u. Psyche. I 10:4.
Amsdorf, Nie. v U 6 : 13, 56.
Amsdorff. I 3:38.
Amsterdam. I 11 : 413.
Anachronismen. 11 4 : 1.
Anakreon. IV 2a: 18/9.
Anakreontik. lU 2:32; IV lc:65;
2 a : 8, 20, 28, 31, 38 ; 8 c : 7, 9 ; 8 e : 21.
— u. Goethe. IV 8c: 7, 9.
Anatomie als Unterrichtsgegenstand,
I 6 : 205, 6.
Andersen, H. Chr. IV 1 c : 14, 91.
Andreae, Jak. II 1:1, 173.
— J. V. I 6:23/7; III 2: 14j9; 5:22;
IV 8e:88.
Andreas (Kapellan). II 3:2.
Andrelinus, ^austus. II 7 : 30.
Anekdoten. I 5 243/4.
Angelus Silesins. I 6: 213; III 2 : 13;
5 : 20 a.
Angenehme, D. I 12:51, 66, 67, 74,
111 la.
Anhalt. I 11 : 100.
— Luise Fürstin v. 14: 143.
— -Köthen, Luise Ferdinande v. IV
2a: 79; Sd:30.
Anhultiner. I 4 : 96/7.
Anmut. 1 12:4, 45, 84.
Anna Amalia, Herzogin t. Sachsen-
Weimar. IV 5:23; Sa:50; 8b:21,
42, 44.
Annaberg. II 1 : 138.
Annoncenwesen. I 3 : 154.
Annunzio, 6. IV 4:204.
Anonymität, in d. Presse. I 3 : 174.
Ansbach. I 11 : 152.
Anschaunngsprinzip. 16:8.
Anschtitz, H. IV 1 c : 1.57.
Anshelm, Th. 13: 72, 79, 245 ; II 6 : 47.
— V. II 3:69.
Anspacb, P. II 6 : 35.
Anstandsbuch für Studenten. 1 6 : 127/8.
Antesperg, J. B. 16: 225.
Anthaler. I 6 : 57.
Anthologia Palutina. IH 2 : 32.
Anthologie, griechische. IV 9c :18a.
Anthologien. I 7 : 92.
Anthropomorphismns. I 12 : 144.
Antike, D. I 6: 18: IV 9c: 18a-20.
Antiquariatskutaloge. I 3 : 153.
Antisemitismus. I 12 : 267 ; IV 6 : 23.
Anthisthenes. I 12 : 379-80.
Anzengruber, J. IV 4.: 270.
— L. I 12:223; IV la:32: lc:856:
4 : 84, 117, 169, 2(i6, 264, 267-72, 314.
Aparte, D. I 12:228.
Apelt, 0. 17: 12.
— K. IV Ia:41.
Apfelschuss. IV 9:132.
Apianqs, s. Bienemann, P.
Apiarius, M. I 3:82.
Apokryphen. II 4 : 1.
Apotheker. I 4 : 282.
Appian. II 7 : 67.
Approbation. I 3 : 278.
Apuleius. I 5:230: 10:5.
Arbeiterfrage. 13:148/9
Arbeitslöhne. I 4 : 403; 11 : 159.
Arce, G. Nunez de. IV 1 d : 92.
Archer, W. I 12 : 349 ; IV 4 : 138.
Architektur. I 12 : 74.
Architypograph. I 3 : 264.
Archivbenutzung. I 3:201.
Archive (s. auch Briefwechsel n. Hand-
schriften ) in : Agram I 3 : 47. Arolsen
II 6 : 14S. Augsburg II 7 : 43. Bologna
II 7 : 12. Brandenburg I 3 : 41.
Bremen I 3 : 45. Dresden I 6 : 199.
Frankfurt a. M. I 3 : 46, 49. Frank-
reich I 3 : 48. Hagenau i. E. I 5:114.
Hamburg I 3 : 45. Hannover I 3 : 45
Hansastädte I 3 : 45. Holland I 3 :
45. Kärnten III 2 : 4. Köln I 3 : 45.
Kroatien I 3 : 47. Leipzig I 6 : 202.
London II 6 : 59. Oldenburg I 3 : 45.
Osnabrück I :S:111. Ostfriesland I
3 : 45. Padna II 7 : 12. Pavia II 7 : 12.
Perugia II 7 : 12. Pfalzbayern I 3 :
43 Pisa II 7 : 12. Eheinlande 1 3 : 45.
Schleiz I 3 : 42. Siena II 7 : 12.
Stettin I 6 : 154. Strassburg I 3 : 44 :
II 7:38. Weimar IV Sa: 34; 8b: 1:
9:22, 27, 62.
Argensola. IV 1 d : 93.
Arien. I 3:127.
Ariosto, Lud. IV 10:41.
Aristophanes. I 12:168; IVlc:42;
10:41.
Aristoteles. I 5 : 229 : 7 : 61 ; 10 : 7 ;
12:168, 190; IV 6:36; 8e:3.
Armenpflege. I 4 : 358.
Armin. III 3 : 12.
Arnd, Joh. III 5 : 22, 26.
Arndt, E. M. I 6:176; IV la:6, 23;
lc.:22,75, 159-60;2a:87-93;2b:4 5;
5 : 322, 547/8, 550 ; 10 : 18 9.
Arneth, Alfr. v. IV 1 c : 140,
— Antonie v. IV 1 c : 140.
Arnim, Bettina v. lY lc:47, 154;
2b: 104; 10:67.
— L. A. v. IV 8d:32; 10:9, 13,
60/2, 71, 104.
Arnold, G. I 6 : 171 : III 5 : 22.
Arnpeck, V. II 3:80/1.
Arnstein, B. D. IV 4 : 1.
— Henriette v. IV 8b: 15; 10:66.
Arroyo, Luisa. IV ld:93.
Arzneibuch. I 5 : 43.
Ascham, Roger. II 1 : 168.
Aschenbrödel. 1 5 : 232.
Aschermittwoch. I 5 : 12.
Aschersleben. I 4 : 371a; 5 : 32.
Asper, H. 111: 216.
Aspern. H. tho. I 6 : 12.
Astrologie. II 6: 19, 41.
Astronomie. II 1 : 107.
Attendorn, P. 13: 72.
Attinghusen, Wernher II v. IV 9 : 136.
Audenhain. I 4 : 375.
Auerbach, B. IV lc:86, 91, 130, 145,
148, 156; 4:74, 84, 250, 269.
Auerbachs Keller. I 5 : 254.
Auersperg, A. Graf t. (Anast. Grün),
IV la:33; lc:83, 86, 157; 2b: 114;
4 : 230; 10 : 91.
Aufführungen, dramatische. I 1 : 140.
Aufklärung. I 4 : 423a; 6 : 40; Ili
5 : 49.
Aufsatz, deutscher. I 6 : 166; 7 : 11, 13.
Augsburg. I 4:452a; 11:131; II
1 : 47, 49.
Augsburger, C. II 7 : 18.
— Allianz. III 1 : 52.
August, Kurf. V. Sachsen. II 1:42;
U 2 : 44.
— Herzog v. Gotha. IV 1 c : 13.
— Prinz T. Gotha. IV Sb:2.
Auguste, Prinzessin v. Weimar. IV
8b:13.
— Ferdinande, Prinzessin Luitpold v.
Bayern. IV lc:4.
— Karoline, Grossherzogin v. Mecklen-
burg-Streiitz. IV 1 c : 5.
Augustenburg, Fr. Chr. Herzog zu. IV
1 a : 22.
— Luise Auguste Herzogin zu. IV
1 a : 22.
Augustiner. II 7 : 6.
Augustus, Herzog v. Lauenburg. III
1 : 15.
Aurispa. II 1 : 93.
Ans dem Winkel, Therese Emilie Hen-
riette. IV 1 c : 13.
Anspielen. I 5 : 104.
Aussatz. I 4:23(1.
Ausstand. II 1 : 138; IH 1 : 65.
Auswanderung. I 4 : 437.
Autodafe. I 5:113.
Autographen. I 3:51-60.
Autorrecht. I 3 : 282.
Ayrenhofr, C. H. v. IV 4:1.
Ayrer, J. II 3 : 21; 4 : 34; lU 4 : 6a, 7;
IV 4 : 305.
Baader, F. v. IV 5 : 89. 210.
Babrios. 1 12:203: IV 6:32.
Bach, J. S. I 11:160; 13:72/79.
Bachelin, Auguste, 111: 347.
Bacmeister, A. 12: 32.
Baco V. Verulam. 16:8.
Badeleben. I 4 : 74.
Baden. I 11 : 88.
Baechtold, J. II 1 : 7.
Bahr, C. IV lc:94.
— G. 111: 162.
Bali, J. II 1 : 131.
Baer, K. E. v. IV 1 c : 118.
Bäuerle, A. IV 4 : 411.
Baggesen. J. IV la:22; lc:20, 36
9:26; 10:47.
— Th. V. IV la:22.
Bahlsen, L. IV 1 d : 70.
Bahr, H. I 12 : 421.
Bahrdt, K. F. IV 5 : 284; 8e :88.
Bahrrecht. I 5 : 78-80.
Bälde, J. IV 7:8; 10:68.
Baidinger, Frau. IV 6 : 13.
Bale, John. II l : 84.
Ballade. I 5 :299; IV 2a: 10.
Balladendram.v. IV 10:103.
Bullet. I 12:242.
Balthasar, Herzog t. Mecklenburg. U
1:86.
Baltische Provinzen. 111: 154, 249.
Balzac, H. de. 1 12 : 309. 316; IV 10:5.
Bamberg. I 4 : 447 ; 11 : 150.
— F. IV 5 : 543.
Bamberger, L. IV 5 : 579-80.
Bändel. E. v. I 11 : 296/7; IV 1 c : 151 ;
2b: 36.
Bandello, M. III 4 : 15.
Banner, J. IH 1 : 19-20.
Banzer, H. II 2 : 21.
Barbara. I 5 : 17/8.
Legende. I 10 : 6.
Barbari, Jacopo dei. 111: 210.
Barden. I 13:29.
Bardenpoesie. IV 2a: 28/9.
Barlaam u. Josaphat. I 10:3.
Barnay, L. IV 4:367.
Barnes, A. II 6:59.
Barres, M IV la:38.
Bart, H II 2:21
Bartels, Ad. IV la:8.
Barth, C. v. III 2 : 39.
Bartisch, G. 14: 281.
Baryphonus, H, I 13:66.
Basedow, J. B. I 6 : 30, 45,6; IV 5 : 479;
8a: 136.
Basel. I 4 : 297 ; 11 : 138, 452.
Bastlöserreime. I 5 : 257.
Batsch. IV 8b: 4,5.
Baudelaire, Ch. IV 2b :1.
Baudissin, Wolf Grnf. IV 1 c : 69.
Sachregister.
Bandovin de Sebourc. I 10 : 10.
Bauer, B. IV 1 c : 147.
— L. IV 10:125.
Bauern. II 1 : 127.
Banernfeld, Ed. V. IV la: 32; 4 : 183,
202, 215, 223, 225-30, 314, 373, 472.
Banernhaus. I 5 : 66, 307; 11 : 162.
Banernhobeln. II 4 : 14.
Bauernlcriege. 1 4 : 207 ; II 1 : 20,3 ; 3 : 79.
Banernlieder. IV 2a: 35.
Bauernparlament. II 1 : 20.
Bauernrevolutionen. III 1 : 48-50.
Bauernstand. I 4:204,7a.
Bauernetück. IV 4 : 314.
Baukunst als ünterrichtsgegenstand.
I 6:205/6.
ßaulente. I 5 : 71/2.
Baumann, A. IV 1 c : 157.
Baumbach, E. IV 1 d : 73.
Baumeister. I 11 : 135/6.
Baumgarten, A. IV la:3.
— H. II 1:57; IV 5:330/3; 8a:77.
— S. J. IV 2 a : 79.
Baumgärtner, H. 14: 138.
Baur, F. C. IV 5 : 263/4.
Bausagen. I 5 : 148.
Bavink, L. 11 7 : 30.
Bayer, K. IV 1 c : 97.
Bayern. I 11 : 85, 143-56.
Baylv, Lewis. III 5:22.
Bayreuth. I 4:452; 13:121/6, 139-40.
Beamtenvesen. I 4 : 188.
Beaumarchais, Caron de. IV 1 c : 11 ;
4:204,396; 8e:23.
Bebel, H. II 1 : 60. 6S ; 6 : 100 ; 7 : 36, 42.
Beck, H. IV 4 : 372.
— K. IV 4:57.
— R, Buchdrucker. I 3:72.
Beckenhaub, J. I 3 : 75, 83; 11 7:21.
Becker, A. IV 1 a : 16.
— C. m 2 : 27.
— Sophie. I 4 : 143.
— („D. rote Becker".) I 6 : 145.
Beer, Mich. IV 2b : 32; 5 : 536.
Beethoven, L. van. I 13 : 80, 87-94, 97 ;
IV lc:69, 124, 145; 4:215.
Befreiungskrieg. 17:4.
Beghinen. IV 11 :48.
Begräbnis. I 4 : 47, 202 ; 5 : 37.
Begrüssungen. I 4 : 49.
Begruelin, Amalie v. IV 1 c : 24.
— H. V. IV 1 c : 24.
— E. V. IV lc:24.
Behaim, M. II 1:109; 2:22.
Beham, A. I 11:227/8.
Behem, Buchdrucker. I 3 : 71.
Behexung. I 5 : 88.
Bebra, M. II 2 : 12.
Behrisch. I 6 : 238 ; I V 8 b : 27.
Behrmann, F. IV 4:4.
Beil, D. IV 4 : 372.
Beiwort, schmttckendes. I 12 : 4.
Bekk, Jessie. IV 1 d : 44.
Bekker, I. IV 1 c : 138.
Bellini, G. 111: 196.
Below, F. V. IV 5 : 341,2.
Benecke, Gg. Frd. IV 1 c : 126.
Benediktbeuren. I 4 : 504.
Benediktiner. I 3:83; 4:499, 503/5,
512; 6:87.
Benedix, Eod. IV 1 c : 157 ; 4 : 107/9.
Beneke, F. E. IV 5:89, 146.
Benfey, Th. I 10:9.
Ben Jenson. III 2:34.
Benserade. III 4 : 17.
Ber, L. II 1 : 33.
Beranger, P. J. IV 10:79, 91.
Berat, Fr. IV ld:26.
Berchtenunzng auf Epiphanias. 1 5 : 62.
Beredsamkeit. IV 5 ; 605/6.
Berg, Franziska. IV 4:423.
— L. IV 11 : 20.
Bergbau. I 4:220.
Bergenfahrer. I 4 : 248.
Bergenroth, K. IV 5 : 299.
Berger, A. Frh. v. IV 4 : 204, 237.
— L. IV 2a: 48; 2b: 20.
Bergerat, E. I 12 : 327.
Bergmann, Fr. IV la:46.
Bergsöe. I 12:316.
Bergrwerkslied in Kärnten. I 5:271.
Beringer, Kitter. II 3:1.
Berlioh, Maria Sophia. III 2 : 39.
Berlin 14:84, 289, 324-37; 5:336;
11:103, 168, 256, 2,58, 289, 411,450;
III 1:108; IV 2a: 77; 5: 607; 8b: 12.
Berlioz, H. IV 1 o : 157
Bern. I 11:139, 219; m 6:68.
Bernard, Claude. I 12 : 309, 819.
Bernauerin, Agnes. I 10 : 21.
Bernays, J. I 12:220; II 1:99.
— M. II: 118.
Bernegger, M. III 1 : 109.
Bernhard v. Sachsen-Weimar. 111: 438 ;
III 5 : 10.
— (Buchdrucker). I 3 : 109.
Bernhardi, Anna Sophie. IV lc:47.
— Aug. Ferd. IV 1 c : 47 ; 10 : 39.
— Fei. Th. V. IV l c : 47.
— Sophie. IV 10 : 7, 23, 30, 39.
Bernoulli, J. 16: 240.
— Nik. III 5 : 63.
Bernstein, Elsa s. Rosmer, C.
— M. IV 4:367.
Bernstorff, J. v. IV 1 a : 22.
Bertheau, C. II 2:14; 6:51.
Berthold, (Buchdrucker). I 3:81.
Bertram, Chr. A. IV 9 : 25.
Bertuch (Schulrektor). I 6:169.
— F. J. IV lc:94; 4:10.
Berns. F. II 7 : 33.
Berzelius, Frh. J. J. v. IV 1 c : 117.
Besant, Walter. I 12:349.
Beschwörnngsbuch. I 5 : 85.
Beschwörungsformel. I 5 : 278.
Besessenheit. 15:115.
Besoldung. I 4 : 105.
Besprechen von Krankheiten I 5 : 90/1.
Bestallungsurkunden. 16:3.
Bettlerhochzeiten. I 5:328.
Betulius, S. I 6:238; II 4:18.
Beuter (Pfarrer). III 5:63.
Bevölkerungsknnde. 14:211/8,422.
Beyerbach, J. C. 1 3:234.
Beza, Th. II 6:3.
Bezanceau, J. 13: 86.
Bezold, F. V. II 6:4; 7:19.
Bibel (s. auch Luther). I 3:21, 51/8,
105/6.
Bibelcitate. I 5 : 338.
Bibelrevision. II 6 : 71/4.
Bibelübersetzungen (s. auch Luther).
I 1:93, 110; 8:32/4.
Bibliographie. 1 3 : 119-53, 270 ; U 3 : 55 ;
IV 4 : 1/3, 38, 202.
— der Mundartenforschnng. I 8 : 14/7.
Bibliotheca Friedlandiana. I 3 : 212.
— historica militaris. I 4 : 190.
Bibliothek, Allgemeine Deutsche. IV
5:29.
Bibliotheken (s. auch Gesindebibliothek,
Magazinbibliothek , Schulbibliothek ,
Volksbibliothek) 13:175-234. In:
Ansbach I 3 : 216. Augsburg II 6 : 60.
Basel I 8 : 59. Berlin I 3 : 144. 204/5.
Brandenburg II 6 : 119. Bremen
I 3 : 225. Bromberg I 3 : 176. Bruch-
hausen I 3 : 180. Chicago I 3 : 211.
Danzig I 3 : 36. Darmstadt I 3 : 125,
238. Dresden I 3 : 295; IV 9 : 19.
England I 3 : 179. 182. 199. 264, 286.
Frankfurt a. M. I 3 : 209. Frankreich
I 3 : 30,3. 107, 178/9. Freiberg I 3 :
210. Gent 1 3 : 123. Göttingen 11:171;
IV 2a: 34. Güstrow 1 3 : 217. Heidel-
berg I 3 : 203. Heilbronn I 3 : 191.
HoyaI3:180. Jena 116:56. Joachims-
thal I 3 : 218; II 6 : 150/1. Karlsruhe
I 3 : 207. Königstein II 1 : 66. Krems-
münster 1 3 : 149. Krotoschin 1 3 : 219.
Lambach 13:149 Landshut II 6: 118.
Leipzig I 3 : 185, 233. Linz I 3 : 149.
Lübeck I 3 : 190, 208. Mediasch I 3 :
220. München II 6:5, 44. Münster-
eifel I 3 : 221. Nürnberg U 6 : 55,
124. Osnabrück 1 3 : 111. Prag I 3 :
175. Eiga n 6 : 61. Schleiz I 3 : 222.
Schneeberg I 6 : 201. Strassbnrg i. E.
1 3 : 177/8. Ungitrn 1 3 : 183. Vaticana
13:185 7; 4: 146; II 1:140. Weimar
I 3 : 206; IV 4 : 9. Wernigerode I 3 :
181. Wertheim 111:66. Zerbst 13:
224. Zwickau I 6 : 113; n 6 : 48.
— akademische. I 3 : 227/8.
— pädagogische. I 3:215.
Bibliotheks-Adressbuch. I 3 : 194.
Lehnsregister. 13:180.
Lehre. I 3:195.
— Wesen, antikes. I 3:244.
modernes. I 3 : 231.
Bibliothekzeichen, I 3 : 236.
Bidermann, Jac. I 10 : 12.
Biedenkapp, G. IVla:14.
Biefer i Perrückenmaoher). III 5 : 33.
Bienemann, P. II 1 : 109.
Bier. I 4:275; IV 2a: 62.
Bierbaum, 0. J. IV 1 a : 18.
Biese, A. I 12 : 78, 108.
Bigeon, M. I 12 : 361.
Bild, Veit. U 7 : 42. 44.
— u. Gleichnis. I 12 : 177-87.
Bilder im Unterricht. I 7 : 38.
Bilderbücher. I 6 : 13.
Bilderfibeln. I 6:10.
Bildergedichte. IV 2a: 62.
Bilderhandschriften. I 3 : 21, 26.
Bildung religiöser Ideen. I 4 : 14.
Bindemann, E. Chrph. IV 2a: 2/4.
Biographien. I 1:163/8, 171; 6:8.
Biologie d. Geistes. IV 7 : 11.
Birch-PfeifTer, Charlotte. IV 4 : 79-80,
314.
Birck, Sixt. II 7 : 3.
Birken, S. v. III 4:24; 5:8.
Birlinger, A. II 3 : 62.
Bismarck, Augustus v. 14: 552.
— Fürst Otto V. 18: 52/3; IV 1 c : 35,
138; 2b: 71; 5:299, 445, 572, 605/6.
Bischoff. IV 2a: 109.
Bissing, Henriette. IV 2a: 76.
Bitterfeld. I 11:99.
Bittschriften. I 4 : 87/8.
Bitzius, A. IV 1 0 : 130; 1 d : 17 ; 5 : 545.
Bielinski. I 12 : 316.
Björnson, B. I 12 : 371; IV 2b : 109;
4 : 124.
Blado, A. I 3:93.
Blanka Maria. II 2 : 20.
Blankenburg. I 5:231.
Blarer v. Wartensee, E. 13: 110.
Blanmäntelchen. I 5 : 134.
Blaurer, A. II 7 : 36.
— Th. II 7 : 36.
Bleibtreu, G. I 11 : 332.
— K. 112: 144, 267.
Blinde auf der Bühne. IV 4 : 362.
Blinde Lermen, D. m 4 : 22.
Blücher, Fürst. IV 1 c : 158.
Blumenan, L. II 7 : 13.
Blnmenbach, J. F. IV 8b: 15.
Blumenorden, Pegnesischer. III 5 : 3.!
Blumenthal, 0. IV 1 c : 156.
Blumerschs, Bad zu. I 3 : 125.
Bluntschli, J. K. IV 1 c : 90.
Blntaberglaube. I 4: 177/8.
Boas, Ed. IV 9c: 20.
Bobbe (Oberpfarrer). IV 2a: 29.
Boccaccio, G. 1 3 : 26 ; 10 : 10. 42 ; II 1 : 80.
Bochum. I 4:406.
Bock, H. I 11:218.
— L. I 11:239.
Bode, J. J. Ch. 16: 240.
— L. I 11:302.
Bodeckersche Chronik. II 3 : 57.
Bodenstedt. F. v. I 7 :86; IV 1 c :40,
88/9; 2b: 48-80; 5:505.
Bodmer, H. IV 1 d : 68.
— J. J. I 1:110; 10 : 24; 1115:63;
IVla:48; 1 c: 65, 67; 2a:18/9,30,38;
4:6.
— (Schweizer Schulmann). I 6:77.
Boeck, J. M. IV 4 : 425.
Boeckh, Aug. IV 1 c : 94, 138 ; 5 : 361.
Böckler, M., von Ingolstadt (Buch-
drucker). I 3 : 75.
Böcklin, A. 111: 349.
Böddecker, Ph. F. I 13:69.
Bödiker, J. I 6:171.
Böhme, J. UI 5 : 20 a, 22 ; IV 1 c : 100.
Böhmen. I 1 : 112; 4 : 229; II 1 : 29,
89; IVla:34.
Böhmer, Karoline. IV 4 : 20.
Böhnhasen. I 4 : 231 a.
Bölte, Amalie. IV 1 c : 78.
Boemus, Job. I 5 : 12; II 3 : 61.
Börne, L. IV lc:95, 135; 4:213;
8d:4; 11 : 4/5.
Bötticher, K. I 11 : 5, 65.
Böttiger, K. A. IV la:44i lo:94,
121; 4:10; 5:35; 8b:2; 8d:3;
9 * 25
Bohemüs, M. n 4:31.
Bohn, A. IV 2a: 113.
Bote, H. Ch. 16: 238 ; IV 2 a : 2 ?.
Boileau, N. I 12: 144; lU 5 : 15; IV
2 a : 20.
Bojardo, M. M. II 1 : 74.
Bolte, J. n 2 : 38.
Bombeck. I 11 : 213.
Bonaparte (s. a. Napoleon). I 5 : 329.
Bondeli, Julie. IV 5:30.
Boner, H. US: 53.
Bonheur, Bosa. I 12 : 287.
Bonifacius. I 5 : 368.
Sachi'egister.
Bonitz, H. 16: 63/4.
Bonnet, C. IV 5:2.
Bonnus, H. II 6:136/8.
Bonstetten, Albr. v. II 3:70; 7:15/7.
— U. V. IV 5 : 545.
Bookesbentel. IV 4 : 393.
Bopp, F. I 2:49.
Borbet = Vorbei I 5 : 17/8.
Borokut. m 2 : 40.
Borkenstein, F. IV 4:4.
Bonnann (Schalmann). I 6:253.
Bornstedt, Luise t. IV 1 c : 74.
Borsch y. Wallrode. IV 4:406.
Bosio (Geschichte desJohanniterordens).
IV 9:50a.
Boss, K., V. Flachslanden. II 1 : 34.
BoBsert, G. II 6:8.
Bosset-Manry. IV 2a: 49.
Botzheim, J. v. II 7 : 36.
Bouchet, J. n 1 : 43.
Bouffiers. IV 2a: 10.
Bourbon, N. I 11 : 204.
Bourget, P. I 12:301, 306, 316.
Bouterwek, F. IV 5 : 152.
Bonyer, J. (Buchdrucker). I 3 : 68.
Boxberger, R. m 4 : 15; IV 10 : 106.
Braccetto, M. II 1 : 140.
Brachmann, Luise. IV 2a: 2/4.
Brachvogel, U. IV la: 16; 4 : 314.
Bräunlein, W. (Buchhändlerl. I 3 : 246.
Brahe, Tycho de. II 1 : 123.
Brahms, J. IV 1 c : 157.
Bramarbas. I 10:39.
Brandauer. I 7 : 100.
Brandenbnrgische Kanzlei. I 3 : 41.
Brandes, G. IV la:4.
Brandt, J. C. III 1 : 129.
Brant. M. (Buchdrucker). I 3:72; II
3:1.
— S. I 1:92; II 1:88; 3:50; 7:43.
Braugewerbe. I 4 : 228.
Braun, G. U 2:212.
— K. n 6:18, 134; 7:42; IV 5:581,
606.
Braunschweiger Baudenkmäler. I
11 : 167.
— Taufstreit. I 4:42.
Braunschweigische Centralbehörden. I
4:188.
Braut, die „falsche". I 5 : 68.
Brautraub. I 5 : 50.
Brawe, W. t. IV 1 a : 3.
Brecht, G. IV 1 c : 94.
Bredenbach, M. T. 117:31.
Breitinger, J. J. I 1:110; 6:77.
Breitenstein, Abt Seb. t. I 6 : 88.
Bremen. I 4 : 347.
Brentano, Bettina. IV Sa: 17.
— Kl. IV 2b:22,4; 8d:32; 10:13,
41, 63/5, 68, 93, 104.
— Sophie (s. a. Mereau, Sophie). IV
8b: 15.
Brenz, J. II 6: 14,. 47, 148, 180, 186 a.
Breslau. I 4:251; 6:240: 11:168.
Breton de los Herreros. IV 1 d : 93.
BretBchneider, H. G. t. IV lc:66.
Breut, K. IV ld:38.
Breviarium historiale. I 3 : 86.
Briefe. I 3:283; 4:136-40; 6:166;
n 1 : 140, 1509.
Briefwechsel. IV 1 o. — IV 2 b : 99, 104,
119.
Brink, B. ten. I 2:45/6; IV ld:60.
Brinkmann, K. G. v. IV 10:7.
Brion, Friederike. IV 8a: 17; 8b: 26,
29-35: 8e:100.
— J. IV 8b: 30.
Brixen. I 3 : 149.
Brixener lialerschule. 111: 244.
Brockes, H. B. IV 2 a : 20.
Brockhagins, Chrph. II 1 : 86.
Brockhaus, F. A. IV Ic : 94; 2a: 109.
Broelmann, St. II 3 : 91.
Broker, J. K. IV 1 c : 94.
Bronner, F. X. I 12:206; lY 8a: 166.
Brorne. I 3 : 264.
Brubach, P. U 6:47.
Brnchhausen s. Hoya.
Brudermord. I 10 : 13.
Bracke, E. W. v. I 11:409.
Brüder, die 3 findigen. I 5:235.
Brügge, Museum. I 11 : 413.
Brühl, K F. M. P. Graf v. IV la:44.
Brüssel, Museum. 111:413.
Brugsch, H. IV 1 c : 91, 132.
Brun, Friederike. IV la : 22; 2a : 1/4.
Brunfels, 0. n 7 : 39.
Brunn, Fr. IV 1 c : 104.
Brunn, H. v. IV 5:377.
Bmnnenfest, rheinisches im Mai. I
5:60.
Brunner, K. II 4: 11.
— S. I 12 : 223.
Bruno (Stifter d. Karthiuserorden). El
7:30.
Brustfleck, Kilian. IV 8a: 49.
Bruyn, B. I 11:237)8.
Brykert, J. D. IV lc:125.
Bncer, M. Hl: 140, 152, 168.
Buch d. Hss.-Zeit. I 3:27.
— d. neuen Liebe. II 3:2.
Buchanan, G. II l : 173.
Buchbinder. I 3 : 88, 299.
Buchbinderkunst. I 3 : 103, 294/9.
Buchdruck. I 3 : 64-112,247; 4 : 244: 8:
9. 11 ; II 1 : 156. In:AachenI3:112.
250. Angers I 3 : 86. Augsburg I 3 :
80, 83. Bamberg I 3:83. Basel I
3 : 81 : II 1 : 156. Darmstadt II 3 : 55 ;
Erfurt I 3:83. Frankfurt a. M. I
3 : 245. Frankreich I 3 : 85-91, 103,9.
Freiberg I 3 : 76 ; 4 : 244. Freiburg i. B.
I 3 : 65, 75. Hagenau I 3 : 79. Heidel-
berg III 1 : 17. Italien I 3 : 69, 81.
84, 93. Kempten I 3:110. Köln I
3:83. Kurbayern 13:110. Leipzig
I 3 : 245. Magdeburg I 3 : 83. Mainz
I 3:69-71. Marburg I 3:97; H 6:
46. Meissen I 3 : 83. Nessel I 3 : 84.
Nürnberg I 3 : 73/4, 83. Osnabrück I
3 : 111. Ottobeuern I 3 : 83. Rostock
I 3:83. Spanien I 3:92. Strass-
burg i. E. I 3:64, 72/3, 79, 83, 245;
II 6 : 47. Ursel II 1 : 66. Wessobrunn
1 3 : 83. Wittenberg I 3 : 83; H 1 : 155.
Buchdruckereien, geistliche. I 3 : 83/4.
Bncheinbände. I 3 : 295/6.
Bucher, L. IV 5:570/2.
Buchgewerbe. I 3 : 291/3.
Bachhändlerinventare d. 16. Jh. I 3 :
247.
Buchhaltung. I 6 : 205 6.
Buchhandel. 13:108, 244-90; 116:
48/9.
Buchheim, CA. IV 1 d : 31.
Buchholzer, 6. II 6:119.
Buchinger, M. II 6 : 19.
Buchmalerei. I 3 : 23.
Buchner, K. IV 9 : 19.
Buchwald, 6. v. II 1 : 119.
— Jnliana Franziska v. IV 1 a : 39.
— L. N. H. V. IV lc:53.
Buchwesen. 13. —
Budäus. II 7:67.
Budde. II 2 : 14.
Bücherauktionen. I 3 : 104.
Bücherausstattung 1 3 : 81.
Bücherbezug. I 3 : 245 6 IUI: 175.
Bücher, d. besten. I 4: 174.
— d. heiligen, d. Ostens. I 4 : 14.
Büchermarken. 13:113,2412.
Büchersammler. I 3 : 99.
Büchertitel. I 3:81, 108.
Büchertrödler. I 3:266.
Bücherrerbote. I 3 : 279.
Bücherverzeichnisse. I 3 : 175.
Bücherzeichen. I 3 : 100, 236-43.
Büchner, A. IV 4 : 237.
— G. IV 1. -1:1(5.
— L. IV 5 : 45.
Bückeburg. IV 7 : 14.
Buckle. IV 2a: 33.
Bühne (s. auch Drama, Theater). I 12 :
227-34.
— d. Mittelalters. 114:1.
Bühnen, deutsche. I 3:131.
Bühnenbearbeitung. IV 4:26, 28, 98,
107, 369, 372, 402.
Bühnenreform. IV 4:324-36.
Bülow, Gabriele v. IV 1 c : 23; 5 : 619.
-- Hans T. IV lc:96, 147, 156/7.
— Heinr. v. IV 1 c : 23.
Bünderlin, J. II 6 : 183.
Bürger, G. A. I 7:110, 141; 10:33;
rVla:l;ld:4; 2a: 10,31,34,44-53:
4 : 21 ; 5 : 29, 387, 492; 9 : 55; 10 : 47,
104.
— Joh. Gottfr. IV 2a: 46.
Bürger- u. Meisterbücher. I 3 : 73.
Bürgergrenadiere. I 4 : 194.
Bürgerhaus. 11 1 : 116.
Bürgerschule s. Schalen.
Bürgertum. I 4 : 26.
Bürkel, H. I 11 : 284.
Bürl, Hofrat. IV 1 c : 124.
Bntner, W. HS: 34/5.
Buff, Charlotte. IV 8a: 17; 8 36
8d:19.
— Familie. IV 8b: 36,
— Hans. IV 8d:19.
Bugenhagen. J. I 8 : 33; II 1 : 128, 173;
6 : 47. 55, 124,5.
d. J. II 1 : 173.
Bnkolik. I 12 : 197.
Bukowina. I 5 : 85.
Bulle, goldene I 3 : 21.
Bnllinger, H. I 11 : 140; U 1 : 84; 6: 3.
Bulthaupt, H. I 7 : 110; IV 4 : 354, 367.
Bunsen, J. v. IV 5 : 5.52.
Bunzlau. I 11:82.
Bnrckhardt, J. R. III 5 : 63.
Burenius, A. II 1 : 123.
Burg. IV 8b: 2.
Bnrgkmair, H. I 11:239.
Bnrke, S. I 12 : 11.
Burleske, D. I 12:4.
Burnouf, E. I 2:48.
Barschenschaft, deutsche. I 6:102,
129-47 : IV 5 : 322.
Bürzel. H. II 2:21.
Busche, H. v. d. II 7 : 30.
Basslage, sächsische. I 4 : 162.
Buthmann, Ph. IV 5:360.
Butz. K. IV 1 a : 16.
Butzbach i. W. 14: 214.
Butze, Nuscha. IV 4:427.
Butzer, M. II 6:18, 1624; 7:39.
Bnxtorf, A. J. III 5 : 63.
Byron, N. G. Lord. IV la;l; lo:39,
83; ld:12; 2b: 104; 4:129, 220.
Caesar, J. I 12 : 379-80.
Cäsur u. Incision. I 12:113 a.
Cagliostro, Graf. lY 4:7.
Calaminns, G. I 10:20.
Calderon de la Barca. P. IV Ic : 69;
1 d : 88, 91 ; 4 : 220, 237, 402; 8b: 45;
10 : 41, 99
Calixt, G. III 5 : 22.
Callenbach. IV 4 : 410.
Callenfels, J. J. HI 1 : 106.
Calthius, R. IV 1 d : 47.
Calvin, J. II 1:90; 6:3, 123, 175.
Camerarius. J. I 6 : 16.
— L. I 3:59: UI 2:35.
Camerer, A. II 3 ; 78.
Campe, J.H. I 7:53; m3:25; IV ld;7;
4:242; 10:99.
Candid, P. I 11 : 254.
Canisius, P. Hl: 45, 126; 6 : 12, 26/7.
Canitz, F. R. v. III 5 : 15.
Canzonette. I 3 : 127.
Capito, W. II 7:39.
Carbach, N. II 7 : 67.
Carboni, P. I 10 : 24
Cardan. IV 6:23.
Carl, C. IV 4 : 80.
Carlisle, Jane Welsh. IV l c : 78.
Carlstadt, s. Karlstadt.
Carlyle, Th. IV lc:135 6; ld:28;
8a: 145.
Carnarius, J. II 3 : 47.
Carolas, J. 13: 161/3.
Carpzov, Job. Bened. III 5 : 22.
Carrifere, M. I 12 : 14, 74, 147; IV 1 c :
90; 5:223 4; 7:13.
Carstens, A. J. 111: 277.
Carstensen. C. IV la:6.
Cartmell, J. W. IV 1 d : 34.
Carus, K. G. IV 2 b : 30, 100.
Casanova, G. IV 10:39.
Caschel, M. J. I 12:4.
Caselius, D. I 1 : 111; II 1 : 86.
— J. U 1 : 86.
Caspari. IV lc:108.
Cassandra Fedele. 11 7 : 13.
Cassel, P. IV 5 : 237,8.
Castagna, J. B. II 1 : 146.
Castelli, J. B. IV 2a: 62, 99.
Castro, G. de. I 10:23; IV 4:98.
Catel, Ch. S. I 12:204.
Catt, H. A. IV 2a: 22.
Cavalli, F. I 13 : 67.
Cederström, Frhr. v. 111: 371.
Celeja, Album. IV la:33a.
Cellarius. I 6:9.
Celtis, C. II 1 : 68; 7 : 14, 26/7.
Censur. 13:112, 246-50, 275 9; 12:
223, 226, 230; IV 4:222, 364/8, 393.
Censuren. I 6 : 151.
Cervantes, M. I 12 : 165, 168; IV 1 c : 47;
ld:90; 9:164; 10:41,2, 71.
Cessolis, J. de. II 3 : 2.
Chabrier, E. I 13 : 155.
Sachregister.
Chamisso, Ad. v. IV Ic : 135, 159;
ld:32,50;2a:2/4;2b:16, 88; 5:573;
10:7, 9, 71, 79-92.
„Chaos". IV 2a: 72.
Chapelle. IV 2a: 23.
Chapman, H. IV 4:220.
Charakterbildung. 11:3.
Charakteristische, D. I 12:70.
Charpentier, Julie. IV 10:47.
Chateaubriand, F. K. de. IV Id : 1, 12;
10:5.
(;haulien, G. A. de. IV 2a: 20, 23.
Chauvinismus. I 1 : 126
Chemnitz. I 4 : 226, 231, 385.
Cherler, P. I 3:252; II 1:157.
Chezy, Helmine v. IV lc:121.
Chicagoer Weltausstellung. I 3 : 144,
198, 291/2: 6:85, 162, 211, 219.
Chimmeken (Hausgeister). I 5 : 130.
Chokoladisten in -lena. I 6:133.
Chop, Max (;= M Charles). IV 8a: 69.
Chopin, F. 1 12:287.
Christ, F. III 5 : 63.
Christensen, H. 112: 370.
Christentum. I 8 : 126.
Christian, Markgraf v. Bayreuth. I 6 :
95/6.
— Ernst, Markgraf v. Bayreuth. 1 6 :
95/6.
Christine v. Schweden. III 1 : 135.
Christkindelspiele, deutsch-mährische.
I 5 : 38.
Chronik. Augsburger. II 1 : 165 : 3 : 77.
— Bayreuther. 11 3 : 84
— Berner. II 3:69.
— Halier. II .S : 23.
— polnische. I 3 : 247.
— Beutlinger. II 3 : 78.
— Schaffhansener. II 3 : 65,6.
— Stralsunder. II 3:93.
— Vogtländer. II 3:87.
— Zimmersche. II 1 : 120.
Chronisten. II 3:63-94.
Chronologie. 13:4.
Chrysander, F 1 3 : 82.
Chrysolarus, M. II 1 : 93.
Chytraeus, D. I 1 : 111 ; 6 : 248; II 7 :
62,3.
— N. II 1:86.
Cibrario, L. IV 1 d : 72.
Cid. I 10:23; IV ld:89; 4:98.
Cicero. II 7 : 27, 67.
Cicognini, G. A. III 4 : 35.
Cisiojani (Heiligenkalender). I 6 : 248.
Cisterzienser. 1 4 : 398, 506, 513; II 4 : 4.
Citate. I 1:44, 159-60.
Claudius, M. I 7 : 136; 13 : 83; IV la:
6, 22; Ic : 159; Id : 73; 2a : 43;
10 : 99.
Clauren, H. (= Heun). IV lc:137.
Cochlaeus, J. II 1:60, 140; 6:18.
Cochem, Martin v. III 4:36.
Cöhbat. II 1 : 19
Cöslin. I 4 : 343 ; II 1 : 52.
Colerns, Chrph. III 2:39.
Colet. II 7 : 68.
Coligny, G. v. II 1 : 62.
Collas, J. T. I 11:208.
Collegium Germanicum. II 1 : 146.
— Bomanura. I 6 : 239.
Collier, J. P. IV 2a: 10.
CoUin, H. J. V. IV 1 c : 47.
Colloredo, H. Graf. I 6:57.
Colonna, Fr. IV 8e: 103.
Columbus, Chrph. I 10 : 24; II 1 : 113.
Stoff. IV 4:100.
Comenins, J. A. 16:8, 13, 22-33,243;
UI 2 : 14/7.
Gesellschaft. 16:27:1112:14.
Como, Kardinal v. II 1 : 146.
Congregatio Germanica. II 1 : 45, 146
Conrad,M.G. IV la: 9; 5 : 607; 11 : 20.
Conradi, Herrn. IV la:9.
Constant, Benj. IV 1 d : 1, 12.
Convay (Dürerforscher). I 11:173.
Conz. K. Ph. IV la:2; 2a: 1, 71.
Copernicus, N. II 1 : 106.
Cordus. Eur. II 1 :59; 6:42.
Corneille, P. I 1 : 106; 10 : 23, 41;
12:9; IV 6:36.
— Th. IV 4 : 98, 202.
Cornelius, Peter v. I 11:277, 294 a;
13:144/6; IVlc:22; 2b: 42; 8e:85.
Corvinus, Ant. II 6 : 24, 152.
~ M. II 2:85.
Cosack, W. IV 6 : 37
Costa, C. IV 4 : 373.
CostenoWe. C. IV 4:220,
Cotta, J. G. IV2b:81; 4:57; 8e;79;
9:20.
— Buchhandlung. IV 1 c : 74.
Courtisan in d. Kiste. III 4 : 7.
Coyrinus, G. N. II 7 : 32.
Cramer, J. A. IV 6 : 13, 39.
— K. G. IV 10 : 124.
Cranach, Lucas, d. Aelt. I 11 : 210;
II 1:155.
Creizenach, W. III 4 : 40.
Crelinger, Auguste. IV 4:463.
Crespel, J. B. IV 10 : 93.
Creuer. I 1 : 110.
Creuz, F. K. K. IV 2 a : 20 ; 5 : 30.
Crenzer, G. Frd. IV lo:47.
Cristan, M. II 7 : 15.
Cronegk, J. F. Frhr. v. IV la : 3;
2 a : 20.
Crnciger, C. II 1 : 140.
Crüger in Merseburg. IV 1 c : 94.
Crusius. IV 10 : 132.
Cs6pän, St. IV 2a: 70.
Cnrandor s. Kindermann, B.
Cnrel, F. de. IV 4 : 122.
Curti, Th. IV la:50.
Cnrtius, G. I 2:49.
— K. G. IV 9 : 22.
Cuzzoni, Francesra. IV 10 : 93.
Cyklus. I 12 : 199.
Cyprianus poenitens. III 4 : 22.
Czepko, D. V. III 2 : 13.
Dach, Simon. II 2 : 26; III 2 : 5, 4.).
Dämonenglaube. 15:8, 224, 113-47.
Dänemark. IV 9 : 132.
Daffinger, Familie. IV 4 : 202.
Dahn, F. I 12:165; IV 1 c : 90/1
5:605; 9:164; 10:71.
Dainos, litauische. I 5 : 301 ; 8 : SO
13 : 52.
Dalberg, K. t. IV la:27; 7:15
8b:16a/7, 28; 9:16.
— W. H. V. IV 5 : 23.
Dalton, Ed. IV 10 : 13.
Dammas, C H. s. Steffens, F.
Dampfschiffahrt. I 4:301.
Danae. I 10 : 6.
Danckelmann, E. t. III 1:11/2.
Danckmeyer, J. F. I 12:4.
Danhanser, Peter (Abietiscola). II
7:14.
Dannecker, J. H. I 11 : 280; IV 8b : 2,
49 9 : 20.
Dante. I 12 : 101 a ; IV 1 c : 35, 47, 145 ;
ld:78; 2a:23, 31: 2b:17; 10:39.
Danzel, Th. III 5 : 61.
Danzig. I 4 : 191, 249, 314/5; 11 : 421.
Darwin, Ch. 112:316, 379-80; IV
4 : 316, 341 ; 5 : 135.
Daubeckh, A. II 2:21.
— G. II 2:21.
Daubrawa, A. IV 4 : 202.
Daudet, A. I 12 : 171,3, 254, 316; IV
6:19.
Daum, Chrn. III 1 : 102.
Daumer, F. IV 2b: 53.
David, J. L. IV 1 c : 13.
Davidson. I 4 : 571.
Decadents. I 1:134; IV 8e:80.
Decker, K. v. IV lc:88.
Decimator, H. III 5 : 5.
Decius, N. II 1 : 88.
Dedekind, A. IV 4 : 100.
Defoe, D. III 3: 19-24 a.
Deinhardstein, F. v. IV 4 : 183, 212.
Dekanatsbächer. I 4 : 95.
Dekker, Th. III 4 : 40.
Delacroix, F. V. E. IV 8 e : 85.
Delfinus, J. II 1 : 146.
Delitiae poetarum germanorum. II
7:3.
Delitzsch. I 11 : 99.
Delius, N. IV 5 : 505.
Delphinus, Z., Kardinal. II 1 : 45.
Demeter, A. L, Erzbischof v. Freiburg.
I 6 : 58.
Demetrius. I 10 : 26.
Dichtung. IV 9 : 22.
Denck, J. II, 6:182; 7:42.
Denis, M. IV 16 : 73.
Denner, A. IV 4:377.
— J. L. III 4 : 35.
Despreanx, s. Boileau.
Dessoir, M. I 12:295-300.
Denbler, K. IV 5 : 72/3.
Deutsch, M. I 11 : 216.
Deutsch im Unterricht. I 6 : 41 ; 69, 73,
84, 152, 166, 169, 171. 204-6. 225.
Deutsche Dichtung in Amerika. IV
1 a : 16.
— Gesellschaften. III 5 : 61, 63.
„Deutschland, Deutschland Ober Alles".
IV 2 b : 102.
— d. junge. IV 11. — I 12:265.
Deutschmann, J. III 5 : 22.
Deutsch-russische Kunstdenkmale. I
11:249.
Devotionen. I 3 : 120.
Devrient, Ed. IV 4 : 86, 402, 446.
— L. IV 4 : 463, 466.
— 0. II 6 : 200; IV 4 : 288,9, 367, 371,
402; 8e:10.
Dhir, M. II 2 : 21.
Dialekt (s. auch Mundarten). II 4 : 14;
IV 9 : 11, 48, 72.
Dialektdichtung. I 8:18, 25,8; IV
4:271, 29J-304.
Dialektforschung. 16:10/1,789.
Dialog I 12:248.
Dichterkränzchen, Hallesches. IV 1 a : 30.
Dichtkunst, Anleitung z. 16: 171.
Dichten, als Unterrichtsgegenstand. I
6:171.
Dichtung, Dorperliche. I 12 : 265.
— Vaterländische. IV 2a: 38.
Dichtungen, niedersächsische. I 5 : 45.
— patriotische IV 2a: 114.
Dichtungsgattungen. I 12 : 188-249.
Dickens, Ch. I 12:163; IV 10:157.
Didaktik. III 5. IV 5. — I 6 : 240.
Didaktische Poesie. I 12 : 31, 204.
Diderot, D. IV 1 d : 25 ; 4 : 202.
Dierauer, J. II 1 : 53.
Dieffenbach, L. IV lc:22.
Diericke, Fr. 0. v. IV 1 a : 2.
Dies irae. II 2 : 7 8.
Dietenberger, J. 11 6 : 14.
Dietrich, V. II 6 : 143.
Dietterlin, W. I 11 : 229.
Dietze, R. IV 10 : 99.
Dilettantismus. 15:1.
Dilthey, W. IV 6:40.
Dingelstedt, F. IV lc:40, 81. 90;
2b : 81; 4 : 240/2, 370/1; 8e : 10, 13;
10 : 139.
Dinter (Schulmann). I 6:253.
Dinterville, Jean de. I 11 : 204.
Diogenes Laertius. IV 8 e : 52.
Dionysius Areopagita. III 5 : 20a.
Diploraatik. 13:4.
Discourse d Mahlern. III 5 : 49.
Disputationen. I 3 : 136.
Dissertationen. I 3 : 137, 143.
Ditmar, W. v. IV 1 c : 118.
Dittrich, F. II 1 : 145.
Doberan. II 4:4.
Dobsina s. Volksglaube.
Döbbelin, Th. IV 4 : 442/4.
Döderlein, L. v. I 6 : 94; IV 5 : 365.
Döllinger, I. v. I 3 : 189; IV Ic : 112,
140, 145; 2b : 35; 5 : 306-10, 351, 605.
Dönniges, Franziska v. IV 1 c : 40.
— W. V. IV 1 0 : 40
Döring, M. II 1 : 94: IV 2a : 84.
Dörmann, F. IV 1 a : 38.
Doesel, A. IV 2b : 102.
Dogmatik. I 1 : 15.
Dohm, Chr. W. v. IV lc:25.
— E. IV 1 c : 147, 156.
Doles, J. F. I 13 : 78.
Dominikaner. I 4 : 501, 503.
Domnig, H. II 2 : 35.
Donat. II 7 : 67.
Don Juan. I 12:16.
Don Quixote I 3 : 152.
Doppelbauer, Bischof v. Linz. I 3 : 149
Doppel-Ich. I 12 : 82, 249, 295-302
316.
Derer, E. IV ld:88; 8a: 89.
Dorfleben. I 5 : 37.
Dorfschule (s. auch Schulen). I 6 : 58.
Dornröschen. I 5 : 233, 258.
Dorothea Susanna, Herzogin v. Weimar.
I 6 : 235
Dorpat. I 4 : 494/5.
Dorpius. II 1 : 24
Dostojewski, F. I 12 : 254, 291, 316.
Doss, A L. V. IV 1 c : 94.
Drach, P. 13: 70.
Drama. II 4. III 4. IV 4. IV 8 e. -
I 7 : 41, 43 a; 12 : 4, 31, 74, 144, 198,
211-49; II 1:7, 85. In: Frankreich
II 4 : 1. Hamburg IV 4 : 4. Oesterreioh
11 4:1; IV 4 : 175-272. Schweiz
IV 4 : 1, 273/8. Spanien I 10 : 40; IV
8b : 21 (s. auch Schauspiele, Theater).
Sachreg-ister.
— Biblisches. IV 4 : 6, 279-85.
— Liturgisches. I 3 : 120.
— d. Mittelalters. I 3 : 120; 4 : .57.
— Nenlateinisches. 11 7:5, 56-60a.
— Sociales. IV 6 : 22.
Dramatik. I 1 : 110, 162
Dramaturgie. IV 4 : 309-68.
Dreikönigslied, I 5 : 263/4.
Dreissigjähriger Krieg. III 1 : 7,8,
16-42.
Dresden. I 4 : 58, 380/1; 11 : 162, 305:
IV 9 : 19.
Dresel, 0. IV 1 a : 16.
Dreyer, J. M. IV 4 : 4.
Dringenberg. 11 7 : 40.
Dritzehn, A. I 3 : 64
Drobisch, Th. IV 5 : 225.
Drollinger, K. F. II: 110; III 2 : 28;
5:63.
Droste-Hnlshoff, Annette v. IV 1 c : 74;
2 b :816.
Druckalphabete s. Alphabete.
Drucke, älteste (s. auch Buchdruck). I
3 : 96 8.
Drnckermarken. I 3 : 72, 113/5.
Druckerzeichen. I 3 : 108/9, 114,
Druckorte. I 3 : 108/9.
Druckschrift. I 3 : 116/8.
Druckwerke, Hebräische. I 3 : 212.
Dryden. J. IV 2a : 28.
Du Bellay, J. III 2 : 34.
Dabois Reymond, E. IV 5 : 605; 10 : 79
Duderstadt. I 11 : 169.
Dahring,E. 112:378; IV la:l; 5 :445,
631/2.
Duell. I 4 : 93; 6 : 133.
Dambach, F. 13: 72.
Düntzer, H. IV 7 : 15.
Dnrckheira, F. E. Graf v. IV 8b : 34.
Dürer, A. 1 11 : 23, 170-200 ; H 1 : 71. 82.
Düsseldorf. I 4:418; 11:125, 448;
IV 9 : 19.
Duff Gordon, Lady. IV 11 : 51.
Duhr, B. II 1 : 7.
Duisburg. I 4:416; 11 : 93.
Dumas, A. I 1 : 125; 12 : 309.
— fils. I 12 : 287, 329.
Duncker, F. IV 1 c : 147.
— M. IV 5 : 3256.
Du Plessis Mornay, Ph. III 1 : 114.
Du Port, P. S. IV 1 c : 11.
Durchkriechen (Volksheilmittel). I
5 : 93.
Duriach. I 11 : 159.
Düse, Bleonora. IV 4 : 473 7.
Dntens. IV 5 : 513.
Dvorsky, F. III 1 : 26.
Dyk, J. G. IV 4 : 1.
Dyke, D. m 5 : 22.
Eastlake, Sir Ch. I 11 : 8.
Ebbinghans, Th. I 12 : 113a.
Ebeling, Th. IV 2b : 102.
Ebenheim, M. v. II 3 : 58.
Eber, J. 13: 72.
— P. II 6 : 121.
— V. II 7 : 13.
Eberhard im Bart, Herzog v. Schwaben.
IV 10 : 105.
— *." Greiner (Bauschebart), Herzog
T. Schwaben. IV 10 : 105.
— d. Milde, Herzog t. Schwaben.
IV 10 : 105.
— A. G. 17: 56, 86.
— Chr. Aug. IV 5 : 14.
Eberl, F. IV 4 : 1.
Eberlbräu. 1 4 : 275.
Ebers, G. IV 1 c : 75, 91 2.
Eberstein, E. Albr. v., General-Feld-
marschall. III 1 : 45.
Ebert, A. IV 1 a : 22.
— F. A. IV 2b: 99.
Eberus, P. II 1 : 173.
Ebner-Eschenbach, Marie v. IV 1 a : 37.
Eck, J. II 1:140; 6:35, 55, 181;
II 7 : 45.
Eckelt, J. V. I 13 : 71.
Eckenberg, J. C. III 4 : 35; IV 4 : 377.
Eckermann, J. P. IV Ic : 134; 8d : 6.
Eckhart, Meister. III 2 : 13; 5 : 20a.
Eckschrift. I 3 : 116.
Edda. I 5:313; IV 10:73.
Edelmann, J. Chr. in 1 : 2. 134.
Edelsheim. W. v. I 6 : 252 ; IV 8 b : 28.
Eder, 6. II 1 : 1.
Edgcumbe, E. IV 1 d : 49.
Egelhaaf, G. II 1 : 12.
Egenolff, Ch. 11 3 : 47.
Eger (Fluss). I 5 : 17/8.
Egerbrnnn. IV 9 : 13.
Eggers, Fr. IV 1 c : 147.
Egidy, M. v. IV 5 : 60.
Egl, St. II 4 : 14: III 4 : 2.
Egmont, Graf v. Lamoral. IV 8e : 2.
Ehe. I 4 : 31 2. 39-41 ; II 6 : 99-100,
Ehelitteratur. II 1 : 91 ; 6 : 191.
Ehespiegel. II 6 : 191.
Ehrenfeld, Hauptmann t. IV 2a : 55,
Ehrhardt, F. W. IV 2 a : 85.
Ehrimfeld, T. Frhr. v. IV 4 : 371;
8e:ll.
Ehrlich, H. I 13 : 141 ; IV 1 c : 156.
Ehrmann. IV 2a : 28.
Ephrussi, Ch. I 11 : 171. •
Eichendorff, .1. v. IV 1 d : 33, 73 ; 8 d : 32 ;
10 : 13, 41, 99-104.
Eichhorn, J A. F IV 1 c : 160.
— K. F. IV 5 : 611.
Eichsfeld. I 4 : 379.
Eichstädt, H. K. A. IV 1 c : 94.
Eichstätt (Philologe). I 6 : 84.
Eicke, Th. I 10 : 17.
Eid. I 4 : 169.
Eidgenoss, D. (Wnchenschrift). III 5:63.
Einführung. I 12 : 23, 74, 78, 107,8.
Einheiten, D. drei. I 12 : 11, 16.
Einsiedler, D. ( Wochenschrift). III 5 : 49.
Einteilung d. Künste. 112:74, 91/3.
Eiselen. I 6 : 82.
Ekhof, K. IV 4 : 20, 375; 5 : 23; 6 : 21.
Ekken Ausfahrt. I 3 : 96.
Ekloge. I 12 : 4.
Elbing. I 4 : 318.
Elegie. I 12 : 31, 197.
Elementarunterricht. I 6 : 10, 51.
Elen, J. V. II 7 : 30.
Eleonore, Fürstin v. Beuss. IV 2b : 4.
Elisabeth, Königin v. England. II 1 : 84.
— Knrfürstin. II 6 : 29.
— Charlotte v. d. Pfalz,
128; IV lc:10.
Ellenbog. II 7 : 42.
Ellinger, J. III 5 : 5.
Elsass. I 5 : 62.
Eisner (Schulrektnr). I i
Elster, E. IV 11 : 19, 47
— K. I 12 : 316.
d'Elvert, Chrn. Ritter.
Blzevir-Sammlungen. I c
Elzevirsche Bepubliken.
Emants, M. I 10 : H.
Empfindsamkeit d. 18. Jh
Engel, E. IV 4 : 305.
— J. J. IV la: 2; 4: 1; 5:35.
Engelbert I. v Köln. I 4 : 110.
Engels, F. IV 5 : 562.
England. II 1:1. 162/3; IV 1 d : 28-71.
Engländer, S. IV 4 : 202.
Enk V. d. Burg, M. IV 4 : 202.
Ensingen, U. t. I 11 : 157.
Entartung. I 12 : 101b; IV 5
Entenbaum. I 5 : 240.
Entenrätsel. I 5 : 351
Entlehnungen. I 13 : 80.
Ephemeridenberechnnng. II 1
Epheyre, Ch. I 12 : 301.
Ephraim, B. V. IV 1 u : 2.
Epidemien, Geistige. IV 1 a : 14.
Epigramm. I 12 : 197.
Epik. I 7 : 44; 8 : 18; 12 : 31, 144, 198/9,
202-10.
Epiktet. I 12 : 379-80.
Epiphanias, Berchtennmzug an. I 5 : 61.
Epistel. I 12 : 31.
Epos. II 3. III 3. IV 8d. — 112:4;
IV 4 : 114.
12 : 206.
123, 247; II 1:
14, 22 3, 40; 7
III 1 : 126,
6 : 169.
, 51.
IV 1 c : 141/2.
5:2.
m 1 : 113.
IV 2 a : 35.
; 633 6.
109.
128,
:32,
— Idyllisches. I
Erasmus, D. I 3
140; 3 : 49; 6:
34,6, 39, 67/8.
Erast, Th. II 6 : 175.
Erbach. I 11 : 90.
"Erbanungsbücher. I 3 : 247; II 4 : 1 ;
6 : 187.
Erckraann-Chatrian. I 12 : 309.
Eremit, D. III 5 : 49.
Erfindung, Poetische. I 12 : 4.
Erfindungen. I 4 : 242 4.
Erfurt. I 3 : 83; 4 : 378; 6 : 40; 11 : 158.
Erhabene, D. I 12 : 14, 74, 84, 144.
Erkenntnistheorie. IV 5 : 236 8.
Ernemann, M. IV 2b : 102.
Ernst, Herz. v. Bayern. II 1 : 146
— IL, Herzog v. Sachsen-Koburg-Gotha.
I 13 : 156; IV lc:6: 4:468.
— d. Fromme. I 4 : 391 ; 6 : 237.
Ernst Bogislaw, Herzog v. Croy u
Arschot. III 5 : 10.
Erzgebirge. II 1 : 138.
Erziehung. I 6 : 3; IV 7 : 7.
— Aesthetische. I 12 : 11/2, 14.
Erziehungsgrundsätze. I 6:3.
Erziehnngssysteme. I 6:3.
Erziehungswesen. 16. — IV 2 a : 93.
Eschen. IV 10 : 46.
Eschenburg, J. J. I 6 : 171 ; IV 4 : 306 ;
5:384.
Eschenloer, P. II 1 : 158.
Eschwege, Fr. I 6 : 177.
Escudero, Juan. IV 1 d : 93.
Eselsbegräbnis. 1 5 : 70.
Eselsmensch. I 5 : 2.30 : 10 : 5.
Espronceda, J. de. IV 1 d : 93.
Essenwein, A. v. I 11 : 404.
Esther. I 10 : 35.
Estland. I 11 : 249: IV 9 : 132.
Etenhneber, M. I 4 : 135; IV 2a : 62.
Ethik. I 12 : 14: IV 5 : 240,8.
Ethische Bestrebungen. I 4 : 611,5:
IV 5: 61-70 a.
Ethnologie. I 4 : 11.
Etymologien, Falsche. I 5 : 17/8.
Eulennamen. I 5 : 358.
Eulenspiegel. I 3 : 125; II 3 : 5/7, 55.
Eurasburg, Schloss. I 4 : 449.
Earipides. I 12 : 221a; IV 4 : 60; 8e :
18, 52; 9 : 137.
Evangeliar, Griechisches. I 3 : 20.
Evalin, J. 13: 152.
Evenius (Batichianer). I 6 : 13.
Evolution. I 12:96 a, 144, 269^424/7.
Ewann, J. II 1 : 166.
Ewiger Jude (s. a. Ahasverns). I 3 : 126;
10 : 14.
Ex-libris. I 3 : 100, 235-43.
Exner, F. 16: 634.
Exorzismus. I 4 : 42 ; II 1 : 153.
Eyb, A. V. II 3 : 4, 41 : 7 : 1, 10;1, 59.
Eybenberg , Marianne v. IV 4 : 452 :
8b: 12, 14b, 45; 8e : 28, 47.
Fabeln. I 5:213; 6:62; 7:10c;
12 :4, 2024; IV 2a : 62.
Faber, F. Ü 4 : 10.
— Joh. I 3 : 75.
— P. II 1 :125; 7:36.
Fabliaux. I 10 : 9.
Fabri, J. U 1 : 140; 6 : 12.
(Wiener Bischof). II 6 : 12, 35,
182.
Fabricius, A. H 7 : 62,3.
— B. II 7 : 62,3.
— G. II 7 : 62/3.
— J. II 7 : 62/3.
Facius. I 6 : 215.
Falb, B. IV 1 0 : 86.
Falk, F. II 6 : 5.
— J. IV 4 : 10.
Falke, G. IV 1 a : 18.
Falkenberg, D. v. ni 1 : 32.
Fallhütchen. IV 11 : 48.
Falschspielen. I 4 : 187.
Familie. I 4 : 31-48.
Familiengeschichte. 1 4 : 548-52, 558-62.
Familiengeister. I 5 : 129.
Familiennamen. I 4 : 46; 5 : 365/6.
Familienstück. IV 4 : 12, 125, 314.
Farenheid, Fr. v. IV 1 c : 123.
Farensbach, W. 111 1 : 44.
Faschingskrapfen. IV 4 : 180.
Fastentuch. I 4 : 240.
Fastnacht. I 4 : 66.
Fustnachtsbr&uche. I 5 : 75 a.
Fastnachtslieder. I 5 : 295.
Fastnachtsspiele. II 1 : 85 ; 4:1, 14,
23/4, 35.
Faust, Faustsage, Fanstdichtung. I
5 : 2245; 10 : 25, 48; U 1 : 74:
3:25-37; ÜI 3:2-7; HI 4 : 39, 41;
5:22; IV 2a : 10; 4:88, 130, 180,
218. 411. 439; 10 : 79. 88.
Faustaufführungen. IV 8a: 32.
Fanstausstellung. III 3 : 8/9; IV 8a : 44.
Faustbücherei. I 3 : 184.
Faustkatalog. IV 8a : 44.
Faustphilologie. I 1 : 43.
Fayencefabrik. I 4 : 221.
Fechner, Th. I 12:11, 913; IV
5 : 470/1.
Feige, J 11 1 : 59.
Felbiger, J. L v. 16: 225. 240.
Fellenberg, E. v. IV 1 c : 42; 5 : 350.
Feller, J. m 5 : 21
Feme I 4 : 110/1 ; U 1 : 97.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratargeschichte. IV.
(4)35
Sachregister.
F6nelon, F. de. IV 5 : 2.
Ferdinand I., Kaiser. II 1 : 40, 44, 61,
140.
— II., Kaiser. III 1 : 30/1.
— III., Kaiser. Ill 1 : 30/1.
— Erzherzog v. Tirol. II 1 : 146.
— Koadjntor v. Köln. II 1 : 153.
Fernow, M. IV 5:618; 8b: 21.
Festgebäck. I 5 : 75,5 a.
Festgebräuche s. Volksbräuche.
Festspiele. IV 4 : 286/9, 332/3.
Fenchtersleben, B. v. IV 4: 211, 222;
5:43.
Fenerbach, Ans. I 11 : 10/1.
— Ludw. IV lc:91, 127; 5:199,
445.
Feuerspritzen. I 4 : 286.
Feuerzeug. I 4 : 242.
Feuilleton. IV 5 : 526.
Fenstking, D. III 2 : 23.
Feydeaa, G. I 12 : 327.
Fibeln. 16:11.
Fichte, J. G. I 1 : 89; 6 : 84, 94, 184,
238; 12: 14; IV la:22; Ic: 21, 123,
158, 160; 2b : 1; 5 : 35. 104, 139, 210,
495, 497/8; 9:38; 10:47.
Ficino, M. II 1 : 93.
Fiedler, K. I 11 : 11.
Fielding, H. IV 10 : 13.
Figuren. 18:6, 35, 44 ; 12 : 4.
Filidor d. Dorferer. III 5:2; IV
2 a : 78.
Firnstein. IV 8 b : 8.
Finanzmann. II 1 : 63.
Finck, H. T. IV 1 d : 56.
Fioravanti, A. I 10 : 19; IV 6 : 24.
Fiorillo, .(. D. IV 8e : 103.
Fischart, Joh. I 3 : 125, 238; 6 : 18;
8:35; 111:7, 88; 3:43-51, 54/5;
III 5 : 13.
Fischer, John. II 7 : 32.
— J. G. IV la: 17.
— Kuno. I 1 :53; IVla:41; lc:145;
5 : 151 ; 6 : 30, 40.
— L. H. IV 10 : 40.
Fischerlieder. I 5 : 296.
Fischhof, J. IV 5 : 22.
Fitger. A. I 7 : 110; IV 1 a : 17, 43.
Flach, M. 13: 72.
Flachsland, Karoline. IV 2a: 28.
Flacius, M. II 6 : 12, 18; 7 : 62,3.
Flaubert, G. I 12 : 309, 316.
Fleay, F. G III 4 : 4.
Fleck, J. IV 4 : 371, 452.
Fleischer, H. IV 1 d : 79.
Fleischmann, Fr. IV 10 : 72.
Fleischteuerung. I 4 : 200.
Fleming, P. I 1 : 106; III 2 : 37, 45.
Flensburg. I 6 : 19.
Fliegen. I 5 : 241/2.
Fliegende Blätter. I 3 : 154; II 2 : 41.
Fliegender Holländer. I 5 : 136/7.
Flins, de. IV 8e : 52.
Plinsberg. I 5 : 36.
Flögel, C. F. IV 7 : 19; 8e : 22.
Flohrätsel. I 5 : 351.
Florencourt, Fr. v. IV 5 : 510.
Florenz. II 1 : 74.
Flotow, F. V. I 13 : 103.
Flottwell, C. Chrn. III 5 : 61.
Fluchpsalm. III 5 : 15a.
Flugblätter. I 4 : 182; II 1 : 1; IV
2b; 102.
Flurnamen. I 4 : 208; 5 : 371.
Förster, Fr. IV Ic : 140; 2a : 101.
Förtsch, J. Ph. I 13 : 59.
Fogazzaro, M. A. I 12 : 314.
Folien, K. I 6: 131; IV la: 16.
Folz, H. II: 92.
Fontane, Th. 14:28; IV 4: 169; 5:419.
Form. I 1 : 120; 12 : 13, 73/4, 160/3.
Formalästhetik. I 12 ; 14, 23, 74.
Formen, Neue, d. Dramas. I 12 : 242/9.
Formenlehre. I 8 : 75/9.
Forster, G. IV 1 c : 114/5; 5 : 30, 573;
7 : 6; 8b: 6, 16.
— J. II 6 : 119.
— K. IV 5 : 432.
— Therese. IV 1 c : 114 5; 7 : 6.
Forstwesen. I 4 : 209-10; 6 : 173/5.
Fortlage, K. IV 1 a : 41.
Fortnnatns. II 3:8.
Foscolo, ügo. IV 1 d : 12.
Fouqu6, Frd. Frhr. de la Motte. IV
lc:47, 159; 4:220, 248; 8d:32;
10 : 7, 13, 71/7, 104.
— Karoline v. IV 2a : 2/4; 10 : 77/8.
Fräuleinstift. I 6 : 237.
Fraktur. I 3 : 118.
Franck, H. IV 2a : 2/4.
— Seb. I 5 : 12; II 1 : 109; 3 : 60/2;
6 : 184/5.
Francke, A. H. I 6:76, 183; III
1 : 11/2; 5:21.
Franken. I 4 : 441, 443; 11 : 154/6.
Frankenberg, Abr. t. III 5:20 a.
Frankenthal. I 4 : 460.
Frankfurt a/M. 14:421/3; 5:371a;
6 : 146; 11 : 92; IV 8b: 27; 9 : 11,
19.
Frankfurter gelehrte Anzeigen. IV
1 c : 67 ; 5:2.
Frankl, L. A. IV 1 c : 157.
Frankreich. II 1 : 1, 42, 62 ; IV 1 d : 1-27 ;
2b : 1.
Frantz, Konst. IV 1 c : 34.
Frantzen, J. II 3 : 44.
Franz I., Kaiser. I 6 : 147, 225.
— I., König V. Frankreich. II 1 : 63.
— V., Herzog v. Modena. IV 2a : 74.
Karl, Erzherzog. IV 4 : 230.
— E. I 13 : 150/1.
Franzisci, Er. III 4 : 17.
Franziskaner. II 4 : 1.
Franzos, K. E. I 12:142, 288, 357;
IV 2a: 102.
Franzosentum. I 4 : 15.5/6.
Frau, D. weisse, d. Hohenzollern. II
I :34.
Frauen. I 4 ; 33/8 ; II 1 : 78 ; IV 2 b : 25.
Frauenbriefe. I 4 : 136.
Frauenerziehung. II 1 : 128.
Frauenfrage. I 4:596-605; 12:91/3,
104, 286/7 ; IV 4 : 125, 138, 165, 167,
247.
Frauenreohte. I 6 : 32.
Freder, J. II 1 : 86.
Freiberg. I 4:215, 229 a, 244, 388 a/9;
II : 121; II 1 : 138.
Freibrief. I 4 : 207 a.
Freiburg i. B. I 4:430; 6:140;
11 : 137 ; III 1 : 55.
Freidenker. IV 5 : 44-53, 71/2.
Freiheitsdichtung. IV 2a : 38; 2b : 109.
Freienmuth, J. K. IV I c : 45.
Freiligrath, F. IV Ic : 74, 88. 90. 145,
157; 2b: 17, 53, 81, 87/8, 108, HO,
114; 5:507, 524/5; 10:136.
Freimaurerei. I 4 : 131/2; IV 5 : 54.
Freitag. I 5 : 105.
Freitische. I 4 : 102; 6 : 109-109 a.
Fremdwörter. I 6 : 173/5; 8 : 45, 150/5.
Frese, J. IV 5 : 505.
Fresenius, A. IV 7 : 15.
— J. Th. III 5 : 33.
Fresken. I 4 :403 a.
Freud, Michiiel. III 5 : 5.
Freund s. Freud, Michael.
Frey, A. IV 2a: 5.
Frey tag, G. Ill: 13/6, 400; IV 1 c : 81,
123, 156: 4:91, 145, 314, 355, 402;
5 :451; 9 : 93; 10 : 71.
— J. A. III 2 : 41.
Friedel, J. IV 4 : 1.
Friedensburg, W. II 1 : 141.
Friedenstein. I 4 : 391: IV 8a : 29.
Friederike Sophie Wilhelmine, Mark-
gräfin V. Bayreuth. I 6 : 91.
Friedland. I 4 : 471.
Friedländer, D. IV 5 : 35.
Friedlaender,Max. 1 13 : 83; IV 10 : 106.
Friedrich II., Kaiser. 13:3.
— III., Kaiser (15. Jh.). I 3 : 154; 11
I : 19, 29, 68, 160.
(19. Jh.). IV Ic: 64: 2b: 4.
— I., König V. Preussen. III 1 : 78.
— IL, d. Gr. I 3:279; 6:91;
11:259-65, 291; III 5:61; IV
la:39; lc:48, 6.5/6, 135; 2a: 20;
5:2, 30, 131, 462; 6:9.
— III., König V. Dänemark. III 1 : 130.
— IL, Kurfürst V.Brandenburg. I 3 :41.
— L, Kurf. V. d. Pfalz. II 1 : 97.
— V., Kurf. V. d. Pfalz. III 2 : 35.
— d. Weise, Kurf. v. Sachsen. I
II : 120.
— Landgraf v. Hessen. I 6 : 236 ; IV
2a: 22.
— Markgraf v. Bayreuth. I 6 : 91.
— d. Ae., Markgraf v. Brandenburg. II
1 :34.
— IL, Pfalzgraf. II 2 : 43.
— Casimir, Herzog von Kurland. III
1 : 129.
— Christian, Herzog v. Augustenbarg.
IV 9 : 26.
Friedrich Ludwig, Herzog t. Pfalz-
Landsberg. I 6 : 232.
— Michael, Pfalzgraf v. Zweibrücken.
IV Ic: 1.
— Wilhelm L, König v. Preussen. III
1 : 11/2, 78, 81, 125; IV 2a: 64.
IL, König T. Preussen. IV
8e :28.
III., T. Preussen. I 6 : 90, 147,
167.
— — IV., V. Preussen. IV Ic : 47, 70;
10:71.
— — D. Gr., Kurfürst v. Brandenburg.
I 11 : 256, 258; III 1 : 66-75, 87, 123;
5: 19.
Grossherzog v. Mecklenbnrg-
Strelitz. IV 1 c : 5.
Fries, H. I 11 : 216.
— J. F. IV 1 a : 41 ; 5 : 89, 210.
Frisch, J. L. IV 1 c : 67.
Frischbier, H. 12: 34.
Frischlin, Nikod. II 7 : 60.
Frischmann. III 1 : 118.
Friesen, H. Frhr. v. IV 10 : 13, 42.
Friesland. I 4 : 361 ; 5 : 42, 324.
Fritzhans. II 6 : 13.
Frohen, A. 13: 75, 245.
Fröbel, Fr. I 6 : 53 a, 82, 215 : IV
5 : 490/1.
— Jul. IV 1 c : 37, 145.
Fröhlich, A. I 12 : 204.
— Kathi. IV 4 : 202, 210.
Frölicher, 0. Ill: 348.
Frohndienste. I 4 : 206.
Frohschammer, J. IV 5 : 218-23.
Froitzheim, J. IV 4 : 10.
Prommann, K. F. E. IV Ic : 94; 8b: 50.
Prommel, E. IV 1 c : 107/8.
Pronleichnamsfeier. II 4 : 1.
Froring, F. v. IV 1 a : 41.
Frosch, Joh. II 7 : 42.
Frottole. I 3 : 127.
Prühhumanismns. II 7 : 10/3.
Frühlingsbräuche. I 5 : 52-60.
Frühlingsfeuer. I 5 : 52.
Puchsmagen, J. II 7 : 18.
Führich, L. v. I 11 : 298.
Fürst, Walther. IV 9 : 136.
Fürstenberg. Ill: 444/5.
— Franz v. 16: 55.
Fürstenerziehung. I 4 : 99 ; 6 : 235.
Fürstenschule s. Schulen.
Fugger, J. I 3:245; II 6:23.
Fulda. 13:5.
— L. IV 4 : 103/4, 331, 367, 373.
Furcht u. Mitleid. I 12 : 11, 149, 220.
Oaaungu-Hrolfsaga. I 5 : 228.
Gabelentz, G. v. d. IV 5 : 407.
Gabelsberger, Fr. X. 13:11.
Schule. I 3 : 19.
Gabillon, L. IV 4 : 470/1.
— Zerline. IV 4 : 472.
Gade, Niels W. IV 1 c : 1.54/5.
— Sophie. IV 1 c : 154.
Gaedertz, K. Th., d. Ae. IV 2b : 104.
Gänsehirtin am Brunnen. I 5 : 232.
Gaertner, R. 13: 261.
Gajus. II 7 : 67.
Galen. II 7 : 67.
Galgen. I 11 : 90.
Galgenpoesie. IV 2a : 62.
Galitzin, Prinzessin Marianne Dorothea
V. IV 8b : 14a.
Gallait, L. IV 1 c : 91.
Gallen, St. I 11 : 227.
Gallmeyer, Josephine. IV lc:86; 4:
266, 269.
Gantsymbolik. I 5 : 79.
Garcaeus, Joach. II 6 : 119.
— Joh. II 6 : 119.
Gardano, A. (ältester Notendrncker).
I 3 : 82.
Gardinenwiese. I 5 : 379.
Gartelmanc, H. IV 6:37a.
Gartenbau. I 11 : 430,1.
Garve, Chr. IV 5 : 104.
Gaspary, A. II 7 : 1.
Gassenhauer. I 5 : 248/9, 262, 274;
12 : 191.
Gasser, R. III 3 : 13.
Gaudy, F. L. H. W. v. IV 10 : 91.
Gautier, Th. I 12 : 288; IV 10 : 5.
Gebhardt,Truch8es8, Erzbischof t. Köln.
II 1 : 146.
Gebier, F. Frhr. v. IV 4 : 1.
Geburtsgöttin. I 5 : 28-30.
Gebweiler, H. II 7 : 32.
Sachreg-ister.
Gedächtnis. I 12 : 91/3, 113/5 b.
Gedanlcendichtnng. I 12 : 189-90, 194;
IV 2b :n2.
Gedichtsammlnngen. iy2a:114.
Gefühl. I 12 : 74, 90.
Gegenreformation. I 4:182, 319; II
1:1, 4/5, 7. 146; III 1 : 5/6, 9.
Gehalt. I 12 : 160/1.
Gehelramittel. I 5 : 85-103.
Geibel, E. I 6:176; 10:3; 12:220;
IV Ic : 40, 81, 90, 157; Id : 4; 2 : 70;
2b: 81, 94, 104/7, 110, 119; 4:246.
— Joh. IV 2b : 105.
Geiger, L. 11 7 : 19; IV 2a : 2/4; 9 : 22.
Geiler, Joh., r. Kaisersberg. I 1 : 92 ;
6:99, 213; II 6 : 165.
Geister in Eatzengestalt. I 5 : 124/5.
— Umgehen der. I 5 : 119-27.
Geisterglauben. I 5 : 117-47.
Geistersagen. I 5 : 163.
Geisterstunde. I 5 : 123.
Geistliche Dichtung. I 1 : 92/3, 110;
IV 2b: 86, 116/9.
Gelbcke, F. A. IV 5 : 405.
Geldern. I 11 : 93.
Gelegenheitsdichtnng. I 6 : 36; IV 2a:
20, 63,3, 112; 2b: 97, 119.
Geliert, Chr. F. I 6 : 238 ; 7 : 141 ; 12 :
202; III 5:49; IV la:3, 6, 48;
2a: 12, 20; 4: 12; 5:5/8.
Gelnhausen, J. v. II 7 : 6.
Gelöbnistage. I 5 : 65, 180.
Gemir s. Asar.
Gemmingen, 0. H. v. IV 5 : 2.
Gempperlin, Ab. (Buchdrucker). I 3 : 75.
Genealogie als Unterrichtsgegenstand.
I 6 : 205/6.
Genee, E. IV 8e : 5.
Genie. I 12 : 74, 91/3, 101 a, 101 b, 103,
112.
Genieperiode. I 12 : 13, 265.
Genossenschaftliche Verbände. I 4 : 26.
Gent. I 3 : 123.
Gentz, F. V. IV Ic : 135; 5 : 445, 618.
Geoffroy, G. I 12 : 116.
Geographie. I 6 : 12, 50, 173/5; H 1 :
109-10.
Geometrie. I 6 : 173/5.
Georg, Herzog v. Sachsen. 11 1 : 140;
6 : 24, 29.
— III., Schenk v. Limburg, Bischof v.
Bamberg. II 1 : 33.
— Fürst T. Anhalt. II 6 : 13.
— Hans, Pfalzgraf v. Veldenz-Lützel-
stein. II 1 : 28.
— Rudolf, Herzog v. Schlesien. I 6 :
151.
George, Amara s. Mathilde Kaufmann.
Gerätinschriften. I 5 : 306.
Gerätschaften. I 4 : 270,4
Gerechtigkeit, Poetische. 1 12 : 211, 220,
221a, 222.
Gerecke, A. I 12 : 289.
Gerhard, der gute. I 5 : 152.
Gerhardt, D. v. (Gerhard v. Arayntor).
IV 1 c : 64.
— J. III 5 : 26.
— P. m 2 : 21/2.
— P. Friedr. III 2 : 23.
Gerichtsverfahren. I 4 : 120.
— im Drama. IV 4 : 357.
Gerlach, Freiberger Buchdrucker-
Familie. I 3 : 77/8.
— L. V. IV 1 c : 55, 138; 5 : 322.
Germain, Marie Sophie. I 12 : 104.
Germanistik. IV 10 : 9, 39.
Gerok, K. I 7 : 105 ; IV 1 c : 75, 105,
108; ld:73: 2b: 4, 119.
Gerresheim. II 1 : 51.
Gerschow, Fr. 14: 125; II 1 : 162/3.
Gerstenberg, H. W. v. IV 2 a : 14, 18/9,
22,3, 28, 30: 10:73.
Gervinus, G. G. II : 44, 2 : 25; IV
lc:137, 145; 5:319.
— Viktorie. IV Ic: 137.
Gesandschaftsberichte. I 4:127; II
1 : 147,9.
Gesangbuch. I 6 : 62; II 2 : 11.
Gesangnnterricht. I 6 : 164.
Geschichte in Eechenbüchern. I 6 : 12.
— Deutsche. I 10 : 46.
— d. Poetik u. Aesthetik. I 12 : 1-26.
Geschichtsauffassung , volkstümliche.
I 5 : 10.
Geschichtsbetrachtung, nationale. I
1 : 33/6, 88, 97, 168.
Geschichtsphilosophie. I 1 : 17/9; IV
5 : 249.
Geschichtsschreibung, pädagogische. I
6:3.
Geschichtsnnterricht. 1 1 : 28/9 ; 6 : 173,'5.
Geschichtswissenschaft. IV 5 : 290-356.
Geschmack. I 12 : 11, 63, 121/2.
Gesellenverbände. I 4 : 2-30.
Geselligkeit. I 4 : 49-76, 84/6.
Gesellschaft, Deutsche, in Bern. III
5 : 63 (s. a. Deutsche Gesellschaften).
— Esthländische litterarische. IV
1 a : 47.
— Fruchtbringende. I 4:323b; 6:
205/6.
— Moderne. I 4 : 18.
Gesellschaftsleben. II 1 : 119.
Gesellschaftslied. U 2:37/8; III 2:6;
IV 2a: 1, 35.
Gesellschaftsregeln. I 4 : 50.
Gesetze in d. Aesthetik. I 1 : 49.
Geschichte. I 1 : 1/2.
Gesindetenfel. III 5 : 5.
Gesinnungslyrik. I 12 : 194.
Gesner, K. II 3 : 47.
Gespräch, D., im Beiche d. Toten. IV
5: 12.
Gessel, L. 11 7 : 13.
Gessner, G. 16: 77.
— Sal. I 12 : 206; II 1 : 172; IV 1 c :
65; 2a: 18,9, 30; 4 :6; 9 : 19.
Gesta Somanorum. II 2 : 22.
Gestalt, Menschliche. I 12 : 51, 55.
Gesundheitswesen. I 4 : 278-84a.
Gewerbekunde. I 6 : 173/5.
Gewohnheit. I 12 : 48, 74.
Ghaselen. IV 2 b : 76.
Giacometti, J. IV 4 : 473.
Giesebrecht, Vf. y. IV 1 c : 145.
Giessen. I 6 : 141 ; 11 : 155.
Giftmädchen. I 5 : 229; 10 : 7.
Giftmänner. I 5 : 229.
Giftmischerei. I 4 : 186.
Gildemeister, 0. IV 1 a : 43 ; 1 d : 86 ;
5 : 505, 582 9.
Gilette v. Narbonne. I 3 : 125.
Gilm, H. v. I 10:27; IV 1 c : 83.
Gindely, A. IV 5 : 339.
Girot, A. IV 1 d : 16.
Gitschin. I 6 : 234.
Giunta, J. 13: 82.
Glasbrenner, L. IV lc:85.
Glaser, J. IV 1 c : 81.
— P. III 5 : 5.
Glasmalerei. 111: 240/2.
Glasschleifen. I 6 : 205/6.
Glatz. I 3 : 39.
Gleichen- Russfrurm, Frhr. L. v. I 11 :
366.
Gleichnis. I 12 : 177-87.
Gleim, J. W. L. 16: 238; III 2 : 32;
IV la:22, 30; lc:46, 65; 2a:8-14,
16,18-20,23; 5:18,30; 7:4; 8c: 24;
8e:21.
Gleissner, G. II 3 : 47.
Gletting, B. 11 2 : 25.
Globus. II 1 : 109.
Glockendon, Jörg. I 11 : 234.
Glogau. I 11 : 82.
Glücksrad. I 5 : 53.
Gmelin, E. IV 9 : 22.
— J. IV 4 : 69.
Gnaphaeus, G. II 4 : 37.
Gneisenau, Graf A. W. A. v. IV 1 c :
24, 123.
Gneist, E. v. IV 5 : 445.
Godeski, J. II 7 : 72.
Göchhausen, K. A. A. v. IV lc:42.
Goecking, G. G. IV 2a : 31; 8d : 11.
Goeckingk, L. v. IV 5 : 492.
Goedeke, K. HI 5 : 5, 8, 11; IV la :
2: 2a: 1; 9: 1, 19, 141.
Görlitz. I 4:323; 11 : 82.
Görres, Gu. IV 2b: 81.
— Jos. V. IV lc:159; 5:322,597;
10 : 99.
Görz. Graf. IV 8b: 44.
Göschen, G. J. IV la : 27; 9 : 19, 22.
Goethe, Aug. v. IV 8b : 1/2, 14 d.
— Catharina Elisabeth. IV 8b : 2, 10,
28, 28 a.
— Christiane v. IV 8b: 1/2.
— Cornelie. IV lo:67.
— J. C. 111: 273.
— J. W. V. IV 8. — I 1 :89, 140;
2 : 10; 6 : 39, 78, 84, 171, 176; 7 : 1,
56, 64, 134 a: 8:34, 40/1, 44,6, 80,
128; 11:294a; 12:12/3, 15b, 91/3,
144, 206, 220, 223, 248, 302, 316,
378, 415; IV la:l, 6; lc:21, 35,
39/9 a, 42, 47, 67. 73, 94, 105, 113,
124, 133/5. 138, 158/9 ; 1 d : 28 : 2 a : 2/4,
23. 31, 38, 72; 2b : 6, 35,6. 119;
4 : 8, 10, 25, 129, 202, 204, 215, 323,
451/3; 5:31, 35, 53, 210, 399, 462,
469-70, 573, 612, 635; 6 : 40; 7 : 5/6,
13; 9: 19, 21, 38, 153, 156, 165;
10 : 10^3, 24, 32, 39, 41, 62, 71, 107,
141.
— Lyrik. IV 8 c. — I 7 : 44, 64,
66a; IV 1 c : 69; 2a: 31; 2b : 1, 41.
53. Adler n. Taube IV 8e : 88.
Alexis u. Dora IV 2a : 76; 8b : 45;
8c: 23. And. Mond I 7:44: IV Sc:
8. Balladen IV 9 : 123. D. Göttliche
IV 8c : 13a. Der du von dem Himmel
bist I 12 : 194. Deutscher Parnass
IV 8c : 24. Die beiden lieben sich
gar fein IV 8 c : 29. Dies wird die
letzte Thrän' nicht sein IV 2a: 35.
Diwan lVlc:138; 2b: 61; 8b : 1.
Elegien IV 2a :31. Euphrosyne IV8b:
2. Fischer IV 8 c : 12 ; 10 : 104. Freund-
Echaftsoden IV 8c : 7. Friederiken-
lieder IV 8 c : 7. Ganymed I 7 : 44 ; IV
8 c : 8. Gesang d. Geistes I 7 : 44 ; IV
8c: 8. Grenzen d. Menschheit IV
8c: 14. Hermann u. Dorothea (Elegie)
IV 8c : 22. Hochzeitslied I 5 : 129.
Ilmenau 17 : 44; IV 8c : 8, 15. König
in Thule IV 1 d : 74. Leipziger Lieder-
buch IV 8 c : 9. Memento IV 8 c : 26.
Morgenklagen IV 8c : 17. Neuer
Pausias IV 2a : 76: 8b : 45. Nicolai
.luf Werthers Grabe IV 8 c : 88.
Prometheus I 7 : 44; IV 8 c : 8.
Römische Elegien IV 8c : 18, 22.
Trauerloge IV 8c : 27. Trilogie d.
Leidenschaft IV 8 e : 49. Venetianische
Epigramme I V 8 c : 18 a, 22. Wanderer
IV 8c: 7. Wanderers Sturmlied IV
8 c : 7. Wer kauft Liebesgötter IV 8 c :
19. Willkomm n. Abschied IV 8c: 7.
Xenien I 7 : 64; IV 9 : 56. Zauber-
lehrling I 7 : 49. Zueignung I 7 : 44;
IV 8c : 8. Zum 28. August 1823 IV
8 c : 28.
— Epos. IV 8d. — Ewiger Jude IV
8d : 17. Hermann u. Dorothea I 7:
72/2a; 12:206; IV 2a: 76; 8b : 2;
8d : 4-16; 9 : 20. Neue Melusine IV
8b: 12. Novelle IV 8 d:35. Pilgernde
Thörin IV 8b : 12. Eeineke Fnchs
11 3 : 15. Wahlverwandtschaften 1 12 :
165; IV Ic : 23, 69, 95,6. 100; 5:172;
8b: 12; 8e:49; 9:164. Werther
I 12:170, 291; IV lc:20, 22. 66;
Id : 12, 45, 75; 5 : 30: 8b : 12,3, 26;
8 d : 18-29 : 10 : 59. Wette IV 8 b : 45.
Wilhelm Meister IV Ic: 9.5/6; 8d:
30/4; 8e : 25, 68; 9:21; 10:47.
— Drama. IV 8e. — U 4 : 24; IV 4:
57/8; 8a: 47-54; 8b : 21. Bürger-
general IV 8 e : 44,5. Clavigo I 8 : 44 ;
IV lc:95; 4:464; 5:513: 8b : 26;
8e : 234. Egmont I 7:69-70; 12:168;
IV la:39; lc:69,95/6; Id: 77; 2a:35;
4 : 56, 62 ; 8 e : 26-33 ; 9 : 141. Elpenor
IV 8 e : 25. Epimenides Erwachen IV
8 a : 95 ; 8 b : 1 ; 8 e : 48, 52. Fischerin
IV 1 d : 4. Faust I 5 : 224/5, 254; 8 :
43; 12 : 23; 13 : 149; IV 1 c : 39,9a,
83, 94, 105; Id : 40; 4 : 218; 8b : 2,
26; 8e:3, 48, 55-110: 9:53,78,123;
10 : 68. Geschwister IV 2a : 23.
Götter, Helden u. Wieland IV 8e:
18. Götz I 7 : 43; 12 : 405: II 1 : 33;
1V4 : 157, 371, 412; 8a : 52; 8b : 10,
26; 8e:5-17, 23; 9:123. Hans-
wursts Hochzeit IV8a:49; 8e : 88.
Jahrmarktsfest zu Plundersweilern
IV 8e : 19. Iphigenie auf Tauris
I 7:67/8; IV lc:69, 83; 2a: 76;
4 : 60, 218 ; 8 e : 34/8, 48. Iphigenie
in Delphi IV 8 e •. 3, 25. Laune d. Ver-
liebten IV 8b : 27. Lila IV 8e : 25.
Mahomet IV 8 e : 46/7. Mitschuldigen
IV 1 d : 94: 4 : 218; 8e : 99. Natür-
liche Tochter IV 1 c : 69, 83; 8e : 48.
Nausikaa IV 8e : 3. Neueste aus
Plnndersweilern IV 8e:20 1. Pandora
IV 8e : 49. Eomeo n. Julie IV 8e : 51.
Satyros IV 7:19; 8e:22. Stella
IV 8e : 23. Tasso I 1 : 162; 7 : 31,
71; lVlc:114: 2a: 23; 8e: 39-43.
Vorspiel v. 1807 IV 8e:48.
— Annalen IV 8b : 21. Belagerung v.
Mainz IV 8b: 24. Campag^e in
(4)35*
Sachregister.
Frankreich IV 81) : 12, 24. Dichtung
n. Wahrheit I 6 : 238; 7 : 64, 73; IV
lc:69, 137: 8a : 25; 8b : 1, 18-20;
8e : 68,88. Farbenlehre I 12 : 14: IV
5 : 152. Gespräche IV 8b : 16b-17a.
Italienische Eelse I 12: 3; IV 8b : 1,
23/3 a, 26; 8e : 3. Kunst n. Altertum
IV 8b :1. Maximen u. Eeflexionen
IV Id : 42. Morphologie IV 8b : 1.
Propyläen IV 8b : 2. Beden u. Weine
Biographien IV 8b : 21. Sammeln
IV 8b : 2. Schweizerreise IV 9 : 20.
Shakespearestag IV 8e:5. Tage-
bücher IV 8b : 1. Tag- u. Jahres-
hefte IV 8b : 21;2. V. deutscher Art
u. Kunst IV 8a : 60.
— Ottilie V. IV 1 0 : 35.
— Wolfg. Max V. IV 1 c : 145.
— -Archiv (s. auch in Archive unter
Weimar). IV 8a : 34.
Ausstellung. IV 8a: 46.
Bibliothek. IV 8a : 32.
Bilder. IV 8a : 1-12.
Bildkunst. IV 8a: 55-65.
Denkmäler. IV 8a : 13/4 a.
Feiern. IV Sa: 38-43.
Forscher. IV 8a : 169-72.
Forschung. I 8 : 42.
— -Gesellschaften und -Vereine. IV
8a:. 31/7. In: England IV 8a : 37.
Wien IV 8a: 35. Zwickau IV 8 a : 36 ;
8e :44.
— -Häuser u. -Erinnerungsstätten. IV
8a: 19-.30.
Jahrbuch. IV 8a: 33.
Kalender. IV 8a : 18.
Kneipe. IV 8a : 30.
Kult. I 1 : 42.
Nationalmuseum. IV 8 a : 26, 28.
Philologio. I 1 : 42.
Turm. IV 8a : 21b.
— -Zeichnungen u. -Radierungen. 111:
423; IV 8a: 61/4.
Götterlehre, Skandinavische. 15:8.
Götternamen in Norddeutschland. I
5 : 141.
G öttinger Dichter. IV 2 a : 31 2.
Göttling, C. W. IV la:41.
Götz V, Berlichingen. II 1 : 33 (s. a.
Goethe, Dramii, Götz).
— J. N. III 2 : 32; IV la : 30; Ic : 65;
2 a : 2/4, 10, 18/9.
— G. Chrn. IV la ; 30; 2a : 18,9.
Goetze, E. IV 1 a : 2.
Goeze, J. M. III 5:61; IV lc:67:
6 : 38.
Goldoni, C. I 12 : 16.
Goldschmiedekunst. I 4:234, 236;
11 : 440/2.
Goldschnittlitteratur. I 1 : 158.
Goltz, B. I 6 : 253; IV 1 0 : 147.
— M. 13: 246.
Goncourt. Ed. de. I 12 : 316.
— Brüder. I 12 : 309.
Gongora. IV 2a: 10, 23.
Gontard, K. v. 111: 264/,5.
— Snsette. IV 10 : 55
Goslar. I 4:220; 11 : 127.
Gossembrot, S., d. Ae. II 7 : 13.
d, J. II 7 : 13.
— U. II 7 : 13.
Gotisch. I 8 : 66.
Gott u. Teufel im Volksmunde. I
5 : 341.
Gotter, F. W. 14:74: 13:83; IV
4 : 2, 20.
Gottheit, Jer. s. Bitzius, A.
Gottschall, R. V. 12: 47; 12 : 31; IV
2b: 114; 4:92; 5:424,8.
Gottsched, J. Chr. I 1 : 89; 12 : 4, 144;
II 3 : 15; m 1 : 11/2: 2 : 32; 5 : 49,
59-63; IVla:3, 48; 1 c : 65, 67;
2a: 8; 4:4, 375; 5: 12.
— Luise Adelgunde Viktoria. 1115:61.
Goue, A. S. v. IV 4 : 3: 8d : 18.
Gounod, €h. I 13 : 148,9.
Gozzi, C. IV 2a: 31, 70.
Grabbe, Ch. D. IV lc:81; 10:71;
11 : 13.
— Th. IV 4 : 237.
Grabschriften. I 4 : 48, 544 ; 5 : 302,
304; III 5:6.
Gracian, B. IV 1 c : 94.
Graef, W. IV 2b : 102
Gräfentonna. I 4 : 392.
Gräter, F. D. IV 10 : 78.
Graf im Pfluge. I 5 : 152.
Graf V. Rom. I 10 : 12.
Graf V. Rom, H. I 10 : 39.
— K. H. IV 2b: 44.
— Urs. I 11 : 216, 219.
Gm ff, St. I 3 : 75.
Grailich. J. IV 4 : 244.
Grammatik. II 1 : 98.
— lateinische (s. Alexander de Villa-
Dei).
— philosophische I 0:9; 8:3.
— deutsche, im Unterricht. I 6 : 166.
Graphologie. I 3 : 61/3.
Grasberger, H. IV 1 a : 33.
Grasshof (Gymnasialdirektor). I 6 : 171,
Graumännelein. I 5 : 133.
Graveneck, K. v. II 1 : 27.
Gray, Th IV 2 a : 34.
Graz. I 11 : 116
Gr6court. IV 2a : 10.
Greff, Hier. I 3 : 72.
— J. II 1 : 155.
Gregor XIII , Papst. I 3 : 93: II 1 : 1.
45. 146.
— V. Tours. IV 4 : 223.
Gregorovius, F. IV 1 o : 145 : 5 : 315/8.
Grehemund, D., d. J. II 7 : 67.
Greif, M. III 5:3; IV 4:96,7.
Greifswald. I 6 : 37.
Greiner, F. IV 4 : 371.
— 0. I 11 : 360.
Greis, D. (Wochenschrift). III 5 : 49,
Grelling, R. IV 4 : 367.
Grenadierlieder. IV 2a: 28.
Gresbeck, H. II 1 : 24.
Gresset, J. B. IV la : 30; 2a : 23.
„Griechheit". IV 2a : 76.
Griechisch. I 8 : 85, 87/9.
Grien, Hans Baidung. I 11 : 230/3.
Griepenkerl, R. IV 4 : 237.
Gries,J. D. IV Ic : 69; Id : 79: 2a: 2/4
112 3; 10:7.
Grillenbnrg, Schloss. II 2 : 44.
Grillparzer, Ad. 18: 115.
— F. I 10:20: IH 5 : 3; IV la:.32;
1 c : 81, 1.57; 2 a : 2,4; 4 : 21, 198-224
258, 270, 278, 402;' 9: 145.
— Familie. IV 4 : 207, 210.
Grimm, F. 12:8.
— H. 17: 86; II 3 : 25; IV 10 : 60.
— Jak. I 2 : 1, 8 13; 6 : 176; 7 : 101
8:60, 120a. 124. 128; 12:202/3
IV Ic : 901, 138: 5 : 363, 551; 6:2
8b: 46: 9:50a. 162; 10:9, 39.
— M. Baron v. IV 8 e : 52.
— Sig. II 7 : 43.
— W. I 2 : 1, 8, 10; 6 ; 176; 7 : 101;
IV Ic : 91, 138, 158; 8b : 46; 9 : 50a;
10:9.
Grimmeishausen, H. J. Chr. v. III 3 : 12;
4: 1; IV 2a: 23, 35; 4:410.
Grimmenstein, Schloss. I 4 : 201.
Griseldis. I 3 : 125.
Grobianismus. II 6 : 191.
Grobianus. I 10 : 29.
Groos, K. I 12 : 70, 74, 112.
Grosse, H. IV 2b : 102; 6 : 1.
Grossenhain. I 4 : 384.
Grossgebauer, Th. III 5 : 22.
Grossmann, G. F. W. IV 4 : 394 : 5 : 23.
Groth, K. IV Ic : 75, 81/2, 154: 2b : 4.
Grotthus, Sara v. IV 8b : 12, 14b;
8d : 22: 8e :54.
Grube, A. W. IV 2b : 119.
Gruber. Max v. IV 2 b : 35.
Grün. Anast., s. Auersperg.
Grnnberg (Buchdrucker). I 3 : 83.
Gründonnerstag. I 5 : 58.
Grüner. IV 8e : 10.
Grünewald, M. I 11 : 234.
Grüninger, J. 13: 72.
Grünpeck, V. II 7 : 43.
Grünstein, J. IV 1 d : 81.
Grützner, Ed. I 11 : 382.
Grunert, F. IV 4 : 466.
Gruppe, 0. F. IV 9 : 144.
Gryphins, Andr. III 4:1, 6 a, 14, 35;
IV 4 : 377.
a. J. 16: 208.
— Chrn. III 2 : 40, 43.
Guarino. II 7:13.
Gubitz, W. IV 4 : 382.
Gudrun. 17:8, 33.
Günther, J. C. I l2 : 220: III 2 : 40,1
IV la: 3; 2a : 20; 8c : ISa; 10 : 162
Güstrow. I 11 ; 128.
Gütchen (Hausgeister). 1 5 : 260.
Gütergemeinschaft. II 1 : 19.
Gulden, J. II 6 : 55.
Gnmperz. IV 1 o : 70.
Gundling, J. P. III 1 : 81.
Gurlitt. C. I 12 : 116.
— F. 111: 4078.
Gustav Adolf. König v. Schweden. III
1*8 21 '2 32
— -Spiel.' il 6 : 200; IV 4 : 288/9.
Gutenberg, J. I 3 : 66,7, 70, 112 1 IV
2b: 8.
Guts-Muts. I 6 : 14, 82, IV 5 : 488.
Gutzkow, K. IV 1 c : 74, 81. 90/1, 145.
148; 4 : 87. 117, 242/3. 314, 375, 472;
5: 19; 9:11; 11 : 27. 55.
Gymnasialbibliutheken. I 3:216-26.
Gymnasium s. Schulen.
Gymnich, P. II 7 : 30.
Haag. I 11 : 413.
Haase, F. 16:9.
Habilitationsschriften. 13:137, 143.
Hackenberg, J. II 1 : 97.
flackert, Ph. I 6 : 171; IV 8b : 7.
Hadamar v. Laber. II 3 : 2.
Haeckel, E. IV 5 : 49-53.
Hähnel, E. Jul. I 11 : 21.
— Franz. IV 1 a : 43.
Händel, G. F. I 12:102; IV 10:93.
Hässliche, D. I 12 : 70, 74, 111/1 a, 112,
266.
Hätzer, L. II 6 : 182.
Häuserbau. I 5 : 71/2.
Häusernamen. I 5 : 371 a.
Hagedorn, F. v. III 2 : 37; IV 2a : 6, 20.
Hagelganss, J. H. HI 3 : 12.
Hagemann, Ella. IV 8 a : 90.
— F. G. IV 4 : 1.
Hagemeister, J. G. L. IV 4 : 1.
Hagen, Aug. III 4 : 32.
— F. H. v.d. 12: 1, 14; 6;39;IV Ic:
69, 126.
Hager, G. II 3 : 22.
Hahn, J. G. v. IV 2b: 45.
— L. IV 2b: 102.
— Michael. III 5 : 36.
— Ph. M. 18: 58.
Hahnentanz. I 5 : 51.
Hahnjörs. I 5 : 128.
Haimon. I 5 : 146.
Haimonskinder, D. II 3 : 10, 12a;
III 3 : 1 ; IV 10 : 41.
Hainbund. IV 2a : 35, 39; 5 : 8; 8e : 21.
Hainhofer, Ph. II 1 : 153.
Halbe, M. I 12 : 407/8; IV 4 : 164.
Halberstadt. 14:71; 6 : 41;2.
Halbmair, C. IV 2b: 102.
Haie, A. de la. I 13 : 61.
Halle a. S. 14: 374; 5 : 294; 6 : 76;
11 : 215.
Haller, A. v. II : 110; 7 : 110; III 5 :
63; IV 2a : 5, 18-20; 5 : 1/4. 30, 462;
8d:21.
— L. V. IV 5:322, 553; 10:71.
Halliwell. III 4 : 4.
Hallucinationen. I 5 : 114.
Halm, F. s. E. Frhr. v. Münch-Belling-
hausen.
Hamann. J. G. IV Ic : 133; 5 : 35, 37,
223 476.
Hamburg. 14: 286, 348-54: 8 : 19;
II 1 :139; 2a: 112.
Hamelmann II 7 : 31.
Hamerling, R. IV 1 a : 32 : 4 : 206, 251,
269; 5:76/7.
Hammann, Job., v. Landoia. I 3 : 69.
Hammer, J. 13: 122; III 5 : 8.
— Jul. IV lc:91; 2b : 115.
— V. Pnrgstall, J. IV 1 a : 33 ; 2 b : 44,
70.
Hammeran, A. IV 8 a : 104.
Hammerschraid, A. III 2 : 5.
Hammerstein, W. Frhr. v. IV 1 o : 28.
Hammerwerke. I 4 : 219.
Hampelmänner-Verein. IV 2b : 104.
Hanau. I 4 : 221.
Handarbeiten. I 6 : 250.
Handelsgeschichte. I 4 : 245-55.
Handelsordnung. I 4 : 254.
Handelsschule. I 6 : 233.
Handfertigkeitsnnterrioht. I 6 : 250.
Handschriften (s. auch Archive, Biblio-
theken, Briefwechsel) I 1 : 171; 3:1,
20-50; II 1 : 73. In: Augsburg II 2 :
21 ; 7 : 42. Berlin I 3 : 34; II 2 : 22,
35, 39; III 4 : 46. Brandenburg a. H.
II 7 : 46. Breslau II 7 : 36. Danzig
13:36. Dresden II 2: 24, 44. Fürsten-
stein III 2 : 38. Glatz I 3 : 39.
Göttingen I 3 : 29. Gotha I 3 : 38;
IV 4 : 20. Haag II 2 : 41. Hamburg
Sachregister.
m 2 : 23. Heidelberg I 3 : 25; II 2 :
22, 31. Jena II 4 : 29. Königsberg
II 2 : 7. Kopenhagen IV 9 : 26. Lüne-
burg I 3 : 29. Mattsee II 2 : 42.
München II 2 : 21 ; 7 : 13, 15, 27 :
III 2 : 35 Nürnberg II 2 : 22/3 ; IV 9 :
25. Paris I 3 : 30 3. 4S; II 7 : 15.
Petersburg II 2 : 26 ; III 2 : 5. Regens-
burg III 4 : 2. Rom II 7 : 15. Salz-
burg III 2 : 2. Sondershausen I 4 :
122. St. Gallen II 4 : 11. Ungarn
I 3 : 133. Venedig II 7 : 46. Wien
I 3 : 35; II 2 : 378. Wolfenbüttel
n 4 : 1 ; III 2 : 5, 16 8. Zürich II 2 :
33. Zweibrücken II 2:43; lU 2 : 1.
Handschriftenschmuck. I 3 : 20, 25.
Handschriften Terzeichnisse. I 3 : 28 9.
Handwerksbräuche. I 4 : 63, 90.
Handwerksschule. I 6 : 183.
Hanheimer, Joh. I 3 : 69.
Hansa. I 3 : 45; 4 : 247.
Hansgrafenamt. 1 4 : 246.
Hanslick, E. I 12 : 74; 13 : 167; IV 1 c :
157.
Hansson, 01a. I 12 : 302.
Hans Stockfisch. III 4 : 33.
— V. Knlmbach. I 11 : 201.
Hanswurst. I 4 : 55; iV 4 : 409-10.
Happel, E. G. IV 10 : 99.
Hardenberg, Fürst K. A. 16: 147;
IV 1 c : 24.
— Fr.v. IV lc:160; ld:28; 8d:32:
10 : 7, 13, 46,8, 63, 68, 71, 99.
Hardy, A. I 10 : 41.
Harington, J. III 2 : 34.
Harkort, F. IV 5 : 579.
Harnack, 0. III 1:134; IVla:3;
8a :59,9a, 112, 120, 134a.
Harnisch, Ch. W. I 6 : 67, 253.
Harpprecht, F. v. IV 2 b : 7.
Harsch, Frhr. v., Feldmarsuhall. III 1 : 55.
Harsdörffer, G. Ph. III 4 : 15; 5 :"3.
Hart, H. I 12 : 302.
— J. I 12 : 302.
Kartei, W. v. I 6 : 64.
Hartfelder, K. I 2 : 41,4; 6 : 163; II 6 :
45; 7:44; IV 5:378-9.
Hartleben, 0. E. 112:402/3, 411/2;
IV 4 : 165, 367.
Hartlieb. I 5 : 55.
Hartmann, Ed. v. I 11 : 9; 12 : 14, 70,
111,1 a, 142, 378; IV 5:138, 168/9;
10 : 49.
— Joh. Ludwig. III 5 : 5.
— Jnl. V. IV Ic: 57.
— M. IV Ic: 91; 2b : 17.
Harz. 1 4 : 206, 212.
Hase, K. V. 16: 144: II 1 : 24: IV la:
41 ; 5 : 605.
Hasner, L. t. IV Ic : 39.
Hassaurek, Fr. IV 1 a : 16.
Hasscarl. IV 4 : 377.
Hasse, K. E. IV Ic : 121.
Hassenpflug, H. D. L. F. 16: 170;
IV 5 : 551.
Hassler, H. L. I 13 : 65.
Hastings, Warren. IV 2 a : 76.
Hauff, W. 17:5; ra2:41;IVld:34;
10 : 105, 147-63.
Hauffen, Ad. II 3 : 46; IV 2a : 109.
Haug, F. IV 5 : 351.
Haugwitz, A. A. v. III 4 : 17.
Haupt, M. 12:1, 24.
Hauptmann, G. 1 12: 260,. 272, 316,
405/6, 409-lOa, 413/5; IV 1 a : 9; 1 d :
20, 54; 4: 114, 118; 152-63, 320, 322,
364, 388.
Haus. I 4 : 256-61 ; 5 : 44.
Hausegger, F. v. 1 12 : 100.
Hauser, K. 14: 566,8.
Hausgeister. I 5 : 129-30.
Haushaltungsbuch. I 4 : 199a.
Hausinschriften. I 5 : 303, 306;7.
Haussprüche. I 5 : 302.
Haustiere. I 4 : 13.
Haydn, Jos. I 13 : 802; IV 4 : 201.
Haym, E. IV lc:8i; 5:402; 7:3,
11/3; 10 : 41/2, 47.
Haynau, J. J. v. IV 2a : 74.
Hays. III 2 : 36.
Hazlitt, W. C. III 4 : 4.
Hearne, Th. 13: 264.
Hebbel, Christine. IV 1 c : 81.
— Fr. 17: 86; 12 : 190, 206; IV Ic :
39-40, 81, 145, 157; ld:4; 4:57,
165, 234-50, 269, 373, 470; 5 : 544.
Hebel, J. P. I 8 : 48; IV la : 6; Ic :
130; ld:7; 8b: 21.
Hebenstreit, J. IV 4 : 411.
Hecastusdramen. II 4 : 29.
Hecker, J. J. IG: 183.
Hederich, B. IV 4 : 60
Heer, stehendes. I 4 : 189.
Heeressprache. I 8 : 152.
Heerraann, J. II 1 : 87 ; III 2 : 20
Hegel, G. W. V. I 6 : 90; 12 : 14, 23,
51, 74; IV lc:83, 97, 102, 138; 5:
104, 123, 130 7, 151, 495; 8d : 4; 10 :
141.
— KarL IV 5 : 319.
Hegendorf, Ciirph. II 6 : 143/4.
Hegner, U. IV 5 : 523.
Hehn, V. I 7 : 54; IV 1 c : 143; 4 : 96,7 ;
5 : 322, 394-401.
Heichen, W. IV ld:71.
Heideck, F. v. II 6 : 142.
Heidegger, C. W. v. IV 4 : 202.
Heidelberg. I 4 : 4334; 6 : 17; 11 : 168 :
II 1 : 97.
Heiderich, J. IV 2 a : 99.
Heidmüller, F. IV 4 : 4.
Heigel, K. v. IV Ic : 90.
Heilbut, E. s. Helferich, H.
Heiligenverehrung. I 5 : 17/8; II 1 :
130 2.
Heimburg, Dr. 16: 215.
— Gregor. II 7 : 1.
Heimesage. 1 5 : 146.
Hein, E. IV 5 : 392.
Heine, C. III 4 : 27 ; IV 4 : 376.
— H. I 8 : 50; 12 : 190, 267, 316; IV
I c : 81, 88, 95, 130, 135, 157 ; 1 d : 16,
51, 73,4; 2b : 1, 114, 119; 4 : 89; 5 :
387, 462,3, 573: 10:71, 74, 79, 91,
108; 11 : 5-53.
— -Denkmal: Düsseldorf IV 11 : 7-20.
Mainz IV 11 : 202. New-York IV
II : 23.
Heinemann, K. IV 8a: 15, 25, 33a,
34 b, 91, 112.
Heinrich II., König v. Frankreich. II
1 :42.
— VIII., König V. England. II 7 : 32.
— Prinz V. Prenssen. I 11:260; IV
1 a : 39.
— Herzog v. Sachsen. II 1 : 140 ; 6 : 24.
— XIV. V. Reuss. IV ob : 12.
— Julius V. Braunschweig. III 4:6a
Heinrichmann, J. II 1 : 60.
Heinroth, J. G. IV 5 : 210.
Heinse, W. IV 8c : 18a; 10 : 13, 71.
Heintz, J. 111: 218.
Heinzel, E. I 12 : 165.
Heinzelmännchen. I 5 : 131.
Heinzelmann, W. IV 8a : 72.
Heldenbuch. IV 1 c : 47.
Helene, Grossfürstin v. Enssland. IV
1 c : 145.
llelferich, H. (= E. Heilbut.) I 12 : 116.
Heitert, Alex. v. 16: 225.
Helffrich, Job. II 1 : 168.
Helgoland. IV 2b : 119.
Heliae, P. II 6 : 22.
Heliand. 17:8.
Hell, Th. (= iVinkler). IV 1 c : 121.
Hellenbach, E. v. IV 4 : 112.
Heller, Rob. IV Ic: 127.
Hellinghaus, 0. IV 2a: 38.
Ilelmholtz, H. v. IV 5 : 4.54 ; 8 a : 97.
Hei wig, Amalie v. IV 1 a : 2, 27 : 1 c : 12 1 ;
2a: 2 4, 76.
— Chph. I 6 : 20.
Hemsterhuys, F. IV 10 : 47.
Henault. IV 8 c : 52.
Henckell, K. IV la : 18; 11 : 20.
Hendel-Schütz, Henriette. IV Ic : 158.
Hendrich, H. 111: 374.
Henisch. II 1 : 43.
Henkertaxe. 1 4 : 403
Hennequin, E. I 12 : 26 a.
Hensel, Luise. IV 2b: 20/1.
— W. IV 10 : 72.
— Wilhelraine IV 2 b : 28.
Henselt, Ad. IV 1 c : 64.
Hensler, 0. F. IV 4 : 1, 371.
Henzen, W. IV 1 d : 82.
Henzi, Jak. II 2 : 27.
Heppenstein, Fanny v. IV 2a : 55.
Heraklius, Prinz. IV 2 a : 62.
Heraldik. I 4 : ü53 6.
Herbart, J. F. I 6:49, 54, 215, 253;
12 : 23, 74; IV 5 : 205-10, 484.
Herberger, Val. II 1:87; HI 5 : 22;
IV 1 a : 46.
Herbitzheim. I 4 : 427.
Herd. I 5 : 76.
Herder, J. G. v. IV 7. — 1 6 : 47, 253;
7:56, 136; 8:40; 12:12/3, 26c;
IV la : 22, 39; lo : 13, 20, 124, 133:
ld:7; 2a : 28, 76; 5:2, 30: 6:34,
40; 8b : 15, 26, 41; 8c : 7. 18a, 24;
8e:88; 9:165. Bild d. Maria IV
7 : 15. Blätter v. deutscher Art u.
Kunst IV 7 : 16. Briefe IV 2 a : 13 ;
7:4/6. Cid I 7 : 63; IV 7 : 17. D.
eigene Schicksal IV 7:8; 9:92.
Hamann IV 7 : 15. Hütten IV 7 : 15.
Journal meiner Reise IV 7 : 11.
Kalligone IV 7 : 10. Kopernikus IV
7 : 15. Lemgoische Bibliothek IV
7 : 15. Melanchthon IV 7 : 15. Mer-
kur IV 7 : 15. Metakritik IV 7 : 10.
Offenbarung Johannls IV 7 : 15.
Schulreden IV 7 : 7. Ueber d. Ein-
fluss d. Schönen in d. höheren Wissen-
soliaften IV 7 : 15. Ueber d. beste
Leitung e. jungen Genies zu d.
Schätzen d. Dichtkunst IV 7 : 15.
Ueber d. d. Menschen angeborene
Lüge IV 7 : 15. Volkslieder I 5 : 299.
Vom Einfluss d. Eegierung auf d.
Wissenschaften u. d. Wissenschaften
auf d. Eegierung IV 7 : 15. Wäldchen
IV 7 : 19. Waldbruder IV 7 : 19;
8 e : 22. Zerstreute Blätter IV 7 : 15.
-Karoline. IV la: 22; 2a: 13; 7 :5.
(S. auch Flachsland.)
— K. A. IV 7 : 6.
— Luise V. IV 7 : 1.
Porchheim, G. v. IV 7 : 1.
Heresbach, Konr. v. II 7 : 31.
Herklots, K. A. IV 2a: 10.
Herkomer, H. I 11 : 8, 362/4.
Hermann, Erzbiscbof v. Köln. II 6 : 31.
- Fr. Jak. IV 1 a : 2.
— Gott fr. 1 6 : 76, 185.
— Nik. II 1:88; 6: 150.
— T. Sachsenheim. U 3 : 2.
— V. Weinsberg. II 1 : 16.
— V. Wied. II 1 : 67.
Herroannstudt. I 4 : 484.
Hermann- Stoff. IV 4 : 62.
Hermenjat, L. IV 1 d : 12.
Herodot. I 5 : 17/8.
Heroide. 1 12 : 31.
Herolt, Joh. II 6 : 101.
Heroomorphismus. I 12 : 144.
Herrig, H. I 10 : 24; IV 4 : 100, 286.
Herrmann, Zach. IV 1 a : 46.
Hersfeld. I 4 : 403.
Hert, Elisabeth. IV 8d : 19.
Hertz, Wilh. IV 1 c : 90.
Herwegh, G. IV 1 c : 94, 157; 2b:
93/4.
Herz, Henriette. IV 1 e : 70 1.
— M. IV 1 c : 70.
Herzfeld, Marie. IV 1 a : 28.
Herzlieb, Minna. IV 8 e : 49.
Herzog, Karl. I 6 : 203, 215.
Hess, Joh. Jak. IV 1 c : 99, 124.
Hessen. I 4:396-403; 11:90, 164;
II 1 : 59.
Hesshusen, Til. II 6 : 157.
Hessus, Eoban. I 3:38; 6:16; II
1 : 59
Hettner, H. IV la:3; lc:81; 5:
462, 541.
Heubel, J. G. IV 4 : 1.
Heubner, 0. L. IV 2 b : 109.
1 leumann, F. 13: 70.
Heusenstamm, Graf s. Th. Stamm.
Heuwes, J. IV 4 : 69.
Hey, W. I 7 : 51 ; IV la : 6; 5 : 15/7.
Heyne, Ch. G. IV Ic : 115, 123, 126,
133; 5:601; 8b: 15/6.
— Th. IV 8a: 63.
Heyse, P. IV la:17: 1 c : 40, 145,
147, 157; ld:54; 2b: 70; 4:90,
314, 367; 11:20.
Hexameter. 16:9.
Hexenfabeln. 1 5 : 115; III 3 : 7.
Hexenprozesse. I 4: 179-81; 5 : 113/4;
lU 3:7; 5:47.
Hexensalbe. I 5 : 114.
Hexenverfolgung. II 6 : 19.
Hexenwahn. I 5 : 113/4.
Hidegkut s. Volksglaube.
Hildebrand, Ad. 1 11 : 367.
Hildebrandslied. I 7 : 135.
Hildesheim. I 4 : 367/9; 11 : 163.
Hiller, F. v. IV 1 c : 157.
Hlmbnrg, C. F. IV 8 e : 18.
Hinderbach, Joh. II 7 : 18.
Hiob. I 12 : 170.
Sachregister.
Hipler, Wend. 11 1 : 20.
Hippel, Th. G. v. IV 5 : 30.
Hirschberg. 1 11:82.
Hirt, A. L. IV la:44: 8b:2; 8d:5;
8e:79.
Hirtenlieder. 1 5 : 269.
Hirzel, L. IV Ic: 67; 4: 1.
Historilcertag, D. erste. 14:5.
Historisclie Wissenschaft. 1 1 : 1-30.
Hochschulen s. Schulen.
Hochstift, Freies Deutsches. IV 8a:
19, 31.
Hochzeit. I 4:75; 5:37, 67/8.
Hocker, J. L. III 5 : 47.
Höclcelshofen, J. v. 16: 205/6.
Höcker, P. 0. I 7 : 67 a.
Hfideke (Hausgeister). I 5 : 130.
Hölderlin, Fr. IV la : 2, 27; 2a : 2/4;
8b: IIa; 8d:32; 9:153; 10:7,52/9.
Hölty, J. L. IV Id: 69; 2a: 33.
Hoest, St. 16: 116.
Hof. I 4 : 455.
Hofer (Rektor). I 6 : 161.
Hoffmann, B. T A. IV 4 : 385; 10 :
41, 48, 79, 93 8..
— Franz. I 12 : 322; IV 2b : 99.
— H. IV 8a: 164.
— H. V. FallerHleben. II 6 : 16; IV
lc:157; 2b : 97-103.
Hoffmeister, J. II 1 : 95 ; 6 : 6/7.
Hofleben. I 4 : 84/6; II 1 : 61; III 1 :
126-33.
Hofmann, Melch. II 6 : 55.
Hofmannsthal, H. v. IV 1 a : 38.
Hofmannswaldan, Chrn. H. v. III 2 : 38.
Hofmeister, D. iWochenschrift). III
5:49.
Hofmeistererziehung. I 6 : 237.
Hogarth, W. I 12 : 11, 55.
Hohburg. Chrn. III 5 : 22.
Hohe Lied. I S : 43.
Hohenheim, Franziska v. IV 9 : 152.
Hohenstein. I 5 : 177.
Hohenzollern, 1 3 : 41.
— Fridericus comes de. I 6 : 99.
Holbein, F. IV 4 : 385.
— Hans, d. Ae. I 11 : 207.
d. J. 111: 203/9.
— Sigisraund. I 11 : 207.
Holberg, L. Frhr. v. III 4:22; IV
ld:ö8; 4: 1, 38.
Holenia, Edm. IV 1 c : 84.
Holenya, Frz. Jos. IV 1 c : 84.
Holl, Elias. I 11 : 131.
Holland. I 11 : 256.
— H. IV 4:1.
Holle, Frau. I 6 : 173/5.
Holstein. IV 9 : 137.
Holtei, K. V. IV la:33; lc:7ö;
2b : 4; 4:202, 314, 441.
Holtermann, K. IV 10 : 25.
Holtzendorff. F. v. IV 5 : 605.
Holzmann, Dan. II 2 : 21.
Holzschnitt. II 4 : 11.
Homberg. I 6 : 107.
Home, H. 1 12 : 11.
Homer. I 6 : 75; 7 : 46; 8 : 18; IV Ic :
20/1, 83, 137; 4 : 60; 8c : 8; 8d : 1;
8e;3; 10 : 41.
Honorins v. Autun. I 5 : 63.
Hopfen, H. V. lY 1 c : 90; 4 : 373.
Hopp, F. IV 4 : 308.
Horawitz, Ad. II 7 : 36.
Horaz. I 7:46; 12:190; 1112:33;
5 : 15; IV 2a : 20, 23, 62; 8c : 18a.
Horchler, G. I 10 : 21.
Hormayr, Frhr. J. t. IV Ic : 159; 4 :
200.
Hörn, Uffo. IV 1 c : 84.
Hornboste), F. IV 4 : 202.
Hornnng, Job. II 6 : 29.
Horst, K. II 1 : 40.
Horwicz, A. I 12 : 22.
Hosius, Hischof. II 6 : 33.
Hothby, J. I 13 : 62.
Hottinger, J. J. IV 1 c : 124.
Houdon, J.-A. I 11 : 262.
Houwald, Frhr. Chr. E. v. IV 1 c : 137.
Hoya. 1 3 : 180.
Hroswitha. 1 3 : 120.
Huber, A. II 1 : 7.
— Joh. Jak. III 5 : 63.
— L. F. IV Ic: 114; 4:1.
— Therese. IV 4 : 212.
— Wolf. I 11 :224.
Hnberinus, Casp. II 6 : 188.
Hubert, Konr. I 3 : 251 ; II 1 : 156.
Hnberti, L IV 8a: 83.
Hubmaier, Balth. II 6 : 181.
Hudemann, L. F III 2 : 32; IV 2a: 8.
Hndtwalcker, J. M. IV 1 c : 29.
Hühner, A. Graf t. IV 1 c : 39 a.
Hübsch. I 6 : 184.
Hüffer (Verleger). IV 2b : 81.
— H. IV 11 : 48.
Hufeisen. I 4 : 271; 5 : 100.
Hufeland, Ch. W. 1 6 : 61.
Hugenotten. I 4 : 527-32, 560.
Hugo, V. 112:327; lVld:l; 2b:
81; 10:5.
Humanismus. II 7. — 1 3 : 51/8, 245;
4 : 121; 6:9; II 1 : 74, 85; 6 : 40/5.
In : Augsburg II 7 : 13. Böhmen
II 7 : 69-72. Elsass II 7 : 39. Kon-
stanz II 7 : 36. Oberrhein I 6 : 116.
Polen II 7 : 69-72. Tirol II 7 : 18.
Humanistenschule II 7 : 68.
Hnmanitätsideal. I 1 : 88, 140.
Humboldt, Adelheid v. IV 1 c : 23.
— Alex. V. I 6:90; IV lc:20, 70,
75, 114, 160; 4:202; 5:495, 616,
618/9, 623; 8b : 2: 10 : 106.
— Karoline v. IV lc:20/l. 23; 5:
618/9.
— W. V. I 1 :120; 6:151; IV Ic:
20/3, 75, 81, 123, 159; 5 : 214. 548,
605, 618-23; 9 : 24: 10 : 18 9, 29.
Hume, D. IV 1 c : 20.
Hummol, M; 16: 99.
Hnmmelberg. II 7 : 36.
Humor. I 4 : 163 5; 7 : 98 ; 12 : 23, 49,
74, 166/8, 237.
Hnnold, Chrn. F. IV 10 : 162.
Hupfuff, M. (1492-1520). I 3 : 72, 96.
Husaren. I 4 : 196.
Huss, J. IV 4 : 1.
— M. 13: 90.
Hussitenkriege. I 3 : 175.
Huter, Jak. II 6 : 181.
Hütten, U.V. I 1 : 111; 3 : 247; II 1 :
86, 88, 123, 140 ; 6 : 40 ; 7 : 37-40, 67 ;
IV 1 c : 83 ; 5 : 322.
Hux, Joh. II 7 : 1.5.
Hypnose. I 12 : 91/.3, 288-94.
Hypotypose. I 12 : 4.
Ibsen, H. I 12 : 74, 254, 284, 316, 324,
342. 346, 349-71, 398, 415; IV 4 : 38,
119-40, 157,237,247,314,404; 5: 151,
172, 322; 8e: 1; 10:99.
Ideal. I 12 : 12, 63.
Idealismus. I 11 : 24.
Idee. I 12 : 63, 268.
Idstein. 1 6 : 43.
Idylle. I 12:206; IV 2a: 76.
Iffland, A. W. IV la : 2; Ic : 114, 158;
4 : 1, 12, 38, 314, 371, 446, 452; 10 : 31.
Ihering, K. v. IV 5 : 199. 435/7 a, 445.
Ilgen. I 6 : 185.
Illenberger, F. IV 4 : 457.
llluminaten. IV 5 : 284.
Illuminator. I 3 : 21.
Illuministen. I 3 : 88.
Illustrationen. I 3 : 21, 96; 11 : 57-64.
Ilmenau. IV 8b : 21; 8c : 15/6.
Irahof, Anialie v. s. Helwig, Amalie v.
— Seb. I 11 : 188.
Immermann, K. L. IV lc:22, 105; 4:
212, 402; 5:573; 8d:32; 10:13, 62;
11 : 13.
Index librorum prohibitorum. I 3 :
275/6, 278.
Individualismus. I 11 : 20.
Industrie. I 4 : 219-29 a, 238-41, 460.
Inkunabeln. 1 3 : 38, 94/5, 105, 107/8,
152; 6:9.
Innsbrucker Hofkirche. II 1 : 133.
Inquisition. I 5 : 113.
Inschriften. I 5 : 302/8.
— lateinische. 15:8.
Institutionen. II 7 : 67.
Interim. II 1 : 148.
Inventar. I 4 : 201; 11 : 74-103.
Irene-Legende. I 10 : 6.
Iselin, J. IV 5 : 2, 30, 545.
Iserlohn, Joh. II 7 : 30.
Island. IV 9 : 132.
Israhel von Meckenem. I 11 : 416.
Itzehoe. 1 4 : 217.
Itzstein, Joh. W. IV 5 : 605.
Jacob VI. V. Schottland. I 3 : 182.
Jucobi, Friedr. IV 9 : 19.
— F. H. IV Ic : 20, 47, 70, 114/5, 159;
5: 140, 210; 10: 13, 51.
Jacobi, J. G. IV lc:124; 2a: 2/4, 10,
22/3; 9: 19.
— Max. IV 8b : 2.
Jacobowski, L. IV 1 d : 66.
Jacobsen, P. I 12 : 316.
Jacquot, A. III 4 : 25.
Jagden. II 1 : 153.
Jagdwesen. I 4 : 71, 446.
Jagemann, Karoline. IV Sa: 51.
Jahn, F. L. 16: 82, 131/2, 185.
— Joh. 11 1 : 128; IV 5 : 485/6.
Jahresberichte. I 1 : 172/3.
Jahreszeiten, Feier d. 15: 50.
Jakoby, Joh. IV 5 : 605.
Jamben, fünffüssige. IV 9 : 70.
Jamnitzer, W. 111: 440.
Janitschek, H. I 11 : 401/3.
Janker. I 7 : 18.
Janssen, Joh. I 4 : 25; II 1 : 7-11; 6 :
5, 22, 36/9, 101, 191 ; IV 5 : 299, 334/6.
Jan Tamboer. III 4 : 28.
Jariges, v. IV 2a: 2/4.
Jean Mayeux. IV 4 : 354.
Jean Paul s. J. P. F. Richter.
Jeanne d'Arc. 1 10 : 22; IV 9 : 104-22.
Jehuda Halevi. IV 11 : 49.
Jena. 1 6 : 16, 134/7; IV 9 : 22.
Jenitz, H. II 2 : 44.
Jensen, W. IV la: 17.
Jentsch, K. IV 5 : 627.
J6röme, König V. Westfalen. IV lc:8.
Jerusalem. IV 6 : 40.
— K. W. IV 8d: 19.
Jernsalemfahrten. II 1 : 167/8.
Jesuiten. I 3:149; 4: 514-26 a; 6:151,
212, 239; II 1 : 1, 7, 124/6, 146; III
1:21, 77/7 a, 97/8, 101; IV 2a: 92;
5 : 283/4.
Jesuitenbibliothek. I 3 : 188/8 a.
Jesuitendraraen. III 4 : 13, 21/26.
Jesuitenkirchen. I 11 : 125-30.
Jesuitenkolleg in Ilildesheim. III 2 : 11.
Jesnitenkomödie. I 4 : 73; 6 : 244.
Jesuitenmoral. II 6 : 198.
Jesuitenorden. I 6 : 100, 151/2, 239;
IV 2 a : 62.
Jesuitenschauspiele. I 3 : 39.
Jesuitenschulen (s. a. Schulen). II 1 : 1.
Jo.ichim I. V. Brandenburg, II 6:29;
7:40.
— II., Kurf. V. Brandenburg. II 1 : 140
6 : 24, 153.
— B. II 1 : 35.
— Jos. IV 1 a : 50.
— Karl V. Brannsvhweig. II 2 : 20;
III 2 : 5.
Jodler. I 5 : 266.
Jöcher, C. G. III 5 : 44.
Jördens, K. H. IV 2a: 77.
Johann, König v. Sachsen. IV 1 c : 35.
— Herzog v. Sachsen-Weimar. 1 6 : 235.
— Erzherzog v. Üesterreich. IV lc:3;
4 : 202.
— Pfalzgraf. II 7 : 32.
— V. Bayern. II 2 : 31.
— Bischof V. Eichstätt. II 7 : 13.
— Bischof V. Meissen. II 1 : 140.
— V. Köln. I 3 : 69.
— V. Neumarkt. II 1 : 73.
— Friedrich, Kurf. v. Sachsen. II 1 :
140; n 6: 17, 24, 56.
— Moritz V. Nassau. III 1 : 123.
— Peter de Memel. III 5 : 16 a.
— Wilhelm, Herzog v. Jülich. II 1 : 153.
V. d. Pfalz. III 1 : 62.
— — Sachsenherzog. I 4 : 192.
Johanna Elisabeth, Fürstin v. Anhalt-
Zerbst. IV Ic : 9.
Johannisbräuche. I 5 : 28.
Johannisfeuer. I 5 : 53.
John, A. lY 8a: 161.
— S. III 2 : 39
Jökai, M. IV 2a: 53.
Jonas, Just. I 4 : 563; II 1 : 140; 6 :
24, 47, 126/9.
Jordan, Gregor. I 3 : 246.
— P. IV 1 a : 47.
— Sylv. IV 5 : 550.
— W. IV 5: 182, 430; 10:71.
Josema, H. I 3 : 122 ; III 5 : 8.
Joseph II. Kaiser v. Oesterreich. I 6 :
100, 225, 234; IV lo: 66.
Drama. III 4 : 26, 38.
Journal, Tiefurter. lY 2 a : 72 ; 8 a : 34 b.
Journalisten. IV 5 : 499-511.
Journalistik s. Zeitungen.
Jude im Dorn. I 10 : 31.
— Sage vom ewigen. I 3 : 120; 5 : 226.
Sachregister.
Juden. I 4 : 535-47 ; 5 : 356 ; IV 8 b : 12.
Jadenbach. I 4 : 394.
Judendentsch. I 5 : 290.
Jndoons, Dr. II 1 : 140.
J&dische Sprächwörter. I 5 : 320.
Jülich. I 4 : 412.
Jflngling, D. (Wochenschrift). 111
5:49.
Jugendlitteratur. I 3:68, 145/6; 6:80,
176.
Juillerat, J. H. 111: 288.
Junclcheim. IV 2a :20.
Jung, Albertine. IV 4 : 22.
— Joach. I 6 : 20.
Stilling, J. H. I 6 : 238; 7 : 137;
IV Ic: 113; 5:513: 7:5.
Junges Deutschland. IV 1 c : 137, 145,
159; 11 : 1/3.
— Oesterreich. IV 1 a : 38.
Jungfer, H. IV 4 : 56.
Jungfrau mit d. goldenen Hauren. I
5 : 228.
Jungfrauen, D. drei. I 5 : 145.
Jurisprudenz. I 6 : 159.
Juristendeutsch. I 8 : 146/7.
Jus reformandi. III 1 : 5.
Just (Ereisaratmann). IV 10 : 47.
Justinus, 0. IV 4 : 94.
Jutta. II 4 : 1.
Kabbala. II 1 : 93: 7:23.
Kärnten. I ö : 269-71 : 11 : 245,6.
Kästner, Albr. G. IV 5 : 11, 30; 6 : 13.
Kaffee. IV 2 a : 62.
Kaiser, Joh. II 7 : 42.
— u. Abt. I 10:33; IV 2a: 53.
Kaiserbede. I 4 : 211.
Kaiseridee. IV 2b: 104.
Kaisersage. I 10 : 16.
Kaiserslautern. I 6 : 220.
Kaisertum. I 1 : 103.
Kalau. I 4 : 29.
Kalb, Charlotte v. IV 1 a : 22; 9 : 17/8.
Kalbsrieth. IV 9 : 18.
Kalchberg, N. G. Ritter y. IV la:33;
2a: 2 4.
Kalckreuth, Friedr. Graf v. IV 2a: 100.
Kalender. I 3 : 76; 4 : 144,6; 6 : 62, 243.
— Gregorianischer. U 1 : 1, 7.
Kalff, P. II 4 : 4.
Kalidasa. IV 9 : 52.
Kaiisch, D. IV 1 c : 147.
Kallenberg, Jak. 111: 216.
Kalvinismus. I 4 : 96; III 1 : 86/7.
Kant, I. 1 1 : 89; 6 : 238; 12 : 11, 14,
74, 111 la; III 5: 20a, 61 ; IV lc:20,l,
94, 97, 123; 2b : 1; 5 : 101/2, 106-29,
154, 284,462; 7:6, 10,13; 9:38,
70; 10:51.
— J. H. IV 1 c : 164.
Kanzlei. I 8 : 8-11; II 1 : 73; 7:6.
Kanzler. I 6 : 93
Kapitalismus. I 8 : 135.
Kappel. I 11 : 140.
Kapuzinerorden. III 1 : 99.
Karl IV., Kaiser. II 7 : 6.
— V., Kaiser. I 6 : 16; II 1 : 36, 38,
57/8, 61, 140, 147/8, 151.
— VI. 16: 225, 234.
— Erzherzog v. Oesterreich. I 6 : 234 ;
IV 5 : 538,9.
— Prinz V. Mecklenburg-Strelitz. IV
2a: 22.
— August, Grossherzog v. Sachsen-
Weimar. IV 1 c : 11, 14, 73, 133; 5 : 23;
8b: 2, 7, 17, 28.
— Eugen, Herzog v. Württemberg. IV
1 c : 36.
— Friedrich, Markgraf t. Baden. IV
Ic : 11; 5 : 535.
— Gustav, Pfalzgraf. III 5 : 10.
— Ludwig, Kurfürst v. d. Pfalz. III
1 : 126.
— — Erbprinz v, Baden. IV 1 c : 11.
Karlowitz, Christoph v. II 6 : 24.
— Friede v. lU 1 : 61.
Karlsruhe. I 4:429; 11:10.
Karlssage. IV 10 : 71.
Karlstadt, Andr. II 6 : 13, 177, 180.
Karneval. II 1 : 140.
Karoline Luise v. Weimar. IV 8b: 41.
Karpff, E. IV 4 : 100.
Karr, Th. IV 4 : 202.
Karrer, B. I 3:75.
Karschin, Anna Luise. IV 2a: 21/2, 55.
Kaspar v. d. Bhoen. II 1 : 86.
Karten. I 3:29.
Kartenspiel. I 4 ; 67,8; 5 : 103.
Kasimir, Markgraf t. Brandenbarg. II
1:34.
Kataloge. I 3 : 270,4.
Katechismen. II 6 : 27, 48, 73-90, 175,
188.
Katharina IL, Kaiserin v. Bussland. IV
1 c : 9, 42.
— Königin v. Westfalen. IV lc:8.
Katharsis. I 12 : 11, 220.
Katholizismus. I 1 : 37 8, 154/5; 5 : 11/5;
II 1:1; IV 2b: 86.
Katona, A. IV 4 : 222.
Katzensporn. I 5 : 96.
Kauffmann, Angelika. I 11:27S;9; IV
9 : 19.
— Chr.' IV 5 : 30.
Kaufmann. 1 4 : 255.
— Alex. IV 2 b : 108.
— Herm. I 11:284.
— Mathilde. (= Amara George.) IV
2 b : 108.
— Phil. IV lc:22.
— V. Venedig. I 10:36.
Kaufmannsdeutsch. IS:14S/9a.
Kanfringer, Andr. II 1 : 13,
Kaulbach, H. I 11 : 368.
— Josepha. IV 1 c : 149.
— Wilhelm v. 111: 294,4 a. ; IV 1 c : 40,
90, 145, 149; 8e:85.
Kautzsch, Joh. II 7 : 13.
Kaweran, G. II 6 : 10, 70, 130.
— W. III o : 5.
Kayserlingk, v. 16: 236.
Keferstein, Ch. 16: 215.
Kegler, J. 14: 146.
Keil, J. G. IV 1 c : 94.
Keiter, E. IV 10 : 99.
Keller, A. v. II 1 : 73; IV 10:107,
124/5.
— G. I 7 : 110; 12: 254; IV la: 50;
Ic: 145, 147; ld:73;2b: 119; 4: 169,
276; 5:423, 545; 11:43.
— Heinr. I 11 : 233.
Kellner, L. 16: 69-70, 253.
Kels, Hans. I 11 : 253.
Kemnat, Matthias v. 16: 116.
Kemner, Timann. II 7 : 30.
Kempen. I 4:321; 11 : 93.
Kempten. I 6 : 88.
Kern, Fr. 17: 102.
Kerner, Just. IV Ic :72; 2b : 6/7, 13,
17; 5:78; 10:40, 105, 107, 139-4L
— Konr. I 3 : 72.
Kerssenbroick, H. v. II 1 : 24.
Kestner, Charlotte (^= Lotte Bnff).
IV 8b: 13, 36-37 a.
— E. W. E. J. IV 8a : 172; 8b : 36.
— J. C. IV 8d: 19-20.
— Theodor. IV 8b : 13.
Ketteier, Em. v. IV 5 : 578.
Kettenbücher. I 3 : 40.
Keysere, Peter de. I 3 : 85.
Keyserling, Graf D IV 1 c : 33.
Kiel. I 4 : 357/8.
Kielland, A. L. I 12 : 316.
Kiennast, F. IV 4 : 290.
Kierkegard, S. I 12 : 316.
Kiesewetter, K. U 1 : 176.
Kiessling, H. IV 5 : 371.
Kiffhäuser. I 5 : 142.
Sage. I 5 : 142/4; IV 2b : 47.
Kilian, E. I 12 : 231.
— Brustfleck. III 4 : 28.
Kinck, H. I 12 : 370.
Kind, Frd. IV lc:121.
Kinderlieder. I 5:213, 290; IV
2 b : 98.
Kinderroann,Balth.(Curandor). III 5: 5.
— F. 1 6 : 58, 225.
Kinderreigen. I 5 : 258, 279.
Kinderreime. I 5 : 270, 276, 287.
Kinderspiele. I 5 : 270, 286.
Kinderstube, Kunst in d. 1 11 : 3.
Kinderursprung. I 5 : 150.
Kindscher, L. IV 2 b : 102.
Kinkel, Gfr. IV 1 c : 145, 157; 2b : 108;
5:507.
Kinsky, F. J. Graf v. 16: 225.
Kipper u. Wipper. III ö : 7.
Kirchenbau. I 11 : 160.
Kirchenbücher, I 3 : 74, 179.
Kirchenlied. 112:194; 13:53/7; II
1 : 7, 86, 88; 2 : 1/6; 6 : 189. (^S. auch
Lied, geistliches.;
Kirchenmöbel. I 4 : 274.
Kirchenvisitationen. II 1 : 140.
Kirchhoff, H. W. II 3 : 21; 4 : 35.
— Theod. IV la: 16.
Kirchmann, J. W. v. I 12 : 14.
Kirchner, Th. I 13 : 165.
Kisfaludy, K. IV 4 : 52.
Kiss, Aug. 111: 339.
Kistler, B. 13: 72.
— Cyrill. 1 13 : 153/4.
Kittel, K. III 2 : 5.
Kitzingen. II 1 : 22.
Kjärape-Viser. IV 1 : 127.
Klagenfurt. 1 4 : 482.
Klapperkes. I 5 : 97.
Klassizismus. I 1:15, 89, 97, 117,
141 ; I 3 : 247 ; 7 : 33.
Klaucke. IV 8e : 5.
Klauer, F. G. IV 2 b : 102.
Klaus V. Graveneck. n 1 : 27.
Kleberg, H I 4 : 151 ; II 1 : 63.
Klee, G. IV 10 : 37.
Kleediz, J. IV 4 : 28.
Kleiber, M. II 2 : 21.
Klein, B. I 13 : 1056.
— (Stadtjustizrat in Tilsit). IV 1 o : 26.
Kleindienst, B. II 6 : 15.
Kleinlawel, M. 11 3 : 55.
Kleinstädter. I 4 : 165.
Kleist, Ew. V. IV la : 48; 2a : 12, 20;
5:30.
— F. V. IV 4 : 21 2, 220.
— H. V. I 7:5; 12: 142, 165; IV
Ic : 81. 121, 158, 160: Id : 3;
2b: 22/4; »4: 53-78, 117, 204, 212,
220, 228, 237, 243; 8b: 21; 8e:29;
9:71, 164; 10:9, 63, 71.
Retzow, H V. IV 5 : 554, 605.
Klenke, Frau v. (geb. Karschin). IV
2a: 13.
Klerus. I 3 : 149.
Kletke, H. IV 2b: 5.
Klettenberg, Susanna v. III 5 : 33/4 ;
IV 8b :28a; 8d : 30.
— W. V. 111: 79.
Kleve. 1 11 : 93, 256.
Kling, Konrad. 11 6 : 15, 192.
Klingemann, A. I 10 : 24; IV 4 : 100.
Klinger, F. M. v. IV ld:66; 4:7/8,
11,2; 8b: 12; 8e : 85.
Klinggräff, F. v. IV 1 c : 34.
Klingler, B. 13: 125.
Klöster. I 3 : 175/6.
Klopmann, E. v. IV 1 c : 165.
Klopstock, F. G. 16: 184, 238: 7 : 44,
57, 110: 8: 34; 10:45; 12:190; IV
la : 3, 22,3, 48; Ic : 65, 67, 97, 100;
Id : 3; 2a : 5, 14, 20, 2:3,6, 28, 30/1,
55; 4:62; 5: 1; 8b: 27; 8d:4;
10 : 71, 73.
Klosterbücher in Lyon. I 3 : 108.
Klotz, Ch. A. IV 2a: 22,3; 7:19;
8 e : 22, 88.
Kluckhohn, A. v. IV 5 : 327,8.
Kluge, Aug. IV 1 c : 73.
Knapp, Graf AI. Alb. IV 2b : 17.
Knebel, K. L. v. IV lc:65; 2a: 24,
18,9: 8a: 50; 8b : 2, 50; 8c: 11, 16;
9 : 22.
— Hauptmann v. IV 8b : 44.
Kneiplied I 12 : 194.
Kneipp, S. I 3 : 110.
Kniebs, Nik. H 6 : 40; 7:33.
Knigge, Ad. v. IV 5 : 30.
Knittelverse. II 4 : 14.
Knobeisdorf, W. v. I 11 : 266.
Knorr, W. 1 2 : 35.
— V. Rosenroth. II 2:3.
Knorring, J. L. v. IV lc:47; 10:
39
Knortz, K. IV 1 a : 16.
Knutzen, M. III 5 : 61.
Kobell, Frz. v. IV 1 c : 40.
Koberstein, Aug. IV 1 c : 105.
Koblenz. I 11 : 93.
Koch, Fr. I 6 : 204.
— G. IV 2a: 18-9.
— H. G. IV 4:371; 8e : 10.
Kochbücher. I 3 : 247.
Kochem, M. IV 4 : 285.
Kock, P. de. I 12 : 309.
Koegel, R. IV 5 : 605.
Köhler, Beinh. I 2 : 30 1; IV 8a: 169.
— (Lausitz). III 4 : 17.
Köln. I 4:225; 11:71, 125/6, 240;
n 1 : 1, 50, 146.
Königsberg. III 5:61.
Königstochter, d. nicht lachen konnte.
I 5 : 238.
Köpke, R. IV lc:81.
Körber, G. W. IV lo:94.
KÖrmöczbäny. I 5 : 275/6.
Sachregister.
Körner, Chr. G. I 12:14; IV la:22,
27; lc:135; 2a:103; 9:19,22,62.
— Minna. IV 9 : 62.
— Theod, 16:176; 7:5; IVla:6,
32; lc:23, 84, 137, 140, ln8; Id:
82, 49, 73; 2a ; 70, 94-111; 4:38,
44-52
Musenin. IV 4:50; 9:19.
Köslin. I 11 :96.
Kösting, E. IV 4 : 100.
Köstlin, F. IV 2b: 119.
— Jul. II 6 : 64, 91.
— K. I 12:74.
Koffka, E. IV 4:402.
Kohl, J. G. IV 5:432 a.
Kohler, J. IV 4 : 867.
Kolberg. I 4 : 194.
Kolde, Th. II 6:58.
Kollmann, Jos. IV la:33.
Kolonie, deutsche. II 1 : 30.
Kolportagerotnane. IV 1 a : 32.
Komarek, J. N. IV 4:1.
Komische, D. I 12:49, lll/la.
Kommnnismus. 11 1 : 19.
Komödianten. In: Dänemark III 4 : 35.
Riga III 4 : 34. Englische I 13 : 58 ;
II 4:34; III 4:4, 33, 44; IV 4:25.
Komödie. I 12 : 15 c, 16, 144, 235/8,410.
Komponisten. I 13 : 61-167.
Konewka, P. 111: 344.
— W. IV 8 e : 85.
Konfirmation. I 5 : 37.
Konkordienformel. II 1:1, 7.
Konrad v. Fussesbrunnen. IV 10:128.
— V. Würzburg. IV 10 : 130.
Konstantin, Prinz v. Weimar. IV 1 c : 11.
Konstanz. I 4 : 432.
Kopisch, A. IV 2b: 111.
Kopp, Jos. IV 2b: 39.
Koreff, J. F. IV 10 : 7.
Korff, H. V. IV 1 a : 38.
Korraart, Ch. III 4 : 17.
Korn, Wilhelmine. IV 4:421.
Korntheuer, J. IV 4 : 1S9, 375.
Kortum, K. A. IV 5 : 13.
Kosegarten, L. Th. IV 2a: 2,4.
Kotzebue, A. v. IV la:2: lc:42,
114, 124; ld:15, 70: 2a: 67; 4:1,
38-42, 182, 202, 223, 441,452: 5:30,
399 ; 8b; 22.
— W. V. IV 8e:52.
Krafft-Ebing, R. Frhr. v. IV 10 : 68.
Krag, W. I 12 : 370.
Kralik, R. I 12 : 111/1 a; IV 4 : 308.
Krankheit. I 5:22/4, 93, 95/7.
Krantz, A. II 3 : 94.
Krapfeld. III 2:4.
Krastel (Schauspifler). IV 8e:92.
Kratz, H. I 12 : 78, 82.
Kraus, X. III 5 : 10.
Krause, K. Chr. Fr. IV 5 : 141/4.
— K. E. H. 12: 33.
Kreditverhältnisse. III 1 : 42.
Kreling, W. IV 8e:85.
Kremnitz. I 5:273.
Kremsier, Nik. v. II 7 : 6.
Kretsohmann, K. F. IV 2a: 15, 27.
Kreutzer, C. IV 2b: 102.
Krieg, 30j. I 4:343, 375; III 1:7.
Kriegsartikel. I 4 : 192.
Kriegskunst. I 6:205/6.
Kriegslieder. IV 2a: 28.
Kriegsrecht. III 1 : 39.
Kriegswesen. I 4 : 189-96.
Kringsteiner. J. IV 1 a : 2 ; 4 : 41 1 ;
8e:62.
Kriegswissenschaft. I 3 : 128.
Kritik. I 1 : 56-61, 149-53; 12 : 70,
116-22.
Kroeker. IV 8a: 148.
Kromayer. I 6:22.
Krones, Therese. IV 4 : 187.
Krufft, Nik. Frhr. v. IV 2a: 109,
Krug, W. Tr. IV 1 c : 121.
Krnmmacher, F. A. IV ld:7; 2b: 5.
Kruse, H. IV 8a: 111.
Kryptokalvinismus. 13:248; 6:17,
Kudrun. IV lc:137.
Kfigelgen, G. v. IV lc:13.
Köhn, Sophie v. IV 10:13, 47.
Kühne, G. 17:86; 10:26; IV lo:
145, 156; 2b ; 42; 9 : 144.
Künstlerisches Schaffen. I 12 : 16,
91-106, 112, 165.
KOnzel, W. IV 10 : 60, 72.
Körnberger, F. IV Ic : 86; 4 : 269.
Kürschner, J. IV 2a : 2/4.
Kugler, F. IV 1 c : 147.
Knh, E. IV 4:245; lc:81.
Kulmus (Fräulein). III 5 : 61.
Kultur d. Gegenwart. I 4 : 16.
— d. Mittelalters. I 4 : 18 a.
Kulturgeschichte. I 4. — I 1 : 24'7; II
1 : 115-39, 153.
— Begriff d. 14: 1/8 a.
— System d. 14:9.
Kulturpflanzen. 14:13.
Kuno, E. IV 8a: 111.
Kunst, Bildende. I 1 : 60,1; 11 : 3/5;
12:3, 13, 55/7, 66, 70, 74, 91,3, 116,
136; II 1:7, 74, 82, 103.
— u. Ethik. I 12 : 14, 91/4.
— Wesen d. I 12 : 58b-62, 74.
— n. Natur. I 12 : 68-73.
— u. Kritik. I 12 : 91/3, 116-22.
Kunstakademie s. Kunstschule.
Kunstgenuss. I 12: 91,3, 111,2.
Kunstgeschichte. I II. — I 1:8.
Kunstgewerbe. I 12:58.
Kunsthandwerker. II 1 : 82.
Kunsthistoriker. I 11:2, 384-410
Kunstkritik. I 11:1, 3, 28-43; IV
la: 3; 5 : 409-31.
Kunstlehre. I 11 : 1, 19; IV 5 : 410.
Kunstsammlungen. 1 11 : 197-200.
Kunstschulen. I 3:22; 11:6. In:
Anhalt I 11 : 100. Böhmen I 3 : 24.
Köln I 3 : 23. Minden I 3 : 23. Wien
I 11 : 449.
Kunstunterricht. I 11:1, 10.
Kunze, Julie. IV 2 a : 99.
Kupferstich. I 11 : 411-29.
Kurländer, A. IV 4 : 212.
Kurland. III 1 : 43/4.
Kurowski- Eichen, F, v. IV 8b : 1.
Kurz, F. III 4 : 30.
— H. IV 2b: 14, 17; .5 : 385.
— Isolde. IV 1 a : 17.
— J. V. IV 4 : 1, 393, 396, 406.
— M. IV Ia:33a.
— Teresina. IV 4 : 406.
— -Bernardonsche Truppe. IV 6 : 18.
Kurzschrift. I 3 : 5-19.
Kyd, Th. III 5:2.
Kyffhäuser s. Kiffhäuser.
I^abadie, J. de. III 5 : 23, 31.
Lachmann, K. I 1 ; 42; 2 : 1, 16-23;
IV 5:3623; 10 : 9.
Lachner, F. IV 2b ; 102.
Lacroix. I 4 : 18 a.
Lächerliche, D. I 12 : 49.
Lafontaine, J. 112:204; IV2a:ö,
20; 6:32.
Lagarde, P. de. I 12 : 107; IV 5:322,
624.
Lagomarsini. II 6 : 33/4.
Laharpe, Fr. C. IV 1 o : 42.
La Martelifere, J. H. F. IV 9 : 77.
Lamartine, A. de. I 12 : 144; IV Id : 26;
10:5.
Lamberto, B. II 7 : 14.
Lampe (Hasenname). I 5 : 357.
Lampel. I 7 : 18.
Landkarten. I 3 : 69 ; II 1 : 109-10.
Landmann, Oberst. IV 1 o : 51.
Landolt. J. H. IV 1 c : 46, 50.
— R. 16: 77.
Landschad, Hans, v. Neckarstein.ach.
II 1:64; 6:165.
Landschaftsmalerei. I 11:432.
Landschrannengericht. I 4 : 445.
Landsknechte. I 4 : 193.
Landwirtschaft. I 6:205/6.
Lang, H. 111: 333,4.
— K. H. V. I.V 5 : 513, 550.
— M. II 6 : 30.
Langbehn, J. IV 5 : 445, 628.
Lange, F. A. IV 5:227, 292, 447,8.
— F. S. IV 5 : 1.
— G. S.- IV la:48; 2a : 5, 18-20.
— Joh. II 6:44.
Langen, R. v. II 7:30.
Langenstein, H. v. II 7 : 18.
Langewische, W. IV 1 a : 17.
Langfeld, J. II 7 : 15.
Langmantel, V. II 1 ; 164.
Laokoon. I 11 : 8.
Lappe. IV 2a: 1.
Laprade, V. de. I 12:327.
Laroche, K. v. IV 1 c : 157.
— Sophie V. IV 1 0 : 66.
L'Arronge, A. I 12:149; IV 4:314,
367; 8e:109.
Lasker, Ed. IV 5:606.
Lassalle, F. IV lc:95/6, 147, 156;
5 : 133, 568,9.
Lassberg, Frhr. Jos. v. IV Ic :74;
2b : 81; 10: 9.
Lasterpersonifikation. II I : 92.
Lateinschrift. I 3 : 117.
Lateinschule s. Schulen.
Latendorf, F. IV 2a : 99.
Lanbach (Hessen). I 4 : 399.
Lauban. I 11 : 82.
Laube, H. I 7 : 86; IV Ic : 81, 9,5, 140;
4 : 86, 200, 214/5, 228, 237, 243, 260/1,
314, 352, 375, 465, 472 ; 9 : 144; 11 : 27.
Laubenberger, Ch. II 3 : 78.
Landes d. 14. n. 15. Jh. 13: 120.
Landes, J. IV 4 : 1.
Laun, Fr. IV la: 2.
Lauremberg, H.W. I 1 : 93 ; III 5 : 12/5.
Lauser, W. IV 1 d : 89.
Lautiermethode. I 6 : 61.
Lavater, J. K. I 6 : 61 ; IV la ; 22;
Ic : 20, 46, 67, 124, 133; 5 : 30, 75,
256,7, 513, 535; 7 : 15; 8b : 28a, 47;
8d:30; 9: 19; 10:47.
L'Averdy. IV 9 : 123.
Lazarus. II 4 : 13.
Lebret, Louise. IV 10 : 58.
Le Brun, Vigee. 111: 260.
Lecouvreur, Adrienne. I 12 : 15 c.
Le Franc, M. IV 9 : 109.
Legenden. II 4 : 1.
Lehrerbildung. I 6 : 57.
Lehrer-Instruktion. I 6 : 226, 229.
Lehrmittelausstellung. I 3 : 215.
Lehrpläne. I 6 : 20, 204; 7:4.
Lehrs, M. I 11 : 171.
Leibesübungen. I 6 : 250.
Leibniz, G. W. v. III 1:112: 5 :51/6;
lVla:3; 2a • 20; 5 : 11; 6:20, 40.
Leirabach, K. IV la: 15.
Leinburg, G. v. IV 2b : 109.
Leipzig. 14:158, 3t>7; 11:83; Ul
5 : 61; IV 8b : 1.
Leisewitz, J. A. IV 4 : 15.
Leitenberger, Johanna. IV la:15.
Leitner, C. G. v. IV la : 33; Ic : 86.
Lektionspläne. I 6 : 158.
Lektüre. I 1 : 154 6; 6 : 250; 7 : 31.
Lemnius, S. II 1 : 140, 155; 6 : 945.
Lenau, N. I 12 : 190; IV Ic : 74, 81 ;
Id : 74; 2b: 17, 81, 114; 5:57;
9 : 165.
Lenbach, Fr. v. I 11 : 375.
Lenepven, Ch. IV 9: 110.
Lengefeld, Charlotte v. IV 9 : 22.
Lennig, F. IV 2b : 43.
Lensing, Emilie. IV 4 : 247.
Lenz, G. IV 1 c : 101.
- J. II 3 : 67.
- Joh. Erdm. IV le: 101.
- J. M. R. IV 1 d : 65; 2a : 54; 4:9,
10,2; 5:257,8; 8b : 33.
— M. II 1 : 59, 152.
— (Bergrat in Jena). IV 8b : 2.
Leo X., Papst. II 1 : 151.
- XIII., Papst. I 3 : 148, 187.
— H. IV 5 : 322.
Leon. IV 2a: 2/4.
Leonhardi, J. IV 4 : 1.
Leopardi, G. Graf. I 12 : 190; IV lo : 94.
Leopold, Grossherz. v. Baden. I 6 : 103.
— V. Oesterreich. I 6 : löl.
Lepsius, R. IV 1 c : 91.
Lermontow. IV 2 b : 70.
Lerse, H. IV 8b : 2, 12.
Lesebücher. I 7 : 49, 92-133.
Lesegesellschaft, Würzburger. I 4 : 130.
Leselicenzen. I 3 : 276.
Lfcslie, Ch. R. I 11:8.
Lessing, G. E. IV 6. — I 1 : 106; 7 : 1,
56; 8 :39: 11 : 8; 12:9, 11, 267;
II 6:42; III 5:61; lY la: 1,3;
lc:66, 148; ld:46; 2a:12; 4:6,
150, 165, 203, 319, 375, 395; 8a : 32;
8d:4, 22; 8e : 20; 9:165; 10:43,
124. Dramaturgie 17:47, 61; IV
6 : 36/7; 8e : 1. Emilia Galotti I
7 : 34, 42; IV 4 : 12, 264; 5 : 23; 6:7,
201. Fabel I 7 :,62a; 12 : 202 3; IV
6 : 30 2. Faust III 5:3; IV 4 : 180;
6 ; 14;7. Freigeist IV 4 : 396. Horoskop
IV 6 : 40. Juden IV 6 : 22. Kleinig-
keiten IV 2a : 189. Laokoon I 12:57;
IV 6:1, 33,5. Litteratnrbriefe IV
6 : 41. Matrone v. Ephesus IV 6 : 19.
Minna v. Barnhelm 17:5, 41, 59-60;
IV ld:45; 4:218, 396,406; 6:7,
178. Nathan 17:59, 62; IV lo: 95;
Sachreg-ister.
ld:47; 4:7; 6:22/9; 8b : 12; 9 : 50.
Philotas I 7:5, 59. Sara Sanipson
IV lc:65; 2a: 18,9. Senecastudie
IV 10 : 124. Stammbuchverse IV 6 : 2.
Uebersetzungen I 8:36/8; IV 6: 11.
— Theoph. IV 5:514; 6:12.
Leto, Pomponio. II 7 : 67.
Leu. H. 1 11 : 216.
Leuchsenring, F. I 6 : 238: IV 5: 2.
Leuschner, Chrn. III 2 : 39.
Levetzow, Ulrike v. IV 8a: 17; 8b : 39,
40a; 9:21.
Lewald, A. IV 1 c : 147.
— Fanny. IV lc:157; 4:80.
Lewinsky, J. IV 1 c : 157 ; 2 b : 70.
Lewis, M. G. IV la:2.
Lexer, M. v. 12: 27 Ö.
Lexika, Biographische. I 1 : 163-70.
Lexow, Fr. IV la:]6.
Liber regum. I 3:98: 11 3:59.
Lichtenberg, G. Chr. IV lc:115, 123;
4:202; 5:24/9, 537, Ö73, 611.
Lichtenstein, Schloss. I 11:255.
Liohtwer, M. G. IV 1 a : 48 ; 1 d : 7.
Lie, J. I 12:371.
Liebe, G. U 1 : 154.
— Buch d. 13: 125.
Liebermann, M. 111:356/8.
Liebesbriefe, Altdeutsche. II 2 : 42.
Liebesgarten, D.Meister mit d. 1 11:414.
Liebeslieder. I 5 : 299; IV 2b : 98.
Liebeszauber. I 5 : 89.
Liebich (Theaterdirektor). IV 8b: 12;
8 e : 54.
Liebig, J. v. IV lc:90,l, 117; 5:450.
Lied, Geistliches. I 13:53,7; lY 2a: 1,
79-81. (S. auch Lyrik.)
— Weltliches. I 13:43-52.
Liederbuch, Jaufener. II 2 : 37.
Liedersammlungen. I 13 : 44/5.
Liegnitz. I 11 :82.
Liezen-Meyer, A. IV 8 e :85.
Liga V. Canibray. II 1 : 19.
Liliencron, D. 1 12 : 302. 416,7 ; IV 1 a: 9,
18.
— B. V. III 5:48; IV lc:145.
Lille, G. IV 8d:19.
Limborch, Ph. t. IV 11 : 55.
Linck, W. II 1:71: 6:47, 1.30.
Lindau, P. IV Ic : 156; 4 : 367, 373.
Linderaann (Eektor). I 6:213.
Lindener, M. II 3 : 33 ; III 3 : 5.
Lindenschmit, L. 12: 36/7.
Lindner, A. IV la:46.
Lindsay. II 6:2.
Link, A. IV lc:109.
Lionardö da Vinci. II 1 : 74.
Lipps, Th. I 12:70, 211/2.
Lipsius, A. II 6:103: IV 5:268.
Liscow, Ch. L. IV la : 3, 48; IV 5 : 6.
Lispelnde Schwestern. I 10 : 32.
Liszt, F. 1 13 : 141/3 ; IV 1 a : 41 ; 1 c : 75,
81, 145, 1567; 2b: 4.
Litten. F. V^. IV 1 d : 92.
Litteratur, Deutsche. I 3 : 148^50; 6 : 62,
78,9, 84; IV la : 12; im Ausland IV
Id. - England I 1 : 107; IV 2a: 34.
Frankreich I 1 : 104,6b.
— in d. Schule. I 7.
— Antike. I 6 : 84.
— Jüdische. I 4 : 540.
— Plattdeutsche. I l : 93.
Litteraturgeschichte. I 1. II l. III 1.
IV la. IV Id. — I 7 : 134; 12 : 144.
Litteratnrwissenschaft. I 1 : 51/4.
Liturgie. I 13 : 57, 73.
Litzmann, B. I 12 : 398; IV 4 : 20.
— C. C. T. IV 10 : 7, 53, 58.
Livins. II 7 : 67.
Livland. I 11 : 249.
Lobeck. I 6 : 75.
Lobedänze. I 5 : 176.
Lobkowitz, B. II 7 : 72.
Lobwasser, A. lU 2 : 28; 5 : 63.
Locher, J. I 3 : 75; II 4 : 39; 7 : 42.
Löbau. I 4 : 320.
Loeben, 0. H. Graf. IV 1 c : 121.
Lohe, W. IV 1 c : 103.
Loen, J. M. v. IV 1 a : 3.
Löner, K. II 2:14; 6: 141.
Loenig, ß. IV 1 d : 62.
Loeper, G. v. IV 4 : 9.
Lösche, G. II 1 : 135.
Löscher, V. E. III 5 : 20.
Löwe, J. D. L. IV 1 c : 157.
Löwen, J. J. IV 2 a : 10.
Logan, F. v. 111 2 : 40; 3 : 10.
Logik. 18:6, 62.
Lohengrin. I 5 :152.
Lohenstein, D. Casp. v. III 2 : 38-40 ;
4:17; IV 2a:. 5, 27.
Lombardus, P. II 7:42.
Lombroso, C. 1 12 : 91,3, 101 b; IV 10:70.
Longfellow, H. W. IV 2b:15; 9:94;
10 : 142.
Lope de Vega. I 12:102; IV ld:93;
4 : 190, 200, 215, 222.
Lorch. IV 2a: 71.
Loredano, Giov. Fr. III 2:38.
Lorelei. I ö : 131.
Lorenz, ()hr. G. IV 9 : 19.
■- 0. IV 5 : 299.
Lorenzoni. IV 4 : 406.
Lorichins, J. I 6:99; II 1:1.
Lorinser, F. IV lc:lll.
Lorm, H. IV 5:75; 11:20.
Lorsch, Kloster. I 5 : 52.
Loserth, J. II 1 : 26.
Lotichius, P. II 1 : 172.
Lotter, M. I 3:83.
Lotze, R. H. IV 1 c : 91 ; 5 : 207,8, 226.
Louis Ferdinand, Prinz v. Preussen.
IV 5:492.
Louvier, Fr. IV 8e:76.
Loyola, I. v. II 1 : 124, 146.
Lubertus, H. III 5 : 5.
Lucas, F. K. IV 6 : 14.
Lucian. I 5:230; 10:5.
Luder, P. 16: 116.
Ludwig, I. König v. Bayern. I 8 : 51 ;
11: 254 ; IV 1 c : 15, 145 ; 5 : 322, 390.
— II. König V. Bayern. I 13 : 114/5.
— Grossherzog v. Baden. I 6 • 101/2.
— V. Grossherzog V. Hessen-Darmstadt.
I 6 : 106.
— VIII. V. Hessen-Darmstadt. IV 8 d ^9.
— Herz. V. Württemberg. II 1 : 154.
— Wilhelm, Markgraf v. Baden. III 1 :
53: IV 2a: 65.
— 0. I 10:21; IVlc :S1; 2b:70:
4:83/6, 129, 237, 271, 314, 375.
Lübeck. 14:208, 2345, 248, 344,6;
5 : 468, 73, 296; 11 : 129-30: II 4:4.
Lübke, W. I 11 : 384-95; 12 : 24 6: IV
Ic: 146/7.
Lücke, F.' 12: 13.
Lüders, H. IV lc:152.
Lüdinghausen. I 11 : 94.
Lüneburg. 111: 163.
Lüneburger Heide. I 5 : 86.
Lüttich. I 11 : 413.
Lnttkemann. J. III 5 : 22.
Lützow, Elisa v. IV 1 c : 22.
Luise, Königin. IV 2a : 15; 10 : 74.
— Charlotte. II 2 : 26; III 2 : 5.
— Kurfürstin v. Brandenburg. III 2 : 22.
— Dorothea, Herzogin v. Sachsen-
Gotha. IV la:39; 1 c : 12.
— Henriette, Kurfürstin v. Branden-
burg. 111 5 : 19.
— Herzogin v. Weimar. IV 8d : 5.
Lukios V. l'aträ. I 10 : 5.
Lukrez. IV 2 b : 104.
LuUian. IV 2a: 31.
Lur, H. II 7 : 13.
Lust u. Unlust. I 12 : 14, 46-50, 74,
76, 82, 111/1 a.
Lustspiel. IV 4 : 355/6.
Luther, Käthe. II 1 : 155.
— M. II 6:51-111. — I 1:89, 97;
6:8-9, 95; 7:1,56a; 8:29-32, 34,
54, 106; 10:48; 11:175, 185; 12:3,
267; 111:71, 128, 140, 155, 172;
2:2, 12; 3:50; 6:3, 9, 11/3, 17. 20,
22/3, 40, 44, 47,8, 112. 142, 175, 181,
185; 7:38,9, 42, 44. 62/3; IV2a:55;
5 : 322,462; 10:47. Aesopische Fabeln
II 1:88. An d. Christi. Adel II 6:
65/6. Bekenntnis vom Abendmahl
II 6 : 69. Bibelübersetzung I 8 : 33/4 :
II 1 : 88; 6 : 24, 56, 71,4. Brief an d.
Eatsherren 1 6 : 44. Briefe II 1 : 88, 158 ;
6 : 55/6, 59-60. Christi. Haustafel
II 6 : 88. Contra papistas II 6 : 56.
Deutsche Messe II 6 : 102. Enohiridion
I 6 : 248. Erklärung gegen S. Lemnius
II 1 : 140, 1,55. Jakobusbrief II (1 : 70.
Katechismus II 6 : 75-87. Lieder I 8 :
85: 12:194: 13:57; 112:2, 12.
Psalter II 1 : 88. Sendbrief vom Dol-
metschen II 1 : 88. Streitschrift gegen
d. Theologen d. Univ. Löwen n. Paris
H 6 : .58. Taufliturgie II 6 : 68. Thesen
II 6 : 109. Tischreden II 6 : 56, 60/1 ;
IV 1 c : 135. V. d. Freiheit e. Christen-
menschen II 6 : 67.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. lY.
Lutheraner. II 1:140, 146.
Luther-Oratorium. II 6 : 110a.
Spiel. IV 4 : 287.
Luthertum. I 6 : 106; II 6: 24.
Luthmer, H. IV la:22.
Lutz, H. II 3 : 79.
Luzern. I 4 : 205.
Lyceum s. Schulen.
Lyon. I 3:90, 108.
— 0. 17: 102.
Lyrik. II 2. III 2. IV 2a; 2b; 8c.—
I 7:44; 12:100a, 144. 188-201, 204.
— Bardische. IV 2a: 28.
— Geistliche. III 2 : 7-31.
— Neulateinische. II 7:4, 61/6.
— Religiöse. I 12 : 194.
— Revolutionäre. IV 2a: 35.
Lyrische Einlagen im Drama. IV 9:70.
Maas, Fr. IV 4 : 453.
Macaulay, T B. IV 1 d: 71; 2a: 76.
Macchiavelli, N. I 10 : 7; II 1 : 61; IV
5 : 319, 445.
Machner. M. III 2 : 39.
Mader. J. II 7 : 42.
Madrigal. I 3:127.
Madruzz, Chr. II 6:32.
Mädchenerziehung. II 1 : 128.
Mädchenschule a. Schulen.
Mädchenwettlauf. I 5 : 51.
Mähly, J. IV la:50.
Märchen. I 5 : 3:i, 43, 45, 153, 215,
220 a; 6:78,9; 12:203.
— V. d sieben Grafen. I 5 : 234.
Märchenlitteratur. 15:1.
Märchensamralungen. 15:200-20.
Märchenstoffe. I 5:220a-242.
Magazin für Litteratur. IV 4:114.
Magazinbibliothek. I 3:234.
Magdalena v. Bayern. II 1 : 153.
Magdeburg. I 4:171, 216, 371, 554;
111 1:32/3.
Magelone, D. schöne. 1113:1; IV
10:41.
Magenau. IV 2a: 1.
Mager, K. 16: 204.
Mahler, Discourse d. III 5 : 49.
Maibaum. I 5 : 60.
Maien, K. IV 1 c : 95.
Maifeste. 1 5: 60.
Maigerioht. I 5 : 60.
Mailand. I 4:237; 11 :435.
Mailath, J. Graf. IV 4:202.
Mailehen. I 5:60.
Mailieder. IV 2a: 34.
Maimon, L. IV 5 : 124.
Mainz. I 11:231; IV Sb :25,5a.
Maisch, G. II 1:25 a.
Major, E. III 2:39.
— G. II 1:173; 6:119, 145; 7:62/3.
Makart, W. IV 8e:85.
Maler. II 1:82.
Malerei, Karolingische. I 3 : 23.
— d. Renaissance. II 1 : 74.
Malerschule, Nürnberger. I 11 : 188.
Malerzunft. I 4 : 90.
Mallet. IV 2a: 27, 34.
Mallinckrodt, M. v. IV 5:601.
Malsburg, E. F. G. 0. Frh. v. IV
lc:69, 121.
Maltechnik. I 11:8.
Maltitz, Fr. v. I 7 : 86 ; 10 : 26 ; IV
9 : 144.
Maraeranus. II 6:12.
Mandelsloh, D. v. III 1 : 103.
Mandruzzo, L. II 1 : 146.
Mangold, P. III 5 : 63.
Mann, M. (Buchdraoker). I 3:111.
— im Monde. I 5 : 151.
Mannheim. I 11 : 448.
Mansfeld. I 11:99.
Manso, G. B. IV 8e:39.
— J. K. Fr. (Rektor). I 6:205,6; IV
8o:21; 9:60.
Mantegazza, P. IV 1 d : 35.
Mantegna, A. IV 8a: 150.
Manteuffel, E. v. IV lo:138.
Manthen, Joh., v. Geretzem (Buch-
drucker). 1 3 : 69.
Manuel, N. II 1 : 70.
Manzoni, A. IV 8e:30.
Marbach, J. I 6 : 165; II 6 : 136 a.
Marburg. I 6 : 142.
Marche, Olivier de la. II 3 : 18.
Mareen, F. L. IV ld:9.
Marees, H. v. I 11 : 11, 335/6.
Marenco, L. IV 4:204.
Marenholtz, Bertha v. IV 5:491.
(4)^6
Sachreg-ister.
Marggraff, H. IV 10 : 91.
Margites. IV 10:32.
Margueritte, P. I 12:306.
Maria, Landgräfin v. Hessen. I 6:236.
— Gräfin v. Schanmburg-Lippe. IV
7:15.
— Prinzessin v. Weimar. IV 8b: 13.
— Ludovika, Kaiserin v. Oesterreich.
IV 8b:45; 9c:25.
— Pawlowna, Grossherzogin v. Sachsen.
IV la:41; 8b:41.
— Theresia, Kaiserin. I 6 : 99, 152,
225, 234.
Laach. I 4 : 503.
Marienbad. IV 8b: 51.
Marienbnrg. II 1 : 31.
Marienlegenden. I 5 : 167.
Marienmirakel. II 4 : 1.
Marienthal (Buchdruckerei). I 3 : 83.
Marino, G. HI 2 : 38.
Marionettenspieler. III 4 : 41.
Marivaux, P. Ch. de. IV 10:99.
Marlowe, Chr. III 4 : 40; IV 4 : 220;
10 : 88.
Marmontel, J. F. IV 2a: 10, 73.
Marnef, de. 13: 86.
Marot. IV 2a: 20.
Marper, P. J. III 3 : 7.
Marquardt, Otto. IV lc:88.
Marschner, H. IV 2 b : 70.
Marterln. I 5 : 302, 304.
Martial. III 2:34; IV 9c: 20.
Martin, E. 17: 64.
Martini, J. Chr. HI 3:16.
Martinstag. 1 4 : 65.
Marx, K. IV 5 : 133, 507, 560/2.
Masenius, J. III 4 : 24.
Masius, H. IV 5:494.
Massmann, H. F. I 6 : 131; IV Ic : 151.
Massow, V. (preubs. Minister). I 6 : 167.
Materialismus. I 8 : 126; IV 5:44-53,
239
Mathematik. I 6 : 173/5; II 1 : lOT/8.
Matheaius, J. II 1 : 88, 138; 6 : 149-51.
Mathias, Kaiser. II 1 : 153.
— König V. Ungarn IV 2 a : 53.
Matrikeln (s. auch Schülerverzeich-
nisse). I 4 : 95;7, 106, Aachen I
6:89. Basel I 6:89. Freiburg i.
B. 16: 102. Giessen I 6 : 105.
Heidelberg I 6 : 115. Kassel I 6 : 106.
Matthäi, A. IV la: 17; 2a: 22.
Q^ I 13 • 92
Matthisson, Fr.'v. I 6 : 61; IV la: 2;
Ic: 21, 69, 124, 157; 2a: 1, 72/3, 75;
5:351, 618; 7:15; 8b:48.
Mau, J. 11 7 : 38.
Mauch, J. M. I ll:302a/3.
Mauke, J. M. IV 9:22.
Maupassant, G. de. I 12:288, 301,
316.
Maurenbrecher, W. IV 5:329.
Maurer, K. V. 1 1 : 119; IV Ic : 90.
Mauthner, E. IV 4 : 265.
Max, Gabr. I 11:381; IV 8e : 85;
10 : 140.
Maximilian I., deutscher Kaiser. I
3 : 75; 11 : 434; II 1 : 19, 36, 54/5, 161.
— IL, Kaiser. II 1:1, 44/5, 61.
— II., König V. Bayern. IV lc:40,
145.
— Herzog v. B;iyern. II 1 : 153; III
1 : 122.
— Erzherzog. IV 2a: 74.
Maxwell, P. IV ld:39.
Mayer, Aug. IV 2b: 7.
— K. IV 2b: 7; 10:106.
— Manfr. II 1 : 96.
— Eob. IV 5:453.
— Steph. IV 4:406.
Mayfarth. I 6 : 20.
Mayr, Chr. IV 10:68.
Mayrhofer. IV 1 c : 124.
Meckenem, J. yan. 111: 416.
Meckhart, J. II 6 : 188.
Mecklenburg. 13:217; 4:106, 207a,
211, 222, 342; II 1:86, 162/3; III
I : 16, 23, 136.
Medailleure. 1 11:445a.
Medea- Stoff. IV 4 : 200.
Medici, Cosimo de. I 3 : 186.
Medizin, Geschichte d. I 4:278/9;
II 1:104; IV 5:461/9.
Meerheimb, R. v. I 12 : 248.
Mehlmann, M. IV 2b: 3.
Meier, Joach. I 6 : 238.
Meinung, öffentliche. I 4 : 128.
Meisl, J. IV 4 : 189.
Meisner, Balth. III 5 : 22.
— H. IV 10 : 104.
Meissen. I 4 : 238.
Meissner, A. IV la:15; lc:8I; 8a:
151.
Meister, W. 111: 415.
Meisterbücher. I 3 : 73.
Meistergesang. II 1:7; 2 : 17-27 ; IV
6:25.
Meisterlieder. I 3:97/8; 10:32, 37;
III 3 : 12.
Meisterlin, Sig. II 7 : 13.
Meistersinger. II 2 : 22.
Melanchthon, Ph. I 3 : 38, 247 ; 4 : 105 ;
6:34, 107, 116, 176, 243; II 1:66,
140, 155, 158, 172/3; 6 : 16, 41, 47, 59,
111-23, 148, 176, 179, 186 a; 7 : 20, 31,
46-51 a, 62/3; 111 1 : 110.
Melissus, P. II 1 : 172.
Melusine, D. schöne. III 3 : 1 ; IV
10 : 41.
Memel. I 4 : 311.
— J. P. de. III 3:10; 5:16a.
Memmingen. III 1:21.
Memoiren. IV 1 c. —
— Musikgeschichtliche. I 13 : 35.
Menagins, Philemon, III 5 : 5.
Mendelssohn, M. I 12 : 11 ; IV 1 a : 23 ;
lc:65/6; 5:35, 284.
Bartholdy, F. I 13 : 101/4; IV
2b: 3.
Mendez, M. IV 2a: 34.
Mengering, A. 111 5 : 5.
Mengs, ß. IV 6:33: 8a: 59; 10:45.
Menius, Just. II 1 : 173.
Menke, B. III 2 : 32; IV 2a : 8.
Menlishofer. II 7 : 36.
Mensing, J. II 6:13.
Mensuralmusik. I 13 : 62.
Mentzel, Elisabeth. IV 9:11.
Menzel, A. I 11 : 354; IV 2b : 70.
— Wolfg. III 5:11; IV 2b: 39.
Mercier, L. S. IV 8e : 88; 9 : 143.
Merck, J. H. IV 5 : 533; 8b : 26.
Mercure de France. IV 4:6.
Mereau, Sophie. IV 1 a : 2 ; 2a: 2/4 ;
10:7, 63/6 (s. a. Sophie Brentano).
Merian, M. I 11 : 274.
d. Jüngere. 111 1 : 124.
Merimee, P. I 12 : 309; IV 4 : 204; 10 : 5.
Merk, Johanna Elisabeth. IV 1 a : 42.
Merkel, Garlieb. IV 1 c : 69.
Merz, Severinus. 1 6 : 224.
Mesmer, Fr. A. IV 5 : 78.
Mesnage, J. (Drucken. I 3:86.
Messerschmid, G. II 3:38.
Messkirch, Meister v. I 11 : 228.
Messrelationen. I 3 : 154.
Metagrammatik. 16:9.
Metaphorische, D. I 12 : 78, 107, 190 ;
IV 5 : 233/4.
Metaphysik. I 12 : 23, 74.
Metastasio, P. A. D. B. IV 2a: 23;
8e:30.
Methode, Litterarhistorische. IV 9 : 164.
— d. Poetik. I 12 : 144/6.
Methodik. I 1 : 1-75 ; 6 : 8-15, 20, 61,
69, 73.
Methodologische Schriften. 17:1-53.
Metrik. 15:2, 265; 12:31, 33, 113a.
Metternich, C. W. Fürst. I 6:146;
13:109; IV 10:29.
Metz. II 1 : 43.
Metzgersprung. I 4 : 63.
Metzler, J. 16: 205/6.
Meurer, M. 112: 58.
Meusebach, K. H. G. Frhr. v. IV Ic:
159; 2b: 99.
— Karoline. IV 2 b : 99.
Mensel, J. G. IV 1 c : 66.
Mevius, D. III 1 : 118.
Meyer, F. H. IV 8b: 2.
— F. J. L. IV 9 : 143.
— F. K. IV 8b:50:
— F. W. L. IV 4:20, 446.
— Hugo. IV ld:63; 8b: 21.
— K. F. I 7:110; IV ld:76; 5:545.
— Melch. IV lc:81, 90, 147.
— Eich. M. IV 10:11.
— S. H. IV 8d:5.
— V. Knonau, G. L. IV lc:42.
J. L. 111 5 : 64.
Meyerbeer, 6. IV 1 o : 95, 157 ; IV 4 : 80.
Meysenbug, Malvine r. IV 5 : 170/1.
Michaelis, Göttinger Professor. 1 6 : 108.
Michelangelo. I 11:196; 12:101a.
Michelet, J. IV 5 : 18, 215/6; 10:5.
Michiele, P. III 2 : 38.
Mignanelli, F. II 1 : 140.
Mignet, L. IV 11 : 28.
Milieu. I 1 : 62-75; 12 : 26a-26c.
Militärbildnngsanstalt s. Schulen.
Militärzeugnisse. I 6 : 166.
Militarismus. I 4 : 573/4.
Miller, J. M. IV lc:124; 2a: 33, 35.
Million, Achille. IV 1 d : 8.
Milow, St. IV 1 a : 17.
Milton, J. IV ld:68; 8e :78.
Mimik. IV 4 : 118, 321, 341, 354, 477.
Minnehöfe. I 4 : 120.
Minnelieder. I 7 : 49.
Minnesang. IV 2a: 35.
Minor, J. IV 10 : 9, 12,3, 41, 104.
Minoritenkloster. I 6 : 107.
Minucci, Minutio. II 1 : 146.
Miquel, J. IV 5 : 606.
Mirabeau, V. E. v. IV Ic: 11.
Mirza Schaffy s. Bodenstedt, F.
Mischler, E IV 1 a : 34.
Mitleid u. Furcht. I 12 : 11, 149, 220.
Mitteldeutsch. II 4 : 4.
Mittelfranken. I 5 : 31.
Mitterwnrzer, Fr. IV 4 : 423.
Mnioch, J. J. IV 2a:l; 10:68.
Mocenigo, A. II 1 : 148/9.
Mode. I 4 : 173, 264/7, 350; II 1 : 133.
Moderne. Die. IV 4 : 113-69, 317-23,
354, 375.
— n. mittelalterliche Auffassung d.
Natur. I 12 : 3.
Modersohn, J. II 7 : 30.
Möbius, E. III 4 : 46.
— M. IV 4 : 306.
Möhring, F. I 13 : 147.
Möller, A. 18: 57.
Mörike, E. I 12:194, 206; IV 2a: 2/4;
2b: 8-13, 17, 119; 5:513; 10:40.
Moers. I 4 : 407; 11 : 93.
Mörsperg, A. v. 14: 122.
Moser, J. I 6:252; IV la: 3; 8b:28.
Mehrungen. IV 7 : 1.
Moleschott, J. IV 5 : 465.
Moliere, J. LP. I 10:41; 12:15c;
1114:19; IV ld:22/4; 4:38,102;
IV 9: 11; 10:99.
— in Deutschland. III l : 140.
Moltke, Graf Helm. v. IV 1 c : 64 ; 5 : 452,
605 ; 2b: 28.
Mommsen, Th. IV 1 o : 145; 5:299, 311/4.
Monodrama. 112: 247/8.
Monolog. I 12 : 228, 247.
Montaigne, M. E. de I 12 : 74; II 1 : 90;
IV 4 : 202.
Montalran, J. P. de. III 4 : 15.
Montanus, Jak. II 7 : 30.
Montesquieu, Ch. de. IV 5:2.
Monnmenta Germaniae Paediigogica.
I 6 : 239.
Moral XL. Naturalismus. I 12 : 284/5.
Moralitäten. II 4 : 1, 37.
Morawski. II 7 : 72.
Morels, Th. 11 7 : 32.
Morf, H. IV 1 d : 25.
Morhard, U. (Buchdrucker). I 3 : 72.
Morhof, D. G. III 2 : 37 ; 4 : 1 ; 5 : 48.
Moritz, Kurf. v. Sachsen. 111:121;
II 1 : 42.
— V. Nassau, 111: 256.
— K. Ph. I 12:15b; IV lc:69; 5:
409-10; 7:5; 8e:39.
Morlage, H. II 7 : 30.
Morone, G. 11 1 : 140/1, 145/6.
Morpurgo. I 10 : 14.
Morre, E. IV 4 : 269.
— Karl. IV lc:86.
Morrison, A. I 3:60.
Morus, Th. I 10 : 30 ; II 1 : 128 ; III 2 : 15.
Moscheies, J. I 13 : 97.
Moscherosch, J. M. 16: 238 ; III 5 : 5,
9-11, 22.
Mosen, Jul. IV lc:73/4, 157; ld:32;
4 : 467.
Mosenthal, S. H. v. IV 1 c : 157; 1 d : 32.
Moser, F. K. v. IV 5 : 532.
— G. V. IV 4 : 106, 110/1, 355.
Mosheim, J. L. v. III 5 : 61.
Motherby, Johanna Charlotte. IV Ic:
22; 10:18/9.
— William. IV 1 c : 22.
Motley, John Lotrop. IV 1 o : 35/6.
Mouches. I 4 : 267 .
Mozart, W. A. I 13:82/6; IV 4:215.
Muckenkrieg. 1 3 : 125.
Mühlbach, Luise. IV 5 : 373.
Mühlheim a. d. Ruhr. 111:93.
Mühlpfort, H. 111 2 : 39.
Sachregister.
MüUenhoff, K. I 2 : 1 ; II 7 : 6.
Müller, Adam. IV 5:210; 8b: 21; 10:
63 99
— F. (Maler). I 12:165; lY lb:16a:
4 : 16.
— Fr. IV 2b: 102; 9:164.
— Fr. von. IV la :41; 8b : 17a.
— Heinr. lU 5 : 22.
— Hieronyra. IV ld:90.
— Job. (Mathematiker). 11 1 : 109.
— Job. V. I 6:173,5; IV la:22; Ic:
69, 115, 124. 133, 158 ; 4 : 202 ; 5 : 293/6,
299' 7 : 15.
— Job. (3g. IV 1 c : 124, 133.
— L. K. I 11:337/8.
— Max. I 2 : 50/1.
— Niklas. IV la:16.
— Wilh. IV 2b: 15, 20.
— -Strnbing, H. IV 5 : 373/5.
Müllersche Truppe IV 2a: 63.
Müllner, A. G. A. lY Ic : 137; Id : 3;
4 : 202, 375.
Münch - Bellingbansen , E. Frhr. v.
(= Halm, F.). IV 1 c : 83, 140 ; 1 d : 4 ;
2a: 33; 4:100, 231/3, 473.
München. I 4: 458/8 a; 11:143 5,197,
254; IV 2a: 62.
Münchener Bichterschnle. IV 1 c : 81,
87-90.
Münchhansen, G. A. Frbr. r. IV 2a:
34; 10:50.
Münster (Stadt). I 11:102.
— (Dom). I 11:124.
— Seb. I 5 : 240; II 1 : 98 ; G : 172.
Mnnzer, Th. II 6 : 179, 181.
Muffat, Georg. I 13:70.
— Gottl. 1 13 : 70.
Multscher, H. 111: 232.
Muncker, Fr. IV 2a: 5, 11; 6 : 11.
Mundarten (s. a Dialekte). I 5 : 16, 38,
44 ; 7 : 95; 8 : 12-28, 78-83, 109-14, 130.
Mundartliches. I 7 : 95.
Mundt, Th. IV 5 : 373.
Mnralt, B. v. IV 5:30.
Murmellius, J. II 7 : 29-30.
Murner, Th. I 11:237; U 1:88; 3:
40; 7:42.
Musäus, J. K. Ä. IV la:27; 2a:67;
5 : 23.
Musculus, Andr. II 6 : 119; III 5 : 5.
— Wolfg. II 6 : 188.
Musenalmanache. IV I d : 17,8 ; 2 a : 2/4,
31, 77.
Museum. IV 2a: 31.
— (Amsterdam). I 11:413.
Musik. I 3:127; U 1:7; IV 4:201,2,
215.
— in d. Dichtung. I 13 : 41.
— beim Gottesdienst. I 6 : 58.
— u. Poesie. 1 12:4, 66, 74, 9I/5b.
— -u. Theaterausstellung. I 13:18;
IV 4 : 417.
Mnsikalienbibliotheken. I 3 : 190/2.
Musikalienhändler. 13:266a, 267.
Musikbibliographie. I 13 : 1/3.
Musikdrama. 1 13 : 101.
Musikdruck. 1 3 : 82.
Musikerbiographien. I 13 : 37/8.
Musikerinnen. I 13 : 40.
Musikgeschichte. I 13. — IV 2a: 103.
Musikinstrumente. I 13 : 27-30.
Musikkritik. I 13:4-13.
Musiklexika. I 13:31,3.
Musikphilosophie. I 13 : 4-13.
Mnsiksammlungen. I 3 : 192.
Musset, A. de. I 12:287; IV Id:26;
10 : 5.
Mutian. I 3:245; II 1:175; 7:24/5.
Myconius, F. II 1 : 140; 6 : 131,2; 7 :
Mylin's, J. II 7 : 62/3; lU 4 : 12; IV 6: 13.
Mysterien. II 4:1.
Mystik. III 5:20 b.
Mystiker. II 1 : 85.
Mythologie. I 5 : 5/9 ; 6 : 78/9 ; 7 : 102 ;
IV 2a: 27.
K.. Elise V. IV 8d:19.
Nachahmung. I 12:73,4. 91,'3, 111/1 a.
Nachtgall, 0. II 6:23; 7:36, 42, 44.
Nachtjäger, in schlesiscben Sagen. I,
5:139.
Nackturalismus. I 12:366.
Nägelsbach, K. F. 16: 94.
Näke. G U. IV 8 e : 85.
Nahrungs- u. Gennssroittel. I 4 : 275/7.
Naive, D. IV 4 : 134.
Namen. I 5 : 339, 360,2, 369, 376.
Namengebung. I 5 : 356-79.
Namenkunde. I 5 : 367.
NaogeorgQS, Th. I 10: 35; 11 1 :84;
7 : 62/3.
Napoleon I. I 11:329-30: IV lc:13.
20.22.36.133; 2b : 7; 8b: 16b, 17a;
8e:46; 10:39, 79; 11:47.
— III. IV lc:19.
Nardelli, 6. IV ld:75.
Nas, J. II 1 : 7.
Nast, Louise. IV 10 : 58.
Nathnsius, Marie. IV 1 c : 75.
— Ph. E IV 10:91.
Nationalcharakter. I 1:140; 4:147-52.
Nationale Kunst. I 12:3, 134 5 a, 267.
Nationales Leben im 17. Jh. III 5:1.
Nationalgefühl, üeutsches. I 4 : 153,8.
Nationalhymne. IV 2b: 102.
Natorp. I 6 : 55.
Natur u. Kunst. I 12:3, 68-73.
Naturalismus. I 1:125, 134; 12:57,
91/3, 123, 171 3, 228, 250-424.
— Begriff d. I 12 : 250-83.
— Französischer. I 12 : 304-29.
— Russischer. 1 12:329-41.
— Skandinavischer. I 12:342-77.
Naturalisten, Deutsche. I 12 : 397-423.
Naturgefühl. 1 4:124; 12:lt>8, 110.
Naturgeschichte. I 6 : 173/5.
Naturschilderungen. IV 2b: 119.
Naturschöne, D. I 12 : 108-10.
Natursinn. I 11:2.
Naturstudium. I 12:1/3, 55. 58/9.
Naturwissenschaften. I 3 : 29.
Natzmer, Gertraud v. IV 1 c : 64.
Naubert, B. IV 10:71.
Nauclerns, G. II 7 : 36.
— J. II 7 : 36.
Nauen. I 4:339.
Naumburg. I 3 : 245; 11 : 248.
Nausea. F. II 1:60. 140; 6:35.
Nanwerk, Th. IV8e:S5.
Neander. J. A. W. IV 1 o : 102, 138, 1.59 ;
5 : 322.
Neft, T. V. I 11:325
Nehrlich, G. IV 8e:85.
Neidhardspiel. II 4:1.
Nein. I 10:43.
Nekrologe. I 12:22 6d.
Neuenbürg. I 4:210.
Nessel (Buchdruckerei). I 3:83.
Nessler, V. IV 2b: 102.
Nestroy, J. IV 4:187/8, 191/7, 424.
Neuberin, Friederike Caroline. III 4 :
41; IV 2a: 63.
Neuffer, Chr. L. IV la:2.
Neufzer (Marionettenspieler). III 4 : 41.
Nenhauss, H. J. v. II 2:37.
Neuigkeitsverzeichnisse. I 3 : 270.
Neujahrsbräuche, I 5 : 63 4.
Neujuhrswünsche. 14:55.
Neukirch, B. III 2 : 39; 5 : 15.
Neulateiner. II 7. — II 1 : 86.
Neumann-Hofer, 0. IV 10:70.
Neumarck, G. III 2:24.
Nenmark. I 4:319.
Neumarkt, J. v. 11 7 : 6.
Neumeister, E. III 2:39.
— J. I 3 : 91.
Nenplatonismus. II 1 : 93.
Neuromantiker, Französische. IV ld:27.
Neu- Weimar. IV la:41.
Nibelungen. I 7:6, 8,33; 13:136,8;
IV 4:242, 246,'7; 10:71.
Nibelungenlied. IV 1 c : 47, 69, 83, 126;
ld:23; 8d:4; 10:39.
Nibelungenvers. I 12:31.
Nicolai, F. IV lc:25. 66, 133; 2a: 22;
5:23, 607; 6:13, 41; 10:41.
— 0. I 13 : 102/4.
Niebuhr, B. G. IV la:22; Ic:159;
5 : 298.
— M. IV 2b: 104.
Niederdeutsch. 18:9, 11, 19, 33, 63;
II 3:6, 15; 4:4.
Niederländisch. II 3 : 18,9.
Niederlagsrecht. I 4 : 251.
Niederlande. II 1:1.
Niedersachsen. I 5 : 45.
Niemann, A. I 12 : 302.
Seebach, Marie. IV 4 : 426.
Niemeyer, A. H. I 6:44, 55, 76.
Niesser (Schauspieler). IV 4:406.
Niethammer, Familie. IV 9 : 12.
Nietzsche, F I 12 : 269, 302, 316,
378-96; IV2b:l; 4:1345; 5:151,
170-97, 199, 223. 299. 322, 445, 634.
Nigg, Marianne. IV 1 a : 37.
Niggel, A. U 2 : 21.
Nigrinns, G. II 1 : 7.
Nikolaus I.. Papst. II 6 : 12.
— V., Papst. I 3 : 186.
— 1., Kaiser v. Russland. IV lc:47;
8b :52a.
Niobe. IV 2a: 69.
Nissel, F. IV 4 : 272.
Nithart, H. II 4 : 10.
Nitzsch, K. W. II 1 : 13.
Nodier, Ch. IV 1 d : 12.
Nodnagel. A. IV Id:4.
- (Philologe.) IV lo:137.
Nöttel. I 7 : 18.
Nonnenlieder. IV 2a: 85.
Nordau, M. I 12:101b, 1601, 388-96;
5:633,4; 10:70.
Nordböhraen. I 11:113, 166.
Nordhausen. IV 2a: 85.
Nordhoff, J. B. I 11:94.
Normative Aesthetik. I 12 : 55, 57.
Nornen. I 5 : 145.
Norwegen. IV 9 : 132.
Nostiz, K. T. 14: 199».
Noten. I 1:44, 111.
Notendrucker. I 3:32.
Notter, F. IV 2b: 17; 10:125.
Novalis g. Hardenberg. Fr. v.
Novelle. I 7:139; 12:248 9.
Novellenstoffe. 15 :220a.
Nürnberg. I 4 : 90, 93, 456, 459; 6 :
134; 11:151. 168, 188; U 1:32, 43,
132; III 1:22; IV 11:20.
Nuhn V. Hersfeld, J. II 3 : 83.
Nuntiaturberichte. II 1:7, 45, 1401,
145,6; 6:35.
Nyrop, Kr. III 4 : 8.
Nysäus. II 7 : 5.
Oberbayern. I 5 : 110; 11 : 85/6.
Oberdeutsch. I 6 : 154.
Obereit, J. IV 5 : 30.
Oberland I 11:93.
Oberlin. J. Fr. IV 5:255.
Obermerchthal. I 11 : 147.
Oberrhein. I 4 : 219.
Oberschwaben. I 11 : 108.
Objektivität. I 1 : 15, 31 8, 149-50, 170.
Occo I. II 7:43.
— II. II 7 : 43.
— lU. II 7 : 43.
Occultismus. I 4:183/5: II 3:28,9.
Ochino, B. II 6:173.
Ode. I 12:4; IV 2a.- 20.
Odenwald. I 11 : 91.
Oderschiffahrt. I 4:252.
Oechelhäuser, W. I V 1 c : 127 ; 4 : 370,
Oedenhofer, Th. 11 7 : 13.
Oeglin, Erh. I 3:82.
Oehem, Gallus. II 7 : 17.
Oehlenschläger, A. I V 1 d : 3 ; 1 c : 69 ;
2b: 109.
Oekolampad, Joh. II 6 : 14, 169; 7 : 42.
Oelzelt-Nervin, A. 112: 101 c.
OeppmüUer, R. IV 8a: 104.
Oesterley, R. I 11 :340.
Oesterreich. I 11:106-16; IV la:32,
37.
Oiorpati. I 5 : 17 8.
Oken, L. IV 5 : 210.
Olbrich, C. IV 8a: 106
Oldecop, J. II 1 : 7 ; 3 : 89-90; 6 : 25, 96.
Oldenburg. I 3:180; 6:66; 11:95.
Olfers, Hedwig v. IV 2b : 20/7.
Omichius, F. 11 1 : 86.
Oper. I 12:239-42; 13:58-60. In:
Italien 1 3 : 127. Karlsruhe IV 4 : 402.
München IV 4 : 404.
Operette. I 13:58.
Opitz, M. I 1 : 106; 6 : 205 6; H 2 : 26;
m 2:5, 32, 37, 39, 45; IV 2a: 8.
Oporin, J. I 3 : 251 2 ; II 1 : 156/7 ; 7 : 62/3.
Ordalien. I 5 : 17,8.
Orden, Geistliche. I 4:498-513.
Organist. I 6:164.
Orgel. I 11:161.
Orlando di Lasso. I 13 : 63.
Orleans. II 7 : 12.
Orthodoxie. II 1:1.
Orthographia germanica. I 6 : 34.
Orthographie. I 6 : 171 ; 3 : 704. 108. 127 9.
Ortsnamen. I 5 : 367: 370 1 a, 372, 375,7.
Osann, F. IV lc:94: 8b: 2.
Oschersleben. I 11:99.
Oser, Fr. IV ld:10.
Oslander, A. II 6 : 135.
— L. U 6:156; III 5:5.
Osnabrück. I 4:366.
(4)36*
Sachregister.
Ossian. IV 2a: 24, 28, 38; 8b: 26;
8c:7.
Osterbniuche, in d. Österreich. Alpen.
I 5:53a, 57,9.
Osterfeuer. I 5 : 53.
Ostern. I 5:57; 10:45.
Osterspiel. I 5 : 59. In Redentin. II
1:86; 4:4.
Ostfalen. U 4:4.
Ostfriesland. 14:260, 263a, 362/4a.
Ostmann, Ott. 11 2 : 31.
Ostprenssen. I 4 : 310: 11 : 98.
Otte, Ch. H. IV 1 c : 102.
Otter, Jak. II 6 : 165.
Otterwolf, F. Frhr. v. IV 4 : 1.
Ottheinrich, Pf^lzgraf bei Rhein. II
1 : 167.
Otto mit d. Barte, Kaiser. I 5 : 152.
— König V. Griechenland. IV 1 c : 15.
— Trnchsess, Bischof v. Angsburg. II
1:45.
— V. Augsburg. II 7 : G2;3.
Ottobeuren. I 6 : 88.
Otway, Th. IV 4 : 200.
Overbeck, C. A. IV la:23.
— W. IV 10:45.
Overberg, B. 1 6 : 55/6; IV 5 : 477.
Ovid. II 4 : 10; IV 2a : 10, 34, 62;
Sc: 14, 17/8.
Owen, J. III 2 : 34.
Oxenstierna, A. Graf v. I 6:20; III
1:20.
Paalzow, K. F. IV 2a: 2/4.
Paar, L., Graf. I 3 : 51/8; IV 8b: 45.
Fächer, M. I 11 : 244.
Pachler, Faust IV 1 a : 33.
Paderborn. I 11 : 125.
Pädagogen, Einzelne. I 6 : 16-83.
— Katholische. I 6 : 55/9.
Pädagogik. I 6. — I 12:74, 814;
III 5 : 48-50.
Pädagogium s. Schulen.
Päderastie. II 1 : 32.
Pässe. I 4 : 308.
Paisiello, G. IV 2b : 20.
Pajon, H. IV 4 : 7.
Palacio, Manuel del. IV 1 d : 93.
Paläographie. I 3 : 1/4.
Palleske, E. IV Ic : 147; 4 : 467.
Palm, E. IV 8a: 17.
— F. IV 10 : 79.
Palsgrave, J. II 4 : 37.
Pamphlete. II 1 : 1.
Pandszen, A. IV 4 : 377.
Pantheismus. IV 2b : 112.
Pantschatantra. I 5 : 220 a.
Papier. I 3 : 50.
Papierfabrikation. I 4 : 226.
Papistenbuch. I 5 : 12.
Pappenhelm, G. H. zu. III 1 : 28.
Parabeln d. Meistersinger. II 2 : 22.
Paracelsisten. I 3 : 124; II 1 : 176.
Paracelsus, Th. II 1 : 105;6, 178; 6
55; IV ld:3; 8e: 107.
Paris. I 11 : 439.
— E. II 1 : 11.
— Gaston. I 10 : 14.
Parix. J. I 3 : 90.
Parnassiens. IV Se : SO.
Parodien. IV 4:38; 5: 185.
Parthey, G. F. K. IV 2a : 100.
Partikularismus. II 1 : 61.
Passionsrausik. I 13 : 72.
Passionsspiel (s. auch Drama) in Höritz.
III 4 : 36; IV 4:282/4.
— in Oberammergau. III 4 : 37.
Pastor, L. II 1 : 10.
Patak. I 6 : 31.
„Patriot, D." III 5 : 49.
Patriotismus. I 7 : 92.
Patronendruck. I 3 : 82.
Paul III., Papst. II 1 : 147.
Pauli, J. II 1 : 88; 3 : 51 ; 6 : 100.
— R. IV 5 : 337.
— Th. II 3 : 56.
Panlsen, F. IV 5 : 228-30.
— Karl. III 4 : 34/5.
— 0. A. IV 4 : 377.
Paulus Diakonus. IV 10 : 125.
— Ed. IV 2b : 18/9; 10: 145.
— N. II 1 : 95 ; 6 : 33
— Orosius. IV 10 : 132.
Pegnitzschäfer. III 2 : 26; 5 : 3.
Pelargus, A. II 6 : 14, 134.
Pellikan, K. II 1 : 170; 3 : 71; 6 : 171.
Pensionat provisoire.- I 6 : 179.
Penthesilea-Sage. IV 4 : 60.
Percy, Th. IV 1 d : 57; 2a : 34; 4 : 70.
Pereira-Arnstein, Frau v. IV 2a : 100.
Peretz, W. I 10 : 13.
Perfall, G. Frhr. v. IV 4 : 371, 404/5.
Pergamenter. I 3 : 88.
Perikles. I 12 : 379-80.
Pf rinet, J. IV 4 : 1.
Pering, Job. II 7 : 30.
Perrault, Ch. IV 10 : 2.
Persien. IV 9 : 132.
Persönlichkeit. I 12:13, 70/3, 109,
111/1 a, 119, 142, 194, 254,260 3,3.53.
Personennamen (s. auch Namen). I 5 :
:^67 ; 6 : 66.
Perthes, Frd. IV 1 c : 159.
Peschel, 0. IV 2 a : 108.
Pesne, A. I 11 : 259.
Pessimismus. I 12 : 169-75.
Pest, D. 14: 215, 352.
Pestalozzi, J. H. 16:8, 48-52, 69, 77;
IV 1 a : 22 ; 1 c : 124; 5 : 475a, 482,
611.
Pestalozzianer. I 6 : 49-50, 60, 67.
Peter d. Grosse. III 1 : 67.
— Leu. II 3 : 23.
Petermännchen. I 5 : 130.
Peters, Ad. IV 2b: 117.
Petrarca, F. II 7 : 1, 7/9, 13; III 2 : 34,
IV 2a: 23
Petreius, J. 13: 246.
Petrich, H. IV 2a: 2/4; 10:41.
Petronius. IV 6:19.
Petrucci, Ottaviano dei. I 3 : 82.
Petrus Lnmbardus. I 3 : 75.
Petzold, J. V. IV 8a: 49.
Peucer, C. II 1 : 173.
Peatinger, C. II 7:42, 67.
Peypus, F. I 3:246.
Pez, B. II 7:42.
I'faff vom Kaienberge. I 3 : 125.
Pfeffel, G. K. IV 4:6; 5:8,9.
Pfeiffer, A. III 5 : 22.
Pferdeeisenbahn. I 4:302.
Pfeuffer, K. IV 2b:3.i.
I'finzing, M. II 1 : 172.
Pfizer. P. IV 2b: 17.
Pflanzen. I 4 :470; 5 : 106-12, 340.
Pflanzennamen. I 5 : 107.
Pflanzensymbolik. I 5:111.
Pflaumers Flugschrift. III 1 : 42, 116.
Pflug, J. II 1 : 140.
Pforta. I 4:289; 5:378.
Pfuel, E. H. A. V. IV 1 c : 147.
Phantasie. I 12:74, 91,3, 101, 101c,
107, 111,1 a, 165, 189.
„Philalethes". IV 2 b : 17.
Philanthropin s. Schulen.
Philanthropinismus. I 6 : 18, 45, 58,
225, 250.
Philanthropinisten. 16:8.
Philipp, Landgraf v. Hessen I 6 : 107 ;
II 1:41, 59, 140, 152; II 6:91.
— Prinz V. Sachsen- Koburg- Gotha.
IV lc:7.
— Julius, Herzog v. Pommern-Wolgast.
I 4:125; II 1:162 3.
Philippisten. II 1 : 173.
Philippson, L. IV 5 : 289.
Philologen. II 1 : 140; IV 5 : 357-75.
Philologie. I 1 : 40;8, 171/2.
— Deutsche. I 2. — I 6 : 78,9.
— Klassische. I 6 : 71.
Philosophie. I 6 : 240; II 1 : 93; III 5 :
51/8; IV 5:89-2,52.
— d. Geschichte. I 1 : 1, 2, 15-22.
— u. Sprache. I 8 : 1, 2, 65.
Phonetik. I 8 : 67-74.
Phrase. I 4 : 53.
Phrygio. II 7 : 39.
Physik. II 1 : 107.
Physiologie. I 1 : 59.
Physiomorphismus. I 12 : 144.
Piaristenschule s. Schulen.
Plccolomini s. Aeneas Sylvius.
Pichler, Ad. IV Ic : 81, 83; 4 : 304.
— Karoline. 1 c : 124: 4 : 1, 212.
Pico V. Mirandola. II 7 : 30.
Pietismus. III 5 : 21-36, 61.
Pietsch, J. V. I 12 : 4.
— L. IV Ic: 147.
— P. II 6 : 51.
Pilgerschriften. II 1 : 167/8.
Pillnitz I 4 : 382.
Piltz, C. 16: 70.
Pinero. I 12 : 349.
Pinician. II 7 : 42.
Pioniere. I 4 : 195.
Piper, P. IV 10 : 71.
Piperites, H. II 6 : 119.
Pirkheimer. W. I 3 : 51/8; II 1 : 48, 63,
71; 3:47; 7:42.
Pirna. I 4 : 386.
Pitaval. IV 9 : 123.
Pins II., Papst. II 1 : 97 (s. auch
Aeneas Sylyiusl.
— IV., Papst. II 1 : 44.
— V., Papst. II 1 : 45.
Planta, A. R. v. IV 5 : 545.
Plassenburg. II 1:34.
Platen, A. V. I 8:49; 12:190, 195;
IVlc:83, 151; ld:32i 2b:3.3/8,
53, 76, 114; 5: 104, 462.
Plato. I 3 : •?44; 6 : 76; II 1 : 93; IV
Ic: 133, 138. 160.
Plattdeutsch. I 5: 294 (s. auch Nieder-
deutsch).
Platter, F. II 3 : 74.
Plauen. I 4 : ?,SS
Plautus. I 6 : 205/6; II 7 : 57/9, 67.
Plutarch. II 7 : 67; IV 4 : 9.
Podagra-Litteratur. II 3 : 47.
Poe, E. E. I 12 : 100 a.
Poesie u. Prosa. I 12 : 4, 74, 101, 144.
— Wesen d. I 12 : 12, 66.
— Jüdische. I 4 : 539.
— Skandinavische. IV 2b : 109.
Poeta laureatus. I 6 : 16.
Poetik. I 1:42, 49; 7:134; 12:12,
144-249.
— Evolutionistische. I 12:144.
— Induktive. I 12 : 144.
Poggio, F. II 6: 100: 7 : 13.
Pohl, E. IV 4 : 95, 391.
Poisson, M. IV 8 e : 52.
Pol, J. III 2 : 38.
Polack, Frd. IV 1 c : 130.
Polak, M. I 11 : 271.
Pole, Reginald, Kardinal. II 1 : 38.
Polen. I 10:49: II 1 : 1.
Politianus, A. II 1 : 74, 93.
Politiker. IV 5 : 444,8.
Politische Geschichte. II 1 : 1-71 ; III
1 : 1-83.
Politisches Lied. I 12 : 194; III 2 : 1.
Poliziano, A. II 7 : 30.
Polko, Elise. IV 1 c : 64; 11 : 20.
PoU, N. II 7:42.
Polybius. IV 4:9.
- Pomis, P. de. I 11 : 116.
Pommern I 4 : 105, 125; 5 : 326: 11 : 96.
Ponce de Leon, Fray. IV 1 d : 93.
Pontanus v. Breitenberg, G. B. II 3 : 48.
Pope, A. IV 2a: 20, 28.
Portia, B. II 1 : 45, 146.
Porzellan. I 4 : 238/9.
Posen. I 11:104; II 1:87; III 1:137.
Posse. I 12:410 a.
Postreuter. I 3 : 154.
Potsdam. I 11 : 168.
Pouilly, V. IV lc:9.
Poynter, E. J. 111: 8.
Präger, F. I 13 : 105.
Praetorins, J. I 13 : 68 ; III 4 : 1.
— St. III 5:22.
Prag. I 11 : 200.
Pram, Maria'Magdalena. IV la:22.
Prato, Katharina. IV la:37.
Prechtler, 0. IV 1 a : 32 ; 4 : 214. /
Precieusen, D I 12:15 c.
Predigten. II 1:85; 4:1.
Prell, H. I 11:365.
Preller, L. IV la:41.
Presse. I 3 : 172,3, 245.
Preussen. I 4:199a; 5:119; IV 2b:
104.
Prevost, M. I 12:306.
Priameln. I 5 : 308.
Prierias, S. II 6:20.
Priester. I 3:83; 6:57.
Prinzenerziehung. I 6 : 234: III 1 : 126.
Privatinstitute s. Schulen.
Pröhle, H. IV ld:32; 2a: 46.
Proles, A. II 6 : 11.
Proletariat, Klerikales. II 1 : 117.
Promotionen, Akademische. I 3:136;
4 : 95, 98, 101.
Properz. IV 2a: 31; 9c :18a.
Prosa-Erzählungen. II 3:4.
Protestanten. III 1 : 84.
Protestantismus. I 1 : 15, 143; II 1 : 1;
III 1 : 6, 101.
Provinzler. IV la:12.
Prüss, J. I 3:72.
Prutz, R. IV lo:157; 2b:5; 5:322.
Psalmenparaphrasen. III 2 : 27-31.
Psalter. I 3:70.
Sachregister.
Pseudonyraa. II 6:18, 36.
Psychodraina. I 12 : 245/8.
Psychologie. I 1 : 1, 7, 513, 55, 120;
5:117; 12:13/4, •:3, 70, 74 4a, 81/2,
249.
— Moaerne. I 12:295-303.
Ptolemaeus Chennus. IV 4 : 60.
— d. Ulmer. I 3 ; 69.
Publikum. I 1 : l."4 6.
Publizistische Schriften, m 1 ; 113/8.
Puchta, W. H. 1 6 : 94.
PQcHer-Muskau, Fürst H. L. H. IV
lc:91, 95, 147.
Pülfringen s. Gassenlieder.
Pufendorf, S. IH 1 : 11/2, 101 ; IV
5 ; 573.
Puff, R. G. IV 1 a : 33.
Puller V. Hohenbnrg, R. II 1:32.
Puppenspiele. III 4:27, 40,6; lY 4 :
305 7, 376.
Puschkin, A. I 10:26; IV ld:12.
Puschmann, A. 11 2 : 24.
Piistkuchen, J. F. W. IV 9:21.
Pyra, J. J. IV la:3; 2a: 5, 20; 4:4.
Pyramus u. Thisbe. I 10 : 1
Pyrker, L. t. IV 1 d : 74.
Pyrrhus. I 3 : 245.
Qnad, M. n 1 : 110.
Quälgeister. 1 5 : 126.
Quandt, J. J. III 5 : 61.
— Joh. Glob. V. IV 1 c : 94.
Quellenkritik. I l : 1, 7. 9.
Qnerhamer, K. II 6 : 17.
Quevedo. IV 2a: 10.
Quistorp (Rektor). III -5 : 12.
Quoten. S. P. v. III 4:.S5; IV 4 : 377.
Baabe, W. I 12 : 168, 254.
Rabe u. Fuchs. I 10 : 34.
Rabelais, E . I 6 : 18 ; 10 : .30 ; U 1 : 90.
Rabener, G. W. I 6: 238; IV la: 48.
Rachel, Elisa. IV 4:472.
Racine, J. de. I 12 : 221 a.
Rada, Girolamo de. I 10:3.
Radetzky, Friederike v. IV lc:54.
— J. A. Graf v., Feldmarschall. IV
1 c : 54.
Radius. IV lc:94.
Radowitz, J. v. IV lc:138: 5:605.
Radziwill, Anton Fürst v. IV Se:85.
Räbke. I 4 : 203.
Rätsel. 15:7, 213. 346-55, 348.
Rätselfragen. I 5 : 350,
Rätselstreitlieder. I 5 : 350.
Rafael s. Sanzio, Rafael.
Rahden, Baronesse Edith. IV lc:32.
Rahl, F. IV 4 : 238.
Rahn, J. R. I 11 : 216.
Raich, J. M IV 10 : 9.
Raillard, J. III 5 : 63.
Raimund, F. I V 1 a : 32 ; 4 : 134, 184-90.
224.
Ramberg, J. H. IV 8e:85.
Ramdohr, F. W. B. v. IV 10 : 45.
Raraler, K. W. IV 1 a : 30, 48 : 1 c : 65, 6 ;
2a: 18-20, 22: 5:23; 8e:20
Ranke, L. v. I 1:53; 6:3, 184: II
1:36; IV lc:138, 140, 145, 159;
5:291, 299-305, 319.
Rapp, G. H. IV 8a: 65; 8b:2, 49;
9:20
Rasinus. II 7 : 10.
Raster, H. IV 5 : 521.
Raspe, R. E. I 13:92; 2a: 22.
Ratdolt, E. I 3:81.
Ratichius. 1 6:20/2.
Raubritter. II 1 : 33.
Rauch, Chr. I 11 : 289-90; IV 1 c : 22.
Raumer, Frd. v. IV 1 c : 22, 138.
— K. G. T. 16: 94.
— K. 0. Y. I 6:68.
— R. V. 16:3, 22, 183.
Raupach. E. IV 4:202, 212; 10:71.
Raupp, C I 11 : 369.
Rauwolf. U 7 : 43.
Realgymnasien s. Schulen.
Realismus I 12 : 70, 91 3, 138, 171,3.
Rechenbücher. I 6 : 12 II 1 : 138.
Rechenunterricht. I 6 : 164.
Rechnungsbuch. I 4 : 248.
Kecht an Briefen. I 3 : 283.
Rechtfertigungslehre. II 1 : 1.
Rechtsaltertümer. I 6 : 78,9.
Rechtspflege. II 1 : 19.
Rechtsphilosophie. IV 5 : 250.
Rechtswesen. I 4 : 108-120.
Recke, Elisa t. d. IV 1 c : 121 ; 2 a : 24,
Redensarten. I 5 : 337-45.
Redentin. II 4:4.
Redgrave, R. I 11 :8.
Reformation, D. II 6. — I 1 : 89, 97,
110: 6:113, 205 6; 12:3; II 1 : 12.
17.
Reformationsfestspiel. II 6 : 199.
Reformationsschriften. 13:121.
Reformatoren. 13:518:6:16.
Reformbestrebungen. 11 1 : 17-28.
Reformen. Theresianisch - Josefinische.
1 6 : 100.
Reformierte, lll 1 : 94
Regeneration. I 4 : 610.
Regensburg. I 5:162 3.
Regis, J. G. IV ld:64, 89: 2b: 30,
70. 100; 4:27.
Regnier de Waels. I 3 : 120.
Rehdiger, Th. v. 13: 59.
Reibehand IV 4 : 459.
Reiblin, W. II 1 : 27.
Reichardt, J. F IV lc:153.
Reichenan, W. v. 117: 13.
Reichensperger, P. IV 5 : 598.
Reichling. II 7 : 30.
Reichsjustiz. II 1 : 19, 28.
Reichskammergericht. I 4 : 109
Reichsstädte. I 4 : 157: II 1 : 47.
Reichstag. In: Augsburg II 1:1.
Begensbnrg II 1 : 146; 2 : 43. Worms
n 1 : 19.
Reichstagsakten. II 1 : 36.
Reichtum. I 4 : 577.
Reifferscheid, AI. III 1 : 109.
Reiffenstein. C. Th. IV 8a: 25, 170.
Reifrock. I 4:264 5.
Reim. I 12:4. 31, 113a, 190; IV
2 a : 20 (s. auch Bastlösereime).
Reimarus-Siveking. IV 1 a : 22.
Reimbüchlein. III 5 : 6.
Reimer, Gg. A. IV Ic : 160; 10; 106.
— K. IV 10:90.
Reimsprüche. I 5 : 323.
Reinaert, Historie vom. 11 3 : 14.
Reinhard. F. V. IV la:31.
— K. IV 2a: 2 4.
— Karl F. Graf IV 2a: 31.
Reinhardt, Th. Fr. I 6:84.
Ri inhart, J. Chr. IV 9:22.
Reinhold, K. L. I 6:61; IV la:22;
5:210; 10:47
Reinick, R. IV la: 6: 2b: 5.
Reinke de Vos. II 1:88; 3:6, 15.
Reinwald, Christophine. IV 9 : 14, 25.
— W. F. H. IV 9 : 15, 25.
Reisch. G I 3 : 75: 11 6 : 165.
Reiselitteratur. I 4:30, 122 7; IV
9:50a
Reisen. II 1 : 160 9.
Reisner, F. IV la:2.
Reitenberger, K., Abt. lY 8b: 51.
Relations-Postillon, Berlinischer. III
1 : 120.
Religion. I 4: 159-62; UI 5: 17.
Religionsfriede. II 1 : 39.
Religionsunterricht. I 6 : 13.
Religionswissenschaft , Vergleichende.
I 4 : 14.
Reliques of ancient english Poetry.
IV ld:57
Reliqnii^nvpiiliruii^'. II 1;1302,
Rellstib, I-. IV 2b: 20.
Rembrandt, H., yan Ryn. IV 8e:85.
Rembrandtdeutsche, D. IV 5 : 445, 628.
Renaissance I 12:3; II 1:7. 7.3-81.
Renaissancelitteratur. I 1:89, 111.
Renan, E I 12 : 373.
Renaudot, Th. 13: 158-63.
Rennschüb (Büchner), IV 8e:10.
Rentebnch. I 4 : 357.
Rentmoister. I 4 : 418.
Resenius. IV 2a: 27.
Resewitz, F. G I 6:61.
Rethel, A. 111: 295.
Retif de la Bretonne. IV 9 : 51.
Rettenbacher, S. II 7 : 66
Rettich, Julie. IV 1 o : 157.
Ketzer, J. F. Edler v. IV 8c: 24.
Retzsch, M. IV 8e : 85.
Renchlin, H. IV 1 c : 139.
— J. II 1 : 60: 6:40; 7:23.
Reuling, C. III 4 : 28.
Reuss, Fürstin Agnes v., j. L. IV
1 c : 75.
— Eleonore, Prinzessin v. IV 1 c : 75.
Reuter, Chrn. III 2:23; 4:7; IV
1 c : 47.
— F. I 6:134: 12:168.
Reutlingen. I 4 : 282, 558.
Reventlow, Fr. Graf. IVla:22.
Revolution v. 1848. IV 2a: 74.
Revolutionsbestrebungen. II 1 : 17-28.
Reynolds, Sir Joshua. I 11 : 8/9.
Rezy. E. Frhr. v. IV 4:202 3.
Rhacotomus, V. II 3 : 48.
Rhegius, Urbanus. II 6 : 47. 134; 7 : 36.
Rheinlande. I 11 : 93; IV 9 : 132.
Rhenanus, Beatns. II 7 : 32, 36, 38 9.
Rhenins, Joh. I 6 : 20.
Rhetorik. I 12 : 4. 101, 190; II 7 : 10.
Rhythmus. I 7 : 37; 12 : 66, 113a, 19ü.
Ribot, Th. I 12 : 249.
Richard (Pseud.). IV 1 a : 32.
Richardson, S. IV 1 c : 11; 10 : 13.
Richepin, E. I 12 : 316.
Richmond, W. Blake. I 11 :8.
Richter. E. IV 2b: 102.
-J.P.F.(JeanPanl.)Il:S9;12:168;IV
1 a : 23. 27 ; 1 c : 13, 22, 124. 137, 147.
157,159-60: Id : 28: 2a: 13: 4:249:
5:35, 39-42. 223. 319; 8d : 32.
- L. I 11 :293; IV lc:75.
- P. I 12 : 220.
Richtfest. I 5 : 71.
Ricordi, G. 13: 267.
Riedel, Fr. J. IV Ic : 66: 2a : 22;
3e:88.
Riedrer, F. 13: 75.
Riedt, L. IV 1 c : 56.
Rieger. A. I 11 : 373.
Riehl, H. W. V. I 4 : 564; IV Ic : 144,5;
5 : 625.
Ries, Adam. II 1 : 138.
Riesensagen. I 5 : 146.
Rietberg, Graf. I 4 : 89.
Rietschel, E. I 11 : 299.
Riga. I 4 : 48. 496.
Riger, F. I 3 : 75
Ringseis, J. N. v. IV lc:122.
Ringsymbolik. I 4 : 176.
Ringwaldt, B. II 3 : 15.
Rinkart, M. III 4:11.
Rist, J. III 2:45; 4:12; IV lc:159.
Ristori, Adelaide. IV 4:473.
Ritschi, A. II 6:112; III 5:22.
Ritter, A. H. IV 1 c : 102.
- Karl. Geograph. I 6 : 50.
- M. II 1:7.
Ritterakademie s. Schulen.
Ritterdrama. IV 9 : 123.
Ritterromane. IV la:2.
Ritter- u. Ränberromantik. IV 4:1.
Rivas, Angel Saavedra Herzog v. IV
1 d : 93.
Robinson. I 7:53; m 3:15-30; IV
la:20.
Rochholz, E. L. I 6: 78 9; IV 5 :390.
Rochlitz, Fr. IV la:27.
Rocholl, R. II 1 : 93.
- Th. I 11 : 372.
Rock, D. heilige. I 5 : 222.
Rocke, Polydona. IV 4 : 422.
Rod, E. I 12:301.
Rodenberg, J. IV 1 c : 156.
Rodigast. II 2:3.
Rodel. B. IV 4 : 98.
Rönneburg. I 4 : 73.
Röpo, G. H. IV 1 a : 20.
Roepell, K. IV 5:338.
Rörer, G. II 6 : 56.
Roethe, G. II 7 : 59
Rötscher, H. Th IV 1 c : 81.
Rogge, B. IV 1 c : 105.
Rojas. I 10:41.
Rokoko. I 6 : 238.
Rolandsage 15:152: 10 : 17: IV 4:248.
Rollenhagen, G. 1 6 : 10, 171; 111:88;
3:15.
Roman (s. anch Epos). I 7:139; IV
la:3; 8d : 32.
Romandeutsch. I 8 : 140 2.
Romantik, d. IV 10. -11: 15, 89,
125; 12, 108, 238, 265: IV Ic : 113.
133; 4 : 38: 5 : 82: 9 : 70
Romanze. III 3 : 13; IV 2a : 10.
Romeo u. Julie I 10 : 38.
Ronsard, P. de. III 2 : 34.
Roon, A. V. IV 5:605.
Roose, Betty. IV 4 : 203.
Roquette, 0. IV 1 c : 93, 147 ; 1 d : 80.
Rosbock-Jagen. I 5 : 64.
Röscher, W IV 5 : 444.
Rosegger, P. K. IV 1 a : 33; 1 c : 86, 113.
Rosenberg, Mark 111:439.
Rosenblfit, Hans. I 1 : 92: 10 : 10.
Bosenbusch, Chrph. II 1 : 1.
Sachregister.
Eosenltranz, K. I 12; 111/1 a, 266; IV
1 c : 94.
Rosetti. IV 4 : 202.
Rosmer, Ernst. (= Elsa Bernstein.)
I 12 : 400/1.
Rosner, F. ' III 4:23.
Ross), E. IV 4 : 473.
Rost, J. Chr. IV la : 48; 2a : 20.
Rostock. I 4 : 250.
Rotenzellc, H. II 7 : 13.
Roth, Joh. II 7:10.
— St. 13:246; 6:113; 111:155;
6 : 48. 55.
Rother, König. I 5 : 152.
Rotrcn, J. de. I 10 : 41.
Rotteck, K. V. IV 5:605,
Rottenburg a, N. II 1 : 27.
Rousseau, E. IV 4 : 243.
— J. J. I 12:379-80; IV la:l; Ic:
39; 2a : 23; 4: 202; 5 : 2, 573,
613/5; Sb :26; 10: 68.
Kowe, W. II 2 : 26: III 2 : 5.
Rnbeanus, Crotus. II 7 : 42.
Rubens, L. S IV 10 : 91.
— P. P. 111: 420
Rubinstein, A. I 13:152; IV 2b:70.
Ruddeln. IV 11 : 48.
Rndnik. IV 2a: 18/9.
Rudolf I. V. Habsbnrg, Kaiser. 1 10:20-
— II. II 1 : 1.
Rudow, W. IV la:4.
Rübezahl. 1 5 : 1.35.
Rüchel, E. W. F. v. IV 10 : 71.
Rückert, F. 16:94; 7:134a: 10:8,
24; 12: 190; II 2:22; IV la:6;
lc:90, 97, 113. 135, 145; 2b: 35,
39-48, 53, 61. 76, 112, 115; 4: 100,
468; 10 : 71, 91.
— H. IV 5 : 451.
Rüdinger. M. II 1 : 87.
Rügen. I 5 : 244; IV 2b: 119.
Rueger, J. J. II 3:65.
Rülpsen. I 5 : 344.
Ruete, Ed. IV la:43.
Ruf. II 7 : 18,
— J. II 4:11.
— Seb. I 10 : 27.
Rufln. I 3 : 20.
Rüge, A. IV 10 : 9.
— K. IV 5 : 507.
Rnhrort. I 11 : 93.
Ruine. I 12:108.
Rummelpott. I 5 : 292.
Rundschrift. I 3:116
Runge, Jak. 11 6: 118.
Ruschkowitz. III 2:40.
Ruskin, John. I 11:8.
Rust. F. W. I 13 : 79,
Saar, F. v. IV 4 : 262/4.
Sach, A. II 1 : 122.
Sjvcher-Masoch, L. v. IV 1 c : 148.
Sachs, Hans. I 1:89; 3:51; 7:56;
10:8,28/9,35; 12:3; 111:88; 2:
19, 23; 3:20/1, 50; 4:21, 23/9,84/5;
III 4:1; IV 10:71.
Sachse, U. E. IV 5:44.
Sachsen. I 4:99, 189; 11:83, 99; II
1:42.
— D. 14: 150.
Sachsenheim, Hermann y. 11 3 : 2.
Sack, E. IV 4 : 245.
— S. II 6:157.
Sächsische Bauernhäuser. I 11 : 166.
Säkularklerus. I 3 : 149.
Sagen. I 5 : 13-49, 152-99 ; 6 : 78/9 ; IV
9 : 132.
Sagenbildung. I 5:10.
Sagenforschung. IV 9:50a.
Sagengeschichte. IV 2b: 108.
Sagensaminlangen aus Mitteldeutsch-
land. I 5:31/8, 168-87.
— aus Kiederdeutschland. I 5 : 40/1,
45, 188-99.
— aus Oberdentscbland. I 5 : 13/5,
16/9, 154-67.
Sagenstoffe. I 5:221.
Salier, Chr. IV 5 : 284, 513.
— F. M. 16: 59.
— Seb. I 8:25; IV 4:. 301/2.
Sainte-Beuve, Ch. A. IV lc:139.
Saint-Real. IV 9:80.
Simonismus. IV 11:47.
Saladin. I 10 : 19.
Salas y Gomez. IV la:20,
Salat, Chr. IV 5 : 463.
Salchow. IV lc:26.
Salinen. I 4:374,
Salis-Seewis, J. G. Frhr. v. IV 1 a : 2,
27: lc:36; ld:73; 2a: 1,745.
Soglio, Ant. V. IV 2a: 74.
Fida Adelhaid Zaire v. IV 2 a :
74.
Bondo, J. V. IV 2a: 74.
Sallet, F. V IV 2b: 89-92.
Salvini, T. IV 4 : 473.
Salzburger Auswanderer. III 1:96.
Salzmann. Chr. G. IV 5:480.
— Joh. IV 8b: 34.
Salzwedel. I 4 : 372 ; IV 2 a : 64.
Samarin, Juri. IV 1 c : 32.
Samarow, G. I 12:142.
Samland. I 11:98.
Sammelkatalog. I 3 : 274.
Sand, George. I 12:237; IV 10:5.
— K. I 6:143: IV lc:69.
Sandizeller, J. II 7 : 38.
San Harte, A. IV 5 : 404.
Sanzio, Rafael. I 3:186; IV 10:45.
Saphir, M. G. IV 5 : 515.
Sapidus, J. II 7 : 32, 39.
Sappho. IV 4:204, 220.
Sardon, V. IV 4 : 114.
Sartori, J. IV 4 : 375, 406.
Sarzana. Toraaso de (= Papst Niko-
laus V.). I 3:186.
Satansaustreibung. I 5 : 115.
Saterland. I 5:44.
Satire. I 12 : 4; II 1 : 7; III 5 : 5-16.
Satiriker. IV 5 : 10.
Sattel. I 4:270.
Sattler, M I 4:118; II 1:27.
Satzkonstrnktion. II 4 : 10.
Saubert, J. 16: 13.
Sauer, A. IV 4 : 83, 187.
Sauerkohl. I 4:371.
Saunders, Bailey. IV ld:41.
Sauppe, H. IV 1 a : 41 ; 5 : 366/7.
Savonarola. I 3 : 51/8 ; II 1 : 24, 74.
Saxo Grammaticus. IV 9:132; 10:
73, 125.
Scaliger, J. J. II 1 : 99.
Scaranauzza. III 4 : 28
Scarron, P. I10:41;IV2a:10;10:13.
Scevola, L. IV 4 : 204.
Schack, A. F. Graf v. I 11:11; IV
Ic:87, 145; ld:88; 2b: 70; Sa: 89.
Schad, Matth. II 7:36.
Schade, Konr. II 1 : 97.
Schadow, G. I 11:282.
Schäferlauf I 5 : 51.
Schäferpoesie. IV 2a: 20.
Schäfflertanz 1 4:59-64.
Schätze, Vergrabene. I 5 : 149.
Schäuifelin, L. 111: 202, 231.
Schaffen s. Künstlerisches Schaffen.
Sch.iffer, Jos. IV 9: 13.
— L. IV 9 : 13.
Schaffner, M. 111: 233.
— W. I 3 : 72.
Schag, G. 14: 74.
Schallenberg, Chr. v. II 2:38.
Scharffenberg, M. 13: 247.
Scharnhorst, G. J. D. v. IV 1 c : 123.
Schasler, M. I 12:11, 14, 111/Ia.
Schatzger. II 1 : 60.
Schatzgräberei. I 5 : 28-30.
Schaub, L. III 5:63.
Schanerlitteratur. II 1 : 7.
Schauspieler. IV 4:419-77.
Schauspielkunst. IV 4 : 340-50, 330.
Schedel, Hartmann. II 7 : 13/4.
— Hermann. II 7:1, 13.
Scheel, W. IV 2 a : 28.
— (Sekretär). IV 2a: 66.
Schefer, L. IV 2b : 112/3; 5 : 18.
Scheffel, J. V. v. I 7:5; IV ]c:90,
145; 2b: 4: 10:74.
— Marie. IV 1 c : 90.
Scheffer, A. IV 8o:85.
Scheffler, Joh. IV 10 : 68 (s. Angelas
Silesius).
Scheibel, J. E. I 6 : 240; IV 6 : 13.
Scheibentreiben. I 5 : 28, 52.
Scheibert. I 6:2-53.
Schuch, Caroline. IV 4 : 393.
— F. IV 4:386.
Scheidt, S. I 13:17.
Schein, Aesthetischer. I 12 : 14.
— J. H. III 2 : 5.
Schelchlin, M. II 2 : 21.
Schelling, F. W. J. v. I 12:14; IV
2a:2/4; 2b:39; lc:21, 47, 97, 133,
138; 5:104, 138, 155, 495; 10:7, 9,
33, 49-51, 71, 79.
Schelmenroman. II 3 : 39 ; III 3 : 14.
Schelmuffski. IV 10:50.
Scheltbrief. I 4 : 44.
Schelwig. S. III 5:22.
Schenk, Ed. v. IV 2b: 32.
— G. IV 1 c : 88.
Schenkendorf, M. v. IV 1 d : 73.
Scherenberg, Chrn. Frd. IV 1 c : 147.
Scherer, G II 1 : 1.
— Jos. I 11 :310.
— W. I 1:42, 117; 2:2; 12:12, 27,
195; IV 2a: 73; 5 : 223; 6 : 35; 7 : 19;
8e:76.
Scherff, L. IV 2b: 102.
Schernberg, D. II 4 : 9.
Schernberk, Th. IV 8e:88.
Scherzdialog. I 5:332.
Scherzrätsel. I 5 : 349.
Scherzverse. I 5:328-33.
Scheurl, C. II 1:48
Schick, G. IV 1 c : 23.
— (Schuhmacher.) III 5:33.
Schicksal. IV 7:8.
Schicksalsidee. IV 9 : 70.
Sohicksalstragödie. 112:220; IV 4 :
202, 204, 213.
Schiebeier, D. IV 2a: 10.
Schiffsschraube. I 4 : 243.
Schik.aneder, E IV 4 : 1, 452.
Schildbürger. IV 10:41; III 3:1.
Schiller, Charlotte v. IV la:22; Ic:
69; 8b: 14d: 9 : 21, 25,6.
— Elisabeth. IV 9: 1.50.
— Ernst V. IV 8b : 9, 14c-d; 9 : 21.
— F. V. IV 9. — I 6:78/9, 176; 7:1,
17, 56, 134 a, 148; 8 : 34, 65, 71;
12 : 11/4, 144, 194, 223, 242, 248,
415: III 5:5; IV la: 1, 6, 22; Ic:
20, 36, 39, 47, 67. 69, 100, 124, 130,
134/5, 138, 158; ld:13, 28: 2a: 20,
31, 72, 76; 4:22, 26, 56, 63/4, 85.
118, 203/4, 215, 218, 243; 5 : 103,
156, 462, .573, 618; 7 : 13; 8b : 2, 9,
11/1 a, 14c-d, 38, 41, 49; 10: 10, 12/3,
39, 47, 59, 66, 68, 71. Hören IV 2 a:
24; 7:8: 8c: 20; 9:92. Musen-
almanach IV 2a: 2/4.
— Lyrik. IV 9:40-63. — I 7:75; 12:
190; IV 2a:20, 103; 8b: 45; 10:48.
Alpenjäger I 7:45/6; IV 9:52. An
d. Freude IV 9 : 62 Bürgschaft 17:
16; IV 9:45. Carmen amoebaeum
IV 9:61. Distichen 110: 24; IV la:
23. Gang nach d. Eisenhammer IV
9 : 51. Glocke I 7 : 10 a, 76, 106. Ideal
u. Leben IV 9:47. Kampf mit d.
Drachen IV 9 : 46, 50 a. Klage d.
Ceres I 7:49. Künstler IV 9:54.
Reiterlied IV 9:20. Ring d. Poly-
krates IV 9:49. Taucher IVld:74.
Verschleiertes Bild zu Sais IV 6 :
26; 9:50. Xenien 18:45; IV 8c:
20; 9:56.
— Epos. Verbrecher aus verlorener
Ehre IV 5 : 104. Virgil-Uebersetzung
IV 9 : 55.
— Drama. IV 9 : 64-147. - I 7 : 10,
43a; 8:47; IV 4: 394; 10:12. Braut
V. Messina I 7 : 85; 12 : 221 a; III 5:
3 ; IV 1 c : 133 ; 9 : 70, 124/7. Demetrius
17:86; 10:26; IV 9 : 144/6. Don
Carlos I 12 : 165; IV 4 : 21; 9 : 71,
80/4, 152, 164. Fiesco IV lc:95/6;
4 : 62 ; 9 : 71, 84. Flibustiers IV 9 : 143.
Jugendkomödie IV 9:9. Jungfrau
V. Orleans I 7:5, 31, 81/2, 106; 12:
220; II 1:24; IV lc:21; 4:60; 5:
618; 8e : 48; 9:70/1, 84, 104-23.
Kabale u. Liebe IV Id:4; 4:341;
9:11, 79. Kinder d. Hauses IV 9:
143. Maria Stuart 17:13, 80; IV
4:473; 9:70, 84, 95-103. Neffe als
Onkel IV 9 : 140. Parasit IV 9 : 139.
Polizey IV 9 : 143. Prinzessin v. Celle
IV 9:142. Räuber IV Ic: 162; Id:
45; 4:21, 393; 9:74 8. Teil 17:6,
83,4, 106; IV lc:69; ld:39; 9:
128-36. Wallenstein I 5:83, 148;
7:78/9; 12:165; IV lc:21, 69; 5:
618: 7:8; 8e : 48: 9:70/1, 84-95,
141, 164. Warbeck IV 9 : 141.
— AbfaU d. Niederlande I 7 : 77. An-
mut u. Würde IV 9:26. Briefe über
ästhetische Erziehung IV 9: 38 Naive
u. Sentimentalische Dichtung IV 9:
50. Prosaschriften I 1 : 89 ; I V 9 : 30/9.
Recension v. Bürgers Gedichten IV
9 : ,55. Schaubühne .als moralische An-
stalt betrachtet IV 9 : 54.
Sachregister.
Schiller. Jörg. I 3 : 96.
— Joh. Prd. IV 1 c : 116.
— Kasp. IV 9:2.7, 151.
— Luise. IV 9 : 150.
Haus. IV 9 : 149-51.
Jahrbuch. IV 9 : 148.
Kalender. IV 9:8.
Schilling, Dieboia. II 2 : 33 ; 3 : 68.
Schimmelmann, Charlotte Gräfin. IV
9:26.
— Ernst Graf. IV 1 a : 22 ; 9 : 25/6.
Schimpfnamen. I 5 : 356.
Schindler, Jalt. I ll:34>/3.
Schinlc, F. IV la: 33; 4 :446.
Schinkel, K. F. I 11 : 291, 304.
Sohinz. IV la:4S.
Schirmer, Mich. II 2:3.
Schlabrendorf, G. Graf. IV lc:20.
Schlaghart, Greg. I 6 : 58, 62.
Schlagwort-Katalog. I 3:271.
Schlaraffenland. I 10 : 29.
Schlaraffia politica. II 3 : 12.
Schlawe. I 11:96.
Schlegel. A. W. v. I 7:56, 91, 110;
12 : 287 ; IV 1 c : 20 1. 47, 134, 153-60;
2b:42, .53; 4:38: 5:618; 8b: 2, 21;
9:70; 10:7, 9, 10, 20,8, 39, 41, 47,
71.
— Dorothea. IV 1 c : 124, 159 ; 8 d : 32 ;
10:9, 13, 18, 33.
— Frd. IV 1 c : 20, 22, 47, 124, 1.59-60;
2a:24; 4:452; 5:210, 618; 8b:2;
8d:2, 32; 9:70; 10:9-11, 13, 18,
29-32, 39, 45/7, 68, 71.
— J. Ad. IV la:48; 2a: 2,4.
— J. E. IV 4 : 6.
— Karoline. 10 : 9. 10, 18, 33.
Schleicher, Aug. IV la:41.
Schieiden, M J. IV la :41; 2b : 72.
Schleiermacher, F. D. E. I 6 : 3 ; 1 c : 22,
70, 102, 133, 138, 160; 5:260/2,483;
10:34, 47.
— Nanna. IV lc:22.
Schleifer, M. IV 4 : 251.
Schienther, P. IV 4:323.
Schlesien. 11:89; 5:2,139; 11:83;
III 1 : 138.
Schleswig-Holstein. I 5 : 87.
Schlez, J. F. 16: 62.
Schlichtegroll, A. H. F. IV 1 c : 124.
Schliemann, H. IV 1 c : 131.
Schlögl, F. IV lc:86; 4:269.
Schlözer, Aug. L. I 4 : 483 ; IV 5 : 210,
611.
Schlosser, Frd. Chr. IV lc:47, 137/8;
5 ' 299 319
— Joh. Gg. IV 1 c : 67; 6 : 40; 9 : 19.
Schlottmann, A. IV 1 d : 34.
— Konst. IV 5 : 278.
Schlu, J. II 1 :86; III 4:1a.
Schifiter, A. I 11 : 267/8, 282.
— B. IV 2b: 86.
Schmalkaldischer Bund. II 1 : 39, 48.
147, 149.
— Krieg. II 1 : 147, 149.
Schmeigel. M. 16: 127.
Schmeller, J. A. 12: 15.
Schmeltz, Joh. II 6 : 60.
Schmid, Chrph. v. IV Ic : 75; Id : 7.
— H. T. IV 4 : 100.
— Karoline Friederike Marie. IV 2 a : 67.
Schmidel, U. II 1:164; 3:82.
Schmieder, H. Ed. IV lc:100.
— K. Chph. I 6 : 173/5.
Schmidt, Ad. IV la:41. '
— Charles. II 6:23.
— Elise. IV 4:237.
— Erasmus. II 1 : 114.
-Erich. II 3: 25; IV 5: 605; 6: 11, 35.
— F. L. IV 4 : 202, 464.
— Fr. Samuel. IV 5 : 351, 358.
— F. W. A IV 2a: 77.
— Jak. Friedr. IV 2a: 30.
— Joh. III 5 : 22.
— Julian. IV lc:81, 123, 157.
— K. I 6:204; 7:32, 44.
— K. Ferd. IV 2a: 10.
— Thom. III 1 : 19.
— (Elsasser Pfarrer.) IV la:22.
— T.Lübeck. IVla:2;2a:l.
Weissenfeis, Ed. IV 5:524/5.
Schmölzer, Jak. IV 1 c : 86.
Schnabel, J. G. III 3 : 17/8.
Schnadahfipfl. 15:2, 261, 264/5.
Schnauffer, K. IV 1 a : 16.
Schneckenburger, M. 16: 82.
Schneiderleins Glück. I 5 : 235.
Schnell, Jos. v. IV 1 c : 83.
Schnell, K. IV 1 c : 42.
— S. IV 1 c : 42.
Schnellsprechvers. I 5 : 333.
Schnepf. E. II 6 : 157.
Schnepfenthal. I 6 : 14, 82.
Schnezler, A. IV Id : 4.
Schnitt, Goldener. I 12 : 51/1 b.
Schnitzer, Jnh. I 3 : 69.
Schnitzler, A. IV 1 a : 38.
Schnorr v. C-irolsfeld. Jul. IV Ic : 124.
Schober, Frz. v. IV 1 c : 75; 2b : 4.
— Thekla v. IV 1 c : 75.
Schoch, J. G. III 4:16.
— Konr. II 7 : 15.
Schöffer, Joh. 1 3 : 69; II 7 : 67.
— P. I 3 : 68, 82.
Scholl, Ad. IV 1 a : 41 ; 10 : 99, 104.
— R. IV 5 : 372.
Schön u. ästhetisch. I 12 : 70, 111/2.
Schönaich, 0. v. IV 1 a : 27.
Schönberg, H. F. v. II 3 : 24.
Schönborn, G. F. E. IV 2a: 42.
Schönburg, Graf Ernst v. II 6 : 199.
— -Glauchau, Karl Graf v. IV 9 : 19.
Schöne, D . in d. Musik. I 13 : 10.
— C. G. IV 2b : 102.
Schönemann, E. IV 8e : 88.
— F. IV 4:4; 393.
— Lili. IV 8a : 17.
Schönfeld, Ed. 16: 142.
Schöngeist. I 12 : 149.
Schönheit. I 12 : 11, 14, 46, 51, 55, 63,
65/7, 70/70.1, 73/4, 84, 109, 111/1 a, 144,
149, 194, 263.
Schönkopf, Käthchen. IV 8a : 17; 3c: 7.
Schönlein, Luk. IV 5 : 464.
Schönwaldt (Schuhmacher). II 2 : 24.
Scholz, W. IV 4:424.
Schongauer, G. I 11 : 1923.
— M. 111: 191, 247.
Schopenhauer, Adele. IVlc:94; 3b: 14.
— Arth. I 12 : 14, 74, 379-80; IV 1 c :
81, 94, 113: 2b : 1; 4 : 200, 245; 5 :
125, 147; 6:40; 10:49.
— Johanna. IV Ic : 94, 121; 8a : 17;
8b: 13.
Sehern, L. v. IV 1 a : 41.
Schott, Joh. I 3 : 72, 75.
— Johannes. II 7 : 39.
— M. 13: 72.
Schottel, J. G. I 6:238; 8:54.
Schottland. Il 1:1.
Schrader, P. A. IV 4 : 439.
Schramm, Chrn. I 3 : 246.
Schraramhans (Z.auberer). II 3 : 33.
Schraudolph, Joh. v. I 11 : 300.
Schreck, J. F. III 2 : 39.
Schreiber. I 3 : 21.
— AI. IV Id :4.
Schreibpult. I 4 : 273.
Schreibunterricht. I 6 : 164.
Schreib- n. Rechenmeister. I 6 : 164.
Schrempf, Chr. IV 5 : 269.
Schreyer, Ad. I 11 : 376.
Schreyvogel, C. IV 4 : 202, 218,371;
8e:10, 13.
Schriften, Deutsche, inItalien. II 1 : 140.
Schriftsprache, Neuhochdeutsche. I 8.
Schriftstellertum. I 1 : 144-53.
Schriftwesen. 1 3 : 1-63.
Schröckh, J. M. IV 1 o : 138.
Schröckinger, K. IV 1 a : 33.
Schröder, D. III 5 : 15a/5b.
— P. L. III 4 : 46; IV 4 : 12, 18-20,
38, 306, 371, 4459a; 8e: 10.
— Sophie. IV 4 : 472.
Schrödter, Ad. 12: 10.
Schröter, Corona. IV 8a: 17.
Schubart, A. IV 10 : 46/7.
— Chr. F. D. IV 2a : 55, 58; 5 : 512/3;
9 : 152.
— L. IV 9 : 22.
Schubert, F. I 13 : 95/6; IV 2b : 20/1;
9 : 145.
— G. H. V. IV lc:75, 151.
Schubin, Ossip. IV 1 d : 53.
Schücking, L. IV 1 c : 74, 145; 2b: 81.
— Luise, geb. v. Gall. IV 1 c : 74.
Schüleraufführungen. I 7:38.
Schülerchor. I 6 : 251.
Schülerverzeichnisse. I 6 : 163, 170,
214/5.
Schütz, H. 1 13 : 23 73.
— J. J. II 2 : 3.
Schütze, G. IV 2a: 28.
— St. IV la:41.
Schützengilden. I 4 : 91/2.
SchQtzenwesen. I 4 : 384.
Schalansgaben. I 7:56.
Schulbibliotheken. 1 3:213-28.
Schulbücher. 16:3. 13.
Schuld, Tragische. 112:74.
Schule, Erste schlesische. I 1 : 89.
— Zweite schlesische. 1 1 : 89 ; III 1 : 138.
Schulen (Akademie, Bürgerschule,
Fürstenschule, Gymnasium, Hoch-
schule, Jesuitenschule, Lateinschule,
Lyceum, Mädchenschule, Militärbil-
dungsanstalt. Pädagogium, Philan-
thropin, Piaristenschule, Privat-
institute, Realgymnasium, Ritter-
akademie, Seminar, Universität,
Volksschule) I 6. — II 1:128. In:
Allgäa I 6 : 87. Altdorf I 0 : 249.
Altenbnrg I 6 : 241. Anhalt-Zerbst I
6:223,233. Arnstadt III 4 : 20. Baden
I 6 : .5, .58, 60, 163, 224. Basel I 6 : 89;
II 1 : 146. Bayern I 6 : 61, 164/5.
Bayreuth I 6:91. Berlin I 6 : 71/3,
90, 166 7, 183; IV 5 : 618. Beutlien a. 0.
I 6:160. Bonn I 6:179: IV 2b:
104; 5 : 548. Brandenburg I 6 : 166-71.
Brandenburg a. H. I 6 : 163. Breslau
16:205/6: III 2:39. Budapest IV
2a: 70 Chicago I 6 : 85, 144. Danzig
16:178. DillingenI6:87. Duisburg
I 4 : 416. Eisenach I 6 : 204. Elchin-
gen 16:87 8. Eltville 16:181. Erbach
I 6 : 181. Erfurt I 4 : 97 ; II 1 : 146.
Erlangen I 4 : 80; 6 : 91/6, 93, 95, 123.
Erzeebirge I 6:199-200. Eschwege
I 6 : 177. Frankfurt a. 0. I 4 : 96/7 ;
6 : 97 /8, 178. Freiberg i. S. 14: 107 ;
6:201. Freiburg i. B. I 4:82. 430;
6 : 99-103: II 1 : 146. Freibnrg i.Schw
I 6 : 104. Geisenheim I 6 : 181. Gera
I 6:159. Giessen I 4:102; 6:105,
107. Göttingen I 4 : 1023; 6 : 108/9 a.
Grjiz IV 2a: 82. Greifswald I 4:95.
Halle a. S. I 4:374: 6:110/2, 17.3/5,
178, 183. Hamburg I 6 : 19. Hannover
16:172. Hattenheim 16:181. Heidel-
berg I 4:83; 6:115/8, 163, 217; II
1 : 146. Heinsberg I 6 : 213. Hessen
I 6:62, 173/7. Hildburghansen I 6:
84. Hirzenheim II 1 : 66. H»f I 6 : 91.
Ilfeld II 1 : 66. Ilsenburg II 1 : 66.
Ingolstadt II 1 : 146. Itzehoe I 6 :
209. Jena 14:77, 100; 6:84. 203,
215/7; II 1 : 1. Joachimsthal I 3 : 218.
Jülich I 6 : 181. Kassel I 6 : 106,
173'6. Kloster Berge I 6 : :i9-41.
Köln I3:23;4:99;6:179; 111:146.
Königsberg i. N. 16: 169. Königs-
berg i. Pr. I 6 : 74. Küstrin I 6 : 170.
Kulmbach I 6 : 91 Lautlingen I 6 :
58. Leipzig 14:98; 6:76, 119-21,
202, 244 ; m 4 : 24. Liegnltz I 6 : 151.
Linz a. Rh. I 6:180. Lnckau I 6:
170. Lüneburg III 4:24. Luzern I
6:212 Magdeburg I 6 : 4.5. Mainz
16:179; 111:146. Marburg 16:
106/7: II 1:59; IV 2a: 82. Minden
I 3 : 23. München I 6 : 233. Münster
I 6 : 55. Nancy III 4 : 25. Neisse I
6:245. Neustadt a. d. H. I 6:17.
Neustettin I 6 : 178. Nordhausen I
6 : 40, 83. Nürnberg II 1 : 71. Oester-
reich I 6 : 63,4, 225, 234. Offenbach
I 6 : 81. Oldenburg I 6 : 66. Orleans
II 7 : 12. Osnabrück I 6 : 172. Otto-
beuren I 6 : 87/8. Paderborn I 4 : 101.
Pirna II 1 : 128. Pommern I 6 : 178.
Pont-ä-Mousson 1114:25. Prag II
1 : 134, 146. Prenzlau I 6 : 171. Rhein-
lande I 6 : 179-82, 213. Rostock II
1 : 123. Saalfeld I 6 : 34. Sachsen
I 6 : 183, 199-202, 227,8. Sachsen-
Weimar-Eisenach I 6:203/4. Salz-
burg I 6 : 57, 226. Schaffhausen I
6 : 161. Schlesien I 6 : 205/8. Schles-
wig-Holstein I 6 : 209. Schneeberg
I 6 : 201. Schulpforta I 6 : 162,
184-98 (s. auch Pforta). Schussen-
ried III 4 : 22. Schweiz I 3 : 141/2;
6 : 104. 211/2. Schwetzingen I 6:
214. Stettin I 4: 105/6: 6 : 153 8,
178. Stuttgart I 6:210; IV 2a: 70.
Teplitz II 1 : 134. Thorn I 6 : 178.
Torgau II 1 : 128. Trentschin III 4 : 26.
Treviso II 1 : 30. Trier I 6 : 179; II
1 : 146 Tübingen II 1 : 146 Verdun
III 4 : 25. Walkenried II 1 : 66. Wei-
mar I 6:47, 162; IV 7:7. Wengen
III 4 : 22. Westfalen I 6 : 173 5, 179.
Wettingen I 6 : 77. Wien I 6 ; 63,4,
Sachreg-ister.
122, 152; 11 : 449; II 1 : 146. Witten-
berg I 6 : 75, 110/4, 178; II 1:1, 140,
155. Wlttstock I 3:223. Württem-
berg I 6 : 210, 229-30. Würzburg
II 1 : 146. Zittau III 4 : 24. Zwei-
brücken I 6 : 165. (S. auch Matrikeln,
Schnlkomödien, Schulordnungen.)
Schuler, Cornelie. IV lc:83.
— Joh. I 10:27; IV lc:83.
Sohulgebete. 1 6:58.
Schulgesundheitspflege. I 6 : 225.
Schulinspektoren. I 6 : 225.
Schulkomödie (s. auch Jesuitenkomödio
u. Schüleraufführungen). I 6:243/6;
II 1:86; III 4:20. Bartfeld II 4:
18. Breslau I 6:205/6. Leipzig I
6 : 244. Linz a. Rh. I 6 : 180. Neisse
I 6 : 245.
Schulliederbuch. I 6:247.
Schnlnässige Znsummenstellungen d.
Poetik. I 12:27, 44.
Schulmünzen. I 6:249.
Schulmusenm. I 3 : 215.
Schulordnungen. I 6:3; II 1:28.
Brandenburg a. H. I 6:168. Gera
I 6 : 159. Itzehoe I 6 : 209. Königs-
lutter I 6 : 251. Eheingau 16:181.
Salzburg I 6 : 226. Stettin I 6 : 158.
Torgau II 1 : 128 (s. auch Schulen).
Schulprämien. I 6 : 249.
Schnlprograrame. I 6 : 43.
Schulreden. I 6:3, 161, 176, 201,240.
Schulschriften. I 3 : 74, 13fi/7, 139.
Schulthess, J. G. IV la:48; 2a: 18 9.
Schultz, Alwin. II 1 : 115/6.
Schnitze, G. III 5:16 a.
— Wilh. IV lc:8S.
Schulunterricht. I 1 : 81/6.
Schulsprache. I 8 : 144.
Schulwerkstätten. I 6 : 22"\
Schulwesen. 14:414; 6:164,166,176;
II 1 : 66, 140.
Schulz, F. A. III 5:61.
— V. Gielsdorf. IV 5:30.
Schulze, Ernst. IV lc:137; ld:3;
2b: 35.
— Joh. IV lc:158.
Schumann, A. Ill 2 : 31.
— F. A. G. IV 1 a : 2.
— E. I 13:989; IV lc:157; 2b:3.
— V. II 4 : 35.
Schupp, J. B. I 6:176; III 5:5, 22.
Schnrener, Joh. I 3 : 69.
Schuster. Ign. IV 4 : 375.
Schw;ib,G. IV ld:32; 2b:7, 17; 10:
58, 105, 143/6 a.
Schwaben, D. sieben. I 5:227; II
3: 11.
Schwäbische Dichter. IV 2 b : 6-19, 81 ;
10 : 105-63.
Schwanke. I 5:218, 244.
Schwan, Chr. Frd. IV lc:65; 2a:
18/9.
Schwanhausen, Joh. II 6 : 55,
Schwanklitteratur. I 5 : 243 4 ; II 1 : 7 :
III 3 : 3, 10.
Schwarzach. I 11 : 394.
Schwarzenberg, Chrph. v. II 1 : 60.
— J. V. II 1 : 60.
Schwedennot. III 1 : 19, 43/5.
Schwegler, A. IV 1 c : 148.
Schweiger, Frz. IV 1 c : 47.
Schweighäuser, Gfr. IV lc:21.
Schweinitz. I 11:99.
Schweitzer. K. v. IV la:41
Schweiz. I 11:2167; 13:1604; II 1:
53, 85; 3:70; IV 2b: 119; 9:132.
Schweizer, D. III 5:60/3.
Schweizerstil. Ill: 164/5.
Schwendi, L. v. II 1 : 61, 60.
Schwenkfeld, Casp. II 6:55, 102, 113,
142, 188.
Schweppenhauser (Pfarrerl. IV 8 b : 35.
Schwerdgeburth, K. A. IV 8e:85.
Schwerin. I 11 :451.
— 0. V. lII 1 : 74/5, 87 ; 5 : 19.
Schwerttanz. I 4:69-70; 5:43.
Schwestern, D. drei lispelnden. I 5:
243.
Schwind, M. v. I 11 : 10; IV 1 o : 90,
167; 4:228.
Schwulst. I 12 : 4.
Schwur unter d. Easen. I 5:77.
Scott, W. IV 1 c : 47, 74 ; 10 : 39.
Sootto, G. I 3:82.
Scotns Erigena. III 5:20n.
Scribe, E I 12:346; IV 4:122.
Scriver, Chrn. III 5 : 22, 27/9.
Scudery, Madame de. III 4 : 17.
Sdralek, M. IV 6:38.
Seckendorff, L. V. v. I 6:237; 12:4;
IV 2b:6; 8c:16.
Secreta Secretorum. I 5 : 229.
Secundus, J. IV 8c : 11; 9c : 11.
Seekatz, J. K. Ill: 273.
Seelenglaube 15:8.
Seelenkult. I 5 : 113-47.
Seelenwanderung. IV 4:112.
Seelmann, W. II 4 : 1.
Seemannsglaube. I 5 : 137.
Segenbrett. I 5 : 99.
Segesser, A. Ph. IV 5 : 352.
Seherin v. Prevorst. IV 10 : 140/1
Seibertz, E. IV 8e:85.
Seibt, K. H. II: 112.
Seidamt. I 4 : 225.
Seidel, Ph. IV 8b: 10.
Seidemann, J. K. II 6:11.
Seidenindustrie. I 4 : 222/4.
Seid], J. G. IV 1 a : 33.
Seidler, Amalie. IV 8b: 15.
- Luise. IV lc:71.
Seifhennersdorf. I 4 : 383.
Sekkan. I 11 : 114.
Selbiger, L. v. I 6:197.
Selbitz, H. V. II 1 : 33.
Selnekker, N. II 1 : 173.
Sembrzycki, J. II 1 : 144.
Seminar s. Schulen.
Seraper, G. I 11:23, 305/7.
Senaucourt, F. IV 1 d : 1, 12.
Seneca, L. Annaeus. 114:10; 1114:5;
IV 10:124 5.
Senefelder, A. 1 11:427.
Senf, H. Ch. L. (s. auch Filidor). IV
2a: 78.
Senfl, L II 2:47.
Senn, J. IV 1 c : 83.
Sensenschmid (Buchdrucker). I 3 : 83.
Serassi, P. IV 8e:39.
Serbien IV 9 : 132.
Servaes, F. I 12 : 288.
Servet. II 6:3, 47, 11.3.
Sesenheim, Friederike v. s. Friederike
Brion.
- Wallfahrt nach. IV 8b: 34.
Sette^ast, H. lY 1 c : 123.
- J. Ill: 323.
Setzer, J. I 3 : 79 ; II 6 : 47.
Senffert, B. I 12:4.
Seume, J. G. IV la : 23; Ic : 158;
2a: 1.
Seuter, G. I 11:424.
Seydelmann, ,T. C. I 11:321.
- K. IV 4:459-65.
Seyffer, F. A. I 11 : 426.
Seyffert, J. G. I 11 : 425.
Seyler, A. IV 4:371.
Sfondrato, Kardinal. II 1 : 147.
Shaftesbury, A. A. C. v. IV 2a : 20.
Shakespeare, W. I 1 : 52 ; 7 : 42 ; 10 : 8,
36, 38,9 ; 12 : 11, 102, 144, 149, 306, 357 ;
II 1:81; III 4 : 6 a, 14, 46 ; 5:3; IV
1 c : 21/2, 39. 47, 69, 74, 83, 90, 95. 105,
160; ld:59, 60, 62/6; 4:1, 18, 20,
23 8, 38, 70, 72, 75, 129, 157, 202,
215, 218, 228, 306, 314, 322, 331, 341,
354, 363, 369-70, 375, 402, 406, 452,
467, 473; 5:618; 8b:26; 8 e : 5, 30,
51, 85; 9:70, 123; 10:35, 39,41, 62,
99.
Shaw, B. I 12:349; 4: 138.
Shelley, P. B. IV 1 a : 1.
Sherburne. m 2 : 34.
Sheridan, E. B. IVld:70; 4:43. 372.
Siber, A. II 7 : 62/3.
Sichern, Chrph. v., d. Ae I 11:419.
Sicherheitswesen. I 4 : 285/6.
Sickinger. A. I 11 : 313.
Siebeck, E. I 12 : 14.
Siebenbürgen. I 5 : 50, 279.
Siegert. A. F. I 11 : 319.
Siegfriedslied. 9:50a.
Siemens, W. V. 1 V 1 c : 1 1 9-20 . 5 : 455/7.
Siemering, L. E. I 11:316.
Siess, R. II 2:48.
Sievers, E. II 1 : 73
- 0. IV 9 : 144.
Sigebert, Bischof. I 3 : 23.
Sigel, H. II 2 : 20.
Sigmund v. Tirol. II 7 ; 18.
Silber, Ch. H. A. IV 2a: 80.
Silberrad, Marie Clara y. IV 2 a: 81.
Sucher, Fr. IV 1 c : 91.
Silesius a. Angelus Silesius.
Silvesterbräuche. I 5 : 63/4.
Silvio, Enea. II 7 : 10, 13, 15, 18.
Simmenthai. I 5 : 155.
Simon, Magus. II 3:25, 29.
Simons, Menno. II 6 : 186.
Simonsfeld. H. II 1 : 30.
Simrock, K. III 4 : 43 ; IV 1 d : 73 ;
2b: 88, 108.
— Nik. I 3 : 266 a.
Singing Simpkin. III 4 : 7.
Singschulen. II 2:22.
Singspiel. I 13 : 58 ; II 4 : 34/5; III 4 : 7 ;
IV 4: 12, 411 rs. auch Oper).
Sinngedichte. I 5 : 308.
Sinnsprüche. I 5 : 309.
Sintemal. III 5 : 63.
Sipmann, G. Ill: 320.
Sittenpolizei. I 4 : 285.
Skandinavien. II 1:1.
Skarbina, F. Ill: 355.
Skreta, P. I 11:268.
Slaventum. I 4 : 534.
Slüter, J. II 6 : 140
Smels, W. IV ld:4
SmoUet, T. IV ld:48; 4:8:8b:3.
Snoilsky, K. Graf IV la:23.
Socialdemokratie. I 1 : 170.
Sociale Frage 11 4 : 14.
— Stellung d. Künstler. I 11 : 153.
— Verhältnisse. 11 1 : 138.
Socialismus. 14:578-95; II 1:19;
IV 4 : 125, 128, 159, 334, 366.
Sögur. IV 10:73.
Söldnerführer. 11 1 : 70.
Söldnerheer. II 1:61.
Sohn, C. I 11:318.
Sokrates. I 12 : 168.
Soldatenhumor. I 5 : 335.
Soldatenlieder. I 5:256, 285; 1110:6.
„Soldatenlob". III 5 : 6.
Solger, K. W. F. IV 1 c : 69.
— B. IV 1 a : 16.
Solis, V. I 11 : 418; II 3:42.
Soll, Chr. II 2 : 16.
Soloscene. I 12:247/8.
Somaize, Baudeau de. I 12 : 15 c.
Sommer, E. I 12:14.
— J. II 3:54; IV 5:604.
Sommersonntag. I 5 : 56.
Sommervogel, C. 16: 244.
Somnambulismus. IV 4 : 69.
Sonn, J. II 7 : 13.
Sonnenburg. Ill: 2ö6.
Sonnenthal, A. v. IV 8e : 92.
Sonnleithner. Familie. IV 4 : 207.
Sonthorab. E. III 5 : 22.
Sophie, Kurfürstin v. Hannover. III
1 : 127.
Sophokles. I 12 : 220/1 a; IV Ic : 69;
8e : 3; 10:41.
Sophonisbe. I 10 : 3.
Sortimentsbuchhandel. I 3 : 285.
Soto, P. II 6 : 15.
Sotzmiinn, J. IV 2b :
— M. IV 2b: 104.
Souvestre, E. IV 1 d
Spach, Ed. IV 1 c : 106.
Spalatin, G. II 7 : 25, 42.
Spalding, G. L. 16: 71, 167.
— J. J. IV 5 : 275. 360.
Span, M. IV 2a: 2/4.
Spangel, Pallas. I 6 : 116/7; II 7 : 20.
Spangenberg, A. G. III 5 : 35.
- Cyr. 112:22; 3:92; 6:155; 7:
62/3; III 4:1: 5:5.
— M. J. Gust. I 11:346.
— W. II 3 : 54.
Spanheim, E. III 1 : 112, 126.
— F. d. Ae. III 5 : 17.
— d. J. III 5 : 18.
Spann, A. v. IV 5:391a.
Sparr, J. G. A. 16: 83.
— 0. Frhr. v. III 1 : 73.
Spaun, Ch. II 3 : 3.
— F. A. V. IV 5 : 612.
Spazier, J. G. K. IV 5 : 41.
— Karoline. IV 5:42.
— E. 0. IV 5:40.
Speccius, Chph. I 6 : 34.
Specht, E. IV la : 38.
Speckmoser, U. IV 2a: 82.
Spedt, F. II 1 : 69.
Spee, F. V. III 2:10/2; IV 2b : 3, 86;
10 : 68.
Spehr, L. F. IV 5 : 349.
Speidel, J. J. III 5 : 46.
— L. IV 1 c : 149.
Spencer, Herb. IV 5 : 445.
— John. III 4:33; IV 4:437.
104.
26.
Sachreffister.
Spener, J. R. Ph. I 3:25!».
- Ph. III 1 : 11/2, 90; 5 : 21 6, 31»; IV
Ic : 115.
Spengel, .1 v. Fremerssehenn. 13:69.
- L. IV 5 : 368.
Spengler, L. II 1 : 48, Tl.
Sper. IV 2b : 102.
Speratus, P. II 1 : 88: 2 : 14; (i : 141.
Sperling. I'. 16: 19.
Speth, B 111: SOS.
Sphragistik. 13:4.
Spiegel, Rh.;tori8cher. I 3 : 75.
- J. II 7 : 22.
- z. Desenberge, E. L v. IV 2a: 16.
- V. Pickeldheini. .». E. IV 2:i : 17.
Spiegelberg. C. IV 4:377.
- J. III 4:35; IV 4 : :{77.
Spieker, Chrn. W. IV 5 : 277.
- .1. IV 5 : 276.
Spiel. I 6 : -'50.
Spiel berg. I 4:472:1.
Spielhagen, F. IV 4 : 118.
Spieltrieb. I 12 : 14. 73.
Spiess, A. I 6:82
- C. H. IV 4:17; 10:124.
- J. B. I 6:81. '
Spiker, S. H. IV 4 : 455; 5 : 517.
Spilleke. G. A. 16: 72.
Spiller, K. G.. v. KauHnsclüld (= Mu.x;
Waldau). IV 2b: 114; 4:29.
Spindeler, N. 13: 92.
Spindler, A. R. K. IV 4:30.
Spinoza, B. IV 1 o : 20. 83.
Spiritisten. IV 5 : 78-80.
Spitta, H. IV 2b: 117.
K. J. Ph. IV 2b: 116,8.
- Ph. I 7: 105: 13:75.
Spitteler, K. IV 1 a : 5<).
Spittler, L. Th. IV 5:297, 611.
Spitzeder, F.irailie IV 4:456.
Spitzel. Th. G. III .". : 45.
Spitzer, D. IV 5:526-31.
Spitznamen. I 5 : 356.
Spitzner, F K. II. I 6:75.
Spitzweg, W. I 11 : 312
Splittegarb, K. F. 16: 73.
Spohr. L. IV 2 b : 70.
Sporck, J. Graf v. III 1 : 56.
Sporer, H. 13: 73.
— P. I 3 : 73.
Sporschil, J. Ch. IV 5:516.
Spottlied. 1 4:168.
Spott\rerse. I 5:328-33.
Sprache. I ö. — IV 4: 118. Bisniarck
I 8:52 3. Bodenstedt 77 8. Fischiirt
I 8:35. Goethe I 8:41/5: IV 8a:
101/9. Hebel 18:48. Heine 18:50;
IV 11 : 48/8 a. Herder IV 7 : 5. Kleist
IV 4 : 75 8. Körner IV 2b : 102.
Lessing 18:36 9: IV 6: 3/5 Ludwig I.
V. Bayern I 8 : ,51. Lnther I 8 : 29-34;
II 6 : 64. Nestroy IV 4 : 192. Platen
I 8 : 49; IV 2b : :i7. Schiller I 8 : 45 6 ;
IV 9:51, 72. VVieland I 8:40.
Sprachduramheiten. 18:130 5.
Sprachform, Innere. 18:6.
Sprachführer. I 4:124.
Sprachgesellschaften (s. a. Gesell -
Schäften, Deutsche) I 8 : 55 6; III 5 :
13, 613; IV 5:23.
Sprachleiire. I 6 : 20.
Sprachreinigung. IV 9 : 163.
Sprachriclitigkeit. I 8 : 105.
Sprachschöpfung. 18:5.
Sprachstudien. II 7 : 23, 31, 42.
-Sprachverderber". III 5 : 4.
Sprachverein. IV 5 : 443.
Sprecher v Bernegg. III 5:37.
Spreng, J. J. I 2:5; 8:59; II 2:21;
3:42; III 2:28; 5:63.
Sprengel. K. IV 5 : 459-60.
— M. Ch. IV 5 : 432.
— R. IV 2a: 73.
Sprenger, P. .1. Ph. IV 5:349a.
Sprickmann, A. M. IV 4:12.
Springer, A. 1 11 : 1, 183, 243, 396-400;
IV lc:14S.
Springinklee, Greg. II 2 : 15.
— Hans. I 11 :417.
Spruchpoesie, I ö : 302,7.
Sprüche. I 5 : 22 4, 213. .302-10.
Sprüchwörter. I 5 : 302, 311-27: 10 : 50.
Sprüchwörterbüchlein. I 5 : 323.
Spruner, K. v. IV 5 : .344.
Spukgeister. 15:119-22.
Staatsromane. IV 5 : 2
Staatsschriften. IV 5:445.
Stabius, J. II 7 : 28, 42.
Stiickdorn, Veridor v. III 5:5, 11.
Stackeiberg, 0. M. Prhr. v. I 11:326.
Stade. Dietrich v. 12:3.
— J. F. A. s. F. E. A. Albrecht.
— Frhr. v. n. zu. III 5 : 38
Staden, van. IV 4 : 438.
Stadion, Graf. IV 4 : 222.
Stadtrechnungen. I 4:403. 484.
Städtegeschiclite. 1111:17 8.
Städteverfassung II 1 : 47.
Stägemann. Elisabeth. IV 10:16,7.
— F. A. IV 10:16
Stähelin, B. III 5:63.
Stael, Anne Louise (lervaise de. I 12 :
287; IV Ic: U. 20,1. 47, 1.58; 2b: 1;
5:618; 10:23, 78, 104.
Stalin, Chph. v. IV 5:351.
Staeudlin, G. F. IV 2a: 31.
Stahl, F. J. I 6:94: IV 5 : .553.
Stahr. Ad. IVla:40: lc:147, 157;
4:467: 5:423.
Stainer, Jak. I 10:27.
Stalder, F. J. 12:7.
Stallbaum, J. G. I 6:76.
Stallupönen. I 4 : 312.
Stamford. H. W. v. IV 5 : 492.
Stamm, F. IV 4 : 176.
— Th. IV 4 : 177.
Stammbücher. » I 4 : 141 3 ; 5 : .309 ; II 1 :
1723; III 1 :1037; IV 1 a : 21 6.
Standeserziehung. I 6 : 235,8.
Standeslieder. I 5 : 299.
Standessprachen. 18: 137-49 a.
Stange, B, I 11 : 315.
Stapel, E. III 4:12.
Stapel recht. I 4:251 2.
Stapfer, Ph. A. IV Ic : 42 4, 124: 5:611.
Staphylus, F. II 1 : 7.
Starhemberg, E. R. Graf v. III 1 : 57.
— Guido Graf v. III 1 : 58.
Stark, K. B. IV 5 : 376.
— L. IV 2b: 102.
Starkenbnrg. I 11 :90.
Starklof, K. Chr L. IV 4:458.
Stationare. I 3:88.
Stattler. B. IV 5:284.
Staub, J. I 6:80.
Staubebüchli. I 6:80.
Staubsand, A. I 6 : 36
Stande, J. H. 16 : 37.
Staudigl, J. IV 4 : 433.
Stauffach, R. v. IV 9 : 136.
— Werner v., d. Ae. IV 9: l:i6.
d. J. IV 9:136.
Stanffer-Bern. K. I 11:12 8.
Staupitz, J. 11 1:71: 6:11.
SUwinsky, K. IV 4 : 432.
St. Blasien. I 11:88.
Steche, F. R. I 3:294; 11:8.3, 405 6.
Stechow, M. III 2:27.
Stecknitzkanal. I 4 : 300.
Steffens. F. IV 4:31.
— H. IV lc:22, 134, 160; 4:5: 5:
.33, 478; 10:51.
Stegmann, K. D. IV 4:450.
— K. J. IV 5 : 519.
.Stegmayer, Famili«. IV 4:181.
Steichelin, D. II 2:21
Steiermark. I 5 : 66; 11 : 111/6.
Steigbügel. I 4 : 270, 272.
Steigentesch. A. V. IV 4:1, 181.
Steiger, C. III 5 : 7.
Steiglehner, Cöl. IV 5:451.
Stein, A vom. II 1 : 70.
— Charlotte v. IV 4 : 10; Sa : 17; 8b :
26. 38 8b: 8e : 2.5.
— Eitelwolf V. II 1:08: 7:40,1.
— Fritz T. IV 8e : 25
— G. V. II 1 : 63; 7 : 40.
— H. F. K. Frhr. v. IV 1 c : 22, 24,
13.3, 159.
— Oberstallmeister v. IV 8b : 44
Stein.icker, G. IV 5: 405a.
— V. IV 5:5.57.
Steinb.afih, C. E. 12:4.
Steinbeile als Mitte! gpgen Blitzschlag
I 5:98.
Steinberg, N. 16: 207.
Steinbrecher, Familie. IV 4 : 431.
Steinbrüche!, J J. IV ö : 359.
.Steiner, J. W. Ch. IV 5:354
- Wernher. 11 3:72.
Stelngaden. 111: 146
Steinhäuser, K I 11:322.
Steinhart, G. II 3 : 34 5.
— K. H. A. 16: 197.
.Steinhaus. IV 9 : 27.
Steinhöwel, H II 3 : 41.
Steinhnser, A. II 2 : 32.
Steinkallenfells, J. H. v. III 5: 10.
Steinle, E. J. v. I 11 : 317.
Steinmann, F. A. IV 4:89; 5:563;
11:56.
Steinmetz, J. A. 16: 39.
Steinmöllor, J. R. 16: .53.
Steinthal, H. IV 5 : 209, 211/4; 10 : 133.
Stella, Er. II 8:52.
Stelzhamer, F. IV lc:86.
Sten, S. I 6:17; II 7:55.
Stender, D. F. II 2:45: III 2:45.
Stendhal (= M. H. Beyle). IV 4:129.
Stenographenkalender. I 3 : 18.
Stenographie. 13:6-19; IV 5:473;4.
Stenzel, J. A. IV 4 : 430.
Stephan, H. v. IV 5:605.
Stephani, C. II 4:21.
— H. I 6:61.
Stephanie. CG. d. Ae. IV 4:406, 441.
d. J. IV 4:441.
Stephanstag. I 5 : 50.
Stern, Ad. IV la:17, 23, 27; lc:81.
V. IV 4:269.
— Wilh. I 6:60.
Sterne, L. IV 2a: 23; 4:202.
Sternspielbruderschaften. I 5 : 350.
Stersinger, F. IV 5 : 279.
Stessan, M. II 4 : 17.
Stetten, P. v. IV 5:350.
Stettin. I 11:212.
— R. L. I 3:255.
Steub, L. IV lc:41, 8:}, 90, 157; 4:
32; 5:391.
Steuerlein, J. 11 2: 11, 13.
Steyndorffer, M. II 7 : 59.
Steyner, IL I 3:80.
Stich. W. IV 4 : 4:J4.
Stichling, G. Th. v. IV 7:1, 3.
Stiefel, L. A. II 7 : 59.
Stieff, Chrn. I 6 : 20S: III 2 : 43.
Stiegel, J. 16: 16.
Stieglitz, Charlotte. IV 2b: 29-30.
— Ch. L. I 11 : 327.
— H. IV 2 b : 29-30.
Stiehl, A. W. F. 16: 68.
Stieler, .L I 11:309.
— KI 8:26; III 5:2.
Stier, F. 16: 215.
Stifel, M. II 6 : 133.
Stifft, A. Frhr. v. IV 4:175.
Stifter, Ad. I 6:225.
Stigel, .). II 1 : 172; 6 : 43 4 ; 7 : 61.
Stiglmayr, J. B. I 11 :314.
Stil. 1 12: 12.
Stilistik. I 8 : 44. 136.
Stimmer, T. I 11 : 216; 11 3: 47.
Stimmung. I 12:913, 176.
Stintzing, K. v. IV 5 : 440.
Stipendienwesen. I 6:107.
Stirner, M. 112:353:5:196-203.
Stock. Dora. I 11:328; IV äa:99.
Stockfleth, H. A. III 2:26.
Stockmar, Ch. v. IV 5:540.
Stöber, A. I 8:27.
— D. E. IV le: 108; 4:33.
StöckeL Chrn. G. IV 2a: 7.
— L. II 4: 18; 6: 176.
— M. I 3:253.
— W. I 3:25:J.
Stöckle, .1. IV 5 : 281.
Stöffler, J. II 6:41; 7:36.
Stökken, Chrn. v. III 2 : 25.
Stöltzer, Chrph. III 4:11.
Stölzlin, D. I 6:38.
Stössel, J. II 6 : 1.54
Stoever, J. I 6:35.
Stoffgeschicht«. I 10.
Stolberg. Grafen von. I 4:71.
- Botho V. II 1 : 65
-Chrn. Graf IV la:22; 2a: 14, 367;
4:13.
— F. L. Graf. IV 1 a : 22; 1 c : 68, 124,
159; 2a: 14, :?6/7; 4:14.
— Heinr. v. 111: 67.
— Katharina Gräfin. IV 1 a : 22 ; 2 a : 42.
— Ludw. V. II 1 : 66.
— Wolf Ernst Graf. I 3 : 181.
— -Pless, Grafen v. 111 5:34.
— -Stolberg, Sophie Eleonore Gräfin zu.
m 1:92.
— -Wernigerode, Chr. E. Graf zu. III
1 : 93.
Heinr. Ernst Graf zu. IV 2a : 79.
Stolbergsche Sammlung. III 3 : 18.
Stell, H. W. IV 5:493.
— J. I 3:85; II 2: 49.
— J. L. IV 4:37.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgesohiohte. IV.
(4)37
Sachreg-ister.
Stolle, G. in 2 : 42.
— K. II 3 : 86.
Stolte, W. K. IV 4 : 88.
Stoltw, V. I 8:28; IV 4 : :54.
Stolz, A. IV 5:281.
Stolze, W. I 3: 12/6.
Stoppe, D. III 2 : 44.
Storch, Nik. II 6 : 178.
Storchrätsel. I 5:3.51.
Storm, Th I 12 : 190, 254 ; IV 1 c : 147 ;
2b: 10.
Stosch, B. III 1 : 87 : 5 : 19.
Stoss. Veit. I 11 : 251.
Stoy, K. V. 16: 215, 217.
Strachwitz, M. Graf v. IV 2b : 32. 96.
— Nora Gräfin. IV 1 c : 77.
Straclcerjan, K. D. A. 16: 66.
Strähuber. A. I 11:311.
Strafreoht. I 4:108, 112/8.
Stralsund. I 6:37.
Strampler, F. IV 4 : 436
Stranitzlcy, J. A. IV 4 : 410.
Strasburg (Ostpreussen). I 11:97.
Strass. J. G. F. 16; 40.
Strassburg i. E. I 3:96; 4:424;
11:141,2, 229; 1:42: III 1:109.
Strassen, Chrn. v. d. II 6 : 1.Ö3
Strassennamen. 1 5 : 371 a.
Strassmann. J. IV 4 : 4:J5.
— Marie. IV 4 : 435.
Straub, L. I 3:254.
Strauch, L. 111: 422.
— Ph. III 3 : 18.
Strauss, D. F. II 7 : 39; IV 1 c : 159;
2b : 119; 4 ; 228; 5 : 265-6, 399:
10:139 a.
— Jak. II 6:180.
— Job. III 5 : 5.
Strebertum. I 4 : 167.
Streckfuss, M. F. K. IV 4:. 36; 5:386.
Strehling, E. H. IV 10:60.
Streicher, A. IV 9 : 21.
Streit, K. K. IV 5:518.
Streiter, J. IV 4 : 178.
Streithagen, v. III 1 : liS.
Streithorst, J. W. 16: 42.
Streitschriften, Religiöse. II 1:140.
Stresow, K. F. III 2 : 29.
Stricerius, J. II 4 : 19.
Stricker, D. IV 10 : 71.
— W. IV 8a: 170.
Strieder, F. W. IV 5 : 355.
Strigel, B. I 11 : 225,6.
— Victoria. II 6 : 70.
Strindl.erg, A. I 12:316, 3717, 398:
IV 4:166/8, 321.
Stritter, J. M. I 6 : 43.
Strodtmann, A. IV 5 : 387.
— Joh. Chrph. 12:6.
Stroth, Fr. A. I 6:46.
St. Rene Taillandier. IV ld:l.
Strube, D. H. IV 5:534.
Struck, H. J. 13: 256.
Strudberg, F. A. IV 4:35.
Strudel, P. v. 111: 269.
Strübinsche Chronik. II 3 : 75.
Strnensee, Chr. G. 16: 41.
— J. Fr. V. I 6 : 41 : IV 5 : 536.
Strunz, F. III 5 : 43.
Strnve. B. G. 111 5:40; IV 5:5.55.
— F. G. m 5:46 a.
— J. Th. IV 5 : 369.
— K. L. I 6:74: IV 2a: 83.
Stubaithal. I 5 : 19.
Stubritz, M. III 2:33.
Stuck, F. III: 359.
Stncki. J. W. II 7 : 54.
Studemund, W. IV 5:370.
Studenten. 1 6:119, 125 6, 133. 147 8.
150; II 1:123.
— Deutsche, in Itivlien. II 7:12.
Studentenaufführungen. II 4 : 39.
Studentenauszng. 16:148/9.
Studentenleben. 14:77-83; C : 12:i4,
126.
Studentenlied. 15:280 a.
Studentensprache. I 8 : 150,1.
Studententum. I 6 : 112, 150; II 1 : 16,
122/3.
Studnitz, W. v. IV 2b: 31.
Stübel, A. III 5 : 42.
— Joh. Frd. IV 1 0 : 100.
— Joh. Jak. III 5 : 41.
Stabner, G. A. III 2 : 30.
StOchs. G. 13: 74.
— J. I 3 : 74.
Störenbnrg, R. D. 16: 198.
StÜTen, P. IV 4 : 4.
Stuhr, P. F. IV 5:356.
Stumm, C. T. IV 5 : 605.
Stumpf. J. II 3 : 73.
— Th. IV 5 : 520.
Brentano, K. F. IV 5 : 343.
Stundenpläne. 16:3.
Sturm, Jak. II 1:168: 7:33.
— .Toh. I 6:19, 239: 11: 205
— Jul. IV lc:75. 103; ld:73; 2b: 4.
— Prof. IV 8b: 4 5.
— u. Drang. IV 2a: 28, 38; 4:1,
7-17, 118. 157.
Stuttgart. I n : 229; IV 2 b : 81 ; 9 : 20.
Sucro, J. J. IV 2a: 20.
Sudermann, H I 12:260, 316. 370,
398 9,416 7; IV la: 9; 4 : 117, 141-51,
331.
Sue, E. I 12 : 309
Sürlin, J. I 11 : 2.50.
Süvern, J. W. IV 5 : 210.
Suggestion u Hypnose, Bedeutung t.
1 12:82, 91/:^, 142, 288-94.
Sulzbach, A. IV 8a: 31.
Sulzer, J. G. IV 1 a : 48; 5 : 210.
Snperville. I 6:913.
Suphan, B. IV 7 : 1. 3, 13.
Snsemihl. F. I 7 : 61
Suttner, Bertha v. IV 11 : 20.
Swieten, G. van. IV 5:30, 616.
Swift, J. I 10:30: IV 2a: 31, 34.
Sybel. H. v. II 1 : 36; IV lc:90;
5 : 344, 445.
Sylvius, P. II 6 : 11, 96.
Symbol. I 12:23, 74, 91/3, 109.
Symbolik. I 5:84.
Symbolismus. IV 2b : 1; 4 : 128, 133 4,
188.
Symbolisten. I 1 : 134.
Syntax. I 6:9: 8:85-99.
System, Natf'rliches. d. Geisteswissen-
schaften. III 1 : 110.
Systeme, Pädagogische. I 6 : .3.
Szamatölski, .S. II 7:3.
Szerdahelyi. IV 2a: 70.
Tabak. I 4 : 276/7, 350.
Tacitus. IV 4:202; 10:2.
Tiidlerinnen, Die Ternünftigen. III
5 : 49.
Tagebücher. IV Ic — II 1 : 140, 160-71;
IV 2b: 106.
Tagelied. I 10 : .38.
Tagewählerei. I 5 : 105.
Taine, H. I 1:62-75: 12 : 26a-26d, 316.
Talent. I 12:4.
Talismann. I 5:98-100.
Talleyrand, Duc de. IV Ic: 168; 8b:
16b-17a.
Talrj (ThereseAlbertine Luise v.Jacobs).
IV lc:121.
Tangermünde. I 4:372.
Tannenbanmlied. I ö : 253.
Tannhäuser. I 5:152.
Tanz. I 4:57, 59-63, 70; II 4:1.
Tapp, .1. II 2:11.
Tartaretdrucke. I 3 : 75.
Tascher, Graf (Herzog de la Pagerie)
IV lc:40.
Tasso, T. II 1: 146; IV ld:79.
Taufe. I 4 : 42 : 5 : 37.
Tausend u. eine Niicht. IV 1 c : 104.
Taylor, Baron. IV 1 d : 2.
Technik d. Lyrik. IV 2b: 38.
Tegeder, B. II 7:3\
Tegner, E. IV 2b : 109.
Telegraphie I 4:298 9.
Teil. II 4:11.
Teilsage. 111 5 : 63.
Tellspiel. II 4: 11.
Temlersche Sammlung. III 1 : 104.
Tennyson, A. IV 10:46.
Teplitz. II 1 : 1.34.
Tepp, Jean de. III 5 : 10.
Teppiche. 1 11 : 212 5. 219.
Terenz. I 6:205/6; 6:246; II 4:10,
21; 7:57 8, 67.
Testamente. III 1 : 100.
Tetzel, J. II 6 : 13.
Teuber, Chr. A. III 3 : 18.
Teufel. I 5:341; 10:44: II 4:4.
Teufelglauben. I 5:115 6.
Teufellitteratur. II 1 :92; 111 5:5.
Teufelspakt. III 3 : 4.
Teufelsverschreibungen. I 5 : 28-30.
Teutsch - Frantzösischer Alamode -
Teufel. III 5 : .5.
Textor, F. K L. IV 4 : 300.
- Gotlfr. lY la:46.
Textor, Joh. Wi.l"!,'iing. IV Sa: 32.
Thausing. I 11 : 171 3.
The black man. III 4 : 7.
Theater (s. auch Drama, Oper, Schau-
spiel, Schulkomödie): 1 1:136; 4:
275. 374: 6:68; 12:223 6. Bamberg
III 4 : 29 ; IV 4 : 385. Bartfeld II 4 :
18. Bayreuth IV 4 : 333. Berlin IV
4:114 6, 330, 354, 371, .382, :i86-91,
451 2, 463 ; IV 8 e : 10. Brannschweig
IV 4 : 381. Breslau IV 4 : 371 : 8 e :
10. Diichau IV 4 : 290. Dänemark
IV 4:377. Danzig III 4 : .32. 40; IV
4:393. Dresden IV 4:212, 224,371.
England III 1:135: IV 4:1389:
10 : 35. Frankfurt a. M. III 4 : 41 ; IV
4 : 213, 300, 371, 394/7 ; 8 e : 10 Frank-
reich IV 8b : 27. Gotha III 4 : 31.
Halle a. S. IV 8e : 10. Hamburg II
4:14; III 4:3; IV 4:. 371. 399-401,
447 /9a; 8e: 10. H.annover IV 8e : 10.
Karlsruhe IV 4: 3701, 402; 8e:10.
Kassel IV 8e:10. Kaufbeuren III
4:1. Köln IV 8e : 10. Königsberg
III 4 : Vi. Kopenhagen III 4 : 35.
Krakau II 4 : 39. Leipzig IV 4 : 403:
8e:10, London IV 9:19. Lübeck
114:1. MiigdeburgII4:29. Mann-
heim IV 4 : 371 2; 8e:10. Meiningen
IV 4 : 353, 375. München III 4 : 30,
44: IV 4 : 35.3. 371. 4046: 8e : 10
Nördlingen III 4:1. Nürnberg II
4:1, 14 ; III 4 : 3. Oldenburg IV 4 :
467. Paris IV 4:319; 9:77 Prng
III 4:42; IV 8e:10. Regensbing
11 4 : 14; III 4 : 2. Reichstadt IV 4 :
407. Russland IV 4 : 408. Schliersee
IV 4 : 292 9. Stettin IV 8e : 10. Stutt-
gart IV 8e : 110. Ueberlingen II 4 :
17. Upsala III 4 : 10. Weimar I
6 : 84; IV 4 : 371, 451,2; 8e : 10. Wi- n
IV 4:1. 38, 48, 371, 373, 375, 409-17.
452, 469-72; 8e : 103. Würzburg IV
4:418. Zürich II 4:11.
Theatergeschichte. III 4 : 27-45 ; IV
4 : 373-477.
Theaterkontrakt. 1 V 4 : 350.
Theaterkritik. I 12 : 230 ; IV 4 : 337 9,
382.
Theaterpension. IV 4:447,9a.
Theaterregie. IV 4:352 4.
Theaterskandale. IV 4 : 381.
Theaterzettel. IV 4 : 379.
Theatrum Diabolorum. III 5 : 5.
Theodicee. IV 2 a : 20; 6 : 40.
Theokrit. I 12:206.
Theologen. IV 5 : 253-89.
Theologie, I 6 : 1,59, 240; 8 : 5; IV
2b : 119
Theomorphismns. 1 12:144.
Theophilus. II 4:1.
Thespis. I 12 : 144.
Theuerdank. II 3 : 15; IV 10 : 125.
Thiele, E. IV 2b: 102; II 6:51.
Thiers, A. IV 1 c : 145.
Thiersch, F. IV 1 c : 90, 94.
Thode, H. I 11:171.
Tholnck. III 5 : 22.
Thoma, Hans. 111:3501.
Thomas v. Aquino. II 7 : 30; III 5 : 51.
— Ambr. IV 8d : 3:J.
— F. III 5 : 10.
Thomasarchiv in Strassburg. II 7 : 3.3.
Thomasius, Chr. 1111:11/2, 101: 2:
42; 3 : 7; IV la: 3.
Thomson, J. IV 2 a : 34: 9 : 22.
Thompson, Enini. s Sonthomb.
Thorwaldsen, B. IV 4:220.
Thümmel, M. A. v. IV 1 c : 158.
Thüringen. I 6:84; 11:84.
Thukydides. IV 4:202.
Thun-Hohenstein, Leo Graf. I 6 : 63;5,
225.
Thurneysser, L. II 3:30.
Thurot. 16:9.
Thym, G. II 1 : 155.
Tibull. IV 2a: 31; 8c:lSa.
TickeH. IV 2a: 34.
Tieck, F. IV lc:47; 10:39.
— L. III 3 : 1 : IV 1 c : 22, .35, 47, 69,
81, 121, 124, 134, 160; ld:4: 2a:
2/4: 2b: 13, 22/4, 42; 4:38,202,212;
5:223; 8b: 2; 8d::«; 9:70. 123:
10:7, 10, Vi, 35-44, 46/7, 68,71,104,
125.
Tiedge, CA. IV la;2; lc:121, 124,
133, 157/8: 2a: 2 4, 99.
Tiefurter Journal. IV 2a: 72; 8a :34 b.
Sachreg-istei*.
Tierepos. It 3 : 6. lä/?.
Tierhetzen. I 4 : 72.
Tiernamen. 15:357-60:8:114.
Tiersagen. 1 5 : 22 4, 221 : 12 : 202 3.
Tille, A. IV 2a: 10.
Tilly, J. T. Graf. UI 1:8,
Tilsit. I 4 : 313.
Tippelskirch, F v. IV 5:509.
Tirol. I 11:107-112; II 1: 140.
Tironische Noten. I 3 ; 5.
Tirso de Molina. I 10:41: 1114:15.
Tischer, Härtung. II 6:121.
Tischlergesellen. 11 4 : 14.
Titius, Kriegsrut. I 4 : 168 ; 1 V 2 a : C4.
Titulaturen. I 4 : 51 2.
Tobiasdrama. III 4 : 24.
Tobler, S. I 6:50; lu : 24.
Tocqneville, Ch. A. de. IV ld:2.
Tököly, Emmerich Graf. III 1:60.
Tölz. I 4 : 457.
Töpfer, K. IV 4:81, 453; 8d: 6.
Töpffer, R. I 11 : 324.
Törring-Seefeld, A. Graf. 1 10 : 21 : IV
10:71.
Tolle, H. III 5:2
Tolstoi. L. I 12 : 291, 301, 316, :^30-41,
353, 369, 379-80; IV Ic: 94. 113; 4:
157.
Tonnenausfuhr. I 4 : 250.
Tonkunst. II 1:7.
Torresani. K. v. IV la:38.
Tortur. I 4 : 115 6.
Totenbränche. I 5 : 22 4, 54, 69.
Totenfetische. I 5 : 126.
Totentänze. I 11:208 9; II 1:70; 4:1.
Toyvre, H. I 3:89.
Tracht (s. a. Mode). I 4:262,8.
Trachtenbuch. I 4 : 263 a.
Tragische, D. I 12 : 74. 214-20.
Tragödie. I 12:4. 9.
Trapp, E Chr. IV 5:481.
Traum. I 12:913.
Treitschke, H. v. IV lc:138: 5:292,
324. 445, 573.
Trenck, Baron. IV 1 c : 49.
Treu. M. D. III 4:35; IV 4:377.
Treue. I 5:313.
Treviso. II 1 : :M.
Trier. I 11 : 156.
Triller, ü. W. III 2:32; IV 2a: 8.
Trinkbräuche. I 5 : 73 4.
Trinkpoesie. IV 2b: 97.
Trippel, Alex. I 11 : 281.
Tristansage. 1 5 : 228.
Trithemius. II 1 : 68.
Trochäus. I 12: 113 a.
Tropen. I 12 : 4
Truchlär. II 7 : 72 3.
Truchsess, Otto. I 6 : 87 ; II 6 : 12. 15;
18 33
Truiiksucht. I 4 : 170 1.
Tschackert, P. II 6 : 141 2.
Tschirner, J. D. IV 1 c : 98.
Tschihchwitz, B. IV 4:255.
Tübingen. II 3 : 76.
Türkenkriege. II 1 : 140.
Turgenieff, J. IV 1 c : 80, 147.
Tarnbuch. I 6 : 14
Turnen. 14: 283 4a: 6:14 5, 40,82,
185; IV 2b: 110.
Typische, D. 1 12:51, 70, 111 la, US.
Vdenheim, E. J. v. 1 3:69.
- Kraft. II 7:40.
Ueberlingen. I 3:119; 4 : 431 .
Uebersetzungen I 3:121: 7:6; II
4 : 1 ; IV 1 d : 13/4, 19-21. 3.3, 35, 38-43,
73/4, 89. 94; 2a: 31; 4:1. 41,43, 95,
143, 146 ; 5 : 403 6. Calderon IV 1 d :
91. Cervantes IV ld:90. Corneille
IV 4 : 98. Dante IV 1 d : 78. Goldoni
IV ld:81. Homer II 3:42. Ibsen
IV 4 : 138/9. Josephus II 3 : 42.
Lope de Vega IV 1 d : 93. Moli^re
I 8 : 95; III 4 : 19; IV Id : 23;
4 : 101(2. Ovid II 3 : 42. Plutarch
II 3 : 49. Sabellicus II 3 : 40. Shake-
speare IV 1 d : 64|6: 4 : 23/8: 10 : 25/8,
35. Stobaioa II 3 : 47. Tasso IV 1 d : 79.
Virgil II 3:42.
üebersetzungskunst. IV 2b: 109-10.
Uechtritz, F. v. IV lc:81.
Uhde, F. V. I 11:352.3.
Uhland, L. I 2:24; 5:250, 259; 7:5.
56, 88, 90-90 a; 13:42; III 5:3; IV
la:6; lo:88; ld:73; 2b:67, 17,
81, 83, 93. 119; 4:402; 10: 9. 105-39.
Uhlhorn, Gerh. II 6 : 134.
üblich, J. A. III 4 : 38.
Ulm I 6:38: II 1:47; 4:10.
ülmnnn. H. II 1 : 54, .56.
Ulrich, Herzog von Schwaben. IV 10 : 105.
— J. V. Augsburg. II 6:12.
— Titus. IV lc:145, 14T
Ultramontanismns. II 1:1; 6:946;
III 1:6.
Umgangssprache. I 8 : 92 6.
Unanständige, D. 1 12 : 139-43.
Ungarisch-Brod. III 1 : 60.
Ungarn. I 5: 85; II 1 : 140: IV 2a: 70;
2 b : 4.
Ungler, F. 13: 247.
Unico Manninga. I 4:263a.
Universalgeschichte. I 1:76 7.
Universitäten. (S. Schulen.) 1 3 : 136;
4 : 25; 11 : 2, 8: II 1 : 146; IV 5 : 494/5.
Universitätsdisciplin. 16:119.
Universitätsschriften. 13:136 7, 140.
Universitätsstudinm. 1 1 : 26, 28, 40,
46/8, 157.
Unlust. I 12:14, 46-50, 74, 76, 82,
111-11 a.
Unter- Bussnang. 111: 243.
Unterricht, Weiblicher. II 1 : 128.
Unterrichtsministerium in Freussen.
I 3 : 144
Unterrichtstendenzen. 111 5:48-50.
Unterrichtswesen. 16. —
Unzelmunn, Friederike. IV 8b: 6.
Urach. I 5 : 51.
Urdarbrnnnen. I 5 : 17 8
Urheberrecht. I 3:288-90.
Urkandenbuch, Hansisches. I 3 : 4.5.
Urkundenlehre. I 3:34.
Urlichs, L. IV 9 : 8, 27 ; 10 : 20.
Urteil, Aesthetisches. I 12:11. 51.
Usingen, B. A. von. 11 6 : 10.
Usteri, .1. M. IV 5:616.
— P. IV lc:44
Uz. J. P. 1112:32; IV la:30: lc:65;
Id: 73; 2a: 10, 18-20, 23.
Vacano, Emil. IV lc:86.
Vaillant, W. 111: 274; III 1 : 124.
Valde-Joachimicus. III 5 : 7.
Valentin, V. I 12 : 74.
Valerius Maximus. II 7 : 07.
Valla, L. II 1:79; 7:67.
Vampirisrous. I 5:127.
Varnbuler, N. II 1 : 172.
Varnhagen v. Ense, K. A. 13: 143
IV lc:134 6, 138. 147,160: ^ a : J 4
2b: 70; 4:452 3:8b: 12, 14b;8d:6
10:7, 17. 105, 141.
— Kahel. IV 10 : 17.
Vega, Lope de. I 10:26; IV I d : 93.
Vehe, M. II 6 : 16.
Veit, Ph. I 11:301; IV Ic: 71.
Veldeke, H. v. I 12:165.
Veliejns Paterculus. IV 4:62.
Veiten, Joh. III 4 : 34 : IV 4 : 433.
— Kath. Elisabeth. III 4 : :i5 ; IV 4 : 377.
— M. IV la:3.
Venedig. II 1 : 148 9.
Venzky. I 6:171,
Vereine, Stenographische. I 3 : 10.
Vereinsbibliotheken. I 3 : 227 S.
Vererbung. I 12 : 26 a, 358 ; IV 4 : 131,
204, 207.
Vergerio, P. P. II 1:140,4; 6:174.
Vergil. 1 12:4; II 4:10: IV Ic: 21;
2a: 20; 4:60.
Vergnügen. 1 12:4.
Verhältnis d. Dramas zur Bühne. I
12 : 227-34.
Veridor v. Stackdorn. III 5:5, 11.
Verkehr. I 4 : 287-309.
Verlagsbuchhandel. 1 3 : 287.
Verlagskataloge. I 3:272 3.
Verlagsordnung. I 3 : 285.
Verlags- u. Urheberrecht. I 3 : 280-90.
Verlagsvertrag. I 3 : 93.
Verlaine, P. I 12 : 302.
Verleger. I 3 : 109, 265.
Verlegerzeichen. I 3:108 9. 114.
Verlorener Sohn. 111 4 : 44.
Vermehren, B. IV 2a: 2,4; 10 : 7.
Vernulaeus, N. I 10:20.
Verrocchio, A. 1 12 : 70.
Vers. I 12:4.
Verschwender. IV 4 : 190.
Vertot. IV 9:50 a.
Vespucci, G. II 1:109.
Vettorino de Feltre. II 1:93.
Vieilleville, Marschall. II 1 : 4.3.
Vierlanden. 1 11 : 16S.
Vierthaler, M. 1 6 : 67.
Vierzeiler. 1 5:2.
Vieweg, H. F. IV 8b:2; 8d:5.
Vigny, A.de. IV Ic : 94; 4 :202; 10 :5.
Villena, Heinr. v. IV ld:as.
Villers, Alex. v. IV la:28.
— Ch. de. IV 10:9.
Vilmar, A Chr. IV 5 : 322, 551.
Vingles, J. de. I 3:89.
Virchow. R. IV 5 : 495, 605.
Vlrues, C. de. IV ld:88.
Vischer. F. Th. I 12 : 23. 74, 78, 165,
168; IV lc:90, 113, 145. 148; 2b: 17,
19: 4:191, 472; 5:410a; 9:164;
10 : 106.
— K. I 3 : 75.
— Ludw. Chr. III 3 : 15/6.
Vision. I 4:182.
Visitationsbericht. I 6 : 153.
Visitationsprotokolle. 16:3.
Vives, J. L. I 6:239; II 1:128.
Vlatten. J. v. II 1 : 40.
Vliet, Joris van. IV 8e:85.
Vögelin, E. 1 3:248.
Völkerkunde. I 4 : 11.
Vogel, B. 13: 246.
— D. III 5 : 10.
— Jak. III 4 : 1.
— V. Vogelstein. IV 8e:85.
Vogelschutz. I 4 : 172.
Vogl, J. N. IV 1 d : 32.
Vogt, K. IV lc:91.
— W. 11 1:23
Voigt, G. II 7 : 6.
Voigtländer. G. 11 2 : 26 ; III 2 : 5 6.
Voith, V. II 4 : 29.
Vokalmusik, Gedruckte weltliche.
Italiens. I 3 : 127.
Volksbewaffnung. 111:61.
Volksbibllothen (s. auch Bibliotheken).
I 3:229-34; 6:58.
Volksbildung. 1 4 : 606 9.
Volksbräuche. 15:8. 13-80 ; II 1 : 1.38.
— In : Baden 1 5 : 13. Elsass 15:14.
Lausitz I 5 : 36. Mansfeld I 5 : 33.
Mitteldeutschland 1 5 : 31/7. Nieder-
deutschland I 5 : 39-42. Oberdeutsch-
land I 5 : 13. Oesterreich-Ungarn I
5 : 20. 28. 35, 38. Pommern I ö : 21.
39, 40. Sohlesien I 5:37. Schweiz
I 5 : 15. Siebenbürgen I 5 : 22,4. 28.
Sundgau I 5:14. Westfalen I 5 : 4.3.
Volksbücher. II 3:56. 9-12 a. 19, 25;
III 3:1. 12; IV 10:41. 99.
Volksbühne (s. auch Drama. Theater).
IV 4:1, 117, 266, 331,2, :H34/6. :^66,
Alb; 10:39.
Volksdichtung 1 5 : 246. 250 ; II 1:1;
UI 1 : 1, 7.
Volksdrama. IV 4:89, 290-303.
Volkserziehung, Künstlerische. 111:2.
Volksglaube. I 5:17 8, 22,4. 28 9, 83,4.
Volksheilkunde. I 5 : 907,' 110.
Volkshymne, Oesterreich. IV 2a: 74.
Volkskultus. I 5 : 17, 68.
Volkskunde 15 — In : Baden I 5 : 13.
Bayern I 5:16 9. Elsass I 5:14.
Lübeck I 5:468 Mähren I 5:38.
Mecklenburg I 5:41. Mittclfranken
I 5 : 31. Niedersachsen I 5 : 45.
Pommern I 5 : 39-40. Saterland I
5 : 44. Schweiz I 5 : 15. Sieben-
bürgen I 5 : 22 6. Tirol I 5 : 19-21.
Westfalen I 5 : 43. Ungarn 1 5 : 27-30.
Volkskunst. I 1 : 89, 143.
Volksleben. I 4 : 444 6 ; 5 : 28.
Volkslied 15:2, 245-301: 7: 107, 109;
12:191, 197; 13:43-52. 80; II 1:7,
85; 2:26-41; III 2:2-4; IV 2b:.5.
98; 8b: 26. In: Baden I 5:262.
Bergen I 5:29:1 Böhmen I 5:283.
286. Hessen I 5:282: II 2:29.
Littauen I 5:301; 13:52. Mecklen-
burg 1 5 : 297/8. Mitteldeutschland I 5 :
280-90. Nassau I 5 : 281. Nieüer-
deutschland 1 5 : 231-301 ; 13 : 50.
Niederlande 1 13 : 50. Oberdeutschland
1 5 : 262-79. Oesterreich I 5 : 267-79.
Ostpreussen 1 5 : 299. Polen I 5 : 2S9.
Rheinlande I 5:280. Sachsen II
2 : 30. Schlesien 1 5 : 288 9. Spessart
I 5 : 284 'iirol I 5 : 263 4.
Volksliedersamnilungen. I 5:259-301.
— Internationale. 1 13:45. 51.
Volkslitteratur. III 5 : 6, 30.
Volkslyrik. IV 2b: 117; 10:9. 104.
Volksmärchen s. Märchen.
Volksmelodien. I 13 : 14, 80.
(4)37«
Sachregister.
Volltspoesie. I 5:305; IV ld:57/8.
Volksrätsel. I n : 347, 352/5.
Vnlksreime. I 5 : 273. 300, 32S.
Volksromane. III 3:1.
Volkssaffen 8. Sagen.
Volksschauspiele. I 4:66, 70, 457;
m 4 : 36.
Volksschriften. I 3 : 74, 146.
Volksschriftsteller. I 6 : 62.
Volksschule s. Schulen.
Volkssitten. I 5 : 65 6.
Volksspiele. I 4:576; 5:300.
Volkstrachten. I 4 : 268.
Volkswitz. I 4 : 164 ; 5 : 328-36.
Volkswohl. I 7:93.
Voltaire, A. de. I 12:379-80; IV
la:l, 38; lc:12;2a:23, 74; 8e:46;
9 : 123.
Volz, H. II 7 : 39.
Vondel, J. ran den. III 4 : 17.
Vorarlberg. I 4 : 207.
Vornamen. I 4 : 43 5; 5 : 362,4.
Voss, A. IV 10:25.
— Chr. Fr. I 3 : 257/8.
— J. H. I 6:238; 7:74; 12:206; II
6:99; IV la:22/3: lc:201, 689,
115,133,159; ld:73; 2 a : 14, :1S, 76 ;
8d :4, 13; 10:25.
— Heinr. IV la:31a; 1 c : 69, 133:
10:25.
— .Tul von. IV la:2.
— R. I 12: 272; IV 4:93.
Vossen, A. IV 1 c : 52.
Vütivtiere. I 5:66.
Voyages imaginaires. I 10:30.
Vulpius, Christiane. IV 8a : 17 ; 8 d : 5.
Wachbtein, Em. Max v. IV 1 c : 150.
Wacht am Rhein. I 6:82.
„Wachtelgesang". III 5 : 7.
Waokernagel, W. I 6:82; 12:31: IV
lc:151.
Wackenroder, W. IV 10 : 42, 45.
Wähinger, J. 13: 72.
WSser. IV 4:371; 8e:10.
Waft'en. I 4:269.
Waffenschmiede. I 4 : 237; 11 : 433/9.
Waffensegen. I 5 : 85.
Wagener, H. IV 5:606.
Wagner, Ad. IV 1 c : 100.
— Friedrich. IV lc:10ö.
— J. J. IV 5 : 104.
— Kosima. IV 1 c : 156.
— Mark. II 6:178.
-^ Richard. I 1 : 88 : 12 : 239, 241 ; 13 :
85, 107-43; 11 2:17; IV lc:81, 94,
100, 145, 1567; ld:4, 56; 2b:l;
4 ■: 242, 250 ; 5 : 193;4 ; 8 e : 52 ; 10 : 71.
— Tobias. III 5:5.
Wagnervolksbuch. III 3 : 7.
Wahlstatt. I 11:82.
Wahnsinn. I 12:91/3. lOla-lb.
Wahrheit d. Bühne. IV 4 : 321.
Wahrnehmung, Aesthetische. I 12 : 14.
Wahrzeichen. I 4:371a, 458 a, 468 a.
Waisenhaus. I 6 : 57.
Waitz, G. IV 10 : 9.
Walch, J. s. Jafiopo dei Barbari.
Walchner. II 7 : 36.
Waldau, M. s. R. 6. Spiller v. Hauen-
pflld.
Waldberg s. Otto Truchsess.
Waldeok, B. L. IV 5:605.
Waldis, Burk. I 10:10; II 1:88; 3:
15; IV 2a: 6.
Waldmann, H. II 1 : 32.
Wttldraüller, R. IV 4 : 246.
Waldshut. I 11 :88.
Wallenstein, A. III 1 : 24 5, 30 1.
Wallerotty. III 4:30.
Wallner, Jörg. II 2:25.
Walpole, H. IV la:2.
Walther v. d. Vogelweide. I 1:106;
7: 109; IV Id: 75; 6:35.
Waltershausen. IV 9:18.
Wanderdrucker. I 3 : 92.
Wanderkomödianlen. III 4 : 27.
Wandertruppen IV 4 : 376-80.
Waniek, G. IV 2a: 5.
Wanner, .1. II 7 : 36.
Wappenbuchzeichen. I 3:239.
Wappenkunde. I 6 : 205 6.
Wurner, Chr. III 5:5.
Wartburgfest. I 6:131; IV 5:605;
9:21.
Wartburgkrieg. I 5:152; IV 10:74.
„Was ist des Deutschen Vaterland".
IV 2b: 102.
Wasserzeichen. I 3 : 49, 109.
Wattenbach, Cäcilie. IV 2b : 104, 106.
- W. IV 2b: 104.
Weber, B. IV 1 c : 83.
- G. IV lc;75.
- H. II 6 : 5.
- K. J. IV 5 : 34.
- Karl Maria v. IV 1 c : 121 ; 4 : 202.
- Veit. IV 10:71.
- W. IV 5:452.
Webereien. I 11 :443.
Weberlied. 111 5 : 6; IV 4 : 159.
Weckherlin, R. III 2:32, 346; IV
2 a : 8.
Wedel, L. v. II 3 : 83.
- Kammerherr v. IV 8c: 16.
Wohl, F. 110:23; 12:231; IV 1 c :
22 ; 4 : 98.
Weibert (Buchhändler). IV 6:1.
Weidig, W. IV la:16.
Weidmann, K. IV 6:15.
- P. III 5:3; IV 4:1, 180; 6:15.
Weidmannsche Buchhandlung. IV
10 : 90.
Weidner, Christiane Friederike. IV 4 :
420.
- Hans. II 2 : 21.
Weigel, Val. II 6 : 55 ; III 5 : 22.
Weihnachten. I 5 : 02 : IV 2 b : 2.
Weihnachtsbuch. IV la:19.
Weihnachtsfest. I 5:()l-62a.
Weihnachtsfeuer. I 5 : 62.
Weihnachtsgesang. I 13 : 66.
Weihnachts-Hirlenlieder. 15:263 4.
Weihnachtskinderlied. I 5 : 255.
Weihnachtslieder. III 2:4.
Weilen, A. v. IV 4 : 1.
- J. V. IV la:32: lc:140; 4 : 265.
Weimar. I 11 : 84 ; IV 7 :3, 14; 8b :44.
- A. IV 9 : 145.
Wcinp.-itrone. I 4:100.
Weinsberg, Herniiinn v. II 1 : 16.
Weise, Chr. I 12:2!:5; 111 2:42; 4:
6 a, 18.
Weishaupt. Ad. IV 1 c : 124 ; 5 : 284.
Weiss, J. B. V. II 1 : 14.
Weisse, Chr. F. 16: 238 ; IV 1 c : 124 ;
2a: 12; 10:71.
- M. II 2 : 2.
Weissenburg, M. v. II 7 : 17.
Weissgerber. 14:231.
Weisskunig. II 3 : 15.
Weitling. J. IV 5 : 507.
Wekhrlin, W. L. I 4:134; IV 5:51:3.
Welcker, E. 16: 141
- F. G. IV lc:21; 5:605.
- K. Th. 16: 141
Welser, B. II 2:21.
- N. II 1 : 153.
Weltanschauung, Moderne. I 1 : 121.
Weltlitteratur. IV 4 : 373.
Weltpostverein. I 4:296
Weltschmerz. IV 2a: 31.
Weltsprache. 18:3.
Wende, G. 16: 205/6.
Wenden. I 5 : 147.
Wenzel IV. 13: 21, 24.
- V. Olmütz. I 11:415.
Wenzelbibel. I 3 : 21.
Wenzinger, Chr. 111: 270.
Wera, Prinzessin v. Württemberg. IV
2 b : 119.
Werder, K. I 10: 24; IV 4 : 99; 5 : 411 6.
Werdmüller. I 1 : 110
Wergeland, T. I 12 : 342.
Werner, A. G. IV 10 : 47.
- J. I 6:34.
- R. M. I 12:30, 188, 190, 248.
- Zachar. IV 1 c : 94, 133; 4:452;
8b: 21; 10:68-71.
Wernigerode. 1 4:213.
Wert d. Poesie. I 12:147.
Werther-Kreis. IV 8b: 36.
Werthes, Fr. Aug. CI. IV 2a : 70: 4 : 52.
Wesel. I 4:417; 11:9:3.
Wesendonc, Frau. IV 1 c : 145.
Wessel, L. II 2 : 22.
Wesselhöft, Ed. IV 2a : 112.
- R. I 6:131.
Wessenberg. IV 2b : 81.
Westerwald. I 4 : 420.
Westfälischer Friede. III 1:7, 11/2,
46 7.
Westfalen. I 11 : 94; IV 2b : 81.
Westphal, A. IV 8a: 111.
Westphalus Eremita. IV 5:604.
WestpreuBsen. I 11:97; II 1:31.
Wetterhausen. 111:233.
Wetterregel. III 5:6.!
Wettlauf. I 5:501.
Wettlieder. I 5:350.
Wetzstein, 0. IV 2b: 116.
Weygandt, F. II 1 : 20.
Whistler, J. I 11 : 8.
Wiehert, E. IV 4:367.
Wichgrev, A. II 1:86, 123.
Widersprüche in Kunstdiclitungen. I
12 : 165.
Widmann, Achill. Jas. II :? : 23.
— E. II 3 : 85.
— J. V. IV la:50; Ic: 147.
Wied, Hermann v., Erzbischof. I 8:9.
Wiedertäufer. 11 1:24 7.
Wiegendrucke. I 3 : 39, S6, 94- 109,
8. a. Inkunabeln.
Wiegenlieder. I 5 : 291.
Wieland, Chr. M. I 1:174; 6:39; 7:
134a; 11:77: 12:12: IV 1 a : 3, 22,
39; 1 c : 65/6, 69, 133, 158; 2a : 18-20,
55, 67. 69-70; 2b: 36; 4:67, 10, 16,
21, 305; 5:2, 23, 30,513; 8b: 15,
16a, 21. 41; 8c : 7, 18a, 24; 8e:20;i:
9: 21, 25; 10:41. 71. Abderiten IV 10;
41. Agathen I 1 : 89; IV 10:1:1.
Geron d. Adlige I 8 : 40. Goldener
Spiegel IV 1 c : 66. Grazien IV 1 c :
95. Merkur IV 8b : 12. Musarion
IV 1 c : 95. Oberen 1 1 : 89. Recen-
sionen IV 6 : 39. Verklagte Amor
IV lc:95.
Wien. I 4:47, 55, 72, :109, 463,8a;
11:199, 247, 287. 307; II 1:1.
Wilbrandt, A. I 12 : 302; IV la: 10;
1 c : 39, 81, 157 ; 4 : 112, 228, 246, 272,
314: 10:52.
Wild, Steph, 11 6:55.
Wildenbruch, E. v. 17:5; 12:149,
401; III 1 : 68: IV Ic: 138; 4:104 5.
Wilder Jäger. I 5:138-41.
Wildermuth, Ottilie. IV 2b: 119.
Wilhelm IV., Herz. v. Bayern. 111:153.
— V., Herz. v. Bayern. II 1 : 153.
— I., Kurfürst v. Hessen I 6 : 2:36.
— V., Landgraf v. Hessen. I 6:106.
— v. Hessen-Nassau. IV 2a: 66.
— v. Jülich-Cleve. II 1:40; 7:31.
Wilhelniine Sophie Friederike, Mark-
gräfin V. Bayreuth. IV Ic: 2.
Wilkinasaga. IV 1 c : 47.
Willatzon, J. P. IV 1 a : 43.
Wille, B. IV 5:77; 8e: 26.
Willich, E. V. IV 2b: 4.
Wimpheling, J. I 6 : 116; II 6 : 19, 23,
40, 165; 7:21, 39.
Wimpina, C. II 6 : 13, 21.
Winckelmann, J. J. I 11:2; II 1 :75;
IV I c:21; 2a: 23.
Windscheid, B. IV 5 : 434.
Windthorst, L. IV 5:599, 6056.
Winkler, Th. s. Th. Hell.
Winnenberg, Phil. v. II 2:43.
Wintersonnenwende. I 5 : 62
Wirtschaftsgeschichte. I 4 : 197-200;
m 1 ; 14.
Wirtshäuser. I 4:303 7.
Wis6n, Th. I 2 : 29.
Wismar. II 4 : 4.
Wisnieski, 0. I 11:345.
Wit, J. 16: 131.
Withof, J. Ph L IV 2a: 20.
Witkowski, G. IV 2a: 8.
Witte, K. IV lc:145; ld:78.
Witteisbacher Briefe. II 1 : 153.
Wittenberg. I 3 : 245; 4 : 376 ; 6 : 16,
114; 10:48; 11:117-23; II 1:155,
173; 6:109-10.
— A. IV la:2
Wittgenstein, Fürstin v. IV 1 c : 81, 145.
Wittingen. I 4:365.
Wittlage I 5 : 307.
Witz. I 12:74, 139.
Witzel, G. II 6 : 17, 24, 35.
Wochenblatt für die innerösterreichi-
schen Staaten. IV 1 a : 33.
Wochenschriften. I 3 : 158-60.
— Moralische. I 6:250; III 1:112;
5 : 49-50
Wochenzeitungen d. SOjähr. Krieges.
I 3 : 154.
Wodansberg. I 5 : 142.
Wode, D. I 5:140,1.
Wöbbelin. IV 2a: 105.
Wöhler, F. IV lc:117.
Wöllner, J. Chr. v. I 6:151.
Wöllthal in Kärnthen. I 5:269.
Wörlin, J. I 3 : 75.
Sachregister.
Wörlitz. 1 11 : 438.
Wörner. R. IV 10 : 46.
Wohlenberg. I 5: 1:V2.
\VohlgefaUcn,Aesthetisches. 1 12:70,74.
— Interesseloses. 1 12 : 11, 142.
Wohlgemnth, J. IV 4 : 202.
— M. I 11:201.
Wohnhausbau. I 11 : 162 S
Woldenberg. I 4 : 340.
Wolf. F. A. I 1 : 41 ; IV 1 c : 94.
— G. II 1 : 46.
— m. d. Wockenbriefe. I 5:231.
Wolf!'. Alb. I 12 : 116.
— Chn. m 1:518, 61, 125: IV 5:2.
— E. IV 4 : ino.
— J. A. IV 4:377.
— M. 16: 155.
— 0. L. B. IV 10 : 13.
— P. A. IV 4:451.
- W. IV 4:159.
Wolffrara. F. f„Friedwolff".) HI 5 : 10.
Wolfgang, Pfalzgraf. I 6 : 165.
Wolfradt, A. III 1 : 30 1.
Wolfram v. Eschenbach. I 7:8.
Wolfrum, V. II 6 : 160,
Wollcan, R. II 1 : S9.
Wolrab, Nik II 6:24, 35.
Wolter, Charlotte. IV 4 : 429, 473.
— E. II 7 : 31.
Wolterken. I 5 : 130.
Weltmann, J. G. I 12:3; IV 5:618.
— K. IV ld:4.
Wolzogen, E. v. IV 4 : 169.
— Karoline V. IVl c:158; 8b: 14c-14d;
9:21.
— Wilh. Frhr. v. IV lc:36; 9:77.
Worms. I 4:403a.
Wortbildung. I 8 : 35, 80 4.
Wortschatz. I 8:40, 100-21.
Wredow, A. I 11 : 341.
Württemberg. I 4 : 254: 11 : 87, 135.
Würzburg. I 4 : 451 la; II 1 : 109.
Wulff, J. 14: 202.
Wunderhorn, D. Knaben. IV2b:201;
10 : 104.
Wundt, W. I 12:46, 74, 82.
Wunschlieder. I 5 : 350.
Wurzbach, K. v. I 2:40: IV 2a : 70.
Wyle,N. V. 15:230: II 3:41; 7:15,17,
Wyss, J. D. III 3:26,8.
Xanten. I 11:242.
Xenien. IV 2a: 13; 6:41: 8a :34a;
8o:20: 9:56
Young, E. IV 2a: 2 4, 23.
■yphofer, Arabr. II 7 : 36.
Ysenbnrg-Büdingen, Auguste Friederike
V. III 5:34; IV 8d:30.
Iverdun. I 6 : 50, 60.
Zacooni, L. I 13:64.
Zachariae, J. F. W. IV 5:12; 6:13.
Zahn, Chr. J. IV 9 : 20.
Zarncke, F. 12: 26.
Zauberei. I 5 : 43, 102, 115, 224.
Zaubergeld. I 5:101.
Zaubermittel. I 5:22 4. 87, 1013
Zedier, J. H. III 5 : 44.
Zedlitz, J. Chr. von. IV ld:4; 2b: 81,
94 5; 4:212.
— prenss. Kultusminister. 16 : 151, 240.
Zeichen, Willkürliche u. unwillkürliche.
I 12 : 66.
Zeichnen als Unterrichtsgegenstand. I
6 : 173 5, 250.
Zeidler, J. G III 5 : 5.
Zeising, A. I 12: 111-11 a; IV 1 c : 90.
Zeit, Gute alte. I 4 : 166.
Zeitschriften. I 1:174; 3:144, 168;
6:62; IV 2a: 28; 7:15.
Zeitungen. 1 1 : 158; 3 : 154-74: 4 : 133 5,
541 : n 1 : 140 — In: Aachen 1 3 :
112. 250. Berlin I 4 : 541 : III 1 :
119-20. Halle a. S. I 4 : 374. Jena
I 6:55. München I 4:135. Strass-
burg I 3 : 161 3. Postzeitungsämter
I 3 : 168 9.
Zeitungsdeutsch. 18:135,137 8.
Zeitungsente. 1 5 : 240.
Zeitungsschreiber. III 3 : 18.
Zeller (Schweizer Schulmann). I 6 : 77.
- J. II 1:15
Zelter, K. F. I 13 : 100: IV 8b : 2
Zendrini, B. IV 2b: 70.
Zange, VVilholmine v. IV 4 : 58.
Zernitz, Chrn. F. IV 2a: 20.
Zesen, Ph. T. UI 2:25; 4:17.
Zeune, A. 12:1.
Ziegler, F. W. IV 4 : 1.
- Th. I 12 : 76, 82.
Zihler, H. III 4:1.
Zillerthal. I 4:533.
Zimmersche Chronik. II 3 : 63 4.
Zimmermann, G. A. IV la:16.
— J. G. IV lo:42; 5:30. 64; Sd:21.
— R. I 12:11, 14.
— Samuel. IV 9 : 6:3
— W. IV ld:4.
Zingerle, J. V. v. I 2 : 38 9.
Zingg, Barkh. II 1:165.
Zinkgref, J. W. II 2 : 38.
Zinzendorf, K. L. Graf v. III 1 : 91 ;
5:313; IV 10:47.
Zola, E. 111:2: 12:165,254,267.301,
306. 316-41, 361; IV 4:128, 157: 9:
164; 11:20.
Zoller, M. II 2 : 33.
Zollern, d. Name. 1 5 : 373.
Zollrollen. I 4 : 249.
Zriny-Stoff. IV 4:52.
Zrinyi, N. I 3 : 183.
Zschokke, H. IV lc:133; 5:18, 545.
Zuchthäuser. I 4:119a.
Zündhölzchen. I 4 : 242.
Zürich. I 4:218: II 1:84.
Zukunft d. Kunst im socialdemokra-
tischen Sta;ite. I 12 : 123-:?S.
— (der Litteratur). I 1 : 134 5; 12 :
424 31.
Znnipt, K. G. 16:9.
Zumst«eg, J. R. IV 9:20.
Zunftregister. I 3 : 75.
Zunftwesen. I 4:230 3.
Zunftzwang. I 4:90.
Zweckmässigkeit u. Schönheit. I 12:
55, 53, 58 b, 70, 73.
Zweibrücken. I 6:2312.
Zwerge. I 5 : 132.
Zwickau. II 1:138; IV la:36.
Z wiefalten. I 6:88
Zwingli, U, I 1:110; n 1:48; 3:72;
6:2,3, 1668, 180 1; 7:36.
Zwölf Nächte. I 5 : 128.
Siglenregister.
a) Siglen für einzelne Zeitschriften.
AAALA. Atti della r. Accademia di Archeolo-
gia, Lettere e belle Arti
AÄW. Aus allen Weltteilen
Ac. The Academy
AChrK. Archiv für christliche Kunst
ADA. Anzeiger d. Zeitschrift für Deutsches
Altertum
ADB. Allgemeine Deutsche Biographie
ADLZg. Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung
AELKZ. Allgemeine Evangelisch-Lut. Kirchen-
Zeitung
AGrNM. Anzeiger d. Germanischen National-
museums
AHVN. Annalen des Historischen Vereins für
den Niederrhein
AJPh. American Journal of Philology
AkBU, Akademische Blätter
AltprMschr. Altpreussische Monatsschrift
ALVKS. Archiv für Landes- und Volkskunde
d. Provinz Sachsen
AMZ. Allgemeine Missionszeitschrift
AMZg. Allgemeine Militär-Zeitung
AnnELScPol. Annales de l'ecole libre des
Sciences politiques
AnzSchwG. Anzeiger für Schweiz. Geschichte
AÖ(t. Archiv für Oesterreichische Geschichte
APC. Annales de Philosophie Chretienne
APT. Archiv für Post und Telegraphie
ASNS. Archiv für d. Studium der neueren
Sprachen
ASPh. Archiv für Slavische Philologie
ASTP. Archivio per lo Studio delle Traditioni
Popolari
Ath. The Athenaeum
AZgB. Beilage d. Allgemeinen Zeitung
BAUBay. Beiträge zur Anthropologie und Ur-
geschichte Bayerns
BBG. Blätter für d. Bayerische Gymnasial-
schulwesen
BBRW. Blätter für d. Bayerische Realschulwesen
BBSW. Besondere Beilage d. Staatsanzeigers
für Württemberg
BCChrSchw. Bibliographie und litterarische
Chronik d. Schweiz
BECh Bibliotheque de l'Ecole des Chartes
BFDH. Berichte d. Freien Deutschen Hochstifts
BGDS. Beiträge z. Geschichte d. Deutschen
Sprache
BGl, Der Beweis des Glaubens
BHLPFr. Bulletins Historiques et Litteraires
de la Societe du Protestant isme Fian^ais
BiogrJbA. Biographisches Jahrbuch für Alter-
tumskunde (Iwan Müller)
BKELK. Beiträge z. Kunde Esth-, Liv- und
Kurlands
BLChrSchw. Bibliographie und litterarische
Chronik d. Schweiz
BllHSch. Blätter für das Höhere Schulwesen
BllThPßBibl. Blätter z. Theorie und Praxis d.
Bibliothekswesens
BLU. Blätter für Litterarische Unterhaltung
BPhWS. Berliner Philologische Wochenschrift
BScFB. Bulletin scientifique de la France et
de la Belgique
BSCMHAlsace. Bulletin de la Societe pour la
Conservation des Monuments Historiques
d'Alsace
BURS. Bibliotheque Universelle et Revue Suisse
BVVKG. Blätter für Württembergische Kirchen-
geschichte
CBlBibl. Centralblatt für Bibliothekswesen
CBlUVPreussen, Centralblatt für die gesamte
Unterrichts- Verwaltung in Preussen
ChrJGImpr. Chronique du Journal general de
rimprimerie et de la Librairie
ChWG V. Chronik d. Wiener Goethe- Vereins
CMC. Casopis Musea Krälovstvi Ceskeho
COIRW. Centralorgan für d. Interessen d.
Realschulwesens
CR. Corpus Reforraatorum
CRPhThL. Critical Review of theological and
philosophical Litterature
DBllEÜ. Deutsche Blätter für Erziehung und
Unterricht
DEBU. Deutsch-Evangelische Blätter
DEKZ. Deutsche Evang.-Kirchenzeitung
Didask. Didaskalia (Beiblatt z. Frankfurter
Journal)
DLD. Deutsche Litteraturdenkmale
DLZ. Deutsche Litteraturzeitung
DNB. Deutsche Nationalbühne
DNJb, Deutschnationales Jahrbuch
DNL. Deutsche Nationallitteratur
DPBl. Deutsches Protestantenblatt
DR. Deutsche Revue
DRs. Deutsche Rundschau
DSBU. Deutsch-sociale Blätter
DWBl. Deutsches Wochenblatt
DZG. Deutsche Zeitschrift für d. Geschichts-
wissenschaft
DZKR. Deutsche Zeitschrift für Kirchenrecht
DZg. Deutsche Zeitung (Wien)
DZSF. Deutsche Zeit- und Streitfragen
EKZ. Evangelische Kirchenzeitung
EPL. Entretjens Politiques et Litteraires
ERPHLB. Etudes religieuses, philosophiques,
historiques et litterairea. Partie bibliographique.
FBPG. Forschungen z. Brandenburgischen u.
Preussischen Geschichte
Sig-lenreg-ister.
FFFGAV. Für d. Feste nnd Freunde d. Gustav-
Adolf- Vereins
FKLB. Forschungen z. Kultur- u. Litteratur-
geschichte Bayerns
FrB. Freie Bühne für modernes Leben
FrSchZ Freie Schulzeitung
FZg. Frankfurter Zeitung
(tDL. Gesellschaft für Deutsche Litteratur
Geg, Die Gegenwart
Ges. Die Gesellschaft
GFröO. Geschichtsfreund (Mitteilungen d. Histo-
rischen Vereins d. 5 Orte)
GGA. Göttingische Gelehrte Anzeigen
GJb. Goethe- Jahrbuch
HBGF. Hallische Beiträge zur Geschichts-
forschung
HJb. Historisches Jahrbuch (Grauert)
HPBll. Historisch-Politische Blätter
HT Historisk Tidsskrift (Dänemark)
HTB. Historisches Taschenbuch
HZ. Historische Zeitschrift (v. Sybel)
IllZg. Illustrierte Zeitung
JbbPTh. Jahrbücher f. protestantische Theologie
JBG. Jahresberichte der Geschichtswissenschaft
JBGPh. Jahresbericht über Germanische
Philologie
JBHSW, Jahresberichte für d. höhere Schul-
wesen
JBL. Jahresberichte für neuere deutsche
Litteraturgeschichte
JbPSTh. Jahrbuch iür Philosophie und speku-
lative Theologie,
JbSAK. Jahrbuch d. kunsthistorischen Samm-
lungen d. Allerhöchsten Kaiserhauses
JbSchwG. Jahrbuch für Schweizer Geschichte
JDTh. Jahrbuch für deutsche Theologie
JEc. Journal des Economistes
JEd. Journal of Education
JGGPÖ. Jahrbuch d. Gesellschaft für Geschichte
d. Protestantismus in Oesterreich
JGVV. Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung
und Volkswirtschaft
JHGA. Jahrbuch d. Heraldischen Gesellschaft
Adler
JKSAK. Jahrbuch d. Kunsthistorischen Samm-
lungen d. Allerhöchsten Kaiserhauses
JllZg. Illustrirte Zeitung
JNS. Jahrbücher für Nationalökonomie und
Statistik
JPrK. Jahrbuch der Preussischen Kunst-
sammlungen
JSav. Journal des Savants
KAW. Kirchlicher Anzeiger für Württemberg
KBGV. Korrespondenzblatt des Gesamtvereins
der Deutschen Geschichts- und Altertums-
vereine
KB1GK.W. Korrespondenzblatt für d. Gelehrten-
u, Realschulen Württembergs
KßlWZ. Korrespondenzblatt d. Westdeutschen
Zeitschrift für Geschichte und Kunst
KM._^ Kirchliche Monatsschrift
KRO. Kritische Revue aus Oesterreich
KunstUZ. D. Kunst unserer Zeit
Kw. Kunstwart
KwH. Kwartalnik Historyczny
KZEU. Katholische Zeitschrift für Erziehung
und Unterricht
KZg. Kölnische Zeitung
LBlGRPh. Litteraturblatt für Germanische u.
Romanische Philologie
LBlHSch. Litteraturblatt für d. Höhere Schul-
wesen (Beil. zu BUHSch.)
LCBl. Litterarisches Centralblatt
LChR. The Lutteran Church Review
LUw. Litterarischer Handweiser
LJb. Litterarisches Jahrbuch für die Interessen
der Deutschen Nordwestböhmens (A. John)
LLB. Leipziger' Litteraturberichte
LLD. Lateinische Liiteraturdenkmäler d.
J6./i7. Jh.
LRs. Litterarische Rundschau für d. katholische
Deutschland
L&K. Literatur og Kritik
LZgB. Wissenschaftliche Beilage d. Leipziger
Zeitung
MA. Le Moyen-Age
MADSpr. Mitteilungen d. Allgemeinen Deutschen
Sprachvereins
MD. Moderne Dichtung
MGESchG. Mitteilungen d. Gesellschaft für
deutsche Erziehungs- u. Schulgeschichte
MGNM. Mitteilungen aus d. Germanischen
Nationalmuseum
MGP. Monumenta Germaniae Paedagogica
MHL. Mitteilungen aus d. Historischen Litteratur
ßJIOG. Mitteilungen d. Instituts für Oester-
reichische Geschichtsforschung
ML. Magazin für Litteratur d. In- und Aus-
landes
MLLG. Mitteilungen d. Littauischeu littera-
rischen Gesellschaft
MLN. Modern Language Notes
MLWJ. Monatsschrift für Litteratur und Wissen-
schaft d. Judentums
MNEKR. Mitteilungen u. Nachrichten für d.
Evangelische Kirche in Russland
MNLGAU. Mitteilungen d. Niederlausitzer
Gesellschaft für Anthropologie u. Urgeschichte
Mus<^. Museum ((Troningen)
MVGDB. Mitteilungen d. Vereins für Geschichte
d. Deutschen in Böhmen
MWBl. Militär- Wochenblatt
NAnt. Nuova Antologia
NAR. North American Review
NationB. Nation (Berlin)
NationNY. Nation (New- York)
NBUEM. Neue Blätter aus Süddeutschland für
Erzfehung und Unterricht
NDL. Neudrucke deutscher Litteraturwerke d.
16. und 17. Jh.
NedSpect. De Nederlandsche Spectator
NFPr. Neue Freie Presse
NHJbb. Neue Heidelberger Jahrbücher
N Jbl)Ph. Neue Jahrbücher für Philologie und
Pädagogik
NKZ. Neue Kirchliche Zeitschrift
NLBU. Neue Litterarische Blätter
NQ. Notes and Queries
N&S. Nord u. Süd
NYCritic. New-York-Critic
NZ. Neue Zeit (Stuttgart)
ÖEKZ. Oesterreichische evangelische Kirchen-
zeitung
OLBl. österreichisches Litteraturblatt
OUR. Österreichisch-Ungarische Revue
PBUKHS. Pastoralblätter für Katechetik, Hq,
miletik und Seelsorge
Sig-lenregister.
PEGS. Publicatioris of the English Goethe-
Society
PKZ. Protestantische Kirchenzeitunpr
PMLA. Publications of the Modern Language
Association of America
PPSA. Publikation aus d. Kgl Preufsischen
Staatsarchiven
PrJlib. Preussische Jahrbücher
PZSF. Pädagogische Zeit- und Streitfragen
QF. Quellen u. Forschungen z. Sprach- u. Kultur-
geschichte d. germanischen Völker
Q,R. Quarterley Review
RAFr. Revue de l'Art Fran^ais
RB. Revue Bleue
RBibl. Revue des Bibliotheques
RCr. Revue Critique d'histoire et de litterature
RDM. Revue des deux Mondes
RepKunstw. Repertorium der Kunstwissenschaft
RESS. Revue de TEnseignemerit Secondaire et
Superieure
RH. Revue Historique
RhBllBU. Rheinische Blätter für Erziehung u.
Unterricht
RiCrLI. Rivista Critica della Letteratura Italiana
RIE. Revue Internationale de l'Enseignement
RPL. Revue Politique et Litteraire
RQChrA. Römische Quartalschrift für (^Jirist-
liches Altertum und Kunst
RThPh. Revue de Theologie et de Philosophie
RTP. Revue des Traditions Populaires
SammlerA. D. Sammler (Tägliche Beilage d.
Augsburger Abendzeitung)
SammlerB. D. Sammler (Berlin)
SBB. Sammlung Bernischcr Biographien
SchlZg. Schlesische Zeitung
SchwäbKron. Schwäbische Kronik (Beiblatt z.
Schwab, Merkur)
SGWV. Sammlung gemeinverständlicher wissen-
schaftlicher Vorträge
SÖMZ. Streffleurs Oesterreichische Militärische
Zeitschrift
StMBCO. Studien u. Mitteilungen aus d. Bene-
diktiner- u. d. Cistercienser-Orden
StML. Stimmen aus Maria Laach
StNPhl. Studies and Notes in Philology and
Litterature
TglRsB. Unterhaltungsbeilage d. Täglichen
Rundschau (Berlin)
ThJB. Theologischer Jahresbericht
ThLBl. Theologisches Litteraturblatt
ThLZ. Theologische Litteraturzeitung
ThQ Theologische Quartal schrift
ThStK. Theologische Studien u. Kritiken
ThZSchw. Theologische Zeitschrift aus der
Schweiz
TNTLK. Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en
Letterkunde
TRHS. Transactions of the Royal Historical
Society
Uß. Universal-Bibliothek
tlß&T. Über Berg u. Thal
ÜL&M. Über Land u. Meer
UZ. Unsere Zeit
VGAnthr. Verhandlungen d. Gesellschaft für
Anthropologie
VHSG. Vierteljahrsschrift für Heraldik, Sphra-
gistik und Genealogie
VLG. Viertel Jahrsschrift f. Litteraturgeschichte
VVPK. Vierteljahrsschrift für Volkswirtschaft,
Politik u. Kulturgeschichte
VWPh. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche
Philosophie
WFrBl. Wiener Freradenblatt
WIDM. Westermanns lUustrirte Deutsche
Monatshefte
WKK. Wiener Kommunalkalender
WRDK. Wochenrundschau für dramatische
Kunst, Litteratur und Musik
WSKPh. Wochenschrift für Klassische Philologie
WTBl. Wiener Tagblatt
WZ. Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte
u. Kunst
ZADSprV. Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen
Sprachvereins
ZBK. Zeitschrift für Bildende Kunst
ZDA. Zeitschrift für Deutsches Altertum
ZDKG. Zeitschrift für Deutsche Kulturgeschichte
ZDäKt. Zeitschrift d. Deutschen Morgenländischen
Gesellschaft
ZDPh. Zeitschrift für Deutsche Philologie
ZDS. Zeitschrift für Deutsche Sprache
ZDU. Zeitschrift für d. Deutschen Unterricht
Zeitgeist. D. Zeitgeist (Montagsbeilage z Berliner
Tageblatt)
ZERU. Zeitschrift für d. evangelischen Reli-
gionsunterricht
ZFChrVL. Zeitschrift d. christlichen Volkslebens
ZFSL. Zeitschrift für neufranzösische Sprache
u. Litteratur
ZGORh. Zeitschrift für d. Geschichte d. Ober-
rheins
ZKG. Zeitschrift für Kirchengeschichte
ZKWL. Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft
u. kirchliches Leben
ZLlHSch. Zeitschrift für lateinlose höhere
Schulen
ZOG. Zeitschrift für d. Oesterreichischen Gym-
nasien
ZPrGL. Zeitschrift für Preussische Geschichte
und Landeskunde
ZPTh. Zeitschrift für Praktische Theologie
ZSchlH. Zeitschrift d. Gesellschaft für Schles-
wig-Holstein-Lauenburgische Geschichte
ZSRGG. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für
Recht sgeschichte. Germanistische Abteilung
ZVK. Zeitschrift für Volkskunde
ZVLR. Zeitschrift für Vergleichende Litteratur-
geschichte u. Renaissance-Litteratur
ZWTh. Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie
b) Abkürzung' zur Bezeichnung: der übrigren
Zeil Schriften.
A. Archiv, Archives, Arkiv. — AbhAk. Ab-
handlunfren d. Akademie (d. Wissenschaften)-
— AbhL. Abhandlungen für Landeskunde. —
AG. Archiv für Geschichte. — Alm. Almanach.
— Ann. Annalen, Annales. — Ant. Antiqua-
risch. — Anz. Anzeiger. — AV. Altertums-
B. Beiträge. — BAc. Bulletin de l'Academie.
— BBl. Börsenblatt. — Bblgr. Bibliographie,
— BG. Beiträge z. Geschichte. — BHV.
Bericht d. Historischen Vereins. — Bibl,
Bibliothek. — BK. Beiträge z. Kunde. —
Bl., Bll. Blatt, Blätter. — BLVA. Berichte
d. Landesvereins für Altertumskunde, —
BMH. Bulletin du Musee Historique. —
Sig-lenregister.
BVGW, Berichte über d. Verhandlungen d.
Gesellschaft d. Wissenschaften. — BVL. Blätter
d. Vereins für Landeskunde
CBl. Centralblatt. — Chr. Chronik. — Cr.
Critique. — COI. Centralorgan für d. In-
teressen
D. Deutsch
E. Erdkunde. — Erz, Erziehung
F. Forschungen
0. Geschichte. — GBl., GBU. Geschichtsblatt,
Geschichtsblätter. — Ges. Gesellschaft. — GFr.
Geschichtsfreund. — GV. Geschichtsverein. —
GQ. Geschichtsquellen — GW. Gesellschaft
d. Wissenschaften
H. Historisch, Histoire, Historique usw. —
HG. Historische Gesellschaft. — HT. Historisk
Tidsskrift. — HV. Historischer Verein
1. Institut. — It. Italia, Italiano
J. Journal. — JB. Jahresbericht, Jahresberichte.
— Jb. Jahrbuch. — Jbb. Jahrbücher. —
JbHV. Jahrbuch d. Historischen Vereins. —
JbVG. Jahrbuch d. Vereins für Geschichte
KBl. Korrespondenzblatt. — KBIVL Korre-
spondenzblatt d. Vereins f. Landeskunde. —
KG. Kirchengeschichte. ■ — KL. Konversations-
lexikon
li. Litteratur, Litterarisch usw. — LB. Littera-
turbericht. — LBl. Litteraturblatt. — LK.
Landeskunde. — LVA. Landesverein für Alter-
tumskunde
M. Mitteilungen. — MA. (MAlich.) Mittelalter
( — lieh). — MAc. Memoires de l'Academie.
— Mag. Magazin. — MBl., MBU. Monats-
blatt, Monatsblätter. — MGG. Mitteilungen
d. Gesellschaft für Geschichte. — Mh. Monats-
hefte. — Mschr. Monatsschrift. — Mus. Museum,
Musik. — MusV. Musealverein. — MVG.
Mitteilungen d. Vereins für Geschichte
Jfi. Neu, Nouveau, Nuovo usw. — NF. Neue
Folge. — Njbl., Njbll. Neujahrsblatt, Neujahrs-
blätter. — NN. Neueste Nachrichten
Ö. Oesterreich, Üesterreichisch
P. Preussisch. — Paed. Pädagogik, pädagogisch.
— Ph. Philologie. — Philos. Philosophie, —
Pr. Presse
il. Quartalschrift. — QB. Quartalsblatt. —
QuBUHV. Quartalsblätter des historischen
Vereins
R. Revup. -
Rheinisch.
Rep. Repertorium. — Rh. Rhein,
— Ri. Rivista. — Rs. Rundschau
SB. Sitzungsbericht, Sitzungsberichte. — SBAk.
Sitzungsberichte d. Akademie (d, Wissen-
schaften). — Sbnbg. Siebenbürgen. — Seh.
Schule. — SchlH. Schleswig-Holstein-Lauen-
burg. — Schw. Schweiz, Schweizerisch. — Soc.
Societe, Society, Sociedad — Spr. Sprache,
Sprachforschung. — St. Studien. — SVG.
Schriften d. Vereins f. Geschichte
T. Transactions. — Tb. Taschenbuch. — TBL
Tageblatt (Tagblatt)
V. Verhandlungen. — Vjh. Vierteljahrshefte. —
Vjs. Vierteljahrsschrift. — Vt, Vaterländisch.
— Ver, Verein
WBl. Wochenblatt
Z. Zeitschrift, — Zg, Zeitung. — ZGG. Zeit-
schrift d, Gesellschaft für Geschichte. — ZÜV.
Zeitschrift d. Historischen Vereins
Beispiele für Verbindungen:
JbMünchG. Jahrbuch für Münchener Geschichte
BVGVVLeipzig. Berichte über d. Verhandlungen
d, Gesellschaft d, Wissenschaften in
Leipzig
UngR. Ungarische Revue
MVAnhaltG. Mitteilungen d. Vereins für An-
haltische Geschichte u. Altertumskunde
MhMusikG. Monatshefte für Musikgeschichte
S VGBerlin. Schriften d. Vereins für d. Geschichte
Berlins
NASächsG. Neues Archiv für Sächsische Ge-
schichte
ZVHambG. Zeitschrift d. Vereins für Ham-
burgische Geschichte — usw.
Jaliresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. IV.
(4)38
Bemerkungen für den Gebranch.
An dieser Stelle sei nochmals das „Handbuch zu Litteraturberichten" von J. Jastrow
(Berlin, Gaertner 1891) rühmend genannt, dem die technische Einrichtung sich im wesentlichen
anschliesst.
1. Die Disposition ist jedem einzelnen Abschnitte vorangedruckt und im Text, auf
den allein sie sich bezieht, durch Absätze und Sperrung der Stichwörter kenntlich.
2. Die Stellung der Anmerkungsziffer vor oder hinter dem Punkt am Ende eines
Satzes charakterisiert die nähere oder fernere Zugehörigkeit des unten angeführten Buches zum Text.
3. Neben den Werken des Berichtsjahres sind nur in Ausnahmefällen Schriften des
unmittelbar vorhergegangenen Jahres besprochen. Die Litteratur der auf das Berichtsjahr folgenden
Zeit blieb durchweg ausgeschlossen, ausser wo es sich um einzelne Recensionen der 189.S erschienenen
Arbeiten handelt. Als Jahreszahl ist zu jeder in den Anmerkungen citierten Schrift die des
Berichtsjahres (für Bd. 4 also 1893) hinzuzudenken, insofern eine andere nicht ausdrücklich genannt
ist. Wo bei Lieferungswerken, Zeitschriften usw. Lieferungstitel und Bandtitel verschiedene Jahres-
zahlen tragen, ist der letztere als massgebend betrachtet worden.
4. Die Bedeutung der Zeichen in den Anmerkungen sind folgende:
X Hier sei dem Titel nach angeführt
X X Hier sei angeführt unter Vorbehalt genauerer Besprechung im nächsten
Jahrgang
O Unzugänglich blieb
(IV 8a : 10) Hier ist ein Titel einer Arbeit bezw. ein Bericht ausgefallen zu Gunsten
von IV, 8 a N. 10.
j[ ]| schliesst das Verzeichnis der Recensionen ein.
5. Ein Verzeichnis der zur Abkürzung von Zeitschriften- und Zeitungstiteln
verwendeten Siglen findet sich hinter dem Sachregister. Ausserdem sind folgende Abkürzungen
angewendet: Hs., Hss. = Handschrift, Handschriften ; hs. = handschriftlich; Ms., Mss. = Manuskript,
Manuskripte; Vf. = Verfasser, Verfasserin; Jh., Jhh. = Jahrhundert, Jahrhunderte.
6. Das Autorenregister verzeichnet nur die Verfasser der besprochenen Arbeiten,
zu denen auch die Recensionen gerechnet werden. Die Art der angeführten Werke wird durch die
Kapitelzahl einigermassen gekennzeichnet.
7. Im Sachregister beachte man überall Zusammenstellungen wie Bibliotheken, Drama,
Schulen, Sprache.
8. Die Zahlen in den Registern usw. sind aus folgenden Beispielen zu verstehen:
II 3 : 4 = II, 3 N. 4. — II 3 : 4-5 = II, 3 N. 4-5. — II 3 : 4; 6 : 7 = II, 8 N. 4; II, 6 N. 7.
9. Die Verfasser von selbständigen Werken wie auch namentlich von Dissertationen,
Programmen, Festreden usw. sowie von Zeitschriftenaufsätzen werden dringend ersucht, ein Exemplar
an die JBL. einzusenden oder die Einsendung seitens ihres Verlegers zu veranlassen. Bei Ab-
handlungen, die an entlegenen Stellen veröffentlicht sind, wäre die Redaktion schon für den blossen
Hinweis (vielleicht mit kurzer Angabe des Inhalts) dem Autor zu Dank verpflichtet.
10. Die Adresse der Redaktion findet sich am Schlüsse der Vorrede, die der Verlags-
handlung auf dem Titelblatt, die der einzelnen Mitarbeiter im Inhaltsverzeichnis.
Druckfehlerberichtigung.
I 1 : 87 Kote lies Flaischlen. — I 4 : 230 Note lies VVPK. ~ I 5 : 376
lies MVGDBB. — I 6 Inhaltsverzeichnis Zeile 14/5 lies Anbalt-Zerbst. — 16:238
Zeile 9 lies Chr. Fei. Weise. — I 10 : 28 Note lies II 3 : 20. — I 11 : 3 Zeile 11
lies technischer. — I 11 : 273 Zeile 2 lies an den Maler. — I 11: 382 Note lies
Grützner. — I 13 : 141 Zeile 1 vor „Ein anonymer" Absatz. — III 3 : 20 Zeile 6 lies
1816. — III 5 : 49 Note lies I 6 : 650. — IV la : 22 Note lies Ehrbar dt. — IV 8a : 160
Zeile 2 lies hat Kraus. — IV 8a : 160 Note lies A. V. Kraus. — IV 11 : 56 Zeile 1
lies Fälschers. — Im Autorenregister lies Gädcke statt Gädeke.
Druck von C. H. Sclmlze & Co. in Grafenhainichen.
Für die bereitwillige und liebenswürdige Unterstützung bei den vorbereitenden
Arbeiten ist die Redaktion den folgenden Herren zu lebhaftem Danke verpflichtet :
Hermann Ahherg-^evXxw.^
Dr. Ei'nst uUtenhiiger-^ieiiin^
Oskar Arnstein-Berlin,
Dr. Hans Bodmer -Zürich,
cand. phil. Fried): Z^üse/- Berlin,
cand. phil. £'icÄ;-München,
Dr. phil. Arthur Eloesser-Berlin,
Prof. Dr. Ernst ^/sfer-Leipzig,
cand. phil. Karl i^mss-München,
«and. phil. Goldschmidt-München,
cand. phil. M. Jaco6s-Berlin,
Dr. Waldemar Kawerau-Msigdehnrg,
Geh. Justizrat C. R. Eessing-Berliu,
Prof. Dr. F. Muncker-München,
cand. phil. (^i^o-München,
Dr. Ludwig Pamer-Müuchen,
Dr. George Pouß^-Berlin,
Prof. Dr. *S. J/.Prem-Bielitz,
Bibliothekar Dr. Richard Preuss- Berlin,
Freiherr Alfred von PeAite-Breslau,
Dr. Richard «Swion-München,
cand. phil. Herrn. Stockhausen-Bevlva.^
Dr. Oskar F. WaZzeZ-Wien,
Dr. Alexander von Weilen-^\Qu^
Prof. Dr. R. M. Werner-Lemherg.
der ßohemia,
des Frankfurter Journal,
der Kölnischen Zeitung,
der Magdeburgischen Zeitung,
Ferner den Redaktionen
der Münchener Neuesten Nachrichten,
der Neuen freien Presse in Wien,
der Rostocker Zeitimg,
der Weser Zeitung,
sowie den Buchhandlungen
von
6r. Pbc^-Leipzig, | R. Friedlaender cj- «So/m-Berlin,
Nicolai (Borstell 4* -ßemar^s)-BerIin,
und der Buchdruckerei
von
C. H. Schulze 4" Co.-Gräfenhainichen.
(4)38='
i
0
BINDING SECT. FEB 2 1968
Z Jahresberichte für neuere
2231 deutsche Literatur-
J25 geschichte
Bd.i^
PLEASE DO NOT REMOVE
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UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY