Skip to main content

Full text of "Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte"

See other formats


UNIVERSITY  OF 
TORONTO  PRFSS 


^ 


2  f 


JAHRESBERICHTE 


fOb 


NEUERE 


DEUTSCHE  IITTERATÜRGESCHICHTE 


UNTER  MITWIRKUNG  VON 

J.  BOLTE,  W.  CREIZENACH,  K.  DRESCHER,  G.  ELLINGER,  E.' ELSTER,  P.  GOLDSCHEIDER, 
W.  GOLTHER,  C.  GURLITT,  0.  HARNACK,  0.  VON  HASE,  A.  HAÜFFEN,  K.  HEINEMANN, 
E  JEEP,  G.  KAWERAU,  K.  KEHRBACH,  A.  KOESTER,  G.  LIEBE,  R.  M.  MEYER,  V.  MICHELS, 
J.  MINOR,  F.  MÜNCKER,  E.  NAUMANN,  L.  PARISER,  0.  PNIOWER,  A.  REIFFER- 
SCHEID,  H.  REIMANN,  A.  SAUER,  W.  SCHEEL,  AD.  STERN,  V.  VALENTIN,  F.  VOGT, 
M.  VON  WALDBERG,    0.  F.  WALZEL,    A.  VON  WEILEN,    R.  M.  WERNER,    G.  WINTER, 

G.  WITKOWSKI,  H.  WUNDERLICH 

MIT  BESONDERER  UNTERSTÜTZUNG 

VON 

ERICH  SCHMIDT 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

JULIUS  ELIAS  UND  MAX  OSBORN. 


VIERTER  BAND  (JAHR  1893). 


LEIPZIG. 

G.   J.    GÖSCHEN'SCHE    VERLAGSHANDLUNG. 

1895. 


2231 
T25" 


y 


U  nsere  Hoffnung,  die  Zeit,  die  zwischen  dem  Erscheinungsjahr  des  Materials  und 
des  Berichtes  liegt,  noch  mehr  als  bisher  verkürzen  zu  können,  ist  leider  getäuscht  worden. 
Die  Gründe  dafür  sind  zumeist  in  den  persönlichen  Verhältnissen  unserer  Mitarbeiter  zu 
suchen ;  dann  aber  auch  in  der  immer  beschwerlicheren  Sammlung  und  Beschaffung  des 
Berichtsmaterials  und  endlich  in  den  stets  erhöhten  Schwierigkeiten,  die  der  Redaktion 
bei  der  Anfertigung  der  Register  erstehen.  Alles  dieses  hängt  unmittelbar  auch  mit  dem 
von  Jahr  zu  Jahr  wachsenden  Umfange  des  Buches  zusammen,  der  einerseits  durch  die 
Eingliederung  neuer  notwendiger  Kapitel,  andererseits  durch  das  Bestreben  hervorgerufen 
wird,  die  Bibliographie  so  vollständig  wie  irgend  erreichbar  zu  gestalten.  Ueberdies  wollen 
wir  nicht  verhehlen,  dass  einzelne  Kapitel  für  das  Gesamtmass  unseres  Bandes  im  Texte 
zu  ausführlich  geraten  sind,  und  wir  wissen  recht  wohl,  dass  es  zu  unseren  wichtigsten 
Aufgaben  gehört,  diese  Ungleichheiten  mit  der  Zeit  zu  beseitigen. 

Eine  weitere  Verlegenheit  bereitet  der  Redaktion  der  andauernde  Wechsel  unter 
den  Mitarbeitern,  dem  sie  durchaus  machtlos  gegenüber  steht.  So  musste  auch  diesmal 
wieder  ein  Kapitel  für  den  nächsten  Band  zurückgesetzt  werden,  weil  die  völlig  un- 
erwartete Absage  des  gewonnenen  Bearbeiters  zu  spät  kam,  als  dass  der  Nachfolger  daa 
Manuskript  noch  rechtzeitig  hätte  fertig  stellen  können :  Georg  Winter  war  es  ganz  un- 
möglich, den  von  Kurt  Breysig  plötzlich  wieder  aufgegebenen  Abschnitt  „Politische  Ge- 
schichte des  18./19.  Jahrhunderts"  (IV,  Ib)  im  Laufe  weniger  Wochen  zu  bewältigen.  Etwas 
anders  lag  der  Fall  bei  dem  Kapitel  „Didaktik  des  16.  Jahrhunderts"  (II,  5) ;  Waldemar 
Kawerau  haben  es  die  Berufsgeschäfte  zu  unserem  und  zu  seinem  eigenen  Bedauern  zur 
Pflicht  gemacht,  Terminarbeiten  dieser  Art  zu  entsagen.  Sehr  ungern  sehen  wir  diesen 
trefflichen  Mitarbeiter  und  Freund  der  „Jahresberichte"  aus  unserer  Mitte  scheiden.  Aber 
auch  sein  Rücktritt  erfolgte  erst  in  letzter  Stunde,  so  dass  nun  Ernst  Jeep  im  nächsten 
Bande  zwei  Berichtsjahre  vereinigen  muss.  Ebenso  wird  Jakob  Minor,  der  von  nun  ab 
an  Stelle  Andreas  Heuslers  über  die  „Geschichte  der  Metrik"  (I,  9)  berichtet,  die  Jahr- 
gänge 1893  und  1894  verbinden,  weil  das  Material  für  eine  besondere  Besprechung  zu 
geringfügig  erschien.  Auch  Max  von  Waldberg,  der,  durch  ältere  litterarische  Aufgaben 
gedrängt,  die  Arbeit  diesmal  aussetzen  musste,  wird  sein  Referat  über  das  „Epos  des 
18./19.  Jahrhunderts"  (IV,  3)  im  fünften  Bande  nachtragen.  Das  Kapitel  „Volkskunde" 
geht  von  Friedrich  Vogt  auf  Adolf  Hauffen  über,  die  „Litteratur  in  der  Schule" 
von  Paul  Goldscheider  auf  Ernst  Naumann.  Hermann  Wunderlich,  dem  wir  Jahre 
hindurch  zu  lebhaftem  Dank  verpflichtet  waren,  sah  sich  durch  andere  Arbeits- 
lasten genötigt,  sein  treu  verwaltetes  Kapitel  zurückzugeben;  die  Erscheinungen  zur 
„Geschichte     der  neuhochdeutschen    Schriftsprache"    wird   in    Zukunft   Willy    Scheel    be- 


sprechen,  Johannes  Bolte  und  Wilhelm  Creizenach  haben  ihre  Arbeitsgebiete  (II,  4  und 
III,  4)  nach  persönlichem  Uebereinkommen  getauscht,  und  da  das  Jubiläumsjahr  des  Hans 
Sachs  für  den  nächsten  Band  das  Material  in  bestimmter  Richtung  häuft,  so  haben  wir 
für  den  fünften  Jahrgang  ein  vereinzeltes  Hans  Sachs-Kapitel  geschaffen,  das  in  den 
Händen  Karl  Dreschers  liegt.  Mit  dem  Jubiläumsjahr  auch  hat  der  Abschnitt  „Grill- 
parzer"  aufgehört.  Er  ist  in  den  allgemeinen  Bericht  über  das  „Drama"  zurück- 
gekehrt, und  sein  Bearbeiter  August  Sauer  bethätigt  sich  nun  zu  unserer  Freude  an  dem 
Kapitel  „Lyrik  des  18./19.  Jahrhunderts"  (IV,  2).  Der  Schluss  dieses  Teiles,  der  zuletzt 
gesetzt  wurde,  musste  aus  rein  technischen  Gründen  zurückgehalten  werden;  er  wird  im 
sehr  bald  erscheinenden  ersten  Hefte  des  künftigen  Bandes  nachgeliefert. 

Hiermit  kommen  wir  zu  einer  Neuerung,  die  vielen  Wünschen  entsprechen  wird : 
der  Ausgabe  des  Bandes  in  vier  einzelnen  Heften  (statt  der  früheren  beiden  Halbbände). 
Wir  haben  dadurch  die  Möglichkeit  gewonnen,  die  einmal  fortig  gestellten  Partien  nicht 
über  Gebühr  lange  liegen  zu  lassen.  Der  neue  Besitzer  der  G.  J.  Göschenschen  Verlagö- 
handlung,  Herr  Wilhelm  Crayen  in  Leipzig,  hat  diesem  wie  anderen  Verbesserungs- 
vorschlägen bereitwillig  zugestimmt. 

Mit  dem  Schlüsse  dieses  Bandes  büssen  die  Jahresberichte  eine  Kraft  ein, 
deren  Bedeutung  und  Wichtigkeit  einzig  die  Redaktion  richtig  zu  schätzen  und  zu  würdigen 
vermag.  Richard  Rosenbaum,  der  fast  zwei  Jahre  hindurch  treu  und  selbstlos  an 
unserer  Seite  gewirkt  hat,  kehrt  in  seine  Heimat  zurück.  Er  hat  uns  in  dem  gelehrten 
wie  dem  geschäftlichen  Teile  unserer  Arbeit  während  dieser  Zeit  so  wesentlich  unter- 
stützt, dass  wir  seine  Wirksamkeit  allezeit  schmerzlich  entbehren  müssen.  Wir  werden 
stets  in  der  Erinnerung  bewahren,  wie  innig  wir  ihm  zu  Dank  verbunden  sind. 

Wir  dürfen  an  dieser  Stelle  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  wir  unsere  auswärtigen 
Angelegenheiten  ohne  die  thatkräftige  Hülfe  der  Firmen  Heinrich  Welter  in  Paris 
(Rue  Bon  aparte  59)  und  A.  Asher  &  Co.  in  Berlin  schwerlich  hätten  erledigen  können. 
Wer  sonst  noch  mit  liebenswürdigem  Entgegenkommen  an  unserer  weit  verzweigten  Arbeit 
sich  beteiligt  hat,  dessen  Namen  haben  wir  auf  einer  Danktafel  am  Schlüsse  dieses 
Bandes  verzeichnet. 

Berlin  W. 

Matthäikirchstr.  4.II.  JULIUS  ELIAS.       MAX  OSBOßN. 


Inhaltsverzeiehnis. 

Erster  Halbband. 

I.  Allgemeiner  Teil. 


1.  Litteraturg-eschichte  1892,  1893.    Von  Dr.  Otto  Harnack  in  Rom. 

2.  Geschichte  der  deutschen  Philologie.    Von  Dr.  Wolfg-ang-  Golther, 

Professor  an  der  Universität  Rostock. 

3.  Schrift-   und  Buchwesen.     Von  Dr.  Oskar  von  Hase  in  Leipzig-. 

4.  Kulturg-eschichte.     Von  Dr.  Georg*  Liebe,  Assistenten  am  Staatsarchiv  zu 

Magdeburg". 

5.  Volkskunde.     Von    Dr.    Friedrich   Vogt,    Professor    an    der    Universität 

Breslau. 

6.  Geschichte   des   Unterrichts-   und    Erziehungs wesens.     Von    Professor 

Dr.  Karl  Kehrbach  in  Berlin. 

7.  Die  Litteratur  in   der  Schule.    Von  Dr.  Paul  Goldscheider,   Professor 

am  Gymnasium  zu  Elberfeld. 

8.  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.    Von  Dr.  Hermann 

Wunderlich,  Professor  an  der  Universität  Heidelberg. 

9.  Geschichte  der  Metrik.    Von  Dr.  Jakob  Minor,  Professor  ander  Universität 

Wien.     Vgl.  Bd.  5  der  JBL. 

10.  Stoffgeschichte.    Von  Dr.  JohannesBolte,  Oberlehrer  am  Königstädtischen 

Gymnasium  zu  Berlin. 

11.  Kunstgeschichte  1892,  1893.    Von  Dr.  Cornelius  Gurlitt,  Professor  an  der 

Technischen  Hochschule  zu  Dresden. 

12.  Poetik  und  ihre  Geschichte.    Von  Dr.  Richard  Maria  Werner,  Professor 

an  der  Universität  Lemberg. 

13.  Musikgeschichte.      Von    Dr.    Heinrich    Reimann,    Bibliothekar    an    der 

Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin. 


II.  Von  der  Mitte  des  15.  Ms  zum  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts. 


1.  Allgemeines.    Von  Dr.  Max  Osborn  in  Berlin. 

2.  Lyrik.    Von  Dr.  Georg  Ellinger,    Oberlehrer  an  der  6.  Städtischen  Real- 

schule zu  Berlin. 

3.  Epos.     Von  Dr.  Adolf  Hauffen,  Privatdocenten  an  der  Universität  Prag. 

4.  Drama.    Von  Dr.  Wilhelm  Creizenach,  Professor  an  der  Universität  Krakau. 

5.  Didaktik.     Von  Dr.  Ernst  Jeep  in  Berlin,     vgi.  Bd.  5  der  jbl. 

6.  Luther  und  die  Reformation.    Von  Dr.  Gustav  Kawerau,  Professor  an 

der  Universität  Breslau. 

7.  Humanisten    und   Neulateiner.     Von    Dr.  Georg    Ellinger,    Oberlehrer 

an  der  6.  Städtischen  Realschule  zu  Berlin. 


Inhaltsverzeichnis. 

Zweiter  Halbband. 

III.  Vom  Anfang  des  17.  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts. 


1.  Allgemeines.      Von    Dr.    Alexander    Reifferscheid,     Professor    an    der 

Universität  Greifswald. 

2.  Lyrik.     Von  Dr.  Ludwig  Pariser  in  München. 

3.  Epos.     Von    Dr.    Alexander    Reifferscheid,    Professor  an    der  Universität 

Greifswald. 

4.  Drama.    Von  Dr.  Johannes  Bolte,  Oberlehrer  am  Königstädtischen  Gymnasium 

zu  Berlin. 

5.  Didaktik.    Von  Dr.  Victor  Michels,  Professor  an  der  Universität  Jena. 


IV.  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zur  Gegenwart. 


1.  Allgemeines. 

a)  Litteraturgeschichte.      Von    Dr.    Adolf    Stern,    Professor    an    der 

Technischen  Hochschule  zu  Dresden. 

b)  Politische  Geschichte.    Von  Dr.  Georg  Winter,  Archivar  am  Staats- 

archiv  zu    Magdeburg.    Vgl.  Bd.  5  der  JBL. 

c)  Memoiren,  Tagebücher  und  Briefwechsel.  1892,  1893.  VonDr.  Franz 

Muncker,  Professor  an  der  Universität  München. 

d)  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland.     Von  Dr.  Adolf  Stern, 

Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Dresden. 

2.  Lyrik.     1892,  1893. 

a)  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

Von^'Dr.  August  Sauer,  Professor  an  der  Universität  Prag. 

b)  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     Von  Dr.  Julius 

Elias  in  Berlin. 

3.  Epos.     Von  Dr.  Max  Freiherrn  von  Waldberg,  Professor  an  der  Universität 

Heidelberg.    Vgi.  Bd.  5  der  jbl. 

4.  Drama    und    Theatergeschichte.     Von    Dr.    Alexander    von    Weilen, 

Privatdooenten  an  der  Universität  Wien. 

5.  Didaktik.     Von  Dr.  Richard  M.  Meyer,   Privatdooenten  an  der  Universität 

Berlin. 

6.  Lessing.     Von  Dr.  Erich  Schmidt,  Professor  an  der  Universität  Berlin. 

7.  Herder.     Von    Dr.    Ernst    Naumann,     Professor    am    Friedrich -Wilhelms- 

Gymnasium  zu  Berlin. 

8.  Goethe. 

a)  Allgemeines.     Von  Professor  Dr.  Veit  Valentin  in  Frankfurt  a.  M. 

b)  Leben.     Von  Dr.  Karl  Heinemann,  Oberlehrer  am  Kgl.   Gymnasium 

zu  Leipzig. 

c)  Lyrik.     Von  Dr.  Otto  Pniower  in  Berlin. 

d)  Epos.     Von  Dr.  Georg  Witkowski,  Privatdooenten  an  der  Universität 

Leipzig. 

e)  Drama.   Von  Dr.  Georg  Witkowski,  Privatdooenten  an  der  Universität 

Leipzig. 

9.  Schiller.     Von  Dr.  Albert  Köster,  Professor  an  der  Universität  Marburg. 

10.  Romantik.     Von  Dr.  Oskar  F.  Walzel,   Privatdooenten  an  der  Universität 

Wien. 

11.  Das    junge    Deutschland.      Von    Dr.    Ernst    Elster,    Professor    an    der 

Universität  Leipzig. 

Autorenregister. 

Sachregister. 

Siglenregister. 

Bemerkungen  für   den   Gebrauch. 

Druckfehlerverzeichnis. 

Danktafel. 


JAHEESBEEICHTE 

FÜR 

NEUERE 

DEUTSCHE  LITTERATURGESOHICflTE 


(JAHR  1893.) 

EßSTER  HALBBAND. 


n^ 


^/^-L 


I.  Allgemeiner  Teil. 


1,1 

Litteraturgeschichte.    1892,  1893. 

Otto  Harnack. 

Methodisches:  Allgemeine  historische  Wissenschaft:  Auft^abe  der  6eschichtsforschnng  N.  1;  Hauptinhalt  der 
Geschichte  N.  15;  Verhältnis  der  Kulturgeschichte  zur  politischen  Geschichte  N.  24;  Geschichtsunterricht  N.  28;  Objektivität 
N.  30.  —  Philologie  N.  40.  —  Aesthetische  Betrachtung  der  Litteraturgeschichte  N.  49.  —  Kritik  N.  56.  —  Litteratur- 
geschichte: Gesamtdarstellungen:  unirereale  N.  76,  deutsche  N.  78.  —  Lokale  Litteraturgeschichten :  Schweiz  N.  110; 
Mecklenburg  N.  111;  Böhmen  N.  112.  —  Sammelwerke  N.  117.  —  Verschiedenes  N.  140.  —  Praktisches:  für  den  Schrift- 
steller N.  144;    far  das  Publikum  N.  154;  für  den  Litterarhistoriker  N.  162.  — 

Der  Bericht  über  die  Jahre  1892  und  93  hat  eine  Reihe  von  Aeusserung-en 
über  Aufgabe  und  Methode  der  Litteraturgeschichte  zu  verzeichnen.  Gegenüber  dem 
Streit  zwischen  den  Verfechtern  der  philologischen  und  denen  der  ästhetischen  Be- 
trachtungsweise wird  die  Berichterstattung  sich  am  sichersten  den  objektiven  Charakter 
wahren,  wenn  sie  die  Litteraturgeschichtezunächst  als  Zweig  der  allg-emeinenhistori- 
schen  Wissenschaft  betrachtet,  wie  dies  auch  schon  früheran  dieser  Stelle  (JBL.  1891 
11:27)  geschehen  ist.  Aufgabe  und  Methode  der  Geschichtsforschung*  über- 
haupt behandelt  Simmel*);  der  Titel  seiner  Schrift  wird  durch  den  Beisatz  „eine 
erkenntnistheoretische  Studie"  genugsam  erklärt.  Er  setzt  zunächst  auseinander,  dass 
alles  historische  Erkennen  und  Urteilen  den  Besitz  fester  psychologischer  Massstäbe 
voraussetze,  da  jede  Schlussfolgerung,  welche  eine  einzelne  Handlung  als  Symptom 
für  die  Erkenntnis  einer  Persönlichkeit,  einer  Generation,  eines  Volkes  benutzt,  dies 
nur  vermittelst  stillschweigend  angenommener  oder  auch  bewusst  ausgesprochener 
psychologischer  Voraussetzungen  vermag.  Er  hätte  auch  hinzufügen  können,  dass 
auch  schon  die  Quellenkritik  gar  nicht  anders  arbeiten  kann,  als  indem  sie  für  die 
Feststellung  der  Selbständigkeit,  der  Abstammung,  der  Glaubwürdigkeit  einer  Quelle 
stets  psychologische  Erwägung-en  verwertet;  die  einfache  Fragte,  ob  aus  einer  Ueber- 
einstimmung  zweier  Quellen  auf  Abhängigkeit  zu  schliessen  sei,  ist  eine  psycho- 
logische. Im  zweiten  Abschnitt  wendet  sich  S.  gegen  den  angeblichen  Gewinn  von 
historischen  „Gesetzen"  aus  der  Forschung;  er  weist  nach,  dass  es  sich  in  jenen  so- 
genannten Gesetzen,  besonders  wenn  sie  auf  statistischem  Wege  gewonnen  sind,  in 
Wirklichkeit  nur  um  die  Konstatierung  von  Thatsachen,  nicht  aber  um  den  Beweis 
einer  Notwendig"keit  handelt.  Wenn  er  demnach  im  dritten  Abschnitt  eine  Philosophie, 
d.  h.  Metaphysik  der  Geschichte  auf  dem  Wege  historischer  Forschung  zu  finden 
für  unmöglich  erklärt,  so  g-iebt  er  zugleich  doch  den  wissen.schaftlich-historischen 
Standpunkt  in  überraschender  Art  preis,  indem  er  meint:  da  die  metaphysischen 
Vorstellungen  auf  andere  Art  gewonnen  seien,  werde  man  gegen  den  Versuch,  sie 
an  den  historischen  Entwicklungen  zu  bewähren,  nichts  einwenden  können.  —  Viel 
Beachtung  hat  in  Deutschland  eine  kleine  Schrift  des  italienischen  Unterrichtsministers 
Villari^)  gefunden;  sie  besteht  aber  hauptsächlich  nur  aus  einem  gedankenreichen 
Referat  über  die  Anschauungen  der  wichtigsten  deutschen,  französischen,  englischen 
und  italienischen  Geschichtsphilosophen.     V.  behandelt  zuerst  die  Frage,  ob  die  Ge- 

1)  G.  Simmel,  D.  Probleme  d.  Geschichtsphilosophie.  E.  erkenntnistheoret.  Studie. .  L.,  Dancker  A  Hamblot.  1892. 
X,  108  S.  M.  2,00.  IG.  Winter:  BLU.  S.  86/7.)|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  1  b :  1 ;  5  :  284.)  —  2)  P.  Villnri,  Ist  d.  Gesch.  e. 
Wissenschaft?    Autoris.    üebers.  t.    H.    Loewinson.    B.,   R.  Qaertner.     1892.    92  S.    M.  2,00.     |[K.  Heinrich:    NationB.  9, 

1* 


I  1:3-18  0.  Harnack,  Litteraturgeschichte.    1892,  1893. 

schiohtsschreibung  mehr  Wissenschaft  oder  Kunst  sei,  und  empfiehlt  eine  vermittelnde 
Lösung".  Im  weiteren  Fortgang  untersucht  er,  ob  die  Geschichtsforschung  zu  festen 
allgemeinen  Ergebnissen  gelangen  könne,  und  weist  in  dem  paränetisch  gehaltenen 
Schluss  darauf  hin,  dass  dies  nur  unter  der  Voraussetzung  fester,  dem  sittlichen  Bewusst- 
sein  entnommener  Massstäbe  möglich  sei.  —  Dagegen  sieht  S  toeckert^)  gerade 
darin  den  Wert  des  historischen  Studiums,  dass  es  selbst  diese  Masstäbe  schaffe,  ja 
„dass  alle  tiefen  und  wesenhaften  Ueberzeugungen  nur  mit  Hülfe  der  Geschichte  ge- 
wonnen werden  können",  dass  daher  das  Geschiohtsstudium  für  die  Bildung  des  sitt- 
lichen Charakters  vorzugsweise  wichtig  sei.  —  Die  speciell  methodischen  Fragen 
haben  in  mehreren  Besprechungen  der  Bücher  von  Bernheim*)  und  von  Lorenz^"^) 
(vgl.  JBL.  1891  I  1:27)  Behandlung  gefunden.  —  Unsere  obige  Bemerkung,  dass 
jede  quellenkritische  Forschung  psychologische  Erwägung  verlange,  wird  in  einer 
bestimmten  Beziehung  bekräftigt  durch  einen  eingehenden  Aufsatz  Zellers'),  welcher 
darlegt,  wie  jeder  Bericht,  selbst  der  des  Augenzeugen  durch  die  Subjektivität  des 
Erzählers  unbewusst  beeinflusst  wird,  ja  auch  sogar  bewusstermassen  in  Fällen,  wo 
doch  der  Vorwurf  absichtlicher  Fälschung  nicht  zu  erheben  ist.  —  Für  einen  speciellen, 
der  Litteraturgeschichte  sich  nähernden  Zweig  der  Geschichte,  die  Kunstgeschichte, 
sucht  von  Schlosser^)  Normen  der  Quellenforschung  zu  geben,  indem  er  die 
monumentalen  und  die  litterarischen  Quellen  unterscheidet  und  feststellt,  dass  die 
letzteren  nur  „eine  sekundäre  Stellung"  einnehmen  können. 9" i^^)  — 

Unter  den  Schriften,  welche  uns  vom  erkenntnistheoretischen  auf  das  meta- 
physische Gebiet  führen,  indem  sie  sich  mit  dem  Hauptinhalt  der  Geschichte 
beschäftigen,  ragt  die  Schrift  von  Rocholl ^^)  hervor.  Einem  fünfzehn  Jahre  zuvor 
erschienenen  kritischen  Teil  hat  er  jetzt  den  „positiven  Aufbau"  folgen  lassen.  Un- 
umwunden gesteht  er  zu,  einen  solchen  Aufbau  nur  auf  einem  unabhängig  von  der 
historischen  Forschung  gelegten  Fundament  errichten  zu  können;  er  bezeichnet  „die 
in  der  Zeit  tausendjähriger  christlicher  Kultur  gewonnenen  Ideale"  als  seinen  „be- 
währten Massstab".  Er  steht  auf  dem  Boden  des  protestantischen  Dogmas.  Die 
Schranken  seiner  Arbeit  sind  damit  gegeben.  Selbst  der,  welcher  bestimmte  meta- 
physische Annahmen  für  die  notwendige  Voraussetzung  einer  Geschichtsphilosophie 
hält,  wird  in  den  allermeisten  Fällen  doch  den  ganzen  Komplex  einer  konfessionellen 
Dogmatik  für  ein  viel  zu  schweres  und  bedrückendes  G-epäck  von  Voraussetzungen 
halten,  welches  das  Mass  des  Notwendigen  bei  weitem  übersteigt.  Aber  diesen  Stand- 
punkt zugegeben,  darf  das  Buch  von  R.  wegen  der  ruhigen  Objektivität  seiner  Dar- 
stellungsweise, wegen  der  Vorsicht  der  einzelnen  Schlussfolgerungen  eine  hohe 
Schätzung  beanspruchen.  Die  Entwicklung  der  Litteratur  wird  von  R.s  Gedanken- 
gang nicht  oft  berührt;  aber  was  er  (S.  426/8)  über  deutsche  Klassik  und  Romantik 
sagt,  ist  verständnisvoll  empfunden;  „es  ward  offenbar,  wie  wir  durch  Aneignung 
der  Masse  und  Formen  des  Altertums,  durch  die  Aufnahme  der  Anschauung  der 
Alten  selbst  und  ihres  Geschmacks,  den  besten  Standpunkt  für  Wertschätzung  der 
Güter  des  eigenen  Altertums  gewannen."  —  Mit  der  Geschichtsphilosophie  beschäftigt 
sich  auch  das  Buch  von  Dipp  e'^),  dessen  Titel  etwas  irreführend  ist.  D.  entfernt  sich 
noch  weiter  als  Rocholl  von  dem  empirischen  Standpunkt,  welcher  der  modernen 
Wissenschaft  unentbehrlich  ist;  er  fasst  die  Geschichtsphilosophie  als  Teil  der  all- 
gemeinen Philosophie  und  wünscht,  dass  sie  ihre  Aufgabe  auf  spekulativem  Wege  löse. 
Was  er  selbst  zu  dieser  Lösung  beizutragen  sucht,  ist  recht  unbedeutend.  —  Das 
mehr  und  mehr  wiedererwachende  Streben  nach  philosophischer  Gesamtbetrachtung 
ist  auch  in  Italien  durch  Corradi^'')  und  in  Frankreich  durch  Charaux^*)  zum  Aus- 


8.583/6;  K.  Rethwisch:  MHL.  20,  S.  289;  DRs.  75,  S.  154/5.]|  (Italienisch  zuerst  erschienen  in  NAnt.  1891.)  —  3)  G.  Stoeckert, 
D.  Bildungswert  d.  Gesch.  B.,  E.  Gaertner.  1892.  46  S.  M.  1,00.  |[K.  Rethwisch:  MHL.  20,  S.  289;  Gymn.  11,  S.  691/2.] | 
—  4)  X  E.  Bernheim,  Lehrbuch  d.  hist.  Methode.  2.  Aufl.  L.,  Duncker  &  Humblot.  1889.  XI,  624  S.  M.  12,00.  |[G.  v. 
Below:  GGA.  12,  S.  280/3;  HamhCorr.  1892,  N.  18/9;  P.  Hinneberg:  HZ.  68,  S.  450/3.]|  -  5)  X  K.  Rethwisch:  MHL. 
20,  S.  201;  SaturdayR.  76,  S.  616/7;  K.  Br[eysig]:  LCBl.  1892,  S.  680/1;  E.  Klebs:  BLZ.  S.  113-20;  A.  Guillaud:  RH.  52, 
S.  191/6;  HambCorr".  N.  7.  —  6)  X  0.  Lorenz,  Genealog.  Hand-  u.  Schulatlas.  B.,  Hertz.  1892.  VIII,  43  S.  Mit  38  Taf. 
M.  3,00.  |[LCBI.  1892,  S.  838/9.] I  —  7)  E.  Zeller,  Wie  entstehen  nngesch.  Ueberlieferungen :  DRs.  74,  S.  189-219.  (Vgl. 
VossZg.  27.  Jan.,  Bericht  über  d.  y.  Z.  in  d.  Sitzung  d.  Ak.  d.  Wissensch.  geh.  Festvortr.  gleichen  Inhalts.)  —  8)  J.  v.  Schlosser, 
D.  Bedeutung  d.  QueHen  fttr  d.  neuere  Kunst-Gesch.:  AZg«.  1892,  N.  219.  —  9)  XX  E.  Waohler,  Z.  Kritik  d.  hist. Methode: 
VWPh.  17,  S.  490/9,  —  10)  X  A.  Stoessel,  Geschichtschreiber  u.  Poeten:  Geg.  44,  8.  408-10.  —  11/12)  X  X  J-  Kanlich, 
Aufgaben  d.  Gesch.  im  Leben  d.  Gegenw.  Wert  u.  Methode  d.  Gesch. :  Paedagogium  15,  S.  640-52,  430  8.  —  13)  X  J-  ö. 
Droysen,  Outlives  of  the  principles  of  hist.  (Boston,  Ginn;  Uebersetznng):  Ac.  44,  S.  169.  —  14)  X  A.  Giry,  Etudes  de 
critique  hist.  (=  Extr.  de  la  RH.)  Nogent  le  Rotrou,  Daupeley-Gouvernenr.  82  S.  —  14a)  X  R-  Lavolle,  La  morale  dans 
l'hist.  Etüde  sur  les  principaux  systemes  de  Philosophie  de  l'hist.  depuis  Tantiquite  jusqu'ä  nos  jonrs.  Paris,  Plön,  Nourrit  &  Cie. 
1891.  IV,  416  S.  |[G.  Grupp:  LRs.  19,  S.  268-71.]]  —  15)  R.  Rocholl,  D.  Philos.  d.  Gesch.  2.  Bd.  D.  posit.  Aufbau.  Göttingen, 
Vandenhoeck  &  Ruprecht.  XVI,  612  S.  M.  12,00.  |[A.  Baumann:  GGA.  S.  425-31;  0.  Zöckler:  ThLZ.  18,  S.  527-30;  id.: 
BGl.  14,  S.  73/9;  Grenzb.  2,  S.  478-80;  LCBl.  S.  910/1;  NKZ.  4,  S.  411/8,  510/2;  B.  Härtung:  ThLZ.  18,  S.  527-30;  EKZ.  73, 
S.  7,  194/5.]|  —  16)  A.  Dipp e,  D.  Geschichtsstndium  mit  seinen  Zielen  u.  Fragen.  E.  Beitr.  z.  Philos.  d.  Gesch.  B.,  Wie- 
gandt  &  Grieben.  1891.  132  S.  M.  1,80.  |[MHL  20,  8.  93.]]  (Handelt  nicht  v.  Geschichtsstudium,  sondern  giebt  wohlgemeinte, 
aber  unbedeutende  Beitrr.  z.  Philos.  d.  Gesch.)  —  17)  G.  Corradi.  Filosofla  della  storia.  Torino-Palerrao,  Clausen.  444  S. 
L.  4,00.  —  18)  C.  Charaux,  L'hist.  et  la  pens^e.    Essai  d'une  explication  de  l'hist.  par  l'analyse  de  la  pensSe.    Paris,  Pedone- 


O.  Harnack,  Litteraturgeschichte.    1892,  1893.  I  1  :  i»-» 

druck  gfekommen;  doch  können  sich  beide  mit  Rocholl  nicht  messen,  da  ihnen  die 
Fülle  der  empirischen  Kenntnisse,  welche  die  erste  Voraussetzung-  für  ein  solches 
Unternehmen  ist,  abg-eht.  C.  ist  auch  nicht  zur  Klarheit  über  seine  Prinzipien  g-e- 
kommen.  Nachdem  er  die  geschichtsphilosophischen  Systeme  hat  Revue  passieren 
lassen  und  erklärt  hat,  dass  er  ihnen  nicht  folgen  und  kein  „prästabiliertes  ideales 
Prinzip"  aufstellen  will,  thut  er  dies  dennoch,  indem  er  die  Idee  der  Vervollkommnung- 
als  die  treibende  Kraft  des  menschlichen  Denkens  wie  der  allg-emeinen  Geschichte 
hinstellt.  Einheitlicher  in  seinen  Konzeptionen  ist  Gh.,  aber  er  ist  von  wissenschaft- 
licher Nüchternheit  noch  weiter  entfernt,  in  religiöser,  etwas  sentimentaler  Schwärmerei 
befangen.  —  Auf  empirischer  Grundlage  steht  dagegen  ein  Aufsatz  von  ßrunetiere'") 
und  ein  Essay  von  Wh  it  t  acker^O)  (nach  dem  Referat  der  WestmR.).''^'"^^)  —  Die 
Schwierigkeit,  welche  die  Abgeschiedenheit  einzelner  Völkerkreise  und  ihre  Kultur 
der  universalhistorischen  Betrachtung  bereitet,  sucht  ein  Anonymus  ^3)  in  einigen 
Aufsätzen  dadurch  zu  lösen,  dass  er  die  Aufgabe  der  Universalgeschichte  auf 
die  Beanwortungf  der  Frage,  wie  die  europäische  Gemeinschaft  geworden  sei,  be- 
schränkt.23»-23c^   _ 

Das  Thema  von  der  Berechtigung  der  Kult  urg-eschichte  und  ihrem  Ver- 
nältnis  zur  politischen  Geschichte  ist  in  mehreren  Besprechungen  der  Schrift 
Schäfers  (vgl.  JBL.  1891  11:31;  5:2;  1892  14:1/2)  wieder  behandelt  worden 2«).  — 
Ritter^ä)  will  in  einem  selbständigen  Aufsatz  über  das  Thema  die  Kulturgeschichte 
neben  der  politischen  als  Geschichte  der  Gesellschaftskreise,  die  sich  zu  thatsächlicher 
Bedeutung  ausgebildet  haben,  gelten  lassen  und  meint,  dass  die  Zukunft  „nicht  einer 
zu  eng-  gefassten  politischen  Geschichte  und  nicht  der  zu  weit  gefassten  Kultur- 
geschichte" g-ehören  dürfe,  sondern  „einer  Wissenschaft,  die  den  Lauf  der  Geschichte 
in  der  lebensvollen  Wechselwirkung  zwischen  den  Staaten  und  den  Gesellschafts- 
kreisen anschaut."  —  Wal ck er ^^j  urteilt,  „dass  in  dieser  Kontroverse  die  Zukunft 
einer  vermittelnden  Richtung-  g-ehören  dürfe,"  da  die  politischen  Vorg-änge  und  die 
Errungenschaften  der  Kultur  sich  gegenseitig-  beeinflussen  und  daher  nicht  zu  trennen 
sind.  Er  fügt  verschiedene  Ratschläg-e  über  den  Betrieb  des  historischen  Unterrichts 
auf  den  Universitäten  hinzu.  —  Rethwisch^^)  stellt  in  einem  Ueberblick  über  die 
geg-enwärtige  historische  Arbeit  fest,  dass  thatsächlich  das  Interesse  sich  neben  der 
rein  politischen  Entwicklung  bereits  zahlreichen  anderen  Forschungsgebieten  zuge- 
wandt hat.  — 

DenGeschichts  Unterricht  behandelt  EugenWolff28)im  allgemeinen,  mit 
besonderer  Beziehung  auf  den  neuerdings  angeregten  Gedanken  der  „rückwärts 
schreitenden  Methode."  Er  tritt  paradoxer  Weise  für  diese  Methode  ein,  und  zwar 
deshalb,  weil  im  Unterricht  „die  mechanische  Abwicklung  des  systematischen  Fadens" 
keinen  Wert  habe.  Aber  die  Erzählung  der  Ereignisse  nach  ihrer  chronologischen 
Folge  hat  doch  nichts  mit  Systematik  zu  thun,  sondern  ist  doch  nur  die  Vorführung 
des  thatsächlich en  Sachverhalts!  Diese  zu  Gunsten  einer  „Methode"  aufgeben,  bedeutet 
nichts  anderes  als  sich  von  der  Wahrheit  und  der  Natur  abwenden.  In  einem  be- 
sonderen Abschnitt  berichtet  W.  über  den  günstigen  Erfolg  eines  Kollegs,  in  dem 
er  die  Litteraturgeschichte  des  19.  Jh.  rückschreitend  behandelt  habe.  Da  er  die 
Litteraturgeschichte  wesentlich  biographisch  vorgetragen  und  die  einzelnen  Biographien 
jedenfalls  nicht  rückschreitend  behandelt  hat,  so  ist  auch  hiermit  kein  praktischer 
Erweis  der  Durchführbarkeit  der  Methode  gegeben ;  er  kann  auch  nicht  gegeben 
werden,  weil  „rückwärts  erzählen"  ein  Unding  ist  und  bleibt.  —  „Geschichtliche 
Analogien"  will  Bas  s^*')  zur  Belebung  und  zum  besseren  Verständnis  des  historischen 
Unterrichts  in  ausgedehntem  Masse  heranziehen  und  giebt  zu  diesem  Zweck  eine 
nach  der  Geschichte  der  Hauptnationen  geordnete  tabellarische  Uebersicht  solcher 
leicht  fassbaren  Uebereinstimmungen  oder  Aehnlichkeiten.  — 

Von  den  Forderungen,  welche  die  Geschichtswissenschaft  an  die  Person 
ihres  Pflegers  stellt,  hat  besonders  die  der  „Objektivität"  zahlreiche  Beleuchtungen 
erfahren,    wohl   durch    manche    Erscheinungen    der    Gegenwart    veranlasst.     Koldes 


LanrieL  354  8.  (S.  auch  AnnEnseigrSnpGrenoble.  5,  S.  55-67.)  —  19)  F.  Brnnetiire,  La  lutt«  des  races  et  la  Philosophie  d« 
l'hist.:  RDM.  115,  S.  429-4S.  —  20)  O  Th.  Whittacker,  A  critical  essay  on  the  philosophy  of  hist.  (London,  Watts«  Cie.): 
WestmR.  139,  S.  579-80.  —  21)  O  XX  K.  Jentsch,  Geschichtsphilos.  Gedanken.  L.,  Grnnow.  1892.  467  S.  M.  6,00. 
|[J.  Pistor:  MHL.  21,  S.  194/5;  ThLBl.  14,  S.  118;  F.  Jodl:  DLZ.  3.  1511/2;  LCBl.  S.  .596  7;  NZ.  11,  N.  49.]|  —  22)  O  X  B- 
Adehoch,  Geschieh tsphilos.  Studien:  StMBCO.  S.  3-1.5,  222-3.5.  —  23)  G.  L.,  Weltgesch.  Fragen:  WienerZg.  N.  250/2.  — 
23a)  X  A.  Tille,  D.  hist.  Sinn:  ML.  61,  S  .508-10.  —  23b)  X  ^>is  Lehmann.  Gesch.  a.  Naturwissenschaft.  Vortr.: 
DBIIEU.  20,  S.  249-50.  (Referat.)  —  23o)  X  P-  Hinneberg,  R.  Fester,  Rousseau  a.  d.  dtsoh.  Geschichtsphilos. :  HZ.  35, 
S.  322/3.  —  24)  X  G-  ▼•  Below:  QGA.  1892,  S.  284-96  (leugnet  e  besondere  Wissenschaft  d.  Kulturgesch.,  wünscht  dies« 
gleichwertig  mit  d  polit.  in  d.  einheitl.  Wissensch.  d.  Gesch.  behandelt);  DWBI.  5,  S.  267  8.  —  25)  M.  Ritter,  D.  Streit 
zwischen  polit.  Gesch.  n.  Kultnrgesch. :  AZg".  N.  219.  —  26)  K.  Walcker,  D.  Aufgaben  d.  Historiker:  Geg.  42,  S.  67/8.  — 
27)  K.  Rethwisch,  Neuere  Strömungen  in  d.  Geschichtswissensch. :  VossZg.  N.  269-70.  —  28)  Eng.  Wolff.  Gesch.  rOck- 
wirts?  (=  Dtsch.  Schriften  z.  Litt  u.  Kunst.  2.  Reihe.  N.  4.)  Kiel  u.  L.,  Liptius  &  Tischer.  1892.  40  S.  M.  1,00. 
|[ZDU.  6,   S.  296/8;    BLÜ.  S.  47 .J|    -    29)   J.    Bass,    Gesch.  Analogien.    Progr.  d.    Staats-Oberrealsch.   im    15.  BMirk.    Wies. 


I  1:30-43  O.  Harnaok,  Litteraturgeschichte.    1892,  1893. 

massvolle  und  gründliche  Darlegung*  (JBL.  1891  I  1:32)  ist  noch  besprochen  worden^»); 
Mirbt^i)  hat  die  auf  Schritt  und  Tritt  dem  Forscher  drohende  Crefahr  der  Partei- 
lichkeit aufgewiesen,  aber  die  Pflicht  des  Strebens  nach  Objektivität  zugleich  ent- 
schieden betont;  Bamberger^'^)  zeichnete  in  einem  feinsinnigen  Aufsatz  den  Fran- 
zosen Chuquet  als  „Muster  objektiver  Geschichtsschreibung".  —  Die  „patriotische" 
Zustutzung  der  Geschichte  im  Schulunterricht,  wie  auch  die  politisch-tendenziöse 
Geschichtsschreibung  wurde  durch  Prutz^^)  zurückgewiesen,  und  der  Bericht  über 
die  „Erste  Versammlung  deutscher  Historiker"  zeigte,  dass  auch  deren  Mehrzahl  von 
dem  Unterricht  jede  politische  Tendenz  fernhalten  wollte.^^-^S)  —  Die  Geschichts- 
darstellung der  katholischen  Kirche  wurde  von  S  choeller^'')  mit  den  Waffen  prote- 
stantischer Theologie  massvoll  bekämpft,  von  Gö  t  ting^^)  in  leidenschaftlichem 
Pamphletenstil  angegriffen.^'')  — 

Von  der  Geschichte  als  der  übergeordneten  Wissenschaft  wenden  wir  uns  zu  der 
Philologie,  mit  welcher  die  Wissenschaft  der  Litteraturgeschichte  nach  ihrer  einen 
Seite  hin  zusammenfällt.  Weinhold*^)  hat  in  seiner  Berliner  Rektoratsrede  knapp 
und  scharf  seinen  Standpunkt  als  Universitätslehrer  der  germanischen  Philologie 
gekennzeichnet  und  gegenüber  den  Naturwissenschaften,  gegenüber  der  allgemeinen 
Sprachwissenschaft,  gegenüber  der  philosophischen  Aesthetik  eine  zu  kräftigen  Aus- 
fällen geeignete  Verteidigungslinie  gezogen.  Was  die  Litteraturgeschichte  betrifft, 
so  erkennt  er  an,  dass  man  sie  von  zwei  Seiten  behandeln  könne:  von  der  philosophisch- 
ästhetischen und  von  der  philologischen,  und  dass  auf  jeder  Seite  gewisse  Vorzüge 
liegen,  die  sich  ergänzen.  Wenn  er  trotzdem  erklärt,  dass  auf  der  Universität  die 
neuere  Litteraturgeschichte  nur  durch  einen  Philologen  vertreten  werden  dürfe,  so 
vermisst  man  die  ergänzende  Forderung,  dass  dieser  Philolog  auch  eine  philosophisch- 
ästhetische Schulung  besitzen  müsse.  —  Umfassend  im  Sinne  Friedrich  August  Wolfs 
bestimmt  von  Wilamowitz-Moellendorf'**)  die  Aufgabe  der  Philologie,  welche 
zur  allseitigen  Erkenntnis  einer  nationalen  Kulturform  mit  dem  hauptsächlichen 
Mittel  der  Sprachkunde,  aber  unter  Verwendung  jedes  anderen,  das  sich  darbietet, 
hinführen  soll.  — .  Die  Herrschaft  der  Philologie  in  der  Litteraturwissenschaft  hat 
andererseits  heftige  Angriffe  erfahren.  Ein  besonders  beliebtes  Angriffsobjekt,  die 
Goethephilologie,  hat  Braitmaie  r^^j  blindwütend  angerannt.  Dass  er  manche  schwachen 
Stellen  dabei  getroffen  hat,  ist  nicht  zu  leugnen ;  aber  zum  grössten  Teil  trafen  seine 
Stösse  undurchdringlichen  Stahl,  an  dem  seine  Waffen  zerschellt  sind.  Was  er  gegen  einen 
angeblichen  „Goethekult"  sagt,  ist  an  anderer  Stelle  schon  behandelt  worden,  sei  aber 
hier  auch  kurz  in  Erinnerung  gebracht,  da  ein  solches  Attentat  auf  eines  der  höch- 
sten Güter  unseres  Volkstums  nicht  oft  genug  gebrandmarkt  werden  kann.  Wo 
B.  über  „Goethephilologie"  redet,  verschiebt  er  den  Streitpunkt  sofort,  indem  er  sich 
hauptsächlich  gegen  Scherers  Poetik  wendet,  als  ob  dieses  vor  wenigen  Jahren  er- 
schienene Werk  das  Gesetzbuch  germanischer  Philologie  sei,  und  als  ob  diese  nicht 
schon  seit  Lachmanns  Zeiten  eine  gar  nicht  zu  missende  und  von  jedem  „ästhetischen" 
Litterarhistoriker  dankbar  benutzte  Arbeit  geleistet  hätte.  Nur  gegen  einige  Aus- 
wüchse philologischer  Methode,  die  durch  allzu  engen  Anschluss  an  die  geist- 
reichen, aber  zum  Teil  einseitigen  Lehren  jenes  unfertigen  Buches  entstanden  sind 
und  sich  zu  bedenklichen  Missbildungen  entwickelt  haben,  wie  z.  B.  manche  Faust- 
studien, die  den  Text  nahezu  völlig  in  Reminiscenzen  auflösen,  wendet  sich  B.  mit  mehr 
Glück.  Aber  was  er  auch  an  einzelnen  Verirrungen  namhaft  machen  kann,  keine 
ist  so  schlimm  wie  die  seinige:  Die  philologische  Behandlung  der  vorzüglichsten 
Werke  unserer  Sprache  diskreditieren  zu  wollen.  —  Berechtigung  und  Gefahren  der 
philologischen  Behandlung  hat  Erich  Schmidt ''^)  an  einem  der  wichtigsten  Punkte, 
der  „Faustphilologie",  aufzuzeigen  gesucht.  Hier  gerade  hat  sich  die  Forschung 
aufs  ermüdendste  abgearbeitet,  und  hier  hat  sie  am  meisten  den  Vorwurf  sich  zu- 
gezogen, an  der  genialsten  Ideendichtung  in  kleinlich  formalistischer  Weise   herura- 


88  S.  —  30)  X  P-  H.:  LCBl.  1892,  8.  1277/8;  Krüner:  MHL.  20,  S.  290.  —  31)  C.  Mirbt,  D.  ObjeWivit&t  d.  Gesch.:  Güters- 
loherJb.  S.  88-115.  —  32)  L.  Bamberger,  A.  Chuquet.  E.  Muster  objelstiver  Geschichtsschreibung:  DRs.  73,  S.  240-63.  (Dazu 
ib.  S.  467.)  —  33)  H.  Prutz,  Geschichtsunterr.,  Geschichtsstudiura  U.Geschichtsschreibung  in  ihrer  Bedeutung  für  d.  nationale 
Bildung:  AZg".  N.  50.  —  34)  X  M.  Lossen,  Bericht  über  d.  erste  Versamml.  dtsch.  Historiker  in  Mfinchen  5.-7.  Apr.  Er- 
stattet y.  Schriftführer.  München,  Rieger.  33  S.  M.  0,60.  —  35)XC.  MOhling,  Politik  u.  Chauvinismus  im  Geschichts- 
unterr.: Nation".  10,  S.  256/8,  272/4.  —  36)  X  Verhandlungen  d.  Direktorenversammlungen  in  d.  Provinzen  d.  Königr.  Preussen 
seit  d.  J.  1879.  Bd.  40  u.  41.  B,  Weidmann.  1892.  VIII,  414  S.;  VIII,  280  S.  M,  9,00;  M.  6,00.  —  37)  R.  Schoeller,  Ge- 
schichtsschreibung u.  Katholizismus.  Zürich,  Faeai  &  Beer.  44  S.  M.  1,00.  (Aus:  ThZSchw.  S.  706-48.)  —  38)  C.  F.  J.  Götting, 
D.  Geschichtslügner.  E.  unentbehrl.  Ratgeber  z.  richtigen  Verständnis  d.  „Geschichtslügen."  (=  Freundschaftl.  Streitschriften 
N  51.)  Barmen,  Wieraann.  120  S.  M.  1,60.  —  39)  X  Geschichtslügen.  E.  Widerlegung  l.indläuflger  Entstellungen  auf  d.  Ge- 
biete d.  Gesch.  mit  besond.  Berücksichtig,  d.  Kirchengesch.  10.  Aufl.  Paderborn,  Sohöningh.  XII,  580  S.  M.  4,50. 
|[Kath.  2,  8.  562/3.]]  —  40)  K.  Weinhold,  Rede  beim  Antritt  d.  Rektorats  geh.  in  d.  Aula  d.  Kgl.  Friedr.-Wilh.-Univ. 
zu  Berlin  am  15.  Okt.  B.,  J.  L.  V.  Laverronz  4».  16  S.  M.  0,75.  (Abgodr.  in  PrJbb.  74,  S.  401-11;  s.  u.  I  2  :  1.)  —  41)  U. 
V.  Wilamowitz-Moellendorf,  Philologie  u.  Schulreform.  Festrede  im  Namen  d.  Georg-Augusts-Üniv.  z.  akad.  Preis- 
verteilung. 2.  Abdr.  Göttingen,  Dieterich.  1892.  37  S.  M.  0,50.  —  42)  F.  Braitmeier,  Göthekult  u.  Göthephilologie. 
Tübingen  (L.,  Fookj.   1892.    IV,  118  8.    M.  2,50.    (Vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  41.)  —  43)  Erich   Schmidt,   Aufgaben   a.  Wege 


O,  Harnack,  Litteraturg-eschichte.    1892,  1893.  I  1  :  usa 

xutasten.  Seh.  weist  schlagend  nach  und  erhärtet  an  dem  Beispiel  einer  wichtigen 
Scene,  welche  Dienste  bei  einem  in  so  langen  Zwischenräumen  entstandenen  Werk 
die  philologische  Forschung  für  die  Bestimmung  des  Alters  der  einzelnen  Teile  leisten 
könne  und  wie  sie  durch  diese  Altersbestimmung  indirekt  auch  die  Erkenntnis  der 
fortschreitenden  Ideenentwicklung  in  dem  Dichter  fördert;  aber  er  warnt  zugleich 
eindringlich  vor  der  immer  mehr  sich  ausbildenden  Neigung,  schon  aus  einzelnen 
Beobachtungen  weitgehende  Schlüsse  ziehen  und  die  (irenzlinien  zwischen  den 
Stilarten  verschiedener  Zeiten  mit  willkürlicher  unhistorischer  Schärfe  bestipimen  zu 
wollen,  er  warnt  überhaupt  vor  der  gefährlichen  Täuschung,  vermöge  einer  Methode 
„alles  wissen  zu  können."  Feste  Kriterien  für  die  berechtigte  oder  unberech- 
tigte Anwendung  der  Methode  giebt  der  Vortrag  jedoch  nicht.  —  Einen  scheinbar  neben- 
sächlichen, in  Wirklichkeit  sehr  wichtigen  Punkt  philologischer  Technik  behandelt 
Bernays*'*)  in  einer  Folge  von  Aufsätzen  über  Citate  und  Noten.  Indem  er  den 
trockenen  Gegenstand  durch  eine  Fülle  interessanter  Abschweifungen  (z.  B.  eine 
gedankenreiche  Würdigung  von  Gervinus  als  Litterarhistoriker)  unterbrach,  gab  er 
Beispiele  von  fälschlich  verwandten  Citaten,  welche,  aus  ihrem  Zusammenhang  gelöst, 
das  Gegenteil  ihres  ursprünglichen  Sinnes  aussagen;  er  erörterte  das  Verhältnis  zwischen 
Noten  und  Text,  trat  entschieden  gegen,  die  Verbannung  der  ersteren,  aber  auch 
gegen  ihre  Aufnahme  in  den  Text  selbst  ein,  und  stellte  endlich  die  Forderung  auf, 
dass  der  Text  in  sich  ein  abgeschlossenes  und  selbständiges  Ganze  bilden,  die  Noten 
aber  den  Leser  zu  weiterer  Verfolgung-  des  Themas,  zum  Gewinn  fernerer  Ausblicke 
anregen  sollen.  —  Ein  anonymes  Heftchen^^j  mit  Ratschlägen  für  das  Studium  der 
germanischen  Philologie  bietet  nur  dürftigen  Inhalt.*^"*^)  — 

Wenden  wir  uns  nun  dem  andern  Hauptzweig  unserer  Wissenschaft,  der 
ästhetischen  Betrachtung  der  Litteraturgeschichte  zu,  so  kommt  für 
die  allgemeinen  Gesichtspunkte  ein  Aufsatz  von  Spitta^'*)  in  Betracht,  der  die  viel- 
erörterte Frage  nach  dem  Vorhandensein  wissenschaftlich  zu  ergründender  und  für 
die  Kunstübung  verbindlicher  Gesetze  untersucht.  Er  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass 
der  Gelehrte  durch  seine  Forschung  in  der  That  zur  Erkenntnis  solcher  Gesetze, 
welche  die  Bedingung  eines  erfolgreichen  künstlerischen  Schaffens  sind,  geführt 
werden  könne,  dass  er  aber  vom  Künstler  nicht  fordern  dürfe,  sich  durch  diese 
Resultate  der  Forschung  in  seinem  künstlerischen  Schaffen  bestimmen  zu  lassen,  dass 
vielmehr  diesem  das  Bewusstsein  vöUig-er  Unabhängigkeit  in  seiner  persönlichen 
Leistung  niemals  getrübt  werden  dürfe.  Und  Sp.  reiht  den  allgemeineren  Gedanken 
an:  „Gesetze,  welche  für  die  Vergangenheit  massgebend  waren,  sind  es  darum  noch 
nicht  für  die  Zukunft";  ein  einfacher,  aber  in  dem  Streit  über  „gesetzgebende" 
Aesthetik  meist  nicht  in  Betracht  g-ezogener  Satz.  Wenn  die  Aesthetik  „Gesetze" 
giebt,  müssen  sie  dann  eine  absolute  ewige  Geltung  haben?  Und  umgekehrt,  wenn 
sie  keine  ewigen  Gesetze  geben  kann,  soll  sie  deshalb  überhaupt  keine  mehr  geben? 
Die  praktische  Notwendigkeit  der  Aufstellung  von  „Gesetzen"  beweist  jedes  der 
immer  neu  erscheinenden  Handbücher  der  Poetik,  welche  einzeln  zu  betrachten  jedoch 
nicht  in  den  Rahmen  dieses  Abschnittes  fällt.  —  Die  Aufgabe  der  Litteraturgeschichte 
als  Wissenschaft  nach  allen  Richtungen  hin  zu  bestimmen,  hatte  bekanntlich  ten 
Brink^oj  (vgl.  JBL.  1891  I  1:20)  und  im  Gegensatz  zu  ihm  Wetz^''^'")  (vgl. 
JBL.  1891  I  1 :  24)  unternommen;  beide  Schriften  haben  noch  Besprechungen  gefunden; 
besonders  die  letztere;  auch  Wetz  mit  methodischen  Betrachtungen  eingeleitetes 
Shakespearebuch  (vgl.  JBL.  1891  11:5)  ist  noch  besprochen  worden^^j  j^  o-anzen 
scheinen  mir  die  Kritiken  den  Theorien  von  Wetz  zu  sehr  entgegenzukommen;  ohne 
die  Anregungen,  welche  dieser  giebt,  zu  verkennen,  muss  ich  doch  daran  festhalten, 
dass  die  Litteraturgeschichte  als  strenge  Wissenschaft  nur  dem  von  ten  Brink 
trefflich  gezeichneten  Wege,  vom  Aeusseren  zum  Inneren  vordringend,  folgen  kann.  — 
Dies  müssen  wir  auch  festhalten  gegenüber  Falkenheim^^'^^^J,  welcher  uns  Kuno 
Fischer  und  seine  litterarhistorische  Methode  als  Muster  empfiehlt  (vgl  JBL.  1891  I 
1 :  26j.  Die  Verdienste  des  ausgezeichneten  Philosophen  um  die  Würdigung  unserer 
Klassiker  bedürfen  keines  Preises,  und  niemand  wird  an  ihn  die  Forderung  richten, 


d.  FsQstphilologie.  (^  Verhandlungen  d.  41.  Yersaiaml.  dtsch.  Philologen  n.  Schulmänner  in  Manchen  [L.,  B.  O.  Tenbner. 
1892.  4».  X,  354  S.  M.  12.00.].  S.  11-22.)  —  44)  M.  Bernays.  Z.  Lehre  v.  d.  Citaten  u.  Noten:  AZg».  1892.  N.  134/5, 
141/2,  144/5,  147/8.  —  45)  Wie  studiert  man  nenere  Fhilol.  n.  Germanistik?  Mit  e.  tabellar.  Uebersicht  über  d.  Bestimmangen 
z.  Grlangnng  d.  philos.  Doktorwfirde  an  d.  ünir.  Deutschlands.    V.  e.  prakt.  Neuphilologen.    L.,  Rossberg.    1892.    43  S.    M.  0,80. 

—  46)  O  X  Carl  Franke,  P.  Machale,  Bemerkungen  über  d.  Studium  d.  dtsch.  Philol.  u.  d.  Prüfungsordnung  für  d.  höh. 
Lehramt  (L,  Bossberg):  ZDU.  7,  S.  503/4.  —  47)  O  X  Leop.  Schmidt,  D.  philol.  üuirersit&tslehrer,  seine  Tadler  u.  seine 
Ziele.  Marburg,  Elwert.  1892.  30  S.  M.  0,60.  |[P.  Cauer:  DLZ.  S.  37.]|  —  48)  X  F.  Cauer,  Wissenschaft  n.  Praxis  in 
d.  Philol.:  DWBl.  S.  91/4.  (Bezieht  sich  wie  N.  47  speoiell  auf  klass.  Philol)  —  49)  Ph.  Spitta.  Knnstwissensch.  u.  Kunst. 
(=  Z.  Musik.    S.  1-14.  Vgl.  JBL.  1892  I  9  :  19;    11  :  102.)    -    50)  X  K.  Burdach:  DLZ.  1892,  S.  ISeC/l;  t.  Kl.:  r)LBl.  1,  8.  91. 

—  51)  X  K.  Burd  ach:  DLZ.  1892,  S.  1361/2;  A.  Ch  u  qn  et:  RCr.  .36,  8.  333.  —  51a)  X  Ueber  K.  Biese«  Aufsatz  „üeber  d.  Auf- 
gaben d.  Utt.-Gesch."  in  d.  NatZg.  N.  587  u.  589:  ZDÜ.  6,  S.  296.  —  52)  X  A.  Schröer:  EnglSt.  16,  S.  282;9;  RCr.  34. 
S.  316;  A.  Brandl:  DLZ.  1892,  S.  627/9;   ÖLBl.  1,   S.  913.  —  53)  H.  Falkenheim,  Kuno  Fischer  u. d.  litterarhist. Methode. 


I  1:54-59  0.  Harnack,  Litteraturgeschichte.    1892,  1893. 

dass  er  sich  einer  anderen  Methode  als  der  aus  seiner  Wissenschaft  g-eschöpften 
hätte  bedienen  sollen;  ebensowenig  aber  braucht  der  Litterarhistoriker  seine  durch 
die  Geschichte  seiner  Wissenschaft  ihm  vorgezeichnete  Methode  preiszugeben,  um 
nach  dem  Ruhm  des  Philosophen  zu  trachten.  Beide  werden  auf  ihren  Wegen  fort- 
schreitend sich  gegenseitig  fördern.  F.s  Büchlein  schliesst  freilich  mit  einem  Hymnus 
auf  Kuno  Fischer,  dem  gegenüber  eine  Aeusserung,  wie  ich  sie  eben  gewagt,  schon 
als  Majestätsbeleidigung  erscheinen  müsste.  Wir  lassen  diese  persönliche  Seite 
seiner  Schrift  ausser  Augen  und  wenden  uns  dem  sachlichen  Inhalt  zu,  welcher  uns 
zunächst  das  „philosophische  Stoffgebiet  innerhalb  der  Litteraturgeschichte"  und 
darauf  die  „entwicklungsgeschichtliche  Methode"  nach  ihrem  „historischen,  psycho- 
logischen, ästhetischen  Element"  kennen  lehrt.  Diese  Methode  denkt  sich  F.  im 
Gegensatze  zur  „historisch-genetischen",  d.  h.  zu  der  Methode,  welche  durch  Rankes 
Vorbild  in  Deutschland  auf  jedem  Gebiete  zum  Siege  geführt  worden  ist.  Wir  können 
ihm  auf  diesem  Wege  nicht  folgen :  Obgleich  wir  anerkennen,  dass  seine  philosophisch- 
psychologische Methode  zur  Erkenntnis  des  einzelnen  Dichters  wertvolle  Mitwirkung 
bieten  kann,  so  sehen  wir  doch  die  specielle  Aufgabe  der  Litteraturgeschichte  in  der 
Aufzeigung  des  weiteren  historischen  Prozesses,  der  sich  von  einem  Autor  zum 
anderen  fortschreitend  vollzieht,  und  erachten  für  den  Nachweis  dieses  Prozesses  die 
historische  Methode,  welche  die  Wissenschaft  bisher  mit  Mitteln  der  Philologie  und 
der  Aesthetik  geübt,  für  die  zweckentsprechende.  Die  zahlreichen  zustimmenden 
Besprechungen,  welche  F.  gefunden,  können  uns  darin  nicht  irre  machen,  und 
werden  ihn  selbst  kaum  befriedigt  haben ,  weil  sie  meist  eine  Vorliebe  für 
dilettantischen  Betrieb  der  Litteraturgeschichte  verraten.  —  Einen  neuen  Versuch, 
Begriff  und  Aufgabe  der  „Litteraturwissenschaft"  zu  bestimmen,  machte  Froehde^"*); 
er  hält  den  richtigen  Ausgangspunkt  fest,  indem  er  als  die  erste  Aufgabe  die  Her- 
stellung des  Textes,  und  als  die  fernere  die  Erklärung  desselben  aus  den  sämtlichen 
inneren  und  äusseren  Bedingungen  seiner  Entstehung  bezeichnet;  er  will  dann  von  dem 
Einzelwerk  zur  Betrachtung  der  litterarischen  Entwicklung  vorschreiten,  und  auch  diese 
im  ganzen  wie  in  den  einzelnen  Teilen  aus  den  Bedingungen  ihrer  Entstehung  begreifen. 
Der  ursprünglich  der  klassischen  Litteraturwissenschaft  gewidmete  Vortrag,  der  auch  ihr 
Verhältnis  zur  allgemeinen  klassischen  Altertumskunde  behandelt,  ist  in  seinen 
positiven  Bestimmungen  so  allgemein  gehalten,  dass  er'  den  weitumfassenden  Titel 
rechtfertigt.  —  Wenig  befriedigen  kann,  was  Kerr^^)  über  das  Ziel  der  Litteratur- 
geschichte zu  sagen  weiss;  „Beiträge  zu  liefern  zur  Kennzeichnung  des  menschlichen 
Seelenlebens"  kann  nicht  den  einheitlichen  Gedanken  einer  bestimmten  Wissen- 
schaft bilden.  — 

Mit  der  Litteraturgeschichte  verwandt  ist  die  litterarische  Kritik,  welche 
in  neuester  Zeit  ja  verschiedentlich  gesucht  hat,  über  sich  selbst  zur  Klarheit 
zu  gelangen,  ja  sich  sogar  zum  Rang  einer  wissenschaftlichen  Thätigkeit  zu  erheben, 
was  sie  aber  doch  nur  mit  Verzicht  auf  andere  ihr  eigentümliche  Vorteile  und  Vor- 
züge vermag.  Brunetieres^^)  in  diesen  Berichten  ausführlich  besprochenes  Werk 
über  die  Entwicklung  der  Kritik  (vgl.  JBL.  1891  11:8)  hat  die  zweite  Auflage 
erlebt.  —  Eugen  Wolffs  Broschüre  (vgl.  JBL.  1890  11:1)  ist  noch  besprochen 
worden-^'),  ebenso  Tissots  Schrift  (vgl.  JBL.  1891  I  1  :  T).^^)  —  Eine  wichtige  Neu- 
erscheinung war  die  Rede  von  Droz^^)  über  das  Verhältnis  der  litterarischen  Kritik 
zur  Wissenschaft.  D.  wendet  sich  in  knapper  Sprache  und  reservierter  Ironie  gegen 
Taines  Prinzipien  der  Kritik,  welche  von  Brunetiere  insoweit  adoptiert  worden  sind, 
als  ein  begabter  Durchschnittsmensch  die  konsequenten  Gedanken  eines  scharfen 
Denkers  gebrauchen  kann.  D.  leugnet  die  Möglichkeit,  geistige  Erscheinungen  in 
exakt  wissenschaftlicher  Weise,  als  aus  gegebenen  Bedingungen  gesetzmässig  ent- 
wickelt, deducieren  zu  können  und  tritt  für  das  Recht  der  Individualität  ein,  die  eine 
oft  aller  deduktiven  Wesensbestimmung  widersprechende  Thatsache  sei.  Er  findet 
es  mit  Recht  besonders  bedenklich,  dass  man  sich  nicht  mehr  scheue,  mit  Ausdrücken, 
welche  der  Physiologie  entnommen  seien,  in  der  Litteraturbetrachtung  so  zu  operieren, 
als  ob  sie  nicht  bloss  eine  Analogie,  sondern  thatsächliche  Vorgänge  bezeichneten 
(„Brunetiere  wirft  ohne  zu  lachen  die  Frage  auf,  ob  zwischen  den  verschiedenen 
Entwicklungsformen  einer  Litteraturgattung  Zeugung-  im  wahren  Sinne  des  Worts 
stattfindet!")  Ich  stimme  ihm  in  seinem  Hauptsatze  bei,  dass  die  litterarische  Kritik 
(im    Gegensatz    zur    Geschichte)    nicht   „Wissenschaft"    werden   könne,    weil   in   ihr 


B..  Speyer  &  Peters.  1892.  107  S.  M.  1,50.  IfSatnrdayR.  74,  S.  148;  0.  H(arnack):  PrJbb.  70,  S.  241/2;  MLN.  7,  S.  2169; 
ÖLBl.  1,  S.  472/4;  Nation  9,  S.  595;  NatZg.  1892,  N.  433;  FränlcKur.  1892,  N.  488.JI  —  54)  0.  Froehde,  Begriff  u.  Aufgabe 
a.  Litteraturwissensch.:  NJbbPh.  147,  S.  43.3-45.  —  55)  A.  Kerr,  Perspektiven  d.  Litt.-Gesch.:  ML.  60,  S.  37-40.  —  56)  F. 
Brunetiere,  L'evolution  des  genres  dans  l'bist.  de  la  litt.  Lefons  profess^es  h  l'ecole  normale  sup.  2.Ed.  (=:  Introdaction : 
L'evolution  de  la  critique  depuis  la  Renaissance  jusqu'ä  nos  jours.)  Paris,  Hachette.  1892.  XIV,  280  S.  Kr.  3,50.  ||R.  M. 
Meyer;  DLZ.  1892,  S.  355/9.]!  —  57)  X  K-  Burdach:  DM.  1892,  S.  1362/3;  Eng.  Wolff  [Entgegnung]:  AZg».  N  22.  — 
58)  X  ^-  Fellner:  DBs.  75,  8.  464/6.  —  59)  Ed.  Droz,    La  critiqne  litt,  et  la  soience,    6tude   lue  a  la  s6anoe  de  rentrie 


O.  Harnack,  Litteraturgeschichte.    1892,  1893.  I  1  :  60-87 

immer  der  subjektive  Geschmack  eine  wichtig-e  Rolle  spielen  wird.  —  Speciell 
mit  dem  Verhältnis  zwischen  bildender  Kunst  und  Kritik  beschäftigen  sich  zwei 
Aufsätze  von  Larroumet*")  und  von  Cantalamessa*').  —  Zu  zahlreichen  ur- 
teilen und  Aussprüchen  über  die  wichtigsten  Fragen  der  Methodik  haben  endlich 
die  Nekrologe  Anlass  gegeben,  welche  in  den  verschiedensten  Zeitschriften  Hippolyt 
Taine  gewidmet  worden  sind.  Im  ganzen  kamen  diese  doch  zu  dem  Ergebnis, 
dass  zwar  die  grossartige  Stoffbeherrschung  und  die  glänzende  Darstellungs- 
gabe Taine  eine  unvergängliche  Bedeutung  sichere,  dass  aber  das  ihm  eigen- 
tümliche System,  die  Lehre  vom  „Milieu"  und  seiner  allbeherrschenden  Gewalt, 
sich  nicht  behaupten  könne,  da  es  zur  Erklärung  der  individuellen  Erscheinungen 
nicht  ausreiche,  wie  es  auch  bei  Taine  selber  einseitige  und  schiefe  Urteile  nicht 
verhindert  hat.  Gerade  vom  Standpunkt  moderner  Empirie  aus  erscheint  die 
Meinung,  dass  uneingeschränkte  Kausalität  in  der  historischen  Entwicklung  herrsche, 
als  unberechtigter  Dogmatismus.  Barzellotti^^j^  dessen  Essay  unter  den  mir  zu 
Gesicht  gekommenen  Taine-Artikeln  der  gründlichste  und  gewichtigste  ist,  weist  das 
Ungenügende  der  bei  Taine  die  Forschung  abschliessenden  „höheren  Analyse"  nach 
und  giebt  das  Schlussurteil:  „Er  war  nicht  ein  Denker  im  höchsten  Sinne  des 
Worts,  aber  ein  Künstler  der  Psychologie,  ein  unermüdlicher  P"'orscher  und  ein 
äusserst  wirkungskräftiger  Schriftsteller.  "^^""^)  — 

Litteraturgeschichte.  Unter  den  Gesamtdarstellungen  nennen  wir 
zunächst  die  universalen,  in  welchen  die  deutsche  Litteraturgeschichte  als  ein  Teil 
behandelt  wird.  Adolf  Sterns'^J  kurz  gefasster  „Katechismus"  hat  die  dritte  Auf- 
lage erlebt,  während  Julius  Hart'^)  ein  umfassendes  Werk  begonnen  hat,  von  dem 
der  erste  Teil,  die  Litteratur  des  Altertums  und  des  Mittelalters  behandelnd,  schon 
abgeschlossen  ist,  während  von  dem  zweiten  erst  ein  Heft  vorliegt,  in  welchem  er 
auf  wenigen  Seiten  die  Litteratur  des  14.  und  15.  Jh.  charakterisiert,  sich  gegen  die 
Beurteilung  dieser  Periode  als  einer  Verfallzeit  wendet,  und  sich  dann  speciell  mit 
der  italienischen  Litteratur  beschäftigt.  Der  Bilderschmuck,  die  Umschlagdevise 
„Wissen  macht  frei",  sind  charakteristisch  für  den  „Hausschatz  des  Wissens", 
in  dessen  Rahmen  H.s  Geschichte  der  Weltlitteratur  erscheint,"'')   — 

Unter  den  Gesamtdarstellungen  der  deutschen  Litteraturgeschichte  ist 
von  Leixners"^)  Werk  in  zweiter  Auflage  erschienen  und  in  der  Presse  viel, 
besprochen  worden.  —  Brugiers'**)  von  katholischem  Standpunkt  aus  verfasstes, 
aber  nicht  konfessionell  engherziges,  wenn  auch  allzusehr  moralisierendes  Buch  liegt 
in  neunter  Auflage  vor.  —  Koenigs*'*')  in  orthodox -lutherischem  Geist  gehaltenes, 
durch  seinen  Bilderschmuck  so  populär  gewordenes  „Erbbuch"  des  deutschen  Hauses, 
wie  es  der  Vf.  bescheiden  nennt,  hat  es  bis  zur  dreiundzwanzigsten  Auflage  gebracht.  — 
Ueber  alles  Mass  hinaus  geht  die  Anzahl  der  in  jedem  Jahr  erscheinenden  „Leitfäden" 
und  „Grundrisse"  für  den  Schulgebrauch.  Da  sie  in  einem  andern  Abschnitt  der 
Jahresberichte  (s.  u.  1, 7)  eingehend  behandelt  werden,  begnüge  ich  mich  damit,  sie 
hier  nur  ganz  kurz  zu  verzeichnen^ '~^^);  daneben  sei  die  graphische  Litteraturtafel 
von  Flaischlen^')^  genannt.  —  Auf  einem  anderen  Niveau  steht  das  Büchlein  von 


des  Facnltes  et  de  l'EcoIe  de  medicine  et  de  pharmacie  de  Besan9on.  Besaii9on,  Dodivers.  1S91.  31  S.  ([RCr.  .34,  N.  49.] | 
—  60)  G.  Larronmet,  L'art  realiste  et  la  crltiqne:  EDM.  114,  S.  802-42;  116,  S.  100-36.  —  61)  G.  Can  talamessa,  Artisti 
e  critici:  NAnt.  37,  S.  465-82.  —  62)  G.  Barzellotti,  Ipp.  Ad.  Taine:  NAnt.  46,  S.  1-28,  393-419;  47,  S.  185-216.  —  63)  X 
P.  Bailleu,  H. Taine:  HZ.  35,  S.  301/7.  —  64)  X  W.  Q.  C.  Byvanck,  Taine  (1828-93):  Qids  2,  8.140/7.  —  65)  X  ^pec- 
fator  [K.  EisnerJ,  Taine:  ML.  61,  S.  204/6.  —  66)  X  J-  Wychgram,  H.  Taine:  BLU.  S.  241  3.  —  67)  X  L.  Katscher, 
Taine:  AZg».  N.  78.  —  68)  X  K-  ▼•  Heigel,  Taine:  AZg».  N.  289-91.  —  69)  X  Taine:  Didaslr.  N.  59.  —  70)  X  Taine: 
AZg".  N.  59.  —  71)  X  M.  Nasser,  Taine  u.  d.  Milien:  ML.  61,  S.  238-40.  —  72)  X  L.  J  ac  obowski,  H.  Taine  u.  seine 
Stellung  in  Deutschland:  Geg.  43,  S.  165,6.  —  73)  X  H-  A.  Taine:  Post  N.  69.  —  74)  X  t'-  Sarcey,  H.A. Taine:  Illustration 
11.  März.  —  75)  X  H.  A.  Taine:  AELKZ.  26,  S.  306.  —  76)  Ad.  Stern,  Katechismus  d.  Allg.  Litt.- Gesch.  3.  verb.  Aufl. 
L.,  J.  J.  Weber.  1892.  XIV,  418  S.  M.  3,00.  |tDB.  1,  S.  272.]|  —  77)  J.  Hart,  Gesch.  d.  Weltlitt.  Heft  1-22.  (=  Haus- 
schatx  d.  Wissens).  B.  u.  L.,  W.  Paulis  Nachf.  846  S.;  32  8.  M.  6,60.  —  77a)  X  P-  JP^at,  Hist.  de  la  litt.  Paris,  Belin 
Frireg.  1891.  12«.  308  8.  —  78)  0.  t.  Leixner,  Gesck  d.  dtsch.  Litt.  2.  Aufl.  I...,  0.  Spamer.  VIII,  1124  8.  Mit  411 
Teitabbild.  u.  50  teilw.  mehrfarbigen  Beill.  M.  14,00.  i[J.  Hengesbach:  COIRW.  21,  S.  564/5;  DK.  3,  S.377/8;  DWBl.  8.132; 
DRs.  73,  8.  471;  Kw.  6.  8.  86/7;  Geg.  42,  S.  398;  LZg".  1892,  N.  293;  Schw&bKron.  1892,  9.  Dec;  F.  Schnürer:  ÖLBI.  1, 
S.  572;  TglRs».  1892,  N.  234.JJ  —  79)  ö.  Brngier,  Gesch.  d.  dtsch.  National-Litt.  Nebst  kurzgefasster  Poetik.  Für  Schule 
u.  Selbstbelehtung.  9.  Aufl.  Freiberg  i.  B.,  Herder.  Cll,  689  S.  M.  6,00.  ([LRa.  19,  S.  3134;  F.  Schnlrer:  ÖLBL  2, 
8.  461,3;  COIRW.  21,  8.  693.  (S.  u.  1  7  :  14.3.)  —  80)  Roh.  Koenig,  Dtsch.  Litt.-Gesch.  23.  Aufl.  2  Bde.  Bielefeld  u.  L.,  Vel- 
hagen  &  Ciasing.  V,  443  8.;  lU,  510  S.  Mit  93  Beill.  u.  3:»  Abbild,  im  Text  M.  15,00.  |[L.  Frey  tag:  COIRW.  21,  8.  :M/5.J| 
—  81)  X  C.  A.  Krüger,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt,  in  Einzelbildern.  Danzig,  F.  Axt.  VIII,  228  8.  Mit  52  Abbild.  M.  1,20.  — 
82)  X  W.  Dietlein,  Leitfaden  z  dtsch.  Litt-Gesoh.  Mit  Berücksichtig,  d.  poet.  Gattungen  u.  Formen.  10.  Aufl.  Bearb. 
T.  R.  Jordan.  Altenburg,  H.  A.  Pierer.  YIII,  164  8.  M.  1,10.  -  83)  X  G.  Bottich  er  n.  K.  Kinzel,  Gesch.  d.  dtsch. 
Litt,  mit  e.  Abriss  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Sprache  u.  Metrik.  (Anh.  z.  d.  Denkmälern  d.  älteren  dtsch.  Dichtg.)  Halle  a.  S.,  Bnchb. 
d.  Waisenhauses.  X,  174  8.  M.  1,80.  —  84)  X  H.  F.  Kummer  u.  K.  Stejskal,  Einführung  in  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Litt. 
(=  Hilfsbüchlein  für  d.  dtsch.  Unterr.  3  Bdch.)  Wien,  Mani.  YHI,  270  8.  M.  2,40.  (S.  u.  I  7  :  142.)  —  85)  X  A.  Baldi, 
W.  Lindemann,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  6.  Aufl.  Bearb.  v.  J.  Seeber:  BBG.  29,  S.  222/3.  —  85«)  X  0.  König,  Gesch.  d.  dt«ch. 
Litt,  in  zusammenhängend.  Darstellung  für  höh.  Mädchenschulen  u.  d.  weibl.  Jugend.  (Vgl.  JBL,  1892  I  5  :  97.)  L.,  B.  O. 
Teubner.  1892.  Vlll,  146  8.  M.  1,»K).  —  85b)  X  K.  Heilmann,  Gesch.  d.  dtsch.  Nationallitt.  (Vgl.  JBL.  1892  15:  104.) 
Breslau,  Hirt  1892.  144  8.  M.  1,60.  (3.  u.  17:141.)—  86)  X  Löhrer,  Wilh.  Reuter,  Litteraturkunde  (Freibnrg  i.  B.  1891): 
KZED.  41,  8.  275,6.  —  87)  C.  Flaischlein,  Graphische  Litt.-Tafel.  D.  dtMh.  Litt.  u.  d.  Einflass  fremder  Litteratares  »nf 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  2 


I  1:88-93  0.  Harnack,  Litteraturg-eschichte.    1892,  1893. 

Koch^**)  wenngleich  es  auch  dem  Schulunterricht  dienen  soll.  Es  ist  als  das  Werk  eines 
selbständigen  Forschers  durchweg-  originell,  und  vermeidet  die  in  Leitfäden  so 
häufigen  Schlag-worte,  denen  der  Schüler  keinen  Inhalt  zu  geben  weiss,  indem  es 
überall  möglichst  konkrete  Angaben  und  überhaupt  soviel  sachliches  Material  zu 
geben  sucht,  als  der  beschränkte  Raum  zulässt.  Die  Virtuosität,  mit  welcher  der  Vf. 
die  Fülle  seiner  Angaben  zusammen  zu  pressen  weiss,  ist  erstaunlich,  und  wenn  es 
dabei  bisweilen  nicht  ohne  überladene  oder  enggeschachtelte  Sätze  abgeht,  so  wird 
man  ihm  das  billigerweise  nicht  verargen,  da  ihm  eine  feste  Raumgrenze  gezogen 
war.  Dagegen  ist  die  scharfe  Betonung  seines  subjektiven  Standpunkts  in  Hinsicht 
Richard  Wagners  ein  entschiedener  Missgriff,  und  auch  die  wie  ein  Refrain  wieder 
kehrende  Berufung  auf  nationales  Empfinden  und  nationale  Pflichten  wird  öfters  eine 
Quelle  einseitiger,  in  Lob  und  Tadel  übertriebener  Urteile.  Es  ist  dringend  zu  wünschen, 
dass  wenigstens  die  Litteraturgeschichte  sich  des  Humanitätsideals  unserer  klassischen 
Zeit  bewusst  bleibe  und  auch  in  der  Schule  ihm  eine  Stätte  bewahre.  —  An  das  gebildete 
Lesepublikum  wendet  sich  Borinski^")  mit  seiner  Litteraturgeschichte,  welche  der 
bekannten  Kürschnerschen  Sammlung  als  Begleitwort  mitgegeben  ist.  Der  uns  vor- 
liegende zweite  Teil  entspricht  seinem  Zweck  in  hohem  Masse.  Er  ist  mit  lebendiger 
Wärme  und  selbständigem  Urteil,  doch  ohne  vordringliche  Tendenz  geschrieben,  und 
wo  man  ihn  liest,  wird  ihm  sicherlich  gelingen,  sein  „Scherflein  dafür  beizutragen", 
dass  die  Schätze  unserer  Litteratur  noch  nicht  sobald  „historisch  werden."  B.  beginnt 
mit  Luther,  dessen  Bedeutung  er  durchaus  gerecht  wird,  während  er  im  weiteren 
Verlaufe  sich  geneigt  zeigt,  die  schlimmen  Folgen  der  Reformation  schärfer  zu 
betonen,  als  den  Wert  ihrer  Errungenschaften.  Bei  Hans  Sachs  nimmt  er  Gelegen- 
heit, „den  heutigen  verstiegenen  Begriffen  von  Volkskunst  gegenüber"  vor  Ueber- 
schätzung  zu  warnen;  dagegen  behandelt  er  die  Renaissancelitteratur  mit  mehr 
Anerkennung  als  üblich  ist,  während  er  zugleich  nachweist,  warum  sie  in  Deutsch- 
land nicht  die  Bedeutung  erlangen  konnte  wie  in  benachbarten  Ländern.  Das  17. 
und  die  erste  Hälfte  des  18.  Jh.  sind  weniger  befriedigend  behandelt;  B.  hält  noch 
an  dem  Schema  der  zwei  schlesischen  Schulen  fest ;  Gottscheds  Verdienste  sind  zu 
wenig  hervorgehoben.  Die  Darstellung  der  klassischen  Periode  wirkt  sympathisch 
durch  den  warmen  Ton  der  Begeisterung  und  das  Bestreben,  die  litterarischen 
Bewegungen  in  Beziehung  zu  den  gleichzeitigen  philosophischen  zu  setzen.  Auf- 
fallend wirkt  in  dem  sonst  nicht  nach  moralischen  Massstäben  urteilenden  Buch  die 
harte  Kritik  von  Wielands  Agathon  und  Oberon;  in  der  Verteidigung  von  Goethes 
politischen  Dramen  (Grosskophta  usw.)  beweist  der  Vf.  seine  Unabhängigkeit  von  den 
herrschenden  Meinungen.  Die  von  der  Dichtung  abliegende  Thätigkeit  unserer 
Klassiker  wird  ungleich  behandelt;  befriedigend  Goethes  Naturforschung,  besonders 
die  optischen  Studien,  ungenügend  dagegen  Schillers  historische  Arbeiten,  wo 
zwischen  Selbständigem  und  Angeeignetem  nicht  geschieden  wird.  Der  Gegensatz 
zwischen  Klassikern  und  Romantikern  wird  mit  scharfem  Blick  erfasst  und  durch 
den  philosophischen  Gegensatz  Kant-Fichte  in  seinem  tiefsten  Grund  aufgehellt.  Das 
strenge  Urteil  über  die  Rortiantiker  greift  auch  auf  Jean  Paul  über,  dessen  immerhin 
reicher,  poetischer  Begabung  B.  nicht  ganz  gerecht  wird.  Mit  einer  schönen  und 
würdigen  Schilderung  von  Goethes  Vollendungsepoche  schliesst  B.  sein  Buch.^")  — 
Von  wissenschaftlichen  Darstellungen,  die  sich  nur  an  einen  engeren  Leserkreis 
wenden,  bleibt  Martins**')  treffliche  Neubearbeitung  der  Wackernagelschen  dem 
nächsten  Berichtsjahr  vorbehalten,  wo  dann  mit  dem  Schluss  des  Ganzen  die  früher 
erschienenen  Teile  im  Zusammenhang  gewürdigt  werden  sollen.  —  Die  Geschichte 
der  mittelalterlichen  Litteratur,  die  in  Pauls  Grundriss  der  Germanischen  Philologie 
gegeben  wird,  gehört  nur  zum  geringsten  Teil  in  den  Rahmen  dieser  Berichte. 
Die  beiden  Teile,  in  welche  sie  sich  gliedert:  Mittelhochdeutsche  Litteratur  von 
Vogt'*2j  und  mittelniederdeutsche  von  J ellin ghaus^^)  fassen  das  14.  und  15.  Jh. 
zusammen,  indem  sie  den  Stoff  nach  Litteraturgattungen  einteilen  und  in  ihrem 
Bericht  hie  und  da  auch  in  das  16.  Jh.  übergreifen.  V.  führt  seine  Darstellung  bis 
auf  Rosenplüt  und  Folz,  Sebastian  Brant  und  Geiler  von  Kaisersberg;  J.  greift  etwas 
weiter  und  giebt  besonders  über  geistliche  Lyrik  —  katholische  wie  lutherische  — 
sowie  über  niederdeutsche  Bibelübersetzungen  interessante  Daten.     Er  erwähnt  sogar 


ihren  Verlauf  v.  Beginn  einer  schriftl.  üeberliefernng  an  bis  heute,  in  graph.  Darstellung.  St.,  Göschen.  Färb.  Taf.  mit 
erHarendem  Text  in  Karton.  M.  2,00.  |f(Edw.  Sch(röderJ:  ADA.  19,  S.  87/9;  F.  Muncker:  BBG.  28,  S.  268/9;  K.Menge: 
Gymn  10,  S.  125.]|  —  gg)  M.  Koch,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  (=  Sammlung  Göschen  N.  31).  ib.  278  S.  M.  0,80.  HGeg.  44, 
S.  350;  AkBll.  8,  S.  248;  KZg.  N.  985:  AZg«.  N.  299.] |  (S.  u.  I  7  :  134.)  —  g9)  K.  Borinski,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  2.  T. 
Seit  d.  Ausgang  d.  MA.:  (=  DNL.  N.  163.)  St.,  Union.  VUI,  402  S.  M.  2,50.  ||L.  Fränkel:  BLU.  S.564,6.||  —  90)  O  X  X 
G.  Karpeles,  AI  Ig.  Gesch.  d.  Litt.  v.  ihren  Anfängen  bis  auf  d.  Gegenw.  Mit  Illustr.  u.  Portrr.  2  Bde.  (13.  Lfgn.)  B ,  Grote. 
756  S.;  875  8.  M.  26,00.  |[WmM.  72,  S.  718;  L.  Berg:  NatZg.  1892,  N.  178.]|  -  91)  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  v.  W.  Wacker- 
nagel, fortges.  V.  E.  Martin.  2.  Bd.,  3.  Lfg.  Basel,  B.  Schwabe.  1892.  S.  287-538.  M.  4,60.  ||DR.  4,  S.  143.1|  —  92)  F.Vogt, 
Mittelhochdtsch.  Litt.  (=  Grundr.  d.  german.  Philol.  her.  v.  II,  Paul.  ([Strassburg,  Trfibner.  1890-92.]  VIII.  Abschn.  3b, 
S.  245-418.J    —   93)  H.  Jellinghaus,    Mittelniederdtsoh.  Litt.  (=  ebda.  VIIL  Abschn.  3c,  S.  419-52).     |(MLN.  8,   S.  99-106 


O.  Harnack,  Litteraturg-eschichte.    1892,  1893.  I  1  :  94-107 

noch  Lauremberg  und  schliesst  seine  Arbeit  mit  alig-emeinen  Betrachtungen  über  die 
Ursachen  des  Ersterbens  der  niederdeutschen  Litteratur.  —  Gleichfalls  nur  mit  den 
letzten  Ausläufern  berührt  unser  Gebiet  die  Geschichte  der  mittetalterlichen  Litteratur 
von  Golther.^*)  —  Von  umfassenden  Werken,  welche  schon  früher  erschienen  sind, 
wurden  in  beiden  Berichtsjahren  noch  besprochen  die  6.  Auflage  von  Scherers  Litteratur- 
geschichte  (vgl.  JBL.  1891  I  1:45)**^)  und  Goedekes  Grundriss  in  der  neuen 
Bearbeitung  (vgl.  JBL.  1891  IV  1:  l)**^).  —  Auch  in  Geschichtswerken  findet  die 
Litteraturgeschichte  an  bescheidener  Stelle  Aufnahme.  Dittmars^')  dreibändige 
deutsche  Geschichte  behandelt  im  zweiten  Bande  Luther  im  Zusammenhang  mit  der 
politischen  Geschichte,  die  sonstige  Litteratur  der  Reformationszeit  abgesondert,  beides 
von  entschieden  protestantischem  Standpunkt,  —  ferner  die  Litteratur  des  17.  Jh. 
mehr  mit  Beziehung  auf  Sitten  und  Kulturgeschichte.  Er  zeigt  Kenntnis  des  Stoffes; 
selbständige  Studien  zu  finden  wird  man  nicht  erwarten.  Im  dritten  Bande,  bei 
Behandlung  der  klassischen  Litteratur,  begnügt  sich  D.  allzusehr  mit  Allgemein- 
heiten, und  lässt  es  an  positiven  Daten,  selbst  an  Angabe  der  wichtigsten  Werke 
fehlen.  Gerade  für  eine  Darstellung  deutscher  Geschichte  sind  die  Thatsachen,  dass 
Wallenstein  in  diesem,  Faust  in  jenem  Jahr  erschien,  wichtiger  als  reflektierende 
Mitteilungen  über  ihre  Dichter.  In  seiner  Auffassung  ist  D.  stark  durch  „nationale" 
Gesinnungen  geleitet,  welche  freilich  zur  Würdigung  der  höchsten  Kunstwerke  nicht 
hinreichen."^" '"2^  —  In  trefflicher  Weise  setzt  dagegen  Roethe'"^)  die  Geschichte 
unseres  Kaisertums  mit  der  unserer  Litteratur  in  Verbindung;  man  bedauert  nur, 
dass  seine  Rede  sich  in  so  knappen  Grenzen  halten  musste  und  in  diesen  noch  sich 
vorzugsweise  mit  dem  Mittelalter  beschäftigt.  Es  ist  nicht  nur  ein  schöner,  sondern 
auch  ein  richtiger  Gedanke,  dass  die  ideale  Weite  der  Kaiseridee  und  die  huma- 
nistische Weitherzigkeit  der  deutschen  Dichtung  aus  einem  gemeinsamen  Urgrund 
entsprungen  sind.  „Der  Schimmer  der  Weltmonarchie  reizt  uns  nicht  mehr:  aber 
auf  immer  soll  uns  das  deutsche  Kaisertum  ein  Symbol  dafür  sein,  dass  dem 
deutschen  Geiste  die  Welt  gehört."  —  Von  ausserdeutschen  Ländern  ist  Frankreich 
jetzt  wohl  dasjenige,  das  sich  am  meisten  mit  deutscher  Litteratur  beschäftigt.  All- 
jährlich erscheinen  neue  Darstellungen,  meist  allerdings  Leitfäden  zu  praktischem  Zweck. 
Diesmal  ist  ein  solcher  von  Heinrich '04j  zu  verzeichnen,  der  freilich  der  Redaktion 
nicht  zugegangen  ist.  —  Von  der  Sammlung  von  Litteraturgeschichten  aus  dem  Verlag 
von  Poussielgue'"^),  welche  auch  auf  die  deutsche  Litteratur  sich  erstreckt,  erschien 
die  vierte  und  fünfte  Auflage.  —  Nicht  zwar  eine  vollständige  Geschichte,  aber  doch 
eine  über  den  ganzen  Verlauf  der  Litteraturgeschichte  sich  ausdehnende  Folge  von 
Essays  hat  Combes  gegeben,  über  dessen  „Profile  und  Typen"  Middendorf '"^)  aus- 
führlich berichtet.  Combes  steht  der  mittelhochdeutschen  Litteratur  verständnislos 
gegenüber,  nur  Walther  findet  bei  ihm  Gnade.  In  der  Neuzeit  tritt  er  für  Fleming 
gegen  Opitz  ein,  redet  zu  Gunsten  Gottscheds,  lässt  Lessing  als  Kritiker  (auch 
Corneilles)  volle  Gerechtigkeit  widerfahren,  beurteilt  ihn  aber  ungünstig  als  Dramatiker. 
Schiller  wird  geringschätzig  behandelt,  die  Romantik  schlimm  verspottet;  dagegen 
Goethe  mit  entschiedenem  Verständnis  und  rückhaltloser  Verehrung  geschildert. 
Sowohl  in  den  lyrischen  Gedichten,  wie  im  Drama  (auch  im  2.  Teil  des  Faust)  und 
im  Roman  (Wahlverwandtschaften)  weiss  er  Goethes  eig'entümliche  Bedeutung  zu 
erkennen  und  charakterisiert  treffend  das  in  Goethe  lebendige  Verhältnis  von  Kunst- 
und  Naturbetrachtung. •'>^'')  —  In  England  erschien  Hos m er s*""j  deutsche  Litteratur- 


160/'9,  215-23.]l  —  94)  W.  Golther,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  t.  d.  ersten  AnJängen  bis  z.  Ausg.  d.  MA.  (=  DNL.  N.  739, 
741/2)  St,  Union.  IV,  443  S.  M  2,50.  I[E.  Martin:  DLZ.  1892,  S.  1460/3;  MA.  6,  S.  288/9.]|  -  95)  X  L.  Fränkel: 
ZDU.  6,  S.  851/2.  —  96)  L.  Hiriel:  DLZ.  1892,  S.  660/2.  —  97)  G.  Dittmar,  Gesch.  d.  dUch.  Volkes.  3  Bde.  Heidel- 
berg, Winter.  566  S.;  544  S.;  592  S.  M.  15,00.  |[Markhan8er:  BBG.  29,  8.  262,7.J|  -  98)  X  B-  Gebhardt,  Handbuch 
d.  dtsch.  Gesch.  2  Bde.  (I.  V.  d.  Urzeit  bis  z.  Beforniation.  IL  V.  d.  Beformation  bis  z.  Frankfurter  Frieden.  Nebst  e. 
Ueberslcht  über  d.  Ereignisse  bis  z.  J  ISflO.)  St.,  Union.  1892.  IX,  676  S.;  IX,  757  S.  M.  16,00.  |[G.  Winter:  BLU. 
a  234/5;  LBlHSch.  S.  11;  KBGV.  41,  S.  31;  NAnt.  38,  S.  565/7;  Ath.  S.  439;  HPBll.  110,  a  229;  LCBl.  1892,  8.  1278;  Q. 
Kaufmann:    DLZ.  1892,    S.  1274,6;   MHL.  20,  S.  216.]|    —    99)  X  0.  Lyon,  E.  dtsch.  Gesch.  für  Schule  u.  Haus:  ZDU.  6, 

8.  835-40.  (Ueber  0.  Eämmel,  Dtsch.  Gesch  Dresden,  C,  Höckner.  1889.  VI,  1266  8.  M.  13,50)  —  100)  X  K.  Lamprecht, 
Dtsch.  Gesch.  2.  Bd.  B.,  R.  Gaertner.  XV,  367  8.  M.  6,00.  |[J.  Jastrow:  MA.  6,  S.  236-42;  G.  Steinhausen:  DLZ. 
S.  1203/6.  (St.  hebt  besonders  hervor,  wie  d.  Vf.  versuche,  d.  Volksseele  als  d.  e.  Kollektivperson  zu  zeichnen  u.  in  d. 
einzelnen  Erscheinungen  ihre  Lebensänsserungen  nachzuweisen.)]!  —  101)  X  K-  Neumann-Strela,  Deutschlands  Helden  in 
Krieg  u.  Frieden.  1.  Bd.  Hannover,  C.  Meyer.  1892.  VII,  308  S.  M.  4,00.  |[KonsMsohr.  S.  470,1 ;  N&S.  65,  8.  275.JI  (Reicht 
bis  auf  Max  I.;  berührt  kurz  d  Litt.  [Hütten].)  —  102  X  H.  Landwehr,  Charaktere  ans  d  neueren  dtsch.  Gesch.  vornehm!, 
in  zeitgenöss.  Schilderung.  2.  Ausg.  B.,  Mittler  *  Sohn.  1892.  X,  230  8.  M.  3,00.  ||LCB1.  1892,  S.  693.]  I  (D.  einzige  litt. 
„Charakter"  in  d.  Sammlung  ist  Kotzebue  [nach  Arndt,  Wanderungen  u.  Wandlungen].)  —  103)  G.  Koethe,  D.  dtsch.  Kaiser 
n.  d  dtsch.  Litt.  Rede  z  Feier  d.  Geburtst.  S.  M.  d.  Kaisers  u.  Königs  um  27.  Jan.  im  Namen  d.  Georg-Augnsts-Univ.  GOttingen, 
Dieterich.   4».    22  3.  M.  0,40.  —  104)  O  X  X  <>•  A.  Heinrich,  Hist.  de  la  litt,  allemande.   Paris,  Leroux.    1890-91.    ||HJb.  1.3, 

9.  388;  F.  J.  Holly:  Kath.  1,  8.  183,8;  Polybibl'-.  65,  S.  439-40.JI  —  105)  X  Hist.  des  litt,  anciennes  et  modernes,  avec 
morceaux  choisis  extraits  des  meilleurs  auteurs  des  divers  sidcles.  Litt,  unoiennes:  hebralqne,  grecqne,  latine;  litt,  etrangdres 
modernes:  italienne,  espagnole,  anglaise,  allemande.  Paris,  Ponssielgne.  VII,  636  S.;  .347  S.  —  106)  H.  Middendorf,  E. 
Combes,  Profils  et  Types  de  la  litt,  allemande:  MünchNN.  1892,  30.  Nov.  —  106a)  X  A.  Qnilland,  Un  roanuel  d'hist. 
allemand:    RPL.  1,   8.  76.3/5.    (Ueber    R.   Stenzler,   F.   Lindner,   H.    liandwehr.  Lehr-    u.  Lebebuch   d.  Gesch.)   —   107)  O  J. 

2* 


I  1  :  108-110  0.  Harnack,  Litteratargeschichte.    1892,  1893. 

g-eschichte  von  neuem  und  in  Amerika  g-ab  Green e**^^)  Carlyles  noch  immer  lebens- 
kräftig-e  Vorlesung-en  über  Litteratur  aus  dem  J.  1838  neu  heraus.  —  Gleichfalls  in 
Amerika  erschienen  Essays  über  deutsche  Litteratur  von  Boyesen '<^^),  welchen 
Grimm  warme  Anerkennung-  zollt.  — 

Unter  den  zeitlich  umfassenden  lokalen  Littera turg-eschichten  nimmt 
das  g-rosse  Werk  über  die  „Geschichte  der  deutschen  Litteratur  in  der  Schweiz" 
von  Baechtoldi'o),  dessen  Schlusslieferung  im  Berichtsjahr  1892  erschienen  ist,  den 
ersten  Platz  ein.  Dem  gesamten  Werk  ist  der  lokale  Charakter,  der  einem  solchen 
Stoff  angemessen  ist,  deutlich  aufg-epräg-t;  es  ist  echt  schweizerisches  Gewächs;  doch 
stumpft  die  Liebe,  mit  welcher  der  Vf.  den  einzelnen  Erscheinungen  nachg-eht,  und 
der  Stolz,  mit  dem  ihn  bisweilen  ihre  weitreichende  oder  massgebende  Bedeutung- 
erfüllt, die  Kritik  nicht  ab.  Die  Sprache  zieht  das  kräftige  derbe  Wort  dem  leisen 
und  zarten  vor,  verschmäht  scherzhafte  Wendung-en  nicht,  weiss  aber  auch  ernste 
und  feierliche  Töne  zu  finden.  B.s  Darstellung-  des  Mittelalters  können  wir  hier  nicht 
beurteilen;  zur  Neuzeit  führt  er  uns  in  seiner  sehr  eingehenden  Schilderung-  der 
dramatischen  Poesie  des  16.  Jh.  hinüber.  Ein  in  den  Anmerkung-en  gegebenes  „chrono- 
log-isches  Verzeichnis  aller  datierten  Aufführungen  deutscher  Dramen  in  der  Schweiz" 
giebt  die  feste  Grundlag-e  für  dieses  Kapitel.  Dies  Verzeichnis,  das  etwa  zweihundert 
Nummern  umfasst,  beruht  grossenteils  auf  archivalischen  Angaben,  und  wo  dies  nicht 
der  Fall,  auf  authentischen  chronikalischen  Ueberlieferungen;  es  ist  von  grösster 
litterarhistorischer  Wichtig-keit.  Im  Text  giebt  B.  eing-ehende,  meist  mit  Inhaltsan- 
gaben verbundene  Nachrichten  über  alle  irgend  nennenswerten  schweizerischen  Dramen 
jener  Zeit,  worunter  auch  zahlreiche  ungedruckte.  Neben  dem  Drama  wird  das  geist- 
liche Lied  mit  besonderem  Interesse  behandelt.  Zwingiis  Gestalt  wird  in  sympathischer 
Beleuchtung  gezeigt,  und  das  Vorurteil  bekämpft,  als  hätte  die  schweizerische  Re- 
formation keinen  lyrischen  Wiederklang  gefunden ;  zugleich  aber  werden  auch  die 
Gründe  erörtert,  warum  man  die  lyrische  Kraft  und  E^ülle  der  lutherischen  Kirche  hier 
nicht  erreichen  konnte.  Von  der  Prosalitteratur  der  Zeit  wird  besonders  den  Bibelüber- 
setzungen Aufmerksamkeit  geschenkt  und  das  Verhalten  der  Schweiz  gegenüber  der 
lutherischen  Uebersetzung  dargelegt.  Das  17.  Jh.  ist  sehr  kurz  behandelt;  so  sehr 
B.  gewiss  Recht  hat  mit  seiner  abschätzigen  Beurteilung,  so  wäre  ein  etwas  näheres 
Eingehen  vom  rein  historischen  Standpunkt  aus  doch  zu  wünschen.  Im  18.  Jh.  wird 
zuerst  Drollinger  ausführlicher  betrachtet,  und  dann  Haller  ein  schön  abgerundeter, 
feingestimmter  Abschnitt  gewidmet.  Hervorzuheben  ist  hier  B.s  Urteil  über  die 
„Alpen" ;  es  ist  günstiger  als  wir  es  jetzt  zu  fällen  gewohnt  sind;  er  sieht  das  Wesent- 
liche des  Gedichts  nicht  in  der  unepischen  Naturschilderung,  sondern  in  der  Dar- 
stellung des  Volkslebens.  „Der  Schluss  ist  stark  beschreibend;  die  grössere  Hälfte 
jedoch  voll  Leben  und  Bewegung.  Nicht  nur  die  neue  Idyllendichtung  belebte  sich 
an  den  „Alpen",  sondern  die  im  ganzen  auf  reellem  Grunde  ruhenden  Schilderungen 
des  Volkslebens  sind  für  ähnliche  Versuche  in  der  Folgezeit  mehrfach  massgebend 
geworden."  Im  Mittelpunkt  der  Schlusslieferung  steht  die  Gestalt  Bodmers,  welchen 
B.  uns  in  jeder  der  so  verschiedenen  Perioden  seiner  wirklichen  wie  seiner  ein- 
gebildeten Thätigkeit  nahe  zu  bringen  weiss.  Bei  der  grossen  Bedeutung-  und  den 
weitreichenden  Beziehungen  dieses  Mannes  gewinnt  die  Landesgeschichte  für  diese 
Periode  einen  aligemein-nationalen  Charakter,  sie  enthält  wenigstens  die  hauptsäch- 
lichen Elemente  der  allgemeinen  litterarischen  Bewegung.  Uebrigens  hätte  B.  doch 
wohl  besser  gethan,  in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Abschnitts  den  halb  kindisch  gewordenen 
Patriarchen  nicht  mehr  so  in  den  Vordergrund  zu  rücken,  sondern  Lavater  als  Haupt- 
person vorauszustellen,  dessen  anziehende  und  ausstrahlende  Persönlichkeit  einen 
grossen  Kreis  ohne  Mühe  um  sich  gruppiert  hätte.  Auch  Breitinger  hätte  neben 
Bodmer  wohl  eine  ausführlichere  Behandlung  verdient,  um  so  mehr  als  der  Vf.  selbst 
betont,  dass  man  nur  zu  oft  geneigt  sei,  die  beiden  Kampfgenossen  vollständig  zu 
identifizieren.  In  der  Wiedergabe  der  kritisch-theoretischen  Schriften  beider  Freunde 
beschränkt  sich  B.  so  ziemlich  auf  blosses  Referieren,  und  lässt  die  kritisch-historische 
Würdigung  öfters  vermissen.  Dagegen  ist  alles  Biographische  mit  lebhafter  Frische 
aufgefasst  und  dargestellt,  mit  kräftigen  Mitteln  wird  charakterisiert;  auch  die 
poetischen  Schöpfungen  oder  Versuche  werden  scharf  beurteilt.  Der  Hauptwert 
des  Buches  aber  dürfte  in  dem  neuen  hs.  Material  liegen,  das  es  verarbeitet 
hat,  auf  welches  an  dieser  Stelle  jedoch  im  einzelnen  nicht  einzugehen  ist: 
beispielsweise   sei   auf  die   Mitteilungen  über  die  in  Bern  gegen  die   Züricher   Be- 


Hosmer,  A  short  hist.  of  german  litt.  New  ed.  London,  S.  Low.  1892.  Sh.  7|6.  —  108)  O  Th.  Carlyle,  Lectures  on  the 
Hist.  of  Litt.  her.  v.  Eeag  Greene.  New-York,  Soribners  Sons.  1892.  283  S.  |[H.  Grimm:  DLZ.  1892,  S.  1491/2.]|  — 
109)  H.  H.  Boyesen,  Essaya  on  Gernian  litterature.  London,  T.  Fischer-Unwin.  1892.  395  S.  Sh.  6.  |[H.  Grimm: 
DLZ.  1892,  S.  395/7;  SaturdayR.  74,  S.  512/3.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV3  :  1;  8a  :  65,  110,  113;  8b  :  32;  8c  :  4;  9  :  7;  10  :  1.)  — 
HO)  J.  Baechtold,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt,  in  d.  Schweiz.  Franenfeld,  J.  Huber.  1892.  VII,  637  u.  244  S.  Anm.  M.  15,20. 
|[H.l?.:  AZg».  N.  795;  DRs.  73,  S.  156;   E.  Haug:  BLU.  S.  631/3;  A.  Bossert:  KCr.  S.  10/1;  Sohns:  COIRW.  21,  S.  103;  F. 


O.  Harnack,  Litteratur^eschichte.    1892,  1893.  I  1  :  iii-ii? 

strebungen  sich  erhebende  Opposition  verwiesen.  Mancher  neue  (auch  in  der  zweiten 
Auflage  Goedekes  nicht  berücksichtigte)  Poet  wird  uns  vorgeführt;  so  der  Idyllen- 
dichter Werdmüller  und  der  Dramatiker  Grauer.  In  die  nachfolgenden  Anmerkungen 
ist  eine  vollständige,  durchweg  auf  Autopsie  beruhende  Bibliographie  Bodmers  und 
Breitingers  hineinverwebt,  die  jeder  künftigen  Arbeit  über  die  „Schweizer"  wird  zur 
Grundlage  dienen  müssen ;  ich  hebe  daraus  nur  hervor,  dass  der  zweite  Teil  von 
Bodmers  Schrift  wider  „Lessings  unäsopische  Fabeln"  auf  Grund  des  Originalms. 
Breitinger  zugewiesen  wird.  Im  ganzen  wird  gewiss  jeder  Litteraturfreund  aufrichtig 
bedauern,  dass  Baechtold  sein  von  den  ältesten  Zeiten  unseres  Schrifttums  beginnen- 
des Werk  mit  Bodmers  Tode  schliessen  lässt  und  nicht  bis  auf  unsere  Tage  weiter 
geführt  hat.  — 

Ein  beschränkteres  Thema,dieLitteratur  Meck  1  e  n  b  u  r  gs,  hat  sich  Lorenz*") 
gewählt.  Diesem  jungen  Autor  ist  das  Studium  von  Bernays  oben  besprochenem 
Aufsatz  (s.  N.  44)  über  „Noten"  dringend  zu  empfehlen.  Sein  Text  ist  nur  ein 
klapperdürres  Gerippe,  und  jeder  einzelne  Knochen  ist  mit  mehreren  Nummern  ge- 
kennzeichnet, welche  angeben,  wo  man  die  zugehörigen  .Muskeln,  Nerven  usw. 
auffinden  kann.  Zu  23  Seiten  Text  gehören  135  Anmerkungen  auf  31  enggedruckten 
Seiten;  es  kommt  sogar  vor,  das  ein  Satz  des  Textes  in  der  durch  mehr  als  zwanzig 
Seiten  getrennten  Note  einfach  fortgesetzt  wird.  Von  einer  Lektüre  der  Schrift  kann 
daher  nicht  geredet  werden,  sondern  nur  von  einem  stückweisen  Zerhacken  des 
Textes  und  Zerpflücken  der  Anmerkungen.  Man  ersieht  dabei,  dass  der  Vf.  sehr 
fleissig  gearbeitet  hat  und  weit  mehr  aus  dem  gesammelten  Stoff  hätte  machen 
können.  Er  richtet  sein  Forschen  einerseits  auf  die  geborenen  Mecklenburger,  anderer- 
seits auf  die  Ausländer,  welche  eine  Zeitlang  ihren  Wohnsitz  in  Mecklenburg  hatten ; 
so  kommt  auch  Ulrich  von  Hütten  unter  die  Rostocker.  Einen  besonderen  Wert  ge- 
winnt die  Schrift  durch  das  Verzeichnis  „neulateinischer  Dichter  Mecklenburgs",  deren 
die  Noten  dreiundsechzig  mit  biographischen  und  bibliographischen  Daten  anführen, 
während  der  Text  nur  Chytraeus  und  Caselius  nennt  (vgl.  III  1  :  136).  — 

Zwei  Aeusserung'en  aus  Böhmen  bekunden,  wie  das  dort  in  lebhaftem 
Kampfe  sich  behauptende  Deutschtum  auch  aus  der  Geschichte  seines  geistigen  Lebens 
und  seiner  Litteratur  Kraft  zu  schöpfen  sucht.  Bach  m an n''^^  hebt  die  wechselnden 
Phasen  des  bald  unterdrückten,  bald  kräftig  sich  erhebenden  Deutschtums  hervor, 
und  lässt  besonders  helles  Licht  auf  Karl  Heinrich  Seibt  fallen,  der  seit  1763  deutsche 
Litteratur  in  deutscher  Sprache  an  der  Prager  Universität  vortrug  und  damit  den  vollen 
geistigen  Kontakt  zwischen  Böhmen  und  dem  Reich  wiederherstellte.  —  Speciell  mit 
der  deutschen  Litteratur  in  Prag  beschäftigt   sich  der  Vortrag  von  K  l  aar.'*''*'*)  — 

In  der  Reihe  der  Sammelwerke  aus  dem  Gebiete  der  Litteraturgeschichte 
steht  die  von  Erich  Schmidt  und  Burdach*''')  veranstaltete  Ausgabe  von 
W.  Scherers  „Kleinen  Schriften"  voran.  Seh.  und  B.  haben  sich  die  Arbeit  so  geteilt,  dass 
der  erstere  den  Arbeiten  Scherers  zur  neueren  Litteratur,  Kunst  und  Zeitgeschichte, 
der  letztere  den  Aufsätzen  zur  altdeutschen  Philologie  seine  Sorgfalt  zugewandt 
hat.  Absolute  Vollständigkeit  der  Sammlung  war  die  Absicht  der  beiden  Heraus- 
geber nicht;  auch  nicht  eine  Auswahl  dessen,  was  heute  noch  am  ehesten  mass- 
gebende wissenschaftliche  Bedeutung  hätte;  sondern  der  Wunsch,  ein  charakteristisches 
Bild  des  persönlichen  Wirkens  und  der  persönlichen  wissenschaftlichen  und  auch  in 
weitere  Kreise  eingreifenden  Verdienste  Scherers  zu  geben.  Das  ist  in  vorzüglichem 
Masse  gelungen;  gerade  aus  den  kleineren  Beiträgen,  die  zum  Teil  Tagesblättern  ent- 
stammen, und  deren  Aufnahme  Missgünstige  vielleicht  bekritteln  mögen,  tritt  die 
Individualität  greifbar  leibhaftig  heraus.  Was  am  merkwürdigsten  in  ihr  erscheint, 
ist  die  Verbindung  des  durch  und  durch  Modernen  mit  einer  Gesinnung  der  Pietät 
für  die  Grösse  deutscher  und  antiker  Klassik,  wie  sie  wärmer  und  stärker  nicht  ge- 
dacht werden  kann.  Viele  Gegner  Scherers,  die  sich  in  das  Moderne  dieses  sprühenden 
Geistes  nicht  finden  konnten  und  daher  seine  „Poetik"  als  eine  Art  Schreckbild 
sich  und  anderen  vorzuhalten  pflegen,  werden  vielleicht  mit  Verwunderung  aus  diesen 
Aufsätzen  erkennen,  wie  einseitig  sie  den  Mann  beurteilt  haben,  und  um  wie  viel  seine 
Begeisterung  für  die  klassischen  Schätze  die  ihrer  heutigen  Verteidiger  übertreffen 
hat.  Ich  wenigstens  kann  mich  kaum  entsinnen,  in  jüngster  Zeit  so  kräftige  Worte 
zu  Gunsten  des  klassischen  Gymnasiums  gelesen  zu  haben,  wie  sie  aus  Scherers 
Feder  geflossen  sind,  und  mit  so  schwungvoller  Ueberzeugung  die  Unvergänglichkeit 
unserer  klassischen  Dichterwerke  preisen  gehört  zu  haben,  wie  es  Scherer  gethan  hat. 


V(etter):  SchwB«.  3,  1,  S.  218-21;  Geg.  43,  S.  127;  RH.50,  8.222.||  —  111)  K.  Lorenz.  D.  Anteil  MecWenbnrgrs  an  d.  dtsch. 
Nationallitt.  v.  d.  Anf&ngen  bis  z.  Ende  d.  17.  Jh.  Dias.  Rostoclc,  Stiller.  64  S.  M.  1,60.  —  112)  H.  Baohmann,  Dtsch. 
Geistesleben  in  Böhmen:  VossZgB.  1892,  N.  34.  —  113)  A.  Kl  aar,  D.  dtsch.  Lttt  Prags.  Vortr.:  Bohemia  N.  SO.  (Referat.) 
—  114)  O  X  J-  Wiesner,  Kloster  Adraont  in  d.  Litt.-Ge8ch. :  HPBll.  110,  S.  362  —  115)  X  **.  Xigg,  Biographien  d.  österr. 
Dichterinnen  n.  Schriftstellerinnen.  Kornnenbnrg,  Kahlhopf.  61  S.  M.  2,00.  —  116)  X  Neuere  irissenschaftl.  n.  litt.  Leistangen 
d.  dtsch.  Jesuiten:  Kath.  1,  S.  172.    —    117)  W.  Scherer,  Kleine  Schriften.    Her   t.  Rrioh  Schmidt  n.  K  Bnrdach.    8  Bd«, 


I  1:118-121  O.  Harnack,  Litteraturg-eschichte.    1892,  1893. 

Es  fehlt  g-anz  und  gar  die  zaghafte  Resignation,  welche  jetzt  fast  die  Regel  —  auch 
bei  Gleichgesinnten  —  geworden  ist.  Aber  die  Frage  taucht  auf:  ist  niclit  an  der 
Verzerrung,  welche  Scherers  Bild  bei  seinen  Gegnern  erfahren  hat,  auch  manche 
Einseitigkeit  der  Schüler  mitschuldig?  Mir  wenigstens  will  es  scheinen,  wenn  ich 
diese  Aufsätze  durchgehe,  als  ob  ihr  Gedankenreichtum  unter  den  Anhängern 
Scherers  sehr  ungleichmässig  fortgewirkt  habe,  dass  im  ganzen  nur  mit  wenigem 
von  ihnen  weitergewirtschaftet  wird.  Freilich  wäre  im  Zusammenhang  damit  eine 
Untersuchung  wünschenswert,  inwieweit  Scherers  Gedankenkreis  sich  im  Lauf  der 
Jahre  selbst  verändert  hätte,  und  einzelne  Gedanken  nur  bestimmten  Jahren  an- 
gehörten. Dies  würde  eine  chronologische  Anordnung  der  Schriften  erfordern, 
während  die  Herausgeber  eine  Anordnung  nach  sachlichen  Gruppen  vorgezogen 
haben.  Seh.  gliedert  den  Stoff  in  „Essays  zur  Litteratur,  Kunst,  Politik",  „Litterarische 
Rundschau,"  „Recensionen  und  Abhandlungen  zur  neuhochdeutschen  Litteratur- 
geschichte."  Verwandtes  findet  sich  in  B.s  Band  unter  den  Rubriken  „Poetik", 
„Litteraturgeschichte"  (Mittelalter),  „Universität  und  Schule".  Auf  die  einzelnen,  zum 
Teil  schon  vor  mehr  als  zwanzig  Jahren  entstandenen  Aufsätze  einzugehen,  liegt 
naturgemäss  ausserhalb  des  Rahmens  dieser  Jahresberichte.  —  Der  zweite  uns  vor- 
liegende Sammelband  litterarhistorischer  Studien  ist  Michael  Bernays  gewidmet  i*^). 
Leider  haben  die  Schüler  und  Freunde,  welche  auch  den  Anlass  dieser  Huldigung 
nicht  angeben,  es  ebenso  unterlassen,  irgendein  zusammenfassendes,  charakterisierendes 
Wort  vorauszuschicken  oder  nachzusenden,  welches  die  geistige  Gemeinschaft,  in  der 
sie  sich  fühlen,  und  die  Art  der  wissenschaftlichen  Anregung,  welche  sie  von  dem 
geistvollen  und  vielseitigen  Gelehrten  empfangen  haben,  bezeichnet.  Die  sehr  ver- 
schiedenartigen, auch  in  die  englische,  französische  und  spanische  Litteraturgeschichte 
hinübergreifenden  einzelnen  Aufsätze  müssen  den  betreffenden  Specialrubriken  der 
Berichte  zur  Beurteilung  überlassen  werden.  —  Zum  siebzigsten  Geburtstage  K.  von 
Maurers  haben  eine  Reihe  seiner  Schüler  dem  verehrten  Lehrer  eine  Sammlung 
„Germanistischer  Abhandlungen"  dargebracht^'^).  — Einen  interessanten  Band  etwas 
altkluger  Essays  hat  Weig  an  d  '^o)  herausgegeben.  Vier  Essays  freilich  beschäftigen 
sich  mit  der  französischen  Litteratur,  und  der  fünfte,  welcher  „Zur  Psychologie  des 
19.  Jh."  betitelt  ist,  giebt  mehr  eine  Psychologie  des  Vf.;  aber  es  fällt  doch  einiges 
für  die  deutsche  Litteraturgeschichte  ab.  Eine  Betrachtung  über  Wilhelm  von  Humboldt 
erklärt  aus  seinem  geistigen  Aristokratentum  die  geringe  Wirkung,  welche  er  heute,  in 
einer  demokratischen  Litteraturperiode,  ausübt;  auch  mehreren  neueren  Schriftstellern 
Deutschlands  sind  einige  Seiten  gewidmet.  Im  ganzen  entspricht  die  Bedeutung 
dessen,  was  W.  zu  sagen  hat,  nicht  der  Tiefe  der  weisen  Runzeln,  in  welche  er  seine 
Stirne  zieht;  es  fehlt  die  Klarheit  der  Grundsätze;  zwischen  der  stofflichen,  den  Wert 
des  psychologischen  Materials  vor  allem  schätzenden  Auffassung  der  Poesie  und  der 
an  Schönheit  der  Form  sich  begeisternden  Anschauung  hat  er  bisher  weder  den  Aus- 
gleich--noch  die  Versöhnung  gefunden,  so  abgeklärt  und  gesammelt  er  auch  schreiben 
will.  —  Weigands  Essays  führen  uns  zu  den  zahlreichen  Publikationen  hinüber, 
welche  die  Litteratur  nur  nach  ihrer  heutigen  Art  und  Wirkung  betrachten,  aber 
auf  diesem  Wege  doch  zu  allgemeingiltigen  Resultaten  zu  kommen  glauben.  Die 
Ueberschätzung  des  Nächstliegenden,  des  „Aktuellen",  hat  in  einem  sehr  bedenklichen 
Masse  zugenommen,  und  droht  einer  sicheren  historischen  Erkenntnis  immer  mehr 
den  Boden  zu  entziehen  und  die  Lebensluft  zu  rauben.  Es  wäre  ein  schönes  Ver- 
dienst dieser  Jahresberichte,  wenn  es  ihnen  gelänge,  auf  litterarischem  Gebiet  gegen- 
über der  erdrückenden  Fülle  der  herandrängenden  Phänomene  des  Tages  der  Kritik 
den  Halt  fester  historischer  Erkenntnis  wahren  zu  helfen.  In  dem  Buch  „Neuland" 
von  Ella  Mensch  i^i)  ist  durch  die  Nähe  des  Standpunkts  das  Augenmass  für  die 
Grösse  der  einzelnen  Erscheinungen  ganz  verloren  gegangen.  Unbedeutende  Feuille- 
tonisten  werden  neben  gewichtigen  Männern  als  Autoritäten  genannt.  Die  einzelnen 
Schriftsteller  werden  nach  ihrer  Bedeutung  für  eine  moderne  Weltanschauung  ge- 
messen, deren  Inhalt  gar  nicht  angegeben  werden  und  darum  auch  keinen  Massstab 
geben  kann.  Auf  diese  Urteile  können  wir  hier  nicht  eingehen ;  wir  begnügen 
uns  damit  zu  konstatieren,  dass  ein  wissenschaftlich  wertvolles  Urteil  nur  zu  stände 


I.  Bd.:  Kleine  Schriften  z.  altdtsoh.  Philol.  II.  Bd.:  Kleine  Schriften  z.  neueren  Litt,  Knnst  u.  Zeitgesch.  B.,  Weid- 
mann. 1892.  XXIV,  782  8.;  VII,  415  S.  M.  15,00;  M.  8,00.  |[H.  Bettelheim:  NationB.  10,  S.  725/7;  A.  v.  Weilen: 
AZg«.  N.  202/3;  RCr.  36,  S.  301/2;  V.  V.:  LCBl.  S.  1549-51;  M.  Necker:  NFPr.  4.  Okt.;  id.:  BLU.  S.  609-ll.]|  (S  u.  I  2  :  2.) 
—  118)  Studien  z.  Litt.-Gesch.  M.  Bernays  gewidmet  v.  Schölern  u.  Freunden.  Hamburg  u.  L.,  Voss.  VII,  ."JSO  S.  M.  8,00. 
|[R.  M.  Meyer:  ML.  S.  495.'6;  LCBl.  S.  893;  F.  Munoker:  BBG.  29,  S.  641/3;  A.  Schröter;  BLU.  S.  581;  Grenzb.  3, 
S.  287;  DR.  3,  S.  256;  LZg».  N.  83;  0.  Pniower:  VossZg".  N.  44.]|  -  119)  Germanist.  Abhandlungen  z.  70.  Gebnrtst.  K.  y. 
Maurers  dargebracht  v.  0.  Brenner,  F.  Dahn,  C.  Gareis,  W.  Golther,  Valtyr,  GuÖmundsson,  Ebbe  Hertzherg, 
Finnur  Jönsson,  Karl  Lehmann,  Ernst  Mayer,  Bj.  M.  Olsen,  Axel  Petersen,  V.  A.  Secher,  Ph.  Zorn. 
Göttingen,  Dieterich.  VII,  554  S.  M.  16,00.  —  120)  W.  Weigand,  Essays  (Voltaire,  Rousseau,  Taine  u.  Sainte-Beuve.  Z.  Psycho- 
logie d.  Decadence.  Z.  Psychologie  d.  19.  Jh.)  Neue  Ausg.  München,  H.  Snkaschik.  1892.  323  S.  M.4,50.  (Vgl.JBL  1892IV  la:  15.) — 
121)  Ella  Mensch,  Neuland.    Menschen  u.  Bücher  d.  modern.  Welt.    St.,  Leyy  &  Möller.    1892     V,  342  S.    M.  5,50.  (VgL 


O.  Harnaok,  Litteratur^eschiohte.    1892,  1893.  I  1  :  122-140 

kommen  kann,  indem  man  die  Erscheinungen  der  Geg-enwart  an  der  Verg-angenheit, 
nicht  indem  man  sie  an  einer  erträumten  Zukunft  misst.  —  Der  litterarische  Essay 
hat  in  Frankreich  eine  reichere  und  bedeutsamere  Ausbildung  gewonnen,  und  die 
dort  erschienenen  Sammlungen  aus  beiden  Berichtsjahren  sind  nicht  nur  zahlreicher, 
sondern  zum  Teil  auch  wertvoller  als  die  deutschen.  Die  Namen  Taine*22-i23^  und 
Brunetiere  i24j  (vgl.  JBL.  1891  I  1:11)  haben  wir  aus  Anlass  neuer  Auflagen  oder 
Kritiken  wenigstens  zu  nennen.  —  Durch  klare  Grundsätze  und  zuverlässiges  Urteil 
zeichnet  sich  das  Buch  von  Doumic'^*)  aus,  das  in  einer  Reihe  von  Essays  uns 
von  Dumas  bis  auf  J.  Weiss  führt.  Der  Vf.  urteilt  streng  über  den  modernen 
Naturalismus,  aber  nicht  als  Anhänger  veralteter  Theorien,  sondern  weil  er  erstens 
seine  Naturdarstellung  nicht  wahr,  und  zweitens  in  ihm  einen  starken  Zusatz  von  Roman- 
tizismus  findet.  Die  Richtung  im  ganzen,  urteilt  D.  am  Schluss,  sei  dennoch  anzu- 
erkennen; denn  sie  gehe  davon  aus,  dass  die  Dichtung  nicht  eine  Welt  für  sich  zu 
gründen  habe,  dass  das  Ideale  nur  der  höchste  Ausdruck  des  Realen  sein  könne, 
dass  die  Litteratur  uns  nicht  vom  Leben  abziehen,  sondern  nur  beständig  in  das 
Leben  hineinführen  müsse;  diese  Absicht  hätten  indes,  wenn  auch  mit  anderen 
Mitteln,  die  grossen  Dichter  früherer  Zeiten  ebenso  gehabt.  So  verständige  Worte 
bekommt  man  in  dem  litterarischen  Parteihader  Deutschlands  selten  zu  lesen.  — 
Weniger  Ausbeute  liefern  die  Essays  von  de  Vogüe^^e^,  welche  zum  grösseren 
Teil  politischen  Inhalts  sind  (etwas  chauvinistisch  gefärbt),  und  in  ihrem  litterarischen 
Teil  sich  über  verschiedene  französische  und  russische  Autoren  mit  feiner  Nach- 
empfindung verbreiten,  ohne  doch  eine  bestimmte  Gesamtanschauung  erkennen  zu 
lassen.  12"?- 133)  _  Eine  litterarische  Enquete  über  die  Zukunft  der  Litteratur  hat  in  Frank- 
reich H  u  r  e t  '34)  als  persönlicher  Interviewer  zahlreicher  Schriftsteller  veranstaltet.  Im 
allgemeinen  liefen  die  Urteile  darauf  hinaus,  dass  die  Zeit  des  Naturalismus  vorüber 
sei;  selbst  seine  persönlichen  einflussreichsten  Vertreter  wagten  nicht  eine  baldige 
Kräftigung  für  ihn  vorauszusagen;  allein  die  Keime  der  Neugestaltungen  zu  er- 
kennen, wurde  für  kaum  schon  möglich  erklärt,  weil  die  modernsten  Richtungen 
der  Symbolisten,  Decadents  usw.  noch  zu  wenig  positive  Schöpferkraft  gezeigt  hätten, 
als  dass  man  von  ihnen  beherrschende  und  epochebildende  Leistungen  erwarten 
könne.  —  Wie  Huret  jenseits  der  Vogesen,  so  hat  in  Deutschland  Gro  tte  witz  ^'5) 
durch  eine  Enquete  bei  bedeutenden  und  unbedeutenden  Schriftstellern  die  Zukunft 
der  Litteratur  feststellen  wollen ;  die  Antworten  sind  so  ungleich  ausgefallen,  dass 
man  aus  ihnen  nicht  einmal  entnehmen  kann,  wie  man  sich  im  J.  1892  in  Deutsch- 
land die  Zukunft  der  Litteratur  gedacht  hat;  auch  die  Antworten  derjenigen,  welche 
bloss  erklärten,  dass  sie  nichts  zu  sagen  hätten,  hat  G.  gewissenhaft  abgedruckt.  — 
In  Italien  klagte  Capuana'^«-)  i-^^  ^er  Einleitung  seiner  Essays,  welche  italienische 
und  französische  Schriftstefler  behandeln,  über  den  Verfall  der  schönen  Litteratur  und 
des  Theaters,  welche  beide  keine  einflussreiche  Rolle  mehr  im  italienischen  Geistes- 
leben spielten.  *3-- 139)  — 

Es  seien  hier  noch  verschiedene  Schriften  angereiht,  welche  einzelne 
Seiten  oder  Stoffgebiete  des  litterarischen  Schaffens  durch  den  Gang  der  Entwick- 
lung hin  verfolgen.  Graffun  der s  i*»)  Vortrag  (vgl.  14:  148)  fällt  nur  durch  einige 
allgemein  einleitende  Aeusserungen  in  den  Rahmen  dieser  Berichte.  Er  meint,  um 
den  deutschen  Nationalcharakter  zu  erkennen,  könne  man  nur  die  altdeutsche 
Litteratur  zu  Rate  ziehen,  da  unsere  neuere  Litteratur  durch  die  klassische  einen 
kosmopolitischen  Charakter  trage.  Mir  scheint  darin  ein  doppelter  Fehler  zu  liegen: 
erstens  hat  auch  die  Dichtung  des  Mittelalters  sehr  viel  fremde  Einflüsse  erfahren, 
zweitens  ist  unsere  klassische  Dichtung  trotz  ihres  Humanitätscharakters  durchaus 
nicht  kosmopolitisch;  ein  idealisiertes  Deutschtum,  veredelt  durch  das,  was  man  für 
Griechentum  hielt,  schwebte  unsern  grossen  Dichtern  vor,  und  wer  Hermann  und 
Dorothea  dichtete,  hatte  nicht  nötig   ins  Mittelalter   zurückzugehen,   um  Deutschtum 


JBL.  1892  I  4:856;  IV  la:4.)  —  122)  X  H.Taine,  Nonveanx  essais  de  critique  et  d'hist.  5.  6d.  Paris,  Haohette.  1«».  332  S. 
Fr.  3.60.  —  123)  X  id.,  Essais  de  critique  et  d'hist.  6.  6d.  ib.  XXXI,  492  S.  Fr.  3,50.  —  124)  X  E.  Fagnet:  RPL.  1892. 
1,  8.  440;  GidsS,  S.  166-76.  —  125)  R.  Donraic,  Portraits  d'ecrivains.  Paris,  Delaplane.  330  S.  —  126)  K  M.  d  e  Vogfie, 
Regards  bist,  et  litt.  2.  6d.  Paris,  Colin  et  Cie.  1892.  364  S.  (Vgl.  JBL.  1892  I  11  :  101.)  —  127)  O  X  A.  France,  La  vie 
litt.  Paris,  LÄvy.  XVI,  372  S.  Fr  3,50.  —  128)  X  O  Memoires  de  la  yie  litt  (1878-84):  (=  Journal  desGonconrt.  2.  sirie, 
3.  voL).  Paris,  Charpentier  &  Fasquelle.  VIIl,  357  8.  Fr.  3,50.  —  129)  X  O  Marie  Leyoyer  deChant^pie.  Souve- 
nirs et  impressions  litt.  Paris,  Perrin  et  Cie.  283  8.  -  130)  O  X  A.  Bajn,  L'anarchie  liti  Paris,  L.  Vanier.  1892.  35  8. 
Fr.  0,60.  (Vgl.  JBL.  1892  I  11  :  203  )  -  131)  X  O  P-  Stapf  er.  Des  repntatations  litt.  Essais  de  morale  et  d'hist.  Paris,  Haohette. 
16».  XII,  388  S.  [RPL.  1,  8.  769.]!  —  132)  X  G.  Pfilissier,  Essais  de  litt,  contemp.  Paris,  LecÄne,  Ondin  et  Cie.  399  S. 
Fr.  3,50.  -  133)  O  X  E-  Gerth,  Z.  litt.  Kritik  in  Frankreich:  BLÜ.  1892,  8.  417/9.  —  134)  J.  Huret,  Enquete  sur 
l'erolution  litt.  Conirersations  arec  Mm.  Renan,  de  Goncourt,  Emile  Zola  etc.  2.  raille.  Paris,  Charpentier.  1891.  XXI,  456  8. 
M.  3,50.  (Vgl.  JBL.  1891  IV  11:3.)  -  135)  K.  G  rotte  witz,  D.  Zulcunft  d.  Litteratur.  B.,  Hochsprung.  1892.  128  8.  M.  1,50. 
(Vgl.  JBL.  1892  I  11:259-60.)  —  136)  L.  Capuana,  Libri  e  teatro.  Catania.  Giannotta.  1892.  XXXVII,  283  8.  L.  2,50. 
|[NAnt.  42,  8.  161/8.]|  —  137)  X  Einiges  ober  d  geistige  Produktion  Deutschlands:  TglRsB.  1892,  N.  112.  —  138)  X  A.  Fried- 
mann, Litt.  Geplauder:  Dichterhalle  12,  8.  126/8.  —  139)  X  L.  Prinkel,  D.  neudtsch.  Litt,  im  Lichte  d.  Wissensch.: 
Geg.  44,  B.  57/8.    —   140)   P.  Graffunder,  D.  dtsoh.  Natianalcharakter  in  altdtsch.  Dichtungen,    Fürsten walde,  Qeelhaar. 


I  1  :  141-158  0.  Harnack,  Litteraturgeschichte.    1892,  1893. 

zu  finden.  G.s  im  einzelnen  sehr  wohl  g-elung-ene,  hübsche  Darstellung-  hätte  diese 
Verbrämung  übrigens  gar  nicht  nötig. i**)  —  Ein  Vortrag  von  Krauss'^^-j  ü^er 
die  dichterische  Behandlung  der  württembergischen  Fürsten  ist  mir  nicht  zugänglich 
gewesen,  ebenso  wenig  zu  meinem  Bedauern  Becks'*^)  Arbeit  über  die  protestantisch- 
rehgiöse  Volkslitteratur,  welche  Anerkennung  erfahren  hat,  doch  nur  für  die 
rationalistische  Periode  dürftig  gefunden  worden  ist.i*^")  — 

Im  folgenden  stelle  ich  eine  Anzahl  Schriften  zusammen,  welche  den 
praktischen  Beruf  und  die  äussere  Lage  der  Schriftsteller  behandeln.  Das 
elementare  Werkchen  von  Keiter^^*)  ist  in  vierter  Auflage  erschienen;  ein  ähnliches 
Schriftchen,  dessen  mangelhafter  Stil  bei  einem  Ratgeber  für  Schriftsteller  besonders 
auffällt,  hat  Schinkei^^)  herausgegeben.  —  Wildenbruch i^«)  ist  in  schwungvoller 
Rede  für  die  Hebung  des  öffentlichen  Ansehens  der  Schriftsteller  eingetreten,  während 
Spielhagen i^'^)  ihre  gegenwärtige  Stellung  wohl  mit  etwas  zu  viel  Optimismus 
charakterisiert.  —  Kuhmerker^^^)  rechtfertigt  die  grosse  Anzahl  schriftstellerischer 
„Proletarier",  deren  Erzeugnisse  unbeachtet  vorüber  gehen,  weil  den  Vf.  ein  Name 
fehlt,  und  die  doch  oft  Wertvolles  enthalten.  —  Friedmann  i*^)  spricht  leb- 
haft über  die  Pflicht  des  journalistischen  Kritikers,  sich  vorurteilslos  in  das  zu 
kritisierende  Werk  zu  versenken,  und  nicht  nach  vorgefassten  Theorien  es  abzu- 
urteilen, wogegen  Berg i'^o)  diese  Forderung  der  Objektivität  als  der  freien  rückhalt- 
losen Meinungsäusserung  widersprechend  bekämpft,  ja  auch  die  egoistische  „Politik" 
des  Kritikers  entschuldigt;  zur  Hebung  des  Ansehens  der  litterarischen  Kritik  würde 
die  Verbreitung  letzterer  Ansicht  kaum  beitragen. i^^"^^^)  — 

Zu  Gunsten  des  Publikums  schreibt  Schönbach  *^*"'*^);  gleichsam  als 
Nachträge  zu  seinem  bekannten  trefflichen  Buche  (vgl.  JBL.  1890  I  5  :  44)  erschienen 
zwei  kleine  Aufsätze:  „Ueber  Lesen  und  Schreiben"  und  „Was  wir  lesen".  Seh.  ist 
ein  scharfer  Beobachter  der  thatsächlichen  Lektüre  unserer  Gebildeten  und  ein  ver- 
ständnisvoller Ratgeber  zu  passender  Auswahl  des  Lesestoffs;  etwas  Eingenommen- 
heit zu  Gunsten  katholischer  Litteratur  macht  sich  dazwischen  geltend.  —  An- 
erkennung hat  auch  ein  verwandtes,  mir  unzugänglich  gebliebenes  Büchlein  von 
Keiter^^ö)  gefunden.  —  Die  Absicht,  Litteraturkunde  als  Prüfstein  allgemeiner 
Bildung  examenmässig  zu  verwenden,  bekämpft  ein  anonymer  Universitätslehrer *^'). 
—  Gegenüber  all  diesen  in  der  Betrachtung  der  Tagesbedürfnisse  sich  begnügenden  Ver- 
suchen erscheint  gewaltig,  wie  aus  einer  anderen  Welt  stammend,  was  de  Lagarde'^^) 
in  seinen  „Deutschen  Schriften"  als  Richtpunkte  für  das  litterarische  Leben  hinstellt. 
Die  einzelnen  Abhandlungen,  welche  im  dritten  Abdruck  der  Gesamtausgabe  vereinigt 
sind,  stammen  zum  Teil  schon  aus  langvergangenen  Jahren;  sie  berühren  auch  die 
Litteratur  nur  flüchtig;  aber  das  raubt  ihren  Aussprüchen  weder  Frische  noch 
Gewicht.  Wenn  heutzutage  in  dem  Drang  nach  dem  Modernsten  sich  manche  Schrift- 
steller mehr  und  mehr  bemühen,  Eintagsfliegen  zu  werden,  so  redet  hier  ein  Mann, 
der  nur  dauernde,  organisch  gewachsene  Litteratur  und  nur  ein  in  den  natürlichen, 
eigentümlichen  Verhältnissen  des  Individuums  und  des  Volkes  fest  begründetes 
litterarisches  Interesse  anerkennt.  Daher  sein  Grimm  sowohl  gegen  die  Zeitungs- 
lektüre der  Männer  als  gegen  die  Goldschnittlitteratur  der  Frauen.  Beides  hat  frei- 
lich, seitdem  er  seine  zornigen  Worte  schrieb,  noch  ins  Grenzenlose  zugenommen, 
und  es  ist  keine  Aussicht,  sobald  auf  den  von  ihm  gewiesenen  Weg  zu  gelangen.  — 
Gleichsam  als  Bekräftigung  dessen  führe  ich  hier  noch  ein  paar  registrierende  und 
lexikalische  Werke  an,  die  für  das  heutige  litterarische  Leben  bezeichnend  oder 
unentbehrlich  sind.  Zwei  „Citatenschätze"  sind  in  den  Berichtsjahren  ans  Licht 
getreten;    die  thatsächliche  Beliebtheit  solcher  Bücher  ist  nicht   zu  bestreiten.     Das 


48  S.  M.  0,75.  —  141)  X  H.  A.  ReuBch,  Heimat-  u.  Vaterlandsliebe  in  Dichtermnnd  u.  Völkerleben:  NBllEU.  22,  S,  73-97. 
—  142)  O  Rnd.  Krauss,  Württemberg.  Fürsten  in  Sage  u.  Dichtung:  KBGV.  41,  S.  129-38.  —  143)  O  H.  Beck,  D.  relig. 
Volkslitt.  d.  evangel.  Kirche  Deutschlands  in  e.  Abriss  ihrer  Gesch.  (=  Zimmers  Handbibl.  d.  prakt,  Theologie  Bd.  X,  c). 
Gotha,  Perthes.  X,  291  S.  M.  5,00.  |[LCB1.  S.  235/6.]|  —  O  143a)  A.  F.  W.  Fischer,  D.  kirchl.  Dichtunjr,  hauptsächlich 
in  Deutschland.  f=  Zimmers  Handbibl.  d.  prakt.  Theologie.  Bd.  VI,  a).  ib.  1892.  XV,  241  S.  M.  3,80.  |[E.  Chr.  Achelis: 
ThLZ.  18,  S.  335/8.JI  —  144)  H.  Kelter,  Prakt.  Winke.  Für  Schriftsteller  u.  solche,  d.  es  werden  wollen.  4.  Aufl.  Regens- 
burg, Selbstverl.  12«.  52  S.  M.  0,60.  |[DE.  1,  S.  395.]|  (Vgl.  JBL.  1891  I  1:  65.)  -  145)  C  Schinke,  D.  Schriftsteller. 
Ratgeber  für  d.  Mitarbeiter  d.  litt.  Zeitungs-  u.  Zeitschriften- Verkehrs.  Zürich,  Th.  Schroeter.  1892.  94  S.  M.  1,50.  — 
146)  E.  V.  Wildenbruoh,  Rede  z.  Bankett  d.  Schriftstellerverbandes:  NatZg.  22.  Jan.  (Referat.)  —  147)  F.  Spielhagen, 
D.  gesellschaftl.  Stellung  d.  Schriftsteller:  ML.  61,  S.  16,8.  —  148)  H.  Kuhmerker,  D.  schriftstellerische  Proletariat: 
Dichterhalle  12,  S.  94,6.  110/1,  128/9.  —  149)  A.  Fried  mann,  V.  feindlichen  Brüdern  (Dichtung  und  Kritik):  ib.  S.  5/6, 
26/7.  —  150)  L.  Berg,  D.  heilige  Objektivität:  ML.  62,  S.  91,3.  —  151)  X  0.  Neumann-Hofer,  D.  litt.  Erbrecht:  Zeit- 
geist N.  52.  -  152)  X  A.  Kerr,  D.  Zeitschriften  n.  d.  Litt.:  ML.  61,  S.  36/9,  218-22,  469-70,  479-81,  675/7.  (Vgl.  auch 
JBL.  1892  IV  le:378.)  —  153)  X  F.  Hirsch,  Suum  ouique.  E.Wort  wider  e.  litt.  Unrecht.  Dem  allg.  dtscli.  Journalisten- 
u.  Schriftstellertage  v,  11.  Sept.  zu  Weimar  gewidmet :  ib.  S.  569-71.  —  154)  A.  E.  Schönbach,  Ueber  Lesen  n.  Schreiben: 
Geg.  44,  S.  335/7.  —  155)  id.,  Was  wir  lesen  (Blätter  aus  meinem  Merkbuche):  Vom  Fels  z.  Meer  1892,  S.  200'4.  — 
156)  O  H.  Keiter,  D.  Kunst,  Bücher  zu  lesen  u.  namentl.  dichterische  Erzeugnisse  zu  würdigen.  Regensburg,  Selbstverl. 
12».  IV,  88  S.  M.  0,75.  |[ÖLB1.  2,  S,  239;  LZgU.  N.  42.J|  -  157)  Dtsch  Litteraturkunde  als  Prüfstein  allgemeiner  Bildung! 
V.  e.  akad.  Lehrer:  ML.  61,  S.  299-300.  —  158)  P.  de  Lagarde,  Deutsche  Schriften.  Gesamtausgabe  letzter  Hand.  3.  Abdr. 
Göttingen,  Dieterich.     1892.    420  S.    M.  4,00.     |[G.  Roethe:  VossZtgB.  N.  5/6  (nicht  blosse   Reo.,    sondern   e.  Naohsohaffen 


I 


O.  Harnack,  Litteraturg-eschichte.    1892,  1893.     .  II:  159-172 

wertvollere  von  beiden  ist  das  von  Eiohneri^''),  das  eine  sehr  ausgebreitete  Litteratur- 
kenntnis  und  treffenden  Takt  in  der  Auswahl  zeigt;  daneben  ist  Neumanns '^*>) 
Sammlung  ein  etwas  naives  Büchlein,  das  aus  den  bekanntesten  Dichtungen  haupt- 
sächlich „schöne"  Stellen,  die  weniger  zu  denken  geben,  als  das  Gemüt  anregen,  zu- 
sammenbringt 1^'),  — 

Auch  für  den  Litterarhistoriker  hat  Interesse  die  Schrift  von  Melitz'ß^^. 
Er  giebt  eine  übersichtliche  Inhaltsangabe  der  Theaterstücke  der  Weltlitteratur, 
nach  alphabetischer  Anordnung  der  Dichternamen;  das  Buch  soll  zu  praktischen 
Theaterzwecken  dienen,  und  mag  zur  ersten  Orientierung  für  denjenigen,  dem  der 
Inhalt  eines  Stückes  bisher  gänzlich  unbekannt  war,  brauchbar  sein ;  über  eine 
mechanische  Wiedergabe  der  Momente  der  äusseren  Handlung  geht  es  nicht  hinaus 
(man  lese  nach,  was  über  Goethes  Tasso  gesagt  ist).  Die  Masse  des  gesammelten 
Stoffes  giebt  ihm  trotzdem  einen  gewissen  Wert.  —  Von  biographischen  Lexicis  ist 
an  erster  Stelle  „der  Kürschner" '^3)  zu  nennen,  der  mit  jedem  Jahrgang  praktischer 
und  vollständiger  sich  gestaltet;  letzteres  wird  dadurch  nicht  beeinträchtigt,  dass 
auch  manche  Namen,  welche  einmal  verzeichnet  waren,  wieder  verschwinden,  wenn 
sie  sich  nicht  dauernd  als  Schriftsteller-Namen  bewähren.^^^^  —  Von  Hinrichsens  ^^^) 
litterarischem  Deutschland  ist  die  zweite  Auflage  erschienen,  welche  manche  neue 
Artikel  bringt,  aber  nicht  alle  früheren  bis  auf  die  neueste  Zeit  fortgeführt  hat  und 
dadurch  an  Wert  einbüsst.  —  Gegen  die  ADB.  richtete  Geiger  ^^^)  einen  sachlich 
nicht  unberechtigten  Artikel,  welcher  die  Ungleichmässigkeit  der  einzelnen  Lebens- 
beschreibungen und  die  unbequemen  Abweichungen  von  der  alphabetischen  Reihen- 
folge tadelte,  vielleicht  aber  die  grossen  Schwierigkeiten  der  Leitung  eines  solchen 
Unternehmens  nicht  genügend  berücksichtigt.  —  Der  verdienstvolle  Herausgeber, 
von  Liliencron  *^'),  verteidigt  sich  in  einer  liebenswürdigen,  für  Anerkeunung 
mildernder  Umstände  plaidierenden  Erklärung.  —  Wurzbachs  ^^^)  für  eine  Menschen- 
kraft fast  zu  gross  scheinendes  biographisches  Werk  (vgl.  JBL.  1891  I  1:55)  wurde 
endlich  mit  dem  60.  Band  abgeschlossen.  Die  grossen  Verdienste  dieses  Werkes  in 
der  Herbeischaffung  eines  gewaltigen  Thatsachenmaterials  sind  allgemein  bekannt 
und  gewürdigt;  in  der  Ausführung  macht  sich  freilich  öfters  der  politische  oder 
nationale  Standpunkt  geltend,  welcher  manches  verschweigen  lässt,  was  dem  Heraus- 
geber zweifellos  bekannt  war.  —  Die  auch  für  die  Litteraturgeschichte  reichhaltigen 
allbekannten  Werke  von  Brockhaus  ^^9)  und  Meyer '"^^^  fuhren  fort  in  neuen 
Auflagen  zu  erscheinen.  Gegen  das  letztere  wurde  von  socialdemokratischer  Seite 
(in  der  NZ^*.)  ein  scharfer  Angriff  gerichtet,  der  vieles  entstellte  und  aufbauschte, 
aber  auch  manche  unzweideutige  Neigung  zu  tendenziöser  Darstellung  aufdeckte. 
Es  ist  zu  wünschen,  dass  solche  Nachschlagewerke  sich  der  äussersten  Sachlichkeit 
und  peinlichsten  Objektivität  befleissigen.  —  Von  grosser  Bedeutung  für  die  philo- 
logische Behandlung  der  Litteraturgeschichte  ist  das  grosse  Quellenwerk:  „Ver- 
zeichnis der  Hss.  im  Preussischen  Staate"*''')  (vgl.  I  3  :  28).  Der  erste  Band  umfasst  nur 
einen  Teil  der  Hss.  der  Göttinger  Universitätsbibliothek,  doch  unter  ihnen  schon  die- 
jenigen, welche  für  die  deutsche  Litteraturgeschichte  in  Betracht  kommen.  Es  sind 
in  der  Abteilung  „Philologie"  die  N.  183 0— 209,  in  der  Abteilung  „Historia 
Litteraria"  besonders  die  Sammlung  der  Biographien  (N.  10—46).  Das  dort  Re- 
gistrierte hier  wiederum  zu  registrieren,  würde  zu  weit  führen.  ~  Von  dem  Jahres- 
bericht über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiet  der  germanischen  Philologie* ''2)  sind 
der  13.  und  14.  Jahrgang  erschienen;  dieser  Bericht  erfüllt  bekanntlich  seine  Aufgabe 
in  umfassendster  Art,  indem  er  alle  Zweige  germanischer  Philologie  berücksichtigt, 
schränkt  sich  aber  in  zeitlicher  Richtung  ein,  indem  er  nur  bis  zum  16.  Jh.  der 
litterarhistorischen  Forschung  folgt  und  sich  an  diesem  Punkt  mit  unseren  Jahresberichten 


d.  Gedanken  de  Lagardes).]!  (Vgl.  JBL.  1892  IV  5 :  290.)  —  159)  W.  Eichner,  Aus  Werkstätten  d.  Geistes.  E.  litt. 
Citatenschatz.  Frankfurt  a.  0.,  H.  Andres  &  Cie.  800  S.  M.  6,00.  —  160)  H.  Neumann,  Dichterworte.  Aussprüche  hedeu- 
teuder  Geister  aller  Nationen.  Breslau,  Koebner.  111,  232  S.  M.  2,00.  —  161)  X  A.  H.  Fries,  D.  kleine  Böchmann.  2.  Aufl. 
L.,  Gessner  &  Schramm.  VII,  120  S.  M.  1,50.  —  162)  L.  Melitz,  D.  Theaterstücke  d.  Weltlitt.,  ihrem  Inhalte  nach  wieder- 
gegeben. 2.,  völlig  neu  bearb.,  durchwegs  verb.  Aufl.  Mit  e.  Einl.  z.  Gesch.  d.  dramat.  Litt.  (r=  Konversations-Lex.  d.  Weltlitt. 
Bd.  1.)  B.  u.  L.,  Wiener.  LVIII,  643  S.  M.  5,00.  |[ÖLB1.  2,  S.  557.] |  -  163)  J.  Kürschner,  Dtsch.  Litt.-Kalender  auf 
d.  J.  1893.  15.  Jahrg.  Eisenach,  Selbstverl.  12».  1586  S.  Mit  2  Bildern.  M.  6,50.  |[LCB1.  S.  991.]|  —  164)  XV.  Har- 
dung,  Schweiz.  Litt.-Kalender.  Zürich,  Erb.  IV,  259  S.  M.  3,00.  |[LCßl.  S.  1318/9.]|  —  165)  A.  Hinrichsen,  D.  litt. 
Deutschland.  Mit  Einl.  v.  C.  Beyer  u.  Sachregister  v.  J.  Frhr.  v.  Wagner.  2.  Aufl.  B.,  ,Norddtsch.  Verl  1892.  -XXVI, 
1471  S.  M.  18,00.  —  166)  L.  Geiger,  Die  ADB.  E.  Notschrei:  NatZg.  1892,  31.  Dec  —  167)  ß.  v.  Lilien- 
cron.  In  Sachen  d.  ADB.:  ib.  8.  Jan.  —  168)  Wurzbachs  Biograph.  Lexikon  d.  Kaisertums  Oesterrelch:  AZg".  1892, 
N.  207.  (S.  u.  1  2:40.)  —  169)  Brockhans,  Konversationslexikon.  14.  Aufl.  7.  u.  8.  Bd.  L.,  F.  A.  Brockhaus.  1028  S.; 
1020  S.  ä  M.  10,00.  |[Alex.  Meyer:  Nation«.  10.  S.  889;  BLU.  S.  4623;  Ed.  Sack:  FZg.  30.  März.]|  —  170) 
Meyers  Konversationslexikon.  4.  Aufl.  19.  Bd.  Jihres-Supplement  1891-92.  L.,  Bibliograph.  Inst.  XIV,  1018  S. 
M.  10,00.  IfNZSt.  11,  ji^.  20,  22.]|  —  171)  Verzeichn.  d.  Hss.  im  Preuss.  Staate.  I.  Prov.  Hannover.  1.  Göttingen.  1.  Universi- 
tätsbibl  Philologie,  Litt.-Gesch ,  Philos ,  Jurisprudenz.  B.,  A.  ßath.  X,  587  S.  M.  20,00.  (D.  kurze  Vorwort  ist  unter- 
zeichnet v.  Wilh.  Meyer,  ohne  dass  darin  angegeben  wäre,  in  welcher  Beziehung  dieser  zu  der  im  Auftrag  des  Unterrichts- 
ministers erfolgten  Sammlung  steht;  vgl.  auch  1  3:28  9.)  |[M.  Perlbach:  CBlBibl.  S.  547  9.J|  —  172)  JB.  über  die  Er- 
scheinungen auf  d.  Gebiete  d.  germ.  Philologie.  Her.  v.  d.  Ges.  für  dtsch.  Philologie  in  Berlin.  13.  Jahrg.  u.  14.  Jahrg. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  3 


I  1  :  173-174  I  2  :  1.4  W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philolog-ie. 

berührt.  Doch  sind  die  allg-emeinen  Darstelhing-en  der  deutschen  Litteraturg-eschichte 
wie  auch  die  Schriften  zu  ihrer  Methode  vollständig-  verzeichnet  (Abschn.  VI). 
—  Diese  Jahresberichte^'^)  wurden  in  beiden  Berichtsjahren  vielfach  in  deutschen, 
wie  in  ausländischen  Zeitschriften  besprochen,  und  allgemein  die  Notwendigkeit  eines 
solchen  Unternehmens  wie  die  grosse  Stofffülle  und  die  im  ganzen  praktische 
Anordnung  der  vorliegenden  Bände  anerkannt.  —  Dagegen  muss  dieser  Bericht 
leider  mit  der  Anzeige  eines  Verlustes  schliessen.  Im  J.  1893  stellte  die  am 
speciellsten  der  deutschen  Litteraturgeschichte  sich  widmende  Zeitschrift,  die  „Viertel- 
jahrschrifl"  mit  Beendigung  des  6.  Bandes  ihr  Erscheinen  ein.  Der  Ilerausg-eber, 
Seuffert^'*),  verabschiedete  sich  trüb  lächelnd  mit  einem  von  Wieland  entlehnten 
Schlusswort,  und  gern  wird  ihm  jeder  das  Zeugnis  ausstellen,  dass  es  der  Zeitschrift 
an  seiner  rüstig-en  Thätig-keit  niemals  gefehlt  hatte;  dageg-en  dürfte  die  mangelhafte 
Anteilnahme  des  Publikums  wohl  erwiesen  haben,  dass  das  Programm  sich  zu  enge 
Grenzen  gesteckt  hatte,  um  einen  genügenden  Leserkreis  anziehen  zu  können,  und 
dass  eine  Erweiterung,  wie  sie  Sauers  „Euphorion"  (vgl.  JBL.  1894  I  1)  jetzt  durch- 
g-eführt  hat,  die  notwendige  Bedingung"  für  weitergreifenden  Einfluss  und  dauernde 
Existenz  bildet.  — 


1,2 

Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

Wolfg-ang"  Golther. 

Geschichtliche  Uebersichten  N.  1.  —  Vorläufer  (D.  von  Stade,  C.  E.  Steinbach,  J.  Spreng,  J.  Chr.  Strodtmann, 
F.  J.  Stalder)  N.  3.  -  Brüder  Grimm  N.  8.  —  Von  der  Hagen  N.  14.  —  Schmeller  N.  15.  —  Lachmann:  Säkularfeier  N.  16; 
Briefe  N.  22.  —  Haupt  N.  24.  —  Gervinus  N.  25.  —  Einzelne  jüngere  Gelehrte  (Zarncke,  Lexer,  Wieen,  E.  Köhler,  Bacmeister, 
K.  E.  H.  Krause,  Frischbior,  Knorr,  Lindenschniit,  Zingerle,  Wurzbach,  Hartfelder,  ten  Brink,  E.  v.  GottEChall)  N.  26.  —  Ver- 
schiedene Forscher  (E.  Burnouf,  F.  Bopp,  G.  Cartius,  Max  Müller)  N.  48.  — 

Eine  Ueb  ersieht  über  die  Geschichte  der  germanischen  Philolog-ie  an 
der  Berliner  Hochschule  giebt  uns  Weinholds*)  Rektoratsrede,  50  Jahre  nach  Lach- 
manns Rektorat  gehalten.  W.  versteht  es,  in  feinsinnigster  Weise  die  einzelnen  Ver- 
treter dieser  Wissenschaft  und  ihre  Richtungen  zu  charakterisieren.  Zunächst  ver- 
walteten seit  1810  von  der  Hagen  und  Zeune  das  Amt.  1825  erschien  Lachmann, 
von  1841  an  wirkten  die  Brüder  Grimm  als  Gäste  an  der  Universität.  Lachmann, 
der  geborene  Kritiker,  der  scharfsinnigste  Beobachter  der  geistigen  Art  des  sprach- 
lichen Ausdrucks,  der  metrischen  Kunst  eines  Dichters;  Jacob  Grimm,  der  g-eniale 
schöpferische  Forscher,  der  Entdecker  neuer  Gebiete,  der  kindlich  poetischen  Sinn 
mit  wunderbarem  Scharfblick  verband ;  Wilhelm  Grimm,  in  mitten  beider,  feinsinnig, 
künstlerisch  angelegt,  philologisch  sauber.  Lachmanns  Richtung  wurde  durch 
Haupt,  J.  Grimms  durch  Müllenhoff  fortgeführt.  Mit  Scherer  kam  die  sprach- 
wissenschaftliche Strömung  und  die  Litteraturgeschichte,  besonders  der  neueren 
Zeit,  zu  stärkerer  Geltung  als  zuvor.  W.  wünscht  in  der  Litteraturgeschichte  Ver- 
einigung der  philosophisch-ästhetischen  und  der  philologischen  Betrachtung.  Einseitige 
Behandlung  ist  schädlich.  Der  Philologe  allein  gerät  leicht  in  Einzelheiten  und 
Kleinigkeiten,  der  Aesthetiker  in  allgemeine  Oberflächlichkeit.  W.  hebt  endlich 
hervor,  wo  noch  am  meisten  zu  arbeiten  sei.  Er  fordert  syntaktische  und  lexikalische 
Studien,  namentlich  im  Anschluss  an  die  Mundart,  überhaupt  Volkskunde  im  weitesten 
und  tiefsten  Verstände;  er  schliesst  mit  einer  ernsten  Mahnung  an  die  Studierenden 
zu  redlicher  und  eifriger  Arbeit.  —  Der  erste  Band  der  durch  Erich  Schmidt  und 
Burdach 2)  herausgegebenen  kleinen  Schriften  Wilh.  Scherers  enthält  auf  S.  1—227 
die  zahlreichen  Arbeiten  zur  Geschichte  der  deutschen  Philologie.  Obenan  stehen 
die  Reden  und  Aufsätze  über  die  Brüder  Grimm,  über  Lachmann,  Benecke  und 
Haupt;  dann  kleinere  Artikel  über  Graff,  Docen,  Massmann,  Diemer,  Hahn,  Jacobi, 
Holtzmann,    Mannhardt,    Adelung,    Erduin    Julius    Koch    usw.     Man   sieht  gerne 

1.  Abt.  (1891  u.  92).  L.,  Eeissner.  1892-93.  478  S.;  128  S.  h.  M.  9,00.  -  173)  Jahresberichte  für  neuere  dtsch.  Litt.-Gesoh. 
her.  T.  J.  Elias,  M.  Herrmann,  S.  Szamatölski.  1.  Bd.  (1890).  St.,  Göschen.  1892.  XI,  136  n.  196  S.  M.  10,00.  2.  Bd. 
(1891).  ib.  IX,  196  u.  275  S.  M.  12,00.  |[E.  Wulckow:  Zeitgeist  N.  1 ;  P.  N(iithan ):  Nation«.  9,  S.  595,6;  A.  Sauer: 
DLZ.  S.  141/6;  BLU.  S.  399;  SchwäbKron.  1892,  13.  Juni;  0.  F.  Walzel:  ZOG.  44,  S.  994-1001;  L.  Frftnkel:  ZDU.  7, 
S.  433,5;  HPBU.  110,  S.  229;  0.  Harnack:  PrJbb.  71,  S.  333/4;  F  Servaes:  ML.  S  193,4;  MLN.  7,  S.  63;  G.  Stein- 
hausen:  ZDKG.  I,  S.  141/2;  Calvin  Thomas:  MLN.  8,  S.  372,5;  F.  Muncker:  BBG.  29,  S.  218-22;  F.  Lemmermayer: 
BLU.  S.  211/2;  A.  Chuquet:  ECr.  35,  S.  128;  LCBl.  1892,  S.  130/2;  ib.  1893,  S.  87,9;  MHL.  20,  S.  193.]|  —  174)  B.  Seuffert, 
Statt  eines  Schlusswortes :  VLQ.  6,  S.  628.  — 

1)  (I  1  :40.)  -  2)  (I  1  :  117.)   -  3)  Edw.  Schröder,  Diederich  t.  Stade:  ADB.  35,  S.  853/5.  —  4)  id.,  Chrph. 


W,  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philolog-ie.  I  2  :  s-u 

Scherers  geistreiche,  scharfe  Charakteristiken  in  einem  bequemen  Sammelbande  ver- 
einig-t,  zumal  diejenigen  Aufsätze  und  Nekrologe,  welche  in  der  Tageslitteratur  verstreut 
und  daher  nur  schwer  zugänglich  sind.  — 

lieber  eine  Reihe  von  Vorläufern  der  grossen  deutschen  Philologen  wird 
in  der  ADB.  berichtet.  Dietrich  von  Stade  (1637 — 1718)  wird  von  Edw. 
Schröder^)  als  ein  trefflicher  Kenner  des  Althochdeutschen,  der  Sprache  Otfrieds 
gepriesen.  Stade  ist  der  erste  deutsche  Gelehrte,  der  über  den  antiquarischen 
Dilettantismus  hinaus,  bei  dem  selbst  die  tüchtigsten  seiner  Landsleiite,  wie  Schilter, 
stehen  blieben,  zu  der  klaren  Erkenntnis  und  Forderung  fortgeschritten  ist,  für 
jede  einzelne  germanische  Mundart  und  für  jeden  einzelnen  Zeitraum  müsse  zunächst 
eine  feste  grammatikalische  Grundlage  geschaffen  werden.  —  Des  Arztes  C.  E.  Stein- 
bach (1698—1741)  deutsche  Grammatik  und  Wörterbücher  —  auch  sie  behandelt 
Edw.  Schröder*)  —  verraten  zwar  keine  altdeutschen  Kenntnisse,  jedoch  gute 
Beobachtungsgabe  und  Einteilung,  z.  B.Trennung  starker  und  schwacher  Konjugation, 
Beobachtung  des  Ablautes  in  der  Nominalbildung  und  dergleichen.  —  Der  Basler 
Joh.  Jakob  Spreng  (1699—1768),  den  Socin^)  bespricht,  wurde  1741  Professor 
der  deutschen  Poesie  und  Beredsamkeit  zu  Basel.  Er  verhalf  dem  durch  Gottsched  ver- 
tretenen modernen  Typus  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache  zum  Durchbruche  gegen 
das  bisher  übliche  süddeutsche  Kanzleideutsch.  1744  bereitete  er  eine  Ausgabe  des 
Boner  vor  und  berichtete  an  Bodmer  von  der  Möglichkeit,  die  Manessische  Hs.  ab- 
schreiben zu  lassen.  Die  1748  von  Bodmer  veranstaltete  Ausgabe  ist  somit  wohl 
auf  Sprengs  Anregung  zurückzuführen.  Er  arbeitete  an  einem  umfassenden  historisch- 
kritischen Wörterbuch  der  deutschen  Sprache,  wovon  1758  ein  Probebogen  erschien. 
Das  Werk  war  auf  sechs  Bände  berechnet,  gelangte  jedoch  nicht  zum  Druck.  Die 
Hs.  liegt  auf  der  Basler  Universitätsbibliothek.  Für  die  Rechts-  und  Gewerbesprache 
des  14.— 16.  Jh.  ist  sie  sehr  ergiebig.  Auch  das  „Idioticon  Rauracense  oder  base- 
lische Wörterbuch"  bietet  viel  zur  Kenntnis  des  Alemannischen  im  18.  Jh.  Das 
Werk  kann  als  das  beste  mundartliche  Wörterbuch  seiner  Zeit  bezeichnet  werden.  — 
Joh.  Chrph.  Strodtraann  (1717— 56)  macht  nach  Edw.  Schröder^)  im  „Idioticon 
Osnabrugense"  verständige  Bemerkungen  über  den  Unterschied  von  Stadt  und  Land, 
Gemeinniederdeutsch  und  Einzelmundart,  Eindringen  von  holländischen  Wendungen. 
Die  für  ihre  Zeit  beachtenswerten  Leistungen  wurden  aber  bald  überholt.  —  Als  ein 
Vorläufer  Schmellers  wird  der  katholische  Schweizer  Pfarrer  und  Schulinspektor 
Franz  Jos.  Stalder  (1757—1833)  von  Tobler^)  gerühmt.  Er  schuf  seine  Werke 
aus  genauer  Kenntnis  des  Volkslebens  wie  aus  dem  Studium  der  altalemannischen 
Sprache.  Auf  dem  Ms.  der  zweiten  Auflage  des  Stalderschen  Idiotikons  ist  das 
grosse  neue  schweizerische  Idiotikon  begründet.  — 

Eine  Charakteristik  des  Urgross  vaters  der  Brü  der  Grimm,  des  Konsistorial- 
rats  und  geistlichen  Inspektors  Friedrich  Grimm  (geb.  1672  in  Hanau,  gest.  1748), 
gab  Steig»),  namentlich  aus  G.  Junghans  Geschichte  der  Kirchen  Visitationen  der 
Hanauer  evangelisch-reformierten  Kirchen  im  18.  Jh.  (Coblenz  1893).  In  der  Er- 
scheinung und  Anlage  glich  dem  trefflichen  Manne  am  meisten  Jakob.  —  Roden- 
berg^)  plaudert  über  seine  persönlichen  Erinnerungen  an  die  Brüder,  über  die  Be- 
ziehungen zwischen  ihnen  und  ihrer  hessischen  Heimat.  —  Steigs  Buch  „Goethe 
und  die  Brüder  Grimm"  (vgl.  JBL.  1892  12:3;  IV  8b:  43)  rief  mehrere  Besprech- 
ungen hervor.  1*^)  Pniower  findet,  Steig  habe  zuviel  gelobt,  sich  gescheut,  offen  zu 
sagen,  dass  Goethe  den  Bestrebungen  der  Brüder  keineswegs  diejenige  Wärme  ent- 
gegenbrachte, die  wir  heute  gewünscht  hätten.  Dieser  Sachverhalt  sei  wohl  zu 
verstehen  und  zu  erklären,  müsse  aber  deutlich  hervorgehoben,  nicht  vertuscht  werden. 
Während  Suphans  Urteil  sehr  freundlich  klingt,  fehlt  es  nicht  an  Stimmen,  welche  zu 
wenig  Thatsächliches,  zu  viel  Schönrednerei  über  einen  zu  so  breiter  Darstellung  nicht 
geeigneten  Gegenstand  vorfinden.  Am  schärfsten  urteilte  Steinmeyer:  „Vom 
germanistischen  Standpunkt  aus  vermag  ich  in  der  vorliegenden  Schrift  nichts  zu 
entdecken,  das  unsere  Kenntnis  vom  Entwicklungsgange  der  Brüder  Grimm  er- 
weitert oder  vertieft.  Welcher  Wert  dem  Büchlein  vom  Standpunkt  der  Goethe- 
philologie aus  zukomme,  überlasse  ich  deren  Adepten  zu  beurteilen."  —  In  einer 
Widmungsschrift  zum  80.  Geburtstag  des  Geh.  Regierungsrates  Aug.  Meyer  bringt 
Schneide win  11)  mit  Ciceros  Schrift  De  senectute  J.  Grimms  Rede  über  das  Alter 
zum  Abdruck.  —  Die  kleineren  Schriften  Jakobs  (vgl.  JBL.  1890  12:6)  zeigte 
Behaghel'-)  an.  —  Ueber  den  Briefwechsel  Lückes  mit  den  Brüdern  (vgl.  JBL. 
1891  12:6;  1892  12:10)  ward  noch  kritisch  berichtet >3).  _ 

E.  Steinbach:  ib.  S.  684/6.  —  5)  A.  Socin,  J.  J.  Spreng:  ib.  S.  291/3.  —  6)Eclw.  Schröder,  J.  Chrph.  Strodtminn:  ib.  36,  S.  611/2. 

—  7)  L.  Tobler,  F.  J.  Stalder:  ib.  35,  S.  416/7.  —  8)  R.  Steig,  Z.  Faniiliengesch.  d.  Brüder  Grimm:  KatZg.  N.  402.  —  9)  J. 
Bodenberg,  J.  Grimm:  MünchKN  N.  434.  (Gleichlautend  in  Didask.  N.  217  u.  FränkKur.  N.  478 )  —  10)  0.  Pniower: 
VossZg«.  N  8/9;  B.  Suphan:  DLZ.  S.  111/2;  LCBl.  S  87,  E.  Steinmey  er:  ADA.  19,  S.  187,8;  E.M.  Meyer:  ML.  62,  S.  75/6. 

—  11)  M.  Schneidewin,  Cicero  u.  J.  Grimm  über  d.  Alter.  Hamburg,  Verlagsanst  108  S.  M.  3,00.  —  12)  X  0.  Behaghel: 
LBlGBPh.  14,  S.  385;  Breal:   BCr.  35,  S.  407/9.  —  13)  DRs.  75,  S.  156.  —  141  K.  Dziatzko,   Briefe  Fr.  H.  v.  d.  Hagens  an 

3* 


I  2  :  15-18  W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

Briefe  von  der  Hag-ens,  12  an  C,  G.  Heyne  aus  den  J.  1805—12, 
4  an  Benecke  1810—20,  veröffentlichte  Dziatzko^*).  Die  Briefe  sind  teils  voll- 
ständig-, teils  im  Auszug-  mitgeteilt.  Sie  betreffen  die  Benutzung-  der  Götting-er 
Bibliothek,  aus  der  von  der  Hagen  für  seine  Arbeiten  über  die  altdeutschen  Helden- 
gedichte namentlich  nordische  Bücher,  Ausgaben  der  Thidrekssaga  und  der  nordischen 
Kjaempeviser  verlangte.  Auch  in  den  Briefen  giebt  sich  von  der  Hagen  als  viel- 
geschäftiger, ideenreicher,  aber  ungründlicher  Mann,  der  sich  nicht  einmal  Zeit 
nimmt,  einen  Brief  fehlerlos  hinzuschreiben.  Schon  in  früher  Zeit  war  seine  Sonder- 
art entwickelt.  Im  ersten  Brief  aus  dem  J.  1805  teilt  er  Heyne  seine  weitgehenden 
Pläne  mit:  „Ein  vollständiges  Wörterbuch  der  schwäbischen  Periode  (als  Supplement 
zum  Scherz);  korrekte  Ausgaben  alter  Hss.,  besonders  noch  ungedruckter;  historische, 
kritische  und  antiquarische  Bearbeitung  der  bekannten,  aus  verglichenen  Hss.;  eine 
besondere  Grammatik  dieses  Zeitraums  und  endlich  eine  Geschichte  der  deutschen 
Poesie  in  demselben."  Auf  von  der  Hagens  bibliothekarische  Thätigkeit  in  Breslau, 
welche  Reitferscheids  Artikel  in  der  ADB.  nicht  erwähnt,  weist  D.  (S.  3  Anm.  1)  hin.  — 

Schmellers  Briefe  an  den  Schweizer  Samuel  Hopf,  die  zum  Teil  schon 
von  Nicklas  in  seiner  Schmeller-Biographie  1885  verwertet  sind,  erscheinen  nun,  von 
Ve  tter '^)  herausgegeben,  in  vollem  Umfange.  Sie  fallen  in  eine  grosse  Zeit  (1813 — 14); 
Schmellers  treöliche  Persönlichkeit  leuchtet  aus  ihnen  im  hellsten  Licht.  Aus  Konstanz, 
München  und  Kempten  geschrieben,  berichten  sie  von  dem  Abschied  des  Gelehrten 
aus  der  Schweiz,  als  er  in  Bayern  als  Oberlieutenant  Dienste  thun  wollte.  Schmellers 
inniges  Gemüt,  seine  poetische  Anlage,  seine  vaterländische  Gesinnung,  seine  Weich- 
mütigkeit  und  doch  entschlossene  Begeisterungsfähigkeit,  seine  Freude  am  Soldaten- 
leben, alle  diese  Züge  geben  ein  schönes,  lebensvolles,  herzerquickendes  Bild.  — 

Am  4.  März  wurde  Lachmanns  Säk  ular  f  eier ,  sein  100.  Geburtstag, 
festlich  begangen.  In  der  Berliner  Akademie  beleuchtete  Vahlen^^)  den  wissen- 
schaftlichen Entwicklungsgang  des  Gelehrten.  Weniger  aus  fremdem  Einfluss  als 
aus  eigenster  ursprünglicher  Veranlagung,  so  führte  V.  aus,  erklärt  sich  Lach- 
manns Schaffen  auf  dem  Gebiete  der  germanischen  und  klassischen  Philologie.  Sein 
Sinn  war  gerichtet  auf  die  Erforschung  der  Sprache  in  der  Eigenheit,  wie  sie  sich 
beim  einzelnen  Schriftsteller,  beim  Dichter  oder  Prosaiker,  individuell  geartet,  dar- 
bietet. Lachmann  besass  eine  ganz  besondere  Fähigkeit  des  Nachempfindens,  worauf 
seine  hervorragendsten  Leistungen  bei  Wiederherstellung  der  von  den  Fehlern  der 
Ueberlieferung  gesäuberten  Originale  zurückzuführen  sind.  Er  vertraute  dieser  Be- 
gabung auch  bei  Zerlegung  der  Dichtungen  in  ihre  Urbestandteile.  Die  Gegensätze 
und  doch  auch  verwandten  Züge  in  J.  Grimms  und  Lachmanns  Natur  suchte  V. 
feinsinnig  zu  charakterisieren.  —  Leo^'')  weist  hauptsächlich  auf  Lachmanns  Be- 
ziehungen zu  Göttingen  hin:  1809  begann  er  dort  zu  studieren,  1815  verliess  er  als 
Privatdocent  die  Universität,  1837  erhielt  er  die  theologische  und  juristische  Doktor- 
würde. L.  will  versuchen,  Lachmanns  Art,  seine  Entwicklung  und  Wirkung  aus 
der  wissenschaftlichen  Bewegung  seiner  Zeit  zu  verstehen.  Im  Göttinger  Freundes- 
kreise klangen  romantische  Töne;  aus  der  romantischen  Bewegung  erhielt  Lachmann 
die  Anregung  zur  Erforschung  des  Altdeutschen.  Aber  trotzdem  war  Lachmann 
das  rechte  Widerspiel  gegen  die  Romantiker,  insofern  er  vieles  ausschloss,  z.  B. 
Märchen,  Volkslied  und  Volkssage.  J.  Grimm  klagt,  dass  so  vieles,  was  ihm  am 
Herzen  liege.  Lachmann  gar  nicht  berühre.  Vor  allem  aber  als  Kritiker  war  Lach- 
mann der  Romantik  abhold.  Seine  wissenschaftliche  Persönlichkeit  wird  nun  aus 
der  klassischen  Philologie  beleuchtet.  Lachmann  fand  in  ihr  das  Rüstzeug  vor, 
das  der  sich  bildenden  deutschen  Wissenschaft  vor  allem  Not  that.  Er  hat  sein 
Leben  hindurch  mit  dem  Meissel  und  Richtmass  der  einen  die  Bausteine  der  anderen 
behauen  und  gefügt,  doch  so,  dass  er  unter  der  Arbeit  das  eigene  Werkzeug  schärfte 
und  seinen  richtigen  Gebrauch  entdeckte  und  lehrte.  Lachmanns  Kritik  ordnete 
die  Ueberlieferung  und  prüfte  sorgsam  die  Zeugen;  durch  scharfes  Eindringen  und 
liebevolles  Hineinfühlen  in  des  Dichters  Art  suchte  er  dessen  Absichten  zu  erkennen 
und  die  entstandenen  Schäden  zu  heilen.  Sein  ganzes  Schaffen  bewegt  sich  im  Kreise 
der  Kritik,  insbesondere  der  Textkritik.  Er  war  „zum  Herausgeber  geboren."  Zum 
Schlüsse  giebt  L.  noch  eine  kurze  Schilderung  von  Lachmanns  persönlich-mensch- 
lichen Eigenschaften.  —  Am  meisten  bietet  Sanders **)  Aufsatz  über  Lachraann. 
Einem  Verzeichnis  aller  für  Lachmanns  Biographie  wichtigen  Schriften  folgt  eine 
Schilderung  seiner  Persönlichkeit,  „mit  Hervorhebung  des  Neuen,  das  sich  im  Laufe 
der  letzten  Jahre  zu  dem  bereits  Bekannten  neu  anfand."    In   der   Hauptsache  sind 

Chr.  G.  Heyne  (1805-12)  u.  an  ö.  Fr.  Benecke  (1810-20).  (=  Festgruss  an  K.  Weinhold  znm  70.  Geburtstage  am  26.  Okt.) 
L.,  M.  Spirgatis.  IV,  36  S.  M.  2,00.  -  15)  F.  Vetter,  Briefe  J.  A.  Schmellers  an  S.  Hopf:  SchwRs.  2,  8.  667-96;  3,  S.  72-82, 
190/6.  —  16)  J.  Vahlen,  Ueber  K.  Lachmann.  (=  Ansprache  %.  Leibniz- Feier) :  SHAkBerlin.  S.  615-23.  [[VossZg.  N.  301 ;  AZg». 
N.  149;  M.  Hertz:  BPhWS.  13,  S.  U96.]|  —  17)  F.  Leo,  Rede  z.  Säknlarfeier  K.  Lachmanns  am  4.  März  im  Namen  d.  Georg- 
Augnsts-UniT    Göttingen,  Dieterich.    18  S.   M.  0,40.   |[M.  Her  tz:  BPhWS.  13,  S.  1006.]!  —  18)  F.  Sander,  K.  Laohmann:  AZgB  ^ 


W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philolog-ie.  12:  19-26 

Lachmanns  Jug-endbriefe  an  Lücke  benutzt.  S.  erörtert  Lachmanns  Verhältnis  zu 
seinem  Vater,  den  Ueberg-ang-  von  der  Theologie  zur  Philolog-ie,  den  Götting-er 
Freundeskreis  1813-  15.  „Die  ganze  Fülle  und  Wärme  seines  Gemütes  hat  Lachmann 
nur  in  der  Freundschaft  bewährt,  die  auch  von  keiner  zur  vollen  Kraft  und  Reife  ge- 
diehenen Frauenliebe  bei  ihm  überboten  ward."  Noch  aus  König-sberg  schrieb  er 
überschwellende  jugendliche  Gefühlsergüsse.  Eine  kurze  Darstellung  von  Lach- 
manns Verhältnis  zu  Meusebach  und  zu  den  Brüdern  Grimm  macht  den  Beschluss. 
—  Auch  Weinholds^^)  Rektoratsrede  gedenkt  Lachmanns.  —  Die  Tagespresse  hat 
nichts  von  Bedeutung  gebracht.20-21^  _ 

Die  wertvollste  Gabe  zur  Säkularfeier  bildeten  die  im  Vorjahre  erschienenen 
Veröffentlichungen  Lachmannscher  Briefe  fvgl.  JBL.  1892  12:9  —  10),  von  denen 
die  Sammlung  der  Schreiben  an  Haupt  noch  wiederholt  besprochen  wurde^^).  — 
Hertz^ä)  veröffentlichte  zwei  Briefe  Lachmanns  an  Brandis  vom  6.  Febr.  und 
6.  Mai  1831.  Im  ersten  ist  von  Niebuhrs  Tod  die  Rede  und  von  der  Ergänzung 
des  Lachmannschen  Aufsatzes  „Kritik  der  Sage  von  den  Nibelungen",  der  1830  beim 
Brande  des  Niebuhrschen  Hauses  beschädigt  worden  war.  Im  zweiten  wird  "Wacker- 
nagel mit  seiner  Abhandlung  „Ueber  Konjugation  und' Wortbildung  durch  Ablaut 
im  Deutschen,  Griechischen  und  Lateinischen"  für  das  Rheinische  Museum  warm 
empfohlen.  — 

Einen  Brief  von  M.  Haupt  an  Uhland  druckt  S  t  r  a  u  c  h  ^4)  ab,  worin  des 
letzteren  Mitarbeit  an  der  ZDA.  demütig  und  dringend  erbeten  wird.  Uhland  leistete 
bekanntlich  nicht  Folge;  die  Zeitschrift  erhielt  keine  Beiträge  von  ihm.  — 

Gervinus^^)  Selbstbiographie,  1860  geschrieben,  aber  erst  1893  nach  dem 
Tode  seiner  Witwe  veröffentlicht,  giebt  in  wohlgegliederten  und  abgerundeten 
Abschnitten  die  Geschichte  seines  Lebens  bis  1836.  Schuljahre,  Lehrjahre  in  der 
Kaufmannschaft,  Lehrjahre  in  der  Wissenschaft  bei  F.  C.  Schlosser,  Wanderjahre, 
Berufswahl,  Hausgründung  werden  eingehend  geschildert.  Bereits  gedruckt  war 
der  Nachruf  auf  Schlosser,  ferner  die  im  Anhang  mitgeteilten  üebersetzungen  und 
Xenien  und  die  Grundzüge  der  Historik,  Arbeiten,  die  auf  dem  Hintergrunde  der 
Lebensgeschichte  noch  bedeutungsvoller  hervorgehen.  In  dieser  Biographie  treten 
alle  Aeusserlichkeiten  und  Einzelheiten,  jeder  unterhaltende  Anekdotenkram  zurück 
vor  der  weit  höheren  Aufgabe,  die  innere  geistige  Entwicklungsgeschichte  mit 
schonungsloser  Offenheit  zu  schildern.  Aus  Verirrungen  aller  Art,  aus  g-efühlvoUem 
Ueberschwang,  aus  unklarer  Romantik  vollzieht  sich  der  Uebergang  zur  ernsten, 
zielbewussten,  geschichtlichen  Forschung,  zu  klarer  Lebensanschauung.  Durch 
Schlosser  ist  G.  gereift.  Mit  Reclit  stellt  er  diesen  seinen  hochverehrten  Lehrer  in  den 
Mittelpunkt  seiner  Schilderung.  Wie  G.  zum  Litterarhistoriker  wurde,  führt  er  nicht 
näher  aus.  Die  Neigung  zur  Dichtung  entfaltete  sich  während  seiner  geschicht- 
lichen Studien  zur  Forschung  über  ihr  Wesen.  Nur  in  aller  Kürze  erwähnt  aber 
G.  den  äussern  Anlass  zu  seiner  Geschichte  der  deutschen  Dichtung,  den  Auftrag 
des  Verlegers.  Das  ästhetische  Gefühl  G.s  ging  arg  in  die  Irre,  als  er  versuchte, 
die  mittelhochdeutschen  Epen,  die  Gudrun  dadurch  wieder  zu  beleben,  dass  er  sie 
in  das  unleidliche  Gewand  des  Vossischen  Hexameters  zwängte.  Eine  schlimmere 
Stilwidrigkeit  ist  kaum  möglich,  wie  die  Gudrunhexameter  auch  zur  Genüge  zeigen. 
Aber  G.  fühlte  sie  nicht.  S.  273  thut  er  den  unglaublichen  Ausspruch:  „In  den 
alten  klassischen  Formen  nehmen  sich  die  Reste  der  .deutschen  Sage  weit  am 
reizendsten  aus."    — 

Von  einzelnen  jüngeren  Gelehrten  fand  Zarnckes  Leben  und 
Wirken  einen  Schilderer  in  Vogt^ß).  In  Kürze  werden  hier  die  einzelnen  Arbeiten 
charakterisiert,  deren  Veranlassung  —  wie  z.  B.  beim  Buch  über  das  Narrenschiff 
die  Katalogisierung  der  Meusebachschen  Bücherei  —  womöglich  hervorgehoben  wird, 
und  ihrer  zeitlichen  Reihenfolge  nach  sämtliche  Schriften  Zarnckes  verzeichnet.  Sein 
Streben  ging  aufs  Thatsächliche,  auf  das  Sammeln  und  Sichten  der  gesamten,  irgendwie 
verwertbaren  Ueberlieferung,  wobei  er  staunenswerten  Fleiss  und  Scharfsinn  bewies. 
Den  festen  Boden,  den  er  unter  den  Füssen  haben  wollte,  fand  er  nur  in  den 
schriftlichen  Denkmälern;  mit  mündlicher  Ueberlieferung  rechnete  er  nicht.  Diese 
Grundanschauungen  Zarnckes  bedingen  seinen  Gegensatz  zu  Lachmann,  Müllenhoff 
und  Scherer,  die  für  sein  Gefühl  zuviel  über  das  Gegebene  hinaus  konstruierten.  — 
In  der  Sitzung  der  Münchener  Akademie  vom  21.  März  gedachte  der  Präsident 
Mathias    von    Lexers,  indem  er  die  Hauptdaten  seines  Lebens  und  die  wich- 


N.  54/6.  —  19)  (S.  0.  N  1.)  —  20)  X  R-  I-oewenfeld,  K.  Lachmana:  Didask.  N.  54.  (Gleichlantend  in  FeuilletZg.  N.  452.) 
—  21)  X  K.  Lachmann:  NatZg».  N.  151.  —  22)  X^.  Steinmeyer:  ADA.  19,  S.  185/7  (Hervorhebung  wichtiger  Partien; 
Nachtrr.  zu  Vahlens  Erläuterungen);  M.  Roediger:  ASNS.  91,  S.  74/8:  LCBl.  S.  731.  —  23)  M  Hertz,  Zwei  Briefe  t.  K. 
Lachmann  an  Chr.  A.  Brandis:  ADA.  19,  S.  197-200.  —  24)  Ph  Strauch,  E.  Brief  M.  Haupts  an  L  Uhland:  ib.  S.  96  7.  — 
25)  ö.  G.  Gervinns  Leben.  V.  ihm  selbst  (1860)  L.,  Engelmann.  XVI,  408  S.,  mit  4  Bildn.  in  Stahlstich.  M.  9,-00.  |[M. 
Bartels:  Didask.  N.  273/4;  FZg.  N.  276.j|    (S  u.  lY  Ic  u.  IV  5.)  —  26)  F.  Vogt,  F.  Zarncke:  ZDPh.  25,  S.  71-90.    (Vgl.  JBL. 


I  2  :  27-48  W.  Grolther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

tig-sten  Werke  aufzählte  und  Lexers  edle  Persönlichkeit  rühmte  - ').  —  W  e  i  n  h  o  1  d^S) 
wiederholte  den  warmen  Nachruf  der  AZg-ß.  (vgl.  JBL.  1892  12:24)  an  anderer 
Stelle  und  fügte  eine  Uebersicht  über  die  gedruckten  Schriften  Lexers  bei.  —  Im 
Nachruf  auf  den  nordischen  Altertumsforscher  T  h.  W  i  s  e  n  ,  Professor  in  Lund,  der 
sich  um  die  nordische  Philologie  namentlich  durch  Herausgabe  des  Stockholmer  Homilien- 
buchs  und  durch  die  reichhaltige  Auswahl  von  Skaldengedichten  (carmina  norroena) 
verdient  gemacht  hat,  erörtert  C  e  d  e  r  s  c  h  j  ö  1  d  29)  in  aller  Kürze  die  Entwicklungs- 
geschichte der  nordischen  Philologie  in  Schweden.  Im  17.  Jh.  sammelte  man  in 
Schweden  eifrig  altnordische  Hss.,  am  Anfang  des  19.  Jh.  erweckte  die  sogenannte 
gotische  Dichterschule  (Tegn er,  Geyer  u.  a.)  Sinn  für  die  nordische  Vorzeit,  1859  wurden 
in  Lund  und  Upsala  Lehrstühle  errichtet.  —  Seinem  in  den  vorjährigen  JBL.  (1892 
I  2  :  38)  erwähnten  Nachruf  auf  Reinh.  Köhler  lässt  Erich  Schmidt  =^o)  einen 
zweiten  ebenso  warm  empfundenen  und  schön  geschriebenen  über  den  „hilfreichsten 
Bücherwart,  den  bescheidensten  Doktor  Allwissend"  folgen,  worin  Köhlers  Arbeiten 
für  die  Weimarer  Klassiker  besonders  verzeichnet  und  gewürdigt  sind,  —  Kl  u  ge^') 
rühmt  Köhlers  schlichte  Menschlichkeit,  seine  gewaltige  Gelehrsamkeit,  seine  un- 
gemessene Freigebigkeit  an  alle,  die  seinen  Rat  suchten.  Nie  hielt  er  eifersüchtig 
mit  seinen  eigenen  Funden  zurück.  —  Den  Lebenslauf  Bacmeisters  (gest.  25.  Febr. 
1873)  schildert  Holde  r32).  Er  würdigt  dabei  seine  Verdienste,  welche  einerseits 
in  der  gewandten  Neubearbeitung  und  üebertragung  altdeutscher  und  lateinischer 
Denkmäler,  andererseits  in  den  gründlichen  Forschungen  über  alemannische  Orts- 
namenkunde bestehen.  Aeussere  Umstände  trugen  wesentlich  Schuld,  dass  Bacmeister 
keine  umfassenden,  abgerundeten  Arbeiten  hinterliess;  aber  seine  Leistungen  sind 
eigenartig,  ursprünglich,  anregend.  —  Den  trefflichen  Schulmann  K.  E.  H.  Krause 
(1822  —  92),  der  sich  ausser  vielen  andern  Beschäftigungen  der  Erforschung  nieder- 
deutscher Sprache  und  Geschichte  mit  erfolgreichem  Eifer  hingab  und  zuletzt  dem 
Verein  für  Niederdeutsche  Sprachforschung  vorstand,  würdigt  Koppmann^^)  in 
einem  gehaltvollen  Nachruf,  der  durch  sorgfältige  Aufzählung  aller  weitverstreuten 
Arbeiten  Krauses  bleibenden  Wert  hat.  —  Im  KßlVNiederdSpr.  werden  H.  Frisch- 
bier, dem  Kenner  ostpreussischer  Volkskunde,  aus  Babuckes^^)  Feder,  sowie 
dem  Gymnasiallehrer  W.  Knorr  kurze  Nachrufe  gewidmet ^^j.  —  Einen  warmen, 
gut  gemeinten  Nekrolog  für  L.  Lindenschmit  verfasste  Fischbach '^^).  Die 
Gedächtnisrede  giebt  Veranlassung  zu  etwas  phantastischen  Aufstellungen  über 
die  Wanderung  der  Arier.  Davon  ist  viel  mehr  die  Rede  als  von  Lindenschmit  selbst. 
—  Weit  inhaltsreicher  ist  Adamys^"?)  Gedächtnisrede.  Nach  einem  Vergleich 
zwischen  Essenwein  und  Lindenschmit  wird  des  letzteren  Verdienst  um  das  römisch- 
germanische Centralmuseum  gebührend  hervorgehoben.  Ferner  wird  Lindenschmits 
schriftstellerische  Thätigkeit  erörtert,  wobei  gelegentlich  die  Angriffe  seiner  Feinde, 
insbesondere  die  hässliche  Schimpferei  Müllenhoffs,  abgefertigt  werden.  —  Ferner 
erwähne  ich  noch  Nachrufe  auf  Zing  er  1  e"^^"""^'*)^  Wur  z  b  a  ch'*"),  den  Theologen 
und  Philologen  K.  Hartfelder 4i-44).  _  ß.  ten  Brinks  Andenken  (vgl.  JBL.  1892 
1 2  :  34/7)  wird  erneuert  durch  die  Ausgabe  von  5  Shakespearevorlesungen  aus  seinem 
Nachlasse 45-46).  — Einen  Ueberblick  über  R.  von  Gottschalls  Leben  und  geistige 
Entwicklung  giebt  Braschs4^)  leicht  hingeworfene  Skizze.  Seine  poetische  und 
journalistische  Thätigkeit  wird  jedoch  mehr  gerühmt  als  die  gelehrte.  Nur  flüchtig 
ist  auf  die  litterarhistorischen  und  kritischen  Arbeiten  Gottschalls  hingewiesen.  Die 
ausgewählten  Versproben  aus  seinen  Dichtungen  sind  weder  durch  Gedankeninhalt 
noch  durch  gefällige  Form  ausgezeichnet.   — 

Verschiedene  Forscher  mögen  in  einer  Schlussgruppe  erscheinen.  Auf 
Grund  der  1891  veröffentlichten  umfangreichen  Briefsammlung  Choix  des  lettres 
d'E  ugene  Burnouf  (1825—52)  charakterisiert  B  e  r  g  e  r4S)  den  hervorragenden 
Orientalisten.     Die    Briefe    beziehen    sich    meist   auf   das    Privatleben  Burnoufs,  auf 


1891  I  2  :  36-40;  1892  I  2  :  44.)  —  27)  M.  v.  Lexer:  SBAkMüncheni'l".  1,  S  239-41.  (Vgl.  JBL.  1892  I  2  :  24/8.)  —  28)  K  Wein- 
hold, M.  V.  Lexer:  ZDPh.  25.  S.  253/5.  —  29)  G.  Cederschjöld,  Th.  Wisea:  ib.  S.  362  6.  -  30)  Erich  Schmidt,  E. 
Köhler:  UJb.  14.  S.  297-304.  (Vgl.  auch  JBL.  1892  I  2:39-40.)  —  31)  F.  Kluge,  B.  Köhler:  JbDShakespGes.  28,  S.  342/4.  — 
32)  A.  Holder,  Z.  Gedächtn.  A.  Bacmeisters:  Alemannia  21,  S.  97-103.  —  33)  K.  Kopp  mann,  K.  E.  H.  Krause:  JbVNiederdSpr.  18, 
S.  1-14.  (Mit  Bild.)  —  34)  H.  Babucke,  H.  Frischbier:  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  12.  (Vgl.  JBL.  1892  I  2  :  48.)  —  35)  W.  Knorr: 
ib.  S.  49-50.  —  36^  F.  Fischbach,  L.  Lindenschmit,  d.  Förderer  d.  Deutschtums  über  d.  Urheimat  d.  Indogerm.anen.  Nachruf, 
geh.  in  d.  Versamml.  d.  Ver.  f&r  nassauische  Altertumskunde  n.  Gesch.-Forschung  in  Wiesbaden.  Wiesbaden,  C.  Reinhardt.  16  S. 
M.  0,25.  —  37)  R.  Adamy,  L.  Lindenschmit:  QBllHVHessen.  1,  S.  274-83.  (Gedächtnisrede  )  -  38)  X  S.  M.  Prem,  L  v.  Zingerle: 
D.  junge  Borger  5,  N.  1.  (Vgl  JBL.  1892  I  2:29-32.)  —  39)  O  id.,  V.  alten  Naz:  Tiroler  Grenzb.  1892,  N.  47-50.  — 
40)  X  K-  T.  Wurzbach:  IllZg.  101,  S.  323.  (Charakteristik  d.  ÖObändigen  biogr.  Lex.;  vgl.  I  1  :  168.)  —  41)  X  «•  Basser- 
mann, K.  Hartfelder:  PKZ.  S  595,6.  —  42)  X  H.Haupt,  K  Hartfelder:  ZKG.  14,  S.  492/3.  —  43)  X  S.  Brandt,  Ansprache 
z.  Erinnerung  an  K.  Hartfelder.  Progr.  d.  Gymn.  Heidelberg.  4".  4  8.  —  44)  X  K.  Hartfelder:  AZg«.  N.  135.  —  45)  B.  ten 
Brink,  Shakspere,  fünf  Vorlesungen.  Aus  d.  Nachl.  Strassburg  i.  E.,  Trübner.  VI,  160  S.  Mit  Bild.  M.  2,00.  |[O.Harnack: 
PrJbb.  74,  S.  183/4.]|  —  46)  X  Ten  Brinks  letzter  Vortr.  Ober  Shakespeare  :  JbDSh.-ikespGes.  28,  S.  72-89.  (Fragmentar.  Entwurf.) 
—  47)  M.  B rasch,  R.  v.  Gottschall.  E.  litt.  Portr.  L.,  0.  Gottwald.  64  S.  Mit  Bild.  M.  1,00.  |[DR.  3,  S.  377.] |  (Vgl. 
JBL.  1892  I  2:58.)  -  48)  Ph.  Berger,   E.  Barnouf  d'apres  sa   correspondance:   RDM.  114,  S.  633-50.    (VgL  auch  JBL.  1892 


0.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  1  2  :  49-51   I  3  :  1-7 

seine  Reiseeindrücke  aus  Deutschland  und  England,  und  zeig-en  seine  trefflichen 
persönlichen  Eig-enschaften  in  hellem  Lichte.  Burnouf  rechnete  bei  seinen  Arbeiten 
mehr  mit  dem  Beifall  und  der  verständnisvollen  Anerkennung  der  deutschen  Ge- 
lehrten als  seiner  Landsleute,  aber,  obwohl  aller  Politik  fern,  blieb  er  durch  und 
durch  Franzose.  — Die  gehaltvollen  Aufsätze  über  F.  Boppund  G.  Curtius,  welche 
Gust.  Meyer *^)  einst  Inder  Schlesischen  Zg.  erscheinen  liess,  gelangten  wieder 
zum  Abdruck.  Bopps  Sprachwissenschaft  wird  als  geniales  Kunstwerk  charakterisiert. 
Seine  philologische  Begabung  war  etwas  verkümmert,  aber  um  so  weiter  schweifte 
sein  Blick,  und  gerade  dadurch,  dass  er  nicht  an  philologischen  Feinheiten  und  Kleinig- 
keiten haftete,  wurde  er  der  Schöpfer  der  vergleichenden  Sprachforschung-.  Curtius  ver- 
einigte glücklich  den  klassischen  Philologen  mit  dem  Sprachforscher.  Ihm  gelang 
es,  die  neue  Wissenschaft  in  besondere  Berührung  mit  Griechisch  und  Latein  zu 
setzen.  —  Max  Müllers  70.  Geburtstag  brachte  keine  Aufsätze  von  Belang ^0-5 i-j^  — 


1,3 

Schrift-  und  Buchwesen. 

Oskar  von  Hase. 

Schrift wesen:  Paläographie  Kl.  -  Kurzschrift  N.  5.  —  Handschriften  N.  20.  —  Antographen  N.  51.  — 
Graphologie  N.  61.  —  Bachwesen:  Erfindung  des  Buchdrucks  N.  64.  —  Aelteste  Bnchdrucicergeschichte  N.  69.  —  Wiegen- 
drucke N.  94.  —  Spätere  Bnchdruckergeschichte  N.  110.  —  Drnckermarken  N.  113.  —  Druckschrift  N.  116.  —  Bibliographie 
N.  119.  —  Zeitungswesen  N.  154.  —  Bibliotheken:  Aeltere  Bibliotheken  N.  175;  Musikalienbibliotheken  N.  190;  staatliche  und 
öffentliche  Bibliotheken  der  Gegenwart  N.  193;  SchulWbliolheken  N.  213;  Volksbibliotheken  N.  229.  —  Ex-libris  N.  235.  ~ 
Buchhandel:  Aeltere  Geschichte  N.  244;  Buchhändler  N.  251;  ausländischer  Buchhandel  N.  263;  Musikalienhändler  N.  266a; 
gegenwärtiger  Betrieb  N.  268 ;  üensur  N.  275 ;  Verlags-  und  Urheberrecht  N.  280 ;  Buchgewerbe  N.  291 ;  Bachbinderkunst  N.  294.  — 

Das  Schriftwesen  der  neueren  deutschen t)  Litteratur  ist  von  der  Hss.- 
Lehre  nach  der  formalen  Seite  hin  bisher  nicht  eingehend  gewürdigt  worden,  wohl 
weil  seit  der  Mitte  des  15.  Jh.  mit  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  die  Bedeutung 
der  Hs.  zurücktritt  und  mit  dem  Aufkommen  individueller  Verfasserthätigkeit  zugleich 
die  typischen  Hss.-Formen  entarten.  Auch  nach  Begründung  einer  Hss.-Kunde  der 
neueren  Zeit  wird  die  Paläographie  Lehrmeisterin  auf  diesem  Gebiete  bleiben. 
Ein  in  allem  Wesentlichen  verlässliches,  brauchbares  und  leicht  zugängiges  Handbuch, 
das  griechische  und  lateinische  Schrift  umfasst,  hat  der  Engländer  Thompson ^j 
veröffentlicht.  —  Für  das  Sondergebiet  neapolitanischer  Notarurkunden,  das  einst 
Friedrich  H.  zu  regeln  suchte,  liegt  ein  italienisches  Tafelwerk^J  vor.  —  Von  Leis  ts*j 
praktischer  Urkundenlehre  ist  eine  verbesserte  Auflage  erschienen.  — 

Für  die  alte  Kurzschrift  hat  Schmitz^)  in  umfassender  Kenntnis  dieses 
Gebietes  einer  von  ihm  kritisch  und  exegetisch  behandelten  Fuldaer  Sammlung  der 
Karolingerzeit  mit  den  von  ihm  angeschlossenen  Abweichungen  und  Ergänzungen 
von  19  ähnlichen  Ueberlieferungen  einen  kurzen  Doppelbericht  über  die  Kommentare 
zu  Tironischen  Noten  und  über  deren  Ursprung  und  Abfassung  vorausgeschickt  und 
ein  alphabetisches  Verzeichnis  des  Inhalts  der  Notengruppen  folgen  lassen.  —  Die 
neuere  stenographische  Litteratur  hat  in  den  Berichtsjahren  1890—93  einen  grossen 
Umfang  gewonnen  (1890:53  Werke;  1891:98;  1892:112;  1893:  153  Werke  einschl. 
der  neuen  Auflagen),  aber  Weniges  nur  hebt  sich  aus  der  Menge  der  minderwertigen 
Veröffentlichungen  heraus.  —  Meinberg ^J  giebt  einen  gedrängten  Ueberblick  über 
die  Geschichte  der  Stenographie,  der  zur  ersten  Einführung  wohl  geeignet  erscheint, 
sich  aber  in  der  Hauptsache  als  Auszug  aus  grösseren  Werken  darstellt  und  auch 
dem  Gabelsbergerschen  Parteistandpunkt  nicht  ganz  vorbeugen  kann.  —  Lesbar  und 
anregend  verfolgt  F.  Stolze 'J,  der  Sohn  des  Erfinders,  die  Entwicklung  der  Schrift 


IV  10  :  20.)  —  49)  Gast.  Meyer,  F.  Bopp  and  G.  Cnrtias.  (=  Essays  u.  Sludien  z.  Sprachgesch.  u.  Volkskunde  2.  Bd.  [Strass- 
burg  i.  E.,  Trnbner.  VI,  380  S.  M.  6,00],  S,  1-22).  (S.  365  urteilt  M.  sehr  abfällig  über  Lefmanns  Bopp-Biographie.)  —  50)  X  Max 
Müller  u.  d.  Sprachwissensch. :  Kath.  2,  S.  538-45.  —  51)  X  F.  Kirchner,  Zu  Max  Müllers  70.  Geburtst.:  lUZg.  101,  S.  649. 
(Mit  schönem  Bilde  Müllers.)  — 

1)  O  X  Ohoix  de  mss.  allemands  (ponr  se  familiariser  avec  Tecriture)  executes  par  75  ecrivains-copistes  allemands  et 
contenant  75  sortes  d'ecriture  allemande.  Paris,  Schmidt.  68  S  Fr.  2,50.  (Wohl  d.  Verkehrsbedürfnis  d.  Gegenw.  entsprungen.) 
—  2)  E.  M.  Thompson,  Handbook  of  greek  and  latin  palaeography.  London,  Kegan  Paul,  Trench,  Trübner  &  Co.  343  S. 
Sh.  5.  —  3)  O  0.  Piscicelli,  Saggio  di  scritura  notarile  per  gli  studii  paleograflci.  I  curiali  di  Aroalfl,  Gaeta,  Napoli, 
Sorrento.  Tipogr.  di  Monte  Casino.  Fol.  II  S ,  60  Tfln.  —  4)  F.  Lei  st,  ürkundenlehre.  Katechismus  d.  Diplomatik,  Palaeo- 
graphie,  Chronologie  u.  Sphragistik.  2.  verb.  Aufl.  L.,  Weber.  XU,  372  S.,  6  Taf.  M.  4,00  —  5)  W.  Schmitz,  Commentarii 
notarum  Tironiarum  cum  prolegomenis  adnotationibus  criticis  et  exegeticis  notaruraque  indice  alphabetico.  L.,  Teubner.  Fol. 
117  8.,  132  Tfln.  M.  30,00.—  6)  Meinberg,  Kurzgefasste  Gesch.  d.  Stenographie.  Düsseldorf,  Selbstverl.  1892.  75  S. 
M.  0,60.  —  7)  Fr.  stolze,  V.  d.  Bilderschrift  z.  Stenogr.    Eine  kurze  Darstellung  d.  Entwicklungsganges  d.  Schrift.    1.  T.   B., 


1  3  :  8-25  0.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

bis  zum  Beginn  der  neueren  Stenographie.  Er  geht  von  dem  Gedanken  aus,  dass 
die  Kurzschrift  keineswegs  als  etwas  Besonderes,  der  gewöhnlichen  Schrift  fremd 
Gegenüberstehendes  zu  betrachten  sei,  sondern  vielmehr  als  deren  letzte  Stufe,  die 
in  ihr  von  Anfang  an  vorbereitet  wurde.  Im  zweiten  Teile  sollen  die  hervor- 
ragendsten neueren  Systeme  behandelt  werden.  —  Sieb  er*)  macht  zum  ersten  Male 
den  Versuch  einer  ausführlichen  stenographischen  Ortsgeschichte,  die  für  die  grossen 
Mittelpunkte  des  stenographischen  Lebens  zur  Nachahmung  zu  empfehlen  ist.  —  Eine 
kurze,  aber  recht  beachtenswerte  Uebersicht  über  die  Einführung  der  Stenographie 
und  ihre  Anwendung  in  den  Parlamenten  Europas  und  einiger  überseeischer  Länder 
bietet  KramsalP).  —  Der  Aufsatz  eines  Ungenannten ^•')  hat  bei  den  Anhängern 
aller  deutschen  Schulen  viel  Staub  aufgewirbelt;  er  richtet  sich  gegen  die  steno- 
graphische Vereinsmeierei  und  Grossmannssucht,  die  eine  gewisse  stenographische 
Fertigkeit  durchaus  zur  „Wissenschaft"  stempeln  möchte.  Dem  Vf.  wird  trotz  einiger 
Schärfen  und  Uebertreibungen  kein  Kundiger  und  Unbefangener  seine  Zustimmung 
versagen  können.  —  Bleibenden  Wert  für  die  Systemgeschichte  haben  die  zur  Feier 
der  Enthüllung  des  Gabelsberger-Denkmals  in  München'*)  und  zur  50jährigen  Jubel- 
feier des  Bestehens  der  Stolzeschen  Stenographie* 2)  erschienenen  Festschriften.  — 
Kaeding'3-14)  giebt  in  18  Bänden  eine  musterhafte  Sammlung  aller  auf  Wilhelm 
Stolze  und  sein  Werk  bezüglichen  Urkunden,  Briefe  usw.  und  in  Band  9  und  10  die 
erste  ausführliche  Lebensbeschreibung  des  Meisters,  die  Alberti  *^)  als  Hauptquelle 
für  seinen  kürzeren  Aufsatz  gedient  hat.'^j  —  Auf  bibliographischem  Gebiet  hat 
Näther*'')  den  sehr  glücklichen  Gedanken  gehabt,  die  in  der  periodischen  Presse 
aller  Systeme  verstreuten  Aufsätze  über  die  verschiedensten  Gegenstände  steno- 
graphischen Wissens  zu  verzeichnen  und  damit  der  Benutzung  zugängiger  zu  machen. 
Die  bisher  erschienenen  Hefte  behandeln  den  Inhalt  der  am  meisten  gelesenen  Gabels- 
bergerschen  Zeitungen.  —  Mehr  oder  weniger  ins  Einzelne  gehende  Jahresübersichten 
über  das  Schrifttum  der  Stenographie  geben  die  entsprechenden  Abteilungen  der 
beiden  weit  verbreiteten  Stenographenkalender. '^'"'j  — 

Von  den  Handschriften  sind  hauptsächlich  die  künstlerisch  geschmückten 
Gegenstand  der  Untersuchung  gewesen.  Wickhoff^O)  knüpft  an  die  Veröffent- 
lichung aus  einem  altchristlichen  Kodex  des  6.  Jh.,  der  Titel  und  Kanonestafel  eines 
griechischen  Evangeliars  mit  einer  Abhandlung  Rufins  vereint,  geistreiche,  aber  doch 
weiter  durchzuprüfende  Folgerungen  über  Zusammenhänge  zwischen  altem  und  neuem 
Hss.-Schmuck.  —  Ueber  die  Herstellung  mittelalterlicher  Bilderhss.  handelt  Neu- 
wirth^i),  indem  er  an  der  Hand  von  W^erken  für  Wenzel  IV.,  des  Wilhelm  von  Oranse 
(1387),  der  berühmten  Wenzelbibel  und  der  goldenen  Bulle  (1400),  die  Beteiligung  von 
drei  Personen  nachweist :  des  Schreibers,  des  Beisetzers  der  Illustrationsangaben  und  des 
Illuminators.  Der  Abdruck  der  ausführlichen  Anweisungen,  die  bei  diesen  Werken  er- 
halten, während  sie  bei  anderen  zum  Teil  entfernt  wurden,  mahnt  zur  Vorsicht,  Schreiber 
und  Illuminator  ohne  ausdrückliche  Angabe  nicht  in  eins  zu  vereinen.  In  den  erwähnten 
Fällen  erweist  er  aber  die  Unabhängigkeit  der  Buchmaler  von  bestimmten  Vorlagen ;  denn 
beim  Wilhelm  genügen  Weisungen  wie  „sicut  dilectam  cum  dilecto".  —  Das  in  den  letzten 
Jahren  erfreulich  bethätigte  Bestreben,  die  Hss.  nach  Kunstschulen  zu  gruppieren,  hat  zu 
guten  Ergebnissen  geführt.  Leitschuh^^)  stellt  ausgiebig  und  gründlich  die  Buch- 
malerei der  Karolingerzeit,  als  die  Hauptgrundlage  unserer  Kenntnis  der  gesamten  Kunst 
jener  Zeit,  in  ihren  verschiedenen  Schulen  dar.  —  Vöge^^)  behandelt  die  Mindener  Schule 
unter  Bischof  Sigebert  als  nah  verwandt  mit  jener  grossen,  auf  wesentlich  altchrist- 
licher Basis  fortarbeitenden  Familie,  deren  eigentlichen  Sitz  und  Mittelpunkt  Köln 
er  früher  wahrscheinlich  gemacht  hat.  —  J.  von  Schlosser-*)  hebt  aus  der 
böhmischen  Schule  neun  glänzende  Bilderhss.  für  König  Wenzel  I.  (1^0  heraus.  — 
An  Einzelhss.  wird    von  Kochendörffer^^)  nach    Zangemeister  die   grosse  Heidel- 


Mittler.  1891.  43  S.  M.  1,00.  —  8)  F.  Sieber,  Gesch.  d.  Stenographie  in  Basel.  Nach  authent.  Quellen  bearb.  Basel,  Sall- 
mann.  128  S.,  3  Taf.  M.  2,40.  —  9)  E.  Kramsall,  D.  Stenographie  im  Dienste  d.  Parlamente.  Hist.  Untersuch,  über  d.  Ver- 
wendung d.  Stenogr.  in  denselben.  Wien,  Bermann  &  Altmann.  1891.  66  S.  M.  1,00.  —  10)  D.  Stenographie-Unwesen.  (Ans 
Grenzb.  1891,  N.  26.)  Sonderabdr.  L,  Zehl.  15  S.  M.  0,30.  —  U)  Fr.  X,  Gabelsberger  u.  seine  Kunst.  Festschrift  z.  Feier  d. 
Enthüllung  d.  Gabelsberger-Denkmals  am  10.  Aug.  1890  v.  Haupt-Festausschnsse.  Mönchen,  Franz.  1890.  III,  153  S.,  3  Illustr. 
M.  2,00.  —  12)  M.  Bäckler,  lier.  ober  d.  50j.  Jubelfeier  d.  Stolzeschen  Kurzschrift.  B.,  Oehmke.  1891.  40  S.  M.  1,00.  (Er- 
weitert erschienen  1893.  72  S.)  —  13)  F.  W.  Kaeding,  Stolze-Bibl.  1-18.  Bd.  B.,  Mittler.  1889-92,  M.  17,75.  —  14)  id.,  Biogr. 
W.  stolzes.  (=  Stolze-Bibl.  9.-10.  Bd.)  ib.  115  S.  M.  2,00.  —  15)  E.  Alber*i,  H.  A.  W.  Stolze:  ADB.  36.  S.  425/8.  —  16l  X 
id.,  J.  F.  stärk:  ib.  35,  S.  492/3.  —  17)  A.  Näther,  Stoffregister  z.  Ausarbeitung  von  Vortrr.  n.  Abhandl.  Stenograph.  Inhalts. 
L.,  Zehl.  1891.  IV,  66  S.  M.  1,25.  —  18)  Dtsch.  Stenographenkai.  her.  v.  W.  Mertens.  1.-4.  Jahrg.  L.,  Klinkhardt.  1891-94. 
160  S.;  M.  1,00.  168  S.;  M.  1.25.  136  S.;  M.  1,25.  175  S.;  M.  1,25.  —  19)  Jb.  d.  Schule  Gabelsbergers.  Her.  v.  kgl.  stenogr. 
Inst,  zu  Dresden.  34.-37.  Jahrg.  L.,  Zehl.  1891-94.  XXXIV,  112  S.;  XXXV,  96  S.;  XXXVI,  98  5.;  IV,  116  S.  a.  M.  3,00.  — 
20)  F.  Wickhoff,  D.  Ornamente  e.  altchristl.  Kodex  d.  Hofbibl.  (Cod.  847):  JKSAK.  14,  S.  196-213.  —  21)  J.  Neuwirth,  D. 
Herstellungsphasen  spätmittelalterl.  Bilderhss.:  BepKunstw.  16,  S.  76-87.  —  22)  F.  Leitschuh,  Gesch.  d.  Karolingischen 
Malerei,  ihr  Bilderkreis  u  seine  Quellen.  B.,  Siemens.  XII,  471  S.  M.  12,00.  —  23)  W.  Vöge.  D.  Mindener  Hss.-Qruppe: 
RepKunstw.  16,  8.  198-213.  —  24)  J.V.Schlosser,  D.  Bilderhss.  König  Wenzels  I.:  JKSAK.  14,  8.214-317.  (Mit  vielen  Nach- 
bild.) —  25)  K.  Kochendörffer,  K.  Zangeraeister,  D.  Wappen,  Helmzierden  u.  Standarten  d.  gr.  Heidelberger  Liederhs.  1891.: 


0.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  :  26-48 

berger  Lieder hss.  besprochen  und  von  Chmelarz^^)  über  eine  französische  Bilderhs. 
von  Boccaccios  Theseide  um  1470  berichtet.  —  M  ad  an  2^)  hat  eine  übersichtliche 
Darstellung-  der  Geschichte  des  Buches  der  Hss. -Zeit  g-ehefert.  —  Von  epoche- 
machender Bedeutung  für  die  planmässige  wissenschaftliche  Verzeichnung-  der  Hss. 
in  Deutschland  ist  das  Vorg-ehen  mit  der  Veröffentlichung-  von  Verzeichnissen  der 
Hss.  im  preussischen  Staate'-^^"^^).  Die  beiden  ersten  Bände  g-eben  Hss.- Verzeichnisse 
der  Götting-er  Universitätsbibliothek.  Das  Vorwort  Wilhelm  Meyers  eröffnet  den 
Ausblick  auf  die  vom  Kultusminister  ang-eordnete  Katalogisierung-  der  in  Preussen 
vorhandenen  Hss.-Bestände,  deren  Verzeichnung-  nicht  schon  anderweit  erfolgt  oder 
zu  erwarten  ist.  Nächst  dem  Besitze  des  Staates  sollen  auch,  so  weit  es  möglich  ist, 
die  Hss.  beschrieben  werden,  die  in  festem  Besitze  von  Behörden,  Vereinen  oder 
Privatpersonen  sind.  K.  Meyer,  O.  Günther,  auch  J.  Schwalm  und  E.  Weber 
waren  an  der  grossen  musterhaften  Arbeit  beteiligt.  —  In  Frankreich  ist  eine  solche 
planmässige  Verzeichnung  für  die  öffentlichen  Bibliotheken  schon  länger  im  Gange'^*'"^^). 

—  Die  Hss.- Verzeichnisse  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin^*)  und  der  kaiserlichen  zu 
W^ien^s)  schreiten  weiter.  —  Der  Katalog  der  Danziger  Stadtbibliothek  bringt  die 
Danzig  betreffenden  Hss.  von  Bertling-^^j  verzeichnet.  —  Die  Hss.  mehrerer  Gym- 
nasialbibliotheken werden  in  Programmen^'' j  beschrieben :  Gotha  weist,  wie  E  h  w  al  d  "^*) 
berichtet,  im  Ernestinum  neben  wenigen  Büchern  Briefe  hauptsächlich  aus  der 
Reformationszeit  auf,  von  denen  solche  des  Eoban  Hessus,  Melanchthon  und  Ams- 
dorff  abgedruckt  werden.  —  Das  katholische  Gymnasium  in  Glatz  bewahrt  aus  den 
J.  1683 — 1722  67  Schauspiele  des  Glatzer  Jesuitenkollegs,  deren  Inhalt  Beck^**) 
dankenswert  mitteilt.  —  Ueber  die  „Kettenbücher"  stellt  Falk**^)  sachlich  zutreffende 
Mitteilungen  zusammen.  Die  daran  geknüpfte  Behauptung,  einige  protestantische 
Autoren  hätten  zwar  auf  die  falschen  Schlüsse  aufmerksam  gemacht,  die  man  aus 
dem  Anketten  von  Büchern  und  besonders  der  Bibel  gezogen,  doch  sei  es  in  so  matter 
Weise  geschehen,  dass  dadurch  dem  Uebel  nicht  gesteuert  wurde,  und  dass  dies  ganz 
gut  fortwuchern  konnte,  ist  u.  a.  auf  Grund  von  Wattenbachs  Schriftwesen  im 
Mittelalter  (2.  Aufl.  1875  S.  530)  als  unberechtigt  zurückzuweisen.  —  Aus  dem  Hss.- 
Wesen  der  Archive  bietet  Lewinski^')  für  Brandenburg  einen  Beitrag  nach  der 
formalen  Seite  des  Urkundenwesens  und  der  Verwaltung  aus  der  Zeit  der  ersten  Hohen- 
zoUerschen  Markgrafen  (1411 — 70),  sowie  im  Anhang  11  ein  brandenburgisches  Archiv- 
register aus  der  Zeit  der  Kurfürsten  Friedrich  II.  und  Albrecht.  —  Ueber  die  kaiserliche 
Kommission  wegen  des  burggräflichen  Archivs  zu  Schleiz  (1590 — 93)  berichtet  Berth. 
Schmidt*2^;  über  die  pfalzbayerischen  Archive  der  Witteisbacher  fährt  Neudegger^^) 
fort,  ausgiebige  Nachweise  zu  liefern  (1685— 1720) ;  die  Neueinrichtung  des  Strassburger 
Stadtarchivs  schildert  Winckelmann^^j  unter  Beigabe  von  Skizzen.  —  Archivberichte 
über  die  Urkunden  der  Hansa  in  Westfalen,  Rheinland,  Hannover,  Hamburg,  sowie  in 
märkischen  und  sächsischen  Städten,  ferner  über  die  Ergiebigkeit  des  Kölner  Stadt- 
archivs für  das  hansische  Urkundenbuch  1450 — 1500  legen  Kunze  und  Stein^^j  vor. 

—  Der  Verein  für  Geschichte  und  Altertumskunde^®)  fährt  fort,  die  Inventare  des 
Frankfurter  Stadtarchivs  herauszug-eben.  —  Den  Bestand  des  kroatischen  Landes- 
archivs verlautbart  mit  einem  wohlbegründeten  Notschrei  summarisch  von  Bojnicic*^). 

—  Aus  Frankreich^*)  wird   über   einen   unter  Maury  begonnenen  Katalog  von  Hss. 

DLZ.  S.  174/6.  —  26)  E.  Chmelarz,  Ueber  e.  franz.  Bilderhs.  v.  Boccaccios  Theseide.  Mit  15  Taf.  in  Heliograv.:  JKSAK.  14, 
S.  318-28.  —  27)  O  F.  M  ad  an,  Books  in  Ms.  London,  Kegan  Panl,  Trench,  Trübner  &  Co.  Sh.  6.  |[BookWorm  S.  345/8  (aus- 
fuhr!, anerkennende  Würdig.). )|  —  28)  (I  1  :  171.)  —  29)  Verzeichnis  d.  Hss.  im  Preuss.  Staate.  1.  Hannover.  2.  D.  Hss.  in 
Göttingen.  2.  Universitäts-Bibl.  Gesch.,  Karten,  Naturwissenschaften,  Theologie,  Hss.  ans  Lüneburg.  B.,  Bath.  VIII,  539  8. 
M.  18,50.  |[NedSpect.  S.  399.]  |  —  30)  Cat.  general  des  mss.  des  bibl.  publiques  de  France:  [Ch.  Kohl  er,]  Bibl.  Sainte  Genevifeve. 
t.  I.  Paris,  Plön,  Nonrrit  et  Cie.  674  S.  |[JSav.  S.  306-14.]|  —  31)  O  Cat.  göneral  des  mss.  des  bibl.  publiques  de  France: 
t.  XVm  [E.  Fagnau],  Alger.  ib.  680  S.  [[JSav.  S.  770.]|  —  32)  O  Cat.  general  des  mss.  des  bibl.  publiques  de  France:  t.  XX: 
Le  Mans  und  Arles.  ib.  695  S.  |[B.  Haureau:  JSav.  S.  253/4.]|  —  33)  O  Cat.  göneral  des  mss.  des  bibl.  publiques  de  France  : 
t.  XXII:  Nantes,  Quimper,  Brest,  ib.  562  S.  |[JSaT.S.635/6.]|  —  34)  Verzeichnis  d.  arab.  Hss.  von  W.  Ahlwardt.  4.  Bd.  (=  D. 
Hss.- Verzeichnisse  der  kgl.  Bibl.  zu  Berlin  16.  Bd.)    B.,  Asher.    4».    VI,  561  S.    M.  25,00.    \[3.  S.  Warren:  NedSpect.  S.  21.]| 

—  35)  Tabulae  codicum  manuscriptorum  praeter  graecos  et  orientales  in  bibliotheca  Palatina  Vindobonensi  asservatomm.  Ed. 
acaderaia  caesarea  Vindobonensis.  Vol.  8.  Cod.  14001-15500.  Wien,  Terapsky.  267  S.  M.  5,40.  —  36)  [A.]  [Bertling],  Kat. 
d.  Danziger  Stadtbibl.  Bd.  1.  T.  1.  D.  Danzig  betr.  Hss.  Danzig.  1892.  X,  851  S.  |[FBPG.  6,  S.  618  9  (, Riesen-  n.  Meister- 
werk");  P.  Slmson:  MHL.  21,  S.  79-81  (anerkennend).]|  —  37)  X  A.  Englert,  Mitteilungen  über  Hss.  d.  Zweibrückener  Gymn.- 
Bibl.  (vgl.  JBL.  1892  I  3:5):  ZDPh.  25,  S.  537-44.  —  38)  B.  Ehwald,  Beschreibung  d.  Hss.  u.  Inkunabeln  der  Herzogl.  Gymn.- 
Bibl.  zu  Gotha  nebst  4  Briefen  v.  Eobanus  Hessus,  Melanchthon  u.  Niclas  v.  Amsdorff.  Progr.  Gotha  (Thienemann).  4".  20  S. 
M.  0,80.  —  39)  E.  Beck,  Hss.  n.  Wiegendrucke  d.  Gymn.-Bibl.  in  Glatz.  2.  T.  (Schauspiele  d.  Glatzer  Jesuitenkollegs.)  Progr. 
Glatz  (Schirraer).  36  S.  —  40)  F.  Falk,  Kettenbücher  (Bibel  u.  Kette):  HPBll.  112,  S.  324-33.  —  41)  L.  Lewinski.  D. 
brandenb.  Kanzlei  u.  d.  Urkundenwesen  während  d.  Eegiernng  d.  beiden  ersten  hohenzollerschen  Markgrafen  (1411-70).  E.  Beitr. 
z.  Verwaltungspraxis  d.  Hohenzollern  in  d.  Mark  Brandenburg  im  15.  Jh.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  VII,  188  S.  M.  4,00.  — 
42)  Berth.  Schmidt,  D.  kaiserl.  Kommission  wegen  d.  bnrggräfl.  Archive  zu  Schleiz  in  d.  J.  1590-93:  ArchivZ.  4,  S.  213-34. 

—  43)  M.  J.  Neud  egger,  Gesch.  d.  Pfalz-bayer.  Archive  d.  Witteisbacher:  ib.  S.  1-103.  (Forts,  aus  2,  S.  289-373.)  —  44)  0. 
Winckelmann,  D.  Neueinrichtung  d.  Strassb.  Stadtarch. :  ib.  S.  109-22.  —  45)  K.  Kunze  u.  W.  Stein,  Reisebericht  (Bremen, 
Oldenburg,  Ostfriesland  n.  Holland) :  HansGBll.  21,  S.  X-XXII,  XXIII-XXXI.  —  46)  O  Inventare  d.  Frankf  Stadtarch.  Mit  Unter- 
stützung d.  Stadt  Frankfurt  a.  M.  her.  vom  Ver.  für  Gesch.  u.  Altertumskunde  zu  Frankfurt  a.  M.  Bd.  3.  Eingel.  von  R  Jung. 
Frankfurt  a.  M.,  Völcker.  XXXI,  300  S.  M.  3,50.  IfOBlBibl.  S.  45.]|  —  47)  J.  v.  Bojnicic,  D.  kroatische  Landesarch.  in  Agram: 
ArchivZ. 4,  S. 252,6.  —  48)  O   Catalogne  des  mss.  conserves  anx  archives  nationales.    Paris,  Plön,  Nourrit  et  Cie.    532  S.    IfJSav. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgesohichte.    IV.  4 


I  3  :  49-69  0.  V.  HasG,  Schrift-  und  Buchwesen. 

des  17. — 19.  Jh.  in  den  Nationalarohiven  Mitteilung-  g-emacht.  —  Die  Papiere  des  14.  Jh. 
im  Stadtarchive  zu  Frankfurt  a.  M.  hat  Kirchner***)  gewissenhaft  untersucht  und 
beschrieben;  er  bestätig-t  von  neuem  die  grosse  Vielseitigkeit  des  Papierhandels  in 
früher  Zeit  und  schafft  durch  seine  umsichtige  Arbeit  ein  wertvolles  Mittel  zur  Alters- 
bestimmung mittelalterlicher  Papiere.  —  Bösch^o)  handelt  über  die  technische  Ver- 
wendung- des  Papiers  zu  kunstgewerblichen  Zwecken  in  Ausschneidetechnik  und  in 
Pressung  zu  Anfang-  des  16.  Jh.  nebst  gleichzeitiger  Anweisung  für  Herstellung  von 
Buntpapieren  und  von  Papierstuck  (Item  wiltu  pild  trucken,  die  derhaben  sein,  von 
papir)  usw.  — 

Das  Verzeichnis  einer  reichen  wohlg-ewählten  Autographen-Sammlung  von 
umfassender  Anlage,  deren  Bestandteile  vom  11.  Jh.  bis  zur  Gegenwart  reichen,  ist 
nach  dem  Tode  ihres  Schöpfers,  des  Botschafters  Grafen  Paar^^"'^^)  veröffentlicht 
worden,  leider  um  diese  grossartig-e  Sammlung-  für  immer  zu  zerstreuen.  Eine  Fülle 
wichtiger  Mitteilung-en  aus  Briefen  und  45  Facsimiles  sind  dem  Katalog  beigefügt; 
von  grossem  Werte  sind  u.  a.  die  darin  beschriebenen  Briefe  von  Humanisten  und 
Reformatoren  an  W.  Pirkheimer.  Auch  Bücher  finden  sich  darunter,  eine  lateinische 
Bibel  aus  Brescia  mit  hs.  Anmerkungen  Savonarolas  und  vor  allem  die  Hs  von  Hans 
Sachsens  16.  Buch  seiner  Meisterlieder  und  dem  14.  seiner  Sprüche  und  Komödien. 
—  lieber  zwei  deutsche  Sammler  des  16.  Jh.,  Thomas  von  Rehdiger  (1540 — 76)  und 
Ludwig  Camerarius  (1573  —  1651),  deren  Sammlung-en  in  Breslau  und  München 
bewahrt  werden,  berichtet  Mor-Sunnegg-^''),  über  eine  Sammlung  von  Autographen 
und  geschichtlichen  Urkunden  A.  Morrisons  Delisle^**).  — 

Die  Psychologie  der  Hs.,  die  sogenannte  Graphologie,  hat,  da  sie  sich 
noch  nicht  zur  Höhe  einer  wissenschaftlichen  Schriftkunde  erhoben  hat,  nur  feuille- 
tonistische  Behandlung  erfahren'' ^'^^j.  auch  Z ix ^•^)  reiche  Hss.- Facsimiles  sind  von 
einer  sensitiven  Dame  gedeutet.  — 

Das  Buchwesen  des  Druckzeitalters  hat  für  die  Geschichte  seiner  Ent- 
stehung, der  Erfindung  derBuchdruckerkunst,  in  diesem  Berichtsjahre  Schriften 
von  Belang  nicht  aufzuweisen.  Schorbach^*)  giebt  einen  kleinen  Nachtrag  zu 
seiner  treöenden  Klarstellung  von  Strassburgs  Anteil  an  der  Erfindung  der  Buch- 
druckerkunst und  stellt  dabei  die  Veröffentlichung  der  Urkunde  über  Andr.  Dritzehn 
in  Aussicht.  —  Eine  Uebersicht  der  Erfindungsgeschichte  gewährt  Pf  äff  6'')  in  seiner 
Freiburger  Festschrift.  —  Unter  den  bisherigen  poetischen  Verwertungen  der  Person  des 
Erfinders  steht  von  Gottschalls^^j  Drama  „Gutenberg"  in  vorderer  Reihe;  trägt  der 
Vf.,  wie  bei  solcher  Aufgabe  kaum  anders  möglich,  moderne  Gedanken  in  des  Erfinders 
mittelalterlichen  Sinn  und  verteilt  er  auch  helles  Licht  und  kräftigen  Schatten  nach 
eigener  Willkür,  so  hat  er  doch  ein  wirkungsvolles  Werk  geschaffen.^")  —  Auch  die 
Jugendlitteratur,  wie  das  Buch  von  Masslieb^^),  bemächtigt  sich  mit  Recht  und  in 
ihrer  Weise  ganz  löblich  der  Erfinder,  wobei  die  Sittlichkeitszeugnisse  nach  der 
herrschenden  Fabel  verteilt  werden.  — 

Zur  Aufhellung  der  ältesten  Buchdruckergeschichte  und  im 
Hinblick  auf  die  Bedeutung  von  Mainz  als  Ausgangspunkt  für  die  Verbreitung  der 
Buchdruckerkunst  weist  Falk 6")  bei  einer  Anzahl  von  Druckern  der  Frühzeit  als 
wahrscheinlich  nach,  dass  sie  unweit  Mainz  heimisch  waren,  so  Job.  Emerich 
von  Udenheim,  der  gemeinsam  mit  Joh.  Hammann  von  Landoia  1487  zu  Venedig 
druckte,  im  rheinhessischen  Udenheim,  3  Stunden  von  Mainz,  Joh.  Hanheimer  von 
Oppenheim,  der  mit  Joh.  Schurener  von  Boppard  1474  gemeinsam  zu  Rom  druckte, 
in  Hahnheim  bei  Oppenheim  unweit  Udenheim,  ferner  Joh.  Schnitzer  von  Armsheim, 
der  für  den  Ulmer  Ptolemäus  von  1482  Landkarten  schnitt,    vielleicht  in  Armsheim 


S.  374/5.]  1  —  49)  E.  Kirchner,  D.  Papiere  v.  14.  Jh.  im  Stadtarch.  zu  Frankfurt  a.  M.  u.  deren  Wasserzeichen.  Mit  153  Abbild. 
Frankfurt  a.  M.,  Jügel.  67  S.  M.  2,50.  -  50)  G.  Bosch,  Z.  Gesch.  d.  technischen  Verwendung  d.  Papiers:  MQNM.  S.  3-13, 
S.  121/2.  —  51)  D.  Sammlung  v.  Autographen  u.  bist.  Dokumenten  Sr.  Exe.  d.  verst.  Herrn  Ludwig  Grafen  Paar.  B.,  Cohn.  XU, 
255  8.  —  52)  X  G.  Weisstein,  D.  gräfl.  Paarsche  Autographensamml. :  MAutographensammler.  S.  9-13,  20/1.  (Eingehend, 
anerkennend.)  —  53)  X  Verzeichnis  d.  in  d.  Autographen-Auktion  d.  Graf  Paarschen  Samml.  am  20.-25.  März  erzielten  Preise: 
ib.  S.  27-31.  —  54)  X  E.  Fischer  v.  Röslerstamm,  D.  Auktion  Paar:  ib.  S.  35/8.  —  55)  X  A.  M[ey eT]-C[ohn],  Noch 
einmal  d.  Auktion  Paar:  ib.  S.  44/5.  —  56)  X  Entgegnung  v.  B.  Fischer  v.  Röslerstamm.  Pro  domo:  ib.  S.  57/8.  —  57)  X  A. 
Gattel,  Nachwuchs:  ib.  S.  58-60  —  58)  X  E.  Mor-Sunnegg,  D.  Autographensamml.  d.  Botschafters  Grafen  Ludwig  Paar: 
AZg".  N.  58.  —  59)  id.,  2  alte  dtsch.  Sammler  (16.  Jh.):  MAutographensammler.  S.  51/5.  —  60)  O  L.  Delisle,  Cat.  of  the 
coli,  of  autograph  letters  and  hist.  documents  formed  between  1865  and  1882  by  Alfred  Morrison,  corapiled  and  annotated  under 
the  direction  of  A.  W.  Thibaudeau.  (Aus  JSav.l  Paris,  Impr.  nationale.  32  S.  —  61)  X  E.  Hagedorn,  Einige  Worte  über 
Hs.-Beurteilung :  StrassbPost.  N.  71.  —  62)  X  •>■  Mendius,  D.  Seele  in  d.  Schrift  (vgl.  JBL.  1892  13:8):  BLU.  S.  110.  — 
63)  0.  Zix,  OeflFentliche  Charaktere  im  Lichte  grapholog.  Auslegung.  Mit  Einl.  u.  biogr.  Notizen  versehen.  Mit  135  Hss.- 
Facsimiles.  B.,  Hofraann  &  Co.  V,  288  S.  M.  6,00.  |[BLU.  S.  814.] |  —  64)  K.  Schorbach,  Nachtr.  zu  Strassburgs  Anteil  an 
d.  Erfindung  d.  Bnchdruckerkunst:  ZGORh.  8,  S.  128.  (Vgl.  JBL.  1892  I  3  :  14.)  —  65)  Fr.  Pf  äff,  Festschrift  ■/..  400j.  Gedächtnis 
d.  ersten  Freiburger  Buchdrucks  1493-1893.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  35  S.  Mit  Abbild.  M.  2,00.  |lAlem.annia  21,  S.  297  8; 
ZGORh.  8,  S.718-20.JI  (S.  u.  N.  75.)  —  66)  R.  v.  Gottschall,  Gutenberg.  Drama.  L.,  Schmidt  &  Baumann.  87  S.  M.  2,00.  |[KZg. 
N.  788.] I  —  67)  X  P-  E.  Siebold,  E.  Schüler  Gutenbergs.  Dramat.  Gedicht  in  5  Akten  nebst  e.  Vorspiel.  Hamburg,  Herbst 
XII,  117  S.  M.  2,50.  —  68)  W.  Masslieb,  Peter  Schöffer  u.  d.  Erfindung  d.  Buohdruckerkunst.  E.  Kulturbild  für  d.  reifere 
Jugend.    2.  Aufl.    (=  Spiegelbilder  ans  d.  Leben  u.  d.  Gesch.  d.  Völker  N.  23.)    L.,  Oehmigke.    12«.    128  S.    M.  0,75.  —  69)  [F. 


O.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  •.  70-76 

zwischen  Mainz  und  Alzei.  Für  Joh.  Manthen  von  Geretzem  weist  F.,  da  dieser 
mit  Joh.  von  Köln  um  1476  druckte,  nicht  auf  Gernsheim,  sondern  auf  Gerresheim 
bei  Düsseldorf  hin,  bei  Joh.  Spengel  von  Fremersschenn  (AGDBuchhandel.  10, 
S.  25),  der  für  Joh.  Schöffer  im  J.  1511  Bücher  in  Leipzig*  erhalten  sollte,  auf 
Freimersheim  bei  Alzei.  —  Roth''**)  veröffentlicht  eine  bibliographische  Mitteilung- 
über  den  Drucker  Friedrich  Heumann  zu  Mainz,  von  dem  er  16  Drucke  beschreibt; 
diese  sind  in  den  J.  1508—12  in  einer  einzigen  Letternart  g-edruckt,  die  weder  mit  der 
Schrift  von  Gutenberg-s  Sözeiliger  Bibel  noch  mit  der  der  Kogelherren  zu  Marienthal 
etwas  zu  schaffen  hat,  wohl  aber  später  von  Peter  Drach  zum  Speierschen  Psalter 
von  1515  verwandt  worden  ist.  —  Ais  Nachtrag-  zu  S.  Widmanns  Arbeit  über  Franz 
Behem  berichtet  Forst'')  über  die  Anfäng-e  der  Behemschen  Druckerei  in  Mainz.  — 
C.  Schmidt'^)  leg't  Grundlag-en  für  die  Geschichte  der  Strassburg-er  Buchdrucker 
durch  ein  Repertorium  ihrer  Drucke:  Joh.  Grüning-er  (1483 — 1531)  eröffnet  den  Reig-en, 
es  folgen  Martin  Schott  und  sein  Sohn  Johann  (1481—99,  1500 — 44),  auch  Joh.  Prüss 
Vater  und  Sohn  (1480 — 1510,  1510—46)  treten  stattlich  hervor,  zwölf  kleinere  oder 
doch  in  Strassburg  nur  kurze  Zeit  wirkende  Drucker,  Jacob  Eber,  Thomas  Anshelm, 
Peter  Attendorn,  Friedr.  Dümbach,  Bartholomäus  Kistler,  Wilhelm  Schaffner,  Matthias 
Brant,  Joh.  Wähinger,  Hieronymus  Greff,  Reinhart  Beck,  Konrad  Kerner,  Ulrich 
Morhard  (alle  von  1483—1522)  werden  zusammengefasst,  Matthias  Hupfuff  (1492— 1520) 
und  Martin  Flach,  Valer  und  Sohn  (1477—1500,  1501 — 25)  machen  für  dieses  Jahr  den 
Schluss.  Kurze  Lebensbeschreibungen  leiten  die  kritischen  Drucker  Verzeichnisse  ein, 
auf  22  Tafeln  sind  Druckermarken  beigegeben.  —  Ueber  drei  Nürnberger  Drucker 
von  recht  verschiedenem  Gepräge  wird  berichtet:  Mummenhoff '3)  giebt  von  Hans 
Sporer,  dem  Junghannspriffmaler,  ein  quellfrisches  und  doch  typisches  Bild;  neben 
dem  nach  Bamberg  und  später  nach  Erfurt  übergesiedelten  Hans  führt  er  aus  den 
Nürnberger  Bürger-  und  Meisterbüchern  1481    auch  einen  Peter  Sporer  trucker  an. 

—  Steiff'*)  veröffentlicht  klärende  Ausführungen  über  Georg  Stüchs  in  Nürnberg, 
der  1484 — 1517  als  Kirchenbücherdrucker  zumeist  für  fremde  Rechnung  thätig  war 

—  der  Vf  hat  59  Druckwerke  festgestellt  ~,  und  über  Joh.  Stüchs,  vielleicht  seinen 
Sohn,  der,  von  1509  beginnend,  1531  noch  druckte;  die  bis  jetzt  festgestellten 
52  Drucke  sind  abweichend  von  denen  des  Georg  Stüchs,  meist  Schul-  und  Volks- 
schriften —  Pfaff^)  giebt  eine  zur  Feier  des  400jährigen  Druckerjubiläums  entworfene 
Darstellung  des  Freiburger  Buchdrucks  mit  einem  Verzeichnisse  der  Freiburger 
Drucker  bis  zum  J.  1600,  wobei  ihn  K.  Schorbach,  Konr.  Burger  und  E.  Eck- 
hardt unterstützt  haben.  Als  erster  Freiburger  Drucker  hat  nach  einem  Gedichte 
Joh.  Beckenhaubs  in  der  Perlustratio  Sancti  Bonauenture  in  quatuor  libros  sententiarum 
Petri  Lombardi  von  1493  Kilian  Vischer  von  Ingelfingen  zu  gelten,  doch  erfolgte  der 
Druck  für  Basel,  und  auch  die  beiden  Augustindrucke  des  folgenden  Jahres  in  gleicher 
Letter  mögen  fremdem  Auftrage  g-eg-olten  haben.  Vischer  erwarb  nach  Stehelin 
1497  als  Drucker  das  Baseler  Bürgerrecht,  brachte  es  auf  keinen  grünen  Zweig  und 
war  1511  bereits  gestorben.  Der  zweite  Drucker  Friedr.  Riedrer  aus  Mühlhausen 
im  Hegau  hat  1494,  was  er  zuvor  gehört,  gelesen  und  geschrieben,  in  seinem  rheto- 
rischen Spiegel,  einem  üblichen  Formularbuch,  versammelt,  gedruckt  und  vollendet;  er  ist 
augenscheinlich  zuvor  Schreiber  bei  seinem  gnädigen  Junker  von  Friedingen  zu 
Hohenkrähen  gewesen ;  mit  Jakob  Locher  bekannt,  hat  er  als  selbständiger  Verleger 
in  den  beiden  folgenden  Jahren  dessen  lateinisches  Schauspiel  Historie  vom  Könige  von 
Frankreich  und  desselben  lateinische  Rhetorik,  in  den  nächstfolgenden  einen  Frei- 
burger Erlass  Kaiser  Maxens  und  Franz  Rigers  lateinische  Briefkunst  gedruckt. 
Den  Meister  von  zwei  Tartaretdrucken  von  1494  weiss  Pf.  nicht  zu  nennen,  doch 
führt  er  zum  J.  1493  aus  dem  Freiberger  Zunftregister  zum  Falkenberg  einen  Buch- 
drucker Bastian  Karrer  an.  Zur  Ausführung  des  Erstlingsdruckes  der  Margaritha 
philosophica  des  Freiburger  Magisters  Gregor  Reisch  kam  Joh.  Schott  aus  Strassburg 
1503  nach  Freiburg,  druckte  aber  die  Auflage  des  nächsten  Jahres  wieder  in  seinem 
angestammten  Druckorte.  Erst  1520  treten  wieder  Drucker  auf,  Joh.  Wörlin  1520 — 25, 
Joh.  Faber  1527 — 40  und  Steffen  Graff  1543—79.  Der  Versuch  des  Ambrosius  Frohen, 
durch  Abraham  Gempperlin  und  selbst  (1583 — 84)  dort  zu  drucken,  ist,  weil  sein 
Gesind  oder  Weib  vielleicht  „mit  der  Zwinglischen  oder  Calvinischen  sect  befleckht", 
abgewiesen  worden,  während  Martin  Böckler  von  Ingolstadt  1592  das  Juramentum 
fidei  prästieren  konnte ,  dass  er  und  sein  Gesinde  der  wahren  katholischen  aposto- 
lischen Religion  sei,  und  den  Freiburger  Buchdruck  ins  17.  Jh.  überleitet.  Der 
Aufschwung  ist  erst  im  19.  Jh.  erfolg-t.  —  Aus  Freiberg'^),  dessen  Druckergeschichte 

Falk],  Varia  z.  ältesten  Druckgeschichte:  CBlBibl.  10,  S.  346/8,  424.  —  70)  F.  W.  E  Roth,  D.  Buchdrucker  Friedr.  Heumann 
zn  Mainz  1508-12:  ib.  S.  476-83.  —  71j  O  H.  Forst,  Ueber  d.  Gründung  d.  Behemschen  Druckerei  in  Mainz:  AnnYNassauG. 
S.  53.  —  72)  C.  Schmidt,  Eep.  bibliogr.  Strassbourgeois  jusque  vers  1530.  6  Tle.  Strassburg  i.  F.,  Heitz.  XVI,  107  S.  u. 
4  Tafeln;  XI,  68  S.  u.  4  Tafeln;  VII,  46  S.  n.  4  Tafeln;  VIII,  35  S.  u.  4  Tafeln;  VIII,  46  S.  u.  2  Tafeln;  IX,  41  S.  u.  4  Tafeln. 
|[LCB1.S.  531/2;  C.  Pfister:  AnnEst.  7,  S.  129-30.] |  —  73)  E.  Mumme  nhoff,  H.  Sporer:  ADB.  35,  S.  271/3.  —  74j  K.  Steiff, 
G.  Stüchs :  ib.  36,  S.  714/6.    —  75)  (S.  o.  N.  65.)  —  76)  O  D.  250j.  Kalenderjnbil.  d.  Gerlachschen  Bnchdr.   (Freiberger  Stadt- 

4* 


I  3  :  77-85  0.  V.  H  a  s  6 ,  Schrift-  und  Buchwesen. 

im  J.  1495  g-leich  der  Freiburg-s  mit  der  Gastrolle  eines  Druckers  aus  dem  nächst- 
g-eleg-enen  Biicherplatze  anhebt,  ist  deren  Darstellung-  auf  das  kommende  Jahr  an- 
g-ekündig-t,  inzwischen  sind  aber  als  Abschlag-  von  Heinr.  Gerlach '^'''^)  dem  ehr- 
würdig-en  Führer  des  g-egenwärtigen  Freiberg-er  Buchdrucks,  drei  Gaben  erfolgt:  eine 
Geschichte  des  Freiberg-er  Berg--Kalenders  zur  Feier  von  dessen  250jährig'en  Jubiläum, 
eine  Familienchronik  des  alten  Hauses  Gerlach  in  Freiberg-,  und  zum  lOOjährig-en 
Geschlechtsjubiläum  eine  Erinnerung  an  seinen  Grossvater  J.  Chr.  F.  Gerlach  unter 
Benutzung  von  dessen  Selbstbekenntnissen.  —  Steiff"^)  bring-t  Erg-änzung-en  zu 
seinem  vorjährigen  Aufsatze  über  den  g-elehrten  Drucker  Joh.  Setzer  von  Hagenau 
auf  Grund  von  Zuschriften  A.  Hanauers  und  A.  Kirchhoffs,  die  neues  Licht  auf 
Setzers  Stellung-  zu  Th.  Anshelm  und  seine  Bethätigung  als  Buchhändler  werfen.  — 
Vogt^ö)  hat  die  hauptsächlichsten  Druckwerke  von  Heinrich  Steyner  in  Augsburg 
zusammengestellt  und  auf  seine  volkstümlichen  Holzschnitte  hingewiesen,  über  seine 
Lebensumstände  hat  er  nichts  erkunden  können.  —  Bö  seh  ^')  weist  in  einem  Beitrag 
zur  Bücherausstattung  des  15.  Jh.  das  Aufkommen  des  Titels  zunächst  auf  der  Rück- 
seite eines  vorn  freien  ersten  Blattes  vom  Drucker  Berthold  in  Basel  um  1468 
und  von  Erhart  Ratdolt  in  Venedig  (1476  und  78),  bei  letzterem  auch  das  Vorkommen 
des  verzierten  Umschlages  (1493)  nach.  —  Ueber  den  Musikdruck  mit  beweglichen  Metall- 
typen im  16.  Jh.  handelt  eingehend  Thürlings **2j^  wobei  er  sich  zu  der  von 
Chrysander  in  seinem  durchaus  selbständigen  „Abriss  einer  Geschichte  des  Noten- 
drucks" vertretenen  Ansicht,  dass  der  Notendruck  für  die  Masse  der  Figuralmusik 
eine  einfache  Weiterbildung  des  sogenannten  Patronendrucks  für  die  Choralmusik 
sei,  abwartend  verhält.  Der  Thätigkeit  Ottaviano  dei  Petruccis  in  Venedig  und 
Fossombrone  vom  Privileg  von  1498  bis  zum  Einstellen  des  Musikdrucks  um  1523 
und  den  Arbeiten  seiner  italienischen  Berufsgenossen  Jakob  Giunta,  Antonio  Gardano 
und  Girolamo  Scotto  stellt  Th.  die  Erhart  Öglins  in  Augsburg  und  die  des  als  Drucker 
bedeutsameren  Peter  Schöffers  gegenüber,  wobei  er  jedoch  beider  Meister  Musikwerke 
durchweg  als  Doppeldrucke  in  Anspruch  nimmt;  als  ältesten  einfachen  Musikdruck, 
also  als  den  Beginn  der  höheren  Form  dieser  Satzkunst  betrachtet  er  nach  Eitner 
einen  Sieneser  vom  J.  1515  auf  der  kgl.  Bibliothek  in  Berlin.  Den  Hauptgegenstand 
der  Untersuchung  bildet  Mathias  Apiarius,  der  Notendrucker  in  Strassburg  und 
Bern,  doch  wird  auch  eine  Uebersicht  der  anderen  deutschen  Notendrucker  aus  der 
Zeit  des  einfachen  Musikdrucks  gegeben.  Gegen  Ende  des  16,  Jh.  ist  die  Kunst 
des  Musiksatzes  mit  beweglichen  Lettern  verblichen,  um  erst  Mitte  des  18.  Jh.  wieder 
neu  zu  erstehen.  —  Ueber  die  Beteiligung  von  Geistlichen  am  Buchdrucke  bis  zur 
Reformationszeit  giebt  Falk  ^^)  in  Ergänzung  seiner  Schrift  „Die  Druckkunst  im 
Dienste  der  Kirche  (Köln  1879)"  eine  gedräng'te  Uebersicht;  er  führt  in  vier  Ab- 
teilungen die  geistlichen  Drucker  Deutschlands  an  16,  des  Auslandes  an  32  Orten  an, 
ferner  7  geistliche  Druckstätten  in  Deutschland  und  23  im  Auslande.  In  der  ersten 
Abteilung  finden  sich  neben  einzelnen  Geistlichen,  die  als  Barfüsser,  Karmeliter, 
Priester,  Domherr,  Professor  oder  Kleriker  wie  der  Korrektor  und  Buchführer  Joh. 
Beckenhaub  recht  verschiedenartig  zur  Druckkunst  gestanden  haben,  die  Klöster  der 
Augustiner  in  Nürnberg,  der  Benediktiner  in  Augsburg,  Erfurt  und  Ottobeuern,  der 
Karthäuser  in  Köln  und  Strassburg  und  der  Kogelherren  in  Magdeburg,  Marienthal 
und  Rostock.  Es  ist  fraglich,  ob  nicht  die  Abteilung  der  Druckstätten,  wo 
in  Klöstern  und  Wohnungen  von  Bischöfen  oder  Domherren  namentlich  genannte 
Drucker  ihre  Pressen  aufstellten,  wie  bei  den  Augustinern  in  Wittenberg  Grünberg, 
bei  den  Benedictinern  in  Bamberg  und  W^essobrunn  Sensenschmid  und  Zeissenmeyer, 
bei  den  Prämonstratensern  in  Magdeburg  Brandes,  im  bischöflichen  Hause  zu  Meissen 
Melchior  Lotter  thatsächlich  ähnliche  Verhältnisse  bieten,  wie  in  vielen  Klöstern, 
deren  Drucker  nicht  mit  Namen  bekannt  sind.  —  Für  die  Druckerei  des  Klosters 
der  Dominikanerinnen  von  St.  Jakob  di  Ripoli  zu  Florenz  weist  F  a  1  k  ^'*)  (nach 
V.  Fineschi,  Notizie  storiche.  Firenze  1781)  darauf  hin,  dass  gemäss  der  Ordensregel 
nicht  sie,  sondern  zwei  Patres  im  Amte  des  Spirituals  im  J.  1476  die  Druckerei  er- 
richteten und  die  Druckkunst  ausübten.  Derselbe  erinnert  an  einen  Vermerk  in 
Fabers  hs.  Historia  heilbrunnensis  (Württemb.  Franken  1862,  S.  64),  wonach  sich 
in  dem  1444  gegründeten  Karmeliterkloster  zur  Nessel  eine  Buchdruckerei  befunden 
haben  soll.  —  Eines  deutschen  Meisters  in  Frankreich,  Joh.  Stolls,  Mitglieds  der 
zweiten  Pariser  Druckergesellschaft,    gedenkt   Steiff*^^);    er    hält   es   für    möglich, 

Land-  n.  Bergkalender.)  Vom  Heransgeber  desselben:  MFreibergAV.  29,  S.  46/8.  —  77}  H.  Qerlach,  D.  Hans  Gerlach 
in  Freiberg,  e.  Familien-Chronilc.  Freiberg,  Gerlach.  90  S.  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  78)  id.,  E.  lOOj  Jubil.  Lebens- 
bilder z.  Erinnerung  an  d.  Freiberger  Buchdrucker  u  Buchhändler  Joh.  Chr.  Friedr.  Gerlach  (1756-1820):  MFreibergAV. 
29,  S.  34-46.  —  79)  K.  Steiff,  Joh.  Setzer,  d.  gelehrte  Buchdrucker  v.  Hagenau.  (Nachträgliches  zu  d.  Aufsatz  9, 
S.  297  ff.):  CBlBibl.  10,  S.  20y2.  (Vgl.  JBL.  1892  I  3:27/8.)  —  80)  W.  Vogt,  Heinr.  Steyner  (Stainer,  Steiner)  Augsb.  Buch- 
drucker: ADB.  36,  S.  161.  —  81)  H.  Bosch,  E  Beitr.  z.  Bücherausstattnng:  MGNM.  S.  108-12.  —  82)  A.  Thürlings,  D. 
Musikdruck  mit  beweglichen  Metalltypen  im  16.  Jh.  u.  d.  Musikdrucke  d.  Mathias  Apiarius  in  Strassburg  n.  Bern.  (=  Sonder- 
abdr.  aus  VjsMusikwissensch.  1892.)  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  82  S.  Mit  Facs.  M.  1,00.  -  83)  IF.  Falk],  Geistl.  Drucker 
u.  geistl.  Druokst&tten  bis  1520:   Kath.  1,  S.  90/6.  —  84)  (S.  o.  N.  69;  S.  347.)  —  85)  K.  Steiff,  Joh.  Stell:  ADB.  36,  8.  403/4. 


O.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  :  86-94 

dass  dieser  Gesellschafter  von  Peter  de  Keysere  der  als  Joh.  Stol  de  Frede- 
burgh  (Friedberg-)  1471  in  der  Erfurter  Matrikel  verzeichnete  Student  war.  Nächst 
den  8  g-ezeichneten  Drucken  der  Gesellschaft  aus  den  J.  1474—76  werden  ihr  noch 
10  aus  dem  Hause  zum  g-rünen  Blasebalg-  in  der  Strasse  St.  Jakob  nahe  den  Domi- 
nikanern bis  1479  oder  80  zug-e wiesen,  von  Hain  weitere  15  undatierte  Drucke.  — 
De  la  Bouraliere^®)  berichtet  eing-ehend  von  den  Anfängen  der  Druckkunst  in 
Poitiers  (1479  —  1515),  das  er  nächst  Paris,  Lyon,  Toulouse,  Ang-ers,  Chablis  undVienneals 
siebente  Druckstadt  Frankreichs  bezeichnet.  Nach  Schilderung-  der  erstenWieg-endrucke 
vom  breviariura  historiale  beginnend,  wird  die  Thätigk eit  Jean  Bouyers  und  seiner  Gesell- 
schafter, des  Buchhändlers  Jacques  Bezanceau,  der  Familie  de  Marnefund  des  Druckers 
Jean  Mesnage  vorgeführt.  —  C 1  a  u  d  i  n  ^'^)  ist  denDruckanfäng-en  von  Salins  in  der  Frei- 
grafschaft, gleich  nachdem  es  Mittelpunkt  der  neuen  französischen  Herrschaft  geworden 
war,  nachgegangen,  —  Von  grossem  Werte  ist  C 1  a  u  d  i  n  s  ^^)  Schrift  über  das 
Toulouser  Buchgewerbe,  das  in  voller  Freiheit  erblüht  ist.  Der  Vf.  zieht  aus  den 
Steuerlisten  nicht  weniger  als  15  Drucker  ans  Licht,  er  rühmt  sich  gegen  500  Er- 
wähnungen betreffend  Buchhändler  und  Stationare,  mehr  als  70  betreffend  Buch- 
binder, 50  betreffend  Illuministen  mit  Ausschluss  der  eigentlichen  Maler  verzeichnet 
zu  haben ;  auf  Anführung  der  grossen  Zahl  von  Pergamentern  hat  er  verzichtete^).  — 
Marie  Pellechet^")  entwickelt  in  ihren  Hypothesen  über  die  Druckkunst  in 
Languedoc  fruchtbare  Anregungen  über  die  Beziehungen  der  Städte,  indem  sie  auf 
den  Einfluss  der  Buchhändler  von  Lyon  und  Toulouse  auf  Languedoc,  auf  die  haupt- 
sächlich deutsche  Herkunft  des  Bücherbestandes  in  Bordeaux  und  auf  die  Pariser 
Drucke  in  Poitiers  hindeutet,  auf  ylämische  Lettern  in  Italien  und  auf  die  nahe 
Verwandtschaft  der  ersten  Lyoner  Lettern  mit  den  deutschen  und  auf  die  Herkunft 
der  Drucker  aus  Deutschland.  Auf  Grund  solcher  Erwägungen  und  sorgfältiger 
Vergleichungen  weist  Marie  P.  sinnreich  und  glaubhaft  nach,  dass  der  älteste  Druck 
von  Toulouse  vom  J.  1476  von  Martinus  Huss  de  Botwar  stammt,  und  dass  Vorräte 
seiner  Lettern  1479  im  Besitze  des  zweiten  Druckers,  seines  deutschen  Landsmannes 
Joh.  Parix  von  Heidelberg*  waren.  Aehnliche  Folgerungen  werden  aus  der  weiteren 
Verwendung  von  Lettern,  die  Joh.  Neumeister  in  Albi  gebraucht  hat,  gezogen, 
ähnliche  Anregungen  in  einem  Aufsatze  über  Druckalphabete  des  15.  Jh  gegeben^^).  — 
lieber  einen  deutschen  Wanderdrucker  der  Frühzeit  in  Spanien,  Nikolaus  Spindeler 
aus  Zwickau,  1477—1506,  berichtet  Steiff^^)  —  ^jg  gj^  allerliebstes  Büchlein 
über  einen  hervorragenden  römischen  Drucker  des  16.  Jh.  Antonio  Blado  (1490—1567) 
hat  Fumagalli^3^  eine  schon  1886  abgefasste,  aber  bis  auf  die  Gegenwart  ergänzte 
lesenswerte  Schrift  veröffentlicht.  Aus  dem  Anhange  ist  ein  Gesellschaftsvertrag  für 
ein  Verlagsunternehmen  von  1536  und  ein  Privileg  Gregors  XIII.  für  den  Druck 
von  Bullen  und  Konstitutionen  hervorzuheben.  — 

Für  die  Kunde  von  den  Wiegendrucken  ist,  abgesehen  von  den  schon 
erwähnten  Strassburger  Repertorien,  im  Berichtsjahr  die  Ernte  in  Deutschland  so  wenig 
ergiebig  gewesen,  dass  es  fast  scheint,  als  halte  jedermann  unwillkürlich  mit  nur 
massig  fruchtbringender  Einzelarbeit  zurück,  bis  endlich  eine  Organisationskraft 
erstünde  und  für  das  wahrlich  nicht  übergrosse  Gebiet,  das  aber  einen  hervorragenden 
Ruhmestitel  deutscher  Arbeit  angeht,  Plan  und  Mittel  schaÖ'te.  Nur  Burgers 9*) 
grosses  Tafelwerk  der  deutschen  und  italienischen  Inkunabeln  hat  einen  Schritt  vor- 
wärts gethan;  wie  untrennbar  deutsche  und  italienische  Schriftproben  des  Wiegen- 
zeitalters sind,  erhellt  daraus,  dass  die  in  die  3.  u.  4.  Lieferung  (Tafel  51—100)  auf- 
genommenen 13  Druckproben  aus  Italien  sämtlich  deutschen  Meistern  angehören.  Es 
ist  dringend  erwünscht,  dass  die  Reichsdruckerei  diese  Sammlung  musterhafter  Nach- 
bildungen von  der  Zwangsjacke  eines  ihr  auferlegten  zu  engen  Umfanges  befreit, 
so  dass  diese  Monumenta  sich  zu  einem  vaterländischen  Unternehmen  mit  den  natur- 
gemässen,  gar  nicht  einmal  weitläuftigen  Grenzen  auswachsen  kann.  Als  Abschluss 
ist  ein  handlicher  Band  mit  den  Alphabeten,  womöglich  auch  Ligaturen,  aller  wesent- 
lichen Letternarten  der  Wiegendruckzeit  nötig,  sowohl  für  wissenschaftliche  Druck- 
vergleichung, als  für  die  Befruchtung  des  gegenwärtigen    deutschen  Buchgewerbes. 

—  Die  bescheidene  Inkunabelnsammlung  der  Gothaer  Gymnasialbibliothek  verzeichnete 

—  86)  A.  de  la  Bouraliere,  Les  debnts  de  rimprimerie  ä  Poitiers  (1479-1515).  2.  ed.  Paris,  Em.  Paul,  L.  Huard  et  Guillemin. 
72  S.  3Taf.  |[JSav.  S.  703.]|  —  87)  A.  Claudin,  Les  origines  de  l'imprimerie  ä  Salins  en  Franche-Comte  (1434-35).  (=  Extr. 
du  Bulletin  du  bibliophile.)  Paris,  Clandin.  1892.  25  S.  (Vgl.  JBL.  1892  I  3  :  41 )  —  88)  id.,  Les  enlumineurs,  les  relieurs, 
les  libraircs  et  les  imprimeurs  de  Toulouse  aux  15.  et  16.  siecles  (1480-1530).  Docuraents  et  Notes  pour  servir  ä  lenr  bist. 
(=  Extr.  du  Bulletin  du  bibliophile.)  ib.  67  S.  —  89)  X  id-.  Note  pour  servir  ä  l'hist.  de  rimpriraerie  en  Bearn.  Les 
antecedents  d'Henry  Toyvre  et  de  Jean  de  Vingles,  premiers  imprimeurs  de  la  ville  de  Pan.  (=  Extrait  de  la  Gase).  Auch, 
Foix.  3S.  ~  90)  Mfarie]  Pellechet,  Quelques  hypotheses  sur  l'imprimerie  en  Languedoc  au  15.  sifecle :  ChrJGenlraprLibr.  82', 
S.  1/7.    —    91)  id.,  Alphabets  des  imprimeurs  du  15.  siecle    avec    des    facs.     (=  Extr.  de  la  RBibl.).    Paris,  Bouillon.    I,  10  S. 

—  92)  K.  Steiff,  N.  Spindler:  ADB.  35,  S.  19S/9.  —  93)  G.  Fumagalli,  Antonio  Blado,  tipografo  romano  del  secolo  16. 
Memoria  storico-bibliografica.  Milano,  Hoepli.  24».  123  S.  L.  3,50.  —  94)  Monumenta  Germaniae  et  Italiae  typographica.  Dtsch 
n.  ital.  Inkunabeln  in  getreuen  Nachbildungen  her.  t.  d.  Direktion  d.  Keichsdruckerei.    Answ.  n.  Text  t  K.  Burg  er.  3.  u.  4.  Lfg. 


I  3:95-109  0.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Ehwald^^);  auf  Grund  von  Zwickauer  Funden  berichtet  Beck^^)  in  einem  Aufsatze 
über  die  ersten  illustrierten  Bücher,  über  neu  aufgefundene  illustrierte  Strassburg-er 
Drucke  von  Matthis  Hupfuff  aus  dem  Anfange  des  16.  Jh.,  über  des  Ekken  Aus- 
fahrt von  1503  nebst  zwei  schon  aus  Nürnberger  Drucken  bekannten  Meisterliedern 
im  Tone  Jörg  Schillers.ö''"^^)  —  In  England  versteht  man  die  Lust  am  Buche  der 
Frühzeit  in  weite  Kreise  zu  tragen.  Von  der  sechs  Einzelbände  umfassenden  Sammlung 
Trübnerschen  Verlages,  „Books  about  books"  edited  by  Alfred  W.  Pollard  liegen  in 
kräftigen,  vom  kgl.  Buchdrucker  der  Edinburger  Universitäts-Presse  schön  ge- 
druckten Bänden  zu  je  6  Sh.  sechs  Werke  vor:  das  von  Elton^^^  über  die 
grossen  Büchersammler,  von  H  a  r  d  y  ^^Oj  über  Bücherzeichen  (Ex  libris),  von  D  uf  f '^i) 
über  die  ersten  Drucke,  von  Pollard ^"2)  ly^er  die  ersten  illustrierten  Druckwerke, 
H  0  r  n  e  s  i*^^)  Buch  über  Buchbinderei  ist  im  folgenden  Jahre  erschienen,  Madans 
Hs.-Buch  wurde  bereits  erwähnt  (s.  o.  N.  27).  —  Auch  für  die  praktische  Ver- 
folgung des  Marktverkehrs  der  Bücher  ist  für  Verkäufer  und  Käufer  von  anti- 
quarischen Werken  dort  gut  gesorgt  durch  den  jährlich  mit  alphabetischem  Inhalts- 
verzeichnisse erscheinenden  Book-Prices-Current  i^*)  englischer  Auktionen,  deren 
Gesamtumsatz  im  J.  1893  £"  66,470  15  s.  6  d.  betrug.  —  Auf  C  o  p  i  n  g  e  r  s  lo^)  grosses 
Inkunabelnwerk  über  die  lateinische  Bibel  zwischen  1450  und  1500  nebst  einer  Liste 
der  Ausgaben  des  16.  Jh.  ist  nachdrücklich  hinzuweisen.  Die  Zahl  der  von  ihm 
beschriebenen  lateinischen  Bibelausgaben  des  15.  Jh.  beträgt  124,  einschliesslich 
13  zweifelhafter  und  ausschliesslich  14  von  ihm  als  unecht  betrachteter  Ausgaben. 
Das  chronologische  Verzeichnis  des  16.  Jh.  umfasst  438  Ausgaben.  Die  44  bei- 
gegebenen Schrifttafeln  in  Photolithographie  köpnen,  so  willkommen  sie  sind,  sich 
mit  den  Zinkklatschen  der  deutschen  Reichsdruckerei  nicht  entfernt  vergleichen ;  ein 
Urteil  über  die  Güte  des  Druckes  der  Inkunabelnzeit,  nach  diesen  Proben  abgegeben, 
würde  abschätzig  ausfallen  müssen.--  Vom  Verzeichnis  der  reichen  Sammlung Copingers, 
der  selbst  68  von  den  124  lateinischen  Bibeln  des  15.  Jh.  und  202  von  den  438  Ausgaben 
des  16.  Jh.  besitzt,  ist  ein  Privatdruck 'o6)  erschienen.  —  In  Frankreich  schreitet  die 
Aufnahme  der  Inkunabelnbestände  der  öffentlichen  Bibliotheken  nach  Delisies  all- 
gemeingültigen Instruktionen  rüstig  vorwärts.  Von  M  a  r  a  i  s  und  D  u  f  r  e  s  n  e  ^^'^) 
liegt  der  Inkunabelnkatalog  der  berühmten  Bibliotheque  Mazarine  vor,  zu  dem 
Delisle  und  Copinger  vieles  freundlich  zu  bemerken  hatten.  Ein  Druckerverzeichnis 
sollte  einem  so  wichtigen  Kataloge  nicht  fehlen.  —  Marie  Pellechet*"*)  hat  den 
Inkunabelnkatalog  der  öffentlichen  Bibliotheken  von  Lyon  durch  ihr  selbständiges 
Vorgehen  zu  Wege  gebracht,  da  die  Bibliothekare  der  Stadt,  die  einst  der  Haupt- 
bücherplatz von  Frankreich  war,  die  Aufgabe  nicht  selbst  zu  unternehmen  vermochten. 
Das  mit  Facsimiles  von  Druckerzeichen  geschmückte  bedeutsame  Werk  weist  zwecks 
vielseitiger  Verwertung  Register  über  Druckorte,  Drucker-  und  Buchhändlernamen, 
über  Verteilung  der  Ausgaben  auf  die  einzelnen  Druckorte,  über  Vorbesitzer  der 
Bücher,  Büchertitel,  ein  Orts-  und  Personenverzeichnis,  Tafel  der  Drucker-  und  Ver- 
legerzeichen und  der  beigegebenen  22  Druckproben  Lyoner  Drucker  des  15.  Jh.  auf. 
Das  Druckfehlerverzeichnis  ist  nur  kurz,  doch  verlautet,  dass  es  der  sehr  verdienten 
Vf.  versagt  wurde,  die  Korrektur  an  den  Exemplaren  selbst  zu  lesen,  auch  bleibt  zu 
bedauern,  dass  Umstände  die  geplante  Geschichte  der  in  der  Lyoner  Bibliothek  durch 
das  Gesetz  von  1789  und  das  Dekret  von  1792  vereinigten  Kloster-  und  Laienbücher- 
schätze verhindert  haben.  —  C  a  s  t  a  n  ^oo)  hat  die  Veröffentlichung  seines  aus- 
gezeichneten Inkunabelnkatalogs  der  öffentlichen  Bibliotheken  von  Besangon  nicht 
erlebt,  zu  dem  Delisle  die  Vorrede,  der  heimgegangene  L.  S  i  e  b  e  r  eine  Mit- 
teilung über  den  Drucker  Bernhard,  Hans  Amerbachs  Stiefsohn,  beigetragen  hat.  Ausser 
den  Drucker-  und  Verlegernamen  und  den  Druckorten  sind  auch  die  Wasserzeichen 
alphabetisch  nach  Gegenständen  mit  Angaben  von  Ort,  Drucker  und  Werknummer, 


B.,  Reichsdruckerei  (Leipzig,  Harrussowitz).  Fol.  k  25  Taf.  ä  M.  20.  1[LCB].  S.  575/6  (anerVennend).]|  —  951  (S.  o.  N.  38.)  — 
96)K.  Beck.Nengefnndeneillnstr.  Strassb.  Druclce  aus  d.  ersten  Jahrzehnte  d.  16.  Jh.:  CBlBibl.  10,  S  331/4.  —  97)  XK.  Koch  en- 
do rff  er,  A.  V.  Dommer,  D.  ältesten  Drucke  aus  Marburg  i  H.  (Vgl.  JBL.  1892  13  :  48.) :  DLZ  S  942/3  (s.  LCBl.  S.  1121).  —  98)  X  A. 
Schricker,E.  Hochegger,  Liberregum.  (Vgl.  JBL.  1891  14:35.):  DLZ.  S.  561/3.  —  99)  C.  J.  u.  Mary  Augusta  Elton,  The  great 
book-collectors.  London,  Kegan  Paul,  Trench,  Trübner  &  Co.  VIT,  228  S.,  9  Taf.  Sh.  6.  —  100)  W.  J.  Hardy ,  Book-plates.  ib.  XVI, 
175  S., 36  Taf.  Sh.6.  —  101)  E.  G.  Duff,  Early  printed  books.  ib.  XU,  219  S.,  10  Taf.  Sh.  6.  -  102)  A.  V^.  Pollard,  Early  illustrated 
books.  Abist,  ofthe  decoration  and  Illustration  of  books  in  the  15"' and  16'1>  Centuries.  ib.  XVI,  2,56  S.  Sh.  6.  —  103)  H.P.Horne, 
The  binding  of  books,  an  essay  in  the  bist,  of  gold-tooled  bindings.  ib.  VIII,  224  S.  13  Taf.  Sh.  6.  —  104)  Book-Prices- 
Current:  a  record  of  the  prices  at  wich  books  have  been  sold  at  anction,  from  Dec.  1892  to  Nov.  1893.  Vol.  VII.  London, 
EUiot  Stock.  VIU.  530  S.  Sh.  27  6.  —  105)  W.  A.  Copinger,  Incunabula  biblica  on  the  ftrst  half  Century  of  the  latin 
bible  beeing  a  bibliographical  accoant  of  the  various  editions  of  the  latin  bible  betwuen  1450  and  1500  with  an  appendix 
containing  a  chronological  list  of  the  editions  of  the  sixteenth  Century.  London,  Quaritch  1892.  X,  226  S,  Bild.  d.  Vf. 
(Nicht  im  Handel.)  —  106)  O  id.,  Catal.  of  the  Copinger- collection  of  editions  of  the  Latin  Bible  with  bibliographical  particnlars, 
by  W.  A.  Copinger.  Manchester.  4».  VIII,  39  S.  Mit  Titelbild  n.  9  Taf  |[L.  Delisle:  JSav.  8.  202-18  (anerkennende  Be- 
sprechung mit  ergänzenden  Bemerkungen).]  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  107)  P.  Marals  et  A.  Dnfresne  de  Saint-Leon, 
Catal.  des  incunables  de  la  bibl.  Mazarine.  Paris,  Welter.  VIII,  811  S.  —  108)  M[arieJ  Pellechet,  Oatal.  des  incnnables 
des  bibl.  pnbliques  de  Lyon.  Avec facs  Lyon,  Delaroche  et  C!ie.  VIII,  477  S.,  8Taf.  —  109)  A.  Castan,  Catal.  des  incnnables 


O,  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  :  110-123 

ebenso  die  Ex-libris  in  einem  Reg-ister  verzeichnet;  die  Liste  der  nachg-ebildeten 
Drucker-,  Verleger-  und  Bibliothekzeichen  ist  stattlich.  — 

In  die  spätere  Zeit  des  deutschen  Buchdrucks  führt  der  geschichtliche 
Teil  von  Hubers^'O)  Festbericht  über  das  300  jährige  Jubiläum  der  Joh.  Köselschen 
Buchhandlung  in  Kempten.  Vom  Fürstabt  von  Kempten  Erhard  Blarer  von  War- 
tensee im  J.  1593  gegründet  und  im  fürstlichen  Residenzschlosse  zu  Kempten  bis 
zum  Anfange  unseres  Jh.  als  Typog-raphia  ducalis  unter  der  Leitung  von  Faktoren 
betrieben,  dann  als  kurbayerische  Buchdruckerei  mit  der  Papiermühle  Hegge  vom 
Staate  übernommen,  g-ing  dieses  typische  katholische  Geschäft  an  den  letzten  Faktor 
Joh.  Kösel  über;  seine  heutige  Blüte  verdankt  es  —  dem  Pfarrer  Kneipp.  —  Rung-ei^^) 
hat  auf  Grundlage  eingehender  Benutzung  der  Akten  des  Osnabrücker  Staatsarchives, 
des  Materials  des  Ratsarchives  und  der  hs.  Schätze  des  Ratsgymnasiums  und  histo- 
rischen Vereins  in  Osnabrück,  auch  eifrig-er  bibliographischer  Forschungen  den 
ersten  Teil  einer  Geschichte  des  Osnabrücker  Buchdrucks  veröffentlicht.  Seltsamer 
Weise  hat  sich  in  dieser  hochentwickelten  Stadt  für  das  gesamte  15.  und  16.  Jh. 
keine  Spur  von  Buchdruckbetrieb  auffinden  lassen,  im  J.  1617  ist  „zuerst  eine 
Druckerey  zu  Osnabrück  verordnet,  und  der  erste  Drücker  darauf  Martin  Mann  g-e  worden" . 
Der  Schrift,  die  den  innigen  Wechselbeziehungen  der  Druckkunst  mit  dem  geistigen 
Gesamtleben  liebevoll  folg-t,  ist  ein  Verzeichnis  älterer  Osnabrücker  Drucke  von 
1618—1707  nach  der  Reihenfolge  der  Drucker  beig-eg-eben.  —  Pauls  ^^^^  kann  in 
seinen  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Buchdruckereien  usw.  in  Aachen,  obg-leich  er 
sich  bemüht  alle  Drucker  von  Gutenberg*  an  namhaft  zu  machen,  die  mit  Aachen 
Zusammenhänge  haben,  erst  1620  einen  städtischen  Buchdrucker  nachweisen  und 
im  ganzen  17.  Jh.  bleibt  es  im  wesentlichen  bei  Gelegeriheitsschriften.  — 

Für  das  Feld  der  Drucker  marken  behält  in  Deutschland  der  kunst- 
sinnige junge  Verlagsbuchhändler  Heitz  die  Führung  in  Händen;  seinen  elsässischen^^^) 
Büchermarken  lässt  er  Kristellers' ^*)  italienische  Buchdrucker-  und  Verleger- 
zeichen folgen.  Der  Abschluss  mit  dem  J.  1525  ist  berechtigt,  da  um  diese  Zeit 
gleichzeitig  eine  sachliche  und  künstlerische  Umgestaltung  erfolgt.  Die  wirtschaft- 
lichen Erörterungen  des  von  der  Kunstgeschichte  ausgehenden  Herausgebers 
sind  sehr  willkommen.  Gegenüber  der  Mannigfaltigkeit  deutscher  Markengestaltung 
wirkt  die  einheitliche  italienische  Grundform,  die  Weltkugel  mit  dem  Doppelkreuz, 
etwas  eintönig.  —  In  England  veröffentlicht  Roberts  i'^),  der  Herausgeber  des 
„Book-Worm",  eine  mit  guten  Facsimilestöoken  belebte,  übersichtliche  Darstellung  der 
Druckermarken.  — 

Der  alte  Streit  über  die  deutsche  Druckschrift  wird  in  neuerer  Zeit  un- 
geschwächt, aber  von  beiden  Seiten  einseitig  fortgesetzt  i^^-iisj    — 

Die  Bib  liograp  hie  hat  ausser  Hss.  und  Inkunabeln  Verzeichnissen  mancherlei 
Gebiete  bedacht.  Die  nachweisbaren  arabischen  Uebersetzungen  aus  den  Griechischen, 
die  mittelbaren  Einfluss  auf  mancherlei  Litteraturzweige  gewonnen  haben,  zählt 
Steins  chn  eider*''')  auf.  —  Eine  BibliogTaphie  der  epischen  lateinischen  Dramen 
des  Mittelalters  in  elegischem  Versmasse  giebt  B  ahlm  an  n  *^'*),  im  ganzen  19,  nach 
B.s  Ansicht  nicht  für  dramatische  Aufführung  bestimmte  Werke  vom  Ende  des 
10.  Jh.  bis  gegen  1260,  neben  den  6  wirklichen  Komödien  der  Hrotswitha  die  ein- 
zigen seit  dem  5.  Jh.  im  ganzen  Mittelalter,  die  an  das  Theater  des  Altertums  er- 
innern. Nicht  berücksichtigt  sind  die  liturgischen  Dramen,  sowie  die  Landen,  Devotionen 
und  Repräsentationen  des  14.  und  15.  Jh.  Aus  dem  späteren  Mittelalter  ist  Regnier 
de  Waels  epische  Tragödie  von  1447  verzeichnet.  —  Ueber  einige  Reformationsschriften 
aus  den  J.  1525—26  und  deren  schwedische  Uebersetzungen  veröffentlicht  An- 
der s  s  0  n  1 2 ij  bibliographische  Miscellanea;  B  a  h  1  m  a  n  n  122^  verzeichnet  die  Ausgaben 
einer  gereimten  Streitschrift  des  Jesuiten  Joh.  Hammer  samt  Gegenschriften.  —  Mit 
äusserster  Vorsicht  gehen  die  Herausgeber  der  Bibliotheoa  Erasmiana'^S)  vor,  die  das 
als  vorläufig  bezeichnete  Verzeichnis,  ein  hervorragendes  Werk  grössten  Bibliographen- 


de la  bibl.  publique  de  Besan9on.  Besanjon,  Dodivers.  XIX,  816  S.  —  110)  L.  Huber,  Festbericht  über  d.  300 j.  Jubil.  d. 
Joh.  Köselschen  Buchhandlung  in  Kempten  am  24.  Sept.  Kempten  (Kösel).  63  S.  1  Bild.  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  111) 
G.  Runge,  Gesch.  d.  Osnabrücker  Buchdrucks.  1.  T.  1617-1707.  (Aus  MGVOsnabrück.  16,  S.  181-370.)  Osnabrück  (Rack- 
horst).  199  S.  M.  2,00.  |[LCB1.  S.  1500  (anerkennend).]]  (Sonderabdr.)  —112)  E.  Pauls,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Bachdruckereien, 
d.  Buchhandels,  d.  Censur  u.  d.  Zeitungspresse  in  Aachen  bis  z.  J.  1816:  ZAachenGV.  15,  S.  97--235.  —  113;  P-  Heitz,  Bl- 
sässische  Büchermarken  (vgl.  JBL.  1892  I  3:45).  j[K.  Dziatzko:  DLZ.  S.  614/5;  RepKunstw.  16,  S.  145/6;  0.  v.  H(ase): 
LCBl.  S.10889;  A.Schricker:  AZgB.N.4;  E.  Picot:  RCr.  35,  S.  143/7.]|  —  114)  P.  Kristeil  er,  D.  Italien.  Buchdrucker-  u. 
Verlegerzeichen  bis  1525.  (=  Die  Büchermarken  od.  Buchdrucker-  u.  Verlegerzeichen.  2.  Bd.).  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  4". 
XV,  145  S.  M.  50,00.  |[0.  t.  H(ase):  LCBl.  S.  447/9;  NAnt.  47,  S.  734/5  (anerkennend).]!  -  115)  W.  Roberts,  Printers 
marks.  A  chapter  on  the  bist,  of  typography.  London,  Bell  &  Sons.  16».  Sh.  7/6.  —  116)  X  J-  Schlecht,  Eckschrift  oder 
Rundschrift:  ZDU.  7,  S.  471/5.  —  117)  X  Rundschreiben  d.  Vereins  für  Lateinschrift:  PaedA.  35,  S.  100-4.  —  118)  X 
H.  Stöckel,  Antiqua  oder  Fraktur?:  BBRW.  13,  8.7-14.  -  119)  M.  Steinschneider,  D.  arabischen  Uebersetzungen  aus  d. 
Griechischen.  (=  Beihefte  z.  CBlßibl.  N.  12.)  L.,  Harrassowitz.  IV,  112  S.  M.  5,00.  —  120)  P.  Bahlmann,  D.  epischen 
Komödien  u.  Tragödien  d.  MA.:  CBlBibl.  10,  S.  463-70.  -  121)  A.  Andersson,  Miscellanea:  ib.  S.  486-90.  —  122)  P.  Bahl- 
mann, Herrn.  Josemas  Praedikanten-Latein :  ib.   S.  271/5.  —   123)    Bibliotheca   Erasmiana,  repertoire   des   oeuTres  d'Erasnje, 


I  3:124-143  0.  V.  HasG,  Schrift-  und  Buchwesen. 

fleisses  der  Genter  Universitätsbibliothekare,  zunächst  in  800  Abzügen  jedermann 
zur  Verfügung-  stellen,  der  verbessern  und  vervollständigen  will.  Der  mächtige  Einfluss 
des  Erasmus  auf  die  verschiedensten  Litteraturen  erhellt,  wenn  man  die  schier  end- 
losen Reihen  von  Auflagen  und  Ausgaben  Erasmischer  Werke  überblickt.  —  Zur 
Bibliographie  der  Paracelsisten  liefert  Sudhoff^^i^  einen  kritischen  Beitrag.  — 
Der  deutschen  Litteratur  bringt  Ad.  Schmidt  ^^5)  aus  der  Darmstädter  Hofbibliothek 
willkommene  bibliographische  Beiträge:  Ueber  die  älteste  datierte  Ausgabe  des  Pfaffen 
vom  Kaienberge  (1490),  über  Fuchsens  Muckenkrieg  (1580),  Eulenspiegel  (1551), 
die  beiden  Reimschriften  des  Bad  zu  Blumerschs  und  B.  Klingiers  „Wie  man  sich 
hüten  soll  vor  dem  Spiel",  über  Griseldis  und  Giletta  von  Narbonne,  den  Glück  Haff 
zu  Strassburg,  das  Buch  der  Liebe  (gegen  eine  Ausgabe  von  1578),  namentlich  aber 
Beiträge  zur  Fischartbibliographie  (N.  1—58).  —  Neubaur^^e^  (vgl.  I  5:226)  lässt 
seiner  früheren  Darstellung  der  Sage  vom  ewigen  Juden  (1884)  eine  vervoll- 
ständigte Bibliographie  der  Ausgaben  in  deutscher  (56),  vlämischer  (13),  französischer 
(10),  dänischer  (4)  und  schwedischer  (19)  Sprache,  sowie  von  139  Schriften  über 
diesen  Gegenstand  folgen.  —  Vogel  '^i^  hat  für  die  gedruckte  weltliche  Vokalmusik 
Italiens  durchaus  selbständig  und  meisterhaft  die  bibliographische  Grundlage  gelegt 
und  damit  ein  Muster  für  authentische  Materialiensammlung  zur  Musikgeschichte 
überhaupt  gegeben.  Bei  dem  grossen  Einflüsse  dieser  italienischen  Musikgattung 
auf  Deutschland  verdienen  die  angeführten  Texte  die  Beachtung  der  Litterar- 
historiker.  —  Nächst  den  Fachbibliographien '^s)^  die  das  ganze  Gebiet  eines  Wissens- 
zweiges umfassen,  haben  die  meisten  Künste  ^29-131^  und  Wissenschaften  in  ihren 
Fachorganen  Bibliographien  über  die  laufenden  Erscheinungen  '32).  —  Eine  über- 
sichtliche geschichtliche  Bibliographie  der  letzten  zwei  Jahrzehnte  bietet  der  Er- 
gänzungsband der  Mitteilungen  aus  der  historischen  Litteratur  ^^^),  ein  alphabetisches 
und  sachliches  Register  dieser  Zeitschrift. i3*"'35)  _  Bibliographisch  besonders  schwer 
zu  fassen  sind  die  kleinen  Schul-  und  Universitätsschriften.  Bei  Bearbeitung  einer 
Bibliographie  der  deutschen  Universitäten  ist  H  o  r  n  i'^)  zu  einer  geschichtlichen 
Darstellung  der  Disputationen  und  Promotionen  an  den  deutschen  Universitäten  ge- 
kommen. —  Die  Notwendigkeit  eines  raschen  Ueberblicks  über  die  gegenwärtige 
Litteratur  dieser  Art  hat  zu  B"  0  c  k  s  ^^'^)  bibliographischem  Monatsbericht  geführt, 
der  sich  nach  und  nach  zu  einem  unentbehrlichen  Hülfsbuch  aller  Wissenschaften 
herangebildet  hat.  —  Ein  systematisches,  mit  Orts-  und  Namenregister  versehenes 
Verzeichnis  der  Abhandlungen  in  Schulschriften,  jedoch,  abgesehen  von  vereinzelten 
Fällen,  nur  soweit  als  sie  an  dem  Programmaustausch  teilnehmen,  verdankt  man 
für  die  J.  1886—90  wiederum  Kl  u  s  s  m  a  n  n  ^3^);  auf  die  Abteilung  VI  (S.  166 
bis  191),  Geschichte  der  Kultur  und  Litteratur,  darin  namentlich  Bibliographie  und 
Bibliothekenkunde,  sei  noch  besonders  hingewiesen.  —  Jahresverzeichnisse  der  an 
den  deutschen  Schulanstalten  erschienenen  Abhandlungen  und  der  an  den  deutschen 
Universitäten  erschienenen  Schriften  giebt  es  in  gesonderten  Bänden  >39-i40^-  ^as 
dann  die  Schweiz  i4i-i42^  betrifft,  so  erfolgen  besondere  Verzeichnisse  für  die  Schulen.  — 
Jüngere  Wissenschaften  sind  in  der  Lage,  diese  Gelegenheitsschriften  für  ihr  gesamtes 
Gebiet  zu  verzeichnen:    für   romanische  und    englische  Philologie  hat    Martin^^^j 


1.  Liste  soiDinaire  et  provisoire  des  divers  ed.  des  ses  ceavres.  2.  Auteurs  publies,  trad.  ou  annot.  par  Erasme,  Liste  som- 
maire  et  provisoire.  3.  Sources,  Biographies  d'Erasrae  et  ecrits  le  concernant;  ouvrages  qui  contiennent  des  notes  d'Erasme, 
des  extraits  de  ses  oeuvres  etc  Gent  (Universitätsbibliothek).  IV,  186  S. ;  86  S. ;  66  S.  (Nicht  im  Bachhandel.)  —  124) 
K.  Sndhoff,  E.  Beitr.  zur  Bibliogr.  d.  Paracelsisten  im  16.  Jh.:  CBlBibl.  10,  S.  316-26,  385-407.  —  125)  Ad.  Schmidt, 
Z.  Bibliogr.  d.  älteren  dtsch.  Litt.:  ib.  S.  433-56.  —  126)  L.  Neubaur,  Bibliogr.  d.  Sage  v.  ewigen  Juden:  ib.  S.  249-67, 
297-316.  —  127)  E.  Vogel,  Bibl.  d.  gedruckten  weltlichen  Vokalmusik  Italiens  ans  d.  J.  1500-1700,  enth.  d.  Litt.  d.  Frottole, 
Madrigale,  Canzonette,  Arien,  Opern  etc.  Her.  durch  d.  Stiftung  v.  Schnyder  v.  Wartensee.  2  Bde.  B.,  Haack.  1892.  XXIV, 
530  8.;  IV,  599  S.  M.  24,00.  —  128)  X  J  Plchler,  Bibliotheca  historico-militaris.  Systemat.  üebersicht  d.  Erscheinungen 
aller  Sprachen  auf  d.  (Jebiete  d.  Gesch.  d.  Kriege  u.  Kriegswissenschaft  seit  Erfindung  d.  Bnchdruckerkunst  bis  z.  Schluss  d. 
J.  1880.  3.  Bd.,  2.  Heft.  Cassel,  Kessler.  S.  61-344.  M.  9,00.  —129)  X  Bi^iographie:  EepKunstw.  16,  S.  I-LVI.  —  130  X 
F.  Aschers  on,  Musikal.  Bibliographie  1893:  VjsMusikwissensch.  9,  S.  449-72.  —  131)  X  Bacherschan  z.  Gesch,  d.  dtsch. 
Bühnen:  NTheaterAlm.  4,  S.  20-25.  —  132)  X  J.Po  hie  n.  J,  D.  Schmitt,  Novitätenschau.  E.  Bibliogr  d.  philosoph. 
Erscheinungen  d.  J.  1892:  PhilosJb.  S.  203-38.  —  133)  Mitteilungen  aus  d  bist.  Litt.  her.  v.  d.  bist.  Ges.  in  Berlin  u.  in  deren 
Auftr.  redig.  v.  Ferd.  Hirsch.  Ergänznngsheft.  Eegist.  über  Jahrg.  1-20  (1873-92).  B.,  Gaertner.  IV,  114  S.  M.  3,00.  — 
134)  X  Altpreuss.  Bibliogr.  für  1891  nebst  Ergänzungen  zu  früheren  Jahren.  (=  Beilageheft  zur  AltprMschr.  29.) 
Königsberg  i.  Pr.,  Beyer  (Thomas  &  Oppermann).  1892.  56  S.  M.  2,80.  -  135)  O  X  Mecklenburg.  Litt.  Juli  1892/3: 
QBVMecklG.  58,  S.  72-88.  —  136)  E.  Hörn,  D.  Disputationen  u.  Promotionen  an  d.  dtsch  Univ.  vornehmlich  seit  dem  16.  Jh. 
Mit  e.  Anh.  enth.  e.  Verzeichnis  aller  ehemaligen  u.  gegenwärtigen  dtsch.  Univ.  (=  Beihefte  z.  CBlBibl.  N.  11.)  L.,  Harrasso- 
witz.  VlII,  128  S.  M  5,00.  —  137)  Bibliogr.  MB.  über  neu  erschienene  Schul-  und  üniversitätsschriften  (Dissertationen, 
Programmabhandlungen,  Habilitationsschriften  usw.).  Unter  Mitw.  u.  mit  Unterstützung  mehrerer  Universitätsbehörden  her.  v. 
d.  Centralstelle  für  Diss.  u.  Progr.  v.  G.  Fock.  4.  Jahrg.  L.,  Fock.  IV,  160  S.  M.  2,00.  -  138)  R.  Klussmann,  Systemat. 
Verzeichnis  d.  Abhandl. ,  welche  in  d.  Schulschriften  sämtlicher  an  d.  Programmtausche  teilnehmenden  Lehranst.  er- 
schienen   sind.    Nebst  2  Reg.     2.  Bd.     1886-90.     L.,    Teubner.     VII,   285  S.     M.  5,00.     |1E.  Roth:    CBlBibl.  10,    S    549-50.]|  — 

139)  Jahresverzeichnis    d.   an    d.  dtsch.  Schulanst.  erschienenen  Abhandl.   IV.   1892.     B.,   Asher  &  Co.     lU,   68  S.     M.  2,00.  — 

140)  Jahresverzeichnis  d.  an  d.  dtch.  Univ.  erschien.  Schriften  15.  Aug.  1891-14.  Aug.  1892.  ib.  III,  317  S.  M.  8,00. 
—  141-142)  Verzeichnis  d.  in  d  J.  1889-91  erschienenen  Progrr.  d.  Schweiz.  Progymn.,  Gymn  ,  Lyceeen  resp.  Kantonsschnlen. 
JhVSchwGymnasiallehrer.  22,  S.  129-35.  —  143)  H.  Varnhagen,  Systemat.  Verzeichnis  d.  Programmabhandl ,  Diss.  u.  Habili- 
tationsschriften aus  d.  Gebiete  d.  roman.  u.  engl.  Philol.  sowie  d.  allgem.  Sprach-  u.  Litteraturwissensch.  u.  d.  Päd.  n.  Methodik. 


O.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  :  144-154 

das  vor  16  Jahren  erschienene  Varnhagensche  Verzeichnis  für  die  Gegenwart 
dankenswert  neu  bearbeitet,  Abteilungen  wie  Teil  1,  VI  „Schrift"  wären  wohl  besser 
weggelassen  oder  neu  ergänzt  worden.  —  Die  Bedeutung  der  wissenschaftlichen  Zeit- 
schriften''*^)  hat  das  preussische  Ministerium  der  Unterrichts-Angelegenheiten  ver- 
anlasst, ein  Verzeichnis  dieser  in  Deutschland  noch  laufenden  und  der  wichtigeren 
seit  Beginn  dieses  Jh.  erschienenen  Zeitschriften  von  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin 
(durch  Kustos  T  h.  G  1  e  i  n  i  g  e  r)  für  die  Universitäts-Ausstellung  in  Chicago  heraus- 
geben zu  lassen.  —  Um  deutsche  Jugendlitteratur  hat  sich  T  h  e  d  e  n  '*^)  durch  eine 
kritische  Darstellung  verdient  gemacht;  in  der  Schweiz  hat  eine  Specialkommission 
der  gemeinnützigen  Gesellschaft  eine  schlichte  Auswahl  für  dieses  dreisprachige 
Gebiet  entworfen  ^^^).  —  K  u  k  u  1  a  ^*')  bringt  zu  seinem  nützlichen  bibliographischen 
Jahrbuch  ein  Ergänzungsheft,  das  ausser  den  Lehrern  auch  die  Universitätsbeamten 
bis  zum  J.  1892  berücksichtigt.  —  Vereine  tragen  jetzt  mehrfach  ihre  Bestrebungen 
in  die  praktische  Bibliographie:  So  hat  auf  Grund  der  Encyklika  Leos  XIII.  über  die 
Arbeiterfrage  der  katholische  politische  Pressverein  Brixen  einen  Katalog  socialer 
Litteratur  1^^)  verbreitet,  der  katholische  Pressverein  der  Diöcese  Linz  lässt  G  u  p  p  en  - 
b  e  r  g  e  r  s  ^*^)  Bibliographie  des  Klerus  der  Diocese  Linz  als  Festschrift  für  Bischof 
Doppelbauer  erscheinen;  diese  liebevoll  ausgeführte  Bibliographie  des  vielseitig 
gebildeten  Benediktinerpfarrers  zu  Adlwang  hat  auch  zeitlich  einen  weiteren  Gesichts- 
kreis, als  der  Titel  in  Aussicht  stellt,  und  giebt  ein  anschauliches  Bild  der  mannig- 
fachen litterarischen  Thätigkeit  des  oberösterreichischen  Klerus.  190  Schriftsteller 
gehören  dem  Säkularklerus  an,  vom  Regularklerus  stellen  die  Benediktiner  von 
Kremsmünster  und  Lambach  allein  150  Vertreter,  alle  anderen  Orte  zusammen  151, 
darunter  die  regulierten  Chorherren  von  St.  Florian  55,  die  Gesellschaft  Jesu  24,  die 
Franziskaner  nur  2  mit  zusammen  drei  herzlich  unbedeutenden  Gelegenheitsschriftchen. 
—  Eine  praktische  Bibliographie  der  neueren  katholischen  Litteratur  giebt  H  e  i  m  - 
buch  er '^'')  in  der  dritten,  stark  erweiterten  Auflage  der  „Bibliothek  des  Priesters", 
die  mit  ihrem  Anhange  nichttheologischer  Werke  für  weite  Kreise  die  Grenzen  der 
für  sie  zulässigen  Litteratur  absteckt.  —  Zur  Bibliotheca  bibliographica  italica  hat 
Mazzi^^^)  einen  systematisch  geordneten  Anhang  von  1302  ergänzenden  Werken 
g-egeben,  der  mit  der  Geschichte  des  italienischen  Buchhandels  beginnt.  —  Die 
neu  gestiftete  bibliographische  Gesellschaft  in  Ijondon,  die  auch  eine  Bibliothek 
begründen  und  Werke  drucken  und  veröffentlichen  will,  hat  sich  ein  eigenes  Organ  ^'^^) 
geschaffen,  das  in  des  ersten  Präsidenten  Copingers  Denkschrift  (S.  29 — 59)  die 
erfreuliche  Aussicht  auf  einen  Hain  redivivus,  von  Copinger  in  Fühlung  mit  Burger, 
eröffnet;  die  Liste  der  Hauptquellen  hierfür  ist  selbst  eine  willkommene  Bibliog-raphie: 
Wheatley  (S.  61 — 90)  knüpft  an  seinen  Vortrag  über  den  gegenwärtigen  Stand 
der  englischen  Bibliographie  den  Vorschlag,  von  einer  Auswahl  grosser  Autoren 
Sonderbibliographien  zu  veröffentlichen,  und  legt  als  Beispiel  der  Ausführung 
eine  solche  von  J.  Evelyn  vor,  ebenso  wie  Madan  (S.  91 — 106)  seinen  Vor- 
trag über  Methode  in  der  Bibliographie  durch  ein  Jahresbeispiel  der  Oxford- 
bibliographie beleg't ;  auch  Aldrichs  Zusammenstellungen  über  Inkunabeln 
(S.  107—21)  und  Christies  Aufsatz  über  Specialbibliographien  (S.  165—77) 
sind  lesenswert,  für  eine  Ikonographie  des  Don  Quixote  hat  Ashbee  (S.  123-44) 
67  illustrierte  Ausgaben  herangezogen,  dabei  unbedeutende  ausgeschieden.  —  Als 
Typus  bibliographisch  bedeutsamer  und  künstlerisch  schön  ausgestatteter  Anti- 
quariatskataloge mag  der  Caxton  Head-Catalogue  von  Tregaskis '^^^  gelten.  — 

Die  wichtigste  Schrift  über  das  Zeitungswesen  hat  Bücher'^*)  geliefert, 
der  nach  Besprechung  des  römischen  Nachrichtenwesens  die  Organisation  des  Nach- 
richtendienstes seit  dem  12.  Jh.,  die  Entstehung  der  geschriebenen  Zeitung  im  14. 
und  15.  Jh.  und  die  Entwicklung  des  Zeitungsschreibens  zum  Gewerbe  im  16.  und 
17.  Jh.   verfolgt.     Dass  nachweislich   gerade  nach  der  Erfindung   der  Buchdrucker- 


2.  vollst,  nmgearb.  Aufl.  besorgt  v.  J.  Martin.  L.,  C.  A.  Koch.  XVI,  296  S.  M.  4,00.  -  144)  Verzeichnis  d.  in  Deutschland 
erschienenen  wissenschaftl.  Zeitschriften.  Für  d.  Univ.-Ansstellung  in  Chicago  1893  im  Anftr.  d.  kgl.  preuss.  Ministeriums  d. 
Unterr -Angelegenheiten  her.  v.  d.  Vgl.  Bibl.  zu  Berlin.  B.,  Renther  &  Reichard.  IV,  118  S.  M.  4,00.  —  145)  D.  Theden, 
d.  dtsch.  Jugendlitt.  Krit.  u  systemat.  dargest.  Grundsätze  z.  Beurteilung  d.  dtsch.  Jugendlitt.  Winke  für  Gründung,  Ein- 
richtung u.  Fortführung  einschläg.  Bibl.  u.  Verzeichnis  empfehlenswerter  Schriften  2.  Aufl.  Hamburg,  Berendsohn.  XVI, 
144  S.  M  3,00.  —  146)  Jugend-  u  Volksschriften-Katal.  Her.  im  Namen  d.  Schweiz,  gemeinnntz  Ges.  v.  d.  beauftragten 
Specialkomm.  Zürich,  Leemann.  IV,  122  S.  M  0,50.  -  147)  R.  Kukula,  Bibliogr.  Jb.  d.  dtsch  Hochschulen.  1.  Ergänzungs- 
heft. Innsbruck,  Wagner  29.5  S  M.  3,20.  (Hauptwerk  u.  1.  Ergänzungshft.  M.  14,80.)  —  148)  Katal.  v  Werken  der  soc.  Litt, 
aiphabet,  nach  Gruppen  geordnet.  Her.  vom  kath.-polit.  Pressverein  Brü^cen.  Brixen,  Buchh  d.  kath  -polit.  Pressvereins.  16  S. 
M.  0,20.  —  149)  L.  Guppenberger,  Bibliogr  d  Klerus  d  Diöcese  Linz  v.  d^-ren  Gründung  bis  z.  Gegenw.  1785-93. 
Linz,  Akad.  Bnchdr.  d.  kath.  Pressvereins  d.  Diöcese  Linz  (Ebenhöch).  IX,  270  S.  M.  4,00.  —  150)  M.  He  i  m  bu  c  h  e  r , 
D.  Bibl.  d.  Priesters.     Mit    prakt.  Winken    für    deren  Anlage    u.  Erweiterung     Zugleich    e.  Handbuch    d.    neueren   theol.  Litt. 

3.  Aufl.  Regensburg,  Verlags- Anst.  12».  XIX,  335  S.  Jtit  4  Bild.  M.  3,00.  —  151)  C.  Mazzi,  Indicazioni  di  bibliografia 
ital.  in  appendice  alla  bibliotheca  bibliogr.  ital.  di  G.  Ottino  e  G.  Fumagalli.  Firenze,  Sansoni.  102  S.  —  152)  Transactions 
of  the  bibliograph.  society  Vol.  1.  publ  by  the  society.  London  (printed  by  Blades,  East  &  Blades).  4".  224  S.  —  153)  The 
Caxton  head-catal.  N.  CCLX.    London,  J.  &  M.  L.  Tregaskis.    4».  48  S.,  13  Taf.  —  154)  K.   Bücher,  D.  Anfänge  d.  Zeitungs- 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgesohichte.    IV.  ^ 


I  3:155-178  0.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

kunst  ein  neuer  dauernd  g-epfleg-ter  Zweig-  des  Hss.-Wesens  entsteht,  erklärt  sich  aus 
dem  kleinen  Kreise  solcher,  die  sich  regelmässig  berichten  lassen,  während  seit 
Friedrichs  III,  Tode  einzelne  Nummern  allgemeineren  Inhalts  als  flieg-endes  Blatt, 
seit  1505  auch  Zeitung"  genannt,  mehrfach  gedruckt  wurden,  bis  sie  nach  dem  Auf- 
kommen der  jährlichen  Postreuter,  der  halbjährlichen  Messrelationen  und  der  Wochen- 
zeitung-en  des  SOjährig-en  Krieges  im  18.  Jh.  ganz  verschwinden.  B.  betrachtet  die 
Zeitung"  als  eine  Verkehrseinrichtung"  zum  Austausch  g"eistiger  und  materieller  Güter, 
die  über  Brief-  und  Rundschreiben  zu  einem  Mittel  der  Nachrichtenveröffentlichung" 
für  die  Allgemeinheit  geworden  ist.  In  der  Nachrichtensammlung  findet  er  seit  dem 
16.  Jh.  keine  wesentlichen  Fortschritte,  in  der  Nachrichten befdrderung  erhebliche,  in 
der  Nachrichtenpublikation  g"rundsätzliche  seit  Auf  kommen  der  selbständigen  Redaktion 
und  des  privaten  Annonoenwesens  im  ersten  Viertel  des  18.  Jh.  Die  moderne  Zeitung", 
die  nicht  nur  neue  Nachrichten  an  einen  Leserkreis ,  sondern  auch  diesen  an 
zahlungsfähige  Privatinteressenten  verkauft,  ist  eine  einheitlich  geleitete  kapitalistische 
Unternehmung  mit  mannigfacher  Arbeitsteilung,  für  die  weniger  die  einfachen  Bedürf- 
nisse des  Lesers  als  politische  Faktoren^^^)  und  die  komplizierten  Konkurrenzverhält- 
nisse des  Publizitätsmarktes  ^^^}  massgebend  sind.  So  das  Urteil  des  Volkswirts.  — 
Als  Geschichtschreiber  hat  Sägmüller i^')  in  seiner  Tübinger  Antrittsrede  wichtige 
Grundlagen  des  Zeitungswesens,  die  diplomatischen  Korrespondenzen,  besprochen.  — 
Bonnefont^^^"'^")  u.  a.  haben  dem  verdienten  Arzte  und  Menschenfreunde  Theophrast 
Renaudot  als  dem  Herausgeber  der  ersten  französischen  Wochenschrift  von  1631  ein 
Denkmal  gesetzt;  wenn  deutsche  Blätter i^^"*^'^)  ihn  als  „den  Begründer  des  Zeitungs- 
wesens" feiern,  so  ist  ihnen  wohl  der  Ruhmestitel  Deutschlands,  vor  allen  Ländern 
zuerst  regelmässig  erscheinende  gedruckte  Zeitungen  aufweisen  zu  können,  unbekannt 
(Strassburg  Joh.  Carolus  1609  und  früher;  vgl.  Opel  im  AGDBuchhandel.  3,  S,  44—66). 
—  Das  50jährige  Jubiläum  der  „Illustrierten  Zg."  hat  Beiträge  zur  Geschichte  dieses 
mit  der  Wiedererweckung  des  Holzschnittes  engverbundenen  Blattes  gezeitigt;  der 
Mitbegründer  Lorck^^*)  hat  als  berufener  Zeuge  dabei  seine  Stimme  erhoben^^^"'^").  — 
Nächst  den  amtlichen  Preislisten  der  kaiserlichen  Postzeitungsämter  in  Berlin  i^^) 
und  Wien  1^^)  erscheinen  alljährlich  praktische  Bibliographien  dieses  Litteraturzweiges, 
voran  im  34.  Jahrgange  das  Adressbuch  der  deutschen  Zeitschriften  von  S  p  e  r  - 
lJng.no-n2^  —  Die  Machtfülle  der  Tagespresse  veranlasst  grössere  Kreise,  zu  ihr 
Stellung  zu  nehmen^''^).  —  Zur  wichtigen  Frage,  ob  Zeitungsaufsätze  durch  Namens- 
zeichnung zu  decken  sind,  hat  Zola^'^^)  im  Sinne  auf  persönliche  Führung  des 
öffentlichen  Lebens  bedachter  französischer  Journalisten  in  London  ein  Urteil  ab- 
gegeben, dem  man  vielleicht  auch  aus  anderen  Gründen  beistimmen  kann.  — 

Unter  deutschen  Arbeiten  über  ältere  geistliche  Bibliotheken 
sind  Neuwirths  ^'5)  Bücherverzeichnisse  des  Prager  Thomasklosters  hervorzuheben; 
über  die  Bibliothek  des  Bernhardinerklosters  in  Bromberg  berichtet  Baumert ^''^), 
über  Bibliotheken  Strassburgs  im  Mittelalter  Ch.  Schmidt'"'^),  über  solche  Strass- 
burgs   und  Nanzigs  (Nancy)  Thiaucourt^''^);    ein  Katalog   der  Kirchenbücher  von 


Wesens.  Vortr.,  geh.  im  Professoren-Ver.  zn  Leipzig  d.  3.  Dec.  1892.  (=  D.  Gntstehnng  d.  Volkswirtschaft.  6  Vortrr.  [Tühingen, 
Laupp.  VII,  304  S.  M.  4,00.],  S.  169-208).  (S.  u.  I  4: 199.)  -  155)  X  Th.  Barth,  10  Jahre  „Kation«:  Nation«.  10,  S.  793/4.  — 
156)  X  ö'  f  "■^  Muyden,  Les  grands  jonrnaux:  BURS.  S.  315-31.  (Unselbst.  Ausz.)  —  157)  Sägmüller,  D.  Anfänge  d. 
diplomat.  Korrespondenz:  StrassbPost.  N.  220.  —  158)  O  G-  Bonne  fönt,  Un  docteur  d'antrefois:  Theoph.  Renaudot,  createur 
de  la  presse,  de  la  puhlicite,  des  dispensairee,  du  mont-de-piete  (1586-1653).  Limoges,  Ardant  &  Co.  119  S.  13  Grav.  —  159)  O 
Grasset,  Conference  snr  Theoph.  Renaudot,  docteur  en  1606  de  la  Faculte  de  niedecine  de  Montpellier,  sa  vie  et  ses  couvres. 
Montpellier,  Ricard  freres.  1892.  38  S.  —  160)  O  Inaugurations  des  statues  de  Theoph.  Renaudot.  Ses  principales  oenvres. 
La  Gazette  jusqu'en  1893.  Paris,  Impr.  de  la  Gazelte  de  France.  71  S.  Avec  grav.  —  161)  X  C.  Wilte,  D.  Begründer  d. 
Zeitungswesens  (nach  G.  Bonefont,  Limoges,  E.  Ardant):  NatZg.  N.  597.  —  162)  O  Theoph.  Renaudot.  E.  Vergessener;  APT. 
S.  792-801.  —  163)  X  J-  Macintyre,  Theoph.  Renaudot:  Old  Journalism  and  new  (nach  Gilles  de  la  Tourette  1884):  19tliCent.  34, 
S.  596-604.  —  164)  C.  B.  Lorclc,  E.  Glöckauf  d.  ..Illustrierten"  heim  Betreten  d.  100.  Stufe  t.  e.  alten  Jünger  Gnten- 
bergs:  lUZg.  100,  S.  2/3.  —  165)  X  !>•  Redaktion.  Z.  Jahrestage  d.  50 j.  Bestehens  d.  lUZg.:  ib.  101,  S.  10.  —  166)  O  Facs.- 
Abdr.  d.  1.  Nummer  d.  IllZg.  v.  1.  Juli  1843.  Beigegeben  d.  N.  2584  vom  7.  Jan.  1893.  16  S.  —  167)  E.  Zeitungsjubil.  (50j. 
Bestehen  d.  IllZg.):  APT.  S.  94/5.  —  168)  O  Preisliste  d.  durch  ä.  kaiserl.  Post-Zeitungsamt  in  Berlin  u.  d.  kaiserl.  Postanst. 
d.  Roichs-Postgebiets  im  J.  1893  zu  beziehenden  Zeitungen,  Zeitschriften  usw.  Mit  Nachtr.  B.  u.  L.,  Exped.  d.  Zeitschriften- 
Adressbuches.  Fol.  VII,  347  S.  M.  4,70.  —  169)  Preis-Verzeichnis  d.  in  d,  der  össterr.  Monarchie  u.  im  Auslände  erschei- 
nenden Zeitungen  u.  period.  Druckschriften  für  d.  J.  1893.  Nebst.  Anh. :  enth.  jene  inländ.  Druckschriften  n.  Sammelwerke, 
welche  v.  d.  Buchhandlungen  mit  Zeitungsfrankomarken  versendet  werden  können  u.  im  Preis-  Verzeichnisse  selbst  nicht  auf- 
geführt erscheinen.  Bearb.  v.  d.  k.  k.  Postamts-Zeitungs- Exped.  I  in  Wien.  Wien,  R.  v.  Waldheim.  4".    VII,  209  S.  M.  1,00.  (1.  Nachtr. 

19  S.  M.  0,20.)  —  170)  Adressbuch  ä.  dtsch.  Zeitschriften  u.  d.  hervorragendsten  polit.  Tagesbll.  34.  Jahrg.  1892.  Bearb.  v. 
H.  0.  Sperling.  L.,  Exped.  d.  Zeitschriften- Adressbnches.  IV,  162,  73  u.  124  S.  M.  4,00.  —  171)  X  Gracklauers  dtsch. 
Journal-Katal.  Zusammenstellung  v.  über  2960  Titeln  dtsch.  Zeitschriften,  systemat.  in  38  Rubriken  geordnet.  L.,  0.  Graok- 
laner.  71  S.  M.  1,35.  —  172)  X  D.  dtsch.  Presse.  Verzeichnis  d.  im  Dtsch.  Reiche  erscheinenden  Zeitungen  u.  Zeitschriften. 
I.  Bd.:  Amts-,  Lokal-  u.  Anzeige-Bl).,  polit.  Zeitungen.  5.  Aufl.  Forbaoh,  Ilupfer.  IV,  201  S.  M.  1,50.  —  173)  X  G-  Buoh- 
wald.  Was  sollen  wir  thun  behufs  grösserer  Würdigung  d.  evangel.  Interessen  in  d.  Tagespresse?  Vortr.  auf  d.  Meissener 
Kirchen-  und  Pastoralkonferenz  am  20.  Juni  zu  Zwickau   geh.  u.  auf  Wunsch  d.  Konferenz  in  Druck   gegeben.     L.,  G.  Wigand. 

20  S.  M.  0,25.  —  174)  E.  Zola,  Ueber  d.  Anonymität  in  d.  Presse:  Didask.  N.  226.  —  175)  J.  Neuwirth,  D.  Büchervereeich- 
nisse   d.  Prager  Thomasklosters  vor  d.  Hussiten-Kriege:   CBlBibl.  10,  S.  153-79.     |[A.  Horcicka:    MVODB».  31,    S.  634]|.  — 

176)  G.  Baumert,    Mitteilungen   aus   d.  Bibl.    d.   ehemal.   Bernhardiner-Klosters  in    Broroberg:   JbBrombergHV.  S.  49-69.  — 

177)  O  Ch.  Schmidt,  Li  vres  et  biblioth.  ä  Strasbourg  au  MA.:  AnnEst.  7,  S.  538-93.  —  178)  C.  Thiaucourt,  Lee  biblioth. 


O.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  :  179-194 

St.  Pauls  Kathedralbibliothek  g-iebt  Simpsoni'**).  —  Ein  von  Oncken'^O)  ver- 
öffentlichtes Verzeichnis  der  Bücher  (um  1450)  der  Junkherren  Otto  und  Friedrich 
zu  Hoya  und  Bruchhausen  und  zumal  der  Herrschaft  dieser  Grafen  verbleibender 
Bücher  „altomale  dudesk"  ist  litterarg"eschichtlich  wertvoll.  —  Von  Wolf  Ernst  Grraf 
zu  Stolberg"  (1546 — 1606),  der  den  Grundstock  zur  reichen  öffentlichen  Bibliothek  von 
Wernig-erode  schuf,  g-iebt  Jacobs'*')  als  berufener  Berichterstatter  über  diese  in 
ihrer  Art  einzig-e  Sammlung'  Kunde;  Warner'^-)  handelt  über  die  Bibliothek 
Jacobs  VI.  von  Schottland.  —  Mit  lebhaftem  Anteil  betrachtet  man  das  Verzeichnis 
der  Druckwerke  und  Hss.  des  Dichters  Nikolaus  Zrinyi'*^),  die  dieser  zwischen  den 
Trophäen  seiner  Türkenkämpfe  in  rauher  Zeit  gesammelt  und  bewahrt  hat.  — 
[Jeher  des  heimgegangenen  Julius  Bode  Faustbücherei  (vg-1.  JBL.  1892  I  3:119; 
II  3:50)  giebt  Tille'*'*),  dem  sie  für  dieses  Leben  zu  eig-en  geworden  ist,  um  der- 
einst an  die  Leipziger  Universitäts- Bibliothek  zu  fallen,  vorläufig-en  Bericht.  —  Unter 
den  päpstlichen  Bibliotheken'*^)  hat  die  Bibliothek  Julius  II.  besondere  kunstwissen- 
schaftliche Behandlung  erfahren;  Wickhoff'*^)  führt  aus,  dass  Rafael  in  der  von 
ihm  nach  der  Vorschrift  Julius  II.  g"emalien  Camera  della  segnatura  neben  den 
Gestalten  der  Theolog-ia,  Poesia,  Philosophia  und  Justitia  in  der  Disputa  die  Theologie, 
im  Parnass  die  Poesie  und  in  der  Schule  von  Athen  die  Philosophie  durch  einzelne 
hervorrag-ende  Portraitköpfe  und  benannte  Vertreter  gekennzeichnet  habe,  erklärt  sich 
aber  g-egen  die  Deutungsversuche  der  vielen  „Namenlosen".  Die  Gemälde  sind  ihm 
die  lllustrierung"  eines  Bücherkatalogs  etwa  nach  dem  Inventar,  das  Nicolaus  V.,  einst 
Tomaso  de  Sarzana,  als  Normalkatolog"  für  Cosimo  de  Medici  abg-efasst  hatte.  Jeden- 
falls weist  er  mit  Recht  darauf  hin,  dass  in  keinem  zweiten  Werke  der  bildenden 
Künste  das  Buch  eine  so  grosse  Rolle  spiele  wie  in  diesen  Bibliothek-Gemälden 
Rafaels.  —  Ueber  die  Leoninische'^")  Bibliothek,  die  der  g-egenwärtige  gelehrte  Papst 
zum  Studium  der  Hss.  und  für  die  in  den  Archiven  Studierenden  im  alten  Arsenal 
der  päpstlichen  Armee  unter  der  Sixtinischen  Bibliothek  errichtet  hat,  verlautet 
Weiteres.  —  Ueber  Sommer vogels  Bibliothek  der  Gesellschaft  Jesu  liegen  mehrere 
Besprechung'en'**"'***)  vor.  —  Der  für  den  Verkauf  ang-efertigte  Katalog  der  Bib- 
liothek Dölling-ers'^9)  giebt  ein  Bild  der  reichen  wissenschaftlichen  Thätig'keit  dieses 
g-rossen  Gelehrten.  — 

Kataloge  von  Musikalien-Bibliotheken  beziehen  sich  zumeist  auf 
vor  alters  gesammelte  Schätze:  Stiehl'^")  hat  für  die  Stadtbibliothek  in  Lübeck, 
Mayser'^')  für  das  Gymnasium  zu  Heilbronn  beachtenswerte  Vorräte  verzeichnet, 
Scheurleers'^-)  mit  Facsimiles  g-eschmückter  Katalog"  seiner  überraschend  reichen 
Musikbibliothek  ist  von  hervorragender  Bedeutung-,  —  die  öffentlichen  Musik- 
sammlung-en  Deutschlands  bis  auf  Berlin,  München  und  Dresden  lieg-en  im  arg-en.  — 

Frischer  Wind  weht  durch  die  wissenschaftlichen  staatlichen  und  öffent- 
lichen Bibliotheken  Deutschlands:  Dziatzko'^^^  knüpft  au  eine  auf  voller  Beherr- 
schung des  Gegenstands  beruhende  g-eschichtliche  Darstellung  der  Entwicklung-  dieser 
wichtigen  Anstalten  bis  auf  die  Gegenwart  Vergleiche  mit  dem  Auslande  und 
weittragende  Ausblicke  auf  die  Zukunft.  —  Schwenke'^*)  bietet  ein  Adressbuch 
der  Bibliotheken  des  Deutschen  Reiches,  dessen  Bearbeitung  von  Hartwig-  ang"eregt, 
und  von  den  meisten  deutschen  Staaten,  insbesondere  vom  preussischen  Unterrichts- 
ministerium g-efördert  worden  ist,  so  dass  ein  vollwichtig-er  neuzeitlicher  Ersatz  für 
Petzoldts  Werk  geschaffen  sein  würde,  wären  nicht  Oesterreich  und  die  Schweiz 
ausgeschieden  worden;  es  wäre  zu  bedauern,  wenn  aus  Verwaltungsgründen  und 
diplomatischen  Erwägungen  es  mehr  und  mehr  Brauch  würde,  unser  herrliches  ein- 
heitliches Li tteratur gebiet  zu  zerstückeln,  ein  Nachtrag  der  deutschen  Bibliotheken 
ausserhalb  des  Reichs  muss  deshalb  als  ein  nationaler  Anspruch  gestellt  werden.  — 


de  Strasbourg  et  de  Nancy.  (Aus  AnnEst.  1892-93).  Nancy,  Berger-Levrault  et  Co.  123  S.  —  179)  O  W.  Simpson,  St.  Pauls 
Cathedral  Library,  a  catal.  of  bibles,  rituals  etc.  London,  Stock.  Sh.  20.  —  180)  H.  OncVen,  D.  ältesten  Lehnsregister  d. 
Grafen  v.  Oidenburg  u.  Oldenbnrg-Bruchhausen.  (=  Schriften  d.  OldenbnrgLVA.  VII.  [Oldenburg,  Stalling.  V,  1.3S  S.  M.  3,50.],  S.  53/6.) 
—  181)  Ed.  Jacobs,  Wolf  E.  Graf  zu  Stolberg:  ADB.  36,  345  6.-182)6.  F.  Warner,  The  Library  of  James  VI  of  Scotland:  Book- 
Worm  S.  201  6.  —  183)  Bibliotheca  Zrinyiana.  D.  Bibl  d.  Dichters  Nik.  Zrinyi.  E  Beitr.  z.  Zrinyi-Litt.  Mit  litt.-hist.  Einl.  Mit 
d.  Portr.  d.  Dichters  nach  E.  Wideraann,  e.  Facs.  u.  e  Stammtaf.  Wien,  S.  Kende.  III,  XIX,  83  S.  M.  2,'10.  —  184)  A.  Tille. 
Jul.  Bode  u.  seine  Faustbücherei.  Frankfnrt  a.  M..  Mahlaa  &  Waldschmidt.  12  S.  (Als  Ms.  gedr  )  —  185)  X  J-  Schraid, 
Z.  Gesch.  d.  Vatikana:  LRs.  19,  S.  257-64.  -  186)  F.  Wickhoff,  D.  Bibl.  Julius  IL:  JPrK.  14,  S.  49-64.  (Vgl.  auch  NAnt. 
44,  S.  583  4  )  —  187)  D.  Leoninische  Bibl.:  Post  N.  143.  —  188)  X  E.  G.  Ledos,  C.  Somraeryogels  biblioth.  de  la  Compagnie 
de  Jesus:  Polybibl''.  67,  S.  453  4.  —  188a)  X  E  Martin,  C.  Sommervogels  Biblioth.  de  la  Compagnie  de  Jesus:  AnnEst  7, 
S.  133/4.  —  189)  Bibliotheca  Döllingeriana.  München,  Lindauer.  VI,  671  S.  M.  10,00.  —  190)  C.  Stiehl,  Kvtal.  d.  Mnsik- 
samml.  auf  d.  Stadtbibl.  zu  Lübeck.  Lübeck  (Lübcke  u.  Hartraann).  4'.  60  S.  M.  1,00.  —  191)  E.  Mayser,  Alter  Musik- 
schatz, geordnet  u.  beschrieben.  (=  Mitteilungen  aus  d.  Bibl.  d.  Heilbronner  Gymn.  II.)  Heilbronn,  C.  F.  Schmidt.  4". 
Vm,  82  S.  M.  4,00.  —  192)  D.  F.  Scheurleer,  Catalogns  der  Muziekbibliotheek.  (Gedru.okt  in  120  Exemplaren.)  s'Graven- 
hage,  XI,  567  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  193)  K.  Dzintzko,  Entwicklung  u.  gegenw.  Stind  d.  wissenschaftl.  Bibliotheken 
Deutschlands  mit  besond.  Berücksichtig.  Proussens.  {=  Samml.  bibliothekwissenschaftl.  Arbeiten  her.  r.  K.  Dziatzko.  S.Heft.) 
L.,  Spirgatis.  VI,  55  S.  1  Taf.  M.  2,50.  —  194)  P.  Schwenke,  Adressbuch  d.  dtsch.  Bibliotheken.  (=  Beihefte  zum 
CBlBibl.  her.  v.  0.  Hartwig.  3.  Bd.,  Heft  10.)     L.,  Harassowitz.     XX.  411  S.,  1  Taf.  M.  10,00.  |[HT3.  13,  S.  32-34;  Ath.  S.  472.]| 

5* 


I  3  :  195-234  O.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Die  italienische  Uebersetzung-  Capras'«^)  von  Gräseis  Grundzügen  der  Bibliotheks- 
lehre g-iebt  Zeugnis  von  der  Wertschätzung-  der  deutschen  Bestrebungen  im  Auslande. 

—  Wie  der  preussische  Unterrichtsminister  durch  Erlass^^«')  vom  27.  Jan.  1893  den 
Verkehr  der  kgl.  Bibliothek  in  Berlin  mit  den  Universitätsbibliotheken  regelt,  so 
suchten  hervorragende  deutsche  Bibliothekare^^')  auf  dem  Welt-Kongress  in 
Chicago  die  internationalen  Beziehungen  zu  förderniö^).  _  Ueber  die  englische 
Bibliotheksgesetzgebung  hat  Plaeberlini'»")  Aufklärung  erteilt,  in  Frankreich 
erscheint  ein  Jahrbuch2003  der  Bibliotheken  und  Archive.2«'-202)  _  xjm  den  inneren 
Aus-  und  Aufbau  wissenschaftlicher  Bibliotheken  hat  sich  Zangemeister^o») 
durch  Veröffentlichung  des  Heidelberger  Realkatalog-Systems  verdient  gemacht.  Den 
17  Hauptabteilungen  in  ihrer  wohldurchdachten  Gliederung  geht  ein  alphabetisches 
Register  der  wichtigeren  Unterabteilungen  voraus.  —  Eine  Reihe  zumeist  öffenthcher 
Bibliotheken  legt  Berichte  über  Verwaltung  und  Zuwachs,  sowie  Fortsetzungen  von 
Katalogen  vor204-2i2j  -  — 

Für  Schulbibliotheken  213)  macht  Schöntag2i4)  unter  Voraussetzung 
des  Klassensystems  den  Vorschlag,  so  viel  Exemplare  eines  Buches,  als  Schüler  in 
der  Klasse  sind,  zu  gemeinsamer  Besprechung  des  gleichzeitig  Gelesenen  anzuschaffen 
und  Einzelausgaben  für  Schülerbibliotheken  zu  veranlassen;  Beegers2i5)  Anregung 
pädagogischer  Bibliotheken  und  Schulmuseen  zieht  weitere  Kreise.  —  Kataloge  und 
Berichte  über  Gymnasialbibliotheken  erschienen  in  Ansbach2'6),  Güstrow2i''),  Joachims- 
thal2i8),  Krotoschin2ifl),  Mediasch220),  Münstereifel  4.  T.221),  Schleiz222),  Wittstock223), 
Zerbst224)  und  von  anderen  Schulen225-226).  _  Die  Studentenschaft  regte  sich  in  ihrer 
Weise  für  akademische  Büchereien22''-228j    — 

Für  die  dringend  der  Förderung  bedürftigen  Volksbibüotheken  tritt 
Reyer229-230)  (ygi  jbl.  1892  I  3 :  96)  weiter  thatkräftig  in  einer  zusammenfassenden 
Schrift  ein.  Dies  hat  in  Verbindung  mit  dem  Erscheinen  der  Arbeiten  Schwenkes 
und  Dziatzkos  und  den  Bestrebungen  für  die  amtliche  Stellung  der  Bibliotheks- 
beamten ein  lautes  Rauschen  in  den  Blättern23 1-232)  veranlasst.  —  Unnötigen  Vor- 
würfen gegen  die  gelehrten  Bibliotheken  treten  die  Grenzboten233)  mit  einer  sach- 
kundigen Entwicklungsskizze  der  Leipziger  Stadtbibliothek  entgegen:  aus  einer 
wissenschaftlichen  Bibliothek  lässt  sich  nicht  auf  einmal  eine  Volksbücherei  machen. 

—  C.  Wolff234)  teilt  eine  Eingabe  des  Frankfurter  Stadtarchivars  J.  C.  Beyerbach 
vom  Sept.  1817  an  den  hochpreislichen  Senat  mit,  der  Beyerbach  als  den  — 
erfolglosen  —  Erfinder  der  Magazinbibliothek  erweist.  — 


—  195)  A.  Gräsel,  Mannale  di  biblioteconoraia.  Traduz.  del  Dott.  Ar.  Capra.  Con  47  flg.  e  13  tav.  Torino,  E.  Loescher. 
XVI,  403  S.  —  196)  Erlass  betr.  d.  Leihverkehr  zwischen  d.  Vgl.  Bibl.  zn  Berlin  n.  d.  Univ  -Bibl.  27.  Jan.:   CBlBibl.  10,  S.  130-32. 

—  197)  X  K.  Dziatzko,  D.  Internat,  gegenseitigen  Beziehungen  d.  Bibl.:  ib.  S.  457-63.  —  198)  C.  Körrenberg,  Bibliothe- 
karischer Weltkongress  Z.Chicago.  (Vorlauf. Mitteilung. Enth.O.  Hartwig,  D.  direkte  HandschriftenversendunTr  zwisch.  d.  Bibl.):  ib. 
S.  410-17.  —  199)C.Haeberlin,  D.  engl.  Bibliotheksgesetzgebung  u.  d.  XV.  Kongress  d.  Library  Assoc.  of  the  Unit.  Kingdom :  ib. 
S.  105/7.  —  200;  O  Annuaire  des  biblioth.  et  des  arch.  pour  1893.  Paris,  Hachette.  Fr.  2,50.  —  201)  X  K.  Th.  Heigel,  Ueber  Be- 
nutzung T.  Bibl.  u.  Arch.  zu  Wissenschaft!.  Zwecken:  AZg".  N.  103/4.  —  202)  X  G.  Weisstein,  D.  Litt.-Arch.-Ges.:  NatZg. 
N.  219.  —  203)  K.  Zangemeister,  System  d.  Realkatal.  d.  Univ -Bibl.  zu  Heidelberg.  Heidelberg,  Winter.  Fol.  22  BH. 
M.  5,50.  -  204)  X  Verzeichnis  d.  Zeit-  u.  Vereinsschriften  d.  kgl.  Bibl.  zu  Berlin.    B.,  Asher  &  Co.    1892.    IV,  169  S.    M.  4,00. 

—  205)  X  Verzeichnis  d.  aus  d.  neu  erschien.  Litt.  v.  d.  kgl.  Bibl.  zu  Berlin  erworbenen  Druckschriften,  ebda.  1892.  XIII,  652  S. 
M.  35,00.  —  206)  Zuwachs  d.  grossherzogl.  Bibl.  zu  Weimar  in  d.  J.  1889-92.    Weimar,  Böhlau.    88  S.    M.  0,50.  —  207)  Katal. 

d.  grossherzogl.  Hof-  u.  Landesbibl.  in  Karlsruhe.  20.  Bd.  (=  20.  Zngangsverzeichnis.  1892.  Enth.  ausser  d.  regelmässigen 
Zuwachs  e.  Schenkung  aus  d.  Nachlass  d.  Dr.  phil.  J.  Mainzer.)  Karlsruhe,  C.  Th.  Groos.  S.  1987-1240.  M.  0,50.  —  208)  X 
C.  Curtins,  Ber.  über  d.  Verwalt.  d.  Stadtbibl.  im  J.  1892.  Progr.  Lübeck.  4".  5  S.  —  209)  Freiherrlich  C.  v  Rothschildsche 
öffentl.  Bibl.  Zugangsverzeichnis  für  d.  J.  1892-93.  Bibliotheksordnung  u.  Benutzungsordnung  vom  14.  6. 1893.  Frankfurt  a.  M., 
Kn^er.  39  S.;  78  S.;  4,  8  S.  —  210)  X  Katal.  d.  Freiberger  AV.-Bibl.  3.  Nachtr.:  MFreibergAV.  29,  S.  141-70.  -  211)  X 
20.  Annnal  report  of  the  board  of  direotors  of  Chicago  Public  Library.  Chicago.  1892.  46  S.  |[CBlBibl.  10,  S.  38/9.]|.  — 
212)  X  S.  Wiener,  Bibliotheca  Friedlandiana.  Catalogns  librornm  impressornra  hebraeorum  in  museo  asiatico  imperialis 
acaderoiae  scientiarnm  Petropolitanae  asservatorum.  (Fase.  I  (X)  in  hebr.  Sprache.)  Petropoli-L.,  (Voss  Sort.).  4".  III,  IV, 
126  S.  M.  2,00.  —  213)  X  Th.  Sorgenfrey,  Unsere  Schnlbibl.:  BllHPch.  10,  S.  4/6.  —  214)  F.  Schöntag.  Anregung  für 
unsere  Schüler-  n.  Lesebibl.:  BBG.  29,  S.  1125.  —  215)  J.  Beeger,  D.  päd.  Bibl.,  Schulmuseen  n.  ständigen  Lehrmittel- 
ausstellungen d.  Welt.  (Vgl.  JBL.  1892  I  3:100.)  IfL.  Rudolph:  COIRW.  21,  S.  211/2;  L.  Viereck:  DWBl.  S.  456.]|  — 
216)  B.  Dombart,  D.  Ansbacher  Gyran.-Bibl.  im  18.  Jh.  Progr.  Ansbach.  40  S.  —  217)  H.  Marquardt,  Alphab.  Ver- 
zeichnis d.  Mecklenburgica  d  Göstrower  Domschulbibl.  2.  T.  Progr.  Güstrow,  4".  16  S.  —  218)  G.  Loesche,  D.  Bibl.  d. 
Lateinschule  zu  Joachimsthal  in  Böhmen.  (Vgl.  JBL.  1892  I  3  :  103;  II  1  :  74):  MVGDB».  31,  S.  64/5.  —  219)  B.  Günther,  Ver- 
zeichnis d,  Bücher  d.  Lehrerbibl.  2  T.  Progr.  Krotoschin.  26  S.  —  220)  O  M.  Rosenauer,  Katal.  d.  Lehrerbibl.  d.  Evang.  Gymn, 
A.  B.  in  Mediasch  Progr.  Mediasch.  1892.  127  S.  -  221)  H.  Vielan,  KataL  d.  Lehrerbibl.  4.  T.  (Vgl.  JBL.  1892  I  3 :  106.) 
Progr.     Münstereifel.     56  S.  —  222)  W.  Böhme,  Katal.  d.  Schulbibl.  d.  fürstl.  Gymn.  zu  Schleiz.    Progr.    Schleiz.    IV,  165  S. 

—  223)  R-  Grosser,  C.  Poltkier  n.  E.  Bünger,  Neuer  Katal.  d.  Gymn. -Museums  zu  Wittstock.  Progr.  Wittstock.  4». 
34  S.  —  224)  J.  Wichmann,  Katal.  d.  Schülerbibl.  Zuerst  znsamraengest.  v.  Dr.  H.  Zurborg  1880,  nunmehr  ernent  u.  ver- 
Tollst.  Progr.  Zerbst.  40.  20  S-  —  225)  X  K.  Kippenberg,  Katal.  d.  Lehrer-Bibl.  d.  Realschule  in  d.  Altstadt  zu  Bremen. 
Progr.  Bremen.  60  S.  —  226)  X  -T.  Beneä,  Katal.  d.  Lehrer-  u.  d.  Schülerbibl.  Progr.  Prossnitz.  49  S.  —  227)  X  M. 
Maurenbrecher,  D.Bücherei  u.  d.  Bücherwart  in  unseren  Vereinen:  AkBll.  8,  S.  191/2,  205/6.  —  228)XO-  Baumgart,  Auch 

e.  Wort  über  unsere  Büchereien  u.  etwas  über  d.  inneren  Ausbau  unserer  Vereine:  ib.  S.  235/6.  —  229)  E.  Beyer,  Z. 
Bibliotheksstiitistik:  CBlBibl.  10,  S.  180/9.  -  230)  id.,  Entwicklung  u,  Organisation  d.  Volksbibl.  L.,  Engelmann.  lU,  116  S. 
Mit  Abbild.  M  2,00.  |[LCB1.  S.  1199-200;  Nation«.  10.  S.  464  („Pflichtlektion  für  Parlamentarier  n.  Beamte  d.  Unterrichts- 
verwaltung aller  Parteien"):  Pädagogium  15,  S.  483/4.JI  —  231)  X  K.  Heinrich,  Modernes  Bibliothekswesen:  Nation«.  10, 
S.  570/3.  —  232)  X  F.  Neuhaus,  D.  königl.  Bibl.:  Zukunft  5,  S.  467,9.  —  233)  Wissenschaftliche  u.  Volksbibl.:  Grenzb.  3, 
S.  90/2.    (Gegen  e.  Aufsatz  im  Volkswohl  v.  22.  Juni.)  —  234)  C.  Wolff,  D.  Erfinder  d.  modernen  Magazin-Bibl. :  FZg.  N.  38. 


0.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  1  3 


235-250 


Die  Bewegung  für  Bibliothekzeichen  wird  vom  Organ  des  Ex-libris- 
Vereins^^^)  lebhaft  gepflegt.  Von  Hildebrandt^s^j  liegt  eine  neue  Folge  von  25 
neu  erfundenen  Bücherzeichen  auf  Grund  von  Wappen  in  mannigfacher  Darstellungs- 
weise vor,  eine  ähnliche  selbständige  Sammlung  von  KisseP^'j.  —  Von  älteren 
nachgebildeten  Zeichen  ist  das  Joh.  Fischarts  von  Jost  Amman  hervorzuheben, 
das  A.  Schmidt238)  beschreibt. —  In  England  erschien  von  der  grossen  Sammlung 
der  Wappenbuchzeichen^äii),  deren  erste  Serie  durch  Feuer  fast  ganz  zerstört  worden 
ist,  die  zweite  britische  Serie,  eine  geschichtliche  Reihe  von  147  trefflichen  Nach- 
bildungen aus  verschiedenen  Sammlung-en.  —  Neue  und  alte  englische  Bücherzeichen 
veröffentlicht  C  a  s  1 1  e^^oj  mit  darstellendem  Texte  in  neuer  Ausgabe ;  der  erste 
Druck  stammt  vom  Dec.  1892,  schon  die  dritte  Auflage  ist  inzwischen  gefolgt.  — 
Dem  gleichen  Zwecke  dient  Hamiltons^^')  englisches  Buch  von  französischen 
Büchermarken-42-243-)    _ 

Für  den  Buchhandel,  zumal  für  seine  ältere  Geschichte '^**) ,  sind 
nur  wenige  Beiträge  zu  verzeichnen.  Vom  Bücherbezug  der  Humanistenzeit  giebt 
Krause^^s)  in  den  Auszügen  aus  dem  früher  von  ihm  herausgegebenen  Briefwechsel 
Mutians  ein  lebendiges  Bild.  Die  Briefe  dieses  leidenschaftlichen  Büchersammlers  in 
Gotha  wimmeln  von  Bücherbesorgungen;  zwar  macht  er,  durch  Beziehungen  zu 
den  Fuggers  angeregt,  den  Versuch,  von  Aldus  unmittelbar  zu  beziehen,  aber  auch 
die  deutschen  humanistischen  Pressen  verfolgt  er  lebhaft.  „Was  druckt  Wittenberg, 
was  Leipzig,  was  Froben,  was  Anshelm  ?"  —  Nächst  der  Vermittlung  von  Freunden 
dient  ihm  der  Bezug  von  Erfurt,  besonders  durch  Pyrrhus,  doch  spielen  für  ihn 
schon  1508  die  Leipziger  Buchläden  und  die  Leipziger  Ostermesse,  auch  die  Naum- 
burger Peter -Pauls -Messe  eine  Rolle,  die  Frankfurter  Messe  hat  er  selbst  besucht, 
mit  Thomas  Anshelm  persönlich  verkehrt.  —  Für  den  Betrieb  des  Buchhandels  der 
Reformationszeit  giebt  die  Veröffentlichung  der  Briefe  an  den  Zwickauer  Stadt- 
schreiber M.  Stephan  Roth  durch  Buchwald^^^j  eine  Fülle  von  Belegen,  wie  sie 
bisher  nicht  beisammen  zu  finden  waren.  Neben  Roths  Thätigkeit  als  Herausgeber, 
Korrektor  und  Berater  ist  es  hauptsächlich  der  Bücherbezug  und  die  Bücher- 
vermittlung, seine  Verbindung  mit  F.  Peypus  und  Joh.  Petrejus  in  Nürnberg, 
M.  Goltz,  Barthel  Vogel  und  Chr.  Schramm  in  Nürnberg,  Wolf  Bräunlein  und  Gregor 
Jordan  in  Leipzig,  die  einen  Einblick  in  das  innere  Getriebe  des  Reformations- 
buchhandels g^ewähren.  —  Vom  Krakauer  Büchermarkte  hat  nach  einer  Notiz  von 
Rözyckis^*')  A.  Benis  Mitteilungen  gemacht;  die  veröffentlichten  Bücheraufnahmen 
aus  dem  Nachlasse  der  Buchhändler  Matth.  Scharffenberg  (1547)  und  Florian  Unglers 
(1551)  mit  1351  Posten  Büchertiteln  umfassen  zumeist  lateinische  Bücher,'  besonders 
von  Erasmus,  Melanchthon  und  Hütten,  sowie  griechische  und  lateinische  Klassiker, 
alle  fremder  Herkunft;  nur  gegen  40  Posten  libri  polonici:  Chroniken,  Erbauungs- 
und Kochbücher  sind  daneben  vorhanden,  da  fast  jedes  in  mehreren  Hundert  Ab- 
zügen, wohl  Verlag  Unglers  —  Ki  rch  ho  ff^^S)  bietet  eine  zusammenhängende  lehrreiche 
Darstellung  des  manniggestaltigen  inneren  Lebens  des  Leipziger  Buchhandels  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jh.  mit  Ernst  Vögelin  als  Mittelpunkt.  Magister  Vögelin,  ob- 
gleich hervorragend  begabt  und  als  Verleger  von  grösserer  Auffassung,  ist  zu  einem 
Teile  an  der  Sorglosigkeit  in  wirthschaftlichen  Dingen  gescheitert,  die  die  damaligen 
unternehmenden  Kreise  des  Leipziger  Buchhandels  vielfach  geschädigt  hat.  Die 
tragische  Wendung  in  seinem  Geschicke  erfolgte  wegen  seiner  Verwicklung  in  die 
kryptokalvinistischen  Händel  und  berührt  sich  mit  den  wirren  Censurverhältnissen 
dieser  Zeit.  —  Wesentlich  durch  die  Censur Verhältnisse  bedingt  erweist  sich  die 
Geschichte  des  Buchhandels  und  Buchdrucks  in  Böhmen^***).  —  Sehr  Beachtens- 
wertes zur  Geschichte  der  Censur  und  des  Zeitungswesens  bringt  Pauls^^oj  für  Aachen 
und  seinen  Buchhandel,  namentlich  unter  der  Fremdherrschaft.  — 


—  235)  Ex-libris.  Zeitschrift  für  Bächerzeichen,  Bibliotheken Vnnde  n.  Gelehrtengesch.  3.  Jahrg.  4  Hefte.  Görlitz,  Starke. 
4».  97  S.  M.  15,00.  —  236)  A.  M.  Hildebrandt,  Heraldische  Bucherzeichen.  25  Ex-libris.  B.,  Stargardt.  V  S.,  25  Bll. 
M.  4,00.  —  237)  C.  Kissel,  25  Bücherzeichen,  ebda.  VUI  S.,  25  Taf.  M.  4,00.  —  238)  A.  Schmidt,  D.  Bucherzeichen 
Joh.  Fischarts  in  d.  Grossherzogl.  Hofbibl.  zu  Durinstadt.  (=  Sonderabdr.  aus  d.  QBllVHessen.  Bd.  14.)  (Darmstadt,  Klingel- 
hoeffer.)  3  S.,  1  Taf.  —  239)  147  Examples  of  armorial  book  phites.  Frora  various  collections.  (Second  Series.)  London, 
Griggs  &  Sons.  1892.  4".  VI  S.,  147  Taf.  Sh.  15.  —  240)  E.  Castle,  English  book-plates  ancient  and  modern.  London, 
Bell  &  Sons.  XX,  352  S,  16  Taf.  Sh.  10  6.  —  241)  W.  Hamilton,  French  book-plates  a  handbook  for  ex-libris  coHectors. 
ebda.  1892.  YHI,  176  S.  Sh.  7/6.  —  242)  X  French  and  english  bookplates.  W.  M.  Thackeray,  J.  Anderson,  A.  Tennyson  U.A., 
Victor  Hugo,  Leon  Gambetta,  0.  Uzanne:  BookWorm  S.  105.  —  243)  X  J-  E-  Brown,  The  book-plute-society  :  ib.  S.  137.  — 
244)  X  C.  Haeberlin,  Ergänzungen  z.  antiken  Bibl.-  und  Buchwesen  (CBlBibl.  6,  S.  481  ff.;  7,  S.  1  ff.,  271  ff.)  nach  H. 
Usener,  Unser  Piatontext:  CBlBibl.  9,  S  378(9.  —  245)  K.  Krause,  Bibliologisches  aus  Mutians  Briefen:  ib.  10,  S.  1-19.  — 
246)  G.  Buchwald,  Stadtschreiber  M.  Stephan  Roth  in  Zwickau  in  seiner  litt.-buchhändl.  Bedeutung  f.  d.  Beformationszeit: 
AGDBuchhandel.  16,  S.  6-246.  (Dazu  6  Bll  Facs.)  |[W.  Schnitze:  BLU.  S.  317.]|  —  247)  K.  v.  Közycki,  Ueber  2  Buch- 
händlerinventarien  aus  d.  J.  1547-51:  CBlBibl.  10,  S.  407/8.  —  248)  A.  Kirchhoff,  Wirtschaftsleben  im  älteren  Buchhandel: 
Ernst  Vögelin  in  Leipzig:  AGDBuchhandel.  16,  S.  247-354.  —  249)  Z.  Gesch.  des  Buchdrucks  u.  d.  Censur  in  Böhmen: 
Bohemia'^.  N.  9.  —   250)  E.  Pauls,   Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Buchdrnckereien,    d.  Bachhandels,   d.  Censur  n.  d.  Zeitungspresse  in 


I  3:251-277  0.  V.  HasG,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Das  Wichtigste,  was  sonst  über  einzelne  Buchhändler  an  neuem  Material 
veröffentlicht  worden  ist,  bietet  K.  Seh midt^'»')  in  seinem  Bericht  über  Joh.  Oporins 
Briefe  an  den  Strassburger  Prediger  Konr.  Hubert,  deren  vollständig-e  Veröffent- 
lichung sehr  erwünscht  wäre.  Beigegeben  ist  eine  Liste  der  von  Oporin  in  diesen  Briefen 
erwähnten  ausgeführten  und  geplanten  Drucke,  und  aus  Siebers^'^^^  Nachlass  ein 
Sendbrief,  wohl  von  P.  Cherler,  über  Joh.  Oporins  Leben  und  Absterben.  -- 
G.  Müller253j  berichtet  über  die  Buchhändler  M.  und  W.  Stöckel  in  Dresden,  Steiff  ^54) 
über  L.  Straub  in  St.  Gallen,  Veesenmeyer 255)  über  R.  Lebr.  Stettin  in  Ulm, 
P  y  1 25Ö)  über  H.  J.  Struck  in  Greifswald  und  Stralsund.  —  Von  Berliner  Buchhändlern 
wird  gelegentlich  des  200jährigen  Jubiläums  der  Uranfänge  der  Vossischen  Buch- 
handlung '-i5'-'-i58)  Chr.  Fr.  Vossens  (seit  1748  in  Berlin)  gedacht;  Friedländer  25«) 
schildert  J.  R.  Ph.  Spener,  Steiff260)  den  Vorsteher  des  Börsenvereins  zur  Kriegs- 
zeit, Julius  Springer,  Thomälen26ij  den  Rud.  Gaertner.  —  F.  H.  Meyer 262)  hat 
zukunftsfreudig  Rechenschaft  abgelegt  über  das  Fortschreiten  seiner  Arbeit  an  der 
Geschichte  des  deutschen  Buchhandels,    der  er  bald  darauf  entrissen  worden  ist.    — 

Vom  ausländischen  Buchhandel  liegt  K  r  u  s  e  m  a  n  n  s  263)  aus- 
führliche Darstellung  des  nordniederländischen  Buchhandels  im  17.  und  18  Jh.  vor, 
die  zusammenstellt,  was  dem  Deutschen  im  einzelnen  unzugänglich  sein  dürfte.  —  Die 
schönen  Briefe  des  Antiquars  Thomas  Hearne264)  (1678—1735)  aus  der  Bodleian- 
Bibliothek  in  Oxford,  mit  seiner  Wahl  zum  Architypographen  der  Universität 
beginnend,  und  Brornes  Bericht  über  seinen  Tod  sind  willkommene  Gaben,  auch 
eines  Ungenannten265}  Plaudereien  über  die  Mittelchen  englischer  Verleger  im  18.  Jh. 
und  Uzannes'66)  originelle  Skizzen  von  Pariser  Büchertrödlern.  — 

Als  Vertreter  des  Musikalien  handeis  ist  durch  E  i  t  n  e  r  266a)  Nikol. 
Simrock,  der  Bonner  Begründer  des  bekannten  Verlagshauses,  geschildert  worden. 
—  Ein  stattliches  Werk  über  die  Geschichte  des  herrschenden  italienischen  Musik- 
hauses G.  Ricordi  &  Co.26')  hat  die  internationale  Musik-  und  Theaterausstellung 
gezeitigt.  — 

Ueber  den  gegenwärtigen  Betrieb  des  Buchhandels  giebt  eine 
Vereinsschrift268)  der  Leipziger  Kommissionäre  Bescheid,  über  den  gegenwärtigen 
Stand  des  Leipziger  Buchhandels  von  Hase"^'^'').  —  Zu  den  täglichen,  wöchentlichen, 
monatlichen,  viertel-,  halb-  und  ganzjährigen  Neuigkeitsverzeichnissen  des  Buch- 
handels und  den  darauf  aufgebauten  Bibliographien  von  Heinsius,Hinrichs  und  Kayser  ist 
Thelerts^'O)  Supplement  hinzugetreten,  das  nicht  oder  bisher  fehlerhaft  aufgeführte 
Schriften  enthält;  ferner  erscheint  als  willkommene  Ergänzung  die  Fortsetzung  von 
Georgs2"')  praktisch  bewährtem  Schlagwort-Katalog ;  auch  Russells  Gesamt-Verlags- 
Katalog2'2  273)  schreitet  rüstig  dem  Abschlüsse  zu.  —  Für  Belgien  hat  man  35  Ver- 
lagskataloge des  einheimischen  Buchhandels  rein  äusserlich  zusammengebunden  und 
als  dritte  Auflage  des  vom  Cercle  beige  de  la  Librairie  et  de  l'Imprimerie  heraus- 
gegebenen Sammelkatalogs2'''*)  niit  einem  Werkverzeichnis  eingeleitet,  das  auf  die 
einzelnen  Verleger  verweist:  kein  übler  Ersatz  für  einen  einheitlichen  Gesamtkatalog.  — 

Zur  geistlichen  Censur  liefert  Arndt  (S.J.)2'5-277)  ßgjti.äge,  die  darum  von 


Aachen  bisz.  J.  1810:  ZAachenerGV.  15,  S.  97-235.—  251)  K.  Schmidt,  D.  Briefe  Joh.  Oporins  an  d.  Strassburg. Prediger Conr. 
Hubert:  BVtGBasel.  13,  S.  381-428.  —  252)  L.  Sieber,  Panl  Cherlers  Sendbnch  über  Oporins  Leben  u.  Tod:  ib.  S.  429-40.  — 
253'  G.  Müller,  M.  Stöckel  u.  W.  Stöckel:  ADB.  36,  S.  283/4.  —  254)  K.  Steiff,  L.  Straub:  ib.  S.  524/5,  —  255)  Ö. 
Veesenmeyer,  R.  Lehr.  Stettin:  ib.  S.  130/2.  -  256)  Th.  Pyl,  H.  J.  Struck:  ib.  S.  639-40.  —  257)  O  Gründung  d. 
Vossischen  Buchhandl.:  Bär  19,  S.  707.  —  258)  E.  200 j.  Bnchhandlungs-Jnbil.  Gesch.  d  Vossischen  Buchhandl.:  VossZg. 
N.  493.  —  259)  E.  Friedländer,  J.  K.  Ph.  Spener:  ADB.  35,  S.  102.  —  260)  K.  Steiff,  Jul.  Springer:  ib.  S.  318,9.  - 
261)  G.  Th[oniälen],  R.  Gaertner.  (=  Adressbnch  d.  dtsch.  Buchhandels  u.  d.  verwandten  Geschäftszweige  1893 
[L.,  Börsenv.  d.  dtsch.  Buchhändler.  XXX,  714  u.  452  S,  M.  12,00.],  S.  III- VI).  -  262)  F.  H.  Meyer,  Ber.  an  d.  bist.  Kom- 
mission d.  Börsenver.  d  dtsch.  Buchhändler  zu  Leipzig:  AGOBuchhandel.  16,  S.  1/5.  —  263)  A.  C.  Krusemann,  Aantee- 
keningen  betreffende  den  Boekhandel  van  Noord-Nederland,  in  de  17'«  en  IS''«  eeuw.  Bijdragen  tot  de  geschiedenis  van  den 
Nederlandschen  boekhandel.  Uitgegeven  door  de  vereeniging  ter  bevordering  van  de  belangen  des  boekhandels.  6.  deel. 
Amsterdam,  P.  N.  van  Kampen  &  Zoon.  XI,  655  S.  —  264)  An  antiquary  of  the  last  Century  „Thomas  Hearne":  BookWorm. 
S.  89-96,  119-36.  —  265)  W.U.,  Tricks  of  the  eighteenth  Century  pnblishcrs:  ib.  S.  305-12.  —  266)  0.  Uzanne,  Bonquineurs 
et  bouquinistes  Physiologie  des  quais  de  Paris,  du  pont  royal  au  pont  Lully.  Paris,  May  &  Motteroz.  XI,  320  S.  Fr.  10,00. 
|[BookWorm  S.  161./6.]|  —  266a)  R.  Eitner,  N.  Simrock:  ADB  34,  S.  385  6.  -  267)  G.  Ricordi  &  Co.  Drucker  u.  Verleger. 
Mailand.  Internationale  Musik  und  Theaterausstellung.  Wien.  (Gerold  Sohn.)  4».  163  S.  u.  34  Bll.  —  268)  D.  buchhandl. 
Verkehr  über  Leipzig  u.  d.  Geschäftsgang  d.  Leipziger  Kommissionsgeschäftes.  L.,  Ver.  Leipz.  Kommissionäre.  1892  27  S. 
(Durch  F.  Volkmar  besorgt.)  —  269)  0.  v.  Hase,  D.  Leipziger  Buchhandel  1892.  (=  .JB.  d.  Handelskammer  zu  Leipzig  1892 
[L.,  Hinrichs.  1893.  X,  267  S.  M.  1,60.],  S.  195-214.)  -  270)  G.  Tholert,  Suppl.  zu  Heinsius,  Uinrichs  u.  Kaysers  Bücher-Lex. 
Verzeichnis  e.  Anzahl  Schriften,  welche  seit  d.  Mitte  d.  19.  Jh.  in  Deutschland  erschienen,  in  d.  genannten  Katal.  aber  gar 
nicht  oder  fehlerhaft  aufgeführt  sind.  Mit  bibliograph.  Bemerkungen.  Grossenhain,  Baumert  &  Ronge.  405  S.  M.  33,00.  — 
271)  C.  Georg,  Schlagwort-Katal.  Verzeichnis  d.  Bücher  u,  Landkarten  in  sachl.  Anordnung  II.  Bd.  2.  Abt.  1.-5.  Lfg.  Hannover, 
F.  Cruse.  S.  1-160.  a.  M.  1,30.  -  272-273)  Gesamt-Verlags-Katal.  d.  dtsch.  Buchhandels.  XV.  Bd.  2-4  Lfg.;  XVI.  Bd.  I.Abt. 
17.-23.  Lfg.,  2.  Abt.  15.-20.  Lfg.,  3.  Abt.  14.-20.  Lfg.,  4.  Abt.  9.-11.  Lfg.  Münster,  A.  Russell.  S.  225-704;  XH  S.  u. 
S.  2593-4704;  S.  2209-3168;  XIV  S.  u.  S.  2081-3104;  S.  1313-1728.  ä  Lfg.  M.  0,60.  —  274)  Recueil  alphab.  de  catalogues,  publie 
par  les  soins  du  Cercle  beige  de  la  Librairie,  de  l'Imprimerie  et  des  Professions  qui  s'y  rattachent.  3.  6d.  compl.  et  raise  ä  jonr. 
Bruxelles,  au  secrötariat  du  Cercle.  1892.  VItl,  83  9..  35  Verlagsverzeichnisse.  —  275)  A.  Arndt,  D.  Verbote  d.  Index 
librorum  prohibitorum :  AKKR,  70,  S.  3-32  —  276)  id.,  D.  kirchl.  Strafbestinimungen  über  cl.  Lesen  u.  Bewahren  verbotener 
Bücher  u.  d.  Leselicenzen:  ib.   S.  33-52.  —  277)  id.,  D.  kirchl.  Bestimmungen  über  d.  Herausgabe  v.  Büchern:  ib.  S.  53-66. — 


0.  V.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  13:  278-298 

besonderer  Wichtigkeit  sind,  weil  sie  auf  geschichtlicher  Grundlage  den  gegen- 
wärtigen Stand  darlegen,  die  Geltung  des  Index  librorum  prohibitorum  und  seiner 
Teile,  die  durch  Index-Regeln  und  Dekrete  absolut  oder  bedingt  verbotenen  Bücher 
und  die  Einzelverbote  durch  Kongregationen  und  bischöfliche  Erlasse^'-S),  ferner  die 
kirchlichen  Straf  bestimmungen  und  Licenzen  für  das  Lesen  und  Bewahren  verbotener 
Bücher  und  die  Approbation  und  Drucklegung  approbierter"  und  den  Druck  ver- 
botener Bücher.  Hierbei  wird  entsprechend  der  kürzlich  auch  in  weltlicher  Angelegen- 
heit von  einem  Gericht  vertretenen  Verantwortung  des  Setzers,  Maschinenarbeiters 
und  Korrektors,  die  Exkommunikation  ketzerische  Bücher  wissentlich  Druckender 
auch  für  diese  „physischen  Ursachen  zur  Drucklegung"  geltend  gemacht,  —  DisteP"^) 
teilt  zwei  Bücherverbote  aus  Kursachsen  mit,  das  eine  von  Friedrich  dem  Gr.,  der  den 
kurzen  aber  gründlichen  Beweis,  dass  das  Königreich  Böhmen  Sr.  Königl.  Majestät 
in  Preussen  zustehe,  1757  in  Dresden  öffenthch  verbrennen  Hess.  — 

Das  Verlags-  und  Urheberrecht  hat  beachtenswerte  Bearbeitungen 
aufzuweisen.  Scheele^^o^  verwertet  für  das  deutsche  Urheberrecht  die  Recht- 
sprechung der  letzten  beiden  Jahrzehnte  und  giebt  namentlich  auch  die  Entstehungs- 
geschichte der  Gesetze.  —  Allfeld^*')  bietet  einen  neuen  praktischen  Kommentar  der 
Hauptgesetze  und  Verträge.  —  Kohler-^-J  sucht  die  Probleme  des  Autorrechtes  durch 
selbständiges  künstlerisches  Erfassen  der  Begriffe  zu  lösen.  —  In  einer  geistvollen 
Schrift  über  das  für  die  Litteratur  nicht  unwichtige  Recht  an  Briefen  erklärt 
Kohler'^^^)  es  als  eine  heilige  Pflicht  des  Rechtes,  das  Seelenleben  eines  Menschen 
unangetastet  zu  wahren.  —  Voigt länder^^^)  hat  das  Verlagsrecht  als  sach- 
verständiger Buchhändler  selbständig  durchgearbeitet;  sein  als  2.  Auflage  bezeichnetes 
Werk  ist  ein  neues  Buch,  das  nach  Aufstellung  der  Verlagsordnung^^s)  für  den  deutschen 
Buchhandel  erwünscht  war.  —  Dieser  Verlagsordnung,  die  hauptsächlich  dem  Ver- 
kehr des  Buchhandels  mit  gelehrten  Autoren  entstammt,  tritt  der  Verein  „Berliner 
Presse"  entgegen^*^^).  —  G.  A.  Müller'-*")  giebt  aus  dem  geg-enwärtigen  Leben  des 
Buchhandels  heraus  ein  ausgiebiges  verständiges  Handbuch  des  Verlagsbuchhandels. 
—  Der  neue  Entwurf  des  österreichischen  Urhebergesetzes'''^^)  ist  dazu  angethan, 
Kritiken  hervorzurufen.  —  Das  internationale  Urheberrecht  hat  in  der  Zeitschrift  des 
Berliner  Bureaus  „Le  droit  d'auteur"  2S9j  sein  freilich  zumeist  aus  französischen  Quellen 
gespeistes  amtliches  Organ. 2*">)  — 

Ueber  das  gesamte  deutsche  Buchgewerbe,  dessen  Führer  der  Buch- 
handel ist,  veranstaltet  Thomälen''^'*')  mit  Wiener  und  Schultz-Henke  eine  Ueber- 
sicht  im  deutschen  buchgewerblichen  Katalog^^^j  für  Chicago;  einen  internationalen 
Bericht  hat  Wien  er  2^3)  geliefert.  — 

Dem  verdienten  Geschichtsschreiber  der  Buchbinderkunst  F.  R.  Steche 
widmet  L  i  e  r^'"^)  einen  Aufsatz,  dem  ein  eingehender  Nekrolog  folgen  soll.  —  L  i  e  r^«») 
veröffentlicht  auch  eine  neue  Folge  von  100  wertvollen  Bucheinbänden  der  kgl. 
Bibliothek  in  Dresden,  Holmes^'*^)  eine  Auswahl  von  gegen  150  Einbänden  aus  der 
kgl.  Bibliothek  in  Windsor-Castle.  —  Prideaux  ^^'j  verdankt  man  eine  Bibliographie 
mit  gegen  450  Werken  über  Buchbindung  und  eine  ausführliche  geschichtliche 
Skizze  dieser  Kunst.  —  Zaehnsdorf^****)  liefert  einen  fachkundigen  Bericht  über  alle 


278)  (S.  0.  N.  70.)  —  279)  Th.  Distel,  2  in  Kursachsen  beseitigte  Drucke  (1745  u.  57):  NASächsG.  14,  S.  341/3.  —  280)  ö. 
Scheele,  D.  dtsch.  Urheberrecht  an  litt.,  künstl.  und  photogr.  Werken.  L.,  Hirschfeld.  1S92.  X,  275  S.  M.  6,80.  1[LCB1. 
S.  1076/7;  P.  Daude:  DLZ.  S.  761/2.]|  —  281)  J.  Allfeld.  D.  Beichsgesetze  betr.  d.  litt,  und  artist.  Urheberrecht.  Manchen, 
Beck.  16».  YIII,  458  S.  M.  4,40.  [(P.  Daude:  DLZ.  S.  761/2.j|  —  282)  J.  Kohler,  D.  litt.  u.  artist.  Kunstwerk  u.  sein 
Autorschutz.  E.  jurid.-ästhet.  Studie.  Mannheim,  Bensheimer.  1892.  205  S.  M.  5,00.  |[DLZ.  S.  179-80.]|  —  283)  id.,  D. 
Recht  an  Briefen.  (Aus  d.  Arch.  f.  bürgerl  Recht.)  B.,  Heymann.  60  S.  M.  1,20.  —  284)  R.  Voigtländer,  D.  Verlags- 
recht an  Schriftwerken,  rausikal.  Kompositionen  u.  Werken  d.  bildenden  Künste.  E.  Handbuch  d.  Verlagspra.xis  für  Buch- 
händler (mit  Vertragsbeispielen).  2.  Aufl.  Dass.  für  Autoren  n.  Buchhändler  (ohne  Vertragsbeispiele;.  2.  Aufl.  L.,  Voigtländer. 
XI,  195  S.;  IX,  137  S.  M.  4,00;  M.  3,00.  —  285)  X  W.  Licht,  D.  Bewucherung  d.  Sortiments-Bochhandels  durch  e.  grossen 
Teil  d.  Yerlagsbuchhandels  §  7  u  §  8  d.  bnchhäudl.  Verkehrsordnung  oder  d.  Grab  d.  Arbeitslohnes  im  Sortiments-Buchhandel. 
Frage  an  d.  öffentl.  Meinung.  Stolp  i.  P.,  E.  Rahn.  38  S.  Mit  1  Bild.  M.  1,20.  —  286)  Bemerkungen  über  e.  Verlags- 
ordnung für  d.  dtsch.  Buchhandel.  Berlin  (Sittenfeld).  24  S.  —  287)  G.  A.  Müller,  D.  Arbeiten  des  Verlegers.  E.  Hand- 
buch d.  Theorie  u.  Praxis  d.  Verlagsbnchhandels,  Briefe  an  e.  jungen  Freund.  L.,  G.  A.  Müller  &  Co.  IV,  191  S.  M.  5,00.  — 
288)  O  L.  A.  Frankl,  D.  Entwurf  d.  Österreich.  Urhebergesetzes.  Wien,  Manz.  27  S.  M.  0,50.  |[P.  Daude:  DLZ.  S.  1207.]| 
—  289)  Le  droit  d'auteur,  organe  officiel  du  bnreau  de  l'union  Internat,  pour  la  protection  des  oeuvres  litt,  et  artist.  6.  ann^e. 
12  Nrs.  Bern,  Collin  (L.  Hedeler).  4».  XIII,  156  S.  M.  5,65.  —  290)  O  W.  A.  Copinger,  Law  nf  Copyright  in  Works  of 
Litt.  n.  Art.  3.  ed.  London,  Stevens.  Sh.  36.  —  291)  G.  Thomälen,  E.  Wiener  u.  D.  S  chultz-Hencke,  D.  heutige 
Buchgewerbe  im  Dtsch.  Reich.  (r=  Führer  durch  d.  buchgewerbl.  Kollektiv-Ausstellung  d.  Dtsch.  Reiches.  Chicago  1893.  [L., 
Breitkopf  &  Härtel.  XII,  149  S.  M.  1,50.],  S.  1-32)  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  —  292)  X  A.  Weigel,  Führer  durch  d.  buch- 
gewerbl. Kollektiv-Ausstellung  d.  Deutschen  Reiches.  Chicago  1893.  Her.  v.  d.  Centralver.  für  d.  gesarate  Buchgewerbe, 
(ebda.  S.  33-149.)  —  293)  E  Wiener,  Nach  Chicago  z.  Columbischen  Weltansstellung.  Reisebriefe.  (Sonderabdr.  aus  d.  Zeitschrift 
für  Deutschlands  Buchdrucker.)  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  108  S.  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  294)  H.  A.  Lier,  F.  R.  Steche: 
ADB.  35,  S.  537  9.  —  295)  O  i  d. ,  Bucheinbände  aus  d.  Bücherschatze  der  kgl.  öffentl.  Bibliothek  zu  Dresden.  L.,  E.  Twiet- 
meyer.  4».  ä  3  Photogr.  mit  Y,  12  S.  Text,  ä  M.  3,00.  —  296)  O  R.  Holmes,  A  selection  of  royal  and  hlstorical  book- 
bindings,  from  the  Royal  Library,  Windsor  Castle  (with  about  150  plates  and  a  introd.).  London,  Quaritch.  4».  105  S.  Sh.  5,00. 
(Privatdruck.)  —  297)  S.  T.  Prideaux,  An  bist,  sketch  of  bookbinding.  With  a  chapter  on  early  stamped  bindings  by 
E   Gordon  Dnff.    London,  Lawrence  &  Bnller.    4".    VII,  303  S.    Sh.  6.     |[SaturdayR.  76,  S.  51.]|  —  298)  J.  Zaehnsd  orf, 


I  3  :  299    -14:  1-14  G.  Liebe,  Kulturg-eschichte. 

Länder  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Gegenwart;  die  angeführte  Litteratur 
von  1880—92  g-ehört  meist  Frankreich  und  England  an.  —  Eine  glänzende  Er- 
scheinung ist  Thoinans2«!>)  wertvolle  Geschichte  der  französischen  Buchbinder  des 
16.— 18.  Jh.  — 


Kulturgeschichte. 

Georg  Liebe. 

Begriff  der  Kulturgeschichte  N.  1.  —  Allgemeine  Darstellungen  N.  9.  —  SammelwPrke  N.  19.  —  Gesamtdarstellungen 
deutscher  Kultur  W.  23.  —  Häusliches  und  Familienleben  N.  31.  —  Geselliger  Verkehr  und  gesellschaftliche  Sitte,  Vergnügungen, 
Spiele  und  Feste  N.  49.  —  Sittengeschichtliches  N.  77.  —  Geistige  und  gemütliche  Entwicklung:  Bildungsanstalten  N.  95; 
das  Recht  N.  108;  Humanismus  N.  121;  Reiselitteratur  N.  122;  Vereinswesen  und  Presse  N.  128;  Briefe,  Stammbücher,  Kalender 
N.  136;  Nationalcharakter  N.  147;  religiöses  Element  N.  159;  Humor  N.  163;  Verschiedenes  N.  166.  —  Aberglaube  und  Ver- 
brechen N.  177.  —  Sociale  Entwicklung,  Gesellschaft  und  Stände  N.  188.  —  Wirtschaftliche  Entwicklung:  Wirtschaftsgeschichte 
N.  197;  Agrargeschichte  N.  201;  Bevölkerung  N.  211;  Industrie  und  Gewerbe  N.  219;  Technik  und  Erfindungen  N.  241;  Handel 
N.  245.  —  Aeussere  Kultur:  Wohnung  N.  256;  Tracht  N.  262;  Waffen  und  Geräte  N.  269;  Nahrungs-  und  Genussmittel  N.  275 ; 
Gesundheitswesen  N.  278;  Sicherheitswesen  N.  285;  Verkehr  N.  287.  —  Territorial-  und  Lokalforschung:  Ostpreussen  N.  310; 
Westpreussen  N.  314;  Posen  N.  321;  Schlesien  N.  322;  die  Mark  N.  324;  Pommern  N.  341;  Mecklenburg  N.  342;  Hansestädte 
N.  344;  Schleswig-Holstein  N.  357;  Oldenburg  und  Ostfriesland  N.  360;  Hannover  N.  365;  Provinz  Sachsen  N.  370;  Königreich 
Sachsen  N.  380;  Thüringen  N.  390;.  Hessen  N.  396;  Westfalen  N.  404;  Rheinland  N.  410;  Reichslande  und  Baden  N.  424; 
Württemberg  N.  435;  Bayern  N.  438;  Oesterreich  N.  461;  Schweiz  N.  485;  russische  Ostseeprovinzen  N.  493.  —  Klöster,  Stifter 
und  Orden  N.  498.  —  Besondere  Yolkselemente  N.  527.  —  Familiengeschichte  N.  548.  —  Einzelne  Personen  N.  563.  —  Zur 
Knltur  der  Gegenwart  N.  570.  — 

Begriff  der  Kulturgeschichte.  Die  für  die  Wesensbestimmung 
der  Kulturgeschichte  wichtigste  Frage,  .  die  ihres  Verhältnisses  zur  politischen  Ge- 
schichte, ist  ausser  in  mehreren  Besprechungen  der  gegensätzlichen  Werke  von 
Gotheini)  und  Schäfer  2)  (vgl.  JBL.  1892  I  4:1/2)  neuerdings  von  Ritt  er  3) 
erörtert  worden.  Er  glaubt  die  Ansprüche  der  Kulturgeschichte  als  zu  hoch  be- 
zeichnen zu  müssen,  indem  er  ihren  zu  weit  gefassten  Kollektivbegriffen  als 
Träger  der  Kulturarbeit  die  Gesellschaftskreise  gegenüber  stellt.  —  Treffend  be- 
stimmt Steinhausen ^)  die  junge  Wissenschaft  als  Lebensgeschichte  zunächst 
eines  Volkes,  weiterhin  der  Menschheit.  —  Eine  Stütze  erhält  diese  Anschauung  in  der 
Bedeutung  des  Zuständlichen,  wie  es  K.  Lamprecht  gegenüber  Max  Lehmanns^) 
Ueberschätzung  der  Persönlichkeit  betont.  —  Mehr  und  mehr  drängt  sich  auch 
die  Notwendigkeit  stärkerer  Heranziehung  der  Kulturgeschichte  in  der  Schule  auf, 
wenn  auch  bezeichnender  Weise  der  erste  Historikertag  in  München  in  dieser  Hin- 
sicht grosse  Zurückhaltung  bewies.  —  So  will  Berbig^),  ausgehend  von  der  päda- 
gogischen Forderung  der  Verbindung  verschiedener  Unterrichtszweige,  das  Rechnen 
für  die  Verbreitung  kulturgeschichtlicher  Kenntnisse  nutzbar  machen.  Eine  Anzahl 
gedruckten  Quellen  entnommener  Aufgaben  veranschaulicht  das  Verhältnis  heutiger 
Preise  zu  thüringischen  des  16.  Jh.  ^'^=')  — 

Allgemeine  Darstellungen.  Unter  den  allgemeineren  Darstellungen 
seien  zunächst  einige  Besprechungen  an  dieser  Stelle  schon  gewürdigter  Werke  ge- 
nannt "''Oj.  _.  Zur  Gewinnung  von  Vergleichungs-Material  wird  für  die  Kultur- 
geschichte auch  die  Ethnologie  heranzuziehen  sein.  Zur  ersten  Orientierung  bietet 
der  Katechismus  von  Schurtz'^)  ein  vortreffliches  Hülfsmittel.^^)  —  Die  neue  Auf- 
lage von  H  e  h  n  s  ^3)  monumentalem  Werke  hat  wertvolle  Vermehrungen  erfahren. 
—  Acheli  s  1*)  giebt  die  Forschungen  M.  Müllers  über  die  Bildung  religiöser  Ideen 


ßookbinding:  QR.  177,  S.  178-211.  --  299)  E.  Thoinan,  Les  relieurs  fran9ai8  (1500-1800),  biogr.  critique  et  anecdotique 
precedee  de  Thist.  de  la  communaute  des  relieurs  et  doreurs  de  livres  de  la  ville  de  Paris  et  d'une  etnde  sur  les  styles  d« 
relinre.     Paris,  Em.  Paul,  L.  Huard  &  Guillemin.     VII,  416  S.  — 

1)  X  HJb.  14,  S.  359-62.  —  2)  X  DLZ.  S.  300/1.  —  3)  M.  Ritter,  D.  Streit  zwischen  polit.  n.  Kultnrgesch. : 
AZg".  N.  219.  (Vgl.  dazu  ZKnltQ.  I,  S.  244/5.^  —  4)  G.  Steinhausen,  Z.  Einführung:  ZKultG.  1,  S.  14.  —  5)  ib. 
S.  245-50.  —  6)  M.  Berbig,  D.  Rechnen  im  Dienste  d.  Kulturgesch.  JB.  d.  Herzog  Ernst-Seminars.  Gotha  (Thienemann). 
30  S.  M.  0,60.  -  7)  X  A.  Böo,  Leitfaden  für  d.  ünterr.  in  d.  dtsch.  Gesch.  mit  besond.  Berücksicht.  d.  kultnrgesch. 
Momente  für  d.  Oberstufe  mehrklass.  Volks-  u.  Mittelsch.  L.,  Gräbner.  VIII,  335  S.  M.  2,00.  -  8)  X  F-  Viergutz,  D. 
Verhältnis  d.  Kulturgesch.  z.  polit.  Gesch.  im  Volksschul-Ünterr.:  PommerscheBllSohule.  17,  S.  335/6.  —  8a)  X  F-  Dreyer, 
Dtsch.  Kulturgesch.  v.  d.  ältesten  Zeiten  bis  z.  Gegenw.  Als  Grundlage  für  d.  Unterr.  in  d.  dtsch.  Gesch.  unter  Mitwirk.  v. 
J.  Meyer.  2.  T.  V.  Interregnum  bis  z.  Reformation.  Langens.alza,  Schulbuchh.  VI,  240  S.  M.  2,00.  -  9)  X  G-  Grnpp, 
System  u.  Gesch.  d.  Kultur.  2  Bde.  (Vgl.  JBL.  1892  14:9.)  |[BLU.  S.  7268;  HJb.  14,  S.  363/5;  Gyran.  11,  S.  765,8; 
Kath.  1,  S.  .572.]]  —  10)  X  P-  Heichen,  D.  Kulturgesch.  in  Hauptdaten.  (Vgl.  JBL.  1891  I  5:8.)  IfBLU.  S.  127;  WSKPh. 
10,  S.  281/6.]I  —  11)  H.  Schurtz,  Katechismus  d.  Völkerkunde.  L.,  Weber.  12".  XII,  370  S.  M.  4,00.  —  12)  X  Th. 
Achelis,  Kulturhist.  Parallelen  aus  d.  Völkerkunde:  DWBl.  S.  3901.  —  13)  V.  Hehn,  Kulturpflanzen  u.  Haustiere  in  ihrem 
Uebergang  aus  Asien  nach  Griechenland  u.  Italien.  6.  Aufl.  (In  12  Lfgn.)  1.-7.  Lfg.  Neu  her.  v.  0.  Schrader.  B.,  Born- 
träger.     S.    1-400.      M.   7,00.    —    14)    Th.  Achelis.    D.    vergleichende    Religionswissensoh.     (=  SGWV.    N.    182.)      Hamburg, 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  14:  15-29 

wieder,  wie  sie  sich  streng-  erfahrungsgemäss  auf  der  infolge  seiner  Anregung 
herausgegebenen  Sammlung  der  heiligen  Bücher  des  Ostens  aufbauen.  —  Das  Problem 
des  Verhältnisses  zwischen  Krieg  und  Kultur  behandelt  in  formvollendeter  Durch- 
dringung des  Materials  Jähns'^).  Nach  theoretischer  Erörterung  der  Begriffe  zur 
historischen  Betrachtung  der  menschlichen  Auffassungen  übergehend,  gewinnt  er  die 
üeberzeugung  von  der  inneren  Notwendigkeit  wie  der  kulturfdrdernden  Wirksamkeit 
des  Krieges.  —  Unsere  gegenwärtige  Kulturepoche  betrachtet  Toula''')  hinsichtlich 
ihrer  wahrscheinlichen  Begrenzung  durch  Abnutzung  einiger  wesentlichen  Stoffe, 
der  Kohle,  der  "Waldbestände,  des  Goldes'').  —  Jäger'*)  behandelt  den  Parallelis- 
mus zwischen  der  geistigen  Entwicklung  des  Einzelindividuums  und  den  Kultur- 
stufen der  historischen  Entwicklung-  wie  den  verschiedenen  Bildungsstufen  innerhalb 
der  modernen  Gesellschaft  in  origineller,  wenn  auch  besonders  im  zweiten  Fall  vielfach 
gezwungener  Art.  —  Das  schön  ausgestattete  Werk  von  Kleinpaul  '*■"•),  auf  den 
Arbeiten  von  Lacroix  beruhend,  ist  wegen  der  illustrativen  Beigaben  zu  schätzen 
und  nur  auf  das  Wohlgefallen  weiterer  Kreise  berechnet.'^'')  — 

Sammelwerke.  Das  Berichtsjahr  war  für  die  Wissenschaft  der  Kultur- 
geschichte ein  erfreuliches  insofern,  als  ihr  durch  Gründung  einer  eigenen  Zeitschrift'^) 
die  Möglichkeit  geboten  ist,  nicht  mehr  als  oft  scheel  angesehener  Gast  in  fremdem 
Hause  ihr  Dasein  zu  fristen.  Sicher  wird  die  Konzentration  dazu  beitragen,  unsere 
Wissenschaft  schärfer  zu  formulieren  und  den  hier  besonders  üppig  wuchernden 
Dilettantismus  zu  beschränken.  Für  den  Geist  des  neuen  Unternehmens  bürgt  der  be- 
währte Name  des  Herausgebers  S  t  ei  n  h  a  u  s  e  n^").  Der  Inhalt  des  ersten  Heftes 
sei  hier  angeführt :  Zur  Einführung  (Herausgeber).  Deutsches  Geistesleben  im 
späteren  Mittelalter  (Lamprecht).  Thomas  Campanella,  ein  Dichterphilosoph  der 
italienischen  Renaissance  (Gothein).  Sechzehn  deutsche  Frauenbriefe  aus  dem  endenden 
Mittelalter  (Steinhausen).  Aus  dem  Vereinswesen  im  römischen  Reiche  (Liebenau). 
—  Der  Umfang  wie  der  Charakter  der  kulturgeschichtlichen  Wissenschaft  lassen 
mit  Freuden  die  gleichzeitige  Gründung  einer  zweiten  Zeitschrift  begrüssen,  die  lokal 
beschränkter,  inhaltlich  umfassender  ist.  Es  sind  dies  vonReinhardstöttners^') 
Forschungen  zur  Kultur-  und  Litteraturgeschichte  Bayerns,  die  gleichermassen  durch 
wissenschaftliche  Gediegenheit  wie  vornehme  Ausstattung  einnehmen.22)  — 

Gesamtdarstellungen  deutscher  Kultur.  Von  umfassenderen  Darstell- 
ungen der  deutschen  Kultur  ist  das  Werk  von  Henne  am  R  h  y  n"^)  in  2.  Auflage  er- 
schienen^^).  —  In  den  nach  alter  Methode  ausgesonderten  Abschnitten  über  Kultur- 
verhältnisse ruht  der  Hauptwert  von  Janssens  Geschichte  des  deutschen  Volkes, 
deren  7.  Band  nach  seinem  Tode  auf  Grund  seiner  Mss.  von  P  a  s  t  o  r  ^5)  heraus- 
gegeben worden  ist.  Er  schildert  die  niederen  und  höheren  Bildungsanstalten, 
dann  die  einzelnen  Zweige  der  Wissenschaft.  Die  Abschnitte  über  Naturwissen- 
schaften, Heilkunde,  Theologie,  Philosophie  haben  P.  zum  Vf.  Gelegenheit  zur  Hervor- 
kehrung der  Tendenz  bleibt  nicht  unbenutzt,  so  wenn  der  Verfall  der  protestantischen 
Universitäten  von  der  landesherrlichen  Obergewalt  hergeleitet  wird,  die  ihnen  im 
Gegenteil  sehr  nützlich  gewesen  ist.  —  Die  Form  abgeschlossener  Bilder  verwendet 
M  a  i  s  c  h  2^)  zur  Schilderung  der  verschiedenen  Seiten  des  deutschen  Bürgertums. 
Das  Buch,  von  nationalem  Geiste  getragen  und  anziehend  für  allgemeines  Verständnis 
geschrieben,  bringt  Leben  und  Wirken  in  socialer  Hinsicht  zum  Ausdruck  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  die  genossenschaftlichen  Verbände  und  deren  Beeinflussung 
durch  das  religiöse  Element. 2')  —  Hier  seien  noch  einige  Werke  der  von  Fontane  be- 
gründeten Richtung  erwähnt,  die  das  touristische  Interesse  durch  das  historische  zu 
vertiefen  strebt.     Allerdings  bleibt  T  r  i  n  i  u  s  2*)   und  noch  mehr   H  e  v  e  s  i  ^9)  weit 


Yerlagsanst.  33  S.  M.  0,50.  —  15)  M.  Jahns.  Ueber  Krieg,  Frieden  u.  Kultur.  B.  Umschau.  B„  Allg.  Ver.  für  dtsch.  Litt. 
XX,  432  S.  M.  6,00.  UMWBl.  S.  2317-20,  2584  5.]|  —  16)  F.  Toula,  Streiflichter  auf  d.  jüngste  Epoche  d.  Kultur.  Rektorats- 
rede. Wien.  24  S.  jfAZgU.  N.  292.]!  —  17)  O  E.  v.  Philipp  ovich,  Wirtschaftl.  Fortschritt  u.  Knlturentwicklung.  Vortr. 
Freiburg  i.  B.,  Mohr.  1892.  56  S.  M.  1,00.  |[BLU.  S.  T/9.)|  -  18)  G.  Jäger,  Ans  Natur-  u.  Menschenleben.  Ges.  Aufsätze 
u.  Vortrr.  2.  (Schluss-)Lfg.  L.,  E.  Günther.  III,  S.  186-215.  M.  2,00.  —  18a)  R.  Kleinpaul,  D.  Mittelalter.  Bilder  aus 
d.  Leben    u.  Treiben   aller    Stände    in    Europa.     3.-8.    Lfg.     L.,    Schmidt  &  Günther.     S.  65-256.     M.  6,00.     [[Geg.  44,    S.  431.J| 

—  18  b)  O  J.  H.  Franke  [H.  Wort  mann],  Naturbilder  aus  d.  Kultur-  u.  Sittengesch.  d.  Menschheit  älterer  u.  neuerer  Zeit. 
Mit  56  lUustr.  Zürich,  H.  Wortmann.  200  S.  M.  1,50.  —  19)  Zeitschrift  für  Kulturgesch.  (N.  F.  d.  Zeitschr.  für  dtsch. 
Kulturgesch.)     Her.   v.  G.  Steinhausen.    Heft  1.     Weimar,  Felber.    S.   1-96.    M.  2,00.    |(ML.  62,    S.  820;    LCBl.  S.   1609-10.|| 

—  20)  X  G.  Steinhausen,  Kulturstudien.  B.,  Gärtner.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:28.)  |[ßLU.  S.  500/2;  LCBl.  S.  275/6;  DLZ. 
S.  6846;  ÖLBl.  2,  S.  648-50.]|  —  21)  Forschungen  z  Kultur-  u.  Litteraturgesch.  Bayerns  her.  v.  K.  v.  Reinhardstöttner. 
1.  Buch.  München,  Franz.  V,  232  S.  M.  6,00.  l[ZKultO  1,  S.  205/6.11  —  22)  X  Zeitschrift  f.  dtsch.  Kulturgesch.  v.  Chrn. 
Meyer:  BBG.  29,  S.  255/6,  570/2.  —  23)  0.  Henne  am  Rhyn,  Kultargesch.  d.  dtsch.  Volkes.  2.  Aufl.  2  Bde.  B.,  Grote  S.-Cto. 
500  S.;  528  S.  M.  24,00.  ||BLU.  S.  357/8;  COIRW.  21,  S.  504/5;  MHL.  21,  S.  299-300.]|  -  24)  X  Sechs  Bilder  z.  dtsch. 
Kulturgesch.  in  Farbendr.  Mit  Text.  L.,  Voigtländer.  4".  M  2,00.  —  25)  J.  Janssen,  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes  seit  d.  Ausgange 
d.  MA.  7.  Bd.  Ergänzt  u.  her.  v.  L.  Pastor.  Freibnrg  i.  B.,  Herder.  XLVII,  660  S.  M.  6,00.  —  26)  G.  Maisch,  Eelig.- 
sociale  Bilder  aus  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Bürgertums.  L.,  Werther.  IV,  632  S.  M.  8,00.  ||ThLBl  14,  S.  18;  ÖLBI.  2,  S.  521. J] 
(Vgl.  JBL.  1892  I  4:20.)  —  27)  O  J.  Bintz,  Dtsch.  Kulturbilder  aus  7  Jhh.  2  Bde.  Hambarg.  Meissner.  VII,  204  S.; 
111,  186  S.  M.  5,00.  —  28)  A.  Trinius,  Alldeutschland  in  Wort  u.  Bild.  E.  malerische  Schilderung  d.  dtsch.  Heimat.  II. 
Mit   Illustr.     B.,    Dümmler.     VUI,    439    S.     M.    5,40.     |[LCB1.    S.    1464/5;    BLU.    S.  188.]|    —    29)    L.  Hevesi,    V.  Kalau    bis 

JaliTeBl>erichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschiohte.    IV.  (} 


I  4  :  30-62  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

hinter  Fontaae  zurück  (vgl.  I  5  :  5Jj.  —  Ein  flüchtiger  Reisebrief  eines  Schweizers, 
F  1  e  i  n  e  r  '^^),  ist  ebenso  scharf  beobachtend  wie  für  Deutschland  schmeichelhaft.  — 
Häusliches  und  Familienleben.  Bei  der  Betrachtung*  der  ein- 
zelnen Seiten  der  Kulturentwicklung'  vom  engsten  Kreise,  der  Familie,  ausg-ehend 
sind  wir  leicht  der  Gefahr  einer  unsicheren  Abgrenzung  gegen  die  Volkskunde  aus- 
gesetzt. Es  wird  sich  empfehlen,  nur  das  einer  abgeschlossenen  Vergangenheit 
Angehörige  aufzunehmen,  Neueres  nur,  sofern  es  zu  Parallelen  Anlass  giebt.  Der 
Grundlage  des  Familienlebens,  der  Ehe,  widmet  Achelis^')  eine  weitschauende, 
Forschungsergebnisse  sicher  zusammenfassende  Untersuchung,  die  die  ersten  recht- 
lichen und  sittlichen  Entwicklungsstufen  zum  Gegenstand  hat  32).  _  Einen  Teil  der 
hier  erörterten  Fragen  hat  Bernhöft^"*}  zum  Gegenstand  einer  allgemein  ver- 
ständlichen Darstellung  gemacht,  die  auch  die  Poesie  heranzieht.  —  Ueber  die  Frauen 
sind  nur  einig-e  Sammelarbeiten  ohne  Bedeutung  erschienen  ä*'^'^).  —  Mit  der  Ehe- 
schliessung beschäftigen  sich  mehrere  Monographien ^^^'j.  —  Einen  merkwürdigen 
Beitrag  zu  den  Taufceremonien  bietet  K  o  1  d  e  w  e  y  s  ^^j  Untersuchung  über  den 
Streit,  der  am  Ende  des  16.  Jh.  über  die  Frage  der  Teufelsaustreibung  bei  der  Taufe 
zu  Braunschweig  ausbrach.  —  Das  anziehende,  bisher  nur  dilettantisch  behandelte 
Gebiet  der  Namengebung  weiss  Steinhausen  43-44),  gestützt  auf  reiches  MaLerial, 
zu  Aufschlüssen  über  den  Einfluss  des  Zeitgeistes  zu  verwerten.  Es  ergiebt  sich 
seit  dem  13.  Jh.  eine  Abschwächung  des  Namenreichtums  infolge  der  wachsenden 
Nüchternheit  der  Zeit,  seit  dem  15.  Jh.  ein  Ueberwiegen  frommer  Namen,  die  erst 
mit  diesem  Jh.  schwinden,  sowie  früh  eine  herrschende  Stellung  des  Namens  Johannes*^). 
—  Mit  den  die  Familie  nach  aussen  abschliessenden  Namen  beschäftigt  sich  auf  be- 
schränktem Gebiete  K 1  e  e  m  a  n  n  *^). —  Eine  oberflächliche  Sammlung  alter  Gebräuche 
beim  Begräbnis  bezieht  sich  auf  Wien  ■*"),  eine  Sammlung  von  Grabschriften  auf 
Riga  48).  _ 

Geselliger  Verkehr  und  gesellschaftliche  Sitte,  Vergnüg- 
ungen, Spiele  und  Feste.  Mit  dem  Hinaustreten  aus  dem  Kreis  des  Hauses  be- 
ginnt der  Verkehr  und  die  ihn  bindende  Sitte.  Von  ihren  Formen  haben  einige  eine 
oberflächliche  Darstellung  gefunden '*""^3)^  —  Dfe  f(jj.  (jg^  modernen  Verkehr  so  be- 
zeichnende Phrase  charakterisiert  Wengraf^^)  durch  ein  Miss  Verhältnis  zwischen 
Form  und  Inhalt  sowie  die  Häufigkeit  der  Anwendung.  Aus  der  Entwicklung  eines 
öffentlichen  Lebens  hervorgegangen,  ist  sie  stets  von  Wirkung  auf  unklares  Denken, 
wie  es  für  heutige  Verhältnisse  bezeichnend  ist.  —  Eine  Blütenlese  aus  den  Neujahrs- 
wünschen, wie  sie  der  Wiener  Hanswurst  im  Anfang  des  vorigen  Jh.  zu  spenden  pflegte, 
giebt  von  Weilen^^).  —  Von  dem  Inhalt  des  geselligen  Lebens  im  Mittelalter  handelt 
eine  gute  Zusammenstellung  der  durch  grössere  Arbeiten  gewonnenen  Resultate^^).  — 
Von  einem  Vortrag  0  1 1  o  s  ^')  über  die  Volksvergnügungen  zu  Butzbach  i./W.,  wobei 
das  Hauptgewicht  auf  die  Schauspiele  gelegt  ist,  erschien  leider  nur  eine  Inhalts- 
angabe.^^) —  Unter  den  noch  bestehenden  Volksfesten  nimmt  diesmal  der  Schäffler- 
tanz  das  Hauptinteresse  in  Anspruch.  Wenn  ihn  S  e  p  p  ^9)  mit  Anhäufung  von 
Reminiscenzen  an  die  ältesten  religiösen  Tänze  mit  der  Weinlese  zusammenbringt, 
so  wird    die  Sitte  von   anderer  Seite  ^**)    als  Rest   alter  Frühlingsfeier    erklärt^ '"^-). 


Säckingen.  E.  gemütliches  Kreuz  u.  Quer.  St.,  Bonz.  120.  VII,  323  S.  M.  4,00.  |[BLU.  S.  264;5.]|  —  30)  A.  Fleiner, 
Quer  durch  Deutschland:  StrassbPost.  N.  132.  —  31)  Th.  A c  h e  1  i s ,  D.  Entwicklung  d.  Ehe.  Weimar,  Felber.  125  S.  M.  2,60. 
|[BLÜ.  S.  746;7.]|  —  32)  X  E.  Westermarck,  Gesch.  d.  menschlichen  Ehe.  Ausg.  aus  d.  Engl.  v.  L.  Katscher  u.  R.  Grazer. 
Bevorwortet  v.  A.  Bussel  Wallace.  Jena,  Costenoble.  XLVI,  589  S.  M.  12,00.  |[BLU.  S.  746,7.J|  -  33)  J.  Bernhöft, 
Frauenleben  in  d.  Vorzeit.  Wismar,  Hinstorff.  78  8.  M.  2,00.  —  34)  Xü^iKlokow,  D.  Frau  in  d.  Gesch.  Leben  u. 
Charakter  d.  Frauen  aller  Zeiten,  sowie  deren  Einfluss  auf  d.  Kulturgesch.  d.  Menschengeschlechts.  2.  Aufl.  Mit  76  Abbild. 
L.,  Spanier.  VIII,  310  S.  M.  3,00.  —  35)  X  Van  der  Briele,  Kulturgeschichtliches  aus  d,  dtsch.  Frauenleben  im  14.  u. 
15.  Jh.  Progr.  Halberstadt.  4''.  18  B.  —  36)  X  ö.  Tuchert,  Dtsch.  Frauen  im  Zeitalter  d.  Restauration  (nach  Henne  am  Bhyn, 
D.  Frau  in  d.  Kulturgesch.):  Zeitgeist  N.  1/2.  —  37)  X  Alw.  Schultz,  Alltagsleben  e.  dtsch.  Frau  d.  18.  Jh.:  RCr.  35, 
S.  129-30.  —  38)  O  F.  Roth,  Weibl.  Erz.  u.  weibl.  Unterr.  im  Zeitalter  d.  Reformation.  Diss.  Leipzig.  47  S.  —  39)  X  H. 
Bosch,  Verlobung  u.  Verehelichung  in  Nürnberg  im  16.  Jh.:  MGNM.  S.  41-53.  —  40)  X  F-  M'  ^ine  sonderbare  Trausitte: 
AELKZ.  26,  S.  868.  —  41)  X  A.  Jusskiewicz,  Hochzeitsbräuche  d.  Wilonischen  Litauer:  MLitauLGes.  3,  S.  l:M-78,  201-43, 
321-83,  538-40.  —  42)  F  Koldewey,  D.Exorzismus  im  Herzogtum  Braunschweig  seit  d.  Tagen  d.  Reformation.  E.  kirchenhist. 
Studie.  Wolfenbüttel,  Zwissler.  5o  S.  M.  2,00.  —  43;  G.  Steinhausen,  Vornamenstudien:  ZDU.  7,  S.  616-26.  -  44)  id., 
Mode  u.  Zeitgeist  in  d.  Vornamen:  TglRs".  N.  8/9.  —  45)  X  K.  Erbe,  Dtsch.  Kindern  dtsch.  Namen:  DNJb.  3,  S.  144-50. 
—  46)  O  S.  Kleemann,  D.  Familiennamen  Quedlinburgs  u.  d.  Umgegend.  Quedlinburg,  Hach.  XII,  264  S.  M.  5,00.  |[W.  Seel- 
mann: KBlNiederdSpr.  16,  S.45/6  I]  —  47)C.  S  Chan  dl,  Wiener  Totenkiiltus:  Alt-Wien  1,  S.  5  8.  —  48)  O  H.  Baron  Brniningk, 
Ueber  e.  Samml.  Grabschriften  (Riga).  Vortr.:  SBGGOstseeprov.  1892,  S.  4/5.  —  49)  X  Z.Sitte  d.  Begrüssungen  (nach  Meyers 
Konvers.-Lex.) :  Didask.  N.  172.  —  50)  X  B  Müller,  777  Regeln  für  d.  Verkehr  in  d.  guten  Gesellschaft:  KZEU.  S.  84.  — 
51)  X  W.  Brehmer,  Titulaturen:  MVLübG.  S.  47.  |17.  .Th.)  -  52)  X  '^-  Abschaffung  d.  leeren  Titulaturen:  StrassbPost. 
N.  57.  —  53)  X  J-  Mensinga,  D.  Adelspartikel:  VHSG.  21,  S.  276-80.  —  54)  E.  Wengraf,  D.  Phrase.  Z.  Kritik  d.  Ge- 
sellschaftslügen.  Wien,  Bauer.  30  S.  M,0,50.  —  55)  A.  v.  Weilen,  Altwiener  Neujahrsgrüsse:  NFPr.  N.  10543.  -  56)  E.  B., 
D.  dtsch.  Gesellschaftsleben  im  spätem  MA. :  MagdZg".  N.  17-20.  —  57)  E.  Otto,  Feste,  Spiele  n.  Tänze  zu  Butzbach  im 
MA.  u.  z.  Zeit  d.  Reformation.  Vortr.:  QBlllVHessen.  1,  N.  10.  (Referat.)  —  58)  O  A.  Lingke,  Wie  amüsierte  sich  Dresden 
am  Anfange  d.  vorigen  Jh.:  UB&T.  S.  403  5.  —  59)  J.  N.  Sepp,  Der  Schäfflertanz  n.  sein  nnrordenkliches  Alter.  Vortr.: 
München  (Ch.  Kaiser).  12  S.  M.  0,15.  —  60)  D.  Schäfflertanz  u.  d.  Metzgersprung  in  München:  StrassbPost.  N.  50.  —  61)  X 
M.  Koch  V.  Berneok,   D.  Schäfflertanz  in  München:    IllZg.  100,   S.  102.  —  62)  X  S.  Frey,   D.  Schäfflertanz   in  Manchen: 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  63-94 

—  Betreffs  des  Metzg-ersprung-s  kommt  H  a  r  t  m  a  n  n  ^'^j  durch  Zusammenstellung- 
ähnlicher  mit  Taufe  verbundener  Handwerksbräuche  zum  Schlüsse  mythischer  Ab- 
stammung. —  Als  Ursprung  der  Schmausereien  des  Martinstages  nimmt  Doenges^^) 
ein  germanisches  Erntedankfest  an.  —  G  r  u  b  e  r  ^■''j  beschreibt  ein  zu  Fastnacht 
aufg'eführtes  Bauernspiel  in  ünterpeissenberg.^^)  —  Die  Ausbreitung  des  um  1300  nach 
Deutschland  gelangten  Kartenspiels  hat  oberflächliche  Darstellung  gefundenß''"^»^,  — 
Auf  Ausübung  des  Schwerttanzes  im  J.  1641  lässt  eine  Hamburger  Rechnungsnotiz 
schliessen  ^'■*) ;  derselbe  wurde  auch  in   Hessen  noch  1651  aufgeführt  (s    o.  N.  ö?)""). 

—  Die  Schätzung'  des  Jagdvergnügens  illustriert  ein  1590  abgeschlossener,  1593  er- 
neuerter Pachtvertrag  zwischen  dem  Grafen  von  Stolberg  und  dem  Herzog-Bischof 
Heinrich  Julius  von  Halberstadt,  von  Jacobs'')  veröffentlicht.  —  Die  Uebung  von 
Tierhetzen  behandelt  ein  Artikel  Lubans'^)  über  das  1796  abgebrannte  Wiener 
Hetzamphitheater.  —  Für  die  Geschichte  des  Schauspiels  ist  Müllers"^)  Nachtrag 
zu  dem  Streit  wegen  einer  1660  in  Leipzig  gespielten  Jesuitenkomödie  anzuführen, 
den  früher  Wustmann  behandelt  hat.  —  Eine  Schilderung  des  wenig  unterhaltenden 
Badelebens  im  altenburgischen  Rönneburg  giebt  Schlösser''*)  nach  zeitgenössi- 
schen Briefen.  —  Von  einmaligen  Festberichten  ist  ein  Lübecker  aus  dem  J.  1478 
von  B  r  u  n  s  '^)  veröffentlicht.  —  Als  Beispiel  eines  modernen  Volksfestes,  wie 
unserer  Zeit  mehr  zu  wünschen  wären,  sei  es  erlaubt,  auf  das  Rotenburger  Fest- 
spiel hinzuweisen,  über  das  R  e  i  c  k  e  ''^j  berichtet.  — 

Sitten g-eschichtliches.  Unter  diesem  Gesichtspunkte  wären  zunächst 
die  Thatsachen  zu  berücksichtigen,  welche  die  Anschauungen  gewisser  Kreise  zum 
Ausdruck  bringen.  Ein  dankbares  Feld  hierfür  bietet  stets  das  akademische  Leben 
mit  seiner  ausgeprägten  Eigenart,  dem  eine  unerschöpfliche  Fülle  origineller  Einzel- 
heiten zu  entnehmen  ist  ''''^■^).  —  In  das  höfische  Leben  der  Verg-angenheit  führen 
uns  mehrere  Aufsätze  ohne  Bedeutung  ^^'^^J.  —  Den  Verkehr  zwischen  Fürsten  und 
Unterthanen  illustrieren,  von  D  i  s  t  el^"*"^^)  vorgelegt,  zwei  Bittschriften  aus  Sachsen, 
eine  von  absichtlich,  die  andere  von  unabsichtlich  komischer  Wirkung.  —  Ein  wenig 
standesgemässes  Benehmen  offenbaren  die  von  K  rafft*'')  aufgefundenen  Prozess- 
akten gegen  den  Kölner  Domherrn  Grafen  Rietberg  wegen  Misshandlung  eines  mahnenden 
Gläubigers  (1528).  ~  Nach  einer  Mitteilung  Mu  m  menhoff  s'"^)  lagen  noch  um  die 
Wende  des  16.  Jh.  die  Nürnberger  Maler  dem  Rat  an,  gegen  Fremde  den  Zunft- 
zwang mit  Ladebeitrag  und  Probestück  üben  zu  dürfen.  —  Ueber  Schützengnlden 
handeln  einige  oberflächliche  Artikel  ^'"^'•^).  —  Ein  Beitrag  zur  Anschauung  vom  Duell 
liegt  vor  in  der  Schilderung  eines  Nürnberger  Ehrenhandels  und  dessen  rechtlicher 
Beurteilung ö^).  —  Einen  originellen  Scheltbrief  g-egen  einen  säumigen  Schuldbürgen 
publiziert  von  Mülversted  t"*).  — 

Geistige  und  gemütliche  Entwicklung.  Die  anziehendste 
Aufgabe  der  Kulturgeschichte  ist  vielleicht  die,  in  den  geistigen  wie  den  Gemüts- 
äusserungen das  typische  Element  zu  erkennen.  Dieses  Gebiet  ist  bisher  nur  in 
geringem  Masse  Gegenstand  wissenschaftlicher  Bearbeitung  gewesen;  was  dafür  ge- 
leistet worden,  ist  im  wesentlichen  Erschliessung  von  Quellen.  Unter  diesen  stehen 
für  die  geistige  Entwicklung  im  Vordergrunde  die  Bildungsanstalten.  Für 
die  Universitäten  liegt  in  den  Matrikel- Veröffentlichungen  schon  ein  reiches  statisti- 
sches Material  vor,  dem  sich  jetzt  Greifswald  anreiht.    Der  erste  Band  (1456—1645), 


Schorers  Familien Bl".  N.  7.  —  63)  A.  Hartmann,  Metzgersprung  u.  Gildentanfe :  AZg.  N.  44.  —  64)  W.  Doenges,  D. 
Martinstag:  Didask  N.  265  —  65)  K.  Gruber,  Fastnacht  im  Ijay er.  Oberland:  WeserZg.  N.  16596. —  66)  X  S.  Dembowski, 
Litauische  Festgebräuche:  MLitauLGes.  3,  S.  505-10.  —  67)  X  H.  Du  ring,  Würfel  u.  Karten:  VossZg".  N.  45.  —  68)  X  0- 
Z ,  Gesch.  d.  Spiels  in  Deutschland :  Zeitgeist  N.  50  —  69)  Ehemalige  Gebür  für  d.  worthaltenden  Bürgermeister  wegen 
Gestattung  v.  Lustbarkeiten:  MVHambG.  15,  S.  341/3.  —  70)  O  0.  Gurlitt,  D.  Tanz  im  18.  Jh.:  VelhagenKlasingsMh.  1, 
S.  289-301,  431-49.  —  71)  E,  Jacobs,  Z.  Jagdgesch.  d.  Harzes:  ZHarzV.  26,  S.  423-30.  —  72)  E.  Luban,  D.  Brand  d.  Wiener 
Hetzamphitheaters:  Alt-Wien  2,  S.  124.  —  73)  G.  Müller,  Z.  Gesch.  d.  Jesuitenkomödie  in  Sachsen  (1680j:  NASächsG.  14, 
S.  140.  —  74)  R.  Schlösser,  Ronneburgs  Badeleben  vor  100  J.  LZg".  N.  89.  —  75)  Fr.  Bruns,  D.  Ber.  d.  Lübeckischen 
Chronik  über  d.  Vermählungsfeierlichkeit  zu  Kopenhagen  1478:  HansGßll.  21,  S.  105-12.  —  76)  E.  Reicke,  D.  Rotenburger 
Meistertrunk :  VossZg".  N.  37  8.  —  77)  X  'Jh.  Fischer,  Erinnerungen  e.  Jenenser  Studenten.  Aus  d.  Tagebuch  e.  Eng- 
länders. (=  Drei  Studien  z.  engl  Litt.-Gesch.  N.  2.)  Gotha,  Perthes.  1892.  VII,  177  S.  M.  3,00.  ][EnglSt.  S.  460/1. ]1  — 
78)  X  Stndentenleben  vor  150  J.:  BurschenschaftlBU.  7,  S.  14/5.  —  79)  X  Studentenstreiche  u.- Erinnerungen:  ib.  S.  6-10.  — 
80)  X  A.  Foertsch,  Erlangen:  ib.  S.  2613,  289-91.  —  81)  X  D-  Vorläufer  d.  alten  Burschenschaft:  ib.  S.  145  9,  169-74, 
193/8.  -  82)  X  f'-  Gesch.  d.  Freiburger  Burschenschaft  v.  1818  bis  z.  Frankfurter  Attentat:  ib.  S.  25-30.  —  82a)  X  Dtsch. 
Jugend  in  weiland  Burschenschuften  u.  Turngemeinden:  ib.  S.  49-54.  —  83)  X  Heidelberger  Erinnerungen  d.  J.  1830-31:  ib. 
S.  97,8,  111,  122  4,  183,  217  8,  2:W  1.  -  84)  X  F.  Katt,  Sitten  n.  Gebräuche  im  alten  Berlin  u.  an  d.  kurfürstl.  Höfen  im 
15.  u.  16.  Jh.:  DAdelsbl.  S.  16S  9.  —  85)  X  Liebhabereien  dtsch.  Fürsten  im  vorigen  Jh.:  Didask.  N.  255,7.  —  86)  X  Hof- 
u.  Kanzleitrauer-Reglement  d.  Herzogl.  Württemberg.  Hoftrauer  auf  d.  erfolgte  Absterben  d.  Herrn  Herzogs  Carl:  BBSW. 
S  191/2.  —  87)  Th.  Distel,  E.  Schreiben  d.  Hofnarren  Fröhlich  an  seinen  Herrn  (1727):  NASächsG.  14,  S.  339-40.  —  88)  id., 
E.  tragikomisches  Bittgesuch  e.  Freibergers  1789:  MFreibergAV.  30,  S.  109-10.  —  89)  K.  Krafft,  Domherr  Friedrich  Graf 
zu  Rietberg  als  Angeklagter  d.  Rates  zu  Köln  1528:  ZBergGV.  19,  S.  215-37.  —  90)  E.  Mummenhoff,  Beitrr.  z.  Gesch.  d. 
freien  Handwerks  d.  Maler:  MVGNürnberg.  10,  S.  271/7.  —  91)  X  R-  Human,  Gesch.  d.  Schützengilde  v.  Hildburghausen. 
Mit  1  Abbild.  Hildburghausen,  Gadow.  92  S.  M.  0,60.  —  92)  X  0.  Moser,  D.  450j.  Jubil.  d.  Leipz.  Schützenges.: 
IllZg.  100,  S.  594.  —  93)  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Duells  in  Deutschland:  StrassbPost.  N.  188.   —   94)  G.  A.  v.  Mülverstedt, 

6* 


I  4:95-115  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

von  Friedländer '-^^J  besorgt,  enthält  zu  den  Verzeichnissen  der  einzelnen 
Jahre  die  entsprechenden  Stellen  aus  den  Dekanatsbüchern.  Liefern  jene  Material 
zur  Geschichte  der  gelehrten  Bildung,  so  diese  für  Sitten  und  Bräuche,  das  tägliche 
Leben  und  Treiben.  —  Ein  Beispiel  geschickter  Ausnutzung  des  spröden  Stoffes 
liefert  von  P  e  ter  s  d  orf  f ''ß)  in  seiner  Untersuchung  über  den  Besuch  von 
Frankfurt  a.  0.  durch  Anhalter,  die  zu  dem  Ergebnis  gelangt,  dass  der  starke  Zuzug 
in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jh.  der  Pflegestätte  kalvinistischen  Geistes  galt'-*'').  — 
Stübels-'^)  Darstellung  der  Gründung,  des  Lehrbetriebs  und  der  Sitten  der  Uni- 
versität Leipzig,  beruhend  auf  dem  von  ihm  eingerichteten  Urkundenbuch,  leistet 
auf  tieferes  Eindringen  Verzicht.  —  Eine  Anzahl  interessanter  Thatsachen  werden 
von  den  einzelnen  Universitäten  berichtet,  so  von  Köln  "'*) :  Das  Geleitsgesuch  des 
Herzogs  von  Jülich  (1484)  für  die  dorthin  zum  Studium  reisenden  Söhne  des  Herzogs 
von  Sachsen;  von  Jena  durch  Buch wald "***):  Der  blutige  Krawall  1660  nach  dem 
Briefeines  Studenten;  von  Paderborn  durch  Richter'oi);  Promotionen  an  der 
ehemaligen  Jesuiten-Universität.  —Von  Göttingen  berichtet  Knoke'^^j  über  die  gleich 
bei  der  Gründung  von  einer  Anzahl  Korporationen  gestifteten  Freitische,  auf  deren 
Verwaltung  die  akademische  Bezeichnung  für  das  Essen  (Aschanti)  ein  —  wie  es 
scheint,  nicht  immer  mit  Recht  —  ungünstiges  Licht  wirft.  —  Wertvoll  ist  eine 
Schilderung  der  akademischen  Zustände  um  1760  in  einem  von  Holstein'"-*)  mit- 
geteilten Brief  des  Professors  Michaelis,  der  einem  Franzosen  im  Interesse  seines 
Sohnes  Auskunft  erteilte.  —  Einige  Notizen  über  die  Giessener  Universität  enthält 
Naumanns***'*)  Schrift.  —  Zur  Geschichte  des  älteren  Unterrichtswesens  liefert 
Wehrmann*05)  ein  paar  interessante  Beiträge.  Aus  den  teilweise  durch  Melanch- 
thon  vermittelten  Verhandlungen  Herzog  Barnims  von  Pommern  über  die  Besetzung 
des  Rektorats  am  Pädagogium,  jetzt  Marienstiftsgymnasium,  zu  Stettin  ergiebt  der 
Anspruch,  dass  der  Gesuchte  „gelahrt,  gottesfürchtig,  nicht  zänkisch"  sei,  wofür  die 
Gegenleistung  in  30  Gulden,  freier  Wohnung  und  Unterhalt  besteht.  —  W  e  h  r  - 
mann***^)  zählt  ferner  die  Mecklenburger  Besucher  der  Anstalt  auf  (1578  —  1666), 
die  für  viele  die  Universität  ersetzen  musste.  —  Das  noch  sehr  unsichere  Gebiet  des 
weiblichen  Unterrichts  in  früherer  Zeit  berührt  die  von  Rauschenbach  *"')  ge- 
gebene Nachricht  von  einer  Jungfrauenschule,  die  nach  dem  Vorbild  der  drei 
Fürstenschulen  1555  zu  Freiberg  gegründet  wurde,  aber  noch  im  16.  Jh.  wieder 
einging.     (Vgl.  I  6  :  98,  108/9,  153/7.)  — 

Einen  getreuen  Spiegel  der  Zeitanschauungen  pflegt  die  Handhabung  des 
Rechts  zu  liefern.  Unter  den  geschichtlichen  Darstellungen  nimmt  die  durch 
Knapp  '*'^)  vom  Nürnberger  Kriminalverfahren  gegebene  den  ersten  Rang  ein. 
Ein  reiches  Material  hat  hier  ausgezeichnete  Durcharbeitung  erfahren  und  der  un- 
erfreuliche Stoff  ist  durch  die  Gestaltung  anziehend  geworden  *"•').  —  In  der  Frage 
der  Veme  erklärt  L  i  n  d  n  e  r  '  ***),  zur  Wiederaufnahme  des  Streits  mit  Thudichum 
durch  die  Parteinahme  Heuslers  für  diesen  bewogen  zu  sein,  und  bekämpft  die  von 
Thudichum  neuerdings  (HZ.  Bd.  68)  für  seine  Auffassung  der  Veme  als  eines  von 
Engelbert  I.  von  Köln  eingerichteten  Inquisitionstribunals  vorgebrachten  schwachen 
Gründe**').  —  Grossist  die  Zahl  der  besonders  zur  Strafrechtspflege  veröffentlichten 
Einzelheiten.  Mitteilungen  von  Büchner**^)  aus  dem  Friedberger  Malefizbuch 
beziehen  sich  auf  Formalitäten  der  Rechtsprechung  im  17.  Jh.  "3"***).  —  Mit  der 
Abschaffung  der  Tortur  durch  Friedrich  den  Grossen  beschäftigt  sich  K  o  s  e  r  "^). 
Er  beseitigt  die  Fabel,  dass  erst  durch  ein  wahrscheinlich  mythisches  Ereignis,  die 
Folterung  eines  Unschuldigen,  der  bereits  als  Kronprinz  abgeneigte  Friedrich  dazu  ver- 
anlasst worden  sei.     Nachdem  er  sie  schon  beim  Regierungsantritt  auf  schwere  Fälle 


E.  Altmärlcers  Mahnbrief:  JbAltmärkV,  23,  S.  96-101.  —  95)  Aeltere  üniversitätsmatrikeln.  II.  Greifswald.  Aus  d.  Orig.-Hs. 
unter  Mitwirk.  v.  G.  Liebe,  E.  Theuner,  H.  Granier,  H.  t.  Petersdorf f  her.  v.  E.  Friedländer.  1.  Bd.  (1456-1645.) 
(=  PPSA.  N.  52.)  L.,  Hirzel.  XXI,  635  S.  M.  20,00.  (S.  u  I6:109a;  vgl.  JBL.  1891  16:122)  -  96)  H.  v.  Petersdorff,  An- 
haltiner  auf  d.  Univ.  Frankfurt  a.  0.:  MYAnhaltG.  6,  S.  221-42.  —  97)  X  W.  Zahn,  Anhaltiner  auf  d.  Univ.  Erfurt:  ib. 
S.  218-20.  (Vgl.  S.  319-22.)  —  98)  B.  Stöbel,  Aus  d.  Vergangenheit  d.  Univ.  Leipzig:  NASächsG.  14,  S.  1-20.  —  99)  Inter- 
vention Herzog  Wilhelms  II.  v.  JQlich-Berg  beim  Rat  zu  Köln  vregen  d.  Studiums  d.  Söhne  Herzogs  Johann  IV.  v.  Sachsen- 
Lauenb.  1484:  ZBergGV.  19,  S.  192.  —  100)  G.  Buchwald,  E.  Studentenaufruhr  in  Jena  1660:  ZVThürG.  8,  S.  203/8.  — 
101)  W.  Richter,  Studien  u.  Quellen  z.  Paderborner  Gesch.  1.  Paderborn,  Junfermann.  IV,  151  S.  M.  2,00.  —  102;  K. 
Knoke,  Gesch.  d.  Freitische  an  d.  Georg-August-Uni v  z.  Göttingen:  ZHVNiedersaohsen.  S.  1-164.  —  103)  H.  Holstein,  Z. 
Gesch.  d.  Univ.  Göttingen:  MagdZgU.  N.  41.  —  104)  K.  Naumann,  D.  Johanneskirche  zu  Giessen.  Mit  Abbildd.  u.  Grund- 
rissen. Festschrift.  Giessen,  v.  Münchow.  VUL  104  S.  M.  1,00.  —  105)  M.  Wehrmann,  Verhandlung  mit  d.  Rektor  d. 
Schule  in  Eisleben,  Moritz  Heling,  wegen  Uebernuhrae  d.  Rektor-Amtes  am  Pädagogium  zu  Stettin  (1553):  MansfelderBlL  7, 
S.  39-52.  —  106)  id.,  Mecklenburger  auf  d.  Pädagogium  in  Stettin:  JbbVMecklG.  58,  S.  59-72.  —  107)  L.  Rauschenbach, 
D.  JuDgfrauenschule  zu  Freiberg.  16.  Jh.:  MFreibergAV.  30,  S  87-104.  —  108)  H.  Knapp,  D.  alte  Nürnberger  Kriminal- 
verfahren bis  z.  Einführung  d.  Carolina.  Diss.  München.  1892  160  S.  —  109)  X  Luerssen,  SC.  Gesch.  d.  Reichskammer- 
gerichts während  d.  Rechtsstillstandes  v.  Anf.  1690-25.  Mai  1693.  Vortr.:  MüberhessGV.  4,  S,  150.  —  HO)  Th.  Lindner, 
Veme  n.  Inquisition.  Akad.  Progr.  Halle.  4".  13  S.  —  lU)  X  0.  Gl  öde,  D.  Veme  u.  Wismars  Beziehungen  z.  Vemgericht: 
ZDU.  7,  S.  562,3  -  112)  0.  Buchner,  D.  Friedberger  Malefizbuch.  Vortr.:  MOberhessGV.  4,  S.  143;4.  —  113)  X  F.  Bischoff, 
Aus  d.  Feistritzer  Herrschaftsprotokoll  vom  J.  1773:  BKSteiermGQ.  25,  S.  91.  —  114)  X  H.  Jellinghaus,  D.  Rechts- 
aufzeichnungen  in    niederdtsch.   Sprache:   JbVNiederdSpr.  18,   S.  71/8.    —    US)    R.  Koser,   D.  Abschaffung   d.  Tortur   durch 


G.  Liebe,  Kulturg-eschichte.  I  4  :  iie-ui 

beschränkt  hatte,  stellte  er  sich  in  zwei  Kabinetsordres  vom  J.  1754  entschieden  auf  den 
Standpunkt,  dass  bei  klarer  Beweisführung-  das  Geständnis  unerheblich  sei.  —  Einen 
Vorkämpfer  dieser  Ansicht  führt  von  Reinhardstöttner^'^)  in  dem  um  die  Auf- 
klärung- in  Bayern  verdienten  Zaupser  vor.  —  Als  ein  Beispiel  g-emütlicher  Justiz 
führt  D  ist  eP''^)  die  1710  vom  Freiberg-er  Gericht  an  eine  Mörderin  g-erichtete 
Aufforderung  an,  das  Urteil  auf  Säcken  nicht  „unerträglich-*  sich  vorzustellen.  — 
Bossert"^)  beschreibt  den  rohen  Prozess  gegen  das  geistig-  bedeutende  Haupt 
der  schwäbischen  Täufer,  Sattler,  zu  Rottenburg  1527  ^i*'"''^'').  —  Ein  kürzerer  Artikel 
handelt  von  den  Nachahmungen  des  gerichtlichen  Verfahrens,  den  scherzhaften,  wie 
Minnehöfe  und  Pfänderspiele,  und  den  sinnbildlichen,  wie  Kanonisation  und  Toten- 
gerichte ^^o),  — 

Von  den  geistigen  Strömungen  gewisser  Zeiten  hat  der  Humanismus 
der  Augsburger  Aerzte  des  16.  Jh.  eine  Darstellung  durch  R  adl  k  o  f  e  r^^i^  ej._ 
fahren;  die  Vermittlung  bildete,  dass  ja  auch  ihre  Wissenschaft  auf  antiker  Ueber- 
lieferung  beruhte.  — 

Mit  Recht  hat  sich  ein  wachsendes  Interesse  der  Reiselitteratur  zu- 
gewendet, in  der  sich  ein  Teil  der  wechselnden  Zeitinteressen  wiederspiegelt.  Von 
grösstem  Werte  ist  in  dieser  Hinsicht  ein  kostbarer  Fund  im  Archiv  zu  Sonders- 
hausen, dessen  baldige  Veröffentlichung  auf  das  dringendste  zu  erwünschen  ist.  Es  ist 
die  im  Anfang  des  17.  Jh.  abgefasste  Hs.  des  Malteserkomturs  Freiherrn  Augustin 
von  Mörsperg,  von  der  W  a  g  n  e  r  ^22-)  Kunde  giebt;  ihr  Inhalt  sind  die  im  letzten 
Drittel  des  16.  Jh.  auf  Ordensgaleeren  gegen  die  Türken  unternommenen  Kreuz- 
fahrten des  Ritters  und  die  darauf  folgenden  Reisen  in  sämtliche  Kulturstaaten 
Europas,  die  mit  Scharfblick  und  Humor  seine  Eindrücke  schildern.  —  Stein- 
hausen'23)  handelt  von  der  Reisesucht  des  16.  und  17.  Jh.  und  dem  Naturgefühl 
auf  Reisen.  124-)  _  Auf  fürstliche  Reisen  bezieht  sich  das  von  dem  späteren  Pro- 
fessor Gerschow  geführte  und  jetzt  durch  von  Bülow'^s-)  besprochene  Tagebuch 
eines  pommerschen  Herzogs  —  sowie  Notizen  über  das  JBegleitpersonal  württem- 
bergischer Herrscher  ^26).  _  Charakteristische  Urteile  enthalten  die  von  Mangold  ^-'') 
benutzten  Berichte  brandenburgischer  Gesandten  in  Paris  (1660 — 71).  — 

Als  Mittel,  geistige  Interessen  zum  Ausdruck  zu  bringen,  machen  sich 
V  e  rein  s  w  es  en  un  d  Pres  s  e^^^)  bemerkbar.  G  0  1 1  s  c  h  al  d  t^29j  giebt  eine 
Skizze  des  ehemaligen  litterarischen  Vereins  zu  Chemnitz,  dessen  Anfänge  1807  von 
Handwerkern  gelegt  wurden '3o-i32)  _  2ur  Geschichte  der  Journalistik  *33)  sind 
zwei  gute  Biographien  erschienen.  Durch  Böhmi34j  erhalten  wir  endlich  ein  auf 
gesichtetem  Material  beruhendes  Leben  W'ekhrlins  nebst  Aufschlüssen  über  seine 
vielfachen  Zeitungsgründungen.  —  K.  von  R  e  i  n  h  ar  d  s  t  ö  1 1  ner  ^^S)  erwähnt  in 
seinem  Aufsatz  über  den  bayerischen  ^ofpoeten  M.  Etenhueber  auch  dessen  poetische 
Wochenschrift,  die  in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jh.  in  München  erschien.  — 

An  Quellen  für  die  Erkenntnis  des  Gemütslebens  der  Vergangenheit  sind  es 
drei, denen  neuerdings  vermehrte  Aufmerksamkeit  gewidmet  wird,  Briefe,  Stamm- 
bücher und  Kalender.  Steinha  usen  ^36137^  hat  einen  Nachtrag  zu  seinem 
bahnbrechenden  Werke  veröffentlicht  in  16  deutschen  Frauenbriefen  vom  Ende  des 
15.  und  Anfang  des  16.  Jh.,  die  sich  gleicherweise  durch  Natürlichkeit  wie  Un- 
beholfenheit charakterisieren.  —  Durch  N.  Mülle  r^^s)  erlangen  wir  Kenntnis  von 
einer  Anzahl  Familienbriefe  Hieronymus  Baumgärtners,  des  Nürnberger  Staats- 
manns.i39-i40j  _    diq  Stammbücher    haben    in    dem  W^erk    der  Gebrüder    Keil^*') 

Friedrich  d.  Gr.:  FBPG.  6,  S.  575-81.  —  116)  K.  v.  Eei  nhard  stöt  tner,  Andr.  Z.iupser:  FKLB.  1,  S.  121-226.  —  117)  Th. 
Distel,  Tröstung  e.  Mörderin  wegen  e.  1710  zuerkannten  „nicht  unerträglichen"  Strafe:  MFreibergAV.  30,  S.  107.  —  118)  Gr. 
Bossert,  D.  Blutgericht  in  Rottenburg  a.  N.  Barmen,  Klein.  16".  33  S.  M.  0,10.  —  119)  X  Dtsch.  Rechtssitten  IV-V. 
(Friede  u.  Rechtsschutz,  Fried-  u.  Freistätten.):  KonsMschr.  S.  79-82,  538-41.  —  119a)  O  Eggert,  D.  ersten  Zuchthäuser  in 
Württemberg:  BBSW.  S.  176-84.  -  120)  Scherzhafte  u.  sinnbildliche  Nachahmungen  d.  Gerichtsverfahrens:  WeserZg.  N.  16820/1. 
—  121)  M.  Radlkofer,  D.  humanist.  Bestrebungen  d.  Augsburger  Aerzte  im  16.  Jh.:  ZHVSchwaben.  20,  S.  25-52.  —  122)  M. 
Wagner,  E.  dtsch.  Malteserritter  d  16.  .Jh.:  PrJbb.  73,  S.  484  5  —  123)  G.  Steinhausen,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Reisens: 
Ausland  N.  13/6.  -  124)  X  H.  Simons feld,  Italienisch-dtsch.  Reise-Sprachführer  aus  alter  Zeit:  ib.  N.  27.  —  125)  Gottf  r. 
V.  Bülow,  Aus  d.  Reiset;igebuche  d.  Herzogs  Philipp  Julius  v.  Pommorn-Wolgast  (1602):  JbbVMecWG.  58,  S.  73-88.  — 
126)  Fürstl.  Reisen  im  18.  Jh.:  WflrttVjh.  2,  S.  222/4  -  127)  W.  Mangold,  Archival.  Notizen  z.  französ.  Litt.-  n.  Kulturgesch. 
d.  17.  Jh.  Progr.  Berlin  (Gaertner).  4».  25  S.  —  128)  X  E,  Kulke,  D.  Entwicklungsgesch.  d.  Meinungen.  (L.,  Reissner. 
VII,  92  S.  M.  2,00.):  WIDM.  73,  S.  142.'  -  129)  X  A.  Gottschaldt,  Z.  Gesch.  d.  Vereinswesens  in  Chemnitz  fs.  u.  N.  385, 
S.  88/9).  —  130)  O  S.  Göbl,  D.  erste  öffentl.  Lesegesellschaft  in  Würzburg.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Fürstbischofs  Franz  Ludwig 
V.  Erthal:  AHVlInterfranken.  36,  S.  193-214.  (Anf.  d.  19.  Jh  )  -  131)  X  H.  Settegast,  D.  dtsch.  Freimaurerei,  ihr  Wesen,  ihre 
Ziele  H.  Zukunft.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:822.):  WIDM.  73,  S.  287  8.  —  132)  X  J-  G.  Findel,  Schriften  über  Freimaurerei. 
5.  Bd.  2.  Auü.  L.,  J.  G.  Findel.  VII,  202  S.  M.  4,00.  (D,  ganze  Werk  M.  20,0,).)  1|LCBI.  S.  1399.]|  —  133)  O  0.  Ger  1  and, 
Kasseler  Tagesneuigkeiten  aus  d.  18.  Jh.:  Hessenland  7,  S.  7/9,  43/5,  .58-61,  71/3.  —  134)  G  Böhm,  L.  Wekhrlin  (1739-92). 
E.  Publizistenleben  d.  18.  Jh.  Mit  2  Portr.  München,  Beck.  IX,  323  S.  M.  5,00.  i[PrJbb.  74,  S.  386;  TglRs».  N.  175.1| 
(S  u.IV5:513.)— 135)K.  v.Reinhardstöttner,  D.  kurfürstl.  bnyer.  Hofpoet  Matthias  Etenhueber:  FKLB.  1,  S.  1-68.  (Dazu 
S  232.)  —  136-137)  G.  Steinhausen,  16  dtsch.  Frauenbriefe:  ZKultG.  1,  S  93-111.  -  138)  N.  Müller,  Beitrr.  z.  Brief- 
wechsel d.  älteren  Hieron.  Baumgärtner  u.  seiner  Familie:  MVGNürnberg.  10,  S.  241-66.  —  139)  X  H.  v.  Petersdorff, 
E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Briefes:  KBIWZ.  41,  S.  64,'5,  79-81.  —  140)  X  Gesch.  d.  Briefes:  FränkKur.  N.  549.  (Ausz.  aus 
Meyer   Konvers.-Lex.)   —   141)   Rob.   u.   Rieh.   Keil,    D.  dtsch.  Stammbücher   d.   16.-19.  Jh.    Ernst   u.  Scherz,   Weisheit  u. 


I  4:142-157  G.  Liebe,  Kulturg-eschicnte. 

eine  ausserordentlich-  reichhaltige  Sammlung"  veranlasst,  die  allerdings  einer  Aus- 
beutung zu  Grünsten  der  Kulturgeschichte  noch  harrt.  Stücke  aus  600  Stammbüchern, 
nach  Universitäten  geordnet,  sind  hier  durch  4  Jhh.  nach  den  jeweilig  herrschenden 
Zeitströmungen  eingeteilt.  —  33  Augsburger  Stammbücher  des  18.  Jh.  werden  von 
Werner  ^*'^)  genau  beschrieben.  —  Ein  gefühlsseliges  Stammbuchblatt  der  Fürstin 
Luise  von  Anhalt  für  Sophie  Becker,  die  Begleiterin  Elisens  von  der  Recke,  hat 
Kindscher  1*3)  zum  Abdruck  gebracht.  —  Wieviel  Anziehendes  alten  Kalendern  zu 
entnehmen  ist,  lässt  die  Schrift  von  UhP**)  erkennen,  wenn  sie  auch  nicht  forschen, 
sondern  nur  Bekanntes  zusammenstellen  will.  —  H  o  f  m  i  1 1  e  r  ^^^)  bespricht  eine  An- 
zahl Augsburger  Kalender  von  1490 — 1769  hinsichtlich  ihrer  Abspiegelung  der  ver- 
schiedenen Zeitinteressen.  —  Für  ein  schönes  hs.  Exemplar  in  der  vatikanischen 
Bibliothek,  aus  Graz  stammend,  vermutet  Lang^^^)  Kepler  als  den  Vf.  — 

Der  Nationalcharakter  des  deutschen  Volkes  in  seiner  Gesamtheit  ist 
Gegenstand  mehrerer  Untersuchungen  geworden.  Die  von  H  e  i  n  z  elm  a  n  n  i'*'^) 
ist  warm  empfunden  und  gedankenvoll,  zeichnet  aber  nach  einzelnen  hervorragenden 
Persönlichkeiten  ein  Ideal.  Ueberdies  wird  eine  ausgeprägte  Tendenz  in  der  sehr 
anzweifelbaren  Behauptung  sichtbar,  dass  der  deutsche  Charakter  auf  das  Christen- 
tum angelegt  sei.  —  Einen  richtigeren  Weg  verfolgt  G  r  af  f  un  d  e  r  i*^),  wenn  er 
deutsche  Eigenart  in  allgemein  bezeugten  Zügen,  hauptsächlich  an  der  Hand  litterari- 
scher Denkmäler  zu  erkennen  sucht.  —  Tiefer  hat  R.  M.  M  e  y  e  r  i*^)  dieses  Prinzip 
erfasst.  Er  verfolgt  die  Züge  des  germanischen  Nationalcharakters  in  den  Sprach- 
gesetzen, den  mythischen  Erscheinungen,  der  Poesie  nach  Form  und  Stoffen,  der 
Wahl  der  Heroen,  der  geschichtlichen  Entwicklung,  in  Kunst  und  Volkstum,  fremdem 
und  eigenem  Urteil.  Geistvoll  weist  er  dabei  die  Wiederkehr  desselben  Elements 
nach  in  der  sprachlichen  Antithese,  dem  psychologischen  Konflikt  der  Poesie,  dem 
Gegensatz  zwischen  Individuum  und  Unterordnung  in  der  Geschichte.  —  Der  Be- 
urteilung eines  einzelnen  Stammes  widmet  von  Criegern  i^o)  die  geschmackvolle 
Zusammenstellung  von  einer  Fülle  litterarischer  Stimmen  der  verschiedensten  Zeiten 
über  das  heutige  Königreich  Sachsen.—  E  h  r  en  b  e  r  g  ^^i)  entrollt  auf  Grund  sorg- 
fältiger Forschungen  das  überaus  anziehende  Bild  einer  Persönlichkeit,  die  in  ihrem 
schwindelnd  raschen  Aufsteigen,  ihrem  vielfach  rätselhaften  Charakter  bezeichnend 
ist  für  die  bewegte  Zeit,  die  der  Kraft  und  dem  Selbstvertrauen  ungeahnte  Bahnen 
erschloss.  Es  ist  der  1546  gestorbene  Nürnberger  Kleberg',  der  Geldmann  Franz  L, 
der  in  der  Heimat  bitter  angefeindet,  in  Lyon  durch  seine  wohlthätigen  Stiftungen  als 
„der  gute  Deutsche"  fortlebt.  Auffällig  wirkt  schon  die  Betrachtung  seines 
durchaus  modernen  Kopfes. ^^^^  —  Unter  den  einzelnen  Seiten  eines  Volkscharakters 
ist  die  für  seine  Lebenskraft  entscheidende  das  Nationalgefühl.  Ihm,  das  in  Deutsch- 
land zeitweilig  nur  zu  sehr  zurücktrat,  dessen  Wert  jetzt  mit  Recht  schärfer  betont 
wird,  hat  auch  die  Forschung  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Es  bildet  den  Gegenstand 
eines  auf  breitester  Grundlage  aufgebauten  Werkes  von  S  c  h  u  1 1  h  ei  s  s'^^-)^  dessen 
erster  Band  bis  zum  Interregnum  reicht.  Umfassende  Kenntnisse  sind  hier  zu  ge- 
dankenreicher Beleuchtung  der  Entwicklung  verwendet  worden,  nur  vielleicht  etwas 
weit  ausgesponnen  für  den  weiteren  Kreis,  der  dem  Werke  zu  wünschen  ist.  — 
N  i  t  z  s  c  h  i''*)  beschränkt  sich  zeitlich  auf  die  Periode  von  Klopstock  bis  zu  den 
Freiheitskriegen,  stofflich  auf  die  Dichterwerke,  während  gerade  die  Kenntnis  der 
Volksstimmung  von  Wert  wäre.  —  Mehrfach  sind  Einzelheiten  zur  Erläuterung  des 
Themas  geeignet.  So  die  in  Freiburg  i./Ü.  seit  der  Aufnahme  in  die  Eidgenossen- 
schaft 1481  auftretende  energische  Reaktion  gegen  das  vordringende  Franzosentum, 
die  S  t  r  e  i  t  b  e  r  g  1^^)  schildert.  —  Kühn^^^)  giebt  einen  Auszug  aus  Zwiedinecks 
Buch  als  Beweis,  dass  deutsches  Nationalbewusstsein  auch  in  den  traurigsten  Zeiten 
nicht  erstorben  war.  —  Guglia^^''),  der  dem  abfälligen  Urteil  über  die  deutschen 
Reichsstädte   im    vorigen  Jh.    entgegentreten  will,  hebt  hervor,  dass  bei  der  überall 


Schwank  in  Orig.-Mitteilunffen  z.  dtsch.  Ktiltnrgesch.  B.,  Grofe.  VUI,  337  S.  M.  6,00.  |[FränlfKur.  N.  605;  ZKuUG.  1, 
S.256/9.]|  iS.u  I  5:809;  IUI:  105;IV  la:21.)-142)  L.  Werner,  Angsl).  Stammbücher:  ZHVSchwiibcn.  20,  S.  53-92.  —  143)  F. 
Kindscher,  E.  Stammlwchbl  v.  Fürstin  Ltiise  v.  Anhalt  (1784):  MVAnhaltG.  6,  S.  4624.  -  144)  W.  Uhl,  Unser  Kalender 
in  seiner  Entwicltlung  v.  d.  ältesten  Anfängen  bis  heute.    Paderborn,  Schöningh.   12".   VIII,  165  S.  M.  1.40.    |[ZKultG.  1,  S.  335.J| 

—  145)  J.  llofmiller,  Augsb.  Kalender  aus  4.  Jhh.:  Sammler^.  N.  48,  50.  —  146)  F.  Lang,  E.  Grazer  Kalender  für  d. 
J.  1594  in  d.  valiV.  Bibl.:  MHVSteierraarlt.  41,  8.281/4.  —  147)  Heinzelmann,  Ueber  d.  dtsch.  Volkscharakter.  Vortr.  Aus 
JbbAkErfurt.  Erfurt,  Villoret.  37  S.  M.  0,60.  —  148)  P.  Graffunder,  D.  dtsch.  Nationalcharakter  in  altdtsch.  Dichtungen. 
Füratenwalde,  Geelhar.  40  S.  M.  0,75.  (Vgl.  I  1:14.)  —  149)  R.  M.  Meyer,  D.  gevnian.  Nationalcharakter:  ML.  62,  S.  235/7, 
284/5,  300/:},  316/8,  365,6,  4.59-61.  —  150)  H.  v.  Criegern,  D.  Sachse  in  Gesch.  u.  Dichtung.  L.,  Spamer.  1892.  106  S. 
M.  1,50. —  151)  R-Ehrenberg,  Hans  Kleberg,  d  „gute  Deutsche",  sein  Leben  u.  sein  Charakter:  MVGNürnberg.  10,  S.  1-51.  — 
152)  O  G.  Steinhausen,  Lebensideale  mittlerer  Zeiten:  VossZg'*.  N.  14/5.  —  153)  F.  G.  Schiiltheiss,  Gesch.  d.  dtsch. 
Nationalgefühls.     E.  hist.-psycholog.  Darstellung.   I.  V.  d.  Urzeit  bis  z.  Interregnum.     München,  Franz.     VlII,  296  S.     M.  6,00. 

—  154)  F.  Nitzsch,  Z.  Gesch.  d.  Entwicklung  d.  dtsch.  Nationalbewusstseins  besonders  im  18.  Jh.:  N&S.  66,  S.  229-39.  — 
155)  W.  Streitberg,  Z.  Gesch.  d.  Deutschtums  in  d.  Westschweiz:  AZg".  N.  71,  86.  —  156)  A.  Kühn,  Stimmen  dtsch.  Ge- 
sinnung aus  dunklen  Tagen:  TglRs".  N.  140.  (Nach  t.  Zwiedineck-Südenhorst,  D.  öffentl.  Meinung  in  Deutschland  im  Zeitalter 
Jjudwigs  XIV.  [1650-1700].)  —  157)  B-  Guglia,  Z.  Gesch.  einiger  Reichsstädte  in  den  letzten  Zeiten  d.  Reichs.    Progr.    Wien 


Gr.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  i58-i87 

bemerkbaren,  durch  steig-ende  materielle  Lasten  hervorg-erufenen  Bewegung'  sich  nie 
eine  Kundg-ebung  der  Abneig-ung  gegen  die  Organisation  des  Reiches  finde.  — 
Die  Beschreibung  eines  Augenzeugen  t^*)  lässt  die  Gewalt  des  nationalen  Ge- 
dankens auf  dem  Leipziger  Turnfest  1863  erkennen.  — 

Das  religiöse  Element  im  Volksleben  behandelt  ein  Artikel,  der  die 
Bedeutung  einzelner  Heiliger  als  Weinpatrone  erklärt. ^^^  ^^^)  — 

In  der  richtigen  Anschauung,  dass  der  Humor  vor  allem  ein  Bild  des 
Volkscharakters  gebe,  hat  M  üll  er-Caseno  v^^^)  eine  äusserst  geschickte  Aus- 
wahl aus  deutschen  Humoristen  in  englischer  Uebersetzung  veranstaltet.  Der  Zweck 
entschuldigt,  dass  vor  dem  18.  Jh.  nur  drei  aufgenommen  sind.  Die  dann  folgende 
Sammlung  ist  reich  und  von  gutem  Urteil  geleitet;  es  finden  sich  nicht  nur  Jean 
Paul  und  Reuter,  auch  Volkmann  und  Rosegger.  Ausstattung  und  Illustrationen 
sind  des  anmutigen  Werkes  würdig.  —  Von  einer  wenig  liebenswürdigen  Seite,  die 
allerdings  wesentlich  lokal-berlinisch  ist,  zeigt  L  o  t  h  a  r  i^*)  den  Volkswitz. ^^^)  — 

Es  erübrigen  einige  Arbeiten,  die  die  Beurteilung  verschiedener  Kultur- 
fragen zum  Gegenstand  haben.  Von  ebenso  umfassender  Sachkenntnis  wie  geist- 
voller Verarbeitung  zeugt  Del  b  r  ück  s  •^^)  Beantwortung  der  Frage  nach  der 
guten  alten  Zeit.  An  der  Hand  gleichzeitiger  Zeugnisse  rückwärts  schreitend  bis  in 
die  Antike  verfolgt  er  den  Gedanken,  wie  jeder  Periode  die  Ueberzeugung  von  der 
eigenen  Schlechtigkeit  eigen  war.  —  Steinhause  n  i^')  giebt  nach  zeitgenössischen 
Stimmen  eine  Schilderung  der  Gunstbuhlerei,  die  ein  Symptom  des  auf  das  äusser- 
liche  gerichteten  Sinnes  im  17.  Jh.  bildete.  ~  Ein  Beispiel  von  Volksrache  ist  das 
von  Gädcke>68)  vorgelegte  Spottlied,  das  1738  auf  den  Kriegs-  und  Steuerrat  Titius 
verfasst  wurde,  der  sich  durch  seine  Verwaltung  unliebsam  gemacht  und  des  Amtes 
entsetzt  durch  Selbstmord  geendet  hatte,  i^**)  —  Die  Urteile  hervorragender  Männer 
über  die  deutsche  Trunkneigung,  die  B  o  d  e  i'*^)  zusammenstellt,  gehören  meist  der 
Gegenwart  an;  Kawerau'''')  berücksichtigt  hauptsächlich  den  von  den  Magde- 
burger Predigern  dagegen  geführten  Feldzug. ^'''■^)  —  Einen  Beitrag  zu  den  wechseln- 
den Geschmacksrichtungen  giebt  ein  flüchtiger  Artikel  über  die  Modeblumen  seit 
dem  17   Jh.'^-i^ß)  — 

Aberglaube  und  Verbrechen.  Wenden  wir  uns  den  Nachtseiten 
geistiger  Entwicklung  zu,  dem  Aberglauben  und  den  Verbrechen,  so  ist  neben  einer 
Besprechung  von  Stracks  i'-'^'^'*)  Buch  über  den  Blutaberglauben  und  den  Beschrei- 
bungen einiger  Hexenprozesse  (s.  u.  I  5 :  113/5),  die  nur  die  bekannten  traurig- 
widerlichen  Einzelheiten  bieten^'^-'^i)^  eine  Veröffentlichung  von  Jacob  s^^^)  hervor- 
zuheben. Ein  Flugblatt  von  1530  erzählt  die  ekstatische  Vision  eines  Mädchens  aus 
Wasserleben  am  Harz ;  den  Inhalt  bildet  die  Befreiung  der  dortigen  Evangelischen 
von  der  gewaltsamen  Gegenreformation.  —  Es  sei  hier  der  Bestrebungen  gedacht, 
welche  für  das  Bestehen  einer  unbewiesenen  Naturwissenschaft  eintreten  und  den 
Spiritismus  für  notwendig  zur  Erklärung  des  Zwischengebiets  von  zwei  Welten 
halten.  Kiese  w  et  t  er  i*^  184^  ist  j^  dieser  Hinsicht  unermüdlich  thätig.'*^)  —  Für 
das  Gebiet  des  Verbrechens  giebt  Kohut^^^)  eine  unerfreuliche  Zusammenstellung 
der  berüchtigtsten  Giftmischerinnen  —  was  er  unter  „berühmten"  versteht,  ist  unklar. 
Er  bezweckt  zu  zeigen,  dass  diese  Manie  in  der  verderbhchen  Wirkung  von  Perioden 
der  Ueberkultur,  wie  es  die  römische  Kaiserzeit,  die  Renaissance,  die  Epoche  Lud- 
wigs XIV.,  die  Neuzeit  waren,  auf  überreizte  Nerven  ihren  Ursprung  hat.  —  Eine 
Plauderei  orientiert  über  die  Helfershelfer  der  Falschspieler'*').  — 

Sociale  Entwicklung,  Gesellsch  aft  und  Stände.  AufdemGebiet 
der  socialen    Entwicklung   sind    es    zwei  Stände,    an    deren   Umgestaltung  die  Ent- 


(L.,  Fock.)  62  S.  M.  1,20.  —  158)  Vor  30  J.  Erinnerung  e.  alten  Turners  im  Reichslande:  StrassbPost.  N.  224.  —  159)  D. 
Schutzheiligen  d.  Winzer  u.  Weinbauern:  ib.  N.  204.  -  160)  X  D-  Marienkultus  in  den  Alpen:  AELKZ.  26,  S.  818  9.  — 
161)  X  D-  Religion  im  Volksleben  d.  Franzosen,  Russen  u.  Deutschen:  KM.  12,  S.  550/7.  —  162»  O  F.  Blanckmeister,  D. 
Sachs.  Busstage.  (=  Kultnrbilder  aus  4  Jhh.  N.  3.)  L.,  Fr.  Richter.  22  S.  M.  0,30.  —  163)  H.  Müller-Caseno v,  The 
Huraour  of  Germany,  select.  and  transl.,  with  illustr.  London,  Scott.  1892.  437  S.  Sh.  3/6.  —  164)  R-  Lothar,  D.  Volks- 
witz als  Anatom:  VolksZg.  N.  54.  —  165)  O  F  y.  Salpius,  Kleinstädter  Typen  in  Altertum  u.  Neuzeit:  DBahneng.  S.  326  7, 
3423.  -  166)  H.  Delbrück,  D.  gute  alte  Zeit:  PrJbb.  71,  S.  1-28.  —  167)  G.  Steinhausen,  Strebertum  vor  200  J.: 
MagdZgi«.  N.  27.  —  168)  Öädcke,  E.  Spottgedicht  aus  Salzwedel  v.  J.  1738:  JbAltmärkV.  23,  S.  120/4.  —  169)  X  H. 
Sohnrey,  D.  volkstüml.  Behandlung  d.  Eides:  TglRs».  N.  1/2.  —  170)  W.  Bode,  Dtsch.  Worte  über  dtsch.  Trinken:  MagdZg». 
N.  32.  —  171)  W.  Kawerau,  Z.  Trinklitt.  d.  16.  Jh.:  ib.  N.  412.  —  172)  X  W.  Brehmer,  Vogelschutz:  MVLübG.  S.  41/2. 
(Ende  15.  Jh.)  —  173)  D.  Mode  in  d.  Blumenwelt:  StrassbPost.  N.  314.  —  174)  X  D>e  besten  Bücher:  DDichtung  14,  S.  296/7. 
—  175)  X  D.Dichtung  u.  d.  Briefpapier:  ib.  13,  S.  225  6.  —  176)  X  M.  Kaiser,  D.  Ring  u.  seine  Symbolik:  SchorersFamilienbl. 
S.  776  9.  -  177-178)  H.  Strack,  D.  Blutaberglaube  in  d.  Menschheit,  Blutmorde,  Blutritus  (vgl.  JBL.  1892  I  4  :  178):  MHL.  21, 
S.  373  4.  -  179)  X  A.  V.  Jak  seh,  E.  Hexenprozess  in  Paternion  1662:  Carinthia  83,  S.  9-18.  —  180)  X  W".  Brehmer, 
Lnheckische  Hesenprozesse  im  17.  Jh.:  MVLübG.  S.  33-40.  —  181)  XRHassenkamp,  E.  Ostrowoer  Hexenprozess  1719: 
ZHGPosen.  8,  S.  223.8.  —  182)  E.  Jacobs,  Aus  trübster  Drtngsalszeit,  Aug.  1630:  ZHarzV.  26,  S.  430/5.  —  183)  C.  Kiese- 
wetter, D.  Entwicklungsgesch.  d.  Spiritismus  v.  d.  Urzeit  bis  z.  Gegenwart.  Vortr.  L.,  Spohr.  III,  50  S.  M.  1,20.  — 
184)  id.,  Mesmers  Leben  u.  Lehre.  Kebst  e.  Vorgeschichte  d.  Mesmerismus,  Hypnotismus  u.  Somnambulismus,  ib.  180  S. 
M.  3,00.  —  185)  X  ^-  du  Prel,  Z.  Gesch.  d.  Ocoultismus:  AZg».  N.  111.  —  186)  A.  Kohut,  Berühmte  u.  berüchtigte  Gift- 
mischerinnen.   Mit  Vorw.  V.  F.  Friedmann.    B.,  Bibliogr.  Bür.    X,  184  S.    M.  2,50.  —  187)  Signor  Domino,  Aus  d.  Zunft  d. 


I  1  :  188-206  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

stehung-  des  modernen  Staatsbegriffes  sich  verfolg-en  lässt,  das  Beamtentum  und  das 
Militär.  Beiden  sind  ausg-ezeichnete  Arbeiten  g'ewidmet  worden.  Krusch'**)  g-iebt 
zu  der  so  notwendig-en  wie  unbekannten  Geschichte  des  Beamtenwesens  einen  lehr- 
reichen Beitrag-  in  der  Entwicklung-  der  braunschweig-ischen  Centralbehörden;  den 
Ueberg-ang-  zu  modernen  Maximen  bezeichnet  die  Bestellung-  des  ersten  weltlichen 
Kanzlers  1503.  —  Auf  militärischem  Gebiet  verfolg't  von  Minckwitz '^9)  die  Leib- 
wache der  sächsischen  Kurfürsten  durch  verschiedene  Stufen  von  dem  reisig-en  Hof- 
g-esinde  des  16.  Jh.  bis  zur  Trabantenleibg-arde  bei  Errichtung  eines  stehenden  Heeres 
durch  Johann  Georg-  III.,  aus  der  das  im  russischen  Feldzug  zu  Grunde  gerichtete 
Regiment  Garde  du  Corps  hervorging '^*^).  —  Baltzer^^*),  der  auf  dem  Gebiet 
älteren  deutschen  Kriegswesens  bewährte  Autor,  bringt  eine  kurze,  aber  überaus 
reichhaltige  und  durchgearbeitete  Skizze  über  das  Kriegswesen  Danzigs  im  späteren 
Mittelalter,  hauptsächlich  gestützt  auf  das  eigenartige  Material  der  von  Feldhaupt- 
leuten eingereichten  Berichte;  über  Wehrpflicht,  Truppengattungen,  Waffen,  Ver- 
pflegung ergeben  sich  wertvolle  Aufschlüsse.  —  Der  getreue  Abdruck  der  Kriegs- 
artikel ^^^l  Herzog  Johann  Wilhelms  von  Sachsen  gewährt  einen  Einblick  in  die 
Disciplin  zu  Ende  des  17.  Jh.  ^^^).  —  Ein  ruhmvolles  Blatt  in  der  Kriegsgeschichte 
deutschen  Bürgertums  bilden  die  Leistungen  der  aus  der  mittelalterlichen  Stadtwehr 
hervorgegangenen  Kolberger  Bürgergrenadiere  "'^),  die  aus  Anerkennung  als  uni- 
formierte Truppen  bis  in  die  sechziger  Jahre  erhalten  blieben.  —  Aus  der  neueren 
Organisationsgeschichte  ist  von  Interesse,  dass  1813  ein  Pionierbataillon  aus  Mans- 
felder  Bergleuten  i^^)  gebildet  wurde  i^^).  — 

Wirtschaftliche  Entwicklung.  Der  jungen  Wissenschaft  der 
Wirtschaftsgeschichte  ist  das  Glück  zu  teil  geworden,  dass  sich  unter  ihren 
Vorkämpfern  ein  Forscher  findet,  der  Fülle  des  Wissens  mit  einer  Tiefe  der  Intuition 
vereinigt,  wie  es  nur  den  grössten  unter  den  Historikern  eigen  war.  Welcher  Seite  des 
Kulturlebens  man  sich  auch  heute  zuwendet,  man  wird  L  a  m  p  r  e  cht  s '^tj  ^eju^jjg. 
einholen  müssen.  So  sei  auch  hier  seiner  Darlegung  der  wirtschaftlichen  Wandlung 
vom  14.— 16.  Jh.  gedacht,  wenn  sie  auch  erst  im  Zusammenhange  seines  grossen 
W^erkes  zu  betrachten  sein  wird.  -  Die  Aufgaben  der  Wirtschaftsgeschichte  unter- 
wirft Sommerlad^ö*)  gedankenvoller  Betrachtung,  aus  der  sich  ihre  Verbindung  von 
Geschichte  und  Nationalökonomie  ergiebt,  doch  unterschätzt  er  die  Urkunden  gegen- 
über den  Schriftstellern.'^**)  —  Eine  überaus  wertvolle  Quelle  ist  durch  Loh- 
meyers  '^^"■)  Veröffentlichung  des  Haushaltungsbuches  Kaspars  von  Nostiz  erschlossen, 
das,  von  einer  lichtvollen  Einleitung  unterstützt,  seine  Verdienste  für  die  Bewirt- 
schaftung des  vielfach  noch  nicht  urbar  gemachten  Fürstenturas  Preussen  in  helles 
Licht  setzt.  —  Klar  und  gründlich  erörtert  Adler ^o**)  die  Bedeutung  der  städtischen 
Massnahmen  am  Ausgang  des  Mittelalters  zur  Schaffung  objektiver  Preise  in  ihrer 
Bedeutung  für  die  Wohlfahrt  der  Gesamtheit.  Sie  waren  durch  das  genossenschaft- 
liche Monopol  der  Zünfte  bedingt,  zumal  auf  dem  gefährlichen  Gebiet,  wo  dem 
starken  Fleischkonsum  auch  der  unteren  Klassen  kein  Fortschritt  der  Viehzucht 
entsprach.  — 

Kleinere  Beiträge  betreffen  die  landesherrliche  wie  private  Agrar- 
geschichte^o'  202-)  __  j)gj,  landwirtschaftliche  Betriebeines  Dorfes  im  letzten  Drittel 
des  vorigen  Jh.  erfährt  klare  Beleuchtung  durch  die  vom  Pfarrer  203^  in  Räbke  aus- 
gefüllten Fragebogen  204-205) —  Einen  Einblick  in  einen  grösseren  Betrieb  für  die  Zeit 
vom  Ende  des  16.  bis  Anfang  des  19.  Jh.  gewährt  die  Fortsetzung  der  Arbeit  von 
Habs 206),  die  ein  noch  unsicheres  Kapitel,    die  Geschichte  der  bäuerlichen   Lasten 


Falschspieler:  Didask.  N.  144.  —  1881  B.  Krusch,  D.  Entwicklung  d.  Herzosrl.  Braunschweig.  Centralbehörden,  Kanzlei,  Hof- 
gericht u.  Konsistorium  bis  Z..T.1584:  ZHVNiedorsachsen.  S.  201-315.  —189)  A.  v.  Minckwitz,  D.  kurfürstl.  Leibwachen  zn  Ross 
bis  z.  Errichtung  d.  stehenden  Heeres.  Aus  d.  Nachlass  her.  v.  v.  Schimpf f:  NASächsG.  14,  S.  177-210.  —  190)  X  J- 
Pohl  er,  Bibliotheca  historico-militaris.  Systeraat.  Uebersicht  d.  Erscheinungen  aller  Sprachen  auf  d.  Gebiet  d.  Geschichte 
d.  Kriege  n.  Kriegswissenschaft.  Bd.  3.  Lfg.  2.  Kassel,  Kesisler.  S.  61-344.  M.  9,00.  —  191)  M.  Baltzer,  Z.  Gesch.  d. 
Danziger  Kriegswesens  im  14.  u.  15  Jh.  Progr.  Danzig  (A.  Müller).  4».  33  S.  |[RCr.  36,  S.  189-90;  GGA.  S.  465-72.]]  — 
192)  Fürstlich  Sächsisch  Eisenachisch  Kriegsrecht  oder  Articuls-Brieff.  Eisenach,  Kahle.  30  S.  M.  0,75.  (vgl.  IUI.)  —  193)  X 
S.  Frey,  Landsknechte:  Didask.  N.  211.  —  194)  Preuss.  Bürgergrenadiere:  ib.  N.  244.  —  195)  E.  Blume  1,  D.  Zusammen- 
bruch d.  französ.-westfäl.  Fremdherrschaft  im  Mansfelder  Lande:  MansfelderBll.  7,  S.  71-92.  --  196)  X  ^'  Krippenstapel, 
D.  preuss.  Husaren  v.  d.  ältesten  Zeiten  bis  z.  Gegenw.     (Titelaufl.)     B.,  Harrwitz.     4".     XVI,  197  S.    M.  7,50.    (1.  Aufl.  1883.) 

—  197)  K.  Lam  precht,  Z.  Verständnis  d.  Wirtschaft),  u.  soc.  Wandlungen  in  Deutschland  v.  14.  bis  z.  16.  Jh.:  ZSocWirtschG.  1, 
S.  191-263.  (Vgl.  ütsch.  Gesch.  Bd.  5,  Kap.  2.)  —  198)  Th.  Sommerlad,  Ueber  Wesen  u.  Aufgaben  d.  Wirtschaftsgesch. 
Antrittsvorles.  Halle  (Kämmerer).  31  S.  (|ZKultG.  1,  S.  472.] |  —  199)  O  K.  Bücher,  D.  Entstehung  d.  Volkswirtschaft. 
6  Vortrr.  Tübingen,  Laupp.  304  S.  M.  4,00.  |[G.  Schmoller:  JbGesetzgebung.  17,  S.  1289-1306.]]  (Vgl.  I  3  :  154.)  -  199a)  K. 
Lohmeyer,  Kiispars  v.  Nostiz  Haushaltungsbuch  d.  Fürstentums  Preussen  1.578.   L.,  Duncker  &  Humblot.   LXXX,420S.  M.  10,00. 

—  200)  G.  Adler,  D  Fleischteuerungspolitik  d.  dtsch.  Städte  beim  Ausgang  d.  MA  Tübingen,  Laupp.  VIII,  125  S.  M.  2,40.  — 
201^  X  E-  T.  Meyer.  Verzeichnis  d.  auf  Schloss  Grimmenstein  bei  seiner  Uebergabe  1567  vorhandenen  Vorräte:  ZVThOrG.  8, 
S.  209-10.  —  202)  X  E.  Hack,  Begräbniskostenrechnung  d.  Joachim  Wulff  1669:  ZVLübG.  S.  7Ü/6.  -  203)  K.  B.,  D.  land- 
wirtschaftl.  Betrieb  im  brannschweig.  Dorfe  Räbke  vor  118  J.:  MagdZg".  N.  35/7.  —  204)  X  R-  Mielke,  Aus  d.  Gesch.  d. 
dtsch.  Bauern :  Bär  19,  S.  728-30.  —  205)  X  •'•  Schwendiraann,  D.  Bauernstand  d.  Kantons  Luzern  ehemals  u.  heute.  Luzern, 
Gebr.  Räber  &  Co.  XV,  206  S.     M.  2,40.  J|KathSchwBll.  9,  8.  448.]|  —  206)  R.  Habs,  Z.  Gesch.  d.  Frondienste  am  Südharz.  II.: 


G.  Liebe,  Kulturg-eschichte.  I  4  :  207-244 

aufklären  helfen  will.2o^~208j  —  Einen  lehrreichen  Ueberblick  der  Entwicklung*  eines 
grösseren  Forsthaushalts  erhalten  wir  durch  von  Cube^*^^}.  Darnach  beg-ann  erst 
Mitte  des  16.  Jh.  die  bewusste  ökonomische  Verwertung-;  bis  Mitte  des  18.  Jh.  blieb 
die  Jag-dnutzung-  das  massg-ebende  Interesse,  ^lo)  — 

Das  noch  so  unsichere  Gebiet  der  älteren  Bevölkerungs-Statistik  hat 
eifrigen  Anbau  gefunden.  Für  Mecklenburg"  giebt  Stuhr^H)  eine  sorgfältig-e  Be- 
rechnung" auf  Grund  der  in  den  letzten  Jahren  des  15.  Jh.  eing"esammelten  Kaiser- 
bede. —  Wolffs^'^^  auf  der  Grundlag"e  kartographischer  Darstellung-  entworfenes 
Bild  der  Bevölkerung"sverteilung"  im  Harz  nach  Höhenstufen  lässt  die  Abhängigkeit 
menschlicher  Siedelungen  von  der  Oberflächengestaltung  hervortreten. — Jacobs^is) 
gründliche  Untersuchung  giebt  ein  anziehendes  Bild  vom  Wechsel  der  Bevölkerung 
selbst  in  der  kleinen  Ackerbürgerstadt  Wernigerode  und  deckt  Verkehrsbeziehungen 
zu  den  verschiedensten  Gegenden  auf.  —  Auch  das  kleine  Butzbach  in  der  Wetterau 
hat  Otto 2^^)  Anlass  zu  einer  exakten  statistischen  Untersuchung  im  Anschluss  an 
Bücher  gegeben.2i5-2i8j  — 

Auf  dem  Gebiet  der  Industrie  und  des  Gewerbes  hat  eine  Anzahl  von 
Grossbetrieben  lehrreiche  Darstellung  gefunden.  Münch^i^)  schildert  die  Erzgruben 
und  Hammerwerke  am  Oberrhein  in  ihrem  genossenschaftlichen  Betriebe,  wie  ihn 
Inama  in  Churrätien  zuerst  nachweist.^^O)  —  Jung-'^^)  orientiert  über  die  Anfänge 
der  zuerst  für  Frankfurt  in  Aussicht  genommenen  Hanauer  Fayence-Fabrik  im  17.  Jh. 

—  S  t  i  e  d  a222)  erörtert,  wie  Mecklenburg  seit  Mitte  des  18.  Jh.  nach  Preussens  Vorgang 
um  Schaffung  einer  Seidenindustrie-  bemüht  war. 223-224-)  —  d[q  zünftige  Organisation 
derselben  im  mittelalterlichen  Köln  ist  Gegenstand  der  noch  in  der  Fortsetzung  be- 
griffenen Arbeit  von  D  ahmen  225^.  —  Dass  die  Produkte  der  Chemnitzer  Papier- 
fabrikation nicht  über  das  17.  Jh.  zurückgehen,  weist  Kirchner 226^  nach  aus  den 
Wasserzeichen  in  den  Papieren  des  Ratsarchivs.  —  Einen  Einblick  in  die  Ent- 
wicklung der  Baum  Wollenfabrikation  im  Voigtland  gewährt  Höffers22'J)  Wieder- 
abdruck einer  kurzen  geschichtlichen  Darstellung  von  1720.228-229a^  _  ^[^  Kapitel 
aus  der  Organisation  des  Handwerks  behandelt  Chrn.  Meyer230)  in  einer  Ueber- 
sicht  der  bisher  gewonnenen  Resultate  über  die  Gesellen  verbände,  die  aus  der  Oppo- 
sition gegen  die  Meister  erwachsen,  mit  der  Depression  des  Handwerks  seit  dem  16.  Jh. 
an  Bedeutung  verloren,,  endlich  der  landesherrlichen  Polizei  erlagen.  Der  Vergleich 
mit  dem  vierten  Stande  ist  durchaus  abz u weisen. 23 1-233-)  _  ym  kunstgewerblichen 
Einzelheiten  beschäftigt  sich  eine  Anzahl  Monographien. 234-240j  — 

Auf   dem    Gebiet    der    Technik    und    der    Erfind  ungen24i^  bietet 

C.  Müll  er 242^  eine  Entwicklung  der  verschiedenen  Methoden  der  Feuerentzündung 
bis  zu  den  1833  zuerst  aufgetauchten  Zündhölzchen.243^  _  Eine  kurze  Geschichte 
der  seit  1495  zu  Freiberg,  seit  1791  in  der  Familie  Gerlach  (s.  0.  I  3  :  77/8)  befindlichen 
Buchdruckerei  veröffentlicht  K  a  d  e.^^*)  — 

ZHar^V.  26,  S.  1—141.  —  207)  X  H.  Sander,  Einige  Aktenstücke  z.  Gesch.  Vorarlbergs  im  Zeitalter  d.  dtsch.  Bauernkrieges. 
Innsbruck,  Wagner.  26  S.  M.  0,50.  —  208)  X  C  Schumann,  Nachtr.  zu  d.  Flur- oder  Koppelnamen  d.  Lübecker  Staatsgebiets. 
Progr.  Lübeck,  Borchers.  4".  8  8.  —  209)  M.  v.  Cube,  Z  Gesch  d.  fürstl.  Stolbergischen  Forsten  zu  Wernigerode.  Diss. 
Halle  a.  S.  76  S.  —  210)  X  J-  Hamm,  Forstgeschichtliches  aus  d.  Nellenbnrgischen:  Alemannia  21,  S.  70-93,  277-91.  (Aeltere 
Forstordnungen.)  —  211)  F.  Stuhr,  D.  Bevölkerung  Mecklenburgs  ara  Ausgang  d.  MA.:  JbbVMecklG.  58,  S.  232-78.  —  212)  H. 
Wolff,  0.  Bevölkerung  im  Harz.  Diss.  Halle  a.  S.  36  S.  1  Karte.  —  213)  Ed.  Jacobs,  D.  Bewegung  d.  Bevölkerung  v. 
Wernigerode.  (=  Festschrift  z  25j.  Gedenkfeier  d.  Harzvereins.  Her.  v.  Ed.  Jacobs.  [Quedlinburg,  H.  C.  Huch.  4°.  III,  155  S. 
M.  6,00.]  S.  11-80.)  —  214)  E.  Otto,  D.  Bevölkerung  d.  Stadt  Butzbach  (in  d.  Wetterau)  während  d.  MA.  Darmstadt,  Berg- 
strässer.  X,  103  S.  M.  2,00.  —  215)  X  Th.  Distel ,  Ber.  d.  Freiberger  Rats  an  d.  Landesregierung  über  d.  Opfer  d.  Pest  1572; 
MFreibergAV.  30,  S.  105/6.  —  216)  X  M.  Dittraar,  D.  Bewohner  d.  Neuen  Marktes  in  Magdeburg  unmittelbar  vor  d.  Zer- 
störung 1631:  GBUMagdebnrg.  28,  S.  361-429.  —  217)  X  S.  D.  F.  Detlefsen,  E.  Namensverzeichnis  v.  Itzehoer  Einwohnern: 
ZSchlH.  23,  S.  237-50.  —  218)  X  S.  Daszy  nska:  D.  Bevölkerung  v.  Zürich  im  17.  Jh.  B.  Beitr.  z.  bist.  Statistik.  Diss.  Zürich. 
1891.  4^  47  S  —  219)  A.  Münch,  D.  Erzgruben  u.  Hammerwerke  in  Frickthal  u.  am  Oberrhein:  Argovia  24,  S.  20-84.  — 
220)  X  C.  Neuburg,  Goslars  Bergbau  bis  1552.    Hannover,  Hahn.    1892.    IX,  365  S.    M.  6,00.   |[GGA.  S.  313-32;  LCBl.  S.  598/9.]| 

—  221)  R.  Jung,  D.Anfänge  d.  Porzellanfabrikation  in  Frankfurt  a.M.:  AFrankfG.4,  S.  367-74.  —  222)  W.  Stieda,  Versuche 
z.  Einbürgerung  d.  Seidenindustrie  u.  d.  Seidenbaus  in  Mecklenburg:  JbbVMecklG.  58,  S.  101-25.  —  223)  X  Schmoller  n.  Hintze, 

D.  preuss.  Seidenindustrie  im  18.  Jh.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4  :  454;  IV  1  b  :  67  )  |[PrJbb.  73,  S.  553-61;  MHL.  21,  S.  26S-75.]|  — 
224)  X  D  Gesch.  d.  preuss.  Seidenindustrie  im  18.  Jh.:  Bär  19,  S.  100/3,  116/9,  129-31,  140/2.  —  225)  J.  Dahmen,  Beitrr. 
z.  Gesch.  d.  Kölner  Seidamtes.  I.  Progr.  Köln.  4".  10  S.  —  226)  C.  Kirchner,  D.  Papierfabrikation  in  Chemnitz 
(=N.  385,  S.  1-56).  —  227)  K.  Hoff  er.  Versuch  e.  Gesch.  d.  Baumwollenwaren-Manufaktur  im  voigtländ.  Kreis  1550-1790: 
MAVPlauen.9,  S.  1-56.  —  228)  O  E.  Struve,  D.  Entwicklung  d.  bayer.  Braugewerbes  im  19.  Jh.  (=  Staats-  u.  sooialwiss. 
Forschungen.  Her.  v.  G.  Schmoller.  N.  51.)  L.,  Dnncker  &  Humblot.  X,  291  S.  M.  6,00.  —  229)  O  W.  Hieke,  Litt.  z.  Gesch. 
d.  Industrie  in  Böhmen  bis  z.  J  1850:  MVGDBß.  31,  S.  66/9.  —  229a)  X  H.  Gerlach.  D.  Gold-  u.  Silber-Manufaktur  v.  Thiele 
u.  Steinert  in  Freiberg.  Gesch.  Mitteilung  z.  200j.  Jubil.  d.  Geschäfts:  MFreibergAV.  29,  S.  53-64.  -  230)  Chrn.  Meyer,  Z. 
Gesch.  d.  dtsch  Gesellen- Verbände:  WPG.  4,  S.  177-207.  -  231)  X  A..  Lauckner.  D.  Innungs-Artikel  d.  Sähmisch-  u.  Weiss- 
gerber-Handwerks V.  1661  (=  s.  u.  N.  385,  S.  84/7).  -  232)  X  Aus  d.  alten  Zunftzeit  (1825):  MVLübG.  S.  53/9.  —  233)  X  P- 
Bellardi,  Aus  d.  Innungsleben  d.  guten  alten  Zeit:  Bär  19,  S.  235/6.  —  234)  O  Th.  Haoh,  Z.  Geschichte  d.  Lübeck.  Gold- 
schraiedeknnst.  Lübeck,  Nöhring.  43  S.  M.  1,00.  -  235)  X  J-  Biernatzky,  E.  Brief  d.  Lübecker  Rotgiessers  Laurentz  Strahl- 
korn: MVLübG.  S.  40/1.  —  236)  X  H.  Loersch  u.  Rosenberg  (Aachen),  D.  Aachener  Goldschmiede;  ZAachenGV.  15,  S.  63-86. 

—  237)  X  W.  Boeheim,  D.  Waffenschmiede  Mailands  im  15.  u.  16.  Jh.:  AMZg.  68,  S.  36/9.  —  238)  X  W.  v.  Seidlitz,  Die 
Meissener  Manufaktur :  JPrK.  14,  S.  135  9.  —  238  a)XRStettiner,  Vincennes  u.  Sfevres :  ib.  S.  140-57.  —  239)  XK.  Lüders, 
D.  Berliner  Manufaktur:  ib.  S.  220-31.  —  240)  X^Hann,  D.  Fastentuch  in  d.  Kirche  zu  Milstat:  Carinthia  83,  S.  73-80.  — 
241)  X  E.  V.  Hartmann,  Fortschritte  d.  Technik:  Geg.  43,  S.  385  7.  —  242)  C.  Müller,  Feuer  u.  Feuerzeuge:  MagdZg». 
N.  44/5.  —  243)  X  M.  Weinberg,  Z.  Säkularfeier  d.  Erfinders  d.  Schiffsschraube:  IllZg.  101,  S.  41/2.  —  244)  R.  Kade,  Gesch. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  7 


I  4:245-274  Gr.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

Mit  dem  Handel  beschäftig-t  sich  im  allg-emeinen  eine  kurze  Zusammen- 
stellung- der  Geg-enstände  und  der  Richtung-en  von  Hiibler^^ü)^  bei  der  das  Mittel- 
alter zu  kurz  g-ekommen  ist.  —  Dem  sporadisch  auftretenden  Amt  des  Hansg-rafen, 
der,  im  Mittelalter  Vorsteher  einer  Kaufmannsg-enossenschaft,  sich  in  der  Neuzeit  als 
Gewerbe-  und  Verkehrspolizei  erhielt,  widmet  Koehne^^e^  zum  ersten  Mal  eine 
zusammenfassende  Untersuchung-.  —  Einzelforschung-en  sind  meist  der  Hansa  ^^'J) 
zug-ewendet,  deren  Publikationen  nach  Abschluss  der  2.  Abteilung-  in  18  Bänden 
mit  einer  Unterbrechung-  die  Zeit  von  1256—1503  umfassen.^^Sj  —  Ueber  Danzig-s 
Schiffs-  und  Warenverkehr  g-iebt  Lauffer^^^)  auf  Grund  zweier  Zollrollen  vom 
Ende  des  15.  Jh.  Aufschluss.  Danach  betraf  die  Einfuhr  des  bis  auf  700  steigenden 
Schiffsverkehrs  hauptsächlich  englische  Laken,  französisches  Baisalz,  Eisen  und  Pferde 
aus  vSchweden,  die  Ausfuhr  Getreide  und  Holz  polnischer  Herkunft.  —  Stieda^^") 
schildert  die  Massregeln  des  Rostocker  Rates  wegen  Ein-  und  Ausfuhr  von  Tonnen 
im  17.  Jh.,  die  damals  für  die  Brauerei  wichtig  waren  wie  zur  Hansezeit  wegen  der 
Heringe.  —  Behandelt  Rauprich-^')  Breslaus  vergebliche  Verteidigung  des  mono- 
polistischen Rechts  der  Niederlage  gegen  die  Emanzipationsbestrebungen  des  polnischen 
Handels  Anfang  16.  Jh.,  so  Frege^^^^  die  Bemühungen  Friedrichs  des  Grossen,  den 
Erwerb  Schlesiens  nutzbar  zu  machen  durch  Beförderung  der  Oderschiffahrt,  be- 
sonders durch  Beseitigung  des  Stapelreohts.-^^'^ss^  — 

Aeussere  Kultur.  Engeren  Lebenskreisen  uns  zuwendend  sehen  wir, 
wie  des  Deutschen  Wohnung  sowohl  in  allgemeinen,  mehr  das  Typische,  Malerische 
berücksichtigenden    Schilderungen  ^'''^"257^^  ^ie    jjj  Monographien  ^■"'^^^eo^  Behandlung 

gefunden  hat.  —  Die  Abstammung  der  Bevölkerung  der  Provinz  Sachsen   nach  der 
Bauart  der  Häuser  erörtert  Re  i  sc  h  e  l.^^*)  — 

Trachten  sind  immer  ein  beliebter  Gegenstand  für  Prachtwerke 262-263^. 
das  Hervorragendste  seit  langer  Zeit  ist  die  Veröffentlichung  des  Grafen  zu  1  n  n- 
und  K  ny  phausen263a^  Sie  betrifft  die  von  seinem  Vorfahren  weiblicher  Linie,  dem 
Häuptling  Unico  Manninga,  vor  vierthalbhundert  Jahren  in  seinem  Hausbuch  ge- 
sammelten Abbildungen.  Bei  dem  Mangel  zuverlässiger  Wiedergaben  von  Volks- 
trachten selbst  in  neuerer  Zeit  ist  dieses  erste  deutsche  Trachten  buch  von  besonderem 
Wert.  "—    Das    periodische   Auftauchen    eines    auffallenden    Kleidungsstückes  ^64  265^ 

reizt  zu  einer  Gedankenverknüpfung  mit  ebenso  periodischen  politischen  Erschütter- 
ungen.266-268-)  _ 

Die  Entstehung  und  Bedeutung  der  Waffen  zu  schildern,  war  Jähns269j 
wie  kein  anderer  berufen.  Wie  in  allen  seinen  Werken  findet  die  geistige  Durch- 
dringung eines  erdrückenden  Materials  in  einer  formvollen  Wiedergabe  ihren  Aus- 
druck. Von  den  prähistorischen  Zeiten  ausgehend,  lässt  er  in  scharfen  Umrissen 
die  gesamte  Entwicklung  vorüberziehen,  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Feuerwaffen.  —  Beck^'^  27i^  beschreibt  in  Kürze  die  verschiedenen  Formen  einiger 
Geräte,  des  Sattels,  der  im  4.  Jh.,  des  Steigbügels ^'''■^),  der  im  6.  Jh.  auftrat,  und 
des  Hufeisens,  das  bereits  den  Germanen  bekannt  war  statt  der  im  Altertum  ge- 
bräuchlichen Ueberschuhe.2'3  274")  .__ 

Unter  denNahrungs-  und  G  en  u  s  s  mi  t  te  1  n  ist  das  Bier  vertreten  durch 
eine  originelle  Monographie  aus  Anlass  des  SOOjährigen  Jubiläums  der  in  diesem  Jh. 


d.  Freiberger  Buchdrucks  durch  4  Jhh.  M.  19  typogr.  Kunstbeil.:  MFreibergAV.  30,  S.  1-85.  —  245)  F.  Hüb  1er,  D.  Handel  in 
alter  u.  neuer  Zeit  u.  sein  Einfluss  nnf  d.  Verbreitung  d.  Kultur  u.  d.  Ausbreitung  d.  Völker.  (=  SGV.  N.  176.)  Prag,  Härpfer. 
20  S.  M.  0,20.  —  246)  C.  Koehne,  D.  Hansgrafenamt.  B.,  Gaertner.  316  S.  M.  7,00.  —  247)  Publikationen  d.  hansischen  Gesch.- 
Ver.:  WesorZg.  N.  16744.  —  248)  X  ^^-  Bruns,  E.  Bruchstück  d.  ältesten  Rechnungsbuches  d.  Lübecker  Bergenfahrer: 
MVLübG.  S.  77-80.  —  249)  V.  Lauffer,  Danzigs  Schiffs-  u.  Warenverkehr  am  Ende  d.  15.  Jh.  Diss.  Breslau.  44  S.  •-  250) 
W.  Stieda,  Rostocker  Tonnen-Ausfuhr-  n.  Einfuhr- Verbote:  .IbbTHecklG.  58,  S.  23-30.  —  251)  M.  Rauprich,  D.  Streit  um 
d.  Breslauer  Niederlage  1490-1515:  ZVGSchlesien.  27,  S.  54-116.  —  252)  F.  Frege,  Beitrr.  z.  Handelsgesch.  aus  d.  Zeit  Friedrichs 
d.  Gr.:  MagdZg".  N.  15/7.  —  253)  O  P-  Bounassieux,  Les  grandes  compagnies  de  commerce.  Paris,  Plön,  Nourrit  &  Cie. 
1892.  567  S.  Fr.  10,00.  IfGGA.  S  306/9.]|  -  254)  O  D.  Württemberg.  Handelsordnung  v.  1681:  BBSW.  S.  235/9.  —  255)  X 
0.  Hintze,  E.  Berliner  Kaufmann  aus  d.  Zeit  Friedrichs  d.  Gr.:  SVGBerlin.  30,  S.  1-18.  -  256)  X  G-  Buss,  Dtsch.  Pfalz  u. 
dtsch.  Dorf  auf  d.  Weltausstellung  in  Chicago.  B.,  Pasch.  34  S.  M.  3,00.  —  257)  X  K.  Dorenwell,  Das  dtsch.  Haus  im 
Schmuck  d.  Poesie  u.  Kunst.  Grosse  Ausg.  3.  Aufl.  Wolfenbüttel,  Zwissler.  4».  VII,  254  S.  M.  15,00.  —  258)  X  J-  Bück, 
D.  Bauernhaus  im  Allgän  :  ADgäuerGFr.  6,  S.  8-13.  —  259)  X  ^'-  Erahm,  D.  alte  sächs.  Bauernhaus:  Heimat  3,  S.  254/9,  268-73. 

—  260)  X  D-  -reverländ.  Bauernhaus:  VossZg.  N.  38.3.  -  261)  Reischel,  Unsere  Dörfer:  MagdZg«.  N.  30/1.  -  262)  X  F«-- 
Hottenroth,  Handbuch  d.  dtsch.  Tracht.    (In  ca.  15  Lfgn.)    1.  Lfg.    Mit  Textbild.  u.  2  färb.  Taf.    St.,  Weise.    S.  1-64.    M  2,00. 

—  263)  X  Le  Ciipitali  del  Mondo  nei  costumi,  nell"  arte,  nella  civiltä,  impressioni  dal  vero  di  celebri  scrittori  d'ogni  nazione, 
riccamenteillnstrate,  traduz.  di  D.  Sant'  Ambrogio.  Milano,  Unione  tipograflco-editrice.  4".  L.  9,00.  —  263a)  E.  Graf  zu 
Inn-  u.  Knyphausen,  Ostfries.  Volks-  n.  Rittertrachten  um  1500.  16  kol.  Taf,  1  Taf.  in  Schwarzdruck,  Portr.  d.  Unico 
Manninga  u.  4  Bll.  Facs.  Emden,  Schwalbe.  83  S.  M.  15,00.  (S.  n.  N.  364a.)  —  264)  D.  Beifrock:  StrassbPost.  N.  194.  - 
265)  D.  Krinoline  in  Sicht.  E.  Warnung:  IllZg.  100,  S.  385,6.  -  266)  X  D-  Mode  vor  50  J.:  ib.  101, S.  30/1.  —  267)  X  H.  Oemke, 
Mouches.  E.  Modenarrheit  früherer  Jhh.:  SchorersFarailienbl.  S.  202;4.  —  268)  X  H-  Hansjakob,  Unsere  Volkstrachten.  E.  Wort 
zu  ihrer  Erhaltung  (vgl.  JBL  1892  I  4  :  508).  |[BLU.  S.  263;  KonsMschr.  S.  128.J1  -  269)  M.  Jahns,  Entstehung  u.  Bedeutung 
d.  Waffen:  DR.  1,  8.  112-20,  245-56,  371-86.  -  270)  M.  Beck,  Z.  Gesch.  d.  Sattels  u.  Steigbügels  LZg".  N.109.  —  271)  id., 
D.  Hufeisen  in  d.  Kult.-Gesch. :  ib.  N.  117.  —  272)  X  A.  Schlieben,  Nachtr.  z.  Gesch.  d.  Steigbügel:  (vgl.  JBL.  1892 
I  4:251):  AnnVNassG.  S.  45-52.  —  273)  O  H.  Bosch,  E.  Sohreibpult  d.  17.  Jh.  im  German.  Museum:  MGNM.  S.  113/7.  — 
274)  X  A.  Pabst,  Kirchenmöbel  d.  Mittelalters  u.  d.  Neuzeit.   4.  u.  5.  (Schlu6s)Lfg.    Frankfurt  a.  M.,   Keller,   ä  6  Lichtdr.- 


G.  Liebe,  Kulturg-eschichte.  I  4  :  275-310 

vereinigten  Eberl-Faberschen  Brauereien  2''^),  Sie  erweitert  sich  zu  einer  Reihe  von 
Skizzen  aus  dem  deutschen  Bürg-erleben;  von  besonderem  Interesse  ist,  dass  das 
Faberbräu  Ende  des  vorig-en  Jh.  dem  deutschen  Schauspiel  (s.  u.  III  4  :  35)  eine  Stätte 
bot.  —  In  Kisslings '^'^^),  praktischen  Zwecken  dienendem  Buche  sind  einige  ge- 
schichtliche Daten  über  die  Ausbreitung  des  Tabaks  von  Wert^'?'').  — 

Zur  Geschichte  des  Gesundheitswesens  liegt  das  Werk  eines  Meisters 
auf  diesem  Gebiete  vor.  Mit  sicherer  Beherrschung  des  gewaltigen  Stoffes  beleuchtet 
Hirsch  ^''S)  den  Einfluss  jedes  Fortschritts  seiner  Wissenschaft,  die  gerade  mit  dem 
Einsetzen  unserer  Periode  im  Beginn  des  16.  Jh.  durch  die  von  Vesalius  neubegründete 
Anatomie  des  Menschen  in  richtige  Bahnen  geleitet  wurde ^^^-j  —  La  n  g  s  d  or  f^^oj 
betrachtet  kurz  die  Verbreitung  des  Aussatzes  und  die  besonders  im  Mittelalter  da- 
gegen ergriffenen  Massregeln.  —  Eine  rühmliche  Ausnahme  von  seinesgleichen 
bildete  nach  Cohns^^^)  Schilderung  Georg  Bartisch,  ein  Ende  des  16.  Jh.  in  Sachsen 
und  Schlesien  reisender  Augenarzt.282)  —  Einige  Werke  über  das  Turnen  seien  hier 
angeschlossen  283-284a^_  — 

Polizeiliche  Thätigkeit  im  Sicherheitswesen^ss)  illustriert  die  Anschaffung 
der  Hamburger  Feuerspritzen  im  17.  Jh.  286^.  — 

Zur  Geschichte  des  Verkehrs  liefert  neben  allgemeineren  Werken^**''"^»«) 
die  Schrift  Rossners^s^)  über  den  Namen  Pforta  einen  interessanten  kleinen  Beitrag, 
indem  sie  den  Nachweis,  dass  dort  keine  porta  Thuringiae  bestehe,  zu  einer 
Darstellung  der   mittelalterlichen  Verkehrswege   der  Naumburger  Geg-end  gestaltet. 

—  Unter  den  zahlreichen  Monographien2''o-294j^  die  sich  mit  der  Entwicklung  des 
Postwesens^^^)  beschäftigen,  ist  das  Buch  von  Weithas.e^''^)  hervorzuheben,  das  die 
Entwicklung  des  Weltpostvereins  im  Anschluss  an  die  Konferenzen  seit  1863  schildert. 

—  Ueber  Einzelheiten  des  Baseler  Postverkehrs^^')  vor  100  Jahren  liegen  Mitteilungen 
vor.  —  S  c  h  e  llen  b  e  r  g'-^^8)  behandelt  nach  dem  akustischen,  optischen,  hydrau- 
lischen Telegraphen  der  Antike  den  im  17.  Jh.  auftauchenden  optischen  modernen 
Telegraphen2^ö"302^.  —  Zur  Charakteristik  der  Gast-  und  Wirtshäuser  werden  nur 
Einzelheiten  geboten303-307-)  —  Zwei  für  Maler  ausgestellte  Reisepässe  von  1799  und 
1802  haben  Abdruck  gefunden^^os^  _  Wohl  die  älteste  Auskunftei  behandelt  eine 
Nachricht,  nach  welcher  die  Errichtung  des  Wiener  Fragamts^*'^)  1636  abgelehnt 
wurde,  1707  aber  stattfand,  um  eine  Vermittlungsagentur  zu  geschäftlichen  Zwecken 
zu  schaffen.  — 

Territorial-  und  Lokalforschung.  Auf  dem  Gebiete  der  lokalen 
Geschichtsforschung  ist  eine  wachsende  Betriebsamkeit  bemerkbar,  nicht  durchaus 
zur  Freude  des  Fachmannes.  Denn  während  sie  gerade  für  die  Kulturgeschichte 
durch  Mitteilung  einzelner  Erscheinungen,  selbst  unter  Verzicht  eigener  Darstellung, 
nutzbar  gemacht  werden  könnte,  leidet  sie  beständig  an  dem  Ehrgeiz,  eine  Gesamt- 
geschichte  der    geliebten   engsten   Heimat    zu    geben    von    Karl  dem  Grossen   oder 


Taf.  n.  2  S.  Text,  ä  M.  6,00.  ||LKs.  19,  S.  120.11  —  275)  Eberlbrän  gegründet  anno  domini  1593.  München,  (Litt.  Inst.).  38  S. 
(Festschrift,  nicht  im  Buchhandel.)  —  276)  K.  Kissling,  D.  Tiibals  im  Lichte  d.  neuesten  natnrwissensch.  Forschungen.  Karz- 
gefasstes  Handbuch  d.  Tabakkunde.  B.,  Parey.  VH,  278  S.  Mit  86  Abbild.  M.  6,00.  —  277)  X  Ranchtabaks-Dosen  ans  d.  Zeit 
Friedrichs  d.  Gr.:  SBPrussia.  18,  S.  89-95.  —  278)  Ang.  Hirsch,  Gesch.  d.  medizin.  Wissenschaften  in  Deutschland.  Neuere 
Zeit.  (=  Gesch.  d.  Wissenschaften  in  Dentschl.  22  Bd.)  München,  Oldenburg.  XIV,  739  S.  M.  9,50.  |[LCB1.  S.  1308,9.] |  - 
279)  O  H.  Vierordt,  Medizinisches  aus  d.  Weltgesch.  Buntes  Allerlei.  Tübingen,  Laupp.  VI,  80  S.  M.  1,60.  —  280)  Langs- 
dorf,  D.  Aussatz  in  Europa:  TglRsn.  N.  38/9.  —  281)  C.  Cohn,  Georg  Bartisch,  e.  Starstecber  d.  MA.:  DR.  3,  S.  214-26.  - 
282)  O  0.  Krimmel,  Reutlingens  Aerzte  u.  Apotheker  in  d.  Zeilen  d.  Reichsstadt:  GBllRentlingen.  4,  S.  57-61.  —  283)  X  G- 
Hirth,  D.  gesamte  Turnwesen.  E.  Lesebuch  f.  dtsch.  Turner.  Aufsätze  turnerischen  Inhalts  v.  älteren  u.  neueren  Schriftstellern. 
2.  Aufl.  besorgt  v.  F.  R.  Gasch.  3.-12.  Heft  Hof,  R.  Lion.  ä  112  S.  ä  M.  1,00.  —  284)  X  Fi"-  Gabrielli.  Un  riformatore 
della  ginnastica  in  Germania.  Un  quadro  flsiologico  degli  esercizi  ginnastici.  (=  Biblioteca  del  giornale  Virtus  in  Bologna.) 
Bologna,  Soc.  tip.  giä  Compositori.    30    S.  —   284a)  X   R-   Kuhn,    Z.    Gesch.    d.    Vereinsturnens    in    Wien:    Alt- Wien  N.  7/9. 

—  285)  O  0  Henne  am  Rhyn,  D.  Gebrechen  u.  Sünden  d.  Sittenpolizei  aller  Zeiten  vorzüglich  d.  Gegenw.  L.,  Spohr.  III, 
178  S.  M.  3,00.  —  286)  Einige  Notizen  über  d.  Feuerspritzen  in  älterer  Zeit:  MVHambG.  15,  S.  389,  414.  —  287 >  O  F.  C. 
Huber,  D.  gesch.  Entwicklung  d.  modernen  Verkehrs.  Tübingen,  Laupp.  232  S.  M.  4,00.  |[LCB1.  S.  1575;  KBWZ.  S.  177/8; 
KathSchwBll.  9,  S.  264/5.]|  —  288)  XF-H  Quetsch,  Gesch.  d  Verkehrswesens  am  Mittelrhein  (ygl.  JBL.  1891  I  5:154): 
MHL.  21,  S.  236/8.  —  289)  A.  Rossner,  D.  Name  d.  Klosters  Pforta.  Naumburg  a.  S.,  Schirmer.  56  S.  M.  0,75.  —  290)  X 
0.  Redlich,  Aktenstücke  z.  Geschichte  des  niederrheinischen  Postwesens:  BGNiederrh.  7,  S.  261-300.  —  291)  X  J-  J""?. 
Entwicklung  d.  dtsch.  Post-  u.  Telegraphenwesens  in  d.  letzten  25  J.  L.,  Duncker  \'  Humblot.  VIII,  185  S. ;  7  graph.  Taf. 
M.  3,80.    IILCBl.  S.  1609.JI  —  292)   O   H    Joyce,  Hist.  of  the  Post  Offlee  to  18.36.    London,  Bentley.   Sh  16.    IfAc.  44,  S.  456/7.] | 

—  293)  X  U.  V.  Hasseil,  D.  dtsch.  Reichspacketpost  nach  d.  UrteU  e.  Amerikaners:  KonsMschr,  S.  205,8.  -  294)  X  A.  Miiury, 
Catal.  descriptif  ill.  de  tous  les  timbres-poste  et  timbres-telegraphe  depuis  leur  invention  jusqu'en  1889.  Paris,  Maury.  219  S. 
Fr.  1,75.  —  295)  X  APT.  S.  17/8.  134/5,  222/3,  322,3,  345,6,  3745,  404,5,  522/3,  634/5,  650/1,  660|1,  676/7,  685,  711/2,  734,  843/4, 
873.  —  296)  H.  Weithase,  Gesch.  d.  Weltpostver.  Strassburg  i.  E  ,  Heitz.  IIL  88  S.  M.  2,50.  —  297)  Postverkehr  vor  100  .L: 
StrassbPost.  N.  137.  —  298)  G.  Schellenberg,  D.  Telegraphie  d.  Vergangenheit:  ib.  N.  188,  195,  216.  —  299)  X  F.  Ben  dt, 
Z.  60j.  JuML  d.  Telegraphie:  Nation».  10,  S.  462  3.  -  300)  O  C.  Wehrmann,  Z  Gesch.  d.  Stecknitzkanals:  MVLübG.  S.  2/7.  — 
301)  X  Einrichtung  der  regelmässig,  direkten  Dampfschiffahrt  Köln- Düsseldorf  etc.:  BGNiederrh.  7,  S.  305-47.  ~  302)  X 
R.  Huyer,  D.  Bndweis-Linzer  Pferde- Eisenbahn:    MVGDB.   31,    S.  75-92,    157-83.    —    303)   O   W.  Stieda,    Th.  v.  Liebenau, 

D.  Gasthofs-  u.  Wirtshanswesen  d.  Schweiz  (vgl.  JBL.  1891  I  5:53):  DLZ.  S  1072,3.  —  304)  X  P-  B.,  D.  Namen  d.  Berliner 
Gasthäuser:  Bär  19,  S.  587.  —  305)  X  Gesch.  e.  Weinstube:   ib.  S.  755.6.     (Nach  e.  nicht  im  Handel  erschienenen   Festschrift 

E.  Gabeis.)  —  306)  X  E.  F  Robinson,  The  early  hist.  of  Coffee-Houses  in  England.  London,  Kegan  Paul.  Sh.  6. 
|[Ac.  43,  S.  320.ll  —  307)  X  Alt- Wiener  u.  Nen-Wiener  Gasthäuser:  Alt-Wien  N.  2,  5,  7.  -  308)  Reisepässe  aus  d.  guten  alten 
Zeit:  Didask.  N.  179.  —   309)  Z.  Gesch.  d.  Wiener  Fragamtes:  WienerKommunalkal.  21,  S.  419-26.    -  310)  X  A.  Bötticher, 

7* 


I  4  :  311-337  G.  Liebe,  Kulturgeschichte, 

neuerding-s  von  der  prähistorischen  Zeit  bis  zum  regierenden  Bürgermeister.  Ein  Rund- 
gang durch  die  deutschen  Lande  möge  den  Nordosten  als  Ausgangspunkt  nehmen. 
Aus  Ostpreussen^"*)  bietet  H  a  1 1  i  n  g  ^i  i)  nur  eine  populäre  Schilderung  der 
freundlichen  Beziehungen,  die  Mitglieder  des  Königshauses  zu  Einwohnern  unter- 
halten, seit  sie  im  Lande  dort  Aufenthalt  genommen.  —  Moszeiks3i2)  Geschichte 
von  Stallupönen  beruht  bis  1833  hauptsächlich  auf  der  älteren  Chronik.  —  In  Tilsit 
ist  ein  Tagebuch  aus  denkwürdiger  Zeit  durch  Thimm^is)  veröffentlicht  worden.  — 

In  We  s  t  pr  e  u  s  s  e  n3i4j  hat  die  Centenarfeier  der  Vereinigung  Danzigs 
mit  Preussen  eine  gediegene  Festschrift  von  Damus^i^j  veranlasst,3i6-3i7j  —  d^q 
Elbinger  Geschichtsschreibung  hat  von  ihrem  bewährtesten  Kenner,  Toeppen^i»), 
eine  besondere  Veröffentlichung  erfahren.  —  In  Semraus^'")  auf  gründlicher 
Materialkenntnis  beruhenden  Beiträgen  zur  Geschichte  Neumarks  ist  besonders  die 
Darstellung  der  Rekatholisierung  von  Wert.  —  Mit  Löbau  beschäftigt  sich  eine  blosse 
Sammelarbeit  von  L  i  e  k  320)_  — 

Für  Posen  hat  Pietsch^^ij  seine  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Kempen 
fortgesetzt.  — 

Aus  Schlesien  322)  liegt  eine  Festschrift  von  J  e  c  h  1 323)  zum  Kaiser- 
besuch in  Görlitz  vor,  die  in  einer  auf  sorgfältiger  Forschung  beruhenden  Zusammen- 
stellung frühere  fürstliche  Besuche  seit  dem  14,  Jh.  behandelt.  —  Grünhagen 323a) 
schildert  den  von  Wöllner  gegen  die  Aufklärung  geführten  Kampf  in  Schlesien,  wo 
er  besonders  gefährlich  war,  da  sie  dort  die  Stütze  des  protestantisch  -  preussischen 
Geistes  bildete.  —  Derselben  Landschaft  gehört  ein  Aufsatz  von  Friedensburg323b) 
an,  der  eine  Zusammenstellung  der  nicht  zahlreichen  Mitglieder  der  Fruchtbringenden 
Gesellschaft  in  Schlesien  und  die  Begründung  ihrer  Beziehungen  enthält.  — 

In  der  Mark  überwiegt  natürlich  die  Beschäftigung  mit  der  Hauptstadt. 
Unter  mehreren  Schilderungen  ihres  früheren  Zustandes324  326)  jgt  ^[q  von  Trinius32^) 
für  weiteste  Kreise  und  zwar  vortrefflich  geschrieben;  nur  war  es  nicht  nötig,  bei 
der  Schilderung  der  Sittenlosigkeit  die  Farben  so  stark  aufzutragen.  —  Eine  muster- 
giltige  Wiedergabe  haben  die  in  der  Hauptsache  architektonischen  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler durch  Borrmann328)  gefunden329).  _  Greigers330)  Werk,  bis  zum  Tode 
Friedrichs  des  Grossen  fortgeführt,  behandelt  in  der  Aufklärung  einen  hier  herrschend 
gebliebenen  Faktor,33i)  —  Vortrefflich  ist  B  o  r  r  m  a  n  n  s332)  Leitfaden  für  das 
Studium  der  Ausdehnung  Berlins,  unterstützt  durch  einen  farbigen  Plan,333)  —  Die 
Nachtseiten  der  neuesten  aller  Grossstädte  schilderte  ein  Ausländer,  Raffa- 
1  o  V  i  c  h  334),  —  Sehr  hübsch  und  gewandt  hebt  L  i  n  d  e  n  b  e  r  g335)  die  Züge  hervor, 
die  Berlin  den  Parvenucharakter  verleihen336).  —  Dieser  giebt  auch  den  bestimmenden 
Eindruck  für  den  Ausländer  her,  dessen  Buch  unter  den  Berichten  über  einen 
kürzeren  Aufenthalt  seit  lange  das  Beste  darstellt.  Mit  ausgezeichneter  Beobachtungs- 
gabe und  guten  Verbindungen  ausgerüstet,  vermochte  Luc  Gersal33')  eine  Fülle 
charakteristischer  Einzelheiten  dem  Berliner  Leben  zu  entnehmen,  die  gewandt  dar- 
gestellt und  sehr  angenehm  zu  lesen  sind.      Seine  Silhouetten  akademischer  Lehrer 

D.  Bau-  u.  Knnstdenkraäler  d.  Prov.  Ostpreussen.  III.  D.  Oberland.  Königsberg  i.  P.,  Teichert.  4".  122  S.  M.  3,00. 
IILCBl.  S.  7;  FBPG.  6,  S.  272.]l  -  311)  K.  Halling,  Memels  Vaterland.  Weihestätten.  Progr.  Memel  (Siebert).  4».  29  S. — 
312)  C.  Mo  sz  ei  k,  Gesch.  d.  Stadt  Stallnpönen.  Stallnpönen,  Klutke.  45  S.  M.  1,00.  |[FBPG.  6,  S.  617.]|  -  313)  R.  Thimm, 
Hist.  Tagebuch  d.  Stadt  Tilse  v.  17.  Dec.  1812  bis  z.  3.  Aug.  1814  geführt  vom  Stadtsekret  Salchow.  (=  Beitrr.  z.  Gesch.  v. 
Tilsit  N.  2.)  Tilsit,  Lohauss.  45  S.  M.  0,50.  —  314)  X  F.  Hirsch,  D.  Wacht  an  d.  Weichsel:  VelhagenKlasingsMh.  2, 
S.  584-92.  —  315)  Daraus,  Festschrift  z.  lOOj.  Gedenkfeier  d.  Vereinigung  Danzigs  mit  d.  Königreich  Preussen  im  J.  1793. 
Danzig,  Bertling.  V,  57  S.  M.  2,00.  |[FBPG.  6,  S.  635  6.JJ  —  316)  X  J-  Pawlowski,  Gesch.  d.  Prov.-Hauptstadt  Danzig 
V.  d.  ältesten  Zeiten  bis  z.  Säknlarfeier  ihrer  Wiedervereinigung  mit  Preussen.  Volksschrift  in  Skizzen.  Danzig,  Hafemann. 
VIII,  330  S  M.  4,00.  —  317)  X  C.  Jentsch,  Aus  d.  balt.  Paradiese.  (=111.  Bibl.  Prochaska  1.  Bd.  [Wien  n.  L.,  Prochaska, 
128  S.  M.  0,60.],  S.  47-66.)  —  318)  M.  Toeppen,  D.  Elbinger  Geschichtsschreiber  n.  Geschichtsforscher  in  krit.  Uebersicht 
vorgeführt.  (=  ZWestprGV.  N.  32.)  Danzig,  Bertling.  VIII,  200  S.  M.  3,00.  —  319)  A.  Semrau,  Beitrr.  zu  d.  Gesch.  d. 
Stadt  Neumark  (Veröffentlichung  d.  hist.  Ver.  in  Marienwerder).  Neumark,  Köpke.  VI,  73  S.  M.  1,50.  |[FBPG.  6,  S.  617.]|  — 
320)  G.  Liek,  D.  Stadt  Löbau  in  Westpreussen  mit  Berücksichtig,  d.  Landes  Löbau:  (=  ZHVMarienwerder.  N.  28  9).  Marien- 
werder (F.  Böhnke).  1S92.  VIII,  640  S.;  6  Taf.  M.  7,50.  |[FßPG.  6,  S.  618.]|  —  321)  P.  Pietsch,  Beitrr.  z.  Gesch.  d. 
Stadt  Kempen  in  Posen.  II.  Progr.  Kempen.  4".  ISS.  —  322)  X  K.  T.,  Im  Reiche  Rübezahls:  WeserZg.  N.  16774.  — 
323)  R.  Jecht,  Fürst).  Besuche  in  Görlitz.  Festschrift  z.  Enthüllung  d.  Reiterstandbilds  Kaiser  Wilhelms  I.  Görlitz,  Sattig. 
137  S.  M.  2,00.  |[NLausitzMag.  69,  S.  2857]|  —  323a)  C.  Grünhagen,  D.  Kampf  gegen  d.  Aufklärung  unter  Friedrich 
Wilhelm  IL  mit  Rücksicht  auf  Schlesien :  ZVGSchlesien.  27,  S.  1-27.  —  323b)  F.  Fri  e  den  s  bürg,  D.  Beziehungen  Schlesiens 
■/..  Fruchtbringenden  Gesellschaft:  ib.  S.  117-39.  —  324)  X  A.  Denecke,  Berlin  u.  d.  Berliner  vor  100  J.:  ZDKG.  3,  S.  526-32. 
—  325)  X  L.Fischer,  Aus  Berlins  Vergangenheit  (vgl.  JBL.  1891  I  5:587;  1892  I  4:587):  Bär  19,  S.  552.  —  326]  X  P-  Bel- 
lardi.  Besuch  in  Berlin  anno  1828:  ib.  S.  7845.  —  327)  A.  Trinius,  Auf  märkischer  Erde  (darin:  L  Berlin  vor  100  Jahren, 
S.  1-61).  Minden,  Bruns.  IV,  196  S.  M.  2,50.  -  328)  R.  Borrmann,  D.  Bau-  u.  Kunstdenkmäler  d.  Stadt  Berlin.  Mit 
28  Taf.  u.  3  Plänen.  B.,  Springer.  436  S.  M.  30,00.  —  329)  X  R-  Schmidt-Nouhaus,  Berliner  Gedenktafeln:  Bär  19, 
S.  5203,  531,5.  —  330)  L.  Geiger,  Berlin  1688-1840.  Gesch.  d.  geistigen  Lebens  d.  preuss.  Hauptstadt  L  2.  Hälfte. 
B.,  Paetel.  S.  XIII-XVIII;  S.  295-700  M.  9,00.  |[ZDKG.  2,  S.  237  8;  ML.  62,  S.  70.]|  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:586;  III  1:59.)  — 
331)  Ferd.  Meyer,  D.  Berliner  Tiergarten  (vgl.  JBL.  1892  I  4:589):  FBPG.  6,  S.  646.  —  332)  R.  Borrmann,  Leitfaden  d. 
Entwicklungsgesch.  Berlins  v.  seiner  Gründung  bis  in  d.  Neuzeit.  (Mit  1  Plan  in  Farbendr.  und  2  Facs.)  B.,  D.  Reimer.  24  S. 
M.  0,40.  -  333)  X  K-  Pröll,  D.  Entwicklung  Berlins.  (=  SGV.  N.  181).  Prag,  Härpfer.  17  S.  M.  0,40.  —  334)  A.  Raffa- 
lovich,  La  police,  le  crime  et  le  vice  ä  Berlin:  RDM.  119,  S.  156-88.  —  335)  P.  Lindenberg,  Berlin  als  Kleinstadt. 
B.,  Trowitzsch.  47  S.  M.  0,60.  —  336)  X  i  d-.  Berlin,  3.  Die  Umgebung.  4.  Aufl.  Mit  Plan.  (=  ÜB.  N.  1919).  L.,  Reclam.  88  S. 
M.  0,20.    —    337)    Luc  Gersal  [Jules  Legras],    Spree-Athen.    Berliner  Skizzen  v.  e.  Böotier.    Aut.  Uebers.      L..  Reisner 


Gr.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  338-361 

sind  teilweise  Meisterstücke.  Das  Werk  ist  der  erfreuliche  Versuch  eines  denkenden 
Franzosen,  uns  zu  verstehen.  —  Von  Arbeiten  über  die  weitere  Mark338-339-)  jg^  ^{q 
weitaus  bedeutendste  van  Niessens^^oj  Geschichte  der  Stadt  Woldenberg-  i.  N.  — 
ein  Muster  dessen,  was  aus  einer  lokalgeschichtlichen  Aufgabe  zu  machen  ist.  Durch 
weitschauende  Verarbeitung  des  gesamten  Materials  ergiebt  sich  aus  den  Geschicken 
des  neumärkischen  Städtchens  ein  typisches  Bild.  Der  inneren  Entwicklung  ist 
breitester  Raum  gegönnt,  zumal  die' Darstellung  wirtschaftlicher  Verhältnisse  ist  meister- 
haft zu  nennen.  — 

Eine  auf  Urkunden  beruhende,  lebendige,  aber  nicht  tiefgehende  Schilderung 
des  bürgerlichen  Lebens  in  der  po  mm  ersehen  Stadt  Köslin  von  Hanncke^^i) 
berührt  nur  am  Schluss  unsere  Periode ;  von  Interesse  sind  einige  Mitteilungen  über 
das  Leben  der  Geistlichkeit  um  die  Wende  des  15.  Jh.  — 

In  Mecklenburg342)sind  zwei  Aufsätze  aus  von  Buch  walds343)  Sammlung 
rühmend  zu  nennen;  der  eine  behandelt  die  Fortschritte  der  Volkswirtschaft  unter 
Herzog  Adolf  Friedrich  IL,  der  andere  beleuchtet  auf  Grund  eines  Zahlenbildes  die 
Folgen  des  Tillyschen  Zuges  1631  für  eine  Anzahl  Aemter.  — 

Die  Forschung  über  die  Hansestädte  bietet  stets  das  Bild  reger  Thätig- 
keit.  Hoffmanns 344-345-)  treffliche  Geschichte  Lübecks  hat  verdiente  Anerkennung 
gefunden. 346j  —  Wissenschaftlich  von  noch  höherer  Bedeutung  verspricht  von 
B  i  p  p  ens34"3  Geschichte  Bremens  zu  werden,  derer  erster  Band  eine  ausserordent- 
lich gediegene  Darstellung  des  Mittelalters  bietet.  —  Für  Hamburg34s-349j  üeg-t  eine 
Anzahl  von  Sonderbehandlungen  einzelner  Verhältnisse  vor.  Eine  ansprechende 
Sammlung  Hamburgiana  giebt  Nathan sen350J;  sie  bieten  teilweise  auch  allgemein 
Interessantes,  so  vom  Rauchen  und  von  den  Kleidermoden.3äi-352-)  _  j)[q  -^q^, 
wendigkeit  eines  würdigen  Heims  und  weiterer  Ausdehnung  für  die  vorhandene 
Sammlung  Hamburger  Altertümer  hebt  Mielck353j  mit  Schärfe  hervor  und  giebt 
dabei  Nachrichten  über  die  früheren  Bestände  der  bereits  1641  durch  Ausmusterung 
nicht  mehr  brauchbarer  Stücke  gebildeten  Waffensammlung.354j  —  Grossenteils  auf 
dem  Boden  der  Hansestädte  bewegt  sich  die  Novellensammlung  von  Kniest3ä53^  die 
trotz  ihres  schöngeistigen  Charakters  wegen  der  meisterhaften  Beherrschung  des 
Milieus  der  guten  alten  Zeit  hier  erwähnt  sei.356)  — 

In  Schleswig-Holstein  sind  zwei  umfangreiche  Veröffentlichungen 
erschienen,  die  die  bedeutendste  Stadt  des  Landes,  Kiel,  in  zwei  sehr  verschiedenen 
Perioden  vorführen.  Reuters 351)  Einleitung  zum  Kieler  Rentebuch  giebt  in  Ver- 
wertung des  aus  der  Zeit  von  1300—1487  stammenden  Textes  kurze' Mitteilungen 
über  Topographie,  Besiedelung  und  Wirtschaftsleben.  —  Mau35^)  schildert  in  breitester 
Ausführung  die  auf  den  verschiedensten  Gebieten  bewährte  Thätigkeit  der  bereits 
1793  gegründeten  Gesellschaft  der  Armenfreunde.359)  — 

Für  0  1  d  en  b  u  r  g36oj  Hegt  das  mustergültige  Werk  von  Kollmann 36 1) 
vor,  das  in  gleich  umfassenden  wie  gründlichen  Untersuchungen  den  Nachweis  von 
dem  Aufschwung  des  Landes  während  der  letzten  40  Jahre  erbringt,  vornehmlich 
auf  dem  Gebiet  der  Meliorationen  und  des  Verkehrswesens  sowie  in  der  Steigerung 
des  Volksvermögens.  Das  Hülfsmittel  graphischer  Tafeln  für  die  Klarlegung  der 
verschiedensten  Kulturverhältnisse  ist  übersichtlich  zur  Anwendung  gelangt.  Be- 
sonders interessant  ist  die  Untersuchung   über  das  friesische  Element.  —  In  O  s  t  - 


X,  405  S.  M,  '".,00.  |[NationB.  10,  S.  36,8:  BLU.  S.  83,5:  DR.  2,  S.  142;  Bär  19,  S.  704/6.]|  (L'Athenes  de  la  Spröe  par  un 
Beotien.  Paris,  Savine.  VIT,  396  S.)  —  338)  X  C.  Bolle,  Fragment  aus  Leuiingers  Topographia  Marchiae.  Uebertr.  aus  d. 
lat.  Urtext:  Bär  19,  S.  320/3,  327-30,  340,3,  352,5,  366,8,  379-81,  394/5,  403/5.  —  339)  X  Aus  d.  Gesch.  Nauens:  ib.  S.  44  6, 
56/8,  69-71.  —  340)  P.  van  Niessen,  Gesch.  d.  Stadt  Woldenberg  i.  N.  Her.  v.  d.  Falbeschen  Stiftung  beim  Gymnasium  zu 
Stargardi.  P.  Stettin,  Burmeister.  X,  511  S.  M.  6,00.  |[J.  Heideraann:  FBPG.  6,  S.  300  2.]  |  —  341)  E.  Hanncke,  Köslin  im 
15.  Jh.  Progr.  Köslin.  28  S.  —  342)  X  W.  Raabe,  Mecklenburg.  Vaterlandskunde.  2.  Aufl.  Verb.  u.  vervollst,  v.  G.  Quade. 
Bd.  1.  Wismar,  Ilinstorff.  VI,  1509  S.  M.  13,00.  —  343)  G.  v.  Buchwald,  Bilder  aus  d.  volkswirtsch.  u.  polit.  Vergangen- 
heit Mecklenburgs  1631-1708.  Neustrelitz,  Jacoby.  V,  138  S.  M.  2,25.  —  344-345)  M.  Hoffmann,  Gesch.  d.  freien  u.  Hanse- 
stadt Lübeck  (vgl.  JBL.  1892  I  4:621).  IfK.  Koppmann:  HansGBll.  21,  S.  1414;  LCBl.  S.  7834.]|  -  346)  O  C.  Schumann, 
Beitrr.  z.  Lübeck.  Volkskunde:  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  95  6.  (Vgl.  I  5:47.)  —  347)  W.  v.  Bippen,  Gesch.  d.  Stadt  Bremen 
(vgl.  .TBL.  1892  I  4:6281.  iJWeserZg.  N.  16819;  MHL.  21,  S.  3147;  LCBl.  S.  637,8.]I  —  348)  X  W.  Kollhoff,  Grundriss  d. 
Gesch.  Hamburgs.  3  Aufl.  Hamburg,  Herold.  80  S.  M.  0,70.  —  349)  X  G-  Kriegsmann,  Charakteristisches  v.  Ham- 
burger Staatswesen:  DWBl  S.  2459.  —  350)  W.  Nathansen,  Aus  Hamburgs  alten  Tagen.  Ernste  u.  heitere  Mitteilungen. 
Hamburg,  Jürgensen.  136  S.  M.  2,00.  -  351)  X  C.  Gaedechens,  D.  HerrenstaH  u.  d.  Reiten-Diener:  ZVHambG.  9,  S.  517-56. 
352)  X  A.  Wohlwill,  Hamburg  während  d.  Pestjahre  1712-14.  Aus  JbHambWissAnst.  Hamburg,  Gräfe  n.  SiUem.  118  S. 
M.  2,40.  —  353)  W.  Mielck,  Vergangenheit  a. 'Zukunft  d.  Sammlung  Hamburg.  Altertümer.  Hamburg,  Voss.  69  S.  M.  0,80. 
—  354)  X  H-  Haase,  Malerische  Ecken  u.  Winkel  Hamburgs.  20  Zeichnungen  in  Lichtdr.  2  Aufl.  Hamburg,  Boysen.  Fol. 
M.  20,00.  —  355)  Ph.  Kniest,  Kaufleute  und  Schiffer.  Erzählungen  u.  Bilder  aus  d.  Handels-  u.  Seeleben.  2  Bde.  Olden- 
burg, Stalling.  1892.  III,  211  S.;  III,  195  S.  M.  5,50.  |[ThLBl.  14,  S.  252.]|  -  356)  X  Charlotte  Niese,  Aus  dänischer 
Zeit.  L,  Grunow.  1892.  239  S.  M.  3,00.  ]|DR.  1,  S.  143.J|  -  357)  Chr.  Reuter,  D.  ältesie  Kieler  Rentebuch  (1300-1487). 
Mit  1  Karte.  Kiel,  Eckardt.  CXII.  423  S.  M.  9,00.  IfLCBl.  S  1100/1  I|  -  358)  H.  Mau,  D.  Ges.  freiwilliger  Arraenfreunde 
in  Kiel  1793-189.3.  2  Bde.  ib.  236  S.;  .3.38  S.  M.  7,00.  —  359)  X  L.  HeUwig,  Grundriss  d.  Lauenburg.  Geschichte. 
2.  Aufl.  Ratzeburg,  M.  Schjridt.  1892.  VIII,  45  S.  M.  0,60.  |[Heimat  3,  S.  116/7.]|  —  360)  G.  Hello,  Beitrr.  z.  Gesch.  des 
Landes  Würden.  Oldenburg,  Stalling.  1891.  IX,  94  S.  M.  2,40.  |[HZ.  34,  S.  341,2.]|  -  361)  P.  Ko  11  mann,  D.  Herzogtum 
Oldenburg  in  seiner  wirtschaftl.  Entwicklung  während  d.  letzten  40  J.     Mit  12  Taf.  ebda.  VIII,    608  S.     M.  10,00.    |[WeserZg. 


I  4:362-391  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

friesland  hat  neben  einigen  allgemeinen  Schilderung'en362-363j  Fürbringers  Buch 
über  Emden  (vgl.  JBL.  1892  I  4  :  632)  Besprechungen^^*)  gefunden.  —  Der  schönen 
Publikation  des  Grafen  zu  Inn-  und  Knyphausen^e^aj  wurde  schon  gedacht.  — 

In  Hannover  hat  Wittingen  für  Kayhausen^^^)  den  Stoff  kleinerer 
Schilderungen  geboten.  —  In  Osnabrück  hat  Forst^^^)  weitere  Aufzeichnungen  des 
Senators  Wagner  aus  den  J.  1800—11  veröffentlicht,  die  lebendig  den  Eindruck  der 
französischen  Besatzung  wiedergeben.  —  Das  reiche  Material  Hildesheims  hat  mehr- 
fache Bearbeitung  gefunden^e^-^es^.  Besonders  sei  hier  der  im  5.  Bande  des  ürkunden- 
buchs  durch  Döbner^^o)  ans  Licht  geförderten  Stadtrechnungen  gedacht  als  einer 
unerschöpflichen  kulturhistorischen  Quelle.  — 

Schultzes^'^o)  Bibliographie  der  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen 
giebt,  zumal  bei  grösseren  Städten,  auch  solche  kultur-,  besonders  finanzgeschicht- 
licher Art.  —  Die  von  Dittmar^''^)  gewürdigten  beiden  ältesten  Magdeburgischen 
Topographen  —  Torquatus  im  16.,  Alvensleben  im  17.  Jh.  —  enthalten  einzelne 
Notizen  über  Landesprodukte  wie  den  berühmten  Sauerkohl.  —  Für  die  „Speckseite" 
in  Aschersleben  weiss  Strassburger^^'")  nur  eine  sagenhafte  Erklärung  anzuführen. 

—  Den  Namen  Salzwedel  leitet  Luther3'2)  nach  sprachlichem  Analogieschluss  ab 
von  waten  =  Salzfurt.  —  Die  von  Zahn3''3)  abgedruckte  „Willkür"  von  Tangermünde 
von  1639  giebt  ein  Bild  der  Verwaltung  und  des  bürgerlichen  Lebens.  —  Hertz- 
bergs^'4)  schönes  Werk  über  Halle  hat  mit  dem  S.Bande  seine  Vollendung  erreicht. 
Stehen  auch  in  diesem  den  vorigen  gleichwertigen  Teil  Universität  und  Saline 
im  Vordergrunde,  so  erfahren  doch  auch  die  übrigen  gewerblichen  und  socialen 
Einrichtungen  eingehende  Würdigung.  Hervorzuheben  sind  das  Zeitungswesen  und 
der  Kampf  der  Universität  gegen  das  Schauspiel  im  vorigen  Jh.  —  Für  Audenhain 
giebt  Dieckmann^^s)  eine  nützliche  Darstellung  der  Wirkungen  des  30jährigen 
Krieges,  indem  er  die  Zustände  vorher  und  die  Wiederherst  ellungsarbeiten  schildert.^'ö"^") 

—  Die  vorzüglich  übersichtliche  Geschichte  Erfurts  von  Beyer^'^)  enthält  nur  die 
Verfassungsentwicklung.3'9)  — 

Im  Königreich  Sachsen  haben  mehrere  Städte  den  Stoff  zu  Gesamt- 
darstellungen geboten,  so  Dresden^so-ssi^^  Pillnitz^^^^  und  Seifhennersdorf^^^).  —  Die 
Chronik  Grossenhains,  von  Seh  über  th^^'*)  bearbeitet  und  durch  die  Munifizenz  des 
Herrn  Zschille  prachtvoll  ausgestattet,  ist  vom  engsten  lokalen  Interesse,  von  weiterem 
nur  der  Inhalt  des  Amts-Erbbuches  von  1547  (S.  159),  das  die  Leistungen  der  Unter- 
thanen  aufführt,  und  die  Ordnungen  der  Armbrust-  und  Büchsenschützen  von  1617 
und  1673  (S.  260).  —  Die  Abhandlungen  der  Chemnitzer  Jubiläumsschrift  von 
Uhlc"^^^)  haben  einzeln  ihre  Würdigung  gefunden. '^^^  '^^^)  — 

Für  Thüringen  äussert  sich  HerteT^^oj  ^.u  der  vielumstrittenen  Benennung 
des  Rennsteigs,  den  er  als  Weg  der  berittenen  Patrouillen  erklärt.  —  Hodermann^oi) 
unternimmt  einen  flüchtigen  Gang  durch  die  Geschichte  des  Schlosses  Friedenstein, 
dessen  Besitzer  seit  der  Gründung    durch  Ernst  den  Frommen  Interesse  für  Kunst 


N.  16629.]!  —  362)  X  ö.  Gödel,  Land  u.  Leute  in  Ostfriesland:  Gienzb.  2,  S.  449-58;  3,  S.  72-80.  -  363)  X  A.  Henschel, 

D.  Nordfriesen:  EKZ.  S.  472,6.  —  364)  X  DLZ.  S.  1584;  BLU.  S.  14.  —  364a)  (S.  o.  N.  263a.)  -  365)  G.  Kayhausen, 
Aus  Wittingens  Vergangenheit.  Gifhorn,  Schulze.  65  S.  M.  1,00.  —  366)  H.  Forst,  Osnabrück  in  d.  J.  1800-11.  Aufzeich- 
nungen d.  Senators  Wagner.  Osnabrück,  Kiesling.  12".  36  S.  M.  0,60.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:639.)  —  367)  X  Oldekops 
Chronik  (vgl.  JBL.  1892  I  4:637.J:  HPBll.  112,  S.  157-68,  263-78.  —  367a)  X  W.  Grube,  Oldekop  u.  d.  Stift  Hildesheim: 
ib.  S.  397-407.  —  368)    K.  Enling,  Bilder  aus  Hildesheiras  Vergangenheit  (vgl.  JBL.  1892  I  4:637):    DLZ.  S.  10712.    -     369) 

E.  Döbner,  Urkundenbuch  der  Stadt  Hildesheim.  5.  T.  Hildeshelm,  Gerstenberg.  XIU,  715  S.  M.  18,00.  —  370)  Walth. 
Schnitze,  Geschichtsquellen  der  Provinz  Sachsen  im  MA.  u.  in  d.  Reformationszeit.     Halle  a.  S.,  Hendel.     VU,  202  S.    M.  4,00. 

—  371)  M.  Dittmar,  D.  beiden  ältesten  Magdeburgisch.  Topographen:  ALVKS.  3,  S.  1-39.  —  371a)  E.  Strassburger, 
Heimatskunde  V.  Aschersleben,  Progr.  Aschersleben,  (Wedel).  4".  16  S.  —  372)  J.  Luther,  D.  Name  Salzwedel :  MagdZg'*. 
N.  27/9.  —  373)  W.  Zahn,  D.Willkür  d.  Stadt  Tangermünde:  JBAltmärkVG.  23,  S.  106-31.  —  374)  G.  Hertzberg, 
Gesch.  d.  Stadt  Halle  a.  S.  von  d,  Anfängen  bis  z.  Neuzeit.  III.  Halle  während  d,  18.  u.  19.  Jh.  (1717-1829).  Halle  u.  S, 
Waisenhaus.  X,  656  S.  M.  7,50.  |[SLU.  S.  685;6;  FBPG.  6,  S.  321,2.J|  —  375)  Chrn.  Dieckmann,  Audenhain:  MTorgauGV.  6, 
S.  1-30. —  376)  O  Hugo  Wagner,  Wittenberg  in  Dichtung  u.  Sage.  Festgabe  z.  28.  Juni,  als  d.  Tage  des  600j.  Stadtjubil. 
Wittenberg,  Wunschmann.  71  S.  M.  1,00.  |[ThLBl.  14,  S.  297,8,]|  (Vgl.  I  10;  48.)  -  377)  X  E.  Mylius,  D.  Kreise  Delitzsch 
u.  Bitterfeld  in  alten  Zeiten.  Delitzsch,  Pabst.  42  S.  M.  0,80.  —  378)  C  Beyer,  Gesch.  d.  Stadt  Erfurt  bis  z.  Unterwerfung 
unter  d.  mainzische  Landeshoheit  1664:  (=  NjbllHKSachsen.  N.  17).  Halle  a.  S.,  Hendol.  52  S.  M.  1,00.  —  379)  X  Ber- 
nardus  Americanus,  Aus  Eichsfelds  Vorzeit  in  Gesch.  u.  Sage.  Heiligenstadt,  Cordier.  12".  XII,  192  S.  M.  4,50.  — 
380)  X  H.  Elm,  Dresden.  Schilderungen  u.  Bilder  aus  Sachsens  Haupt-  u,  Residenzstadt.  Mit  42  Illustr.  Dresden,  Union. 
111,  75  S.  M,  2,00.  —  381)  X  B-  Krause,  D.  gesch.  Entwicklung  d.  kgl.  Haupt-  u.  Residenzstadt  Dresden  vom  sorbischen 
Dorfe  bis  "z.  Grossstadt  2  Hefte.  Mit  10  Skizzen.  140  Illustr.  Dresden,  Huhle.  XI,  168,  116  S.  M.  4,00.  -  382)  X 
A.  V.  Minckwitz,  Gesch.  v.  Pillnitz  vom  J.  1403.  Aus  hinterlassenen  Papieren.  Mit  7  Lichtdr.-Taf.  Dresden,  Baensch. 
IX,  128  S.  M.  4,00.  —  383)  X  0.  Kind,  Gesch.  v.  Seifhennersdorf.  Her.  vom  Gemeinderat.  Mit  3  Lichtdr.  Zittau,  Oliva. 
204  S.  M.  1,75.  —  384)  G.  Schuberth,  Chronik  d.  Siadt  Grossenhain  vom  J.  1088  bis  auf  d.  Gegenw.  lU.  v.  Zschille. 
Grossenhain,  Hentze.  4".  IV,  426  S.  M.  18,00.  -  385)  Festschrift  z.  750 j.  Jubil.  d.  Stadt  Chemnitz.  Her.  v.  P.  Uhle.  Als 
Bd.  VIII  d.  MVGChemnitz.  Chemnitz,  0.  Mai.  XXL  92  S.  M.  3,50.  (S.  o.  N.  129,  226,  231;  s.  u.  N.  505,  532.)  —  386)  O 
R.  Hof  mann,  Reformationsgesch.  d.  Stadt  Pirna.  Nach  urkundl.  Quellen:  BSächsKG.  8,  S.  1-329.  —  387)  X  A-  Lippold, 
Erinnerungen  e.  alten  Leipzigers.  Humorist.  Chronika  aus  Leipzigs  jüngerer  Vergangenheit.  Mit  Zeichnungen  v.  R.  Wolf.  I. 
L.,  Lenz.  40  S.  M.  0,60.  —  388)  X  Plauen  sonst  u.  jetzt.  Chronikalisches,  Topographisches,  Statistisches.  Plauen  i.  V., 
Neupert.     16".     11,  114  S.     M.  0,25.  —  388a)  X  Th.  Distel,  Tumult  in  Freiberg  d.  15.  Jan.  1064:  MFreibergAV.  30,  S.  106,7. 

—  389)  X  A.  Kieasling,  D.  alten  Burgen  u  Rittersitze  um  Freiberg:  ib.  29,  S.  1-34.  —  390)  L.  Hertel,  D.  Name  d. 
Rennsteigs:   ZVThfirG.  8,   S.  419-4.5.  —  391)  R.  Hodermann,    Schloss  Friedenstein  1643-1893.     Gothm   Goetsch.     16».    32  S. 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  392-429 

und  Wissenschaft  bethätig'ten.392-394^  —  Einerts  hübsches  Buch  über  Arnstadt  ist 
nach  Verdienst  gewürdig-t  worden. ^95)  — 

Künzels  Werk  über  Hessen,  ein  schönes  Denkmal  warmer  Heimatliebe, 
ist  von  Soldan^''^)  neu  herausgegeben  worden.  Von  Wert  sind  unter  der  reichen 
FüUederKulturbilder  besonders  die  gleichzeitigen  Quellen  entnommenen.  —  Unter  einer 
Zahl  kleinerer  Lokalstudien39"402j  ist  der  2.  Teil  von  Demmes^*'^)  Werk  über  Hers- 
feld zu  nennen.  In  anerkennenswerter  Beschränkung  auf  Regesten  enthält  es 
interessante  Mitteilungen  aus  den  Stadtrechnung'en ;  so  in  den  Beilagen  die  Liste  der 
Arbeitslöhne  aus  dem  17.  Jh.  und  die  Taxe  des  Nachrichters  von  1754.  —  Von  den 
rheinhessischen  Städten  birgt  die  reiche  und  wertvolle  Quellensammlung  für  Worms 
von  Boos'*'^^^')  einen  Schatz  kulturgeschichtlichen  Stoffes,  unter  denen  das  Tagebuch 
des  Bürgermeisters  Noltz,  eines  energischen,  vielgewandten  Mannes  um  die  Mitte  des 
15.  Jh.  einen  schätzenswerten  Beitrag  zu  dieser  Litteratur  bildet.  Es  erwähnt  z.  B. 
1494  Bilder  aus  der  Heldensage  am  Gebäude  der  Münze.  — 

Aus  der  wertvollen  Sammlung  von  Aufsätzen  zur  Geschichte  Westfalens'*'**) 
fällt  in  unsere  Periode  nur  der  von  Detmer***-^)  über  Hermann  von  Kerssenbroicks 
Ortsgeschichte  von  Münster.  —  Der  zweite  Teil  von  Darpes"***®)  Werk  über  Bochum 
bietet  eingehende,  auf  archivalischem  Material  beruhende  Mitteilungen  über  bürger- 
liches Leben  in  dem  17.  Jh.,  das  wegen  der  Kriegsleiden  für  die  Stadt  besonders 
schwer  war,  und  über  den  Aufschwung  unter  preussischer  Verwaltung.*«''-*»»)  — 

Auch  im  Rheinland  sind  die  Städte  Hauptgegenstand  des  Interesses. 
Der  heftige  Angriff  von  Lulves*'«)  hat,  wie  zu  erwarten,  Aufsehen  erregt.* i')  —  Die 
Geschichte  Jülichs  von  Kuhl*'^)  jj^t  im  2.  Teil  Fortsetzung  bis  1742  erfahren.*'^) 
—  Das  Werk  von  Jacobs*^*)  über  das  ehemalige  Stift  Werden  hat  Nachrichten  zur 
Schulgeschichte,  das  von  Joesten*'^)  zur  alten  Bergischen  Amts  Verfassung,  der  von 
Borheck *'öj  besorgte  Neudruck  zur  Geschichte  der  1655  g-egründeten  Duisburger 
Universität  geliefert.*' '~*'9j  —  Einen  grösseren  Landstrich  behandelt  Heyns*-")  Arbeit 
über  den  Westerwald,  die  zwar  unter  dem  Vielerlei  leidet,  aber  gute  Nachrichten  über 
die  materielle  Kultur  bietet,  so  über  die  erste  Ochsenbespannung  1612.  —  Mit  Frank- 
furt beschäftigen  sich  mehrere  Werke  allgemeinerer  Richtung.*- ^"*^3)  — 

Für  die  Reichslande  und  Baden  sind  zunächst  mehrere  nicht  eigent- 
lich der  Wissenschaft  zugehörige  Arbeiten  zu  nennen.*^*"*^»)  —  Neben  der  amtlichen 
Publikation   von  Weechs*^»)  über  Karlsruhe  hat  Freiburg  eine   kurze  Darstellung 


M.  1,00.  —  392)  X  G-  Reinhardt,  Gesch.  d.  Marktes  Gräfentonna.  Mit  4  Ansichten,  3  Plänen  u.  2  Geschlec htstaf.  Z. 
Feier  d.  200j.  Jubil.  d.  Kirche  S.  Petri  n.  Pauli.  Langensalza,  Wendt  u.  Klauwell.  VUI,  337  S.  M.  4,00.  —  393)  X 
F.  Trink  s,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Herzogt.  Sachsen-Meiningen-Hildburghausen.  (=:  Schriften  d.  Yer.  für  Meining,  Gesch.  u. 
Landesk.  N.  14.)  Meiningen,  L.  v.  Eye.  97  S.  M.  3,00.  —  394)  O  B.  Liebermann,  Geschichtliches  aus  Judenbach.  E. 
Quellenforschung  als  Beitr.  z.  Welt-,  Kultur- u.  Kirchengesch.  Jndenbach,  Selbstverl.  V,  117  S.  M.  1,50.  —  395)  E.  Einert, 
Aus  d.  Papieren  e.  Rathauses  (vgl.  JBL.  1891  I  4:345).  |[NASächsG.  14,  S.  159;  KBGV.  41,  S.  32.)|  -  396)  H.  Kanzel,  Gross- 
herzogt.  Hessen.  Lebensbilder  aus  Vergangenheit  u.  Gegenwart.  2.  Aufl.  Her.  v.  V.  Sold  an.  Giessen,  Roth.  XIII,  786  S. 
Mit  1  Bild.  M.  8,00.  —  397)  X  J-  Hillebrand,  Z.  Gesch.  d.  Stadt  u.  Herrschaft  Limburg  a.  d.  Lahn.  IV.  Progr.  Hadamar. 
4».  22  S. --398)  X  C.  Ebel,  D.  Cistercienser  in  Oberhessen.  Vortr.:  MOberhessGV.  4,  S.  123|7.  —  399)  X  A..  Roeschen, 
Z.  Gesch.  V.  Laubach:  ib.  S.  136-40.  —  400)  X  E.  Lohmeyer,  Verzeichnis  neuer  hessischer  Litt,  (vgl,  JBL.  1892  I 
3:60):  DLZ.  S.  11389.  —  401)  O  J.  Schneider,  Hessische  Städte  u.  hess.  Land  vor  100  J.  L  Fulda:  Hessenland  7, 
S.  2863,  299-302,  3124.  —  402)  X  0.  Schaaf,  E.  im  19.  Jh.  ausgegangenes  Dorf:  MOberhessGV.  4,  S.  127-30.  —  403) 
L.  Derame,  Nachrichten  u.  Urkunden  zur  Chronik  von  Hersfeld.  Hersfeld,  H.  Schmidt.  360  S.  M.  4,50.  —  403a)  Monu- 
menta  Wormatiensia.  Annalen  u.  Chroniken  her.  durch  H.  Boos.  Mit  Karte  u  6  Lichtdrucktaf.  (—  Quellen  z.  Gesch.  d. 
Stadt  Worms  HI).  B.,  Weidmann.  XLVIII,  726  S.  M.  25,00.  —  404)  Ans  Westfalens  Vergangenheit.  Beitrr.  z.  polit.  Kult.- 
u.  Kunstgesch.  v.  G.  v.  Below,  H.  Detmer,  G.  v.  Detten,  W.  Effraann,  H.  Finke,  Ilgen,  F.  Jostes.  Münster, 
Regensberg.  IV,  128  S.  Mit  4  Taf.  M.  1,50.  —  405)  H.  Detraer,  Hermann  von  Kerssenbroick.  Seine  Beschreibung  d. 
Mnnsterschen  Doms.  (=  N.  404,  S.  47-64.)  —  406)  F.  Darpe,  Gesch  d.  Stadt  Bochum.  II.  Bochum  in  d.  Neuzeit. 
1618-1740.  Progr.  d.  Gymn,  Bochum,  (Stumpfj.  140  S.  —  407)  X  C-  Hirs  chberg,  Gesch.  d.  Grafschaft  Moers.  Moers, 
Spaarmann.  III,  123  S.  M.  1,00.  —  408)  X  K.  Franke,  Westfalen.  E.  Heimatskunde.  2  Aufl.  Bielefeld,  Helmich.  101  S. 
M.  0,70.  (Für  elementare  Ansprüche.)  —  409)  (S.  o.  N.  101.)  —  410)  J.  Lulves,  D.  gegenwärt.  Geschichtsbestrebungen  in 
Aachen  (vgl.  JBL.  1892  14:683).  |[W.  Wattenbach:  DLZ.  S.  75  6 ;  H.  Delbrück:  PrJbb.  71,  S.  537  9;  LCBl.  2112, 
1781,2.]|   -    411)  X  E.  Pauls,  Z.  Gesch.  d.  Erdbeben  im  17.  u.  18.  Jh.  i.  d.  Aachener  Gegend:  AnnHVNiederrh.  .56,    S.  91-115. 

—  412)  J.  Kühl,  Gesch.  d.  Stadt  Jülich,  insbes.  d.  früheren  Gymn.  II  (1660-1742).  Jülich,  Fischer.  VI,  322  S.  M.  4,00. 
,[LCB1.S.  1070,  l.Ji —  413)  X  K.  Tücking,  Gesch.  d.  Stadt  Neuss  (vgl.  JBL  1892  I  4:680):  HZ.  34,  S.  3259.  -  414)  P.  Jacobs, 
Gesch.  d.  Pfarreien  i.  Gebiete  d.  ehemaligen  Stifts  Werden  an  d.  Ruhr  I.  Düsseldorf,  Schwann.  232  S.  M.  4,00.  |[LCB1. 
S.  9123;  LRs.  19,  S.  3334.]|  —  415)  J.  Joesten,  Z.  Gesch.  d.  Schlosses  Windeck:  ZBergGV.  19,  S.  133-59.  —  416)  A.  Bor- 
heck, Versuch  e.  Gesch.  d.  Stadt  Duisburg  am  Rhein.  Duisburg  1800.  Duisburg,  Schmitz.  64  S.  M.  0,60.  (Neudruck.)  — 
417)  X  0-  Redlich,    Denkschrift  d.  Maire  Westerraann  zu  Wesel,    d.   Kaiser  Napoleon  überreicht:    BGNiederrh.  7,    S.  3014. 

—  418)  X  G-  Bloos,  D.  Rentmeister  v.  Düsseldorf:  ib.  S.  63  6.  —  419)  X  H.  Ferber,  D.  Gemarken  im  Amte  Angerraund: 
ib.  S.  67-99.  —  420)  E.  Heyn,  D.  Westerwald  n.  seine  Bewohner  v.  d.  ältesten  Zeiten  bis  heute.  Mit  hist.  Karte.  Marien- 
berg, Selbstverl.  VIII,  300  S.  M.  4,00.  —  421)  X  F-  Herber,  E.  Gang  durch  d.  Gesch.  Frankfurts.  Frankfurt  a.  M., 
Knauer.  40  S.  M.  0,30.  —  422)  X  H.  Bleicher,  D.  Bewegung  d.  Bevölkerung  im  J.  1891.  (=  Beitrr.  z.  Statistik  d. 
Stadt  Frankfurt  a.  M.  Heft  2.)     Frankfurt  a  M.,  Sauerländer.     IV,  64  S    XLIII  S.  Tab.  mit  1  graph  Taf.  M.  1,00.  |[LCB1.  S.  46|7.J 

—  423)  X  A.  Koch,  Aus  Frankfurts  Vergangenheit.  Architekturstudien  nach  d.  Natur  gezeichnet  u.  beschrieben.  25  Licht- 
drucktaf. Mit  7  S  Text.  Frankfurt  a.  M.,  Keller.  Fol.  M.  25,00.  —  424)  X  E.  Besuch  in  Strassburg  im  J.  1831  :  DWBl. 
S.  475;6.  —  425)  X  A.  Holder,  Michel  Back  u.  seine  kulturgesch.  Dialektdichtung:  Alemannia  21,  S.  15.  —  426)  X 
W.  Sommer,  Elsäss.  Geschichten  (vgl.  JBL.  1892  IV  3:121|2):  Gegenw.  44,  S.  366.  —  427)  X  J-  Levy,  Gesch.  d.  Klosters, 
d.  Vogtei  n.  Pfarrei  Herbitzheim.  Strassburg  i.  E.  (Saargemünd,  E.  Schmitt).  XIX,  288  S.  M  2,50.  [[PolybibU'.  67,  S.  450.]| 
428)  X  M.  Werder,  Fmnzös.  Lob  aus  deutschem  Munde:  StrassbPost.  N.  228.  —  429)  O  F.  ▼•  Weech,  Karlsruhe.  Gesch. 


I  4  :  430-460  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

erfahren,  die  wegen  ihrer  Vf.  nicht  ohne  Interesse  ist.  Es  sind  sechs  Schüler  des 
Lyceums  von  Vesoul,  die  unter  Leitung  des  Professors  Maigniez^^'^)  drei  Wochen  in 
Freiburg  zugebracht  haben,  um  sich  in  der  deutschen  Sprache  zu  vervollkommnen. 
Wenn  man  bei  jungen  Leuten  von  noch  nicht  18  Jahren  von  der  Forderung  gereiften 
Urteils  absieht  und  einzelne  chauvinistische  Anwandlungen  in  diesem  Alter  erklär- 
lich findet,  kann  man  an  der  guten  Beobachtung  und  Frische  der  Anschauung  seine 
Freude  haben. 43i-434j  _ 

Die  Gesamtdarstellung*35^  der  Geschichte  Württembergs  ist  in  dritter 
Auflage  er  schienen.  4  3")  —  Kapff^-''')  giebt  eine  übersichtliche  Darstellung  der  starken 
schwäbischen  Einwanderung  nach  Amerika  von  der  Beteiligung  an  den  ersten  nach 
Südamerika  gerichteten  Goldreisen  und  den  ersten  Kolonien  im  Staate  New -York, 
anziehend  durch  Stücke  aus  gleichzeitigen  Berichten.  — 

Unter  den  zahlreichen  Veröffentlichungen  Bayerns  ist  zunächst  eine  Anzahl 
solcher  zu  nennen,  die  grösseren  Gebieten  zugewendet  sind^"^^"**-').  —  Im  besonderen 
mit  dem  Volk  beschäftigen  sich  mehrere  bekannte  Autoren.  Stieler^*"*)  giebt  in 
edler  Sprache  Bilder  aus  dem  äusseren  wie  inneren  Leben  der  Altbayern,  die  Gegen- 
wart aus  der  Vergangenheit  erläuternd.  —  Peetz^*^)  verwendet  in  einem  zweiten 
Bande  seine  reiche  Volkskenntnis  novellistisch ;  kulturgeschichtlich  von  Wert  ist  der 
in  Form  einer  Erzählung  eingekleidete  Inhalt  einer  Urkunde  über  Hegung  des 
Landschrannengerichts.  —  Sepp*'*^)  bringt  wieder  eine  bunte,  an  Ueberfülle  leidende 
Sammlung,  die  neben  vielen  Spinnstubengeschichten  auch  eine  Menge  verstreuter 
Züge  besonders  zur  Rechts-  und  Jagdgeschichte  enthält.  —  Unter  der  grossen  Menge 
der  einzelnen  Städten  gewidmeten  Arbeiten,  in  denen  meist  nur  zerstreut  kultur- 
geschichtliches Material  zu  finden  ist^^''"*^^),  sei  als  rechtes  Beispiel  die  Studie 
Westermayers^^'')  über  Tölz  genannt.  In  dem  bunten  Allerlei  der  Erzählung 
taucht  die  interessante  Nachricht  auf,  dass  1640  zum  ersten  Mal  im  Tanzhaus  ein 
Gemeindetheater  aufgeschlagen  wurde  und  200  Jahre  bestand.  —  Trautmanns^^s  458a^ 
lebendige  Schilderungen  aus  dem  Tagesleben  des  alten  München  reichen  doch  oft  in 
das  Gebiet  der  Schnurre  hinein;  seine  Erklärung  der  in  München  zahlreich  vor- 
handenen Wahrzeichen  wäre  dankenswerter  ohne  den  gesucht  volkstümlichen  Ton. 
—  Kamann*^"J  in  seiner  gründlichen  Untersuchung  der  Fehde  Götz  von  Berlichingens 
mit  Nürnberg  und  Bamberg  lässt  diesen  als  wenig  romantischen  Vertreter  des  zer- 
fallenden Rittertums  erscheinen.  —  Hildenbrand*^**)  giebt  Nachrichten  von  der 
Industrieblüte  Frankenthals  (Pfalz)  im  16.  Jh.  — 


d.  Stadt  u,  ihrer  Verwaltung.  1.  Lfg.  Mit  5  Taf.  Karlsruhe,  Macklot.  S.  1-80.  M.  1,00.  —  430)  M.  Maigniez,  Excursion 
en  Allemagne  de  six  lyceens  accompagnes  de  leur  professeur.  Vesoul  (Oival).  1892.  H,  69  H.  (Sonderabdr.)  —  431)  X 
F.  Schäfer,  Wirtschafts-  n.  Finanzgesch.  d.  Reichsstadt  Ueberlingen  am  Bodenaee  1550-1628.  (=  Untersuchungen  z.  dtsch. 
Staats-  u.  Eechtsgesch.  her.  v.  0.  Gierke.  N.  44.)  Breslau,  Koebner.  XII,  196  S.  M.  7,00.  |[A.  Schulte:  ZGORh.  8,  S.  720,2.1|  — 
432)  X  J-  G.  Mayer,  Kleine  Beitrr.  z.  Gesch.  d  Bischöfe  v.  Konstanz  im  16.  Jh. :  KathSchwBll.  9,  S.  223-40.  —  433)  O  Mit- 
teilnngen  z.  Gesch.  d.  Heidelberger  Schlosses.  Her.  v.  Heidelberger  Sohlossver.  3  Bd.  I.Heft.  Mit  5  Taf.  Heidelberg,  Groos. 
IV,  128  S.  M.  3,00.  -  434)  O  Neues  Arch.  f.  d.  Gesch.  d.  Stadt  Heidelberg  u.  d.  rhein.  Pfalz.  Her.  v.  A.  M  a  y  s  n. 
K.  Christ.  IL  Bd.  1.  u.  2.  Heft.  Heidelberg,  Koester.  S.  1-123.  M.  1,20.  |[W.  Wattenbach:  DLZ.  S.  333;  LCBl. 
S.  517I8.JI  —  435)  O  Illustr.  Gesch.  v.  Württemberg.  M.  Beitr.  v.  Dürr,  Th.  Ebner,  Geiger  etc.  3.  Aufl.  Erg.  u.  verm.  v. 
K.  Oesterlen.  Heft  1-20.  St.,  Südd.  Verl.-Inst.  S.  1-304.  ä  M.  0,25.  —  436)  X  C-  v.  Fischbach.  Erinnerungen  aus 
Alt-Hohenheim:  BBSW.  S.  97-104.  —  437)  P.  Kapff,  Schwaben  in  Amerika.  (=  Njbll Württemberg.  Her.  v.  J.  Hartmann, 
N.  10.)  St.,  Gundert.  48  S.  M.  1,00.  —  438)  O  J-  Endres,  Hist.-Statist.  Beschreibung  d.  Bistums  Augsburg:  HPBll.  111, 
S.  641/5.  —  439)  Schriften  d.  Ver.  f.  Gesch.  d.  Bodensees  u.  seiner  Umgebung.  21.  Heft.  Lindau,  Stettner.  IV,  293  S. 
1  Bildn.  M.  6,00.  —  440)  O   F.  L.  Baumann,  Gesch.  d.  Allgäu.     Heft  28,9.     (3.  Bd.)     Kempten,  Kösel.  S.  321-448.    äM.  2,40. 

—  441)  X  A.  Abert,  Franken.  E.  knlturgesch.  Skizze.  Progr.  Münnerstadt.  106  S.  —  442)  X  M.  Kaiser,  Gesch.  d.  Herr- 
schaft Breitenegg  u.  d.  Pfarrei  Breitenbrunn.  Amberg,  Habbel.  VIII,  104  S.  M.  1,00.  —  443)  X  0.  Steine),  Gesch.  d. 
bayer.  Frankenlandes.  Bamberg,  Buchner.  26  S.  M.  0,35.  —  444)  K.  Stieler,  Kulturbilder  aus  Bayern.  Mit  Vorw.  v. 
K.  Th.  Heigel.  St.,  Bonz.  IX,  272  S.  M.  4,80.  —  445)  H.  Peetz,  Chieragauer  Volk.  Erinnerungen  e.  Chieragauer  Amt- 
manns aus  seinem  Nachlass.  2.  (Schluss-)Bd.  L.,  Liebeskind.  III,  160  S.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:721.)  -  446) 
J.  N.  Sepp,  Denkwürdigkeiten  aus  d.  Bayeroberland  oder  176  Gesch.  aus  d.  Isarwinkel  u.  d.  Nachbarschaft.  München, 
Lindauer.  1892.  XVI,  875  S.  M.  3,00.  (Vgl.  I  5:18.)  —  447)  X  H.  Weber,  Z.  Gesch.  d.  Stadt  Bamberg:  JbGörresges. 
S.  24;9.  —  448)  X  Gesch.  v.  Gaimershelm :  SBlHVIngolstadt.  18,  S.  1-41.  —  449)  X  K.  Graf  v.  Rambaldi,  Gesch.  d. 
Schlosses  Eurasburg  u.  seiner  Besitzer:  OberbayrA.  48,  S.  1-86.  —  450)  M.  Pf  ist  er,  Schirnaidel  bis  .auf  d.  Gegenw.,  zugleich 

e.  Rückblick  auf  d.  Hochstift  Bamberg.  Aus  JBHVBambg.  Bamberg  (Dnckstein).  1892.  308  S.  M.  3,00.  —451)  A.  Schaffte  r, 
Würzburgs  Entwicklung  bis  in  d.  Zeit  d.  30 j.  Krieges.  (=  Beitrr.  z.  Entwicklungsgesch.  d.  Stadt  Würzburg  N.  1.)  Würzburg, 
A.  Stnber.  17  S.  M.  1,00.  —  451a)  G.  v.  Zürn,  Ueber  Würzburgs  Entwicklung  in  d.  letzten  30  J.  (=:  ebda.  N.  2.)  10  S.  — 
452)  X  Chrn.  Meyer,  Quellen  z.  Gesch.  d.  Stadt  Bayrentli.     Mit  Plan  v.  1621.     Bayreuth,  Giessel.     III,  XVL  248  S.    M.  5,00. 

—  452a)  X  M.  Bnff,  Augsburg  in  d.  Renaissancezeit.     Zeichnungen  v.  H.  v.  Berlepsch.     Bamberg,  Bnchner.     140  S.     M.  2,50. 

—  453)  X  E-  Hopp,  Chronik  v.  Kalchreuth.  Erlangen  (Nürnberg,  Raw).  20  S.  M.  0,25.  —  454)  X  Fr.  Sixt,  Chronik  d. 
Stadt  Gerolzhofen  in  Unterfranken.  2  Pläne  u.  Abbild.  Ans  AHVUnterfranken.  Würzburg,  Woerl.  175  S.  M.  3,00.  -  455)  O 
(ihm.  Meyer,  Enoch  Widmans  Chronik  d.  Stadt  Hof.    Nach  d.  Orig.-Hs.  her.    Hof,  Lion.    III,  112  S.    M.  2,00.    (Vgl.  auch  II  3.) 

—  456)  O  J.  Priem,  Gesch.  d.  Stadt  Nürnberg  v.  d.  ersten  urkundl.  Nachweis  ihres  Bestehens  bis  auf  d.  neueste  Zeit.  2.  Aufl. 
Her.  V.  E.  Reicke.  1.-8.  Lfg.  Nürnberg,  Raw.  S.  1-256.  a,  M.  0,40.  —  457)  G.  Westermayer,  Chronik  der  Burg  u.  des 
Marktes  Tölz.  2.  Aufl.  Mit  12  Abbild.  Tölz,  Dewitz.  VII,  319  S.  M.  4,00.  —  458)  F.  Trautmann,  Im  Münchener  Hof- 
garten. Oertliche  Skizzen  u.  Wandelgestalten  v.  einst.  Neue  (Titel-)Aufl.  München,  Galler.  X,  236  S.  M.  1,80.  —  458  a) 
id.,  AU- Münchener  Wahr-  u.  Denkzeiohen.  Neue  (Titel-)Aufl.  ebda.  VIU,  264  S.  M.3,20.  -  459)  J.  Kamann,  D.  Fehde  d. 
Götz  V.  Berlichingen  mit  d.  Reichsstadt  Nürnberg  u.  d.  Hochstift  Bamberg  1512-14.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  öffentl.  Zustände 
Frankens  nach  d.  ewigen  Landfrieden:  (=  Quellenschriften  n.  Abhandl.  z.  Staats-,  Kultur-  n.  Kunstgesch.  d.  Reichsstadt  Nürn- 
berg I).     Nürnberg,   Schräg.     VIII,    133   S.     M.  3,00.  ffMVGNürnberg   10,    S.  289-95.]|    —    460)   F.  Hildenbra  n  d,    Gesch.  d. 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  461-497 

In  der  Litteratur  über  Oesterreic  h''6i-462-)  t^itt  Wien  in  den  Vordergrund. 
Allerding-s  sind  es  ausser  Recensionen  über  Gug-lias^'^^'^^^)  Werke  meist  Skizzen^^^''^^') 
populärster  Art,  die  die  moderne  Stadt  der  Phäaken  feiern,  und  es  ist  höchst  erfreu- 
lich, dass  der  unwürdig-e  Zustand  der  lokalgeschichtlichen  Forschung  endlich  den 
Plan  eines  auf  breitester  archivalischer  Grundlage  ruhenden  Quellenwerkes  hat  reifen 
lassen^ös).  —  Burgerstein^^^'')  nimmt  aus  der  verbesserten  Aufstellung,  die  man 
pietätvoll  dem  alten  Wiener  Wahrzeichen  „Stock  im  Eisen"  hat  zu  teil  werden  lassen, 
Anlass  zu  einer  sorgfältigen  botanischen  und  historischen  Untersuchung.  Ihr  Resultat 
ist,  dass  der  Baumstumpf  einer  Fichte  angehört  und  wahrscheinlich  als  Zeichen  der 
an  seinem  Standort  beginnenden  ersten  Stadterweiterung  stehen  gelassen  wurde.  — 
In  Böhmen  hat  das  Egerland  zwei  dankenswerte  Monographien  Neubauers^^^'^'O) 
aufzuweisen.  Zählt  die  erste  detailliert  die  Bestandteile  eines  Bauernhofes  in  dialek- 
tischer Bezeichnung  auf,  so  giebt  die  zweite  einen  Beitrag  zum  Geistesleben  des 
Volkes,  da  schon  die  geringe  Zahl  der  meist  nach  der  Farbe  gewählten  Benennungen 
bezeichnend  für  den  Egerländer  ist,  der  in  ausgesprochener  Richtung  auf  das  Nütz- 
liche keine  Blumenzucht  treibt.'*^!"^'^)  —  Mehrere  Publikationen  sind  TiroH'^  *''**) 
gewidmet,  einzelne  Ungarn*"^),  Salzburg^^o^^  Steiermark^^i)^  Kärnten.^^^j  —  ^^g  treue 
Festhalten  der  Siebenbürger  an  deutscher  Art  hat  auch  eine  gediegene  Geschichts- 
forschung gezeitigt.  Die  Reden  von  Teutsch^^s)  auf  den  Versammlungen  des  Vereins 
für  Landeskunde  gewähren  den  klarsten  Ueberblick  über  die  Verteidigung  des 
Rechtsstandes  auf  dem  Klausenburger  Landtag  1791  und  in  der  Litteratur,  so  in 
Schlözers  Staatsanzeiger.  —  Der  Haushalt  Hermannstadts  zur  Zeit  Karls  VI.  erfährt 
durch  Herbert 4^*)  nach  den  Rechnungen  verschiedener  städtischer  Beamten  eine 
eingehende  Untersuchung,  — 

In  der  Schweiz  hat  sich  Oechslis*^^)  Quellenbuch  für  Haus  und  Schule  die 
Berücksichtigung  der  Kulturgeschichte  zum  Ziele  gesetzt.'*^^"^*'*)  —  Ein  kleiner 
ArtikeP^^)  zählt  die  freundlichen  Berührungen  der  Schweizer  mit  Preussen  und  den 
Hohenzollern  aus  früheren  Jhh.  auf.  —  Mit  einzelnen  Verhältnissen  Basels  beschäftigen 
sich  mehrere  Studien49o-492j_  _ 

Vom  verlorenen  Posten  der  Ostseeprovinzen  geben  einige  all- 
gemeine^^'^)  wie  besondere  Publikationen'*^^'^^')  eine  Kunde,  die  immer  von  neuem 
den  Verlust  eines  tüchtigen  Stückes  Deutschtum  bedauern  lässt.  — 

Klöster,  Stifter,  Orden.  Reiches,  wenn  auch  zerstreutes  und  selten 
wissenschafthch  verarbeitetes  Material  zur  Geschichte  der  Innern  wie  äussern  Kultur 


Stadt  Frantenthal  in  d.  Pfalz.  Mit  9  Illnstr.  FraDkenthal,  Christmann.  15  S.  M.  1,00.  —  461)  X  S.  Whitman,  Austria 
felix.  D.  Keich  d.  Habsburger.  Uebers.  v.  0.  Th.  Alexander.  B.,  C.UIrich&Ca.  VIII,  263  S.  M.  4,00.  [[ML.  S.  7046.][  (The 
realm  of  the  Habsbnrgs.  By  S.  Whitman  [=  Tanchnitz  Ed.  N.  2910.J  L.,  Tauchnitz.  278  S.  M.  1,60.)  -  462)  X  Bargen  n. 
Schlösser  in  Oesterreich.  6.-10.  (Schluss-)Lfg.  Text  v.  J.  Meurer.  Wien,  Heck,  ä  5  Bll.  mit  5  Bll.  Text,  ä  M.  8,00. 
([VelhugenKlasingsMh.  2,  S.  181-90.]|  —  463)  X  E.  Gnglia,  Gesch.  d.  Stadt  Wien  (vgl.  JBL.  1392  I  4:730):  Paedagogiam.  15, 
S.  139-40.  -  464)  X  id.,  Grossstädt.  Charakterbilder.  I.  (vgl.  JBL.  1892  I  4:731j:  ÖLBl.  2,  S.  526,7.  —  465)  X  Fr.  Schlögel, 
Ges.  Schriften.  Kleine  Knlturbilder  aus  d.  Volksleben  d.  alten  Kaiserstadt  a.  d.  Donau.  3  Bde.  Wien,  Hartleben.  VIII, 
356  S.;  359  S.;  376  S.  M.  9,00.  —  466)  X  Wienerstadt.  Lebensbilder  aus  d.  Gegenw.,  geschild.  v.  Wiener  Schriftstellern. 
Lfg.  1-9.  Wien  n.  Prag,  Terapsky.  (Leipzig,  Freytag.l  S.  1-256.  ä  M.  0,80.  —  467)  Alt-Wien.  Mschr.  für  Wiener  Art  n. 
Sprache.  Her.  v.  L.  Stieböck.  1.  u.  2.  Jahrg.  ä  12  Hefte.  Wien,  Dirnböck.  1891-93.  ä  Hft.  12  S.  ä  .lahrg.  M.  5,00.  — 
468)  D.  Wiener  Geschicbtswerk:  Presse  N.  283.  —  468a)  A.  Burgerstein,  „D.  Stock  im  Eisen"  d.  Stadt  Wien.  Mit 
1  Taf.  Progr.  Wien.  34  S.  —  469)  J.  Neubauer,  D.  Egerländer  Bauernhof  u.  seine  Einrichtung.  Progr.  Elbogen.  18  .S.  — 
470)  id.,  D.  im  Egerland  benannten  Pflanzen:  Bayerns  Mundarten  2,  S.  129-37.  —  471)  X  J-  Heibig,  Beitrr.  z.  Gesch.  d. 
Stadt  u.  d.  Bez.  Friedland.  1.-5.  Lfg.  Friedland  i.  B„  Weeber.  12".  S.  1-64.  ä  M.  0,40.  -  472)  X  K.  Kieme  nf,  Weitere  Notizen  z. 
Gesch.  d.  kgl.  SUdt  Mähr.-Neustadt  im  17.  u.  13.  Jh.  Progr.  Mähr.-Nenstadt.  22  S.  —  472a)  X  •*■■  Costa-Rossetti,  D. 
Brünner  Spielberg,  insbes.  d.  Kasematten  u.  seine  merkwürdigsten  Gefangenen.  Mit  3  Planskizzen  n.  2  Ansichten.  4.  Aufl. 
Brunn,  Winkler.  IV,  64  S.  M.  0,80.  —  473)  O  S.  Bredl,  D.  Colleginm  S.  Bernardi  in  Prag.  E.  knltarhist.  Bild: 
StMBCO.  S.  53-60,  212-21.  -  474)  O  G.  Eessel,  D.  Erzgebirge  in  Sage  u.  Gesch.  Teplitz,  Selbstverl.  |[MNordböhm.- 
ExcnrsClnb.  16,  S.  273.])  —  475)  O  MNordböhmExcursOlub.  16,  S.  119-22,  129-30,  152-85,  241/7,  250  7,  357-61.  —  476)  X 
M.  Grandjean,  En  Tyrol:  paysages,  raoeurs,  bist.,  legendes.  Avec  grav.  Lille,  Desclee,  de  Brouwer  et  Co.  288  S. 
[[WestmR.  140,  S  207.]|  —  477)  O  S.  M.  P  r  e  m  ,  Kufsteiner  Festschrift  z.  Feier  d.  vor  500  .L  erfolgten  Erhebung  d.  Ortes  ■/.. 
Stadt.  Knfstein  (Wien,  Geroldj.  Fol.  77  S.  M.  3,00.  |LBLU.  S.  6463.])  -  4781  X  Chrn.  Schneller,  Beitrr.  z.  Orts- 
namenkunde Tirols.  I.  Innsbruck,  Ver.-Buchh.  u.  Buchdr.  XI,  92  S.  Fl.  1,00.  )[ÖLB1.  2,  S.  656/8;  F.  Stolz:  ZVVolksk.  3, 
S.  464.]|  (Vgl.  I  5:372.)  —  479)  Derujac,  Ungarn  im  Werke  d.  Kronprinzen  Rudolf:  ZBK.  4,  S.  83-94.  —  480)  O  J.  Dobl- 
hoff,  Beitrr.  z.  Quellenstudium  Salzburg.  Landeskunde.  I.  Salzburg,  Mayr.  IV,  48  S.  M.  1,20.  —  481)  O  J.  v.  Zahn, 
Styriaca.  Gedrucktes  u.  üngedrucktes  z.  Steiermark.  Gesch.  u.  Kulturgesch.  Graz,  Moser.  VII,  277  S.  M.  3,60.  —  482)  X 
R.  Müller,  Kleine  Beiirr.  z.  altkärntnischen  Ortsnamenkunde.  5.  Klagenfnrt:  Carinthia  83,  S.  179-84.  —  483)  G.  Teutsch, 
Rede  z.  Eröffnung  d.  44.  u.  45.  Oeneralvers.  d.  Ver.:  AVSbnbgnL.  24,  S.  5-82,  409-.37.  —  484)  H.  Herbert,  D.  Haushalt 
Hermannstadts  z.  Zeit  Karls  VI.:  ib.  S.  83-229,  438-513.  —  485)  O  W.  Oechsli,  Quellenbach  z.  Schweizergesch.  NF.  m. 
bes.  Berüoksischtig.  d.  Kultnrgesch.  für  Haus  u.  Schule  bearb.  Zürich,  Sohulthess.  IV,  566  S.  M.  7,00.  ||DLZ.  S.  398  9; 
BLChrSchw.  S.  72.]|  —  486)  X  J-  L-  Brandstetter,  Repert.  über  die  in  Zeit-  u.  Sammelschriften  d.  J.  1812-90  enth.  Auf- 
sätze u.  Mitteilungen  schweizergesch.  Inhaltes.  Basel,  Geering.  IV,  467  S.  M  7,20.  —  487)  O  A.  Nüscheler,  D.  Gottes- 
häuser d.  Schweiz:  GFr50.  48,  S.  1-80  —  488)  O  Th.  v.  Liebe  nau,  Knlturhist.  Miscellen :  AnzSchwG.  24,  S.  471.  —  489) 
Deutsche  u  Schweizer:  StrassbPost.  N.  122.  —  490)  X  L-  Freivogel,  D.  Landschaft  Basel  in  d.  2.  Hälfte  des  18.  Jh.  L 
Diss.  Bern.  193  S  —  491)  X  C.  Sartorius-Burckhardt,  M.  Job.  Jac.  Huber,  weil.  Pfarrer  u.  Dekan  in  Sissach  u.  seine 
Sammlangen  z.  Gesch.  d.  Stadt  u.  Landschaft  Basel:  BiislerJb.  S.  75-135.  —  492)  X  R-  Wackernagel,  D.  Kirchen-  u.  Schnl- 
gut  d.  Kantons  Basel-Si:  BVtGBasel.  13,  S.  83-139.  —  493)  X  E-  «•  A.  Seraphim,  Aus  d.  kurländ.  Vergangenheit  (vgl. 
JBL.  1892  I  4:  765;  HI  1  :  26):  BLÜ.  S.  65  6.  —  494-495)  X  Drei  Weihnachtsabende  d.  dtsch.  Hansestadt  Dorpat  in  Livland 
1222-1524-1802.  V.  e.  dtsch.  Reichsangehörigen.  Lübeck,  Gläser.  109  S.  M.  1,80.  —  496)  X  ^V^-  Neu  mann,  D.  MAlich. 
Riga.  Mit  26  Taf.  B.,  J.  Springer.  1392.  Fol.  VI,  58  S.  M.  20,00.  |[G.  Manteuffel:  KwH.  S.  100,1.]|  —  497)  X  A. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV.  8 


I  4:498-535  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

bieten  die  Werke,  welche  einzelne  geistliche  Anstalten  behandeln^'-**).  —  Unter  denen, 
die  eine  längere  Entwicklung  zum  Gegenstand  haben'*'^^"^*^^^^  ist  das  geschickt 
geschriebene  Buch  von  Kniel^*^'^)  über  die  Abtei  Laach  zn  erwähnen,  welches  zur 
800jährigen  Jubelfeier  und  Neubelebung  des  Klosters  einem  weiteren  Kreise  Bilder 
aus  dessen  Geschichte  geben  will  und  diesem  Zweck  ohne  mehr  als  gelegentliches 
Hervortreten  des  konfessionellen  Elements  nachkommt.  —  Dagegen  erklärt  Daffner''**^) 
in  seiner  Geschichte  Benediktbeurns  zwar,  dass  die  Kulturentwicklung  den  Haupt- 
gegenstand der  Geschichtswissenschaft  bilden  müsse,  bietet  aber  nur  eine  nüchterne 
pragmatische  Darstellung  und  bekennt  sich  zum  Schluss  zu  der  Ansicht,  dass  der 
Socialismus  nur  eine  gerechte  Strafe  der  Fürsten  für  die  Klosteraufhebung  sei.  — 
Zahlreich  haben  einzelne  Abschnitte  von  Klostergeschichten  Bearbeitung  erfahren^05-5i3)_ 

—  Die  umfangreiche  Litteratur  über  den  Jesuitenorden  dient  grossenteils  der  Pole- 
ujjl^5i4-522j.  (lie  so  verschieden  gearteten  Schriften  von  Duhr^-^)  und  Graf  Hoens- 
broech-^ '''■*)  haben  besonderes  Aufsehen  erregt.  —  Als  streng  wissenschaftlich  seien 
die  Arbeiten  von  Hansen^^ö)  ^nd  Richter ^^^'^^öa^  hervorgehoben.  — 

Besondere  Volkselemente.  Eingesprengte  fremde  Volkselemente  haben 
stets  der  Kultur  zu  grosser  Förderung  gereicht;  von  keinem  gilt  dies  mehr  als  von 
den  Hugenotten,  die  sich  mit  Recht  lebhaften  wissenschaftlichen  Anteils  rühmen  können. 
Die  umfangreichste  Leistung  auf  diesem  Gebiete  ist  die  Fortsetzung  von  ToUins^^-j 
Werk  (vgl.  JBL.  1892  I  4 :  810).  Der  vorliegende  Band  enthält  eine  Zusammen- 
stellung der  Berufszweige,  vorzugsweise  im  militärischen  und  gewerblichen  Fache, 
Leider  wird  das  fleissige  Werk  durch  Ueberwuchern  des  Details  auf  lokales  Interesse 
beschränkt.  —  Die  Fortsetzung  der  Geschichtsblätter^^s^  ^qq  deutschen  Hugenotten- 
vereins bringt  wieder  eine  Anzahl  kleiner  Gemeinden  zur  Darstellung.  Neben  der 
Organisation  tritt  die  feindselige  Stimmung  der  Einwohner,  besonders  der  Handwerker, 
hervor ^^^).  —  Die  genannten  Punkte  behandelt  für  Magdeburg  Tollin^-^**)  mit  grosser 
Ausführlichkeit;  man  sieht,  welche  Mühe  der  kurfürstliche  Kommissar  der  Volks- 
abneigung gegenüber  mit  Unterbringung  zumal  der  gewerblichen  Anlagen  hatte. 
Die  deshalb  nötige,  durch  Zuschüsse  ermöglichte  Bauthätigkeit  lässt  die  Eingewanderten 
in  den  ersten  50  Jahren  im  Besitz  ziemlich  vieler  Häuser  erscheinen,  die  aber  sehr 
oft  aus  Mangel  an  Unterhalt  wieder  aufgegeben  werden  mussten^^').  —  Die  freundliche 
Aufnahme  der  durchziehenden  Salzburger  in  Chemnitz  1732  schildert  Weinhold ^32-) 
nach  den  Ratsakten.^^sj  —  Dqj^  Spuren  des  Slaventums  in  Anhalt  geht  Seelmann^^*)" 
nach,    indem  er  sich  der  dankenswerten  Mühe  unterzieht,    den  Ursprung   slavischer 

von  Gernet,  Ueber  d.  Gesch.  Weissensteins.  Vortr.  (Aus  d.  Revaler  Beobacliter.)  Reval,  Klnge.  12".  27  S.  M.  1,00.  — 
498)  X  Bilder  aus  d.  Mönchsleben.  (=  Kath.  Flugschriften  z.  Wehr  u.  Lehr.  Heft  62,4.)  B.,  Germania.  16».  144  S.  M.  0,30. 
(Belanglose  Popularisierung.)  —  499)  O  Jul.  Mayer,  D.  Gesch.  d.  Benediktinerabtei  St.  Peter  auf  d.  Schwarzwald.  Frei- 
burg i.  B.,  Herder.  XI,  266  S.  M.  3,00  |[A.  Schulte:  ZGOßh.  S,  S.  717,3;  B.  Gothein:  KBIWZ.  12,  S.  261. J|  —  500)  X 
G.  Deutsch,  D.  Priorissenorden  in  Böhmen,  Mähren  u.  Schlesien:  ÖUR.  S.  20-34.  —  501)  X  J-  Hess,  Festschrift  z.  600j. 
Jubelfeier  d.  Dominikaner-  u.  Hauptpfarrkirche  vom  h.  Paulus  in  Aachen  1293-1893.  Aachen,  Creutzer.  120  S.  M.  2,00.  — 
502)  X  H.  Koch,  D.  Dominikanerkloster  zu  Frankfurt  a.  M.  13.-10.  Jh.  Nach  ungedr.  Quellen.  Freiburg  i.  B.,  Herder. 
XV,  166  S.  M.  3,00.  |[J.  Hansen:  KBIWZ.  12,  S.  33;4.]i  —  503)  C.  Kniel,  D.  Benediktiner-Abtei  Maria- Laach.  GedenkbU. 
ans  Vergangenheit  u.  Gegenvv.  Mit  20  Abbild.  Köln,  Bachern.  160  S.  M.  2,50.  —  504)  F.  Daffner.  Gesch.  des  Klosters 
Benediktbeurn  (704-1803).  München,  Litt.  Anst.  IV,  432  S.  M.  10,00.  —  505)  X  A.  Mating-Saramler  ,  Im  Chemnitzer 
Benediktinerkloster  (=  s.  o.  N.  385,  S.  3-14).  —  506)  X  C.  Ebel,  D.  Cistercienser  in  Oberhessen.  Vortr.:  MOberhessGV.  4, 
S.  123,7.  —  507)  X  F.  Baumgarten,  Ans  d.  Gengenbacher  Klosterleben:  ZGOßh.  8,  S.  436-93,  658-702.  —  508)  X  &• 
Bossert,  D.  Besitz  d.  Klosters  Lorsch:  ib.  S.  640,5.  —  509)  A.  Schilling,  Kloster  Reuthin  u.  seine  Restitution  durch 
Kaiser  Ferdinand  II.:  FreiburgerDiöcesA.  23,  S.  215-63.  —  510)  X  K.  Math,  D.  ehemal.  Klosterkirche  in  Nieder-Altaich. 
Nach  Gesch.  u.  Gestalt  beschrieben.  Passau,  Abt.  VIII,  86  S.  M.  3,50.  —  511)  A.  Meli,  D.  Stift  Seckau  u.  dessen  wirtschaftl. 
Verhältnisse  im  16.  Jh.:  StMBCO.  S.  82-92,  255-65,  367-76.  —  512)  X  J-  Dankö,  Münster  u.  Abtei  S.  Benedict!  an  der  Gran: 
UngR.  13,  S.  1-22.  -  513)  X  A..  Hardegger,  D.  Cistercienserinnen  zu  Maggenau.  St.  Gallen,  Huber  &  Co.  4".  56  S. 
1  Lichtdr.-Taf.  M.  2,00.  —  514)  O  J-  v.  Dorneth,  D.  Jesuitenorden  v.  seiner  Gründung  bis  z.  heutigen  Zeit.  Hannover, 
Ost.  89  S.  M.  1,00.  -  515)  X  E.  Duller,  Gesch.  d.  Jesuiten.  E.  Büchlein  für  d.  dtsch.  Volk.  Dresden,  Jaenicke.  IV, 
126  S.  M.  0,75.  —  516)  X  F.  Hub  er,  D.  Zweck  heiligt  d.  Mittel :  VossZg».  N.  11.  -  516  a)  id.,  D.  Sturz  d.  Jesuitenordens:  ib.  N.  48. 

—  517)  X  E.  M.  Arndt,  Urteil  über  d.  Jesuiten :  DPBl.  26,  S.  53.  —  518)  X  F-  St..  D.  Mendinger  Teufel  u.  d.  Jesuiten :  ib.  S.  4;5.  — 
519)  X  C.  Scholl,  D.  Jesuiten  in  Bayern  v.  d.  ersten  Zeit  ihrer  Berufung:  ÖLBl.  2,  S.  131/2.  —  520)  X  J-  Websky,  D. 
Jesuitenorden:  PKZ.  S.  356/7.  -  521)  X  F.  Wagner,  Z.  Gesch.  d.  Jesuiten-Mission  in  Altena  (1603):  ZVHambG.  9,  S.  633/8.— 522)X 
H.  Rocholl,  D.  Zweck  heiligt  d.  Mittel.  E.  Wort  z.  Jesuitenfrage:  KM.  12,  S.  557-68.  -  523)  X  ß-  Duhr,  Jesuitenfabeln.  2.  Aufl. 
(Vgl.  JBL.  1892  I  4:826.)  |[BLU.  S.  199-201;  KonsMschr.  S.  728-39,  805,6;  StML.  44,  S.  501/4;  DublinR.  S.  112;  HPBll.  112, 
S.  203/4.11  —  524)  P.  Graf  Hoensbroech,  Mein  Austritt  aus  d.  Jesuitenorden.  (Aus  PrJbb.)  1.-6.  Aufl.  B.,  H.  Walther. 
45  S.  M.  0,80  |[ThLZ.  18,  S.  3847;  NedSpect.  S.  164,'6;  DEKZ.  7,  S.  207,9,  489-90;  DPBl.  26,  S.  143-50.  ||  —  525)  J.  Hansen, 
Z.  ältesten  Gesch.  d.  Jesuitenordens  in  Deutschland:  MStadtAKöln.  8,  S.  233-90.  —  526)  W.  Richter,  Gesch.  d.  Paderborner 
.Jesuiten  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:831.)  |[LR8.  19,  S.  304,5;  ÖLBL  2,  S.  129-31.]|  —  526a)  id.,  D.  Jesuitenkirch«  zu  Paderborn. 
Festschrift.  Mit  Abbild.  Paderborn,  Junfermann.  1392.  99  S.  M.  1,80.  —  527)  H.  Tollin,  Gesch.  d.  franz.  Kolonie  v. 
Magdeburg.  III.  Bd.  Abt.  1  B.  Vom  Nutzen  d.  Refuge,  insbes.  in  Magdeburg.  Jubiläamsschrift.  Magdeburg,  Faber.  X,  896  S. 
M.  12,75.  —  528)  GBllDHugenottenV.  Zehnt  II ,  Heft  1-8.  (Kolonien  in  Annweiler,  St.  Lambrecht-Grevenhausen,  Halber- 
stadt, Heidelberg,  Gr.-  u.  Kl.-Ziethen,  Stade,  Celle.)  Magdeburg,  Heinrlchshofen.  14  S.;  22  S.;  27  S.;  13  S.;  15  S.;  32  S.; 
54  S.  M.  3,40.  —  529)  X  E-  Beringuier,  D.  franz.  Kolonie  in  Berlin  bis  z.  Edikt  v.  Potsdam:  Bär  19,  S.  212/5,  221/4.  — 
530)  H.  Tollin,  Hugenottischer  Hausbesitz  in  Magdeburg:  GBUMagdeburg.  23,  S.  141-84.  —  531)  X  K,  Müller,  Aus  d. 
Aufzeichnungen  flüchtiger  Hugenotten.  Vortr.:  DEBll.  18,  S.  645-62.  —  532)  E.  Weinhold,  D.  Durchzüge  vertriebener 
Protestanten  durch  Chemnitz  1732.  (—  N.  385,  S.  39-50.)  —  533)  X  ö-  v.  Gasteiger,  D.  Zillerthaler  Protestanten  u.  ihre 
Ausweisung  aus  Tirol.  Aus  d.  Nachlass  her.  v.  A.  Edlinger.  Meran,  F.  W.  Ellmenreich.  1892.  XI,  160  S.  Mit  Bild. 
M.  :^,.50.  1[LCBI.  S.  318/9.JI  —  534)  F.  Seelraann,  D.  Slaventura  in  Anhalt:  MAnhaltGV.  6,  S.  468-503.  —  535)  X  H. 
Griietz,    Gesch.  d.  Juden.     N.  Ausg.  1.-24.  Lfg.     L.,   Leiner.     4.  Bd.  XI,   483  S.;  3.  Bd.  1.  Abt.  XII,   857  S.     2.  Abt.  S.  1-192. 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  säe-ses 

Ortsnamen  nachzuweisen,  die  gegenüber  der  deutschen  Mannigfaltigkeit  meist  von 
Personennamen  abgeleitet  erscheinen.  —  Auf  dem  bedeutsamen  Gebiet  der  Schilderung 
vom  Einfluss  des  jüdischen  Volkselements  macht  sich  nur  zu  oft  die  Polemik  des 
Tages  in  Für  und  Wider  gleich  abstossend  geltend.  Von  Werken  derartiger  Tendenz 
wird  an  dieser  Stelle  nicht  zu  sprechen  sein.  Nächst  den  in  neuer  Auflage  erschienenen 
Gesamtdarstellungen^3^"^36)  jgt  einiger  Quellenwerke  zu  g*edenken^37-538j  —  Einzelne 
Seiten  des  Judentums  sind  Gegenstand  zusammenfassender  Betrachtung  geworden. 
Sulzbachs-''^^)  schöne  Anthologie  jüdischer  Poesie  endet  mit  Beginn  der  uns  inter- 
essierenden Periode.  —  Hätte  Gerecke^^^)  seine  Kenntnisse  der  älteren  jüdischen 
Litteratur  wissenschaftlich  verwertet,  so  wäre  das  sehr  dankenswert  gewesen,  aber 
die  Ausfälle  gegen  das  Christentum  überwuchern  das  positive  Material  völlig,  und 
die  Ausdrucksweise  klingt  selbst  für  einen  Amerikaner  sehr  nach  dem  wilden  Westen. 
—  A.  von  Eberstein ^*')  verfolgt  die  Zeichen  jüdischen  Einflusses  von  dem 
Davidsonschen  „TelegTaphen",  der  1806  sich  einen  traurigen  Namen  machte,  bis  zur 
Statistik  der  Berliner  Rechtsanwälte  1893.^^2j  —  Zum  ersten  Mal  für  ein  bestimmtes 
Territorium  unterwirft  die  Geschichte  einer  Judenschaft  Liebe^*^)  einer  Untersuchung, 
deren  Zweck,  den  Einfluss  auf  Finanzverwaltung  und  damit  auf  staatliche  Entwicklung 
zu  zeigen,  den  Schwerpunkt  der  Arbeit  vor  unsere  Periode  verlegt.  —  Popper^*^) 
entnimmt  den  Grabschriften  des  Prager  Friedhofs  nur  eine  dürre  Zusammenstellung- 
nach  Berufen. 5*5- ö'*-)  _ 

Familiengeschichte.  Unter  den  Beiträgen  zur  Familiengeschichte 
adliger  Geschlechter ^^s^'ssi)  ist  nur  durch  den  Namen  ihres  Vf.  von  Interesse  die 
Schilderung  des  Junkers  Augustus  von  Bismarck5ä2j  von  seinen  1631  —  52  in 
französischen,  schwedischen,  brandenburgischen  Diensten  verbrachten  Kriegsjahren, 
die  in  ihrer  nüchternen  Aufzählung  kaum  einen  subjektiven  Zug  hervortreten 
lässt.  —  Einige  heraldische  Publikationen  seien  hier  angeschlossen^sS'^se^^  —  Bürger- 
liche Geschlechter  sind  mehrfach  in  grösseren  Gruppen  behandelt.  Eine  neue  Quelle 
dazu  hat  Primbs^^")  in  einer  Sammlung  von  Testamenten  Regensburger  Bürger 
(1400—1750)  erschlossen. 558-559-)  __  d[q  Geschichten  einzelner  Familien  sind  meist 
ohne  Interesse56o-56i^.  eine  Ausnahme  macht  die  der  Siebenbürger  Familie  Hejdendorff, 
die,  im  18.  Jh.  von  einem  Mitgliede  niedergeschrieben  und  jetzt  von  Gross 562j  heraus- 
gegeben, zugleich  die  Geschicke  des  Landes  wiederspiegelt.  Von  Wert  für  die 
Lebenshaltung  einer  bürgerlichen  Familie  ist  eine  Erbteilung  vom  Ende  des  17.,  die 
Specifikationen  von  Hochzeitskosten  aus  der  Mitte  des  18.  Jh.  — 

Einzelne  Personen.  Unter  den  Arbeiten,  welche  Einzelpersönlichkeiten 
zum  Vorwurf  haben,  ist  es  schwer,  eine  Auswahl  zu  treffen.  Es  sei  zunächst  hin- 
gewiesen auf  die  Studie563)  über  Justus  Jonas  zur  Feier  seines  400jährigen  Geburts- 
tags am  5.  Juni.  --  Riehl  als  Herold  deutschen  Volkstums  hat  aus  Anlass  seines 
70.  Geburtstags  durch  Nord 564)  eine  schöne  Würdigung  gefunden.  —  Anerkennens- 
wert ist,  dass  Stöber,  der  unermüdliche  Vorkämpfer  des  Deutschtums  im  Elsass, 
geschildert  wird,   von  Bräutigam 565),  —    Unerschöpflich  scheint   das  Interesse   an 


a  M.  0,80.  —  536)  X  id.,  Hist.  des  juifs,  trad.  de  Tallemand  par  M.  Bloch,  t.  4  Paris,  Durlacher.  476  S.  Fr.  5,00.  — 
537)  A.  Neubaner  n.  M.  Stern,  Quellen  z.  Gesch.  d.  Juden  in  Deutschland.  H.  B.,  Siraion.  XXIX,  224  S.  M.  8,00.  ([M.HL.21, 
S.  15;7.J|  (Vgl.  auch  JBL.  1892  I  4  :  799.J  —  538)  X  A.  Jellinek,  Kontres  Ha-Maskir.  Bibliogr.  über  d.  Namen  d.  Juden, 
alphnbet.  geord.  nebst  e.  Anh.  über  d.  Glossen  z.  Talmud  v.  Rabbi  Aschkenasi  (Hebr).  l'.  Aufl.  Wien,  Lippe.  VH,  40  S. 
M.  1,00.  —  539)  A.  Snlzbach,  D.  relig.  u.  weltl.  Poesie  d.  Juden  vom  7.-16.  Jh.  Trier,  Mayer.  216  S.  M.  3,75.  —  540)  A. 
Gerecke,   D.  Verdienste    d.  Juden    um    d.  Erhaltung   u.  Ausbreitung  d.  Wissensch.     Zürich,  Verlagsmag.     47  S.     SI.  0,80.   — 

541)  A.  Frhr.  t.  Eberstein,  Hervortreten  d  Judentums  seit  Anfang  dieses  Jh.    ß.,  Wiegand  .t  Grieben.     15  S.    M.  0,30.    — 

542)  X  *"•  Reuss,  Chr.  W.  Dohms  Schrift  über  d.  bürgerl.  Verbesserung  d.  Juden  (vgl.  JBL.  1892  IV  le:374):  DLZ.  S.  1212. 
—  543)  G.  Liebe,  D.  rechtl  u.  Wirtschaft!.  Zustände  d.  Juden  im  Erzstift  Trier:  WZ.  S.  311-74.  —  544)  L.  M.  Popper, 
D.  Inschriften  d.  alten  Prager  Judenfriedhofes  zum  ersten  Male  vollständig  entziffert.  Kultnrhist.  u.  hist.  bearb.  v. 
M.  Popper.  1.  Heft.  Brnunschweig  (Frankfurt  a  M.,  J.  Kauffmann).  42  S.  M.  2,00.  —  545)  O  S.  Hock,  D.  Familien 
Prags.  Nach  d.  Epitaphien  d.  alten  jöd.  Friedhofs  in  Prag  zusammengest.  Pressburg  (Frankfurt  a.  M.,  J.  Kauffmann).  1S92. 
36,  402  S.  Mit  Bild.  M.  6,00.  |[DLZ.  S.  1102/4;  LCBl.  S.  llSO.jj  —  546)  X  E.  Emil,  Erinnerungen  e.  alten  Prägers. 
Ghettogeschichten  aus  vergang.  Tagen.  L.,  Malende.  352  S.  M  3,00.  (Norellistisch.)  —  547)  O  G.  Tobler,  Bern  u.  d. 
Juden:  BernerTb.  42,  S.  117-41.  —  548)  X  R-  G..  D-  Familie  v.  Wuthenau:  Bär  19,  S.  741/3.  —  549)  X  H.  Zeller- Werd- 
müller, D.  Freien  v.  Eschenbach,  Schnebelburg  u.  Schwarzenberg :  ZürichTb.  16,  S.  75-132.  —  550)  X  Th.  v.  Ditfnrth, 
D.  Gesch.  d.  Geschlechts  v.  Ditfurth  II.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:786.)  1[GGA.  S.  143,4.J|  -  551)  X  Chrn.  Meyer,  Hohen- 
zollerische  Forschungen.  Jb.  für  d.  Gesch.  d.  Hohenzollern.  2.  Jahrg.  München,  Selbstverl.  232  S.  M.  15,00.  —  552)  |W. 
Zahn],  D.  Memoiren  d.  Junkers  Augustus  v.  Bismarck:  JbAltmärkGV.  23,  S.  90-105.  —  553 j  X  Z.  Bartsch,  Steiermark. 
Wappenbuch  1567.  Graz,  Moser.  180  S.  M.  3,60.  —  554)  X  E.  Schnitze,  Magdeburger  Geschlechterwappen  aus  d.  16.  u.' 
17.  Jh.:  GBUMagdebnrg.  28,  S  63-99.  —  555)  X  J-  Siebmachers  grosses  u.  allgem.  Wappenbuch  IV.  Nürnberg,  Bauer  &  Raspe. 
775  S.,  504  Taf.  M.  210,00.-556)  X  E.  Frhr.  v.  Sacken,  Katechismus  d.  Heraldik.  .5.  Aufl.  Mit  215  Abbild.  L.,  J.  J.  Weber. 
XVI,  155  S.  M.  2,00.  —  557)  K.  Primbs,  Uebersicht  v.  Testamenten  aus  d.  Arch.  d.  ehemal.  Reichsstadt  Kegensbnrg: 
ArchZ.  4,  S.  257  93  —  558)  O  Th.  Schön,  D.  Reutlioger  Patrizier- u.  Bürgergeschlechter  b^s  z.  Reformation:  GBllReutlingen.  4, 
S.  13,6,  30,2,  44-54,  70/2,  83,8,  97-101.  —  559)  X  F-  Bares,  Siechticke  a  erbovni  rodiny  v  raeste  Boleslava  Mladeho  v  letech 
1471-1620.  (Adels-  n.  Erbgeschlechter  d.  Stadt  Jnngbunzlan.)  Progr.  Jungbunzlau.  49  S.  —  560)  X  0.  Gerland,  D. 
Familie  Du  Ry.  (=  Gesch.  hugenott.  Familien.  IIL)  B.,  Mittler.  23  S.  M.  0,75.  —  561)  X  W.  Meister,  D.  Familie  Meister. 
Markgrabowa,  Czygan.  24  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  562)  J.  Gross,  Z.  Gesch.  d.  Heydendorffschen  Familie:  AVSbnbgL.  24, 
1892,  S.  233-346.  —  563)  Z.  Jubelfeier  d.  400 j.  Geburtstages  v.  Dr.  Justus  Jonas:  MagdZg».  N.  23.  —  564)  H.  Nord, 
W.  H.  Riehl:   TglRsB.  N   114.    -    565)   L.  Bräutigam,   D.  treueste  Hüter  d.  dtsch.  Sprache  im  Elsass:    ZDU.  7,  S.  647-50. 

8* 


I  4:566-593  G.  Liebe,  Kulturg-eschichte. 

Personen,  die  ein  solches  nur  durch  ein  Rätsel  erwecken.  Hoffentlich  ist  das  neue 
Buch  über  Kaspar  Hauser  endlich  das  letzte.  Die  Tochter  von  dessen  Gönner  Lord 
Stanhope,  die  Herzogin  von  Cleveland ^^6^^  wendet  sich  darin  gegen  die 
wider  ihren  Vater  ausgesprochenen  Verdächtigungen,  als  sei  derselbe  der  Urheber 
von  Hausers  Tod,  den  sie  nach  genauester  Prüfung  als  unbeabsichtigten  Selbstmord 
auffasst.56')  —  Das  pseudonyme  Buch  Artins^e^j  (yg-i.  jbl.  1892  I  4 :  839)  erfährt 
scharfe  Kritik-^e«)  — 

Zur  Kultur  der  Gegenwart.  Erscheint  es  angezeigt,  zum  Schluss 
einen  Blick  auf  die  unsere  Zeit  beherrschenden  Strömungen  zu  werfen,  so  wird  dabei 
noch  weniger  als  bei  der  Vergangenheit  Vollständigkeit  erzielt  werden.  Es  werden 
nur  besonders  charakteristische  Erscheinungen  flüchtig  berührt  werden  können.  — 
Eine  ebenso  allgemeine  wie  rücksichtslose  Kritik  ist  das  Hauptkennzeichen  unserer 
Zeit;  ein  Beispiel  für  beides  liefert  das  Werk  von  Brodbeck  ^'''*j,  das  aus  10  Wissen- 
schaften je  10  Ansichten  als  Irrtümer  bezeichnet ;  neben  vielen  treffenden  Bemerkungen 
erscheint  doch  manches  zu  sehr  nur  als  Behauptung.  —  Gross  ist  die  Zahl  der 
Aeusserungen  über  einzelne  Fragen,  hauptsächlich  socialer  Natur.  Das  recht  aus 
Beobachtung  der  Wirklichkeit  hervorgegangene  Schriftchen  „Aus  einer  modernen 
Junggesellenklause"  ist  in  2.  Auflage  erschienen^''');  es  lässt  erkennen,  wieviel 
gesunder  Sinn  in  unserer  Zeit  immer  noch  vorhanden  ist,  aber  unter  einem  bequemen 
Skeptizismus  erstickt  wird.^''^"^'^)  —  Das  Buch  von  S  c  h  m  id  t- Wei  s  s  en  f  e  1  s^") 
enthält  zwar  keine  tiefen  Forschungen  und  manche  Lücken,  schildert  aber  gewandt 
und  in  gefälliger  Form  die  Mittel  der  modernen  Kapitalbildung,  Maschine  und 
Spekulation,  sowie  den  Vorgang  selbst  an  einer  Reihe  von  Beispielen  aus  den  ver- 
schiedensten Gebieten.  Die  Bekämpfung  durch  genossenschaftliche  Bildungen  der 
Arbeiter  und  die  Wirkung  des  Kapitalismus  auf  Presse,  Litteratur,  Kunst  findet 
Beleuchtung,  den  Schluss  bildet  das  versöhnende  Gegengewicht  der  regen  Wohl- 
thätigkeit.  —  Den  Mittelpunkt  wie  des  Interesses  so  der  litterarischen  Thätigkeit 
bildet  selbstverständlich  die  Entwicklung  des  Socialismus.  Eine  Anzahl  von  Arbeiten 
beschäftigt  sich  mit  seiner  Geschichte  und  seinen  Ideen^''**"^**^).  Trostlos  ist  es  zu 
sehen,  wie  seine  Verfechter  vielfach  vom  Boden  doktrinärer  Verkennung  der  mensch- 
lichen Natur  ausgehen.  —  In  Dodels^^^)  Schrift  ist  von  Interesse  nur  die  Schilderung 
der  Zustände  in  der  von  den  Socialdemokraten  Deutschlands  für  ideal  angesehenen 
Schweiz.  —  Vogts ^^'')  Versuch,  die  Resultate  der  modernen  Socialwissenschaft  dem 
Volke  zu  vermitteln,  müsste,  wenn  überhaupt  von  Segen,  schon  an  der  W^eitschweifig- 
keit  scheitern.  Das  Werk  gipfelt  in  der  Hoffnung  auf  .eine  Gesellschaft,  der  gegen- 
über die  gewöhnlichen  Utopien  noch  viel  zu  staatssocialistisch  sind.  Der  Frage, 
woher  da  der  Sporn  zur  Arbeit  kommen  solle,  begegnet  er  mit  der  Zuversicht,  er 
werde  schon  „eingetrichtert"  werden. s**^)  —  Die  Ausmalung  des  zukünftigen  Zustandes 
beschäftigt  auf  das  lebhafteste  die  Geister,  davon  zeugen  die  Neuauflagen  und  Ueber- 
setzungen  bekannter  Schriften. ^^^'^^^j  —  Fr ot scher ^^^^  giebt  eine  volkstümliche 
Darstellung  früherer  kommunistischer  Ideen  von  Plato  an.  —  Ein  wachsendes  Interesse 
erregt  der  Zweig  der  socialen  Frage,  der  sich  mit  der  Stellung  der  Frauen  beschäftigt. 
Auch  hier  ist  die  Beobachtung  zu  machen,  wie  statt  wirklicher  Verhältnisse  willkür- 
liche Hypothesen  zum  Ausgangspunkt  genommen  werden.  Die  unsinnige  Voraus- 
setzung einer    nur   gewaltsam    zerstörten  Gleichheit   beider  Geschlechter    bildet  den 


—  566)  Cleveland  [Dtichess  of],  Trne  story  of  Kaspar  Häuser  from  documents.  London,  Macmillan.  112  S.  Sh  4/6.  — 
567)  X  Elizabeth  Evans,  The  story  of  Kaspar  Hauser,  from  authentic  records.  London,  Swan,  Sonnenschein  &  Co.  Sh.  15,00. 
|[ WestmR.  139,  S.  188/9.J |  -  568)  X  ^LBl.  2,  S. 426/7.  —  569)  X  F-  B  ö  1  a u .  Geheime  Geschichten  n.  rätselhafte  Menschen.  HI.  (=  ÜB. 
N.3106)  L.,Eeclam.  83S.M.0,20.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:  841.)  -  570)  A.  Brodb  eck,  D.Welt  d.  Irrtums.  100  Irrtümer  aus  d.  Gebieten 
d.Philosophie.Matheraatik,  Astronomie, Naturgesch., Medizin,  Weltgesch.,  Aesthetik, Moral,  Socialwissenschaft, Keligion.  L.,  Friedrich. 
V,  112S.  M.  1,50. —  571)  Ans  e.  modernen  Junggesellenklause.  E.  Inventur.  2.  Aufl.  L,  Müller.  85  S  M  1,00.  —  572)  XiA.  Eitelberg, 
Unmoderne  Ansichten  über  d.  moderne  Kult.  (vgl.  JBL.  1892  I  4  :  851):  DDichtung.  14,  S.  101.  -  573)  X  D- Militarismus  u.  d.  Kult.: 
AMZg.  68,  S.  305/6.  —  574)  X  D-  Militarismus  u.  d.  militär.  Geist  in  Deutschland:  ib.  S.  385/8,  393/7.  —  575)  X  ö.  Grupp, 

D.  Kampf  gegen  d.  Geist  in  d.  heutigen  Gesellschaft:  HPIJll.  111,  S.  359-67.  —  576)  X  H-  Raydt,  Ueber  Jugend-  u.  Volks- 
spiele: DWBl.  S.  308,9.  —  577)  E.  Schmidt- Weissenf  eis,  Gesch.  d.  modernen  Reichtums  in  biogr.  u.  sachlichen  Beispielen. 
B.,  Seehagen.  VUI,  391  S.  M.  6,00.  |[BLU.  S.  780/1;  DRs.  76,  S.  479.j|  -  578)  X  0-  Warschauer,  Gesch.  des  Socialismus 
u.  Kommunismus  im  19.  Jh.  (vgl.  JBL.  1892  IV  Ib  :  42)  |[DWBI.  S.  456:  ÜLBl.  2,  S.  368/9;  RCr.  36,  S.  430  ll  —  579)  O  T. 
v.  Wyzewa,  Die  socialist.  Bewegung  in  Europa  (vgl.  JBL.  1892  I  4:411).  |[N&S.  64,  S.  410,1.]]  -  580)  X  C-  Dohany,  D. 
Entwicklungsgesch.  d.  Socialidee:  Geg.  43,  S.  375/7.  —  581)  X  La  democratie  socialiste  alllemande  devant  l'hist.  Lille,  Delory. 
31  S.  —  582)  O   F.  Zanetti,  II  socialismo,  sue  cause  e  suoi  effetti.    Torino,  Tip.  Salesiana.    16".    668  S.    L.  3,50.  —  583)  O 

E.  Schal],  D.  Socialdemokratie  in  ihren  Wahrheiten  u.  Irrtümern  u.  d.  Stellung  d.  protest.  Kirche  x.  soc.  Frage.  B.,  Staude. 
XI,  372  S.    M.  3,00.    |[BLU.  S.  503/5.]|  —  584)  X  K.  Hageneier,  D.  psycholog.  Moment  in  d.  Socialdemokratie:  Ges.  S.  6-10. 

—  585)  X  R-  Derfel,  Landläufige  Irrtümer  über  Socialismus.  Aus  d.  Engl.  v.  F.  Hei  gl.  Bamberg,  Handels-Druck,  u.  Verl. 
12°.  47  S.  M.  0,60.  —  586)  A.  Dodel,  Bauer,  Arbeiter  u.  Wissenschafter.  3  gemeinverständl.  Vortrr.  (=  Aus  Leben  u.  Wissen- 
schaft. Vortrr.  u.  Aufsätze.  1.  Lfg.)  St.,  Dietz.  VI,  127  S.  M.  0,75.  (S.  u.  N.  597.)  —  587)  J.  Vogt,  E.  Welt-  u.  Lebens- 
anschauung für  d.  Volk.  III. :  D.  Gesetze  d.  wirlschaftl.  Entwicklung.  Lfg.  62-83.  L.,  Wiest.  S.  997-1343.  ä  M.  0,10.  —  588)  X 
J.  Wolf,  Socialismus  u.  bürgcrl.  Wirtschaftsordnung.  Vortr. :  AZg».  N.  73.  —  589)  X^h.  11  ertzka,  Freiliind.  E.  soc.  Zukunfts- 
bild. 7.  Antl.  Dresden,  Pierson.  XIX,  341  S.  M.  2,00.  -  590)  X  E.  Richter,  Oü  mene  le  socialisme.  Paris,  Chaix.  80  S. 
Fr.  1,50.  —  591)  X  id.,  Pictnres  of  the  socialistic  future.  London,  Sonnenschein.  Sh.  2.  —  592)  X  M.  B  rasch,  Bellamys  Vor- 
gänger.   E.  Studie:  l>R.  1,  S.  256-62.   —    593)  P.  Frotscher,   Socialdemokraten   aus  alten  Zeiten.    (==  Sachs.  Volksschriften- 


F.  Vog-t,  Volkskunde.  I  4  :  594-615    I  5 

Ausgang-spunkt  für  Ausführung'en  teils  demag-ogischer,   teils  —  hysterischer  Natur. 
Weithin    macht   sich  der    Einfluss  von   Bebels^^^-sos-)    Buch   bemerkbar,   das   Geist 
und  Kenntnisse  darauf  verwendet,   das  Gefühl  der  Knechtschaft  nicht  nur  zwischen 
den  Klassen,  sondern  auch  zwischen  den  Geschlechtern  zu  verbreiten.  Von  seinem  Ein- 
fluss  zeuget   nicht   nur  die   Zwanzigzahl  der  Auflagen,    sondern    auch    die  Wirkung* 
auf   unklare    Köpfe.    —    Mit    Ansichten,    wie    die    des    M  a  c  h  e  t  e  s^^^),    dass    in 
der    Stellung-    des    Weibes    als    Gattin    und    Mutter    eine    Entwürdigung    lieg-e,    ist 
allerding-s   eine  Verständigung-   auf  dem    Boden   sittlicher  Anschauung-   nicht   mehr 
mög-lich^^").  —  Viel  zu  selten  wird,  wie  von  einem  Unbekannten^^^),  die  vernünftig-e 
Beschränkung  auf  das  der  Natur  Erreichbare  gefordert^'^^).  —  Dies  gilt  auch  von  den 
Aeusserungen,  welche  anerkennenswerter  Weise  sich  mit  der  Stellung-  der  Frau  im 
wirklichen    Leben    beschäftigen^oo^^   insofern   sie   zu  viel    Gewicht   auf  die   g-eistige 
Bildung  leg-en.     Es  ist  keine  Lösung-,    wenn  man  wie  Helene  Lang-e^^')   g-ar  noch 
die  Frauen  in  das  ausgefahrene  Geleise  veralteter  klassischer  Bildung  zerren  will602-605^^ 
—  Tröstlich  ist  bei  so  allsei tig-er  Erkenntnis  des  Schlechten  der  sich  regende  Eifer  nach 
Besserung-.     Das  Streben  ist  erwacht,    auch  den  Aermeren  unsere  g-eistig-en  Schätze 
zugänglich  zu  machen.     Hummel^*^^)  freilich  täuscht  die  Erwartung-,    mit  der   man 
der  Beantwortung-  einer  Kardinalfrage  wie  der  nach  Arbeiterbildung-  entg-eg-ensieht, 
durch  die  abstrakte  Form.     Mit  Mühe  findet  man  aus  dem  Wust  der  log-ischen  Kunst- 
ausdrücke die  wenig-en  praktischen  Gedanken  heraus.  —  Schwindr  azheim^*'^)  sucht 
Heilung  für  den  zwischen  den  verschiedenen  Schichten  auch  im  Gebiet  des  kunstg-ewerb- 
lichen  Verständnisses  klaffenden  Zwiespalt  in  einer  volkstümlicheren  Gestaltung-  durch 
Betonen  des  nationalen  Elements,  so  der  heimischen  Natur.  —  Am  aussichtsreichsten 
ist  wohl  die  Einrichtung  von  Volksunterhaltungsabenden,    die  Manz^"^)  nach  eng- 
lischem Vorbild  in  Vorschlag  bringt.^^o-)  —  Mehrfach  haben  Versuche  zur  Verbesserung 
unserer   sittlichen   Lebenshaltung  Würdigung   gefunden.     Conrad^l*^)   veröffentlicht 
zwei  Preisarbeiten   einer  von   der  Monatsschrift  „Die  Gesellschaft"  ausgeschriebenen 
Konkurrenz.     Wenn  sie  die  Hauptmittel  zur  Regeneration  in  hygienischen  Massregeln 
sehen,    wird  dem  zuzustimmen  sein,    aber  ein  Hauptpunkt  ist  vergessen:    Das  frühe 
Heiraten   der   Arbeiter. ^'i)    —    Der  ethischen   Bewegung^^-'^i^)  wäre    eine   grössere 
Berücksichtigung    realer  Ziele  zu  wünschen,    auch   ist   die  Abkehr   vom   nationalen 
Prinzip  zu  bedauern.  —  Sieht  J.  B.  Meyer^^^j  das  Heil  darin,  dass  der  Parteigeist 
durch  Vaterlandsliebe,    diese    durch    weltbürgerliche  Auffassung    beschränkt   werde, 
so  erhofft  Friedrich  Lange^'^)  Rettung  für  die  Schäden  der  Gegenwart  von  einer 
starken  nationalen  Bewegung.  — 


1,5 

Volkskunde. 

Friedrich  Vogt. 


Einleitung  und  Allgemeines:  Sammlungen  N.  1;  Methode  N.  3;  Mythologie  N.  8;  Quellen  N.  12.  — 
Sammlungen  volkstümlicher  Ueberlieferungen  einzelner  Gegenden:  Oberdeutschland:  Baden,  Elsass  N.  13; 
Schweiz,    Baiern  N.  15;   Tirol  N.  19;    Siehenbnrger  Sachsen  N.  22.   —   Ungarn  N.  27.   —   Mitteldeutschland  N.  31.  —  Mähren 

Verl.  N.  4/5.)  L.,  Wallmann.  12».  100  S.  M.  0,75.  —  594)  A.  Bebel,  D.  Frau  u.  d.  Socialismus  (D.  Frau  in  d.  Vergangenheit, 
Cxegenw.  u.  Zukunft).  20.  Aufl.  St.,  Dietz.  386  S.  M.  2,00.  -  595)  id.,  Woman,  her  position  in  the  past,  present  and  future. 
London,  Eeeves.  Sh.  2,00.  —  596)  Machetes,  D.  unrecht  d.  Stärkeren  in  d.  Frauenfrage.  L.,  Naumburg.  72  S.  M.  1,50.  — 
597)  A.  Dodel,  Vom  Weib,  seine  soc.  Stellung  u.  seine  Befähigung.  E.  Menschwerdungsfrage.  (=  Leben  u.  Wissenschaft. 
Vortrr.  u.  Aufsätze.  2.  Heft  [St.,  Dietz.  S.  129-264.  M.  0,75.],  S.  171-230.)  (S.  o.  N.  586.)  -  598)  Zur  Frauenfrage  im  allgemeinen 
u.  bei  uns:  BaltMschr.  40,  S.  649-61.  -  599)  X  H.  Kötzschke,  D.  christl.  Standpunkt  in  d.  Frauenfrage.  1./3.  Aufl.  L., 
Werther.  91  S.  M.  1,00.  |[BLU.  S.  542.]|  —  600)  X  Lina  Morgenstern,  Gesch.  d.  dtsch.  Franenf rage  u.  Statistik  d.  Frauen- 
arbeit auf  allen  ihr  zugänglichen  Gebieten  B.,  Dtsch.  Hausfrauenzg.  248  S.  M.  3,00.-601)  X  Helene  Lange,  Entwicklung 
n.  Stand  des  höheren  Mädchenschulwesens  in  Deutschland.  B.,  K.  Gaertner.  69  S.  M.  1,20.  |[LCB1.  S.  1318.]|  —  602)  X  K. 
Walck er,  Anteil  d.  Frauen  am  geistigen  Leben.  (=  Samml.  päd.  Vortrr.  Her.  y.  W.  Mey  er-Markau  Bd.  5,  N.  10.)  Bielefeld 
Helmich.  15  S.  M.  0,40.-^  603)  X  Alice  Bousset,  Zwei  Vorkämpferinnen  für  Frauenbildung:  Luise  Büchner,  Marie  Calm'. 
(=  SGWV.  N.  168)  Hamburg,  Verlagsanst.  53  S.  M.  1,00.  -  604)Emily  Crawford,  Journalism  as  a  profession  for  woman ! 
ContempB.  64,  S.  362-71  —  605)  M.  Vachon,  La  femme  dans  l'art  Les  protectrices  des  arts ;  les  femmes-artistes.  Avec  400  grav 
Paris,  Kouam  et  Cie.  VI,  618  S.  Fr.  30,00.  |[NAnt.  45,  S.  179-80.]|  -  606)  F.  Hummel,  Was  lässt  sich  z.  Pflege  e.  gediegenen 
echt  volkstüml.  Bildung  in  d.  Arbeiterkreisen  thun?  Gekrönte  Preisschrift.  Heilbronn,  Salzer.  VIII,  127  S.  M.  1,60.  —  607) 
0.  Schwindrazheim,  Hie  Volkskunst!  (=  Tages-  u.  Lebensfragen  her.  v.  W.  Bode  N.  13/4.)  Bremerhaven,  Tienken.  34  S 
Mit  8  Taf,  M.  0,50.  -  608)  G.  Man-/,,  Volksunterhultungsabende:  Geg.  44,  S.  185/6.  -  609)  X  E.  Heilborn,  Hintertreppen- 
htt.  n.  deren  Bekämpfung:  Nation^.  10,  S.  215/6.  -  610)  M,  G.  Conrad,  Z.  Wiedergeburt  d.  Kulturmenschheit:  2  preisgekrönte 
Arbeiten  ^H.  Solger:  Was  ist  z.  Verbesserung  unserer  Race  zu  thun?  M.  Seiling:  D.  Regeneration  d.  Menschengeschlechts) 
Bamberg,  Handelsdruck,  n.  Verl.  VI,  44  S.  M.  0,75.  -  611)  X  Martins,  D.  jetzigen  Mässigkeitsbestrebungen  in  Deutschland, 
Oesterreich,Eussland,  Norwegen:  KM.  12,  S,  619-43,  691-711.-  612)  X  W.Förster,  D.  Begründung  e.  Gesellschaft  für  ethische 
Kultur.  Rede.  B.,  Dümmler.  1892.  21  S.  M.  0.40.  |[DR.  2,  S.  143/41|  -  613)  X  Lily  v.  Kretschman,  D.  ethische  Be- 
wegung in  Deutschland:  N&S.  64,  S.  186-204.  -  614)  J.  B.  Meyer.  Vaterlandsliebe,  Parteigeist  u.  Weltbürgertum  im  dtsch. 
Reiche.  (=  DZSF.  N.  108.)  Hamburg,  Verl.-igsanst.  54  S.  M.  1,00.  -  615)  X  F-  Lange,  Reines  Deutschtum.  Grundzüge  e, 
nation.  Weltanschauung.    B.,  Lüstenöder.    V,  228  S.    M.  2,00.  — 


15:1-6  F.  Vogt,  Volkskunde. 

N.  38.  —  Niederdentschland :  Pommern,  Mecklenburg,  Ostfriesland  N.  39;  Westfalen,  Saterland,  Lübeck  N.  43.  —  Einzelne 
Volksbräucbo:  Wettlaufen  N.  50;  Frühling,  Ostern,  Maifest  N.  52;  Weihnachtsfest  N.  61;  Vereinzeltes  N.  67.  —  Aber- 
glauben: Geheinunitlel  N.  81;  Volksmedizin  N.  90;  Pflanzenglanben  N.  106.  —  Seelenkult  und  Dämonenglauben : 
Hexenwalin  N.  113;  Tenfelglaubcn  N.  115;  Geisterglauben  N.  117.  —  Sagensamm  lungen;  allgemeine  N.  152;  aus  einzelnen 
Gebieten:  Oberdentschland  N.  154,  Mitteldeutschland  N.  168,  Niederdeutschland  N.  188.  -  Märchen:  Sammlungen  N.  200; 
Geschichte  der  Stoffe  N.  220a.  —  Volkslied:  Allgeraeines  N.  245;  Samnilnngen;  umfassende  N.  259,  aus  einzelnen  Land- 
schaften: Oberdeutschland  N.  262,  Mitteldeutschland  N.  280,  Niederdeutschland  N.  291  -Verschiedenes:  Sprüche  N.  302. 
—  Sprichwörter  N.  311    —  Volkswitz,  Redensarten  N.  328.  —  Namengebung  N.  356.  — 

Wenn  von  jetzt  an  —  um  ein  einleitendes  Wort  vorauszusenden  —  die 
Volkskunde  in  den  JBL.  ein  besonderes  Kapitel  einnehmen  wird,  so  entspricht  das 
der  wachsenden  Ausdehnung",  Selbständig-keit  und  Bedeutung-  dieser  Wissenschaft, 
die  einerseits  durch  die  Erschliessung-  und  Erforschung-  der  mündlichen  Ueber- 
lieferungen,  andererseits  durch  ihre  verg-leichende  Methode  das  Studium  der  philolo- 
gischen Realien  ähnlich  zu  ergänzen  und  zu  fördern  berufen  ist,  wie  die  Mundarten- 
forschung und  die  vergleichende  Sprachwissenschaft  des  Studium  der  Grammatik. 
Freilich  tummelt  sich  der  Dilettantismus  wohl  auf  keinem  Gebiete  der  Philologie 
mit  so  grosser  Vorliebe  wie  auf  diesem,  und  das  Gepräge  des  Dilettantischen  trägt 
weitaus  der  grösste  Teil  der  volkskundlichen  Litteratur.  Aber  das  ist  kein  so  grosses 
Unglück.  Für  die  Beschaffung  des  Materials  ist  gerade  hier  die  Beihülfe  der 
Dilettanten  dem  Gelehrten  ganz  unentbehrlich,  und  was  aus  dem  Munde  des  Volkes 
an  Sagen,  Märchen  und  Liedern,  an  Sitten,  Bräuchen  und  Meinungen  gesammelt 
wird,  ist  nicht  minder  poetischen  und  nationalen  als  wissenschaftlichen  Interessen  zu 
dienen  berufen.  Wenn  nur  daneben  auf  diesem  Felde  die  philologisch  geschulten 
Arbeiter  von  strenger  Methode  und  weitem  Gesichtskreise  nicht  fehlen,  so  wird  schon 
für  seine  wissenschaftliche  Ausnutzung  und  für  die  Abwehr  dilettantischer  Uebergriffe 
gesorgt  sein.  — 

Die  Namen  zweier  bewährter  Forscher  sind  in  diesem  Berichtsjahre  wieder 
unter  den  einen  allgemeinen  Charakter  tragenden  Sammln  n  gen  von  Schriften 
aus  verschiedenen  Gebieten  der  Volkskunde  vertreten.  Wenigstens  zum  guten  Teile 
gehört  der  zweite  Band  der  von  Bezz  enberger  >)  herausgegebenen  kleineren 
Schriften  Th.  Benfeys  hierher.  Aus  seiner  zweiten  Hälfte  (der  4.  Abteilung  der 
ganzen  Sammlung)  fällt  freilich  höchstens  die  Recension  von  Diefenbachs  „Vorschule 
der  Völkerkunde  und  der  Bildungsgeschichte"  und  etwa  noch  die  von  Elliots  „Memoirs 
on  the  history,  folklore  etc.  of  the  north  western  provincies  of  India"  in  unser 
Bereich,  insofern  sie  die  allgemeine  Volkskunde  wenigstens  gelegentlich  berühren  ; 
um  so  wichtiger  ist  die  erste  Hälfte  (3.  Abteilung),  die'  ganz  der  Märchenlitteratur 
gewidmet  ist,  und  auf  die  wir  daher  unter  dieser  zurückkommen  (s.  u.  N.  220a).  — 
In  der  Fortsetzung  von  Gustav  M  ey  er  s^)  Essays  betreffen  zwei  Aufsätze  speciell 
die  deutsche  Volkskunde.  Der  eine  behandelt  in  Anknüpfung  an  ein  Büchlein 
über  den  Breslau  er  Jargon  besonders  die  verschiedenen  Elemente  des  schlesischen 
Sprachschatzes,  der  andere  bietet,  gelegentlich  einer  Besprechung  der  fünf  bei  Liebes- 
kind erschienenen  Elzevir-Sammlungen,  anregende  Ausführungen  zur  allgemeinen 
Geschichte  des  Volksliedes;  besonders  wird  im  Anschluss  an  d.ie  Schnadahüpfl  auf 
die  Verbreitung  des  Vierzeilers  bei  den   verschiedensten  Völkern  hingewiesen.  — 

Dass  bei  dem  besonderen  Charakter  der  volkskundlichen  Litteratur  Erörterungen 
über  die  wissenschaftliche  Methode  der  Volkskunde  keineswegs  überflüssig  sind, 
erhellt  schon  aus  den  oben  gegebenen  Bemerkungen,  und  wenn  sie  zugleich  durch 
nachahmenswerte  oder  abschreckende  Beispiele  aus  der  gelehrten  oder  pseudo- 
gelehrten Litteratur  veranschaulicht  werden,  so  sind  sie  gewiss  um  so  erwünschter. 
So  könnte  man  denn  die  originelle  Streitschrift  von  Krauss^)  recht  willkommen 
heissen,  die  witzig  genug  zeigt,  wie  „böhmische  Korallen,"  d.  i.  unechte  Mythenwaren, 
durch  komische  Irrtümer  und  durch  gewissenlose  oder  chauvinistische  Mache  auf 
den  Markt  kommen.  Nur  trägt  die  Satire,  die  sich  schliesslich  in  der  Hauptsache 
zu  persönlichen  Angriffen  auf  Veckenstedt  und  Krek  zuspitzt,  einen  derartigen 
Charakter,  dass  sie  einer  an  sich  guten  Sache  eher  schaden  als  nützen  wird.'*)  — 
Einen  historischen  Beitrag  zur  Methode  der  mythologischen  Forschung  lieferte  Symons, 
dessen  Arbeit  W  ein  h  old^)  bespricht,  durch  einen  Ueberblick  über  den  Entwicklungs- 
gang dieser  Wissenschaft,  während  Detter^)  sich  mit  E.  H.  Meyers  Methode  aus- 
einandersetzt  und   die    Gelegenheit  wahrnimmt,   Noreens   skeptische    Ausführungen 


1)  Th.  Benfey,  Kleinere  Schriften.  Ausgew.  n.  her.  v.  A.  ßezzenberger.  2.  Bd.  3.  u.  4.  Abt.  B.,  Reuther 
&  Reichard.  1892.  236  S.;  156  S.  M.  20,00.  (S.  u.  N.  220a.)  -  2)  (I  2:49.)  |[L.  Fränkel:  Ausland  66,  S.  736;  E.  Wasser- 
zieher:  ASNS  91,  S.  271,3;  LCBl.  S.  1583.]|  —  3)  F.  S.  Krauss,  Böhmische  Korallen  aus  d.  Götterwelt.  Folkloristische 
Börseberichte  vom  Götter- u.  Mythenmarkte.  Wien,  Rubinstein.  VH,  147  S.  M.  3,00.  |fK  Weinhold:  ZVVolksk.  3,  S.  348: 
F.  Bartels:  ZEthn.  25,  S.  170;  L.  Fränkel:  Ausland  66,  S.  480;  A.  Schullerus:  KBlVSbnbgLK.  16,  S  1068;  H. 
V.  Wlislocki:  EthnMUng.  3,  S.  176.]  |  —  4)XLScherman,E,  „Referat"  über  Volkskunde:  Urquell  4,  S.  234  6.  (Ver- 
wahrt sich  gegen  R.  M.  Meyers  Referat  in  JBL.  1890  I  5.)  -  5)  K.  Weinhold,  Syroons,  De  ontwikkelingsgang  der  Ger- 
maansche  Mythologie  (Groningen  1892):  ZVVolksk.  3,  S.  230/1.  —  6)  F.  Detter,  E.  H.  Meyer,  Qerman.  Mythologie:  ADA.  19, 


F.  Vogt,  Volkskunde.  I  5  :  7-13 

gegen  die  natursymbolische  Auslegung-  mythischer  Einzelzüge  und  seine  Ableitung 
von  einzelnen  Mythen  aus  grammatischen  Missverständnissen  beifällig  vorzutragen. 
—  Auf  eine  einzelne  Erscheinung  in  der  Mythenbildung  weist  Bruch  mann'')  hin, 
indem  er  im  Anschluss  an  V.  Henry  „Quelques  mythes  naturalistes  meconnus"  das 
Rätsel  als  eine  wichtige  Durchgangsform  in  der  Entwicklung  der  Naturanschauung 
zum  Mythos  darstellt.  — 

Die  Bedeutung  eines  Lehrbuches  der  deutschen  Mythologie  für  die 
deutsche  Volkskunde  hängt  im  wesentlichen  davon  ab,  was  es  über  Dämonen-  und 
Seelenglauben  und  über  nichtchristliche  Volksbräuche  mit  religiösem  Hintergrunde 
zu  sagen  weiss.  Vorsicht  ist  in  diesen  Dingen  gewiss  so  löblich  und  ratsam  wie  in 
der  mythologischen  Forschung  überhaupt;  aber  wenn  man  sie  wie  Kauffmann^) 
bis  zur  Ablehnung  aller  der  Hülfsmittel  treibt,  die  der  Volksglaube  bietet,  während 
man  sich  in  der  Verwertung  der  skandinavischen  Götterlehre  und  der  ebenso  spär- 
lichen wie  vieldeutigen  lateinischen  Inschriften  für  die  deutsche  Mj'thologie  eine  ent- 
sprechende Zurückhaltung  nicht  auferlegt,  so  ist  doch  das  methodisch  sicherlich 
nicht  zu  rechtfertigen.  Dagegen  soll  nicht  geleugnet  werden,  dass  den  Kreisen,  für 
welche  die  Göschensche  Sammlung  bestimmt  ist,  am  meisten  mit  einer  Behandlung 
gedient  sein  mag,  die,  wie  es  hier  geschieht,  die  nordische  Götterlehre  in  den  Vorder- 
grund rückt.  Aber  eine  „deutsche"  Mythologie  ist  das  Büchlein,  dem  die  geschickte 
Auswahl  und  die  lebensfrische  Gestaltung  des  Stoffes  in  kurzer  Frist  eine  zweite 
Auflage  verschafft  haben,  bei  alledem  nicht,  undderVf.  hätte  nicht  durch  diesen  Titel  ver- 
alteten und  ohnehin  schwer  auszurottenden  Vorstellungen  Vorschub  leisten  sollen,  die 
ihm  selbst  ja  im  Grunde  fern  genug  liegen.^)  —  Mit  einer  Erörterung  zum  Wesen 
der  Sagenbildung  setzt  Schwartz'Oj  die  im  vorjährigen  Berichte  (vgl.  JBL.  1892 
I  4  :  204)  besprochenen  Bemerkungen  über  charakteristische  Formen  volkstümlichen 
Denkens  und  Empfindens  fort,  indem  er  zeigt,  wie  die  historischen  Erinnerungen 
durch  das  Hineinrücken  in  diesen  beschränkten  Horizont  umgestaltet  werden.  Er- 
eignisse und  Zustände  konzentrieren  sich  auf  Personen,  die  zu  Typen  ausgestaltet 
werden,  grosse  Zeiträume  werden  lediglich  nach  einer  charakteristischen  Erscheinung 
beurteilt  und  benannt,  und  das  eine  wie  das  andere  rückt  gewissermassen  dem  Leben 
des  Volkes  allmählich  nach,  indem  die  früheren  Träger  der  Tradition  durch  neue 
abgelöst  und  die  Erscheinungen  älterer  Perioden  auf  jüngere  übertragen  werden. 
Dabei  ist  das  Gedächtnis  des  Volkes  recht  kurz ;  im  allgemeinen  greift  es  nicht  über 
das  dritte  und  vierte  Geschlecht  zurück.  Einige  hübsche  Zeugnisse  für  diese  Eigen- 
heiten volkstümlicher  Geschichtsauffassung  sind  beigefügt.  —  Eine  ganz  andere  Art 
der  Bildung  volkstümlicher  Vorstellungen  betrifft  Höf  1er s  i')  kleine  Studie,  die 
neben  allgemeinen  physiologischen  und  psychologischen  Bemerkungen  die  sprach- 
lichen Bezeichnungen  und  besonders  die  Sitten  und  Gebräuche,  die  mit  dem  Ge- 
ruchssinn in  Beziehung  stehen,  erörtert.  — 

Von  den  Quellen  der  Volkskunde  sind  neben  den  Ueberlieferungen  der 
Gegenwart  die  in  der  älteren  Litteratur  vorliegenden  Nachrichten  noch  lange  nicht 
genügend  untersucht  und  ausgebeutet.  Einiges  der  Art  hat  Vogt^^)  beigebracht  und 
dabei  den  Nachweis  geliefert,  dass  das  viel  benutzte  Kapitel  vom  fränkischen  Fest- 
jahr in  Seb.  Francks  Weltbuch  in  der  Hauptsache  ein  Plagiat  aus  Joh.  Bohemus 
„Omnium  gentium  mores"  ist,  und  dass  wiederum  das  von  Birlinger  zweimal  ver- 
öffentlichte und  bis  auf  die  neueste  Zeit  als  Quelle  citierte  „Papistenbuch"  nichts 
weiter  ist,  als  die  schlechte  Abschrift  eines  Stückes  aus  Francks  Weltbuch.  Zugleich 
ist  auf  eine  merkwürdige,  durch  Bohemus  bezeugte  Art  .von  Sühnopfer  hingewiesen, 
bei  der  am  Aschermittwoch  die  Sünden  einer  Stadtgemeinde  auf  einen  übelberüch- 
tigten Menschen  übertragen  wurden,  der  sie  dann  abbüsste.  — 

Die  Sammlung  der  volkstümlichen  Ueberlieferungen  einzelner 
Gegenden  wird  mehr  und  mehr  systematisch  in  Angriff  genommen.  Es  ist  sehr  zu 
wünschen,  dass  die  Vertreter  der  deutschen  Philologie  an  den  deutschen  Landes- 
universitäten sich  dieser  wichtigen  Aufgabe  annehmen,  denn  sie  sind  in  der  Lage, 
durch  Anregung  und  Anweisung  einheimischer  Studenten  die  geeignetsten,  zugleich 
wissenschaftlich  geschulten  und  mit  dem  Lande  vertrauten  Sammler  für  das  betreffende 
Gebiet  zu  gewinnen.  Einen  viel  versprechenden  Anfang  haben  in  Oberdeutsch- 
land für  Baden  in  dieser  Richtung  Kluge,  E.  H.  Meyer  und  Pfaff'^)  gemacht, 
indem  sie  durch  einen  eindringlichen  Aufruf  und  durch  einen  zweckmässig  an- 
gelegten Fragebogen  das  Interesse  für  die  Sache  wachrufen  und  die  Aufgaben  für 
die  Sammler  im   einzelnen  bezeichnen.     Die   „Alemannia"   ist  in  den   Dienst  dieses 


S.  113  9.  —7)  K.  Bruchmann,  Z.  Mythendentnng:  ZWolkslc.  3.  S.  5.5|S;  —  g)  F.  Kauf f mann,  Dtsch  Mythologie.  2.  Aufl. 
(=  Samml.  Göschen  N.  15).  St.,  Göschen.  12».  119  S.  M.  0,80  IfE.  H.  Meyer:  ADA.;19,  S.  289.]|  (Vgl.  JBL.  1890  I  5  :  13.) 
—  9)  X  F-  Losch,  Mythologisches:  GBURentlingen.  4,  S.  746.  —  10)  W.  Schwartz,  Volkstnml.  Schlaglichter.  IV.  D. 
VVeltgesch.  im  Spiegel  d.  Volkstums:  ZWolksk.  3,  S.  117-30.  —  U)  M.  Höfler,  D.  Geruch  v.  Standpunkte  d.  Volkskunde: 
ib.  S.  438-48.    —    12)  F.  Vogt,    Seb.  Franck  u.  Joh.  Bohemus:    ib.   S.  369-72.    —    13)  F.  Kluge,    E.    U.    Meyer.    F.  Pfaff, 


I  5:14-26  F.  Vog-t,  Volkskunde. 

Unternehmens  gestellt.  —  Aus  dem  Oberelsass,  dem  Sundg-au,  bringt  Faber  *^) 
allerlei  von  Volksüberlieferung-en  und  Sagen  vor.  — 

Für  die  Schweiz  bietet  das  von  Staub,  Tobler,  Schoch  und  Bach- 
mann'^)  herausgegebene,  allmählich  fortschreitende,  treffliche  Idiotikon,  worauf 
Weinhold  wieder  hinwies,  bekanntlich  auch  Beiträge  zur  Volkskunde,  ähnlich  wie 
in  diesem  Berichtsjahr  für  Bayern  die  von  Brenner  und  Hartmann '^J  redigierten 
„Mundarten".— Sepp  ^''■^^)  hat  sein  1876  erschienenes  Buch  in  einer  Titelauflage  wieder- 
holt und  dazu  ein  neues  Werk  veröffentlicht,  das  sich  örtlich  engere,  sachlich  weitere 
Grenzen  gezogen  hat.  Aber  den  Hauptinhalt  dieser  aus  sehr  verschiedenen  Gebieten 
oberbayerischer  Kulturgeschichte  zusammengetragenen  „Denkwürdigkeiten"  bilden 
doch  wieder  Volkssage,  Volkskultus  und  Volksglaube.  Die  Berührung  des  jüngeren 
Werkes  mit  dem  älteren  ist  stellenweise  sehr  eng,  so  eng,  dass  gelegentlich  auch 
eine  Sage  wörtlich  aus  ihm  übernommen  ist,  ohne  dass  ein  Verweis  für  nötig  be- 
funden wäre;  aber  das  Meiste  ist  doch  neu,  und  manch  interessantes  Material  wird 
geboten,  beispielsweise  in  den  Mitteilungen  über  volkstümliche  Heiligenverehrung. 
Vertrautheit  mit  Land  und  Leuten,  ausgebreitete  Kenntnis  mündlicher  Ueberlieferungen 
kommen  dem  Vf.  zu  statten.  Aber  leider  beeinträchtigt  der  völlige  Mangel  an  wissen- 
schaftlicher Methode  diese  Vorzüge  in  schlimmer  Weise.  Unbekümmert  um  die 
neueren  Richtungen  und  Ergebnisse  der  mythologischen  Forschung  wittert  S.  hinter  allen 
möglichen  Erscheinungen  des  Volkslebens,  hinter  allen  möglichen  Orts-  und  Personen- 
namen gleich  uraltes  Heidentum.  Seine  Etymologien  lassen  nicht  ahnen,  dass  es 
eine  Wissenschaft  der  deutschen  Philologie  giebt.  Es  macht  ihm  gar  nichts  aus, 
die  Ordalien  vom  Urdarbrunnen,  alle  Egerflüsse  im  Ries  und  in  Böhmen  sowie  die 
Eider  von  „dem,  deutschen  Seegott  Aegir"  abzuleiten.  Die  heilige  „Fürbet  oder 
Vorbet"  findet  er  schon  als  Amazone  Oiorpati  bei  Herodot  vor,  und  nachdem  die 
Vorbet  im  Handumdrehen  zur  Borbet  geworden  ist,  setzt  er  sie  der  heiligen 
Barbara  gleich  !  Das  Schlimmste  ist,  dass  die  Konfusion  sich  stellenweise  auch  auf 
die  Wiedergabe  der  Ueberlieferungen  erstreckt.  So  ist  z.  B.  aus  einem  Seiher,  der 
nach  dem  Sagenschatz  (S.  21)  aus  einer  goldhaltigen  Quelle  die  Goldkörner  auffing,  in 
den  Denkwürdigkeiten  (S.  51)  ein  Seilermeister  geworden!  Bei  alledem  darf  jedoch 
das  Buch  von  der  volkskundlichen  Forschung  nicht  unberücksichtigt  bleiben,  und 
man  darf  die  Mühe  nicht  scheuen,  das  thatsächlich  Wertvolle  aus  der  wunderlichen 
Umgebung  herauszusuchen.  — 

In  die  Tiroler  Alpen  führen  uns  die  kleinen  Beiträge  von  Greussing'^) 
und  die  frisch  aus  dem  Leben  gegriffene  Schilderung  Marie  Rehseners^o)  aus 
Gossensass.2i)  — 

Eine  weit  umfassendere,  recht  verdienstliche  Uebersicht  über  die  Gegenstände 
und  die  Erscheinungsformen  des  Volksglaubens  bei  den  Siebenb  ürger  Sachsen 
giebt  von  Wlislocki'^2-23-)  unter  ausgiebiger  Verwertung  der  bezüglichen  Litteratur 
und  auf  Grund  persönlicher  Vertrautheit  mit  diesem  Gebiete.  Er  erörtert  die  ver- 
schiedenen Gattungen  der  Dämonen,  die  in  den  Vorstellungen  seiner  Landsleute 
leben,  handelt  von  den  Bräuchen,  die  an  den  grossen  Jahresabschnitten  und  an  den 
einzelnen  Festtagen  begangen  werden,  führt  in  einem  Abschnitt,  für  den  ihm  am 
meisten  neues  Material  zur  Verfügung  stand,  die  Mittel  und  die  Sprüche  vor,  mit 
denen  Krankheiten  geheilt,  das  Glück  gefesselt,  dem  Unglück  gew^ehrt  wird ;  er 
zeigt,  welche  Rolle  die  Tiere  im  sächsischen  Volksglauben  spielen,  und  behandelt 
endlich  die  Anschauungen,  Bräuche  und  Zaubermittel,  die  sich  auf  den  Tod  beziehen. 
In  den  Auslegungen  ist  er  ziemlich  unselbständig;  der  Wert  des  Buches  liegt  in  der  be- 
quemen Zusammenstellung  eines  reichen  Materials. -^"25)  —  Während  das  Korrespondenz- 
blatt des  Vereins  für  siebenbürgische  Landeskunde  der  Volkskunde  neben  der  Ge- 
schichte gewidmet  ist,  zeigt  ein  Fragebogen,  den  Seh  ullerus^^),  der  Herausgeber 
des  Korrespondenzblattes,  zusammen  mit  0.  Wittstock  aufgestellt  hat,  dass  auch  in  der 
alten  Sachsenkolonie  volkskundlichen  Sammlungen  eine  besondere  Fürsorge  ge- 
widmet wird.  — 


Fragebogen  ■/-.  Samml.  d.  volkstüral.  Ueberlieferungen  in  Baden:  Alemannia  21,  S.  301,4.  —  14)  K.  W.  Faber,  Sagen  u. 
Volksgebräuche  aus  d.  Sundgau:  JbGElsLothr.  9,  S.  4-75.  —  15)  Schweizerisch.  Idiotikon.  Wörterbuch  d.  schweizerdtsch, 
Sprache.  Ges.  auf  Veranstaltg.  d.  Antiquar,  Ges.  in  Zürich.  Bearb.  v.  F.  Staub,  L.  Tobler,  R.  Schoch  u.  A.  Bach- 
mann, lieft  21-25.  Frauenfeld,  J.  Huber.  4".  2.  Bd.  S.  1809-40;  3.  Bd.  S.  1-767.  ä  M.  2,00.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  3, 
S.1078.]|  —16)  Bayerns  Mundarten.  Beitrr.z.  dtsch.  Sprach- u.  Volkskunde  her.  V.  0.  Bre  nn  er  u.  A  Hartraann.  2.  Bd.,  I.Abt, 
München,  Kaiser.  160  S.  M.  4,00.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  3,  S.  342;  L.  Hertel:  ZDU.  7,  S.  777.J[  -  17)  J.  N.  S  e  p  p  , 
AUbayerisch.  Sagenschatz  z.  Bereicherung  d.  indogerra.  Mytholog.  Mit  7  Illustr.  Neue  Ausg.  München,  Galler.  XVI,  735  S. 
M.  8,00.  —  18)  (I  4:446.)  —  19)  P.  Greussing,  Sagen  u.  Gebräuche  im  Stubaithal  in  Tirol:  ZVVolksk.  3,  S.  169-76.  — 
20)  Marie  Rehsener,  Aus  Gossensass.  Arbeit  u.  Brauch  in  Haus,  Feld,  Wald  u.  Alm:  ib.  S.  40-55.  —  21)XE  Friedel, 
Beobachtungen  z.  Ethnologie  u.  Volksk.  in  Pommern  u.  Tirol:  VGAnthr.  S.  554/6.  (7  kleine  Notizen.)  —  22)  H.  v.  Wlislocki, 
Volksglaube  u.  Volksbrauch  d.  Siebenbnrger  Sachsen.  (=  Beitrr.  z.  Volks-  u.  Völkerkunde.  Bd.  1.)  Weimar,  Felber.  212  S. 
M.  5,00.  |[A.  John:  ZVVolksk.  3,  S.  465;  A.  Schlossar:  BLU.  S.  631'2;  P.  Bartels:  ZEthn.  25,  S.  102;  K.  Pröll: 
NatZg.  46,  N.  465.]|  -  23)  X  i^^.  Neue  Beitrr.  z.  Volksk.  d.  Siebenbürger  Sachsen:  EthnMUng.  3,  S.  18-46.  —  24)  X  Z. 
Volksk.:  KBlVSbnbgLK.  16,  S.  50/2.  65-70,  129-32.    -  25)  X  V.  Roth,  Z.  Aberglauben  v.  Klein-Bistritz:   ib.  S.  134/5.  -  26) 


F.  Vogt,  Volkskunde.  15-.  27-« 

Ganz  der  Volkskunde  dienen  auch  die  Ethnolog-ischen  Mitteilungen  aus 
Ungarn,  die  unter  A.  Herrmanns^")  Leitung  erscheinen;  doch  treten  in  dieser 
Zeitschrift,  deren  bedrohte  Existenz  jetzt  durch  das  thätige  Eingreifen  des  Erzherzogs 
Josef  gesichert  ist,  naturgemäss  die  deutschen  Verhältnisse  nicht  gerade  in  den 
Vordergrund.  —  Aehnlich  wie  den  siebenbürgischen  hat  Wlislocki^s)  auch  den 
magyarischen  Volksglauben  behandelt.  Natürlich  stimmen  die  betreffenden  Vor- 
stellungen und  Bräuche  bei  Sachsen  und  Magyaren  vielfach  überein,  da  in  diesem 
Falle  zu  dem  internationalen  Gemeingut  noch  nachbarliche  Beeinflussungen  kommen; 
übereinstimmend  äussert  sich  hier  wie  dort  aber  auch  der  Standpunkt  des  Vf.,  be- 
sonders sein  enger  Anschluss  an  Lipperts  Anschauung'en ;  so  fehlt  es  denn  nicht 
an  fast  gleichlautenden  Partien.  Für  die  deutsche  Volkskunde  würde  es  von  be- 
sonderem Werte  gewesen  sein,  wenn  W.  die  Besonderheiten  deutscher  Kolonien  in 
magyarischer  Umgebung  mehr  berücksichtigt  hätte.  Wir  würden  dann  wohl  noch 
öfter  so  interessante  Erscheinungen  erfahren  wie  die,  dass  im  Unterschiede  von 
den  sonst  in  Ungarn  herrschenden  Johannisbräuchen  bei  der  aus  Magyaren  und 
Deutschen  gemischten  Bevölkerung  eines  Dorfes  das  Scheibentreiben  vorkommt,  bei 
dem  dann  die  deutschen  Burschen  nach  der  bis  in  das  Elsass  hinüberreichenden 
Sitte  die  Widmung  an  die  Geliebte  rufen  (S.  63).  Magyarische  Eigenheiten  treten 
besonders  in  dem  Kultus  der. „Geburtsgöttin"  und  in  vielen  Zauberbräuchen  zu  Tage, 
die  vor  allem  auch  der  sehr  entwickelten  Schatzgräberei  dienen.  Interessant  ist  es 
zu  vernehmen,  dass  noch  heute  in  Ungarn  förmliche  Verschreibungen  an  den  Teufel 
vorkommen.29  30)  — 

Durch  kleinere  Mitteilungen  sind  von  Mitteldeuts  chla  nd  das  bayerische 
Mittelfranken  3  • ),  Aschersleben  ^2-)^  ^[q  Grafschaft  Mansfeld33)  vertreten.  3*)  —  Ferner 
Nordböhmen  3^),  die  Lausitz  ^ej^  Mittelschlesien  3'').  — 

Zur  deutsch-mährischen  Volkskunde  bietet  uns  Willib  ald  Müller  ^^)  eine 
reichhaltige  Sammlung,  die  er  mit  Benutzung  des  in  Zeitschriften  zerstreuten  Materials 
und  schriftlicher  Beiträge  einer  Anzahl  von  Landsleuten  zusammengestellt  hat.  Auf 
eine  Sammlung  von  Sagen  und  Märchen  folgt  ein  Abschnitt,  der  die  Hauptmundarten 
der  deutschen  Sprachgebiete  in  Mähren  unter  dankenswerter  Mitteilung  von 
Dialektproben  charakterisiert.  Ein  wiederum  nach  einzelnen  Landschaften  gegliedertes 
Kapitel  schildert  die  Besonderheiten  der  Bewohner  in  ihren  Lebensverhältnissen,  in 
Tracht  und  Sitte,  Glauben  und  Brauch,  wobei  denn  auch  Proben  der  Volksdichtung, 
unter  ihnen  auch  Christkindelspiele,  mitgeteilt  werden.  An  wissenschaftlicher  Methode 
lässt  das  Werk  allerdings  manches  vermissen.  Die  an  verschiedenen  Stellen  ge- 
machten Versuche,  nachzuweisen,  dass  Reste  der  ersten  germanischen  Bevölkerung 
Mährens  die  slavische  Einwanderung  überdauert  hätten,  müssen  als  missglückt  be- 
zeichnet werden.  Am  meisten  aber  ist  der  Mangel  jeglichen  Quellennachweises  bei  den 
einzelnen  Stücken  zu  tadeln.  Von  einem  nicht  geringen  Teil  der  Sagen  getraue  ich 
mir  mit  Bestimmtheit  zu  behaupten,  dass  sie  mindestens  nicht  in  dem  blühenden 
Stile,  in  dem  sie  uns  hier  vorgetragen  werden,  aus  dem  Volksmunde  stammen.  Immer- 
hin können  besonders  die  beiden  letzten  Abschnitte  des  Buches  ungefähr  ein  Bild  von 
der  Beschaffenheit  der  Mundarten  und  der  reichen  Volksüberlieferungen  Deutsch- 
Mährens  geben,  und  im  ganzen  ist  das  Werk  recht  wohl  geeignet,  seinem  aus- 
gesprochenen Zwecke  gemäss  zu  weiteren  Sammlungen  anzuregen.  — 

In  Niederdeutschland  ist  für  Pomra  e  rn^^)  durch  die  von  Knoop  und 
Haas*'')  gegründete  Zeitschrift,  für  Mecklenburg  durch  die  von  Wossidlo^^j 
mit  voller  Sachkenntnis,  warmer  Hingabe  und  glücklichem  Erfolge  unternommenen 


KBlSbnbgLK.  her.  v.  A.  S  c  hnll  e  rn  s.  Bd.  16.  Herrmanstadt,  W.  Krafft.  VUI,  168  S.  M.  2,00.  (Fragebogen  S.  95.)  —  27) 
Ethnolog.  Mitteilungen  aus  Ungarn.  Zeitschr.  für  d.  Völkerk.  Ungarns,  her.  v.  A  n  t.  H  e  r  r  m  a  n  n.  3.  Bd  Budapest,  V. 
Hornyänsky.  296  S.  Fl.  6.00.  |[M.  Höfler:  ZVVolksk.  3,  S.  345;  F.  Bartels:  ZEthn.  25,  S.  1712;  S.  Krauss:  Ur- 
quell 4,  S.  löl.Ji  —  28)  H.  V.  W  1  i  s  1  0  c  k  i ,  Aus  d.  Volkslehen  d.  Magyaren.  München,  Huttier.  IS3  S.  M.  7,00.  |[K.  J.  Schröer: 
ZVVolksk.  3,  S.  346  (mit  verschiedenen  Ausstellungen  u.  Berichtigungen);  F.  S.  K. :  Urquell  4,  S.  32;  J.  Kont:  RCr.  36, 
S.  3589;  L.  Frey  tag:  COIEW.  21,  S.  505/6;  Ausland  66,  S.  512  Jl  —  29)  X  L.  Mä  t  y  ä  s ,  Aas  d.  Volksglauben  d.  Schwaben 
V.  Solyinär,  Szent-Irän  u.  Hidegküt:  EthnMUng.  3,  S.  162  5,  244  7.  —  30)  X  Ä.  Herrmann,  Ans  d.  Dobsinaer  Volksglauben: 
ib.  S.  106  7.  —  31)  X  ^'  Rothbart,  Aus  Mittelfranken :  Bayerns  Mundarten  2,  S.  1458.  {Festbräuche  u.  e.  Sage  aus  Nüro- 
berg  u.  Umgegend.)  —  32)XE-  Strassburger,  Volkstüml.  Bräuche  u.  Aberglauben  in  Aschersleben :  ALVKS.  3,  S.  148-59.  — 
33)  XH.  Grössler,  5.  Nachlese  v.  Sagen  u.  Gebräuchen  d.  Grafsch.  Mansfeld  u.  deren  nächsten  Umgebungen :  MansfelderBlI.  7, 
S.  162-77.  —  34)  X  P-  E.  Richter,  Litt.  d.  Landes-  u.  Volksk.  d.  Königr.  Sachsen.  1.  Nachtr.  Dresden,  Huhle  in  Komm. 
43  S.  M.  0,60.  (Enthält  verstreut  auch  einige  volksknndl.  Litt.)  —  35)  X  Volkstümliches:  MNordböhmExcursClub.  16,  S.  133,8. 
(V.  verschiedenen  Vf.)  —  36)  X  W.  Schwartz,  Volkstüml.  aus  d.  alten  Lausitzer  Gegend  v.  Flinsberg:  NLausitzMag.  3, 
N.  1.  —  37)  'X,  Ang.  Baumgart,  Aus  d.  mittelschles.  Dorfleben:  ZVVolksk.  3,  S.  144  5.  (Sitten  u.  Gebräuche  bei  d.  Kon- 
firmation, d.  Hochzeit,  d.  Geburt  u.  Taufe,  d,  Tod  n.  Begräbnis,  bei  Festgelagen  u.  Mahlzeiten.)  -  38)  Willibald  Müller, 
Beitrr.  z.  Volksk.  d.  Deutschen  in  Mähren.  Wien  u.  Olmütz,  Graeser.  VIII,  446  S.  M.  4,00.  |[F.  P.  Piger:  ZVVolksk.  3, 
S.  342;  A.  Schlossar:  BLU.  S.  633.]|  —  39)  X  (S.  o.  N.  21.)  —  40)  Bll.  für  Pommersche  Volkskunde.  Mschr.  für  Sage 
u.  Märchen,  Sitte  u.  Brauch,  Schwank  u  Streich,  Lied,  Rätsel  u.  Sprachliches  in  Pommern  her.  v.  0.  Knoop  u.  A.  Haas. 
1.  Jahrg.  Stettin,  J.  Burmeister.  192  S.  M.  4.00.  |fH.  M(ielcke):  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  78,9.]!  —  41)R.  Wossidlo, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Lilteraturgeschichte.     IV.  9 


1 -5  :  42-52  F.  Vogt,  Volkskunde. 

Sammlungen  gesorgt.  Kleinere  Mitteilungen  sind  dem  ostfriesischen*^)  Gebiete 
gewidmet.  — 

Aus  dem  Westfälischen  liefert  Hüser^^)  interessante  kleine  Beiträge, 
welche  Volksbelustigungen  und  Volksbräuche  (auch  den  Schwerttanz),  ferner  Flur- 
namen, Zauber  und  Gegenzauber  betreffen;  dazu  zwei  Märchen  und  ein  Arzneibuch 
aus  dem  Paderbornischen.  —  Eine  reichhaltige  und  vielseitige  Monographie  wurde 
der  Bevölkerung  des  Saterlandes  von  Siebs^*)  gewidmet.  Sie  behandelt  die  Ge- 
schichte, das  Recht  und  die  Verfassung  des  nach  S.  zwischen  1200  und  1400  aus 
Ostfriesland  in  die  niedersächsische  Umgebung  eingewanderten  Völkchens,  seinen 
Hausbau,  der  den  reinen  sächsischen  Typus  zeigt,  die  Sitten  und  Gebräuche,  den 
Aberglauben,  die  Lebensweise  und  die  Erwerbsquellen,  endlich  auch  seine  Sprache, 
die  zwar  von  den  plattdeutschen  Nachbarn  nicht  unbeeinflusst  geblieben  ist,  ihre 
ostfriesische  Eigenart  aber  doch  genugsam  bewahrt  hat,  um  jenen  unverständlich 
zu  sein.  Da  der  Vf.  einige  Schilderungen  und  Erzählungen  genau  so  wiedergiebt,  wie 
sie  ihm  bei  seiner  eingehenden  Durchforschung  des  Ländchens  von  den  Bewohnern 
vorgetragen  sind,  so  bietet  er  uns  auch  zugleich  einige  hübsche  Dialektproben.  — 
Das  Land  zwischen  Unterweser  und  Unterelbe  betrifft  eine  von  F  r  eudenthan^) 
veranstaltete  Sammlung  von  Geschichtsbildern,  landschaftlichen  Schilderungen,  Dar- 
stellungen von  Volksbräuchen,  Sagen,  kleinen  Erzählungen  und  Gedichten  ver- 
schiedener Vf.  Wissenschaftliche  Ziele  verfolgt  das  Buch  nicht.  Seinem  Zwecke,  in 
einer  Zeit  Alles  verwässernder  Gleichmacherei  das  Bewusstsein  und  die  Pflege  nieder- 
sächsischer Stammesart  zu  fördern,  kann  es  recht  wohl  dienen ;  echt  niederdeutscher 
Charakter  und  echt  niederdeutscher  Humor  spricht  aus  einigen  der  mundartlichen 
Stücke,  besonders  aus  dem  freilich  Kjelland  nachgebildeten  „Der  Torfmoor"  und 
aus  dem  Märchen  ,,Der  Wunschring".  —  Zur  Lübischen  Volkskunde  bieten  die 
Mitteilungen  des  Lübecker  Geschichtsvereins  verschiedene  Beiträge  *^"'*^).  — 

Unter  den  Schriften  über  einzelne  Volksbräuch  e^"j  treten  besonders 
die  auf  bestimmte  Festtage  und  festliche  Veranstaltungen  bezüglichen  hervor.  Dem 
Zusammenhange  des  Wettlaufens  mit  dem  altdeutschen  Kultus  geht  Weinhold^") 
nach,  indem  er  die  vom  Volke  zu  Ostern,  Pfingsten,  Johannis,  in  der  Herbstzeit  und 
am  Stephanstage  in  gewissen  Gegenden  geübten  Wettläufe  und  Wettrennen  als  Teil 
der  alten,  mit  Opfern  verbundenen  Jahrzeitfeiern  betrachtet.  Auch  die  Reste  des 
symbolischen  Brautraubes  und  des  Brauches,  dass  die  Hochzeitsgäste  um  die  Wette 
laufen,  ferner  der  Wettlauf  bei  Staats-  und  Gemeindefesten  und  das  in  mittel-  und 
süddeutschen  Städten  vom  14.  bis  17.  Jh.  beliebte,  besonders  auch  von  Weibern  aus- 
geführte Preislaufen  um  ein  Stück  Tuch  werden  kurz  und  klar  erörtert.  Zum 
Schluss  wird  auf  gemeinsame  Züge  zwischen  den  besprochenen  deutschen  Bräuchen 
und  einem  mit  Wettlauf  verbundenen  altindischen  Jahrzeitopfer  hingewiesen.  Bei 
letzterem  spielt  ein  auf  einem  Pfahle  befestigtes  Rad  eine  Rolle,  wozu  A.  Schullerus 
(im  KBlVSbnbgLK.  16,  S.  25)  die  bei  den  siebenbürgischen  Sachsen  übliche  und  schon 
bei  Cäsarius  von  Heisterbach  nachgewiesene  Form  des  Maibaumes  vergleicht.  — 
Ueber  den  in  Urach  am  Jakobitage  begangenen  Schäferlauf,  ein  besonders  mit 
Mädchenwettläufen  und  dem  Hahnentanze  gefeiertes  Volksfest,  handelt  Hevesi^^)  in 
witziger  Feuilleton-Manier.  — 

Als  ältestes  Zeugnis  für  ein  deutsches  F  r  ühl  in  gs feuerfest  weist  V  o  gt^^-j 
die  Nachricht  von  dem  bei  solchem  Anlass  durch  das  Emporschleudern  einer  brennenden 
Holzscheibe  im  J.  1090  verursachten  Brand  des  Klosters  Lorsch  nach.  Er  verfolgt 
die  Sitte  dieses  „Scheibentreibens"  bis  zur  Gegenwart,  stellt  ihr  Verbreitungsgebiet 
und  ihre  nach  den  Gegenden  verschiedene  Anwendung  bei  Frühlingsfeuern  oder 
Johannisfeuern  fest  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  das  Scheibentreiben  ursprüng- 
lich als  eine  sowohl  für  den  Sonnenlauf  als  für  die  Witterung  bedeutsame  Handlung 
zu  einer  im  März  abgehaltenen  deutschen  Frühlingsfeier  gehörte.  Der  Flug  der 
feurigen  Scheibe  gilt  aber  auch  als  Glücksorakel  und  man  begleitet  ihn  mit  Wunsch- 
sprüchen für  geliebte  und  verehrte  Personen.  Aus  diesem  Brauch,  nicht  wie  bisher 
aus  dem  Bilde    vom  Glücksrad,  sind    verschiedene    Stellen    bei   mittelhochdeutschen 


D.  Samml.  mecklenburg.  Volksüberliefernngen :  KBGV.  41,  S.  213.  —  42)  X  K.  Dirksen,  Aus  Ostfriesland :  ZWolkslc.  3, 
S.  90/3.  —  43)  B.  Hüser,  Beitrr.  z.  Volksk.  Progr.  d.  Gymn.  Brilon.  4".  28  S.  —  44)  Th.  Siebs,  D.  Saterland.  E. 
Beitr.  z.  dtsch  Volksk.:  ZVVolksk.  3,  S.  239-78,  373-410.  —  45)  A.  Freudenthal,  Aus  Niedersachsen.  Schilderungen, 
Erzählungen,  Sagen  u  Dichtungen.  E.  Volksbuch  für  Alt  n.  Jung.  Bremen,  Schünemann.  IX,  375  S.  M.  3,00.  —  46)  X 
W.  Kruse,  Aus  d.  Lübeckischen  Volksmunde:  Auslegung  d.  Läutens:  MVLübG.  S  16.  —  47)  X  C.  S  ch  u  m  a  n  n  ,  Beitrr.  z. 
Lübeckischen  Volkskunde.  5.  Teile  d.  menschl.  u.  tierischen  Leibes.  6.  Nahrungsmittel,  Speisen  u.  Getränke.  7.  Backwaren, 
S.Kleidung:  ib  S.  ll/,5,  27-32,  42  5,  59-64.  (Vgl.  I  4:346.)  —  48)  X  Anna  Grube,  H.  Sartori,  A.  Benda,  Alis  d  Volks- 
munde: ib.  S.  47/8.  (Nachtr.  zu  MVLübG.  5,  S.  26.)  —  49)  W.  v.  S  c  h  u  I  e  n  bu  r  g,  Kleine  Notizen  über  Volksbräuche  aus 
verschiedenen  Gegenden  Deutschlands:  VGAnthr.  S.  278-82  —  50)  K.  Weinhold,  D.  Wettlauf  im  dtsch.  Volksleben: 
ZVVolksk.  3,  S.  1-23.  (Dazu  Herrmann,  Zu  Glückshafen  n.  Wettlauf:  ib.  S.  459-60.)  —  51)  L.  H  e  v  e  s  i ,  V.  Kalau  bis  Säkkingen. 

E.  geraütl.  Kreuz  u.  Quer.     St.,  Bonz     VU,  323  S.     M.  4,00.  (S.  183-94.  D.  Schäferlauf  in  Urach;  vgl. 14:  29)   -  52)  F.  Vogt, 


F.  Vogt,  Volkskunde.  I  5  :  53-62 

Dichtern  zu  erklären.  Doch  vermischen  und  beeinflussen  sich  schdh  früh  die  Vor- 
stellungen vom  Glücksrad  und  von  der  Feuerscheibe.  ^3"^'^")  —  Eine  hübsche  und 
lebhafte  Schilderung  von  anderen  deutschen  Frühlingsfestbräuchen,  dem  Kampf  zwischen 
Winter  und  Sommer,  dem  Todaustragen  und  einem  zwischen  diesen  beiden  Aufzügen 
stehenden  böhmischen  Spiel  giebt  Tille^*).  —  Ein  Sommer-  und  Winterspiel  aus 
Hartlieb  bei  Breslau  teilt  Königes)  nach  mündlicher  Ueberlieferung  mit,  und  aus 
Heidelberg  vernehmen  wir  von  einem  nachahmenswerten  Versuch,  den  alten  Sommer- 
verkündigungsumzug als  Kinderfest  zu  erhalten. ^6)  —  Die  nationalen  Ost  er  brauche 
und  ihren  mythischen  Hintergrund,  dann  die  kirchlichen  Ostersitten  und  weiter  die 
Darstellung  der  Ostergeschichte  in  der  angelsächsischen  und  deutschen  Dichtung 
behandelt  Freybe^'')  mit  christlicher  und  nationaler  Tendenz  in  einer  Weise,  die 
vielfach  an  Vilmar  erinnert,  aber  nicht  mit  Vilmars  wissenschaftlicher  Selbständigkeit 
und  ohne  Berücksichtigung  der  neueren  Forschung.58"59)  —  Zur  Kenntnis  der  Mai- 
feste steuert  Rademacher^'')  Mitteilungen  über  das  Mailehen,  den  Maibaum,  die 
Reste    des  Maigerichtes   und  das  Brunnenfest  in  den  Rheinlanden  bei.  — 

Die  bemerkenswerteste  Erscheinung  zur  Geschichte  der  Festbräuche  ist 
in  diesem  Berichtsjahre  das  Buch  über  das  Weihnachtsfest  von  Tille.^^) 
Seine  Bedeutung  liegt  vor  allem  in  der  reichlichen  Verwertung  von  älteren 
litterarischen  Zeugnissen  über  die  Form  volkstümlicher  Weihnachtsfeiern  und  in 
der  Prüfung  ihres  Verhältnisses  zur  kirchlichen  Tradition.  Dass  der  Vf.  dabei 
mehr,  als  es  bisher  üblich  war,  auf  die  Chronologie  dieser  Zeugnisse  achtet  und 
einer  vorschnellen  Ableitung  lebender  Volksbräuche  aus  germanisch  heidnischen 
Gewohnheiten  entgegentritt,  ist  im  Prinzip  nur  zu  loben.  Und  wenn  er  im 
Geiste  einer  modernen  Richtung  in  der  Geschichtsschreibung  für  die  Erklärung 
der  alten  Festsitten  möglichst  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  unserer  Vorfahren 
herbeizieht,  so  ist  das  gewiss  ein  fruchtbarer  Gesichtspunkt.  Nur  muss  man  auch 
diese  Prinzipien  nicht  übertreiben.  Und  nur  durch  ihre  Uebertreibung  ist  meines  Er- 
achtens  T.  zu  dem  Ergebnis  gekommen,  dass  die  Wintersonnenwende  im  germanischen 
Kultus  überhaupt  gar  keine  Rolle  gespielt  habe,  und  dass  ein  volkstümliches  deutsches 
Weihnachtsfest  eigentlich  erst  im  14.  Jh.  ausschliesslich  auf  Grund  kirchlicher  Ein- 
richtungen entstanden  sei,  unter  ziemlich  gewaltsamer  und  unnatürlicher  Herüber- 
ziehung germanischer  Spätherbstbräuche  und  unter  ziemlich  unbestimmter  und  un- 
bedeutender Einwirkung  der  römischen  Kaiendenfeier.  Der  Vf.  beachtet  nicht  genügend, 
wie  sehr  das  erste  Auftreten  eines  litterarischen  Zeugnisses  über  einen  Volksbrauch 
Sache  des  Zufalls  ist,  und  wie  unvollständig  immer  noch  unsere  Kenntnis  selbst  der 
erhaltenen  Nachrichten  ist.  Auch  von  Irrtümern  in  der  Datierung  solcher  Zeugnisse 
ist  seine  Schrift  nicht  frei,  weniger  noch  von  Willkür  in  der  Auslegung  derjenigen, 
die  seiner  Hypothese  widerstreiten.  Von  Beda  und  seinem  Zeugnis  über  den  angel- 
sächsisch-heidnischen Kultus  der  modraniht  an  bis  ins  15.  Jh.  hinein  sollen  die  Geist- 
lichen nur  irrtümlich  oder  mit  absichtlicher  Entstellung  der  Wahrheit  von  alten 
Volksbräuchen  am  24.  oder  25.  Dec.  geredet  haben.  Die  wichtigen  und  weit  zurück- 
gehenden Nachrichten  über  Weihnachtsfeuer,  der  Berchtenumzug  auf  Epiphanias, 
die  Geistererscheinungen  und  Geistermahlzeiten  am  Christabend,  und  was  sonst  für 
das  Begehen  des  finstersten  Teiles  des  Jahres  im  Sinne  des  Toten-,  Geister-  und 
Götterkultes  spricht  —  das  wird  teils  nicht  berücksichtigt,  teils  weginterpretiert,  teils 
in  der  Darstellung  so  zersplittert,  dass  es  nicht  zur  Geltung  kommen  kann.  Ich 
kann  daher  dem  Vf.  nicht  zugeben,  was  er  in  der  Vorrede  behauptet,  dass  unser 
Weihnachtsfest  erst  durch  sein  Buch  eine  völlig  befriedigende  Erklärung  erhalte. 
Aber  ich  möchte  es  kaum  als  ein  geringeres  Verdienst  schätzen,  dass  er  unter  Be- 
reicherung des  wissenschaftlichen  Materials  und  der  Gesichtspunkte  für  dessen  Ver- 
wertung die  Forschung  lebhaft  angeregt  und  zur  Auseinandersetzung  mit  seinen 
Hypothesen  genötigt  hat.  Weniger  verdienstlich  scheint  mir  die  etwas'  eilige  und 
übereifrige  Popularisierung  solcher  vielfach  noch  ganz  hypothetischen  Dinge,  wie 
sie  der  Vf.  in  mancherlei  Zeitschriften  betreibt.  Auch  das  vorliegende  Buch  ist  teil- 
weise aus  solchen  Aufsätzen  hervorgegangen,  und  es  verrät  diesen  Ursprung  stellen- 
weise durch  Wiederholungen  und   andere  Unebenheiten.  —  Kleine    Beiträge   liegen 


Beitrr.  z.  dtsch.  Volksk.  ans  älteren  Quellen.  I.  Scheibentreiben  u.  Frühlingsfeuer:  ZVVollcslf.  3,  S.  350-69.  —  53)  X  E.  Lemke, 
D.  Oster-  n.  Johannisfeuer:  VGAnthr.  S.  154.  (Kurze  Notiz,  d.  d.  Osterfeuer  auch  in  Podolien  nachweist.)  —  53a)  X  K- 
Keiter,  Osteibräuche  in  d.  österreichischen  Alpen:  NatZgB.  u.  14.  —  54)  A.  Tille,  E.  dtsch.  Frühlingsspiel: 
PrJbb.  71,  S.  86-Ö9  —  55)  B.  Honig,  E.  Sommer-  ti.  Winterspiel  in  Schlesien:  ZVVolksk.  3,  S.  2268.  —  56)  D. 
Soramersonntag  in  Heidelberg:  ib.  S.  228.  —  57)  A  Freybe,  Ostern  in  dtsch.  Sage,  Sitte  n.  Dichtung.  Gütersloh, 
Bertelsmann.  VUI,  137  S.  M.  2,00.  (\g\.  I  10:45.)  —  58)  X  Auricoste  de  Lazarque,  Le  Gründonnerstag  ou  le  jeudi 
vert  en  Alsace-Lorraine  et  en  Allemiigne:  RTP.  8,  S.  534-41.  —  59)  X  C.  Sterne,  D.  Osterspiel  als  german.  Urschauspiel 
betrachtet:  YossZg«.  N.  14.  —  60)  C.  Radeniacher,  Maisitten  am  Rhein:  Urquell  4,  S.  227-32,  238-41.  —  61)  A.  Tille, 
D.  Gesch.  d.  dtsch.  Weihnacht.  L.,  Keils  Nachf.  XI,  335  S.  M.  4,00.  -  62)  X  J.  Heller,  D.  Feier  d.  heil.  Abends  in  d. 
Familie  e.  dtsch.  Bauernhof besitzers  in  e.  grösseren  Dorfe   d.  nördl.  Böhmens  in  d.  Zeit  vor  1850:    MNordböhmExcarsClub.  16, 

9* 


I  5:62a-93  F.  Vogt,  Volkskunde. 

noch  zu  weiter^  Kenntnis  der  Weihnachtsfeier^^  62a )^  ^jer  Silvesterbräuche  ^ä'^"*)  und 
einiger  anderer  religiöser  Volkssitten  vor ^5"^^).  — 

Vereinzelte  Mitteilungen  finden  sich  über  Plochzeits-^'^"^^)  und  Toten- 
gebräuche 6^"''*^)  und  über  die  beim  Häuserbau  üblichen  Feierlichkeiten  der  Bau- 
leute''i"''^),  über  Trinkbräuche  "^3-74-1  ^j^j  Festgebäck ''^~''^'').  —  Ueber  Volksbräuche, 
die  sich  auf  den  Herd  beziehen,  handelt  Rademacher '^j,  der  die  göttliche  Ver- 
ehrung von  Herd  und  Ofen  daraus  erklären  will,  dass  man  den  Herd  ursprünglich 
auf  dem  Grabe  eines  Familiengliedes  erbaut  habe.  —  Auf  volksmässige  Rechts- 
bräuche beziehen  sich  Notizen  von  Weinhold'''^),  der  zu  dem  altnordischen  Schwur 
unter  dem  Rasenstreifen  eine  schlesische  Parallele  vom  J.  1590  beibringt,  und  von 
Sprenger''^)  über  das  Bahrrecht.'''*'^*')  — 

Diese  Bräuche  fallen  zu  nicht  geringem  Teil  schon  unter  den  Begriff  des 
Aberglaubens^*^2)  f^  der  weiten  und  unbestimmten  Fassung,  die  ihm  der  ge- 
wöhnliche Sprachgebrauch  giebt.  Die  Vertreter  der  Volkskunde  meiden  den  Aus- 
druck vielfach  ganz  und  ersetzen  ihn  durch  „Volksglauben".**^  ^*)  Wir  wollen  ihn 
hier  auf  das  Anwenden  von  Mitteln  und  Massregeln  einschränken,  die  ausserhalb 
der  Naturgesetze  und  der  kirchlichen  Bräuche  den  Menschen  und  seine  Umgebung 
zu  Heil  oder  Unheil  beeinflussen  sollen.  Sammlungen  von  dahin  gehörigen  Be- 
schwörungen und  Greheimmitteln  sind  bekanntlich  noch  allerorten  unter  dem 
Volke  verbreitet.  Eine  vor  etwa  70  oder  80  Jahren  geschriebene  teilt  Kaindl**^) 
aus  der  Bukowina  mit,  wohin  sie  vermutlich  aus  Oberungarn  gekommen  war;  sie  ist 
besonders  reich  an  Waffensegen.  —  Aehnliches  wird  aus  der  Lüneburger  Heide  ^^)  und 
aus  Schleswig-Holstein^'')  bekannt  gemacht.  Deutsche  Sprüche  gegen  Behexung 
sind  auch  in  dem  Aufsatz  von  Tuchmann^*)  mit  berücksichtigt.  —  Unter  der 
Benennung  „Liebeszauber"  bietet  Marsick^^)  eine  Zusammenstellung  von  Volks- 
bräuchen, die  sich  auf  Frauenschönheit,  Liebe,  Ehe,  Geburt,  Kindererziehung  und 
Tod  der  Gattin  beziehen.  Ihre  Quellen  und  das  Verbreitungsgebiet  der  einzelnen 
Erscheinungen  sind  nirgend  angegeben,  Vollständigkeit  ist  nicht  erreicht  und  nicht 
beabsichtigt.  Der  Vf.  verfolgt  nicht  gelehrte,  sondern  populäre  Zwecke,  wobei  ihm  ein 
warmes  Gefühl  für  die  Poesie  des  Volksglaubens  zu  statten  kommt.  — 

Ganz  besonders  dienen  die  Zaubermittel  natürlich  der  Volksmedizin,  und 
es  ist  sehr  willkommen,  neben  der  unendlichen  Fülle  an  Material,  die  sich  noch 
fortwährend  mehrt^^  '-'2),  auch  Arbeiten  zu  begegnen,  die  mit  voller  Beherrschung 
des  reichen  Stoffes  einen  einzelnen  Gegenstand  zusammenfassend  behandeln.  So  ver- 
folgt Gaidoz^'ä)  durch  die  Ueberlieferungen  der  verschiedensten  Zeiten  und  Völker 
hindurch,  ohne  sich  doch  ins  Detail  zu  verlieren,  den' merkwürdigen  Brauch  der 
Heilung  vermittelst  Durchkriechens  oder  Durchziehens  durch  ein  Loch  oder  einen 
Spalt,  ein  Mittel,  das  auch  in  der  deutschen  Volksheilkunde  noch  heute  eine  wichtige 
Rolle  spielt.  Mit  Recht  behauptet  G.,  dass  jener  Brauch  nicht  ausschliesslich  als  ein 
symbolischer  Akt  der  Wiedergeburt  aufgefasst  werden  kann,  sondern  dass  er  vielfach 
auch  eine  Abstreifung  und  Uebertragung  der  Krankheit  bezweckt.  Die  Verpflanzung 
der  Krankheit  in  das  Innere  eines  Baumes  wird  bei  diesem  und  einem  nahe  ver- 
wandten Akte  noch  heute  in  Deutschland  deutlich  genug  geübt.  —  Ueber  das  reich- 
haltige Buch  von  Strack  (vgl.  JBL.  1892  I  4  :  178;  s.  o.  I  4  :  177)  liegen  noch  mehrere 


S.  364/6.  —  62a)  X  0.  Gerin-Cassal,  Un  usage  alsacien.  La  Ncel  des  petits  oiseaTix:  AnnEst.  7,  S.  119-21.  —  63)  X 
F.  Vogt,  Neujahrsorakel  in  d.  1.  Hälfte  des  12.  Jh.:  ZVVolksk.  3,  S.  372.  (Honorins  v.  Antun  eifert  gegen  diese  Sitte  als  e. 
heidnische.)  —  64)  X  A.  Treichel,  D.  Eosbock-Jagen.  E.  Sylvesterbrauch  im  Oberlande:  Urquell  4,  S.  110,2.  —  65)  X 
J.  Mattauch,  Gelöbnistage  im  Danbaer  Bezirk:  MNordböhmExcursClub.  16,  S.  97-104.  —  66)  X  R-  Meringer,  Studien 
z.  german.  Völkerkunde.  II:  MAnthrGesWien.  23,  S.  136-81.  (Betrifft  d.  nordsteirische  Bauernhaus,  ist  aber  wegen  e.  Anhanges 
über  Votivtiere  hier  zu  erwähnen.)  —  67)  X  F'  P-  Piger,  E.  oberösterr.  Hochzeit.  E.  Beitr.  z.  Volksk.  Oesterreichs: 
OüR.  14,  S.  323-36.  —  68)  XE.  Frischauf,  „D.  falsche  Braut"  in  Niederösterr. :  ZVVolksk.  3,  S.  451|2.  —  69)  X  M. 
R  Osler,  Totengebräuche.  (Aus  d.  Gegend  v.  Friedland,  Neustadtl  u.  Dittersbach  in  Böhmen):  Urquell  4,  S.  280,1.  —  70)  X 
F.  Baumann,  Eselsbegräbnis:  KBlVSbnbgLK.  16,  S.  136,7.  —  71)  X  Behla,  D.  in  Luckau  übliche  Richtfest:  VQAnthr. 
S.  556/7.  (Mit  d.  Spruch  d.  Zimmerpoliers.)  —  72)  X  P-  Rowald,  Brauch,  Spruch  u.  Lied  der  Bauleute.  Hannover,  Schmorl 
&  V.  Seefeld  Nachf.  V,  183  S.  M.  2,40.  )[ÖLB1.  2,  S.  184,5.])  —  73)  X  Colm.  Schumann,  Glnckrohr-Trinkrunde  d.  lübischen 
Fischer:  Urquell  4,  S.  244  5.  —  74)XA.  Wiedemann,  Trinken  aus  Heiligenschädeln :  ib.  S.  112.  —  75)  X  A.  Treichel, 
Barches  oder  Berches  in  Westpreussen:  VGAnthr.  S.  568,9.  (Festgebäck.)  —  75a)  X  W.  Röseler,  Verschollene  Fastnachts- 
bräuche: NatZgB.  N.  7.  -  76)  C.  Rademacher,  Ueber  d.  Bedeutung  des  Herdes:  Urquell  4,  S.  57-60,  824,  112,;4.  —  77) 
K.  Weinhold,  Schwur  unter  d.  Rasen:  ZVVolksk.  3,  S.  224,5.  —  78)  R.  Sprenger,  D.  Bahrrecht.  Umfrage:  Urquell  4, 
S.  171,  275,6.  —  79)  X  id.,  Gantsymbolik:  ib.  S.  222,3.  —  80)  X  A.  T  r  e  ic  he  1 ,  Ueber  Reisighäufung  an  Mordstellen:  ib. 
S.  1516.  —  81)  X  0.  Henne  am  Rhyn,  E.  Reise  durch  d.  Reich  d.  Aberglaubens.  L.,  Spohr.  IV,  175  S.  M.  2,80.  -  82)  X 
H.  Hartmann,  D.  Aberglaube  in  d.  Zwölften:  VossZg".  N.  53.  —  83)  X  ^'  Sprenger,  Volksglaube  in  Schillers  Wallen- 
stein:  Urquell  4,  S.  93,4.  (S.  n.  IV  9.)  —  84)  X  A.  S  oh  r  o  o  t ,  D.  Symbolik  im  Volksglauben:  ib.  S.  241,4.  -  85)  ß.  F. 
Kaindl,  B.  dtsch.  Beschwörungsbuch.  Aus  d.  Hs.  her.:  ZEthn.  25,  S.  22-47.  —  86)  XW.  Poeck,  Aberglaube  n.  Be- 
schwörungsformeln aus  d.  LOneburger  Heide:  Germania  37,  S.  114-20.  —  87)  X  H.  Volksmann,  Schleswig-Holsteinische 
Haus-  u.  Zaubermittel:  Urquell  4,  S.  277-80.  —  88)  J.  Tuchmann,  Les  Fascines:  Melusine  6,  S.  280,7.  —  89)  Marsick, 
Liebeszauber.  E.  Beitr.  z.  dtsch.  Volksglauben.  Halle  a.  S.,  C.  A.  Kämmerer  &  Co.  VII,  48  S.  M.  0,60.  ([A.  Schlossar: 
BLU.  S.  263.]|  -  90)  X  F-  Teetz,  D.  Besprechen  der  Krankheiten:  ZDU.  7,  S.  63.  (Niederdeutschland  vgl.  ib.  S.  633.)  — 
91)  X  K.  E.  Haase,  D.  Besprechen  d.  Krankheiten:  ib.  S.  273,5.  (Grafschaft  Euppin  vgl.  ib.  S.  633.)  —  92)  X  0.  Schell, 
Z.  Volksmedizin    im   Bergischen :    Urquell  4,    S.    153,6.    —    93)   H.    G  a  i  d  o  z ,    Un  vieux   rite  medical.     Paris,    Rolland.     1892. 


F.  Vog-t,  Volkskunde.  I  5  ;  »4.H5 

Recensionen  vor^^).  —  Mancherlei  wird  über  einzelne  Krankheitsarten  und  Krankheits- 
mitteP5-97^^  über  Talismane^^s-ioo)^  Zauberinittel  zur  Bereicherung- 10 i"i03^^  Anspielen  ^04^ 
und  Tag-ewählerei  '*^^)  mitg-eteilt.  — 

Eine  g-rosse  Rolle  spielen  in  der  Volksmedizin,  aber  auch  in  anderen  Er- 
scheinungen des  Volksgiaubens  die  Pflanzen.  Ihnen  hat  R  osenkranz^oej  gj^e 
umfängliche  Kompilation  gewidmet,  in  der  er  unter  den  Namen  der  einzelnen  Pflanzen 
die  Angaben  über  deren  Bedeutung  im  Volksbrauch  und  die  bezüglichen  Mythen 
und  Sagen  aus  verschiedenen  Werken  zusammengestellt  hat.  Dabei  wird  Deutsch- 
land überall  in  erster  Linie,  doch  nicht .  ausschliesslich  berücksichtigt.  Das  Werk 
soll  eine  verständige  Pflege  deutscher  Volksüberlieferungen  fördern  helfen  im 
Sinne  der  nach  Rogge  wiedergegebenen  sehr  beherzigenswerten  Beantwortung  der 
Frage:  „Wie  müssen  wir  uns  dem  Aberglauben  gegenüber  verhalten?"  Es  würde 
wesentlich  gewonnen  haben,  wenn  die  Bestandteile,  aus  denen  es  zusammengesetzt 
ist,  etwas  weniger  verschiedenartig  und  etwas  besser  unter  einander  vermittelt  wären. 
—  Sonst  liegen  nur  einige  populäre  Erörterungen  über  den  Gegenstand  im  all- 
gemeinen 107-109^  uQ(j  einige  kleinere  Aufsätze  über  die  bezüglichen  U eberlief erungen 
einzelner  Gegenden  vorii*^"'^^^    — 

Ebenso  wie  die  volkstümlichen  Vorstellungen  von  den  Pflanzen  greift  der- 
Seelenkult  und  der  Dämonen  glauben  sowohl  in  das  praktische  Leben  des 
Volkes  wie  in  sein  Phantasieleben,  in  die  Sagenbildung  ein.  Die  Vorstellung  von 
den  Wanderungen  und  Wandlungen  der  Seele  des  Lebenden  oder  des  Verstorbenen 
und  der  Glaube  an  dämonische  Wesen  hängen  aufs  engste  zusammen.  Ihre  gefähr- 
lichste Ausgeburt,  der  Hexe  nw  ahn  (s.  0.  14:  179— 81),  und  was  mit  ihm  zusammen- 
hängt, berührt  die  verschiedensten  Gebiete  der  Kulturgeschichte ;  nicht  am  wenigsten 
aber  hat  auch  die  Volkskunde  die  darauf  bezügliche  Litteratur  zu  berücksichtigen^'^). 
Neues  Quellenmaterial  hat  Kiele ''^)  beigebracht,  indem  er  die  grosse  Reihe  von 
Hexenprozessen,  die  sich  in  Hagenau  i.  E.  während  der  J.  1531  —  1645  abgespielt 
hat,  ausführlich  nach  den  Akten  des  Stadtarchivs  darstellt.  Es  ist  immer  wieder 
dieselbe  genugsam  bekannte  grauenvolle  Tragödie,  die  sich  vor  uns  abspielt.  Die 
Erklärung  von  wesentlichen  Erscheinungen  des  Hexenwahnes  aus  der  Anwendung 
einer  narkotisierenden  und  Hallucinationen  erzeugenden  Salbe  durch  Weiber,  die  sich 
selbst  für  Hexen  hielten,  gewinnt  durch  das  hier  vorliegende  Material  keine  Be- 
stätigung. Die  Hexensalbe  ist  in  den  Geständnissen  typisch,  aber  keines  der  Opfer 
kann  etwas  von  ihr  vorweisen  oder  ihre  Zusammensetzung  angeben.  Nicht  einmal 
andere  Versuche,  wirklich  Zauberei  zu  treiben,  die  ja  thatsächlich  oft  genug  gemacht 
sein  müssen,  treten  in  irgend  erheblichem  Umfange  hervor.  Der  Aberglaube  trägt 
an  diesen  Greueln  nicht  so  viel  Schuld  wie  ein  blödsinniges  und  bestialisches  Rechts- 
verfahren. Ein  Jesuit  scheint  auch  in  Hagenau  den  Anlass  zur  Abstellung  der 
Hexenprozesse  gegeben  zu  haben.  — 

Im  übrigen  lässt  jedoch  der  Katholizismus  keinen  Zweifel  daran  aufkommen, 
dasser  den  Glauben  an  des  Teufels  handgreifliches  Wirken  unter  den  Menschen  am 
zähesten  festhält.  Die  famose  Satansaustreibung  zu  Wemding  vom  J.  1891  hatte  dafür 
gesorgt,  und  da  die  „ungläubige  Presse"  diesen  Fall  in  ihrer  Weise  ausbeutete,  so 
hat  nunmehr  Diefenbach  i'^)  dargethan,  dass  dem  Satan  zweifellos  nicht  nur  eine 
moralische,  sondern  „bei  einzelnen  Individuen  auch  eine  physische  Einwirkung 
gestattet  ist,"  wobei  die  circumsessio,  obsessio  und  possessio  oder  insessio  als  ver- 
schiedene Grade  von  Besessenheit  zu  unterscheiden   sind.     Ueber   die  Veranlassung 


85  S.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  3,  S.  2323;  F.  Bartels:  ZEthn.  25,  S.  171;  F.  S.  Krauss:  Urquell  4,  S.  79.]|  —  94)  X 
H.  Gaidoz:  Melusine  6,  S.  169-71;  G.  H.  Dal  man:  ThLZ.  18,  S.  133/4;  A.  Tille:  LCBl.  S.  1858,9  (erkennt  d.  reiche,  ge- 
wissenhaft zusammengetragene  Material  an,  hemängelt  aber  d.  systemat.  Gliederung  u.  d.  krit.  Verwertung);  ThLBl.  14,  S.  237. 
—  95)XA.  Peez,  Thierseuchen  u.  d.  Leonhardi-Kirchen  d.  Ostalpen:  MAnthrGWien.  23,  8.193-203.-96)  X  F- S.  Krauss, 
Katzensporn.  Umfrage:  Urquell  4,  S.  124.  —  97)  X  K.  Knauthe,  Klapperkes:  ib.  S.  146.  —  98)  X  Bartels,  Beitrr.  z. 
Steinbeil-Aherglauben  in  Norddeutschland:  VGAnthr.  S.  558-64.  (Prähist.  Steinbeile  gelten  nach  weit  verbreit.  Glauben  als 
Talismane  gegen  d.  Blitzschlag.)  —  99)  XA.  Treichel,  E.  Segenbrett  mit  Inschrift  aus  Reddistow,  Kr.  Lanenburg  i.  P. : 
Hh  4278.  —  100)  X  J.  D.  E.  Schmeltz,  Hufeisen,  Uebersiedelung,  Zahn:  Urquell  4,  S.  30.  (Hamburg.)  —  101)  X  W. 
Scurat,  Zaubergeld:  ib.  S.  105-10,  135-41.  —  102)  X  E-  !''•  Kaindl,  D.  Zauberei.  Umfrage:  ib.  S.  1245.  —  103)  X  A. 
Herrraann,  Kartenspielerglauben  aus  Ungarn:  EthnMUng.  3,  S.  154  7.  —  104)  X  E-  Reichel,  Z.  Angang  d.  Wolfes: 
ZDU.  7,  S.  500.  (Vgl.  ib.  S.  572  3.)  —  105)  X  B-  Saubert,  D.  Freitag.  B.  alter  Völkerglaube:  Urquell  4,  S.  267  8.  —106) 
C.  Rosenkranz,  D.  Pflanzen  im  Volksaberglauben.  Kassel,  Kessler.  415  S.  M.  4,50.  —  107)  X  E-  Schanberg,  Z. 
Entstehung  d.  Pflanzennamen  u.  Mythen:  AZgl*.  N.  27.  (Willkürl.  Etymologien  u.  Mythendeutungen,  d.  nur  gelegentlich  auf 
Deutsches  Bezug  nehmen.)  —  108)  X  W.  W  a  1 1  u  s  ,  D.  Pflanze  in  d.  Volkssage  u.  im  Volksmärchen :  VolksZg.  N.  63.  — 
109)  X  F-  Losch,  Einiges  über  d.  Beziehungen  unserer  Vorfahren  zu  d.  Pflanzen:  BBSW.  S.  149-58.  —  HO)  X  H.  Arnold, 
M.  Höfler,  Wald-  u.  Baumkultus  in  Beziehung  z.  Volksmedizin  Oberbayerns.  München,  E.  Stahl  sen.  VIII,  170  S.  M.  2,00. 
I  [Ausland  66,  S.  96.]|  —  Hl)  X  E.  Handtmann,  Märkische  Pflanzensymbolik:  Bär  19,  S.  231,4,  245/7,  255  8,  273  4.  —  112) 
(I  4  :  470.)  —  113)  X  B.  E.  König,  Ausgeburten  d.  Menschenwahnes  im  Spiegel  d.  Hexenprozesse  u.  d.  Autodafes. 
Lfg.  12-16.  Bndolstadt,  Bock.  S.  529-768.  (ä  M.  0,30=)  M.  1,50.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:186;  d.  Buch  will  d.  Schrecken  d. 
Hexenwahns  u.  d.  Inquisition  u.  Thorheiten  d.  Aberglaubens  d.  grossen  Publikum  yor  Augen  führen,  was  in  angemessenerer  Weise 
geschieht,  als  es  d.  einem  Kolportage-Roman  ähnliche  Ausstattung  erwarten  lässt.)  —  114)  J.  Kiele,  Hexenwahn  n.  Hexen- 
prozesse in  d,  ehemaligen  Reichsstadt  u.  Landvogtei  Hagenau.    Hagenau,  Rnckstnhl.     177  S.    M.  3,25.  —  115)  J.  Diefenbach, 


I  5  :  116-142  F.  Vog-t,  Volkskunde. 

dieser  Erscheinung'  hat  nach  einem  dompropstlichen  Gutachten  im  vorliegenden 
Falle  der  exorcisierte  Teufel  selbst,  durch  das  Machtwort  der  Kirche  g-ezwungen,  zu- 
verlässige Auskunft  gegeben.  Wunderlich  genug  nimmt  es  sich  aus,  dass  der  Vf. 
des  weiteren  den  ganz  in  diesen  Vorstellungskreis  gehörigen  Glauben  an  das  Wirken 
des  Teufels  unter  den  Hexen  für  einen  Wahn  hält  und  sich  bemüht,  die  Verantwortung 
für  die  Hexenprozesse  von  seiner  Kirche  ab  und  der  protestantischen  zuzuwälzen, 
wobei  er  sich  denn  in  der  Auslegung  der  verhängnisvollen  Bulle  Innocenz  VHI. 
„Summis  desiderantes"  ein  höchst  ergötzliches  Stücklein  scholastischer  Dialektik 
leistet.  —  Wem  es  um  eine  unterhaltende,  alles  gelehrten  Apparates  bare  Darstellung 
der  wesentlichsten  Erscheinungen  und  Entwicklungsstadien  des  Teufelsglaubens  über- 
haupt zu  thun  ist,  der  wird  sich  gern  durch  Grafs *^^J  zusammenfassendes  Buch 
leiten  lassen.  Tiefer  dringende  Forschung  darf  man  freilich  in  dem  Werke  nicht 
suchen,  und  über  einige  wichtige  Fragen,  wie  die  nach  den  thatsächlichen  Grundlagen 
des  Hexen glaubens,  voltigiert  der  Vf.  mit  allzu  grosser  Leichtigkeit  hinweg.  — 

■  Zum  Gegenstande  einer  sehr  gelehrten  Abhandlung  wurde  dagegen  die  wichtigste 
Quelle  des  Geister-  und  Dämonenglaubens  \7on  Bastian^!')  gemacht,  indem  er  auf 
Grund  der  vergleichenden  Völkerkunde  die  Entwicklung  und  die  verschiedenen  Formen 
der  Vorstellungen  von  der  Fortdauer  und  dem  Verbleib  der  abgeschiedenen  Seele 
sowie  mancherlei  Erscheinungen  des  Seelenkultes  erörtert,  aus  dem  er  auch  die  Ent- 
stehung des  Götterglaubens  ableitet.  Zum  Schluss  giebt  B.  einen  Ausblick  auf  die 
Bedeutung  der  ethnologischen  Elementargedanken  für  die  Wissenschaft  der  Zukunft, 
deren  Heil  er  von  einer  auf  Gedankenstatistik  gegründeten  Psychologie  erwartet. 
Leider  werden  die  zahlreichen  Quellen  in  einer  recht  unbestimmten  Weise  citiert;  vor 
allem  aber  vermisst  man  eine  klare  und  scharfe  Gliederung  des  Stoffes  ebensosehr  wie 
Klarheit  und  Flüssigkeit  des  Ausdrucks.  —  Eine  Reihe  kleinerer  Abhandlungen  liegt 
vor  über  die  Vorstellungen,  die  an  den  Tod^^^)  und  an  das  Umgehen  der  Geister '^'-''^^ij 
anknüpfen,  und  damit  berühren  sich  dann  wieder  aufs  nächste  die  Traditionen  von 
mancherlei  dämonischen  Wesen  anderer  Art.  —  Vogt'^s'j  macht  auf  die  sonst 
unbekannten  und  noch  unerklärten  Hahnjörs  aufmerksam ,  die  nach  einem  Zeugnis 
vom  J.  1721  in  den  zwölf  Nächten  unsichtbar  in  Küche  und  Keller  ihr  Wesen  treiben; 
Knoop^^Sj  handelt  von  einer  Hausgeistersage,  die  mit  dem  Thema  von  Goethes 
„Hochzeitlied"  verwandt  ist;  Glöde^^^)  untersucht  eine  andere  Gruppe  von  Haus- 
geistern; Wislicenus'^i)  bringt  über  Heinzelmännchen  und  andere  Wesen  neben 
einzelnem  Erwägenswerten  mancherlei  ganz  phantastische  und  haltlose  Kombinationen 
vor.  Andere  Mitteilungen  betreffen  Zwerge^^"^),  Graumännlein^^aj^  (jas  mecklen- 
burgische Blaumäntelcheni34j^  während  der  schlesische  RübezahU^s)  diesmal  nur  zum 
Gegenstand  eines  „Sanges"  gemacht  worden  ist.  —  Den  fliegenden  Holländer  betrifft 
eine  eindringende  Untersuchung  Golthers^^^)  und  die  von  Knauthe'^^)  mitgeteilte 
Erzählung  eines  Seemanns.  —  Ueber  den  wilden  Jäger  handeln  Pickford'^S)  und 
W einhold ^-^■'3,  der  nach  mündlicher  Ueberlieferung  aus  Schlesien  einiges  vom 
„Nachtjäger"  erzählt.  —  Auf  ihn  bezieht  sich  auch  eine  Bemerkung  Glödes^***)  zur 
Sage  vom  Wode,  und  das  Fortleben  dieses  Namens  in  entstellten  Formen  betrifft 
eine  Notiz  von  Schulenburgs  i^').  —  Dass  der  in  einer  Walkenrieder  Urkunde 
vom  J.  1277  erwähnte  Wodansberg  nicht  auf  den  Kiffhäuser,  sondern  auf  einen 
Höhenrücken  bei  Altstedt  zu  beziehen  sei,  führt  Grössler^^^^  aus.  Die  älteste 
Benennung  des  Kiffhäusers  ist  Kuffese,  derselbe  Name,  der  als  Cuffiso  schon  im 
J.  747  für  einen  Hügel  auf  der  Grenze  des  Fuldaer  Kloster bezirkes  gebraucht  wird. 

Besessenheit,  Zauberei  n.  Hexenfabeln.  (^  Frankfurter  zeitgem.  Broschüren.  Bd.  14,  N.  4).  Frankfurt  a.  M.,  Foesser  Nachf. 
56  S.  M.  0,60.  -  116)  A.  Graf,  Gesch.  d.  Teufelsglaubens.  Aus  d.  Italienischen  v.  E.  T  e  u  s  c  h  e  r.  2.  (Titel-)Aufl.  d. 
Naturgesch.  d.  Teufels.  Jena,  Costenoble.  XVIII,  448  S.  M.  3,00.  —  117)  A,  Bastian,  D.  Verbleibs-Orte  d.  abgeschiedenen 
Seele.     E.  Vortr.  in  erweit.  Umarbeitung.     B.,  Weidmann.     II,  116  S.  mit  3  Taf.     M.  3,00.  (fL.  F  r  ä  n  k  e  1 :  Ausland  66,  S.  6S8.J| 

—  118)  X  H.  V.  Wlislocki,  Tod  u.  Totenfetische  im  Volksglauben  d.  Siebenbürger  Sachsen:  Urquell  4,  S.  16-20,  49-53, 
68-70,  98-lÜO.  —  119)  X  B-  westpreuss.  Spukgeschichte:  ZVVolksk.  3,  S.  97  8.  -  120)  X  H.  A.  Carstensen,  Spukgeister: 
Urquell  4,  S.  122  3.  —  121)  XK.  E.  Haase  u.  A.  Treichel,  Spukgeister:  ib.  S.  254  6.  —  122)  X  H.  F.  Feilberg, 
Warum  gehen  Spukgeister  kopflos  um?  Umfrage  (mit  Antworten  v.  Verschiedenen):  ib.  S.  6  8,  39-41,  73,  97  8,  122,  145  6, 
168  9,  216,  253,4.  —  123)  X  H-  Schrader,  Welches  ist  die  Geisterstunde:  ZDS.  7,  S.  330,1.  (Vertritt  auf  Grund  v.  Stellen 
aus  dtsch.  Sagen  u.  Dichtungen  die  Ansicht,  dass  d.  eigentl.  Geisterstunde  d.  Stunde  vor  Mitternacht,  also  zwischen  11  u. 
12  Uhr,  sei.)  —  124)  X  A.  Wiederaann,  Geister  in  Katzengestalt:  Urquell  4,  S.  81,2.  —  125)  X  K-  E.  Haase,  Geister 
in  Katzengestalt:  ib.  S.  114  5.  —  126)  X  H-  v.  Wlislocki,  D.  Quälgeister  d.  Miigyaren:  Ausland  66,  S.  81  4,  101.  (Vgl.  über 
Totenfetische  b.  d.  Magy  uren :  ib.  S.  254. )  —  127)  XL  B  a  r  ö  t  i ,  Beitrr.  z.  Gpsch.  d.  Vampy  rismus  in  Südungarn :  EthMUng.  3,  S.  219-21 . 

—  128)  F.  Vogt,  Hahnjörs:  ZVVolksk.  3,  S.  372.  -129)  0.  K  n  o  o  p ,  Familiengeister:  Urquell  4,  S.  125  ü.  —  130)  0.  Glöde, 
Petermännchen,  Chimmeken,  Wolterken  n.  Hödeke  als  gute  Hausgeister:  ZDU.  7,  S.  194/9.  (S.  auch  N.  260.)  — 131)  P.  Wislicenus, 
Ueber  Hagen  u.  d.  Heinzelmännchen,  Laura  u.  d.  Lorelei:  MADSprV(Berlin).  4,  S.  54  8.  —  132)  X  R-  Andree,  D.  Zwerge  am 
Wohlenberge:  Urquell  4,  S.  226,7.  —133)  X  A.  Schwanfelder,  D.  graue  Mandl:  EthnMUng.  3,  S.  109.  — 134)  X  0.  Glöde. 
Blanmäntelchen,  e.  Geist  in  Mecklenburg:  Urquell  4,  S.  213,4.  (Grösstenteils  wörtlich  gleichlautend  ist  G.s  Notiz:  ZDU.  7,  S.  427.) 

—  135)  X  E-  R-  Baut  he,  Berggeist  Rübezahl.  E.  Sang  aus  Schlesiens  Bergen.  Hirschberg,  Kuh.  VII,  252  S.  M.  4,50.  — 
136)  W.  Golther,  D.  fliegende  Holländer:  BayreuthBll.  16,  S.  307-19.  1[L.  S.:  Urquell  4,  S.  282.J|  —  137)  K.  Knauthe,  See- 
mannsglaube: Urquell  4,  S.  134/5.  —  138)  J.  Pickford,  D.  wilde  Jäger:  NQ.  3,  S.  16.  —  139)  K.  Weinhold,  Schlesische 
Sagen  vom  Nachtjäger:  ZVVolksk.  3,  8.96/7.  —  140)  0.  Qlöde,  Z.  Sage  v.  Wode:  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  38,9.  —  141)  W.  v. 
Schulonburg,  Götternamen  in  Norddentschland:  MAnthrGWien.  23,  S.  62.  —  142)  H.  Grössler,  Kiffhäuser  u.  Wodansberg: 


F.  Vogt,  Volkskunde.  T  5  :  143-172 

Der  Vf.  bring-t  ihn  mit  ahd.  chubisi,  Zelt,  zusammen,  was  an  und  für  sich  nicht 
unmöglich  ist,  wenn  auch  die  lautlichen  Vorgänge,  die  dabei  in  Betracht  kommen, 
ganz  anderer  Art  sind,  als  Gr.  sie  sich  vorstellt.  Sonst  liegt  über  die  Kiffhäusersage 
nichts  von  wissenschaftlichem  Werte  vor '*^" '44^^  __  Die  in  den  bayerischen  Sagen  häufig 
auftretenden  drei  geisterhaften  oder  heiligen  Jungfrauen,  die  man  oft  auf  die  Nornen 
gedeutet  hat,  führt  Müller'''^)  auf  Personifikationen  von  Frühling,  Sommer  und 
Winter  zurück;  in  den  vorgeschichtlichen  Wallburgen,  in  denen  sie  lokalisiert  werden, 
sieht  er  Stätten  für  den  Jahreszeitenkultus.  —  Eine  in  Tirol  noch  lebendige  Riesen- 
sage, die  von  Haimon  und  seinem  Bruder  Thürsus,  verfolgt  Passler '^e^  durch  die 
ältere  Ueberlieferung  zurück.  —  Eine  Sammlung  der  auf  mythische  Wesen  bezüg- 
lichen Ueberlieferungen  der  Lausitzer  Sorben  hat  Cenry'*')  in  deren  slavischer 
Mundart  veröffentlicht.  —  Aus  dem  Kreise  der  Bausagen  i"*^),  der  Traditionen  über 
vergrabene  Schätze ^'*'*),  über  den  Ursprung  der  Kinder^^*^),  über  den  Mann  im  Monde'^') 
sind  nur  verstreute  Notizen  zu  bemerken.  — 

In  grosser  Anzahl  liegen  wieder  Sagensammlungen  —  neben  wenigen 
allgemeiner  Art^^^  153^  _  ^us  einzelnen  Gebieten  vor,  die  jedoch 
mit  verhältnismässig  wenigen  Ausnahmen  populäre  Zwecke  und  zu  nicht  geringem 
Teil  die  löbliche  Aufgabe  verfolgen,  die  Jugend  mit  den  Ueberlieferungen  ihrer  Heimat 
vertraut  zu  machen.  — 

Von  Oberdeutschland  ist  die  Alpenwelt  durch  die  Sammlung  von 
Maria  Savi-Lopez  •^*)  vertreten,  speciell  das  Simmenthai  durch  Qempelers '^^) 
Buch*^^).  —  Ueber  die  von  Mündel  veranstaltete,  im  vorigen  Jahre  bereits  an- 
gezeigte neue  Bearbeitung  von  Stöbers  elsässischen  Sagen  (vgl.  JBL.  1892  I  4  :  290) 
sind  weitere  Recensionen  zu  nennen^^'').  —  Eckart '^s^  erzählt  an  der  Hand  einer 
Reisebeschreibung  Orlssagen  aus  dem  Neckarthal  in  Poesie  und  populärer  Prosa, 
ohne  Gewähr  für  treue  und  quellenmässige  Wiedergabe  der  örtlichen  Ueberlieferung  1^^). 
—  Die  kleine  „weissblaue"  Sammlung  von  Frietinger  und  Heindl'^**)  will  durch 
eine  Vereinigung  von  poetischen  und  prosaischen  Stücken  verschiedener  Vf.  die 
Kunde  des  bayerischen  Landes  und  Volkes  und  die  Liebe  zur  Heimat  unter  der 
Jugend  befördern,  und  an  die  weitesten  Kreise  wenden  sich  zwei  andere  Zusammen- 
stellungen von  bayerischen  Sagen^^^'^^^j  —  Eine  Gruppe  von  Geistersagen,  die  sich 
an  die  Burg  Stockenfels  bei  Regensburg  geheftet  hat,  behandelt  das  Buch  von 
Reltis^^^j,  _  Auf  Tirol,  Oesterreich  und  Kärnten  beziehen  sich  ein  paar  kleine 
Stücke  164- ^6^).  — 

Von  mitteldeutschen  Gegenden  sind  die  Rheinlande  durch  drei  Bücher 
vertreten,  unter  denen  das  von  Pauly'^^)  als  eine  für  die  Jugend  berechnete 
ansprechende  Vereinigung  von  Sagen  nnd  Legenden  in  Poesie  und  Prosa  genannt 
werden  mag;  die  Quellen,  aus  denen  die  einzelnen  Stücke  teils  wörtlich  entnommen, 
teils  in  freier  Nacherzählung  wiedergegeben  sind,  werden  hier  gewissenhaft  an- 
gegeben^^^"!''!).  —   Aehnliche  Ziele  verfolgt   eine  Nürnberger  Sammlungi"^).  —   Aus 


ALVKS.  3,  S.  143;8.  -  143)  X  D.  Kytt'häusersage:  AkBU.  8,  S.  221/2.  —  144)  X  H-  Pröhle,  D.  Kiffhäuser-Kaisersage  n.  Rückerts 
Barbarossa-Gedicht:  AZg«.  N.  88.  —  145)  G.  A.  Müller,  Z.  Sage  v.  d.  drei  Jungfrauen:  ZVVolksV.  3,  S.  93  6.  —  146)  P.  Passler, 
Z.  Gesch.  d.  Heimesage.  Progr.  Hörn.  48  S.  —  147)  A.  Cerny,  Die  mythischen  Wesen  bei  d.  Lausitzer  Wenden.  (In  wend. 
Sprache.)  1.  Bd.  Biintzen,  E.  Rühl.  239  S.  M.  4,00.  ([ZWolksk.  3,  S.  345  (d.  umsichtigen  n.  fleissigen  Sammler  u.  Erklärer  ist 
d.  slavische  Wissenschaft  zu  grossem  Danke  verpflichtet).]]  —  148)  X  R-  Sprenger,  E.  volkstüml.  Schwank  in  Schillers 
Wallenstein:  Urquell  4,  S.  206/8.  (Vgl  lY  9.)  —  149)  X  K.  E.  Haase,  Vergrabene  Schätze.  (Umfrage  mit  Beitrr.  Verschiedener.): 
ib.  S.  101/3,  1614.  —  150)  X  0.  Schell.  Woher  kommen  d.  Kinder.  Umfrage:  ib.  S.  224/6.  —  151)  X  A.  Volksmann,  D. 
Mann  im  Monde!  Umfrage  (mit  Beitrr.  v.  Verschiedenen):  ib.  S.  21,  54/5,  121/2,  172,  216/8.  —  152)  X  O  A.  Richter,  Dtsch. 
Sagpn.  (Kaiser  Otto  mit  d.  Barte;  D.  gute  Gerhard;  Herzog  Ernst;  König  Rother;  D.  Graf  im  Pfluge;  Herzog  Adelger;  Roland; 
Wartburgkrieg;  Tannhäuser;  Lohengrin) mit  e.  Titelbilde.  4.  Aufl.  L.,  Brandstetter.  IV,  283  S.  M.  3,00. —153)  X  A.  Schullerus, 
U.  Jahn,  Volksmärchen  aus  Pommern  fJBL.  1891  I  5:242);  Leeb,  Sagen  Niederösterr.  (JBL.  1892  I  4:289);  A.  Stöber,  Sagen 
d.  Elsasses  (JBL.  1892  I  4:290;  s.  u.  N.  157);  J.  V.  Zingerle,  Sagen  aus  Tirol  (JBL.  1891  I  5:236):  KBlVSbnbgLK.  16,  S.  59-62. 
—  154)  O  Maria  Savi-Lopez,  Alpensagen,  ill.  v.  C.  Chessa.  Deutsch  v.  A.  Ruhe  mann.  St.,  Bonz.  VII,  384  S.  M.  4,50. 
IfDRs.  76,  S.  1,59;  ÖUE.  14,  S.  337-42:  StrassbPost.  N.  140.]|  —  155)  O  D.  Gempeler,  Sagen  u.  Sagengesch.  aus  d.  Simmen- 
thal.  3.  Bdch.  Mermettah,  Laubegg.  Thun,  Slämpfli.  1892.  VI,  255  S.  M.  2,00.  (1-3:  M.  5,50.)  —  156)  O  X  G-  Gattiker, 
Z.  Heimatkunde  v.  Zürich.  Gesch.  u.  Sagen.  Für  d.  Schule  ges.  u.  z.  T.  bearb.  Mit  7  Holzschn.  Zürich,  Schulthess.  IV,  30  S. 
M.  0,.S0.  —  157)  X  W.  Hertz:  ADA.  19,  S.  93/4;  E.  Martin:  DLZ.  S.  172/3.  (S.  o.  N.  153.)  -  158)  Th.  Eckart,  Bilder  u. 
Sagen  ans  d.  Neckarthal.  Heidelberg,  Hörnig.  89  S.  M.  1,00.  —  159)  X  E.  M  üller,  Glockensagen  in  Württemberg.  U.:  BBSW. 
S.  145'9.  —  160)  A.  Frietinger  u.  H.  Heindl,  Weiss  u.  Blau.  Erzälilungen,  Sagen,  Geschichtsbilder  u.  Schilderungen.  Für 
d.  bayer.  Jugend  bearb.  München,  Oldenbourg.  VL  87  S.  M.  0,75.  —  161)  X  A.  Steinberger,  Ans  Bayerns  Vergangenheit 
Erzählungen  ans  d.  Gesch.  u.  Sage.  Für  Schule  u.  Hans.  2.  Bd.  Aus  d.  mittleren  Gesch.  Regensburg,  Yerlags-Anst.  IV,  218  S. 
jj  2,00.  —  162)  X  A.  R[eichlin  v.  Meld  egg],  Regensburger  Volkssagen  für  Jung  u.  Alt  mit  Abbildungen  u.  4  Taf.  Regens- 
burg, Wunderling.  110  S.  M.  2,.50.  —  163)  N.  Reltis,  Stockenfels  bei  Regensburg.  D.  Yerbannungsort  d.  Bierpantscher  u. 
anderer  Schelme  nach  d.  Tode.  2.  Aufl.  Regensburg,  Wunderling.  III,  64  S.  M.  1,00.  —  164)  X  E.  Keiter,  D.  Sagenwelt  t. 
Tirol:  NatZg.  N.  388.  (Anz.  v.  Zingerles  Sagensammlung ;  vgl.  JBL.  1891  I  5:236;  s.  o.  N.  153.)  —  165)  X  L.  Pröll,  W.  L. 
Leeb,  Sagen  Niederösterr.  (vgl.  JBL.  1892  I  4:289):  ÖLBl.  2,  S.  204/5.  (S.  o.  N.  153.)  -  166)  X  R-  Walzer,  Reiskofl-Sagen: 
Carinthia83,S.  90/3. —167)  X  J- M.  T renk wald.  Marienlegenden  v.  österr.  Gnadenorten.  Wien,  St.  Norbertus-Verl.  8  Taf.  mit 
4  Bll.  Text.  M.  11,00.  |[ÖLBI.2,  S.  560/1  ]|  —  168)  M.  Pauly,  Perlen  aus  d.  Sagenschatze  d.  Bheinlandes.  Nach  d.  ältesten 
Quellen  erz.  Mit  6  Bild.  Köln,  J.  P.  Bachern.  143  S.  M.  3,00.  —  169-170)  X  0.  Lehmann,  D.  schönsten  Sagen  d.  Rheins. 
3.  Aufl.  Mülheim  a.  R.,  Bagel.  177  S.  M.  1,50.  -  171)  X  H.  Palm,  H.  Pröhle,  Rheinlands  schönste  Sagen  u.  Gesch.:  NatZg. 
N.  677.   —  172)  X  Th.  Aufsberg,  Nürnberger  Sagen.    D.  Jngend  Nürnbergs  neu  erz.    Nürnberg,  F.Korn.    52  S.    M.  0,45.    (Im 


I  5  :  173-223  F.  Vogt,  Volkskunde. 

dem  alten  Eg-ergau,  der  sich  jetzt  auf  Oberfranken,  Oberpfalz,  Böhmen  und  Sachsen 
verteilt,  sind  Gradls''^)  Sag-en  zusammengebracht.  In  den  Anmerkungen  werden 
mancherlei  Parallelen  nachgewiesen.  —  Weiteres  bezieht  sich  auf  das  Erzgebirge ^ ''*"•''''), 
auf  Deutsch-Böhmen  1 '8  •i84j^  auf  Schlesien^s^),  Mähren^^^)  und  Galizien'^''),  — 

Aus  Nieder  deutschland  ist  Oldenburg  durch  eine  Geschlechtssage i^*), 
Nordfriesland  durch  ein  paar  Kleinigkeiten i^^),  der  Harz  durch  verschiedene  Samm- 
lungen^^'^^^^3)  vertreten;  ausserdem  Brandenburgi^^"^'-'^),  Mecklenburg i^e  i»'?)  und 
Ostpreusseni98-i99).  _ 

Von  den  altbewährten  Märchen-Sammlungen  liegt  die  Grimmsche 
in  einer  illustrierten  Prachtausgabe^*^*'),  in  einer  stattlichen  Reihe  von  englischen 
Bearbeitungen^t'i-'^oij  und  in  zwei  französischen  Auszügen^o^^ogj  yor;  auch  die  Bech- 
steinsche  ist  wieder  erneuert^'o^iij^  un^j  neue  Zusammenstellungen  alten,  seltener 
auch  neuen  Materials  treten  hinzu2i2-22o^^  — 

Zur  Geschichte  der  Märchenstoffe,  mit  denen  ich  hier  die  inter- 
nationalen und  die  litterarisch  entwickelten  Sagen  zusammenfasse,  ist  vor  allem  der 
schon  erwähnte  Band  von  Benfeys  kleineren  Schriften^^oaj  2u  nennen,  in  dem  wir 
des  Vf.  bekannte  Theorie  von  der  Wanderung  indischer  Märchen-  und  Novellenstoffe 
ins  Abendland  chronologisch  durch  die  wichtigsten  Einzelabhandlungen  hindurch  bis 
an  die  Schwelle  seines  Pantschatantra  verfolgen  können.  Auch  für  die  deutsche 
Märchenkunde  kommen  besonders  die  aus  den  Jahrgängen  1858  und  1859  des  „Aus- 
land" wiederholten  Untersuchungen  über  das  Märchen  von  den  Menschen  mit  den 
wunderbaren  Eigenschaften  und  über  das  von  der  klugen  Dirne  in  Betracht.  —  Von 
alten  Sagenstoffen,  die  doch  in  dieser  oder  jener  Weise  auch  für  die  Gegenwart  ihre 
Bedeutung  haben,  werden  die  Tiersage^^'),  die  Ueberlieferungen  vom  heiligen  Rock222) 
und  von  Alexander  dem  Grossen^^s)  in  der  Litteratur   des  Berichtsjahres   behandelt 


wesentlichen  e.  für  Kinder  eingerichteter  Auszug  aus  J.  Priems  „Nürnberger  Geschichten  u.  Sagen.")  —  173)  O  H.  Gradl,  Sagen- 
buch d.  Egerganes.  Eger,  Kobrtsch  &  Gschihag.  1892.  (Titelanfl.  1893.)  VI,  95  S.  M.  1,75.  |[A.  Schlossar:  BLU.  S.  633; 
T.   R.:    MVGDB».   31,    S.   76/7.]|     —     174)    X    Emilie   Winimer,   Erzgebirgs-Siigen:    MNordböhmExcursClnb.   16.    S.    111,7. 

—  175)  XH.  Albert,  D.  schönsten  Sagen  d.  sächsischen  Schweiz  u.  d.  Dresdener  Elbthales.  Dresden,  Albanus.  64  S.  M.  0,50. 
JlZVVolksk.  3,  S.  342/4:.]|  —  176)  X  R-  Pfutz,  Beitrr.  z.  Loltalgesch.  d.  oberen  sächsischen  Schweiz:  D.  Lobedänze:  ÜB&T. 
8.341/2.—  177)  X  G.  Pille,  E.  Gefangener  auf  Hohenstein:  ib.  S.  337  8.  —  178)  X  A.  Paudler,  Sagenschatz  aus  Deutsch- 
böhraen.  Für  d.  Jugend  ges.  u.  bearb.  Leipa,  Künstner.  106  S.  Fl. 0,45.  |[MVGDBB.  31,  S.  76/7;  A.  Paudler:  MNordböhmExcursClub. 
16,  S.  77/9.]|  —  179)  XP- Bernall.  Nordböhm.  Lokal-Sagen.  XVI:  MNordböhmExcursClab.  16,  S.  336-43.  -  180)  X  E.  Neder, 
Sagen  u.  Gelöbnistage:  ib.  S.  351/2.  —  181)  X  F-  Bluraentritl,  Natur  u.  Sage:  ib.  S.  373/4.  —  182)  X  A.  Wiechowsky, 
Sagen  aus  d.  Umgegend  v.  Luh:  ib.  S.  361/3.  —  183)  X  E.  Richter,  Sagen  aus  Hortau  u.  Umgebung:  ib.  S.  3546.  —  184)  X 
J.Schade  ,  Einige  Sagen  aus  d.  Braunauer  Ländchen  (Forts.):  Riesengebirge  in  Wort  u.  Bild.  N.  1/2,  S.  13/7.  —  185)  X  K.  Knauth  e, 
Schles.  Volkssagen:  Urquell  4,  S.  223.  —  186)  X  Wilib.  Müller,  Sagen  n.  Geschichten  d.  Stadt  Olmütz.  111.  v.  J.  Hilber. 
Olraütz,  Hölzel.  1892.  114  S.  M.  1,80.  —  187)  X -A^- Nagolberg,  Sagen  galiz.  Juden:  Urquell  4,  S.  257.  —  188)  X  A.  Gröning, 
D.  Trinkhorn  d.  Grafen  v.  Oldenburg:  ib.  S.  208/9.  —  189)  X  A.  Carstensen,  Nordfries.  Sagen:  ib.  S.  167,8,  259.  —  190)  X 
F.  Günther,  Aus  d.  Sagenschatz  d.  Harzlande.  Hannover-Linden  u.  L.,  Manz  &  Lange.  XII,  260  S.  M.  5,00.  (Nach  d.  Anzeige 
V.  K.  Weinhold  in  ZVVolksk.  3,  S.  109  e.  hauptsächlich  für  d.  Schule  bestimmte  Ausw.)  —191)  X  M.  Etchler,  Harzsagen. 
D.  schönsten  Sagen  u.  Märchen  aus  d.  Harze.  D.  Harzblumen  4.  Aufl.  Harzburg,  Woldag.  VII,  296  S.  M.  1,75.  —  192)  Xi^-' 
Harzsagen.  Oberharz.  D.  Harzblumen  3.  Aufl.  ib.  VIII,  155  S.  M.  1,00.  —  193)  X  O  id.,  Harzsagen.  Unterharz.  D.  Harzblnmen 
3.  Aufl.  ib.  VIII,  141  S.  M.  1,00.  -  194)  X  Carola  v.  Eynatten,  Brandenburger  Sagen.  L.,  Franke.  186  S.  M.  1,50.  IfA. 
Schlossar:  BLU.  S.  633.]|  (Ansprechende  Erzählungen  unter  Benutzung  bist.  u.  sagenhafter  Ueberlieferungen  aus  d.  Mark,  Unter- 
haltungsbnch.)  —  195)  X  K.  E.  Haase,  Sagen  aus  d.  Kreise  Templin:  Urquell  4,  S.  205/6.  —  196)  X  G-  Fabricius,  Volks- 
erzählungen aus  Mecklenburg:  KBlVNiederdSpr.  15,  S.  51/2.  —  197)  X  K.  E.  Haase,  Sagen  aus  Mecklenburg:  Urquell  4,  S.  23/4. 

-  198)XA.  Treichel,  Steinsagen:  ZHVMarienwerder.  Heft  31,  S.  1-15.-  199)  X  id..  Sagen:  ib.  S.  29-73.  —  200)  X  Bruder 
Grimm,  Kinder-  u.  Hausmärchen.  III.  v.  P.  Grotjohann  u.  ß.  Leinweber.  St.,  Dtsch.  Verlags- Anst.  4°.  XV,  466  S.  M  20,00. 
|[N*S.  64,  S.  404/7;  BLU.  S.  95,  772/4;  Geg.  43,  S.  110;  ThLBl.  14,  S.  235.]|  —  201)  X  id ,  Household  Stories.  New  ed.  London, 
Routledge.  Sh.  1.  —  202)  X  id.,  Household  Stories  transl.  by  H.  B.  Pauli  and  L.  A.  Wheatley,  ill.  London,  Warne.  12». 
Sh.  1,6.  -  203)  X  id.,  Wonder  Tales,  transl.  by  H.  B.  Pauli  and  L.  A.  Wheatley  ill.  ib.  12».  Sh.  16.  -  204)  id.,  Household 
Fairy  Tales  trans.  By  Ella  Bodley  ill.  London,  Griffeth.  4».  Sh.  3  6.  —  205)  X  id-,  Fairy  Tales.  New  edit.  London,  Routledge. 
Sh.  1.  —  206)  X  id-,  Fairy  Tales,  transl.  by  H.  B.  Pauli  and  L.  A.  Wheatley.  London,  Warne.  12>.  Sh.  16.  —  207)  X 
id.,  Goblins,  Fairy  Tales,  transl.  by  H.  B.  Pauli  and  L.  A.  Wheatley.  HL  ib.  12».  Sh  1,6.  -  208)  X  id.,  Choix  des  Contes 
de  la  Familie,  avec  grav.  Limoges,  Ardant  et  Co.  12».  72  S.  —  209)  X  id-,  Contes  et  Legendes.  (==  Nouvelle  Bibliotheque 
populaire  N.  358.)  Paris,  Gautier.  36  S.  Fr.  0,10.  —  210)  X  L.  Bechstein.  Ausgew.  Märchen.  (=  111.  Jugendbibl.  Her.  von 
Ph.  Weyler  N.  7.)  Hamburg  u.  B.,  Bruer  &  Co.  52  S.  M.  0,25.  —  211)  X  id.,  Märchenbuch  für  Kinder.  Mit  54  Textabbild,  u. 
3  Buntbild.  2.  Aufl.  St.,  Loewe.  IV,  153  S.  M.  1,80  (ohne  Bild.  1,20).  -  212)  X  F.  Max,  Dtsch.  Märchenbuch.  E.  Samml.  d.  beliebtest. 
Kinder-  n.  Volksmärchen.  Mit  Bildern.  Esslingen,  Schreiber.  III,  76  S.  M.  1,00.  —  213)  X  0-  Weddigen,  D.  dtsch.  Jugend 
Schatzkästlein.  Neue  Märchen,  Fabeln,  Sprüche  u.  Rätsel  nebst  fünfzig  neuen  Kinderliedern  u.  Gebeten.  Mit  111.  B.,  Rüger. 
142  S.  M.  3,00.  (Nicht  Sammlung,  sondern  selbständige  Erfindung.  Sehr  hübsch  ausgestattet.)  —  214)  X  0-  Förster,  D. 
schönsten  deutschen  Märchen  als  Lesestoff  f.  d.  2.  oder  3.  Schuljahr  nach  Grimm,  Bechstein  u.  A.  Godin  bearb.  L.,  Leiner.  32  S. 
M.  0,25.  (E.  guter  Gedanke,  einige  d.  schönsten  Volksmärchen  in  dieser  Weise  pädagogisch  zu  verwerten  u.  sie  in  hübscher 
Ausstattung  auch  d.  Aermsten  zugänglich  zu  machen!)  —  215)  X  Villamaria,  Elfenreigen.  Dtsch.  u.  nordische  Märchen  aus 
d.  Reiche  d.  Riesen  u.  Zwerge,  d.  Elfen,  Nixen  u.  Kobolde.  Für  d.  Jugendwelt.  111.  Prachtausg.  6.  Aufl.  L.,  Spamer.  VII,  433  S. 
M.  5,00.  —  216)  X  Jii-  Hoff  mann,  Märchenwundergarten.  E.  Samml.  echter  Kindermärchen.  Mit  Bildern.  St,  Loewe.  Fol. 
III,  32  S.  M.  4,00.  -  217)  X  id.,  Märchenwelt.  E.  Auswahl  d.  schönsten  Märchen,  für  d.  Jugend  bearb.,  mit  Bild.  3.  Aufl.  St., 
K.  Thienemann.  208  S,  M.  2,00.  —  218)  X  P-  Arndt,  Es  war  einmal.  E.  Samml.  d.  schönsten  Märchen,  Sagen  u  Schwanke. 
Für  d.  Jugend  her.  Mit  18  Bild.  u.  116  Textill.  3.  Aufl  St.,  Loewe.  V,  281  S.  M.  3,50.  —  219)  X  T.  Hoffmann,  Ins  Märchen- 
land. E.  Samml.  echter  Kindermärchen  mit  Bildern.  St,,  Loewe.  Fol.  III,  32  S.  M.  4,00.  —  220)  X  id.,  Märchenzauber.  E. 
Sammlung  echter  Kindermärchen  mit  Bild.  ebda.  Fol.  IH,  64  S.  M.  6,00.  —  220a)  (S.  o.  N.  1.)  —  221)  X  J-  Nover, 
D.  Tiersage.  (=  SGWV.  N.  164.)  Hamburg.  Verlagsanst.  48  S  M.  1,00.  |[R.  M.  Meyer:  ML.  S.  532.]|  (Vgl.  JBL.  1892  I  4  :  333; 
s.  u.  II  3  :  13.)  —  222)  X  -A.  Schullerus,  D.  graue  Rock  Christi:  KBlVSbnbgLK.  16,  S.  71/2.  (Grau  ist  hier  nicht  Farbenbezeich- 
nung, sondern  es  bedeutet  e.  bestimmte  grobe,  naturgefärbte  Tuchart.)  —  223)  X  ^-  Frlänkel],  D.  Carraroli,  La  legenda  di 


F.  Vogt,  Volkskunde.  I  5  :  224-233 

oder  wenig-stens  berührt.  —  Die  Faustsag-e  ist  von  Kiesewetter-^^)  mit  besonderer 
Berücksichtigung-  des  mittelalterlichen  Zauber wesens,  von  Küchler225)  lediglich  im 
Hinblick  auf  Goethes  Dichtung  behandelt  worden.  —  Zur  Sage  vom  ewigen  Juden 
hat  Neubaur  ^'■^^)  in  einer  zweiten  Auflage  seiner  Schrift  einen  Nachtrag  geliefert. 
—  Von  den  sieben  Schwaben  handelt  ein  kleiner  Aufsatz  Holder s22"),  —  Golthers228) 
Beitrag  zur  Festschrift  für  M.  Bernays  betrifft  ein  aus  der  mittelalterlichen  Litteratur 
bekanntes  Sagenmotiv,  die  Veranlassung  der  Liebeswerbung  um  die  fernweilende 
schönhaarige  Jungfrau  durch  den  Anblick  eines  Haares,  das  eine  Schwalbe  ihr 
entführt  hat,  und  in  Verbindung  damit  das  Motiv,  dass  ein  Betrüger  den  Versuch 
macht,  die  Früchte  der  Thaten  des  Helden  für  sich  zu  ernten.  Beides  zusammen 
findet  sich  sowohl  in  der  Gaaungu-Hrolfssaga  als  auch  in  der  Tristansage,  was  G.  nicht 
auf  direkte  Beeinflussung  der  Saga  durch  die  Tristandichtung,  sondern  auf  einen 
alten  gemeinsamen  Sagenkern  zurückführt,  —  Eine  neue  Frucht  seiner  oft  bewährten, 
vielseitigen  Belesenheit  bietet  uns  Hertz^^^»)  dar,  indem  er  durch  die  gelehrte  und 
poetische  Litteratur  des  Morgen-  und  Abendlandes  einen  Stoff  verfolgt,  der  für  die 
Volkskunde  in  mehr  als  einer  Hinsicht  von  Interesse  ist.  In  den  pseudoaristotelischen 
„Secreta  Secretorum"  wird  erzählt,  wie  ein  Versuch,  Alexander  den  Grossen  durch 
die  Umarmungen  eines  von  Jugend  auf  mit  Schlangengift  genährten  Mädchens  zu 
töten,  von  Aristoteles  vereitelt  wird.  Diese  Geschichte  erlangte  mit  verschiedenen 
Variationen  weite  Verbreitung.  Es  zeigt  sich,  dass  ihr  Ueberlieferungen  und  Vor- 
stellungen zu  Grunde  liegen,  die  durch  die  arabische  Litteratur  auf  Indien  zurüok- 
leiten.  Der  Glaube  an  die  Tötlichkeit  des  Blickes,  des  Hauches,  der  Worte,  des  Bisses 
und  der  Umarmungen  solcher  Giftmädchen  wird  nun  vom  Vf.  im  Zusammenhange 
mit  weiten  Kreisen  verwandter  Vorstellungen  des  Volksglaubens  erörtert,  unter  denen 
er  namentlich  die  von  der  Gefährlichkeit  der  Defloration  für  den  Mann  hervorhebt 
und  als  eigentlichen  Grund  für  die  in  den  verschiedensten  Zeiten  und  Gegenden 
verbreitete  Sitte  der  Defloration  der  Braut  durch  einen  Dritten  zu  erweisen  sucht. 
Auch  die  Tradition  von  Giftmännern  wird  berührt,  und  ihr  Zusammenhang  mit  der 
Sitte  des  Opiumgenusses  gezeigt.  —  Für  die  aus  Pseudo-Lucian  und  Apulejus 
bekannte  Geschichte  von  der  Verwandlung  eines  Menschen  in  einen  Esel  bringt 
Weinhold^^^oj  Parallelen  aus  den  deutschen  Volksmärchen,  sowie  eine  analoge 
indische  Ueberlieferung  bei  und  stellt  mit  musterhafter  Knappheit  und  Klarheit 
das  Verwandtschaftsverhältnis  der  verschiedenen  Versionen  dar,  wobei  ich  jedoch 
nicht  von  der  Notwendigkeit  überzeugt  worden  bin,  für  die  deutsche  Tr^ition  noch 
eine  andere  Grundlage  als  die  Erzählung  des  Apulejus  und  die  doch  wohl  auch  in 
Betracht  kommende  Uebersetzung  des  Lucian  durch  Niklas  von  Wyle  anzunehmen. 
Der  Vf.  schliesst  mit  einem  weiten  Ausblick  auf  den  uralten  Glauben  an  die  Mög- 
lichkeit des  Ueberganges  von  Menschen  in  Tiere,  die  „wilde  anthropologische  Idee" 
von  der  Verschiebbarkeit  der  Grenzen  unter  den  belebten  Wesen.  —  In  diesen 
Kreis  gehört  auch  ein  Märchen,  das  durch  Damköhler 23 1)  aus  der  Gegend 
von  Blankenburg  im  Harz  mitgeteilt,  von  Weinhold  mit  verwandten  Er- 
zählungen verglichen  wird.  „Das  Grundthema  ist,  dass  ein  Vater  genötigt  wird, 
seine  liebste  Tochter  an  ein  tierisches  Wesen  zu  geben,  das  aber  ein  verzauberter 
Mensch  ist;  seine  Erlösung  wird  durch  das  Mädchen  vollzogen."  —  Ein  methodo- 
logisch wichtiges  Beispiel  dafür,  wie  man  ein  Märchen  zweckmässig  zergliedern  kann, 
um  übereinstimmende  und  abweichende  Züge  durch  die  Weltlitteratur  zu  verfolgen, 
giebt  Marian  Roalfe  Cox232)  durch  ihre  Behandlung  von  „Aschenbrödel",  „Allerlei- 
rauh" und  „Die  Gänsehirtin  am  Brunnen".  —  Spiller233)  geht  den  Spuren  des 
Dornröschens  durch  die  verschiedenen  Litteraturen  nach  und  kommt  zu  dem  Ergebnis, 
dass  eine  indische  Version,  die  Miss  Frere  im  J.  1865  aufgezeichnet  hat,  auf  den 
Ursprung  des  Märchens  in  Indien  hinweise.  Von  dort,  wo  es  sich  als  ein  Sonnen- 
mjthus  darstellt,  ist  es  nach  Sp.s  Meinung  durch  die  Weltlitteratur  gewandert.  Nach 
Deutschland  ist  Dornröschen  aus  Frankreich  gekommen.  Sp.s  eindringende  Forschung 
sucht  zugleich  allgemein  gültige  Prinzipien  für  die  Untersuchung  derartiger  Gegen- 


Alessandro  Magno:  LCBl.  S.  258/9.  —  224)  C.  Kiesewetter,  Faust  in  d.  Gesch.  u.  Tradition.  Mit  bes.  Berücksichtig,  d. 
oltltulten  Phaenonienalism.  u  d.  mittelalterl.  Zauberwesens.  L.,  Spohr.  XXUI,  567  S.  M.  10,00.  (Vgl.  I  10  :  25:n3  :  28;  ni3  :  2.)  — 
225)  C.  Küchler,  Faustsagnet  og  Göthes  Fanst.  Kjöbenhavn,  Host  &  Son.  77  S.  (S.  u.  IV  8e.)  —  226)  L.  Neubaur,  Neue 
Mitteilungen  über  d.  Sage  v.  ewigen  Juden.  L.,  Hinrichs.  III,  24  S.  M.  0,60.  |[G.  Dalman:  ThLBl.  14,  S.  515/6;  ZWolksk.  3, 
S.  344;  BLU.  S.  447;  L.  Franke  1:  LCBl.  S.  988/9.]  [  (Auch  als  Anh.  zu  Neubanr,  D.Sage  vom  ewigen  Juden.  2.  verm.  Ausg. 
ebd.;  vgl.  I  10:14.)  —  227)  A.  Holder,  D.  Sage  v.  d.  7  Schwaben  nach  ihrer  knlturgesch.  Bedeutung  u.  ihren  kirchl.  Be- 
ziehungen: DPBl.  26,  S.  290,3.-228)  W.  Golther,  D.  Jungfrau  mit  d.  goldenen  Haaren.  (=  I  1:118,  S.  167-76.)  —  229)  W. 
Hertz,  D.  Sage  vom  Giftmädchen.  (Aus  AbhAkMünchen.)  München,  G.  Franz.  4».  78  S.  M.  2,40.  (Vgl.  I  10:7.)  —  230)  K. 
Weinhold,  üeber  d.  Märchen  v.  Eselmenschen:  SBAkBerlin.  S.  475-88.  ||R.  Basset:  RTF.  8,  S.  507/8. 1|  (Vgl.  110 :  5.)  —  231)  E. 
Damköhler,  D.  Wolf  mitd.  Wockenbriefe.  Märchen  in  Kattenstedter  Mundart,  erl.  v.  K.  Weinhold:  ZWolksk.  3,  S.  189-205.  — 
232)  Marian  Eoalfe  Cox,  Cinderella.  Three  hundred  and  forty-five  variants  of  Cinderella,  Catskin  and  Caps  o'rnshes, 
abstracted  and  tabulated,  with  a  discussion  of  mediaeval  analogues  and  notes.  With  an  introd.  by  A.  Lang.  London,  Nutt  (Folk- 
Lore  Society).   LXXX,  535  S.  J[H.  F.  Feilberg:  ürqueU  4,  S.  103/4;  K.  Weinhold:  ZWolksk.  3,  S.  233,4.|1  —  233)  R.  Spiller, 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  10 


I  5  :  234-264  F.  Vogt,  Volkskunde. 

stände  zu  gewinnen,  und  die  Art,  wie  er  das  Verhältnis  der  einzelnen  Versionen 
genau  und  übersichtlich  darstellt,  verdient  alle  Beachtung.  Aber  ich  glaube,  es  lässt 
sich  zeigen,  dass  er  die  Bedeutung  der  indischen  Erzählung  überschätzt  hat,  und 
diese  Erkenntnis  wird  zu  einer  abweichenden  Auffassung  von  dem  Wesen  und  der  Ent- 
wicklung dieses  Märchens  führen.  —  Sonst  sind  nur  kleine  Beiträge  zur  Märchen- 
litteratur  zu  verzeichnen234-242)^  Yon  denen  solche  zur  Anekdoten-  und  Schwank- 
litteratur243"244^  kaum  zu  trennen  sind.  — 

Unter  den  kleinen  Aufsätzen,  die  sich  mit  der  Geschichte  und  dem  Wesen 
des  Volksliedes  im  allgemeinen  beschäftigen^*^"^^'),  mögen  zwei  Artikel  her- 
vorgehoben werden,  welche  die  Gefährdung  des  Volksliedes  durch  den  modernen  Gassen- 
hauer betreffen.  Während  der  eine  jene  alte  echte  Poesie  gegen  den  von  Operette 
und  Tingeltangel  gezeugten  grossstädtischen  Emporkömmling  zu  schützen  mahnt^^s), 
spendet  der  andere  auf  eine  verwandte  Klage  der  Grenzboten  den  zweifelhaften  Trost, 
dass  es  auch  in  früheren  Zeiten  Gassenhauer  gegeben  habe,  und  dass  auch  bessere 
Kunstlieder  das  Volkslied  verdrängen  helfen-*^).  —  Eine  Abhandlung  von  Flaisch- 
len^öo^  führt  die  kleinen  Veränderungen,  die  Uhlands  Lied  vom  treuen  Kameraden 
im  Volksgesang  erfahren  hat,  auf  allgemeinere  Gesichtspunkte  zurück,  und  so 
behandeln  auch  andere  kleinere  Mitteilungen  einzelne  Volkslieder  oder  inhaltlich 
zusammengehörige  Gruppen. ^^i  258^  — 

An  der  Spitze  der  Volkslieder  Sammlungen  können  wir  erfreulicher  Weise 
eine  neue  Ausgabe  des  grundlegenden  umfassenden  Werkes  von  Uhland,  durch 
Fisch  e r '■^^'■')  veranstaltet,  verzeichnen,  die  durch  ihren  billigen  Preis  den  weitesten  Kreisen 
zugänglich  ist.  Nicht  nur  die  Lieder  selbst,  sondern  auch  die  für  die  Volkskunde 
in  weiterem  Umfange  so  fruchtbare  Abhandlung  mit  den  zu  ihr  gehörigen  An- 
merkungen sind  unverkürzt  wiedergegeben,  während  die  Anmerkungen  zu  den 
Liedern,  die  durch  neuere  Publikationen  am  ehesten  entbehrlich  geworden  sind,  fort- 
blieben. F.s  Einleitung  bestimmt  in  besonnener  Weise  das  Wesen  des  Volksliedes, 
skizziert  in  aller  Knappheit  seine  Geschichte  in  Deutschland  und  giebt  von  Uhlands 
bezüglichen  Studien  ein  liebevoll  und  treffend  gezeichnetes,  sehr  ansprechendes 
Bild.^^''-^')  —  Da  diejenigen  Sammlungen,  welche  die  Volkslieder  zugleich  in  W^ort 
und  Weise  wiedergeben ,  in  dem  Kapitel  Musik  besprochen  werden  (s.  u.  I  13),  so 
möge  in  Bezug  auf  Böhmes^ßi»)  Neubearbeitung  und  Fortsetzung  von  Ercks 
deutschem  Liederhort  hier  die  Bemerkung  genügen,  dass  sie  auch  für  die  Texte  von 
Bedeutung  ist.  — 

Weitaus  die  meisten  Sammlungen  beschränken  sich  auf  einzelne  Land- 
schaften; sie  werden  hier  mit  Sondermitteilungen  über  die  betreffenden  Gebiete 
zusammengefasst.  Unter  den  oberdeutschen ^^2)  tritt  vor  allem  Tirol  hervor. 
Ein  zweites  Bändchen  lebensfrischer  Tiroler  Volkslieder  in  der  allerliebst  aus- 
gestatteten Liebeskindschen  Sammlung  haben  wir  wieder  Greinz  und  dem  inzwischen 
verstorbenen  Kapferer^*'"'"^^*)  zu  danken.  Neben  den  poetisch  ansprechenden 
Stücken  von  mancherlei  Art,  die  es  enthält,  können  die  Weihnachts  -  Hirtenlieder 
und  ein  Dreikönigslied  auch  ein  litterarhistorisches  Interesse  beanspruchen.  —  Eine 


Z.  Gesch.  d.  Märchens  vom  Dornröschen.  Progr.  d.  Thtirgunisohen  Kantonschule.  Frauenfeld,  Hnber  &  Co.  4".  36  S.  —  234)  X 
J.  Bolte,  Zu  d.  Märchen  v.  d.  sieben  Grafen:  ZVVolksk.  3,  S.  61/7.  (Dazu  ib.  S.  462/3 ;  vgl.  I  10:12.)  —  235)  X  H- Uli  rieh, 
D.  Schneiderleins  Glück:  ib.  S.  452,6.  —  236)  X  !>•  Fränkel,  Z.  Märchenmotiv  v.  d.  drei  findigen  Brüdern  (oder  Genossen): 
ib.  S.  96.  —  237)  X  K.Dirksen,  Asar  u.  Gemir.  Ostfriesisches  Märchen:  ib  S.  336;7.  —  238»  X  H.  Carstens,  D.  Märchen 
V.  d.  Königstochter,  d.  nicht  lachen  konnte:  ib.  S.  456/9.  —  239)  X  St.  Prato,  Le  dodici  parole  della  yeritä:  ASTP.  12,  S.  3S-53. 
(Nimmt  auch  auf  dtsch.  Ueberlieferungen  Bezug.  Dazu  P.  Yalla  ib.  S.  378-85  u.  St.  Prato  S.  422-34,  571-80.)  —  240)  X  K- 
Ed.  Haase,  Z.  Entenbaum:  ZD*!].  7,  S.  62.  (Erklärung  d.  Zeitungsente  ans  d.  bei  Seb.  Münster  nachgewiesenen  fabelhaften 
Entenbaum.)  —  241)  X  ^-  J-  Chamberlain,  Sagen  v.  Ursprung  d.  Fliegen  u.  Moskiten.  E.  Beitr.  z.  vergleich.  Volksk.:  Urquell  4, 
S.  129-31.  —  242)  X  A.  Haas,  Sagen  v.  Ursprung  d.  Fliegen:  ib.  S.  201/2.  —  243l  X  J  ßolte,  D.  Schwank  v.  d.  drei  lispelnden 
Schwestern:  ZVVolksk.  3,  S.  58.  (Vgl.  dazu  A.  Treichels  Umfrage:  Urquell  4,  S.  101-69;  vgl.  I  10:  32.)  —  243a)  X  J- Spiesser, 
Münsterthäler  Anekdoten:  JbGKlsLothr.  9,  S.  87-92.  —  244)  X  0.  Knoop,  Schnurren  u  Schnaken  aus  Rügsn:  Urquell  4, 
S.  72,3,  100/1.  —  245)  X  V-  Cian,  La  poesia  popolare  nella  storia  letteraria:  ASTP.  12,  S.  277  9.  —  246)  X  Sohns,  P. 
Erfnrth,  d.  dtsch.  Volksdichtung:  COIRW.  21,  S.  562.  —  247)  X  B.  B.,  Voranzeige  v.  M.  A.  Keudels  „Etüde  de  quelques  chants 
populaires  allemands":  AnnEst.  7,  S.  141.  —  248)  Volkslieder  u.  Gassenhauer:  Didask,  S.  548.  —  249)  Volkslied  u.  Gassen- 
hauer: Kw.  6,  S.  372/3.  —  250)  C.  Flaischlen,  Z.  Volksdichtung:  ZVVolksk.  3,  S.  79-85.  (Dazu  e.  kleiner  Zusatz  v.  C  h.  II. 
Steinthal.)  —  251)  X  E.  dtsch.  Volkslied  als  französ.  Citat:  Didask.  S.  696.  („Les  morts  vont  vite,  comme  dit  le  poete  allemand" 
fEdm.  About].)  —  252)  X  L-  Fränkel,  Zu  „E.  Volkslied  im  Studentenraund":  Urquell  4,  S.  174.  —  253)  X  Erich  Schmidt, 
Ueber  d.  Tannenbaumlied.  Vortr.,  geh.  in  GDL.  Referat:  VossZg.  N.  51.  (Seh.  wies  darin  u.  a.  auch  e.  neue  Fassung 
d.  Liodes  aus  Göckingks  Emigrationsgeschichte  [1734J  nach.)  —  254)  X  K.  E.  Haase,  Z.  Zauberspruch  in  Auerbachs  Keller: 
ZDU.  7,  S.  141/2,  501/2,  692/4.  (Kettenreimpredigt.)  —  255i  X  A.  En  giert,  Varianten  zu  d.  Kinderliedchen  „Christkindchen 
komm  in  unser  Haus":  ib.  S.  266/7.  —  256)  X  ^-  Heintze,  Zwei  Volkslieder  (entnommen  e.  geschriebenen  Soldaten-Lieder- 
buche): ib.  S.  762.  —  257)  X  0.  Schell.  Bastlösereime.  Umfrage:  Urquell  4,  S.  267,  172/3.  -  258)  X  id.,  E.  Kinderreigen 
V.  Dornröschen:  ib.  S.  259-60.  —  259)  L.  Uhland,  Alte  hoch-  u.  niederdtsch.  Volkslieder  mit  Abhandl.  u.  Anm.  her.  3.  Aufl. 
Mit  Einleitv.  Herm.  Fischer.  Bd.  1/4.  (=  Bibl.  d.  Weltlitt.  N.  206-lÜ.)  St.,  Cotta.  346,320,308,260  8.  M.  4,00.  —  260)  X 
R.  Sprenger,  Zu  Uhlands  Volkliedern  u.  Simrocks  dtsch.  Mythologie:  Urquell  4,  S.  334.  (Betrifft  d.  Gütchen  genannten  Haus- 
geister.) —  261)  X  O  E.  kleine  Sammlung  beliebter  Volkslieder  u.  Schnadahüpfeln.  Regensburg,  llabbel.  16".  24  S.  M.  0,10. 
—  261a)  (Vgl.  auch  n2  :1.)  —  262)  X  0.  Heilig,  Gassenlieder  aus  Pülfringen  im  badischen  Hinterland :  Alemannia  21,  S  202/3.— 
263)  Rud.  H.  Greinzu.  J.  A.  Kapferer,  Tiroler  Volkslieder.  2.  Folge.  L.,  Liebeskind.  16«.  185  S.  M.  1,50.  ULZg».  N.  65; 
BLU.  S.  280;   Geg.  44,  S.  15;  COIRW.  21,  S.  439.]|  —  264)  X  A.  Schlossar,  Tiroler  Schnadahüpfeln:  BLU.  S.  680.    (Recens. 


F.  Vog-t,  Volkskunde.  I  5  :  205-299 

hübsche  Auswahl  aus  gedruckten  Sammlungen  von  Schnadahüpfeln  hat  G  u  n  d  - 
1  achtes)  zusammengestellt  und  im  Anschluss  an  ältere  Darstellungen  mit  einer  Ein- 
leitung versehen,  die  in  ihrem  metrischen  Teile  freilich  schon  beim  Erscheinen 
veraltet  ist.  Mit  Daktylen,  Anapästen  und  Amphibrachen  kommt  man  dem  Schnada- 
hüpfel so  wenig  bei  wie  mit  der  Behauptung,  dass  jeder  seiner  Verse  zwei  betonte 
Silben  habe,  während  die  Zahl  der  unbetonten  Silben  ganz  beliebig  sei.  Das  Wesent- 
liche ist  bei  diesen  von  der  Musik  unzertrennlichen  Versen  der  Rhythmus,  und  bei 
ihm  kommen  neben  den  Hauptaccenten  und  den  Senkungen  vor  allem  auch  die 
Nebenaccente  in  Betracht.  Dem  Benutzer  des  Büchleins,  der  sich  Klarheit  über  diese 
Dinge  verschaffen  will,  werden  die  8  beigegebenen  Singweisen  mehr  helfen  als  jene 
metrischen  Auseinandersetzungen. ^^ß)  —  Aus  den  übrigen  süddeutsch-österreichischen 
und  aus  den  deutsch-ungarischen  Gebieten  sind  nur  kleine  Beiträge  aufzuführen^^'J  279j^  — 
Aus  Mitteldeutschland  liegen  die  Sammlungen  von  Becker ^so  ssoav)^ 
Wolfram  2*1)  und  die  Fortsetzung  der  mit  reichhaltigen  Nach  Weisungen  versehenen 
Lewalterschen282j  vor.  —  Zu  dieser  und  zugleich  zu  Hruschkas  und  Toischers 
böhmischen  Volksliedern  (vgl.  JBL.  1892  IV  2:362)  giebt  Voretzsch^ssj  wichtige 
Ergänzungen  und  Parallelen,  die  mehrfach  erst  den  richtigen  Zusammenhang'  oder 
die  Art  der  Zusammensetzung  einzelner  Lieder  erkennen  lassen,  wobei  er  zugleich 
vier  neue  Lieder  aus  Nordböhmen  hinzufügt.  2^*)  —  Frey  tags-^^)  historische  Sammlung 
ist  als  Volksbuch  gedacht  und  demgemäss  ohne  wissenschaftliche  Beigaben.  Doch 
sind  die  Quellen  überall  angegeben.  Mit  dem  16.  Jh.  anhebend,  reichen  die  Lieder 
in  114  Nummern  bis  auf  die  Gegenwart.  Nicht  alle  sind  eigentliche  Volkslieder.  — 
Neben  Sachsen  ist  auch  Deutsch-Böhmen2*>6)  und  Schlesien  vertreten2*''"288j  _  Der 
Titel  eines  kleinen  Aufsatzes  von  Menkes^^^),  der  die  oberschlesischen  Volkslieder 
zu  behandeln  verspricht,  führt  irre,  da  er  nur  von  polnischen  Volksliedern  und  nicht 
nur  von  denen  der  Oberschlesier  handelt.  Oberschlesien  gehört  aber  nicht  zu  Polen, 
und  zu  den  Volksliedern  der  Oberschlesier  gehören  auch  die  deutschen.29*>)  — 

Aus  Niederdeutschlan  d^'*!"^««)  ist  eine  umfänglichere  Sammlung  nur  für 
Preussen  beigesteuert.  Längst  durch  Frischbier  zusammengestellt,  ist  sie  erst  jetzt 
nach  dessen  Tode  durch  Sembrzycki"'»^)  veröffentlicht.  Ein  sehr  beträchtlicher  Teil 
der  Lieder  ist  aus  den  preussischen  Provinzialblättern  entnommen;  andere  stammen 
aus  schriftlicher  und  mündlicher  Mitteilung.  Es  sind  Balladen,  Liebeslieder,  Standes- 
und Berufslieder,  denen  dann  noch  ein  „Vermischtes"  umfassender  Anhang  beigegeben 
ist.  Kinderlieder  sind  ausgeschlossen.  Dass  die  Ballade  „Herr  Olof  (Rolof)  reitet  so 
spät  und  so  weit"  aus  Herders  Volksliedern  stamme,  hätte  in  der  Anmerkung  nicht 
bezweifelt  werden  sollen.  Interessant  ist  es  immerhin  zu  hören,  dass  sie  im  Volks- 
munde einige  Aenderungen  erfahren  hat.  Die  Anmerkungen  g-eben  Aufschluss  über 
die  Quellen  und  freilich  nicht  erschöpfende  litterarische  Nachweise  über  Parallelen 
der  einzelnen  Lieder.  Zu  bedauern  ist  es,  dass  die  Melodien  nicht,  soweit  sie  noch 
erreichbar  waren,  mitgeteilt  sind.     Bei  alledem  bleibt  die  Sammlung  recht  beachtens- 


d.  Samml.  v.  E.  H.  Greinz  u.  J.  A.  Kapferer,  ygl.  JBL.  1890  IV  2  :  175.)  —  265)  F.  Gundlach,  1000  Schnadahüpfeln.  (=  ÜB. 
N  31012.)  L.,  Heclam.  212  S.  M.  0,40.  -  266)  X  .1.  Pommer,  252  Jodler  n.  Juchezer  ges.  Wien,  Rebay  n.  Robitschek.  XU, 
212  S.  M.  2,50.  —  267)  X  E.  M.  Steininger,  D.  Wiener  Volkslied:  Geg.  44,  S.  404,8.  —  268 1  X  Trutz  u.  Scherz.  Volks- 
lieder aus  Steiermark:  Heiragarten  16,  S.  52/3.  —  269)  X  ^  ^-  Franziszi,  Hirtenlieder  aus  d.  Möllthal :  Carinthia  83,  S.  63,4, 
93/4.  —  270)  B.  Schnttelkopf,  Kinderreime  u.  Kinderspiele  in  Kärnten.  (1.  Nachtr):  ib.  S.  23,5.  (Vgl.  JBL.  1890  I  5:33; 
1891  I  5  :  274.)  —  271)  X  E-  Dürnwirth,  Berg  u.  gruben  Reim,  Welcher  am  Grass  Fragantner  Berg  bei  Einsperung  Ge8prach(en) 
wird:  ib.  S.  120/6.  (Kämt.  Bergwerkslied.)  —  272)  X  A.  F.  Dörfler,  Dtsch.  Volkslied  aus  Südungarn:  Urquell  4,  S.  274.  — 
273)  X  A.  Herrmann,  Dtsch.  Volksreime  aus  Kremnitz:  ib.  S.  220/1.  —  274)  X  i^--  Dobschauer  Gassenhauer:  ib.  S.  91;3.  — 
275)  X  6-  Versenyi,  Dtsch.  Volkslieder  aus  d.  Körmöczbänyaer  Gegend:  EthnMUng.  3,  S.  255/6.  —  276)  X  id-,  Dtsch.  Kinder- 
reime aus  d.  Gegend  v.  Körmöczbänya:  ib.  S.  101.  —  277)  X  Parallelen  u.  Bemerkungen  zu  Stellen  in  d.  EthnMUng.:  ib.  S.  291,4. 
(Kinderreime.)  -  278)  X  K.  Fuchs.  E.  alte  Beschwörungsformel:  ib.  S.  240,3.  (Aus  Zipsen;  Kinderreim.)  --  279;  X  Sieben  • 
bürg.-Sächsischer  Kinderreigen:  KBlVSbnbgLK.  16,  S.  57.  —  280)  K.  Becker,  Rheinischer  Volksliederborn.  Auswahl  d.  edelsten 
u.  schönsten  Volkslieder  mit  ihren  Melodien  d.  verschiedenen  Gegenden  d.  Rheinlande.  Aus  d.  Munde  d.  Volkes  u.  aus  ge- 
schriebenen Liederbüchern  gesamm.  Neuwied,  Heuser.  IX,  127  S.  M.  2,50.  —  280a)  X  H.  Merken s.  Altes  Kölner  Studenten- 
Hed.  Volkslied:  Urquell  4,  S.  ViS.  —  281)  E.  H.  Wolfram,  Nassauische  Volkslieder  nach  Wort  u.  Weise  aus  d.  Munde  d. 
Volkes  gesamm.  B.,  Sigismund.  462  S.  M.  4,00.  —  282)  J.  Lewalter,  Dtsch.  Volkslieder.  In  Niederhessen  aus  d.  Munde  d. 
Volkes  gesamm.,  mit  einfacher  Klavierbegleitung,  geschichtl.  u.  vergleichenden  Anmerkungen.  Heft  1/4.  Hamburg,  Fritzsche. 
X,  68  S.;  VIII,  72  S.;  IV,  74  S.;  VIII,  72  S.  k  M.  1,00.  —  283)  K.  Voretzsch,  Zu  d.  dtsch.  Volksliedern  ans  Böhmen  u.  aus 
Niederhessen:  ZVVolksk.  3,  S.  176-89.  {Nachtr.  dazu  v.  V.  selbst  n.  A.  Englert  ib.  S.  337/8)-  284)  X  Wilh.  Müller,  Volks- 
lieder aus  d.  Spessart:  Urquell  4,  S.  144/5.  —  285)  E.  R.  Freytag,  Ilist.  Volkslieder  d.  sächs.  Heeres.  Dresden,  Glöss.  VII, 
175  S.  M.  3,00.  |[A.  Schlossar:  BLU.  S.  262.JI  -  286)  X  F.  Knothe,  Volksdichtung  u.  Kinderspiele  im  nordöstl.  Deutsch- 
Böhmen.  (Fortsetzung):RiesengcbirgeinWortn.  Bild.  N.  1  2,8.8-13,  N. .3/4,8. 1.3,7.  (Vgl.  JBL.  1892  14: 116.) -287)  XK.Knauthe, 
Kinderreime  aus  Schlesien:  Urquell  4,  8.  232/3.  -  288)  X  J-  Bolte,  E.  Breslauer  bist.  Volkslied  v.  J.  1490:  ZDA.  37,  S.  231,5. 
—  289)  H.  Menkes,  D.  Volkslieder  d.  Oberschlesier:  Zeitgeist  N.  38.  —  290)  X  A.  Nagelberg,  Judendtsch.  Kinderlieder: 
Urquell  4,  8.  119-20.  (Galizien.)  -  291)  X  0-  Glöde,  Niederdtsch.  Wiegenlieder:  ZDU.  7,  8.  269.  —  292)  X  K.  E.  Haase, 
Z.  Rummelpott:  ZDU.  7,  8.275.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4  :  236/8:  IV  2  :  279-80.)  -  293)  X  0.  Schell,  Bergisches  Volkslied:  Urquell  4, 
S.  20.  —  294)  X  0.  Bremer,  Plattdeutsch  in  Halle:  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  70/1.  (Dazu  S.  88.)  -  295)  X  Fastnachtlieder : 
Urquell  4,  8.  31.  (Mark.)  —  296)  X  Colra.  Schumann,  Fitcherlieder  ans  Gothmund  bei  Lübeck:  ib.  8.  164,7.  —  297)  X  0. 
Glöde,  Volkslieder  aus  Mecklenburg:  ib.  S.  71/2.  -  298)  X  i^-.  E.  hochdtsch.  Volkslied  aus  Mecklenburg:  ZDU.  7,  8.428.— 
299)  H.  Frischbier,  Hundert  ostpreuss.  Volkslieder  in  hochdtsch.  Sprache.   Her.  v.  J.  Sembrzycki,   L.,  Reisner.    VIII,  152  S. 

lÜ* 


I  5:300-327  F.  Vogt,  Volkskunde. 

wert^oo^.  —  Schon  über  das  deutsche  Sprachgebiet  hinaus  führt  Nasts^oi)  Studie  über 
die  Dainos,  die  besonders  weg-en  ihres  den  Melodien  gewidmeten  Teiles  Beachtung 
verdient.  — 

In  einem  Sohlussabschnitt  sei  Verschiedenes  zusammengestellt.  Von  der 
Spruch  poesie  des  Volkes  ist  das  wichtige  Kapitel  der  Inschriften  diesmal  nur 
durch  einige  wenige  kleine  Beiträge  vertreten''02-307j.  gj^g  Gattung  altdeutscher  Sprüche 
hat  Limbach 308)  ohne  Glück  zu  modernisieren  gesucht,  während  Keils ^09)  an  anderer 
Stelle  eingehender  zu  besprechendes  Werk  über  die  Stammbücher  einen  wertvollen 
Beitrag  nicht  nur  zur  Geschichte  des  Sinnspruches,  sondern  auch  zur  deutschen  Kultur- 
geschichte liefert.  Freilich  betrifft  das  Buch  nicht  das  eigentlich  Volkstümliche,  wie  auch 
die  Sammlung  von  Eichholz 3*")  lediglich  Sprüche  und  Wendungen  im  Munde  der 
Gebildeten  betrifft.  Geläufige  lateinische  Redensarten  werden  hier  in  alphabetischer 
Anordnung  aufgeführt  und  übersetzt,  gelegentlich  auch  erklärt.  Vielfach  wird  der 
Autor,  von  dem  sie  ausgehen,  angegeben,  aber  ohne  genaueres  Citat;  sehr  oft  fehlt 
jede  weitere  Angabe  über  den  Ursprung.  Das  Buch  soll  dem  des  Lateinischen  nicht 
genügend  Kundigen  dienen.  — 

Eine  ältere  S  p  r  i  ch  wo  r  ter  quelle  verwertet  Lauchert^n);  eine  inhalt- 
lich verwandte  Sprichwörtergruppe^^^)  stellt  Freund^is)  zusammen,  indem  er  eine 
grosse  Anzahl  deutscher  Sprüche,  zu  denen  er  auch  solche  aus  der  Edda  zählt,  ohne 
Quellenangabe  und  ohne  Rücksicht  auf  ihren  einheimischen  oder  fremden  Ursprung 
unter  den  recht  weit  gefassten  Begriff  der  Treue  und  Untreue  bringt.  —  Sonst  liegen 
nur  Sprichwörtersammlungen  für  bestimmte  Gegenden  vor  und  zwar  verschiedene 
kleine  für  süddeutsche  Bezirke^'^  3i6)  ^nd  für  ober-  und  mitteldeutsche  Kolonisations- 
gebiete3i''~32ij^  eine  weit  umfassendere  für  Niederdeutschland.  Diese  umfängliche, 
vom  Verleger  sehr  gut  ausgestattete  Sammlung  Eckarts322j  könnte  in  weiten 
Kreisen  auf  Dank  und  Beifall  rechnen,  wenn  in  ihr  nicht  die  einfachsten  Anforderungen, 
die  man  an  die  Gewissenhaftigkeit  eines  Herausgebers  stellen  muss,  gröblich  ver- 
nachlässigt wären.  Das  Aergste  ist,  dass,  wie  Seelmann  nachgewiesen  hat, 
die  Sammlung,  die  E.  auf  den  Gebieten  von  Oldenburg  bis  Schlesien  (!),  von  Ost- 
preussen  bis  zur  Rheinprovinz  „aus  dem  Volksmunde"  und  ihm  „reichlich  zu  Gebote 
stehenden  Specialforschungen  gesammelt"  haben  will,  nichts  weiter  ist  als  ein  nach- 
lässiger und  verkehrt  angelegter  Auszug  aus  Wanders  Sprichwörterlexikon  mit 
ganz  unbedeutenden  Zusätzen  aus  anderen  Quellen,  die  nicht  einmal  von  der  Aus- 
nutzung der  in  dem  mangelhaften  Litteraturverzeichnis  erwähnten  Sammlungen 
zeugen.  —  Weit  verdienstlicher  als  eine  Kompilation  von  solcher  Art  ist  eine  auf 
das  kleinste  Gebiet  beschränkte  Sammlung,  wenn  sie  selbständig  angelegt  und 
gewissenhaft  ausgeführt  ist,  wie  Dirksens^''^^)  Meidericher  Sprichwörterbüchlein,  das, 
zuerst  1890  erschienen,  jetzt  in  einer  um  einige  Anmerkungen  vermehrten  Ausgabe 
vorliegt,  die  auch  über  das  Gebiet  der  Mundart  hinaus  Verbreitung  finden  soll.  Für 
diesen  Zweck  hätte  allerdings  noch  etwas  mehr  für  die  Worterklärung  geschehen 
können,  wenn  auch  andere  Erläuterungen  dafür  hätten  verkürzt  werden  müssen.  — 
Auch  auf  anderen  niederdeutschen  Gebieten  hat  man  einiges  dieser  Gattung  zusammen- 
gestellt324-3273.  _ 


M.  3,00.  |[ürqnell  4,  S.  128;  LCBl.  S.  1619:  A.  Schlossar:  BLU.  S.  262/3.]|  —  300)  X  id-,  Preuss.  Volksveirae  u.  Volksspiele 
(vgl.  JBL.  1892  I  4:361).  l[L.  B.:  Wisla.  1892,  S.  691;  1893,  S.  190;  J.  Sombrzycki:  KwH.  7,  S.  302.]|  —301)  L.  Nast,  D. 
Volkslieder  ä.  Litauer  inhaltl.  u.  niusikal.  Progr.  d.  Gymn.  Tilsit.  4".  52  S.  —  302)  X  A.  Schlossar,  L.  v.  Hörmann,  Gral)- 
schriften  n.  Marterln  (JBL.  1892  I  4:74);  id.,  Volkstüml.  Sprichwörter  (ib.  I  4:347);  id.,  Haussprüche  (ib.  I  4:352):  BLU. 
S.  278-80.  (Ledigl.  Auszüge  aus  Hörmanns  Samml.  finden  sich  unter  „Grabschriften"  in  d.  111.  Bibl.  Prochäska  1,  S.  12.3/5.) 
—  303)  X  F-  Ilwof,  Allerlei  Inschriften  aus  d.  Alpenländern:  ZVVolksk.  3,  S.  278.  (Meist  Hausinschriften.)  —  304)  X  E- 
Keiter,  Grabschriften  u.  Marterln  in  d.  Alpen:  ÖUE.  14,  S.  411-24.  —  305)  X  H.  Gutscher,  Volkspoesie  auf  Gräbern:  DZg. 
N.  7847.  —  306)  X  M.  Frhr.  zu  Aichelburg,  Inschriften  an  Haus  n.  Gerät:  Carinthia  83,  S,  127/8.  —  307)  X  H.  Hart- 
mann, Inschriften  aus  d.  Bauernhäusern  im  Kreise  Wittlage:  MVGOsnabrück.  17,  S.  410/5.  —  308)  Ph.  Strauch,  H.  Limbach, 
Priameln.  E.  ausgew.  Samml.  altdtsch.  Sinngedichte.  Dresden,  Albanus.  1892.  XV,  106  S.  M.  2,00:  DLZ.  S.  366,7.  —  309) 
(I  4:141.)  —  310)  K.  Eichholz,  Latein.  Citate  mit  dtsch.  Uebersetz.  Latein.  Sprüche,  Wörter  u.  Sprüchwörter.  Hamburg, 
Berendsohn.  IV,  176  S.  M.  2,00.  —  311)  F.  Lauchert,  Sprichwörter  n.  sprichwörtl.  Redensarten  bei  Abraham  a  Santa  Clara. 
(Aus  Alemannia.)  Bonn,  P.  Hanstein.  42  S.  M.  1,00.  (Vgl.  JBL.  1890  III  5:17.)  —  312)  X  L.  Fränkel,  D.  Tadel  d.  Zuviel- 
redeng  in  Sprichwort  u.  Volksanschauung.  Umfrage:  Urquell  4,  S.  14,  123,  1313,  157/8.  —  313)  L.  Freund,  D.  Treue  im 
Spiegel  d.  Spruchweisheit  I.  Dtsch.  Sprüche  u.  Sprichwörter.  2.  Durch  Nachtrr.  vermehrte  Ausgabe.  L.,  Kössling.  1892.  50  S. 
M.  1,20.  |[A.  Schroeter:  BLU.  S.  581/2.]J  —  314)  X  J-  Rathgeber,  Elsäss.  Sprichwörter  u.  sprichwörtl.  Redensarten: 
JbGEleLothr.  9,8.98-101.  315)XJ-  Spiese  r,  Sprichwörter  in  Waldhabacher  Mundart :  ib.  S.93/7.-  316)XH.  Bazing,  Sprich- 
wörtc  1  u.  Redensarten  aus  d.  Gegend  v.Waldsee  mitget. :  MVKunstAUlm.  4,  S.  30/2.  (Ges.  v.  P  e  t  e  r.)  —  317)  J.  R.  B  ü  n  k e  r ,  Heanzische 
Spricliwörter:  EthnMUng.  3,  S.  287-91.  —  318)  X  M.  Weissberg,  Sprichwörter  galizischer  Juden:  Urquell  4,  S.  256j7.  — 
319)  XJ-A  Ohara  p,  Sprichwörter  galizischer  Juden:  ib.  S.  212/3.  —  320)  X  I-'-  Man  dl,  Sprichwörter  dtsch.  Juden:  ib.  S  75/6.  — 
321)  X  Müschner,  Wendische  Sprichwörter:  Bär  19,  S.  785/6.  (36  Sprichwörter  aus  d.  Wendischen  übersetzt.)  —  322)  R. 
Eckart,  Niederdtsch.  Sprichwörter  u.  volkstüml.  Redensarten.  Braunschweig,  Appelhaus  &  Pfennigstorff.  586  S.  M.  8,00. 
||W.  Seelmann:  ADA.  21,  S.  142/4.JI  —  323)  K.  Dirksen,  Meidericher  Sprichwörter,  sprichwörtl.  Redensarten  u.  Reira- 
sprüche  mit  Anm.  2.  Aufl.  Königsberg,  Härtung.  56  S.  M.  1,00.  (vgl.  JBL.  1892  I  4  :  349.)  —  324)  X  K.  E.  H.  K  r  a  u  s  e  , 
K.  Dirksen,  Ostfriesische  Sprichwörter  (JBL.  1S91  I  5  :  26.3):  KBlVNiederdSpr.  15,  S.  13.  —  325)  X  N.  S  tacke  r,  Sprichwörter 
n.  Redearten  aus  Drage  in  Stapelholra :  Urqnell  4,  S.  257/8.  -  326)  X  R-  Sprenger,  0.  Knoop,  Z.  Verbreitung  d.  plattdtsch. 
Sprichwörter  u.  Redensarten,  aus  Ilinterpomra.  gesamm.    Progr.  1891 :  KBlVNiederdSpr.  15,  S.  2/3.  —  327)  X  •'•  S  e  m  b  r  ■/,  y  c  k  i , 


F.  Vogt,  Volkskunde.  I  5  :  328-367 

Als  verschieden artig-e  Aeusserung-en  des  Volkswitzes  hat  man  Spott-  und 
Scherz- Verse  und  -Reden32s-333j  ^nd  manches  Humoristische  anderer  Art  mitg-eteilt^s*). 
—  So  führt  Schurig-^äbj  ^[q  ggjjp  verschiedenen  Erscheinungsformen  sächsischen  Solda- 
tenhumors in  Poesie  und  Prosa  vor,  wobei  an  Wörtern,  Spitznamen  und  Redensarten  einiges 
nicht  Uninteressante  erscheint,  und  Laverrenz^^e^  trägt  parodistische  Auslegungen  und 
allerlei  schnoddrige  Bemerkungen  anderer  Art,  zu  denen  dem  Berliner  die  Bauten 
und  Denkmäler  seiner  Heimatstadt  Anlass  geben,  als  eine  charakteristische  Gattung 
berlinischen  Volkswitzes  zusammen.  —  122  deutsche  Redensarten,  die,  so 
geläufig  sie  uns  auch  grösstenteils  noch  sind,  ihre  Erklärung  doch  erst  in  der  älteren 
Kultur,  Litteratur  und  Sprache  finden,  erläutert  Rieht er^^").  Der  Vf.  zeigt  aus- 
gebreitete Kenntnisse  auf  diesen  Gebieten,  besonders  auf  dem  der  Kulturgeschichte, 
und  weiss  neben  den  von  Anderen  gefundenen  Deutungen  auch  so  manche  neuen 
Aufschlüsse  zu  geben.  Mag  man  auch  nicht  in  jeder  Einzelheit  zustimmen,  so  ist 
das  Buch  dennoch  zu  empfehlen  und  verdient  die  im  Verlaufe  von  drei  Jahren  nötig 
gewordene  zweite  Auflage.  —  Bestimmte  Gattungen  von  Redewendungen  und  Redens- 
arten bilden  den  Inhalt  verschiedener  kleinerer  Publikationen338-345^    — 

Eine  kleine  Auswahl  von  Rätseln  für  Schule  und  Haus  hat  Frick^*^)  mit 
gutem  Humor  getroffen34"-348j^  {j^  übrigen  hat  man  auch  diese  Art  von  Volkswitz 
und  Volkspoesie   nach    ihren    örtlichen   Erscheinungen   untersucht   und   zusammen- 

geStellt349   355j,    _ 

Mit  Volkswitz  und  Redensarten  zeigt  die  Namengebung  manche 
Berührungen,  besonders  in  den  Spitz-  und  Schimpfnamen^äß)  und  in  der  Beilegung 
von  Personennamen  an  Tiere35''"360),  __  Die  Vor-  und  Familiennamen  nehmen  seit 
langen  Zeiten  das  Interesse  weiterer  Kreise  in  Anspruch.  Für  die  Reclamsche  ÜB. 
hat  jetzt  Tetzner*^^')  ein  kleines  Namenbüchlein  zusammengestellt,  dem  auch  für 
seine  populären  Zwecke  einige  Litteraturangaben  zur  Namenkunde  zu  wünschen 
gewesen  wären.  —  Wie  seit  dem  13.  Jh.  der  alte  Reichtum  an  deutschen  Vornamen 
allmählich  geschwächt  wurde,  zeigt  eine  kleine  Studie  Steinhausens^ß^),  die  zugleich 
die  Verbreitung  des  Namens  Johannes  behau delt.363)  _  Ortjohann364j  hat  das 
Verhältnis  deutscher  und  nichtdeutscher  Vornamen  bei  der  Schuljugend  eines 
Schweizerkantons  statistisch  festgestellt.  —  Auf  welche  Weise  die  deutschen  Vornamen 
gebildet  wurden  und  wie  sie  zum  Teil  in  Familiennamen  noch  fortleben,  hat  BehagheP^^) 
in  einem  Vortrage  mit  besonderer  Beziehung  auf  Giessen  erörtert.  —  Keipers 
Zusammenstellungen  über  französische  Familiennamen  in  der  Pfalz  (vgl.  JBL.  1892  I 
4:812)  wurden  noch  besprochen^ßß).  —  Verschiedene  Klassen  und  Schichten  von 
Personen-  und  Ortsnamen  Graubündens  behandelt  Muoth^^')  unter  Erörterung  der 
.für  die  Wandlung  ihrer  Formen  massgebenden  Sprachgesetze,  vor  allem  aber  unter 
Berücksichtigung  ihrer  Bedeutung  für  das  Verhältnis  der  verschiedenen  Stämme  in 


Sprichwörter  n.  Keime  aus  d.  Kirchspiel  Berschkallen  (Kreis  Insterbnrg):  MLLG.  3,  S.  446/7.  —  328)  X  K.  Weinhold, 
Volltsreime  auf  Bettlerhochzeiten:  ZVVolksk.  3,  S.  228-30.  —  329)  X  A.  Engler  t,  Zn  d.  Spottvers  „Bonapart  ist  nimmer 
stolz":  ZDU.  7,  S.  271/2.  —  330)  X  0.  Heilig,  Ortsneckereien  in  d.  Brnchsaler  Gegend:  Alemannia  21,  S.  201.  —  331)  X 
id.,  Ortsneckereien  in  Tauhergrund:  ib.  S.  201/2.  —  332)  X  A.  Englert,  Scherzdialog:  ZDU.  7,  S.  272/3.  —  333)  X  0- 
Glöde,  Schnellsprech- Vers  aus  Mecklenburg:  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  23.  -  334)  X  K.  Weinhold,  H.  Merltens,  Was 
sich  das  Volk  erzählt.     Dtsch.  Volkshuraor,  ges.  u.  nacherzählt.     Jena,  Costenoble.    XHI,  280  S.    M.  5,00:  ZVVolksk.  3,  S.  344. 

—  335)  E.  S  c  h  u  r  i  g ,  D.  Humor  in  d.  sächs.  Armee.  Dresden,  Albanns.  XV,  140  S.  M.  1,00.  —  336)  V.  L  a  v  e  r  r  e  n  z  ,  D. 
Denkmäler  Berlins  u.  d.  Volkswitz.  Mit  54  Illustrationen  v.  G.  Brandt.  2.  Aufl.  B.,  Laverrenz.  117  S.  M.  1,00.  -  337) 
Alb.  Richter,  Dtsch.  Redensarten.  Sprachl.  u.  knltnrgesch.  erlänt.  2.  Term.  Aufl.  L.,  Richter.  190  S.  M.  2.00.  |[Geg.  44, 
S.  366.JI  (Vgl.  JBL.  1890  I  5:25.)  -  338)  X  Th.  Zahn,  Bibelwort  im  Volksmund.  Vortr.  Nürnberg,  Löher.  gr.  16».  48  S. 
M.  0,60.  |[E.  L.:  ThLBI.  14,  S.  201.]|  —  339  X  E.  Handtmann,  Vornamen- Verbrämungen  im  märkischen  Sprachgebrauch r 
Bär  19,  S.  405/7.  (Scherzreime  u.  Redensarten,  d.  man  mit  bestimmten  Vornamen  verbindet.)  —  340)  X  J.  Gillhoff,  D. 
Pflanzen  im  Volksmunde:  NatZgB.  N.  30.  |[D.  Sanders:  ZDS.  7,  S.  21S/9.]|  —  341)  X  ß-  Wossidlo,  Gott  u.  Teufel  im 
Munde  d.  Meklenburgischen  Volkes:  KBlVNiederdSpr.  15,  S.  18-32,  44/8.  —  342)  X  A.  Treichel,  Entfernte  Verwandtschaft: 
Urquell  4,  S.  156/7.  (Redensarten  zu  deren  Bezeichnung.)   — ■  343)  X  i  d-  Bei  plötzlicher  Stille  in  d.  Gesellschaft:  ib.  S.  275. 

—  344)  X  id..  Fürs  Pferd  u.  beim  Rülpsen:  ib.  S.  202/4.  —  345)  X  Einzelheiten  über  Redensarten  u.  Wortbildungen  d. 
Volks-  n.  Umgangssprache:  ZDU.  7,  S.  136-40,  142/3,  263,  267/9,  424,  426,  429-31,  491/2,  495/8,  564/5,  567/8,  572/3,  626,  633, 
686-92,  759-61,  765/7.   834-42.    -    346)  Jos.  Frick,    300  Rätsel   samt  100  Scherzfragen.     Ravensburg,   Maier.     97  S.     M.  0,70. 

—  347)  X  H.  Volksmann,  Volkswitz  in  Rätseln:  Urquell  4,  S.  221/2.  —  348)  X  ■*..  Treichel,  Biblische  Rätsel:  ib. 
S.  84/7,  124.—  349)  X  K-  Sprenger,  Z.  Scberzrätsel  aus  Tirol:  ZDU.  7,  S.  61.  —  350)  X  K.  J.  Schröer,  Kätselfragen, 
Wett-  u.  Wunschlieder:  ZVVolksk.  3,  S.  67-71.  (Handelt  über  Rätsel-Streitlieder  d.  dtsch.  Sternspielbrnderschaften  in  d. 
Gegend  v.  Pressbnrg  u.  teilt  ein  solches  Lied  mit.)  —  351)  X  0.  Glöde,  Niederdtsch.  Rätsel,  besonders  d.  Storch-,  Floh- 
u.  Entenrätsel:  ZDU.  7,  S.  688-91.  -  352)  X  0.  Schell,  Volksrätsel  aus  d.  Bergischen.  Aus  d.  Volksmunde  gesamm.: 
ZVVolksk.  3,  S.  293.  —  353)  X  K-  E.  H  aa  s  e  ,  Volksrätsel  ans  d.  Grafschaft  Ruppin  u.  Umgegend:  ib.  S.  719.  —  354)  X 
0.  Glöde,  Niederdtsch.  Rätsel  aus  Mecklenburg:  Urquell  4,  S.  250,3.  —  355)  X  A.  Brunk,  Volksrätsel  in  Pommern:  ib. 
S.  147  9.  -  356)  X  A.  Nagelberg,  Spitz-  u.  Schimpfnamen  bei  galizischen  Juden:  ib.  S.  214  5.  —  357)  X  0.  Glöde, 
Noch  einmal  der  Hasenname  Lampe-Lambert,  Landbrecht:  ZDU.  7,  S.  498.  —  358)  XK.  Weinhold,  F.  Branky,  Eulen- 
namen. (Sonderabdr.  ans  MOrnithVWien.  „D.  Schwalbe«  1892.)  35  S.:  ZVVolksk.  3,  S.  112.  —  359)  X  0.  Glöde,  Ueber 
Tiernamen  im  Volksmund  u.  in  d.  Dichtung:  ZDU.  7,  S.  115-26.  —  360)  X  Tiere  u.  leblose  Gegenstände  als  persönl.  Wesen: 
StrassbPost.  N.  174.  (Belegung  v.  Tieren  u.  Gegenständen  mit  personifizierenden  Namen.)  —  361)  F.  Tetzner,  Namenbuch: 
(=UB.  N.  3107  8).  L.,  Reclam.  167  S.  M.  0,40.  362)  G.  Steinhausen,  Vornamenstudien:  ZDU.  7,  S.  616-26.-  363)  X 
M.  Hertz,  Moderne  weibl.  Vornamen:  VossZgli.  N.  43.  —  364)  F.  Ortjohann,  D.  Vornamen  d.  Schuljugend  d.  Kantons 
Rappoltsweiler,  Progr.  d.  Realsch.  Rappoltsweiler.  4».  8  S.  —  365)  0.  Behaghel,  Ueber  altdtsch.  Familiennamen: 
MOberhessGY.  4,  S.  130.  (Ganz  kurzes  Referat.)    -  366)  X  Fr-  Speyer:  ASNS.  90,  S.  456,8.  —  367)  J.  C.  Mnoth,  Ueber 


I  5:368-379  16:1  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts- und  Erziehung-swesens. 

den  verschiedenen  Perioden  der  Besiedelung*  nnd  der  Verfassung*  des  Landes.  Er 
bietet  auch  manches  für  die  allgemeine  Namenkunde  Interessante.  —  Der  Benennung- 
unseres  Volkes  hat  Dove^^^)  eine  historische  Untersuchung-  zug-ewendet,  in  der  er 
die  Zusammenfassung-  der  Sprache  der  ostrheinischen  Stämme  unter  der  Benennung 
„theodiscus,  diutisc"  (d.  i.  „national",  nicht  „vulgär"),  die  seit  dem  J.  788  geschicht- 
lich bezeugt  ist,  auf  Bonifacius  zurückführen  möchte.  —  Egli^^'»)  hat  eine  Reihe 
vergleichender  Studien  über  charakteristische  Erscheinungen  in  der  geographischen 
Namengebung  unter  Berücksichtigung  alter  und  neuerer  deutscher  Benennungen 
veröffentlicht.  —  Einzelne  Erscheinungen  in  der  deutschen  Ortsbezeichnung3''0-37ia^ 
und  die  Ortsnamen  einzelner  Gegenden  sind  in  verschiedenen  Aufsätzen  und 
Zusammenstellungen  behandelt,  unter  denen  Sehn  eller  s^"^^  Abhandlung  über  die 
Tirolischen  Ortsnamen  besonders  genannt  zu  werden  verdient.^'' 3-379 j  — 


1,6 

Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Karl  Kehrbach. 

Einleitung  N.  1.  —  Gesamtdarstellungen  N.  4.  —  Methodik  einzelner  Fächer:  Anschaunngsunterricht  N.  8; 
lateinischer  Unterricht  N.  9;  Leseunterricht  N.  10;  Rechenunterricht  N.  12;  Eeligionsunterricht  N.  13;  Turnunterricht  N.  14.  — 
Einzelne  Persönlichlceiten  und  Freunde  des  Schulwesens:  Reformationszeit  N.  16;  Ratichius  N.  20;  Aisted,  Andreae,  Comenius 
N.  23;  Speccius,  Stoever  N.  34;  Stiiubsand,  Staude,  Stölzlin  N.  36;  Steinmetz,  Strnss  N.  39;  Struensee,  Streithorst,  Stritter  N.  41 ; 
Basedow  und  der  Philanthropinismus  N.  44;  Herder  N.  47 ;  Pestalozzi  und  Zeitgenossen  N.  48;  Herbart  N.  54;  katholisclie  Pädagogen 
N.  55;  verschiedene  Schulmänner  der  Praxis  aus  neuerer  Zeit:  Baden  N.  60,  Bayern  N.  61,  Hessen  N.  62,  Oesterreich  N.  63,  Oldenburg 
N.  66,  Preussen  und  Berlin  N.  67,  Sachsen  N.  75,  Schweiz  N.  77,  Thüringen  N.  83.  —  Universitäten :  Zusammenfassende  Darstellungen 
N  85;AllgänN.  87;Basel  N.  89;  Berlin  N.  90;  Erlangen  N.  91 ;  Freiburg  i.  B.  N.  99;  Freiburg  i.  Schw.  N.  104;  Giessen,  Kassel,  Marburg 
N  105;  Göttingen  N.  108;  Halle,  Wittenberg  N.  110;  Heidelberg  N.  115;  Leipzig  N.  119;  Wien  N.  122  -  Studententura :  Allgemeines 
N.  123;  Burschenschaften  N.  129.  —  Akademien  und  akademische  Gymnasien  (Liegnitz,  Wien,  Stettin,  Gera,  Benthen  a.  0., 
Schaffhausen)  N.  151.  —  Gymnasial-  und  Realanstalten:  Allgemeines  N.  162;  Baden  N.  163;  Bayern  N.  164;  Brandenburg 
N.  106;  Hannover  N.  172;  Hessen  N.  173;  Pommern  N.  178;  Rheinlande  N.  179;  Provinz  Sachsen  N.  183;  Königreich  Sachsen  N.  199; 
Sachsen-Weimar-Eisenach  N.  203 ;  Schlesien  N. 205 ;  Schleswig-Holstein  N.  209;  Württemberg N.  210 ;  Schweiz N.  211.  —  Höhere  Bürger- 
schule N.  213.  —•  Privatinstitute  N.  215.  —  Höhere  Mädchenschule  N.  218.  —  Lehrerseminar  N.  220.  —  Volksschule  (Anhalt- 
Dessau,  Baden,  Oesterreich,  Sachsen,  Württemberg,  Zweibrücken)  N.  222.  —  Handelsschule  N.  233.  —  Militärbildnngswesen 
N.  234.  —  Standeserziehung:  Fürsten  N.  235;  Adel  N.  237.  —  Pädagogik  der  Jesnifen  N.  239.  —  Schulreden  und  Programme 
N    240.  -   Schnlkomödie  N.  243.  —  Verschiedenes  N.  247.   - 

Einleitung.  Dem  Bericht  über  die  historisch-pädagogische  Litteratur  des 
J.  1893  sei  die  Betrachtung  eines  Werkes  vorangeschickt,  das  im  vorigen  JB. 
(JBL,  1892  I  10:6)  nur  beiläufig,  bibliographisch,  verzeichnet  werden  konnte.  K.  A. 
Schmid'),  der  Herausgeber  der  bekannten  grossen,  allgemein  nach  ihm  be- 
nannten Encyklopädie,  fasste  noch  im  hohen  Alter  den  Plan,  das  auf  4  Bände  be- 
rechnete Sammelwerk  zur  Ausführung  zu  bringen,  „in  der  zuversichtlichen  Hoffnung, 
vielen  berechtigten  Wünschen  damit  entgegen  zu  kommen".  Bestimmt  ist  die  Arbeit 
nicht  für  die  Gelehrten;  sie  soll  nicht  die  Wissenschaft  im  strengen  Sinne  durch 
selbständige  Untersuchungen  fördern;  bestimmt  ist  sie  für  jenen  „Mittelstand  zwischen 
den  Ungebildeten  und  Gelehrten",  und  sie  soll  nur  das  Ziel  haben,  „die  Ergebnisse 
der  Wissenschaft  zum  Gemeingut  zu  machen".  Daher  die  „Notwendigkeit  einer  mög- 
lichsten Gedrängtheit  in  der  Darstellung  des  Ermittelten,  welche  mit  der  Lebendigkeit 
der  Farben  wohl  vereinbar  ist,  und  dann  die  Notwendigkeit  der  Verzichtleistung  auf 
fortlaufende  litterarische  Nachweise,  wo  diese  nicht  aus  besonderen  Gründen  zu 
wünschen  sind."     Der  Stoff  selbst  ist  von  Seh.    zur  Bearbeitung   unter  verschiedene 


bündnerische  Geschlechtsnamen  u.  ihre  Verwertung  für  d.  Bündnergesch.  T.  I.  II.  Progr.  d.  Kantonssch.  Chur.  4".  Je  47  S. 
|[A  Kühler:  ASNS.  91,  S.  357/8.]|  —  368j  A.  Dove,  Bemerkungen  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Volksnaraens:  (Aus  SBAkMünchen.) 
München,  (Franz).  37  S.  (Sonderabdr.)  —  369)  J.  J.  E  g  11 ,  D.  Völkergeist  in  d.  geograph.  Namen:  Ausland  66,  S.  465,  485, 
504,  522,  534,  551,569,585,600.-370)  X  P-  Mitzschke,  Verschmelzung  v.  Präposition -)- Artikel  mit  folgender  Ortsbezeich- 
nung: Germania  37,  S.  188-90.  -  371)  Fr.  Prien,  Ueber  d.  Flurnamen-Segen:  KBlVMederdSpr.  15,  S.  81-93;  16,  S.  41,2. — 
371a)  X  !■'•  Holthof,  Anklänge  an  Dichtung  u.  Sage  in  Strassen-  u  Hänsernamen  d.  alten  Frankfurt:  FZg.  N.  H4.  —  372) 
(1  4:478.)  —  373)  X  Th.  Lohmeyer,  Was  bedeutet  d.  Name  Zollern?  Progr.  Altena  i Druck  v.  Kord-Ruwisch>.  1892.  4». 
6  8.  —  374)  X  R.  Müller,  ü.  Felbinger,  d.  dtsch.  Bergnamen  in  d.  Ostalpen:  ÖLBL  2,  S.  1467.  —  375)  X  »  d-.  Kleine 
Beitrr.  z.  altkärntnischen  Ortsnamenkunde.  3-4:  Carinthia  83,  S.  82-90,  148-54.  -  376)  H.  Gradl,  D.  Ortsnamen  im  Fichtel- 
gebirge u.  in  dessen  Vorlanden.  2.  Abt.  Slavische  Namen.  Eger,  Kobrtsch  u.  Gschihag  in  Komm.  1892.  99  S.  M.  1,40. 
([J.  Peters:  MVSDB".  31,  S.  69-75.II  -  377)  X  A-  Paudler,  Z.  Ortsnamenkunde:  MNordböhmExkursClnb.  16,  S.  2417.  — 
378)  X  A.  Rossner,  D.  Name  d.  Klosters  Pforta  (Claustrum  apud  portam).  M.  e.  Karte.  Naumburg  a.  S.,  Schirmer.  56  S. 
M.  0,75.  ([Ausland  66,  S.  558.])  (Leitet  d.  Namen  nicht  v.  Porta,  sondern  v.  vorte  [FurtJ  ab.)  —  379)  R.  Sprenger,  Gar- 
dinenwiese: ZDPh.  25,  S.  286.  (Deutung  dieses  bei  Quedlinburg  vorkommenden  Flurnamens.)  — 

1)  K.  A.  Schmid,    Gesch.  d.  Erz.  v.  Anfang  an  bis  anf  unsere  Zeit  bearb.   in  Gemeinsch.   mit  e.  Anzahl  von  Ge- 
lehrten t!.  Schulmännern.     Fortgef.  v.  Georg  Schmidt.     2.  Bd.,   1.  Abt.;   3.  Bd.,   1.  Abt.;    3.  Bd.,  2.  Abt.     St.,    Cotta.     1892. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens.    I  6  :  24 

Gelehrte  verteilt  worden.  Die  beiden  ersten,  früher  (1884  und  1889)  erschienenen 
Teile  enthalten  Arbeiten  von  K.  A.  Schmid,  G.  Baur,  K.  Hartfelder,  E.  Gundert  und 
Georg  Schmid.  Von  den  jetzt  erschienenen  Veröffentlichungen  fallen  in  den  Bereich 
der  JBL.  nur  G.  Müller  (N.  239),  Israel  (s.  u.  N.  22),  Brüg-el  und  G.  Schmid 
(N.  23).  —  Von  den  übrigen  Arbeiten  sei  auf  die  von  KaemmeP)  und  Masius^)  hin- 
g-ewiesen,  die  ihren  Stoff  herunterführen  bis  zu  der  Grenze,  wo  die  JBL.  einsetzen. 
In  den  bisher  erschienenen  Partien  des  Werkes,  die  sich  auf  deutsche  Erziehung-s- 
g-eschichte  beziehen,  wird  der  Entwicklung-sg-ang  des  deutschen  Erziehung-s-  und 
Schulwesens  durch  Darlegung-  der  Systeme  hervorragender  Pädagogen  und  der 
Bestrebungen  bedeutender  Schulmänner  veranschaulicht.  Wer  aber  aus  diesem  Um- 
stände schliessen  wollte,  dass  das  Programm  des  Herausgebers  einseitig  die  biographische 
Richtung,  wie  sie  bereits  von  Raumer  genommen  worden  ist,  einschlagen  werde,  der 
würde  durch  die  geistvollen  Auseinandersetzungen  Baurs  in  der  Einleitung  zum 
ersten  Bande,  in  der  er  über  den  Begriff  der  Erziehung,  über  Umfang  und  Ziel  ihrer 
Geschichte  und  über  Gang  und  Methode  ihrer  Behandlung  spricht,  belehrt  werden. 
Erziehung  fasst  er  im  Sinne  Schleiermachers  als  die  sittliche  Wirkung  der  älteren 
Generation  auf  die  jüngere,  mag  nun  diese  Einwirkung  von  den  in  den  verschiedenen 
Lebensgeschäften  und  Lebensgebieten  der  menschlichen  Gesellschaft  wirkenden 
Mächten  oder  von  einzelnen  zur  Erziehung  berufenen  Persönlichkeiten  ausgehen,  und 
mögen  diese  bei  ihrem  Verfahren  nur  von  hergebrachter  Gewohnheit  oder  von  be- 
stimmten Grundsätzen  oder  von  einem  ausgebildeten  Systeme  sich  leiten  lassen.  Er 
will  also  sein  Werk  keineswegs  als  blosse  Geschichte  der  Pädagogik  im  engeren 
Sinne,  also  der  Erziehungswissenschaft,  der  pädagogischen  Systeme,  angesehen  wissen. 
Manche  von  diesen  Systemen  haben  „von  ihrer  abstrakten  Höhe  aus"  auf  die  pädago- 
gische Wirklichkeit  nur  geringen  oder  gar  keinen  Einfluss  gehabt.  „Lange  Zeit- 
räume und  weite  Gebiete"  hat  es  gegeben,  in  denen  pädagogische  Systeme  keine 
Wirkung  hervorgebracht  haben.  Da  es  aber  in  diesen  Perioden  gleichwohl  an  Grund- 
sätzen, nach  welchen  die  Erziehung  geregelt  worden  ist,  nicht  gefehlt  hat,  so  müssen 
auch  diese  in  den  Bereich  der  Darstellung  gezogen  werden.  Ja  noch  mehr:  Baur 
macht  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dass  auch  da,  „wo  von  solchen  mit  Bewusst- 
sein  befolgten  Grundsätzen  nichts  wahrzunehmen  ist",  die  Erziehung  trotzdem  „nach 
Sitte  und  Gewohnheit"  ihren  Einfluss  auf  das  heranwachsende  Geschlecht  ausgeübt 
habe.  Es  rauss  also  überhaupt  die  ganze  „faktische  Erziehung"  in  den  Kreis 
der  Beobachtung  aufgenommen  werden.  Von  den  Aufgaben,  die  hier  der  päda- 
gogischen Geschichtsschreibung  gestellt  sind,  ist  die  erste,  die  Darstellung  des 
Lebens  hervorragender  Pädagogen  und  ihrer  Systeme,  die  leichteste,  weil  das  Material 
in  immerhin  befriedigender  Vollständigkeit  gedruckt  oder  geschrieben  vorliegt. 
Schwieriger  gestaltet  sich  die  Lösung  der  Aufgabe,  wenn  es  gilt,  die  Grundsätze, 
von  denen  sich  so  viele  Erzieher  und  Schulmänner  bei  Ausübung  ihres  Berufes 
leiten  Hessen,  darzulegen,  denn  die  Zahl  der  bisher  veröffentlichen  Stoffe,  die  hierüber 
Aufklärung  geben  könnten,  Schulreden,  pädagogische  Abhandlungen,  Briefe,  Gutachten, 
Schulbücher  einzelner  Schiümänner  usw.,  ist  eine  noch  zu  geringe.  Noch  grösser  aber 
werden  die  Schwierigkeiten,  wenn  der  Historiker  versuchen  will,  zu  zeigen,  wie 
Unterricht  und  Erziehung  innerhalb  einzelner  Zeiträume,  Oertlichkeiten  oder  Länder 
thatsächlich  gestaltet  waren,  wenn  also  das  Rankesche  Ideal  der  Geschichtsschreibung, 
bloss  zu  zeigen,  „wie  es  eigentlich  gewesen  ist"  (vgl.  JBL.  1891  I  6  Einl.),  angestrebt 
werden  soll.  Hier  fliessen  die  Quellen,  aus  denen  geschöpft  werden  muss,  erst  in 
neuerer  Zeit  etwas  reichlicher,  besonders  seitdem  die  Gesellschaft  für  deutsche  Er- 
ziehungs-  und  Schulgeschichte  sich  die  Aufgabe  gestellt  hat,  das  erforderliche  Material 
zugänglich  zu  machen  (vgl.  JBL.  1891  I  6  Einl.  und  1892  I  10  Einl.).  Und  hier 
werden  für  die  Historiker  nur  zu  oft  die  Dokumente  von  ausschlaggebender  Beweis- 
kraft sein  können,  die  wohl  so  mancher  bisher  als  Quisquilien  angesehen  hat: 
Einzelschulordnungen,  Visitationsprotokolle,  Stundenpläne,  Bestallungsurkunden  usw. 
Wenn  gesagt  worden  ist,  dass  der  Betrieb  in  den  Schulen  des  evangelischen  Deutsch- 
lands durch  Vormbaums  Ausgabe  evangelischer  Schulordnungen  hinlänglich  ver- 
anschaulicht worden  sei,  so  zeugt  dies  von  Unkenntnis  thatsächlicher  Verhältnisse. 
So  geben  z.  B.  die  bekannten  grossen  Landesschulordnungen  für  Württemberg, 
Sachsen  usw.  keineswegs  ein  Bild  von  dem  wirklichen  Zustande  von  Unterricht 
und  Erziehung  in  den  Schulen  dieser  Länder.  Wie  viele  Bestimmungen  haben  nur 
auf  dem  Papiere  gestanden  und  sind  nie  zur  Ausführung  gelangt!  Was  davon  in 
Wirklichkeit  umgesetzt  worden  ist,  kann  oft  gei-ade  nur  aus  jenen  Quisquilien  er- 
kannt werden.  Je  mehr  Einzelfälle  uns  dadurch  bekannt  werden,  um  so  eher  werden 
wir  befähigt,  sicherere  Urteile  über  den  faktischen  Bestand  von  Erziehung  und  Unter- 


VI,  611  S.    M.  20,00;  VI,  439  S.     M.  15,00;  VI,  211  S.    M.  10,00.  —  2)0.Kämmel,  D.  Uni?,  im  MA.  (- N.   1;  II',  S.  334-548.) 
—  3)  H.   Masius,    D.  Erz.   im  MA.  (=  N.  1;    II',    S.  94-333.)  —  4)  J.  Böhm,    Gesch.   d.  Päd.   2.  Aufl.     2  Bde     Mit  Abbild. 


I  6:5-0     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  ITnterrichts-  und  Erziehungswesens. 

rieht  zu  fällen.  In  diesen  Bestrebungen  sieht  die  Gesellschaft  sich  gefördert  von 
einzelnen  deutschen  Regierungen,  die  die-  Verwaltungsorgane  ihrer  Bibliotheken  und 
Archive  sowie  die  Provinzialregierungen  angewiesen  haben,  die  Arbeiten  der  Gesell- 
schaft zu  unterstützen.  Konnten  wir  im  vorigen  Jahre  hier  nur  die  bezügliche  Ent- 
schliessung  des  preussischen  Kultusministeriums  (vgl.  JBL.  1892  I  10 :  5)  erwähnen, 
so  kann  jetzt  darauf  hingewiesen  werden,  dass  das  bayerische  Kultusministerium  dem 
preussischen  gefolgt  ist,  und  dass  auch  die  Regierung  von  Elsass-Lothringen  ver- 
sprochen hat,  die  Bestrebungen  der  Gesellschaft  fördern  zu  wollen,  während  das 
sächsische  Ministerium  das  betreffende  Gesuch  des  Vorstandes  der  Gesellschaft  da- 
mit beantwortet  hat,  dass  es  „gern  bereit  sei,  dem  bezüglichen  litterarischen  Unter- 
nehmen bei  sich  bietender  Gelegenheit  seine  Förderung  angedeihen  zu  lassen"  (vgl. 
MGESchG.  3,  S.  XXXV— XL).    Als  ob  sich  die  Gelegenheit  erst  noch  bieten  müsste!  — 

Gesamtdarstellungen.  Ausser  Schmids  Werk  (s.  o.  N.  1),  das  eine 
Sonderstellung  einnimmt,  ist  hier  zunächst  zu  erwähnen  die  jetzt  in  2.  Auflage  er- 
schienene Geschichte  der  Pädagogik  von  Böhm*),  die  im  wesentlichen  eine  fleissig 
zusammengestellte  Kompilation  ist.  B.  will  das  Buch  als  Kommentar  zu  seiner  kurz- 
gefassten  Geschichte  der  Pädagogik  betrachtet  wissen  und  bestimmt  es  zur  Privat- 
lektüre für  Seminaristen  und  Volksschullehrer.  Dem  Texte  sind  103  Abbildungen 
beigegeben,  meist  Porträts,  deren  Ausführung  freilich  manches  zu  wünschen  übrig 
lässt.  —  Einen  gleichen  praktischen  Zweck  verfolgt  L  e  u  t  z  ^),  dessen  Buch  eben- 
falls eine  Ergänzung  der  im  badischen  Seminarunterricht  benutzten  Leitfäden  sein  und 
den  Schulkandidaten  die  Vorbereitung  zur  zweiten  Prüfung  erleichtern  soll.  Dieser 
Zweck  würde  rascher  erreicht  werden,  wenn  L.  seinem  Buche  ein  Register  beigegeben 
hätte,  das  jedoch  über  den  Inhalt  des  Werkes  ausführlicher  unterrichten  müsste,  als 
es  bei  Böhms  Register  der  Fall  ist.  —  Angefügt  sei  hier  die  Erwähnung  der  Tabellen 
zur  Geschichte  der  Pädagogik  von  Mass^"').  — 

Methodik  einzelner  Fächer.  Bei  seiner  Arbeit  über  die  Entwick- 
lung des  Anschauungsprinzipes  von  Luther  bis  Pestalozzi  lässt  sich 
Schwalbe^)  von  der  Erwägung  leiten,  dass  die  thatsächlichen  Errungenschaften  in  der 
Pädagogik  nicht  in  erster  Linie  auf  historisch-pädagogischen  Persönlichkeiten,  sondern 
vor  allen  Dingen  auf  den  pädagogischen  Grundsätzen  beruhen;  und  er  tadelt,  was 
als  richtig  zugestanden  werden  muss,  dass  in  den  Geschichtsdarstellungen  der  Päda- 
gogik meistens  von  den  Persönlichkeiten  ausgegangen  wird  und  das  Biographische 
überwiegt.  Vielmehr  müsse  die  Geschichtsschreibung  die  Darstellung  der  Entwick- 
lung pädagogischer  Prinzipien  mehr  in  den  Vordergrund  rücken.  In  Sch.s  Darstellung 
sind  vor  allem  die  Verdienste  Bacos  um  das  Anschauungsprinzip,  sodann  die  des 
Comenius,  später  der  Philanthropini sten  und  des  klassischen  Vertreters  des  An- 
schauungsprinzipes, Pestalozzis,  geschildert,  freilich  nur  auf  Grund  einer  dürftigen 
Benutzung  der  vorhandenen  reichen  Litteratur.  — 

Der  wichtigste  Beitrag  zu  einer  Geschichte  der  Methodik  des  lateinischen 
Unterrichtes,  der  bisher  in  Deutschland  geliefert  worden,  ist  die  Ausgabe  des 
Doctrinale  des  Alexander  de  Villa-Dei  von  R  e  i  c  h  1  i  n  g.  '-•)  Während  des  Mittel- 
alters ist  diese  in  leoninischen  Hexametern  verfasste  Grammatik  in  ganz  Europa 
das  am  meisten  gebrauchte  Lehrmittel  für  den  lateinischen  Unterricht  gewesen.  Aber 
auch  noch  weit  über  das  Mittelalter  hinaus  bis  in  den  Anfang  des  17.  Jh.  lässt  sich 
seine  Benutzung  verfolgen.  Die  Bedeutung  des  Werkes  in  der  Geschichte  der 
lateinischen  Grammatik  war  früher  schon  von  Friedr.  Haase  in  seinem  Progamm 
„De  medii  aevi  studiis"  und  von  Thurot  nachgewiesen.  Es  war  ganz  vergessen  worden, 
dass  die  Form,  in  der  Grammatiker  wie  Cellarius,  Lange,  Zumpt  die  lateinische 
Syntax  darstellten,  dass  die  philosophische  Grammatik  oder  Metägrammatik  keine 
Erfindung  des  18.,  sondern  des  13.  Jh.  sei  und  unter  den  damaligen  Grammatikern 
vor  allen  dem  Alexander  de  Villa-Dei  verdankt  werde.  Diese  Vergessenheit  ist  eine 
Folge  des  von  den  Humanisten  gegen  das  Doctrinale  geführten  Kampfes.  In  den 
Geschichtswerken  der  Pädagogik,  des  Unterrichts  und  der  Erziehung  ist  das  Werk 
kaum  dem  Namen  nach  angeführt;  noch  in  der  neuesten  Geschichte  des  mittelalter- 
lichen Unterrichtswesens  von  Masius  wird  das  Doctrinale  mit  Luthers  Charakteristik 
des  Werkes  „berüchtigt",  „elendes  Machwerk",  „Eselsmist"  abgethan,  R.s  Ausgabe,  die 
„staunenswerte  Probe  langmütigsten  Fleisses",giebt  ausser  dem  Texte  mit  der  varialectio, 
den  testimonia  und  explanationes,  noch  eine  umfangreiche  Einleitung  über  den  gram- 
matischen Unterricht  im  Mittelalter,  über  das  Leben  und  die  Schriften  des  Alexander, 


Nürnberg,  F.Korn.  XVI,  336  S.;  XVI,  434  S.  M.  9,00.  —  5)  F.  Lentz,  Lehrtuch  d.  Erz.  u.  d.  Unterr.  für  Lehrer  u.  Lehrer- 
innen. III.  T.:  D.  Gesch.  d.  Päd.  3.  Anfl.  Karlsruhe,  J.  Lang.  VIH,  257  S.  M.  3,00.  —  6)  Th.  Mass,  Zeittaf.  z.  Gesch.  d. 
Päd.  5.  Anfl.  Kappeln  (Schlei),  Th.  Mass  Selbstrerl.  95  S.  M.  1,20.  —  7)  X  X  Geach  d.  Päd.  im  Rahmen  d.  Weltgesch.  E. 
Beitr.  z.  Reform  d.  Unterr.  in  d.  Schullehrerseminaren.  (Beitrr.  z.  erziehenden  Unterr.  her.  v.  d.  päd.  Ges.  in  Württemberg. 
I.  (Doppel-Heft.)  Esslingen  a.  N.,  W.  Langguth.  IV,  125  S.  M.  1,00.  —  8)  E.  Schwalbe,  D.  bist.  Entwiclclung  d.  An- 
schauungsprinzipes in  d.  Zeit  v.  Luther  bis  Pestalozzi.    Diss.    L.,  Osw.  Schmidt.    90  S,   —   9)  D.  Eeichling,  D.  Doctrinale 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung«wesens.   l6:io-i8 

über  Inhalt,  Quellen,  Drucke  und  Hss.  des  Doctrinale  und  schildert  den  Kampf 
um  dasselbe.  Aus  der  beig-eg-ebenen  BibHog-raphie  der  Hss.  und  Drucke  g-eht  her- 
vor, dass  R.  250  Hss.  und  296  Drucke  des  Doctrinale  g-efunden  hat,  darunter  über 
180  Inkunabeln,  die  zum  grössten  Teile  in  den  einschläg-igen  bibliographischen 
Werken  nicht  verzeichnet  sind.  — 

Seelmanns ^0-11^  Arbeiten,  bei  deren  Abfassung-  zunächst  an  die  Dialekt- 
forschung- gedacht  worden  ist,  sind  in  gleicher  Weise  wichtig-  für  die  Geschichte 
des  Leseunterrichts.  In  der  ersten  beschreibt  er  das  von  dem  Dichter  des  Frosch- 
mäuseier, Georg-  Rollenhagen,  verfasste  Abecedarium  Mag-daeburg-ense  anno  Christi 
MDCIII.  Dieses  Buch,  das  ich  bereits  vor  Jahren  in  einem  Sammelbande  der  hiesigen 
königlichen  Bibliothek  aufgefunden  hatte,  ist  S.,  der  im  Lebensabrisse  Rollenhagens 
in  der  ADB.  seiner  nicht  erwähnt,  erst  in  neuerer  Zeit  in  die  Hände  g-ekommen. 
Dass  Rollenhag-ens  litterarische  Thätigkeit  sich  auch  auf  den  Elementarunterricht  er- 
streckt hat,  ist  wenig  bekannt,  obwohl  Kehr  in  seiner  Geschichte  des  Leseunter- 
richtes Rollenhagens  Büchlein,  wenn  auch  nur  anführung-sweise  in  der  Reihe  der 
Bilderfibeln  erwähnt,  und  obwohl  Fechner  in  seinen  „Methoden  des  ersten  Lese- 
unterrichtes" (1882)  ihm  ein  besonderes  Kapitel  (S.  43/5)  g-e.widmet  hat.  In  dem 
zweiten  Aufsatze  weist  S.  auf  zwei  niederdeutsche  Fibeln  aus  den  J.  1532  und 
1633  hin.  — 

Ri essen  12-)  j^^t  sich  durch  die  Beschreibung  und  den  partiellen  Abdruck  eines 
als  Ms.  erhaltenen  Rechenbüchleins  des  Holsteiners  Heinrich  tho  Aspern  aus  dem 
J.  1676  ein  Verdienst  um  die  Geschichte  der  Methodik  des  Rechenunterrichts  er- 
worben. Um  die  trockene  Materie  seinen  Schülern  schmackhaft  zu  machen,  hat 
Aspern,  wie  viele  andere  Vff.  von  Rechenbüchern,  seine  Beispiele  aus  der  Geschichte 
und  Geog-raphie,  oft  aus  den  örtlichen  Verhältnissen  seines  Vaterlandes  genommen 
und   in  Verse,  häufig  in  plattdeutscher  Sprache,  gebracht.  — 

Richter »3),  der  schon  früher  Mitteilungen  über  Schulbücher  des  Mittelalters 
gegeben  hat,  beschreibt  zwei  für  den  Religionsunterricht  bestimmte,  mit  Ab- 
bildungen versehene  Bücher.  Das  eine,  „Die  christlich  gottselige  Bilderschule"  (1636), 
verdankt  seine  Entstehung  dem  Ratichianer  Evenius.  Es  war  bei  seiner  Benutzung 
sogar  daran  gedacht,  dass  durch  die  Bilder  das  religiöse  Wissensgebiet  auch  ganz 
kleinen  Kindern,  die  noch  nicht  lesen  können,  vermittelt  werden  sollte.  Als  Vor- 
stufe zu  diesem  Bilderbuch  sollte  Joh.  Sauberts  1639  erschienenes  „Lesebüchlein  aus 
H.  Schrift",  das  R,  ebenfalls  beschreibt,  dienen.  — 

Euler  14),  der  Geschichtsschreiber  des  Turnunterrichtes,  macht  in  einem 
Aufsatze  aufmerksam  auf  das  100jährige  Jubiläum  der  „Gymnastik  für  die  Jugend", 
des  ersten  deutschen  Turnbuches  von  dem  bekannten  Schnepfenthaler  Pädagogen 
GutsMuts.  „Es  ist  das  Werk  eines  Mannes,  der,  ausgerüstet  mit  vielseitigem  Wissen 
und  Können,  durchdrungen  von  der  hohen,  von  ihm  klar  erkannten  Bedeutung  der 
körperlichen  Erziehung,  erfüllt  von  warmer  Liebe  für  die  Jugend,  ein  feiner  Kenner 
der  Kindesnatur,  schöpferischen  Geistes  und  praktischen  Blickes  das  Gebiet  der 
Leibesübungen  für  den  Unterricht  zurecht  gemacht  und  geordnet  hat."*^)  — 

Einzelne  Persönlichkeiten  und  Freunde  des  Schulwesens.  Diese 
Abteilung  möge  ein  Mann  eröffnen,  der,  von  Karl  V.  zum  poeta  laureatus  ernannt,  zu 
dem  Wittenberger  Reformatorenkreise  gehört:  Joh.  Stiegel  (1515—62),  dessen  Leben 
der  kundige  Forsch  er  des  Reformations- und  Humanisten-  Zeitalters  Hartfelder^^) 
vorführt.  Als  Universitätslehrer  in  Wittenberg  und  Jena,  und  als  Dichter  —  wurde 
er  doch  von  Joach.  Camerarius  der  zweite  Eobanus  Hessus  genannt  —  stand 
er  bei  seinen  Zeitgenossen  in  hohem  Ansehen.  —  Das  W^enige,  was  von  dem 
Leben  des  Schulmannes,  Polyhistors  und  Poeten  Simon  Sten  bekannt  ist,  giebt  in 
einem  kleinen  Artikel  Hoche^'').  Sten,  der  sein  Lehramt  in  Bautzen,  Torgau  und 
Neubrandenburg  niederlegen  musste,  weil  er  sich  „kryptokalvinistischer  Anschauungen 
verdächtig"  machte,  war  1575  erster  Gymnasiarch  in  Neustadt  a.  d.  Hardt,  seit  1584 
Universitätsprofessor  in  Heidelberg.  Seine  zahlreichen  theologischen,  geschichtlichen 
und  philologischen  Schriften  hatten  keine  bleibende  Bedeutung.  —  Mäder^^)  macht 
uns  mit  Fischarts,  des  grossen  Satirikers,  Gedanken  über  Erziehung  und  Unterricht 
vertraut.  Das  Material  gewinnt  er  aus  Fischarts  verschiedenen  Vorreden,  aus  der 
„Anmahnung  zur  christlichen  Kinderzucht,"  aus  dem  „Ehezuchtbüchlein"  und  aus 
der  „Geschichtklitterung,"  wobei    er  sorgfältig    die    Rabelaisschen  Bestandteile   von 


d.  Alezander  de  Villa-Dei.  Krit.-exeg.  Ausg.  mit  Einl.,  Verzeichnis  d.  Hss.  u.  Drucke  nebst  Reg.  (=:MGP.  Xn.)  B.,  A.  Hoi- 
mann  &  Co.  CCCIX,  211  S.  M.  18,00.  —  10)  W.  Seelmann,  Eollenhagen  über  mundartl.  Aussprache:  JbVNiederdSpr.  18, 
S.  1203.  —  11)  id,  Niederdtsch.  Fibeln  d.  16.  u.  17.  Jh.:  ib.  S.  124  9.  —  12)  P.  Eiessen,  E.  ungedr.  Rechenbuch  aus  d.  J. 
1696.  Progr.  Glüclcstadt  (H.  J.  Augustin).  26  S.  -  13)  Alb.  Richter,  2  Bilderbücher  für  d.  Unterr.  vor  d.  Orbis  pictus: 
MhComeninsG.  2,  S.  167-77.  —  14)  K.  Euler,  D.  100 j.  Jubil.  d.  ersten  dtsch  Turnbuchs:  VossZgB.  N.  39.  -  15)  O 
J.  Unberath,  D.  Turnnnterr.  an  unseren  Mittelschulen.  Progr.  Sächsisch- Regen  (Siebenbürgen).  4".  25  S.  —  16)  K..  Hart- 
felder,  Joh.  Stigel:  ADB.  36,  S.  328-30.  —  17)  R.  Hoche,  Simon  Sten:  ib.  S.  434.  -  18)  R.  Mäder,  D.  päd-  Bedeutung 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    lY.  11 


16:19-23    K.  Kehrbaoh,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

den  Fischartschen  ausscheidet.  Obwohl  Humanist,  folg-t  Fischart  doch  keinesweg-s 
in  Unterrichtsfrag-en  deren  Spuren.  Wie  er  das  deutsch- volkstümliche  Element  in 
der  Litteratur  vertritt  g-egenüber  dem  antik-klassischen  des  Humanismus,  so  tritt 
er  auch  in  seiner  Pädag-og-ik  ein  für  nationale  Erziehung-,  betont  die  Notwendig-keit 
der  Einführung"  des  Deutschen  als  Unterrichtssprache,  und  auf  dem  Gebiete  der  Zucht 
huldigt  er  im  Gegensatze  zu  den  Bestrebungen  seiner  Zeitg-enossenphilanthropinistischen 
Ansichten.  —  In  eine  der  Glanzperioden  des  Hamburger  Johanneums  werden  wir  durch 
Hoches^^)  kurze  Biographie  des  ehemaligen  Rektors  dieser  Anstalt,  Paul  Sperling* 
(1560 — 1633),  versetzt,  eines  tüchtig-en  Mannes,  der  schon  vorher  in  Flensburg  im 
Geiste  Joh.  Sturms  die  Schule  reformiert  und  in  Hamburg-  an  der  Gründung  des  mit 
dem  Johanneum  verbundenen  akademischen  Gymnasiums,  dessen  Professur  für  Bered- 
samkeit und  Dichtkunst  er  übernahm,  wesentlichen  Anteil  hatte.  — 

Auch  in  diesem  Jahre  hat  Stötzner^o)  (vgl.  JBL.  1892  I  10:30)  Beiträg-e 
zur  Geschichte  des  Ratichianismus  in  den  Richterschen  Neudrucken  g-eliefert.  Er 
bietet  in  diesem  zweiten  Hefte  Materialien,  die  entweder  von  Ratke  selbst  verfasst 
oder  in  seinem  Geiste  geschrieben  und  von  ihm  gebillig-t  worden  sind  und  gerade 
in  die  Praxis  der  Unterrichtsmethode  g-enüg-ende  Einblicke  g-e währen.  St.  hat  die 
edierten  Schriftstücke  in  einer  solchen  Reihenfolge  geordnet,  dass  sie  besonders  die 
einzelnen  Hauptabschnitte  im  Leben  des  Ratichius  markieren.  An  die  Aug-sburger 
Zeit  erinnern  die  von  Joh.  Rhenius  zuerst  herausgegebenen,  aber  nach  dem  aus- 
drücklichen Zeugnisse  des  Ratichius  von  seinen  damalig-en  Gehilfen  Joach.  Jung- 
und  Chph.  Helwig  verfassten  Artikel  der  Lehrkunst.  Hieran  schliesst  sich  die  von 
Ratichius  selbst  verfasste  introductio  g-eneralis  in  raethodum  linguarum,  dann  eine 
wahrscheinlich  von  Helwig*  herrührende  Anleitung-  in  der  Lehrkunst  Ratichii,  die  St. 
einem  Sammelbande  der  Weimarer  Bibliothek  entnimmt.  Der  Text  ist  übrigens 
—  aber  nach  einer  Gothaer  Hs.,  die  jedoch  mehrfach  von  dem  Weimarer  Texte  ab- 
weicht und  den  Schluss  der  Weimarer  Hs.  g-ar  nicht  enthält  —  schon  einmal 
von  Joh.  Müller  in  Kehrs  pädagogischen  Blättern  (VH,  S.  588  ff.)  veröffentlicht  worden. 
An  die  Köthener  Zeit  erinnern  die  unter  4  gedruckten  Lehrpläne  und  die  im  Anhang-e 
wiederg-eg-ebenen  Proben  RatichianischerLehrbücher :  einer  allgemeinen  Sprachlehre  und 
einer  Logik.  Einen  Einblick  in  die  Mag-deburger  Periode  gewähren  Werdenhagens  „Er- 
innerungen", die  Empfehlung-  der  Ratichianischen  Methodedurch  den  Rat  von  Magdeburg- 
und  die  von  diesem  dem  Ratichius  erteilte  Konzession;  den  Schluss  macht  der  Bericht,  den 
Mayfarth,  Ratkes  bester  Freund,  über  dessen  Methode  fürOxenstierna  geschrieben  hat.  — 
Stötzner2i)bring-tfernereinigeErg-änzung'en  zu  Gideon  Vog-ts  Litteratur  zur  Geschichte 
des  Didaktikers  Wolfg-ang  Ratichius  (vg-l.  JBL.  1892  I  10:32).  —  Israel ^2),  dessen 
kritische  Verg-leichung  der  Pädagogik  des  Ratichius  mit  der  des  Comenius  wir  schon 
(vg-l.  JBL.  1892  110:1 18)  besprochen  haben,  hat  mit  seiner  vor  dieser  Arbeit  er- 
schienenen Darstellung  des  Lebens  und  der  Lehre  des  Ratichius  einen  wichtigen 
Baustein  zur  Geschichte  deutscher  Erziehung  und  deutschen  Unterrichts  geliefert. 
Unter  Benutzung  aller  bisher  veröffentlichten  urkundlichen  Materialien  schildert  er 
uns  in  seiner  übersichtlichen  Darstellung-  das  reichbeweg-te  Leben  des  Ratichius.  Der 
zweite  Hauptabschnitt  g-iebt  eine  Darlegung  der  Didaktik  unter  Beifügung  wörtlicher 
Belege  aus  den  Urkunden.  Zugegeben  sind  Nachrichten  über  Kromayers  Stellung 
zur  Lehrart  Ratkes.  J.  gelangt  in  seiner  kurzen,  aber  gründlichen  Vergleichung  zu 
dem  Resultate,  dass  Raumers  Behauptung,  Kromayers  Verfahren  stimme  im  ganzen 
durchaus  mit  Ratkes  Weise  überein,  eine  unrichtige  ist.  — 

Das  Leben  und  die  Werke  des'  Comenius  und  seiner  Vorgänger  Aisted 
und  Andreae  bilden  den  Inhalt  einer  umfassenden  Darstellung,  in  die  sich  Brügel 
und  Georg  Schmid^Sj  so  geteilt  haben,  dass  B.  den  Comenius  und  Andreae  be- 
arbeitet, während  Seh.  den  Joh.  Heinr.  Aisted  übernommen  hat.  Dem  gemeinsamen 
Werke  lässt  B.  eine  Einleitung  vorausgehen.  Die  von  ihm  für  die  Comeniusarbeit 
benutzte  Litteratur  reicht  bis  zum  J.  1891.  Es  sind  daher  die  Lücken  bei  ihm  noch 
vorhanden,  die  die  im  J.1893  ausAnlass  des  Comeniusjubiläums  erschienenen  Hauptwerke 
(Kvacsala,  Gindely,  neue  Ausgabe)  in  der  bisherigen  Comeniusforschung  ausfüllen. 
Die  Darstellung  der  Didaktik  des  Comenius,  die  eine  tüchtige  Leistung  ist,  lässt 
übrigens  diesen  Mangel  nicht  empfinden.  Hinsichtlich  Andreaes  ist  zu  bemerken, 
das  vor  B.s  Darstellung  seine  Bedeutung  für  die  Pädagogik  des  Comenius  noch 
nirgends  so  ausführlich  behandelt  worden  ist;  denn  Palmers  Bemerkungen  in  seiner 
evangelischen  Pädagogik  können  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch  machen.  Das 
Resultat  seiner  Forschung  fasst  B.  in  den  Worten  zusammen:  „Es  sind  nicht  nur 
einzelne    Berührungspunkte,    die    sich   zwischen    Andreae    und    Comenius    ergeben, 

Fischarts.  Diss.  L.  (Osw.  Schmidt).  43  S.  —  19)  R.  H  o  ch  e,  Paul  Sperling:  ADB. 35,  S.  138.  —  20)  Ratichianische  Schriften. 
II.  Mit  Einl.  n.  Anm.  her.  v.  P.  Stötzner.  (=  Neudrr.  päd.  Schriften  her.  v.  A.  Richter.  N.  12.)  L.,  R.  Richter.  164  S. 
M.  1,20.  —  21)  P.  Stötzner,  Ratichiana:  MhComeniusG.  2,  S.  283,6.  -  22)  A.  I  s  r  ae  1 ,  W.  Ratke.  (=  N.  1 ;  IIP  S.  1-92.) 
—  23)   J.    Brügel    u.   Georg   Schmid,   J.  A.  Comening   mit   seinen  Vorgängern  J.  H.  Aisted  u.  J.  V.  Andreae.    (=  N.  1; 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.  16:24-39 

sondern  eine  durchgreifende  Uebereinstimmung  ihrer  ganzen  Anschauung,  dergestalt, 
dass  Andreae  zuerst  in  genialem  Wurfe  die  Grundgedanken  ausspricht,  welche 
Comenius  in  einen  grösseren  Zusammenhang  gefasst  und  ausführlich  begründet  hat, 
welche  darzustellen  und  praktisch  anzuwenden  seine  Lebensarbeit  unter  sechs  Nationen 
gewesen  ist.  Andreae  hat  den  Grund  gelegt,  auf  welchem  Comenius  den  bewunderns- 
werten Bau  seiner  Didaktik  aufgeführt  hat."^^)  —  Hüllemann^S),  der  inzwischen 
Brügels  Werk  benutzen  konnte,  giebt  endlich  eine  Fortsetzung  seiner  Arbeit  über 
Andreae  als  Pädagogen,  deren  erster  Teil  vor  neun  Jahren  erschienen  ist.  Er  beschreibt 
zunächst  die  Schriften,  in  denen  Andreaes  pädagogische  Anschauungen  enthalten 
sind,  charakterisiert  sodann  diese  und  verlangt  für  ihn  als  Vorarbeiter  des  Comenius 
und  als  Vorläufer  der  Pietisten  eine  Stelle  in  den  Geschichtsdarstellungen  der  Päda- 
gogik. —  Radlach^ß)  macht  Mitteilungen  über  den  Aufenthalt  des  Comenius  in 
Lüneburg  (Aug.  1647)  und  teilt  den  Wortlaut  eines  Briefes  des  Comenius  an  Andreae 
mit.  —  In  den  MhComeniusG.^^)  werden  aus  0.  von  Heinemanns  Verzeichnis  der 
W^olfenbütteler  Hss.  alle  diejenigen  angeführt,  die  sich  auf  Andreae  erstrecken.  Die 
Absicht,  auch  aus  anderen  Hss.-Verzeichnissen  analoge  Beiträge  zur  Quellenkunde  zu 
veröffentlichen,  die  das  Forschungsgebiet  der  Comeniusgesellschaft  berühren,  kann 
nur  gelobt  werden.  —  Kvacsala^S)  fährt  fort  (vgl.  JBL.  1892  I  10:107)  in  seiner 
Zusammenstellung  autobiographischer  Notizen  aus  den  Schriften  des  Comenius.  — 
In  der  eingehenden  Vergleichung  der  Pädagogik  Aisteds  mit  der  des  Comenius  kommt 
Georg  S  chmid^ö)  zu  dem  Resultat,  dass  allerdings  „gewisse  Züge  aus  der  eigentlichen 
Didaktik  Aisteds,  wie  in  der  Anordnung  der  Muttersprachschule  und  der  lateinischen 
Schule  auch  bei  Comenius  wiederkehren";  aber  es  trete  doch  auch  ein  Unterschied 
hervor;  Comenius  zeige  ,,eine  einheitlichere  Konstruktion,  eine  konsequentere  Zu- 
sammenfassung". —  Nachzügler  zur  Jubiläums-Litteratur  (vgl.  JBL.  18921 10:  101—249) 
sind  auch  noch  zu  verzeichnen.  Grill enb erger ^o)^  der  nicht  den  Anspruch  erhebt. 
Neues  darzubieten,  will  sich  genügen  lassen,  in  der  Zusammenfassung  zerstreuten 
Materials  orientierend  zu  wirken  und  bescheidene  „Anregungen  zu  eingehender  Be- 
schäftigung mit  unserer  reichen  Comenius-Litteratur  zu  geben".  Wenn  aus  diesem 
Grunde  der  Mangel  eigener  Quellenstudien  ihm  nicht  zum  Vorwurf  gemacht  werden 
darf,  so  ist  doch  zu  bedauern,  dass  er  nicht  einmal  die  bedeutenderen  neueren  Werke 
der  Comenius-Litteratur  (Kvacsala,  Gindely)  für  seine  Arbeit  benutzt  hat.  Ein  Irrtum 
ist  es,  wenn  G.  behauptet,  dass  Basedow  nicht  den  Comenius  gekannt  habe,  während 
doch  gerade  der  orbis  pictus  auf  diesen  einen  grossen  Eindruck  gemacht  hat.  — 
R  eher  31),  ein  gründlicher  Comeniusforscher,  druckt  die  aus  des  Comenius 
bedeutungsvoller  Thätigkeit  in  Patak  stammenden  praecepta  morum  aus  der  grossen 
Amsterdamer  Ausgabe  ab  und  fügt  eine  deutsche  Uebersetzung  bei.  Ausser  ihrer  Be- 
deutung als  Charakteristik  der  Pädagogik  und  der  Persönlichkeit  des  Comenius  sind 
diese  Sittenvorschriften  auch  ein  interessantes  Denkmal  der  Kulturgeschichte.  ^^  ^^)  — 

Die  Erinnerung  an  Speccius  (1585 — 1639),  einen  Nürnberger  Schulmann, 
der  vergessen  war,  obwohl  seine  deutsche  Bearbeitung  der  Melanchthonschen 
lateinischen  Grammatik  bis  in  unser  Jh.  hinein  benutzt  wurde,  hat  B  o  1 1  e  3*) 
wieder  aufgefrischt.  Von  ihm  rührt  eine  Orthographia  germanica  (Nürnberg  1631)  her, 
die  nach  Joh.  W^emers  „Manuductio  orthographica"  gearbeitet  ist.  Auch  als  Poet  hat 
er  sich  versucht;  ausser  lateinischen  Komödien  hat  er  eine  deutsche,  „Die  traurige 
Klag  über  teuere  und  betrübte  Zeit"  (1625)  gedichtet.  —  Joh.  Stoever  (1572— 1651), 
dessen  Cuno^^)  gedenkt,  ein  dem  Siegerlande  entstammter  reformierter  Theologe, 
ausgezeichnet  als  mutiger  Kämpfer  für  die  Rechte  seiner  Kirche  in  schwerer  Zeit, 
war  zugleich  ein  eifriger  Freund  und  Förderer  des  Schulwesens.  — 

Das  Leben  des  hessischen  Schulmannes  Arnold  Staubsand  (1591 — 1684), 
der  auch  als  Gelegenheitsdichter  hervorgetreten  ist,  erzählt  Winterte),  das  eines 
pommerschen,  des  Joh.  Hieron.  Staude  (1615— 63),  Professors  der  orientalischen 
Sprachen  in  Greifswald,  späteren  Rektors  an  dem  unter  seiner  Leitung  aufblühenden 
Gymnasium  in  Stralsund,  Hacke rmann^"),  das  des  Württembergers  Dav.  Stölzlin 
(1670— 1742),  der  als  Professor  in  Ulm  eine  Geschichte  dieser  Stadt  und  ihres  Schul- 
wesens hinterlassen  hat,  Schön^^).  — 

m«  S.  93  9,  100-46,  147-88,  189-311.)  -  24)  X  J.  B  r  6  g  e  1 ,  Litt,  über  Joh.  Valentin  Andreae  aus  d.  letzten  Jh.: 
MhComeniusG.  2,  S.  249-53.  —  25)  K.  Hüllemann,  Val.  Andreae  als  Pädagog.  2.  T.  Progr.  d.  Thoniasgyran.  L.  (Alex. 
Edelmann).  4*.  28  S.  —  26)  0  Eadlach,  D.  Aufenthalt  d.  Comenius  in  Lüneburg  im  Aug.  1647  u.  d.  Wieder- 
anfiiahme  seines  Briefwechsels  mit  V.  Andreae:  MhComeniusG.  2,  S.  57-72.  —  27)  Aus  neueren  Hss.-Verzeichnissen: 
ib.  S.  233  8.  —  28)  Joh.  Kracsala,  Z.  Lebensgesch.  d.  Comenius,  Autobiographisches  aus  d.  Schriften  d.  Comenius:  ib. 
S.  39-46,  73-80,  136-43,  178-8.5,  226-32,  273-82.  -  29)  (S.  o.  K.  23.)  —  30)  G.  Grillenberger,  Comenius,  seine  Quellen, 
seine  eigene  Arbeit  u.  sein  Einfluss.  Vortr.  Fürth,  G.  Rosenberg.  48  S.  M.  0,75.  —  31)  J.  E  e  b  e  r ,  D.  J.  A.  Comenius 
SittenTorschriften  für  d.  Schule  zu  Saros-Patalc,  mit  e.  einleit.  Berichte  über  d.  Comenius  Thätigkeit  in  Ungarn.  1650-54. 
Aschaffenburg,  Waüandt.  41  S.  M.  0,60.  —  32)  X  Comenius  n.  d.  Frauenrechte:  MhComeniusG.  1,  S.  10/4.  —  33)  X  C. 
Härder,  Comenius  u.  d.  heutige  Fortbildungsschule  für  Frauen  u.  Mädchen:  ib.  S.  108-15.  —  34)  J.  B  o  It  e ,  Chrph.  Speccius: 
ADB.  35,  S.  76.  —  35)  F.  C  u  n  o .  Joh.  Stoever:  ib.  36,  S.  473,4.  —  36)  G.  Wi  n  t  e  r ,  Arn.  Staubsand:  ib.  85,  S.  508.  —  37) 
A.  Häckermann,  J.  H.  Staude:  ib.  S.  509-10.  —  38)  Th.  Schön,  D.  Stölzlin:  ib.  36,  S.  433.  —  39)  H.  Holstein,  J.  A. 

11* 


16:40-48   K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens. 

Das  Andenken  an  zwei  Rektoren  des  Pädag"Ogiums  zu  Kloster  Berge  hat 
Holstein^ä"*")  erneuert.  Steinmetz  (1689—1762),  dessen  Wirken  Goethe  „redlich, 
und  kräftig-"  nennt,  der  zu  seinen  Schülern  Wieland,  Adelung,  den  Minister  von 
Hagen,  den  General  von  Kleist  u.  a.  zählte,  hat  nicht  nur  am  Pädagogium  segens- 
reich gewirkt,  sondern  auch  als  Organisator  des  Volksschulwesens,  als  Begründer 
eines  Landschullehrerseminarsund  einer  Freischule  sich  verdient  gemacht.  —  Strass 
(1766—1845),  der  letzte  Direktor  in  Kloster  Berge,  der  nach  Auflösung  der  Schule 
(1810)  das  Direktoriat  am  Gymnasium  in  Nordhausen  übernahm,  später  (1820)  Be- 
gründer des  Erfurter  evangelischen  Gymnasiums  wurde,  hat  sich  litterarisch  auf 
pädagogischem  und  historischem  Gebiete  bethätigt.  Auf  seine  Abhandlung  „lieber 
das  Turnwesen  und  dessen  Verbindung  mit  der  öffentlichen  Schule"  sei  hier  hin- 
gewiesen. — 

Zwei  Halberstädter  Schulmänner,  Chrn.  Gottfr.Struensee  und  Job.  Werner 
Streithorst,  werden  von  Richter*^)  und  Holland*^)  behandelt.  Struensee 
(1712 — 82),  der  Bruder  des  dänischen  Ministers,  der,  nachdem  er  6  Jahre  unter  Stein- 
metz Lehrer  in  Kloster  Berge  gewesen  war,  Konrektor,  dann  Rektor  am  Stephaneum 
in  Halberstadt  wurde  und  dort  dem  griechischen  und  deutschen  Unterrichte  eine  hervor- 
ragendere Stellung  einräumte,  als  es  vorher  der  Fall  gewesen  war,  hat  dem  1778  in 
Halberstadt  errichteten  Landschullehrerseminar  seine  erste  innere  Organisation  ge- 
gegeben. Um  das  Gedeihen  des  Stephaneums  und  des  Halberstädtischen  Schulwesens 
überhaupt  hat  sich  auch  Streithorst  (1746—1800),  der  zuerst  Subkonrektor,  dann 
Konrektor,  endlich  Rector  adjunctus  am  Martineum,  sowie  Mitglied  der  Schuldeputation 
und  zuletzt  Oberdom prediger  war,  verdient  gemacht.  —  Einen  Reformator  des  lange 
Zeit  berühmten  Gymnasiums  zu  Idstein,  Joh.  Mich.  Stritter  (1705—81),  schildert 
Otto^^).  Er  war  es,  der  veraltete  Lehrbücher  und  den  Frühunterricht  von  4  bis  6  Uhr 
abschaffte,  bestimmte  Klassenziele  aufstellte,  Leibesübungen  einführte  und  in  deutschen 
Schulprogrammen  Fragen  des  Unterrichts  und  der  Erziehung  erörterte.  — 

Von  der  „Vorstellung  an  Menschenfreunde",  Basedows  bedeutendster  Schrift, 
von  der  Niemeyer  sagte,  dass  seit  Luthers  Brief  an  die  Ratsherren  keine  andere 
Schrift  ein  so  allgemeines  und  werkthätiges  pädagogisches  Interesse  erregt  habe,  hat 
Lorenz**)  einen  Neudruck  veranstaltet.  Der  Herausgeber  gewährt  in  einer  Ein- 
leitung eine  kurze  Charakteristik  Basedows,  gliedert  den  Inhalt  übersichtlich  unter 
Stichworte  und  deckt  die  Quellen,  aus  denen  Basedow  schöpfte,  auf.  —  Hier  sei  gleich 
erwähnt  der  Vortrag  von  Leinung *^),  der  Mitteilungen  über  Basedow  und  seinen 
Aufenthalt  in  Magdeburg,  sowie  über  dortige  Freunde  und  Gegner  des  Philan- 
thropinismus enthält.  —  Einen  hervorragenden  Pädagogen  der  Aufklärungsepoche 
führt  uns  Koldewey*^)  vor:  Fr.  Andr.  Stroth  (1750—85),  Rektor  in  Quedlinburg, 
dann  in  Gotha,  bekannt  als  Vf.  des  pädagogischen  Romans  „Karl  Weissenfeid,  ein 
Lesebuch  für  Mütter,  angehende  Erzieher  und  junge  Leute".  Beachtenswert  ist,  dass 
er  Basedow  anregte,  das  Griechische  im  Philanthropin  einzuführen.  — 

Herder  wird  in  seiner  pädagogischen  Bedeutung  durch  eine  kleine  Schrift 
vonFrancke*'')  gewürdigt.  F.  wiederholt,  was  schon  mehrfach  hervorgehoben  worden 
ist,  dass  „die  brennenden  (sc.  pädagogischen)  Fragen  unserer  Zeit"  von  Herder  „mit 
einer  unendlichen  Fülle  von  Gedanken  geradezvi  vorweggenommen"  worden  seien. 
Dabei  ist  übrigens  zu  bemerken,  dass  F.  doch  im  Unrecht  ist  mit  seiner  Behauptung, 
es  seien  von  „massgebender  Seite"  die  grundleg'enden  Ideen  Herders  nicht  im  ent- 
ferntesten berücksichtigt  worden.  Gerade  auf  Herders  hauptsächlichstes  Verdienst, 
die  Pflege  der  Muttersprache  und  ihrer  Litteratur  allen  anderen  Aufgaben  der  Schule 
vorauszustellen,  ist  mehrfach  hingewiesen  und  dabei  stets  hervorgehoben  worden, 
wieviel  noch  zu  thun  ist,  das  Herdersche  Ideal  zu  erreichen.  Anzuerkennen  ist,  dass 
F.  auf  einem  so  kleinen  Räume  in  groben  Umrissen  die  pädagogische  Entwicklung 
Herders  und  dessen  Ansichten  über  den  pädagogischen  Betrieb  einzelner  Unterrichts- 
fächer deutlich  gezeichnet  hat.  — 

Ein  begeisterter  Verehrer  Pestalozzis,  dessen  Pädagogik  ihm  die  Pädagogik 
xar'  e^oxnv  ist,  Vogel  *^),hateine  systematische  Darstellung  dieser  Pädagogik  geschrieben, 
die  jetzt  in  2.  Auflage  erschienen  ist.  Grosse  Schwierigkeiten  sind  dem  Verständnis  der 
Absichten  Pestalozzis  dadurch  erwachsen,  dass  dieser  niemals  eine  übersichtliche  Dar- 
stellung seiner  Pädagogik  gegeben  hat.  V.  hat  nun  unter  einer  Anzahl  von  Stich- 
worten, an  die  er  die  bezüglichen  Stellen  aus  Pestalozzis  sämtlichen  Schriften 
angliedert, '  die  ganze  Pädagogik  Pestalozzis  gruppiert.     Noch  mehr  würde  das  Buch 


Steinmetz:  ib.  8.  1/5.  —  40)  id.,  J.  G.  F.  Strass:  ib.  S.  498-501.  -  41)  A.  Richter,  Chr.  G.  Struensee:  ib.  S.  644  5.  —  42) 
H.  Holland,  J.  W.  Streithorst:  ib.  S.  572/3.  —  43)  F.  Otto,  J.  M.  Stritter:  ib.  S.  596/7.  —  44)  H.  Lorenz,  J.  B. 
Basedow,  Vorstellnng  an  Menschenfretinde.  Mit  Einl.  u.  Anm.  (=  Neudrr.  päd.  Schriften  her.  v.  A.  Richter.  N.  14.)  L.,  R. 
Richter.  120  S.  M.  0,80.  —  45)  W.  Leinung,  Päd.  Leben  n.  Streben  in  Magdeburg  z.  Z.  d.  Philanthropen.  Vortr.  geh.  z. 
Pestalozzifeier  12.  Jan.:  MagdZglt.  N.  27/8.  —  46)  F.  Koldewey,  F.  A.  Stroth:  ADB.  36,  S.  624/7.  —  47)  0.  Francke, 
Herder  n.  d.  Weimar.  Gymn.  (=  SGWV.  N.  183.)    Hamburg,  Verlagsanst.    36  S.    M.  0,50.    (Vgl.  IV  7:7.)  —  48)  Aug.  Vogel, 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens.  Id. 49-56 

gewinnen,  wenn  in  Zukunft  der  Stoff  durch  ein  ausführliches  Namen-  und  Sachregister 
noch  weiter  differenziert  würde.  —  In  der  Vergleichung-,  die  Vog-el***)  zwischen 
Pestalozzi  und  Herbart  anstellt,  tritt  er  mit  den  Schlussworten:  „Pestalozzi  für  immer" 
auf  die  Seite  des  ersteren.  Wie  wenio-  objektiv  er  seine  Aufgabe  erfasst  hat,  belegen 
schon  seine  spöttischen  Bemerkungen  über  die  „fast  märchenhaften  Fundamental- 
ansichten sowie  die  robinsonadenhaften,  abenteuerlichen  Konzentrationsideen  der  Jung- 
herbartianer" ;  und  wenn  er  von  dem  „mechanischen  kalten  Schematismus"  spricht, 
dem  die  Herbartsche  Pädagogik  nach  ihren  Grrundsätzen  verfallen  müsse,  während 
Pestalozzis  pädagogische  Grundsätze  aus  dem  „lebenswarmen,  ewigen  Quell  des 
Glaubens  und  der  Liebe  fliessen  und  in  dem  Menschen  ein  freies  Geschöpf  und  Eben- 
bild Gottes  sehen",  so  werden  Kenner  der  Herbartschen  Pädagogik  über  die  fehlerhafte 
Schlussfolgerung  V.s  nicht  im  Zweifel  sein.  Wenn  er  sodann  von  den  „Absonderlich- 
keiten" der  Anhänger  Herbarts  spricht,  so  hätte  er  doch  auch  die  viel  g*reller  hervor- 
tretenden Lächerlichkeiten  verschiedener  Pestalozzianer  erwähnen  sollen.  Die  weitere 
Behauptung  V.s,  dass  Pestalozzi  ebenso  wie  Herbart  zu  seinen  Lebzeiten  nur  wenig 
Anklang  gefunden  habe,  ist,  was  Pestalozzi  anbelangt,  ganz  unhistorisch.  Es  giebt 
keinen  Pädagogen  in  der  ganzen  Geschichte  deutscher  Erziehung,  dessen  Ideen  noch 
zu  seinen  Lebzeiten  so  grosse  Begeisterung  erweckten.  —  Einige  Mitteilung'en  über 
die  Beziehungen  des  berühmten  Geographen  Karl  Ritter  zu  Pestalozzi  und  seinen 
Jüngern  macht  Deutsch^^-)^  Ritter,  der  einige  Male  während  seiner  Hauslehrerzeit 
nach  der  Schweiz  gekommen  war,  hatte  in  Yverdun  enge  Beziehungen  mit  Pestalozzi 
und  dessen  Kreise  angeknüpft  und  versprochen,  als  er  das  erste  Mal  aus  Yverdun 
schied,  die  Geographie  im  Geiste  von  Pestalozzis  Methode  zu  bearbeiten.  Von  den 
Pestalozzianern,  mit  denen  er  in  geistiger  Wechselwirkung  stand,  sind  Henning,  der 
in  seinem  Leitfaden  für  den  methodischen  Unterricht  in  der  Geographie  Ritters  Ideen 
verwertete,  imd  Tobler  genannt.  Tobler  erklärte  1830,  dass  Ritter  seine  Gedanken 
über  Geographie  hauptsächlich  ihm  verdanke.  —  Von  Manns  ^')  Ausgabe  ausgewählter 
Werke  Pestalozzis,  deren  1.  Auflage  bereits  im  J.  1869  erschien,  und  die  mit  Seyffarths 
zu  gleicher  Zeit  begonnener  Gesamtausgabe  wesentlich  zur  Belebung  des  Pestalozzi- 
studiums beitrug,  ist  jetzt  der  3.  Band  in  4.  Auflage,  vorzüglich  ausgestattet,  er- 
schienen. Den  Pestalozzischen  Texten:  Abendstunde  eines  Einsiedlers,  Aus  dem 
Schweizerblatte,  Wie  Gertrud  ihre  Kinder  lehrt,  Ueber  die  Idee  der  Elementarbildung 
usw.  hat  M.  wertvolle  Einleitungen  vorausgeschickt  und  kleinere  Anmerkungen  bei- 
gegeben.^2j  _  Hunziker^^j  j^^t  ^^g^  Joh.Rud.  Steinmüller  (1773— 1835),  der  Pestalozzis 
Zeitgenosse  und  Landsmann  war,  ohne  in  engeren  Beziehungen  zu  ihm  zu  stehen, 
ein  Denkmal  g-esetzt.  Steinmüllers  litterarische  und  praktische  Thätigkeit  begann  schon 
frühzeitig  und  erstreckte  sich  auf  Hebung  des  Volksschulwesens.  An  allen  den  Orten, 
in  denen  er  Pfarrer  war,  hat  er  lebendige  Spuren  seiner  pädagogischen  Besti'ebungen 
hinterlassen.53a)  — 

Von  den  Gesamtausgaben  der  Werke  J.  F.  Herbarts  hat  Kehrbach^*) 
jetzt   den  7.  Band,    den  ersten  Teil    der  allgemeinen  Metaphysik,    veröffentlicht.  — 

In  der  Reihe  der  trefflichen  katholischen  Pädagogen  des  vorigen,  des 
eigentlich  pädagogischen  Jh.,  nimmt  Overberg,  der  getreue  Mitarbeiter  Franz 
V.  Fürstenbergs,  der  Mitbegründer  der  Münsterschen  Normalschule,  eine  hervorragende 
Stelle  ein.  Seine  bedeutende  Persönlichkeit  wird  uns  durch  Gansens^^j  Neudruck 
der  „Anweisung"  (179'S),  des  berühmtesten  Werkes  Overbergs,  wieder  näher  gebracht. 
Die  Bedeutung  des  Werkes  erhellt  schon  daraus,  dass  eine  letzte  Ausgabe  noch  im 
J.  1861  erschienen  ist,  und  dass  das  Werk  auch  für  protestantische  Schulen  viel- 
fach, so  durch  Niemeyer,  Natorp  und  die  Jenaer  Litteraturzeitiing,  empfohlen  wurde, 
wie  denn  die  protestantischen  und  katholischen  Pädagogen  jener  Zeit  in  einem  segens- 
reichen wechselseitigen  Verhältnis  standen.  —  Ganz  im  Sinne  dieser  Zeit  handelt  der 
Protestant  Richter  ^^),  wenn  er  in  seinen  Neudrucken  einen  wichtigen  Teil  jenes  be- 
rühmten Werkes  ediert.  —  Was  Overberg  für  die  Münsterschen  Lande,  das  ist  Franz 
Michael  Vierthaler  (1758—1827)  für  das  Salzburgische  Gebiet  gewesen,  und  er  ist 
deshalb  frühzeitig  der  Salzburgische  Overberg*  genannt   worden.     Auch  in  Salzburg 


Systemat.  Darst.  d.  Päd.  J.  H.  Pestalozzis  mit  dnrcbgäng^ger  Angabe  der  quellenmässigen  Belegstellen  ans  «einen  sämtl. 
Werken.  2.  Aufl.  Mit  e.  Portr.  u.  Facs.  Hannover,  Carl  Meyer  (Gnst.  Prior).  VUI,  276  S.  M.  3,80.  IfR.  Schneider: 
COIRW.  21,  S.  613,4.]l  (1.  Aufl.  1886.)  —  49)  id.,  Herbart  od.  Pestalozzi?  E.  krit.  Darstellung  ihrer  Systeme.  2.  Aufl.  (=  Päd. 
Bibl.  12.  Bd.)  ib.  IV,  164  S.  M.  2,40.  |[R.  Schneider:  COIBW.  21,  S.  6145.JI  —  50)  E.  Deutsch,  D.  Verhältnis  Carl 
Bitters  zu  Pestalozzi  u.  seinen  Jüngern.  Diss.  L.,  Mehnert.  33  S.  —  51)  J.  H.  Pestalozzi,  Ausgewählte  Werke.  3.  Bd.  4.  Aufl. 
(=  Bibl.  päd.  Klass.  her.  v.  F.  Mann.  3.  Bd.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  VI,  545  S.  M.  3,00.  —  52)  X  A..  Beyerhaus, 
Pestalozzi  als  Charakter.  Vortr.  Breslau  (Dülfer).  1892.  14  S.  M.  0,20.  —  53)  0.  Hun  zik  e  r,  J.  K.  Steinmüller:  ADB.  36, 
S.  19-21.  —  53  a)  X  E.  Pappen  heim.  Fr.  Fröbel.  Aufsätze  aus  d.  Jahren  1861-93.  B.,  Oehmigke  (R.  Appelius).  105  S. 
M.  1,20.  (D.  nationalen  ErziehungSTerein  in  Chicago  gewidmet.)  —  54)  K.  Kehrbach,  J.  Fr.  Herbarts  sämtl.  Werke  in 
chronolog.  Reihenfolge.  Bd.  7.  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  X,  354  S.  M.  5,00.  —  55)  J-  Gänsen,  Bemh.  Overbergs  Anweisung 
z.  zweckmäss,  Schulunterr.  Für  d.  Schul-  u.  Selbstgebrauch  bearb.  u.  mit  e.  Einl.  vers.  2.  Aufl.  Paderborn,  Schöningh. 
XXVm,  329  S.    M.  1,80.   —  56)  A.  Richter,   Beruh.  Overberg.    Von   d.  Schulzucht.   (=  Neudrr.  päd.  Schriften  her.  v.  A. 


16:57-59  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens. 

war  die  Reform  der  Schulen  immer  dringlicher  geworden,  und  der  dortige  Erzbischof 
Hieronymus  Graf  Colloredo  fasste  seine  Aufgabe  für  Salzburg  ebenso  auf,  wie  Franz 
von  Fürstenberg  für  die  Münsterschen  Lande:  Sollen  die  Schulen  gehoben  werden, 
so  muss  ein  gebildeter  Lehrerstand  herangezogen  werden.  In  Vierthaler  fand  er  den 
richtigen  Mann,  diesen  Plan  zu  verwirklichen.  In  seiner  praktischen  Thätigkeit  als 
Direktor  des  neuen  Schullehrerseminars,  als  Lehrer  der  Pädagogik  bei  den  Theologen 
im  Priesterhause  und  als  Professor  der  Pädagogik  an  der  Universität,  als  Direktor 
aller  deutschen  Schulen  im  Herzog'tum  Salzburg  und  später  in  seiner  Eigenschaft  als 
Direktor  des  grossen  Waisenhauses  in  "Wien  hat  sich  Vierthaler  wesentliche  Ver- 
dienste um  die  Heranbildung  tüchtiger  Lehrkräfte  und  um  die  Hebung  des  Schul- 
wesens erworben.  Gleich  gross  ist  seine  Förderung  der  Wissenschaft  der  Pädagogik 
durch  seine  litterarischen  Arbeiten.  Aber  sowohl  Vierthalers  praktische  Wirksamkeit 
als  auch  die  Erzeugnisse  seiner  schriftstellerischen  Thätigkeit  waren  Dank  dem  oft 
beklagten  Mangel  an  Kontinuität  in  der  geschichtlichen  Entwicklung  der  Pädagogik 
lange  Zeit  vergessen.  Es  ist  darum  dem  Herausgeber  der  Bibliothek  der  katholischen 
Pädagogik  zu  danken,  dass  er  die  von  GlöckP'')  besorgte  Neuausgabe  ausgewählter 
pädagogischer  Schriften  Vierthalers  in  seine  Sammlung  aufgenommen  und  den  hervor- 
ragenden Pädagogen  einer  unverdienten  Vergessenheit  entrissen  hat,  G.  hat,  nachdem  er 
einen  kurzen  Ueberblick  über  die  Lebensschicksale  Vierthalers  unter  Anlehnung  an 
Anthalers  Biographie  gegeben  hat,  die  „Elemente  der  Methodik  und  Pädagogik"  und 
den  „Entwurf  der  Schulerziehungskunde"  veröffentlicht,  Werke,  die  eine  Fundgrube 
praktischer  Beobachtungen,  treffender  Darstellung,  umfangreicher  Belesenheit  in  den 
zeitg-enössischen  pädagogischen  Schriftstellern  ohne  Unterschied  der  Konfession  sind. 
—  Einen  anderen  katholischen  Schulmann,  Anton  Ignaz  Demeter  (1773—1842),  der 
seiner  Zeit  „in  der  pädagogischen  Welt  Aufsehen  erregte",  und  den  man. „zu  den 
ersten  Begründern  und  Beförderern  eines  besseren  Schulwesens  im  Beginn  des  gegen- 
wärtigen Jh."  rechnen  muss,  bringt  Kaisser^^)  wieder  ans  Licht.  Im  J.  1773  in 
Augsburg  als  Sohn  schlichter  Bürgersleute  geboren,  in  Dillingen  z.  Z.  des  Bischofs 
Sailer,  über  dessen  Leben  und  Wirksamkeit  uns  Glabbach^**)  unterrichtet,  ausgebildet, 
wurde  er  nach  einander  Hilfsprediger,  Pfarrer,  Professor  der  Pädagogik,  Domkapitular 
und  starb  1842  als  Erzbischof  von  Freiburg.  K.  schildert  ihn  besonders  in  seiner 
höchst  originellen  pädagogischen  Thätigkeit  in  der  Pfarrei  Lautlingen,  worüber 
Demeter  selbst  eine  Abhandlung  schrieb,  die  sein  Amtsbruder  Wittich  im  „Neuen 
Landschullehrer",  einer  pädagogischen  Zeitschrift  Württembergs,  1805  abdrucken  liess. 
Er  teilt  da  mit,  dass  er  drei  Schulen  gegründet  habe,  die  Winterschule,  die  Sommer- 
schule und  die  Wiederholungsschule.  Zwar  war  die  Winterschule  schon  vorhanden, 
aber  sie  war,  wie  er  schreibt,  schlechter  als  die  des  Gregorius  Schlaghart  (vgl.  JBL.  1892 
I  6 :  93)  zu  Langenhausen.  Aus  den  Beispielen,  die  er  von  seiner  Lehrart  giebt, 
erkennt  man  die  Verwandtschaft  mit  philanthropinistischen  Tendenzen.  „Nicht  aufs 
Glänzen,  nur  aufs  Nützen,  soll  sich  meine  Lehrart  stützen."  Und  in  der  Verwend- 
barkeit des  Gelernten  zur  Industrie  sieht  er,  vielleicht  beeinflusst  von  Kindermann 
(vgl.  JBL.  1892  I  10  :  46),  das  Ziel  dieser  Dorfschulbildung.  Die  Schulgebete  kleidete 
er,  um  das  bloss  Mechanische  und  Gedankenlose  bei  den  Kindern  zu  vermeiden,  in 
eine  Litanei.  Wie  mächtig  die  Einwirkungen  Demeters  gewesen  sein  müssen,  zeigt 
die  „Wiederholungsschule",  die,  als  Sonntagsschule  eingeführt,  den  Zweck  hatte,  be- 
reits absolvierte  Schüler  weiter  zu  bilden.  In  der  Zahl  derer,  die  an  dem  unmittelbar 
nach  dem  Gottesdienste  in  der  Kirche  abgehaltenen  Untemchte  teilnahmen,  befanden 
sich  Männer  von  25—35  Jahren,  Ausser  durch  die  Schule  suchte  er  auf  seinem 
Dorfe  auch  durch  die  Einrichtung  eines  Theaters  und  einer  Musikgesellschaft  ver- 
edelnd einzuwirken.  „Dass  das  Theater  eine  besonders  gute  Art  von  Volksbildung- 
werden  kann,  wenn  es  recht  geleitet  wird,  ist  in  der  Theorie  ausgemacht,  und  meine 

Praxis   bietet  Belege    dafür Aber   beinahe   noch   ein  besseres  Vehikel  ist  das 

Theater  für  die  Ausbildung  der  grösseren  Jugend  männlichen  und  weiblichen  Ge- 
schlechts, insofern  der  Schauplatz  eine  natürliche  und  lebhafte  Schule  der  Sitten  und 
des  menschlichen  Lebens  wird."  Um  nun  aber  sicher  zu  sein,  dass  in  den  Stücken 
nichts  Unsittliches  zur  Darstellung  gelangte,  schrieb  er  sie  lieber  gleich  selbst  und 
benutzte  sie  als  Mittel  gegen  allerlei  althergebrachte  Angewöhnungen,  Vorurteile  usw. 
seiner  Bauern,  und  er  wirkte  da  plastischer  als  durch  Predigt  und  Untemcht. 
In  gleicher  Weise  wirkte  auch  die  im  Anschluss  an  das  Theater  gebildete 
Musikgesellschaft,  die  vor  allem  dazu  berufen  war,  den  Gottesdienst  mit  ihren  Auf- 
führungen zu  verschönen.  Neben  allen  diesen  gründete  und  leitete  Demeter  eine 
Privatbildungsanstalt  für  Lehrer,  legte  eine  kleine  Gesindebibliothek  an,  aus  welcher 

Richter.  K.  13.)  L.,  R.  Richter.  91  S.  M.  0,80.  —  57)  F.  M.  Vierthaler,  Ausgew  päd.  Schriften,  her.  u.  m.  e.  Einl.  u. 
Anm.  versehen  v.  L.  G  l  ö  c  k  1.  (=  Bibl.  d.  Itath.  Päd.  her.  t.  P.  X.  K  u  n  z  N.  6.)  Freiburg  i.  B.,  Herder.  VIII,  258  S.  M.  4,40. 
—  58)  B.  Eaisser,  A.  J.  Demeter,  e.  Freund  u.  Förderer  d.  Volksschulwesens:  AugsburgerPostZg».  N.  13  4.  —  59)  O  W. 
aiabbach,   J.  M.  Sailer.  (=  D.  Klass.  d.  Päd.  her.    v.  ü.  Fröhlich.   Bd.  XVI.)    Langensalza,   Schalbuchh.    XU,   360  S. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.  l6:60-63 

den  Knechten  und  Mägden  an  den  langen  Winterabenden  in  der  Gesindestube  des 
Pfarrhauses  unter  Aufsicht  des  PfaiTers  unterhaltende  Stücke  vorgelesen  und  erklärt 
wurden;  auch  richtete  er  eine  kleine  Volksbibliothek  ein,  in  der  er  hauptsächlich  Bücher 
aufstellte,  die  über  Feld-,  Wiesen-,  Gartenbau,  Behandlung-  des  Viehes,  über  Kinder- 
zucht usw.  unterrichteten,  und  die  nach  seinem  Geständnis  von  den  Bauern  viel  be- 
nutzt wurden.  Im  Hinblick  auf  die  unendlich  beschränkten  Mittel  und  das  Material, 
das  ihm  zur  Ausbildung  sich  darbot,  ist  seine  pädagogische  Wirksamkeit  als  Pfarrer, 
von  der  man  wünschen  möchte,  dass  alle  Pastoren  sie  als  Vorbild  zur  Nacheiferung 
nehmen  möchten,  höher  zu  schätzen,  als  seine  spätere  Thätigkeit  bei  der  Neuorganisation 
des  badischen  Schulwesens.  — 

Es  seien  hier  verschiedene  Schulmänner  der  Praxis  aus  neuerer 
Zeit  zusammeng'estellt  nach  den  Ländern  und  Landschaften,  denen  ihre  Thätigkeit 
im  wesentlichen  galt.  In  der  alphabetischen  Ordnung  erscheint  zunächst  Baden  mit 
dem  Karlsruher  Seminardirektor  Wilhelm  Stern.  Er  hat  noch  als  ein  unmittelbarer 
Schüler  Pestalozzis  1815 — 17  in  Yverdun  gelernt  und  gelehrt.  Sein  Leben  hat  jetzt 
Ledderhose ^'')  geschrieben,  hauptsächlich  auf  Grund  interessanter  Mitteilungen,  die 
Stern  im  höheren  Lebensalter  einem  seiner  Söhne  diktiert  hatte.  — 

Ein  bayerischer  Schulmann,  Heinr.  Stephani,  dessen  Name  wegen  seiner 
Verdienste  um  die  Methodik  des  Leseunterrichtes  weit  über  die  Grenzen  des  Bayer- 
landes hinausgedrungen  ist,  wird  von  Sander^^)  charakterisiert;  wenn  er  auch  nicht 
der  „Urheber"  der  Lautiermethode  ist,  so  hat  er  ihr  doch  durch  seine  Schriften  den 
Weg  in  die  deutsche  Volksschule  gebahnt.  Obwohl  streng  kirchlich  erzogen,  war  er 
frühzeitig  ganz  ins  rationalistische  Lager  liinübergetreten.  Sein  religiöser  Standpunkt 
brachte  ihm  viele  Reibereien  mit  seinen  Behörden;  wurde  er  doch  selbst  später  aller 
seiner  Aemter  entsetzt!  Mit  den  Koryphäen  unserer  deutschen  Litteratur,  mit  Schiller, 
Reinhold,  Hufeland,  Fichte,  Matthisson,  Lavater,  trat  er  in  den  neunziger  Jahren  als 
Hofmeister  in  Jena  und  nachher  auf  einer  Reise  in  die  Schweiz  in  persönlichen  Ver- 
kehr; in  pädagogischer  Hinsicht  hat  Resewitz,  an  dessen  Anstalt  Stephani  mit  seinen 
Zöglingen  vier  Jahre  zugebracht  hat,  auf  ihn  eingewirkt.    — 

Dem  bekannten  Hessischen  Schulmanne  Joh.  Ferd.  Schlez  widmet  G.  Chr. 
Dieffenbach^-),  einer  seiner  Nachkommen,  eine  Abhandlung,  die  trotz  ihi'es  geringen 
Umfanges  uns  ein  deutliches  Bild  von  der  Wirksamkeit  dieses  weit  über  die  Grenzen 
seines  Vaterlandes  hinaus  berühmt  gewordenen  Mannes  zeichnet.  In  seiner  Stellung 
als  Geistlicher  und  Schulinspektor  in  Schliz,  die  er  seinem  „Gregorius  Schlaghart" 
(vgl.  JBL.  1892  I  6 :  93)  zu  verdanken  hatte,  hat  er  eine  grosse  Wirksamkeit  ent- 
faltet, nicht  nur  als  praktischer  Pädagoge  und  pädagogischer  Schriftsteller,  wobei  be- 
sonders an  seinen  weitverbreiteten  und  lange  Zeit  gebrauchten  „Denkfreund"  und 
sein  „Handbuch  für  Volksschullehrer"  gedacht  werden  muss,  sondern  auch  als  Volks- 
schriftsteller, als  Herausgeber  von  Kalendern  und  Zeitschriften,  mit  denen  er  bereits 
vor  100  Jahren  dem  Eindringen  verderblicher  Litteratur  in  das  Volksleben  einen 
Damm  entgegensetzen  wollte.  Auch  um  die  schöne  Litteratur  hat  er  sich  verdient  ge- 
macht durch  Ausgaben  von  Gedichten,  Fabeln,  Parabeln,  durch  eine  metrische  Ueber- 
setzung  der  Lieder  Salomos,  durch  Herausgabe  eines  Gesangbuches  und  einer  Sammlung 
von  Kinderdeklamationen.  — 

Mit  der  grossen  Reform  des  österreichischen  Unterrichtswesens,  deren 
Geburtsstunde  in  die  Zeit  der  grössten  politischen  Wirren  Oesterreichs,  in  das  J.  1848, 
fällt,  sind  drei  Namen  eng  verbunden:  Graf  Leo  Thun,  Franz  Exner  und  Hermann 
Bonitz.  Der  von  ihnen  ausgearbeitete  „Organisationsentwurf"  bildet  den  Grundstein 
„für  das  ganze  stattliche  Gebäude  des  höheren  Unterrichtswesens".  „In  Thun,  Exner, 
und  Bonitz  trafen  sich  Thatkraft,  Einsicht  und  Erfahrung  und  schufen  ein  Werk,  das 
seine  sieghafte  Macht  bewährt  hat  und  hoffentlich  noch  lange  bewähren  wird.  Ins- 
besondere dürften  aber  die  Bildner  der  Jugend  in  ihnen  die  besten  Vorbilder  finden 
für  das,  was  als  edelstes  Ergebnis  jeder  Erziehung  und  jedes  Unterrichts  gelten 
muss:  den  sittlichen  Charakter.  Denn  so  verschieden  die  drei  Männer  nach  Heimat, 
Herkunft  und  Kenntnissen  waren,  eines  einte  sie,  und  darin  liegt  wohl  das  Geheimnis 
ihres  erfolgreichen  Wirkens :  der  tiefsittliche  Ernst  und  die  daraus  entspringende  Auf- 
fassung der  Pflicht,  beseelt  von  den"  höchsten  Idealen  für  alles  Erhabene,  Gute  und 
Schöne."  Das  Andenken  dieser  Männer  zu  ehren,  wurde  in  den  Arkaden  der  Wiener 
Universität  ihnen  ein  kunstvolles  Denkmal  errichtet,  das  am  Eröffnimgstage  der 
letzten  deutschen  Pliilologen- Versammlung  in  Wien  unter  grossen  Feierlichkeiten 
enthüllt  wurde.  Veranlasst  durch  diese  Feier  hat  Frankfurter ^3)  das  Leben  und 
Wirken   dieser  Drei   zur  Darstellung  gebracht,    hat   aber   damit   keineswegs  ein  ab- 

M.  4,70.  —  60)  K.  F.  Ledderhose,  Wilh.  Stern:  ADB.  36,  S.  110  6.  —  61)  F.  Sander,  H.  Stephani:  ib.  S.  90,3.  —  62) 
G.  Chr.  Dieffenbach,  Joh.  Ferd.  Schlez.  Hess.  Schulmann  u.  Voltsschriftsteller.  (Sonderabdr.  aus  d.  „Hess.  Lehrerkal.") 
Giessen,  E.  Roth.  14  S.  M.  0,30.  —  63)  S.  Frankfurter,  Graf  Leo  Thun-Hohenstein,  Fr.  Erner  u.  H.  Bonitz.  Beitrr.  z. 
Gesch.   d.   Österreich.    Unterrichtsreform.    Mit   3   Taf.   in   Lichtdr.    Wien,   Holder.     VIII,    168  S.     ML  3,60.    |fP.   P  a  n  1  s  e  n : 


16:64-69  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

schliessendes  Werk  über  die  g-rosse  Unterrichtsreform  in  Oesterreich  liefern  wollen. 
„Die  tiefere  Würdigung-  der  einzelnen  organisatorischen  Arbeiten"  will  er  erfreulicher 
Weise  in  einer  ausführlicheren  Schrift,  der  Geschichte  und  Entwicklung  des  öster- 
reichischen Mittelschulwesens,  schildern.  In  seinem  vorliegenden  Werke,  das  als  ein 
Teil  oder  in  gewissem  Sinne  als  eine  Vorarbeit  zu  der  beabsichtigten  Geschichte  an- 
zusehen ist,  soll  nur  eine  „Charakteristik  der  Männer  geboten  werden,  denen  der 
Aufschwung  der  geistigen  Bildung  in  Oesterreich  in  der  neuesten  Zeit  so  viel  zu  ver- 
danken hat".  Daher  das  Hervortreten  des  biographischen  Momentes  und  das  Zurück- 
treten des  sachlichen,  für  das  summarische  Berichte  genügen  mussten.  Da  dem  Vf. 
viel  bisher  unbekanntes  hs.  Material  zur  Verfügung  gestanden  hat,  das  bei  anderen 
Darstellungen  des  Lebens  und  der  amtlichen  Thätigkeit  dieser  Männer  nicht  benutzt 
werden  konnte,  so  erhellt  daraus  der  grosse  Wert  des  in  so  warmer,  wohlthuender 
Sprache  geschriebenen  und  mit  zahlreichen  interessanten  Anmerkungen  versehenen 
Buches,  dessen  Entstehen  Bonitzens  verdienstvollem  Schüler  W.  von  Hartel  verdankt 
wird.  —  Hartel^^)  war  es,  der  als  Präsident  der  42.  Versammlung  deutscher  Philologen 
die  Festrede  zur  Enthüllung  des  Thun-Exner-Bonitz-Denkmals  hielt.  In  dieser  Rede 
sind  meisterhaft  aus  der  Fülle  der  Materialien  die  Gestalten  der  drei  Männer  heraus- 
gearbeitet und  das,  was  sie  geleistet,  durch  eine  Charakteristik  des  österreichischen 
CJniversitäts-  und  Mittelschulwesens  vor  dem  Beginn  ihrer  Arbeit  plastisch  hin- 
gestellt worden.  ^^)  — 

Einem  Oldenburgischen  Schulmanne, Strackerjan,gelten  Mutz enbe eher s^^) 
Mitteilungen.  Er  hat  sich  um  die  Entwicklung  des  Realschulwesens  in  seinem 
Vaterlande  sehr  verdient  gemacht.  Von  seinen  litterarischen  Arbeiten  verdient  an 
diesem  Orte  hervorgehoben  zu  werden  seine  für  die  altdeutsche  Forschung  wichtige 
Abhandlung  über  „die  jeverländischen  Personennamen  (1864)."  — 

Das  Andenken  an  Wilh.  Harnisch,  der  als  praktischer  Schulmann  und  als 
pädagogischer  Schriftsteller  lange  Zeit  in  Preussen  eine  tonangebende  Stellung  ein- 
genommen hat,  wird  durch  eine  Neuausgabe  seines  bedeutendsten  Werkes,  des  Hand- 
buches für  das  deutsche  Volksschulwesen  (1.  Aufl.  1812;  2.  Aufl.  1839J,  das  auch 
jetzt  noch  den  deutschen  Schulmämiern,  besonders  den  Aufsichtsorganen,  viele  An- 
regungen geben  kann,  wieder  aufgefrischt.  Bartels^'')  versieht  den  Text  mit  ein- 
zelnen erläuternden  Anmerkungen;  was  aber  die  Ausgabe  noch  wertvoller  macht,  ist 
die  vorangestellte  Biographie.  Das  von  B.  dargebotene  Verzeichnis  von  Harnischs 
Schriften  sollte  in  erweiterter  Form  herausgegeben  werden;  die  ungemein  reiche 
litterarische  Thätigkeit  würde  diu^ch  eine  genaue  Bibliographie  aller  von  Harnisch 
herrührenden  selbständigen  Schriften  und  seiner  in  verschiedenen  Journalen  nieder- 
gelegten Aufsätze  am  besten  illustriert  und  damit  zugleich  eine  wichtige  Handhabe 
zur  Beurteilung  pädagogischer  Bestrebungen  innerhalb  des  Lehrerstandes  und  der  Re- 
gierungskreise in  der  ersten  Hälfte  unseres  Jh.  gegeben  werden.  —  Das  Leben  Ant.W.Ferd. 
Stiehls,  des  Vf.  der  so  verschiedenartig  beurteilten  preussischen,  oder  sog.  Stiehlschen 
Regulative,  die  unter  dem  Ministerium  Raumer  1854  eingeführt  wurden,  schildert  ein 
Anonymus  ^S),  hinter^  dem  sich  wohl  der  Nachfolger  Stiehls  in  seinem  Ministerial- 
amte,  Schneider,  verbirgt.  Seh.,  dessen  allgemeine  Bestimmungen  an  die  Stelle 
der  Regulative  gesetzt  wurden  und  eine  neue  Periode  im  preussischen  Volksschul- 
wesen einleiteten,  giebt  in  wohlthuender  Objektivität  einen  Ueberblick  über  den  Ent- 
wicklungsgang, den  Charakter  und  die  Wirksamkeit  Stiehls.  —  Hier  sei  nun  auch 
mit  einigen  Worten  auf  Kellners 6")  im  vorigen  Jahrgange  (JBL.  1892  I  10  :  81)  nur 
dem  Titel  nach  angeführte  SelbstbiogTaphie  hingewiesen,  die  sehr  bald  eine  zweite, 
vom  Sohne  des  Vf.,  dem  Bonner  Theologieprofessor,  bevorwortete  Auflage  erlebt  hat. 
In  dem  Leben  Kellners,  der  als  Lehrer,  pädagogischer  Schriftsteller,  als  höherer  Ver- 
waltungsbeamter und  als  Mensch  ein  grosses  Ansehen  in  weiten  Kreisen,  auch  dort, 
wo  seine  Stellung  in  religiösen  und  politischen  Fragen  nicht  gebilligt  wurde,  genoss, 
spiegeln  sich  die  verschiedenen  Phasen  der  Entwicklung  des  Volksschulwesens  in 
Preussen  ab.  Das  erhöht  noch  den  Wert  dieser  Selbstbiographie.  Er  freilich  will  in 
seiner  Bescheidenheit  mit  dieser  Biographie  nichts  weiter,  als  durch  die  „offene  Dar- 
legung seines  Ringens  und  Strebens"  ein  wenig  für  die  Ueberzeugung  wirken,  dass 
innere  Zufriedenheit  und  äussere  Anerkennung  zunächst  und  wesentlich  von  uns 
selbst  abhängen,  und  dass  jeder  Beruf,  insbesondere  aber  der  eines  Lehrers,  das 
wieder  entgegenbringt,  was  man  selbst  hineinträgt  und  lehrt.  Ein  grosses  Verdienst 
hat   sich   dieser  Mann,    der  von   der  Pike   auf  diente   und  mit  Recht  als  Motto  die 


BPhWS.  13,  S.  1465/6;  J.  Loos:  WSKPh.  10.  S.  1066/8;  WienerZg.  31.  Mai,  6.  Jnni,  13.  Juni.]|  —  64)  W.  t.  Hartel,  Fest- 
rede z.  Enthüllnng  d.  Thun-Exner-Bonitz-Denkmals:  AZg«.  N.  118.  —  65)  O  Vom  Grafen  Leo  Thun:  HPBll.  112,  S.  2-22, 
92-104.  —  66)  A.  M  utze  nbeoher,  K.  D.  A.  StracVerjan :  ADB.  36,  S.  487/9.  —  67)  W.  Harnisch,  Handbnch  für  d. 
dtsch.  Volksschulwesen.  Mit  Anm.  u.  Harnischs  Biogr.  her.  v.  Fr.  Bartels.  (=  Bibl.  päd.  Klass.  her.  v.  Fr.  Mann.  Bd.  32.) 
Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  LXII  u.  XII,  380  S.  M.  3,.50.  —  68)  [K.  Schneider]:  A.  W.  F.  Stiehl:  ADB.  36,  S.  180,4. 
—  69)  L.  Kellner,  Lebensblätter.    Erinnerungen  aus  d.  Schnlwelt.    2.  erg.  Anfl.    Mit  Bild.    Freiburg  i.  B.,  Herder.    1892. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.   I6:70-80 

Worte  Pestalozzis:  „Man  hatte  mir  oft  gesagt,  es  sei  eine  heilige  Sache,  von  unten 
auf  dienen"  seinem  Buche  vorgesetzt  hat,  um  die  Ausbildung  der  Methodik  des 
deutschen  Sprachunterrichts  erworben.  —  Auch  ein  Verehrer  Kellners,  ein  pro- 
testantischer Schulmann,  der  Bürgerschullehrer  Piltz '**),  hat  Lebens  erinner  ungen 
geschrieben,  die  sich  allerdings  in  einem  engeren  Kreise  als  die  von  Kellner  bewegen. 
—  Ein  Berliner  Schulmann,  G.  L.  Spalding,  der  Sohn  des  berühmten  Propstes  zu 
St.  Nicolai  ist  es,  dessen  Leben  und  Wirken  uns  Hoche'')  vorführt.  Der  Schwer- 
punkt von  Spaldings  litterarischer  Thätigkeit  lag  auf  dem  Gebiete  der  klassischen 
Philologie.  —  Die  Verdienste  Spillekes,  des  berühmten  Direktors  des  Friedrich- 
Wilhelm-Gymnasiums  in  Berlin,  werden  von  Wiese '2),  der  in  Spilleke  wohl  eine 
kongeniale  Natur  erblicken  durfte,  in  ansprechender  Form  dargestellt.  In  der  Ge- 
schichte des  Realschulwesens  und  auch  in  der  Geschichte  des  höheren  Töchterschul- 
wesens wird  Spillekes  weitgehender,  über  Preussen  hinausragender  Einfluss  immer 
bemerkt  werden  müssen.  —  Eine  gründliche  Darstellung  des  Lebens  und  Wirkens, 
K.  F.  Splittegarbs  hat  der  um  die  Methodik  des  Unterrichts  und  seine  Geschichte 
verdiente  Fechner'^)  verfasst.  Des  tüchtigen  Berliner  Schulmannes  praktische 
Thätigkeit  bestand  in  der  Leitung  einer  vorzüglichen  Privatschule,  die  sich  einer 
langandauernden  Beliebtheit  bei  vielen  Berliner  Familien,  die  in  mehreren  aufeinander 
folgenden  Generationen  ihre  Kinder  der  Schule  anvertrauten,  erfreute.  Seine  um- 
fassende litterarische  Thätigkeit  kam  vor  allem  dem  deutschen  Unterrichte  zu  gute; 
seine  „deutsche  Sprachlehre  für  Anfänger,  mit  Aufgaben"  (1.  Aufl.  1800;  12.  Aufl.  1840) 
bezeichnet  einen  Fortschritt  in  der  Methodik.  —  Ueber  den  ehemaligen  Direktor  des 
Königsberger  altstädtischen  Gymnasiums,  das  unter  seiner  Leitung  zu  grosser  Blüte 
sich  entfaltete,  den  Philologen  Karl  Ludw.  Struve  (1785—1838),  der  auch  als  Dichter 
genannt  zu  werden  verdient,  bringt  Stieda'''*)  Nachrichten.  — 

Das  Leben  des  Sachsen  Spitzner,  dessen  Thätigkeit  hauptsächlich  denf 
Wittenberger  Lyceum,  das  unter  ihm  zu  einem  Gymnasium  erweitert  wurde,  ge- 
widmet war,  hat  Ho  che ''^)  geschrieben.  Obwohl  Spitzners  Arbeiten,  besonders  durch 
seinen  Lehrer  Lobeck  angeregt,  in  der  Hauptsache  auf  dem  Gebiete  der  klassischen 
Philologie,  besonders  Homers,  liegen,  hat  er  doch  auch  mit  seinen  beiden  Geschichts- 
darstellungen über  das  Wittenberger  Lyceum  (1808)  und  über  die  Entwicklung  des 
Gymnasiums  und  der  übrigen  Schulanstalten  zu  Wittenberg  (1830)  der  Geschichte  des 
deutschen  Unterrichts-  und  Erziehungswesens  nicht  unwichtige  Beiträge  geliefert.  — 
Stallbaums  Biographie  wird  von  Hoche"^)  gegeben.  Schüler  der  berühmten  Leipziger 
Thomasschule,  ist  er,  nachdem  er  Theologie  und  unter  Gottfr.  Hermann  Philologie 
studiert  hatte,  eine  Zeitlang  Lehrer  an  den  Franckeschen  Stiftungen  gewesen,  die  er, 
obwohl  der  Kanzler  Niemeyer  ihm  günstige  Aussichten  für  die  Zukunft  gemacht 
hatte,  verliess,  um  auf  Wunsch  seines  alten  Rektors  Rost  ein  Lehramt  an  der 
Thomasschule  (1820)  zu  übernehmen.  Glückliche  erzieherische  Gaben  machten  ihn 
zu  einem  tüchtigen  Lehrer;  seine  gründliche  philologische  Vorbildung  befähigte  ihn 
zu  vorzüglichen  litterarischen  Studien,  die  besonders  Plato  galten.  — 

An  die  Spitze  des  Abschnittes  über  die  Schweiz  verdient  gestellt  zu  werden 
die  von  Keller''")  mitgeteilte  Probe  aus  einer  Sammlung'  von  Nekrologen  schweize- 
rischer Schulmänner.  Von  den  mitgeteilten  Biographien  seien  hervorgehoben  die 
von  Breitinger  und  Bodmer,  Usteri,  Stapfer,  dem  Förderer  Pestalozzis,  Zeller  und 
Georg  Gessner.  Im  Anhange  giebt  K.  zu  dem  genannten  Programm  eine  Lebens- 
skizze des  vor  kurzem  verstorbenen  langjährigen  Lehrers  am  Seminar  Wettingen, 
Rud.  Landolt.  —  Hunziker''^''^)  hat  sich  die  schwierige  Aufgabe  gestellt,  Ernst 
Ludw.  Rochholz  uns  vorzuführen.  Frühzeitig,  schon  auf  der  Schule  in  Neuburg  a.  d. 
Donau,  bethätigte  Rochholz  sein  Interesse  für  deutsche  Sprache  und  Litteratur,  und 
auch  die  harte  Strafe,  die  er  damals  erleiden  musste,  weil  er  sich  Werke  von  Goethe 
luid  Schiller  verschafft  hatte,  konnte  seine  Liebe  nicht  unterdrücken.  Aus  dem  von 
H.  mit  vieler  Mühe  zusammengestellten  Verzeichnisse  der  gedruckten  litterarischen 
Produktion  Rochholzens  gewinnt  man  ein  Bild  von  der  Vielseitigkeit  seines 
litterarischen  Schaffens.  Die  Geschichte  der  germanischen  Philologie,  die  Dialekt- 
forschung, die  Mythologie,  die  Rechts-  und  Staatsaltertümer,  der  Sagen-  und  Märchen- 
schatz werden  von  ihm  ebenso  wie  die  Geschichte  der  Pädag'ogik,  der  alten  und 
neueren  deutschen  Litteratur,  bereichert;  und  manche  wertvolle  Ergänzung  ist  wohl 
noch  aus  dem  von  H.  ebenfalls  verzeichneten  hs.  Nachlasse  zu  erwarten.  Sein  Andenken 
wird  aber  auch  ohne  dies  in  der  Schweiz  so  bald  nicht  erlöschen;  denn  wahr  ist,  was 


VII,  618  S.  M.  4,00.  —  70)  C.  P  i  1 1  z ,  D.  Tagebuch  e.  dtsoh.  Schulmannes.  Oasen  u.  Stationen  ans  d.  letzten  Jahrzehnten 
meines  Lehrerlebens.  L.,  F.  Richter.  VU,  152  S.  M.  2,00.  —  71)  R.  H  o  c  h  e ,  G.  L.  Spalding:  ADB.  35.  8.  29-30.  -  72) 
L.  Wiese,  G.  A.  Spilleke:  ib.  S.  187/9.  -  73)  H.  F  e  c  h  n  e  r,  K.  F.  Splittegarb:  ib.  S.  235  7.  —  74)  L.  Stieda,  K.  L. 
Struve:  ib.  36,  S.  687-90.  -  75)  R.  Hocho,  F.  E.  H.  Spitzner:  ib.  35,  S.  224/5.  —  76)  id.,  J.  G.  Stallbanm:  ib.  S.  422/3.  — 
77)  J.  Keller,  Probe  e.  grösseren  Samml.  v.  Nekrologen  Schweiz.  Schulmänner.  Progr.  d.  Lehrersemin.  Wettingen.  (Baden, 
J.  Zehnder.)  44  S.  —  78-79)  J.  Hunziker,  E.  L.  Rochholz.  Progr.  Aarau,  (Sauerländer  &  Cie.).  4».  54  S.  —  80)  F. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV.  12 


16:81-86  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens. 

an  seinem  Grabe  einer  seiner  älteren  Schüler  aussprach,  dass  er  der  Schweizer 
Jug-end  einen  mächtig-en  Anstoss  gegeben,  dass  er  sie  gelehrt,  das  Gold  zu  suchen, 
nicht  im  tauben  Gesteine,  nicht  im  öden  Treiben  der  Welt,  nicht  in  der  Parteien  Zwist  und 
Hader,  sondern  in  der  Tiefe  der  Volksseele,  des  Kindergemütes  und  des  Frauenherzens. 
„Du  hast  das  aargauische  Volk  gelehrt,  sich  selbst  hoch  zu  achten,  es  wird  dir  dankbar 
bleiben  in  alle  Zukunft."  —  Brummer**^)  führt  uns  den  Lebensgang  und  die  litterarische 
Thätigkeit  Joh.Staubs  vor.  Durch  seine  Kinderbüchlein,  die  „Staubebüchli",  hat  er,  der  als 
Begründer  der  poetischen  Jugendlitteratur  in  der  Schweiz  angesehen  werden  darf,  sich 
die  Herzen  der  Schweizer  Kinder  und  Mütter  erobert.  —  Zwei  Pädagogen  des  Namens 
Spiess,  Vater  und  Sohn,  von  denen  aber  nur  der  Sohn,  Adolf  S.,  wegen  seiner  Ver- 
dienste um  das  Turnwesen  in  den  weitesten  Kreisen  bekannt  geworden  ist,  (während 
der  Vater,  Johann  Balthasar  S.,  eine  wenn  auch  segensreiche  Thätigkeit  im  engeren 
Kreise,  besonders  in  der  Hebung  des  städtischen  Schulwesens  in  Oft'enbach,  entfaltet 
hat,)  hat  uns  Sander^^'^^^  g-eschildert.  Adolf  war  schon  durch  Guts  Muts,  als  er 
zehnjährig  mit  dem  Vater  Schnepfenthal  besuchte,  für  das  Turnen  gewonnen;  als 
Student  hat  er  den  alten  Jahn  in  Cölleda  aufgesucht  und  sich  in  Berlin  an  den  Be- 
strebungen Eiselens  und  Phil.  Wackernagels  beteiligt.  Später  in  Burgdorf  in  der 
Schweiz  bildete  er  das  Schulturnen  nach  verschiedenen  Richtungen  hin,  auch  für 
Mädchenschulen,  aus  und  stand  dort  in  engem  Verkehr  mit  Friedr.  Fröbel  und 
Max  Schneckenburger,  dem  Dichter  der  Wacht  am  Rhein,  die  hier  zum  ersten  Male 
gesungen  wurde.  Später  als  Turnlehrer  in  Basel,  als  Assessor  des  Studienrates  in 
Darmstadt  war  er  immer  für  sein  Lieblingsfach,  das  er  übrigens  nicht  losgelöst  von 
dem  Unterrichte,  sondern  in  das  Ganze  der  Volkserziehung  eingeordnet  wissen  wollte, 
in  Thätigkeit.  — 

Von  Hoche^^j  rührt  eine  kurze  Lebensskizze  eines  thüringischen 
Praktikers  von  vielseitiger  wissenschaftlicher  Bildung,  des  Reformators  des  Nord- 
häuser Gymnasiums  und  des  gesamten  städtischen  Schulwesens,  Joh.  Gottfr.  Aug. 
Sparr  her,  dessen  Plan  für  das  Gymnasium  in  Nordhausen  für  eine  grosse  Zahl  der 
damaligen  mitteldeutschen  Gymnasien  vorbildlich  gewesen  ist.  —  Das  Leben  eines 
originellen  Mannes,  des  ehemaligen  Saalfelder  Lycealrektors,  späteren  Gymnasial- 
professors in  Hildburghausen,  Theod.  Friedr.  Reinhardts,  schildert  Human^*), 
Der  Arbeit  zu  Grunde  liegen  Bruchstücke  einer  Selbstbiographie,  die  uns  ihren  Vf. 
widerspiegelt  als  eine  „bestimmt  ausgeprägte  Persönlichkeit  mit  vielen  Ecken  und  Kanten, 
mit  mancherlei  bizarrem  und  schroff  einseitigem  Wesen",  das  sich  „wenig  in  Menschen 
und  Verhältnisse  zu  schicken  wusste".  In  Jena,  das,  wie  er  schreibt,  zur  Zeit,  da  er 
dort  studierte  (18 14),  einem  gerupften  Huhne  glich,  weil  alle  bedeutenderen  Lehrer  in 
den  Jahren  nach  dem  Fichteschen  Konflikte  es  verlassen  hatten,  schloss  er  sich 
an  den  damals  bedeutendsten  Philologen  Eichstätt  an,  der  die  Seele  der  Universität 
und  darauf  bedacht  war,  in  der  Berufung  tüchtiger  Lehrkräfte  einen  Ersatz  für  die 
Verluste  der  Universität  zu  gewinnen.  Von  Goethe,  den  er  zur  Zeit,  als  der  Hund 
des  Aubry  am  Weimarer  Theater  seine  Kunststücke  machte,  in  einer  Equipage 
mit  „höfisch  galonnierten  Lakaien"  in  Jena  herumfahren  sah,  hat  er  keinen  hervor- 
ragenden Eindruck  gewonnen:  „Eine  prosaisch  aristokratische  Figur".  Die  Saalfelder 
Stadt-  und  Landschule,  die  im  J.  1527  als  lateinische  Schule  begründet,  später  von 
Aquila  und  Melanchthon  reorganisiert  und  1551  Lyceum  benannt  wurde,  umfasste,  als 
Reinhardt  ihr  Rektor  wurde,  ausser  dem  Lyceum,  das  seine  Schüler  unmittelbar  zur 
Universität  entliess,  ein  Landes-Schullehrerseminar  und  eine  Knabenschule.  Die  Mit- 
teilungen über  seine  Thätigkeit  an  dieser  Schule  enthalten  auch  für  die  Litteratur-  und 
Kulturgeschichte  Thüringens  interessante  Momente.  Obwohl  er  das  Studium  griechischer 
und  lateinischer  Litteratur  seinen  Schülern  nicht  oft  genug  rühmen  konnte,  wurde  doch 
in  seinem  Unterrichte  die  deutsche  Sprache  und  Litteratur  nicht  vernachlässigt.  Bei 
den  stilistischen  Arbeiten  der  Schüler  vermied  er  es,  ihre  individuelle  Auffassung 
durch  eine  eigensiimige  Kritik  zu  korrigieren.  Er  strebte  vielmehr  danach,  der 
Aeusserung  jeder  Neigung  gerecht  zu  werden,  und  vermied  dadurch,  was  viele  Lehrer 
in  ihrem  Unterrichte  bewirken,  „uniformen  Geschmack"  und  „uniforme  Logik".  — 

Universitäten.  Der  Abschnitt  über  Universitäten  würde  am  besten  ein- 
geleitet durch  eine  Besprechung  der  zusammenfassenden  Darstellung  über  die 
deutschen  Universitäten,  die  Lexis^^j  unter  Mitwirkung  vieler  deutscher  Universitäts- 
professoren im  Auftrage  der  Regierung  für  die  Universitätsausstellung  in  Chicago 
verfasst  hat.    Leider   ist   mir   das  Werk   nicht   zugänglich   gewesen.   —  Kukula**^) 


Brummer,  J.  Staub:  ADB.  35,  S.  506/7.  —  81)  F.  Sander,  J.  B.  Spiess:  ib.  S.  182/3.  —  82)  id.,  Ad.  Spiess:  ib.  S.  173/7. 
—  83)  R.  Hoche,  J.  G.  A.  Sparr:  ib.  S.  63/4.  —  84)  A.  Human,  Th.  F.  G.  Reinhardt,  weil.  Rektor  d.  Lycenms  zu  Saalfeld, 
Schulrat  u.  erster  Prof.  am  Gymn.  zu  Hildburghausen  etc.  B.  Lebens-  u.  Charakterbild.  (=  Schriften  d.  Ver.  f.  Meining. 
Gesch.  u.  Landeskunde.  15.  Heft.)  Meiningen,  L.  v.  Eye.  140  S.  M.  2,50.  —  85)  O  X  X  W.  Lexis,  D.  dtsch.  Univ.  Für 
d.  Univ.-Ausstellung  in  Chicago  1893  unter  Mitwirk,  zahlreicher  Univ.-Lehrer.  2  Bde.  B.,  Asher.  XII,  620  S.;  VI,  406  S. 
M.  24,00.    —    86)  Rieh.   Knkala,   Bibliogr.  Jb.  d.  dtsoh.  Hochschulen.     1.   Ergänznngsheft.    Innsbruck,   Wagner.    IV,  295  S. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.  l6:86a-93 

macht  in  dem  Ergänzung-shefte  zu  seinem  bibliographischen  Jahrbuche  Angaben  über 
die  litterarische  Thätigkeit  vieler  an  deutschen  Hochschulen  wirkender  Gelehrten  und 
giebt  dadurch  Material  für  die  Fortsetzung  der  allgemeinen  deutschen  BiogTaphie.^^*)  — 
Ueber  eine  Universität,  die  einige  Jahre  im  Allgäu,  in  Ottobeuren  und  Elchingen, 
bestanden  hat,  wird  uns  von  H  u  b  e  r^'j  Nachricht  gegeben.  Freilich  bestehen  diese 
Mitteilungen  nur  in  einem  Auszuge  aus  den  Darstellungen,  die  Giefel  (im  Deutschen 
Volksblatt  1888  N.  72—81)  gegeben  hat  und  auf  Notizen  in  Feyerabends  Otten- 
beurenschen  Jahrbüchern.  Die  Universität  war  von  Ang-ehörigen  des  Benediktiner- 
ordens im  J.  1542  zur  Vorbildung  ihrer  Ordensleute  imd  zur  Abwehr  gegen  das  Vor- 
dringen der  Reformation  gegründet  worden.  Ihr  Sitz  wurde  Ottobeuren,  nachdem  der 
zunächst  in  Aussicht  genommene  Flecken  Legan  sich  als  ungeeignet  erwiesen  hatte. 
Bereits  nach  zweiundeinhalbjährigem  Bestände  löste  sie  sich  weg'en  der  Ungunst 
der  Verhältnisse  auf;  der  Versuch  von  Lehrern  und  Schülern,  in  Elchingen  eine 
ruhige  Stätte  zu  finden,  misslang;  der  Gedanke  der  Stiftung  einer  Gelehrtenschule 
aber  wurde  unmittelbar  nach  dem  Schmalkadischen  Kriege  von  Otto  Truchsess  von 
Waldberg,  dem  Bischöfe  von  Augsburg,  wieder  aufgenommen,  und  1549  in  der 
Gründung  des  Kollegiums,  der  späteren  Universität  Dillingen,  verwirklicht.  —  Die 
Hubersche  Darstellung  wird  übrigens  von  einem  Anonymus  *^^)  dahin  berichtigt,  dass 
nach  einer  Chronik  über  die  Gründung  des  Stiftes  Kempten  der  Gedanke  zur  Er- 
richtung einer  oberschwäbischen  Studienanstalt  bereits  1533  von  dem  Abte  Sebastian 
von  Breitenstein  und  dem  Prälaten  von  Ottobeuren  und  Zwiefalten  gefasst  und  dadurch 
die  Gründung  der  Hochschule  von  Ottobeuren,  später  Elchingen  ins  Leben  gerufen 
worden  ist.  — 

Aus  der  bisher  noch  nicht  herausgegebenen  Matiikel  der  Universität  Basel 
bietet  Loersch*^)  einen  kleinen  Teil,  indem  er  ein  von  G.  Knod  für  ihn  an- 
gefertigtes Verzeichnis  der  Aachener,  die  von  1462—91  in  Basel  studiert  haben,  mit 
einigen  eig*enen  Erläuterungen  und  Anmerkung'en  giebt.   — 

Einige  Nachrichten  über  die  Gründmig"  der  Berliner  Universität  und  über 
ihre  iiuiere  Entwicklung  enthält  die  von  V  i  r  c  h  o  w  '^o)  am  3.  Aug.  in  der  Aula  der 
Universität  gehaltene  Rede.  Die  innere  Entwicklung  hat  sich  nach  V  so  vollzogen, 
dass  in  der  ersten  Periode  unter  Friedrich  Wilhelm  HL  die  Universität  unter  dem 
„Zeichen  der  Philosophie"  gestanden  hat,  dass  diese  philosophische  Zeit,  die  mit 
Hegel  ihren  Höhepunict,  aber  auch  ihr  Ende  erreichte,  abgelöst  wurde  durch  die 
naturwissenschaftliche  Periode,  für  die  Alex,  von  Plumboldt  den  Boden  geebnet,  und 
der  er  seinen  Stempel  aufg'edrückt  hat.  Kann  man  V.  in  seiner  Charakteristik 
der  ersten  Periode  beistimmen,  so  ist  das  nicht  der  Fall  hinsichtlich  des  natur- 
wissenschaftlichen Zeitalters.  — 

Aus  Veranlassung  der  Feier  des  150  jährigen  Bestehens  der  Universität  Er- 
langen, die,  erst  eine  markgräfliche,  dann  eine  königlich  preussische  war,  ganz  kurze  Zeit 
der  französischen  Regierung  unterstand  und  endlich  unter  bayerischer  Regierung  einen 
grossen  Aufschwung  genommen  hat,  sind  verschiedene  Veröffentlichungen  erschienen. 
In  seiner  Festrede  schildert  der  derzeitige  Rektor  der  Universität,  StrümpelP^),  die 
Gründung  und  die  ersten  Jahre  ihres  Bestehens.  Der  prachtliebende  Markgraf 
Friedrich  von  Bayreuth  gründete  auf  Anregung  seines  Leibarztes  Superville,  des 
späteren  Kanzlers  der  Universität,  und  wahrscheinlich  in  seinem  Vorhaben  von  seiner 
Gattin,  Friederike  Sophie  Wilhelmine,  der  Schwester  Friedrichs  des  Gr.,  bestärkt, 
die  Universität,  um  den  Ruhm  seines  Landes  und  besonders  seiner  Hauptstadt 
Bayreuth  zu  heben.  Die  Haupt-  und  Residenzstadt,  in  der  1742  die  feierliche  Ein- 
weihung der  Universität  stattfand,  erwies  sich  aber  als  so  ung'iüistig,  dass  schon  nach 
einem  Jahre  an  ihre  Verlegung"  g'edacht  werden  musste.  Von  den  in  Aussicht  ge- 
nommenen Städten  Kulmbach,  Hof  und  Erlangen  wurde  letztere  gewählt,  weil  hier  die 
Gebäude  und  Fonds  der  in  Verfall  geratenen  Ritterakademie  zm*  Verfügung  standen. 
Anfang  November  1743  fand  die  Einweihung  ^2)  der  Erlanger  Universität  statt,  deren 
Seele  während  der  ersten  Jahre  ihres  Bestehens  Superville  war;  unmittelbar  nach 
seinem  Abgange  tritt  auch  der  Verfall  ein.  —  Supervilles  Lebensgang  und  seine  Ver- 
dienste um  die  Universität  werden  in  der  von  Schling **3)  im  Auftrage  des  akade- 
mischen Senates  geschriebenen  Festschrift  dargestellt.  Den  Hauptteil  seiner  Arbeit 
bildet  aber  eine  juristische  Abhandlung  über  das  Kanzleramt  an  der  Universität  Er- 
langen, dessen  Entstehung,  geschichtliche  Entwicklung  und  jetzige  Bedeutung  S. 
deutlich  darlegt.    Danach  ist  das  Kanzleramt  ein  unveräusserliches  Recht   der  juristi- 


M.  3^0.  —  86a)  O  XX  (I  3:136.)  -  87)  F.  A.  Hube r,  E.  Allgäuer  Univ.:  AllgäuerGFr.  6,  S.  75,7,  93  6.  —  88)  U.,  E. 
Allgäner  Univ.:  ib.  S.  156.  —  89)  H.  Loersch,  D.  in  Basel  v.  1462-91  studierenden  Aachener:  ZAachenGV.  15,  S.  327  9.  — 
90)  R.  Virchow,  D.  Gründung  d.  Berliner  Univ.  u.  d.  Uebergang  ans  d.  philos.  in  d.  natnrwiss.  Zeitalter.  Bede.  B.,  Hirsch- 
wald.    4».     29  S.     M.  0,80.  —  91)  Ä.  Strümpell,  D.  Anfänge  der  Univ.  Erlangen.    Bede.     Erlangen,  Junge.     16  S.     M.  0,30. 

—  92)  X  D.  Einweihung  d.  Erlanger  Univ.   atn   4.-6.  Nov.  1743.    (=  Festzg.   z.  Jubelfeier  d.  Univ.  Erlangen  1743-1893.   S.  2.) 

—  93)  E.  Sehling,  D.  v.  Superville.   D.  Kanzleramt  an  d.  Univ.  Erlangen.  Festschrift.  L.,  Veit*  Co.  VllI,  MitBildn.  188  8. 

12* 


I  6:94-106  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

sehen  Fakultät.  Als  Einleitung  giebt.  S.  eine  Geschichte  des  Universitäts-Kanzellariats 
überhaupt  und  am  Schlüsse  einen  interessanten  Ueberblick  über  die  gegenwärtige 
Rechtslage  des  Kanzleramtes  auf  denjenigen  deutschen  Hochschulen,  an  denen  es  noch  be- 
steht. —  Angeschlossen  sei  hier  ein  Aufsatz^*),  der  in  Kürze  die  Geschichte  der 
Universität  bis  auf  die  Gegenwart  herabführt;  dabei  sei  erwähnt,  dass  unter  den  Lehrern 
Fichte,  der  freilich  nur  einige  Monate  dort  lehrte,  die  Juristen  Puchta,  Stahl,  der 
später  in  Preussen  eine  hervorragende  Rolle  spielen  sollte,  die  Philologen  Döderlein 
und  Nägelsbach,  der  Germanist  Raumer,  der  Dichter  Rückert  zu  nennen  sind.  — 
Auch  über'  die  Vorgeschichte  der  Universität  fehlt  es  nicht  an  Nachrichten^^),  aus 
denen  hervorgeht,  dass  die  erste  Anregung,  in  Franken  eine  oder  zwei  Hochschulen 
zu  gründen,  von  Luther  1529  ausgegangen,  im  17.  Jh.  von  dem  Kulmbacher 
Superintendenten  Altdorfer  unter  der  Regierung  des  Markgrafen  Christian  und  später 
von  dem  Sohne  des  letzteren,  dem  Markgrafen  Christian  Ernst,  wieder  —  freilich  ohne 
Erfolg  —  aufgenommen  worden  ist. ''^)  — 

Beiträge '*'''^^)  zur  Geschichte  der  Universität  Freiburg  i.  B.  sind  auch  in 
diesem  Jahre  geliefert  worden  (vgl.  JBL.  1892  I  10  :  252/4).  König9»-ioo)  hat  zu- 
nächst die  bisher  unbekannt  gebliebenen  articuli  officii  rectoris  academiae  von  1580, 
deren  Vf.  Jodocus  Lorichius  ist,  veröffentlicht.  Lorichius,  der  acht  Mal  die  Rektorats- 
würde bekleidet  hat,  giebt  in  diesen  articuli  nicht  etwa  ein  offizielles  Statut,  sondern 
nur  eine  private  Zusammenstellung  der  wichtigeren  „amtlichen  Befugnisse,  Aus- 
zeichnungen, Thätigkeiten,  welche  dem  Haupte  des  corpus  academicum  zustehen  und 
zukommen,  führt  Einzelheiten  aus  der  älteren  akademischen  Verfassung  und  Ad- 
ministration" vor,  in  aphoristischer,  für  den  nächsten  Gebrauch  bestimmter  Form, 
und  verweist  dabei  oft  auf  das  ausführliche  Statut  der  Universität,  über  dessen 
Verbleib  bisher  noch  nichts  hat  ermittelt  werden  können.  Der  Herausgeber  hat  dem 
Texte  wertvolle  Ergänzungen  beigegeben,  so  Mitteilungen  über  den  ersten  Rektor, 
Matthaeus  Hummel,  über  einzelne  besondere  Vorkommnisse  in  der  Geschichte  des 
Rektorats,  über  die  unter  der  Kaiserin  Maria  Theresia  angeordneten  Reformen,  und 
fügt  am  Schlüsse  die  series  rectorum  et  prorectorum  von  1460—1892  bei.  1476  ist 
Joh.  Geiler  von  Kaisersberg  Rektor  gewesen,  dem  1477  ein  Fridericus  comes  de 
Hohenzollern  in  dieser  Würde  folgte.  K.s  zweiter  Beitrag  besteht  in  einem  aus  dem 
letzten  Drittel  des  vorigen  Jh.  stammenden  Schriftstücke  eines  Anonymus,  das  die 
Wichtigkeit  der  Theresianisch-Josefinischen  Reformen  hervorhebt,  aber  auch  zugleich 
betont,  dass  durch  die  1773  erfolgte  Aufhebung  des  Jesuitenordens  viele  gute  An- 
stalten aufgehoben  worden  seien.  Es  handelt  sich  hierbei  wahrscheinlich  um  ein  für 
eine  höher  gestellte  Persönlichkeit  verfasstes  Gutachten.  —  Mayers  *^i"^"3)  Dar- 
stellung, die  eine  Fortsetzung  seines  im  vorigen  Jahre  erschienenen  Werkes  ist,  be- 
trifft die  Entwicklung  der  Freiburger  Universität  in  neuerer  Zeit  (1818—52).  Er  macht  ein- 
gehende Mitteilungen  über  alle  Universitätsinstitute,  über  den  Lehrkörper,  über 
Fonds,  über  Festlichkeiten  und  Studentenschaft,  und  dabei  wird  besonders  der 
burschenschaftlichen  Bestrebungen  gedacht,  die  auch  hier  wie  auf  anderen  Uni- 
versitäten vielen  Verfolgungen  ausgesetzt  waren.  — 

In  der  Einleitung  zu  einem  Aufsatze  ^'^*)  über  die  neugegründete  Universität 
Freiburg  in  der  Schweiz  werden  einige  Mitteilungen  über  die  seit  Jhh.  gehegte 
Absicht,  in  der  Schweiz  eine  katholische  Universität  zu  gründen,  gemacht.  Bereits 
im  J.  1539  mit  der  Ausbreitung  der  Reformation  dachte  man  zum  Schutze  der  katho- 
lischen Kirche  an  die  Gründung  der  Universität.  Die  Eifersucht  der  einzelnen  Kantone 
aber  verhinderte  die  Ausführung  des  Planes,  der  1763  durch  die  Gründung  der  Rechts- 
schule, die  als  juristische  Fakultät  in  der  neu  gegründeten  Universität  aufgegangen  ist, 
wenigstens  zu  einer  partiellen  Ausführung  gelangte.  — 

Während  Klewitz  und  Ebel^**^)  ihre  Ausgabe  der  Giessener  Matrikel 
von  1685 — 1701  (leider  auch  diesmal  ohne  jegliche  Erläuterung)  weiterführen,  giebt 
Falckenheiner^'^^)  Nachrichten  über  eine  Hochschule,  deren  Existenz  wohl  nur 
wenigen   bekannt  sein  dürfte,   nämlich    über   die  durch  den  Landgrafen  Wilhelm  V. 


M.  6,00.  —  94)  Z.  150j.  Jnbil.  d.  Univ.  Erlangen:  AZg».  N.  174.  -  95)  Z.  Vorgesch.  d.  Univ.  Erlangen:  StrassbPost.  N.  208. 
—  96)  X  A.  Fort  seh,  Erlangen:  BnrschenscliBll.  7,  S.  261/3,  289-91.  (S.  o.  I  4:80.)  —  97)  X  J-  S[chneiaerJ,  D.  alte 
Univ.  Frankfurt  a.  0.:  ib.  S.  38,9,  67-70,  91/5,  122,6,  147-50.  (Mit  6  Bildern.)  —  98)  O  M.  Pohlandt,  Z.  Verlegung  d. 
Univ.  in  Frankfurt  a.  0. :  Bär  19,  S.  550/1.  —  99)  Jos.  König,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Univ.  Freiburg.  Rektorat  u.  Prorektorat: 
FreibnrgerDiöcesA.  23,  S.  61-120.  —  100)  id..  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Albertinischen  hohen  Schule:  ib.  S.  349-54.  —  101)  Herrn. 
Mayer,  D.  Univ.  zu  Freiburg  i.  Br.  in  d.  J.  1818-52.  1.  Hauptteil.  D.  Regierg.  d.  Grossherz.  Ludwig  1818-30.  I.  Patronats- 
rechte  u.  auswärt.  Besitzungen.  II.  Veränderungen  in  d.  Organisation.  III.  AUg.  Finanzlage.  IV.  Lehrangelegenheiten.  V.  Das 
Lehrerkollegium:  Alemannia  21,  S.  17-70.  —  102)  id.,  D.  Univ.  zu  Freiburg  i.  Br.  in  d.  J.  1818-52.  1.  Huuptt.  D.  Regierung 
d.  Grossherz.  Ludwig  1818-30.  Schlnss.  VI.  Institute.  VII.  D.  Studenten  u.  ihre  Vereinigungen.  VIII.  Festlichkeiten:  ib. 
S.  148-85.  —  103)  id.,  D.  Univ.  zu  Freiburg  i.  Br.  in  d.  J.  1818-52.  2.  Hauptt.  D.  Regierung  d.  Grossherz.  Leopold  1830-52. 
I.  Auswärt.  Einkünfte  u.  Finanzen  im  allg.  II.  Zeitweilige  Schliessung  u.  Reorganisation  d.  Univ.  III.  Weitere  Veränderungen 
in  d.  inneren  Einrichtung.  IV.  Lehrangelegenheiten.  V.  Abermalige  Gefährdung  d.  Bestandes  d.  Univ.:  ib.  S.  209-76.  —  104) 
D.  kath.  Univ.  Freiburg  in  d.  Schweiz:  HPBll.  111,  S.  569-88.  —  105)  E.  Klewitz  n.  K.  Ebel,  D.  Giessener  Matrikel  (Forts.): 
MOberhessGV.  4,   S.  1-48.   (VgL  JBL.  1890  I  6:60.)  —  106)  W.   Falckenheiner,    D.  Ann.  u.   d.  Matrikel  d.  Univ.  Kassel: 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.  16: 107-117 

1633  g-egründete  ehemalig-e  Universität  Kassel,  die  freilich  nur  bis  zum  J.  1652 
bestanden  hat,  als  Pflanzstätte  der  reformierten  Kirche  und  als  Bollwerk  gegen  die 
frühere  Landesuniversität  Marburg,  die,  nachdem  sie  in  den  Besitz  Ludwigs  V. 
von  Darmstadt  übergegangen,  der  Sitz  strengsten  Luthertums  geworden  war.  Die 
Matrikel  ist  noch  vollständig  vorhanden  und  freilich  ohne  Erläuterungen,  „um  zu- 
nächst das  Quellenmaterial  der  Forschung  allgemein'zugänglich  zu  machen",  zusammen 
mit  den  Annalen,  die  leider  nur  über  die  Gründung  und  die  Ereignisse  der  ersten 
Jahre  unterrichten,  von  F.  abgedruckt,  indem  er  dem  Ganzen  eine  historische  Ein- 
leitung vorausschickt.  —  Hier  sei  auch  sogleich  Haupts^"')  Arbeit  über  das  Mar- 
burg-Giessener  Stipendienwesen  erwähnt.  Bereits  in  der  Homberger  Kirchenordnung 
von  1526  hatte  Philipp  der  Grossmütige  vor  der  definitiven  Gründung  der  Marburger 
Universität  für  die  Unterstützung  dürftiger  Studenten  der  zukünftigen  Hochschule 
die  Gründung  einer  Institution  in  Aussicht  gestellt.  Dieser  Plan  wurde  auch  durch 
den  Freiheitsbrief  vom  31.  Aug.  1529  verwirklicht  und  zwar  dadurch,  dass  die  kirch- 
lichen Stiftungen  aller  Art  in  den  Ortschaften  der  LandgTafschaft  dazu  herangezogen 
werden  sollten.  Im  J.  1533  wurden  im  Minoritenkloster  zu  Marburg  fünf  Stuben  für 
die  Stipendiaten,  die  nach  einer  Verordnung  vom  J.  1537  nur  Theologen  sein  durften, 
eingerichtet.  1539  war  die  Zahl  der  letzteren  bereits  auf  137  gestiegen,  eine  Zahl, 
die  nicht  überschritten  werden  sollte.  Da  aber  die  Ortschaften  die  festgesetzten  Bei- 
träge teils  unregelmässig,  teils  gar  nicht  einlieferten,  so  nahm  die  Institution  nicht 
die  Entwicklung,  die  dem  Landgrafen  vorgeschwebt  haben  mag.  An  der  im  J.  1546 
herausgegebenen  Studienordnung  für  die  Stipendiaten  hat  Melanchthon  mitgearbeitet 
H.  teilt  im  Anhange  eine  Anzahl  von  älteren  Urkunden,  die  sich  auf  das  Stipendienwesen 
beziehen  und  im  Besitze  der  Universität  Giessen  sind,  in  Regestenform  mit.  In  einem 
Nachtrage  (S.  156)  erwähnt  H,  noch  eine  Schrift  über  das  „Stipendienwesen  in  Hessen- 
Darmstadt"  (1875),  die  wertvolle  Mitteilungen  aus  ungedruckten  Quellen,  darunter 
auch  eine  allerdings  ergänzungsbedürftige  Liste  der  beitragspflichtigen  Orte  von  1529 
und  1657  giebt.  — 

Verhältnisse  der  Universität  Göttingen  um  1760:  Lehrbetrieb,  Charakteristik 
einzelner  Professoren,  Beziehungen  der  Studenten  zu  ihren  Lehrern  und  Hauswirten  und 
unter  einander,  Unterhaltungskosten  schildert  ein  von  Holstein ^<^^)  mit  einigen  ein- 
leitenden Worten  veröffentlichter  Brief  des  Göttinger  Professors  Michaelis  an  den 
Marseiller  Advokaten  Lavabre,  der  die  Absicht  hat,  seinen  Sohn,  der  noch  in  Paris 
auf  der  Schule  ist,  zum  Studium  nach  Göttingen  zu  schicken.  —  Ueber  Freitisch- 
Verhältnisse  an  dieser  Universität  orientiert  ein  (vgl.  14: 102)  Aufsatz  Knokes^^^'^^'^*).  — 

Veranlasst  durch  das  1894  stattfindende  Jubiläum  des  250jährigen  Bestehens 
der  Friedrichs-Universität  Halle-Wittenberg  hat  Schrader^'**),  der  Kurator  dieser 
Hochschule,  ihre  ausführliche  Geschichte,  die  mir  leider  nicht  zur  Verfügung  gestellt 
wurde,  geschrieben.  Ihr  Inhalt  ist  in  Kürze  in  einigen  Zeitungsartikeln  i^*"  1^2^  mitge- 
teilt. —  Eine  bedeutsame  Ausbeute  von  Materialien  zur  älteren  Wittenberger  Universitäts- 
geschichte gewährt  Buchwalds^*^)  Ausgabe  einer  Anzahl  von  Briefen,  die  an  Stephan 
Roth  (vgl.  JBL.  1891  I  6  :  65)  aus  seinem  Wittenberger  Bekanntenkreise  gerichtet 
worden  sind.  Im  ganzen  haben  sich  in  der  an  litterarischen  Schätzen  besonders  aus 
der  Reformationszeit  so  reichen  Bibliothek  der  Stadt  Zwickau  3018  von  571  verschiedenen 
Schreibern  herrührende  Briefe  an  Roth  gefunden,  durch  deren  wenn  auch  fragmen- 
tarische Veröffentlichung  sich  B.,  der  zu  einer  glücklichen  Lösung  dieser  Aufgabe  sichere 
Garantien  bietet,  ein  grosses  Verdienst  um  Reformation,  Gelehrten-  und  Kulturge- 
schichte erwerben  würde.  —  Auch  die  von  Petri*^*)  veröffentlichten  Stammbuch- 
blätter haben  Bezüge  zur  Wittenberger  Universitäts-  und  Gelehrtengeschichte  der 
Reformationszeit.  — 

Von  Toepkes^^^)  vielgerühmter  Ausgabe  der  Heidelberger  Matrikel  von 
1386—1662  ist  der  Registerband  erschienen.  —  Als  Material  zur  Geschichte  der  Uni- 
versität kann  Holsteins  1^^)  Aufsatz  angesehen  werden,  in  dem  er  die  erste  Periode 
der  Heidelberger  Universität  uns  vorführt  und  dabei  diejenigen  Persönlichkeiten 
hervorhebt,  die  an  der  Hochschule  vorübergehend  oder  dauernd  gewirkt  haben:  Peter 
Luder,  Matthias  von  Kemnat,  Stephan  Hoest  und  dessen  Schüler  Wimpheling,  der 
Vater  des  oberrheinischen  Humanismus,  ferner  Pallas  Spangel,  bei  dem  Melanchthon 
als  Student  gewohnt  hat.  —  Dem  letzteren  hat  Hartfe  Ider^i'')  eine  besondere  Besprechung 


ZVHessG.  18,  S.  190-326.  |[A.  Schröter:  BLU.  S.  582.]|  —  107)  H.  Haupt,  Ans  d.  Aroh.  d.  Univ.  Giessen.  I.  Z.  Gesch.  d. 
alten  Marburg-Giessener  Univ.-Stipendien :  MOberhessGV.  4,  S.  113-22.  —  108)  (I  4:103.)  —  109)  K.  Knoke,  Ans  d.  Götttinger 
Freitisch- Akten :  AZgB.  1892,  N.  209.  —  109  a)  O  X  X  (1 4 :  95.)  —  110)OW.  Schrader,  Gesch.  d.  Friedrichs- Univ.  zn  Halle.  2  Tle. 
B.,  Dömmler.  VIII,  640  S. ;  V,  583  S.  M.  31,00.  —  111)  XW.K[awerau],Z.  Gesch.  d.  Univ.  Halle :  MagdZg.  N.  548.  —  112)  X  H-  L.-  D. 
Friedrichsnniv.  zn  Halle  a.  S.:  KatZg.  N.  683.  —  113)  G.  Bnchwald,  Z.  Wittenberger  Stadt-  u.  Univ.-Gesch.  in  d.  Refor- 
mationszeit.  L.,  Wiegand.  X,  192  S.  M.  6,00.  —  114)  H.  Petri,  Wittenberger  Stammbnchbll.  aus  d.  16.  Jh.  (=  Festschrift 
z.  350.  Stittungsfeste  d.  Kgl.  Landesschnle  Pforta  [B.,  Weidmann.  4».  93  S.  M.  3,00.],  S.  63-80.)  —  115)  O  G.  Toepke, 
D.  Matrikel  d.  Univ.  Heidelberg  v.  1386-1662.  3.  T.,  Reg.,  2.  Hälfte.  Heidelberg,  Winter.  XII,  545  S.  M.  12,00.  —  116)  H.  H  o  1  s  t  e  i  n , 
Z.  Gelehrtengesch.  Heidelbergs  beim  Ausg.  d.  MA.  (=  Progr.  d.  Gymn.  zu  Wilhelmshaven,  S.  1-26.)  —  117)  K.  Hartfelder, 


1  6:118-134  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens. 

g-ewidmet.  —  Mit  Rud.  Agricola,  der  zum  älteren  Heidelberger  Humanistenkreise  ge- 
hörte, beschäftigt  sich  Ihm^^^).  — 

StübePi"),  der  Herausgeber  des  Urkundenbuches  der  Universität  Leipzig 
für  die  J.  1409 — 1555,  giebt  eine  ansprechende  Schilderung  Leipziger  Universitäts- 
verhältnisse. Nachdem  er  uns  mit  dem  Inhalte  der  päpstlichen  Bestätigungsbulle  und 
der  landesherrlichen  Stiftungsurkunde  bekannt  gemacht  hat,  gewährt  er  uns  einen 
Einblick  in  den  Zustand  der  Universität  während  ihrer  bedeutsamsten  und  inter- 
essantesten Periode,  der  Zeit  des  16.  Jh.  Aus  dem  reichen  hs.  Material  unterrichtet 
er  uns  über  Universitätsfonds,  über  den  Lehrkörper,  Rektorwahlen,  die  Disciplin,  über 
allerlei  Konflikte  des  Lehrkörpers,  der  Studierenden  und  der  Bürger  (vg-l.  I  4  :  98). 
—  Nach  dem  Werke  von  Heinr.  Gottl.  Kraus  (Beschreibung  der  Feierlichkeit  usw.  1810) 
wird  ^20)  eine  Schilderung-  der  in  Leipzig  1809  zur  Feier  des  400jährigen  Bestehens 
der  Universität  stattgehabten  Festlichkeiten  gegeben,  ^^i)  — 

Ein  Verzeichnis  der  Rektoren  der  Wiener  Universität  von  1365 — 1898  hat 
Schrauf^22)  j^j^  vieler  Mühe  zusammengestellt,  zunächst  für  die  im  neuen  Wiener 
Universitätsgebäude  angebrachten  und  im  Mai  1893  bei  Gelegenheit  der  Philologen- 
Versammlung  enthüllten  Gedächtnistafeln  der  Wiener  Universitätsrektoren.  (Vgl.  noch 
I  4  :  96/7,  99.)  — 

Studententum.  Einige  allgemeine  Nachrichten  über  das  Studentenleben 
zur  Zeit  der  Reformation  veröffentlicht  Katt^^s^  —  Speciell  dem  Rostocker  Studenten- 
leben dieses  Zeitraumes  gilt  ein  Vortrag  von  Hoffmeister i24).  -_  Anzuschliessen  sind 
hier  die  Arbeiten  von  Heraeus^^^)  über  Hamburger  Studenten  auf  deutschen  und 
ausländischen  Hochschulen  und  von  Josenhans  ^-^)  über  Tübinger  Studenten.  —  Ein 
Anonymus  ^^J)  giebt  aus  dem  im  J.  1737  von  dem  Hallenser  Professor  Martin  Schmeigel 
veröffentlichten  Ratgeber  für  Studenten:  „Eines  rechtschaffenen  Studenten  Klugheit 
zu  leben  und  zu  Conversieren,  zu  Hause,  auf  Universitäten,  auf  Reisen  usw."  einen 
Auszug-.  —  Der  vollständige  Text  eines  anderen  derartigen  Anstandsbuches  für 
Studenten  ist  als  Festschrift  zur  Erlanger  Jubelfeier  abgedruckt  worden i28)_   — 

Besonders  reichhaltig  sind  die  Mitteilungen  über  die  Geschichte  der  deutschen 
Burschenschaft  (vgl.  I  4  :  78,  132).  Angeregt  von  Schneider,  dem- Herausgeber  der 
Burschenschaftlichen  Blätter,  hat  sich  innerhalb  der  Burschenschaft  eine  „Vereinigung- 
für Geschichtsschreibung"  gebildet.  Ueber  das  Leben  in  der  alten  Jenaischen  Burschen- 
schaft werden  wir  unterrichtet  durch  die  jetzt  veröffentlichten  Aufzeichnungen  von 
Mitgliedern  aus  der  ersten  Zeit  ihres  Bestehens  durch  Lippold^^^)  und  durch  einen 
ungenannten  130^  Jenaischen  Burschen.  Durch  letzteren  erfahren  wir,  dass  die  Burschen- 
schaft nicht  aus  Sorge  um  das  Einschreiten  der  Behörden  sich  freiwillig  aufgelöst 
hat,  sondern  dass  durch  Anschlag  am  schwarzen  Brett  die  Auflösung  angeordnet 
worden  war;  und  man  erfährt  auch,  dass  wegen  dieser  Auflösungsverordnung-,  was 
bisher  ebenfalls  unbekannt  war,  die  Burschenschaft  sich  beschwerend  an  den  Gross- 
herzog von  Weimar  wandte.  —  Diese  Aufzeichnungen  werden  ergänzt  durch  einen 
Hinweis  auf  eine  unter  dem  Titel  „Teutsche  Jugend  in  weiland  Burschenschaften  und 
Turngemeinden"  (1828)  anonym  erschienene  Schrift^^i-)  j^j.  vf.  war  der  Burschen- 
schafter Rob.  Wesselhöft,  der  mit  Massmann  auf  dem  W^artburgfest  1817  die  Ver- 
brennungsscene  eingeleitet  hatte.  Die  Schrift,  in  der  Friedr.  Ludw.  Jahns  Einwirkung 
auf  die  burschenschaftliche  Strömung  hervorgehoben  wird,  war  eine  Verteidigung  der 
Burschenschaft  gegen  Verleumder,  besonders  gegen  den  abtrünnigen  Joh.  Wit,  den 
früheren  Freund  des  burschenschaftlichen  Liederdichters  H.  Folien.  —  Ist  hier  bereits 
Jahns  Anteil  hervorgehoben,  so  geschieht  das  noch  mehr  in  einem  anderen  anonym^^s-j 
erschienenen,  wahrscheinlich  von  Schneider  herrührenden  Aufsatze,  dessen  intellek- 
tueller Urheber  Jahns  Biograph  K.  Euler  ist,  der  1892  in  einem  Aufsatze  der  VossZg. 
sich  beschwerte,  dass  Jahns  Anteil  an  der  Begründung  der  Burschenschaft  bisher 
zu  wenig  beachtet  worden  sei.  —  Als  noch  frühere  Vorläufer  der  Burschenschaft 
haben  vielfach  die  „Chokoladisten"  in  Jena,  die  alle  Streitig-keiten  bei  einer  Tasse 
Chokolade  schlichten  wollten  und  gerade  wie  die  alten  Burschenschaften  das 
Studentenduell   verwarfen,    gegolten.      Westerfeld^^a)    macht    hierüber   einige   Mit- 

Pallas  Spangel:  ADB.  35,  S.  32/3.  —  118)  O  G.  Ihm,  D.  Humanist  R.  Agricola,  sein  Leben  u.  seine  Schriften.  {=  Samml.  d. 
bedeutendsten  päd.  Schriften  her.  v.  J.  Gänsen,  A.  Keller  u.  Beruh.  Schulz.  N.  78/9.)  Paderborn,  Schöningh.  VII, 
88  S.  M.  0,80.  —  119)  B.  Stübel  ,  Ans  d.  Vergangenheit  d.  Univ.  Leipzig:  NASächsG.  14,  S.  1-20.  —  120)  D.  400 j.  Jnbil.  d. 
Univ.  Leipzig  am  4.  Dec.  1809:  BurschenschBU.  7,  S.  3245.  (Mit  2  Bildern.)  —  121)  O  (I  4:100.)  -  122)  K.  Schrauf,  D. 
Gedächtnistafeln  d.  Wiener  Univ.-Eelitoren  1365-1893.  Wien,  Selbstverl.  d.  K.  K.  Univ.  35  S.  —  123)  F.  Katt,  Studenten- 
leben bei  Beginn  d.  Reformation:  BurschenschBU.  7,  S.  30/4.  —  124)  O  A.  Hoffmeister,  Rostocker  Studentenleben  im 
16.  Jh.  Vortr.:  AZgi*.  45.  —  125)  O  M.  Heraeus,  Hamburger  Studenten  auf  dtsch.  u.  ausländ.  Hochschulen  v.  1290-1650: 
ZVHambG.  9, S.  557-032.  -  126)  OJ-Josenhans,  Tübinger  Studenten  a.  d.  Steinlach  vor  d.  Reformation :  GBUKeutlingen.  4,  S.  94 7. 
—  127)  Studentenleben  vor  150  J.:  BurschenschBU.  7,  S.  14/5.  —  128)  Severo-Jocosum.  Z.  löOj.  Jubil.  d.  Univ.  Erlangen.  D.  Wahre 
Klugheit  derer  Herren  Studenten  bey  angestellter  Conversation  auf  Universitäten  ihren  Lebenswandel  honett  und  richtig  zu  fahren. 
Unveränd.  Abdr.  1755  in  Leipzig  erschien.  Orig.  Erlangen,  Th.  Blaesing.  8  S.  M.  0,50.  — 129)  F.  Lip  pol  d,  Aufzeichnungen  d.  fKonsi- 
Btorialrats  —  :  BurschenschBU.  7,  S.  113/6, 141/4.  -  130)  Tagebuch  e.  Jenaischen  Burschen  1819-20:  ib.  S.  281,3.  —  131)  L.  A.,  Teutsche 
Jugend  in  weil.  Burschensch.  u.  Turngemeinden:  ib.  S.  49-54.  —  132)  D.  Vorläufer  d.  alten  Burschensch.:  ib.  S.  145  9, 169-74, 198  8.  — 
J33)  F.  Westerfeld,   D.  Antidnellbewegung   d.  „Chokoladisten«   in   Jena   1791-92:   ib.  S.  253  8.   —   134)  G.  Gerlach,   D. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens.  I  6  -.135-151 

teilung-en,  in  denen  er  nachweist,  dass  sie  als  Vorläufer  der  Burschenschaft  nicht  an- 
g-esehen  werden  können.  Wenn  er  aber  giaubt,  nachweisen  zu  können,  dass  sie  als 
Vorläufer  der  späteren  Reformverbindung-en  g-elten  dürfen,  so  ist  er  im  IiTtum.  Die 
Reformverbindung"en  entstanden  unmittelbar  nach  dem  Krieg-e  von  1870 — 71  aus  ähnlichen 
Ursachen  wie  die  g-rosse  Burschenschaft  nach  den  Befreiung-skriegen.  — Die  Vorgäng-e  bei 
der  Trennung- der  alten  Jenaischen  Burschenschaft  in  Arminen  und  Germanen  (1830— 32) 
schildert  G  er  lach  ^3^).  Er  charakterisiert  dabei  auch  den  Germanen  Fritz  Reuter,  der 
1832  in  Jena  war:  „Grosser  Trinker,  Hebens würdig-er  Mensch,  ausg-ezeichneter  Gesell- 
schafter, ohne  Lust  zu  seinem  Beruf."  —  Der  schon  mehrfach  erhobene  Streit,  ob  die 
Jenaer  Arminia  allein  sich  als  Fortsetzung-  der  alten  Burschenschaft,  oder  ob  auch  die 
Germania  ihre  Entstehung- auf  den  12.  Juni  1815zurückführen  könne,  wirdvonPfitzer^^s^ 
zu  Gunsten  der  Arminia  entschieden. —  Dag-eg-en  weist  Henning- 1-^^)  nach,  dass  die 
alte  Burschenschaft  in  den  Teilen  fortbesteht,  und  dass  Arminen  und  Germanen  mit 
g-leichem  Rechte  ihre  Enstehung- auf  das  J.  1815  zurückführen  könnten.  —  Schneider  i^^) 
giebt  den  Wortlaut  der  Verfassung-surkunde  des  Fürstenkellers  (Germania),  die 
nach  der  Trennung-  aufg-esetzt  worden  war. ^38-142-)  _  Zur  Charakteristik  des  ung-lück- 
lichen  Karl  Sand  trag-en  einig-e  von  Sand  herrührende,  bisher  noch  unbekannte  Schrift- 
stücke bei^^^).  —  Auf  einen  anderen  alten  Burschenschafter,  den  Kirchenhistoriker  Karl 
von  Hase,  der  auf  dem  Hohenasperg-,  wenn  auch  in  milder  Form  —  wie  es  in  Süd- 
deutschland meist  der  Fall  war  —  für  seine  bursohenschaftlichen  Ideale  büsste,  weist 
Haupt  14*)  in  der  Empfehlung-  der  1820—22  von  Hase  in  der  Burschenschaft  g-ehaltenen, 
jetzt  veröffentlichten  Reden  hin.  Einem  Burschenschafter  späterer  Zeit,  dem  bekannten 
Parlamentarier  und  Oberbürg-ermeister  von  Köln,  Becker,  bekannt  unter  dem  Namen 
„der  rote  Becker,"  sind  von  John^*^)  einig-e  Seiten  g-ewidmet.  —  Wie  roh  einzelne 
Behörden,  nur  allzu  g-efällige  Werkzeug-e  Metternichs,  g-eg-en  Ang-ehörig-e  der  deutschen 
Burschenschaft,  die  eine  Stärkung-  des  nationalen  Gefühls,  eine  sittliche  Hebung-  des 
Studententums  erstrebte  (nicht  nur  in  Preussen,  das  hierin  Ung-laubliches  g-eleistet  hat), 
vorg-ing-en,  beweist  der  Aufsatz  eines  Anonymus  ^^e j.  Ein  Gymnasiallehrer,  Dr.  Eduard 
H.  in  D(essau?)  wurde  am  22.  April  1835  auf  Anordnung-  der  herzog-lichen  (An- 
haltischen?) Reg-ierung-  plötzlich  verhaftet,  nach  dem  Schlosse  in  Z(erbst?)  g:eschleppt, 
ohne  Abschied  von  Vater,  Gattin  und  Kindern  nehmen  zu  dürfen,  und  das  alles, 
weil  er  iii  Halle  der  Burschenschaft  ang-ehört  hatte.  Achtzehn  Monate  dauerte 
die  auf  Grund  eines  Briefes  über  ihn  verhäng-te  Haft,  weil  die  Frag-en  zum  Verhör 
von  der  Bundeskommission  in  Frankfurt  a.  M.  g-estellt,  und  die  Antworten  eben  dahin 
berichtet  werden  mussten.  Im  Gefängnis  erkrankt,  darf  H.  nicht  einmal  die  Seinig-en 
sprechen  und  stirbt  im  Okt.  1836.  Warum  in  dieser  Mitteilung  die  Namen  nicht  ge- 
nannt sind,  ist  unerfindlich.  Hatte  der  Vf.  nicht  den  Mut  dazu,  so  wäre  es  besser 
gewesen,  die  ganze  Mitteilung  zu  unterlassen.  —  Nicht  übergangen  sei  hier  auch  ein 
Verbot  14'')  gegen  das  Tragen  der  burschenschaftlichen  Tracht,  die  Kaiser  Franz  I. 
eine  „heroische"  nannte,  die  auf  das  Theater  gehöre,  in  seinem  Lande  aber  von  nie- 
mand getragen  werden  dürfe.  Friedrich  Wilhelm  III.  von  Preussen  verbot  die  Tracht 
in  einer  an  den  Staatskanzler  Fürsten  Hardenberg  gerichteten  Kabinetsordre,  als  wenn 
es  sich  um  eine  Haupt-  und  Staats- Aktion  handelte.  —  In  den  Konflikten  zwischen 
akademischen  Behörden  und  Studenten  war  oft  die  ultima  ratio  der  Letzteren  der 
Auszug  aus  der  Universitätsstadt.  Diese  Auszüge  führten  gewöhnlich  zu  einer  Ver- 
söhnung zu  Gunsten  der  Studenten,  die  nicht  nur  gebeten  wurden  zurückzukehren, 
sondern  oft  noch  feierlich  eingeholt  wurden.  So  verlief  ein  Auszug,  den  Erlanger 
Studenten  nachAltdorf  unternahmen  1*^).  —  Dass  dieSache  aber  auch  eine  andere  Wendung 
nehmen  konnte,  beweist  der  von  Schneider '^S)  nach  den  Akten  des  geh.  Staats- 
archivs beschriebene  Auszug  der  Studenten  aus  Halle  im  Febr.  1822.  Die  Behörde 
gestattete  in  diesem  Falle  nicht  einmal  eine  gemeinsame  Rückkehr.  —  Wiederkehrende 
Züge  in  der  Geschichte  des  deutschen  Studententums  sind  die  Solidarität  der  Interessen, 
sobald  es  sich  um  Beleidigungen  eines  Gliedes  des  corpus  academicum  handelt,  und 
die  Selbsthilfe,  die  in  solchen  Fällen  angewendet  wurde.  Ein  Beispiel  hiefür  bietet 
Gerlachs  1^'')    Mitteilung:    Zwei   Jenaer   Corpsburschen    sind   in   dem  Weimarischen 

Trennung  d.  alten  Jenaischen  Burschenschaft  in  Arminen  u.  Germanen:  ib.  S.  116.  —  135)  O  H.  v.  Pfitzer,  D.  älteste  dtsch. 
Burschenschaft:  ib.  S.  197-204.  —  136)  Carl  Henning,  Z.  d.  Aufsatz:  D.  älteste  dtsch.  Burschensch. :  ib.  S.  226.  —  137)  G. 
H.  Schneider,  D.  VerfassungsurVunde  d.  Fürstenkellers:  ib.  S.  309-11.  —  138)  X  A.  P.,  Z.  Gesch.  d.  alten  Bonner 
Burschensch.:  ib.  S.  29-30.  —  139)  X  W.  Kalb,  D.  alte  Burschensch.  u.  ihre  Entwicklung  in  Erlangen  mit  bes.  Beräcksichtig. 
d.  alten  Germania.  Erlangen,  M.  Mencke.  VI,  160  S.  Mit  Abbild.  M.  3,90.  —  140)  X  E.  Dietz,  Z.  Gesch.  d.  Preiburger 
Burschensch.  v.  1818  bis  z.  Frankfurter  Attentat:  Burschensch.  Bll.  7,  S.  25-30.  —  141)  X  ^^-  Meinecke,  Z.  Gründungsgesch. 
d.  Giessener  Burschensch.  Briefe  E.  Welckers  an  seinen  Bruder  Karl  Theod.:  ib.  S.  57-62.  —  142)  X  ^-  Dute,  D.  alte  Mar- 
burger Alemannia  u.  Ed.  Schönfeld:  ib.  S.  217/8.  (Ed.  Seh  ist  e.  ihrer  Gründer.)  —  143)  E.  Brief  u.  Albumblatt  v.  K.  Sand: 
ib.  S.  149-50.  (E.  Portr.  y.  S.  befindet  sich  S.  147.)  —  144)  H.  Haupt,  E.  Ehrenbuch  d.  alten  Burschenschafters  K.  v.  Hase: 
ib.  S.  265,6.  -  145)  W.  John,  D.  rote  Becker:  ib.  S.  85/7.  (Mit  zwei  Portrr.  v.  Becker  S.  74/5.)  —  146)  H.,  Leiden  e.  alt. 
Burschenschafters:  ib.  S.  2412.  —  147)  G.  H.  S[chneider],  Verbote  gegen  d.  burschenschaftl.  altdtsch.  Tracht:  ib.  S.  856. — 
148)  D.  Auszug  nach  Altdorf:  ib.  S.  63.  (2  Bilder  dazu  auf  S.  56/7.)  —  149)  G.  H.  S[chneider],  Hallisohe  Unruhen  vor 
72  J.:  ib.  S.  73;5.    -    150)  E.  Gerlach,   D.  Blankenhainer  Rachezug:  ib.  S.  1/3.    —   151)  G.  Wen  dt,  Gesch.  d.  Kgl.  Bitten- 


I  6  :  152-158  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens. 

Städtchen  Blankenhain  von  einem  Bürg-er  thätlich  beleidigt  worden,  ohne  vom  Bürger- 
meister die  erbetene  Genugthuung  zu  erhalten.  Sofort  zieht  die  gesamte  Jenenser 
Studentenschaft,  aller  Parteistreitigkeiten  vergessend,  nach  Blankenhain  und  zwingt 
sowohl  den  Bürger  als  das  Stadtoberhaupt,  auf  öffentlichem  Markte  Abbitte  zu  leisten.  — 
Akademien  und  akademische  Gymnasien.  Mit  seiner  Geschichte  der 
Ritterakademie  in  Liegnitz  hat  sich  Wendt^^')  das  Verdienst  erworben,  wieder 
einmal  nachdrücklich  darauf  hingewiesen  zu  haben,  das  der  schlesische  Adel,  dem 
die  Anstalt  zuerst  zu  gute  kommt,  keineswegs,  wie  das  so  oft  hervorgehoben  wird, 
der  Begründer  dieser  Akademie  ist.  Vielmehr  ist  die  Gründung  auf  einen  früheren 
Landesherrn,  einen  der  gebildetsten  der  Plasten,  den  Herzog  Georg  Rudolf,  zurück- 
zuführen, der  im  J.  1646  das  Johannesstift,  eine  mit  der  evangelischen  Hofkirche 
verbundene  höhere  Schule,  errichtete,  „die  zur  Universität  sich  entwickeln  könne".  An 
eine  Stiftung  für  den  Adel  war  dabei  nicht  gedacht.  Die  Anstalt  sollte  für  arm  und 
reich  ohne  Schulgeld  geöffnet  sein.  Nachdem  Leopold  von  Oesterreich  sich  des  Fürsten- 
tums Liegnitz  bemächtigt  hatte,  wurden  die  Fonds  eingezogen  und  die  Johanniskirche 
später  den  Jesuiten  zugewiesen,  die  dann  1708  zur  Errichtung-  einer  paritätischen 
Ritterakademie  schritten.  Obwohl  sie  den  Zuschnitt  einer  Universität  hatte,  hat  sie 
so  lange  sie  diesen  Charakter  trug,  wissenschaftlich  wenig  geleistet.  Körperliche  und 
gesellige  Bildung  stand  im  Vordergrunde,  äusserer  Prunk  und  innere  Hohlheit  waren 
die  hervorragendsten  Merkmale  dieser  Pseudouniversität,  besonders  während  der 
österreichischen  Zeit.  Reformatorisch  griff  erst  der  Minister  Zedlitz  ein,  der  zum  Er- 
staunen der  Professoren  und  zum  Entsetzen  der  Schüler  und  Eltern  Censuren,  Klassen- 
bücher, ja  sogar  öffentliche  Prüfungen  —  so  etwas  habe  noch  niemand  von  dem  Adel 
verlangt,  riefen  die  Professoren  —  einführte  und  bestrebt  war,  das  Institut  zu  einer 
Vorbildungsanstalt  für  das  Universitätsstudium  umzugestalten.  Wenn  auch  unter  dem 
Minister  Wöllner  diese  Reformen  ins  Stocken  gerieten,  so  wurden  sie  doch  später 
unter  W.  von  Humboldt,  nachdem  die  Anstalt  nach  der  Katastrophe  von  Jena  bis  auf 
sieben  Zöglinge,  denen  1 1  Lehrer,  ein  Stiftsschreiber  und  15  tJnterbediente  gegen- 
überstanden, zurückgegangen  war,  wieder  aufgenommen,  der  Plan  von  Zedlitz  später 
auch  verwirklicht  und  die  Ritterakademie  zu  einem  Gymnasium  umgebildet.  Die  bei- 
gegebene Matrikel,  die  bis  zum  J.  1810  reicht,  dürfte  der  Familiengeschichte  des 
Adels,  besonders  des  schlesischen,  manche  Nachforschung  erleichtern.  Eine  kurze 
Geschichte  der  Entwicklung  der  von  Maria  Theresia  gegründeten,  von  dem  Jesuiten- 
orden eingerichteten  und  zunächst  geleiteten  Theresianischen .  Akademie  in  Wien 
(vgl.  JBL.  1892  I  10  :  47)  hat  Rak  ^^2)  dargeboten.  Der  erste  Lehrplan  der  Grammatikal-, 
Humanitäts-  und  Philosophie-Klasse  entsprach  genau  der  ratio  et  institutio  studiorum 
Aquavivas,  nur  dass  die  deutsche  Sprache  und  ausserdem  Geschichte  und  Arithmetik 
etwas  mehr  gepflegt  werden  mussten.  R.s  Darstellung  lässt  den  Wunsch  übrig, 
dass  doch  bald  einmal  eine  eingehende  Geschichte  des  Theresianums  verfasst 
werden  möchte.  —  Vom  16.  Jh.  bis  zum  18.  Jh.  hatten  sich  an  verschiedenen  Orten 
höhere  Unterrichtsanstalten  gebildet,  die  als  eine  Zwischenstufe  zwischen  Universität 
und  Lateinschule  betrachtet  werden  müssen.  Unter  ihnen  sei  zuerst  genannt  das 
Pädagogium  zu  Stettin,  zu  dessen  Geschichte  Wehrmann i53 -i57)  auch  in 
diesem  Jahre  (vgl.  JBL.  1891  I  6  :  171/2)  mehrere  Beiträge  geliefert  (vg-1.  I  4  :  105/6). 
Aus  dem  ältesten  Visitationsbericht  von  1562,  der  bisher  noch  nicht  bekannt  war, 
auch  von  Hasselbach  in  seiner  Geschichte  des  Pädagogiums  nicht  verwendet 
worden  ist,  macht  er  einige  Mitteilungen.  Aus  dem  Staatsarchive  in  Stettin  ver- 
öffentlicht er  das  Gesuch  eines  Flandrischen  Musikus  um  Anstellung  als  Musiklehrer 
am  Pädagogium,  aus  dem  J.  1547.  Merkwürdig  ist,  dass  dieses  Gesuch  eines  Nieder- 
länders an  einen  pommerschen  Herzog  in  oberdeutscher  Sprache  abgefasst  ist.  Die 
Bestallung  des  Matthaeus  Wolff  aus  Stargard  aus  dem  J.  1557  unterrichtet  über  die 
Verpflichtungen  und  die  Besoldung  eines  Rektors  am  Stettiner  Pädagogium;  es 
folgen  interessante  Mitteilungen  über  die  Feierlichkeiten  bei  der  Einführung  des 
Rektors  Leuschner  1623.  —  Die  Mitteilungen  Wehrmanns  werden  ergänzt  durch 
Lemckesissj  Nachrichten  über  die  Stettiner  Ratsschule,  die  in  den  J.  1805—69  mit 
dem  ehemaligen  Pädagogium  als  „Königliches  und  städtisches  Gymnasium"  verbunden 
gewesen  ist.  Die  mitgeteilten  Dokumente,  Verträge,  Bullen,  Schulordnung-en,  Lektions- 
pläne, erstrecken  sich  auf  den  Zeitraum  von  1277—1650.  Einen  ähnlichen  Charakter 
wie  das  Pädagogium  in  Stettin  trug  das  gymnasium  illustre  in  Gera,  das,  acht- 
klassig-,  ausser  acht  Lehrern   und   zwei  Baccalaureen  Professoren  der  Theologie,    der 


Akad.  zu  Liegnitz.  1.  T.:  1708-1840.  Progr.  Liegnitz  (Ose.  Heinze).  4".  SOS.  —  152)  H.  Rak,  Grnndzüge  d.  Organisation  d. 
k.  k.  Tlieresianisclien  Akad.  Progr.  Wien.  61  S.  —  153)  M.  Wehr  mann,  Z.  Gesch.  d.  Pädagog.  in  Stettin:  MBllGPommG.  7, 
8.  22/4.  —  154)  id.,  Bitte  e.  Musikus  aus  Flandern,  am  Stettiner  Pädagog.  Musik  leliren  zu  dürfen  (1547):  ib.  S.  75  7. 
—  155)  id.,  Bestallung  d.  Mattliaeus  Wolff  z.  Rektor  d.  Pädagog.  in  Stettin  1557:  ib.  S.  1014.  —  156)  id.,  Einführung  e. 
neuen  Rektors  am  Pädagog.  in  Stettin:  MGESchG.  3,  S.  62/4.  —  157)  X  id.,  Mecklenburger  auf  d.  Pädagog.  in  Stettin: 
JbbVMeckIG.  58,  S.  59-72.   —   158)  H.  Lemoke,   Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Stettiner  Ratssch.  in  5  Jhh.    1.  T.:   Urkunden.    1.  Abt. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  rinternchts-  und  Erziehungswesens.  I  6:i59-i65 

Jurisprudenz  und  Medizin  aufwies.  Die  bisher  noch  unbekannten,  von  Auerbach ^^9) 
jetzt  veröffentlichten  leo-es  novae  scholae  etc.  füllen  nicht  nur  eine  Lücke  in  Grummes 
Veröffentlichungen  (Die  ältesten  Schulg-esetze  usw.  Progr.  Gera,  1886)  aus,  sondern 
liefern  auch  schätzbares  Material  zu  einer  noch  ausstehenden  Geschichte  des  g-ymnasium 
academicum.  —  Auch  das  von  Georg  von  Schönaich  gegTÜndete  Gymnasium  zu 
Beuthen  a.  0.  gehört  hierher.  Die  von  Kolbe^^*^)  edierte  Stiftungsurkunde  aus  dem 
J.  1616  —  ein  Schriftstück  von  hoher  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Pädagogik, 
einzelner  Fachwissenschaften  und  für  die  Gelehrtengeschichte  —  giebt  dafür  den  deut- 
lichen Beleg.  Die  auf  den  Besuch  dieser  Anstalt  vorbereitende  Schule  wird  übrigens  in 
Beuthen  „Pädagogium"  genannt.  —  Hier  reiht  sich  passend  Längs  i^^)  Arbeit  über 
dasCollegium  humanitatis  in  Schaff  hausen  an.  1648  (nicht  1685,  wie  bisher  angenommen 
wurde)  gegründet,  hat  es  sich  in  den  ersten  Jahren  rasch  gehoben,  dank  der  Thätig- 
keit  der  Rektoren  Hofer  und  Hurter,  Die  grössten  Verdienste  aber  um  die  Anstalt, 
bei  der  ziemlich  plötzlich  Niedergang  und  Aufschwung  wechselten,  haben  sich  Glieder 
der  Familie  Peyer  erworben.  Im  Text  und  im  Anhange  sind  urkundliche  Materialien 
abgedruckt,  die  über  Fonds,  Lektionen,  Prüfungen,  gehaltene  Reden  usw.  handeln.  Beim 
Schluss  der  versprochenen  Fortsetzung  möge  der  Vf.  nicht  unterlassen,  ein  Inhalts- 
verzeichnis und  womöglich  ein  ausführliches  Namen-  und  Sachregister  beizugeben.  — 

Gymnasial-  und  Realanstalten.  Bei  der  von  Rethwischi^^)  jni  Auf- 
trage des  preussischen  Unterrichtsministeriums  für  die  Ausstellung  in  Chicago  ver- 
fassten  allgemeinen  Schrift  über  Deutschlands  höheres  Schulwesen  im  19.  Jh.  liegt 
der  Schwerpunkt  in  den  Darstellungen  des  Lehrverfahrens  in  den  einzelnen  Fächern 
und  in  den  amtlichen  statistischen  Nachweisen.  Was  den  übrigen  historischen  Teil 
anbelangt,  so  überragen  die  auf  die  geschichtliche  Entwicklung  des  höheren  Schul- 
wesens in  Preussen  bezüglichen  Partien  die  anderen  Teile  des  Werkes.  Nicht  recht 
gelungen  ist  —  wahrscheinlich  wegen  der  Kürze  der  für  die  Ausarbeitung  des  Buches 
zur  Verfügung  gestellten  Zeit  —  R,  der  erste  Teil:  „Das  Erbe  der  Vergangenheit". 
Hier  fehlt  die  rechte  Oekonomie,  und  es  wären  auch  im  einzelnen  mancherlei  Aus- 
stellungen zu  machen.  So  hat  man  unter  Pädagogium  keineswegs  nur  das  verstanden, 
was  A.  H.  Francke  mit  seinem  Pädagogium  beabsichtigte  (s.  o.  N.  160).  Auch  für  die 
Behauptung,  dass  die  Gymnasien  zu  Weimar  und  Schulpforta  auf  den  weiteren  Ent- 
wicklungsgang der  deutschen  Gymnasien  im  19.  Jh.  einen  bestimmenden  Einfluss 
ausgeübt  haben,  dürfte  R.  nach  meiner  Meinung  schwerlich  genügende  Belege  herbei- 
bringen können.  — 

Die  Beilage  des  diesjährigen  Programms  eines  badischen  Gymnasiums,  der 
altberühmten  Schule  zu  Heidelberg,  bringt  ausser  zwei  Schulreden  (von  denen  die  B  r  a  n  d  t  s 
[S.  13/6]  zur  Erinnerung  an  seinen  Freund,  den  verstorbenen  K.  Hartfelder,  das 
grössere  Interesse  beanspruchen  darf)  ein  von  P  f  a  f  f '^^j  hergestelltes  Verzeichnis 
der  Abiturienten  des  Heidelberger  Gymnasiums  aus  den  letzten  fünfzig  Jahren.  — 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  reichsstädtischen  Schulwesens  wird  durch 
die  Veröffentlichung  ^6^)  eines  Ratsprotokolls  der  ehemaligen  Reichsstadt  Kempten  in 
Bayern  aus  dem  J.  1637,  das  Vorschriften  für  die  Praeceptores  und  den  Organisten 
enthält,  dargeboten.  Unter  den  Unterrichtsfächern  überwiegt,  wie  das  so  vielfach  da- 
mals der  Fall  war,  der  Gesangsunterricht.  Eigentümlich  ist  die  Vorschrift,  dass  der 
Organist  im  Choralgesange  während  des  Gottesdienstes  mit  der  Orgel  nur  dann  ein- 
greifen soll,  wenn  er  eine  Dissonanz  merkt,  die  Psalmen  aber  „soll  er  fein  deutlich, 
verständlich,  ohne  Fugen  und  Coloraturen,  so  allein  bei  conviviis  und  collationibus 
und  nicht  in  der  Kirche  erlaubt  und  gebräuchlich  sind,  schlagen".  Zugleich  hat  der 
Organist  übrigens  die  Verpflichtung,  die  Schüler  im  Deutsch-Schreiben  und  in  „Rech- 
nungen" fleissig  zu  unterrichten,  ein  Beleg  dafür,  dass  städtische  Schreib-  und  Rechen- 
meister damals  in  Kempten  nicht  waren.  —  Keiper^^^)  liefert  den  zweiten  Teil  seiner 
Beiträge  zur  Geschichte  des  gelehrten  Schulwesens  im  Herzogtum  Zweibrücken,  indem 
er  den  Schluss  der  von  Johannes  Marbach  und  Genossen  im  Auftrage  des  Pfalzgrafen 
Wolfgang  1558  verfassten  „Bedenken  von  den  Schulen  usw.".  (vgl.  JBL.  1892110:268) 
mit  erläuternden  Anmerkungen  abdruckt.  — 

Eine  befriedigende  Geschichte  des  deutschen  Realschulwesens  existiert  noch 
nicht;  sie  kann  auch  nicht  existieren,  weil  Charakteristiken  und  Darstellungen  der  Ent- 
wicklung der  verschiedenartigen  Typen  jener  Anstalten,  die  unter  dem  Namen  Real- 


bis  z.  J.  1650.  Progr.  Stettin  (Herrcke  &  Lebelinsr).  4».  24  S.  —  159)  A.  Auerbach,  Schulgesetze  Tom  J.  1619  für  d. 
Gymn.  in  Gera-Renss:  MGESchG.  3,  S.  44-54  —  160)  K.  Kolbe,  Stiftnngsurk.  d.  Schule  u.  d.  Gyran.  zu  Beuthen  a.  0.  aus  d. 
J.  1616:  ib.  S.  209-68.  —  161)  Kob.  Lang,  D.  Collegium  humanitatis  in  Schaffhausen.  E.  Beitr.  z.  Schulgesch.  1.  T.: 
1648-1727.  Progr.  Schaffhausen  (H.  MeierK  XVIII,  78  S.  —  162)  C.  ßethwisch,  Deutschlands  höheres  Schulwesen  im 
19.  Jh.  Gesch.  Ueberbliclc  im  Auftr.  d.  Kgl.  Preuss  Ministeriums  d.  geistl.,  Unterr-  n.  Medizinal-Angelegenheiten.  Mit  amtl. 
Nachweisungen  über  d.  Besuch  d.  höh.  Lehranst.  d.  dtsch.  Reiches.  B.,  R.  Gaertner.  VIII,  206,  53  S.  M.  4,00.  |fCl.  Nohl: 
BPhWS.  13,  S.  1553;  LCBl.  S.  1621;  JBHSW  13,  S..376.1|  -  163)  K.  Pf  äff.  Zur  Gesch.  des  Heidelberger  Gymn.  Verzeichnis 
d.  Abiturienten  ans  den  J.  1844-93  mit  biogr.  u.  bibliogr.  Bemerkungen.  Progr.  Heidelberg  (Emmerling  &  Sohn).  4».  42  8. 
—  164)  A.  Hr.,  Reichsstädtisches  Schulwesen:  AllgäuerGFr. 6,  S.  119-20  —  165)  Ph.  Keiper,  Neue  urknndl.  Beitrr.  i.  Gesch. 
Jahreaberichte  für  neuere  deutsche  Litteratargesohiohte.    IV.  13 


I  6  :  166-170  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens. 

schulen  bestanden  haben,  noch  nicht  in  hinreichender  Zahl  vorhanden  sind.  Es  sind- 
daher  Beiträg-e,  die,  wie  einzelne  der  folo-enden,  diese  Lücke  ausfüllen  können,  er- 
wünscht. Simons'^^)  Arbeit,  die  uns  nach  der  Mark  Brandenburg-  führt, 
giebt  mehr  als  sie  nach  dem  Titel  vermuten  lässt.  Neben  dem  Verzeichnis 
der  Schüler,  die  in  der  Zeit  von  1814—92  das  Berechtigung-szeugnis  zum  Ein- 
jährig-Freiwilligen-Dienst  erhalten  haben,  giebt  sie  Nachrichten  über  die  ge- 
schichtliche Entwicklung  der  Königlichen  Realschule  in  Berlin  nach  dem  J.  1814. 
Dieses  Jahr  bedeutet  in  der  Geschichte  der  Anstalt  einen  wichtigen  Abschnitt;  denn 
in  dem  neuen  Lehrplan,  der  in  der  Geschichte  des  Unterrichts  als  erster  an- 
gesehen werden  muss,  worin  das  Gesamtziel  einer  höheren  Bürgerschule  festgestellt 
wird,  wurde  durch  genaue  Vorschriften  die  Verwirrung  und  Planlosigkeit  der  vor- 
hergehenden Jahre  beseitigt.  In  der  deutschen  Sprache  und  Litteratur  wird  von  den 
Schülern  die  Lektüre  und  Erklärung  des  Kinderfreundes  von  Wilmsen,  der  „Deutschen 
prosaischen  Musterschriften"  (Berlin  1810)  und  des  „Bardenhains"  von  Heinsius  ver- 
langt. Schriftliche  Ausarbeitungen,  besonders  Briefe,  sowie  grammatische  Unter- 
weisungen nach  Hartungs  deutscher  Sprachlehre  gehen  nebenher.  —  Als  ein  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Berliner  Gymnasial wesens  kann  Geigers  ^^'^)  kleiner  Aufsatz  auf- 
gefasst  werden.  Das  kurmärkische  Oberkonsistorium  hatte  sich  bei  Friedrich  Wilhelm  IIL 
über  mangelhafte  Pflege  der  Religiosität  in  den  Berliner  Gymnasien  beschwert.  Die 
infolgedessen  von  dem  Minister  von  Massow  erlassene  Verfügung-,  die  die  Klage  des 
Konsistoriums  als  zu  recht  bestehend  annimmt  vmd  den  Gymnasien  allerlei  Vorschriften 
macht,  und  die  in  sehr  würdevollem  Tone  wahrscheinlich  von  Spalding  verfasste  Ant- 
wort des  Lehrerkollegiums  vom  grauen  Kloster  wird  wörtlich  abgedruckt.  —  Tschirch'*^) 
liefert  weitere  Beiträge  zur  Geschichte  des  Saldernschen  Lyceums,  jetzigen  Real- 
gymnasiums zu  Brandenburg  a.  H.  Er  ediert,  leider  wegen  Platzmangels  ohne  An- 
merkungen, das  Eröffnungsprogramm  und  die  Schulgesetze  von  1591,  sodann  die 
deutsche  Schulordnung  von  1594,  die  leges  scholasticae  und  leges  praeceptorum  von 
1706.  —  Durch  S  ch  w  ar  t  z*^")  werden  uns  Verhältnisse  ganz  eigenartigen  Charakters 
im  Schulleben  von  Königsberg  i.  N.  vorgeführt.  Erwähnt  wird  die  Schule  zuerst 
133.3.  Bis  zur  Reformation  hin  sind  aber,  wie  bei  vielen  anderen  Schulen,  die  Nach- 
richten ganz  dürftige.  Unter  den  Rektoren  hebt  Seh.  besonders  Eisner  hervor,  der, 
1696  auf  Befehl  des  Kvirfürsten  cremen  den  "Willen  des  Rates  eingesetzt,  in  immer- 
währendem Streite  mit  diesem  und  seinen  Kollegen  lag  und  nur  mit  seinen  Schülern 
auf  gutem  Fusse  stand.  Ganz  im  Gegensatz  zu  seinen  zeitgenössischen  Kollegen,  die 
in  tiefster  Demut  vor  ihren  „grossgünstigen  Patronen,  den  Ratsherren,  erstarren",  er- 
klärte Eisner  dem  Rate  von  Königsberg,  dass  sie  „in  einem  irrigen  Wahne  ersoffen 
wären,  wenn  siemeineten,  sie  wären  domini  und  nicht  bloss  administratores",  und  er 
stimmte,  wie  man  sieht,  hierin  ganz  mit  den  Tendenzen  der  preussischen  Krone  über- 
ein. Die  Verwirrung  war  schliesslich  so  gross,  dass  sich  alles  verklagte,  „der  Rat 
den  Rektor,  der  Rektor  den  Rat,  die  Lehrer  den  Rektor,  der  Rektor  die  Lehrer,  die 
Lehrer  die  Schüler,  die  Schüler  den  Rat".  Gegenüber  den  Uebergriffen,  die  sich  der  Rat 
zu  Schulden  kommen  Hess,  war  eine  Persönlichkeit  wie  die  Eisners  ganz  am  Platze. 
Was  den  Unterricht  anbelangt,  so  tiitt  nach  Sch.s  Darstellung  das  Deutsche  erst  in 
den  70er  Jahren  des  vorigen  Jh.  unter  Bertuchs  Rektorate  auf,  mit  wöchentlich 
IV2  Stunden  für  den  deutschen  Aufsatz  im  oberen  Auditorium  (Prima  und  Sekunda). 
In  dem  mitgeteilten  Plane  von  1798  ist  aber  bereits  eine  Vermehrung  eingetreten:  Prima 
und  Sekunda  (das  obere  Auditorium),  Tertia  und  Quarta  (das  zweite  Auditorium) 
haben  je  zwei  Stunden  deutsch,  Quinta  und  Sexta  (das  dritte  Auditorium)  je  eine 
Stunde.  Welcher  Art  dieser  Unterricht  war,  ist  leider  nicht  mitgeteilt.  In  der  grossen 
Zeit  der  Freiheitskriege  trat  eine  Anzahl  von  Schülern  im  Alter  von  16—19  Jahren 
direkt  von  der  Schule  ins  Heer  ein.  Die  Namen  dieser  Tapferen  hat  Seh.  in  dankens- 
werter Weise  aufgeführt  und  damit  gesühnt,  was  nach  Beendigung  der  Freiheitskriege 
von  der  Bürgerschaft  Königsbergs  gesündigt  worden  war.  Als  nämlich  der  damalige 
Rektor  Thiel  diesen  Schülern  eine  Gedächtnistafel  errichten  wollte  und  sich  deshalb 
„an  die  dankbaren  Verehrer  der  grossen  Dinge,  welche  sie  gesehen  haben,"  mit  der 
Bitte  um  Beiträge  wandte,  wurde  ihm  von  nur  einem  einzigen  dankbaren  Verehrer 
ein  Thaler  übersandt  —  und  die  Errichtung  der  Tafel  unterblieb.  —  Tschiersc  h^"'*^), 
der  bereits  früher  einen  guten  Beitrag  zur  Geschichte  des  Unterrichtswesens  (Geschichte 
des  Luckauer  Schulwesens  bis  zum  Neubau  des  Schulhauses  1726.  Programm  des 
Gymn.  Luckau  1880)  veröffentlichte,  hat,  veranlasst  durch  das  25jährige  Bestehen  des 


d.  gelehrten  Schulwesens  im  früheren  Herzogt.  Zweihrflcken,  insbes.  d.  Zweihrücker  Gymn.  T.  IL  Progr.  Zweibrücken  (Ang. 
Lehmann).  24  S.  M.  0,40.  —  166)  0.  Simon,  D.  Kgl.  Realsch.  (zu  Berlin)  u.  d.  Militärzeugnisse.  Progr.  B.  (A.  W.  Hayns  Erben). 
4».  24  S.  —  167)  L.  Geiger,  Eeligionsuntersnchungen  in  Berliner  Schulen  fl803l:  VossZg«.  N.  35.  —  168)  0.  Tschirch, 
ürklt.  z.  alt.  Gesch.  d.  Saldernschen  Schule  (Realgymn.  z.  Brandenburg  a.  H.).  Progr.  Brandenburg  a.  H.  (J.  Wiesike).  4*.  27  8. 
—  169)  Paul  Schwartz,  D.  Schulwesen  d.  Stadt  Königsberg  i.  N.,  v.  d.  ältesten  Zeit  bis  z.  Stiftung  d.  Gymn.  1817.  Progr. 
Königsberg  i.  N.  (J.  G.  Striese).    48  S.    —   170)  0.  Tsohiersch,  Z.  Gesch.  d.  Küstriner  Gymn.    Progr.    Küstrin  (F.  König). 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens.  I  6  :  ni-ivs 

Gymnasiums  zu  Küstrin,  einen  Rückblick  auf  die  Entwicklung-  dieser  Anstalt  ge- 
worfen. Ausser  der  Vorgeschichte  —  der  Vorläufer  des  Gymnasiums  war  die  Rats- 
und Friedrichsschule,  eine  Realanstalt  —  giebt  er  noch  Verzeichnisse  der  Lehrer  und 
der  Abiturienten.  —  Eine  Arbeit,  die  von  ungemeinem  Fleisse  zeugt  und  weitgehenden 
Anforderungen  der  pädagogischen  Historie  genügt,  haben  der  Direktor  und  einzelne 
Lehrer^''*)  des  Gymnasiums  zu  Prenzlau  in  der  Geschichte  dieser  Anstalt,  die  als 
„Festschrift  der  Feier  ihres  BoOjährigen  Bestehens"  erschienen  ist,  niedergelegt.  Ob- 
wohl die  Anstalt,  im  Gegensatz  zu  vielen  Schwesteranstalten  in  der  Entwicklung 
eine  gewisse  Stetigkeit  zeigt,  da  sie  immer  evangelisch  gewesen  ist,  vorwiegend 
humanistische  Tendenzen  verfolgte,  stets  unter  städtischem  Patronat  gestanden  hat,  so 
hat  sie  doch  „den  Wechsel  der  Kulturströmungen  an  sich  empfunden,  den  Wandel  der 
Erziehungs-  und  Unterrichtsmaximen  mit  durchlebt  und  treu  abgespiegelt".  Unter 
ihren  Schülern  heben  wir  Rollenhag-en,  den  Dichter  des  Froschmeuseler,  und  den  durch 
Goethe  weiteren  Kreisen  bekannt  gewordenen  Maler  Philipp  Hackert  hervor.  Der 
Stoff  ist  so  verteilt,  das  der  Direkter  R.  Amol  dt  den  ältesten  Zeitraum  von  1543 
bis  1704,  L.  H  ö  r  i  c  h  die  Zeit  von  1704—57,  B.  R  a  e  tt  i  g  die  Periode  von  1757—95  be- 
arbeitet haben.  Mit  dem  J.  1795  setzt  F.  Wolfgramms  Darstellung-  ein,  die  er 
bis  1822  führt;  W.  Schaeffer  behandelt  sodann  die  neueste  Zeit.  Die  deutsche 
Sprache  tritt  als  besonderer  Unterrichtsgegenstand  unter  dem  Rektor  Venzky,  einem 
Anhänger  der  Realschulbewegung,  1751  zum  ersten  Male  auf.  In  der  obersten 
Klasse  wird  Unterricht  erteilt  in  der  Geschichte  der  deutschen  Sprache,  Etymo- 
logie und  Synonymik;  die  Schüler  müssen  sich  im  Dichten  üben.  Unter  den 
Hülfsmitteln  werden  Freyers  Orthographie,  Bödikers  deutsche  Grammatik  und  Arnolds 
Anweisung-  zur  deutschen  Dichtkunst  angeführt.  Auch  unter  dem  Direktor  Grasshof 
nimmt  das  Deutsche  eine  geachtete  Stellung  ein.  In  dem  Programme  von  1812,  also 
der  Zeit  des  politischen  Verfalls  der  deutschen  Nation,  spricht  Grasshof  Worte  über 
die  deutsche  Sprache  und  den  deutschen  Unterricht,  die  auf  den  Gymnasien  damaliger 
Zeit  nur  ganz  selten  vernommen  worden  sind.  „Die  deutsche  Sprache  —  dieser  teure 
Ueberrest  deutscher  Selbständigkeit,  dieses  köstliche  Eigentum  der  Nation,  welches 
keine  äussere  Gewalt  ihr  rauben,  welches  nur  eigene  innere  Schlaffheit  herabwürdigen 
und  verdunkeln  kann !  Sie  ist  das  Band  der  Nation,  die  Grundfeste  der  Nationalität. 
Ihr  sei  das  höchste  Streben  der  Schule  gewidmet!  ...  Es  nimmt  darum  die  Kenntnis 
der  deutschen  Sprache,  die  Vertrautheit  mit  ihren  klassischen  Schriftstellern  bei  uns. 
den  höchsten  Platz  ein."  In  den  oberen  Klassen  wurden  deutsche  Schriftsteller  im 
Original  gelesen  und  Deklamationsübungen  angestellt;  als  Hülfsmittel  treten  die  Gram- 
matik von  Heynatz  und  das  Lesebuch  von  Wilmsen  auf,  später  an  die  Stelle  von 
Heynatz  Grammatik  die  von  Heinsius,  in  Prima  wird  Reinbecks  philosophische  Sprach- 
lehre, und  in  Sekunda  und  Prima  Eschenburgs  Theorie  der  schönen  Künste  traktiert. 
Den  Wert  ihrer  vielseitigen  Forschungen  würden  die  Vf.  wesentlich  erhöht  haben, 
wenn  sie  dem  Ganzen  ein  ausführliches  Namen-  und  Sachregister  beigeg-eben  hätten, 
das  die  Fülle  des  Gebotenen  in  durchsichtigerer,  gleichsam  krystallisierter  Form  dar- 
gereicht haben  würde;  auch  die  Kolumnentitel  durften  nicht  wegbleiben.  — 

Veranlasst  durch  die  Jubelfeier  des  25  jährigen  Bestehens  des  Königl.  Real- 
gymnasiums zu  Osnabrück  in  Hannover,  hat  0.  Fischer^'^)  eine  kurze  Geschichte 
der  Schule  veröffentlicht.  Unter  dem  damaligen  Bürgermeister,  jetzigen  Finanz- 
minister Miquel,  hatten  die  städtischen  Kollegien  im  J.  1865  den  Plan  gefasst,  „das 
gesamte  Schulwesen  der  Stadt  einer  gründlichen  Umänderung  zu  unterziehen". 
Durch  den  Krieg  von  1866  wurden  die  Reformpläne  nicht  aufgehoben,  sondern  bis 
1867  aufgeschoben.  An  Stelle  der  ursprünglich  geplanten  „höheren  Bürgerschule"  nach 
dem  Muster  der  Tellkampfschen  in  Hannover  wurde  die  städtische  Realschule  nach 
preussischem  Muster  gegründet.  Aus  dieser  wurde  bereits  1869  eine  Realschule 
erster  Ordnung  und  1882  ein  Realgymnasium.  — 

In  einer  Uebersicht  hat  Knabe^''^-^'^)  mit  grossen  Strichen  die  Realschul- 
entwicklung in  dem  Territorium,  das  seit  1866  die  Provinz  Hessen-Nassau  bildet,  ge- 
zeichnet. Eingehender  behandelt  er  die  Geschichte  und  Vorgeschichte  der  jetzigen 
Oberrealschule  in  Kassel.  Die  Anfänge  dieser  Schule  fallen  in  das  J.  1812,  in  die 
Zeit  des  Königsreichs  Westfalen;  sie  ist  also  älter,  als  die  Realschule  in  Hanau,  die 
bisher  für  die  älteste  in  Hessen  ausgegeben  wurde.  Ihr  Vorbild  ist  die  1808  auf  An- 
regung  von  Joh.  von  Müller,    dem    Generaldirektor   der   Studien   unter  Jerome,    er- 


4».  19  S.  —  171)  Gesch.  d.  Gyitin.  zu  Prenzlau  v.  1543-1893.  Festschrift  z.  Feier  d.  350j.  Bestehens  d.  Anst.  Prenzlau, 
A.  Vincent.  XIV,  308  S.  Mit  1  Abbild.  M.  4,50.  —  172)  0.  Fischer,  Z.  Gesch.  d.  Kgl,  Realgymn.  während  d.  25  J.  seines 
Bestehens.  Progr.  Osnabrück  (A.  Lieseclse).  4".  13  S.  —  173)  K.  A.  F.  Knabe,  Uebersicht  über  d.  Entwiclclung  d.  Real- 
schulwesens in  d.  Prov.  Hessen-Nassau.  Kassel,  G.  Klannig.  16  S.  M.  0,50.  (Sonderabdr.  aus  ZLlHSch.  Sept.)  —  174)  id., 
Vorgesch.  u.  Entwicklung  d.  Oberrealsch.  z.  Kassel  (1812-93).  Festschr.  z.  Gedenkfeier  d.  50j.  Bestehens  d.  Anst.  Kassel 
(L.  Doli).  VIII,  175  S.  (D.  ersten  3  Abschnitte  sind  erschienen  unter  d.  Titel:  „D.  älteste  selbständige  Eealsch.  in  d.  Prov. 
Hessen-Nassau"    in  ZVHessG.  18,    S.  1-112.)    —    175)  id.,  Entwicklung  d.  Oberrealsch.  (in  d.  Hedwigstr.)  zu  Kassel  (1848-93). 

13* 


I  6:176-178  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens. 

richtete  Realschule  in  Halle,  nur  dass  sie  in  Kassel  nicht  Realschule,  sondern  Bürg-er- 
schule  g-enannt  wurde,  um  die  Verwechslung  von  royal  und  real  zu  vermeiden.  Sie 
sollte  parallel  dem  für  die  akademischen  Studien  vorbereitenden  Lyceum  gehen  und 
für  die  sogenannten  praktischen,  ausserhalb  der  llniversitätsstudien  liegenden  Berufe 
vorbereiten.  Der  Organismus  der  neuen  Anstalt  bestand  zunächst  in  einer  aus  zwei 
Stufenklassen  bestehenden  Elementarschule,  sodann  aus  zwei  eigentlichen  Realklassen. 
Ebenso  bestand  das  Lyceum  aus  einer  zweiklassigen  Elementarschule  und  aus  drei 
Stufenklassen  des  eigentlichen  Gymnasialkursus.  Beiden  Anstalten  lag  ein  gemein- 
samer Unterbau  zu  Grunde:  die  Vorbereitung-sklasse.  Ausser  den  Fächern  der  Volks- 
schule wurden  an  der  Bürgerschule  in  den  zwei  unteren  Klassen  Französisch, 
Geometrie,  Arithmetik,  Geschichte  und  Geographie,  Naturgeschichte,  Zeichnen  gelehrt, 
wozu  in  den  Oberklassen,  den  eigentlichen  Realklassen,  noch  angewandte  Mathematik 
und  Gewerbekimde  und  eine  Stunde  zur  Erklärung  der  Fremdwörter  trat.  In  dieser 
Stunde  sollte  auch  zugleich  auf  die  Entbehrlichkeit  vieler  Fremdwörter  hingewiesen 
werden.  Die  mannigfachen  Abänderungen  des  Planes  lässt  K.  deutlich  hervor- 
treten durch  die  Mitteilung  von  Stundenplänen  aus  den  verschiedenen  Epochen.  Die 
Schule  war  bestimmt  für  alle  Berufe  ausserhalb  des  Universitätsstudiums:  für  Chirurgen, 
Forstleute,  für  Post-  und  Polizeibeamte,  für  Baumeister  usw.  In  den  Abendstunden  waren 
noch  besondere  Fachkurse  eingerichtet:  Chemie  für  Fabrikanten,  Forstwissenschaft  für 
Forstleute  usw.  Diese  alte  Schule  erlosch  im  Febr.  1843.  An  ihre  Stelle  trat  ein  neuer 
Organismus  unter  dem  Namen  „Real-  und  Bürgerschule",  die  bis  1869  bestand.  Von 
da  ab  bis  1879  wurde  sie  ,,die  höhere  Bürgerschule",  von  1879—92  Realschule  zweiter 
Ordnung  und  endlich  1892  Oberrealschule.  Die  K.sche  Arbeit  giebt  ein  vorzügliches 
Bild  der  Entwicklung  dieses  eigenartigen  Schulorganismus.  Von  dem  Lehrbetrieb»  ab- 
gesehen, unterrichtet  der  Vf.  den  Leser  auch  über  die  ökonomischen  Verhältnisse  und 
giebt  namentlich  über  Lehrer  der  älteren  Schule,  besonders  über  den  ungemein  viel- 
seitigen Karl  Chph.  Schmieder,  dessen  litterarische  Produktion  sich  auf  Chemie, 
technische  Physik ,  Pädagogik ,  Mineralogie  erstreckte,  und  der  ausserdem  eine 
deutsche  Sprachlehre  verfasste  und  über  Frau  Holle  geschrieben  hat,  ausführliche 
biographische  Nachrichten.  —  Eine  wertvolle  Ergänzung  zu  Knabes  Arbeit  liefert 
Acker  mann  1'^),  der  durch  seine  Bibliotheca  paedagogica  Hassiaca  ri886)  der  Forschung 
auf  dem  Gebiete  des  hessischen  Unterrichtswesens  grosse  Dienste  geleistet  hat.  In 
alphabetischer  Reihenfolge  giebt  er  Lebensskizzen  sämtlicher  Lehrer,  die  seit  der 
Neugründung  der  Kasseler  Realschule  (1842)  dort  gelehrt  haben;  ausserdem  bietet  er 
Verzeichnisse  der  seit  jener  Zeit  veröffentlichten  Progi^amm- Abhandlungen  und  der 
bei  den  Schulfeiern  gehaltenen  Reden.  Es  folgen  statistische  Uebersichten  über  die 
Frequenz,  Schulgeld,  Verzeichnisse  der  Abiturienten  und  der  Schüler,  die  die  Be- 
rechtigung zuni  Einjährig-Freiwilligen-Dienst  erworben  haben.  Unter  den  Lehrern 
befinden  sich:  Heppe,  der  bekannte  Vf.  der  Geschichte  des  deutschen  Volksschulwesens, 
des  gelehrten  Schulwesens  im  Mittelalter  und  des  Werkes  über  Phil.  Melanchthon 
Graefe  (1802—68),  früher  Schuldirektor  und  Professor  der  Pädagogik  in  Jena,  der' 
nachdem  er  von  Hassenpflug  gemassregelt  worden  war,  in  der  Schweiz,  sodann  in' 
Bremen  eine  umfangreiche  praktische  und  litterarische  Thätigkeit  entfaltet  hat.  Hier 
kann  nur  sein  deutsches  Lesebuch  erwähnt  und  auf  seine  Erzählungen  für  die  Jugend 
hingedeutet  werden.  Unter  den  Programmen  sei  auf  Graefes  Geschichte  der  Real- 
schule während  der  zwei  ersten  Jahre  ihres  Bestehens  (1845),  auf  Höltings  zwei 
Arbeiten  über  Joh.  Balth.  Schupp,  auf  Häusers  Arbeit:  „Warum  ist  Schiller  populärer 
als  Goethe?"  hingewiesen.  Von  den  Schulreden  beschäftigen  sich  mit  Thematen,  die 
in  den  Bereich  der  JBL.  fallen,  besonders  folgende:  Janson:.  Schiller  der  Liebling 
der  Nation  und  namentlich  der  deutschen  Jugend  (Schillerfeier  1859);  Rose:  Ueber 
Melanchthon  (1860);  H.  Stern:  Leben  und  Wirken  der  Brüder  Grimm  (1873);  Walter: 
Ueber  Em.  Geibel  (1886);  Zimmermami:  Ueber  Theod. Körner  (1887  und  91);  Bächt:  Ueber 
E.  M.  Arndt  (1891).  —  Pontani  *'''')  vervollständigt  sein  aus  Veranlassung  der  Jubel- 
feier des  50  jährigen  Bestehens  der  Friedrich-Wilhelm-Schule  in  Eschwege  verfasstes 
Schülerverzeichnis,  indem  er  jetzt  das  Material  statistisch  verarbeitet.  — 

Für  Pommern  giebt  Beyer i'^)  (vgl.  JBL.  1890  I  6:85)  als  eine  Frucht 
mühevoller  Nachforschungen  Nachrichten  über  die  ältesten  Schüler  und  Gönner  des 
Neustettiner  Gymnasiums,  einer  Anstalt,  die,  1640  gegründet,  in  dem  Gebiete  zwischen 
Stettin  und  Stargard  einerseits  und  Thorn  und  Danzig  andererseits  lange  Zeit  hin- 
durch die  einzige  höhere  Bildungsanstalt  war.  Da  das  vorhandene  Schüleralbum 
erst  mit  dem  J.  1714  einsetzt,  so  hat  B.,  der  zunächst  seine  Arbeit  von  1640  bis  zu 
diesem  Jahre  führt,  vor  allem  die  Hallenser,  Frankfurter  und  Wittenberger  Uni- 
versitäts-Matrikeln und  die  Schülerverzeichnisse  von  Thorn,  Stettin  und  Danzig  durch- 

Kassel,  G.  Klaunig.  UI,  63  S.  M.  0,60.  —  176)  Karl  Ackermann,  Statist.  Racksohan  anf  100  Semester  d.  Realsch.  in  d. 
Hedwigstr.  zn  Kassel.  Progr.  Kassel  (L.  Doli).  4".  58  S.  —  177)  B.  Pontani,  Vergleichende  Znsamtnenstellnngen  über  d. 
Schüler  &.  ersten  60  Jahre.    Progr.  d.  Friedrich-Wilhelmsch.    Eschwege.    4°.    19  S   —  178)  Th.  Beyer,  D.  Ältesten  Schüler 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.  1 6  :  179-I84 

forscht,  um  die  grosse  Lücke  auszufüllen.  Dieser  Arbeit,  die  fortgesetzt  werden  soll, 
hat  B.  ein  Verzeichnis  der  in  der  Frankfurter  Matrikel  und  in  dem  Thorner  und 
Stettiner  Schüleralbum  aufgeführten  Neustettiner  vorausgehen  lassen.  — 

Von  den  Darstellungen  zur  Geschichte  des  höheren  Schulwesens  der  Rhein- 
lande sind  die  folgenden  anzuführen.  Buschmann' '9)  kommt  in  der  Fortsetzung 
seiner  Geschichte  des  Bonner  Gymnasiums  (vgl.  JBL.  1891  I  6  :  184)  zu  einem  in 
schulgeschichtlicher  Hinsicht  ganz  wunderlichen  Abschnitt,  zur  Periode  der  Fremd- 
herrschaft, einem  Zeiträume,  während  dessen  eine  vollständige  Umwälzung  in  der  Unter- 
richtsorganisation vor  sich  ging.  Alle  Elementarschulen,  Gymnasien,  die  Uni- 
versitäten Köln,  Bomi,  Trier  und  Mainz  wurden  von  der  französischen  Regierung  auf- 
gehoben und  dafür  Primär-,  Central-  und  Specialschulen  errichtet  nach  dem  Plane 
der  französischen  Republik  von  1795.  Wie  aber  auch  diese  Einrichtung  von  keinem 
Bestände  war,  wie  später  Sekundärschulen,  Lyceen  und  Specialschulen  an  die  Stelle 
der  früheren  Organisationen  traten,  wie  die  Sekundärschule  1806  einging,  an  ihre 
Stelle  das  pensionat  provisoire  und  das  Lyceum  trat,  das  alles  schildert  B.  eingehend 
und  mit  urkundlichem  Materiale  belegt.  In  allen  diesen  Veränderungen  ist  nur  eins 
bleibend:  die  Missachtung  deutscher  Sprache  und  deutscher  Litteratur.  —  Eine  ein- 
gehende Geschichte  des  Progymnasiums  in  Linz  a.  Rh.,  deren  Wert  durch  eine  An- 
zahl von  Beilagen  noch  erhöht  wird,  hat  Bailas '8")  verfasst;  er  hat  sich  aber  nicht 
genügen  lassen,  nur  die  Entwicklung  des  Progymnasiums  von  1815—71  darzustellen, 
sondern  er  erweitert  seine  Arbeit  nach  rückwärts,  indem  er  den  Vorläufer  der  An- 
stalt, das  Studium  (Gymnasium)  Martinianum  von  1706—1815,  ebenfalls  unter  Zu- 
g-abe  von  Beilagen,  schildert.  Hier  sei  besonders  auf  die  zweite  Beilage  des  ersten 
Teiles,  die  „Herbstschauspiele,  Actiones"  hingewiesen,  die  für  die  Geschichte  der 
Schulkomödie  und  der  Musik  nicht  unwichtig  ist.  Charakteristisch  ist,  dass  die 
Zwischenspiele  ausser  Musik  und  Gesang  häutig  auch  von  den  Schülern  aufgeführte 
Ballets  brachten.  —  Roth'**'j  hat  über  die  Lateinschulen  von  vier  Städten  des  Rhein- 
gaues aus  städtischen  Archiven  eine  Anzahl  von  Notizen  gesammelt,  die  sich  in  der 
Hauptsache  auf  die  verschiedenen  Formen  des  Lehrer-Einkommens  im  16.  und  17.  Jh. 
erstrecken.  '^^J  — 

Heubaum  i*3j  spricht  über  die  Semlersche  Realschule,  den  Urtypus  der  Real- 
anstalten, und  bietet  damit  auch  einen  Beitrag  zur  Schulgeschichte  der  Provinz 
Sachsen.  Merkwürdiger  Weise  ist  hier  Raumers  Darstellung  bis  in  unsere  Zeit  die 
massgebende  geblieben.  Auf  Grund  von  gedruckten  Quellen  (hs.  wurden  von  ihm 
nicht  aufgefunden)  giebt  nun  H.  eine  kurze  übersichtliche  Darstellung  von  Semlers 
ursprünglichen  Absichten  und  ihrer  Erweiterung  und  untersucht  die  Frage  nach  der 
Abhängigkeit  Semlers  von  Francke,  die  in  neuerer  Zeit,  nachdem  Raumer  geneigt 
war,  Francke  als  den  intellektuellen  Urheber  der  Realschule  hinzustellen,  von  Richter 
einfach  bejaht  worden  war.  Semlers  ursprünglicher  Plan,  den  er  1708  verwirklichte, 
ging  darauf  hin,  Knaben,  die  Handwerker  werden  wollten,  für  ihr  Handwerk  besser 
vorzubereiten,  als  es  bisher  in  den  Schulen  durch  Lesen,  Schreiben  und  Rechnen  ge- 
sehen konnte.  Er  nannte  die  Schule  Handwerks-  und  Realschule.  Dieselbe  hatte  nur 
zwei  Jahre  Bestand,  aber  1738  trat  Semler  mit  einem  erweiterten  Plane  von  neuem 
hervor.  —  Die  Abhängigkeit  von  B^rancke  hat  nicht  existiert.  Wenn  Richter  den 
Beleg  für  seine  Behauptung  in  Franckes  „Entwurf  der  gesamten  Anstalten"  zu  finden 
glaubt,  so  hebt  H.  mit  hinlänglichen  Gründen  hervor,  dass  Franckes  in  Wirklichkeit 
nicht  einmal  ausgeführter  Plan  mit  Semlers  Absichten  sich  nicht  deckt.  Ganz  treffend 
sagt  H.,  dass,  wemi  eine  Abhängigkeit  von  Francke  hätte  angenommen  werden  kömien, 
Hecker,  der  Begründer  der  Berliner  Realschule,  sich  sicher  lieber  auf  Francke  als  die 
grössere  Autorität,  als  auf  Semler  berufen  haben  würde.  —  Zur  Feier  des  350  jährigen 
Bestehens  der  berühmten  Landesschule  Pforta,  die  einen  Klopstock,  einen  Fichte, 
einen  Leopold  von  Ranke  zu  ihren  Alumnen  zählte,  ist  eine  Anzahl  von  Schriften  und 
Aufsätzen  erschienen.  Alle  diese  Arbeiten  werden  überragt  durch  Max  Hoff- 
mann s*^*)- mit  grossem  Fleisse  zusammengestellte  Ausgabe  der  Piörtner  Matrikel  vom 
J.  1543 — 1893.  Dem  Herausgeber  war  von  amtlicher  Seite  der  Auftrag  geworden, 
zur  Jubelfeier  eine  Ergänzung  und  Fortsetzung  des  von  Bittcher  bei  der  dritten 
Säkularfeier  (1843)  herausgegebenen  „Plörtner-Alburas",  eines  Verzeichnisses  sämt- 
licher Lehrer  und  Schüler,  zu  liefern.  Schon  bei  Beginn  der  Arbeit  war  dem  Vf.  klar 
geworden,  dass  eine  blosse  Ergänzung  des  Bittcherschen  Werkes  wegen  seiner  vielen  Un- 
genauigkeiten  sich  als  ganz  unzweckmässig  erweisen  würde.  Er  hat  darum  „das  Ganze  von 

n.  Gönner  d.  Nenstettiner  Gymn.  T.  I.  Progr.  Neustettin  (F.  A.  Eckstein).  4».  30  S.  |[MBllGPomniG.  N.  9.J|  —  179)  J. 
Buschmann,  Z.  Gesch.  d.  Bonner  Gyran.  U.  T.  Progr.  Bonn.  4".  40  S.  —  180)  G.  Ballas,  Gesch.  d.  Studium  (Gymnasium) 
Martinianum  u.  d,  Kgl.  Progymn.  zu  Linz  a.  Eh.  Trier,  Paulinus-Dr.  IV,  80  S.  M.  1,20.  —  181)  F.  W.  E.  Roth,  Ordnungen 
u.  Notizen  z.  Schnlgesch.  d.  Eheingaues  (1520-1697),  I.  Eltville.  II.  Erbach.  III.  Hattenheim.  IV.  Geisenheim:  MGESchG.  3, 
S.  96-104.  —  182)  X  X  J-  Kühl,  Gesch.  d.  Stadt  Jülich,  insbes.  d.  früheren  Gymn.  z.  Jülich.  II.  T.:  1660  (1664)-1724.  Mit 
1  Taf.  Jülich,  J.  Fischer.  VI,  322  S.  M.  4,00.  (Vgl.  JBL.  1891  I  6  :  195;  d.  hier  verzeichnete  Werk  bildet  d.  I.  T.)  - 
183)  A.  Heubaum,    Chrph.  Semlers  Eealschule    u.   seine  Beziehung  zu  A.  H.  Francke:    NJbbPh.  39,   8.  65-77.    —   184)  Max 


I  6  :  185-203  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Grund  aus  aufgebaut",  und  im  Hinblick  auf  die  ungemein  kurze  Zeit,  die  ihm  hier- 
für zur  Verfügung  gestellt  war,  hat  er  Vorzügliches  geleistet.  Für  die  Schule,  die 
Gelehrten-  und  Familien-Geschichte  würde  freilich  ein  erheblich  besseres  Resultat 
herausgekommen  sein,  wenn  die  Zeit  dem  Vf.  eingehendere  Nachforschungen  und  Um- 
fragen gestattet  hätte.  Für  den  langen  Zeitraum  von  1634 — 1784,  für  den  die  alte 
Matrikel  nicht  mehr  vorhanden  war,  hat  H.  die  Aufzeichnungen  des  Mathematikus 
Hübsch,  sodann  teilweise  das  Bittchersche  Album  und  die  seit  dem  J.  1682  vor- 
handenen Exerzitienbücher,  Sammlungen  von  Aufsätzen,  die  die  Schüler  vor  ihrer 
Aufnahme  abfassten,  und  die  für  die  schulgeschichtliche  Forschung  ein  noch  nicht 
gehobener  Schatz  sind,  zur  Feststellung  der  Namen  der  damaligen  Schüler,  ihrer 
Herkunft  und  der  Zeit  ihres  Eintrittes  benutzt.  —  In  einem  kurzen  Aufsatze  giebt 
Euler^^^),  ein  ehemaliger  Alumnus,  Mitteilungen  über  Körperpflege,  Leibesübungen, 
den  Turnunterricht  usw\  aus  der  Geschichte  Pfortas.  Nicht  ohne  Widerstand  sind 
Jahns  turnerische  Bestrebungen  in  Pforta  aufgenonunen  worden.  Der  damalige  Rektor, 
der  berühmte  Philologe  Ilgen,  scheint  wenig  erbaut  gewesen  zu  sein,  als  ihm,  nach- 
dem Pforta  preussisch  geworden  war,  aus  Berlin  ein  Springpferd  für  die  Schule  ge- 
schenkt wurde  und  scheint  dem  mit  ihm  befreundeten  Leipziger  Philologen  Gottfr. 
Hermann  sein  Leid  darüber  geklagt  zu  haben;  denn  dieser  antwortete  ihm  im  Mai 
1817:  „Mir  an  Ihrer  Stelle  hätte  man  mit  der  Turnmähre  und  dergleichen  Dingen  nicht 
kommen  dürfen;  ich  hätte  mich  in  Person  nach  Berlin  gemacht  und  demonstriert,  dass 
der  Rektor  einer  litterarischen  Schule  nicht  auch  Stallmeister  eines  hölzernen  Pferdes 
sein  köimte.  Eigentlich  jedoch  freue  ich  mich  über  alle  Turnanstalten,  als  über  An- 
stalten, worin  die  Regierung  das  Volk  lernen  lässt,  wie  es  sie  einmal  methodisch 
wichsen  soll.  Doch  genug  von  diesen  unerfreulichen  Dingen." '**^~*-'^)  —  In  die  Schul- 
geschichte Pfortas  gehört  auch  Hoches'^')  Biographie  Steinharts  (1801 — 72),  eines 
bedeutenden  I^ehrers  der  Anstalt,  der  unter  dem  Namen  „Kanonikus  L.  von  Selbiger" 
eine  Reihe  Romane  herausgab,  ferner  eine  von  Klenz^^^)  entworfene  Skizze  des 
Lebens  Stürenburgs  (1811—56),  eines  Schülers  der  Anstalt.  — 

Nach  dem  Königreich  Sachsen  führt  uns  Gehm lieh' '•*^),  der  schon  mehr- 
fach Forschungen  zur  Schulgeschichte  Sachsens  veröffentlicht  hat.  Seine  Charakteri- 
sierung der  städtischen  Lateinschulen  im  sächsischen  Erzgebirge  im  16.  Jh.  ist  eine 
Ausbeute  aus  dem  reichen  Aktenmaterial  des  Dresdener  Staatsarchivs,  einer,  wie  es 
scheint,  kaum  zu  erschöpfenden  Fundgrube  für  Schulgeschichte.  —  Dasselbe  Thema 
behandelt  Gehmlich^oü)  auszugsweise  in  seinen  ,, Beiträgen"  unter  dem  allgemeineren, 
aber  nicht  zutreffenden  Titel:  „Beiträge  zur  Geschichte  des  Unterrichts  ...  in  den 
städtischen  Lateinschulen  des  16.  Jh.",  obwohl  von  aussersächsischen  Städten  in  dem 
Buche  gar  nicht  die  Rede  ist.  —  Heydenreich-**')  liefert  wiederum  (vgl.  JBL.  1891 
I  6:209—10)  einen  Beitrag  zur  Geschichte  des  sächsischen  Gymnasialwesens,  indem 
er  nach  einem  alten  Sammelbande  der  Schneeberger  Gymnasialbibliothek,  der  eine 
Anzahl  von  Freiberger  Programmen  enthält,  Mitteilungen  zur  Geschichte  des  Gym- 
nasiums zu  Freiberg  i.  S.  bietet.  Interessant  sind  die  Nachrichten  über  einen 
Valediktionsaktus ,  in  welchem  die  Schüler  über  einzelne  Eigenschaften,  die  ein 
Regent  haben  soll,  reden  mussten,  unter  Anknüpfung  an  Inschriften  auf  allerlei,  haupt- 
sächlich sächsischen  Münzen.  —  Eine  Geschichte  der  Nicolaischule  in  Leipzig,  die  vielleicht 
zu  einer  Geschichte  des  gesamten  Leipziger  höheren  Schulwesens  führen  sollte,  hatte 
der  verstorbene  Professor  Dohmke  beabsichtigt,  der  dem  Leiter  der  MGP.  kurz  nach 
der  Veröffentlichung  des  „Planes"  dieses  mitteilte.  Leider  hat  der  Tod  ihn  verhindert,  seine 
bereits  begonnene  Arbeit  fortzusetzen.  Jetzt  stellt  Voigt^os^,  q{^^  Schüler  Dohmkes, 
auf  Grund  von  Akten  des  Ijcipziger  Ratsarchives  und  des  Schularchives  Nachrichten 
über  allerlei  Verhältnisse  der  Schule  im  18.  Jh.  zusammen.  — 

Als  einen  Beitrag  zur  Festschrift  eines  Jenaer  Privatinstituts  veröffentlicht 
Planer^oä)  eine  Geschichte  des  höheren  Schulwesens  im  Grossherzogtum  Sachsen- 


Iloffmann,  Pförtner  Stammbuch  1543-1893  z.  350j.  Stiftungsfeier  d.  Kgl.  Landessch.  Pforta.  B.,  Weidmann.  XV,  564  S. 
M.  10,00.     jLScheuffler:  ThLßl.  14,  S.  503/4;  (B.  Rogge):   Post  N.  136.]|  —    185j  K.  Euler,  Schulpforta:  VossZg».  N.  21. 

—  186)  X  Gründung  d.  Klosters  u.  d.  Landessch.  Pforte:  Didask.  N.  123.  —  187}  X  (S.  o.  N.  114.)  —  188)  X  H.  Witte, 
Pförtner  Jubeltage.  Aufzeichnungen  z.  Erinnerung  an  d.  350j.  Jubil.  d.  Landessch.  Pforta  am  24.,  25.  u.  26.  Mai  1893. 
BostocV,  W.  Werther.  72  S.  M.  1,00.  —  189)  X  W.  Maass,  Schulpforta:  FZg.  N.  115.  -  190)  X  W.,  Schul-Pforta:  Post 
N.  40.  —  191)  X  C-  Hessmert,  Bilder  aus    d.  Alumnenleben  in  d.  kgl.  Landesschnle  Pforta.     Progr.     Naumburg.     4*.    42  S. 

—  192)  X  A.  Trümpelmann,  Kloster  u.  Schule.  Gesch.  Festspiel.  Magdeburg,  Creutz.  12».  151  S.  M.  1,50.  —  193)  X 
B.  Eogge,  Pförtnerleben.  Nach  eigenen  Erinnerungen  geschild.  Mit  24  Abbild.  L.,  Hirt  &  Sohn.  128  S.  M  2,00.  —  194)  X 
W.  Nöldechen,  D.  350 j.  Jubelfeier  d.  Landessch.  Pforta:  SchorersFamilienbl.  N.  25.  —  195)  X  (I  5:378.)  —  196)  X  P- 
Boehme,  Urkundenbuch  d.  Klosters  Pforte.  1.  Halbbd.  (1132-1300.)  (=  GQProvSachsen.  N.  33.)  Halle  a.  S.,  Hendel. 
XXII,  340  S.  M.  7,00.  —  197)  R.  Koche,  K.  H.  A.  Steinhart:  ADB.  35,  S.  711/2.  -  198)  H.  Klenz,  R.  D.  Stürenburg: 
ib.  36,  S.  762/3.  —  199)  E.  Gehmlich,  D.  städt.  Lateinschulen  d.  sächs.  Erzgebirges  im  16.  Jh.  Diss.  L.-Eeudnitz  (Osw. 
Schmidt).  78  S.  —  200)  id.,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  L'nterr.  u.  d.  Zucht  in  d.  städt.  Lateinschulen  d.  16.  Jh.  (=  Päd.  Mag.  her. 
V.  F.  Mann.  Heft  20.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  42  S.  M.  0,50.  (Auch  in  DBUEU.  20,  S.  1/3,  13,4,  21/3,  29-31,  37-40, 
45/7.)  —  201)  E  Heydenreich,  Z.  Gesch.  d.  Freiberger  Gymn.  im  18.  Jh.:  NASächsG.  14,  S.  1412.  —  202^  Ph.  H.  Voigt, 
Z.  Gesch.  d.  Nicolaischule   im   18.  Jh.    Progr.    L.,   (Dürr).    4».    34  S.    —   203)  H.  Planer,   Gesch.  d.  höh.  Schulwesens   im 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erzieh ungs Wesens.  1 6 :  204-210 

Weimar- Eisenach.  Seiner  Absicht,  dasselbe  Thema  ausführlicher  zu  behandeln, 
sei  eine  baldige  Erfüllung-  gewünscht.  —  Planers  Mitteilungen  über  das  Eisenacher 
Realgymnasium  werden  wesentlich  vervollständigt  durch  Stecheies ^o*)  Darstellung, 
der  unter  Beigabe  von  Lehi^plänen,  Etatsaufstellungen,  Verzeichnissen  der  Direktoren, 
Lehrer  und  der  Programmarbeiten  die  Schicksale  der  Anstalt,  die  1843  zweiklassig, 
mit  dem  Eintritt  Karl  Magers  vierklassig,  in  neuester  Zeit  vollständiges  Real- 
gymnasium wurde,  schildert.  Bemerkenswert  ist,  dass  sie  im  ersten  Programme 
Bürgergymnasium  —  Magers  Lieblingsausdruck  —  genannt  wurde.  Unter  den  Pro- 
grammarbeiten verdienen  hier  genannt  zu  werden  Fr.  Koch  „Der  Unterricht  in  der 
deutschen  Sprache"  (1847J  und  K.  Schmidt  „Die  Unterrichtsordnung  der  lateinischen 
Schule  in  Eisenach  von  1555".  — 

Durch  die  250jährige  Jubelfeier  des  Maria-Magdalenen-Gymnasiums'^*^)  in 
Breslau  angeregt,  hat  M  ei  st  er '■^'^^J  Beiträge  zur  Geschichte  dieser  schlesischen 
Anstalt  herausgegeben.  Die  Gründung  der  Schule  erfolgte  bereits  am  12.  Febr.  1267; 
als  ältere  Anstalt  bestand  neben  ihr  die  Domschule.  Einen  hervorragenden  Markstein 
in  der  Geschichte  der  Schule  bildet  die  Einführung  der  Reformation  1528.  Hier  sind 
die  Namen  Joh.  Metzlers,  des  Vf.  der  viel  gebrauchten  griechischen  Grammatik,  und 
des  Theologen  Moiban  zu  nennen.  Unter  den  Rektoren  des  17.  Jh.,  deren  einzelne 
von  M.  charakerisiert  werden,  sei  J.  von  Höckelshofen,  zu  dessen  Schülern  auch 
Martin  Opitz  gehörte,  hervorgehoben.  Im  J.  1643  wurde  die  Anstalt  Gymnasium. 
Wie  anderwärts,  so  wurden  auch  hier  von  den  Lehrern  und  Schülern  dramatische 
Aufführungen  veranstaltet.  M.  bemerkt  aber,  dass,  während  sonst  fast  überall  Stücke 
von  Plautus  und  Terenz  gegeben  wurden,  die  hier  aufgeführten  Dramen  in  deutscher 
Sprache  verfasst  und  die  Stoffe  der  Weltgeschichte  entnommen  waren.  Dass  auch 
die  deutsche  Geschichte  berücksichtigt  wurde,  beweist  das  1677  aufgeführte  Schau- 
spiel „Die  zei-stürte  Armensul  (Irmensul)  usw.",  das  der  Fruchtbringenden  Gesellschaft 
von  ihrem  Mitgliede  Georg  Wende  gewidmet  war.  Diese  Stoffe  blieben  auch  noch 
im  18.  Jh.  Im  J.  1739  wurde  in  Erinnerung  an  den  100.  Todestag  Opitzens  ein  Ge- 
dächtnisfest „der  durch  Martin  Opitz  verbesserten  deutschen  Poesie"  veranstaltet. 
1766  wurde  mit  der  Anstalt  eine  Realschule  verbunden,  die  anfangs  den  Beifall  des 
Publikums  fand,  aber  wegen  der  Fülle  der  Unterrichtsgegenstände  unmöglich  das 
halten  konnte,  was  sie  versprochen  hatte.  —  Ausser  der  „reinen  teutschen  Sprache" 
sollte  gelehrt  werden:  französisch,  polnisch,  englisch,  italienisch,  Feldmessen,  Kriegs- 
und zuweilen  Baukunst,  Wappenkunde  und  Genealogie,  Landwirtschaft,  Buchhalten, 
Tanzen,  Fechten,  Glasschleifen,  Anatomie,  welchem  Unterrichte  im  Anfange  auch 
Hebammen  und  Chirurgen  beiwohnten.  Eine  tiefer  gehende  Reform  der  nach  und 
nach  entstehenden  unhaltbaren  Zustände  wurde  durch  den  1790  berufenen  Rektor 
Manso  herbeigeführt,  der  auch  bewirkte,  dass  der  seit  1767  eingeführte  Name  Real- 
gymnasium dem  Namen  Gymnasium  wieder  Platz  machen  musste.  —  Zweier  Rektoren 
des  Magdalenengymnasiums,  Steinbergs  und  Stieffs,  gedenkt  in  besonderen  Skizzen 
Markgraf2*>'"-''^*>^j.  Steinberg  (1543—1610),  ein  in  Wittenberg  gebildeter  Schulmann, 
1574 — 78  Rektor  des  Magdalenaeums,  hatte  den  Grundsatz:  eine  Schule  mit  guter  Zucht 
und  geringer  Wissenschaft  sei  einer  solchen  vorzuziehen,  an  der  das  Verhältnis  um- 
gekehrt sei.  Stieff  (1675 — 1751),  der  während  seines  ganzen  Lebens  im  Schuldienste 
der  Stadt  Breslau  gestanden  hat,  war  von  1717 — 34  Rektor  des  Magdalenaeums,  an  dem 
er  unter  dem  Rektorate  von  Andt".  Gryphius,  dem  Sohne  des  Dichters,  ausgebildet 
worden  ist.  Als  Professor  der  Beredsamkeit  und  Geschichte  hat  er  zahlreiche  Dramen 
verfasst.  — 

Seitz^os)  (vgl.  JBL.  1890  I  6  :  82)  giebt  die  fünfte  Abteilung  seiner  Ausgabe 
von  Aktenstücken,  die  sich  auf  die  ehemalige  Lateinschule  zu  Itzehoe  in  der  Provinz 
Schleswig-Holstein  erstrecken.  Es  handelt  sich  um  Bestallungsurkunden,  Schul- 
ordnungen,  Stundenpläne  und  Gehaltsverhältnisse.  — 

Zur  Schulgeschichte  Württembergs  gehört  Schanzenbachs^'^)  kleine  Mit- 
teilung. Seh.  giebt  darin  eine  Ergänzung  zu  der  im  Jubiläumsprogramm  des  Eberhard- 
Ludwig-Gymnasiums  zu  Stuttgart  1886  erschienenen  Matrikel,  indem  er  eine  kleine 
Liste  hervorragender  früherer  Schüler,  die  in  den  letzten  sieben  Jahren  gestorben  sind, 
zusammenstellt  und  sie  vervollständigt  durch  die  Namen  der  in  dem  gleichen  Zeit- 
räume dahin  geschiedenen  Lehrer.  — 


Grrossherz.  Sachsen.  (=  Festschrift  her.  am  20.  Mai  1893  bei  der  Feier  d.  60j,  Jubil.  d.  v.  Prof.  Dr.  Karl  Herzog  errichteten, 
gegenwärtig  vom  Direktor  Pfeiffer  geleiteten  Lehr-  u.  Erziehungsanstalt  (Pfeiffersches  Inst.]  zu  Jena  [Jena,  Menenahrs  Bnchdr. 
106 S.J,  S.  1-53.)  —  204)  U.  S  t  e  c  h  e  1  e ,  Orossherz.  Realgy mn.  z.  Eisenach.  Kleine  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Schule.  Progr.  Eisenach  (H.  Kahle ). 
32  S.  —  205j  X  Festschrift  z.  2ö0j.  Jabelfeier  d.  Gymn.  zu  St.  Maria  Magdalena  zu  Breslau  am  30.  April.  Her.  v.  Lehrer- 
kollegium d.  Anst.  Mit  2  Taf.  n.  1  Bl.  Erklärungen.  Breslau  (E.  Morgenstern).  III,  110,  198  S.  M.  3,00.  —  206)  F. 
Meister,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Gymn.  zu  St.  Maria  Magdalena.  (=  Sonderabdr.  aus  N.  205.)  Breslau  (E.  Morgenstern).  110  S. 
Mit  1  Taf.  M.  1,50.  —  207)  H.  Markgraf,  Nik.  Steinberg  ^SteinbergerJ•.  ADB.  35,  S.  690.  -  208)  id.,  Chrn.  Stieff:  ib.  36, 
S.  174,6.  —  209)  K.  Seitz,  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  früh,  latein.  Schule  z.  Itzehoe.  V.  Progr.  Itzehoe,  Q.  J.  Pfingsten. 
HS.    —   210)  0.  Schanzenbach,   Nachtrr.  z.  Gesch.  des  Eberhard- Lud  wigs-Gy  ran.    2.  F.    Progr.    St.,  K.  Hof  bnchdr.  Carl 


I  6:211-219  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Der  verdienstvolleHistoriker  schweizerischer  Pädag-og-ik,  Hunziker^ii),  hat 
dem  reichen  statistischen  Material  über  das  gesamte  schweizerische  Unterrichts- 
wesen und  die  schweizerischen  Scliulausstellungen  Nachrichten  über  die  historische 
Entwicklung  vom  frühesten  Mittelalter  bis  in  die  neueste  Zeit  vorangestellt.  — 
Bucher2i2j  veröffentlicht  in  etwas  erweiterter  Form  seine  Rede  zur  Geschichte  des 
höheren  Schulwesens  im  Kanton  Luzern,  die  er  bei  Schliessung  des  alten  Kantonal- 
schulgebäudes gehalten  hat.  Während  des  ganzen  Mittelalters  ist  das  Schulwesen  des 
Kantons  ohne  jegliche  Bedeutung  gewesen.  Sowohl  die  Hochschule  in  Luzern,  die 
sich  schon  1238  nachweisen  lässt  und  unter  der  Herrschaft  des  Klosters  stand,  als 
auch  die  Stiftsschule  in  Münster  haben  keine  irgendwie  bemerkenswerten  Leistungen 
aufzuweisen.  Neues  Leben  kommt  erst  zur  Zeit  der  Reformation  und  besonders 
durch  die  Jesuiten,  die  1578  eine  Anstalt  eröffneten,  in  das  Schulwesen.  Nach  Auf- 
lösung des  Ordens  nahm  sich  der  Staat  der  Schule  an.  — 

Höhere  Bürgerschule.  Durch  Lückerath^'^^  erfahren  wir,  dass  die  jetzt 
fünfklassige  höhere  Stadtschule  in  Heinsberg  (Rheinprovinz)  sich  aus  einer  der 
Elementarschule  aufgesetzten  Klasse  nach  und  nach  entwickelt  hat.  Im  Anhange 
giebt  L.  ein  Verzeichnis  der  Schüler.  Von  den  Rektoren  hebt  er  Lindemann  und 
dessen  Verdienste  um  die  deutsche  Litteratur  und  Sprache  hervor,  die  ihm  den  Bei- 
namen des  „katholischen  Vilmar"  einbrachten.  Lindemann  war  Herausgeber  von  Ge- 
dichten des  deutschen  Mittelalters,  von  Dialektdichtungen  der  Neuzeit  und  ver- 
fasste  auch  Monographien  über  Angelus  Silesius  und'  Joh.  Geiler  von  Kaisersberg.  — 
Das  Schicksal  der  1868  gegründeten  höheren  Bürgerschule  in  Schwetzingen  und  die 
ihrer  Vorläufer,  der  älteren  höheren  Bürgerschule  und  der  erweiterten  Volksschule, 
hat  Maier^i^j  beschrieben  und  ein  Verzeichnis  sämtlicher  Abiturienten  mit  Angabe 
ihres  gegenwärtigen  Standes  beigegeben.  — 

Privatinstitute.  In  der  Geschichte  der  Pädagogik,  der  Unterrichts-  und 
Erziehungsanstalten  Deutschlands  und  zwar  jener  Zeit,  da  eigenartige,  individuelle  Veran- 
staltungen, grossangelegte  Versuche  sich  entwickeln  konnten,  da  das  Berechtigungs- 
und Prüfungswesen  diese  Bestrebungen  noch  nicht  in  das  Prokrustesbett  staatlicher 
Schablone  einzwängte,  ragt  eine  Anzahl  von  Privatinstituten  hervor.  Unter  diesen  sei 
auf  das  Jenaer  Institut  hingewiesen.  Von  dem  Schweizer  Karl  Herzog,  einem  ehe- 
maligen Lehrer  der  Fröbelschen  Anstalt  in  Keilhau,  1829  gegründet,  1834  von  Adolf 
Facius  und  Friedrich  Stier  übernommen,  fortgesetzt  von  Dr.  Heimburg,  zu  hohem 
Ruhme  gebracht  von  K.  V.  Stoy,  nach  dessen  Abgange  von  Schneider,  Keferstein, 
Schröter  und  jetzt  von  Pfeiffer  geleitet,  hat  die  Schule,  besonders  in  früherer  Zeit  be- 
fruchtend auf  die  pädagogische  Wissenschaft  eingewirkt.  Stoy  (1815-85),  ein  persönlicher 
Schüler  Herbarts,  war  es,  der  an  seiner  Anstalt  Jahre  hindurch  die  Herbartschen  Ideen 
in  Praxis  umsetzte  und  als  Professor  der  Pädagogik  und  Leiter  des  pädagogischen 
Seminars  und  der  Uebungsschule  grosse  Anregungen  gegeben  hat.  Aus  Veranlassung 
des  60jährigen  Jubiläums  der  Anstalt  hat  Piltz ^i^j  ihre  Geschichte  geschrieben.  Im 
Anhange  dazu  giebt  er  ein  Verzeichnis  der  von  den  einzelnen  Direktoren  der  Anstalt  ver- 
öffentlichten Jahresberichte,  der  Lehrer,  die  an  der  Schule  thätig  w^aren  oder  noch 
sind,  und  schliesst  mit  einem  Verzeichnis  von  Schülern  seit  1881. 2'^)  —  Von  Stoys 
Entwicklungsgang  und  seiner  segensreichen  Wirksamkeit  hat  Sallwürk^^'j  ein 
deutliches  Bild  entworfen.  Wenn  wir  dabei  erfahren,  dass  die  Universitäten  Jena 
und  Heidelberg  weder  die  Wichtigkeit  pädagogischer  Seminare  mit  Uebungsschulen, 
noch  die  Notwendigkeit  eines  pädagogischen  Lehrstuhles  begriffen,  so  wird  das  sicher 
Vielen  ein  Lächeln  abgewirmen.  — 

Mädchenschule.  Krusche^is),  der  durch  seine  umfassende  Bibliographie 
der  Litteratur  zur  weiblichen  Erziehung  und  Bildung  vom  J.  1700—1886  (Langen- 
salza, 1887)  der  Forschung  auf  dem  Gebiete  des  weiblichen  Bildungswesens  eine 
grosse  Erleichterung  verschafft  hat,  giebt  in  diesem  J.  bereits  den  6.  Nachtrag  zu 
seinem  Werke,  und  zwar  befinden  sich  in  seinem  Nachtrage  nicht  nur  Schriften  aus 
der  Zeit  nach  1886,  sondern  auch,  viele  aus  dem  vorigen  und  diesem  Jh.,  vor  dem 
J.  1886  erschienene.  —  Helene  Lange^"*)  legt  in  ihrer  für  die  Chicagoer  Weltaus- 
stellung bestimmten  Schrift,  in  der  die  Darstellung  des  gegenwärtigen  Standes  des 
höheren  Mädchenschulwesens  wohl  die  Hauptsache  sein  sollte,  auch  Skizzen  über 
seine  historische  Entwicklung  vor  (vgl.  I  4  :  601).  — 

Liebich.  4".  —  211)  0.  Hunziker,  D.  Schweiz.  Schulwesen  her.  im  Auftrag  d.  Schweiz.  Departements  d.  Innern  anlässl.  d. 
Weltausstellung  in  Chicago.  Zürich,  Meyer  &  Zeller.  IV,  111  S.  Mit  1  färb.  Karte.  M.  2,00.  —  212)  J.  Bucher,  Z.  Gesch. 
d.  höh.  Sch'Ulwesens  im  Kanton  Luzern.  (=  Festschrift  z.  Eröffnung  d.  neuen  Kantonalschulgebäudes  in  Luzern.  [Luzern, 
Gebr.  Räber.  319  S.  M.  6,00.J  S.  155-76.)  —  213)  W.  Lückerath,  D.  höhere  Stadtschule  zu  Heinsberg  1843-93.  Festschrift. 
Heinsberg,  P.  W.  Joppen.  II,  64  S.  M.  1,00.  —  214)  Aug.  Ferd.  Maier,  Gesch.  d.  höh.  Bürgerschule  Schwetzingen,  mit  e. 
Abbild,  d.  Schulgebäudes.  Festprogr.  Schwetzingen  (Max  Richter).  IV,  90  S.  —  215)  K.  Piltz,  Gesch.  d.  Pfeifferschen 
Instituts  zu  Jena  (r=  N.  203,  S.  55-106.)  —  216)  X  Festber.  über  d.  am  19.,  20.  n.  21.  Mai  1893  abgehalt.  60j.  Jubelfeier  d.  „Er- 
ziehungsanstalt am  Graben"  (Pfeiffersches  Inst.)  zu  Jena.  Jena,  Neuenhahn,  Univ.-Buchdr.  VI,  34  S  —  217)  E-  t.  Sall- 
wfirk,  K.  V.  Stoy:  ADB.  36,  S.  474,9.  -  218)  G.  Krusche,  Uebersicht  d.  Litt.  Ober  weibl.  Erz.  n.  Bildung  in  Deutschland. 
6.  Nachtr.  (=20.  JB.  üb.  d.  höh.  Schule  für  Mädchen  zu  Leipzig,  8.25-29;  vgl.  JBL.  1892  I  4:51.)  —  219)  Helene  Lange, 


K.  Kehrbach,  Gr schichte  des  Unterrichls-  und  Erziehungswesens.  I  6  :22o-228 

Lehrerseminar.  Trotz  des  Diesterweg'schen  Ausspruches,  dass  das  Herz 
des  ganzen  Schulleibes  das  Volksschullehrerseminar  sei,  ist  die  Bedeutung*  der 
Seminare  nicht  so  anerkannt,  wie  es  sein  müsste.  „Niemand  spricht  von  ihnen; 
die  alles  betastende,  stoffgierige  Presse  würdigt  sie  kaum  der  Beachtung,  und  wenn 
man  sich  in  den  Versammlungen  der  Landesvertretungen  mit  ihnen  zu  beschäftigen 
hat,  so  zeigt  sich  in  der  Regel  die  Einmütigkeit  der  Parteien  in  der  überraschenden 
Unkenntnis  des  Gegenstandes."  Diese  Unkenntnis  zu  heben,  hat  Andreae^^o^j  (jjg 
von  ihm  der  Seminarfrage  gewidmeten  Beilagen  zu  den  Programmen  des  König- 
lichen Seminars  in  Kaiserslautern  in  einer  selbständigen  Schrift  veröffentlicht.  Im 
Gegensatz  zu  anderen  ähnlichen,  die  Seminarreform  betreffenden  Arbeiten,  stellt  A. 
die  Lehrerbildungsfrage  auf  historische  Grundlage.  Seine  Reform  vorschlage  bauen 
sich  auf  dem  Gedanken  auf,  dass  die  materielle  Bildung  gegenüber  der  amtlichen 
Ausrüstung  des  Volksschullehrers  immer  zu  kurz  gekommen,  und  dass  es  notwendig'  sei, 
den  Volksschullehrer  wissenschaftlicher,  gerade  so  wie  den  Lehrer  an  höheren  Schulen 
pädagogischer  werden  zu  lassen.  —  In  seiner  Arbeit  über  das  Internat  an  Lehrer- 
seminarien,  das  er  verwirft,  hat  Lorentz^^')  auch  die  Geschichte  dieser  Frage  gestreift, 
indem  er  die  Aussprüche  angesehener  Pädagogen  über  das  Für  und  Wider  dieser 
Einrichtung-  citiert  und  dabei  eine  erschöpfende  geschichtliche  Beurteilung*  in  Aus- 
sicht stellt.  — 

Volksschule.  Einleitend  sei  hier  auf  K  ö  s  t  e  r  u  s  222j  übersichtliche  Ab- 
handlung über  die  deutsche  Elementarbildung  gegen  Ausgang  des  Mittelalters  hin- 
gewiesen. -  Eine  auf  gründlichen  archivalischen  Forschungen  beruhende  Schilderung 
des  Zustandes  der  Anhalt-Zerbster  Landschulen  um  die  Mitte  des  17,  Jh. 
hat  Becker^^Sj  gegeben.  —  Durch  die  Mitteilung  der  Instruktion  für  den  Präceptor 
und  Organisten  in  Adelsheim  (1706)  hat  Weis  8^24)  einen  kleinen  Beitrag  zur  Ge- 
schichte des  Volksschulwesens  des  Grossherzogtums  Baden  geliefert.  —  Trotz  ihres  ge- 
ringen Umfanges  erhält  man  durch  die  Schrift  von  Z  e  n  z  2-^)  doch  ein  deutliches  Bild  von 
Bestrebungen  und  Strömungen,  die  innerhalb  des  deutschen  Volksschulwesens  in 
0  es  ter  reich  im  18.  und  19.  Jh.  vorhanden  waren.  Der  Beginn  des  18.  Jh.  und 
darin  die  Regierungszeit  Karls  VI.  ist  ein  wichtiger  Markstein  in  der  Entwicklung  des 
österreichischen  Schulwesens.  Eine  neue  Zeit  fängt  an  sich  zu  regen;  die  Idee  von 
der  Allgewalt  des  Staates  beginnt  zu  keimen,  und  was  vorher  als  unbestrittenes  Be- 
sitztum der  Kirche  galt,  nimmt  jetzt  der  Staat  für  sich  in  Anspruch.  Das  nationale 
Empfinden  steig-ert  sich.  Die  Schätzung  der  deutschen  Sprache,  von  dem  Staats- 
oberhaupte ausg-ehend,  verbreitet  sich  in  weitere  Kreise,  von  Wochenschriften  und 
deutschen  Sprachgesellschaften  unterstützt.  1747  erscheint  die  erste  deutsche  Sprach- 
lehre, „die  kaiserlich  deutsche  Grammatik  von  Joh.  Balthasar  von  Antesperg"  und 
zwar  im  Anschluss  an  die  „obersächsisch-lutherische  Form  des  Neuhochdeutschen". 
Mit  wenig-en  deutlichen  Strichen  werden  die  Absichten  Maria  Theresias,  Josefs  IL, 
die  Verdienste  Felbigers,  Parhamers,  Kindermanns,  von  Kinskys,  die  Einwirkungen 
des  Philanthropinimus,  die  Bestrebungen  für  Schulgesundheitspflege  gezeichnet.  Eine 
Zeit  des  Stillstands,  ja  Rückschritts  wird  unter  der  Reg-ierung*  Franz  I.  bemerkt, 
aber  neues  Leben  erblüht  nach  dem  J.  1848  unter  dem  Unterrichtsminister  Graf  Leo 
Thun  und  seinem  Gehilfen  Alex,  von  Helfert.  Neue  Volksschulen  werden  gegründet, 
neue  Schulhäuser  erbaut,  Lehrerbildungsanstalten,  Schulwerkstätten  usw.  errichtet,  neue 
Methoden  eingeführt  und  das  Amt  der  staatlichen  Schulinspektoren  geschaffen.  Von 
diesen  sei  nur  einer  erwähnt,  dessen  Dichtername  weit  über  Oesterreichs  Grenzen 
einen  guten  Klang-  hat :  Adalbert  Stifter.  —  Die  Entwicklung  des  Volksschulwesens  im 
Erzstift  Salzburg,  die  für  die  alte  Zeit  in  Vierthaler  (vgl.  N.  57)  einen  hervorragenden 
Darsteller  gefunden  hat,  wird  uns  von  den  ältesten  Zeiten  bis  zu  seiner  Einfügung  in 
den  Rahmen  des  österreichischen  Schulwesens  durch  Wagner226)  übersichtlich  vor- 
geführt. Die  beig-egebenen  urkundlichen  Schriftstücke,  Instruktion  von  1675,  Schul- 
ordnungen von  1683  und  1755,  dürfen  ausser  dem  pädagogischen  ein  hervorragendes 
Interesse  für  den  Dialektforscher  beanspruchen.  —  Gehmlich^^''  228^  (s.  o.  N.  199— 200) 
hat  auch  die  Geschichte  des  sächsischen  Volksschulwesens  in  den  Bereich  seiner 
Thätigkeit  gezogen.   —   Der  fleissige   Forscher   auf  dem    Gebiete    des    w  ü  r  1 1  e  m  - 


Entwicklung  u.  Stand  d.  hob.  Mädchenschulwesens  in  Deutschland.  Im  Anftr.  d.  Kgl.  Prenss.  Ministeriums  d.  geistl.,  TJnterr.- 
n.  Medizinal- Angelegenheiten.  B.,  R.  Gaertner.  69  S.  M.  1.20.  —  220)  C.  Andreae,  Z.  inneren  Entwicklungsgesch.  d.  dtsch. 
Lehrerbildnngs-Anst.  Kaiserslautern,  J.  J.  Tascher  (A.  Gerle).  VIII,  162  S.  M.  .3,00.  —  221)  K.  Lorentz,  D.  Internat. 
E.  Beitr.  z.  Lehrerhildungsfrage.  L.,  C.  Jacobsen.  32  S.  M.  0,60.  —  222)  X  F-  Kösterns,  D.  dtsch.  Elementarbildung 
gegen  Ausgang  d.  MA.:  KathSchK.  2,  S.  49-50,  185,6,  2.32,4,  259-60,  274  5.  —  223)  H.  Becker,  D.  Zerbster  Landschulen  um  d. 
Mitte  d.  17.  Jh.:  MGESchG.  3,  S.  146-75.  -  224)  J.  G.  Weiss,  Instruktion  für  d.  Präceptor  u.  Organisten  Severinus  Merz 
in  Adelsheim  (Grossherz.  Baden)  aus  d.  J.  1706:  ib.  S.  55,8.  —  225)  W.  Zenz,  D.  dtsch.  Volksschulwesen  in  Oesterr.  im  18. 
u.  19.  Jh.  (=3.  JB.  d.  k.  k.  Lehrer-  n.  Lehrerinnen- Bildungsanst.  in  Linz.  S.  3-28.)  —  226)  H.  F.  Wagner,  Gesch.  d. 
Volksschalwesens  im  Erzstift  Salzburg:  MGESchG.  3,  S.  6.5-95.  —  227)  E.  Gehmlich  ,  Zeugnisse  für  Lehrer  d.  Leipz. 
Ephorie  aus  d.  J.  17.38,  1756,  1757  u.  1807:  ib.  S.  105,7.  —  228)  id.,  Z.  Gesch.  d.  Schule  d.  Städtchens  Taucha  bei  Leipzig: 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  14 


I  6:229-237  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

berg-ischen  Volkschulwesens,  K  a  i  s  s  e  r  229-230-)^  g-iebt  den  Wortlaut  einer  Schul- 
meister-Instruktion aus  dem  J.  1664  und  bietet  weiteres  urkundliches  Material  zur  Ge- 
schichte des  Volksschulwesens  einzelner  Orte  der  ehemalig-en,  1806  mediatisierten 
Grafschaft  Waldburg-Zeil-Trauchburg-  vom  Ausgange  des  16.  Jh.  bis  zum  J.  1802. 
—  Die  Geschichte  des  Volksschulwesens  im  früheren  Herzogtum  Zweibrücken 
behandelt  Kramer^^'J.  Er  berichtet  bloss  über  die  Periode  von  der  Reformation 
bis  einschliesslich  der  schwedischen  Herrschaft  (1697— 1718).  —  Eid2'*2j  hat  den 
Zeitraum  von  1648 — 1706  geschildert  und  dabei  nachgewiesen,  dass  die  Einführung 
der  allgemeinen  Volksschule  nicht  erst  1706  durch  das  schwedische  Gouvernement 
versucht  wurde,  sondern  bereits  um  1670  durch  den  Herzog  Friedrich  Ludwig, 
dessen   segensreicher  Wirksamkeit   der   Hauptteil  seiner  Arbeit  gewidmet  ist.  — 

Handelsschule.  Der  Direktor  der  Münchener  Handelsschule,  R  o  h  - 
m  e  d  e  r  '•^^■^),  —  dessen  Absicht  es  ist,  eine  zusammenhängende  pragmatische  Dar- 
stellung der  historischen  Entwicklung  des  gesamten  Schulwesens  der  Stadt  München 
von  der  Mitte  des  vorigen  Jh.  bis  zur  Gegenwart  zu  geben  —  hat  zur  Feier  des 
25jährigen  Bestehens  der  Münchener  Handelsschule  Stoff  zu  ihrer  Geschichte  und 
Hinweise  auf  die  vorhandenen  Quellen  dargeboten.  — 

Militärbildungswesen.  Zu  seiner  innerhalb  der  MGP.  erscheinenden 
Geschichte  des  Militär-Erziehungs-  und  Bildungswesens  in  dea  Landen  deutscher 
Zunge  liefert  Poten^^^j  jetzt  den  3.  Band,  der  sich  mit  Oesterreich  beschäftigt.  Seine 
Darstellung  beginnt  mit  der  von  Wallenstein  begründeten  Friedländischen  Akademie 
zu  Gitschin,  charakterisiert  sodami  die  unter  Maria  Theresia  getroffenen  Einrichtungen 
und  Reformen,  schildert  die  Verdienste  Karls  VI.,  Josefs  IL,  besonders  die  des  Erz- 
herzogs Karl,  ferner  die  Einwirkung  der  J.  1848 — 49,  1866  und  wird  sodann  bis  in 
die  neueste  Zeit  herabgeführt.  — 

Standeserziehung.  Hier  ist  zuerst  hinzuweisen  auf  Beiträge  zur  Fürsten- 
erziehung. Kehrbach23öj  schickt  dem  Abdrucke  der  für  den  13jährigen  Herzog 
Johann  von  Sachsen-Weimar  bestimmten  Studierordnung  aus  dem  J.  1583  eine 
kleine  Vorrede  voraus  und  versieht  den  Text  mit  Anmerkungen.  Die  Ordnung, 
sicher  unter  der  Mitwirkung  der  Mutter  des  Prinzen,  der  Herzogin -Witwe  Dorothea 
Susanna,  einer  Frau  von  hoher  Bildung  und  vorzüglichem  Herzen,  verfasst,  zeugt  von 
dem  Bewusstsein  der  Bedeutung  des  Unterrichts  und  der  Erziehung  und  von  pädago- 
gischem Takte.  —  Erich  Meyer-^^j  veröffentlicht  die  Instruktion,  die  dem  General 
von  Kayserlingk  für  die  Erziehung  der  Söhne  des  Landgrafen  Friedrich,  die  Prinzen 
Wilhelm  (den  späteren  Kurfürsten)  und  seine  Brüder  Karl  und  Friedrich  vor- 
geschrieben war.  Da  der  Vater  der  Prinzen,  der  den  protestantischen  Glauben  ver- 
lassen hatte  und  Katholik  geworden  war,  durch  Unterzeichnung  der  sogenannten 
Assekurationsakte  unter  anderem  sich  auch  jeglichen  Einflusses  auf  die  Erziehung" 
seiner  Kinder  begeben  hatte,  so  war  der  Grossvater  zur  Sicherung  des  Religions- 
standes Hessens  darauf  bedacht,  die  Erziehung  so  zu  leiten,  dass  jeglicher  katholischer 
Einfluss  ausgeschlossen  wurde.  M.  giebt  neben  der  französischen  Instruktion  eine 
deutsche  Uebersetzung  und  versieht  das  Ganze  mit  einer  in  grossen  Zügen  orientierenden 
Einleitung  und  erläuternden  Anmerkungen  zu  den  einzelnen  Teilen.  Ausführlicher 
wird  M.  das  in  8  Foliobänden  niedergelegte  Aktenmaterial  zur  Erziehung  dieser 
hessischen  Prinzen  verwerten  in  einer  Schrift  über  die  Landgräün  Marie  von  Hessen, 
geborenen  Prinzessin  von  England.  — 

Es  sei  hier  auch  hingewiesen  auf  die  von  P  ahn  er  23')  veröffentlichten  Schrift- 
stücke zur  Gründung  eines  adligen  Fräuleinstiftes  um  1670  durch  Herzog  Ernst 
den  Frommen  von  Gotha,  der  unter  den  deutschen  Fürsten  in  seiner  Fürsorge  für 
Unterricht  und  Erziehung  seiner  Unterthanen  in  erster  Reihe  steht,  „ein  Pädagoge  unter 
den  Fürsten  und  ein  Fürst  unter  den  Pädagogen".  Unter  den  mitgeteilten  Schrift- 
stücken ragt  Seckendorfs  „Entwurf"  hervor  und  ergänzt  P.s  Abhandlung  über  Veit 
von  Seckendorf  (vgl.  JBL.  1892  I  10 :  43).  —  Einen  integrierenden  Bestandteil 
der  Standeserziehung  des  Rokokozeitalters  bildete  der  Hofmeister.  Ursprünglich  be- 
stand der  Hofmeisterposten  nur  an  fürstlichen  Höfen.  Bei  dem  Bestreben  des  Adels 
und  später  des  reicheren  Bürgertums,  die  Sitten  der  höchsten  Kreise  nachzuahmen, 
wurde  auch  der  Hofmeister  übernommen.     Diesem  Stande  hat  eine  grosse  Anzahl  von 


ib.  S.  113-24.  -  229)  B.  Kaisser.  Instruktion  für  d.  Schulmeister  in  Scheer  vom  J.  1664.  E.  Beitr.  z.  Schulgesch.  Württem- 
bergs: ib.  S.  124,6.  —  230)  id.,  D.  Volksschulwesen  in  d.  ehemal.  Qrafsch.  Waldburg-Zeil-Trauchbnrg:  OberschwäbHausfr. 
N.  37-40.  —  231)  K.  Krämer,  Geach.  d.  Volksschulwesens  im  früh.  Herzogt.  Zweibrücken.  (I.  T.  nebst  Anh.)  Kaisers- 
lautern (H.  Kayser).  1892.  56  S.  —  232)  L.  Eid,  D.  pfalzzweibrückische  Elementarsch,  unmittelb.  nach  d.  30 j.  Kriege 
(1648-1706).  Mit  d.  Portr.  d.  Herz.  Friedr.  Ludw.  v.  Pfalz- Landsberg.  Speier,  Jäger.  VIII.  44  S.  M.  1,00.  —  233)  W.  Eoh- 
roeder,  Z.  Gesch.  d.  Schule.  (=  Beil.  z.  25.  JB.  d.  Handelssoh.)  Festprogr.  z.  Feier  d.  25j.  Bestehens.  München.  94  S. 
Mit  1  Taf.  —  234)  B.  Poten,  Gesch.  d.  Militär-Erziehungs-  u.  Bildungswesens  in  d.  Landen  deutscher  Zunge.  3.  Bd.  Oester- 
reich. (=  MGP.  XV.)  B.,  A.  Hofmann  &  Co.  486  S.  M.  15,00.  —  235)  K.  Kehrbach,  Studierordnung  d.  Herzogin 
Dorothea  Susanna  v.  Weimar  für  ihren  Sohn,  d.  Herz.  Joh.  y.  Sachsen-Weimar,  aus  d.  J.  1583:  MGESchG.  3,  S.  29-43.  —  236) 
Erich  Meyer,  Z.  Jugendgesch.  Wilhelms  I.,  Kurf.  v.  Hessen:    ZVHessG.  18,  S.  518-56.    —    237)  R.  Pahner,  D.  Versuch  d. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens.  I  6  :  233-241 

Männern  ang-ehört,  die  später  als  hervorragende  Gelehrte  und  Dichter  eine  Rolle  gespielt 
haben:  Aus  dem  17.  Jh.  Betulius,  der  Romandichter  Joach..  Meier,  Moscherosch, 
Schottelius,  aus  dem  18.  Jh.  Boie,  Geliert,  Gleim,  Jung  Stilling,  Klopstock,  Leuchsen- 
ring,  Voss,  Chr.  Fei.  Weise,  auch  die  Philosophen  Fichte  und  Kant  u.  a.  Freilich 
die  Mehrzahl  dieser  Hofmeister  aus  späterer  Zeit,  die  Rabener  in  seiner  Satire, 
wenn  auch  karikiert,  schildert,  und  die  überhaupt  dankbare  Sujets  für  die  Litteratur- 
erzeugnisse  jener  Zeit  bilden,  gehören  in  die  Klasse  seltsamer  Originale,  sind  nach 
Steinhausen^»^)  die  „sonderbarsten  Käuze".  Zu  diesen  gehört  auch  Behrisch,  der 
Genosse  von  Goethes  fröhlicher  „Clique"  in  Leipzig.  Die  Schilderung  aber,  die 
Goethe  in  Dichtung  und  Wahrheit  »von  ihm  entworfen  hat,  findet  St.  etwas  über- 
trieben. — 

Pädagogik  der  Jesuiten.  In  grossen  Zügen,  und  dabei  doch  unter  Be- 
rücksichtigung von  urkundlichen  Materialien,  die  sich  auch  auf  kleinere  Einzelheiten 
beziehen,  hat  Georg  Müll  er '^3")  eine  durchsichtige  Darstellung  über  Unterricht  und 
Erziehung  bei  den  Jesuiten  während  des  16.  Jh.  verfasst.  Er  schildert  zuerst  Ent- 
stehung und  Gesetzgebung  des  Ordens  und  kommt  dann  in  zw^ei  weiteren  Abschnitten 
auf  Unterricht  und  Erziehung.  Vorsichtig  äussert  er  sich  über  die  Quellen  der 
Jesuitenpädagogik,  er  weist  nach,  dass  Vives  nicht  von  grossem  Einfluss  habe  sein 
können;  und  statt  einen  Einfluss  von  Joh.  Sturm  auf  den  Jesuitenorden  anzunehmen,  ist 
er  geneigt,  den  Einfluss  des  niederländischen  Schulwesens,  von  dem  auch  Sturm  seine 
Anregung  empfing-,  an  dessen  Stelle  zu  setzen.  U^m  hierüber  Klarheit  zu  schaffen, 
habe  man  noch  eine  Anzahl  von  Veröffentlichungen  nötig,  wie  sie  der  Jesuitenpater 
Pachtler  iimerhalb  der  MGP.  über  die  deutschen  Provinzen  des  Ordens  dargeboten  habe. 
Manche  Lücke  in  den  Darstellungen  jesuitischer  Pädagogik  würde  ausgefüllt  werden, 
wenn,  was  M.  auch  betont,  die  Entstehung  und  Entwicklung  des  U^nterrichtsbetriebes 
im  Collegium  Romanum  eingehend  dargestellt  würde.  Ich  bemerke  hier,  dass  eine 
Geschichte  des  Collegium  Romanum  unter  Beigabe  reichhaltigen  urkundlichen  Materials 
ursprünglich  in  den  Plan  der  MGP.  aufgenommen  worden  war,  dass  aber  aus  äusseren 
Rücksichten  diese  Absicht  unausgeführt  bleiben  musste.  Zum  Schluss  seien  M.s 
Worte  über  Jesuiten-  und  Protestanten-Pädagogik  angeführt,  mit  denen  er  seine  Ar- 
beit beendigt,  der  eine  baldige  Fortsetzung  zu  wünschen  wäre:  ,, Unter  Benutzung  der 
mittelalterlichen  Ueberlieferung,  der  humanistischen  Bewegung  und  der  zeitgenössischen 
pädagogischen  Strömungen  hatten  die  Jesuiten  ein  System  geschaffen,  das  in  seiner 
Einheitlichkeit  und  Geschlossenheit  sich  eines  kaum  geahnten  Erfolges  erfreute.  Es 
waren  im  Grunde  dieselben  Quellen,  aus  denen  der  Protestantismus  schöpfte.  Aber 
wie  auf  hohem  Bergesrücken  in  trauter  Nachbarschaft,  aus  gleicher  Tiefe  gespeist, 
zwei  Quellen  entspringen,  um  dann  nach  verschiedenen  Seiten  sich  zu  wenden  und 
auf  immer  auseinander  zu  gehen,  so  war  es  auch  mit  den  pädagogischen  Bestrebungen 
der  Gesellschaft  Jesu  und  des  Protestantismus."  — 

Schulreden  und  Programme.  Zu  den  Schriftstücken,  die  uns  die 
Kenntnis  der  Strömungen  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichts  und  der  Erziehung-  ver- 
gangener Zeiten  erleichtern,  gehören  auch  Schulreden  und  Programme.  Daher  hat  die 
Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  die  Sammlung,  Sichtung- 
und  Herausgabe  dieser  Dokumente  mit  in  ihr  Programm  aufgenommen,  nachdem  bereits 
im  Plane  der  MGP.  (1883)  die  Schulreden  unter  den  zu  edierenden  Stoffen  mit  an- 
geführt worden  waren;  und  es  konnte  schon  im  ersten  Bande  der  Mitteilungen 
der  Gesellschaft  eine  Schulrede  veröffentlicht  werden  (vgl.  JBL.  189116:  197).  Einen 
Beitrag  zu  dieser  Abteilung  hat  Frey  er-^'*)  geliefert,  der  einige  Schulreden  seines  Gross- 
vaters J.  E.  Scheibel,  vormaligen  Lehrers  und  Rektors  am  Elisabethgymnasium  in  Breslau 
(1759 — 1809),  veröffentlicht.  Von  den  zahlreichen  Scheibeischen  Programmen,  die  sich 
auf  die  verschiedenartigsten  Fachwissenschaften  erstrecken,  hat  F.  keines  vollständig- 
abgedruckt, sondern  nur  Bruchstücke  aus  den  Arbeiten  vorgelegt,  in  denen  sich 
Scheibel  mit  Fragen  der  Didaktik,  modernen  Theologie  und  Philosophie  beschäftigt. 
Diese  Bruchstücke  sind  übrigens  wertvoller  als  die  Reden,  deren  Ausbeute  für  unsere 
Zwecke  eine  äusserst  geringe  ist.  Mehr  Lob  verdienen  F.s  Beigaben,  die  historische 
Einleitung-  und  der  Nachtrag",  welcher  bisher  unedierte  Briefe  des  verdienstvollen 
Ministers  von  Zedlitz  darbietet.  Vielleicht  verdienten  auch  die  Briefe  von  Felbiger, 
Bode,  Lieberkühn,  Joh.  Bernoulli,  Wald,  die  sich  im  Nachlasse  Scheibeis  befinden, 
in  die  Oeffentlichkeit  gebracht  zu  werden.  —  Materialien  nicht  etwa  nur  zur  Geschichte 
des  Gymnasiums  in  Altenburg,  sondern  zur  Geschichte  der  Pädagogik  überhaupt, 
wie    auch   zur  Litteraturgeschichte  werden   von  Peine^'*^}    in    seiner    Arbeit    über 


Herz.  Ernst  d.  Frommen  v.  Gotha  z.  Gründung  e.  adl.  Fränleinstiftes  um  1670:  MGESchG.  3,  S.  176-93.  —  238)  G.  Stein- 
hausen,  D.  Hofmeister.  (=  Kulturstudien  [vgl.  JBL.  1892  I  4  :  28],  S.  84-108.)  —  239)  Georg  Müller,  Unterr.  u.  Erz.  in  d. 
Gesellsch.  Jesu  während  d.  16.  Jh.  (=N.  l;!!!',  S.  1-109.)  —  240)  P.  Freyer,  Programme  u.  Schulreden  d.  Mag. 
J.  K.  .Scheibel,  weil.  1759-1809  Lehrer  u.  Keklor  am  Elisabethgymn.  in  Breslau.  Mit  e.  hist.  Einl.  Progr.  d.  Kgl.  Elostersch. 
Ufeld.     Nordhausen,   C.  Kirchners  Bachdr.     4».     46  S.    —    241)   H.   Peine,    D.    Altenburg.  Gymnasialprogrr.  d.    17.  Jh.     I.  T. 


I  6:242-252  K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

die   Altenburg-er   Gymnasialprogamme   geliefert,    deren   Verzeichnis  mit  dem  J.  1658 
anhebt.242)  _ 

Schulkomödie.  Aus  dem  Nachlasse  Friedr.  Alb.  Langes^^s^  wird  ein 
g-eschichtlicher  Beitrag  zur  Schulkomödie  veröffentlicht,  der,  obwohl  gerade  in  der 
Zwischenzeit  eingehendere  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  Schulkomödie  ge- 
schrieben worden  sind,  doch  noch  mit  grossem  Interesse  gelesen  werden  kann.  — 
Interessant  sind  auch  Georg  Müllers ^^'ij  Mitteilungen  zur  Geschichte  der  Jesuiten- 
komödie in  Sachsen,  in  denen  er  Ergänzungen  giebt  zu  dem  von  Wustmann  (Schriften 
des  Vereins  für  Geschichte  Leipzigs.  187b.  2.  Sammlung)  dargestellten  Konflikte 
zwischen  dem  Konsistorium  und  dem  Rate  deii  Stadt  Leipzig  wegen  der  Aufführung 
einer  deutschen  Schulkomödie  in  der  Thomasschule,  ein  Konflikt,  der  schliesslich  vom 
Kurfürsten  geschlichtet  werden  musste.  M.  ergänzt  übrigens  auch  durch  die  Mitteilung 
der  Titel  zweier  solcher  Komödien  Carlos  Sommervogels  Dictionnaire  des  ouvrages 
anonymes  et  Pseudonymes  publies  par  les  religieux  de  la  compagnie  de  Jesus  (Paris 
1884).  —  Die  ausführlichen  Titel  von  24  Schulkomödien,  die  am  Jesuitengymnasium 
in  N-eisse  von  1706 — 9  aufgeführt  worden  sind,  hat  May^'*^)  zusammengestellt. 
Der  Stoff  der  Stücke  entstammt  fast  ausschliesslich  der  Heiligengeschichte;  im  Titel 
ist  immer  die  „Moral"  eingeflochten,  z.  B.  „Virtus  praemiata  seu  Cratonicus  etc. 
Victima  Amoris  Sive  Jephtias  etc."  —  Hier  sei  auch  auf  Herrmanns -4^)  verdienst- 
volle Arbeit  über  Terenz  hingewiesen.  — 

Verschiedenes.  Auf  ein  Schulliederbuch  aus  dem  J.  1531,  das  Lieder 
in  lateinischer,  griechischer,  deutscher  und  französischer  Sprache  mit  beigefügten  Noten 
enthält,  macht  Stötzner^^')  aufmerksam.  —  Vom  Mittelalter  bis  in  den  Anfang  des 
17.  Jh.,  so  lange  die  Namen  der  Kalenderheiligen  zur  Datierung  benutzt  wurden, 
haben  die  metrisch  abgefassten  lateinischen  und  deutschen  Heiligenkalender,  die 
Cisiojani,  einen  Bestandteil  des  Unterrichts  in  Knaben-  und  Mädchenschulen  gebildet. 
Einen  von  Melanchthon  abgefassten,  im  CR.  übersehenen  Cisiojanus,  den  Hartfelder 
(vgl.  JBL.  1892  I  10:  19)  nach  einer  späteren  Ausgabe  des  Chytraeus  von  1593  ediert 
hatte,  veröffentlicht  jetzt  Kehrbach 2^**)  nach  dem  von  Luther  in  seinem  Enchiridion 
piarum  precationum  (1543)  gegebenen  Wortlaute.  —  Frühere  Mitteilungen  über 
Schulmünzen-Rechenpfennige  (vgl.  JBL.  1891  I  6:231;  1892  I  10:336)  werden  von 
Kehrbach 249)  durch  eine  kurze  Nachricht  über  die  auf  der  Altdorfer  Lateinschule 
von  1577 — 1626  als  Prämien  verteilten  Münzen  ergänzt.  —  In  der  Geschichte  des 
deutschen  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  bilden  die  deutschen  moralischen  Wochen- 
schriften des  vorigen  Jh.  ein  wichtiges  Glied.  Der  Historiker  kann,  wenn  er  grosse 
Lücken  in  seiner  Darstellung  vermeiden  w^ill,  an  ihnen  nicht  vorübergehen.  War  bei 
der  Gründung  dieser  Zeitschriften  gewöhnlich  die  Tendenz,  moralische  Bildung 
in  weitereu  Bevölkerungsschichten  zu  verbreiten,  also  ein  pädagogischer  Zweck,  mit  beab- 
sichtigt, so  w^urden  in  ihnen  auch  geradezu  pädagogische  Themata  erörtert  und  zwar 
früher  als  sie  in  pädagogischen  Systemen  oder  Verordnungen  für  Unterricht  und  Er- 
ziehung auftraten.  Aus  Osk.  Lehmanns^äO)  kleiner  Bi-oschüre  geht  das  deutlich 
hervor.  Leibesübungen  werden  empfohlen  schon  Jahrzehnte  vor  dem  Philanthropinismus. 
Es  wird  auf  die  Notwendigkeit  der  Pflege  des  Spieles,  weiblicher  Handarbeiten,  des 
Handfertigkeits-  und  ZeichenunteiTichtes,  auf  Lektüre  für  die  Jugend,  auf  die  Pflege 
nationalen  Sinnes  und  die  Wichtigkeit  des  Unterrichtes  in  deutscher  Sprache  auf- 
merksam gemacht,  ehe  die  Schule  sich  dieser  Stoffe  annimmt.  Eine  sicher  dankbare 
und  die  Geschichte  der  Pädagogik  fördernde  Aufgabe  würde  es  sein,  das  von  L.  behandelte 
Thema  umfassender  darzustellen,  wobei  versucht  werden  müsste,  die  Einwirkung  der 
in  den  pädagogischen  Aufsätzen  niedergelegten  Ansichten  auf  die  pädagogischen 
Systematiker  und  die  Schulordnungen  —  das  Wort  im  weiten  Sinne  der  MGP.  ge- 
nommen —  nachzuweisen.  —  Einen  integrierenden  Bestandteil  jeder  höheren  oder  niederen 
Schule  bildete  in  früheren  Zeiten  der  Schülerchor,  der  besonders  in  katholischen 
Ländern  eine  grosse  Thätigkeit  bei  kirchlichen  Dienstleistungen  entwickeln  musste. 
lieber  die  Einrichtung  des  Chors,  die  Verpflichtung  seiner  Mitglieder,  unterrichten  uns 
die  von  dem  jüngeren  Koldewey^^i)  veröffentlichten,  für  den  protestantischen  Schüler- 
chor in  Königslutter  1770  erlassenen  Gesetze.  —  Isenbart252)  veröffentlicht  einen  Brief 
Justus  Mosers,  worin  dieser  seine  Ansicht  über  Vorschläge  darlegt,  die  der  badische  Ge- 
heime Rat  von  Edelsheim  zur  Vorbildung  „künftiger  Geschäftsmämier"  gemacht  hatte. 


Progr.  Altenburg  (0.  Bonde).  4».  30  S.  —  242)  X  (I  3:142.)  —  243)  Friedr.  Alb.  Lange,  Gesch.  n.  Bedeutung  d.  Schul- 
komödle  vor  n.  nach  üomenins:  MhComeninsG.  2,  S.  2.59-72. —  244)  Georg  Müller,  Z.  Gesch.  d.  Jesuiten-Komödie  in  Sachsen: 
NASächsG.  14.  8.140,160,1.-245)  R.  May,  Schulkomödien  d.  Jesuiten  in  Neisse  (,1706-9j:  MGESchG.  3,  S.  194  7.  -  246)  M. 
Herrmann,  Terenz  in  Deutschland  bis  z.  Ausgange  d.  16.  Jh.  E.  Ueberblick:  ib.  S.  1-28.  —  247)  P.  Stötzner,  E.  Schul- 
liederbuch V.  1531:  ib.  S.  59-64.  —  248)  K.  Kehrbach,  Z.  Cisiojanus- Litt.:  ib.  S.  205.  —  249)  id.,  Schulmünzen-Rechen- 
pfennige: ib.  S.  204. —  250)  Osk.  Lehmann,  D.  dtsch.  moral.  Wochenschriften  d.  18.  Jh.  als  päd.  Reformschriften.  L.,  Rieh.  Richter. 
86  S.  M.  1,35.  —  251)  F.  Koldewey  d.  J.,  Schulordnungen  d.  Stadt  Königslutter  (Braunschweig),  Ergänzung  z.  Bd,  VUl  d.  MGP.: 
MGESchG.  3,  8.  198-203.    —    252)  IL  Isenbart,    J.  Mosers  Brief  an  W.  v.  Edelsheim  über  d.  Erz.  fürs  prakt.  Leben  (1786). 


P.  Goldsoheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule.        16:253    I  7  :  i-e 

Mosers  Ansichten  würde  man  genauer  kennen  lernen,  wenn  die  Vorschläg-e,  die  Edels- 
heim  g-emacht  hatte,  veröffentlicht  werden  könnten.  —  Zum  Schluss  sei  auf  Bock s^^S) 
Zusammenstellung-  von  Citaten  hervorragender  pädagogischer  Schriftsteller  dieses  Jh. 
über  Erziehung  und  Unterricht  und  über  den  Lehrerberuf  hingewiesen,  eine  freilich 
recht  einseitige  Sammlung!  Gegenüber  den  Proben  aus  Werken  von  Bogumil  Goltz, 
Kellner,  Fulda,  Bormann,  Grünew'ald,  Scheibert  und  anderen,  zum  Teil  recht  un- 
bekannten Pädagogen  muss  es  auffallen,  dass  B.  Männer  wie  Herder,  Herbart,  Har- 
nisch, Dinter  u.  a.,  deren  Werke'  gerade  für  Sentenzensammlungen  ergiebig  sind,  gar 
nicht  berücksichtigt  hat.  — 


1,7 

Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Paul  Goldsoheider. 

Allgemeines  und  Methodologisches:  Stellung  des  Faches  N.  1.  —  Auswahl  der  Werlce  N.  4.  —  Zn- 
samnienhang  des  Aufsatzes  mit  der  Lelctnre  N.  11.  —  Lektüre  an  Mädchenschulen  -N.  31.  —  Beziehung  zur  klassischen 
Litteratur,  Betonune  der  poetischen  Technik,  Erklärung  der  rhythmischen  Gesetze  N.  33.  —  Schüleraufführungen,  Bilder,  „Offene 
Fragen"  N.  38.  —  Methodische  Erläuterungsschriften:  zu  Dramen  N.  41;  zu  Lyrik  und  Epik  N.  44;  zu  den  Lesebüchern 
N.  49;  zu  Robinson  N.  53.  —  Hilfsmittel  für  den  Unterricht:  Schulausgaben  (Lessing.  Herder,  Goethe,  Schiller,  Eber- 
hard, Uhland,  Schlegels  Shakespeare)  N.  56.  —  Lesebücher  und  Anthologien  N.  92.  —  Leitfäden  der  Litterutargeschichte 
und  Poetik  N.  134.   — 

Allgemeines  und  Methodologisches.  Bemerkenswerte  amtliche  Kund- 
gebungen liegen  aus  dem  Berichtsjahre  nicht  vor,  Ueber  die  Stellung  des  Faches 
in  der  Schule  handelt  Erbe^),  der  das  Deutsche  in  den  Mittelpunkt  des  gesamten 
höheren  Unterrichts  rücken  will.  Er  entwickelt  knapp,  aber  klar,  wie  deutsche  Sprache 
und  deutsche  Darstellung  von  der  deutschen  Gelehrtenschule  abgestossen  und  zurück- 
gedrängt worden  sind.  Er  findet,  dass  wir  in  Gefahr  sind,  für  die  Sprache  Luthers, 
Lessings,  Goethes,  Schillers  eine  Sprache  zu  erhalten,  die  wegen  ihrer  üeberladung  mit 
dem  falschen  Schmuck  unnötiger  Fremdw'örter,  ihrer  Regel-  und  Formlosigkeit,  ihrer 
Schwülstigkeit  und  Gespreiztheit  das  Gespötte  anderer  Völker  werden  müsste.  Wunder- 
lich und  Kärger  gäben  den  herben  Trost,  dies  sei  der  natürliche  Gang  der  Sprachentwick- 
lung', bedeutungslos  gewordene  Ausdrucksmittel  müssten  sich  immer  mehr  häufen.  Dabei 
will  sich  E.  nicht  beruhigen;  seine  Vorschläge  für  Belebung  und  Erziehung  des  Sprach- 
gefühls auf  der  höheren  Schule  sind  beachtenswert.^  3j  — 

Einen  Lehrplan  für  den  deutschen  Unterricht  in  den  unteren  und  mittleren  Klassen 
eines  sächsichen  Realgymnasiums  mit  einer  Angabe  über  die  Aus w^ahl  der  Werke, 
die  in  Frage  kommen,  iDietet  Hentschel^j.  Für  unsere  Zwecke  können  wir  aus  dem 
reichhaltigen  Erfahrungsschatze,  der  hier  geöffnet  wird,  nur  Einzelheiten  hervorheben: 
S.  31:  Zusammenstellung  aller  in  Betracht  kommenden  Gedichte  über  den  Befreiungs- 
krieg. S.  32:  Angliederung'  von  entsprechenden  Prosaabschnitten.  S.  38:  Im  An- 
schluss  an  die  Besprechung  des  Dramas  in  Untersekunda  bestimmte  Fragen  zur  Beant- 
wortung als  häusliche  Aufg-abe.  S.  64:  Die  sogen,  freien  Vorträge  sollen  sich  auf 
die  Privatlektüre  beziehen;  es  werden  geeignete  Massregeln  angegeben,  die  den 
damit  verbundenen  Gefahren  vorbeugen  sollen.  S.  76:  Die  Beschreibung  in  Form 
eines  Rätsels  (für  Quarta).  —  F ab ricius^)  behandelt  in  seinen  Vorschlägen  und  Ent- 
würfen für  das  Realgymnasium  von  S.  10  an  die  Lektüre  und  die  Litteratur.  Als 
Werke,  die  für  Untersekunda  geeignet  sind,  werden  genannt:  Herzog-  Ernst  von  Schwaben, 
Minna  von  Barnhelm,  vielleicht  Philotas,  Jungfrau  von  Orleans,  Wilhelm  Teil.  In 
Betracht  kommen  ausserdem  etwa:  Zriny,  Prinz  von  Homburg,  Hermann schlacht,  Wilden- 
bruchs Quitzows.  Zur  Privatlektüre  werden  empfohlen:  Hauffs  Lichtenstein;  Kleists 
Michael  Kohlhaas ;  Scheffels  Ekkehard.  Bei  der  üebersicht  über  die  litterarische  Ent- 
wicklung wird  auch  überall  auf  den  Stand  der  Sprache  hingewiesen;  die  Art  und 
Weise  erhellt  etwa  aus  dem  Gesetze  von  der  Wandlung  der  Vokale  (S.  17).  —  Ueber 
poetische  Uebersetzungen  und  deren  Verwertung  für  den  ITnterricht  handelt  Fr  eytag^). 

E.  Ergänz,  zu  d.  Patriot.  Phantasien:  ib.  S.  108-12.    —    253)  B.  Bock,  Stimmen  hervorrag.  Schulmänner  dieses  Jh.  z.  Beach- 
tung für  Lehrer  u.  Laien  bei  d.  Erz.  u.  d.  Unterr.  d.  Jugend.     L.,  Akad.  Buchh.  (W.  Faber).     VUI,  160  S.     M.  3,00.  — 

1)  K.  Erbe,  D.  Deutsche  als  Mittelpunkt  d.  höh.  Unterr.  St.,  Bonz.  32  S.  M.  0,30.  ~  2)  X  St.  Waetzold, 
ß.  Lehmann,  D.  dtsch.  Unterr.  (vgl.  JBL.  1890  I  7:4):  ZGymn.  26,  S.  87-93.  —  2a)  X  B-  Stein,  D.  dtsch.  Unterr.  am  Lehrer- 
seminar: KZEU.  S.  269-97,  346-53.  —  3)  X  X  J-  Griessbach,  D.  gesch.  Entwicklung  d.  altklass  u.  dtsch.  Unterr.  an  d. 
Gymn.  im  Königreich  Bayern.  Progr  Hof.  1892.  72  S.  —  4)  C.  Hentschel,  Lehrplan  für  d.  dtsch.  Unterr.  in  d.  unteren 
u.  mittl.  Klassen  e.  sächs.  Realgyran.  (=  Ergänzungsheft  zu  ZDU.  N.  6.)  L.,  Tenbner.  1892  VI,  87  S.  M.  1,60.  —  5)  H.  Fahr i eins, 
D.  Aufgaben  d.  dtsch.  Unterr.  an  unserm  Eealgymn.     Vorschläge  u    Entwürfe.  Progr.    Bützow.    4".    32  S.  —  6)  L.  Freytag, 


I  7  : 7-13  P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Es  war  vorg-eschlajyen,  die  Nibeliing'en  ledig-lich  in  prosaischer  Form  wiederzug-eben. 
Dag-eg-en  wendet  sich  F.  mit  Entschiedenheit.  Eine  g"ute  Nachdichtung-  hält  er  auch 
trotz  des  „Naschens  am  Urtext"  für  erforderlich.  Er  formuliert  sie  so:  „Sie  ist  die 
TTradichtung-  des  fremdes  Textes  im  eig-enen  Idiom  unter  thunlichster  Wahrung"  der 
sprachlichen,  bildlichen  und  metrischen  Form."  — In  einer  Abhandlung"  Schlüters'') 
findet  man  recht  g"ute  Bemerkungen  über  die  Herstellung"  einer  geeig-neten  Schüler- 
bibliothek. Eine  Reihe  brauchbarer  Schriften  wird  empfohlen.  Die  Bearbeitung"  von 
allerlei  Romanen  für  die  Jug-end  missbilligt  Seh.;  ebenso  die  aufreg"ende  Dielitzsche 
Abenteuerlitteratur.  Ueberall  wird  fein  abg"ewog"en,  was  mög"lich  und  erreichbar  sei; 
wenn  man  der  Wahlfreiheit  nicht  einig-e  Zug"eständnisse  mache,  könne  man  den  g-anzen 
Nutzen  der  Schülerbibliothek  in  Frag"e  stellen.  —  K  r  i  e  r  ^)  giebt  Anweisung-en  für  die 
Privatlektüre  von  Zög"ling"en  eines  bischöflichen  Konvikts.  Das  Werk  enthält  eine 
aus  den  besonderen  Verhältnissen  Luxemburg-s  erklärliche  Mischung"  deutschen  und 
französischen  Geistes  und  wird  schon  dadurch  für  jeden  Aussenstehenden  fesselnd 
sein;  dazu  tritt  dann  die  merkwürdig"e  Vereinig-ung  scholastischer  Gelehrsamkeit  und 
moderner  Bestandteile.  Für  unsere  Aufg-abe  kommen  insbesondere  in  Betracht  Teil  II 
("von  S.  190  an)  und  aus  I  der  Abschnitt  „Die  schriftlichen  Aufsätze"  (S.  157).  Die 
hier  g"eg'ebenen  Vorschriften  sind  nicht  neu,  aber  g'ut  ausgewählt.  Den  einzelnen  Be- 
hauptung-en  tritt  überall  eine  Brülle  von  Citaten  zur  Seite,  die  der  Vf.  mit  dem  naiven 
Behagen  des  altrhetorischen  Stils  ausstreut.  Er  rühmt  sich  seines  Sammelbuches 
CS.  324).  Das  Vorsündflutliche  seiner  g"eschichtlichen  und  litterarhistorischen  Erkenntnis 
lehren  u.  a.  folg"ende  Sätze,  aus  denen  „die  Nützlichkeit  und  Notwendig"keit  der  Lektüre" 
bewiesen  werden  soll:  „Aristoteles  g"ab  72000  Sestertien  f!)  für  einige  Bücher  des 
Speusippus."  „Aus  der  Aeneide  ist  ersichtlich,  dass  Virg"il  den  Homer  fleissig"  studierte." 
Werke  der  deutschen  klassischen  I^itteratur  dürfen  dem  Zög"ling"e  nur  mit  g-rosser 
Behutsamkeit  darg"eboten  werden  und  zwar  um  des  Standpunktes  willen,  den  „die 
sog-en.  klassischen  Dichter"  der  Relig"ion  g"eg'enüber  eing"enommen  haben  (S.  290).  Die 
Klassiker  erscheinen  dem  jung-en  Studenten  „in  einem  g-länzenden  Nimbus  g"eistig"er 
lTeberleg"enheit,  und  von  der  Schule  her  ist  er  daran  g"ewohnt,  zu  ihnen  als  zu  Halb- 
g"öttern  hinaufzuschauen.  Bald  werden  diese  ihm  ein  billigendes  Gefühl  für  ihre 
Ansichten  abg'ezwung"en  und  ihn  in  ihren  relig-iösen  und  sittlichen  Verirrung"en  zum 
Mitschuldig-en  g"emacht  haben.  Die  Lektüre  derselben  ist  und  bleibt  verderblich".  Nibe- 
lung'en,  Gudrun,  Parzival  und  Heliand  werden  in  den  Ausg-aben  von  Chr.  Stecher 
S.  J.  darg-eboten  (S.  287),  und  von  litteraturg-eschichtlichen  Werken  werden  die  Schriften 
Alex.  Baumg"artners  S.  J.  empfohlen. ^"i'^")  — 

Der  Zusammenhang"  des  Schulaufsatzes  mit  der  Lektüre  soll  nach 
Hentschel*^)  mög-lichst  g-e wahrt  bleiben.  Denn  der  Vf.  ist  der  Ansicht,  dass  eben 
dieser  Zusammenhang"  die  rechten  Aufg"aben  für  schriftliche  Arbeiten  vermittelt  und 
vor  Missg'riffen  behütet.  Die  Anordnung"  verläuft  stufenmässig"  und  nach  Stilarten.  W^ir 
meinen,  um  dem  Lehrer  die  rechte  Anleitung"  zu  g-eben,  bedarf  es  doch  nicht  geradezu 
dieser  300  Stücke;  treffende  Auswahl  von  Beispielen  ist  lehrreicher  als  diese  Ver- 
wässerung",  freilich  auch  schwerer.  —  Um  lauft  ^2)  hat  6900  Themata  aus  den  Jahres- 
berichten der  deutschen  Gymnasien  und  Realschulen  Oesterreichs  g-esammelt.  Er  hofft, 
sich  mit  seiner  Zusammenstellung"  den  Dank  der  Mittelschulen  seines  Vaterlandes  ver- 
dient zu  haben.  Aber  der  Gedanke  ist  didaktisch  nur  dann  förderlich,  wenn,  wie  in 
dem  Apeltschen  Buche,  eine  sorgfältig'e  Kritik  die  Bezeichnung-  der  Themata  beg'leitet. 

—  Berg" '3)  stellt  aus  den  fünf  letzten  Jahren  diejenigen  Aufgraben  zu  deutschen  Auf- 
sätzen und  Vorträg'en  zusammen,  die  in  der  Provinz  Sachsen,  im  Anschluss  an  Relig"ion, 
Geschichte,  Geographie  und  an  die  Lektüre  klassischer  Schriftwerke  alter  und  neuer 
Zeit  bearbeitet  worden  sind.  Bei  der  systematischen  Anordnung"  ist  der  Vf.  im  wesent- 
lichen chronolog-isch  zu  Werke  _g"eg"angen.  Sollte  es  nicht  praktisch  wertvoller  sein, 
die  wirklich  neuen,  treffenden,  interessanten  Themata  herauszusuchen?  Was  hilft 
dieser  Reichtum  zum  Teil  g"eistloser  Nomenklatur?  Vgl.  etwa  die  Aufgraben  über 
„Maria  Stuart"  :  Maria,  Elisabeth,  Mortimer,  Leicester,  Paulet,  Burleigh,  Talbot,  Melvil ! 

—  lieber    das    Lesebuch    von    Hense    (vg"l.    JBL.    1892    I   5 :  83)    hat    sich    zwischen 

D.  Wichtigkeit  d.  poet.  IJebersetznngen  für  d.  Schulnnterr. :  ZDU.  7,  S.  475-90.  —  7)  H.  Schlüter,  Ueber  Jugendlektüre.  Progr. 
d.  Bealprogyron.  Buxtehude.  4".  33  S.  —  8)  J.  B.  Krier,  D.  Studium  u.  d.  Privatleictare.  17  Konferenzen  d.  Zöglingen  d. 
Bischöfl.  Konviktes  zu  Luxemburg  geh.  3.  yerb.  n.  verm.  Aufl.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  1892.  12».  VIII,  327  S.  M.  2,00.  — 
9)  X  X  Ij-  Rotter,  Lehrproben  für  d.  sachl -sprachl.  Behandlung  dtsch.  LesestücVe.  (=  Ber.  über  d.  Yortrr.  u.  Verhand- 
lungen d.  mähr.  Landeslehrerlconf.  Znaim,  Fonrnier  &  Haberler.  29  S.  M.  0,40.  —  10)  X  ^-  Wackernell,  H.  Unbescheid, 
Beitr.  z.  Behandl.  d    draraat.  Lektüre.    Mit  e.  Tafel  zu  Schillers  Dramen.    2.  Aufl.  (vgl.  JBL.  1891  I  7:14):  ÖLBl.  2,    S.  573;5. 

—  10a)X^-  Steiger,  Führer  durch  d.  sprachl.  Teil  d.  bernischen  Oberklassen-Lehrbuchs.  3  n.  letztes  Bdch.  D.  lyr.  Poesie 
in  d.  Schule.  Mit  e.  Wandtaf.-Zeichnnng  zu  Schillers  ,.Glocke''.  Bern,  Schraid,  Francke  &  Co.  VIII,  233  S.  M.  2,50.  [Paeda- 
gogium  15,  S  687.] I  —  10b)  X  W.  Pfeifer,  Z.  Behandlung  lyr.  Gedichte  in  d.  Volksschule:  PädBll.  22.  S.  51-64.  —  lOo)  X  D- 
Fabel  nach  ihrem  Wesen,  ihrer  Gesch.  U.Verwendung  im  Unterr.:  KZEU  S. .537-43.  —  11)  A.  Hentschel,  D.  Sohnlaufsatz  in 
seiner  Verbindung  mit  d.  Lesestoffe.    Für  Stadt-  u.  Landschulen.    Für  Unter-  u.  Mittelklassen.    L.,  Peter.    1892     174  S.    M.  1,50. 

—  12)  Fr.  Umlauft,  6900  Themen  zu 'dtsch.  Aufsätzen  u.  Redeübungen  an  Obergymn.  u.  Oberrealsch.  Wien,  Graeser.  XV, 
244  S.     M.  3,60.  —  13)  W.  Berg,   Aufgaben   zu  dtsch.  Aufsätzen  u.  Vortrr.  in  d.  oberen  Klassen  höh.  Lehranst.     (Aus  d.  JB. 


P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  7  :  14-31 

Bötticher**),  der  eine  ausführliche  Kritik  verfasste,  und  dem  Vf.  Hense'^) 
selbst  eine  litterarische  Fehde  erhoben,  aus  welcher  das  Mög-liche  und  das  Notwendig-e 
bei  der  Herstelluno-  derartig-er  Litteraturwerke  deutlich  hervortreten.  B.  behauptet, 
dafs  die  vorhandenen  Schulausg-aben  „das  Brockensystem"  der  Lesebücher  nur  noch 
lächerlich  erscheinen  lassen.  —  Jedenfalls  wäre  es  jetzt  an  der  Zeit,  klar  festzustellen, 
welche  Werke  der  Schüler  vollständig'  kennen  lernen  soll,  und  was  demg-emäss  vom 
Lebebuch  zur  Erg-änzung-  hinzugefüg-t  werden  müsse.  Aus  Tschaches 'ß)  „Material" 
können  für  den  vorliegenden  Zweck  nur  die  42  Aufsätze  in  Betracht  kommen,  die  sich 
an  die  deutsche  Lektüre  anschliessen:  Wir  können  ihnen  keinen  g-rossen  Wert  bei- 
messen; sie  enthalten  wenig-  Eig-enes,  sehr  viel  (für  Lehrer!)  üeberflüssiges;  auch 
fehlt  es  an  Schärfe  der  Auffassung",  vgl.  z.  B.  Disposition  19,  die  sich  an  die  Bürg- 
schaft anschliesst,  namentlich  was  unter  II,  b,  c  sowie  e,  f  g-eboten  wird:  Die  Haupt- 
forderung' an  eine  Disposition,  nämlich  dass  die  Teile  einander  ausschliessen  müssen, 
wird  hier  g-röblich  verletzt.  —  Aus  den  neuen  Materialien  zu  deutschen  Stilübung-en 
von  Normann ^'')  können  hier  nur  Teil  II  (Aufsätze)  und  Teil  ITI  (Entwürfe)  in  Be- 
tracht kommen.  lieber  den  ersteren  bemerken  wir,  dass  wir  es  für  unstatthaft  halten, 
Verse  Schillers  als  Verstösse  g"eg"en  die  Sprachrichtig'keit  auszubeuten,  wie  N.  361  und 
M.  .S62  g-eschieht.  Hinweisen  darf  man  wohl  auf  dieses  „obg-leich  entstellt  von  Wunden" 
und  „entstellt  von  seines  Ruhmes  Glanz",  aber  nicht  in  einer  Reihe  mit  den  g'röbsten 
Schnitzern,  sondern  im  Zusammenhang-e  mit  wissenschaftlicher  Erläuterung'  solcher  — 
ohne  Zweifel  —  beabsichtig-ten  Licenzen.  Die  Gegenstände  im  II.  und  III.  Teile  beziehen 
sich  auf  alle  die  Gebiete  modernen  Lebens,  die  bis  jetzt  nur  vorüberg'ehend  zur  Behand- 
lung-g'ekommen  seien;  der  Blick  des  Schülers  müsse  für  das  Leben  g-eschärft  werden,  für 
das  er  doch  erzog'en  werden  solle.  Mancherlei  darin  erscheint  moralisch  nicht  un- 
bedenklich. —  Oberländers'^)  „Lehrg-ang'"  für  die  unteren  Klassen  kann  hier  nur 
so  weit  in  Betracht  kommen,  als  bei  Anfertig'ung'  der  Aufsätze  eine  Rücksichtnahme 
auf  das  Lesebuch  stattfinden  soll;  bei  der  Methode  schweben  besonders  die  Grund- 
sätze Nöttels,  Jankers,  Lampeis  vor.  Die  Sammlung"  enthält  für  ung'eübte  Anfäng-er 
vieles  Brauchbare,  aber  doch  wohl  nur  für  solche !  —  Aus  Hehl s^^)  Abhandlung- über 
die  Methodik  des  deutschen  Unterrichts  sind  hervorzuheben  Kap.  1 :  „Die  Bedeutung' 
des  Lesebuches  für  den  deutschen  Unterricht"  und  Kap.  3:  „Behandlung-  der  Lese- 
stücke". H.  wendet  sich  g-eg-en  Lesebücher  von  encyklopädischem  Charakter,  die  nur 
Oberflächlichkeit  erzeug-ten  und  das  eig-entliche  Erziehung-swerk  mehr  hintertrieben  als 
förderten.  Für  die  Auswahl  stellt  er  in  den  Mittelpunkt  die  Bearbeitung"  ethischer 
Motive.  Das  klassische  Altertum  soll  bei  Fabel  und  Sage  nicht  ausg"eschlossen  sein; 
für  besonders  wertvoll  hält  er  die  Beschäftig-ung-  mit  dem  deutschen  Volksmärchen. 
Bei  poetischen  Lesestücken  ist  die  Hebung"  des  Nacherzählens  nicht  anzustellen.  — 
W'ohlrabe^'^)  verwirft  offenbar  eine  ausschliessliche  Anlehnung"  der  schriftlichen 
Arbeiten  an  das  Lesebuch:  Die  Aufsatzübung"en  sollen  sich  mög"lichst  g"leichmässig" 
an  die  Gedankenkreise  des  sonstigren  Unterrichts  anschliessen;  die  Themata  werden 
also  durch  den  Fortschritt  des  Gesamtunterrichts  beding-t.  Ein  Stufeng"ang"  nach 
formellen  Gesichtspunkten  wird  abgelehnt,  Paragraphen  eines  besonderen  stilistischen 
Uebung-sbuches  dürfen  nicht  zu  Grunde  geleg-t  werden. ^i"^'^)  — 

Die  Gestaltung-  der  L e k t ü r e  an  höheren  Mädchenschulen  behandelt  L e 0 n - 
hardi^^).  Er  spricht  sich  dag"eg"en  aus,  dass  nur  abg"erissene  Stücke  aus  einem 
Drama  gelesen  würden.  Wie  er  sich  die  Behandlung  denkt,  zeigt  er  in  einem  Bei- 
spiele an  der  „Jungfrau  von  Orleans."  Sehr  richtig  ist,  was  er  am  Schluss  bemerkt, 
dass  gerade  Mädchen  für  die  Erfassung  eines  Ganzen  und  für  folgerichtige  Entwick- 

a.  höh.  Lehranst.  d.  Prov.  Sachsen.)  B.,  Gaertner.  202  S.  M.  2,80.  —  14)  G.  Bötticher:  ZDU.  7,  S.  204-10.  —  15)  J-Hense, 
Erwiderung  auf  d.  Herrn  G.  Bötticher  an  d.  dtsch.  Lesebnehe  v.  J.  Hense  peübte  Kritik:  ib.  S.  443/7.  (Dazu:  Erwiderung 
d.  Eecensenten:  ib.  S.  447 '8.)  —  161  G.  Tschacho,  Material  zu  dtsch.  Aufsätzen  in  Stilproben,  Dispositionen  oder  kürzeren 
Andeutungen  für  d.  raittl.  KUssen  höh.  Lehranst.  2.  Bd.  4.  Aufl.  Breslau,  Kern.  Vin,  176  S.  M.  2,40.  —  17)  H.  Nor  mann. 
Neue  Materialien   zu  dtsch.  Stilübnngen   für  d.  mittl.  Klassen  höh.  Lehranst.     Kattowitz,  G.  Sirvinna.     1892.     166  S.     M.  2,.51. 

—  18)  8.  Oberländer,  4  Jahre  Unterricht  im  dtsch.  Aufsatze.  Versuch  e.  Leitfadens  für  d.  dtsch.  Aufsatzunterr.  in  d.  Unter- 
realsch.  Progr.  Neutitschein.  1890-91.  91  S.  —  19)  K.  Hehl,  Z.  Methodik  d.  dtsch.  TJnterr.  in  d.  ersten  Gymnasialklasse. 
Progr.  Mariahilf.  20  S.  —  20)  W.  Wohlrabe,  D.  Stellung  d.  Aufsatzes  im  Gesamtunterr.  Halle  a.  S.,  Schroedel.  1892. 
m,  39  S.  M.  1,00.  —  21)  X  F-  X-  I^eck.  Dispositionen  n.  Materialien  zu  dtsch.  Aufsätzen.  Rottenburg,  Bader.  VII,  176  S. 
M.  1,20.  —  22)  X  J-  Hörtnagl,    Prakt.  Lehrgang  im  Disponieren  dtsch.   Aufsätze.     Progr.  d.  Gymn.    Wien.-Nenstadt.     36  S. 

—  23)  X  L.  Kahnmeyer  &  H.  Schulze,  Vorstufe  für  d.  dtsch.  Aufs.    2.  Aufl.    Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.    8  S.    M.  0,10. 

—  24)  X  K-  Schubert,  Ausgeführte  Stilarbeiten  (nebst  Entwürfen  u.  Themen)  auf  Grundlage  dtsch.  Musterstücke.  1.  Bd. 
2.  Aufl.  Wien,  Pichlers  &  Sohn.  VI,  156  S.  M.  1,60.  —  25)  X  J-  Haselmayer,  Neues  Aufsatzbuch  z.  Gebrauche  an  höh. 
Schulen  u.  z.  Selbstnnterr.  2.  Aufl.  Würzburg,  Staudinger.  456  S.  M.  4,00.  —  26)  X  M.  Fack,  Materialien  zu  e.  Lehre  Tora 
Stil.  Jena,  Mauke.  46  S.  M.  0,60.  -  27)  X  L.  Kahnmeyer  u.  H.  Schulze,  Stoffe  für  d.  dtsch.  Aufs,  in  ausfOhrl.  Dar- 
stellung. 1.  T.  1.-4.  Stufe.  4.  Aufl.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  VIII,  232  S.  M.  2,50.  —  28)  X  M.  Uebelacker,  Dtsch. 
Aufsatzschule  für  d.  Schul-  u.  Selbstunterr.,  auch  geeignet  als  Lesebuch  für  Fortbildungssch.  5.  Aufl.  Enth.  1.  Belehrung  u. 
Anl.  z.  selbständ.  Anfertigung  v.  Aufsätzen.  2.  Zahlreiche  ausgeführte  Musteraufsätze.  3.  D.  mündl.  Rede,  d.  mündl.  Vortr. 
4.  Entwürfe  u.  Aufgaben.  B.,  Aug.  Schnitze.  XII,  407  S.  M.  3,00.  -  29)  X  i^i  Kleine  dtsch.  Aufsatzschule  für  d.  Schnl- 
u.  Selbstunterr.  Enth.:  1.  Belehrung  u.  Anleitg.  z.  selbständ.  Anfertigung  v.  Aufsätzen.  2.  Ausgeführte  Musteraufsätze  u. 
Dispositionen.  B.,  Aug.  Schnitze.  IV,  96  S.  M.  1,00.  —  30)  X  F-  X.Reck,  Anleitung  z.  dtsch.  Aufsatz.  Rottenburg,  Bader. 
IV,  48  S.    M.  0,40.  —  31)  P.   Leonhardi,  Neue  method.  Hilfsmittel  z.  nnterrichtl.  Behandlung  d.  dramat,  Lektüre  u,  ihrQ 


I  7  :  32-43  P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

lung"  herang-ezog-en  werden  müssen,  damit  sie  nicht  unklares  Schwärmen  für  Ver- 
ständnis ausgeben.  —  Auch  in  der  Abhandlung-  Boecks^S)  über  den  deutschen  Auf- 
satz in  der  höheren  Mädchenschule  wird  die  Lektüre  gelegentlich  gestreift,  insbesondere 
die  Frage,  welche  Werke  für  diese  Gattung  von  Schulen  in  Betracht  kommen;  „Tasso" 
wird  abgelehnt.  — 

Darauf,  dass  bei  Behandlung  altklassischer  Schriftwerke  eine  intimere 
Beziehung,  eine  Fühlung  mit  deutscher  Litteratur  angestrebt  werden  müsse  und 
könne,  weist  Ahlheim ^3)  hin.  So  setzt  er  die  Pietas  des  Aeneas  mit  der  Treue  des 
Nibelungenliedes,  der  Gudrun  usw.  in  Verbindung.  Vgl.  weiterhin  die  lehrreichen 
Beispiele  S.  17  und  19.  —  Vor  einer  Interpretation,  welche  die  Betonung  der 
poetischen  Technik,  die  Veranschaulichung  von  Kunstgesetzen  durch  Dichtwerke  bei 
der  Erklärung'  in  den  Vordergrund  stellt,  warnt  Ziller34)  in  einer  sehr  beachtens- 
werten Abhandlung.  Hier  wird  vielmehr,  insbesondere  auch  für  den  Aufsatz,  auf  die 
Herausarbeitung  der  Begriffe  und  Vorstellungen  hingewiesen,  welche  das  vorliegende 
Werk  gewissermassen  konkret  veranschaulicht.  Man  soll  zunächst  auf  psychologisch 
scharfe,  zwingende  Motivierung  achten;  sodann  auf  den  moralischen  Standpunkt,  den 
der  Künstler  in  seiner  Schöpfung  vertritt.  Was  nach  diesen  Beziehungen  hin  nicht 
stichhaltig  ist,  kann  für  die  Lektüre  nicht  verwertet  werden;  deshalb  verwirft  Z  die 
Behandlung  von  Lessings  „Emilia  Galotti".  —  Eine  treffende  Verurteilung  der  Er- 
klärung des  Dramas,  welche  die  Technik,  die  poetische  Mache  in  den  Vordergrund 
stellt,  finden  wir  bei  Münch^^),  und  zwar  in  engstem  Zusammenhang  mit  den  Haupt- 
fragen der  Pädagogik  und  Didaktik  (S.  104/5).  Den  Inhalt  des  Gedichtes  selbst  an- 
schauen, das  innere  Leben  der  handelnden  Personen  erkennen:  das  ist  ihm  Haupt- 
zweck der  Vertiefung  in  das  Drama."*«)  —  Sehr  beachtenswert  für  die  Erklärung 
sind  die  rhythmischen  Gesetze,  wie  sie  Hildebrand^'')  entwickelt,  z.  B.  wenn 
er  den  hüpfenden  und  schreitenden  Takt  des  Hexameters  darlegt  und  auf  die  Sicher- 
heit des  rhythmischen  Gefühls  hinweist,  welches  Goethe  und  Schiller  bekundet  haben.  — 

Für  dramatische  Schüleraufführungen  tritt  GloeP^)  ein.  Die  dag-egen 
gerichteten  Einwände  sind :  Sie  störten  den  eig-entlichen  Unterrichtsbetrieb,  sie  be- 
o-ünstigten  die  jugendliche  Eitelkeit,  die  Schule  trete  mit  ihnen  aus  dem  Rahmen  ihrer 
Aufg-aben  heraus.  Was  G.  im  Gegensatze  hierzu  g-eltend  macht,  kann  die  Einwände 
nicht  entkräften.  Dankenswert  ist  die  Durchmusterung  der  Stücke,  die  für  solche 
Aufführungen  geeignet  sind.  —  Die  Versinnlichung  durch  das  Bild  wird  für  ITnter- 
richtszwecke  immer  mehr  herangezogen.  Eine  Uebersicht  über  die  hierher  gehörig-e 
Litteratur  g-iebt  Sahr^^).  —  Eine  Uebersicht  über  diejenigen  Fragen,  die  für  die 
Erklärung  von  Schriftwerken  noch  als  „offene"  bezeichnet  werden  dürfen,  sucht 
die  Abhandlung-  Goldscheiders^*')  zu  geben;  seine  eigenen  Antworten  auf  diese 
Frag-en  stellt  der  Vf.  S.  28  in  Thesenform  zusammen;  wir  weisen  namentlich  auf 
die  1.,  2.,  5.  und  7.  hin.  — 

Unter  den  methodischen  Erläuterungsschriften  zu  einzelnen  Dramen 
steht  der  wertvolle  Beitrag-  zur  Erklärung  der  „Minna  von  Barnhelm"  voran,  den 
die  vorzügliche  Abhandlung  Kettners *i)  liefert.  Auch  Minna  wird  in  ihrer  Ein- 
seitig-keit  und  Schwäche  gezeichnet  und  daraus  folgt,  dass  man  Tellheims  Verhalten 
nicht  als  krankhaften  Eigensinn  hinstellen  sollte.  —  Ein  Werk  Schrammens*^) 
überschüttet  uns  mit  105  Dispositionen  über  „Emilia  Galotti".  Sie  erheben  sich  nicht 
über  das,  was  gewöhnlich  auf  diesem  Gebiete  dargeboten  wird.  In  N.  92  wird  be- 
hauptet, Shakespeares  Macbeth  sei  ein  „historisches  Schauspiel",  Emilia  ein  „bürger- 
liches"; diese  eine  Intriguen-,  jene  eine  Charaktertragödie.  Und  daraus  wird  für  den 
Macbeth  abgeleitet:  „Die  Handlung  spielt  sich  an  verschiedenen  Orten  und  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  ab."  Man  erkennt  daraus  recht  das  Unhaltbare  dieser  ganzen 
Einteilung-.  Denn  die  bezeichnete  Eigentümlichkeit  stammt  doch  wohl  daher,  dass 
es  eben  ein  Drama  Shakespeares,  und  nicht  daher,  dass  es  „historisch"  ist.  Viel- 
fach finden  sich  Verstösse  gegen  den  guten  Ausdruck,  auch  ungenaue  Citate  (vgl.  N.  7,92). 
—  Willmann 43)  weist  die  Erklärung  des  „Götz  von  Berlichingen"  darauf  hin,  das  Ver- 
hältnis des  Dichters  zu  der  Selbstbiographie  Götzens  richtig  zu  bestimmen;  auch  be- 


Verwertnng  auf  d.  Oberstufe  d.  höh.  Mädchensch.  Progr.  Brandenburg  a.  H.  20  S.  —  32)  M.  Boeclr,  D.  dtsoh.  Aufs,  in  d. 
höh.  Mädchensch.  Progr.  d.  Johannenm.  Hamburg.  4".  14  S.  —  33)  A.  Ah  1  heim,  D.  Schriftstellerlektöre  d.  Obersekunda 
nach  d.  Grundsätzen  d.  Konzentration.  1.  T.  Progr.  Bensheim.  40.  23  S.  —  34)  Fr.  Ziller,  üeber  planroässige  Anleitung 
z.  Anfsatzbildung;  mit  Berücksichtigung  d.  neupn  Lehrpläne.  Progr.  Osnabrack.  35  S.  —  35)  W.  Münoh,  Neue  päd.  Beitrr. 
B.,  Gaertner.  160  S.  M.  3,00.  —  36)  XX  M-  Hoff  mann,  Leitfaden  d.  Aesthetik  für  d.  Schul-  u.  Selbstnnterr.  2.  Ausg. 
Wien,  Bermann  &  Altmann.  1891.  VII,  90  S.  M.  1,80.  —  37)  Rud.  Hildebrand,  Ehythm.  Bewegung  in  d.  Prosa:  ZDÜ.  7, 
S.  641/7.  -  38)  H.  Glnel,  lieber  dramat.  Schüleraufführungen:  ib.  S.  386-98.  —  39)  J.  Sahr,  I>.  Bild  im  dtsoh.  Unterr.:  ib. 
8.  651-69.  —  40)  P.  Goldscheider,  Offene  Fragen:  Nachtr.  z.  „Erklärung  dtsch.  Schriftwerke  in  d.  oberen  Klassen".  (Vgl. 
JBL.  1890  I  7:5.)  Progr.  d.  Gymn.  Elberfeld.  4".  38  S.  —  41)  H.  Kettner,  D.  Charakter  d.  Minna  v.  Barnhelm  u.  seine 
Stellung  im  Drama:  ZDU.  7,  S  217-30.  —  42)  J.  Schrammen,  Emilia  Galotti,  erlänt.  in  105  Dispositionen,  verwendbar  zu 
Vortrr.  u.  Aufsätzen.  (=  Erläuterungen  zu  dtsch.  Klassikern.  N.  4.)  Köln  *  L.,  Ahn.  112  S.  M.  0,60.  -  43)  0.  Willmann, 
Ueber  Goethes  „Götz  v.  Berlichingen".    (=  Lehrproben  u.  Lehrgänge,  her.  v.  W.  Pries  u.  H.  Mayer.    Heft  34   [Halle  a.  S., 


P.  Goldscheide r,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  7  :  43a-52 

zeichnet    er   recht   treffend,   inwieweit  der  Geist  des  eigenen  Zeitalters  die  Dichtung 
beherrscht.  *3a)  — 

Die  Fortsetzung'  seiner  Erklärung  der  Lyrik  Klopstocks  und  Goethes  lieferte 
Lorenz 44)  (vgl.  JBL.  1892  I  5:33);  der  vorliegende  2.  Teil  behandelt  folgende  Ge- 
dichte Goethes :  Prometheus,  Ganymed,  An  den  Mond,  Gesang  der  Geister^  Ilmenau,  Zu- 
eignung. Die  Form  des  Vortrags  ist  fesselnd  und  lebendig,  geeigneter  einen  einheit- 
lichen Eindruck  zu  erzeugen  als  das  blosse  Schema  oder  Anmerkungen.  Am  wenigsten 
gelungen  ist  die  Erläuterung  von  „Ilmenau";  der  Stil  schwankt  hier  zwischen  direkter 
und  indirekter  Rede,  worunter  die  Klarheit  der  Auffassung  leiden  muss;  überhaupt  verfällt 
L.  in  dem  Bestreben,  alles  auf  die  einfachste  Form  zurückzuführen,  hin  und  wieder  in 
Plattheit.  —  In  seiner  Erklärung  lyrischer  und  epischer  Gedichte  wendet  sich 
Florin 4^)  gegen  die  sogen.  „Vorschwebungen",  d.  h.  Erörterungen,  woher  der  Dichter 
das  eine  oder  andere  habe,  und  gegen  die  Aufstöberung  der  kleinsten  Verhältnisse 
des  Privatlebens  zum  Zwecke  der  Erklärung.  F.  seinerseits  betont  die  Erregung  der 
Teilnahme  für  den  Inhalt  und  die  Verknüpfung  des  Gleichartigen;  litterarhistorische 
Schätzung  liege  der  naiven  Hingabe  noch  fern.  Mit  Lyon  (vgl.  JBL.  1890  17:7) 
legt  er  Gewicht  auf  Erweckung  der  Stimmung,  aber  er  findet  dessen  Verfahren  zu 
breit  und  weitschweifig,  es  beschäftige  den  Schüler  zu  wenig.  Sehr  beachtenswert 
sind  F.s  Winke  über  die  Beziehungen  zwischen  poetischer  Lektüre  und  Gesang.  Was 
den  formalen  Verlauf  der  Erklärung  betrifft,  so  wird  eine  Vermittlung  der  beiden 
äussersten  Richtungen  vorgeschlagen,  von  denen  die  eine  mit  der  lautlichen  Ver- 
körperung des  Gedichtes  beginnt,  während  die  andere  erst  mit  ihr  schliesst.  Das 
Sachliche  soll  vor  der  Form  erläutert  werden;  beide  Gebiete  sind  möglichst  getrennt 
zu  halten.  Dem  theoretischen  Teil  folgt  die  Behandlung  von  23  Gedichten;  auch  Auf- 
gaben zu  schriftlicher  Bearbeitung  schliessen  sich  an  und  werden  zum  Teil  in  Muster- 
beispielen ausgeführt.  Für  die  Erläuterung  des  „Alpenjägers"  will  F.  im  Gegensatze 
zu  den  bisherigen  Besprechungen  alle  Beziehungen  auf  das  Moralische  ausgeschlossen 
wissen.  Auf  schweizerische  Verhältnisse  wird  durchweg  besondere  Rücksicht  ge- 
nommen.'*6"4S)  — 

Erläuterungen  zu  den  Gedichten  unserer  Schullesebücher  giebt  Weber*'-'). 
In  dem  Vorwort  wird  die  Bedeutung  der  Poesie  für  die  Erziehung  gepriesen;  sie  zu 
fördern  sei  eine  Hauptpflicht,  namentlich  in  unserer  „entnervten  Zeit".  Wir  sollen  da- 
durch zur  Erkenntnis  der  „W^ahrheit"  anleiten.  Diesen  grossen,  freilich  etwas  unklaren 
Worten  der  Einleitung  gegenüber  erscheint  die  folgende  Erklärung  der  Gedichte 
ziemlich  dürftig.  Sie  macht  den  Eindruck,  als  ob  dem  Unternehmen  nicht  eine  er- 
forderliche tiefer  gehende  Sachkenntnis  zur  Seite  stünde.  Vgl.  z.  B.  S.  3:  Inhalt  der 
Minnelieder!  S.  17.  Stoff'  des  „Zauberlehrlings".  Seltsam  ist  S.  53  die  Herbeiziehung 
von  Thess.  4,12  für  die  ,, Klage  der  Ceres".  S.  167:  Immer  noch  „Satyre"!  S.  173: 
,,that  schnaufen"  sei  sprachlich  unrichtig,  weil  „thun"  kein  Hilfszeitwort  ist,  usw.  — 
Erläuterungen  zu  Lesebüchern  tauchen  auch  sonst  mehrfach  auf.  Perktold^**)  liefert 
Bemerkungen  zum  4.  Bande  des  Lesebuches  von  Kummer-Stejskal.  Er  handelt  über 
dessen  Verwendung  für  die  Lektüre  und  daran  anknüpfende  Aufgaben.  Für  die 
Aufeinanderfolge  der  Stücke  sucht  er  einen  ideellen  Zusammenhang  herzustellen.  Dies 
Bestreben,  das  Lesebuch  als  einheitliches  Ganzes  aufzufassen  und  durchzuarbeiten, 
verdient  Anerkennung  und  Nacheiferung.  —  W ernecke  und  Wiessner^^)  haben  im 
Anschlüsse  an  das  von  ihnen  herausgegebene  Volksschullesebuch  (vgl.  JBL.  1892 
I  5 :  84)  Uebungsstoffe  für  den  deutschen  Sprachunterricht  bearbeitet.  Die  Vorschläge  sind 
sehr  mannigfaltig  und  vielfach  vorbildlich.  Aber  die  Ausnutzung  von  Gedichten  zu 
allerlei  äusserlichen  [Tebungen  können  wir  doch  nicht  billigen.  Gleich  bei  dem  ersten, 
„Frühlingszeit"  von  Hey,  wird  gefragt:  W^ie  viel  Silben  hat  Jedes  Wort  dieses  Ge- 
dichtes? Wieviele  Laute  hat  jedes  einsilbige  Wort  dieses  Gedichts?  Dergleichen 
nimmt  bei  aller  Behutsamkeit  dem  Gedichte  seinen  Schmelz.  —  Dorenwells^-) 
„Präparationen"  zur  methodischen  Behandlung  deutscher  Musterstücke  schliessen  sich 
in  erster  Linie  an   die  Lesebücher  von  Hopf  und  Paulsiek  (vgl.  JBL.  1892  I  5  :  82), 


Waisenhaus.  IV,  112  S.  M.  2,00.],  S.  98-107.)  —  43a)  XX  Wegweiser  durch  d.  klass.  Schuldraraen.  Bearb.  v.  0.  Frick  n. 
H.  Gaudig.  3.  Abt.  Schillers  Dramen.  11.  (bearb.  v.  H.  Gaudig.)  4.-9.  Lfg.  (S.  161-448.)  (=  Aus  dtsoh.  Lesebüchern.  Ep., 
lyr.  u.  dramat.  Dichtungen,  erläut.  für  Oberklass.  d.  höh.  Schulen.  N.  59-64  [5.  Bd.).)  Gera,  Th.  Hofraann.  (ä  Lfg.  50  Pf.) 
M.  3,00.  —  44)  K.  Lorenz,  Klopstocks  u.  Goethes  Lyrik.  E.  Beitr.  z.  Behandl.  d.  Klassenlektüre.  2.  T.  Goethe.  Progr.  Kreuz- 
burg. 4*.  23  S.  —  45)  A.  Florin,  Präparationen  z.  Behandl.  lyrischer  u.  epischer  Gedichte  nebst  Einführung  in  d.  Methodik  ders. 
Davos,  H.  Richter.  III,  183  S.  M.  2,40.  -  46)  XX  H.  Bender,  Horaz,  Homer  u.  Schiller  im  Gymn.  3  Gymn. -Reden.  Tübingen, 
Laapp.  V,  94  S.  M.  1,80.  -  47)  X  X  J-  ^ay'  Lessings  Harab.  Dramaturgie  im  Unterr.  d.  Prima.  Progr.  Oflenburg.  1892.  17  S. 
(S.u.  IV  6.)  —  48)  X  G.  Klee,  W.  Böhme,  Erläuterungen  zu  d.  Meisterwerken  d.  dtsch.  Dichtkunst.  (Vgl.  JBL.  1891 17:63);  ZGymn. 
26,  S.  235.  -  49)  L.  W  e  b  e  r ,  Erläuterungen  zu  d.  Gedichten  unserer  .Schullesebücher.  Troppau,  Buchholz  &  Diebel.  VII,  185  S.  M.  2,50.  — 
50)  F.  Perktold,  Bemerkungen  z.  4.  Bde.  d.  Lesebuches  v.  Kummer-Stejskal,  insbes.  d.  Dispositionen  d.  Prosastücke.  Progr.  Ober- 
hollabrunn. 40  S.  —  51)  R.  W  e  r  n  e  c  k  e  u.  E.  W  i  e  s  s  n  e  r ,  Uebungsstoffe  für  den  dtsch.  Sprachunterr.  Im  Anschlüsse  an  d.  „Deutsche 
Volksschullesebuch".  1.  Heft.  Mittelstufe.  2.  Heft.  Oberstufe.  Gera,  Hofmann.  1890.  I,  72  S.;  II,  112  S.  M.  0,60;  M.  0,75.  — 
52)  K.  Dorenwell,  Präparationen  z.  method.  Behandl.  dtsch.  Musterstücke.  E.  Handbuch  für  Lehrer  z.  Gebrauch  in  d. 
unteren  u.  mittleren  Klassen  höh.  Lehranst.,  sowie  in  d.  Mittel-  u.  Oberklassen  v.  Volks-  u.  Bürgersch.  1.  T.  Hannover,  C. 
Jahiesberiohte  für  neuere  deutsche  Litteratargeschichte.    IV.  15 


I  7  :  58-63  P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

von  Plüg-g-e  und  an  das  „Hannoversche  Lesebuch"  an.  Soweit  die  Erklärung-  in 
katechetischer  Form  verläuft,  soll  nur  das  Lehrverfahren  verdeutlicht,  nicht  das 
Schablonentum  begünstig-t  werden.  Recht  wohl  gefallen  hat  uns  die  Hinzufügung  von 
Parallelstücken,  so  dass  hier  immer  das  einzelne  Werk  in  seinem  Verhältnis  zu  einem 
grossen  Ganzen  beleuchtet  wird;  aber  eben  alles  in  Beispielen,  wie  sie  den  Kindern 
zugänglich  sind;  das  ist  recht  geschickt  gemacht,  und  wir  unterlassen  nicht,  auch  die 
höheren  Lehranstalten  darauf  hinzuweisen.  — 

Eine  Bearbeitung  des  Robinson  bietet  Fuchs^^).  Die  Robinsonerzählung 
ist  der  nach  dem  Zillerschen  Lehrplan  (s.  o.  N.  34)  für  das  zweite  Schuljahr  be- 
stimmte Gesinnungsstoff.  Dem  Vf.  liegt  daher  besonders  ob,  avis  dem  konkreten 
Material  die  ethisch-religiösen  Momente  hervorzuheben,  lieber  den  Wert  des  Robinson 
verbreitet  sich  die  Einleitung;  sie  findet  ihn  vorzüglich  in  dem  Sinnbildlichen,  das  er 
abspiegelt:  er  ist  nach  Hettner  „eine  Art  von  Philosophie  der  Geschichte".  Und  das 
Buch  kann  wie  kaum  ein  anderes  erziehlich  wirken,  weil  es  zur  Energie  des  Handelns 
treibt.  Eine  Zusammenstellung  des  erarbeiteten  ethisch-religiösen  Materials  am  Schluss 
giebt  eine  Uebersicht  über  das  Geleistete.  Als  ,, Konzentrationsstoffe"  treten  hervor: 
Gesellschaftskundliches,  Erdkundliches;  auch  Gesang,  Zeichnen  und  Handfertigkeits- 
unterricht. Wie  für  die  letzteren  Gebiete  durch  die  Beschäftigung  mit  dem  „Robinson" 
reichliche  Gelegenheit  und  Anregung  geboten  wird,  mag  die  Ijchrer  der  deutschen 
Litteratur,  welche  der  Zillerschen  Richtung  bisher  ferner  gestanden  haben,  ganz  be- 
sonders anziehen;  der  Vergleich  mit  der  „Darbietung"  des  Robinson  bei  dem  alten 
Campe  ist' unabweisbar I^^-^sj    (Ygl  HI  3:15—30.)  — 

Hülfsmittel  für  den  Unterricht.  In  der  Schulausgabe^^"^*^)  von 
Lessings(vgl.  IV  6)  Dramaturgie,  die  Lichtenheld^')  veranstaltet,  sind  Einleitung  und 
Anmerkungen  im  allgemeinen  zweckentsprechend ;  vortrefflich  ist  die  Hinzufügung  eines 
Namenverzeichnisses  mit  den  erforderlichen  litterarischen  Angaben  und  des  Anhanges 
,,Aus  der  Poetik  des  Aristoteles";  der  griechische  Text  und  die  Uebersetzung  nach 
F.  Susemihl  stehen  neben  einander.  Dass  die  einzelnen  Stücke  bestimmte  Ueberschriften 
erhalten  haben,  ist  didaktisch  wertvoll;  zugleich,  dass  die  Einteilung  bei  Lessing  durch 
fortlaufende  Ziffern  kenntlich  gemacht  wird.  In  der  Auswahl  würden  wir  gern  noch  grössere 
Beschränkung  sehen;  zu  missen  ist  z.  B.  21  „lieber  die  Titel  der  Komödien",  der 
Streit  mit  den  Buchhändlern  am  Schluss,  auch  mancher  kleinere  Abschnitt  wie  S.  84 
„Man  wird  glauben"  usw.  Die  für  Schulausgaben  besonders  wünschenswerte  Sorg- 
falt ist  im  einzelnen  leider  nicht  vorhanden.  Sie  fehlt  in  Namen  (Pernotty,  Traso), 
in  Jahreszahlen  (vgl.  S.  142),  in  griechischen  und  lateinischen  Wörtern  {fiio^lovs,) 
sapientae,  senis),  im  sprachlichen  Ausdruck  („Ich  bin  Shakespeare",  „Lessing  setzt  sich 
für  Wieland  ein",  „den  restlichen  Teil"),  in  derInterpunktion(vgl.S.83).  — Netoliczkas^^^ 
Nathanausgabe  ist  eine  vortreffliche  Leistung.  N.  sucht  in  der  Einleitung  die  Urteile 
für  und  gegen  Lessings  Tendenz  mit  Billigkeit  abzuwägen.  Gut  ist  die  vielfache 
Beziehung  auf  den  Sprachgebrauch  sowie  die  durchgehende  Vergleichung  einmal 
mit  der  jetzigen  Ausdruckweise,  sodann  auch  mit  der  mhd.^^a-j  —  j^  der  Ausgabe  von 
Herders  (vgl.  IV  7:17)  Cid  hat  Buchner ^3)  für  Herstellung  einer  Auswahl  die 
Untersuchungen  Voegelins  über  die  französische  und  die  spanische  Quelle  verwertet. 
Die  Zuthaten  des  unbekannten  Franzosen  und  Herders  werden  in  kleinerem  Druck  g-e- 
gegeben;  dadurch  wird  wünschenswerte  Kürzung  und  schärfere  Hervorhebung  des 
Wesentlichen  erreicht.  Auch  innerhalb  der  echt-spanischen  Romanzen  werden  die 
nach  Ansicht  des  Herausgebers  minder  bedeutenden  als  solche  gekennzeichnet  und 
zur  Uebergehung  bestimmt.  Man  würde  demnach  bei  Lektüre  des  Cid  auf  Grund 
dieser  Auswahl  mit  dem  Drittel  der  sonst  dafür  verwandten  Zeit  auskommen.    Freilich: 


Meyer.  IV,  232  S.  M.  2,50.  —  53)  A.  Fuchs,  Robinson  als  Stoff  e.  erziehenden  Unterr.  in  Pr&parationen  n.  Konzentrations- 
plänen. Nach  Herbart-Zillerschen  Grundsätzen  bearb.  M.  e.  Vorw.  v.  A.  Pickel.  Jena,  Maulte.  XXIX,  120  S.  M.  2,40.  — 
54)  XXJ-^^cliönemann,  Inwiefern  lassen  sich  V.  Hehns  Schriften  z.  Belebung  u.  Vertiefung  d.  Gy  ran.-Unterr.  verwerten  ?  Progr. 
Schlawe.  4".  27  S.  —  55)  X  X  C.  G  u  d  e ,  Erläuterungen  dtsch.  Dichtungen.  Nebst  Themen  zu  schriftl.  Aufsätzen,  in  Umrissen  u.  Aus- 
führungen. 2.  u.  3.  Reihe.  L.,  F.  Brandstetter.  VIII,  388  S. ;  VI,  389  S.  M.  3,00.  —  56)XXK.Kinzel,  Hans  Sachs  ausgew.  u.  erläut. 
2.  verb.  u.  verm.  Aufl.  (=  DenVmäler  d.  älteren  dtsch.  Litt.  her.  v.  G.  Bötticher  u.  K.  Kinzel.  3.  Abt.,  N.  1.)  Halle  a.  S. 
Waisenhaus.  VII,  120  S.  M.  0,90.  —  56a)  X  B-  Schneider,  K.  Neubauer,  Luthers  Schriften  (vgL  JBL.  1891  1  7:42): 
COIRW.  21,  S.  310,1.  —  57)  XX  6-  Bötticher,  D.  Litt.  d.  18.  Jh.  vor  Klopstock.  Ausgew.  u.  erl.  (s.  o.  N.  56;  4.  Abt.,  N.  2.) 
VIII,  122  S.  M.  0,90.  —  57a)  X  0.  Lyon,  Auswahl  dtsch.  Gedichte.  (=  Velhagen  u.  Klasing  [s.  u.  N.  59a],  N.  51;  X,  504  S. 
M.  2,20>:  Paedagogiura  14,  H.  469.  —  58)  X  E.  Naumann,  E.  Küenen  u.  M.  Evers,  D.  dtsch.  Klassiker  erläut.  u.  gewürd. 
für  höh.  Lehranst.,  sowie  z.  Selbststud.  Bd.  3-8  (vgl.  JBL.  1890  I  7:78;  1891  I  7:65:  1892  I  5:70):  ZGymn.  26,  S.  4823.  — 
59)  X  Lessing,  Philotas  her.  v.  0.  Günther  (JBL.  1890  I  7:41|;  Minna  v.  Barnhelm  her.  v.  Tomaschek  (JBL.  1890  I  7:33; 
1891  I  7:40);  Nathan  her.  v.  Denzel  u.  Kraz  (JBL.  1890  I  7:35):  Paedagogiura  14,  S.  462.  —  59a)  X  X  A.  ThorbecVe, 
Lessing,  Minna  v.  Barnhelm.  (.Velhagen  u.  Klasings  Samml.  dtsch.  Schulausgaben  N.  12.)  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  12". 
VIII,  126  S.  M.  0,50.  —  60)  X  A.  Funke,  Lessing,  Minna  v.  Barnhelra.  5.  Aufl.  (=r  Schöninghs  Ausg.  dtsch.  Klassiker  mit 
Komm.  N.  5.)  Paderborn,  Schöningh.  166  S.  M.  1,20.  (Vgl.  JBL.  1890  I  7:70.)  —  61)  A.  Lichtenheld,  Lessing,  D.  hamb. 
Dramaturgie  in  Ausw.  (=  Graesers  Schnlausg.  klass.  Werke  her.  v.  J.  Neubauer  N.  467.)  Wien,  Graeser.  XUI,  183  S. 
M.  1,00.  —  62)  0.  Netoliczka,  Lessing,  Nathan  d.  Weise.  Für  d.  Schulgebr.  her.  (=  Freytags  Schulausg.  klass.  Werke  für 
d.  dtsch.  Unterr.)  L.,  G.  Frey  tag.  12».  163  S.  M.  0,80.  —  62  a)  X  J-  B-  Klören,  Für  d.  Praxis:  Unterriohtl.  Behandl.  d. 
Lessingschen  Fabel  „D.  Esel  u.  d.  Wolf":  KZEU.  S.  445,8.  —  63)  W.  Buchner,  D.  Cid.    Gesch.  d.  Don  Rny  Diaz,  Grafen  v. 


P.  Gold  seh  ei  der,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  7  :  64-80 

eine  solche  Ausgabe  mit  der  Bezeichnung-  des  Wertes  oder  der  Wertlosig-keit  einzelner 
Stellen,  der  Missverständnisse  und  Uebersetzung-sfehler  ist  ein  Werk  für  Philolog-en; 
dies  Verfahren  kann  dem  Schüler  die  ohnehin  wenig-  erwärmende  Dichtung-  nicht 
näher  bring-en.  —  Eine  Auswahl  von  Goethes^*)  (vg-l.  IV  8)  Gedichten  g-iebt 
Toi  scher  ^^)  in  Hölders  Verlag-  heraus.  Gerade  bei  Goethe  wirkt  die  Meng'e  und 
Verschiedenartig-keit  der  Gedichte  auf  Schüler  verwirrend ;  es  ist  daher  g-ut,  dass  ihnen 
das  Beste  in  übersichtlicher  Fassung-  g-eboten  wird.  Die  Einleitung-  g-iebt  eine  kurze 
Entwicklung-  von  Goethes  Ljaik;  T.  folg-t  darin  Ernst  Martin.  Die  Anmerkung-en  sind 
mög-lichst  knapp  g-ehalten;  häufig-  citiert  ist  nur  „Dichtung-  und  Wahrheit".  Die  stete 
Beziehung-  auf  dieses  Werk  ist  didaktisch  sehr  wertvoll.  Unter  den  „Zahmen  Xenien" 
werden  diejenig-en  zusammeng-estellt,  die  keiner  g-elehrten  Erklärung-  bedürfen,  sondern 
sich  leicht  eig-enem  Nachdenken  erschliessen.  Auch  dass  die  Reihenfolg-e  nach  Loepers 
Zählung-  daneben  bemerkt  wird,  ist  für  den  praktischen  Gebrauch  dienlich,  ^^ß^)  — 
Burghausers^^)  Ausgabe  von  Goethes  „Egmont"  ist  keine  dem  wohllautenden 
Programm  der  Freytagschen  Ausgaben  entsprechende  Ausführung.  Die  litterar- 
historisohe  Einleitung  ist  nicht  knapp  genug.  Die  Anmerkungen  sind  mehrfach  über- 
flüssig, während  sie  bei  wirklichen  Schwierigkeiten  im  Stich  lassen  oder  irre  leiten. 
(Vgl.  I,  439;  TI,  514;  III,  35;  IV,  392,  431  f.;  V,  112,  114,  606ff.)'0)_  Chevalier'') 
vertritt  in  seiner  Tasso-Ausgabe  durchweg  die  jetzt  übliche  Auffassung,  dass  Goethe 
eine  Heilung  Tassos  habe  veranschaulichen  wollen;  Ch.  sagt  sogar:  Er  kehrt  zur 
Arbeit  an  seinem  Werk  zurück.  Auch  Ch.s  Darstellung  der  Gräfin  Sanvitale  scheint 
uns  unrichtig  zu  sein. '2-'72a^  —  Hofmeisters'^)  Auswahl  aus  „Dichtung  und  Wahrheit" 
für  die  Bornhaksche  Sammlung  beruht  offenbar  auf  sorgfältiger  Ueberlegung.  Aber 
das  Schönste,  Unersetzliche  in  Goethes  Meisterwerk  geht  bei  dieser  Zerstückelung  ver- 
loren: die  epische  Entfaltung,  die  allmähliche  Entwicklung,  die  Feinheit  des  Zu- 
sammenhanges. Man  sollte  sich  doch  lieber  mit  der  Lektüre  weniger  Bücher  begnügen, 
als  dass  man  das  Ganze  so  grausam  zerstört.  Warum  sind  z.  B.  gerade  so  sinnlich  fassbare 
Lebenszüge  übergangen  wie  der  Besuch  bei  Gottsched,  bei  dem  philosophischen 
Schuster,  die  Reise  mit  Lavater  und  Basedow? '4)  —  Der  Wert  der  Ausgabe  von 
Schillers''5-79^(^yg.|  lY  g-)  ,,Maria  Stuart",  dieHeskampS<>)  veröffentlichte,  liegt  in  dem  IV. 
Anhangs.  203  —  15;  erbehandelt  Maria  Stuart  „im  Lichte  der  Geschichte"  und  legt  dabei  die 
neuesten  Forschungen  zu  Grunde.  Zwar  ist  an  und  für  sich  die  genaue  Kenntnis  und  Er- 
kenntnis der  geschichtlichen  Grundlage  kein  notwendiges  Erfordernis  für  die  Erklärung 
des  Dramas  innerhalb  der  Schule;  aber  gerade  bei  einer  so  viel  umstrittenen  Persönlichkeit, 
wie  die  der  schottischen  Königin  es  ist,  wird  man  gespannt  sein,  die  beste  wissenschaftliche 
Auffassung  neben  die  des  Dichters  zu  halten.  Die  Fussnoten  in  Werken  der  Muttersprache 
wirken  störend:  S.  78  äussert  Leicester  „Der  Duo  von  Anjou  hat  dich  nie  gesehen"; 
dazu  heisst  es  unten:  Schiller  irrt  (!);  der  Duc  von  Anjou  war  persönlich  am  Hofe  zu 
London  gewesen.  S.  84  phantasiert  Maria:  „Dort,  wo  die  grauen  Nebelberge  ragen, 
Fängt  meines  Reiches  Grenze  an."  Der  Kommentator  dagegen  stellt  fest,  dass  die 
Entfernung  etwa  40  deutsche  Meilen  betrage,  „so  dass  sie  ihres  Reiches  Grenze  un- 
möglich sehen  konnte".  Im  Texte  wird  der  Kardinal  von  Lothringen  erwähnt:  Dazu 
wird  —  zur  Erklärung  der  Stelle?  —  unten  bemerkt,  dass  unter  Theodosius  jeder 
Hofbeamte  Cardinalis  hiess.     Dieser  aufdringlichen  Gelehrsamkeit  gegenüber  berührt 

Bivar.  Nach  span.  Romanzen  v.  J.  G.  Herder.  Essen,  Bädeiter.  1892.  XVIU,  130  S.  M.  1,00.  (Vgl.  JBL.  1892  I  5:71.)  — 
64)  XX  K.  Heinemann,  Goethes  Lehen  und  Werke  (Neuer  Ahdr.;  vgl.  JBL.  1890  I  7  :  43.)  (=  Velhagen  u,  Klasings  Samml. 
[s.  N.  59a],  N.  33.)  130  S.  M.  0,60.  |[BBG.  28,  S.  471  2.  (Hier  auch  W.  Nöldecke,  Goethes  Dichtung  u.  Wahrheit  [ehda.  J  be- 
sprochen.)]] —  65)  W.  Toischer,  Goethes  Gedichte.  Ausgew.  u.  erläut.  (=  Hölders  Klassilcer-Ausg.  für  den  Schulgebr. 
N.  28,9.)  Wien,  Holder.  141  S.  M.  0,80.  —  66)  J.  Heuwes,  Ausgew.  Balladen  Goethes  u.  Schillers.  Mit  äusführl.  Erläute- 
rungen usw.  (=  Schöninghs  Ausg.  [s.  o.  N.  60],  N.  19.)  129  S.  M.1,00.  |[L.  Frey  tag:  COIRW.  S.  753.]|  —  66a)  X  L.  Blume,  Goethes 
Gedichte  (vgl.  JBL.  1892  IV  8c:  12):  Paedagogium  15,  S.  7534.  —  67)  X  H.  F.  Müller,  W.  Heinzelmann.  Goethes  Iphigenie 
(vgl.  JBL.  1891  IV  9e  :  46):  ZGymn.  26,  S.  161 '2.  -  67a)  X  P-  0.  Höcker,  Götz  v.  Berlichingen.  Kulturgesch.  Erzählung.  D.  dtsch. 
Jugend  gewidmet.  (B.,  Krüger.  1892.  180  S.  M.  4,80):  ZOG.  44,  S.  87.  —  68)  X  X  St.  Waetzoldt,  Iphigenie  auf  Tanris.  V.  Goethe. 
(=  Velhagen  u.  Klasings  Samml.  fs.  N.  59a],  N.  2.)  VIII,  123  S.  M.  0,50.  (Neuer  Ahdr.)  —  69)G.  Burghauser,  Goethe.  Egmont.  Für 
d.  Schulgebr.  her.  (=  Freytags  Ausg.  [s.  o.  N.  62].)  123  S.  M.  0,60.  —  70)  XX  L-  Zürn,  Goethe,  Egmont.  2.  Aufl.  (=  Schö- 
ninghs Ausg.  [s.  N.  60],  N.  10.)  144  S.  M.  1,20.  —  71)  L.  Chevalier,  Goethe,  Torquato  Tasso.  E.  Schausp.  Für  d.  Schul- 
gebr. her.  (=  Freytags  Ausg.  [s.  o.  N.  62].)  134  S.  M.  0,60.  —  72)  X  X  A.  Hauffen,  Goethe,  Hermann  u.  Dorothea  (ebda.) 
96  S.  M.  0,50.  -  72a)  X  A.  Funke,  Goethes  Hermann  u.  Dorothea  (vgl.  JBL.  1891  I  7:55):  Paedagogium  14,  S.  333.  —  73) 
G.  Hofmeister,  Ans  meinem  ieben.  Dichtung  u.  Wahrheit  v.  Goethe.  (=  Teubners  Samml.  dtsch.  Dichter  u.  Schriftwerke 
für  höh.  Töchtersch.,    her.    von  G.   Born  hak   K  27.)     L.,   Teubner.     12".     201  S.     M.   0,80.    —    74)  X  X   Homers  Odyssee  im 

Auszuge.     In  d.  Uebersetzung  v.  J.  H.  Voss.  (=  Velhagen  u.  Klasings  Samml.  [s.  o.  N.  59  a],   N.  66.)     XII,  166  S.     M.  0,90.  

75)  XXV.  Uellner,  Schillers  Gedichte.  Für  d.  Bedürfnisse  d.  Schule  u.  d.  Hauses  nach  ihrer  Entstehung  geordnet  nsw. 
(=  Meisterwerke  d.  dtsch.  Litt,  für  höh.  Lehranst.)  B.,  Reuther  &  Reichard.  224  S.  M.  0,60.  —  76)  XX  E-  Evers, 
Schillers  „Glocke".  Neue  Textausg.  mit  veranschaulichenden  Erklärungen,  eingehenden  Erläuterungen  n.  umfassender  Würdi- 
gung. (=  M.  Kü  enen  u.  E.  Evers,  D.  dtsch.  Klass.  erläut.  u.  gewürd.  für  höh.  Lehranst.,  sowie  z.  Selbststud.  N.  9.)  L.,  H.  Bredt, 
194  S.  M.  1,60.  —  77)  X  X  F-  Violet,  Schiller,  Gesch.  d.  Abfalls  d.  verein.  Niederlande.  Im  Auszuge.  (=  Velhagen  u. 
Klasings  Samml.  [s.  o.  N.  59a],  N.  61.)  XVL  198  S.  M.  1,20.  —  78)  X  X  M.  Miller,  Schiller,  Wallensteih.  Mit  vielen 
Fragen  u.  Aufgaben  behufs  Anleitung  z.  Selbstdenken  u  Selbstfinden,  sowie  z.  Anregung  tieferen  Eindringens  in  d.  Verständnis 
d.  Inh.  (=  Sohnlausg.  dtsch.  Klass.  N.  10.)  Trier,  H.  Stephanus.  292  S.  M.  1,20.  —  79)  X  X  C.  Michaelis,  Schiller, 
Wallenstein.  1.  Bdch.  Wallensteins  Lager.  D.  Piccolomini.  (=  Velhagen  u.  Klasings  Samml.  [s.  o.  N.  59a],  N.  23.)  XX,  151  S. 
M.  0,60.   —   80)  H.  Heskamp,   Maria  Stuart.    Mit  ansführl.  Erläuterungen   für  d.  Schulgebranch  u.  d.  Privatstud.    3.  Aufl. 

15* 


I  7  :  81-89  P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

es  eig-entümlich,  dass  S.  94  als  erster  Gemahl  der  Maria  Heinrich  IL  g-enannt  wird. 
—  Im  Schöning-hschen  Verlage  g-iebt  Funke^^)  die  „Jung'frau  von  Orleans"  heraus. 
Die  Fussnoten  wären  auch  hier  besser  fortgeblieben.  Für  unpassend  halten  wir 
das  g-eflissentliche  Hervorheben  von  Widersprüchen  (vg-l.  S.  10,  A.  8).  Ebensowenig- 
darf  man  fortwährend  das  g-eschichtliche  Urbild  neben  die  Gestalt  des  Dichters  halten, 
da  es  sonst  unmögiich  ist,  das  von  diesem  g-ezeichnete  Bild  fest  zu  halten.  So  wird 
etwa  im  Text  Johanna  als  Hirtin  darg-estellt,  während  die  Gelehrsamkeit  unten  hin- 
zufüg"t,  dass  die  Jung-frau  hauptsächlich  und  zuletzt  fast  ausschliesslich  die  Haus- 
haltung* besorg-tc^^-^*)  —  An  Heskamps^^)  Ausgrabe  der  „Braut  von  Messina"  ist 
zu  loben,  dass  die  Relig-ionsmischung-  nicht,  wie  üblich,  ang-eg-riffen,  sondern  mit 
richtig-em  Verständnis  verteidig-t  wird:  Sie  bildet  den  echt  historischen  Hinterg-rund 
g-erade  dieses  Dramas.  Im  übrig-en  treten  in  der  Erklärung  dieselben  Schwächen  her- 
vor wie  in  H.s  „Maria  Stuart"  (s.  o.  N.  80).  Die  Fussnoten  schweifen  in  das  Gebiet 
der  Exkurse  über:  Um  des  Namens  Don  Cesar  willen  erhalten  wir  Untersuchungen 
darüber,  wann  der  Name  „Caesar"  in  Rom  zuerst  auftritt,  und  verfolgen  die  Geschichte 
dieses  Namens  bis  zu  dem  russischen  Zar  (S.  32);  und  bei  dem  Satze:  „Die  Jagd  ist 
ein  Gleichnis  der  Schlachten"  wird  eine  Erwägung  angestellt,  warum  „auffälliger 
Weise  die  Römer  die  Jagd  weniger  pflegten"  (S.  51).  Ungenaues  und  Unrichtiges  ist 
stark  vertreten,  vgl.  die  Verwechslung  von  Eteokles  und  Polyneikes  (S.  34),  das 
Citat  Plectuntur  Argivi  S.  83,  das  Citat,  dass  „hart  im  Räume  sich  die  Sachen  treffen" 
S.  166.  u.  a.  m.  —  Lichtenheld^^)  hat  für  Graesers  Verlag  Schillers  Demetrius  be- 
arbeitet und  fügt  zur  Ergänzung  die  Fortsetzung  des  Freiherrn  von  Maltiz  hinzu. 
Die  mannigfaltigen  Versuche,  den  Torso  zu  vollenden,  lassen  sich  in  zwei  Gruppen 
zerlegen.  Maltiz,  Kühne,  Laube  usw.  schliessen  sich  unmittelbar  an  Schiller  an: 
Sie  verzichten  auf  Selbständigkeit;  H.  Grinnn,  Bodenstedt,  Hebbel  usw.  halten  sich 
im  allgemeinen  an  Schillers  Plan,  aber  sie  möchten  doch  von  Grund  aus  einen  neuen 
Bau  errichten.  L.  hat  demnach  Recht,  wenn  er  sich  für  Schulzwecke  an  die  Fort- 
setzer der  ersten  Richtung  wendet;  unter  diesen  wählt  er  das  Drama,  welches,  aus 
dem  J.  1817  herrührend,  als  das  älteste  dieser  Art  eine  gewisse  klassische  Geltung 
erlangt  hat.  Als  vorzüglich  soll  es  keineswegs  hingestellt  werden,  und  eine  scharfe 
Kritik  deckt,  übrigens  in  angemessener  Weise,  durchgängig  die  grossen  Schwächen 
der  jugendlichen  Arbeit  auf.  Aber  eben  deshalb  halten  wir  es  überhaupt  für 
didaktisch  unrichtig,  im  Unterricht  diese  Fortsetzung  vorzulegen;  ebenso  wenig  em- 
pfehlen wir  eine  andere;  denn  von  allen  gilt,  was  Hebbel  mit  Recht  bemerkte,  dass  es 
unmöglich  ist,  weiter  zu  dichten,  wo  Schiller  aufgehört  hat.  Vielleicht  liegt  aber  für 
die  Schüler  gerade  in  der  Anleitung  dazu,  sich  auch  einmal  in  die  urwüchsige  Kraft 
eines  Fragments,  eines  solchen  Fragments,  zu  versenken,  ein  didaktisch  ganz  be- 
sonders wertvolles  Moment.  —  Eberhards  „Hanchen  und  die  Küchlein"  war  bis- 
her als  Schulausgabe  nicht  erschienen;  Jahn*^''),  der  Herausgeber,  meint,  dass  sich 
dieses  Gedicht  in  vorzüglicher  W^eise  zur  Verwertimg  auf  Schulen  eigne;  er  hat  dabei 
Mädchenschulen  im  Auge.  Wir  bezweifeln  das:  Zur  Privatlektüre  mag  man  es  em- 
pfehlen, eingehende  Behandlung  verdient  es  schwerlich.  Die  psychologische  Ent- 
wicklung verläuft  keineswegs  richtig.  Das  Opfer,  welches  Hanchen  darbringt,  ist  nur 
ein  scheinbares,  da  man  es  nicht  ohne  reichliche  Wiedervergeltung  annehmen  wird; 
der  verzweiflungsvolle  Schmerz  darüber,  einen  Brautkranz  nicht  überreichen  zu 
dürfen,  verleitet  zu  falscher  Sentimentalität;  die  in  I  gerühmte  Gesinnung  streift  recht 
sehr  an  geistlichen  Hochmut.  Dabei  sind  die  Hexameter  hart,  oft  kaum  lesbar.  Die 
Ausgabe  an  sich  soll,  wofern  man  eben  einen  elementaren  Standpunkt  im  Auge  hat,  nicht 
gescholten  werden.  —Von  Uhlands^^)  (vgl.  IV  10)  „Herzog  Ernst"  liefert  Stötzner^**) 
eine  Ausgabe.  Wie  von  vielen  Pädag'ogen,  so  wird  auch  von  dem  Herausgeber 
„Herzog  Ernst"  für  das  geeignetste  Werk  gehalten,  mit  dem  man  in  die  dramatische 
Lektüre  einführen  könne.  Die  bisher  vorhandene  Schulausgabe  von  Weisman  schien 
den  jetzigen  Anforderungen  nicht  mehr  zu  genügen;  im  Gegensatz  zu  ihr  beschi'änkt 
sich  St.  in  seiner  Erklärung  durchweg'  auf  das  Mass,  welches  die  heutige  Didaktik 
vorschreibt.     Unter  den  Fragen  S.  86  missbilligen  wir  solche  wie:   Warum  muss  das 


(=  Schöninghs  Ausg.  [s.  o.  N.  60J,  N.  6.)  1892.  215  S.  M.  1,35.  (.Vgl.  JBL.  1892  I  5:65.)  —  81)  A.  Funke,  D.  Jungfrau  v. 
Orleans.  Mit  ausführl.  Erläuterungen  für  d.  Schulgebr.  n.  d.  Privatstud.  3.  Aufl.  (ebda.  N.  9.)  191  S.  M.  1,20.  (Vgl.  JBL. 
1892  I  5:66.)  —  82)  XX  Fr-  Ullsperger,  Schiller,  D.  Jungfrau  t.  Orleans.  (=  Freytags  Schulausg.  [s.  o.  N.  62].)  155  8. 
M.  0,60.  —  83)  XX  P-  Strzemcha,  Schiller,.  Wilh.  Teil,  (ebda.)  141  S.  M.  0,60.  —  83a)  X  E-  Schneider,  V.  Böhme, 
Erläuterungen.  IV.  Wilhelm  Teil  (Tgl.  JBL.  1891  I  7:63):  COIRW.  21,  S.  369.  —  83  b)  X  G-  Klee,  W.Böhme,  Erläuterungen 
z.  d.  Meisterwerken  d.  dtsch.  Dichtkunst.  Bd.  1-4  (vgl.  JBL.  1890  I  7:77):  ZGymn.  26,  S.  235.  —  84)  X  X  A.  Funke, 
Schiller,  Wilhelm  Teil.  6.  Aufl.  (=  Schöninghs  Ausg.  [s.  o.  N.  60],  N.  4.)  176  S.  M.  1,20.  —  85)  H.  Heskamp,  Schiller, 
D.  Braut  v.  Messina.  Mit  ausführl.  Erläut.  usw.  2.  Aufl.  (ebda.  N.  11.)  1892.  172  S.  M.  1,20.  (Vgl.  JBL.  1892  I  5:67.)  —  86) 
A.  Lichtenheld,  Schiller,  D.  Fragment  d.  Demetrius  mit  d.  Forts,  d.  Frhrn.  F.  v.  Maltiz.  Mit  Einl.  u.  Anm.  (=:  Graesers 
Schulausg.  [s.  0.  N.  61],  N.  48.)  XX,  131  S.  M.  0,50.  —  87)  M.  Jahn,  Hanchen  u.  d.  Küchlein  y.  A.  H.  Eberhard.  Für  d. 
Schulgebr.  her,  L.,  Richter.  76  S.  M.  0,60.  —  88)  X  X  R-  Richter,  Uhlands  Gedichte,  Ausw.  (=  Velhagen  u.  Klasings 
Samml.  [s.  o.  N.  59a],  N.  63.)     150  S.    M.  0,90.    —   89)  P.   Stötzner,    Ernst  Herzog  v.   Schwaben,   Trauersp.   y.  L.  ühland. 


P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  7  :  90-99 

Stück  mit  Eriists  und  Werners  Tode  endig-en?  Weshalb  muss  auch  Mangold  sterben? 
Das  ist  überhaupt  bedenklich,  am  meisten  aber  auf  der  Stufe,  für  die  hier  gearbeitet 
sein  soll!  Lebendige  Anschauung  fördern,  nicht  in  die  Mache  einweihen!  S.  75  V.  1807 
findet  sich  im  Druck  eine  arge  Entstellung. •'•*~90"')  —  Die  Ausgabe  von  Shakespeares 
„Julius  Caesar"  in  der  Schlegelschen  Uebersetzung,  von  Hruschka^^)  besorgt, 
scheint  uns  wohl  gelungen  zu  sein.  Mit  Recht  ist  die  Scene  beim  Lupercusfeste  um- 
gestaltet. Jedenfalls  ist  bei  Shakespeares  Dramen  eine  sogenannte  Schulausgabe  not- 
wendiger als  bei  den  Werken  unserer  klassischen  Litteratur.  — 

Lesebücher  und  Anthologien.  In  seinem  Vortrag  über  die  Erziehung 
zur  Vaterlandsliebe  bespricht  Carstensen'*^)  auch  die  Wichtigkeit  und  den  W^ert  des 
Lesebuches  für  die  Erweckung-  des  Patriotismus.  Als  wesentlicher  Inhalt  des  Lese- 
buches kommen  daher  in  Betracht:  Die  Schilderung  der  deutschen  Landschaft,  die 
deutsche  Sagen-  und  Märchenwelt,  Bilder  aus  der  deutschen  Geschichte,  vaterländische 
Poesie.  Hierzu  tritt  für  höhere  Schulen  die  Litteraturkunde.  —  Wernecke  und 
Wiessner^^"*'*"'''')  haben  sich  bei  Bearbeitung  ihres  Volksschullesebuches  nach  dem  Erlass 
vom  1.  Mai  1889  und  der  Verfügung  vom  27.  Juli  1889  gerichtet.  Bezeichnend  dafür 
sind  die  Lesestücke  N.  234—88  und  N.  383—98.  Auch  eine  allgemeine  Belehrung 
über  die  Grundsätze,  „von  deren  Beachtung  das  Volkswohl  abhängt",  haben  die 
Herausgeber  liefern  wollen.  Der  Einteilung:  Frühling,  Sommer,  Herbst  usw.  können 
wir  nicht  beipflichten,  da  doch  in  jedem  einzelnen  Teile  viele  Stücke  sind,  die  mit 
der  Ueberschrift  nichts  zu  thun  haben;  durch  dergleichen  verleitet  man  zu  unklarer 
Auffassung.  —  In  Ehreckes  undHamniermanns^^j  Lesebuche  verläuft  die  Anordnung* 
nach  folgenden  Gesichtspunkten:  Elternhaus,  Geschwisterkreis,  Gewerbliches  Leben, 
Handwerk,  Lehrjahre,  Wanderjahre  usw.  Die  letzten  Abschnitte  beziehen  sich  dann 
auf  die  christliche  Kirche  und  zwar  auf  deren  Geschichte,  auf  Werkthätigkeit  und 
Wandel,  auf  das  selige  Leben.  Prosa  und  Poesie  sind  gemischt,  doch  überwiegt 
die  Prosa.  Die  Auswahl  erscheint  uns  zweckmässig,  Druck  und  Ausstattung  sind  vor- 
züglich. —  Das  aus  dem  Kgl.  Realgymnasium  zu  Döbeln  hervorgegangene  Lese- 
buchs^) war  eigentlich  nur  für  Anstalten  realistischen  Gepräges  bestimmt,  aber  es 
soll  nunmehr  auch  dem  humanistischen  Gymnasium  dienen.  Aufgenomme  nist,  wenn- 
gleich in  beschränktem  Masse,  einiges  Mundartliche;  die  Herausgeber  glauben,  dass 
sie  dies  auf  einer  Klassenstufe  (O  III.)  wagen  dürfen,  auf  welcher  der  Schüler  schon 
so  weit  gefördert  sei,  dass  er  die  Muttersprache  grammatisch  beherrsche  (?).  Anhänge 
über  Rhetorik,  Poetik,  Metrik  hinzuzufügen,  ist  abgelehnt  worden,  weil  alles  dies 
nach  Wunsch  der  Herausgeber  dem  Obertertianer  auf  induktivem  Wege  nahe  ge- 
bracht werden  solle.  —  Das  Lesebuch  von  Schanze ''^)  sucht  den  besonderen  An- 
forderungen und  Verhältnissen  der  Fortbildungsschulen  zu  entsprechen;  vgl.  darüber 
das  Vorwort  zur  ersten  Auflage.  Das  Buch  macht  einen  recht  guten  Eindruck.  — 
An  die  höheren  Lehranstalten  Bayerns  richtet  sich  das  Lesebuch  von  Zettel,  um- 
gearbeitet von  Nicklas s''"^*^).  Es  will  den  Blick  des  Schülers  zwar  noch  auf  der 
engeren  Heimat  verweilen  lassen,  jedoch  auch  schon,  soweit  es  der  Standpunkt  des 
Schülers  (2.  Klasse)  erlaubt,  darüber  hinauserheben.  Zwei  Eigentümlichkeiten  des 
sehr  sorgfältig  durchgearbeiteten  Werkes  unterscheiden  es  von  anderen  Lesebüchern: 
1.  Wörter,  deren  Bedeutung  dem  Schüler  fremd  erscheinen  könnte,  finden  etymologische 
und  sachliche  Erklärung.  2.  Es  werden  Sprachmuster  aufgestellt,  durch  die  dem 
Schüler  unmittelbar  ein  Vorbild  für  seine  eigenen  Arbeiten  geboten  wird.  Die  be- 
züglichen Aufsätze  sind  sehr  mannigfaltig  und  treffen  den  rechten  Ton.  N.  richtet 
sich  gegen  die  Ansicht,  dass  ein  Lesebuch  mehrere  Klassen  hindurch  gebraucht 
werden  solle;  der  Reiz  der  Neuheit,  welchen  dem  in  die  Klasse  Eintretenden  das 
Lesebuch  biete,  dürfe  als  wichtiges  pädagogisches  Moment  nicht  übersehen  werden. 
Da  N.  Schule  und  Haus  im  Auge  hat,  so  giebt  er  auch  Lesestoffe  grösseren  Um- 
fanges;  dagegen  will  er  von  allzu  einfachen,  die  gar  keine  Anstrengung  zumuten,  ab- 
sehen; ebenso  von  der  Aufnahme  ganz  bekannter  Märchen,   die  das  Kind  schon  von 


L.,  Richter.  88  S.  M.  0,60.  —  90)  X  X  H.  Crohn,  Ernst.  Herzog  v.  Schwaben.  Trauersp.  v.  L.  Uhland.  (=  Schöninghs 
Ausg.  [s.  0.  N.  60],  N.  18.)  105  S.  M.  0,80.  |[COIRW.  21,  S.  3045.]1  —  90a)  X  F-  Frosch.  H.  Weisniann.  Ludwig  d.  Bayer. 
E.  Schausp. in 5  Aufz.  v. L.  Uhland.  Schulansg.  mit  Anm.  4.  Aufl.  St..  Cotta.  1892 :  ZOG.  44,  S.  1105.  —  91)  A.  H  r  u  s  c  h k a.  W.  Shakespeare. 
Julius  Caesar.  Für  d.  Schulgebr.  her.  (=  Freytags  Schulansg.  [b.  o.  N.  62].)  100  S.  M.  0,60.  —  92)  C.  Carstensen.  Erz.  z.  Vaterlands- 
liebe in  d.  dtsch.  Schule.  (=:  Samml.  päd.  Vortrr.  her.  v.  W.  Meyer- Mar  kau  N.  9.)  Bielefeld,  A.  Helmich.  1.3  S.  M.  0,40.  — 
93)  R.  Wernecke  u.  E.  Wiessner.  Dtsch.  Volksschul-Lesebuch.  Als  Mittelpunkt  für  d.  dtsch.  Sprachunterr.  1.  T.  Mittel- 
stufe. Gera,  Hofmann.  1890.  224  S.  M.  0,70.  (Vgl.  JBL.  1892  I  5 :  84/5.)  —  93a)  id.,  Dtsch.  Volksschiillesebuch.  Als  Mittel- 
punkt für  d.  Sprachunterr.  II.  T.  Oberstufe.  Gera,  Hofmann.  1891.  463  S.  M.  1,25.  —  94)  G.  Ehrecke  u.  F.  Hammer- 
mann, Dtsch.  Lesebuch  für  mehrklass.  Volksschulen.  3.  T.  Oberstufe.  B.,  Mittler  &  Sohn.  1892.  469  S.  M.  1,80.  (Ausg.  B. 
XIX,  432  S.  M.  2,.30.)  —  95)  Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Lehranst.  Her.  v.  Lehrern  d.  dtsch.  Sprache  an  d.  Kgl.  Realgymn.  zu 
Döbeln.  4.  T.  2.  Abt.  Obertertia.  2.  Aufl.  L.,  Teubner.  VIII.  404  S.  M.  2,40.  —  96)  J.  u.  W.  Schanze.  Lesebuch  für 
städt.  u.  gewerbl.  Fortbildungsschulen  in  3  aufsteigenden  Kreisen.  3.  Aufl.  Wittenberg,  Herrose.  XII,  447  S.  M.  1,60.  — 
97)  K.  Zettel,  Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Lehranst.  Umgearb.  \.  3.  Nicklas.  1.  T.  8.  Aufl.  München.  Lindauer.  1892.  IV. 
208  S.    M.  1.50.   —    98)  Dass.  2.  T.    8.  Aufl.    ib.    IV,   225  S.    M.  1,80.   —    99)  E.  Eassmann,    Dtsch.  Lesebuch  für  untere 


I  7  :  100-107  P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

der  Volksschule  her  kennen  gelernt  hat.  Sehr  beachtenswert  finden  wir  den  Grund- 
satz, man  solle  nicht,  was  zu  genauerer  Behandlung-  für  spätere  Zeit  vorbehalten,  in 
den  unteren  Klassen  vorwegnehmen,  weil  man  dadurch  nur  das  Interesse  abstumpfe. 
Dagegen  wird  jetzt  leider  fast  grundsätzlich  gefehlt.  In  der  Prosa  sind  Aenderungen 
des  Textes  vorgenommen,  in  Gedichten  aber  nicht.  Der  grammatische  Anhang  be- 
schränkt sich  auf  Musterbeispiele.  Norddeutschen  Lesebüchern  gegenüber  fällt  die 
Betonung  des  Humors  auf.  —  Rassmanns"^)  Lesebuch  für  untere  Klassen  ist  von  dem 
jetzigen  Herausgeber  mit  den  Grundsätzen  der  neuen  Lehrpläne  in  Uebereinstimmung 
gebracht.  Neben  grösster  Betonung  des  Vaterländischen  hat  er  jedoch  auch  der 
griechischen  Sag^e  einigen  Platz  eingeräumt,  weil  ohne  sie  ein  Verständnis  unserer 
klassischen  Dichtungen  unmöglich  sei.  Für  Vorbereitung  und  Wiederholung  erhält 
der  Schüler  einen  Anhalt  in  Fussnoten.  Das  Buch  ist  dazu  bestimmt,  in  der  Auf- 
einanderfolge für  mehrere  Jahre  in  den  unteren  Klassen  benutzt  zu  werden  und  zwar 
bis  einschliesslich  Quarta.  —  Bücheler^^oj  j^^^  \yQ[  seinem  deutschen  Lesebuch  für 
die  unteren  Klassen  höherer  Lehranstalten  das  Werk  Brandauers  vor  Augen;  er 
richtet  sich  an  7 — 10  jährige  Schüler,  und  es  leitet  ihn  der  Gedanke,  dass  ein  Lese- 
buch, seiner  Natur  nach  zum  Lesen  bestimmt,  eben  nur  dazu  verwendet  werden  sollte. 
So  will  er  demi  besonders  einen  Stoff  bieten,  an  dem  die  Knaben  lernen  können,  gut 
und  schön  zu  lesen;  diese  Kunst  sollte  nach  dem  Wunsche  des  Vf.  weit  mehr,  als 
es  geschieht,  fleissig  geübt  werden.  —  In  Führers  ^"')  Lesebuch  für  die  unteren 
Klassen  höherer  Lehranstalten  sollen  folgende  Grundsätze  verwirklicht  werden:  1)  F. 
richtet  sich  gegen  die  übliche  Zersplitterung  des  Stoffes  und  sucht  alle  Stücke  einem 
einzigen  Gebiete  zuzuweisen:  dem  Deutschtum  im  weitesten  Sinne.  Ein  deutsches 
Lesebuch  dürfe  kein  „Realienbuch"  werden.  Eine  Ausnahme  bilden  nur  die  Sagen 
und  Geschichten  des  klassischen  Altertums,  weil  deren  Behandlung  nach  den 
Lehrplänen  dem  deutschen  Unterricht  zugewiesen  ist.  Daher  bildet  dieser  Abschnitt 
einen  besonderen  Anhang  des  Lesebuches.  2)  Statt  unveränderter  Abschnitte  aus 
Schriftstellern  bietet  der  Vf.  eigene  Bearbeitungen,  die  nach  didaktischen  Zwecken 
durchgeführt  sind.  Nicht  für  zulässig  hält  F.  dieses  Verfahren  bei  Stücken,  die 
„zur  schönen  Litteratur"  gehören,  also  auch  nicht  bei  den  Grimmschen  Märchen,  obgleich 
sich  hier  die  meisten  Herausgeber  willkürliche  Veränderungen  gestatten.  3)  Die  Ge- 
dichte sind  nicht  nach  den  Gattungen,  sondern  nach  den  Dichtern  geordnet;  dies 
soll  einer  Einführung  in  die  Litteraturgeschichte  zu  gute  kommen.  Der  vorliegende 
Teil  ist  für  die  3  unteren  Klassen  bestimmt;  jeder  Klasse  ein  besonderes  Lesebuch 
zuzuweisen,  hält  der  Herausgeber  für  wenig  ratsam.  —  Von  Dadelsens '*'2)  schon 
früher  (JBL.  1892  I  5  :  78)  besprochenem  Lesebuche  für  Sexta  folgt  in  diesem  Jahre  die 
Ausgabe  für  Quinta.  Die  gebotenen  Stoffe  sind  auch  in  diesem  Bande  nach  pädagogisch- 
didaktischen Rücksichten  umgestaltet;  insbesondere  ist  darauf  geachtet,  dass  kein 
Lesestück  den  der  Lehi^stunde  angepassten  Umfang  überschreitet.  Der  grammatische 
Anhang  schliesst  sich  an  Lyon,  die  Satzlehre  vorwiegend  an  Franz  Kern  an.  Die 
Stücke,  in  denen  deutsche  Mythologie  und  Sage  dargeboten  werden,  scheinen  uns 
recht  wohl  gelungen  zu  sein.  —  Die  von  Hessel  ^*^^~*"^)  zusammengestellte  Muster- 
prosa zeichnet  sich  durch  lebhaften,  fesselnden  Ton  aus.  Den  Wert  erhöht  eine  Anzahl 
praktisch  angelegter  Register,  in  deren  einem  Uebersicht  über  gleichartige  Prosastücke 
gewährt  wird.  IDieser  als  „Untere  Mittelstufe"  bezeichneten  Sammlung  entspricht 
auch  ein  Bändchen  „Mustergedichte",  über  deren  Verhältnis  zu  anderen  Ausgaben 
desselben  Vf.  die  Vorbemerkung  zu  vergleichen  ist.  Auch  in  diesem  Buche  ist  der 
rechte  Ton  getroffen.  —  Salzmanns  i^^)  Sammlung  ausgewählter  Gedichte  soll  eine  Er- 
gänzung zum  württembergischen  Volksschullesebuch  bilden.  Auch  ein  Familienbuch 
will  er  damit  schaffen.  Den  Abschluss  bilden  religiöse  Gedichte  Geroks  und  Spittas.  Der 
Anhang  (Poetik  und  litterargeschichtliche  Bemerkungen)  hält  sich  didaktisch  in  der 
rechten  Begrenzung.  —  Eine  Auswahl  deutscher  Gedichte  und  Lieder  für  Gymnasien  hat 
das  Lehrerkollegium  des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Minden  zusammengestellt  *06).  Das 
Bändchen  umfasst  Gedichte  für  die  Klassen  Sexta  bis  Sekunda  einschliesslich.  Etwa  20 
Gedichte  werden  auf  einem  Beiblatt  besonders  aufgeführt  mit  der  Bestimmung,  dass  sie 
in  den  folgendenKlassen  zu  wiederholen  sind.  Zum  Auswendiglernen  in  II  sind  Abschnitte 
aus  „Teil"  und  der  „Jungfrau"  ausgewählt;  für  O  III  auch  hier,  wenn  auch  nur  teilweise, 
die  bei  weitem  zu  schwierige  „Glocke".  —  Rademachers 'O'')  Sammlung  liegt  der  Ge- 


Klassen  höh.  Lehranst.  4.  Aufl.  Her.  t.  J.  Trenge.  Münster  i.  W.,  Coppenrath.  XVI,  517  S.  M.  2,80.  —  100)  Bücheier, 
Dtsch.  Lese-  n.  Sprachbuch  für  d.  unteren  Klassen  höh.  Lehranst.  4.  Aufl.  St.,  J.  B.  Metzler.  396  S.  M.  1,50.  — 
lOlj  A.  Führer,  Dtsch.  Lesebuch  auf  Vaterland.  Qrundl.  Für  d.  unteren  Klassen  höh.  Lehranst.  Münster  i.  W.,  Aschendorf. 
XX,  402  S.  M.  2,60.  —  102)  H.  v.  Dadelsen,  Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Schulen.  2.  T.  Für  Quinta.  Strassburg  i.  E., 
C.  F.  Schmidt.  XL  246  S.  M.  2,00.  -  103)  R.  Kessel,  Musterprosa.  2.  T.  Unt.  Mittelstufe.  Bonn,  Weber.  203  S.  M.  1,30. 
—  104)  id.,  Mustergedichte.  Z.  Schulgebr.  II,  1.  Unt.  Mittelstufe,  ib.  1891.  144  S.  M.  1,00.  —  105)  E.  Salzmann,  Ausgew. 
Gedichte  für  d.  Schulgebr.  Mit  e.  Abriss  d.  Poetik  u.  mit  Notizen  über  d.  Dichter.  St.,  Glaser  &  Sulz.  1892.  VUI,  168  S. 
M.  0,75.  —  106)  Auswahl  dtsch.  Gedichte  u.  Lieder  für  Gymn.  u.  Realgymn.  Zusuromengest.  vom  Lehrer- Kolleg,  d.  Gymn. 
u.  Bealgyro.  zu  Minden.    Minden,  W.  Köhler.    63  S.    M.  0,50.  —  107)  11.  Rademacher,  Ausw.  volkstüml.  Lieder  n.  Gedichte 


P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  7  :  108-129 

danke  zu  Grunde,  dass  der  Lehrstoff  für  Deutsch  und  Sing-en  nicht  getrennt  werden  dürfe. 
Wenn  das  Volkslied  auch  dem  Texte  nach  fest  eing-epräg-t  und  verstanden  werden 
solle,  so  müsse  der  Kanon  der  Volkslieder  und  Gedichte  einheitlich  sein;  und  zwar 
sei  eben  nur  das  aufzunehmen,  was  wirklich  volkstümlich  geworden.  Die  Sammlung 
ist  alphabetisch  nach  Dichtern  und  Stufen  geordnet  und  umfasst  einen  Doppelkanon : 
So  wechseln  sangbare  Lieder  und  Gedichte  zum  Vortrage  in  bunter  Folge  mit  ein- 
ander ab.  Der  Anhang  giebt  eine  Anzahl  geschickt  ausgewählter  Volkslieder.  — 
Ein  bei  Helmich  in  Bielefeld  erschienenes  Heft^''*)  bringt  Gedichte  für  die  Klassen 
VI— III  einschliesslich,  im  ganzen  43,  und  zwar  immer  in  zwei  Abteilungen,  deren 
erste  sich  zum  mündlichen  Vortrage  eignet,  während  die  zweite  sangbare  Lieder 
umfasst.  Letzterer  ITmstand  ist  freudig  zu  begrüasen,  da  es  den  Knaben  bekanntlich 
immer  an  Kenntnis  des  Textes  der  schönsten  Lieder  fehlt.  Es  ist  sehr  praktisch, 
dass  der  Gymnasiast  so  alles,  was  er  von  deutschen  Gedichten  auswendig  lernen 
sollte,  in  handlicher  Form  zusammen  besitzt.  —  Lindner  i**^)  liefert  in  seinem 
Vaterländischen  Gedichtbuche  eine  Fortsetzung  des  schon  früher  (vgl.  JBL.  1892 
I  5 :  80)  dargelegten  Unternehmens  für  Kadettenanstalten.  Der  Band  reiht  sich 
offenbar  würdig  an  den  vorigen.  Die  Register  gewähren  eine  praktische  Uebersicht. 
In  der  Aufeinanderfolge  lassen  sich  überall  feine  Gedankenzusammenhänge  erkennen. 
Willkommen  ist  auch  der  Anhang,  der  neben  Gedichten  Walthers  eine  Anzahl  von 
Volksliedern  bietet.  —  W.  Schäfer  ^^^^j  bietet  eine  Auswahl  aus  deutschen  Dichtern 
des  18.  und  19.  Jh.  Die  Anordnung  folgt  im  wesentlichen  litterargeschichtlichen 
Gesichtspunkten;  bei  der  Auswahl  wird  auch  der  pädagogischen  Erwägung  von 
Inhalt  und  Form  Rechnung  getragen.  Die  Beispiele  beginnen  mit  Haller  und 
schliessen  „mit  den  würdigsten"  Dichtern  der  Gegenwart  ab.  Gottfr.  Keller,  Konr. 
Ferd.  Meyer,  Arthur  Fitger,  Heinr.  Bulthaupt  treten  hier  besonders  hervor.  Zu 
kurzen  biographischen  Notizen,  von  welchen  die  Beispiele  begleitet  sind,  tritt  als 
Einleitung'  eine  knapp  gehaltene  Uebersicht  der  Litteraturgeschichte  von  Haller  bis 
zur  Gegenwart.  Aenderung  der  Texte  ist  nur  selten  vorgenommen;  hin  und  wieder 
jedoch  sind  für  den  Zweck  störende  Strophen  wegg-elassen  worden:  So  in  Bürgers 
„Lied  vom  braven  Mann",  in  Schlegels  „Arion",  in  Klopstocks  „Zürcher  See".  In 
einem  Anhange  werden  die  Grundzüge  der  deutschen  Metrik  entwickelt  (S.  577 — 88). 
Einiges  Hesse  sich  hier  noch  knapper  fassen,  z.  B.  §  13:  Die  Verschiedenheit  der 
Reime  nach  ihrer  Stellung;  ebenso  vieles  von  §  24  ab  (die  romanischen  Strophen- 
formen). Im  grossen  und  ganzen  aber  wird  man  das  Buch  zu  den  besten  seiner  Art 
rechnen  dürfen.  —  Ziegler  ^i^)  liefert  eine  Sammlung  von  Gedichten  aus  poetischen 
Werken  deutscher  Volksschullehrer.  Auf  den  tendenziösen  Zweck  dieses  Buches 
kann  hier  nicht  eingegangen  werden:  Uns  kann  es  nur  als  Anthologie  gelten.  Als 
solche  ist  es  für  die  Schule  nicht  verwendbar ;  doch  findet  sich  sonst  viel  Anregendes 
darin.  112-1333  - 

f6r  höh.  Lehranst.  n.  Mittelschulen.  Hannover,  C.  Meyer.  XI,  295  S.  M.  1,60.  |[A.  Paul:  COIRW.  21,  S.  6356;  R.  Löhner: 
ZOG.  44,  S.  1001  2.] I  ~  108)  Ausw.  dtsch.  Gedichte  n.  Lieder  für  d.  Gymn.  u.  Realgymn.  2.  verh.  Aufl.  Bielefeld,  Helmich. 
44  u.  UI  S.  M.  0,45.  —  109)  Fr.  Lindner,  Vaterland.  Gedichtbuch,  e.  Samml.  auserles.  dtsch.  Gedichte.  B.,  Mittler  &  Sohn. 
XXIII,  360  S.  M.  3,00.  —  110)  J.  W.  Schäfer,  Ausw.  aus  dtsch.  Dichtern  d.  18.  u.  19.  Jh.  für  Schule  n.  Haus.  4.  Aufl. 
Bremen,  Heinsius.  XXXVI,  588  S.  M.  3,.50.  |[R.  Schneider:  COIRW.  21,  S.  26.  718.])  -  111)  C.  Ziegler,  Dichter  im  dtsch. 
Schulhause.  Bielefeld,  Helmich.  12".  382  8.  M.  4,50.  [[Paedagogium  15,  S.  687;  F.  Goebel:  KZEÜ.  S.  564.]|  (Vgl.  V. 
Winkler,  Dichter  im  dtsch.  Schnlhause  [=:  Samml.  päd.  Vortrr.,  her.  v.  Wilh.  Mey er-Markau.  Bd.  6,  N.  9.  Bielefeld, 
Helmich.  18  S.  M.  0,40],  S.  159.)  —  112)  X  X  Lesebuch  für  höh.  Lehranst.  I.-UI.  Abt.  v.  J.  Hopf  u.  K.  Paulsiek,  neu  bearb. 
V.  K.  Paulsiek  u.  Chrn.  Muff.  IV.-VL  Abt.  y.  Chrn.  Muff.  B.,  Grote.  XVL  242  S.;  X,  396  S.;  XH,  398  S.;  XII,  348  S,; 
XII,  364  S.  M.  11,50.  —  112  a)  X  A..  Engelien  u.  H.  Fechner,  Dtsch.  Lesebuch.  Aus  d.  Quellen  zusammengest.  Ausg.  A.  5  T. 
5.  stark  verm.  Aufl.  (B.,  Wilh.  Schnitze.  1892.  XVL  448  u.  XXVIII.  S.  M.  2,40):  Paedagogium  1.5,  S.  273.  —  113)  X  X  -T- 
Hopf  u.  K.  Paulsiek,  dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Lehranst.  2.  T.  Her.  v.  R.  Foss.  2.  Abt.  Für  Obersekunda  u.  Prima.  2  Ab- 
schnitte. B.,  Mittler  &  Sohn.  VIII,  150  S.;  XIV,  410  S.  M.  4,50.  |[C01RW.  21,  S.  95/6,  304.]|  —  114)  XX  A.  Baldi  u. 
A.  Brnnner,  Lese-  u.  Hilfsbnch  für  d.  Unterr.  im  Deutschen  an  Gyran.  u.  anderen  höh.  Bildungsanst.  2.  Aufl.  Bamberg, 
Büchner.  XVI,  507  S.  M.  4,00.  (D.  neuen  Stücke  d.  2.  Aufl.  M.  0,40.)  —  114  a)  X  Barthel-Wirths  dtsch.  Lesebuch.  (Vgl. 
JBL.  1892  I  5:76.):  COIRW.  21,  S.  372.  —  115)  XX  H-  Dad eisen,  Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Schulen.  1.  Sexta.  2.  Aufl. 
3.  Quarta.  Strassburg  i.  E.,  Bull.  XH,  244  S.;  XL  244  S.  ä  M.  2,00.  —  116)  XX  P-  Hellwig,  P.  Hirt  u.  ü.  Zernial, 
Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Schulen.  3.  T.  Quarta.  Dresden,  Ehlermann.  VIIL  312  S.  M.  2,00.  —  117)  XX  K-  Hansen, 
Dtsch.  Lesebuch.  1.-4.  T.  Dnrehges.  u.  her.  t.  F.  Hofl"meyer.  Braunschweig,  H.  Wollermann.  1.  T.  25.  Aufl.  VIIL  160  S.; 
M.  1,00;  2.  T.  25.  Aufl.  VIII,  208  S.;  M.  1,25;  3.  T.  20.  Aufl.  VIII,  244  S.;  M.  1,35;  4.  T.  12.  Aufl.  VIH,  276  S.;  M.  1,40.— 
118)  XX  L-  Voigt,  Dtsch.  Lesebuch  für  Handelsschulen.  2.  Aufl.  Dresden,  A.  Huhle.  VID,  320  S.  M.  2,40.  —  119)  XX  R- 
Becher,  R.  Börner,  Rob.  Richter  u.  0.  Zimmermann,  Dtsch.  Lesebuch  für  Realschulen  u.  verwandte  Lehranst.  (In 
3  T.)  1.  T.  L.,  Dürr.  VL  400  S.  M.  2,50.  —  119a)  X  Th.  Vogel,  Was  soll  u.  kann  im  dtsch.  Unterr.  d.  Unter-  u.  Mittel- 
klassen d.  Lesebuch  leisten?:  NJbbPh.  148,  S.  1-11.  —  120)  XX  A..  Ernst  u.  J.  Tews,  Dtsch.  Lesebuch  für  Mädchenschulen. 
In  4  Bdn.  L.,  J.  Klinkhardt.  XVL  704  S.  M.  4,50.  -  121)  XX  H.  Kletke  u.  H.  Sobald,  Lesebuch  für  höh.  Mädchen- 
schulen mit  Berücksicht.  d.  Unterr.  in  d.  Litt.-Gesch.  8.  Aufl.  Altenburg,  Pierer.  XXU,  594  S.  M.  4,00.  —  122)  XX  0. 
Schmidt  u.  H.  Schillmann,  Dtsch.  Lesebuch  für  mehrklass.  Schulen.  Ausg.  für  Ost-  u.  Westpreussen.  Bearb.  v.  Fr. 
Tromnau.  5  Tle.  L.,  Klinkhardt.  100  S.;  156  S.;  219  S.;  258  S.;  342  S.  M.  4,65.  -123)  XX  Fr.  Mair,  Dtsch.  Lesebuch  für  d. 
Bürgerschulen  Oesterr.  3  Tle.  Wien,  Graeser.  224  S  ;  252  S.;  251  S  M.  1,60.  —  124)  XX  Dtsch.  Lesebuch  für  d.  Sekundär- 
schulen d.  Kantons  Basel-Stadt.  2  Tle.  3.  Aufl.  Basel,  Reich.  VIII,  216  S.;  Vm,  231  S.  M.  2,20.  —  125)  XX  Dtsch.  Lese- 
buch für  mehrklass.  Schulen.  In  4  Stufen.  Her.  v.  e.  Komm.  d.  Schnldirektoren  Leipzigs.  1.  Stufe.  L.,  Dürr.  VIII,  184  S. 
M.  0,75.  —  126)  XX  B-  Schultheiss,  Kanon  dtsch.  Gedichte  u.  Lieder  für  höh.  Lehranst.  3.  Aufl.  Danzig,  Kaufmann.  87  S. 
M.  0,70.  —  127)  XX  F.  Speyer,  D.  Texte  d.  Gedichte  in  unsern  dtsch.  Lesebüchern.  Progr.  Berlin.  4".  17  S.  —  128)  X  A. 
Brunner,  G.  Wendt,  Dtsch.  Lesebuch  (vgL  JBL.  1891  I  7:84):  BBG.    28,  S.  113.  —  129)  XO.  Foltz,  A.  Ernst  n.  J.  Tews, 


17:  130-139  P.  Goldscheider,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Leitfäden  der  Litteraturg-eschichte  und  Poetik.  Die  Litteratur- 
g"eschichte,  welche  Max  Kochi^*)  für  die  Sammlung'  Groschen  geliefert  hat,  ist  für 
Schüler  auch  der  obersten  Klassen  zu  schwierig  gehalten;  dagegen  wird  sie  dem 
Fachmann  sehr  willkommen  sein,  der  in  gedrängter  Kürze  eine  Uebersicht  über  das 
Wesentliche  erhält;  an  manchen  Stellen  wird,  wie  uns  scheint,  etwas  gar  viel  zu- 
sammengedrängt, so  dass  inhaltlich  Dunkelheit,  sprachlich  Härte  hervortreten.  Man 
vergleiche  z.  B.  den  Satz  S.  15,  „der  Messiassäng-er"  usw.  oder  die  Inhaltsangabe  des 
Tegernseer  Ludus  S.  69.  Lyon  rühmt  an  Kochs  Werk  insbesondere  die  unmittelbare 
Anschauung  der  Quellen,  die  nationale  Empfindung,  die  Berücksichtig'ung  der  zeit- 
genössischen Litteratur.  —  C  a  r  s  t  e  n"s  e  n  s  ^^^^)  „Aus  dem  Leben  deutscher  Dichter"  ist  für 
Kinder  bestimmt.  Trotzdem  müsste  doch  auch  in  diesem  Falle  die  nötige  Gewissen- 
haftigkeit in  Ueberlieferung-  des  Thatsächlichen  gewahrt  werden :  Friederike  war  nicht 
des  „Pfarrers  jüngste  Tochter",  Wieland  nicht  „der  greise  Wieland",  als  Goethe 
nach  Weimar  kam;  „Faust"  I  erschien  nicht  1806  usw.  Sonst  ist  vieles  recht  an- 
schaulich und  lebhaft  dargestellt,  obgleich  nicht  immer  geschmackvoll  ausgewählt. 
Es  sind  11  kurze  Biographien,  jeder  einzelnen  ist  ein  Porträt  beigegeben.  Praktisch 
sind  vergleichende  Hinweise  auf  frühere  Stellen.  Der  Stil  freilich  ist  nicht  vorbildlich 
genug :  S.  34  spricht  C.  bei  Erwähnung  der  Freundschaft  zwischen  Goethe  und  Schiller 
von  einer  „gegenseitigen  neidlosen  Reinheit".  S.  152:  „machte  gute  Fortschritte 
und  seinen  Lehrern  viel  Freude"  (Rückert).  —  Haehnels^^öj  Uebersicht  der  deut- 
schen Litteraturgeschichte  war  ursprünglich  als  Anhang  des  Lesebuches  von  Kummer- 
Stejskal  gedacht;  dieser  Zusammenhang  ist  auch  in  der  2.  Auflag-e  nicht  aufgegeben, 
aber  es  findet  eine  Ergänzung  und  Erweiterung  statt.  Hinzugefügt  sind  ausser  einem 
Abriss  der  neuesten  Litteraturgeschichte  auch  Uebersichtstafeln  über  Leben  und  Werke 
der  Klassiker.  Das  alte  Hildebrandslied  sollte  übrigens  doch  nicht  (S.  6)  als  „dürf- 
tiges" Bruchstück  bezeichnet  werden!  —  Voigts^**^)  „Hülfsbüchlein"  wendet  sich 
insbesondere  an  die  kommerziellen  Schulen,  und  zwar  soll  es  den  höheren  derartigen 
Anstalten  als  Leitfaden  für  Wiederholungen  dienen,  den  niederen  als  hinreichendes 
Lehrbuch.  Es  müsste  jedoch  grössere  Sorgfalt  auf  die  Einzelangaben  verwandt  werden, 
vgl.  über  Herders  Geburt,  Schreibweise  von  Matthias  Claudius,  Definition  des  Be- 
griffes „deutsche  Litteratur".  —  Seehau ssens'^")  Litteraturkunde  will  nur  die  wich- 
tigsten Erscheinungen  der  deutschen  Litteratur  bieten,  in  knapper,  jedoch  zusammen- 
hängender Darstellung.  Dabei  soll  auch  thunlichst  der  Zusammenhang  des  W^erkes 
mit  dem  Geiste  der  Entstehungszeit  und  mit  dem  Lebensgange  des  Dichters  klar- 
gelegt werden.  Die  im  Anhange  gegebene  Poetik  ist  zu  geieg-entlicher  Wiederholung 
der  aus  der  Lektüre  gewonnenen  poetischen  Gesetze  bestimmt.  Das  Schriftchen  er- 
scheint uns  sehr  wohl  praktisch  verwertbar;  besonders  dürften  die  kurzen  Biographien 
der  neueren  Dichter  den  jetzigen  Forderungen  des  Regiements  gegenüber  willkommen 
sein.  Die  Anzahl  der  Werke  ist  überall  sorgfältig  begrenzt,  auf  die  hervorzuhebenden 
Gedichte  wird  aufmerksam  gemacht,  meist  zugleich  mit  Angabe  des  Titels  und  des 
Anfang-es.  Hin  und  wieder  wird  man  sachlich  verletzt  (vgl.  S.  54  das  über  Jung- 
Stilling  Bemerkte). — Kolcks^^sj  ,, Grundzüge  der  deutschen  Poetik"  waren  ursprüng- 
lich für  Landwirtschaftsschulen  oder  ähnliche  Anstalten  bestimmt,  sind  dann  je- 
doch erweitert.  Der  Vf.  hat  das  Bestreben  gehabt,  die  von  ihm  aufgestellten  Be- 
griffe durch  Beispiele  zu  erläutern,  die  zugleich  einen  besonderen  moralischen  oder 
ästhetischen  Wert  besitzen.  Andererseits  wollte  er  aber  auch  den  Fehler  vermeiden, 
welchen  viele  ähnliche  Bücher  begehen,  nämlich  durch  Reichhaltigkeit  zu  verwirren. 
Im  einzelnen  würden  wir  manches  noch  anders  wünschen  (z.  B.  bei  den  Begriffen 
Prosa,  Caesur,  Epigramm);  im  ganzen  jedoch  ist  hier  sicherlich  mit  gutem  Takt  der 
rechte  Ton  getroffen.  —  In  H  ü  1 1  m  a  n  n  s  ^^^)  Leitfaden  der  Poetik  macht  sich  eine 
weitschweifige  und  unfruchtbare  Nomenklatur  breit.  Da  wird  das  Epos  eingeteilt  in 
heroisches,  romantisches,  bürgerliches,  religiöses.  Die  poetische  Epistel  gehört  der 
lyrischen,  epischen  oder  didaktischen  Poesie  an!  Sieben  Arten  des  Rätsels  werden  vor- 
geführt, mit  schwierigen  und  gelehrt  klingenden  Namen.  Die  Erklärung  der  Begriffe 
ist  zum  Teil  höchst  verwunderlich:  Der  Roman  unterscheidet  sich  von  dem  Epos  da- 
durch, dass  er  in  das  „gegenwärtige  Leben  greift".  Die  Novelle  enthält  eine  Be- 
gebenheit „aus   dem    Leben   eines    bedeutenden   Menschen".     Auch   an   Sorgfalt    der 


Dtsch.  Lesebuch  für  Mädchenschnlen:  PaedSt.  13,  S.  54,'6.  —  130)  X  J-  Härtung,  D.  dtsch.  Lesebuch  in  d.  unteren  n.  mittleren 
Klassen  höh.  Lehranst.:  ZGyran.  26,  S.  121-33.  —  131)  X  H-  Schiller,  Dtsch.  Lesebücher:  ib.  S.  725-30.  —  132)  X  H. 
Winther,  F.  Linnig,  Dtsch.  Lesebuch  (vgl.  JBL,  1891  I  7:79):  ib.  S.  312.  —  133)  X  J  Nieden,  Dtsch.  Gedichte  (vgl.  JBL. 
1891  I  7:89):  PaedSt.  13,  S.  191/2.  —  134)  (I  1:88)  |[0.  Lyon:  ZDü  8,  S.  146,8.J|  —  134a)  C.  Carstensen,  Aus  d. 
Leben  dtsch.  Dichter.  Für  Schule  u.  Haus.  Braunschweig  u.  L.,  H.  Wollermann.  IV,  156  S.  M.  1,00.  —  135)  R.  Haehnel, 
Uebersicht  d.  dtsch.  Litt.-Gesch.  Als  Hilfsbuch  für  Wiederholungen.  2.  Aufl.  Wien,  Manz.  90  S.  M.0,60.  —  136)  L.  Voigt, 
llilfsbüchlein  für  d.  dtsch.  ünterr.,  enth.  d.  Wic)itiggte  aus  d.  Litt.-Gesch.,  Metrik  u.  Poetilc.  Wien,  Holder.  1892,  32  S. 
Fl.  0,20.  —  137)  K'  Soehaussen,  Litt.-Kunde  für  mittl.  u.  höh.  Lehranst.  Nebst  e.  kurzen  Poetik.  Gütersloh,  Bertelsmann. 
VII,  108  S.  M.  0,60.-  138)  H.  ,1.  Kolck,  Grundzüge  d.  dtsch.  Poetik.  Z.  Gebrauche  an  höh.  Lehranst.  wie  z.  Selbstunterr. 
Münster  i.  W.,  Aschendorff.    1892.    68  S.    M.  0,75.  —  139)  J.  F.  Hüttmann,  Litt.-Kunde.    Leitfaden  d.  Poetik  für  Mittel- 


H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  I  7  :  t4o-i5i  I  8 : 1-2 

Sprache  fehlt  es,  Druckfehler  in,  Namen  treten  störend  hei'vor.  —  Leipolds  **<*) 
Tjitteraturg-eschichte  soll  „Schuldienstexspektanten"  zur  Wiederholung-  dienen,  daneben 
aber  auch  für  Mittelschulen,  Lehrerseminarien  usw.  brauchbar  sein.  Die  Einteilung 
verläuft  in  fünfzig-  Kreisen,  ein  Anhang-  über  Metrik  und  Poetik  ist  hinzugefügt.  Hin 
und  wieder  wird  auch  die  einschlägige  Litteratur  des  Auslandes  vermerkt,  auch  finden 
sich  Hinweise  auf  die  gleichzeitigen  politischen  Verhältnisse.  Dieser  Plan  an  sich 
wäre  nicht  verwerflich,  wenn  nur  nicht  die  Ausführung  einen  so  dürftigen  Eindruck 
machte.  Der  Vf.  ist  offenbar  wissenschaftlich  seinem  Unternehmen  nicht  gewachsen. 
Vgl.  Kreis  50:  Populärwissenschaftliche  Schriftsteller  (Scherer,  Grimm,  Humboldt, 
Ranke  u.  a.) ;  S.  26  die  Darstellung  des  Humanismus ;  ferner  was  S.  34  über  Shakespeare 
bemerkt  wird ;  S.  45  über  Homer ;  ebendort  wird  sogar  Catull  mit  dem  Feldherrn 
Lutatius  Catulus  verwechselt!  —  Heilmanns  ^*^)  Geschichte  der  deutschen  National- 
litteratur  ist  hauptsächlich  für  Lehrerbildungsanstalten  bestimmt.  Das  Buch  dient 
seinem  Zwecke  in  recht  brauchbarer  Weise :  Es  ist  offenbar  mit  grossem  didaktischen 
Geschick  angefertig-t  und  kann  auch  Gymnasien  empfohlen  werden.  Der  Lehrstoff 
ist  überall  nach  praktischen  Gesichtspunkten  vereinfacht;  Nomenklatur  tritt  möglichst 
zurück,  die  Hauptwerke  werden  eingehender  behandelt.  Dabei  sind  die  besten  Hülfs- 
mittel  benutzt  worden;  auf  selbständig-es  [Jrteil  verzichtet  H.  meistens.  Hin  und 
wieder  überschreitet  das  Schulmeisterliche  die  Grenze  und  drängt  sich  störend  und  ge- 
schmacklos vor,  z.  B.  wenn  es  über  Geliert  heisst:  „Gest.  1769  (Geburtsjahr  Napolons  I.)", 
oder  über  Bürger:  „1747  geb.  und  erst  47  Jahre  alt  —  gestorben." '42-1 5 1)  (Vgl.  auch 
I  12  :  29—42.)  - 


1,8 

Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

Hermann  Wunderlich. 

Allgemeines:  Philosophische  Betrachtung  des  Sprachlebens  N.  1;  philosophische  Grammatilc  und  Weltsprache 
N.  3;  Ursprung  der  Sprache  N.  5;  Sprache  nnd  Logik  N.  ß.  —  Konstitutive  Faktoren  der  Schriftsprache:  Kanzlei 
und  Buchdruck  N.  8.  —  Mundarten  N.  12.  —  Individxielle  Einflüsse:  Schriftsteller:  Luther,  Pischart  N.  29;  Lessing,  Wieland, 
Goethe,  Schiller  N.  36;  Hebel,  Platen,  Heine,  Ludwig  I.  von  Bayern,  Bismarck  N.  48.  —  Theoretiker:  Schottel,  Sprachgesell- 
schaften, A.  Möller,  Ph.  M.  Hahn,  J.  J.  Spreng,  J.  Grimm  N.  54.  —  Erscheinungsformen:  Historische  Betrachtung:  All- 
gemeines N.  61;  Orthographie  und  Phonetik  N.  67;  Formenlehre,  Wortbildung  N.  75;  Syntax  N.  85;  Stilistik  N.  92;  Wortschatz 
N.  100.  —  Polemische  Darstellung:  Prinzipielle  Gegensätze  N.  122;  der  Kampf  um  die  Sprachdummheiten  N.  130;  Stil,  Bernfs- 
und  Standessprachen  (Sprache  der  Zeitungen,  der  Romanschreiber,  der  Schule,  der  Wissenschaft,  der  Juristen,  der  Kanfleute) 
N.  136;  Fremdwörterfrage  (Studentensprache,  Heeressprache)  N.  150.  — 

Es  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  auf  unserem  Gebiete  von  Jahr  zu  Jahr 
die  Neigung  wieder  anwächst,  neben  der  Erforschung  oder  Bekämpfung  einzelner  That- 
sachen  auch  den  allgemeineren  Ergebnissen  nachzuspüren,  die  Zusammenhänge 
aufzudecken,  in  denen  die  Einzelheiten  sich  verknüpfen.  Dieses  Bestreben  des 
Zusammenfassens  und  tieferen  Erg-ründens  tritt  selbst  an  den  Einzeldarstellung-en 
deutlich  hervor,  um  so  kräftig-er  natürlich  muss  es  sich  g-eltend  machen  bei  der 
Erörterung-  von  Prinzipienfrag-en,  wie  sie  im  Berichtsjahre  zusehends  an  Raum  ge- 
winnt. Im  besonderen  ist  es  die  Philosophie  mit  ihren  Disciplinen,  die  den 
Zusammenhang-  mit  der  Betrachtung-  des  Sprachlebens  wieder  eng-er  knüpft. 
Teilweise  allerdings  tragen  hier  auch  Neuausg-aben  und  Sammelwerke  bei,  in  denen 
einschlägig-e  frühere  Arbeiten  neu  aufg-eleg-t  werden.  So  zog-  sich  schon  durch  die 
Aufsätze  und  Recensionen  Wilhelm  Scherers,  die  nun  von  Burdach^)  g-esammelt 
sind,  der  Gedanke,  dass  die  verg-leichende  Sprachwissenschaft  der  Philosophie  bis- 
lang-  zu  wenig-  in  die  Hände  gearbeitet  habe,  und  dass  es  um  so  mehr  Pflicht  sei, 


schulen  u  d.  mittl.  Klassen  höh.  Lehranst.  Stade,  Schaumbnrg.  VI,  57  S.  M.  0,65.  |[R.  Schneider:  COIRW.  21,  S.  568.]| 
—  140)  E.  Leipold,  Dtsch.  Litt -Gesch.,  in  50  Kreise  abgeteilt,  nebst  e.  Anh.  über  Metrik  u.  Poetik.  Straubing,  Attenkofer. 
VIII,  136  S.  M.  1,20.  -  141)  (I  1  :85  b.)  -  142)  XX  (I  1  :84.)  -  143)  X  X  (I  1  =  79.)  —  144)XXW.  Schwahn,  Grnnd- 
züge  d.  dtsch.  Poetik.  E.  Leitfaden  für  höh.  Lehranst.  Hamburg,  Kriebel.  42  S.  M.  0,80.  —  145)  X  C.  Beyer.  Kleine  Poetik. 
Für  höh.  Schulen  u.  z.  Selbstunterr.  St.,  Dtsch.  Verlagsanst.  12".  VIII,  127  S.  M.  1,00.  —  146)  XX  J-  E.  Haselmeyer, 
Dichtungslehre  (Poetik)  für  d.  oberen  Kurse  d.  Realsch.  Bayerns  u.  verwandter  Anst.  2.  Ausg.  Würzburg,  Staudinger.  112  S. 
M.  1,20. —  147)  X  Th  Hoffmann  u.  K.  Neumann,  Inhaltsangaben  v.  20  Kirchenliedern.  Z.  Schulgebr.  für  Mittel-  u,  Ober- 
stufe. Görlitz,  Groetschel.  26  S.  M.  0,30.  —  148)  X  W.  Rübenkamp,  D.  Bedeutung  Schillers  für  d.  Jugend:  Paedagogium. 
14,  S.  29-37.  —  149)  X  0.  Lyon,  Abriss  d.  dtsch.  Litt.-Gesch.  3.  Aufl.  (=  Handbuch  d.  dtsch  Sprache  für  höh.  Schulen. 
3.  Abt.)  L.,  Teubner.  VII,  142  S.  M.  1,60.  i[LZgB.  N.  95.]1  (Vgl.  JBL.  1890  I  7:100.)  —  150)  W.  Herbst,  Hilfsbuch  für  d. 
dtsch.  Litt.-Gesch.  z.  Gebrauch  d.  obersten  Klassen  d.  Gymn.  n.  Realsch.  6.  Aufl.  (Gotha,  Perthes.  1892.  X,  69  S.  M.  0,80.): 
COIRW.  21,  S.  309-10.  —  151)  X  ^.d.  Paul,  P.  Strzemcha,  Gesch.  d.  dtsch.  Nationallitt.  Z.  Schulgebr.  u.  z.  Selbstunterr. 
bearb.     5.  Aufl.     Brunn,  R.  Knauthe.     1892.     202  S. :  ib.  S.  379.  - 

1)  (I  1:117;  2:2.)    —    2)  R-  Kleinpaul,  D.  Leben  d.  Sprache  u.  ihre  Weltstellung.    3  Bde.    1.  Sprache   ohne 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  16 


I  8:3-7    H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

litterarische  Erscheinungen  zu  beobachten,  welche  diese  beiden  Wissenschaften  ein- 
ander nähern  können.  —  Wenig-  Förderung-  nach  dieser  Seite  gewährt  die  Sammlung, 
in  der  KleinpauP)  seine  früheren  Arbeiten  vereinigt  hat.  — 

Das  Verhältnis  von  Sprache  und  Vernunft  führt  auf  die  philosophische 
Grammatik,  in  der  das  17.  und  18.  Jh.  den  Gedanken  einer  Weltsprache  zu  ver- 
wirklichen suchten.  Max  Müller  3),  der  im  zweiten  Bande  seiner  Vorlesungen  über 
die  Wissenschaft  der  Sprache  neben  einer  Reihe  der  im  Vordergrunde  stehenden  Pro- 
bleme auch  diese  Frage  streift,  verdanken  wir  nicht  eigentlich  eine  Klärung  der 
Sachlage.  Es  hätte  hier  eigentlich  nahe  gelegen,  zu  betonen,  wie  eng  diese  Art 
von  Universalsprache  in  ihren  Existenzbedingungen  an  die  Schrift  gebunden  war, 
und  wie  sie  gegen  ihre  eigene  Natur  kämpfte,  als  sie  in  die  mündliche  Sprachform 
übergriff.  —  Die  neueren  Versuche  solcher  Gemeinsprache  fasst  Gustav  Meyer*) 
in  einem  seiner  Aufsätze  ins  Auge,  indem  er  vor  allem  den  Gegensatz  zwischen  den 
theoretischen  Bestrebungen  des  vergangenen  Jh.  und  unserer  auf  das  Praktische 
gerichteten  Zeit  kräftig  herausarbeitet.  Wenn  M.  dann  die  Bedürfnisfrage  verneint 
und  andererseits  die  Brauchbarkeit  der  einzelnen  Systeme  schon  durch  das  Auf- 
kommen neuer  Spielarten  gefährdet  sieht,  knüpft  er  an  Thatsachen  an,  die  auch  dem 
einfachen  gesunden  Menschenverstände  offen  liegen.  Von  besonderer  Bedeutung  für 
unseren  Zusammenhang  ist  es  aber,  dass  sich  diese  Beweisführung  zu  Ausblicken  auf  das 
Werden  und  Leben  der  Sprache  erweitert,  die  ungesuoht  Anknüpfungen  an  Probleme 
anderer  Art  darbieten.  — 

So  steht  die  hier  berührte  Frage  nach  dem  Ursprung  der  Sprache  und 
nach  der  Art  der  Sprachschöpfung  auch  sonst  im  Vordergrunde.  Die  Philologie  ver- 
mag ja  nur  den  kleinsten  Teil  des  Weges,  den  die  Sprache  durchmessen  hat,  mit 
ihrer  Arbeit  zu  belegen,  weit  nach  rückwärts  sieht  sie  sich  auf  Schlüsse  aus  dem 
Vorliegenden  angewiesen.  Die  Theologie  nimmt  dieses  dunkle  Gebiet  gerne  für  ihre 
Mittel  in  Beschlag  und  so  legt  auch  Giesswein^),  nachdem  er  die  vergleichende 
Sprachwissenschaft  ziemlich  bis  zu  ihren  Endergebnissen  verfolgt  hat,  in  die  weit 
klaffende  Lücke  seinerseits  die  dem  Menschen  „innewohnende  göttliche  Kraft",  die 
ihn  erst  befähige,  die  leblosen  Laute  zu  beseelen.  Der  Vf.  findet  mit  dieser  Hypo- 
these auf  protestantischer  Seite  mehr  Zustimmung  als  auf  katholischer.  — 

In  dieses  Grenzgebiet  der  Philologie,  die  Erforschung  des  Verhältnisses  von 
Sprache  und  Logik,  dringt  vom  entgegengesetzten  Standpunkt  Marty^)  ein,  und 
ihm  verdanken  wir  in  der  That  den  Hinweis  auf  einige  lebenskräftige  Elemente 
in  dem  Werdeprozess  der  Sprache.  Die  innere  Sprachform,  namentlich  in  ihrem 
Gegensatze  zum  Sprachinhalt,  verfolgt  er  in  alle  Verzweigungen  der  Bedeutungslehre, 
der  Wortverbindungen  und  Satzverknüpfungen,  und  so  erschliesst  er  diesem  konsti- 
tutiven Faktor  der  Sprache  ein  neues,  weit  ausgedehnteres  Gebiet.  Die  Fügungen  und 
Wendungen  der  Syntax  heben  sich  auf  diese  W^eise  viel  deutlicher  von  dem  Untergrunde 
der  inneren  Sprachform  ab,  der  ihnen  doch  immer  wieder  das  Vermögen  zuführt,  in  ihrer 
Eigenart  zu  beharren.  Auch  die  Figuren  des  poetischen  Stils  erhalten  hierdurch 
überraschende  neue  Deutungen,  die  es  uns  viel  leichter  machen,  ihre  Wurzeln  in  der 
primitivsten  Sprachbildung  aufzuspüren.  Gelegentlich  freilich  dehnt  M.  den  Gebrauch, 
den  er  von  dem  fruchtbaren  Prinzip  macht,  gar  weit  aus,  so  wenn  er  an  seiner  Hand 
die  Kategorien  der  Grammatik  und  die  Uebergänge  unter  diesen  durchmustert  und 
überall  die  Verwechslung  von  innerer  Sprachform  und  Sprachinhalt  wittert.  So  glaubt 
er,  dass  hierauf  allein  das  „Dogma  von  der  Zweigliedrigkeit  des  Urteils",  das  er  ver- 
wirft, beruhe;  er  verlegt  in  den  entsprechenden  Sätzen  bald  das  Subjekt,  bald  das 
Prädikat  in  die  innere  Sprachform,  die  „nur  als  Rudiment"  aus  einer  anderen  Klasse 
von  Urteilen  herüberwirke,  aber  man  bekommt  hier  den  Eindruck,  als  ob  mit  dem 
Terminus  der  „inneren  Sprachform"  zunächst  ein  Mittel  gewonnen  sei,  das  uns  wohl 
aus  einem  Irrwege  zurückleitet,  das  aber  doch  nicht  eigentlich  an  das  Ziel  selbst 
führt.  Eng  damit  hängt  die  vielerörterte  Frage  von  den  unpersönlichen  Konstruktionen 
der  Zeitwörter  zusammen,  die  von  Philosophen  und  von  Grammatikern  eifrig  besprochen 
wird.  M.s  Auffassung  ist  auch  hier  von  vornherein  gegeben,  mir  scheint  dagegen 
gerade  hier  eine  genauere  —  von  der  Sprachgeschichte  vollzogene  —  Gliederung  der 
einzelnen  Fälle  geboten,  wie  sie  freilich  weder  von  Kaindl"")  noch  von  seinen  Recen- 
senten  gefördert  wird.  — 

Worte.  Idee  e.  allgem.  Wissensoh.  d.  Sprache.  2.  D.  Stromgebiet  d.  Sprache.  Ursprung,  Entwicklung  u.  Physiologie.  3.  D. 
Eätsel  der  Sprache.  Grundlinien  d.  Wortdeutnng,  L.,  W.  Friedrich.  1888-92.  456  S.;  527  S.;  498  S.  M.  24,00.  —  3)  Max 
Müller,  D.  Wissensch.  d.  Sprache.  Nene  Bearbeit.  d.  in  d.  J.  1861  u.  63  geh.  Vorlesungen.  2.  Bd.  L.,  Gngelmann.  722  S. 
M.  14,00.  (Vgl.  JBL.  1892  I  6:1.)  -4)  (I  2:49;  S.  1-46,  366/7.)  [[A.  Schlossar:  BLU.  S.  361;  E.  Was  serzieher:  ASNS.  11, 
8.  271/3.]|  —  5)  A.  Giesswein,  D.  Hauptprobleme  d.  Sprach  wissensch.  in  ihren  Beziehungen  z.  Theol.,  Philos.  u.  Anthropol. 
Preiburg  i.  B.,  Herder.  1892.  VIII,  245  S.  M.  5,00.  |[A.  Saleclt:  BLU.  S.  808/9;  E.  Hardy:  Kath.  73,  S.  571/4;  ThLB  14, 
S.  65/7.]|  —  6)  A.  Marty,  üeber  d.  Verhältnis  v.  Grammat.  u.  Logik.  (=  Symbolae  Pragenses.  Festgabe  d.  dtscb.  Qes.  für 
Altertumskunde  in  Prag  z.  42.  Versamml.  dtsch.  Philol.  u.  Schulmänner  in  Wien  1893.  Gedr.  mit  Unterstütz,  d.  Ges.  z. 
Förderung  dtsch.  Wissensch.,  Kunst  u.  Litt,  in  Böhmen.  [Wien,  Prag,  Tempsky;  L.,  Freytag.  222  S.  M.  8,00.],    S.  99-127)  -  7) 


H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.     [8:s-i8 

Unter  den  konstitutiven  Faktoren  der  Schriftsprache  im 
besonderen  kommen  die  Kanzlei  und  der  Buchdruck  als  diejenig-en  in 
Betracht,  die  über  die  Mundarten  hinweg  eine  Einigung  erzielt  haben.  Die 
Kenntnis  der  Kanzleisprache  hält  sich  noch  immer  in  Umrissen.  In  einer  der 
älteren  Sprache  g-ewidmeten  Dialektstudie  wendet  sich  Böhme^)  geg-en  An- 
schauungen von  Braune  und  von  Nebert  (vgl.  JBL.  1891  I  8  :  2j,  welche  die 
Neigung"  zeigen,  Neuerungen  in  einzelnen  Kanzleien  an  bestimmte  Personen  und 
bestimmte  geschichtliche  Ereignisse  zu  knüpfen.  B.  zeigt  dem  gegenüber  aus 
neuen  Urkunden,  inwiefern  diese  Bewegungen  allgemeineren  Charakters  sind  und 
einem  beginnenden  Uebergewicht  oberdeutscher  Schreibweise  entspringen.  Jedenfalls 
zeigt  die  Leichtigkeit,  mit  der  hier  die  Ergebnisse  aus  einzelnen  Urkunden  durch 
entgegengesetzte  aus  anderen  umgestossen  werden,  dass  die  einzelnen  Gebiete  erst 
voller  ausgebeutet  werden  müssen,  ehe  wir  ein  sicheres  Bild  gewinnen.  —  Solch 
ein  Bild  zeichnet  mit  festen  Strichen  Scheel^)  für  die  Kanzleisprache  von  Köln. 
Nach  einer  Einleitung,  die  etwas  einseitig  die  Anschauungen  Edw.  Schroeders 
widerspiegelt  (s.  u.  N.  30),  betont  er,  wie  gerade  in  Köln,  weit  mehr  als  an 
anderen  Druckorten,  die  Kanzlei  eine  Einigung  vollzogen  habe,  ehe  der  Buch- 
druck dazu  gelangte,  diese  Aufgabe  fortzuführen.  Die  Kanzlei  des  Erzbischofs  steht 
hier  der  Kanzlei  des  Rates  gegenüber ;  die  Verschiedenartigkeit  des  Geschäftsverkehrs 
und  der  Beamten  bedingt  auch  eine  Verschiedenartigkeit  in  der  Entwicklung  der 
Sprachgebung.  Die  erzbischöfliche  Kanzlei,  die  in  den  älteren  Urkunden  auf  dem 
Standpunkte  steht,  den  Heinzel  in  seiner  niederfränkischen  Geschäftssprache  als 
Typus  IV  bezeichnet,  streift  viel  rascher  ihre  Besonderheiten  ab  als  die  Ratskanzlei ; 
nur  im  inneren  Verkehr  hält  auch  sie  sich  altertümlicher.  Hier  wie  dort  lässt  sich 
beobachten,  dass  der  Vokalismus  länger  Widerstand  leistet  als  die  Schreibweise  der 
Konsonanten.  Die  Drucke  aus  Köln,  soweit  sie  nicht  für  oberdeutsches  Publikum 
oberdeutsch  gehalten  waren,  zeigen  anfänglich  den  Stadtdialekt,  und  hier  ist  es  der 
Buchdrucker  Gennep,  der  allmählich  den  neuen  Formen  der  erzbischöflichen  Kanzlei 
Eingang  in  seine  Büchersprache  gewährt.  Den  hauptsächlichen  Anlass  und  das 
raschere  Tempo  bringt  in  diese  Bewegung  der  kirchliche  Reformversuch  des  Erz- 
bischofs Hermann  von  Wied,  der  eine  Flut  von  Streitschriften  über  die  Presse 
Genneps  wälzt.  Eindringlich  werden  die  Drucke  von  1543  auf  das  Dialektische  in 
Schreibung,  Formen-  und  Wortgebrauch  geprüft,  und  daran  knüpft  sich  sodann  der 
Nachweis,  wie  seit  1543  diese  Spuren  verblassen.  —  Zur  Kanzleisprache  verdient  auch 
ein  Zeugnis  Beachtung,  das  Scher  er  ^o)  in  einer  Recension  gegen  Rückert  verwertet, 
wonach  noch  im  J.  1734  die  kaiserliche  Kanzlei  zu  Wien  auch  in  norddeutsch- pro- 
testantischen Kreisen  als  Sitz  der  Sprachreinheit  gegolten  zu  haben  scheint.  —  Die 
ausgleichende  Thätigkeit  des  Buchdrucks  zeigt  sich  auch  in  den  Geschicken  des 
Volksbuchs  vom  Eulenspiegel.  Walther^^)  hebt  aus  den  Strassburger  Ausgaben  die 
Stellen  aus,  in  denen  niederdeutsche  W^endungen  des  Originals  durch  elsässische  ent- 
weder zu  Doubletten  erweitert  oder  einfach  ersetzt  worden  sind.  — 

Die  Mundartenforschung  schwillt  zu  immer  grösserer  Ausdehnung  an.  Es 
ist  eine  kritiklose  Verkennung  des  Gebotenen,  wenn  Stieböck^^)  die  Dialektkunde 
ganz  auf  die  Untersuchungen  W.  Nagis  zurückführt,  dem  in  diesem  Zusammenhange 
überdies  die  wenigst  sicheren  Ergebnisse  entnommen  werden.  —  Ueberhaupt  greift 
der  Dilettantismus  neuerdings  mit  besonderer  Vorliebe  auf  das  Gebiet  der  Mundarten 
über,  wo  er  sich  gern  mit  einem  Anschein  von  Gelehrsamkeit  aufputzt.  Aus  dieser 
Erscheinung  sind  auch  die  „Freien  Studien"  von  Renatus^^J  zu  erklären,  in  denen 
einige  gute  Beobachtungen  durch  den  schwerfälligen  Apparat  erdrückt  werden.  — 
Die  anwachsende  Fülle  der  Veröffentlichungen  hat  das  Bedürfnis  besonderer  Biblio- 
graphien hervorgerufen.  Die  oberdeutschen  und  niederdeutschen  Dialektarbeiten 
werden  neuerdings  in  entsprechenden  Organen  in  der  „Bücherschau"  i'*''^)  oder  in 
Gesamtbesprechungen  16)  verzeichnet;  einen  Ueberblick  über  das  ganze  Gebiet,  nament- 
lich auch  über  die  ältere  Litteratur  giebt  Mentz^"),  dessen  Bibliographie  bis  1889 
reicht  und  nur  wenig-  Lücken  zeigt.  —  Die  Dialektdichtung  greift  in  mannigfaltiger 
Weise  in  die  wissenschaftliche  Betrachtung  ein.  Schon  wenn  sich  Dühr'^)  als 
niederdeutscher  Dichter  an  den  Homer  wagt,  zielt  seine  Absicht  darauf,  die  Mundart 
als  das  eigentliche  Ausdrucksmittel  für  die  Epik  zu  erweisen,  der  gegenüber  die  Schrift- 

R.  F.  Kaindl,  D.  Bedentnng  d.  ItnpersoDiilien.  PhilosMh.  28,  N.  5/6.  |[H.  Bohatta:  ÖLBl.  2,  S.  748.]|  —  8)  0.  Böhme, 
Z.  Kenntn.  d.  Oberfränlrischen  im  13.-15.  Jh.  Diss.  Leipzig.  83  S.  (S.  bes.  S.  739.)—  9)  W.  Scheel,  Jaspar  v.  Gennep  u.  d.  Ent- 
wicklung der  nhd.  Schriftsprache  in  Köln.  (=  WZ.  Ergänzungsheft  N.  8  | Trier,  Lintz.  IX,  228  S.  M.  5,00],  S.  1-75.)  [[KBWZ.  12, 
8.36.11  —  10)  (S.  o.N.  1;  S.308.)—  11)  Gh.  Walther,  Z.  Gesch.  d.  Volksbuches  v.  Eulenspiegel:  JbVNiederdSpr.  19,  S.  1-79. 
(Beachtenswert  für  uns  bes.  S.  18-34.)  —  12)  L.  Stieböck,  Einige  Ergebnisse  d.  heutigen  Dialektforschung:  AltWien  2, 
S.  120/2,  137/9.  —  13)  J.  Renatus,  Spaziergang  durch  d.  Sprache.  Bautzen,  E.  Hübner.  12".  96  S.  M.  1,30.  —  14)  X 
Bayerns  Mundarten  2,  S.  151/6.  (Vgl.  I  5:16.)  —  15)  X  KBlVNiederdSpr.  17,  S.  U6,  29-32,  71,2,  87  8.  _  16  X  ALVKS.  3, 
8.  187-93.  —  17)  F-  Mentz,  Bibliogr.  d.  dtsch.  Mundartenforschung,  (=r  Samml.  kurzer  Grammat.  dtsch.  Mundarten,  her.  v.  0. 
Bremer.  Bd.  2.)     L.,  Breitkopf.     1892.     181  S.     M.  5,00.    ||LCB1.  8.  1314.]|  —  Ig)  A.  Dühr,  E.  niederdtsch.  Homerübersetzung: 

16* 


18:19-33   H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

spräche  versage.  —  Einer  vergleichenden  Uebersicht  über  die  einzelnen  Mundarten 
und  ihre  Spielarten  dienen  die  Sprachproben,  mit  denen  die  Erzählung-  „vom  ver- 
lorenen Sohn"  durch  niederdeutsche  Dialekte^-')  geführt  wird.  —  In  derselben  Er- 
zählung führt  Fl  ex  20)  die  Eisenacher  Mundart  als  Abschluss  einer  Studie  vor,  die 
sich  in  ihrem  ersten  Teile  ganz  im  Rahmen  der  Lautphysiologie  hält  und  darum  aus 
unserer  Betrachtung  auszuscheiden  ist.  —  Dagegen  umfasst  Schöppe^i),  der  ebenfalls 
an  das  Gleichnis  vom  verlorenen  Sohn  anknüpft,  den  ganzen  Umfang  der  Eigen- 
tümlichkeiten, welche  die  Mundart  von  Naumburg  darbietet,  und  es  ist  ihm  vor  allem 
darum  zu  thun,  den  Gegensatz  von  Schriftsprache  und  Mundart  herauszuarbeiten. 
Die  treffenden  und  eindringenden  Beobachtungen  dieses  sprachgeschichtlich  geschulten 
Vf.  haben  eine  beträchtliche  Einbusse  erlitten  durch  die  Darstellungsform,  die  so 
wenig  den  neueren  Anforderungen  angepasst  ist.  Manche  Irrtümer  sind  erst  dadurch 
in  die  Schrift  hineingetragen  worden.^^)  —  Aus  pädagogischen  Bestrebungen  ist  bei 
Kahl 23)  eine  anziehende  Darstellung  elsässischer  Dialekterscheinungen  erwachsen. 
Von  dem  Gedanken  ausgehend,  dass  die  Verstösse  der  Schüler  gegen  die  Schrift- 
sprache meist  aus  den  Wendungen  ihrer  Mundart  entspringen,  empfiehlt  er  den 
Lehrern,  ihre  Arbeit  auch  an  dieser  Stelle  einzusetzen.  Zu  diesem  Zwecke 
giebt  er  nun  einen  Ueberblick  über  die  bemerkenswertesten  Abweichungen  des 
elsässischen  Dialekts,  und  es  ist  bei  seinen  Bestrebungen  auch  begreiflich,  dass 
er  mehr  das  Gemeinsame  als  das  Trennende  der  einzelnen  Mundarten  dieses  Sprach- 
stammes im  Auge  hat.  Die  fach  wissenschaftliche  Litteratur  ist  zu  Rate  gezogen,  doch 
liegt  der  Wert  dieser  Untersuchung  mehr  in  den  Beobachtungen  als  in  deren  ge- 
schichtlicher Ergründung.  Mit  W^ärme  werden  die  Vorzüge  der  Mundart  vor  der 
Schriftsprache  hervorgehoben,  wie  auch  von  anderer  Seite  die  Anschaulichkeit  und 
der  Bilderreichtum  des  elsässischen  Dialekts  gerühmt  wurden^^).  Zum  Schlüsse 
zieht  der  Vf.  endlich  die  Mundart  heran,  um  ungewöhnliche  Ausdrücke  unserer 
Klassiker  zu  erklären.  —  üeberhaupt  ist  die  mundartliche  Färbung  der  Schrift- 
sprache eine  Erscheinung,  die  jede  neue  Untersuchung  bei  einem  neuen  Schriftsteller 
aufdeckt  (s.  u.  N.  46—50),  während  andererseits  auch  unter  den  Erscheinungs- 
formen der  Schriftsprache  selbst  das  Wechsel  Verhältnis  zu  den  Mundarten  in  neue 
Beleuchtung  rückt.  Das  mundartliche  Element  in  unserer  Dichtung  verlangt  im  Be- 
richtsjahre schon  dadurch  Beachtung,  dass  die  ADB.  die  Artikel  Sailer  von 
Beck 25),  K.  Stieler  von  Muncker^^),  Stöber  von  Martin^'')  und  Stoltze  von 
Hörth28)  brachte.  — 

In  den  Arbeiten  über  die  individuellen  Einflüsse,  die  sich  in  der  Geschichte 
der  Schriftsprache  geltend  machen,  tritt  unter  den  Schriftstelllern  die  Gestalt 
Luthers  immer  wieder  in  den  Vordergrund  der  Debatte.  Seitdem  Scherer^")  zu 
Gunsten  seiner  Wellentheorie  den  Platz  verschoben  hatte,  auf  den  Luther  innerhalb 
der  deutschen  Sprachentwicklung  zu  stehen  kommt,  ist  diese  Frage  immer  mehr 
zum  Spielball  konfessioneller  Zänkereien  geworden,  bei  denen  der  Protestantismus  aus 
dem  eigenen  Lager  am  wenigsten  Unterstützung  erhielt.  —  Während  eine  dem  ent- 
sprechende Auffassung  auch  in  der  oben  angeführten  Einleitung  von  ScheeP*^)  zu  Tage 
tritt,  sucht  H.  Schultz 3*)  mit  philologischen  Mitteln  einzuspringen;  er  giebt  eine  ab- 
gerundete Uebersicht  über  die  efnschlägige  Litteratur,  bei  der  freilich  wichtige  Re- 
censionen  fehlen,  er  nutzt  jedoch  die  Thatsachen,  die  seiner  Anschauung  zu  Gebote  stehen, 
noch  nicht  voll  genug  aus.  Die  Verkennung  von  Luthers  sprachschöpferischer  Stellung 
beruht  auf  der  Einseitigkeit,  mit  der  man  unsere  neuhochdeutsche  Schriftsprache  in 
ihrem  Lautstande,  also  einem  einzelnen  Kennzeichen,  zu  fassen  sucht.  Hier  ist  Luther 
nicht  der  Begründer  und  nicht  der  Schöpfer,  dieses  Verdienst  gebührt  viel  eher 
den  Grammatikern  des  17.  Jh.  Wer  aber  das  Wesen  unserer  Sprache  auf  breiterer 
Grundlage  fasst,  wer  den  Wortschatz,  den  Satzbau,  das  schriftstellerische  Ausdrucks- 
vermögen im  Auge  hat,  wird  nach  wie  vor  in  Luther  den  Schöpfer  und  Begründer  er- 
blicken.—  Das  zeigt  vor  allem  ein  Vergleich  mit  den  vorlutherischen  Bibelübersetzungen, 
die  auch  Schultz  vorführt  und  die  uns  durch  Walthers  Veröffentlichungen  nun  so  bequem 
zugänglich  gemacht  sind  (vgl.  JBL.  1891 II  6 :20/l;  1892  I  3  :  17,  21).  Haup  t32)  betont  in 
einer  Besprechung  dieses  grossen  Werkes,  welche  Ausbeute  für  die  Sprachgeschichte  in 
einzelnen  Partien  stecke,  vor  allem  in  der  Uebersicht  über  die  sprachliche  Umarbeitung 


ZDU.  7,  S.  180-93.  (Einl.  u.  ansgew.  Bruchstücke.)  —  19)  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  2  4,  65,8.  —  20)  R.  Flex,  Beitrr.  z.  Erfor- 
schung d.  Eisenacher  Mundart.  Progr.  d.  Gymn.  Eisenach.  4°.  16  S.  —  21)  K.  Schöppe,  Naumburgs  Mundart.  Naumburg, 
H.  Sieling.  VII,  58  S.  M.  1,00.  —  22)  OXX^.  Lentzner,  D.  Berliner  Dialekt.  Untersucht  u.  nach  Aufzeichnungen 
„richtiger  Berliner"  her.  (L.,  Fock.)  15  S.  M.  1,20.  —  23)  W.  Kahl,  Mundart  u.  Schriftspr.  im  Elsass.  Zabern  i.  E.,  Fuchs. 
02  S.  M.  1,50.  IIW.  Soltau:  DLZ.  S.  1195/6;  Metzger:  KZEU.  S.  S63/4;  B.  Stehle:  ZDU.  7,  S.  608-16;  id.:  ZADSprV. 
S.  153/5.JI  —  24)  H.  Menges,  Volksraundart  u.  Volksschule  im  Elsass.  Gebweiler,  J.  Boltze.  X,  120  S.  M.  2,00.  ([Alemannia  21, 
S.  205,6.]|  —  25)  P.  Beck,  Seb.  Sailer:  ADB.  36,  S.  763,5.  —  26)  F.  Muncker,  K.  Stieler:  ib.  S.  196-201.  (Vgl.  IV  2.)  — 
27)  E.  Martin,  Aug.  Stöber:  ib.  S.  267-70.  —  28)  0.  Hörth,  F.  Stoltze:  ib.  S.  4159.  (Vgl.  IV  2.)  —  29)  (S.  o.  N.  1;  S.  306, 
385/8.)  —  30)  (S.  0.  N.  9;  S.  1.)  —  31)  H.  Schultz,  Luthers  Stellung  in  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Sprache.  Progr.  d.  städt.  höh. 
Mädchensch.    Braunschweig.    13  S.  (Vgl.  II  6.)   —   32)  H.  Haupt:    LBlGRPh.  8.  238-42.  —  32a)  id.:  ib.  8.  242.  —  33)  H. 


H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  18:34-43 

der  ersten  gedruckten  Bibel  durch  die  Veranstalter  des  4.  und  5.  Bibeldruckes.  —  Das 
Verhältnis  Luthers  zu  diesen  Drucken,  das  immer  noch  nicht  genüg-end  erwogen 
und  bekannt  gemacht  ist,  kommt  auch  in  dem  ebenfalls  durch  Hauptes»)  recensierten 
Aufsatz  von  Biltz  (vgl.  JBL.  1891  II  6:21)  zur  Besprechung,  der  sich  mit  der  ein- 
dringenden Arbeit  Kraffts  zur  Lutherfeier  von  1883  beschäftigt.  —  Auch  die  nieder- 
deutsche Uebersetzung  von  Luthers  Bibel  und  der  Anteil  Bugenhagens  an  ihr  wird 
gestreift,  indem  Brandes^^)  diesen  gegen  Schaub  auf  Ratschläge  in  betreff  mund- 
artlicher Wendungen  und  auf  einige  Besserungen  am  Grundtexte  zurückdrängt.  — 
i  Diese  Bibel  ist  übrigens  vor  wenigen  Jahren  neu  aufgelegt  und  dem  heutigen  Sprach- 
gefühl angeglichen  worden,  ein  Versuch,  den  Bartels^*)  mit  Wärme  billigt.  In  der 
Bibelübersetzung  nun,  so  gewaltig  auch  die  augenblickliche  Wirkung  anderer  Schriften 
Luthers  gewesen  ist,  liegt  doch  sein  eigentliches  Werk  an  unserer  Sprache  vor.  Und 
wenn  man  darauf  hinweist,  dass  die  Einwirkung  Luthers  auf  unsere  Sprache  sich 
nicht  lange  gehalten  habe,  dass  sie  von  anderen  Strömungen  durchkreuzt  worden 
sei,  ja  dass  sogar  die  Grammatiker,  die  Luther  als  Sprachmuster  hinstellten,  ihre 
Regeln  doch  nicht  aus  ihm  entnommen  haben,  so  übersieht  man  völlig  die  Bedeutung, 
die  eben  die  Bibel  Luthers  für  unsere  Sprache  behalten  hat.  Als  Erbauung  und 
Zuflucht  auch  der  niedrigsten  Schichten  unseres  Volkes  hat  sie  den  Wandel  der 
Zeiten  überdauert,  die  landschaftlichen  Grenzen  übersprungen  und  Früchte  getragen, 
denen  man  nicht  immer  ansieht,  wo  die  Wurzeln  des  Baumes  liegen.  Dass  aber  die 
Sprache  Klopstocks,  des  jungen  Schiller  und  in  mehr  als  einer  Stilfärbung  auch  die- 
jenige Goethes  auf  der  Bibel  Luthers  ruht,  ist  überzeugend  nachgewiesen,  und  von 
diesem  Nachweis  macht  auch  Schultz  (s.  N.  31)  geeigneten  Gebrauch.  —  Für  Fischart 
gewinnt  Galle 3^),  der  seine  Stiluntersuchung  breit  auf  grammatischen  Grund- 
lagen aufbaut,  neue  Ergebnisse  zur  Sprachgeschichte.  Die  Freiheiten  der  gesprochenen 
Sprache  werden  in  dem  poetischen  Stil  Fischarts  glücklich  aufgespürt  und  die  Kunst- 
mittel des  Stils  mit  Geschick  daran  angeknüpft.  lieber  die  eigenartigen  Wortbildungen 
Fischarts  denkt  G.  nicht  so  günstig  wie  frühere  Forscher  dies  gethan  haben,  und 
zum  grossen  Teile  ist  seine  Auffassung  wohl  begründet.  — 

An  Lessing,  dem  Erich  Schmidt^ß)  in  den  Uebersetzungen  aus  dem  Fran- 
zösischen ejne  „puristische  Neigung"  nachweist,  knüpft  neuerdings  unsere  Sprach- 
reinigung gern  an.  —  Dünger"^')  vermisst  gerade  bei  leicht  zu  umgehenden  Fremd- 
wörtern die  Sprachreinheit  des  jugendlichen  ITebersetzers.  —  Dagegen  sucht  DüseP**) 
in  anziehender  Darstellung  ein  abgerundetes  Bild  dieses  Uebersetzungsstils  zu  zeichnen; 
er  hebt  die  Freigebigkeit  mit  Relativsätzen  hervor,  in  denen  das  Wörtlein  „welcher"  im 
Vordergrunde  steht,  ebenso  beleuchtet  er  die  Verschwendung,  die  mit  Konjunktionen 
und  Partikeln  getrieben  wird.  —  Die  Entwicklung  der  Sprache  in  Lessings  Jugend- 
dramen untersuchte  TyroP^),  indem  er  besonders  die  Geschichte  der  Texte  mit 
berücksichtigte.  —  Im  Zusammenhang  mit  der  Bedeutung,  die  die  Wortforschung  in 
unserer  Wissenschaft  gewinnt,  ist  es  begreiflich,  dass  auch  die  schöne  Litteratur  auf 
den  Anteil  durchgemustert  wird,  den  sie  durch  die  Prägung  neuer  Worte  und  Wort- 
bedeutungen beisteuert.  Den  Geron  Wielands  behandelt  in  dieser  Weise  Singer*^); 
er  betont  Herders  und  Goethes  Einwirkungen  auf  die  Anschauungen  des  Vf.,  er  hebt 
hervor,  wie  der  poetische  Stil  dieser  Zeit  an  der  Sprache  des  16.  Jh.  sich  auffrische, 
und  kennzeichnet  in  einem  Wörterverzeichnisse  die  Ausdrücke,  mit  denen  Wieland 
selbst  dem  sonst  wohlbeachteten  Adelung  gegenüber  trotzt.  —  Wortgebrauch  und 
Bedeutungslehre  treten  auch  in  der  Goetheforschung  immer  mehr  hervor,  wie  überhaupt 
in  dieser  die  Mannigfaltigkeit  sprachgeschichtlicher  Forschungen  sich  widerspiegelt. 
Auf  sprachlichem  Gebiete  liegt  der  Schwerpunkt  der  Beiträge  Stracks**)  zum 
Leipziger  Liederbuch,  namentlich  da  für  den  Sprachgebrauch  der  ganzen  Zeit  nicht 
bloss  aus  der  Litteratur,  sondern  auch  aus  entlegenen  lexikalischen  Quellen,  manche 
neue  Belege  geboten  werden.  —  Wenig  Förderung  nach  dieser  Seite  vermag  Walzel*''^) 
dem  Faust -Wörterbuche  Strehlkes  (vgl.  JBL.  1891  IV  9e:89)  nachzurühmen.  — 
Sanders'*»)  weist  eine  Hypothese  Pniowers  (vgl.  JBL.  1891  IV  9a:  134;  1892  IV 
8a  :  115;  8e  :  92)  zurück,  welche  die  Wortforschung  in  den  Dienst  der  Litteratur- 
geschichte  stellt.  An  der  Wendung  „mich  überläufts"  im  Faust  hatte  Pniower  Anstoss 
genommen  und,  da  er  denselben  Ausdruck  in  der  Uebersetzung  des  hohen  Liedes 
wiederfindet,  auf  gleichzeitige  Entstehung    beider  Partien  geschlossen.     S.    dagegen 

Brandes,  K.  E.  Schaub,  Ueber  d.  niederdtsch.  Uebertragungen  d.  Lntherschen  Uebers.  d.  N.  T.,  welche  im  16  Jh.  im  Druck 
erschienen.  (Greifswalder  Dies.  1889.  75  S.):  ZDPh.  25,  S.  132  6.  —  34)  P.  Bartels,  B.  plattdtsch.  Bibelnbersetz. :  ZDU.  7, 
S.  8238.  —  35)  F.  Galle,  D.  poet.  Stil  Fischarts.  Diss.  Rostock.  64  S.  |[0.  Glöde:  ASNS.  91,  S.  278-80.]|  (In  Betracht 
kommen  S.  27-31,  61.)  —  36)  Lessings  Uebersetzungen  aus  d.  Französischen  Friedrichs  d.  Gr.  u.  Voltaires.  Her.  v.  Erich 
Schmidt  (vgl.  JBL.  1892  IV  6:2).  —  37)  H.  Dunger,  D.  junge  Lessing  u.  d.  Fremdwörter:  ZDASprV.  8,  S.  54  5.  (Vgl.  IV  6.) 
—  38)  F.  Düsel,  E.  Beitr.  z.  Sprache  d.  jungen  Lessing:  ZDS.  7,  S.  6-13.  (Vgl.  IV  6.)  —  39)  F.  Tyrol,  Lessings  sprach- 
liche Revision  seiner  Jugenddramen.  B.,  C.  Vogt.  70  iH-  M.  1,80.  (Vgl.  IV  6.)  ^  40)  L.  Singer,  Ueber  Wielands  Geron: 
ZDPh.  25,  S.  220-53.  (Bes.  S.  241-53.)  -  41)  A.  Strack,  Goethes  Leipziger  Liederbuch.  Giessen,  J.  Ricker.  XII,  175  S. 
M.  3,60.   (Vgl.  IV  8c.)    —    42)  0.  Walze  1:  ZOG.  44,  S.  538-40.    —   43)  D.  Sanders,  Ist  d.  Ausdruck  „mich  überläufts«  e. 


18:44-59  FI.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

führt  eine  g-anze  Blütenlese  von  Beleg-en  dieses  Ausdrucks  vor,  die  aber  sämtlich 
neueren  Dichtern  entnommen  sind.  —  Eine  umfassende  Stiluntersuchung"  lässt  G. 
Schmidt 44^  (^[em  Clavio-o  zu  teil  werden.  Indem  Seh.  versucht,  neben  den  Ein- 
flüssen der  Empfindsamkeit  und  des  Sturms  und  Drang-es  auch  die  Einwirkung-  des 
französischen  Orig-inals  zu  kennzeichnen,  lässt  er  sich  verlocken,  auch  echt  deutsche 
Freiheiten,  wie  z.  B.  die  Lockerung-  des  Relativgefüges,  auf  Rechnung  der  fremden 
Sprache  zu  setzen.  Wertvoll  für  die  Stilistik  sind  die  Zusammenstellungen  der  Bei- 
spiele für  einig-e  Figuren;  sie  erweitern  sich  zu  einem  Ileberblick  über  die  Kunst- 
mittel des  jungen  Goethe.  —  Da  Goethe  so  oft  als  Beschützer  des  Fremdwörterunfugs 
ausgespielt  wird,  weist  Rieg-el"*^)  entgegengesetzte  Anschauung-en  aus  den  Schriften 
nach  und  hebt  hervor,  wie  die  von  Goethe  und  Schiller  in  den  Xenien  entsandten 
Pfeile  nur  die  Auswüchse  des  „Purismus"  trafen.  —  Auch  von  Seiten  der  Dialekt- 
forschung wird  Goethe  durch  Hammeran^ß)  g-estreift,  während  H.  Fischer*')  für 
Schiller  einige  der  von  Bellermann  (vgl.  JBL.  1891  IV  10:87)  in  Schillers  Dramen 
ang-emerkten  Dialektstellen  als  nicht  schwäbisch  zurückweist.  — 

Zu  Hebels  Schreibweise  g-iebt  Burg-hauser*^)  einige  Erklärungen  in 
Anknüpfung  an  die  frühere  Darstellung-  von  Willomitzer  (vg-l.  JBL.  1891  I  8:28). 
—  An  Platen  hat  DüseH^)  seine  Beobachtung-sg-abe  bethätig-t  und  zwar  nach  einem 
Gebiete  zu,  das  neuerding-s  mit  Vorliebe  angebaut  wird,  indem  er  die  Sprachentwick- 
lung des  Dichters  an  der  Hand  seiner  eigenen  Korrekturen  zu  belegen  sucht.  —  Heine, 
der  sich  so  leidenschaftlich  gegen  seine  heimische  Mundart  verwahrt,  wird  von  Z  i  1 1  g-  en  z^^) 
doch  auf  einer  gewissen  Nachgiebigkeit  gegen  diese  ertappt.  Eingehend  werden  die  un- 
reinen Reime  als  Klangfärbungen  niederrheinischer  Betonung  oder  Lautgebung  erwiesen. 
Im  Formengebrauch  und  Satzbau  lässt  sich  wenig  Heimatliches  bemerken,  immerhin 
ist  es  von  Interesse,  inwiefern  die  Stelle,  „lass  sie  betteln  gehen,  wenn  sie  hungrig 
sind"  auf  rheinischer  Satzfügung  beruht.  Unter  den  Fremd  Worten  werden  manche 
als  holländische  Eindringlinge  erwiesen.  Hier  jedoch,  wie  bei  den  mundartlichen 
Bestandteilen  des  Wortschatzes  hätte  ein  Ausblick  in  die  süddeutschen  Mundarten 
manche  Parallelen  ergeben,  so  z.  B.  den  Gebrauch  des  Wortes  „Dreck",  des  Wortes 
„Leiche"  u.  a.  —  Die  Sprache  als  Spiegel  der  Persönlichkeit  springt  bei  Ludwig  I. 
von  Bayern  in  die  Augen,  der  sich  das  Recht,  neue  Worte  und  Wortverbindungen 
zu  bilden,  aus  seiner  königlichen  Machtvollkommenheit  beilegte;  seine  sprachlichen 
Neigungen  werden  übrigens  von  Streit^*)  nach  manchen  Richtungen  als  Vorläufer 
der  Bestrebungen  des  Sprachvereins  in  Anspruch  genommen.  —  Andere  Ergebnisse 
muss  die  so  ganz  anders  geartete  Persönlichkeit  Bismarcks  erzielen:  seine  Sprache 
hat  sich  in  unbewusster  Ausübung  durch  die  Macht  der  Thatsachen  ihre  Bahn  ge- 
brochen. Dem  Buche  Blümners,  das  sie  nach  einer  Richtung  hin  behandelt  (vgl. 
JBL.  1891  IV  1  :  117;  1892  I  6  :  49;  IV  Ib :  124),  haben  im  Berichtsjahre  Roethe52) 
und  R.  M.  Meyer^äj  ausführlichere  Besprechungen  gewidmet.  — 

Mehr  fast  als  die  Schriftsteller  haben  die  Theoret  ik er  gelegentlich  unsere 
Sprache  beeinflusst.  An  Schottel  hat  Jagemann^*^  gute  Beobachtungen  gemacht. 
Einerseits  zeigt  er  eine  Reihe  von  Wortprägungen  auf,  die  bisher  späteren  Schrift- 
stellern zugeschrieben  wurden,  und  andererseits  unterzieht  er  die  Formation  des 
starken  Verbums  bei  Schottel  einer  Prüfung  und  weist  nach,  dass  auch  bei  Schottel 
die  Ausgleichungen  noch  nicht  so  weit  abgeschlossen  sind,  wie  man  gewöhnlich 
annimmt.  Auch  Schottel  flektiert  noch  „ich  band,  wir  bunden;  ich  rann,  wir  runnen", 
wie  er  andererseits  noch  an  „fleugst,  fleugt"  festhält.  Wenn  man  erwägt,  welche  Rolle 
die  Frage  der  Formausgleichungen  in  dem  oben  erwähnten  Streit  um  Luther  spielt, 
wird  man  diese  Untersuchung  für  besonders  bedeutsam  erachten  müssen.  —  Den 
Sprachgesellschaften  widmen  vor  allem  unsere  heutigen  Sprachreiniger  ihr 
Augenmerk.  K.  Scherer^^)  giebt  einen  hübschen  und  sicher  gezeichneten  Ueber- 
blick  über  die  Thätigkeit  dieser  Gesellschaften  im  17.  Jh.^^),  von  anderer  Seite^') 
wird  der  Freiberger  Chronist  Andr.  Möller  aus  Pegau  als  massvoller  Gegner  der 
Sprachmengerei  dargestellt,  während  es  meines  Erachtens  über  das  Ziel  hinausschiessen 
heisst,  wenn  die  sprachreinigende  Thätigkeit  Hahns  an  der  Bibelübersetzung  von 
J  e  h  1  e  ^s)  gerühmt  wird.  —  Aus  dem  vorigen  Jh.  wird  der  auch  als  Sprachforscher 
bedeutsame  Basler  Dichter  Joh.  Jak.  Spreng  durch  Socin^^)    vorgeführt.     Von 

seltener?:  ZDS.  6,  S.  464  5.  —  44)  G.  Schmidt,  Clavigo.  E.  Studie  z.  Sprache  d.  jungen  Goethe,  nebst  einigen  Beitrr.  z. 
CharaVteristik  d.  Hauptheiden  u.  d.  Maria.  Gotha,  Perthes.  UI,  201  S.  M.  2,40.  (Vgl.  IV  8a  n.  IV  8e.)  —  45)  H.  Riegel, 
Einige  AeusBorungen  Goethes  u.  Schillers  über  d.  dtsch.  Sprache:  ZADSprV.  8,  S.  1-9,  17-20.  (Vgl.  IV  8a  u.  IV  9.)  —  46)  A. 
Hammer  an,  D.  Franltfurter  Mundart:  FZg.  N.  289.  —  47)  H.  Fischer,  Sprachl.  Einzelheiten  zu  Schillers  Dramen:  VLG.  6, 
S.  305,8.  (Vgl.  IV  9:72.)-48)  G.  Bnrghauser:  ZOG.  44,  S.  574,5.-  49)  F.  Düsel,  Aus  Phitens  Dichter  Werkstatt:  ZDS.  7, 
S,  89-90,  125/7,  266-72.  (Vgl.  IV  2.)  -  50)  G.  Zillgenz,  Rheinische  Eigentümlichkeiten  in  H.  Heines  Schriften.  Progr. 
Waren.  4».  17  S.  (Vgl.  IV  11.)  —  51)  W.  Streit,  Ludwig  I.  v.  Bayern  u.  d.  dtsch.  Sprache:  MADSprV(Berlin).  4,  S.  1156.— 
52)  6.  Roethe:  DLZ.  S.  9079;  id.:  PrJbb.  S.  541/3.  —  53)  R.  M.  Meyer:  ADA.  19,  S.  91  3.  —  54)  H.  C.  G.  v.  Jagemann, 
Notes  on  the  Langnage  of  J.  G.  Schottel.:  PMLA.  1,  S.  408-30.  —  55)  K.  Scherer,  Dtsch.  Sprachgesellschaften  im  17.  Jh.: 
DNJb.  3,  S.  123-32.  —  56)  X  P-  Pietsch,  Dtsch.  Sprachpflege  vor  200  J.  u.  heute  :  TglRs».  N.  133  4,  137/8.  —  57)  Z.  Sprach- 
reinigung im  17.  Jh.:   ZDASprV.  8,  S.  53.   —    58)  F.  Jehle,   Phil.  Matth.  Hahn:   ib.  S.  195;7.   —    59)  A.  Socin,   Joh.  Jak. 


H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  I8:6o-ß7 

Spreng-  bewahrt  die  Basler  Bibliothek  hs.  Nachlass,  der  noch  nicht  gehoben  ist.  — 
Von  Interesse  ist  es  nun,  den  Theoretiker  auch  auf  seine  schriftliche  Thätigkeit  zu 
prüfen.  In  diese  Bahnen  münden  die  Betrachtungen  ein,  die  man  an  Jakob  Grrimm 
und  die  Sprache  seiner  Abhandlungen  mit  Scher  er  ^•^j  knüpft.  Als  Meister  der  Sprach- 
wissenschaft, der  die  verborgenen  Schätze  der  älterer  Sprachstufen  aufdeckte,  wandelte 
Grimm  auch  in  seinem  eigenen  Sprachgebrauch  gerne  die  Wege,  die  er  wissenschaftlich 
bloss  gelegt  hatte,  ja  noch  mehr,  er  traut  sich  als  dem  Sprachforscher  auch  den  be- 
sonderen Beruf  zu  Neubildungen  zu.  — 

Mit  den  Arbeiten,  welche  die  Erscheinungsformen  unserer  Sprache  vom 
historischen  Standpunkt  betrachten,  knüpft  das  Berichtsjahr  verschiedentlich 
an  das  vorhergehende  an.  So  wird  der  Versuch  von  Hess,  Geist  und  Wesen  der 
deutschen  Sprache  im  allg^emeinen  zu  erfassen  (vgl.  JBL.  1892  I  6:55),  in  kurzen 
Anzeigen  berührt^')-  —  Hildebrand  ^2)  setzt  seine  Beobachtungen  über  die  Logik 
des  Sprachgeistes  (vgl.  JBL.  1892  16:6)  fort,  indem  er  den  Doppelsinn  von  „Pate", 
die  Vertauschungen  von  „lehren  und  lernen",  „Schuldner  und  Gläubiger"  u.  a.  vor- 
führt. —  Zur  Erklärung  würde  sich  noch  besser  als  der  sprachgeschichtliche  Versuch 
Hildebrands  die  Bemerkung  von  Marty^^)  eignen,  dass  ein  Korrelativ  häufig  durch 
Hinweis  auf  das  andere  und  durch  Angabe  der  besonderen  zwischen  ihnen  bestehenden 
Relation  verdeutlicht  werde,  was  dann  bei  einer  Zusammenschrumpfung  der  Ausdrucks- 
weise zu  dem  Gesetze  führe,  „Korrelativa  empfangen  häufig  denselben  Namen".  — 
Den  Luxus,  den  sich  unsere  Sprache  im  Wortschatz,  in  Formenlehre  und  Satzbau 
durch  den  Gebrauch  von  Doppelformen  gönnt,  zieht  Wasser zi  eher  ß*)  in  Betracht, 
ohne  jedoch  anzudeuten,  wie  stark  gerade  die  Neigung-  der  Sprache  ist,  solche  Doppel- 
formen zu  beseitigen  oder  zur  Bedeutungsspaltung  auszunutzen.  —  Den  nach  keiner 
Seite  hin  bis  jetzt  ausgebeuteten  Einfluss,  den  unsere  Sprachformen  ihrerseits  auf  die 
Entwicklung  philosophischer  Begriffe  ausüben,  deckt  Hildebrand ^^)  in  einigen 
hübschen  Bemerkungen  zu  Schiller  auf.  —  Unter  den  Gesamtdarstellungen  unserer 
Sprache  entbehren  wir  seit  langer  Zeit  ein  Werk,  das  den  Stand  der  Forschung  zu- 
sammenfassend als  sicherer  Führer  von  der  alten  Zeit  in  die  neuhochdeutsche  Sprach- 
entwicklung hineingeleitete.  Wilmanns^^)  kommt  diesem  Bedürfnis  mit  einem  Unter- 
nehmen entgegen,  von  dem  bislang  der  erste  Abschnitt  erschienen  ist,  der  die  Laut- 
lehre umfasst.  Naturgemäss  liegt  hier  das  Schwergewicht  der  Untersuchung  auf 
phonetischen  Problemen  einerseits  und  auf  den  älteren  Entwicklungsstufen  unserer 
Sprache  andererseits,  wobei  jedoch  zu  betonen  ist,  dass  die  Einbeziehung  der  gotischen 
Grammatik  in  die  Darstellung  nicht  den  alten  Irrtum  wieder  erwecken  soll,  als  ob 
in  der  gotischen  Sprache  einfach  die  Vorgeschichte  unserer  eigenen  läg'e.  Das  Neue  an 
der  Darstellung  W^.s  ist  nun,  dass  die  zurückliegenden  Sprachstufen  soweit  hervortreten, 
soweit  sie  Bedeutung  für  die  neuhochdeutsche  Sprachforschung  haben;  ergreift  überall 
mit  Vorliebe  in  unsere  eigene  Zeit  hinein,  obwohl  gerade  hier  die  Fachlitteratur  sehr  un- 
gleichmässig  vorgearbeitet  hat.  Naturgemäss  ist  der  Vf.  keineswegs  bemüht,  diese  Un- 
gleichmässigkeit  durch  die  glänzenden  Mittel  seiner  Darstellungsgabe  zuzudecken,  im 
Gegenteil  heben  sich  bei  der  Klarheit  und  Fasslichkeit  der  Sprache  und  bei  der  Ueber- 
sichtlichkeit,  mit  der  das  einzelne  Problem  aus  dem  Gewirre  der  Hypothesen  ausgelöst 
wird,  die  dunkeln  Punkte  in  unserer  neuhochdeutschen  Sprachgeschichte  nur  noch  schärfer 
ab.  Mit  eigenartigem  Geschick  versteht  es  aber  der  Kommentator  der  neuen  Schulortho- 
graphie, die  Wandlungen  in  der  Schreibung  und  der  lebendigen  Aussprache  in  das 
richtige  Wechselverhältnis  zu  setzen,  das  Eine  durch  das  Andere  zu  erklären  und 
zu  beleuchten.  Hier  setzen  auch  die  Recensenten  gerne  ein,  und  im  Besonderen  hat 
Jellinek,  dessen  lautgeschichtliche  Einwendungen  wieder  von  Streitberg  an- 
gegriffen werden,  gerade  hieran  einige  gute  Beobachtungen  angeknüpft.  Er  hebt  den 
Einfluss  hervor,  den  die  von  Mittel-  und  Niederdeutschen  festgestellte  Orthographie 
auf  die  österreichische  Aussprache,  vor  allem  in  der  Unterscheidung  von  Länge  und 
Kürze  ausgeübt  habe,  und  macht  andererseits  sehr  wahrscheinlich,  dass  das  auslautende 
e  in  auffälligen  Formen  der  Nominalflexion  nicht  einer  lautgesetzlichen  Entwicklung, 
sondern  den  theoretischen  Festsetzungen  Adelungs  sein  Dasein  verdanke.  — 

Mit  dieser  letzteren  Form  der  Sprachentwicklung,  dem  Eingriff  von  aussen 
her,  werden  auch  andere  Erscheinungen  erklärt,  die  das  Verhältnis  von  Orthographie 
und  Phonetik  berühren.  Hildebrand ^'')  will  die  auffällige  Betonung  von 
lebendig   aus    den    Bemühungen   der  Schule   erklären,  die  hier    gegen   mundartliche 


Spreng:  Basler  Jb.  S,  227-50.  -  60)  (»•  o.  N.  1;  S.  388-97.)  —  61)  X  A.  Paul:  COIRW.  21,  S.  573;  R.  Schwenk:  BBG.  29, 
S.  508-10;  P.  Pfalz:  PaedA.  35,  S.  4356.  —  62)  Rud.  Hildebrand,  Zur  Logik  d.  Sprachgeistes:  ZDU.  7,  S.  577-82,  785  6. 
—  63)  (S.  0.  K  6;  S.  114.)  —  64)  E.  Wasserzieh  er.  Doppelgänger  in  d.  Sprache:  Geg.  43,  S.  259-61.  —  65)  R.  H  i  1  d  e - 
brand,  D.  Gräfin  v.  Savern  (=r  Aus  unserer  französ.  Zeit.  N.  3):  ZDU.  7,  S.  256.  —  66)  W.  Wilmanns,  Dtsch.  Gramm. 
(Gotisch,  Alt-,  Mittel-  u.  Neuhochdeutsch.)  1.  Abt.:  Lautlehre.  Strassbnrg  i.  E.,  Trabner.  322  S.  M.  6,00.  |[0.  Lyon:  ZDU.  7, 
S.  2002;  M.  H.  Jellinek:  ZUG.  S.  1084;  LCBl.  S.  1435/6;  J.  Seemüller,  DLZ.  S.  1039-41;  H.  Wunderlich:  ZDPh.  27, 
S.  132/4;   W.  Streitberg:  IndogermF.  3,  S.  186-91.]|  —  67)  R.   Hildebrand,  Noch  einmal  lebendig  u.  sein  Ton:    ZDU.  7, 


18:68-79  H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

Verkürzungen  wie  lemdig-  u.  a.  zu  kämpfen  hatte,  und  den  Ton  auf  die  bedrohte 
Silbe  leg-te.  —  G 1  o  e  d  e  ^^)  unterstützt  diese  aus  der  sächsischen  Mundart  beg-ründete 
Vermutung  durch  niederdeutsche  Belege,  wie  andererseits  auch  aus  oberdeutschen 
Mundarten  und  aus  der  mittelhochdeutschen  Litteratur  entsprechende  Beispiele 
(„lebig",  „lemtig").zur  Hand  wären.  —  So  bestechend  auch  diese  Erklärung  auf  den 
ersten  Anschein  ist,  so  umfasst  doch  die  Erklärung  Behaghel  s^**),  der  über- 
haupt bei  mehrsilbigen  Adjektiven  ein  Streben  nach  bequemerer  Gewichtsver- 
teilung nachweist,  die  Erscheinung  in  einem  weiteren  Zusammenhang  und  verdient 
dadurch  den  Vorzug.  —  Einen  sichereren  Anhalt  giebt  die  Schreibung  für  die  allmähliche 
Verbreitung  der  gerundeten  Aussprache  von  ü  und  ö.  Heine''')  zeigt,  wie  in  den 
Sprachgesellschaften  des  17.  Jh.  gelegentlich  bei  konsequenterem  Hindrängen  zur 
phonetischen  Schreibweise  auch  hier  i  und  e  in  die  Schrift  eindringen,  während 
Hildebrand'' 1)  die  ungerundete  Aussprache  dieser  Vokale  auch  im  mitteldeutschen 
Gebiete  der  späteren  Zeit  nachweist.  Von  besonderem  Interesse  sind  seine  Belege 
für  unsere  Klassiker.  Nicht  bloss  Schiller  auch  Goethe  werden  für  diese  Lautgebung 
in  Anspruch  genommen,  ja  in  einem  Briefe  an  die  Weygandsche  Buchhandlung, 
den  G.  Wustmann  beisteuert,  hat  der  Schreiber  die  Worte  „Carton  für  119",  die  Goethe 
diktierte,  als  „Carton  419"  niedergeschrieben.  —  Auch  in  der  orthographischen  Frage 
zeigt  sich  aus  den  kleinen  Schriften,  welch  eingreifenden  und  vielseitigen  Einfluss 
gerade  Schere  r''^)  hier  ausgeübt  hat.  Gehört  auch  ein  Teil  der  einschlägigen  Auf- 
sätze mehr  in  das  Gebiet  der  polemischen  Betrachtung,  nehmen  andere  ihre  grund- 
legende Stellung  in  der  Geschichte  der  Lautphysiologie  ein,  so  verdankt  ihm  doch, 
wie  B  u  r  d  a  c  h  hervorhebt,  die  historische  Forschung  ihre  Befreiung  vom  Banne  der 
Orthographie.  —  Was  demgegenüber  der  Kultus  des  Buchstabens  anzustellen  im  stände 
ist,  spiegelt  sich  in  dem  Büchlein  von  A 1  b  r  e  c  h  t  ''^),  wenn  dieses  überhaupt  ernst 
gemeint  ist.  Als  Scherers  besonderes  Verdienst  muss  die  Art  seiner  Abkehr  vom 
Buchstabendienst  hervorgehoben  werden;  denn  bei  ihm  finden  sich  auch  schon  die 
ersten  Anfänge  einer  neuen  Methode,  welche  die  graphischen  Beweismittel  nun  um- 
gekehrt in  den  Dienst  der  Lautforschung  einstellt.  —  So  verfolgt  Aron'^^a)  an  der 
Hand  der  Schreibung  die  Geschichte  des  „s",  wie  es  sich  nach  „r"  und  in  der  Ver- 
bindung „st"  zu  dem  Laute  entwickelte,  den  die  Schrift  teilweise  mit  „seh"  kenn- 
zeichnet.—  Dem  Titel  nach  könnte  auch  eine  Studie  von  Bödekker''^)  in  diesen  Zu- 
sammenhang gehören,  sie  behandelt  aber  die  Wirkungen  des  gesprochenen  Wortes, 
nicht  dessen  Existenzbedingungen.  — 

In  die  Formenlehre  greifen  einige  Bemerkungen  Ecksteins''^''^)  ein, 
die  jedoch  mehr  der  Unterhaltungslitteratur  angehören.  —  Mit  sorgsamen  statistischen 
Feststellungen  verfolgt  Je  ittel  es''')  den  Entwicklungsgang  unseres  Pronomens,  das  ja 
in  verschiedenen  Flexionsformen  unorganische  Verlängerung  und  Verstärkung  er- 
fahren hat:  „mein"  und  „dein"  als  Genitiv  ist  heute  zu  „meiner,  deiner"  geworden; 
„ihr"  zu  „ihrer;"  ,,in"  zu  „ihnen"  usw.  Im  allgemeinen  ist  dieser  Prozess  bekannt, 
aber  es  ist  dankenswert,  die  Ausgangspunkte  der  einzelnen  Bewegungen  genauer  fest- 
gelegt zu  sehen,  die  Nebenformen,  die  in  schüchternen  Ansätzen  stecken  blieben,  zu 
beobachten.  Willkommene  Ergänzung  giebt  J.  namentlich  für  die  neuere  poetische 
Sprache  und  unsere  gehobene  Prosa,  in  der  die  alten  kürzeren  Formen  gerne  noch 
auftreten.  Dagegen  fehlt  der  Versuch,  die  Darstellung  aus  den  Grenzlinien  der  Statistik 
herauszuheben  und  zu  einem  Einblick  in  den  Verwitterungsprozess  alter  Formen 
und  in  die  dadurch  veranlassten  Neubildungen  umzugestalten.  —  Im  Rahmen  der 
Formenlehre  verdienen  auch  einige  Ergebnisse  der  Mundartenforschung  Beachtung, 
weil  die  dort  beobachteten  Formen  so  leicht  in  die  Schrift  übergleiten.  Bedingt  nur 
ist  dies  der  Fall  bei  dem  alten  Imperativ  „bis"  für  „sei",  dem  Fränkel ''**),  weil  er 
ihn  bei  älteren  sächsischen  Dialektschriftstellern  nicht  vorfindet,  die  Altertümlichkeit 
absprechen  will.  —  Für  das  Westfälische  ist  von  Interesse,  dass  nach  der  Beobachtung 
von  J  elli  ngha  us""")  dort  die  Hülfsverben  können,  sollen,  wollen  usw.  im  zusammen- 
gesetzten Präteritum  sich  dem  untergeordneten  Infinitiv  nicht  angleichen  („dat  hedde 
he  don  kont"  statt  „thun  können").  Auch  einige  ungewohnte  Verbindungen  mit 
„haben"  an  Stelle  des  schriftgemässen  „sein"  werden  dort  belegt  („bliewen  hedden"). 
—  Notwendig  ist  die  Festsetzung  mundartlicher  Grenzlinien  für  die  in  der  Ge- 
schichte   der  Wortbildung    eine  so   grosse   Rolle    spielenden  Suffixe  „-chen"  und 


S.  91-3.  (Vgl.  auch  ib.  6,  S.  641,  844.)  —  68)  0.  Gloede,  Lebendig,  lewendig,  lewig:  ib.  S.  632;:}.  _  69)  0.  Behaghel, 
Z.  Betonung  v.  „lebendig":  ib.  S.  495.  —  70)  G.  Heine,  Z.  Gesch.  d.  Ausspr.:  ib.  S.  4515.  —  71)  R-  Hildebrand,  Z. 
Gesch.  d.  dtsch.  Aussprache:  ib.  S.  153-64,  449-51.  (Erschien  auch  in  PrJbb.  1892,  S.  438-52.)  —  72)  («.  o.  N.  1 ;  8.  238-84, 
398-451.)  -  73)  A.  Albreoht,  Sprache  n.  Muttersprache.  Halle  a.  S.,  Kaemmerer.  41  S.  M.  0,60.  |[BLU.  S.  750.]|  —  73a) 
0.  Aron.  Z.  Gesch.  d.  Verbindungen  eines  „s"  bez.  „seh"  mit  e.  Konsonanten  im  Nhd.:  BGÜS.  17,  S.  225-71.  —  74)  K. 
Bödelcker,  D.  gesproch.  Wort  u.  d.  geschriebene  Wort:  PhonetSt.  6,  S.  181-90.  —  75)  E.  Eckstein,  D.  Zuknnftforra  unserer 
Zeitwörter:  WIDM.  74,  S.  379-81.  —  76)  id.,  „D.  unbestimmte  Artikel":  ib.  S.  702,6.  —  77)  A.  Jeitteles,  D.  nhd.  Pronomen: 
ZDPh.  25,  S.  303-13.  (Forts,  in  Bd.  36.)  -  78)  L.  Frank el,  Zu  mitteldtsch.  „bis«:  ZDU.  7,  S.  139,  566.  —  79)  H.  Jellinghans: 


H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  1  8:00-94 

„-lein".  Sanders^**)  hat  sich  dieses  Moment  in  seiner  sonst  so  gründlichen  und 
nach  der  litterarischen  Seite  anziehenden  Studie  entgehen  lassen,  bei  der  auch  für 
die  Form  ,,-g'en"  der  Hinweis  auf  den  jungen  Goethe  fehlt.  Dageg-en  ist  sehr  hübsch 
die  stilistische  Verwendung-  der  Verkleinerungsform  dargestellt;  die  Häufigkeit  in 
Uebersetzungen  aus  bestimmten  Sprachen  wird  an  der  Uebertragung  der  litaui- 
schen Dainos  dargethan,  Stilunterschiede  innerhalb  des  Werkes  eines  Dichters  an 
Goethe  beobachtet..  Dem  gegenüber  finden  sich  in  den  oben  erwähnten  mundartlichen 
Arbeiten  vor  allem  Zeugnisse  für  die  räumliche  Ausdehnung  von  „-chen"  gegen 
„-lein".  —  Scheel*')  verneint  die  letztere  Form  für  den  kölnischen  Dialekt,  Schöppe^'^) 
für  den  Naumburger,  während  umgekehrt  Kahl*^)  die  Form  „-chen"  für  das 
Elsässische  ausschliesst.  —  Einen  Ueberblick  über  die  Mannigfaltigkeit  unserer  Wort- 
bildung gewähren  die  Tabellen  von  Rey^*),  deren  Einleitung  nur  wenig  für  das 
Verständnis  beibringt  und  überdies  so  bedenkliche  Anschauungen  verrät  („die  Vor- 
silbe „ge-"  bewirkt  bald  Umlaut,  bald  nicht:  Gewölk  .  .  .  aber  Gelock"),  dass  wir  sie 
keineswegs  „als  Ergänzung  zu  jeder  deutschen  Grammatik"    empfehlen  möchten.  — 

In  das  Gebiet  der  syntaktischen  Bedeutungsentwicklung  greift  S  ch  r  a  d  er  ®^) 
über,  indem  er  an  dem  Worte  „Untiefe"  eine  dem  Griechischen  entsprechende  intensive 
Bedeutung  des  „un"  nachweist.  Den  richtigen  Ausgangspunkt  für  diese  Beobachtung 
hätten  Worte  wie  „Ungeheuer"  g'eboten,  in  denen  die  Grundbedeutung  des  Präfixes 
durch  den  Bedeutungsinhalt  des  Kompositums  nach  der  entgegengesetzten  Seite  ab- 
gelenkt wird.  —  Eine  ähnliche  Entwicklung  liegt  vielleicht  auch  in  dem  Worte  „frei" 
vor,  das  in  Luthers  Verse:  „Er  hilft  uns  frei  aus  aller  Not"  wohl  als  blosses  empha- 
tisches Adverb  aufzufassen  ist,  während  ihm  Bechstein*^)  die  Grundbedeutung 
zurückerobern  möchte.  —  Es  ist  im  besonderen  die  Syntax  der  zwangloseren  Rede, 
die  solche  Bedeutungsentwicklungen  begünstigt,  und  hierin  beruhen  auch  meistens 
die  Parallelen  mit  der  griechischen  Sprache,  die  C-  Müller*'),  Loth.  Koch**)  und 
Sprenger***)  im  Anschluss  an  einen  Aufsatz  Richters  aus  dem  Vorjahre  (vgl.  JBL. 
1892  I  6 :  60)  nachtragen.  —  Zur  Syntax  fallen  auch  aus  den  kleinen  Schriften 
Scherers ^'')  eindringliche  Bemerkungen  ab.  Der  syntaktischen  Litteratur,  die  Seh, 
verzeichnet,  müssten  heute  freilich  stattliche  Nachträge  angereiht  werden,  die  vor 
allem  für  diejenigen  zu  beherzigen  wären,  die  so  gerne  ihre  Klage  über  die  Ver- 
nachlässigung syntaktischer  Studien  erheben.  Die  Anschauungen  aber,  die  Seh. 
vorträgt,  haben  noch  heute  ihre  volle  Berechtigung,  namentlich  die  freie  Auf-  • 
fassung  und  Würdigung  systematischer  Fragen.  —  Die  Theorie,  die  sich  in  der 
Praxis  nicht  erprobt,  neigt  hier  mehr  als  je  dazu,  den  Inhalt  über  der  Form  zu  ver- 
gessen; das  zeigt  sich  deutlich  an  der  Beurteilung,  die  eine  Dissertation  von  Frey^') 
gefunden  hat.  Ries  richtet  hier  sein  Hauptaugenmerk  auf  die  Mangelhaftigkeit  der 
Systeme,  indessen  die  thatsächlichen  Mängel  dieser  wie  anderer  entsprechender  Arbeiten 
in  der  ungenügenden  Litteraturkenntnis  beruhen.  Statt  an  Vorarbeiten  anzuknüpfen, 
ermüdet  der  fleissige  Vf.  durch  breite  Wiederholungen ;  an  anderen  Stellen,  wie  der 
Entwicklungeschichte  der  Partikel  „denn"  setzt  er  sich  durch  diesen  Mangel  gänzlich 
auf  das  Trockene.  Wertvolle  Parallelen,  die  ihm  die  Uebersetzerprosa  des  15.  Jh.  zur 
Verfügung  stellte,  lässt  er  sich  entgehen  und  ebenso  auch  die  Vorbilder  für  sach- 
gemässe  Einteilung  der  Partikeln.  Trotzdem  haben  seine  Beiträge  ihren  positiven 
Wert  durch  die  sorgfältige  Ausbeutung  eines  festumgrenzten  Gebietes.  — 

Eine  Reihe  anderer  Arbeiten  fasst  mehr  die  mündliche  als  die  schriftliche 
Stilform  der  Syntax  ins  Auge,  diese  beanspruchen  aber  auch  in  unserem  Zusammen- 
hange Beachtung,  weil  die  Eigenart  der  Schriftsprache  erst  von  hier  aus  schärfer 
abgegrenzt  werden  kann.  Tomanetz^^)  behandelt  die  konjunktivische  Fassung  be- 
stimmter Aussagen  in  ihrem  ganzen  Zusammenhang  auf  Grund  einer  weitverzweigten 
Litteratur;  er  sucht  die  einzelnen  Fälle  auf  bestimmte  Typen  zurückzuführen, 
findet  aber  schliesslich  doch  nicht  den  einleuchtenden  Erklärungsgrund  für  diese 
Erscheinung,  die  auch  noch  in  den  späteren  Berichtsjahren  zur  Besprechung  kommen 
wird.  —  Schwab^-')  fasst  die  reiche  Litteratur  zusammen,  die  sich  an  die  neuhoch- 
deutschen Reste  alter  Verneinungsformen  knüpft,  wo  die  Häufung  der  Formen  noch 
als  Verstärkung'  der  Verneinung  und  nicht  als  Bejahung  aufgefasst  werde.  Daneben 
führt  er  aus  eigenem  Vorrat  Beispiele  für  Neubildungen  aus  unserer  Zeit  an.  —  In 
dasselbe   Gebiet   gehört    die    Beobachtung,    die    Fränkel^*)    aus    dem  fränkischen 

KBl VNiederdSpr.  16,  S.  20,2.  —  80)  D  San d e r  s,  D.  Verkleinerungssilbe  „-chen" :  ZDS.6,S. 422/7;  S.  447-50.  —  81)  (S. o.  N.  9;  S.60.)  — 
82)  (S.  o.N.  21 ;  S.  13.)  —  83)  (S.  o.  N.  23;  S.  22.)  —  84)  J.  E e y ,  D.  Wortbildung  im  Nlid.  Beiapielsamml.  f.  Schule  u  Haus.  Aaran,  Saner- 
länder.  99  S.  M.  1,60.  —  85)  H.  Sehr  ad  er,  „Un":  ZDS.  6,  S.  364/ S.  ~  86)  R.  Bach  st  ein,  ,,Er  hilft  uns  frei  aus  aller 
Not":  ZDU.  7,  S.  165/8.  -  87)  C.  Müller:  ib.  S.  58/9.  —  88)  Loth.  Koch,  Sprechzimmer  N.  1:  ib.  S.  490.  —  89)  B. 
Sprenger,  Sprechzimmer  N.  10:  ib.  S.  687.  -  90)  (S.  o.  N.  1:  S.  358-74.)  —  91)  E.  Frey.  D.  Temporalkonjunttionen  d.  dtsch. 
Sprache  in  d.  Uebergangszeit  v.  Mhd.  z.  Nhd.  Bespr.  im  Anschluse  an  P.  Suchenwirt  u.  Hngo  v.  Montfort.  (==  Berliner  Beitrr. 
z  germ.  u.  rom.  Philol.  veröffentl.  v.  E.  Ehering.  Germ.  Abt.  N.  4.)  B.,  C.  Vogt.  102  S.  M  2,50.  |[J.  Kies:  ADA  21, 
S.  43-54.]|  -  92)  K.  Tomanetz,  Z.  KonjnnlctiT  z.  Bezeichn.  d.  WirklichVeit:  ZDU.  7,  S.  134/5.  —  93)  0.  Schwab,  D. 
pleonast.  Negation  im  Nhd.:  ib.  S.  807-23.  —  94)  L.  Fränkel,  Z.  Kap.  d.  sogen,  „gehäuften  Negation":  ib.  S.  1.39-40.  — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  j  7 


18:95-106  H.  Wunderlich,  üeschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

Sprachgebrauch  mitteilt,  wo  die  dünne  Form  „nit"  durch  das  vollere  „nimmer" 
verdrängt  wird.  —  Eine  g-anze  Reihe  von  anderen  Neigungen  und  Wendungen  der 
Umgangssprache  führt  Eloesser^^)  aus  der  ältesten  deutschen  Uebersetzung  Molieres 
auf;  er  belegt  die  Vorliebe  für  lockeres  Gefüge,  die  Abneigung  gegen  unterordnende 
Konjunktionen,  die  Bevorzugung  der  direkten  Rede  vor  der  indirekten  und  noch 
mehr  vor  dem  Dass-Satz;  endlich  die  Mittel,  die  unsere  zwanglosere  deutsche 
Sprache  in  der  Wortstellung  und  in  der  Anwendung  von  adverbialen  Füllwörtern 
zur  Hand  hat,  um  anders  geartete  französische  Fügungen  zu  ersetzen.  In  dieser 
Aufzählung  liegt  zugleich  ein  Massstab  für  die  Beurteilung  entgegensetzter  Neigungen 
de.r  Schriftsprache.  —  Aehnliche  Beobachtungen  ergeben  sich  aus  den  Untersuch- 
ungen, mit  denen  Wunderliche^)  in  die  Sprache  des  neuesten  deutschen  Schau- 
spiels einführt.  —  Sonst  sind  die  Stilforraen  unserer  Sprache  vorwiegend  in  ihrer 
Zugehörigkeit  zu  bestimmten  Berufsständen  und  in  polemischer  Betrachtung  erfasst 
worden.  Denn  bei  Streit e'')  wird  mehr  eine  litterarhistorische  als  stilistische  Unter- 
suchung geführt.  —  Die  Berufs-  und  Staiidesfärbungen  der  Sprache  reichen  in  den 
historischen  Teil  unseres  Berichts  nur  mit  einer  Skizze  der  Gaunersprache  durch 
Göll  nitz'-'S)  herein  und  mit  einer  Plauderei  von  Haberland^^j^  in  der  die  Termini 
der  Militärsprache  auf  Grund  eindringlichen  Studiums  wissenschaftlicher  Wörter- 
bücher auf  ihre  Wurzeln  zurückgeführt  werden.  Schade,  dass  die  anziehende  Dar- 
stellung neben  der  Etymologie  nicht  auch  die  näheren  Umstände  mehr  in  den 
Vordergrund  zieht,  unter  denen  die  einzelnen  Ausdrücke  ins  Heer  eindrangen.  — 

Denn  die  Erforschung  des  Wortschatzes,  in  die  Haberlands  Studie  ein- 
mündet, weist  infolge  der  regeren  Pflege  auch  immer  mannigfaltigere  Gestaltung 
ihrer  Aufgaben  auf.  Die  neuen  Ziele,  denen  diese  Wissenschaft  entgegenwächst, 
werden  von  Grimm '<*•*)  vorangestellt,  der  mit  Recht  den  deutschen  Akademien  neben 
der  von  ihnen  verhätschelten  Latinität  die  deutsche  Sprache  zur  besonderen  Obhut 
empfiehlt.  —  Unter  den  alten  Aufgaben  der  Wortforschung  hat  die  Etymologie 
einen  grossen  Vorsprung  gewonnen,  der  sich  am  besten  in  der  fünften  Auflage  des 
Wörterbuches  von  Kluge  i^')  kennzeichnet.  Neben  neuen  litterarischen  Nachweisen 
für  das  erste  Auftreten  einzelner  Wortformen  und  strafferer  Heranziehung  der  Mund- 
arten ist  es  die  Beweisführung,  die  sich  vervollkommnet  und  zu  bestimmten  Grund- 
sätzen zuspitzt.  —  Dem  gegenüber  treiben  die  Kombinationen  und  Hypothesen,  die  von 
.dieser  wissenschaftlichen  Etymologie  abgewiesen  werden  ihr  Spiel  um  so  ungestörter 
in  anderen  Kreisen.  Das  Buch  von  F  aulmann  ^''^^i  das  schon  früher  genügend 
gekennzeichnet  wurde  (vgl.  JBL.  1891  I  8  :  44),  fand  im  Berichtsjahr  seinen  Abschluss. 

—  Aber  auch  bei  Du  den^'*^)  jg^  ^[q  linguistische  Seite  vernachlässigt.  —  Vom  deutschen 
Wörterbuch  der  Brüder  Grimm  sind  vier  neue  Lieferungen  zu  verzeichnen.  Die 
meisten  fallen  auf  Heyne ^''*""^^),  der  auch  mit  seinem  eigenen  Wörterbuch  in  der 
gleichen  Richtung  fortschreitet.  Es  liegt  nahe,  die  Arbeitsweise  H.s  durch  eine  Ver- 
gleichung  seiner  Leistungen  am  grossen  und  kleineren  Wörterbuch  ins  Licht  zu 
setzen.  So  wird  von  Behaghel  zu  den  früheren  Bänden  das  Neue  hervorgehoben, 
das  H.  durch  Berücksichtigung  der  gesprochenen  Sprache  und  zeitgenössischen 
Schriftsteller  beibringt,  während  sich  Nagl  mehr  mit  den  Kürzungen  beschäftigt, 
die  in  der  kleineren  Ausgabe  vorgenommen  wurden.  Erdmann,  der  in  dem  neuen 
Wörterbuch  namentlich  auch  nutzbare  Winke  für  die  Sprachrichtigkeit  entdeckt, 
würdigt  unter  Anführung  einiger  interessanter  Nachträge  vor  allem  die  Vorzüge  des 
Buches.  Unter  diesen  möchte  ich  die  Anordnung  rühmen,  die  es  uns  ermöglicht, 
die  Zusammensetzungen,  die  ein  Wort  eingeht,  im  Zusammenhange  zu  verfolgen, 
während  sich  im  gTOssen  Grimm  die  Wortfamilien  störend  durch  einander  schieben. 

—  Dass  die  Angaben,  wann  und  wo  ein  Wort  zum  ersten  Male  auftritt,  auf  Grund 
neuer  Quellen  vielfach  berichtigt  werden  können,  wird  keinen  Sachverständigen  über- 
raschen, nach  dieser  Seite  hin  wird  niemand  die  Arbeit  einem  Einzigen  zumuten 
wollen.    Deshalb  sind  die  Beiträge   von    Gombert^oej    willkommene  Ergänzungen; 


95)A.EloeBser,D.äUestedtsch.Uebersetz.  MoliferescherLuBtspiele.  (=Berl.Beitrr.  [s.N.91]  N.3.)  78  S.  M.  1,80.  Bes.  S.  50-67;  vgl. 
m4:19.)  —  96)  H.Wunder  lieh,  Z.  Sprache  d.  neuest,  dtsch.  Schauspiels:  NH.Tbb.  3,  S.  251/9  (vgl.  IV  4  :  118).  -  97)  W.Streit, 
D.  Sprache  d.  dtsch.  Volksliedes:  MADSprV(Berlin).  4,  S.  41/4.  —  98)  Göllnitz,  D.  Wesen  d.  Verbrecher-  oder  Gauner- 
sprache. Breslau,  Selbstverl.  32  S.  M.  0,20.  —  99)  F.  Haberland,  Krieg  im  Frieden,  e.  etymol.  Plauderei  über  unsere 
militär.  Terminologie.  Progr.  d.  Realgynin.  Lüdenscheid.  50  S.  I[L.  Hölscher:  ASNS.  91,  S.  466.]|  —  100)  H.  Grimm, 
Thesaurus  linguae  germanicae:  DLZ.  14,  S.  1430/2.  (Abgedr.  in  NatZg.  N.  637.)  —  101)  F.  Kluge,  Etymolog.  Wörterbuch 
d.  dtsch.  Sprache.  5.  verb.  Aufl.  Strassburg  i.  E.,  Trübner.  XXVI,  491  S.  M.  10,00.  [[Johansson:  IndogermP".  2,  S.  203/4.] | 
(Vgl.  auch  MADSprV(Berlin).  4,  S.  147/9.)  —  102)  K.  Faulmann,  Etymolog.  Wörterbuch  d  dtsch.  Sprache  nach  eigenen 
neuen  Forschungen.  10.  Heft.  Halle  a.  8.,  Karras.  VIII  u.  S.  369-421.  M.  1,20  (kompl.  M.  12.00).  |[Wohlfahrt,:  BBG.  29, 
S.  421;2;  ÖLBl.  2,  S.  171/2]|  —  103)  K.  Duden,  Etymol.  d.  nhd.  Sprache.  3.  Aufl,  der  Etymol.  v.  Bauer-Fromraann,  München, 
Beck.  272  S.  M.  3,60.  ||LCB1.  S.  1651;  E.  Wasserzieher:  ASNS.  91,  S.  277;  Grenzb.  3,  S.  334.]!  —  104)  J.  u.  W.  Grimm, 
Dtsch.  Wörterbuch.  Fortges.  v.  M.  Heyne,  R.  Hildebrand,  M.  LexBr,  K.  Weigand  u.  E.  Wfilcker.  8.  Bd.  11/3.  Lfg. 
(Saumspinne— Schelle),  bearb.  unter  Leitung  v.  M.  Heyne.  L.,  Hirzel.  S.  1921-2496.  M.  6,00.  —  105)  M.  Heyne,  Dtsch. 
Wörterbuch,  5.  Halbbd.  R-8etzen.  ib.  592  S.  M.  5,00.  |[0.  Behaghel:  LBlGRPh.  S.  315/6;  W.  Nagl:  ÖLBl.  2,  8  554/6; 
0.  Erdmnnn:  ZDPh.  26,  S.  132/4.||  —  106>  A.  Gombert,  Weitere  Beitrr.  z.  Altersbestimmung  nhd.  Wortformen  mit  besond. 


H.  Wunderlich,  üeschichte  der  neuhuchdeutschen  iSchriltsprache.  i8:i06a-i20a 

sie  verdienen  auch  in  einzelnen  Teilen  ihrer  Polemik  Beachtung,  weniger  wo  diese 
sich  gegen  die  Auswahl  der  aufgenommenen  Worte  richtet,  als  wo  sie  Versehen  der 
ersten  Bände  rügt.  Im  neuem  Bande  fallen  im  etymologischen  Teil  Aeusserungen 
auf  wie  die,  dass  dem  Worte  „sausen"  als  Wurzel  eine  reduplizierende  Bildung  zu 
Grunde  liege.  Bei  Gr.  hat  auch  die  Darstellung  des  Wortes  „Dank"  (Wille)  mit 
der  besonderen  Beziehung  auf  Luthers  „und  kein  Dank  dazu  haben"  mit  Recht  Wider- 
spruch gefunden.  —  In  der  vielgestaltigen  Diskussion  dürfte  die  Auffassung  Scheff- 
le rs  i^^"^)  den  Sieg  behalten,  die  sich  der  neueren  Bedeutung  von  „Dank"  nähert 
und  auf  eine  Zwischenstufe  lossteuert,  die  etwa  im  „Ritterdank"  des  Turniers  vor- 
liegt. —  Die  Terminologie  kann  auch  bei  Wülcker"^')  leicht  irre  führen,  der  zu 
sehr  am  graphischen  Bilde  hängt,  während  gerade  bei  der  Vorsilbe  „ver-"  mit  der 
er  zu  thun  hat,  nicht  bloss  die  Verschiedenartigkeit  ihrer  Einwirkung  auf  den  Be- 
deutungsgehalt der  antretenden  Worte,  sondern  auch  die  Sonderung  der  in  der  heutigen 
Form  zusammengeflossenen  Partikeln  Schwierigkeiten  macht.  —  Der  äusseren  Form 
des  Wörterbuches  bedient  sich  Du  den  ^^s)  für  orthographische  Zwecke,  ergreift  zu- 
gleich aber  auch  in  das  Gebiet  der  Etymologie  über,  wo  wir  ihn  schon  oben 
getroffen  hatten.  —  Stark  angeschwollen  ist  die  Wortforschung  auf  dem  Gebiete  der 
Mundarten.  Neben  den  grossen  Sammelwerken,  wie  sie  vorliegen  in  dem  schweize- 
rischen Idiotikon  '"^),  das  rüstig  fortschreitet,  und  in  dem  Wörterbuche  der  elsässischen 
Mundarten,  für  das  Lienhart  und  Martin"")  ^ig  Vorarbeit  ein  Verzeichnis  der 
bislang  meist  belegten  Worte  veröffentlichen,  giebt  G  u  tz  e  i  t  m)  eine  Wörtersammlung 
für  das  deutsche  Livland  heraus.  Der  Wortschatz  der  W^estthüringer  wird  von 
Herwig  "2j^  (jer  von  Salzungen  durch  Hertel*'^)  dargestellt,  indes  Himmel- 
stoss"*)  seine  Beiträge  aus  dem  bayerischen  Walde  fortsetzt  (vgl.  JBL.  1892  16:34). 

—  Die  vielfachen  Verzweigungen,  die  die  Namenkunde  erfahren  hat  (s.  o.  I  5  :356— 79), 
können  wir  hier  nicht  verfolgen,  nur  sei  hervorgehoben,  dass  in  den  einzelnen  Mund- 
arten die  Tiernamen  immer  sorgfältiger  belegt  und  zum  Vergleich  zusammengestellt 
werden.  —  Für  den  Wortschatz  einzelner  Dichter,  ein  Gebiet,  dass  neuerdings  frische 
Kräfte  anzieht  (vgl.  auch  N.  40—42),  kommt  Tomanetz  'i^)  (vgl.  IV4  :  217)  in  Betracht; 
er  bringt  aus  einer  umfassenden  Studie  über  den  Sprachgebrauch  Grillparzers  vorläufig 
einige  mundartliche  Ausdrucksformen  des  Dichters  bei,  denen  infolge  des  jähen  Todes  des 
verdienten  Vf.  die  Fortsetzung  wohl  abgeschnitten  bleibt,  wenn  auch  noch  ein  Fragment 
zur  Synti  x  des  Dichters  Veröffentlichung  finden  sollte.  —  Dem  Bedeutungswandel,  dem 
einzelne  W^orte  namentlich  im  Zusammenhang  unterworfen  sind,  wird  immer  gerne  nach- 
gespürt. So  behandelt  Sanders^^^)  die  österreichisch-bayerische  Redensart  „du 
hast's  gar  nicht  schlecht  erraten"  im  Sinne  von  „getroffen",  wozu  von  anderer  Seite 
schwäbische  Belege  beigefügt  werden.  — Natürlich  berühren  sich  diese  Untersuchungen, 
für  die  in  der  ZDU.  ein  besonderer  Mittelpunkt  gegeben  ist,  nahe  mit  dem  Gebiete 
der  Syntax,  wie  ja  auch  die  Bemerkung  Bechsteins"^)  über  Luthers  Vers  „Er 
hilft  uns  frei  aus  aller  Not"  auf  der  Grenze  zwischen  beiden  Gebieten  steht.  —  Da- 
gegen gehört  ganz  hierher  das  Wort  „Gigerl",  das  von  Sprenger' i^)  und 
Dundatschek"^»)  in  die  wissenschaftliche  Debatte  eingeführt  wird,  ohne  dass  jedoch 
aus  Schmeller,  auf  den  Bezug  genommen  wird,  das  bedeutungsvolle  „g'ikelmattn" 
f=VogeIscheuche,  Popanz)  Erwähnung  fände.  —  Der  metaphorische  Gehalt  unseres 
Wortschatzes  ist  ja,  wie  bekannt,  von  Sehr  ade r'^^'^^oa^  ausgebeutet  worden,  der 
von  seinem  „Bilderschmuck  der  deutschen  Sprache"  die  zweite  Auflage  erscheinen 
lässt.  Wie  sehr  sich  dieses  W'erk  an  die  einzelnen  Artikel  des  deutschen  W'örterbuchs, 
an  Sanders  und  andere  anlehnen  kann,  zeigt  sich  an  den  Proben,  die  er  in  Zeitschriften 
veröffentlicht.  So  wird  z.  B.  für  das  „Haar"  wenig  Neues  zu  Heyne-Grimm  bei- 
gebracht, nicht  einmal  das  bekannte  Beispiel  aus  dem  Parzival:  „wer  roufet  mich 
da  nie  kein  här  gewuohs,  inne  an  miner  haut."  Immerhin  aber  lässt  sich  mit  der 
Darstellung,  wie  sie  Seh.  geglückt  ist,  eine  Absicht  Grimms  verwirklichen,  von  der 
sein  Wörterbuch  naturgemäss  immer  ferner  abrückte,  nämlich  die,  ein  Hausbuch  für 
das  deutsche  Volk  zu  geben.  —  Nahe  berühren  sich  mit  dieser  Behandlung  des 
Wortschatzes  die  Erklärungen,  mit  denen  unsere   Redensarten   ausgedeutet   werden. 

Berfidtsichtigrung  d.  Heyneschen  dtsoh.  Wörterbuchs.  Progr.  Gr.  Strehlitz,  A.  Wilpert.  4".  20  S.  M.  1,00.  |[H.  W.  Nagl:  ÖLBl.  2, 
S.  556.]|  —  106a)  K.  Scheffler,  „V.  kein  Dank  dazu  haben":  ZADSprV.  8.  S.  33/6.  (Vgl.  dazu  S.  81,  117/9.)  -  107)  E. 
Wülcker,  J.  u.  W.  Grimm,  Dtsch.  Wörterbuch.  12.  Bd.,  5.  Lfg.  (Verleihen— Verpetschieren).  L,  Hirzel.    S.  769-960.    M.  2,00. 

—  108)  K.  Duden,  Vollständ.  orthogr.  Wörterbuch  mit  etymol.  Angaben.  4.  Aufl.  L.,  Bibliogr -Inst.  344  S.  M.  1,50.  — 
109)  (I  5:15.)  —  HO)  E.  Martin  u.  H.  Lienhart:  JbGElsLothr.  9,  S.  167-93.  —  111)  W.  v.  Gutzeit,  Wörterschatz  a. 
dtsch.  Sprache  Livlands.  1.  T.  5.  Lfg.,  3.  T.,  .3.  Lfg.,  4.  T.,  2  Lfg.  u.  Nachtrr.  zu  A— B.  (S.  339-45;  S.  23-83;  28  S.;  S.  13-21 
u.  Nachtrr.  38  S.)  Eiga,  N.  Kymmel.  1892.  M.  3,00.  —  112)  0.  Herwig,  Idiotismen  aus  Westthüringen,  rrogr.  Eisleben. 
4».  32  S.  —  113)  L.  Hertel,  Salzunger  Wörterbuch.  Jena,  G.  Fisther.  53  S.  M.  1,20.  —  114)  M.  Himraelstoss,  Ans  d. 
bayerisch.  Wald:  Bayerns  Mundarten  2,  S.  118-29.  —  115)  K.  Tomanetz.  Bemerkungen  zu  Grillparzers  Wortschatz:  ZOG. 
44,  S.  289-300.  —  116)  D.  Sanders,  Erraten:  ZDS.  6,  S.  380/1.  (Vgl.  S.  452.)  --  117)  (S.  o.  N.  86.)  —  118)  E.  Sprenger, 
Gigerl:  ZDU.  7,  S.  1423.  —  118a)  E.  Dundatschek,  Gigerl:  ib.  S.  692.  -  119)  H.  Schrader,  D.  Bilderschmuck  d.  dtsch. 
Sprache  in  Tausenden  Tolkstfiml.  Redensarten.  Nach  Ursprung  u.  Bedeut.  erklärt.  2.  Aufl.  Weimar,  Felber.  XX,  543  S. 
M.  6,00.     [[Pädagogium  15,   S.    136/7.]|    —    120)  X  id.,    Grün:   ZDS.  6.   S.    121-31    -  120ai  X  id..   D.  Weiss    in  Bildern   und 

17* 


1  8:121-129  H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhuch deutschen  Schriftsprache. 

A.  Richter^^i^  bring-t  hier  in  der  zweiten  Auflage  viel  Eigenes  zu  der  Auslese, 
die  er  in  den  Wörterbüchern  gehalten  hat.  — 

W^enn  die  historische  Forschung  gerne  von  einer  Entwicklungstufe  der 
Sprache  auf  die  andere  zurückgeht,  um  die  heutigen  Vorgänge  zu  begreifen,  so  be- 
schränkt sich  eine  andere  Sprachbetrachtung  im  wesentlichen  auf  die  Erscheinungen 
der  Gegenwart.  Diese  ist  meist  polemischer  Natur.  Denn  selbst  da,  wo  das 
Bestreben  im  Vordergrunde  steht,  aus  den  einzelnen  Erscheinungen  die  allgemein 
gültige  Norm  zu  gewinnen,  tritt  auch  gleich  der  Kampf  auf  gegen  die  Formen,  die 
dieser  Norm  widerstreben,  und  im  besonderen  ist  dieser  Kampf  das  Tummelfeld  für 
alle  die  Geister,  die  ihr  subjektives  Ermessen  dem  Zwang  geschichtlichen  Denkens 
und  wissenschaftlicher  Arbeit  zu  entziehen  lieben.  Das  Streben,  gewisse  Normen 
festzusetzen,  hat  gewiss  seine  Berechtigung  und  ist  eine  Notwendigkeit  vor  allem  für 
die  Schule.  Ob  aber  eine  Behörde  bei  einer  so  grossen  Zahl  prinzipieller  Gegensätze 
hier  mehr  Nutzen  als  Schaden  stiftet,  ist  mir  namentlich  nach  den  Auslassungen, 
die  Koppel'22  i23j  zu  Gunsten  einer  deutschen  Akademie  vorbringt,  sehr  zweifelhaft. 
Anstatt  geeignete  Forschungen  anzuregen  und  zu  überwachen,  soll  diese  Akademie 
nach  dem  W^unsche  K.s  Gesetze  geben.  —  Als  Vertreter  der  extremsten  Anschauungen 
der  einen  Seite  kommt  im  Berichtsjahre  von  Pfister  *24-i24a^  mehrfach  zum  Wort, 
Als  Schüler  J.  Grimms  erhebt  er  allen  Ernstes  den  Anspruch,  auch  die  Irrtümer  Grimms 
durch  Gesetz  verewigen  zu  dürfen.  Wie  Grimm  in  der  neueren  Sprachentwicklung 
nur  Verderbnis  und  Verfall  erblickte,  so  will  Pf.  dem  lebendigen  Sprachgebrauch 
gegenüber  das  Vorrecht  der  alten  Sprache  herstellen;  die  altertümlichen  Formen,  die 
er  gebraucht,  sind  jedoch  auch  von  diesem  Standpunkt  aus  anfechtbar.  —  Demgegen- 
über steht  auf  der  anderen  Seite  das  Bestreben,  die  neuere  Sprachentwicklung  in 
ihren  Grundzügen  nicht  bloss  anzuerkennen,  sondern  mit  überstürzendem  Eifer  gleich 
an  das  Ziel  zuführen,  dem  sie  zuzueilen  scheint.  Diesen  Grundsatz  hat  Noreen^-^^) 
mit  Hülfe  von  Johannson  aus  dem  Gebiet  der  schwedischen  Sprache  in  die 
unsrige  übertragen.  —  Lässt  sich  über  diese  Anschauungen  wenigstens  sachlich 
streiten,  so  verdient  dagegen  die  Forderung  Tilles^^e-)^  (j^ss  die  auf  dem  Boden  des 
Christentums  geprägten  Formeln  unserer  Sprache  im  Zeitalter  des  Materialismus  um- 
geprägt werden  müssten,  schon  vom  Standpunkt  des  Kenners  aus  die  scharfe  Ab- 
fertigung, die  ihr  Scheffler  zu  teil  werden  lässt.  —  Umgekehrt  erhebt  ein  alter 
„Emeritus"  ^'^^'')  Einspruch  dageg-en,  dass  religiöse  Wendungen  auf  weltliche  Vor- 
stellungen übertragen  werden,  dass  man  von  einem  „Schöpfer  des  Reiches"  spreche 
und  ein  „Schiff  aus  der  Taufe  hebe".  —  Dieser  selbe  Gegensatz  zwischen  dem  Fest- 
halten am  Alten  und  überstürzenden  Neuerungen  hat  in  der  orthographischen  Frage 
bekanntlich  die  Form  eines  Kampfes  zwischen  dem  historischen  und  dem  phoneti- 
schen Prinzip  angenommen.  In  Scherers  •'■^^)  kleinen  Schriften  spiegelt  sich  dia 
vermittelnde  Stellung  wieder,  die  der  vielseitige  Gelehrte  in  diesem  Kampf  einge- 
nommen hat,  ebenso  wie  die  Wandlungen  der  Tag-esströmungen,  in  denen  sich  diese 
Stellung  unmerklich  von  links  nach  rechts  verschob.  —  Merkwürdig  ist  hier  nament- 
lich, wie  gerade  in  der  orthographischen  Frage  das  historische  Prinzip  seinerseits 
wieder  zum  Revolutionär  wird,  und  so  kann  Fasola  '2^)  in  seiner  anziehenden  kleinen 
Studie,  in  der  er  für  die  sogenannte  „lateinische"  Schrift  kämpft,  neben  den  Namen 
Goethe  und  Humboldt  auch  J.  Grimm  unter  den  Neuerern  aufführen.  Mit  der  „deut- 
schen" Schrift,  deren  Ursprung  von  F.  fasslich  dargelegt  wird,  bekämpft  er  auch  die 
Majuskeln,  deren  Gebrauch  allerding"s  manchen  Zweifeln  unterliegt.  —  Schwenk '^s») 
will  sie  mit  Recht  für  diejenigen  Substantivformen  abschaffen,  die  aus  dem  Rahmen 
ihrer  Wortklasse  getreten  sind;  aber  die  Frage,  wann  dies  der  Fall  ist,  wird  ver- 
schieden beurteilt  werden.     Seh.  verlangt  z.  B.  „haushalten",  „zu  teil  werden".  — 

Mit  der  Orthog-raphie  in  näherer  Verbindung  steht  auch  ein  anderer  Gegen- 
satz unter  den  Gesetzgebern  der  Grammatik,  die  Frage  nach  der  Abgrenzung-  von 
Mundart  und  Schriftsprache.  Allerdings  die  Versuche,  die  neuerdings  namentlich 
im  Süden  gemacht  werden,  die  Orthographie  als  Zwingherrn  der  Aussprache  im 
einen  Fall  abzuschütteln,  im  anderen  Falle  aber  zur  Bundesgenossenschaft  zu  ver- 
werten, diese  Versuche  greifen  über  unsere  Berichtsgebiete  hinüber;  der  Gedanke 
aber,  dem  sie  entspringen,  tritt  mit  den  anderen  oben  erwähnten  Gegensätzen  vor 
allem   im    Kampf  um   die    „Spraohdummheiten"     (vgl.    JBL.    1891    I    8:59; 

Gleichnissen:  ib.  S.  412/7,  441/7.  (Vgl.  F.  Riedl:  ib.  7,  S.  91/2.)  —  121)  A.  Eiohter,  Dtsch.  Redensarten.  Sprachl.  n.  knltnrgesch. 
erläut.  2.  verm.  Aufl.  L.,  R.  Richter.  190  8.  M.  2,00.  —  122)  H.  Koppel,  Einige  Worte,  betreffend  e.  Alcademie  d.  dtsch. 
Sprache:  ZDS.  6,  S.  369-72.  —  123)  id.,  Welche  Hauptaufgaben  hätte  e.  zultünft.  Akad.  d.  dtsch.  Sprache  in  graraniiit. 
Hinsicht  zu  lösen?:  ib.  S.  419-22.  (Forts,  in  Bd.  7.)  —  124)  H.  Pf ister-Schwaighusen,  Ueber  Stetigkeit  d.  Sprache  u.  ihre 
Würde:  DNJb.  3,  S.  132-43.  —  124a)  MADSprV(Berlin).  4,  S.  72/5,  96/8,  132/9.  —  125)  A.  Noreen,  Ueber  Sprach- 
richtigkeit. (Für  dtsch.  Leser  bearb.  v.  A.  Johannsen):  IndogermF.  1,  S.  95-157.  (Vgl.  dazu  d.  Nachtr.  v.  A.  Johannsen: 
ib.  S.  232-55.)  —  126)  A.  Tille,  Sprachentwicklnng  u.  geistiger  Fortschritt:  N&S.  66,  S.  68-81.  |[K.  Scheffler:  ZADSpr.  8, 
S.  128.]|  -  126a)  Sprachl.  TJngebährlichkeiten.  Aus  d.  Mappe  e.  alten  Bmpritns:  Pfarrhaus  S.  169-71.  —  127)  (8.  o.  N.  1; 
8.  .398-451.)  —  128)  C.   Fasöla,  Deir   Alfabeto   Tedesco.     Firenze,  8.  Landi.     16».     15  S.  —  129)  R.   Schwenk,   Kleine  An- 


H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.  18: 130-145 

1892  I  6  .  104—18)  zu  Tage.  Die  Hochflut  auf  diesem  Gebiete  scheint  sich  nun  zu 
verlaufen,  im  Berichtsjahre  überwieg-t  das  Referat  und  zwar  dasjenig-e,  das  an 
Wustmanns  Kritik '^oj  anknüpft.  —  In  einer  sehr  ausgedehnten,  teils  launigen, 
teils  trockenen  Abhandlung  rückt  Menge '^'J  mit  Recht  für  die  Untersuchungen 
über  das  relativische  „welcher"  neben  Minor  (vgl.  JBL.  1892  I  6  :  108)  auch  die  Beob- 
achtungen von  Schmits'32)  in  den  Vordergrund,  ausserdem  giebt  er  zahlreiche 
Belege  für  die  Schwierigkeiten,  denen  wir  bei  Adjektivableitungen  von  Eigennamen 
begegnen.  —  An  Wustmann  selbst  knüpft  Dunger '3^)  einen  Vortrag,  der  in  an- 
schaulicher Zusammenfassung  der  Hauptfragen  das  Beste  giebt,  was  aus  der  refe- 
rierenden Litteratur  zu  verzeichnen  wäre.  Indem  er  beschreibende  und  gesetzgebende 
Grammatik  trennt  und  die  Notwendig'keit  auch  der  gesetzgebenden  erweist,  mustert 
er  die  Instanzen,  von  denen  diese  Gesetzgebung  ausgehen  könnte.  Die  Schwankungen 
im  Sprachgebrauch,  die  landsmannschaftlichen  Färbungen  des  Sprachgefühls,  die 
Verschiedenartigkeit  subjektiven  Empfindens,  die  Verstösse,  die  die  herrschende 
Sprache  gegen  die  Logik  und  gegen  die  in  ihr  selbst  obwaltenden  Sprachgesetze  im 
einzelnen  wieder  begeht,  alle  diese  Momente  erschweren  es  uns,  einen  festen  Stand- 
punkt der  Beurteilung  zu  gewinnen.  D.  schliesst  sich  sodann  denen  an,  die  als 
einzige  Grundlage  den  Sprachgebrauch  anerkennen.  Wo  dieser  feststeht,  giebt  er 
den  Wertmesser  für  Wustmanns  Ausstellungen,  wo  er  aber  schwankt,  tritt  das  sub- 
jektive Ermessen  in  der  Auswahl  der  Instanzen  ein.  D.,  der  sich  der  Notwendigkeit 
eingehender  Untersuchungen  gerade  für  die  Erforschung  des  Sprachgebrauches 
voll  bewusst  ist,  hätte  diesen  hier  ihre  eigentliche  Stellung  einräumen  sollen.  Denn 
gerade  unter  den  Entscheidungen,  die  er  aus  subjektivem  Ermessen  fällt,  befinden 
sich  manche,  die  von  der  historischen  Forschung  abgelehnt  werden  müssen.  Er- 
freulich ist  der  unbefangene  und  sichere  Takt,  mit  dem  D.  die  Frage  der  Neu- 
bildungen, der  Fremdwörter  und  der  Gallizismen  resp.  Latinismen  behandelt.  Die 
Verschiedenartigkeit  der  Stilformen  von  Rede  und  Schrift  entgeht  dem  Vf.,  der 
sich  hier  zu  enge  an  Minor  anschliesst,  sie  wird  dagegen  von  Grienberger  1^'') 
g'ut  herausgehoben.  —  Ein  richtiger  Gedanke  findet  sich  auch  in  einem  socialistischen 
Aufsatze,  der  die  ..Sprachdummheiten"  dem  Kapitalismus  in  die  Schuhe  schiebt '^^). 
Ausgehend  von  dem  Zeitungsstile,  der  ja  mehr  als  alle  anderen  Berufssprachen 
unter  der  nervösen  Hast  leidet,  in  die  sich  heutzutage  der  Fleiss  früherer  Zeiten  um- 
gekehrt hat,  hebt  der  Vf.  hervor,  „dass  man  Zeit  haben  muss,  wenn  man  kurz  sein 
will.     Der  erste  Ausdruck  ist  noch  weniger  der  kürzeste  als  der  beste."  — 

Damit  treten  wir  in  die  polemischen  Arbeiten  über  die  Stil  formen  unserer 
Sprache  ein.  Die  Polemik  würde  sich  hier  auf  sichererem  Boden  bewegen,  wenn  die 
historische  Forschung  auf  diesem  Gebiete  besser  vorgearbeitet  hätte.  Wie  wenig 
das  der  Fall  ist,  sehen  wir  an  dem  tüchtigen  Handbuche  der  Stilistik  von  Lyon '3^), 
das  aber  der  Natur  der  Sache  nach  nur  ein  Lehrbuch  der  objektiven  Form  des 
„guten"  Stils  ist,  die  Frage  des  subjektiven  Stils  dagegen  nur  mit  allgemeinen 
Andeutungen  anschneidet.  —  Unter  diesen  Stilfärbungen  der  Sprache  bieten  vor 
allem  die  Berufs-  und  Standessprachen  der  Polemik  ein  willkommenes  Ziel. 
Vorne  an  steht  das  „Zeitungsdeutsch" '■'''"i^^),  dem  auch  Schumann''"')  den 
einschlägigen  Teil  seiner-  Betrachtungen  zuwendet.  —  Den  Romanschreibern 
widmet  Sosnosky^^^^  sein  Augenmerk,  das  mehr  auf  die  Aussenseite  gerichtet  ist 
als  in  die  Tiefe  dringt.  Ein  hervorstechender  Zug,  der  sich  aus  dem  raschen 
Verbrauch  des  Sprachgutes  erklärt,  ist  die  Neigung  zu  Uebertreibungen  und 
zur  Tautologie,  für  die  Wasserzieher '^')  hübsche  Beispiele  aus  unserem  klassischen 
Wortschatze  beibringt,  während  Hessen ^^2),  der  einige  Neubildungen  bekämpft, 
über  deren  Ursprung  sehr  im  Unklaren  ist.  —  Die  Beihülfe  der  Schule  nimmt 
Kubin^^3j  2u  solchem  Kampfe  in  Anspruch,  indes  andererseits  Weitz  enböck '•*'*) 
gerade  der  Schule  mit  ihren  Nachahmungen  des  französischen  Konditionalis  das  Vor- 
dringen der  schwerfälligen  Umschreibung  mit  „würde"  zur  Last  legt.  —  Wie  hier 
der  Schule,  so  werden  in  den  Grenzboten  von  einem  Anonymus  ^*^)  auch  der 
Wissenschaft   Unbilden    gegen    die    Sprache    vorgeworfen,    sowohl   den    Natur- 

fangsbnchstaben  in  verbalen  Ausdrücken :  BBG.  S.  29,  197— 200.  —  130)  X  ^CBl.  652/3;  K.Erbe:  ZADSpr.  8,  S.  89-93;  Sohns: 
COIRW.  21,  ö.  103/4  (Ref.  mit  ungenügender  Litt.- Angabe);  W.  Tascheck:  Paedagogium  15,  S.  157-66  (hebt  den  päd.  Wert 
hervor,  verzichtet  auf  sprachl.  Kritik).  —  131)  K.  Menge,  Heiteres  u.  Weiteres  aus  d.  Wustmann-Litt. :  ZDU.  7,  S.  293-355.  — 
132)  A.  Schmits,  D.  Kampf  gegen  d.  Sprachverwilderung.  Köln,  Du  Mont-Schauberg.  1892.  63  S.  M.  0,80.  —  133)  H. 
Dunger,  Was  heisst  Sprachdummheiten? :  ZADSpV.  7,  129-41.  —  134)  Th.  v.  Grienberger:  ÖLBl.  2,  S.  685,7.  —  135)  Kapital 
n.  Sprache:  NZ8t.  lo,  S.  417-21.  —  136)  0.  Lyon,  Kurzgefasste  dtsch.  Stilistik.  3.  Änfl.  L.,  Tenbner.  94  S.  M.  1,00.  — 
137)  X  A.  Dem  min.  Verschiedenes  Zeitungs-  n.  Landtags-  wie  Keichstagsdeutsch.  Wiesbaden,  Bechtold.  21  S.  M.  0,50. 
|[ZADSprV.  8,  S.  204  (deckt  bedenkliche  Blossen  an  dieser  Schrift  auf).J|  —  138)  X  J-  Sabin,  D.  Sprache  d.  Presse  u.  d. 
Parlaments.  Kiel,  Lipsins  &  Tischer.  50  S.  M.  1,00.  —  139)  P.  Schumann,  Sprachl.  Betrachtungen.  Dresden,  E.  Pierson. 
80  S.  M.  1,50.  l[Kw.  6,  S.  316,7;  H.  Schuller:  ZADSprV.  8,  S.  172,3.1]  —  140)  Th.  v.  Sosnosky,  Eidicnla.  Breslau, 
Trewendt.  103  S.  M.  1,80.  |(KonsMschr.  50,  S.  1375;6.]|  -  141)  E.  Wasserzieher,  Tautologien:  ZDU.  7,  S.  606/8.  —  142)  B. 
Hessen,  Z.  Unlogik  im  heutigen  Deutsch:  ML.  62,  S.  400/2.  —  143)  F.  Kubin,  D.  Hyperbel  u.  d.  Schule:  ZDU.  7,  S.  257-62. 
—  144)  G.  Weitzenböck,  Z.  Umschreibung  d.  Konjunktivs  mit  „würde"  (^  Sprechzimmer  N.  1.):  ib.  S.  134/5.  ~  145)  Grenzb. 


18:146-152  H.  Wunderlich,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache, 

Wissenschaften,  wo  sich  der  Vorwurf  g-eg-en  einen  Ausländer  richtet,  als  auch  der 
Geschichtsschreibung".  —  Auch  die  Juristen  spräche  dient  nach  ihrer  theoreti- 
schen und  praktischen  Seite  der  Polemik  zum  Zielpunkt.  —  Gensei '^^j  nimnit 
den  Entwurf  zum  bürgerlichen  Gesetzbuch  in  Angriff.  Nach  einer  Einleitung", 
die  entschieden  über  das  Ziel  hinausschiesst  und  namentlich  allgemeine  Sprach- 
erscheinung"en  als  besondere  Unarten  der  Juristeni^^a^  ausg-iebt,  wird  im  Gegensatz 
zu  den  mannigfachen  absprechenden  Urteilen  der  Pachg"enossen  zuerst  die  Frage  er- 
wogen, welche  stilistischen  Forderungen  eigentlich  an  ein  Gesetzbuch  gestellt  werden 
können.  G.  hebt  warm  die  Vorzüge  des  Entwurfs  hervor,  die  Würde  und  Stätigkeit 
der  Ausdrücke.  Seiner  Anschauung"  entspricht  es,  dass  der  Entwurf  zurückhaltend 
ist  geg-enüber  neuen  Sprachbildungen,  er  lobt  die  Vermeidung  der  Fremdwörter. 
Wenn  G.  „schiefe  Ausdrucksweisen"  tadelt,  so  entspringt  dieser  Tadel  weit  mehr 
dem  juristischen  als  dem  sprachlichen  Urteil;  dageg-en  zeigen  uns  die  „Verstösse 
gegen  die  Sprachlehre'',  die  G.  hervorhebt,  deutlich  die  Notlag-e,  in  der  sich  die 
Gesetzg"eber  gegenüber  dem  spröden  Material  unserer  Sprache  befanden.  „Verstösse 
gegen  den  Sprachgebrauch"  entdeckt  G.  vor  allem  im  Gebrauch  der  Präpositionen, 
die  allerdings  im  Entwurf  ihre  ganze  sinnliche  Frische  eingebüsst  haben.  „Sprach- 
unschönheiten"  nennt  G  sodann  die  Wendung"en,  die  man  dem  Kanzleistil  zur  Last 
legen  kann.  —  Von  anderer  Seite  wird  betont,  wie  vorteilhaft  der  zweite  Entwurf  des 
Gesetzbuches  vom  ersten  absticht '■*^'^),  indem  er  nicht  bloss  durch  Kürze  wirkt, 
sondern  auch  sonst  einen  Fortschritt  der  Sprachentwicklung  zeigt.  —  Dagegen 
fühlt  sich  Haape^^^c)  weniger  zum  Lobe  veranlasst,  wenn  er  einen  Ueberblick 
über  die  Sprache  der  neueren  Gesetzbücher  wirft,  er  sieht  hier  das  eigentliche 
Sprachmuster  in  der  badischen  Gesetzgebung.  —  In  die  juristische  Praxis  greift 
nun  Daubenspeck  1*'')  ein,  der  in  ähnlicher  Weise  wie  Gensei  die  Missbräuche 
nicht  bloss  an  der  Oberfläche  streift,  sondern  bis  auf  die  Wurzel  verfolgt.  Aus  den 
Formen  des  Prozessganges  entwickelt  er  die  Neigungen,  die  in  der  Sprache  der 
Entscheidung  missfallen.  Dazu  gesellt  sich  eine  hübsche  Bemerkung  von  Bahr, 
der  nachweist,  dass  im  Kollegialgericht  in  die  Sätze  des  Referenten  mitunter  aus 
der  Korona  Wendungen  eingeschoben  werden,  die  gar  nicht  in  den  Zusammenhang 
passen.  —  Wenn  den  Juristen  gern  Schwerfälligkeit  und  Breite  vorgeworfen  wird,  so 
hat  sich  umgekehrt  in  den  Kreisen,  die  im  vollen  Verkehrsleben  stehen,  natur- 
notwendig eine  Kürze  der  Sprache  entwickelt,  die  nicht  überall  Beifall  findet. 
Anstatt  auch  hier,  so  z.  B.  in  der  Kaufmannssprache,  die  Wurzeln  bloss  zu  legen 
und  das  Berechtigte  anzuerkennen,  ist  die  Polemik  gleich  mit  dem  allgemeinen 
Verdammungsurteil  zur  Hand,  so  bei  Scheffler '^^)  und  bei  Kiemich  ^*Si).  — 
Dem  entgegen  scheint  Socin^^sj  das  Für  und  Wider  eindringlicher  zu  häufen,  wie 
auch  im  Deutschen  Sprachverein''"*»)  für  die  berechtigten  Formen  des  kaufmännischen 
Stils  das  Wort  geführt  wird.  — 

Ebendort  taucht  natürlich  auch  die  B^emdwörter frage  auf,  für  die 
überhaupt  die  Berufssprachen  ein  ergiebiges  Feld  darbieten.  Neben  den  verschieden- 
artigen Beobachtungen,  die  hierüber  im  Berliner  Zweigverein  des  Deutschen  Sprach- 
vereins angestellt  werden,  sind  es  vor  allem  zwei  Standessprachen,  die  im  Berichts- 
jahre in  Frage  kommen,  die  der  Studenten  und  die  Sprache  im  Heere.  Für  die 
Studentensprache  ist  der  Anstoss  von  aussen  her  gekommen  durch  ein  Preis- 
ausschreiben der  Burschenschaftlichen  Blätter;  die  ganze  Bewegung  wird  von 
Runge ^50)  ausführlich  geschildert.  Von  Interesse  ist,  wie  sich  auch  hier  der  Gegen- 
satz der  Anschauungen  spiegelt:  während  die  Urheber  der  Bewegung  am  liebsten 
nach  Ausdrücken  greifen,  die  schon  jetzt  da  oder  dort  umlaufen,  hat  von  Pfister'^') 
ein  ganzes  Wörterbuch  altertümelnder  Benennungen  zusammengestellt,  die  sich  wohl 
nie  einbürgern  werden.  Im  allgemeinen  ist  überhaupt  die  Studentensprache  ein 
Gebiet,  das  die  Fremdwörterhetze  möglichst  meiden  sollte.  Die  Fremdwörter,  die 
hier  üblich  sind,  wurzeln  meist  mit  samt  dem  Brauche,  den  sie  bezeichnen,  in 
Auschauungen,  die  sich  im  neuen  Namen  seltsam  spiegeln  würden.  —  Anders  die 
Heeressprache.  Hier  trennt  Hilkeni52)  mit  richtigem  Blick  die  Bezeichnungen 
für  die  Rangstufen  und  Truppenkörper  von  den  übrigen  Benennungen  und  hat  für 
die  ersteren  historisches  Gefühl  übrig,    auch  wenn  sie  Fremdwörter    sind.     Natürlich 


1892.  3,  S.  476/7;  1S93.  1,  S.  404/5.  —  146)  W.  Gen  sei,  D.  Sprache  d.  Entwurfs  e.  bürgerl.  Gesetzbuchs.  L.,  Grunow.  79  S. 
M.  1,00.  |[LCB1.  S.  1428.]|  (Vgl.  IV  5:443.)  -  146  a)  X  G.  P  fitzer,  D.  Sprache  d.  Volks  u.  d.  Sprache  d.  Rechts:  Kenzelt  N.  1.— 
146b)  Juristendeutsch:  ZADSprV.  8,  S.  94/7.  —  146c)  W.  Ilaape,  D.  dtsch.  Gesetzessprache  mit  besond.  Rüclcsicht  auf  ihre 
gesch.  Bedeutung:  ib.  S.  49-53,  73/9.  —  147)  H.  Daubenspeck,  D.  Sprache  in  d.  gerichtl.  Entscheidungen.  B.,  F.  Yahlen. 
50  S.  M.  1,00.  |[M.  Friedländer:  ZDS.  7,  S.  331,6;  C.  Bahr:  Grenzb.  4,  S.  119-23.]|  (Vgl.  id.:  ZDS.  6,  S.  401-12;  459-60; 
7,  S.  295,6.)  —148)  K.  Scheffler,  „D.  heutige  Deutsch":  DNJb.  3,  S.  98-113.  —148a)  0.  Kiemich:  ZADSprV.  8,  S.  120/1. 
—  149)  X  A.  So  ein,  Wie  weit  sind  d.  Eigentümlichkeiten  d.  kaufraänn.  Stils  berechtigt?:  SchwRs.  3,  S.  428-34.  — 
149a)  ZADSprV.  8.  S.  39-40,  81/2.  —  150)  K.  Runge,  D.  Sprache  d.  Studenten:  MADSprV(Berlin).  4,  S.  140/9.  (Vgl.  dazu 
auch  0.  Eichler:  AkBll.  S.  49-50.)  -  151)  0.  v.  Pfister,  Studentisches  Verdeutschungs -Wörterbuch.  L.,  M.  Hoffmann. 
52  S.    M.  0,50.    —    152)  Hilken,  lieber  d.  dtsch.  Sprache  im  Heere:  MADSprV(Berlin).  4,   S.  2/6.    (Ber.  darüber  AMZg.  6S, 


J.  Bolte,  Stoffgeschichte.  I  8  iös-isö   I  10  :  1-6 

spukt  hier  für  den  „Leutnant"  die  Ableitung"  von  „Leute",  und  er  wird  als 
„Leuteführer"  bezeichnet.  Dag-eg-en  hat  sich  H.  für  seine  Verdeutschung-en  das 
alte  württembergische  Reglement  entg-ehen  lassen,  das  bekanntlich  erst  nach  dem 
J.  1870  die  französischen  Fremdwörter  des  preussischen  aufnehmen  musste.  —  Der 
Fremdwörterkampf  lässt  sich  im  einzelnen  hier  nicht  verfolgten,  er  schläg-t  sich  in 
zahllosen  kleinen  Aufsätzen  in  den  Veröffentlich ung-en  des  deutschen  Sprachvereins 
nieder,  er  zieht  sich  wie  ein  roter  Faden  stark  durch  alle  Abhandlung-en,  die  zur 
Sprache  der  Geg"enwart  Bezug-  nehmen.  So  beruht  auf  ihnen  auch  der  Schwer- 
punkt der  Ausführung-en  von  Tumlirz*^^)  über  „Sprachmischung-"  und  von 
W.  Aleyer^^'*)  über  die  Duisburger  Färbung-  der  Sprache.  —  Ja  selbst  die  Fremd- 
wörterbücher trag-en  diesem  Zug'e  der  Zeit  Rechnung-,  und  so  hat  Lyon'^^)  für  die 
17.  Auflag-e  des  alten  Hejse  die  amtlichen  Erlasse  über  Verdeutschung-  der  Fremd- 
wörter im  besonderen  berücksichtig-t.  — 


1,9 

Metrik. 

Andreas  Heusler. 


[Der  Bericht  über  die  Erscheinung-en  des  Jahres  1893  wird  im  fünften  Bande 
nachg-eliefert.] 


1,10 

Stoffgeschichte. 

Johannes  Bolte. 

Antike  Stoffe:  Pyramas  und  Thisbe  K.  1;  Sophonisbe  N.  3;  Amor  nnd  Psyche  N.  4;  Eselmensoh  K.  5;  Danae 
N.  6.  —  Orientalische  Stoffe:  Giftmädchen  N.  7;  Barlauin  nnd  Josaphat  N.  8.  —  Mittelalterliche  und  neuere 
Sage:  Fabliaux  N.  9;  Götterdämmerung  N.  11;  Graf  von  Bom  N.  12;  Brudermord  N.  13;  ewiger  Jude  N.  14;  Eoland  N.  16; 
Saladin  N.  19;  Rudolf  von  Habsburg  N.  20;  Agnes  Bernauer  N.  21;  Cid  N.  23;  Columbns  N.  24;  Faust  N.  25;  Demetrins 
N.  26;  Stainer  N.  27.  —  Märchen-  nnd  Schwanlcs toffe:  Allgemeines  N.  28;  Schlaraffenland  N.  29;  Voyages  imaginaires 
N.  30;  Jude  im  Dorn  N.  31;  lispelnde  Schwestern  N.  32;  Kaiser  und  Abt  K.  33.  —  Dramatische  Stoffe:  Esther  N.  35; 
Kaufmann  von  Venedig  N.  36;  Komeo  und  Julia  N.  3S:  Bramarbas  N.  39;  spanische  Einflasse  N.  40;  Jodelet  N.  41;  der  Falke 
N.  42.  —  Verschiedenes  (Teufel,  Ostern,  deutsche  Geschichte,  Wittenberg,  Sprichwörter)  N.  44.  — 

Antike  Stoffe.  Zu  der  im  vorigen  Jahrgang-e  angeführten  Schrift  Harts 
über  die  Pyramus-  und  Thisbe-Sage  (JBL.  1892  18:2)  sind  in  einer  Be- 
sprechung von  Bolte  1)  einige  Nachträge  geliefert;  die  Mängel  jener  Arbeit  hebt  auch 
Röscher^)  hervor.  — 

Eine  kürzlich  erschienene  Dramatisierung  des  Sophonisbe-Stoffes  durch  den 
greisen  albanesischen  Sprachforscher  und  Dichter  G.  de  Rada  giebt  Buchholtz^) 
Gelegenheit,  an  anderweitigen  Behandlungen,  namentlich  an  Geibels  Tragödie,  die 
Eigenart  der  italienischen  Dichtung  zu  messen.  Die  neueren  Monographien  über 
diesen  Stoff  hat  er  dabei  nicht  berücksichtigt.  — 

Das  durch  Apuleius  überlieferte  Märchen  von  Amor  und  Psyche  ist  von 
Erdmann*)  in  einer  Quellenuntersuchung  über  Molieres  Tragedie-Ballet  Psyche 
besprochen,  die  uns  unzugänglich  blieb.  — 

Auch  die  Hauptfabel  im  Romane  des  Apuleius,  das  Märchen  vom  E  s  e  1  - 
m  e  n  s  c  h  e  n  ,  ist  Gegenstand  einer  ausführlichen  Arbeit  geworden;  Weinh  old  ^) 
hat   mit   sicherer  Methode    die  Entwicklung   und  Verzweigung    dieser  zuerst  in  der 

S.  77  8.)  —  153)  C.  Tnmlirz,  Ueber  Sprachmischung.  Vortr.  geh.  am  4.  März  im  DSprV.  in  Czernowitz.  Czernowitz,  R.  Schally. 
16*.  32  S.  M.  0,40.  —  154)  W.  Meyer-Markau,  Unsere  hochdtsch.  Sprache  in  ihrem  Duisburger  Alltagsgewande.  Duis- 
burg, J.  Ewich.  36  S.  M.  0,60.  —  155)  J.  C.  A.  Heyses  allg.  verdeutschendes  u.  erklärendes  Fremdwörterbuch.  17.  Orig.-Ausg. 
Unter  Berücksichtigung  d.  amtl.  Erlasse  über  Verdeutschung  d.  Fremdwörter.  Bearb.  v.  0.  Lyon.  5.-10.  (Schlus8-)Ijfg. 
Hannover,  Hahn.     XII  u.  S.  353-907.     M.  3,60.  — 

1)  J.  Bolte:  DLZ  S.  523  4.  —  2)  W.  H.  Boscher:  BPhWS.  13,  S.  1301.  -  3)  H.  B  uchholtz,  Girolamo  de 
Rada,  Sofonisba.  Dramma  storico:  ASNS  90,  S.  328-34.-  4)  O  H.  Erdraann,  Molieres  Psyche  im  Vergleich  zu  den  ihr  vor- 
ingehenden  Bearbeitungen  der  Psyche -Sage     Diss.    Königsberg,  W.  Koch.    42  S.     M    1,00.  —  5)  (I  5:230.)  —  6)  A.  Wirth, 


I  10  :  7-13  J.  Bolte,  Stoff g-esch ich te. 

verlorenen  Schrift  des  Lukios  von  Paträ,  dann  bei  Apuleius  und  in  dem  pseudolu- 
kianischen  Dialog-e  Lukios  behandelten  Erzählung  darg-elegt,  die  sich  im  tirolischen 
Volk  wiederfindet.  — 

Dageg-en  entbehren  die  Untersuchungen  über  das  Danae- Motiv,  die  Wirth^) 
seiner  Ausgabe  von  zwei  griechischen  Texten  der  Barbara-  und  Irene-Legende  vor- 
aufgeschickt hat,  durchaus  dieser  wohlthuenden  Sicherheit.  W.  streift  mit  reicher 
Belesenheit  eine  grosse  Zahl  interessanter  Probleme,  verfällt  aber  vielfach  in  die 
phantastischen  Träumereien,  die  man  gewissen  älteren  Richtungen  in  der  vergleichenden 
Mythologie  mit  gutem  Grunde  vorgeworfen  hat.  Wenn  man  jede  mittelalterliche 
oder  moderne  Erzählung,  in  der  eme  Jungfrau  von  ihren  ängstlichen  Eltern  ein- 
gesperrt und,  als  trotz  alledem  ein  kühner  Freier  zu  ihr  gelangt,  Verstössen  wird, 
—  wenn  man,  sage  ich,  jede  solche  Erzählung  aus  dem  griechischen  Mythus  der 
Danae  ableiten  will,  so  gelangt  man  notwendigerweise  zu  Absurditäten.  — 

Orientalische  Stoffe.  Aus  dem  Morgenlande  stammt  die  eigenartige 
Sage  vom  Giftmädchen,  die  Hertz')  mit  staunenswertem  Pleisse  durch  die  Litte- 
raturen  des  10. — 17.  Jh.  verfolgt.  Der  pseudo-aristotelische  Traktat  „Geheimnis  der 
Geheimnisse",  der  einem  Araber  des  12.  Jh.  seinen  Ursprung  verdankt,  berichtet 
von  einer  schönen  mit  Gift  genährten  Jungfrau,  die  eine  indische  Königin  Alexander 
dem  Grossen  zusandte,  um  ihn  durch  ihre  Umarmung  zu  verderben;  Aristoteles 
aber  erkannte  und  beseitigte  die  Gefahr.  Diese  Erzählung  kehrt  in  den  mittel- 
alterlichen Alexanderromanen  ausserordentlich  häufig  wieder;  H.  weist  ihre  Elemente 
aber  auch  anderwärts  in  der  medizinischen  und  anthropologischen  Litteratur  nach, 
indem  er  die  Sagen  vom  bösen  Blick,  vom  giftigen  Hauche,  von  der  Vergiftung  im 
Liebesgenusse,  von  den  Zauberkräutern  Dictam,  Mandragora  und  Opium  bespricht 
und  dabei  Machiavellis  Komödie  „La  mandragola"  in  neue  Beleuchtung  rückt.  — 

In  noch  grössere  litterarische  Zusammenhänge  von  Orient  und  Occident  führt 
die  meisterhafte  Studie  Kuhns^)  über  den  aus  der  Buddhalegende  entstandenen 
Roman  Barlaam  und  Josaphat.  Aus  einer  Vergleichung  der  ältesten  arabischen, 
georgischen  und  griechischen  Versionen  folgert  K.,  dass  das  verlorene  Original  in 
der  Pahlavi-Sprache  geschrieben  war,  und  dass  sein  Vf.,  ein  christlicher  Iranier,  mit 
dieser  geschickten  Umarbeitung  einer  Buddha-Legende  den  iranischen  Buddhisten 
entgegentreten  wollte.  Aus  den  reichhaltigen  Erörterungen  über  die  spätere  Ge- 
schichte des  Romanes  seien  namentlich  die  Nachweise  über  die  eingestreuten 
Parabeln  hervorgehoben,  auf  denen  z.  B.  die  Kästchenwahl  in  Shakespeares  Kaufmann 
von  Venedig,  Hans  Sachs  Gedichte  vom  Tod  im  Stock  und  von  den  drei  Lehren 
der  Nachtigall,  Rückerts  Parabel  „Tod  und  Leben"  beruhen.  — 

Mittelalterliche  und  neuere  Sage.  Zu  der  mittelalterlichen  Sagenwelt 
der  germanischen  und  romanischen  Völker  mag  uns  ein  tüchtiges  Buch  B ediers") 
über  die  altfranzösischen  Fabliaux  hinüberleiten,  das  jedoch  mit  einiger  Ein- 
seitigkeit für  den  nationalen  Ursprung  dieser  Novellen  und  Schwanke  gegenüber 
der  Benfeyschen  Theorie  von  ihrer  indischen  Herkunft  eintritt  und  den  Nutzen  der 
bei  den  Anhängern  der  vergleichenden  Litteraturwissenschaft  beliebten  Parallelen- 
sammlungen stark  bezweifelt.  —  Ergänzungen  zu  Bedier  liefert  Schofields^*^) 
fleissiger  Artikel  über  das  Fabliau  „De  la  bourgeoise  d'Orliens",  das  bisher  als  un- 
mittelbare Quelle  für  Boccaccios  Novelle  von  Beatrice  und  Anichino  galt.  Seh.  zeigt, 
dass  der  Italiener  nicht  das  Fabliau  und  auch  nicht  eine  ähnliche  Episode  im 
Romane  von  Baudouin  de  Sebourc,  sondern  einen  verwandten  Volksschwank  be- 
nutzte, und  bespricht  die  späteren  Bearbeitungen  der  Geschichte,  u.  a.  die  Gedichte 
von   Rosenplüt  und  Burkard  Waldis.  — 

Eine  Erneuerung  der  skandinavischen  Göttersage,  die  der  Holländer  Emants 
in  seiner  Dichtung  „Götterdämmerung"  versucht  hat,  bespricht  Rehorn^'), 
der  1877  eine  Uebersicht  der  Nibelungendichtungen  geliefert  hat.  Die  Einheitlichkeit 
der  Handlung  wird  durch  die  Person  Lokis  herbeigeführt,  der  als  Sohn  Odhins  dar- 
gestellt wird.  — 

Die  Geschichte  des  Grafen  von  Rom,  den  seine  Gemahlin  als  Sänger 
verkleidet  aus  der  Gefangenschaft  der  Türken  befreit,  ist  durch  eine  Ballade  des 
16.  Jh.  bekannt;  im  17.  Jh.  wurde,  wie  Bolte '2)  zeigt,  das  treue  Ehepaar  unter  dem 
Namen  Bertulfus  und  Ansberta  von  dem  Jesuiten  Bidermann  in  einer  wiederholt 
dramatisierten  lateinischen  Novelle  gefeiert.   Ein  deutsches  Schauspiel  in  Alexandrinern, 


Danae  in  Christi.  Legenden.  Wien,  Tempsky.  VI,  löO  S.  M.  5,00.  |[0.  CrusinB:  LCBl.  1892,  S.  1584/5;  A.  Robertson: 
CIR.  7,  S.  67-71.]|  —7)  (I  5:229.)  — 8)  E.  Kuhn,  B.arlaam  u.  Joasaph.  E.  bibliogr.-litt.-gesch.  Studie.  Aus  AbhAkMunchenPh. 
München,  Franz.  4».  88  S,  M.  2,60.  —  9)  J.  Bedier,  Les  fabliaux.  fitudes  de  litt,  popul.  et  d'hist.  litt,  du  MA.  (—  Bibl. 
de  l'Ecole  des  hautes  ötudes  N.  98.)  Paris.  Bouillon.  XXVII,  485  S.  —  10)  W.  H.  Schofield,  The  source  and  bist,  of  the 
7.  novel  of  the  7.  day  in  the  Decameron:  StNPhL.  2,  S.  185-212.  —  U)  K.  Rehorn,  Marcellus  Emants,  Götterdämmerung. 
E.Gedicht  übers,  von  P.  A.  Schwippert.     Ilaarlem  1892:  BFDH.  9,  S.  273/7.  -  12)  (I  5:2.34.)  —  13)  E.  Wolter,  E.  litauische 


J.  Bolte,  Stoffgeschichte.  I  10  :  14-25 

das    den    Helden    Rudolf    von    Paqueville    nennt,    verwertet    auch    die    Sag-e    vom 
Möringer.  — 

Die  Ballade  von  der  bruder mörderischen  Schwester  behandelt  nach 
Wolter '3)  ein  1892  in  der  russischen  Kijevskaja  Starina  erschienener  Artikel  von 
W.  Peretz.  — 

lieber  die  seit  Anfang  des  13.  Jh,  nachweisbare  Sag*e  vom  ewigen  Juden, 
der  bald  Cartaphilus  oder  Joseph,  bald  Buttadaeus,  bald  Ahasverus  heisst,  und  dessen 
Leben  1602  in  einem  deutschen  Volksbuche  beschrieben  wurde,  hatte  Neubaur  *^-i^) 
schon  1884  eine  sorg'same  Untersuchung  veröffentlicht;  jetzt  unterrichtet  er  uns 
in  einem  Nachtrage  über  die  durch  die  Arbeiten  von  Morpurgo,  Gaston  Paris  u.  a. 
bekannt  gewordenen  französischen  und  italienischen  Zeugnisse,  sammelt  die  im 
deutschen  Volksmunde  umlaufenden  Ueberlieferungen  und  giebt  von  einigen  Be- 
trügern Nachricht,  die  in  der  Rolle  des  unglücklichen  Wanderers  auf  die  Leicht- 
gläubigkeit der  Menge  rechneten.  Seine  Bibliographie  zählt  56  Drucke  des  deutschen" 
Volksbuches  und  ausser  den  vlämischen,  französischen,  dänischen  und  schwedischen 
Uebersetzungen  nicht  weniger  als  139  Schriften  über  die  Sage.  — 

Mit  Uebergehung  eines  mir  unzugänglich  gebliebenen  Aufsatzes  über  die 
deutsche  Kaisersage '^)  wenden  wir  uns  den  in  der  Litteratur  verherrlichten  historischen 
Persönlichkeiten  zu.  Zu  Eickes  früher  erwähnter  Schrift  über  neuere  Behandlungen 
der  Rolandsage  (vgl.  JBL.  1892  I  8:  10a)  giebt  Koch^'')  einige  dankenswerte 
Nachträge.  ^^)  — 

Die  Rolle,  die  der  von  seinen  christlichen  Gegnern  geachtete  und  bewunderte 
Sultan  Saladin  in  den  französischen  und  italienischen  Epen  und  Novellen  spielt, 
hat  Paris '^j,  an  eine  Abhandlung  Fioravantis  anknüpfend,  beleuchtet,  leider  ohne 
auf  die  deutsche  Litteratur  und  Sage  einzugehen.  — 

Soffe^o)  mustert  verschiedene  Dichtungen  des  13.  bis  19.  Jh.,  die  den 
Kaiser  Rudolf  von  Habsburg  verherrlichen,  indem  er  sie  seinem  populären 
Zwecke  gemäss  nach  dem  Lebensgange  des  Helden  gruppiert  und  auf  Vollständigkeit 
verzichtet;  es  fehlen  z.  B.  die  neulateinischen  Ottokardramen  von  Calaminus  und 
Vernulaeus,  die  als  Vorläufer  Grillparzers  Beachtung  verdient  hätten.  — 

Das  tragische  Ende  der  unglücklichen  Agnes  Bernauer,  das  1780  durch 
den  Grafen  Törring  auf  die  Bühne  gebracht  wurde  und  seitdem  verschiedentlich 
Schauspieldichtern  als  Stoff  gedient  hat,  ist  der  Gegenstand  einer  anregenden  Unter- 
suchung von  Petri^i),  dem  für  die  Stoffsammlung  zwei  Straubinger  Programme  von 
Horchler  vorgearbeitet  hatten.  Am  ausführlichsten  bespricht  P.  die  verschiedenen 
in  dem  Zeiträume  1840 — 60  entstandenen  dramatischen  Entwürfe  O.  Ludwigs  zu 
einer  Agnes  Bernauer,  die  nicht  zur  Vollendung  gelangten.22)  (Vgl.  JBL.  1892 
IV  4  :  68.)  — 

Wie  die  Liebe  des  spanischen  Nationalhelden  Cid  zu  Chimene  von  drei 
Dramatikern  verschiedener  Nation  und  Zeit  dargestellt  wurde,  sucht  B  0  r  m  a  n  n  ^3) 
durch  eine  ausführliche  Analyse  von  Guillen  de  Castros  Mocedades  del  Cid, 
CorneiUes  Cid  und  Fedor  Wehls  „Liebe  und  Ehre"  darziüegen.  — 

Eine  ganze  Reihe  deutscher  Columbus- Dichtungen  hat  Loevinson^*),  ein 
junger  in  Deutschland  herangebildeten  Historiker,  in  italienischer  Sprache  den  Lands- 
leuten des  grossen  Genuesen  vorg'eführt,  um  die  Lücken  von  P.  Carbonis  Buch 
Cristoforo  Colombo  nel  teatro  (Mailand  1892)  zu  ergänzen.  Er  beginnt  die  Reihe  der 
epischen  Dichtungen  mit  Schillers  Distichen  und  würdigt  auch  Bodmers  Colombona, 
während  er  z.B.  Sal.  Toblers  Epos  (1846)  übersieht;  in  einem  zweiten  Teile  sind  acht 
Dramen  von  Kling'emann,  Rückert,  Herrig,  Werder  u.  a.  besprochen  (vgl.  IV  4  :  100).  — 

Ueber  den  Schwarzkünstler  Faust  hat  Kiesewetter ^s)  eine  umfäng- 
liche Arbeit  erscheinen  lassen,  die  von  der  dichterischen  Verwertung  der  Faustsage 
völlig  absieht  und  die  Gestalt  als  Vertreter  des  Okkultismus  im  Zusammenhange  mit 
älterer  und  späterer  magischer  Litteratur  auffasst.  Was  K.  zur  Erläuterung  einzelner 
Faustabenteuer  daraus  beibringt,  mag  für  manchen  Interesse  besitzen,  obwohl  da 
Wunderliches  genug  mit  unterläuft;  des  Mephostophilus  Verkehr  mit  Faust  z.  B. 
wird  als  Spaltung  des  Ichs  erklärt.  Dürftig  aber  und  durch  Unkenntnis  der  neueren 
Litteratur  auffällig  ist  das,  was  (S.  1  —  66)  über  Fausts  geschichtliche  Person  aus- 
geführt wird  (vgl.  II  3  :  28;  III  3  :  2).  — 


Daina  über  d.  Brudermord :  MLitauLG.  3,  S.  542.  — 14)  (1 5  :  226.)  — 15 )  (^3  :  126.)  —  16 )  O  K.  H  o  e  b  e  r ,  Z.  dtsch.  Kaisersage :  HJb.  14, 
8.67  8.  —  17)MaxKoch:  ZYLR.  6,  S.  256  9.  —  18)  L.F  ranke  1,  Th.Eicke,  Z.  neueren  Litteraturgeschichte  der  Eolandsage  (vgl. 
-JBL.  1892  1 8 :  10 a) :  LBlGRPh.  S.  286,7.  (Vgl.  auch  K.  W e i n h o  1  d :  ASNS.  90,  S. 406.)  — 19)  G.  P  a  r i s ,  A.  Fioraranti,  II  Saladino  nelle 
leggende  f rancesi  e  italiane  del  medio  evo.  Reggio  1891 :  JSav.  S.  284-99, 354-6.5, 428-33, 486-98.  —  20)  E.  S  o  f  f  e  Rudolf  v.  Habsbnrg  im 
Spiegel  d.  dtsch.  Dichtung.  Fürd.  studierende  Jugend  Oesterreichs geschild.  Progr.  Brunn.  16  S.  —  21)  J.  Petri,  D.  Agnes-Bernauer- 
Stoff  im  dtsch.  Drama.  Diss.  Rostock.  1892.  47  S. —  22)  O  K.  Hanebuth,  Ueber  d.  hauptsächlichsten  Jeanne  d'Arc- Dichtungen 
d.  15.,  16.  u.  beginnenden  17.  Jh.  Diss.  Marburg.  91  S.  —  23)  W.  Bormann,  D.  Cid  im  Drama.  Beitr.  z.  vergleJchenden 
Litt.-Gesch.  n.  Aesthetik:  ZVLR.  6,  S.  5-33.  —  24)  G.  Loerinson,  Cristoforo  Colombo  nella  letteratura  tedesca.  Torino, 
Loescher.  131  S.  |[L.  Fränkel:  LCBl.  S.  985/6;  Ausland  S.  271/2;  G.  Fortebracci:  Cnltura  1,  S.  2334.11  -  25)  (I  5:224.) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    lY.  18 


I  10  :  26-38  J.  Bolte,  Stoffg-Bschichte. 

Die  wichtig-eren  Dramen  vom  falschen  Demetrius  unterzieht  Popek^^) 
einer  eingehenden  Musterung;  zuerst  Puschkins  und  Lope  de  Vegas  Dichtung-en, 
dann  Schillers  Fragment,  in  dem  die  beiden  verschiedenen  Pläne  auseinander  g-e- 
halten  werden,  und  seine  Ergänzer,  von  Maltitz  und  Kühne.  In  einer  Fortsetzung- 
sollen auch  die  selbständigeren  Demetriusdramen  besprochen  worden.   — 

Der  berühmteste  deutsche  Geigenbauer,  Jakob  Stainer,  der  1683  in 
Schwermut  sein  Leben  endete,  ist  schon  mehrfach  in  der  Litteratur  verherrlicht 
worden;  jetzt  vereinigt  ein  ungenannter  Herausgeber^'*)  in  einem  Bändchen,  das 
freilich  jeglichen  Vorworts  ermangelt,  mehrere  auf  ihn  bezügliche  Arbeiten  von  drei 
tirolischen  Landsleuten:  Seb.  Rufs  aktenmässig-e  Biographie  vom  J.  1872,  Joh.  Schulers 
noch  ältere  Novelle  und  ein  Gedicht  Hermanns  von  Gilm.  — 

Märchen-  und  Schwankstoffe.  Wieviel  aus  diesem  Litteraturkreise 
durch  Hans  Sachs  in  unsere  Dichtung  eing-eführt  oder  in  entscheidender  "Weise  um- 
gestaltet worden  ist,  erkennt  man  im  allg-e  meinen  aus  der  trefflichen  Sammlung' 
seiner  Fabeln  und  Schwanke,  die  Goetze-^)  begonnen  und  auch  mit  Quellen- 
nachweisen ausgestattet  hat. 

Auf  Hans  Sachs  geht  auch  das  Märchen  vom  Schlaraffenland  zurück, 
dessen  Beliebtheit  K  a  w  e  r  a  u  ^f»)  aus  der  gegen  die  faulen  Tagediebe  und  Bettler 
gerichteten  Tendenz,  die  ebenfalls  in  der  gleichzeitigen  Grobian usdichtung  hervortritt, 
zu  erklären  weiss.  — 

Zur  Geschichte  der  Voyages  imaginaires  seit  Rabelais  und  Morus  liefert 
Borkowsky^ö)  in  seiner  Quellenuntersuchung  über  Swifts  Gulliver  einen  Beitrag. 
(Vgl.  III  3  :  15—30).  — 

Zu  dem  schon  im  vorigen  Berichte  (vgl.  JBL.  1892  1 8  :  13)  erwähnten  Märchen 
vom  Juden  im  Dorn  bringt  Bolte^^)  einig-e  weitere  Parallelen  bei,  während 
Zupitza^ia)  von  dem  englischen  Gedichte  des  15.  Jh.,  das  die  älteste  Fassung  dieses 
Schwankes  repräsentiert,  einen  zuverlässigen  Text  nach  zwei  Hss.  liefert.  — 

Einen  noch  jetzt  im  Volke  verbreiteten  Schwank  von  drei  lispelnden 
Schwestern,  die  in  Gegenwart  des  Freiers  Schweigen  bewahren  sollen,  weist 
Bolte32)  jn  einem  anonymen  Meisterliede  des  16.  Jh.  nach.  — 

Hoenig33)  zeigt  an  der  englischen  Ballade,  die  zu  Bürgers  Gedicht  vom 
Kaiser  und  Abt  die  Anregung  gab,  wie  frei  umdichtend  ihr  Herausgeber  Percy 
mit  der  Ueberlieferung  umsprang.^*)  — 

Dramatische  Stoffe.  Hier  sei  eine  solide  Arbeit  von  Schwartz^^)  über 
die  Esther-Dramen  des  16.  Jh.  wenigstens  erwähnt,  obwohl  es  sich  in  diesen  weniger 
um  Umwandlungen  des  biblischen  Berichtes,  als  um  die  grössere  oder  geringere  Aus- 
dehnung des  Stoffes  handelt.  Die  eine  Gruppe  der  Dramatiker,  an  deren  Spitze 
Hans  Sachs  steht,  stellt  die  ganze  Erzählung  unverkürzt  dar,  die  andere,  die  sich  an 
Naogeorgs  Hanian  anschliesst,  beschränkt  sich  auf  den  Sturz  Hamans  durch  Esther.  — 

Shakespeares  Kaufmann  von  Venedig  gilt  eine  Quellenuntersuchung 
Land  aus  3^),  der  mit  bekannter  Belesenheit  die  beiden  hier  verbundenen  Er- 
zählungen vom  scharfsinnigen  Urteil  und  von  den  drei  Kästchen  in  ihrer  Ent- 
wicklung verfolgt,  aber  auch  die  Züge,  in  denen  Shakespeares  Selbständigkeit  her- 
vortritt, genügend  betont.  —  Die  Fabel  vom  Fleischpfande  teilt  Pf  äff  3'')  in  einer 
Prosaaufzeichnung  aus  einem  Villinger  Rechtsbuche  des  16.  Jh.  mit,  die  wohl  direkt 
aus  dent  Meisterliede  von  Karls  Recht  hervorgegangen  ist.  — 

Zur  Vorgeschichte  der  Tragödie  von  Romeo  und  Julia  hat  der  fleissige 
Fränkel^^)  schon  wiederholt  Beiträge  geliefert;  in  einem  besonderen  Buche  be- 
handelt er  nun  die  Balkonscene,  deren  Verwandtschaft  mit  den  deutschen  Tageliedern 
schon  Gervinus  hervorgehoben  hatte.  Vers  für  Vers  vergleicht  er  mit  der  Liebes- 
lyrik des  deutschen  Mittelalters  und  der  späteren  Zeiten;  er  erwägt  die  Rolle  der 
Nachtigall  und  Lerche  in  diesen  Dichtungen  und  bringt  so  ein  reiches,  auch  für 
andere  Betrachtungen  brauchbares  Material  zusammen.  Die  Quellenfrage  freilich 
ist  damit  für  Shakespeare  noch  nicht  gelöst;  da  F.  nach  englischen  Tageliedern  ver- 
geblich gesucht  hat,  vermutet  er  Shakespeares  Vorbild  in  der  niederländischen  Lyrik, 
durch  die  jenes  Motiv  der  germanischen  Dichtung  nach  England  gelangt  sei.  — 


—  26)  A.  Popele,  D.  falsche  Demetrius  in  d.  Dichtung  mit  bes.  Berücksichtig.  Schillers  u.  seiner  Fortsetzer.  I.  Progr.  Linz, 
37  S.  —  27)  3ak.  Stainer,  d.  Geigenmaoher  v.  Absam  in  Gesch.  u.  Dichtung.  Innsbruck,  Wagner.  1892.  X,  143  S.  M.  1,00. 
|[ÖLßl.  2,  S.  567.]|  —  28)  H.  Sachs,  Sämtliche  Fabeln  u.  Schwanke.  Her.  v.  E.  Goetze.  1.  Bd.  (=  NDL.  N.  1107.)  Halle  a.S., 
Niemeyer.  X,  594  S.  M.  6,00.  (Vgl.  auch  II  3.)  —  29)  W.  Kawerau,  D.  Märchen  vom  Schlaraffenland:  AZg».  N.  229.  — 
30)  Th.  Borkowsky,  Quellen  zu  Swifts  Gulliver.  (Diss.  Rostock.  45  S.):  Anglia  15,  S.  345-89.  [[0.  Glöde:  EnglSt.  18, 
S.  461  3,]|  —  31)  J.  Bolte,  Z.  Tanz  d.  Mönches  im  Dornbusch:  ASNS.  90,  S.  289-95.  —  31a)  J.  Zupitza,  Jak  and  his  step 
dame,  nach  d.  Hs.  Eawlinson  C  86  mit  d.  Abweichungen  d.  Porkington-Ms. :  ib.  S.  51-82.  —  32)  (I  5:243.)  —  33)  B.  Hoenig, 
Percys  Ballade  „King  John  and  the  Abbot  of  Canterbury":  EnglSt.  18,  S.  307-15.  —  34)  O  M.  E we  rt,  Ueber  d.  Fabel:  D. 
Rabe  u.  d.  Fuchs.  Diss.  Rostock.  124  S.  —  35)  Rud.  Schwartz,  Esther  im  dtsch,  u.  neulat.  Drama  d.  Reformationszeit- 
alters. Oldenburg  u.  L.,  Schulze.  VII,  276  S.  M.  4,00.  (Vgl.  auch  II  7.)  —  36)  M.  Landau,  Shakespeares  Kaufmann  v. 
Venedig:  AZg«.  N.  70,  83/5.  —  37)  F.  Pfaff,  Karls  Recht:  ZVLR.  6,  S.  397/9.  —   38)  L.  Fränkel,  Shakespeare  u.  d.  Tage- 


C.  Gurlitt,  Kunstg-eschichte.    1892,  1893.  I  10:39-50   I  11 

Ueber  den  Typus  des  Bramarbas  bei  Shakespeare  und  den  gleichzeitigen 
englischen  Dramatikern  enthält  die  von  Koch 3«)  angezeigte  Dissertation  Grafs  nützliche 
Zusammenstellungen.  — 

Was  die  englischen  Dramatiker  den  spanischen  Einflüssen  verdanken, 
stellt  Bahlsen^")  in  raschem  Ueberblicke  zusammen,  ohne  jedoch  genau  zu  scheiden, 
was  auf  spanische  Dramen  und  was  auf  g-emeinsame  novellistische  Quellen  zurückgeht.  — 

Eingehender  prüft  Peters'**)  die  Einwirkungen  des  spanischen  Schauspiels 
auf  die  französischen  Dichter  Hardy,  "Rotrou,  Corneille,  Moliere  und  Scarron,  wor- 
über schon  oft  geredet,  aber  verhältnismässig  wenig  ermittelt  ist.  Er  zeigt  an  dem 
Jodelet  duelliste  Scarrons  das  Verfahren  des  Franzosen,  der  darin  zwei  Dramen 
von  Tirso  und  Rojas  geschickt  vereinigt  und  umarbeitet.  Auch  für  die  deutsche 
Litteraturgeschichte  haben  diese  Quellenforschungen  Wert;  denn  Frankreich  hat 
während  des  17.  Jh.  zwischen  dem  spanischen  und  deutschen  Theater  eine  bedeut- 
same Vermittlerrolle  gespielt.  — 

Häufig  dramatisiert  ist  auch  die  Novelle  Boccaccios  von  dem  Falken 
(vgl.  JBL.  1892  IV  8e  :  41)  des  verarmten  Ser  Federigo,  deren  Verbreitung  in  den 
europäischen  Litteraturen  Anschütz*^)  verfolgt;  auf  einige  übersehene  Stücke 
weist  Stiefel  in  seiner  Besprechung  hin.*^)  _ 

Verschiedenes.  Es  bleiben  schliesslich  noch  einige  Veröffentlichungen 
zu  erwähnen,  die  sich  keiner  der  früher  besprochenen  Gruppen  einreihen  lassen 
und  teilweise  auch  nur  als  Materialsammlungen  in  Betracht  kommen.  Eine  polnische 
Abhandlung'*'*)  über  die  Rolle  des  Teufels  in  der  Dichtung  ist  mir  leider  nicht 
verständlich.  —  Für  weitere  Kreise  berechnet  hat  Frey be^^)  sein  Büchlein  über  das 
Osterfest,  in  dem  er  die  sich  daran  anschliessenden  Volksbräuche,  die  kirchliche 
Feier  des  Mittelalters  und  die  Darstellung  der  Ostergeschichte  im  angelsächsischen, 
altsächsischen,  mittelhochdeutschen  Epos,  in  Klopstocks  Messiade  sowie  in  den  Oster- 
dramen  des  15.— 16.  Jh.  darstellt  und  durch  eingestreute  Bruchstücke  veranschaulicht. 
—  Eine  Anthologie  für  Schulzwecke  ist  Dietl einsaß)  Sammlung  von  111  Gedichten 
des  19.  Jh.  über  Ereignisse  der  deutschen  Geschichte*")  —  Populäre  Zwecke 
verfolgt  gleichfalls  Wagners*»)  Festschrift  zum  600jährigen  Stadtjubiläum  Witten- 
bergs, obwohl  unter  die  auf  Luther,  Faust  und  andere  Berühmtheiten  Wittenbergs 
bezüglichen  Gedichte  und  Sagen  auch  einige  lateinische  Verse  aus  dem  16.  Jh. 
eingestreut  sind. 4^)  —  Die  in  den  Sprichwörtern  niedergelegten  Volksanschauungen 
der  Franzosen,  Italiener,  Russen  und  Chinesen  über  Arbeit,  Handel,  Wahrhaftigkeit. 
Ehre,  Freundschaft,  Liebe  usw.  schildert  Freund^*')  in  seinen  parömiologischen 
Skizzen,  indem  er  öfter  auf  parallele  oder  entgegengesetzte  deutsche  Sprichwörter 
hinweist.  — 


1,11 

Kunstgeschichte.    1892,  1893. 

Cornelius  Gurlitt. 

Kunstlehre:  Erziehung  zur  Kunst  auf  den  Universitäten  N.  1,  auf  den  Schulen  N.  4,  auf  den  Kunstakademien 
N.  6;  ästhetische  und  technische  Fragen  N.  9.  —  Kunstkritik  N.  28.  —  Kunstgeschichte:  Allgeraeines  N.  56.  — 
Kunsttopographie:  Allgemeines  N.  80;  Sohlesien  N.  82;  Königreich  Sachsen  N.  83;  Thüringen  N.  84;  Bayern  N.  85;  Württem- 
berg N.  87;  Baden  N.  88;  EIsass-Lothringen  N.  89;  Hessen  N.  90;  Frankfurt  a.  M.  N.  92;  Rheinprovinz  N.93;  Westfalen  N.  94; 
Oldenburg  N.  95;  Pommern,  West-  und  Ostpreussen  N.  96;  Provinz  Sachsen  N.  99;  Anhalt  N.  100;  Braunschweig,  Kreis  Münster 
N.  101;  Berlin  N.  103;  Provinz  Posen  N.  104;  Oesterreich  N  106.  —  Lokale  Einzelheiten:  Provinz  Sachsen  N.  117;  Westfalen, 
Rheinlande  N.  124;  Schwaben  N.  131;  Elsass  N.  141;  Bayern  N.  143.  —  Geschichte  der  Architektur  N.  157.  —  Malerei  der 
Renaissance:  A.  Dürer  (Nürnberg,  M.  Schongauer)  N  170;  Dürers  Schule  und  Zeitgenossen:  Hans  von  Kulmbach  K  201, 
H.  L.  Schaeuffelin  N.  202;  H.  Holbein  d.  J.  N.  203;  L.  Cranach  N.  210;  schweizerische  Maler  N.  216;  A  Altdorfer  N.  221; 
B.  Strigel  N.  225;  Barthel  Beham  N.  227:  W.  Dietterlin  N.  229;  Hans  Baldnng  Grien  N.  230;  die  Glockendons  N.  234;  Th. 
Mnrner  N.  236;    L.  Bock  N.  239;    Kölner  Glasmalerei  K  240;    österreichische  Renaissance   N.  244.    —    Bildhauerei  des  15.  bis 


lied.  E.  Beitr.  z.  vergleich.  Litt.-Gesch.  d.  german.  Völker.  Hannover,  Helwing.  V,  132  S.  M.  3,00.  ~  39)  Max  Koch, 
H,  Graf,  D.  Miles  gloriosus  im  engl.  Drama  bis  z.  Zeit  d.  Bürgerkrieges.  (Diss.  Rostock.  58  S.):  EnglSt.  18,  S.  134  5.  —  40) 
L.  Bahlsen,  Span.  Quellen  d.  dramat.  Litt.  Englands,  bes.  zu  Shakespeares  Zeit:  ZVLR.  6,  S.  1519.  —  41)  R.  Peters, 
Paul  Scarrons  Jodelet  duelliste  u.  seine  span.  Quellen.  Mit  e.  Einl.:  D.  Resultate  d.  bisherigen  Forschung  über  d.  span. 
Einfluss  auf  d.  franz.  Drama  d.  17.  Jh  (=  Mnnch.  Beitrr.  z.  roman.  u.  engl.  Philol.  Her.  v.  H.  Breymann  u.  E.  Koeppel 
N.  6.)  Erlangen,  Deichert.  VIT,  102  S.  M.  2,00.  —  42)  R.  Anschütz,  Boccaccios  Novelle  vom  Falken  n.  ihre  Verbreitung 
in  d.  Litt.  Nebst  Lope  de  Vegas  Komödie:  El  Halcon  de  Federigo.  (=  Erlang.  Beitrr.  z.  engl.  Philol.  Her  v.  H.  Varnhagen 
N.  13.)  ebda.  1892.  101  S.  M.  2,00.  |[M.  Hippe:  EnglSt.  18,  S.  2334;  A.  L.  Stiefel:  LBIGRPh.  S.  3723;  LOBl.  S.  330: 
H.  A.  Rennert:  MLN.  8,  S.  306-10;  Ch.  Dejob:  RCr.  35,  S.  51,3.]|  -  43)  X  W.  Golther,  K.  Nyrop,  Nej.  (vgl.  JBL.  1892 
I  8:21):  ZVLR.  6,  S.  1404.  —  44)  J.  Matuszewski,  D.  Teufel  in  d.  Poesie.  Litt -künstl.  Studie  (in  polnischer  Sprache): 
Ateneum  1,  S.  21-57,  417-67,  490-528.  —  45)  (I  5:57.)  —  46)  W.  Dietlein,  Dtsch.  Geschichte  im  Gewände  vaterländ.  Dich- 
tung. Für  Schule  u.  Haus.  Lai.gensalza,  Beyer.  1892.  VI,  129  S.  M.  1,20.  —  47)  X  ö-  Ellinger,  J.  Bolte,  D.  Bauer  im 
dtsch.  Liede  (vgl.  JBl.  1890  II  2:23;  III  2:22;  1891  II  2:29):  ZDPh  25,  S.  423.  —  48)  (I  4:376.)  —  49)  O  G.  Kohn, 
Polen  im  Spiegel  dtsch.  Poesie:  PNL.  S.  670.  —  50)  L.  Freund,  Ans  d.  Spruchweisheit  d.  Auslandes.  Parömiologische 
Skizzen.    Hannover,  C.  Meyer.    44  S.    M.  1,00.  — 

18* 


I  11  : 1-2  C.  Gurütt,  Kunstg-eschichte.    1892,  1893. 

17.  Jh.  N.  248.  —  Kunst  des  17.  und  18.  Jh.  N.  256.  —  Zeit  des  Klassizismus  und  der  Romantik:  Allgemeines  N.  27,5;  Angelika 
Kauffmann  N.  273;  A.  Trippel  N.  281;  H.  Keller  N.  283;  Nachzügler  des  18.  Jh.  N.  284;  Chrn.  Rauch  N.  289;  W.  Ahlborn. 
L.  Richter  N.  292;  W.  Kaulbach  N.  294;  A.  Rethel,  E.  von  Bändel  N  295;  L.  von  Führich,  J.  von  Schraudolph,  E.  Eietschel, 
Ph.  Veit,  L.  ßode  N.  298;  Architekten  N.  302a;  Verschiedenes  N.  309;  Künstler-Nekrologe  N.  .332.  —  Moderne  Knnst:  A.  Böcklin, 
H.  Thema  N.  349;  F.  von  Uhde  N.  352;  A.  Menzel,  F.  Skarbina  N.  354;  M.  Liebermann  N.  356:  F.  Stuck,  0.  Greiner  N.  359; 
H.  Ilerkomer,  H.  Prell,  L,  von  Gleichen-Russwurm,  Ad.  Hildebrand,  U.  Kaulbach  N.  362;  II.  Hendrich,  F.  von  Lenbach 
(„Allotria"),  Ad.  Schreyer  N.  374;  G.  Eberlein,  W.  Busch,  M.  Klein  N.  378.  —  Kunsthistoriker  (W.  Lübke,  A.  Springer, 
H.  Janitschek,  A.  von  Essenwein,  F.  R.  Steche  [F.  Gurlitt,  E.  W.  von  Brücke],  J.  Burckhardt)  N.  384.  —  Specialgebiete: 
Vervielfältigende  Künste  N.  411;  Gartenbau  N.  430;  Kunstgewerbe  N.  433;  öffentliche  Kunstinstitnte  N.  446.  — 

Kunstlehre.  Die  so  wichtige  Erziehung-  zur  Kunst,  zunächst  auf 
den  Universitäten,  ist  eine  der  treibenden  Absichten  fast  aller  kunstg'eschicht- 
lichen  und  kritischen  Produktion.  In  dem  hier  zu  behandelnden  Zeitabschnitte  trat 
dieses  Streben  besonders  kräftig-  hervor.  Die  innere  Veranlassung-  dürfte  der  Tod 
des  hervorragendsten  deutschen  Lehrers  der  Kunstg-eschichte,  Anton  Spring-ers,  g-e- 
wesen  sein,  welcher  bei  zwei  Universitätslehrern,  Schmar  so  w*)  und  Kon  r  ad  Lang-e-), 
zu  dem  Bedürfnis  führte,  sich  und  der  Welt  über  Ziele  und  Stand  des  deutschen 
Kunstunterrichts  Rechenschaft  zu  g-eben.  Die  Porderung-en,  welche  Seh.  aufstellt, 
beziehen  sich  zunächst  auf  jene  Studierenden,  welche  Kunsthistoriker  von  Beruf 
werden  wollen,  d.  h.  auf  Leute,  welche  die  Befähig-ung-  erlang-en  wollen,  die  Kunst- 
g-eschichte zu  fördern  oder  doch  weiter  zu  lehren.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  die 
Kunstg-eschichte  in  den  letzten  Jahrzehnten  g-anz  ausserordentliche  Fortschritte  im 
Ausbau  ihrer  Lehre  g-emacht  hat,  und  zwar  unter  der  Leitung-  von  Männern,  deren 
hervorrag-endste  Eigenschaft  gewiss  nicht  das  innigste  Verhältnis  zur  Kunst  war, 
wenigstens  insofern  nicht,  als  man  unter  Kunst  die  immer  erneute  Bethätigung  des 
Strebens  versteht,  schönheitliche  Werte  in  der  Natur  zu  erkennen  und  sie  auf  dem 
Umwege  über  Auge,  Hirn  und  Hand  anderen  vorzuführen.  Die  fördersamen  Kenner 
jungen  Schaffens  fand  man  selten  an  den  Universitäten;  selten  waren  es  die  Pro- 
fessoren für  Kunstgeschichte.  Diese  standen  öfter  an  jener  Seite,  von  der  man  die 
fortschreitende  Entwicklung  durch  guten  Rat  und  zorniges  Schelten  hemmen  zu 
können  glaubte,  die  erst  nach  den  Siegen  neuer  Richtungen,  so  gut  es  gehen  will, 
sich  mit  ihr  versöhnten.  Ich  stehe  nun  nicht  an  zuzugestehen,  dass  man  ein  sehr 
guter  Kunsthistoriker  auch  ohne  diesen  Kunstsinn  sein  kann.  Giebt  es  doch  auch 
grosse  Historiker,  welche  für  Politik  ein  sehr  bescheidenes  Verständnis  besitzen.  Denn 
zum  Kunsthistoriker  macht  den  Mann  das  vergleichende  Abwägen  einer  fertigen 
Zeit  und  ihrer  schönheitlichen  Aeusserungen;  vom  Kunstsinn  aber  fordert  man  das 
Erkennen  bisher  unentdeckter  Wahrheiten  und  Schönheiten  in  dem  Werke  des 
Künstlers.  Es  kann  vorkommen,  dass  der  Kunsthistoriker  Kunstsinn  braucht,  wenn 
es  z.  B.  gilt,  eine  bisher  nicht  erkannte  alte  Kunstschönheit  aufzufinden,  in  bekannten 
Werken  ihre  Vorbilder  und  mithin  ihre  Berechtigung  in  der  Natur,  in  den  Er- 
scheinungen oder  Empfindungen  der  schöpferischen  Zeit  und  ihrer  Vertreter  zu  ent- 
decken. Solch  ein  Mann  von  Kunstsinn  war  z.  B.  Winckelmann,  der  die  allbekannte 
Antike  neu  kennen  lehrte.  Aber  die  ihm  folgende  Periode,  welche  der  von  Seh. 
erstrebten  Bildungsart,  freilich  mit  sehr  einseitiger  Richtung  auf  eine  bestimmte 
Schönheitsform  entsprach,  hat  dem  Kunstsinn  im  deutschen  Volke  wesentlich  mehr 
geschadet  als  genützt  obgleich  sie  in  weit  höherem  Masse  eine  Einheit  des  Denkens 
und  Empfindens,  des  Schaffens  und  Wollens  darstellte  wie  unsere  Zeit.  Durch  die 
Einführung  in  die  Wissenschaft  der  Kunst,  durch  vergleichende  Betrachtung  der 
Kunstwerke  und  der  in  ihnen  sich  offenbarenden  Wandlungen  des  Menschengeistes, 
durch  ästhetische  Würdigung  und  durch  Erkennen  der  Beziehungen  zu  anderen 
Geistesströmungen  bildet  man  gewiss  im  Sinne  von  Sch.s  Ausführungen  gute  Kunst- 
historiker. Und  es  ist  sehr  erfreulich,  dass  auf  deren  Schulung  so  viel  Sorgfalt  ge- 
wendet wird.  Das  Ziel  ist  ein  gutes.  Aber  Seh.  selbst  weiss,  dass  dies  Ziel  im  all- 
gemeinen Stande  unseres  Volkslebens  ein  sehr  nebensächliches  ist.  Die  Not  schreit 
nicht  nach  kunstgeschichtlicher  Erkenntnis,  sondern  darnach,  dass  viele  zur  Kunst 
ein  unmittelbares  Verhältnis  erlangen,  dass  diese  durch  Verständnis  zum  Bedürfnis 
des  Volkes  werde.  Und  da  scheinen  mir  alle  vorgeschlagenen  Mittel  trügerisch. 
Nicht  der  Vortrag  und  nicht  die  Vergleichung  der  Kunstwerke  wird  nützen.  Wenn  die 
Zahl  der  Belehrungen  und  die  Zugänglichkeit  der  Kunstwerke  das  Kunstverständnis 
wirklich  steigern  könnten,  so  müssten  wir  im  Zeitalter  der  Vereine,  Zeitungen,  Museen, 
Photographien  und  Eisenbahnen  schon  längst  alle  früheren  Jh.  hierin  geschlagen  haben. 
Jeder  Künstler  weiss  es,  dass  Kunst  nur  aus  dem  Verständnis  der  Natur  hervorgeht.  Und 
so  ist  es  nicht  nur  für  den  Ausübenden,  sondern  auch  für  den  Nachempfindenden.  Das 
ganze  Elend  stammt  aus  der  Entfremdung  von  der  Natur   und    wird   durch  Kunst- 

1)  A.  Schmarsow,  D.  Kunstgesch.  an  unseren  Hochschulen.  B.,  Reimer.  1891.  120  S.  M.  2,40.  |[PrJbb.  72, 
S.  5434;  Stühlen:  COIRW.  21,  S.  .5834.]|  —  2)  Konr.  Lange,  D.  künstlerische  Erz.  d.  dtsch.  Jugend.  Darmstadt, 
Bergstrasser.  XH,  255  S.  M.  3,00.  |[Paul  Schumann:  N&S.  64,  S.  276  7;  65,  S.  410/1;  C.  Th.  Pohl  ig:  BBG.  29,  S.  397-408; 
0.  Harnuck:   PrJbb.  72,  S.  540/3,  543/4;   DR.  3,  S.  253/4;    C.  Frey:   DWBl.  S.  115/8;  W.  R.:    LCBl.  S.  1237/9;    R.  Graul: 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  :  3 

fütterung-  nicht  geheilt.  "Wer  Blumen  botanisiert,  Schmetterlinge  aufspiesst,  Land- 
partien macht,  Velociped  fährt,  d.  h.  wer  schöne  Gegenden  rasch  durchzieht,  der 
liefert  damit  den  Beweis,  dass  ihm  der  künstlerische  Natursinn  fehle.  Die  Sesshaftigkeit 
alter  Naturbetrachtung,  die  mit  ihr  verbundene  Vertiefung,  das  wirkliche  Kennen 
der  Natur  nach  ihren  bildlichen  Erscheinungsformen  giebt  dem  Kunstsinn  den  rechten 
Untergrund.  Ein  Reiter  versteht  mehr  vom  Pferdebild  als  ein  Kunsthistoriker,  es 
sei  denn  der  Maler  mache  das  Pferd  zum  Träger  eines  historischen  Gedankens,  male 
es  also  historisch,  nicht  künstlerisch.  Also  wäre  Schulung  des  künstlerischen  Natur- 
sinnes die  erste  Aufgabe  für  den  Kunstkenner,  nicht  Eindringen  in  die  Kulturgeschichte. 
Die  grossen  Meister  hätten  wahrscheinlich  die  meisten  akademischen  Vorträge  von 
heute  gar  nicht  verstanden,  denn  zu  ihrer  Zeit  gab  es  noch  neben  zahlreichen  anderen 
Vorbedingungen  keine  Kulturgeschichte,  in  unserem  Sinne  überhaupt  weder  Ge- 
schichte noch  Aesthetik.  Dafür  hätten  unsere  Kunsthistoriker  die  Gespräche  der 
Maler  und  Bilderer  wohl  meist  für  recht  „banausisch"  erklärt,  für  nicht  auf  der 
Höhe  wissenschaftlicher  Betrachtung  stehend.  Warum  verkehren  Kunsthistoriker 
und  Künstler  so  selten  mit  einander?  Weil  sie  im  Grunde  genommen  nichts  mit  ein- 
ander zu  thun  haben,  so  wenig  wie  der  Professor  für  Geschichte  mit  dem  Staats- 
mann oder  General.  Bei  Seh.  hat  man  den  Eindruck,  dass  er  ganz  Professor  sei  — 
und  er  ist  zweifellos  ein  sehr  guter  Professor.  Bei  L.  tritt  das  künstlerische 
Wesen  schon  weit  stärker  hervor.  Er  weiss  sehr  genau, '  dass  zum  Dichten  und 
zum  Verständnis  der  Dichtung  nicht  die  Kenntnis  aller  Poesien  der  Welt  und 
ihres  Verhältnisses  zur  Geschichte  gehört,  sondern  seelische  Erlebnisse  und 
bildnerische  oder  nachempfindende  Kraft.  Er  empfiehlt  also  auch  nicht  in  erster 
Linie  Kunstgeschichte  und  Kunstlehre,  sondern  sucht  die  Mittel  einer  allgemeinen 
künstlerischen  Volkserziehung.  Den  Schluss  bildet  auch  hier  die  Betrachtung  des 
Universitäts-Studiums  der  Kunstwissenschaft.  Wieder  redet  hier  ein  Fachmann  klug 
und  mit  Erwägung  aller  Umstände  zu  Fachleuten.  Die  Ergebnisse  des  Gedanken- 
ganges beider  Kunsthistoriker  stehen  sich  so  nahe,  dass  die  Verschiedenheiten  hier 
nicht  erwähnt  zu  werden  brauchen.  Aber  leider  fehlt  beiden  Programmen  ein  Gebiet, 
nämlich  das  Zurückgehen  auf  die  Wurzel  der  Erkenntnis.  Wenn  man  Hörer  im 
Seminar  hat  —  warum  übt  man  sie  nicht  in  der  Naturbetrachtung.  Ich  meine,  man 
solle  sie  ein  Gesicht,  einen  Baum,  eine  Nebelstimmung  sehen,  erkennen  und  durch 
das  Wort  festhalten  lehren.  Man  lese  Zolas  Naturschilderungen,  um  zu  erkennen, 
wo  die  Grenze  zwischen  einem  Kunsthistoriker  zum  Kunstkenner  liegt!  Da  ist  Einer, 
der  sehen  kann,  und  darum  auch  Einer,  der  junge  Kunst  verstand!  Einen  Kohlkopf 
ohne  Phrase  künstlerisch  beschreiben,  das  scheint  mir,  wo  es  sich  um  Naturer- 
kenntnis handelt,  wichtiger  für  einen  Anfänger,  als  Dürers  Schriften  zu  kommen- 
tieren. Man  lacht  so  gern  über  Pudor^).  Aber  seine  Beschreibung  der  Büste  des 
Uzzano  ist  trotz  mancher  Uebertreibungen  nach  meinen  x\nschauungen  künstlerischer 
als  eine  ganze  Serie  kunstgeschichtlicher  Werke.  Ich  wüsste  nicht  viele,  die  ihm 
das  nachmachten.  Ich  fürchte  aber,  auch  L.  ist  nicht  Künstler  genug,  um  die  Einheit 
des  Naturschönen  mit  dem  Kunstschönen  zu  erkennen,  das  wechselseitige  Bedingen 
beider.  Kunstkenner  ist,  wer  die  Natur  im  Kunstwerk  sieht,  Kunsthistoriker,  wer  die 
geschichtliche  Stellung  eines  Werkes  zu  anderen  erkennt.  Das  erstere  Urteil  nützt  dem 
Künstler  und  durch  sie  der  Menge,  das  letztere  nur  der  Wissenschaft.  Der  Schwerpunkt  von 
L.sBuch  liegt  in  dem,  was  er  über  die  Kunst  in  der  Kinderstube,  derSchule  und  dem  Gym- 
nasium sagt.  Hier  w'eist  er  überall  auf  Anschauung,  auf  Kräftigung  des  Formengedächt- 
nisses, „Ausbildung  der  ästhetischen  Illusionsfähigkeit"  und  technische  Geschicklichkeit 
hin.  Unter  Anschauung  steht  ihm  fast  überall  das  Bild  in  erster  Linie.  Mir  scheint  der 
wirkliche  Gegenstand  der  zu  bevorzugende.  Das  Kind  wird  nach  L.s  System  die 
Dinge  zumeist  erst  im  Bild  und  dann  in  der  Natur  sehen.  Das  heisst:  Das  Bild 
wird  ihm  nicht  Bestätigung  der  Natur,  sondern  die  Natur  Bestätigung  des  Bildes 
sein.  Nicht  das  Bild  des  Löwen  ist  richtig,  sondern  der  Löwe  sieht  wie  sein  Bild 
aus.  Nicht  der  Maikäfer  ist  echt,  sondern  er  sieht  aus,  als  ob  er  wirklich  von 
Chokolade  wäre.  Da  sitzt  der  Schwerpunkt  des  ganzen  Missverhältnisses  der  modernen 
Kulturmenschen  zur  Kunst,  ihre  Furcht  vor  dem  Realismus,  ihr  Abscheu  vOr  dem 
Unmittelbaren,  und  andererseits  der  Grund  für  die  Gewaltsamkeit  moderner  Kunst, 
die  immer  wieder  eines  Ruckes  bedarf,  um  vom  Bild  zum  Gegenstand  zurück  zu 
greifen:  denn  das  Bild  ist  uns  das  Geläufige,  der  Gegenstand  das  Befremdende, 
Uebertragene.  Unsere  Kunstkritik  und  unsere  Kunsthistorik  stammen  aus  dieser  An- 
schauung. Sie  urteilen  nach  Kunst,  nicht  nach  Natur,  sie  kommen  daher  immer  nur 
zu  einem  dehnbaren  Masstabe,  zu  einer  objektiven,  unselbständigen  Erkenntnis.  — 

Was  die  Anregungen  der  Kunsthistoriker   in    der    Schule    selbst  für  Er- 


BLU.  S.  201;    Paul    Schumann:    Kw.  6,   S.  209-12,  225/8,    2415;    A.  Matthäi:    ZGyran.  27,  S.  197-205.JI  —  3)  H.  Pudor, 
Ketzerische  Knnstbriefe  ans  Italien  nebst  e.  Anh.:   Gedanken  zu  e.  Lehre  vom  Kunstschaffen.    Dresden,  Damm.    XYII,  160  S. 


I  11:4-9  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,   1893. 

gebnisse  bringen,  zeigen  in  sehr  lebhafter  Art  Kruspes^)  und  E.  Fischers 5) 
Aufsätze  über  kunstgeschichtliohen  Unterricht  an  Gymnasien.  Die  Frage,  wie  der 
Lehrer  bei  dem  Schüler  Kunstverständnis  wecke,  ist  nach  meiner  Ansicht  erst  dann 
zu  lösen,  wenn  es  bei  den  Lehrern  geweckt  ist.  Die  erfahrenen  Kunsthistoriker 
bestätigen  uns,  dass  die  Philologen  ganz  ausnahmsweise  bei  ihnen  hören,  und  dass  der 
archäologische  Betrieb  sehr  oft  wenig  mit  Kunst  zu  thun  habe.  K.  giebt  nun  einen  Lehr- 
plan für  einen  durch  3  Jahre  reichenden  Kunstunterricht  am  Gymnasium.  Gewiss  wird 
dieses  System,  klug  angewendet,  gute  Früchte  tragen.  Es  wird  vielen  das  Verständnis  der 
Kunstgeschichte  erleichtern.  Aber  es  wird  ebenso  gewiss  die  „Hebung  des  Geschmackes" 
nicht  erzielen.  Das  Ohr,  welches  Vorträge  hört,  kann  das  Auge  nicht  sehen 
lehren,  die  Erklärung  der  hellenischen  Säulenformen  nicht  das  Schönheitsgefühl  be- 
leben. Vielmehr  ist  Gefahr  da,  dass  dieses  eingeengt  werde.  Zu  der  Zeit,  als 
ich  die  „Ordnungen"  nach  Böttichers  Tektonik  kennen  gelernt  hatte,  missfiel  mir 
jeder  nicht  klassische  Bau.  Ich  sah  Fehler  überall.  Ich  musste  erst  mein  kunst- 
geschichtliches Wissen  überwunden  haben,  ehe  ich  wieder  mit  freier  Empfindung 
an  Selbständiges  herantreten  konnte.  Ich  fürchte,  Schmarsow,  Lange  und  die  ihnen 
folgenden  Gymnasiallehrer  erziehen  uns  noch  mehr  jener  schrecklichen  Leute,  die 
wissen,  wie  gute  Kunst  eigentlich  aussehen  müsste,  und  die  daher  junger  Kunst 
blind  gegenüber  stehen.  Uns  fehlt  nicht  Achtung  vor  dem  Alten  —  dessen  haben 
wir  eher  zu  viel  — ,  sondern  Achtung  vor  dem  Neuen  und  die  Fähigkeit,  jungen 
Gedanken  uns  zu  erschliessen ;  uns  fehlt  nicht  Idealismus  —  die  Kraft,  uns  an  alten 
Idealen  zu  begeistern,  —  sondern  Idealität  —  die  Kraft,  neue  Ideale  zu  schaffen.  — 

Eine  weitere  Arbeit  ähnlicher  Art,  mit  Bezug  auf  die  Kunstakademien, 
liegt  in  einer  Broschüre  Zimmermanns^)  vor.  Dies  Buch  ist  bemerkenswert  als 
Bekenntnis  dafür,  dass  der  Kunsthistoriker  mit  seinem  Wissen  ziemlich  ratlos  den 
angehenden  Künstlern  gegenüber  stand.  Z.  rät  denn  auch,  in  den  betreffenden  Vor- 
trägen die  Geschichte  thunlichst  einzuschränken  und  dafür  eine  Kunstbeschreibung 
vom  Standpunkte  der  Zeit  und  der  Persönlichkeit  des  Künstlers  zu  geben.  —  Man 
wird  die  Lage  der  Akademie  nicht  richtig  erkennen,  wenn  man  nicht  Hei ferichs'^J 
Aufsätze  über  „Kunstakademien"  mit  heranzieht,  der  eine  sehr  scharfe,  aber 
keineswegs  unrichtige  Darstellung  des  eigentlich  technischen  Unterrichts  im  Anschluss 
an  Lenbachs^)  Ausführungen  über  das  gleiche  Thema  giebt.   — 

Die  Vorträge,  überhaupt  der  litterarische  Teil  des  akademischen  Unterrichts, 
um  zu  den  ästhetischen  und  technischen  Fragen  überzuleiten,  soll  nach 
Zimmermann  also  bei  diesen  Betrachtungen  im  Hintergrunde  stehen.  Er  schaut  die 
Kunst  und  die  Künstler  an  vom  Standpunkte  des  Kunstpsychologen,  ihrer  geistigen 
Entwicklung  nach.  Das  ist  wieder  eine  Vortragsweise,  welche  gewiss  sehr  lehrreich 
ist.  Mir  scheint  aber  das  Beste,  zu  versuchen  so  zu  reden,  wie  der  betreffende 
Meister  über  seine  Kunst  selbst  geredet  hätte,  stände  er  auf  dem  Katheder.  Dafür 
giebt  es  ja  Vorbilder.  Es  sind  dies  die  verschiedenen  Lectures  on  art,  die  in  England 
von  Eastlake,  Leslie,  Ruskin,  Redgrave,  Herkomer,  Poynter,  Richmond,  Whistler 
gehalten  wurden.  Freilich  sind  alle  diese  nicht  Gelehrte,  sondern  für  das  von 
Wissenschaftlichkeit  weniger  überflutete  England  bezeichnender  Weise  Künstler  — 
auch  Ruskin  hält  sich  selbst  wenigstens  für  einen  solchen.  Sie  stehen  alle  in  den 
Fussstapfen  des  grossen  Sir  Reynolds  und  seiner  berühmten  akademischen  Reden. 
Reynolds  aber  ist  etwa  für  England,  was  für  uns  Lessing  ist.  Der  Unterschied  der  An- 
schauung tritt  zu  Tage:  Reynolds  hatte  offenen  Auges  die  Welt  bereist,  war  ein  leidenschaft- 
licher Sammler  und  grosser  Maler :  er  spricht  von  der  Kunst.  Lessing  war  ein  in  sich  ge- 
kehrter Denker  und  grosser  Dichter  und  schrieb  seinen  Laokoon,  ohne  die  Natur  und 
selbst  ohne  das  Kunstwerk  zu  kennen.  Er  spricht  über  die  Kunst.  Und  mir  will  scheinen, 
als  hätten  wir  an  den  Hochschulen  noch  heute  mehr  Lessinge  als  Reynolds.  Das 
ist  gewiss  keine  Beleidigung  der  Professoren.  Aber  ich  fürchte,  dass  der  Erfolg  dem 
entspricht:  Auf  Lessing  folgt  die  künstlerische  Ebbe  in  Deutschland,  auf  Reynolds 
die  künstlerische  Flut  in  England!  Also  selbst  für  Universitäten:  Gebt  Malern,  nicht 
Gelehrten  die  Lehrstühle  für  Kunst  und  glaubt  nicht  durch  Kunstgeschichte  die 
Kunst  zu  heben.  —  Es  ist  nach  alledem  sehr  erfreulich,  dass  wir  endlich  eine  gute 
Uebersetzung  und  Erklärung  von  Reynolds  Vorträgen  bekommen  haben.  L  e  i  s  ch  i  n  g  '^) , 
der  diese  lieferte,  hat  das  Verdienst,  dem  deutschen  Leser  die  ganze  Gedanken- 
welt näher  zu  führen,  aus  welcher  heraus  sie  gehalten  wurden.  Freilich  werden 
heute  Reynolds  Theorien  schwerlich  Anhänger    finden.     Wohl   aber    ist   seine   Art, 

Mit  3  Bild.  M.  3,20.  (Vgl.  I12:98.)-4)J.Kru8pe,  Ueber  kunstgesch.  Unterr.  an  Gymnasien.  Progr.  Hagenau.  27  S.  —  5)  E.  F  i  s  o  h  e  r , 
Bemerkungen  über  d.  Berücksichtig,  d.  bildenden  Kunst  im  Gymn.-Unterr.  Progr.  Moers.  1892.  18  S.  M.  0,40.  —  6)  M.  G. 
Zimmermann,  Kunstgesch.  u.  Litt,  an  d.  Kunstak.  L.,  Seemann.  1892.  31  S.  M.  0,60.  |(C.  v.  L(ützow):  Kunstchr.  3, 
S.  593/4.]|  —  7)  H.  Helferich,  Kunstakademien:  Zukunft  5,  S.  219-23.  (Vgl.  auch  C.  v.  L[ützowJ,  E.  seltsame  Nachricht 
aus  Düsseldorf  [d.  Berufung  H.  Bulthanpt  betr.]:  Kunstchr.  3,  S.  464,8,  469.)  —  8)  F.  v.  Lenbach,  Maltechnik  u.  Ak. :  ib. 
8.  214/8.  —  9)  Ed.  Leisching,  Z.  Aesthetik  U.Technik  d.  bild.  Künste.  Ak.  Beden  v.  Sir  Joshua  Reynolds,  üebers.  u.  mit 
Binl.  yers.     L.,   Pfeffer.    LXU,   325  S.    M.  7,00.    |[NAS.  65,   S.  410/1;   Ernst  Lehmann:   BLU.  S.  321/4;   C.  Hofstede   de 


C.  Gurlitt,  Kunsto-eschichte.    1892,  1898.  I  11  :  lo-n 

von  der  Kunst  zu  sprechen,  und  äurch  die  Rede  in  seinem  Sinn  auf  die  jung-en  Künstler 
zu  wirken,  als  meisterhaft  zu  rühmen,  selbst  wenn  man  die  Einwirkung"  für 
einseitig-,  oft  sog-ar  für  verfehlt  hält.  Die  Beschäftig-ung-  mit  Reynolds  bietet  der 
modernen  Kunstgeschichte  vielleicht  auch  die  Brücke  zur  erneuten  Beschäftig-ung" 
mit  ästhetischen  Fragen,  welche  sonst  meist  mit  einem  mitleidigen  Achselzucken 
gemieden  werden.  Die  Aesthetik,  früher  eine  „Ergötzlichkeit"  der  Gebildeten, 
ist  strenge  Wissenschaft  geworden.  Wer  nicht  sich  monatelang  hinsetzt,  um  sie 
zu  studieren,  der  versteht  selbst  die  „populären"  Aesthetiken  nur  schwer.  Die 
meisten  Künstler,  welche  ich  kenne,  haben  nie  ein  ästhetisches  Buch  gelesen, 
vielleicht  einmal  eines  begonnen,  jedenfalls  es  früh  fortgelegt.  Sie  kennen  also 
die  „ewigen  Gesetze  des  Schönen"  nicht,  zumal  diese  Ewigkeit  erfahrungs- 
mässig  selten  über  20  Jahre  alt  wird.  Nun  scheinen  mir  die  Aufgaben  der 
Kunst  auch  ohne  höhere  ästhetische  Mathematik  lösbar.  Der  philosophische  Mantel, 
welcher  ihnen  umg'elegt  wird,  klärt  sie  nicht  auf,  verschönt  sie  auch  nicht,  sondern 
ähnelt  den  Tüll-  und  Seidenkleidern,  mit  welchen  man  die  edelsten  Madonnenstatuen 
katholischer  Kirchen  an  Festtagen  verziert.  Wenn  Hartmann  die  siebente,  höchste 
Stufe  der  Leiter  von  „Konkretions-Stufen"  des  Schönen,  nämlich  das  „Konkret- 
Schöne"  oder  „mikrokosmisch  Individuelle"  nennt,  also  in  Dingen  und  Zuständen 
sucht,  die  erst  verständlich  sind,  wenn  man  seine  beiden  Bände  „Aesthetik"  zu  Ende 
studiert  hat,  so  will  mir  scheinen,  als  müsse  diese  Sache  von  vornherein  einen  Haken 
haben,  als  werde  hier  ein  Haus  auf  seinem  Dachfirst  aufgebaut.  Ich  kann  mich 
beim  Durchlesen  der  Aesthetiker  des  18.  Jh.  nicht  des  Eindruckes  erwehren,  als 
seien  diese  auf  ihren  schlichteren  Denkwegen  weiter,  jedenfalls  der  zeitgenössischen 
Kunst  näher  gekommen,  als  die  modernen  oder  jene  der  romantischen  Philosophie, 
trotz  oder  infolge  des  allzuschweren  Gedankenapparates.  —  Darum  ziehe  ich  auch 
meist  vor,  die  Schriften  der  Künstler  über  Kunst  zu  lesen.  Und  diese  haben  sich 
denn  auch  wiederholt  vernehmen  lassen.  Da  unsere  Betrachtung  vom  Kunst- 
unterricht ausging,  sei  die  diesem  Gebiet  gewidmete  Arbeit  des  Zeichenlehrers  Eyth'") 
zuerst  genannt.  Er  giebt  eine  pädagogische  Bilderbeschreibung.  Die  Frage,  welche 
er  sich  vor  einem  Kunstwerk  stellt,  lautet  meist :  Was  stellt  das  Bild  dar  ?  und  W^er 
war  der  Künstler  ?  Das  eigentlich  Künstlerische,  das  Wie?  freilich,  das  schwerst 
zu  Umschreibende,  fehlt  fast  ganz.  Und  schon  die  Bildtafeln  —  Schwind,  Schrödter 
und  Feuerbach  —  weisen  doch  unmittelbar  darauf,  von  den  Unterschieden  der  Naturauf- 
fassung zu  sprechen.  —  Es  ist  ungerecht,  wenn  man  neben  Eyths  bescheidene 
Arbeit  diejenige  von  Klinger  ^i)  stellt,  in  welcher  ein  ungewöhnlicher  Mensch  über 
seine  eigene  Kunst  redet,  von  dem,  was  ihm  beim  Schaffen  den  Sinn  bewegte.  Der 
nach  Systemen  Dürstende  wird  wenig-  aus  dem  Buche  erraffen,  jener  aber,  der  einen 
denkenden,  und  zwar  einen  künstlerisch  denkenden  Künstler  verstehen  will,  wird 
ausserordentliche  Belehrung  finden,  namentlich  darüber,  dass  die  in  sich  abgeschlossene 
Erfüllung  des  Darstellungszweckes  dem  Bilde  die  Vollendung  gebe,  nicht  die  Idee, 
nicht  der  Stil,  nicht  der  Realismus  und  sonst  als  Hauptsache  geforderte  Dinge. 
Kaum  ist  je  die  rein  künstlerische  Würdigung  der  Kunst  seit  den  Tagen  der 
Renaissance  so  deutlich  hervorgetreten.  In  Feuerbachs  „Vermächtnis"  erscheint  noch 
der  Maler  vielfach  als  Sohn  des  Universitätsprofessors.  Neben  Schacks  Galerie- 
werk, Konrad  Fiedlers  leider  nicht  im  Buchhandel  erschienener  Arbeit  über  Hans 
von  Marees  ist  Klingers  Buch  gewiss  eine  der  wichtigsten  Bekundungen  modernen 
Kunstgeistes.  —  Als  solche  stehen  ihm  entschieden  nach  die  Briefe  seines  einstigen  Kunst- 
genossen in  Rom,  des  Karl  Stauffer-Bern,  dessen  Werke  die  Berliner  Nationalgalerie 
ausstellte '2),  und  dessen  Korrespondenz  Brah  m  i3-i6^  zunächst  teilweise  in  Zeitschriften 
und  darauf  in  biographischer  Form  herausgab.  Schon  die  ausserordentliche  Zahl 
von  Besprechungen '6''" ^^3,  die  rasche  Folge  der  Auflagen  des  Buches  und  der  leiden- 
schaftliche Streit  für  und  wider  den  unglücklichen  Maler  beweisen,  welche  Teilnahme 
der  Mann  und  das  Buch  fanden.  Freilich  galt  ein  grosser  Teil  hiervon  seinem  un- 
glücklichen Liebesromane.  Der  Vergleich  des  „  Erfolges"  mit  Klingers  Buche  zeigt 
deutlich,   dass   bei  allem  Weihrauch,   welcher  von  den  Kritikern  Stauffers  Geist  ge- 


Groot:  NedSpect.  S.  1278.]|  —  10)  H.  Eyth,  Beschreibung  einiger  Bilder  d.  Karlsralier  Gemäldegal.  Mit  3  Bildtaf.  E. 
Versuch,  Schüler  in  d.  Verständnis  v.  Gemälden  einzuführen.  Progr.  Karlsruhe.  38  S.  3  Taf.  —  U)  M.  Klinger, 
Malerei  u.  Zeichnung.  München,  Putze.  1891.  46  S.  M.  1,00.  —  12)  X  [0  Don  op,  ]  K.  Stauffer-Bern.  (=  Ansstell.  d.  Werke 
T.  K.  SUuffer-Bern  in  d.  Kgl.  Nationalgal.  4.  Dec.  1891  bis  14.  Jan.  1392,  S.  3-12.)  B.  (Mittler  &  Sohn).  1891.  27  S.  — 
13)  X  0.  Brahm,  Römische  Briefe  v.  K.  Stauffer-Bern:  DRs.  72,  S.  87-114,  237-61.  -  14)  X  »d-  Stauffer-Berns  Tragoedie: 
NatZg.  1892,  N.  40.  —  15)  X  i^-  K.  Stauffer-Bern.  E.  biogr.  Bild:  Nation«.  9,  S.  722  5,  736-40.  —  16)  id.,  K.  Stauffer- 
Bern.  Sein  Leben.  Seine  Briefe.  Seine  Gedichte.  Mit  Selbstportr.  d.  Künstlers  u.  e.  Brief  t.  G.  Frey  tag.  1.  u.  2.  Aufl.  St., 
Göschen.  1892.  VIU,  340  S.  M.  4,-50.  |[Geg.  41,  S.  4-5  6,  269;  F.  Bienemann:  BLÜ.  1892,  S.  789-91;  N&S.  63,  S.  407;  E. 
Zabel:  NatZg.  1892,  N.  605;  Ivo  Bruns:  PrJbb.  74,  S.  18.5-91;  F.  Mauthner:  ML.  62,  S.  79;  LCBl.  1892,  S.  8301;  M.  R. 
V.  Stern:  Ges.  S.  67-76,  3649;  Kw.  6,  S.  26/7,  724;  Bär  19,  S.  336;  Br.:  WeserZg.  N.  16757;  AnzMünchenKünstlerg.  N.  258; 
SchwäbKron.  1892,  14.  Okt.;  BÜRS  53,  S.  181;  A.  Fleiner:  NZürichZg.  1892,  N.  153.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  5:183.)  —  16a) 
H.  Weizsäcker,  K.  Stauffer:    KunstUZ.  1892.  2,  S.  53-60.    —   17)  X  ß-  Crriial>  Einige  Bemerkungen  zu  K.  Stauffer-Berns 


I  11  :  18-22  C.  Gurlitt,  Kunstg-eschichte.    1892,  1893. 

streut  wurde,  doch  nicht  sein  „Verhältnis"  zur  Kunst,  sondern  das  zu  einer  Frau 
war  es,  was  dem  Buche  die  Anziehungskraft  g-ab.  Unter  den  Briefen  Stauffers 
erkennt  man  bei  sorgfältiger  Prüfung  zwei  Arten.  Jene,  die  er  flottweg  schrieb, 
und  jene,  von  welchen  er  wusste,  dass  sie  mit  Aufmerksamkeit  gelesen  würden. 
Ein  völlig  einwandfreier  Genosse  Stauffers  versicherte  mir,  dass  diesem  in  der 
letzten  römischen  Zeit  das  Briefschreiben  die  wichtigste  Thätigkeit  gewesen  sei. 
Man  irrt  also,  wenn  man  in  dem  Buche  zufällige  Aeusserungen  eines  „Naturburschen" 
sucht:  sie  sind  alle  wohl  erwogen,  man  wird  auch  ihre  Vertiefung  aus  dem  Verkehr 
mit  dem  römischen  Kreise,  besonders  mit  Klinger,  deutlich  beobachten  können, 
namentlich  die  fortschreitende  Beugsamkeit  des  Urteils,  welches  die  Berechtigung  von 
vielerlei  Kunst,  ausser  der  imkünstlerischen,  erkannt  hat.  Wie  Klinger  so  strebt  auch 
Staufferzuinnerer  Klärung,  will  er  durch  starkes,  selbständiges  Anschauen  der  Natur 
zu  einer  persönlich  bedingten  Stilform  gelangen.  Der  Streit,  ob  man  das  Schöne  oder 
die  Wahrheit  anstreben  solle,  entscheidet  sich  in  ihnen  dahin,  dass  sie  die  Wahrheit 
erfassen  und  aus  sich  heraus  zur  abgerundeten  künstlerischen  Lebensäusserung  machen 
wollen,  und  dass  sie  in  dieser  Einheit  von  Wollen  und  Vollbringen  die  Schönheit  finden. 
—  Noch  stärker  tritt  der  Zug  nach  selbständigem  Verarbeiten  der  Natur  zum  Kunst- 
werk in  dem  Buche  des  Bildhauers  Adolf  Hildebrand  *9)  hervor,  einer  ästhetischen 
Arbeit,  die  an  Gehalt  eine  sehr  hohe  Stellung  nicht  nur  unter  den  gleichzeitigen 
Erscheinungen  einnimmt  und  über  das  Wesen  der  Bilderei  ähnliche  Aufschlüsse 
giebt,  wie  Klinger  über  das  der  Zeichnung  und  Malerei.  Das  in  Hildebrands  Bild- 
werken so  merkwürdig  hervortretende  Gefühl  für  geschlossene  Raumwirkung,  die  auf 
dem  Stoff  beruhende  innere  Gebundenheit  der  Gestalten  erweist  sich  nach  seiner 
Schrift  als  das  Ergebnis  klaren  Bewusstseins  der  ihn  beim  Schaffen  leitenden  Ge- 
setze. Beim  Schreiben  einer  Kunstlehre  für  Künstler  oder  solche,  die  die  Kunst  künst- 
lerisch betrachten  wollen,  wird  der  zukünftige  Vf.  dieser  Art  von  Erklärung  der 
Wirkungen  und  Funktionen  der  Formen  und  der  Rauinempfindung  gewiss  eine  her- 
vorragende Rolle  zuweisen  müssen.  —  Jenen  Arbeiten  der  Künstler  möchte  ich  eine 
solche  eines  wissenschaftlichen  Aesthetikers  zur  Seite  stellen,  nämlich  die  von  Alt^o), 
dessen  „System  der  Künste"  einen  ersten  Versuch  darstellt,  sich  redlich  mit  der  Er- 
kenntnis abzufinden,  dass  nämlich  im  Realismus  eine  starke  künstlerische  Kraft 
stecke.  Er  untersucht  die  Frage,  wie  die  Individualität  des  Künstlers  und  mit  dieser 
das  Charakteristische  in  der  Kunst  sich  schönheitlich  äussere.  Er  erklärt,  die  Be- 
tonung des  Gattungsideales  sei  zur  einseitigen  Betonung  der  unbedingten  Vorherrschaft 
des  Persönlichen  umgeschlagen,  es  gebe  aber  ewige  Gesetze  des  Schönen,  an  welche 
auch  die  grösste  und  kühnste  Person  gebunden  sei.  Wohl  seien  oft  diese  Gesetze 
vergessen  und  verleugnet  worden,  aber  sie  mussten  immer  wieder  siegreich  vordringen. 
Mir  will  scheinen,  als  sei  uns  wenig  hiermit  geholfen.  Wer  weiss,  welches  Gesetz 
ein  „ewiges"  ist,  welches  ein  falsches?  Wer  ist  Richter?  Ich  kenne  noch  kein  Gesetz, 
das  von  Allen  anerkannt  worden  sei.  Freilich:  Wenn  hundert  gleichzeitig  lebende  Pro- 
fessoren an  dasselbe  Gesetz  glauben,  meinen  sie,  es  sei  eine  Forderung  der  Bildung,  diesem 
zuzustimmen.  Aber  waren  die  Japaner,  die  Azteken  und  Khmer  nicht  auch  gebildet?  Und 
gelten  ihnen  auch  diese  Gesetze?  Ist  unsere  Bildung  die  richtige,  die  mustergültige?  — 
Einen  volleren  Gegensatz,  einen  stärkeren  Beweis  für  den  Umschwung  der  An- 
schauungen, der  auch  in  Alts  Werken  überall  kräftig  hervortritt,  giebt  die  Hinter- 
lassenschaft des  Bildhauers  Hähnel,  von  G  r  o  s  s  e  ^  i)  (vgl.  IV  Ic)  ediert.  Wie  die  Vorrede  mit 
drolliger  Ernsthaftigkeit  gegen  diejenigen  loszieht,  welche  in  Hähneis  Kunst  und  Zeit 
nicht  mehr  einen  Höhepunkt  der  nationalen  Kunstäusserung  erblicken  wollen,  so 
zeigen  die  seit  1875  fast  alltäglich  niedergeschriebenen  „geistreichen"  Einfälle  des 
gefeierten  Künstlers,  obgleich  etwa  3000  zusammenkamen,  eine  Dürftigkeit  des 
Gedankeninhalts,  die  sich  vergeblich  in  witzelnde  Form  verhüllt.  Man  muss  z.  B. 
das  heraussuchen,  was  Hähnel  als  Motive  für  Bilder  sich  ausklügelt,  um  den  un- 
künstlerischen, nach  anekdotischen  Pointen  auslugenden  Stand  seines  Denkens  zu 
erkennen.  G.  erwies  seinem  verstorbenen  Freunde  einen  schlechten  Dienst,  indem 
er  dessen  greisenhafte  Witzeleien  und  Bosheiten  wohlverdientem  Vergessen  entzog. 
Wollte  einer  heraussuchen,  was  Hähnel  unter  dem  so  stark  betonten  „Idealismus" 
verstehe,  —  es  würde  sich  ein  ungemein  kümmerliches  Bild,  jedenfalls  ein  solches 
fast  ohne  Eigenes  ergeben.  —  Ein  gleicher  Gegensatz  wie  im  Urteil  der  Künstler, 
zeigt  sich  auch  in  den  ästhetischen  Werken,  deren  Besprechung  hier  wenigstens  ge- 
streift werden  soll.  Der  rein  auf  physiologische  Untersuchung  begründete  Beitrag 
von  Hirth22)   zur  Erkenntnis   der  Technik  des  Sehens,   als  der  Vorbedingung   zur 


Werk:  ZBK.  4,  S.  97,9.  —  18)  X  P-  Schlenther,  K.  Stauffer-Bem:  ADB.  35,  S.  527  9.  —19)  Ad.  Hildebrand,  D.  Problem 
d.  Form  in  d.  bild.  Kunst.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  127  S.  M.  2,00.  (Vgl.  112: 55b.)  —  20)  T h.  A 1 1,  Vom  charaVteristisch  Schönen.  K.  Beitr. 
z.  Lösung d.  Frage  d.  V&nstl.IndiTidnalismas.  Mannheim, Bensheimer.  40S  M.  1,00.  (Vgl.1 12  :  70.)  —  21)  Jul.  Grosse,  E.  Jal. Hähneis 
litt.  Reliquien.  Im  Auftr.  d.  Hinterbliebenen  gesichtet  u.  her.  nebst  e.  Charakterbild  d,  Meisters  als  Einl.  B.,  Qrote.  356  S. 
M.  5,00.   |[Ad.  Bartels:  Didask.  N.  288.](    —   22)  G.  Hirth,    D.  plastische  Sehen  als  Rindenzwang.    Mit  10  Textlllustr.  u. 


C.  Gurlitt,  Kunstg-esohichte.    1892,  1893.  I  11  :  28« 

Erkenntnis  des  Schönen,  ist  eine  Fortführung-  der  in  seinen  „Aufg-aben  der  Kunst- 
physiologie" ^3)  (vgl.  JBL.  1891  I  3  :  62)  dargethanen  Anschauung-en,  mit  diesen  und 
den  früh-eren  Arbeiten  des  vielbeschäftigten  Mannes  ein  Beweis,  wie  Münchens  Kunst 
auch  auf  das  ästhetische  Denken  bestimmend  einwirkt,  und  an  Stelle  des  im  Grunde 
stets  auf  die  Aristotelische  „Idee"  —  als  der  vollkommenen,  und  daher  über  den  ein- 
zelnen Dingen  stehenden  Vorstellung  solcher,  —  zurückgreifenden  Idealismus  ein  sachliches 
Hinschauen  auf  die  Dinge  selbst  tritt.  —  Will  man  den  Unterschied  ganz  empfinden, 
so  vergleiche  man  mit  dieser  Arbeit  Muffs^^)  „Idealismus",  ein  Buch,  in  welchem 
ein  braver  Gelehrter  sein  Verhältnis  zu  Kunst  und  Leben  darstellt,  indem  er  nach 
uraltem  Rezept  von  der  Kunst  fordert,  sie  solle  Schönes  schaffen.  Für  das,  was  schön 
sei,  ist  ihm  freilich  sein  eigenes  Urteil  genügend,  er  weiss  ganz  genau,  was  Dürer 
nicht  wusste,  nämlich  was  Schönheit  ist;  so  dass  die  Schlussforderung  eigentlich  lautet:  die 
Kunst  hat  sich  innerhalb  des  Schönheitsempfindens  des  Herrn  Muff  und  seiner  Freunde 
zu  halten,  will  sie  nicht  entarten!  —  Jene  praktische  Aesthetik,  welche  aus  dem  ge- 
schichtlichen Wirken  der  Kunstformen  ihre  Schlüsse  zieht,  beschäftigt  seit  Semper 
viele  Köpfe.  Hier  sei  nur  ein  entschiedener  Geg-ner  Sempers  hinsichtlich  dessen  Vor- 
liebe der  Erklärung  der  Formen  durch  Uebertragung  einer  Technik  auf  die  andere 
erwähnt,  RiegP^),  der  sich  in  seinen  „Stilfragen"  als  ein  gerade  in  seiner  von  Ein- 
seitigkeit nicht  unfreien  Zielklarheit  als  eine  fördersame  Erscheinung  in  der  wissen- 
schaftlichen Welt  erweist.  —  Auch  Koopmann^^)  erhofft  von  der  Kenntnis  der  Ur- 
formen der  Kunst  einen  besseren  Einblick  in  die  vollendeten  Gestaltungen  und 
erstreckt  daher  seine  Untersuchung  auf  die  Wechselbeziehungen  von  Stoff  und  Form, 
Inhalt  und  Ausdruck.  Der  Wunsch,  die  Nation  zu  erhöhter  Würdigung  echt  künst- 
lerischer Thaten  zu  führen,  giebt  seinen  Ausführung-en  eine  erfreuliche  Wärme  und 
Eindringlichkeit.  (Vgl.  I  12  :  96.)  —  Dies  letztere  Ziel  macht  auch  Paul  Hilde- 
brands 2"?)  Broschüre  erwähnenswert.     (Vg-l.  I  12  :  137.)  — 

Eine  Flut  von  Aufsätzen^S"'*^)  zur  Kunstkritik  ist  hier  zu  nennen,  in 
welchen  zumeist  eine  Abschätzung  von  alten  und  neuen  Kunswerten  versucht  wird. 
Einiges  sei  hier  genannt,  um  demjenigen,  welcher  einst  die  Tageskämpfe  einer 
künstlerischen  Sturm-  und  Drangzeit  schildern  will,  Stoff  an  die  Hand  zu  geben. 
Zeitschriften  wie  das  in  Berlin  erscheinende  „Atelier",  der  Dresdener  „Kunstwart", 
die  Leipziger  „Kunstchronik",  die  W^iener  „Allgemeine  Kunstchronik",  der  Münchener 
„Anzeiger  der  Münchener  Künstler-Genossenschaft",  Amsler  und  Ruthardts  „Kunstsalon", 
ferner  die  eigentlichen  Illustrationszeitschriften,  die  Pechtsche  „Kunst  für  Alle",  die 
„Moderne  Kunst",  die  „Kunst  unserer  Zeit"  als  das  wohl  vornehmste  Blatt  dieser  Art,  die 
wissenschaftlichere  „Zeitschrift  für  bildende  Kunst"  u.  a.  spiegeln  diese  Kämpfe  wieder. 
Nicht  minder  sind  die  politischen  Zeitungen  und  die  Monats-  und  Wochenschriften 
in  den  Streit  eingetreten.  Als  Vorkämpfer  der  alten  Richtung  kann  die  Vossische 
Zeitung  (Ludwig  Pietsch),  die  Post  (A.  Rosenberg")  sowie  die  Neue  Freie  Presse 
(E.  Ranzoni)  gelten.  Unter  den  Vertretern  der  jüngeren  Richtung  stehen  die  Münchener 
Neuesten  Nachrichten  (Fritz  von  Ostini),  Kölnische  Zeitung  (Karl  von  Perfall),  der 
Dresdener  Anzeiger  (Paul  Schumann,  H.  A.  Lier)  im  Tageskampf.  In  München  sind 
es  namentlich  Künstler,  welche  selbst  die  Feder  führen  (Benno  Becker,  H.  E. 
V.  Berlepsch,  Momme  Nissen),  in  Berlin  Schriftsteller  (Oskar  Bie,  G.  Buss,  Julius 
Elias,  Jaro  Springer,  Franz  Hermann,  L.  Kämmerer,  Jul.  Levin,  Hugo  Ernst  Schmid, 
Max  Schmid,  Franz  Servaes,  G.  Voss).  In  Wien  haben  Richard  Graul,  Hermann 
Bahr,  und  C.  Sokal  u.  a.  die  neue  Richtung*  vertreten.  Es  hat  diese  Aufzählung" 
keineswegs  die  Absicht,  erschöpfend  zu  sein,  oder  Ernst,  Sachkenntnis  und 
Bedeutung  der  einzelnen  Kräfte  durch  Erwähnung  oder  Nichterwähnung*  abzuwägen. 
Ich  müsste  sonst  jedenfalls  Kritiker  von  der  tiefg-ehenden  Bedeutung"  Hermann 
Helferichs  genannt  haben  und  Kunsthistoriker  und  Museumsleiter  von  Namen,  wie 
Richard  Muther,  W.  Bode,  von  Seidlitz,  W^oermann,  Lichtwarck,  Karl  von  Lützow, 
Henry  Thode,  Janitschek  u.  a.,  welche  geleg"entlich  in  den  Meinungsstreit  eingriffen.   Ein 


34  Taf.  mit  stereoslcop.  Abbild.  München,  Hirth.  1892.  X,  85  S.  M.  5.00.  |[E.  Lehmann:  BLU.  S.  657-60.]|  —  23)  id., 
Physiologie  de  l'Art,  trad.  de  Tallemand  et  precede  d'une  introd  par  Lncien  Arreat.  Paris,  F.  Alcan.  350  S.  —  24) 
Chr.Muff, Idealismus.  2.  wesentl.  verm.  Aufl.  Halle  a.  S.,  Mühlmann.  1892.  XI,  230  S.  M.  4,00.  (Vgl.  JBL.  1892 111 :  59;  s.u.  1 12:61a.) 
—  25)  AI.  Riegl,  Stilfragen.  Grundlegungen  z.  einer  Gesch.  d.  Ornamentilc.  B.,  Siemens.  XIX,  346  S.  Mit  197  Abbild.  M.  12,00. 
(Vgl.  I  12:58a.)  -  26)  W.  Koopmann,  Entstehung  d.  Kunstwerkes.  Hamburg.  Graefe  &  Sillem.  188  S.  M.  2,40.  —  27) 
Paul  Hildebrand,  D.  Kunst,  d.  Stiefkind  d.  Gesellschaft  B.,  Amsler  &  Ruthard t.  16  S.  M.  0,50.  —  28)  X  L'empereur 
et  les  artistes  berlinois:  BURS.  58,  S.  628-30.  —  29)  X  0.  Bie.  Anatomie  n.  Kunst:  TglRs».  1892,  N.  21/2.  —  30)  X  Vom 
Kunstmarkt:  Kunstchr  3,  S.  268-70.  —  31)  X  0.  Brandt,  D.  Mäcenat  in  Deutschland:  BerlTBl.  N.  481.  —  32)  D.  Mainzer 
Katholikenversamml.  u.  d.  christl.  Kunst:  HPBll.  110,  S.  536/7.  —  33)  G.  List,  Nene  Ziele  d.  bildenden  Kunst:  DNJb.  3, 
S.  1149.  —  34)  X  W.  Bormann,  Kunst  u.  Nachahmung  (vgl.  JBL.  1892  I  11:. 50):  Geg.  43,  S.  31.  —  35)  X  0-  Krack,  D. 
Kunst  u.d.  Volk :  ib.  44,  S.  40  2.-  36)  X  H  Schacht,  Kunst  u.  Individualität:  ib.  S.  201  3.  (Vgl. 1 12:73.)  —  37)  X  *•  Folc^e,  üeber 
d.  nächsten  Ziele  d.  nat.  Kunst:  ib.  43,  S.  2613.  —  38)  X  H-  Grimm,  Armeleutemalerei:  DRs.  76,  S.  434  8.  —  39)  X  Jan 
Veth,  Studien  over  Moderne  Kunst:  NGids  8',  S.  427-36.  —  40)  X  A..  Hasenclever,  D.  relig.  Malerei  auf  d.  vorjähr. 
Mönchener  Ausstellung:  DEBll.  18,  S.  190-203. —41)  X  F-  Lienhard,  Volkstum  u.  Persönlichkeit  in  ihren  Beziehungen  z.  Kunst : 
TglRsB.  N.  298/9.  -  42)  X  ■*..  S  e  e  m  a  n  n ,  Häutungsprozesse  in  d.  Kunst :  BLU.  S.  753, 6.  ( Vgl .  1 12 :  263. )—  43  )X  0.  J.  Bierbanm, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  19 


I  11  :  44-63  C.  Gurlitt,  Kunstg-escWohte.    1892,  1893. 

grundsächlicher  Unterschied  trennt  die  modernen  Kritiker,  der  freilich  den  meisten  nicht 
zur  Klarheit  kam.  Er  besteht  im  „Standpunkt",  den  die  ältere  Kritik  über  den  Kunst- 
werken, die  neue  neben  ihnen  wählt.  Gewiss  ist  der  erhabenere  Standpunkt  vor- 
zuziehen. Aber  es  ist  nicht  Sache  ledig-lich  des  Willens,  ihn  zu  erreichen,  sondern 
des  Vermögens.  Dass  es  irgend  einen  Kritiker,  Aesthetiker  oder  Kunsthistoriker  in 
Deutschland  giebt,  der  wirklich  über  der  Kunst  steht,  glaubt  wohl  kein  Mensch; 
dass  es  hunderte  giebt,  die  sich  selbst  über  sie  stellen,  ist  eine  offene  Thatsache. 
Diese  Kritik  der  TTeberhebung  zu  bekämpfen,  ist  gewiss  eine  wichtige  Aufgabe.  Sie 
wird  nur  gelöst  werden,  wenn  man  erkannt  hat,  dass  es  thöricht  ist,  zu  „urteilen", 
„Kunstrichter"  sein  zu  wollen,  wo  es  kein  klares,  von  allen  anerkanntes  Gesetz 
giebt,  dass  Kritik  nur  das  Messen  der  Kunstanschauungen  des  Künstlers  mit  jenen 
des  Schriftstellers  ist,  und  dass  in  den  meisten  Fällen  das  Mass  des  Schriftstellers 
in  Fragen  der  bildenden  Kunst  das  kürzere  sein  wird.  Es  ist  im  allgemeinen  zu  be- 
dauern, dass  die  Kritiker  sich  gegenseitig  nicht  mehr  befehden;  es  käme  dabei 
mehr  zur  Klärung,  als  wenn  sie  wechselseitig  auf  die  Künstler  einschlagen.  Wie 
tiefgehend  die  Erregung  war,  beweist  der  Umstand,  dass  eine  Reihe  von  polemischen 
Broschüren  entstand,  in  welchen  die  Vf.  eingehender  und  in  einem  Gesamtbilde 
ihre  Ansichten  zu  entwickeln  strebten.  Die  stark  akademische  Abhandlung  von 
A.  von  Wouvermans^*),  worin  den  Künstlern  der  Weg  zu  Goethescher  Natur- 
auffassung gewiesen  wird,  S  chö n  e s  4^)  Schrift  über  ähnliche  Fragen,  die  Schriften  von 
Arendt^ß),  Curt  Geucke*''),  Servaes*^),  Franquet'*''),  Bierbaum^o)^  Khay- 
nach^  1)  usw.^2j  weisen  schon  aufden  Tageskampf  der  künstlerischen  Meinungen  hin,  der 
in  Ausstellungen  und  Künstlerfehden,  in  Tagesblättern  und  wissenschaftlichen  Zeit- 
schriften so  lebhaft  betrieben  wird.^^)  Einige  dieser  Arbeiten  mögen  als  Ausdruck 
der  Zeitbestimmung  auch  für  spätere  Zeit  Bedeutung  behalten.  Die  wüste  Schimpferei 
Khaynachs,  der  frische  Wagemut  Franquets,  der  auch  alsbald  heftige  Erwiderungen^^) 
hervorrief,  die  wohl  etwas  allzu  leichtgläubige  Hoffensfreudigkeit  von  Servaes,  die 
mehr  abwägende,  dichterisch  erfassende  Art  Bierbaums,  die  von  einem  ausgezeichneten 
Künstler  (W.  Trübner)  geschriebene  Schrift  über  die  „Kunstbewegung  von  heute"^^) 
mit  ihrer  klaren  Erkenntnis  der  Ziele,  und  andererseits  die  redlichen  Bekenntnisse 
gänzlichen  Unverstehens  der  neuen  Kunst  bei  der  Gegenpartei,  die  ganze  Zwiespältigkeit 
der  Anschauung  tritt  in  ihnen  kräftig  hervor.  — 

Kunstgeschichte.  Hinsichtlich  der  allgemeinen  Darstellungen  zeigt 
sich  überall  das  Bemühen,  an  Stelle  von  Lübkes^^)  Kunstgeschichte,  welche  ihre 
11.  Auflage  erlebte,  etwas  Neues,  womöglich  Besseres  zur  Belehrung  der  wissens- 
durstigen Menge  zu  setzen.  —  Hierher  gehören  zunächst  die  für  Lehranstalten  be- 
stimmten „Vorschulen".  So  jene  von  Warnecke^'^)  und  von  Buchner^^),  dessen 
Abbildungen  jedem  Freunde  Lübkes  seit  30  Jahren  wohlbekannte  alte  Cliches  aus 
der  traurigsten  Zeit  der  Holzschnitte  sind  —  wahrlich  ein  Beweis,  dass  hier  vielleicht  ge- 
schichtlicher, sicherlich  kein  künstlerischer  Geist  herrscht.  —  Auch  die  kunsthistorischen 
Bilderbogen  Seemanns  ^^)  bedürfen  dringend  einer  Auffrischung,  sollen  sie  den  Zweck, 
dem  sie  so  lange  erfolgreich  dienten,  in  einer  illustrativ,  namentlich  reproduktiv  fort- 
geschrittenen Zeit  noch  genügen.  —  Was  sich  nach  dieser  Richtung  für  billigen 
Preis  leisten  lässt,  haben  zunächst  die  Münchener  photographischen  Anstalten 
gezeigt.  Die  Sammlung  des  Bruckmannschen  Verlages^''),  welche  durch  Rebers^') 
Geschichte  der  Malerei  eine  treffliche,  klare  und  sachkundige  Einführung  und  Er- 
klärung erhielt,  und  namentlich  die  Veröffentlichungen  von  Hirths  Verlag,  die 
Hirth^^)  allein  und  im  Verein  mit  Muther  ^3)  besorgt,  sind  Beweis  hierfür.  Es  ist  aus 
diesen  Blättern,  welche  mit  einfachen  Mitteln  ausgeführte  künstlerische  Schöpfungen 


Nene  Kunst:  ML.  62,  S.  476-80.  —  44)  A.  v.  Wouvermans,  D.  Stil  in  d.  bild.  Kunst.  Progr.  Pilsen.  1891.  28  S.  — 
45)  L.  Schöne,  üeber  Idealismus,  Eealismus  u.  Naturwahrheit  in  d.  bild.  Kunst.  Progr.  Stettin.  1892.  4".  12  S.  —  46) 
H.  Arendt,  Was  thut  d.  dtsch.  Volk  für  Kunst  u.  Handwerk?  B.,  Skopnik.  26  S.  M.  0,50.  —  47)  C.  E.  Geucke,  Kunst 
u.  Naturalismus.  Dresden,  Damm.  1892.  12».  80  S.  M.  0,50.  (Vgl.  JBL.  1892  I  11:184.)  —  48)  F.  Serraes,  Berliner 
Kunstfrühling  1893.  B.,  Speyer  &  Peters.  VIII,  87  S.  M.  1,20.  —  49)  E.  v.  Franquet,  Schaupöbel.  L.,  Spohr.  32  S. 
M.  0,50. —  50)0.  J  Bier  bäum.  Aus  beiden  Lagern.  Mit  8  Bild.  München,  Schüler.  75  S.  M.  1,80.  (Vgl.  1 12  :  262.)  —  51)  F.Frhr.v. 
Khaynach,  A.  v.  Werner  u.  d  Berliner  Hofmalerei.  Zürich,  Verl.-Mag.  60  S.  M.  0,80.  —  52)  X  D.  Kunstverständnis  v. 
heute.  München,  Fritsch.  III,  67  S.  M.  1,00.  —  53)  X  F.  Hörmann,  V.  Pyreicus.  „d.  Kothmaler"  u.  einigem  anderen  oder 
was  nennen  wir  „Kunst"?  B.,  Wilhelmi.  1892.  40  S.  M.  1,00.  (Vgl.  1 12  :  112.)  —  54)  X  fK.  Ehre nbergJ,D.  neue  Kunst  u.  d.  „Schau 
pöbel".  V.  e.  Mitgliede  d.  „Schaupöbels".  Dresden,  Kunstdr.  Union.  39  S.  M  0,60.  —  55)  D.  Kunstbewegung  unserer  Zeit 
u.  Deutschlands,  inbes.  Münchens  Kunstaufgabe.  Z.  Aufklärung  n.  Gedeihenserhaltung.  München,  Franz.  4".  31  S.  M.  0,60. 
—  56)  W.  Lübke,  Grundriss  d.  Kunstgesch.  11.  Aufl.  2  Bde.  Mit  Titelb.,  Portr.  d.  Vf.  u.  706  Holzschn.-IUnstr.  St., 
Ebner  u.  Seubert.  1892.  XII,  416  S.;  VI,  518  S.  M.  15,00.  —  57 1  G.  Warnecke,  Vorschule  d.  Kunstgesch.  Textbuch  zu 
d.  kunstgesch.  Bilderbuch.  L.,  Seemann.  VlII,  92  S.  M.  1,00.  —  58)  W.  Buchner,  Leitfaden  d.  Kunstgesch.  Für  höhere 
Lehranst.  u.  d.  Selbstunterr.  bearb.  Mit  87  Abbild.  5.  Aufl.  Essen,  Baedeker.  X,  179  S.  M.  2,80.  —  59)  Kunsthist.  Bilder- 
bogen. 'Handausg.  III  u.  IV.  L.,  Seemann.  Fol.  47  u.  50  Taf.  mit  3  u.  4  S.  Text,  ä  M.  3,00.  —  60)  Klass.  Bilderschatz. 
Her.  V.  F.  v.  Reber  u.  Ad.  Bay  ersd  orf  er.  IV  u.  V.  a  24  Hefte.  München,  Verlagsanst.  für  Kunst  u.  Wissensch.  1892-93. 
4».  ä  6  Taf.  in  Zinkotypie.  ä  lieft  M.  0,50.  —  61)  Fr.  v.  ßeber,  Gesch.  d.  Malerei  vom  Anfang  d.  14.  bis  z.  Ende  d.  18.  Ih. 
ebda.  VIII,  415  S.  M.  7,00.  —  62)  G.  Hirth,  D.  Porraenschatz.  E.  Quelle  d.  Belehrung  und  Anregung  für  Künstler  u.  Ge- 
werbetreibende.   12  Hefte.    Mönchen,  Hirth.    1892-93.    4*.    ä  12-16  Taf.  in  Faos.-Dr.    M.  15,00.   —    63)  id.   n.   B.   Mnther, 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  :  «4.78 

g-etreu  wiedergeben,  die  Einführung  in  das  Verständnis  des  echten  Inhaltes  der  Kunst  ent- 
schieden eher  zu  erhoifen,  als  aus  ungenügenden  Holzschnitten  selbst  nach  den  grössten 
Meisterwerken.  Die  schlechte  Illustrierung  unserer  Lehrbücher  ist  vielleicht  mit  Schuld 
an  dem  schiefen  Verhältnis  der  meisten  „Gebildeten"  zur  Kunst.  —  Es  ist  daher  auch 
bei  den  neueren  Werken,  die  zur  Einführung  in  die  Kunstgeschichte  bestimmt  sind, 
die  illustrative  Seite  besonders  gepflegt  worden.  Die  Grotesche  Geschichte  der 
deutschen  Kunst  ^*)  leistet  nach  dieser  Richtung  in  vielen  Blättern  das  Beste,  was 
zur  Zeit  erreichbar  ist.  Jedoch  gehört  sie  in  dieses  Berichtsjahr  nur  insofern,  als 
von  ihr  eine  billigere  (Titel-)  Ausgabe  veranstaltet  wurde.  —  Dagegen  darf  die  Ge- 
schichte der  bildenden  Künste  von  Fäh^^j  hier  erwähnt  werden,  da  ihr  Erscheinen 
mit  dem  7.  Heft  ins  Stocken  kam,  obgleich  auch  hier  seitens  der  Verlagsbuchhandlung 
Vortreffliches  geleistet  worden  war.  Es  ist  eigentlich  eine  erfreuliche  Thatsache,  dass 
das  katholische  Publikum,  für  welches  das  Buch  bestimmt  war,  sich  diese  Arbeit 
nicht  gefallen  liess.  Wer  die  Kunstgeschichte  mit  den  Hebräern  beginnt,  um  dem 
biblischen  Tempel  zu  Jerusalem  den  ersten  Rang  in  der  Kunstgeschichte  zu  wahren, 
wem  es  gelingt,  die  griechische  Plastik  ohne  Darstellung  „sinnenreizender  Nuditäten" 
zu  behandeln,  wer  die  Architektur  der  Hellenen  noch  allein  nach  Böttichers  Tektonik 
erklärt,  der  hat  sicher  nicht  jenes  klare  Auge  für  das  Wesen  fremder  Kunstauffassung, 
das  den  berufenen  objektiven  Geschichtsschreiber  macht.  Zu  einer  rein  subjek- 
tiven Betrachtung  der  Dinge  fehlt  ihm  aber  ebenso  die  Absicht  wie  die  Selbständigkeit 
der  Anschauung.  Auch  der  oft  recht  wenig  reife,  von  Provinzialismen  stark  durch- 
setzte Stil  wäre  erträglich,  wenn  dem  Buche  nicht  überall  der  Stempel  der  Unzuläng- 
lichkeit seines  Vf.  deutlich  aufgedrückt  wäre. —  Das  Buch  von  Kuhn^^),  welches  in 
der  Austattung  das  Fähsche  Werk  noch  zu  übertreffen  verspricht  und  in  weit 
höherem  Grade  den  Eindruck  einer  ausgereiften  Arbeit  macht,  kann  erst  besprochen 
werden,  wenn  es  fertig  vorliegt.  —  Dasselbe  gilt  von  der  grossartigen  Veröffent- 
lichung vonDehio  undG.  von  Bezold^^)  über  den  Kirchenbau  des  Abendlandes, 
einem  Werke,  das  freilich  nicht  für  die  „Einführung"  geschrieben  ist,  sondern  gleich 
Bodes  und  Janitscheks  Anteil  an  der  „Geschichte  der  deutschen  Kunst"  gründlichste 
Aufklärung  über  das  einschlägige  Gebiet  giebt.^^)  —  Nicht  ganz  das  Gleiche  wie 
von  dem  Werk  über  den  Kirchenbau  kann  man  von  Buchers^^)  Geschichte  der 
technischen  Künste  sagen,  welche  endlich  zum  Abschluss  kam.  Hier  fühlt  man  noch 
zu  deutlich,  dass  die  Vorarbeiten  versagen,  auf  welche  die  verschiedenen  Vf.  der 
einzelnen  Abschnitte  ihre  Arbeit  aufbauen  wollten.  Hat  der  Inhalt  auch  im  Ver- 
gleich mit  dem  ersten  Bande,  der  zu  sehr  im  Eifer  des  jungen  Emporblühens  des 
Kunstgewerbes  entstand,  erheblich  gewonnen,  so  erlangt  er  doch  nicht  jene  Gleich- 
mässigkeit  und  allseitige  Knappheit,  welche  von  einem  alle  Specialisten- Arbeit,  mit 
überlegenem  Blick  auf  das  Ganze,  zusammenfassenden  W^erk  zu  wünschen  ist.  Nicht 
die  Autoren,  sondern  das  widerspenstige  Thema  sind  Schuld  an  den  gegen  das  Werk 
zu  erhebenden  Bedenken.  —  Burckhardts  Cicerone,  der  durch  Bode''*^)  u.  a.  eine 
neue  ITeberarbeitung  erhielt,  sei  erwähnt,  obgleich  das  berühmte  Buch  über  die 
deutsche  Kunst  nur  nebenbei  Nachrichten  bringt.  —  Merlos,  von  Firmenich- 
Richartz'^i)  überarbeitetes  Kölner  Künstlerlexikon,  welches  nach  vollständigem  Er- 
scheinen hier  besprochen  werden  soll,  beschäftigte  bereits  die  Kritik.  —  Von  dem 
vor  etwa  30  Jahren  erschienenen  Werke  des  P.  Florian  Wimmer,  einer  damals  achtens- 
werten Leistung,  bearbeitete  Hiptmair'^)  eine  2.  Auflage.  Wenn  das  Buch  auch 
keineswegs  auf  der  Höhe  sich  zu  behaupten  vermag,  welche  es  früher  immerhin  ein- 
nahm, so  dürfte  es  als  Führer  in  der  Hand  katholischer  Geistlichen  nicht  ohne  Nutzen 
sein.  —  Ins  Gebiet  der  katholischen  Kunstlitteratur  gehört  auch  das  Buch  von  Bole''^), 
worin  er  an  sieben  Meisterwerken  den  Sieg  der  Religion  in  der  Kunst  darzustellen 
sucht:    Ein    rechtes    Theologenbuch!    Es   geht   nicht   aus,   Neues   zu  finden,  sondern 

Meisterholzschnitte  ans  4  Jhh.  ib.  4».  33  Tuf.  mit  XLm  S.  Text.  M.  40,00.  |[W.  L.  Schreiber:  CBlBibl.  S.  35«/7.]|  — 
64)  Gesch.  d  dtsrh.  Kunst.  5  Bde.  Neue  bill.  (Titel-)Ausg.  Mit  Textillustr.  n.  Taf.  (Bearb.  t.  J.  v.  Falke,  R.  Dohme, 
H.  Janitschek,  W.  Bode  n.  C.  v.  Lützow.)  B,  Grote.  VI,  218  8.;  U,  445  S.;  Vm,  664  S.;  258  S.;  VI,  314  S.  M.  60,00. 
|[P.  W.:  N&S.  60,  S.  2706;  J.  Neuwirth:  ilVGDBB.  31,  S.  6-14.]|  (Zuerst  1885-91)  —  65)  A.  Fäh,  Grundriss  d.  Gesch.  d. 
bild.  Künste.  Mit  vielen  Abbild.  6  u.  7.  Lfg.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  S.  357-492.  &  M.  1,25.  |[ThLBl.  14,  S.  66;  WIDM.  73, 
S.  426;  C.  Frey:  DLZ.  S.  51,3.]|  (5.  Lfg.  erschien  1887.)  -  66)  A.  Kuhn,  Allg.  Knnstgesch.  D.  Werke  der  bild.  Künste 
vom  Standpunkt  d.  Gesch.,  Technik,  Aesthetik.  5.  Lfg.  (=  1.  Bd.,  S.  113-76;  2.  Bd.,  S.  89-96;  3.  Bd.,  S.  49-56.)  Einsiedeln, 
Benziger,  ä  M.  2,00  |[LBs.  19,  S.  20;  P.  Schumann:  Kw.  6.  S.  10/1.]|  (Seit  1891.)  —  67)  G.  Dehio  n.  G.  v.  Bezold,  D. 
kirchl.  Baukunst  d.  Abendlandes.  Hist.  u.  System,  dargest.  1.  Bd.  St.,  Cotta.  VIII,  720  S.  nebst  Atlas.  M.  164,00.  —  68)  X 
E.  Frantz,  D.  Gesch.  d.  christl.  Malerei.  2.  Bd.  Freibnrg  i.  B.,  Herder.  1892.  288  S.  M.  7,50.  ([BLU.  S.  831;  ThLBl.  14, 
S.  163.]|  —  69)  B.  Bucher,  Gesch.  d.  techn.  Künste.  Im  Ver.  mit  Alb.  Ilg,  Fj.  Lippmann,  F.  Luthmer,  AI.  Riegl, 
Herrn.  Rollett,  G.  Stockhauser.  Mit  lUnstr.  3.  Bd.  St.,  Union.  XV,  610  S.  M.  24,00.  —  70)  J.  Burckhardt,  D. 
Cicerone.  E.  Anleitung  z.  Genuss  d.  Kunstwerke  Italiens.  6.  Aufl.  Unter  Mitwirk,  verschied.  Fachgenossen  bearb.  v.  W. 
Bode.  4  Bde.  L.,  Seemann.  XXIV,  200  S.;  494  S.;  340  S.;  VU,  136  S.  M.  13,50.  —  71)  J.  J.  Merlo,  Kölnische  Künstler  in 
alter  u.  neuer  Zeit.  Her.  v.  E.  Firmenich-Richartz  unter  Mitwirk.  v.  H.  Keussen.  1.-4.  Lfg.  Düsseldorf,  Schwann. 
4».  S.  1-320.  ä  M.  1.50.  |[Ath.  2,  S.  362;  MA.  6,  S.  171.]|  —  72)  Fl.  Wimmer,  Anleit.  z.  Erforsch,  u.  Beschreib,  d.  kirchl. 
Knnstdenkmäler.  In  2.  Aufl.  mit  lUustr.  verm.  u.  her.  v.  M.  Hiptmair.  Linz,  Haslinger.  XI 7,  152  S.u.  2  Taf.  M.  2,60.  — 
73)  F.  Bole,   Sieben  Meisterwerke  d.  Malerei,   mit  e.  prinzipiellen  Erörterung  über  d.  Einfluss  d.  Christentums  auf  d.  Kunst. 

19* 


I  11  :  74-84  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893. 

Beweise  für  eine  vorgefasste  Ansicht  herbeizub ringen  und  kommt  deshalb  über  die 
Haltung  eines  Schulaufsatzes  nicht  hinaus,  wenngleich  der  Ton  der  einer  schwer- 
fälligen Philosophie  ist,  welche  bei  dem  Begriff"  Gottes  als  Vollkommenheit  ohne 
Mangel  und  Begrenzung  anfangen  muss,  um  zu  erklären,  dass  Brunelesco  mit  Recht 
auf  Overbecks  Bilde  „Das  Magnifikat  der  Künste'*  Platz  gefunden  habe,  obgleich  der 
grosse  Renaissancemeister  der  Feind  der  allein  selig  machenden  Gotik  war.  —  Endlich 
seien  an  dieser  Stelle  zwei  Porträtwerke ''*"''^)  genannt,  obzwar  deren  vornehmster 
Zweck  ja  nicht  eigentlich  ein  kunstg'eschichtlicher  ist-''^''^^)  — 

Eine  Arbeit  allgemeiner  kunsttopographischer  Art,  welche  längst  schon 
als  dringendes  Bedürfnis  bezeichnet  worden  war,  nämlich  die  Aufzeichnung  eines  Inventars 
der  älteren  Kunstsohätze  in  deutschen  Landen,  ist  jetzt  in  vollem  Gange,  so  dass  gegen  Ende 
des  Jh.  in  fast  allen  Teilen  des  Reiches  der  Ueberblick  über  das  Erhaltene  geschaffen 
sein  dürfte.  Die  Gründlichkeit  und  Sachlichkeit,  mit  welcher  diese  Arbeiten  durchgeführt 
werden,  die  ansehnliche  Ausstattung  der  meisten  unter  ihnen  zeigen,  wie  hoch  man 
überall  den  Wert  der  Reste  vergangener  Zeiten  zu  schätzen  weiss,  und  wie  sehr 
man  bereit  ist  für  ihren  Schutz  das  Nötige  zu  thun.  In  den  J.  1892—93  schritt  in 
vielen  Teilen  die  Arbeit  um  ein  Erhebliches  vorwärts,  wurde  sie  mehrfach  neu  auf- 
genommen, so  dass  bei  einem  Rundgange  durch  Deutschland  nicht  eben  viele  Lücken 
mehr  erscheinen.  Ein  Werk,  das  Gesamteuropa  ^o)  betrifft,  beginnt  bei  Wasmuth 
zu  erscheinen.  —  Die  deutsche  Unternehmung  fand  verschiedene  Sammelbesprech- 
ungen^^).  — 

Die  Inventarisation  der  Kunstdenkmäler  Schlesiens  wurde  durch  die  Heraus- 
gabe des  Bandes  über  Liegnitz  ganz  erheblich  gefördert.  Das  von  Lutsch^^)  \)q_ 
arbeitete  Werk  ist  das  einzige,  welches  bisher  keine  Illustrationen  brachte,  vielmehr 
diese  später  in  einem  Atlas  vereint  geben  will.  Dieser  Umstand  erschwert  die  Würdigung 
dessen,  was  bisher  geleistet  wurde.  Die  Bedeutung  der  Denkmäler  liegt  hier  im 
wesentlichen  im  späteren  Mittelalter  und  in  der  Renaissance.  Die  Städte  Glogau,  Liegnitz, 
Hirschberg,  Löwenberg,  Lauban,  Bunzlau,  die  Klöster  Grüssau  und  Wahlstatt,  die 
Kirche  Wang  sind  berücksichtigt.  Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  die  Behandlung 
der  Stadt  Görlitz.  L.  ist  in  seinen  Ausführungen  sehr  sachlich,  vielleicht  sogar  etwas 
zu  knapp.  Er  giebt  thatsächlich  nur  das  Inventar,  mehr  für  die  am  betreffenden 
Orte  Einheimischen  als  für  den  Kunstgelehrten,  dem  er  durch  einen  das  ganze  Material 
zusammenfassenden  Schlussband  den  nötigen  Ueberblick  zu  gewähren  verspricht.  — 

Im  Königreich  Sachsen  stockte  das  Inventarisationswerk  infolge  von 
Steches  Erkrankung  und  Tod.  In  gewissem  Sinne  einen  Ersatz  bot  das  von  der 
Vereinigung  Leipziger  Architekten  und  Ingenieure  ^^)  herausgegebene  Werk  „Leipzig 
und  seine  Bauten".  Seit  1877  das  Werk  „Berlin  und  seine  Bauten"  erschien,  ist  zu 
jedem  der  alle  zwei  Jahre  stattfindenden  Verbandstage  der  genannten  Vereine  ein 
solches  Werk  über  die  Feststadt  hervorgegangen;  zusammen  bilden  diese  stattlichen  Bände 
die  wichtigsten  Unterlagen  für  die  Entwicklungsgeschichte  des  Bauwesens  in  Deutsch- 
land, namentlich  das  der  neuesten  Zeit.  Auch  der  neue  Band  folgt  der  Anordnung, 
dass  ein  baugeschichtlicher  Abschnitt '  das  Buch  einleitet.  Dieser,  von  G.  Wust- 
mann geschrieben,  dürfte  das  Beste  sein,  was  bisher  über  Leipzigs  Architektur  ge- 
sagt wurde.  Die  Darstellung  der  modernen  Entwicklung  geschieht  unter 
systematischer  Einteilung  der  Bauten  nach  ihrem  Zweck,  wobei  die  Bearbeitung  der 
Sondergebiete  je  einem  Fachmann  überwiesen  wurde.  Die  Arbeitsleistung  ist  wieder 
eine  grosse,  für  den  ganzen  Stand  ehrenvolle.  — 

Von  der  Inventarisation  Thüringens,  welche  Lehfeldt^^)  bearbeitet,  er- 
schien im  Berichtsjahre  das  18.  Heft,  und  zwar  über  eine  so  wichtige  Stadt  wie 
Weimar.  Aber  auch  kleinere  Orte  bieten  vielerlei  Bemerkenswertes.  Im  allgemeinen 
sind  es  neben  den  Bauten  älterer  Zeit  auch  hier  die  Jahrzehnte  vor  und  nach  der 
Reformation  und  das  18.  Jh.,  aus   denen   die  besten  Werke   stammen.    Dem   Kultur- 


Mit  9  Bildern  in  Lichtdr.  Brixen,  Weger.  4».  VI,  127  S.  M.  12,00.  [[LRs.  19,  S.  151/2.1|  —  74)  X  Allg.  bist.  Porträtwerk. 
Neue  Ansg.  nach  Zeitaltern  geordnet.  E.  Samml.  v.  ober  600  Portr.  d.  berühmtesten  Personen  aller  Nationen  v.  etwa  1300  bis 
etwa  1840,  nach  Ausw.  v.  W.  von  Seidlitz,  mit  biogr.  Daten  v.  H.  A.  Lie  r  u.  H.  Till  mann.  1.  Abt.  D.  Zeitalter  d.  Hu- 
manismus u.  d.  Reformation.  1.  Lfg.  München,  Verl.-Anst.  für  Kunst  n.  Wissensch.  Fol.  10  Taf.  mit  10  Bl.  Text.  M.  4,00. 
-  75)  X  Schweiz.  Porträtgallerie.  40.-46.  Heft.  Zürich,  Orell  Ffissli.  ä  8  Taf.  ä  M.  1,00.  —  76)  X  K.  Kenner,  D.  Porträtsamml. 
d.  Erzherz.  Ferdinand  v.  Tirol:  JbSAK.  R.  37-186.  —  77)  P.  Weizsäcker,  D.  Bildnisse  Wielands.  (Aus  WürttVjh.)  St., 
Kohlhammer.  1892.  52  S.  Mit  11  Abbild,  u.  2  Lichtdr.-Taf.  M.  1,50.  |fZBK.  4,  S.  120.J|  —  78)  X  K.  Mertens,  I).  Bild- 
nisse d.  Fürsten  und  Bischöfe  v.  Paderborn  v.  1498-1891.  Mit  erläut.  Texte.  Paderborn,  Schöningh.  24  Photogr.  mit  VI, 
49  S.  Text.  M.  16,00.  —  79)  X  H-  '<'■  Bi^uiningk,  D.  Bildnis  d.  Ordensmeisters  W.  v.  Klettenberg  n.  d.  Frage  über  seine 
Herkunft :  SBGGOstseeprov.  1892,  S.  71/7.  —  80)  Monumente  u.  Standbilder  Europas.  1.-2.  Lfg.  B.,  Wasmuth.  1891-92.  Fol. 
ä  10  Lichtdr.-Taf.  ä  M.  10,00.  —  81)  K.  E.  0.  Fritsch:  DBauZg.  1892,  S.  26,  376-80,  391,5,  397,9,  409-12,  414/9,  472/5,  482/6, 
501/2,  507-20,  526-32,  601/4;  Hossfeld:  CBlBauverw.  S.  206/7,  216;  W.  Lübke:  NatZg.  1892,  N.  234.  —  82)  H.  Lutsch, 
Verzeichnis  d.  Kunstdenkm.  d.  Prov.  Sohlesien.  III:  D.  Kunstdenkm.  d.  Beg.-Bez.  Liegnitz.  In  amtl.  Anftr.  bearb.  Breslau, 
Korn.  1891.  XVIII,  791  S.  M.  7,60.  |[HZ.  34,  S.  153.J|  —  83)  Leipzig  u.  seine  Bauten.  Zur  10.  Wtmdervers.  dtsch.  Archi- 
tekten- u.  Ingenieurver.  in  Leipzig  her.  v.  d.  Vereinig.  Leipziger  Architekten  u.  Ingenieure.  Mit  840  Abbild,  u.  Plänen.  L., 
Qebhardt.    XVI,  856  8.    M.  30,00.  -  84)  P.  Lehfeldt,   Bau-  n.  Kunstdenkm.  Thüringens.    Heft  18.    Amtsger.-Bez.  Weimar. 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  :  85-98 

historiker  werden  dageg-en  auch  jene  oft  in  der  Form  nicht  geglückten, 
doch  von  einer  gewissen  Ursprünglichkeit  zeugenden  Arbeiten  von  Wert  sein,  welche 
in  Thüringen  früher  als  in  anderen  Landen  eine  Erstarkung  des  geistigen  Lebens 
nach  dem  30jährigen  Kriege  bekunden.  — 

Bayern  hat  sich  verhältnismässig  spät  entschlossen,  das  gemeinsame  grosse 
Werk  zu  unterstützen.  Das  erste  Heft  erschien  1892,  dem  rasch  eine  grössere  An- 
zahl weiterer  folgte.  Das  Werk,  bearbeitet  von  G.  von  Bezold  und  Riehl^^), 
teilt  sich  in  einen  Text,  der  in  kurzen,  aber  treffsicheren  Worten  den  Bestand  an 
Denkmälern  feststellt,  und  einen  Atlas,  in  welchen  die  vorzüglichsten  W^erke  in  Licht- 
druck und  Heliogravüre  dargestellt  sind.  Das  bisher  Erschienene  bestätigt  die  öfter  aus- 
gesprochene Vermutung,  dass  Bayern  hinsichtlich  der  Kunst  des  17.  u.  18.  Jh.  noch 
die  meisten  Ueberraschungen  bieten  werde.  Der  Reichtum  an  Barockerzeugnissen 
ist  erstaunlich,  so  dass  man  wohl  auch  im  Norden  anerkennen  lernen  wird,  dass  der 
stärkeren  wissenschaftlichen  Entwicklung  dort  die  künstlerische  hier  im  nationalen 
Geistesleben  ein  Gegengewicht  hält.  —  Auch  die  Studien  über  Barock  und  Rokoko 
in  Oberbayern  von  Riehl^^j  bringen  viel  neues  Material  in  diesem  bisher  arg  ver- 
nachlässigten Gebiet  und  ergänzen  die  knappen  Mitteilungen  im  Inventarisations- 
werke  in  höchst  erwünschter  Weise.  — 

Aus  Württemberg,  dessen  Kunstinventarisierung  in  den  hervorragend  be- 
währten Händen  von  Paulus^^)  liegt,  ist  das  baldige  Fortschreiten  des  besonders 
grossartig  angelegten  Werkes  zu  erwarten.  — 

Aus  Baden  liegt  die  Bearbeitung  des  Kreises  Konstanz  fertig  vor.  Unter 
der  Leitung  von  Kraus^^)  ist  auch  hier  das  gedeihliche  Fortschreiten  des  Werkes 
verbürgt.  Neu  erschien  Kreis  Waldshut,  in  welchem  namentlich  das  Kloster  St. 
Blasien,  eine  der  wichtigsten  Bauten  aus  der  Zeit  des  strengen  Klassizismus  des 
endenden  18.  Jh.,  und  dessen  reiche  Schätze  hervortreten.  Die  besonders  geschickte 
Anordnung  des  Stoffes,  die  treffliche  Ausstattung,  namentlich  auch  nach  der  zeichne- 
rischen Seite,  muss  hervorgehoben  werden.  — 

Die  Invertarisation  in  Elsass-Lothringen,  ebenfalls  von  Kraus^^)  be- 
sorgt, liegt  mit  dem  vierten  Bande  abgeschlossen  vor.  — 

Von  der  schönen  Publikation  S chäf er s^**)  über  das  Grossherzogtum  Hessen, 
erschien  ein  stattliches  Heft  über  die  Provinz  Starkenburg  (Kreis  Erbach),  in  welchem 
auch  die  prächtigen  Sammlungen  in  Schloss  Erbach  geschildert  werden.  Die  stillen 
Thäler  des  Odenwaldes  bieten  überaschend  viel  Altes ;  als  bezeichnend  darf  hervor- 
gehoben werden,  dass  bei  Beerfelden  der  —  meines  Wissens  —  letzte  Galgen  Deutsch- 
lands sich  erhielt.  Die  künstlerischen  Thaten  des  Hauses  Erbach  treten  durch  dies 
Werk  in  glänzender  Art  ans  Licht,  und  zwar  verteilen  sie  sich  über  die  ganze,  hier 
in  Frage  kommende  Zeit,  abgesehen  davon  dass  sie  z,  B.  in  Michelstadt  schon  erheb- 
lich vor  dieser  einsetzen.  —  Auf  die  wichtigsten  Gegenstände  der  Kunstinventarisation 
des  Odenwaldes  machte  Schäferei)  noch  in  gesonderter  Behandlung  aufmerksam.  — 

Die  Architekturstudien  Kochs'-'''^)  aus  Frankfurt  a.  M.  bilden  eine  brauch- 
bare Vorarbeit  für  diese  Stadt,  die  bisher  noch  nicht  zusammenfassend  im  antiqua- 
rischen Sinne  behandelt  wurde,  will  man  von  der  doch  immerhin  summarischen 
Bearbeitung  ihrer  älteren  Geschichte  in  dem  Werke  „Frankfurt  und  seine  Bauten" 
absehen.  — 

Die  preussische  Rheinprovinz,  welche  mit  einem  1886  von  Paul  Lehfeldt 
herausgegebenen  Bande  „Regierungsbezirk  Koblenz''  in  der  Inventarisierung  einen 
Anfang  gemacht  hatte,  hat  in  wesentlich  besserer  und  namentlich  auch  illustrativ 
vortrefflich  ausgestatteter  Weise  durch  Giemen ^3)  die  Fortführung  wieder  aufnehmen 
lassen.     Wenngleich  die  wichtigsten  Denkmäler    dort    dem    früheren   Mittelalter    an- 


Jena,  G.  Fischer.  VI,  X,  224  S.;  26  AbMld.  M.  7,00.  (Von  1891-93  10  Hefte.)  —  85)  G.  v.  Bezold  n.  B.  Sie  hl,  D.  Kunst- 
denkm.  d.  Königr.  Bayern  vom  11.  bis  z.  Ende  d.  18.  Jh.  Beschrieben  u.  unfgenommen  im  Auftr.  d.  Kgl.  Staatsminist,  für 
Kirchen- u.  Schulangelegenheiten.  1.  Bd.  Reg.-Bez.  Oberbayern.  Heft  1.  München,  Albert.  1892.  Fol.  48  S. ;  10  Taf.  M.  10,00. 
IfC.  Frey:  DLZ.  S.  210,2;  Chr.  Rnpprecht:  MHL.  21,  S.  179-81;  AChrK.  S.  23;  Kellet  er:  KBIWZ.  12,  S.  32,3;  BUKnnst- 
gewerbe.  1892,  S.  40.J|  —  86)  B.  ß i  e h  1 ,  Stndien  über  Barock  n  RokoVo :  ZBayerKunstgewerbever.  S.  1,9.  -  87)  E.  P au  1  u  s ,  D.  Kunst- 
u.  Altertumsdenkn].  im  Königr.  Württemberg.  Im  Auftr.  d.  Kgl.  Minist,  d.  Kirchen-  ti.  Schulwesens  bearb.  23.-34.  Lfg.  a)  Atlas ; 
b)  Inventar.  St.,  Neff.  1892-93.  70  Taf.  u.  9  Bll.  Text;  S.  305-432.  ä  M.  1,60.  —  88)  F.  X.  Kraus,  D.  Kunstdenkm.  d. 
Grossherz.  Baden.  Beschreibende  Statistik  im  Auftr.  d.  Grossherz.  Minist,  d.  Justiz,  d.  Kultus  u.  Unterr.  her.  in  Verbind,  mit 
J.  Durm  u.  E.  Wagner.  3.  Bd.  Nebst  Beil.:  D.  Kunstschatz  v.  St.  Blasien.  Freiburg,  Mohr.  1892.  181  S.  u.  1  Karte; 
12  Taf.  M.  8,00.  (Bd.  1-3:  M.  30,00.)  [[FreiburgerDiöcA.  23,  S  365;8.]|  —  89)  id.,  Kunst  u.  Altertum  in  Elsass-Lothringen. 
Beschreibende  Statistik  im  Auftr.  d.  K.  Minist,  für  Elsass-Lothringen  her.  4.  Bd.  Nachtrr.  u.  Heg.  Strassbnrg  i.  E.,  Schmidt 
(Bull).  1889.  III,  181  S.  M.  5,00.  (Bd.  1-4:  M.  55,00.)  —  90j  G.  Schäfer,  Kunstdenkm.  im  Grossherz.  Hessen.  Inventari- 
sierung n.  beschreibende  Darstellung  d.  Werke  d.  Architektur,  Plastik,  Malerei  u.  d.  Kunstgewerbes  bis  z.  Schluss  d.  18.  Jh. 
IV.  Prov.  Starkenburg,  Kreis  Erbach.  116  Textillustr.  u.  23  Taf.  Darmstadt,  Bergsträsser.  1891.  284  S.  M.  12,00.  (Bd.  1-4:  M.  45,00.) 
|[Wanbald:  HZ.  34,  S.  334/9 ;  CBlBauverwalt.  1892,  S.31ö.]i  —  91)  id.,  Ueber  d.  Denkmäler  d.  bild.  Kunst  im  hess.  Odenwald:  BFDH.8, 
S.  180-95.  —  92)  (14:  423.)  —  93)  D.  Kunstdenkm.  d.  Rheinprov.  Im  Auftr.  d.Provinzial  Verbandes  her.  v.P.  Giemen.  L  Bd.:  I.Heft 
(Kempen),  2.  Heft  (Geldern),  3.  Heft  (Mors),  4.  Heft  (Kleve);  II  Bd.:  1.  Heft  (Kees),  2.  Heft  (Duisburg,  Mülheim  a.d.  Ruhr  u.  ßuhrort). 
Dnsseidorf,  Schwann.  1891-93.  4«.  XIV,  137  S.  mit  4  Taf.  u.  59  Abbild.;  U,  113  S.  mit  6  Taf.  u.  39  Abbild.;  VI,  170  S.  mit  8  Taf.  n. 
67  Abbild.;    VI,    180  S.  mit  7  Taf.   u.  85  Abbild.;    VI,    159  S.  mit  6  Taf.  n.  75  Abbild.;    VI,   85  S.  mit  3  Taf.  u.  28  Abbild. 


I  11:94-103  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893. 

gehören,  so  bietet  doch  namentlich  der  bürgerliche  Wohnhausbau,  der  in  erfreulicher 
Weise  immer  mehr  Berücksichtigung"  findet,  neben  der  durch  die  Nähe  der  Nieder- 
lande beeinflussten  Kunst  der  Zeit  um  1500  (zumal  für  Wesel  und  Kleve)  viele  sehr 
bemerkenswerte  Erscheinungen.  — 

Auch  die  sehr  langsam  fortschreitende  Bearbeitung  Westfalens  hat  eine 
Aenderung  erfahren.  An  die  Stelle  der  wissenschaftlich  sehr  gründlichen  Behandlung 
durch  J.  B.  Nordhoff  ist  eine  solche  durch  Ludorff  und  Schwieters^*)  ge- 
treten. Es  ist  das  neue  Heft  freilich  vorzugsweise  mit  Abbildungen  im  Lichtdruck 
gefüllt,  der  Text  tritt  neben  diesen  völlig  in  den  Hintergrund.  Mir  will  scheinen,  als  sei 
man  aus  einem  Extrem  ins  andere  gefallen,  und  als  werde  Westfalen  mit  der  vorliegenden 
Arbeit  zu  einem  Abschluss  noch  nicht  kommen  können.  Auch  hier  überwiegt  das 
frühere  Mittelalter  über  die  späteren  Kunstzeiten  im  Wert  und  in  der  Zahl  der  Denk- 
mäler. Doch  zeigt  das  Heft,  dass  unter  den  reichen  Grundbesitzern  des  Landes  Sinn 
für  höhere  Lebensführung  auch  in  späteren  Zeiten  sich  erhielt.  — 

Eine  Verötfentlichung  des  Oldenburg  er  Altertumsvereins  durch  Sello^^) 
zeigt,  dass  auch  in  seinem  Wirkungsgebiet  die  Frage  der  Inventarisierung  seit  langer 
Zeit  angeregt  ist,  wenngleich  bisher  die  Angelegenheit  nicht  in  Fluss  kam.  — 

Von  der  po  mm  ersehen  Inventarisation  erschien,  bearbeitet  von  Böttger^^j^ 
nur  ein  Heft  (Kreis  Schlawe),  dessen  Inhalt  freilich  nur  in  sehr  bescheidenem  Masse 
das  hier  zu  behandelnde  Gebiet  betrifft,  zumal  da  ausschliesslich  die  Baudenkmäler 
berücksichtigt  wurden;  von  der  westpreussischen  der  Kreis  Strasburg^''),  in  welchem 
das  17.  Jh.  und  die  mit  der  katholischen  Bewegung  zusammenhängende  Einführung 
eines  italienischen  Barock  einzelne  beachtenswerte  Erscheinungen  hervorbringt;  die 
ostpreussische  ist  Bötticher^^)  übertragen  worden,  welcher  seine  Befähigung  zur 
Bewältigung  der  seinem  bisherigen  Arbeitsgebiete  ferner  liegenden  Aufgabe  sehr 
erfreulich  kund  gab.  Ist  diese  auch  im  allgemeinen  nicht  allzureich  an  hervor- 
ragenden zu  besprechenden  Objekten,  so  bietet  der  ferne  Osten  doch  kulturgeschichtlich 
sehr  bemerkenswerte  Beobachtungen,  indem  er  gewissermassen  eine  Resonanz  der  im 
Westen  sich  abspielenden  Wandlungen  darstellt.  — 

Die  Provinz  Sachsen,  welche  als  eine  der  ersten  mit  der  Bearbeitung  ihrer 
Altertümer  auf  dem  Plane  erschienen  war,  hat  unvermindert  ihre  wichtige  Arbeit 
fortgesetzt.  Es  erschienen  Hefte^^),  die  Oschersleben,  Schweinitz,  Delitzsch,  Bitter- 
feld und  den  Mansfelder  Gebirgskreis  umfassen.  Das  System  der  Behandlung  ist 
hier  ein  anderes,  indem  für  jedes  Heft  ein  besonderer  Bearbeiter  gesucht  wird.  Die  dadurch 
entstehenden  Ungleichheiten  machen  sich  nicht  immer  glücklich  geltend.  Namentlich 
leiden  einzelne  Hefte  unter  dem  Mangel  an  knapper  Sachlichkeit,  fast  alle  aber  an 
zu  grosser  Sparsamkeit  hinsichtlich  der  illustrativen  Ausstattung,  welche  mehrfach 
Dilettantenhänden  überlassen  wurde.  — 

Anhalts  Kunstdenkmäler  bearbeitet  in  illustrativ  gut  ausgestatteten  Heften 
Büttner  Pfänner  zu  Thali^^).  Das  ganze  Werk  über  das  kunstgeschichtlich 
interessante  Ländchen  wird  in  10  Heften  erscheinen.  — 

Wesentlich  die  künstlerische  Seite  des  Bauwesens  berücksichtigt  Uhde^*^^) 
in  seinen  beiden  Heften  „Braunschweigs  Baudenkmäler".  Malerische  Einblicke 
in  die  mittelalterliche  Stadt,  in  den  Holzbau  der  Renaissance  und  in  die  Schlösser 
des  18.  Jh.  bilden  den  Hauptinhalt  des  Werkchens.  In  ähnlicher  Weise  erschien,  von 
Fischer  bearbeitet,  eine  Veröffentlichung  über  die  Denkmäler  im  KreiseMünster, 
die  Georg  Fischer  •'^^j  besorgt  hat.  — 

Auf  besondere   Beachtung   durfte    von   vornherein   Borrmann^os^  rechnen, 

M.  3,50;  M.  3,00;  M.  5,00;  M.  5,50;  M.  6,00;  M.  6,00.  —  94)  A.  Ludorff,  D.  Bau-  u.  Kunstdenkm.  v.  Westfalen.  Her.  vom 
Provinzialverbande  d.  Prov.  Westfalen.  D.  Kreis  Lüdinghausen.  Mit  gesch.  Einl.  v.  J. Seh  wieters.  Paderborn,  Schöningh.  4".  VI, 
113  S.  mit  2  Karten  u.  3!.2  Abbild.  M.  5,60.  (Forts,  v.  „D.  Kunst- u.  Geschichtsdenkm.  d.  Provinz  Westfalen",)  -  95)  G.  Sello, 
D.  Denkmalsschutz  im  Herzogt.  Oldenburg.  (=  Schriften  d.  OldenburgLVA.  N.  7.)  Oldenburg,  Stalling.  V,  90  S.  M.  2,25.  — 
96)  D.  Baudenkm.  d.  Prov.  Pommern.  Her.  v.  d.  QPommG.  ii.  T.  3.  Heft.  D.  Beg.-Bez.  Köslin,  bearb.  v.  Ludw.  Böttger. 
Stettin,  Saunier.  1892.  XV,  148  S.  mit  Abbild.  M.  6,00.  |[M.  Wehrmann:  KwH,  7,  S.  101/2.]|  -  97)  D.  Bau-  u.  Kunst- 
denkm. d.  Prov.  Westpreussen,  her.  im  Auftr.  d.  westpreuss.  Prov.-Landtages.  Heft  8.  D.  Kreis  Strasburg.  Danzig,  Bertling. 
1891.  4».  VHS.  u.  S  317-459  mit  116  Abbild,  u.  11  Beill.  M.  6,00.  —  98)  Ad.  Bötticher,  D.Bau-  u.  Kunstdenkm.  d.  Prov.  Ost- 
preussen.  Im  Auftr.  d.  ostpreuss.  Prov.-Landtiiges  bearb.  1.  Heft.  D.  Samland.  2.  Heft.  Natangen.  3.  Heft.  D.  Oberland. 
Mit  zahlreichen  Abbild.  Königsberg  i.  Pr.,  Teichert.  1892-94.  IX,  143  S.  mit  3  Lichtdr.-Taf. ;  VII,  195  S.  mit  5  Lichtdr.- 
Taf.;  VII,  122  S.  mit  1  Lichtdr.-Taf.  ä  M.  3,00.  |[M.  Perlbock:  KwH.  7,  S.  102,3,  645;  H.  Ehrenberg:  AltprMschr.  30, 
8.  368-70;  J.  Kolberg:  LRs.  19,  S.  118-20.]|  —  99)  Beschreibende  Darstellung  d.  älteren  Bau-  n.  Kunstdenkm.  d.  Prov. 
Sachsen  u.  angrenz.  Gebiete.  Her.  v.  d.  bist.  Kommiss.  d.  Prov.  Sachsen.  14.  Heft:  Oschersleben,  bearb.  v.  Gust.  Schmidt; 
15.  Heft:  Schweinitz,  bearb.  v.  G.  Schönermark;  16.  Heft:  Delitzsch,  bearb.  v  Q.  Schönermark;  17.  Heft:  Bitterfeld, 
bearb.  v.  G.  Schönermark;  18.  Heft:  D.  Mansfelder  Gebirgskreis,  bearb.  v.  H.  Grössler,  Ad.  Brinkmann  u.  Gust. 
Sommer.  Halle  a.  S.,  Hendel.  1891-93.  VI,  243  S.  mit  Abbild.;  V,  78  S.  mit  45  Abbild.;  224  S.  mit  129  Abbild.;  V,  104  S.  mit 
39  Abbild.;  XII,  LVI,  252  S.  mit  Abbild,  u  1  färb.  Karte.  M.  10,00;  M.  4,00;  M.  6,00;  M.  4,00;  M.  7,00.  -  100)  F.  Büttner 
Pfänner  zu  Thal,  Anhalts  Bau-  n.  Kunstdenkm.  nebst  Wüstungen  Mit  Illustr.  in  Heliogr.,  Lichtdr.  u.  Phototyp.  3.  Heft. 
Dessau,  Kahle.  4".  S.  113-52  mit  5  Taf.  M.  2,50.  —  101)  Braunschweigs  Baudenkm.  Her.  vom  Ver.  v.  Freunden  d.  Photogr. 
in  Braunschweig.  Nebst  kurzen  Erläuterungen  v.  Const.  ühde.  2.  Aufl.  Brannschweig,  Goeritz.  40  Lichtdr.-Taf.  mit  15  S. 
Text.  M  10,00.  llCBlBauverw.  S.  552.J|  —  102)  Georg  Fischer,  Kunstdenkm.  u.  Altertümer  im  Kreise  Münden.  1.  T. 
Stadt  Münden  u.  Stadtgebiet.    Münden  (Augustin).    1892.    65  S.    M.  1,25.   —   lOS)  B-  Borrmann,  D.  Bau-  n.  Kunstdenkm. 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  :  i04-ii« 

welchem  die  Inventarisation  der  Denkmäler  Berlins  übertragen  worden  ist.  Leider 
steht  die  sehr  sparsame  illustrative  Ausstattung:  keineswegs  auf  der  Höhe  berechtigter 
Wünsche.  Dagegen  hat  die  ruhige  sachliche  Stellung  des  Vf.  innerhalb  der  viel- 
fachen, Berlins  Kunstgeschichte  betreffenden  Streitfragen  ihm  allseitige  Anerkennung 
eingetragen.  — 

Die  östlichen  Nachbarländer  Deutschlands  gehören  zu  den  kunstgeschichtlich 
noch  wenig  bekannten.  Wenn  gleich  die  Polen,  Magyaren  und  Tschechen 
fleissig  am  Werk  sind,  ihre  Kunstgeschichte  auszubauen,  so  entziehen  sich  ihre  Arbeiten 
doch  durch  die  Sprache  zumeist  der  internationalen  Kritik.  Um  so  dankenswerter 
ist  es,  wenn  ein  der  fremden  Sprache  mächtiger  Deutscher  eine  Sichtung  des  auf- 
gehäuften Materials  unterninunt  und  es  in  eine  der  in  die  Wissenschaft  eingeführten 
vier  Hauptsprachen  überträgt.  Dies  that  Ehrenberg '^^-los)  in  seiner  Geschichte 
der  Kunst  im  Gebiete  der  Provinz  Posen.  Er  that  noch  mehr,  indem  er  sein 
Werk  auf  umfassenden  eigenen  archivalischen  Forschungen  aufbaute.  Fehlt  dem  Vf. 
auch  der  Blick  für  die  Stellung,  welche  die  von  ihm  behandelten  Künstler  und  Kunst- 
werke zu  dem  einnehmen,  was  sonst  geleistet  wurde,  so  hat  man  doch  dafür  überall 
den  Eindruck,-  dass  man  seinen  historischen  Ausführungen  mit  mehr  Sicherheit  sich 
anvertrauen  darf,  als  es  sonst  bei  der  Litteratur  über  Polnisches  der  Fall  war.  Es 
zeigt  sich  aber  auch,  wie  schwach  in  der  Kunst  der  Grenzländer  der  slawische  Ein- 
fluss  auf  die  Gestaltung  der  Formen  ist,  und  wie  er  sich  fast  nur  in  einer  rascheren 
Hingabe  an  die  Italiener  äussert,  als  dies  in  deutschen  Landen  der  Fall  ist.  — 

Unter  den  grössere  Abschnitte  der  Kunst  eines  Landes  zusammenfassenden 
Werken  nehmen  zweifellos  die  historischen  Charakterbilder  aus  0  est  erreich  von 
Ilgioej  einen  besonderen  Rang  ein.  Sie  bieten  zum  ersten  Mal  eine  geschlossene 
Darstellung  der  Hauptepochen  österreichischer  Kunstblüte.  I.,  dessen  Thätigkeit  in 
Deutschland  zweifellos  viel  zu  wenig  gewürdigt  wird,  offenbart  da  als  Forscher 
wie  als  Dirigent  seine  grossen  Vorzüge.  In  das  hier  zu  besprechende  Gebiet  gehört 
zwar  nur  ein  Teil  des  Werkes,  die  Abschnitte  von  Neuwirth  über  spätes  Mittel- 
alter, von  Heinr.  Zimmermann  über  Renaissance,  von  I.  selbst  über  Barocke  und 
Rokoko  (namentlich  letzteres  ein  bisher  ganz  brach  liegendes  Gebiet).  Aber  es  sei  doch 
auch  hier  daraufhingewiesen,  dass  eine  bessere  Erkenntnis  des  Wertes  der  süddeutschen 
Kunst  des  17.  und  18.  Jh.  berufen  ist,  der  Kulturgeschichte  dieses  Zeitalters  den 
einseitig  litterarischen  Geschmack  zu  nehmen,  welchen  sie  heute  noch  als  Erbteil  der 
unbedingten  Vorherrschaft  der  Wissenschaft  in  der  Aufklärungsperiode  besitzt.  —  Aus 
den  Kronländern  Oesterreichs  sind  eine  Reihe  von  Veröffentlichmigen  hervorgegang'en. 
Die  Kunstschätze  Tirols  i*^'')  sind  in  einer  durch  künstlerisch  hervorragende  Illu- 
strierung bemerkenswerten  Publikation   dem   Studium   zugänglich   gemacht   worden. 

—  Die  Beziehungen  von  Oberschwaben  zu  Tirol  fuhren  Probst  ^'^*^)  und  Beck**^^) 
nachzuweisen  fort;  über  die  Malereien  am  Dom  zu  Brixen  machte  H.  Semper*''^"*^') 
Mitteilungen,  der  auch  eine  üebersicht  über  die  Kunstgeschichte  Tirols  zusammen- 
stellte, eine  wertvolle  Vorarbeit  für  eine  spätere  umfassende  Darstellung  des  für  den 
Austausch  der  Ideen  Italiens  und  Deutschlands  hervorragend  wichtigen  Landes.  — 
Das  Innsbrucker  Museum  (Ferdinandeum)  erweist  sich  als  ein  Mittelpunkt  der  ver- 
schiedenen Bestrebungen  für  die  Erforschung  des  Landes,  die  es  durch  ihre  Zeit- 
schrift unterstützt i'^j.  —  Aus  Böhmen,  wo  Neuwirth  die  Behandlung  der  älteren 
Kunstgeschichte  soweit  fortgeführt  hat,  dass  er  nunmehr  in  das  in  diesen  Berichten 
zu  behandelnde  Gebiet  eintritt,  liegt  dem  Bearbeiter  nur  wenig  vor :  Eine  Arbeit  über 
die  Prager  Georgskirche,  ein  Bericht  über  die  Denkmale  Nordböhmens  von 
R.  Müller '13^.  —  In  kurzen  Zügen  gab  Graus  i**)  eine  Üebersicht  der  Kirchen  der 
steirischen  Diöcese  Sekkau  und  mit  dieser  eine  gute  Vorarbeit  für  die  Bearbeitung 
einer  Inventarisation  eingehenderer  Art.  —  Wastler  ns-nej  setzt  auch  in  diesem  Jahre 

T.  Berlin.  Im  Anftr.  d.  Magistrats  d.  Stadt  bearb.  Mit  e.  gesch.  Elnleit.  v.  P.  Clanswitz.  B.,  Springer.  1892.  4*.  XII, 
436  S.  mit  28  Lichtdr.-Taf.,  zahlreichen  Abbild,  u.  3  Plänen.  M.  30,00.  |[Fr.  Sarre:  PBPG.  6,  S.  293-300;  LCBl.  S.  1055/6; 
P.  Seidel:  CBlBauverw.  S.  117  8.J1  —  104)  H.  Bhrenberg,  Urk.  u.  Aktenstäcke  z.  Gesch.  d.  in  d.  heutigen  Prov.  Posen 
vereinigten  ehemal.  poln.  Landesteile.  Im  Anftr.  d.  ProTinzialanssch.  d.  Prov.  Posen  in  ital.  Arch.  n.  Bibl.  vornehml.  d. 
Vatikanischen  Arch.  ges.  u.  her.  L.,  Veit  &  Co.  LIX,  700  S.  M.  20,00.  —  105)  id.,  Gesch.  d.  Knnst  im  Gebiete  d.  Prov. 
Posen.  (Ans  ZBaiiwesen.)  B.,  Ernst  &  Sohn.  VIU,  204  S.  M.  8,00.  —  106)  A.  Ilg,  Kunstgesch  Charakterbilder  aus  Oesterr.- 
Ung.  Unter  Mitw.  von  M.  Hoernes,  R.  Bitter  v.  Schneider,  J.  Strzygowski,  J.  Neuwirth,  Heinr.  Zimmer- 
mann, A.  Nossig  her.  Mit  102  Originalzeichn.  (2  Badier.,  3  Heliograv.  u.  97  Textabbild.)  L.,  Freytag.  1892.  XIV,  406  S. 
M.  12,90.  |[A.  Schnerich:  ÖLBl.  2,  S.  558-60;  Kunstchr.  4,  S.  1145;  C.  Frey:  DLZ.  S.  12659;  A.  Horcicka:  MVGDBB.  31, 
S.  489;  A.  Schlossar:  BLÜ.  S.  292;4.]|  —  107)  Knnstschätze  ans  Tirol.  3.  Abt.  Malerei  u.  Plastik.  Heliogr.  nach  photogr. 
Aufnahmen  v.  Otto  Schmidt  mit  erläut.  Text  v.  J.  W.  Deininger.  1.-3.  Lfg.  Wien,  SchroU  &  Co.  Fol.  Je  10  Taf.  u.  1  Bl. 
Text,     ä  M.  13,50.  —  108)  F.  Probst,   Beziehungen  zwischen  Oberschwaben  n.  Tirol  auf  d.  Gebiete  d.  Kunst:  AChrK.  S.  45:6. 

—  109)  Paul  Beck,  Weitere  Beziehungen  zwischen  Oberschwaben  n.  Tirol:  ib.  S.  93  6.  —  HO)  H.  Sem  per,  D.  Wand-  n. 
Deckengemälde  in  d.  Kreuzgange  in  Brixen  n.  ihre  Restaurierung:  ÖÜR.  15,  S.  126-38.  —  111)  id.,  üebersicht  e.  Kunstgesch. 
Tirols:  DB.  1,  S.  262-70;  2,  S.  127-36.  -  112)  X  Kleine  Beitrr.  z.  Gesch.  Tirols:  (=  Z Ferdinandeum  35,  S.  523-69.)  Mit  3  Taf. 
Innsbruck,  Wagner.  M.  1,00.  (Sonderabdr.)  —  113)  R.  Mn.ller,  Kunst-  n.  Bandenkm.  Nordböhmens:  MNordböhmExcnrsClub.  15, 
S.  67-72.  —  114)  J.  Grans,  Uebersichtl.  Schau  auf  d.  Kirchen  d.  Diöcese  Sekkan.  Graz,  Styria.  16  S.  M.  0,40.  —  115)  J 
Wastler,  Nachrichten  über  Gegenstände  d.  bild.  KSnste  in  Steiermark:  JIHVSteiermark.  40,   S.  273-87.    —   116)  id.,  D.  Ord- 


111: 117-144  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893. 

die  „Nachrichten  über  Gegenstände  der  bildenden  Künste  in  Steiermark"  fort,  indem 
er  archivalische  Mitteilungen  über  Kloster  Neuberg,  die  Maler  C.  Pamstl  und  D. 
Kammacher  bringt,  Ansichten  der  Stadt  Graz  von  1480  und  1565  bespricht  und  die 
Ordnung  der  Maler  von  1633  veröffentlicht.  — 

Es  erschien  noch  eine  Reihe  lokaler  Einzelheiten.  Die  weltgeschichtliche 
Schlosskirche  zu  Wittenberg  erfuhr  einen  Umbau,  zu  welchem  Fr itsch  "'')  einen  auch 
für  die  Geschichte  der  ursprünglichen  Anlage  bemerkenswerten  Aufsatz  schrieb.  —  Ein 
vom  Restaurator  Adler"^)  gehaltener  Vortrag  gab  hierzu  die  nötigen  Unterlagen.  — 
Weitere  Nachrichten,  namentlich  jene  ortsgeschichtlicher  Herkunft,  trug  Hugo 
Wagner  •1'')  zusammen,  ohne  dass  es  ihm  gelungen  sei,  aus  diesen  eine  für  die 
Kunstgelehrten  brauchbare  Geschichte  des  Baues  zusammenzustellen.  —  In  anderer 
Weise  behandelte  Kost lin  '^Oj  diesen  Bau,  indem  er  dessen  Bedeutung  für  die  Religions- 
geschichte hervorhob,  jedoch  wieder  ohne  dabei  zu  den  Nachrichten  über  Bau  und 
Ausschmückung  eine  nennenswerte  Bereicherung  zu  bringen. i2i-i23j  — 

Zur  Kunstgeschichte  westfälischer  und  rheinländischer  Städte  er- 
schienen mehrere  Sonderuntersuchungen.  So  über  den  Lettner  im  Dom  zu  Münster, 
der  in  der  Zeit  kurz  vor  dem  Wiedertäuferischen  Aufstand  in  den  Formen  eines 
reizvollen  Uebergangsstiles  zur  Renaissance  errichtet  und  1871  abgebrochen  wurde. 
Ueber  ihn  giebt  Effmann*^^)  einen  eingehenden,  mit  Abbildungen  erläuterten  Auf- 
satz, in  welchem  er  den  Abbruch  zwar  nicht  verteidigt,  doch  rechtfertigt,  und  zwar 
deshalb,  weil  die  Trennung  von  Klerus  und  Geistlichkeit  jetzt  nicht  mehr  in  so 
starker  Weise  betont  werden  dürfe:  ein  interessanter  Vorgang,  der  über  die  litur- 
gische Bedeutung  des  Lettners  Aufklärungen  giebt.  —  Als  Sonderarbeit  über 
einen  Kirchenbau  ist  Richters  ^^sj  Festschrift  über  die  Jesuitenkirche  in  Pader- 
born hervorzuheben.  Es  handelt  sich  um  einen  Bau  aus  der  Zeit  von  1682 — 92,  der 
teilweise  in  gotischen  Formen  ausgeführt  wurde,  ähnlich  den  Jesuitenkirchen  zu 
Köln,  Düsseldorf  usw.,  mithin  um  eine  Kunsterscheinung,  welche  das  Bild  des 
„Jesuitenstiles"  erheblich  umzuwandeln  berufen  ist,  das  Gurlitt  in  seiner  Geschichte 
des  Barockstiles  gab.  —  Gleicher  Richtung  ist  die  Maria  Himmelfahrtkirche  zu  Köln, 
deren  Baugeschichte  Beissel^^e-)  schrieb,  indem  er  zugleich  Aufschlüsse  über  das 
Wesen  der  Jesuitenbauten  der  Gegenreformation  erteilt.*-'"'-^*')  — 

Besonders  reich  ist  die  kunstgeschichtliche  Speciallitteratur  Schwabens. 
Der  stattlichen  Publikation  Leybolds  ••*')  über  das  Rathaus  zu  Augsburg  gab  Buff, 
der  Archivar  der  Stadt,  einen  kurzen,  aber  wertvollen  Text  bei.  —  Die  Kunstge- 
schichte des  Allgäu  machte  Schiller '^^^  zum  Gegenstand  einer  eingehenderen  Be- 
trachtung, i^^^^i^oj  _ 

Zur  Geschichte  des  Elsass  ist  die  eingehende  Untersuchung  von  Wincke  1- 
mann''*!)  über  den  Erbauer  des  Strassburger  Rathauses  hervorzuheben,  wobei  wahr- 
scheinlich gemacht  ist,  dass  Schoch  und  A.  Müller  die  entwerfenden  Meister  sind,  von 
Specklin  dagegen  „mit  ziemlicher  Sicherheit"  abgesehen  wird,  —  eine  Ansicht,  der 
sich  auch  J  anitsclieki*^)  zuneigt.  — 

In  Bayern  bereitet  Trautmann'43-i44-)  gjj^g  sorgfältige,  auf  die  reichen  Archi- 
valien des  Landes  gestützte  Publikation  vor.  Was  inzwischen  von  ihm  an  Arbeiten 
erschien,    lässt    eine    endgültige   Behandlung    des    wichtigen   Gebietes    erhoffen.     Es 

nnng  d.  v.  Peter  de  Porais  gegränd.  Maler-Konfraternität  in  Graz:  BKSteiermGQ.  23,  S.10-21.  —  117)  K.  E.  Fritsch,  D.  Schloss- 
kirche zn  Wittenberg:  DBauZg.  S.  i;2,  213.  -  US)  F.  Adler,  Ueber  d.  Schlosskirche  zu  Wittenberg.  Vortr.:  ib.  1892, 
S.  117.  (Referat.)  —  119)  Hugo  Wagner,  D.  Schlosskirche  zu  Wittenberg  in  Vergangenheit  n.  Gegenwart.  Wittenberg, 
Wnnschmann.  1892.  49  S.  mit  1  Lichtdr.  M.  0,75.  (Vgl.  JBL.  1892  II  6:6.3.)  —  120)  J.  Köstlin,  Friedrich  d.  Weise  n.  d. 
Schlosskirche  zu  Wittenberg.  Wittenberg,  Herrosfi.  1892.  4».  111  S.  M.  2,50.  (Vgl.  JBL.  1892  II  Ö  :  60.)  —  121)  X  Th. 
Distel,  Z.  Gesch.  d.  Moritz-Monuments  u.  seiner  Instandhaltung  1571 :  MFreibergAV.  30,  S.  105. — 122)  H.  Ger  lach,  Freiberger 
Bauchronik:  ib.  29,  S.  65-72.  —  123)  X  Joh.  Richter,  Schloss  Offenbach:  ZBK.  4,  S.  217-25.  —  124)  W.  Effmann,  D. 
ehemalige  Lettner  (Apostelgang  I  im  Dome  zu  Manster.  (=1  4:404,  S.  110-28.)  —  125)  (I  4:526a.)  —  126)  St.  Beissel,  D. 
Kirche  „Maria  Himmelfahrt"  zu  Köln  u.  ihr  sogenannter  „Jesuitenstil":  ChrK.  5,  S.  47-54.  —  127)  X  Cr.  Müller-Grote,  D. 
Malereien  d.  Huldignngssales  im  Rathause  za  Goslar.  B.,  Grote.  IV,  112  S.  mit  Textbild.  u.  Lichtdr.-Taf.  M.  6,00.  jfLCBl. 
S.  1357.] I  —  128)  X  F-  E.  Koch,  E.  Frnhrenaissance-Giebel  in  Güstrow:  JbbVMecklG.  58,  S.  97-100  —  129  X  P-  Hasse, 
Bildl.  Darstellungen  aus  Lübecks  ältester  Gesch.:  MVLübG.  S.  82-94.  —  130)  X  A.  Benda,  Wie  d.  Lübecker  d.  Tod  gebildet: 
ZVLübG.  0,  S.  563-90.  —  131)  L.  Leybold,  D.  Rathaus  d.  Stadt  Augsburg  erbaut  1615-20  von  Elias  Holl.  Mit  kurzem  bist. 
Text  V.  A.  Buff.  2.  Anfl.  B.,  Hessling  &  Spielmeyer,  Fol.  93  Taf.  u.  5  S,  Text.  M.  64,00.  —  132)  H.  Schiller,  Gesch. 
d.  Allgäuer  Kunst:  AllgänerGFr.  6,  S.  1,8,  17-22,  49-56,  65-70,  81,6,  97-104,  121-41.  -  133)  X  P"«!  Beck,  Oberschwäb. 
Künstler  früherer  Zeit:  AChrK.  S.  85/7.  —  134)  X  F-  Probst,  Uebersicht  über  d.  Künstler  u.  Kunstwerke  Oberschwabens  v. 
1550  bis  z.  7j.  Kriegr.  (Schluss):  ib.  S.  18-20,  25/8.  —  135)  X  Th.  Schöne,  Beitrr.  z  Gesch.  d.  Württemberg.  Baumeister  u. 
Bildhauer:  ib.  S.  10,1.  —  136)  X  A.  Klemm,  Neues  über  dtsch.  Baumeister  n.  Bildhauer  aus  älterer  Zeit:  Alemannia  19, 
S.  177-83.  (Süddtsch.  Architekten  d.  Gotik.)  -  137)  X  Karl  Schäfer,  Werkmeister  d.  Stadt  u.  d.  Münsters  zu  Freiburg  i.  B. 
aus  d.  Renaissance:  ib.  21,  S.  291/4.  —  138)  X  D-  Bnrckhardt,  E.  Ansicht  Basels  ans  d.  J.  1572:  BaslerJb.  S.  260/2.  — 
139)  XJ-  Stammler,  D.  St.  Antonius-Kirche  in  Bern:  KathSchwBll.  9,  S.  42-62.  —  140)  X^.  Hottinger,  H.  Zeller- 
Werdmüller  u.  J.  R.  Rahn,  Heinr.  Bullingers  Beschreibung  d.  Klosters  Kappel  u.  sein  heut.  Zustand.  (=  MAntiqnVZürich. 
Bd.  33,  Heft  4.)  L.,  Hiersemann.  1892.  4».  40  S.  mit  1  Plan,  1  Farbendr.-Taf.  u.  7  Holzsohn.  M.  2,40.  |[P.  V(etter): 
SchwRs.  3,  S.  343/4.]|  —  141)  0.  Winckelmann,  d.  Erbauer  d.  Strassburger  Rathauses:  StrassbPost.  N.  302/3,  303.  —  142) 
H.  Janitschek,  D.  Specklin:  ADB.  35,  S.  82/4.  —  143)  [0.  Aufleger],  Münchener  Architektur  d.  18.  Jh.  Mit  gesch.  Einl. 
V.  K.  Trautraann.  (=  Süddtsch.  Architektur  u.  Ornamentik  im  18.  Jh.  Bd.  3-4.)  München,  Werner.  1891.  Fol.  8  S.  u.  20  Lichtdr.- 
Taf,    ä  M.  15,00.  —  144)  [id.],  D.  reichen  Zimmer  d.  KgL  Residenz  in  München.    Mit  gesoh.  Einl.  t.  £.  Trantmanu  (ebda. 


0.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  :  145-102 

offenbart  sich  im  17.  und  18.  Jh.  ein  ebenso  reges  künstlerisches  Leben  in  Bayern  wie 
in  Oesterreich,  so  dass  auch  von  dorther  eine  Umstimmung-  in  der  Würdig-ung"  der 
geistigen  Mächte  Süddeutschlands  zu  jenen  Zeiten  in  ihrem  Verhältnis  zum  Norden 
unzweifelhaft  ausgehen  wird.^*^)  —  In  gleich  wissenschaftlichem  Geiste  arbeitet 
Hager'^^),  der  sich  das  oberbayerische  Kloster  Steingaden  zum  Gegenstand  wählte, 
wie  sich  denn  in  Bayern  das  lebhafte  Bestreben  zeigt,  die  noch  weiteren  Lücken  ört- 
licher Kunstgeschichte'*'')  zum  Ruhme  des  kunstreichen  Landes  auszufüllen.  —  Dasselbe 
ist  auch  in  Franken  der  Fall,  wo  Nürnberg  immer  wieder  die  hauptsächliche  Auf- 
merksamkeit auf  sich  lenkt.  **^'*^')  —  Rein  künstlerische  Absichten  verfolgte  der  Bild- 
hauer Otto  Lessing'^2j  j^it  seiner  Lichtdruck-Publikation  über  ein  nur  wenig  bekanntes 
Meisterwerk  des  Rokoko,  das  Hohenzollernschloss  Ansbach.  —  Ein  bedeutendes 
Gebiet,  aus  dem  es  noch  sehr  an  genaueren  Nachrichten  fehlt,  das  dafür  aber  noch 
erfreuliche  Ueberraschungen  zu  bieten  verspricht,  nämlich  das  spätere  Kunstleben 
an  den  fränkischen  geistlichen  Höfen,  hat  Stamminger ^^^)  zu  bearbeiten  be- 
gonnen, i^^-i  56)  __ 

Was  die  Geschichte  der  Architektur  angeht,  so  liegt  die  Kunstgeschichte 
der  Gotik  im  wesentlichen  der  Besprechung  in  diesen  Blättern  fern.  Doch  mag  kurz 
auf  Carstanjens'^")  Buch  über  Ulrich  von  Ensingen  hingewiesen  sein,  weil  dieser 
dicht  an  der  Grenze  zu  einer  neuen  Zeit,  zur  formalen  Befreiung  der  Gotik  von  der 
Vorherrschaft  des  Zirkels  steht.  —  Zur  Geschichte  der  socialen  Stellung  der  Bau- 
meister zu  Anfang  des  16.  Jh.  und  früher  brachte  Gurlitt  1^^)  einen  Beitrag,  der 
ebenfalls  in  diesen  Zeitabschnitt  hineinfällt.  —  Für  eine  spätere  Zeit,  zweite  Hälfte 
des  16.  Jh.,  bespricht  Weech'^^)  die  Höhe  der  Arbeitslöhne.  —  Das  für  die 
Architekturgeschichte  wichtigste  Werk  der  hier  in  Betracht  kommenden  Jahre  ist 
zweifellos  die  von  der  Vereinigung  Berliner  Architekten  herausgegebene  und  von 
Fritsch^ßO)  geschriebene  Geschichte  des  Kirchenbaues  des  Protestantismus.  Der  Be- 
arbeiter dieses  Berichtes  darf  sich  wohl  des  Umstandes  rühmen,  dass  er  in  seiner 
Geschichte  des  Barockstiles  zuerst  darauf  hinwies,  dass  es  einen  besonderen  pro- 
testantischen Kirchenbau  gäbe,  der  sich  aus  der  für  die  Liturgie  g'eeigneten  Grundriss- 
bildung aufbaut.  Das,  was  ich  dort  gab,  hat  F.  in  umfassendster  Weise  verbessert, 
ausgebaut  imd  bis  auf  den  heutigen  Tag  fortgeführt.  Wer  das  16.,  17.  und  18.  Jh. 
und  dessen  Geistesströmungen  in  protestantischen  Landen  verstehen  will,  wird  an 
dem  mit  übersichtlich  geordneten  und  mit  einer  ausserordentlich  grossen  Zahl 
von  durchweg  neuen  Abbildungen  versehenen  Werk  nicht  achtlos  vorüber  gehen 
können,  vielmehr  erkennnen,  dass  hier  eine  Kraft  der  Kunstäusserung  aufgedeckt 
wurde,  die  allein  mit  der  Stellung  Bachs  in  der  Musikwelt  verglichen  werden  kann. 
F.  hat  seine  Aufgabe  nur  in  der  Darstellung  seines  Gebietes  vom  fachmännisch 
architektonischen  Standpunkt  gesucht.  Es  ist  kein  Zweifel,  dass  abgesehen  von  der 
theologischen  nun  auch  von  der  allgemein  kulturgeschichtlichen  Seite  der  neueröffneten 
Quelle  nachgegraben  werden  muss,  namentlich,  dass  es  an  den  Theologen  ist,  dem  Gedanken, 
das  Kirchengebäude  aus  den  Anforderungen  der  Liturgie  zu  beurteilen,  den  Unter- 
grund durch  eine  Geschichte  eben  dieser  Liturgie  zu  geben.  —  Wie  das  zu  ge- 
schehen habe,  zeigt  in  mustergültiger  Weise  Riet  seh  els'^')  Untersuchung  über  die 
Aufgabe  der  Orgel  im  Gottesdienste.  —  Andererseits  beschenkte  uns  Sponsel'^^) 
mit  einer  vortrefflichen  Darstellung  eines  protestantischen  Kirchenbaues  allerersten 
Ranges,  indem  er  die  Geschichte  der  Dresdener  Frauenkirche  aktenmässig  darstellte. 
—    Zur   Vorbereitung    für    Studien   über   das    Wohnhaus    und    besonders    über   das 


Bd.  7-8).  Fol.  12  S.  u.  60  Lichtdr.-Taf.  M.  60,00.  —  145)  X  Chrn.  Haentle,  D.  färstl.  Wohnsitze  d.  Witteisbacher  in 
München.  I.  D.  Residenz.  Zeichnungen  v.  P.  Halm.  (=  Bayer.  Bibl.  Her.  v.  K.  v.  Beinhardstoettner  u.  K.  Traut- 
mann. 27.  Bd)  Bamberg,  Buchner.  1892.  VI,  124  S.  M.  1,40.  —  146)  G.  Hager,  D.  Bau-  u.  Kunstdenkm  d.  Klosters 
Steingaden:  OberbuyerA.  48,  S.  124-78.  —  147)  M.  Birkler,  D.  Kirchen  in  Obermarchtal.  E.  Jubil.-Ausg.  z.  200 j.  Bestände 
d.  ehemal.  Praemonstratenser-  u.  jetzigen  Schloss-  u.  Pfarrkirche.  St.,  Roth.  59  S.  mit  5  Ulustr.  M.  0,80. — 148)  X  E.  Wer- 
nicke,  Z.  Nürnberger  Kunstgesch.:  MVGNürnberg.  10,  S.  52-68.  —  149)  E.  Mummenhoffs  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  „freien  Hand- 
werks" d.  Maler:  ib.  S.  271/8.  —  150)  X  M.  Pfister,  D.  Dom  zu  Bamberg  vor  seiner  Restauration  (1828-37).  (=  55.  BHYBambg. 
4  S.  mit  Grnndriss.)  —  151)  E.  Mummenhoff,  D.  Rathaus  in  Nürnberg.  Mit  Abbild,  nach  alten  Orig.,  Massaufnahraen  etc., 
sowie  nach  A.  v.  Essenweins  Entwürfen  v.  H.  Wall  raff.  Im  Auftr.  u.  mit  Unterstütz,  d.  Stadt  Nürnberg  her.  v.  VGNürn- 
berg.  Nürnberg,  Schräg.  1892.  XIV,  365  S.  M.  25,0  I.  |[G.  v.  Bezold:  CBlBanverw.  S.  57-63.]|  -  152)  Otto  Lessing, 
Schloss  Ansbach  in  Bayern.  Barock-  u.  Rokoko-Dekorationen  ans  d.  18.  Jh.  In  10  Lfgn.  B.,  Schnltz-Engelhard.  1892-93. 
Fol.  Je  10  Taf.  ä  M.  10,00.  —  153)  J.  B  Stamminger.  Würzburgs  Kurstieben  im  18.  Jh.:  AHVUnterfranken,  35,  S.  209-55. 
—  154)  X  F.  V.  Keussler,  Aus  d.  Baltischen  Kunstgesch.:  BaltMschr.  40,  S.  664-72.  —  155)  A.  Matthaei,  Bangesch. 
Wanderungen  durch  Giessens  Umgebung:  MOberhessGY.  4,  S.  1448.  (3  Vortrr.,  Ausz.)  —  156)  XJ-H^H^y'  D.  monumen- 
tale Trier:  LHandw.  32,  S.  89-97.  —  157)  F.  Carstanjen,  Ulrich  v.  Ensingen.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Gotik  in  Deutschland. 
München,  Ackermann.  XIV,  137  S.  mit  17  Fig.  u.  13  Taf.  M.  6,00.  |[A.  Schulte:  ZGORh.  8,  S  527,3.]|  —158)  C.  Gurlitt, 
Erfurter  Hüttenordnungen  d.  15.  u.  16.  Jh.:  RepKunstw.  15,  S.  332-52.  —  159)  F.  y.  Weech,  Arbeitslöhne  beim  Schlossbau  in 
Durlach  (1563  65):  ZGORh.  8,  S.  519-21.  —  160)  [K  E  0.  Fritsch,J  D.  Kirchenbau  d.  Protestantismus  v  d.  Reformation  bis 
z.  Gegenw.  Her.  v.  d.  Vereinigung  Berliner  Architekten.  Mit  1041  Grundrissen,  Durchschnitten  u.  Ansichten.  B.,  Toeche. 
VII,  559  S.  M.  30,00.  |[DBauZg  S.  549,  561,  573,  581.]|  —  161)  G.  Rietschel,  D.  Aufgabe  d.  Orgel  im  Gottesdienst  bis  in 
d.  18.  Jh.  gesch.  dargest.  Progr.  L.,  Edelmann.  1892.  78  S.  —  162)  J.  L.  S  p  o  n  s  e  1 ,  D.  Frauenkirche  zu  Dresden.  Gesch.  ihrer 
Entstehung  y.  G.  Bährs  frühesten  Entwürfen  an  bis  z.  Vollendung  nach  d.  Tode  d.  Erbauers.  Dresden,  Baensch.  Fol.  VI  u. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  20 


I  11  :  163-172  C.  Gurlitt,  KunstgescMchte.    1892,  1893. 

Bauernhaus  ist  Essen  weins '^^^  sachkundige  Arbeit  über  den  älteren  Wohnbau  zu  em- 
pfehlen, welche  freilich  mit  der  Spätgotik  abschliesst.  Dies  Buch  eröffnet  die 
Reihe  der  Untersuchungen,  welche  auf  eine  im  Verband  Berliner  Architekten  ge- 
gebene Anreg'ung'^*)  die  deutschen  Architekten  den  Urformen  des  Hauses  zu  widmen 
begannen.  Diese  hoffen  nämlich  der  Erkenntnis  der  Stammeseigentümlichkeiten  im 
Wohnbau  auf  dem  Wege  gründlicher  Untersuchung  der  Einzelheiten,  der  anfänglichen 
Bauformen,  der  ortsüblichen  Bezeichnungen,  der  Schmuckglieder  wie  der  Grundriss- 
gestaltungen,  der  Entwicklungsgeschichte  des  Hauses  mehr  gerecht  werden  zu  können,  als 
es  bisher  auf  philologisch-anthropologischem  Wege  möglich  war.  —  Dem  Wohnhaus- 
bau allein,  und  zwar  vorzugsweise  der  Betrachtung  der  typischen  Formen  des  Auf- 
risses nach  historischen  Gesichtspunkten  sind  einige  neue  Werke  gewidmet,  welche 
die  älteren  von  Gladbach  (Schweizerbauten),  Kuno  und  Schäfer  (Deutsche  Bauten),  Bickell 
(Hessische  Bauten)  zu  ergänzen  bestimmt  sind.  Sehr  anregend  ist  jenes  von  Fritze  *^^) 
über  althennebergische  Holzbauten,  welche  berufen  scheinen,  dem  unschönen  unechten 
„Schweizerstil"  endlich  einmal  den  Garaus  zu  machen.  —  Eine  im  gleichen  Sinne  ge- 
haltene anregende  Broschüre  lieferte  Grüner i^^),  worin  er  den  sächsischen  Archi- 
tekten die  ländliche  Bauweise  ihrer  Heimat  vorbildlich  vorführt  gegenüber  den  städtischen 
Bauten  im  Hausknechtstil,  welche  jetzt  die  Dörfer  füllen.  —  Die  Uebertragung 
des  niedersächsischen  Haustypus  auf  städtische  Verhältnisse  erklärt  Pfeifer'^'') 
in  einem  sehr  belehrenden  Aufsatz  über  Braunschweiger  Verhältnisse,  welcher 
namentlich  durch  den  vorherrschenden  geschichtlichen  Sinn  sich  auszeichnet.  —  In 
ähnlicher  Absicht  wies  Schlotke^^^)  in  einem  gut  illustrierten  Aufsatz  auf  die 
Kunstleistungen  der  hamburgischen  Vierlande  hin.  —  Die  künstlerisch  architektonische 
Seite  der  Betrachtung  tritt  stärker  in  einer  Anzahl  von  Aufsätzen  hervor,  welche  die 
Blätter  für  Architektur  und  Kunsthandwerk  in  ihrem  5.  Jahrgange  brachten,  so 
jene  über  Bauten  in  Lüneburg,  Nürnberg  (von  P.  Ree),  Breslau  (H.  Lutsch),  Heidel- 
berg, Hildesheim,  Berlin  (R.  Borrmann),  Potsdam  (P.  Walle).  Eine  bemerkenswerte 
Studie  über  Duderstadt  von  Engelhard ^^''*)  sei  hier  noch  besonders  erwähnt.  — 
Wir  kommen  zur  Malerei  der  Renaissance.  Das  Hauptergebnis  in 
der  Dürerforschung  bildete  neben  der  Fortführung  der  grossen  Sammlung  von 
Reproduktionen  der  Handzeichnungen  des  Meisters  durch  Lipp mann  ^'O)  die  Lebens- 
beschreibung des  Mannes  von  Springer^'''),  welche  Jaro  Springer  nach  dem 
Tode  seines  Vaters  herausgab.  Sp.  hatte  die  Absicht,  dem  Werke  „kritische  An- 
hänge" beizugeben,  zu  deren  Drucklegung  jedoch  sich  in  seinem  Nachlass  nicht  die 
genügenden  Aufzeichnungen  fanden.  Seine  Gesamtauffassung  der  künstlerischen 
Stellung  des  Meisters  entspricht  noch  im  wesentlichen  jener  Thausings.  Die  Forschungen 
von  Charles  Ephrussi  und  Max  Lehrs  über  die  Stellung  Dürers  zu  den  Italienern 
und  zu  dem  Kupferstecher  Meister  W.,  jene  Thodes  über  die  Nürnberger  Malerschule 
und  über  das  Verhältnis  des  Meisters  zu  den  Niedeiiändern  haben  nur  in  geringem 
Masse  Einfluss  auf  ihn  ausgeübt,  ohne  dass  wir  von  den  Gründen  unterrichtet 
wurden,  welche  diese  Ablehnung  herbeiführten.  Dem  berühmten  Lehrer  der  Kunst- 
geschichte ist  dafür  zu  danken,  dass  er  vor  allem  suchte,  ein  lesbares  Buch  zu 
schreiben,  ein  Werk,  das  den  Meister  seinen  Verehrern  erklärt  und  nahe  bringt. 
Auf  das  Eindringen  in  das  Wiesen  Dürerscher  Kunst  ist  denn  auch  das  Hauptgewicht 
gelegt  und  somit  eine  höchst  erfreuliche  Knappheit  der  Darstellung  erreicht.  Freilich 
ist  auch  dieses  Buch  deutscher  Gelehrsamkeit  noch  weit  davon  entfernt,  dem  Leser 
wirklichen  Genuss  zu  bereiten;  dazu  nimmt  auch  jetzt  noch  der  kunstwissenschaft- 
liche Apparat  zu  grossen  Raum  ein;  Sp.  geht  zu  sehr  auf  objektives  Abwägen 
statt  auf  subjektives  Würdigen  aus.  Wer  das  Buch  las,  weiss  viel  über  Dürer,  aber 
es  ist  fraglich,  ob  er  sich  über  dessen  Kunstart  klarer  geworden  wäre,  fehlten  die 
vortrefflichen  Abbildungen.  Es  will  mir  sogar  scheinen,  als  habe  in  diesem  letzten 
Werke  Sp.s  die  Kraft  des  Erfassens  der  Persönlichkeit  eher  nachgelassen,  als  sich 
gegen  früher  gesteigert.  Das  Gewicht  wurde  auf  die  Geschichte  der  geistigen  Ent- 
wicklung des  Meisters  gelegt.  —  Und  gerade  die  für  sie  so  wichtige  Jugendzeit 
wurde  durch  ein  anderes,  die  Sachlage  erheblich  verschiebendes  Werk  berührt, 
welches  Springer  nicht  mehr  benutzen  konnte,  durch  Burckhardts^''^)  reich  ausge- 

122  S.  mit  40  Abbild,  anf  25  Lichtdr.-Taf.  M.  30,00.  —  163)  A.  v.  Essenwein,  D.  roman.  u,  got.  Banlcunst.  2.  Heft:  D.  Wohnban. 
(=  Handbuch  der  Architektur.     2;  T.  4.  Bd.)    Darmstadt,  Bergstraesser.     1892.     VI,  240  S.  mit  28  Abbild,  n.  15  Taf.     M.  16,00. 

-  164)  DBauZg.  1891,  S.  511;  CBlBauverw.  S.  402.  —  165)  Fritze,  Fränlc.-thüring.  (althenneberg.)  Holzbauten  aus  alter  u.  neuer 
Zeit.  Meiningen  u.  L.,  Junghanss  &  Koritzer.  4".  45  Lichtdr.-Taf.  mit  H,  21  S.Text.  M.  15,00.  -  166)  0.  Grüner,  Beitrr. 
z.  Erforschung  Volkstum).  Bauweise  im  Königr.  Sachsen  u.  in  Nordböhraen.  Mit  58  Abbild,  nach  Orig.-Zeichn  d.  Vf.  L.,  Felix. 
51  S.     M.  1,40.  -    167)  H.  Pfeifer.  D.  Holzarchitektur  d.  Stadt  Braunschweig.     Mit  9  Taf.:  ZBauwesen.  42,  S.  13-23,  457-70. 

—  168)  C.  Schlotte,  Aus  d.  Vierlanden.  (=  Schriften  d.  bayer.  Kunstgewerbever.  S.  34;7.)  —  169)  R.  Engelhard,  Duder- 
stadt: ZBK.  3,  S.  169-77.  —  170)  F.  Lippmann,  Dürers  Zeichnungen.  In  Nachbild,  her.  3.  Bd.  (XXIIL-XXV.  Abt.)  B.,  Grote. 
Fol.  126  Taf.  mit  V,  26  S.  Text.  M.  250,00.  —  171)  A.  Springer,  A.  Dürer.  Mit  Taf.  u.  Ulustr.  im  Text.  (Her.  v.  Jaro 
Springer.)  ib.  1892.  184  S.  M.  12,50.  |[H.  Janitschek:  Nation".  9,  S.  206-10;  id.:  LCBl.  S.  56,8;  K.  Domanik: 
ÖLBl.  1,  S,  18-22;  ZChrK.  6,  S.  359;  F.  Fuhse:  MVGNürnberg.  10,  S.  285/9;  NatZg.  N.  263;  PrJbb.  71,  S.  529-37;  WIDM.  72, 
8.  860/1;   N<6S.  60,  8.  413,6;   L.  Kaufmann:    ZBK.  3,  S.  156/7.] |    —   172)  D.  Burokhardt,   A.  Dürers  Aufenthalt  in  Basel 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  -.  173-I88 

stattete  Publikation:  Albrecht  Dürers  Aufenthalt  in  Basel  1492—94.  Ausgehend  von 
dem  F^unde  eines  von  Dürer  eig-enhändig*  mit  seinem  Namen  beschriebenen  Holz- 
stockes, weist  B.  in  klarer  und  gelehrter  Abhandlung  nach,  dass  der  Meister,  nach- 
dem er  Kolmar  im  Spätsommer  1492  auf  seiner  Wanderschaft  verlassen,  nicht  nach 
Italien  gegangen,  sondern  in  Basel  für  den  Holzschnitt  gezeichnet  habe,  und  zwar 
für  den  Verleger  Amerbach.  Sämtliche  Holzstöcke,  von  denen  nur  ein  Teil  (ziemlich 
roh)  geschnitten  wurde,  mit  ihren  Originalzeichnungen  erhielten  sich  in  der  öffent- 
lichen Kunstsammlung  in  Basel.  Dadurch  that  sich  der  Dürerforschung  eine 
neue  Richtung  auf,  wie  denn  schon  B.  selbst  die  Abbildungen  mehrerer  Holzschnitt- 
werke (z.  B.  das  Buch  des  Ritters  vom  Thurn,  Basel  1493)  gleichfalls  als  nach 
Dürerschen  Zeichnungen  gefertigt  bezeichnet  hat.  —  Ein  drittes  Werk  führt  die 
schriftlichen  Werke  des  grossen  Malers  zum  ersten  Mal  vollständig  und  mit 
kritischen  Erläutern ng-en  vor.  Es  ist  in  dieser  sorgfältigen  und  wohlgeordneten 
Arbeit,  im  Gegensatz  zu  Thausings  und  Convays  älteren  Ausgaben,  welche  nur  das 
geschriebene  Material  berücksichtigten,  Dürers  ganzer  Nachlass,  auch  das  bereits  unter 
seinen  Augen  gedruckte  durch  Lange  und  Fuhse^'^)  vereint  worden,  so  dass 
die  Forschung  nun  bequem  dem  Gedankengange  des  grossen  Mannes  nachschreiten 
kann.  Wer  sich  einigermassen  über  die  Unebenheiten  des  Stiles  im  16.  Jh.  hinweg- 
setzen kann,  der  wird  Dürer  aus  diesem  Buche  besser  kennen  lernen  als  aus 
allen  Lebensbeschreibungen,  den  Menschen  sowohl  wie  den  Künstler.  Die  Grösse 
der  Anschauung  und  der  gewaltige  Ernst  des  Mannes  machen  Teile  seiner  Briefe, 
Tagebücher  und  ästhetischen  Darlegungen  zu  den  herrlichsten  Erzeugnissen  des 
deutschen  Schrifttums.  Deutscher  ist  nie  geschrieben  worden  als  von  ihm.  — 
Die  Herausgabe  des  Holzschuherschen  Bildnisses  in  Farbendruck  gab  die  äussere 
Veranlassung,  dass  Eye^''^)  sich  nochmals  über  Dürer,  dessen  Leben  zu  beschreiben 
die  Hauptaufgabe  seiner  Jugend  war,  äusserte.  —  Disselhoffs  •''^)  volkstümliches 
Werkchen  über  den  Meister  erschien  in  2.  Auflage,  als  ein  treffliches  Mittel  nicht 
bloss  für  die  Unwissenden,  sich  an  des  grössten  deutschen  Künstlers  warmherziger  Art 
zu  erheben  und  sich  in  seine  Gedanken-  und  Ausdrucksweise  einführen   zu   lassen. 

—  Die  drei  erstgenannten  Arbeiten  führten  fast  die  ganze  deutsche  Kunstgelehrsam- 
keit auf  den  kritischen  Kampfplatz.  Terey^'^)  entwickelte  in  einem  gesonderten 
Werkchen  seine  Burckhardt  entgegengesetzten,  für  eine  erste  Reise  nach 
Venedig  eintretenden  Ansichten,  die  auch  ihrerseits  bereits  in  mehreren  der 
hier  verzeichneten  kritischen  Aufsätze  Berücksichtigung  fanden. ^''''"i^^)  —  Es  ent- 
zieht sich  der  Aufgabe  dieser  Notizen,  das  Für  und  Wider,  welches  in  den 
Specialfragen  oft  mit  grossem  Scharfsinn  erwogen  wird,  nachzuprüfen  und  nach 
einem  endgültigen  Ergebnis  zu  suchen,  solange  es  von  den  mit  der  Lösung 
beschäftigten  Specialisten  selbst  noch  nicht  gefunden  ist.  Inzwischen  ist  man  all- 
seitig eifrig  am  Werke,  Neues  über  Dürer  zusammenzutragen,  und  auch  die  Ver- 
hältnisse kennen  zu  lernen,  aus  welchen  der  Meister  hervorging.  Hierzu  bietet  ein 
Vortrag  von  Hampe^^^)  über  die  geistigen  Verhältnisse  um  1500  viele  Anknüpfungs- 
punkte, da  er  im  wesentlichen  Nürnberg  zum  Ort  seiner  Betrachtungen  wählt.  1**^) 

—  Thodes^^ö"'^')  verdienstvolles  Werk  über  die  Malerschule  zu  Nürnberg  im  14. 
und  15.  Jh.,  welches  die  Kunstgeschichte  bis  an  die  Zeit  der  Wiederkehr  des  jungen 
Dürer  aus  seinen  Wanderjahren  führt,  wirkt  noch  in  einer  Reihe  von  Besprechungen 
auch  in  den  hier  zu  berücksichtigenden  Berichtsjahren  nach.  —  In  einem  Aufsatz 
über  drei  Porträts  von  Albrecht  Dürer  wendet  sich  Thode'^^)  kräftig  gegen 
Burkhardts  Ansicht,  dass  die  Baseler  Holzschnitte  Dürers  Werk  seien,  da  sie  hierfür 
an  Kunstwert  zu  tief  ständen.  Dageg-en  weist  er  drei  Gemälde  als  des  Meisters 
Arbeit  nach,  eines  in  Bergamo  (Bildnis  des  Sebastian  Imhof?),  ein  zweites  von  1519 
in  der  Borromeoschen  Sammlung  in  Mailand,  das  dritte  bei  Herrn   von  Holzhausen 

1492-94.  Mit  15  Textillnstr.  u  50  Taf.  in  Lichtdr.  München  u.  L..  Hirth.  1892.  VH,  50  S.  M.  20,00.  |[G.  Dehio:  GGA. 
1S92,  S.  928-36;  H.  J[ani  tschek]:  LCBl.  S.  574/5;  L,  Kaufmann:  ZChrK.  5,  S.  156/7;  E.  Lehmann:  BLU.  S.  809-10; 
HJb.  13,  S.  667. ]|  —  173)  K.  Lange  n.  F.  Fnhse,  A.  Bärers  schriftl.  Nachlass,  auf  Grund  d.  Originaihss.  n.  teilweise  neu 
entdeckter  alter  Abschriften  her.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  XXIV,  420  S.  mit  1  Lichtdr. -Taf.  u.  8  Illustr.  M.  10,00  |[ZChrK.  6, 
S.  313/4;  M.  S.:  ML  62,  S.  821. ||  —  174)  A.  v.  Eye,  A.  Dürers  Leben  u.  Kunstthätigkeit  in  ihrer  Bedeutung  für  seine  Zeit 
u.  d.  Gegenw.  Wandsbeck  (Seitz).  Fol.  lU,  136  S.  mit  2  Taf.  M.  20,00.  |(F.  Fuhse:  MVGNürnberg.  10,  S.  283/4.]|  —  175) 
J.  Disselhoff,  A.  Dürer,  Luthers  Freund  u.  Mitstreber.  Mit  Holzscha.  2.  Aufl.  Eaiserswerth,  Diakonissenanst.  12**.  28  S. 
M.  0,15.  —  176)  G.  V.  Terey,  A.  Dürers  venetian.  Aufenthalt  1494-95.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  4».  30  S.  mit  7  Lichtdr. 
M.  3,00.  llKunstchr.  4,  S.  189.]|  —  177)  X  Wilh.  Schmidt,  A.  Dürer  in  Basel  u.  Venedig:  Kunstchr  3,  S.  536-43.  —  178)  X 
K.  Lange,  A.  Dürers  Jngendentwicklung:  Grenzb.  1892:  1,  S.  330-41,  383-96;  2,  S.  551-62.  —  179)  X  W.  v.  Seidlitz,  Neues 
über  Dürer:  AZg".  1892,  N.  145.  —  180)  X  A.  Jordan,  Neues  über  Dürer:  Geg.  42,  S.  278-80.  —  181)  X  A.  St  ein,  A. 
Dürer.     E.  Lebensbild:   HJb.  13,  S.  663.  —  182)  X  E-    Lehmann,  Wie  lernen  wir  A.  Dürer  yerstehen?:  BLU.  1892,  S.  225/8. 

—  183)XF-  Rieffel-Kastel,  A.  Springers  litt.  Nachlass :  FZg.  1892,  N.  70.  —  184)Th.  Hampe,  Dtsch.  Kunst  n.  dtsch.  Litt,  um 
d.  Wende  d.  15  Jh.  Vortr.  geh.  auf  d.  kunsthist.  Kongress  zu  Nürnberg,  25.  Sept.  Nürnberg,  Soldan.  32  S.  M.  0,60.  (S.  u.  112  :  3.) 
-- 185)  X  Wilh.  Walther,  P.  Lehfeld,  Luthers  Verhältnis  zu  Kunst  n.  Künstler  (vgl.  JBL.  1892116:83):  ThLBl.  14,  S.388  9. — 
186)  X  H  Thode,  D.  Malerschule  v.  Nürnberg  im  14.  u.  15.  Jh.  Frankfurt  a.  M.,  Keller.  1891.  XVL  332  S.  mit  32  Taf. 
M.  12,00.  |[WLDM.  72,  S.  715,6.]|  —  187)  X  L.  P[iet8ohJ,  D.  Malerschule  v.  Nürnberg  im  14.  u.  15.  Jh.  von  ihrer  Ent- 
wicklung bis  auf  Dürer:  N&S.  63,  S.  403/5.    —   188)    H.  Thode,    Ueber   drei   Portrr.  y.  A.  Dürer:    JPrK.  14,  S.  198-219.  — 

20* 


I  11  :  189-202  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893. 

in  Frankfurt  a.  M.  —  Dem  gegenüber  führt  Burckhardt '^^"^^o)  seine  Ansicht  mit 
der  Klarheit  der  Ueberzeugung  weiter.  So  weist  er  eine  Zeichnung  Dürers  vom 
J.  1497  nach  und  veröffentHcht  in  einer  auf  Archivalien  begründeten  Untersuchung 
über  Martin  Schongauer  und  seine  Brüder*^')  und  ihre  Beziehungen  zu  Basel 
einen  Beitrag  zur  Lebensgeschichte  Albrecht  Dürers,  worin  er  das  Verhältnis 
des  Meisters  zu  seinen  Lehrern  näher  feststellt.  Eine  Nachprüfung  der  mehrfach 
aufgeworfenen  Frage,  ob  Dürer  in  Strassburg  künstlerisch  thätig  gewesen  sei,  führt 
zu  verneinenden  Ergebnissen;  denn  B.  stellt  fest,  dass  dieser  1494  mit  Georg  Schongauer 
nicht  dort,  sondern  in  Basel  sich  aufhielt.  102-193J  —  Rosenberg^^'*)  äussert  sich  über 
Dürers  Madonna  mit  dem  Zeisig  von  1506,  ein  bisher  wenig  bekanntes  Bild,  welches 
von  Bode  1891  für  Berlin  gekauft  wurde.  —  Justi'^^)  klärt  uns  über  den  Ursprung 
der  Dürermadonna  im  Kölner  Museum  auf.  —  Aus  Riehls^''^)  „Kunstcharakteren", 
einem  der  wenigen  Bücher,  welche  man  zum  Lesen  —  nicht  bloss  zum  Studieren  — 
empfehlen  kann,  fällt  nur  der  Aufsatz  über  „Dürers  Kunst  fürs  Haus"  (S.  119 — 46)  in 
das  hier  zu  besprechende  Gebiet.  Als  Paralelle  sind  Bellini  und  Michelangelo  be- 
handelt. R.  geht  nämlich  in  seiner  Sammlung  von  11  Essays  von  der  Absicht  aus, 
deutsche  und  italienische  Kunstäusserungen  als  Ergebnisse  des  Volkslebens  sich 
gegenüber  zu  stellen,  die  deutsche  Art  der  Wohnlichkeit  und  die  italienische  des 
Heraustretens  in  die  Oeffentlichkeit  in  ihren  Wirkungen  darzustellen.  Dabei  passt 
ihm  Dürers  Thätigkeit  als  Stecher  und  Holzschneider  trefflich,  um  an  ihr  den  Mann, 
seine  Zeit  und  seine  hohe  Bedeutung  darzustellen.  Es  ist  hierbei  weniger  seine 
Absicht,  die  Wissenschaft  um  einige  Nachrichten  zu  bereichern,  als  seinen 
Volksgenossen  der  Edelsten  einen  herzlich  nahe  zu  bringen.  —  Auch  auf  einem  in- 
direkteren Wege  werden  Beiträge  zur  Dürer-Geschichte  gebracht.  Reb  er  •'*'')  setzte 
seine  archivalischen  Studien  über  die  bayerischen  Sammlungen  fort:  Ein  Vortrag  be- 
richtet vom  Funde  eines  Inventar  von  1598  und  bringt  dabei  über  die  Schicksale  von 
Dürers  Werken  einige  Nachrichten;  auch  Holbein  und  Cranach  streift  die  Besprechung.  — 
Im  gleichen  Sinne  ist  eine  Festrede  Rebers  ^^^)  gehalten;  auch  hier  bildet  der  Nach- 
weis über  die  Geschichte  Dürerscher  Bilder  und  das  Verhältnis  späterer  Zeiten  zu 
ihnen  den  Hauptinhalt  der  Untersuchung;  es  wird  die  Herausgabe  alter  Inven- 
tarien  fortgesetzt.  —  Dieselbe  Aufgabe  stellt  sich  hinsichtlich  der  Wiener  Gemälde- 
sammlung Grasberger'^^).  Dürer  nimmt  ebenfalls  an  dieser  Stelle  unter  den  deutschen 
Künstlern  eine  hervorragende  Stellung  ein,  wenngleich  das  ganze,  geschickt  an- 
gelegte Buch  mehr  die  Entwicklungsgeschichte  der  Sammlung  als  die  der  Künstler 
sich  zur  Aufgabe  macht.  —  Die  gleiche  Untersuchung  führt  für  Böhmen  der  durch  die 
Gründlichkeit  seiner  Studien  vorteilhaft  bekannte  Prager  Professor  Neuwirth -O'J) 
weiter,  indem  er  Rudolf  II.  als  Dürer-Sammler  zum  Gegenstand  einer  eingehenden 
Studie  macht,  nach  welcher  der  Kaiser  als  ein  verständnissvoller  Verehrer  des 
Meisters  erscheint.  — 

Sehr  ergiebig  für  die  Erkenntnis  des  Meisters  war  auch  das  lebhafte  Be- 
mühen, seiner  Schule  und  seinen  Zeitgenossen  kritisch  gerecht  zu  werden. 
Die  reife  Arbeit  eines  kunsterfahrenen  Mannes  ist  die  Dissertation  über  Hans  von 
Kulmbach  von  Koellitz^oi),  Dieser  Meister,  selbst  keine  besonders  selbständige 
Erscheinung,  ist  mit  dem  Nürnberger  Kunstleben  so  innig  verschmolzen,  dass  aus 
der  Kenntnis  seines  Lebens  und  Wirkens  auf  dieses  selbst  vielfache  Klarheit  fällt. 
Wohlgemut,  Jakob  Walch,  Dürer  treten  nach  einander  in  dem  Buche  als  Lehrer  des 
sich  nach  ihnen  bildenden  Künstlers  auf.  Das  Ergebniss  ist  eine  scharf  umrissene 
stilkritische  Darstellung  der  einzelnen  Perioden  des  Künstlers  und  ein  beschreibendes 
Verzeichnis  seiner  Werke.  — 

Diesem  Buche  steht  fast  gleichwertig  zur  Seite  Thiemes202)  Arbeit  über  Hans 
Leonhard  Schaeufelin.  Auch  hier  ist  das  System  der  Behandlung  das  richtige. 
Th.  sucht  aus  den  Bildern  heraus  die  Eigenart  des  Künstlers  und  seinen  Ent- 
wicklungsgang festzustellen,  vergleicht  die  Ergebnisse  mit  den  erhaltenen  Nach- 
richten über  dessen  Leben  und  durchforscht,  von  dieser  Basis  ausgehend,  die  Samm- 


189)1).  Burcthardt,  E.  Dürerzeichnung  aus  d.  J.  1497:  Kunstchr.  4,  S.  169-74.  —  190)  id.,  Martin  Schongauer  u.  seine  Brüder 
in  ihren  Beziehungen  zu  Basel.  E.  Beitr.  z.  Lebensgesch.  A.  Dürers:  JPrK.  14,  S.  158-64.  —  191)  X  H.  Janitschek,  L.  u. 
M.  Schongauer:  ADB.  34,  S.  734,9.  —  192)  X  ^-  Bach,  A.  Dürer  in  Württemberg:  BBSW.  S.  205/7.  —  193)  X  »d.,  Be- 
ziehungen d.  M.  Schongauer  zu  Ulm:  AChrK.  S.  53,6.  —  194)  Ad.  Rosenberg,  Dürers  Madonna  mit  d.  Zeisig:  ZBK.  4,  S.  225. 
(Vgl.  Kunstchr.  4,  S.  201/5.)  —  195)  C.  Justi,  Ueber  d.  Ursprung  d.  Dürermadonna  im  Kölner  Mus.:  ZChrK.  6,  S.  225-31.  — 
196)  B.  Riehl,  Dtsch.  u.  ital.  Kunstcharaktere.  Mit  16  Abbild.  Frankfurt  a.  M.,  Keller.  VIII,  254  S.  M.  7,60.  fE.  Leh- 
mann: BLU.S.  484/6;  A.Schnütgen:  ZChrK.  6,  8.  349-.50;  Geg.  43,  S.  111;  AZg".  N.  133.J|  — 197)  F.  v.  Reber,  D.  Öemfilde 
d.  herzogl.  bayer.  Kunstkammer  nach  d.  Ficklerschen  Inventar  v.  1598.  Vortr.  aus  SBAkMünchen.  1892.  München  (Franz).  32  S. 
(Sonderabdr.)  —  198)  id.,  Kurfürst  Maximilian  I.  v.  Bayern  als  Geniäldesaramler.  Festrede  geh.  in  d.  öffentl.  Sitzung  d.  K. 
b.  Ak.  d.  Wissensch.  zu  München  am  15.  Nov.  ib.  1892.  4".  45  S.  M.  1,30.  —  199)  H.  Grasberger,  D.  Gemäldesamml. 
im  kunsthist.  Hofmus.  in  Wien.  Mit  20  Abbild.  (=  Oesterr.  Bibl.  her.  v.  Alb.  Ilg.  1.  Bd.)  Wien,  Gerold.  1892.  VI,  224  S. 
M.  2,00.  —  200)  J.  Neuwirth,  Rudolf  II.  als  Dürersammler  JB.  d.  Staatsgymn.  Prag- Altstadt.  S.  1-39  -  201)  K. 
Koellitz,  Hans  Süss  v.  Knlmbach  u.  seine  Werke.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Schule  Dürers.  (=  Beitrr.  z.  Kunstgesch.  Bd.  12.) 
li.,  Seemann.    1891.    IV,  80  S.    M.  3,00.    |[LCB1.  1892,   S.  1027.j|    —    202)  U.  Thieme,    Hans  Leonh.  Sohaenfelins  malerische 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  :  203-22* 

lung-en  nach  Schaeufelinschen  Werken.  So  bringt  er  es  zur  Feststellung  der  sicher 
und  der  wahrscheinlich  dem  Meister  zuzuschreibenden  Bilder  und  zum  Ausschluss 
fälschlich  ihm  zugewiesener  Arbeiten.  — 

Wie  in  den  oben  besprochenen,  die  Geschichte  der  Gemäldegalerien  be- 
treffenden Werken,  so  ist  auch  in  einzelnen  Studien  die  Kunde  vom  Leben  und 
Wirken  Hans  Holbeins  d.  J.  um  manchen  wichtigen  Beitrag  erweitert  worden. 
Mit  seiner  Jugendentwicklung  hat  A.  Schmid^o^)  sich  in  einer  Studie  beschäftigt, 
welche  hier  erst  zu  würdigen  sein  wird,  wenn  die  versprochene  Fortsetzung  er- 
schienen ist.  —  Das  von  der  Londoner  National-Gallery  erworbene  Bild  der  „Gesandten" 
wird  als  Porträt  des  Jean  de  Dinteville  und  Nicolas  Bourbon  nachgewiesen  in 
einem  eingehenden  Aufsatz  vonZimmermann204)._  streit^o^)  hält  hinsichtlich  des 
ersteren  die  Bezeichnung  für  richtig,  setzt  an  Stelle  Bourbons  aber  den  deutschen 
Johannes  Sturm.  —  Kekule^oß)  untersucht  Holbeins  Holzschnitte.  —  Als  den  Ver- 
fertiger des  mit  „S.  Holbain  M."  bezeichneten  Bildes  in  Nürnberg,  für  den  bisher 
Sigmund  Holbein  gehalten  wurde,  erkennt  Burckhardt^»'')  nach  einer  Zeichnung 
Hans  den  Aelteren.  —  Den  Holbeinschen  Totentanz  erklärt  der  Engländer  Dobson^o«), 
während  S  e  el  m  a  n  n^oo)  von  dem  Totentanze  des  Mittelalters  eine  Uebersicht  giebt.  — 

Lukas  Cranach  tritt  neben  den  Hauptmeistern  noch  mehr  zurück.  Von 
grosser  Wichtigkeit  für  seine  Entwicklungsgeschichte  ist  Custs^'^*)  Nachweis,  dass 
zu  Anfang  des  16.  Jh.  Jacopo  de  Barbari  wie  auf  Dürer,  so  auch  auf  den  sächsischen 
Meister  Einfluss  hatte,  dass  wenigstens  sein  Sohn  noch  50  Jahre  später  ein  Bild  des 
Venetianers  in  Holz  schnitt.  —  Cranachs  Schule  zeigt  sich,  abgesehen  von  einigen 
Deckenmalereien  in  Torgau  (1556),  dieWollschläger^^i)  beschreibt,  unverkennbar 
in  einem  1554  in  Stettin  gefertigten  Teppich,  welcher  sächsische  und  pommersche 
Fürsten  sowie  die  Reformation  darstellt;  Lessing^i^j  Hess  ihm  eine  eingehende  Wür- 
digung angedeihen.  —  Gleichzeitig  etwa  erschien  Wustmanns^'^^  Studie  iiber  den 
Teppichwirker  Bombeck,  der  1550  in  Leipzig  in  ganz  stilverwandter  Weise  ar- 
beitete.214-215)  _  ■ 

Unter  den  Werken  über  die  Meister  zweiten  Ranges  aus  der  Blütezeit 
deutscher  Kunst  nimmt  die  eingehende  undfleissige  Untersuchung  über  die  Schweizer- 
ische Malerei  von  Haendcke2i6-2i7-)  eine  hervorragende  Stellung  ein.  Das  Buch 
setzt  für  sein  Gebiet  dort  ein,  wo  J.  R.  Rahns  Geschichte  der  bildenden  Künste  in 
der  Schweiz  abschliesst,  das  heisst  unmittelbar  hinter  den  beiden  Holbein.  Urs  Graf, 
Manuel  Deutsch,  der  als  Meister  J.  K.  bekannte,  als  Jacob  Kallenberg  nachgewiesene 
Berner  Meister,  Hans  Fries,  Hans  Leu,  Haus  Asper  u.  a.  treten  in  sorgfältig  durch- 
gearbeiteten Lebensbildern  als  Männer  hervor,  die  in  der  ersten  Hälfte  des  Jh.  eine 
echt  örtliche  Kunst  bis  in  die  höchsten  Bergthäler  trugen.  Der  zweite  Abschnitt  widmet 
sich  den  unter  niederländischem  und  italienischem  Einfluss  Stehenden,  zu  welchen 
H.  auch  Jost  Amman  und  Tobias  Stimmer  zählt.  Schärfer  tritt  fremde  Stilart  an 
dem  nicht  unbedeutenden  Joseph  Heintz  und  Hans  Bocket»)  hervor;  H.s  Werk  über 
die  Pannerträger  des  Urs  Graf  bildet  eine  Ergänzung  seiner  verdienstvollen  Haupt- 
arbeit. 219  220^  — 

Eine  Notiz  über  Altd orfer  trägt  Max  Friedländer22»-222')  seiner  in  der 
Berichtsperiode  mehrfach  besprochenen  Biographie  über  diesen  Künstler  nach,  indem  er 
den  Stich  einer  Prudentia  dieses  Meisters  behandelt.  —  Altdorfers  Hand  weist  Wilh. 
Schmidt  223^  in  einem  Bilde  zu  Innsbruck  und  in  Zeichnungen  zu  Florenz  und  Siena 
nach.  —  Ueber  dessen  Schüler  Wolf  Huber  von  Passau  sammelte  ebenfalls 
Schmidt  224)  eine  Anzahl  Nachrichten,  indem  er  zugleich  dieses  Malers  Werk  von  dem 
Anderer,  namentlich  dem  M.  Grünewalts,  kritisch  zu  sondern  unternahm.  — 


Thätigkeit.  (=  Beitrr.  z.  Kunstgesch.  Bd.  16.)     ib      1892,     192  S.  m.  1  Autotypie  u.  12  Abbild,   in  Lichtdr.     M.  6,00.  -    203) 

A.  Schmid,  Hans  Holbeins  d.  J.  Entwicklung  in  d.  J.  1515-26.  I.  Holbeins  früheste  Gemälde.  Habilitationsschrift.  Wnrz- 
burg.  1892.  35  S.  —  204)  M.  G.  Zimmermann,  D.  neue  Holbein  in  d.  National-Gallerj :  ZBK.  3,  S.  193-201.  —  205)  W. 
Streit,  D.  neue  Holbein  d.  Nat.-Gall.:  ib.  S.  294/8.  —  206)  K  Kekule,  üeber  einige  Holzschnittzeichnungen  Holbeins: 
JPrK.  13,  S.  161-71.  —  207)  D.  Burckhardt,  Hans  oder  Sigmund  Holbein?:  ib.  S.  137-40.  -  208)  Austin  Dobson, 
Holbeins  Dance  of  Death.  Introd.  London,  Bell  &  Sons.  Sh.  8.  —  209)  W.  Seelmann,  D.  Totentänze  d.  MA.:  JbVNiederdSpr.  17, 
S.  1-80.  (DazQ  KBlVNiederdSpr.  15,  S.  41.)  —  210)  L.  Cust,  Jacopo  de  Barbari  u.  Lucas  Cranach  d.  J.:  JPrK.  13,  S.  142/5.  - 
211)  W.  Wollschläger,  üeber  d.  Kassettenmalerei  im  Hause  Breitestr.  N.  354:  AVTorgau.  5,  S.  15-22.  —  212)  Jnl.  Lessing, 

D.  Croy-Teppich  im  Besitze  d.  Kgl.  Univ.  Greifswald:  JPrK.  13,  S.  146-60.  —  213)  G.  Wustmann,  E.  Leipziger  Teppichweber 
d.  16.  Jh.:  Kunstgewerbebl.  1892,  S.  49.  —  214)  X  H- W.  Singer,  Zusätze  z.  Werk  d.  Hein r.  Göding:  RepKunstw.  15,  S.  3536. 
(Zeitgenosse  d  jung.  Cranach.)  —  215)  X  G,  v.  Terey,  Kardinal  Albrenht  v.  Brandenburg  u.  d.  Hallesche  Heiligtumbnch  v.  1520. 

E.  kunsthist.  Studie.  D'ss.  Strassburg  i.  E.  1892.  113  S.  — 216)  B.  Haendcke,  D.  schweizer.  Malerei  im  15.  Jh.  diesseits 
d.  Alpen  u.  unter  Berücksichtig,  d.  Glasmalerei,  d.  Formschnitts  u.  d.  Kupferstichs.  Mit  8  Textillustr.  u.  SOTaf.  Aarau,  Sauer- 
länder. Y,417S.  M.10,00.  —  217)  id.,  D.  Pannerträger  d.  13  allen  Orte  nach  Holzschn.  Urs  Grafs.  Mit  16  Lichtdr.  u.  12  Textabbild. 
[Aus:  Völkerschan  3.  u.  4  Bd.]    Basel,  Geering,    Fol.  12  S.    M.  17,00.    |[SchwRs.  1,  S.  230,l.j'|   —  218)  E.  His-Hensler,  Hans 

.Bock,  d.  Maler:  BaslerJb.  1892,  S.  136-64.  (Vgl.  JBL.  1892  11  1  :  71.)  —  219)  X  J-  Stammler,  D.  St.  Vincenz-Teppiche  d.  Berner 
Münsters:  AHVBern.  13,  S.  1-62.  —  220)  X  i<  D-  Teppiche  d.  bist.  Mus.  in  Thun:  ib.  S.  231-93.  -  221)  Max  Friedländer, 

B.  Notiz  über  Altdorfer:  JPrK.  14,  S.  22/6.  —  222)  X  id.,  Albrecht  Altdorfer.  (=  Beitrr.  z.  Kunstgesch.  Bd.  13.)  L.,  Seemann  1391. 
Vm,  175  S.  M.  5,00.  |[A.  P.:  MA.  5,  S.  4;  H.  Janitschek:  LCBl.  1892,  S.  1027;  R.  Stiassny:  ZBK.  4,  S.  237-40.]|  -  223) 
Wilh.  Schmidt,  Altdorfers  Hand:  RepKunstw.  13,  S.  432,3.    -    224)  id.,  Wolf  Hnber  u.  M.  Grfinwalt:   ZBK.  3,  S.  116/8.  — 


I  11  :  225-244  C.  Gurlitt,  Kunstg^eschichte.    1892,  1893. 

Ein  treffliches  Bild  des  Bernhard  Strig-el,  über  den  der  Aufsatz  über  die 
Künstlerfamilie  der  Strig-el  von  Wilh.  Schmidt225)  eine  allg-emeine  Darstellung- 
enthält, wurde  von  Stiassny  226-)  jjjj  Metropolitan  Museum  of  Art  in  New- York  nach- 
g-ewiesen  und  bei  dieser  Gelegenheit  ein  Üeberblick  über  die  Kunst  des  schwäbischen 
Meisters  gegeben,  — 

Dem  Meister  Barthel  Beham  wandte  sich  die  Aufmerksamkeit  stärker  zu. 
Hatte  Haendcke 227)  über  seine  Thätig-keit in  St.  Gallen  berichtet,  so  machte  Koet- 
schau  228)  das  Leben  des  Künstlers  zum  Gegenstand  einer  längeren  Abhandlung,  welche 
mir  jedoch  nicht  zugänglich  war.  — 

Gleichen  Umfanges  etwa  ist  Ohnesorges229)  Dissertation  über  Wendel 
Dietterlin,  in  welcher  dem  Maler  Gerechtigkeit  geschieht,  während  er  bisher  fast 
nur  als  phantasievoller  Ornamentstecher  bekannt  war.  Freilich  ist  wenig  von  seiner 
Hand  erhalten,  aber  seine  Mitwirkung  an  der  Ausschmückung  wichtiger  Strass- 
burger  und  Stuttgarter  Bauten  in  seiner  Eigenschaft  als  gewandter  Dekorationsmaler 
gab  ihm  zweifellos  zu  seiner  Zeit  eine  hervorragende  Bedeutung.  — 

Zum  Zweck  genauerer  Würdigung  des  Hans  Baidung  Grien  begann  von 
T  e  r  e  y  230)  dessen  künstlerischen  Thaten  nachzugehen,  indem  er  zunächst  ein  wissen- 
schaftlich kritisches  Verzeichnis  der  Werke  aufstellte.  —  RieffeP^i)  betrachtet 
einen  dem  Meister  zugeschriebenen  Altar  und  beleuchtet  hierbei  die  Stellung  dieses 
Meisters  zu  Dürer.232-233j  _ 

Die  Familienverhältnisse  der  Briefmaler  Glockendon  und  besonders  die 
Publikationen  Jörgs  bespricht  Sondheim  234)  in  einer  fleissigen,  Neudörfers  Angaben 
richtig  stellenden  Arbeit. 235)  — 

Die  Zeichnungen  eines  geschickten  Dilettanten  aus  der  Renaissance  führt 
uns  Martin236)  in  Nachbildungen  flott  mit  der  Feder  hingesetzter  Illustrationen 
vom  J.  1535  vor,  mit  welchen  der  streitbare  Barfüsser  T  h  o  m  a  s  Mu  rner  seine  Ueber- 
setzung  der  Weltgeschichte  des  Sabellicus  schmückte.23'?-238j  — 

Ein  Gemälde  von  Leonhard  Bock,  einem  Künstler,  dessen  Werke  bisher 
unter  Burgkmairs  Namen  gingen,  stellt  Alfred  Schmid23'->)im  Wiener  Museum  fest. — 

DieGeschichte  der  Köln  er  Glas  maier  ei  hat  durch  einen  Aufsatz  Seh  ei  blers240) 
wieder  erhebliche  Förderung  erfahren,  wobei  namentlich  der  Nachweis  über  die  Ar- 
beiten des  16.  Jh.  zu  klaren  Ergebnissen  führt,  soweit  solche  bei  häufigem  Versagen 
der  archivalischen  Quellen  möglich  sind.  Es  gelang  aber  doch  auf  stilkritischem  Wege 
eine  Reihe  von  künstlerischen  Persönlichkeiten  festzustellen,  unter  welchen  der  Meister 
von  St.  Severin  wohl  das  grösste  Interesse  beansprucht.  —  Diesen  Anregungen  folgend, 
schliesst  sich  ein  Aufsatz  über  diesen  Meister  von  Firmenich-Richartz24i)  an,  in 
welchem  dessen  Entwicklungsgang  an  der  Hand  der  Vergleichung  mit  der  nieder- 
ländischen Kunst  näher  zu  kennzeichnen  versucht  wird.  —  Teilweise  der  beginnenden 
Renaissance  gehören  die  Fenster  des  Domes  zu  Xanten  an,  welche  Stumm eP*^) 
einer  Untersuchung  unterzieht.243)  Unverkennbar  drängt  sich  das  kunstgeschicht- 
liche Interesse  zumeist  auf  die  grossen  Schulen  der  Rheinlande  und  Frankens  zu- 
sammen. Man  erkennt  deutlich  den  Einfluss  der  Springerschen  Lehre,  welche  es 
sich  zur  Regel  gemacht  zu  haben  scheint,  ihren  Jünger  zunächst  in  einer  biogra- 
phischen Arbeit  die  Sporen  verdienen  zu  lassen.  Der  Betrieb  der  wissenschaftlichen 
Forschung  erhält  hierdurch  ein  gewisses  System,  die  Einzelarbeit  reiht  sich  sofort 
der  Gesamtleistung  ein.  — 

Wesentlich  bescheidener  ist  das  Ergebnis  in  anderen  deutschen  Landesteilen 
Als  Oesterreichs  Kunst  betreffend  sei  die  Recension 2*4)  genannt,  welche  Sempers 
Arbeit  über  die  Brixener  Malerschule   des    15.  und   16.  Jh.    und   ihr   Verhältnis   zu 


225)  id.,  D.  Strigels:  ADB.  36,  S.  589-90.  —  226)  R.  Stiassny,  Bildnisse  v.  Bernh.  Strigel.  Mit  Abbild.:  ZBK.  3,  S.  257-60. 
—  227)  B.  Haendclce,  Barthel  Beham  in  St.  Gallen:  Knnstchr.  3,  S.  198,9.  —  228)  O  C.  Koetschau,  Barthel  Beham  u. 
d.  Meister  v.  Messlrirch.  E.  kunstgesch.  Studie.  Strassburg  i.  E,  Heitz.  VH,  94  S.  mit  10  Lichtdr.  M.  5,00.  |[J.  Probst, 
SVGBodensee.  22,  S.  100/3.]|  —  229)  K.  Ohnesorge,  Wendel  Dietterlin,  Maler  v.  Strassburg.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  dtsch. 
Kunst  in  d.  2.  Hälfte  d.  16.  Jh.  Diss.  L.,  Seemann.  Vm,  68  S.  mit  1  Abbild.  M.  2,00.  |[J.  Neuwirth:  ÖLBl.  2,  S.  688,9; 
E.  W.:  StrassbPost.  N.  96.];  —  230)  G.  v.  Terey,  Verzeichnis  d.  Gemälde  d.  Hans  Baidung  gen.  Grien.  (=  Studien  z. 
dtsch.  Kunstgesch.  1.  Bd.  1.  Heft.)  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  51  S.  mit  2  Lichtdr.  M.  2,50.  -  231)  A.  Rief  fei,  Studien 
aus  d.  Mainzer  Geraäldegal.:  RepKunstw.  13,  S.  288-305.  (U.  a.  auch  über  Werke  Schaeuffelins.)  —  232)  X  J-  Probst,  Ueber 
d.  Ulmer  Meister  Hans  Multscher:  AChrK.  S.  37.  —  233)  X  A..  Schröder,  E.  übertünchtes  Gemälde  Martin  Schaffners  in 
d.  ehemal.  Klosterkirche  zu  Wetterhausen:  ib.  S.  34/7.  —  234)  M.  Sondheim,  Jörg  Glockendons  Kunst-Perspektive: 
BFDH.  8,  S.  195-211.  —  235)  X  H.  S.,  Gilg  Sesslschreiber:  ADB.  34,  S.  44/5.  —  236)  E.  Martin,  Handzeichnungen  v. 
Thomas  Murner  zu  seiner  Uebersetz.  d.  Weltgesch  d.  Sabellicus.  Strassburg  i.  E.,  Gerschels  Photogr.  Inst.  1892.  4S.;  8  Taf. 
M.  8,00.  (Vgl.  JBL.  1892  II  5b  :  9.)  —  237)  X  P-  Giemen,  Zu  Bartholomäus  de  Brnyn:  RepKunstw.  13,  S.  245/8.  -  238)  X 
H.  J[anit8Chek],  E.  Firmenich- Richartz,  Bartholomäus  Bruyn  u.  seine  Schule.  (=  Beitrr.  z.  Kunstgesch.  Bd.  14.)  L.,  See- 
mann. 1891.  VII,  147  S.  Mit  7  Abbild,  u.  5  Taf.  M.  5,00.):  LCBl.  1892,  S.  1027.  -  239)  Alfr.  Schmid,  E.  Gemälde  von  , 
Leonh.  Book:  ZBK.  4,  S.  76/9.  —  240)  L.  Scheibler,  D.  dtsch.  Gemälde  v.  1300-1550  in  d.  Kölner  Kirchen:  ZChrK.  5, 
S.  128-42.  —  241)  E.  Firmenich-Richartz,  D.  Meister  v.  St.  Severin.  Mit  Abbild  :  ib.  S.  296-307.  —  242)  Fr.  Stömmel, 
Alte  Fensterverglasungen  im  Dome  zu  Xanten:  ib.  S.  18-27.  -  243)  X  H.  Stähelin,  E.  Glasgemälde  v.  Unter- Bnssnang 
aus  a.  J.  1591:    ThnrgauisoheBVtG.  33,    S.  16/9.    —   244)   H.  Semper,   D.  Brixener  Malerschulen  d.  16.  u.  16.  Jh.  u.  ihr  Ver- 


C.  Gurlitt,  Kunstg-esohichte.    1892,  1893.  I  11  :  u5-m 

Michael  Fächer  beleuchtet.  —  Hann 245-246)  besprach  Malereien  des  15.  Jh.  in 
Kärnten  ihrem  Inhalte  nach.  —  Die  Vergleichung-  der  Werke  nach  einander  lebender 
Meister  und  die  daraus  sich  ergebende  Kenntnis  der  Leitmotive,  welche  im  Ge- 
biet der  klassischen  Archäologie  eine  so  g-rosse  Bedeutung-  hat,  wurde  nunmehr 
auch  auf  die  späteren  Zeiten  angewendet.  So  sucht  Alfred  Schmid^*"?)  den  Einfluss 
Schongauers  auf  deutsche  Maler  und  Bildhauer  an  deren  Werken  festzustellen  und 
findet  ihn  u.  a.  im  Wiener  Stefansdome.  — 

Als  das  Stiefkind  kunstwissenschaftlicher  Betrachtung  kann  immer  noch  die 
deutsche  Bildhauerei  des  15.,  16.  und  17.  Jh.  gelten.  Namentlich  jene  der  nach- 
gotischen Zeiten  fand  nur  in  vereinzelten  Aufsätzen  Berücksichtigung.  Schmar- 
sows248)  schöne  Veröffentlichung  über  die  früh  gotischen  Bildwerke  des  Naumburger 
Domes  verspricht  hierin  den  erfreulichen  Anfang  für  einen  Wandel  zum  Besseren.  — 
Auch  H.  Neumann 249),  dem  wir  bereits  eine  wertvolle  Arbeit  über  die  deutsch- 
russischen Provinzen  verdanken,  bringt  einen  willkommenen  Beitrag  aus  der  Ferne. 
—  Jörg  Sürlin,  dem  schwäbischen  Meister,  hat  Beck^so)  erneute  Aufmerksamkeit  zu- 
gewendet. —  Veit  Stoss  Leben  beschreibt  Ree^st)^  Alberts  van  Soest  Krause^^^).  — 
lieber  Hans  Kels,  den  Schnitzer  der  Steine  eines  Spielbrettes  von  1537,  welchen  Ilg 
bereits  behandelt  hat  (JKSAK.  3,  S.  53ff.  [1885])  bringt  Zucker  253)  eine  Nachlese.  — 
In  dem  Aufsatz  über  das  Grabmal  Kaiser  Ludwigs  des  Bayern  in  der  Münchener 
Frauenkirche  untersucht  Heigel254)  die  Frage  nicht  nur  nach  dem  Autor  (Candid), 
sondern  auch  nach  dem  Inhalt  der  Darstellungen  des  berühmten,  1622  vollendeten 
Werkes.  —  Wal  eher  255)  bringt  photographische  Abbildungen  einiger  schwäbischen 
Bildwerke  des  16.  Jh.  zur  Schau.  — 

In  den  Kunstfragen  des  17.  und  18.  Jh.  nimmt  Galland256)  durch  seine 
Studien  über  die  holländische  Bildnerei  und  Malerei  eine  besondere  Stellung  unter 
den  Berliner  Kunsthistorikern  ein,  welche  zumeist  unter  holländischer  Kunst  aus- 
schliesslich die  Malerei  verstehen.  Einen  neuen,  in  sein  Specialgebiet  fallenden 
Beitrag  liefert  sein  —  für  den  Stoff  vielleicht  etwas  zu  schweres  —  Buch  über  die 
Beziehungen  des  Grossen  Kurfürsten  zur  holländischen  Architektur  und  Plastik, 
namentlich  über  das  Schloss  Kleve,  über  den  Kunstunterricht  am  kurfürstlichen 
Hofe,  das  für  Moritz  von  Nassau  erbaute  Schloss  Sonnenburg,  den  Alabastersaal  in 
Berlin  und  die  dort  beschäftigten  holländischen  Bildbauer.  Die  Ergebnisse  bauen 
sich  auf  archivalischen  Studien  auf  und  weisen  auf  eine  Lücke  in  der  Kunst- 
geschichte hin,  ohne  sie  völlig  auszufüllen.25'7)  _  Wichtiger  ist  die  aktenmässige  Dar- 
stellung der  Entstehungsgeschichte  des  Denkmals  des  Grossen  Kurfürsten  in  Berlin, 
welche  Sei  de  1258)  gab,  damit  manche  Irrtümer  über  die  Geschichte  des  Schlüterschen 
Meisterwerkes  beseitigend.  —  Seidel 259-262)^  ^is  kunsthistorischer  Verwalter  der  Samm- 
lungen des  preussischen  Königshauses,  fuhr  in  seinen  Veröffentlichungen  über  die  ihm 
unterstellten  Kunstwerke  fort.  So  über  die  Sammlungen  Friedrichs  des  Grossen, 
wobei  namentlich  zur  Geschichte  des  französischen  Malere  Pesne  wichtige  Nachrichten 
beigebracht  wurden,  und  über  die  Sammlungen  von  Friedrichs  Bruder,  Prinz  Heinrich, 
der  mit  der  Malerin  Vigee  le  Brun  und  dem  Bildhauer  Houdon  nähere  Beziehungen 
unterhielt.  —  Die  Hauptarbeit  Seidels263)  bildet  ein  sehr  stattliches,  trefflich 
illustriertes  Werk  über  Friedrich  den  Grossen  und  seine  Stellung  zur  zeitgenössischen, 
vorzugsweise  zur  französischen  Kunst.  —  Nach  einer  anderen  Richtung  wurde  des  grossen 
Friedrich  Stellung  zur  Kunst  Gegenstand  mehrerer  Aufsätze  264-265)^  weil  durch  Walles 
Buch  über  den  Architekten  Gontard  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen  gerichtet  war.  — 


h&ltnis  zu  Michael  Fächer.  (InnsbrucV,  Wagner.  1891.  138  8.;  mit  7  Lichtdr.-Taf.  M.  2,80.):  LCBl.  1892,  S.  1374.  —  245)  F. 
G.  Hann,  Drei  Darstellnngen  d.  j6ngsten  Gerichts  auf  kärntnerischen  Wandmalereien  d.  15.  Jh.:  Carinthia  82,  S.  9-15.  — 
246)  id.,  Drei  Darstellungen  d.  Weltschöpfnng  auf  Malereien  in  Kärnten:  ib.  S.  141  5.  —  247)  AI  fr.  Schmid,  Kopien  nach 
Kupferstichen  t.  Schongauer  bei  oberdtsch.  Malern  u.  Bildhauern:  EepKunstw.  5,  S.  19-25.  —  248)  A.  Schmarsow,  D.  Bilder- 
werke d.  Nanmburger  Domes.  (=  Meisterwerke  d.  dtsch.  Bildnerei  d.  MA  1.  T.)  Magdeburg,  G.  v.  Plottwell.  1892.  Fol. 
20  Lichtdr.-Taf.  mit  59  S.  Text  in  4».  M. 25,00.  —  249)  H.  Neuraann,  Werke  d.  MAlich.  Holzplastik  u.  Malerei  in  Livland 
u.  Estland.  Lübeck,  Nöhring.  1892.  23  Taf.  in  Lichtdr.  mit  14  S.  Text.  M.  30,00.  [G.  Manteuffel:  KwH.  7,  S.  643;4.]| 
—  250)  P.  Beck,  Verschollene  u.  verschwundene  Altar-  u.  Schnitzwerke  Jörg  Surlins  d.  J.:  AChrK.  S.  37-44,  48  9.  —  251) 
P.  J.  Ree,  Veit  Stoss:  ADB.  36,  S  466-71.  —  252)  K.  E.  H.  Krause,  Alb.  van  Soest:  ib.  34,  S.  537/8  -  253)  M.  Zucker, 
Zu  d.  Spielbrett  v.  Hans  Kels:  EepKunstw.  13,  S.  429-32.  —  254)  K.  Th.  Hei  gel,  D.  Grabmal  Kaiser  Ludwigs  d.  Bayern  in 
d.  Münchener  Frauenkirche:  ZKunstgewerbeVMünchen. S. 33/8,41,8.  —  255)  K.  Walcher,  6  Lichtdruckbilder  v.  Lusthausfiguren 
auf  Schloss  Lichtenstein.  St.,  Kohlhammer.  M.  2,50.  —  256)  (HI  1  :  123.)  —  257)  X  ^-  Gurlitt.  Andreas  Schlüter.  B.,  Wasrauth.  1891. 
VI,  242  S.;  mit  Abbild.  M.  8,00.  |[G.  Galland:  BepKunstw.  15,  S. -237-41;  Ebe:  NatZg.  1892,  N.  199.]|  -  258)  P.Seidel, 
D.  Standbild  d.  Gr.  Kurfürsten  v.  A.  Schlüter:  ZBauwesen.  43,  S.  55-62.  —  259)  id.,  D.  Ausstell,  v.  Kunstwerken  aus  d.  Zeit 
Friedrichs  d.  Gr.  Mit  Abbild.:  JPrK.  13,  S.  183-213.  —  260)  id.,  D.  Kunstsamml.  d.  Prinzen  Heinrich,  d.  Bruders 
Friedrichs  d.  Gr.:    ib.  S.  55-68.    —    261)  X  id.,    D.  Bildhaueratelier    Friedrichs  d.  Gr.  u.    sein    Inhaber:    ib.  14,  S.  101-16.  — 

262)  X    id.,    D.  bildenden  Künste  unter  d.  Hohenzollern   in  d.  Zeit  d.  Gr.  Kurfürsten:    VelhagenKlasingsMh.  2,    S.  648-59.  — 

263)  id.,  Friedrich  d.  Gr.  u.  d.  französ.  Malerei  seiner  Zeit.  60  Taf.  in  Lichtdr.,  darunter  12  farbige,  nebst  zahlreichen  Te.xt- 
illustr.  nach  d.  Gemälden  im  Besitz  Sr.  Maj.  d.  Kaisers  u.  Königs  v.  A.  Frisch.  B.,  Frisch.  1892.  Fol.  73  S.  M.  150,00. 
|[A.  Rosenberg:  ZBK.  4,  S.  249-57;  NorddAZg.  1892,  16.  Apr.;  R.  Schlingmann:  BerlTBL  1892,  N.  196;  Walth. 
Schwarz:  WIDM.  73,  S.  472-S7.]|  -  264)  X  P-  Walle,  Leben  und  Wirken  K.  v.  Gontards.  Z.  100.  Todestage  am  23.  Sept. 
Mit  Portr.  n.  3  Abbild.    B.,   Ernst  &  Sohn.    1891.    38   S.    M.  2,00:   Kunstchr.  4,   8.  270/4.    —    265)  X   H.  Schliepmann, 


I  11:266-276  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893. 

Friedrichs  Freund,  der  Architekt  Knobelsdorff,  musste  Ziemssen^ßß)  sogar  zu  einem 
Lebensbilde  für  die  Jug-end  Modell  sitzen.  —  Tesdorpf^^^)  machte  uns  mit  dem  wenig- be- 
kannten Architekten  John  von  Collas  vertraut. —Eine  Anzahl  Künstlerbiog-raphien  sind 
noch  zu  nennen.  Rudolf  M  ü  Uers^ß^)  Arbeit  über  den  Maler  Skreta  beruht  vorzug-sweise 
auf  Pazaureks  Biog-raphie  dieses  interessanten  Künstlers.  —  Weiss ^^s)  macht  uns  des 
näheren  mit  den  Brüdern  Peter  und  Paul  von  Strudel  bekannt,  die  zu  Ende  des 
17.  Jh.  als  Bildhauer  und  Maler  g-länzten.  —  Des  badischen  Bildhauers  Christian 
Wenzing-er  Leben  und  Thaten  schildert  Schaefer^'O)  in  einem  anziehenden,  gut 
illustrierten  Aufsatze.  —  Die  Studie  von  Bersohn^^»)  über  den  Maler  Martinus 
Theophilus  Polak  kenne  ich  nur  aus  der  Besprechung  von  Bock.  —  In  einem  Auf- 
satz über  das  „Chokoladenmädchen"  der  Dresdener  Galerie  nimmt  Paul  Sohuman n"^'^) 
gelegentlich  einer  neuen  Publikation  Veranlassung,  über  dessen  Maler,  Liotard,  sich 
zu  verbreiten.  —  In  Bezug  auf  das  Seekatzsche  Bildnis  der  Familie  Goethe  bringt 
Heinemann^''^)  die  vom  „Herrn  Rat"  mit  an  den  Maler  gerichteten  Briefe  an  die 
Oeffentlichkeit.  —  Zwei  Maler  des  17.  Jh.  am  badischen  Hofe  behandelt  Krieger^''^).  — 
Wir  nähern  uns  den  modernen  Kunstbetrieben  und  kommen  zunächst  zur 
Zeit  des  Klassizismus  und  der  Romantik.  An  der  Spitze  jener  allgemeinen 
Werke,  welche  aus  dem  Tagesstreit  zu  einer  geschichtlichen  Würdigung  der  Kunst 
unserer  Zeit  zu  führen  trachten,  wird  man  die  Werke  von  Rosenberg  und  Muther 
zu  stellen  haben.  Die  Geschichte  der  modernen  Kunst  von  Rosen  berg^''^)  gehört 
zeitlich  in  diese  Besprechung  nur  insofern,  als  versucht  wurde  durch  Preisherab- 
setzung und  Ausgabe  in  neuen  Lieferungen  den  Absatz  des  Werkes  neu  zu  beleben. 
Denn  das  Buch  selbst  ist  eigentlich  schon  längst  gestorben.  Es  ist  ein  Versuch  vom 
Standpunkt  der  Aesthetik  der  60er  Jahre  aus,  den  Entwicklungsgang  der  Kunst  ob- 
jektiv zu  behandeln,  sich  der  Gesamtleistung  der  Nationen  gegenüber  auf  jenen, 
anfangs  dieses  Berichtes  geschilderten  „höheren  Standpunkt"  zu  stellen  und  von 
dort  herab  die  Künstler  belehrend  abzuurteilen.  R.  ist  kein  ungeschickter  Mann, 
wenn  auch  ein  solcher,  der  geistig  der  selbstgestellten  Aufgabe  weniger  gewachsen 
war  als  mancher  andere,  der  vor  ihr  zurückschreckte.  Aber  er  hat  das  Selbst- 
vertrauen des  Tageskritikers,  welcher  zu  siegen  hofft,  wenn  er  jeden  in  die  Waden 
beisst,  der  ihn  bedroht.  Das  ganze  Buch  ist  aus  dem  Gefühl  allgemeinen  Besser- 
wissens heraus  geschrieben.  Die  Kleinen  werden  „ermuntert",  den  Grossen  wird 
der  „Standpunkt  klar  gemacht".  Die  künstlerische  Tugend  reicht  für  R.  so  weit, 
wie  er  sie  begreift  —  rechts  und  links  von  seinen  Theorien  grinst  das  Ver- 
brechen. Abgesehen  davon,  dass  dies  Buch  leichtfertig  in  der  Mache  ist,  gleicht 
seine  Objektivität  schliesslich  nur  jener  des  Prokrustes,  erweist  sich  in  erstaunlicher 
Klarheit,  dass  ein  objektives  Darstellungsverfahren  unmöglich  ist;  denn  die  subjek- 
tivste aller  menschlichen  Aeusserungen,  die  Kunst,  kann  in  ihrer  Ganzheit  nur  durch 
den  Menschen,  nie  durch  ein  System  begriffen  werden,  und  sei  es  ein  so  dehnbares, 
wie  R.  es  zu  seinem  Gebrauch  sich  einrichtete.  Man  kann  das  Schaffen  eines 
Künstlers  systematisch  darstellen,  man  kann  die  Kunstübung  ganzer  Völker  und 
Zeiten  nach  Grundsätzen  ordnen,  aber  diese  Grundsätze  haben  keine  Gewalt  über  sie, 
sie  wohnen  ihnen  nicht  inne;  das  Urteil  nach  ihnen  hat  keine  bleibende  Kraft,  —  es 
wird  von  der  nächsten,  schaffenden  oder  nachempfindenden  Energie  über  den  Haufen  ge- 
worfen: Es  wird  so  subjektiv  sein  müssen,  wie  das  Schaffen  selbst  es  ist.  üeber  den 
Geschmack  lässt  sich  eben  nicht  streiten.  --  Das  ist  es,  was  auch  Muther ^'^ 6)  in  seiner 
Geschichte  der  Malerei  des  19.  Jh.  nicht  völlig  klar  war.  Sein  Buch  ist  prächtig 
dort,  wo  er  ganz  frei  heraus  sagt,  was  ihm  an  fremdem  Schaffen  gefällt  und  warum 
es  ihm  gefällt.  Wo  er  aus  seinem  Behagen  gegen  andere  eine  Anklage  darauf  schmiedet, 
dass  sie  nicht  so  schufen  oder  empfanden,  wie  er  es  wünscht,  wird  er  leicht  unge- 
recht.    Er  ist  seiner  besseren  Natur    nach  subjektiv,    als    Schüler    der  Kunstwissen- 


Gontard  u.  Schinkel:  Kw.  5,  S.  25/7.  (Rec.  v.  N.  263.)  —  266)  L.  Ziemssen,  Wenzeslans  v.  Knobelsdorff.  Lebensbild  e. 
Künstlers  u.  Freundes  Friedrichs  d.  Gr.  (=  Fleramings  Vaterland.  Jugendschriften  30.  Bd.)  Glogau,  Flemraing.  12". 
135  S.  mit  Bildn.  M.  1,00.  —  267)  W.  Tesdorpf,  J.  v.  Collas,  e.  preuss.  Ingenieur  n.  Baumeister  d.  18.  Jh.  u.  seine 
Zeichnungen  v.  Schlössern  d.  dtsch.  Ordens  im  Samlande  E.  Beitr.  z  Bangesch.  d.  Ptuv.  Ostprenssen.  Königsberg  i.  Pr., 
Koch.  1892  78  S.;  mit  1  Tab.  u.  10  autotyp.  Taf.  M.  2,00.  |[FBPG.  6,  S.  615/6.]|  -  268)  Kud.  Müller,  K.  Skreta 
Schotnowslcy  v.  Zaworzitz:  ADB.  34,  S.  447/9.  —  269)  Karl  Weiss,  Paul  und  Peter  Strudel:  ib.  36,  S.  640,3.  —  270) 
Carl  Schaefer,  Chrn.  Wenzinger  )710-97:  Schan-ins-Land  S.  24-35.  —  271l  O  M.  Bersohn,  Martinus  Theophilus  Polak, 
ein  Maler  d.  17.  Jh.  Frankfurt  a.  M.,  J.  Baer  &  Co.  4».  21  S.;  mit  4  photolith.  Taf.  M.  4,00.  |[R.  Bock:  Kunstohr.  1892, 
S.  451/3.]|  (Zuerst  als  Diss.  erschienen.)  —  272)  P.  Schumann,  Ueber  d.  „Chokoladenmädchen"  d.  Dresdener  Galerie: 
Didask.  N  303.  —  273)  K.  Heinemann,  D.  Goethesche  Familienbild  v.  Seekatz:  ZBK.  3,  8.  62/6.  —  274)  A.  Krieger, 
Wallerand  Vaillant  n.  Matthäus  Merian  d.  J.  am  baden-badischen  Hofe:  ZGORh.  8,  S.  381/2.  —  275)  Ad.  Bosenberg,  Gesch. 
d.  modernen  Kunst  v.  d.  französ.  Revolution  bis  auf  d.  Gegenw.  Billige  (Titel-) Ausgabe.  3  Bde.  (In  16  Lief.)  L.,  Grunow. 
(Gera,  Griesbach.)  (1892-94.)  430  S.;  489  S.;  VIII,  502  S.  M.  16,00.  |[ScbwäbKron.  1892,  29.  Okt.];  (Zuerst  1882.)  -  276) 
R.  Muther,  Gesch.  d.  Malerei  im  19.  Jh  1.  Bd.  Mit  282  lUustr.;  2.  Bd.  mit  453  lUustr.  München,  Hirth.  VII,  502  S.; 
VIII,  670  H.  M.  11,00;  M.  14,00.  [[Laura  Marholra:  Zukunft  5,  S.  31.5-20;  BLU.  S.  511;  L.  G.:  ML.  62,  S.  375;  G. 
Galland:  Geg.  43.  S.  13/4,  231/3;  N&S.  66,  S.  405/9;  67,  8.  270/1;  0.  J.  Bier  bäum:  FrB.  4,  S.  1142-57;  Ath.  2,  8.  73; 
C.  Hofstede  de  Groot:  NedSpect.  S.  127 ;  L.  Andreas-Salomö:  FrB.  1,  S.  602/4;  Kw.  6,  8.200,1;  C.  V.:  WeserZg.  N.  16636; 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1893.  I  11  :  277-284 

Schaft  wider  Willen  objektiv,  d.  h.  nach  Gesetzen  urteilend,  die  er  sich  freilich  teil- 
weise selbst  schuf.  Das  Beste  an  seinem  Buche  ist,  dass  es  zeig"!,  wie  ein  vorwärts 
Strebender  1893  über  die  moderne  Kunst  dachte ;  es  ist  Ausdruck  der  Zeit  und  daher 
für  viele  belehrend  und  fortreissend.  üie  Schwäche  lieg-t  in  den  Versuchen,  den 
ausgesprochenen  Gedanken  für  die  Zukunft  Dauer  zu  verschaffen.  Nach  uns 
kommen  andere  und  die  werden  auch  Platz  für  ihre  neuen  Anschauung-en 
haben  wollen,  wie  wir  ihn  forderten.  Die  Kritik  des  M.schen  Buches  —  und  es  ist 
g-anz  ausserordentlich  oft  besprochen  worden  —  hat  es  als  eine  Revolution  in  der 
Kunstg-eschichte  beg-rüsst  und  als  ein  leeres  Parteigeschwätz  verurteilt,  je  nach  dem 
Standpunkt  des  Recensenten.  Aber  eines  hat  sie  nicht  versohweig-en  können:  dass  M.  der 
erste  war,  der  von  der  Entwicklung-  des  Gesamtschaffens  Europas  ein  wirklich  umfassendes 
Bild  g-ab,  weil  er  thatsächlich  dies  Schaffen  kannte.  Er  selbst  g-iebt  Gurlitt  und  Plelferich 
als  jene  an,  welche  vor  ihm  in  ähnlichem  Sinne  wie  er  über  den  Entwicklung-sgang-  der 
modernen  Kunst  geschrieben.  Es  ist  vielleicht  von  mir  nicht  unbescheiden,  hierauf  hinzu- 
weisen. Fremde  Litteraturen  besitzen  keine  ähnlichen  Ueberblicke,  sind  vielleicht 
stärker  im  Nationalgefühl,  sicher  schwächer  in  der  Aufnahmefähigkeit  für  vielerlei 
Schönes.  Der  Umschlag  g-eg-en  die  philosophische  Aesthetik  mitihren  auf  Gleichgeschulte 
beschränkenden  Gesetzen  ist  die  Aesthetik  der  g-eöffneten  Aug"en,  welche  keine  Grenzen 
des  künstlerischen  Genusses  hinsichtlich  verschiedenartig'er  Kunst  kennt.  —  Man 
kann  die  Autoren,  die  über  die  Künstler  der  ersten  Hälfte  unseres  Jh.  arbeiteten,  in 
zwei  Gruppen  teilen:  in  solche,  welche  jene  Kunst  noch,  und  solche,  welche  sie  wieder 
verehren.  Bei  den  letzteren  findet  sich  zweifellos  jene  g-rössere  Klarheit  des  Urteils, 
welche  der  Abstand  vermittelt.  Denn  diese  schied  einmal  die  Kluft,  welche  das  Ueber- 
winden  einer  Geschraacksform  in  uns  schafft,  von  jener  Epoche;  sie  bedurften  einer 
erneuten  Vertiefung",  um  sich  selbst  die  Gerechtig-keit  abzuring-en.  Zu  diesen  Kunst- 
historikern g-ehört  W.  von  Seidlitz^'^'').  Seine  Sammlung*  von  Zeichnung-en 
deutscher  Künstler  meist  aus  der  klassischen  Periode  und  der  Romantik  ist  ent- 
standen aus  einer  scharfen  Sonderung-  dessen,  was  nach  S.s  Ansicht  Anspruch  auf 
Dauer  hat,  und  dessen,  was  in  Vergessenheit  versinken  wird.  Die  Noch-Beg-eisterten 
werden  diese  Auswahl  sicher  als  verfehlt  bezeichnen.  Denn  S.  sieht  in  den  Anfäng-en 
der  Künstler  ihre  wahre  Kraft  und  in  ihrer  vollendeten  Meisterschaft  die  Manier, 
das  Unzulängliche.  So  liegt  schon  in  der  Wahl  der  Blätter  ein  Prog-ramm,  ein 
Betonen  des  Wertes  individualistischer  Kunst,  das  deutlicher  spricht  als  die  mit 
wissenschaftlicher  Zurückhaltung  behandelten  Worte  des  vorzugsweise  biog-raphischen 
Textes.  — 

Die  übrig-en  Arbeiten  sind  zumeist  von  Männern  g-eschrieben,  welche  noch 
in  den  alten  Kunstanschauung-en  heimisch  sind.  Die  veränderte  Auffassung  der 
Stellung-  von  Carstens  und  Cornelius  wirft  ihre  Schatten  auf  die  vorherg-ehende  Zeit, 
welcher  neuerding-s  mehr  Interesse  zug-ewendet  wird.  Die  Eng-länder  wussten  schon 
läng-st,  dass  sie  nicht  „tiefster  Verfall"  sei.  Von  Gerards^'S)  Werk  über  An g-elika 
K auf f mann,  die  eig-entlich  Deutsche,  aber  in  London  vorzug-sweise  Heimische,  er- 
schieneine zweite  Auflag-e.  —  Braunsfels^'^)  schildert  in  volkstümlicher  Darstellung- 
ihr  Leben  als  das  der  „g-e feiertesten  Malerin  der  Rokokozeit ".^so^  — 

V  o  g- 1  e  r  28 1)  vollendete  seine  Biog-raphie  Trippeis,  eine  verdienstvolle  Arbeit 
wie  jede,  welche  die  Meister  der  vernachlässigten  Uebergang-szeit  vom  Rokoko  zum 
Klassizismus  sachgemäss  behandelt.  Von  den  beigefügten  „Beurteilung-en"  sind 
manche  sehr  interessant,    namentlich  jene  Trippeis  über  Schlüter.  ^82)  _ 

Eine  typische  Erscheinung  aus  der  Zeit  der  Wende  des  Jh.  ist  Heinrich 
Keller,  ein  Mann  voll  Bildung-  und  Feinheit  der  Anschauung,  doch  ohne  hinreichende 
bildnerische  Kraft,  der  das  Neue  entstehen  sah,  freudig  ihm  zujubelte  und  doch 
seinerseits  auf  die  Mitwirkung  im  grösseren  Sinne  verzichten  musste,  weil  es  ihm 
nur  selten  gelang,  seine  Empfindungen  in  Thaten  umzusetzen.  Eine  hübsche 
Charakteristik  von  ihm  gab  Wyss^^^).  — 

Die  Nachzügler  der  intimeren  Kunst  des  18.  Jh.  im  19.,  die  meist  von 
ihren  Zeitgenossen  wenig  geachtet  dahinstarben,  beginnt  man  jetzt  mit  vorurteils- 
freierem Auge  zu  betrachten.     So   hat  Lichtwark -^4)  Umschau    nach   solchen   ge- 


A.  Schricker:  StrassbPost.  N.  162;  KölnZg.  N.  262;  A.  Preihofer:  AZg».  N.  295.]^  —  277)  W.  v.  Seidlitz,  Zeichnungen 
dtsch.  Künstler  v.  Carstens  bis  Menzel.  Mit  erläat.  Text.  München,  Verl.-Anst.  für  Kunst  u.  Wissensch.  Fol.  50  Lichtdr.- 
Taf.  mit  1  Bl.  Text  nebst  Textheft  (V,  70  S.).  M  120,00.  l[PrJbb.  73,  S.  349-50  (Selbstanzeige);  AZg».  N.  159.]!  —  278V 
Francis  A.  Gerard,  Angelika  Kauffraann.  A  biogr.,  new  edit.  London,  Ward.  8h.  6.  —  279)  Ed.  Braunfels,  Angelika 
Kauffmann.  (=  Aus  d.  Künstlerleben  d.  Rokokozeit  [Davos,  H.  Richter.  IH,  163  S.  M.  2,00],  S.  103-31;  vgl.  JBL.  1892 
1  9:59-61;  IV  4:225.)  —  280)  J.  H.,  Danneckers  Haas  u.  sein  Fremdenbuch:  BBSW.  S.  73/6.  —  281)  C.  H.  Vogler, 
n.  Bildhauer  Alex.  Trippel  aus  Schaffhausen.  (=  Njbl.  d.  Kunstver.  u.  hist.-antiqu.  Ver.  Schaffhausen.  1892-93.)  Schaff- 
hausen, Schoch.  m,  94  S.  mit  4  Lichtdr.-Taf.  u.  Abbild.  M.  5,00.  |[J.  Baechtold:  DLZ.  S.  4312;  B.  H.:  SchwEs.  1, 
S.  345/6.]|  -282)X  G.  Galland,  2  unbek.  Entwürfe  v.  Gottfr.  Schadow:  ZBK.  3,  S  1413.  (Entwürfe  für  d.  Denkm.  Friedrich 
Wilhelms  I.  u.  Friedrichs  d.  Gr.)  —  283)  B.  Wyss,  Heinr.  Keller,  d.  Züricher  Bildhauer  u.  Maler.  Frauenfeld,  Huber.  1891. 
IV,  70  S.  M.  1,60.  —  284)  A.  Lichtwark,  Herrn.  Kaufmann  u.  d.  Kunst  in  Hamburg  v.  1800-50,  München,  Verl.-Anst.  für 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    lY.  21 


111:  285-299  C.  Gurlitt,  Kunstg-eschichte.    1892,  1893. 

halten  und  seine  Ergebnisse  in  einer  besonderen  Publikation  niederg'eleg't.  Namentlich 
H.  Biirkel,  'die  Brüder  Gensler,  Hermann  Kauffmann,  die  Künstlerfamilie  Speckter^ss) 
erscheinen  als  feine  Beobachter  und  tüchtig-e  Koloristen.  —  Der  Abschnitt  von 
Nossig-^^e^  in  den  Ilg-schen  kunstg-eschichtlichen  Charakterbildern  ist  auch  hier  zu 
erwähnen;  ferner  das  Prachtwerk  der  Löwyschen  Kunstanstalt-^')  über  die  Wiener 
Galerie,  dessen  Text  eine  wichtig-e  Bereicherung-  unserer  Kenntnis  der  Anfäng-e  der 
modernen  Kunst  in  Oesterreich  darstellt.  Ferner  sei  die  Biographie  des  Schweizer 
Landschafters  Juillerat  von  Romang^ssj  hier  genannt.  — 

Christian  Rauchs  Andenken  wahrt  mit  Recht  das  in  Berlin  bestehende 
Museum.  Ein  neuer  Katalog  von  Egg  er s 2^'')  giebt  Gelegenheit  auf  dieses 
hinzuweisen.  —  Um  so  beachtenswerter  ist,  dass  ein  Amerikaner,  Cheney^ao^^ 
unserem  Bildner  in  einem  stattlichen  illustrierten  Buche  ein  litterarisches  Denkmal  setzte. 

—  Die  Dissertation  von  Macko  wsky^öi^  über  die  vorbereitenden  Entwürfe  Schinkels 
und  Rauchs  zum  Denkmale  Friedrichs  des  Grossen,  ist  mir  leider  nicht  zugänglich 
gewesen.  — 

Von  einer  bescheideneren  künstlerischen  Kraft,  dem  Landschafter  Wilhelm 
Ahlborn,  erzählt  uns  Sand  er  2^^).  Es  ist  mehr  die  Gesinnungsart  und  Umgebung  des 
Künstlers  als  seine  Kunst,  welche  uns  interessiert.  —  Beides  vereint  findet  sich  in 
Ludwig  Richter,  dessen  Lebenserinnerungen^s^j^  frei  ins  Französische  übersetzt, 
in  der  Schweiz  den  Freunden  seiner  stillen  Sinnigkeit  vorgelegt  wurden.  — 

Den  starken  ersten  Band  einer  Lebensbeschreibung  Wilhelm  Kaulbachs 
lieferte  Hans  Müller^s^j.  Es  wird  so  viel  Papier  bedruckt,  dass  man  sich  auch 
dieses  Werk  gefallen  lassen  kann,  wenn  man  die  Wertschätzung  eines  Mannes  nicht 
nach  der  ihm  gewidmeten  Seitenzahl  bemisst.  Ich  weiss  nicht,  ob  es  jetzt  noch 
viele  giebt,  welche  über  Kaulbachs  Leben  so  ausführliche  Auskunft  zu  erhalten 
wünschen,  aber  mir  will  scheinen,  dass  in  dem  Buche  unter  allen  Umständen  dies 
eigentliche  Lebensbild  von  dem  in  Beilagen  zu  verweisenden  Wust  von  Briefen  und 
Besprechungen  zu  trennen  gewesen  wäre,  und  dass  im  J.  1893  an  Stelle  der  fast 
bedingungslosen  Bewunderung  Kaulbachs  eine  Einordnung  seiner  Stellung  in  die 
allgemeine  Kunstentwicklung  hätte  versucht  werden  müssen.  Wie  man  die  Urteile 
der  zeitgenössischen  Kritik  über  Schiller,  Goethe  und  Lessing  sammelt,  weniger  um 
die  Meister,  als  um  die  Zeit  zu  verstehen,  so  wird  auch  dieses  Buch  für  die  Ge- 
schichtsschreibung eine  gewisse  Bedeutung  behalten;  erscheint  es  doch  eigentlich 
mehr  als  eine  Sammlung  der  Urteile,  welche  unter  dem  ersten  Eindruck  von 
Kaulbachs  Bildern  entstanden,  denn  als  ein  Zusammenfassen  der  Gesamtleistung  des 
Mannes  im  Vergleich  zu  dem  künstlerischen  Streben  der  Zeit.^^^a)  _ 

Dankenswerter  dünkt  mich  das  Bemühen  Valentins ^s^),  die  Augen  des 
Volkes  auf  die  Werke  eines  seiner  edelsten   Söhne  zu  lenken,  auf  Alfred  Rethel. 

—  Aber  es  scheint  ihm  dies  weniger  gelungen  zu  sein  wie  Hermann  Schmidt^^^"^^'') 
mit  seinem  Werk  über  den  Bildhauer  Ernst  von  Bändel,  in  welchem  er  dem 
braven  Mann,  aber  keineswegs  für  seine  eigene  Zeit  oder  für  die  folgende  sehr 
bedeutenden  Meister  eine  umfassende  Biographie  widmete;  wenigstens  nach  der 
Zahl  der  Besprechungen  ist  dies  anzunehmen,  von  welchen  freilich  manche  sich  ab- 
lehnend verhalten.  — 

Eines  so  feinsinnigen  Künstlers,  wie  Lukas  von  Führichs  hinterlassene 
Schriften  der  Oeffentlichkeit  zu  übergeben,  war  eine  angenehme  Pflicht  der  Familie, 
welcher  sie  sich  durch  die  Biographie  Wörndles^as)  in  geeigneter  Weise  entledigte. 
Nicht  minder  beachtenswert,  wenn  auch  nichts  Neues  herbeibringend  ist  die  volks- 
tümliche Lebenschreibung   Ernst  Rietschels    von   Disselhoff 2^^);    als    Künstler 

Kunst  u.  Wissensch.  4».  VIII,  104  S.  mit  Abbild,  u.  7  Taf.  M.  12,00.  —  285)  X  1-  ^-^  Jol»  Mich  Speckter,  Erwin  SpecVter, 
Otto  Specltter,  Hans  SpecVter:  ADB.  35,  S.  85/8.  —  286)  (=  N.  106,  S.  329-99.)  —  287)  D.  Ttaiserl.  Getnäldegal.  in  Wien. 
Mod.  Meister  her.  mit  spec.  Genehmigung  d.  hohen  Oberstkämraereramtes  Sr.  k.  u.  k.  Maj.  Text  v.  Aug.  Schäfer.  1.  Heft. 
Wien,  Löwy.  1892.  4  Taf.  Heliogr.  u.  8  S.  mit  zahlr.  Abbild.  äM.  15,00.  —  288)  R.  Romang,  J.  H.  Juillerat  1777-1860. 
(=  Samml.  Bernischer  Biogr.  Bd.  2,  S.  321-400.)  Bern,  Schmid,  Francke  &  Co.  1892.  80  S.  mit  2  Bildn.  M.  1,20.  —  289) 
K.  Eggers,  D.  Ranch-Museum  zu  Berlin.  Verzeichn.  seiner  Sammlungen  nebst  gesch.  Vorbericht  u.  Lebensabriss  Rauchs. 
3.  Ausg.  B.,  Fontane.  III,  XXII,  114  S.  mit  Bildn.  M.  1,35.  l[NatZg«.  N.  260.]|  -  290)  E.  D-  Cheney,  Life  of  Chrn. 
Dan.  Rauch,  scnlptor  illnst.  Boston,  Mass.  Sh.  15.  -  291)  O  H.  Mackowsky,  D.  Torbereitenden  Entwürfe  Schinkels  n. 
Rauchs  zum  Denkmale  Friedrichs  d.  Gr.  Diss.  Berlin.  34  S.  —  292)  W.  Sander,  Leben  d.  Malers  Wilh.  Ahlborn  dargest. 
nach  hinierl.  Tagebüchern  u.  Briefen  d.  Künstlers.  Lüneburg  u.  Hildesheira,  Steffen.  IV,  117  S.  M.  1,80.  |[HPB1.  110, 
8.  705,  797. ]|  —  293)  Un  artiste  chrötien,  Souvenirs  du  peintre  L.  Richter.  Trad.  librement  de  l'allemand.  Lausanne, 
G.  Bridel  &  Cie.  1891.  288  S.  Fr.  5,00.  |[BURS.  56,  8.  224.]i  —  294)  Hans  Müller,  Wilh.  v.  Kaulbach.  1.  Bd.  Mit 
Selbstbildn.  Kaulbachs  vom  J.  1824.  B.,  Fontane.  VI,  572  S.  M.  15,00.  |[C.  Lehmann:  BLU.  S.  484/7;  SchwBs.  1,  S.  346/7; 
6.  B(nss):  VossZg.  N.  153.J1  —  294a)  X  J-  Ettlinger,  Aus  P.  Cornelius  Frühzeit:  NatZg.  1892,  N.  7.  (Auch  über  C.s 
Stellung  zu  Goethe.)  —  295)  V.  Valentin,  Aesthet.  Studien.  1.  Bd.:  Alfr.  Rethel.  E.  Charakteristik.  Weimar,  Felber. 
1892.  X,  60  S.  M.  1,50.  |[E.  Lehmann:  BLU.  8.  734-40.] |  —  296)  Herrn.  Schmidt,  E.  v.  Bändel.  Ein  dtsch.  Mann 
u.  Künstler.  Hannover,  Meyer.  1892  X,  214  S.  mit  6  Abbild.  M.  5,00.  |[N&S.  63,  S.  272;  L.  Richter:  DWBL.  5, 
S.  352;  PrJbb.  70,  S.  507/8;  Rud.  Bock:  Kunstchr.  4,  S.  310/1;  -j-:  LZg».  1892,  N.  144.]|  -  297»  id.,  E.  v.  Bändel 
n.  d.  Herraanns-Denkmal.  ib.  32  S.  u.  2  Abbild.  M.  0,60.  —  298)  L.  Ritter  v.  Führichs  ausgew,  Schriften.  Im  Ein- 
vernehmen mit  d.  Familie  her.  n.  mit  einer  einleit.  Biographie  vers.  v.  H  e  i  n  r.  v.  W  ö  r  n  d  1  e.  St.,  Roth.  XXXVIII, 
87    S.;    mit    Bildn.    M.   2,00.   —   299)    J.   Di  s  sei  hoff,  E.   Rietschel,    d.   Schöpfer   d.    Lutherdenkmals.     2.   Aufl.     Kaisers- 


C.  Gurlitt,  Kunstg-eschichte.    1892,  1993.  I  11  :  300.345 

tritt  dieser  immer  mehr  aus  der  Reihe  seiner  Genossen  hervor,  als  Mensch  allezeit 
eine  wohlthätig-e  Wärme  um  sich  verbreitend.  —  Johann  von  Schraudolph 
behandelte  Fürst^ooj^  Philipp  Veit  zu  seinem  100.  Geburtstage  S  te  i  n  ^oi)  ^ 
Leopold   Bodein  ausführlicher  Weise  Döring^oa^^  _ 

Auch  den  Architekten  g-ebührt  eine  kurze  Bemerkung-.  Walle^^^^a^  und 
Köstlin^os^  erinnerten  an  den  hundertjährig-en  Geburtstag-  Mauchs;  KrätscheP*'^)  be- 
sprach Schinkels  Stellung-  zur  Gotik.  —Bedeutender ist  die  Gottfried Semper  behandelnde 
Litteratur.  Ausser  einem  Beitrag-  zu  seiner  künstlerischen  Entwicklung-sg-eschichte 
von  Fleischer 305^^  ^jeu^  verdienstvollen  Leiter  der  1892  in  Dresden  abg-ehaltenen 
Semperausstellung-^oe^^  bietet  die  Publikation  der  Söhne  des  Meisters ^o'')  über  den 
Anteil  ihres  Vaters  am  Entwurf  der  W'iener  Museumsbauten  wichtig-e  Urkunden, 
welche  durchaus  zu  Gunsten  Sempers  g-eg-en  Hasenauers  Ansprüche  zeug-en  Nament- 
lich hinsichtlich  der  Dispositionen  der  Skulpturen  offenbart  sich  die  kulturg-eschicht- 
lich  g-eschulte  Bildung-  des  g-rossen  Architekten  in  g-länzendem  Lichtc^**^)  — 

Unter  den  in  der  ADB.  erschienenen  Lebensabrissen  verschiedener  Künstler 
dieses  Jh.  sind  die  über  Joseph  Stieler,  Joseph  Scherer,  Strähuber,  Spitzweg-, 
Sickinger,  Stange,  Stiglmayr  von  Holland 309-^3i6j^  ÜI^pp  Eduard  Jakob  von  Steinle 
von  ValentinSi'JJ^  über  Carl  Sohn  von  Zimmermann^'s-sao^^  über  Seydelmann 
von  Lier32i)  und  über  Steinhäuser  von  L.  von  Pezold^^a-j  beachtenswert.^^s^  — 
Wolters dorff 324)  behandelt  den  Humoristen  Rudolf  Töpffer,  freilich  mehr  den 
französischen  Dichter  als  den  Zeichner  in  ihm.  —  Falcks325)  Vortrag  über  den 
deutsch-russischen  Maler  Timoleon  von  Neff  sei  als  biographische  Gabe  aus  der  Ferne 
angeführt.  —  Namentlich  in  den  Kunsttheoretikern  der  behandelten  Epoche,  so  in 
Stackeiberg  und  Stieglitz,  die  uns  Girgensohn326)  xind  Schnorr  von  Carols- 
feid 327-328)  schildern,  tritt  das  vorzugsweise  wissenschaftliche  Element  in  der  Kunst- 
betrachtung jener  Zeit  hervor,  welches  nur  durch  eine  starke,  aber  weiche  Empfind- 
samkeit beschränkt  wurde.  —  Spottbilder  auf  Napoleon329-330)  ^nd  der  Königin  Luise 
Stellung  Inder  plastischen  Kunst,  über  die  Schmidt-Neuhaus^si)  schreibt,  weisen 
auf  die  realistischen  Bestrebungen  derselben  Zeit  hin.   — 

Jüngst  verstorbenen  Künstlern  Nekrologe  zu  widmen  ist  eine  schöne, 
mehrfach  zu  erspriesslicher  Lösung  führende  Aulgabe.  Hierher  gehört  Pietschs332-333j 
Aufatz  über  Georg  Bleibtreu,  desselben  formgewandten  Vf.  Bericht  über  den 
Schlachtenzeichner  Heinrich  Lang,  den  auch  Berlepsch^^*)  in  einem  mit  Sachkenntnis 
und  Wärme  geschriebenen  Artikel  behandelte.  —  Marees,  dem*  lange  Verkannten, 
wendeten  W ö Iff  li n335)  und  Hano  v  er  336)  erneute  Beachtung  zu.  —  Ueber  Leopold  Karl 
Müller337)^  den  Orientmaler,  schrieb  sein  Freund  Ebers-^^S);  über  August  Kiss, 
den  schon  1865  verstorbenen  Bildhauer,  B  r  e  ndi  ck  e^ss);  über  Karl  Oesterley340) 
erschienen  Erinnerungen.  —  Lehfeld34i)  hielt  eine  Gedächtnisrede  auf  den  Bild- 
hauer August  Wredow.  —  Durch  treffliche  Illustrierung  und  Wärme  des  Tones  thut 
sich  die  Lebensbeschreibung  des  unglücklichen  W^iener  Landschafters  Jakob  Schindler 
hervor,  die  A  n  n  a  S  p  i  e  r342)  veröffentlichte.343)  _  Dem  jung  verstorbenen  Silhouetten- 
schneider Paul  Konewka,  einer  in  den  60  er  Jahren  sehr  bekannten  Persönlichkeit, 
legte  Trojan  344)  ein  freundschaftliches,  mit  zahlreichen  Nachbildungen  von  Werken 
der  Schere  geschmücktes  Erinnerungsblatt  aufs  Grab.  —  Zu  den  Verzeichnissen  von 

werth,  Diakonissen-Anst.  72  S.  mit  Abbild.  M.  0,25.  —  300)  M.  Fürst,  J.  v.  Schraudolph:  AllgänerGFr.  6,  S.  23/6.  — 
301)  Ph.  Stein,  E.  Maler  d.  Romantilc.  E.  Sätularerinnerung  z.  13.  Febr.:  Didaslr.  N.  37.  —  302)  B.  Döring,  Leop.  Bode : 
ib.  N.  61/3,  65.  —  302a)  P.  W[alle],  Zur  Erinnerung  an  J.  M.  Manch:  CBlBanverw.  12,  S.  77/8.  —  303)  A.  Köstlin, 
Z.  Erinnerung  an  J.  M.  Manch:  ABauZg.  1892,  S.  9-10.  —  304)  J.  Krätschel,  K.  F.  Schinkel  in  seinem  Verhältnis  zur 
gotischen  Baukunst.  (Aus  ZBauwesen  )  B.,  Ernst  &  Sohn.  1892.  79  S.  M.  3,00.  —  305)  Ernst  Fleischer,  Z.  Baugesch. 
d.  Geraäldegal  in  Dresden.  Vortr.  Dresden,  Zahn  &  Jaensch.  1892.  19  S.  mit  1  Photogr.  M.  1,00.  —  306^  Semper- 
Ausstell.:  DBauZg.  1892,  S.  473/5.  —  307)  D.  k.  k.  Hofmuseen  in  Wien  n.  Gottfr.  Semper.  Drei  Denkschriften  G.  Sempers 
her.  V.  seinen  Söhnen.  Innsbruck,  Edlinger.  XI,  68  S.  M.  1,80.  |[ZArchitIngVHannover.  S.  244.]i  —  308)  X  H.  Holland, 
B.  Speth:  ADB.  35,  S.  1446.  -  309)  id.,  Jos.  Stieler:  ib.  36,  S.  189.  —  310}  id.,  Jos.  Scherer:  ib.  S.  771/5.  -  311)  id.,  A. 
Strähuber:  ib.  S.  490/3.  —  312)  id.,  W.  Spitzweg:  ib.  35,  S.  227-30.  -  313)  id.,  A.  Sickinger:  ib.  34,  S.  160/1.  -  314)  id., 
J.  B.  Stiglmayr:  ib.  36,  S.  230/5.  —  315)  id.,  B.  Stange:  ib.  35,  S.  439-44.  —  316)  X  id.,  L.  U.  Siemering:  ib.  34,  S.  214.  — 
317)  V.  Valentin,  E.  J.  v.  Steinle:  ib.  35,  S.  742  4.  -  318)  M.  G.  Zimmermann,  C.  Sohn:  ib.  34,  S.  544/6.  -  319)  X 
id.,  A.  F.  Siegert:  ib.  S.  198.  —  320)  X  id.,  Gerh.  Sipmann:  ib.  S.  417.    —    321)  A.  H.  Lier.  J.  C.  Seydelmann:  ib.  S.  85/6. 

—  3221  L.  T.  Pezold,  K.  Steinhäuser:  ib.  35,  S.  7167.  —  323)  X  K-  G  Bockenheim  er,  J.  Settegast:  ib.  34,  S.  48.  — 
324)  H.  Woltersdorf f,  Essai  sur  la  vie  et  les  oeuvres  de  Rodolphe  Töpffer.  I.  Progr.  d.  Realgymn.  Magdeburg  (Baensch).  4".  22  8. 

—  325)  P.  Th.  Falck,  Timoleon  v.  Neff.  Vortr.  SBGGOstseeprov.  1892,  S.  5  6.  (Referat.)  —  326)  J.  Girgensohn,  0.  M. 
Frhr.  v.  Stackeiberg:  ADB.  35,  S.  340-53.  —  327)  F.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  Ch.  L.  Stieglitz:  ib.  36,  S.  176/7.  —  328)  X 
id.,  Johanna  Dorothea  Stock:  ib.  S.  279-80.  (Gehörte  d.  Goetheschen  Kreise  an.)  -  329)  BnrschenschBll.  7,  S.  242.  —  330)  X 
E.  Fichte,  Ueber  polit.  Karikaturen.  E  Beitr.  z.  Aesthetik.  Progr.  d.  Gymn.  z.  grauen  Kloster.  Berlin.  1892.  4".  18  S. 
(Vgl.  JBL.  1892  I  11  :74.)  —  331)  Paul  Schmidt-Neuhaus,  Königin  Luise  in.d.  plastischen  Kunst:  Bär  19,  S.  280/4.  — 
332)  L.  Pietsch,  G.  Bleibtren:  VelhagenKlaslngMh.  1,  S.  355-70,  382  4.  —  333)  id.,  Heinr.  Lang:  KunstUZ.  1,  S.  81-92.  — 
334)  H.  E.  V.  Berlepsch,  Heinr.  Lang:  ZBK.  3,  S.  273/9.  —  335)  H.  Wölfflin,  Hans  r.  Marees:  ib.  S.  739.  -  336)  E, 
Hanover,  Hans  v.  Marees:  Tilskneren  1891,  S.  1;5.  —  337)  X  Leop  Müllers  Nachlass:  Kunstchr.  4,  S.  249-55.  —  338)  G. 
Ebers,  Leop.  Carl  Müller:  KunstUZ.  1,  S.  57-78.  —  339)  H.  Brendicke,  Aug.  Kiss:  MVGBerlin.  9,  S.  101,4.  —  340)  Er-, 
innernngen  v.  u.  an  K.  Oesterley:  Kunstchr.  3,  S.  308-14,  3205.  —  341)  R.  Lehfeld,  Aug.  Wredow.  E.  Gedächtnisrede:  ib.  4, 
8.  712.  —  342)  Anna  Spier,  Jak.  Schindler:  KunstUZ.  2,  S.  1-20.  -  343)  X  H.  Fischel.  J.  E.  Schindler:  GraphKünste.  16, 
8.41-64.  —  344)  J.  Trojan,  P.  Konewka:  VelhagenKlasingsMh.  1892:1,  S.  177-93.  —  345)  [L,  v,  Ppnop],  Oskar  WisniesW. 

21* 


111:  346-374  C.  Gurütt,  Kunstg-eschichte.    1892,  1893. 

Nachlassausstellung-en  Oskar  Wisnieskis  und  Gustav  Spangenberg-s,  die  in  der  Berliner 
Nationalgalerie  veranstaltet  wurden,  erschienen  aus  der  Feder  D  o  n  o  p  s  345-346^ 
kurze,  aber  zuverlässige  biographische  Notizen.  —  Zwei  Schweizern  wurde  die 
gleiche  Ehrung  durch  die  Züricher  Künstlergesellschaft34''"348j  zu  teil,  den  Malern 
Bachelin  und  Frölicher.  — 

Die  gewaltige  Flut  der  Besprechungen  von  Werken  moderner  Kunst 
auch  nur  einigermassen  erschöpfend  zu  behandeln,  ist  nicht  die  Aufgabe  dieses  Be- 
richtes. Da  fast  jedes  grössere  Tagesblatt  sich  Ausstellungsartikel  von  mehr  oder 
minder  berufener  Seite  schreiben  lässt,  ist  der  Stoff  so  angeschwollen,  dass  kein 
Mensch  ihn  zu  bewältigen  vermöchte,  selbst  wenn  einer  auf  diesen  sonderbaren 
Plan  verfiele.  Hier  beschäftigen  uns  nur  jene  Arbeiten,  welche  über  die  betreffenden 
Künstler  nicht  nur  Kritik,  sondern  Thatsächliches  bringen  und  mithin  An- 
spruch auf  Dauer  erheben  können.  Und  auch  diese  werden  schwerlich  erschöpfend 
behandelt  werden  können.  An  der  Spitze  des  Interesses  steht  zweifellos  Arnold 
Böcklin.  Durch  die  Publikation^^s)  einer  Auswahl  seiner  Werke  in  Photogravüre 
zugleich  mit  einem  Verzeichnis  seiner  Schöpfungen  ist  der  Beurteilung  des  grossen 
Aleisters  eine  neue  Grundlag-e  und  eine  Ergänzung  zu  dem  Werk  über  die  Schacksche 
Sammlung  gegeben.  —  Für  Böcklins  Geistesverwandten,  den  Frankfurter  Hans 
Thoma,  trat  besonders  T  h  o  d  e^so-ssi)  lebhaft  ein.  — 

Nächstdem  ist  Bierbaums 352j  Arbeit  über  Fritz  von  Uhde  zu 
nennen,  in  welcher  sich  gleichfalls  das  Werk  des  Künstlers  vollständig  auf- 
gezählt findet;  ferner  jene  von  Graul  ^^■^),  welche  durch  die  reichen  Mittel  der  Wiener 
Gesellschaft  für  vervielfältigende  Kunst  zu  einer  echt  künstlerischen  Leistung  er- 
hoben wurde.  — 

Ueber  Adolf  Menzel  brachte  Gur litt 35*)  einen  gut  illustrierten  Aufsatz. — 
Ueber  seinen  Schüler  Franz  Skarbina  wurden  Nachrichten  mit  Abbildungen  seiner 
Werke^^^)  gegeben.  — 

Max  Liebermann  war  Gegenstand  einer  eingehenden  Betrachtung  von 
Kaemmerer356)  und  einer  gesonderten  Publikation  der  Wiener  Gesellschaft  für 
vervielfältigende  Kunst,  zu  der  GrauP^'')  einen,  der  kostbaren  illustrativen  Aus- 
stattung angemessenen,  Text  schrieb. 3^^)  — 

Franz  Stucks  Gesamtwerk  hat  Bier  bäum  359)  eine  schöne  Publikation  ge- 
widmet;  Otto  Greiners  starkes  Talent  besprachen  GrauP^o)   und  Lehrs36i),  — 

Ueber  Hubert  Herkomer,  der  freilich  nur  bedingungsweise  in  die  deutsche 
Kunst  gehört,  berichtete  Courtney^^^)  und  nach  ,  ihm  Pietsch363j  in  seiner 
warmherzigenArt  in  einem  gut  illustrierten  Aufsatze^^*). —  Ebenso  schrieb  Pietsch365) 
über  Hermann  Prell.  —  Die  Artikel  über  Freiherr  L.  von  Gleichen-Russ- 
wurm, den  lielferich366)  ausgezeichnet  charakterisiert,  über  Adolf  Hildebrand 
von  Gurlitt36''),  über  tiermann  Kaulbach,  den  Anna  Spier368j  mit  weiblicher 
Milde  schildert,  sind  sämtlich  musterhaft  illustriert,  so  dass  sie  einen  trefflichen  Ein- 
blick in  die  Kunstart  der  betreffenden  Meister  gewähren.369^373)  — 

Ob  Hermann  Hendrich  die  hohe  Schätzung,  welche  ihm  Bie3"4)  ent- 
gegenbringt,   dauernd  rechtfertigen  wird,    hat  erst  die  Zukunft  zu  zeigen.     Der  ihm 


(=  Ansstell.  d.  Werke  v.  0.  WisniesVi  in  d.  Kgl.  Nationalgal.  4.  Dec.  1891-14.  Jan.  1892.  S.  3/7)  B.  (Mittler  &  Sohn),  1891. 
29  S.  —  346)  id.,  M.  J.  Gustav  Spangenberg.  (=  Sonderaussteil,  der  Werke  v.  G.  Spangenberg.  März  1892.  S.  1/7.)  ebda. 
19  S.  —  347)  P-  W.,  Leben  d.  Malers  u.  Scliriftstellers  Auguste  Bachelin.  (=  NjbldKünstlergesZürich.  N.  53.)  Zürich 
(Fäsi  &  Beer).  33  S.  mit  Bildn.  u.  1  Lichtdr.  M.  2,75.  —  348)  Otto  Frölicher.  (=  NjbldKünstlergesZürich.  N.  52.) 
ebda.  20  S.  mit  2  Bild.  u.  2  Taf.  Lichtdr.  M.  2,75.  —  349)  Arn.  Böcklin.  E.  Ausw.  d.  hervorragendsten  Werke  d.  Künstlers 
in  Photograv.  München,  Verlagsanst.  für  Kunst  u.  Wissensch.  40  Bll.  mit  III  u.  VII  S.  Text.  M.  100,00  (Ausg.  mit  d.  Schrift); 
M.  200,00  (Ausg.  vor  d.  Schrift).  |[B.  H.:  SchwRs.  1,  S.  103,5;  0.  J.  Bierbaum:  ML.  62,  S.  140,2,  281/3;  Carl  Neumann: 
PrJbb.  71,  S.  197-207;  F.  H.  Meissner:  GBA.  9,  S.  307-17;  10,  S.  17-24;  E.  Hanover:  Tilskueren  1892,  S.  118.]|  —  350) 
H.  Thode,  H.  Thoma.  [Aus  GraphKünste.]  Wien,  Ges.  für  vervielfält.  Kunst.  1891.  4».  28  S.  mit  1  Taf.  u.  18  Textabbild. 
M.  15,00.  —  351)  id.,  H.  Thoma.  18  Photograv.  nach  d  Orig.  d.  Meisters.  Mit  Text.  München,  Hanfstaengl.  1892.  Fol. 
3  Bll.  Text.  M.  60,00  —  352)  0.  J.  Bierbaum,  F.  v.  Uhde.  München,  Albert  &  Co.  80  S.  mit  Bildn.  M.  10,00.  |[B. 
ßüttennauer:  BLU.  S.  547,9;  IllZg.  101,  S.  619;  M.  S.:  ML.  62,  S.  805/6;  N&S.  66,  S.  411/2;  F.  H.  Meissner:  FrB.  4, 
S.  945.JI  —  353)  R.  Graul,  F.  v.  Uhde.  Mit  11  Radier,  v.  W.  Unger,  A.  Krüger,  P.  Halm,  J.  M.  Holzapfel  u.  W.  Krauskopf. 
Wien,  Gesellsch.  f.  vervielfält.  Kunst.  Fol.  22  S.  mit  19  Abbild,  im  Text.  M.  15,00.  —  354)  C.  Gurlitt,  Ad.  Menzel: 
KunstUZ.  1892,  S.  1/9.  —  355)  F.  Skarbina:  ZBK.  3,  S.  49-54.  —  356)  L.  Kaemmerer,  M.  Liebermann:  ib.  S.  249-57,278-86. 

—  357)  R-  Graul,  M.  Liebermann.  Mit  Radierungen  v.  W.  Unger,  A.  Krüger,  P.  Halm  u.  M.  Liebermann.  Wien,  Ges.  für 
vervielfält.  Kunst.  16  S.  u.  11  Abbild,  im  Text.  M.  12,00.  (Luxusausg.  M.  24,00.)  —  358)  H.  Meissner,  M.  Liebermann. 
E.  Künstlerbild:  WIDM  72,  S.  756  72.  —  359)  F.  Stuck,  Ueber  100  Reproduktionen  nach  Gemälden,  plastischen  Werken, 
Handzeichnungen  u.  Studien.  Text  v.  0.  J.  Bierbaura.  München,  Albert  &  Co.  4".  84  S.;  mit  Abbildd.,  48  Taf.  u.  Bildn. 
M.  40,00.  IfA.  F.:  WeserZg.  N.  16885.]|  —  360)  B.  Graul,  0.  Greinei:  GraphKünste.  15,  S.  82,6.  —  361)  M.  Lehrs,  Neue 
Lithographien:  ib.  16,  S.  85/9.  (Greiner  u.  Thoma.)  —  362)  W.  L.  Courtney,  H.  Herkomer,  Royal-Academien,  his  life  and 
works.  (=  Art  annual  1892.)  London,  Yirtne  &  Co.  Sh.  2/6.  —  363)  L.  Pietsch,  H.  Herkomer:  VelhagenKlasingMh.  1, 
S.  33-53.  —  364)  X  Helen  Zimmern,  H.  Herkomer  u.  seine  Radierkunst:  KunstUZ.  1,  S.  112/6.  —  365)  L.  Pietsch.  H. 
PreH:  ib.  1892:1,  H.  41-60.  —  366)  H.  Helf  erich,  Radierungen  u.  Bilder  v.  Frhr.  L.  v.  Gleichen- Russwurm :  ib.  1,  S.  82/9. 

—  367)  C.  Gurlitt,  Ad.  Hildebrand:  ib.  2,  S  67-76.  —  368)  Anna  Spier,  H.  Kaulbach:  ib.  1,  S.  1-10.  -  369)  X  F. 
Walter,  Unkrit.  Künstlerportrr.  L  Carl  Raupp:  ib.  1892.  2,  S.  9-15.  -  370)  X  »d.,  Unkrit.  Künstlerportrr.  U.  Jul.  Adam: 
ib.  S.  25-33.  —  371)  X  id.,  Unkrit.  Künstlerportrr.  IH.  Thnre  Frhr.  v.  Cederström:  ib.  1,  S.  101/7.  —  372)  X  id.,  Unkrit. 
Künstlerportrr.  lY.  Th.  Rocholl:  ib.  2,  S.  39-40.  -    373)  X  id.,  Unkrit.  Künstlerportrr.  V.  Alb.  Rieger:  ib.  S.  49-56.  —  374) 


0.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.    1892,  1833.  I  11  :  375-412 

gewidmete  Aufsatz  verdient  aber  jedenfalls  anerkennende  Erwähnung  an  dieser 
Stelle.  —  Das  Gleiche  gilt  von  Berlepschs^''»)  Studie  über  Lenbach,  von 
Grauls^"^)  Artikel  über  den  viel  zu  wenig  geschätzten  Tiermaler  Schrey er,  so- 
wie von  Fritz  von  Ostinis^'')  für  das  Münchener  Künstlerleben  der  Zeit  instruktiven 
Bericht  über  die  Künstlergesellschaft  „Allotria".  — 

Der  Berliner  Bildhauer  Gustav  Eberlein  hat  ein  Werk  herausgegeben^""^), 
in  welchem  er  sein  Können  auf  den  verschiedensten  Gebieten  menschlichen  Schaffens 
bekundet.  Dass  dieses  Können  gross,  vielseitig  und  gewandt  ist,  wird  niemand  be- 
streiten, selbst  der  nicht,  welchem  es  mehr  Breite  als  Tiefe  zu  haben  scheint. 
Andererseits  ergiebt  z.  B.  Rosenbergs  Besprechung,  dass  sein  Idealismus  ver- 
wandte Seelen  erfreut.  —  Hier  ist  wohl  auch  der  Platz  Wilhelm  Buschs  kurze 
Selbstbiographie^'''')  „Von  mir  über  mich"  zu  erwähnen,  welche  er  der  Jubiläums- 
ausgabe seiner  „Frommen  Helene"  beigab,  und  die  Lebenserinnerungen^^")  des 
Bildhauers  Max  Klein.  —  Hinsichtlich  der  neueren  Architektur  muss  auf  die  Fach- 
blätter verwiesen  werden.^^'^^ssj 

Kunsthistoriker.  Wilhelm  Lübkes  am  S.April  1893  erfolgter  Tod  hat 
eine  Reihe  von  Freunden  und  Gegnern  des  wohl  zweifellos  berühmtesten  aller 
deutschen  Kunsthistoriker  zu  einer  zusammenfassenden  Schilderung  seiner  Persön- 
lichkeit geführt^s4"393).  _  Eine  vereinzelte  Arbeit  des  Verstorbenen  über  die  Abtei- 
kirche zu  Schwarzach394)  ist  noch  hier  zu  verzeichnen,  ebenso  eine  Besprechung 
seiner  jüngsten  Schriften^ös).  —  Mehr  noch  hat  Anton  Springers  Heimgang  die 
Teilnahme  erweckt''^^'^"^).  Viele  seiner  zahlreichen  Schüler  fühlten  sich  gedrungen, 
dem  Meister  ihren  Dank  in  öffentlicher  Form  zu  bekunden  und  dabei  seine  nach- 
gelassenen Schriften^ooj  zusammenfassend  zu  besprechen,  zumal  ihnen  in  der  nach 
dem  Tode  des  Gelehrten  erschienenen  Selbstbiographie  reichlicher  Stoff  zugeflossen 
war.  —  Ebenso  gab  der  Tod  Hubert  Janitscheks^*"  "^^^j  und  August  von  Essen- 
weins****) Veranlassung  zur  Darstellung  ihres  Lebensganges.  —  F.  R.  Steche,  der 
Dresdener  Kunsthistoriker***^)  erhielt  durch  Lier***^),  mein  verstorbener  Bruder,  der  um 
die  Entwicklung  der  deutschen  Kunst  wohlverdiente  Kunsthändler  Fritz  Gurlitt 
durch  S  ch  1  en  t  h  er***')  und  Elias***^)  einen  Nachruf.  —  Der  Artikel  über  Ernst 
Wilhelm  von  B  r  ü  c k  e  s  Beziehungen  zur  Kunst,  welchen  Frimmel***^)  ver- 
öffentlichte, ist  am  besten  an  dieser  Stelle  zu  erwähnen.  —  Aus  den  Besprechungen 
des  Wirkens  lebender  Kunsthistoriker  sei  jene  über  Jakob  B  ur  ckhar  d  t****)  zu 
dessen  50  jährigem  Doktorjubiläum  hervorgehoben.  — 

Specialgebiete:VervielfältigendeKünste.  Ueber  die  Geschichte  des 
Kupferstiches  erschien  ein  Werk,  welches  in  trefflicher  Art  einen  Ueberblick  über 
das  ganze  Gebiet  gewährt:  Es  ist  das  dritte,  von  Lippmann*")  besorgte,  Heft 
der  von  den  Berliner  Museen  herausgegebenen  Handbücher.  —  Das  Schreibersche 
Handbuch  für  den  Liebhaber  des  Stiches,  welches  in  die  ältere  vervielfältigende 
Kunst  einzuführen  bestimmt  ist,  wurde  nachträglich  in  England  besprochen* '2).  — 
In  diesem  Gebiete  steht  als  Kenner  und  wissenschaftlich  zuverlässiger  Arbeiter  gegen- 


0.  Bie,  H.  Hendrich  u.  d.  mytholog.  Malerei:  WIDM.  74,  S.  1-16  —  375)  H.  E.  t.  Berlepsch,  F.  v.  Lenbach: 
VelhagenKlusingMh.  1892.  1,  S.  25-43.  -  376)  R.  Graul,  Ad.  Schreyer:  ib.  2,  S.  418-29.  -377)  F.  v.  Ostini,  D.  MBnchener 
Allotria:  ib.  1,  S.  665-80.  —  378)  G.  Eberlein,  Aus  e.  Bildners  Seelenleben.  Plastik,  Malerei  u.  Poesie.  B.,  Schultz- 
Engelhard.  1892.  Fol.  62  S.  mit  Textabbild,  u.  28  Taf,  in  Lichtdr.  u.  Heliogr.  M.  50,00.  |[N&S.  67,  S.  406/8;  Ad. 
KosenbergtVelhasrenKlasingMh. 2,8. 225-42.11  (Vgl. 1 12:105a.)  —  379)  W.Busch,  V  mir  über  mich.  (=  Beigabe  zur  Jnbil.-Ausg. 
d.  „Frommen  Helene«.  [München,  Bassermann.  XXII,  113  S.  mit  Bildn.  M.  3,00].)  |[BerlTBl.  N.  442;  Didask.  N.  210.]|  —  380) 
Max  Klein,  Einige  Lebenserinnernngen:  ML.  62,  S.  425,9.  —  381)  X  Gabr.  Max  Darstellung  d.  Seherin  v.  Prevost. 
Sphinx  13,  S.  86.  (Aufschlussreich.>  —  382)  X  J-  Janitsch,  Ed.  Grätzner:  N&S.  61,  S.  202-13.  —  383)  X  D.  Zeichner 
d.  Fliegenden  Blätter:  IllZg.  98,  S.  65,8.  —  384)  X  L.  Pietsch,  Nachruf  auf  Wilh.  Löbke:  VossZg.  N.  161.  —  385)  X  C. 
Lemcke.  W.  Lnbke:  AZg".  N.  164.  —  386)  X  Th.  K.,  W.  Lübke:  SchorersFamilienbl".  N.  17.  —  387)  X  W.  Lübke: 
IllZg.  100,  S.  4()5;6.  —  388)  X  Z.  Gedächtnis  W.  Lübkes:  BerlTBl.  N.  176.  —  389)  X  W.  Lübke:  BURS.  58,  S.  403/4.  — 
390)  XC.Gurlitt,W.  Lübke:  ML.  62,8.257,8.  (Vgl.  1 12  :  24.)  -  391)  X  A.  E[osenberg],  W.  Lübke:  Post  N.  94.  —  392)  X  W. 
Lübke:  Ath.  2,  8.  513.  —  393)  X  W.  Lübke:  PolybibU'.  67,  8.  460/1.  -  394)  W.  Lübke,  D.  Abteikirche  zu  Schwarzach. 
(=  Festgabe  z.  Jubil.  d.  40  j.  Regierung  S.  Kgl.  Höh.  d.  Grossherz.  Friedrich  v.  Baden  dargebr.  v.  d.  tpchnischen  Hochschule 
in  Karlsruhe.  [Karlsruhe,  Frankfurt  a.  M.  J.  Baer  &  Co.  4».  XCH,  374  S.  mit  38  Fig.  im  Text,  27  Grundrissen  etc. 
M.  40,00],  S.  127-44.)  (Vgl.  JBL.  1892  II  1  :  47.)  —  395)  W.  Lübke  n.  seine  jüngsten  Schriften:  ZBK.  3,  S.  66-71.  —  396)  X 
W.  V.  Seidlitz,  A.  Springer:  ib.  8.  1/6,  25-31.  —  397)  X  G-  Pauli,  Aus  d.  Gelehrtenwelt:  Anton  Springer:  DR.  1892  :  2, 
8.  119-25.  —  398)  X  P-  Clemen,  A.  Springer:  ADB.  35,  8.  315/7.  —  399)  X  L.  Geiger,  Ant.  Springer:  MagdZg.  1892, 
N.  1.  —  400)  A.  Springer,  Aus  meinem  Leben.  Mit  Beitrr.  t.  Gust.  Freytag  u.  H.  Janitschek  u.  mit  2  Bildern  her. 
V.  J.  Springer.  (=  Grotesche  Samml.  N.  39.)  B.,  Grote.  X,  387  8.  M.  6,00.  |[HJb.  13,  S.  393;  M.Koch:  SchlesZg.  1892, 
N.  349;  F.  Servaes:  ML.  61,  S.  265/7;  Chrn.  Meyer:  ZDKG.  2,  8.  377-92;  BLU.  1892,  S.  113/6.]|    (Vgl.  JBL.  1892  IV  5  :  184.) 

—  401)  X  H.  Janitschek:  Ac.  44,  S.  397.  —  402 1  X  0-  N[eumann]-H[ofer],  H.  Janitschek:  ML.  62,  S.  423.  —  403)  X 
F.  Leitschnh,  H.  Janitschek :  StrassbPost.  N.  178.  —  404)  X  F-  Fischbach,  Erinnerungen  an  A.  v.  Essenwein:  Didask.  1892, 
N.  262.  —  405)  X  F-  R-  Steche:  NASächsG.  14.  8.  125-37.  —  406)  H.  A.  Lier,  F.  R.  Steche:  ADB.  35,  8.  537  9.  —  407) 
P.  Schienther,  F.  Gnrlitt:  ML.  62,  8.  108-10.  —  408)  J.  Elias,  F.  Gnrlitt:  NationB.  10,  8.324/5.  —  409)  Th.  Frimmel, 
E.  W.  V.  Brücke  in  seinen  Beziehungen  zu  Kunst  u.  Knnstwissensch.:  Kunstchr.  3,  S.  421/3.  —  410)  J.  ßurckhardt:  AZgU.  N.  117. 

—  411)  Handbücher  d.  Kgl.  Museen  zu  Berlin.  Mit  Abbild.  Her.  v.  d.  Generalverwalt.  d.  Kgl.  Museen.  3.  Bd.  D.  Kupfer- 
stich T.  F.  Lippmann.  B.,  Spemann.  V,  223  S.  mit  110  Abbild.  M.  2,50.  —  412)  W.  L.  Schreiber,  Manuel  de  Tamatenr 
de  la  gravure  snr  bois  et  sur  metal  au  XV.  siecle.    T.  H,  III  et  VI.    B.,  Alb.  Cohn.    XV,  382  S.;  XV,  334  8.;  VUI  S.  mit  35  Taf. 


I  11:413-439  C.  GurUtt,  Kunstg-esohlchte.    1892,  1893. 

wärtig"  zweifellos  L  eh  r  s^^^"''^^)  an  erster  Stelle.  Mit  stetiger  Umsicht  arbeitet  er 
in  dem  von  ihm  gewählten  Gebiete  fort,  für  das  er  eine  wohl  einzige  Sachkenntnis 
besitzt.  Seine  Arbeiten  über  den  „Meister  der  Liebesgärten"  und  den  „Meister  W." 
beschäftigten  in  der  Berichtsperiode  mehrere  Federn.  Auch  über  Israhel  van 
Meckenem  brachte  er  eine  Notiz.  —  Von  den  Kleinmeistern  des  16.  Jh.  sind  die 
Biographien  H.  Springinklees  und  Virgil  Solls  von  R  ee*'"'  ^^^j,  ferner  die  Christophs 
von  Sichern  aus  der  Feder  W  e  s  s  ely  s"*'-*)  zu  erwähnen.  —  Auf  die  deutsche 
Stecherkunst  des  17.  Jh.  hatte  Rubens  einen  so  starken  Einfluss,  dass  ein 
Werk  über  die  Stecher  dieser  Schule  hier  nicht  unerwähnt  bleiben  darf:  Rosen- 
berg^^o)  lieferte  es.  —  Auch  die  alte  Handelsstadt  Danzig  befand  sich  dauernd 
unter  niederländischem  Kunsteinfluss,  so  dass  von  Rözyckis^^i)  Werk  über  die 
Kupferstecher  Danzigs  hier  angeführt  werden  muss.  —  Den  Kupferstecher  Strauch 
behandelte  Ree*22j  in  einer  kurzen  Biographie.  —  lieber  zwei  Radierungen  Goethes 
berichtet  W^  u  s  t  m  a  nn  423j^  über  die  Kupferstecher  Seuter,  Seyffert  und  Seyffer 
gaben  H  o  1 1  a  n  d424),  L  i  e  r  ^25)  und  Wintterlin  426j  Nachrichten.  —  Eingehender, 
auf  Grund  einer  Flut  von  Schriften,  ist  H  o  IIa  n  d  s'*^'')  Lebensbeschreibung 
Senefelders.  —  Mehr  theoretischen  Inhaltes  sind  der  Artikel'*^»)  zur  Geschichte  der 
Radierung,  welcher  sich  mit  Dürerschen  Holzschnitten  beschäftigt,  und  Fried- 
länders^^")  Aufsatz  über  den  „farbigen  Kupferstich".  — 

Zur  Geschichte  des  Gartenbaues  liefern  Kauf  man  n'^^O)  und  Zacher*^^)  Studien. 
In  der  ersteren,  umfassenderen  wird  das  Gebiet  des  Mittelalters  und  der  Renaissance 
behandelt.  Sie  giebt  sich  als  eine  Reihe  von  Vorträgen,  freilich  nicht  von  solchen, 
welche  den  Wunsch  erregen,  sie  gehört  zu  haben.  Das  Beste  an  ihnen  ist  zweifellos 
das  fleissige  Ansammeln  von  thatsächlichen  Nachrichten  in  einem  Gebiet,  in  welchem 
alle  Unholde  des  Dilettantismus  sich  besonders  gern  zusammentreffen.  Man  kann 
wenigstens  bei  K.  das  redliche  Bestreben  beobachten,  die  eigene  Naturanschauung 
so  wenig  als  möglich  fremden  Zeiten  unterzulegen,  welche  den  romantischen  Begriff  des 
„Natursinnes"  noch  nicht  kannten.  —  Die  Entwicklung  dieses  Sinnes,  deren  Erkenntnis 
Woermann  für  die  Antike  und  Biese  für  das  Mittelalter  vorgearbeitet  hatten,  im 
Gebiet  der  Malerei  zu  folgen,  hat  sich  von  Lichten  berg'*^^)  zur  Aufgabe  gestellt.  Er 
schliesst  seine  Dissertation  an  jene  Kaemmerers  an,  welcher  die  Landschaft  in  der 
deutschen  Malerei  bis  auf  Dürers  Tod  verfolgt  hatte.  Er  weist  nach,  wie  das  Streben, 
dem  Bilde  einen  interessanten  Hintergrund  zu  schaffen,  im  16.  Jh.  zur  Häufung  der 
Motive  und  zur  Entfremdung  von  der  Heimat  führte,  und  wie  erst  durch  die  Nieder- 
länder gegen  Ende  des  Jh.  mit  der  Rückkehr  zum  Realismus  die  Landschaft  zum 
Selbstzweck  und  endlich  die  Stimmung  zur  höchsten,  den  inhaltlichen  Wert  über- 
ragenden Aufgabe  wurde.  — 

Für  das  Kunstgewerbe  ist  die  Waffenkunde,  besonders  Kenntnis  der  Plattner,  das 
Sondergebiet  Böheims'*'^3-435-)  gg  jg^  höchst  erfreulich  zu  sehen,  wie  grosse  Er- 
gebnisse ein  geschlossenes  Wollen  nach  bestimmter  Richtung  hin  zu  bringen  ver- 
mag. Gestützt  auf  die  Regestensammlungen  im  Wiener  Jahrbuch  der  kunsthistorischen 
Institute,  auf  die  Urkundenforschungen  im  Dresdener  (durch  Gurlitt)  und  Augsburger 
Archiv  durch  Buff436-437j^  gQi^t  er  seine  durch  treffliche  Abbildungen  ebenso  wie 
durch  strenge  wissenschaftliche  Forschung  ausgezeichneten  Veröffentlichungen  über 
die  Rüstungen  der  Wiener  Museen  und  das  österreichische  Rüstwesen  fort.  — 
Hierher  gehörtauch  die  Beschreibung  eines  Harnischs  zu  Wörlitz,  welche  Büttner 
Pfänner    zu   Thal^äsj    herausgab.    —  Der   Aufsatz    von   Maindron*^^),    welcher 

ä  M.  12,00.  l[WestmE.  138,  S.  577-82;  SaturdayR.  74,  S.  231.]!  —  413>  M.  Lehrs,  D.  dtsch.  u.  niederländ.  Kupferstiche  d. 
15.  Jh.  in  d.  kleineren  Samml.  in  Amsterdam,  Haag,  Lattich,  Brüssel,  Brügge:  KepKunstw.  15,  S.  110-46,  472-505.  —  414) 
id.,  D.  Meister  d.  Liebesgärten.  K.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  ältesten  Kupferstichs  in  den  Niederlanden.  Dresden,  Bruno  Schulze. 
4".  23  S.  mit  10  Lichtdr.-Taf.  M.  20,00.  |[F.  C.  Heimann:  ZChrK.  6,  S.  191;  C.  Hofstede  de  Groot:  NedSpect.  S.  127/8; 
LCBl.  S.  1086.]|  —  415)  Alfr.  v.  Wurzbach,  D.  Stecher  W.:  Kunstchr.  4,  S.  43.3,9.  (Im  Anschlnss  an:  M.  Lehrs,  Wenzel 
V.  Olmütz.  Dresden  1889.)  —  416)  id.,  Israhel  van  Meckenem:  JPrK.  14,  S.  81,3.  —  417)  P.  J.  Ree,  H.  Springinklee: 
ADB.  35,  S.  321/2.  —  418)  id.,  Virgil  Solis:  ib.  34,  S.  567-70.  -  419)  J.  E.  Wessely,  Chrph.  v.  Siehera  d.  Aelt.:  ib.  S.  150. 

—  420)  Gesch.  d.  vervielfält.  Künste.  Red.  v.  C.  v.  Lützow.  D.  Kupferstich  in  d.  Schule  u,  unter  d.  Einflüsse  d.  Rubens 
[d.  Rnbensstecher]  v.  Ad.  Rosenberg.  Wien,  Ges.  f.  vervielfält.  Kunst.  Fol.  VII,  168  S.  mit  lUnstr.  u.  43  Taf.  M.  40,00. 
—   421)  K.  V.  Rözycki,   D.  Kupferstecher   Danzigs.     E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Kupferstichs.     Danzig,    Th.   Bertling.     44   S.    mit 

Signaturen.  M.  2,00.  |[H.  Ehrenberg:  AltprMschr.  30,  S.  370/l.]|  —  422)  P.  J.  Ree,  L.  Strauch:  ADB.  36,  S.  531.  — 
423)  G.  Wustmann,  üeber  zwei  Radierungen  Goethes:    ZBK.  4,  S    97/9.    -    424)  H.  Holland,  G.  Seuter:  ADB.  34,  S.  68. 

—  425)  A.  H.  Lier,  J.  G.  Seyffert:  ib.  S.  109.  —  426)  A.  Wintterlin:  F.  A.  Seyffer:  ib.  S.  107.  —  427)  H.  Holland, 
A.  Senefelder:  ib.  S.  8-23.  —  428)  Gesch.  d.  Radierung:  Kw.  6,  S.  88  9.  —  429)  Max  Friedländer,  D.  farbige  Kupfer- 
stich: Nation".  10,  S.  75/9.  —  430)  A.  Kaufmann,  D.  Gartenbau  im  MA.  u.  während  d.  Periode  d.  Renaissance  dargest.  in 
5  Vortrr.     B.,  Grundmann.     1892.     80  S.     M.  1,50.  -   431)  G.  Zacher,  D.  Entwicklung  d.  Gartenbaukunst:  Didask.  N.  193.— 

432)  R.  Frhr.  v.  Lichtenberg,  Z.  Entwicklungsgesch.  d.  Landschaftsmaleroi  bei  d.  Niederländern  u.  Deutschen  im  16.  Jh. 
Mit  Abbild,    (im    Text    u.    auf   8    Taf).     (—  Beitrr.    z.  Kunstgesch.     Bd.  18).     L.,  Seemann.     1892.     VIII,    132    S.     M.  4,00.  — 

433)  W.  Böheim,  Augsburger  Waffenschmiede,  ihre  Werke  u.  ihre  Beziehungen  z.  kaiserl.  u.  anderen  Höfen:  JKSAK.  1892, 
S.  94-201.  —  434)  id.,  D.  Zeugbücher  d.  Kaisers  Maximilian  I.:  ib.  S.  94-201.  —  435)  id.,  D.  Waffenschmiede  Mailands  im  15.  n. 
Iß.  Jh.:  AZg".  N.  52.  -  436)  A.  Buff,  Augsburger  Plattner  d.  Renaissancezeit:  AMZg.  68,  S.  226/8,  234/6,  242/4,  250/2, 
258-60,266/8.-437)  id.,  Augsburger  Plattner  d.  Renaissance:  AZg".  1S92,  N.  191/3.  —  438)  F.  Büttner  Pfänner  zu  Thal, 
D.  Harnisch  Herzog  Bernhards  zu  Weimar  in  d.  Kunstsamml.  S.  Hob.  d.  Herz.  v.  Anhalt  zu  Wörlitz.  Kunsthist.  Abhandl.  als 
Festschrift   z.   8.  Okt.  her.    Dessau,   Kahle.    1892.    Fol.    20   S.   mit   2  Lichtdr.-Taf.    M.  10,00.   —   439)   M.  Maindron,  La 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.      111:440-452  112 -.1-4 

mehrere  früher  für  französisch  g-ehaltene  Rüstungen  des  Pariser  Musee  d'artillerie  deut- 
schen Meistern  zuweist,  beweist,  dass  man  in  Frankreich  manche  Voreing-enommen- 
heiten  in  diesem  Gebiet  aufzugeben  sich  genötigt  sah.  Die  Geschichte  der 
Goldschmiedekunst  des  16.  Jh.,  die  durch  Marc  Rosenbergs  „Der  Goldschmiede  Merk- 
zeichen" (Frankfurt,  Keller  1890)  auf  eine  neue  wissenschaftliche  Basis  gebracht  wurde, 
bietet  trotzdem  nicht  viel  Erwähnenswertes.  Rosenberg****)  selbst  liefert  den 
Nachweis,  dass  ein  Becher  in  Gestalt  einer  Burg  ein  Werk  Jamnitzers  sei.  — 
Einer  besonderen  Klasse  von  Goldschmieden,  und  zwar  den  Stechern  von  Gefäss- 
entwürfen  aus  der  Zeit  von  1570  —  1610  widmet  Winkler*^')  eine  auf  das  reiche 
Material  des  Berliner  Kunstgewerbemuseums  begründete  Studie.  —  Luthmer**^) 
legt  eine  ähnliche  Arbeit  über  das  16.  Jh.  vor.  —  Brinckmann^^^^  giebt  einige 
Nachrichten  von  mittelrheinischen  Seidenge  weben  der  Mitte  des  16.  Jh.  —  Ueber 
die  Modelleure  der  Fürstenberger  Porzellanfabrik  arbeitete  Seh  er  er***),  während 
Stegmanns**^)  Buch  über  diese  fürstlich  braunschweigische  Anstalt  mancherlei 
Aufschlüsse  gab.  —  Die  ältesten  Medailleure  Oesterreichs  behandelt  eingehend 
Domanig**^'').  — 

Von  den  Darstellungen  der  Geschichte  der  öffentlichen  Sammlungen  und 
Kunstinstitute  wurden  die  von  Reber**^),  Grasberger**^»)  und  die  von 
Neuwirth**")  schon  erwähnt.  —  Nachzutragen  sind  hier  noch  die  Arbeiten  von 
Wilh.  Schmidt**^)  über  die  bayerischen,  namentlich  über  die  Ueberführung  der 
Düsseldorfer  und  Mannheimer  Institute  nach  München,  von  Dernjac**^)  über  die 
Wiener  Akademie,  der  Vortrag  D oh m es *^ö)  über  die  Anfänge  der  Berliner  Akademie, 
das  Referat  Grauls*^^)  über  die  Bodesche  Bearbeitung  der  Schweriner  Galerie  und 
die  Fortsetzung,  w^elche  Fritz  Meyer*ö2)  in  seiner  Geschichte  der  Baseler  Kunst- 
sammlung brachte.  — 


1,12 

Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Richard  Maria  Werner. 

Geschichte  der  Poetik  und  Aesthetilc:  Naturstudium  N.  1.  —  Pietsch  N.  4.  —  Corneille  und  Lessing 
N.  9. —  Home  N.  11.  —  Aesthetik  der  Klassiker  N.  12.  —  Gegner  MolieresN.  15c.  —  Goldoni  N.  16.  —  Nekrologe:  Horwicz  N.  22  ; 
Vischer  N.  23;  Lflbke  N.  24;  Taine  N.  26a.  —  Schulraässige  Zusammenstellungen:  Poetik  N.  27.  —  Aesthetik: 
Anmut  N.  45.  —  Lust  und  Unlust  N.  46.  —  Aesthetisches  Urteil  N.  51.  —  Menschliche  Gestalt  N.  55.  —  Kunst  und  Natur 
N.  68.  -  Gefühl  N.  74.  —  Künstlerisches  Schaffen  N.  91.  —  Das  Metaphorische  N.  107.  —  Das  Natnrschöne  N.  108.  —  Schön 
und  AesthetischN.  111.  —  Das  Gedächtnis  N.  113.  —  Kunst  und  Kritik  N.  116.  ~  Zukunft  der  Kunst  im  socialdemokratischen 
Staate  N.  123.  —  Das  Unanständige  N.  139.  —  Poetik:  Methode  der  Poetik  N.  144.  -  Wert  der  Poesie  N.  147.  —  Wider- 
sprüche in  Kunstdichtungen  N.  165.  —  Humor  N.  166.  —  Pessimismus  N.  169.  —  Stimmung  N.  176.  —  Bild  und  Gleichnis 
N.  177.  —  Die  einzelnen  Dichtungsgattungen:  Lyrik  (Gedankenlyrik,  Volkslied,  Kirchenlied,  Epigramm  und  Elegie) 
N.  188.  —  Epik  N.  202.  —  Drama  N.  211.  —  Verhältnis  des  Dramas  zur  Bühne  N.  227.  —  Komödie  N.  235.  -  Oper  N.  239. — 
Neue  Formen  des  Dramas  N.  242.  —  Der  Naturalismus:  Begriff  N.  250.  —  Moral  und  Naturalismus  N.  284.  —  Frauenfrage 
N.  286.  —  Bedeutung  von  Suggestion  und  Hypnose  N.  288.  —  Moderne  Psychologie  N.  295.  —  Die  verschiedenen  Kreise  des 
Naturalismus  N.  304.  -  Frankreich  N.  306.  —  Zola  N.  317.  —  Tolstoi  N.  330.  —  Der  skandinavische  Kreis  N.  342.  —  Ibsen 
N.  349.  —  Strindberg  N.  371.  —  Nietzsche  und  die  deutsche  Weltanschauung  N.  378.  —  Die  einzelnen  deutschen  Naturalisten 
N.  397.  —  Zukunft  der  Litteratur  N.  424.  — 

Für  die  Geschichte  der  Poetik  und  Aesthetik  sind  im  Berichtsjahre 
verschiedene  kleinere  Beiträge '"^a)  zu  verzeichnen,  von  denen  einzelne  nur  zum  Teil 
unser  Gebiet  berühren.  So  untersucht  Hampe^),  woher  die  Verschiedenheit  der 
Litteratur  und  der  bildenden  Kunst  in  Deutschland  um  die  Wende  des  15.  Jh.  kommt. 


collection  d'armes  du  musee  d'artillerie.  I.:  GBA.  10,  S.  265-94.  —  440)  Marc  Rosenberg,  E.  Jamnitzer:  Knnstgewerbebl.  3, 
S.  146/7.  —  441l  Aug.  Winkler,  D.  Gefäss-  u.  Punzenstecher  d.  dtsch.  Hochrenaissance:  JPrK.  13,  S.  93-107.  —  442)  F. 
Luthmer,  Dtsch.  Goldschmiedewerke  d.  16.  Jh.:  N&S.  63,  S.  54,7.  —  443)  J.  ßrinckmann,  Mittelrhein.  Seidengewebe  mit 
Inschrift  aus  d.  Mitte  d.  16.  Jh.:  ZChrK.  5,  S.  150/4.  —  444)  Chr.  Scherer,  Ueber  d.  Modelleure  d.  Fürstenberger  Porzellan- 
fabrik: Knnstgewerbebl.  3,  S.  30.  —  445)  H.  Stegmann,  D.  fürstl.  braunschweig.  Porzellanfabrik  zu  Fürstenberg.  E.  Beitr.  z. 
Gesch.  d.  Kunstgewerbes  u.  d.  wirtschaftl.  Zustände  d.  18.  Jh.  Braunschweig,  Goeritz.  YIII,  176  S.  M.4,00.  |[BllKunstgewerbe.S.29.J| 
—  445a)  C.  Domanig,  Aelteste  Medailleure  in  Oesterreich:  JKSAK.  S.  11-36.  —  446)  (S.  o.  N.  193.)  —  446a)  (S.  o. 
N.  199.)  —  447)  (S.  0.  N.  200.)  —  448)  Wilh.  Schmidt,  D.  bayer.  Sammlungen:  AZgi*.  N.  67.  —  449)  Jos.  Dernjaü, 
D.  k.  k.  Akad.  d.  bild.  Künste.  Vorlr.:  ÖUR.  15,  S.  35-52,  109-25,  196-212.  —  450)  R.  Dohme,  Ueber  d.  Anfänge  d. 
Berliner  Ak.  Vortr. :  NatZg.  N.  62.  —  451)  R.  Graul,  W.  Bode,  D.  grossherz,  Gemäldegalerie  zu  Schwerin.  Wien,  Ges. 
für  vervielfält,  Kunst.  1891.  Fol.  180  S.  mit  Text-Illnstr.  u.  42  Radierung.  M.  60,00:  BLU.  1892,  S.  268-79.  —  452)  Fritz 
Meyer:  Gesch.  d.  öffentl.  Kunstsammlung  zu  Basel:  Basler  Jb.  S.  145-74.  — 

1)  O  Jul.  Walter,  D.  Gesch.  d.  Aesthetik  im  Altertum  ihrer  begrifflichen  Entwicklung  nach  dargest.  L.,  Reisland. 
XVIII,  891  S.  M.  17,00.  |[LCB1.  8.1636,8.];  —  2)  O  Ch.  Leveqne,  Ch.  Benard:  L'estetiqne  d'Aristote  et  de  ses  successeurs: 
JSav.  S.  65-80,  270-83,  519-32.  —  2a)  OG.  Thiele,  Hermagoras.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Rhetorik.  Strassburg  i.  E.,  Trübner.  IX,  202  S. 
M.  6,00.  —  3)  (1 11 :  184;  s.  auch  II 1 :  82.)  —  4)  J.  Reioke,  Zu  J.  Chrph.  Gottscheds  Lehrjahren  auf  d.  Königsberger  UniT.  Königs- 


I  12  : 4  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

und  g-eht  dabei  auf  das  Verhältnis  der  Künste  zur  Natur  ein.  Früher  als  die 
Litteratur  kehrt  die  bildende  Kunst  unter  flandrischem  Einfluss  zum  Studium  der 
Natur  zurück,  woraus  nicht  nur  die  Liebe  zur  Natur  und  allen  ihren  Geschöpfen 
erwachte,  sondern  „auf  eine  Erweiterung"  des  Stoffgebietes  und  selbst  eine  Ver- 
tiefung der  Ansichten  über  das  Wesen  der  Natur  Hand  in  Hand  ging."  Der  Litteratur 
blieb  die  ältere  geistliche  Auffassung",  dass  die  Natur  in  allen  ihren  Regungen  schlecht- 
hin sündhaft  sei,  woraus  sich  Abkehr  von  der  Natur  als  Prinzip  ergab.  Die  bildende 
Kunst  hat  zuerst  das  Eis  gebrochen,  aber  keineswegs  erst  infolge  der  Renaissance, 
sondern  schon  vorher,  wodurch  sie  einen  reformatorischen  Charakter  erhielt.  Der 
Vf.  bestätig-t  durchwegs  die  Ansicht  Woltmanns,  in  der  Epoche,  welche  dem  Auf- 
treten Luthers  vorherg-ehe,  sei  die  Kunst  der  Reformationszeit  zu  suchen.  H.  deutet 
die  ungünstigen  Einflüsse  der  Renaissance  an  und  folgert  daraus  die  nationale 
Beorderung  für  die  Kunst;  er  findet  warme  Worte  für  Hans  Sachs  wie  für  Goethe, 
dessen  italienische  Reise  H.s  Ansicht  nach  für  die  neue  Blüte  der  Litteratur  hätte 
verhäng"nisvoll  werden  können,  wenn  nicht  Goethes  Wesen  zu  selbständig*  und  zu 
deutsch  gewesen  wäre,  um  „in  eine  geistige  Abhäng"ig"keit  von  den  vielbewunderten 
Schriftstellern  des  Altertums"  zu  g"eraten.  — 

Die  Bedeutung"  der  Antike  für  die  Poetik  erhellt  aus  zwei  Programmen  von 
Gottscheds  Lehrer  Joh.  Valentin  Pietsch,  die  Reicke^)  im  Anhang-e  zu  seiner 
schon  früher  (vgl.  JBL.  1892  HI  5 :  29)  gewürdigten,  mir  erst  jetzt  zugäng-lichen 
Schrift  hat  neu  drucken  lassen.  Sie  sind  an  sich  interessant,  trotzdem  sie  nur  in 
kurzen  Thesen  Stellung  zu  Streitfragen  der  damaligen  Poetik  nehmen,  sie  sind  aber 
wichtig"  für  die  historische  Erfassung  Gottscheds,  so  dass  näher  auf  sie  eingeg-angen 
werden  muss.  Zur  Aufnahme  in  die  Fakultät  verteidig-te  Pietsch  im  J.  1718  (der 
Raum  für  das  Datum  ist  im  Druck  freigelassen)  g'eg"en  Melchior  Johannes  Caschel 
„Poeticarum  Thesium  Duodecas" ;  darin  fordert  er  an  erster  Stelle  angeborenes  Talent 
zum  Dichten;  stellt  dann  fest,  dass  die  Poesie  eine  Nachahmung"  der  Natur  sein  müsse; 
verwirft  die  allzu  strenge  Disposition,  während  sich  der  Poet  nur  durch  die  Forderung-en 
seines  erreg"ten  Talentes  leiten  lassen  solle  (excitati  ing"enii  impetus);  in  der 
5.  These  verlangt  er  zwar  für  die  gebundene  Rede  „Majestas"  des  Ausdrucks,  bezeichnet 
aber  die  Uebertreibung",  also  den  Schwulst,  als  einen  Fehler,  ebenso  (These  6)  die 
niedrige  Schreibart  und  quod  a  Gallis  Burlesque  vocatur.  Als  Unterschied  von  Poesie 
und  Prosa  bezeichnet  die  7.  These  das,  was  auch  die  einzelnen  Dichtungsgattungen 
von  einander  trennt:  Stil  und  Erfindung,  wobei  er  Vergil  rühmt,  weil  er  jeder 
Gattung  ihren  passenden  Stil  gab,  in  den  Eklogen  humilem,  in  den  Georgicis  medio- 
crem, in  der  Aeneide  den  heroischen,  so  dass  man  darin  den  Ausdruck  der  Natur 
selbst  zu  erkennen  glaube.  Die  weiteren  Thesen  handeln  dann  von  einzelnen 
Dichtungsgattungen:  von  den  Eklogen,  vom  Drama  und  besonders  von  der  Tragödie, 
von  der  Ode,  endlich  von  der  „Satyre",  die  er  et  utilitate  et  amoenitate  fast  über  alle 
Gattungen  stellt.  Für  das  Drama  gilt  ihm  der  Satz,  es  sei  die  Nachahmung  einer 
Handlung,  daraus  folgert  er,  dass  die  Tragödie  figuratam  acutamque  dictionem  nicht 
gebrauchen  dürfe.  Wir  vermissen  in  der  Reihe  der  Dichtungsarten  vor  allem  das 
Epos,  das  später  einen  Streitpunkt  der  Aesthetik  bildete,  ferner  die  Fabel,  was  wir 
nach  Seufferts  Ausführungen  (ADA.  12,  S.  68 ff.)  erklären  können.  Am  22.  Febr. 
1718  verteidigte  Pietsch  beim  Antritt  seines  Ordinariates  gegen  Jacob  Friedrich 
Danckmoyer  das  zweite  Programm  Solutae  Ligataeque  Orationis  Limites,  das  Gottsched 
in  seiner  Critischen  Dichtkunst  (4.  Aufl.  S.  348)  so  sehr  rühmt;  er  sagt:  ,, Siehe  des 
Hofrath  Pietschens  Dissertation  von  dem  Unterschiede  der  poetischen  und  prosaischen 
Schreibart,  darinn  er  verschiedene  Regeln  und  Exempel,  die  unverwerflich  sind,  ge- 
geben hat".  R.  behauptet  (S.  35),  die  beiden  Disputationen  müssten  Gottsched  un- 
bekannt geblieben  sein,  da  er  sie  niemals  anführe;  die  citierte  Stelle  ist  ihm  also 
entgangen.  Hat  Gottsched  die  Limites  gekannt,  so  wird  er  wohl  auch  die  unmittelbar 
vorhergehende  Schrift  seines  Lehrers  gelesen  haben.  Pietsch  sucht  auf  vergleichendem 
Wege  den  Unterschied  zwischen  gebundener  und  ungebundener  Schreibart  festzu- 
stellen, und  hierin  folgt  ihm  Gottsched  so  getreu,  dass  er  einiges  fast  wörtlich  übersetzt 
hat.  Als  unerschöpflichen  Born,  aus  dem  nebst  verschiedenen  Wissenszweigen  auch 
die  Poesie  ihren  Ursprung  schöpft,  bezeichnet  Pietsch  an  der  Spitze  seines  Pro- 
grammes  das  Vergnügen  (delectatio).  Zu  dieser  ihrer  Quelle  strebt  und  kehrt  die 
Poesie  zurück.  Aelter  als  die  Poesie  ist  die  Musik,  der  man  aber  Worte  beifügte, 
damit  nicht  der  leere  Ton  ans  Ohr  schlage.  Durch  diese  Worte  wurde  das  gedrückte  Ge- 
müt zur  Freude  (laetitia)  erregt  oder  seine  Freude  vermehrt.  Aus  dem  Bedürfnis 
nach  Abwechslung  leitet  Pietsch  die  metrische  Gestalt  der  Verse  ab,  die  von  grösserer 
Freiheit  zur  Genauigkeit  fortschritt,  so  zwar,  dass  sich  die  metrische  Form  zu  einer 
Notwendigkeit  des  Gedichtes  ausbildete,  und  man,  wenn  sie  fehlt,  kaum  von  einem 
Gedichte  sprechen  könne.  Zwar  giebt  es  Menschen,  die  auf  die  Erfindung  zu 
viel  Gewicht  legen  und  daher  Fabeln  in  ungebundener  Schreibart  zur  Poesie  rechnen ; 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  4a-9 

da  diese  jedoch  nicht  gesung-en  werden  können,  weder  durch  Wohlklang",  noch 
durch  das  Metrum  g-ebuuden  sind,  verdienen  sie  nicht  den  Namen  der  g-ebundenen 
Rede  oder  des  Gedichtes,  sondern  gehören  zur  Prosa.  Der  strengeren  griechischen  und 
römischen  Metrik  folgen  die  Germanen,  während  die  Italiener  und  Franzosen  durch 
grössere  Freiheit  sündigen.  Ein  weiteres  charakteristisches  Zeichen  der  Poesie  ist 
der  Reim,  dessen  Bedeutung  Pietsch  überaus  hoch  stellt;  ja  er  sagt  geradezu  (§  8): 
„Hoc  adeo  delectamur  rythmo,  ut  parum  absit,  quin  apud  nos  fere  solus  a  communi 
sermone  distinguere  videatur  Carmen";  ähnlich  behauptet  Gottsched  (I,  §  11),  die 
nordischen  Völker  „gewöhnten  auch  ihre  Ohren  dergestalt  daran"  (an  den  Reim), 
„dass  sie  diesen  Reim  endlich  für  das  wesentlichste  Stück  der  Poesie  hielten".  Pietsch 
behandelt  nun  einige  Gründe,  die  gegen  den  Reim  angeführt  werden;  er  mache  weich 
und  unmännlich,  das  schade  jedoch  unserer  konsonantenreichen  Sprache  keineswegs; 
er  hindere  den  freien  Ausdruck,  das  gelte  nur  für  die  Ungeübten,  ja  der  Reim  ver- 
helfe zu  ganz  unerwarteten  Ideen;  auch  seien  unsere  Ohren  seit  Jhh.  an  den  Reim 
so  sehr  gewöhnt,  dass  uns  mit  dem  Reim  das  Gedicht  seines  ang'enehmsten  Schmuckes 
beraubt  erschiene;  zur  Exemplifizier ung  führt  er  eine  Stelle  aus  Seckendorffs  reim- 
loser und  aus  seiner  eigenen  gereimten  Lukanübersetzung  an,  Gottsched  hat  dann 
(XI,  §  15)  dieselbe  Stelle  nach  dem  Original  und  nach  Pietschens  Uebersetzung  citiert. 
Nachdem  so  Pietsch  seine  Hypothese  genügend  begründet  zu  haben  glaubt,  wendet 
er  sich  den  Worten  zu.  Prosaiker  (oratores)  und  Poeten  bedienten  sich  desselben 
Wortschatzes,  nur  bildeten  die  Dichter  aus  metrischer  Nötigung  oder  zur  lebhafteren 
Abschilderung'  der  Dinge  neue  Wörter,  deren  Anwendung  dem  Prosaiker  zu  wider- 
raten sei;  wieder  führt  er  einige  Beispiele  an,  die  seine  Lehre  erläutern  können  und 
das  UnmögHche  gewisser  poetischer  Wörter  in  der  Prosa  zeigen.  Die  Dichter  unter- 
scheiden sich  von  den  Prosaikern  durch  Erfindung  und  Stilcharakter;  während  der 
Prosaist  nur  die  vorhandenen  Dinge  behandelt,  bringt  der  gleichsam  göttlich  be- 
geisterte Dichter  nicht  vorhandene  hervor,  wodurch  er  die  verborgene  Wahrheit  in 
helles  Licht  setzt,  sie  durch  Schönheit  gefälliger  (gratiosior),  durch  Erhabenheit 
verehrimgswürdiger  macht.  Durch  Ungewöhnliches  erregt  der  Dichter  Bewunderung, 
durch  Hypotypose  packt  er  stärker  (vivacius  percellat),  durch  die  erhabene  Idee 
reisst  er  hin  (altius  extollat),  durch  Anmut  nimmt  er  ein,  und  so  trennt  sich  die 
Poesie  von  der  ungebundenen  Rede  durch  eine  breite  Kluft;  an  der  Aeneide  zeigt 
dann  Pietsch,  wie  der  Dichter  durch  Erfindung  aus  der  Prosa  Poesie  macht.  Indem 
sich  Pietsch  dann  zum  Stil  wendet,  bedauert  er,  auf  dem  engen  Raum  einer  Disser- 
tation den  Gegenstand  nicht  erschöpfen  zu  können,  hebt  aber  hervor,  dass  beim 
Poeten  alle  Bemühung  darauf  abziele,  Bewunderung  zu  erregen;  dies  erreiche  er 
auch,  durch  die  Diktion,  die  sich  von  der  gewöhnlichen  durch  raritas  unterscheiden 
müsse.  Die  Figuren  heben  die  poetische  Rede  von  der  gewöhnlichen  ab,  die  Tropen 
legen  der  gewöhnlichen  Bezeichnung  fremde  Bedeutung  bei.  Durch  die  Tropen 
kann  der  Dichter  steigern  und  schwächen,  Vergnügen  und  Schmerz  hervorrufen, 
ja  Schrecken  einjagen.  Zwar  bedient  sich  auch  die  Prosa  dieses  Schmuckes,  aber 
anders  als  die  Poesie,  bei  welcher  die  Figuren  gewählter  und  stärker,  die  Tropen 
erhabener,  die  Beiwörter  ungewöhnlicher  und  häufiger  seien.  Für  den  Gradunter- 
schied Hesse  sich  keine  Regel,  nur  der  Gebrauch  anführen,  wieder  Beispiele,  aus 
denen  der  Unterschied  erhellt.  Zum  Schlüsse  seines  bedeutsamen  Programmes  be- 
tont Pietsch  noch,  dass  jede  Dichtungsgattung  ihren  besonderen  Stil  verlange.  R. 
hat  durch  den  Neudruck  der  beiden  Programme  der  Poetik  einen  Dienst  geleistet; 
es  wird  nun  der  Einfluss  auf  Gottsched  und  seine  Zeit  untersucht  werden  müssen, 
was  nicht  uninteressant  ist,  da  wir  auf  unserem  Gebiete  noch  wenige  ideengeschicht- 
liche Specialuntersuchungen  besitzen.'*^"*)  — 

Corneille  gegen  Lessing,  dem  er  Unduldsamkeit  auf  dem  Gebiete 
der  Tragödie  vorwirft  und  den  Namen  eines  „Goeze  der  Tragödie"  beilegt,  ver- 
teidigt Grucker'-*);  auch  wirft  er  Lessing  vor,  er  habe  die  klassische  französische 
Tragödie  nicht  verstanden,  sie  nur  für  eine  Nachahmung  der  antiken  gehalten,  nicht 
als  eine  Originalschöpfung  zur  Vereinigung  der  klassischen  Tradition  mit  dem 
modernen  Geiste  der  Gesellschaft  des  17.  Jh.  erkannt.     Chuquet  sieht  in  dem  Hefte, 


berg  i.  Pr.,  Beyer.  1892.  81  S.  M.  2,00.  i[G.  Waniek:  ADA.  19,  S  2537;  M.  K.:  LCBl.  8.19-20;  0.  Erdmann:  ZDPh.  25, 
S.  565/6.JI  (Sonderabdr.  aus  AUprMschr.  29,  S.  70-150.)  —  4a)  X  Fanl  Fischer,  Gottsched  u.  sein  Kampf  mit  d.  Schweizern. 
Progr.  Greifenberg  (Pommern).  1892.  20  S.  |[G.  Waniek:  ADA.  19,  S.  2Ö6  7.]|  (Unselbständ.  Kompilation.)  —  4b)  O 
J.  Bintz,  D.  Einfluss  d.  Ars  poetica  d.  Iloraz  auf  d.  dtsch.  Litt.  d.  18.  Jh.  Progr.  Hamburg.  4".  37  S.  |[H.  Morsch: 
WSKPb.  10,  S.  689-90.] I  —  5)  O  Condillac,  Traite  des  sensations.  1.  partie,  publiee  avec  une  introd.,  un  extr.  raisonne  du 
Traite  des  sensations  de  Condillac  et  des  notes  par  T.  V.  Charpentier.  (=  Classiques  fran9ais.)  Paris,  Hachette.  16". 
159  S.  Fr.  1,50.  —  5a)  X  W.  Ulrich:  Boilean  (rgl.  JBL.  1892  I  11:7):  RhBllEU.  67,  S.  82,3.  —  6)  O  E.  Krantz, 
Introd.  ä  l'hist.  des  doctrines  class.  (=  Extr.  des  AnnEst.)  Paris  et  Nancy,  Berger-Levrault.  24  S.  —  7)  X  B-  Sommer, 
Grundzöge  (vgl.  JBL.  1892  I  11:2)  |(LCBl.  S.  1033-40;  BayreuthBll.  16,  S.  339-48.]|  —  8)  X  A.  Wünsche,  Psychologie 
n.  Aesthetik  d.  vorigen  Jh.  in  ihrem  gegenseitigen  Verhältnisse:  AZgi*.  N.  103/4  (Hebt  d.  Partien  über  Lessing,  Kant  n. 
Schiller  hervor.)  —  9)  E.  G  rucker,  La  Dramaturgie  de  Lessing,  Corneille,  Aristote  et  la  tragedie  fran9ai8e.  Paris  et  Nancy, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  22 


I  12:10-12  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

das  er  ein  „excellent  travail"  nennt,  wie  in  jenem  über  Laokoon  (vgl.  JBL.  1892 
IV  6:10)  Kapitel  aus  dem  zweiten  Bande  der  „Histoire  des  doctrines  litteraires  et 
esthetiques  en  Allemagne/'^^)  — 

Den  Einfluss  Homes  auf  die  deutsche  Aesthetik  hat  Wohlg-emuth^^)  mit 
einer  Darstellung"  von  Homes  Aesthetik  verbunden.  Er  zieht  ausser  den  „Elements 
of  criticism"  auch  die  „Essays  on  the  principles  of  morality  and  natural  religion"  her- 
bei, weil  dies  Werk  von  der  Aesthetik  noch  nicht  berücksichtigt  wurde,  obwohl  es 
wichtig"  ist.  Klar,  bündig"  und  übersichtlich  entwickelt  W.  die  Ansichten  Homes, 
wie  sie  sich  zerstreut  in  seinen  Essays  vorfinden,  und  kennzeichnet  ihre  Stellung  in 
der  Entwicklung  der  Aesthetik.  So  wird  einerseits  Homes  Verhältnis  zu  Hogarth 
und  Burke  verständig  beurteilt,  andererseits  seine  Bedeutung  für  Kant,  Schiller  und 
Lessing  im  einzelnen  erwiesen.  Vor  allem  ist  Home  ein  Vorläufer  der  Kantschen 
Ansicht  vom  interesselosen  Wohlgefallen,  indem  er  „eine  innerliche  Regung  der  Seele, 
die  wieder  vergeht,  ohne  Verlangen  zu  wecken",  „Bewegung"  nennt,  und  von  der 
Verlangen  erweckenden  „Leidenschaft"  unterscheidet;  die  „Bewegungen"  sind  ruhig, 
die  Leidenschaften  treiben  zu  Handlungen;  die  „Bewegungen"  werden  durch  die 
ästhetischen  Gegenstände  hervorgerufen.  Auch  für  die  Bestimmung  des  ästhetischen 
Urteils  und  seiner  Natur  hat  Home  dem  Königsberger  Philosophen  vorgearbeitet;  er 
behandelt  den  Widerspruch,  dass  man  über  den  Geschmack  nicht  streiten  müsse, 
wir  aber  doch  guten  und  schlechten  Geschmack  unterschieden,  und  erklärt  ihn  aus 
einer  subjektiven  Regel  des  Geschmackes:  wir  fühlen  die  gemeinschaftliche  Natur 
des  Menschen  und  leiten  aus  diesem  Gefühl  den  gemeinschaftlichen  Geschmack  ab; 
dies  erinert  an  die  „subjektive  Allgemeingültigkeit",  die  Kant  dem  ästhetischen  Ur- 
teil zuerkannte.  Wenn  Home  neben  der  „eigenen  Schönheit"  eines  Gegenstandes, 
die  nur  eine  Kombination  verschiedener  einzelner  Schönheiten  ist,  eine  „Schönheit  des 
Verhältnisses"  (relative  beauty)  erkennt,  so  werden  wir  an  Kants  „freie"  und  „an- 
hängende" Schönheit,  wie  an  Fechners  „direkten"  und  „associativen"  Faktor  gemahnt. 
Wie  für  Kant  liegt  auch  für  Home  die  Schönheit  nur  im  erfassenden  Subjekt  und 
ist  keine  wirkliche  Eigenschaft  der  Körper.  Für  Schiller  hat  nach  W.s  Ausführungen 
Home  dadurch  vor  allem  Bedeutung,  dass  er  die  ästhetische  Erziehung  des  Menschen 
ähnlich  wie  Schiller  erfasste,  dass  er  ferner  die  ästhetische  Stimmung  als  einen  Mittel- 
zustand zwischen  Anspannung  und  Ruhe  ansah,  und  dass  er  endlich  „von  unserem 
Vergnügen  an  traurigen  Gegenständen"  handelte.  Der  Einfluss  Homes  auf  Lessing 
betrifft  vor  allem  die  Lehre  von  der  Tragödie,  Furcht  und  Mitleid  mit  ihrer  Katharsis, 
die  Verwerfung  des  klassizistischen  Dramas  der  Franzosen  und  die  Bewunderung 
Shakespeares,  die  drei  Einheiten.  W.  hat  sorgsam  die.  wichtigsten  Seiten  seines 
Themas  erwogen  und  selbständig,  ohne  sich  durch  Autoritäten  blenden  zu  lassen, 
zum  Teil  im  Widerspruche  zu  Zimmermann  und  Schasler,  bearbeitet.  Von  seinen 
Berichtigungen  fremder  Irrtümer  sei  erwähnt,  dass  der  zuerst  von  Hettner,  dann 
von  Kanngiesser  (Die  Stellung  M.  Mendelssohns  in  der  Aesthetik)  behauptete  Einfluss 
Homes  auf  Mendelssohn  sich  nicht  aus  der  Schrift  „über  das  Erhabene  und  Naive" 
erweisen  lasse,  weil  nicht  der  erste  Druck  in  der  Bibliothek  der  schönen  Wissen- 
schaften mit  den  philosophischen  Schriften  von  1771  verglichen  werden  dürfe,  sondern 
die  beiden  Ausgaben  von  1761  und  1771;  zwischen  beiden  aber  bestehen  keine  Ver- 
schiedenheiten im  Sinne  Hettners,  was  der  Fall  sein  müsste,  da  Homes  Grundsätze 
der  Kritik  erst  1762  erschienen.  — 

Zur  Aesthetik  derKlassikerw  ur  den  aus  dem  Nachlasse  des  unserer  Wissen- 
schaft zu  früh  entrissenen  Heinrich  von  Stein  ^ 2)  seine  Berliner  Vorlesungen  bequem 
zugänglich  gemacht,  nachdem  sie  schon  in  den  „Bayreuther  Blättern"  (1887)  ge- 
standen hatten;  eine  kurze  Biographie  und  Würdigung  St.s  ist  beigegeben.  Diese 
Publikation  verdient  die  vollste  Beachtung,  denn  sie  bietet  viel  mehr  als  der  kurze 
Titel  besagt;  wir  erhalten  eine  lichtvolle  Darstellung  des  Freundschaftsbundes 
zwischen  Goethe  und  Schiller  mit  Ausblicken  nach  allen  Seiten.  Mit  sicherer  Hand 
zeichnet  der  Vf.  die  geistige  Lage,  in  der  sich  die  beiden  Freunde  fanden,  um  zu 
erforschen,  was  sie  zusammenführte  und  innig  verbinden  musste;  dann  wird  das 
Wesentliche  ihres  gemeinsamen  Wirkens,  endlich  das  Nachleben  bei  Goethe  von  hohem 
Standpunkte  aus  entwickelt.  Die  Vorträge  sind  reich  an  glücklichen  Beobachtungen, 
an  feinsinnigen  Erkenntnissen  und  überzeugenden  Aussprüchen;  ein  echt  historischer 
Sinn  verrät  sich  allenthalben,  die  philosophische  Auffassung  verhilft  zur  prinzipiellen 
Ausnutzung  des  Gefundenen,  die  warme  Begeisterung  zu  einer  schönen  Schilderung 
der  Persönlichkeit.  Den  Schneidepunkt  ihres  Wesens  erkennt  St.  in  Goethes  An- 
sicht vom  Stil,  bei  dem  sich  der  Künstlergeist  in  das  Objekt  verliert,   „um  diesem 

Berger-Levrault.  49  S.  |[A.  Ch(nquet):  RCr.  36,  8.420/ 1.]|  (Extr.  des  AnnEst.)  (S.U.IV6.)  —  10)  0.  Schöndörffer,  Kants 
Definitiou  vom  Genie.  Rede,  geh.  in  d.  Kant-Ges.  am  22.  April :  AltprMschr.  30,  S.  213-28.  —  11)  J.  W  o  h  1  g  e  m  u  t  h ,  H.  Homes  Aesthetik 
u.  ihr  Einfluss  auf  dtsch.  Aesthetiker.  Diss.  Rostock.  77  8.  —  12)  K.  H.  v.  Stein,  Goethe  u.  Schiller.  Beitrr.  z.  Aesthetik 
d.   dtsch.   Klassiker.    Kach   seinen   an   d.   Univ.   Berlin   geh.   Vortrr.    aufgezeichnet.    (=  ÜB.  N.  3090.)    L.,   Reclam.    127    S. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  i2a-i5 

dadurch  eine  Fülle  des  Sinnes  und  Gehaltes  und  eine  sonst  nie  g-ehörte  Sprache  zu 
verleihen",  und  in  Schillers  Bestimmung-  des  Idealen,  der  inneren  Vollendung-  des 
betrachtenden  und  schaffenden  Geistes.  Die  gemeinsame  Tendenz  der  beiden  Klassiker 
lasse  sich  in  den  Satz  zusammenfassen:  „Die  Kunst  beruht  auf  dem  Wesen  der 
Dinge"  oder,  wie  Schiller  insbesondere  lehre:  „Die  Kunst  beruht  auf  dem  Wesen  des 
Menschen".  In  den  Briefen  über  ästhetische  Erziehung,  in  Wilhelm  Meisters  Lehr- 
jahren wird  das  Gemeinsame  theoretisch  und  praktisch  vertreten,  im  „W^allenstein" 
der  Versuch  auf  der  Bühne  gewagt  und  in  der  weiteren  Reihe  der  Schillerschen 
Dramen  „das  Vertrauen  in  das  Ideal"  begründet.  In  den  Schriften  über  naive  und  senti- 
mentalische  Dichtung  und  über  Epos  und  Drama  sieht  der  Vf.  nicht  nur  Beiträge 
zur  Poetik,  sondern  den  Entwurf  zu  einer  Aesthetik  der  Dichtkunst;  nach  den  theo- 
retischen und  künstlerischen  Arbeiten  der  beiden  müsse  man  den  ästhetischen  Be- 
griff des  Dichterischen  auszusprechen  versuchen  (S.  75) :  „Poetisch  ist  das  Empfundene, 
das  durch  und  durch  beseelte  Wort".  Poetisch  werden  wir  ein  Werk  nennen,  „in 
welchem  jedes  Gebilde  in  Charakteren  und  Situation,  jeder  Vers,  jeder  Vergleich,  ja 
die  Schreibweise  und  Interpunktion  Gefühl  verrät,  eine  bestimmte  Art,  so  und  nicht 
anders  zu  empfinden,  zum  Ausdruck  bringt".  Dieser  Gedanke  St.s  lässt  sich 
für  den  Begriff  der  Poetik  ausnutzen,  den  Scherer  nur  unbefriedigend  darzustellen  ver- 
mochte (Poetik  S.  32).  Als  Symbol  für  Schillers  Wesen  nimmt  der  Vf.  den  Herkules, 
wie  er  denn  meint,  dass  auch  Goethe  in  Chirons  Charakteristik  der  Argonauten  unter 
Orpheus  Wieland,  unter  Lynceus  Herder,  unter  Herkules  aber  Schiller  verstanden 
habe;  für  Goethe  weist  er  das  Symbol  des  Olympiers  zurück,  wählt  den  Dionysos 
wegen  seiner  „rhythmischen  Beherrschung  des  Un-  und  Uebermasses."  —  Dasselbe 
Thema  12a)  ^je  Stein  hat  Dessoir^**)  zum  Gegenstand  einer  halb  populären  Dar- 
stellung genommen,  indem  er  sich  auf  den  Standpunkt  der  Psychologie  stellt  und 
auch  auf  Herder  und  die  Genieperiode  zurückgreift.  Anders  als  Stein,  von  dem  er 
übrigens  sichtlich  beeinflusst  ist,  hebt  D.  mehr  das  Goethe  wie  Schiller  besonders 
Eigene  hervor,  also  nicht  das  Gemeinsame,  sondern  das  in  gewissem  Sinne  Verschiedene, 
Selbständige.  Dabei  bemüht  er  sich  zu  zeigen,  dass  die  Aesthetik  unserer  Klassiker 
unserem  modernen  Empfinden  näherstehe  als  die  zeitlich  spätere  Schönheitslehre  der 
spekulativen  Philosophie.  Bei  Goethe  stellt  D.  die  Entwicklung  der  Ansichten  dar,  bei 
Schiller  mehr  das  System;  dort  tritt  der  Zusammenhang  mit  der  bildenden  Kunst 
und  der  Naturwissenschaft,  hier  mit  der  vorausgegangenen  Philosophie  deutlicher 
hervor.  Die  Anregungen  der  Sturm-  und  Drangzeit  mit  ihrem  Kultus  der  Indivi- 
dualität, und  der  historische  Sinn  Herders  kehren  bei  den  Klassikern  abgeklärt  wieder, 
werden  aber  so  umgestaltet,  dass  ein  Neues  entsteht.  Hatte  die  Philosophie  der  Auf- 
klärung allen  Menschen  die  gleiche  Vernunft  zugesprochen  und  durch  diese 
Schabionisierung  oder  Generalisierung  gefehlt,  war  dann  die  Genieperiode  nach  der 
anderen  Seite  zu  weit  gegangen,  da  sie  die  allgemeingültigen  Regeln  verwarf  und 
der  subjektiven  Willkür  des  individuellen  Gefühls  das  Wort  redete,  so  vermittelte 
niui  der  klassische  Idealismus  zwischen  den  beiden  Extremen,  indem  er  den  Gefühlen 
des  Individuums  nur  dann  Wert  zuerkannte,  wenn  sie  das  Bleibende  spiegeln,  zu- 
gleich aber  dieses  Bleibende  nicht  in  Begriffen,  sondern  in  jenem  Unerforschüchen 
fand,  das  nur  die  Kunst  durch  das  Bild  darzustellen  vermag.  Indem  aber  Schiller 
und  Goethe  in  ihrer  Beziehung  zu  Kant  und  zur  Antike  die  Form  überschätzt  hätten 
und  doch  zu  einem  mehr  begrifflichen  Verfahren  gedrängt  wurden,  sei  „jene  neue 
metaphysische  Methode"  entstanden,  „die  der  psychologischen  Grundlegung  der 
Aesthetik  nachteihg  werden  musste".  So  hat  D.  einen  wichtigen  Moment  aus  der 
Geschichte  der  Aesthetik  übersichtlich  und  prägnant  behandelt,  ^^a^  _  Dem  viel- 
behandelten Thema  von  Schillers  Aesthetik  hat  Gneisse^*)  neue  Reize  abgewonnen, 
wofür  ihm  Wychgram^^)  das  Zeugnis  ausstellt,  sein  Buch  sei  zwar  „eine  recht 
schwierige  Lektüre",  aber  „eine  sehr  bedeutende  Leistung".  Dieses  Urteil  wird  sich 
uns  im  Lobe  bestätigen;  G.  hat  mit  Verständnis  und  Geschick  aufzuzeigen  gesucht, 
dass  in  Schillers  philosophischen  Aufsätzen  die  Erkenntnis  ästhetischer  Verhältnisse 
der  einzige  Richtpunkt  seines  Forschens,  die  Behandlung  ethischer  Fragen  durchaus 
nur  Nebensache  ist,  weil  es  sich  bei  Schiller  darum  handeln  musste,  die  Grenzstreitig- 
keiten zwischen  Ethik  und  Kunst  als  ungereimt  nachzuweisen.  Der  Vf.  findet  bei 
Schiller  alle  in  das  Gebiet  der  Aesthetik  einschlagenden  Fragen  behandelt  oder 
wenigstens  soweit  berührt,  dass  ihr  Zusammenhang  mit  den  Grundanschauungen 
seines  ästhetischen  Systems  erhellt  würde.  Drei  Hauptgruppen  lassen  sich  vereinigen, 
insofern  diese  Fragen  sich  entweder  auf  die  Natur  und  den  Wert  des  Bewusstseins- 
inhaltes  beziehen,  der  mit  der  Auffassung  des  Schönen  verknüpft   ist,    oder    auf  die 

M.  0,20.  llAZgB.  N.  191.]i  (S.  n.  IV  9  :  39.J  —  12a)  0.  Harnack,  D.  klass.  Aesthetik  (vgl.  JBL.  1892  I  11  :  4):  WIDM.  73, 
S.  557. —  13)  M.  Dessoir,  Ueber  d.  Aesthetik  unserer  Klassiker:  ib.  73,  S.  488-500,  697-709.  —  13a)  O  F.  Poske,  D.  Aesthetik 
unserer  Klassiker:  DWßl.  S.  437/8.  —  H)  H.  Gneisse:  Schillers  Lehre  v.  d.  ästhet.  Wahrnehmung.  Berlin,  Weidmann. 
XI,  236  S,    M.  4,00.    |[0.  Harnack:   DLZ.    S.  1394/6   (im  ganzen  zustimmend).]]     (S.  u.  IV  9:38.)   —    15)   J-  Wychgram, 

22* 


I  12  :  15  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Bestimmung  desjenig-en  an  diesen  Dingen,  was  diesen  Bewusstseinsinhalt  hervorruft, 
oder  endlich  auf  die  Mittel  und  Wege,  vermittelst  deren  die  Kunst  unserem  ästhe- 
tischen Bedürfnis  zu  g'enügen  sucht.  Die  Aesthetik  zerfällt  demnach  in  die  Lehre 
von  der  Wahrnehmung,  Beschaffenheit  und  Hervorbringung  des  Schönen.  G.  greift 
aus  der  Fülle  dieser  Untersuchungen  die  Lehre  von  der  ästhetischen  Wahrnehmung 
heraus,  weil  sie  am  wenigsten  gewürdigt  wurde,  und  doch  für  das  ganze  ästhetische 
Wissen  die  Bestimmung  der  seelischen  Vorgänge,  die  sich  in  uns  abspielen,  wenn 
ein  Ding  als  schön  oder  erhaben  unserem  Bewusstsein  gegenständlich  wird,  schliess- 
lich am  wichtigsten  ist.  Er  geht  nun  so  vor,  dass  er  Schillers  Lehre  von  der  ästhe- 
tischen Wahrnehmung  nach  jenem  Werke  genau  darstellt,  in  dem  sie  am  voll- 
ständigsten erscheint,  nach  den  „Briefen  über  die  ästhetische  Erziehung*  des  Menschen", 
um  von  hier  aus  Licht  zu  verbreiten  über  die  vorhergehenden  und  folgenden 
Schriften.  Sein  Bemühen  ist  darauf  gerichtet,  die  Ausdrücke  mit  den  Begriffen 
immer  genau  in  Uebereinstimmung  zu  bringen  und  unserem  heutigen  Gebrauche 
nahe  zu  rücken;  wie  sehr  dies  nötig  ist,  hat  schon  die  Darstellung  Sommers  (vgl. 
JBL.  1892  I  ll:2j  dargethan.  Langsam,  dem  allgemeinsten  Verständnis  entgegen- 
kommend, entwickelt  G.  die  wichtigsten  Begriffe,  so  dass  es  nur  eines  aufmerksamen 
Folgens  bedarf,  um  in  das  Verständnis  des  Gegenstandes  einzudringen.  So  lässt 
der  Vf.  zuerst  die  drei  Bewusstseinsgebilde  der  Wahrnehmung:  Empfindung,  Schein, 
Gedanke  vor  uns  entstehen,  dann  die  drei  entsprechenden  Zustände  des  wahr- 
nehmenden Geistes:  Empfinden,  Betrachten,  Denken,  physische  Gebundenheit,  ästhe- 
tische und  moralische  Freiheit  oder  physischer,  ästhetischer  und  moralischer  Zustand, 
weiter  dann  die  Bedingungen  der  Wahrnehmung :  im  physischen  Zustande  wirkt  der 
wahrnehmende  Geist  als  Einbildungskraft  oder  Sinn  (sinnlicher  Zustand),  im  mora- 
lischen als  Verstand  oder  Vernunft  (vernünftiger  Zustand),  im  ästhetischen  dagegen 
als  Sinn  und  Vernunft  zugleich  (sinnlich-vernünftiger  Zustand).  G.  entwickelt  die 
drei  Triebe,  den  Stoff-,  Spiel-  und  Formtrieb,  welche  den  drei  Zuständen  kongruieren, 
endlich  die  mit  dem  sinnlichen  Zustand  zusammenhängenden  Aeusserungsformen : 
Gefühl  (Lust  oder  Unlust),  Affekt,  Begehren.  Dann  wendet  er  sich  dem  mit  der 
Auffassung  des  Aesthetischen  verknüpften  Erkenntnisvorgange  und  dem  mit 
ihm  verbundenen  (Lust-)Gefühl  zu,  indem  er  Schillers  Theorie  klar,  doch  nicht,  ohne 
auf  ihre  Lücken  hinzuweisen,  nach  allen  Seiten  entwickelt;  er  zeigt  also,  warum  wir 
das  Schöne  im  Zustande  des  Betrachtens  wahrnehmen,  woher  unsere  Voraussetzung 
von  der  Allgemeingültigkeit  des  Schönen  stammt,  worin  die  ästhetische  Lust  besteht, 
wodurch  sich  die  ästhetische  Stimmung  auszeichnet,  weshalb  die  Auffassung  des 
Schönen  bestimmten  Entwicklungstufen  der  Menschheit  und  des  einzelnen  Menschen 
entspricht,  wieso  wir  dazu  kommen,  mehrere  Arten  des  Schönen  zu  unterscheiden, 
die  schmelzende  Schönheit  oder  das  Schöne  im  engeren  Sinne  für  den  einseitig  an- 
gespannten, die  energische  Schönheit  oder  das  Erhabene  für  den  abgespannten 
Menschen,  das  Idealschöne,  das  sowohl  ein  Schönes  als  ein  Erhabenes  ist.  Mit 
Schiller,  kehrt  er  dann  zu  dem  Begriffe  des  Spieltriebes  zurück  und  charakterisiert 
die  drei  Aeusserungen,  das  Schöne  wahrzunehmen,  es  im  Handeln  darzustellen  und 
es  als  Künstler  zuerst  in  reproduzierender  Betrachtung,  als  ästhetischen  Schein,  zu 
erzeugen.  Durch  diese  systematische  Darstellung  hat  G.  allerdings  den  Kern  von 
Schillers  System  zur  Anschauung  gebracht,  wie  er  sich  an  den  verschiedenen  Stellen 
der  „Briefe"  findet;  indem  er  dann  den  Gedankengang  dieser  „Briefe"  darlegt,  er- 
leichtert er  die  Nachprüfung,  nimmt  aber  auch  die  Gelegenheit  wahr,  die  Irrtümer 
zu  beheben,  die  aus  Schillers  Darstellungsart  folgen  mussten.  Er  fasst  Schillers 
Lehre  vom  Schönen  in  drei  Sätzen  zusammen :  „Schön  ist  der  Gegenstand,  welcher, 
auf  der  Stufe  sinnlich-vernünftiger  Thätigkeit,  im  Zustande  des  Betrachtens,  zu 
unserem  Bewusstsein  g-elangend,  unserem  Gemüte  zu  einem  Maximum  seiner  Kraft- 
äusserung  Veranlassung  giebt".  „Erhaben  ist  der  Gegenstand,  welcher,  auf  der 
Stufe  des  Betrachtens  zu  unserem  Bewusstsein  gelangend,  das  gleichmässig  (sinn- 
lich und  vernünftig)  erschlaffte  Gemüt  zu  einem  Maximum  seiner  Kraftäusserung 
erhebt;  schön  im  engeren  Sinne  ist  der  Gegenstand,  welcher  auf  der  Stufe  des  Be- 
trachtens zum  Bewusstsein  gelangend,  das  einseitig  erschlaffte  Gemüt  zur  allseitigen 
Energie  erhebt".  „Schön  ist  der  Gegenstand,  welcher,  auf  der  Stufe  sinnlich- ver- 
nünftiger Thätigkeit,  im  Zustande  des  Betrachtens,  zu  unserem  Bewusstsein  gelangend, 
höchste  innere  Notwendigkeit  und  Unendlichkeit  zeigt,  und  unserem  Gemüte  zu  einem 
Maximum  seiner  Kraftäusserung  Veranlassung  giebt".  Das  Wesentliche  von  G.s 
Resultaten  besteht  in  der  Erkenntnis,  dass  auch  der  gewöhnliche  Wahrnehmungs- 
vorgang sich  den  Grundzügen  entsprechend  abspielt,  in  denen  „die  Wahrnehmung 
des  Schönen  wie  die  ganze  Entwicklung  der  Bildung  des  einzelnen  Menschen  und  der 
gesamten  Menschheit  vor  sich  geht",  dass  Schiller  „die  Auffassung,  die  Ausübung 
und  die  künstlerische  Hervorbringung  des  Schönen  im  Zusammenhange  der  auf  die 
Wahrnehmung,  Gestaltung  und  Nachbildung  der  Welt  überhaupt  gerichteten  seelischen 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  isa-ie 

Thätigkeit  des  Menschen"  klarstellen  wollte.  Mit  einer  übersichtlichen  „Tafel  der 
Bewusstseinsgebilde"  schliesst  dieser  Hauptteil  des  ganzen  Werkes;  was  folgt,  hat  vor 
allem  den  Zweck  nachzuweisen,  dass  Schiller  wirklich  in  den  „Briefen"  das  Problem 
von  der  ästhetischen  Wahrnehmung  nach  seiner  Ansicht  erschöpfend  oder  wenigstens 
zur  Genüge  erhellt  habe,  während  er  in  den  vorhergehenden  Schriften  noch  im  Un- 
klaren war,  in  den  folgenden  aber  auf  dem  einmal  gewonnenen  Standpunkte  ver- 
harrte. Natürlich  benutzt  G.  die  Gelegenheit,  manche  wichtige  Einzelheit  zu  be- 
leuchten und  auch  zum  Verständnisse  dieser  Schriften  das  Seinige  beizutragen.  Der 
zweite  Hauptteil  vergleicht  nun  Schillers  Lehre  von  der  ästhetischen  Wahrnehmung 
mit  den  Ansichten  Kants  und  Fichtes,  nachdem  schon  im  früheren  Zusammenhang 
hie  und  da  ein  Streiflicht  auf  das  Verhältnis  gefallen  war.  Mit  dieser  Darstellung 
ist  aber  gewissermassen  die  historische  Kritik  über  Schillers  Lehre  verbunden,  in- 
sofern sie  sich  als  Erledigung  jener  Schwierigkeiten  ergiebt,  die  von  Schillers  Mit- 
forschern nicht  bewältigt  worden  waren.  G.  weist,  was  die  Wahrnehmung  überhaupt 
wie  die  ästhetische  W^ahrnehmung  im  besonderen  betrifft,  die  Uebereinstimmungen 
und  Unterschiede  nach,  macht  auf  die  Ausdrücke  aufmerksam,  die  bei  den  drei 
Philosophen  verschiedene  Bedeutung  haben  und  fördert  so  das  Verständnis;  besonders 
in  der  Lehre  vom  Trieb  nimmt  er  nur  eine  allgemeine  Anregung  Schillers  durch 
Fichte,  keineswegs  Uebereinstimmung  an  und  rückt  die  Bedeutung  des  Scheins  ins 
rechte  Licht.  Durch  alles  das  bestätigt  er  Schillers  Ansicht,  er  habe  mit  seiner 
Theorie  der  Wahrnehmung  „sein  System"  gegeben,  das  vom  Systeme  Kants  wie  Fichtes 
verschieden  sei.  Von  Kant  nimmt  Schiller  im  speciellen  der  ästhetischen  Wahr- 
nehmung die  Bestimmung  des  ästhetischen  Gefühls  im  Gegensatze  zu  den  anderen 
Gefühlen  herüber,  gewinnt  aber  durch  den  „Schein"  das  Mittel,  die  Wahrnehmung 
des  Schönen  vom  Denkakte  zu  trennen,  die  Möglichkeit  verschiedener  Erscheinungs- 
formen des  Schönen  zu  erklären,  das  Erhabene  mit  dem  Schönen  zu  vereinigen,  die 
objektiven  Merkmale  des  Schönen  zu  finden  und  der  Lust  die  richtige  Stelle  zuzu- 
weisen. G.  kommt  zu  dem  Resultate,  dass  gerade  in  seinem  Verhältnisse  zu  der 
ästhetischen  Lehre  Kants  Schiller  gezeigt  habe,  ein  wie  „eminent  wissenschaftlicher 
Kopf  er  war,  der,  was  sein  Meister  erdacht  hatte,  mit  selbstschöpferischer  Arbeit 
weiterführte".  Im  Schlussabschnitte  skizziert  G,  noch  eine  Kritik  von  Schillers  Lehre, 
indem  er  die  psychologischen  Theorien  der  Gegenwar-t  mit  ihr  vergleicht,  dann  die 
nachschillerischen  ästhetischen  Theorien  auf  unsere  Frage  hin  durchnimmt,  also 
Schelling,  den  von  Schelling  ganz  abhängigen  Schopenhauer,  Hegel,  bei  dem  sich 
der  Einfluss  Schillers  schon  deutlich  zeigt,  obwohl  auch  er,  wie  die  beiden  anderen, 
in  der  ästhetischen  Wahrnehmung  eine  reinere  Form  des  Denkens  sah ;  Zimmermann, 
der  mit  Unrecht  Schiller  als  Formalisten  beanspruchte.  Siebeck  und  von  Kirchmann, 
die  alle  drei  der  Wahrnehmung  des  Schönen  eine  besondere  Art  der  Erkenntnisse  zu- 
schreiben; ferner  Carriere  und  von  Hartmann,  die  aus  der  sinnlichen  Empfindung 
die  Wahrnehmung  des  Schönen  zu  erklären  suchen;  endlich  Schasler,  der  auf  jenem 
von  Schiller  später  verlassenen  Boden  der  Briefe  an  Kömer  verharrte.  Mit  wenigen 
Worten  macht  G.  noch  auf  die  Lücken  in  Schillers  Darstellung  und  Beweisführung 
aufmerksam  und  kennzeichnet  so  die  Aufgabe  für  die  moderne  Psychologie,  ein  System 
der  Aesthetik  zu  geben,  „wie  es  Schiller  vor  der  Seele  stand,  und  wie  er  es  nur  in 
lückenhaftem  Grundriss  zu  entwerfen  vermochte".  Ein  praktisches  „Verzeichnis 
der  Kunstausdrücke"  schliesst  das  Buch,  dessen  eben  entwickelter  Gedankengang  den 
besten  Beweis  für  das  klare  und  scharfe  U^rteil  des  Vf.  liefert;  es  wird  sich  niemand 
dem  Studium  dieses  Werkes  entziehen  dürfen,  der  für  das  Wesen  der  ästhetischen 
W'ahrnehmung  und  für  Schillers  Anteil  am  Aufbau  der  Aesthetik  Interesse  hat.  1^=^)  — 
Beachtenswert  ist  der  Versuch  Harnacksi^t),  den  Einfluss  von  K.  Ph.  Moritz  auf 
seine  deutschen  Zeitgenossen,  besonders  auf  Goethe  zu  skizzieren.  — 

Den  vierten  Teil  von  Larrournetsi^")  Buch  nimmt  eine  Studie  über  die 
Schauspielerin  Adrienne  Lecouvreur  ein,  ein  grösserer  Aufsatz  aber  gehört  in 
unseren  Zusammenhang,  da  er  sich  mit  dem  Gegner  Molieres  Baudeau  de 
Somaize  beschäftigt,  der  durch  sein  „Grand  dictionnaire  historique  des  Precieuses" 
wichtig  ist.  — 

Wenn  Henzen  ^6)  an  der  Hand  der  „Memorie"  schildert,  wie  Carlo  Goldoni 
zur  Reform  der  italienischen  Komödie  gelangte  und  sie  durchzuführen  vermochte, 
streift  er  auch  Fragen,  die  für  uns  wichtig  sind,  besonders  die  Frage  der  drei  Ein- 
heiten, von  denen  Goldoni  nur  die  Ortseinheit  leicht  nahm,  dann  das  künstlerische 
Schafi'en.  H.  übersetzt  jene  Partien,  die  von  Goldonis  Arbeitsweise  handeln.  Der 
Dichter    hatte    anfangs    vier  Operationen  nötig:    1.  Plan  und  Verteilung  des  Planes 

Nene  Schiller-Litt. :  BLU.  S.  389.  (S.  n.  IV  9 :  38.)  —  15a)  Ch.  Benard,  F.  Montargis:  L'estlietiqne  de  Schiller  (vgl. 
JBL.  1892  IV  9:35):  RPhilos.  36,  S.  .303-10.  (S.  n.  IV  9  :  37.)  —  15b)  0.  Harnack,  R.  Mengs  Schriften  n  ihr  Einfluss  auf 
Lessing  u.  Goethe:  ZVLR.  6,  S.  267-74.  —  15  C)  G.  Larroumet,  Etudes  de  critique  et  d'art.  {=  Bibl.  variee.)  Paris, 
Hachette  et  Cie.     16«.    381  S.    Fr.  3,50.     i[F.   Hemon:    KCr.   36,   S.  341,6.]|    —    16)  W.  Henzen,   Goldoni   als   Dramaturg: 


I  12  :  17-26 b  R,  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

auf  Exposition,  Verwicklung"  und  Auflösung";  2.  Einteilung"  der  Handlung"  auf  Akte 
und  Scenen;  3.  Dialog-isierung-  der  interessantesten  Scenen;  endlich  4.  die  Dialog"i- 
sierung"  des  ganzes  Stückes.  Dabei  begeg-nete  es  ihm  nun  oft,  dass  er  bei  der 
vierten  Operation  alles  wieder  umändern  musste,  was  er  bei  der  zweiten  und  dritten 
geschaffen  *  hatte.  „Die  Gedanken  kommen  einer  nach  dem  anderen,  eine  Soene 
bringt  eine  andere  hervor,  und  ein  zufällig  gefundenes  Wort  giebt  manchmal  einen 
neuen  Gedanken  an  die  Hand."  Um  das  Nutzlose  der  Arbeit  zu  vermeiden,  ver- 
suchte nun  Goldoni  eine  Vereinfachung  der  Operationen,  und  wirklich  gelang  es  ihm, 
alle  vier  in  eine  einzige  zusammenzuziehen :  nach  allgemeiner  Feststellung  des  Planes 
beginnt  er  mit  der  Ausarbeitung  bei  Akt  I,  Scene  1  und  fährt  so  von  Scene  zu 
Scene  bis  zum  Schlüsse  fort.  An  Goldonis  Behandlung  des  Don  Juan-Stoffes  wird 
seine  Abneigung  gegen  das  Volkstümliche  und  das  Phantastische  dargelegt  und 
seine  moralische  Tendenz  gezeigt.  Schliesslich  erweist  H.  aus  Goldonis  Brief  an 
Cornet,  dass  ihm  der  satirische  Zeitspiegel  im  Sinne  des  Aristophanes  als  Ideal  der 
Komödie  erschien,  dass  er  es  aber  mit  Rücksicht  auf  die  Zeitverhältnisse  unterlassen 
musste,  die  Verwirklichung  dieses  Ideals  anzustreben. i''" 21^  — 

Nekrologe.  Von  dem  in  Jena  verstorbenen  ausgezeichneten  Psychologen 
Adolf  Horwicz  rühmt  ein  kurzer  Nachruf^^^  besonders  die  von  der  Strassburger 
Akademie  (1867)  gekrönte  Preisschrift  „Grundlinien  eines  Systems  der  Aesthetik". — 

Von  Friedrich  Vischer  entwirft  Ziegler 23)  mit  strenger  Objektivität 
ein  etwas  hartes  Porträt;  er  erkennt  Vischers  Bedeutung  dankbar  an,  ist  aber  nicht 
blind  gegen  seine  Schwächen  und  Fehler;  seine  persönliche  Eitelkeit,  sein  Selbst- 
gefühl wie  seine  Neigung,  viel  von  sich  zu  sprechen,  sich  gründlich  zu  analysieren 
und  „soviel  von  seinem  Temperament  und  seiner  allerindividuellsten  Eigenart  in 
seine  Schriften"  herüberzunehmen,  wird  ihm  vorgehalten.  Aus  der  Geschichte  seiner 
Entwicklung  sucht  Z.  das  Verständnis  für  seine  Persönlichkeit  zu  gewinnen,  wobei 
er  die  vielen  Widersprüche  seines  Wesens  erklärt.  Sein  Bildungsgang  kommt  klar 
zu  Tage,  seine  Leistungen  werden  kritisch  erwogen.  An  der  „Aesthetik"  rühmt  der 
Vf.,  was  zu  rühmen  ist,  beklagt  den  Hegeischen  Schulton  und  die  mangelnde  Er- 
kenntnis, dass  Aesthetik  angewandte  Psychologie,  nicht  Metaphysik  sei,  wobei  er 
aber  aufmerksam  macht,  dass  gerade  dieses  Metaphysische  Vischer  „vor  der  grossen 
Verirrung  der  ästhetischen  Wissenschaft,  vor  der  sogenannten  Formalästhetik  der 
Herbartianer"  schützte.  Z.  verfolgt  die  allmähliche  Wandlung  von  Vischers  ästhe- 
tischen Ideen  bis  zu  seinem  Symbolbegriff,  der  Einfühlung,  Beseelung,  Seelen- 
leihung,  und  warnt  vor  dem  pietätvollen  Sammeln  eines  ästhetischen  Systems  aus 
Vischers  Mss.  für  seine  ästhetischen  Vorlesungen;  daraus  würde  sich  nur  nochmals 
zeigen,  „dass  das  Psychologische  und  das  Physiologische,  das  Empirisch-Induktive 
überhaupt,  nicht  die  Stärke  des  alten  Hegelianers  war".  Z.  rühmt  Vischers  Be- 
mühungen um  das  Verständnis  des  Faust,  verwirft  aber  die  Schnurre  des  dritten 
Teils.  Dem  Politiker  folgt  Z.  nach  Frankfurt  und  Stuttgart,  dem  akademischen  Lehrer 
in  den  Hörsaal,  dem  Manne  auf  die  Irrwege  seines  Lebens.  Den  Zwiespalt  in 
Vischers  Wesen  bezeichnet  Z.  scharf  mit  den  Worten:  „Bestand  nicht  die  Tragik 
seines  Lebens  gerade  darin,  dass  er  naiv  sein,  haben,  darstellen  wollte  und  doch  vor 
lauter  Reflektieren  darüber  immer  weniger  dazu  kam?"  Auch  als  Redner  soll  er  sich 
gleichsam  beständig  über  die  Schulter  geblickt  und  beobachtet  haben,  ob  er  es  gut 
mache;  er  habe  seine  Rede  recht  naturwüchsig  machen  wollen,  dabei  ging  im 
künstlichen  Reflektieren  die  Natur,  vor  allem  das  Schlichte  und  Einfache  verloren. 
Mit  Humor  hat  Vischer  den  Zwiespalt  seines  Wesens  „überwunden  —  nicht  aus- 
geglichen; denn  der  Humor  ist  selbst  ein  unausgeglichen  Zwiespältiges,  und  einen 
naiven  Humor  giebt  es  trotz  Vischer  nicht".  Zu  den  Grössten  unseres  Volkes 
rechnet  Z.  den  Vf.  von  „Auch  Einer"  nicht,  aber  zu  den  immer  seltener  werdenden 
originellen ,  knorrigen  Gestalten  und  energischen  Oharakterköpfen  und  schliesst 
darum  nicht  mit  der  Entschuldigung:  es  muss  auch  solche  Käuze  geben,  sondern 
mit  dem  W^unsche,  „möge  es  Deutschland  nie  an  solchen  Männern  fehlen".  — 

Seinem  Lehrer  Wilhelm  Lübke  widmet  Gurlitt^*)  einen  warm  em- 
pfundenen Nachruf2s-26),  in  dem  er  ihn  mit  Vischer  zusammenstellt  und  einzelne  Er- 
innerungen an  seine  Stuttgarter  Lernzeit  bei  beiden  giebt.  „Besonnenheit"  rühmt  er 
ihm  besonders  nach.  — 


BLU.  S.  497-500.  —  17)  O  E-  Presber,  A.  Schopenhauer  als  Aesthetiker  verglichen  mit  Kant  n.  Schiller.  Diss. 
Heidelberg.  99  S.  —  17a)  O  J.  G.  Freson,  L'esthetiqne  de  E.  Wagner.  Essais  de  philos.  de  l'art.  2  Bde.  Paris,  G.  Fisch- 
bacher. 16».  Fr.  7,00.  —  18)  X  W.  Bormann,  H.  Lentliold  u.  d.  dichterische  Formbegriff:  AZg".  N.  196.  —  19)  X  (I  H  :  16.) 

—  20)  O  R.  G.  M.  Browne,  The  origin,  perpetuation  and  decadence  of  snpernatnralism:  WestmR.  140,  8.  115-25.  —  21)  O 
D.  Dorchester,  Brownings  philosophy  of  Art:  AndoverR.  19,  S.  45-60.  —  22)  Ad.  Horwicz:  Kw.  6,  S.  11.  —  23)  Theob. 
Ziegler,  Friedr.  Th.  Vischer.  Vortr.  geh.  im  Ver.  fär  Kunst  u.  Wissensch.  zu  Hamburg.  St.,  Göschen.  47  S.  M.  1,20. 
|[Geg.  44,  S.  431;  R.  M.  Meyer:  DLZ.  S.  1604/5.1|   —  24)  (I  11  :  390)  —  25)  X  W.  Löblce:  Kw.  6,  S.  220.     (Kurzer  Nachruf.) 

—  26)  X  W.  Labke:  Atelier  N.  60.  -  26a)  0.  Krack,  H.  Taine  (gest.  5.  März):  VossZg.  N.  133,  145.  —  26b)  (I  1  :  65.)  — 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12 -.  26c-34 

Mehr  eine  Kritik  als  einen  Nekrolog"  Hippolyte  Taines  g-iebt  Krack^ß»), 
für  uns  deshalb  interessant,  weil  Taines  Kunsttheorie  scharf  zerg-liedert  und  als 
•  einseitig"  bezeichnet  wird.  Die  drei  Beg-riffe  Erblichkeit,  Milieu  und  Stammeseinfluss 
sind  einzeln  besprochen,  auf  das  richtig-e  Mass  zurückg-efiihrt  und  mit  den  An- 
sichten Emile  Hennequins  verg-lichen.  Dem  Gesetz  des  Milieu  stellt  K.  das  Gesetz 
von  der  Opposition  g'eg-en  jede  Veränderung  entg-eg-en,  weil  es  von  Taine  wie  von 
den  Evolutionisten  übersehen  wurde.  K.  findet  nun  auch  bei  Hennequin,  dem 
Analytiker,  dieselbe  Einseitig-keit  wie  bei  Taine  und  erwartet  von  der  Vereinig-ung- 
beider  Methoden  die  Zukunft  der  Kunstkritik.  —  Spektator^ßb)  bemerkt,  dass 
Taines  Nekrolog-isten  zeig-ten,  wie  wenig"  er  und  seine  üeberzeug"ung"en  Gemeing"ut 
seien.  Dies  wird  aus  seinem  Charakter  erklärt,  der  sich  seiner  eigenen  Theorie  gar 
nicht  fügt.  —  Dem  Kunsttheoriker  Taine  sucht  auch  Nasser  ^ßc)  gerecht  zu  werden, 
verweist  aber  auf  Herder,  um  darzuthun,  dass  Taines  Prinzip  keineswegs  neu  war; 
er  bespricht  das  Milieu,  aber  er  muss  zeigen,  dass  damit  nur  etwas  Richtiges,  keines- 
wegs das  Richtige  gefunden  ist,  ja  er  verheisst  Taines  Lehre  mehr  Wirksamkeit  auf 
die  Kunst  als  auf  die  Aesthetik.^^d)  — 

Von  den  schulmässigen  Zusammenstellungen  kann  nicht  viel  Rühmens 
gemacht  werden,  denn  selbst  die  w^eitverbreitete  Poetik  von  GottschalP'')  hält 
sich  mehr  an  der  Oberfläche  und  hat  in  der  6.  Auflage  sogar  versäumt,  auf  die 
neueren  Untersuchungen  unserer  Wissenschaft  Rücksicht  zu  nehmen,  wenn  man 
von  einem  Schimpfworte  gegen  Scherers  „philologische  Poetik"  absieht.  Gerade 
ein  solches  Handbuch,  das  sich  nicht  auf  die  Bedürfnisse  der  Lehranstalten  be- 
schränken muss,  sollte  sich  um  ein  höheres  Niveau  bemühen.-^)  —  Aus  seiner  ver- 
fehlten „Deutschen  Poetik",  über  die  R.  M.  Werner  (ADA.  16,  S.  298—302)  scharf 
abgeurteilt  hat,  veranstaltete  Beyer  29)  einen  durchaus  nicht  zu  lobenden  „Auszug". 
—  R.  M.  Meyer^O)  hat  noch  schärfer  als  Werner  über  das  Werk  abgesprochen,  ja 
er  behandelt  es  geradezu  als  Beispiel  „philiströser  Poetik".  —  Reichhaltigkeit  ohne 
allzugrosse  wissenschaftliche  Strenge  strebt  Kolck^i)  mit  seinen  ursprünglich  für 
Landwirtschaftsschulen  bestimmten  „Grundzügen"  an.  Doch  geht  er  in  manchen 
Punkten  viel  zu  weit,  so  wenn  er  die  Schüler  im  Deutschen  neben  Jambus,  Trochäus, 
Spondeus,  Daktylus  und  Anapäst  noch  Kretikus,  Amphibrachys  und  Choriambus 
unterscheiden  lehrt,  was  nur  verwirrend  wirken  kann;  unglücklich  ist  überdies 
sein  Beispiel  für  einen  Anapäst  „im  Gesang",  wo  die  Präposition  durch  das  folgende 
schwache  e  gehoben  wird  und  zur  Hebung  im  Trochäus  werden  kann.  Der  Ballast 
antiker  Ausdrücke  fällt  ebenso  ins  Gewicht,  wie  die  oft  recht  dunkle  Beschreibung, 
wenn  es  etwa  von  den  altdeutschen  Dichtern  heisst,  sie  hätten  nur  die  Hebungen 
gezählt  und  „die  Senkungen  regellos  dazwischen  geworfen"(!l,  was  noch  in  volks- 
tümlichen Dichtungen,  ja  auch  bei  Kunstdichtern  vorkomme,  obwohl  in  der  heutigen 
Poesie  die  Verse  durchweg  nach  bestimmten  Versfüssen  gemessen  würden.  Im 
Nibelungenvers  bildet  „eine  überflüssige  Senkung"  vor  der  Cäsur  den  Unterschied 
vom  Alexandriner.  Ebenso  verwirrend  sind  die  Bestimmungen  über  den  Stimm- 
reim (Assonanz)  und  über  den  Vollreim,  besonders  weil  der  Vf.  hier  und  ander- 
wärts Vorschriften  für  Dichter,  nicht  Beobachtungen  für  Schüler  giebt;  er  lehrt,  wie 
man  es  machen  soll,  nicht  was  wir  in  den  Dichtungen  vorfinden.  Wir  erfahren 
(S.  33),  dass  „ja  alle  Poesie  belehrend  sein  muss",  darum  eine  besondere  Gattung 
der  didaktischen  Poesie  nicht  anerkannt  werden  könne;  aus  Zweckmässigkeits- 
gründen wird  sie  aber  dann  doch  angenommen.  Die  Heroide  wird  zu  den  Elegien 
gerechnet,  die  Epistel  zur  lehrhaften  Dichtung.  Von  der  subjektiven  Poesie  (Lyrik) 
unterscheidet  K.  die  objektive  und  sagt:  „Die  epische  und  die  dramatische  Poesie 
bilden  zusammen  (!)  die  objektive  Poesie  und  zwar  die  epische  vorzugsweise  (!)." 
Das  soll  nun  ein  Schüler  verstehen,  besonders  wenn  er  dann  weiter  hört,  dass  der 
Dramatiker  das  epische  und  das  lyrische  Element  verbindet.  K,  verwertet  eben 
verschiedene  fremde  Ansichten,  ohne  selbst  zu  einer  klaren  Ansicht  durchgedrungen 
zu  sein;  einmal  ist  Wackernagel,  einmal  Gottschall  sein  Gewährsmann,  auch  wenn 
sie  nicht  übereinstimmen.  —  An  der  Darstellung  von  Schwahn32)^  die  sich  durch 
Kürze  auszeichnet,  aber  nur  unter  Leitung  eines  tüchtigen  Lehrers  gebraucht  werden 
kann,  erscheint  mir  die  Trennung  des  Lehrstoffes  von  den  Beispielen  ungeschickt 
und  unbequem,  die  Kürze  oft  so  gross,  dass  sie  zur  Dunkelheit  wird;  im  besonderen 
jedoch  ist  die  Schrift  verständig  und  frei  von  Irrtümern.  —  In  der  rühmenswerten 
Arbeit  Lyons^^),  die  durch  Beherrschung    des  Stoffes   angenehm    auffällt,    ist    die 


26c)  (I  1  :  41.)  —  26d)  X  (I  1  :  ''2.)  —  27)  E.  T.  Gottschall,  Poetik.  D.  Dichtkunst  a.  ihre  Technik.  Vom  Standpunkt 
d.  Neuzeit.  6.  Aufl.  2  Bde.  Breslau,  Trewendt.  XXIV,  388  S.;  IV,  342  S.  M.  10,00.  l[LZgB.  N.  132.]|  —  28)  X  A.  Saleck, 
Z.  Sprache  e.  Litt.:  BLU.  8.807,9  (Darin  e.  kurze  Verurteilung  v.  Kleinpauls  9.  Aufl.  [vgl.  JBL.  1892  I  11  :  19],  über  d.  auch 
ÖLBl.  2,  S.  589  u.  DR.  2,  S.  393.)  —  29>  C.  Beyer,  Kleine  Poetik.  Für  höh.  Schulen  u.  z.  Selbststnd.  Abriss  d.  dreibänd. 
„Dtsch.  Poetik".  St.,  Dtsch.  Verl.-Anst.  12».  VIII,  127  S.  M.  1,00.  |[LZgB.  N.  55  (sehr  anerkennend);  COIRW.  21,  S.  438.] | 
—  30)  (I  7  :  45.)    |[R.  M.  Meyer:  DLZ.  S.  881/3.]|  -  3t)  (I  7  :  138.)   -  32)  (I  7  :  144.)    -  33)  (I  7  :  149.)  -  34)  XO-Ly  on. 


I  12  :  35-40  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Lehre  vom  Vers  (S.  1 — 60)  viel  eing-ehender  behandelt,  als  die  eig-entliche  Poetik 
(S.  61 — 80),  trotzdem  wird  man  nichts  für  die  Schule  Wichtiges  vermissen. ^^-j  _ 
Aus  der  übrigen  Schar  der  Schulpoetiken  hebe  ich  die  durch  Börner^s)  besorgte 
neunte  Auflage  von  Webers  Abriss  hervor;  der  Rest^ß-*"*)  ist  Schweigen.  — 

Die  Ausbeute  an  Arbeiten  über  Aesthetik  ist  in  diesem  Jahre  mehr  nach 
Zahl  als  nach  Wert  reich,  vor  allem  fehlt  es  an  grösseren  Darstellungen,  so  viel  auch 
Einzelbeobachtungen  zu  verzeichnen  sind.  Das  Anmutige  sucht  negativ  und 
positiv  Benini  zu  bestimmen;  es  ist  das,  was  in  uns  Gedanken  und  Bilder  des 
Guten,  Unschuldigen,  der  süssen  Schwermut  erweckt;  es  kommt  daher  sowohl  unter 
der  Form  des  Traurigen  als  des  Heiteren  zur  Erscheinung.  Der  Vf.  behandelt  das 
Anmutige  in  der  Natur,  in  den  Gefühlen,  in  Geist,  Moral,  Gesellschaft,  in  den  ver- 
schiedenen Künsten,  endlich  den  Begriff  der  Anmut.  Perez"*^),  dem  allein  ich  die 
Kenntnis  des  Aufsatzes  danke,  hebt  die  Feinheit  wie  den  halbpoetischen,  aber  ganz 
passenden  Stil  hervor.  — 

Die  wichtige  Frage  nach  dem  Wesen  von  Lust  und  Unlust  wird  wohl 
noch  längere  Zeit  unentschieden  bleiben.  Gegen  Wundts  Ansicht,  sie  seien  der  Ge- 
fühlston, wendet  sich  Bourdon^^),  um  die  Hypothese  zu  begründen,  die  Lust  sei  ein 
Gefühl  für  sich,  nicht  ein  Allgemeingefühl  oder  eine  Eigentümlichkeit  aller  Gefühle, 
sie  ist  ihrer  Natur  nach  gleich  dem  besonderen  Gefühl  des  Kitzels.  Kitzel  entsteht, 
wenn  die  Haut  sehr  leicht  durch  einen  mechanischen  Reiz  getroffen  wird;  steigert  sich 
der  Reiz,  so  haben  wir  den  Eindruck  der  Berührung.  Die  Lust  soll  ein  ausgedehnter 
Kitzel  von  geringer  Intensität  sein,  umgekehrt  der  Kitzel  eine  bestimmt  lokalisierte 
Lust  von  grosser  Intensität.  Wie  die  Physiologie  nachwies,  giebt  es  Nerven,  deren 
Reiz  nicht  Lust  und  nicht  Schmerz  erregt,  so  der  Gesichts-  und  der  Gehörsnerv; 
damit  ist  Wundts  Theorie  von  Lust  und  Unlust  als  Gefühlston  widerlegt.  B.  be- 
spricht noch  andere  Thatsachen,  die  ebenso  wenig  überzeugend  sind.  Er  will  unter- 
schieden wissen  zwischen  dem  Angenehmen  und  der  Lust,  wie  zwischen  dem  Un- 
angenehmen und  dem  Schmerz.  Das  Angenehme  könnte  durch  die  Leichtigkeit, 
Plötzlichkeit,  Energie  der  Anziehung,  des  Verlangens,  erklärt  werden,  das  Unan- 
genehme durch  die  Zurückweisung,  durch  den  Widerwillen.  Das  Bittere  ist  ein 
gutes  Beispiel  für  das  Unangenehme,  nicht  Schmerzliche,  während  z.  B.  Ammoniak, 
Essigsäure,  Senfgeist  die  Geschmacks-  und  Geruchsnerven  schmerzlich  erregen.  Nicht 
alles  Angenehme  erregt  Lust,  nicht  alles  Unangenehme  Unlust.  B.  verfolgt  dies 
durch  die  Sinne  und  beruft  sich  auf  die  Thatsachen,  z.  B.  das  Vibrieren  des  Kopfes 
beim  Aussprechen  eines  i  usw.  Er  verfolgt  auch  die  inneren  Erscheinungen,  um  seine 
Hypothese  wahrscheinlich  zu  machen.  Ob  auf  psychologischem  Gebiete  seine  An- 
sicht Billigung  finden  wird,  das  weiss  ich  nicht,  die  Aesthetik  wird  mit  dem  Satze 
(S.  233):  „Le  beau  ne  fait  pas  beaucoup  plaisir  et  le  laid  ne  cause  pas  de  douleur 
veritable;  le  beau  visuel  produit  une  Impression  agreable  plutot  que  du  plaisir 
veritable  et  le  laid  une  Impression  desagreable  plutot  que  de  la  douleur"  nicht  viel 
gefördert.  —  Marshall'*')  soll  den  Zustand  der  Lust  und  der  Unlust  aus  der 
psychischen  Wirkungskraft  oder  Wirkungslosigkeit  der  Bewusstseinselemente  herleiten, 
an  die  Lust  und  Unlust  geknüpft  ist.  —  Gilman'*^)  giebt  einen  guten  Ueberblick  über 
die  verschiedenen  Theorien  und  behandelt  selbständig  nur  die  Gewohnheit;  nach  ihm  ist 
Lust  in  der  Fertigkeit,  Unlust  in  der  Abspannung  begründet.  Die  Quelle  jeder  Lust 
ist  die  Wiederregung  jener  Thätigkeit,  die  von  den  Nerven  gern  geleistet  wird,  die 
Quelle  der  Unlust  eine  Ueberwältigung  der  Nervengewohnheit.  —  Penjon'*^) 
sieht  die  Freiheit  als  das  Wesentliche  beim  Angenehmen  und  beim  Lächerlichen  in 
allen  seinen  Formen  an,  das  Lachen  ist  der  Ausdruck  der  gefühlten  Freiheit  oder 
unserer  Sympathie  für  bestimmte,  wirkliche  oder  imaginäre  Aeusserungen  einer 
fremden  Freiheit,  gleichsam  in  uns  der  natürliche  Widerhall  der  Freiheit.  Das  Lachen 
ist  die  sichtbare  Freiheit.  Er  unterscheidet  zwei  Arten  des  Spieles:  eine,  bei  der 
niemand  gewinnt  und  niemand  verliert,  die  andere,  bei  der  es  einen  Sieger  und  einen 


Kurzgefasste  dtsch.  Stilistik.  3.  Aufl.  L.,  Teubner.  VIII,  94  S.  M.  1,00.  IfB.  Löhner:  ZOG.  44,  S.  1098.] |  —  35)  Hugo 
Weber,  Dtsch.  Sprache  n.  Dichtung  oder  d.  Wichtigste  über  d.  Entwicklung  d.  Muttersprache,  d.  Wesen  d.  Poesie  u.  d. 
Nationallitt.  9.  Aufl.  her.  v.  B.  Börner.  L.,  J.  Klinkhardt.  SOS.  M.  0,50.  —  36)  X  (I  1  =  79;  7  :  143.1  —  37)  X  (I  7  =  136.) 
—  37»)  X  ff-  Sommert,  Grnndzüge  d.  dtsch.  Poetik  ftlr  d.  Schul-  n.  Selbstunterr.  4  durchges.  Aufl.  Wien,  Beermann  &  Alt- 
mann. 103  S.  Fl.  0,90.  |[0.  P.  Walze  1:  ZOG.  44,  S.  542/3.] |  -  38)  X  d  1  =  851^;  '  =  141.)  —  39)  X  (I  '?  =  140.)  —  40)  X 
(I  7  :  139.)  -  41)  X  (I  7  :  137.)  -  42)  X  M.  Hoffmann,  Leitfaden  d.  Aesthetik  für  d.  Schal-  u.  Selbstunterr.  2.  (Titel-) 
Ausg.  Mit  15  Fig.  Wien,  Beerraann  &  Altmann.  (1891.)  VII,  90  S.  M.  1,00.  —  43)  O  M.  Pilo,  Estetica.  Mailand,  Ulrico 
Hoepli.  12".  260  S.  L  3,,50.  [[M.  Dessoir:  DLZ.  S.  1350  (unnötige  Kompilation).]]  —  43a)  O  id.,  L'estetica  psicologica 
e  la  flsiologia  del  hello  di  Paolo  Mantegazza  (Epicuro  e  Dizionario  delle  cose  belle).  Milano,  Cooperativa  editrice  italiuna. 
1892.  16°.  323  S.  M.  3,00.  |[B.  Perez:  EPhilos.  35,  S.  97/8.]|  —  44)  X  Kleine  Aesthetik  oder  kurze  Erklärung  d.  Grund- 
begriflfe.  I.  Vom  Schönen.  II.  V.  d.  schönen  Kunst.  III.  V.  d.  schönen  Künsten.  V.  e.  Lehrer.  Luzern,  Gebr.  Räber  &  Cie. 
12".  48  S.  (Teilweise  verwirrende  Deflnitionen,  teilweise  tendenziös  gefärbte;  im  ganzen  nicht  ungeschickt.)  —  45)  P.Pörez, 
Le  gracieux  (nach  V.  Benini):  RPhilos.  36,  S.  558.  —  46)  B.  Bourdon,  La  Sensation  de  plaisir:  ib.  S.  225-37.  —  47)  R. 
Marshall,  Plaisir,  peine  et  Sensation  (Referat  nach  PhilosophicalR.  Maiheft):  ib.  S.  109.  —48)  B.  J.  Gilman,  Report  of  an 
experimental  test  of  mnsical  expressiveness:  AmericanJPsychol.  5,  S.  42-73.    (Vgl.  RPhilos.  36,  S.  671/2.)  —  49)  A.  Fenjon, 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  co-ssa 

Besiegten  g-iebt.  Er  bespricht  das  Lächerliche  im  Leben,  wie  das  von  der  Kunst 
beabsichtig-te  Komische,  dabei  auch  den  Humor.  Die  deutschen  Untersuchung-en 
scheinen  ihm  nicht  bekannt  zu  sein,  wie  er  denn  überhaupt  auf  die  Litteratur  des 
Gegenstandes  nicht  eing-eht,  wodurch  der  Eindruck  des  Konstruierten  verstärkt 
wird.  Immerhin  muss  sein  Aufsatz  beachtet  werden,  weil  er  aus  redlichem  Be- 
mühen hervorg-eht.^^)  -- 

A.  von  Raciborski^')  hat  sich  in  seiner  von  Zetterbaum  sehr  mang-el- 
haft  ins  Deutsche  übertrag-enen  Darstellung-  die  Aufg-abe  gesetzt,  mit  Hilfe  der  Natur- 
wisseo Schäften  einmal  die  Art  und  Weise  zu  zeigen,  wie  unsere  ästhetischen 
Urteile  durch  die  Eigentümlichkeiten  unserer  Sinnesorgane  bedingt  sind,  dann  aber 
die  objektiven  Faktoren  beim  ästhetischen  Urteil  naturwissenschaftlich  zu  prüfen. 
Er  geht  von  der  Thatsache  aus,  dass  uns  das  gefällt,  was  angenehm  (soll  heissen: 
was  uns  angenehm)  ist,  und  das  missfällt,  was  unangenehm  ist;  also  die  sinnliche 
Annehmlichkeit  oder  Unannehmlichkeit  kommt  vor  allem  in  Betracht.  Es  entsteht 
die  Frage,  ob  bei  einem  so  subjektiven  Urteile  gewisse  allgemeine  Gesetze  möglich 
sind?  Schon  aus  den  einfachsten  Thatsachen  der  Erfahrung,  die  er  betrachtet,  er- 
geben sich  dem  Vf.  vier  Sätze:  1.  Wir  begehren  im  allgemeinen  Sinnenreize  (denn 
der  Mangel  an  Sinnenreizen  führt  zur  Verkümmerung  unserer  Organe).  2.  Wir 
begehren  sanfte  Reize,  die  keine  gewaltsamen  Erschütterungen  und  schnelle  Er- 
müdung oder  gar  Schmerz  hervorrufen,  was  die  beginnende  Vernichtung  des  ge- 
reizten Organs  anzeigt.  3.  Wir  begehren  eine  Mannigfaltigkeit  der  Empfindung  und 
ihre  Abwechslung  mit  Ruhepausen.  4.  Wir  begehren  Empfindungen,  die  dem 
jeweiligen  Zustande  und  den  jeweiligen  Bedürfnissen  unseres  Organismus  angepasst 
sind.  Angenehm  ist  uns  also,  was  zu  einer  gewissen  Zeit  unseren  Organismus  be- 
fördert, unangenehm,  was  ihn  beeinträchtigt.  R.  nimmt  die  einzelnen  Sinne  durch, 
um  zu  erkennen,  was  ihnen  angenehm,  was  unangenehm  ist  Im  zweiten  Teil 
handelt  er  dann  vom  typischen  Mass,  das  in  den  Objekten  erscheint,  vom  Kanon  der 
menschlichen  Gestalt,  vom  goldenen  Schnitt,  fremde  Ansichten  reproduzierend,  die 
er  mitunter  durch  Beobachtungen  nachprüfte.  R.  kommt  zu  dem  Resultat:  schön 
sei  ein  in  seiner  Vollkommenheit  dargestellter  Typus,  er  sagt  auch,  schön  sei  die 
vollkommene  Darstellung  der  Typen,  nach  denen  die  Natur  schafft.  Unter  den 
Typen  eines  Menschen,  eines  Löwen,  Adlers,  Elefanten,  Affen,  einer  Kröte,  eines 
Regenwurms  und  einer  Mauerassel  erkennt  er  nur  eine  Hierarchie  wegen  des 
subjektiven  Elementes  im  Schönheitsurteil;  schön  ist  aber  der  voUkommne  Typus 
einer  Mauerassel  auch.  Schön  wäre  nach  R.  also  das  Objekt,  das  den  Typus  der 
Gattung  vollkommen  zur  Darstellung  bringt,  abgesehen  davon,  ob  es  uns  angenehm 
oder  unangenehm  ist.  Man  sieht,  dem  Vf.  schwebt  die  Hegeische  Ansicht  vom 
Schönen  vor,  die  er  mit  der  Naturwissenschaft  in  Einklang  zu  bringen  sucht,  doch 
fehlt  ihm  jeder  philosophische  Sinn  im  Erfassen  des  Problems,  er  spielt  in  rührender 
Naivetät  mit  dem  von  mehreren  Seiten  zusammengerafften  Wissen  und  steckt  noch 
in  den  Kinderschuhen  des  Aesthetikers.  Er  glaubt,  die  naturwissenschaftlichen 
Grundlagen  unserer  ästhetischen  Urteile  dargestellt  zu  haben,  thatsächlich  streift  er 
nur  einige  Punkte,  die  freilich  auch  berührt  werden  müssen.  Er  spricht  von  Reiz, 
Empfindung,  von  unserem  Schönheitsgefühl  nicht  wie  ein  „Professor  der  Philosophie", 
sondern  wie  ein  Dilettant,  der  mit  den  Worten  nur  unklare  Begriffe  verbindet. 
Wem  mit  der  unbeholfenen  Uebersetzung  eines  so  unbeholfenen  Originals  gedient 
sein  soll,  ist  mir  unerfindlich.  Manches,  besonders  die  Ausführungen  über  den 
goldenen  Schnitt,  macht  den  Eindruck,  als  habe  sich  der  Vf.  selbst  erst  Klarheit 
verschaffen  wollen.  —  Auf  dem  internationalen  Kongress  für  Experimentalpsychologie 
hielt  Widmer^'")  einen  Vortrag  als  „Beitrag  zur  experimentellen  Aesthetik" ;  er 
suchte  Zeisings  Ansichten  über  den  „goldenen  Schnitt"  als  willkürlich  und  fehlerhaft 
nachzuweisen^*^),  da  mit  dem  gleichen  Recht  andere  mathematische  Verhältnisse  auf 
die  künstlerische  Form  übertragen  werden  könnten.  Der  Vf.  führt  das  Gefallen  an 
ästhetischen  Formen  auf  das  Gesetz  des  ästhetischen  Kontrastes  zurück.^2-54  ^  — 

Le  Rire  et  la  Liberte:  EPhilos.  36,  S.  113-40.  —  50)  X  H.  MBnsterberg,  Beitrr.  z.  experimentellen  Psychologie.  Heft  4. 
Freiburg  i.  B,  Mohr.  1892.  III,  238  S.  M.  4,50.  |tTh.  Ziehen:  PhilosMh.  29,  S.  473,8.] |  (Darin  behandelt  d.  letzte  Aufsatz 
„Lust  u.  Unlust".)  —  51)  A.  V.  Eaciborski,  D.  naturwissensch.  Grundlagen  unserer  ästhet.  Urteile.  Ans  d.  Polnischen  mit 
Genehmig,  d.  Vf.  übers,  v.  M.  Zetterbanm.  Lemberg,  Selbstverl.  124  S.  M.  0,50.  —  51a)  L.  Widme  r,  D.  ästhet.  Be- 
deutung d.  raathemat.  Proportion  für  einfache  Formen.  Vortr.  (Referat):  Kw.  6,  S.U.  —  51b)  O  A.  Goeringer,  D.  goldene 
Schnitt  (göttliche  Proportion)  u.  seine  Beziehung  z.  menschl.  Körper,  z.  Gestalt  d.  Tiere,  d.  Pflanzen  u.  Kristalle,  z.  Kunst 
u.  Architektur,  z.  Kunstgewerbe,  z.  Harmonie  d.  Töne  u.  Farben,  z.  Versmass  u.  z.  Sprachbildnng,  mit  Zugrundeleg.  des 
goldenen  Zirkels  dargest.  M.  2  Taf.  u.  viel.  Illustr.  München,  Lindauer.  37  S.  M.  2,00.  —  52)  X  A.  Ehrhardt,  Was  ist 
schön?:  20.  Jh.  1,  S.  173-83.  —  52a)  X  H-  Taine,  Philos.  de  l'art  6.  ed.  2  vol.  (=  Bibl.  variee.)  Paris,  Hachette  et  Cie. 
16".  n,  334  S.;  419  S.  Fr.  7,50.  —  52b)  O  M.  Griveau,  Les  Elements  du  Beau.  Analyse  et  synthfese  des  faits  esthetique 
d'apr^s  les  documents  du  langage.  Onvrage  accomp.  du  60  tableaux  ou  schSmas  orig.  et  prec.  d'une  lettre  de  M.  Snlly- 
Prudhomme.  Paris,  Alcan.  1892.  XX,  582  S.  i[APC.  27,  S.  327;S;  L.  Arreat:  RPhilos.  35,  S.  426-32:  JSav.  8.  315.]| 
-  520)  O  id.,  Le  probleme  esthetique  et  la  statistique  des  epilhets:  APC.  28,  S.  138-56,  260-77.  —  52d)  O  C.R.Nyblom, 
Skönhetslärans  Hufvudbegrepp :  SvVAH.  8,  S.  231-363.  -  53)  X  (I  H  =  23.)  [[BPhilos.  35,  S.  270/l.]|  -  53  a)  X  F-  F»l>er, 
System  (vgl.  JBL.  1892  I  11:52).  |[0.  Harnack:  PrJbb.  71,  S.  1389;  N&S.  64,  S.  270  1;  R.  M.  Meyer:  DLZ.  8.  401/2; 
Jahieaberichte  fäi  neuere  deutsche  Litteiaturgesohiohte.    lY.  ^ 


I  12:54-60  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Raciborski  nimmt  Zeisings  Ansicht  unbesehen  herüber.  Auch  über  die 
menschliche  Gestalt  spricht  er  nicht  als  Fachmann,  wie  etwa  Brücke^^);  dieser 
nennt  diejenig-e  menschliche  Gestalt  schön,  „welche  sich  in  allen  Stellungen  und  in 
allen  Ansichten,  soweit  sie  in  der  idealen  Kunst  überhaupt  zur  Anwendung  kommen, 
vorteilhaft  verwenden  lässt".  Er  stellt  nicht  wie  Raciborski  einen  Kanon  der  mensch- 
lichen Gestalt  auf  mit  der  Kopflänge  als  Einheitsmass  und  den  sieben  Teilen,  die 
sich  im  Verhältnis  des  goldenen  Schnitts  gruppieren  und  in  der  Höhe  von  der 
Fusssohle  bis  zum  Scheitel,  wie  von  den  Mittelfingerspitzen  der  ausgestreckten 
Arme  zu  einander  erscheinen,  sondern  B.  vergleicht  die  schönsten  griechischen  Statuen, 
die  Gebilde  der  Malerei  mit  jenen  Thatsachen,  die  sich  aus  der  anatomischen  Be- 
trachtung des  Körpers  ergeben,  und  entwirft  nun  für  den  Künstler  und  den  Kunst- 
freund jene  Verhältnisse,  die  zur  Schönheit  der  einzelnen  Körperteile  gehören. 
Diese  Schönheitsverhältnisse  begründet  er  aus  dem  Bau  des  menschlichen  Körpers, 
aus  den  Muskeln  und  ihrem  Spiel,  aus  dem  Knochenbau,  so  dass  feste  Normen  bei 
der  Beurteilung  eines  Modells  und  eines  Kunstwerks  gewonnen  werden.  Dabei  be- 
tont B.  durchaus  die  Wichtigkeit  der  Linienführung,  aber  nicht  etwa,  um  Hogarths 
Theorie  zu  vertreten,  sondern  um  den  Grundgedanken  seines  Buches,  den  ich  oben 
angeführt  habe,  zu  erläutern.  Er  folgert  also  z.  B.  so:  Ich  behaupte  keineswegs, 
dass  dieses  oder  jenes  Verhältnis,  etwa  der  gerade  angesetzte  Vorderarm,  überall 
das  häufigste  und  deshalb  im  anthropologischen  Sinne  das  normale  sei,  aber  es  ist 
dasjenige,  das  in  die  verschiedensten  Lagen  gebracht  werden  kann,  ohne  schlechte 
Linien  zu  geben,  das  ich  deshalb  als  das  beste  für  künstlerische  Zwecke  betrachten 
muss.  Es  kann  nicht  die  Aufgabe  dieses  Berichtes  sein,  in  die  reichen  und  auf- 
schlussgebenden  Einzelheiten  einzugehen;  nur  soviel  sei  hervorgehoben,  dass  der 
Vf.,  weit  entfernt  von  akademischer  Regelrichtigkeit,  immer  nur  das  für  den  Kunst- 
zweck Passende  betont  und  der  Künstlerindividualität  ihr  Recht  so  weit  als  möglich 
wahrt.  Die  Lektüre  des  Buches  ist  nicht  leicht,  so  sehr  sich  B.  bemüht,  das 
Medizinische  dem  Laien  verständlich  zu  machen  und  durch  ausgezeichnete  Ab- 
bildungen näher  zu  bringen,  aber  die  Fülle  von  kunsthistorischen  Kenntnissen  in 
Verbindung  mit  dem  anatomischen  Wissen  erweckt  das  Gefühl  der  Sicherheit  den 
Resultaten  gegenüber.^^''"^^)  Solche  Darstellungen  gehören  unzweifelhaft  in  die 
Aesthetik  und  sind  geeignet,  ein  richtiges  Erfassen  ihrer  normativen  Bedeutung  zu 
vermitteln.  —  Jedenfalls  ist  es  eine  Uebertreibung,  wenn  van  Eyck^')  sagt, 
Aesthetik  sei  „die  Zwangsjacke  der  Kunst"  und  habe  durch  Lessings  Laokoon  be- 
sonders die  Plastik  geschädigt.  Der  Vf.  ist  weit  entfernt- vom  einseitigen  Naturalismus, 
ja  wenn  er  fordert,  dass  der  Körper  nicht  zu  Gunsten  des  geistigen  Elements  un- 
nötig verhunzt  werde,  so  nähert  er  sich,  ohne  es  zu  fühlen,  sehr  weit  der  von  ihm 
verworfenen  Aesthetik ;  auch  diese  kennt  die  materielle  und  die  geistige  Seite  der  Plastik 
und  kann  den  Satz  des  Vf.:  „Körper  und  Geist  müssen  im  gleichen  Verhältnis  sein,  wo  das 
wahre  Leben  und  die  wahre  Kunst  zum  Ausdruck  kommen  sollen"  ruhig  annehmen,  um 
so  eher,  da  sie  vielleicht  noch  weniger  engherzig  ist  als  der  Vf.  —  Brücke  wird  nicht 
müde,  die  Frage  zu  erörtern,  wie  genau  sich  der  Künstler  ans  Modell  halten  dürfe,  seine 
Lehre  geht  dahin,  nur  so  weit,  als  im  Modell  das  für  den  Künstler  Zweckmässige 
zur  Erscheinung  kommt.  Ganz  ähnlich  spricht  Walle^^)  im  Anschluss  an  einen 
Vortrag  Moritz  Meurers  davon,  dass  die  Kunst  und  das  Kunstgewerbe  zu  studieren 
hätten,  wie  die  besten  Meister  aller  Zeiten  die  Umbildung  der  Naturformen  zu 
künstlerischen  und  kunstgewerblichen  Zwecken  betrieben  wissen  wollten.  Er  unter- 
scheidet Zweck-  und  Kunstformen  und  sieht  in  den  Kunstformen  nicht  Kopien, 
sondern  Umwandlungen  der  Naturformen  nach  Gedanken,  Materie  und  Zweck, 
organisch  gesetzmässiger  Entwicklung.-^^^)  —  Hierin  nähert  sich  ihm  Schliep- 
mann^^''),  wenn  er  das  Zweckmässige  nicht  an  sich  als  schön  erklärt,  sondern  nur 
als  eine  Voraussetzung  des  Schönen.  Die  Kunst  geht  zum  Unterschied  von  der 
Wissenschaft  auf  Anschauung  aus,  muss  daher  das  Kunstwerk  nur  in  sich  voll- 
kommen erscheinen  lassen,  damit  es  einen  ohne  lange  Reflexion  fertigen,  über- 
zeugenden Eindruck  macht.  Das  Wesen  der  Kunstschöpfung  besteht  also  in  der 
Idealisierung  des  Zweckes.  —  Auch  Rott^^)  steht  auf  diesem  „idealistischen"  Stand- 
punkt, wenn  er  gleich  etwas  unklar  der  neuen  Kunst  die  drei  Ideale:  Natur,  Kunst 

Kunstchr.  4,  8.  24.1|  -  54)  O  W.  Knight,  Philosophy  of  the  Beautiful.  Lonaon,  Murray.  Sh.  3/6.  —  54a)  O  H.  R. 
Marshall,  Hedonic  Aesthetics.  (Referat  nach  Mind,  Heft  5):  RPhilos.  85,  S.  220.  —54b)  O  id.,  La  domaine  de  l'esthetiqne 
consldere  psyohologiqaement.  (2.  article.)  (Referat  nach  Mind,  Okt.  1892  bis  Jan.  1893):  ib.  S.  219.  —  55)  E.  Brücke, 
Schönheit  u.  Fehler  d.  menschl.  Gestalt.  Mit  29  Holzschn.  v.  H.  Paar.  Wien,  Braumüller.  V,  151  S.  M.  5,00.  —  55  a)  X 
H.  T.  Finck,  Romant.  Liebe  u.  persönl.  Schönheit.  Entwicklung,  nrsächl.  Zasammenhänge,  gesch.  u.  nat.  Eigenheiten.  Dtsuh. 
T.  U.  Brachvogel.  2  Bde.  2.  (Titel-)Anfl.  (Billige  Volksausg.)  Breslau,  Schles.  Verl.-Anst.  XYIU,  540  S.;  VIU,  566  S. 
M.  10,00.  (Zuerst  1890-91.)  —  55b)  O  (I  11:19.)  —  56)  O  J.  Merz,  D.  ästhet.  Formgesetz  d.  Plastik.  Mit  44  Abbild, 
im  Text.  L.,  Seemann.  1892.  VUI,  301  S.  M.  4,00.  |lLCBI.  S.  614  (ablehnend);  Kunstchr.  4,  S.  210/3.]|  —  57)  van  Eyck, 
Aesthetik  u.  Bildhauerkunst:  Atelier  N.  56.  —  58)  P.  Walle,  D.  Studium  d.  Natnrformen  z.  Belehrung  d.  Formensprache: 
ib.  N.  63.  —  58  a)  O  (1 11 :  25.)  |[M.  S. :  ML.  62,  S.  743 ;  ZChrK.  6,  S.  285/6.]|  -  58 b)  H.  S  c h  1  i  e p m  a  n n ,  Zweckmässigkeit  u.  Schönheit: 
Atelier  N.  57.  (Citiert  in  Kw.  6,  8. 284/6.)  -  59)  V.  R  o  1 1 ,  Ideale :  ib.  N.  62.  —  60)  O  B.  t  e  P  e  e  r  d  t ,  V.  d.  Wesen  d.  Kunst.  Studie  nach 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  ei-e- 

und  Empfindung",  will  heissen  Naturstudium,  Können  und  modernes  Empfinden  zu- 
schreibt. Bei  allen  diesen  Auseinandersetzung-en  schwebt  das  Wesen  der  Kunst 
vor.^''~®2)  —  Leuchtenberg-er ^3)  kommt  bei  seiner  populären  Entwicklung  der 
beiden  Beg-riffe  Idee  und  Ideal  auch  auf  die  Idee  des  Schönen,  die  Vollkommenheit, 
und  die  nach  Zeit,  Ort  und  Nationen  wechselnden  Schönheitsideale,  denen  g'eg-enüber 
man  vom  Geschmacke  reden  könne.  Der  Vf.  berücksichtig-t  den  modernen  Sprach- 
g-ebrauch,  aber  nur  im  allgemeinen,  so  dass  die  Ausdrücke  im  philosophischen  Sinne 
verstanden  werden  müssen,  nicht  im  allgemeingebräuchlichen.  Ihm  schwebt  die 
Schule  vor,  doch  kann  eine  solche  schlichte  Darlegung  wichtiger  Begriffe  der 
Philosophie  auch  dem  grösseren  Publikum  willkommen  sein-ö*)  —  In  seinem  Be- 
streben, der  Aesthetik  eine  neue  Terminologie  zu  schaffen,  hatte  Naville^^)  „la 
beaute  sensible,  la  beaute  expressive  et  la  beaute  organique"  unterschieden.  — 
Couturat^^)  stimmt  mit  Naville  in  der  Tendenz  über  ein,  dass  die  richtige  Termi- 
nologie und  klare  Scheidung  der  Arten  ein  wichtiges  Mittel  zur  richtigen  Erkenntnis 
seien,  aber  er  nimmt  die  von  Naville  getroffene  Einteilung  nicht  an.  Was  Naville 
beaute  sensible  nennt,  betrachtet  er  nur  als  das  sinnlich  Angenehme,  eine  Begleit- 
erscheinung des  Aesthetischen,  nicht  als  das  Aesthetische  selbst,  ja  er  stellt  den  Satz 
auf,  dass  kein  Objekt  schön  sein  könne,  das  nicht  aufhöre  rein  sinnlich  zu  sein.  C. 
geht  weiter  in  seinem  Kampfe  gegen  den  Sprachgebrauch,  indem  er  auch  eine 
„moralische  Schönheit",  das  Gegenstück  der  „körperlichen  Schönheit"  nicht  gelten 
lässt;  man  solle  nicht  die  verschiedenartigsten  Dinge,  die  nichts  mit  einander  ge- 
mein haben,  durch  denselben  Namen  bezeichnen.  Im  Interesse  der  Klarheit  und  des 
präzisen  Ausdrucks  sei  es  wünschenswert,  durch  Namen  le  beau  litteraire,  le  beau 
musical  und  le  beau  plastique  zu  unterscheiden,  d.  h.  die  Aesthetik  der  Dichtkunst, 
die  Aesthetik  der  Musik  und  die  Aesthetik  der  schönen  Künste  getrennt  von  ein- 
ander aufzubauen,  ohne  Rücksicht  auf  ihre  Vereinigung.  Wir  werden  die  Scheidung 
nach  den  Mitteln  treffen,  deren  sich  die  drei  genannten  Künste  allein  oder  vor- 
züglich bedienen.  Die  Sprache  und  Schrift  sind  willkürliche  Zeichen  zum  Ausdruck 
der  Bewusstseinszustände  und  Gefühle;  Gesten,  Haltung,  Gesichtsausdruck  sind  un- 
willkürliche, natürliche  Zeichen;  das  Wort  darf  mit  Gesichtsausdruck  und  Gestus 
nicht  in  Eine  Klasse  eingereiht  werden.  Die  Sprache  ist  eine  künstliche  Ueber- 
setzung  des  Gedankens;  Bewegungen  usw.  sind  eine  natürliche,  unwillkürliche,  jedem 
verständliche  Sprache.  Die  Worte  bezeichnen  (signifient)  die  Ideen,  während  die 
natürlichen  Zeichen  sie  ausdrücken  (expriment).  Das  „Bezeichnende"  ist  der  Text, 
den  „Ausdruck"  verleiht  der  Accent,  der  Rhythmus,  Klangfarbe  und  Modulation, 
also  das,  was  Bewegung  und  Gesang  der  Rede  ausmacht.  Die  Dichtkunst  kann  nur 
indirekt  durch  die  Ideen  Gefühle  erwecken,  was  in  ihr  oder  in  der  Rede  Gefühle 
erweckt,  ist  Bewegung,  Rhythmus  usw.  „Ausdruck",  „ausdrucksvoll"  will  der  Vf. 
als  Terminus  für  die  körperliche  Darstellung  des  geistigen  Lebens  reservieren;  die 
Sprache  nennt  er  „bezeichnend",  alle  indirekten  Manifestationen  und  die  Produkte 
der  geistigen  Regsamkeit  „suggestiv".  Das  Mittel,  dessen  sich  die  Dichtkunst  be- 
dient, ist  die  Sprache,  also  das  „Bezeichnende";  die  Musik  dagegen  „suggeriert"  die 
Gefühle;  der  „Ausdruck"  ist  das  Mittel  der  bildenden  Künste,  wenn  auch  Ueber- 
griffe,  z.  B.  die  Programmusik,  die  „litterature  symboliste  ou  evocatrice"  vorkommen. 
Die  „plastische  Schönheit"  ist  „ausdrucksvoll".  Mit  der  „plastischen  Schönheit"  be- 
schäftigt sich  C.  im  weiteren  Verlaufe  seines  Aufsatzes,  um  zu  erweisen,  dass  die 
plastische  Schönheit  „Fexpression  permanente  de  la  conscience  par  le  corps  lui- 
meme"  sei,  dass  sie  beruhe  in  der  allgemeinen  Gestaltung,  den  Verhältnissen,  der 
vorstechenden  Physiognomie,  kurz  in  all  dem,  was  der  lebende  Körper  im  Zustand 
der  Ruhe  dem  Auge  und  dem  Geiste  zur  Betrachtung  darbiete;  C.  opponiert  gegen 
die  Meinung,  sie  sei  „der  transitorische  Ausdruck  eines  Gefühls  durch  die  Be- 
wegungen des  Körpers".  Seine  Polemik  gegen  Naville  wird  mit  vollendeter  Grazie 
geführt.  —  Das  erkannte  denn  auch  Naville^'')  an;  er  räumte  manche  Einzelheit 
ein,  im  wesentlichen  aber  gab  er  nicht  nach.  Was  er  „organische  Schönheit" 
nannte,  hält  er  nicht  für  identisch  mit  Couturats  „plastischer  Schönheit",  sondern  für 
mehr  und  für  weniger:  mehr,  weil  er  organische  Schönheit  auch  in  einigen  transi- 
torischen  und  besonderen  Bewegungen  sieht,  weniger,  weil  er  im  ruhenden  Körper 
nicht  nur  „organische",  sondern  auch  „ausdrucksvolle"  Schönheit  findet.  Im  Jaguar, 
der  sich  auf  seine  Beute  stürzt,  sieht  er  „organische"  Schönheit  trotz  der  Bewegung, 


d.  Leben.  L.,  M.  Spohr.  VII,88S.  M.1,80.—  61)  O  A.  Germain,  Ponr  le  bean.  Essai  de  kallistique.  Ean-forte  d'Alex.  S6on. 
Paris,  Girard.  128  S.  —  61a)  C.  Muff,  Idealismus  (vgl.  JBL.  1892  I  11 :  59).  |[Paedagogiura  15,  S.  74;  LCBl.  S.  1036; 
DDichtnng.  14,  S.  101,2.]  (Vgl.  I  11  :  24.)  —  62)  O  K.  de  Gonrmont,  L'Idealisine.  Paris,  Ed.  du  Mercure  de  France.  12». 
65  S.  —  63)  G.  Leuchtenberger,  Idee  u.  Ideal.  E.  Stück  philos.  Propädeutik.  Progr.  d.  Friedrich- Wilhelms-Gymn.  Posen. 
8».  34  S.  —  64)  X  Ifipal  T»  Moral.  E.  Studie.  Nebst  Anh.:  50  eingelaufene  Briefe  auf  d.  Zeitungs-Inserat:  Welches  Fräulein 
hat  das  höchste  Ideal?  St,  A.  Hintrager.  40  S.  M.  1,00.  IBLU.  S.  590  (billigend).]!  —  65)  A.  Naville,  Beantö  organique. 
Etüde  d'analyse  esth6tique:    RPhilos.  34,   S.  182-91.    —    66)  L.  Coutnrat,  La  Beaute  plastique:  ib.  35,  8.  53-72.    —    67)  A. 

23* 


I  12:68-70  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

im  ruhenden  Faun  dag-eg-en,  wenn  er  das  Gesicht  betrachtet,  „ausdrucksvolle" 
Schönheit  neben  der  organischen  Schönheit  des  Körpers.  Beide  Faktoren  seien 
verbunden,  ja  verwickelt,  aber  sie  dürften  doch  nicht  miteinander  verwechselt 
werden.     Darin  erkennt  er  den  eigentlichen  Streitpunkt.  — 

Allen  diesen  Forschungen  und  Darstellungen  liegt  die  Grundfrage  der 
Aesthetik  am  Herzen,  wie  sich  die  Kunst  zur  Natur  verhalte.^^^")  Alt''«) 
formuliert  sie  den  neueren  Ansichten  gemäss  etwas  schärfer,  indem  er  den  Wider- 
spruch des  Charakteristischen  und  des  Schönen  betrachtet.  Er  geht  von  der  That- 
sache  aus,  dass  für  die  Plastik  und  für  die  bildende  Kunst  überhaupt  mit  dem 
Gattungsmässigen  das  Schöne  in  seinem  Hauptmomente  bezeichnet  sei  und  erst 
allmählich  der  genannte  Widerspruch  sich  ausgebildet  habe,  der  seinen  stärksten 
Ausdruck  in  von  Hartmanns  Aesthetik  erreicht  habe.  Damit  scheint  das  Charakteristische, 
als  der  sinnfällige  Ausdruck  der  wesentlich  unterscheidenden  Merkmale  einer  In- 
dividualität, über  das  Gattungsmässige  gesiegt  zu  haben.  A.  bezeichnet,  wie  in 
seinem  „System  der  Künste",  die  Zweckmässigkeit  in  der  sinnlichen  Erscheinung 
als  das  Schöne  am  Organismus  der  Körper.  Das  Schöne  als  das  Gattungsmässige 
besteht  also  im  Zweckmässigen,  muss  aber  natürlich  in  einem  einzigen  Individuum 
als  seiner  Spitze  zur  Anschauung  kommen.  Das  Gattungsmässige  ist  nur  dadurch 
schön,  dass  es  das  Gattungszweckmässige  ist;  aber  auch  das  Individualzweck- 
mässige  ist  schön,  da  es  für  das  konkrete  Individuum  die  völlig  gleiche  Bedeutung 
hat,  wie  das  Gattungszweckmässige  für  das  Gattungsmässige.  Damit  erscheint  also 
der  Widerspruch  zwischem  dem  Schönen  und  dem  Charakteristischen  aufgelöst;  im 
Schönen  steckt  doch  auch  das  Charakteristische,  da  es  sich  in  einem  Individuum 
verkörpern  muss,  im  Charakteristischen  deckt  sich  die  Zweckmässigkeit  mit  der 
Zweckmässigkeit  im  Schönen.  Das  Charakteristische  ist  an  den  schönen  Vor- 
stellungen eben  als  der  Ausdruck  der  ästhetischen  Wahrheit  das  Schöne.  Das  gilt 
aber  nur  für  die  Organismen,  nur  in  der  organischen  Schönheit  ist  das  Charakteristische 
das  Schöne.  „Das  Charakteristische  an  sich  ist  schön,  indem  es  das  Zusammentreffen 
einer  Erscheinung  mit  der  vorhandenen  Vorstellung  wesentlich  bewirkt;  aber  es  kann 
mit  anderen  Beziehungen  der  Schönheit  im  einzelnen  Falle  in  wirklichen  Widerspruch 
treten."  Wir  müssen  also  von  der  organischen  Schönheit  die  Schönheit  der  Wahr- 
heit trennen,  könnten  aber  beide  vereinigen,  wenn  wir  von  „Schönheit  des  Wesens 
einer  Sache"  sprächen.  In  der  Statue  des  Verocchio  beruht  unser  ästhetisches  Wohl- 
gefallen an  der  Figur  des  Colleoni  gewiss  nicht  auf  der  organischen  Schönheit, 
sondern  auf  der  Realität,  während  in  der  mediceischen-Venus  die  organische  Schön- 
heit unmittelbar  empfunden  wird.  Aber  hier  wird  das  Wohlgefallen  durch  den  Be- 
griff des  Weibes,  dort  durch  den  Begriff  des  Bandenführers  bestimmt,  also  ist  in 
beiden  Fällen  das  Charakteristische  der  wesentliche  Ausdruck  der  konkreten  Idee, 
mag  diese  der  Gattung  näher  oder  ferner  stehen.  Der  einzige  Unterschied  zwischen 
dem  Charakteristischen  und  dem  Schönen  im  engeren  Sinne  besteht  also  darin,  dass 
die  konkrete  Idee  bei  jenem  der  Gattung  ferner,  bei  diesem  ihr  näher  steht.  Danach 
wäre  jedoch  das  Charakteristische  stets  nur  ein  Schönes  auf  engerem  Gebiete,  das 
organische  Schöne  das  umfassendere.  Wenn  der  Colleoni  nur  der  „Begriff"  eines 
Bandenführers,  die  mediceische  Venus  aber  der  „Begriff"  des  Weibes  ist,  so  ist  klärlich 
dort  das  Charakteristische  eines  engen  Gebietes,  hier  das  Charakteristische  eines 
weiten  Gebietes  vorhanden,  damit  ist  das  Charakteristische  das  Gattungsmässige  eines 
kleinen  Gebietes,  das  Schöne  das  Gattungsmässige  eines  umfassenden  Gebietes,  das 
Charakteristische  demnach  das  Unbedeutendere,  das  Schöne  das  Bedeutendere  —  und 
wir  sind  wieder,  wo  wir  waren.  Oder  mit  anderen  Worten,  aus  der  Zweckmässig- 
keit dürfen  wir  das  ästhetische  Wohlgefallen  nicht  ableiten,  weil  keine  Versöhnung 
der  Gegensätze,  sondern  eine  Drehung  im  Kreise  dabei  herauskommt.  Das  Hässliche 
braucht  nicht  im  Zweckwidrigen  zu  bestehen,  es  kann  auch  im  Zweckmässigen  be- 
stehen ;  ein  grosser  Mund  mit  stark  ausgeprägten  Kauwerkzeugen  ist  gewiss  zweck- 
mässig, aber  er  ist  an  sich  hässlich,  kann  nur  charakteristisch  sein  und  unser  ästhe- 
tisches Wohlgefallen  (unter  bestimmten  Voraussetzungen)  erregen.  Ein  kleiner  Frauen- 
mund erscheint  uns  schön,  aber  gewiss  schwebt  uns  dabei  nicht  die  Zweckmässigkeit 
vor,  wir  werden  nicht  ans  Essen,  sondern  ans  Küssen  denken,  also  höchstens  an  eine 
andere  Zweckmässigkeit,  oder  mit  der  Zweckmässigkeit  ist  eben  kein  Massstab  ge- 
wonnen. A.  bringt  uns  nicht  einen  Schritt  weiter.  Gern  wird  man  ihm  zugeben, 
dass  „in  der  vollendeten  individuellen  Charakterisierung  die  höchste  That  der  Kunst, 
und  in  der  Vereinigung  derselben  mit  der  vollendeten  gattungsmässigen  Schönheit 
ihr  höchstes  Erzeugnis  würde  gefunden  werden  müssen",  wenn  eine  solche  Vereini- 


Naville,  Beautö  organiqne  ei  beaute  plastiqne:  ib.  S.  287/9.  —  68)  X  L.  Douriac,  V.  Cherbuüez.  L'Art  et  ]a  Natnre 
(vgl.  JBL.  1892  I  11  :34):  ib.  S.  296-301.  (Anerkennend,  mehr  referierend.)  -  69l  X  W.  Bormann,  Kunst  n.  Nachahmung 
(vgl.  JBL.  1892  I  11  :50).     |[0.  Harnack:  PrJbb.  71,  8.  138/9;  E.  M.  Meyer:   BLZ.  S.  401/2;   Knnstchr.  4,  S.  67.]|   —   70) 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  70a-74a 

g-ung"  überhaupt  mög-lich  wäre,  es  würde  voraussetzen,  dass  die  vollendete  Verengerung 
und  die  vollendete  Erweiterung  zusammenfallen,  oder  wenn  das  Individuum  und  die 
Gattung  identisch  würden;  damit  ist  ein  Nonsens  entweder  nach  dereinen  oder  nach 
der  anderen  Seite  behauptet,  keineswegs  aber  der  Widerspruch  gelöst.  Etwas  anderes 
ist  es,  wenn  man  mit  Groos  das  Schöne  zu  einem  Teil  des  Aesthetischen  macht;  das 
aber  hat  A.  (S.  27)  bekämpft,  da  es  ihm  auf  „die  notwendigen  Bedingnisse  des  ästhe- 
tischen Wohlgefallens  in  seinen  objektiven  Substraten",  nicht  auf  die  psychologische 
Seite  ankommt.  Ob  das  nicht  zu  einseitig  ist?  A.  verwirft  nun  aber  für  die  Kunst 
in  allem,  was  zur  Sache  gehört,  die  Subjektivität  des  Künstlers  und  verlangt  mit  dem 
künstlerischen  Realismus  notwendig  auch  relativen  Objektivismus,  weil  er  sich  sonst 
keinen  gemeinsamen  Boden  denken  könnte,  auf  dem  sich  das  anschauende  und  das 
schaffende  Subjekt  fänden.  Sie  kommen  aber  zusammen  in  dem  „Phantasiebild, 
welches  mehr  oder  weniger  klar  schon  vor  der  Erscheinung  des  Kunstwerks  in  ihren 
Seelen  besteht";  das  muss  A.  behaupten,  wenn  sein  Zweckmässigkeitsprinzip  festge- 
halten und  sein  „Gesetz  des  Realismus"  nicht  zu  Schanden  werden  soll.  Freilich  hat 
schon  Lipps  (vgl.  JBL.  1890  I  3:69)  gegen  dieses  „Gesetz"  Verwahrung  eingelegt. 
Der  ganzen  Behauptung  A.s  widersprechen  die  Thatsachen;  die  Subjektivität  des 
Künstlers  tritt  auch  im  Wesen  hervor  und  zwingt  den  Beschauer,  wenn  sie  stark 
g-enug-  ist,  mit  ihren  Augen  zu  sehen.  —  Darin  stimme  ich  mit  Gurlitf^^)  vollkommen 
überein,  während  ich  nicht  so  wie  er,  die  Schönheit  nur  als  etwas  Subjektives  gelten 
lassen  möchte;  er  sagt:  „Schön  ist  alles,  was  mir  schön  erscheint"  und  leugnet  kurz- 
weg jede  Gesetzmässigkeit  im  Schönheitserapfinden.  Nach  ihm  gäbe  es  also  weder 
im  Objekt  des  Schönen  noch  im  auffassenden  Subjekt  einen  festen  Halt  für  die 
Aesthetik,  es  bliebe  nur  die  Subjektivität  des  Schaffenden  und  die  Subjektivität' i"'' 2) 
des  Geniessenden,  Aesthetik  und  Kritik  wären  gleich  überflüssig.  —  Schachf^) 
möchte  untersuchen,  „welche  Rechte  wir  einer  künstlerischen  Individualität  ein- 
räumen müssen,  was  wir  als  Offenbarung  der  Kunst,  was  als  blossen  Ausfluss  indi- 
vidueller Launen  oder  persönlicher  Unfähigkeit  zu  betrachten  haben".  Er  sieht  in 
der  Kunst  als  oberstes  Gesetz  das  Streben  nach  dem  Schönen,  wie  in  der  Philosophie 
das  Suchen  nach  Wahrheit  höchste  Tugend  und  einziger  Lohn  sei.  Das  Schöne  sollte 
als  Gegenstand  des  künstlerischen  Strebens  uns  „recht  menschlich  naherücken,  dass 
wir  es  auf  einmal  in  uns  liegend  vorfinden".  Mit  Rücksicht  auf  den  Spieltrieb,  der 
sich  zuerst  in  der  Nachahmung  belebter  und  unbelebter  Gegenstände  äusserte,  beim 
Fortschreiten  der  technischen  Fertigkeit  aber  auch  Erinnerungsbilder,  Bilder  der 
Phantasie  festhalten  lernte,  betont  er  nachdrücklich  die  Tendenzlosigkeit  der  Kunst, 
während  sich  das  Tier  bei  seiner  Thätigkeit  lediglich  durch  die  Zweckmässig-köit 
bestimmen  lasse.  Neben  dem  Nachahmungstrieb  erkennt  er  ein  gewisses  Autfassung-s- 
vermög'en  an,  nach  welchem  der  Mensch  die  Eindrücke  seiner  Sinne  bearbeitet,  ge- 
wisse Formen,  g^ewisse  Farbenzusammenstellungen  „müssen"  in  ganz  bestimmter 
Weise  auf  uns  wirken,  anziehend  oder  abstossend,  angenehm  oder  unangenehm.  Die 
Kunst  ist  also  gesetzniässig,  notwendig  und  ewig  als  Thätigkeit,  wandelbar  und  ver- 
schieden in  der  Form.  Die  Kunst  muss  im  Empfinden  der  Allgemeinheit  begründet 
sein;  das  individuelle  Empfinden  darf  sich  von  dieser  nur  dem.  Masse,  nicht  dem 
Wesen  nach  entfernen.  Unkünstlerisch  wird  jene  Individualität  empfunden,  die  „nur 
das  sie  besonders  Auszeichnende  hervorhebt,  statt  das  Gemeinsame  verstärkend 
auszubilden".  — 

Mit  seiner  übersichtlichen  und  gemeinfasslichen  Darstellung  des  Gefühls 
hat  Ziegler ''^)  einen  wichtigen  Beitrag  zur  Psychologie''*),  damit  auch  zur  Aesthetik 
geschaffen.  Es  handelt  sich  ihm  nicht  darum,  um  jeden  Preis  Neues  zu  sagen  oder 
die  Thatsachen  durch  neue  Hypothesen  zu  erklären,  sondern  zu  sehen,  wie  weit  man 
mit  den  bisherigen  Erklärungsversuchen  kommt.  So  entwickelt  er  die  Thatsachen 
durch  eine  Kritik  der  Erfahrung  und  der  philosophischen  Ansichten.  Er  setzt  aller- 
dings Fühlen,  Wollen  und  Denken  neben  einander,  richtet  aber  seine  Aufmerksamkeit 
besonders  auf  den  Gefühlston  und  das  jede  Bethätigung  unseres  Ich  begleitende  Ge- 
fühl. Man  folgt  mit  Interesse,  ja  mit  Spannung  seinen  klaren  Auseinandersetzungen, 
die  allmählich  und  darum  so  überzeugend  vom  Leichteren  zum  Schwierigen  hinüber- 
leiten und  vor  uns  das  Ich  entdecken  und  erläutern.  Z.  operiert  nicht  mit  einer 
„Seele",  die  wir  annehmen  müssten,  nicht  mit  Kräften,  die  wir  nicht  zu  erklären  ver- 
möchten, sondern  hält  sich  innerhalb  der  Erfahrung,  um  die  Thatsachen  zu  verstehen. 
Er  grübelt  nicht  über  das  Wesen  des  Gefühls,  sondern  behandelt  so  eingehend  die 
Gefühle,  dass  sich  wie  von  selbst  ergiebt,   Gefühl  sei   die   psychische  Bethätigungs- 


(IU:20.)  |[M.Des80ir:  DLZ.S.784  (vermisst  d.8chärfereScheidungv.„schön''n.„ästhetisch''.l|  —  70a)  C.  Gnrlitt,  Aesthet. 
Streitfragen :  Geg.  43,  S.  184,7.  -  71)  O  Antoinette  Brown-Black  well:  Philnsophy  of  Individnality.  New-York,  Putnams  Sons. 
Vin,519S.  Sh.  15.  —  72)  O  Ch.  Bonnier,  Persönlichkeit:  BayreuthBll.  16,  S.  168-76.  -  73)  (I  11  :  36.)  -  74)  Th.  Ziegler, 
D.  Gefühl.  E.  psycholog.  Untersuchung.  St.,  Göschen.  328  S.  M.  4,20.  |[M.  Carrifere:  AZg".  N.  288;  Grenzb.  4,  S.  44^5; 
N&S.  67,  S.  412,3.]|     (Davon  noch  e.  2.  Aufl.)  —  74a)  X  K.  Lasswitz,  Vom  Gefühl:  Nation».  13,  S.  667-70.    (Eeo.  v.  N.  74; 


I  12  :  74a  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

weise  des  Menschen  gegenüber  allen  von  aussen  an  ihn  herankommenden  Reizen, 
der  psychische  Akt  der  Selbstbehauptung  oder  das  psychische  Zeichen  für  diesen  Akt. 
Ebenso  hat  er  allmählich  festgestellt,  angenehm  sei,  was  uns  reizt  und  von  uns 
assimiliert  wird  oder  werden  kann,  unangenehm  dagegen,  wenn  entweder  der  Reiz 
fehlt  oder  der  eintretende  Reiz  für  das  Ich  zu  stark  ist,  um  assimiliert  werden  zu 
können,  oder  zu  schwach,  um  dem  Ich  für  den  Reaktions-  und  Assimilationsprozess 
Anhaltspunkte  zu  geben,  „Lust  ist  die  psychische  Seite,  die  Innenseite  oder  Be- 
gleiterin des  Lebens,  d.  h.  der  Bethätigung  des  Vermögens,  jedem  als  neu,  als 
Kontrast  auftretenden  Reiz  gegenüber  durch  Gewöhnung  und  Assimilation  sich  selbst 
zu  behaupten;  Unlust  dagegen  entspricht  psychisch  dem  Mangel  an  solcher  Be- 
thätigung, sei  es  weil  der  Anlass  dazu  überhaupt  fehlt,  oder  weil  der  Reiz  jenes 
Vermögen  so  weit  übersteigt  oder  so  weit  unter  der  Grenze  bleibt,  dass  von  einer 
Assimilation  keine  Rede  sein  kann."  Z.  vertritt  die  Ansicht,  dass  jede  Empfindung 
ursprünglich  mit  Gefühl  verbunden  ist,  wenn  es  uns  auch  infolge  der  Gewöhnung 
nicht  mehr  bewusst  wird.  Angeborene  Gefühle  gesteht  er  ebenso  wenig  zu  als  ge- 
mischte. Neben  der  Hauptgliederung  der  Gefühle  in  Lust  und  Unlust  teilt  er  die 
Gefühle  noch  nach  Intensität,  Dauer  und  Qualität  ein,  verweist  aber  selbst  darauf, 
dass  ihn  diese  Einteilung  nicht  ganz  befriedige,  jedoch  im  wesentlichen  als  aus- 
reichend bedünke.  Nach  ihrer  qualitativen  Verschiedenheit  ergeben  sich  ihm  a  parte 
potiore  körperlich-sinnliche  und  seelische  Gefühle,  die  seelischen  nach  Vorstellen, 
Denken  undWollen  als  die  ästhetischen,  intellektuellen  und  sittlichen,  denen  er  noch  die 
religiösen  anreiht.  Nach  Intensität  und  Dauer,  also  dem  Gefühlsverlauf:  Gefühle  im 
engeren  Sinne,  Affekte  und  Stimmungen.  Für  unseren  Bericht  hat  natürlich  vor 
allem  die  Besprechung  der  ästhetischen  Gefühle  die  grösste  Bedeutung,  wenn  auch 
in  der  Behandlung  der  körperlich-sinnlichen  nach  den  fünf  Sinnen  manches  An- 
sprechende, besonders  das  Eingehen  auf  Goethes  Farbenlehre,  zu  verzeichnen  ist. 
Z.  leugnet  die  Berechtigung  der  Kantschen  rigorosen  Scheidung  des  sinnlichen  Lust- 
gefühls vom  ästhetischen,  sieht  vielmehr  im  sinnlichen  Lustgefühl  den  Ausgangs- 
punkt und  ein  bleibendes  Ingrediens  des  ästhetischen  Gefühls;  der  Sinnenreiz  sei 
„sozusagen  der  Köder,  den  der  Gegenstand  auswirft,  um  daran  eine  ästhetische 
Wirkung  anzufügen."  Aber  freilich,  das  sinnlich  Angenehme  ists  nicht  allein,  es 
fragt  sich,  welcher  Art  von  Interesse  das  specifisch  Aesthetische  sei  und  auf  diesem 
Gebiete  den  Eintritt  und  die  Aufnahme  ins  Bewusstsein  herbeiführe.  Schon  bei  den 
körperlich-sinnlichen  Gefühlen  hat  der  Vf.  gezeigt,  dass  in  gewissem  Sinne  bei  Auge 
und  Ohr  der  Sinnenreiz  etwas  vom  Sinnlichen  abgestreift  habe  und  als  solcher  ästhetisch 
wirke:  „Je  höher  der  Sinn,  desto  ästhetischer  das  ihm  Angenehme."  Darum  habe  die 
Herbartsche  Schule  das  Formale  im  Unterschied  vom  Sinnlich-Stofflichen  beim  Schönen 
und  Hässlichen  angenommen,  ohne  jedoch  etwas  damit  zu  erreichen.  Z.  verwirft  die 
formalistische  Aesthetik  vollständig,  weil  sie  nur  eine  Topik  und  Vorschule  der 
Aesthetik,  nicht  diese  selbst  ist.  Einmal  gefällt  Regel  und  Symmetrie,  weil  sie  die 
Auffassung  des  zu  Betrachtenden  erleichtert  und  ermöglicht,  d&s  andere  Mal  missfällt 
sie,  wenn  sie  in  ewiger  Wiederholung  dem  Auge  schliesslich  nichts  mehr  zu  thun 
übrig  lasse,  daher  das  Reizlose  einer  zu  weit  getriebenen  Regelmässigkeit.  Aller- 
dings ist  die  Form  alles,  und  alles  kommt  auf  sie  an,  aber  die  Form  nicht  bloss  von 
aussen,  sondern  auch  von  innen,  die  Form  ganz,  nicht  losgelöst  von  dem,  an  dem 
sie  haftet,  von  dem  Inhalt,  dessen  Form  sie  ist.  Angemessenheit  der  Form  an  den 
Zweck,  an  das  Gattungsmässig- Typische  wird  allerdings  angenehm,  aber  das  genügt 
nicht.  Was  ästhetisch  wirken  soll,  darf  nicht  nur  auf  seine  Form  hin  angesehen, 
sondern  muss  als  Erscheinung  betrachtet  werden.  Damit  ist  einmal  die  Bildlichkeit 
und  Anschaulichkeit  des  ästhetisch  Wohlgefälligen,  zweitens  seine  Loslösung  vom 
bloss  Stofflichen  und  drittens  seine  symbolische  Bedeutung  ausgesprochen.  Diesen 
Symbolbegriff  bespricht  Z.  ganz  im  Sinne  Vischers,  ja  er  macht  die  anziehende 
Bemerkung,  man  könnte  die  symbolische  „Einfühlung"  zur  Erklärung  unserer  Freude 
an  bestimmten  Formen  heranziehen;  das  Ich  ist  das  Einheitsband  des  mannigfaltigen 
Bewusstseinsinhaltes,  unsere  Freude  an  der  Form  käme  dann  daher,  dass  wir  unsere 
Einheit  in  der  Mannigfaltigkeit  wiederfänden,  also  aus  dem  Einfühlen.  Z.  wirft 
diesen  Gedanken  nur  hin,  ohne  ihn  weiter  zu  verfolgen,  weil  man  mit  der  gewöhn- 
lichen Erklärung,  dass  die  Form  rein  sinnlich  das  Anschauen  erleichtere,  sein  Aus- 
kommen findet.  Immerhin  verdient  dieser  Gedanke  allgemeine  Beachtung;  denn  je 
einheitlicher  das  Erklärungsprinzip  ist,  desto  grössere  Bedeutung  gewinnt  es;  ja 
Carriere  nennt  dieses  Prinzip  in  seiner  zustimmenden  Besprechung  geradezu  den 
„Ursatz  der  Aesthetik".  Mit  der  Einfühlung  wird  uns  auch  das  Erhabene  klar,  das 
Z.  scharf  entwickelt,  nur  möchte  ich  ihm  widersprechen,  dass  das  Erste  im  Gefühl 
des  Erhabenen  Unlust,  erst  das  zweite  Lust  sei,  Unlust  das  Gefühl  des  Bewältigt- 
werdens, Lust  das  Gefühl  des  trotzdem  Bewältigens.  Allerdings  wäre  dann  das  Er- 
habene jenes  ästhetische  Gefühl,  das  am  wenigsten  sinnlich,  am  stärksten*  geistig  ist. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  741 

Die  Sache  lieg-t  aber  vielleicht  anders.  Die  Lust  muss  sich  sofort  einstellen,  wenn 
wir  ästhetisch  fühlen  sollen;  denn  solang-e  wir  das  Erhabene  unangenehm  als  ein  uns 
Ueberwältigendes  fühlen,  sind  wir  nicht  ästhetisch  thätig-.  Wer  beim  Anblick  der 
Gletscherwelt  oder  des  Meeres  Unlust  fühlt,  der  wird  nie  mehr  dazu  kommen,  Lust  zu 
fühlen;  er  wird  höchstens  durch  Gewöhnung  abgestumpft  gegen  die  Unlust;  soll  er 
das  Erhabene  ästhetisch  fühlen,  so  muss  er  sich  sogleich  hineinfühlen  können,  seine 
Kraft,  sein  Ich  darin  wiederfinden,  sonst  muss  sich  das  Grauen  einstellen.  Man  sagt 
von  einem  majestätischen  Wasserfall  nicht  „furchtbar",  aber  trotzdem  „schön",  sondern 
„furchtbarschön".  Sollen  wir  uns  den  Verlauf  des  psychischen  Vorgangs  beim  Er- 
habenen etwa  so  vorstellen,  wie  Z.  (S.  100)  den  Uebergang  von  Lust  zu  Unlust  bei 
allmählich  sich  verstärkenden  Temperatureindrücken  schildert:  nicht  ein  Hindurchgehen 
durch  einen  Nullpunkt,  sondern  ein  Oscillieren  von  Unlust  und  Lust  mit  allmählichem 
Ueberwiegen  der  Lust?  Nach  Z.  können  wir  nicht  etwa  das  gewöhnliche,  sondern 
das  Maximum-  und  Minimum-Thermometer  zum  Vergleich  herbeiziehen.  Gemischte 
Gefühle  leugnet  er,  oder  vielmehr  er  nimmt  nur  scheinbar  einfache  Gefühle  an, 
während  das  Gefühlganze  „in  Wahrheit  immer  ein  gemischtes"  sein  werde.  Beim 
Erhabenen  spricht  er  von  der  schliesslichen  Ueberwindung  des  zwiespältigen  Gefühls 
und  seinem  Zusammenschliessen  zur  Einheit.  Zwiespältiges  Gefühl?  wodurch  unter- 
scheidet es  sich  vom  gemischten?  haben  wir  auch  nur  einen  raschen  Wechsel  von 
einem  zum  andern,  ein  „Oscillieren"  der  Gefühle  anzunehmen?  Das  sagt  Z.  nicht. 
Beim  Verlaufe  des  Tragischen,  wie  ihn  Z.  schildert,  kommt  es  eigentlich  gar  nicht 
zum  Unlustgefühl,  das  Lustgefühl  an  dem  Helden  bleibt  ti'otz,  ja  wegen  seines  Leidens. 
Z.  scheint  mir  hier  auf  dem  richtigen  Wege,  den  er  sich  beim  Erhabenen  selbst  ver- 
rammelt. Ich  hebe  aus  der  Betrachtung  des  Tragischen  noch  die  Behandlung  der  tra- 
gischen Schuld  hervor,  die  Z.  in  der  Nichtanerkennung  der  Relativität  alles  Endlichen 
entdeckt.  Im  Abschnitt  über  die  intellektuellen  Gefühle  geht  Z.  auf  die  Phantasie  ein, 
die  er  natürlich  nicht  für  ein  besonderes  Seelen  vermögen  hält,  sondern  als  einen  „Sammel- 
namen für  eine  Reihe  von  Reproduktionen,  unter  denen  die  Ideenassociation  die  primi- 
tivste und  die  unwillkürlichste  ist"  bezeichnet.  Die  Phantasie  ist  immer  reproduktiv, 
auch  wo  sie  wirklich  fruchtbar  und  schöpferisch  erscheint,  wie  in  der  kombinierenden. 
Das  Walten  der  Phantasie  in  Schlaf  und  Traum,  in  der  Ideenassociation  oder  im  Ge- 
stalten der  Kunst  und  Poesie  ist  immer  viel  mehr  gefühlsmässig  als  mechanisch ;  das 
führt  Z.  überzeugend  aus.  Alle  seine  wohldurchdachten  Abschnitte  bieten  Anregendes, 
zum  Nachprüfen  Aufforderndes,  aber  hier  kann  nur  das  für  die  Aesthetik  Wichtige 
erwähnt  werden,  so  aus  dem  Kapitel  über  die  Stimmungen,  die  mich  nicht  ganz  be- 
friedigende Behandlung  des  Humors,  in  der  er  ausführlicher  als  in  seiner  Schrift 
über  Vischer  (s.  0.  N.  21)  den  naiven  Humor  bestreitet,  weil  er  im  Humor  immer 
ein  Zeichen  von  „Gebrochenheit"  sieht;  aus  dem  Kapitel  über  die  unwillkürlichen 
Gefühlsäusserungen  hat  die  Ausführung  über  Mimik  Wichtigkeit;  unter  den  will- 
kürlichen steht  obenan  die  Sprache,  für  die  durch  Betonung  des  Gefühls  manches  zu 
gewinnen  ist;  sehr  bedeutsam  erscheinen  mir  jene  Stellen  (bes.  S.  232),  wo  von  dem 
Streben  der. Rede  gehandelt  ist,  nicht  nur  Vorstellungen,  Begriffe,  Gedanken  mitzu- 
teilen, sondern  im  Hörer  das  im  Redenden  waltende,  ihn  zum  Reden  treibende 
Gefühl  zu  erwecken.  Hier  giebt  Z.,  ohne  es  zu  sagen,  eine  Schilderung  der  dichte- 
rischen Rede  gegenüber  der  prosaischen.  Das  Spiel  nennt  Z.  sehr  richtig  nicht  wie 
W'undt  ein  Kind  der  Arbeit,  da  vielmehr  die  Arbeit  das  Kind  des  Spieles  ist.  Zum 
Spiel  zählt  der  Vf.  auch  den  Witz,  den  er  als  Ausdruck  eines  treffenden,  blitz-  und 
schlagartigen,  überraschenden  Denkens  bezeichnet.  Mit  dem  Spiel  verwandt,  aber 
doch  verschieden  ist  eine  weitere  willkürliche  Gefühlsäusserung:  die  Kunst;  auch 
über  sie  spricht  Z.  sehr  bedeutsam,  vor  allem  hebt  er  treffend  hervor,  dass  der 
Künstler  aussprechen  wolle,  was  Er  gesehen,  wie  sich  Ihm  Welt  und  Leben  darstellt, 
aber  er  muss  doch  sehen,  dass  er  verstanden  werde,  damit  er  auch  in  anderen  sein 
Gefühl  weckt;  da  nun  die  richtige  Linie  zu  finden,  „das  allzu  Individuelle  preiszugeben 
und  auszuscheiden,  das  rein  Menschliche  herauszuarbeiten  und  es  doch  nicht  zum 
Abstrakten  und  gattungsmässig  Uninteressanten  abzuschwächen  und  zu  verflüchtigen", 
ist  die  Thätigkeit  des  kritisch  sichtenden  Verstandes  nötig,  wobei  Z.  nur  vergisst, 
dass  der  wahre  Künstler  das  richtige  Gefühl  für  diese  Linie  haben  wird.  Der  Künstler 
bedarf  der  Technik,  die  erlernt  werden  kann,  er  muss  sich  aber  in  seiner  Kunst  so 
bethätigen,  als  ob  er  der  erste  und  der  letzte  wäre,  der  der  Natur  und  dem  Leben 
das  Geheimnis  ihrer  Erscheinung  abzulauschen  hätte.  Darauf  beruht  die  Freiheit 
von  Regel  und  Gesetz:  „gebunden  in  allem,  was  Sache  der  Technik  ist,  gebunden  an 
die  Schranken  (nicht:  Gesetze)  seiner  Kraft  und  des  Stoffs,  in  dem  diese  zu  arbeiten 
hat,  gebunden  an  Zeit  und  Ort,  in  denen  es  lebt  und  schafft,  ist  es  als  geniales 
Individuum  frei  und  ungebunden  im  vollsten  Sinne  des  Wortes."  Ich  glaube,  diesen 
Satz,  so  hübsch  er  ausgedrückt  ist,  wird  man  nur  mit  einer  gewissen  Einschränkung 
zugeben,    da   gerade    das  Genie   sich   durch  Erweiterung    der    technischen  Grenzen 


I  12  :  75-76a  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

auszuzeichnen  pflegt  oder  eine  solche  Erweiterung-  wenigstens  energisch  anstrebt;  in 
diesem  Sinne  müsste  Z.s  Satz  einen  Zusatz   erfahren.     Von  den  Künsten  rechnet  Z. 
die  Architektur,    „die   vornehme    Schwester   des   Kunstg-ewerbes",  zu    den   unfreien, 
Malerei  und  Plastik,  Musik  und  Poesie  zu  den  freien.    Von  der  Plastik  sagt  er,  ihre 
Aufg-abe  bestehe  „vor  allem  in  der  Verherrlichung  des  menschlichen  Körpers  durch 
die  Form,   in  der  organischen  Durchbildung-  desselben  als  des  Trägers  einer  darzu- 
stellenden plastischen  Idee";  bei  der  Musik  nimmt  er  Stellung  gegen  „die  formalistische 
Auffassung  K.  Köstlins,   Hanslicks  u.  a.,  weil  er  in  ihr    „die  Kunst  des  Gefühls  im 
eminenten  Sinne"  sieht,  die  ohne  weitere  Vermittlung  der  Bilder  oder  Vorstellungen 
durch  Töne  Gefühlen  Ausdruck  gebe  und  Gefühle  hervorrufe;  bei  der  Poesie  erhebt 
er  besonders  mit  Rücksicht  auf  das  Drama  Einwendungen  gegen  Valentins  Einteilung 
der  Poesie  in  lyrische,   epische  und  reflektierende  (vgl.  JBL.  1892  I  11:108).     Das 
Kunstverständnis  fasst  Z.  ähnlich  wie  Groos  (vgl.  JBL.  1892  111:  37)  als  ein  inneres 
Nachahmen  des  äusserlich  Gegebenen,  das  ästhetische  Geniessen  als  eine  innere  Nach- 
ahmung.  Dabei  kommt  er  aber  meines  Erachtens  mit  sich  selbst  in  Widerstreit,  wenn 
er  (S.250)  sagt:  „Je  gewaltiger  ein  Kunstwerk  ist,  desto  zwingender  und  überwältigender 
ist  seine  Wirkung;  es  nötigt  uns  sozusagen  in  seine  Bahn  und  Richtung,  wir  müssen 
folgen,  müssen  im  Bilde  dasselbe  nachdenken,  was  der  Künstler  vorgedacht,  infolge- 
dessen auch  nach-  und  mitfühlen,  was  er  gefühlt  hat.    Das  ist  die  Verständlichkeit 
und  Klarheit   eines  Kunstwerkes."     Nach  Z.s   beim  Erhabenen  entwickelten  Ansicht 
wäre  also  die  erste  Wirkung  eines  „gewaltigen"  Kunstwerks  ein  Unlustgefühl;  denn 
ein  Ueberwältigt-,  Gezwungenwerden  erregt  unsere  Unlust,  und  gerade  darin  soll  die 
Verständlichkeit  und  Klarheit  des  Kunstwerks  bestehen.    Z.  hätte  vorsichtiger  sagen 
können,  je  gewaltiger  ein  Kunstwerk  ist  —  den  Ton  auf  Kunst  gelegt  —  desto  mehr 
werde  es  das  Nachdenken  und  damit  das  Nachfühlen  erleichtern,   dem  hätte  jedoch 
die  Erfahrung   widersprochen ;   wie  er  jetzt  die  Sache  dargestellt  hat,    müssten  wir 
wieder  Lust  aus  Unlust  oder  mindestens  Lust  trotz  (anfänglicher)  Unlust  annehmen, 
was  aber  besonderes  Eingehen  erfordert  hätte.     Das  Wesen  der  Kunst  sieht  er  im 
Können,  aber  nicht  in  der  blossen  Technik,  die  man  zu  lernen  vermag.     Unter  den 
„Abwegen  der  Kunst"   bespricht   er  nur  die  allegorisierende  und  die  einseitig  aufs 
Hässliche  gerichtete  Kunst  und   verurteilt  (S.  255)  Ibsens  Vorliebe,   „an  Stelle  von 
sittlich  zu  beurteilenden  Handlungen   und  Menschen  pathologische  Probleme  zu  be- 
handeln."   Sehr  beachtenswert  ist  das,  was  Z.  über  die  Erziehung,  zumal  das  Interessant- 
machen des  Unterrichts  ausführt;  da  er  gezeigt  hat,  dass  nur  stark  durch  Gefühl 
Betontes  in  unser  Bewusstsein  kommt,  das  Gefühl  geradezu  der  Pass  ins  Bewusstsein 
ist,    kann    er  nachdrücklich    hervorheben,    dass   im  Unterrichte    dem  Gefühle  mehr 
Rechnung  getragen  werden  solle,  als  gewöhnlich  geschieht;  ja  Z.  verlangt  geradezu 
ein  stärkeres  Wecken  des  ästhetischen  Sinnes  bei  der  Jugend  als  durch  die  „vielfach 
so  äusserlich  und  mechanisch"  betriebene  Religion  und  den  Patriotismus.    Aus  dem 
ganzen  Buche  geht  der  klare  Sinn  und  die  feine  Geistes-  wie  Herzensbildung  hervor, 
die  Z.  in  jedem  seiner  Werke  bewiesen  hat;  es  ist  erfreulich,  dass  er  wohl  andeutet, 
wie  man  auf  seinem  Wege  leicht,  nur  zu  leicht  ins  Metaphysische  gelangen  könnte, 
dass  er  aber  mit  voller  Absicht  innerhalb  des  „verhältnismässig  sicheren  Ports  der 
Psychologie"  bleibt.     Er    bekennt  sich  zum  Schlüsse  als  Pantheist,    darum    kann  er 
aber  weder  im  Panlogismus  Hegels,  noch  im  Schopenhauer-Wundtschen  Panthelismus 
und  Voluntarismus,  noch  endlich  in  einem  ihnen  an  die  Seite  zu  stellenden  Panästha- 
nismus  Befriedigung  finden,  weder  Denken,  noch  Wollen,  noch  Fühlen  allein  als  Welt- 
grund setzen, sondern  endet  lieber  mit  Montaignes  „Que  sais-je?"  "»^'^^^^  —  Kratz''^)lässt 
seiner  Einteilung  der  Gefühle''^'')  die  Besprechung  jenes  Teils  folgen,  den  Ziegler  „Ge- 
fühlsäusserungen",   er    „Ausdruck  der  Gefühle"  nennt,  also  die  unwillkürlichen  und 
willkürlichen  Darstellungen  des  in  uns  Erregten.     Der  Vf.  giebt  eine  Beschreibung 
einiger  solcher  Aeusserungen,  ohne  nach  Vollständigkeit  zu  streben,  und  ruft  mehr 
den  Eindruck  der  Verwirrung  als  der  Klarheit  hervor,  weil   er  die   bunte  Mannig- 
faltigkeit nicht  zu  meistern  versteht  und  durch  seine  schier  endlosen  Perioden  mit 
zahlreichen  Zwischensätzen,  Einschränkungen  und  Erweiterungen  die  Unruhe  noch 
steigert.   Er  nimmt  neben  Lust-  und  Unlustgefühlen  auch  neutrale  Gefühle,  die  weder 
angenehm   noch    unangenehm    oder  je   nach    der  Veranlassung  in  dem  einen  Falle 
angenehm,   im  anderen  unangenehm    sein   können.    Dies   widerstreitet   der  Ansicht 


erhebt  einige  Einwendungen  gegen  d.  Gefühl  als  Kultarfaktor,  berfthrt  aber  d.  Aesthetische  nicht.)  —  75)  X  M.  Diez,  Theorie 
d.  Gefühls  (vgl.  JBL.  1892  I  11:64).  UM.  Dessoir:  DLZ.  S.  245  (zustimmend);  LCBl.  S.  4/5;  Grenzb.  2,  S.  476/7.]|  — 
75a)  O  G.  Gerber,  D.  Ich  als  Grundlage  unserer  Weltanschauung.  B.,  Gärtner.  YII,  429  S.  M.  8,00.  |[H.  Rickert: 
DLZ.  8.  1381,2;  LCBl.  S.  1379.]|  —  75b)  X  Alfr.  Lehmann,  D.  Hauptgesetze  d.  menschl.  Gefühlslebens.  E.  experiment 
n.  analyt.  Untersuchung  über  d.  Natur  u.  d.  Auftreten  d.  Gefühlszustände  nebst  e.  ßeitr.  zu  deren  Systematik.  Mit  e. 
Farbendr.  u.  5  photolith.  Tuf.  V.  d.  kgl.  dänischen  Ak.  d.  Wissensch.  mit  d.  gold.  Medaille  preisgekröntes  Werk.  Unter 
Mitwirk.  d.  Vf.  übersetzt  v.  F.  Bendixen.  L..  Reisland.  X,  356  S.  M.  8,00.  |[LCB1.  S.  939-40;  Th.  Ribot:  RPhilos.  35, 
S.  213/8.JI  —  76)  H.  Kratz,  D.  Ausdruck  d.  Gefühle.  E.  ästh.  Studie.  Vortr.  Gütersloh,  Bertelsmann.  12».  48  S  M.  0,60. 
|[ThLB.  14,  S.  122.JI    —    76a)    id.,   Aesthetik  (JBL.  1891  I  3:57).     |[E.  Adickes:   DLZ.  S.  2i9-31   (tadelndj;    Ch.  Wirth: 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  77-85 

Zieglers  und  steht   auch  mit    der  Erfahrung-  im  Widerspruch,     In    den  g-emischten 
Gefühlen  sieht  K.  wie  Zieg"ler  nur  einen  schnellen  Wechsel  zweier  Gefühle,  denn  auch 
er  hebt  hervor,  dass  man  nie  zwei  Gefühle  zu  g-leicher  Zeit  haben,  sich  zweier  Gefühle 
g-enau   in    demselben  Zeitmoment   bewusst    sein   kann.     Hat  Zieg-ler  die  Reihenfolge 
Denken,  Wollen,   Fühlen  aufg-estellt,   bei  K.  steht  das  Fühlen  zwischen  Denken  und 
Wollen  als  eine  Sphäre   unseres  Daseins,   in  der  unser  Geist  „verhältnismässig-  aus- 
ruht", als  „dem  stillen,  tiefen  See  gleichsam",  in  den  beständig-  Ströme  des  Denkens 
einmünden  und  von  dem  Ströme  des  Wollens  auslaufen.     Fehlt  auch  die  g-erade  bei 
der  Einteilung-  des  Vf.  so  notwendig-e  Andeutung-,    wieso    Gefühlsäusserung-en  über- 
haupt mög-lich  sind,  so  vermag-  das  Heft  seinen  Zweck  immerhin  zu  erfüllen,  es  will 
ja  nur  zu  einer  Beobachtung-  der  Gefühlsäusserung-en  anreg-en""'"''^'»).  —  Den  Unter- 
schied des  „Menscheng-eistes"  von   der  „Tierseele"  sieht  Kratz  im  Bewusstsein  dort, 
dem  Unbewussten  hier,  während  Zieg-ler  viel  vorsichtig-er  über  die  Gefühle  der  Tiere 
spricht.     Ein  Anonymus'**)    zählt    einig-e    der   bekanntesten  Thatsachen   auf,    die   als 
Rudimente  relig-iöser  und  ästhetischer  Gefühle  bei  den  Tieren  g-elten  können.    Hervor- 
gehoben sei  der  Satz,  dass  die  Tiere  das  Unbelebte  beleben,  das  wäre  gewiss  eine 
Einfühlung  im  Sinne  Vischers,  oder  gar  Bieses,  der  im  Metaphorischen  den  eigent- 
lichen  dichterischen    Prozess    gesehen    hat    (s.    u.    N.  107). '^^'^Oj    _   Dqj,    bekannte 
Wiener   Pädagoge    Dittes^')   legt   seine    Preisschrift   aus   dem   J.    1852    über    „das 
menschliche  Bewusstsein"  ^2),  zum  weitaus  grössten  Teil  vollständig  umgearbeitet,  neu 
vor;  er  zielt  darin  zufolge  der  Preisaufgabe  wie  eigener  Vorliebe  auf  eine  Verwertung 
der  Psychologie  für  die  Pädagogik  ab.     Wenn  er  freilich  in  der  Vorrede  behauptet, 
er  habe  „hin  und  wieder"  einige  Bemerkungen  einfliessen  lassen,  „zu  denen  der  Vf. 
erst   durch  Erscheinungen    der  Neuzeit   und   der  Gegenwart  veranlasst   wurde",    so 
deutet  er  nicht  etwa  auf  Verwertung  der  neueren  Psychologie  hin,  diese  hat  er  viel- 
mehr vollständig  unbeachtet  gelassen,  was  recht  bedenklich  ist.    Ganz  im  Gegensatze 
zu  Ziegler  und  Kratz  geht  er  bei  der  Bestimmung  des  Gefühls  von  der  Behauptung 
aus,  es  müssten  uns  zwei  Empfindungszustände  „zugleich"  bewusst  sein,    damit  ein 
Gefühl  zu  Stande  kommen  könne.    Gefühl  ist  ihm  „nichts  anderes,  als  das  Bewusstsein 
des  Unterschiedes  zwischen  zwei  zugleich  erregten   und  unter  sich  vergleichbaren 
affektiven  Seelengebilden."    Wenn  ich  mir  am  Ofen  die  kaltgewordenen  Hände  wärme, 
um    dies  Beispiel  Zieglers   anzuwenden,    so  müsste  nach  D.    die  Kälte-    und  Hitze- 
empfmdung  zugleich   in  mir    bewusst  werden,    damit  ich   ein  Gefühl  habe.     Ziegler 
nimmt  im  Gegensatze  zu  Wundt  hier  nicht  ein  allmähliches  Abnehmen  der  Unlust 
über  die  Kälte  bis  zum  Nullpunkt  und  dann  ein  allmähliches  Zunehmen  der  Lust  an 
der   Wärme   an,    sondern   einen   Zustand    des    anfangs   spärlichen,    dann    rascheren 
Oscillierens  von  Unlust  und  Lust,  immer  aber  ein  Nacheinander;  und  er  befindet  sich 
dabei  mit  anderen  Psychologen  in  Uebereinstimmung.    An  allen  solchen  Fragen  ist 
D.  achtlos  vorübergegangen,  er  weiss  nichts  vom  Doppel-Ich,  das  doch  eine  so  grosse 
Rolle  spielt;  die  modernen  Theorien  der  Suggestion,  des  Hypnotismus  etc.  werden  nicht 
einmal  gestreift,  und  so  macht  der  ganze   biedere  Aufsatz   einen   etwas   verstaubten 
Eindruck.  —  Dem  Verhältnis  der  Aesthetik  zur  Pädagogik^'*"^^»)  ist  der  zweite  Auf- 
satz   von  Dittes^*)    gewidmet,    d.  h.    es  werden   zuerst   die    wichtigsten  Seiten    der 
Aesthetik  nach  ihrem  psychologischen  Wesen  entwickelt  und  dann  die  pädagogische 
Bedeutung  des  Aesthetischen  dargelegt.     Für  die  Zeit  ihres  Entstehens  (1853)  bean- 
sprucht die  Schrift  allerdings.  Wichtigkeit,   indem  sie  sich  bemüht,  das  Aesthetische 
als  ein  Psychologisches  naturwissenschaftlich  zu  beschreiben,   gegenwärtig  erscheint 
sie  aber  vielfach  überholt;  da  lesen  wir   vom  Ur vermögen,   vom  Objektivieren  einer 
Idee  im  Kunstwerk,  die  Seele  fühle  sich  von  der  Natur  oder  von  Kunstwerken  „be- 
geistiget",  von  dem  in  ihnen  gefundenen  Geist  durchweht,  sie  „empfinde"  den  „Geist 
der  Natur  oder  der  Kunstwerke"  (S.  88),  die  aufrechte  Stellung  des  menschlichen 
Organismus  weise   „auf  des  Menschen  höhere  Bestimmung  hin",   die  Bekleidung s^) 
sei  „bestimmt,  die  bloss  tierischen  Teile  zu  verhüllen  und  hierdurch  das  Edlere,  den 
Geist  Abspiegelnde,    namentlich  das    freie  Antlitz    schärfer   hervortreten   zu  lassen." 
Solcher,  leicht  misszuverstehender  Aussprüche  giebt  es  viele  bei  D.  Doch  kann  nicht 


BB6.29,  S.  118/9.];  —  77i  O  H.  F.  Walsemann,  D.  Empfinden:  Paedjigoginm  15,  S.  145-56,  242-53.  —  77a)  O  0.  Flügel, 
lieber  Gefühl  und  Affekt:  ZExalctPhilos.  19,  S.  349-71.  —  77b)  O  H.  K.  H.  Delff,  Philosophie  d.  Gemüts.  Begründung  u. 
Umriss  d.  Weltanschauung  d.  sittlich-relig.  Idealismus.  Husum,  C.  F.  Delff.  VII,  309  S.  M.  6,00.  —  78)  Aesthetik  u.  Re- 
ligion bei  Tieren:  FrB.  4,  S.  838-41.  (Nach  e.  Aufsatze  v.  Jean  d'Ault  in  d.  „Revue  des  Revues".)  —  79)  o  H.  Scham 
[—Puder],  D.Leidenschaft  in  d.  Kunst:  DresdenerBll.  N.  9.  —  80)  X  W.  v.  Polenz,  Leben  u.  Tod  in  d.  Kunst:  FrB.  4, 
S.  1245/8.  (Unbedeutende  Erwägungen  über  d.  ästhet.  Wert  v.  Leben  u.  Tod  mit  e.  paar  Winken  über  d.  verschiedene  Ver- 
halten d.  Antike  u.  d.  Neuzeit.)  —  81)  F.  Dittes,  Ges.  Schriften.  In  zwangl.  u.  selbständ.  Heften.  1.  Heft.  L.,  Klinkhardt. 
XIV,  163  S.  M.  2,40.  |[Paedagogiura  15,  S.  803.]|  —  82)  id.,  D.  menschliche  Bewusstsein,  wie  es  psychologisch  zu  erklären 
u.  pädagogisch  auszubilden  sei.  Gekr.  Preissohrift.  (=  N.  81,  S.  1-58.)  —  83)  O  0.  Foltz,  Einige  Bemerkungen  über  d. 
Aesthetik  u.  ihr  Verhältnis  zur  Päd.:  DBllEU  20,  S.  269-72,  277-80,  285/9,  293/8.  -  83a)  X  J-  Bappold,  F.  Qassner,  D. 
ästhet.  Moment  (vgl.  JBL.  1892  I  11:47):  ZOG.  44,  8.  854/5.  (Sehr  anerkennend.)  —  84)  F.  Dittes,  D.  Aesthetische  nach 
seinem  Grundwesen  u.  seiner  päd.  Bedeutung.  Gekr.  Preisschrift.  (=  N.  81,  S.  59-163.)  —  85)  X  D.  Grundsätze  d.  Schön- 
Jahiesbericht«  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.   IV.  24 


I  12:86-93  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

geleugnet  werden,  dass  manches  klar  und  ansprechend  entwickelt  ist,  wenn  es  auch 
der  tieferen  Durchdringung-  ermangelt.  Von  den  drei  wichtigen  Begriffen  des  An- 
mutigen, Schönen  und  Erhabenen  ist  nur  im  allgemeinen  die  Rede,  das  Tragische, 
Komische,  Humoristische  etc.  vermissen  wir  vollständig,  so  dass  die  Darstellung 
vielfach  lückenhaft  erscheint.  In  dem  besonderen  Teil  findet  sich  mancher  beherzigens- 
werte Wink,  manche  Anregung  für  den  Pädagogen,  einiges  freilich  ist  schon  Gemein- 
gut der  öffentlichen  Erziehung  geworden,  woran  gerade  D.  selbst  eifrig  und  erfolg- 
reich mitgearbeitet  hat.^^-Qo^  — 

Am  wichtigsten  erscheint  mir  an  seinem  Versuche,  dass  Dittes  auch  auf  das 
künstlerische  Schaffen  eingeht,  das  immer  mehr  in  den  Mittelpunkt  der 
ästhetischen  Forschung  rückt.  Besonders  eingehend  und  fördernd  hat  jetzt  von  Haus- 
eg.g.(3j.9i-93j  (Jas  künstlerische  Schaffen  zu  erforschen  gesucht,  nicht  das  Schaffen  in 
irgend  einer  bestimmten  Kunst;  denn  ihm  erscheint  alle  Produktion  wesentlich  gleich. 
Er  stellt  einzelne  Zeugnisse  zusammen,  aus  denen  wir  für  einzelne  Künstler  die 
Weise  des  Schaffens  entnehmen  können,  hat  aber  die  schon  vorhandene  Litteratur 
über  diese  Frage  nicht  ausgenutzt,  wohl  weil  es  ihm  nur  auf  Beispiele  ankam,  denn 
sonst  citiert  er  sehr  fleissig.  H.  sucht  nun  aber  nach  Zuständen,  jenen  ähnlich,  die 
wir  beim  Künstler  bemerken,  um  an  ihnen  studieren  zu  können.  Die  grösste 
Aehnlichkeit  zeigt  der  Traum,  dessen  Wesen  im  Unterschied  vom  Wachen  der  Vf. 
aus  dem  Verstummen  der  Sinne  folgert.  Dem  Bewusstsein  werden  keine  Eindrücke 
zugeführt,  die  Sinne  vermitteln  höchstens  zufällig  Eindrücke,  die  im  Traum  ver- 
arbeitet werden.  Im  Wachen  waltet  die  Aufmerksamkeit  und  lässt  nur  eine  be- 
stimmte Menge  von  Eindrücken  im  Blickfeld  des  Bewusstseins,  weil  sie  bestimmte 
Zwecke  verfolgt;  trotzdem  gehen  die  Eindrücke  nicht  verloren,  die  gleichsam  ausser- 
halb des  Blickfelds  eindringen,  sie  bleiben  nur  unbewusst.  Im  Schlaf  hat  mit 
den  Sinnen  die  von  Absichten  ausgehende,  auf  Zwecke  gerichtete  Aufmerksamkeit 
des  Tages  ihre  Thätigkeit  eingestellt,  das  im  W^achen  laut  gewesene  Vorstellungs- 
gebiet „versinkt",  und  ein  anderes,  aus  jenem  Unbewussten  schöpfendes  tritt  an  seine 
Stelle.  Das  „Ich"  des  Traumes  ist  also  ein  anderes  als  das  „Ich"  des  Tages.  H. 
leugnet  den  traumlosen  Schlaf,  wenn  es  uns  auch  so  vorkommt  als  träumten  wir 
nicht  immer;  wir  müssen  bedenken,  dass  ein  anderes  Ich  als  das  Traum-Ich  sich  des 
Traumes  erinnern  soll.  Auch  im  Schlaf  sind  wir  nicht  frei  von  Vorstellungen,  nur 
haben  diese  mit  unserem  wachen  Ich  wenig  oder  gar  nichts  zu  schaffen  und  unterscheiden 
sich  von  den  Vorstellungen  des  Tages  dadurch,  dass  ihnen  das  Streben  nach  Zwecken 
fehlt.  Der  Vf.  glaubt,  im  Wachen  würden  wir  von  unseren  Sinnen  zu  Vorstellungen 
genötigt,  seien  also  im  wesentlichen  rezeptiv,  während  mit  dem  Einschlafen  der 
Sinne  der  Zwang  aufhöre,  und  wir  wesentlich  produktiv  würden.  Die  im  Tagesleben 
von  Absichten  und  Zwecken  in  Anspruch  genommenen  „und  an  die  diesen  dienenden, 
geläufigen  Vorstellungen"  gebundene  Aufmerksamkeit  wird  gleichsam  frei,  und  dieser 
„Ueberschuss  an  Aufmerksamkeit"  bethätigt  sich  nun  in  einem  nur  von  unseren 
Empfindungen  beeinflussten  freien  Spiele.  Dies  Spiel  benutzt  „den  unermesslichen 
Vorrat  von  Vorstellungen,  welche  in  unserer  Seele  aufgespeichert  sind,  des  belebenden 
Hauches  harrend,  um  ins  Leben  zu  springen."  Denselben  Unterschied  wie  zwischen 
dem  wachen  Zustand  und  dem  Traum,  dass  dort  das  Vorstellungsleben  unter  einem 
eigentümlichen  Zwange  steht  und  auf  einen  gewissen  Kreis  von  Vorstellungen  be- 
schränkt ist  zufolge  einer  „Auswahl"  für  die  Aufmerksamkeit,  während  sich  hier  im 
Traum  das  Vorstellungsleben  Empfindungen  anderer  Art  zu  Gebote  stellt,  zufällige 
Reize,  Rückwirkungen  funktioneller  Vorgänge  im  Körper  usw.  vom  Zwange  des 
Denkens  ganz  befreit  oder  mindestens  ihm  nicht  mehr  in  seiner  ganzen  Gliederung 
unterworfen  ist,  denselben  Unterschied  findet  der  Vf.  wieder  zwischen  dem  wachen 
gesunden  Zustand  und  dem  Wahnsinn.  Aber  „während  im  Traum  an  die  Stelle  der 
gewöhnlichen  Vorstellungen  solche  treten,  welche  ihren  Grund  in  Vorgängen  haben, 
deren  Einwirkungen  durch  das  Tagesleben  übertäubt  werden",  macht  sich  im  Wahn- 
sinn „neben  dem  Vorstellungsleben  des  Tages  ein  diesem  fremdes,  aber  auch  inneren 
Vorgängen  entsprungenes  bemerkbar,  in  jenes  übergreifend  und  es  verwirrend"; 
den  Wahnbildern  wird  die  gleiche  Bedeutung  beigemessen  wie  der  Wirklichkeit. 
Es  tritt  also   eine  Verwechslung  ein,   ein  wirkliches  Irren.     Auch   im  Hypnotismus 


heitsharmonie  in  d.  Daraentoilette :  KZg.  N.  99-100.  —  86)  X  ^-  ^h.  Sharp,  The  aesthetic  element  in  raorality  and  its  place 
in  a  utilitarian  theory  of  morals.  B.,  Mayer  &  Müller.  III,  131  S.  M.  3,00.  |[LCB1.  S.  1260;  C.  Chahot:  RPhilo8.  36, 
S.  652/9.] I  (Handelt  v.  d.  ästhet.  Erziehung  u.  d.  Bedeutung  d.  ästhet.  Wohlgefallens  für  d.  Sittliche.  D.  interessante  Schrift 
streift  nur  unser  Gebiet.)  —  87)  O  F.  Van  de  rem,  La  Croix,  le  Bien  et  le  Beau:  RPL.  1,  S.  30/1.  —  88)  O  P-  Talon, 
A.  Laveille,  L'Eglise  et  les  Belles-Lettres  [Lyon,  Vitte;  Paris,  Vic  et  Amat.  1892J:  PolyhiblU  67,  S.  421/2. -^  89)  O  (14:605.) 
|[RPL.  Suppl.  S.  4.]|  —  90)  X  Herrn.  Ritter,  D.  höchste  Kunst.  Lebensbetrachtungen.  Bamberg,  Handelsdr.  XIV,  130  S. 
M.  2,00.  (Ansprechende  Betrachtungen  e.  Gebildeton  über  d.  „Lebenskunsf.l  —  91t  F.  v.  Hausegger,  D.  Jenseits  d. 
Künstlers.  Wien,  Konegen.  XII,  311  S.  M.  4,00.  |[B.  Waiden:  WienAbendpost.  N.  128.]|  ~  92)  X  i<l-.  Künstlerisches  Schaflfen  : 
Heimgarten  N.  7.  —  92a)  O  id.,  Aesthetik  y.  Innen:  BayreuthBll.  16,  S.  327-38.  —  93)  X  M.  Necker:  D.  Jenseits  d. 
Künstlers:   BLU.  S.  339-41.    (Zustimmende  Bespr.   t.  N.  91    u.   von   A.  Freybe,   D.  ethische   Oehalt   in   Qrillparzers  Werken 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte,  I  12:93 

und  in  der  Suggestion  begegnen  uns  ähnliche  Zustände;  aber  während  im  Traum 
das  Einschlafen,  im  Wahnsinn  eine  Störung  des  Organismus  die  Ursache  der  Um- 
gestaltung ist,  wirkt  hier  ein  fremder  Wille  wesentlich  gleich.  In  allen  diesen  Zu- 
ständen zeigt  sich  die  Phantasie,  d.  h.  das  produktive  Gedächtnis  thätig.  Darin 
ähnelt  nun  das  Kunstschaffen.  Der  Vf.  trennt  es  genau  vom  Forschen  des  Gelehrten, 
das  er  auch  wieder  als  rezeptiv,  wenigstens  passiv  bezeichnet,  weil  es  ihm  nur  auf 
ein  Nachschaffen  des  Vorhandenen,  nicht  auf  das  Neuschaffen  ankommt,  worin  sich 
eben  das  Produktive  des  Künstlers  zeigt.  H.  steht  keineswegs  auf  dem  Standpunkte 
Lombrosos,  er  hält  das  künstlerische  Schaffen  und  den  Wahnsinn  haarscharf  aus- 
einander, erkennt  nur  Aehnlichkeit,  die  unser  Verständnis  fördere.  Wesentlich  ge- 
meinsam dem  Traum,  Wahnsinn  und  Kunstschaffen  ist  die  Abkehr  vom  Tagesleben, 
das  Verschliessen  der  Organe,  „welche  die  Verbindung  mit  demselben  herstellen." 
Diese  Abkehr  ist  beim  Traum  durch  das  Einschlafen,  beim  Wahnsinn  durch  organische 
Vorgänge,  beim  Hypnotismus  durch  fremden  Willen  erzwungen  und  von  einem 
Verschwinden,  Zerfallen  oder  wenigstens  Abschwächen  des  „Ich"  begleitet,  das  ge- 
eignet wäre,  die  Errungenschaften  jener  Abkehr  ins  Leben  zu  retten,  sie  für  das 
Leben  fruchtbar  zu  machen.  „Des  Künstlers  Vorrecht  ist  es  allein,  in  jene  dem 
nüchternen  Auge  verschlossenen  Tiefen  hinabzudringen,  ohne  dem  Fluche  zu  ver- 
fallen, welcher  es  dem,  der  sie  schaut,  verwehrt,  wieder  zu  den  lichten  Höhen  des 
Tages  zurückzukehren."  Dem  Künstler  ist  die  Fähigkeit  eigen,  sich  „von  der  an 
die  Zwecke  des  äusseren  Lebens  gebundenen  Vorstellungsthätigkeit  abzukehren,  die 
Funktionen  des  sich  dabei  beteiligenden  Seelenorg'anismus  schweigen  zu  machen, 
sich  den  Eindrücken  der  Aussenwelt  zu  entziehen,  sich  auf  sich  selbst  zurück- 
zuziehen." Der  Künstler  hat  die  Gabe,  sich  zu  sammeln,  sich  in  einen  Zustand  der 
„Entrücktheit"  zu  versetzen,  ohne  dabei  die  Berührung  mit  dem  äusseren  Leben  zu 
verlieren.  „Während  dasselbe  den  Träumer  nur  dumpf  berührt  und  seinen  Zu- 
sammenhang mit  den  Gestalten  des  Traumes  kaum  ahnen  lässt;  während  es  den 
Wahnsinnigen  stört,  weil  es  sich  mit  den  Schöpfungen  seiner  Phantasie  in  keiner 
Weise  zu  versöhnen  vermag:  wirkt  es  auf  die  Natur  des  Künstlers  mit  voller  Kraft 
und  lässt  ihn  seine  unerschöpfliche  Fülle  geniessen."  H.  nennt  jenen  Zustand  das 
Nacht-,  dieses  das  Tagleben  der  Seele  (somit  gerade  umgekehrt  als  Fechner);  beim 
Künstler  wird  demnach  das  Nachtleben  fürs  Tagleben  ausgenützt.  Im  Traum  wird 
„gleichsam  das  Stadium  der  Empfindung,  durch  welche  der  Reiz  sich  dem  wachen 
Körper  kundgäbe",  übersprungen,  „um  unmittelbar  mit  dem  Vorstellungsleben  zu 
verkehren",  die  Reize  setzen  sich  sogleich  in  Vorstellungen  verwickelter  Art  um; 
der  Zwang  schläft,  das  Vorstellungsleben  hat  die  Freiheit  der  Gestaltung  erlangt, 
und  eine  ähnliche  Befreiung  wie  der  Schlaf  bietet  das  Kunstschaffen.  Das  wache 
„Ich"  mit  seinen  Bedürfnissen  tritt  in  den  Hintergrund,  die  Empfindungsreize  führen 
zu  Reaktionen  anderer  Art,  als  sie  dem  vollthätigen  Ich  eigen  sind.  Des  Künstlers 
Gemüt  hat  die  Anlage,  leicht  zu  reagieren,  er  wird  dadurch  empfänglich.  Beim 
künstlerischen  Schaffen  wird  die  Aufmerksamkeit  auf  den  Gegenstand  konzentriert, 
sei  es  infolge  bewussten  Wollens,  sei  es  unbewusst,  so  stark,  dass  das  Gefühlsleben 
auf  die  Eindrücke  der  Aussenwelt  nicht  mehr  in  gewohnter  Weise  reagiert,  sondern 
dem  Gegenstande  zufliesst,  der  im  Blickpunkt  der  gesteigerten  Aufmerksamkeit  liegt. 
Der  Künstler  reagiert  auf  die,  sich  in  diesem  Gegenstande  erschliessende,  Phantasie- 
welt; „sein  Subjekt  empfindet  sich  nicht  mehr  als  die  gewohnte  Summe  von  Re- 
aktionen gegen  die  Aussenwelt,  sondern  wird  in  anderer  Weise  in  Anspruch  ge- 
nommen." „Was  also  im  Traum  der  Schlaf,  was  bei  Geistesstörungen  die  Affizierung 
oder  Erkrankung  von  Organen  erwirkt  haben,  die  Lahmlegung  des  dem  Tages- 
bewusstsein  dienenden  Organismus,  oder  eines  Teiles  desselben,  das  erzielt  im 
Künstler  bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  Konzentrierung  seiner  Seelenthätigkeiten 
auf  einen  ausserhalb  der  Interessen  des  gewöhnlichen  Lebens  liegenden  Gegenstand," 
d.  i.  die  „Sammlung".  Daraus  ergiebt  sich  nun  ein  Erregungszustand,  „in  welchem 
der  Künstler  förmlich  fühlt,  wie  sich  seine  innere  Welt  erweitert".  Die  Schranken, 
welche  seinem  Denken  und  Vorstellen  gezogen  scheinen,  fallen,  die  Fesseln  lösen 
sich,  mit  welchen  er  an  die  Scholle  eines  scharf  umgrenzten  Anschauungskreises  ge- 
bunden schien,  er  streift  die  Schwere  des  Erdenlebens  ab,  kein  Hindernis  stellt  sich 
seinem  inneren  Bilden  entgegen,  „der  Zustand  der  Begeisterung  hat  ihn  erfasst,  in 
welchem  er  produktiv  wird".  „Vom  Traum  und  vom  Wahnsinn  unterscheidet  sich 
der  Zustand  des  künstlerischen  Schaffens  nicht  einzig  dadurch,  dass  er  wirkliche, 
auch  Anderen  erkennbare  Produkte  ins  äussere  Leben  setzt,  sondern  auch  dadurch, 
dass  er  keine  Absonderung  der  Vorstellungsthätigkeit  von  den  Fähigkeiten  des 
wachen  Ich  voraussetzt,  vielmehr  die  Mithülfe  dieser  stets  in  Anspruch  nimmt, 
nicht  um  seine  innere  Thätigkeit  durch  sie  zu  stören,  wohl  aber  um  deren  Er- 
gebnisse dem  Lichte  zuzuführen."  Während  im  Traum  bewusste  Willensakte  nicht 
veranlasst  werden,  beim  Irrsinn  die  Wechselbeziehung  zwischen  der  Thätigkeit  des 

24* 


112:  93  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Tages-Ich  und  des  Nacht-Ich  fehlt,  „ist  es  beim  Künstler  doch  das  wache  Ich,  in 
dessen  Bewusstsein  die  Erzeugnisse  einer  inneren  Thätigkeit  treten,  welche  sich 
unter  g-ewöhnlichen  Verhältnissen  dem  nach  aussen  offenen  Aug-e  nicht  enthüllt." 
Der  Künstler  g-ehört  gleichsam  der  äusseren  und  der  inneren  Welt  „zur  ungeteilten 
Hand"  an.  Die  Verstandeskräfte  des  Künstlers  ziehen  sich  im  Augenblicke  des 
Schaffens  zurück,  um  einer  anderen  inneren  Thätigkeit  Raum  zu  schaffen,  aber  sie 
verhalten  sich  nicht  für  die  Dauer  leidend,  lauern  vielmehr  stets,  das,  was  die  Nacht 
ihnen  zubringt,  für  den  Tag  nutzbar  zu  machen.  Der  Verstand  hat  also  seinen 
Teil  beim  Hervorbringen  des  Kunstwerks,  das  aber  wesentlich  im  Unbewussten 
entsteht.  Ich  habe  mich  bemüht,  den  Gedankengang  des  Vf.  möglichst  genau,  viel- 
fach mit  seinen  Worten  darzustellen,  wobei  freilich  von  seinen  ausführlichen  und 
interessanten  Begründungen  abgesehen  werden  musste;  sie  stützen  sich  auf  ein 
reiches  Material,  genaues  Ausnutzen  der  psychologischen  Litteratur  und  eingehende 
Beobachtungen.  Vielleicht  könnte  mein  Bericht  den  Schein  erwecken,  als  seien  die 
Verhältnisse  vom  Vf.  allzu  mechanisch  gedacht  und  mehr  durch  bildliche  Ueber- 
tragung  als  durch  wirkliche  Erklärung  gelöst;  doch  haben  wir  es  eben  mit  einem 
Gebiete  zu  thun,  auf  dem  wir  weder  mit  Experiment,  noch  mit  direkter  Beobachtung 
Resultate  gewinnen  können,  und  deshalb  können  wir  uns  schon  mit  einer  solchen 
relativen  Klarheit  begnügen.  Manches  bleibt  allerdings  recht  zweifelhaft;  besonders 
die  vollständige  Scheidung  des  Traum-Ichs  vom  Tag-Ich  erscheint  der  Thatsache 
gegenüber  bedenklich,  dass  wir  uns  immer  als  unser  Ich  im  Traum  begegnen,  uns 
wohl  selbst  über  unsere  Kenntnisse,  Fähigkeiten  und  Kräfte  während  des  Traumes 
wundern.  Nicht  überzeugend  möchte  ich  die  Behauptung  nennen,  dass  der  Traum, 
wie  das  Kunstschaffen  aktiv,  produktiv,  unser  Tagesvorstellungsleben  passiv, 
reproduktiv  sei,  wenn  ich  auch  die  Einschränkungen  H.s  mit  in  Betracht  ziehe.  Ist  es 
wirklich  richtig,  dass  unser  gewöhnliches  Betrachten  eines  Baumes  nur  rezeptiv, 
das  eines  Malers  aber  produktiv  sei,  sind  nicht  beide  sowohl  produktiv  als  rezeptiv, 
nur  rezipiert  der  Maler  mehr  als  wir  anderen,  oder  gesellen  sich  ihm  mehr  oder 
doch  andere  Associationen  beim  Betrachten?  Unterscheidet  sich  wirklich  sein  Sehen 
von  dem  unseren  dadurch,  dass  es  nicht  ein  leidender  Zustand,  sondern  eine 
Thätigkeit  ist,  dass  d^r  Künstler  nicht  bloss  sieht,  wie  wir,  sondern  schaut?  Was 
thut  der  Botaniker  anderes,  was  der  Forstmann?  H.  meint,  das  Wesentliche  bei  der 
Produktivität  dieser  sei,  dass  sie  sich  nicht  von  selbst  ergebe,  sondern  gleichsam  er- 
zwungen werden  müsse,  sie  fordere  einen  Willensaufwand,  um  die  entsprechende 
Thätigkeit  hervorzurufen  und  festzuhalten ;  es  komme  darauf  an,  dass  hier  wir  die 
Vorstellungen  suchen,  dort  den  Künstler  dagegen  die  Vorstellungen  suchen.  H.  hat  uns 
Winke  zum  Verständnis  zahlreich  genug  gegeben,  doch  ist  die  Frage  so  schwierig, 
dass  ihre  Lösung  auf  diesem  Wege  nicht  ganz  gelingen  kann;  man  erinnere  sich 
nur,  dass  Goethe  auch  für  die  Wissenschaft  ein  „geniales  Apergu"  forderte.  Wichtig 
ist  H.s  Aeusserung,  das  wesentliche  Merkmal  der  künstlerischen  Produktivität  sei, 
„dass  der  Akt  des  Produzierens  ins  Bewusstsein  treten  müsse",  dass  nicht  das  Ge- 
wordene, sondern  das  Werden  Gegenstand  des  Interesses  sei,  also  nicht  das  Nach- 
schaffen, sondern  das  Neuschaffen.  Schon  das  Schauen  des  Künstlers  sei  ein  Schaffen, 
im  Schauen  geniesse  er  sein  Subjekt,  denn  gerade  weil  bei  der  Aufnahme  des 
Objekts  sein  Subjekt  sich  in  Anspruch  genommen  fühle,  sei  ihm  das  Objekt  nicht 
gleichgültig.  Der  Vf.  verwirft  darum  die  Nachahmungstheorie  mit  Konsequenz,  und 
diesen  Ausführungen  wird  wohl  jeder  zustimmen.  Da  H.  so  vielfach  Ansichten 
vertritt,  zu  denen  ich  selbst  („Lyrik  und  Lyriker")  auf  anderem  Wege  gekommen 
bin,  verweise  ich  nur  im  allgemeinen  auf  die  Behandlung  dessen,  was  H.  Sammlung, 
ich  Stimmung  nannte,  auf  den  „Keim",  auf  das,  was  ich  als  „inneres  Wachstum", 
„inneren  Abschluss"  bezeichnete,  H.  ohne  Namen  lässt.  Nur  glaube  ich,  mit  dem 
Begriffe  „Befruchtung"  das  künstlerische  Schaffen  wenigstens  auf  dem  Gebiete  der 
Lyrik  in  einem  wesentlichen  Momente  schärfer  gefasst  zu  haben  als  H.  Beachtens- 
wert ist  seine  Erklärung  für  die  geringere  Bedeutung  der  Frau  im  Schaffen  trotz 
ihrer  lebhaften  Phantasie;  es  fehle  ihr  die  Konzentrationsfähigkeit,  die  für  das 
Kunstschaffen  massgebend  ist.  H.  bleibt  bei  diesem  Schildern  des  psychologischen 
Vorgangs  im  Künstler  nicht  stehen,  er  geht  auf  den  Symbolbegriff  ein;  mich  will 
bedünken,  dass  ihm  dieser  Abschnitt  weniger  gelungen  sei;  er  betrachtet  ferner  die 
Einteilung  der  Künste,  die  er  nach  ihren  Erscheinungsarten  in  Raum  und  Zeit 
trifft,  wobei  er  aber  nicht  vergisst,  dass  Zeit  und  Raum  untrennbar  mit  einander 
verbunden  sind.  Also  nicht  dem  Wesen,  nur  der  Erscheinungsform  nach  kann  man 
von  Künsten  des  Raumes  und  Künsten  der  Zeit  sprechen.  Wäre  nicht  der  Ausdruck 
dann  besser:  Künste  im  Räume,  Künste  in  der  Zeit?  Gewiss  hat  H.Recht  zu  sagen: 
„an  sich  als  Objekt  betrachtet"  erscheine  „jedes  Kunstprodukt  sowohl  in  der  Zeit 
als  auch  im  Raum";  in  der  Kunst  aber  haben  Raum  und  Zeit  nicht  bloss  als  An- 
schauungsformen ihre  Bedeutung,  sie  beziehen  sich  auch   auf  die  Formen  der  künst- 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  94-ioic 

lerischen  Bethätig-ung*,  die  sich  doppelt  äussern  kann:  „in  den  Produkten,  die  sie 
hervorbringt"  und  „in  Aeusserungen  des  Zustandes  des  Produzierens",  also  ent- 
weder im  Gewordenen  oder  im  Werden;  dort  tritt  sie  im  Raum,  hier  in  der  Zeit 
in  die  Erscheinung'.  „Der  Kunstg-eniessende  erfasst  die  sich  ihm  vorstellende  Be- 
thätigung-  nicht  bloss  in  den  Anschauungsformen  des  Raumes  und  der  Zeit,  sondern, 
durch  deren  Vermittlung-,  als  in  ihm  selbst  wachgewordene  gleichwertige  Bethätigung". 
Der  Vf.  skizziert  die  Einzelausführung  nur  mit  grossen  Strichen,  eingehender 
verweilt  er  bloss  bei  der  Plastik,  dem  Tanz  und  der  Musik,  die  ihm  in  erster  Linie 
ein  Nacheinander  von  inneren  Vorgängen,  in  zweiter  erst  ein  Nacheinander  tonischer 
und  rhythmischer  Verhältnisse  ist;  also  nicht  bloss  gehörte  Mathematik^^^^^^j^  g-e- 
hörte  Logik,  sondern  auch,  „natürlich  cum  grano  salis",  Statik  des  Vorstellungs- 
lebens. Im  weiteren  Verlauf  betont  er  den  Idealismus  der  Kunst,  behandelt  den 
Realismus  und  den  Naturalismus,  wofür  er  durch  die  Ausführung,  die  Kunst  sei 
nicht  Nachahmung,  schon  bedeutsam  vorgearbeitet  hat,  und  erläutert  schliesslich 
das  Verhältnis  von  Kunst  und  Kritik,  Kunst  und  Moral,  Kunst  und  Technik.  Die 
eingehende  Schilderung  des  Kunstschaffens  und  die  massgebende  Bedeutung,  die 
ihm  der  Vf.  zuerkennt,  sind  wichtig;  das  Werk  kann  in  vieler  Hinsicht  fördernd 
wirken  und  verdient  allgemeine  Beachtung.^'ß  9''»)  —  Hansson  i^O)  fasst  das 
künstlerische  Schaffen  ähnlich  wie  Hausegger,  doch  greift  er  nur  Ein  „Gesetz" 
heraus,  dass  das  grosse  Kunstwerk  aus  dem  Erinnerungsbilde,  nicht  aus  dem  An- 
schauungsbilde hervorgehen  müsse;  er  hat  aber  in  seiner  flüchtigen  Plauderei  wenig 
zu  einer  tieferen  Erkenntnis  des  Kunstschaffens  beigetragen.  —  Nicht  viel  mehr 
Brunner^oo.i)^  (je^  so  g-ut  wie  ausschliesslich  vom  Dichter  spricht;  neben  einigen 
brauchbaren  Erörterungen  besonders  über  Edgar  Poe  und  die  Lyrik  der  Neuesten 
findet  sich  in  den  vier  lose  zusammenhängenden  Aufsätzen  viel  Missverstandenes 
und  leicht  Misszuverstehendes,  so  dass  man  sich  über  den  allzu  bestimmten  Ton  des 
Vf.  nicht  wundert.  Er  fasst  Dichtung  im  weitesten  Sinne  als  die  W^irkung  des 
Wortes,  den  Poeten  als  Macher,  „vornehmlich  in  dem  Sinne,  dass  er  ein  Wort- 
macher ist."  —  Schärfer  sucht  ein  Ungenannter '^ij  (jen  Unterschied  zwischen  Poesie 
und  Rhetorik  zu  bezeichnen;  diese  rede  und  rede  sogleich  für  die  anderen,  die 
Poesie  bilde  und  bilde  zunächst  für  sich,  sie  sei  Bildnerei  mit  Vorstellungen,  die 
Phantasie  ihr  Lebenselement.  Das  Wesentliche  des  Redners  liege  im  Endergebnis 
des  ganzen  Vorganges,  das  W'esentliche  des  Dichters  im  Verlaufe  selbst.  Freilich 
hält  der  Vf.  99%  aller  „Gedichte",  die  gedruckt  werden,  nicht  für  Poesie,  sondern 
für  blosse  Schönrednerei,  besseren  Falls  für  Redekunst  oder  eine  Mischung  von 
Redekunst  und  Poesie  in  metrischer  Form.  —  Lombroso***''')  hält  natürlich  an 
seiner  Ansicht  fest,  dass  die  Genialität  eine  Form  geistiger  Erkrankung  sei;  er  hat 
aus  Dante  nachgewiesen,  dieser  sei  ein  Epileptiker  gewesen,  Michelangelo  dagegen 
krankhaft  trübsinnig.  —  Diesen  Ansichten  Lombrosos,  doch  auch  Max  Nordaus 
gegenüber  vertritt  StröbeP^ib)  dje  Behauptung,  die  Psychiatrie  helfe  zur  Er- 
kenntnis der  eigenartigen  Erscheinungen  in  der  Kunst,  namentlich  der  modernen, 
blutwenig.  Den  Irrenärzten  vom  Fach  fehle  meist  die  philosophische  und  ästhetische 
Bildung,  während  umgekehrt  die  litterarisch  Gebildeten  meist  der  erforderlichen 
medizinischen  Fachkenntnisse  ermangeln.  Bei  Nordau  sei  der  Litterat  zu  sehr  vom 
Mediziner,  der  Mediziner  vom  Litteraten  beeinflusst.  Man  benutze  meist  die  Beob- 
achtungen der  Philister  über  die  Genies,  um  diese  als  psychisch  belastet  dar- 
zustellen, was  aber  ganz  unrichtig  sei.  St.  warnt  vor  den  jetzt  so  sehr  beliebten 
Schlagwörtern,  wie  z.  B.  „Entartung",  weil  mit  ihnen  der  Sache  gar  nicht  genützt 
werde.  —  Singer  ^oic)  rühmt  an  dem  älteren  Buche  von  Gelzelt-Nervin  nicht  nur 
die  reiche  Sammlung  und  Verwertung  von  allerhand  Selbstbeobachtungen  schaffender 
Künstler  und  Poeten,  sondern  auch  die  Erkenntnisse  über  die  Art  und  Bedingung 
künstlerischer,  speciell  dichterischer  Produktion.  Oelzelt  legt  an  Beispielen  dar, 
dass  beim  Künstler  und  Denker  Phantasie  und  Urteilskraft  in  ungewöhnlich  hohem 
Grade  vorhanden  sein  müssten;  er  weist  aus  Zeugnissen  nach,  dass  die  Phantasie- 
vorstellungen   spontan ,    nicht    bloss    associativ    entstehen    können ,    bespricht     die 

fs.  u.  IV  4:205].)  -  94)  X  ö-  Engel,  D.  Bedeutung  d.  Zahlen  Verhältnisse  för  d.  Tonerapfindung.  Dresden,  Bertling.  1892. 
59  S.  M.  1,20.  jtM.  Dessoir:  DLZ.  S.  78;  LCBl.  S.  3751  (Vgl.  JBL.  1892  19:6.)  —  95)  O  R.  Lonis,  1).  Widersprach 
in  d.  Musik.  Bausteine  zu  e.  Aesthetik  d.  Tonkunst  auf  realdialekt.  Grundlage-  L,  Breitkopf  &  Härtel.  VII,  115  S.  M.  2,50. 
i[LCBl.  S.  1515.]|  —  95a)  X  J-  Comharieu,  L'expression  objective  en  musique  d'apres  le  langage  instinclif:  EPhilos.  35, 
S.  124-44.  —  95b)XI'  Dauriac,  Psychologie  du  musicien.  I.  L'eyolution  fles  aptitudes  mnsicales.  II  L'oreille  mnsicale :  ib.  S.  449-70, 
595-617.-   96)0(111:26.)  |[ML.  62,S.  821/2.]|  -  97)X  Oarus  Sterne,  Traumerfahrung  u.  Volksdichtung:  ML.  62,  S.ll/4,44;6. 

—  98)  O  (I  11  :  3.)  —  99)  O  F.  V.  Z.,  Z.  Psychologie  d.  Genies  E.  Studie.  (=  Samml.  theol.  u.  soc.  Beden  u.  Äbhandl. 
V.  Serie,  Heft  2.)  L.,  H.  G.  Wallmann.  13  S.  M,  0,25.  —  99a)  O  P.  Poborykine,  La  Beaute,  la  Vie  et  la  Creation 
esthetique:  Problfemes  de  Philosophie  et  de  Psychologie  (Moskau)  4,  S.  71-108      (E.  kurzer  Auszug  in  d.  RPhilos.  35,  S.  661/2.) 

—  100)  01a  Hansson,  Vom  künstlerischen  Schaffen:  Zukunft  3,  S.  321/5.  —  100a)Const.  Brunn  er,  D.  Technik  d.  künstier. 
Schaffens:  Zuschauers.  110  5, 135-40, 169-75,212-20.  (Als  Sonderabdr.  24  S.)  —  101)  Bilde,  Künstler,  rede  nicht!:  Kw  6,8.193/5.— 
101a)  C.  Lombroso,  Keurose  bei  Dante  u.  Michelangelo.  E.  Beitr.  z.  Theorie  d.  Genialität:  Zukunft  5,  S.  553/8.  —  101b) 
H.  Ströbel,  Litt.-Psychiatrie:  FrB.  4,  8.  421/8.  —  101«)  S.  Singer,  A.  Oelzelt-NerTin,  Ueber  Phantasieyorstellungen.  Graz, 


I  12  :  ioid-109  R.  M,  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Associationen,  die  Eigenschaften  und  Bedingungen  der  Phantasiethätigkeit,  das  Kinder- 
spiel, die  objektlosen  Gefühle,  schliesslich  die  körperlichen  Beziehungen,  wobei  durch 
eine  Tabelle  „das  Märchen"  von  der  aufreibenden  künstlerischen  Thätigkeit  wider- 
legt wird.  S.  begleitet  einschränkend,  berichtigend  und  ergänzend  die  Auseinander- 
setzungen des  Vf. '*^'^)  — Die  psychologischen  und  physiologischen  Momente  bei  der 
künstlerischen  Begeisterung  stellt  Benini  ^^'«)  klar  und  verständnisvoll  dar.  — 
Chry sander^*'2)  zeigt,  wie  rasch  Händel  komponierte,  selbst  Texte,  für  die  er  sich 
nicht  lange  hatte  vorbereiten  können,  und  gedenkt  in  der  Einleitung  auch  der  raschen 
Arbeitsweise  Shakespeares  und  Lope  de  Vegas.  Er  beweist  durch  seinen  ganzen 
Aufsatz,  dass  auch  Händel  der  Fleiss  selbst  war,  wie  so  viele  geniale  Naturen. 
Händel  schrieb  an  einem  Tage  mehr  als  ein  gewandter  Kopist  abzuschreiben  ver- 
mag. Zu  dieser  rein  physischen  Arbeit  noch  die  künstlerische  Thätigkeit.  —  Als 
Psychologe  beschäftigt  sich  auch  Rells^*^^)  nicht  gerade  neuartig  mit  dem  Genie; 
seiner  Behauptung,  dass  einzelne  wichtige  Elemente  in  der  seelischen  Struktur  des 
genialen  Menschen  ein  Vorrecht  des  starken  Geschlechtes  seien,  tritt  Münz'^*)  ent- 
gegen, indem  er  auf  Marie  Sophie  Germain,  ihr  Leben  und  Wirken  näher  ein- 
geht, los-io^)  — 

Bi  ese  ^*''')  nennt  das  künstlerische  Schaffen  „ein  Ausgestalten  eines  geistigen 
Gehaltes",  das  Kunstwerk  „die  Metapher  eines  durchgeistigten  Stoffes".  Ausführ- 
licher und  umfassender  als  früher  (vgl.  JBL.  1890  I  3:88)  sucht  er  das  Metapho- 
rische als  das  Wesentliche  auf  allen  Gebieten  zu  erweisen.  Von  der  kindlichen 
Phantasie,  den  Vorstellungen  der  Naturvölker,  zu  der  Sprache,  dem  Mythos,  der  Religion, 
Kunst  und  Philosophie  verfolgt  er  mit  Geist  und  Geschmack  das  Metaphorische, 
worunter  er  die  Verinnerlichung  des  Aeusseren  und  die  Verkörperung  des  Geistigen, 
die  Synthese  des  Inneren  und  des  Aeusseren,  den  notwendigen  Ausdruck  unseres 
geistig-leiblichen  Wesens  versteht.  Die  Metapher  als  Schmuck  der  Rede  will  er 
nicht  gelten  lassen,  was  ich  noch  immer  nicht  als  richtig  zuzugestehen  vermag. 
Er  merkt  nicht,  wie  bei  ihm  Verschiedenartiges  in  einander  fliesst,  wenn  er  z.  B. 
den  Fetischglauben,  mythologische  und  religiöse  Vorstellungen  mit  bildlichen 
Ausdrücken  Lagardes  in  eine  Linie  stellt;  wenn  er  einmal  die  Einfühlung,  dann 
die  schöpferische  Thätigkeit  der  Phantasie,  dann  etwa  die  Uebertragung  von 
Bildern  menschlichen  Seelenlebens  in  Stein  oder  Erz,  Ton  oder  Wort,  die  Gestaltung 
dessen,  was  so  rätselvoll  im  Inneren  lebt,  was  das  Herz  füllt,  den  Geist  bewegt, 
alles  metaphorisch  nennt.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  er  sein  Prinzip  mit  Kon- 
sequenz durchführt  und  vor  allem  das  Metaphorische  des  Denkens  in  alter  und  neuer 
Philosophie  darlegt;  ob  damit  jedoch  viel  erreicht  ist,  das  wäre  die  andere  wichtige 
Frage.  Die  hat  aber  B.  nicht  einmal  aufgeworfen.  Sein  Werk  baut  sich  auf  reichem 
Wissen  auf  und  ist  spannend  geschrieben,  so  dass  die  Lektüre  jeden  erfreuen  und 
anregen  wird.  Zur  Tropik  bringt  es  wichtige  Beiträge  und  berührt  auch  dadurch 
sympathisch,  dass  es  gegen  die  unnötige  pedantische  Einteilung  der  Metapher  in  un- 
.gezählte  Unterabteilungen  erfolgreich  Front  macht.  — 

Nimmt  Biese  das  Metaphorische  als  eineThatsache  hin,  die  er  nur  in  ihrem  ganzen 
Umfang  zu  erkennen  bemüht  ist,  so  sucht,  auf  das  Naturschöne  Rücksicht  nehmend, 
Rob.  Vischer"'^)zu  erforschen,  „wie  es  denn  eigentlich  zugeht  bei  dieser  Verschmelzung 
unserer  Persönlichkeit  mit  der  Erscheinung",  speciell  beim  Betrachten  der  Natur.  Es  sind 
dabei  die  verschiedenen  optischen  Funktionen  massgebend.  Die  physische  Reizung 
unserer  Nerven  beim  sensitiven  Sehen  wird  zu  einer  seelischen  umgesetzt,  wir  ver- 
wechseln ihre  äussere  Qualität  mit  der  Qualität  unseres  seelischen  Gefühls.  Beim 
motorischen  geht  unser  innerer  Sinn  dieselben  Bahnen  wie  der  Augapfel,  unser  be- 
wegtes Schauen  besteht  in  einem  inneren  Umreissen,  Nachtasten,  Zeichnen.  Da  im 
motorischen  Blicken  das  sensitive  Empfinden  mit  enthalten  ist,  versetzen  wir  uns  in 
das  Aeussere,  wir  haben  die  Einfühlung,  ein  dunkles  Nachahmen  der  wirkenden 
Naturkraft.  Das  Naturphänomen  wird  als  ein  Wesen  vorgestellt,  das  etwas  thut, 
thun  will  oder  gethan  hat.  Die  betrachtete  Landschaft  reizt  durch  ihre  Formen, 
Lichter  und  Farben  unseren  inneren  Menschen  zu  sympathischen  und  reaktiven  Be- 
wegungen, womit  unser  Leib  im  realen  Leben  Zustände  und  Erregungen  der  Seele 
auszudrücken  pflegt.  Mit  der  Ideenassociation  reichen  wir  zur  Erklärung  nicht  aus, 
weil  es  sich  um  das  vorhandene  Bild  selbst  handelt,  nicht  darum,  was  man  sich  dabei 


Leuschner  *  Lnbensty.  1889.  130  S.  M.  4,00:  ZOG.  44,  S.  50/2.  —  101  d)  O  L.  Arabrosi,  L'imagination  dans  Testhetique 
et  diins  la  metaphysique  (Referat  nach  RItalPhilos.) :  RPhilos.  36,  S.  558  —  lOle)  V.  Benini,  Esthetiqne:  le  moment  de 
Tobserviition  (Referat  nach  RItalPhilos.):  ib.  S.  554.  —  102)  F.  Chrysander,  Händel  als  Schnellkomponist:  Zukunft  3, 
S.  28-33.  -  103)  E.  W.  Rells,  Psycholog.  Skizzen.  L.,  A.  Abel.  VHI,  191  S.  M.  2,40.  |[LCB1.  S.  1460.]|  —  104)  B.  Münz, 
Psycholog.  Skizzen:  BLU.  S.  621/2  —105)  O  P-  Stapfer,  Le  genie  et  roccusion:  BÜRS.  53,  S. 449-75.—  105a)  O  (111:378.) 
IfKnnsichr.  4,  S.  124/6.]|  -  106)  X  F-  Hitsohmann,  D.  Blinde  u.  d.  Kunst:  VWPhilos.  17,  S.  312-20.  (E.  Blinder  handelt  Ober 
d.  Bedeutung  d.  Kunst,  bes.  d.  Poesie,  f5r  d.  Blindun,  teilt  e.  „farbenreiches"  Gedicht  e.  Blinden  mit  u.  bespricht  bes.  d. 
metrischen  Sinn  d.  Blinden.)  —  107)  A.  Biese,  T>.  Philosophie  d.  Metaphorischen.  In  Grundlinien  dargest.  Hamburg  u.  L., 
li.  Voss.    VII,  229  9.    W.  5,00,   —  108)  Rob.  Viecher,   Ueber  isthet.  Natnrbetraohtung:    DRs.  76,   S.  192-207.    —    109)  R. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  -.  iio-iiia 

denken  kann.  Beim  Anblick  einer  Ruine  „beschäftiget  uns  ein  eig^entümliches  Durch- 
einander von  architektonischer  Regelmässig-keit  und  felsenähnlichetn  Trümmerwerk, 
morscher  Kunst  und  wildwüchsig-er  Natur,  ein  abrupter  Wechsel  von  Aussen-  und 
Innenansicht,  plastischem  Vollgefühl  und  perspektivischen  Einblicken  und  Durch- 
blicken." Darin  liegt  ihr  malerischer  Reiz,  sie  braucht  uns  nicht  wie  den  Romantikerr 
alte  Zeiten  ins  Gedächtnis  zu  rufen  und  die  Vergänglichkeit  alles  Menschenwerks  zu 
beweisen.  Für  die  Einfühlung,  wie  für  den  Unterschied  von  Einfühlung  und  Ideen- 
association  giebt  V.  lehrreiche  Beispiele  aus  der  Poesie.  Er  fasst  seine  Meinung  in 
die  Worte  zusammen:  „Der  Inhalt  einer  Landschaft  ist  unser  eigenes  Wesen,  aber 
getaucht  in  das  unbekannte  Wesen  der  Natur.  Sympathisch  ahmen  wir  innerlich 
ihre  Erscheinung  nach,  doch  wir  würden  es  nicht  thun,  wenn  wir  nicht  den  gleichen 
Ursprung  mit  ihr  hätten,  und  es  würde  uns  nicht  beglücken,  wenn  nicht  wir  und 
die  Natur  auf  solches  Glück  eingerichtet  wären."  —  Auch  nach  Kralik*^^)  macht 
nur  die  „Annahme  oder  vielmehr  Thatsache",  dass  die  ganze  Natur  mit  Gefühl 
begabt  ist,  eine  Kunst  überhaupt  möglich;  ohne  sie  würde  kein  Mensch  Interesse 
an  der  Natur  nehmen,  ohne  sie  der  Mensch  in  seiner  Umgebung  sich  selber  nicht 
verstehen.  Die  schönheitsuchende  Seele  findet  aber  in  der  Natur  auch  Willen  und 
Kraft,  Thätigkeit  und  Streben,  ja  sie  setzt  in  der  Natur  etwas  der  unserer  Seele  noch 
zukommenden  Reflexion  voraus.  Indem  er  so  die  Elemente  herausschält,  aus  denen 
sich  das  Schöne  zusammensetzt,  kommt  er  nach  und  nach  zu  folgenden  Resultaten: 
Schönheit  ist  der  Ausdruck  der  Persönlichkeit;  die  Schönheit  der  Natur  beruht  auf 
der  einheitlich  gegliederten  Vielheit  der  sie  tragenden  Persönlichkeiten,  weiter  darauf, 
dass  die  Träger  der  Individualitäten  verschieden  sind  in  ihrer  Qualität,  endlich 
darauf,  dass  die  Individuen,  die  die  Welt  ausmachen,  in  harmonischer  Relation  stehen. 
Schön  ist  die  Natur,  insofern  sie  als  mit  Gefühl  begabt  angeschaut  wird,  insofern 
sie  als  Ausdruck  des  Willens  erscheint,  insofern  sie  nach  ihren  Zwecken  begriffen 
und  aufgelöst  werden  kann.  „Schön  ist  der  Stoff  als  wahrnehmbares  Symbol  des 
Geistes,  als  Ausdruck  der  Ideen."  Die  Betrachtung  ist  originell,  bringt  uns  aber 
nicht  vom  Fleck.  —  Eine  feinsinnige  Schilderung  des  Naturgefühls  in  der  italienischen 
Poesie  hat  Adele  Pugliese '^")  gegeben.  — 

Wenn  Kralik  vom  Schönen  am  Hässlichen  spricht  —  er  findet  es  wie  Karl 
Rosenkranz  darin,  „dass  es  nicht  schön  ist,  sondern  eig'entümlich  hässlich,  wie  nur 
etwas  hässlich  sein  kann"  —  so  beweist  er,  dass  ihm  die  wichtige  Unterscheidung 
von  schön  und  ästhetisch  unbekannt  blieb,  die  Groos*"  '*•")  andeutete  und  nun 
näher  ausführte.  Der  Vf.  geht  vom  Lustgefühl  aus,  das  beim  Genuss  entsteht,  und 
findet  es  in  der  inneren  Nachahmung.  Ist  dies  richtig,  dann  braucht  es  keiner  positiven 
Bestimmungen  für  das  Objekt  des  ästhetischen  Genusses,  sondern  nur  negativer,  dass 
nämlich  nicht  durch  vorwiegende  Erregung  irgendwelcher  ausserästhetischer  Inter- 
essen das  Spiel  der  inneren  Nachahmung  unmöglich  gemacht  werde.  Der  Vf.  be- 
ginnt diesmal,  um  jedem  Missverständnis  auszuweichen,  mit  dem  Naturgenusse. 
Gerade  hier  zeigt  sich  der  ungeheure  Reichtum  der  möglichen  ästhetischen  Wirkungen. 
Nur  dann  ist  ein  Naturobjekt  von  jeder  ästhetischen  Wirkung  ausgeschlossen,  wenn 
es  uns  z.  B.  mit  Furcht,  Grauen,  Ekel,  Abscheu,  Zorn  oder  sittlicher  Entrüstung 
erfüllt,  wenn  der  sinnliche  Eindruck  zu  stark  oder  zu  schwach,  zu  intensiv  oder 
zu  wenig  unser  Interesse  erregt.  Dabei  spielt  aber  das  subjektive  Verhalten  des 
Geniessenden  eine  grosse  Rolle,  seine  individuellen  Eigentümlichkeiten;  man  kann 
nur  sagen,  hier  und  hier  hört  für  die  normale  Menschenseele  der  ästhetische  Genuss 
auf,  es  treten  ausserästhetische  Interessen  ein.  Vielfach  hängt  diese  Grenze  jedoch 
von  Eigenheiten  eines  Zeitalters  ab,  so  hört  für  uns  gegenwärtig  das  Verständnis 
für  die  rührseligen  Freundschaften  des  vorigen  Jh.  oder  für  manche  mittelalterliche 
Foppereien  auf.  G.  kommt  also  zu  dem  Resultat,  dass  jedes  Objekt,  das  es  nur  über- 
haupt erlaubt,  mit  dem  Spiel  der  inneren  Nachahmung  zu  beginnen,  ohne  weiteres 
einen  ästhetischen  Eindruck  auf  mich  machen  könne.  Man  darf  nicht  vom  Natur- 
schönen sprechen,  denn  auch  das  Nichtschöne,  z.  B.  ein  kümmerlicher  Weidenstrunk 
im  rieselnden  Regen,  ja  selbst  das  Hässliche,  z.  B.  das  Durcheinanderzwitschern  von 
vielen  hundert  Vögeln  an  einem  Sommermorgen,  kann  einen  ästhetischen  Eindruck 
hervorrufen,  weil  die  Thätigkeit  der  inneren  Nachahmung  den  Genuss  bewirkt. 
Nicht  durch  Auflösung  des  Hässlichen  ins  Schöne,  wenn  sie  überhaupt  möglich  wäre, 
wirkt  es,  sondern  selbständig  kann  die  hässliche  Naturerscheinung  in  den  ästhetischen 
Genuss  eingehen;  allerdings  bringt  sie  ein  Moment  der  Unlust  mit  sich,  aber  die 
Lust  der  inneren  Nachahmung  kann  die  Unlust  tragen,  und  darum  kann  das  häss- 
liche Objekt  um  seiner  selbst  willen  genossen  werden.  Das  Gegengewicht  dieser 
Lust  wird  wachsen  mit  unserem  Interesse  für  das  Objekt,  mit  der  Erregung  unseres  Ge- 

Kralik,  üeber  d.  Naturschöne.  E.  ästhet.  Versuch:  ÖUR.  14,  S.  332-92.  —  110)  Adele  Pugliese,  II  seatimento  della 
natura  nella  poesia.  Roma,  G.  Bertero.  1892.  16  S.  —  lU)  K.  Groos,  Einl.  in  d.  Aesthetik  (vgl.  JBL.  1892  I  11  :  37). 
|[WIDM.  73,  S.  558;   Th.  Alt:  Kw.  6,   S.  137  9   (zustimmend,   d.  Neue   anerkennend).]!    -   111  a)   id.,   Aesthetisch   u.  schön; 


I  12  :  ii2-ii5a  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

fühlslebens;  deshalb  kann  das  Hässliche  am  stärksten  bei  der  menschlichen  Individualität 
hervortreten.  G.  führt  seinen  Gedanken  in  einer  sachlichen  Polemik  gegen  frühere 
Aesthetiker,  Rosenkranz,  Schasler,  von  Hartmann,  Alt  überzeug-end  durch.  Ihm  ist 
die  Schönheit  überall  die  gleiche,  in  Natur  und  Kunst,  er  unterscheidet  scharf 
zwischen  dem  sinnlich  Ang-enehmen  und  Aesthetischen;  er  findet  Phantasieschönheit 
insofern  überall,  als  wir  vom  sinnlich  Angenehmen  gar  nicht  zum  Schönen  kämen, 
wenn  wir  das  Naturobjekt  völlig  rezeptiv  ohne  Phantasiethätigkeit  aufnähmen.  In 
der  inneren  Nachahmung  verleihen  wir  dem  Naturobjekte  Charakter  und  nähern 
es  an  das  Typische,  Gattungsmässige,  Beim  Kunstschönen  verweilt  G.  diesmal 
kürzer,  er  greift  nur  das  Komische  heraus,  um  darzuthun,  dass  keine  Theorie 
darüber  hinauskomme,  hässlich  sei  schön;  schlagend  erwidert  er  Zeising,  wenn 
das  Komische  dadurch  zum  Schönen  werde,  dass  im  Subjekte  die  Vollkommenheit 
entstehe,  dann  müsste  der  Mord  unter  die  guten  Handlungen  gehören,  weil  der  An- 
blick des  Mörders  in  uns  eine  sittliche  Reaktion  und  damit  die  Idee  des  Guten  her- 
vorrufe. Der  Sprachgebrauch  dehnt  freilich  die  Anwendung  des  Wortes  „schön" 
aus,  weiter  als  G.  in  seiner  Definition,  immer  aber  noch  weniger  weit,  als  die  bis- 
herigen Definitionen;  nach  der  Logik  ist  es  richtiger,  den  Terminus  enger  zu  ver- 
werten als  der  Sprachgebrauch.  Zum  Schluss  verweist  G.  darauf,  dass  die  von  ihm 
bekämpfte  Gleichung  „ästhetisch  =  schön"  nicht  immer  gegolten  habe,  eigentlich  erst 
durch  die  spekulative  Aesthetik  nach  Kant  in  richtiger  Absicht  zu  ihrer  falschen 
Formulierung  gebracht  worden  sei.  Die  Abhandlung  wird  wohl  dazu  dienen,  die 
Ansicht  des  Vf.  noch  weiter  zu  verbreiten.  —  Hör  mann  ^'^j  gtimmt  mit  Groos  darin 
überein,  dass  er  die  Identifizierung  von  ästhetisch  und  schön  verwirft;  er  bekämpft 
nämlich  die  Ansicht,  dass  die  Kunst  das  Schöne  darstellen  müsse,  nur  geht  er  von 
ganz  anderen  Voraussetzungen  aus,  nicht  wie  G.  vom  ästhetischen  Geniessen,  sondern 
vom  künstlerischen  Schaffen.  Jenes  „Gesetz",  dass  die  Kunst  das  Schöne  darstellen 
müsse,  hält  er  deshalb  für  unrichtig,  weil  sich  das  Genie  nicht  daran  gehalten, 
sondern  häufig  das  Hässliche  dargestellt  habe ;  ein  Gesetz  aber,  das  auf  ein  Genie  nicht 
passt,  ist  falsch.  Groos  sieht  von  dem  Kunstschaffen  ab,  H.  widmet  ihm  allein  seine 
Aufmerksamkeit  und  geht  so  weit,  die  künstlerische  Wirkung  einzig  und  allein  dem 
„hervorragenden  individuellen  Können"  und  gar  nicht  dem  Manifestations-Objekt 
zuzuschreiben.  Dieses  Manifestations-Objekt  muss  nur  bestimmte  Qualitäten  haben, 
dass  es  den  Genuss  am  individuellen  Können  nicht  beeinträchtigt.  Aber  seine  Ansicht 
unterscheidet  sich  von  der  Groosschen  doch  mehr  durch  eine  gewisse  Unklarheit 
der  Formulierung,  als  durch  das  Wesentliche;  es  rächt  sich  bei  ihm,  dass  er  auf  die 
Naturobjekte  nur  so  weit  eingeht,  als  sie  in  der  Kunst  durch  die  Beleuchtung,  in  die 
sie  der  Künstler  rückt,  Verwertung  finden.  Er  gesteht  wie  Groos  zu,  dass  es  that- 
sächlich  kein  Manifestations-Objekt  giebt,  das,  unter  zweckmässiger  künstlerischer 
Behandlung,  Unlust  erwecken  könnte,  drückt  dies  aber  wieder  mit  Rücksicht  auf 
das  einseitige  Betonen  des  Kunstschaffens  einseitig  aus.  Man  sieht  das  am  besten, 
wenn  man  die  weitere,  gewiss  richtige  Behauptung  hinzunimmt,  dass  jedes  in  der 
Wirklichkeit  lusterregende  Manifestations-Objekt  im  Kunstwerk  Unlust  erregen 
würde,  bei  ungeschickter  Behandlung  durch  den  Künstler.  Den  Künstler  in  der 
Wahl  des  Manifestations-Objektes  beschränken,  heisst  die  Kunst  missverstehen.  H. 
gelingt  es  nicht,  den  Nachweis  dafür  zu  leisten,  was  ihm  an  der  Hand  von  Groos 
Auseinandersetzung  leicht  wäre.  So  fehlt  es  seiner  interessanten,  anregenden  und 
fördernden  Darlegung  am  eigentlichen  Abschlüsse.  — 

Eine  wichtige  Rolle  spielt  auch  in  der  Kunst  das  Gedächtnis.  Drei  Haupt- 
theorien des  Gedächtnisses  unterscheidet  van  Biervliet^'^),  dessen  Werk  mir  nur 
aus  der  kurzen  ungünstigen  Besprechung  Dessoirs  bekannt  ist;  nach  der  ersten 
Theorie  verharrt  das  seelische  Bild  im  Unbewussten,  nach  der  zweiten  als  Spur  auf 
der  Grossgehirnrinde,  nach  der  dritten  als  funktionelle  Disposition.  Reproduktion, 
Wiedererkennung  und  Lokalisation  in  einen  bestimmten  Zusammenhang  werden  ge- 
trennt.   Der  Recensent  bezeichnet  die  dogmatische  Zusammenstellung  als  nicht  fördernd. 

—  Auf  streng  experimentellem  Boden  stehen  G.  E.  Müller  und  S  chumanni*^'') 
in  ihrer  gemeinsamen  Arbeit,  die  aus  einer  Erprobung  der  von  Ebbinghaus  (Ueber 
das  Gedächtnis,  Leipzig  1885)  eingeführten  Methoden  hervorging.  Die  überaus  in- 
struktiven Versuche  können  wir  nicht  berücksichtigen,  aber  einzelne  Beobachtungen 
sind  auch  für  uns  von  Bedeutung.  Es  hat  sich  den  Vf.  ergeben,  dass  vor  allem 
der  Rhythmus  das  Gedächtnis  unterstützt,  sie  berufen  sich  auf  ähnliche  Beobachtungen 
Binets"4->i5)  und  Gossensi^^a)  und  deuten  selbst  (S.  136)  die  Wichtigkeit  dieser 

PhilosMh.  29,  S.  531-81.  —  U2)  (I  11  :  53.1  |[Th.  Alt:  Kw.  6,  S.  169-70,  187,8  (anerkennend,  nur  wird  genügende  üebersicht 
u.  Klarheit  mit  Unrecht  vermisst.Jf  —  113)  J.  J.  van  Biervliet,  La  memoire.  {—  RTÜnivGand.)  Gand  et  Paris,  Clemra 
(II  Engelcke,  sncc).  40  S.  Fr.  2,00.  |[M.  Dessoir:  DLZ.  S.  1028.JI  —113a)  G.  E.  Müller  u.  F.  Schumann,  Experiment. 
Beitrr.  z.  Untersuchung  d.  Gedächtnisses.  Hamburg  n.  L.,  L.  Voss.  IV,  192  S.  M.  5,00.  (Sonderabdr.  aus  ZPsycholgSinnesorg. 
Bd.  6.)    -  114)  A.  Binet,  Memoire  visuelle  göometrique.  -  Notes  complement.    sur  M.Jacques    Inaudi:   RPhilos.  35,    S.  104-12. 

—  115)  X  J   M.  Ohar cot  et  A.  Binet,  Un  calculateur  du  type  visuel:  ib.  S.  690/4.    -    115 a)  O    H.  Gossen,  Ueber  zwei 


R.  M,  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  ii5b-i20» 

Thatsache  für  die  Litteratur  an.  Speciell  der  trochäische  Rhythmus  prägte  sich 
dem  Gedächtnis  der  deutschen  Versuchspersonen  leichter  ein  als  der  jambische,  dabei 
ergab  sich  ihnen,  dass  sie  unwillkürlich  bei  ihren  sinnlosen  zwölfsilbig-en  Silben- 
reihen nicht  alle  trochäisch  hochbetonten  Silben  mit  demselben  Iktus  versahen, 
sondern  gewöhnlich  die  1.  und  5.,  7.  und  IL,  wobei  nach  der  6.  Silbe  ein  Abfallen 
des  Tones  und  eine  besondere  Pause  bemerkbar  wurde;  es  kamen  weiter  Fälle 
vor,  wo  ein  besonderer  Iktus  nur  auf  der  5.  Silbe  lag,  ferner  Fälle,  wo  die  1.  und 
5.  Silbe  oder  die  1.  und  7.  oder  die  5.  und  11.  Silbe  so  ausgezeichnet  wurden,  end- 
lich Fälle  mit  dem  Hauptiktus  auf  der  1.,  5.,  7.  und  IL,  besonders  bei  Uebung  im 
Lernen;  niemals  dagegen  wurde  ein  besonderer  Iktus  auf  der  3.  oder  9.  Silbe  beob- 
achtet. Die  Vf.  regen  zu  ähnlichen  Versuchen  an,  womöglich  mit  Zuhülfenahme 
des  graphischen  Weges,  um  sich  nicht  aufs  Gehör  verlassen  zu  müssen.  NatürHch 
begünstigten  Allitteration,  Vollreim  und  Assonanz  das  Lernen.  Versuche,  die  Atmung 
beim  Sprechen  der  sinnlosen  trochäischen  Silbenreihen  zu  kontrollieren,  ergaben 
das  Resultat,  dass  die  Cäsur  und  Incision  dem  Bedürfnisse  der  Atmung  wenigstens 
zum  Teil  ihren  Ursprung  verdanken.  Auch  ihnen  zeigte  sich  die  verschiedene 
Veranlagung  der  einzelnen  Versuchspersonen,  indem  bei  einzelnen  mehr  das 
visuelle,  bei  anderen  mehr  das  akustische  Erlernen  eintrat;  auf  solche  Thatsachen 
wird  aber  gerade  die  Erforschung  der  künstlerischen  Individualitäten  Gewicht  legen 
müssen. ^^^'»"i^^c)  — 

Die  Frage  nach  dem  Verhältnis  von  Kunst  und  Kritik  wirft  in  seiner 
scharf  einseitigen  Manier  Bahrii^)  auf,  wobei  er  aber  unter  Kunst  nur  die  bildende 
Kunst  versteht.  Was  muss  der  Künstler  von  der  Kritik  verlangen?  so  fragt  B.  und 
antwortet:  dass  sie  über  Erfolg  oder  Niederlage  seiner  Absicht  ein  Urteil  abgebe, 
dass  sie  sage,  ob  er  in  diesem  Bilde  kann,  was  er  in  diesem  Bilde  will.  B.  behauptet, 
die  Wiener  Kritiker,  die  er  sehr  rühmt,  seien  gebildet,  aber  gerade  kritisch  seien  sie 
nicht  gebildet;  er  fordert  strenge,  die  Kritik  solle  untersuchen:  „Was  will  der  Künstler? 
Wie  viel  davon  kann  er  schon,  und  was  fehlt  ihm  noch,  um  sich  ohne  Rest  auszu- 
drücken, mitzuteilen."  Als  Muster  bezeichnet  er  Albert  Wolff,  jetzt  Gustave  Geffroy, 
in  einiger  Distanz  Hermann  Helferich  und  Cornelius  Gurlitt.  Er  verlangt,  dass  in 
den  Zeitungen  mehr  von  bildender  Kunst  gesprochen  werde  und  will  in  der  Wiener 
Deutschen  Zeitung  mit  gutem  Beispiele  vorangehen.  —  Ein  Anonymus ^^'')  bespricht 
die  Mängel  unserer  Kritik  und  charakterisiert  die  Verhältnisse,  wie  sie  sind,  in 
grossen  Umrissen  gewiss  richtig.  Er  meint,  eine  Besserung  Hesse  sich  erwarten, 
wenn  das  Publikum  beachtete,  dass  die  Kritik  kein  Richterspruch  letzter  Instanz  sei, 
und  wenn  die  Gesamtheit  der  Schriftsteller  für  den  Einzelnen  gegen  kritische  Ver- 
gewaltigung einträte. —  Eichfeld"^),  der  im  Ganzen  zustimmt,  hält  dieses  Aufbieten 
der  Gesamtheit  für  unmöglich,  verspräche  sich  aber  von  einer  litterarischen  „Sezession" 
eine  ähnliche  aufrüttelnde,  reformierende,  regenerierende  Wirkung,  wie  von  der  Sezession 
auf  dem  Gebiete  der  bildenden  Kunst.  —  Berg^'^)  verlangt  von  der  Kritik  geradezu 
Subjektivität,  Parteinahme,  aber  mit  Konsequenz  aus  einer  wirklichen  Individualität 
heraus.  Ihm  ist  der  Indifferentismus  ein  Greuel,  der  sich  hinter  dem  Namen  Ob- 
jektivität verbirgt.  Im  „Persönlichen"  entdeckt  er  den  gemeinsamen  Beruf  von  Kunst 
und  Kritik.  „Einseitigkeit,  Voreingenommenheit,  Subjektivität,  das  sind  jedenfalls 
der  Uebel  grösste  nicht:  ohne  Liebe  und  Hass  keine  Kunst  und  ohne  Blindheit  und 
Voreingenommenheit  keine  Liebe.  Und  auch  in  der  Kritik  immer  noch  besser  Vorein- 
genommenheit als  Niemalseingenommenheit  (!),  besser  vorgeur teilt  als  nie  geurteilt, 
immer  noch  besser  Tothass  (!)  als  Gleichgültigkeit  gegen  Kunst  und  Künstler."  Ich 
glaube,  bei  einem  solchen  Satze  kann  die  Kritik  schweigen.  —  StoesseP^")  deckt 
einige  der  offenkundigsten  Schäden  auf,  die  leider  bei  der  berufsmässigen  Buchkritik 
eingerissen  sind,  zum  Glück  aber  nur  bei  jenen  Tagesjournalen,  denen  das  denkende 
Publikum  keine  Bedeutung  beimisst.  Freilich  ist  nicht  zu.  verkennen,  dass  jene 
„Schmierlinge"  und  Kritikaster  Schaden  anstiften  können,  da  eben  nicht  bloss  denkendes 
Publikum  Zeitung-en  liest.  Eine  Abhilfe  zu  treffen  ist  so  unendlich  schwer,  dass 
es  dem  Vf.  nicht  einmal  einfällt,  irgend  welche  Mittel  gegen  eine  solche  Pest  vor- 
zuschlagen. —  Lormi20a)  vertieft  seine  Klage  über  die  Kritik  und  verquickt  sie 
mit  anderen  Klagen,  möchte  jedoch  eine  Wendung  zum  Besseren  erwarten,  wenn  in 
der  Mittelschule  die  Ethik  und  weltliche  Moral  gerade  so  gelehrt  würden  wie  die 
Religion.  —  Mit  allem  Spott  und  allen  Lamentationen  wird  nichts  erreicht,  auch  die 
Dummheit    will   ihr    Recht,  oder,    um    einem    herzlich    unbedeutenden    Aufsatz    von 


Fälle  T.  Aphasie:  APsyohiatrie.  25,  S.  85/6.  —  115b)  O  B.  Benzoni,  n  sapere  empirlco  i  memoria.  Palermo,  Sandson. 
112  S.  L.  3,50.  —  115c)  O  F.  Queyrat,  L'imagination  et  ses  Varietes  chez  l'enfant.  Etüde  de  psycholog.  experiment. 
appliquee  ä  l'education  intellectuelle.  Paris,  Alcan.  12«.  162  S.  Fr.  2.50.  |[P.  Piinlhan:  RPhilos.  36,  S.  87-90.]|  —  116) 
H.Bahr,  D.Kunst  u.  d.  Kritik:  Kw.  6,  S.  1535.  (Citiert  aus  DZg.)— 117)  E.W.,D.  Heilung  d.  Kritik:  ib.  S.  273  5. —118)  H.Ei  ch- 
feld:  In  Sachen:  Heilung  d.  Kritik:  ib.  S.317.-  119)  (I  1:150.)—  120)  A.  Stoessel,  Bnchkritik:  Geg.  43,  3.  378/9.  —  120  a) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  25 


I  12:121-140  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

P löhn  121^  (Jas  einzig-  Gute,  drum  aber  auch  längst  Bekannte  zu  entnehmen,  die 
Leser  wollen,  dass  der  Dichter  sich  ihrem  Geschmack  anbequeme;  nur  wenn  er  das 
thut,  folgen  sie  willig  seinem  Geschmacke.^2'''"'22~)  — 

Wie  wird  sich  die  Zukunft  der  Kunst  gestalten,  wenn  die  Social- 
demokratie  den  Sieg  erlangt?  Dieser  Zweifel  beschäftigt  jetzt  schon  die  Gemüter. 
Wittich  ^23~)  prophezeit,  dass  erst  unter  den  Verhältnissen  des  Zukunftstaates  mit 
seiner  Befreiung  von  Herrendienst  und  Barone  ums  nackte  Dasein  die  Möglichkeit 
einer  wahren  Kunstblüte  geschaffen  werden  könne;  nichts  liege  der  Socialdemokratie 
ferner,  als  die  Kunst  zu  verachten.  Die  „schöne  Kunst"  werde  der  „Elendsmalerei" 
in  den  Werken  der  Realisten  und  Naturalisten  folgen,  wenn  die  abscheuliche  Wirk- 
lichkeit, das  sociale  Elend,  einmal  abgeschafft  sei.  —  Ruhig  legt  ein  ungenannter 
Vf.  124)  die  Verhältnisse  dar,  beruft  sich  auf  Walter  Cranei25)  und  Emil  Reich '26) 
und  fasst  seine  Ansicht  in  die  Worte:  „Die  socialdemokratische  Kunst  —  oder  wenn 
man  lieber  will:  die  Socialdemokratisierung  der  Kunst  —  hat  eine  Zukunft,  die  be- 
stehende Socialdemokratie  hasst  die  Kunst  nicht,  und  die  Kunst,  die  nie  des  Volkes 
entraten  kann,  hat  von  einem  Siege  der  Socialdemokratie  nichts  zu  fürchten,  sondern 
nur  Vorteile  zu  erhoffen."^27-i3i)  _  Ausdrücklich  wird  hervorgehoben '^2)^  dass  sich 
in  den  socialdemokratischen  Zeitungen  die  Anzeichen  häufen,  man  wolle  die  „Ge- 
nossen" zur  Pflege  der  Kunst  erziehen.  —  Mehring^^s)  g-esteht  zwar,  dass  die 
Form  der  Modernen  dem  Proletarier  einzig  verständlich  sei,  findet  aber,  dass  auch 
hier  der  Geist  noch  kapitalistisch  geblieben.  Weder  das  Klassische  noch  das 
Moderne  sei  das,  was  die  Masse  brauche,  aber  es  wäre  thöricht,  das  Moderne  ein- 
seitig zu  bevorzugen,  es  gelte  vielmehr,  bei  dem  Klassischen  auf  den  ursprünglich 
revolutionären  Kern  zu  dringen,  dann  bekomme  man  für  Geist  und  Herz  kräftigere 
Nahrung  „so  lange  mindestens,  bis  aus  dem  Proletariat  selbst  eine  neue  Kunst  er- 
wachsen ist,  in  der  die  Begriffe  des  Klassischen  und  Modernen  dann  freilich  ihre 
dauernde  Versöhnung  finden  werden."  Den  Unterschied  zwischen  dem  vorigen  und 
unserem  Jh.  findet  M.  darin,  dass  sich  die  revolutionäre  Bourgeoisie  nur  auf  den 
Gebieten  der  Litteratur  und  der  Kunst  bethätigen  konnte,  während  diese  Gebiete 
dem  revolutionären  Proletariate  geradezu  verschlossen  seien.  Die  Entscheidung  werde 
auf  ökonomischem  und  politischem  Gebiet  erfolgen,  aber  die  Kunst  gehöre  so  un- 
löslich zum  Leben  eines  vollen  Menschen,  dass,  ,,je  mehr  die  Arbeiterbewegung  den 
Proletarier  wieder  zu  einem  vollen  Menschen  macht,  um  so  stärker  künstlerische 
Bedürfnisse  und  Neigungen  in  ihm  erwachen".  —  Brandt i^*)  sieht  den  Mangel  an 
allgemeiner  Wirksamkeit  der  Kunst  darin  begründet,  dass  wir  eine  „Künstlerkunst" 
und  eine  „Publikumskunst"  haben,  jene  sich  aber  um  das  Publikum  nicht  kümmere 
und  nicht  national  genug  sei.'^^'i^öa)  —  Aldenhoven '^6)  drückt  in  einer  liebens- 
würdigen Skizze  die  Ueberzeugung  ans,  es  werde  die  Zeit  kommen,  „dass  die 
Poesie  und  die  Musik  wie  die  bildenden  Künste  wieder,  wie  einst  in  der  Kirche, 
eine  Stätte  finden  werden,  die  dem  ganzen  Volke  offen  steht".  —  Hildebrandt^^'') 
hofft  gerade  von  der  Kunst  „die  Besserung  unserer  socialen  Zustände,  die  Hebung 
von  Handel  und  Gewerbe";  er  begründet  seine  Hoffnung  nur  ganz  allgemein  haupt- 
sächlich durch  die  erziehende,  veredelnde  Macht  der  Kunst,  die  aber  der  vorbereitenden 
Erziehung  zur  Kunst  in  der  Schule  wie  im  Hause  bedarf.  —  Rott'^*)  ist  der 
Ueberzeugung,  wir  gingen  ,, geraden  Wegs"  einer  Zukunft  entgegen,  ,,wo  Dichtung 
und  (bildende)  Kunst  wieder  Hand  in  Hand  zur  Unsterblichkeit  emporschreiten 
werden.  Ob  diese  neue  Kunst  mehr  realistische  Romantik  oder  mehr  romantischer 
Realismus  sein  wird,  kann  uns  gleichgültig  sein."  — 

Wie  weit  das  Unanständige  nach  dem  jetzigen  Stand  der  Kultur  in  der 
Kunst  verwertet  werden  kann,  sucht  von  Polenz'^")  festzustellen.  Als  das  Un- 
anständige bezeichnet  er  „dasjenige,  was  unser  Schamgefühl  zu  erregen  geeignet 
ist",  also  „das  Nackte  und  Ekelhafte  und  das  Unsittliche".  Das  Nackte  aus  Gewöhnung, 

H.  Lorm,  D.  litt.  Sittlichkeit:  ib.  44,  S.  374/6.    —    121)  Rob.  Plöhn,  D.  Gesohmacksgesetze  d.  Publikums:  ML.  62,  S.  475/6. 

—  121a)  X  Publikum  n.  Kunst:  Didask.  N.  129,  S.  515/6.  —  122)  X  Reines  Deutschtum  in  d.  Kunst:  Kw.  6,  S.  245/7,  260/1. 
(Bespr.  V.  F.  Langes  Aufsatzfolge:  „Reines  Deutschtum"  [vgl.  I  4:615],  auch  als  bes.  Schrift  erschienen.  In  d.  Grundsätzen, 
aber  nicht  d.  Resultaten  zustimmend.)  —  123)  M.  Wittich,  D.  bürgerl.  Kunst  n.  d.  besitzlosen  Klassen:  ib.  S.  108/9.  (Aus 
BildhauerZg.)  —  124)  In  Sachen:  Kunst  u.  Socialdemokratie:  ib.  S.  362/5  -  125)  X  ^-  Grane,  The  Claims  of  decorative 
art.  London,  Lawrence  and  Buller.  1892.  4".  Sh.  7/6.  (Darin  „Art  and  Labor"  und  „Ai-t  and  Socialdemocraty".)  —  126)  X 
E.  Reich,  D.  bürgerl.  Kunst  (vgl.  JBL.  1892  IV  4:  178).  |[R.:  LCBl.  S.  455/6;  G.  Manz:  ML  62,  S.  161,2.1|  —  127)  O  Kurt 
Baecker,  D.  Volksnnterhaltung.  B.,  Dtsch.  Sohriftstellerg.  83  S.  M.  1,20.  |[G.  Manz:  ML.  62,  S.  161/2.]|  —  127a)  X 
Proletarische  Aesthetik:  Volksbühne  2,  S.  8-14.  —  128)  X  0  Krack,  D.  Kunst  u.  d.  Volk:  Geg.  44,  S.  40/2.  (Auszug  aus 
Reich.)  —  129)  X  M.  Wittich,  Wie  sich  d.  Socialdemokratie  zu  Litt.  u.  Kunst  stellt:    Kw.  6,  S.  108.     (Gegen  Baumgarten.) 

—  130)  X  H.  Scham  [Pudor],  VolkstOml.  Kunst:  20.  Jh.  2,  S.  51-72.  -  131)  X  A.  A.  Naaff,  V  d.  Luxuskunst  z.  Volkskunst: 
ib.  1,  S.  88-90.  —  132)  Kunst  u.  Socialdemokratie:  Kw.  6,  S.  108/9.  -  133)  F.  Mehring,  Klassisch  u.  Modern:  ib.  S.  347/9. 
(Aus  BildhauerZg.)  —  134)  H.  Brandt,  D.  Volk  u.  d.  Kunst:  Atelier  N.  61.  -  135)  X  J-  H.,  D.  bürgerl.  Kunst  u.  d.  besitz- 
losen Klassen :  NZ8t.  11,  S.  334/9.  —  135  a)  XO  Seh  wind  razheira,  Hie  Volkskunst!  (=  Tages- u.  Lebensfragen.  Her.  v.  W.  Bode. 
N.13/4.)  Bremerhaven,  Tienken.  1892.  34  S.  Mit  8  Taf.  M.  0,50.  |[A.  Fuchs:  ALBI.  2,  S.  593/4.]  |  -  136)  C  Aldenhoven,  Kunst 
n  Armut:  Ntttion».  10,  S.  378-82.  —  137)  (I  11  :  27.)  |[M.  S. :  ML.  62,  S.  820.]l  -  138)  V.  Rott,  Kunst  u.  Dichtung:  Atelier 
N.  60.    —    139)  W.  V.  Polenz,  Ueber  d.  Grenzen  d.  Unanständigen  in  d.  Kunst:  ML.  62,  S.  383/5.   —    140)  K.  Schauer,  Z. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  1  12  :  140143 

wegen  des  Dogmas  von  der  Abtötung  des  Fleisches,  der  Enthaltsamkeit,  der  Keusch- 
heitsgebote, endlich  weil  es  uns  an  unsere  Tierähnlichkeit  erinnert.  Ekelerregend 
ist  vor  allem  das,  was  uns  an  die  Schwäche,  Hinfälligkeit  und  Notdurft  unseres 
Körpers  erinnert  wie  Verdauung,  Krankheit,  Verstümmlung  usw.,  Verwesung, 
Leichenstarre  und  alles,  was  der  Tod  im  Gefolge  hat;  auch  hier  also  stösst  uns  das 
Tierische  ab.  Das  Unsittliche  kann  gleichfalls  als  ein  Zurücksinken  von  der  Stufe 
des  Menschlichen  zum  Tierischen  bezeichnet  werden.  Geradezu  der  Triumph  des 
Unanständigen  ist  das  Geschlechthche,  weil  es  auch  dann,  wenn  es  nicht  gegen 
das  Sittengesetz  verstösst,  uns  dem  Tier  am  nächsten  bringt,  überdies  in  engster 
Beziehung  zum  Ekelhaften  und  Nackten  steht.  Das  Schamgefühl  ist  daher  hier  am 
stärksten.  Trotzdem  kann  man  das  Unanständige  nicht  prinzipiell  von  der  Kunst 
ausschliessen,  will  man  nicht  von  vornherein  auf  Lebenswahrheit  verzichten  und 
sein  Stoffgebiet  verkleinern  und  einem  wichtigen  Mittel  der  Charakterisierung  und 
des  Kontrastes  entsagen.  Das  Unanständig'e  ist  kunstfähig,  nur  darf  es  weder  Selbst- 
zweck noch  gehäuft  werden.  Was  die  einzelnen  Künste  betrifft,  so  glaubt  der  Vf. 
das  Gesetz  aufstellen  zu  dürfen:  „In  je  deutlicherer  Weise  eine  Kunstgattung  das 
Leben  versinnbildlicht,  in  desto  schwächerem  Masse  darf  sie  das  Unanständige  ver- 
wenden." Im  einzelnen  hängt  alles  weit  mehr  vom  Naturell  des  Künstlers  als  vom 
Stoff  ab.  „Sinnlichkeit  ist  in  der  Kunst  eine  Tugend,  Lüsternheit  aber  ein  Ver- 
brechen." Noch  ein  „Gesetz"  findet  der  Vf.:  „Das  Unanständige  stört  nämlich  dann 
nicht,  wenn  es  harmlos  aufgenommen  wird  und  sich  selbst  harmlos  giebt,  ja,  es  hört 
dann  geradezu  auf,  unanständig  zu  sein."  Zwei  Extreme  werden  aufgezeigt:  das 
Frivole,  „eine  Art  geistiger  Entblössung",  und  das  Prüde.  Am  erträglichsten  er- 
scheint das  Unanständige  in  der  Form  des  Witzes.  Das  Unanständige  kann  durch 
Harmlosigkeit  geradezu  aufg'ehoben,  durch  Witz  erträglich  gemacht  werden,  immer 
aber  sind  es  nur  „mildernde  Umstände",  die  für  das  Unanständige  angeführt  werden 
können.  Der  Aufsatz  ist  verständig  und  legt  die  Thatsachen  klar,  wenn  auch  nicht 
tiefsinnig  dar.  —  Bedeutsam  scheint  Schauer  i**^)  in  einer  juridischen  Abhandlung, 
die  ich  nur  aus  Daudes  Besprechung  kenne,  das  Thema  vom  Unzüchtigen  in  der 
Kunst  behandelt  zu  haben.  Er  teilt  die  unzüchtigen  Schriften  in  absolut,  offen  oder 
versteckt,  und  relativ  unzüchtige  ein.  Zu  den  relativ  unzüchtigen  rechnet  er  solche 
nicht  unzüchtige,  streng  wissenschaftliche  oder  künstlerische  Werke  der  schönen 
Litteratur,  die  durch  die  Art  ihrer  Verbreitung  von  Seiten  des  Buchhändlers  oder 
Verlegers  in  Kreise  geleitet  werden,  denen  es  nur  auf  geschlechtliche  Aufregung 
durch  den  sexuell  interessanten  Teil  der  Schrift  ankommt.  Die  Unzüchtigkeit  eines 
Werkes  der  schönen  Litteratur  beurteilt  der  Vf.  in  erster  Linie  darnach,  ob  die 
Tendenz  eine  unzüchtige  sei,  und  welchen  Eindruck  es  auf  den  Leserkreis  macht, 
für  den  es  bestimmt  ist.  Der  Vf.  meint  also,  dass  die  Frage,  ob  eine  Schrift  als 
eine  unzüchtige  anzusehen  sei,  stets  quaestio  facti  sein  müsse.  „Klassische"  Werke 
können  höchstens  durch  die  Art  ihres  Vertriebs  zu  unzüchtigen  Zwecken  miss- 
braucht werden.^*')  —  Beachtenswert  ist  auch  ein  Aufsatz  von  Erdmann  i^^^,  der 
zwar  vom  Thema  „Suggestion  und  Dichtkunst"  mit  Rücksicht  auf  Franzos  „Enquete" 
(vgl.  JBL.  1891  I  3  :  255;  1892  111:  240)  ausgeht,  aber  die  ganze  ästhetische  Frage 
dabei  behandelt.  Er  verwirft  die  Fragestellung,  an  der  Franzos  unschuldig  sei,  ob 
die  Dichtkunst  die  Erscheinung  der  Suggestion  verwerten  „darf",  weil  er  eine 
Einschränkung  in  dieser  Hinsicht  überhaupt  nicht  zugeben  kann.  Verständig  die 
Stoffwahl  besprechend,  kommt  er  zur  umfassenderen  Frage:  „Giebt  es  an  sich  an- 
rüchige, an  sich  verpönte  Stoffgebiete?"  Diese  Frage  lasse  sich  aber  kaum  so 
direkt  beantworten.  E.  ist  mit  der  Auffassung  der  „Scheingefühle"  nicht  einver- 
standen, die  E.  von  Hartmann  vorträgt,  der  Scheingefühle,  die  von  der  Kunst  erregt 
werden  und  sich  ihrem  Wesen  nach  von  den  wirklichen  unterscheiden;  ihm  sind 
Scheingefühle  jene,  die  sich  unmittelbar  auf  den  Schein  des  Kunstwerks  beziehen 
und  sich  von  jenen  unterscheiden,  die  ganz  ausserhalb  der  künstlerischen  Illusion 
stehen.  Ein  Scheingefühl  ist  die  Angst  beim  Anblicke  des  brennenden  Schlosses 
um  die  imaginäre  Person  des  Käthohens  von  Heilbronn,  während  die  Furcht,  das 
brennende  Schloss  könne  das  Theater  in  Brand  stecken,  ein  reales  Gefühl  ist.  Ein 
reales  Gefühl  ist  es  aber  auch,  wenn  der  Leser  irgend  einer  Verführungsscene  selbst 
zur  Lüsternheit  erregt  wird,  weil  der  scheinbare  Vorgang,  den  das  Kunstwerk 
bietet,  ausser  allem  Zusammenhang  mit  der  realen  Person  des  Lesers  steht.  E. 
meint  also,  es  komme  auf  die  Beziehung,  nicht  auf  das  Wesen  des  Gefühls  an; 
ob  ich  innerhalb  oder  ausserhalb  der  künstlerischen  Illusion  bleibe,  darauf  muss 
Gewicht  gelegt  werden.     E.  geht  auch  auf  das  „interesselose  Wohlgefallen"  ein,  um 


Begriff  d.  unzüchtigen  Schrift.  E  Beitr.  z.  Erläuterung  d.  §  184  B.St.G.B.  L.,  Rossberg.  Vm,  62  S.  M.  1,60.  |[P.  Daude: 
DLZ.S.  499-500  ]|"-  141)  X  F-  Brentano,  D.  Genie;  d.  Schlechte  als  Gegenstand  dichter.  Darstell,  (vgl.  JBL.  1892  I  11 :  68, 106): 
WIDM.  73,  S.  142.    —    142)  K.  Erdmann,    Anrüchige  Stoffe:    Kw.  6,    S.  113/6.    —    143)  X  M.  t.  Flotow,   Kunst  u.  Moral. 

25* 


I  12:144-145  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

die  „übliche  übertriebene  Auffassung"  zu  widerlegen.  Es  kann  nun  die  Vermischung" 
von  Schein-  und  realen  Gefühlen  Schuld  des  Beschauers  sein,  der  eines  rein 
ästhetischen  Verhaltens  unfähig  ist,  oder  weder  vom  Beschauer,  noch  vom  Künstler 
gewollt,  aber,  wie  z.  B.  Langweile,  unwillkürliche  Heiterkeit  durch  das  Verfehlen 
des  Zweckes  hervorgerufen  sein,  oder  endlich  die  realen  Gefühle  sind  der  eigent- 
liche Zweck  eines  Werkes,  dann  haben  wir  es  entweder  mit  Tendenz-  oder  mit 
Sensationswerken  zu  thun.  Unsittliche  Werke  sind  jene,  welche  die  Sinnlichkeit 
reizen  und  Lüsternheit  hervorrufen  wollen.  Es  fragt  sich  also  nun:  giebt  es 
Stoffgebiete,  denen  „notwendig"  die  Erregung  ausserästhetischer,  realer  Gefühle  an- 
haftet? Klar  grenzt  E.  die  Fälle  ab,  indem  er  die  Meinung  ausspricht,  dass  reale 
Gefühle  von  gewissen  Stoffen  ganz  unvermeidlich  erregt  werden,  aber  wegen  rein 
subjektiver,  durch  Erziehung,  Kulturverhältnisse  und  Gewohnheit  bedingter,  ver- 
änderlicher und  sich  verlierender  psychologischer  Erscheinungen;  es  ist  also  eine 
nicht  am  Stoff,  sondern  am  Individuum  haftende  Beschränkung.  Die  Thatsachen  der 
Suggestion  speciell  erscheinen  uns  so  unerhört,  so  schreckhaft,  dass  sie  reale  Gefühle 
erregen.  Daraus  ergiebt  sich,  dass  entweder  Sensationswerke,  wie  Samarows  Roman 
„Unter  fremdem  Willen"  entstehen,  oder  dass  „rein  künstlerische",  tendenz-  und 
sensationsfreie  Werke,  die  solche  Stoffe  behandeln,  von  uns  abgelehnt  werden.  Bei 
dem  täglichen  Schwinden  des  Ungewohnten  der  Suggestion  könnte  eine  Dichtung 
über  die  Suggestion  möglich  werden.  Aber  nur  die  Erfahrung  wird  lehren,  ob  je 
ein  solches  Kunstwerk  zu  stände  kommen  kann.^^^)  — 

Poetik.  Von  der  Behauptung  ausgehend,  dass  zwar  in  unseren  Tagen 
der  Ruf  nach  einer  induktiven  Poetik  oft  genug  ertöne,  aber  die  Meinung  noch 
nicht  geklärt  sei,  was  man  unter  induktiver  Poetik  zu  verstehen  habe,  beschäftigt  sich 
mit  der  Methode  der  Poetik  neuerlich  Eugen  Wolff^^^).  Er  stellt,  wie  in  seiner 
Schrift  „Prolegomena  der  litterarrevolutionistischen  Poetik"  (vgl.  JBL.  1890  I  3  :  60), 
die  Ansicht  an  die  Spitze  seiner  Auseinandersetzung:  „Das  allein  mögliche  Material 
der  Erfahrung  über  die  Litteratur  ist  doch  wohl  die  Litteraturgeschichte",  während 
er  thatsächlich  nur  meint,  es  komme  bei  der  Poetik  die  lückenlose  und  geordnete 
Heranziehung  der  Litteraturwerke  in  geschichtlicher,  ununterbrochener  Folge  in 
Betracht.  Doch  spricht  er  in  seiner  Unklarheit  statt  von  Litteraturwerken  oder 
Litteraturgeschehen  immer  von  der  Litteraturgeschichte.  Bisherhabe  die  Poetik  meist 
die  „Litteraturgeschichte"  nur  als  starre  Einheit  oder  als  Raritätenkasten  zu  benutzen 
gewusst,  die  „Litteraturgeschichte"  sei  aber  ein  „fliessender  Org-anismus"  „mit 
Wandlungen  und  Umbildungen,  mit  Abweichungen,  die -bei  blosser  ungeschichtlicher 
Nebeneinanderstellung  an  einer  Möglichkeit  allgemeingültiger  Begriffsbestimmung 
der  Poesie  leicht  zweifeln  Hessen,  die  aber  bei  geschichtlich  zusammenhängendem 
Ineinandergreifen  den  zuverlässigsten  Regulator  für  die  Variationen  des  einen  Grund- 
typus darbieten."  Soll  die  empirische  Poetik  „aus  dem  Stadium  der  Experimente  (\) 
in  das  des  Systems  übergehen",  so  muss  sie  „auf  der  Geschichte  der  Weltpoesie  im 
vollen  Umfang  und  Zusammenhang  fussen".  Also  ist  „zusammenhängende  Auf- 
wicklung (!)  der  geschichtlich  gegebenen  Erscheinungen,  systematische  Geschichte 
der  Weltpoesie  die  Grundläge  der  Poetik".  Es  kommt  demnach  darauf  an,  „die 
Teile  des  Materials  nicht  mehr  als  Regel,  sondern  als  geregell"  zu  betrachten,  „die 
psychologische  Quintessenz  des  Ganzen  zur  alleinigen  Regel"  zu  erheben.  Erst 
wenn  die  induktive  Poetik  „die  Einzelerscheinungen  nach  ewigen  Prinzipien"  er- 
gründet, wird  sie  „philosophiefähig".  Sie  wird  nicht  mehr  jede  Einzelerscheinung, 
jede  Entwicklungsstufe  für  sich  als  g-esetzgebend  anerkennen,  sondern  nur  „als 
eine  Potenz  der  Entwicklung",  und  wird  erst  „aus  dem  Ineinandergreifen  dieser 
Potenzen  das  psychologische  Prinzip  der  Entwicklung"  erschliessen.  Also  hiesse 
die  Aufgabe,  „die  Urpoesie,  den  Typus  der  Poesie  festzustellen".  Die  wahre  Poesie 
ist  nur  eine,  doch  giebt  es  „viele  Offenbarungsformen  derselben,  deren  identische 
Urzellen  nicht  ohne  weiteres  dem  Einzelbeschauer  sichtbar  sind".  Nun  wundert  sich 
der  Vf.  über  das  Resultat,  zu  dem  er  gekommen  zu  sein  glaubt,  und  fragt  mit 
köstlicher  Naivetät:  „Die  Poetik  will  die  Poesie-  regeln  (!)  —  und  soll  sich  nun  von 
der  Poesie  regeln  lassen?!"  Wir  erstaunen  freilich  auch,  denn  wir  hatten  gemeint, 
dass  die  Poetik  seit  Gottscheds  Tagen  die  Entwicklung  von  der  normierenden  zur 
historischen  Grammatik  durchgemacht  habe,  dass  sie  nicht  darauf  aus  sei,  der  Poesie 
„Regeln"  zu  geben,  sondern  das  Wesen  der  Poesie  zu  ergTÜnden.  W.  aber  sagt: 
„Kennen  wir  die  Gesetze,  welche  der  Gesamtlitteratur  in  der  Vergangenheit  zu 
Grunde  liegen,  kennen  wir  also  die  Grundzüge  der  Litteraturentwicklung,  so  haben 
wir  einen  Massstab  für  Beurteilung  der  Einzelerscheinungen  in  der  Vergangenheit 
und  Gegenwart  gewonnen."  Was  soll  das  heissen?  Kennen  wir  die  Grundzüge  der 
Menschheitsentwicklung,    so    haben    wir    einen    Massstab    für    die   Beurteilung    des 


Vortr.   (Eeferat):  KZg.  N.  983.  -  144)  Eng.  Wolff,  Vorsttidien  z.  Poetik  MV.:  ZVLB.  6,  S.  423-47.  —  145)  O  F.  Houssay, 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  -.  144-145 

einzelnen  Individuiinis?  Kennen  wir  die  Geschichte  einer  Er  seh  einungsreihe,  so  ver- 
mögen wir  allerdings  das  Einzelindividuum  in  diese  Geschichte  einzureihen,  aber 
genügt  das  wirklich  für  eine  Beurteilung  des  Individuums?  Wir  merken,  W.  spricht 
ja  gar  nicht  von  der  Poetik,  er  spricht  von  einer  Entwicklung'sgeschichte  der  Poesie, 
ohne  die  Frage  nur  zu  streifen,  ob  das  eigentlich  die  Poetik  sei.  Zum  Glück  für 
uns  hat  der  Vf.  sogleich  gezeigt,  wie  leicht  diese  Poetik  zu  ihren  „Gesetzen"  kommt. 
Er  stellt  nämlich  aus  der  Vergieichung  von  14  Stellen  aus  8  Dichtern  die  Neigung 
der  Poesie  fest,  die  menschlichen  Helden  zu  göttlichem  Schein  zu  erheben,  und 
kommt  zu  dem  ersten  Teil  eines  Grundgesetzes  der  Dichtung,  das  Irdische  in  über- 
irdischen Schein  zu  erheben,  er  bildet  dafür  das  Wort  „Theomorphismus".  Nun 
nimmt  der  Vf.  9  Stellen  aus  7  Dichtern  (Shakespeare,  Boileau,  Rousseau,  Lamartine, 
Goethe,  Schiller,  Bleibtreu),  darunter  „gekrönt  von  nahen  IBergen",  „gekrönt  mit 
Eichen",  und  kommt  zum  zweiten  Teil  des  Grundgesetzes,  wofür  er  den  schönen 
Namen  „Heroomorphismus"  bereit  hat.  Auf  das  religiöse  folgt  das  heroische  Ideal, 
auf  den  Theismus  der  Heroismus,  also  auch  ihre  ,, Ausflüsse",  der  Theomorphismus 
und  der  Heroomorphismus.  Nun  ist  es  aber  „ein  in  geschichtlicher  Zeit  meist  klar 
verfolgbarer  Gang  der  Entwicklung:  vom  Göttlichen  durch  das  Heroische  zum 
Menschlichen  oder  gar  Bürgerlichen".  Wenn  die  Poesie  „auch  aus  dem  Bereich  des 
Heroischen  herabsteigt,  um  die  Menschheit  und  Natur  selbst  unmittelbar  zu  ver- 
klären", so  bereichert  sie  sich  um  das  charakteristische  Mittel,  von  dem  der 
,,Anthropomorphismus"  nur  eine  Seite  bezeichnet;  W.  fühlt  sich  versucht,  „die  Be- 
zeichnung Physiomorphismus  zu  bilden,  ohne  zu  finden,  dass  dieselbe  besonders  ge- 
schickt g-ewählt  sei".  Nun  haben  wir  das  ganze  Grundgesetz  beisammen,  „eine  Er- 
hebung über  die  gewöhnliche  Sphäre  als  möglichst  konformen  Ausdruck  der  eben 
ungewöhnlichen  Empfindung  des  Dichters  gerade  für  den  dargestellten  Gegenstand". 
Poesie  zeigt  sich  also  „als  entsprechender  Ausdruck  erhöhter  Gefühle",  woraus  sich 
„zwei  Eigenschaften  als  notwendige  Attribute  des  Dichters"  ergeben ,  einmal 
„erhöhtes,  stark  entwickeltes  Gefühlsleben",  zweitens  „Fähigkeit  zu  entsprechend 
erhöhtem  Ausdruck  —  Gestaltungskraft".  Sind  wir  einmal  so  weit,  so  ergiebt  sich 
das  Weitere  von  selbst.  „Ist  das  Wesen  der  Poesie  Ausdruck  erhöhter  Gefühle,  so 
müssen  gehobene  Gefühle  des  Dichters  die  Voraussetzung  jedes  poetischen  Werkes 
bilden",  so  besteht  aber  auch  ihre  Wirkung  darin,  „dass  sie  diese  gehobenen  Gefühle 
überallhin,  wohin  sie  wirkt,  eindrückt".  Die  Poesie  grenzt  sich  von  den  übrigen 
Künsten  ab,  „sie  ist  Ausdruck  gehobener  Gefühle  durch  die  artikulierte  Sprache", 
sie  unterscheidet  sich  von  der  Prosa  als  Sprache  des  gehobenen  Gefühls  gegenüber 
der  Sprache  des  Gedankens.  Mit  der  „entwicklungsgeschichtlichen  Verfolgung  der 
poetischen  Gefühlserhebung"  ist  uns  aber  auch  der  Massstab  „zur  wahren,  d.  h. 
historischen  Schätzung  des  Verhältnisses  zwischen  Erhabenheit  und  Schönheit"  dar- 
geboten. Das  Erhabene  ist  „das  Prius".  Die  g'eschichtliche  Betrachtung  ergiebt  die 
Entwicklung  Epos,  Lyrik,  Drama.  Das  Drama  ist  religiösen  Ursprungs,  geht  „aus 
dem  epischen  Vortrag"  hervor,  indem  sich  der  Vorsänger  vom  Chor  trennt,  und  dann 
der  Wechselgesang  durch  Thespis  zum  wirklichen,  von  Gesten  belebten  Dialog  um- 
gewandelt wurde.  Immer  bleibt  im  griechischen  Drama  das  über  dem  Menschen 
waltende  Schicksal  für  sein  Los  massgebend,  nicht  sein  Charakter.  Der  Schluss 
bleibt  also  „äusseres  Geschehnis  im  epischen  Sinn",  die  antike  Tragödie  bleibt  also 
psychologisch  „halb  im  Epischen  stecken".  Im  modernen  Drama  treten  für  das  Schicksal, 
d.  h.  die  Willkür  der  Götter,  das  Verhängnis,  der  Mensch  selbst  oder  seine  Mit- 
menschen ein,  damit  ist  die  Tragödie  gegenüber  ihrer  antiken  Vorgängerin  dramatischer 
geworden.  Der  letzte  Schritt  wäre  nun,  dass  der  Mensch  der  Herr  seines  Schicksals 
werde,  ,gedes  ihm  widerfahrende  Ereignis  als  unmittelbare  Folge  seines  Charakters" 
erscheine;  „indem  die  Ereignisse,  welche  in  der  Tragödie  noch  schliesslich  den 
Menschen  unterwarfen,  in  der  neuen  dramatischen  Form  umgekehrt  durchaus  dem 
menschlichen  Charakter  unterworfen  wären",  streife  das  Drama  den  letzten  „epischen 
Rest"  ab.  Diese  „dramatisch  vollkommene  Gattung"  bildet  sich  in  der  Komödie  aus. 
Also  auch  hier  der  Weg  vom  Göttlichen  übers  Heroische  zum  Menschlichen!  Ganz 
ebenso  wenn  wir  das  Publikum-  betrachten;  zuerst  der  Priester-Sänger  und  die  Ge- 
meinde, Erhebung  der  Herzen  zur  Gottheit;  dann  der  Sänger  und  der  Stamm, 
Pietät  für  die  Vorfahren  (Geschichte,  Sage);  endlich  der  Lyriker  als  Individuum, 
Weihe  des  eigenen  Gefühls,  Selbstbewusstsein,  das  aber  durch  Selbstentäusserung 
zur  „weihevollen  Mitempfindung  mit  dem  Leben  der  Anderen"  wird.  Also  nach  der 
Pietät  für  Götter  und  Heroen  nun  Humanität.  Wir  können  sehen,  dass  sich  „die 
Poesie  immer  weiter  von  blosser  Hingabe  an  die  Sinnenwelt  entfernt  zu  immer 
reinerer  Hingabe  an  die  Geisteswelt,  damit  offenkundig  in  unendlicher  Progession 
immer  näher  zu  dem,  was  wir  Gottähnlichkeit  nennen".  Man  weiss  nicht  recht,  was 
W.  eigentlich  will,  er  spricht  immer  von  einer  Induktion  auf  der  all  erbreitesten 
Grundlage,   redet  von  entwicklungsgeschichtlicher  Lückenlosigkeit  und  dergleichen 


I  12:145-162  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Unmöglichkeiten,  begnügt  sich  aber  dann  mit  dem  flüchtigsten  „beliebigen  Aus- 
wählen und  Zusammenwürfeln  von  Beispielen",  das  er  selbst  „als  Dilettantismus  ge- 
brandmarkt" hat,  nur  freilich  mit  dem  Unterschiede,  dass  er  in  kühnster  Kombination 
auf  dem  Boden  dieser  kleinen  Auswahl  ein  Luftschloss  aufbaut,  um  uns  die  Frucht- 
barkeit seiner  „Methode"  vorzugaukeln.  Was  W.  unwissenschaftlich  und  echt 
dilettantenhaft  ausführt,  sind  keine  „Gesetze",  keine  Ergebnisse  wirklicher  Forschung, 
es  sind  Hypothesen,  so  wenig  „vorsichtig"  (S.  425),  dass  man  sie  auch  nicht  exempli 
gratia  hinnehmen  kann.  So  lange  W.  uns  den  Beweis  schuldig  bleibt,  dass  seine 
Methode  durchführbar  ist,  nicht  in  einem  eiteln  Feuilletongetändel,  sondern  in  ernster, 
wohlerwogener  Wissenschaftlichkeit,  so  lange  müssen  wir  seine  „evolutionistische 
Poetik" '^^j  für  ein  Hirngespinst  halten.'*^)  — 

Den  Wert  der  Poesie  entwickelt  Kuh  merk  er ''*'')  in  einem  gutgemeinten 
Heftchen;  er  vergleicht  die  „schöngeistige  Litteratur"  mit  den  Strahlen  der  Sonne, 
deren  Gluthitze  tagsüber  ebensowenig  erfreuen  könne,  wie  wenn  man  sich  ihnen 
grundsätzlich  entzieht;  es  gehört  die  Einsicht  dazu,  wie  sie  zu  geniessen  seien.  Die 
Poesie  ist  „die  reinste  und  gesundeste  Quelle  des  wahren  Fortschrittes,  der  unver- 
fälschten Menschenwürde",  „ihre  Grundsätze  gehen  nicht  unmittelbar  auf  das  Leben 
und  seine  Erfordernisse,  sondern  vielmehr  und  vornehmlich  auf  den  Menschen,  auf 
sein  Ich,  auf  seinen  Intellekt  und  hauptsächlich  auf  sein  Gefühl  aus".  „Ihre  Ziele 
richten  sich  auf  die  allgemeine  und  gesamte  Ausbildung  und  möglichste  Vervollkommnung 
unseres  Herzens  und  Geistes,  auf  die  Ausgestaltung  und  x\usprägung  der  bewussten, 
harmonischen  Individualität,  auf  unsere  Ganzheit  als  Mensch";  sie  betähigt  uns  zu  „ge- 
deihlicher Selbsterziehung".  „Die  Lehre,  die  Moral,  die  Offenbarungen  des  Dichters, 
die  gehen  ....  schier  unbewusst,  mit  einer  natürlichen  und  zugleich  wunderbaren 
Notwendigkeit  aus  ihr  hervor."  „Der  Künstler  stellt  uns  das  Seinsollende  als  seiend 
dar",  sagt  der  Vf.  mit  Carriere,  darum  ist  ihre  Aufgabe  nicht,  „die  Thatsachen  ledig- 
lich historisch  zu  malen".  Der  Verflachung  wirkt  sie  durch  Erhebung  entgegen. 
Darum  „sollten  auch  Alle,  deren  eigentliche  Berufsbildung  als  vollendet  anzusehen 
ist ... .  im  Interesse  eines  edlen  Denkens  und  Fühlens,  im  Interesse  des  wahren  Fort- 
schrittes und  der  civilisatorischen  Bestrebungen,  die  einzig  in  der  Kristallisation 
genialer  Schöpfungen  ihren  letzten  Schliff  und  die  höchste  Weihe  erhalten"  die 
schöngeistige  Litteratur  pflegen.  Er  sieht  also  in  der  Poesie  die  Schule  der  Er- 
wachsenen. Seine  Gedanken  sind  nicht  neu,  vielleicht  hat  aber  auch  das  Aussprechen 
alter  Gedanken  mitunter  einen  Wert.  Die  Behandlung  der  neuesten  Litteratur  lässt 
Ruhe  des  Urteils  vermissen  und  bleibt  an  der  Oberfläche  haften. '4^)  —  Den  „Schön- 
geist" im  Gegensatze  zum  „Litteraturfreund"  charakterisiert  köstlich  Schienther  i^^), 
indem  er  die  drei  Lieblingsschlagwörter  der  Schöngeisterei,  das  Wahre,  Gute  und 
Schöne,  durchnimmt  und  auf  ihre  wirkliche  Bedeutung  prüft.  In  der  „gesteigerten 
Sehkraft,  in  der  Fähigkeit,  Weltbilder  in  sich  aufzunehmen"  findet  der  Künstler  über- 
haupt, auch  der  Dichter  seine  Schaffenskraft.  „Die  Kunst  stellt  dar,  was  einen  starken 
harmonischen  Eindruck  auf  unsere  Empfindung  macht,  was  wie  ein  Ganzes  wirkt, 
wie  eine  Welt  für  sich."  Das  ist  „die  eigentliche  ästhetische  Schönheit".  Die 
moderne  Kunst  führe,  so  könnte  man  sagen,  „durch  Furcht  zum  Mitleid",  viele  aber 
hätten  „Furcht  vor  dem  Mitleid".  Dass  Seh.  der  modernen  Litteratur  mit  Sympathie 
gegenübersteht,  weiss  man  längst.  Was  er  aber  unter  dem  Realistischen  in  der 
Kunst  versteht,  wird  jedermann  als  berechtigt  erkennen,  es  ist  ihm  „alles,  was  den 
Schein  einer  wirklichen  Existenz  hervorruft.  So  kann  ein  Shakespearescher  Elfen- 
könig weit  realistischer  sein,  als  ein  L'Arrongescher  Briefträger  oder  ein  Wilden- 
bruchscher  Uhrmacher";  man  darf  nur  nicht,  wie  der  Schöngeist,  Form  und  Stoff 
verwechseln. i^o-i5«j  —  Heinrich  Hart^^'')  polemisiert  gegen  Dührings*^')  Be- 
hauptung, dass  es  „bei  der  Belletristik  in  erster  Linie  auf  Stoff  und  Gehalt  ankomme, 
während  mit  schöner  Form  allein  wenig,  ja  oft  schlimmeres  als  nichts  gethan  sei". 
H.  meint  vielmehr,  in  der  Kunst  seien  Gehalt  und  Stoff  nur  insofern  wesentlich,  als 
sie  es  überall  sind,  in  speciell  künstlerischem  Betracht  seien  sie  keineswegs  Haupt- 
sache. Erst  die  Form  setze  in  den  Stand,  den  Stoff  in  ein  lebendiges  Anschauungs- 
bild und  in  einen    Empfindungsgenuss    umzuwandeln.     Das  Wesentliche    der   Kunst 

Quelques  remarques  sur  les  lois  de  l'evolntion.  (=;  Extr.  du  BScFB.  t.  24.)  Paris,  Carre  (P.  Klincksieck).  160  S.  —  146)  O 
Gh.  Morice,  Le  sens  relig.  de  la  polsie.  Sur  le  mot  poesie.  Le  principe  social  de  la  beaule.  Genf,  Ch.  Eggimann  &  Co. 
YIII,  104  S.  M.  1,60.  -  147)  H.  Kuhnierker,  D.  schöngeistige  Litt.  u.  ihr  praktischer  Wert.  B.,  BiHiogr.  Bureau.  18  S. 
M.  0,40.  —  148)  X  iii-i  Eeligion  u.  Fortschritt.  E.  popul.-philos.  Zwiegespräch,  ebda.  34  S.  M.0,.50.  -  149)  P.  S[chlenther], 
Schöngeisterei:  VossZgB,  N.  40.  —  150)  O  (1  1  :  144.)  —  151)  O  Ed.  C.  Stedinan,  The  nature  and  Clements  of  poetry. 
Boston  and  New-Yorlc.  Houghton,  Miftin  &  Co.  1892.  XX,  338  S.  IfCh.  C.  Starbuck:  AndoverR.  19,  S.  643/6.]|  —  152)  O 
K.  Sonnen,  Vom  Dichter  z.  Philosophen.  I.  D.  Dinges  Wesen  ist  Seele.  L.,  A.  Schnitze.  XI,  136  S.  M.  2,00.  —  153)  O  X 
K.  Staatsmann,  Künstler,  Handwerker  u.  Publikum:  Zinnendekoration.  S.  44,5.  —  154)  O  (I  1  :  59.)  —  155)  O  H.  Hart, 
Litt.  u.  Schulreform:  TglRs".  N.  147,  149.  —  156)  O  J-  Sahr,  Wie  kann  unsere  alte  dtsch.  Dichtung  aufs  neue  wieder 
lebendig  werden?:  ib.  N.  274/6.  —  157)  O  M.  Griveau,  Les  intompatibilites  do  la  Science  et  la  Poesie:  APC.  27,  S.  5-26. 
—  158)  O  id.,  Science  et  Poesie.  Conciliation  par  TÄsthetiquo:  ib.  S.  113-26.  —  159)  O  R.  Keltenborn,  Dekorative 
Poesie:    SchwRs.  2,   S.  328-36.    -    160)    H.  Hart,   Mit  n,  ohne  Dßhving:    FrB.  4,   S.  210/.5.    —    161)    (lY  1  a :  1.)  —  162)    L. 


,U.  M.  Werner,  Poetik  and  ihre  Geschichte.  I  12  :  i62-i«8 

ist  weder  Gehalt  noch  Form,  sondern  die  Verschmelzung-  beider  zu  einer  lebensvoll 
wirkenden  Einheit,  durch  die  erreicht  werde,  dass  das  Phantasiebild,  das  im  Dichter 
lebt,  ebenso  lebendig'  in  den  Geniessenden  überg-ehe.  Aber  allerding-s  wird  ein  be- 
deutender Stoff  den  Künstler  tiefer  erreg-en  und  zu  inbrünstig-erem  Schaffen  anspornen, 
als  ein  unbedeutender.  Der  übrig-e  Aufsatz  g-ehört  nicht  hierher,  er  beschäftigt  sich 
mit  der  g-anzen  Schrift  Dühring-s  und  ironisiert  in  einer  Einleitung-  scharf  Max  Nordau. 
—  Huberti'^-j  charakterisiert  Kohler^^*)  und  würdig-t  sein  Buch  mit  Berück- 
sichtigfung-  von  innerer  und  äusserer  Form  eines  Werkes.  H.  stimmt  den  Ausführ ung-en 
K.s  rückhaltslos  zu,  besonders  seiner  Unterscheidung"  von  künstlerischer  und  un- 
künstlerischer Sprache,  seiner  Ansicht,  dass  die  Kunst  über  die  ursprüng-lichen  Zwecke 
der  Sprache,  die  Zwecke  des  Lebenstriebes  hinauszug-ehen  habe,  weil  sie  dadurch 
ihren  eig-entlichen  Zweck  abwirft  und  relativ  zwecklos  wird. '^'*)  — 

Wichtig-  ist  die  Frage,  die  bereits  wiederholt  Heinzel  behandelt  hat,  wie  weit 
sich  in  Kunstdichtung-en  W^idersprüche  finden,  die  beim  Volksepos  zur  An- 
nahme liedmässiger  Entstehung  führen  würden.  Zwei  Schüler  Heinzeis,  Jellinek 
und  Kraus'^^),  teilen  nun  reiche  Beobachtungen  mit.  Aus  den  Novellen  Cervantes, 
aus  Zola,  Dahn,  Vischer,  aus  Schillers  Don  Carlos,  Wallenstein,  aus  Goethes  Wahl- 
verwandtschaften, aus  Älaler  Müllers  „Golo  und  Genoveva",  aus  Kleists  „Familie 
Schroffenstein"  und  seinen  Novellen  werden  „Widersprüche  zwischen  zwei  thatsäch- 
lichen  Angaben",  „Behandlung  unbekannter  Dinge  als  bekannter",  „Nichtbeachtung 
der  Rede  einer  Person  seitens  der  anderen"  angeführt.  Damit  werden  dann  Beispiele 
aus  der  mittelalterlichen  Litteratur  verglichen  und  nach  den  soeben  angegebenen 
Kategorien,  die  für  eine  liöhere  Kritik  wichtig  wären,  gruppiert.  Freilich  lassen  viel- 
leicht einzelne  Stellen  eine  verschiedene  Deutung  zu  (besonders  Veldekes  Eneide 
V.  6786  ff.  ist  nur  verständlich,  wenn  man  die  früheren,  scheinbar  widersprechenden 
Verse  6726  ff.  im  Gedächtnis  hat),  worauf  die  Vf.  selbst  mitunter  hinweisen.  Sie 
ziehen  dann  Schlüsse  aus  ihrem  Material,  die  nicht  bloss  für  die  höhere  Kritik, 
sondern  auch  für  das  künstlerische  Schaffen  von  Bedeutung  sind.  Sie  meinen,  der 
Begriff  eines  guten  Dichters  setze  sich  aus  einer  sehr  grossen  Anzahl  verschiedener 
Qualitäten  zusammen,  die  nicht  alle  gleich  entwickelt  seien,  die  einen  besonders  aus- 
gebildet, während  andere  zurücktreten;  das  bestimme  die  eigentümliche  Stellung 
des  einzelnen  Dichters  unter  seinen  Genossen.  Eine  dieser  Qualitäten  sei  die  Gabe, 
sich  von  jeder  Situation  ein  plastisches  Bild  zu  schaffen  und  unverändert  festzuhalten. 
Viele  Widersprüche  folgten  aus  einem,  oft  nur  momentanen  Mangel  dieser  Fähigkeit. 
Man  dürfe  diese  Fähigkeit  weder  über-  noch  unterschätzen.  Als  Ursachen  der  Fehler 
ergeben  sich:  Kontamination  zweier  Quellen,  Vergessen  früherer  Angaben,  Unklarheit 
über  die  Konsequenzen  einer  Ang-abe  oder  Mangel  an  logischer  Konsequenz,  unglück- 
liche Wahl  eines  bestimmten  Ausdrucks,  wobei  man  zweifeln  kann,  ob  der  Dichter 
wirklich  eine  widersprechende  Vorstellung  gehabt  habe.  Zu  Ende  des  Aufsatzes 
suchen  sie  den  wesentlich  gleichen  Vorgang  bei  Volks-  und  Kunstdichtungen  nach- 
zuweisen, haben  jedoch  nur  die  mittelhochdeutsche  Dichtung  vor  allem  im  Auge. 
Hoffentlich  regt  der  Aufsatz  auch  andere  Leser  an,  auf  solche  Widersprüche  zu  achten 
und  ihre  Sammlungen  gelegentlich  vorzubringen;  ich  selbst  habe  seit  Jahren  mancherlei 
Material  vereinigt  (vgl.  IV  4  :  59;  9  :  164).  — 

Das  Wesen  des  Humors  ^^^'^^'^j  hat  Werner '^^j  mit  Rücksicht  auf  ver- 
schiedene Zweifel,  die  aufgetaucht  sind,  zu  ergründen  versucht.  Er  geht  von  jenem 
Excerpt  über  die  komischen  Charaktere  aus,  das  allgemeiner  Ansicht  nach  aus  der 
Aristotelischen  Poetik  stammt.  Mit  den  drei  hier  angeführten  Typen,  dem  Possen- 
reisser,  Prahler  und  Ironiker  vergleicht  er  einen  Charakter  wie  Don  Quixote,  um  zu 
zeigen,  dass  er  keinem  dieser  Typen  angehört,  sondern  ein  für  die  Wirklichkeit 
Verblendeter  ist.  Auch  Egmont  aber  ist  ein  Verblendeter,  trotzdem  lachen  wir  über 
den  Helden  des  Cervantes,  während  wir  für  den  Helden  Goethes  fürchten  und  zittern. 
Der  Unterschied  unseres  Verhaltens  ist  nicht  etwa  durch  den  Einsatz  bedingt;  denn 
Don  Quixote  riskiert  sein  Leben  wie  Egmont,  wenn  er  es  auch  behält.  Ebensowenig 
giebt  uns  der  Ausgang  eine  Erklärung  an  die  Hand ;  denn  ein  anderer  Verblendeter, 
der  Prinz  von  Homburg,  endet  nicht  mit  dem  Tode,  trotzdem  stehen  wir  ihm  anders 
gegenüber  als  dem  Windmühlenritter.  Daraus  wird  gefolgert,  dass  die  Art  der  Ver- 
blendung unsere  Stellung  erzwingt.  Uns  scheint,  dass  sich  Egmont  nicht  aufklären 
lassen  kann,  Don  Quixote  nicht  will.  Die  Konsequenz  Don  Quixotes  hat  etwas  vom 
Eigensinn,  den  wir  verwerfen,  während  die  Konsequenz  Egmonts  uns  berechtigt,  wenn 
auch  verderblich  erscheint.  „Einem  Egmont  gegenüber  haben  wir  die  Ueberzeugung, 
dass  wir  nicht  so  handeln  würden,  obwohl  wir   wünschen,    so    handeln   zu    können. 


Hnberti,  Jnrispradenz  vl.  Aesthetik:  BLU.  S.  33,7.  —  163)  X  (I  3  "•  282.)  —  164)  O  A.  Jeanniard  du  Dot,  Le  langage 
positif.  Sa  nature,  son  origine,  ce  qn'il  a  de  naturel:  APC.  27,  S.  412-32,  559-74.  —  165)  M.  H.  Jellinek  n.  Carl  Kraus, 
Widersprüche  in  Kunstdichtnngen:  ZOG.  44,  S.  673-716.  —  166)  X  E.  Weissenborn,  Poesie  n. Humor:  Jangdeutschland  1, 
S.1/2, 13, 16..  — 167)  O  n.  Nord,  Humor  n.  Humoristen :  Grenzb.  3,  8.  30/6.  -168)  E.M.  Werner,  Giebt  es  Humor?:  ü Dichtung.  14, 


I  12  :  169-182  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte., 

darum  imponiert  er  uns  —  und  das  tritt  bei  allen  tragischen  Charakteren  ein.  Dem 
Don  Quixote  g-eg-enüber  müssen  wir  uns  gestehen,  dass  auch  wir  in  gewisser  Hin- 
sicht so  handeln  könnten,  obwohl  wir  auf  diese  Erkenntnis  nicht  gerade  stolz  sind, 
aber  darum  bemitleiden  wir  ihn  auch."  Also  liegt  der  Grund  der  verschiedenen 
Wirkung  in  uns  und  unserer  Stellung  zu  den  Charakteren.  Egmont  steht  über  uns, 
Don  Quixote  unter  uns,  deshalb  sehen  wir  auf  ihn  mitleidig  und  erlustigt  herab. 
Allen  komischen  Charakteren,  die  sich  in  das  Schema  des  Aristoteles  nicht  einfügen 
lassen,  ist  ihrer  ganzen  Erscheinung  oder  doch  einer  hervorragenden  Seite  ihres 
Wesens  nach  ein  Zug  ins  Kleine  eigen.  Massgebend  ist,  dass  sie  uns  nicht  bloss 
komisch,  sondern  aus  Gründen,  die  dargelegt  werden,  auch  mitleiderregend  erscheinen. 
Vom  Ironiker  unterscheidet  den  Don  Quixote,  dass  dieser  unbewusst  komisch  wird, 
während  der  Ironiker  bewusst  komisch  werden  will,  dadurch  aber  seine  Trefflichkeit 
enthüllt.  Durch  den  Vergleich  mit  dem  Benehmen  des  Sokrates  bei  der  Aufführung- 
der  Aristophanischen  Wolken  wird  der  Unterschied  klar  gemacht.  Mit  Rücksicht 
auf  die  germanischen  Figuren  bei  Jean  Paul,  Raabe,  Vischer,  Reuter,  Dickens  wird 
„der  Stich  ins  Sentimentale"  besprochen,  darin  aber  nur  eine  Zeitrichtung,  nicht  das 
Wesen  des  Humors  gesehen.  Der  gute  Kern,  der  durch  die  bizarre  Schale  hindurch- 
schimmert, macht  den  Charakter  zu  einem  humoristischen,  nicht  die  besondere  Färbung 
der  Schale.  Dieselbe  Behandlung  erfährt  nun  der  humoristische  Konflikt,  der  wieder 
am  tragischen  gemessen  wird,  endlich  der  Dichter  als  Schöpfer  des  humoristischen 
Kunstwerkes.  Dabei  wird  das  Verkehrte  der  Meinung  hervorgehoben,  als  müsste 
alles,  was  der  Dichter  Eines  humoristischen  Werkes  schreibt,  für  den  Begriff  des 
Humoristischen  in  Betracht  kommen.  Die  Frage  des  Titels  beantwortet  der  Vf.  mit 
den  Worten:  „Ja  es  giebt  Humor,  er  besteht  in  der  unbewussten  Gabe,  das  Er- 
habene im  Nichtigen  zu  erkennen,  darzustellen,  und  wenn  man  das  Bild  brauchen 
will  vom  Lächeln   unter  Thränen,    so  wird  es  zutreffen,   soweit  ein  Bild  zutrifft."  — 

Den  Gegensatz  zur  humoristischen  bildet  die  pessimistische  Welt- 
anschauung, die  immer  nur  den  Schmerz  unter  der  Hülle  alles  Erdenwesens  sieht. 
Diese  Poesie  des  Schmerzes  •^'^)  hat,  selbst  ganz  pessimistisch,  Annita  Lenzi*'**) 
durch  die  Weltlitteratur  begleitet,  indem  sie  einige  der  hervorstechendsten  Figuren 
vom  Hiob  bis  zum  Werther  und  Ortis  verfolgt.  —  Uober  den  modernen  Pessimismus 
in  Frankreich  hat  Pelissieri''^"i''3)  unter  besonderer  Zustimmung  seines  Recensenten 
Hemon  viel  Kluges  gesagt.  Er  nennt  ihn  „unpersönlich  und  kalt"  wie  die  Wissen- 
schaft; er  stosse  keinen  Schrei  aus,  sondern  stelle  ohne  Erregung  das  unglückliche 
Schicksal  fest,  um  sich  ihm  klaglos  zu  unterwerfen.  Der  Künstler  aber  zeichnet  sich 
gerade  durch  die  Lebhaftigkeit  seiner  Wahrnehmungen'  und  seiner  Gefühle  aus;  je 
lebhaftere  Eindrücke  die  Dinge  in  ihm  hervorrufen,  desto  weniger  ist  er  zu  jener 
Neutralität  befähigt,  die  ihm  ein  eingebildeter  Objektivismus  aufzwingen  will.  Von 
diesem  Standpunkte  beurteilt  P.  nun  die  neueste  französische  Litteratur  und  findet 
im  Realismus  oder  Naturalismus  die  Form,  die  der  Pessimismus  bei  der  Betrachtung 
des  Lebens  und  des  Menschen  annimmt.  Aber  der  Realismus  hat  mit  dem  Pessimis- 
mus nichts  zu  thun,  das  beweist  Eliot,  die  ihr  moralischer  Sinn  vor  dem  Pessimismus 
bewahrt ;  das  beweisen  die  Russen,  bei  denen  sich  der  Pessimismus  mit  evangelischem 
Geiste  mischt,  wodurch  sie  zur  Caritas  geführt  werden;  das  beweist  Alphonse  Daudet, 
der  trotz  seinem  Realismus  der  geborene  Optimist  geblieben  ist.  Also  nicht  als 
Realisten,  sondern  als  Pessimisten  verschliessen  die  meisten  modernen  Romanciers  ihre 
Seele  dem  Zarten,  malen  sie  die  Erbärmlichkeiten  des  Lebens,  wollen  sie  uns  den 
Menschen  verhasst  machen,  indem  sie  seine  rohe  Begehrlichkeit,  seine  ungezügelten 
Instinkte  zeigen,  ^''^-i'^)  — 

In  der  Gesamtstimmung  unterscheidet  HerzU''''}  zwei  Elemente:  Rezep- 
tions- und  Reflexionsstimmung.  Empfängt  der  Dichter  einen  Eindruck  in  Erreg'barkeit, 
wird  er  durch  eine  Stimmung  bewegt,  so  ist  das  Rezeptionsstimmung.  Ueberträgt  er 
seine  Stimmung  auf  den  Gegenstand,  wodurch  dieser  eine  eigentümlich  fremde  Färbung 
erhält,  so  nennt  H.  das  Reflexionsstimmung.  Die  Unterscheidung  ermangelt  der 
vollen  Klarheit.  — 

Zu  den    Schriften    über    Bild    und    Gleichnis ^'''''^^j    (j^pf   ^as   zierliche 

S.  29-32.  —  169)   O  G.  Monte,  La  poesia  del  dolore.     Modena,  E.  Sarasino.     16^     352  S.     L.  5,00.  —  170)  Annita  Lenzi, 

II  problema  del  dolore  in  alcane  figure  della  lett.  Roma,  Bertero.  43  S.  L.  1,00.  —  171)  (I  1  :  132;  s.  u.  N.  306.)  |[F.  Hemon  : 
ECr.36,  S  341/6.JI   -  172)   G.  Pelissier,  Le  pessimisme  dans  la  litt,  contemp.   (=  Essais  [vgl.  JBL.  1893  I  3:  165J,  S.  1-68). 

—  173)  X  Ilse  Ludwig,  Litt.  Pessimismus  im  lieutigen  Frankreich:  Didask.  N.  187.  (Im  Ansohluss  an  Pelissier.)  — 
174)  O  Z.  Naturgesch.  d.  Pessimismus:  Grenzb.  2,  S.  346-56.  —  175)  O  Th.  Benard,  Le  Pessimisme  contemp.  Orleans 
(Imp.  Jacob).  72  S.  -  176)  Th.  Herzl,  Stimmung.  Bemerkungen:  FrB.  4,  S.  12623.  —  177)  O  Th.  Lindem  an  n,  Z. 
Gleichnislitt.:  ThLBl.  14,  S.  89-91.  —  178)  X  K-  Biltz,  Neue  Beltrr.  (vgl.  JBL.  1891  I  3:130).  |[E.  Harich:  ZDU.  6, 
S.  448;  H.  Löbner:  BLU.  1891,  8,377/9;  G.  Carel:  ASNS.  87,  S.  449-50;  Ph.  Strauch:  ADA.  19,  S.  270/l.]|  —  179)  X  H. 
Schrader,  Etliche  Gleichnis-Redensarten,  d.  erst  in  d.  neuesten  Zeit  entstanden  sind  u.  entstehen  konnten:  ZDS.  7,  S.  291/4. 
(Aus  d.  Gebiete  d.  Eisenbahn,  d.  Sports,  d.  Aichkunst  u.  d.  neueren  Heilmethode.)  —  180)  H.  Bllmner.  Streifzüge  auf  d.  Ge- 
biete d.  Metapher.     Metaphern    aus  d.  Geschichte  u.  d.  Kultur  d.  Alterturas  (vgl.  JBL.  1892  I  11:29-30):  Grenzb.  2,  S.  558-64. 

—  181)  O  H.  Schrader,   D.  Haar  in  sprachlichen  Bildern  u.  Gleichnissen:    ZDS.  7,   S.  21/7.  417.    —    182)  O  E.  Zastrow, 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  iss-iw 

Heftchen  von  ö.  und  D.  Schlatter '^•*)  trotz  dem  Titel  nicht  gerechnet  werden;  es 
enthält  nur  Verse  und  liebliche  Zeichnung-en,  aus  denen  verwandte  Stimmung-en  der 
Natur  und  des  Menscheng-emütes  sprechen. '^^-•^'')  — 

Die  einzelnen  Dichtungsg-attungen  finden  ungleichmässige  Behandlung, 
Im  Anschluss  an  Werners  Werk  über  die  Lyrik  hat  Biegeleisen  ^^**)  in  pohiischer 
Sprache  die  Belege  aus  der  polnischen  Lyrik  beigebracht,  die  Werners  Ansichten 
bestätigen.  —  Ein  Ungenannter  '^")  beschäftigt  sich  kurz  aber  verständig  mit  der 
Gedankendichtung.  „Gedanken  wirklich  durchzuführen",  so  sagt  er,  „ist  nicht 
Sache  der  Poesie.  Angewiesen  darauf,  zu  wirken  durch  Erregung  von  Anschau- 
ungen und  Gefühlen,  die  Kraft  der  Phantasie  also  und  des  Empfindens,  kann  die 
Kunst  gerade  Gedankenreihen  in  losgelöster  Weise,  d.  h.  wissenschaftlich  und  be- 
weiskräftig überhaupt  nicht  vorführen."  Man  könne  geradezu  behaupten,  je  poetischer, 
desto  weniger  wissenschaftlich  gelungen.  Aber  allerdings  sind  die  Stimmungswerte 
der  Gedanken,  und  diese  allein,  dichterisch  verwertbar;  die  Associationen,  das  Drum 
und  Dran  des  Denkens,  nicht  das  Denken  selber  schätzen  wir  poetisch  hoch.  Es 
kommt  also  nicht  auf  die  Gedanken,  sondern  auf  die  Persönlichkeit  des  Dichters 
an,  nicht  auf  das  Was,  sondern  auf  das  Wie.  —  Gegen  Harnacks  Unterscheidung 
der  Lyrik  in  die  „metaphorische"  und  die  „rhetorische"  (vgl.  JBL.  1892  I  11:  116J 
nimmt  Biese''"*)  Stellung,  weil  ja  das  „Metaphorische"  sein  grosses  Kunstprinzip 
ist;  er  verwirft,  wie  ich  es  gethan  habe,  die  Unterscheidung,  indem  er  vor  allem  die 
Bezeichnung  „rhetorisch"  als  unrichtig  und  irreführend  ablehnt,  dann  aber  auch  die 
Gegensetzung  des  „Metaphorischen",  das  seit  Aristoteles  zu  den  rhetorischen  Figuren 
gerechnet  wurde.  Für  B.  ist  im  Gegenteil  alle  Poesie  im  weitesten  Sinne  metaphorisch, 
„ein  Wortwerden  der  Empfindung  und  des  Gedankens,  eine  Ineinsbildung  des  Inneren 
und  Aeusseren".  Nun  bespricht  er  den  Rhythmus,  oder  eigentlich  „die  harmonische 
Ineinsbildung  von  Rhythmus  und  Empfindung",  wobei  er  zuerst  fast  ausschliesslich 
die  Wiederholung  erwähnt,  um  plötzlich  beim  Reim  zu  sein.  „Ganz  Rhythmus, 
ganz  Anschauung',  ganz  Empfindung:  das  sind  die  drei  Faktoren,  auf  denen  sich  das 
echte  lyrische  Lied  (!)  aufbaut  (!)".  Ob  sich  hier  der  Vf.  nicht  doch  allzu  metaphernreich 
ausdriickt?  ,,Sein"  Poet,  Storm,  ist  sparsamer,  wie  B.  selbst  ausführt;  wenn  er  aber 
dann  wieder  mit  seiner  unverständigen  Einwendung  vorrückt,  ich  hätte  Hebbels 
„frostiges,  rein  gedankenmässiges  Gedicht" :  „Wir  Menschen  sind  gefrorne  Gottge- 
danken" als  „klassisches  Beispiel  der  Lyrik"  bezeichnet,  so  beweist  er  nur  seine 
Unkenntnis ;  denn  ich  habe  natürlich  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  und  nach  dem 
Zusätze:  „Ein  klassisches  Beispiel  . .,  welches  wie  eigens  zu  unserem  Zwecke  prä- 
pariert scheint",  nur  die  juristische  Bedeutung  des  „klassisch"  (ein  locus  classicus, 
ein  klassischer  Zeuge)  im  Sinne  gehabt.  B.  kommt  zu  dem  Resultate,  die  Einbildungs- 
und die  Gestaltungskraft  des  Lyrikers  werde  dann  am  höchsten  sein,  „wenn  er  ein 
anschauliches,  empfindungdurchwehtes  Bild  des  äusseren  und  inneren  Lebens  in  seelisch 
(musikalisch)  bewegter,  rhythmischer  Form,  sei  es  mit  oder  ohne  bildlichen  (sym- 
bolischen, metaphorischen)  Ausdruck  zu  geben  vermag".  Zu  diesem  Satze  „sucht" 
dann  der  Vf.  „einige  Probfen  in  der  Weltlitteratur" !  Dieser  Ausdruck  ist  wohl  nur 
unglücklich  gewählt,  B.  ist  gewiss  induktiv  verfahren,  hat  also  zuerst  die  Beispiele 
gesammelt  und  dann  erst  seine  Ansicht  aus  der  Sammlung  gewonnen.  Er  stellt 
einige  Gedichte  zusammen,  in  denen  eine  Verlassene  spricht,  behandelt  hierauf  in 
Kürze  die  Geschichte  des  politischen  Liedes,  vergisst  nicht  die  Naturlyrik  und 
richtet  ein  wahres  Blutbad  unter  den  Lyrikern  an,  weil  er  zwar  sagt,  die  Gedanken- 
dichtung sei  nicht  aus  der  Poesie  zu  verweisen,  ihr  aber  nicht  innerhalb  der  Lyrik, 
sondern  neben  ihr  den  Platz  bestimmt.  Er  verwirft  streng  genommen  das,  was  er 
die  rhetorische  Lyrik  nennt,  völlig;  aber  er  ist  in  seinem  Urteil  viel  zu  ein- 
seitig, wenn  er  meint,  der  Rhetoriker  schaffe  Worte  anstatt  der  Bilder,  rede,  um  zu 
reden,  anstatt  dass  allein  die  Empfindung  die  Zunge  löst,  und  vermöge  mit  dem 
Glanz  und  Prunk  der  Diktion  doch  nicht  die  Hohlheit  und  das  Gesuchte  des  Inhalts 
zu  verbergen.  Was  hier  B.  vor  Augen  hat,  ist  nicht  die  Gedankenlyrik,  das  ist 
die  schlechte  Lyrik,  die  „konventionelle"  Lyrik,  deren  Fehler  nur  stärker  sichtbar 
werden,  wenn  es  sich  um  Gedankenlyrik  handelt  als  um  reine  Lyrik.  Wer  so  weit 
geht,  zu  sagen  „Schillers.,  ganze  Lyrik  ist  rhetorisch  und  pathetisch"  und  dann: 
„Wir  sehen:  der  Gegensatz  des  Rhetorischen  ist  die  echte,  einfache  Empfindung,  aus- 
geprägt in  schlichten  (!)  Worten.     Der  echte  Lyriker  dichtet  schon  in  der  Anschauung, 

Beschreibung  in  Dichtkunst  u.  Päd.:  PommerscheBllSch.  17,  S.  ITl  3.  —  183)  S.  u.  D.  Schlatter,  Bild  u.  Gleichnis.  Mit 
z.  T.  färb.  Illustr.  St.  Gallen,  Huber  &  Co.  23  S.  M.  3,20.  -  184)  X  J-  Sahr,  D.  Bild  im  dtsoh.  Unterr.:  ZDU.  7,  S.  651-69. 
(Handelt  v.  bildl.  Darstellung.,  durch  d.  man  d.  Unterr.  beleben  kann,  z.  B.  Könneckes  Bilderatlas.)  —  185)  X  F-  Kubin, 
D.  Hyperbel  u.  d.  Schule:  ib.  S.  2.57-62.  (Bespricht  einige  auffallende  Hyperbeln  d.  gewöhnlichen  Sprache.)  —  186)  O  G-e, 
Farailien-Litt.:  WTBl.  N.  272.  —  187)  O  Heimat-  n.  Vaterlandsliebe  in  Dichtermund  u.  Völkerleben.  Vortr.:  NßllEÜ.  22,  S.  73-97. 
—  188)  ß.  M.  Werner,  Lyrik  u.  Lyriker  (ygl.  JBL.  1890  1  3  :  36).  |[H.  Biegeleisen:  MnzeumCiasopismo(Lemberg)  9, 
S.  137-43;  Kw.  6,  S.  117;  A.  Chuqnet:  KCr.  35,  S.  214/5  („c' est . .  une  bonne  et  utile  contribution  ä  l'hist.  de  la  Psychologie 
poetique");  A.  Eeifferscheid:  DWBl.  8.  192.](  —  189)  Gedankendiohtung:  Kw.  6,  S.  33/4.  —  190)  A.Biese,  Metephorisch 
Jahresbericht«  f&r  neuere  deutsche  LitteraturgescMchte.    IV.  26 


I  12  :  191-194  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

er  schafft  Bilder  vor  die  Seele  des  Lesers,  nicht  bloss  Worte  mit  noch  so  schönem 
Prunk",  der  macht  eine  Aesthetik  der  Lyrik  unmöglich,  weil  er  sie  auf  das  Gebiet 
des  einfachen  Liedes  einschränkt.  „Nicht  deklamieren  wie  der  Rhetoriker  darf  der 
Lyriker,  sondern  er  muss  singen,  nicht  mit  dem  Kopf  dichten,  sondern  mit  dem 
Herzen",  so  lesen  wir;  aber  ist  mit  diesen  Metaphern  irgendwie  dasselbe  gesagt  wie 
mit  dem  ersten  Satze?  kann  nicht  auch  das  Herz  deklamieren,  in  breiter  Rhetorik 
ausströmen?  Wer  Lenau  und  Leopardi,  Heine  wie  Klopstock,  Horaz,  Rückert  und 
Platen,  ja  auch  Schiller  aus  der  Zahl  der  Lyriker  streichen  muss,  wenn  er  seine  Ansicht 
von  der  Lyrik  aufrecht  erhalten  will,  der  sollte  sich  doch  vielleicht  fragen,  ob  er 
nicht  einen  Irrweg  betreten  habe.  Mir  wird  es  auch  diesmal  nicht  schwer,  dem  Vf.  „ge- 
recht zu  werden"  (S.  70),  wie  es  mir  nie  wurde;  denn  es  kommt  auf  die  Sache, 
nicht  auf  die  Person  an.  Meiner  Ansicht  nach  hat  B.,  wie  es  ihm  schon  früher 
passierte,  ein  an  und  für  sich  richtiges  Prinzip  so  sehr  übertrieben,  als  wenn  er  es 
ad  absurdum  führen  wollte.  —  Ueber  Volkslied  und  Gassenhauer  spricht  ein 
Anonymus  1^1)  ganz  gescheit.  Ihm  erscheint  die  Gefahr  nicht  so  gross,  dass  durch 
den  Gassenhauer  das  Volkslied  geschädigt  werden  könne;  schlechte  Volkslieder 
habe  es  immer  gegeben,  sie  seien  aber  vergessen  worden.  Ins  Volk  dringen  dafür 
viele  gute  Kunstlieder  und  werden  zu  Volksliedern;  darum  brauche  man  sich  vor  den 
Gassenhauern  nicht  zu  fürchten.^^^  i93j  _.  Zum  Kirchenlied  rechnet  T.  Meyer^^*), 
der  mit  seiner  wichtigen  Untersuchung  eines  Specialgebietes  der  induktiven  Aesthetik 
der  Lyrik  vorbauen  will,  „alles,  was  irgend  einer  kirchlichen  Gemeinschaft  als 
Ausdruck  ihrer  religiösen  Gesinnung  gedient  hat".  Seine  Quelle  sind  die  üblichen 
Gesangbücher.  Er  verhehlt  sich  die  Schwierigkeit  der  ästhetischen  Betrachtung 
deshalb  nicht,  weil  er  weiss,  dass  das  Kirchenlied  in  erster  Linie  dem  religiösen 
Bedürfnis  dient  und  darum  „bei  rein  ästhetischer  Betrachtung  ein  voller,  durchweg 
befriedigender  poetischer  Eindruck  mit  dem  Kirchenliede  nicht  verbunden  ist".  Sehr 
richtig  fragt  er  nun,  ob  denn  dieser  Mangel  an  Schönheit  die  Bedingung  für  die 
religiöse  Brauchbarkeit  des  Kirchenliedes  sei,  und  muss  diese  Frage  allerdings  bejahen. 
Dem  Kirchenliede  kommt  es  auf  Erbauung  an,  d.  h.  auf  die  Förderung  des  ethisch- 
religiösen Lebens,  und  es  genügt  daher  nicht,  die  Stimmung  des  Gottesvertrauens  zu 
erzeugen,  „sofern  es  eine  solche  überhaupt  giebt",  vielmehr  muss  der  Wille  dazu 
gebracht  werden,  sie  als  wertvollen  Schatz  festzuhalten  und  ihr  Einfluss  auf  die  Wege 
zu  gestatten,  die  er  selbst  einschlägt.  Nicht  das  flüchtige  Gefühl  der  „Freude  über 
die  erfahrene  Versöhnung",  der  „Dankbarkeit  für  die  Gnadenerweisungen  Gottes", 
sondern  feste  Zuversicht  zur  Liebe  Gottes  soll  vom  Kirchenlied  erweckt  werden, 
damit  sie  dauernd  in  der  Seele  wohne  und  sich  „zu  lebendigen  Erweisen  ihres  Vor- 
handenseins" entfalte.  Vor  dem  Schönen,  das  entwickelt  der  Vf.  klar  und  einsichts- 
voll, muss  der  Wille  verstummen,  da  ihm  die  Möglichkeit  seiner  Bethätigung  ent- 
zogen ist;  „es  löst  sich  die  Kette,  mit  der  im  Leben  Gefühle  und  Willensbestrebungen 
zusammengeschmiedet  sind."  Wenn  die  lyrische  Poesie  dem  Hörer  die  Gefühle  selbst 
zu  empfinden  giebt,  die  sie  nachbildet,  so  besteht  ein  gewaltiger  Unterschied  zwischen 
dem  realen  und  dem  ästhetischen  Erlebnis.  Je  lebendiger  das  Gefühl  beim  wirk- 
lichen Erleben  ist,  desto  mehr  steht  „die  ganze  reale  Persönlichkeit  mitsamt  dem 
Willen  unter  seinem  mächtigen  Bann".  Auch  bei  den  religiösen  Gefühlen  ist  es  so; 
wenn  sie  aber  den  Inhalt  des  echten  Kunstwerkes  bilden,  wandeln  sie  sich  in  die 
Leichtigkeit  und  das  freie  Spiel  der  Scheingefühle.  Die  Gefühle,  wie  sie  die  Er- 
bauung verlangt,  „sollen  dauernd  sein  und  den  Stössen  des  Lebens  trotzen",  die 
ästhetischen  sind  „beweglich  und  wandelbar,  und  jeder  Hauch  des  Lebens  verweht 
sie".  Ist  es  überhaupt  möglich,  „religiöse  Gefühle  in  echter  Lyrik  auszusprechen, 
so  können  sie  in  dieser  Form  nicht  erbauen,  und  wo  erbauliche  Wirkung*  (im  kirch- 
lichen Sinne  des  W^ortes)  verspürt  wird,  kann  keine  volle  Kunst  vorhanden  sein". 
Es  fragt  sich  also  zunächst,  „in  welcher  Weise"  der  Stoff  des  Kirchenliedes  „be- 
schaffen und  geformt  sein  muss,  um  das  Ueberwiegen  der  realen  Wirkung  gegen- 
über den  unleugbar  vorhandenen  ästhetischen  Elementen  zu  sichern".  Um  das 
sicher  festzustellen,  macht  der  Vf.  einen  grossen  Umweg,  der  ihn  aber  zu  wichtigen 
Punkten  auf  dem  Gebiete  der  Lyrik  führt.  Er  betrachtet  die  „Gedankenlyrik"  über- 
haupt, die  „Gesinnungslyrik"  im  besonderen.  Unter  „Gesinnung"  versteht  er  die 
„dauernde  Entschlossenheit  des  Willens,  sich  in  einer  bestimmten  Weise  zu  be- 
thätigen",  also  „ein  dauerndes,  willenskräftiges  Ergriffensein  des  Gemüts  von  einem 
Ideal".  Wo  wir  „in  einem  Gedicht  ein  Gut  als  erstrebenswert  und  ein  Verhalten 
als    vernünftig   gepriesen   finden",    da   haben   wir  „Gesinnungslyrik"    zu  erkennen. 


u.  rhetorisch.  E.  polem.  Studie  z.  Aesthetik  d.  lyrischen  Liedes:  ZVLR.  6,  S.  68-105.  —  191)  (I  5:  249.)  (Mit  Rücksicht  auf 
e.  Aufsatz  d.  „Grenzt.")  —  192)  XE.  M.  Schranka,  D.  Wiener  Volkslied:  Geg.  44,  S.  404/8.  —  193)  X  ö-  Babuder, 
Considerazioni  sulla  poesia  popolare  in  generale  con  ispeciale  rignardo  a  qnella  della  Grecia  moderna.  (Parte  U)  „Poesia 
popolare  patriottica  militare".  Progr.  Capodistria,  Obergyran.  87  S.  (D.  mir  unzugängl.  1.  T.  erschien  als  Progr.  dess. 
Gymn.  1890-91.)  —  194)  T.  Meyer,  D.  Kirchenlied,  e.  ästh.  Untersuchung.     Progr.  d.  evang.-theol.  Seminars  Schönthal.    1892. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  m 

Zur  Gesinnung-slyrik  gehört  das  Kirchenlied,  ist  aber  nicht  der  einzig-e  Vertreter 
der  geistlichen  Gesinnungslyrik,  wir  haben  neben  ihm  die  „religiöse  Lyrik".  Neben 
der  geistlichen  giebt  es  die  reich  entwickelte  weltliche  Gesinnungslyrik.  Ihr  Wesen 
besteht  darin,  dass  sie  „aus  der  Erfahrung  oder  der  sittlichen  Erkenntnis  den  Beweis 
erbringen  muss,  dass  das  Ziel,  das  sie  dein  Willen  vorhält,  um  seiner  Vernünftigkeit 
willen  erstrebenswert  ist".  Es  könnte  scheinen,  dass  eine  „rein  theoretische",  nur 
der  Verkündigung  einer  Erkenntnis  dienende,  und  eine  „mehr  praktische"  Ge- 
sinnungslyrik, die  einen  Einfluss  auf  den  Willen  anstrebt,  anzunehmen  sei,  aber 
eine  scharfe  Grenzlinie  lässt  sich  nicht  ziehen,  jene  ist  immer  bereit  in  diese  über- 
zugehen, oder  vielmehr  ist  es  „nur  ein  Zufall,  wenn  die  Erkenntnis  nicht  auch  aus- 
drücklich für  den  Willen  fruchtbar  gemacht  wird".  Nun  muss  aber  zugegeben 
werden,  dass  die  Aufstellung  eines  Ideals  für  den  Willen  nicht  Aufgabe  unseres 
ästhetischen  Vermögens  ist,  dass  daher  eine  Gattung  der  Lyrik,  „die  sich  diese 
Aufgabe  setzt",  nicht  „reine,  unvermischte  Poesie"  sein  könne.  Allerdings  Hesse  sich 
denken,  dass  der  Dichter  die  begeisterte  Stimmung  nachzubilden  suche,  die  „im 
Augenblicke  der  Betrachtung  des  Ideals  in  ihm  geweckt  wird";  aber  „die  Be- 
geisterung ist  von  anderer  Art  als  die  übrigen  Gefühle",  indem  sie  nicht  einen  Zu- 
stand des  Subjekts  zum  Inhalte  hat,  sondern  „eine  vom  Leben  des  Subjekts  una^b- 
hängige,  durch  Erkenntnis  gewonnene  üeberzeugung".  Die  Ursache  der  Gefühls- 
erregung ist  ein  Erlebnis,  die  Ursache  der  Begeisterung  —  eine  Erkenntnis.  M.  hält 
Begeisterung  an  und  für  sich  ohne  Bewusstsein  des  Objekts,  auf  das  sie  sich  richtet, 
für  eine  Unmöglichkeit,  „sie  ist  ganz  an  ihre  Erkenntnis  geschmiedet,  von  ihr  un- 
trennbar und  muss  sich  bedingungslos  ihrer  Herrschaft  unterwerfen".  Die  Erkenntnis 
ist  „individualitätslos  und  allgemein",  daher  auch  die  Begeisterung;  die  Erkenntnis 
ist  zeitlos,  ebenso  die  Begeisterung.  Der  Anlass  und  der  Affekt  werden  nicht  als 
organisch  zusammengehörig  empfunden,  weil  er  den  Charakter  des  Gefühls  nicht 
mit  beeinflusst,  der  vielmehr  durch  den  Inhalt  der  gleichbleibenden  zeitlosen  Er- 
kenntnis bestimmt  wird.  Da  nun  aber  die  Begeisterung  in  der  Gesinnungslyrik  sich 
als  berechtigt  und  vernünftig  wissen  muss,  also  „jenseits  der  Grenzen  des  Indi- 
viduellen" liegt,  da  sie  der  zeitlichen  Bedingtheit  und  Bewegtheit  entbehrt,  da  hin- 
gegen die  Poesie  als  Kunst  volles,  d  .h.  individuelles  Leben,  Bewegung  und  zeitliche 
Begrenzung  verlangt,  so  ist  „über  die  Gesinnung  als  Stoff  für  echte  Poesie  der  Stab 
gebrochen".  Die  Komposition  des  Gesinnungsliedes  ist  ganz  prosaisch  und  ver- 
standesmässig,  die  Kirchenlieder  sind  „in  Poesie  umgesetzte  Predigten,  wie  die 
Kneiplieder  an  Kneipreden,  die  poetischen  Nekrologe  an  Gedächtnisreden  und  die 
politischen  Lieder  an  politische  Reden  erinnern,  sofern  sie  darauf  ausgehen,  nicht 
den  Verstand  zu  belehren,  sondern  Gesinnung  zu  wecken".  Also  lässt  „die  Leb- 
losigkeit des  Stoffes  und  der  Form  im  Gesinnungsliede"  keine  rein  ästhetische 
Wirkung  zu.  In  der  Gesinnungslyrik  ist  das  nicht  nur  Folge  des  Stoffes,  sondern 
auch  unseres  Auffassungsvermögens,  weil  das  ästhetische  Urteil  dem  Urteil  unserer 
praktischen  Vernunft-  den  Platz  räumen  muss;  wir  können  der  Gesinnungslyrik 
nicht  „nacherleben  und  nachempfinden",  sondern  nur  „nacherkennen".  Sie  ist  bloss 
für  bestimmte  Kreise  „berechnet",  unsere  „sachliche  Zustimmung"  ist  ein  ausser- 
ästhetischer  Genuss,  daher  ihre  Wirkung  gleichfalls  eine  ausser  ästhetische.  „Die 
Gefühlserregung  muss  im  Erkalten  sein,  wenn  der  Dichter  so  Herr  über  sie  sein 
soll,  dass  er  sie  in  die  Form  giessen  und  zum  Gegenstand  freien  ästhetischen  Spiels 
machen  kann;  das  Erlebnis  wird  von  ihm  losgelöst,  aus  seinem  Inneren  hinausgeschafft. 
Die  Gesinnung  als  dauernder  Besitz  der  Seele  kann  jedoch  nicht  hinausgeschafft, 
sondern  durch  ^eden  Wiedereintritt  ins  Bewusstsein  nur  erfrischt  und  gekräftigt 
werden."  Der  Kirchenliederdichter  dichtet,  „um  sich  zu  erbauen"  (!).  Die  Ge- 
sinnungslyrik ist  „durchaus  paraenetisch  und  zugleich  erbaulich",  sie  will  allerdings 
nicht  wie  die  didaktische  Poesie  belehren,  muss  aber  doch  den  Willen  bestimmen, 
was  sie  von  der  reinen  Lyrik  scheidet;  darum  nennt  sie  der  Vf.  „eine  Gattung*  der 
lyrischen  Poesie  für  sich",  eine  Mischgattung.  Ihre  Wirkung  rührt  her  von  der 
Persönlichkeit  des  Dichters,  wobei  freilich  vorausgesetzt  wird,  dass  wir  bei  einem 
Liede  wie  „Ein  feste  Burg"  an  Luther  denken.  Die  Gesinnung  einer  Persönlichkeit 
besteht  aber  in  der  Erhebung  zum  allgemeinen  aus  der  Besonderheit  ihres  individuellen 
Lebens,  nur  durchdringen  sich  Allgemeines  und  Individuelles  in  der  Gesinnungs- 
lyrik nicht,  sondern  stehen  nebeneinander.  Unsere  Phantasie  vergegenwärtigt  uns 
dabei  nicht  Angeschautes,  und  nur  diesem  Umstände  ist  es  zu  danken,  „dass  mit 
dem  Ausdruck  ethisch-lebendiger  Gesinnung  im  Gesinnungslied  eine  ästhetische 
Wirkung,  wenn  auch  nur  subsidiär,  verbunden  sein  kann".  Nur  das  Versmass  und 
der  Reim  zwingen  uns,  am  Gesinnungslied  auch  die  ästhetische  „Betrachtungsweise 
zu  üben".  ,,Zu  gleicher  Zeit,  da  die  ethische  Lebendigkeit  der  Gesinnung  als  Kraft 
uns  ergreift,  zwingt  uns  das  Versmass,  sie  zugleich  als  Lebensfülle  ästhetisch  zu  spüren  (!), 
wenn  wir  sie  auch  nicht  als  solche  anschauen  können".     Dadurch  entsteht  nun  eine 

26* 


1  12  :  195  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

ganz  eig-entümliche  Wirkung-:  die  ethische  Forderung"  möchte  unsere  Seele  mit 
realen  Gefühlen  erfüllen,  zu  ihnen  g-esellen  sich  aber  als  Bundesgenossen  die  ästhe- 
tischen Scheingefühle  und  leihen  ihnen  etwas  von  ihrer  eigenen  Leichtigkeit, 
Mühelosigkeit  und  Beflügelung.  Die  Gattung  besteht  aber  nicht  rein,  es  finden  sich 
Uebergänge,  ja  es  kann  geschehen,  dass  der  Gesinnungscharakter  „nahezu  ganz" 
schwindet,  wenn  „aus  den  Lustgefühlen,  die  der  naive  Genuss  eines  Guten  erregt, 
die  Erkenntnis  von  seinem  Wert  und  mit  ihr  die  Begeisterung  für  es  geboren  zu 
werden  scheint",  oder  wenn  „das  urplötzlich  machtvolle  Hervorbrechen  der  Ge- 
sinnung thatsächlich  eine  Veränderung  des  Seelenzustandes  schafft".  Noch  weiter, 
„ganz  auf  dem  Boden  reiner  und  freier  Dichtung"  stehen  jene  Lieder,  in  denen 
„nicht  mehr  die  ethische  Erkenntnis,  wie  sie  entsteht  oder  plötzlich  hervorbricht, 
den  Inhalt  des  Gedichtes  bildet,  sondern  entweder  der  Akt,  in  welchem  die  Gesinnung 
ausgeübt  wird,  mit  den  ihm  voraufgehenden  oder  nachfolgenden  Gemütsbewegungen 
oder  aber  die  Sehnsucht  nach  einem  religiösen  oder  sittlichen  Gut  oder  der  Schmerz 
um  seinen  Verlust".  Gedichte  wie  Mörikes  „Neue  Liebe",  „Wo  find  ich  Trost"  oder 
Goethes  ,,Der  du  von  dem  Himmel  bist"  führt  der  Vf.  für  diese  Möglichkeit  an.  Er 
betrachtet  sie,  wie  gesagt,  als  Uebergangsformen  von  den  vollgültigen  Liedern  der 
Gesinnungslyrik  zur  reinen  Lyrik;  andererseits  kann  die  Gesinnungslyrik  entweder 
nicht  viel  mehr  als  gereimte  Prosa  oder,  kurz  ausgedrückt,  rhetorisch  sein.  Der 
Vf.  meint,  dass  es  „in  die  freie  Hand  des  Dichters  gestellt"  sei,  „wie  er  seinen  Ge- 
sinnungsstoff behandeln  will  (!)",  ob  er  „vor  allem  die  praktische  Wirkung  fest  im 
Auge  behalten,  oder  ob  er  auf  ihre  Kosten  die  poetischen  Elemente  in  der  einen 
oder  der  anderen  Weise  schärfer  hervortreten  lassen  will".  Darnach  hätte  wohl 
Goethe  so  dichten  können,  wie  Schiller,  wenn  er  nur  gewollt  hätte,  und  umgekehrt! 
Einzig  und  allein  „dem  Kirchenlied  ist  der  Zweck  im  voraus  bestimmt,  und  wer 
für  die  Kirche  dichten  will,  muss  sich  durch  ihn  gebunden  fühlen".  Er  darf  nicht 
„Formen  den  Eintritt  in  sein  Gedicht  gestatten",  die  seine  Wirkung  aufs  reale  Gefühl 
und  damit  auf  den  Willen  schwächen  könnten,  ihm  ist  alles  verschlossen,  was  einer 
Annäherung  an  die  echte  Lyrik  ähnlich  sieht;  er  muss  sich  im  wesentlichen  für 
seine  poetischen  Bedürfnisse  damit  begnügen,  was  das  Kirchenlied  an  ethischer 
Lebendigkeit  notwendig  hat.  Nur  der  kirchliche  Zweck  zieht  diese  Schranken,  die 
fallen,  sobald  es  sich  um  die  religiöse  Lyrik  handelt.  Ihr  weist  M.  alles  zu,  was 
„infolge  einer  individuelleren  Fassung  oder  einer  grösseren  Fülle  poetischen  Schmucks 
nicht  mehr  unter  das  Kirchenlied  gerechnet  werden  kann  und  doch  durch  seine  grössere 
oder  geringere  Erbaulichkeit  von  der  echten  Lyrik  geschieden  ist".  Meiner  Ansicht 
nach  geht  der  Vf.  in  seinen  Auseinandersetzungen  von  einem  ganz  falschen  Prinzip 
aus,  indem  er  die  Gesinnung  als  Einteilungsgrund  wählt;  sie  wird  in  den  Gedichten 
allerdings  fühlbar  werden,  aber  wie  die  Tonart  in  der  Musik,  wie  sich  die  „Stimmung", 
dies  Wort  im  Sinne  der  Psychologie  gefasst,  fühlbar  machen  wird.  Der  Dichter 
wird  nicht  dichten,  „um  sich  zu  erbauen",  sondern  getrieben  durch  Erlebnisse,  die 
eine  erbauliche  Wirkung  in  ihm  hervorrufen;  auch  der  echte  Kirchenliederdichter 
wird  nicht  dichten,  um  zum  Gottesdienste  Lieder  zu  machen,  sondern  hingerissen 
durch  das  Erlebnis,  das  ihm  im  Gottesdienst  entgegentritt.  Wenn  M.  das  Busslied 
von  Mörike  „Wo  find  ich  Trost?"  zur  reinen  Lyrik  rechnet,  weil  es  einem  indi- 
viduellen Anlass  entstammt,  individuellen  Gefühlen  Ausdruck  leiht,  dagegen  Luthers 
ergreifendes  Gedicht  „Aus  tiefer  Not  schrei  ich  zu  dir"  aus  der  reinen  Lyrik  hinaus 
in  die  Mischgattung  der  Gesinnungslyrik  weist,  weil  es  nicht  aus  individuellem 
Anlass  entstammt,  weil  es  einer  „Gesinnung"  Ausdruck  giebt,  so  muss  er  einen 
ganz  anderen  Eindruck  von  den  Gedichten  empfangen  haben  als  ich;  mich  bewegt 
und  ergreift  nicht  die  Gesinnung,  sondern  das  tiefe  Gefühl  der  Zuversicht  zur 
Gnade  Gottes,  die  echt  lyrische  Hoffnung  mit  ihrer  kindlich  reinen  Demut;  nicht 
Gedanken,  sondern  Gefühle  rufen  die  Wirkung  des  Liedes  hervor,  so  dass  ich  nicht 
anstehen  würde,  das  Gedicht  zur  Gefühlslyrik  zu  rechnen.  Ganz  im  Gegenteil  treten 
mir  im  Gedichte  Mörikes  die  Zweifel,  die  Gedankenqualen  entgegen,  die  Ueber- 
legungen:  warum  bin  ich  traurig,  weil  ich  wieder  böse  Lust  empfangen.  Von  einem 
Gedankenerlebriis  geht  Mörike,  von  einem  Gefühlserlebnis  Luther  aus,  nicht  einen 
Augenblick  erscheint  mir  die  Zuweisung  der  beiden  von  M.  verglichenen  Gedichte 
zweifelhaft.  Seine  ganze  Betrachtung  wird  schief,  weil  er  auf  einem  falschen  Stand- 
punkte steht  und  die  unbewusste  Thätigkeit  des  Dichters  gar  nicht  ins  Auge  fasst. 
Grundsätzlich  möchte  ich  die  sogenannte  Gesinnungslyrik  verwerfen,  weil  uns  ihre 
Annahme  nicht  zu  klarerer  Einsicht  in  das  Wesen  der  Lyrik  verhilft,  sondern  in 
Widersprüche  verwickelt.  Dabei  soll  nicht  geleugnet  werden,  dass  gerade  M.s  Heft 
zur  richtigen  Erkenntnis  dieser  Widersprüche  beiträgt.  —  Sorgsam,  aber  nicht 
ohne  Lücken   und  Missverständnisse   hat   Hellmuth  ^^s-j   (jj^    Veränderungen    nach 


4».    28  S.    (Vgl.  JBL.  1892  1  11:117.)    —   195)  E.  Hellmuth,    Beitrr.  z.  lyrischen   Technik   Platens,   gewonnen  aus  d.  Um- 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  196-202 

ihrem  mutmasslichen  Anlasse  zusammengestellt,  die  Platen  an  seinen  Gedichten 
durchführte;  sie  suchen  den  Wohll5;lang-  zu  erhöhen,  indem  sie  Konsonanten- 
wie  Vokalhäufungen  tilgten  und  den  Reim  (Vollreim,  Allitteration,  Assonanz)  reiner 
machten,  sie  wollen  den  Versbau  genauer  zum  Ausdruck  bringen,  Versehen  gegen 
die  Sprachrichtigkeit,  gegen  die  Klarheit  beheben,  Wiederholungen  vermeiden  oder 
grössere  Angemessenheit  erzielen ;  an  einigen  Gedichten  wird  dargethan,  wie  Platen 
vollständige  Umbildung  vornahm.  Die  Auffassung  des  Hiatus  verrät  des  Vf.  Un- 
bekanntschaft mit  Scherers  Abhandlung,  lässt  auch  Vollständigkeit  vermissen  (vgl. 
Redlichs  Ausgabe  1,  S.  727),  dafür  entschädigen  nicht  unbedeutende  Berichtigungen 
und  Ergänzungen  des  textkritischen  Apparates  in  der  Hempelschen  Ausgabe,  die 
sich  aus  der  sorgsamen  Ausnutzung  der  Quellen  ergaben,  besonders  sei  hervor- 
gehoben, dass  die  „Neuen  Ghaselen"  nicht  1824,  sondern  1823  erschienen.  Auf- 
fallend ist  das  harte  Urteil  H.s  über  „das  einzige  Platensche  Gedicht,  dessen  Scherer 
in  seiner  Litteraturgeschichte  lobende  Erwähnung  thut"  (Die  Liebe  hat  gelogen); 
der  Vf.  sagt,  es  sei  „mehr  der  Form  als  dem  Inhalte  nach  gelungen,  da  es  nur  eine 
gereimte  Schilderung  eines  Gemütszustandes"  biete,  während  ihm  „gehaltvolle  Ge- 
danken fehlen",  so  dass  es  nicht  „für  sich  selbst",  sondern  nur  „als  Einlage  in 
einen  dramatischen  Text"  wirken  könne.  Wie  soll  eine  Einigung  über  ästhetische 
Dinge  möglich  werden,  wenn  der  eine  Aesthetiker  von  einem  Lyriker  verlangt,  was 
der  andere  ihm  strenge  verbietet,  und  wenn  die  Geschmacksurteile  sich  direkt 
widersprechen!  i^ß)  —  Epigramm  und  Elegie  als  Gelagepoesie  hat  uns  Reitzen- 
stein '*•■')  erkennen  gelehrt.  Er  verfolgt  die  allmähliche  Umbildung  der  Dichtungen, 
bis  die  Elegie  „eine  allgemein  angenommene  und  geübte  Form  der  Gelage-Unter- 
haltung, Volkslied"  wird;  er  zeigt,  wie  die  Verschmelzung  des  Gelage-Liedes  mit 
der  „Aufschrift"  zu  einem  ytvos  sich  vollzieht,  und  entwirft  eine  Geschichte  des 
Epigramms;  auch  die  Bukolik  mit  ihren  Streitliedern  sieht  er  als  eine  Wieder- 
spiegelung der  Gelageunterhaltung'en  an,  hier  in  Uebereinstimmung  mit  der  all- 
gemeinen Ansicht.  Das  umfangreiche  Werk  verfolgt  ausschliesslich  philologische 
Zwecke,  dringt  energisch  in  die  verschiedenen  Fragen  ein,  aber  auch  die  Poetik 
kann  aus  Einigem,  besonders  der  Schilderung  des  Epigramms,  Nutzen  ziehen.  — 
Avenarius^'-'^)  sucht  in  seiner  Dichtung  „Lebe!"  das  Beispiel  „einer  grossen 
lyrischen  Form",  „etwas  von  neuer  Art"  zu  geben,  „bei  der  wie  bei  Drama  und 
Epos  zu  der  Wirkung  der  Teile  eine  Wirkung  der  Beziehungen  zwischen  den 
Teilen"  tritt.  Da  die  lyrische  Dichtung  „zum  Gegenstande  im  eigentlichen  Sinne 
nur  den  Menschen  haben  kann,  der  in  ihr  spricht",  so  musste  auf  die  Darstellung 
des  Helden  alle  Kraft  verwendet  werden,  ohne  Nebengestalten  selbständig  hervor- 
treten zu  lassen.  —  Eugen  Wolff'^ö)  hält  dieser  freiwilligen  Beschränkung  ent- 
gegen, dass  eine  solche  Auflösung  jeder  festen  epischen  Form  zur  rein-seelischen, 
abstrakten  und  gestaltenlosen  Darstellung  führe.  Zwar  versteht  er  aus  der  Tendenz 
der  litterarischen  Entwicklung  das  Vorgehen  des  Dichters,  kann  es  aber  nicht  gut- 
heissen.  Dagegen  findet  er  eine  andere  bedeutsame  Seite  an  der  von  ihm  sehr  g-e- 
rühmten  Dichtung,  den  Versuch,  eine  modern  germanische  Versform,  entsprechend 
dem  Geiste  der  germanischen  Poesie,  zu  schaffen,  durch  reichen  Wechsel  des 
Rhythmus  das  Charakteristische,  Bezeichnende  statt  des  bloss  Gefälligen,  Har- 
monischen zu  geben.  Indem  aber  Avenarius  das  Innere  seines  Helden  sich  lyrisch 
entfalten  lassen  wollte,  musste  er  darauf  Bedacht  nehmen,  die  verschiedenen  Stim- 
mungen in  entsprechender  Form,  in  lyrischer  Bewegtheit,  nicht  in  dem  gleichmässig 
ruhigen  Gange  des  Epos  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Was  Avenarius  bei  seiner 
Dichtung  vorschwebte,  das  lässt  sich  am  besten  mit  den  Worten  Schillers  aus- 
sprechen :  „Mir  deucht,  dass  diese  Gattung  dem  Poeten  schon  dadurch  günstig  sein 
muss,  dass  sie  ihn  aller  belästigenden  Beiwerke,  dergleichen  die  Einleitungen, 
Uebergänge,  Beschreibungen  etc.  sind,  überhebt  und  ihm  erlaubt,  immer  nur  das 
Geistreiche  und  Bedeutende  an  seinem  Gegenstand  mit  leichter  Hand  oben  weg- 
zuschöpfen."  Ob  das  nun  freilich  „eine  neue  poetische  Form"  oder  ein  lyrischer 
„Cyklus"  ist,  kann  dahin  gestellt  bleiben,  jedenfalls  wird  sich  solche  Lyrik  stark  dem 
Epischen  nähern.2«o-20i)  _ 

Was  die  Epik  betrifft,  so  hat  Weddigen202j  über  die  Fabel  ungewöhnlich 
seicht,  ohne  die  neueren  litterarhistorischen  Arbeiten  zu  kennen,  die  Ansicht  Lessings 
und  Jakob  Grimms  zusammengestellt,  dann  auf  2^/4  Seiten  ganz  äusserlich  verglichen, 
um  Lessings    und  Gellerts  Fabeln    als   berechtigt   darzuthun   und   nach   einem  sehr 


arbeitnngen  seiner  Gedichte.  Progr.  d.  Realgymn.  Ciefeld.  4*.  40  S.  —  196)  X  ^'-  Kölscher,  L.  Chevalier,  Ballade  (vgl. 
JBL.  1892  I  11  :  120):  ASNS.  91,  S.  466.  —  197)  R.  Reitzenstein,  Epigramm  u.  Skolion.  E.  Beitr.  7..  Gesch.  d.  alexandrin. 
Dichtung.  Giessen,  J.  Ricker.  VIII,  288  S.  M.  6,00.  —  198)  F.  Av  enarin  s,  Lebe!  E.  Dichtung.  L.,  0.  R.  Reisland.  100  8. 
M.  2,00.  —  199)  Eng.  Wolff,  E.  neue  poet.  Form?:  Geg.  44,  S.  312/3.  —  200)  O  F.  Lechleitner,  D.  dtsch.  Minnesang. 
E.  Darstell,  seiner  Gesch.,  seines  Wesens  u.  seiner  Formen.  2  Bde.  Wolfenbüttel,  J.  Zwissler.  XV,  402  S. ;  UI,  424  S.  M.  10,00. 
—  201)  O  id.,  Buch  d.  Minnelieder  (vgl.  JBL.  1893  I  3:186).  ebda.   120,  147  S.  M.  3.00.  —  202)  0.  Weddigen,  D.Wesen 


I  12:203-212  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

chaotischen  Verzeichnis  der  Fabeldichter  dieser  Gattung  neues  Leben  zu  wünschen. 
Es  ist  wunderlich,  dass  „ein  Kämpfer  von  1870—71  und  ein  Poet"  (S.  6),  ein 
Doktor  und  Oberlehrer  (S.  1)  mit  solchen  Flachheiten  öffentlich  aufzutreten 
wag-t.  —  Unzufrieden  mit  der  Lessingschen  Definition  versucht  Hafner^os)^  der 
recht  ansprechend  Fabel,  Märchen  und  Sage  vergleicht,  eine  neue,  freilich  „ohne 
irgend  welchen  Anspruch  auf  richtige  Lösung":  „Die  Fabel  ist  eine  erdichtete  Er- 
zählung, in  welcher  eine  allgemeine  Lebenswahrheit  (Regel  der  Lebensklugheit)  in 
einem  besonderen  Falle  unter  einmaligem  Fortschritt  der  Handlung  veranschaulicht 
wird."  Diese  Definition  ist  im  ganzen  gewiss  nicht  unrichtig,  nur  noch  nicht  scharf 
genug;  der  Vf.  erläutert  sie  nach  allen  Seiten  hin,  bespricht  die  Einteilung,  die  Ge- 
schichte der  Fabeldichtung,  endlich  die  pädagogische  Bedeutung  der  Fabel  schlicht 
und  bescheiden,  aber  verständig.  An  Missverständnissen  fehlt  es  freilich  auch  bei 
ihm  nicht;  da  wird  noch  von  der  Tiersage  nach  der  Ansicht  Grimms  gehandelt,  da 
fehlt  z.  B.  Babrios  in  der  Geschichte  der  Fabel  vollständig.  —  Viel  ernster  hat 
Noelle^"*)  das  Thema  gefasst,  indem  er  nur  eine  Monographie  über  die  Lafontaineschen 
Fabeln  giebt;  er  weiss  genau,  dass  die  Fabel  auch  zur  Lyrik  gerechnet  werden  kann, 
er  macht  gute  Bemerkungen  über  das  Didaktische  und  die  sogenannte  didaktische 
Poesie,  er  kennt  die  neuere  Litteratur  und  kann  als  ein  verlässlicher  Führer  be- 
zeichnet werden.  Trefflich  ist  das,  was  er  anführt,  um  zu  zeigen,  dass  Lessing  als 
Dichter  von  Fabeln  sich  keineswegs  an  seine  Theorie  gehalten  habe;  einleuchtend 
sind  die  Beispiele  von  Fabeln,  in  denen  keineswegs  der  feststehende  Tiercharakter 
die  Wahl  etwa  des  Frosches  bedingt  hat.  Seine  Vergleichung  der  Lafontaineschen 
Dichtungen  mit  ihren  Quellen  ist  lehrreich,  der  Anhang  mit  Proben  eigener,  wohl- 
gelungener und  Catelscher  Uebersetzungen,  wie  mit  einer  Auswahl  Fröhlichscher 
Fabeln  willkommen.  Die  Arbeit  überragt  das  Durchschnittsmass  der  Programme  um 
ein  Bedeutendes. 205)  —  Ueber  die  Idylle  vermag  Schneid  er ^06)  nichts  Neues  vor- 
zubringen. Er  leitet  ihr  Wesen  aus  dem  Vergleiche  Theokrits,  Gessners,  Bronners, 
Vossens  und  Goethes  ab,  rechnet  sie  teils  der  epischen,  teils  der  dramatischen,  teils 
einer  „eigentümlichen  Verschmelzung"  von  epischer  und  dramatischer  Dichtung  zu, 
weil  er  ganz  einseitig  auf  die  Darstellungsform  achtet,  und  bestimmt  ihre  Stoffe. 
„Der  Grundcharakter  der  Idylle  ist  die  Abgezogenheit  von  dem  öffentlichen  und  be- 
wegten lieben."  Handlungen  sind  von  ihr  nicht  ausgeschlossen,  wohl  aber  grosse 
und  bedeutende.  Detailmalerei,  Schilderung  von  Empfindungen,  die  Ausführung  von 
Betrachtungen,  Natur-  und  Landschaftsbeschreibungen  sind  Folgen  der  zurücktretenden 
Handlung.  Die  Personen  gehören  meist  ländlichen  Verhältnissen  an ;  Vorliebe  für 
gutartige  Charaktere,  für  glückliche  Lebensverhältnisse,  heiterer  Ton,  humoristische 
Behandlung  sind  der  Idylle  eigen.  Die  angehängte  Geschichte  der  Idylle  nimmt  es 
denn  doch  mit  der  Chronologie  etwas  zu  wenig  genau;  hervorgehoben  sei  besonders 
die  Würdigung  Bronners.  Dem  Vf.  fehlt  die  nötige  Klarheit,  er  versucht  nicht  ein- 
mal die  Idylle  vom  idyllischen  Epos  zu  scheiden,  sondern  nimmt  Hermann  und 
Dorothea  ruhig  als  Idylle  hin,  während  er  Hebbels  „Mutter  und  Kind"  gar  nicht 
nennt.  In  seiner  „Geschichte"  sucht  man  vergebens  nach  dem  Namen  Mörike,  um 
nur  einen  der  bedeutendsten  zu  nennen.  Mit  solchen  Arbeiten  ist  niemandem  ge- 
dient. 20'?- 21  o)  _ 

Cnter  allen  Dichtungsgattungen  nimmt  das  Drama  die  Forschung  am 
meisten  in  Anspruch.  W^alzePU)  stellt  in  Lipps  Schrift  besonders  die  negativen 
Seiten  hoch  und  erhofft  eine  reinigende  Wirkung  von  ihr;  er  billigt  die  Verwerfung 
der  „poetischen  Gerechtigkeit",  nur  wünschte  er,  dass  von  der  Wissenschaft  gezeigt 
werde,  „wo  man  aus  ästhetisch-kritischer  Kurzsichtig'keit  die  poetische  Gerechtigkeit 
mit  Unrecht  supponiert  hat,  und  wo  die  Dichter  mit  Bewusstsein  poetische  Ge- 
rechtigkeit in  ihren  Schöpfungen  haben  walten  lassen",  weil  sie  unter  dem  Einflüsse 
der  falschen  Theorie  standen.  Darin  steckt  eigentlich  der  Tadel,  dass  Lipps  Tragödien 
verschiedener  Art  zusammengeworfen  habe.  —  Diesen  Vorwurf  hat  Lipps  von 
anderer  Seite  schon  erfahren:  Valentin 212^  hat  ihn  aus  Anlass  seines  Schlusswortes 
im  Streite  mit  Lipps  neuerlich  erhoben.  An  sich  wäre  der  Streit  nicht  zu  bedauern 
gewesen,  hätte  sogar  im  Gegenteil  zur  Klärung  unserer  Ansichten  beitragen  können. 


n.  d.  Theorie  d.  Fabel  n.  ihre  Hauptvertreter  in  Deutschland.  L.,  Renger.  34  S.  M.  0,75.  |[BLU.  S.  510/1;  K.  M.  Meyer: 
DLZ.  S.  1078.]|  —  203)  G.  Hafner,  D.  Fabel,  ihr  Wesen,  ihre  gesch.  Entwicklung  u.  päd.  Verwertung:  NBUEU.  22.  S.  1-31. 

—  204)  A.  Noelle,  Beitrr.  z.  Studium  d.  Fabel.  Mit  bes.  Berücksichtig.  Jean  de  la  Pontaines.  Nebst  vergleich.  Texten  u. 
metrischen  Verdeutschungen.  Progr.  Kuxhaven  (Selbstverl.).  4".  57  S.  M.  2,50.  (S.u.  IV  6.) —  205)  X  Alb.  Fischer,  Lessings 
Pabelnbhandlungen.  Krit.  Darstellung  (vgl.  JBL.  1891  IY7:41):  0.  F.  Walzel:  ZOG.  44,  S.  136/8.  (S.  u.  IV  6.)  — 
206)  Gnst.  Schneider,  Ueber  d.  Wesen  und  d.  Entwicklungsgang  d.  Idylle.    Progr.  d.  Wilhelms-Gymn.  Hamburg.    4".    36  S. 

—  207)  O  Jos.  Kassewitz,  Darlegung  d.  dichterischen  Technik  u.  litterarhist.  Stellung  v.  Goethes  Elegie  „Alexis  u. 
Dora".  L.Fock.   27  S.    M.  1,00.    (Vgl.  IV  8c.)  —  208)   O  Auguste  Groner,  D.  Moral  in  unseren  Märchen:  WienTBl.  N.  260. 

—  209)  O  D.  Kolportage-Romane  mit  ihren  verheerenden  Wirkungen:  StML.  45,  S.  533/7.  —  210)  X  F.  Prosch,  H.  Prodnigg, 
Goethes  Wilh.  Meister  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:30):  ZOG.  44,  S.  934/5.  (Nur  referierend.)  -  211)  Th.  Lipps,  Tragödie  (vgl. 
JBL.  1891  I  3:142).     |[0.  F.  Walzel:  ZOG.  44,  S.  132/6;  A.  Chuquet:  RCr.  35,  S.  215.]l    -    212)  V.  Valentin,  Tragödie, 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Gescjiichte.  I  12  :  218-220 

leider  hat  er  aber  eine  Wendung  g-enommen,  die  mit  der  Sache  nichts  mehr  zu  thun  hat, 
sondern  zu  rein  persönlichen  Angriffen  und  Gegenangriffen  führte.  Darum  können 
wir  von  dem  Schlusswort  absehen,  es  handelt  sich  darin  doch  nur  um  die  Frage,  ob 
Lipps  Valentin  und  Valentin  Lipps  richtig  oder  falsch  verstanden,  wiedergegeben 
und  citiert  habe.  Man  kann  aber  vielleicht  behaupten,  dass  die  beiden  Aesthetiker 
darum  so  sehr  die  Ruhe  verlieren,  weil  sie  sich  im  Grunde  sehr  nahe  stehen, 
viel  näher  als  sie  gegenwärtig-  fühlen. ^'S)  —  Einen  wichtigen  Beitrag  über  das 
Tragische2'4-2i9^  hat  FT.  F.  Müller220)  gegeben,  indem  er  dabei  auch  nur  die  Tra- 
gödie vor  Augen  hat.  Wie  Richter  (vgl.  JBL.  1891  I  3  :  149;  1892  I  11  :  136)  ist  er 
durch  Günthers  „Grundzüge  der  tragischen  Kunst"  zum  Widerspruch  gereizt  worden, 
und  er  hat  schon  in  einem  Aufsatze  „Was  ist  tragisch?  Zugleich  ein  Wort  für  den 
Sophokles"  (Blankenburger  Schulprogr.  1887)  gegen  die  Ansicht  Günthers  Stellung 
genommen,  dass  sich  Sophokles  nicht  mehr  auf  der  Höhe  der  tragischen  Kunst  zu 
halten  vermochte,  die  Aeschylus  erreicht  hatte;  dieser  Aufsatz  eröffnet  „ohne  wesent- 
liche Aenderuugen"  die  neue  Arbeit  M.s  (S.  7—107).  Mit  aller  Schärfe,  mit  über- 
zeugenden Gründen  und  eingehender  Erörterung  aller  wichtigen  einschlägigen 
Fragen  bekämpft  er  Günthers  „Kriminalrichterstandpunkt",  die  unglückliche  Theorie 
der  tragischen  ,, Schuld"  und  entsprechenden  „poetischen  Gerechtigkeit".  Diese  ganze 
Theorie  ist  ihm  „eine  Absurdität",  nach  Goethes  Ausdruck.  „Unsere  Schicksale 
sind  die  Folgen  unserer  Handlungen,  die  Handlungen  Folgen  der  Leidenschaften, 
die  Leidenschaften  Folgen  des  Charakters.  Und  der  Charakter?  .  .  .  Den  Charakter 
kann  doch  der  (dramatische)  Dichter  nicht  weiter  motivieren,  er  entfaltet  ihn  nur 
nach  allen  Seiten,  und  gelegentlich  thun  wir  auch  wohl  Einblicke  in  das  Werden 
desselben;  aber  aus  dem  Charakter  motiviert  der  Dichter  die  Leidenschaften 
und  Handlungen  mit  ihren  Folgen."  M.  betont  mit  Nachdruck,  dass  die  Poesie 
„keine  angewandte  Moral  oder  praktische  Theologie"  sei,  trotzdem  der  Dichter  auf 
der  lebendigen  Erkenntnis  des  Guten  und  Heiligen  fusst,  wie  wir  selbst  ein  All- 
geraeinbewusstsein  von  den  religiösen  und  sittlichen  Grundlagen  des  Lebens  haben. 
Die  „sittliche  Weltordnung",  von  der  wir  reden,  können  wir  aber  mit  unserem 
Denken  nicht  begreifen,  siebleibt  etwas  Wunderbares,  Rätselhaftes;  Goethe  neuntes 
das  „Dämonische",  Schiller  das  „Schicksal".  Auch  in  der  Tragödie  sehen  wir  wohl, 
wie  alles  sich  nach  strengen  Gesetzen  fügt,  wir  sehen  eine  hohe  Gerechtigkeit 
walten,  aber  die  letzten  Gründe  der  Erscheinungen  aufzudecken,  vermag  auch  der  Dichter 
nicht.  Er  will  Menschen  und  Menschenschicksal  darstellen,  ,, leidenschaftliche,  im 
Wollen  und  Handeln  energische  Menschen,  die  in  gefährlichen  Lagen  und  harten 
Kämpfen  stehen  und  in  solchen  Gefahren  schwer,  ja  tödlich  leiden,  eben  weil  sie  trotz 
aller  Grösse  doch  Menschen,  nur  Menschen  sind  und  als  solche  schuldig  werden". 
„Der  kämpfende,  leidende  Held  ist  grösser  und  besser  als  wir,  wir  sympathisieren 
mit  ihm,  wir  bewundern  und  lieben  ihn  trotz  seiner  Schwächen  und  Gebrechen; 
darum  fürchten  wir  für  ihn,  wenn  die  Gefahr  hereinbricht  und  das  Unglück  sich 
über  seinem  Haupte  zu  entladen  droht,  für  ihn  und  für  uns,  die  wir  uns  ihm  geistes- 
verwandt fühlen  und  in  gleicher  Lage  Gleiches  thun  und  Gleiches  leiden  würden." 
In  dem  interesselosen  Anschauen,  in  der  „kausalitäts-  und  willensfreien  Kontemplation" 
liegt  „etwas  Erhebendes  und  Befreiendes".  Weil  die  Güntherschen  Gesetze  der 
tragischen  Kunst  „thatsächlich  kaum  auf  ein  Zehntel  unserer  Tragödien  und  auch 
auf  diese  nur  wie  die  Faust  aufs  Auge"  passen,  verwirft  er  sie.  Er  bespricht,  worin 
der  Unterschied  zwischen  dem  Tragischen  und  dem  Traurigen  besteht;  das  Drama 
beginnt,  wo  wir  uns  wehren  und  aktiv  auftreten,  die  Tragödie,  wo  wir  kämpfen  und 
in  diesem  Kampfe  scheinbar  oder  wirklich  unterliegen.  Die  Tragödie  zeigt  uns 
also  „den  Menschen  im  Zustand  des  Leidens,  aber  zugleich  thätig  in  der  Bekämpfung 
des  Leidens,  im  Kampfe  mit  den  inneren  und  äusseren  Feinden,  also  mit  den  Leiden- 
schaften, dem  physischen  Zwang  und  dem  Schicksal,  d.  h.  hier  moralischer  Not- 
wendigkeit". Die  Tragödie  bezweckt  die  Erregung  eines  ganz  bestimmten  Affekts 
im  Hörer,  das  Tragische  unterscheidet  sich  aber  auch  durch  den  Eindruck,  den  es 
in  unserem  Gemüt  zurücklässt,  vom  Traurigen.  M.  geht  auf  Furcht  und  Mitleid,  im 
Anschluss  an  J.  Bernays  auf  die  Katharsis  ein,  deckt  die  Uebereinstimmung  Goethes 
und  Geibels  mit  dieser  Deutung  der  Katharsis  auf  und  formuliert  das  Wesen  des 
Tragischen  gegenüber  dem  Traurigen  durch  folgende  drei  Merkmale:  Das  tragische 
Leiden  muss  aus  Lebenslage,   Natur  und  Charakter  des  Leidenden  folgen,   auch  die 


wissenschaftl.  Kritik  u.  Unfehlbarkeit.  E.  Schlasswort:  ZVLR.  6,  S.  160-87.  fVgl.  JBL.  1892  I  11  :  123/5.)  —  213)  O  P. 
Caner,  Physiologie  n.  Ethik  im  Streit  um  d.  Tragödie:  PrJbb.  S.  23-34.  —  214)  X  M.  Brasch,  D.  Wesen  u.  d  Formen  d. 
dramat  Dichtung  (vgl.  JBL.  1892  I  11  :  129).  ![BLU.  S.  159;  R.  M.  Meyer:  DLZ.  S.  7278.]!  —  215)  X  R-  Franz,  Aufbau  d. 
Handlung  (vgl.  JBL.  1892  I  5  :  15;  11  :  130):  Paedagogium  1.5,  S  273/4.  -  216)  X  R-  M.  Werner,  H.  Gartelmann,  Dramatik 
(vgl.  JBL.  1892  I  11  :  128) :  DLZ.  S.  122/3.  -  2171  O  H.  Irving,  The  drama.  Adresses.  London,  W.  Heinemann.  13". 
Sh.  36.  |[A.  W.:  AZgB.  N.  20 ]|  —  218)  O  R.  Donraic,  Le  theätre  d'idees:  SPL.  1,  S.  2368.  —  219)  O  W.  L  Courtney, 
Dramatic  criticism:    ContempR.  64,    S.  691-703     —    220)  H.  F.  Müller,    Beitrr.  z.  Verständnis   d.  trag.  Kunst.     (=  Aufsatz« 


I  12:221-222  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Verhältnisse  müssen  natürlich  und  einleuchtend  sein;  der  tragische  „Held"  muss 
kämpfen  g-eg-en  das  drohende  Unheil;  das  Tragische  hat  die  specifische  Wirkung-,  die 
Aristoteles  Ueos  y.al  fößos  genannt  hat,  Mitleid  und  Furcht,  nicht  „Rührung  und  Er- 
schütterung". Das  „eigenste  Gebiet  des  Tragischen"  beginnt  da,  „wo  die  Zwiespältigkeit 
des  Menschen-  und  Weltwesens  ins  Bewusstsein  tritt".  M.  unterscheidet  die  Tra- 
gödie des  sittlichen  Konflikts,  die  Charaktertragödie  und  die  Schicksalstragödie,  weil 
der  Held  mit  dreierlei  Feinden  im  Kampfe  liegen  kann,  mit  den  Leidenschaften,  mit 
der  physischen  Notwendigkeit  und  mit  dem  Schicksal  d.  h.  der  moralischen  Not- 
wendigkeit. Unter  Schicksal  versteht  er  also  nicht  etwas  an  eine  blinde  Naturkraft 
Erinnerndes,  sondern  den  technischen  Begriff  für  das  tiefere  Weltgesetz,  „welches 
die  Tragödie  enthüllen  soll  und  je  nach  der  religiös-sittlichen  Persönlichkeit  des 
Dichters,  seiner  Weltanschauung  gemäss,  enthüllt";  ein  Teil  des  Schicksals  ist  also 
in  das  Innere  des  Menschen  verlegt.  Er  nennt  demnach  Schicksalstragödie  eine  Tragödie, 
„bei  welcher  der  sinnliche  Schwerpunkt  nicht  sowohl  in  der  Leidenschaft  und  dem 
Charakter  der  handelnden  Personen  als  in  dem  Gange  der  Handlung  d.  h.  hier  des 
Schicksals  oder  der  sittlichen  Notwendigkeit  liegt".  Ohne  Schuld  und  Fehler  geht 
niemand  durchs  Leben,  die  tragischen  Personen  haben  ihr  Leiden  ,, verschuldet, 
aber  nicht  verdient".  Das  wird  an  einigen  Tragödien,  besonders  anziehend  an  der 
„Jungfrau  von  Orleans"  erwiesen.  Noch  näher  geht  M.  auf  das  Verhältnis  von  Schuld 
und  Sühne  im  zweiten  Aufsatze  „Die  Orestie  des  Aeschylus  und  Goethes  Iphigenie" 
(S..  109 — 62)  ein,  nachdem  er  schon  im  ersten  die  Zusammengehörigkeit  dieser 
Werke  beiläufig  dargethan  hatte.  Die  Entsühnung  eines  frevelnden  Geschlechtes  in 
beiden  Werken  bietet  den  Vergleichspunkt;  in  einer  Analyse  der  Trilogie  zeigt 
M.,  dass  bei  Aeschylus  Orestes  nur  das  Objekt  im  Streite  der  älteren  und  jüngeren 
Götter  ist,  dass  die  Rechtfertigung  nur  objektiv,  nicht  auch  subjektiv  stattfindet,  und 
dass  uns  darum  ethisch  und  psychologisch  der  Ausgang  der  Orestie  nicht  befriedigt; 
es  wird  wohl  das  Sühnopfer  gebracht,  die  Göttin  Athene  spricht  Orestes  frei,  aber 
die  Versöhnung  des  eigenen  Herzens  für  Orestes  sehen  wir  nicht.  Es  fehlt  also  der 
Läuterungsprozess  von  unseliger  Zerrissenheit  zu  dauerndem  Frieden  im  Gemüte 
des  gotterwählten  Rächers  und  Retters.  „Die  Sehnsucht  nach  Erlösung,  nach  Sühne 
der  Schuld  und  Versöhnung  war  in  den  tiefsten  Geistern  des  Altertums  lebendig; 
wie  der  sündige  Mensch  Vergebung  empfängt  und  damit  den  Frieden  seiner  Seele 
erlangt,  das  weiss  selbst  ein  Aeschylus  nicht  zu  sagen.  Aber  Goethe  weiss  es." 
Die  Liebe  der  Schwester  vollbringt  das  grosse  Werk,  die  Liebe,  die  sich  in  Mitleid 
und  herzlichem  Erbarmen  äussert;  mit  Kuno  Fischer  spricht  M.  „von  einem  stell- 
vertretenden Leider".  Orestes  aber  kann  entsühnt  werden,  weil  erst  in  ihm  das 
Schuldbewusstsein,  die  Reue,  die  Gewissensangst  erwachen,  die  bisher  im  Hause  der 
Tantaliden  schliefen.  Die  reine  Menschlichkeit  bewirkt  durch  die  Macht  der  Persön- 
lichkeit endlich  die  Entsühnung  des  Bruders  und  damit  des  ganzen  Geschlechtes. 
Das  ist  allerdings  ein  christlicher  Zug,  und  so  fasst  M.  sein  Urteil  in  die  Schluss- 
worte zusammen:  „So  hoch  das  Christentum  über  dem  Heidentum  steht,  so  hoch  er- 
hebt sich  Goethes  Iphigenie  über  die  Orestie  des  Aeschylus."  —  Anders  hat 
Kalischer22i)  gleichzeitig  diese  griechische  Trilogie  betrachtet,  um  darzuthun,  dass 
ihre  Komposition  „das  wirkliche,  echte  Wesen  des  Tragischen  zur  Erscheinung 
bringt".  Nach  ihm  kann  sich  das  Tragische  nur  in  zwei  Hauptrichtungen  offenbar 
machen,  „Der  leidenschaftlich  willensvolle  Mensch  kann  sein  eigenes  äusseres  Ich 
auf  Kosten  der  Mitmenschen  ungebührlich  betonen,  so  dass  diese  in  unverdienter 
Weise  mit  Unrecht  leiden  müssen.  Der  von  einer  derartigen  Leidenschaft  ergriffene 
Willensmensch  kann  jedoch  nicht  davon  loskommen,  er  muss  —  einem  Dämon 
folgend  —  sein  lediglich  egoistisches  Ziel  zu  erreichen  trachten."  Darin  hätten  wir 
den  subjektiv  tragischen  Menschen,  der  wohl  auch  der  „unedel  Tragische"  genannt 
werden  könnte:  Macbeth,  Richard  III.,  Medea,  Nero,  Agrippina  wären  Vertreter 
dieser  Art  des  Tragischen.  Anders  die  „objektive  tragische  Persönlichkeit".  „Hier 
tritt  uns  ein  Menschengeist  entgegen,  der  bei  ausserordentlicher  Thatkraft  mit 
Leidenschaft  nur  dem  Edlen,  Guten,  Selbstlosen  in  der  Welt  ergeben  ist"  und  dafiir 
leidet;  ein  Sokrates,  Christus  repräsentieren  uns  ein  solch  edel  Tragisches  „in 
höchstem  Masse".  Man  könnte  Tragödien  mit  Helden,  die  sich  aus  Liebe  zur  Mensch- 
heit aufopfern,  „christartige  oder  christgeistige"  nennen.  In  der  vorchristlichen  Zeit 
sind  der  Prometheus  des  Aeschylus  und  die  Antigone  solche  „messianische  tragische 
Charaktere".  Den  Nachweis,  dass  in  der  Orestie  nun  wirklich  die  Sühne  des  Ge- 
schlechtes auch  innerlich  erfolgt,  muss  K.  allerdings  schuldig  "bleiben.  —  Der 
dritte  Aufsatz  Müllers22ia)  „König  Oedipus  von  Sophokles  und  Schillers  Braut 
von  Messina"    dreht    sich    um    das  Verhältnis  von  Schicksal  und  Schuld,   eigentlich 


n.  Vortrr.  aus  verschied.  Wissensgebieten.  VIII.  Bd.)    Wolfenbattel,  Zwissler.    273  S.    M.  3,00.  —  221)  A.  Chr.  Kaiisoher, 
D.  Oresteia  d.  Aeschylos  u.  d.  Tragische:  N*S.  65,  S.  57-84.  —  221a)  (8.  o.  N.  220,  S.  163-214.)  -    222)  M.  Schneidewin, 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  223-224 

um  das  schuldlose  Leiden  als  Folg-e  des  Schicksals,  des  Verhäng-nisses.  Die  Aus- 
führung"en  verfolg-en  den  Zweck,  das  Unsinnig-e  der  Behauptung-  zu  erhärten,  einem 
Dichter  sei  der  Name  des  Trag-ikers  abzusprechen,  wenn  in  seinem  Werke  das 
„adäquate  Verhältnis  von  Schuld  und  Strafe"  nicht  zu  erkennen  sei.  Besonders 
kann  die  Analyse  der  „Braut"  gerühmt  werden.  Wenig"er  ergebnisreich  ist  der 
letzte  Aufsatz  „Euripides  Hippolytos  und  Phädra  von  Racine",  eine  ruhige  Ver- 
gleichung"  beider  Dramen,  hauptsächlich  um  darzuthun,  dass  selbst  dort,  wo  ein 
Dichter  die  „poetische  Gerechtigkeit"  durchführen  wollte,  wie  hier  Racine,  dies  un- 
mög-lich  ist.  M.  hat  sich  ganz  enthalten,  auf  das  neuere  Drama  einzug-ehen;  trotzdem 
lässt  er  sein  Urteil  durchfühlen.  Die  philosophischen  Fragen,  Freiheit,  Verantwort- 
lichkeit dagegen  hat  er,  so  weit  wie  nötig  gestreift.  —  Auch  Schneidewin^22j 
findet  in  der  „poetischen  Gerechtigkeit"  nicht  das  W^esentliche  der  Tragödie,  freilich 
aus  anderen  Gründen  als  Müller;  ihm  erscheint  die  Verletzung  unseres  Gerechtig- 
keitsgefühls in  manchen  Tragödien,  d.  h.  also  das  Missverhältnis  zwischen  Schuld 
und  Strafe,  gerade  als  die  tragische  Empfindung.  Dadurch  wird  gleichsam  der 
Schleier  von  den  Ungerechtigkeiten  des  Lebens  hinweggezogen,  und  die  Aufgaben 
des  Kampfes  gegen  das  grosse  Weltübel,  gegen  das  Ungerechte  im  Weltlauf  ins- 
besondere, werden  hell  erleuchtet  in  ihrer  Notwendig-keit.  Dass  Seh.  dies  noch 
ästhetisch-scheinhafte  Empfindungen  nennt,  will  mir  nicht  einleuchten,  wie  überhaupt 
der  ganze  schwerfällige  Aufsatz  recht  wenig  befriedigt.  —  Von  einem  ganz  richtigen 
Standpunkte  beurteilt  die  Frage  der  Schuld  und  Gerechtigkeit  Stära-^^)  in  einem 
Buche,  dessen  zwiespältiger  Charakter  eine  ruhige  Schätzung  ganz  unmöglich  macht. 
Der  „em.  Professor  und  Pfarrer  i.  P."  stellt  uns  einen  merkwürdigen  Dualismus 
dar;  es  ist,  als  falle  der  Dorfpfarrer  mit  seinen  groben  Poltereien  dem  Professor 
fortwährend  ins  Wort.  Sucht  der  Professor  die  Dinge  ruhig  als  Aesthetiker  zu  be- 
trachten, so  hält  ihm  der  Pfarrer  sofort  die  gefärbten  Gläser  unduldsamer,  einseitiger 
Parteisucht  vor.  In  jenem  Tone,  den  Sebastian  Brunner  zum  Schaden  der  Sache  in 
gewissen  Kreisen  modern  gemacht  hat,  ergeht  sich  auch  St.  Man  könnte  ein  ganzes 
Schimpfwörterlexikon  aus  dem  Hefte  zusammenstellen,  das  ohne  Unterschied  gegen 
alle  Dichter  aller  Zeiten  ausgenutzt  wird;  da  heisst  ein  Stück  von  Anzengruber  ,,zu 
dumm",  da  hören  wir  von  Schillers  „Ignoranz"  und  „Unehrlichkeit",  von  Goethes 
„Albernheiten"  usw.  usw.  Da  wimmelt  es  von  leidenschaftlichen  Ausfällen  einer 
blinden  Parteiwut,  während  doch  manches  Gute,  Gescheite  und  Beachtenswerte  all 
den  krausen,  geschmacklosen,  barokken  Phrasen  zu  Grunde  liegt.  Als  katholischer 
Geistlicher  beschäftigt  sich  der  Vf.  mit  dem  Drama,  legt  überall  den  Massstab  der 
katholischen  Moral  an  und  verschliesst  sich  dadurch  vollständig  das  Verständnis 
ganzer  Erscheinungsreihen.  Bezeichnend  schon,  dass  er  die  Betrachtung  des  Dramas 
im  ,, ästhetisch-moralistischen  Teil"  seiner  Arbeit  giebt.  Manches  Zutreffende  hat  er 
besonders  über  das  „Schauspiel"  gesagt,  ferner  über  die  Stoffe  des  Dramas,  freilich 
kommen  dann  wieder  Behauptungen,  die  man  für  ganz  unmöglich  hält.  Die  Be- 
zeichnung des  Buches  als  eines  „drolligen"  durch  Karl  Werner 224^  wird  jeder 
Leser  billigen,  besonders  wenn  er  nun  noch  den  zweiten  „ästhetisch-sociologischen 
Teil"  (S.  179 — 202)  beachtet,  der  mit  den  schwärzesten  Farben  die  gegenwärtigen 
Zustände  des  deutschen  Theaters  abmalt,  wie  sie  sich  einem  katholisch-konservativen 
Manne  und  einem  „unaufgeführten  Dramatiker"  darstellen,  wobei  freiUch  manches  richtig, 
wenn  auch  nicht  neu  ist.  Ganz  neu  sind  dagegen  die  Vorschläge,  die  St.  zur  gründlichen 
Behebung  aller  Missstände  bereit  hat;  sie  betreffen  die  Selbsthülfe  und  die  Staatshülfe. 
Vor  allem  also  muss  das  Publikum  striken  d.  h.  Stücke  nicht  besuchen,  die  seinen 
Grundsätzen  widersprechen,  und  dadurch  in  den  kleineren  Städten  die  Theater- 
direktoren zwingen,  nur  „gute"  Stücke  aufzuführen;  in  grossen  Städten  müssten 
sich  reiche  Konservative  finden,  die  eine  Bühne  pachten  oder  kaufen,  um  eine  Art 
„Musterbühne"  nach  dem  Geschmacke  des  Vf.  zu  versuchen.  Bei  den  „subven- 
tionierten" Bühnen  müsste  der  Theater ausschuss  „an  der  Hand  dieses  meines  Buches" 
dem  Theaterpächter  das  Repertoire  vorschreiben.  In  jeder  Stadt  müssten  die  Volks- 
blätter „sofort  eine  fein  geschriebene  Rubrik  für  das  Theater wesen  eröffnen  und 
dem  lesenden  Volke  die  (häufigen)  Giftblüten  am  Baume  der  dramatischen  Börse  (!) 
aufweisen".  „Nach  Durchstudieren  dieses  meines  Buches  wird  sich  keine  bezügliche 
Redaktion  mehr  wegen  einer  ignorantia  invincibilis  entschuldigen  können."  Die 
Katholikentage  hätten  sich  ,,en  gros  und  en  detail"  mit  der  Frage  zu  befassen,  und  im 
Landtage  oder  Reichstage  müsste  der  „ehrliche  Volksvertreter"  die  Subventionen 
verweigern,  ,,so  lange  er  nicht  Garantien  dafür  hat,  dass  den  in  diesem  meinen 
Buche  aufgestellten  Forderungen  entsprochen  wird".  Jeder  Schauspieler  müsste 
sich  zudem,  selbst  auf  die  Gefahr  der  Entlassung  hin,  weigern,  in  schlechten  Stücken 


Ueber  d.  „poetische  Gerechtigkeit-* :  WeserZg.  N.  16695/6.  —  223)  A.  Stära.  D.  Drumaturgie  dargest  nach  kath.  Grandsätzen. 
Aesthet.-sociolog.  Untersuchnngen.     Wien  u.  L.,  Austria  (F.  Doli).    III,  202  S.    M.  3,00.  —  224)  Karl  Werner,  E.  drolliges 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litte raturgeschichte.    lY.  27 


I  12:225-229  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

—  schlecht  nach  St.  —  aufzutreten.  Damit  erscheint  dem  Vf.  die  Selbsthülfe  erschöpft; 
nun  hätte  die  Staatshülfe  einzugreifen,  um  eine  g-enaue  Prüfung  der  abgefassten 
Dramen  zu  veranlassen.  Dazu  hätte  z.  B.  in  Oesterreich  jede  Statthalterei  einen 
fachmännisch  gebildeten  Referenten  anzustellen,  der  jedes  vom  Dichter  oder  Theater- 
direktor eingereichte  Stück  binnen  vierzehn  Tagen  sorgfältig  zu  prüfen  und  nach 
Verhandlung  mit  dem  Dichter  über  etwa  nötige  Aenderungen  dem  Ministerium  vor- 
zulegen hätte,  wobei  er  sein  Urteil  „admittitur",  „non  admittitur"  oder  „non  admittitur, 
donec  corrigatur"  sorgfältig  mit  Gründen  zu  belegen  hätte.  Im  Ministerium  müsste 
sich  der  Prozess  wiederholen,  wieder  Prüfung  (binnen  vier  Wochen),  wieder  Ver- 
handlung mit  dem  Dichter,  endlich  Urteil.  Durch  das  „admittitur"  wäre  die  Auf- 
führung in  ganz  Oesterreich  gestattet;  durch  das  „non  admittitur,  donec  corrigatur" 
neuerliche  Einreichung  nach  Verbesserung  erlaubt,  gegen  das  „non  admittitur" 
hätte  der  Dichter,  dem  ja  stets  die  Gründe  des  Urteils  in  Abschrift  bekannt  ge- 
geben werden  müssten,  in  einer  eigens  zu  diesem  Zweck  gegründeten  dramatur- 
gischen Zeitschrift  das  Recht  zu  protestieren.  Jedes  Jahr  müsste  vom  Staat  ein  Ver- 
zeichnis aller  eingereichten  Stücke  nach  den  Abstufungen  des  Urteils  publiziert  werden. 
Die  Kosten  dieses  Verfahrens  wären  dadurch  zu  decken,  dass  von  jeder  Vorstellung 
an  einer  öffentlichen  Bühne  eine  Taxe  (von  10  fl.  herab  bis  zu  5  fl.)  entrichtet  werden 
müsste.  Davon  könnte  dann  an  jeder  Universität  auch  noch  ein  Professor  der 
Dramaturgie  angestellt  werden,  der  aber  natürlich  die  Aesthetik  des  Vf.  zu  vertreten 
hätte.  In  den  anderen  Staaten  wären  die  entsprechenden  Staatsstellen  mit  derselben 
Aufgabe  zu  betrauen.  Ueberdies  müsste  noch  die  ganze  Bühnenlitteratur  nach  den 
neuen  Grundsätzen  überprüft  werden,  was  an  der  Hand  des  vorliegenden  Buches 
mit  seinen  zahlreichen  Urteilen  über  die  wichtigsten  Stücke  nicht  mehr  so  viel 
Mühe  machen  könnte.  Man  zweifelt  bei  den  Ausführungen  des  Vf.,  ob  er  normal 
denkt,  oder  ob  er  eines  jener  bezeichnenden  Wörter  verdient,  die  er  für  andere 
Dichter  so  gern  anwendet.  —  Gewiss  wird  niemand  leugnen,  dass  die  Theater- 
verhältnisse manches  zu  wünschen  übrig  lassen,  nur  haben  bisher  alle  Vorschläge 
nichts  erzielt.  Martersteig^^s^  sieht  die  Ursache  der  Schäden  darin,  dass  die  Ge- 
setzgebung das  Theater  unter  die  Gewerbe  rechnet,  und  erhebt  nach  Auseinander- 
setzungen über  das  gegenwärtige  Theater,  über  die  idealen  Ziele  der  Bühne  und 
allerlei  politischen  Betrachtungen  die  Forderung  der  allgemeinen  deutschen  Bühnen- 
genossenschaft:  „Heraus  aus  der  Gewerbeordnung  mit  dem  Theater."  — Neumann- 
Hof  er  ^26)  verwirft  die  Theatercensur,  ohne  Neues  vorbringen  zu  wollen.  — 

Das  Verhältnis  des  Dramas  zur  Bühne^?'')  ist  für  Sitten  berger^^S) 
die  Handhabe,  um  einzelne  Forderungen  an  das  Drama  sinngemäss  zu  entwickeln. 
Der  Bühne  fehlt  die  vierte  Wand,  das  bedingt  eine  Reihe  von  Anordnungen  der 
Wirklichkeit,  die  uns  den  Schein  der  Natürlichkeit  erwecken  sollen;  nicht  volle 
Wirklichkeit,  sondern  nur  eine  für  einen  bestimmten  Zweck  ausgewählte  kann  ge- 
geben werden.  Die  Illusion  ist  durch  Konventionelles  zu  erreichen,  für  das  sich  drei 
Gesetze  aufstellen  lassen,  das  Gesetz  der  Perspektive,  das  Gesetz  der  Uebersicht- 
lichkeit,  das  Gesetz  der  grösseren  Intensität.  Das  Fehlen  der  vierten  Wand,  die  An- 
wesenheit des  Publikums,  das  schauen  will,  die  künstliche  Beleuchtung,  die  Grösse 
des  Theaters  und  die  Entfernung  zwischen  Zuschauerraum  und  Bühne  fordern  diese 
Gesetze;  sie  gelten  auch  für  das  Spiel  des  Schauspielers  und  für  die  dramatische 
Komposition.  Klar  und  überzeugend  entwickelt  dies  S.  Die  Aufführung  bedingt 
eine  Maximalgrenze  für  die  Zeitdauer,  damit  Auswahl  und  Gliederung.  Das  Pub- 
likum soll  den  Bühnen  Vorgängen  folgen  können,  daher  Anfang,  Mitte  (Höhe)  und 
Ende;  es  soll  nicht  ermüden,  daher  Abwechslung,  Kontrast.  Der  dramatische  Vor- 
gang beachtet  die  drei  Gesetze  auch  in  der  Charakterzeichnung  und  in  der  Sprache; 
besonders  eine  gewisse  Vergröberung  ist  unerlässlich.  lieber  den  Monolog,  das 
a-parte,  die  Akteinteilung  und  den  Vorhang  spricht  der  Vf.  fördernd  und  polemisiert 
ruhig  und  sachlich  gegen  die  Theoreme  der  Naturalisten.  —  Ein  „Süddeutscher"-^^) 
sieht  den  Krebsschaden  des  deutschen  Theaters  in  der  Uebersetzungswut,  die  jeden 
nationalen  Charakter  raubt,  in  der  übertriebenen  Herrschaft  der  Frau  über  das 
Theater  wie  über  Belletristik,  in  dem  Uebergewicht  des  Berliner  Premierenpublikums, 
dem  schon  das  süddeutsche  Volksstück  zum  Opfer  gefallen  ist  (?),  überhaupt  in  der 
Centralisation  des  Theaters  und  der  Vorherrschaft  Berlins,  dessen  Kritik  gleichfalls 
nach  Paris  schielt;  das  Theater  soll  deutsch  und  modern  sein,  dann  wird  es  er- 
ziehend   wirken.     Vom    süddeutschen  Volksstück    verspricht    sich  der  Vf.  nach    den 


Buch:  MontagsR.  N.  40.  —  225)  M.  Martersteig,  Theater-Manchestertum :  Zukunft  5,  S.  462/r,.  (Vgl.  IV  4  :  368.)  —  226)  0. 
K[enmann]-H[ofer],  D.  Frage  d.  Theaterzensur:  ML.  62,  S.  .517,8.  —  227)  O  X  ^-  Mauthner,  Z.  Streit  um  d.  Bflhne. 
E.  Berliner  Tagebuch.  (=  Dtsch.  Schriften  für  Litt.  u.  Kunst.  Her.  v.  Eng  Wolff.  2.  Reihe,  5.  Heft.)  Kiel,  Lipsius  &  Tischer. 
52  S.  M.  1,00.  (Vgl.  IV  4  :  115.)  -  228)  H.  Sittenherger,  D.  Wahrheit  auf  d.  Bühne.  E.Studie.  Wien,  Bauer.  34  8. 
M.  0,75.  IfR.  Opitz:  BLU.  S.  355,6:  E.  Kilian:  DLZ.  S.  626/7;  Grenzb.  2,  S.  144;  A.  E.  Schönbach:  Vom  Fels  z.  Meer  2, 
S.  161.]|     (Vgl.  IV  4  :  321.)  —  229)  D.  dtsch.  Theater  als  Erzieher.    V.  e.  Sßddeutschen.    L.,  Reissner.    48  S.    M.  0,75.    (Vgl. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  230-242 

Erfolg-en  der  Schlierseer  eine  Zukunft  des  deutschen  Theaters.  —  Den  Krebsschaden 
des  deutschen  Theaters  sieht  Nelten^so^  mehr  in  der  Theaterkritik  als  in  der 
Theatercensur  und  dem  Geschmacke  des  Theaterpublikuras.  Freilich  hat  ein  so 
seichter  Kritiker  moderner  Stijcke,  wie  der  Vf.  nach  dem  ersten  Teil  seines  Buches 
ist,  wenig-  Recht  über  die  Theaterkritik  abzuurteilen;  wenn  sie  fehlt  und  irrt,  so 
kann  sie  entschuldig-end  den  Zwang-  rascher  Berichterstattung-  erwähnen,  während 
der  Vf.  in  einem  Buche,  also  mit  Ruhe  und  Ueberleg-ung-,  nichtssag-ende,  schlecht- 
geschriebene, wahllos  durcheinander  g-eworfene  Dramenbesprechung-en  zusammenfasst, 
noch  dazu  unter  einem  irreführenden  pompösen  Titel.  Solche  Bücher  verdienen 
den  allerschärfsten  Tadel.  —  Dageg-en  beanspruchen,  wie  Werner^si)  hervorhebt 
Wehls  Aufsätze,  die  Kilian  aus  dem  Nachlasse  herausg-ab,  auch  die  Beachtung-  der 
Poetik,  insofern  sie  verschiedene  dramaturgische  Fragen  über  die  Aufführung  ein- 
zelner Stücke  oder  die  Auffassung-  einzelner  Rollen  behandeln  und  für  den  Stil  auf 
der  Bühne  eintreten. 232-234j  — 

Ueber  die  Komödie  ist  nicht  viel  erschienen.  Weilen^^s)  stimmt  in  den 
Tadel  des  Heftes  von  Bettingen  ein.  —  Biltz^sß)  hat  seinen  unbedeutenden  Aufsatz 
über  den  Mangel  einer  deutschen  Komödie  als  Prolog  eigener  schwächlicher  Pro- 
dukte neu  drucken  lassen.  ~  Kummer 231)  billigt  den  Satz:  „Der  Humor  ist  der 
Idealismus  einer  realistischen  Zeit",  stimmt  überhaupt  den  theoretischen  Ausführungen 
von  Biltz  bei,  verurteilt  aber  die  eigenen  dramatischen  Leistungen  dieses  Dichters. -^^j  — 

Einen  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Oper  giebt  Tritonius^as), 
hauptsächlich  um,  an  Wagner  anknüpfend,  das  Verhältnis  von  Oper  und  Drama 
zu  ergründen;  er  findet  einen  Widerspruch  zwischen  dem  Musikalischen  und  dem 
Dramatischen,  die  sich  in  der  Oper  doch  vereinen.  Das  Musikalische  will  Seelen- 
zustände  schildern,  das  Dramatische  will  fortschreiten.  Das  Gesammtkunstwerk 
Wagners  ist  undurchführbar,  weil  bei  ihm  die  Musik  überwiegt.  Die  Zukunft  der 
Oper  werde  wohl  ein  Kompromiss  zwischen  der  alten  „Opern"-  und  der  neuen 
„Musikdramen"-  Form  sein.  —  Stiehler^^o)  wirft  gleichfalls  die  Frage  auf,  ob  die 
Verbindung  von  Musik  und  Drama  überhaupt  möglich  oder  richtig  sei.  „Dramatisch 
sind  die  starken  Seelenbewegungen,  die  sich  bis  zum  Willen  und  Thun  verhärten; 
also  die  inneren  Vorgänge,  welche  der  Mensch  vom  Aufleuchten  der  Empfindung 
bis  zum  leidenschaftlichen  Begehren  und  Handeln  durchmacht;  dramatisch  ist  das 
Ausströmen  der  Willenskraft  aus  dem  Gemüte,  nicht  die  Darstellung  des  (xemütes 
selbst,  auch  nicht  die  Darstellung  der  Leidenschaften  an  sich.  Dramatisch  ist:  zu 
sehen,  wie  aus  Gedanke  und  Gefühl  die  Handlung  wird,  und  welche  Reflexe  aus 
den  geschehenen  Handlungen  zurückfallen  auf  das  Denken  und  Fühlen."  Das 
Wesen  der  Musik  dagegen  „ist  das  Verinnerlichen,  das  Fühlen,  das  Sinnen,  das 
Romantische,  das  Lyrische,  das  Ausklingen  der  Stimmung  in  schöner  Form";  alles 
das  steht  also  dem  Dramatischen  direkt  entgegen.  In  der  modernen  Oper  ist  die 
Musik  zur  Magd  der  Dramatik  geworden.  Was  der  Vf.  dann  noch  über  den 
„moralischen"  Wert  des  Dramas  sagt,  der  von  der  Oper  nicht  erreicht  werden  könne, 
weil  sie  nur  das  dem  Menschengeiste  „Vergnügliche"  vorführt,  ist  wohl  etwas  stark 
für  unsere  Zeit  und  darum  leicht  zu  widerlegen.  —  Hausegger^^i)  kann  sich  eine 
dramatische  Musik,  also  eine  Oper  ganz  gut  denken,  denn  ihm  liegt  der  Keim  des 
Dramas  im  Liede,  das  Drama  ist  ihm  seinem  innersten  Wesen  nach  „gesteigerte 
Lyrik";  die  Handlung,  insofern  sie  nicht  das  Gefühlsleben  auslöst  oder  sich  auf  Ge- 
fühle bezieht,  ist  „ein  bloss  episches  Element".  Mit  der  Frage  nach  der  Zukunft  der 
Oper  hat  die  Frage  nach  dem  Werte  des  Wagnerschen  Kunstwerkes  nichts  zu 
schaffen,  die  Fragestellung  selbst  erscheint  dem  Vf.  falsch.  — 

Neue  Formen  des  Dramas  zu  schaffen,  ist  ein  modernes  Bestreben,  das 
schon  in  dem  Versuche  begegnet,  das  Drama  novellistisch  zu  färben.  Rust242)  qj,_ 
hofi't  von  einer  Verbindung  des  Dramas  mit  Tanz  und  Musik,  wenn  auch  nicht  ein 
neues  Genre  des  Dramas,  doch  die  von  Schiller  erhoffte  Weiterbildung  der  Oper. 
In  seinem  Stücke  wird  die  weibliche  Hauptrolle  getanzt,  hat  nur  in  einer  einzigen 
Scene  zu  sprechen,  wo  eine  vermummte  Schauspielerin  für  die  Tänzerin  eintreten 
kann.     Der   Vf.  will    die    Tanzkunst   zu    symbolischen   Behelfen   im    Drama    herbei- 


IV  4:382.)  —  230)  L.  Kelten,  Dramaturgie  d.  Neuzeit.  Essays  u.  Studien  über  d.  mod.  Theater.  Halle  a.  S.,  H.  Peter. 
VlI,  152  S.  M.  2,40.  |[R.  Opitz:  BLU  !^.  3.Ö56.]!  —  231)  E.  M.  Werner,  F.  Wehl,  Dramatnrg.  Bausteine  (vgl.  JBL.  1891 
1  3:170):  DLZ.  14,  S.  1044.  -  232>  O  E.  Isolani,  Am  Schreibtisch.  Ausplandereien.  m.  D.  Personentanfe:  DBühneng. 
S.  736.  (Vgl.  IV  4:360)  —  233)  X  Armin  Tille,  D.  Anachronismus:  Geg  43,  S.2135.  (Führt  einige  starke  Anachronismen 
ans  alter  u.  neuer  Zeit  an,  manches  dabei  verkennend.)  —  234)  X  A.  v.  Weilen,  M.  Neuda,  D.  Gerichtsverfahren  (vgl. 
JBL.  1892  I  11  :  146):  DLZ.  S.  1491,2.  (Vgl.  IV  4:357.)  —  235)  id.,  F.  Bettingen,  Kom.  Drama  (vgl.  JBL.  1891  I  3:  151j: 
ib.  14,  S.  1330  1.  —  236)  K.  Biltz,  Dramat.  Humoresken.  Nebst  e.  Prologe:  „Warum  d.  Deutschen  keine  Komödie  haben.- 
B.,  Iraberg  &  Lefson.  234  S.  M.  4,00.  |(LCB1.  S.  1716;  Geg.  4.5,  S.  319.JI  (Vgl.  JBL.  1892  I  11  :  170;  s.  u.  IV  4  :  356.)  — 
237)  F.  Kummer,  Dramat.  Werke:  BLU.  S.  5558.  —  238)  O  P.  Stapfer,  La  comedie  du  hasard:  RPL.  2,  S.  1316.  - 
239)  Tritonins,  Einiges  über  d.  Oper:  Kw.  6,  S.  65  7.  -  240)  A.  Stiehler,  Krit.  Würdigung  d.  Oper  als  Kunstform:  ib. 
S.  282,5.  —  241)  F.  T.  Hausegger,  Nochmals:  D.  Oper  als  Kunstform:  ib.  S.  299-301.  —  242)  F.  Rust,  Atalante.    Dramat 

27* 


I  12  :  243-249  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

ziehen  und  die  schönen  Geberden,  die  verschieden  sind  von  den  charakteristischen  des 
Schauspielers^^s^,  für  das  Drama  nutzen.  Sein  Versuch  ist  interessant,  aber  freilich 
nur  ein  vielleicht  durch  den  Jean  Mayeux  (Buckelhans)  mitveranlasstes244)  Experiment, 
das  kaum  viel  Nachfolger  finden  wird.  —  Weitere  Schichten  hat  dagegen  jene  neue 
Form  erobert,  die  sich  Psychodrama  nennt;  eine  eigene  Gesellschaft  mit  ver- 
schiedenen Zweigvereinen  hat  sich  in  Bremen  gebildet,  giebt  auch  eine  besondere 
Zeitschrift  „Psychodramenwelt"245)  heraus.  Hähnel,246y  der  mit  einer  psycho- 
dramatischen  Dichtung  „Eike"  grossen  Erfolg  hatte,  unterrichtet  uns  im  Vorworte 
zu  einer  Sammlung  von  Psychodramen^*")  des  Näheren  über  die  angeblich  neue 
Form.  Er  tritt  vor  allem  der  Ansicht  entgegen,  dass  das  Psychodrama  keine  neue 
Kunstschöpfung,  sondern  nur  eine  Modernisierung  bereits  vorhandener  Kunstformen 
sei.  Der  monologische  Charakter  mancher  Psychodramen  habe  dazu  geführt,  dass 
man  Monolog,  Monodrama,  selbst  Soloscene  mit  dem  Psychodrama  verwechselt  habe. 
Felix  Zimmermanns 248)  Schilderung  wird  acceptiert,  wonach  das  Psychodrama 
eine  neue,  einheitliche  Dichtungsform,  eigentlich  eine  Mischung  aus  dramatischen, 
epischen  und  lyrischen  Grundelementen,  ein  Drama  in  denkbar  einfachster,  idealster  (?) 
Ausführung  sei.  Es  fehlt  der  äussere  Apparat,  dafür  wird  die  Psyche  zur  innigsten 
Mitarbeit  erregt.  Im  Mittelpunkt  einer  dramatisch  regelrecht  gegliederten  Handlung 
steht  der  Psychodramenheld,  in  dessen  Worten  allein  sich  Wort  und  That  aller 
anderen  mithandelnden  Personen  mit  greifbarer  Plastik  abspiegeln  müssen.  Zugleich 
lässt  aber  der  Psychodramatiker  die  innere  Motivierung-  der  That  zum  Ausdruck 
kommen.  Drei  Gesetze  gelten:  1.  an  der  Handlung  nehmen  mehrere  Personen  teil; 
2.  die  Entwicklung  ist  dramatisch,  d.  h.  gegenwärtig,  spielt  sich  unter  thätiger  Teil- 
nahme, nicht  bloss  Schilderung  und  Erzählung  des  Sprechenden  ab;  3.  der  scenische 
Apparat  fehlt,  Geist  wirkt  unmittelbar  auf  Geist  (richtiger  hätte  es  heissen  müssen, 
es  werde  direkt  auf  die  Mitarbeit  der  Phantasie  beim  Zuhörer  gerechnet,  also  für  die 
Phantasie  gesprochen).  Vom  Drama,  so  sagt  H.,  das  Charaktere  nachahmend  dar- 
stellt, unterscheidet  es  sich,  indem  es  das  Medium  eines  Vorlesers  braucht;  nicht 
für  die  Anschauung,  sondern  -für  die  Phantasie  wirkt  es.  Damit  gehört  es  aber 
•nach  Schillers  und  Goethes  Ansicht  vom  Rhapsoden  zur  Epik,  von  der  es  sich 
jedoch  dadurch  unterscheidet,  dass  der  Vortragende  zugleich  den  Psychodramenhelden 
spielt,  also  das  zu  erleben  scheint,  was  vorgeht.  Mit  dem  Drama,  so  behauptet  H. 
weiter,  will  es  nicht  wetteifern,  oder  dieses  gar  verdrängen.  Es  bietet  nur  eine 
einzige  Form  des  Dialogs,  für  die  ich  in  meinem  Werke  „Lyrik  und  Lyriker"  die 
Bezeichnung  „Dialog  mit  verschwiegener  Antwort"  brauchte.  Begründer  der  „Gattung" 
ist  Richard  von  Meerheimb,  geboren  am  14.  Jan.  1825  zu  Grossenhain  in  Sachsen; 
er  lebt  gegenwärtig  der  Dichtung  als  Oberst  ausser  Dienst.  Am  1.  Okt.  1892  hat 
sich  eine  „Litterarische  Gesellschaft  Psychodrama"  gebildet,  die  in  allen  Kreisen 
litterarisches  Interesse  wecken  und  das  Psychodrama  pflegen  will.  Das  Bändchen 
enthält  von  den  im  Titel  genannten  acht  Dichtern  und  Dichterinnen  15  Psychodramen 
recht  verschiedenen  Wertes,  dazu  zwei  Uebersetzungen  ins  Französische.  Die  ganze 
Gattung  ist  ihrem  Wesen  nach  nicht  ganz  klar;  so  weit  sich  aus  den  vorliegenden 
Proben  entnehmen  lässt,  könnte  man  von  einer  Vertiefung  der  Soloscene  sprechen, 
bei  der  es  ja  auch  auf  verschiedene  psychologische  Momente  ankommt,  wenn  nicht 
die  Soloscene  die  Aufführung  verlangte  und  das  Psychodrama  nur  vorgelesen  würde. 
Die  strenger  geschlossene  Handlung,  das  tiefere  Erfassen  eines  psychologischen 
Problems  zeigen  sich  freilich.  Das  Dramatische  liegt  aber  hauptsächlich  in  der  Form 
der  Darstellung,  nicht  im  Wesen,  es  ist  daher  das  Psychodrama  kein  Drama,  sondern 
Epik  mit  dramatischer  Form  und  starken  psychologischen  Momenten,  wie  sie  der 
Novelle  besonders  eigen  sind.  Am  nächsten  käme  daher  das  Psychodrama  der  Ich- 
Novelle,  jedoch  in  dramatischer  Form.  Jedenfalls  bieten  die  Dichtungen  der  Poetik 
ein  interessantes  Problem.  —  Bahr^^s)  bespricht  die  Versuche,  die  besonders  in 
Italien  und  Oesterreich  gemacht  wurden,  „eine  scenische  Fassung  der  neuen  Psycho- 
logie" zu  bewirken;  er  bezweifelt  zwar  weder  die  Berechtigung  der  hauptsächlich 
durch  Ribot  aufgestellten  „Vielpersönlichkeit",  noch  das  „Vermögen  der  Kunst", 
diese  Aufgabe  zu  bewältigen,  wohl  aber  bezweifelt  er  das  „Vermögen  der  Bühne" 
hierzu.  Dieses  Vermögen  hat  Grenzen,  darum  setzt  der  Vf.  wenig  Vertrauen  in  die 
neuen  Versuche,  glaubt  jedoch,  sie  würden  vielleicht,  „während  sie  sich  vergeblich 

Dichtung  mit  Tanz  in  3  Aufz.  mit  e.  Vorbemerk.  Breslau,  P.  Schweitzer.  XVHI,  55  S.  M.  0,50.  —  243)  X  K.  Skranp, 
Katechismus  d.  Mimik  n.  Gebärdensprache.  Mit  60  Abbild,  h.,  3.  J.  Weber.  1892.  XIV,  247  S.  M.  3,50.  |[E.  Kilian: 
DLZ.  S.  851,2;  R.  Opitz:  BLU.  S.  3556;  0.  K.:  LCBl.  S.  1515,6.]|  (Vgl.  IV  4:341.)  —  244)  X  P-  Schienther,  Mimisches: 
ML.  62,  S.  606,9.  (Vgl.  Geg.  44,  S.  190,1;  s.  n.  IV  4 :  354.)  —  245)  Psychodramenwelt.  Mitteilungsorgan  d.  „Litt.  Ges. 
Psychodrama".  Beil.  d.  NLBll.  Her.  v.  F.  Hähnel.  1.  Jahrg.  4  Nrr.  Bremen,  Kühtmann  (G.  Winter),  ä  8  S.  M.  1,60. 
—  246)  V.  Hähnel,  Eike.  E.  psychodramat.  Hallig-Geraälde  in  freien  Rhythmen.  3.  Aufl.  d.  Sonderabdr.  ebda.  1891.  8  S. 
M.  0,40.  _  247)  id.,  Psychodramat.  Dichtungen.  Unter  Mitwirk.  v.  R.  v.  Meerheimb,  Panline  Hoffmann  v.  Wangenheim, 
E.  Reeder,  V.  Zimmermann,  W.  Becker,  Alice  Freiin  v.  Gaudy  u.  W.  Schubert  (P.  Merwin)  her.'  ebda.  16°.  XVI,  114  8. 
M.   2,00.    —    248)    X    Felix    Zimmermann,    Psychodramen:   NLBll.   N.    1.    —    249)    H.   Bahr,    Psychologie    u.   Bühne: 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  250-261 

um    eine  neue   Bühne    quälen,    einem    Späteren    die    Mittel    der    neuen    Novelle    be- 
reiten". — 

Für  den  Naturalismus  eine  Bibliographie  zu  schaffen,  scheint  entweder 
nicht  gelungnen  zu  sein,  denn  es  ist  g'anz  still  von  dem  Plane  geworden,  oder  aber 
es  gelingt  eben  nicht  die  Grenzen  des  Gebietes  abzustecken,  weil  der  Begriff  des 
Naturalismus  immer  mehr  schwindet  und  anderen  Bezeichnungen  der  modernen 
Litteraturbestrebungen  Platz  macht.  Ein  Anhänger  nach  dem  anderen  fällt  ab,  so 
dass  man  eigentlich  nicht  mehr  vom  Naturalismas  sprechen  sollte,  wenn  man  nur 
einen  besseren  Namen  dafür  fände.250"252-)  Albe rti 2^3)  erkennt  dem  Naturalismus 
und  der  modernen  Versuchslitteratur  gar  nicht  mehr  Berechtigung  zu,  verlangt  viel- 
mehr Werke,  die  „Vorgänge  des  Alltags,  aber  vom  Schimmer  der  Poesie,  des  wahren 
Menschentums  umflimmert"  behandeln.  Man  sieht  nur  nicht  recht  ein,  warum  bloss  Vor- 
gänge des  Alltags  poetisch  umflimmert  werden  sollen.  — Avenarius  ^54)  geht  viel  mehr 
in  die  Tiefe;  er  sucht  in  seinem  Ueberblick  über  das  deutsche  Kunstleben  zu  ergründen, 
wieso  es  kam,  dass  die  Litteraturbewegung  von  Frankreich,  Russland  und  Skandinavien 
auf  Deutschland  so  sehr  wirkte.  Er  findet,  das  „stoffliche  Interesse"  sei  in  den  Werken 
eines  Keller,  Raabe,  Storni  usw.  nicht  ausreichend  befriedigt  worden,  besonders  die 
modernen  Fragen  hätten  sich  nur  der  Behandlung  durch  minderwertige  Schriftsteller 
erfreut,  wodurch  diese  bedeutend  erschienen  seien.  Da  jedoch  das  „Wie"  der  Dar- 
stellung bei  ihnen  höheren  Ansprüchen  nicht  genügen  konnte,  so  nahm  man  die 
deutsche  Dichtung  nicht  mehr  ernst.  Dort  war  man  mit  dem  Stoff,  hier  mit  der 
Form  nicht  zufrieden,  kein  Wunder,  dass  in  der  Litteratur  „ein  geistiger  Halbschlaf" 
zu  herrschen  schien.  Nun  kamen  aber  die  Daudet,  Zola,  Ibsen,  Dostojewski  und 
zwangen  ihr  Publikum  zu  ernstlicher  Beschäftigung  und  ernsthafter  Auseinandersetzung, 
sie  lehrten,  dass  auch  die  moderne  Dichtung  eine  Macht  sein  könne.  Das  sei 
vielleicht  ihr  Segen.  Die  Jüngstdeutschen  hätten  nun  den  Fremden  nachzueifern 
gesucht.  Es  bildete  sich  das  Gefühl  aus,  dass  „Modernes  modern"  behandelt  werden 
müsse,  später  die  Ueberzeugung,  dass  jeder  Gegenstand  modern,  d.  h.  nach  unserem 
Empfinden  zu  behandeln  sei.  Modern  in  diesem- Sinne  könnte  auch  heissen :  charak- 
teristisch, aufrichtig,  ursprünglich,  wahr.  Damit  stieg  die  Wertschätzung  des  Per- 
sönlichen in  der  Poesie.  Darum  werde  aber  auch  die  Zukunft  der  deutschen  Dichtung 
von  der  Stärke  der  Talente  abhängen;  die  künftige  Litteratur  werde  „gesund  und 
deutsch"  sein.  Auch  in  den  anderen  Künsten  verlangt  der  gegenwärtige  Zustand 
vom  Aesthetiker,  dass  er  sich  nicht  einseitig  einer  Partei  anschliesse.^^^-^öo^  —  In 
einem  wichtigen,  durchaus  zu  billigenden,  klar  und  angenehm  geschriebenen  Auf- 
satze sucht  auch  Dresdner^^o)  das  Wesen  der  modernen  Litteratur  aus  den  Ursachen 
zu  begreifen,  die  sie  bedingen.  Er  erkennt  ganz  richtig  auch  in  den  Verirrungen 
den  gesunden  Kern  und  erblickt  eine  sich  vollziehende  Klärung  auf  allen  Gebieten. 
Die  Aufgabe  der  modernen  Dichtung  ist,  „der  reinen  und  vollen  künstlerischen  Ge- 
staltung weiter  zu  ihrem  Rechte  zu  verhelfen";  die  Erreichung  dieses  Zieles  hängt 
zunächst  von  den  schaffenden  Persönlichkeiten  ab.  Die  Methode  ist  eine  andere  ge- 
worden. Seit  der  klassischen  Epoche  war  immer  mehr  die  Idee,  die  Tendenz  in  den 
Mittelpunkt  des  Dramas  gerückt,  und  gerade  Sudermann  hat  sich  an  diese  Methode 
gehalten,  darum  mutet  uns  z.  B.  seine  ,, Heimat"  so  theatralisch  an.  Wir  glauben 
nicht  an  den  Zufall,  der  gerade  solche  Charaktere  in  Konflikt  setzt,  „mehr  mit  be- 
klemmter Spannung  als  mit  mitlebender  Teilnahme"  wohnen  wir  ihm  bei;  wir  sehen 
eine  seltsame,  stark  bewegte  Historie,  aber  kein  Drama  vor  uns.  „Denn  das  Wesen 
des  Dramas  liegt  doch  im  inneren  Kampfe,  in  der  sittlichen,  charaktermässigen  Ent- 
wicklung." Eine  solche  ist  bei  ,, orthodoxen"  Vertretern  einer  Idee,  einer  Lebens- 
auffassung nicht  möglich.  Wir  wollen  Menschen  sehen,  d.  h.  zusammengesetzte,  viel- 
deutige, den  verschiedensten  Regungen  zugängliche  Wesen.  Wir  kehren  wieder  zu 
Shakespeare  zurück,  aber  mit  dem  Unterschiede,  dass  seine  Charaktere  „Ueber- 
menschen  sind  und  übermenschlich  handein",  während  die  Gestalten  des  modernen 
Dramas  „Menschen  sind  und  menschlich  handeln".  Für  alle  Seiten  des  „modernen" 
Dramas  sind  Hauptmanns  „Weber"  das  Muster.  Es  zeigt  sich  auch  die  gewaltige 
Entwicklung  seit  der  Mitte  des  vorigen  Jh.:  „der  Kunst,  die  einst  im  Leben  unseres 


Kw.  6,  S.  23.  —  250)  X  L.  Berg,  D.  Naturalismus  (vgl.  JBL.  1892  I  11  :  194):  LCBl.  S.  159-60  (ablehnend).  — 
251)  X  R-  M.  Meyer,  F.  Faber,  System  d.  Künste  (vgl.  JBL.  1892  I  11:52).  —  W.  Bormann,  Kunst  u.  Nachahmung  (vgl. 
JBL.  1892  I  11:50).  —  P.  Philipp,  D.  Naturalismus  (vgl.  JBL.  1892  1  11:186/7):  DLZ.  S.  401,2.  —  252)  X  E.  Adickes, 
A.  Lassen,  Realismus  u.  Naturalismus  (vgl.  JBL.  1892  I  11:181):  ib.  S.  420,2.  —  253)  Conr.  Alberti,  Hebungen  u.  Werke: 
Zukunft  5,  S.  568-72.  (Vgl.  IV  4:320.)  —  254)  [F.  Avenarius?],  Unsere  Künste.  Z.  Ueberblick:  Kw.  6,  S.  14,  17-20.  — 
255)  O  F.  P.  Stearns,  Real  and  Ideal  in  litt.  Reply  to  W.  D.  Howells.  Boston,  F.  G.  Cupples  Co.  1892.  12».  229  S. 
Sh.7  6. —  256)  O  A.  Sautour,  Ideal  et  Naturalisme,  ä  propos  de  roman  „l'Amour  de  Jacques"  de  Ch.  Fuster.  Paris,  Fischbacher. 
[1891.]  180.  36  g  _  257)  X  Rieh.  Friedrich,  Naturalismus  heute  u.  sonst:  BLU.  S.  710,3.  (ßespr.  einige  neuere  Gedicht- 
samml.  v.  H.  v.  Reder,  K.  Henckell,  G.  Falke  u.  E.  Dehmel.)  —  258)  O  H.  Knhmerker,  Z.  Realismus  in  d.  Litt.:  Dichter- 
heim N.  2.  -  259)  O  H.  Schreyer,  Realismus  u.  Idealismus  in  d.  Kunst.  (--  Dtsch.  Nat.-Bnhne  2,  8.  29-42.)  (Vgl.  IV  4:  333.) 
—  260)  A.  Dresdner,  D.  „Moderne"  im  Drama.     Z.  Verständigung:  Kv?.  6,  S.  337-42.  —  261)  0.  J.  Bier  bäum,  Neue  Kunst: 


I  12:262-267  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Volkes  ihre  ang-emessene  Rolle  als  ursprünglicher  Faktor  gespielt  hatte,  . . .  die  ihr  ge- 
bührende Stellung  wiederzuschaffen."  Es  gilt  also  nicht  mehr  den  Kampf  um  Idealis- 
mus und  Realismus,  sondern  „das  Bestehende  anzuerkennen  und  sich  über  geraein- 
same Arbeit  zu  seiner  Läuterung  und  Förderung  zu  verständigen".  Dabei  muss  auch 
die  Kritik  ihren  Platz  im  Geistesleben  des  deutschen  Volkes  durch  ernste  Bethätigung 
wahren.  Was  besonders  das  Drama  betrilTt,  so  sieht  D.  in  Hauptmann  und  Suder- 
mann die  zwei  berufenen  Führer  und  hervorragenden  Vertreter,  gesteht  aber  selbst- 
verständlich Hauptmann  den  ersten  Platz  zu.  „Sudermann  ist  weniger  kühn  und 
weniger  eigenartig  als  Hauptmann,  er  schliesst  sich  den  überlieferten  Formen  und 
Formeln  unseres  Dramas  näher  an;  und  daraus  erwächst  ihm  seine  eigentümliche 
und  bedeutsame  Aufgabe,  dem  Publikum  das  neue  Drama  schmackhaft  zu  machen 
und  es  durch  seine  minder  ungewohnten  Werke  allmählich  mit  dem  neuen  Geiste  zu 
versöhnen."  —  Bierbaum  26i-262j  vertritt  das  Recht  des  Individualismus  in  der 
Kunst,  er  verwirft  den  „berühmten  hedonistischen  Zweck  der  Kunst  nach  alter  Aus- 
legung", denn  „die  herzlichste  Freude"  ist  ihm  „neben  der  Freude  an  der  frischen, 
treuen  Natur  die  Freude  an  dem  Gedanken  der  Liebe  von  Mensch  zu  Mensch,  nicht 
im  sinnlichen,  sondern  im  christlichen  Sinne  der  Barmherzigkeit  und  des  Mitleids". 
Er  verwirft  die  Schlagwörter  Naturalismus,  Ueberwindung'  des  Naturalismus,  ihm 
kommt  es  auf  „die  ehrliche  Kunst"  der  „Selbständigkeit,  der  freien  Individualität" 
an,  also  auf  die  Willkür,  —  Seemann  2fi3j  weist  die  Forderung  Bierbaums  zurück,  der 
Künstler  solle  eine  „Persönlichkeit"  sein,  weil  mit  diesem  Worte  nichts  gesagt  sei. 
Ihm  erscheint  der  Prozess  in  jeder  Kunst  so:  „Jeder  Künstler,  ja  jede  Zeit  sucht  sich 
nicht  die  Schönheit  schlechtweg  (denn  absolute  Schönheit  giebt  es  nicht),  sondern 
eine  ganz  bestimmte  Schönheit  oder  Wahrheit  —  die  ja  stets  zusammengehen.  Auf 
dieser  Suche  nach  dem  Ausdruck  des  inneren  Empfindens  bilden  sich  die  Stile,  .  .  . 
die  gleichsam  aus  der  Volksseele  herauswachsen.  So  aber  sucht  mit  langer  Mühe 
und  emsigster  Arbeit  jeder  rechtschaffene  Künstler  seinen  eigenen  Stil,  der  seiner 
Anlage  und  den  verschiedenen  Einflüssen,  die  er  erleidet,  entspricht.  Trifft  dieser 
Aufdruck,  der  unter  schweren  Zweifeln  und  Kämpfen  der  Seele  sich  entringt,  auf 
eine  verwandte  Umgebung,  entspricht  er  dem  Zeitgeiste,  so  breitet  er  sich  allen 
Widersachern  zum  Trotz  aus  und  herrscht  in  den  Seelen  einer  kleinen,  doch  stetig 
wachsenden  Gemeinde.  Bis  —  ja  bis  eine  veränderte  Zeitströmung  einen  anderen 
Ausdruck  fordert.  Dann  kann  zwar  der  mächtig  gewordene  Formenzwang  noch  eine 
Zeit  lang  herrschen,  aber  ein  dumpfes,  allmählich  stärker  werdendes  Gefühl  treibt  die 
veränderte  Jugend  unablässig  an,  neue  Pfade  zu  suchen."  —  In  Anschluss  an  Bier- 
baums 2^*)  Musenalmanach  bemüht  sich  Friedrich^^^)  den  Zusammenhang  des 
Naturalismus  mit  voraufgegangenen  Perioden  der  deutschen  Litteratur,  also  mit  der 
dorperlichen  Dichtung,  mit  der  Richtung  Christian  Weises,  der  Sturm-  und  Drang- 
periode, der  Romantik  und  dem  jungen  Deutschland  aufzudecken.  Neues  sagt  er 
nicht,  dafür  übertreibt  er.  —  üebertreibung  ist  es  auch,  wenn  Zabel  ^ßßj  in  den 
modernen  Künsten  nur  das  Hässliche  herrschen  sieht,  wobei  er  übrigens  ganz  richtig 
hervorhebt,  dass  das  Hässliche,  Krankhafte  schon  an  sich  auf  unsere  Nerven  wirkt, 
daher  es  leichter  zur  Nervenerregung  verwertet  werden  kann;  freilich  sei  dieses  durch 
den  Stoff  hervorgerufene  Mitleid  vom  künstlerischen  Geniessen  weit  entfernt.  Eine 
kurze  Geschichte  der  Aesthetik  des  Hässlichen  und  eine  feine  Würdigung  von  Karl 
Rosenkranz  ist  in  den  Aufsatz  verwoben.  —  Historisch  den  Naturalismus  einzureihen 
ist  der  eine  Zweck  eines  anonymen  Heftchens  (von  Karl  Pröll?)^^'?).  Hat  Zabel  eigent- 
lich die  Aesthethik  des  Hässlichen  seit  Lessing  für  die  Mutter  des  Naturalismus 
erklärt,  so  sieht  der  Anonymus  im  Fremden  den  Vater,  in  der  romanischen  Brutalität 
Zolas,  im  jüdisch-undeutschen  Witzeln  und  Spötteln  Heines.  Auch  die  von  Bleibtreu 
begonnene  Litteraturrevolution  blieb  international  und  jüdisch,  wurde  noch  überdies 
„durch  ein  störendes  Verbitterungselement"  unangenehm.  Dann  kamen  die  inter- 
nationalen Naturalisten,  „diese  abstrakten  Schematiker",  kokettierten  mit  der  vater- 
landslosen Socialdemokratie  und  Anarchie  und  dem  Parisertum,  natürlich  waren  auch 
hier  wieder  „die  geborenen  Heimatlosen,  die  Juden"  die  „allerärgsten  unter  diesen 
modernen,  fortschrittlichen,  internationalen  Schreiern".  Ihnen  folgten  die  nervösen 
Naturalisten  mit  ihren  französischen  Neigungen  und  ihrer  „jüdischen"  Abstammung, 
bar  jeder  Gesundheit,  jeder  deutschen  Kraft,  Knaben,  „die  mit  Spielereien  und  was 
das  Schlimmste  ist:  mit  unreinen  Spielereien  ihre  Zeit  vergeuden!"  Wie  ganz  anders 
unsere  echten  alten  Deutschen,  Luther,  die  Dichter  des  Nibelungenliedes,  der  Gudrun, 
des  Heliand,  des  Hildebrandsliedes,  die  Minnesänger,  „diese  germanische  Lust  an 
Wald  und  Gras  und  grünem  Klee!"  Die  jetzige  deutsche  Litteratur  hat  „keine  Seele"; 
sie  muss  national  und  volkstümlich,  deutsch  und  gesund  werden,  nicht  bloss  sehen 
und  hören,  sondern  auch  leben,  sie  muss  frei  werden,  innerlich  frei,   und  klar,    eine 

ML.  62.  S.  476/9.  -  262)  O  (I  11:50.)  —  263)  (I  11:42.)  -  264)  O  (IV  l:i:18.)  —  265)  ßich.  Friedrich,  E.  Manifest 
d.  Modernen:  BLU.  8.  145/7,  161/3.  —  266}  E.  Zabel,  D.  Herrschaft  d.  Hässlichen:  NatZg.  N.  257,  281.  —  267)  (IV  la:12.) 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  268-283 

harmonisch  ausg-ereifte  Kinder-  und  Volksschriftstellerei  im  g-rossen.  Ich  g-laube, 
diese  Proben  g-enügen  völlig".  —  V.  von  Plazer^ßS)  erwartet,  dass  der  Geist  des  Natura- 
lismus die  wesentlichen  Vorzüge  der  klassischen  und  romantischen  Periode  in  sich 
aufnehmen  und  als  höchstes  Ideal  der  Kunst  die  ganze  gebildete  Welt  in  seinen 
Bannkreis  ziehen  werde.  Seiner  Ansicht  nach  ging  der  Naturalismus  aus  dem  Lust- 
spiel hervor,  dessen  Wesen  ja  „porträtmässige  Wahrheit"  ist;  das  besondere  Merkmal 
aber  bildet  in  jedem  (dramatischen)  Werke  aus  der  Schule  des  Naturalismus  eine 
„Idee".  Ueber  Idee  und  Motiv  verbreitet  sich  der  Vf.  in  seiner  seichten,  eitlen  Weise 
noch  besonders.  -  Ein  überzeugter  Anhänger  des  Naturalismus  wie  Plazer  ist 
Für  st  269),  der  gleichfalls  vom  künftigen  Siege  des  Prinzips  durchdrungen  ist.  Sein 
Dreigestirn  aber  heist:  „Naturforschung  —  Socialwissenschaft  —  die  neue  Litteratur." 
Er  versteht  die  neue  Richtung  in  der  Litteratur  aus  den  socialen  Voraussetzungen 
der  Zeit;  der  Bürgerstand,  in  seinem  innersten  Wesen  verändert,  hörte  allmählich 
auf,  der  Litteratur  Anregung  zu  bieten,  dafür  regten  aber  die  neuen  Verhältnisse, 
die  nach  naturwissenschaftlich-analytischer  Methode  geführte  Untersuchung  unserer 
Gesellschaftszustände,  zu  dichterischem  Schaffen  an;  der  früheren  individualistischen 
folgte  die  gesellschaftliche  Litteratur  und  musste  natürlich  zu  neuen  Ausdrucksformen 
greifen.  Nicht  eine  litterarische  Revolution,  sondern  Evolution  haben  w4r  vor  uns, 
nichts  Hässliches  und  Krankhaftes,  sondern  Gesundes  und  Schaffenskräftiges.  Die 
neue  Richtung  wird  mithelfen  an  der  Hervorbringung  jener  idealen  Weltanschauung, 
die  von  der  specialisierenden  Naturwissenschaft  bisher  nicht  gebildet  werden  konnte. 
F.  lässt  nicht  gelten,  dass  das  Neue  das  Gegenteil  des  Alten  sei,  er  nennt  es  „nur 
die  Vervollständigung  und  Ergänzung  desselben",  indem  es  für  seine  Zeit  dasselbe 
thut,  was  das  Alte  für  die  seine  that.  Es  hat  „neue"  Ideale,  aber  es  hat  Ideale,  wie 
seine  Vorgänger;  seine  neuen  Ideale  sucht  es  „aus  der  Herrschaft  der  Materie  im 
All  abzuleiten".  Eigentlich  sind  aber  die  neuen  Ideale  nur  die  Verwirklichung  der 
alten:  B^reiheit,  Gleichheit  und  Brüderlichkeit,  es  sind  nämlich:  „die  Arbeit  als  die 
alleinige  Grundlage  des  menschheitlichen  Wohls,  das  Recht  in  seiner  unbeschränkten 
Anwendung,  das  freie  unabhängige,  glückliche  Kulturleben  der  Menschheit  als  das 
höchste  der  anzustrebenden  Ziele".  Den  Zusammenhang  der  Litteratur  mit  den  Ge- 
sellschaftseinrichtungen, die  notwendige  Gestaltung  der  neuen  Litteratur  darzustellen, 
ist  der  Vf.  im  weiteren  Verlauf  seines  anregenden  Buches  bemüht.  Er  deutet  an, 
dass  ein  social  istischer  Ausbau  unserer  Gesellschaft  der  Poesie  wie  der  Kunst  über- 
haupt breiteren  Raum  schaffen  würde,  er  geht  auf  viele  moderne  Einrichtungen, 
Verirrungen  und  Hoffnungen  ein,  bespricht  mit  anerkennenswerter  Unparteilichkeit 
manche  Erscheinungen,  vor  allem  Nietzsche,  nur  in  zwei  Punkten  trübt  sich  meiner 
Ansicht  nach  sein  sonst  klarer  Blick:  er  erwartet  nämlich  von  der  „Socialwissen- 
schaft", dass  sie  „neue  Grundlagen  für  das  wirtschaftliche  und  damit  für  das  ge- 
samte moralische  und  geistige  Leben  der  Menschheit"  schaffen  werde,  wobei  er  der 
Wissenschaft  einen  jeder  Erfahrung  widersprechenden  Einfluss  zuschreibt;  dann  aber 
bezeichnet  er  ebenso  einseitig  die  Aesthetiker  und  Litterarhistoriker  als  die  ge- 
schworenen Feinde  der  neuen  Richtung,  was  gleichfalls  den  Thatsachen  nicht  ent- 
spricht. Vielleicht  könnte  man  auch  an  der  Richtigkeit  der  Behauptung  zweifeln, 
dass  die  neue  Litteratur  untrennbar  mit  der  socialistischen  Bewegung  zusammenhänge; 
der  Vf.  steht  mit  sich  selbst  im  Widerspruche,  da  er  natürlich  den  mächtigen  Ein- 
fluss Nietzsches  auf  die  neuere  Litteratur  nicht  zu  leugnen  vermag,  obwohl  die  Ueber- 
menschentheorie,  die  er  so  heftig  bekämpft,  im  direkten  Gegensatze  zu  der  Gesell- 
schaftstheorie des  Socialisraus  steht.  Es  geht  eben  nicht  an,  geistige  Strömungen 
aus  einer  einzigen  Quelle  ableiten  zu  wollen,  weil  ihr  von  allen  Seiten  Einflüsse  zu- 
kommen. Trotzdem  ragt  die  Schrift  F.s  aus  der  Menge  solcher  Tageslitteratur  her- 
vor.270-2'1)  _  Dagegen  beweist  Kirch n er 2''2j  geringes  Verständnis  für  die  neue 
Litteratur,  er  will  sie  litterarhistorisch  erfassen,  thut  es  aber  nicht  und  hat  deshalb, 
wie  wegen  seiner  vielen  schiefen  Urteile  (so  stellt  er  z.  B.  „Die  neue  Zeit"  von  Voss 
über  die  „Einsamen  Menschen"  Hauptmanns),  von  allen  seinen,  mir  bekannt  ge- 
wordenen Recensenten2^3-2-4^  mit  seltener  Stimmeneinhelligkeit  ein  Verdammungs- 
urteil erhalten.2''5-283)  — 

—  268)  V.  Ritter  v.  Plazer,  Zeitgemässe  Uetrachtungen.  L.,  0.  Wlgand.  41  S.  M.  0,50.  —  269)  H.  Fürst,  D.  neuen  Ideale. 
Evolut.  Plaudereien.  Dresden  u.  L.,  E.  Pierson.  IX,  133  S.  M.  2,00.  i[PresseB.  N.  164.]|  —  270)  O  M.  N.  G.  Moltzer, 
Anarchismein  de  Kunst:  NedSpect.  S.  85  6.  —  271)  O  G.  Pelissier,  Le  Monvement  litteraire  an  XIX.  siecle.  3.  ed.  (=  Bibl.  variee.^ 
Paris,  Lecene,  Ondin  et  Cie.     16».     387  S.     Fr.  3,50.  —  272)  (IV  la:7.)  )[BLU.  8.590,1   (ablehnendi;  Kw.  6,  S.372.]|  —  273)  X 

C.  Flaischlen,  „Auch  Einer":  ML.  62,  S.  507  9.  —  274)  Jost  Seyfried,  „Grün"  u  Grau-Deutschland.  E.  kora.  Litt.-Gesch. : 
FrB.  4,  S.  1009-17.  -  275)  X  (I  1:60.)  —  276l  X  ^twas  über  Naturalismus:    Volksbühne  2  (Dec.  1892),  S,  7-11.  —  277)  X 

D.  heutige  Naturalismus:  ib.  3  (Jan.  1893),  S.  9-12.  -  278)  O  H.  Bulthaupt,  Shakespeare  u.  d.  Naturalismus.  Vortr.  : 
JbDShakespeareGes(Sapplement).  28,  S.  4-25  |[J.  R.:  LZgR.  N.  84  (scharf  tadelnd):  BLU.  S.  333,4 ;  H.  Schreyer:  DNB.  2, 
S.  242  4.]|  (Vgl.  IV  4:322.)  —  279)  O  id.,  Shakespeare  u.  d.  Naturalismus.  (Sonderabdr.  v.  N.  278.)  Weimar.  A.  Hnschke. 
25  S.  M.  1,00.  —  280)  X  K.  Trost,  Shakespeareolatrie  u.  mod.  Empfinden:  NorddAZg.  N.  312.  (Gegen  Bnlthaupts  Aufsatz 
N.  278.)  —  281)  K.  Kollbach,  D.  Naturwiihrheit  in  d.  mod.  realist.  Litt.:  KZEÜ.  S.  154-60.  —  282)  X  M.  Keibel,  D. 
Religion  u.  ihr  Recht  gegenüber  d.  mod.  Moralismus.  L.,  C.  E.  M.  Pfeffer.  1892.  VH,  85  S.  M.  1,50.  |[A.  Fischer-Colbrie: 
ÖLBl.  2,  S.  163;4.J|  —  283)  X  F.  Klein,    Nonvelles  tendances  en  religion  et   en  litterature.     Paris,    Lecoffre.     XLIII,    303  S. 


I  12:284-291  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Das  Verhältniss  von  Moral  und  Naturalismus  stellt  "Wille  ^^^J  dar  mit 
Rücksicht  auf  eine  Schrift  von  Adolf  Gerecke  „Die  Aussichtslosigkeit  des  Moralis- 
mus" (Zürich,  Schabelitz  1892);  er  entwickelt,  dass  die  Unterdrückung-  der  Begierden, 
dass  Moralgesetze  nur  Satanismus,  moralische  Stickluft  zur  Folge  hätten.  Gerade 
ein  so  grosser  Socialkritiker  wie  Ibsen  gestalte  dichterisch  die  Korruption,  „welche 
Individuen  und  Gesellschaft  von  Seiten  der  Moralsatzungen  erleiden".  Solche  kühne 
Männer  und  Kritiker  seien  Sturmvögeln  gleich.  Es  gelte  eben  frei  zu  werden  von 
der  moralischen  Herrschaft,  dadurch  würden  nicht  etwa  verbrecherische  Leiden- 
schaften entfesselt,  sondern  vielmehr  die  Leidenschaften  beruhigt  und  ungefährlich 
gemacht.  In  einer  Fussnote  stellt  die  Redaktion  die  scharfe  Fassung  dieser  Gedanken 
zur  Diskussion.  —  Aber  Hartenau^sa^^  der  allein  das  Wort  ergriff,  steuert  nur 
einige  Reflexionen  über  sich  selbst  bei,  ohne  auf  das  Verhältniss  der  Poesie  zur 
Sittlichkeit  einzugehen.  — 

Eine  gescheite  und  mutige  Frau,  Clara  Schreib  er  ^sß)^  hat  es  gewagt, 
gewissen  Schlagwörtern  der  Modernen  über  die  Frauen  frage  scharf  entgegen- 
zutreten und  besonders  die  „freie  Liebe"  als  einen  Unsinn  und  eine  Ungeheuerlich- 
keit zu  bezeichnen.  Die  Frauenfrage  wird  als  Brotfrage  behandelt,  das  Ziel  des 
Weibes  in  der  Ehe  gefunden,  aber  nicht  in  einer  gewöhnlichen,  sondern  in  der  von 
einem  reifen,  geistig  und  körperlich  entwickelten  Weibe  geschlossenen.  Die  Vf.  tritt 
für  die  erweiterte  Frauenbildung  ein,  verwirft  aber  die  Deklamationen  von  Prostitution 
der  Ehe,  die  Frau  als  Geliebte  des  Mannes  usw.,  weil  sie  selbst  ein  normales  Weib 
ist.  Gegen  die  französischen  Romanciers  nimmt  sie  die  französische  Moral  in  Schutz 
und  stellt  die  französische  Frau,  wie  sie  ist,  dar.  Man  folgt  den  spannend  ge- 
schriebenen Aufsätzen  mit  Genuss  und  Gewinn.  —  Der  grosse  „Weiberhasser" 
Strindberg^^")  sucht  aus  Physiologie  und  Psychologie  die  Minderwertigkeit  des 
Weibes  zu  erweisen,  wobei  es  ohne  die  stärkste  Einseitigkeit  natürlich  nicht  abgeht. 
So  behauptet  St.  (was  schon  die  Redaktion  zu  einer  Einwendung  veranlasste),  es 
scheine  Regel  zu  sein,  dass  Söhne  niemals  intellektuelle  Anlagen  von  der  Mutter 
erben,  „vielleicht  weil  nichts  zu  erben  ist".  Die  litterarischen  Verdienste  einer  Stael, 
einer  George  Sand  werden  auf  Männer,  Aug.  Wilhelm  Schlegel,  Alfred  de  Musset, 
Chopin,  Dumas  fils,  die  Erfolge  der  Königinnen  auf  ihre  Ratgeber  zurückgeführt. 
Ueberdies  macht  sich  der  Vf.  lustig  über  eine  Logik,  die  sagt :  „Rosa  Bonheur  malte 
schöne  Tierbilder,  ergo  steht  das  Weib  dem  Manne  nicht  nach";  er  verstösst  aber 
bei  seinen  Deduktionen  ganz  ähnlich  gegen  die  Logik,  freilich  umgekehrt. 

Die  Bedeutung  der  Suggestion  und  Hypnose  für  die  Litteratur  be- 
trachtet WalzeP^^)  im  Anschluss  an  die  Franzossche  Enquete ^89)  ähnlich  wie 
Servaes  (vgl.  JBL.  1892  I  11:255);  er  sagt  ganz  richtig,  von  den  Märchen  und 
Zaubergeschichten,  denen  ein  Gutachten  Suggestion,  besonders  posthypnotische  zu- 
weisen will,  bis  zu  streng  wissenschaftlichen  Darstellungen  des  extremsten  Naturalis- 
mus führe  ein  weiter  Weg  an  einer  Fülle  von  Möglichkeiten  anderer  Art  vorüber, 
die  Keime  grosser  Kunstwerke  bergen.  „Sie  zu  nützen,  kann  keiner  dem  Dichter 
wehren."  Er  weist  die  litterarische  Kritik  zurück,  die  von  Nichtkritikern  ausgeübt 
wird,  sieht  auch  in  der  genannten  Enquete,  dass  die  Aufgaben  der  Dichtung  verkannt 
wurden.  Fühle  sich  ein  schaffender  Dichter  vom  Problem  der  Suggestion  gefesselt, 
so  werde  er  auch  trotz  dem  Verdikte  der  Physiologen  und  Psychiater  sich  ihm  nicht 
entziehen  können,  und  ist  er  ein  gottbegnadeter  Künstler,  so  werde  ihm  gelingen, 
auch  auf  diesem  Felde  menschlich  anziehende  Menschen  zu  zeichnen.  Maupassants 
„Horla"  ist  ihm  ein  Beweis  dafür,  ebenso  Theophil  Gautiers  „Jettatura".290)  W.  unter- 
scheidet sehr  wohl  zwischen  dem  echten  Künstler  und  dem  seichten  Kopisten.  — 
Dagegen  wirft  ein  Ungenannter '•^^i)  alles  durcheinander  und  lehnt  die  Suggestions- 
litteratur  ab,  weil  sie  auf  schwache  Nerven  eine  verderbliche  Wirkung  auszuüben 
vermag.  Er  selbst  muss  aber  gestehen,  dass  Dostojewskis  „Raskolnikow"  keinen 
Mord  zur  Folge  hatte,  wohl  aber  Tolstois  „Kreuzersonate";  damit  stellt  er  sich  auf 
den  Standpunkt  jener  Kritiker,  die  Goethes  Werther  verwarfen,  weil  durch  ihn  an- 
geblich einige  Selbstmorde  hervorgerufen  wurden.  Gerade  sie  aber  konnten  beweisen, 
dass  Goethe  mit  seinem  Werther  wirklich  eine  Zeitkrankheitserscheinung  gezeichnet 
hatte,  die  Kritik  ist  also  völlig  im  Unrecht.  Kann  er  sich  auf  den  Werther  berufen, 
wenn  er  sagt:    „Dem  Leser    und  Zuhörer    schöne  Gefühle  und   edle  Gedanken,    den 


|[C.  Seefeld:  ÜLBl.  2,  8.  463/4.]  |  —  284)  B.  Wille,  Moral.  Stickluft:  FrB.  4,  S.  816-21.  —  285)  W.  Hartenan,  Moral  heutzutage : 
ib.  S.  940-4.  -  286)  Clara  Schreiber,  Eva.  Naturalist.  Stadien  e.  Idealistin.  Dresden.  E.  Pierson.  VII,  155  S.  M.  3,00.  — 
287)  A.  Strindberg,  D.  üeberlegenheit  d.  Mannes  über  d.  Frau,  u.  d.  hieraus  sich  ergebende  Berechtigung  ihrer  unter- 
geordneten Stellung.  (Nach  d.  Resultaten  d.  Wissenschaft.)  Dtsch.  v.  G.  Lichtenstein:  ML.  62,  S.  58/9,  715.  —  288)  0.  F. 
Walzel,  E  litt.  Enquete:  ZDU.  8,  S.  518-25.  —  289)  X  B-  Münz,  Hypnotismus  u.  Suggestion:  BLU.  .S.  364,5.  —  290)  O 
P.  Sourian,  La  Suggestion  dans  Tart.  (=:  Bibl.  de  philos.  scientif.)  Paris,  Aloan.  1892.  3.")2  S.  Fr.  5,00.  |[G.  Lechalas: 
APC.  27,  S.  364-74;    L.  Arreat:    RPhilos.  35,    S.  6.39-44.J|    -    291)  Snggestions-Litt. :    Didaslc.  N.  52/3.    (Aus  IlambNachr.)  — 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  292-314 

Antrieb  zu  guten  Handlung-en  zu  sug-g-erieren,  das  ist  die  Avifgabe  jener  Sug-gestions- 
Litteratur,    der    sich  bisher  noch  alle  grossen  Dichter  gewidmet"  [haben]  V^^'^'^iaj   — 

Es  giebt  auch  andere  Fragen  der  modernen  Psychologie^"-^  """"j,  deren 
Verwertung  in  der  Litteratur  zweifelhaft  sein  könnte,  weil  sie  wissenschaftlich  noch 
nicht  vollständig  klar  gelegt  sind.  Dazu  gehört  das  „Doppel-Ich",  wie  die  von  Dessoir 
geschaffene  Bezeichnung  für  eine  lange  bekannte,  aber  verschieden  gedeutete  Er- 
scheinung lautet.  Roisset ^"'J  hat  einen  kurzen  Rückblick  auf  die  Geschichte  dieses 
Begriffs  gegeben  und  dann  einige  Werke  besprochen,  in  denen  Dichter  das  Doppel- 
Ich  als  Problem  behandelten.  Eduard  Rod,  Paul  Bourget,  Charles  Epheyre,  Zola, 
Maupassant  und  Tolstoi  werden  kurz  gewürdigt.  Der  Vf.  erkennt  zwei  Arten  der 
Behandlung:  entweder  wird  mit  dem  unbewussten  Ich  das  Böse,  Bekämpfens-  ja 
Unterdrückens  werte,  oder  das  Bessere,  Reichere,  Gewaltigere  bezeichnet;  so  scheiden 
sich  die  Dichter,  je  nachdem  sie,  wie  Zola,  Tolstoi,  Bourget,  das  zweite  Ich  als  das 
Tier  in  uns  schmähen,  oder  wie  Epheyre  als  das  höhere,  vom  Wachbewusstsein  leider 
meist  verdeckte  Wesen  in  uns  bewundern.  Der  Aufsatz  fördert  uns  auf  engem  Raum.  — 
Dehmel^"2j  möchte  das  Doppel -Ich  „lieber  als  palingenetische  Funktionen  unfertiger 
Präexistenzen  auffassen",  da  in  jeder  Individualität  „verschiedene  Individualitäten 
einer  vergangenen  Zeit  zum  Zwecke  ihrer  gegenseitig-en  Vollendung  sich  einheitlich 
verbinden".  Bei  Goethe,  Nietzsche,  Julius  und  Heinrich  Hart,  bei  Liliencron  und 
01a  Hansson,  vor  allem  aber  bei  Paul  Verlaine  findet  der  Vf.  dichterische  Verarbeitung 
seiner  Idee.  Er  ist  jedenfalls  in  der  Litteratur  wenig  bewandert,  sonst  hätte  er  auf 
Wilbrandt  und  Niemann  hinweisen  können,  doch  hätten  alle  weiteren  Nachweise  doch 
keinen  Wert  für  uns,  da  D.  nicht  daran    denkt,    sein  Material  zu  verarbeiten.^"^)   — 

Die  verschiedenen  Kreise  des  Naturalismus  sind  einzeln  zum  Teil 
historisch  behandelt  worden,  wobei  sich  natürlich  die  Dichtungsgattungen  nahezu 
lokal  geschieden  haben.  In  Frankreich  ist  es  hauptsächlich  der  naturalistische 
Roman304-305^^  ujit  (jgjji  Erfolge  errungen  wurden,  während  der  Naturalismus  auf  der 
Bühne  nicht  Fuss  zu  fassen  vermochte.  Das  hat  Pelissier^o^j  [a  seinen  Essays 
betont;  er  beklagt  die  Auflösung  des  französischen  Alexandriners,  steht  dem 
shakespearisierenden  Drama  etwas  fremd  gegenüber  und  sucht  die  modernen  Er- 
scheinungen, einen  Zola,  einen  Paul  Bourget,  Marcel  Prevost,  Paul  Margueritte  sowie 
die  gegenwärtige  Entwicklung  der  Litteratur  zu  verstehen,  wenn  ihn  auch  seine 
Neigungen  zum  Klassischen  hinziehen.  Nicht  mit  trostreichen  Gedanken  blickt  er 
in  die  Zukunft,  denn  er  glaubt  nicht  an  die  Aussichten  des  Symbolismus,  zu  dem 
Mahrenholtz^o"?)  mehr  Zutrauen  hat  als  P.  und  Juvalot^o»)  in  seiner  heiteren 
Plauderei  aus  dem  J.  3893.  —  Merkwürdig  unhistorisch  ist  Morillot^^gj  ^^  der  Auf- 
fassung des  modernen  Romans;  er  giebt  eine  Chronik  des  französischen  Romans  von 
1610 — 1893  mit  eingestreuten  Proben.  Jeder  Romancier  wird  einzeln  vorgenommen, 
die  Ordnung  ist  nur  äusserlich  getroffen,  häufig  rein  chronologisch.  Besonders  ver- 
wirrend wirkt  es,  dass  der  „roman  realiste"  (Balzac,  Bernard,  Flaubert,  die  Goncourts) 
durch  „Merimee  et  la  Nouvelle"  und  den  „roman  populaire"  (Dumas,  Sue,  Kock, 
Erckmann-Chatrian)  von  dem  zeitgenössischen  getrennt  ist;  auch  hier  mangelt  histo- 
rische Ordnung  und  wirkliche  Charakteristik.  Als  Nachschlagebuch  kann  das  Werk 
willkommen  sein.3io-3i2j  —  j)[q  Entwicklung  der  französischen  Lyrik  des  19.  Jh.  hat 
Brunetiere^'S)  jn  Vorlesungen  dargestellt,  wobei  auch  die  realistische  Richtung 
charakterisiert  wurde.  —  In  der  gegenwärtigen  italienischen  Litteratur  sieht  Rod-^'^j 
deutschen  Einfluss,    was  die  Historie    und  die  Poesie  betrifft,    dagegen  französischen 


292)  X  H.  Schmidkanz,  Psychologie  d.  Saggestion.  Mit  ärztl.  psycholog.  Ergänzungen  v.  F.  C.  Gerat  er.  St.,  F.  Enke. 
XU,  425  S.  M.  10,00.  |[W.  Bölsche:  DRs.  74,  S.  312  3.J1  -  293)  X  H.  Ströbel,  Litt.  Psychiatrie:  FrB.  1,  S.  4218.  — 
294)  XW.  Bölsche.  D.  Angst  vor  d.  Aufklärung:  ib.  S.  206  9.  —  295)  X  id.,  D.  Metaphysik  in  d.  mod.  Physiologie:  ib. 
S.  273-89.  —  296)  O  Ad.  Faggi,  La  psicologica  moderna.  Firenze,  G.  Civelli.  33  S.  L.  1,00.  —  297)  X  E.  Sokal,  Th.  ribot 
n.  d.  neuere  Psychologie:  Geg.  43,  S.  215,3.  —  298)  X  ■*••  Lalande,  Sur  un  effet  particulier  de  l'attention  appliquee  aui 
Images:  RPhilos.  35,  S.  284,7.  —  299)  X  Fr.  Paulhan,  L'attention  et  les  images:  ib.  S.  502,7.  —  300)  Th.  Achelis, 
Ueber  d.  verschiedenen  Methoden  d.  Psychologie:  Geg.  43,  S.  248-50.  (Im  Anschluss  an  W.  Wundt,  Vorlesungen  über  d. 
Menschen-  u.  Tierseele.  2.  umgearb.  Aufl.  Hamburg  u.  L.,  L.  Voss.  1892.  XII,  495  S.  M.  10,00.)  —  301)  E.  Roisset,  D. 
„Doppel-Ich"  in  d.  neuesten  franz.  Litt.:  N&S.  64,  S.  328-39.  (D.  Uebereinstimmung  mit  Brandes  [vgl.  u.  N.  316J  ist  höchst  auf- 
fallend.) —  302)  R-  Dehmel,  Z.  Wiederverkörperung  in  d.  neuesten  Litt.:  Sphinx  17,  S.  276/9.  —  303)  X  L.  Büchner, 
Vererbung:  AZg".  N.  98.  (Im  Anschluss  an  S.  S.  Backmann,  Vererbungsgesetze  und  ihre  Anwendung  auf  d.  Menschen. 
Uebersetzt  in  d.  ^ Darwinistischen  Schriften".  L.,  Günther;  rein  naturwissenschaftl.)  —  304)  O  E.  Zola,  D.  natnralist.  Roman 
in  Frankreich.  Autoris.  dtsch.  Uebers.  v.  Leo  Berg.  St.,  Dtsche.  Verl.-Anst.  X,  484  S.  M.  4,00.  —  305)  3.  Wychgram, 
Zolas  Rückschau:  BLU.  S.  428-30.  (Tadelt  d.  schlechte  Uebersetzung  d.  interessanten  Werkes.)  —  306)  (S.  o.  N.  171.)  — 
307)  R.  M[ahrenholtz?J,  Tagesströmungen  d.  jetzigen  franz.  Litt.:  AZg'i.  N.  51.  —  308)  L.  Juvalot,  L'avenir  du  sym- 
bolisme.  Aix,  l'Anteur.  8  S.  Fr.  0,20.  —  309)  P.  Morillot,  Le  Roman  an  France  depuis  1610  jusqu'ä  nos  jours.  Paris, 
Massen.  12".  611  S.  |[F.  Hemon:  RCr.  36,  S.  508-10.]]  (Keine  Gesch.,  aber  e.  guter  Ueberblick  über  d.  Roman  u.  seine  Ent- 
wicklung in  d.  letzten  drei  Jhh.)  —  310)  O  Jules  Simon,  Le  röle  du  roman  dans  la  litt,  contemp. :  JSav.  S.  624-34.  — 
311)  0.  Berdrow,  Wie  heute  Romane  gemacht  werden:  NZSt.  11,  S.  478-34.  (E.  hübsche  Schilderung  v.  Zolas  n.  Dsudets 
Arbeitsweise  nach  ihren  gelegentl.  Mitteilungen.)  —  312)  O  XX  ^-  Toldo,  Figaro  et  ses  origines.  Milano,  Dumolard  frferos. 
16".  394  S.  L.  4,00.  —  313)  D.  Evolution  d.  franz.  Lyrik  im  19.  Jh.  nach  d.  Vorlesungen  d.  Akad.  F.  Brunetiere:  Post 
N.  241.  (Darnach  abgedr.  in  Didask.  N.  209;  vgl.  I  1 :  56.)  —  314)  E.  Rod,  L'evol.  actuelle  de  la  litt.  Italienne:  M.  A.  Fogaz- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgescbichte.    IV.  28 


I  12:316-316  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Einfluss  im  Roman,  der  zum  französischen  eine  bis  ins  Einzelne  g-ehende  Parallele 
liefert,  freilich  ohne  die  französische  Orig-inalität.  Das  wird  durch  einige  Beispiele 
erörtert;  all  das  ist  aber  nur  Einleitung-  für  eine  Studie  über  Fog-azzaro,  den 
Idealisten.3'!i)  —  Zu  einer  Gesamtbetrachtung  der  modernen  Litteratur  hat  Georg 
Brandes^^ß)  durch  eine  neue  Sammlung  von  Essays  beigetragen,  die  fast  aus- 
schliesslich von  neuen  Erscheinungen  der  Weltlitteratur  handeln,  die  wenigen  Aus- 
nahmen sind  in  der  Anmerkung  verzeichnet.  Man  kennt  das  ganz  Persönliche  von 
B.s  Darstellungsweise,  sein  Geschick,  die  geistige  Physiognomie  von  Dichtern 
und  Schriftstellern  nachzuzeichnen  und  ihr  Wesen  synthetisch  auf  eine  kurze  Formel 
zu  bringen;  darüber  sind  die  Akten  längst  g-eschlossen,  ebenso  über  seine  nicht 
immer  philologische  Zuverlässigkeit.  Portraits  sind  auch  die  neuen  Essays,  und  es 
ist  kein  Zufall,  dass  uns  von  einem  Gruppenbild  die  Köpfe  der  besprochenen  Schrift- 
steller, um  Goethe  geordnet,  entgegenblicken.  Scharf  umrissen  in  ihrer  persönlichen 
und  schriftstellerischen  Eigenart  sehen  wir  auch  die  besprochenen  „Menschen"  vor 
uns;  wir  hören,  wie  sie  sich  bildeten  und  entwickelten,  wie  sie  mit  ihrer  Zeit  und 
den  in  ihr  waltenden  Ideen  zusammenhängen.  Internationales  und  Nationales  in 
seinen  Verhältnissen  zu  einander  beschäftigt  den  Vf.  immer  wieder,  und  so  gipfelt 
der  einzige  rein  vergleichende  Aufsatz  „Das  Tier  im  Menschen",  wenn  man  genauer 
zusieht,  in  der  Darlegung,  wie  die  Schriftsteller  das  Problem  des  Doppel-Ich,  ihrer 
Nationalität  folgend,  verschieden  behandeln  mussten.  Für  den  Vf.  sind  eigentlich  die 
Sachen,  die  Ansichten,  die  Werke  gleichgültig,  er  sucht  Menschen  und  freut  sich, 
wenn  er  einen  Alenschen  gefunden  hat,  „das  Seltenste,  was  es  giebt".  Dann  sucht 
er  ihn  zu  ergründen,  indem  er  ihm  abfragt:  was  ist  an  dir?  worin  besteht  der  Kern 
deines  Ich?  So  machte  er  es  mit  Nietzsche,  dessen  Werke  keineswegs  seine 
Billigung  haben,  aber  er  hat  „seinen  Spass"  an  dem  Künstler,  der  grübelt,  und 
dem  Denker,  der  träumt;  für  Nietzsches  Wesenheit  schafft  er  den  Ausdruck  „aristo- 
kratischer Radikalismus".  So  macht  er  es  in  dem.  glänzendsten  Essay  des  Bandes 
mit  Zola,  den  er  schon  1887  „halb  scherzhaft  und  doch  ganz  ernstlich"  einen 
Symboliker,  keinen  Naturalisten  nennt,  denn  nicht  die  Natur,  die  dargestellt  wird, 
sondern  die  Persönlichkeit,  die  darstellt,  erkennt  er  in  allen  Romanen,  vom  ersten 
an.  Ein  „Dichter  der  Kehrseite"  heisst  ihm  Zola,  der  wohl  gegen  die  historische, 
nicht  aber  gegen  die  phantastische  Kunst  Front  macht,  der  auf  die  Natur  die  Ana- 
logien der  griechischen  Welt,  des  Biblischen  überträgt,  der  direkt  das  Gebiet  der 
Mythenbildung  betritt  und  nicht  vor  allem  als  Psycholog,  sondern  als  j)sychologischer 
Simplifizierer  wirkt  und  dadurch  zum  Repräsentativen,  .Typischen  geführt  wird.  So 
macht  er  es  mit  dem  „unwiderstehlichen"  Guy  de  Maupassant,  dem  „Dramatiker  als 
Erzähler",  den  er  im  heutigen  Frankreich  den  einzigen  eigentlichen  Gallier,  die 
männlichste  Erscheinung,  das  natürlichste  Talent,  eine  „W^ildgansnatur"  (nach  dem 
Gedichte  „Die  Wildgänse")  nennt,  zugleich  den  echt  klassischen  Stilisten,  den  klaren, 
sicheren  Kunstverstand;  geschickt  kontrastiert  er  ihn  gegen  Edmond  de  Goncourt, 
Zola,  Daudet,  Richepin,  Bourg-et  und  freut  sich  seiner  Liebenswürdigkeit.  Aus  dem 
Essay  über  Dostojewski  fühlt  man  die  Abneigung,  ja  das  Grauen  des  Vf.  vor  der 
„perversen  Nervosität"  heraus,  mit  der  Dostojewskis  Begabung  zusammenhing ;  ihm 
ist  dieser  Russe  „unheimlich  genial",  nachdem  er  ihm  zuerst  „unansehnlich  und 
gemein"  vorgekommen  war,  trotzdem  fühlt  er  sich  durch  die  aussergewöhnliche  Ver- 
brechernatur angezogen.  In  dem  Essay  über  diesen  „Dichter  des  Proletariats" 
fällt  die  Härte  des  Vortrags  unwillkürlich  auf,  die  zeigt,  dass  B.  diesmal  nicht  mit 
seinem  ganzen  Ich  beteiligt  ist.  Auch  Tolstoi  steht  er  nicht  mit  Sympathie  gegen- 
über, obwohl  er  seine  „historische  Phantasie",  seine  „Wirklichkeitstreue"  bewundert 
und  seine  „Entferntheit  von  aller  Ehrfurcht  vor  menschlicher  Intelligenz  und  politischer 
oder  wissenschaftlicher  Grösse"  halb  mitleidig,  halb  entsetzt  anstaunt.  Aber  sein  eigent- 
liches Urteil  über  Tolstoi  hat  B.  nicht  in  seinem,  dem  Vf.  von  „Krieg  und  Frieden"  ge- 
widmeten Essay  ausgesprochen,  sondern  in  jener  schon  genannten  Parallele  der  Schrift- 
steller, welche  „Das  Tier  im  Menschen"  darstellen;  hier  erscheint  Tolstoi  als  ein  moderner 
Johannes  der  Täufer,  aber  als  einer,  der  Pose  steht,  und  sich,  „als  er  das  härene  Hemd 
angethan,  darin  photographieren"  lässt,  man  kann  geradezu  sagen,  als  ein  moderner  Barbar, 
der  sich  in  Scene  setzt.  Das  stimmt  nun  freilich  nicht  ganz  mit  dem  Urteil  überein,  das  B. 
zuerst  ausgesprochen  hat,  aber  dergleichen  Widersprüche  sind  bei  ihm  Selbstkorrek- 
turen, die  er  nach  weiterer  Durchdringung  des  Menschenproblems  häufig  genug 
vornimmt;  die  Aufsätze  sind  eben  zu  verschiedenen  Zeiten  entstanden  und  nur  zu 
einem  Buche  zusammengelegt,  nicht  zusammengearbeitet.  Was  B.  gegen  einen 
Dostojewski,  einen  Tolstoi  einnimmt,  das  fühlt  man  am  besten,  wenn  man  das  kurze 
Gedenkblatt  für  Kristian  Elster  und  die  Studie  über  Alexander  L.  Kielland  ansieht: 


zaro:  EDM.  118,  S.  341-63.  —  315 J  X  C-  Lorabroso,  D.  litt.  Bewegung  in  Italien:  ML.  62,  S.  189-92.  —  316)  Georg 
Brandes,  Menschen  u.  Werke.  Essays.  Mit  e.  Gruppenbild  in  Lichtdr.  Frankfurt  a.  M.,  Litt.  Anst.  (Riitten&  Loening).  V,  533  S. 
M.  10,.50.  (Erwähnt  seien  daraus  noch  Ooethe  u.  D&nemarlc,  Holberg,  Öhlenschläger,  Aladdln,  endlieh  Puschkin  u.  Lermontow.)  — 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  317-323 

Den  Weltton  schätzt  B.  g-anz  besonders,  den  internationalen  Freisinn;  die  nationale 
Beschränktheit  ist  ihm  dag-egen  unsympathisch;  einen  Kielland  lässt  er  g-elten  trotz 
seiner  Volktümlichkeit  „aus  üeberzeug-ung-  und  Prinzip",  weil  Kielland  in  Haltung- 
und  Weltton  aristokratisch  ist.  Er  verhehlt  sich  nicht,  dass  Kielland  mehr  Physiog- 
nomiker  als  Psycholog,  dass  er  vor  allem  kein  Maler  ist,  aber  der  Mut  einer  kühnen 
Opposition  imponiert  ihm,  darum  möchte  er  den  Dichter  von  den  letzten  Schranken 
befreien,  die  ihn  hindern,  bedeutend  zu  werden.  Jacobsen,  den  „grössten  Koloristen",  den 
„seelenvollsten,  poetischsten  Sonderling"  dänischer  Prosa,  bezeichneter  direkt  als  einen 
Aristokraten,  er  ist  ihm  ein  Meister  der  Stimmungssprache,  ein  Meister  des  Unbe- 
wussten  und  Halbbewussten,  das  er  bei  Kielland  vermisst,  an  seinem  Genius  entdeckt 
er  Morbidezza,  d.  h.  „jene  durch  einen  leisen  Leidenszug"  doppelt  rührende  Anmut". 
An  Strindberg  fesselt  B.  dessen  „frische,  unverwüstliche  Widerspruchslust",  sein 
Kampf  geg-en  die  Entmannung  der  Männer,  seine  Wahrheitsliebe,  die  er  ihm  mit 
allen  Poradoxien  um  seiner  grossen  Fähigkeiten  willen  verzeiht;  der  „Verkünder, 
Polemiker,  Kämpfer,  Agitator"  erscheint  ihm  für  den  skandinavischen  Norden  von 
Bedeutung.  Am  kürzesten  sind  Sudermann  und  Hauptmann  behandelt,  die  B.  mehr 
lobt  als  zergliedert;  er  wagt  es  offenbar  noch  nicht,  ein  zusammenfassendes  Wort 
über  sie  auszusprechen  und  das  mit  einem  „Vielleicht"  für  Hauptmann  gebrauchte 
„eine  schöne  Seele"  trifft  entschieden  daneben.  Eine  Eigentümlichkeit  haben  die 
meisten  Essays;  wenn  sie  das  fremde  Wesen  wirklich  ergründen,  dann  zeigen  sie 
jenen  Schriftsteller  auf,  der  für  die  besprochene  Persönlichkeit  Epoche  macht  (vgl.  S.  148); 
für  Nietzsche  wird  natürlich  Schopenhauer,  für  Zola  :  Taine  und  Balzac,  für  Maupassant: 
Flaubert,  für  Dostojewski:  Bjelinski,  für  Elster:  Ibsen,  für  Kielland:  Heine  und 
Kierkegaard,  für  Jacobsen:  Bergsöe  und  Darwin  genannt;  wo  dieser  Nachweis  fohlt, 
da  hat  man  den  Eindruck,  als  habe  B.  nicht  so  tief  nach  den  Wurzeln  gegraben. 
Bei  Zola  bespricht  der  Vf.  auch  den  Naturalismus,  wie  er  mitunter  allgemeinere 
Digressionen  macht.  Dass  ein  grosser  Zug  durch  B.s  Essays  geht,  weiss  man,  kennt  auch 
seinen  unwillkürlich  vom  Geg-enstand  beeinflussten  Stil,  der  gerade  in  seiner  Mannig- 
faltigkeit trotz  kleiner  Unebenheiten  einen  so  ganz  persönlichen  Eindruck  hervorruft.  — 
Im  Mittelpunkte  der  Betrachtungen  über  Zola3'''~3isj  steht  der  Abschluss 
des  grossen  Romancyklus  Rougon-Macquart  durch  den  20.  Band  „Doktor  Pascal". 
Schon  vor  dem  Erscheinen  dieses  Werkes  konnte  van  Santen  Ko  Iff^'^j  nach  Briefen 
des  Dichters  einzelne  Mitteilungen  geben,  die  hauptsächlich  Zolas  Arbeitsweise  be- 
treffen. Zola  gesteht,  dass  ihm  Germinal,  l'Argent  und  la  Debäcle  am  meisten  Mühe 
und  Sorge  bereitet  hätten,  bei  dem  neuen  Romane  sei  ihm  nur  eines  Qual  und  Marter 
gewesen,  das  Durchlesen  des  ganzen  Cyklus,  das  sei  „eine  Tortur"  für  ihn.  Freilich 
bereitet  ihm  auch  „das  Gebären  eines  Buches  eine  abscheuliche  Marter",  und  er  ist 
nie  g-anz  befriedigt,  weil  das  beschränkte  Terrain  die  Verwirklichung  seines  Bedürf- 
nisses nach  Universalität  und  Totalität  verbietet.  Bei  der  Hauptfigur  seines  Docteur 
Pascal  habe  ihm  Claude  Bernard  vorgeschwebt.  Das  Ende  sei  nicht  idealistisch, 
sondern  realistisch.  —  Zum  Teil  wiederholt,  zum  Teil  ergänzt  werden  diese  Mitteilungen 
durch  einen  späteren  Aufsatz  van  Santen  Kolffs^-^j,  der  berichten  kann,  dass 
Zola  zur  Niederschrift  des  Werkes,  mit  dem  er  25jährige  Arbeit  beendete,  genau  fünf 
Monate  (7.  Dec.  1892  bis  7,  Mai  1893)  brauchte,  dass  die  Souleiade  nächst  Aix  that- 
sächlich  liege,  von  ihm  aber  nach  diesem  Gute  „entworfen,  im  Geiste  aufgebaut  und 
dann  später  im  Detail  ausgearbeitet  worden  sei".  In  Aix  ist  Zola  bekanntlich  auf- 
gewachsen, und  er  hat  hier  ausser  seinen  Gedichten  bereits  im  J.  1854  auf  der  Bank 
der  fünften  Klasse  nach  Michauds  Histoire  des  Croisades  seinen  ersten  Roman  „Une 
Episode  sous  les  Croisades"  geschrieben.  Zola  bezeichnet  seinen  Zustand  vom  Sommer 
1868  bis  Mai  1893  als  „la  prison  oü  j'etais  enferme,  le  cachot  oü  il  me  manquait  d'air, 
oü  j'etouffais",  seinen  Zustand  während  des  Niederschreibens  als  ein  Fieber.  Etwas 
mit  Schauder  denkt  er  an  die  Ausarbeitung  des  Stammbaums  und  die  Durcharbeitung* 
der  Litteratur  über  Vererbung  zurück.  32ij  _  Die  Aufnahme  des  Romans  war  in 
Deutschland  recht  geteilt,  selbst  Servaes322j,  der  Zolas  Kraft  bewundert,  fühlt  sich 
doch  durch  die  Schwäche  der  Anlage  und  das  Harte  der  Ausführung  etwas  abgestossen. 
Wenn  S.  die  Selbstentzündung  des  Alkoholikers  Antoine  Macquart  als  „eine  pikante 
neue  Nummer  zu  den  hundert  Roman todesarten"  ansieht  und  Zola  den  Ruhm  dieser 
Erfindung  zuerkennt,  so  vergass  er,  dass  schon  in  Franz  Hoffmanns  Jugend- 
erzählungen von  der  ganz  gleichen  Todesart  nach  englischem  Muster  Gebrauch 
gemacht  war.  —  Ledebur^^Sj  hg^^  ^ie  psychologischen  und  realistischen  Unwahr- 
scheinlichkeiten  hervor,  tadelt   den    Vergleich  Pascals    und  Clotildes   mit  David   und 


317)  X  E.  Zola,  D.  Anonymität  in  d.  Presse.  E.  Vortr.:  NFPr.  N.  10447.  (Vgl.  I  3:174.)  —  318)  X  id.,  D.  Anonymität  in 
d.  Presse:  Zukunft  4,  S.  593-601.  (Mit  einleit.  Worten  v.  M.  H[arden],  d.  diesen  Vortr.  übers.)  —  319)  J.  van  Santen- 
Kolff,  D.  Entstehen  n.  Werden  d.  Kougon-Macquart-Romans :  Didusk.  N.  70.  (Ans  d.  Berl.  Börs.-Cour.  abgedr.)  —  320) 
id.,  Zola  über  sein  Werk.  Brief  1.  u.  mündl.  Mitteilungen:  Geg.  44,  S.  199-201.  —  321)  X  W.  H.  Gleadell,  Zola  and  bis 
work:  WestmE.  140,  S.  614-26.  —  322)  F.  Servaes,  D.  Schlussband  v.  Zolas  Eougon-Macquurt:  Geg.  44,  S.  42  4.  —  323)  G. 

2ö* 


I  12  :  324-350  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Sulamith  (sie  statt  Abisag- !),  der  Servaes  interessant  und  bedeutsam,  jedem  unbefang-enen 
Leser  aber  gewiss  bei  den  ungezählten  Wiederholungen  ärgerlich  erscheint;  L.  be- 
handelt das  Motiv  von  Abälard  und  Heloise,  das  Zola  anders  gestaltet  habe,  verweist 
darauf,  dass  Pascal  1874  vieles  sage,  was  nur  Zola  selbst  1893  sagen  konnte,  verspottet 
das  viel  Poesie  und  wenig  Wissenschaft  enthaltende  Vererbungsmärchen,  dessentwegen 
auch  Trost^'-^*)  dem  Ruhme  Zolas  ein  baldiges  Ende  prophezeit,  zieht  eine  Parallele 
mit  Baumeister  Solness,  was  die  Verwertung  des  Symbolismus  und  Neomystizismus 
betrifft,  wobei  aber  die  „allegorische  Papier-mache-Attrape"  Ibsens  gegen  die  „reine 
Saftbirne"  Zolas  im  Nachteil  sei.  Zola  wird  als  manieriert,  altersschwach  bezeichnet, 
angelangt  auf  dem  „Philisterstandpunkt",  dass  „trotz  Schmutz  und  Unrecht  eigentlich 
alles  zum  Besten  bestellt  ist  in  dieser  besten  aller  Welten".  Servaes  hat  den  versöhnlichen 
Schluss  mit  vollem  Recht  gerühmt  und  Zola  selbst  als   einen  Vorzug  angesehen.^^S) 

—  Während  Erich  Schmidt326j  an  Zolas  la  Debäcle  die  objektive  Schilderung 
der  Deutschen  rühmt,  bezeichnet  ein  Ungenannter  32']  diesen  Roman  als  Rachedichtung 
und  zieht  zum  Vergleich  einige  Rachelieder  von  Bergerat,  Feydeau,  Victor  de  Laprade 
und  Victor  Hugo  heran.  ^^S]  — 

Gegen  Zolas  bekannte  Rede  an  die  Jugend  ^^sj  und  gegen  Dumas  wendet 
sich  Tolstoi,  um  den  Glauben  an  die  Wissenschaft  und  an  die  Arbeit  durch  seine 
Deklamation  über  „Nichtthun"  zu  erschüttern ^30-4 ij  jj^j^^  jgj  (jjg  Wissenschaft  ein 
Aberglaube,  und  die  Arbeit  „wenn  auch  nicht  gerade  ein  offenbares  Laster",  so  doch 
keinesfalls  eine  Tugend.  Seine  Ueberzeugung  lautet:  suchet  das  Reich  Gottes  in 
euch,  dann  wird  euch  alles  zufallen.  Und  diesem  seinem  Urchristentum  ist  die  erste 
Abhandlung,  zugleich  eine  Verteidigung  seines  früheren  Buches  (1884)  „Worin  besteht 
mein  Glaube?"  gewidmet.  Tendenziös  ist  auch  die  naturalistische  Skizze  „Rekruten- 
aushebung", die  sich  gegen  das  Kriegshandwerk  und  gegen  den  Eid  wendet.  — 

Vom  skandinavischen  Kreise  war  schon  bei  Brandes  die  Rede.  Mogk^'*^) 
weist  darauf  hin,  dass  in  Norwegen  die  besseren  Stände  zu  hart  über  Ibsens  Dichtung 
urteilten,  obwohl  „kein  Dichter  so  viel  gekauft  wird  wie  Ibsen".  Der  Vf.  sucht  nun 
die  Atmosphäre  zu  analysieren,  aus  der  Ibsen  in  Norwegen  hervorging,  -zeichnet 
aber  nur  die  Litteratur  vor  dem  Auftreten  Wergelands  und  Welhavens  etwas  ein- 
gehender und  bricht  seinen  Aufsatz  dort  ab,  wo  die  moderne  Bewegung  in  Nor- 
wegen beginnt.343-345j  —  Doumic^^ß)  sucht  mehr  plaudernd  als  untersuchend,  aber 
gut  plaudernd,  darzustellen,  wie  sich  von  Scribe  bis  Ibsen  die  „forme  vide"  allmählich 
mit  Inhalt  (substance)  gefüllt  habe.3'*^~348)  _ 

Ibsens  Einfluss  auf  England  charakterisiert  Kellner 3*9)  in  einem  Rück- 
blick auf  das  Theaterjahr;  es  zeigt  sich,  dass  auf  der  Bühne  das  Interesse  für  den 
Norweger  nachgelassen  hat  und  die  hauptsächlich  durch  William  Archer  hervor- 
gerufene Begeisterung  nicht  anhielt.  Nach  der  ersten  Aufführung  der  Nora  (Juli  1889) 
war  eine  tiefgehende  Bewegung  die  Folge,  ja  Walter  Besant  schrieb  eine  Fortsetzung 
zum  „Puppenheim".  Die  Aufführung  der  „Gespenster"  (13.  März  1891)  rief  einen 
Sturm  der  Entrüstung  hervor  und  erreichte  einen  Höhepunkt  der  Unflätigkeit  in 
der  englischen  Theaterkritik.  Dafür  bemächtigte  sich  die  socialistische  Partei  des 
Dichters  für  ihre  Zwecke,  wofür  das  Buch  von  Bernard  Shaw  (The  Quintessence  of 
Ibsenism.  London  1891)  zeugt,  und  die  Frauenemanzipation  folgerte  aus  der  Nora, 
dass  die  sich  befreiende  Frau  nicht  den  Mann,  sondern  die  Pflicht  befehden  müsse, 
die  sie  zur  Sklavin  mache.  Das  letzte  Theaterjahr  brachte  zwar  nur  den  „Volks- 
feind" auf  die  Bühne,  aber  Pinero,  der  mit  seinem  Stücke  „The  second  Mrs.  Tan- 
queray"  den  grössten  Erfolg  der  Saison  hatte,  steht  ganz  unter  dem  Einflüsse 
Ibsens.    —  Archer  ^^O)    giebt   eine   Zusammenstellung   von   abfällig*en    Urteilen    der 

Ledebnr,  Zolas  Doktor  Pascal:  FrB.  4,  S.  1057-61.  —  324)  K.  Trost,  Vererbung:  NorddAZg.  N.  322.  -  325)  X  Zola  n. 
d.  „Idealismus"  in  Frankreich:  FrB.  4,  S.  1176-80.    (Mit  Bäcksicht  auf  e.  Aufs,  im  „Mercure  de  Paris"  über  Zolas  Altwerden.) 

—  326)  Erich  Schmidt,  E.  Zola,  La  Debäcle:  DLZ.  S.  665  6.  —  327)  D.  französ.  Bachedichtung:  NorddAZg.  N.  272,  274.  — 
328)  X  ^-  Bartels,  Bücher  u.  Menschen.  8.  Zolas  ästhet.  Theorien:  Didask.  N.  89-90.  —  329)  X  E.  Bede  v.  Emile  Zola: 
ML.  62,  S.  3äl|3.  —  330)  O  G.  Glogan,  Graf  Leo'Tolstoi,  e.  russ.  Eeformator.  E.  Beitr.  z.  Beligionsphilos.  Kiel,  Lipsius 
&  Tischer.  51  S.  M.  1,00.  |[M.:  LCBl.  S.  1377.](  —  331)  O  G.  Dumas,  Tolstoi  et  la  Philosophie  de  l'Amonr.  Paris,  Hachette.  1893. 
12".  Fr.  3,00.  |[A  Lalande:  BPhilos.  36,  S.  648-52.JI  —  332)  X  W.  Nehring,  B.  Löwenfeld,  Tolstoi  (vgl.  JBL.  1892  1  11  :  251): 
DLZ.S.459-60.  —  333)XK- V-  Koeber,  Neues  v.  u.  über  Tolstoi :  Sphinx  17,  S.  49-53.  —  334)  O  Vicomte  de  Montjoyard, 
Mystique  Militante:  NGids.  82'-,  S.  300/3.  —  335)  O  Le  neo-christianisme  et  le  tolstoisme:  BÜBS.  59,  S.  614,6.  —  336)  X  A. 
de  Panthiere,  Offener  Brief  an  d.  Grafen  Tolstoi:  FrB.  4,  S.  600,1.  (Aus  d.  „Bevue  des  Eevues'',  bezieht  sich  auf  Tolstois 
relig.  u.  eth.  Ansichten.)  —  337)  O  F.  S  c  h  r  ö  d  e  r ,  Le  Tolstoisme.  Paris,  Fischbacher.  150  S.  Fr.  2,50.  |  [ H.  W. :  BUES.  60,  S.  443, 5.]  i  — 
338)  O  W.  B.,  Tolstoi  u.  Turgenjew:  TglBs'i.  N.  220.  —  339)  L.  Tolstoi,  D.  Beich  Gottes  in  uns.  I  E.  russ.  Eekruten- 
anshebung.  D.  Nichtthun.  Aus  d.  Buss.  übers,  v.  W.  Henckel.  Nebst  e.  Bede  t.  E.  Zola  u.  e.  Brief  v.  Alex.  Dumas. 
München,  Dr.  E.  Albert  &  Co.  I,  96  S.  M.  1,00.  —  340)  X  ß-  Löwenfeld,  L.  Tolstois  neuestes  Werk:  ML.  62,  S.  836,8.— 
341)  X  W.  Jerogow,  Neues  v.  u.  über  Leo  Tolstoi:  Geg.  44,  S.  325/8.  —  342)  E.  Mogk,  D.  Anfänge  der  neunorweg.  Dich- 
tung: BLU.  S.  257,9.  —  343)  O  S  Consoli,  Lett.  norvegiana.  Milano,  Hoepli.  XV,  270  S.  L.  1,50.  —  344)  O  E.  Tissot, 
Le  draroe  Norvegien  (Ibsen,  Björnson).  Paris,  Petrin  &  Cie.  16».  IV,  299  S.  liSchwBs.  2,  S.  2301;  NA.  47,  S.  546,8.J|  (Vgl. 
IV  4:124.)  —  345)  O  Ibsen  et  Björnson:  BPL.  2,  S.  254,6.  —  346)  E.  Doumic,  De  Scribe  ii  Ibsen.  Paris,  Delaplane.  12«. 
352  S.  IIF.  Hemon:  BCr.  36,  S.  341,6.J|  (Vgl.  IV  4:123.)  —  347)  O  J.  du  Tillet,  De  Scribe  ä  Ibsen:  BPL.  1,  S.  6413.  — 
348)  O  A.  Erhard,  H.  Ibsen  et  le  theätre  contemp.  Paris,  Lecene  et  Oudin.  1892.  472  S.  |[Grisberg:  Polybibli-.  67, 
S.  166/7.]|  —  349)  L.  Kellner,  Ibsen  in  London:  NFPr.  N.  10404.  (Vgl.  IV  4:138.)  -   350)  Ibsen  in  England:   Kritiken  u. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  351-353 

englischen  Presse  über  Ibsen  und  im  Geg-ensatze  dazu  eine  Liste  der  Buchhändler- 
zahlen. Der  „Ibsenismus",  die  „Ibsenität"  sei  in  Eng-land  fortwährend  tot  g-esag-t, 
mit  Schimpfwörtern  aller  Art  reichlich  bedacht  worden,  von  einem  einzig-en  Verlegner 
aber  konnten  binnen  drei  Jahren  14  367  Exemplare  eines  Bändchens  mit  den 
„Stützen",  „Gespenstern",  dem  „Volksfeind",  von  Scott  im  J.  1890-91  nicht  weniger 
als  30000  Bände  der  Ibsenschen  Werke  und  von  allen  Verlegern  zusammen  während 
der  letzten  vier  Jahre  beiläufig  100000  Stück  verkauft  werden. 351-352-)  _  Saitschik^''^) 
vergleicht  den  Determinismus  Ibsens  mit  der  Lebensanschauung  Tolstois,  hebt  die 
jeden  Quietismus  ausschliessende  Energie  Ibsens,  sein  Streben  nach  individueller 
Freiheit,  seinen  Individualismus,  seine  Verwerfung  der  Staatsidee  hervor  und  er- 
kennt ihn  als  Geistesaristokraten.  Eine  Fussnote  der  Redaktion  weist  auf  den  Zu- 
sammenhang von  Ibsens  und  Stirners  Individualismus  hin  und  will  von  einer 
Aehnlichkeit  mit  dem  Socialismus  nichts  wissen,  da  Ibsens  Individualismus  ,,in 
diametralem  Widerspruch  zu  den  Grundsätzen  der  Socialdemokratie  steht".  —  Hertz- 
jjepg.354j  behauptet,  Ibsen  habe  bei  der  Gestaltung  seiner  Gesellschaftsdramen 
Motive  wie  Personen  behandelt,  die  durchaus  nicht  norwegisch  seien,  höchstens  die 
„äussere  Gestaltung"  habe  er  seinem  Vaterlande  entnommen.  Der  Vf.  entwirft  ein 
wahrhaft  ideales  Bild  der  norwegischen  Verhältnisse,  besonders  die  Stellung  der 
Frau  sei  in  keinem  Lande  so  frei  wie  in  Norwegen.  Die  Lebensverhältnisse  seien 
geradezu  primitiv,  Norwegen  das  demokratische  Land  „par  excellence".  Cafe-  und 
Kneipenleben  gebe  es,  ausgenommen  in  der  Hauptstadt,  fast  nirgendwo,  das  nor- 
wegische Volk  sei  gegenwärtig  eines  der  nüchternsten  in  g'anz  Europa,  es  schliesse 
mehr  Ehen  als  ein  anderes  und  mache  von  der  gesetzlich  normierten  Scheidung  nur 
wenig  Gebrauch  (^3  Prozent  der  Verheirateten  beträgt  die  Zahl  der  Geschiedenen), 
auch  sei  Heuchelei  wie  geschäftlicher  Schwindel  kein  Nationalfehler.  Frauentypen 
wie  Rebekka  West,  Hedda  Gabler,  Hilde  Wangel  gebe  es  in  Norwegen  nicht. 
Ibsens  langes  freiwilliges  Exil  habe  ihm  die  richtige  Beurteilung  seiner  Heimat 
verschlossen.  Der  Vf.  protestiert  gegen  einen  Rückschluss  von  den  Verhältnissen  in 
Ibsens  Dramen  auf  die  thatsächlichen  Verhältnisse  Norwegens;  nur  im  „Bund  der 
Jugend"  züchtigte  Ibsen  in  Steensgaard,  Lundestad  und  Monsen  charakteristisch 
norwegische  Nationalfehler.  —  Die  Psychologie  einiger  Ibsenschen  Frauengestalten 
entwirft  Lou  Andre as-Salome^^-^)  mit  fein  nachfühlendem  Verständnis,  aber  mit 
etwas  zu  grosser  Breite.  Sie  zeigt  Sinn  für  das  Problem,  weniger  für  die  ästhetische 
Beurteilung  der  Stücke;  in  allen  sechs  Dramen  erkennt  sie  verschiedene  Variationen 
desselben  Grundthemas,  was  sie  in  einem  einleitenden  Märchen,  dem  kürzesten  und 
ansprechendsten  Kapitel  des  ganzen  Buches,  im  Anschluss  an  die  Bodenkammer 
der  „Wildente"  geschickt  bildlich  ausführt.  —  Schlenther^^^)  sieht  in  „Kaiser 
und  Galiläer"  das  Fundament  dessen,  was  Ibsen  nachher  geschaffen  hat  und  zeigt 
dies  im  einzelnen  auf,  um  dann  das  Stück  selbst  verständnisvoll  zu  erläutern. 
„Nicht  oft  in  der  Weltlitteratur  ist  von  einem  Dichter  ein  so  kühnes  Wagnis  unter- 
nommen worden."  —  Während  bekanntlich  Forel  in  seinem  Gutachten  aus  Anlass 
der  Franzosschen  Enquete  und  mit  ihm  übereinstimmend  Delbrück 3^'^)  in  seinem 
Nachweis,  Hamlet  sei  ein  „desequilibre",  die  Schilderung  der  Paralyse  in  den  „Ge- 
spenstern" so  falsch  genannt  hat,  ,,dass  jeder  Wärter  einer  Irrenanstalt  und  jede 
Frau  eines  Irrenhausbeamten,  von  den  Irrenärzten  selbst  nicht  zu  sprechen,  sofort 
sagt:  W^as,  das  soll  ein  Paralytiker  sein?  findet  Lombroso^^^),  dass  die  Symptome 
der  Vererbung  in  diesem  Drama  „ebenso  vollkommen  wahr  wie  erhaben  schrecklich 
in  ihrer  dramatischen  Wirkung  seien",  nur  wäre  in  wenige  Tage,  ja  in  wenige 
Minuten  zusammengedrängt,  ,,was  an  Ereignissen  und  Gefühlen  lange  Jahre  eines 
jungen  Lebens  erfüllt,  und  was  thatsächlich  selten  so  intensiv  sich  vollzieht  wie  bei 
unserem  Helden"  (Oswald).  Von  diesem  Fehler,  der  auch  bei  Zola  wiederkehre,  ab- 
gesehen, sei  die  Charakterentwicklung  vollkommen  exakt.  Dieser  Fehler  sei  über- 
dies keiner,  sondern  das  Richtige,  denn  ähnlich  gehe  unser  Sehapparat  vor,  der 
auch  nicht  die  einzelnen  Sensationen  registriert,  sondern  eine  Auswahl  trifft  und 
durch  einen  Prozess  der  Synthese  eine  Verschmelzung  der  Einzelsensationen  her- 
beiführt. „Wenn  nun  die  Kunst  sich  ein  wenig  von  der  Wahrheit  entfernt",  um 
eben  dadurch  zu  ihr  zurückzukehren,  dann  folgt  sie  den  Gesetzen  unserer  Sensationen; 
und  so  kommt  es,  dass  sie  uns  durch  ihre  synthetische  Thätigkeit  die  grossen 
Linien    der    Wirklichkeit   tiefer   einprägt,    als    die  Wirklichkeit   selbst  es   vermag." 

Bnchhändler-Ziffern :  FrB.  4,  S.  10648.  (Nach  W.  Archer  in  d.  FortnR.;  vgl.  IV  4:140.)  —  351)  O  L.  Simons,  Ibsen  as  an 
artist:  WestmR.  140,  S.  506-13.  —  352)  O  W.  Archer,  The  Mausoleum  of  Ibsen:  FortnK.  54,  S.  77-91.  (Vgl.  IV  4:139.)  — 
353)  R.  Saltschik,  D.  Weltiinschauung  H.  Ibsens:  NZSt.  n,  S.  334-40.  —  354)  N.  Hertzberg,  Sind  Ibsens  Motive  u. 
Personen  norwegisch?:  ML.  62,  S.  609-12.  (Vgl.  IV  4 :  126.)  -  355)  Lou  Andreas-Salome  (Henrik  Lou),  H.Ibsens 
Frauen-Gestalten  nach  seinen  6  Familien-Dramen:  E.  Fuppenheim  —  Gespenster  —  D.  Wildente  —  Rosmersholm  —  D.  Frau 
V.  Meere  —  Hedda  Gabler.  Volk8(Titel-)Ansg.  B.,  H.  Lazarus.  III,  238  S.  M.  1,50.  (Zuerst  B.,  H.  Bloch  1892;  vgl.  JBL. 
1392  IV  4:87.)  —  356)  P.  Schienther,  Bemerkungen  zu  Ibsens  „Kaiser  u.  Galiläer" :  FrB.  4,  S.  1096-1103.  (Vgl.  IV  4:130.) 
-  357)  A.  Delbrück,  üeber  Hamlets  Wahnsinn.  (=  SGWV.  N.  172.)     Hamburg,  Richter.     32  S     M.  0,60.  —  358)  C.  Lom- 


I  12  :  359-369  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Nach  L.  hätte  daher  Ibsen  nur  ein  eng"  zusamnieng-edräng-tes  Krankheitsbild  g-e- 
schaffen,  nach  Forel  ein  unmög-liches;  wem  sollen  wir  Laien  nun  g-lauben?  —  Das 
neuerschienene  Drama  Ibsens^^^),  der  symbolistische  „Baumeister  Solness",  wurde 
von  Kummer^^")  als  ein  „Selbstbekenntnis,  wie  es  kein  zweites  in  der  modernen 
Litteratur  g-iebt",  als  ein  „Selbstg-ericht"  bezeichnet,  durch  das  Ibsen  als  Charakter 
auch  beim  hartnäckigsten  Geg-ner  hohe  Anerkennung-  erwerben  müsse.  Dag-eg-en  hegt 
K.  schwere  Bedenken  geg-en  das  Drama  als  Kunstwerk,  vor  allem  weg-en  der  „Stil- 
losigrkeit";  Symbol  und  Realität  seien  „unerträg-lich"  g-emischt,  worin  sich  eine  Grenze 
des  Ibsenschen  Könnens  zeig-e;  es  g-elinge  ihm  nur  selten  auf  Aug-enblicke,  die  Welt 
der  Mystik,  den  Zauber  des  Romantizismus  aufzuwecken,  nicht  aber  ein  g-anzes 
Werk  in  Mystik  zu  tauchen.  K.  bedenkt  eben  nicht,  dass  Ibsen  auch  einen  „Brand", 
einen  ,,Peer  Gynt"  g-edichtet  hat,  und  dass  uns  in  den  modernen  Dramen  Ibsens 
nur  deshalb  das  Symbolische  so  fremdartig"  anmutet,  weil  es  im  Gewände  des 
Alltäglichen,  Gewöhnlichen  sich  zeig-t  und  darum  des  Grossen  zu  entbehren  scheint. 
K.  meint,  ohne  Pedanterie  werde  man  im  Baumeister  Solness  die  Grenzen  des 
Dramas  überschritten  finden.  Als  Kern  des  Stückes  bezeichnet  er:  Trag"ödie 
des  Unvermög-ens !  —  Man  wird  wohl  nicht  fehlg-ehen,  wenn  man  annimmt,  dass  Kummer 
bei  seiner  (in  der  Nr.  vom  16.  Febr.  erschienenen)  Besprechung"  unter  dem  Einflüsse 
von  Hardens^^'*''^)  g"länzendem  Aufsatz  stand,  der  am  28.  Jan.  publiziert  wurde. 
Darin  deckt  H.  mit  g"enialer  Kritik  auf,  was  in  Ibsens  Dichtung"  Erlebnis,  Parallele 
zu  seinem  eig-enen  Leben  sein  dürfte.  PI.  sag-t:  „Das  Gedicht  ist  eine  Beichte,  und 
als  eine  Beichte  ist  es  einzig"  in  der  poetischen  Welt,  einzig"  in  seiner  schlichten 
Grösse,  in  seiner  Grausamkeit  auch";  er  bezeichnet  es  aber  wohlweislich  als  eine 
„poetische  Beichte"  und  hütet  sich  darum,  Ibsen  und  Solness  zu  identifizieren,  wenn- 
g"leich  er  ihre  Aehnlichkeiten  aufweist.  Noch  schärfer  als  Kummer,  doch  auch  hier 
deutlich  sein  Vorbild,  nennt  H.  das  Drama  Ibsens  „die  Trag-ödie  des  Künstlers",  der 
nicht  halten  kann,  was  er  versprochen  hat,  „die  Trag"ödie  der  Impotenz",  die  offen 
bekennt,  sie  habe  „ein  Richtmass"  aufg"estellt,  dem  sie  selbst  nicht  g"ewachsen  war, 
habe  „Ideale  verkündigt",  zu  deren  „schwindelnder  Höhe"  sie  selbst  „kein  sicherer  Steg 
trug".  H.s  Ausführungen  verdienen  die  vollste  Beachtung.  —  Ibsen  selbst  soll  dem  ihn 
interviewenden  Mitarbeiter  des  Pariser  Figaro,  Maurice  Bigeon  3^'),  gegenüber  von  den 
Symbolen  seines  Dramas  gesagt  haben,  sie  seien  die  Anfänge,  die  Voraussetzungen,  der 
Wesensgrund  der  Dinge  selbst,  sie  seien  Realität,  während  Zolas  Symbole  erst  durch  die 
Wirklichkeit  erklärt  würden,  dann  wären  sie  eben  Allegorien.  Ibsen  bezeichnete 
sich  als  Anarchisten  und  Individualisten  zum  Unterschied  von  dem  Socialisten  und 
Kollektivisten  Zola.  —  Dagegen  sieht  Mehring^^^^  in  Ibsen  den  letzten,  grossen 
Dramatiker  der  untergehenden  bürgerlichen  Welt,  über  deren  Bannkreis  er  nicht 
hinaus  kann,  er  entwirft  aber  im  Baumeister  Solness  „das  ekle  Zerrbild  kapitalistischer 
Uebermenschheit",  er  raunt  und  stammelt  darin  „mit  dunkeln  Lauten  vom  [Jnter- 
gange  einer  Welt,  die  er  nur  noch  hassen,  aber  doch  nicht  lassen  kann".  —  Aehnlich 
fasst  Holm 363)  das  Drama  auf,  als  ein  Trauerspiel  der  Bourgeoisie,  vielleicht  eine 
an  sie  gerichtete  Warnung.  Er  erblickt  in  den  beiden  Turmbesteigungen  „einen  Hinweis 
auf  die  zwei  gewaltigen  Emanzipationsbewegungen  des  Menschengeistes,  die  unsere 
Aera  kennzeichnen:  die  Ablösung  der  christlichen  Weltanschauung  durch  die  materia- 
listische, die  andere,  heute  im  Zuge  befindliche,  von  dem  religiösen  auf  das  ethische 
Gebiet  verpflanzte;  die  Ablösung  des  sittlich  altruistischen  Prinzipes  durch  das 
anarchisch-egoistische",  „die  Umwandlung  des  Gottes-  in  einen  Menschheitskultus, 
des  letzteren  in  einen  Monotheismus  des  Ich".  Was  wohl  der  Dichter  Ibsen  zu  solchen 
Aufsätzen  sagen  mag?  —  Auch  Riess^^*)  sieht  in  der  Auflehnung  gegen  Gott  und 
der  Auflehnung  gegen  die  Moral  „den  roten  Faden"  des  Stückes.  365)  —  Die  Aus- 
deuter mehr  noch  als  den  Dichter  trifft  Stinde366)  mit  seiner  köstlichen  Ibsen- 
parodie 36'?-368)  „Das  Torfmoor".  Mit  Geschick  hat  er  einige  Typen  der  modernen 
Kritik  herausgeholt,  die  über  sein  Drama  vom  Standpunkte  des  „Nackturalismus" 
tiefe  Weisheit  zum  besten  geben.  Man  mag  die  Parodie  als  Kunstgattung  befehden; 
es  thut  doch  wohl,  einmal  durch  sie  über  den  Gegenstand  gehoben  und  zum  Lachen 
befreit  zu  werden.  —  Die  Parodie  des  Naturalismus  durch  Wagner369)  wendet  sich 

broso,  Ibsens  Gespenster  u.  d.  Psychiaiiie:  Zulcunft  4,  S.  554/6.  (Vgl.  IV  4:  131. )  —  359)  H.  Ibsen,  Baumeister  Solness. 
Schauspiel  in  3  Anfz.,  dtsch.  v.  Sigurd  Ibsen.  B.,  S.Fischer.  111,  124  S.  M.  1,50.  |[Kw.  6,  S.84  5.]l  (Vgl.  IV  4:132.)  -  360) 
F.  Kummer,  „Baumeister  Solness«  v.  Ibsen:  BLU.  S.  108-10.  (Vgl.  IV  4:133.)  —  360a)  M.  Harden,  Ibsens  Beichte:  Zu- 
kunft 2,  S.  173-82.  (Vgl.  IV  4:136.)  —  361)  E.  merkwürdige  Aeussernng  Ibsens:  ML.  62,  S.  66.  (Vgl.  IV  4:128.)  —  362)  F. 
Mehring,  Ibsens  „Baumeister  Solness":  NZ^t.  n,  s.  603/7.  —  363)  K  Holm,  Ibsens  Tranerspiel  d.  Bourgeoisie:  Geg.  44, 
S.  513.  (Vgl.  IV  4:137.)  -  364)  M.  Riess,  Ibsens  Baumeister  Solness:  ib.  43,  S.  39-42.  (Vgl.  IV  4:135.)  -  365l  X  P- 
Schlenther,  Baumeister  Solness  im  Lessing-Tl'eater:  ML.  62,  S  64  —  366)  J.  Stinde,  D.  Torfmoor.  Naturalist.  Fa- 
miliendrama in  e  Auf7.  (Aufführung  verboten'.  Mit  litt.  Beitrr.  v.  Binar  Drillquist:  Vf  Verhör,  e.  Interview.  —  01a  Bagge- 
Olsen:  D.  ethische  Bedeutung  d.  Torfmoors.  —  Rasmussine  Tosse.  stud.  rer.  nat.:  D  Franengestalten  d.  Torfmoors.  —  Mads 
Dosmer:  Fr.  Nietzsches  Philosophie  u.  d.  Torfmoor.  —  Gurame  Griis:  D.  Bühne  d.  Torfmoors  n.  a.  B.,  Freund  .6  .lectel.  58  S. 
M.  1,00,  —  367)  O  Un  drame  naturaliste  de  l'auteur  de  „La  Familie  Buchholz":  BPL.  1,  S.  21.  -  368)  F.  Mauthner,  E. 
Ibeenparodie :  NationB.  10,    S.  385.    —   369)  Ose.  Wagner,   D.  Bussel  (Nulpus).    Parodist.-naturalist.-realist.  Vorgang  in  d. 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  370-38O 

nicht  so  sehr  gegen  die  auf  dem  Titel  Genannten,  Ibsen  und  Tolstoi,  als  gegen  die 
deutschen  Naturalisten  und  wirkt  nur  durch  die  Häufung-  der  Motive  parodistisch ; 
man  ist  eben  etwas  abgestumpft.  —  Die  Wirkung-  Ibsens  in  der  norwegischen  Litteratur 
zeig-t  für  das  letzte  Jahr  Hansen^''^)  an  Hjalmar  Christensens  „Ein  Siegerherr" 
und  Wilhelm  Krags  „Geg-en  Westen  im  Blauberge"  auf,  Hanns Kinoks  Roman,, Huldren" 
verg-leicht  er  mit  Sudermanns  „Frau  Sorge"  und  entwirft  überhaupt  eine  anschauliche 
Skizze  des  augenblicklichen  Litteraturzustandes.  — 

Die  Bedeutung  Ibsens,  Björnsons  und  Lies  für  den  Umschwung  der  schwedi- 
schen Litteratur  entnehmen  wir  einem  g-eschichtlichen  Rückblick  Strindbergs^"'), 
der  erzählt,  wie  zuerst  der  „Brand",  dann  die  Vorlesung-en  und  Werke  von  Brandes, 
endlich  Björnsons  „Fallissement"  und  Ibsens„Stützen"die  jüngere  Generation  Schwedens 
zum  Realism.us  führten. «^"^-ä^sj  _  Von  Strindberg  selbst  giebt  Laura  Marholm^^^) 
in  ihrer  köstlichen,  schon  (vgl.  JBL.  1891  I  3  :  281)  charakterisierten  Art,  die  zwischen 
persönlicher  Erinnerung  und  litterarisch-ästhetischer  Analyse  liegt,  ein  Porträt.  Sie 
nennt  ihn  „einen  imponierenden  und  imponierenwollenden  Gehirnmenschen  mit  der 
Durchtriebenheit  eines  Knaben"  und  findet  als  Grundton  seines  Wesens  „ein  Miss- 
trauen ohne  Boden  und  ohne  Grenze" ;  sie  sieht  einen  „Mischtypus"  in  ihm,  was  sie 
aus  seiner  Biographie  erläutert.  Sie  erkennt  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  dem 
russischen  Wesen,  sucht  aber  vergebens  nach  der  Einheit  in  dieser  Persönlichkeit, 
so  typisch  sie  ihr  für  die  gegenwärtige  Zeit  erscheint.  Man  erhält  einige  sehr  sinnige 
Besprechungen  von  Strindbergs  Werken,  muss  aber  freilich  mancherlei  moderne 
und  modernste  Schlagwörter  mit  in  Kauf  nehmen.  Die  Arbeit  ist  interessant 
und  auch  für  die  Litteraturbehandlung  insofern  von  Wichtigkeit,  als  die  Vf.  die 
Rassenunterschiede  in  den  Litteraturunterschieden  zu  erkennen  sucht,  was  unmöglich 
schon  jetzt  gelingen  kann,  aber  eine  bedeutsame  Perspektive  eröffnet.  —  Friedrich^'^^) 
betrachtet  Strindberg  als  Philosophen  und  Forscher,  erst  in  zweiter  Linie  als  Dichter ; 
er  wirft  ihm  vor,  dass  er  unbewusst,  in  gutem  Glauben,  sein  Induktionsmaterial 
gruppiere  und  so  zu  falschen  Schlüssen  komme,  dass  er  als  Dichter  vom  Verstand, 
nicht  von  dem  Vorstellungsvermögen,  der  Anschauung  ausgehe,  dass  er  durchaus 
lehrhaft  sei  und  keinen  Ausweg,  keine  Möglichkeit  der  Befreiung  aufdecke,  sondern 
mit  der  „schlechthin  leeren  Aussichtslosigkeit"  schliesse.  Das  Weib  und  der  Mann 
seien  in  Strindbergs  Werken  einander  würdig.  —  Strindbergs  Weiberhass  erkennt 
Servaes^^^)  als  Kehrseite  seiner  Liebe  zum  Weibe,  hervorgerufen  durch  persönliche 
Erlebnisse,  dabei  bekämpft  er  aber  Strindbergs  theoretische  Folgerung-en.^'''')  — 

Unter  den  Geistern,  die  auf  den  Entwicklungsgang  der  deutschen  Welt- 
anschauungen den  entscheidensten  Einfluss  ausüben,  steht  in  erster  Reihe 
Friedrich  Nietzsche,  dessen  Ideen  Fürst  (s.  o.  N.  269)  auf  Goethe,  Brandes 
(N.  316)  auf  Renan,  E.  von  Hartmann,  E.  Dühring  zurückführt,  während  Jordan^'^^j 
behauptet,  Nietzsche  habe  alles  von  ihm ;  trotzdem  warnt  er  vor  diesem  Truggeist.  — 
Ernster  hat  Stein^-»  38o^  die  Warnung  vor  dem  „Neo-Cynismus  Nietzsches"  be- 
gründet, denn  als  Neo-Cynismus  weist  er  schlagend  diese  modernste  Philosophie 
nach.  Nietzsche  hat  durch  seine  Jugendschrift  „Beiträge  zur  Quellenkunde  und 
Kritik  des  Laertiers  Diogenes"  (Basel  1870)  selbst  zur  Erkenntnis  der  antiken  Cyniker 
beigetragen.  Aber  freilich  Nietzsche  ist  „der  radikalste  Cyniker,  den  die  Weltlitteratur 
hervorgebracht  hat".  Das  Gefährliche  seiner  Erscheinung  liegt  in  der  bestechenden 
aphoristischen  Vortragsweise,  die  keinen  Gedanken  konsequent  durchbildet,  sondern 
nur  wie  eine  Silhouette  flüchtig  hinwirft.  Den  Aphorismus  in  der  Philosophie  nennt 
St.  „eine  Ausdrucksform  philosophischer  Schwächlichkeit  und  Bequemlichkeit",  dazu 
bestimmt,  zu  überreden,  nicht  zu  überzeugen,  eine  Gefahr  deshalb,  weil  er  „zur 
Oberflächlichkeit  und  zur  Selbstüberhebung"  verleitet,  besonders  wenn  „ein  Genie 
des  Aphorismus"  wie  Nietzsche  mit  hinreissender  stilistischer  Begabung  „einen  an 
sich  ernsten,  wenn  auch  nicht  gerade  neuen  philosophischen  Text  in  einen  prickelnden 
Cynismus  hüllt,  der  den  brutalen  Instinkten"  des  veredelten  Kulturmenschen 
„schmeichelt".  Gegen  diese  Gefahr  wendet  sich  der  Vf.,  denn  Nietzsches  „Hedonismus" 
ist  ihm  als  Bundesgenosse  gegen  den  Schopenhauerschen  Pessimismus  willkommen. 
St.  entkleidet  Nietzsches  Gedanken  ihres  buntschillernden  Flitters,   rückt  sie  in  den 


Dachkammer.  Frei  nach  Ibsen  n.  Tolstoi.  (=  ÜB.  N.  3069.)  L.,  Reclara.  39  S.  M.  0,20.  —  370)  H,  Hansen,  D.  norweg. 
Litteratnrjahr :  ML.  62,  S.  7713.  —  371)  A.  Strindberg,  D.  Reaktion  in  d.  Litt.  Schwedens:  ib.  S.  6248.  —  372)  X  id., 
Ueber  mod.  Drama  u.  mod.  Theater:  ib.  S.  7-11.  (Hauptsächlich  d.  Umschwung  im  Theätre  libre  wird  dargest.;  vgl.  IV  4:319.) 
—  373,1  X  id-i  Meine  Jubelfeier:  ib.  S.  219-21.  (Erzählt  v.  d.  Studien  zn  e.  Jubiläumsstöck  über  d.  französ.  Revolution, 
d.  St.  dahin  führten,  d.  ganze  Stück  zu  unterlassen.)  -  374»  Laura  Marholm,  A.  Strindberg:  N&S.  66,  S.  23-.50.  (VgL  IV 
4:168.)  —  375)  Rieh.  Friedrich,  A.  Strindberg:  BLU.  8.  331/3.  (Berücksichtigt  Strindbergs  Dramen.  L  Gläubiger.  IL  D. 
Band.  Herbstzeichen."  III.  D.  Spiel  mit  d.  Feuer.  Vor  d.  Tode.  B.,  Bibl.  Bureau  1893.  —  An  offener  See.  Roman.  Autoris. 
Uebers.  v.  M.  v.  Borch.  Dresden,  Pierson  1893.  —  Vgl.  IV  4:  166.)  —  376)  F.  Servaes,  Strindberg  u.  d.  Weib:  Geg.  43, 
S.  1669.  (Vgl.  IV  4:167.)  -  377)  X  A.  Kerr,  „D.  Spiel  mit  d.  Feuer«  v.  A.  Strindberg:  ML.  62,  S.  787,8.  -  378)  W. 
Jordan,  E.  Truggeist.  Tenzone:  AZgB.  N.  248.  —  379)  Lndw.  Stein,  F.  Nietzsches  Weltanschauung  u.  ihre  Gefahren: 
DRs.  74,    S.  392-419;    75,    S.  230-54.    —   380)  id.,    F.  Nietzsches  Weltanschauung   u.   ihre   Gefahren.     B.   krit.   Essay.     B.,    G. 


I  12  :  381-388  U.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

entsprechenden  geschichtlichen  Zusammenhang"  und  hofft  sie  so  um  ihre  Ueberzeug-ung-s- 
kraft  zu  bringen  und  als  durchaus  nicht  neu  nachzuweisen.  Er  zeigt,  wie  unsicher 
und  dilettantisch  Nietzsche  zwischen  den  philosophischen  Ansichten  überall  dort  hin- 
und  herschwankt,  wo  er  die  einzigen  ihm  wirklich  vertrauten  Gebiete,  jenes  der 
Geschichtsphilosophie  und  jenes  der  Sociologie  verlässt,  wie  er  oft  dicht  neben  ein- 
ander die  widersprechendsten  Meinungen  behauptet,  wie  er  zwar  die  Systembildung 
als  einen  Mangel  an  Rechtschaffenheit  verwirft,  dann  aber  durch  seinen  ,, Willen  zur 
Macht"  nur  einen  anderen  Namen  für  jenes  treibende  Agens  in  der  Natur  wählt,  das 
andere  Philosophen  Substanz,  Idee,  Gott,  Kraft,  Monade,  Ich,  Weltseele,  Selbst- 
entwicklung des  absoluten  Geistes,  E]volution  schlechthin,  Willen  zum  Leben,  Unbe- 
wusstes  genannt  haben.  Wohin  man  bei  Nietzsche  greife,  „überall  Widerspruch, 
Unsicherheit,  ruheloses  Umhertasten".  In  der  Geschichte  der  ,, Philosophie"  verdiene 
er  auch  nicht  das  bescheidenste  Plätzchen,  dagegen  werde  seine  Bedeutung  als 
Geschichtsphilosoph  und  Sociologe  nie  wieder  ignoriert  werden,  trotzdem  er  wegen 
seiner  Kulturfeindlichkeit  als  unheilvolle  Macht  zu  bekämpfen  sei.  St.  weist  nach, 
dass  Nietzsche  in  seinem  negativ-kritischen  Teil  von  unbewiesenen  und  unbeweis- 
baren Behauptungen  ausgehe,  ja  direkt  mit  den  Thatsachen  in  Widerspruch  stehe, 
wenn  er  als  Folge  der  Kultur  die  physiologische  Degeneration  der  jetzigen  Mensch- 
heit annehme,  während  alle  Beobachtungen  das  Gegenteil  zu  erhärten  scheinen. 
Seine  etymologischen  Einfälle  sind  unhaltbar  und  ebensowenig  ausschlaggebend,  wie 
seine  Ansicht  überzeugend,  dass  durch  das  Priestervolk  der  Juden  die  Sklavenmoral 
zum  Siege  gebracht  worden  sei.  Die  ganze  Darstellung  Nietzsches  sei  ein  socio- 
logischer  Roman,  die  Entstehung  des  Christentums  „eine  pikant  zurechtgestutzte 
Episode"  darin.  Aber  auch  die  positiven  Lehren  Nietzsches  sind  nur  Utopien  und 
von  Nietzsche  selbst  widerlegt,  wenn  er  einerseits  den  Uebermenschen,  den  „Europäer 
von  Uebermorgen"  konstruiert,  ihn  „züchten"  will,  andererseits  aber  zugesteht,  dass 
die  Kultur  „Schritt  für  Schritt  weiter  in  der  Decadence  vorwärts  muss,  dass  man 
diese  Entwicklung  hemmen  und  durch  Hemmung  die  Entartung  selber  stauen,  auf- 
sammeln, vehementer  und  plötzlicher  machen  kann",  mehr  nicht.  Nietzsches  Aus- 
führungen sind  unhaltbar,  seine  Visionen,  wie  er  selbst  erkannte,  undurchführbar, 
alles  also  nur  erhabene,  entzückende  Dichtung,  nicht  Philosophie.  Die  Gefahr  dieser 
Ansichten  kann  nur  durch  die  mangelnde  philosophische  Bildung  unserer  Zeit  herauf- 
beschworen werden,  St.  bespricht  die  unbegreifliche  Thatsache,  dass  die  von  Nietzsche 
so  scharf  verspotteten  Socialisten  trotz  ihrem  demokratischen,  selbst  kommunistischen 
Stich  diesen  aristokratisch-anarchischen  Individualismus  Nietzsches  als  Ideal  ver- 
künden. St.  verweist  weiter  auf  die  naturalistische  Schule  der  schöngeistigen 
Litteratur,  die  Nietzsche  zwar  nicht  verstehe,  aber  —  vergöttere.  Darum  gilt  es,  vor 
dieser  „Modephilosophie"  auf  der  Hut  zu  sein,  die  in  Tolstoi  einen  Bundesgenossen 
des  Hasses  gegen  die  Kultur  fand.  St.  warnt,  aber  er  selbst  hat  glänzend  dargelegt, 
dass  ein  gewisser  Kulturüberdruss  die  ständig  auftretende  Begleiterscheinung  blühender 
Hochkulturen  sei,  dass  auf  das  Zeitalter  des  Perikles  der  erste  Cyniker  Antisthenes 
folgte,  auf  Julius  Caesar  und  das  Caesarentum  Epiktet,  auf  Renaissance  und  Huma- 
nismus Agrippa  von  Nettesheim,  auf  Voltaires  Zeitalter  Rousseau,  ebenso  auf  die 
Epoche  Darwins:  Nietzsche  und  Tolstoi;  die  historischen  Parallelen  scheinen  also  zu 
sagen,  dass  alle  Warnung. vor  Nietzsche  nichts  nützen  könne,  der  Einfluss  kommen 
und  verarbeitet  werden  müsse.  Ein  ,, Truggeist"  ist  Nietzsche,  er  blendet  und  wird 
wohl  noch  blenden,  bis  auch  er  verschwindet,  um  einem  anderen  Platz  zu  machen. 
St.  steht  dem  unglücklichen  Nietzsche  mit  vollster  menschlicher  Sympathie  gegenüber, 
vermag  manche  interessante  Mitteilungen  über  dessen  Leben  und  Persönlichkeit 
beizubringen,  sucht  nach  dem  Verständnisse  des  Menschen  Nietzsche,  in  dessen 
Schriften  er  keine  Spur  der  geistigen  Erkrankung  findet,  wohl  aber  starke  Zeichen 
seiner  slavischen  Abstammung,  was  spannend  dargelegt  wird,  ^si-sss)  —  Nietzsches 
bekannte  Freundin  Malwida  von  Mey  senburg^sß)  lässt  einige  herzlich  unbedeutende 
Notizen  aus  Gesprächen  mit  Nietzsche  drucken.  —  KoegeP^')  kann  den  Entwurf 
einer  Vorrede  zur  „Götzendämmerung"  (die  Schrift  sollte  zuerst  „Müssiggang  eines 
Psychologen"  genannt  werden)  nach  Blättern  mitteilen,  die  sich  in  Sils-Maria  fanden ; 
Nietzsche  spottet  über  die  Aufnahme,  die  sein  Büchlein,  ,, Jenseits  von  Gut  und 
Böse"  bei  der  Kritik  fand.  —  Köstlich,  oft  packend,  oft  freilich  in  bösen  Kalauern 
parodierte  ein  Ungenannteres«)  den  Stil,  die  Darstellungsform  und  die  Philosophie 

Reimer.  VUI,  103  S.  M.  1,80.  -  381)  O  W.  Weigand,  F.  Nietzsche.  E.  psycholog.  Versuch.  München,  Franz.  116  S. 
M.  2,00.  irLCBl.  S.  1.531.JI  —  382)  X  ^-  Preobrajensky ,  F.  Nietzsche.  Une  oritiqne  de  la  morale  de  raltruisme :  Probteraes 
de  Philosophie  et  de  Psychologie  (Moscau)  3,  S.  115-60.  (Vgl.  RPhilos.  35,  S.  659-60.)  -  383)  X  K.  Eisner,  Ueber  u.  unter 
Nietzsche:  ML.  62,  S.  555-60.  (Besprech.  verschied.  Scliriften  d.  Nietzschelitt.)  —  384)  X  H.  Kaatz,  D.  Weltanschauung  F. 
Nietzsches.  I.  Kultur  n.  Moral.  IL  Kunst  u.  Leben.  Dresden  u.  L.,  Pierson.  XI,  127  S.;  lU,  105  S.  ii  M.  2,00.  (Vgl.  JBL. 
1892  IV  5:91.)  —  385)  O  R-  Hodermann,  Christentum  im  Streit  mit  d.  Nietzscheanismus  auf  d.  Bahne:  DPBL  26,  S.  117/8. 
—  386)  Malwida  v.  Meysenburg,  Aus  meinem  Tagebuche  über  Nietzsche:  NFPr.  N.  10469.  —  387)  F.  Koegel,  F. 
Nietzsche.    E.   ungedr.    Vorw.   z.  Götzendämmerung.    Erläut. :    ML.  62,    S.  702/4.    —   388)  Also  sprach  Confnsias.    V.  e.  ün- 


II 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  :  339-399 

Nietzsches,  übertrieb  das  Uebertriebene,  steigerte  das  Paradoxe,  stellte  das  Verkehrte 
auf  den  Kopf  und  führte  so  alles  ad  absurdum.  Die  Parodie  beweist  eine  über- 
raschende Beg-abung-.  Unter  den  Aphorismen  steht:  „Die  Entwicklung*  ist  lediglich 
Entartung"".  Damit  scheint  der  Vf.  über  Nietzsche  hinweg  einen  anderen  Mode- 
schriftsteller zu  treffen,  der  freilich  nur  in  weitem  Abstand  nach  Nietzsche  genannt 
werden  darf:  Nordau**^^"^^').  Dieser  glaubt  mit  dem  Schlagwort  Entartung  die 
moderne  Richtung  zu  bannen,  wird  darum  von  den  einen,  z.  B.  Rüttenauer^'*^), 
scharf  abgelehnt  und  bitter  ironisiert,  von  den  anderen,  z.B.  ZabeP^^)^  freudig  will- 
kommen geheissen.'^^* '^^^j     Dabei  kommt  aber  wenig  heraus.     (Vgl.  IV  5.)  — 

Die  einzelnen  deutschen  Naturalisten  werden  natürlich  noch  in  den 
verschiedenen  Abteilungen  zu  würdigen  sein ;  zunächst  kommt  es  mehr  auf  das  Prin- 
zipielle an.  Hauptsächlich  das  Drama  steht  im  Centrum  des  Streites.  Wenn  Bourget^^^) 
den  Vers  und  die  Beschränkung  auf  eine  bestimmte  Spielzeit  als  Momente  gegen  den 
Realismus  anführt,  so  wird  ihm  mit  Recht  entgegengehalten,  dass  dies  abgebrauchte 
Schlagwörter  seien,  während  g'erade  der  Kern  der  Sache,  dass  der  Ehrgeizige  nicht 
in  jedem  Moment  ehrgeizig  sei  und  nicht  alle  die  verschiedenen  Formen  des  Ehr- 
geizes gleichzeitig  vertrete,  auf  den  Realismus  nicht  zutreffe,  weil  sich  dieser  anderer 
Mittel  bediene  und  angeblich  gerade  das  Typisieren  der  älteren  Kunst  vermeide.  — 
Interessant  ist  in  dieser  Hinsicht  eine  Vergleichung,  die  Lou  Andreas-Salom  e^^^) 
zwischen  Ibsen,  Strindberg  und  Sudermanns  neuesten  Werken  anstellt.  Sie  bewundert 
an  der  „Heimat"  eine  Neuheit  und  Eigenart,  die  Sudermanns  bisheriger  Ibsenscher 
Problemdichtung  fehlte:  die  lebensvolle  und  überzeugende  Wirklichkeit.  Bisher  habe 
sich  Sudermann  begnügt,  „seine  Menschen  lediglich  als  Produkte  ihrer  jeweiligen 
socialen  Lage,  Umgebung  und  Erziehung  aufzufassen"  und  in  ihnen  Anschauungs- 
weisen entgegenzustellen,  die  sich  aus  verschiedenen  socialen  Verhältnissen  ergeben ; 
jetzt  seien  seine  Gestalten  vielseitiger  bewegt.  Das  wird  an  den  Charakteren  des 
Vaters  und  Magdas  aufgezeigt  und  dargethan,  dass  sich  Sudermann  darin  von  Ibsen 
unterscheide.  Ibsen  würde  Zwiespalt  und  Krankheit  im  Seelenleben  des  Einzelnen, 
die  sich  aus  dem  Beieinander  von  individuellen  Wünschen  und  moralischen  Bedenken, 
von  egoistischer  Kraft  und  unegoistischer  Liebe  ergeben,  zum  Gegenstande  genommen 
haben.  Sudermann  dagegen  zeige,  wie  natürlich  und  g'esund  in  all  seinen  Kämpfen 
und  Widersprüchen  das  Beieinander  mit  der  Gesamtentwicklung  der  Einzelnen 
zusammenhängt;  er  lasse  sowohl  durch  die  Kruste  abgelebter,  anerzogener  Begriffe 
als  durch  die  Verirrungen  noch  ungezügelter  Triebe  hindurch  das  volle  Menschentum 
brechen;  er  gebe  also  das  einfach  Natürliche,  Ursprüngliche  des  Rein-Menschlichen 
in  seinem  Sieg  über  alles,  was  Stand,  Erziehung  und  Verhältnisse  ihm  einverleiben. 
Freilich  findet  die  Vf.,  dass  Sudermann  manches  zu  grob  und  besonders  die  Neben- 
personen zu  typisch,  zu  wenig  individuell  gehalten  habe.  Darin  erblickt  sie  den 
Gegensatz  zu  Ibsens  „Baumeister  Soluess",  der  ein  ähnliches  Problem  behandle. 
Sudermann  markiert,  wo  Ibsen  zerfasert,  wo  jener  zu  grob  bildet,  zerreibt  dieser  seinen 
Stoff;  bei  jenem  rotbäckige,  aber  zu  wenig  durchgeistigte  Seelengesundheit,  bei  diesem 
blass  und  blutleer  gewordene  Seelenzersetzung.  Die  Vf.  tadelt  am  „Baumeister  Solness" 
das  allzu  starke  Hervortreten  des  Symbolischen  (besser:  Allegorischen),  das,  zumal 
bei  Ibsens  rückläufiger  Technik,  in  diesem  Drama  das  Verständnis  erschwert,  weil 
die  Identifizierung  der  Allegorie  und  der  Idee  nur  sehr  schwer  gelingt,  ja  bis  zum 
Schlüsse  zweifelhaft  bleibt.  Dafür  sieht  die  Vf.  dieses  Werk  für  Ibsens  positivstes, 
für  ein  Glaubenswerk  und  positives  Glaubensbekenntnis  an,  durch  das  Ibsen  seine 
bisherigen  Dramen  desavouiert.  Früher  habe  er  gesagt:  „Von  der  Macht  der  Tra- 
dition, vom  bloss  Ererbten,  Anerzogenen  vermag  nur  der  Mensch  sich  wahrhaft  zu 
befreien,  der  sich  freiwillig  aufs  neue  verantwortlich  zu  machen  weiss",  jetzt  dagegen 
sage  er :  „Der  Mensch  kann  und  soll  sich  überhaupt  nicht  befreien,  sondern  beugen, 
denn  die  Ordnung  der  Dinge,  in  der  er  aufwächst,  ist  eine  gottgewollte,  und  daher 
vermag  er  sich  ihr  nicht  zu  entziehen."  Indem  Solness  Gott  trotzt,  erkennt  er  Gott 
an;  nicht  mit  den  Gedanken,  nur  mit  der  That  befreit  er  sich  von  Gott,  darum  muss 
in  seinen  Gedanken  seine  That  als  eine  Unthat,  ja  als  etwas  geradezu  Widersinniges 
und  Naturwidriges  erscheinen,  darum  muss  ihm  vor  der  Wieder  Vergeltung  bangen,  die  er 
aber  nicht  in  etwas  spukartig  Abergläubischem,  sondern  in  einem  Natürlichen,  Gesetz- 


menschen. Ohne  Bildnis  n.  Autogramm  d.  Vf.  Wien,  M.  Merlin.  V,  66  S.  M.  1,00.  —  389)  XM.  Nordau,  Entartung. 
2  Bde.  2.  Aufl.  B,  C.  Duncker.  Vni,  427  S.;  563  S.  M.  13,50.  |[N&S.  67,  S.  4134;  Presse  N.  189;  A.  Eulenburg:  Zu- 
kunft 4,  S.  602-12;  L.  Ar  reat,  RPhilos.35,  S.  434,9;  36,  S.  660/5;  G.  Schoenaich:  WienTBl.  N.  151;  H.  Pfungst:  FZg.  N.  3.]| 

—  390)  X  i^-1  Degenerazione.  Versione  autorizzata  suUa  1.  ediz.  tedesca  per  Gr.  Oheroslor.  Vol.  I.  Fin  de  siecle.  Mistioismo. 
Milano,  Fratelli  Dumolard.     16»     XV,  4-54  S.     L.  4,00.     -    391)  O   F.  M.  Jaeger,    M.  Nordau,  Outaarding:  Gids  2,  S.  366-78. 

—  392)  B.  Eüttenauer,  V.  d.  Entartung  d.  Kunst:  BLU.  S.  577-Sl.  —  393)  E.  Zahel,  Im  Zeitalter  d.  Entartung:  NatZg. 
N.  369,  377,  379  —  394)  O  Une  forme  nonv.  de  la  critiqae  litt  :  RPL.  1,  S.  28S.  (Ueber  Nordaus  „Entartung")  —  395)  O 
J.  Thorel,  Une  nouv.  inethode  de  critique  (M.  Nordau):  ib.  2,  S.  208-14.  —  396)  X  H.  H[art],  Nordau  als  Dramatiker.';;: 
FrB.  4,  S.  1072.  (Ironisier jnj  d.  Stückes  „D.  Recht  zu  lieben^  —  397 1  P.  Bourget,  Ueber  d.  Realismus:  ib.  S.  735/6.  — 
398)  Lou  Andreas-Sa lome,  Ibsen,  Strindberg,  Sudermann:   ib.  S.  149-72.  (Vgl.  IV  4:147.)    -    399)  F.  Spielhagen,  H. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsclie  Litteraturgeschichte.    IV.  29 


I  12  :  400-4P6  R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte. 

mässig-en,  der  Natur  der  Dinge  Entsprechenden  erwarten  kann :  in  der  Jugend.  Lou 
A.-S.  sucht  die  Charaktere  zu  erfassen,  erblickt  in  Aline  einen  im  Innersten  zer- 
brochenen Menschen  und  nennt  die  bekannte  Stelle  über  die  verbrannten  Puppen 
einen  so  genialen  Zug",  wie  kein  zweiter  im  Drama  vorkommt;  Litzmann  nennt  gerade 
diese  Stelle  den  Gipfel  des  Unsinns.  Die  Vf.  fasst  ihr  Urteil  in  die  Worte  zusammen: 
„dass  auch  die  Menschen  untereinander  nicht  frei,  sondern  voneinander  abhängig", 
und  zwar  wechselseitig*  abhängig,  handeln  und  träumen,  und  dass  gerade  die  Augen- 
blicke ihrer  höchsten  Kraft-  und  Willenssteigerung"  diejenigen  sind,  in  denen  einer 
zum  anderen  als  zu  dem  Höheren,  als  zu  seinem  Gott  emporblickt,  sich  beugt,  und 
sich  Gehorsam  befehlen  lässt".  Bei  Ibsen  existiert  Gott;  nur  an  einem  Gott  gemessen, 
zeigt  sich  der  Mensch  in  seiner  Schwäche  und  Zerrissenheit,  während  bei  Strindberg- 
in  seinen  neuen  Dramen  schon  das  g-emeine  Weib  genügt,  um  den  Mann  all  seiner 
Gottähnlichkeit  zu  entkleiden.  Bei  Strindberg  werde  „das  Typische,  Allgemeine" 
beabsichtigt,  aber  das  „Pathologische,  Allerbesonderste"  gegeben.  Die  Kritik  setzt 
gut  ein,  sinkt  aber  im  Verlaufe  mehr  und  mehr;  nur  ist  das  Bestreben  zu  bemerken, 
nach  den  grossen  Momenten  zu  spüren  und  die  Werke  g-enau  zu  verstehen.  —  Spiel- 
hagen399),  der  in  Sudermanns  „Heimat"  einen  bedeutenden  Fortschritt  des  Dichters 
sieht,  trotzdem  er  auf  einige  Mängel  hinweist,  behandelt  das  Stück  als  „regelrechte 
Tragödie",  weil  ,,zwei  Weltanschauungen,  deren  jeder  ein  gewisses  Recht  innewohnt, 
auf  einander  stossen  und  sich  in  diesem  Zusammenstoss  in  ihrer  einseitigen  Ueber- 
spannung  offenbaren,  in  g-loriam  der  gesunden  Sittlichkeit,  der  über  den  Parteien 
schwebenden  Gerechtigkeit,  des  unumstösslichen  Lebensprinzips,  oder  wie  man  das, 
was  sich  die  Hellenen  als  Ate  über  Götter  und  Menschen  herrschend  dachten,  sonst 
bezeichnen  mag".  Würde  der  überspannte  Ehrbegriff  Schwartzes  in  der  Welt  herrschen, 
so  meint  Sp.,  dann  „müssten  wenigstens  alle  Blütenträume  zu  Grunde  gehen,  ohne 
deren  Reifen  uns  Kulturmenschen  das  Leben  nicht  mehr  lebenswert  erscheint"; 
wollten  alle  Menschen  wie  Magda  nur  um  ihrer  selbst  willen  alles  in'  die  Schanze 
schlag"en,  um  sich  auszuleben,  so  müsste  jede  Spur  eines  Gemeinwesens  verschwinden. 
Beide  Standpunkte  zeig-en  sich  in  der  Tragödie  als  unrichtig",  darum  liegt  die 
„Heimat"  auf  dem  Wege  zur  echten  nationalen  Bühne.  —  An  Ernst  Rosmers 
(Frau  Elsa  Bernstein)  „Dämmerung"  wird  von  Schlenther^oo)  (jer  helle  Kunstverstand 
bewundert,  der  ,,die  Leute  das  rechte  Wort  am  rechten  Ort  und  in  der  rechten 
Art  sprechen"  lässt.  —  Ebenso  hebt  Bölsche^'^^)  die  Schwierigkeiten  des  Dialoges 
hervor  und  spricht  die  Ansicht  aus,  dass  mit  einem  so  trefflichen,  natürlichen  Dialog 
schon  sehr  viel  geleistet,  ja  der  Beweis  echter  Begabung  erbracht  sei.  Freilich 
könne  dann  ein  Poet  immer  noch  im  Anfang*  stecken  bleiben,  weil  ihm  nur  der  Zu- 
fall die  Weltanschauung-  zu  verleihen  vermöge,  doch  lasse  sich  ein  solcher  Dialog 
nicht  anlernen.  „Wer  beobachten  kann  Cim  dichterischen  Sinn),  kann  auch  gestalten; 
wer  aber  beobachtet,  wird  im  modernen  Leben  geradezu  selbstverständlich  auf  eine 
gewisse  freie,  hochstehende  Weltanschauung-  getrieben".  Den  Gegensatz  zu  Rosmer 
bilde  etwa  Wildenbruch,  der  trotz  lauterem  Streben  eine  jämmerlich  beschränkte 
Weltanschauung-  habe,  trotz  ehrlicher  und  intensiver  Arbeit  zu  einem  wirklich  guten, 
natürlichen  Dialog  unfähig  sei.  Habe  jedoch  einmal  die  Weltanschauung  eine  ge- 
wisse PTöhe  erreicht,  dann  beginne  im  Bunde  mit  der  feinen  realistischen  Technik 
die  Wahrscheinlichkeit  für  ein  ganz  grosses  Kunstwerk.  Darin  sieht  B.  den  Vorzug 
der  „Dämmerung".  —  Auch  an  Hartlebens  „Hanna  Jagert"  wird  von  Lou  Andreas- 
Salome^^2)  (jer  natürliche  Dialog,  dann  aber  das  Problem  gerühmt.  —  Tiefer  geht 
Spielhagen^"^)  in  seiner  Besprechung,  indem  er  das  Werk  als  Drama  verwirft, 
weil  die  „einheitliche"  Handlung  fehlt;  Hartleben  habe  sich  in  der  Form  vergriffen 
und  einen  ausgezeichneten  Romanstoff  im  Drama  nicht  voll  zur  Geltung  gebracht. 
Er  dringt  auf  eine  reinliche  Sonderung  der  Gattungen,  wie  sie  Lessing  verlangt 
hatte,  sonst  entstehen  zwitterhafte  Werke.'*''*)  —  Bei  der  Lektüre  vermisste  Spiel- 
hagen^oöj  jn  Hauptmanns  „Webern"  den  Helden  und  verwarf  das  Stück  als 
Tragödie,  bei  der  Aufführung  leuchtete  es  ihm  ein,  dass  „die  Not,  genauer  ge- 
sprochen :  die  Not  der  schlesischen  Weber",  noch  genauer :  „die  Not  der  schlesischen 
Weber  in  den  vierziger  Jahren"  die  Heldin  sei,  und  nun  ist  das  Stück  für  ihn  ge- 
rettet; er  denkt  an  die  „Geschichte  Gottfriedens  von  Berlichingen"  und  beruhigt 
sein  ästhetisches  Gewissen,  fürchtet  nur  die  Nachahmer.  —  Treffend  erwidert 
Schlenther^oß),  die  Webernot  sei  nicht  die  Heldin,  sondern  der  einheitliche  Kom- 
positionsgedanke; nie  sei  ein  Drama  logischer  komponiert  worden,  als  die  „Weber". 


Sudermanns  „Heimat":  ML.  62,  S.  21/6.  (Vgl.  IV  4:150.)  —  4001  P.  Schienther,  Was  kann  dich  in  d.  „Däramernng"  so 
ergreifen?:  ib.  S.  222/3.  —  401)  W.  Bö  Ische,  „Dämmening«:  FrB.  4,  S.  462/6.  —  402)  Lon  Andre  as-Salom6,  Hanna 
Jagert:  ib.  S.  467-71.  (Vgl.  E.Nachwort  zu  „Hanna  Jagert":  ib.  S.  607  8.)  —  403)  F.  Spielhagen,  0.  E.  Hartlebens  .Hanna 
Jagert":  ML.  62,  S.  226-30.  (Vgl.  IV  4:165.)  —  404)  X  Krit-  Kundschau  über  Leben  u.  Kampf  d.  Zeit:  FrB.  4,  S.  107,9. 
(Abdr.  d.  Urteils,  durch  d.  „Hanna  Jagert"  für  d.  Aufführung  freigegeben  wurde,  mit  ästhet.,  durchaus  objekt  BemerVnngen.)  —  405) 
P..Spielhagen,  Gerhart  Hauptmanns  „Weber"  :  ML.  62,  S.  144/6.  (Vgl.  IV  4  :  157.)  —  406)  P.  Schient  her,  D.Weber:  FrB.  4, 


R.  M.  Werner,  Poetik  und  ihre  Geschichte.  I  12  -.  407  418 

Ein  Ameisenhaufen    als  Ganzes    dargestellt,    das   seien  die  „Weber";    der  Charakter, 
der  um  sein  Leben  ringt,    liegt   in  der  Seele   vieler,    die    alle    das  gleiche  Los,    das 
gleiche  Geschäft,  das  gleiche  Sehnen  haben.     Seh.  kommt  nun  zu  dem  bedenklichen 
Schluss:  eine    Fülle    kleiner   Menschen    seien   dasselbe    Naturobjekt   für    die    Kunst 
wie    ein    einzelner    grosser    Mensch;    unter    Kunst    versteht    er    aber    das    Drama. 
Auf    die   Wirkung"   komme    es    an,    und    sie    habe   bei    der    Aufführung   nicht   ge- 
fehlt,  ja    die  Schauspieler    hätten    neue  Aufgaben    erhalten,    an    denen  sie  wuchsen. 
Diesem  Leben,  dieser  Welt  auf  der  Bühne  gegenüber  müssten  für  jedes  naive  Empfinden 
zwei  Dinge  vergessen  werden:    die  sociale  Tendenz  und  die  ästhetische  Regel;    das 
sei  aber  nicht  geschehen.  —  Als  ein  Muster,  wie  im  Drama  das  Milieu  zu  behandeln 
sei,  betrachtet  Spielhagen**^')    Max  Halbes  „Jugend";    hier  findet  er  alles,    was  er 
im  „Eisgang"  vermisste,    die  geschlossene  Handlung,    den  zutreffenden  Titel,    wahr- 
haftiges dramatisches  Blut.     An  die  ,, Menschen"  dieses  Stücks  glaubt  Sp.   und  sieht 
die  Idee  in  der  Jugend  der  beiden  Hauptpersonen.  —  Lou   Andreas-Salome"*"^) 
preist  das  durchaus  Natürliche    des  Stückes    und   findet   besonders    bemerkenswert, 
dass    es    von  jeder   Tendenz   frei    sei.  —  In   seiner   Besprechung    von  Hauptmanns 
Diebskomödie  streift    Wille**'^)    die  Frage    nach  Form    und  Stoff  in  der  Poesie,  be- 
handelt   aber    hauptsächlich    das   Verhältnis    von   Lektüre    und   Aufführung,    d.  h. 
zwischen  dem  künstlerischen  Vorgang   in  der  Phantasie   des  Lesers    oder  Zuhörers 
und  dem  sinnfälligen  Vorgang  auf  der  Bühne.     Wenn  das  Stück  nicht  ganz  wirkte, 
so  scheint  dies  W.,  so  sehr  er  die  Charakteristik  bewundert,  daraufzuschieben,  dass 
Hauptmann  die  Einzelheiten  der  Charakteristik  nicht  ganz  richtig  auf  die  Akte  ver- 
teilte, was  gegen  den  Schluss  ein  gewisses  Nachlassen  der  Wirkung  zur  Folge  hatte. 
—  Spielhagen^'Oj^  gleichfalls  ein  Bewunderer  des  Stückes,   erkennt  einen  tieferen 
Grund,  der  sich  ganz  genau  mit  der  naturalistischen  Theorie  deckt.     Das  Werk  ist 
kein    Kunstwerk,    sondern    eine   Studie;    die   moderne  Ansicht  hält  aber  gerade  die 
Studie  für  das  Kunstwerk,  das  Kunstwerk  im  Sinne  der  Früheren  für  Künstelei.    So 
glänzend  die  Charakteristik  in  dem  Stücke,    so    echt    das  Komödienhafte,    es  ist  nur 
ein  Stück  herausgeschnitten,    sein  Zusammenhang   mit  dem  Ganzen   des  Menschen- 
getriebes aber  nicht   angedeutet.     Darin   sieht  Sp.   den  „tieferen  Grund"   des  Miss- 
fallens  und  Unbefriedigtseins  beim  Publikum  trotz  einer  vollendeten  Aufführung.  — 
Elias*'**»)  erkennt  in  dem  Stücke   „eine  echte  und  rechte  Posse",    eine  Posse,    „die 
von  der  Wirklichkeit  gespielt  wird";  während  der  „Kollege  Crampton"  eine  „Charakter- 
komödie" war,    erhalten    wir    hier   ein   Bild   des  Lebens,    der  „Wirrungen"  von  Gut 
und   Böse,    deren   Notwendigkeit    von    einer   „Fackel    der    Laune    und    der    Satire" 
blitzend    erleuchtet,    von    , .hellem"    Lachen    begleitet    wird.      Darum    nimmt    E.    an 
dem    Schluss    ohne   Abschluss   keinen   Anstoss,    sondern    rechtfertigt   ihn,    weil    für 
Hauptmann   die    „juristische"    wie  die    „künstlerische  Erfahrung"  sprächen.    —    An 
Hartlebens     „Erziehung    zur    Ehe"    wird    von    Lou    And  reas-Salome^^')     wie 
von   Schlenther**^-)   (j^r  mittlere  Akt  getadelt,   von  jener,  weil  die  Figur  der  Meta 
tragisch  angelegt  sei  und  deshalb  aus  der  Satire  falle,  von  diesem,  weil  die  Thesen- 
deklamationen  nicht   künstlerisch,    sondern   moralisch  wirken    und  ein  künstlerisch 
nicht  verarbeitetes  Element  darstellen,  —  Spielhagen*'^)    deutet  die  Wendung  an, 
die  sich  in  Hauptmann  mit  „Hannele"  vollzogen  hat,    nicht  ins  Phantastische,    wohl 
aber  ins  Phantasievolle,  doch  sieht  er  nur  erst  einen  Anfang  zu  dem  grossen  Drama 
darin.  —  lieber  die  geringere  Bühnenwirkung  des  Stückes    klagt   Lou   Andreas- 
Salome '*''*),  wie  mir  scheint,  sehr  mit  Unrecht.     Nach   solchen  Klagen  müsste  man 
dem    ungenannten   Vf.    der    Broschüre    „Konsequenter    Realismus"    (vgl.  JBL.   1892 
I  11:  209)  Recht  geben,  obwohl  Lier'*'^)  treffend  einwendet,  die  Zahlen  bewiesen  gar 
nichts,  denn  zu  Goethes  und  Schillers  Zeiten  —  „Wer  beherrschte  damals  die  Bühne? 
Die    beiden    Weimaraner   gewiss    nicht!"     Die   realistische    Richtung   ist   noch    sehr 
jungen  Datums,  ein  abschliessendes  Urteil  daher  kaum  möglich.    Hauptmann  brauche 
noch  ,, keinen  Gipfel  des  Könnens  der  Jungen  auf  dramatischem  Gebiete"  darzustellen, 
Ibsen  sei  zu  specifisch  nordisch,  darum  werde  an  ihrer  Bühnenwirkung  kein  Massstab 
für  das  realistische   Drama  überhaupt  gewonnen.   —   So   viel  kann   man    bemerken, 
allmählich    klären    sich    die    Ansichten,    und    es    wird    daran    nichts    ändern,    dass 
Jüngst*'^)   die  Sünden  der  Modernen  unter  Sudermann  begreift  und  verurteilt,  um 
ihm  in  Lilien cron  das  Richtige  entgegenzustellen;  ganz  zutreffend  erwidert  Opitz'*'''), 


S.  269-72.  (Vgl.  IV  4:158.)  —  407)  F.  Spielhagen,  Max  Halbes  „Jugend":  ML.  62,  S.  266/8.  (Vgl.  lY  4:164.)  —  408)  Lou 
Andreas-.'^alnme,  E.  FrfihlinsPtirfima:  FrB.  4.  S.  .0727.  —  409^  B.  Wille,  D.  Biberpelz:  ib.  S.  1160,4.  —  410)  F.  Spiel- 
hagen, G.  Hauptmanns  „Biberpelz.":  ML.  62,  S.  638-40.  (Vgl.  IV  4:163.)  -410a)  J.  Elias,  „D.  Biberpelz" :  FreisZg.  23.  Sept. 
-  411)  Loii  Andreas-SaloiBe,  0  F.  Kiirtlebens  ,Er-ziehiirg  -/..  Ehe":  FrB.  4,  S.  1165-7.  —  412)  P.  Schlenther,  0.  E. 
Hartlebcns  .Erziehung  z.  Ehe":  ML.  62.  S.  596.  -  413>  F.  Spielhagen,  G.  Hauptmanns  Hannele:  ib.  S.  7489.  (Vgl.  IV 
4:161.)—  414i  Lon  A  n  d  r  eas- Salom  e,  „Hi.nnele":  FrB.  i,  S.  1343;9.  —  415)  L.  Lier,  Nene  dramaturg.  Schriften:  BLU. 
.S.  2768.  —  416)  H  C.  J  fingst.  Sodermann  eder  Liliencron?  E.  Wort  an  Verständige.  L.,  B.  Clanssen.  18  S.  M.  0,20. 
|[B.  Opitz:   BLU.  8.  557.)!    (Vgl.  IV  4:141.)    -    417)  E.  Opitz,   D.  Wahrheit  auf  d.  Bühne:    BLU.  S.  35ij6.    -    418)  O  M. 


I  12:419-430    I  13  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

ein  solches  Generalisieren  sei  nicht  zu  billigen,  man  müsse  das  Tüchtige  an  Suder- 
mann schätzen  können,  trotzdem  man  Liliencrons  echt  deutsche,  volkstümliche, 
kernige,  freilich  mitunter  noch  gesucht  kraftgenialische  Art  schätze.'* '^'^^o-)  _  ^jg 
Bahrs  heimliches  Leiden  bezeichnet  Holländer^^i)  „sein  brünstiges  Suchen  nach 
dem  Neuen  in  Stil  und  Form  und  das  Ermatten  seiner  Kräfte,  wenn  er  das,  was  er 
greifbar  sieht,  gestalten  möchte".  Bahr  schreibe  in  allem  Selbstbiographie.  Mit 
freundlichen  Strichen  entwirft  H.  das  Portrait  Bahrs,  folgt  dem  etwas  krausen  Lebens- 
lauf von  Station  zu  Station,  schildert  den  epochemachenden  Pariser  Aufenthalt,  die 
glänzenden  Feuilletons  von  dort,  verdeckt  aber  die  Gefahr  keineswegs,  der  Bahr  als 
Künstler  entgegenging:  sich  selbst  an  die  französischen  Muster  zu  verlieren.  „Je 
tiefer  er  in  seiner  kritischen  Erkenntnis  drang,  desto  heftiger  trieb  es  ihn  in  nervöser 
Hast  von  Experiment  zu  Experiment,  desto  weniger  gelangte  er  zu  ruhiger  und  reifer 
Entwicklung  seiner  Persönlichkeit".  Erst  in  Wien  habe  er  sich  gefunden.  „Sein 
Wollen  ist  begrenzter,  enger  geworden,  zu  bewusstem  Kompromiss  geneigt  —  sein 
Können  dagegen  hat  an  Rundung  und  künstlerischer  Geschlossenheit  in  einem  Grade 
zugenommen,  der  für  einen  naiven  Beurteiler  erstaunlich  sein  muss."  Besonders 
bewundert  H.  den  „sexuellen  Humor"  in  Bahrs  neueren  W^erken  „und  hält  Bahr  nun 
für  einen  Künstler".  In  dem  Bilde  scheint  mir  nur  Ein  Strich  zu  fehlen,  dass  man 
nämlich  Bahrs  Auftreten  nie  ernst  nehmen  dürfe,  weil  er  selbst  überhaupt  nichts 
ernst  nimmt,  sondern  immer  nur  so  thut.  H.  meint,  Bahr  dürfte  nun  auf  der  ge- 
fundenen Linie  weiterschreiten,  ich  glaube,  er  irrt  sich.  Bahr  ist  noch  viel  zu  un- 
ruhig, um  nicht  noch  manche  ,, Häutung"  durchzumachen,  aber  wie  kaum  ein  zweiter 
ist  er  typisch  für  einen  gewissen  Teil  der  jüngeren  Generation,  gerade  weil  alles  bei 
ihm  nur  auf  der  Oberfläche  bleibt.422-423j  _ 

Wie  die  Zukunft  der  Litteratur  aussehen  wird,  können  wir  wohl  ahnen, 
wenn  wir  auf  die  Malerei  blicken,  aber  wir  können  uns  täuschen'*^^"*^'').  Jedenfalls 
hat  Spielhagen  recht,  auf  dem  Gebiete  der  Poesie  ist  die  ,, Evolution"  langsamer  als 
in  der  Schwesterkunst.  Geistreich  und  witzig  haben  sich  verschiedene  Schriftsteller  in 
leichter  dramatischer  Einkleidung  über  Gegenwart  und  Zukunft  unseres  Lebens 
und  unserer  Kunst  ausgesprochen  und  zu  einem  von  Lenz*^^)  herausgegebenen 
Bande  vereinigt.  Mauthner  hält  darin  gründliches  Reinmachen  der  Bibliothek 
und  stellt  nur  jene  Bücher  auf,  in  denen  die  Leidenschaften  gross  und  die  Kunst 
echt  ist.429-430j  _ 


1,13 

Musikgeschichte. 

Heinrich  Reimann. 

Allgemeines:  Bibliographisches  N.  1. —  Musikiihilosophie  und -kritik  N.  4. —  Musikgeschichte:  Zusammen- 
fassende Darstellungen  N.  14.  --  Lokalgeschichte  N.  19.  —  Musikinstrumente  N.  27.  —  Sammelwerke  N.  31,  —  Einzelne 
musikalische  Formen:  Lied:  Volkslied  N.  43;  Geistliches  Lied  N.  53.  —  Oper  N.  58.  —  Einzelne  Musiker  und 
Komponisten:  A.  de  la  Haie,  J.  Hothby  N.  61. —  Orlando  di  Lasso  N. 63.  —  L.  Zacconi,  H.  L.  Hassler  N.  64.  —  H.  Baryphonus, 
Cavalli,  J.  Praetorius,  Ph.  F.  Böddecker  N.  66.  —  Georg  und  Gottlieb  Muffat,  J.  V.  Eckelt  N.  70.  —  J.  S.  Bach  und  die 
Passionsmusik  überhaupt  N.  72.  —  Haydn  N.  80.  ~  Mozart  N.  83.  —  Beethoven  N.  87.  —  Schubert  N.  95.  —  Moscheies  N.  97. 
—  Schumann  N.  98.  —  Zelter  N.  100.  —  Mendelssohn  N.  101.  —  B.  Klein  N.  105.  —  Wagner:  Briefe  N.  107;  Lebensgeschichte 
N.  113;  Allgemeines  über  seine  Werke  N.  120;  Geschichte  und  Analyse  einzelner  Werke  N.  127.  —  Liszt  N.  141. —  P.Cornelius, 
F.  Möhring,  Ch.  Gounod  N.  144.  —  P.  Tschaikowski,  B.  Franz,  A.  Rubinstein  N.  150.  —  C.  Kistler,  E.  Chabrier,  Schweizerische 
Tonkönstler  (Th.  Kirchner),  A.  Snllivan,  E.  Hanslick  N.  153.  — 

Allgemeines.  Den  diesjährigen  Bericht  eröffnet  ein  bibliographisches 
Werk  von  hervorragender  Bedeutung,  das  zwar  schon  1892  erschienen  ist,  aber  dem 
Referenten  erst  jetzt  zugänglich  wurde.     Seiner    grossen   Bedeutung   wegen    sei    es 


Brociner,  D.  Socialismus  auf  d.  Bühne:  WTBl.  N.  111.  —  419)  O  S.  Schlesinger,  Laube  über  socialist.  Stöcke:  ib. 
N.  113. —  420)  X  P-  Lorenz,  D.  Prostitution  in  d.  Kunst.  Zwei  Worte  z.  Tlieaterfrage:  NZSt.  n,  s.  375-82.  (D.  Theaterkulis 
sind  recht-  u.  schutzloser  als  d.  Arbeiter;  d.  Schauspielerin  werde  fast  notwendig  z.  Prostitntion  getrieben.)  —  421)  F. 
Holländer,  V.  H.  Bahr  n.  seiner  Bücherei:  FrB.4,  S.  82/9.  —  422)  X  J-  Proelss,  Poesie  u.  Naturkenntnis:  AZg«.  N.  94/6. 
{W.  Jordans  „Letzte  Lieder«  n.  6.  Hauptmanns  erste  Geschichten.)  —  423)  X  Wahrheit  u.  Schönheit.  E.  Xenienkranz: 
ib.  S.  236/7.  (Nach  vom  Fels  z.  Meer.)  —  424)  OA.  v. Hanstein,  Wohin  steuern  wir :  DBühneng.  S.  1 1 3, 4.  (Vgl.  IV  4 :  325.)  —  425)  X  P- 
Stapfer,  L'avenir  de  la  litt.:  BPL.  2,  S.  554,9  —426)  X  ^  Zukunft  d.  Litt:  FrB.  4,  S.  13902.  (Auszug  aus  d.  Aufsätze  v. 
P.  Stapfer.)  —  427)  X  P-  Pico,  La  poesia  dell' uvenire.  Acireale,  V.  Micale.  1892.  26  S.  |[B.  Perez:  KPhilos.  35,  S.  95  6.]| 
(Scheint  nach  d.  Rec.  recht  unbedeutend.) —- 428)  L.  Lenz,  D.  Kunst  d.  Unterhaltung.  Mit  Beitrr.  v.  J.  Bayer,  K.  Haehnel, 
M.  Kalbeck,  A.  Klaar,  A.  v.  Klinckowstroem,  H.  Lorm,  F.  Mauthner,  K.  Beissmann,  E.  Wiehert.  B.,  G.  E. 
Nagel,  in,  347  S.  M.  5,00.  —  429)  O  G.  G.  Gizzi,  Fattori  dell'arte  e  cause  della  sua  decadenza  odierna:  EltalFilos.  8, 
Heft  1.  (Vgl.  RPhilo8.36,  S.  558.)  —  430)  X  M.  Burckhard,  D.  Kunst  u.  d.  natftrl.  Entwicklnngsgesch.:  N&S.  66,  S.  160-83.— 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  13  :  1-7 

hier  nachträg'lich  besprochen.  Es  ist  Vogels  i)  Bibliothek  der  gedruckten  weltlichen 
Vokalmusik  Italiens  von  1500—1700.  Der  Vf.  hat  aus  beinahe  anderthalbhundert 
europäischen  Musikbibliotheken  ein  ungefähr  4000  "Werke  umfassendes  bibliogra- 
phisches Material  zusammengetragen  und  in  alphabetischer  Ordnung  sachgeraäss 
zusammengestellt.  Ein  fachkundiger  Bibliothekar  hätte  es  nicht  besser,  sorgfältiger 
und  für  den  Gebrauch  praktischer  machen  können.  Den  alphabetisch  verzeichneten 
Einzelwerken  folgt  ein  chronologisch  geordnetes  Verzeichnis  der  Sammelbände  (der 
Streit  über  die  Bezeichnung  „Sammelwerke"  oder  „Sammlungen"  ist  demnach  unnütz!), 
sodann  drei  mit  grösster  Sorgfalt  gefertigte  Register,  die  der  „Bibliothek"  erst  den 
wirklich  praktischen  Werk  verleihen.  Und  dieser  Wert  —  das  möchte  ich  hier 
betonen  —  erstreckt  sich  nicht  bloss  auf  die  Musikwissenschaft.  Litteraturgeschichte 
und  Geschichte  haben  ihren  Anteil  daran.  —  Während  Vogel  nur  die  Titel  biblio- 
graphisch registriert  und  weitere  Zuthaten  auf  Angabe  des  Inhalts  der  einzelnen 
Werke,  der  Fundorte  und  dgl.  beschränkt,  hat  Kade^)  in  seiner  Schweriner 
Musikaliensammlung  noch  die  Anfangstakte  von  einzelnen  Musiknummern  in  Noten- 
druck und  ausserdem  noch  bei  einzelnen  der  Autorennamen  biographische  Notizen 
hinzugefügt.  Dadurch  ist  der  Katalog  nicht  bloss  unnötig  angeschwollen  und 
unhandlich  geworden,  sondern,  da  jene  Notizen  und  Musikanfänge  nicht  bei  allen 
Namen  und  Nummern  gegeben  sind,  so  herrscht  darin  eine  Art  subjektiver  Willkür, 
die  bekanntlich  der  Todfeind  jeder  Bibliographie  ist  und  durchaus  vermieden  werden 
muss.  Sogar  Facsimiles,  manchmal  ganz  unbedeutender  Art,  sind  beigegeben  — 
ein  durchaus  lästiges  Beiwerk.  Man  sieht  aus  alledem,  dass  der  Katalog  von  keinem 
Fachmann  gemacht  und  die  verursachten,  durch  fürstliche  Munificenz  gedeckten 
Kosten  zum  Teil  unnütz  aufgewendet  sind.  Dazu  kommt,  dass  die  biographischen 
Notizen  öfter  unzuverlässig  sind  und  deshalb  äusserste  Vorsicht  bei  deren  Gebrauch 
dringend  zu  raten  ist.  —  Einen  im  allgemeinen  sorgsam  und  genau  abgefassten 
Katalog  der  Lübecker  städtischen  Musikbibliothek  bietet  Stiehl^).  Leider  hat  die 
Lübecker  Bibliothek  durch  den  Verkauf  der  an  Schätzen  des  16.  und  17.  Jh.  reichen 
Bibliothek  der  Marienkirche  an  den  österreichischen  Erzherzog  Rudolf  (Bibl.  d.  Ges. 
d,  Musikfreunde)  sehr  viel  Wertvolles  eingebüsst.  Immerhin  bietet  die  Hss.-  (namentlich 
Buxtehude  und  Königslöw)  wie  die  Druckschriften-Sammlung  manches  W^ertvoUe.  — 
Musikphilosophie  und  -kritik.  Die  wenigen  Seiten  der  Schrift 
Gotthelfs*)  über  das  Wesen  der  Musik  zeigen,  dass  auch  aus  Zeitungsfeuilletons 
etwas  Gutes  werden  kann.  Die  Art  und  Weise,  wie  der  Vf.  das  Verhältnis  der  Archi- 
tektur, der  Tanzkunst  und  schliesslich  der  Poesie  zur  Musik  als  der  „treuesten 
Kunst  des  Ausdruckes"  behandelt,  ist  ungemein  fesselnd;  die  formale  Seite  unserer 
Kunst  wird  zu  der  idealen,  poetischen,  richtiger  noch:  zu  der  wirklich  seelischen 
Musik  in  das  rechte  Verhältnis  gesetzt  und  auf  Grund  dessen  der  Beweis  geliefert, 
wie  Richard  Wagners  Kunst  den  alten  Dreibund  der  Künste:  Tanz,  Musik  und  Poesie 
auf  das  schönste  erneuert  und  verjüngt  hat.  —  Wesentlich  propädeutischer  Art  ist 
Brodbecks ^)  Schrift  über  die  physischen  Grundfragen  der  Musikwissenschaft.  — 
Hauseggers^)  Buch  „Das  Jenseits  des  Künstlers"  ist,  soweit  es  hier  undnichtbei 
allgemeiner  Philosophie  in  Betracht  kommt  —  es  handelt  mehr  von  Malerei  und 
Poesie  als  von  Musik  — ,  eine  Fortführung  seines  früheren  Werkes  „Die  Musik  als 
Ausdruck".  Die  Ursachen  des  Eindruckes,  den  ein  Kunstwerk  macht,  beruhen  nicht 
in  Tonfolgen,  Tonverbindungen,  Klangfarben  usw.,  sondern  in  den  psychologischen 
und  physiologischen  Ursachen  derselben,  in  dem  „Schaffenszustande"  des  Künstlers. 
Dies  bedeutet  das  „Jenseits"  der  Kunst,  das  zuerst  Schopenhauer  durch  das  Licht 
seines  Geistes  erleuchtete.  Wagner-Tristans  „Nacht"  ist  der  Schoss,  aus  dem  die 
Produktionskraft  des  Künstlers  geboren  wird.  Diese  „Nacht"  aber  ist  identisch  mit 
Schopenhauers  Abtötung  des  Willens :  „Sage  dich  los  von  den  Absichten  und  Zielen 
deines  Individuums,  und  der  Bann  ist  gebrochen,  die  ewig  schöpferische  Macht  wird 
auch  in  dir  lebendig."  Ein  optimistischer  Pessimismus,  dem  weiter  nichts  als  eine 
etwa  smehr  universelle  Realität  zu  wünschen  wäre !  —  Dass  des  Heidelberger  Professors 
Thibauf)  Buch  „Ueber  Reinheit  der  Tonkunst"  in  7.  Auflage  erschienen  ist,  halte 
ich  für  ein  erfreuliches  Zeichen  der  Zeit.  So  überlebt  und  veraltet  auch  vieles  darin 
einem  modernen  Musiker  erscheinen  mag,  die  Schrift  enthält   eine  Fülle  wertvollen 


1)  E.  Vogel,  Bibl.  d.  gedr.  weltl.  VokalnmsiV  Italiens  ans  d.  J.  1500-1700.  Enthaltend  d.  Litt.  d.  Frottole, 
Uadrigale,  Conzonette,  Arien,  Opern  nsw.  Her.  durch  d.  Stiltnng  v.  Schnyder  v.  Wartensee.  2  Bde.  B.,  Haack.  1S92., 
XXIY,  530  S.;  599  S.  M.  24,00.  i[E.  Eitner:  MhMnfikgesch.  25,  S.  146;  M.  Seiffert:  ÄMnsZg.  S.  61,2;  A.  Sandberger: 
MnsWBl.  S.  301/2.]|  —  2)  0.  Kade,  D.  Mnsikalien-Satnnil.  d.  Grossherzogl.  Meclclenbnrg-Schweriner  Fürstenhauses  aus  d. 
letzten  2  Jhh.  2  Bde.  Wismar,  Heinstorff.  484  S.;  424  S.  M.  8,00.  —  3)  C.  Stiehl,  Katal.  d.  Musiksamml.  auf  d.  Stadt- 
Bibl.  zu  Lübeck.  Progr.  d.  Katharineums.  Lübeck.  4».  56  S.  |[MhMusikge8ch.  25,  S.  118,9.]|  —  4)  F.  Gotthelf,  D.  Wesen 
d.  Musik.  Bonn,  F.  Cohen.  54  S.  M.  1,00.  l[BayrenthI31M6,N.  7  (Umschl.);  0.  Bie:  AMusZg.  S.485.]|  —  5)  O  A.Brodbeck,  D. 
phys.  Grundfragen  d.  Musikwissensch.,  roethod.  zusammengest.  St.,  G.  A.  Zumsteeg.  13  Bll.  M.  1,00.  —  6)  (I  12 :  91.) 
|[0.  Bie:  AMusZg.  S.  405  6,  4234.]|  —  7)  A.  F.  J.  Thibaut,  Ueber  Reinheit  d.  Tonkunst.  7.  Ausg.  Mit  d.  Vorw.  t.  K.  Ch. 
W.  F.  Bahr  z.  3.  Ausg.    Freiburg  i.  B.  u.  L,  Mohr.    XV,  100  S.    M.  1,00.  |[K.  Sohle:  Kw.  0,  S.  311,2;  H.  Keimann:  BLU. 


I  13:8-17  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

Materials  für  alle,  die  sich  gründlich  mit  der  Entwicklung  der  Musik,  inbesondere 
mit  dem  Studium  der  Alten,  beschäftigen  wollen.  Das  Buch  ist  ein  Palliativ  gegen 
die  Oberflächlichkeit  der  Musikauffassung' und  Musikübung  in  unserer  Zeit,  welche  die 
Finger  anstaunt  und  sich  freut,  „das  Nichtige  auf  wundervolle  Art  vollbringen  zu 
sehen",  während  es  doch  Hauptaufgabe  sein  muss,  durch  das  Gegebene  uns  zu  ent- 
zücken und  unser  Gemüt  zu  bewegen.  —  Einen  auf  viel  zu  beschränkter  Einsicht 
in  die  neuere  Musik  beruhenden  und  darum  missglückten  Versuch,  die  Begriffe 
„Klassizität"  und  „Romantik"  historisch  zu  definieren,  unternahm  Meinardus^J. 
Des  alten  Philosophen  Spruch  ,,ITäina  ^et"  ist  bei  solcher  Untersuchung  der  oberste 
und  leitende  Grundsatz,  und  Rieh.  Wagner  ist  heutzutage  nahezu  bereits  „Klassiker". 
—  Bahnsens  Problem  von  dem  ewigen  unlösbaren  Widerspruch  dieser  Welt  im 
Wissen  und  Wesen  hat  Louis-')  auf  die  Musik  angewendet.  Dem  Elemente  des 
Schönen,  d  h.  des  Spiegelbildes  der  Gesetze  der  bildenden  Kunst,  widerstrebt  das 
ursprüngliche  Wiesen  der  Musik  als  einer  das  Innerliche,  Unendliche  darstellen 
wollenden  Kunst.  Gegen  die  Erreichung  dieser  erhabenen  Wirkung  aber  kämpft  die 
Unbegreiflichkeit  und  darum  Unausdrückbarkeit  des  unendlichen  Inhalts.  Die  „Resig- 
nation" allein  bleibt  übrig:  sie  eröffnet  das  Gebiet  des  „Humoristischen"  —  im  Sinne 
Bahnsens  — ,  das  die  alte,  endliche  B^orm  zwar  beibehält,  aber  sie  mit  neuem, 
unendlichem  Inhalte  erfüllt.  Berlioz,  Wagners,  Liszts  und  Brückners  Schaffen  ist 
in  diesem  Sinne  „humoristisch".  Darin  lieg't  der  „Widerspruch  in  der  Musik".  —  Das 
ist  eine  Theorie,  vor  der  sich  Hanslick,  wie  vor  dem  leibhaftigen  Gottseibeiuns  be- 
kreuzigen würde.  Darum  folge  hier  die  französische  Uebersetzung  seines  Buches 
vom  „Schönen  in  der  Musik",  die  Bannelier i**)  lieferte.  Im  eigenen  Hause  (auch 
Louis  ist  W^iener !)  ist  Hanslick  der  grimmigste  und  gefährlichste  Feind  erstanden.  — 
Aber  nicht  bloss  hier,  auch  im  Auslande  kämpft  man  rüstig  gegen  den  künstlichen, 
auf  lauter  Abstraktionen  gegründeten  Bau  der  Hanslickschen  Theorie  vom  Schönen  : 
Bellaigues^'3  klar  und  überzeugend  geschriebenes  Buch  weist  die  Irrtümlichkeit 
der  Hanslickschen  Grundtheorie  von  der  Ausdrucksunfähigkeit  der  Musik  —  auch 
der  Instrumentalmusik  —  vortrefflich  nach  (la  religion,  la  nature,  l'amour,  l'heroisme 
dans  la  musique),  und  hält  dem  Wiener  Kritiker  sehr  treffend  die  Verse  entgegen: 
„Si  vous  n'exprimez  rien,  qu'avez-vous  donc  en  vous,  Qui  fait  bondir  le  coeur  et 
flechir  lesgenoux!"  —  Einem  „alten  Musikfreund" '^j  verdanken  wir  eine  prächtige 
Kapuzinerpredigt  über  das  Thema:  „Die  Musik,  ihrem  innersten  Wesen  nach  eine 
Gnade,  ein  Labsal,  ein  welterlösendes  Himmelsgeschenk,  —  in  euren  Händen,  ton- 
wutkranke  Dilettanten  und  Modenarren,  ist  sie  zur  Geissei  geworden.  Ihr  habt  die 
Göttin  dämonisiert  und  die  herzliebe  wonnige  Aphrodite  ...  in  die  Teufelinne  ver- 
wandelt, vor  der  sich  Christ  und  Jude  ganz  mit  der  nämlichen  Herzbeklemmung  be- 
kreuzigen." —  Gegen  den  arroganten  Dilettantismus  in  der  Kunstübung  und  in  der 
Kunstkritik,  speciell  Berlins,  wendet  sich  Reimanns'"^)  dem  vorgenannten  Werke 
wahlverwandte  Satire:  „Ein  Zeitungsblatt  aus  Hinter-Indien".  — 

Musikgeschichte.  Eine  zusammenfassende  Darstellung  ist  im 
Berichtsjahr  ausser  Un  tersteinersi*)  Storia  della  musica,  einem  kompilatorischen 
und  Selbständigkeit  in  keiner  Weise  beanspruchenden  Werke,  nicht  erschienen.  — 
Beachtenswerte  Nachträge  zu  Ambros-Reiraanns  zweitem  Bande  der  Musikgeschichte 
(vgl.  JBL.  1892  I  9:12)  bietet  Eitner'S).  -  Dafür  ist  das  laufende  Jahr  bedeutsam 
geworden  durch  den  Beginn  zweier  Quellen-Publikationen,  deren  erste  nach  bekanntem 
Muster  den  stolzen  Namen  trägt  „Denkmäler  deutscher  Tonkunst".  In  einem  Auf- 
satze kündigte  Spitta'*),  der  die  Seele  dieses  Unternehmens  war,  Zweck  und  Ziele 
dieses  gross  angelegten  Werkes  an.  Sollten  aber  die  schönen  und  trefflichen 
Worte,  welche  an  jener  Stelle  veröffentlicht  wurden,  nicht  leere  Worte  bleiben,  sondern 
zur  That  werden,  d.  h.  sollten  die  „Denkmäler  deutscher  Tonkunst"  auch  nur  an- 
nähernd dasselbe  für  die  deutsche  Musik  werden,  was  die  Pertzschen  Monumenta 
für  die  Geschichte  sind,  so  musste  mit  der  Herausgabe  des  ersten  Bandes  sowohl 
wie  mit  der  Auswahl  der  Bearbeiter  vorsichtiger  umgegangen  werden.  Der  erste 
Band  „S.  Scheidts  Tabulatura  nova"  vom  J.  1624,  von  Seiffert'"')  herausgegeben, 
erschien  verfrüht  und  nicht  sorgfältig  genug  bearbeitet.  Zudem  ist  das  Werk,  das 
im  Originaldruck  keineswegs  selten  ist,  teils  aus  diesem  Grunde,  teils  auch  wegen  des 


S.  457.11  —  8)  L.  Meinardus,  Klassizität  n.  Romiintilc  in  d.  dtsch.  Tonkunst.  Vortr.,  geh.  am  2.  Nov.  in  öffentl.  Sitzung  d. 
legi.  AV.  d.  gemeinnütz.  Wissensch.  in  Eifuit.  Erfurt,  Villaret.  31  S.  M.  0,60.  (Sonderabdr.  aus  JbbAkErfurt.  N.  19.)  — 
9)  H.  Louis,  D.  Widerspruch  in  d.  Musik.  Bausteine  '/.u  o  Aesthetik  d.  Tonkunst.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  115  S.  M.  2,50. 
|[0.  Bie:  AMusZg.  S.  144;  LCBl.  S.  1515;  K  Sohle:  Kw.  6,  S.  215,7;  H.  Eeimann:  BLU.  S.  421;  Signale  N.  28.||  —  10) 
E.  Hanslick,  Du  beau  dans  la  musique.  (Trad.  par  Ch.  Bannelier.)  Paris,  Maqnet  et  Cie.  124  S.  —  U)  C.  Bellaigne, 
Psychologie  musicale.  Paris,  Delagrave.  282  S.  —  12)  Dudler  u.  Dulder.  Studien  über  d.  Anmassnng  d.  Tonkunst.  V.  e. 
alten  Musikfreund.  L,  Reissner.  63  S.  M  1,00.  —  13j  11.  R[eimann],  E.  Zeitnngsbl.  aus  Hinter-Indien:  AMusZg.  S.  669-71. 
—  14)  A.  Untersteiner,  Storia  della  musica.  Milano,  Hoepli.  298  S.  L.  3,00.  ((Signale  N.  49.](  —  15)  R.  Eitner: 
MhMuhikgesch.  25,  S.  42/5.  -  16)  Ph.  Spitta,  Denkmäler  dtsth.  Tonkunst:  Grenzb.  2,  S.  16,7.  —  17)  L.  Scheidt,  Tabulatura 
nova.  1024.  Her.  v.M.  Seif  f  er  t.  (=  Denkmäler  dtsch.  Tonkunst.  Bd.l.)  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  1892.  XV11I,224S.  M  15,00.  I[M. 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  13  :  I8-30 

g-eringen  allgemeinen  Interesses,  das  es  bietet,  als  erste  Publikation  nicht  recht  glück- 
lich gewählt.  So  lange  nicht  wissenschaftlich  durchgebildete,  philologisch  und 
archivalisch  geschulte  und  dabei  praktisch  wohlerfahrene  Musiker  für  die  Herausgabe 
gewonnen  werden,  bleibt  das  gross  angelegte  Quellenwerk  ein  kostspieliges  Ver- 
gnügen eines  eng  begrenzten  Kreises.  Das  deutsche  Volk  und  die  musikalische 
Praxis  haben  nichts  davon.  —  Den  Frieden  der  selig  entschlafenen  Wiener  Musik- 
und  Theater-Ausstellung  (vgl.  JBL.  1892  II  4:2;  IV  4:256— 69)  störte  Fleischer'») 
mit  einer  posthumen  Oratio  pro  domo.  Leider  erreicht  die  wenig-  geschickt  geschriebene 
Abhandlung,  um  die  sich  übrigens  ein  für  den  Vf.  nicht  ganz  erquicklicher  Verleger- 
streit erhob,  nicht  die  Wirkung,  dem  Leser  eine  Thräne  des  Mitleids  um  die  Ent- 
schlafene zu  entlocken.  — 

Bedeutend  sind  die  Kräfte,  die  sich  zur  Herausgabe  des  lokalen  Sammel- 
werkes „Denkmäler  der  Tonkunst  in  Oesterreich"  vereint  haben.  Der  nächste 
JB.  wird  hierüber  Näheres  bringen.  Hier  seien  sie  nur  erwähnt,  weil  die  Gesell- 
schaft zu  ihrer  Herausgabe  sich  im  Okt.  1893  gebildet  hat.  —  Zunächst  werden  hier 
zwei  Leipziger  Schriften  angereiht,  von  denen  die  Kneschkes'^)  die  Gewandhaus- 
konzerte in  der  Zeit  von  1743 — 1893  zum  Gegenstande  hat.  Als  Quelle  diente 
A.  Dörffels  bekannte  Festschrift  und  für  die  letzten  J.  des  Vf.  eigene  Erinnerungen. 
Die  in  einem  ungemein  schwerfälligen  Stil  geschriebene,  dazu  zum  weitaus  grössten 
Teil  rein  kompilatorische  Arbeit  kann  eingehendere  Beachtung  nicht  beanspruchen. 

—  Desto  interessanter  ist  das  Schülerregister,  welches  das  Direktorium  des  Leipziger 
Konservatoriums  20)  gelegentlich  seiner  50  jährigen  Jubelfeier  hat    erscheinen   lassen. 

—  Pazaureks^')  Beiträge  zur  Geschichte  der  Musik  in  Böhmen  zeigen,  wie  gerade 
das  deutsche  Element  in  Böhmen  stets  musikalisch  bedeutsam   hervorgetreten  ist.22) 

—  Wertvolle  Beiträge  über  das  wenig'  bekannte,  aber  recht  rege  musikalische  Leben 
und  Treiben  am  Hofe  Christians  IV.  von  Dänemark  bietet  eine  Schrift  Hammerichs, 
von  der  Elling^^)  einen  dankenswerten  Auszug  giebt.  Des  berühmten  englischen 
Lautenisten  John  Dowlands  Thätigkeit  bildet  nächst  dem  Wirken  des  Altmeisters 
Heinr.  Schütz  den  musikalischen  Höhepunkt  jener  Zeit  und  jenes  Ortes.  —  Die 
Arbeit  von  Krebs^*)  über  die  Privatkapellen  des  Herzogs  von  Alba  erschöpft 
sich  fast  ganz  in  Emolumenten-Tabellen.  Als  Schluss  ist  ihr  ein  „Heroicum  Pane- 
giricum"  auf  Herzog  Ferdinand  angehängt,  dem  ein  ostinater  Cantus  firmus  auf  den 
Text  „Dux  Albane  vive!"  zu  Grunde  liegt.  —  Kirchners^^)  Schrift  behandelt  den 
im  J.  1727  zwischen  den  Kantorats-Kandidaten  Hofmann  und  Neubert  ausgebrochenen 
Streit,  der  unterden  Pfahlbürgern  von  Chemnitz  grosse  Aufregung  hervorrief;  ein  Sturm 
im  Glase  Wasser,  der  die  Weiterentwicklung  der  Musikgeschichte  nicht  aufgehalten 
hat.  —  Einen  wirklich  herzerfreuenden  Eindruck  macht  der  Bericht,  den  Bohn^^j 
über  seine  innerhalb  12  Jahren  veranstalteten  50  historischen  Konzerte  giebt.  Was  ein 
von  edelster  Kunstbegeisterung  durchglühter  Künstler  und  hochbedeutender  Musik- 
gelehrter  durch  Energie  und  Ausdauer  bei  bescheidenen  künstlerischen  und  mate- 
riellen Mitteln  leisten  kann,  liest  man  hier  mit  wachsendem  Erstaunen.  Von  der 
„Beigabe"  soll  weiter  unten  die  Rede  sein  (s.  u.  N.  47).  — 

Für  die  Berliner  Sammlung  alter  Musikinstrumente  begeisterten  sich 
Seiffert^'')  und  Bie^^J.  Eine  solche  Sammlung  will  weniger  gelobt  als  besucht 
und  studiert  und  dann  kritisch  beurteilt  sein.  —  Wiegen  der  nahen  Beziehung  des 
Vf.  zu  dieser  Sammlung  und  der  Gleichheit  des  behandelten  Stoffes  sei  an  dieser 
Stelle  die  Abhandlung  Fleisch  er  s^^)  über  Musikinstrumente  aus  deutscher  Urzeit 
erwähnt.  F.  geht  sehr  unkritisch  vor,  nicht  bloss,  wenn  er  gelegentlich  der  keltisch- 
gälischen  Crwth  (Crowth)  von  „Nachkommen  der  alten  Barden"  redet,  sondern  vor 
allem,  wenn  er  aus  den  spärlichen  Andeutungen  über  Instrumente  im  „vorgeschicht- 
lichen Griechenland",  desgleichen  im  „nördlicheren  und  nachmals  keltischen  und 
deutschen  Europa"  (!)  mit  positiver  Sicherheit  nur  2  Arten  von  Lyren  statuieren  will. 
Er  selbst  versichert  natürlich:  dieses  sein  Forschungsergebnis  sei  „ein  neuer  brauch- 
barer Baustein". 30)  — 

Seiffert:  AMusZg.  S.  406/8.]|  —  18)  0.  Fleischer,  D.  Bedeutung  d.  internat.  Musik-  u.  Theater-Ausstellung  in  Wien  für 
Kunst  u.  Wissensch.  d.  Musik.  Mit  lUustr.  nach  Orig.  v.  W.  Oertel  u.  E.  Schlemo.  (=  ÜB.  für  Musiklitt.  N.  6,7.)  5.  Taus. 
L.  u.  New-York,  A.  Laurencic.  71  S.  M.  0,80.  —  19)  E.  Kneschke,  D.  150 j.  Gesch.  d.  Leipziger  Gewandhaus-Konzerte 
1743-1893.  (=  ebda.  N.  13.)  160  S.  Mit  Illustr.  M.  1,20.  |[Signale  N.  47;  MhMasikgesch.  25,  S.  221,2.J|  —  20)  D.  kgl. 
Konservatorium    d.   Musik   zn    Leipzig     1843-93.     Z.    50j.    Jubelfeier.     L.    (Breitkopf  &  Härtel).     4".     VII,  114  S.     M.  2,00.  — 

21)  O  G.  L.  Pazaurek,    Beitrr   z.  Gesch.  d    Musik  in  Böhmen:  MVGDB.  31,  S.  280-93.     1[A.  Heintz:  AMusZg.  S.  645.](   — 

22)  X  Heinr.  Weber,  D.  Kirchengesang  im  Fürstbistum  Bamberg.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Kirchengesanges  in  Ostfranken. 
(=  Vereinsschriften  d.  Görres-Ges.  N.  2.)  Köln,  J.  P.  Bachem.  VIII,  64  S.  M.  1,20.  —  23)  C.  Elling,  D.  Musik  am  Hofe 
Christians  IV.  v.  Dänemark:  VjsMusikwissensch.  9,  S.  63-93.  (Nach  A.  Hammerich,  Musiken  ved  Christian  d.  Fj.  Hof.)  —  24) 
C.  Krebs,  D.  Privatkapellen  d.  Herzogs  r.  Alba:  ib.  S.  393-407.  —  25)  C.  Kirchner,  E.  Streit  um  d.  Kantorat  in  Chemnitz. 
(=  I  4:385,  S.  15-38.)  —  26)  E.  Bohn,  50  hist.  Konzerto  in  Breslau  (1831-92).  Nebst  bibliogr.  Beigabe:  Bibl.  d.  gedr. 
iiiehrstimm.  weltl.  dtsch.  Lieder  vom  Anf.  d.  16.  Jh.  bis  ca.  1640.  Breslau,  Koramissionsverl.  v.  J.  Hainauer.  VII,  188  S.  M.  4,00. 
|[M.  Seiffort:  AMusZg.  S.  644.]|  —    27)  M    Seiffert,  D.  kgl.  Samml    alter  Musikinstrumente  zu  Berlin:   AMusZg.  S.  200/1. 

—  28)  0.  Bie,  D.  kgl  Instrumentensammlung  in  Berlin:  ib.  S.  249-51.  —  29)  0.  Fleischer,  Musikinstrumente  aus  dtsch. 
Urzeit:  ib.  S.  399-401.  —  30)   X   P-  Wagner,   Aus  d.  neueren  Forschungen  über  d.  ältere  Notenschrift:   MusWBl.  S.  437/8, 


I  13  :  31-40  H.  Reimann,  Musikg-eschichte. 

Zu  den  Sammelwerken  führen  uns  die  Musiklexica,  von  denen  das  bekannte 
Riemannsche^')  im  Berichtsjahre  seine  4.  Auflage  erlebt  hat.  Die  Brauchbarkeit 
dieses  Nachsohlag-ewerkes  steht  über  allem  Zweifel;  auch  die  Zuverlässigkeit  darf  in 
allen  denjenigen  Fällen  als  sicher  betrachtet  werden,  wo  der  Vf.  nicht  seine  eigenen, 
zumeist  recht"  unzuverlässigen  Theorien  (z.  B.  Phrasierung,  Dynamik,  Agogik)  in  die 
Darstellung  verwoben  hat.  Zum  guten  Glück  sind  diese  Fälle  verhältnismässig  selten 
und  übrigens  leicht  erkennbar.  Das  Werk  kann  demnach  unter  diesem  Vorbehalt 
sehr  wohl  empfohlen  werden.-'^)  —  Ein  wohlbewährtes  vorzügliches  Buch  ist 
von  Wasielewskis-''^)  Werk  „Die  Violine  und  ihre  Meister",  das  in  dritter  sorgfältig 
revidierter  und  sehr  erweiterter  Auflage  vorliegt.  Von  Corelli  bis  auf  Joachim  und 
seine  Schule  bietet  das  Buch  eine  treffliche  Geschichte  der  violinistischen  Technik.-^*) 
—  Wird  uns  hier  ein  Geschichtsbild  edelster  Virtuosenbestrebungen  geboten,  so  zeigen 
uns  Ehrlichs^^)  Memoiren  den  Revers.  Virtuosen-  und  Autoreneitelkeit  streiten 
hier  in  einem  von  Selbstbewunderung  überströmenden  Geiste  um  die  Palme.  Der 
edle  Wettkampf  erreicht  eine  nie  geahnte  Höhe,  als  der  Vf.  kalten  Blutes  der  musika- 
lischen Welt  die  „Thatsache"  enthüllt,  dass  nicht  Liszt,  der  geniale  ungarische 
Rhapsode,  sondern  er,  d.  h.  Heinrich  Ehrlich,  der  Komponist  der  bekannten  und 
allbeliebten  2.  ungarischen  Rhapsodie  sei.  Und  das  trug  sich  zu  vier  Jahre  nach  des 
Meisters  Tode,  nachdem  jenes  angeblich  E.sche  Stück  mindestens  50  Jahre  alt 
geworden  war  und  ebensolange  ohne  den  Einspruch  seines  vermeintlich  legitimen 
Vaters  für  Lisztisch  gegolten  hatte.  Liszt  schrieb  mehr  als  ein  Dutzend  Rhapsodien, 
alle  in  einem  Gusse  und  nahezu  in  derselben  Faktur,  alle  unter  einander  sich  ähn- 
lich, wie  nur  echte,  rechte  Geschwister  sein  können!  Sein  hoher,  idealer  und  doch 
bescheidener  Geist,  dem  nichts  ferner  lag,  als  Anderer  Verdienste  zu  schmälern,  sollte 
es  geduldet  haben,  dass  eines  anderen  Künstlers  Werk  unter  seiner  Flagge  segelte? 
Die  Beleidigung,  die  hier  dem  unberührbaren  Andenken  eines  der  edelsten  und 
liebenswürdigsten  Tonmeister  angethan  ist,  sucht  vergebens  ihres  Gleichen.^^)  — 
Kurze  und  im  Stil  schlichter,  populärer,  manchmal  etwas  zu  novellistischer  Dar- 
stellung gehaltene  Bilder  aus  dem  Leben  Joh.  Seb.  Bachs,  Haydns,  Mozarts  und 
Beethovens  bietet  Nietschmann^"),  während  Otto  Schmid^*)  als  Kritiker  einer 
Dresdener  Tageszeitung-  selbstredend  „höher  hinaus"  will!  Er  versucht  sich  in  einer 
Untersuchung  über  die  Geschichte  des  Walzers  bis  auf  Schubert  als  Musikhistoriker 
insofern  nicht  ohne  Glück,  als  er  Litteraturkenntnis  zeigt.  Freilich  musste  ihn  schon 
Böhmes  Geschichte  des  Tanzes  belehren,  dass  er  sein  Thema  längst  nicht  erschöpft 
habe.  Eine  zweite  Abhandlung  über  die  Entwicklung  der  Ballade  —  ein  sehr 
beliebtes  Thema  — ■  gipfelt  in  einem  übertriebenen  Lobeshymnus  auf  Karl  Loewe. 
Auch  das  ist  man  gewöhnt.  In  der  dritten:  „Die  Romanze  in  Dichtung  und  Musik" 
hat  Götzingers  verschwommene  Definition  dieser  Dichtungsgattung  eine  bedauerliche 
Verwirrung'  bei  dem  Vf.  hervorgerufen;  es  folgen  „Gedanken  eines  Nicht-Katholiken 
über  katholische  Kirchenmusik".  Die  heilige  KongTCgation  der  Riten  dürfte  keine 
Veranlassung  nehmen,  des  Vf.  Protest  gegen  die  Beseitigung  der  Instrumentalmusik 
aus  der  Kirche  zu  berücksichtigen.  Dazu  müsste  die  Motivierung  besser  und  ein- 
sichtiger sein!  Schliesslich  folgt  der  letzte,  aber  zugleich  auch  der  mindest  gute  Aufsatz  : 
Mascagni,  für  dessen  unleidliche  „Cavalleria"  der  Vf.  eine  Lanze  bricht.  Der  Rest, 
Dresdener  Tageskritiken  über  lokale  Opernaufführung'en ,  hätte  Schweigen  sein 
müssen!  Liest  man  von  ,jeunesse  d'oree"  (sie)  (S.  88),  von  der  Oper  „Jakob  und  seine 
Brüder"  (S.  92),  vom  „Götterfunken  des  Genies"  u.  a.,  so  erkennt  man,  dass  der  Vf. 
sich  nicht  einmal  der  Mühe  unterzogen  hat,  seine  kritischen  Tagesergüsse  für  eine 
dauernde  Publikation  zu  säubern. 3")  —  Unter  dem  Titel  „Reisende  Musikerinnen" 
verbergen  sich  Tagebuchaufzeichnungen  der  „Direktrice"  einer  den  europäischen 
Orient  bereisenden  Damenkapelle,  die  Delia*")  nach  gehöriger  Säuberung'  des  Druckes 
für  wert  erachtete.  Die  musikalische  Ausbeute  ist  selbstverständlich  gering,  dagegen 
muss  das  Buch  als  wertvoller  Beitrag  für  die  sociale  Lage  unserer  männlichen  und  weib- 
lichen Musiker  angesehen  werden.  —  Eine  sehr  interessante  und  lohnende  Aufgabe 


453/.5,  469-70.  -  31)  H.  Riemjinn ,  Musiklex.  4.  vollst,  nmgearb.  Aufl.  L.,  M.  Hesse.  XI,  1210  S.  M.  10,00.  -  32)  X  E- 
Paner,  Birthday  Book  of  Musici.ins  and  Composers.  London,  Forsyth  Brothers.  363  S.  —  33)  W.  J.  v.  Wasielewski,  D. 
Violine  n.  ihre  Meister.  3.,  mit  Abbild.,  sowie  zahlreichen  Nachtrr.  u.  Berichtigungen  vers.  Ausg.  L.,  Breitkopf  &  Härtel. 
Xn,  581  S.  M.  9,00.  |[0.  Bie:  AMusZg.  S.  674.]|  —  34)  X  "•  Coutagne,  G.  Duiffoproucart  et  les  luthiers  lyonnais. 
Paris,  Fischbacher.     85  S.     Et  portr.    |[C.  Krebs:    VossZg.  N.  383;    W.  J.  v.  Wasielewski:    MhMusikgesch.  25,  S.  179.]|   — 

35)  H.  Ehrlich,  30  Jahre  Künstlerleben.    B.,  Steinitz.  VIII,  416  S.  Sl.  6,00.  |[Didask.  N  99.]|  (S.  auch  u.  N.  141  u.  IV  1  c  :  156.)  — 

36)  X  A,  Ehrlich,  Berühmte  Klavierspieler  d.  Vergangenheit  u.  Gegenw.  E.  Samml.  v.  116  Biogrr.  n.  114  Portrr.  L.,  Payne. 
VIII,  367  S.  M.  7,00.  ILM.  Ed.:  MusWBI.  S.  708/9;  Signale  N.70.]|  —  37)  Arm.  Stein  (=:  H.  Nietschmann),  Aus  d.  Reich 
d.  Töne.  Bilder  aus  d,  Leben  unserer  grossen  Meister.  Halle  a.  S.,  Waisenhaus.  VII,  204  S.  M.  2,40.  IfH  Reimann:  BLU. 
S.  455.]|  —  38)  Otto  Schmid,  Bunte  Bll.  Studien  n.  Skizzen  ans  d.  Reiche  d.  Töne.  (Berichte  n.  Kritiken  aus 
d.  Dresdener  Opernleben.)  Dresden,  N.  Damm.  144  S.  M.  2,00.  |[M.  Selffert:  AMusZg.  S.  616;  Signale  N.  43.)( 
—  39)  X  A.  Lesimple,  Aus  d.  Reiche  d.  Frau  Musika.  V.  Mozart  zu  Mozart.  L,  C.  Reissner.  68  S.  M.  1,00.  —  40)  M. 
Delia,   Reisende   Musikerinnen.    Tagebuchbll.    Wien,  Hartleben.     VIII,  143  S.    M.  2,00.     ([IL  Reimann:   BLU.  S.  455.J|  — 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  13  :  «-51 

stellte  sich  Bock**):  die  Beziehungen  deutscher  Dichter  zur  Musik  darzulegen. 
Der  Vf.  bezeichnet  seine  Schrift  als  einen  „Versuch"  und  erhebt  nicht  den  Anspruch, 
sein  Thema  erschöpft  zu  haben.  Aber  was  er  giebt:  Klopstock,  Wieland,  Lessing, 
Schiller,  Goethe,  Herder,  Jean  Paul,  die  Romantiker,  E.  T.  A.  Hoffmann,  Lenau, 
Heine,  Grillparzer,  ist  eine  sachgemässe  und  sehr  einsichtsvolle  Darstellung  der  mehr 
oder  weniger  intensiven  Beziehungen  dieser  Männer  zur  Musik.  Die  betreffenden 
Aussprüche,  Abschnitte  aus  den  Werken  u.  dgl.  sind  sorgsam  zusammengetragen, 
und  ihre  Behandlung  ist  vom  musikalischen  Standpunkte  aus  tadellos.  —  Eine  auch 
für  den  Musiker  dankenswerte  Studie  giebt  Friedlaender*^)  in  einer  Beilage  zum 
1.  Band  von  L.  Pränkels  öhland- Ausgabe.  Am  interessantesten  ist  das  negative 
Ergebnis,  dass  Beethoven,  Weber  und  Rob,  Franz  keine  Gedichte  von  Uhland 
komponiert  haben.  Die  am  häufigsten  komponierten  Gedichte  sind:  „Frühlingsglaube" 
und  „Ständchen".  — 

Einzelne  musikalische  Formen.  Die  Liederlitteratur  hat  in  dem 
laufenden  Jahr  einen  überaus  reichen  Zuwachs  erfahren.  Vor  allem  durch  die  grosse 
Ausgabe  des  Erkschen  „Liederhorts",  der  umfassenden  Sammlung  deutscher  Volks - 
lieder,  die  der  um  die  Geschichte  des  deutschen  Liedes  verdiente  Böhmens),  der 
Herausgeber  des  altdeutschen  Liederbuches,  besorgt  hat.  Das  Werk  wird  im  nächsten 
Jahrgange  zur  Besprechung  gelangen.  —  Von  der  Thatsache  ausgehend,  dass  Volks- 
liedersammlungen wie  das  Böhmesche  Altdeutsche  Liederbuch  nur  wenigen  zugäng- 
lich sind,  dass  ferner  die  Form,  in  der  hier  die  Volkslieder  geboten  werden,  sie  mehr 
für  wissenschaftlichen  als  für  praktischen  Gebrauch  bestimmt  erscheinen  lässt,  glaubte 
Reimann 44)  einen  Schritt  weiter  thun  zu  müssen,  um  die  altdeutschen  Liederschätze 
dem  singenden  deutschen  Volke  zugänglich  zu  machen.  In  Deutschland  ist  die 
praktische  Musikübung  allgemein  verbreitet.  Der  Konzertsaal,  die  Opern-  und 
Operettenbühne,  ja  leider  auch  das  Cafe  chantant  und  das  Specialitäten-Theater  sind 
heutzutage  die  Quellen,  aus  denen  das  Volk  —  in  grossen  wie  in  kleinen  Städten  — 
seinen  Bedarf  an  „Volksmelodien"  bezieht.  Die  alten  herrlichen  Liederschätze  des 
deutschen  Volkes  geraten  in  Vergessenheit.  Im  Konzertsaal  spielt  der  Erfolg  die 
Hauptrolle :  man  singt  zumeist  nur,  was  sich  als  Zug-  oder  Da-capo-Nummer  bewährt 
hat.  Daher  das  einförmige  und  klägliche  Konzertprogramm  sehr  vieler  Sängerinnen, 
dem  ein  noch  jammervolleres  Programm  der  Haus-  und  Familienmusik  auf  dem 
Fusse  folgt.  Hier  eine  Remedur  zu  schaffen,  hier  Abwechslung  zu  bieten  und  auf 
die  unergründlichen  Schätze  unseres  deutschen  Liedes  hinzuweisen,  diese  selbst  aber 
in  einer  Form  darzubieten,  die  den  Gesetzen  der  musikalischen  Kunst  in  weitestem 
Umfange  gerecht  wird,  ist  das  Ziel,  welches  die  von  R.  unter  dem  Titel  „Das 
deutsche  Lied"  herausgegebene  Sammlung  zu  erreichen  strebt.  Die  freundliche  Auf- 
nahme der  Liedersammlung  seitens  des  Publikums,  insbesondere  das  Eintreten  der 
Frau  Amalie  Joachim  für  die  Ideen  des  Herausgebers  scheinen,  abgesehen  von  der  Zu- 
stimmung der  Kritik,  Beweis  genug,  dass  R.  keinen  Fehlgriff  gethan  hat.  —  Als 
Gegenstück  zu  den  vier  Bänden  deutscher  Lieder  veröffentlichte  dann  Reimann 45) 
drei  Bände  ausländischer  Volkslieder.  Die  deutschen  Uebersetzungen  hat  zum  grossen 
Teil  der  Herausgeber  selbst  besorgt;  in  allem  übrigen  ist  dieses  Werk  genau  nach 
den  Grundsätzen  des  „Deutschen  Liedes"  angelegt  und  durchgeführt.  —  Das  alte 
deutsche  mehrstimmige  Lied  und  seine  Meister  behandelt  Eitner46)  in  einer  zwar 
etwas  nüchtern  gehaltenen,  aber  mit  reicher  Sachkenntnis  geschriebenen  und  durch 
viele  Musikbeispiele  erläuterten  Abhandlung,  die  eingehende  Beachtung  auch  in  rein 
litterarischen,  d.  h.  nicht  fachmännisch-musikalischen  Kreisen  verdient.  —  Eine  wert- 
volle bibliographische  Arbeit  ist  die  Beilage  zu  Bohns*")  Bericht  über  seine  50  histo- 
rischen Konzerte  in  Breslau.  Die  hier  beschriebenen  Partituren  sind  zum  Teil  Selten- 
heiten ersten  Ranges.  —  Ein  Aufsatz  des  bekannten  Liederforschers  Druffel48) 
giebt  eine  höchst  dankenswerte  Berichtigung  zu  den  Notizen  über  ein  Lied  mit 
Instrumentalbegleitung  aus  dem  14.  Jh.  („Zart  liebste  Frau  in  lieber  acht"),  die  sich 
in  Ambros-Reimanns  Musikgeschichte  (3.  Aufl.  2,  S.  5 18  ff;  s.  o.  N.  15)  befinden.40) 
—  Niederdeutsche  und  niederländische  Volksweisen,  zum  Teil  noch  ganz  unbekannt, 
teilt  Bolte^*^)  in  allbekannter  und  geschätzter  sorgfältiger  Behandlung  mit.^')  —  Zum 


41)  A.  Bock,  Dtsch.  Dichter  in  ihren  Beziehungen  z.  Mnsik.    L.,  Eeissner.    264  S.    M.  4,00.     |[H.  Reimann:  BLU.  S.  4ö5.]| 

—  42)  Max  Friedlaender,  Uhlands  Gedichte  in  d.  Musik.     (=  IV  10:  106;  Bd.  1,  Beil.  5  S.)  |[A.  Heintz:  AMusZg.  S.  644.]| 

—  43)  (II  2:1.)  —  44)  H.  Reimann,  D.  dtsch.  Lied.  E.  Ausw.  ans  d.  Progr.  d.  bist.  Lieder-Abende  d.  Frau  Amalie  Joachim. 
4  Bde.  B.,  Simrock.  4».  360  S.  M.  12,00.  —  45)  id.,  Internat.  Volksliederbuch.  E.  Samml.  ausländ.  Volkslieder.  3  Bde.  ib.  140  S.  M. 9,00. 

—  46)  E.  Eitne  r,  D.  alte  dtsch.  mehrstimm.  Lied  u.  seine  Meister:  MhMusikgesch  25,  S.  149-55, 164-79, 183-204,  207-20.  —  47)  E. 
Bohn,  Bibl.  d.  gedruckten  raehrstimm.  weltl.  dtsch.  Liedes  v.  Anf.  d.  16.  Jh.  bis  ca.  1640.  (—  N.  26,  Beil.)  ([M.  Seiffert: 
AMnsZg.  S.  645.JI  —  48)  P.  Druffel,  D.  „Nachthorn".  E.  Lied  mit  Instrnmental-Begleit.  ans  d.  14.  Jh.:  MasWBl.  S.  617/8, 
6.33/4,  649-50,  6612.  —  49)  X  K.  Erbe,  Loreley.  E.  Samml.  v.  zwei-  u.  dreistimm.  Liedern  u.  Gesängen  verschied.  Inhalts. 
Z.  unterrichtl.  Gebrauche  für  d.  ob.  Klassen  höh.  Mädchensch.  ausgew.,  bearb.  u.  her.  llildbnrghausen,  Gadow  &  Sohn.  212  S. 
M.  0,80.  —  50)  J.  Bolte,  Niederdeutsche  u.  niederländ.  Volksweisen.  (Mit  Musikbeil.):  JbVNiederdSpr.  18,  S.  15  8.  —  51)  X 
K.  A.  Hermann,   Völkerlieder  für  Tierstimm,  gemischte  Chöre.    E.  Samml.  y.  1.50  geistl.  n.  weltl.  rolkstftml.  Kompositionen 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrj^eechichte.    IV.  30 


I  13:52-61  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

ersten  Male  hat  sich  ein  philolog-isch  geschulter  Gelehrter,  Nast^^)^  mit  den  Melodien 
litauischer  Volkslieder  befasst.  Die  litauischen  Dainos  sind  zumeist  von  bestricken- 
dem musikalischem  Reiz.  Schon  Chopins  „Litauisches  Lied"  deutet  darauf  hin;  die 
Proben,  die  ich  in  meinem  „Internationalen  Volksliederbuche"  (s.  o.  N.  45)  gegeben, 
bestätigen  diese  Thatsache.  Die  Untersuchung  beschäftigt  sich  mit  dem  Inhalt,  sodann 
mit  den  Melodien  der  Dainos.  Missglückt  sind  einzig  und  allein  die  Harmoni- 
sierungen des  Volksliedes  auf  S.  23  und  47  ff.  Im  übrigen  ist  die  Arbeit  durchaus 
wertvoll  und  fördernd.     (Vgl.  auch  IV  2.)  — 

Auf  dem  Gebiet  des  geistlichen  Liedes  ist  zunächst  der  grundlegenden 
Arbeit  des  verdienstvollen  Zahn''^)  zu  gedenken,  die  mit  dem  vorliegenden  6.  Bande 
ihren  Abschluss  gefunden  hat.  Das  monumentale  Werk  ist  hinsichtlich  seiner 
litterarisch-musikalischen  Bedeutung  etwa  dem  Erk-Böhmeschen  Liederhort  vergleich- 
bar. Die  rastlose  Arbeit  eines  ganzen  Menschenlebens  liegt  vor  uns,  ein  erhebendes 
Beispiel  deutschen  Gelehrtenfleisses  und  unermüdlicher  Ausdauer.  Ueber  den  Haupt- 
vorzug eines  solchen  Nachschlagewerkes,  die  Zuverlässigkeit  und  Richtigkeit  der 
Angaben  und  Melodieversionen,  kann  nur  der  ein  Urteil  abgeben,  der  das  Werk 
dauernd  benutzt  und  vergleicht.  Ich  bin  längere  Zeit  in  dieser  Lage  gewesen  und 
nur  an  verhältnismässig  wenigen  Stellen  bin  ich  auf  Irrtümer  gestossen,  wozu  ich 
selbstredend  nicht  rechne,  dass  die  Angaben  und  Verzeichnisse  der  Quellen  nicht 
überall  erschöpfend  und  vollständig  sind.  Die  Königliche  Bibliothek  in  Berlin  käme 
z.  B.  sonst  in  den  Verdacht,  an  liturgischen  und  hymnologischen  Schätzen  viel 
weniger  zu  besitzen,  als  es  wirklich  der  Fall  ist.  Der  Schlussband  giebt  ja  auch 
laut  Titel  nur  das  Verzeichnis  der  vom  Vf.  „benutzten"  Gesangbücher.^* ^^j  —  An 
diese  wesentlich  liturgischen  Zwecken  dienende  Liedersammlung  darf  ich  hier 
von  Liliencrons^'')  liturgisch- musikalische  Geschichte  der  evangelischen  Gottes- 
dienste anschliessen,  ein  für  die  Liturgie  wie  für  die  Musikgeschichte  gleich  bedeut- 
sames, mit  eingehendster  Sachkenntnis  abgefasstes  Werk.  Der  Hinweis  darauf,  dass 
Luther  keine  Form  des  liturgischen  Gesanges  in  seiner  Formula  missae  vom  J.  1523 
als  allgemein  verpflichtend  aufstellte,  sondern  den  „Kirchenregimentern  nach  Mass- 
gabe der  lokalen  Gewohnheiten"  freieren  Spielraum  gewährte,  dass  dementsprechend 
von  Anfang  an  zwei  Formen,  die  eine  lateinisch  „für  Stifter  und  Dome",  die  andere 
deutsch  für  kleinere  Stadt-  und  Dorfkirchen  in  Gebrauch  war,  erklärt  die  Wand- 
lungen, die  die  Form  des  evangelischen  Gottesdienstes  im  Laufe  des  16.  und  17.  Jh. 
durchmachte,  und  ihre  Darstellung  bildet  den  Hauptinhalt  dieses  sehr  verdienstlichen 
Werkes.  — 

Gleichzeitig  mit  der  Entwicklung  der  Oper  in  Italien  zu  einer  selbständigen 
Kunstform  entstand  in  London  als  „Erfindung  routinierter  Komödianten"  die  Operette, 
bezugsweise  das  Singspiel,  als  ein  Ünterhaltungsmittel  für  das  schaulustige  Publikum. 
An  bereits  bekannte  und  beliebte,  strophisch  gegliederte  Liedweisen  sich  anschliessend, 
übte  dieses  dem  Inhalt  nach  gar  oft  burlesk-frivole  Singspiel  bereits  gegen  Ende 
des  17.  Jh.  eine  grosse  Zugkraft  in  Deutschland  aus  und  fand  eifrige  Nachahmung. 
Mit  gewohnter  Gründlichkeit  hat  Bolte^^)  die  Entwicklung  dieser  Singspiele  dar- 
gestellt und  durch  einen  Anhang  von  30  Melodien  die  musikalische  Qualität  der 
Stücke  treffend  erläutert.  —  Einen  interessanten  Beitrag  zur  Geschichte  der  ältesten 
deutschen  Oper  giebt  Zelle ^9)  durch  eine  kurze,  mit  Musikbeispielen  reich  versehene 
Abhandlung  über  Joh.  Phil.  Förtsch  (1652—1732),  seines  Zeichens  Arzt,  aber  auch 
Staatsmann,  Sänger,  Dichter  und  Komponist,  zumeist  in  Hamburg,  sodann  in  Gottorp 
und  Eutin.  —  Als  ein  sehr  unmusikalisches  Buch  eines  Vf.  mit  dem  sehr  musika 
lischen  Namen  Joachim 6«)  (Pseudonym?)  muss  ich  die  Schrift  „Von  Rossini  bis 
Mascagni"  bezeichnen.  Nur  derjenige,  dessen  musikhistorische  Kenntnisse  auf  so 
schwachen  Füssen  stehen  (vgl.  das  Urteil  über  J.  Peris  Daphne),  kann  derart  in 
kritiklosem  Enthusiasmus  für  Mascagni  und  Genossen  untergehen.  — 

Einzelne  Musiker  und  Komponisten.  Mit  einem  der  ältesten  und 
zugleich  auch  anmutigsten  Liederspiele,  mit  Adam  de  la  Haies  „Robin  et  Marion", 
beschäftigt  sich  eine  Leipziger  Dissertation  von  Meienreis^*).  Leider  lehnt  sich 
die  Schrift  allzu  stark  an  Coussemakers  Ausgabe  an,  so  dass  von  selbständiger  Arbeit 


u.  Volksliedern  d.  Italiener,  Franzosen,  Spanier;  Russen,  Tschechen,  Serben;  Letten;  Niederländer,  Engländer,  Walliser, 
Schotten,  Iren,  Amerikaner,  Schweden,  Dänen,  Norweger;  Armenier  usw.  L.,  Klinkhardt.  IV,  328  S.  M.  5,00.  —  52)  (15:  301.) 
IIWSKPh.  10,  S.  844;6.]|  —  53)  J.  Zahn,  D.  Melodien  d.  dtsch.  evangel.  Kirchenlieder  nach  den  Quellen  hearb.  6.  (Schlus8-)Bd. 
Gütersloh,  Bertelsmann.  578  S.  M.  15,00.  (Bd.  1-6:  M,  92,00.)  —  54)  X  Ohoralbuch  d.  evangel.  Bradergemeinde.  önadan, 
Unitäts-Bnchh.  VII,  170  S.  M.  1,60.  —  55)  X  K.  Wagner,  Weihnachten.  D.  beliebtesten  Weihnachtslieder  (z.  T.  mit 
Klavierbegl.)  U.  e.  Festspiel.  Für  Schule  n.  Haus  her.  Bielefeld,  Helmich.  24  S.  M.  0,35.  —  56)  X  R-  Barth,  Geistl. 
Volkslieder  für  Sopr.in,  Alt,  Tenor  u  Bass  ges.  Gütersloh,  Bertelsmann.  16  S.  M  0,40.  —  57)  (II  2:46.)  |[R.  Eitner: 
MhMusikgcscb.  25,  S.  156  ]|  —  58)  (III  4:7.)  |[Signale  N.  53.J|  —  59)  F.  Zelle,  J.  Ph.  Förtsch,  3.  Beitr.  z. 
Gesch.  d.  ältesten  dtsch.  Oper.  Progr.  d.  4.  Stadt.  Realschule.  Berlin  (R  Gärtner).  4".  24  S.  —  60)  G.  Joachim, 
V.  Rossini  bis  Mascagni.  E.  Bild  d.  italien.  Oper  im  19.  Jh.  (=  An  d.  Tagesordnung,  Beitrr.  z  Klärung  d.  öffentl.  Meinung. 
Heft  4.)     B,  Lesser.     32  S.     M.  0,50.    —    61)    Th.    Meienreis,   Adam  de  la  Haies    Spiel    „Rohin  et  Marion*-    u.  d.  letzteren 


H.  Reimann,  Musikg-eschichte.  I  13  -.  62-79 

nicht  viel  mehr  als  die  üebertrag'ung'  ins  Deutsche  übrig"  bleibt.  —  Eine  um  so  gründ- 
lichere und  ausführlichere  Studie  über  Johann  Hothby  (g"est.  1487j,  den  Vf.  der 
„Calliopea  leghale",  verdanken  wir  dem  unermüdlichem  Forscher  auf  dem  Gebiet 
mittelalterlicher  Musikgeschichte  Kornmüller  ^^j  jjas  dunkle  Gebiet  der  mittel- 
alterlichen Mensuralmusik  hat  durch  diese  Arbeit  wiederum  eine  neue  Klärung- 
erfahren.  — 

Nicht  minder  verdienstvoll  sind  die  Beiträge  zur  Lebensg-eschichte  Orlando 
di  Lassos  und  seiner  Nachkommen  von  Haberl^^J.  Leider  Hnden  wir  über  das 
zweifelhafte  Geburtsjahr  dieses  Meisters  auch  hier  keine  definitive  Aufklärung-.  — 

Aus  der  Schrift  „Prattica  dimusica"  (1592 — 1622)  des  Lodovico  Zacconi 
teilt  Ch  rysan  d  er^^)  einzelne  Kapitel  in  wohlgelungener  deutscher  üebersetzung- 
mit  erläuternden  Bemerkung-en  mit.  Der  umfassende,  klare  und  vorwärts  strebende 
Geist  dieses  Augustinermönches  tritt  darin  auf  das  lebhafteste  vor  unser  Auge.  Mir 
ist  nur  unklar  geblieben,  weshalb  Ch.  bei  dieser  g-anz  allg-emein  die  gesamte  Musik- 
theorie und  musikalische  Auffassung-  jener  Zeit  behandelnden  Darstiellung-  Zacconi 
als  „Lehrer  des  Kunstg-esang-es"  bezeichnet.  Mich  dünkt,  seine  Bedeutung-  sei  eine  viel 
universellere.  —  Eine  sehr  verdienstliche,  sowohl  die  Eigentümlichkeiten  der  Madri- 
g-alisten  als  die  Hans  Leo  Hasslers  in  äusserst  fesselnder  und  gründlicher  Weise 
darstellende  Abhandlung-  verdanken  wir  Seh  war  tz^^).  — 

Aus  der  Hamburg-er  Ratsbibliothek  wird  ein  kontrapunktisch  recht  interessantes 
„Melos  g-enethliacum"  (Weihnachtsgesang-)  des  Heinrich  Barjphonus  von 
Spitta^^)  mitgeteilt.  —  Unter  dem  Titel  „Cava  11  i  als  dramatischer  Komponist" 
giebt  Goldschmidt^")  einige  Stücke  aus  seinen  Opern,  lediglich  als  Ergänzung- 
zu  Kretzschmars  Abhandlung  über  die  Venezianische  Oper  (vgl.  JBL.  1892  I  9:27). 
Der  Musikdruck  ist  stellenweise  inkorrekt,  und  die  Arbeit  selbst  ohne  weitere  Be- 
deutung.—  Auf  eine  Choralsammlung  des  Jak.  Praetorius  in  einer  Kopenhagener 
Pergamenths.  macht  Bolte^*^),  auf  einen  der  Berliner  Königlichen  Bibliothek  ge- 
hörigen seltenen  Druck  eines  Werkes  („Sacra  Partitura")  von  Ph.  Fr.  Böddecker 
(1651)  Eitner^öj  aufmerksam.  — 

Recht  dürftig  und  lediglich  auf  Stollbrocks  Forschungen  fussend,  ist  die 
biographisch-bibliographische  Studie  über  Georg  und  Gottlieb  Muffat,  die  von 
W' er  ra"*^)  veröffentlichte.  —  Eingehend  und  gründlich  wird  dagegen  über  einen  recht 
unbekannten  Meister,  den  Orgelspieler  und  „Musikgelehrten"  Joh.  Val.  Eckelt 
(1673—1732),  von  Jacobs'i)  gehandelt.— 

Die  allumfassende  Bedeutung,  die  Joh.  Seb.  Bach  als  Passionskomponist 
hat,  mag  es  rechtfertigen,  dass  ich  unter  seinem  Namen  hier  vereinige,  was  über 
Passionsmusiken  überhaupt  —  allerdings  zumeist  mit  Bach  als  Augen-  und 
Zielpunkt  —  geschrieben  worden  ist.  Zunächst  K  ad  es '2)  Buch.  Der  Vf.  giebt 
eine  bibliographische  Darstellung  einer  grossen  Anzahl  Vor-Bachscher  Passions- 
musiken von  Jak.  Obrecht  bis  auf  Schütz  und  als  Beilagen  noch  die  Partituren  der 
Matthaeus-Passion  von  J.  Obrecht,  von  J.  Walther  und  A.  Scandellus.  Die  Arbeit 
ist  verdienstlich,  sicher  aber  nicht  erschöpfend.  —  Ein  Vortrag  Spittas'^j  über  die 
Passionsmusiken  von  Seb.  Bach  und  Heinr.  Schütz  will  nachweisen,  dass  die  Bachsche 
Passion  lediglich  vom  Standpunkt  der  evangelischen  Liturgie,  in  die  sie  unmittelbar 
hineingehöre,  verstanden  und  recht  beurteilt  werden  könne.  —  Gegen  diese  Auffassung 
machte  Reimann '^j  begründete  Bedenken  geltend,  —  Weit  schärfer,  ja  wie  ich 
glaube,  schärfer  als  in  diesem  Falle  nötig  ist,  zog  Ziehn''^)  in  einem  Aufsatze  über 
die  Lukas-Passion  gegen  Spitta  zu  Felde.  An  die  Echtheit  dieser  Passion  glaubt 
wohl  heutzutage  ausser  A.  Dörffel  niemand  mehr.  —  Die  Frage,  ob  der  grosse 
Thomaskantor  ein-  oder  zweimal  in  Kassel  gewesen  sei,  erörtert  Scherer'^),  ohne 
in  dieser  Staatsangelegenheit  zu  einer  definitiven  Entscheidung  zu  gelangen."^) 
—  Ueber  den  Schüler  und  späteren  Nachfolger  J.  S.  Bachs  im  Thomaskantorat, 
Joh.  F.  Doles,  teilt  Eitn er  "^)  eine  den  Eckschen  Leipziger  gelehrten    Tagebüchern 


k 


Stellung  u.  d.  Entwickl.  d.  dratnat.  u  niusikal.  Kunst.  Diss.  Leipzig.  !06  S.  —  62)  U.  Kornmfiller,  J.  Hothby : 
KirchenmusJb.  8,  S.  1-23.  —  63)  F.  Haberl,  Arehival.  Excerpte  über  Orlando  di  Lasbo  u.  stine  Nachkommen:  ib.  S.  61-73. 
—  64)  F.  Chrysander,  L.  Zacconi  als  Lehrer  d.  Kunstgesanges.  2.  T.:  VjsMnsikwissensch.  9,  S.  249-310.  (Forts,  zu  ib.  7, 
S.  337-96.)  —  65)  Kud.  Schwartz,  H.  L.  Ilassler  unter  d.  Einflnss  d.  italien.  Mudrigalisten :  ib.  S.  1-61.  —  66)  Ph.  Spitta, 
E.  Weihnachttgesang  d.  H.  Barj  phonus :  ib.  S.  381-92.  —  67)  Hugo  Goldschni  idt,  Cavalli  als  dramat.  Komponist: 
MhMusikgesch.  25,  8.  45.  —  68)  J.  Holte,  E.  Choralsamml.  d.  J.  Prätorius:  ib  S  37  8.  -  69)  R.  Eitner,  Ph.  F.  Böddecker : 
ib.  S.  116,8  —  70)  E.  T.  Werra,  Georg  u.  Gottl.  Muffat.  Bio-bibliogr.  Studie:  KirchenmusJb.  8,  8.42-52.  -  71)  Ed.  Jacobs, 
D.  Orgelspieler  n.  Musikgelehrte  Joh.  Val.  Eckelt  1673-1732:  VjsMusikwissensch.  9,  S.  311-32.  —  72)  0.  Kade,  D.  ältere 
Passionskoniposition  bis  z.  J.  1631.  Gütersloh,  Bertelsmann.  IV,  346  S.  M.  9,00.  ||LHw.  S.  662/3.]|  —  73)  Ph.  Spitta, 
D.  Passionsnnisiken  v.  J.  S.  Bach  u.  H.  Schutz.  (=:  SGWV.  N.  176.)  Hamburg,  Yerlagsanst  40  S.  M.  0,80.—  74)  H.  Reimann,  Passion 
u.  Liturgie:  BLU.  S.  8014.-  75)B.  Ziehn,  2.  Beitr.  z.  Lnkaspassions-Forschung:  AMusZg.  8.197/8,213  4,237,8,251/2.  —  76)  C 
Scherer,  J.S.Bachs  Aufenthalt  in  Cassel:  MhMusikgesch.  25,  S.  129-33  —  77)X  H.  Riemann,  Analysis  of  J.  S.  Bachs  „Wohl- 
temperiertes Klavier".  Transl.  by  J.S.  Shedlock.  2  Parts.  London.  Augener.  XIX,  168  S.;  210 S.  ä  Sh.  2.  l[WestmR.140,S.700/l.]| — 
78)    R.  Eitner,   J.  F.  Doles:    MhMusikgesch.  25,   S.  125,9.    —    79)    M.  Seiffert,   F.  W.  ßnst:   AMusZg.  S.  371/4,  383,6.  — 

30* 


I  13  :  80-90  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

von  1797  (S.  5  ff.)  entnommene  biographische  Skizze  mit.  —  Auf  Grund  der  Schrift 
von  W.  Hosäus  über  den  Dessauer  Tonkünstler  Fr.  W.  Rust  (1739—96)  schrieb 
Seifferfö)  einen  gutgemeinten  Aufsatz.  — 

Für  sogenannte  „Rem iniscenzen- Jäger"  und  zur  Kenntnis  Haydns  ist 
Reimanns^ö^  Abhandhing  „Zum  Kapitel  von  den  Entlehnungen"  bestimmt.  An- 
knüpfend an  eine  abfällige  Kritik  des  verdienstvollen  Sammlers  kroatischer  Volks- 
lieder F.  S.  Kuhac  in  einer  österreichischen  Zeitschrift,  zeigt  er  an  der  Hand  des 
in  den  4  Bänden  „Juzno  slovjenske  narodne  popievke"  von  dem  letzteren  auf- 
gespeicherten Materials,  dass  Haydn  in  mehreren  seiner  Symphonien  (Es-dur, 
D-dur  u.  a.)  notorisch  kroatische  Volksmelodien  benutzt  hat.  Kuhac  glaubt,  dass 
auch  Beethoven  die  Hauptmotive  seiner  Pastoralsymphonie  kroatischen  Volksliedern 
entlehnt  habe.  Diesen  Beweis  sieht  indessen  der  Vf.  als  noch  nicht  vollständig  ge- 
lungen an.^i)  —  Das  allbekannte  und  allgemein  Haydn  zugeschriebene  Ständchen 
„Liebes  Mädchen  hör'  mir  zu"  weist  Reimann^^-j  ^[g  q[j^q  Fälschung  nach.  Das 
Stück  ist  ursprünglich  ein  „Terzett";  als  Autor  ist  in  einem  Drucke  Anfang  der 
90er  Jahre  des  vorigen  Jh.,  wie  in  mehreren  anderen  späteren  Drucken  Mozart 
genannt.  — 

Damit  gelangen  wir  von  selbst  in  den  Kreis  der  M  ozart-Litteratur,  die  in 
diesem  Jahre  —  es  ist  kein  „Jubeljahr"  —  auffällig  schwach  vertreten  ist.  Aber  sie 
bringt  eine  wertvolle  Publikation:  Engls^^)  „Studien"  und  in  diesen  wiederum 
unter  N.  3  (S.  11)  eine  gründliche  Zurückweisung  der  bereits  früher  an  dieser  Stelle 
(vgl.  JBL.  1892  I  9  :  68)  von  mir  bestrittenen  Hypothese  M.  Friedlaenders.  das  be- 
kannte Mozartsche  „Wiegenliedchen"  sei  unecht.  Wenn  aber  der  Vf.  am  Schlüsse 
Friedlaenders  Entdeckung  darauf  beschränkt,  „dass  das  Gedicht  nicht  von  Claudius, 
sondern  von  F.  W.  Gotter  ist",  so  ist  auch  damit  noch  zu  viel  gesagt.  Bereits  in 
der  Mozart-Ausgabe  ist  Gotter,  allerdings  mit  Fragezeichen,  als  Dichter  angegeben, 
und  mir  selbst  war  Gotters  „Esther"  als  Fundort  des  Textes  lange  vor  der  Fried- 
laenderschen  Publikation  bekannt.  —  Interessante  Mitteilungen  über  die  Prager  Don 
Juan-Partitur  vom  J.  1787  (nicht  das  Autograph,  sondern  eine  für  den  Theatergebrauch 
bestimmte  Kopie)  macht  Bisch  off  ^4).  Das  Exemplar  ist  im  Besitz  der  Frau  Anna 
Willhain  in  Graz.  Es  handelt  sich  danach  um  eine  unter  den  Augen  Mozarts  an- 
gefertigte Originalkopie,  in  welche  die  nachkomponierten  Stücke  eingefügt  sind. 
Das  Original  besitzt  bekanntlich  Frau  Viardot  in  Paris,  nach  deren  Tode  es  in  den 
Besitz  der  Nationalbibliothek  übergehen  soll.  —  Ein  Aufsatz  von  Senffts^^)  über 
Mozarts  Bild  nach  100  J.  ist  im  Geiste  der  „Grenzboten"  gehalten,  die  bekanntlich  das 
„Ende  der  Wagnerei"  im  gleichen  Jahre  mutig  prophezeit  haben.  Mozarts  Musik  zeige 
Leidenschaft,  meint  der  Vf.,  aber  der  Meister  habe  sie  niemals  so  nahe  auf  sich  eindringen 
lassen,  dass  sie  „seinen  Blick  vollständig  ausfüllte".  Die  der  Musik  erreichbaren  Grund- 
linien habe  er  gewahrt.  W^er  so  spricht,  leugnet  jede  künstlerische  Entwicklung.  Mozart 
war  auf  dem  Gebiete  der  Oper  genau  ein  ebenso  grosser  „Rebell"  wie  Wagner.  Sein 
„Figaro"  spottet  in  den  beiden  Finalen,  wie  in  einzelnen  Solo-  und  Ensemblesätzen 
jeder  Regel  der  bis  dahin  zünftigen  Musik.  Leider  giebt  der  Vf.  diese  Thatsache 
selber  zu  und  ahnt  nicht,  dass  er  sich  selbst  damit  das  Urteil  gesprochen  hat. 
Mozarts  Musik  sei  ein  „Lächeln  unter  Thränen"  —  das  klingt  so  sentimental  wie 
eine  Spohrsche  A-dur-Kantilene,  mit  verminderten  Septimenakkorden  garniert;  aber 
das  ist  kein  Mozart,  dessen  G-moll-Symphonie  die  Brust  zerwühlt,  dessen  Don-Juan- 
Finale  die  Welt  erbeben  macht,  dessen  C-dur-Symphonie  der  Triumphgesang  des 
Helden  ist !  —  Zu  einer  Karlsruher  Aufführung  des  Mozartschen  Requiems  dichtete 
Bernays^^)  einen  Prolog,  so  tief  empfunden  und  von  echtester  Mozart-Begeisterung 
getragen,  dass  er  mich  auf  das  tiefste  ergriffen  hat.  „Aus  ewger  Wahrheit"  erblüht 
einzig  auch  „ewge  Schönheit"  —  in  diesen  wenigen  Schlussworten  des  Prologes  liegt 
mehr  Weisheit,  als  in  dicken  Kompendien  über  Mozart  und  weitschweifigen 
Philosophemen  über  das  „Schöne  in    der   Musik"!  — 

Der  Prolog  zur  Beethoven -Feier  unter  dem  Titel  „Beethovens  Haus", 
den  E.  von  Wildenbruch^')  dichtete,  atmet  bei  weitem  nicht  die  klare  und 
reine  poetisch-musikalische  Anschauung  wie  der  ebengenannte  Mozart-Prolog.  ^^'"^'') — 
Unter  dem  geschmacklosen  Titel  „Beethovens  Beichtvater"  behandelt  Kali  seh  er  ^"3 
in    bekannter   Weise    Beziehungen    des    Meisters    zur    Gräfin   Erdödy,    ohne    über 


80)  H.  Reimann,  Z.  Kapiiel  v.  d.  „Entlehnungen":  ib.  S.  506/7,  524;5,  538-40.  -  81)  X  K.  Neumann-Strela,  J.  Haydn. 
(=  m  1:3,  S.  329-30.)  -  82)  H.  Reimann,  E.  „WaBsische"  Liedfälschung:  AMusZg.  S.  467/9.  -  83)  J.  E.  Engl,  Studien 
ober  W.  A.  Mozart.  Salzburg  (H.  Kerber).  23  S.  M.  0,50.  [[AMnsZg.  S.  673.]|  (Sonderabdr.  ans  d.  12.  .TB.  d.  Mozarteums.) 
—  84)  F.  Bischoff,  D.  Prager  „Don  Jnan"-Partitur  v.  1787:  NZMusik.  S.49.  —  85)  A.  v.  Senfft,  Mozarts  Bild  nach  100  J.: 
Grenzb.  1,  S.  289-97,  330,9.  —  86)  M.  Bernays,  Prol.  zu  Mozarts  Requiem.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  1892.  16».  10  S. 
M.  0,10.  -  87)  E.  V.  Wildenbrucb,  Beethovens  Haus.  Prol.  z.  Beethoven-Feier  in  Bonn:  AZgJ'.  N.  108. —  88)  X  L.  Nohl, 
Life  of  Beethoven.  Transl. by  J.  I.  Salor.  2.  ed.  London,  Reewes.  Sh.  3/6.  —  89)  X  H.  Riemann,  Beethoven  als  Klavierp&d.: 
MnsWBl.S.  541/2,  553/4,569-70,581,2.  —  90)  A.  C.  Kali  seh  er,  Beethovens  Beichtvater :  KZMnsik.  S.  365/7,373/4,381/2,389-90,397/8, 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  13  :  oi-ioe 

die  Hauptsache,  den  Grund  ihrer  Verbannung,  zu  einem  Resultate  zu  ge- 
langen. Was  er  vorbringt,  beruht  im  wesentlichen  auf  Notizen  Schindlers,  also 
auf  unzuverlässigen  Quellen. —  Ein  anderer,  etwas  besserer  Aufsatz  Kalischers-'*) 

—  nicht  ganz  so  pikant  —  betrifft  die  Besuche  zweier  berühmter  Sängerinnen, 
Gertrud  Schmehling  ^^^  (La  Mara)  und  Henriette  Sontag,  bei  Beethoven.  Die 
der  Kgl.  Bibliothek  gehörenden  Konversationshefte  Beethovens  gaben  hierzu  das 
Material.  —  Mit  grosser  Umständlichkeit  und  unter  ausgedehntester  Verwertung  des 
Inhaltes  der  Beethovenschen  Skizzenbücher  unternimmt  Levinsohn^^)  gegen  Notte- 
bohm  und  Thayer  den  Beweis,  dass  die  erste,  sogenannte  kleine  Leonoren-Ouverture 
(in  C-dur)  nicht  erst  nach  der  grossen  dritten  komponiert  sei,  sondern  die  Reihenfolge 
der  Numerierung  dieser  drei  Ouvertüren  auch  der  chronologischen  Kompositions- 
folge entspreche.  Nottebohais  Ansicht  fusste  auf  der  in  den  Skizzenbüchern  vor- 
gefundenen Reihenfolge,  wogegen  L.  geltend  macht,  dass  die  Unordnung  in  den 
Skizzenbüchern  zu  sicheren,  chronologischen  Schlüssen  keinen  Anhalt  geben  könne. 

—  Als  Kuriosum  sei  eine  —  ernst  gemeinte  —  Mitteilung  eines  Herrn  L.  Austerlitz 
erwähnt,  die  Kopf  er  mann***)  bekannt  giebt:  Cherubinis  Wasserträger  sei  von 
Beethoven  komponiert!  — 

Ueber  Fälschungen  in  Schuberts  Liedern  spricht  M.  Friedlaender^^), 
ohne  jedoch  zu  bedenken,  dass  man  doch  wohl  vorher  die  prinzipielle  Frage  er- 
ledigen müsse,  ob  nicht  gewisse  von  dem  Schubertsänger  Vogl  herrührende 
Aenderungen  dem  Sinne  des  sehr  schnell  und  flüchtig  arbeitenden  Meisters  entsprachen 
und  mit  seiner  Einwilligung  in  spätere  Drucke  aufgenommen  wurden.  Jedenfalls 
halte  ich  es  mit  der  S.  170  mitgeteilten  Meinung  dreier  ,,der  angesehensten  und  be- 
kanntesten deutschen  Musiker",  welche  die  alten  Voglschen  Lesarten  den  wieder- 
hergestellten (F.schen)  vorzogen.  —  Eine  berichtigende  Notiz  Friedlaenders  in  diesem 
Aufsatz  (S.  182),  die  als  Komponisten  des  gemeiniglich  Schubert  zugeschriebenen 
Liedes  „Nach  Osten  geht,  nach  Osten  der  Erde  stiller  Flug"  A.  H.  von  Weyrauch 
nennt,  benutzt  ein  Anonymus  ^^)  zu  einem  Aufsatz,  ohne  seine  Quelle  zu  nennen. 
ImUebrigen  hatNottebohms  Schubertkatalog  das  Lied  nicht,  und  Challiers  Liederkatalog 
rechnet  es  richtig  Weyrauch  zu.    Daher  stammt  vermutlich  auch  Friedlaenders  Notiz.  — 

Mosch eles  Verkehr  mit  Beethoven  betrifft  ein  Aufsatz  von  Kalischer^'), 
der  auch  hier  wieder  die  Konversationshefte  Beethovens  als  Quelle  benutzt.  — 

Briefe  von  R ob.  Schumann  veröffentlichten  C.  F.  Müller ^** j  und 
S  c  h  1  e  1 1  e  r  e  r  ^'•') ;  die  letzteren,  an  L.  Spohr  gerichtet,  sind  die  weitaus  bedeutenderen.  — 

Recht  bemerkenswerte  Aufsätze  von  K.F.Zelter  veröffentlichte  M.  Fried- 
laender  10*^).  Sie  enthalten  Berichte  an  Friedrich  Wilhelm  IIL,  beziehungsweise  an 
den  Kurator  der  Akademie  der  Künste,  Freiherrn  von  Hardenberg,  Vorschläge  zur 
Hebung  der  Musik,  betreffen  persönliche  Verhältnisse  Zelters,  handeln  über  Fasch 
und  die  Singakademie  und  bringen  schliesslich  Entwürfe  zur  Reform  der  Singakademie 
und  zur  Hebung  des  Kirchengesanges.  — 

Mendelssohns  Antigene -Musik  in  ihrem  Verhältnis  zur  griechischen 
Tragödie  behandelt  eine  umfangreiche  Leipziger  Dissertation  von  Little'*^*).  Da  eine 
absolute  Wiederherstellung  des  alten  griechischen  Dramas  unmöglich,  auch  Wagners 
Musikdrama  zu  sehr  verschieden  von  jenem  ist,  so  ist  Mendelssohns  Methode,  etwas 
dem  antiken  Drama  Nahekommendes  zu  bieten,  der  beste  Ausweg.  Der  alte  Effekt 
ist  von  Mendelssohn  mit  modernen  Mitteln  erreicht:  das  Wort  herrscht  vor,  die 
musikalischen  Rhythmen  sind  dem  antiken  Vorbild  entsprechend  gewählt,  und  so  er- 
neuert sich  hier  der  antike  Geist,  soweit  das  möglich  ist.  Ja,  wer  solchen  Berge  ver- 
setzenden Glauben  an  Mendelssohn  hat,  dem  mag  das  alles  so  scheinen!  Ich  fürchte  nur, 
dass   gar  viele  von  dem   antiken  Drama  zu  hoch    und  ideal   denken,    um   sich  für 

das  Mendelssohnsche  blassgefärbte  Surrogat  so  recht  warm  interessieren  zu 
können.  102- 104)  _ 

Einen  kurzen,  gutgeschriebenen  Lebensabriss  von  Bernhard  Klein  mit 
Mitteilungen  aus  dem  Kleinschen  Nachlass,  den  die  Kgl.  Bibliothek  besitzt,  giebt 
Krebs  105).  Seltsam  berührt  nur,  dass  die  bekannteste  und  beliebteste  Komposition 
Kleins  dem  Vf.  unbekannt  zu  sein  scheint,  der  Psalm   „Der  Herr  ist  mein  Hirf'.ioö)  — 

405/6.—  91)  id.,  AnsBeethovensFrauenkreise:  WUDM. 74,  S.  822-44.  —  92)  X  C.  Scherer,  Gertrud  Elisabeth  Schmeling  u.  ihre  Be- 
ziehungen zu  B.  E.  Raspe  u.  C.  Matthaei:  VjsMnsikwissensch.  9,  S.  99-127.  —  93)  A.  Levinsohn,  D.  Entstehungszeit  d. 
Ouvertüre  zu  Leonore  N.  1  (Op.  138):  ib.  S.  128-65.  —  94)  A.  Kopferraann,  Beethovens  „Wasserträger":  AMusZg.  S.  110/1. 

—  95)Max  Friedlaender,  Fälschungen  in  Schuberts  Liedern:  VjsMusikwissensch.  9,  S.  166-85.—  96)  D.  Dichterkomponist 
e.  gemeinhin  Schubert  zugeschriebenen  Liedes:  MontagsK.  N.  51.  —  97 1  A.  Ch.  Kali  scher,  L  Moscheies  Verkehr  mit  Beethoven: 
VossZgB.  N.  15  6.  —  98)  C.  F r.  M ü  1 1  e  r ,  Schumann-Briefe :  MnsWBl.  S.  205,6, 221;2, 233,4, 249-50, 2612.  —  99)G.M.  Schletterer, 
Schumannbriefe  an  Spohr :  NZMusik.  S.  74/5, 85  6.  —  100)MaxFriedlaencier, Einige  Aufsätze  v.  K.  F.  Zelter :  VossZg«.  N.  26/8.  — 
101)  A.  M.  Little,  Mendelssohns  music  to  the  Antigene  of  Sophocles.  Washington,  Gidson  Brothers.  91  S.  —  102)  X  Bertha 
Schroeder,  0.  Nicolais  Tagebücher  (vgl.  JBL.  1892  1  9:90).  [[AMusZg.  S.  350;  H.  Reimann:  BLU.  S.  135.]I  —  103)  X  ?• 
V.  Flotow  u.  0.  Nicolai  (Tagebuch  u.  Leben):  Grenzb.  2,  S.  363-71.  (Vgl.  JBL.  1892  I  9  :  94  u.  s.  o.  N.  102.)  —  104)  X  C. 
Krebs,  0.  Nicolai  in  Italien:  VossZgB.  n.  356.  _  105)  id.,  Bernh.  Klein:  ib.  N.  10/1.  —  106)  X  0.  Löning,  H.  Berlioz. 
E.   Pionier   d.   Tonkunst.    (=  81.  Njbl.    d.   allg.   Musikges.    in  Zürich.)     Zürich,   Faesi  &  Beer.    26  S.    Mit  Bild.    M.  3,20.  -^ 


I  13  :  107-123  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

"Wie  alljährh'ch,  ist  auch  diesmal  die  Wag-ner-Litteratur  am  reichsten  ver- 
treten. Die  Mitteilung  von  dreizehn  Briefen  Wagners,  die  an  A.  Apt,  den  Direktor 
des  Prager  Cäcilien -Vereins  und  begeisterten  Vorkämpfer  für  die  neue  Kunst, 
gerichtet  sind,  verdanken  wir  Batka'O'?).  Die  Briefe  stammen  aus  den  J.  1^53— 61. '"^"'"j 
—  Das  grösste  Aufsehen  hat  in  Wagnerkreisen  Chamberlains  "^j  vernichtende 
Kritik  des  Praegerschen  Buches  „Wagner  wie  ich  ihn  kannte"  fvgl.  JBL.  1892  I  9  :  95/6) 
gemacht.  Und  in  der  That,  die  Beweise,  die  Ch.  anführt,  dass  die  in* dem  Werke 
mitgeteilten  Wagnerschen  Briefe  keine  Originalbriefe  seien,  sind  zwingend.  Nur 
möchte  ich  betonen,  dass  wie  das  Beispiel  des  (Deutsche  Ausgabe  S.  273)  mitgeteilten 
Briefes  an  Fischer  (vgl.  Wagners  Briefe  an  Uhlig  usw.  S.  330/1)  ergiebt.  Praeger 
offenbar  die  ihm  zur  Verfügung  stehenden  Briefe  ins  Englische  hat  übersetzen  lassen. 
Die  deutschen  Originale  scheinen  aus  seinen  Händen  gekommen  zu  sein,  und  er 
beging  die  Thorheit,  sie  zurück  zu  übersetzen.  Der  Inhalt  kann  demnach  sehr  wohl 
echt  sein,  der  Text  ist  es  sicher  nicht.  Aber  auch  für  diese  Manipulation  ist  die 
Bezeichnung  „Fälschung"  nicht  zu  stark.  Ebenso  unhaltbar  ist  Praegers  Darstellung 
der  Beteiligung  Wagners  am  Dresdener  Maiaufstand.  Die  komische  Verwechslung 
des  Dresdener  Kapellmeisters  mit  einem  Konditor  Woldemar  Wagner  gab  Anlass  zu 
der  auch  von  Praeger  verbreiteten  Mär,  Wagner  sei  zum  Tode  verurteilt  worden. 
Ch.  benutzt  hier  gegen  Praeger  das  von  Dinger  aktenmässig  festgestellte  Material. 
Das  Treiben  Praegers  wird  kein  Mensch  billigen;  immerhin  hat  ihn  Wagner  ,,eine 
gute  Seele"  genannt,  und  ich  vermag  dieser  Bezeichnung  nicht  den  hässlich-ironischen 
Beigeschmack  zu  geben,  wie  der  Vf.  Dass  er  redlich  und  nach  Kräften  für  Wagners 
Sache  gekämpft  hat,  steht  über  allem  Zweifel,  nicht  minder,  dass  er  durch  die  eingehende 
Darstellung  des  Londoner  Aufenthalts  einen  Baustein  zur  Wagnerbiographie  bei- 
getragen hat.  Im  übrigen  ist  er  offenbar  durch  den  Druck  unbekannter  Verhältnisse 
auf  unrechte  Wege  gelangt  und  hat  Briefe  und  damit  Geschichte  gefälscht.  — 

Beiträge  zur  Lebensgeschichte  der  Mutter  und  des  Stiefvaters  Wagners 
giebt  Heintzi'3)  in  seiner  gewohnten  pietätvollen  Art,  während  Lessmann  "*)  das 
ideale  Verhältnis  Ludwigs  IL  von  Bayern  zu  dem  Meister  auf  Grund  neuerdings 
bekannt  gewordener  Briefe  darstellen  will.  ^'^"*''')  — 

Von  den  allgemein  gehaltenen  theoretischen  Schriften  über  seine  Werke 
sei  in  erster  Reihe  das  französische  Werk  von  Ernst  ^^O')  genannt,  dessen  erster 
Teil  Wagners  dichterische  Thätigkeit  behandelt.  Klarheit  des  Urteils  und  durch- 
dringendes Verständnis  bilden  die  Hauptvorzüge  dieses  bedeutsamen  Buches.  Der 
zu  erwartende  zweite  Band  soll  „L'oeuvre  musical"  behandeln.  —  Hier  sei  übrigens 
noch  nachgetragen  Saint- Anbaus ^2t~)  ^^Pelerinage  ä  Bayreuth"  mit  dem  bezeichnen- 
den Anfange:  „Si  j'aime  Wagner  aujourd'hui,  ce  n'est  vraiment  pas  ma  faute;  j'ai 
fait  tout  mon  possible  pour  ne  pas  Faimer".  Und  der  Gesamteindruck  von  Bayreuth? 
„Vous  entrerez  en  souriant,  vous  ferez  comme  mon  sceptique:  en  sortant,  vous  serez 
serieux.  Car  il  est  bien  possible  que  cela  ne  vous  plaise  pas;  mais  cela  vous  semblera 
grand".  Mit  diesem  Urteil  eines  französischen  Feuilletonisten  wird  jeder  zufrieden 
sein  können.  —  In  einer  Abhandlung  über  Wagner  und  die  Politik  sucht  Chamber- 
laini22)  (Jen  Satz  zu  beweisen:  „Die  eigentliche  Zeitpolitik  blieb  von  Wagner  gänz- 
lich unberührt"  (?);  nur  an  jenem  einen  Abend,  wo  er  im  Dresdener  Vaterlands  ver- 
ein den  König  „den  ersten  und  allerechtesten  Republikaner"  nannte,  „griff  er  in  den 
Gang  der  Politik  ein".  Sein  Problem  „von  der  Wiedergeburt  der  menschlichen  Gesell- 
schaft" habe  Wagner  nicht  als  eine  politische,  sondern  social-religiöse  (?)  Frage  an- 
gesehen. —  Wenig  bedeutet  Harzen-Müllers'^Sj  Auseinandersetzung  über  Wagners 
Beziehungen  zu  den  bildenden  Künsten.  Ganz  äusserlich  werden  Urteile  Wagners 
über  Malerei  usw.  aneinandergereiht  und  schliesslich  wird  über  Wagner  und  seine 
Kunstgestalten  in  den  Darstellungen  verschiedener  Maler  und  Bildhauer  gehandelt.  — 
Eine  recht  gute  Ergänzungen  enthaltende  Kritik  des  im  Berichtsjahre  noch  wieder- 


107)  R.  BatVa  E.  WsiRners  Briefe  an  A.  ApI :  AMusZg.  N.  28-?3.  —  lC8l  X  ^-  Wagner,  Briefe,  a)  An  d.  Mitglieder  d. 
Müncliencr  Hofkapelle  nach  d.  1.  Tristan- Aufführung;  h)  an  H.  Lovi  vor  d  1.  Anffübrnng  d.  Walltüre  in  Münclien:  MusWBl. 
S.  531/2.  -  109)  X  id,  Briefe  an  d.  Fürsten  Metternidi  über  d  rariser  Tiuiniiänser-Aufführnngen  am  13..  18.,  24.  März  1861: 
ib.  N  42.  —  HO)  X  iä-  Art-worlfs  of  tiie  future.  Transl.  l.y  W.  A.  Ellis.  Lnndnn,  Kejr.in  Paul.  Sh  12  6  -  Hl)  X  iä-, 
l!fcilii>ven,  wi<h  a  Snpplemert  from  S(hopen>^auer  2.  ed.  London,  Beowes.  Sh.  6.  —  112)  X  "■  ^t-  Cham  berlain: 
BayreulliBIl.  16,  S.  201  40;  0.  Bie:  AMusZg.  S.  420/2;  H.  Kretzschmar:  VjsMusikwissensch.  9,  S.  447.  -  113)  A.  Heintz, 
R.  Wagners  Miilter  u.  sein  Stiefvater  Ludw.  Geyer:  AMusZg.  S.  73.5.  —  114)  0.  Lessniann,  König  Ludwig  II.  v.  B.ayern 
u.  R.  Wagner:  ib.  S.  1402  -  115)  X  K^m.  I'azy,  Lnuis  II.  et  R.  WMgncr  Paris.  Pervin  et  Cie.  16».  222  S.  |[WestmR.  140, 
S.  222  ]l  -  116)  X  W.  Asbton  Ellis,  K.  Wagners  pros.  S-ihviften.  E.  Vorw.  (■/..  2.  Bde.  d.  engl.  Uebersetzung  d.  Werke 
Wagners):  ÜayrenthBll.  16,  S.  159  67.  -  117'  X  H.  T.  Kinck,  Wa?ner  and  bis  works  Critical  cnrament.  2  vol.  London, 
Orc.vol,  Sh.  21.  —  US)  X  H.  E.  Krehbiel,  Studies  in  the  Wagnorian  drauia.  New  ed  London,  Osgood.  Sh.  2/6.  — 
119)  X  ö  Nnufflard,  R,  Wagner  d'aprfes  lui  meme.  P.  II:  L'elabora'ii'n  du  grai  d  teure  d'art.  Paris,  Fischbacher.  16». 
324  S.  Fr.  3.5".  |[0.  Bie:  AMusZg.  S  376.]1  -  120)  A.  Ernst,  1/art  de  R.  Wagner.  P.  I:  L'cenvre  po6tiqne.  Paris,  Plön, 
Nourrit  et  Cie.  IV,  550  S.  Fr.  3  50.  |  0.  Bie:  AMusZg.  S.  3W";  H  v.  Wolzogen:  BayreutbBU.  16,  N.  7  (Uraschlag).]|  —121)  E. 
de  Saint-Auban,  Un  pelerinage  ä  Bayreuth.  2.  ed.  Paris,  Savine.  189.'.  3.S8  S.  —  122)  H.  St.  Cham  bar  lain,  R. 
Wagner  u.  d.  Politik:  BayreuIhBlL  16,  S.  137-58.—  123)   V.  A.  N.  H  arzen-M  üller,  K.Wagners  Beziehungen  zu  d.  bildenden 


H.  R  ei  mann,  Musikg-eschichte.  I  13  :  t24-ui 

holt  besprochenen  Chamberlainschen  Aufsatzes  über  das  Drama  Wag-ners  (vgl. 
JBL.  1892  I  9:99)  giebt  Louis.i^*)  _  Wag-ner  als  den  durch  die  Entwicklung  der 
Romantik  bedingten  Künstler  feierte  Kohl  er  ^^s^  bei  Gelegenheit  der  zehnten  Wieder- 
kehr des  Todestages.  Der  gebildete  Musiker  wird  Sätze  wie  S.  9:  „Chopin  siecht 
bald  ermattet  dahin",  S.  10:  „Melodiemusik  ist  niederen  Ranges;  Motivenmusik  ist 
allein  fähig"  oder  S.  5  „Romantik  steht  höher  als  Klassizität"  als  recht  unmusikalische 
Aeusserungen  eines  sehr  geistreichen  Mannes  mit  Protest  zurückweisen.  —  Wie  anders 
wirkt  der  Vortrag  des  Franzosen  Ehrhard^^S)  über  die  Bühnenfestspiele  von  1892! 
Die  Franzosen  geben  sich  vorurteilslos  dem  Wagnerschen  Kunstwerk  hin;  sie  suchen 
nicht,  darum  finden  sie !  Die  Deutschen  suchen  und  verlangen  jeder  sein  eigenes 
Ich  mit  allen  Fehlern  und  Vorzügen  in  Wagner  zu  finden.  Und  je  nachdem  ihnen 
ihre  Absicht  glückt  oder  missglückt,  loben  oder  tadeln  sie.  — 

Mit  der  Geschichte  und  Analyse  einzelner  Werke  Wagners 
beschäftigt  sich  eine  Reihe  von  Schriften.  Zunächst  Neitzels'^?)  Führer  durch 
sämtliche  Wagnersche  Bühnenwerke  von  Rienzi  ab.  Wir  würden  unbedenklich 
diesem  Werke  den  Preis  unter  allen  Büchern  ähnlicher  Tendenz  zuerteilen,  wenn  der 
Vf.  nicht  von  dem  seltsamen  Wahn  befangen  wäre,  Wagner  habe  die  Kunst  des 
Instrumentierens  nicht  recht  verstanden  und  der  Bühnenwirksamkeit  seiner  Dramen 
müsse  durch  herzhafte  Striche  aufgeholfen  werden.  Eine  solche  Verquickung 
gesunder  und  verkehrter,  um  nicht  zu  sagen  krankhafter  Anschauung  ist  mir  kaum 
je  vorgekommen.  —  In  musikalischer  Hinsicht  mangelhaft,  aber  litterarisch  recht 
brauchbar  und  vortrefflich  geschrieben  ist  Chops^^s-)  „Vademecum".  —  Zum 
50jährigen  Bühnenjubiläum  des  „Fliegenden  Holländers"  wies  Heintz^^oj  g^^f  ^[q 
ersten  Anregungen  hin,  die  Wagner  zu  diesem  Werk  erhielt:  auf  Heines  „Memoiren 
des  Herrn  von  Schnabelewobsky"  und  die  Berichte  über  Wagners  Seefahrt  in  den 
nordischen  Scheren.  Die  Holländersage  war  „das  erste  Volksgedicht",  das  ihm  „ins 
Herz  drang".  —  Von  Naubert'^")  erfahren  wir  auf  Grund  einer  Stammbuch- 
eintragung Wagners,  die  sich  im  Besitze  der  Frau  Lydia  Stechl  in  Plagwitz  befindet, 
dass  Wagner  die  Absicht  gehabt  haben  soll,  den  in  Herzog  Gottfried,  den  Bruder 
Elsas,  zurückverwandelten  Lohengrin-Schwan  ein  ähnliches  „Schwanenlied"  wie  seinen 
Helden  singen  zulassen:  „Leb'  wohl,  du  wilde  Wasserflut,  die  mich  soweit  getragen 
hat,    —   Leb'  wohl  du  Welle  blank  und  rein,   durch  die  mein  weiss  Gefieder  glitt!" 

—  Ein  ganz  vorzüglich  gearbeitetes  französisches  Textbuch  zum  „Ijohengrin"  hat 
Siraond'31)  verfasst.  —  Anknüpfend  an  die  Darstellung  der  Ortrud  durch  die 
Sängerin  Charlotte  Huhn  versucht  Schubring^^-)  glaubhaft  zu  machen,  Ortrud  sei 
ein  „politisches  Weib" !  Wenn  die  frühere  Kölner  Sängerin  die  Ortrud  so  und  nicht 
vielmehr  in  erster  Linie  als  dämonische  Zauberin  aufgefasst  hat,  dann  hat  sie  —  und 
mit  ihr  auch  Seh.  —  Unrecht.  —  Mit  ermüdender  Breite  und  Weitschweifigkeit 
behandelt  SeidP^^)  den  Stoff  der  Meistersinger  in  seiner  Parallelbeziehung  zu  dem 
Kunstschaffen  Wagners.    Worte.  Worte!  aber  kaum  ein  neuer  brauchbarer  Gedanke ! 

—  Der  arme  König  Marke  im  Tristan  kann  ebensowenig  wie  Hans  Sachs,  der  Meister- 
singer, zu  Ruhe  kommen.  Als  Wlrthscher  Greis,  ^als  Goltherscher  Asket  ist  er 
bereits  vor  unseren  Blick  getreten.  Schlösser  i^*)  macht  ihn  zum  braven  Bieder- 
mann. Ob  wohl  einer  der  Streitenden  Recht  hat?  Warum  verfällt  denn  keiner  auf 
das  Natürliche,  Nächstliegende?^35^  —  Einen  treuen  und  zuverlässigen  Wegweiser 
durch  den  Ring  des  Nibelungen  verfasste  in  seiner  bekannten,  schlichten  aber  Vertrauen  er- 
weckenden WeiseHeintz'36).  —  Die„Walküre"erläutertnachSagenstoff  und  motivischem 
Gehalt  vortrefflich  Kufferath^ä""'^^).  —  Der  Beitrag  von  Poschingers '3**)  zur 
Geschichte  des  Bayreuther  Theaters  bietet  in  den  Verhandlungen  des  Bürgermeisters 
von  Baden-Baden  mit  Wagner  das  Interessanteste.  Wagner  lehnte  Baden-Baden  ab, 
weil  er  sein  Festspielhaus  nicht  ausserhalb  Bayerns  erbauen  wollte '4").  —  Ein  anonymer 
Aufsatz^^i)  richtet  sich  gegen  das  Attentat  H.  Ehrlichs  auf  Liszts  zweite  ungarische 
Rhapsodie  (s.  o.  N.  35)  und  zugleich   gegen  A.  Moszkowskis  apologetischen  Artikel 


Künsten:  MusWBl.  N.  22-30.  -  124)  X  K.  Louis:  BayrentliBIl.  16,  S.  349-56;  H.  Reimann:  BLU.  S.  236;  F.  Bosse:  NZMusilr. 
S.  86-97.  —  125)  J.  Kohl  er,  Z.  CharaVteristlk  R.  Wapfners  Mannheim,  Bensheiraer.  16  S.  M.  0,80.  —  126)  A.  Ehrhard, 
R.  Wagner  d'apres  des  oeuvres  Jones  ä.  Bayreuth  en  1892.  Clermont-Ferrand,  G.  Mont-Louis.  55  S.  —  127)  0.  Neitzel, 
Führer  durch  d.  Oper  d.  Theaters  d.  Ge?enw..  Text,  Musilc  u  Scene  erläuternd.  Bd  I.  Dtsch.  Opern.  Abt.  3.  L.,  Liebesicind. 
III,  332  S.  M.  4,00.  IfSignale  N  42.J!  --  128)  Max  Chop  [M.  Charles],  Führer  durch  R.  Wagners  Tondraraen  (mit  über 
400  Notenbeisp.).  L.,  Rossberg.  494  S.  M.  8,00.  |fK.  Söhlo:  Kw.  6,  S.  326  I|  —  129)  A.  Heintz,  Z.  .50.  Jahrestage  d. 
1.  Aufführung  des  „Fliegenden  Holländers"  v.  R.  Wagner:  AMusZg.  S.  2;3,  179.  —  130)  A.  Nauhert,  E.  bisher  nngedrucktes 
Stücltchen  „Lohengrin":  ib.  S.  72/3.  —  131)  Ch.  Siraond,  Wagner,  Lohengrin,  Paris,  Gautier.  130  S.  Fr.  0,10.  (Textbuch.) 
-132)P.  Schubr in g,  Ortrud.  Epsychol.  Versuch :MusWBl.S.  109-10. 125,6, 141/2,173/4.  -133)  A. Sei dI,D. Kunstlehre  d.Meister- 
singer.  E.  Yortr.:  Bayreuth Bll.  16,  S.  362-92.  -  134)  R.  Schlösser,  König  Marke:  ib.  S.  23/9.  —  135)  X  G-  Kobbe,  How  to 
understand  Wagners  „King  of  the  Nibelung".  London,  Reewes.  16».  Sh  3  6.  —  136)  A.  Heintz,  Wegweiser  durch  d.  Motiren- 
welt  d.  Musik  zu  R.  Wagners  „Nibelungenring" :  AMusZg.  N.  11-35.  — 137)  X  M.  Kufferath.  La  Walkyrie.  Paris,  Fischbacher. 
150  S.  Fr.  2,50.  |[0.  Bie:  AMusZg.  S  376.]|  —  138)  X  E  de  Morsier,  Parsifal  de  R.  Wagner  ou  l'idee  de  la  rederaption. 
ib.  16».  91  S.  ifNedSpect.  S.  246.]|  —  139)  H.  v.  Poschinger,  Z.  Gesch.  d.  R.  W.agner-Theaters:  NFPr.  N.  10221.  —  140  X 
R.  Frhr.  v.  Lichtenberg,    Olympia  u.  Bayreuth:    BayreuthBll.  16,    S.  358  9.    —    141)    War   Liszt    e.  Plagiator?:    NZMusik. 


I  13  :  142-167  H.  Reiraann,  Musikgeschichte. 

im  BeiiTBL  (18.  Febr.).  Der  Vf.  nennt  den  letzteren  sehr  zutreffend  eine  „Klügelei, 
die  es  mit  niemandem  verderben  will".  Ueber  Ehrlich  urteilt  er  so:  „Dass  Herr 
Ehrlich  bei  Liszts  Lebzeiten  schwieg  und  erst  nach  dessen  Tode  mit  der  dis- 
qualifizierenden Anklage  auftritt, ...  ist  ein  eklatanter  Beweis  dafür,  dass  seine  Anklage 
entweder  vollkommen  aus  der  Luft  gegriffen  ist, . . .  oder  aber  eine  Vorgeschichte  hat, 
welche  H.  Ehrlich  während  Liszts  Lebzeiten  zu  berühren  nicht  für  geraten  fand". 
Diese  Vermutung  scheint  mir  den  Nagel  auf  den  Kopf  zu  treffen. '^^-^^sj  — 

Einige  Arbeitmi  über  Peter  Cornelius,  den  genialen  Komponisten  des 
„Barbier  von  Bagdad",  seien  hier  nur  angeführt^^*"'46j  —  Einem  durchaus  edlen  und 
verdienten,  aber  nur  in  einem  kleinen  Kreise  bekannten  und  viel  zu  früh  ver- 
gessenen Tonmeister,  Ferd.  Möhring,  hat  Möbis'^'')  ein  wohlverdientes  Denkmal 
gesetzt.  —  Dem  1893  verstorbenen  Gounod  widmet  Lessmann^^^)  einen  würdigen 
Nachruf,  während  Dietz^^^)  vergeblich  sich  abmüht,  die  Verballhornung  des 
Goetheschen  Faust  zur  Gounodschen  Margarethe  zu  rechtfertigen.  — 

Auch  der  in  deutscher  Schule  gebildete  Peter  Tschaikowski,  dem 
Lessmann  15")  einen  Nekrolog  widmete,  gehört  mit  Rob.  Franz,  dem  Lieder- 
sänger, zu  den  Toten  dieses  Jahres.  Von  den  zahlreichen  Nekrologen  auf  den 
Letzteren  heben  wir  den  von  Seidl'^^)  hervor,  weil  er  persönliche  Erlebnisse 
berichtet  und  briefliche  Mitteilungen  enthält.  —  Etwas  skeptisch  muss  man  sich  den 
„Erinnerungen"  A.  Rubinsteins  gegenüber  verhalten.  Der  Redakteur  der  „Ruskaja 
Starina"  hat  sie  ihm  abgefragt,  Rubinstein  hat  die  Veröffentlichung  in  dieser  Revue 
gestattet,  und  Kretschinann^^^j  hat  sie  nun  ins  Deutsche  übersetzt.  Siegeben  nach 
Art  biographischer  Anekdotenarbeit  Einzelzüge  aus  dem  Leben  des  genialen  Mannes 
in  mitunter  sehr  drastischer,  echt  russischer  Darstellung.  — 

Eine  sachgemässe  Antikritik  gegen  die  Lobpreisungen  überCyrill  Kistlers 
Musikdrama  „Kunihild"  liefert  Bauer  ^53-154^  _  e.  Chabriers  „Gwendoline" 
analysiert  nach  ihrem  motivischen  Gehalt  Sand  berger  i^^"^^'').  —  Aus  einer  Sammlung 
Biographien  schweizerischer  Tonkünstler  160-164^  hebe  ich  die  Arbeit 
von  Niggli  ^^s^  über  Th.  Kirchner,  den  Nachfolger  und  treuen  Gesinnungs- 
genossen Schumanns  als  den  bedeutendsten  und  allgemeineres  Interesse  bean- 
spruchenden Beitrag  zur  Musikgeschichte,  hervor.  —  Eine  sehr  wohlabgemessene 
kritische  Würdigung  A.  Sullivans  schrieb  Bohn^^^).  —  Ueber  Hanslicks  i^") 
Selbstbiographie,  die  in  der  DRs.  1893  begonnen,  aber  erst  1894  beendet  wurde,  soll 
der  nächste  JB.  eine  eingehendere  Kritik  bringen.  — 


S.  442,4.  —  142)  X  0-  Payer,  Liszt  «•  I"-  Sraetana:  AMusZg.  S.  470/1.—  143)  X  0.  Lessmann,  E.  Jngend-Porträt  F.  Liszts: 
ib.  S.  289-90.  —  144)  X  P-  Simon,  P.  Cornelius  in  München  (Briefe):  NZMusik.  S.  225/8.  -  145)  X  R-  Pohl,  D.  1.  Auf- 
führung d.  „Barbier  v.  Bagdad"  v.  P.  Cornelius:  ib.  S.  228-32.  — 146)  X  A.  Sandber  ger,  P.  Cornelius  Cid.  Mit  32  Notenbeisp. 
München,  Lukaschik.  41  S.  M.  0,60.  (Sonderabdr.  aus  d.  AMusZg.)  —  147)  E.  Möbis,  F.  Möhriog.  E.  Lebensbild. 
Stoli»  i.  Pommern,  Hildebrandt.  53  S.  M.  1,00.  —  148)  0.  Lessmann,  Gh.  Gounod:  AMusZg.  S.  556,7.  —  149)  M.  Dietz, 
Ch.  Gounod:  AZg«.  N.  253.  —  150)  0.  Lessmann,  P.  Tschaikowski:  AMasZg.  S.  585,6.  —  151)  A.  Seidl,  Erinnerungen  an 
Rob.  Franz.  Persönliches  u.  Briefliches:  MusWBl.  S.  1/7.  —  152)  A.  Rubinstein,  Erinnerungen  aus  50  J.  1839-89.  Aus  d. 
Russischen  v.  Ed.  Kretschmann.  L.,  Senff.  V,  124  S.  Mit  Abbild.  M.  3,00.  |[H.  Reimann:  BLU.  S.  4.34;  Signale  N.  18.J| 
-  153)  F.  Bauer,  Kistlers  „Kunihild"  epochemachend?  Nein!!!  Krit.  Studie.  Würzburg,  Dornauer.  29  S.  M.  0,50.  — 
154)  X  Dichter  u.  Dichtung  d.  Musikdrama  Kunihild.  Studien  v.  G.  Beck,  H.  Ritter,  B.  Vornhecke  u.  E.  W.  Schimmel  - 
busch.  {—Im  Geiste  R.  Wagners.  Studien.  N.  2.)  Würzburg,  ßallhorn  &  Cramer.  63  S.  M.  1,00.  (D.  1.  T.  erscheint 
später.)  —  155)  A.  Sandberger,  E.  Chabriers  Gwendoline.  Mit  25  Notenbeisp.  München,  Lukaschik.  29  S.  M.  0,60. 
(Sonderabdr.  ans  AMusZg.)  —  156)  X  0-  Mokrauer -Maine,  Herzog  Ernst  II.  v.  Sachsen-Koburg  u.  Gotha  u.  d.  Tonkunst. 
E.  Studie.  Hannover,  L.  Oertel.  29  S.  M.  0,75.  —  157)  X  0.  Schmid,  Mary  Krebs-Breuning.  Biogr.  Skizze.  Dresden,  Albanns. 
1892.  36  S.  Mit  2  Bildn.  M.  0,50.  —  158)  X  William  George  Cusins.  (1833-93):  AMusZg.  S.  484/5  -  159)  X  F-  H-Haberl, 
J.  Hanisch.  Domorganist  in  Regensburg:  KirchenmusJb.  8,  S.  97-108.  —  160)  X  A..  Glück,  C.  Attenhofer.  (:=  Biogr.  Schweiz. 
Künstler.)  L.,  Gebr.  Hng.  16  S.  M.  0,50.  -  161)  Xi<l-.  F.  Hegar.  ebda.  16  S.  M.  0,50.  -  162)  X  A-.  Niggli,  K  Hunzinger. 
E  blogr.-krit  Skizze,  ebda.  25  S.  M.  0,.50,  -  163)  XA.  Schneider,  Gust.  Weber,  ebda.  52  S.  M.  0,50.  —  164)  X  A. 
Niggli,  D.  Künstlerpaar  Aug.  u.  Anna  Walter-Strauss.  E.  biogr.-krit.  Essay,  ebda.  56  S.  Mit  Bildn.-Taf.  M.  0,50.  — 
165)  id.,  Th.  Kirchner.  E.  biogr.-krit.  Essay,  ebda.  38  S.  M.  0,50.  —  166)  G.  Bohn,  A.  Snllivan:  N&S.  64,  S.  322,7.  — 
167)  Ed.  Hanslick,  Aus  meinem  Leben:  DRs.  74,  S.  337-69;  75,  S.  60-92,  217-29;  77,  S.  200-35,  372-403.  (Vgl.  IV  1  c  :  157.)  — 


II.  Von  der  Mitte  des  15.  bis  zum  Anfang 
des  17.  Jahrhunderts. 


11,1 

Allgemeines. 

Max  Osborn. 


Geschichte:  Allgemeine  Darstellungen  N.  1;  Reform-  und  Eevolutionsbestrebungen  N.  17;  Specialgeschichtliches 
N.  29;  einzelne  Persönlichkeiten  N.  54.  —  Geistiges  Leben:  Allgeraeines  N.  72;  Litte nitargeschichte  N.  85;  Wissenschaft  N.  93. 
—  Kulturgeschichtliches  N.  115.  —  Quellen:  Nuntiatur-  und  Gesandtschaftsberichte  N.  140;  Briefe  N.  1.50;  Reiseberichte  und 
Tagebücher  N.  160;  Stammbücher  N.  172;  Bibliographisches  N.  174.  — 

Mehr  als  andere  Kapitel  der  JßL.  sind  die  den  einzelnen  Teilen  voran- 
geschickten Abschnitte  über  das  „Allg-emeine"  der  betreffenden  Epochen  der  Gefahr 
ausgesetzt,  zu  unmässiger  Grösse  anzuwachsen.  Das  Bestreben,  hier  immer  mehr 
Elemente  von  allen  Seiten  zu  sammeln,  um  den  Studien  über  die  Zeitlitteratur  eine 
feste  Grundlage  zu  bieten,  kann  leicht  zu  allzu  grosser  Ausführlichkeit  verleiten. 
Bei  der  Reformationsperiode  vollends,  wo  Dichtung,  Wissenschaft,  Politik,  religiöses 
und  öffentliches  Leben  überhaupt  inniger  unter  einander  verknüpft  sind  als  jemals 
sonst  in  der  Entwicklung  unseres  Volkes,  ist  doppelt  Beschränkung  geboten.  Die 
geschichtlichen  Arbeiten  können  darum  nur  da  herangezogen  werden,  wo  sich 
eine  unmittelbare  Beziehung  zur  Litteratur  ergiebt,  und  wenn  für  die  rein  historische 
Einzelforschung  kurz  auf  die  Zusammenstellungen  der  JBG.  und  die  ausgezeichnete 
Bibliographie  der  DZG.  verwiesen  werden  muss,  kann  auch  die  Betrachtung  der 
allgemeinen  Darstellungen  nur  vom  Standpunkte  des  Litterarhistorikers  aus 
erfolgen.  Die  bedeutsamste  Arbeit  des  Berichtsjahres  ist  diesmal  der  Zeit  der  Gegen- 
reformation zugefallen.  Droysens^)  Schilderung  stellt  sich  nahezu  ebenbürtig 
neben  das  Werk  Bezolds^)  (vgl.  JBL.  1890  II  1  :  1).  Auch  D.  ist  ein  Anhänger  der- 
jenigen Geschichtsschreibung,  die  neben  den  politischen  Ereignissen  die  socialen  und 
kulturellen  Zustände,  die  Erscheinungen  der  Litteratur  und  der  Kunst  in  den  Kreis 
ihrer  Betrachtung  zieht  und  so  ein  gewaltiges,  umfassendes  Weltbild  vor  uns  ent- 
rollt. Wenn  aus  seinem  Buche  für  unsere  speciellen  Zwecke  weniger  zu  finden  ist 
als  in  Bezolds  Geschichte  der  deutschen  Reformation,  so  liegt  das  an  dem  Zeitabschnitt, 
den  er  behandelt.  In  den  Jahren  des  Sturmes  und  seiner  unmittelbaren  Folgen  war 
es  das  ganze  Volk,  das  den  Gang  der  Ereignisse  bestimmte;  die  Gesamtheit  der 
Nation,  die  sich  endlich  nach  langen  Jahrzehnten  des  Garens  und  Grollens  erhob, 
war  das  aktive  Element  in  der  geschichtlichen  Entwicklung,  und  eine  Volkskunst 
von  köstlicher  frischer  Kraft  gab  das  glänzende  Spiegelbild  dieses  unerhörten  Schau- 
spiels. Nun  aber  nimmt  die  demokratische  Periode  ein  Ende,  und  die  Führung  geht 
von  der  Masse  wieder  auf  einzelne  Kreise  über,  so  dass  die  Volkskunst  sich  mürrisch 
mehr  und  mehr  von  den  Fragen  des  Tages  abwendet  und  die  Dichtung  der  Gelehrten, 
die  immer  grössere  Macht  gewinnt,  sich  noch  weiter  als  früher  vor  dem  Lärm  der 
lebendigen  Welt  verbirgt.  In  einem  ersten  Abschnitte  schildert  D.  den  Sieg  des 
Protestantismus,  den  Abschluss  der  deutschen  Reformbewegung  durch  den  Augsburger 

1)   (lU  1:6.)  —  2)   X   G-  Egelhaaf:   HZ.  70,   S.  125;9  (berichtigt   Einzelnes).  —  3)   X   (S-   u-   N.  124/6.)   — 
Juhreuberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (2)1 


II  1:4-7  M.  Osborn,  Allg-emeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Reichstag"  1555  und  die  Ausbreitung-  des  neuen  Bekenntnisses  in  Frankreich,  Eng- 
land, Schottland,  Polen,  den  Niederlanden  und  den  nordischen  Reichen.  Dann  zeigt 
er,  wie  die  Lehre  von  der  Rechtfertigung  und  vom  Abendmahl  in  Verbindung  mit 
cälteren  und  neueren  Streitfragen  den  Zwiespalt  in  die  protestantische  Kirche  reisst. 
Dom  philippistischen  Wittenberg  wird  als  Hort  der  lutherischen  Orthodoxie  die  neu 
gegründete  Universität  Jena  geg-enübergestellt.  Und  die  Differeiizen  in  der  Lehr- 
meinung bringen  schliesslich  die  völlige  Zersetzung-  der  protestantischen  Partei  in 
Deutschland  zu  stände.  In  einer  polemischen  Litteratur  von  wilder  Leidenschaft- 
lichkeit suchen  diese  Kämpfe  Ausdruck;  sie  findet  ihren  Höhepunkt  in  dem  Streit 
um  die  Konkordienformel.  Heftig-er  als  in  dieser  Frage  hat  sich  die  öffentliche 
Meinung  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jh.  nicht  vernehmen  lassen,  und  eine  wahre  Flut 
von  Pamphleten  ergoss  sich  über  den  deutschen  Büchermarkt.  Jakob  Andreae  steht 
inmitten  des  Feuers  (S.  114/6,  132/4).  D.  zeigt  weiter,  wie  nun  die  Papstkirche, 
die  Verworrenheit  und  Zerfahrenheit  der  Protestanten  ausnutzend,  wieder  vorzudringen 
beginnt,  wie  dort  Erstarrung  und  Verknöcherung,  Händelsucht  und  dogmatische 
Haarspalterei  die  Kräfte  lähmen,  während  hier  der  verjüngte  Ultramontanismus  als  ein 
mächtiges,  geschlossenes  Ganzes  mit  Güte  und  Gewalt  moralische  •  und  unmoralische 
Eroberungen  macht.  Es  wird  darauf  hingewiesen,  wie  der  restaurierte  Katholizismus 
von  der  festen  Basis  seiner  Propaganda  aus  Schritt  um  Schritt  deutschen  Boden 
zurückg-ewinnt,  wie  er  die  ganze  europäische  Welt  überschwemmt  und  der  Dichtung, 
der  Musik,  der  Malerei  von  neuem  einen  kirchlicheren,  römischeren  Charakter  ver- 
leiht (S.  168 — 72).  Die  Jesuiten  erscheinen.  Sie  beleben  aufs  neue  den  erschlafften 
papistischen  Geist.  Sie  kommen  nach  Norden;  von  drei  Punkten  aus,  von  Bayern,  von 
W^ien  und  vom  Erzbistum  Köln,  dringen  sie,  zumal  unter  Rudolf  II.  vorwärts-^).  Der 
bei  ihrem  Einzug  ganz  und  gar  protestantischen  deutschen  Bildung  setzen  sie  in 
Universitäten  und  Gelehrtenschulen  eine  katholische  entgegen  (S.  159 — 61,  233 — 41); 
sie  eröffnen,  besonders  nach  des  schwankenden  Maximilian  II.  Tode,  einen  heftigen 
litterarischen  Kampf  gegen  die  Ketzer,  bei  dem  Jodocus  Lorichius,  Chrph.  Rosen- 
busch, Georg  Scherer,  Georg  Eder  in  erster  Reihe  stehen  (S.  353/6).  Mit  dem  Gebote 
der  Einführung  des  neuen  Kalenders  versucht  Papst  Gregor  XIII.  eine  Machtprobe, 
der  in  wütenden  Druckschriften  und  F'lugblättern  geg-en  das  „Teufelswerk"  die  er- 
bitterte protestantische  Opposition  entgegentritt  (S.  350/2)4"^=').  —  Die  Fortführung 
der  neuen  verbesserten  Auflage  von  Janssens  Geschichtswerk  hat  als  natürlicher 
Erbe  Pastor'')  übernommen.  Zwei  Bände,  der  fünfte  und  der  sechste,  erschienen 
im  Berichtsjahr.  Der  Herausg-eber  konnte  für  manche,  Punkte  Aufzeichnungen  be- 
nutzen, die  sich  Janssen  selbst  für  eine  Neubearbeitung  gemacht  hatte ;  er  konnte  aber 
auch  mündliche  Aeusserungen  des  verstorbenen  Lehrers  und  Meisters  verwerten. 
Daneben  füg-te  er  selbst  vieles  aus  der  neueren  Forschung  hinzu,  selbstverständlich 
nach  den  gegebenen  Gesichtspunkten,  und  es  bedarf  wohl  kaum  der  Betonung,  dass 
das  Gesamtbild  trotz  der  zahlreichen  Aenderungen  im  einzelnen  doch  um  nichts  ver- 
schoben ist.  Für  den  fünften  Band,  der  die  Vorbereitungen  zum  dreissigjährigen 
Krieg-e  behandelt,  die  „politisch-kirchliche  Revolution"  und  ihre  Bekämpfung  seit  der 
Verkündigung  der  Konkordienformel  vom  J.  1580  bis  zur  Rebellion  in  Böhmen  1618, 
wo  die  „Lärm-  und  Sturmglocke"  ertönte,  boten  hauptsächlich  Duhrs  Jesuiten-Apolog-ie 
(vgl.  JBL.  1892  I  4  :  826),  Ritters  (s.  o.  N.  4)  und  Hubers  (vgl.  JBL.  1892  III  1 :  5)  letzte 
historische  Arbeiten,  die  Ausgabe  der  Nuntiaturberichte  (s.  u.  N.  141,  145/6),  die 
jüngste  Zeitschriftenlitteratur,  freilich  mit  einseitig  katholischer  Auswahl,  und  zahl- 
reiche, besonders  Frankfurter  Archivalien  neue  Quellen.  Zur  Schilderung  der  katho- 
lischen Restauration  und  der  konfessionellen  Polemik  bis  zum  Beginn  des  Krieg-es 
(S.  327—584),  also  der  Kampfschriften  wider  die  Jesuiten,  der  Thätigkeit  Fischarts, 
dessen  „Bienenkorb"  ein  eigenes  Kapitel  erhält  (S.  353/9),  des  wilden  Antipapisten 
Georg-  Nigrinus,  der  Konvertiten  Friedr.  Staphylus,  Joh.  Nas  u.  a.,  sowie  auch  der 
lutherisch-kalvinistischen  Streitlitteratur  und  der  Auflehnung-  gegen  den  neuen 
Kalender  (S.  361 — 75)  kamen  so  vielfach  interessante  Parallelstellen  hinzu.  Der 
sechste  Band  des  Janssenschen  Geschichtswerkes  ist  für  uns  der  wichtigste.  Er 
giebt  die  grosse  Uebersicht  über  Kunst  und  Volkslitteratur  vom  Ende  des  Mittelalters 
bis  zum  Beginn  des  17.  Jh.,  die  auf  gewaltigen  Studien  beruhende,  raffiniert  tenden- 
ziöse Darstellung  der  Entwicklung,  die  bildende  Kunst,  Tonkunst  und  Kirchenlied, 
Volkslied  und  Meistergesang-,  Drama  und  Satire,  Schwankbücher  und  Schau erlitteratur 


4iX  M.  Kitter,  Dtsch.  Gesch.  im  Zeitalter  d.  Gegenreformation  u.  d.  30j.  Krieges.  11.  n.  12.  Lfg.  (=  Bibl.  dtsch.  Gesch. 
N.  70,  81.J  St.,  Cottii.  Bd.  2,  S.  101-320.  ä  M.  1,00.  (Vgl.  JBL.  1890  III  1  :  1.)  —  5)  X  K.  v.  Hase,  Kirchengesch.  auf  Grund 
ak.  Vorlesungen.  3,1.  Reformation  u.  Gegenreformation.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  1892.  VII,  438  S.  M.  5,00.  ||LCB1.S.  1; 
Th.  Kolde:  ZKG.  14,  8.  4,56.]|  -  6l  O  X  X  G-  Pariset,  La  reforme  en  Allemagne:  AnnEst.  7,  S.  21-46.  —  6a)  X  Ph- 
Schaff,  Hist.  of  the  Reformation.  Vol.  2.  The  Swiss  Reformation.  (=  Ilist  of  the  Christian  Chnrch.  Vol.  7.  Modern 
Christianity.)  New-York,  Scribners  Sons.  1892.  XVII,  890  S.  |[ThLBl.  14,  S.  343/4.]|  (Vgl.  II  6 :  3.)  -  7)  J.  .lanssen,  Gesch.  d.  dtsch. 
Volke?  eitit  d.  Ausgang  d.  MA.     5.  u.  C.  Bd.     13.  u.  14.  vorb.  Aufl,  bes.  t,  L.  Pastor.     Freibnrj  i.  B-,  Herder.     XLVI,7r)4S,; 


M.  Osborn,  Allg-emeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  s-io 

sowie  die  Bestrebung-en  der  „sog-enannten  Renaissance"  in  jener  Epoche  nahmen. 
Auch  hier  sind  die  Veröffentlichung-en  der  litterarhistorischen  Zeitschriften,  die  Neu- 
ausg-aben  älterer  Denkmäler,  unter  denen  Oldecops  Chronik  (vgl.  JBL.  1891  II  3:43; 
6:43;  1892  II  3:62)  und  die  Publikationen  der  LLD.  (vgl.  JBL.  1892  II  8:5—10; 
s.  u.  II  7)  nicht  fehlen,  ferner  Baechtolds  Schweizer  Litteraturgeschichte  (vgl.  I  1  :  110; 
s.  auch  u.  N.  85)  und  vor  allem  die  kunstg-eschichtlichen  Forschungen  der  letzten 
Jahre  fleissig-  benutzt  worden.  Alles  freilich  geschieht  nach  Janssenschem  Muster 
zu  Janssenschen  Zwecken,  und  von  dem  durch  P.  im  Vorjahre  selbst  mitg-oteilten 
Gedanken  einer  objektiveren  Fassung-  (vgl.  JBL.  1892  11  1  :  15)  ist  nichts  zu 
spüren. 8"'^)  —  In  seinem  für  die  Jugend  berechneten  Werke  über  deutsche  Ge- 
schichte lässt  Neumann-Strela'ß^  in  dem  Abschnitte  über  unsere  Zeit  neben  dem 
politischen  das  kulturhistorische  Element  nicht  zurücktreten.  Die  von  K.  Höhlbaum 
herausg-eg-ebenen  Aufzeichnung-en  Hermanns  von  Weinsberg*  aus  Köln  werden 
für  die  knapp  zusammenfassende  Schilderung  des  bürgerlichen  Lebens,  des  Volks- 
g-laubens,  der  Sitten,  des  Studententums  benutzt.  — 

Die  g-anze  Zeit  vom  Ende  des  15.  bis  tief  in  das  16.  Jh.  hinein  sind  die 
Köpfe  der  Deutschen  erfüllt  von  Reform-  und  Re  volu  tionsbe  strebung-en. 
Wenn  Mein cke^')  in  ehrlichen  Artikeln  die  „friedfertige  deutsche"  Reformation 
und  die  „blutig-e  welsche"  Revolution  des  vorig-en  Jh.  als  die  bedeutsamsten  Er- 
hebung-endesMenschengeistes  mit  masslosem  Chauvinismus  und  lächerlicher  moralischer 
Entrüstung-  einander  g-egenüberstellt,  so  wäre  solchen  Aeusserung-en  gar  keine  Be- 
deutung- beizumessen,  wenn  sie  nicht  doch  den  Ausdruck  der  Gesinnung  mancher 
Kreise  bildeten.  —  Wichtig-  für  die  Kenntnis  der  politisch-religiösen  Öppositions- 
beweg-ung-  am  Vorabend  der  deutschen  Reformation 'S)  ist  der  höchst  interessante 
Entwurf  eines  unbekannten  Elsässere,  den  Haupt^")  in  einer  Kolmarer  Hs.  entdeckt 
und  teilweise  zum  Druck  g-ebracht  hat.  Der  Vf.,  der  seine  zum  Teil  durchaus  g-esunden 
Umsturzideen  im  J.  1495  auf  dem  Reichstage  zu  Worms,  selbstverständlich  erfolglos, 
persönlich  vertreten  zu  haben  scheint,  teilt  die  Ausführungen  seiner  ziemlich  unklaren 
und  verworrenen  Schrift  in  zwei  Teile,  eine  historisch-polemische  Einleitung  („Das 
Buch  von  den  100  Kapiteln")  und  eine  systematische  Darstellung  seines  Reform- 
programms („Die  40  gebott  der  Trierer";  s.  S.  216/9).  Bei  einer  hohen  Vorstellung 
von  der  W^ürde  des  wahren  priesterlichen  Amtes  (S.  178—80)  ist  er  ein  leidenschaft- 
licher Feind  des  Klerus  seiner  Zeit  (S.  116/9),  ein  energischer  Gegner  des  Cölibats, 
das  ihm  als  eine  Verletzung  des  göttlichen  Gebotes  erscheint  (S,  180/3).  Eifrig  tritt 
er  ein  für  die  Sache  des  „gemeinen  Mannes"  und  ist  erfüllt  von  kommunistisch- 
socialistischen  Plänen;  die  Beseitigung  des  Territorialfürstentums  und  des  Gross- 
grundbesitzes (S.  128— 35,  167—81)  gehört  mit  zu  seinen  Forderungen;  die  Güter- 
gemeinschaft schwebt  ihm  als  Ideal  vor.  Die  deutsche  Nation  erscheint  als  die  erste, 
zur  Weltherrschaft  bestimmt.  Der  Kaiser  sei  auch  auf  kirchlichem  Gebiete  oberster 
Fürst,  gleichsam  ein  „irtischer  gott";  aber  seine  Macht  sei  dennoch  keine  absolute, 
vielmehr  soll  eine  Entthronung  des  Monarchen,  falls  er  sich  untüchtig  zeigt,  möglich 
sein  (S.  159 — 62).  Er  möchte  das  gleich  praktisch  verwerten,  als  er  immer  mehr 
einsieht,  wie  wenig  Maximilian  geeignet  ist,  die  Aufgaben  seiner  Zeit  zu  erfüllen, 
und  nach  dem  Abschlüsse  der  Ligue  von  Cambray  ruft  er  zornig:  „Man  wird  dem 
Kaiser  ein  Bauernhütlein  aufsetzen  und  ihn  in  das  Elend  schicken"  (S.  104).  Ja, 
unser  Vf.  denkt  an  eine  Revolution  „im  Heugabelsinne  der  Gewalt",  wie  man  heute 
sagen  würde,  und  will,  wenn  es  nötig  ist,  die  „ganze  Welt  mit  Heereskraft  regulieren" 
(S.  109).  Zu  diesem  Zwecke  möchte  er  eine  „Brüderschaft  vom  gelben  Kreuze"  be- 
gründen, unter  deren  Zeichen  er  ausziehen  will,  die  Sünder  zu  strafen.  Hinein  spielen 
zahlreiche  excentrische,  mystisch-visionäre  Züge;  der  Vf.  hofft  mit  Zuversicht  auf  den 
in  allernächster  Zeit  kommenden  Messias,  den  rückkehrenden  Kaiser  Friedrich,  oder 
wie  er  ihn  am  liebsten  und  häufigsten  nennt,  den  „König  vom  Schwarzwald"  (S.  106, 
198—212),  der  alle  Ideale  erfüllen,  der  auch  die  heruntergekommene  Rechtspflege 
wieder  neu  regeln  und  das  jus  naturale,  die  prinzipielle  Anerkennung  der  Gleichheit 
Aller,  aufstellen  wird.    So  blickt  er,  apokalyptischer  Erwartungen  voll,  in  die  Zukunft.  — 


XXXVI,  546  S.  M.  7,00;  M.  5,00.  IfDulilinR.  113,  S.  6823;  LRs.  19,  H.  2745.]|  —  8)  O  X  X  M.  Schwann,  J.  Janssen  n. 
d.  Gesch.  d.  dtsch.  Reformation.  E.  Vrit.  Studie.  München,  Mehrlich.  254  S.  M.  3,00.  (Vgl.  IV  5.)  —  8 a)  X  V.  .Tanssens  grossem  Ge- 
schichtswerk:  LHw.  32,  S.  306.  —  9)  X  Zwei  neue  Kritiker  Janssens:  DEKZ.  7,  S.  57;8  —  10)  X  (H  6  :  30.)  |[E.  Michael: 
ZKTh.  17,  S.  529-32;  A.  Bellesheim:  DnhlinR.  113,  S.  728,9.]|  —  U)  X  E.  Paris,  Jean  Janssen,  L'AUemagne  et  la  reforme 
(Tgl.  JBL.  1892  II  1:8):  DnblinR.  113,  S.  947/8.  —  12)  X  G-  Egelhaaf,  Dtsch.  Gesch.  2.  Bd.  (vgl.  JBL.  1892  II  1  :  2; 
8.  u.  II  6:4).  |[K.  Hartfelder:  ZKG.  14,  S.  321  ;  A.  Baldamus:  BLU.  S.  198/9;  LCBl.  S.  1463.JI  -  13)  X  Karl  Maller, 
K.  W.  Nitzsch,  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes  (vgl.  JBL.  1892  II  1:3):  ThLZ.  18,  S.  328/9.  —  14)  X  G.  E.  Haas,  J.  B.  v.  Weiss, 
Weltgesch.  8.  Bd.  (vgl.  JBL.  1892  II  1:4):  HPBU.  111,  S.  668-81.  —  15)  X  G.  E.  Ledos,  J.  Zeller,  La  Eeforrae  (vgl. 
JBL.  1892  II  1:5):  Polyhibl'..  67,  S.  448/9.  —  16)  (III  1:3;  bes..S.  50-90.)  -  17)  R.  Meincke,  Reformation  u.  Re- 
volution: DPBl.  26,  S.  361,2,  369-70.  —  18)  O  F.  Rocquain,  La  Cour  de  Rome  et  l'esprit  de  reforme  avant  Luther.  1.  La 
Theocratie;  Apogee  du  pouvoir  pontiflcal.  Paris,  Thorin  &  Fils.  VIII,  428  S.  —  19)  H.  Haupt,  E.  oberrhein.  Revolutionär 
ans  d.  Zeitalter  Kaiser  Maximilians  I.    Mitteilungen    aus  e.  kirchl.-polit.  Reformschrift  d.  1.  Decenn.  d.  16.  Jh.    (=  WZ.  Er- 

(2)1* 


II  1:20-32  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Die  politisch- sociale  und  die  religöse  Erreg-ung-  des  Volkes,  die  nur  zum  Teil  durch  die 
Reformation  beruhig-t  und  befriedigt  wurden,  fanden  in  den  Bauernkriegen  und  in  den 
Täufergemeinden  ihren  radikalen  Ausdruck.  Ueber  das  Projekt  eines  Bauernparlaments 
zu  Heilbronn  sowie  die  Verfassungsentwürfe  von  Friedr.  Weygandt  und  dem  „Bauern- 
kanzler" Wendel  Hipler  aus  dem  J.  1525  brachte  Kluckhohn^o)  neue  Nach- 
richten.-'~23j  —  Der  bereits  1850  entstandene  Aufsatz  K.  von  Hases  über  das  Reich 
der  Wiedertäufer,  der  mit  den  Abhandlungen  über  die  Jungfrau  von  Orleans  und 
Savonarola  den  Band  von  den  ,, Neuen  Propheten"  bildet,  ist  nun  im  Rahmen  der 
g-esammelten  Werke  des  grossen  Kirchenhistorikers  zum  dritten  Male,  von  Krüger^^) 
besorgt,  erschienen.  K.  fügt  den  wichtig-en  ,, litterarischen  Nachträgen"  Hases  bei, 
was  seit  der  zweiten  Auflage  (1861)  an  Material  hinzugekommen  ist,  und  zeig-t,  wie 
die  neuere  Forschung-  die  Behauptungen  des  Vf.  als  im  wesentlichen  richtig-  erwiesen 
habe  (S.  XXI— XXIV).  In  glänzender  Schilderung  führt  uns  Hase  hier,  hauptsächlich 
nach  Dorpius,  Heinr.  Gresbeck  und  Herrn,  von  Kerssenbroick,  der  ein  Viertel  Jh. 
Rektor  der  Dom  schule  im  restaurierten  Münster  war,  durch  die  beiden  Perioden 
des  täuferischen  Reiches,  die  ernste  „theokratische  Demokratie"  und  die  züg-ellose 
„theokratische  Monarchie",  die  dem  Zusammenbruch  vorausging.  25-26j  —  Auf  Grund 
der  Erzählung-  des  lutherisch  gesinnten  österreichischen  Lehnsmannes  Klaus  von 
Graveneck,  dessen  Berichte  der  Täufer  Wilhelm  Reiblin  dann  legendarisch  aufputzte, 
gab  Bossert-^)  für  weitere  Kreise  ein  Bild  von  dem  trag-ischen  Schicksal  des 
würdig-en  Michael  Sattler,  der  mit  seinen  Genossen  1527  in  Rottenburg  am  Neckar 
bei  Tübingen  zum  Feuertode  verurteilt  wurde.  (Vg-1.  auch  II  6  :  177 — 83.)  —  Einen 
Reformplan  aus  dem  Ende  des  Jh.,  der  sich  mit  der  Reichsjustiz  beschäftigt,  leg-te 
Weech^*^)  vor.  Der  Entwurf  stammt  aus  der  Feder  des  originellen,  stets  mit  hundert 
Projekten  aus  allen  Gebieten  des  öfi'entlichen  Lebens  beschäftigten  Pfalzg'rafen  Georg- 
Hans  von  Veldenz-Lützelstein,  der  dem  1586  in  Worms  versammelten  Reichs- 
Deputations-Konvent  mit  einer  Darlegung-  seiner  verwickelten  Erbschaftsangelegen- 
heiten und  deren  bisheriger  Behandlung  ein  ausführliches  „Votum  justitiae"  einreichte. 
Das  interessante  Aktenstück,  in  dem  der  Pfalzgraf  mit  seiner  derben,  aber  ungemein 
plastischen  Sprache  einem  der  bösartigsten  Schäden  der  damaligen  Zustände  rück- 
sichtslos zu  Leibe  ging,  und  das  vor  hundert  Jahren  dem  Biog-raphen  des  Fürsten 
(1790)  nicht  vorlag,  bringt  W.  nun  g-anz  zum  Abdruck  (S.  26—70);  eine  knappe, 
gut  orientierende  Einleitung  geht  voraus.  — 

Zu  den  specialg-eschichtlichen  Arbeiten,  die  für  uns  aus  dem  Berichts- 
jahr in  Betracht  kommen,  gehören  die  archivalischen  Nachrichten,  die  Bach- 
mann^s»)  aus  der  Zeit  Friedrichs  III.  giebt.  Bei  den  politischen  Erörterungen  über 
die  böhmischen  Verhältnisse  fällt  manches  ab,  was  für  die  Charakteristik  des 
Kaisers  und  seiner  Beziehungen  zu  den  Fürsten  interessant  ist.  —  Wenk^*^J  macht 
auf  eine  Studie  von  Simonsfeld  aufmerksam,  welche  sich  mit  der  kurz  vor  1440  ge- 
gründeten deutschen  Kolonie  in  Treviso  befasst.  Die  dortige  „Schola  Theotonicorum" 
hatte  ihre  Hauptblüte  in  der  Mitte  des  15.  Jh.,  erhielt  sich  aber  bis  geg-en  Ende  des 
17.  —  Um  die  Mitte  des  15.  Jh.  war  es  auch,  dass  das  alte  deutsche  Ordensland 
Westpreussen  in  lang-em  blutigen  Krieg-e  seine  Selbständigkeit  an  die  Krone  Polen 
verlor.  Richter^^)  erzählt  in  volkstümlichem  Plauderton,  wie  der  Fall  Marien- 
burgs  das  Schicksal  entschied,  aber  erst  nach  Jahren  zähen  Widerstandes  der  Friede  von 
Thorn  es  besieg-elte.  —  Ein  interessantes  Kulturbild  aus  dem  Ende  des  15.  Jh.  bot 
Witte32)  in  der  Lebensbeschreibung-  Richard  Pullers  von  Hohenburg,  des  letzten 
seines  Geschlechts,  den  das  unglückselige  Laster  der  Päderastie  in  seltsame  Ver- 
wicklungen brachte,  bis  er  schliesslich  durch  Hans  Waldmanns  Energie  gefangen 
genommen  wurde  und  sein  den  Anschauungen  der  Zeit  nach  todeswürdiges  Ver- 
brechen mit  dem  Leben  büsste.  —  Als  erstes  Heftchen  einer  neuen,  vortrefflich  aus- 
gestatteten Sammlung  von  Quellenschriften  und  Abhandlungen  zur  Geschichte  Nürn- 

gänzungsheft  N.  8  (Trier,  Lintz.  IX,  228  S.  M.  5,00],  S.  77-228.)  |[A.  Schulte:  ZGORh.  8,  S.  716/7.]|  —  20)  A.  Kluck- 
hohn,  Ueber  d.  Projekt  e.  Bauernparliiments  zu  Heilbronn  u.  d.  Verfassungsentwürfe  v.  F.  Weygandt  u.  W.  Hipler  aus  d. 
J.  1525:  NGWGöttingen.  S.  276-300.  —  21)  X  H.  Sander,  D.  Bauernaufstand  in  Vorarlberg  im  J.1525:  MIÖO.  14,  S.  297-372. 
—  22)  X  L-  Böhm,  Kitzingen  u.  d.  Bauernkrieg:  AHVUnterfranken.  36,  S.  1-185.  —  23)  X  K-  Hartfelder,  W.  Vogt,  D. 
Bodenseebauern  (vgl.  JBL.  1892  H  1:27):  ZGORh.  8,  S.  146.  —  24)  K.  v.  Hase,  D.  Reich  d.  Wiedertäufer.  (=  Werke. 
10.  Halbbd.  Heilige  u.  Propheten.  2.  Abt.  Neue  Propheten.  Her.  v.  G.  Krüger.  [L„  Breitkopf  &  Härtel.  XXIV,  304  S. 
M.  5,00],  S.  195-304.)  —  25)  X  (H  6  :  181.)  |[n.  Detmer:  MhComeniusG.  2,  S.  287-90.]!  —  25a)  X  G-  Maisch,  Religion  u. 
Revolution  (vgl.  JBL.  1892  II  1  :  30).  |[S.  Eck:  ThLZ.  18,  S.  524/5;  A.  Martin:  20.  Jh.  1,  S.  114/5;  LCBl.  S.  633/4.]|  — 
26)  X  J-  liOserth,  D.  Anabaptismus  in  Tirol  (vgl.  JBL.  1892  II  1:29):  MhComeniusG.  2,  S.  82/4.  —  27)  (I  4:118.)  — 
28)  F.  V.  Weech,  E.  Projekt  z.  Reform  d.  Reichsjustiz  aus  d.  16.  Jh.:  NHJbb.  3,  S.  17-70.  —  29)  A.  Bachmann,  Urkundl. 
Nachrichten  z.  österr.-dtsch.  Gesch.  im  Zeitalter  Kaiser  Friedrichs  III.  (=  Fontes  rerum  Austriacarura.  2.  Abt.  Diplomataria 
et  acta.  46.  Bd.)  Wien,  Tempsky.  1892.  XXVIII,  503  S.  M.  11,80.  ([LCBl.  S.  1102;  F.  v.  Krones:  DLZ.  S.  274/5; 
NASächsG.  14,  S.  346/7.] |  —  30)  K.  Wenk,  H.  Simonsfeld,  E.  dtsch.  Kolonie  zu  Treviso  im  spät.  MA.  (München,  Franx. 
1890.  Aus  AbhAkMünchen.  3.  Kl.  19.  Bd.  3.  Abt.l:  HZ.  34,  S.  538,9.  —  31)  J.  V.  0.  Richter,  Wie  Westpreussen  an  Polen 
fiel.  E.  Gesch.  ans  d.  Zeit  d.  Verfalls  d  preuss.  Ordensstaates.  (=:  Geschichten  aus  d  Zeit  d.  prens«.  Ordensstaates.  5.  Bd.) 
Hannover  u.  L.,  Ost.  170  S.  M.  1,60.  —  32)  H.  Witte,  D.  letzte  Puller  v.  Hohenburg.  E.  Beitr.  z.  polit.  u.  Sittengesch. 
d.  Elsasses  u.  d.  Schweiz  im  15.  Jh.,  sowie  z.  Genealogie  d.  Gesclilechts  d.  Puller.    (=  Beitrr.  z.  Landes-  u.  Volksk.  v.  Elsass- 


M.  Osborn,  Allg-emeines  des  t5./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  33-44 

berg-s  o-ab  Kajiiann^'^)  eine  eingehende,  zum  Teil  auf  bisher  unbekanntem,  zumal 
Bamberg-schem  archivalischen  Material  beruhende  Darstellung  der  Fehde,  die  Götz 
von  Berliching-en  in  den  J.  1512  —  14  mit  der  Reichsstadt  führte.  Die  Einleitung 
und  die  Ausblicke  entrollen  ein  lebendig-es  Bild  von  dem  Treiben  der  Strauchritter 
und  „Staudenhechte",  die  den  Verzweiflungskampf  des  herunterg-ekommenen  Adels 
gegen  die  ihre  Ungebundenheit  einengenden  Verhältnisse  der  neuen  Zeit  kämpften. 
Auch  Götz  fühlte  sich,  wenn  er  Trossbuben  und  Fuhrknechte  als  Kundschafter  in 
die  Stadt  sandte,  um  Abg-ang  und  Ankunft  von  Warenzügen  zu  erforschen,  wenn  er, 
im  Verein  mit  Hans  von  Selbitz  oder  anderen  Kumpanen,  harmlosen,  von  der  Messe 
heimkehrenden  Kaufleuten  auflauerte,  sie  ausplünderte  und  mit  sich  auf  die  Burg'en 
schleppte,  stets  als  Rächer  der  unterdrückten  ritterlichen  Freiheit.  Die  Roheit  und 
Raffiniertheit,  die  er  nicht  selten  zur  Schau  träg-t,  passt  schlecht  zu  der  Grossmut 
und  biederen  Ehrlichkeit  des  Goetheschen  Bildes,  wenn  auch  die  volkstümliche 
Beliebtheit  des  unerschrockenen  Raufbolds  der  Darstellung-  des  Dichters  gewiss  eine 
innere  historische  Berechtigung-  giebt.  Im  Gegensatz  zu  Goethe  erscheint  der  Bam- 
berger Bischof,  Georg  III.  Schenk  von  Limpurg,  als  ein  sittenreiner,  trefflicher 
Fürst,  der  der  Ordnungspartei  im  Reiche  angehörte  und  darum  Götzens  erbitterten 
Hass  auf  sich  lud.  —  Aus  den  Berichten  des  Konrad  Boss  von  Flachslanden,  des 
Hauptmanns  auf  der  Plassenburg  bei  Kulmbach,  an  die  sich  die  Sage  von  der 
weissen  Frau  des  ZoUerschen  Hauses  knüpft,  erfahren  wir^*)  von  der  haarsträubenden 
Gefangenschaft,  in  der  Markgraf  Friedrich  der  Aeltere  von  Brandenburg,  der  Sohn 
Albrechts  Achilles  und  der  Vater  des  letzten  deutschen  Hochmeisters  Albrecht^^), 
von  dreien  seiner  Söhne,  besonders  vom  ältesten,  Kasimir,  dem  Vater  des  Albrecht 
AIcibiades,  zwölf  Jahre  hindurch  gehalten  wurde  (seit  1515).  —  Für  die  Zeit  der 
Wahl  Karls  V.  zum  römischen  Kaiser  brachte  der  erste  Band  der  Reichstagsakten, 
jüngere  Reihe,  die  nach  Sybels  Antrag  seit  1886  neben  der  von  Ranke  veranlassten 
Sammlung  der  Reichstagsakten  des  späteren  Mittelalters  entstanden,  riesenhaftes  neues 
Material.  Kluckhohn^^),  dem  es  nicht  vergönnt  sein  sollte,  das  Erscheinen  des 
unter  seiner  Leitung  in  langen  mühevollen  Jahren  zu  stände  gebrachten  Werkes  zu 
erleben,  gab  hier  nach  einer  umfangreichen  Einleitung,  welche  die  Verhandlungen  bis 
zum  Tode  Maximilians  I.  schildert  (S.  1  — 140),  die  Masse  der  Wahlakten  vom  Jan. 
bis  zum  Juli  1519  (S.  141— 876!).  2^)  —  Kardinal  Reginald  Pole,  dessen  Leben  und 
Schriften  Zimmermann^Sj  behandelt,  der  Wiederhersteller  der  katholischen  Kirche 
in  Engiand,  hatte  auch  mannigfache  Beziehungen  zu  Deutschland  (S.  259  —  68)  und 
erlaubte  sich  sogar  in  einem  Briefe  an  Karl  V.  eine  äusserst  freimütige  Kritik  der 
kaiserlichen  Regierung  (S.  296/7).  —  Von  Strassburger  Lokalstudien  ausgehend 
kam  Winckelmanu"^'*)  zu  einer  ausführlichen  Untersuchung  über  die  wichtige 
Zeit  zwischen  dem  Augsburger  Reichstage  und  dem  Nürnberger  Religion sfrieden, 
1530—32,  wo  sich  die  Parteien  durch  die  Gründung  des  schmalkaldischen  Bundes 
endlich  scharf  von  einander  schieden.  —  Nach  Papieren  des  Düsseldorfer  Staats- 
archivs brachte  von  Below^o)  neue  Schriftstücke  zur  Vermählung  des  Herzogs 
Wilhelm  von  Jülich-Kleve  mit  einer  Tochter  König  Ferdinands  —  er  hoffte  auf  Anna, 
erhielt  jedoch  Maria.  Der  jülische  Gesandte  Dr.  Karl  Horst  und  der  Aachener 
Probst  Job.  von  Vlatten  spielen  als  Werber  hier  eine  Rolle.*')  —  Gegenüber  der 
Mythenbildung,  die  auf  Grund  der  Memoiren  des  französischen  Marschalls  Vieillerille 
von  einem  Versuch  der  Franzosen^^j  berichtet,  nach  der  Einnahme  von  Metz  ver- 
kleidet sich  in  Strassburg  einzuschleichen,  stellt  Hollaender'*^)  nach  archivalischen 
Funden  und  den  Annales  d'Aquitaine  des  Jean  Bouchet  den  wahren  Sachverhalt 
fest.  —  Schlecht'*'')  teilte  aus  dem  päpstlichen  Geheimarchiv  drei  Briefe  Ferdinands  I. 
an  Pius  IV.  mit  —  der  letzte  ist  vom  Kaiser  selbst  in  einem  barbarischen  Latein 
mit  spanischem  Accent  geschrieben,  —  in  denen  der  Papst  ersucht  wird,  Maxi- 
milian IL  vom   vorschriftsmässigen  Empfang   der  heiligen  Kommunion   nach  katho- 

Lothringen  N.  16.)  Slrassbnrg  i.  E.,  Heilz.  IV,  143  S.  M.  2.50.  —  33)  {I  4  :  459.)  —  34)  D.  Gefangenhaltung  des  Mark- 
grafen Friedrich  d.  Aalt.  v.  Brandenburg  auf  d.  Plassenburg:  HohenKollerscheF.  2,  S.  435-46.  —  35)  X  I^-  Joachim,  D.  Politik 
d.  letzten  Hochmeisters  (vgl.  JBL.  1892  II  1  :  26J.  |[r.  Simson:  MHL.  21,  S.  148-52;  LCBl.  S.  359-60;  H.  Ehrenberg: 
FBPG.  0,  S.  303;  id.:  AltprMschr.  30,  S.  207,9.J|  -  36)  Dtsch.  Reichstagsakten.  Jüngere  Reihe.  Auf  Veranlass.  S.  M.  d.  Königs 
V.  Bayern  her.  durch  d.  his>t.  Komm,  bei  d.  Kgl.  AV.  d.  Wissensch.  1.  Bd.  Dtsch.  Reichstagsakten  unter  Kaiser  Karl  V.  1.  Bd. 
Bearb.  v.  A.  Klnckhohn.  Gotha,  Perthes.  IV,  938  S.  M.  48,00.  —  37)  X  H-  ülmann,  Studien  z.  Gesch.  d.  Papstes  Leo  X.: 
DZG.  10,  S.  1-13.  (U.  hält  d.  Breve  d.  Knrie  an  Cajetan  vom  Aug.  1518,  Luther  mit  Gewalt  z.  Erscheinen  vor  d.  Gericht  in 
Rom  zu  zwingen,  obwohl  ihm  d.  Aufforderung  d.  direkten  Anklage  noch  e.  längere  Frist  Hess,  im  Gegensatz  zu  Luther 
selbst,  zu  Ranke  u.  Maurenbrecher  für  echt.)  --  38)  Ath.  Zimmermann,  Kardinal  Pole,  sein  Leben  u.  seine  Schriften. 
E.  Beitr.  z.  Kirchengesch.  d.  16.  Jh.  Regensburg,  F.  Pustet.  390  S.  M.  3,60.  -  39)  0.  Winckelmann,  D.  schmalkald. 
Bund  1530-32  n.  d.  Nürnberger  Religionsfriede.  Strassburg  i.  E.,  Heilz.  1892.  XIV,  313  S.  M.  6,00.  |[LCB1.  S.  398; 
StrassbPost.  N.  1;  ZGORh.  8,  S.  148,9.]|  —  40)  G.  v.  Below,  Verhandlungen  über  d.  Vermählung  d.  Herz.  Wilhelm  v.  Jülich- 
Kleve  mit  e.  Tochter  König  Ferdinands.  (=  I  4:404,  S.  1-16.)  —  41)  S.  Issleib,  D.  Gefangenschaft  Philipps  v.  Hessen: 
NASächsG.14,  S.  211-66.  —  42)  X  J-  Trefftz,  Kursachsen  u.  Frankreich.  L.,  Fock.  1891.  V,  164  S.  M.  2,40.  |[A.  Waddington: 
RH.  51,  S.  154/6.]|  (Ueber  Heinrichs  II  Verhältnis  zu  Moritz  u.  August  v.  Sachsen  1552-53;  Neues  aus  Dresdener  Archivalien.) 
—  43)  Ale.  Hollaender,  E.  Strassburger  Legende.  E.  Beitr.  zu  d.  Beziehungen  Strassburgs  zu  Frankreich  im  16.  Jh. 
(=  Beitrr.  z.  Landes-  u.  Volksk.  Elsass-Lothringens  N.  17.)    Strassburg  i.  E.,   Heitz.    28  S.     M.  1,00.   —   44)   J.  Schlecht, 


II  1:45-60  M.  Osborn,  Allg-eineines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

lischem  Ritus  bei  der  Krönuug-sfeier  zu  entbinden.  Ein  Antwortschreiben  des 
Papstes  zeigt,  wie  er  dem  Herzenswunsch  Ferdinands  entgeg-enkam.  Max  nahm 
am  Morgen  der  Krönung  das  Abendmahl  im  geheimen  sub  utraque.  —  Aus  dem 
Briefwechsel  Maximilians  IL  mit  Papst  Pius  V.,  von  dem  bisher  nur  40  Stücke  be- 
kannt waren,  teilt  nun  Schwarz  4^)  im  ganzen  158  mit,  91  vom  Kaiser  und  67  vom 
Papst.  In  einem  zweiten,  sehr  beachtenswerten  Bande  druckt  Seh.  zehn  für 
Gregor  XIII.  bestimmte  Gutachten  über  die  Lage  der  katholischen  Kirche  in 
Deutschland  von  1573 — 76  ab,  unter  denen  besonders  die  ersten  drei,  von  Otto 
Truchsess,  Bischof  von  Augsburg,  vom  Kardinal  Zach.  Delphinus  und  von  Canisius, 
wichtig  und  interessant  sind.  Weiter  bringt  Seh.  hier  Protokolle  der  von  Gregor 
neugegründeten  und  eifrig  geförderten  Congregatio  Germanica,  die,  wie  Virck  be- 
tont, eine  gute  Ergänzung  zu  den  Nuntiaturberichten  bieten,  zumal  da,  wo  die 
Antwortschreiben  der  Kurie  wie  die  Gegenschriften  zu  den  Depeschen  des  Nuntius 
Portia  aus  den  J.  1577—78,  verloren  sind  (s.  u.  N.  140/6).  ^^j  —  Einzelne  Städte- 
forschungen seien  hier  noch  angefügt.  Zunächst  eine  allgemeinere  Abhand- 
lung von  Für stenwerth^''),  einem  Schüler  Kluckhohns,  über  die  Verfassungs- 
änderungen in  den  oberdeutschen  Reichsstädten  zur  Zeit  Karls  V.,  wo  gegen 
die  Mitte  des  Jh.  nach  dem  Vorgang  von  Augsburg  und  Ulm  die  Geschlechter 
gegen  die  bis  dahin  mächtigen  Zünftler  wieder  an  Einfluss  gewinnen.  —  Ueber 
Nürnbergs  Politik  im  Zeitalter  Luthers,  über  seine  Aufnahme  der  Reformation  und  die 
vermittelnde  Stellung  des  Rates,  der  trotz  strenger  Wahrung  des  protestantischen 
Bekenntnisses  der  mit  Zwinglischen  Elementen  durchsetzten  Vereinigung  oberdeutscher 
Städte  sich  anschloss,  aber  sich  durch  Beitritt  zum  schmalkaldischen  Bund  nicht  in 
offenen  Gegensatz  zum  Kaiser  stellen  wollte,  berichtet  Ludewig*^).  Die  ersten 
Kapitel  sind  den  Zuständen  Nürnbergs  vor  der  Reformation  und  der  ICinführung  der 
neuen  Lehre  gewidmet;  Scheurl,  Spengler,  Pirkheimer  finden  ihre  Stelle  in  der 
frischen  Schilderung  (S.  1 — 47).  —  Von  Augsburg'*^),  Köln^**),  Gerresheim^'),  im 
heutigen  Regierungsbezirk  Düsseldorf  gelegen,  hören  wir,  und  über  Cöslin  im  15.  Jh. 
bringt  das  Programm  von  Hanncke^^j  gj^e  kulturhistorisch  wertvolle  Studie.  H. 
beschreibt  Häuser  und  Kirchen,  das  Leben  der  Bürger  und  der  Geistlichen  und  teilt 
zum  Schluss  einen  Auszug  aus  der  „matricula"  der  Gewandschneider  mit,  d.  h.  aus 
dem  Verzeichnis  der  ausgeliehenen  Gelder  der  Gildelade,  in  dem  der  Adel  sehr  stark 
angekreidet  ist  (S.  23/5). ^3)  — 

Unter  den  Arbeiten  über  einzelne  Persönlichkeiten  ist  für  Maximilian  I. 
neben  Recensionen  der  früher  besprochenen  Werke  von  Ulmann  ^^)  (vgl.  JBL.  1892  II  1 :  36) 
und  Ammann ^^)  (ib.  N.  37)  nur  die  volkstümliche,  recht  munter  geschriebene 
erzählungsmässige  Schilderung  von  Web  er  ^^)  zu  nennen,  die  im  Vorwort  freilich 
ihre  „strenge  Geschichtlichkeit"  betont  und  auch  Ulmann  ,, benutzt"  haben  will.  — 
Dem  Nachfolger  Maximilians  ging  es  nicht  besser.  Ausser  Besprechungen  von  Baum - 
gartens^"  ■''^)  Buch  (vgl.  JBL.  1892  II  1:6)  ist  nur  ein  kurz  zusammenfassender  Vortrag 
desselben  Vf.  über  Karl  V.  und  seine  Stellung  zur  Reformation  zu  verzeichnen. 
—  Im  Anschluss  an  Lenz  (ADB.  6,  S.  600ff.)  erzählte  Zw  enger  ^"j  von  dem  hessischen 
Staatsmann  Job.  Feige,  der,  abgesehen  von  seiner  politischen  Thätigkeit  unter  dem 
Landgrafen  Philipp,  durch  die  Organisierung  der  Universität  Marburg,  deren  erster 
Kanzler  er  war  (1527),  und  durch  die  Berufung'  des  Euricius  Cordus  und  Eoban 
Hessus  an  die  Lahn  sich  verdient  gemacht  hat.  Cordus  dichtete  auf  ihn  ein  Epi- 
gramm, und  Hessus  widmete  ihm  seine  Bucolica  sowie  das  Lobgedicht  auf  den 
württembergischen  Sieg  Philippi  Magnanimi.  —  Im  Gegensatz  zu  Johann  von 
Schwarzenberg  war  sein  Sohn  Christoph,  der  „Landhofmeister"  des  Herzogs 
Wilhelm  IV.  von  Bayern,  ein  strenger  Katholik ;  von  seinem  Wirken  giebt  Paulus^") 
Kunde.  Auf  der  Universität  zu  Tübingen  stand  er  in  Verbindung'  mit  Heinrich  Bebel 
und    dessen    Schüler    Jak.    Heinrichmann    sowie    anderen   Humanisten;    später  ver- 


D.  gelieitne  Dispenslireve  Pins  IV.  für  d.  röni.  Königskrönnng  Maximilians  IL:  HJb.  14,  S.  1-38.  —  45)  W.  E.  Schwarz, 
Briefe  u.  Akten  z.  Gesch.  Maximilians  II.  1.  T.  D.  Briefwechsel  d.  Kaisers  mit  Papst  Pius  V.  2.  T.  Zehn  Gutachten  über 
d.  Lage  d.  kath.  Kirche  in  Deutschland  1573-7t>  nehst  d.  Protokolle  d.  dtscli.  Kongregation  1573-78.  Paderborn,  Bonifacius-Dr. 
1891-92.  XVI,  208  S.;  LU,  135  S.  M  .5,00;  M.  4,00.  ||ri.  Virck:  ThLZ  18,  S.  213,4;  F.  X.  Funk:  ThQ.  75,  S.  329-31. ]|  — 
46)  M.  Lossen,  D.  Magdeb.  Sessionsstreit  auf  d.  Augsb.  Reichstag  v.  1582:  AbhAkMünohen.  20,  S.  621-60.  (Vgl.  dazu 
Th.  Müller,  G.  Wolf,  D.  Anfänge  d.  Magdeb.  Sezess.-Streites:  ZGORh.  8,  S. •587,8.)  -  47)  L.  Fürstenwerth,  D.  Ver- 
fassungsänderungen in  d.  oberdtsch.  Reichsstädten  z.  Zeit  Karls  V.  Göttingen,  Vandenhoeck  &  Ruprecht.  XIV,  105  S.  M.  2,00. 
—  48)  G.  Ludewig,  D.  Politik  Nürnbergs  im  Zeitalter  d.  Reformation  (v.  1520-34).  ebda.  lU,  156  S.  M.  3.50.  |[H.  Virck: 
ThLZ.  18,  S.  619-20JI  —  49)  X  (1  4:452  a.)  -  50)  X  Wirn.  Meyer,  Stadt  u.  Stift  Köln  (vgl.  JBL.  1892  II 1 :23).  |[G.  Winter: 
BLU.  S.  437;  MllL.  21,  S.  265.11  -  51)  G.  v,  Below,  Z.  Gesch.  v.  Gerresheim  im  16.  Jh  :  BGNiederrh.  7,  S.  201,6.  —  52) 
(I  4:341.)  —  53)  X  F.  V(etter),  J.  Dierauer,  Gesch.  d  Schweiz.  Eidgenossensch.  (vgl,  JBL.  1892  II  1:  16):  SchwRs.  1, 
R.  218-21.  —  54)  X  G-  Blondel:  RH.  52,  S.  382,5;  Mkgf  :  HZ.  34,  S.  1223.  —  55)  X  A.  Starzer:  ÖLBl.  2,  S.  712,3.  — 
56)  P.  Weber,  Kaiser  Maximilian,  d.  letzte  Ritter.  E  kulturgesch.  Erzählung  für  Jugend  u.  Volk.  Kegensburg,  Verlagsanst. 
(vorm.  G.  J.  Mnnz).  I^,  295  S.  M.  3,00.  -  57)  X  LCBI.  S.  6:W,9;  G  Egelhaaf:  HZ.  35,  S.  95,8;  J.  Stich:  ÖLBl.  2, 
S.  4246.  —  58)  H.  Baumgarten,  Karl  V  u.  d.  dtsch.  Reformation.  Vortr.  Coburg,  Sendelbach.  II,  42  S.  M.  0,60.  — 
59)  F.  Zwenger,    Joh.  Feige,  e.  hess.  Staatsmann  d.  Beforraationszeit:    Hessenland  7,  S.  102/3.    —    60)  N.  Pualns,  Chrph. 


M.  Osborn,  Allg-eineines  des  15./16.  Jahrhuaderts.  Il  1  :  6i-?ä 

knüpften  ihn  seine  katholischen  Interessen  mit  Cochlaeus,  Nausea  und  dem  Franzis- 
kaner Schatzg-er.  Als  Freund  der  Wissenschaft  schützte  er  1519  in  seiner  Stellung- 
als  Statthalter  des  Herzogtums  Württemberg  in  Stuttgart  den  bedrängten  Reuchlin ; 
aber  er  selbst  schrieb  so  heftige  antilutherische  Traktate,  dass  sein  eig-ener  Vater 
Johann  sich  offen  geg-en  ihn  wandte.  —  Der  interessanten  Persönlichkeit  des  Lazarus 
von  Schwendi  ist  eine  Studie  Martins^')  gewidmet.  Er  giebt  eine  lebendig-e  Schilde- 
rung- von  den  wechselvollen  Schicksalen  des  rührig-en  Schlaukopfs,  der  unter  Karl  V., 
Ferdinand  I.  und  Maximilian  II.  politisch  und  militärisch  sich  auszeichnete,  ohne 
gerade  sich  einen  makellosen  persönlichen  Ruf  zu  erwerben.  Seit  1568  aber  finden 
wir  Schwendi  nur  noch  als  jederzeit  gern  gehörten  Berater  (vgl.  auch  JBL.  1892 
II  1:82).  Und  in  die  folgenden  fünfzehn  Jahre  nun  fällt  sein  inhaltreicher  Brief- 
wechsel mit  Kaisern  und  Fürsten,  sowie  wesentlich  auch  seine  schriftstellerische 
Thätigkeit.  M.  g-iebt  eine  Uebersicht  über  die  zahlreichen  offiziösen  Denkschriften, 
die  Schwendi  g-ern  im  Anschluss  an  Macchiavellis  ,, Diskurse"  nennt,  und  unter  denen 
das  die  Summe  seiner  staatsmännischen  Anschauung-en  ziehende  „Bedenken  an  Kaiser 
Maximilian  den  Andern  von  Reg-ierung  des  heilig-en  Rö:nischen  Reichs  und  Frei- 
stellung- der  Religion...."  aus  dem  J.  1574  hervorragt  (S.  409  —  13).  Bemerkens- 
wert ist,  dass  Schwendi  schon  sich  geg-en  die  Söldnerheere  und  für  die  Volks- 
bewaffnung erklärt,  die  freilich  nur  bei  volkstümlichen  Kriegen  durchzuführen  sei. 
M.  meint,  Schwendis  Hauptg-egner,  der  Kardinal  Granvella,  habe  den  Kern  seines 
Wesens  richtig  erfasst,  „indem  er  ihn  einen  starken  Politikus  nannte,  dessen  Ideale 
aus  den  alten  Republiken,  aus  Griechenland  und  Rom,  stammten"  (S.  415).  Als  durch 
den  Tod  Maximilians  IL  die  Fruchtlosigkeit  aller  Bemühungen  Schwendis  besieg-elt 
wurde,  sprach  sich  sein  Unmut  in  mehreren  kleinen  Dichtungen  aus,  in  denen  er  g-egen 
schlechte  Sitten,  deutschen  Partikularismus  und  geg-en  die  Intriguen  der  Hofleute 
eiferte  (S.  414). ^^j  _  Dem  merkwürdigen  Hans  Kleberg,  einem  Schwiegersohne 
Pirkheimers,  der  hauptsächlich  in  Lyon  weilte,  wo  ihm  seine  Wohlthätig-keit  die 
Bezeichnung  „le  bon  Allemand"  eintrug,  suchte  Ehrenberg^^)  gerecht  zu  werden. 
Kleberg-,  der  zu  Franz  I.  nahe  Beziehung-en  hatte,  war  ein  für  die  damalige  Zeit  in 
Deutschland  höchst  seltenes  Finanzgenie  ersten  Ranges;  freilich  hat  ihm  auch  der 
als  anrüchig  g-eltende  Lebensberuf  des  „Finanzens"  das  Leben  mehr  als  schwer  g-e- 
macht.  —  Eine  Reihe  von  Persönlichkeiten,  die  für  uns  in  Betracht  kommen,  weisen 
die  im  Berichtsjahre  erschienenen  Bände  der  ADB.  auf.  Hans  Landschad  von 
Neckarsteinach,  der  in  seinem  Sitze  den  evang-elischen  Gottesdienst  einführte,  viel- 
leicht noch  selbst  Melchior  Ambach  als  Predig-er  dorthin  berief,  fand  seinen  Bio- 
graphen in  Schneider^*).  —  Die  Söhne  des  Grafen  Botho  zu  Stolberg  behandelte 
wie  den  Vater  selbst  Jacobsß-'»-^^).  Graf  Ludwig,  der  erst  Melanchthon  nahe  stand, 
später  im  anderen  Lager  sich  aufhielt,  zeigte  ein  lebhaftes  Interesse  für  das  Schul- 
wesen und  beteiligte  sich  an  der  Einrichtung  der  Klosterschulen  zu  Ilfeld,  Walken- 
ried, Ilsenburg  und  Hirzenhain ;  er  machte  sich  verdient  durch  die  Förderung  der 
Druckerei  zu  Ursel  und  war  der  erste  Graf  zu  Stolberg,  der  sich  Büchersammlungen, 
zu  Königstein  und  Wertheim,  anlegte.  Mit  Lazarus  von  Schwendi  verband  ihn  ein 
angeregter  Briefwechsel.  Graf  Heinrich,  sein  jüngerer  Bruder,  war  unter  Hermann 
von  Wied  Domdechant   beim    Kölner   Hochstift  und  trat  1543  zur  neuen  Lehre  über. 

—  Der  Schwabe  Georg  von  Stein,  dessen  Leben  Markgraf^^j  beschreibt,  hatte  in 
den  Diensten  mancher  Herren  zur  Zeit  Friedrichs  III.  ein  unruhiges  Schicksal.  Aber 
stets  bewahrte  er  sich  Lust  und  Freude  an  der  Wissenschaft;  Trithemius,  Celtis, 
Bebel  rühmen  ihn,  und  sein  Neffe  Eitelwolf  von  Stein  widmete  ihm  die  Schrift:  „De 
laudibus  heroum  et  virorum  illustrium".  —  P]in  politischer  Landsknecht  ist  der 
intrigante  Spedt,  dessen  gesinnungslose  Thätigkeit  Krause  6^)  verfolgt.  Spedt  war 
je  nach  Bedarf  Protestant  oder  Katholik  und  taucht  bei  allen  politischen  Ränken 
zwischen  1540 — 80  auf.  —  Einen  echten,  ehrlichen,  frischen,  kühnen  Schweizer 
Söldnerführer  schilderte  dagegen  Blösch'^)  in  Albrecht  vom  Stein.  Ihn  hat  Niklas 
Manuel,  der  unter  seinem  Konunando  kämpfte,  in   einem  Totentanzbilde    angebracht. 

—  Auch  der  Artikel  Brechers'')  über  Lazarus  Spengler  fällt  ins  Berichtsjahr.  B. 
schildert  in  gedrängter  Kürze  das  Leben  und  die  Thätigkeit  des  vielseitigen  Nürn- 
berger Ratsschreibers,  seine  Stellung  in  der  Stadt,  seine  Beziehungen  zu  Pirkheimer 
und  Dürer,  ferner  die  Bestrebungen  des  Kreises  um  Joh.  Staupitz  in  Nürnberg 
1512— 16,  als  dessen  Nachfolger  der  Augustiner  Wenzeslaus  Link  erscheint,  bis  Luthers 


V.  Scbwurzenberg,  e.  kathol.  Schriftsteller  n.  Staatsmann  d.  16.  .Jh  :  IlPßll.  111,  S.  10-32;  112,  S.  144-54.  —  61)  E.  Martin, 
Lazarus  v.  Schwendi  n.  seine  Schriften:  ZGORh.  8,  S  3S9-418  —  62)  X  E.  Marclcs,  G.  v.  Ooligny.  Sein  Leben  u.  d.  Frank- 
reich seiner  Zeit.  1.  Bd.  1.  Hälfte.  St.,  Cotta.  VII,  423  S  M  8.00.  |[F.  Sander:  AZj".  N.  17.5.JI  -  63)  (I  4:  151.)  — 
64)  Joh.  Schneider,  Hans  Liindsohad  v.  Steinach:  ADB.  35,  S.  (570/5.  -  65)X  ^<^  Jacobs,  Botho  Graf  zu  Stolberg:  ib.  36, 
S.  327/9.  —  66)  id.,  Ludw.  Graf  zu  Stolberg:  ib.  S.  .3:59-45.  —  67)  id.,  Heinr.  Graf  za  Stolberg:  ib.  S.  .335,9.  —  68)  H. 
Markgraf,  Georg  v.  Stein:  ib.  35,  S  G08-13.  —  69)  C.  Krause,  Fr.  Spedt:  ib.  S.  88-92.  —  70)  Blösch,  Albr. 
vom  Stein:  ib.  S.  596,9.    —    71)  A.  Brecher,  Laz.  Spengler:  ib.  S.  118-22.    —    72,»  K.  Lamp  recht,    Dtsch.  Geistesleben  im 


II  1:73-83  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15. /16.  Jahrhunderts. 

That  allen  diesen  Wünschen  einen  festen  Mittelpunkt  g-iebt.  Spenglers  Förderung" 
der  Reformation,  seine  Begeisterung  für  Luther  sowie  seinen  Anteil  bei  der  Grün- 
dung der  Gelehrtenschule,  für  die  er  sich  persönlich  in  Wittenberg  bei  den  Refor- 
matoren Rats  erholte,  werden  dargestellt.  — 

Zur  Geschichte  des  geistig-en  Lebens  sei  zunächst  die  allgemeine  Skizze 
genannt,  die  Lamprechf'^)  aus  der  Zeit  des  endenden  Mittelalters  entwirft.  Sie 
führt  bis  an  die  Grenze,  bei  der  die  JBL.  einsetzen,  aber  sie  mag*  dem  Studium  der 
neueren  Zeit  wohl  als  treffliche  Grundlage  dienen.  —  Wichtig-  für  die  Vorgeschichte 
unseres  Abschnittes  sind  auch  die  von  Burdach '3)  nun  zu  einem  Buche  gesammelten 
älteren  Abhandlungen,  dessen  Einleitung  ich  mir  für  den  nächsten  Band  zur  Be- 
sprechung vorbehalte.  Dies  erste  Heft  einer  Sammlung  von  Einzelforschungen  zur 
Geschichte  der  deutschen  Bildung  enthält  hauptsächlich  B.s  Besprechung  des  Keller- 
Sieversschen  Hss.-Verzeichnisses  (vgi.  JBL.  1890  11  1  :  12)  sowie  einen  glänzenden 
Aufsatz  über  die  böhmische  Kanzlei  unter  Karl  IV,  und  ihre  Bedeutung  für  die 
deutsche  Kulturentwicklung.  Der  Vf.  hat  den  Zweck  im  Auge,  das  Nachleben  der 
mittelhochdeutschen  Poesie  darzustellen,  soweit  es  sich  in  der  Anfertigung  neuer 
Hss  der  alten  Werke  beweist,  und  dann  „die  Mächte  zu  ergründen  und  anschaulich 
zu  machen,  welche  sich  diesem  Fortleben  der  mittelhochdeutschen  weltlichen  Lehr- 
dichtung und  der  von  ihr  vertretenen  Sittlichkeit  teils  auflösend,  zerstörend,  teils 
umgestaltend  entgegen  stellen".  Die  Einflüsse  des  Auslandes  auf  die  Kanzlei,  diesen 
Mittelpunkt  neuer  Bestrebungen,  die  unermüdliche  Thätigkeit  des  Kanzlers  Johann 
von  Neumarkt  werden  gewürdigt,  die  bildende  Kunst  wird  ebenfalls  herangezogen  und  so 
ein  meisterhaftes  Bild  aus  dieser  Zeit  des  ersten  Anfangs  der  deutschen  Renaissance-Be- 
wegung geboten.  —  Auch  von  den  Werken  über  die  Renaissance  in  Italien,  deren 
Studium  zum  völligen  Erfassen  der  deutschen  Litteratur  des  15.  und  16.  Jh.  ja  un- 
erlässlich  ist,  seien  einige  kurz  erwähnt,  wenn  sie  auch  nur  ein  loserer  Zusammen- 
hang mit  unserem  eigentlichen  Stoffkreise  verknüpft.  Da  ist  vor  allem  auf  ein  um- 
fangreiches italienisches  Werk''*)  hinzuweisen,  das  in  drei  Abteilungen  („Storia", 
„Letteratura"  und  „Arte")  zwölf  Aufsätze  von  hervorragenden  Gelehrten  bietet, 
welche  die  ganze  Welt  des  Rinascimento  umfassen.  —  Daneben  stellen  sich  die 
Studien  des  Engländers  Pater^^)  über  Kunst  und  Litteratur  der  Renaissance,  von 
denen  für  uns  die  geistvollen  Ausführungen  der  Einleitung  und  des  Schlusses  sowie 
ein  feinsinniger  Aufsatz  über  Winckelmann  und  den  steigenden  Einfluss  der  Antike 
zu  Ende  des  vorigen  Jh.  (S.  187 — 246)  besondere  Wichtigkeit  haben. ''6)  —  Während 
Owen"')  die  bedeutendsten  Männer  aus  dem  Italien  jener  Jhh.  schildert,  plaudert 
Jacobsen^^)  von  italienischen  Frauen  des  Cinquecento.  —  Leben  und  Wirken 
Lorenzo  Vallas  dem  weiteren  gebildeten  deutschen  Publikum  bekannt  zu  machen, 
hat  von  Wolff'^)  mit  vielem  Fleiss  und  mit  Geschick  versucht,  aber  ohne  die  Ge- 
stalt des  Gelehrten,  wie  es  geschehen  musste,  aus  seiner  ganzen  Zeit  herauswachsen 
zu  lassen.  Von  den  W^erken  Vallas,  dessen  Bedeutung  nicht  zum  geringsten  darin 
lag,  dass  er  bei  aller  Achtung  und  Bewunderung  vor  dem  Altertum  doch  die  ob- 
jektive Kritik  zur  Geltung  brachte,  giebt  W.  ausführliche  Analysen.  Ganze  Strecken 
hat  er  übersetzt,  so  besonders  aus  dem  Traktate  „De  voluptate  ac  de  vero'  bono" 
(S.  13—36)  und  aus  der  Abhandlung  über  die  Konstantinische  Schenkung  (S.  79— 93).80) 
—  Voll  Geist  weiss  Paul  Roden^'),  hinter  welchem  Pseudonym  sich  ein  weiblicher 
Autor  verbirgt,  seine  These  zu  verteidigen,  dass  in  Shakespeares  „Sturm"  die  ge- 
waltige geistige  Umwälzung  allegorisch  geschildert  sei,  welche  vom  Ende  des  15.  bis 
zum  Ende  des  16.  Jh.  die  Köpfe  und  Gemüter  Europas  erregte.  —  Ein  kurzer,  aber 
inhaltreicher  und  beachtenswerter  Vortrag  Hampes^^j  wägt  die  Werte  der  deutschen 
Kunst  und  der  deutschen  Litteratur  um  die  Wende  des  15.  Jh.  gegen  einander  ab.  H. 
weist   auf   die  seltsame  Thatsache   hin,    dass    in  Deutschland  Dichtung  und  bildende 


endenden  MA. :  ZKnltG.  1,  S.  5-49.  —  73)  K.  Burdach,  Vom  MA.  z.  Reformation.  Forschungen  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Bildung. 
1.  Hft.  (Erweit.  Abdr.  aus  CBlBibl.  Bd.  8.)  Hallo  a.  S.,  Niemeyer.  XX,  134  S.  M.  4,00.  —  74)  La  vita  italiana  nel 
rinascimento.  Conference  tennto  a  Firenze  nel  1392.  Milano,  Fratelli  Treves.  519  S.  L.  6,00.  (Enthält:  I.  Storia:  1.  E.  Masi, 
Lorenzo  il  Magnifico;  2.  G.  Giacosa,  La  Vita  privata  ne'  Castelli;  3.  G.  Biagi,  La  Vita  privata  dei  Piorentini;  4.  J.  Del 
Lungo,  La  donna  fiorentina  nel  rinascimento  e  negli  Ultimi  tempi  della  libertä.  II.  Letteratnra:  1.  Q.  Mazzoni,  II 
Poliziano    e    rUmanesimo;    2.   E.  Nencioni,    La    Urica   del    rinascimento;    3.  P.  Rajna,    L'Orlando  Innamor.ito  del  Bojardo; 

4.  F.  Tocco,  II  Savonarola  e  la  Profezia.  III  Arte:  1.  D.  Mortelli,  La  pittura  del  400  a  Firenze;  2.  V.  Lee,  La  scultura 
del  Rinascimento;  3.  E.  Ponzacohi,  Leonardo  di  Vinci  [d.  P.  S.  4645  durch  e.  Hinweis  auf  d.  Figur  d.  Faust  sehr  fein 
zu  charakterisieren  suchtj;  4.  P.  Molmenti,  L'arte  veneziana  del  rinascimento.)  —  75)  W.  Pater,  The  renaissance.  Stndies 
in  art  and  poetry.  New  ed.  London  and  New-Yort,  Macmillan  &  Co.  XVI,  253  S.  Sh.  lÜ/6.  (Enth.  ausser  d.  im  Texte  ge- 
nannten Abschnitten  u    a.  noch:    Two  early  french  stories  S.  1-30;    Tho  poetry  of  Michelangelo  S.  76-102;  Leonardo  da  Vinci 

5.  103-35.)  —  76)  X  J-  Klaczko,  Rorae  et  la  Renaissance.  Essais  et  esquisses:  RDM.  115,  S.529-57;  116,8.37-62,624-51. 
(S.  bes.  N.  4  „Au  seuil  de  la  sixtina"  u.  N.  6  „Une  vue  sur  le  rinascimento".)  —  77)  J.  Owen,  The  Sceptics  of  the  Italian 
Renaissance.  London,  Swan,  Sonnenschein  &  Co.  273  S.  |[BLU.  S.  G53/4;  M.  Hewlet.t:  Ac.  43,  S.  4534.JI  —  78)  E.  P. 
Jacobson,  Italian  women  of  the  16.  Cent..:  WestmR.  140,  S.  17-23.  —  79)  Max  v.  Wolff,  Lorenzo  Valla.  Sein  Leben  u. 
seine  Werke.  E.  Studie  z.  Litt.-Gesch.  Italiens  im  1.5.  Jh.  L.,  Seemann.  VI,  134  S.  M.  2,50.  —  80)  X  The  Decameron  of 
Boccaccio:  EdinbR.  178,  S.  500-29.  (Rec.  e.  Reihe  v.  Werken  über  Boccaccio  u.  Beine  Zeit)  —  81)  P.  Roden,  Shakespeares 
„Sturm".    E.  Kulturbild.  L,  W.  Friedrich    62  S.  M.  1,00.  -  82)  (I  11:184;  12:3.)  — 83)XX  A.John,  Z.  Kulturgesch.  d.  westl. 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  34-33 

Kunst  fast  niemals  mit  einander  Schritt  g-ehalten,  vielmehr  stets  in  einem  auffallenden 
Missverhältnis  g-estanden  haben.  '  Auf  den  mittelalterlichen  Zustand,  die  hohe  Blüte 
der  Poesie  und  den  niedrig-en  Stand  von  Plastik  und  Malerei,  folgt  nun  g'egen  das 
J.  1.500  eine  Zeit  des  Li tteratur Verfalls  und  des  Aufschwungs  der  bildenden  Künste. 
Für  die  g-esamte  Dichtung-  der  Reformationsperiode  hat  H.  nicht  viel  Liebe  übrig. 
Während  die  Schriftsteller  sich  ganz  und  gar  von  Tendenz  und  Dogma  in  Ketten 
schlagen  Hessen,  habe  die  bildende  Kunst  nur  ausnahmsweise  sich  zur  Mag-d  politischer 
und  religiöser  Parteien  herabgewürdigt,  ohne  jemals  im  ganzen  das  eigentlich  künst- 
lerische Element  völlig  zu  verlieren.  Mit  dem  Handwerksmässigen  in  der  Litteratur 
kann  der  Vf.  freilich  aus  seinen  eigenen  Forschungen  in  den  Nürnberger  Rats- 
protokollen auch  Erscheinungen  in  der  ehrsamen  Zunft  der  Maler  und  in  den  Kreisen 
der  Kunsthandwerker  in  Parallele  bringen.  Auch  ist  H.  nicht  ganz  gerecht,  wenn 
er  die  Ausbildung  eines  gesunden  naturalistischen  Zuges  für  die  bildende  Kunst  allein 
in  Anspruch  nimmt  und  der  Dichtung  so  gut  wie  völlig  abstreitet.  Im  ganzen  aber 
wird  man  schwerlich  seinen  Ausführungen  widersprechen,  die  beweisen  wollen,  wie 
namentlich  durch  die  humanistischen  Gelehrten  und  durch  den  übermässigen  Einfluss 
der  Renaissance  überhaupt  die  Poesie  der  Gebildeten  dem  Volke  mehr  und  mehr 
sich  entfremdete,  während  die  Malerei  niemals  in  jener  Zeit  den  festen  Zusammen- 
halt mit  der  ganzen  Nation  einbüsste.  In  der  deutschen  Kunst,  so  behauptet  der  Vf. 
mit  Fug,  ist  zuerst  die  Abklärung  der  mystisch  dunklen  und  verschwommenen 
Ahnungen  und  Gefühle  zu  reformatorisch  fruchtbaren  Ideen  erfolgt  (S.  19),  und  mit 
Recht  weist  er  dem  grössten  bildenden  Künstler  jener  Epoche,  Albrecht  Dürer,  den 
Platz  des  grössten  Künstlers  schlechthin  im  damaligen  Deutschland  an.^^j  —  Von 
den  englischen  protestantisch-reformatorisch  Gesinnten,  die  in  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jh.  nach  der  Schweiz  kamen  und  in  Zürich  in  den  Häusern  der  obersten  Geist- 
lichen, besonders  bei  BuUinger,  Zuflucht  fanden,  berichtet  Vetter^*).  Er  verweilt 
besonders  lange  bei  dem  englischen  Antipapisten  John  Bale  (S.  15 — 20),  der  den 
Pammachius  des  Naogeorg  übersetzte  und  selbst  in  dem  bedeutendsten  seiner  fünf 
erhaltenen  Schauspiele,  dem  „King  Johan",  den  Einfluss  jenes  romfeindlichen 
dramatischen  Pamphlets  deutlich  verrät;  dem  Engländer  widmete  auch  Konrad 
Gesner  sein  Sprachvergleich endes  Werk  „Mithridates".  In  der  zweiten  Hälfte  des  Jh. 
entspann  sich  dann  ein  äusserst  reger  Verkehr  zwischen  Zürich  und  England,  der 
schliesslich  einen  riesenhaften  Umfang  annahm.  Die  Abhandlung  V.s  bringt  an  der 
Spitze  die  Abbildung  eines  Ehrenpokals,  den  die  Königin  Elisabeth  Bullinger  für 
die  freundliche  Aufnahme  der  protestantischen  Flüchtlinge  unter  dem  Regimente  der 
katholischen  Maria  verehrte.  — 

Unter  den  zusammenfassenden  Arbeiten  zur  Litteraturgeschichte  des 
16.  Jh.  sei  auch  hier  wieder  auf  Baechtolds^^j  gewaltiges  Werk  über  die  deutsche 
Dichtung  in  der  Schweiz  hingewiesen,  das  an  einer  anderen  Stelle  dieses  Bandes 
eingehende  Würdigung  erfahren  hat.  Für  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jh.  kommt  das 
vierte  Kapitel  (S.  190—244)  mit  seiner  Darstellung  des  Volksliedes,  der  geistlichen 
Dramen  und  des  Fastnachtsspiels,  der  Predigt  und  der  Schriften  der  Mystiker,  der 
historischen  Prosa  und  des  beginnenden  Humanismus  in  Betracht,  für  das  16.  Jh. 
dann  das  grosse  fünfte  Kapitel  (S.  245—446)  und  für  beide  Abschnitte  von  den  An- 
merkungen ein  bedeutender  Teil  mit  einer  Riesenmenge  Materials  (S.  47 — 140).  — 
Lorenz^^)  Dissertation  über  den  Anteil  Mecklenburgs  an  der  deutschen  National- 
litteratur  behandelt  auf  S.  7 — 21  unsere  Zeit.  Das  für  den  Herzog  Balthasar  von 
Mecklenburg  hergestellte  Heldenbuch  Kaspars  von  der  Roen  steht  hier  an  der  Spitze. 
Epen-Uebersetzungen  schliessen  sich  an  und,  als  Hauptpunkt  des  älteren  Dramas, 
das  Redentiner  Osterspiel.  In  den  Anfangszeiten  des  Humanismus  in  Rostock  richtet 
sich  die  Aufmerksamkeit  hauptsächlich  auf  Hütten,  der  im  Winter  1510  als  ein 
Jüngling  von  22  Jahren  von  Greifswald  her  dorthin  kam  und  ein  Semester  hindurch 
Vorlesungen  hielt,  der  ferner  in  Rostock  sein  erstes  Werk,  die  Sammlung  seiner 
Elegien,  fertig  stellte.  Von  neulateinischen  Dichtern  seiner  Heimat  nennt  L.  in  den 
bibliographischen  Anmerkungen  (S.  36 — 47)  63,  unter  ihnen  Joh.  und  Dav.  Caselius, 
Nath.  Chytraeus,  Joh.  Freder.  Daneben  stellen  sich  die  lateinischen  Schuldramen, 
mit  dem  „Nymphocomos"  des  Chrph.  Brockhagius  und  dem  „Cornelius  Relegatus" 
Wichgrevs  in  erster  Reihe.  Franziscus  Omichius  und  Joachim  Schlu  vertreten  das 
deutsche  Schauspiel,  30  Namen  jedoch  das  geistliche  Lied  (Anm.  S.  50/3),  Omichius 
wiederum  mit  seiner  Beschreibung  einer  Reise  von  Wien  nach  Konstantinopel  und 
Chytraeus  mit  seinen  Fabeln  die  Didaktik.  —  Die  deutsche  Dichtung  in  der  Provinz 
Posen  hat  sich,  wie  Skladny^'')  in  einem  Vortrage  zeigte,  stets  auf  die  schlesische 


Böhmens.    I.  Hamanismas  u.  Reformation:  ZDKG.  3,  S.  177-208.  —  84)  Th.  Vetter,  Englische  Flüchtlinge  in  Zürich  während 
d.  ersten  Hälfte  d.  16.  Jh.     (=  Njbl.  her.  v.  d.  Stadtbibl   in  Zürich.)     Zürich,  Orell  Füssli.     4».    23  S.  mit  1  Lichtdr.    M.  2,20. 
|[F.  V(etter):  SchwKs.  1,  S    347.]|  —    85)  (I  1  :  HO.)  -    86)  (I  1  :  Hl.)   -    87)  (III  1  :  1.37;  IV  la  :  46.)  —    88)  (II  3  :  50.) 
Jahresberichte  für  nenere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (2)2 


II  1  :  89-99  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./ 16.  Jahrhunderts. 

Grenze  beschränkt.  Die  ältesten  deutschen  Verse  finden  sich  auf  zwei  Glocken  zu 
Klecko  und  in  anderen  Inschriften.  Die  g-edruckten  Werke  aus  unserer  Periode 
verteilen  sich  auf  Matth.  Rüdinger,  dessen  Poesie  hauptsächlich  in  verschnörkelten 
Reimereien  aufging-,  ferner  Valerius  Herberg-er,  einen  Fraustädter  von  Geburt  wie 
Rüdinger,  und  Joh.  Heermann  aus  Schlesien,  die  sich  als  geistliche  Dichter  bekannt 
machten.  —  Für  die  Sammlung  Goschen  stellte  Pariser ^S)  ein  Bändchen  aus  Bruch- 
stücken der  wichtigsten  Litteraturwerke  des  16.  Jh.  zusammen.  Den  halb  populären 
Zwecken  entsprechen  Auswahl  und  Anmerkungen  sowie  die  orientierenden  Vor- 
bemerkungen vollkommen.  Von  Brant  haben  die  Kap.  1,  17,  99  des  Narrenschiffs  Auf- 
nahme gefunden;  Murner  ist  mit  einem  Abschnitt  der  Narrenbeschwörung  („Ein  Esel 
latin  lernen")  und  mit  einem  des  Grossen  Lutherischen  Narren  („Das  Banner  der 
Freiheit")  vertreten.  Von  Luther  ist  neben  der  Vorrede  auf  den  Psalter,  einem 
Stück  aus  dem  Sendbrief  vom  Dolmetschen,  einigen  Briefstellen  und  Aesopischen 
Fabeln  auch  nach  der  Ausgabe  letzter  Hand  (1545)  Ev.  Matth.  26,6  —  1:3  abgedruckt 
und  dazu  das  gleiche  Stück  in  der  Uebertragung  des  Codex  Teplensis,  der  Schrift  „des 
newen  gezeuges",  —  ein  prägnantes  Beispiel  für  Luthers  wundervolle  Sprachgewalt. 
Auch  Hütten  (Vorrede  aus  dem  Gesprächbüchlein  und  „Ich  habs  gewagt"),  Fischart 
(„Ernstliche  Ermahnung";  Stück  aus  dem  „Glückhafft  Schiff"),  Joh.  Pauli,  der  immer 
noch  der  getaufte  Jude  ist  (Ernst  N.  333;  Schimpf  N.  422j,  Waldis  und  Alber us 
mit  ein  paar  Fabeln  sind  berücksichtigt.  Beim  Kirchenlied  kommen  neben  Luther 
selbst  Joh.  Matthesius,  Nik.  Decius,  Paulus  Speratus,  Nik.  Hermann,  Fisohart  und 
Hans  Sachs  zu  Worte.  Hans  Sachs  ist  auch  noch  mit  der  ,, Klagred  der  Theologia", 
mit  einem  epischen  und  einem  dramatischen  Werkchen  vertreten.  Proben  aus  dem 
Reinke  de  vos  und  Rollenhagens  Froschmäuseier  (II,  Teil  4,  Kap.  2)  machen  den 
Schluss.  —  Zu  Wolkans  Studien  über  die  deutsche  Litteratur  in  Böhmen  (vgl.  JBL. 
1890  II  1  :  13;  1891  II  1 :  1 ;  1892  II  1  :  42)  brachte  Lambel^i')  in  einer  ausführlichen 
Besprechung  zahlreiche  kleine  Nachträge  und  Berichtigungen.  —  Gauthiez'*^) 
nimmt  in  seinen  Aufsätzen  über  Rabelais,  Montaigne  und  Kalvin,  ,,ces  peres  de  l'esprit 
fran^ais",  vielfach  Rücksicht  auf  die  deutsche  Litteratur.  —  Wie  die  reformatorische 
Anschauung  von  der  Ehe  auf  die  verschiedenen  Zweige  der  zeitgenössischen  Litteratur 
auf  Lyrik,  Epos,  Drama  und  vor  allem  didaktische  Poesie  wirkte,  zeigte  W.  Ka  werau**') 
in  einer  vortrefflichen  kleinen  Schrift.  —  Osborn^^)  suchte  in  seiner  Studie  über 
die  satirisch-didaktischen  Teufelbücher  protestantischer  Theologen  nach  Luthers 
Tode  die  Lasterpersonifikation  in  der  Litteratur  der  Zeit  überhaupt  zu  verfolgen.  — 
In  einer  Kritik  der  Abhandlung  RochoUs  über  die  wissenschaftliche 
Beschäftigung  der  Renaissancezeit  mit  der  Philosophie  des  Plato  (vgl.  JBL.  1892  II 
l :  48)  betont  Stein"^),  dass  es  in  jener  Periode  doch  nicht  allein  der  mit  neuplatonischen, 
alexandrinischen  und  kabbalistischen  Elementen  durchsetzte  theosophische  Piatonismus, 
wie  ihn  Ficino  beispielsweise  verdolmetschte,  gewesen  ist,  der  die  Köpfe  der  Gelehrten 
erfüllte.  Es  beginnt  schon  die  Erforschung  der  reinen,  unverfälschten  platonischen 
Philosophie,  und  seitdem  Aurispa  von  Konstantinopel  den  ganzen  Plato  nach  Venedig 
gebracht  hatte,  arbeiteten  Männer  wie  Manuel  Chrysolarus,  Angelus  Politianus, 
Vettorino  de  Feltre  an  der  Herstellung  der  reinen  Lehre  des  Griechen.  —  Die  früher 
besprochenen  Arbeiten  von  Albert 9*)  über  den  Minoriten  Matthias  Döring  (JBL.  1892 
II  1:56)  und  von  Paulus 9^)  über  den  Augustiner  Hoffmeister  (JBL.  1891  II  7:50; 
s.  u.  II  6:6)  fanden  im  Berichtsjahr  noch  mannigfache  Beachtung. ^6)  Auf  Grund 
von  Frankfurter  Archivalien  schildert  Heinze^')  den  Streit  des  gelehrten  Magisters 
Konrad  Schade  mit  der  Stadt  Heidelberg,  Diese  Händel,  durch  die  Absetzung  des 
Magisters  im  J.  1457  hervorgerufen,  nahmen  eine  merkwürdige  Wendung  dadurch, 
dass  Schade,  als  er  bei  Kurfürst  Friedrich  I.  von  der  Pfalz  sein  Recht  nicht  erhielt, 
die  Hülfe  der  Feme  in  der  Person  des  Freigrafen  Johann  Hackenberg  anrief,  und 
dass  nach  langem  Hin  und  Her  schliesslich  Papst  Pius  II.  zu  Gunsten  des  Spruches 
der  Feme  intervenierte,  die  Heidelberg  verurteilte.  H.  weist  darauf  hin  (S.  210), 
dass  Aeneas  Sylvius  selbst  sich  in  seiner  Historia  de  Europa  über  die  Femgerichte 
ausgesprochen  hat.  —  Sebastian  Münsters  grammatische  Lehrbücher  sucht  Pul  ver- 
mach ers'-'^)  Dissertation  gegen  mancherlei  Vorwürfe  zu  verteidigen,^^)  —  Paracelsus 
von    Hohenheims   400.    Geburtsjahr    hat    zahlreiche    Gedenkartikel   in  Tagesblättern 


IfM.  P.  C.  Schmidt:  ASNS.  91,  S.  277/8  (kleine  Verbesserongen  u.  Nachtrr);  TliLBl.  14,  S.  178.J|  —  89)  H.  L  a  m  b  e  1 : 
LBlGRPh.  S.  385-95.  —  90)  P.  Gauthiez.  Ktudes  litt,  sur  le  16.  siecle.  Paris,  Lecfene  &  Oadin.  XVIII,  337  S.  Fr.  3,50. 
HPolybibU'.  68,  S.  .547;  SchwRs.  1,  S.  630/l.JI  —  91)  (II  6  :  191;  vgl  auch  JBL.  1894  II  5)  —  92)  (III  5  :  5  )  -  93)  L.Stein: 
AGPhilos.  6,  S.  428-30.  —  94)  X  ö'  Kaweran:  GGA.  S.  497-504;  C.  Eubel:  Kath.  2,  S.  10-20;  A.  Cartellieri:  MHL.  21, 
S.  143/6;  LCBl.  S.  942;  DLZ.  S.  974/5;  B.  Gebhardt:  HZ.  35,  S  504/5;  StML.  44,  S.  377;  MA.  6,  S.  23;  G.  Bessert: 
ThLBl.  14,  S.  268,9;  Karl  Müller:  TliLZ.  18,  S.  362/4.  —  95)  X  J-  Schmid:  LRs.  19,  S.  140,2;  Ale.  Hollaender:  HZ.  71, 
S.  114/5;  BPhWS  1892,  S  1370/1;  E.  A  Hai  1er:  KathSchwBll.  9,  S.  260/2  —  96)  X  Mimfr.  Mayer,  Wig.  Hundt  (vgl.  JBL.  1892 
II  1  :62).  IIHPBll.  112,  S.  202,3;  0.  Braunsberger:  StML.  44,  S.  615,8.]|  -  97)  R.  Heinze,  Mag.  Konr.  Sohades  Streit- 
händel mit  d.  Stadt  Heidelberg.  (Mitte  d.  15.  Jh.):  NHJbb.  3,  S.  199-223.  -  98)  D.  Pulvermacher.  Seb.  Monster  als 
Grammatiker.     Diss.     Erlangen  (Berlin,  IL  S.  Hermann).     1892.     32  S.     (Vgl.  auch  II  0:  172.)   —  99)  X  L.  R,   J.  .J.  Scaliger: 


M.  Osborn,  Allg-emeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  100-124 

hervorgerufen  >"<'"  105).  —  Grottewitz 'o^)  konnte  den  350 jährigen  Todestag"  des 
Kopernicus  nicht  ohne  Jubiläumsaufsatz  vorübergehen  lassen."^')  —  Rudio'^^)  hat 
seinen  bereits  1891  in  Zürich  gehaltenen  Vortrag  über  die  Bedeutung  der  mathematischen 
Wissenschaften  für  die  Kultur  .und  die  künstlerische  Entwicklung  der  Renaissance- 
zeit (vgl.  JBL.  1891  II  1  :20;  1892  II  1:50)  nun  im  Wortlaut  erscheinen  lassen.  — 
Lo  ewenberg  "^•*)  verfolgte  den  Anteil  der  Deutschen  an  der  Forschungsarbeit  der 
Entdeckungszeit,  wies  auf  die  Ephemeridenberechnungen  des  Joh.  Müller,  auf  Martin 
Behaim,  den  Schöpfer  des  Erdgiobus,  auf  W^aldseemüller,  den  üebersetzer  der  Berichte 
Vespuccis,  und  Peter  Bienemann  (Apianus)  hin,  der  die  erste  Landkarte  mit  dem 
Namen  Amerika  verfertigte,  um  dann  bei  Sebastian  Franck  und  seinem  „Weltbuch",  der 
Zusammenfassung  des  gesamten  geographischen  Wissens  der  Zeit,  zu  verweilen. 
Einer  nicht  erschöpfenden  Charakteristik  Francks  und  seiner  Anschauungen  lässt  der 
Vf.  eine  Analyse  des  Weltbuchs  folgen;  die  zumal  für  das  Mainland  und  im  besonderen 
für  Würzburg'  wichtigen  Sittenschilderungen  werden  nacherzählt.  —  In  zwei  Ab- 
teilungen gab  Hildenbrand  i'O)  Untersuchungen  über  Matthias  Quads  50  Landtafeln 
enthaltenden  Atlas  „Europae  universalis  et  particularis  descriptio"  heraus,  eine  der 
ersten  Kartensammlungen  in  Buchform  überhaupt.  Der  erste  Teil  handelt  über 
Quads  Leben  und  Thätigkeit,  speciell  über  die  Descriptio ;  der  zweite  bringt  (S.  16/9) 
u.  a.  eine  interessante  Zusammenstellung  der  Terra  cognita  um  das  J.  1590.  —  Neben 
einigen  Schriften,  die  noch  dem  Jubiläum  der  Entdeckung  Amerikas  ihr  Dasein  ver- 
danken ^^ '  ^'^^  und  Rüg  es  i'^)  „Columbus"  in  Bettelheims  Sammlung  sei  noch  auf  eine 
lateinische  „Oratiuncula"  aufmerksam  gemacht,  die  der  Prof.  Erasmus  Schmidt  im 
J.  1602  über  Amerika  an  der  Universität  Wittenberg  gehalten,  dann  1616  seiner 
Pin darausgabe  beigegeben,  und  die  nun  Wiesehahn"*)  ins  Deutsche  übertragen  hat. 
Nach  des  Prof  Erasm.  Schmidt  Meinung  war  Amerika  den  Alten  schon  wohlbekannt.  — 
Das  kulturhistorische  Werk  von  Alwin  Schultz  (vgl.  JBL.  1891  I  5:  16; 
1892  14:21;  II  1:63)  wurde  noch  wiederholt  besprochen  * '5);  auch  Dielitz"^) 
Aufsatz  über  das  deutsche  Bürgerhaus  ist  durch  Schultz  veranlasst.  —  Nicht  er- 
schöpfend ist  die  Darstellung,  die  Falk'^')  von  dem  klerikalen  Proletariat  um  die 
Wende  des  15.  Jh."^"'*^)  giebt. —  Nach  den  reichen  Mitteilungen  der  Zimmerischen 
Chronik  plauderte  ein  Anonymus  '^o)  über  Kaiser,  Reichstage,  Fürsten  und  Herren 
im  16.  Jh.'-')  —  Die  Ausführungen  Katts'22^  über  das  Studententum  der  Re- 
formationszeit im  Gegensatz  zu  den  Zuständen  des  Mittelalters,  die  den  ganz  falschen 
Schluss  aufkommen  lassen,  als  habe  sich  überhaupt  erst  im  16.  Jh.  das  eigentliche 
Burschenleben  entwickelt,  beruhen  auf  Sachs  Kulturbildern  (vgl.  JBL.  1891  I  5  :  10).  — 
Neben  Wichgrevs,  des  Rostocker  Studenten  und  Privatdocenten,  „Cornelius  Relegatus" 
boten  Hoffmeister '23J  zu  einer  Schilderung  des  Studentenlebens  auf  der  mecklen- 
burgischen Hochschule  im  16.  Jh.  die  seit  1560  vollständig  erhaltenen  Akten  ein 
reiches  kulturhistorisches  Material.  Der  Vf.  weist  auf  Huttens  und  seiner  huma- 
nistischen Genossen  Thätigkeit,  auf  das  Wirken  des  Arnold  Burenius  und  die  Re- 
organisation der  Universitätsverfassung  mit  neuen  strengeren  Satzungen  (1548)  hin.  Der 
Karzer  wird  1563  zum  ersten  Male  erwähnt;  bei  einem  der  aufnotierten  Duelle,  die 
meist  nur  aus  zufälligen  Rencontres  entstanden,  verlor  der  berühmte  Tycho  de  Brahe 
seine  Nase.  —  Ueber  die  Entstehung  des  Jesuitenordens  seit  dem  ersten  Bunde  des 
Inigo  Lopez    de  Recalde   aus    dem    Hause  Loyala   mit  Pierre  Lcfevre    aus  Savoyen, 


Didask.  N.  19-20.  (Nach  J.  Bernays.)  —  100)  X  A.  Pfungst,  Th.  Paracelsns:  FZg  N.  341.-  101)  X  A.  B  a  u  e  r ,  Paracelsns : 
WienerZg.  12.-14.  Dec.  —  102)  X  E.  Langsdorf,  Philippns  Theophrastns  Bcmbastus  Paracelsns  v.  Hohenheim.  (Z.  400.  Ge- 
bnrtst.):  Didusk.  N.  296  7.  —  103)  X  A.  Kohut,  Paracelsns  v.  Hohenheim:  IllZg.  101,  S.  691/4.  —  104)  X  K.  Sudhoff, 
Zu  Hohenheiras  Geburtstag:  AZg''.  N.  261.  (Beitrr.  z.  Gesch.  d.  ersten  Lebensjahre  Paracelsns;  über  seine  B^deutnng  als  Re- 
formator d.  Heilkunde  vgl.  dazu  K.  Sudhoff:  DMedWschr.  1891.)  -  105)  X  (S-  u.  N.  176.)  —  106)  C  Grottewitz, 
N.  Kopernikus  (gest.  24.  Mai  1543):  FZg.  N.  141.  —  107)  X  Felix  Müller,  Zeittafeln  z.  Gesch.  d.  Mathematik,  Physik  u. 
Astronomie  bis  z.  .1.  1500,  mit  Hinweis  auf  d.  Quellenlitt.  L,  Tenbner.  1892.  IV,  104  S.  M.  2,40.  1[LCB1.  S.  42.]|  —  108) 
F.  Rndio,  Ueber  d.  Anteil  d.  matheniat.  Wissenschaften  an  d.  Kultur  d.  Renaissance.  (=  SGWV.  N.  142.)  Hamburg,  Ver- 
lagsanst.  33  S.  M.  0,60.  —  109)  S.  Loewenberg,  D.  Weltbuch  Seb.  Francks.  D.  erste  allg.  Geographie  in  dtsch.  Sprache, 
ebda.  N.  177.  37  S.  M.  0,60.  —  HO)  F.  J.  Hildenbrand,  Matth.  Quad  u.  dessen  Europae  universalis  et  particularis 
descriptio.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Kartographie.  2  Tle.  in  1  Bd.  L.,  G.  Fock.  48,  58  S.  M.  2,00.  )[W.  Wolken- 
hauer: DGeogrBll.  17,  N.  4.]|  —  111)  X  K-  Gronau,  Amerika.  D.  Gesch.  seiner  Entdeckung  v.  A.  ältesten  bis  auf  d.  neaeste 
Zeit.  23.-31.  Lfg.  (=  Bd.  2,  VI  u.  S.  225-532  mit  Textill.,  Karten  usw.)  L.,  Abel  &  Müller.  4».  äM.0,50;  (kpl.  2  Bde.:  M.  24.00.) 
IfA.  Kirchhoff:  BLU.  S.  189.]|  —  112)  X  Hamburg.  Festschrift  z.  Erinnerung  an  d.  Entdeckung  Amerikas.  Her.  v.  wissensch. 
Ausschuss  d.  Komitees  für  d.  Amerika-Feier.  2  Bde.  Mit  2  Taf,  1  Karte  u.  25  Abbild.  Hamburg,  L.  Friedrichsen  &  Co. 
1892.  LUX,  132,  90,  256,  22  S.;  VII,  328,  9  S.  M.  20,00.  |[A.  Beneke:  DRs.  75,  S.  469-71.]|  —  113)  X  S.  Rüge,  Chrph. 
Colnmbns.  (=  Föhrende  Geister.  Her.  v.  A.  Bettelheim.  Bd.  4.)  Dresden,  Ehlerraann.  1892.  164  S.  M.  1,80.  |[A  Kroess: 
ÖLBl.  2,  S.  432  4.JI  —  114)  Wiesehahn,  E.  Vortr.  über  Amerika  aus  d.  J.  1602:  NJbbPh.  148,  S.  152-60.  —  115)  X  0. 
Behaghel:  LBlGRPh.  S.  423,4;  R.  W.:  BohemiaK.  N.  18.  -  U6)  Th.  Dielitz,  D.  dtsch.  Bürgerhaus  im  14.  u.  15.  Jh.:, 
VossZgii.  N.  35.  —  117)  F.  Falk,  An  d.  Wende  d  15.  Jh.  (Klerikales  Proletariat):  HPBll.  112,  S.  545-59.  -  118)  X  X  H- 
Ulmann,  D.  Leben  d.  dtsch.  Volkes  bei  Beginn  d.  Neuzeit.  (r=  Schriften  d.  Ver.  für  Reformationsgesch.  N.  41.)  Halle  a.  S., 
Niemeyer.  III,  92  S.  M.  1,20.  —  119)  X  E.  Liesegang,  G.  v.  Buchwald,  Dtsch.  Gesellschaftsleben  im  endenden  MA.  U.Z. 
dtsch.  Wirtschaftsgesch.  (Kiel,  Homann.  1887):  HZ.  34,  S.  120  2.  —  120)  Kaiser,  Reichstage  u.  Fürsten.  (Aus  d.  Zimmerischen 
Chronik):  MagdZgl'.  N.  3/4.  —  121)  X  M.  v.  Ehren  thal.  D.  Marschallstab  d.  Kurf  August  u.  dessen  Kleidung  auf  d.  Reichstag 
zu  Augsburg  1566:  NASächsG.  14,  S.  138/9.  —  122)  (I  6:  123.)  —  123)  (I  6:  124.)  —  124)  F    P.  Hnber,  Gründung  n.  Zweck 

(2)2* 


II  1  :  125-139  M.  Osborn,  Allg-eraeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Franz  Xaver  aus  Pampelona  in  Navarra,  den  Spaniern  Jakob  Lainez,  Alfons  Salmeron, 
Nikolas  Bobadilla  und  dem  Portugiesen  Simon  Rodriguez  im  J.  1534  sowie  über  die 
Ziele  der  neuen  Societät  schrieb  Huber^24j  einen  lehrreichen  Aufsatz  für  weitere 
Kreise.  —  Als  „erster  deutscher  Jesuit"  wird  sowohl  Petrus  Faber  in  einem  anonymen 
Büchlein'-^)  als  auch  Canisius  vonDrews'^ßj  bezeichnet;  indessen  kann  der  letztere 
dein  Paler  Faber,  dessen  Schüler  er  war,  den  Titel  kaum  streitig-  machen.  — 
Manliks'27j  Darstellung  des  Lebens  und  Treibens  der  oberdeutschen  Bauern  im 
13. — 15.  Jh.  auf  Grund  der  gleichzeitigen  Litteratur  berührt  sich  nur  wenig  mit 
unserer  Periode.  Das  Material  ist  mit  grossem  Fleiss  zusammengetragen,  aber  kein 
warmer  Hauch  der  Schilderung  belebt  es.  —  Vortrefflich  ist  die  Dissertation  von 
Roth'^s)  über  Erziehung  und  Unterricht  der  Mädchen  im  Reform ationszeitalter,  ein 
Bruchstück  aus  einer  1892  preisgekrönten  Geschichte  des  weiblichen  Unterrichts  vom 

15.  bis  18.  Jh.  Während  noch  im  15.  Jh.  eine  Augsburger  Bürgersfrau  sich  schämt, 
dass  sie  allein  in  ihrer  Vaterstadt  lesen  und  schreiben  kann,  und  ihrer  Freundin 
gesteht:  „.  .  vnd  furcht,  man  möcht  über  vns  lachen,  dass  wir  einander  schreiben", 
bringt  die  wachsende  pädagogische  Macht  des  Humanismus  allmählich  eine  Aenderung. 
Der  Spanier  Job.  Ludw.  Vives,  ferner  Thomas  Morus  und  Erasmus,  der  hauptsächlich 
in  dem  Dialog  „Erudita  puella"  seine  Ansichten  ausspricht,  werden  als  treibende 
Kräfte  genannt.  Dann  folgt  Luthers  Eintreten  für  die  Mädchenschulen,  in  denen 
freilich  den  jungen  Maidlein  nur  eine  Stunde  täglich  gegeben  werden  sollte.  Wichtig 
wird  für  Norddeutschland  besonders  Bugenhagens  Braunschweiger  Kirchenordnung; 
in  Sachsen  entwickeln  sich  dann  die  Jungfrauenschulen  besonders  rasch  (S.  15  —  20). 
li'ür  die  ziemlich  übereinstimmenden  Schulverfassungen  giebt  der  Plan  einer  Mädchen- 
schule für  Pirna  vom  J.  1578  (S.  32/3)  ein  typisches  Beispiel.  Religion  und  Lesen 
sind  Hauptfächer,  Schreiben  und  Gesang  wird  meist  auch  gelehrt,  sehr  selten  aber 
Rechnen.  Ueber  Lehrmaterial,  Schulzwang,  über  einzelne  hervorragende  Frauen  der 
Zeit  und  über  Fürstinnenerziehung  spricht  R.  auf  Grund  sorgfältig  gesammelten 
Materials.  Das  erste  im  Druck  erschienene  Schulbuch  für  Mädchen  ist  die  „Jungfraw- 
Schulordnung  zu  Torgaw"  von  Job.  Jahn.'2'.ij  —  Ueber  Heiligen-  und  Reliquien- 
verehrung sind  einige  Schriften  zu  notieren'^'^'^^'J;  im  J.  1552  wurden  in  Nürn- 
berg aus  drei  Kirchen,  St.  Lorenz,  Unserer  lieben  Frauen  und  St.  Sebald  so  viele 
Kleinodien  eingeschmolzen,  dass  der  Ertrag  beim  Verkauf  über  15844  Gulden  er- 
gab.^^2)  —  Kulturhistorische  Studien  und  Notizen  aus  einzelnen  Gegenden  1^3)  schliessen 
sich  an.     Knott^^*^    schildert    auf  Grund    der   Stadtbücher    das  Teplitzer  Leben    im 

16.  Jh.,  wo  die  Stadt  nach  längerer  Zeit  wieder  einmal  ein  deutsches  Gepräge 
zeigte,  das  heftig  gegen  die  Czechen  verteidigt  wird.  K.  beschreibt  den  Ort,  die 
Gemeindeverwaltung,  die  Bemühungen  für  die  Heilquellen,  das  bürgerliche  Leben, 
die  Kirchen  und  die  Schule,  für  die  man  sich  meist  einen  Baccalaureus  von  der 
nahen  Prager  Universität  borgte. '"'^''^^')  —  In  dem  Aufsatze  über  „Erzgebirgisches" 
Volks-  und  Wirtschaftsleben  im  16.  Jh.  hat  Jacobi'^'^)  hauptsächlich  seine  Auf- 
merksamkeit dem  Nordabhang  des  Erzgebirges,  dem  obersächsischen  Lande,  ge- 
widmet. Er  spricht  über  die  Zustände  in  Zwickau,  Freiberg,  Annaberg  und  auf  dem 
Lande,  über  öffentliche  Einrichtungen,  wie  die  Wasserleitung  in  Annaberg  (1515), 
Judenkrawalle,  Sitten,  Gebräuche,  Kleidung  und  Luxus.  Das  Rechenbuch  des  Adam 
Ries  aus  Annaberg,  sowie  die  Schriften  und  Predigten  des  Matthesius  sind  eine  wahre 
Fundgrube  für  den  Vf.  gewesen.  J.  schildert  auch  die  industriellen  Verhältnisse. 
Es  bilden  sich  damals  schon  im  Zusammenhang  mit  dem  Berg'bau  Anfänge  zum 
gewerblichen  Grossbetrieb,  ja  sogar  Ansätze  zu  einer  Art  von  Arbeiterschutzgesetz- 
gebung (in  der  kurfürstlichen  Bergordnung  1589,  S.  I7j.  Auch  von  einem  Strike 
wird  berichtet:  1543  legen  die  Bäcker  in  Zwickau  die  Arbeit  nieder.'^")  — 

Zu  den  wichtigsten  Quellen  für  die  Erforschung  der  allgemeinen  Verhält- 
nisse im  Deutschland  des  16.  Jh.  gehören  die  Nuntiatur-   und   Gesandtschafts- 


d.  Jesuitenordens:  VossZg".  N.  13/4.  (Vgl.  auch  I  4  :  510-516 a.)  —  125)  D.  erste  Jesuit  in  Deutschland,  P.  Petrus  Paber.  E. 
Gesch.-Biia  aus  d.  16.  Jh.  (=  Kath.  Flugschriften  z.  Wehr  u.  Lehr  N.  68/9.)  B.,  Germania.'  128  S.  M.  0,20.  -  126)  (II 6 :  26.) 
— 127)  M.  Manl  ik,  D.Leben  u.  Treiben  d.  oberdtsch.  Bauern  im  13.,  14.  u.  15.  Jh.  Progr.  d.  k.  k.  Staatsobergymn.  Landskron 
(Böhmen).  1892.  24  S.  —  128)  (I -4  :  38.)  —  129)  X  (I  4:35.)  -  130)  X  St.  Beissel,  D.  Verehrang  d.  Heiligen  u.  ihrer 
Reliquien  in  Dtschld.  während  d.  2.  Hälfte  d.  MA.  Freibnrg  i.  B.,  Herder.  1892.  VIII,  143  S.  M.  1,90.  |[ZKG.  14,  S.  279-80.]| 
(Forts,  z.  Ergänzungsheft  zu  StML.  N.  47.)  —  131)  X  H-  Türler,  Meister  Joli.  Bali  u.  d.  Reliquienverehrnng  d.  Stadt  Bern 
in  d.  J.  1463-04.  (Njbl.  d.  litt.  Ges.  Bern.)  Bern,  Wyss.  1892.  4".  34  S.  M.  1,20.  (Bali  stiehlt  im  J.  1462  mit  Zustimmung 
d.  hohen  bern.  Rates  aus  d.  St.  Lanrentiuskirche  in  Köln  d.  Haupt  d.  heil.  Vincenz.)  —  132)  Z.  Kirchenraub  im  Reformations- 
zeitalter:  Kalh.  2,  S.  572.  —  133)  X  J-  Wood  ward,  D.  Innshrucker  Hofkirclie:  NQ.  4,  B.  18.  (Dazu  ib.  3,  S.  471/2.)  — 
•134)  R.  Knott,  Teplitzer  Leben  im  16.  Jh.  Progr.  d.  Gymn.  Teplitz.  28  S.  —  135)  X  G.  Lösche,  Kirchenordnung  v. 
Joachimsthal  (vgl.  JBL.  1892  II  1:74).  ([Th.  Tupetz:  HZ.  34,  S.  156;  A.  Paul:  COIRW.  21,  S  4.32.]|  —  136)  X  A. 
Noväcek,  Femeschriften  aus  d.  Egerer  Archiv:  SBGWPragf'.  N.  5.  —  137)  X  A.  Sedläuek,  0  hubeni  lidu  a  vypileni 
vesnic  v  XV.  st.  (Ueber  Raub-  u.  Mordbrenner  d.  16.  Jh.):  ib.  N.  10.  —  138)  H.  Jacobi,  Erzgebirgisches  Volks-  u.  Wirt- 
schaftsleben im  16.  Jh.  (=  D.  Erzgebirge.  Gemeinverst.  wissensch.  Aufsätze  her.  v.  Eizgebirgsver.  Chemnitz.  2.  Bd.  1.  Heft.) 
L,  Gebhardt  &  Wittich  (in  Komm.  d.  Hengorschen  Baohh.).  27  S.  M.  0,50.  —  139)  X  E.  Barsch,  Hamburgs  Seeschiffahrt 
U.  Warenhandel    v.  Ende    d.    16.    bis    z.   Mitte    d.    17.  Jh.     Hamburg,    Gräfe  &  Sillem.     126  S.     M.  2,40.     (Ans  ZVHambG.)  — 


M.  Osborn,  Allg-emeiiies  des  15./ 16.  Jahrhunderts.  II  1  :  i40-u5 

berichte,  die  über  die  Alpen  an  die  Kurie  und  die  italienischen  Reg-ierung-en 
wanderten.  Frieden sburg-'^'^)  liess  seiner  vortrefflichen  Ausgabe  der  beiden  ersten 
Nuntiaturberichtsbände*'**)  über  die  Thätig-keit  des  Vergerio '*2-i44j  ^„^1  Morone 
(vg-l.  JBL.  1892  II  1:75)  nun  eine  nicht  minder  sorgfältige  des  dritten  und  vierten 
Bandes  folgen,  die  der  Zeit  nach  wiederum  gerade  da  abschliessen,  wo  Dittrichs  weniger 
rühmenswerte  Sammlung '^^j  einsetzte  (vgl.  JBL.  1892  II  1:77).  Die  beiden  um- 
fangreichen Kompendien  bilden  ein  geschlossenes  Ganzes:  die  Legation  des  Girolamo 
Aleandro  1538—39.  Dieser  päpstliche  Gesandte  war  erst  verhältnismässig  spät  in  die 
klerikal-politische  Laufbahn  hineingekommen;  von  Hause  aus  war  er  ein  gelehrter 
Humanist,  ein  Philologe,  der  auch  eine  Zeit  lang  als  apostolischer  Bibliothekar  und 
Vorsteher  der  vatikanischen  Büchersammlung  fungierte  (über  sein  Leben  s.  3, 
S,  28—48;  4,  S.  421—45).  Es  war  bezeichnend  für  den  Geist  der  humanistischen 
Zeit,  dass  man  ihn,  den  Philologen,  1521  zum  Kampfe  gegen  Luther  nach  Deutsch- 
land entsandte !  Nun,  1538  kam  er  als  Kardinal  und  päpstlicher  Legat,  um  eine  drei- 
fache Mission  zu  erfüllen:  zunächst  die  Einigung  Deutschlands  in  sich,  dann  die 
Einigkeit  des  Kaisers  mit  dem  Ausland  zu  erzielen  und  auf  dieser  Grundlage  schliess- 
lich ein  thatkräftiges  Vorgehen  der  Christenheit  gegen  die  Türken  zu  fördern,  das 
ohne  die  Deutschen,  „li  quali  sono  robur  christiani  nominis",  nicht  möglich  schien. 
Aleander  zur  Seite  steht  als  Nuntius  zuerst  Fabio  Mignanelli,  dann  Giovanni  Morone, 
weitaus  der  fähig'ste  Diplomat  der  Kurie  in  jener  Zeit,  der  dem  Legaten  freilich  un- 
behaglich war  (4,  S.  328)  und  ihn  schliesslich  auch  in  der  That  verdrängte.  Morone 
war  weniger  versöhnlicher  Natur  als  Aleander.  Sein  Standpunkt  war,  es  sei  besser 
für  den  heiligen  Stuhl,  „che  la  Germania  sia  discorde  et  non  si  faccia  dieta  ch'a  che 
siano  uniti  et  stabiliti  nei  falsi  dogmi  contra  Dio  et  con  la  ruina  della  sede  apostolica", 
und  diesem  Prinzip  getreu  handelte  er  später  auch.  Mit  philologischem  Ordnungs- 
sinn hatte  sich  Aleander  schon  seit  1522  ein  systematisches  Verzeichnis  angelegt,  um 
die  Ketzer  litterarisch  zu  bekämpfen  (3,  S.  5).  Einen  ganzen  Schatz  von  Büchern, 
Hss.,  Excerpten  schleppte  er  mit  sich,  und  ängstlich  hütet  er  ihn  (3,  S.  192).  Er 
legte  sich  vom  Okt.  1538  bis  Aug.  1539  tagebuchraässige  Aufzeichnungen  an  über 
die  Mitteilungen,  die  ihm  gemacht  wurden  und  oft  seinen  Depeschen  als  Grundlage 
dienten  (4,  S.  245—430).  Dauernd  beschäftigte  er  einen  Uebersetzer  Dr.  Judocus, 
einen  Schlesier  (3,  S.  47);  denn  im  Deutschen  war  er  nicht  sicher.  Darum  bittet  er 
auch  Cochleus,  ihm  einige  neue  Bücher  „in  re  religionis",  besonders  die  letzte 
sächsische  Kirchenvisitation,  aber,  wenn  irgend  möglich,  lateinisch  zu  senden  (4,  S.  577). 
Cochleus,  Fabri  und  Nausea,  die  „poveri  dotti  cattolici",  empfehlen  sich  auch  hier 
wie  in  früheren  Jahren,  stets  zur  geneigten  Benefizien-Berücksichtigung  (3,  S.  402/4, 
439-40;  4,  S.  152,  162,  174).  Nausea  ist  wiederholt  eine  Quelle  für  Aleander  (4,  S.  265/7) 
und  wird  hoch  gerühmt:  „Dio  volesse  che  in  Germania  fusseno  quaranta  predicatori 
simili  al  Nausea . . .  si  potrebbe  sperare  una  grandissinia  reduttione  di  molti  populi" 
("3,  S.  344);  zum  Lohne  wird  er  zum  Koadjutor  von  Wien  ernannt  (3,  S.  505).  Auch 
Eck  steht  mit  dem  Legaten  in  dauerndem  Briefwechsel  (4,  S.  370,  581  —  91);  „nisi 
Dens  excitaverit  spiritum  Caesaris,  multa  plura  perdemus"  ruft  der  Ingolstädter  Luther- 
feind (S.  591).  Denn  die  Fürsten  tragen  einen  grossen  Teil  der  Schuld;  „per  loro 
troppo  indulgentia"  werden  die  Zustände  von  Jahr  zu  Jahr  schlimmer  (4,  S.  198), 
wenn  auch  B'erdinand  in  seinem  Hause  und  an  seinem  Hofe  aufs  strengste  den  alten 
Glauben  aufrecht  erhält  (N.  45/6,  50,  86,  126,  204).  Das  Luthertum  macht  ununter- 
brochen Fortschritte,  in  Tirol  (3,  S.  148-50),  in  Ungarn  (3,  S.  452;  4,  S.  132),  ja  in 
den  habsburgischen  Erblanden  (4,  S.  245/6).  Gegen  den  Besuch  der  Universität 
Wittenberg  durch  böhmische  Katholiken  werden  energische  Massregeln  empfohlen 
(3,  S.  488).  Vor  Philipp  von  Hessen  hat  man  Furcht;  Aleander  notiert  sich,  man 
habe  ihm  gesagt,  „lanzgravium  esse  Catilinam  Germaniae"  (4,  S.  318).  Laut  warnt  er 
vor  Vergerio,  der  heimlich  den  Lutheranern  zugethan  sei  (3,  S.  492/3).  Vom  Leben 
am  Hofe  wird  viel  erzählt.  So  von  einer  Karnevalfeier  (4,  S.  303/9),  wo  Kampfspiele, 
Tänze,  Aufführungen  zur  Belustigung  beitragen;  aber  alles  geht  mit  rühmenswerter 
Keuschheit,  Ehrbarkeit  und  Einfachheit  zu.  Auch  die  königlichen  Kinder  beteiligen 
sich  an  einem  pantomimischen  Spiel,  das  der  Tanzlehrer  als  Venus  mit  einer  Reihe 
von  Knaben  in  Cupido-Kostümen  ausführt.  Ferdinands  und  seiner  Gemahlin  Aber- 
glaube an  die  Erscheinungen  Verstorbener  und  an  Wechselbälge  wird  erwähnt 
(4,  S.  351/2).     Ein   harter    Schlag    für   den   Katholizismus  in  jener  Zeit  war  der  Tod 


140)  (II  6:35;  Bd.  3  u.  4.)  —  141)  X  Gust.  Wolf:  MHL.  21,  S.  29-35:  J.  Gniraud:  RH.  52,  S.  184-90;  J.  Stich:  ÖLHl. 
S.  105/7;  A.  Starzer:  MIÖG.  14,  S.  372/9.  (Durchweg  rühmende  Anerkennung.)  —  142)  X  (H  6  :  174.)  |[LCBl.  S.  1419-20.JI 
—  143)  X  ^^-  Henschel,  P.  P.  Vergerins.  (=r  Schriften  für  d.  dtsch.  Volk,  her  v.  Ver.  für  Reformationsgesch.  N.  20.) 
Halle  a.  S.,  Niemeyer.  32  S.  M.  0,15.  i[F.  Hubert:  ZHGPosen.  8,  S.  3668.11  fin  engem  Anschluss  an  Sixt,  ohne  Neues  zu 
bringen;  H.  kennt  nicht  einmal  d.  Ausg.  d.  Nuntiaturber.)  —  144)  X  ^-  Finkel,  J.  Sembrzycki,  D.  Reise  d.  Vergerius  nach 
Polen  1556,7.  (Vgl.  JBL.  1890  11  7  :  32) :  KwH.  7,  S.  147  9.  —  145)  X  Gust.  Wolf:  MHL.  21,  S.  262/5;  M.  Philippson: 
RH.  52,  S.  383-91;  F.  Dittrich:  DLZ.  S.  156  (Erklärnng  gegen  H.  Baumgarten:  ib.  1892,  8.1590,2);  J.  Schmid:  LRs.  19, 


II  l  :  146  M.  Osborn,  Allg-emeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

des  Herzog'S  Georg-  von  Sachsen  und  der  unabwendbare  Verlust  seiner  Länder  an 
den  Protestantismus  (4,  S.  50/1,  196/7).  Georg-s  Nachfolger,  Herzog  Heinrich,  war 
schwankend;  aber  er  verbot  „li  funerali  del  tricesimo",  die  dreissigtäg-ige  Trauer- 
feier nach  katholischem  Ritus  (4,  S.  58).  Ein  g-anzer  Abschnitt  (IV.)  von  F.s  Bei- 
lagen (4,  S.  541—80)  enthält  Briefe  über  die  sächsischen  Zustände.  Es  taucht  der 
Verdacht  auf,  Georg  sei  vergiftet  worden  (S.  544).  Der  Bischof  Johann  von  Meissen 
sendet  Julius  Pflug  und  Cochleus  an  Aleander  um  Rat  und  Hülfe  und  bittet  um  Ge- 
währ des  Abendmahls  in  beiderlei  Gestalt  und  der  Priesterehe  (S.  552—70),  ein  Ge- 
such, das  Cochleus  warm  befürwortet  (4,  S.  97/9).  Der  Kurfürst  von  Sachsen  kommt 
mit  Luther,  Jonas,  Myconius  und  Crucig-er  zu  Herzog"  Heinrich  nach  Leipzig, 
um  ihn  zum  völligen  üebertritt  zur  protestantischen  Kirche  zu  bewegen.  Bei  der  Ab- 
fahrt sass  Luther  zwischen  den  Fürsten,  „qui  relinquens  Lipsiae  Miconium  et  Cruci- 
g-erum  dixit  eis  ex  curru:  videte  ut  ante  omnia  ecclesiam  in  foro  (id  est  senatum) 
convertatis"  (S.  565).  Lutherische  und  antilutherische  Schriften  gehen  hin  und  her. 
Aleander  sendet  eine  „invettiva"  Luthers  ein,  wahrscheinlich  die  Erklärung-  wider 
Lemnius  (3,  S.  32G),  und  wundert  sich,  dass  „tanti  principi  possino  tolerar  un  simil 
monstro  sopra  la  terra" ;  ferner  Zeitungen  über  die  Eroberung-  der  Moldau  durch  die 
Türken  (3,  S.  234/6),  eine  ins  Lateinische  übersetzte  Schrift,  wohl  Luthers  Schmal- 
kaldener  Artikel  vom  J.  1538  (3,  S.  332),  ferner  Stücke  aus  Luthers  kursächsischen 
Kirchenvisitationen  von  1528  und  1538  (3,  S.  522/3),  und  die  „Querella  Lazari  pronun- 
ciataaquodamscholaslico  Wittenbergaeanno  1539",  „ Opera  diMelanchthon"  (4,  S.  180,205). 
Cochleus  schickt  ein  libellum  des  Simon  Lemnius  ein  (4,  S.  550/1),  das  der  „poeta  non 
ingeniosus  neque  indoctus"  „nimis  foede"  geschrieben  habe,  und  zwar,  wie  er  eitel 
meint,  „sequi  volens  lusus  meos  contra  uxoratos  sacerdotes  et  monachos"  —  also  nach 
seinem  „Bockspiel";  gemeint  ist  offenbar  des  Lemnius  Monachopornomachia.  Ueber  eine 
Schrift  Melanchthons  und  Bucers,  nach  F.  wohl  die  „Artikel  belangende  die  religion, 
daruf  mhan  sich  zu  Nurenberg  .  .  .  vergleichen  sali  ..."  (Hs.  in  Wien),  g'eg-en  die 
sich  auch  Eck  wandte,  wird  Mitteilung  gemacht;  sie  arbeite  auf  den  Ruin  des  geist- 
lichen Standes  und  des  apostolischen  Stuhles,  „il  quäl  fu  il  primo  obiecto  di  Erasmo, 
Luthero  et  Hutteno  et  li  loro  seguaci"  (4,  S.  213).  Die  Hoffnung  Melanchthon 
hinüberzuziehen  ist  noch  nicht  verschwunden.  Es  tritt  ein  Michael  Braccetto  auf, 
der  mit  ihm  in  Unterhandlung  stand,  es  ist  sogar  davon  die  Rede,  dass  der  „messer 
Phylippo"  nach  Italien  kommen  soll;  schon  wird  davon  geschrieben,  dass  man  ihm 
Geld  vorstrecken  möge,  der  Papst  interessiert  sich  sehr  für  die  Sache,  und  Aleander 
meint:  „non  perdo  del  tutto  la  speranza"  (3,  S.  127/9).  In  den  Beilagen  finden 
sich  noch  einige  französisch  geschriebene  Stücke  aus  der  Korrespondenz  Karls  V. 
und  Ferdinands  (4,  S.  445—67),  sowie  Briefe  und  Akten  zur  Religionsvergleichs- 
verhandlung, die  von  dem  König,  von  Joachim  IL,  Johann  Friedrich  und  Philipp 
stammen  (4,  S.  468—540).  —  Der  von  Hansen '4^)  herausgegebene  erste  Band  der 
dritten  Abteilung  der  Nuntiaturberichte  birg-t  für  unsere  Zwecke  nicht  g-anz  so  viel. 
•Er  schildert  den  Kampf  um  Köln  1576— 84  (S.  XLI-LXVI),  die  Wahl  und  Be- 
stätig-ung-  des  Erzbischofs  Gebhardt  Truchsess  (S.  1  —292),  seinen  Abfall  von  der 
katholischen  Kirche  und  die  endliche  Wahl  des  Herzogs  Ernst  von  Bayern  ('S.293 — 715). 
Die  veröffentlichten  Schriftstücke  stellen  die  Korrespondenz  des  Staatssekretärs 
Kardinal  von  Como  mit  den  Beauftragten  der  Kurie  in  Deutschland  dar,  mit  Morone, 
der  67 jährig  im  J.  1576  zu  dem  wichtigen  Regensburger  Reichstage  noch  einmal 
über  die  Alpen  reisen  musste,  mit  Joh.  Delfinus,  Joh.  Bapt.  Castagna,  dem  Kardinal- 
legaten Ludwig  Mandruzzo,  seinem  Sekretär  Minutio  Minucci,  und  vor  allem  mit 
dem  Nuntius  Bartholomäus  Grafen  Portia  (65  von  135  N.).  Wir  stehen  mitten  in 
der  Epoche  der  Gegenreformation.  Das  13  Jahre  dauernde  Pontifikat  Gregors  XIII., 
der  1572,  im  Jahre  der  Bartholomäusnacht,  den  Stuhl  Petri  bestieg,  ist  die  Blütezeit 
der  kathohschen  Restauration.  Man  nimmt  in  Rom  nun  auf  die  deutschen  Verhält- 
nisse mehr  Rücksicht  als  bisher  und  sucht  das  gelockerte  Band  mit  den  deutschen 
Katholiken  zu  festigen,  zumal  mit  den  Fürsten,  die  das  Zutrauen  zum  Teil  verloren 
hatten,  beispielsweise  mit  Herzog  Albrecht  von  Bayern  und  mit  dem  Erzherzog 
Ferdinand  von  Tirol,  dem  Gatten  der  Welserin,  dem  Kunstbeschützer  und  Dichter 
des  „Speculum  humanae  vitae".  Die  von  Gregor  zur  Bedeutung  emporgehobene 
Congregatio  Germanica  (s.  auch  o.  N.  45)  wird  sich  klar  über  das,  was  not  thut. 
Man  gesteht  sich  die  Unwissenheit  und  Sittenlosigkeit  des  deutschen  Klerus  offen 
ein;  das  schon  1552  auf  den  Rat  Morones  und  des  Ignatius  von  Loyola  durch 
Julius  III.  begründete  Collegium  Germanicum  wird  aufs  neue  ins  Leben  gerufen, 
und   jährlich    erhalten    dort   unter    den  Augen    des  Papstes    und  der  Jesuiten   etwa 


S.  310/2;  A,  Stanzer:  MIÜG.  14,  S.  372/fl;  H.  Virck:  ThLZ.  18,  S.  307,9.  -  146)  J.  Hansen,  Nuntiaturberichte  aus  Deutsch- 
land, nebst  ergänzenden  Aktenstücken.  3.  Abt.  1572-85.  Her.  v.  d.  Kgl.  prenss.  hist.  Inst,  in  Bonn  n.  d.  Kgl.  prenss.  Archiy- 
verwalt.     1.  Bd.     D.  Kampf   nm   Köln    1576-84.     B.,  Bath.     1892.     LXVI,  802  8.     M.  26,00.     |[H.  Virck:    ThLZ.  18,    S.  162/5; 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./H).  Jahrhunderts.  II  1  :  147-152 

hundert  zukünftig-e  deutsche  Geistliche  ihre  Ausbildung  (S.  I— XL).  Man  täuscht 
sich  auf  ultraniontaner  Seite  auch  nicht  über  die  Verwahrlosuno"  des  katholischen 
Schulwesens  im  Reiche  im  Gegensätze  zu  den  blühenden  Universitäten  und  Bildungs- 
anstalten der  Protestanten.  Portia,  ein  fein  gebildeter  Gelehrter,  den  Torquato  Tasso 
in  seinem  Dialog  „II  Messagiero"  rühmt  (S.  10),  beschäftigt  sich  eindringlich  mit 
der  Reform  der  Hochschule  in  Köln  (S,  66  Anm.  1,  209,  264),  mit  der  „instauratione 
ö  piü  tosto  nuova  erettione  di  questa  caduta  universitä".  Die  ganze  Frage  spielt 
auch  eine  Hauptrolle  in  der  wichtigen  Denkschrift  des  scharfblickenden  geistvollen 
Minucci,  „Stato  della  religione  d'Alemagna,  pericoli  che  soprastanno  e  rimedii"  (1588), 
die  H.  im  Anhange  ganz  zum  Abdruck  bringt  (S.  744—85;  vgl.  auch  LRs.  1892, 
S.  217/8).  Ihm  scheinen  die  katholischen  Universitäten  bis  auf  Ingolstadt  „quasi 
dessolate";  Köln  und  Freiburg  sind  völlig  heruntergekommen,  Prag  „e  quasi 
destrutta  del  tutto".  Hoffnung  setzt  Minucci  auf  die  1582  neubegründete  Universität 
in  Würzburg  (Herbipolis).  Die  Stelle  sei  hier  mitgeteilt:  die  Hochschule  ist  er- 
richtet „con  maggMor  fabrica  et  con  conveniente  dotatione,  ma  non  s'ha  ancora 
acquistato  credito ;  et  gran  difficoltä  si  prova  in  provederle  di  buoni  professori ; 
doveria  perö  di  ragione  crescere,  sendo  ella  si  puö  dir  nel  centro  di  Allemagna  in 
paese  commodo  "per  la  navig-atione  de  fiume,  ameno,  salubre  et  fertilissimo  de  grani 
et  de  vini,  con  abbondanza  mirabile  di  tutte  le  cose  necessarie  del  vivere"  (S.  762/Ö). 
Auch  von  Wien,  Trier,  Mainz,  Erfurt,  Basel,  Heidelberg,  Tübingen  wird  gesprochen. 
Minucci  hat  von  der  Bedeutung  der  Universitäten  für  die  katholische  Sache  eine  so 
hohe  Meinung,  dass  er  ernstlich  vorschlägt,  jeder  Bischof  müsse  erst  zum  Doktor 
promoviert  sein,  das  Konzil  von  Trient  solle  bestimmen,  „che  nessuno  sia  habile  al 
vescovato  se  non  e  prima  dottore".  Dadurch  wälzen  die  nobili  gezwungen,  eine  Zeit 
lang  auf  den  katholischen  Universitäten  sich  aufzuhalten,  „da  che  derivaria  poi  ä 
poco  la  Salute  di  tutte  le  chiese  et  la  prima  instauratione  della  religione  catolicha" 
(s.  ferner  S.  635,  665,  670/1).  Das  protestantische  Deutschland  wird  in  den 
dunkelsten  Farben  geschildert:  die  Kultur  dort  sei  völlig  zurückgegangen,  die 
Lutheraner  übten  eine  wahre  Schreckensherrschaft  aus  und  seien  „sitibondi  del  sangue 
humano,  desiderosi  d'incendii"  CS.  774/5).  —  Zwischen  die  von  Friedensburg  und 
Hansen  behandelten  Jahre  fällt  die  Gesandtschaft  des  Kardinals  Sfondrato,  die  von 
Druffel  ^*'')  besprach;  es  ist  die  Zeit  des  Protestantenkrieges,  wo  Karl  V.  mit 
Paul  III.  in  Streitigkeiten  geriet.  —  Eine  Analyse  des  zweiten  Bandes  der  von 
Turba'''^)  herausgegebenen  venetianischen  Depeschen  Alvise  Mocenigos  vom  Kaiser- 
hofe, der  die  Jahre  1546—55,  also  die  letzte  Zeit  von  Karls  Regierung,  umfasst  und 
u.  a.  Beiträge  zur  Kenntnis  der  öffentlichen  Meinung  nach  dem  Interim  bringt,  muss 
für  den  folgenden  Band  aufgespart  werden.  —  Die  Tagesdepeschen  Mocenigos  an 
den  Dogen  und  an  die  „Zehn"  in  der  Zeit  vom  März  bis  Sept.  1546  über  den 
Donaufeldzug  im  schmalkaldischen  Kriege  verglich  Gerwig-'^^)  in  einer  vortreff- 
lichen Programm-Abhandlung  mit  der  in  Fiedlers  Sammelwerke  abgedruckten,  zwei 
Jahre  später  niedergeschriebenen  Finalrelation  des  Gesandten.  G.  findet,  dass  die  Berichte 
hier  und  dort  sich  vielfach  gegenseitig  ergänzen,  in  sieben  Fällen  allerdings  auch 
geradezu  widersprechen.  Mocenigo,  der  übrigens  selten  mehr  mitzuteilen  weiss  als 
den  besseren  Hofklatsch  mit  seinen  halben  Wahrheiten  und  halben  Unrichtigkeiten, 
interviewte  alle  erdenklichen  Leute,  von  denen  er  erwarten  konnte,  dass  sie  „etwas" 
wüssten,  und  berichtete  sofort  alles,  was  er  vernahm,  nach  Hause.  Kein  Wunder, 
dass  in  der  bedächtiger  geschriebenen  Schlussrelation  manches  anders  erscheinen 
musste.    — 

Die  für  die  innere  Zeitgeschichte  so  wichtigen  Privat  b  r  i  e  fe  ,  also  Briefe 
des  Bürgertums,  der  Familie,  die  dem  Forscher  vom  17.  Jh.  an  so  überreichlich 
zuströmen,  finden  sich  in  früherer  Zeit  bei  weitem  seltener.  Unser  Historiker  des 
deutschen  Briefes,  Steinhausen'»"),  teilt  nun  aus  seiner  alten  Fundgrube,  den 
Sammlungen  des  Germanischen  Nationalmuseums  in  Nürnberg,  wieder  einige  Schrift- 
stücke dieser  Art  mit,  acht  weltliche  und  acht  geistliche  von  der  Wende  des  15.  Jh. 
Die  weltlichen  sind  unbeholfener,  ungewandter,  die  geistlichen  zwar  in  Einzelheiten 
konventioneller,  aber  doch,  ebenso  wie  sie  äusserlich  schöner  geschrieben  sind, 
reicher  an  wirklichem  Gehalt.  Mit  Recht  hebt  St.  zwei  Briefe  der  Brigitta  Holz- 
schuher  (N.  I  und  IV)  hervor.  Nach  ungekünstelter  naiver  Herzlichkeit  wird  man 
jedoch  in  keinem  vergebens  suchen.  —  Ehses''»')  macht  aus  dem  vatikanischen 
Archiv  ein  Schreiben  bekannt,  in  dem  Karl  V.  dem  Papst  Leo  X.  den  Tod  Ferdinands 
des  Katholischen  mitteilt    und   sich   selbst  als  Erben  der  Krone  vorstellt. '^^j  _  qj^ 

W.  E.  Schwarz:  HJb.  14,  S.  368-70.]|  —  147j  A.  v.  Druffel,  D.  Sendung  d.  Kardinals  Sfundrato  an  d.  Hof  K^irls  V. 
1547-48.  1.  T.:  AbhAkMünchen.  20,  S.  291-362.  -  148)  6.  Tnrba,  Venetian.  Depeschen  v.  Kaiserhofe  (Dispacci  di  Germania) 
her.  T.  d.  bist.  Komm.  d.  kais  Ak.  d.  Wissensch.  2.  Bd.  Wien,  Tempsky.  LI,  789  S  M.  12,00.  —  149)  L.  Ger  w  ig,  D.Ver- 
hältnis d.  Schlussrelation  d.  venetian.  Botschafters  Alvise  Mucenigo  zu  seinen  T.igesdepeschen  über  d.  Donaufeldzug  im 
schmalkald.  Kriege  v.  J.  1546.  Progr.  d.  Kealsch.  Heidelberg  (G.  Geisendörfer).  1892.  4".  40  S.  —  150)  (I  4  :  136,7.)  — 
151)  St.  Ehses,    Karl  V.  über  Ferdinand  d.  Kath.:    HJb.  14,  S.  832,3.    —    152)  X    M.  Lenz,  Briefwechsel  Philipps  v.  Hessen 


II  1:153-158  M.  Osborn,  AUg-emeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Veröffentlichung-  der  Witteisbacher  Briefe  aus  den  J.  1590—1610  setzte  Stieve^^^) 
fort  (vg-1.  JBL.  1892  II  1:83;  III  1:6);  die  Abteilung-en  6  und  7  umfassen  die 
J.  1600—8  mit  einigen  Nachträg-en  zu  den  früheren  Abteilung-en.  Vortrefflich  charakte- 
risieren die  Vf.  sich  selbst  in  ihren  Schreiben.  Der  g-utmütig-e,  redselig-e,  treu  zum 
Hause  Habsburg-  stehende,  in  seinen  Auseinandersetzung-en  allerdings  mehr  breite 
als  klare  Altherzog  Wilhehn  V.,  der  mehr  mit  dem  Gefühl  als  mit  dem  Verstand 
urteilt  und  wichtige,  verantwortungsvolle  Entscheidungen  gern  von  sich  abwälzt. 
Ferner  der  Coadjutor  Ferdinand,  fröhlich  und  oberflächlich,  ein  lustiger  Bruder,  dem 
Reiherbeizen  und  Jagdfalken  von  gar  hoher  Bedeutung  erscheinen.  Als  sein  Gegen- 
stück tritt  der  Herzog  Maximilian  auf  mit  seiner  strengen  Energie,  seiner  kühlen 
Besonnenheit  und  seiner  festen  Religiosität.  Ein  warmes  Familiengefühl  verbindet 
jedoch  sie  alle  unter  einander  wie  mit  den  näheren  und  entfernteren  Witteisbacher 
Verwandten.  In  jeder  der  beiden  vorliegenden  Abteilungen  ist  die  Rede  von  einer 
Heirat.  Einmal  möchte  Wilhelm  seinen  Lieblingssohn  Albrecht  (VI.)  mit  einer  Habs- 
burgerin (Abt.  6),  dann  wieder  seine  Tochter  Magdalena  mit  dem  Erzherzog  Matthias, 
dem  späteren  Kaiser,  vermählen  (Abt.  7).  Beide  Pläne  scheitern;  dort  stellt  sich  das 
kurz  zuvor  erlassene  bayerische  Ehegesetz  entgegen,  bei  Matthias  aber  sein  „male- 
ficium  et  impotentia",  die  weitläufig  erörtert  wird  (N.  340,  370,  379,  382  usw.).  Aber 
ausser  diesen  Familien-  und  staatlichen  Angelegenheiten  werden  auch  weniger 
wichtige  Dinge  genugsam  erwähnt.  So  schickt  Koadjutor  Ferdinand  an  Herzog 
Maximilian  die  deutsche  Bearbeitung  von  Marcus  Welsers  bayerischer  Geschichte 
zurück  (N.  280),  so  schreibt  Wilhelm  an  Max  von  einem  Augsburger  Kunstsammler 
(N.  309),  in  dem  St.  den  Philipp  Hainhofer  vermutet.  Geschenke  gehen  zwischen  den 
Einzelnen  hin  und  her,  und  mitten  in  der  Erörterung  komplizierter  Dinge  lesen  wir 
wohl  den  Satz:  „her  gern,  dass  der  visch  frisch  ankhomen;  ich  hab  seidher  ein 
andern  gesohikht;  So  schickhet  ich  gern  ein  frischen  reinsalbn,  sorg  aber,  er  khem 
nitt,  wie  ehr  solle".  Interessante  Beilagen  bringt  die  6.  Abteilung;  so  zwei  Schrift- 
stücke (C  und  D)  über  die  Exorcisation  des  Herzogs  Johann  Wilhelm  von  Jülich, 
dessen  Kinderlosigkeit  man  nach  dem  Gutachten  von  Theologen  einer  Verzauberung 
zuschreibt;  ferner  die  Aufzeichnungen  des  Rentmeisters  von  Landshut  für  den  Herzog 
Maximilian  (Beil.  K)  mit  einer  Fülle  interessanten  kulturhistorischen  Materials,  in  dem 
zumal  der  Luxus  und  das  „unausgereitt"  Konkubinat  der  Priester  beklagt  werden; 
ein  Jahr  bringt  über  300  uneheliche  Kinder,  und  „Eebruch  und  Fleischspeisen"  lassen 
die  Menschen  sich  nun  einmal  nicht  verbieten.  An  anderer  Stelle  (Beil.  A)  hören 
wir  von  den  jährlichen  Einkünften  und  Ausgaben  des  Herzogs  Maximilian  I.''^^)  — 
Der  riesenhafte  Briefwechsel  des  Stephan  Roth  in  Zwickau  mit  seinen  Wittenberger 
Freunden,  von  dem  Buchwald'^^)  einen  Auszug  giebt,  liefert  in  der  That  einen 
nennenswerten  Beitrag  zur  Wittenberger  Stadt  und  Universitätsgeschichte  aus  den 
J.  1521  —  46.  Die  Freunde  aus  der  Lutherstadt  unterrichten  den  Zwickauer  Magister 
über  alles,  was  bei  ihnen  vorgeht.  Die  Hauptperson  natürlich,  von  der  gesprochen 
wird,  ist  der  Reformator  selbst;  seine  Arbeiten,  seine  Erkrankung  und  Genesung 
(N.  4,  8,  146,  153),  sein  plötzlicher  Entschluss,  nicht  mehr  öffentlich  zu  predigen 
(1538;  N.  84),  dem  sich  einige  Jahre  später  der  Bericht  über  eine  Predigt  entgegen- 
stellt (N.  165),  seine  Gastfreundschaft  (N.  140,  209a),  seine  häuslichen  Verhältnisse 
werden  erörtert.  Auch  die  „Doctorin",  Luthers  Gattin,  wird  hoch  verehrt,  wenn 
auch  einmal  weniger  Günstiges  von  ihr  erzählt  wird  (N.  120).  Roths  Psalter- 
übersetzung, zu  der  Luther  eine  Vorrede  schrieb  (N.  8,  10  usw.),  Wittenberger 
Druckverhältnisse  (N.  22),  das  teuere  Leben  an  der  Universität  (N.  116),  die  Kosten 
einer  Magisterpromotion  (N.  193),  Pest  und  Türkengefahr  werden  besprochen.  Urban 
Balduyn  sendet  an  Roth  des  Lemnius  Epigramme  und  Luthers  „betzalung  darauff"; 
von  Georg  Thym  (N.  201/2,  205,  207/8),  von  Joachim  Greff  (N.  207)  und  Lucas 
Cranach  (N.  208,  212)  ist  die  Rede.  Und  als  Seltsamkeit  berichtet  einer  der 
schreibenden  Freunde:  „Ey  noch  mehr,  ich  hab  Melanchthonen  mit  der  prebstin 
(d.  i.  der  Gattin  des  Justus.  Jonas)  sehen  tantzen,  es  ist  mir  wunderlich  gewesen" 
(N.  68).  Leider  hat  B,  kein  Sachregister  beigefügt.  —  Karl  Schmidt '^6)  stellte 
aus  dem  Briefwechsel  des  Baseler  Druckers  Joh.  Oporin  mit  dem  Strassburger 
Prediger  Konr.  Hubert  (1526—68)  das  zusammen,  was  sich  auf  Oporins  Persönlich- 
keit und  typographische  Thätigkeit  bezog.  Die  Freundschaft  der  Beiden  begann  auf 
der  Baseler  Universität,  und  so  fehlen  auch  in  den  ersten  Briefen  nicht  ein  Liebes- 
handel   und    ein   Specimen    der    lateinischen    Verskunst    Oporins   auf  seine    puella. 


mit  Bucer.  Bd.  3.  (Vgl.  JBL.  1S91  II  1  :  6;  1892  II  1:81.)  |[P.  Vetter:  NASfiohsG.  14,  S.  149-33;  MIIL.  21,  S.  321-34; 
Th.  Brandi:  HZ.  35,  S.  506-12.]|  —  153l  F.  Stieve,  Witteisbacher  Briefe  aus  d.  J.  1590-1610.  6.  u.  7.  Abt.  München, 
Franz.  4".  152,  140  S.  M.  4,50;  M.  4,20.  (Aus  AbhAkMQnchen.  3.  Kl.  20.  Bd.  2.  Abt.,  S.  365-514;  3  Abt.,  S.  663-800.)  — 
154)  X  D-  SchraoUer,  Schreiben  Herzog  Ludwigs  an  d.  Prof.  G.  Liebe  in  Tübingen.  Nach  d.  Orig.  mitgeteilt:  BBSW. 
S.  175/6.  --  155)  (I  6  :  113.)  —  156)  (I  3  :  251.)   -  157)  X  (I  3  =  252.)   —   158)  X  Brieffunde.  (Kotiz):  BerlTBI.  1892,  N.  396. 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  159-173 

Mehrere  Briefe  sind  doppelt  geschrieben   für  den  Fall,    dass  ein  Exemplar  verloren 
gehen  sollte.  i"->50)  _ 

Von  Reiseberichten  und  Tagebüchern  ist  einiges  zu  melden.  Schell- 
hass^^ö)  druckt  Aufzeichnungen  ab,  die  den  Kaiser  Friedrich  III.  vom  März  bis 
Dec.  1473  von  Augsburg  und  [Jim  über  Strassburg,  Freiburg  nach  Metz  und  Trier 
geleiten.  Der  Vf.,  sicherlich  ein  Angehöriger  der  weiteren  Umgebung  des  Kaisers, 
erweist  sich  nach  den  sprachlichen  Untersuchungen,  bei  denen  Seh.  von  John 
Meier  unterstützt  wurde,  mit  Wahrscheinlichkeit  als  ein  Nürnberger. i^i)  _  Ueber 
die  Reise  des  jungen  Herzogs  Philipp  Julius  von  Pommern- Wolgast,  der  nach  dem 
testamentarischen  Wunsche  seines  Vaters  Ernst  Ludwig  1602—3  nach  einem  kurzen 
Aufenthalt  auf  der  Universität  Leipzig  durch  Mittel-  und  Süddeutschland  nach  Frank- 
reich und  England,  dann  durch  die  Schweiz  und  Norditalien  fuhr,  hat  sein  gelehrter 
Begleiter  Friedrich  Gerschow  nach  Notizen  eine  zusammenhängende  Beschreibung 
verfasst,  die  sich,  446  Folioseiten  stark,  im  Berliner  Geheimen  Staatsarchiv  befindet. 
Sehenswürdigkeiten,  Feste,  Besuche,  Abenteuer,  Sitten  fremder  Länder,  alles  wird  ge- 
wissenhaft verzeichnet.  G.  von  Bülow^^^-ies^  gab  einen  Auszug  aus  den  auf 
Mecklenburg  bezüglichen  Stellen  sowie  einen  Abdruck  nebst  englischer  Uebersetzung 
des  Abschnitts  über  den  Aufenthalt  in  England,  bei  der  ihm  Powell  zur  Seite  stand, 
und  stellte  eine  Veröffentlichung  des  Ganzen  in  Aussicht.  —  Unzugänglich  blieb  mir 
leider  Mondscheins  i^*^  Ausgabe  von  Ulrich  Schmidels  Bericht  über  seine  süd- 
amerikanische Reise  (1534—54)  nach  einer  Stuttgarter  Hs.,  die  dem  früheren  Heraus- 
geber V.  Langmantel  (Bibl.  d.  litt.  Ver.  in  Stuttgart  N.  184.  Tübingen,  1889)  nicht 
bekannt  war.  —  Nach  Burkhard  Zinggs  Augsburger  Chronik  schilderte  Maser^^^) 
vom  pädagogischen  Standpunkte  den  Bildungsgang  des  berühmten  Memminger.^^^) 
—  Aus  dem  württembergischen  Filial-Archiv  zu  Ludwigsburg  teilte  Röhricht ^^"'j 
zwei  Berichte  über  eine  Jerusalemfahrt  (1521)  mit,  die  sich  den  Aufzeichnungen  des 
Pfalzgrafen  Ottheinrich  bei  Rhein  aus  demselben  Jahre  zur  Seite  stellen.  Manche 
Einzelheiten  über  die  heiligen  Stätten,  über  das  Leben  und  Treiben  des  Volkes 
kommen  als  neu  hinzu.  Vorangeschickt  hat  der  Herausgeber  einige  allgemeine 
Bemerkungen  über  die  ganze  Gattung  der  „Pilgerschriften".  —  Arwed  Richter i**^), 
der  übrigens  Röhricht  seine  Unterstützung  in  sprachlichen  Dingen  geliehen  hat,  gab 
nach  dem  mehrfach  gedruckten  Reisebericht  des  Leipzigers  Joh.  Helffrich  eine 
hübsche  Beschreibung  seiner  an  Abenteuern  reichen  Fahrt  nach  dem  Orient  im 
J.  1565—66.  —  Fischer  169)  veröffentlichte  eine  Studie  über  den  Engländer  Roger 
Ascham,  den  Lehrer  der  Königin  Elisabeth,  der  als  Gesandtschaftssekretär  am  Hofe 
Karls  V.  war,  mit  Bucer  und  Sturm  in  Verbindung  stand  und  auch  seine  Erlebnisse 
in  Deutschland  schriftlich  niederlegte.  —  Nach  der  Hauschronik  Pellikans^^^^)  zeichnete 
Reuss'"!)  ein  volkstümliches  Bild  des  Elsässers.  — 

Die  Sitte  der  Stammbücher,  über  die  Rob.  und  Rieh.  Keil^''^)  ein 
etwas  wirres,  aber  doch  ungemein  interessantes  Buch  veröffentlicht  haben,  ist  in 
unserer  Periode  langsam  aus  den  alten  Turnier-  und  Geschlechtsbüchern  („libri 
gentilicii",  daher  „Stammbücher")  entstanden  und  hat  sich  im  16.  Jh.  vorzugsweise 
ausgebildet  (S.  3 — 11,  14/5).  In  dem  zweiten  Abschnitt  der  Schrift,  der  ganz  unserer 
Zeit  gewidmet  ist  (S.  53—99),  finden  wir  unter  den  zahlreichen  mitgeteilten  Proben, 
viele  berühmte  Namen:  Melchior  Pfinzing  (N.  165),  Luther  (N.  1),  Melanchthon 
(S.  9—10),  Salomon  Gesner  (N.  326),  Paulus  Melissus  (N.  4),  Petrus  Lotichius  (N.  205), 
Joh.  Stigel  (N.  259),  Nik.  Varnbuler  (N.  309).  —  Zum  Jubiläum  der  Landesschule 
zu  Pforta  teilte  Petri^''^)  aus  der  dortigen  Bibliothek  einige  Stammbuchblätter  mit, 
die  einem  Exemplar  von  Melanchthons  Corpus  doctrinae  christianae  beigebunden 
sind.  Auf  ihnen  haben  sich  eine  Reihe  von  W^ittenbergern,  meist  aus  dem  Kreise 
der  Philippisten  und  späteren  Kryptokalvinisten,  mit  einem  lateinischen  oder 
griechischen  oder  auch  hebräischen  Sprüchlein  eingezeichnet.  Vorn  eingeklebt  in 
das  Buch  ist  ein  Brief  Melanchthons,  nach  G.  Kawerau,  der  P.  beim  Entziffern 
mancher  Autographen  unterstützte,   die   richtige  Fassung  gegen  eine  andere,  früher 

(Ans  d.  Breslaner  Ratbans:  u.  a.  Beitrr.  z.  Leben  d.  Breslauer  Geschichtsschreibers  u.  Stadtschreibers  Peter  Eschenloer;  ans 
Zerbst:  n.  a.  Briefe  t.  Lnther  u.  Melanchthon.)  —  159)  X  G.  Bnchwald,  Altenburger  Briefe  ans  d.  Beformationszeit 
(1532-45):  MGGOsterland.  10,  S.  297-346.  —  160)  K.  Schellhass,  E.  Kaiserreise  im  J.  1473:  AFranWG.  4,  S.  161-211.  (Im 
Anhang  [S.  201-11]  John  Meier,  Sprachliches.)  —  161)  X  F.  G.  Hann,  D.  Eeisen  d  dtsch.  Kaiser  n.  Könige  dnroh  Kärnten 
V.  Karl  d.  Grossen  bis  Max  I. :  Carinthia  38,  S.  97-104,  165-78.  —  162)  (I  4  :  125.)  —  163)  Diary  of  the  jonrney  of  Philipp 
Jnlins,  dnke  of  Stettin -Pomerania,  through  England  in  the  year  1602.  Ed.  by  G.  v.  Bnlow,  assisted  by  W.  Powell: 
TRHS.  6,  S.  1-67.  —  164)  (II  3  :  82.)  —  165)  H.  Maser,  Bnrkhard  Zingg,  e.  fahrender  Schüler  ans  Memmingen.  (=  Nachr. 
ans  d.  Lndwigs- Seminare  Memmingen  N.  35  [Memmingen.  Ottosche  Buchdr.  40  S.],  S.  8-12.)  —  166)  Hoclcenbeclt,  D.Kosten 
e.  Beise  t.  Köln  nach  Breslan  n.  znrück.  Progr.  d.  kgl.  Gymn.  Wongrowitz.  4».  13  S.  |[H.  Kenssen:  KBWZ.  12,  S.  58,9.]| 
(Beise  d.  Joh.  Ewann  im  Anf  tr.  d.  Stadt  Köln ;  d.  Rechnung  wird  abgedr.)  —  167)B.  Böhricht,  Zwei  Berichte  über  e.  Jernsalemfahrt 
(1521):ZDPh.25,S.  163-220,475-501.  —  168)  Arwed  Biohter,  Orientreise  e.  Leipzigers  im  16.  Jh.:  LZgB.  N.82.  — 169)  (14  :  77.) 
1[F.  Holthansen:  DLZ.  S,  1068;9  (F.  habe  e.  ältere  Schrift  Katterfelds  übersehen).]!  -  170)  X  (113  :  71;  6  :  171.)  —  171)  B.  Benss, 
K.  Pellikanns.  E.  elsäss.  Lebensbild  ans  d.  Zeit  d.  Beformation.  (=  Schriften  d.  protest.  liberal.  Ver.  in  Elsass-Lothringen  N.  38.)  Strass- 
burg, Ed.  Heitz.  16».  35  S.  M.  0,20.  —  172)  (I  4 :  141.)  -  173)  (I  6 :  114.)  —  174)  (I  3 :  125.)  —  175)  a  3  :  245.)  -  176)  ff  3 :  124.)  — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgescbichte.    IV.  (2)3 


111:174-176  112:1-2    G.  Ell! Hg" er,  Ljrik  des  i5./16,  Jahrhunderts. 

(CR.  6,  S.  249)  abgedruckte.  Unter  den  Männern,  deren  Eintrag-ung-en  wir  lesen, 
fallen  uns  Justus  Menius,  der  Reformator  Thüringens  (N.  2),  Caspar  Peucer  (N.  10), 
Joh.  Bug-enhag-en  der  Jüngere  (N.  15)  und  der  Aeltere  (N.  16),  Paul  Eberus  (N.  21), 
Georg  Major  (N.  24),  George  Buchanan,  der  berühmte  schottische  Humanist  (N.  29), 
Jak.  Andreae(N.  31)  und  Nik.  Selnekker  (N.  38)  auf.  — 

Die  für  uns  besonders  in  Betracht  kommenden  bibliographischen  Beiträge 
von  Adolf  Schmidt^''*}  zur  älteren  deutschen  Litteratur,  von  Krause^''^)  zur 
Charakteristik  des  büchergierigen  Mutian  und  zugleich  zum  Bücherbezug  seiner 
Zeit  überhaupt,  sowie  von  Sudhoff''^)  zur  Kenntnis  der  Paracelsisten  im  Anschluss 
an  Kiesewetters  Geschichte  des  Okkultismus  (vgl.  JBL.  189 II  5:80)  sind  schon  an 
anderer  Stelle  dieses  Bandes  besprochen.  — 


11,2 

Lyrik. 

Georg  Ellinger. 

Allgemeines  N.  1.  —  Kirchenlied:  Einzelne  Lieder,  Liederhss.,  Drucke  nnd  Dichter  N.  7.  —  Meistergesang  N.  17. 
—  Volkslied:  Allgenieines  N.  26;  Sammlungen  N.  29;  historisches  Lied  N.  30;  Gesellschaftslied  N.  37;  einzelne  Volkslieder 
N.  39;  volkstümliche  Liebeslyrik  N.  42.  —  Kunstdichtung  N.  43.  —    Musikalisches  N.  46.   — 

Allgemeines.  Eine  wirklich  fördernde  Gesamtdarstellung  *)  des  geistlichen 
Liedes  ist  diesmal  nicht  zu  verzeichnen.  Fischers''^)  in  dem  vorigen  Berichts- 
jahr erschienenes  Handbuch  erweist  sich  als  eine  in  wissenschaftlicher  Beziehung 
gänzlich  unbrauchbare  Arbeit,  der  man  auch  für  den  praktischen  Zweck,  für  den 
sie  bestimmt  ist,  mehr  Beschränkung  auf  das  Wesentliche  und  innerhalb  dieses 
Rahmens  eine  grössere  Zuverlässigkeit  und  Genauigkeit  der  Angaben  wünschen 
möchte.  Der  verdiente  Lexikograph  des  Kirchenliedes  würde  der  Wissenschaft 
sicher  mehr  durch  Begrenzung  auf  sein  eigentliches  Arbeitsgebiet  als  durch  derartige 
weit  ausschauende  Darstellungen  nützen.  —  Den  ersten  Teil  eines  ebenfalls  recht 
gut  gemeinten  Versuches  über  die  Geschichte  des  evangelischen  Kirchenliedes  legt 
Wirth^)  vor.  Die  geschichtliche  Einleitung,  die  er  vorausschickt,  ist  viel  zu  aus- 
führlich geraten,  dazu  von  bedenklichen  Irrtümern  keineswegs  frei.  Man  mag  es 
dem  theologisch  vorgebildeten  Vf.  verzeihen,  wenn  er  ganz  veraltete  Angaben  aus 
der  Geschichte  der  alt-  und  mittelhochdeutschen  Poesie  heute  noch  nachschreibt, 
aber  wenn  es  (S.  49)  heisst:  „Das  hussitische  Gesangbuch  wurde  im  J.  1531  ins 
Deutsche  übertragen  von  Michael  Weisse  im  Auftrage  der  Unitätsdirektion.  Dies 
ist  das  erste  deutsche  Gesangbuch",  so  muss  das  doch  beanstandet  werden,  da  es 
auch  einem  Theologen  leicht  sein  musste,  sich  über  die  neueren  Forschungen  auf 
diesem  Gebiete  zu  informieren.  Etwas  besser  ist  der  Ueberblick  über  die  Entwicklung 
des  Kirchenliedes  geraten,  obgleich  auch  hier  manche  irreführenden  Angaben  sich 
einschleichen.  Der  Hauptteil  des  Buches  beschäftigt  sich  dann  mit  Luthers  Liedern, 
deren  Betrachtung  ein  an  dieser  Stelle  recht  unnötiger,  umfänglicher  Lebensabriss 
Luthers  vorangeht,  worin  ebenfalls  manche  falschen  Ansichten,  z.  B.  über  die  Bedeutung 
der  Romreise  für  Luthers  Entwicklung,  enthalten  sind.  Ausführliche  Betrachtung  wird 
Luthers  drei  Liedern:  Aus  tiefer  Not,  Ein  feste  Burg  und  Wir  glauben  all  an  einen 
Gott  zu  teil,  die  Wort  für  Wort  und  Zeile  für  Zeile  durchgenommen  werden.  Die 
Ausführungen,  die  diesen  Liedern  gewidmet  sind,  umfassen  113  Seiten,  also  mehr 
als  ein  Drittel  des  ganzen  Buches,  und  unzweifelhaft  bieten  sie  auch  der  Wissen- 
schaft im  einzelnen  manche  Förderung,  Allerdings  hat  den  Vf.  sein  Eifer  zuweilen 
etwas  zu  weit  getrieben.  Gewiss  wird  es  sehr  häufig  von  grossem  Nutzen  sein,  auf 
die  Grundbedeutung  eines  Wortes  zurückzugehen,  da  zuweilen  Hindernisse,  die  sich 
der  Erklärung  in  den  Weg  stellen,  so  am  schnellsten  ihre  Erledigung  finden.  Aber 
was  soll  man  dazu  sagen,  wenn  W.  bei  zahlreichen  in  den  Liedern  vorkommenden 
Wörtern,  z.  B.  Not,  Ohr,  gnädig,  Sünde,  die  Formen  aus  allen  germanischen  Dialekten 
anführt?  Von  diesen  Sonderbarkeiten  abgesehen,  wird  man  den  Abschnitt  nicht  ohne 


1)  X  X  !"•  ^'^<  Dtsoh.  Liederhort.  Ausw.  d.  vprzttglioheren  dtsch.  Volkslieder  nach  Wort  u.  Weise  aus  d.  Vorzeit 
u.  Qegenw.  ges.  u.  erläut.  —  Im  Auftr.  u.  mit  Unterstütz,  d.  Kgl.  Preuss.  Regierung  nach  Erks  hs.  Nachlass  u.  auf  Grund 
eigener  Samml.  neuhearb.  u.  fortges.  v.  F.  M.  Böhme.  Bd.  I  u.  II.  L,,  Breitkopf  &  Ilärtel.  LX,  656  S.;  800  S.  M.  24,00. 
(Wird  im  nächsten  Berichtsjahre  zusammen  mit  d.  3. Bd.  besprochen.)  (Vgl.  I  5  :  261  a.)  —  la)  A.  F.  W.  Fischer,  D.kirchl.  Dichtung, 
hauptsachlich  in  Deutschland.  (=  Zimmers  Ilandbibl.  d,  prakt.  Theol,  Bd.  Via.)  Gotha,  Perthes.  18; 2.  XV,  241  S.  M.  3,80. 
|[LCB1.  S.  513  (absprechend);    KonsMschr.  S.  223/4.]|    —   2)  K.  M.  Wirth,  D.  evaog.  Liederschatz,  seine  Entstehung  n.  seine 


G.  Elling-er,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  11  2  :  3-12 

Nutzen  lesen;  die  g-enaue  Darlegung"  des  Gedankenzusammenhanges,  das  sorgfältige 
Erwägen  des  Wortsinnes  kann,  wenn  auch  hie  und  da  Kleinliches  mit  unterläuft, 
nie  ohne  Resultat  sein,  und  die,  freilich  nicht  selten  zu  erbaulichen  Zwecken  erfolgte, 
beständige  Berücksichtigung  der  h.  Schrift  bringt  ebenfalls  das  Verständnis  einzelner 
Stellen  oft  um  ein  gutes  Stück  weiter.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  der  Vf.  sich  nur 
auf  diese  verdienstlichen  Ausführungen  beschränkt  und  den  historischen  Abriss  voll- 
ständig unterdrückt  hätte.  Jedenfalls  werden  die  noch  ausstehenden  Teile  seines  Buches, 
wenn  sie  noch  weitere  Kirchenlieder  in  der  gleichen  eingehenden  Weise  behandeln, 
uns  ebenfalls  zu  Dank  verpflichten.  —  Die  Auswahl  aus  dem  Kirchenliede  des  16.  und 
17.  Jh.,  die  Eugen  Wolff^)  bietet,  genügt  auch  massigen  Anforderungen  nicht.  Die 
Einleitung  giebt  biographische  Notizen  über  einige  Kirchenliederdichter  und  die 
landläufigen,  mehr  oder  weniger  treffenden  Werturteile  und  Charakterisierungs- 
versuche, doch  über  die  Hauptfragen  auf  dem  Gebiete  des  Kirchenliedes  erhält  der 
Leser  nicht  den  geringsten  Aufschluss.  Die  Abhängigkeit  des  evangelischen 
Kirchenliedes  von  der  lateinischen  Hymnendichtung,  die  Wechselbeziehungen  zwischen 
Volks-  und  Kirchenlied,  die  zahlreichen  sonstigen  bereits  entschiedenen  und 
noch  schwebenden  Probleme,  ohne  deren  eingehende  Berücksichtigung  eine  wirk- 
liche Erkenntnis  der  Entwicklung  des  evangelischen  Kirchenliedes  ganz  unmöglich 
ist,  werden  überhaupt  nicht  berührt.  Noch  schlimmer  steht  es  mit  der  Auswahl. 
Zwar  im  16.  Jh.,  wo  der  Herausgeber  sich  auf  Wackernagel  stützt,  ist  noch  ein 
leidliches  Verhältnis  vorhanden;  im  17.  Jh,  aber  scheint  W.  ganz  ratlos  zu  sein, 
denn  sonst  wäre  es  nicht  zu  erklären,  dass  zahlreiche  wichtige  Erscheinungen  dieser 
Epoche  gar  nicht  vertreten  sind.  Knorr  von  Rosenroth,  der  als  wichtigster  Vertreter 
der  mystischen  Richtung  innerhalb  der  evangelischen  Kirche  vor  dem  Pietismus  ge- 
wiss nicht  fehlen  durfte,  erscheint  nicht  einmal  mit  dem  Liede:  Morgenglanz  der 
Ewigkeit;  Johann  Jakob  Schütz,  Michael  Schirmer,  Samuel  Rodigast,  um  nur  die 
wichtigsten  Namen  zu  nennen,  werden  überhaupt  nicht  erwähnt.  So  wenig  man  in 
einer  Auswahl  durch  eine  allzu  grosse  Fülle  von  Namen  verwirrt  sein  will,  das 
darf  man  doch  jedenfalls  verlangen,  dass  aus  einer  derartigen  Fülle  der  Produktion 
nicht  bloss  die  allbekannten  Hauptvertreter  herausgegriffen,  zahlreiche  andere  wichtige 
Erscheinungen  aber  stillschweigend  übergangen  werden.  Wie  das  Buch  vorliegt, 
muss  man  sagen,  dass  man  nicht  verstehen  kann,  für  wen  es  bestimmt  ist:  Der  Laie 
kann  aus  ihm  keine  Vorstellung  von  der  Entwicklung  des  Kirchenliedes  gewinnen, 
und  dem  Fachmann  wird  nirgends  etwas  Förderndes  geboten. ^"^)  — 

Kirchenlied:  EinzelneLie der, Liederhss.,  Drucke  und  Dichter.  Die 
vorreformatorischen  Bearbeitungen  lateinischer  H^^mnen  haben  durch  eine  Veröffent- 
lichung von  Milkau'^)  eine  Bereicherung  erfahren.  Aus  einer  Königsberger  Hs. 
(Cod.  ms.  Regiom.  1859)  teilt  der  Vf.  eine  aus  dem  15.  Jh.  stammende  Uebertragung 
des  Dies  irae  mit,  die  sich  im  Wortlaute  genauer  an  das  lateinische  Original  hält 
als  die  späteren  freieren  Bearbeitungen,  dagegen  das  dreizeilige  Metrum  des  latei- 
nischen Textes  nicht  beibehält,  sondern  sich  vierzeiliger,  paarweise  gereimter  Strophen 
bedient;  ferner  die  Hs.  selbst  stammt  aus  dem  Ende  des  15.  oder  dem  Anfange  des  16.  Jh. 
und  enthält  ausser  dem  Dies  irae  eine  niederdeutsche  Psalmenübertragung,  ferner 
Uebersetzungen  der  Kantika  Confitebor  tibi  domine,  der  Litanei,  dann  ein  niederdeutsches 
Gebet  und  liturgische  Bemerkungen.  —  Im  Anschluss  an  diese  Ausführungen  weist 
Milkau^)  darauf  hin,  dass  bereits  im  Niederdeutschen  Jahrbuch  1877  (S.  70)  sich 
unter  den  dort  aus  dem  Braunschweiger  Stadtarchiv  veröffentlichten  Stücken  das 
Fragment  einer  Uebersetzung  des  Dies  irae  findet,  das  der  Vf.  unter  Verbesserung 
einiger  bei  der  früheren  Herausgabe  mit  untergelaufener  Fehler  noch  einmal  ab- 
druckt. Diese  Uebertragung  behält  den  dreifachen  Endreim  bei;  sie  zeigt  auch 
sonst  viel  Geschick.  Doch  darf  auch  die  zuerst  erwähnte  Uebersetzung  nicht  unter- 
schätzt werden,  da  auch  sie  im  Ausdruck  sich  als  kraftvoll  und  nicht  ungewandt 
ausweist.  —  Einige  unbekannte,  im  wesentlichen  aber  belanglose  Drucke  von  bereits 
bekannten  geistlichen  Liedern  aus  dem  15.  Jh.  beschreibt  Roth^J;  ein  Aufsatz  von 
Boy'**)  über  das  Weihnachtslied:  „Es  ist  ein  Ros  entsprungen"  bringt  sachlich 
nichts  Neues  und  beschäftigt  sich  lediglich  mit  der  praktischen  Frage,  wie  die 
Marienverehrung   aus    dem  Liede  auszumerzen  und    dieses  so   für    die  evang-elische 


Verwertung  für  unsern  eyang.  Christenstand.  1.  T.  Nürnberg,  Korn.  271  S.  M.  3,00.  —  3)  (III  2 : 8.)  —  4)  X  Kirchenlieder.  80  d. 
schönsten  Kirchengesänge.  (—  Meyers  Volksbücher,  N.  970/1.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  122  S.  M.  0,20.  (Zu  praktischen  Zwecken 
veranstaltet.)  —  5)  X  G-  Bötticher  b.  K.  Kinzel,  Kunst-  u.  Volkslied  in  d.  Reformationszeit  (vgl.  JBL.  1892  U  2  :  17).  |[E. 
Schneider:  COIRW.  S.  435,6;  R.  Löhner:  ZOG.  44,  S.  129-30;  G.  Kawerau:  ZDPh.  25,  S.  137/9.]|  —  6)  X  R.  Wolkan,  D. 
dtsch.  Kirchenlied  d.  böhmischen  Brüder  (vgl.  JBL.  1892  II  1:4).  |[H.  Lambel:  LBlGRPh.  S.  S85-95  (d.  Resultate  W.s  werden 
im  wesentlichen  anerkannt,  überhaupt  ist  das  vorliegende  Buch  nur  kurz  behandelt,  während  d.  Hauptteil  d.  Rec.  sich  mit 
Wolkans  Buch:  Böhmens  Anteil  an  der  dtsch.  Litteratur  beschäftigt  n.  dazu  manches  recht  Fördernde  beibringt  [vgl.  JBL. 
1891  II  1:13;  1892  II  1  :  1]J;  E.  Chr.  Achelis:  ThLZ.  18,  S.  291.]!  ~  7)  T.  Milk  au,  D.  älteste  Uebertrag.  d.  Dies  irae: 
JbVNiederdSpr.  17,  S.  84,8.  —  8)  id.,  Noch  einmal  Dies  irae:  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  53,4.  —  9)  F.  W.  E.  Roth,  Mitteilungen: 
Germania  37,  S.  63  9.  —  10)  P.  Boy,  Es  ist  e.  Ros  entsprungen:   KM.  11,  S.  175,9.  —  U)  (lU  2:9.)'—  12)  R.  Bechstein, 

(2)3* 


II  2:13-21  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Kirche  zu  retten  sei.  Um  die  katholische  Fassung  der  1.  Str.  zu  beseitigen,  will  er 
in  Z.  .5  an  Stelle  von  „Und  hat"  die  Worte  „Uns  ist"  setzen,  so  dass  also  auch  die 
Rose  auf  Christus  und  nicht  auf  Maria  zu  beziehen  wäre.  Str.  2  soll  dann  in  der 
Fassung-  von  Prätorius  beibehalten  werden.  —  Zu  einzelnen  Kirchenliedern  macht 
Dibelius*')  Bemerkungen,  die  indessen  fast  nur  Bekanntes  wiederholen.  Hervor- 
zuheben ist  hier  nur  die  Berichtigung  einer  Notiz  in  Fischers  Kirchenliederlexikon 
S.  89,  dass  im  Dresdener  Gesangbuch  von  1656  Joh.  Steuerlein  als  Vf.  des  durch 
seine  eigentümliche  Entstehungsgeschichte  so  bemerkenswerten  Liedes  „Das  alte 
Jahr  vergangen  ist"  genannt  werde.  D.  weist  darauf  hin,  dass  das  Gesangbuch 
vielmehr  als  Vf.  ausdrücklich  Jakob  Tapp  nenne,  und  vertritt  die  wohl  so  gut  wie 
allgemein  angenommene  Ansicht,  dass  Steuerlein  mit  dem  Texte  nichts  zu  thun  hat, 
sondern  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bloss  Urheber  der  Melodie  ist.  —  Einen  Bei- 
trag zur  Erklärung  des  Liedes  „Ein  feste  Burg"  giebt  Bechs  t  ein^^^.  Er  bespricht 
die  Bedeutung  der  Worte  „Er  hilft  uns  frei"  und  erklärt  frei  helfen  als:  befreien, 
frei  machen,  wie  bei  Luther  ähnlich  auch  loshelfen  vorkommt.  Er  erwägt  dann,  ob 
das  dazugehörige:  uns  als  Dativ  oder  Akkusativ  aufzufassen  sei  und  entscheidet  sich 
für  den  Akkusativ.  Die  Erklärung  ist  wohl  nicht  neu,  wenigstens  habe  ich  die  Stelle 
immer  so  aufgefasst,  allerdings  ohne  Erwägungen  über  den  in  „uns"  vorliegenden 
Kasus  anzustellen ;  auch  Wirth  in  dem  oben  besprochenen  Buche  deutet  die  Stelle  so  und 
führt  auch  ein  späteres  Beispiel  an:  in  dem  Liede  von  Martin  Behm  (gest.  1622)  be- 
ginnt Str.  4  mit  den  Worten:  Christ,  mein  Erlöser  hilf  mir  frei.  Nach  dieser  Stelle 
wäre  „uns"  als  Dativ  aufzufassen.  —  In  der  ADB.  hat  der  oben  genannte  Steuerlein, 
oder  wie  er  eigentlich  hiess,  Steurlein  (1546 — 1613),  in  diesem  Berichtsjahre  eine 
kurze  Behandlung  durch  Reu  sch^-^j  erhalten.  —  Ausser  ihm  sind  noch  einige  andere 
Kirchenliederdichter  dort  besprochen  worden.  Tschackerti*)giebtin  seinem  Lebens- 
abriss  des  Speratus  im  wesentlichen  eine  kurze  und  bündige  Zusammenfassung  der 
Resultate  der  von  ihm  auf  Grund  des  Urkundenbuches  zur  Reformationsgeschichte 
des  Herzogtums  Preussen  (Bd.  II  und  III)  hergestellten  Biographie  (Halle  1891). 
Nur  seine  Stellung  zu  den  Liedern  des  Königsberger  Gesangbuches  von  1527  (zwei 
Teile)  hat  eine  Aenderung  erfahren;  während  er  in  dem  Urkunden  buch  und  der 
Biographie  einen  Anteil  des  Speratus  an  diesen  Liedern  nicht  für  ausgeschlossen 
hielt,  folgt  er  jetzt  mit  Recht  Bertheau  (ADB.  19,  S.  154)  und  namentlich  den  Unter- 
suchungen Buddes  (Zeitschrift  für  prakt.  Theolog.  1892,  S.  Iff.),  durch  die  Caspar 
Löner  als  Vf.  dieser  Lieder  erwiesen  wird. —  Roethe^^)  hat  alles  zusammengestellt, 
was  sich  aus  dem  akrostichischen  Liede  „Christus  Jhesus  im  Hymelreich"  über  den 
Vf.  Gregorius  Springinklee  ermitteln  lässt.  Er  stammte  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  aus  Nürnberg  und  war  ein  eifriger  Lutheraner;  gedichtet  ist  das  Lied  wohl 
nicht  vor  Ende  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jh.  Der  mit  dem  sonst  nicht  bekannten 
Autor  öfter  zusammengebrachte  Messerschmied  Gregor  Springinklee,  den  Ayrer  in 
seinei  Bamberger  Reimchronik  erwähnt,  war  wohl  ein  Vorfahr  des  Dichters.  Dem 
Gedicht  hat  R.  eine  gute  Charakteristik  zu  teil  werden  lassen.  —  Christophorus  Soll 
(Solius,  auch  Seel,  Seil,  Scholl;  geb.  wahrscheinlich  1517,  gest.  1557)  wird  von  Bolte^^) 
biographisch  behandelt;  auch  auf  seine  Lieder,  bei  denen  übrigens  die  Autorfrage 
nicht  ganz  mit  Sicherheit  zu  entscheiden  ist,  wird  kurz  verwiesen.  — 

Die  Beiträge  zur  Geschichte  des  Meistergesanges  beschränken  sich  in 
diesem  Berichtsjahre  nur  auf  das  16.  Jh.  ^"'^i'-').  Roethe^o)  widmet  dem  Meistersänger 
Hans  Sigel  eine  kurze  biographische  Notiz  und  charakterisiert  seinen  Meistergesang 
auf  die  Stände  des  heiligen  römischen  Reiches,  ein  geistloses  Verzeichnis  der  Kur- 
fürsten; eine  Bemerkung,  aus  der  sich  Sigels  protestantisches  Bekenntnis  ergiebt, 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  dieser  nicht  vor  den  dreissiger  Jahren  des  16.  Jh. 
dichtete;  er  ist  also  wohl  kaum  identisch  mit  dem  Maler  Johann  Sigel  oder  Siglin 
aus  Ulm,  der  1492  wegen  einer  Rauferei  verbannt,  später  durch  Vermittlung  von 
Maximilians  Gattin  Blanka  Maria  vom  Ulmer  Rate  begnadigt  wurde.  —  Sehr  dankens- 
wert sind  die  Mitteilungen,  die  Keinz^t)  uns  bietet;  er  hebt  zunächst  aus  der  schon 
von  Hartmann  (Das  Oberammergauer  Passionsspiel)  benutzten  Augsburger  Hs.  zwei 
weitere  Stücke  aus,  die  wertvolle  Nachrichten  über  den  Zustand  des  Meistersinger- 
kreises zu  Augsburg  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jh.  bieten,  und  verweilt  dann  aus- 
führlich bei  Johann  Spreng  aus  Augsburg  (1534—1601),  dessen  Lebensverhältnisse 
hier  zum  ersten  Mal  eingehend  dargestellt  und  dessen  Thätigkeit  als  lateinischer 
Dichter,  als  Uebersetzer  und  Meistersinger    sorgfältig  und   unparteiisch    gewürdigt 


Er  hilft  uns  frei  aus  aller  Not:  ZDU.  7,  S.  165/8.  —  13)  F.  Ben  seh,  Joh.  Steurlein:  ADB.  36,  S.  156/7.  —  14)  P.  Tschackert, 
P.  Speratus:  ib.  35,  S.  123-35.  —  15)  G.  Roethe,  Gregor  SpringinHee:  ib.  S.  776/7.  —  16)  J.  Bolte,  Chrph.  Soll:  ib.  34, 
S.  571.  —  17)  X  A.  Sei  dl,  D.  Kunstlehre  d.  Meistersinger:  BayreuthBU.  16,  S.  362-92.  (Beschäftigt  sich  mit  Wagners  Meister- 
singern.) —  18)  X  V.  Michels,  0.  Weddigen,  Z.  Gesch.  d.  dtsch.  Meistergesanges  (vgl.  JBL.  1891  II  2:20):  ADA.  19,  S.194/5. 
(W.s  Progr.  wird  mit  Recht  als  völlig  unzulänglich  bezeichnet.)  —  19)  OXX  Aus  e.  Meistergesänge  d.  Hans  Sachs: 
DDichtung.  13,  S.  271.  —  20)  G.  Roethe,  Hans  Sigel:  ADB.  34,  S.  250.  —  21)  F.  Keinz,  Aus  d.. Augsburger  Meistersinger- 


G.  E Hing" er,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  2  :  22-25 

werden.  Eine  grosse  Anzahl  bisher  unbekannter  Einzelnotizen  hat  der  Vf.  in  diesem 
Abschnitt  ans  Licht  g-ebracht.  Es  schliesst  sich  an  eine  g-enaue  Beschreibung-  der 
Münchener  Hs.  Cg-m.  5102.  Der  Schreiber  der  Hs.  ist  der  Aug-sburg-er  Meisersing-e 
Georg"  Braun  (vgl.  auch  die  unter  der  nächsten  Nummer  zu  citierende  Publikation, 
S.  326),  der  am  Ende  des  16.  und  zu  Beg-inn  des  17.  Jh.  lebte  und  schrieb  Aus 
dieser  Zeit  stammt  auch  die  Hs.  und  die  in  ihr  enthaltenen  Lieder.  Die  meisten  der 
in  der  Hs.  vereinig-ten  Lieder  sind  epischer  Natur  und  zwar  schöpfen  sie  ihren  Stoff 
fast  nur  aus  den  Schriftstellern  des  Alterums;  biblische  Stoffe  sind  merkwürdigerweise 
gar  nicht  vertreten.  Ausser  dem  Schreiber  der  Hs.  sind  mit  zahlreichen  Liedern 
vorhanden  Johann  Spreng,  der  Weber  Hans  Weidner,  Martin  Dhir,  ferner  ein  Dichter, 
für  dessen  Anfangsbuchstaben  H.  P.  sich  im  Siegerverzeichnis  kein  entsprechender 
Name  findet  (Schulmeister  Hans  Bürzel,  Kürschner  Hans  Banzer  oder  Weber  Hans 
Bart?).  Mit  wenigen  Liedern  kommen  vor :  Abraham  Danbeckh,  Schulmeister  Abraham 
Niggel,  der  Sattler  Bartlme  Welser,  der  Maler  Daniel  Holzmann,  der  Weber  Daniel 
Steichelin,  der  Prokurator  Georg  Danbekh,  der  Weber  Hans  Weidner,  der  Kauf- 
mann Marx  Schelchlin,  der  Weber  Max  Kleiber.  K.  giebt  ein  genaues  und  wert- 
volles Register  der  Liedanfänge  und  druckt  zuletzt  zwei  Meisterlieder  von  Johann 
Spreng  und  eines  von  Georg  Braun  ab  ;  die  beiden  Stücke  Sprengs  rechtfertigen 
das  von  K.  gefällte  Urteil,  dass  Sprengs  Meisterlieder  zu  den  besten  Erzeugnissen 
der  Art  zu  rechnen  seien.  —  Ebenfalls  anziehende  Aufschlüsse  über  die  Geschichte 
des  Meistergesanges  im  16.  Jh.  gewähren  die  Materialien,  die  Hampe22)  zusammen- 
gestellt hat.  Er  zeigt  die  Richtigkeit  einer  Notiz  desCjriacus  Spangenberg  von  der  Neu- 
aufrichtung einer  Singschule  in  Rothenburg  (1556)  dadurch  auf,  dass  er  die  von  Spangen- 
berg erwähnten  Männer  als  Bürger  von  Rothenburg  nachweist;  er  macht  es  weiter  sehr 
wahrscheinlich,  dass  eine  andere  Notiz  von  Spangenberg,  die  von  einer  Singeschule 
in  Ravensburg  berichtet,  ebenfalls  auf  Rothenburg  zu  beziehen  ist,  und  teilt  dann 
archivalische  Notizen  über  das  Auftreten  fremder  Meistersinger  (darunter  G.  Braun 
aus  Augsburg)  in  Rothenburg  mit.  Aus  einer  Nürnberger  Hs.  druckt  H.  Teile 
eines  Meisterliedes  von  Lorenz  Wessel  über  den  Zustand  des  Meistergesanges  in  Steyr 
ab  (1562).  Von  den  Meistersingern,  die  Wessel  aufzählt,  ist  uns  bis  jetzt  nur 
Severinus  Kriegsauer  bekannt.  Es  ergiebt  sich  aus  dem  Gedichte,  dass  der  Meister- 
gesang in  Steyr  fast  ausschliesslich  in  den  Händen  der  Messerer  und  der  ihnen  ver- 
wandten Gewerbe  lag,  und  dass  auch  hier  sich  zuerst  zwölf  Meister  zur  Uebung  der 
Kunst  zusammen  gethan  haben.  Schliesslich  deutet  H.  auf  einige  Parabeln  der 
Meistersinger  hin.  Er  bespricht  zunächst  zwei  in  einer  Heidelberger  Hs.  erhaltene 
Parabeln  Michel  Behaims;  die  eine  behandelt  die  Erzählung  von  den  drei  Ringen; 
zu  Grunde  liegen  vielleicht  die  Gesta  Romanorum,  doch  ist  die  Vorlage  dann 
mit  grosser  Freiheit  behandelt  und  dichterisch  erweitert  worden;  genauer  schliesst 
sich  an  die  Gesta  Romanorum  die  zweite  an,  die  sich  im  Stoffe  mit  Rückerts  „Leben 
und  Tod"  deckt.  Eine  weitere  meistersingerische  Behandlung  der  Erzählung  von 
den  drei  Ringen,  die  sich  Boccaccio  genau  anschmieg-t,  weist  der  Vf.  in  der  Berliner 
Hs.  germ.  4".  583  nach;  eine  andere  Fassung  desselben  Meisterliedes  bietet  die 
Münchener  Hs.  cgm.  5102  (s.  0.  N.  21,  S.  175,  N.  35).  —  In  eine  etwas  frühere  Zeit 
zurück  führt  uns  das  jetzt  in  den  Besitz  von  Nürnberg  gelangte  Hans  Sachs-Ms., 
das  Mu  m  me  nho  f  f23)  beschreibt.  Nur  bei  seinem  ersten  Bande  hat  Hans  Meister- 
gesangbuch und  Spruchbuch  zusammenbinden  lassen,  seitdem  Hess  er  sie  immer  getrennt 
binden,  nur  das  vorliegende  16.  Meistergesangbuch  und  das  14.  Spruchbuch  bilden  wieder 
eine  Ausnahme.  Der  Band  ist  1556  angefangen  und  1567  vollendet,  enthält  aber 
auch  Gedichte  früherer  Jahre  von  1520  an.  Die  beiden  Vorreden  sind  von  grossem 
Wert,  da  sie  sowohl  über  Hans  Sachs  damalige  Schaffensweise  als  auch  über  das 
Nachlassen  seiner  dichterischen  Kraft  und  die  schmerzlich  resignierte  Stimmung,  die 
ihn  infolge  dessen  beherrschte,  Aufschluss  geben.  Das  Meistersingerbuch  enthält 
98  Meisterlieder,  Liebeslieder,  Kirchen-  und  Kriegslieder,  ein  Lied  auf  die  Belagerung 
von  Wien  (1529),  zwei  Lieder  auf  Karls  V.  Kriegszug  nach  Afrika  (1535).  Die  Ge- 
samtzahl der  Stücke,  die  alle  noch  nicht  veröffentlicht  sind,  beträgt  136.  In  dem 
Spruchbuch  findet  sich  nur  ein  unbekanntes  Stück,  die  Tragödie :  Artaxerxes  der  kung 
Persie  mit  seinen  mancherley  vnfals  der  seinigen.  (1560.)  Der  Text  der  bekannten 
Nummern  weist  aber  der  Nürnberger  Folioausgabe  gegenüber  so  zahlreiche  Varianten 
auf,  dass  die  Hs.  wohl  eine  besondere  Bedeutung  für  die  Erforschung  des  Hans 
Sachsschen  Textes  gewinnen  wird.  —  Waldner  2*)  deutet  auf  die  Dresdener  Hs. 
(M.  109)  hin;  sie  enthält  das  von  Adam  Buschmann  für  den  Danziger  Schuster 
Schönwaldt  zusammengeschriebene  Meistergesangbuch,  das  1584  in  dessen  Besitz  ge- 


Bchnle.  E.  gelehrter  Meistersinger  n.  sein  Liederbnch:  SBAlcMünchenPi'.  S.  153-200.  —  22)  Th.  Hampe,  Studien  z.  Gesch.  d. 
Meistergesanges:  VLG.  6.  S.  321-36.  —  23)  E.  Mummenhoff,  D.  Iß.  Meistergesanghuch  n.  d.  14.  Spruchhuch  d.  Hans  Sachs: 
KBGV.  41,    S.  92,3.    —    24)  E,  Waldner,    E.   oberbayer.   Meistersinger:   ZDA.  36,    S.  94/5.    —    25j  K.  Meyer,   Th.  Odinga, 


II  2:26-31  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

langt  ist.  Auf  der  letzten  Seite  der  Hs.  ist  von  anderer  Hand  ein  Meisterg-esang- 
von  Ag-nes  Bernauerin  angefügt,  unterschrieben  Jörg  Wallner  von  B.  1604.  Da  nun 
in  Burghausen  (Oberbayern)  ein  Bürgerssohn  und  Kürschner  Georg  Wallner  als 
Bürger  aufgenommen  worden  ist,  so  könnte  dieser  Wallner  der  Vf.  sein,  zumal  der 
Vater  der  Agnes  bei  ihm  zum  Kürschner  gemacht  wird  (während  er  in  den  anderen 
Behandlungen  der  Erzählung  ein  Bader  ist).  Wallner  müsste  dann  allerdings  auf 
seinen  Wanderungen  sich  in  üanzig  aufgehalten  haben,  was  aber  nicht  ausgeschlossen 
wäre.  —  Der  Schweizer  Volksdichter  Benedikt  Gletting  mag  den  Uebergang  zum  Volksliede 
bilden.  In  seiner  Anzeige  der  Ausgabe  von  Odinga  spricht  K.  Mey  er^^)  dem  Gletting 
die  Lieder  N.  10  „Was  kann  ich  bessers  singen"  und  N.  20  „0  Jesu  warer  Gottes 
Sohn"  ab.  Der  Schluss  aus  den  Reimen,  die  in  den  sicher  von  Gletting  herrührenden 
Liedern  verwendet  sind,  scheint  mir  allerdings  nicht  zwingend.  Darum  sehe 
ich  keinen  Grund,  an  Glettings  Autorschaft  bei  N.  10  zu  zweifeln.  Bei  dem  ersten 
Liede  behauptet  M.,  es  gehe  aus  zwei  von  Wackernagel  herausgehobenen  Stellen  hervor, 
dass  der  Dichter  ein  Jüngling  sei;  da  das  nun  nicht  auf  Odingas  Datierung  passt, 
so  sei  Gletting  das  Lied  abzusprechen.  Allein  Str.  6,  3  scheint  mir  eher  gegen  als 
für  die  Jugend  des  Dichters  zu  sprechen,  darum  ist  die  Lesart  ,,bin  gsin"  für  „bin"  in 
Str.  4,  9  bei  Odinga  ebenfalls  vorzuziehen;  die  überzählige  Silbe  Hesse  sich  leicht 
beseitigen.  Richtig  aber  ist,  dass  Glettings  Autorschaft  zweifelhaft;  nach  Wacker- 
nagel (IV,  167)  geben  alte  Drucke  als  Autornamen  die  Anfangsbuchstaben  N.  M., 
Gletting  hat  also  das  Lied  vielleicht  nur  übernommen,  M.  rügt  die  Dürftigkeit  der 
beigebrachten  thatsächlichen  Angaben;  Odinga  habe  zur  Erklärung  der  Gedichte 
so  gut  wie  nichts  gethan.  Das  Gedicht  N.  6  Von  dem  Saltzbrunnen  bezieht  sich 
auf  die  Auffindung  einer  Salzquelle  im  Kanton  Bern  (1554).  — 

Volkslied:  Allgemeines.  Mit  zwei  hs.  Liederbüchern  aus  dem  Anfange 
des  17.  Jh.  macht  uns  Bolte^^)  bekannt;  beide  sind  für  fürstliche  Persönlichkeiten 
angelegt:  das  eine  1601  für  den  jüngeren  Bruder  des  Herzogs  Heinrich  Julius  von 
Braunschweig,  Joachim  Karl  (das  Ms.  befindet  sich  auf  der  Wolfenbütteler  Bibliothek), 
das  andere  1682  für  Luise  Charlotte,  die  ältere  Schwester  des  Grossen  Kurfürsten, 
bekannt  durch  ihre  Beziehungen  zu  Simon  Dach  und  H.  Albert  (Ms.  auf  der  Biblio- 
thek der  Petersburger  Akademie  der  Wissenschaften).  Das  erste  Liederbuch  weist 
nach  den  von  B.  mitgeteilten  Anfängen  die  herkömmliche  Signatur  des  deutschen 
Liedes  um  die  Wende  des  16.  und  17.  Jh.  auf:  einige  ältere  Volkslieder,  daneben 
Erzeugnisse  des  Gesellschaftsliedes.  In  dem  Tabulaturbuch  der  Luise  Charlotte 
scheint,  wie  schon  der  Name  sagt,  das  musikalische  Interesse  zu  überwiegen. 
Eigentliche  Volkslieder  enthält  die  Sammlung  nicht,  sondern  nur  Gesellschaftslieder 
und  Stücke  bekannter  Dichter,  von  Dach,  Opitz  und  Voigtländer,  daneben  drei 
französische  und  zwei  englische  Lieder.  Unter  den  Komponisten  erscheint  auch  der 
Engländer  Walter  Rowe,  wie  B.  sicher  mit  Recht  die  Anfangsbuchstaben:  W.  R. 
und  Wal:  Ro:  deutet.  —  Wie  es  scheint,  um  eine  Art  Rechtfertigung  der  von  Brentano 
und  Arnim  in  dem  Lied:  Zu  Strassburg  auf  der  Schanz  interpolierten  Zeilen  vom 
Alphorn  zu  versuchen,  legt  Geiser''^')  den  Bericht  über  einen  1574  in  Aarwangen 
aufgegriffenen  Schweizer  Landstreicher  Jakob  Henzi  vor,  der  auf  der  Folter  gestand, 
ein  Söldnerhauptmann  habe  ihn  das  Alphorn  blasen  hören  und  sei  so  von  seinen 
Leistungen  erbaut  gewesen,  dass  er  ihn  mit  nach  Frankreich  genommen  habe. 
Hier  sei  er  zunächst  „in  des  Herzogen  von  Anjou  Garde"  beschäftigt  worden  (wohl 
als  Spielmann),  dann  habe  er  sich  auch  thätlich  bei  den  Excessen  der  Bartholomäus- 
nacht beteiligt.  Für  das  Volkslied  ist  im  allgemeinen  au's  dieser  Notiz  wohl  nicht 
so  viel  zu  gewinnen  als  der  Vf.  vielleicht  meint. 28)  — 

Es  wird  sich  empfehlen,  die  Volksliedersammlung  aus  Niederhessen  von 
Lew  alter  29)  in  den  nächsten  Bericht  zu  verweisen,  da  man  sonst  genötigt  sein 
würde,  das  abschliessende  fünfte  Heft  in  der  Besprechung  von  den  vier  ersten  zu 
trennen.  — 

Die  historischen  Volkslieder  des  sächsischen  Heeres  hat  Freytag^^) 
gesammelt  und  mit  einer  von  löblicher  patriotischer  Gesinnung  zeugenden,  aber 
wenig  fördernden  Einleitung  versehen.  Für  den  von  uns  behandelten  Zeitraum 
bietet  die  Sammlung  nichts  Neues,  die  sämtlichen  dort  mitgeteilten  Lieder  waren 
bereits  bekannt.  Für  die  Neuzeit  dagegen  (etwa  vom  siebenjährigen  Krieg  an) 
wird  manches  Hübsche  aus  ungedruckten  und  so  gut  wie  unbekannten  gedruckten 
Quellen  mitgeteilt.  Diese  Stücke  werden  an  einer  anderen  Stelle  dieser  Berichte  ge- 
würdigt werden  müssen  (vgl.  IV  2);  hier  sei  nur  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
unter  den  mitgeteilten  Liedern  zahlreiche  Nummern  offenbar  Erzeugnisse  der  Kunst- 


Henedikt  Gletting  (vgl.  JBL.  1891  U  2:30;  1892  II  2:14):  ADA.  19,  S.  72/4.  —  26)  (HI  2:5.)  —  27)  K.  Geiser,  D.  Knabe, 
d.  das  Alphorn  blies:  BernerTb.  43,  S.  118/6.  —  28)  X  J- E.  Waclcernell,  D.  dtsch.  Volkslied  (vgl.  JBL.  1891  II  2:17).  |[ß.  M. 
Meyer:  ML.  62,  S.  533;  ÖLBL  2,  S.  300,1.]|  —  29)  (I  5:282;  vgl.  JBL.  1892  I  9:38;  IV  2:361.)  —  30)  (1  5:285.)  —  31)  F. 


i 

I 


G.  Elling-er,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  2  :  32-38 

dichtung  sind.  Das  mindert  indessen  den  Wert  der  Publikation  nicht,  muss  aber 
doch  hervorgehoben  werden.  Interessant  ist  es  dabei,  die  verschiedenen  litterarischen 
Einwirkungen  zu  beobachten,  z.  B.  in  N.  25  und  26  den  Einfluss  der  Lieder  eines 
preussischen  Grenadiers.  —  Von  einzelnen  in  diesem  Berichtsjahre  bekannt  ge- 
wordenen historischen  Volksliedern  ist  das  älteste  das  von  Gerhard^^)  mitgeteilte 
Lied  vom  Hussen-Krieg.  Es  ist  der  Heidelberger  Hs.  Cod.  363,  54  entnommen,  die 
im  Anfange  des  17,  Jh.  angelegt  worden  ist.  Entstanden  aber  ist  das  Gedicht 
zweifellos  unmittelbar  nach  dem  Ereignis,  das  es  schildert,  nämlich  der  Schlacht  bei 
Neunburg  in  der  Oberpfalz,  wo  das  Heer  des  Herzogs  Johann  von  Bayern  1433  den 
Hussiten  eine  grosse  Niederlage  beibrachte.  Das  achtzehnstrophige  Lied  ist  Ott 
ostmann  unterzeichnet;  es  ist  zweifelhaft,  ob  dies  der  Name  des  Dichters  oder  des 
Schreibers  der  Hs.  ist.  —  Zeitlich  schliesst  sich  diesem  Stücke  das  Lied  auf  die  Walds- 
huter  Expedition  an,  dessen  Autor,  den  1468  in  Appenzell  lebenden  Antonius  (Toni) 
Steinhuser,  wir  kennen.  Roethe^^^  stellt  kurz  zusammen,  was  wir  von  dem  Dichter 
wissen  und  entwirft  eine  treffende  Charakteristik  des  Gedichtes,  das  von  dem  da- 
mals allerdings  berechtigten  Siegesübermut  der  Schweizer  Zeugnis  ablegt.  —  Der 
Schweiz  gehört  auch  ein  weiteres  Lied  an.  Zu  den  drei  bekannten  Liedern  auf 
die  Schlacht  bei  Murten  bringt  G.  T  o  b  1  e  r  ^3)  ein  viertes,  das  sich  in  der  illustrierten 
Chronik  des  Diebold  Schilling  (Züricher  Stadtbibl.)  erhalten  hat.  Das  Lied  ist  zu  Ende 
1476  verfasst,  die  hier  vorlieg-ende  Niederschrift  sicher  vor  1484.  Der  Vf.  nennt  sich 
Lurlebat.  T.  erwägt  die  ^rage,  ob  nicht  auch  dieses  Gedicht  dem  Matthis  Zoller  zu- 
zuschreiben sei,  von  dem  eines  der  drei  anderen  Lieder  auf  die  Schlacht  herrührt; 
mir  scheint  eine  solche  Annahme  wenig  für  sich  zu  haben.  —  Leider  ■  sind  mir 
L.  Toblers^^)  weitere  Mitteilungen  über  das  Lied  trotz  vielfacher  Bemühungen  unzu- 
gänglich geblieben.  —  Aus  einer  Berliner  Hs.  (mscr.  germ.  fol.  621)  teilt  Bolte^^) 
ein  recht  bemerkenswertes  Lied  aus  dem  15.  Jh.  mit,  das  in  einer  Aufzeichnung 
vom  Anfange  des  16.  Jh.  vorliegt.  Es  behandelt  das  Schicksal  und  die  Hinrichtung 
des  Breslauer  Bürgers  Heinz  Domnig  oder  Dompnig,  der  als  Hauptmann  des  Matthias 
Corvinus  in  Breslau  die  Interessen  des  Ungarnkönigs  mit  grosser  Härte  vertrat  und 
nach  dessen  plötzlich  erfolgtem  Tode  vom  Rate  angeklagt  und  hingerichtet  wurde. 
Den  poetischen  Wert  des  Liedes  möchte  ich  höher  anschlagen,  als  B.  es  zu  thun 
scheint.  —  Roth 36)  teilt  vier  Einzeldrucke  von  Volksliedern  aus  dem  17.  Jh.  mit. 
Zwei  davon  sind  nicht  bekannt,  darunter  ein  historisches  (N.  3),  ein  Loblied  auf 
die  Einführung  der  Reformation  in  Augsburg,  4  Strophen,  das  nach  dem  auf  der 
Mainzer  Stadtbibliothek  befindlichen  Drucke  vollständig  gegeben  ist.  Von  einem 
anderen  unbekannten  balladenartigen  Liede  (N.  1)  druckt  R.  nur  die  beiden  ersten 
Zeilen  ab.  — 

Für  die  Zeit,  in  die  wir  die  Entstehung  des  Gesellschaftsliedes,  d.  h. 
des  für  das  Erholungsbedürfnis  der  adligen  und  vornehmeren  bürgerlichen  Ge- 
sellschaften gedichteten  Liedes  zu  verlegen  haben,  sind  zwei  bemerkenswerte  Publi- 
kationen zu  erwähnen.  M.  von  Waldbergä"*)  druckt  unter  dem  schon  früher  von 
ihm  gebrauchten  Namen:  Jaufener  Liederbuch  eine  Hs.  der  Wiener  Hofbibliothek 
ab.  Sie  stammt  in  ihrem  von  W.  bekanntgegebenen  Hauptteile,  dem  Liederbestande, 
aus  dem  Anfange  des  17.  Jh.  und  ist  von  zwölf  verschiedenen  Schreibern  geschrieben. 
Der  Haupturheber,  der  auch  die  ersten  26  Lieder  geschrieben  hat  und  als  Vf.  mehrerer 
Stücke  bezeichnet  werden  kann,  ist  Hans  Jakob  von  Neuhauss  auf  Jaufen  in  Tirol. 
Die  Sammlung  selbst  bietet  einige  ältere  Volkslieder,  zahlreiche  anonyme  Gesell- 
schaftslieder, daneben  aber  auch  eigene  Versuche  der  Urheber  der  Hs.,  die  sich  im 
wesentlichen  der  im  Gesellschaftsliede  vertretenen  Richtung  anschliessen.  Gerade 
an  den  Stücken,  die  wir  mit  einiger  Sicherheit  für  die  Veranstalter  der  Hs.  in  An- 
spruch nehmen  können,  lässt  sich  die  Art,  in  der  die  Gesellschaftslieder  vielfach 
verfasst  wurden,  mit  ziemlicher  Deutlichkeit  erkennen;  nur  ein  kleiner  Teil  ist 
geistiges  Eigentum  der  Dichter,  das  Meiste  entstammt  dem  Schatz  formelhafter 
Wendungen,  wie  er  sich  am  Ende  des  16.  und  am  Anfang  des  17.  Jh.  aufgespeichert 
hatte.  —  Ganz  ähnlicher  Art  sind  die  deutschen  Gedichte  des  Christoph  von 
Schallenberg,  die  Hurch^S)  aus  der  Wiener  Hs.  (ms.  19565)  vorlegt;  hinzu  kommen 
hier  nur  noch  die  Einflüsse  aus  der  romanischen  Litteratur,  wie  sie  sich  um  1600 
in  Deutschland  besonders  stark  geltend  machten.  Schallenberg  dichtet  acht  Lieder 
dem  Italienischen,  eines  dem  Spanischen  nach,  bei  drei  eigenen  Liedern  benutzt  er 
die  zu  einem  italienischen  Texte  gesetzte  Melodie.  (Der  grösste  Teil  der  italienischen 
Texte   ist  jetzt  nachgewiesen  von  Bolte,  Herrigs  Arch.  92,  S.  65  ff.)    Der  Vf.  macht 


Gerhard,  Vom  Hassenkrieg.  E.  hist.  Volkslied:  NHJbb.  3,  S.  22.5-30.  —  32)  6.  Roethe,  A.  Steinhuser:  ADB.  35,  S.  736. 
~  33)  G.  Tobler,  E.  nnbek.  Lied  t.  d.  Schlacht  bei  Murten  (1476):  SchwBs.  3,  S.  312  20.  —  34)  O  X  X  L.  Tobler,  D. 
neu  entdeckte  Lied  v.  d.  Schlacht  bei  Murten:  AnzSchwG.  24,  S.  497.  —  35)  (I  5:288.)  —  36)  (S.  o.  N.  9.)  —  37)  M.  v. 
Waldberg,  D.  Jaufener  Liederbuch.   (Sonderabdr.  aus  d.  NHJbb.  3,  Heft  2.)  Heidelberg,   G.  Koester.    68  S.    M.  3,00.    —    38) 


II  2:39-46  G.  Elling"er,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

aus  der  Hs.  noch  weitere  Mitteilung-en  über  lateinische  Gedichte  des  Vf.  (vg-l.  II  7), 
sowie  über  das  Leben  des  protestantischen  oberösterreichischen  Dichters  (1561 — 97) 
und  führt  einig-e  Zeugnisse  für  seine  dichterische  Thätig-keit  an;  auch  erweist  er 
ihn  als  Vf.  des  bereits  aus  Zinkgrefs  Anhang  bekannten  Lobgesangs  von  dem 
warmen  Bad  zu  Baden  in  Oesterreich,  der  in  Schallenbergs  Hs.  vorliegt  und  in 
dieser  Zinkgrefs  Druck  gegenüber  einige  gute  Lesarten  zeigt.  — 

Zu  einzelnen  Volksliedern  gab  Erich  Schmidt^^)  in  einem  Vortrage 
Notizen;  aus  Göckings  Emigrationsgeschichte  teilte  er  eine  Fassung  des  Tannen- 
baumliedes mit,  die  er  als  sehr  alt  nachwies  und  machte  Mitteilung  über  eine  Fassung 
des  Falkenliedes  in  einer  Berliner  Hs.  des  16.  Jh.  —  Roth  hatte  früher  (Germania 
36,  S.  266)  aus  einer  angeblich  dem  15.  Jh.  gehörenden,  jetzt  in  Amerika  be- 
findlichen Hs.  eine  Fassung  des  Liedes  vom  Blumenmacher  Jesus  abgedruckt  und  giebt 
dieser  vor  der  bekannten  Moneschen  Fassung  (Mittler,  S.  354)  den  Vorzug.  Jei  tteles^^^ 
sucht  nun  jetzt  den  Moneschen  Text  als  den  zuverlässigeren  zu  erweisen,  worin 
man  ihm  beistimmen  wird.  Ferner  bezweifelt  J.,  ob  das  von  Bolte  (ZDA. 
34,  S.  26/7)  veröffentlichte  Gedicht  die  älteste  Behandlung  der  Sage  sei.  —  Wirklich 
weist  Bolte'*')  jetzt  wenigstens  noch  eine  ältere  Prosaaufzeichnung  in  einer  der 
ersten  Hälfte  des  15.  Jh.  angehörenden  Haager  Hs.  (N.  267)  nach;  er  trägt  auch  noch 
einige  deutsche  fliegende  Blätter  nach,  von  denen  eines  merkwürdigerweise  den  Vor- 
fall genau  datiert:  5.  Febr.  1729.  — 

Der  volkstümlichen  Liebeslyrik  gehören  auch  die  vier  Liebesbriefe 
an,  die  aus  einer  Hs.  der  Bibliothek  des  weltpriesterlichen  Kollegiatstiftes  Mattsee 
durch  Pomezny  und  Tille'*''^)  mitgeteilt  werden;  die  Hs.  selbst  entnält  ver- 
schiedene im  15.  und  16.  Jh.  entstandene  Stücke,  die  später  zusammengebunden 
wurden.  Die  hier  vorliegenden  Gedichte  sind  wohl  gegen  Ende  des  15.  Jh.  ge- 
schrieben, das  vierte  ist  nicht  vollständig  erhalten.  Sie  sind  sämtlich  augenscheinlich 
Kopien  aus  etwas  älteren  Vorlagen,  die  aber  schwerlich  sehr  weit  ins  15.  Jh.  zu- 
rückreichen. Doch  bewahren  sie  eine  Reihe  von  unzweifelhaft  sehr  alten  typischen 
Wendungen  der  Liebespoesie,  speciell  der  Liebesbriefe,  und  können  sowohl 
deshalb  wie  auch  um  der  treuherzigen  Naivetät  des  Ausdrucks  willen  als  eine  will- 
kommene Bereicherung  des  Materiales  begrüsst  werden.  Edw.  Schröder  macht  im 
Anschluss  an  die  vier  Texte  noch  auf  eine  hübsche,  bereits  1815  aus  einer  bayerischen 
Hs.  gedruckten  Parallele  zu:  Ich  bin  dm  usw.  aufmerksam.   — 

Das  Gebiet  der  Kunstdichtung  betreten  wir  mit  den  brauchbaren 
Mitteilungen,  die  Engler t^ä)  giebt;  aus  den  Hss.  der  Bibliothek  von  Zweibrücken 
legt  er  zunächst  ein  äusserst  umfangreiches  Gedicht'  in  Reimpaaren  vor,  worin 
die  Hochzeit  des  Pfalzgrafen  Friedrichs  IL  (1535)  beschrieben  wird.  Weiter  weist 
er  auf  ein  prosaisches  Gespräch  über  den  Gebrauch  der  Feuerwaffen  (1574)  so- 
wie auf  eine  Hs.  der  „christlichen  Reutterlieder"  von  Philipp  von  Winnenberg  hin, 
die  auf  dem  Deckel  die  Jahreszahl  1581  trägt  (Jahr  der  ersten  gedruckten  Ausgabe 
1582);  die  Beschreibung  der  Hs.  macht  es  in  der  That  wahrscheinlich,  dass  wir  es 
mit  dem  Autograph  Winnenbergs  zu  thun  haben.  Die  vierte  Notiz  verweist  auf 
die  von  einem  versöhnlich  gesinnten  Katholiken  verfasste  satirische  Behandlung  des 
Regensburger  Reichstages  von  1613.  Die  beigefügten  Proben  des  in  Alexandrinern 
abgefassten  Gedichtes  zeigen  satirisches  Talent,  aber  geringe  Gewandtheit  in  der 
Handhabung  der  Sprache.  —  DisteH*)  teilt  drei  achtzeilige  Inschriften  in  Reim- 
paaren mit,  die  der  auch  sonst  als  Dichterling  bekannte  Sekretär  Hans  Jenitz  (gest. 
1589)  auf  Befehl  des  Kurfürsten  August  als  Inschriften  für  das  Tafelzimmer  des  in 
den  J.  1554—58  erbauten  Schlosses  Grillenburg  verfasst  hatte.  In  dem  Schlosse 
selbst  durch  Umbauten  zerstört,  haben  sich  die  Verse  abschriftlich  im  Dresdener 
Hauptstaatsarchiv  erhalten ;  sie  drücken  in  naiver  Weise  den  Gedanken  aus,  Kurfürst 
August  habe  das  Schloss  gebaut,  weil  Kummer  und  Gram  ihm  das  Gemüt  schwer 
gemacht  und  er  sich  so  die  Grillen  habe  vertreiben  wollen.  —  Der  in  deutschen  und 
ateinischen  Wortverrenkungen  gewandte  Anagrammatist  F.  D.  Stender  (1628 — 78) 
wird  von  Roethe'*^)  kurz  und  bündig  in  seinen  armseligen  Leistungen  charakterisiert.  — 

Von  dem  wichtigen  musikalischen  Grenzgebiete  ist  auch  diesmal  der 
litterarhistorischen  Forschung  neue  Förderung  zugeflossen.  Doch  kann  die  wichtigste 
der  in  Betracht  kommenden  Arbeiten,  Liliencrons^^)  wertvolle  Darstellung  der 
liturgisch-musikalischen  Geschichte  des  evangelischen  Gottesdienstes  erst  im  nächsten 


J.  Hnrch,  Ana  d.  Liederbuch  e.  adligen  Poeten  d.  16.  Jh.:  ZDA.  36,  S.  63-77.  —  39)  Erich  Schmidt,  TJeber  Volkslieder. 
Vortr.  geh.  in  d.  GDL.(vgl.  auch  I  5:253):  DLZ.  S.  187.  —  40)  A,  Jeitteles,  Zu  Germania  33,  S.  513  ff.;  36,  S.  262  ff.:  Ger- 
mania 37,  S.  268-71.  (N.  1  giebt  .aus  e.  Tiroler  Bauernhanse  e.  Variante  zu  d.  Spruch:  „Mich  wundert,  dass  ich  fröhlich  bin".) 
—  41)  J.  Bolte,  Zu  ZDA.  34,  S.  27:  ZDA.  36,  S.  95/6  --  42)  F.  Pomezny  und  A.  Tille,  Vier  gereimte  Liebesbriefe  aus 
Mattsee:  ib.  S.  356-64.  (Dazu  Edw.  Schröder  ib.  8.  358.)  —  43)  (I  3:37;  II  2 : 1.)  —  44)  Th.  Distel,  Kleinigkeiten  aus 
Kurfürst  Augusts  Regierungszeit:  Z.  Chronik  d.  Schlosses  örillenbnrg:  NASächsG.  13,  S.  322/3.  —  45)  Q.  Roethe,  F.  D. 
Stender:  ADß.  36,  S.  44/6.  —  46)  XX  K.  v.  Liliencron,  Litnrgisch-musikal.  Gesch.  d.  evang.  Gottesdienstes  v.  1523-1700. 


A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.       112:47-49  II  3: 1-4 

Berichte  in  einem  grösseren  Zusammenhange  gewürdigt  werden.  —  Von  den  Kom- 
ponisten des  16.  Jh,  haben  Ludwig  Senfl,  Robert  Siess  nnd  Joh.  Stell  durch 
Eitner  47-48j  ^nd  Distel*")  kurze  Biographien  erhalten.     (Vgl.  I  13.)  — 


11,3 

Epos. 

Adolf  Hauffen. 

Aeltere  epische  Dichtungen:  Ritter  Beringer  N.  1;  Minne-Allegorie  N.  2;  Gl.  Spann  N.  3.  —  Prosa- Erzählung: 
A.  von  Eyb  N.  4.  —  Volkstümliche  Litteratur:  Eulenspiegel  N.  5;  Portnnatus  N.  8;  Tierepos  N.  13.  —  Niederländische  Er- 
zählungen und  Volksbücher  N.  18.  —  Schwanke:  Hans  Sachs  N.  20;  Peter  Lew  N.  23.  —  Faust  N.  25.  —  Roman  (G.  Messer- 
schmid,  Schelmenroman)  N.  38.  —  Uebersetzer  (Murner,  Steinhöwel,  J.  Spreng)  N.  40.  —  Fischart  N.  43.  —  Jüngere  Tier- 
dichtung (Joh.  Sommer)  N.  54.  —  Bibliographie  N.  55.  —  Historische  Litteratur:  Kulturgeschichtliches:  Seb.  Franck  N.  60; 
Zimmersche  Chronik  N.  63;  Chronisten  und  Geschichtsschreiber:  Schweiz  (Berner  Chronik,  A.  von  Bonstetten,  Pellikan,  W. 
Steiner,  zur  Geschichte  Basels)  N.  65;  Schwaben  (Reutlinger  Chronik,  Tagebuch  des  Hans  Lutz)  N.  76;  Bayern  (V.  Arnpeck, 
Schmidel)  N.  80;  Mitteldeutschland  (Stolle,  Vogtländische  Chroniken,  J.  Nuhn)  N.  84;  Niederdoutschland  (C.  Spangenberg, 
Stralsnnder  Chroniken,  A.  Erantz)  N.  89.  — 

In  dem  Berichtsjahre  sind  zwei  ältere  epische  Dichtungen  unbekannter 
Vf.  in  die  Litteratur  neu  eingeführt  worden.  So  das  kurze,  lebendige,  zum  Teil 
derbe  Gedicht  von  dem  Ritter  Beringer.  Ein  geiziger,  feiger,  prahlerischer  Ritter 
wird  durch  seine  Frau  beschämt  und  gebessert,  nachdem  ihn  diese,  als  Ritter  ver- 
kleidet, besiegt  und  zu  einer  schmählichen  Busse  g'enötigt  hat.  Dieses  Gedicht,  das 
vermutlich  Ende  des  14.  Jh.  auf  alemannischem  Boden  entstanden  ist,  wurde  1495 
zu  Strassburg  gedruckt.  Nach  dem  einzigen  bis  auf  die  neueste  Zeit  ganz  un- 
bekannten Exemplar  wurde  es  durch  Schorbach^)  in  einer  Nachbildung  veröffent- 
licht. Die  Ausführungen  von  Sch.s  Einleitung,  die  auch  Nachrichten  über  den  Strass- 
burger  Drucker  Mathias  Brant  bringt,  hat  Werner  wesentlich  ergänzt.  Er  weist 
u.  a.  hier  nach,  dass  uns  das  Gedicht  verworren,  lückenhaft  und  unvollständig 
überliefert  ist,  und  giebt  zahlreiche  Parallelen  zu  dem  Motiv  von  der  verkleidet 
kämpfenden  Frau.  — 

Eine  Minne-Allegorie  hat  H.  Hofmann^)  veröffentlicht.  Sie  ist  1486 
in  Schwaben  gedichtet  und  in  zwei  Exemplaren  eines  (wahrscheinlich  aus  Ulm  Ende 
des  15.  Jh.  stammenden)  Inkunabeldrucks  erhalten.  Beiden  Exemplaren  fehlt  das 
Titelblatt.  Das  Gedicht,  dem  der  Herausgeber  den  Titel  „Der  nüwen  liebe  buch" 
gegeben  hat,  bietet,  von  der  Rahmenerzählung  einer  Jagd  ausgehend,  eine  sehr  un- 
deutliche allegorische  Schilderung  vom  Reiche  der  neuen  idealen  Liebe,  als  tendenziös 
gefärbtes  Gegenbild  zur  wirklichen  Welt.  Die  gelehrten  Beispiele  und  Ausführungen 
erweisen  denEinfluss  des  Humanismus;  benützt  wurde  ausserdem  die  Minne-Didaktik 
des  Kapellans  Andreas,  die  Schachsymbolik  des  Jacobus  de  Cessolis  und  die  Jagd- 
allegorie Hadamars  von  Laber.  Die  Mundart  ist  schwäbisch,  der  Stil,  wesentlich 
bedingt  durch  die  sechssilbigen  gepaart  reimenden  Verse,  zeigt  viele  Pleonasmen 
und  Füllsel  und  eine  interessante,  aber  unschöne  Mischung  von  Formeln  des  höfischen 
Epos  mit  W^endungen  der  Alltagsrede  und  der  steifen  Kanzleisprache.  Ein  Kanzlei- 
beamter dürfte  auch  der  Dichter  gewesen  sein.  Aus  einzelnen  Erscheinungen  des 
Stils  und  aus  zahlreichen  wörtlichen  Uebereinstimmungen  ergiebt  sich,  dass  der 
Vf.  die  Dichtungen  Hermanns  von  Sachsenheim  nachgeahmt  hat.  — 

Dem  Reimnovellisten  des  ausgehenden  15.  Jh.  Claus  Spaun  oder  Span,  der 
an  der  schwäbisch-bayerischen  Grenze,  etwa  in  Augsburg  sesshaft,  schmutzige  Ehe- 
bruchsgeschichten gedichtet  und  in  zwei  Hss.  von  1494  und  1516  Spiele  und  Sprüche 
zusammengetragen  hat,  widmet  Roethe^)  eine  kurze,  aber  belehrende  Skizze.  — 
Die  im  Vorjahre  (vgl.  JBL.  1892  II  3  :  7)  besprochene  Englertsche  Ausgabe  eines 
Rittermärchens  hat  eine  weitere  Recension  erfahren'*).  — 

Nach  einer  einleitenden  Uebersicht  über  die  Entwicklung  der  deutschen 
Prosa-Erzählung  im  15.  Jh.  werden  in  der  an  anderer  Stelle  (s.  u.  117  :  10)  in  ihrer 
vollen  Bedeutung  gewürdigten  Eyb -Monographie  von  Herrmann^)  (S.  285 — 301) 
die   in  Eybs  Ehebüchlein  (1472)   eingestreuten  Erzählungen  Guiscardus    und   Sigis- 


Schleswig.  ßergas.    171  S.   M.  3,00.  —  47)  R.  Eitner,  Ludw.  Senfl:  ADB.  34,  S.  27-30.  —  48)  id.,  ßob.  Siess:  ib.  S.  217.  —  49) 
Th.  Distel,  Joh.  Stoll:  ib.  S.  402,3.  — 

1)  K.  Schorbach,   D.   historien   v.   d.   ritter  Beringer.    Strassb.  1495.     Mit  einl.  Text.    (=  Seltene   Drucke   in 

Nachbildungen.  I.)     L.,  Spirgatis.     4».     16,  12  S.     M.  3,00.     |[R.  M    Werner:   ADA.  21,  S.  145/7;    LCBl.  S.  1632/3.J|    —    2)  H. 

Ilofmann,  E.  Nachahmer  Hermanns  v.  Sachsenheim.    Diss.    Marburg  (Univ.-Buchdr.,  ß.  Friedrich).  72  S.  —  3)  G.  Roetho, 

Cl.   Spaun:   ADB.   35,    S.   70.   —    3a)    X   J-   Herter:    LRs.    19,   S.    182/3.   -    4)   M.    Herrmann,   A.  v.  Eyb   u.  d.  Frnh- 

Jahresberiohte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgesohichte.    IV.  (2)4 


IT  3:5-15  A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

munda,  Marina,  Albanus  und  der  (dem  Spiegel  der  Sitten  1474  einverleibte)  Dialog- 
De  nobilitate  untersucht.  H.  weist  ihre  Quellen  nach,  vergleicht  diese  mit  den  Ueber- 
setzungen  und  gewinnt  daraus  die  Kennzeichen  der  Eybschen  ITebertragungskunst. 
Eyb  ist  darnach  bestrebt,  aus  äusseren  und  inneren  Gründen  stark  zu  kürzen.  Er 
ist  bedacht,  den  Rahmen  des  Gesamtwerkes  nicht  zu  sprengen  und  will  andererseits 
durch  seine  Erzählungen  einen  allgemeinen  Lehrsatz,  indem  er  alles  tilgt,  was  gegen 
die  Einheitlichkeit  dieser  Grundgedanken  verstösst,  deutlich  und  unaufdringlich  er- 
weisen.    (Ueber  die  Grisardisnovelle  vgl.  JBL.  1892  II  3:5.)  — 

Volkstümliche  Litteratur.  Die  Bearbeitung  des  Eulenspiegel-Volks- 
buches von  Seebald^)  hat  die  vierte  Auflage  erlebt.  S.  erzählt  die  lustigen  Streiche 
nach  der  Ausgabe  von  1519  (die  er  S.  VI  fälschlich  als  die  älteste  bekannte  bezeichnet), 
indem  er  sorgfältig  alles,  was  Anstoss  erregen  könnte,  weglässt.  Darnach  raussten 
freilich  mehrere  Erzählungen  ganz  wegbleiben,  während  andere  mit  dem  Verzicht 
auf  die  derbe  Pointe  auch  salz-  und  kraftlos  geworden  sind.  Einige  Schwanke  von 
Hans  Clauert  sind  beigegeben.  —  Tannen^)  hat  den  Eulenspiegel  in  plattdeutscher 
Sprache  bearbeitet  und  so  einen  kleinen  Ersatz  für  die  ursprüngliche,  verloren  ge- 
gangene niederdeutsche  Form  zahlreicher  Historien,  die  noch  hier  und  da  im  Hoch- 
deutschen durchschimmert,  zu  liefern  versucht.  Den  zweiten  Teil  seines  Buches 
bildet  eine  Bearbeitung  des  Reinke  de  Voss  in  plattdeutschen  Knittelversen.  — 
Ganz  selbständig  ist  das  hervorragende  Werk  „La  legende  d'ülenspiegel"  von  dem 
belgischen  Schriftsteller  de  Coster'),  das  1867  zum  ersten  Mal  veröffentlicht  und 
längst  vergriffen,  jetzt  in  einer  neuen  billigeren  Ausgabe  weiteren  Kreisen  zugäng- 
lich wurde.  Eulenspiegel  ist  hier  ein  Vläme.  Er  begeht  zwar  auch  einige  seiner 
aus  dem  Volksbuche  bekannten  Streiche,  doch  seine  Figur  ist  ganz  verändert,  idea- 
lisiert, zu  allegorischen  Zwecken  verwertet.  Er  stellt  den  unverwüstlichen  Witzgeist 
Flanderns  dar,  seine  Geliebte  Nele  das  Herz,  sein  Genosse  Lamme  Goedzak  (Gutsack) 
den  Magen  Flanderns.  Eulenspiegels  Wanderungen  durch  die  Niederlande,  seine 
Schwanke  und  Heldenthaten  bilden  den  Faden,  an  dem  die  Wirren,  die  Leiden  und 
die  Freiheitskämpfe  der  Niederlande  im  16.  Jh.  in  ergreifenden  Bildern  aneinander 
gereiht  werden.  Obwohl  in  edlem  altertümlichen  Französisch  gehalten,  ist  das  Werk 
seiner  geistigen  Grundlage  nach  durchaus  vlämisch.  — 

Die  Elemente  des  zuerst  in  Augsburg  1480  erschienenen  Volksbuches  vom 
Fortunatus  untersucht  Läzär^)  auf  ihren  Ursprung  hin.  Erfindet,  dass  der  Kern 
des  Märchens  „Fortuna  beschenkt  den  Helden  mit  einem  Zauberbeutel"  orientalischen 
Ursprungs  sei,  während  die  geläuterte  Weltanschauung  der  vorhandenen  Fassung 
auf  Deutschland  hinweise.  L.  zieht  den  Schluss,  dass  ein  gelehrter,  welterfahrener 
Deutscher  in  der  Mitte  des  15.  Jh.  auf  Grund  eines  orientalischen  Märchens  mit  Ver- 
wendung verschiedener  europäischer  Motive  das  Volksbuch  verfasst  habe.^"'^)  —  Die 
Bearbeitungen,  die  die  Volksbücher  von  den  Schildbürgern,  von  den  Haimonskindern, 
der  Magelone  und  der  Melusine  durch  Tieck  gefunden  haben,  bespricht  Steiner.*^*)  — 

Dem  Tierepos  sind  ausser  der  schon  erwähnten  Modernisierung  (s.  o.  N.  6) 
mehrere  Arbeiten  gewidmet  worden.  Der  Aufsatz  Novers^^).  über  die  Tiersage 
ist  eine  kritiklose,  an  Widersprüchen  und  Irrtümern  reiche  Kompilation  aus  den  be- 
treffenden Schriften  von  Jakob  Grimm,  Ernst  Voigt,  Wackernagel  u.  a.  —  Ueber 
den  im  Vorjahre  besprochenen  Neudruck  der  niederländischen  Historie  vom  Reynart 
(vgl.  JBL.  1892  II  3:13)  sind  einige  Besprechungen  zu  erwähnen^^^  —  j}[q  nieder- 
deutsche Dichtung  Reinke  de  Vos  hat  Eug.  Wolff '^J  nach  dem  ältesten  Druck  von  1498 
veröffentlicht.  Von  der  letzten  trefflichen  durch  Prien  besorgten  Ausgabe  (1887) 
weicht  seine  durch  die  Weglassung  der  sogenannten  katholischen  Glosse  und  durch 
eine  leise  Modernisierung  im  Gebrauche  bestimmter  Lettern  und  der  Interpunktion 
ab.    Die   reiche    Litteratur  über  diesen  Gegenstand  hat  W.  in  der  Einleitung  knapp 


zeit  d.  dtsch.  Hnmiinismus.  B.,  Weidmann.  VIU,  437  S.  M.  10,00.  -  5)  K  Seebald,  Till  Enlenspiegels  Instige  Streiche. 
E.  Volksbucli  für  Jung  u.  Alt.  Wiedererz.  Mit  4  Fiirbendr.-ßild.  4.  Aufl.  L,  0.  Drewitz  Nachf.  XUI.  127  S.  M.  3,00.  — 
6)  K.  Tannen,  Niederdtscli,  Haupt-  u.  lleldenbucli.  2  Tle.  in  l  Bd.  Bremen,  Hampe  XII,  83  S.;  LIV,  243  S.  M.  7,50. 
■  |[WeserZg.  3.  Dec.]|  —  7)Cli  deCoster,  La  legende  et  les  aventnres  heroiques,  joyeuses  et  glorienses  d'ülenspiegel  et 
de  Lamme  Goedzak  an  pays  de  Flandres  et  aillenrs.  Nouv.  ed.  Brnxelles,  Lacomblez.  VIII,  440  S.  Fr.  5,00.  |[KZg.  31.  März.]| 
—  8)  B.  Läzär,  Ueber  d.  Fortunatus-Märchen :  UngR.  13,  S.  334-48.  —  9)  X  Cr.  Ena,  Antiche  novelle  in  versi  di  tradizione 
popolare.  Palermo,  Clansen.  16".  105  S.  L.  3,00.  |[NAnt.  48,  S.  749.]|  (Antholog.  aus  d.  Gesta  Romanornm,  Fortnnat  n.  a.)  — 
lOj  X  R-  M.  Werner,  F.  Pfaff,  d.  ätsch.  Volksbuch  v.  d.  Heymonskindern.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  1887.  LXXII,  203  S. 
M.  3,00:  ADA.  19,  S.  89-90.  —  U)  X  A.  Hold  er,  D.  Sage  v.  d.  7  Schwaben  niich  ihrer  knlturgesch.  Bedeutung  u.  in  ihren 
kirchl.  Beziehungen:  DPBl.  26,  S.  290/3.  —  12)  X  Schlaraffla  politica.  Gesch.  d  Dichtungen  t.  besten  Staate  (vgl.  JBL.  1892 1 4  :  403; 
V  5:282):  K.  Kautsky:  NZ^t.  n,  s.  653-63.  —  12  a)  (III  3:1;  IV  10:  41.)  —  13)  (I  5  :  221.)  —  14)  X  E.Martin:  ADA.  19, 
S.  271/3;  C.  Voretzsch:  DLZ.  S.  426/8;  LOBl.  S.  1354/5.  —  15)  Eug.  Wolff,  Reinke  de  Vos  n.  satir.-didakt.  Dichtung. 
{—  DNL.  Bd.  19.)  St.,  Union.  XLIII,  540  S.  M.  2,50.  (D,  Bd.  enth.  auch  Proben  aus  Theuerdank,  Weisskunig,  B.  Waldis, 
Erasm.  Alberus,  ferner  e.  Ausw.  ans  Rollenhagens  Froschmeuseler  [Ausg.  1595],  sowie  Ringwaldts  „Treuem  Eckart"  u.  d. 
„Lauteren  Wahrheit"  [Ausg.  1587  u.  97].     Anm.  u.  Einl.  sind  dürftig.    In  e.  Qesamteinl.  wird  über  d.  litteratnrgesch.  Stellung 


A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  3  :  16-28 

verwertet.  Neues  bring-t  (S.  6  ff.)  die  vergleichende  Stiluntersuchung-  des  Originals, 
der  Gottschedschen  Uebersetzung  und  der  Goetheschen  Umdichtung.^^''"')  — 

Unsere  Kenntnis  der  älteren  niederländischen  Erzählungen  und  Volks- 
bücher ist  durch  zwei  Arbeiten  gefördert  worden.  Bolte^®)  fand,  dass  von  der 
allegorischen  Dichtung  „Le  Chevalier  delibere"  des  burgundischen  Ritters  Olivier  de 
la  Marche  auch  eine  niederländische  (und  zwar  sklavisch  getreue)  Uebersetzung  1503 
unter  dem  Titel  Camp  van  der  doot  erschienen  ist,  und  dass  von  der  niederländischen 
Bearbeitung  des  französischen  Romans  Buefves  de  Hantonne  ein  (gegenüber  den  be- 
kannten Ausgaben  um  50  J.  älterer)  Druck:  Buevijn  van  Austoen  Antwerpen  1504 
vorhanden  ist.  —  Meyer^^)  bespricht  nach  Exemplaren  der  Göttinger  Bibliothek 
eine  Reihe  von  niederländischen  Volksbüchern,  die  bisher  entweder  nicht  in  den  von 
ihm  verzeichneten  Ausgaben  oder  überhaupt  nicht  bekannt  waren.  Ich  greife  davon 
heraus:  „Die  sieben  weisen  Meister  1479"  (also  aus  dem  üebersetzungsjahre);  die 
Historie  vom  Bruder  Rausch  1596;  Den  vryen  kost  1610;  Jan  wt  den  vergiere  0.  J., 
die  Geschichte  eines  Findlings  von  bisher  ganz  unbekanntem  Inhalt.  — 

Mit  einer  sorgfältigen  Ausgabe  sämtlicher  Fabeln  und  Schwanke  des 
Hans  Sachs  hat  uns  der  unermüdliche  Hans  Sachs-Forscher  Goetze^")  wieder  eine 
sehr  willkommene  Gabe  beschert.  Die  inzwischen  abgeschlossene  Veröffentlichung 
soll  im  nächsten  Jahr  im  Zusammenhange  gewürdigt  werden.  In  unser  Berichts- 
jahr fällt  nur  der  erste  Band,  der  200  Stücke  in  chronologischer  Folge  und,  wo  es 
möglich  ist,  genau  nach  der  Hs.  des  Dichters  bringt.  Die  Einzeldrucke  und  Folio- 
ausgaben sind  zum  Vergleich  herangezogen  worden.  Die  reichhaltigen  Anmerkungen 
bieten  nicht  nur  die  Lesarten  dar,  sondern  auch  eine  Zusammenstellung  über  die 
Verbreitung  der  in  den  einzelnen  Nummern  behandelten  Stoffe  und  Motive.  Gegen- 
über der  älteren  Keller-Goetzeschen  Ausgabe  des  Stuttgarter  Litterarischen  Vereins 
sind  die  einzelnen  Nummern  mit  wesentlichen  Berichtigungen  und  Ergänzungen  wieder- 
gegeben; ausserdem  enthält  aber  der  vorliegende  Band  67  Schwanke  und  Fabeln, 
die  zum  ersten  Male  nach  der  Hs.  oder  den  ältesten  Einzeldrucken  veröffentlicht 
werden.  Diese  neuen  Stücke,  sowie  der  bequeme  Ueberblick,  den  die  Goetzesche 
Ausgabe  über  die  ganze  Gattung  gewährt,  ermöglichen  es  erst,  über  die  Fabeln  und 
Schwanke  des  Hans  Sachs,  in  denen  nach  J.  Grimms  Urteil  die  Poesie  unseres 
Dichters  am  reinsten  und  eigensten  waltet,  ein  abschliessendes  Urteil  zu  fällen.  — 
Dass  eine  Reihe  Hans  Sachsscher  Schwanke  und  Spruchgedichte,  sowie  Schwanke 
aus  dem  ersten  Teile  von  Kirchhoffs  Wendunmut  die  Quellen  zu  Ayrerschen  Sing- 
und  Fastnachtspielen  gebildet  haben,  teilt  PistPi)  in  einem  vorläufigen  Bericht 
mit.  —  Den  (heute  im  Volksmunde  sehr  verbreiteten)  Schwank  von  den  drei  lispeln- 
den Schwestern  veröffentlicht  Bolte22)  in  einer  etwa  aus  dem  J.  1550  stammenden 
Aufzeichnung  eines  Liedes  des  Nürnberger  Meistersingers  Georg  Hager.  — 

Dass  der  Vf.  der  History  Peter  Lewenin  der  That  Achilles  Jason  Wid- 
mann geheissen  habe,  weist  Kolb^S)  (gegen  Schade)  nach.  Er  muss  etwa  1530  ge- 
boren sein,  findet  sich  1551  in  der  Heidelberger  Matrikel  und  starb  als  Vogt  zu 
Neuenstein  (bei  Oehringen)  vor  1585.  Die  Abenteuer  des  Peter  Lew  haben  auch  teils 
in  der  gereimten,  teils  in  einer  gekürzten  prosaischen  Form  in  spätere  Bearbeitungen 
der  Widmannschen  Haller  Chroniken  Eingang  gefunden.  Der  Held  der  Abenteuer, 
Peter  Düsenbach,  kommt  in  einer  Urkunde  der  Stadt  Hall  1486  vor.24)  — 

Auf  dem  Gebiete  der  Faustsage  sind  mehrere  zusammenfassende  Dar- 
stellungen und  etliche  in  Einzelheiten  fördernde  Beiträge  erschienen.  Zu  den  ersteren 
gehört  Kuno  Fischers ^5)  Faustbuch  mit  seinem  ersten  Bande,  der  die  Faust- 
dichtung vor  Goethe  behandelt.  Sicher  und  bestimmt  in  der  Beherrschung  des 
Gegenstandes,  in  schöner  Darstellung,  die  grossen  Züge  fein  hervorhebend,  zeichnet 
F.  den  geistigen  Gehalt  der  Sage  und  steigt  in  zusammenhängendem  geschichtlichen 
Ueberblick  von  dem  heidnischen  und  altchristlichen  Magus  über  den  mittelalterlichen 
Theophilus  zum  Faust  der  Reformationszeit  empor.  Er  charakterisiert  dann  die  ver- 
schiedenen örtlichen  Ueb erliefer ungen  über  den  geschichtlichen  Faust  und  sucht 
dessen  wahres  Bild  aus  den  zum  Teil  widersprechenden  Nachrichten  zu  gewinnen. 
Darnach  nimmt  F.  an  (S.  96),  dass  dieser  Mann  um  1480  geboren  und  bald  nach  1540 


u.  d.  Stil  d.  einzelnen  Werke  zusammenhängend  berichtet.  Vgl.  auch  JBL.  1894  U  5.)  —  16)  X  C.  A.  Serrure,  Ueber  d. 
Ursprung  d.  Reinhart-Epos.  Vortr. :  KZg.  2.  Juni.  (Aus  d.  kurzen  Ber.  geht  hervor,  dass  S.  als  Vf.  d.  Isengrimus  [1100]  d. 
Meister  Nivardus,  als  Vf.  d.  Reinardus  [1150J  dessen  Sohn  Odgerns  ansieht.  Beide  waren  Scholastiker  an  d.  höheren  Latein- 
schulen in  Gent.)  —  17)  X  L.  Sudre,  Les  sources  du  Roman  de  Renart.  Paris,  Bouillon.  VIII,  356  S.  |[LCB1. 
S.  1393/5;  A.  Jeanroy:  RCr.  36,  S.  505/8.JI  (S.  versucht  nachzuweisen,  dass  d.  Hauptmasse  d.  Erzählungen  d.  franz.  Renart 
auf  mändl.  Volksüberlieferungen  zurückgehen,  hingegen  d.  griech.  u.  latein.  Fabeln  kaum  etwas  verdanken.)  —  18;  J.  Bolte, 
Beitrr.  z.  Gesch.  d.  erzählend.  Litt.  d.  16.  Jh.:  TNTLK.  4,  S.  309-19.  ~  19)  K.  Meyer,  Niederländ.  Volksbücher: 
BllThPBBibl.  2,  S.  1-22.  -  20)  (110:28.)  |[A.  Schi  ossär:  BLU.  S.  789-90.JI  —  21)  E.  Pistl,  Quellen  für  Ayrers  Sing- u.  Fast- 
nachtspiele:  VLG.  6,  S.  430/2.  (Vgl.  114:36.)  —  22)  (I  10:32.)  -  23)  C.Kolb,  D.  Vf.  u.  d.  Held  d.  Peter  Lew:  VLG.  6,  S.  110  4. — 

24)  X  0.  G 1  ö  d  e ,  E.  Jeep,  Hans  Friedr.  v.  Schönberg  (vgl.  JBL.  1890  II  3  :  25 ;  1891  II  3  :  24/5 ;  1892  II  3  :  34/5; :  ZDU.  7,  S.  849-51.  — 

25)  (III  4  :  39;  IV  8e:  63.)  — 26)  (II:  117;  2,  S.42-51.)  -  27)  (I  5  :  225;  IV8e  :  56/7.)  |[LCB1.  S.  158y;8.]|  -  28)(I  5  :  224;  10  :  25; 

(2)4* 


II  3:29-38  A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

gestorben  sei,  dass  er  vierzig-  Jahre  als  fahrender  Scholast  und  Gaukler  ein  unstetes, 
höchst  abenteuerliches  Leben  geführt,  und  dass  es  im  Interesse  seiner  Profession  gelegen 
habe,  namentlich  in  den  Anfängen  seiner  Weltfahrt,  unter  verschiedenen  Namen  auf- 
zutreten: so  mag  er  sich  den  Vornamen  Faustus  in  der  Bedeutung  Fortunatus  und 
den  Beinamen  Sabellicus  nach  dem  alten  Zaubervolk  der  Sabiner  zugelegt  haben. 
In  dem  nächsten  Abschnitte  über  das  älteste  Faustbuch  treten  auch  die  Grundlinien 
des  besprochenen  Werkes  klar  hervor,  aber  doch  nicht  ganz  den  Thatsachen 
entsprechend,  wenn  das  Spiesssche  Faustbuch  fast  wie  ein  einheitliches,  aus  einem 
Gusse  erstandenes  Werk  analysiert  wird.  F.  hat  im  allgemeinen  die  neueren  Arbeiten 
auf  dem  Gebiete  der  Faustforschung  für  die  dritte  Auflage  benützt,  die  ja  zwei  um- 
fangreichere Bände  gegenüber  dem  schmalen  Bande  der  ersten  und  zahlreiche  Ver- 
mehrungen gegenüber  der  zweiten  Auflage  aufweist.  Doch  so  wie  F.  mehrere  in- 
zwischen bekannt  gewordene  Zeugnisse  über  den  historischen  Faust  nicht  berück- 
sichtigt hat,  so  erwähnte  er  auch  mit  keinem  Worte  den  in  mehreren  (aus  Erich 
Schmidts  Seminar  hervorgegangenen)  Arbeiten  erbrachten  Nachweis,  dass  viele  Ab- 
schnitte des  Faustbuches  aus  verschiedenen  Quellen  abgeschrieben  oder  kompiliert 
sind.'  Statt  dessen  widerlegt  er  (S.  154 ff.)  den  allzukühnen  und  unmöglichen  Er- 
kärungsversuch  Herman  Grimms  zur  Entstehung  des  B^austbuches,  „um  durch  dieses 
Beispiel  die  Abwege  und  die  Entartung  zu  kennzeichnen,  in  welche  heutzutage  die 
Ausübung  der  historischen  Methode  mit  ihrer  Entlehnungssucht  gerät."  Meines  Er- 
achtens  geht  es  jedoch  nicht  an,  jene  Herman  Grimmschen  Geistesblitze,  die  blenden 
ohne  zu  beleuchten,  der  historischen  Methode  zum  Vorwurf  zu  machen  und  sie  in  eine 
Reihe  zu  stellen  mit  den  nüchternen,  aber  festbegründeten  Ergebnissen  mühsamer 
philologischer  Untersuchungen.  —  Zu  denzusammenfassendenDarstellungen  desgleichen 
Gegenstandes  gehört  auch  der  jetzt  neu  veröffentlichte  Aufsatz  Scherers^ß)  aus  dem 
J.  1884,  worin  die  damals  bekannten  Nachrichten  über  den  historischen  Faust  sowie 
die  Konzeption  des  ältesten  Faustbuches  und  dessen  spätere  Umarbeitungen  genau 
und  übersichtlich  behandelt  sind.  —  Ferner  die  gleichzeitig  in  dänischer  Sprache  er- 
schienene Dissertation  Küchlers^'*),  der  auch  eine  Analyse  der  Volksbücher,  der 
Volks-  und  Puppenspiele  giebt  und  sie  mit  Goethes  Faust  vergleicht.  Weit  hinter 
K.  Fischer  zurückbleibend,  bringen  diese  Untersuchungen  weder  in  Thatsachen,  noch  in 
Gesichtspunkten  etwas  Neues.  Die  deutsche  Ausgabe  war  darum  eigentlich  über- 
flüssig. —  Aus  der  landläufigen  Faustlitteratur  fällt  ganz  heraus  das  umfangreiche 
Buch  von  Kiesewetter^*^).  Die  Litteraturgeschichte  fördert  es  wenig.  K.  kon- 
struiert willkürlich  aus  den  verschiedenen  Nachrichten  über  den  historischen  Faust 
(die  er  nicht  vollzählig  beisammen  hat)  dessen  Lebenslauf;  er  betrachtet  Faust 
als  einen  weisen  Zauberer,  der  das  magisch-supernaturalistische  Wissen  vergangener 
Jhh.  in  sich  aufgenommen  und  in  seiner  Weise  verarbeitet  habe,  und  hält  einen  Teil 
der  unter  Fausts  Namen  umlaufenden  Zauberbücher  für  „relativ  echt"  und  aus  der 
„Schule"  Fausts  stammend.  Kein  Kritik  übender  Historiker  wird  ihm  hierin  folgen 
können.  Eigenartig  und  belehrend  aber  ist  das  Buch  hierin,  dass  K.  eine  ausführ- 
liche Geschichte  der  Theurgie  und  Nekromantie,  der  Krystallseherei,  des  Geister- 
bannes, des  Höllenzwanges  usw.  entwirft  und  vom  Standpunkt  des  kenntnisreichen 
Okkultisten  die  Faustbibliographie  sichtet  und  beurteilt.^s)  —  Unter  den  kleineren 
Beiträgen  zu  Faust  ist  am  wichtigsten  das  von  Kluge ^^)  mitgeteilte  Zeugnis 
Thurneyssers,  der  in  seinem  alchy  mistischen  Onomastikon  1583  drei  Klassen  von  Zauberern 
unterscheidet:  Die  gewöhnlichen  Taschenspieler,  deren  Hexerei  nur  in  der  Geschwindig- 
keit bestehe,  „die  andern  seind  die,  so  vmb  ein  Gradum  höher  und  etwas  von  der 
Philosophia  verstehen,  wie  etwan  Doctor  Faustus  .  .  .  ."  die  höchsten  seien  jene,  die 
mit  des  Teufels  Hülfe  Wunderdinge  fertig  bringen.  Nach  Thurneysser,  der  selbst  eine 
Faustische  Natur  war,  hat  also  Faust  gar  nicht  mit  dem  Teufel  in  Beziehung  ge- 
standen.3^^32)  —  Werner^S)  weist  nach,  dass  auf  Faust  (entweder  schon  in  der  Volks- 
sage oder  erst  im  ältesten  Volksbuche)  zwei  Streiche  des  Salzburger  Zauberers  Schramm- 
hans, die  Lindener  im  Katzipori  (Kap.  33  und  46)  erzählt,  übertragen  wurden.  — 
FränkeP^"^^)macht  auf  eine  Bearbeitung  von  Bütners  Epitome  historiarum  durch  Stein- 
hart (aus  dem  Ende  des  16.  Jh.)  aufmerksam.  Sie  bringt  zahlreiche  Faust-Anekdoten, 
in  deren  einer  Helena  zum  ersten  Mal  in  Fausts  Gesellschaft  erscheint.  —  F.  van 
Vo  ss^*) bespricht  zusammenhängend  die  bekannten  Beziehungen  Fausts  zu  Erfurt.^'')  — 
Zur  Geschichte  des  Romans  sind  nur  zwei  Arbeiten  zu  verzeichnen.  Dass 
Georg  Messerschmids  beliebter  Roman   vom  edlen  Ritter  Brissoneto  (1559)  dem 


ni3:2;  VI8e:61.)  ([AZgB. N. 298 ;  P.  Seliger:  NatZg.  24.  Dec.]|  —  29)  X  Ch.  ThomaBsin,  Simon  Magus:  Sphinx  17,  S.  1-11, 
123-30,  262-74.  (,T.  steht  auf  demselben  Standpunlct  wie  Kiesewetter.  Er  sucht  d.  Leben,  d.  Lehre  n.  d.  Wunderthaten  d. 
Simon  Magus  nach  d.  heutigen  Erfahrungen  d,  Spiritismus  zu  erläutern.)  —  30)  F.  Kluge,  E.  Zeugnis  d.  16.  Jh.  über 
DoVtor  Faustus:  ZVLR.  6,  S.  479-80.  —  31)  X  0.  Felsberg,  V.  bist.  Faust:  ZDU.  7,  S.  56/7.  —  32)  X  0.  Lyon,  Z.  bist. 
Faust:  ib.  S.  193.  -  33)  (UI  3:5.)  -  34)  L.  Fränkel,  G.  Steinharts  Faust-Anekdoten:  QJb.  14,  S.  289-90.  -  35)  (m3:9.) 
—   36)   F.  van  Voss,   Dr.  Faust   in   Erfurt:    NorddAZgi».   N.  40.   -    37)XX  (Ul  3  :  8.)  —  38)  J.  Holte,  G.  Messersohmid 


A.  Hauff en,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  3  :  39-47 

Kerne  nach  ein  echtes  Volksmärchen  (Grimm  N.  62  Bienenkönig-in)  sei,  eing-ekapselt 
in  ritterliche  Abenteuer  und  bombastische  AUeg'orien,  wurde  von  Bolte^^)  nach- 
gewiesen. Den  bekannten  Drucken  fügt  B.  noch  Ausgaben  von  1568  und  1682 
hinzu.  —  Den  Lazarillo  de  Tormes,  den  Guzman  de  Alfarache  und  andere  spanische 
Schelmenromane  des  16.  und  17.  Jh.  und  ihre  Einwirkung  auf  fremde  Schrift- 
steller (Le  Sage,  Fielding,  Smollet,  Nicolaus  Heinsius  u.a.)  bespricht  Schultheiss^**). 
Die  deutsche  Litteratur  kommt  hierbei  schlecht  weg.  Aegidius  Albertinus  und  der 
Schellmufsky  werden  nur  erwähnt,  der  Simplicius  ganz  kurz  behandelt.  Niclas 
Ulenhart  und  andere  Uebersetzer  hätten  auch  berücksichtigt  werden  müssen.  Und 
wenn  Seh.  die  französischen  Nachahmer  bis  auf  Zola  herab  verfolgt,  so  hätte  er  in 
Deutschland   doch  auch  auf  Enks  von  der  Burg  Don  Tiburzio  1831  eingehen  sollen.  — 

Einiges  zur  hs.  Uebersetzung  der  Weltgeschichte  des  Sabellicus  durch 
Murner  erwähnt  Martin^").  Nur  einzelne  Teile  sind  erhalten.  Die  Uebertragung 
ist  sklavisch  und  nachlässig,  was  durch  eine  Probe  erwiesen  wird.  Genau  beschreibt 
M,  die  sicherlich  von  Murner  herrührenden  beachtenswerten  Federzeichnungen  der 
Karlsruher  Hs.  und  giebt  von  ihnen  ein  Verzeichnis.  Murners  Namenszug  und  eine  Feder- 
zeichnung sind  in  Nachbildungen  beigefügt.  —  Ein  überaus  inhaltreicher  Aufsatz  wurde 
dem  fruchtbaren  Uebersetzer  Heinrich  Steinhöwel  von  Strauch'*^)  gewidmet. 
Durch  umfängliche  archivalische  Studien  ist  St.  in  die  Lage  versetzt,  das  Leben  des 
Mannes,  seine  persönlichen  Beziehungen  und  seinen  Studiengang  genauer  zu  schildern, 
als  es  bisher  möglich  war.  Eingehend  werden  die  Vorlagen  Steinhöwels  mit  seinen 
Uebersetzungen  verglichen  und  dann  im  allgemeinen  charakterisiert.  Steinhöwel  über- 
setzt mit  Freiheit ;  er  ist  auf  Betonung  einer  moralisch-lehrhaften  Tendenz  und  auf  all- 
gemeine Verständlichkeit  bedacht.  Er  schiebt  litterarische  Anspielungen,  die  von 
Belesenheit  zeugen,  sowie  Anspielungen  auf  eigene  Lebenserinnerungen,  auf  zeit- 
genössische Persönlichkeiten  und  Zustände  ein.  Er  liebt  Sprichwörter,  Redensarten  und 
klassische  Citate.  Als  Stilist  hält  er  die  Mitte  zwischen  Wjle  und  Eyb.  (Vgl.  II 7 :  17  b.)  —  Die 
litterarische  Thätigkeit  des  Augsburger  Uebersetzers  und  Meistersängers  Joh.  Spreng 
(nicht  Sprenger)  hat  Roethe^^^  vollständiger,  als  es  bisher  geschehen  ist,  ins  Auge 
gefasst.  Spreng  hat  neben  zahlreichen  geistlichen  und  weltlichen  Meisterliedern 
(nach  fremden  Tönen)  zu  Zeichnungen  von  V.  Solls,  die  ihre  Stoffe  aus  Ovids 
Metamorphosen  nehmen,  erklärende  lateinische  Gedichte  geschrieben.  Diese  ent- 
halten eine  Beschreibung  des  Bildes,  eine  freie  Erzählung  nach  Ovid  und  eine  er- 
läuternde Nutzanwendung.  Spreng  hat  diesen  von  ihm  bearbeiteten  Ovid,  ferner 
die  Ilias,  die  Aeneis  u.  a.  in  deutsche  Reime,  den  Josephus  Flavius  in  Prosa  über- 
tragen. — 

Den  Uebersetzern  in  freierer  Weise  lässt  sich  Fischart  anschliessen,  dem 
fortgesetzt  eingehende  Studien  von  verschiedenen  Seiten  gewidmet  werden.  Galle*^) 
behandelt  den  Stil  der  Reimwerke  Fischarts.  Er  weist  mit  Recht  vorerst  auf  die 
Mischung  gelehrter  und  volkstümlicher  Elemente  hin,  zeigt  an  Beispielen,  wie 
Fischart  gelehrte  Anspielungen  und  Citate  zu  komischen,  satirischen  und  ernsten 
Zwecken  verwendet.  G.  erörtert  dann  die  volkstümlichen  Stilelemente :  Die  Er- 
wähnungen aus  der  Welt  der  heimischen  Sagen  und  Schwanke,  die  Redensarten, 
Sprichwörter,  Bilder  und  Vergleiche,  die  volkstümliche  Freilieit  der  gesprochenen 
Rede  in  der  Syntax,  ferner  das  persönliche  Hervortreten  des  Dichters,  dessen  un- 
mittelbare Beziehungen  zu  den  Lesern  und  zum  Helden  der  Erzählung,  endlich  die 
verschiedenen  Reimarten  und  Wortspiele.  Erschöpft  hat  G.  den  behandelten  Gegen- 
stand nicht,  schon  deshalb  nicht,  weil  er  einige  Dichtungen,  so  den  Eulenspiegel  und 
den  Stauffenberger  nicht  berücksichtigt  hat.  Die  zu  beachtenden  stilistischen 
Gruppen  hätten  bedeutend  erweitert  werden  können;  auch  vermisst  man  eine  zu- 
sammenfassende Charakteristik.  Gleichwohl  bedeuten  die  übersichtlich  geordneten 
und  mit  zahlreichen  Beispielen  versehenen  Beobachtungen  einen  erfreulichen  An- 
fang, der  Nachahmung  und  Fortsetzung  verdiente.  —  Frantzens  Schrift  über  die 
Geschichtklitterung  (vgl.  JBL.  1892  II  3  :  31)  wurde  neuerdings  wiederholt  be- 
sprochen.44j  —  Das  Jesuitenhütlein  wurde  von  einem  Anonymus  in  einer  sprachlich 
bearbeiteten,  mit  Anmerkungen  versehenen  Fassung  herausgegeben^^).  —  Von  seiner 
inzwischen  abgeschlossenen  Auswahl  der  Werke  Fischarts  ^ß)  (vgl.  JBL.  1892  II  3  :  29) 
hat  Hauffen^')  im  Berichtsjahre  den  dritten  Band  veröffentlicht,  der  einen  Neudruck 
des  Podagrammischen  Trostbüchleins  und  des  Ehezuchtbüchleins  nach  den  ersten 
Ausgaben  bringt.  Die  ausführliche  Einleitung  wird  mit  einer  Uebersicht  über  die 
Podagralitteratur   eröffnet.     Es   wird  als  ein  glücklicher  Griff  Fischarts    bezeichnet, 

u.  sein  Roman:  Alemannia  21,  S.  13/5.  —  39)  (III  3  :  14.)  —  40)  (I  11  :  236.)  —  41)  Ph.  Strauch,  H.  Steinhöwel:  ADB.  35, 
S.  728-36.  —  42)  G.  Roethe,  Joh.  Spreng:  ib.  8,  288-91.  -  43)  (I  8:35.)  -  44)  X  L-  Fränkel:  LBlGRPh.  S.  318-22 
(mit  einzeln.  Ergänzungen);  A.  Chuquet:  RCr.  35,  S.  291,2;  LCBl.  S.  1534.  —  45)  J.  Fischart,  ü.  Jesuitenhütlein. 
(=  Meyers  Vollcsbücher  N.  1055.)  L.  u.  Wien,  Bibliogr.  Inst.  44  S.  M.  0,10.  —  46)  X  L-  Fränkel,  A.  Hauffen,  D.  Werke 
Fischarts:   BLU.    S.  40/1.   —   47)   A.  Hauffen,  J.  FischartsJWerke.f  3.  T.    D.  Podagrammisch  Trostbüchlein.    D.  philosoph. 


II  3:48-59  A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

dass  er  die  zwei  hervorrag-endsten  Podagraschriften,  des  Carnarius  De  Podagrae 
Laudibus  Oratio  (1553)  und  Pirkheimers  Apologia  seu  Podag-rae  Laus  (1522)  seinem 
Trostbüchlein  zu  Grunde  gelegt  hat.  Diese  selten  gewordenen  Scherzreden  wurden 
von  H.  abgedruckt  und  eingehend  mit  Fischarts  freien  Uebertragungen  verglichen. 
Wenn  Fischart  auch  den  Gegenstand  selbst  nicht  durch  neue  Motive  bereichert,  so 
erweitert  er  doch  seine  Vorlage  durch  Hinzufügung  von  Citaten,  Beispielen,  Ver- 
gleichen, durch  eine  Anzahl  gereimter  Stücke  und  andere  Einschaltungen,  für  die  er 
gelegentlich  grössere  Sammelwerke  verwertet.  Flüchtig  angedeutete  Züge  der 
Quelle  erweitert  er  mit  Gelehrsamkeit  oder  mit  Witz  zu  anschaulichen  Gemälden. 
H.  beschreibt  hierauf  die  verschiedenen  Ausgaben  des  Trostbüchleins  und  die 
Podagraschriften  nach  Fischart.  Unter  den  Vf.  der  letzteren  befinden  sich  drei 
Böhmen:  Georg  Fleissner,  Victorinus  Rhacotomus  aus  Wodnian  und  Georg  Berthold 
Pontanus  von  Breitenberg,  denen  Hauffen*^)  selbst  einen  besonderen  kleinen  Aufsatz 
gewidmet  hat.  —  Für  die  Einleitung  zum  Ehezuchtbüchlein  verwertet  Hauffen^^) 
die  Ergebnisse  seiner  Abhandlung  über  Fischarts  Ehezuchtbüchlein,  Plutarch  und 
Erasmus  Roterodamus.  In  dieser  Schrift,  die  auch  gelegentliche  Untersuchungen  über 
Fischarts  Stil  und  Sprache  enthält,  wird  der  Beweis  erbracht,  dass  der  erste  und 
dritte  Teil  des  Ehebüchleins  nicht  unmittelbar  aus  Plutarch,  sondern  aus  einer 
lateinischen  Uebersetzung  (Xylander,  Basel  1572)  frei  übertragen  sei.  Als  Haupt- 
quellen des  zweiten  Teiles  werden  in  der  Einleitung  die  Anthologie  des  Stobaios, 
Gesners  Naturgeschichte  (beide  in  deutschen  Uebersetzungen)  und  die  Egenolffsche 
Sprichwörtersammlung  erwiesen.  Dem  Neudruck  sind  die  Nachbildungen  der  Titel 
und  die  zum  Teil  durch  Alciatis  Embleme  angeregten  Zeichnungen  Tobias  Stimmers 
beigegeben.  H.s  Anmerkungen  verzeichnen  neben  Sach-  und  Worterklärungen  die 
Beziehungen  zu  den  Vorlagen  und  die  wichtigeren  Varianten  der  späteren  Ausgaben. 
In  die  Titelangabe  und  in  das  Variantenverzeichnis  der  2.  Ausgabe  des  Ehezucht- 
büchleins  (1591)  haben  sich  einige  kleine  Fehler  eingeschlichen. ^^-53)  — 

Einen  hübschen  Beitrag  zur  jüngeren  Tierdichtung  liefert  Kawerau^^), 
indem  er  nach  einer  Charakterisierung  des  Ganskönigs  von  Wolfhart  Spangenberg 
eingehend  die  prosaische  Lobrede  auf  die  Martinsgans  (1609)  von  Johannes 
Sommer  bespricht.  Diese  burleske  Predigt  lehnt  sich  zum  Teil  sehr  enge  an  den 
Ganskönig,  an  Hans  Ackermanns  Gedicht:  „Die  Tugent  der  Burekarts  vnd  Martins- 
gans", an  einzelne  Neulateiner,  an  Fischarts  Geschichtklitterung  und  andere  an. 
Nicht  ohne  Witz  und  volkstümlich,  nur  allzu  breit  werden  von  Sommer  die  Gans, 
die  Feder  und  die  Schreiber  gerühmt  und  alsdann-  alle  Körperteile  und  Vor- 
züge der  Gans  zu  christlichen  Verhaltungsmassregeln  und  Heilslehren  geistlich 
ausgedeutet.  — 

Eine  wesentliche  Bereicherung  hat  die  Bibliographie  unseres  Zeitraumes 
erfahren  durch  A.  Schmic'.ts^^)  Beschreibung  alter  Drucke  der  Darmstädter  Hof- 
bibliothek. Seh,  weist  die  ältesten  datierten  Ausgaben  des  Pfaffen  vom  Kahlenberg  und 
des  Ritter  Alexander  nach  und  beschreibt,  Goedekes  Angaben  berichtigend  oder  er- 
gänzend: einen  Eulenspiegel,  Strassburg  1551;  Bad  zu  Blumersch,  Basel  1576; 
Klingler  „Wie  man  sich  hüten  soll  vor  dem  Spiel",  Strassburg  1520;  Griseldis  und 
„Giletta  von  Narbonne"  in  der  Sammlung:  Zwo  liebliche  vn  nützliche  Historie, 
Strassburg  o.  J.;  Der  Glück  Haff  zu  Strassburg,  Strassburg  1576.  Zur  Fischart- 
bibliographie erwähnt  Seh.  Drucke  des  Nachtrab  1570,  der  Geschichtklitterung  1582 
und  1594,  des  Bienenkorb  1588,  die  in  Einzelheiten  von  bekannten  Drucken  der 
gleichen  Jahre  abweichen,  einen  Stauffenberg  1598  (bisher  nur  in  dem  defekten 
Wolfenbüttler  Exemplar  belegt)  und  mehrere  bekannte  Drucke.  Endlich  citiert  er 
aus  Michael  Kleinlawels  Strassburgischer  Chronik  1625  (Bl.  5a— b)  eine  Stelle,  wo 
„Joannes   Fischart  Doctor"    unter   den  Strassburger  Historikern  aufgezählt  wird.  — 

Die  zahlreichen  Arbeiten  zur  historischen  Litteratur^ß-so)  (jgr  Zeit 
können  hier  nur  in  aller  Kürze  und  nur  insoweit  berücksichtigt  werden,  als  sie 
irgend   eine  Beziehung  zu    unserem  Gegenstand   aufweisen.     Einen  Hintergrund  für 

Ehezuchtbüchlein.  (=  DNL.  Her.  v.  J.  Kür  sehn  er.  Bd.  18,  Abt.  3.)  St.,  Union.  LXX,  332  S.  M.  2,50.  —  48)  id.,  Trost  in 
Podagra.  E.  Beitr.  z.  Litt.-Gesch.  Böhmens  im  16.  u.  17.  Jh.:  MVÖDB.  31,  S.  293/6.  —  49)  id.,  J.  Fischarts  Ehezuchtbüchlein, 
Plutarch  u.  Erasmus  Eoterodamus.     (=  Syrabolae  Pragenses  [Wien  u.  Prag,  Tempsky.     222  S.  mit  2  Taf.     M.  8,00],  S.  24-41.) 

—  50)  X  L.  Pariser,  S.  Brant,  Luther,  H.  Suchs,  Fischart  mit  e.  Ausw.  v.  Dichtern  d.  16.  Jh.  (=  Sammlung  Göschen  N.  24.) 
St.,  Göschen.  154  S.  M.  0,80.  (Vgl.  II  1  :  88;  4:28.)  —  51)  X  C-  Herford,  Snme  old  german  humourists:  MacraillansMag. 
1891,  Maiheft.  (Handelt  über  Pauli,  Fischart  u.  d.  Volksbücher  d.  16.  Jh.)  -  52)  X  H.  Merkens,  Dtsch  Humor.  Schwanke 
u.  Erzählungen  aus  alt.  Zeit.  Ausgew.  u.  erneuert.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  805/6.)  L.  u.  Wien,  Biblogr.  Inst.  140  8. 
M.  0.20.  (D.  sprachl.  modernisierten  Geschichten  sind  z.  grössten  Teil  d.  bekannten  Seh  Wanksammlungen  d.  16.  Jh.  ent- 
nommen.) —  53)  X  E  Waldner,  G.  Wothly,  Hieron.  Boner  (vgl.  JBL.  1892  II  1:61;  3:10):  ZGORh.  8,  S.  144/5.  (Be- 
richtigung d.  Bibliogr.)  —  54)  W.  Kawerau,  Z.  Gesch.  d.  dtsch.  Tierdichtung:  GBlIMagdeburg.  28,  S.264-82.  —  55)  (I  3 :  125.) 

—  56)  X  W.  Focke.  Theodoricus  Pauli  (vgl.  JBL.  1892  II  3  :  52).  IfA.  Bachmann:  DLZ.  S.  978/4;  ZKG.  14,  S.  275;  LCBl. 
S.  599.]|   —  57)  X  A.  Buchholtz,  Ueber  e.  neu  aufgefund.  Hs.  d.  Bodeckerschen  Chronik:    SBGGOstseeprov.  1892,  S.  36-41. 

—  58)  X  F.  X.  Wegele,  Chrn.  Meyer,  Familienchronik  d.  Ritters  Michel  v.  Ebenheim  (vgl.  JBL.  1891  I  5  :  34):  HZ.  34, 
S.  339-40.  —  59)  X  W.  L,  Schreiber,  Liber  regum.    Her.  v.  R.  Hochegger.  (L.,  Harassowitz.    4».    IV,  6  S.    Mit  20  Faoa.- 


A.  Hauffen,  Enos  des  15./16,  Jahrhunderts.  II  3  :  60-78 

die  epischen  Dichtungen  bieten  die  kulturg-eschichtlich  belehrenden  Schriften 
unseres  Zeitraums.  So  besonders  Sebastian  Francks  Weltbuch  1534,  dessen 
ethnog-raphische  Abschnitte  Loewenberg-^o)  in  einem  Vortrag- eingehend  besprochen 
hat.  Im  Gegensatze  zur  riesigen  Aufsammlung  gelehrter  Notizen  in  der  Kosmographie 
Münsters  besteht  der  Wert  des  W^eltbuches  nicht  in  den  geographischen  Angaben, 
sondern  in  der  eigenartigen  Stellung,  die  Franck  als  Sittenprediger  und  Satiriker 
moderner  demokratischer  Richtung  den  deutschen  Sitten  und  Bräuchen  gegenüber 
einnimmt.  Seine  Aeusserungen  über  die  Priester  und  Adeligen,  über  Bürger  und 
Bauern  seiner  Zeit  sind  noch  nicht  genügend  ausgeschöpft  worden.  —  Die  etwas 
kritiklose  BewunderungFrancks,  zu  der  uns  Löwenberg  mitreissen  möchte,  wird  gedämpft 
durch  den  Nachweis  Vogts ^i),  dass  die  ethnographischen  Nachrichten  Francks  zum 
grossen  Teil  ein  Plagiat  aus  des  Joannes  Boemus  Aubanus  omnium  gentium  mores, 
leges  et  ritus  sind.  Freilich  hat  Franck  teils  aus  Flüchtigkeit  und  mangelndem 
Verständnis,  teils  absichtlich  seiner  rationalistischen  Tendenz  wegen  manche  Ab- 
änderungen vorgenommen.  V.  zeigt  ferner,  dass  das  von  Birlinger  herausgegebene 
„Papistenbuch"  nur  die  unvollständige  Abschrift  eines  Kapitels  aus  dem  Weltbuche 
„Von  der  Romischen  Christen  fest-feyer"  ist.^^j  _ 

Die  Aussprüche  der  Zimmerschen  Chronik  über  deutsche  Stammesart 
sammelte  L  auch  er  t^^^.  Gradheit  des  Charakters  und  Einfachheit  der  Sitten,  doch 
auch  das  Trinken  wird  als  „deutscher  Brauch"  bezeichnet.  Die  Schwaben  kommen 
als  Landsleute  des  Vf.  gut  weg  und  werden  gegenüber  den  landläufigen  Verspottungen 
verteidigt.  Von  den  Allgäuern,  den  Strassburgern,  den  Niederdeutschen  (fast  regel- 
mässig Saxenkerle  genannt)  werden  verschiedene  komische  Streiche  erzählt.  Die 
Eidgenossen  werden  ihrer  kriegerischen  und  politischen  Tüchtigkeit  wegen  gerühmt, 
das  Schweizer  „Volk"  aber  wird  als  „grob"  bezeichnet^*).  — 

Neue  Ausgaben  von  Chroniken  und  Arbeiten  über  die  Chronisten  und 
Geschichtsschreiber  unseres  Zeitraumes  sind  in  den  meisten  deutschen  Land- 
schaften erschienen.  Am  reichsten  ist  auch  in  diesem  Zeitraum  die  Schweiz  ver- 
treten ^^'^s).  Hier  ist  unter  den  Fortsetzungen  grösserer  Unternehmungen  der  4.  Band 
der  Berner  Chronik  des  Valerius  Anshelm^s)  zu  nennen,  die  die  J.  1514—22  be- 
handelt. —  Büchi'O)  veröffentlicht  im  13.  Bande  der  Schweizer  Geschichtsquellen 
88  lateinische  Briefe  hervorragender  Persönlichkeiten  an  Albrecht  von  Bonstetten 
aus  den  J.  1465  —  80  und  drei  Schriften  Bonstettens:  die  allegorische  Satire  „De 
Justitiae  ceterarumque  virtutum  exilio",  eine  in  Anlehnung  an  Aeneas  Silvius  verfasste 
ungelenke  Jugendarbeit,  ferner  die  deutsche  Darstellung  der  Stiftung  des  Klosters 
Einsideln  und  die  lateinische  und  deutsche  Fassung  der  Beschreibung  der  Schweiz,  die 
älteste  höchst  wertvolle  Geographie  des  Landes.  B.  hat  seine  Publikation  mit  reichhaltigen 
Einleitungen  und  Anmerkungen  versehen.  —  Die  Hauschronik  des  Rufachers  Konr. 
Pellikanus  (Kürschner,  1478  —  1556),  eine  treuherzige  Darstellung  seines  Lebens 
und  der  Anfänge  der  Reformation  in  Zürich,  wurde  in  der  lateinischen  Original- 
fassung bereits  1877  von  Riggenbach  herausgegeben.  Im  Berichtsjahr  erschien 
nun  eine  von  Vulpinus"")  besorgte  gute  und  lesbare  deutsche  Uebersetzung. 
Kleine  Versehen  derselben  sowie  Irrtümer  der  Anmerkungen  hat  Hart  fei  der 
berichtigt.  —  Wie  Pellikan,  ehemals  katholische  Priester,  dann  Anhänger  Zwingiis 
und  Prediger  in  Zürich,  waren  auch  die  beiden  Historiker  Wernher  Steiner 
(1492-1543)  und  Josef  Stumpf  (1500-76),  deren  Leben  und  Wirken  in  kurzen 
Abrissen  von  Wyss''2-''3j  vorgeführt  hat.  Von  beiden  rühren  wichtige  Aufzeich- 
nungen zur  Schweizer  Geschichte  ihrer  Zeit  her.  —  Zur  Geschichte  Basels  ver- 
öffentlichten Gessler'4)  Felix  Platters  Histori  vom  Gredlin  und  Wackernagel'^^) 
die  Strübinsche  Chronik  der  J.  1529—1627.  — 

Auf  schwäbischem  Gebiet  ist  unter  anderem "'ß"''')  die  von  Schön ''S)  heraus- 
gegebene   älteste    Reutlinger    Chronik   zu    nennen,    die    Christof  Laubenberger 


Taf.  M.  25,00):  CBlBibl,  10,  S.  94/5.  (Seh.  setzt  d.  AMassnng  für  ca.  1470  an  n.  zwar  in  Köln  od.  Umgebung.)  -  60)  J. 
Löwenberg,  D.  Weltbucli  Seb.  Francks.  D.  erste  allg.  Geogr.  in  dtsch.  Sprache.  (=  SGWV.  N.  177.)  Hamburg,  Verlagsanst. 
37  S.  M.  0,80.  —  61)  (I  5:12.)  -  62)  X  G-  Loesche,  A.  Hegler,  Geist  u.  Schrift  bei  Seb.  Franck  (vgl.  JBL.  1892 
II  5b:  3;  s.  u.  II  6:  185):  DLZ  S.  34  —  63)  F.  Lauchert,  Aussprüche  d.  Zimmerschen  Chronik  Z.Kennzeichnung  d.  Dtsch. 
u.  einzelner  dtsch.  Stämme  in  Ernst  u.  Scherz:  Alemannia  21,  S.  186-91.  —  64)  X  R-  Krone,  D.  Ziramersche  Chronik  über 
Religion,  Kirche  u.  Klerus:  DEBll.  18,  S.  235-48.  —  65)  X  J-  J-  Rueger,  Chronik  v.  Schaifhausen  (ygl.  JBL.  1892  I  4:  760): 
ZGORh.  8,  S.  150/1.  —  66l  X  E.  Meininger,  Une  chronique  suisse  inedite  (vgl.  JBL.  1892  II  1  :  19;  3  :  59).  |[LCB1.  S.  557,8; 
AnnEst.  7,  S.  128/9.J|  -  67)  X  G-  v.  Wyss,  Job.  Lenz:  SBB.  2,  S  421,2.  (Abgedr.  aus  ADB.  18.  S.  276)  -  68)  X  Th. 
V.  Liebenau,  Diebold  Schilling:  ib.  S.  417-21.  -  69)  D.  Berner  Chronik  d.  Valerius  Anshelm.  Her.  v.  Hist.  Ver.  d.  Kantons 
Bern.  4.  Bd.  Bern,  Wyss.  532  S.  M.  6,00.  —  70)  A.  Bnchi,  Albr.  v.  Bonstetten.  Briefe  u.  ansgew.  Schriften  (=  QSchwG.  13.  Bd.) 
Basel.  Geering.  V,  XI,  288  S.  M.  6,00.  (S.  n.  117  :  15.)  —  71)  (II  1:170;  6:171.)  |[B.  Stehle:  Alemannia  21,  S.  94;  LCBl.  S.  783; 
G.  Bessert:  ThLBl.  14,  S.  126/8;  K.  Hartfelder:  ZQOEh.  8,  S.  14-2/3.]|  -  72)  G.  v.  Wyss,  W.  Steiner:  ADB.  35,  S.  707/9. 
-  73)  id.,  J.  Stumpf:  ib.  36,  S.  751/4.  —  74)  A.  Gessler,  F.  Platters  Histori  vom  Gredlin:  BaslerJb.  S.  251,9.  —  75)  B. 
Wackernagel,  Strübinsche  Chronik:  ib.  S.  136-44.  —  76)  X  P  Thudichum,  D.  Tübinger  Stadtrecht  v.  1493:  BBSW. 
S.  220,2.  —  77)  X  F.  Frensdorff,  D.  Chroniken  d.  dtsch.  Städte  v.  14.  bis  ins  16.  Jh.  Bd.  22.  D.  Chroniken  d.  sohwäb. 
Städte.    Augsburg.    Bd.  3c   (vgl.  JBL.  1892  II  3 :  60):    GGA.  S.  609-24.    -    78)   Th.    Schön,    D.    Camerer- Laubenbergische 


II  3:79-94  A. -Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

(g-est.  nach  1591)  niederg-eschrieben  und  Alexander  Camerer  bis  1599  fortgesetzt  hat. 
Sie  bring-t  wertvolle  Einzelheiten  für  das  15.  und  16.  Jh.,  namentlich  soweit  die 
Chronisten  Selbsterlebtes  erzählen:  u.  a.  g-enaue  Nachrichten  über  Besuche  der 
Kaiser  und  über  die  Protestantisierung*  der  Stadt.  —  Auf  den  Bauernkrieg"  in  Ober- 
schwaben 1525  bezieht  sich  das  Tagebuch  des  Hans  Lutz  von  Augsburg,  von 
dem  jetzt  Adam''^)  eine  neu  aufg-efundene  Zaberner  Hs.  veröffentlicht  hat,  die  das  ver- 
lorene Original  weit  treuer  wiedergiebt,  als  die  bisher  allein  bekannte  und  veröffentlichte 
Aug-sburg-er  Fassung.  Aus  den  Zaberner  Schlusszeilen  ergiebt  sich,  dass  Lutz 
seine  Aufzeichnungen  noch  mitten  in  den  Krieg-swirren  gemacht  hat.  — 

In  Bayern  erschienen,  durch  ein  Preisausschreiben  der  philosophischen 
Fakultät  zu  München  hervorgerufen,  zwei  treffliche  Arbeiten  über  Veit  Arnpeck, 
den  niederbayerischen  Chronisten  des  15.  Jh.,  die  preisgekrönte  Schrift  von  L  eidinger  ^^) 
und  der  Aufsatz  von  Joetze^^),  beide  in  den  grossen  Ergebnissen  übereinstimmend, 
in  den  Einzelheiten  einander  ergänzend.  Beide  weisen  nach,  dass  auch  die  deutsche 
Bearbeitung  seines  Hauptwerkes,  des  Chronicon  Baioariae,  von  Arnpeck  selbst  her- 
rührt. Diese  deutsche  Fassung  ist  ein  bemerkenswertes  litterarisches  Denkmal,  weil 
es  volkstümlich  gehalten  ist  und  vielleicht  auch  auf  volkstümliche  Quellen  zurück- 
geht. Beide  Vf.  bezeichnen  das  Chronicon  Austriacura  als  eine  unbedeutende 
Kompilation.  —  Den  Bericht  des  Straubingers  Ulrich  Schmidel  über  seine  Kriegs- 
züge in  Südamerika  (1534 — 54)  hat  nun  Mond  schein  ^^-j  nach  der  Stuttgarter  Hs. 
veröffentlicht.  Diese  stellt  die  erste  flüchtige  Niederschrift  des  Reisenden  dar  und 
ergänzt  darum  an  mehreren  Stellen    die  bereits    veröffentlichte  Münchener  Hs.  ^3)  — 

Auch  auf  Mitteldeutschland  beziehen  sich  eine  Reihe  hierher  gehöriger 
Arbeiten ^*"^^).  Dem  Thüringer  Stolle  (1430 — 85),  der  in  seiner  thüringisch-erfur- 
tischen Chronik  für  die  J.  von  1440  ab  selbständige  wichtige  Nachrichten  beibringt, 
widmet  Wegele^ö)  eine  knappe  Skizze.  —  Ein  Anonymus**'')  veröffentlicht  zwei  wenig 
umfängliche  hs.  vogtländische  Ch  roniken:  Die  Plauische Chronik  und  die  Chronica 
Theumaviensia,  die  beide  aus  dem  letzten  Dritteil  des  17.  Jh.  stammen,  doch  in  ihren 
örtlichen  Nachrichten  vorzugsweise  das  16.  Jh.  berücksichtigen.  —  Pis  tor^^)giebt  als 
Einleitung  zu  seinen  eingehenden  Untersuchungen  über  Johannes  Nuhn  von  Hersfeld 
(gest.  1523)  eine  Uebersicht  über  die  hessische  Geschichtsschreibung  des  späteren 
Mittelalters.  Er  zeigt,  dass  Nuhn  in  seinen  zahlreichen  Chroniken  ungenau  und 
unkritisch  vorging,  dass  er  aber  in  der  hessischen  Fürsten-  und  Landesgeschichte 
seiner  Zeit  gut  unterrichtet  war.  — 

Auf  niederdeutsches  Gebiet^^"^^)  leitet  uns-  Cyriacus  Spangenberg 
über,  der  in  den  sechziger  Jahren  des  16.  Jh.  im  Mansfelder  Lande  den  Mittel- 
punkt des  geistigen  Lebens  bildete.  Als  unbeugsamer  Flacianer  war  er  stets  in 
dogmatische  Streitigkeiten  verwickelt,  als  historischer  und  theologischer  Schriftsteller 
und  als  Dichter  war  er  von  grosser  Fruchtbarkeit.  Seine  vielseitige  Thätigkeit  und  seine 
zahlreichen  Schriften  hat  Edw.  Schröder^^^  in  einem  sehr  inhaltreichen  und  belehrenden 
Abriss  besprochen.  —  Zwei  Stralsundische  Chroniken  aus  dem  Ende  des  15.  Jh. 
hat  Bai  er  93)  veröffentlicht,  die  beide  hauptsächlich  zur  Stadtgeschichte  Stralsunds 
für  die  2.  Hälfte  des  15.  Jh.  wertvolle  Nachrichten  bringen.  —  In  dem  gleichen  Zeit- 
raum lebte  Albert  Krantz,  dessen  historische  Schriften  erst  nach  dem  Tode  des 
Vf.  gedruckt  und  viel  gelesen  wurden.  Sein  Hauptwerk,  die  Saxonia,  die  jetzt  von 
Schaerffenberg^*)  einer  gründlichen  Untersuchung  unterzogen  wurde,  behandelt 
die  Geschichte  des  sächsischen,  vor  allem  des  niedersächsischen  Stammes  von  der 
Urzeit  bis  zum  J.  1504  in  dreizehn  umfangreichen  Büchern.  Ein  Streben  nach 
kritischer  Behandlung  der  Quellen  und  nach  einer  geschlossenen  Darstellung  muss 
ihm  nachgerühmt  werden.  Er  ist  ein  humanistischer  Geschichtschreiber,  der  in  seinem 
lateinischen  Stile  antiken  Mustern  nacheifert,  und  darum  ist  seine  Saxonia,  obschon 
als  historische  Quelle  ohne  Belang,  ein  bedeutsames  litterarisches  Denkmal.  — 


Chronik,  her.  nach  d.  Orig.  im  Stadt-Arch.  Reutlingen  u.  mit  Komm,  vers.:  EeutlingerGBll.  4,  S.  25/8,  65;8,  76-81.  —  79)  A. 
Adam,  D.  Tagebuch  d.  Herolds  Hans  Lutz  v.  Augsburg  über  d.  Bauernkrieg:  ZGORh.  8,  S.  55-100.  —  80)  6.  Leidinger, 
Ueber  d.  Schriften  d.  bayer.  Chronisten  Veit  Arnpeck.  [Gekrönte  Preisschrift.]  Diss.  München  (Mehrlich).  175  S.  —  81)  K.  F. 
Joetze,  Veit  Arnpekch,  e.  Vorläufer  Aventins:  VHVNiederbayern.  29,  S.  45-128.  —  82)  J.  Mondschein,  ülr.  Sohmidels  Reise 
nach  Südamerika  in  d.  J.  1534-54.  Progr.  d.  kgl.  Realsch.  Straubing  (Attenkofer;.  60  S.  (Vgl.  II 1  :  164.)  -  83)  X  Lupoid  von  Wedels  Be- 
schreibung seiner  Reisen:  DAdelsbl.  S.  306/7.  (Abdruck  e.  hs,  Reisebeschreibung  aus  dem  16.  Jh.)  —  84)  X  Hellers  Chronik 
d.  Stadt  Bayreuth:  HohenzollF.  2,  S.  129-224.  (Vgl.  auch  I  4  :  452.)  —  85)  X  'I  *  =  455;  auch  HohenzoUF.  2,  S.  1-128.)  -  86)  F.  X. 
Wegele,  K.  Stolle:  ADB.  36,  S.  409-10.  —  87)  C.  v.  E.,  Zwei  Vogtland.  Chroniken:  MAVPlauen.  9,  S.  58-74.  —  88)  J. 
Pistor,  Untersuchungen  über  d.  Chronisten  J.  Nuhn  v.  Hersfeld.  Progr.  d.  K.-Friedrichsgymn.  Kassel.  74  S.  |[H.  Dieraar: 
WZB.  12,  S.  144/5.]|'  -  89)  X  Oldekops  Chronik  (vgl.  JBL.  1891  II  3  :  43;  1892  I  4  :  637;  II  3  :  62):  HPBll.  112,  S.  157-68, 
263-78.  (Vgl.  II  6:25.)  -  90)  X  H.  Grube:  Oldekop  u.  Stift  Hildesheim:  ib.  S  397-407.  —  91)  X  0.  Knipping,  D. 
litt.  Nachl.  d.  köln.  Historiogr.  Steph.  Broelmann:  MStadtAKöln.  8,  S.  178.  —  92)  Edw.  Schröder,  C.  Spangenberg:  ADB.  35, 
S.  37-41.  —  93)  R.  Baier.  2  Stralsund.  Chroniken  d.  15.  Jh.  Mit  2  Facs.  Her.  v.  d.  Altersmännern  d.  Gewandhauses. 
Stralsund  (Bremer).  XVI,  47  S.  M.  2,00.  —  94)  P.  Sc  haerff  enberg,  D.  Saxonia  d.  Alb.  Krantz.  Diss.  KieL  (Meiningen, 
Keyssner.)    38  S,  — 


W.  Creizenach,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts,  II  4  : 1-4 

Drama. 

Wilhelm  Creizenach. 

Spiele  des  ausgehenden  Mittelalters  N.  1.  —  Das  Redentiner  Osterspiel  N.  4.  —  Der  erste  deutsche  Terenz  N.  10. 
—  Sumnilungen  von  Dramen  des  16.  Jh.  N.  11.  —  Fastnachtspiele  N.  14.  —  Einzelne  Dramatiker:  M.  Stessan,  L.  Stöckel, 
J.  Stricerins,  Cl.  Stephani  N.  17;  Hans  Sachs  N.  23;  Valten  Voith,  M.  Bohemus  N.  29;  J.  Ayrer  N.  34.  —  Geschichte  des  Dramas 
im  Aaslande  N.  37.  —  Studentenaufführnngen  N.  39.  — 

Die  geistlichen  Spiele  des  ausgehenden  Mittelalters,  d.  h.  die  grossen, 
öffentlichen  Mysterienaufführungen,  die  in  der  zweiten  Hälfte  des  14.  Jh.  beginnen 
und  noch  während  des  16.  Jh.  fortdauern,  behandelt  der  erste  Band  von  Creizenachs  i) 
umfassender  Darstellung  des  neueren  Dramas  (Buch  IV,  S.  162—358).  Und  zwar 
wird  hier  die  Greschichte  dieser  Spiele  bis  in  die  ersten  Jahrzehnte  des  16.  Jh.  ver- 
folgt, bis  in  die  Zeit,  da  Einflüsse  des  Humanismus  und  der  Reformation  sich  geltend 
zu  machen  beginnen.  Zunächst  unterzieht  der  Vf.  die  Entwicklung  der  Mysterien 
bei  den  verschiedenen  Nationen  einer  vergleichenden  Betrachtung,  er  bespricht  u.  a. 
die  Prozessionsspiele  bei  der  Fronleichnamsfeier,  die  Stellung  der  Geistlichkeit  zu 
den  Mysterien,  die  Ansichten  über  ihre  sittliche  Wirkung,  ferner  ihren  ästhetischen 
Wert,  den  dramatischen  Aufbau,  die  Entlehnungen  aus  Apokryphen  und  Legenden, 
die  Anachronismen,  die  komischen  Bestandteile,  die  hs.  Ueberlieferung  und  die 
litterarischen  Prätensionen  der  Dichter.  Auch  das  Bühnen wesen  des  späteren  Mittelalters 
wird  ausführlich  erörtert.  Es  werden  (S.  218—47)  die  auf  uns  gekommenen  deut- 
schen geistlichen  Spiele  besprochen.  Am  Schluss  des  Abschnitts  wird  die  Frage 
untersucht,  inwieweit  die  geistlichen  Spiele  der  verschiedenen  Nationen  von  einander 
abhängig  sind;  der  Vf.  kommt  dabei  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  zahlreichen  inter- 
nationalen Uebereinstimmungen  zum  grössten  Teil  nicht  auf  direkter  Entlehnung  be- 
ruhen, sondern  auf  die  lateinische  Predigt-  und  Erbauungs-Litteratur  zurückzuführen 
sind,  in  welcher  die  Begebenheiten  der  heiligen  Geschichte,  besonders  der  Passion, 
ausführlich  und  lebendig  ausgemalt  waren.  Dass  verschiedene  Nationen  von  einander 
dramatische  Texte  entlehnen,  wie  dies  z.  B.  die  Czechen  den  Deutschen  gegenüber 
thaten,  kommt  im  allgemeinen  sehr  selten  vor.  Häufiger  geschah  es,  dass  man 
einzelne  Bühneneffekte  übernahm.  Auf  diesem  Gebiete  hatte  Frankreich,  wo  die 
dramatische  Litteratur  am  reichsten  und  mannigfaltigsten  entwickelt  war,  für  die 
übrigen  Länder  eine  vorbildliche  Bedeutung.  Von  dorther  entlehnten  die  Deutschen 
höchst  wahrscheinlich  die  Kunstform  des  dramatischen  Marienmirakels  (Theophilus, 
Jutta).  In  Buch  V  werden  die  mittelalterlichen  „Ansätze  zu  einem  ernsten  weltlichen 
Drama"  besprochen,  die  indessen  in  Deutschland  weit  geringfügiger  sind  als  in 
anderen  Ländern.  Buch  VI  umfasst  das  komische  Drama  des  Mittelalters;  eine  zu- 
sammenhängende Gruppe  von  gleichartigen  W^erken  tritt  uns  hier  auf  deutschem 
Boden  zuerst  in  den  Nürnberger  Fastnachtspielen  entgegen,  die  der  Vf.  ausführlich 
charakterisiert,  und  dabei  weist  er  nach,  dass  sie  aus  Kostümtänzen  hervorgegangen  sind. 
Aus  den  Spielen  der  Wolfenbütteler  Hs.  nimmt  der  Vf.  eine  Gruppe  heraus,  die  sich 
von  der  gewöhnlichen  Form  der  Nürnberger  Spiele  unterscheidet;  hierher  gehört  u.  a. 
das  grosse  Neidhartspiel,  das  umfangreichste  komische  Drama,  das  wir  aus  dem  Mittel- 
alter besitzen.  Sodann  werden  die  Fastnachtsspiele  ausserhalb  Nürnbergs,  besonders 
die  Lübecker  nach  Massgabe  des  bekannten  Verzeichnisses  betrachtet.  Die  Kunst- 
gattung der  Moralitäten  (Buch  VII)  war  in  Deutschland  weit  weniger  entwickelt  als 
in  England  und  Frankreich;  die  vereinzelten  Spuren,  die  noch  erkennbar  sind, 
werden  (S.  478  ff.)  nachgewiesen.  In  Bezug  auf  die  Totentänze  schliesst  sich  der  Vf. 
der  Ansicht  Seelmanns  an,  dass  dieselben  ursprünglich  im  Zusammenhang  mit  der 
Predigt  aufgeführt  wurden,  und  weist  zur  Unterstützung  dieser  Ansicht  auf  ander- 
weitige Predigt-Aufführungen  hin,  wie  sie  namentlich  im  Franziskanerorden  sehr 
beliebt  waren. ^"3)  — 

Das  Redentiner  Osterspiel  wurde  von  Carl  Schröder*)  neu  heraus- 
gegeben und  mit  einem  ausführlichen  und  reichhaltigen  Kommentar  versehen.  In 
der  Einleitung  führt  Seh.  seine  früher  bereits  dargelegten  Ansichten  über  diese  Spiele 
weiter  aus  (vgl.  JBL.  1891  II  4:4).  Danach  wurde  das  Spiel  von  einem  Cistercienser 
aus  Doberan,  dem  Redentiner  Magister  curiae  Peter  Kalff,  verfasst;  das  in  der  Sub- 
skription erwähnte  Jahr  1464  bezieht  sich  auf  die  Zeit  der  Abfassung,  nicht  auf  die 


1)  W.  Creizenach,  Gesch.  d.  neueren  Dramas.    Bd.  I.    Mittelalter  u.  Frührenaissance.    Halle  a.  S.,    Niemeyer. 
XV,  586  S.    M.  14,00.  —  2)  X  P-  Tenber,    Geistliche  Komödien  in  alter  Zeit:   WFrBl.  N.  358.  —  3)  O  XX  W.  Koppen, 
Beitrr.  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Weihnachtsspiele.    Paderborn,   Schöningh.    132  S.    M.  2,40.  (Vgl.  JBL.  1892  U  4:11.)   —   4)  Carl 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (2)^ 


II  4:5-13  W.  Creizenach,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts. 

der  Abschrift,  damit  stimmt  auch  der  Hinweis  auf  das  grosse  Sterben  in  Lübeck. 
Aufgeführt  wurde  das  Spiel  wahrscheinlich  nicht  in  Redentin,  sondern  in  der  benach- 
barten Hansestadt  Wismar.  Ausserdem  verg-leicht  Seh.  das  Redentiner  Osterspiel  mit 
anderen  derartigen  Spielen  und  erklärt  sich  mit  vollem  Recht  gegen  die  beliebte 
Manier,  jede  Uebereinstimmung  als  Abhäng-igkeitsverhältnis  zu  betrachten.  Einige 
sprachliche  Eigentümlichkeiten  der  Spiele  führen  den  Herausgeber  auf  die  Ver- 
mutung, dass  Kalff  aus  dem  Mutterkloster  Amelungsborn  an  der  Weser  stamme.  — 
Doch  scheint  mir,  was  diese  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  betrifft,  eine  andere  Er- 
klärung den  Vorzug  zu  verdienen,  die  Seelmann^)  in  seiner  inhaltreichen  Be- 
sprechung der  Schröderschen  Ausgabe  vorbringt.  Nach  S.  hatte  der  Vf.  eine  ost- 
fälische  Vorlage,  die  ihrerseits  die  Bearbeitung  eines  mitteldeutschen  Osterspieles 
war.  Aus  dieser  Vorlage  wurde  der  erste  Teil  (V.  1  —  1043)  übernommen;  er  enthält 
viele  Reime,  die  erst  in  mitteldeutscher  Uebersetzung  rein  erscheinen.  Der  zweite 
Teil  dagegen,  der  uns  in  der  Teufelsscene  ein  Prachtstück  niederdeutschen  Volks- 
humors darbietet,  ist  aus  einer  gründlichen  Umarbeitung  der  Vorlage  durch  den 
mecklenburgischen  Dichter  hervorgegangen.  —  Ausserdem  wurde  das  Redentiner 
Osterspiel  noch  in  mehreren  Zeitschriften  besprochen^-»).  —  Ebenso  erschienen 
mehrere  Anzeigen'')  von  Haages  Dissertation  über  Dietrich  Schernberg  (vgl.  JBL.  1891 
II  4:8).  — 

In  die  Zeit  des  beginnenden  Einflusses  des  Humanismus  führt  uns  ein  Auf- 
satz über  den  ersten  deutschen  Terenzübersetz  er  Hans  Nithart,  dessen  Ueber- 
tragung  des  Eunuchus  in  Ulm  1486  gedruckt  wurde,  von  Wunderlich  i").  Der 
Vf.  weist  darauf  hin,  dass  Nithart  einer  angesehenen  Ulmer  Familie  angehörte  und 
in  Felix  Fabers  Tractatus  de  civitate  Ulmensi  als  ein  gelehrter  Mann  gerühmt 
wird,  der  u.  a.  auch  „bucolica  et  comoedias,  Virgilii  Aeneida,  Senecae  tragedias, 
Ovidii  metamorphoses"  studiert  habe.  Bei  Erörterung  der  Ansichten  Nitharts  über 
die  sittliche  Wirkung  der  Komödie  erinnert  W.  daran,  dass  Terenz  kurz  vorher  im 
Schnitzwerk  des  Chorgestühls  im  Ulmer  Münster  in  der  Reihe  der  Philosophen 
angebracht  worden  war.  An  einer  bedenklichen  Stelle  des  Eunuchus  sieht  freilich 
Nithart  sich  genötigt  zu  bemerken:  „Ist  besser  verborgen,  wann  glossiert."  Auch 
enthält  der  Aufsatz  einige  Bemerkungen  darüber,  wie  sich  die  Satzkonstruktion 
Nitharts  zu  der  des  Originals  verhält.  — 

Der  dritte  Band  der  Sammlung  schweizerischer  Schauspiele  aus 
dem  16.  Jh.  von  Baechtold^'),  enthält  das  alte  Urner  Spiel  von  Wilhelm  Teil,  das, 
obgleich  es  schon  in  zahlreichen  alten  und  neuen  Drucken  vorliegt,  in  der  Samm- 
lung natürlich  nicht  fehlen  darf.  Dann  folgt  Rufs  Wilhelm  Teil,  über  dessen  Ver- 
hältnis zum  alten  Spiel  in  der  Vorrede  Bericht  erstattet  wird;  im  übrigen  konnte  der 
Herausgeber  auf  seine  Darstellung  in  der  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  in  der 
Schweiz  verweisen.  Ruf  i&t  auch  der  Vf.  des  Stückes,  das  den  Band  abschliesst, 
„Von  des  Herren  Weingarten"  (4301  Verse);  es  wurde  1539  in  Zürich  dargestellt. 
Es  ist  in  einer  Hs.  der  St.  Gallener  Bibliothek  erhalten,  die  indessen  nicht  vom  Vf., 
sondern  von  einem  berufsmässigen  Schreiber  angefertigt  wurde.  Die  in  den  Text 
eingefügten  Federzeichungen  waren,  wie  der  Herausgeber  vermutet,  dazu  bestimmt, 
in  Holzschnitt  nachgebildet  zu  werden.  Die  biblische  Parabel  ist  hier  zu  einem 
protestantischen  Tendenzstück  verarbeitet,  Batt  von  Rom  (der  Papst)  und  Carli  im 
roten  Hut  (der  Kardinal)  treten  als  ungetreue  Verwalter  des  Weinbergs  auf.  Was 
die  Persönlichkeit  Rufs  betrifft,  so  wiederholt  der  Herausgeber  einige  Mitteilungen 
Konrad  Brunners  in  seinem  Vortrag  über  die  Zunft  der  Schärer,  wonach  der  ge- 
schickte Chirurg  Ruf  vermutlich  aus  Königsberg  im  Württembergischen  stammte 
und  sich  vor  seiner  Uebersiedlung  nach  Zürich  eine  Zeitlang  in  Konstanz  aufhielt. 
Leider  sucht  man  im  Vorwort  vergeblich  eine  Vergleichung  des  „Weingartens"  mit 
anderen  Dramen,  die  denselben  Stoff  behandeln,  sie  „soll,  wenn  möglich,  nachgeliefert 
werden".—  Weilen  ^^^  {^  einer  Besprechung  der  früheren  Bände  der  Baechtoldschen 
Sammlung  vergleicht  das  dort  mitgeteilte  Spiel  vom  reichen  Mann  und  Lazarus  mit 
einem  Strassburger  Druck  von  1611.^3)  — 


S chröd er, _  Redentiner  Osterspiel.  Nebst  Einl.  u.  Anm.  her.  (=  Denlrmäler,  her.  vom  Ver.  för  niederdtsoh.  Sprachforsch.  V.) 
Norden  n.  L.,  Soltau.  V,  110  S.  M.  3,00.  —  5)  W.  Seelmann:  DLZ.  S.  367/9.  —  6)  X  D-  Hs.  d.  Redentiner  Osterspiels  : 
LBs.  19,  S.  59.  (Rec;  vgl.  JBL.  1892  II  4:10.)  —  7)  X  A-  Schöne,  Z.  Redentiner  Osterspiel:  ZDU.  7,  S.  17-30.  (Verteidigt 
seine  früher  ausgesprochene  Ansicht,  dass  d.  im  Redentiner  Osterspiel  vorkommenden  Ausdrüclte:  hnndetrecker,  sleper  n. 
vnler  sich  anf  d.  Bergleute  beziehen.)  —  8)  X  ^-  Kohlschmidt,  Zu  Schdnes  Aufsatz  Ober  d.  Redentiner  Oaterspiel:.  ib. 
S.  702;3.  —  9)  J.  E.  Wackernell:  ADA.  19,  8.  342/3;  R.  Bechstein:  ZDU.  7,  S.  702/3.  (Weist  darauf  hin,  dass  schon 
vor  Haage  „d.  Beziehungen  zwischen  d.  Spiel  v.  Praw  Jntten  u.  d.  Theophilus"  v.  A.  Reichl  im  Progr.  d.  Gymnasiums 
zu  Aman  in  Böhmen  festgestellt  wurden.)  —  10)  H.  Wunderlich,  D.  erste  dtsch.  Terenz.  (=  I  1:118,  S.  201-16.)  — 
11)  Schweiz.  Schauspiele  d.  16.  Jh.  Bearb.  durch  d.  dtsch.  Seminar  d.  Züricher  Hochschule  v.  J.  Baechtold.  Her.  v.  d.  Stiftung 
V.  Schnyder  v.  Wartensee  Bd.  III.  Zürich  (Frauenfeld,  Huber).  311  S.  M.  4,00.  |[NatZg.  N.  60ö.J|  (D.  erste  Spiel  warde  bearb. 
V.  H.  Bodmer,  d.  zweite  v.  J.  Baechtold,  d.  dritte  v.  B.  Wyss;  vgl.  JBL.  1891  II  4:13;  1892  II  4:23/4.)  —  12)  A. 
v,  Weilen:    ADA.    19,    S.   156-64.   —    13)  O    St.,   J.   Baechtold,  Schweiz.   Schauspiele   d.  16.  Jh.:   BLChrSchw.  S.  86/7.    — 


W.  Creizenach,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  4  :  14-24 

Zwei  Reg-ensburger  Fastnachtsspiele  aus  dem  J.  1618,  also  aus  der  letzten 
Fastnacht  vor  dem  30 jährigen  Kriegte  veröffentlicht  Hartmanni*).  Die  bürgerlich- 
volkstümliche Kunst,  die  bald  darauf  in  Verachtung-  sinken  sollte,  zeigt  sich  hier  noch  in 
einem  sehr  vorteilhaften  Lichte.  Das  erste  Spiel,  das  Schreinerspiel,  verfasst  von  dem 
Reg-ensburger  Schreinermeister  Stephan  Egl,  behandelt  einen  Streit  zwischen  Meistern 
und  Gesellen  wegen  der  Arbeit  bei  Licht.  Wie  der  Herausgeber  darlegt,  bildet  dieser 
Streit  ein  Stück  socialer  Frage  und  hat  seine  Geschichte ;  es  scheint,  dass  in  Regens- 
burg schon  früher  der  Brauch  bestand,  das  Ende  der  Arbeit  bei  Licht  um  die  Fast- 
nachtszeit  durch  die  scherzhafte  Ceremonie  der  Ertränkung  des  Lichts  festlich  zu 
begehen,  und  dass  Egl  diesen  Gebrauch  zu  einem  ausführlichen  Spiel  (1526  Zeilen) 
erweiterte.  Eine  grosse  Zahl  von  Meistern  und  Gesellen  treten  auf,  und  es  wird 
lange  hin  und  her  verhandelt,  wobei  der  Vf.  die  widerstreitenden  Interessen  der 
beiden  Parteien  mit  gutem  Humor  zum  Ausdruck  bringt.  Das  Licht,  das  personifiziert 
erscheint,  wird  schliesslich  zum  Tode  verurteilt  und  bricht  in  lautes  Wehklagen  aus. 
H.  weist  ähnliche  Gebräuche  in  anderen  Städten,  zumal  in  Nürnberg  nach,  wo  sich 
ein  Text  von  1656  erhalten  hat,  der  mit  dem  Regensburger  teilweise  übereinstimmt. 
Ein  hamburgischer  Text  von  1696  „Der  Tischeier  Gesellen  lustiges  Fastelabend- 
Spiel"  gehört,  wie  H.  in  einem  Nachtragsartikel  ausführt,  zur  nämlichen  Gruppe ;  es 
stammt  offenbar  aus  Oberdeutschland.  Besonders  beliebt  war  in  dem  Spiel,  wie  es 
scheint,  ein  lustiges  Intermezzo,  das  Bauernhobeln,  das  in  allen  Fassungen  wieder- 
kehrt. Das  zweite  Regensburger  Spiel  ist  wie  das  erste  in  Knittelversen  geschrieben  und 
in  Akte  eingeteilt,  doch  spielt  es  in  bäuerlichen  Kreisen  und  ist  im  Dialekt  abgefasst, 
während  das  erste  Spiel  ziemlich  rein  hochdeutsch  ist.  Es  behandelt  die  Geschichte  eines 
Bauernjungen,  der  sich  zum  Kriegsdienst  anwerben  lässt,  dessen  er  jedoch  bald 
überdrüssig  wird,  und  ins  Heimatsdorf  zu  seiner  Braut  Rosl  zurückkehrt.  Die  Ver- 
handlungen der  Bauern  über  die  Hochzeit  und  die  Brautgeschenke  werden  in  ähn- 
licher Weise  wie  in  den  alten  Nürnberger  Fastnachtspielen  geführt. ^^"'^)  — 

Einzelne  Dramatiker  des  16.  Jh.  hat  Bolte^'^"!^)  behandelt:  Den 
katholischen  Dramatiker  Math aeus  Stessan,  der  1589  zu  Ueberlingen  amBodensee 
eine  hs.  erhaltene  „Tragödie  von  der  Märtirin  Felicitas"  aufführen  liess,  wie  es 
scheint,  ein  wertloses  Machwerk;  Leonhard  Stöckel,  der  zu  Bartfeld  in  Ungarn 
das  protestantische  Schuldrama  einführte  und  1559  mit  einer  „Historia  von  Susanna" 
nach  der  lateinischen  Susanna  des  Betulius  hervortrat;  Johannes  Stricerius, 
dessen  Düdesohen  Schlömer  (1589)20)  B.  schon  früher  mit  einer  ausführlichen  biogra- 
phischen und  litterarischen  Einleitung  herausgegeben  hat.  -—  Ueber  den  deutsch- 
böhmischen Dramatiker  Clemens  Stephani  berichtet  Wolkan^i);  er  übersetzte 
nach  Terenz  die  Andria  und  den  Eunuchus  (1554),  namentlich  letztere  Uebersetzung 
wird  von  W.  sehr  gerühmt.  Ferner  haben  wir  von  ihm  Originalwerke :  Eine  „Historia 
von  einer  Königin  aus  Lamparten"  in  der  Art  des  Hans  Sachs,  eine  „Geistliche  Action" 
(1568),  die  zu  den  Hecas  tusdramen  gehört,  und  eine  „Satyra  oder  Bawrenspil  mit 
fünff  Personen,  von  einer  Müllnerin  und  einem  Pfarrherr",  die  bekannte  Geschichte 
vom  fahrenden  Schüler  mit  dem  Teufelsbannen,  die  noch  durch  die  Einführung  einer 
Kupplerin  bereichert  ist.22)  — 

Was  Hans  Sachs  angeht,  so  beschäftigt  Duflou'^^)  sich  mit  der  Moral  in 
den  Fastnachtspielen  des  Hans  Sachs,  zunächst  mit  der  Frage,  wie  es  zu  der  gang- 
baren Ansicht  von  der  sittlichen  Tüchtigkeit  des  Meisters  stimme,  dass  in  mehreren 
dieser  Spiele  eine  liederliche  Frau  ihren  Mann  ungestraft  hintergeht  und  die  Lacher 
auf  ihrer  Seite  hat.  Eine  befriedigende  Antwort  weiss  der  Vf.  hierauf  nicht  zu  geben. 
Es  wäre  zwar  sehr  schön,  wenn  die  Beobachtung  des  Vf.  richtig  wäre,  dass  Hans 
Sachs  gewohnheitsmässig  zur  Beruhigung  seines  Gewissens  auf  solche  Stücke  andere 
folgen  liess,  in  denen  die  Sünder  gegen  das  sechste  Gebot  von  der  poetischen  Gerechtig- 
keit ereilt  werden,  aber  von  den  zwei  Fällen,  die  er  zur  Bestätigung  vorbringt,  ist 
nur  einer  zutreffend  (Spiel  N.  61/2),  in  dem  anderen  Fall  (N.  54)  ist  zwischen  dem 
unmoralischen  und  dem  moralischen  ein  vorhergegangenes  ausgefallen.  Dabei  ver- 
schweigt der  Vf.,  dass  in  anderen  Fällen,  z.  B.  bei  N.  46  (Das  Weib  im  Brunnen) 
und  N.  56  (Die  frumb  schwiger)  von  einer  solchen  nachträglichen  Beruhigung  des 
Gewissens  nichts  zu  bemerken  ist.  Im  weiteren  Verlauf  des  Aufsatzes  werden  die 
in  den  Fastnachtspielen  niedergelegten  Ansichten  über  das  Verhältnis  der  Menschen 
zu  einander  und  zu  Gott  geprüft;  besser  wäre  es  gewesen,  wenn  der  Vf.  hier  auch 
die  sonstigen  Dichtungen  des  Hans  Sachs  zur  Vergleichung  herangezogen  hätte.  — 
Die  Untersuchungen  Wahls^*)  über  das  Verhältnis  der  Goetheschen  Fastnachtspiele 

14)  (UI  4:2.)  —  15)  X  (in  4:28.)  ^  16)  X  ^-  Hol  scher,  P.  Franz,  d.  sächsische  Prinzenraub  (vgl.  JBL.  1891  U  4:17): 
ASNS.  90,  S.  340.  -  17)  J.  Bolte,  M.  Stessan:  ADB.  36,  S.  125,6.  -  18)  id.,  L.  Stöckel:  ib.  S.  282,3.  —  19)  id., 
Joh.  Stricerius:  ib.  S.  579-80.  —  20)  H.  Brandes,  D.  düdesche  Schlömer  her.  v.  J.  Bolte  (rgl.  JBL.  1890  II  4  :  40) : 
ZDPh.  25,  S.  130/2.  (Bec.  mit  Besserungsvorschlägen  zu  einzelnen  Stellen.)  —  21)  R.  Wolkan,  Ol.  Stephani:  ADB.  36, 
S.  87,9.  (Vgl.  JBL.  1891  II  4:38.)  —  22)  O  W.  Scherer,  Jak.  Funkelin:  SBB.  2,  S.  423/4.  (Abdr.  aus  ADB.  8,  S.  203/4.) 
—  23)  G.  Duf  lou,  H.  Sachs  als  Moralist  in  d.  Fastnachtspielen:  ZDPh.  25,  S.  343-56.  —  24)  G.  Wahl,  H.  Sachs  u.  Goethe. 

(2)5* 


II  4:25-37  W.  Creizenach,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts. 

zu  Hans  Sachs  werden   an  anderer  Stelle    besprochen 25-27),    ebenso    Kinzels^»)   für 
die  Schule  bestimmte  Auswahl.  — 

Die  Dramen  Valten  Voiths  bespricht  in  einem  für  weitere  Kreise  be- 
rechneten Aufsatz  W.  Ka  wer  au^s);  die  „Esther"  (1537)  ist  das  dritte  in  der  Reihe  der 
Magdeburger  biblischen  Dramen.  K.  stellt  zusammen,  was  sich  aus  aktenmässig-en 
Nachrichten  über  Voiths  Leben  erg-iebt  und  berichtet  über  die  Schicksale  seiner 
Meisterliederhs.,  die  sich  jetzt  in  der  Jenaer  Universitätsbibliothek  befindet;  auch 
weist  er  darauf  hin,  dass  Voith  sehr  wohl  mit  dem  Valentinus  Vo.ydt  de  Kemnitz 
identisch  sein  könnte,  der  1507  im  Album  der  Wittenberg-er  Universität  eing-etrag-en 
wurde.  Die  Esther  wird  mit  dem  g-leichnamigen  Drama  des  Hans  Sachs  verglichen,  von 
dem  sie  sich  vor  allem  durch  ihre  Weitschweifigkeit  und  ihre  symbolisch-lehr- 
hafte Schlussmoral  unterscheidet.  Noch  ungünstiger  urteilt  K.  über  Voiths  Er- 
lösungsspiel (1538),  das,  wie  der  Vf.  mit  Recht  bemerkt,  nicht  sowohl  unter  die 
Hecastusdramen,  als  vielmehr  unter  die  alttestamentlichen  Dramen  gehört.^o)  — 
Spengler^i)  beschäftigt  sich  in  einer  Programmabhandlung  mit  dem  lausitzischen 
Dramatiker  MartinusBohemus,  von  welchem  1618  eine  Judith,  ein  Tobias  und  ein  ver- 
lorener Sohn  im  Druck  erschienen.  Der  verlorene  Sohn,  über  welchen  Sp.  schon 
früher  berichtet  hatte,  wird  hier  beiseite  gelassen.  Die  Judith  vergleicht  er  mit 
früheren  deutschen  Dramatisierungen  aus  dem  16.  Jh.  und  zeigt,  wie  Bohemus  die 
Handlung  durch  die  Reichhaltigkeit  des  Details,  z.  B.  durch  Einführung  aus- 
geplünderter Bauern  und  eines  prahlerischen  Kriegsmannes,  Thraso,  belebte.  Einen 
noch  beliebteren  und  verbreiteteren  Stoff  hatte  sich  Bohemus  in  seinem  Tobias  ge- 
wählt; jedoch  auch  hier  wusste  er  dem  Stoffe  neue  Seiten  abzugewinnen.  Sp.  rühmt 
besonders  die  Zankscene  zwischen  Sara  und  einer  Dienstmagd.32-33)  _ 

Das  Verhältnis  Ayrers  zu  Hans  Sachs  und  den  englischen  Komödianten 
betrachtet  Robertson^*).  Zuerst  vergleicht  er  Ayrers  Bühnentechnik  und  Kunst- 
stil mit  dem  seines  „grossen  Vorgängers";  er  macht  einzelne  zutreffende  Be- 
merkungen über  Ayrers  Weitschweifigkeit,  über  seine  Vorliebe  für  Teufels- 
erscheinungen usw.,  ohne  jedoch  hinlänglich  in  den  Kern  der  Frage  einzudringen. 
Sodann  untersucht  er  der  Reihe  nach  die  Dramen,  in  denen  Ayrer  und  Hans  Sachs 
den  nämlichen  Stoff  bearbeiten,  in  Bezug  auf  die  „Comedia  von  Nicolay,  dem  ver- 
lornen Sohn"  schliesst  er  sich  dem  Urteil  Helbigs  an,  der  schon  früher  dieses 
Stück  mit  der  zu  Grunde  liegenden  Hans  Sachsschen  Comedia  verglichen  hatte. 
Im  Anschluss  an  Ayrers  Theseus  wagt  er  den  sehr  kühnen  Versuch,  die  Grundzüge 
eines  angeblich  von  Hans  Sachs  verfassten  und  angeblich  verloren  gegangenen 
Theseusdramas,  das  angeblich  Ayrer  vorgelegen  habe,  zu  rekonstruieren.  Im  übrigen 
scheint  es,  dass  die  Uebereinstimmungen  in  den  beiderseitigen  Dramen  auf  die  ge- 
meinschaftlichen Quellen  zurückzuführen  sind.  Ueber  Ayrers  Verhältnis  zu  den 
englischen  Komödianten  weiss  der  Vf.  nicht  viel  Neues  vorzubringen;  er  steht 
auf  dem  Standpunkte  Tiecks,  dass  dieser  Einfluss  in  der  ersten  Zeit  von  Ayrers 
Wirksamkeit  als  Dramatiker  noch  nicht  vorhanden  gewesen  sei,  dass  Ayrer  jedoch 
in  späterer  Zeit  die  Gestalt  des  englischen  Narren  auch  in  einige  seiner  früheren 
Dramen  eingeschoben  habe.  Doch  kommt  R.  abweichend  von  Tieck  auf  Grund  der 
neueren  Mitteilungeli  über  die  Wanderzüge  der  englischen  Komödianten  zu  der 
Ansicht,  dass  dieser  englische  Einfluss  1598  begonnen  habe.  Verfehlt  ist  natürlich 
des  Vf.  Bestreben,  Ayrer  als  eigentlichen  Erfinder  des  „Singsspiels"  hinzustellen. ^S)  — 
P ist  1^6)  leg-t  in  einem  knappen  Aufsatze  dar,  dass  Schumanns  „Nachtbüchlein"  die 
einzige  und  unmittelbare  Quelle  für  Ayrers  Singspiel  „Der  Münch  im  Keszkorb" 
bilde;  für  eine  grosse  Zahl  seiner  Fastnacht-  und  Singspiele  habe  Ayrer  die  Stoffe 
in  Kirchhoffs  „Wendunmut"  und  Hans  Sachsschen  Dichtungen  vorgefunden.  — 

Von  Schriften,  die  sich  mit  der  Geschichte  des  Dramas  im  Auslande 
beschäftigen,  kommt  hier  nur  eine  Programmabhandlung  Seiferts^")  in  Betracht, 
welche  die  englischen  „Wit  and  Sciencemoralitäten"  behandelt  und  in  den  Moralitäten 
„Disobedient    Child"    (1550),   „Nice    wanton"    (1560)    und    „Contract  of  a   Marriage 


2.  T.  Progr.  Koblenz.  4«.  24  S.  (S.  u.  IV  8a;  vgl.  auch  JBL.  1892  II  4  :46;  IV  8e :  4.)  -  25)  X  R  Genee,  H.  Sachs  u. 
seine  Zeit:  IllZg.  101,  S.  701/2.  —  26)  O  V.  Kiy,  H.  Sachs.  Sein  Leben  n.  Wirken  zu  dessen  400 j.  Geburtstage  d.  dtsch. 
Volke  geschild.  L..  K.  Scholtze.  IV,  85  S.  M.  0,60.  —  27)  X  (H  1:88;  3:50.)  —  28)  (I  7:56.)  —  29)  W.  Kawerau, 
D.  Dramen  Valten  Voiths :  MagdZgB.  N.  37.  —  30)  X  X  i  d.,  Joach.  Greff  u.  seine  Dramen.  Vortr.  Referat :  GBllMagdeburg.  28, 
S.  443.  —  31)  F.  Spengler,  M.  Bohemus.  Z.  Gesch.  d  älteren  dtsch.  Dramas.  Progr.  d.  Gyran.  Znaim.  21  S.  —  32)  X 
A.  V.  Weilen,  J.  Oeri,  Tob.  Stimmers  Comoedia  (vgl.  JBL.  1891  II  4:14):  ADA.  19,  S.  164.  —  33)  J.  Baeohtold,  Th. 
Odinga,  H.  R.  Manuel,  D.  Weinspiel  (vgl.  JBL.  1892  II  4:25):  DLZ.  S.  203;4.  —  34)  J.  G.  Robe  rtson,  Z.  Kritik  Jak  Ayrers. 
Mit  bes.  Rücksicht  auf  sein  Verhältnis  zu  Hans  Sachs  n.  zu  d.  engl.  Komödianten.  Diss.  L.-Rendnitz  (D.  Schmidt).  1892. 
70  S.  35)  X  0-  N[eumann-J  H[ofer],  Jak.  Ayrer,  Cervantes,  Holberg.  (Ber.  über  e.  v.  d.  königl.  Schauspielern  im 
Neuen  Theater  veranstalt.<hist.  Lustspielabend;  Ayrers  Spiel  „D.  ehrlich  Bäckin  mit  ihren  drei  vermeinten  Liebsten"  wurde 
vom  PremiÄrenpublikum  abgelehnt.)  —  36)  Ed.  Pistl,  Quellen  für  J.  Ayrers  Sing-  u.  Fastnachtspiele:  VLG.  6,  S.  430/2. 
(Vgl.  II 3 :  21.)  —  37)  J.  Se  if  e  r t,  D.  „Wit-  and  Science"-Moralitäten  d.  16.  Jh.  Progr.  d.  dtsch.  Staatsrealsch.  in  Karolinenthal.  (Prag.) 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.       114:88-40  116-.  1-2 

between  Wit  and  Wisdome"  (1579)  Anklänge  an  den  1540  von  Palsgrave  übersetzten 
Acolastus  des  Gnaphaeus  erkennen  will.^»)  — 

Ueber  Studentenauff ührung-en  in  Polen  im  16.  und  17.  Jh.  berichtet 
Windakiewicz39).  Nach  einem  kurzen  Hinweis  auf  die  bekannte  Aufführung-  von 
Lochers  ludicium  Paridis  in  Krakau,  sowie  auf  zVei  Einträge  in  den  städtischen 
Rechnungsbüchern,  aus  denen  hervorgeht,  dass  in  den  J.  1555  und  1569  bei  Gast- 
mählern der  städtischen  Behörden  Komödien  aufgeführt  wurden,  bespricht  der  Vf. 
eine  Reihe  von  hs.  überlieferten  Komödien  teils  geistlichen,  teils  weltlichen  Inhalts, 
deren  Veröffentlichung  er  in  Aussicht  stellt.  Seine  vorläufigen  Mitteilungen  genügen 
indessen  noch  nicht,  um  den  litterarischen  Charakter  der  Stücke  und  ihre  etwaigen 
Beziehungen  zur  deutschen  dramatischen  Litteratur  deutlich  erkennen  zu  lassen.'**')  — 


11,5 

Didaktik. 

Ernst  Jeep. 


[Der  Bericht  über  die  Erscheinungen  des  Jahres  1893  wird  im  fünften  Bande 
nachgeliefert.] 


11,6 

Luther  und  die  Reformation. 

Gustav  Kawerau. 

Gesamtdarstellungen  N.  1.  —  Katholische  Kirche:  Paalus  Arbeiten:  Allgemeines  N.  5;  Einzelnes 
(Joh.  Hoffmeister,  B.  Arnoldi  von  Usingen,  P.  Sylvius,  J.  Fabri  von  Heilbronn,  J.  Mensing,  A.  Pelargus,  B.  Kleindienst, 
M.  Vehe,  K.  Querhamer,  K.  Braun,  M.  Bnchinger)  N.  6.  —  Prierias  N.  20.  -  Wimpina  N.  21.  —  Heliae  N.  22.  —  0.  Nachtgall 
N.  23.  —  Witzel  N.  24.  —  Oldekop  N.  25.  —  P.  Canisins  N.  26.  —  Kardinal  Albrecht  N.  28.  —  Kardinal  M.  Lang  N.  30.  — 
Andere  Prälaten  N.  31.  —  Nuntiatnrberichte  N.  35.  —  J.  Janssen  N.  36.  —  Humanisten  N.  40.  —  Evangelische 
Kirche:  Bibliographie  N.  46.  —  Briefe  N.  48.  —  Luther:  Gesamtauegaben  N.  51.  —  Funde  N.  56.  —  Sprachliches  N.  64. — 
Einzelne  Schriften:  An  den  christlichen  Adel  N.  65:  Von  der  Freiheit  eines  Chrietenmenschen  N.  67;  Tanfliturgie  N.  68;  Be- 
kenntnis vom  Abendmahl  N.  69;  Jakobusbrief  N.  70;  Bibel  N.  71;  Katechismus  N.  75  —  Biographie  N.  91.  —  ültramontane 
Lutherstudien  N.  94.  —  Luthers  Theologie  und  Weltanschauung  N.  99.  —  Einweihung  der  Wittenberger  Schlosskirche  N.  109. 

—  Lutheroratorium  N.  UOa.  —  Reformationsgruppen  und  Sekten:  Die  engeren  und  weiteren  Kreise  der  Wittenberger 
Eeformation:  Melanchthon  N.  112;  Bugenhagen  N.  124;  Justus  Jonas  N.  126;  W.  Linck  N.  130;  F.  Myconius,  M.  Stifel, 
U.  Rhegius,  A.  Osiander  N.  131;  H.  Bonnus  N.  136;  J.  Sinter  N.  140;  P.  Speratus  K.  141;  F.  von  Heydeck  N.  142;  Chph. 
Hegendorf,  G.  Major  N.  143;  Erasmus  Alberus  N.  146;  Veit  Dietrich  N.  148;  J.  Mathesius  N.  149;  A.  Corvinus,  Chph. 
von  der  Strassen,  J.  Stössel,  C.  Spangenberg  N.  152;  L.  Osiander  N.  156;  S.  Sack  N.  157;  V.  Wolfrnm  N.  160.  —  Das 
Snperintendentenamt  N.  161.  —  Der  oberdeutsche  und  schweizerische  Protestantismus  sowie  der  Kalvinismus:  Bntzer  N.  162; 
J.  Otter  N.  165;  Zwingli  N.  166;  Oekolarapadius,  B.  Amerbach,  Pellikanus  N.  169;  S.  Munster  N.  172.  —  Ochino  und  Vergerio  N.  173. 

—  Der  Heidelberger  Katechismus  N.  175.  —  Ungarn  N.  176.  —  Schwarmgeister,  Separatisten  und  Wiedertäufer  N.  177.  — 
Verschiedenes:  Litteratur-,  Sitten-  und  Kulturgeschichtliches  N.  187.  —  Beurteilung  der  Reformation  N.  192.  —  Re- 
formationsfestspiele N.  199.  — 

Von  Gesamtdarstellungen  des  Zeitraumes  der  Reformation  und  Gegen- 
reformation sind  zwei  zu  verzeichnen,  die  als  Teile  kirchengeschichtlicher  Lehrbücher 
erschienen  sind.  Zunächst  der  von  Koffmane')  überarbeitete  und  zum  Abschluss 
gebrachte  Abriss  der  Kirchengeschichte  von  Herzog,  dem  weiland  Erlanger  Professor 
der  reformierten  Theologie.  Hier  findet  in  Teil  II,  S.  1—271  das  Reformationszeit- 
alter (bis  1555)  Behandlung,  von  S.  272—405  schliesst  sich  als  zweite  Periode 
die  Zeit  bis  Mitte  des  17.  Jh.  (englische  Revolution)  an.  Der  Bearbeiter  dieser 
zweiten  Auflage  hat  den  behaglichen,  breiten  Ton  der  Berichterstattung,  die  geringe 
Berücksichtigung  der  politischen  Faktoren,  die  liebevolle  Behandlung  der  Schweizer 
Reformation  als  ebenbürtiger  Schwester  der  lutherischen  im  wesentlichen  beibehalten, 
aber  die  Stoffdisposition  häufig  verbessert,  manches  nachgetragen,  einiges  gekürzt.  Seine 
Revisionsarbeit  ist  durchweg  als  Verbesserung  zu  bezeichnen;  aber  er  wird  auch  em- 
pfunden haben,  wie  misslich  es  ist,  ein  Werk,  das  schon  bei  seinem  ersten  Erscheinen 
ein  altmodisches  Buch  war,  aufzubessern ;  es  bleibt  Flickarbeit.  —  Unter  günstigeren 
Bedingungen  konnte  Kawerau 2)  dem  Möllerschen  Lehrbuch   der  Kirchengeschichte 

1892.  32  S.  (Vgl.  JBL.  1892  II  4 :  21.)  —  38)  X  X  (IH  4:4.)  —  39)  S.  Windakiewicz,  D.  ältesten  Schanspieler- 
truppen  in  Polen:  AnzAkWKrakau.  S.  7/9.  (E.  ausführlichere  Fassung  desselben  Ber.  in  d.  Rozprawy  Akademii  Umiejetnosci. 
Wydzial  fllologiczny  Serya  II,  tom.  III  Ogölnego  zbioru  tom.  XVIII.  w  Krakowie  S.  386-407,  woselbst  über  einige  Stücke  d. 
17.  Jh.  ausführlichere  Mitteilungen  gemacht  werden.)  —  40)  X  (HI  4:25.)  — 

1)  J.  J.  Herzog,  Ahriss  d.  gesamt.  Kirchengesch.  2.  Aufl.  Besorgt  v.  G.  Koffmane.  2.  Bd.  D.  Kirchengesch. 
d.   neueren   Zeit.    (16.-19.  Jh.)    L.,   Besold.    1892.    X,  758  S.    M.  14,00.     |[G.  Kawerau:   ThLZ.  17,   S.  498-502.]|    —   2)  W. 


II  6  :  3-4  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

als  dritten  Band  die  Geschichte  der  Reformation  und  Gegenreformation  hinzufüg-en. 
Möller  hatte  bei  seinem  Tode  keinerlei  druckfertige  Ausarbeitungen  für  diesen  Teil 
hinterlassen  (einen  kleinen  Abschnitt  abgerechnet),  nur  Kollegienhefte  aus  teilweise 
schon  ziemlich  weit  zurückliegenden  Jahren.  Der  Ersatzmann  konnte  also  mit  grosser 
Selbständigkeit  arbeiten.  Der  Stoff  ist  auf  sieben  Abteilungen  verteilt :  1.  die  deutsche 
Reformation  bis  1555,  hier  ist  Zwingiis  Reformation  als  ein  Seitenzweig  hineingearbeitet, 
und  auch  der  Anabaptismus  bis  zur  Katastrophe  in  Münster  als  ein  Einschlag  in  die 
deutsche  Reformationsgeschichte  behandelt,  2.  die  Reformation  ausserhalb  Deutsch- 
lands, hier  tritt  als  das  charakteristisch  Neue  der  Kalvinismus  hervor,  3.  die  Restauration 
des  Katholizismus,  4.  die  Zerklüftung  und  konfessionelle  Abschliessung  des  deutschen 
Protestantismus,  5.  der  Kampf  zwischen  Reformation  und  Gegenreformation,  6.  die 
inneren  Zustände  der  evangelischen  Kirchen,  7.  die  kleineren  akatholischen  Gruppen 
(Waldenser,  Utraquisten  und  Böhmische  Brüder,  Wiedertäufer  seit  1535,  Antitrinitarier 
und  Socinianer,  der  mystische  Spiritualismus).  Es  wäre  weit  leichter  gewesen,  den 
gewaltigen  Stoff  in  breiterer  Ausführung  zu  behandeln;  die  Zwecke  des  Lehrbuches 
erforderten  beständig  ein  kondensierendes  Verfahren.  Doch  hat  der  Vf.  sich  bemüht, 
in  Anmerkungen  und  Citaten  über  die  nächsten  Lehrbuchzwecke  hinaus  einen  Beitrag 
zur  Forschung  zu  bieten.  Dass  ein  holländischer  Recensent  dem  Buche  die  freundlich 
gemeinten  Worte  zum  Geleit  mitgab:  Da  der  Vf.  nicht  Fachmann  sei,  müsse  man  ihm 
nachsehen,  dass  er  nur  aus  sekundärer  Litteratur  schöpfe,  beruhte  doch  wohl  auf 
einer  Verkennung  der  Person,  und  der  Arbeitsweise  des  Vf.  Wenn  Lindsay  rügt, 
dass  die  deutsche  Geschichte  viel  eingehender  behandelt  sei  als  die  ausserdeutsche, 
so  darf  erwidert  werden,  nicht  nur  dass  das  Buch  für  deutsche  Studenten  bestimmt 
.ist,  sondern  auch,  dass  nun  doch  einmal  Deutschland  mit  seinem  Luther  das  Mutter- 
land der  Reformation  geworden  ist.  Von  verschiedenen  Seiten  ist  es  als  ein  Mangel 
bezeichnet  worden,  dass  der  Polemik  gegen  die  ultramontane  Behandlung  der  Refor- 
mation nicht  specielle  Bemühungen  zugewendet  seien;  aber  ist  das  Aufgabe  eines 
„Lehrbuches"  der  Kirchengeschichte?  Ist  es  nicht  genug,  wenn  der  Darsteller  selbst 
diese  Einreden  durchgeprüft  hat  und  seinen  Bericht  in  bewusster  Vergegenwärtigung 
dieser  erstattet,  ausserdem  die  wertvollen  Erzeugnisse  der  Streitlitteratur  in  seinen 
Litteratur  angaben  verzeichnet?  Was  in  freundlicher  Anerkennung  des  Geleisteten  von 
deutschen  Recensenten  hervorgehoben  worden,  ist  von  mir  hier  nicht  zu  wiederholen ; 
die  Mängel  des  Buches  sind  niemand  lebhafter  bewusst  als  dem  Vf.  selbst.  —  Der 
siebente  Band  des  grossen  amerikanischen  Kirchengeschichtswerkes  von  Schafft) 
(gest.  am  20.  Okt.  1893)  behandelt  in  sehr  ausführlicher  und  eine  grosse  Litteraturkenntnis 
bekundender  Darstellung  die  Reformation  der  Schweiz:  Zwingli-Bullinger  (S.  1 — 222), 
Kalvin-Beza  (S.  223 ff.).  Gute  „authentische"  Abbildungen  bieten  einen  unseren  deutschen 
Lehrbüchern  bisher  noch  ungewohnten  Schmuck.  Kapitel  werden  eingeschaltet,  die 
den  Stoff'  der  Vergangenheit  mit  Fragen  und  Interessen  der  Gegenwart  verknüpfen. 
So  giebt  Kalvins  Verhalten  gegen  Servet  Anlass,  über  Toleranz  und  Intoleranz  über- 
haupt zu  handeln.  Bei  Zwingli  ist  ein  Bericht  über  das  Jubiläum  von  1884  an- 
geschlossen. Da  Seh.  aus  Chur  in  Graubünden  stammt,  so  behandelt  er  die  Refor- 
mation seiner  Heimat  mit  einer  sonst  unverständlichen  Ausführlichkeit.  Seine  Be- 
kanntschaft namentlich  mit  deutscher  Litteratur  ist  geradezu  überraschend.  Sein  Urteil 
ist  milde,  weitherzig  vermittelnd,  sein  Wahrheitssinn  widerstrebt  jeder  konfessionell- 
parteilichen Behandlung.  Doch  macht  ihn  das  Bestreben,  Zwingli  möglichst  zu  heben, 
bisweilen  gegen  Luther  ungerecht.  An  manchen  Stellen  tritt  zu  Tage,  dass  seine  Arbeit 
in  den  Grundlinien  aus  älterer  Zeit  stammt,  und  dass  die  Ergebnisse  der  neueren 
Litteratur  nur  hinterher  hineingefügt  sind;  teilweise  sind  diese  aber  überhaupt  nicht 
mehr  nachgetragen:  trotz  der  vollständigen  Litteraturangaben  beruht  die  Erzählung 
dann  nur  auf  den  Ergebnissen  und  Annahmen  älterer  Schriften.  Trotz  solcher  Mängel 
ist  es  als  ein  schwerer  Verlust  für  den  englischen  Protestantismus  in  Nordamerika 
zu  bezeichnen,  dass  der  unermüdliche  Vermittler  der  deutschen  theologischen  Forschung 
nach  Amerika  aus  seiner  Arbeit  abgerufen  ist.  —  1889  war  der  1.  Bd.  der  grossen 
Egelhaafschen*)  Reformationsgeschichte  erschienen;  drei  Jahre  hat  der  arbeitsfreudige 
Vf.  auf  die  Vollendung  verwendet.  Er  behandelt  in  3  Büchern  zunächst  „den  Kampf 
um  das  Recht  der  Reformation"  bis  zum  Nürnberger  Religionsfrieden  1532,  so- 
dann den  gleichen  Kampf  bis  zum  Ende  des  schmalkaldischen  Krieges  1547,  endlich 
„den  Triumph  der  Reformation  über  Karl  V."  bis  1555.  Schon  diese  Aufschriften 
bekunden,    dass    der  Historiker   mit  warmer  Ueberzeugung   auf  der  Seite  der  Refor- 


Möller,  LehrbDch  d.  Eirchengesch.  3.  Bd.  Reformation  n  Gegenreformation.  Unter  Benutz,  d.  Nachlasses  v.  W.  M.  bearb. 
.V.  G.  Kawerau.  Freiburg  i.  B.,  Mohr.  XVI,  440  S.  M.  10,00.  |[0.  Z 6 ekler:  ThLBl.  15,  S.  241/4;  F.  Loofs:  ThLZ.  19, 
8.490/4;  T.  M.  Lindsay:  CrEPhThL.  5,  S.  57/8 ;  K.  Benrath:  DLZ.  1892,  S.  1385/7.]|  —  3)  Ph.  Schaff,  Hist.  of  the  Christian 
church.  Vol.  VII.  Modern  christianity.  The  Swiss  reformation.  New-York,  Scribner's  Sons.  1892.  XVII,  890  S.  Doli.  4,00. 
|[G.  Kawerau:  ThLZ.  18,  S.  .592/4.11  (Vgl.  II 1  :  6a.)  ~  4)  G.  Egelhaaf,  Dtscli.  Gesch.  im  16.  Jh.  bis  z.  Angsb.  Religionsfrieden  (Zeit- 
alter d.  Reformation).    2.  Bd.    1526-55.    (=  Bibl.  dtsch.  Gesch.)    St.,  Cotta.    1892.   VIII,  624  S.  M.  8,00.   |[A.  Wrede:  HZ. 69, 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  5-8 

mation  steht.  Und  die  Darstellung-  selbst  zeigt  ihre  evangelischen  Sympathien  und 
auch  theologischen  Interessen  lebhafter  als  die  treffliche  Bezoldsche  Reformations- 
geschichte in  Onckens  grossem  Sammelwerk.  Die  politische  Geschichte  beherrscht 
Bezold  gleichmässiger  und  sicherer  als  E. ;  zwar  bringt  dieser  auch  eigene  archiva- 
lisclie  Studien  mit,  die  er  besonders  im  Staatsarchiv  zu  Stuttgart  angestellt  hat,  und 
man  wird  ihm  nicht  verarg-en,  dass  er  seine  besonderen  Studien  ausgiebig  in  die 
Darstellung  hineinarbeitet.  Aber  eine  gewisse  Ungleichmässig-keit  ist  damit  zugleich 
gegeben.  Besonders  dankenswert  ist  die  (S.  143  ff.)  in  der  Geschichte  des  Augsburger 
Reichstages  ziemlich  ausführlich  reproduzierte  Schrift  „der  evangelischen  Stände 
Schrift  wider  den  Papst  und  seinen  Anhang",  eine  wohl  aus  einer  der  oberdeutschen 
Städte  stammende,  an  den  Kaiser  g-erichtete  Konfessionsschrift,  die  aber  nicht  zur 
offiziellen  Uebergabe  gelangt  isi.  Sie  redet  eine  viel  kräftigere  Sprache  als  die  diplo- 
matisch vorsichtige  „Leisetreterin",  die  Augsburger  Konfession.  Freilich  kann  man 
fragen,  ob  nicht  das  Ebenmass  der  Darstellung  unter  so  ausführlicher  Mitteilung  von 
Auszügen  leide,  wie  denn  dem  Vf.  in  Bezug  auf  den  ersten  Band  nicht  mit  Unrecht 
vorgehalten  ist,  dass  er  mehr  ein  Nebeneinander  von  Auszügen  als  einheitliche  Durch- 
dringung des  Stoffes  biete.  Während  Bezold  zu  allgemeinem  Bedauern  alle  Quellen- 
nachweisungen unterlassen  hat,  hat  E.  nicht  nur  ziemlich  umfängliche  Angaben  be- 
sonders über  neuere  und  neueste  Litteratur  angefügt,  sondern  auch  da,  wo  er  auf 
direkte  Quellenaussagen  Bezug  nimmt,  dies  angemerkt.  Zahlreiche  Nachträge  und 
Berichtigungen    (auch  zum  ersten  Bande)  bilden  den  Beschluss.  — 

Wenden  wii^  uns  nunmehr  zunächst  den  Schriften  über  die  katholische 
Kirche  im  Reformationszeitalter  zu,  soweit  sie  litteraturgeschichtliches  Interesse  haben, 
so  dürfen  wir  zuvörderst  der  Freude  darüber  Ausdruck  geben,  dass  sich  jetzt  ein 
katholischer  Theologe  gefunden  hat,  der  mit  vollem  Eifer,  energischen  Studien,  er- 
staunlicher Arbeitskraft  und  auch  anerkennenswertem  Streben  nach  Objektivität,  soweit 
Janssensche  Geschichtsbetrachtung  ihn  nicht  in  ihrem  Banne  hält,  sich  daran  macht, 
die  bisher  von  der  katholischen  Forschung  arg  vernachlässigten  katholischen  Schrift- 
steller des  16.  Jh.  bio-  und  bibliographisch  in  volles  Tageslicht  zu  rücken, 
manchen  derselben  überhaupt  erst  wieder  zu  entdecken.  Es  ist  das  der  Elsässer 
Paul  US  5),  jetzt  Curatus  in  München.  H.  Weber  erteilt  ihm  das  charakteristische  Lob, 
er  sei  „ein  Ammanuensis  [so!j,  wie  Janssen  deren  ein  Dutzend  hätte  wünschen  müssen" 
(Kath.  732,  S.  187).  Seine  Stellung  muss  P.  die  schönste  litterarische  Müsse  gewähren, 
sonst  könnte  er  die  Arbeiten  nicht  bewältigen,  die  er  alljährlich  ausgehen  lässt.  Die 
Münchener'  Bibliotheken  bieten  ihm  die  wohl  reichsten  Sammlungen  an  katholischer 
Litteratur  der  Reformationszeit;  aber  er  hat  auch  seine  Forschungen  weit  über  diese 
ihm  nächstliegenden  Fundstätten  ausgedehnt  und  verfügt  jetzt  auch  über  eine  vor- 
zügliche Vertrautheit  mit  der  weitschichtigen  Litteratur  über  dieses  Zeitalter.  Hoffent- 
lich sammelt  und  verarbeitet  er  später  einmal  seine  jetzt  meist  in  verschiedenen 
katholischen  Zeitschriften  niedergelegten  Aufsätze  zu  einer  grossen  Geschichte  der 
katholischen  Litteratur  in  Deutschland  während  der  Reformation.  Nachdem  Falk 
(Kath.  71^  S.  440  ff'.)  ein  allgemeines  mehr  als  100  Namen  zählendes  Register 
von  katholischen  Schriftstellern  jener  Zeit  veröffentlicht  hatte,  kündigte  P.  (Kath.  72^, 
S.  124)  einen  „Nachtrag"  von  mehr  als  60  Namen  an;  als  er  diesen  dann  erscheinen 
liess,  war  er  schon  auf  122  Namen  angewachsen,  wozu  er  dann  selber  abermals 
eine  Nachlese  von  noch  39  Namen  lieferte:  nur  von  Männern,  die  in  Gegenden 
deutscher  Zunge  vor  Abschluss  des  Tridentiner  Konzils  (1563)  gegen  die  Reformation 
schriftlich  aufgetreten  waren.  Freilich  monierte  A.  Weber,  man  solle  doch  nicht 
Männer,  von  denen  etwa  Predigten  aus  den  ersten  Jahrzehnten  der  Reformation  hs. 
erhalten  sind,  als  „Schriftsteller"  aufzählen.  Dieser  Einwand  trifft  allerdings  etliche 
Nummern  in  P.s  überraschend  reichhaltigen  Verzeichnissen,  z.  B.  N.  1,  9,  65,  72, 
doch  leuchtet  unter  allen  Umständen  der  Wert  einer  solchen  Zusammenstellimg  ein, 
und  die  Mühe,  die  darauf  verwendet  ist,  verdient  alle  Anerkennung.  — 

Um  auf  seine  Einzelarbeit  zu  kommen,  so  hat  schon  die  1891  erschienene  gehalt- 
volle, aber  auch  Widerspruch  herausfordernde  Biographie  des  Augustiners  Joh,  Hoff- 
meister Paulus''"'^)  veranlasst,  besonders  wegen  der  Einwendungen,  die  Bosser t^)  er- 
hoben, und  wegen  der  Entschiedenheit,  mit  der  dieser  die  protestantischen  Berichte  über 
das  verzweiflungsvolle  Ende  des  katholischen  Theologen  als  geschichtlich  voll  beglaubigte 
Wahrheit  festhielt  und  auch  in  populärer  Bearbeitung  dem  evangelischen  Volke  aufs 
neue  vor  Augen  führte,  zu  antworten.    Er  beruft  sich  hier  unter  Beibringung  mannig- 


S.  95/7  (aber  Bd.  I.)]|  (Vgl.  JBL.  1892  U  1:2.)  —  5)  N.  Paulus,  Kath.  Schriftsteller  aus  d.  Reformationszeit.  Naohtr.: 
Kath.  72',  S.  544-64;  73^,  S.  213-23.  I[A.  Weber:  HPBll.  110,  S.  781.]|  —  6)  id.,  Joh.  Hoffmeister.  E.  Lebensbild  aus  d. 
Reformationszeit.  Freiburg i.  B.,  Herder.  1892.  XX, 444  S.  M.  4,00.  |[0.  Kawerau:  ThLZ.  17,  S.  97-101;  Th.  Kolde:  ÖGA.  S.  87-94; 
G.Bossert:  ThLBl.  13,  S.  386-90;  A.  Bellesheim:  HPBll.  109,  S.  269-77;  L.  Pastor:  HJb.  14,  S.  628-30.]|  (Dazu  auch  id.: 
HJb.  14,  S.  524/5.)  —  7)  id.,  Joh.  Hoffmeister  in  Protestant.  Beleuchtung:  HPBll.  111,  S.  589-609.  —  8)  G.  Bessert,  E. 
dtsch.  Fr.  Spiera  [Augnstinerprovinzial  Joh.  HoffmeisterJ:   ChrW.  6,   S.  673/8,  699-703.     (Auch  erschienen  in  FFFGAV.  N.  165. 


ll  6  :  9-i2  (jt.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

facher  Zeug-nisse  auf  die  in  der  Reformationszeit  in  Deutschland  g-rassierende  Ver- 
leumdung-ssucht,  die  er  doch  recht  einseitig'  für  eine  protestantische  Specialität  aus- 
g-eben  möchte,  und  g-ewährt  eine  interessante  Zusammenstellung"  von  protestantischen 
Berichten  über  den  schrecklichen  Tod  kirchlicher  Geg-ner  (Katholiken,  Zwing-lianer, 
Schwärmer),  um  auf  diesem  Weg'e  den  Berichten  über  Joh.  Hoffmeisters  Tod'von 
vornherein  die  Glaubwürdig-keit  zu  nehmen.  Methodisch  wichtig-er  wäre  doch  wohl 
die  Untersuchung",  ob  die  zahlreichen  Hinweisung-en  auf  sein  Ende  in  Verzweiflung 
ersichtlich  alle  auf  dieselbe  Quelle  zurückführen,  oder  ob  von  einander  unabhäng"ig"e 
Zeugnisse  vorliegen.  Mit  dem  Radikalmittel  „protestantische  Verleumdungssucht" 
hat  er  auch  schon  alles  Nachteilige,  was  uns  über  den  Lebenswandel  Hoffmeisters 
überliefert  ist,  für  apokryph  erklärt  —  um  so  unbegreiflicher  erscheint  ihm  hier 
ein  so  qualvolles  Ende.  Ein  sicheres  Urteil  wird  schwer  zu  gewinnen  sein;  doch 
will  ich  nicht  verschweigen,  dass  ich  den  „Zeugnissen"  skeptischer  gegenüber 
stehe  als  Bossert.  —  Diese  Kontroverse  zwischen  Bossert  und  Paulus  hat  Ma- 
junke^)  veranlasst,  sich  auch  zur  Sache  vernehmen  zu  lassen.  Er  will  unter- 
suchen ,  wie  katholische  Autoren  über  den  Tod  ihrer  protestantischen  Gegner 
geurteilt  haben,  und  meint  konstatieren  zu  können,  dass  von  jenen  nur  (?)  über 
Luthers  Tod  böse  Originalnachrichten  in  Kurs  gesetzt  seien.  Als  eine  höchst 
„interessante  Thatsache"  hat  er  ausserdem  entdeckt,  dass  zwischen  1546 — 60  alljähr- 
lich mindestens  Ein  bekannter  „Reformator"  —  gestorben  ist.  —  Dem  Buch  über 
den  Augustinerpro vinzial  Hoffmeister  Hess  Paulus'")  dann  gleichfalls  in  selbständiger 
Schrift  eine  Biographie  des  Augustiners  Bartholomäus  Arnoldi  von  Usingen, 
des  Lehrers  später  Gegners  Luthers  in  Erfurt,  folgen.  Bei  grosser  Belesenheit,  die 
auch  in  dieser  Schrift  viel  Material  zusammenträgt  und  manche  Belehrung  bietet, 
zeigen  sich  doch  auch  Spuren  zu  eiliger  Arbeit  (vgl.  die  Anzeige  von  G.  Kawerau). 
Und  in  der  Zeichnung  des  Kampfes  zwischen  Usingen  und  den  Erfurter  Prädikanten 
stört  denn  doch  die  Voreingenommenheit  für  seinen  Helden.  —  Neben  den  Augustinern 

—  auch  über  Staupitz  besitzen  wir  bereits  eine  Arbeit  von  ihm  (vgl.  JBL.  189 1  H  6  :  64) 

—  hat  Paul  US  1')  die  Dominikaner  unter  Luthers  litterarischen  Gegnern  in  Arbeit 
genommen.  So  den  Petrus  Sylvius,  über  den  wir  bereits  eine  gelehrte  Studie  von 
Seidemann  (in  Schnorrs  Arch.  für  Litt.-Gesch.  4,  S.  177  ff. ;  5,  S.  6  ff.,  287)  besassen. 
Dieser,  geboren  um  1470  zu  Forst  in  der  Niederlausitz,  trat  als  Leipziger  Magister 
1508  in  das  dortige  Dominikanerkloster,  bemühte  sich  alaer  schon  bald  um  Dispens 
von  der  klösterlichen  Observanz;  zu  diesem  Zwecke  reiste  er  1513  selber  nach  Rom; 
1514  erhielt  er  Dispens.  1524  begegnen  wir  ihm  als  Prediger  in  Kronschwitz  bei 
Weida;  in  demselben  Jahre  wird  er  Pfarrer  in  Weida,  1525  in  Lohmabei  Schmollen. 
Aber  von  hier  flüchtet  er  im  Bauernkriege  nach  Dresden,  wo  er  auf  eigene  Kosten 
den  Druck  seiner  Streitschriften  gegen  Luther  beginnt,  die  er  aber  „mehr  vergeben 
als  verkaufen"  muss.  Schon  seit  Beginn  der  20er  Jahre  hat  er  25  deutsche  Traktate 
gegen  Luther  geschrieben,  ja  noch  früher  zur  Feder  gegriffen,  aber  der  Druck  ist 
ihm  nicht  gestattet  gewesen.  Nun  schüttet  er  sie  Jahr  für  Jahr  auf  den  Büchermarkt 
aus  —  aber  der  Biograph  kommt  zu  keiner  rechten  Freude  an  diesen  Erzeugnissen: 
In  der  Polemik  masslos,  in  ihren  Anklagen  übertrieben,  dogmatisch  oberflächlich,  in 
mangelhafter  Sprache,  so  muss  'die  Censur  lauten.  Sylvius  verdanken  wir  ja  die  schöne 
Nachricht,  dass  Luthers  Mutter,  als  sie  noch  in  Eisleben  in  einer  Badestube  diente, 
nachts  oft  Besuche  des  in  Gestalt  eines  schönen  Jünglings  in  roten  Kleidern  ihr  er- 
scheinenden Teufels  empfing,  der  ihr  unter  der  Bedingung,  dass  sie  nicht  mehr  beichten 
sollte,  den  wohlhabenden  Kaufmann  (!)  Luder  als  Freier  besorgte.  Zu  Pfingsten 
hielten  beide  Hochzeit,  aber  vor  Martini  schon  gebar  sie  ihren  Sohn  Martin,  so  dass 
klar  zu  erkennen  ist,  dass  er  einen  Inkubus  zum  Vater  gehabt  hat;  er  ist  „durch 
Wirkung  des  bösen  Geistes  empfangen  und  geboren".  Ob  diese  Mär  auch  Frucht 
der  grassierenden  „protestantischen  Verleumdungssucht"  war?  Sylvius  unternahm 
auch  eine  unvollendet  gebliebene  Ausgabe  der  Predig^ten  des  Augustiners  Andr. 
Proles.  1528  ist  er  Kaplan  in  Rochlitz;  1536  hören  die  sicheren  Nachrichten  über  ihn 
auf.  —  Einen  anderen  Dominikaner  lehrt  uns  Paulus  *2)in  seinem  Aufsatz  über  Johann 
Fabri  aus  Heilbronn  genauer  kennen.  Es  ist  ein  Anlass  fortwährender  Verwechs- 
lungen, dass  uns  in  den  Reformationsjahren  drei  Johann  Faber  (oder  Fabri)  in  Süd- 
deutschland begegnen :  Joh.  Fabri  (Heigerlin)  aus  Leutkirch,  der  Konstanzer  General- 
vikar, nachmals  Bischof  von  Wien,  sodann  der  Augsburger  Dominikaner,  Beichtvater 
Maximilians  L,  und  der  Heilbronner.  Letzterer  —  geboren  1504  in  Heilbronn,  in 
Wimpfen   um  1520   Dominikaner   geworden,    1534  Domprediger   in   Augsburg,   dann 


Barmen,  Klein.  32  S.  M.  0,10.)  —  9)  P.  Majunke,  Seitensttlclc  z.  Joh.  Hoffmeister  in  Protestant.  Beleuchtung  (1546-60): 
HPBII.  111,  S.  840/8.  —  10)  N.  Paulus,  D.  Augustiner  Barthol.  Arnoldi  v.  Usingen,  Luthers  Lehrer  u.  Gegner.  (=  Strassb. 
theol.  Studien,  her.  v.  A.  Ehrhard  u.  E.  Maller.  Bd.  1,  Heft  3.)  Freiburg  i.  B.,  Herder.  XVI,  136  S.  M.  1,80.  |[H. 
Weber:  Kath.  73^  S.  187/9;  A.  Beilesheim:  HPBll.  112,  S.  301/4;  G.  Kawerau:  ThLZ.  19,  S.  113/5.]|  —  11)  id.,  Petrus 
Sylvius.    E.  kath.  Schriftsteller  d.  Reformutionszeit:  Kath.  73',  S.  49-67.  —  12)  id.,  Joh.  Fabri  v.  Ileilbronn:  ib.  72',  S.  17-35, 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  13-14 

wieder  zum  Studium  in  Köln,  darauf  als  Prediger  in  Wimpfen,  Kolmar,  Freiburg  i.  Br., 
Schlettstadt,  bis  ihn  Otto  Truchsess  abermals  als  Dompredig'er  nach  Augsburg  zog, 
schliesslich  in  Ingolstadt,  wo  er  unter  Canisius  die  theologische  Doktorwürde  er- 
langt, gestorben  1558  —  gehört  zu  den  katholischen  Asketikern  und  Polemikern  der 
Periode  der  ihr  Haupt  erhebenden  Gegenreformation.  Ein  Katechismus,  ein  Beicht- 
büchlein, ein  Gebetbuch  kennzeichnen  seine  Thätigkeit  als  Volks-  und  Erbauungs- 
schriftsteller. In  polemischer  Thätigkeit  finden  wir  ihn  besonders  seit  1550 :  er  be- 
kämpft den  Schriftgebrauch  der  Evangelischen,  die  Lehre  der  Wiedertäufer  über 
Kindertaufe,  Eid  und  Obrigkeit;  er  streitet  mit  Flacius  über  den  römischen  Aufent- 
halt des  Petrus  und  über  die  Echtheit  des  Briefes  des  heil.  Ulrich  von  Augsburg  an 
Nicolaus  I.  Als  Mameranus  1552  gegen  die  Evangelischen  Anklage  erhob  wegen  der 
Grausamkeit  ihrer  Kriegführung  und  die  ganze  Sache  der  Reformation  als  Rebellion 
angriff,  richtete  Flacius  seine  Gegenschrift  an  die  Adresse  Fabris,  doch  wohl  nicht, 
wie  P.  meint,  um  die  Schrift,  gegen  die  er  schrieb,  von  vornherein  als  „Mönchs"- 
Schrift  herunterzusetzen,  sondern  weil  eben  Fabri  eine  Schrift  gegen  ihn  mit  einem 
Vorwort  des  Mameranus  hatte  ausgehen  lassen  und  Flacius  daher  auch  hier  Mame- 
ranus nicht  für  den  eigentlichen  Vf.  hielt.  Dass  Fabris  Polemik  gelegentlich  sehr 
derb  werden  konnte,  hebt  P.  gebührend  hervor.  Befremden  muss  es  erregen,  dass 
der  so  verständige  Vf.  sich  (S.  121)  zu  dem  Satz  versteigt:  ,,Wenn  Fabri  den  bayerischen 
Herzog  zur  Unduldsamkeit  aufforderte,  so  folgte  er  nur  dem  Beispiel  der  neugläubigen 
Prediger."  Da  ist  der  Eifer  für  Herstellung  der  Glaub enseinheit  wohl  gar  erst  auf 
dem  Boden  der  Reformation  gewachsen  und  katholischerseits  nur  Nachahmung?  Ueber- 
sehen  ist  ausserdem,  wieviel  Fabri  in  seinem  Katechismus  von  Luther  abgeschrieben  hat. 
—  Einen  Dominikaner  des  Magdeburger  Konvents  führt  uns  Paulus  ^^^  j^  seinem  Johann 
Mensing  vor.  Unter  dem  Namen  Joh.  Hemici  findet  er  sich  15i5  im  Wittenberger 
Album.  Unter  Karlstadt  promoviert  er  1517  zum  Licentiaten,  geht  aber  dann  nach 
Frankfurt  a.  O.,  wo  er  unter  Wimpina  bald  nach  Tetzel  den  theologischen  Doktorhut 
erwirbt.  Wieder  in  sein  Magdeburger  Kloster  zurückgekehrt,  beginnt  er  seit  1523 
sich  an  dem  kirchlichen  Kampf  litterarisch  zu  beteiligen,  muss  aber  schon  im  nächsten 
Jahre  die  Stadt  verlassen.  Durch  Vermittlung  des  nachmals  evangelisch  gewordenen 
Fürsten  Georg  von  Anhalt  wird  er  Hofprediger  in  Dessau,  von  welchem  Orte  aus 
er  die  litterarische  Fehde,  besonders  gegen  die  Magdeburger  Fritzhans  und  Amsdorf, 
fortsetzt.  1529  wird  er  Professor  und  Prediger  in  Frankfurt.  Auf  dem  Augsburger 
Reichstage  veröffentlicht  er  mit  Wimpina  u.a.  die  Gegenschrift  gegen  Luthers  Schwabacher 
Artikel  —  dass  diese  in  der  Erlanger  Ausgabe  (24,  S.  345 ff.)  neugedruckt  worden  ist, 
scheint  P.  entgangen  zu  sein;  er  arbeitet  an  der  Confutatio  mit  und  lässt  hernach 
noch  1533  und  1535  seine  „Antapologie"  ausgehen  (über  diese  vgl.  auch  meine  Be- 
merkungen in  GGA.  1891,  S.  901/2).  Inzwischen  häufen  sich  allerlei  Ehren  auf  sein 
Haupt:  er  wird  1534  Provinzial  der  sächsischen  Provinz  der  Dominikaner,  dann  auch 
1539  Weihbischof  von  Halberstadt.  Auf  einer  Romreise,  die  er  1538  unternimmt,  — 
dass  ihn  Kardinal  Albrecht  damals  als  einen  seiner  Oratoren  aufs  Konzil  zu  Vicenza 
geschickt  hatte,  lehren  uns  jetzt  die  Nuntiaturberichte  (3,  S.  182)  —  macht  er  mit 
Aleander  eine  böse  Erfahrung;  dieser  verspricht  ihm,  lateinische  Schriften  von  ihm 
in  Venedig  zum  Drucke  zu  befördern:  Mensing  giebt  ihm  sein  Ms.,  —  aber  dann 
lässt  Aleander  nichts  mehr  von  sich  hören,  und  auf  seine  Anfrage  erhält  der  bitter 
enttäuschte  Vf.  nur  den  leidigen  Bescheid,  das  Ms.  sei  nicht  wieder  aufzufinden. 
In  Worms  erscheint  er  1540  zum  Religionsgespräch;  während  der  nachfolgenden 
Regensburger  Verhandlungen  trifft  ihn  ein  Schlaganfall,  —  seitdem  hören  die  Nach- 
richten über  ihn  auf.  —  Ein  weniger  bekanntes  schriftstellerndes  Glied  desselben 
Ordens  führt  uns  ein  anderer  Aufsatz  von  Paulus'*)  vor:  Ambrosius  Pelargus 
(Storch).  Geboren  1493  in  Nidda,  tritt  er  in  Frankfurt  a.  M.  in  den  Predigerorden, 
studiert  1519  in  Heidelberg,  ist  ein  Freund  seines  Ordensgenossen  Joh.  Dietenberger. 
Er  wird  hernach  Prediger  in  Basel,  gerät  hier  1527  und  28  in  litterarische  Fehde 
mit  Oekolampad,  infolge  deren  er  Jan.  1529  nach  Freiburg  i.  Br.  flüchtet.  Lehrreiche 
Mitteilungen  erhalten  wir  aus  seiner  Schrift  gegen  Johann  Brenz,  gegen  den  er  den 
Satz  verficht,  auch  falsche  Lehre  sei  als  Verbrechen  von  der  Obrigkeit  zu  strafen, 
und  die  Meinung  bekämpft,  dass  Unglaube  und  Ketzerei  die  Obrigkeit  nichts  angehe. 
Nach  anfänglicher  Freundschaft  mit  Erasmus  in  Fi^eiburg  verdirbt  er  es  bald  und 
zu  wiederholten  Malen  mit  dem  reizbaren  und  empfindlichen  Gelehrten.  1533  siedelt 
er  als  Universitätsprofessor  und  Domprediger  nach  Trier  über.  Auch  er  nimmt  teil 
an  dem  Wormser  Gespräch  1540  und  den  Regensburger  Verhandlungen  1546.  Als 
Prokurator  des  Erzbischofs  von  Trier  zieht  er  dann  nach  Trient,  siedelt  mit  dem 
Konzil  nach  Bologna  über,  wird  aber  bald  abberufen,  um  dem  Erzbischof  auf  den 
Augsburger  Reichstag  zu  folgen.     1551  erscheint   er   abermals  in  Trient;    noch    1561 


108-27.   —    13)  id.,   Joh.  Mensing,   e.  Dominikaner   d.  16.  Jh.:   ib.  73^   S.  21-33,    120-39.    -   14)    id.,    Ambros.  Pelargus.     E. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrge schichte.    IV.  '^{^) 


II  6:  15-19  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

wirkt  er  mit  bei  der  Aufnahme  der  Jesuiten  an  der  Trierer  Hochschule.  Litterarisch 
hat  er  sich  noch  durch  eine  lateinische  Uebersetzung-  der  Liturgia  Chrysostomi  1541 
bekannt  gemacht.  —  Noch  weniger  wusste  man  wohl  bisher  von  dem  Dominikaner 
Bartholomäus  Kleindienst,  den  Paulus'^)  gleichfalls  der  Vergessenheit  entriss. 
Ein  Annaberger  von  Geburt,  Sohn  eines  bei  Beginn  der  Reformation  sich  verheiratenden 
Klausners,  studiert  er  in  Leipzig,  gerät  aber  dort  durch  seine  vom  Vater  über- 
kommene zwinglianische  Abendmahlslehre  in  Verdriesslichkeiten.  So  fällt  er  einem 
jungen  katholischen  Hofmeister  in  die  Hände,  der  einen  Konversionsversuch  mit 
ihm  macht;  der  Erfurter  Franziskaner  Konrad  Kling  vollendet  die  Konversionsarbeit 
an  ihm.  Dem  kaiserlichen  Beichtvater  Pedro  Soto  empfohlen,  studiert  er  nun  mit 
dessen  kräftiger  Fürsprache  in  Löwen,  wird  nach  Dillingen  ans  Seminar  berufen, 
tritt  in  Augsburg  in  den  Dominikanerorden  und  wird  nach  weiterer  Ausbildung  in 
Bologna  durch  Otto  Truchsess  theologischer  Professor  in  Dillingen,  dann  General vikar 
der  oberdeutschen  Kongregation  der  Dominikaner-Konventualen.  Auf  der  Heimreise 
von  einer  Romfahrt,  auf  der  er  die  Gründung  eines  Generalstudiums  der  Dominikaner 
an  der  Universität  Freiburg  betrieben,  stirbt  er  1560  in  Wien.  Oefters  gedruckt 
wufde  seine  Schrift  „Ein  recht  catholisch  vnd  evangelisch  Ermahnung  an  seine 
lieben  Teutschen"  (1560),  in  der  er  als  Hauptgegenmittel  gegen  die  Glaubensneuerung 
eine  kurze  volkstümliche  Reformationsgeschiohte  empfiehlt:  „Die  ganze  50jährige 
Tragödie  samt  den  vielfältig-en  arglistigen  Praktiken  des  Teufels"  reimweise  zu  lesen, 
zu  singen  oder  zu  agieren  kurzweilig.  —  Zwei  andere  Aufsätze  von  P  a  ul  us  ^^"^''j 
sind  den  Hallensern  Michael  Vehe  und  Kaspar  Querhamer  gewidmet.  Ersterer, 
geboren  in  Biberach,  Dominikaner  in  Wimpfen,  in  Heidelberg  1506  Student,  1513 
Dr.  theol.  und  1515  Regens  der  Ordensschule,  kurz  vor  1530  aber  Rat  Albrechts  von 
Mainz  und  Propst  des  Neuen  Stifts  in  Halle,  wird  in  der  Reformationsgeschichte 
thätig  als  Teilnehmer  am  Augsburger  Reichstag  1530  und  am  Religionsgespräch  im 
Leipziger  Dominikanerkloster  mit  Melanchthon.  Bekannt  ist  er  unter  uns  durch  sein 
von  Hoffmann  von  Fallersleben  wieder  herausgegebenes  Gesangbuch  von  1537.  P. 
legt  mancherlei  Mitteilungen  aus  seinen  Schriften  vor,  weist  u.  a.  auch  eine  unge- 
druckt gebliebene  Gegenschrift  gegen  Melanchthons  Apologie  nach.  Man  wünschte 
nur,  der  Vf.  hätte  deutlicher  erkennen  lassen,  in  welchem  Masse  ihm  für  diesen  Auf- 
satz der  Fleiss  Hoffmanns  von  Fallersieben  bereits  vorgearbeitet  hatte.  Neben  Vehes 
Bild  tritt  das  des  Halleschen  Bürgermeisters  Querhamer,  eines  der  Liederdichter,  die 
für  Vehes  Gesangbuch  die  Lieder  lieferten.  Anfangs  gefielen  dem  ehrenfesten  Manne 
Luthers  Schriften  wohl;  dann  stiess  er  sich  an  Luthers  „Hoffarth  und  Stolz",  und  er 
bemerkte  nun  „Widersprüche"  in  jenen  Schriften,  gegen  die  er  daher  1533  und  35 
in  zwei  Gegenschriften  auftrat.  In  diesen  offenbart  er  sich  als  einer  jener  grosse 
innerkirchliche  Reformen  begehrenden  und  erhoffenden  katholischen  Idealisten;  er 
schilt  auf  die  träg-en,  verweltlichten  Prälaten,  fordert  Herstellung  einer  deutschen 
Bibel  durch  eine  von  den  Bischöfen  autorisierte  Gelehrtenkommission ;  denn  jedermann 
wolle  die  heil.  Schrift  lesen.  P.  hätte  darauf  hinweisen  können,  dass  sich  hier  bei 
Querhamer  sehr  deutlich  der  Einfluss  der  Schriften  G.  Witzeis  zeigt.  Interessant  sind 
auch  seine  Klagen  über  die  Schwierigkeit,  für  katholische  Schriften  Drucker  und  Ver- 
leger zu  finden.  Als  Joh.  Friedrichs  Truppen  1547  Halle  besetzten,  wurde  der  Führer 
der  katholischen  Partei  schändlich  gemisshandelt.  Aber  keine  Gewalt,  auch  nicht 
der  Uebertritt  seines  Sohnes  zur  evangelischen  Kirche  vermochte  den  charakterfesten 
Mann  zu  einer  Aenderung  seiner  Ueberzeugungen  zu  führen.  Er  starb  1557.  —  Einen 
in  der  Wolle  gefärbten  Verfechter  der  Papstherrschaft  und  rücksichtslosen  Ketzer- 
feind behandelt  Paulus*^)  in  seinem  besonders  gehaltvollen  Aufsatz  über  Konrad 
Braun.  Dieser,  ein  Schwabe  aus  Kirchheim  am  Neckar,  geboren  1491,  wird  1521 
Professor  der  Rechte  in  Tübingen,  1526  Kanzler  des  Würzburger  Bischofs,  1533  Bei- 
sitzer des  Reiohskammerg-erichts  in  Speier.  Nach  kurzer  Unterbrechung  ist  er  hier 
wieder  seit  1536  thätig  und  wird  hier  1540  Direktor  der  Kanzlei.  Er  veröffentlicht 
1537  eine  kleine  geschichtliche  Arbeit  über  diesen  Gerichtshof,  arbeitet  auch  1548  an  der 
neuen  Kammergerichtsordnung  mit.  Vor  allem  aber  vertritt  er  nun  litterarisch  die 
katholischen  Interessen  in  seinem  Aufsehen  erregenden  ,, Gespräch  vom  Nürnberger 
Friedstand"  1539  (abgedruckt  bei  Hortleder).  Er  plaidiert  hier  für  eine  möglichst 
enge,  d.  h.  den  Evangelischen  ungünstige  Interpretation  des  „Stillstandes",  beschuldig-t 
die  Protestanten  der  Rechtsverletzungen  den  Katholischen  gegenüber,  für  die  sie  sich 
stets  auf  ihr  „Gewissen"  beriefen,  und  erklärt  die  Abmachungen  des  Erzbischofs 
von  Lund  zur  Herstellung  eines  friedlichen  Modus  vivendi  im  Reich  für  unverbindlich 
für  die  Judikatur  des  Kammergerichts.    Ebenso  tritt  er   der  kaiserlichen   Religions- 

DominilcaneT  d.  Keforniationszeit:  HPBll.  110,  S.  1-13,  81-96.  —  15)  id.,  D.  Dominikaner  Bartholomäus  Eleindienst.  E. 
Konvertit  aus  d.  Reformationszeit:  ib.  109,  S.  485-502.  —  16)  id.,  Michael  Vehe.  D.  Herausgeber  d.  ersten  deutschen 
katholischen  Gesangbuches:  ib.  110,  S.  469-89.  —  17)  id.,  Kasp.  Querhamer.  E.  kath.  Börgermeister  ans  d.  Reforinationszeit: 
ib.  112,  S,  22-37.   —   18)  id.,  K.  Braun.    E.  kath.  Rechtsgelehrter  des  16.  Jh.:  HJb.  14,  S.  517-48.    -    19)  id.,  M.  Buchinger. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  -.  20-22 

g-espräch  -  Politik  entg-egen:  nur  ein  Konzil  habe  hier  zu  entscheiden.  Gegen 
dieses  „aufrührerische  Mordbüchlein"  schreibt  Butzer  unter  den  Pseudonymen  Konrad 
Treu  von  Friedesleben  und  Waremund  Luithold  (die  genauen  Titel  dieser  Gegen- 
schriften s.  in  Mentz,  Bibliogr.  Zusammenstellung  der  Schriften  Butzers,  Strassburg 
1891,  N.  44/6).  Braun  antwortet  in  drei  „Gesprächen"  1540:  Wollen  die  Ketzer  auf 
Güte  nicht  hören,  so  brauche  man  doch  Gewalt  gegen  sie!  Sie  sind  ja  nicht  nur 
Ketzer,  sondern  auch  Aufrührer  und  Kirchenräuber!  Trotz  seiner  prinzipiellen  Ab- 
neigung nimmt  er  am  Wormser  Kolloquium  teil;  1542  sendet  ihn  Kardinal  Albrecht 
nach  Trient  zu  dem  einberufenen,  aber  bald  wieder  verschobenen  Konzil.  Dann 
finden  wir  ihn  in  bayerischen  Diensten  als  Kanzler  in  Straubing,  hernach  in  Landshut; 
auch  wird  er  Freisinger  Domherr.  Inzwischen  hat  er  mit  Cochleus  Freundschaft  ge- 
schlossen, unter  dessen  Beihülfe  nun  seine  lateinischen  Schriften  meist  polemischen 
Inhalts  erscheinen.  So  De  haereticis  1549,  De  seditionibus  1550.  Er  lehrt,  wenigstens 
anfangs,  in  voller  Schärfe  die  direkte  Gewalt  der  Kirche  über  das  Zeitliche.  Aus 
bayerischen  Diensten  tritt  er  kurze  Zeit  in  die  Dienste  Ferdinands;  dann  beruft  ihn 
Otto  Truchsess  als  Kanzler  nach  Dillingen.  1559  legt  er  sein  Amt  nieder,  lebt  fortan 
(gestorben  1563)  als  Domherr  in  Augsburg.  Noch  einmal  beteiligt  er  sich  im  Alter 
an  der  Polemik,  indem  er  eine  Kritik  des  1.  Bandes  der  Magdeburger  Centurien 
schreibt  (erst  1565  veröffentlicht),  gegen  die  dann  Flacius  alsbald  replizierte.  Unser 
Braun  ist  es  auch,  der  1549  des  Cochleus  Commentaria  de  actis  et  scriptis  Lutheri 
mit  der  lehrreichen  Programmschrift  Epistola  ad  universos  pios  et  catholicos  sacrarum 
historiarum  studiosos  einleitet,  in  der  er  den  Fürsten  besonders  das  Studium  der  Ge- 
schichte empfiehlt;  lehrt  sie  doch  u.  a.  auch  die  ad  extirpandas  haereses  wirksamen 
Mittel.  Sie  lehrt,  dass  man  Ketzern  weder  Kirchen  einräumen,  noch  Gottesdienst  ge- 
statten darf,  auch  dass  Religionsgespräche  schädlich  sind;  andererseits  lehrt  sie  die 
Fürsten,  die  Beschlüsse  der  Kirche  gegen  die  Ketzer  auch  unter  Anwendung-  des 
Schwertes  treulich  und  gewissenhaft  auszuführen.  Hier  regt  sich  klar  und  un verhüllt 
der  Geist,  der  die  Gegem^eformation  beseelte  und  Deutschland  die  Religionskriege 
brachte.  —  In  Michael  Buchinge r  endlich  wird  uns  durch  Paulus  ^^)  ein  Ver- 
wandter Wimphelings  bekannt  gemacht,  der,  in  Kolmar  geboren,  anfangs  in  Heidel- 
berg und  Freiburg  (unter  Glarean)  vorwiegend  humanistische  Studien  betrieb,  dann 
im  Elsass  in  Molsheim,  Strassburg  und  Kolmar  als  katholischer  Prediger  und  als  ein 
Schriftsteller  (seit  1543)  gewirkt  hat,  der  als  Verteidiger  der  Bilder,  der  Fastengesetze, 
des  Messopfers  hervortritt,  aber  auch  Kirchengeschichtliches  (Ecclesia  oder  Historia 
ecclesiastica  nova  1556  und  60)  sowie  Predigtbücher  veröffentlicht.  Er  ist  ein  ent- 
schiedener Verteidiger  des  Scheiterhaufens  für  die  Hexen  und  Gegner  einer  sich  bereits 
schüchtern  regenden  milderen  Ansicht,  aber  auch  ein  bemerkenswerter  Gegner  der 
Astrologie.    Er  stirbt  vor  1574.  — 

Wir  haben  absichtlich  über  die  hierher  gehörigen  Arbeiten  von  Paulus  im 
Zusammenhang-  berichtet,  um  eine  Vorstellung  von  dem  zu  geben,  was  dieser  Eine 
während  der  Berichtsjahre  geleistet  hat.  Es  erübrigt  jetzt  der  Mitarbeit  anderer  Ge- 
lehrte auf  dem  gleichen  Gebiete  zu  gedenken.  In  der  Dissertation  über  Silvester 
Prierias  bietet  uns  Michalski^o)  einstweilen  nur  eine  Abschlagszahlung  auf  eine 
von  ihm  geplante  grössere  Arbeit  über  diesen  scholastischen  Gegner  Luthers.  Er 
stellt  sein  Geburtsjahr  fest  (1456),  untersucht  die  verschiedenen  Formen,  in  denen 
der  Name  des  Dominikaners  überliefert  ist  (am  häufigsten  Silvester  de  Prierio  oder 
Prierias),  und  sammelt  die  dürftigen  Notizen,  die  über  seine  äussere  Lebensgeschichte 
erhalten  geblieben  sind.  Ueber  die  Theologie  des  Prierias,  über  seine  einst  teilweise 
weit  verbreiteten  Schriften,  sowie  über  sein  Auftreten  gegen  Luther,  dem  er  allein 
verdankt,  dass  sein  Name  weiteren  Kreisen  bekannt  ist,  soll  die  vollständige, 
deutsche  Schrift  des  Vf.  näher  orientieren.  Diese  ist  unseres  Wissens  bisher  nicht 
erschienen.  — 

Mit  musterhafter  Akribie  ist  die  Studie  über  Kon r ad  Wimpina  gear- 
beitet, die  Nikolaus  Müllerei),  der  Berliner  Kirchenhistoriker  und  Archäolog, 
veröffentlicht  hat.  Sie  beschränkt  sich  zwar  auch  nur  auf  Feststellung*  der  Externa: 
Namen,  Geburtsort  und  die  äusseren  Data  der  Lebensgeschichte,  thut  dies  aber  mit 
einer  Sorgfalt  und  hat  darauf  eine  Mühe  verwendet,  wie  keiner  vor  ihm.  M.  stellt 
fest,  dass  Konrad  Koch  in  Buchen  1465  oder  kurz  vorher  geboren  wurde,  seinen 
Namen  Wimpina  aber  erhielt,  weil  es  die  nächste  bekanntere  Stadt,  vielleicht 
auch  weil  hier  die  ursprüngliche  Heimat  der  Familie  war.  Die  seit  1725  oft  wieder- 
holte Angabe,  dass  der  Vater  Lohgerber  war,  wird  als  ein  Irrtum  erwiesen,  und  es 
wird    gezeigt,    wie   er    entstand.     W.s  Leipziger  Studiengang  verfolgt  Müller  genau: 


E.  Schriftsteller  n.  Prediger  aus  d.  Reformationszeit:  Kath.  72-,  S.  203-21.  —  20)  F.  Mich  als  ki,  De  Silvestri  Prieriatis 
Ord.  Praed.  raagistri  sacri  palatii  (1456-1523)  Tita  et  scriptis.  Partie.  I.  Diss.  Münster  (Coppenrath).  1892.  34  S.  |[G.  Kawerau: 
ThLZ.  18,  S.  134,5.]|    —    21)  N.  Müller,  Ceher  K.  Wimpina.    E.  Quellenstudie:   ThStK.  66,  S.  83-124.   —   22)  L.  Schmitt, 

2(6)* 


II  6:23-24  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Immatrikuliert  im  Wintersemester  1478—79,  Baccalaureus  Sommersemester  1481, 
Magister  Wintersemester  1485—86,  1491  Fakultätsmitg-lied,  seit  1492  auch  Mitglied 
des  Fürstenkollegs,  Rektor  1494.  Soweit  die  Laufbahn  in  der  Artistenfakultät;  da- 
neben 1491  theologischer  Baccalaureus  ad  cursum,  1494  Baccalaureus  ad  sententias 
legendas,  1502  Licentiat.  Dazwischen  empfängt  er  1495  in  Würzburg  die  Subdiakonats- 
weihe;  die  Jahre  für  die  Priesterweihe  und  für  eine  Romreise  bleiben  unsicher.  1503 
wird  er  Dr.  theol.,  1505  in  die  theologische  Fakulät  rezipiert.  Nun  folgt  1506  die 
Abberufung  an  die  neue  Frankfurter  Universität,  deren  erster  Rektor  er  jetzt  und 
wieder  im  Wintersemester  1518 — 19  wird.  Zugleich  scheint  er  decanus  perpetuus  der 
theologischen  Fakultät  gewesen  zu  sein.  Später  wird  er  auch  Kollegiat  beider 
Kollegien  sowie  Domherr  von  Brandenburg  und  Havelberg.  Die  Frage,  ob  er  vom 
Reichstag  in  Augsburg  1530  noch  einmal  nach  Frankfurt  zurückkehrte  oder  nach 
Köln  zur  Königswahl  Ferdinands  oder  in  die  Heimat  zog,  bleibt  unentschieden.  Sein 
Leben  beschloss  er  am  17.  Mai  1531  bei  den  Benediktinern  in  Amorbach;  ob  er  aber 
hier  oder  in  Buchen  begraben  wurde,  bleibt  ungewiss.  Das  Dokument  einer  donatio 
inter  vivos  vom  15.  Juni  1529  bildet  den  Beschluss.  — 

Auch  die  fleissige  Arbeit  des  Jesuiten  Schmitt 22^  über  den  Vorkämpfer  der 
katholischen  Kirche  in  Dänemark,  Paulus  Heliae,  verdient  hier  genannt  zu  werden, 
da  dieser  Karmeliter  —  freilich  irrtümlich  —  oft  als  Vf.  der  flotten  deutschen  Re- 
formations-Flugschrift „Vom  alten  und  neuen  Gott"  (1521)  genannt  worden  ist. 
Schmitts  Arbeit  zeigt  alle  Vorzüge  und  Mängel  der  neuesten  Geschichtsschreibung  ä 
la  Janssen.  Er  räumt  mit  vielen  Irrtümern  älterer  Biographen  auf,  nicht  allein  mit 
der  wunderlichen  Tradition,  die  ihn  jene  evangelische  Schrift  verfassen  Hess,  sondern 
überhaupt  mit  der  Annahme,  dass  er  in  jähem  Umschlag  aus  unlauteren  Motiven  der 
anfangs  begeistert  ergriffenen  Sache  Luthers  untreu  geworden  wäre.  Andererseits 
fällt  es  aber  auch  dem  Vf.  schwer,  jenem  reformfreundlichen,  Luther  zunächst  als  Ge- 
sinnungsgenossen des  Erasmus  begrüssenden,  humanistischen  Katholizismus,  dessen 
Züge  Heliae  auch  später  im  Kampfe  gegen  Luther  nicht  verleugnet,  gerecht  zu  werden 
und  ihn  geschichtlich  zutreffend  zu  zeichnen.  — 

In  seinem  Aufsatz  über  Otmar  Nach tg all  (Luscinins)  bietet  A.  Schröder^») 
eine  wertvolle  Nachlese  zu  Ch.  Schmidt  (Hist.  litt,  de  l'Alsace  2  [1878],  S.  174  ff., 
412  ff.),  besonders  über  seine  Stellung  in  Augsburg,  wo  ihm  Jakob  Fugger  1525  zu 
einem  Kanonikat  mit  Prädikatur  und  Pfarramt  bei  S.  Moriz  verhalf,  und  über  die 
Stellung,  die  der  Humanist  zur  kirchlichen  Frage  einnahm:  trotz  des  Einflusses,  den 
Luther  in  der  Fassung  des  Glaubensbegriffes  auf  ihn  ausgeübt  habe,  sei  er  doch  seit 
1522  entschieden  den  Gegnern  der  Reformation  beizuzählen.  Als  Schüler  Wimphelings 
und  Verehrer  des  Erasmus  verbleibe  er  freilich  beständig  auch  in  Feindschaft  gegen 
die  „Sophisten",  die  Vertreter  der  scholastischen  Theologie.  Dabei  tritt  Seh.  auch 
entschieden  für  die  sittliche  Reinheit  Nachtgalls  ein;  die  Zoten  in  seinen  Schwank- 
sammlungen seien  nur  „Anschluss  an  die  Gepflogenheit  der  Zeit"  (?).  — 

Auf  Grund  von  Dresdener  Archivalien  beleuchtet  Vett er 2*)  die  interessante 
Episode  im  Leben  Georg  Witzeis,  als  nach  dem  Tode  Herzog  Georgs  der  Um- 
schlag im  Herzogtum  Sachsen  erfolgte,  und  nun  der  Mann,  der  durch  seinen  Abfall 
vom  Luthertum  und  seine  litterarische  Polemik  gegen  dasselbe  den  Zorn  der  Witten- 
berger, besonders  des  Justus  Jonas,  und  des  Kurfürsten  Johann  Friedrich  auf  sich  ge- 
zogen hatte,  plötzlich  seine  Existenz  in  Leipzig  aufs  gefährlichste  bedroht  sah.  Eben 
hatte  er  bei  Wolrab,  dem  Leipziger  Verleger  der  katholischen  Streitschriften,  seine 
Postille  in  Druck  gegeben,  mit  der  er  Luthers  und  Corvins  Postillen  vom  Meissner 
Lande  hatte  fern  halten  wollen,  als  am  5.  Mai  1539  Herzog  Heinrich,  vom  sächsischen 
Kurfürsten  aufgestachelt,  den  Befehl  an  den  Leipziger  Rat  sandte,  die  Fortsetzung 
des  Drucks  zu  inhibieren,  Witzel  aber  bis  auf  seine  Ankunft  zu  „behaften".  Der 
Rat  nahm  ihm  das  Ehrenwort  ab,  die  Stadt  nicht  zu  verlassen;  er  selbst  und  hohe 
Gönner  sandten  Bittgesuche  an  den  Herzog;  aber  vergeblich.  Da  entfloh  der  Ge- 
ängstete  am  Tage  der  Ankunft  des  Herzogs  (22.  Mai)  auf  Einladung  des  Bischofs 
nach  Meissen,  dann  nach  Schloss  Stolpe.  Wolrab  aber,  der  vergeblich  den  Druck 
der  Lutherbibel  versprochen  hatte,  wenn  man  ihm  die  Vollendung  und  den  Vertrieb 
der  Postille  im  Auslande  gestatte,  hatte  heimlich  den  Druck  fortgesetzt,  einen  Teil 
der  starken  Auflage  sogar  schon  über  die  Grenze  geschafft.  So  entlud  sich  schwerer 
Zorn  —  Herzog  Heinrich  wurde  dabei  durch  Johann  Friedrich  vorwärts  geschoben. 
Der  Rest  der  Postille  und  manche  anderen  reformationsfeindlichen  Schriften  wurden 
konfisziert  und  vernichtet;  Witzel,  in  Stolpe  nicht  mehr  sicher,  entwich  in  die 
böhmischen  Berge.    Bald   darauf  berief  ihn  Joachim    IL  zu   sich   nach  Berlin    und 


D.  Kiirraeliter  P.  Heliae,  Vorkämpfer  d.  kuth.  Kirche  gegen  d.  sogen.  Reformation  in  Dänemark.  (==  StML.  Ergänznngshefte, 
N.  60.)  Freiburg  i.  B.,  Herder.  XI,  172  S.  M.  2,30.  |[N.  Paulus:  Kath.  73^  S.  563,6;  Q.  Kawerau:  ThLZ.  19,  S.  320,3.J| 
—  23)  A.  Schröder,   Beitrr.  z.  Lebensbilde  Otmar  Nachtgalls:  HJb.  14,    S.  S3-106.    -    24)  P.  Vetter.  Witzeis  Flucht  aus 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  25-30 

schützte  ihn  dort  auch,  als  Herzog"  Heinrich  seine  Auslieferung-  forderte.  Nicht  lang-e 
danach  vertrieb  ihn  freilich  auch  von  dort  die  siegreich  vorrückende  Reformation.  V. 
teilt  als  Anhang  4  Briefe  Witzels  mit:  an  Karlowitz  (18.  Jan.),  an  Herzog  Heinrich 
(lO.Mai),  an  den  Leipziger  Bürgermeister  (21.  Mai?),  und  an  Joachim  II.  (30.  Aug".  1539.)  — 

Grube  2^)  referiert  sachlich  über  die  Aufschlüsse,  die  des  Hildesheimer 
Oldekop  durch  Euling  veröffentlichte  Chronik  für  die  Geschichte  des  Stiftes  Hildes- 
heim g-ewährt.  — 

Ein  anschauliches  Bild  von  der  Entwicklung"  und  der  Wirksamkeit  des  so  tief 
und  verhängnisvoll  in  die  deutsche  Geschiebe  zielbewusst  eingreifenden  ersten 
deutschen  (genauer:  niederländischen)  Jesuiten  Petrus  Canisius  entwirft  Drews^ß) 
(jetzt  Professor  in  Jena).  In  ruhig-er  geschichtlicher  Objektivität  zeichnet  er  die 
ausserordentliche  Beg-abung"  und  den  Ernst  dieser  Leuchte  seines  Ordens.  Rasche 
Auffassung-skraft,  hinreissende  Beredsamkeit,  Gewandtheit  im  Verkehr,  unbeugsame 
Festigkeit,  unermüdliche  Arbeitskraft,  dabei  umsichtige  Klugheit  sind  die  Charakter- 
züge, die  seine  gewaltigen  Leistungen  erklären.  Trotz  gelehrten  Wissens  eine  durch 
und  durch  praktische  Natur,  ein  vollkommener  Jesuit  in  der  Kunst  zu  weichen,  um 
bei  nächster  Gelegenheit  doch  seinen  Vorteil  wahrzunehmen.  Dabei  verbinden  sich  in 
ihm  beide  Seiten  der  jesuitischen  Frömmigkeit:  die  gefühlsmässige,  in  der  sich  ein 
mystischer  Zug  mit  einer  abergläubischen  Phantasie  vereint,  und  die  starre  Kirchlichkeit, 
die  Gesetzlichkeit,  der  Mechanismus.  Er  leistet  auch  die  schwersten  Proben  jesuitischer 
Demut  —  und  doch  schaut  selbstbewusster  Hochmut  unter  dem  Demutsmantel  her- 
vor. Gleichwohl  fehlt  ihm  der  volle  Typus  eines  Jesuiten.  Denn  sein  höchstes  Ziel 
ist  doch  die  Heilung  der  Kirche  von  ihren  klar  erkannten  mid  tief  g"efühlten  Schäden. 
Im  letzten  Grunde  arbeitet  er  nicht  für  die  Macht  seines  Ordens  oder  für  die  Papst- 
gewalt als  solche,  sondern  für  die  Reform  des  Katholizismus.  Welche  Gewalt  hierfür 
hülfreiche  Hand  bietet,  der  stellt  er  sich  zur  Verfügung.  Und  er  empfindet  noch  als 
Deutscher  und  versteht  die  deutschen  Verhältnisse;  darum  gelingt  es  g"erade  ihm, 
dem  fremden  Orden  in  Deutschland  Bahn  zu  machen,  das  Misstrauen  gegen  ihn  in 
weiten  Kreisen  zu  besiegen.  Der  Protestantismus  ist  ihm  Ausgeburt  der  Hölle; 
seine  vielgerühmte  Milde  geg-en  Evangelische  ist  die  Toleranz  der  Klugheit,  nicht  die 
der  Ueberzeugung.  Besonders  interessant  ist  der  Nachweis,  in  welchem  Masse  in 
den  letzten  Jahrzehnten  seines  Lebens  er  im  Orden  beiseite  geschoben  und  an 
weiterem  Wirken  g-ehemmt,  ja  geflissentlich  gedemütigt  wurde.  Einleuchtend  weiss 
D.  die  Gründe  und  die  mehr  oder  weniger  bewussten  Motive  hiefür  darzulegen. 
Bei  der  ausserordentlichen  Aufgabe,  die  er  zu  lösen  gehabt,  war  ihm  eine  für  einen 
Jesuiten  aussergewöhnliche  Selbständigkeit  zu  teil  geworden.  Nun  der  Orden  ge- 
wachsen war,  hiess  man  ihn  von  seiner  Höhe  herniedersteigen,  und  •  „sein  Provinzial 
sorg-te,  dass  es  ihm  nie  an  Prüfungen  des  Gehorsams  fehlte".  —  Braunsberger^'^) 
bringt  in  seiner  fleissigen  bibliographischen  Arbeit  Klärung-  in  die  verwirrten  An- 
gaben über  Zahl,  Aufeinanderfolge  und  Entstehungszeit  der  verschiedenen  Katechismen 
(vgl.  JBL.  1892  II  5a:  1)  des  Canisius.  Er  lehrt  uns  deren  drei  zu  unterscheiden:  den 
grossen  (Summa  doctrinae  christianae),  Ostern  1555  erschienen,  darauf  den  kleinsten 
(Summa  doctrinae  Christ.  ...  ad  captum  rudiorum  accommodata)  1556  als  Anhang  zu 
einer  lateinischen  Schulgrammatik  herausgegebenen  und  endlich  Ende  1558  oder  An- 
fang 1559  den  kleinen  (Parvus  Catechismus  Catholicorum).  Die  entsprechenden 
deutschen  Ausgaben  erschienen  1556,  1558  und  1563.  Neben  diesen  verdienstlichen 
Feststellungen  fehlt  es  auch  nicht  an  tendenziöser  Glorifizierung  des  „Seligen",  wo- 
bei besonders  lehrreich  die  Methode  ist,  wie  er  Canisius  vor  der  Anklage  schützt, 
die  päpstliche  Unfehlbarkeit  nicht  stark  genug  bezeugt  zu  haben.  Bald  „wollte" 
er  sie  unter  den  dunklen  Zeitverhältnissen  nicht  vortragen,  bald  sprach  er  sie  nur 
soweit  aus,  als  es  „jene  Zeiten  erlaubten  und  forderten".  (Vgl.  auch  ThLZ.  19, 
S.  85/6.)  — 

Die  „Rettung",  die  Gredy  mit  Kardinal  Albrecht  in  Bezug  auf  seine  kirch- 
liche Haltung  1891  vorgenommen  hat,  geht  Stillbauer^s)  denn  doch  zu  weit.  Wohl 
sei  dessen  Arbeit  als  eine  schätzenswerte  Schutzschrift  für  den  schwer  verdächtig"ten 
Kurfürsten  zu  begrüssen,  aber  für  die  erste  Zeit  der  Reformation  sei  denn  doch  sein 
schwankendes,  unsicheres,  ,,hyperfriedfertig"es"  Verhalten  nicht  zu  rechtfertigen.  — 
G es 8^9)   giebt   aus  Dresdener    Archivalien   einen   interessanten   Beitrag"   zum   Bilde 


d.  albertinischen  Sachsen:  ZKG.  13,  8.  282-310.  -  25)  K.  Grube,  D.  Chronist  Oldekop  u.  Stift  Hildesheira:  HPBll.  112, 
S.  397-407.  (Vgl.  11 3:  89.)  —  26)  P.  D  r  e  w  8,  Petrus  (Janisius,  d  erste  deutsche  Jesuit.  (Schriften  d.  Ver.  für  Reforniationsgesch.  N.  33.) 
Halle  a.  S.,  Niemeyer.  158  S.  M.  1,20.  —  27)  0.  ßraunsberger,  Entstehung  u.  erste  Entwicklung  d,  Katechismen  d. 
sei.  Petrus  Canisius  aus  d.  Ges.  Jesu.  Gesch.  dargelegt.  Freibnrg  i.  B.,  Herder.  XU,  187  S.  M.  2,50.  |[A.  Bellesheim: 
Kath.  73•^  8.  265,8;  C.  Somra  er  v  ogel:  ERPHLls.N.2;  LRs.N.?;  K.  Knoke:  ThLBl.  14,  8.  294/5;  N.  P(anlus):  HJb.  14,  8.3; 
G.  Kawerau:  ThLZ.  19,  8.  84/6;  A.  Ebner:  HPBU.  112,  S.  939-41.]|  -  28)  Stillbauer:  H.  Gredy,  Kardin.al-Erzbischof 
Albrecht  II.  v.  Brandenburg  in  seinem  Verhältnisse  zu  den  Glaubensneuerungen.  Mainz.  1891.  (Vgl.  JBL.  1892  II  1:38): 
Kath.  72^  8.  190/1.  —  29)  F.  Gess,  Herz.  Georg,  Kurfürst  Joachim  I.  u.  Kardinal  Albrecht:  ZKG.  13,  8.  119-25.  -  30)  J.  P. 


II  6:31-35  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Herzog"  Georg-s  in  seinem  Verkehr  mit  den  katholischen  HohenzoUern  Joachim  I.  und 
Albrecht.  Wie  er  nach  der  Flucht  der  Kurfürstin  Elisabeth  (1528)  dieser  Fürstin  in 
ernstem  Schreiben  zuredet,  Aussöhnung  mit  Joachim  zu  suchen,  so  hat  er  vorher 
schon  nicht  unterlassen,  diesem  seinen  ärgerlichen  Ehebruchshandel  mit  der  Frau 
des  Bürgers  Hornung"  vorzuhalten,  und  ihm  zu  bedenken  gegeben,  dass  er  auf  diese 
Weise  den  Lutherischen  bösen  Anlass  zur  Anklage  gewähre.  Aber  auch  dem  Mainzer 
Kardinal  rückt  er  1526  vor,  dass  er  ja  im  Stifte  Mainz  „mit  geistlichen  und  ehelichen 
Personen  ein  unzüchtiges  Leben  führe"  —  was  dieser  ifreilich  mit  hohen  W^orten  als 
„Ehrabschneidung"  böser  Leute  zurückweist.  — 

Der  Wert  der  Arbeit  Datterers^o)  über  Kardinal  Matth.  Lang  liegt  in  den 
Beilagen,  die  besonders  aus  dem  Konsistorial-Arohiv  zu  Salzburg  interessante  Doku- 
mente über  die  Reformationsbestrebungen  im  Salzburgischen  und  in  Niederösterreich, 
über  die  Visitation,  über  den  gegen  Stephan  Kastenpaur  (Agricola)  angestrengten 
Ketzerprozess  und  über  das  Regensburger  Bündnis  enthalten.  Ich  verweise  z.  B. 
auf  den  (S.  LV  ff.  veröffentlichten)  Modus  procedendi  et  puniendi  Lutheranos,  ein 
Gutachten  für  das  Glaubensverhör  solcher,  die  als  Lutheraner  verdächtig  sind,  mit 
seinem  Register  von  82  Punkten,  unter  denen  z.  B.  „der  elfte"  lautet:  Novi  testamenti 
tralationem  veram  et  iustam  esse  contendens  potestati  seculari  tradatur.  Der  Vf. 
dieser  Inquisitionsartikel  schwelgt  in  Verfügungen  wie  morte  plectatur,  vita  privetur, 
tollatur  e  medio.^*)  — 

Vom  Leben  eines  anderen  Prälaten,  des  Trienter  Fürstbischofs  Kardinal 
Christoph  Madruzz  giebt  Fessler-''^)  sorgfältigen  Bericht.  Geboren  1512,  wurde 
Madruzz  bereits  27  jährig  auf  Empfehlung  seines  Gönners  Karls  V.  zum  Fürstbischof  er- 
hoben, erhielt  dann  auch  das  Bistum  Brixen,  31  jährig  den  Kardinalshut.  Er  war  der 
Freund  und  Berater  des  Kaisers  in  der  Zeit  des  Konzils.  1567  resignierte  er  in 
Trient  zu  Gunsten  seines  Neffen,  behielt  aber  Brixen  bis  zu  seinem  Ende  1578, 
Seine  kaiserfreundliche  Haltung  im  Konzil  entschuldigt  der  Vf.  mit  den  Zeitverhält- 
nissen. —  Uebel  erging  es  Weber^^)  mit  seiner  Ausgabe  der  Briefe  des  Kardinals 
Otto  Truchsess  an  Hosius  aus  den  J.  1560—61;  „primum  edidit"  stand  auf  dem 
Titel  zu  lesen.  Aber  alsbald  erinnerte  Paulus  daran,  dass  nicht  nur  ein  Teil  der- 
selben schon  in  E.  S.  Cyprianus,  Tabularium  Ecclesiae  Romanae  1743  stände,  sondern 
dass  sie  sämtlich  in  Lagomarsinis  Ausgabe  der  Epistolae  Julii  Pogiani  Vol.  II  1756 
zu  lesen  wären,  ja  dass  die  gelehrten  Anmerkungen  W.s  fast  ausnahmslos  aus 
Lagomarsini  stammten.  W.s  Antwort  darauf ^4)  war  doch  nur  schwach:  er  habe  ja 
aus  einer  Augsburger  Hs.  einige  Verbesserungen  des  Textes  gegeben,  und  ausserdem 
seien  die  Anmerkungen  Lagomarsinis  nicht  immer  in  ganz  klassischem  Latein  ge- 
schrieben gewesen!  —  •  • 

Angeschlossen  sei  hier  auch  ein  Hinweis  auf  das  Riesenwerk,  das  wir  dem 
historischen  Institut  in  Rom  verdanken,  die  Nuntiaturberichte,  von  denen  uns 
Friedensburg^^)  in  rascher  Aufeinanderfolge  bereits  4  Bände  (1533—39)  vorgelegt 
hat:  eine  Quelle  ersten  Ranges  für  die  Reformationszeit  ist  erschlossen.  Vortreffliche 
Einleitungen  orientieren  über  die  Einrichtung  der  päpstlichen  Nuntiaturen,  über  die 
dafür  verwendeten  Persönlichkeiten,  für  deren  Biographie  reiches  und  sicheres 
Material  geboten  wird.  Die  Depeschen  selbst  werden  durch  Aktenstücke  mancherlei 
Art  ergänzt,  in  den  Anmerkungen  werden  Hss.  und  Gedrucktes  zur  Erläuterung  heran- 
gezogen. Sorgfältige  Register  erleichtem  die  Ausbeutung  des  Schatzes.  Für  die 
Litteraturgeschichte  von  besonderem  Interesse  sind  u.  a.  die  Klagen  über  die  mangel- 
hafte materielle  Unterstützung,  die  li  poveri  dotti  catholici  bei  ihrer  litterarischen 
Verteidigung  der  katholischen  Sache  fänden  (1,  S.  84,  88/9,  95,  103,  141,  174,  184); 
dann  folgt  aber  auch  die  Klage  über  die  Unersättlichkeit  von  Männern  wie  Faber 
und  Nausea  (2,  S.  123,  178/9,  196/7).  Es  wird  für  lange  Zeit  nach  den  verschiedensten 
Richtungen  hin  zu  arbeiten  sein,  um  diese  Fundgrube  allseitig  auszubeuten.  Ich 
nenne  nur  Namen  wie  Eck,  Witzel,  P.  Anspach,  Nik.  Wolrab  und  verweise  auf  die 
wertvollen  Nachrichten  über  die  Verbreitung  evangelischer  Schriften  in  Italien.  — 

Wir  können  diese  Abteilung  unseres  Berichtes  nicht  schliessen,  ohne  des  am 
24.  Dec.  1891  erfolgten  Todes  von  Johannes  Janssen,  dem  charakteristischen 
Repräsentanten  der  neuesten  katholischen   Reformationshistorik,  zu  gedenken.    Seine 


Datterer,  D.  Kardinals  u.  Erzbischofs  M.  Lang  Verhalten  z.  Reformation  (v.  Beginn  seiner  Regierung  1519  bis  zu  d. 
Bauernkriegen  1525).  Diss.  Erlangen  (Freising,  Datterer).  1892.  73,  LXXIV  S.  |[Th.  Kolde:  ThLBl.  U,  S.  185,6.]|  —  31)  X 
II.  E.  Jacobs,  Archbishop  Hermann  of  Cologne  and  his  „consnltation":  LChR.  S.  301-44.  —  32)  Fessler,  Chrph.  Madruzz: 
WetzerWelteKirchenlex.  8,  S.  426/9.  —  33)  Ant.  Weber:  Litterae  a  Trnchsesso  ad  Ilosium  annis  1560  et  1561  datae  ex  cod. 
augnstano  primum  ed.  atque  annotationibus  illust.  et  prooemio  indiceque  exorn.  A.  W.  Regensburg,  Manz.  1892.  123  S. 
M.  1,60.  |[N.  Paulus:  Kath.  72',  S.  571/2.] |  -  34)  id.,  Kardinal  Otto  Truchsess  v.  Waldburg,  Bischof  v.  Augsburg: 
HPBU.  110,  S.  781-96.  —  35)  W.  Friedensbnrg:  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland,  nebst  ergänzenden  AktenstQcken. 
1.  Abt.  1533-59.  Her.  durch  d.  Kgl.  preuss.  bist.  Inst,  in  Rom,  u.  d.  Kgl.  preuss.  Archivverw.  Bd.  1  u.  2.  1.  Nuntiaturen  d. 
Yergerio  1533-36.  2.  Nuntiatur  d.  Morone  1536-38.  Bd.  3  u.  4.  Legation  Aleanders  1538-39.  Gotha,  Perthes.  1892.  LVH, 
6J5  S,;  VIII,  470  S.;  VIII,  537  S.;  038  S.    M.  20,00;  M.  14,00;  M.  21,00;   M.  24,00.     |[H.  Virck:  ThLZ.  17,  S.  469-73.]|    (Vgl. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  36-40 

jüngeren  Freunde  sind  eifrig-  daran  gewesen,  ihm  alsbald  litterarische  Ehrendenkmäler 
zu  setzen.  Wir  erfahren  vieles  über  seinen  äusseren  Lebensweg,  wie  er,  der 
schon  bei  einem  Kupferschläger  in  die  Lehre  getreten  war,  zur  Schule  zurückkehrte, 
auf  der  Universität  von  der  Theologie  zur  Geschichte  sich  wendete,  nach  eben  be- 
gonnener Privatdocenten-Thätigkeit  in  Münster  als  katholischer  Geschichtsprofessor 
ans  Frankfurter  Gymnasium  berufen  wurde,  hier  in  der  Freundschaft  mit  Friedr. 
Böhmer  heranreifte  zu  einem  der  wirksamsten  litterarischen  Vorkämpfer  einer  Revision 
der  Geschichte  nach  katholischen  Gesichtspunkten.  Wir  hören  von  seiner  Arbeits- 
weise und  von  seinem  Verkehr  im  Freundekreise.  Wo  die  Fehler  in  seiner 
Quellenmosaikarbeit  stecken,  darüber  darf  man  natürlich  bei  seinen  Freunden  und 
Schülern  keine  Belehrung  erwarten.  Neu  war  mir  die  Enthüllung,  dass  Janssen  selbst 
der  „Siegmund  Altenrath"  war,  dessen  populäre  Schrift  über  Luther  1890  in  zweiter 
Auflage  erschienen  ist.  Pastor 36)  hat  für  sein  Lebensbild  ausser  den  Eindrücken  in 
langjährigem  freundschaftlichen  Verkehr  mehr  als  800  Briefe  benutzt;  die  beiden 
anderen  Arbeiten  tragen  ganz  den  Charakter  persönlicher  Erinnerung^'^^S)  an  den 
älteren  verehrten  Freund.  Auch  alsDichter  lernen  wir  Janssen  kennen  in  einem  Poem  „An 
Barbarossa"  vom  J.  1859,  zum  Beweise  seiner  „echt  deutschen  Gesinnung".  —  Von 
evangelischer  Seite  verdient  der  Aufsatz  Beachtung,  den  ihm  Walther^*^)  gewidmet  hat. 
Er  sucht  uns  das  Problem  zu  lösen,  wie  ein  Mann,  der  offenbar  viel  treffliche  Eigen- 
schaften gehabt  hat,  an  dessen  subjektiver  Aufrichtigkeit  zu  zweifeln  kein  Anlass 
vorliegt,  doch  objektiv  der  Wahrheit  so  schwer  hat  Gewalt  anthun  können,  dass  ihn 
ja  nicht  selten  der  Vorwurf  der  Fälschung  getroffen  hat.  W.  erörtert  zu  diesem 
Zwecke  den  katholischen  Begriff  der  Wahrheit,  d.  h.  des  Probabeln  in  seiner  Ver- 
quickung mit  dogmatischen  Voraussetzungen.  Probabel  ist  das  Urteil  der  Zeitgenossen 
—  falls  sie  treu  kirchlich  gewesen  sind,  die  Ansicht  des  katholischen  Forschers  der 
Neuzeit,  probabel  aber  auch  jede  Behauptung  eines  Protestanten,  falls  sie  zu  Ungunsten 
der  Reformation  lautet.  Die  Quellencitate  dienen  nicht  der  Ermittlung  objektiver 
Wahrheit,  sondern  dem  Erweis,  dass  der  Vf.  für  seine  Behauptungen  irgend  welche 
probable  Unterlage  hat.  Dies  Vertauschen  der  Wahrheit  mit  dem  Probabeln  geht  so 
weit,  dass  es  zu  einem  Sich-verstecken  hinter  Gewährsmänner  führt,  aus  denen 
Janssen  Falsches  —  ihm  selbst  mindestens  Unwahrscheinliches  —  abschreibt:  wo 
der  protestantische  Forscher  sich  der  Fälschung  schuldig  fühlen  musste,  behält  Janssen 
ein  „reines  katholisches  Gewissen".  Hier  klafft  eben  das  sittliche  Bewusstsein  des 
konsequenten  Romanismus  und  des  Protestantismus  auseinander.  Wir  machen  auf 
diese  Studie  zur  Psychologie  eines  katholischen  Gewissens  besonders  aufmerksam. 
Auch  das  ist  ja  bezeichnend,  dass  Janssen  1860  Priester  wird,  nicht  etwa  um  priester- 
liche Funktionen  auszuüben,  sondern  um  für  den  Dienst,  den  er  als  Historiker  der 
Kirche  leisten  wollte,  einer  Ijesonderen  „Gnade"  teilhaftig  zu  werden.  — 

Der  Uebergang  von  den  Arbeiten  über  die  katholischen  Kreise  der  Re- 
formationszeit zu  den  evangelischen  möge  uns  einen  Blick  auf  die  humanistischen 
gewähren,  die  ja  teils  der  einen,  teils  der  anderen  Partei  zufielen.  Knod^^)  bringt 
in  seinen  „Findlingen"  einen  bisher  unbekannten  Brief  Reuchlins  an  Rudolf  Agricola 
hervor  (zwischen  1482  und  85),  der  erwünschten  Einblick  in  die  hebräischen  Sprach- 
studien jenes  gewährt  und  beweist,  dass  auch  bei  ihm  dieses  Studium  zunächst  aus 
theologischem,  nicht  aus  philologischem  Interesse  hervorging.  Die  dann  folgende 
Urkunde  vom  IB.  März  1487  belehrt  uns,  dass  Wimpheling  eine  Zeit  lang  Pfarrer  in 
Sulz  im  Elsass  gewesen,  und  dass  auch  er  nicht  verschmähte,  in  Rom  um  An- 
wartschaft auf  Pfründen  zu  werben,  so  scharf  er  später  gegen  die  „Kurtisanen"  ge- 
eifert hat.  Betreffs  des  Briefes  Wimphelings  von  1491,  der  Joh.  Beckenhaubs 
Super  libros  sententiarum  cum  Bonaventura  beigedruckt  ist,  macht  K.  darauf  auf- 
merksam, dass  weder  die  Ueberschrift,  die  ihn  als  Dr.  theol.  bezeichnet,  noch  das 
Datum  („Nurnberga  1491")  von  seiner  Hand  stammen  werden,  dass  somit  die  Erzählung 
von  seinem  Aufenthalt  in  Nürnberg  in  diesem  Jahre  unzureichend  beglaubigt  sei. 
Für  Hütten  bringt  uns  K.  ein  Schreiben  des  Schlettstädter  Rates  an  ihn  vom  27.  März  1521, 
in  dem  dieser  sich  bei  dem  mit  dem  Schwerte  rasselnden  Ritter  entschuldigt  wegen 
einer  Beschimpfung,  die  Luther  und  ihm  jüngst  durch  fanatische  Gegner  in  ihrer 
Stadt  widerfahren  war.  Denselben  Tagen  gehört  somit  auch  der  Brief  eines  jungen 
Schlettstädters  an,  den  Horawitz  und  Hartfelder  (Briefwechsel  des  Beatus  Rhenanus 
S.  562)  nur  unbestimmt  in  die  J.  zwischen  1517 — 25  setzten.  Wie  aber  der  Schlett- 
städter Rat  lavierte  und  in  Rom  wiederum  seine  gutkatholische  Gesinnung  beteuerte, 
zeigt  ein  anderes  Schreiben  desselben  vom   14.  Juni   1522.     Für  Hütten  selbst  wird 


JBL.  1892 III  :75;  s.  o.  II 1  :  140/1, 1456.)  —  36)  L.Pastor,  J.  Janssen.  1829-91.  E.  Lebensbild,  vornehmlich  nach  d.  nngedr.  Briefen 
n.  Tagebüchern  desselben  entworfen.  Mit  Janssens  Bild  u.  Schriftprobe.  Freibnrg  i.  B.,  Herder.  152  S.  M.  1,50.  (Vgl.  JBL.  1892 
II  1  :  15;  IV  Ib  :141a.)  —  37»  X^.  Wedewer,  Z.  Erinnerung  an  Joh.  Janssen,  d.  Geschichtschreiber  d.  dtsch.  Volkes: 
Kath.  72',  S.  385-420.  (Vgl.  JBL.  1892  II  1  :  9.)  -  38)  X  Joh.  Janssen  im  Frankfurter  Freundeskreise:  HPBll.  109,  S.  750-68. 
(Vgl.  JBL.  1892  II  1:11.)  _  39)  [W.  Walther],   J.  Janssen:  AELKZ.  25,   S.  76/9,  104/6,   128-31,    152/4.   —   40)    G.  Knod, 


II  6:41-50  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

aber  noch  sein  zornmütig-es  Rundschreiben  an  die  deutschen  Städte  „Wider  den  ehr- 
losen Haufen  der  Kurtisanen"  Ebernburg-,  15.  März  1522,  einst  als  Folioblatt  gedruckt 
und  zu  öffentlichem  Anschlag  bestimmt,  uns  als  willkommene  Gabe  aus  dem  Strass- 
burg'er  Stadtarchiv  bekannt  gemacht.  Einen  Brief  des  Erasmus  aus  seinen  letzten 
Lebenstagen  (23.  Okt.  1535)  teilt  K.  aus  einer  Hamburger  Hs.  mit;  wahrscheinlich  ist 
er  an  den  Strassburger  Nik.  Kniebs  (vgl.  Kolde,  Analecta  S.  39)  gerichtet,  dem  er 
einen  jüngeren  Freund  für  eine  Strassburger  Pfründe  empfiehlt.  —  Das  Lebensbild 
des  1531  zu  Blaubeuren  verstorbenen  Mathematikers  und  Astronomen  Joh.  Stöffler 
von  Hartf  eider  *'J  ist  hier  zu  erwähnen,  insofern  er  als  Tübinger  Lehrer  Melanchthons 
es  wohl  gewesen  ist,  dem  dieser  seinen  astrologischen  Wahnglauben  zu  danken  hatte. 

—  Krauses*^)  Neudruck  der  Epigramme  des  Euricius  Cordus  verdient  auch  um  der 
sorgfältigen  Einleitung  willen  Beachtung,  in  der  K.  nachträgt  und  berichtigt,  was 
sich  seit  dem  Erscheinen  seiner  Biographie  des  Cordus  1863  an  neuen  Aufschlüssen 
für  die  Lebensgeschichte  des  Poeten  hat  ermitteln  lassen.  Auch  konstatiert  die  Ein- 
leitung, welche  Anleihen  Lessing  bei  den  Epigrammen  des  Cordus  gemacht  hat. 
Für  das  sachliche  Verständnis  der  Gedichte  selbst  hätte  noch  mehr  Handreichung 
dem  Leser  geboten  werden  können.  —  Ein  kurzes  Lebensbild  des  der  evangelischen 
Sache    zugethanen  Poeten  Johann  Stigel   liefert   die   kundige  Hand  Hartfelder s^^). 

—  Thenn*^)  teilt  aus  der  Münchener  Hof-  und  Staatsbibliothek  den  Brief  mit,  in 
dem  Stigel  am  24.  Febr.  1546  dem  Theologen  Johann  Lange  in  Erfurt  den  er- 
schütternden Eindruck  bekennt,  den  Luthers  Tod  auf  ihn  hervorgebracht  hat;  denn 
sicher  bricht  jetzt  die  schon  längst  drohende  magna  rerum  mutatio  herein.  Er 
übersendet  ihm  die  lateinischen  Distichen  samt  eigener  deutscher  Uebersetzung,  in 
denen  er  den  Klagegesang  auf  Luthers  Tod  anstimmt,  damit  Lange  den  Druck  be- 
sorge. Treffend  weist  Th.  darauf  hin,  wie  viel  mehr  individuelles  Gepräge  die  ehr- 
lichen deutschen  Knittelverse  als  die  glatten,  mit  virtuoser  Technik  geformten  lateinischen 
Verse  haben.  —  Auch  auf  diesem  Specialgebiet  ist  des  Todes  eines  Forschers  zu  ge- 
denken, der  mit  rastlosem  Fleiss  und  mit  reichem  Wissen  eine  Führerrolle  sich  erworben 
hatte:  Im  Juni  1893  starb  in  Heidelberg  Karl  Hartfelder  im  rüstigen  Alter  von  45  Jahren, 
der  nach  theologischen,  philologischen  und  archäologischen  Studien  als  Gymnasial- 
lehrer in  Freiburg,  dann  als  Archivrat  in  Karlsruhe,  seit  1882  aber  als  Gymnasial- 
professor in  Heidelberg  anfangs  für  die  Geschichte  des  Bauernkrieges,  dann  aber  für 
die  des  Humanismus  (speciell  des  oberdeutschen)  höchst  verdienstliche  Forschungen 
ausgeführt  hatte.  Nachdem  er  mehrere  Jahre  auf  Melanchthonstudien  verwendet 
hatte,  waren  es  zuletzt  grosse  litterarische  Pläne  in  Bezug  auf  Erasmus,  die  ihn  be- 
schäftigten und  für  die  schbn  tüchtige  Vorarbeiten  von  ihm  fertiggestellt  waren.  Es 
ist  bewundernswert,  was  dieser  Mann  den  Mussestunden,  die  ihm  von  schwerem 
Schulamte  übrig  blieben,  für  eine  erfolgreiche  Produktion  abzugewinnen  vermochte. 
Bassermann*^)  hat  dem  Freunde  einen  Nachruf  gewidmet.    (Vgl.  I  6  :  163.1  — 

Wenn  wir  an  die  Arbeiten  über  die  deutsche  Reformation,  die  evan- 
gelische Kirche,  herantreten,  so  begegnen  wir  zuvörderst  einer  trefflichen  biblio- 
graphischen Arbeit  des  durch  seine  mustergültige  Beschreibung  der  Lutherdrucke 
der  Hamburger  Stadtbibliothek  bekannt  gewordenen  A.  von  Dommer*^).  Es  gilt 
der  Zusammenstellung  und  genauen  Beschreibung  der  Marburger  Drucke  von  1527 — 66, 
damit  den  Anfängen  des  Bücherdruckes  in  Marburg  und  dem  Einfluss  der  Refor- 
mation und  dann  der  Universitätsgründung  auf  den  Bücherdruck.  Dabei  ist  bei 
einer  D. sehen  Arbeit  selbstverständlich,  dass  sie  durch  Akribie  den  höchst- 
gespannten bibliographischen  Ansprüchen  genügt;  aber  auch  der  Reformations- 
historiker freut  sich  über  die  Vertrautheit  des  Vf.  mit  der  in  Betracht  kommenden 
Litteratur  und  der  immer  verlässlichen  Auskunft,  die  hier  erteilt  wird.  —  Einen  Haupt- 
buchdrucker der  lutherischen  Reformation  behandelt  Steiff*''),  den  Hagenauer  Johannes 
Setzer  (Secerius).  St.  nimmt  Lauchheim  als  Geburtsort  an;  nach  seinem  Studium  in 
Tübingen  ist  er  schon  1516  als  Setzer  und  Korrektor  in  der  Anshelmschen  Druckerei 
thätig.  St.  vermutet  auch,  dass  Setzer  jener  Schwager  Anshelms  war,  der  1522 
wegen  einer  Messeraftaire  zu  einer  Geldstrafe  verurteilt  wurde,  und  kombiniert  da- 
mit seine  Uebersiedlung  nach  Wittenberg,  wo  er  im  Sommer  1522  als  Mediziner  sich 
inskribieren  Hess.  Von  hier  datiert  seine  persönliche  Beziehung  zu  den  Häuptern 
der  Reformation.  Schon  Ende  des  Jahres  übernimmt  er  Anshelms  Druckerei  und 
stellt  nun  —  in  einer  katholischen  Stadt  —  eine  der  bedeutendsten  Pressen  in  den 
Dienst  der  Reformation.  St.  weiss  135  Drucke  der  Setzerschen  Offizin  nachzuweisen; 
von  diesen   gehören   nur   15   anderen  Gebieten   als   denen  des  Humanismus  und  der 


Findlinge.  Reuchlin.  Wimplieling.  Hütten.  Erasmus.  Berns:  ZKÖ.  14,  S.  118-32.  (Vgl.  U  7 :  21.1  —  41)  K.  Hartfelder, 
J.  Stöffler:  ADB.  36,  S.  3178.  -  42)  Enricins  Cordns,  Epigrammata.  Her.  v.  K.  Krause.  (=  LLD.  N.  5.)  B.,  Speyer  &  Peters. 
1892.  LH,  111  S.  M.  2,80.  |[G.  Kawerau:  ThLZ.  18,  S.  812.11  (Vgl.  JBL.  1892  II  8:8.)  -  43)  (I  6:16;  II  7:61a.)  — 
44)A.  Thenn,  Joh  Stigel  an  Joh.  Lange  im  J  1540 :ZKG.  13,  S.  166/8.  —  45)  H.  Bassermann,  K.  Hartfelder:  PKZ.  40,  S.  595,6. 
—  46)  (I  3  :  97.)  |[0.  Hartwig:  CBlBibl.  10,  S.  145/6.]j  —  47)  (I  3 :  79.)  -  48)  (I  6  :  113;  II 1 :  155.)  -  49)  (I  3  :  244.)  —  50)  (II 1 :  159.) 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  51 

Reformation  an;  letzterer  aber  fällt  dabei  der  Löwenanteil  zu.  Luther,  Melanchthon, 
Jonas,  Bug-enhagen,  Ag'ricola,  Urbanus  Rhegius  —  dann  besonders  Brenz  sim  seine 
Autoren.  Dabei  druckt  er  fast  nur  lateinische  Schriften  von  ihnen,  und  seine  Drucke 
sind  fast  immer  Orig-inaldrucke.  Der  Index  von  1559  verbietet  kurzer  Hand  seine 
sämtlichen  Drucke.  Dass  er  dazu  kam,  auch  Servets  De  trinitatis  erroribus  1531  zu 
drucken,  sucht  St.  daraus  zu  erklären,  dass  Servet  als  Gegner  der  Schweizer  und 
Strassburger  zu  ihm  kam,  der  ihnen  gleichfalls  als  Lutheraner  abgeneigt  war.  Aber 
wenn  er  gar  nichts  Bedenkliches  an  dieser  Schrift  fand,  bona  fide  druckte,  warum 
liess  er  dann  sein  Impressum  weg,  so  dass  er  nur  durch  sachkundige  Typen-  und 
Zierleistenvergleichung  als  Drucker  zu  ermitteln  ist?  Sein  Tod  erfolgte  1532,  doch 
führte  die  Presse  noch  bis  1535  die  Firma  officina  Seceriana,  dann  übernahm  sie  (der 
Schwiegersohn?)  Peter  Brubach,  der  sie  1536  nach  Schwäbisch- Hall,  1540  nach 
Frankfurt  verlegte,  wo  sie  bis  1567  bestand.  Nicht  genügend  weiss  St.  dabei  sich 
mit  Luthers  Brief  an  Linck  vom  J.  1542  (de  Wette  5,  S.  487)  abzufinden,  wo  Luther 
dem  Freunde  betreffs  des  Verlages  seines  Genesiskommentars  schreibt:  bene  fecisses, 
si  Secerio  tradidisses.  Das  scheint  mir  doch  am  einfachsten  so  zu  erklären  zu  sein, 
dass  unter  den  Bekannten  noch  immer  der  angesehene  Verlag  nach  Setzer  benannt 
wurde,  der  ihn  in  10  Jahren  zu  einem  Hauptverlage  reformatorischer  Schriften  er- 
hoben hatte.     Aehnlich  reden  wir  ja  auch  heute  noch.  — 

In  diesen  Zusammenhang  reihen  wir  auch  die  Brief  Sammlung  Buch- 
walds^S)  ein.  Er  teilt  aus  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek  217  Nummern  voll- 
ständig oder  excerptweise  mit  aus  der  Korrespondenz  von  Wittenbergern  mit  Stephan 
Roth  in  Zwickau,  aus  den  J.  1521 — 46,  nachdem  er  kurz  zuvor  Excerpte  aus 
821  Briefen  an  Roth  unter  Berücksichtigung  aller  buchhändlerischen  oder  litterarischen 
Notizen,  die  sie  bieten,  als  Beitrag  zur  Geschichte  des  Buchhandels  in  der  Refor- 
mationszeit^''),  und  aus  demselben  Briefschatz  112  Nummern  unter  dem  Gesichts- 
punkte Altenburgischer  Stadt-  und  Reformationsgeschichte  excerpiert  hatte.^^)  So 
hat  er  in  dankenswerter  Arbeit  den  grossen  Briefschatz  Roths  durchgearbeitet,  der 
doch  zu  viel  Unbedeutendes  enthält,  um  ihn  in  extenso  zu  publizieren,  aber  gerade  in 
den  Beziehungen,  die  B.  in  seinen  drei  Publikationen  herausgegriffen  hat,  viele 
schätzbare  und  der  Veröffentlichung  werte  Notizen  bietet.  Sehr  erwünscht  ist  auch 
das  (vgl.  N.  48,  S.  V — IX)  Verzeichnis  aller  der  Schriften,  in  denen  bereits  früher 
aus  diesem  Briefvorrat  Stücke  abgedruckt  worden  sind,  und  das  Register  der  letzteren. 
Für  zahlreiche  Schriften  Luthers  gewähren  die  Wittenberger  Briefe  höchst  wichtige 
Angaben  über  die  Zeit  ihres  Erscheinens,  über  neue  Auflagen  usw.  Das  Wertvollste 
von  allem  sind  die  neuen  Aufschlüsse,  die  sich  aus  dem  von  Buchwald  ans  Licht  ge- 
zogenen Material  für  die  Entstehungsgeschichte  des  kleinen  Katechismus  ergeben 
haben.  Da  Buchwald  inzwischen  diese  wichtigen  Entdeckungen  in  einer  neuen 
Schrift  näher  dargelegt  hat,  genügt  es  hier  auf  den  nächsten  Jahresbericht  zu  ver- 
weisen. Neben  den  Ergebnissen,  die  für  den  Buchhandel  und  die  Büchergeschichte 
aus  dem  Rothschen  Briefwechsel  zu  gewinnen  sind,  finden  sich  zahlreiche  Mitteilungen 
zur  Geschichte  der  führenden  Persönlichkeiten  in  Wittenberg  und  aus  dem  diesen 
befreundeten  Kreise ;  eine  Anzahl  von  Männern  zweiten  und  dritten  Ranges  aus  den 
Wittenberger  Stadt-  und  Universitätskreisen  wird  uns  bekannter,  der  Einblick  in 
das  Leben  und  Treiben  in  der  Stadt  wird  durch  manchen  charakteristischen  Zug  ge- 
schärft. — 

Luther.  Der  Bericht  über  1893  beginnt  füglich  mit  dem  neuen  Bande  der 
Weimarer  Gesamtausgabe ^^),  der  freilich  noch  1892  auf  dem  Titel  zeigt,  that- 
sächlich  aber  erst  im  Berichtsjahre  zur  Ausgabe  gelangte.  Er  enthält  nur  ein  ein- 
ziges Stück,  den  grossen  Kommentar  über  die  ersten  22  Psalmen,  den  Luther  unter 
dem  Titel  Operationes  in  Psalmos  von  1519 — 21  stückweise  erscheinen  liess.  Ursprüng- 
lich hatte  C.  Bertheau  in  Hamburg  die  Herausgabe  übernommen,  dann  aber  die  Arbeit 
an  Pastor  E.  Thiele  in  Magdeburg  abgegeben,  der  seines  Amtes  mit  Sorgfalt  ge- 
wallet hat.  Mitgearbeitet  hat  aber  auch  der  ganz  als  Sekretär  in  den  Dienst  der 
Lutherausgabe  getretene  Germanist  P.  Pietsch,  der  unter  dem  lateinischen  Texte 
charakteristische  Proben  aus  den  deutschen  Uebersetzungen  mitteilt.  Gegen  das 
stärkere  Geltendmachen  germanistischer  Interessen,  das  durch  seinen  Eintritt  in  die 
Redaktion  eingeleitet  worden  ist,  in  Verbindung  mit  einer  spürbaren  Zurücksetzung 
der  für  den  theologischen  Leser  der  Ausgabe  wertvolleren  sachlichen  Erläuterungen, 
sowie  gegen  gewisse  durch  die  neue  Leitung  des  grossen  Werkes  veranlasste  Ab- 
änderungen des  Planes  und  der  Editionsweise  sind  von  theologischen  Kritikern 
Bedenken  erhoben  worden;  die  Wünsche  zweier  verschiedener  Interessentenkreise  der 
Lutherausgabe  gegenüber  machen  sich  geltend,  ohne  dass  bisher  ein  völlig  befriedi- 
gender Ausgleich   gefunden  wäre.  —  Der   neue  Band    der   amerikanischen    Luther- 


—  51)  M.  Luther,  Werte.    Krit.  Gesamtausg.    V.  Bd.    Weimar,  Böhlan.    1892.    4".    VUI,  676  S.'    M.  17,00.    |[G.  Kawerau: 
JahresbericMe  für  neuere  deutsche  Litteraturgesohichte.    IV.  (2)7 


II  6  :  52-56  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

ausgäbe  ^2)  ist  dem  Referenten  nicht  zu  Gesichte  g-ekommen;  aus  dem  Titel  ist  zu  er- 
sehen, dass  er  im  ganzen  dem  8.  Bande  der  Walchschen  Ausgabe,  aber  mit  einigen 
Umstellungen  entspricht;  die  bedeutendste  ist,  dass  der  kleinere  (ältere)  Kommentar 
zum  Galaterbriefe  voraufgestellt,  der  spätere  grosse  Kommentar  für  den  nächsten  Band 
zurückgelegt  ist.  —  Die  Braunschweiger  Ausgabe  ist  durch  einen  Registerband  ^^^ 
abgeschlossen,  der  zwar  für  die  dogmatischen  und  ethischen  Begriffe  recht  voll- 
ständig gearbeitet  ist,  dagegen  das  kirchengeschichtliche  Material,  namentlich  die 
Namen  und  Sachen  der  mittelalterlichen  Kirche  und  Frömmigkeit,  gegen  die  Luther 
kämpft,  nur  ungenügend  berücksichtigt.^'*)  —  Enders  ^^)  hat  von  seiner  Ausgabe  des 
Briefwechsels,  der  bekanntlich  einen  Teil  der  Erlanger  Lutherausgabe  bildet,  den 
5.  Band  erscheinen  lassen  (Sept.  1524  bis  Dec.  1526),  der  zugleich  6  Briefe  zu  den 
früheren  Bänden  nachträgt.  Hochbedeutsam  ist  hier  vor  allem  der  Fund  von  5  Stücken 
aus  der  Korrespondenz  zwischen  Luther  und  Joh.  Eck  aus  der  Zeit  vor  der  Leipziger 
Disputation;  es  sind  4  Briefe  Luthers  (19.  Mai  1518  aus  Anlass  der  Eckschen  „Obelisci", 
7.  Jan.,  18.  Febr.  und  5.  April  1519)  und  ein  Brief  Ecks  (vom  20.  Sept.  1518).  Freilich 
sind  sie  nur  in  teilweise  schwer  lesbaren  Abschriften  der  Nürnberger  Stadtbibliothek 
aufgefunden;  Einzelnes  bleibt  unleserlich.  Anderes  unsicher.  Aber  gleichwohl  ist  es  ein 
Fund  besonders  erfreulicher  Art,  und  man  muss  E.  danken,  dass  er  ihn  schon  hier 
in  Band  V,  nicht  erst  am  Ende  des  ganzen  Werkes  den  Fachgenossen  mitgeteilt  hat. 
Dazu  kommt  als  Nachtrag  ein  in  München  aufgefundener  Brief  Luthers  an  den 
Bamberger  Pfarrer  Schwanhausen,  8.  März  1523.  Auch  sonst  ist  der  Band  wieder 
reich  an  Briefen,  die  aus  seltenen  Drucken  ans  Licht  gezogen  oder  aus  Hss.  zum 
ersten  Male  veröffentlicht  werden.  So  ist  Schwenkfelds  Epistolar  nicht  unbeachtet 
geblieben,  und  auch  Theophr.  Paracelsus  erscheint  unter  den  Briefstellern.  Wenn 
übrigens  die  in  Gotha  erhalten  gebliebene  Abschrift  seines  Briefes  die  Randbemerkung 
Descriptum  Tschopae  principio  Decembris  Anno  1581  trägt,  so  weist  dieser  auf  den 
Zschopauer  Pfarrer  Valentin  Weigel  als  auf  den  Mann,  dem  wir  die  Abschrift  zu 
danken  haben;  auch  der  Druck  von  1618  erfolgte  ja  durch  den  bekannten  Heraus- 
geber der  Weigelschen  Schriften,  Joh.  Franck  in  Magdeburg.  Ich  hebe  noch  hervor, 
dass  E.  auch  die  Briefe  Melchior  Hofmanns  imd  Bugenhagens  an  die  Gemeinde  zu  Dorpat 
und  die  Prediger  in  Livland  aufgenommen  und  damit  diese  seltenen  Stücke  leicht 
zugänglich  gemacht  hat.  In  den  zahlreichen  Anmerkungen  ist  wieder  ein  reicher 
Schatz  gelehrter  Arbeit  niedergelegt,  der  dadurch  seinen  Wert  nicht  einbüsst,  dass 
gelegentlich  ein  Versehen  unterläuft  und  z.  B.  (S.  402)  eine  Briefnotiz  auf  die  Ehefrau 
des  Zwickauers  Stephan  Roth  statt  auf  die  des  Dr.  Stephan  Wild  bezogen  wird. 
Ueberraschend  ist,  dass  er  (S.  96)  auf  den  von  Luther  ausgestellten  Eheschein  für 
Joh.  Gülden  unmittelbar  ein  Bittschreiben  Luthers  für  denselben  folgen  lässt,  das 
neben  seiner  und  seiner  Frau  Not  auch  bereits  prolis  duplicis  necessitatem  geltend 
macht.  Da  bedürfte  es  doch  einer  Begründung  dafür,  dass  das  undatierte  Schreiben 
schon  in  das  Jahr  der  Eheschliessung  gehöre.  — 

Der  glückliche  Entdecker,  der  zugleich  mit  unermüdlichem  Fleisse  und 
schneller  Hand  seine  Funde  hebt  und  zum  Druck  fördert,  Buchwald^^),  berichtet 
über  den  Schatz,  den  er  in  der  Jenaer  Universitätsbibliothek  wieder  aufgefunden  hat. 
Es  handelt  sich  um  Georg  Rörers  hs.  Lutherana,  die  einst,  freilich  nur  unvoll- 
ständig, für  die  Wittenberger  und  Jenaer  Lutherausgabe,  dann  später  für  die  Alten- 
burger  Ausgabe  benutzt  wurden,  seitdem  aber  verschollen  waren,  denen  er  aber, 
geleitet  durch  das  Studium  der  im  Weimarer  Archiv  bewahrten  Akten  der  Jenaer 
Lutherausgabe,  wieder  auf  die  Spur  gekommen  ist.  Was  die  Zwickauer  Bibliothek 
als  Poachsche  Sammlung  besitzt,  erweist  sich  nunmehr  als  Abschrift  einiger  Bände 
der  Jenaer  Rörerschen  Sammlung.  Schon  1537  wollten  der  Kurfürst  Johann  Friedrich 
und  auch  Nik.  Amsdorf  diese  Schätze,  jeder  für  sich,  abschreiben  lassen.  Bis  zu 
Luthers  Tode  mehrt  Rörer  unermüdlich  seine  Sammlungen;  um  ihrer  willen  rief  man 
ihn  aus  Dänemark  nach  Jena,  als  die  Jenaer  Ausgabe  geplant  wurde.  Schliesslich 
erwarben  die  Ernestinischen  Herzöge  den  Schatz  und  übergaben  ihn  (20  Quart-  und 
13  Oktavbände!)  der  Jenaer  Universitätsbibliothek.  Hier  schlummerte  er  und  blieb 
vergessen,  bis  B.  über  ihn  kam.  Er  enthält,  ausser  12  Originalhss.  Luthers  (teilweise 
ungedruckten),  Nachschriften  und  Reinschriften  RÖrers  von  zahlreichen  alt-  und  neu- 


ThLZ.  18,  S.  283/5;  Th.  Kolde:  GGA.  8.  857-62;  A.  Stecker:  DEKZ.  7,  S.  370/l.]|  —  52)  O  id-,  Säratl.  Schriften.  Her. 
T.  J.  Gr.  Walch.  Aufs  Nene  her.  im  Auftr.  d.  Minist,  d.  dtsch.  evang.-luth.  Synode  v.  Missouri,  Ohio  u.  anderen  Staaten. 
Neue  rev.  Ster.-Ausg.  8.  Bd.  Auslegung  d.  Neuen  Testaments.  Auslegungen  über  d.  Evangelisten  St.  Johannes  Kap.  7-20, 
&ber  d.  16.  u.  16.  Kap.  d.  Apost.-Gesch.  u.  d.  7.  u.  15.  Kap.  d.  1.  Briefes  an  d.  Korinther.  Luthers  Icürzere  Auslegung  d. 
Epistel  an  d.  Galater.  St.  Louis,  Mo.  (Drosden,  Naumann).  4».  XI  S,  1925  Sp.  M.  15,00.  —  53)  id.,  Werke  für  d.  christl. 
Haus.  Her.  t.  G.  Buchwald,  G.  Kawerau,  Jul.  Köstlin,  P.  M.  Rade,  E.  W.  Schneider  u.  a.  Vollständ.  Namen- 
u.  Sachreg.  Bearb.  v.  R.  Seil.  Braunschweig,  Schwetschke.  III,  92  S.  Kl.  Ausg.  M.  0,90;  gr.  Ausg.  M.  1,20.  \[ö. 
Bessert:  TliLZ.  18,  S.  523/4.]|  —  54)  X  M.  Luthers  Werke  für  das  christl.  Haus.  Bd.  8  (vgl.  .IBL.  1S92  II  6:2).  ([G. 
Bessert:  ThLZ.  18,  S.  83/5;  A.  Paul:  COIRW.  21,  S.  429-31.]|  —  55)  id.,  Briefwechsel.  Bearb.  u.  m.  Erläuterung  vörs.  v.  E. 
L,  Bnders.    5.  Bd.  Briefe  vom  Sept.  1524  bis  Deo.  1526,  nebst  Nachtrr.    Calw,  Vereinsbuchh.    VIII,  418  S.    M.  4,50.  —  56) 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  57-64 

testamentlichen  Vorlesung-en  Luthers,  für  die  J.  1523—26,  1528—38  vollständige  Predig-t- 
reihen,  für  die  ijbrig-en  Jahre  zahlreiche  einzelne  Predigten;  daneben  Kopien  zahlreicher 
Briefe,  die  zwar  nur  wenig  Ungedrucktes  enthalten,  aber  für  die  Textkritik,  Datierung, 
Feststellung  der  Adressaten  usw.  wichtiges  Material  bieten.  Dazu  kommen  Tisch- 
reden (teilweise  mit  Quellenangabe),  eine  Disputation  von  1540,  der  Entwurf  zu 
einer  Schrift  contra  Papistas  (1545?).  Zwei  Bände  endlich  enthalten  Vorarbeiten  für 
die  Bibelübersetzung  (zum  Psalter  1525)  und  zur  Bibelrevision  von  1539.  Man  steht 
hier  vor  ungeahnt  reichen  Schätzen,  durch  die  der  Plan  der  Weimarer  Lutherausgabe 
manche  Erweiterung  erfährt,  die  aber  glücklicher  Weise  noch  gerade  rechtzeitig  für 
diese  Ausgabe  ans  Licht  gezogen  sind.  Einzelnes  hat  B.  inzwischen  schon  auf  eigene 
Hand  publiziert  (s.  u.  N.  58),  das  Andere  wird  in  den  Bänden  der  Weimarer  Aus- 
gabe allmählich  zur  Herausgabe  und  kritischen  Verwertung  gelangen.  B.  hat  sich, 
wie  schon  durch  seine  grossen  Zwickauer  Funde,  so  durch  diese  noch  grösseren  für 
alle  Zeiten  den  Dank  der  Lutherforschung  gesichert,  sich  .selbst  aber  damit  seine 
Lebensaufgabe  gewiesen^").  —Aus  dem  Jenaer  Hss.-Schatz  veröffentlicht  Buch  wald^^) 
die  dort  vorgefundenen  Fragmente  einer  letzten,  durch  den  Tod  abgebrochenen,  daher 
nie  veröffentlichten  Streitschrift  Luthers  gegen  die  Theologen  der  Universitäten  Löwen 
und  Paris.  Zwar  muss  Luther  erheblich  mehr  an  dieser  Schrift  fertiggestellt  haben 
als  B.  aufgefunden  hat,  und  das  Aufgefundene  trägt  auch  in  der  zweiten  Niederschrift 
nur  den  Charakter  eines  noch  unfertigen  Entwurfs  (vgl.  die  Anzeige  von  Kolde); 
aber  auch  der  fragmentarische  Entwurf  ist  in  mehrfacher  Hinsicht  merkwürdig.  Nicht 
nur  weil  der  überlegene  Spott  und  die  urwüchsige  Grobheit  den  alten  Feinden  gegen- 
über sich  noch  einmal  kräftig  bethätigen,  sondern  auch  weil  der  prinzipielle  religiöse 
Gegensatz  gegen  das  römische  System  mit  aller  Klarheit  zum  Ausdruck  gelangt.  Die 
Zuthaten  des  Herausgebers  sind  etwas  flüchtig  gearbeitet.  —  Kolde^^)  veröffentlicht 
zwei  bisher  unbekannte  Briefe,  den  einen  (5.  Juni  1534)  an  den  Kurfürsten,  seine 
Fürbitte  für  die  um  ihres  Glaubens  willen  vertriebenen  Hallenser  enthaltend,  aus 
Privatbesitz;  den  anderen  (12.  Sept.  1535)  an  Kanzler  Brück,  betreffend  die  Audienz 
des  englischen  Botschafters  Ant.  Barnes  und  Melanchthons  Reise  nach  England,  aus 
dem  Public  Record-office  in  London.  Besonders  interessant  ist  die  Entschiedenheit, 
mit  der  hier  Luther  für  Gestattung  der  Reise  Melanchthons  eintritt,  und  die  Wärme, 
mit  der  er  seinen  dem  Kurfürsten  verdächtigten  Genossen  in  Schutz  nimmt,  auch 
dass  er  diesmal  die  Verhandlungen  mit  Heinrich  VIII.  als  erfolgverheissend  be- 
trachtet. —  Ins  J.  1531  gehört  der  von  Hans^^)  aus  der  Augsburger  Stadtbibliothek 
mitgeteilte  Brief  Luthers  an  den  Rat  von  Memmingen;  er  enthält  die  Fürbitte  für 
Joh.  Schmeltz,  einen  Memminger,  der  in  Wittenberg  studierte,  um  Geldunterstützung 
für  die  bevorstehende  Magister-Promotion.  —  Aus  Cod.  244  der  Rigaer  Stadtbibliothek 
legt  Haussleiter 61)  Proben  von  Tischreden  Luthers  vor,  die  den  Sprachcharakter 
der  primären  Aufzeichnungen  bewahrt  haben  und  verglichen  mit  der  in  Loesches 
Analecta  (vgl.  JBL.  1892  II  6 :  10)  vorliegenden  Recension  einen  besseren  Text  bieten. 
Auch  ein  Vergleich  einzelner  Stücke  mit  Förstemann-Bindseils  Ausgabe  und  mit 
Cordatus  fällt  zu  Gunsten  der  Rigaer  Hs.  aus.  Natürlich  genügen  einzelne  Proben 
nicht,  um  den  Wert  der  ganzen  Sammlung,    die  dort  vorliegt,    zu  beurteilen. ^2-63^  — 

Der  Aufsatz  des  Württemberger  Theologen  Klaiber^*),  der  die  in  den  letzten 
Jahren  in  der  ZDPh.  erschienenen  Einzeluntersuchungen  zu  sprachlichen  und  lexi- 
kalischen Erscheinungen  in  Luthers  Schriften  an  zahlreichen  Punkten  fortsetzt,  zeigt 
recht  deutlich,  wie  vieles  in  Luthers  deutschen  Schriften  —  trotz  der  Beachtung,  die 
ihm  die  deutsche  Lexikographie  schon  längst  geschenkt  hat  —  noch  der  Erläuterung 
harrt.  Nicht  weniger  als  47  Stellen,  Ausdrücke  oder  Redensarten,  aus  Luthers  Schriften 
werden  hier  besprochen  (z.  B.  mit  Lungen  auswerfen;  spielen  tragen;  in  der  Hand 
raufen;  das  Wasser  geht  über  die  Körbe;  halb  Jacob  werden;  vom  Habersack  singen; 
das  Beil  zu  weit  werfen  usw.)  und  teils  befriedigend  erklärt,  teils  zu  weiterer 
Diskussion  gestellt.  Freilich  ist  für  Arbeiten  dieser  Art  eine  kritische  Textawsgabe 
Vorbedingimg;  für  anderes  zeigt  sich,  dass  nicht  überall  die  Sprachwissenschaft  den 
Schlüssel  des  Verständnisses  zu  bieten  vermag.  Man  vergleiche  z.  B.  die  vergeblichen 
Bemühungen,  den  seltsamen  Decknamen  „Pilatus"  (für  Abtritt)  in  der  Redensart 
„dem  Pilatus  opfern"  zu  erklären;  hier  hat  gewiss  Köstlin  mit  seinem  Hinweis  auf 
Joh.   19, 13  Recht.  — 

Einzelne  Schriften  Luthers  sind  willkommene  Gegenstände  für  populär- 
wissenschaftliche Vorträge;  man  analysiert   ihre  Gedanken   und  macht  allerlei  Nutz- 

G.  Buchwald,  Lutherfnnde  in  d.  Jenaer  Univ.-Bibl.:  ZKG.  14,  S.  6003.  —  57)  X  id.,  Neue  Lutherfunde :  Pfarrhaus  S.  161/5. 
—  58)  id.,  M.  Luthers  letzte  Streitschrift.  Im  Original  aufgefunden  u.  z.  ersten  M.ile  her.  L.,  Wiegand.  12  S.  M.  1,20. 
|[Cnltura  2,  S.  194/5;  Th.  Kolde:  ThLBl.  14,  S.  583/5.] |  -  59)  Th.  Kolde,  Zwei  Lutherbriefe:  ZKG.  14,  S.  6037.  —  60)  J. 
Hans,  Brief  Luthers:  ib.  S.  4489.  —  61)  J.  Haussleiter,  Tischreden  Luthers  in  e.  Eig.ier  Hs.:  ThLBl.  14,  S.  359-63.  — 
62)  G.  Loesche,  Analecla  Lufherana  et  Melanthoniana  (vgl.  JBL.  1892  I  10:17;  II  6:10).  |[Th.  Kolde:  HZ.  70,  S.  514/5;  D.W. 
Simon:  CRThPhL.  3,  S.  309-12;  W.  Walther:  ThLBl.  14,  S.  3178.11  —  63)  B  Lutherautograph  im  British  Museum:  MAutographen-i 
Sammler.  S.  88,9.  —  64)  K.  H.  Klaiber,  Lutherana:  ZDPh.  26,  S.  30-58.  (Dazu  Nachtrr.  von  J.  Köstlin  u.  K.  H.  Klaiber: 

(2)7* 


II  6  :  65-70  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

anwendungen  auf  die  Gegenwart.  So  behandelt  diesmal  Königes)  die  Schrift  „An 
den  christlichen  Ad  el",  deren  reichen  Stoff  er  unter  den  Rubriken  Religiöses,  Kirch- 
liches, Sociales,  Politisches  darstellt;  Applikationen  und  polemische  Streiflichter  auf  die 
Gegenwart  im  Gedankenkreise  der  PKZ.  geben  der  Analyse  das  Gewürz.  —  Enger 
begrenzt  und  tiefer  eindringend  ist  die  Betrachtung  der  gleichen  Schrift  inBeckhs^^) 
Aufsatz.  — 

Ehlers^^)  verfolgt  bei  ähnlicher  Behandlung  der  Schrift  „Von  der  Freiheit 
eines  Christenmenschen"  (Gedankengang  und  praktische  Anwendung)  die  Inten- 
tionen des  evangelischen  Bundes,  der  evangelischen  Christenheit  auch  positiv  den 
Wert  ihrer  religiösen  Güter  ins  Bewusstsein  zu  rufen.  — 

Der  stark  erweiterte  Vortrag  über  Luthers  Taufliturgie  von  Althaus^^) 
beruht  auf  recht  umfänglichen  Studien  zur  Geschichte  der  Liturgie;  doch  ist  das 
Interesse  des  Vortragenden  hier  das  der  kirchlichen  Praxis:  was  und  wie  viel  aus 
Luthers  Taufbüchlein  lässt  sich  etwa  heute  noch  unverändert  beibehalten?  an  welchen 
Punkten  müssen  Korrekturen  eintreten?  Dabei  geht  es  ihm  denn  so,  dass  seine  ge- 
schichtlich-antiquarischen Studien  es  ihm  erschweren,  sich  vor  die  schlichte  Frage  zu 
stellen,  was  doch  die  Gemeindeglieder,  die  nicht  studierte  Liturgiker  sind,  den  einzelnen 
Stücken  der  Tauf liturgie  für  ein  Verständnis  abgewinnen  können,  und  er  verfällt  der 
Neigung,  die  aus  der  katholischen  Tradition  von  Luther  einst  übernommenen  Stücke 
lieber  mit  umdeutenden  Interpretationen  in  Schutz  zu  nehmen,  als  ihre  Korrektur- 
bedürftigkeit anzuerkennen.  Was  Luther  seiner  Zeit  aus  Schonung*  der  Schwachen 
einstweilen  möglichst  ungeändert  Hess,  das  ist  nun  durch  300  jährigen  Brauch  zu  einer 
geheiligten  lutherischen  Tradition  geworden.  Und  gerade  für  den  gelehrten  Liturgiker 
liegt  die  Versuchung  nahe,  gottesdienstliche  Formulare  so  zu  betrachten,  als  wenn 
sie  in  erster  Linie  nicht  für  eine  Gemeinde  zu  unmittelbarem  Gebrauch  und  daher 
auch  zu  direktem  Verständnis,  sondern  für  den  Archäologen  und  Liturgiker  bestimmt 
wären,  damit  sie  ihm  interessante  liturgische  Reminiscenzen  aus  vergangenen  Zeiten 
vorführten.  — 

Aus  Luthers  „Bekenntnis  vom  Abendmahl"  1528  giebt  ein  Anonymus^^) 
einen  Abdruck  des  am  Schluss  dieser  Schrift  befindlichen  Glaubensbekenntnisses 
(vgl.  Erlanger  Ausg.  30,  S.  363—73)  mit  einer  Verkürzung;  offenbar  ist  die  Absicht 
dabei,  Luthers  Credo  mit  seinen  metaphysischen  Aussagen  modernen  theologischen 
Richtungen,  die  doch  auch  auf  Luther  sich  berufen,  kräftig  entgegenzuhalten  und 
ihnen  zu  sagen,  dass  sie  einen  anderen  Geist  als  Luther  hätten. 

Wertvoller  ist  Walthers"")  kleiner  Artikel  über  Luthers  Ansicht  über  den 
Jakobusbrief,  indem  er  an  eine  in  den  Debatten  der  letzten  Jahre  über  Luthers 
kritische  Stellung  zu  einzelnen  Büchern  der  heil.  Schrift  stets  übersehene  Aeusserung 
erinnert,  die  zwar  bei  Walch  (Bd.  9)  längst  gedruckt  war,  aber,  weil  in  der  Erlanger  Aus- 
gabe fehlend,  auch  von  solchen  übersehen  werden  konnte,  die  sonst  ihren  Luther  aus 
eigenem  Studium  kennen.  Luther  hatte  einst  ein  Exemplar  seines  Neuen  Testaments 
(Wittenberg  1530)  als  Handexemplar  benutzt  und  an  den  Rand  zahlreiche  Bemerkungen 
geschrieben.  1578  wurden  diese  Marginalien  kopiert  —  das  Buch  selbst  ist  ver- 
schollen —  1731  gedruckt,  dann  in  Walch  (9,  S.  2774  ff.)  wiederholt.  Hier  ist  zu 
ersehen,  dass  er  bei  seinem  Verwerfungsurteil  über  den  Jakobusbrief  in  aller  Schärfe 
beharrt:  die  Unvereinbarkeit  von  Jakobus  Kap.  2  mit  der  Paulinischen  Rechtfertigungs- 
lehre ist  dabei  für  ihn  der  ausschlaggebende  Grund.  Unhaltbar  ist  also  der  Trost, 
an  den  sich  die  Lutheraner  des  17.  Jh.  hielten,  Luther  habe  nur  „in  den  ersten 
Jahren"  —  man  meinte,  bis  1526  —  solch  kritisches  Verwerfungsurteil  gefällt,  später 
dagegen  seine  Meinung  geändert  und  stillschweigend  zurückgezogen.  Ich  hatte  bereits 
früher  (vgl.  ZKWL.  10,  S.  368)  eine  den  späteren  Jahren  angehörige  Tischrede 
Luthers  aus  einer  Gothaer  Hs.  angezogen,  die  geradezu  erklärt:  Epistolam  Jacobi 
ejiciemus  ex  hac  schola.  (Dieselbe  ist  jetzt  auch  in  Loesches  Analecta  S.  296  zu  finden.) 
Ich  hatte  ferner  auf  eine  Stelle  in  Luthers  letzter  Genesis -Vorlesung  (Opp.  exeg.  ed. 
Erl.  5,  S.  227)  mit  einem  sehr  herben  Urteil  über  diesen  Brief  verwiesen.  Dazu 
kommen  nun  noch  als  weitere  Zeugen  diese  Marginalien,  die  jedenfalls  der  Zeit  nach 
1530  angehören.  W.  erkennt  daher  auch  rückhaltlos  an,  dass  Luthers  Urteil  unver- 
ändert geblieben  ist.  Doch  findet  er  es  bedeutsam,  dass  Luther  in  dieser  späteren 
Zeit  solche  Urteile  „in  seinem  Herzen"  bewahrt  habe,  also  Aergernis  durch  öffent- 
liches Aussprechen    habe    vermeiden,    seine  Ansicht   als    eine    doch    nur   subjektive, 


ib.  S.  281,  430/1.)  —  65)  K.  König,  Luthers  Sclirift  an  d.  Adel  dtsch.  Nation  v.  d.  cliristl.  Standes  Besserung  u.  unsere  Zeit 
in  ihrem  Lichte:  PKZ.  40,  S.  409-14,  443/8,  471/6,  487-94,  512/8,  540/2.  —  66)  H.  Keckh,  Luthers  Auffassung  d.  Verhältnisses 
d.  weltlichen  Obrigkeit  z.  Kirche  u.  d  nat.  Gestaltung  d.  Kirche,  nach  seiner  Schrift  an  d.  christl.  Adel:  DEBII.  17,  S.  749-68, 
793-812.  —  67)  B.  Ehlers,  V.  d.  Freiheit  e.  Christenraenschen :  PKZ.  40,  S.  337-52.  —  68)  P.  Althaus,  D.  bist.  u.  dogmat. 
Grundlagen  d.  luther.  Tanflitnrgie.  Vortr.,  geh.  auf  d.  50.  Inther.  Pfingstkonf  zu  Hannover  am  IC  Juni  1892.  Hannover, 
feesohe.  HI,  102  S.  M.  1,50.  |[G.  Kawerau:  ThLZ.  18,  S.  238-42]|  -  69)  Aus  Luthers  „Bekenntnis  vom  Abendmahl  Christi« 
aus  d.  J.  1528:  AELKZ.  26,  S.  983/6.  —  70)  W.  Walt  her.  Zu  Luthers  Ansicht  über  d.  Jakobusbrief:  ThStK.  66,  S.  595/8.  - 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  =  71-82 

vielleicht  irrig-e  Meinung-  habe  zurückhalten  wollen.  Es  ist  mir  zweifelhaft,  ob  diese 
Deutung"  Luther  richtig  beurteilt.  Im  Kolleg-  hat  er  jedenfalls  seine  Meinung  durch- 
aus nicht  für  sich  behalten,  sondern  sie  in  scharfem  Worte  —  er  redet  von  einem 
delirare  bei  Jakobus  —  ausgesprochen,  auch  im  Freundeskreis  sie  nicht  „im  Herzen" 
bewahrt.  Es  sollte  mich  gar  nicht  wundern,  wenn  sich  auch  einmal  in  einer  Predigt 
aus  späteren  Jahren  ähnlich  freimütige  Aeusserungen  über  einzelne  biblische  Schriften 
fänden,  wie  solche  aus  Predigten  früherer  Jahre  bekannt  sind.  Es  sei  hier  nur 
daran  erinnert,  dass  noch  1572  Luthers  Schüler  Victorin  Strigel  in  gedrucktem 
Kommentar  frei  öffentlich  die  Verwerfung  des  Jakobusbriefes  gelehrt  hat.  — 

Der  revidierten  Lutherbibel  hat  Bähnisch''),  derselbe,  den  der  vorige 
Bericht  als  eifrigen  Verfechter  der  „Schulbibel"  erwähnte  (vgl.  JBL.  1892  II  6:23), 
eine  sorgfältige  Prüfung  zugewendet.  Er  erkennt  im  ganzen  die  Kommissionsarbeit 
als  verdienstlich  an,  z.  B.  auch  die  Sorgfalt,  die  in  der  Revision  der  Zuthaten 
(Kapitelüberschriften,  Kapitelabteilungen,  Parallelstellen)  bemerkbar  ist.  Er  tadelt 
u.  a.,  dass  die  Kommission  als  Text  des  Neuen  Testaments  im  wesentlichen  den  von 
Luther  benutzten  des  Erasmus  auch  heute  noch  festgehalten  hat,  und  urteilt,  dass 
trotz  der  Superrevision,  die  an  dem  zunächst  von  dem  Germanisten  Frommann  her- 
gestellten, altertümelnden  Sprachcharakter  vorgenommen  werden  musste,  doch  noch 
vieles  stehen  geblieben,  das  sprachlich  veraltet  sei.  —  Wertvoller  noch  dürfte 
Jehles"*-)  Studie  sein,  die  unter  Beschränkung  auf  die  5  Bücher  Mosis  dieses  Stück 
einer  sehr  genauen  und  gründlichen  Nachprüfung  unterwirft  und  besonders  allerlei 
Inkonsequenzen  in  sprachlicher  Beziehung  aufdeckt. '3-74)  — 

Alljährlich  überschüttet  uns  der  Büchermarkt  mit  zahlreichen  neuen  Ver- 
suchen, Luthers  kleinen  Katechismus  zu  erklären,  und  ältere  Schriften  dieser  Art 
erleben  bald  mehr,  bald  weniger  umgearbeitete  Ausgaben.  Uns  interessiert  dieser 
Litteraturzweig,  der  ja  der  Praxis  des  Unterrichts  in  Schule  und  Konfirmanden- 
unterricht dient,  hier  nur  so  weit,  als  er  sich  durch  tieferes  Eindringen  in  Luthers 
Gedanken  und  Intentionen  legitimiert.  Und  solcher  Schriften  sind  unter  der  Menge 
der  zur  Verbreitung  gelangenden  doch  nur  recht  wenige.  Eine  vieljährige  Tradition 
herrscht,  die,  wenig  bekümmert  um  das,  was  Luther  gewollt  und  nicht  gewollt  hat, 
den  Text  seines  Büchleins  als  Anlass  benutzt,  allen  Stoff,  den  man  meint  überliefern 
zu  sollen,  irgendwo  und  irgendwie  hineinzupacken,  die  Schemata  und  traditionellen 
Definitionen  eines  dogmatischen  Systems  der  Jugend  als  „Katechismus-Erklärung" 
vorträgt  und  „unentwegt"  —  hier  passt  das  böse  Wort  —  auch  vieles,  „was  nicht 
direkt  darin  ausgesprochen  ist,  entwickelt"  (vgl.  Dächsei  [s.  u.  N.  78],  S.  4).  Doch 
fehlt  es  jetzt  auch  nicht  an  einzelnen  hervorragenden  Versuchen,  durch  energischen 
Rückgang  auf  Luther  diesen  Unterrichtszweig  zu  verjüngen  und  ihm  neue  Lebens- 
fähigkeit zu  geben.  Bocks''^)  aus  der  Seminarpraxis  erwachsenes,  für  die  Hand  des 
Lehrers  bestimmtes  Buch  erscheint  in  5.  Auflage.  Stoffreich  mit  vielem  Guten  im  einzelnen, 
Winken  für  den  Lehrer,  Verweisungen  auf  den  parallelen  Stoff  des  Lesebuches, 
steht  es  doch  den  methodischen  Fragen,  die  in  den  letzten  Jahren  verhandelt  sind, 
völlig  fern.  —  Frickes''^)  weitschichtiges  Katechismus  werk  hat  seinen  Wert  in 
der  Masse  von  Beispielen,  Gleichnissen,  Sentenzen  usw.,  die  als  Erläuterungsmaterial 
aufgehäuft  sind,  ein  Arsenal  für  alle,  die  die  Anschaulichkeit  und  Lebendigkeit  des 
Unterrichts  mit  diesen  Mitteln  meinen  eiTeichen  zu  müssen.  —  Während  sich  L.  W. 
Frickes'"')  Arbeit  an  die  Gemeinde  wendet,  ist  die  von  Dächsel'^^)  als  Lehrbuch 
in  den  Händen  der  Schüler  beim  Konfirmandenunterricht  (unter  besonderer  Anpassung 
an  schlesische  Verhältnisse)  geplant,  zur  „Vorbereitung-,  Wiederholung,  teilweise  zur 
Selbstbelehrung"  —  übrigens  auch  nur  Ueberarbeitung  eines  älteren  Versuches  des 
Vf.  (2.  Aufl.  1870).  In  680  Fragen  und  Antworten,  denen  sorgsame  Ausfeilung  des 
Ausdrucks  nachzurühmen  ist,  kommt  doch  mehr  eine  popularisierte  Dogmatik,  als 
Luthers  Text  zur  Darstellung.  Andere  Novitäten  auf  diesem  Gebiete  sind  dem  Referenten 
nicht  zu  Gesichte  gekommen.''^  ^>)  —  Frantz^^j  erhebt  seine  Stimme,  um  „aus  der 
Erfahrung"  zu  bezeugen,  dass  Luthers  Katechismus  ein  spottschlechtes  und  unbrauch- 


71)  A.  Bähnisch,  D.  revid.  Bibel öbersetz.:  NJbbPh.  148,  S.  129-44.  —  72)  Fr.  Jehle,  Einige  Bemerkungen  zu  d.  durchges. 
Lntherbibel:  NKZ.  4,  S.  579-612.  (.Berichtigungen"  [Drnclcversehen]  dazu  8.  696.1  —  73)  X  Bibelrevis.  u.  Bibel  übersetz.: 
Grenzb.  1,  S.  277-88,  307-19.  -  74)  X  E.  Beitr.  z.  Würdigung  d  revid.  Lutherbibel:  DEKZ.  7,  S.  519-20.  -  75)  B.  Bock, 
Unterricht  im  kleinen  Katechismus  Luthers  für  Volks-  u.  höh.  Schulen,  sowie  für  Seminare  u.  kirchl.  Unterweis.  5.  uragearb. 
Aufl.  Breslau,  Hirt.  II,  275  S,  M  3,00.  -  76)  A.  Fricke,  Handbuch  d.  Katechismus-Unterr.  nach  D.M.Luthers  Katechis- 
mus; zugl.  Buch  d  Beispiele.  Für  Lehrer  u.  Prediger  bearb.  2.  Bd.  D.  2.  Hanptstück.  2.  verb.  Aufl.  (=  Päd.  Bibl.  14.  Bd.) 
Hannover,  C.  Meyer.  IX,  346  S.  M.  4,00.  —  77)  L.  W.  Fricke.  Katechismuslehre.  E.  Auslegung  d.  kl.  lutherschen  Kathe- 
chismus  für  d.  liebe  dtsch.  Christenvclk.  2.  Aufl.  Hannover,  Feesche.  571  S.  M.  4,00.  —  78)  K.  A.  Dächsei,  Enchiridion. 
D.  kl.  Katechismus  Dr.  Martin  Luthers.  Mit  e.  streng  an  d.  Text  sich  anschliessenden  u.  dessen  Inhalt  sorgfältig  entwickelnden 
Erklärung  in  Frage  u.  Antwort.  Wittenberg,  Herrose.  VIII,  232  S.  M.  1,00.  —  79)  O  X  Th  Schubert,  Grundlinien  d. 
Konflrmandenunterr.  nach  M.  Luthers  kl.  Katechismus.  Halle  a.  S.,  Mühlmann.  IV,  36  S  M.  0,60  —  80)  O  X  C.  Fengler, 
D.  Konfirmanden-Unterricht,  im  Anschlass  an  d.  kl.  Katechismus  Dr.  M.  Luthers  dargest.  L.,  Fr.  Richter.  III,  101  S.  M.  1,40. 
—  81)  O  XH.  Stracke,  Luthers  Katechismus  in  ausgeführten  Katechesen  für  Lehrende  u.  Laien.  Oldenburg,  Stalling.  VI,  335  S. 
M.  3,7.5.  —  82)  A.  Frantz,  Luthers  Katechismus   e.  Schulbuch    für    unsere  Kinder?  Aus  d.  Erfahrung  beantwortet  (=:  PZSP. 


II  6:83-91  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

bares  Schulbuch  sei.    Zwar  sei  es  seiner  Zeit  ein  recht  verdienstliches  Buch  g-ewesen 

—  aber  heutigen  Tages?  Diese  weder  musterg-ültig-e  noch  brauchbare  Sprache  mit  ihren 
„Ungeheuern  von  Sätzen",  den  groben  Sprachfehlern,  diesen  Erklärungen,  die  immer 
erst  selber  wieder  der  Erklärung  bedürfen!  Vf.  hat  bei  den  Schülern  durch  Nach- 
fragen (!)  festgestellt,  dass  ihnen  die  Katechismusstunden  zu  den  unangenehmsten, 
unerfreulichsten  Unterrichtsstunden  gehören.  Und  nun  geht  er  Satz  für  Satz  des 
Katechismus  durch  und  zeigt,  wie  dunkel,  sprachwidrig,  unzeitgemäss  Ijuther  sich 
fast  regelmässig  ausgedrückt  habe.  Neben  zahllosen  sprachlichen  Anstössen,  die  er 
hier  findet,  verübelt  er  es  z.  B.  auch  Luther,  dass  er  im  3.  Gebot  den  „Sabbath"  in 
„Feiertag"  umgesetzt  hat,  rügt  es,  dass  er  im  4.  Gebot  auch  von  den  „Herrn"  redet; 
denn  „wer  war  Israels  Obrigkeit,  zu  der  Zeit,  als  es  die  Gebote  empfing  ?  Wer  waren 
die  Vorgesetzten  der  einzelnen  Israeliten?"  Mit  diesem  Aufwand  von  Geist,  Geschmack 
und  Verständnis,  von  dem  sich  Proben  in  Menge  eitleren  Hessen,  wird  dem  Schul- 
buben Luther  sein  Büchlein  von  einem  „Kgl.  Oberlehrer"  durchkorrigiert  und  als  ein 
miserabel  geratener  Aufsatz  mit  schlechter  Censur  versehen.  Auch  die  Wahrheits- 
momente  in  dieser  Kritik  könnte  man  vergessen  vor  der  unbeschreiblich  geschmacklosen, 
dem  Herzschlag  und  der  genialen  religiösen  Konzeption  in  Luthers  Enchiridion  völlig 
verständnislos  gegenüberstehenden  Pedanterie.  Aber  man  begreift,  zu  welcher  Qual 
den  Kindern    mit   diesem  Genius    erteilte   Katechismusstunden   werden   müssen.^^-sö^ 

—  Gern  flüchtet  man  von  dem  Schulmann  Frantz  zu  dem  Schulmann  Bornemann^ß-^''), 
um  sich  bei  diesem  Erfrischung  und  neuen  Mut  zu  holen.  Der  weiss  auch  etwas 
von  den  Schwierigkeiten,  die  Luthers  Erklärungen  dem  Lehrer  bereiten,  und  von  der 
Ermüdung,  die  durch  die  traditionelle  Katechismusbehandlung  entstanden  ist.  Aber 
er  ist  von  der  genialen  Kraft,  die  in  dem  Büchlein  steckt,  lebhaft  durchdrungen  und 
sieht  den  hauptsächlichsten  Schaden  darin,  dass  man  zu  wenig  nach  dem  ernsthaft 
•gefragt  hat,  was  Luther  gewollt  hat,  und  zu  wenig  von  seinen  Absichten  sich  hat 
leiten  lassen,  „Zurück  zu  Luther"  —  so  lautet  hier  die  Parole  und  in  tief  ein- 
dringender Auseinandersetzung  und  mit  der  Kraft  freudigster  Ueberzeugung  zeigt  er 
an  den  beiden  ersten  Artikeln  des  2.  Hauptstückes,  wie  die  Tiefe  und  Kraft  der 
Lutherschen  Erklärung  mit  Verzicht  auf  den  Ruhm  eines  lückenlosen  dogmatischen 
Systems  katechetisch  wirksam  sich  entfalten  lasse.  Er  geht  dabei  von  der  Forderung 
aus,  dass  man  mit  der  „Zweiseelentheorie"  breche,  d.  h.  von  der  beliebten  Art,  erst 
den  Text  des  Katechismus  nach  dogmatischer  Tradition  zu  behandeln  und  dann  hinter- 
her auch  noch  Luthers  Erklärung  nachhinken  zu  lassen,  sich  losmache;  vielmehr  möge 
man  entschlossen  den  ganzen  Unterrichtsgang  von  Luthers  Erklärungen  aus  kon- 
struieren. Der  Aufriss,  den  er  in  jeder  seiner  beiden  Schriften  für  je  einen  der  beiden 
Artikel  darbietet,  wird  auch  solchen,  die  B.s  Theologie  nicht  überall  folgen  können, 
eine  kräftige  und  gesunde  Anregung  bieten.  Hier  zeigt  sich,  was  gerade  in  den 
beiden  „Satzungeheuern",  über  die  Frantz  nur  zu  klagen  wusste,  für  eine  Fülle 
katechetischen  lebensvollen  Materials  steckt.  In  der  ersten  beider  Schriften  erhält 
der  Leser  auch  einen  interessanten  Ueberblick  über  eine  Fülle  älterer  und  neuerer 
katechetischer  Litteratur.  Von  letzterer  Schrift  ist  der  Separatabdruck  zu  empfehlen, 
da  er  um  manche  Zusätze  der  ersten  Recension  gegenüber  bereichert  ist^^^oj  — 

Für  die  Lutherbiographie  ist  der  Abschluss  des  Koldeschen^^)  Werkes 
zu  verzeichnen.  Zum  Lutherjubiläum  1883  hat  er  eigentlich  seinen  „M.  Luther"  aus- 
gehen lassen  wollen,  aber  doch  die  Arbeit  zu  diesem  Zeitpunkt  nicht  bewältigen 
können.  Nur  der  1.  Band  (bis  1521)  erschien  damals  post  festum,  die  Vorrede  ist 
vom  10.  Okt.  1883.  1889  folgte  die  1.  Hälfte  des  2.  Bandes,  1893  die  2.  Hälfte,  die 
auch  für  den  ganzen  2.  Band  die  Anmerkungen  und  Beweise  sowie  das  Namen- 
Register  über  das  Ganze  bringt  —  leider  kein  Verzeichnis  der  besprochenen  Schriften 
Luthers.  Zwischen  dem  Erscheinen  des  1.  Bandes  und  der  Gegenwart  liegen  so  viel 
neue  Funde  und  neue  Forschungen,  dass  naturgemäss  jener  nicht  mehr  den  heutigen 
Stand  der  Lutherforschung  abspiegeln  karm;  für  die  1.  Hälfte  des  2.  Bandes  hat  K. 
in  den  Anmerkungen  noch  vieles  nachgetragen,  für  den  1.  Band  dagegen  auf  solche 
Nachträge  verzichtet.  Die  Vorzüge  seiner  Biographie  sind  bekannt.  Der  Verzicht 
auf  Vollständigkeit  in  dem  Sinne,  wie  Köstlin  sie  anstrebte,  ermöglichte  ein  schärferes 


N.  30.)  Gotha,  Behrend.  32  S.  M.  0,60.  —  83)  X  Chr.  Richter,  D.  Bau  d.  kl.  Katechismus  Luthers  oder  d.  innere  Zu 
sammenhang  d.  fünf  Hauptstüclce.  L.,  Fr.  Richter.  1891.  IV,  278  S.  M.  3,00.  |[E.  Chr.  Achelis:  ThLZ.  18,  S.  334/0.]!  — 
84)  X  G-  V-  Eohden,  Z.  Gliederung  des  Lutherschon  Katechismus.  Mit  Bezugnahme  auf  Ch.  Richter:  „IX  Bau  d.  kl.  Kate- 
chismus Luthers":  ZERU.  4,  S.  108-26.  -  85)  X  Th.  Hardeland,  Z.  Auffassung  d.  Dekalogs  in  Luthers  kl.  Katechismus: 
PBIIHKS.  35,  S.  593  5.  —  86)  W.  Bornemann,  Z.  katechet.  Behandlung  d.  ersten  Artikels  im  Lutherischen  Katechismus. 
Progr.  d.  Päd.  z.  Kloster  U.  L.  Fr.  Magdehurg.  40.  57  S.  —  87)  id.,  D.  zweite  Artikel  im  Lutherischen  kl.  Katechismus. 
Fragen  u.  Vorschläge:  ZPTh.  15,  S.  1-32.  (=  Hefte  z.  ChrW.  N.  10.  L.,  Grunow.  44  S.  M.  0,40.)  -  88)  X  0.  Zuck,  D. 
Christi.  Haustafel  Dr.  M.  Luthers.  E.  Anleitung  zu  ihrer  Behandlung  auf  d.  Oberstufe  im  Anschluss  an  bibl.  Lebensbilder  in 
Gesprächslehrform.  Dresden,  Külitmann.  63  S.  M.  0,80.  —  89)  X  H.  Malo,  Abspannen,  abdringen,  abwendig  machen: 
ZERÜ.  4,  S.  228/9.  —  90)  X  K.  Ahrens,  Was  heisst  „abspannen«  in  Luthers  Erklärung  z.  10.  Gebot?:  ib.  8.  149-50.  —  91) 
Th.  Kolde,    Martin  Luther.    E.Biographie.    2.  Bd.  2.  Hälfte.    Gotha,  Perthes.    II  u.  S.  237-624.    M.  6,00.  HDEKZ«.  S.  60/1 ; 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  TI  6  :  92-94 

Hervorheben  des  Bedeutsamen,  für  die  Entwickung  der  Person  wie  der  sie  umgebenden 
Verhältnisse  Wichtigen.  Daneben  ist  die  Zeitgeschichte  stärker  herangezogen;  die 
Charakteristik  der  Zeit,  der  Mitarbeiter  und  Gegner  Luthers  ist  aus  gründlichen 
Studien  der  ganzen  Zeitgeschichte  erwachsen.  Die  gesamte  Darstellung  ist  die  koncise 
und  dabei  durch  kräftige  Charakteristiken  ausgezeichnete  Verarbeitung  mühsamer 
Detailforschung.  In  vielen  Einzelheiten  ist  die  Forschung  gefördert,  und  wo  K.,  wie 
meist,  mit  Köstlin  zusammentrifft,  ist  es  selbständige  Bestätigung  der  Forschungs- 
ergebnisse dieses.  In  den  Anmerkungen  steckt  eine  Fülle  gelehrter  Nachweisungen, 
die  den  Ernst  und  die  Ausdehnung  seiner  Vorarbeiten  bekunden.  Auch  der  Fach- 
genosse findet  hier  immer  wieder  neue  Belehrung.  Gut  gewählt  sind  die  Einschnitte 
für  die  6  Bücher,  in  denen  die  Darstellung  verläuft:  1517,  1521,  1525,  1530,  1537, 
1546.  Nur  selten  einmal  wird  der  Erzähler  zugleich  zum  Beurteiler  der  Handlungs- 
weise Luthers;  wo  er  es  thut,  wie  bei  dem  Verhalten  Luthers  zu  Landgraf  Philipps 
Doppelehe  (S.  488),  wird  man  anerkennen  müssen,  dass  er  auch  dem  geschicht- 
lichen Standpunkt  für  die  Beurteilung  vollauf  gerecht  wird.  Trefflich  gelungen  ist 
die  Art,  wie  charakteristische  Worte  Luthers  in  die  Darstellung  eingeflochten  werden. 
Die  Auswahl  dieser  nur  durch  umfassendste  Bekanntschaft  mit  den  weitschichtigen 
Werken  des  Reformators  einzusammelnden  Dicta  verrät  in  besonderem  Masse  den 
Kenner.  —  Einen  sehr  glücklichen  Griff  hat  Hausrath^^-)  mit  seinem  Büchlein  über 
die  Romfahrt  Luthers  gemacht.  Ist  es  immer  schon  eine  anziehende  Aufgabe,  die 
verstreuten  zahlreichen  Reminiscenzen  an  jene  Reise  aus  seinen  Schriften  zusammen- 
zutragen, so  hat  H.  hier  zugleich  den  guten  Gedanken  verwertet,  ein  altes  Pilger- 
buch, das  für  den  Besuch  der  heiligen  Stätten  Roms  als  Fremdenführer  diente,  seiner 
Rekonstruktion  dieser  Pilgerreise  zu  Grunde  zu  legen.  Und  H.  versteht  es,  geschmack- 
voll zu  erzählen.  Liesse  sich  auch  aus  Luthers  Schriften  noch  manche,  hier  unent- 
deckt  gebliebene  Aeusserung  heranziehen,  und  bleibt  auch  sonst  manches  disputabel, 
so  ist  doch  ein  höchst  anmutig  und  anschaulich  geschriebenes  Büchlein  entstanden, 
das  eine  wirkliche  Bereicherung  der  Luther-Litteratur  bedeutet.  Dabei  ist  die  Be- 
deutung jener  Reise  für  Luthers  damalige  innere  Entwicklung  nicht,  wie  in  populärer 
Darstellung  gewöhnlich  geschieht,  überschätzt,  wohl  aber  ist  die  Bedeutung,  die  sie 
später  für  ihn  erlangte,  gewürdigt.  —  Die  kleine  Schrift  Rocholls^^^  ist  jm  wesent- 
lichen ein  Bericht  über  einen  Besuch  des  Vf.  im  Trappistenkloster  Oelenberg  im 
Ober-Elsass.  Nur  am  Schlüsse  dieses  Berichts  wird  als  Gegenbild  in  kurzen  Zügen 
Luthers  Entwicklung  zur  Glaubensfreiheit  während  seines  Aufenthalts  im  Kloster 
gegenübergestellt,  um  der  Betrachtung  des  katholischen  Mönchsideals  die  evangelische 
Beleuchtung  zu  geben.  Ueber  Luthers  Mönchsleben  selbst  ist  hier  nichts  Neues 
geboten.  — 

C.  von  Höfler94)  —  wir  sehen  uns  jetztinden  ultramontanen  Luther- 
studien um  —  fühlt  sich  glücklich,  von  der  Apologie  des  Wittenberger  Poeten  Simon 
Lemnius  gegen  Luther,  die  wir  schon  längst  durch  einen  Abdruck  von  1767  kannten, 
bei  dem  aber  der  Herausgeber  Hausen  thörichter  Weise  einige  Stellen  unterdrückt 
hatte,  die  schon  von  Hausen  benutzte  Kopie  wieder  entdeckt  und  der  Welt  nun  den 
ganz  vollständigen  Text  vorgelegt  zu  haben.  Ob  er  dabei  nicht  doch  etwas  enttäuscht 
gewesen  sein  mag?  Man  spürt  seinem  gegen  Luther  mit  bekannter  blinder  Gehässigkeit 
eifernden  Vorbericht  an,  mit  welcher  Begier  er  sich  auf  die  unterdrückten  Stellen  stürzte. 
Was  mussten  da  für  gravierende  Anklagen  gegen  Luther  zu  entdecken  sein!  Und  was 
ist  nun  Neues  an  den  Tag  gekommen?  Nur  dies,  dass  man  nicht  recht  versteht,  warum 
Hausen  jene  Stellen  nur  punktierte.  Mit  der  älteren  Lemnius-Litteratur  istH.  nur  massig 
vertraut;  für  eine  billige  Beurteilung  des  harten  Zorneseifers,  der  sich  über  Lemnius 
ergoss,  fehlt  ihm  jeglicher  gute  Wille.  Er  denke  doch  nur  einmal,  dass  während 
der  Jahre  des  Kulturkampfes  plötzlich  der  Schüler  einer  katholischen  Hochschule 
und  Vertraute  der  massgebenden  Persönlichkeiten  einer  gut  katholischen  Buchhändler- 
firma ein  Bändohen  Gedichte,  die  von  Schmeicheleien  gegen  Minister  Falk  strotzten, 
als  Kuckucksei  ins  Nest  gelegt  hätte,  und  dass  sich  dann  allerlei  sarkastische  Verse 
dieser  Sammlung  auf  bekannte  Persönlichkeiten  der  Stadt  und  der  Partei  beziehen 
Hessen;  würde  es  H.  dann  so  unbegreiflich  und  entsetzlich  finden,  wenn  die  Partei- 
häupter und  Machthaber  des  Orts  gegen  den  jungen  Apostaten,  der  ihnen  einen  solchen 
Schelmenstreich  gespielt,  recht  grimmig  aufbrausten  und  ihn  ihren  Zorn  ordentlich 
fühlen  liesen?  So  stand  es  aber  doch  mutatis  mutandis  mit  Lemnius  und  seinen  un- 
vermuteten Lobhudeleien  auf  Kardinal  Albrecht.  Ein  alter  Historiker  wie  H.  sollte 
doch  eine  solche  Situation  mit  etwas  geschichtlichem  Verständnis  und  nicht  nur  mit 
wohlfeilen    Tiraden   sittlicher  Entrüstung   erfassen  können.     Doch  soll  ihm  dafür  ge- 

0.  Z(öckler):  EKZ.  S.  590/l.]|  —  92)  A.  Hausrath,  M.  Luthers  Romfahrt.  Nach  e.  gleichzeitigen  Pilgerbuche  orläut. 
B.,  Grote.  XIV,  99  S.  M.  2,00.  —  93)  H.  Koch  oll,  Lutherzelle  u.  Trappistenkloster.  E.  Betrachtung  über  Heiligung  im 
evang.  u.  kath.  Sinne.  (=  ZFChrV.  Bd.  18,  Heft  6.)  St.,  Belser.  27  S.  M.  0,60.  —  94)  C.  v.  Höfler,  D.  Schutzschrift  d. 
Dichters  S.  Lemnius  (Lemchen)  gegen  d.  gewaltsame  Verfahren  d.  Wittenberger  Akad.  wider  ihn  1533:  SBWQPragPh.  S.  79-147. 


II  6:95-99  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

dankt  werden,  dass  er  uns  nun  (S.  113—46)  diesen  neuen  Abdruck  der  vollständigen 
Apolog-ia  geliefert  hat.  Nur  dih-fte  derselbe  etwas  sorg-fältiger  sein:  S.  130/1  ist  sechs 
Mal  von  dem  Kanzler  Brück  (Pontanus)  die  Kede;  H.  druckt  aber  dreimal  Pome- 
ranus  statt  Pontanus!"^)  —  Auch  Majunke^^)  hat  wieder  einen  stark  gewürzten 
Beitrag  zur  Lutherbiographie  geliefert.  Er  hat  sich  über  die  von  Euling  1891  heraus- 
gegebene Chronik  des  Hildesheimers  Oldekop  hergemacht  und  sie  auf  Gehässigkeiten 
gegen  Luther  durchforscht.  Wie  freut  es  ihn,  dass  auch  Oldekop  den  Namen  „Luder" 
„bezeugt" !  Und  wie  wertvoll  ist  in  seinen  Augen  die  Nachricht,  Luther  sei  nach 
Rom  gereist,  um  für  10  Jahre  Dispens  von  seiner  Ordenskleidung  zu  erhalten  und 
in  Italien  weiter  zu  studieren!  M.  setzt  für  „studieren"  im  Handumdrehen  ein 
„ein  ungebundenes  Leben  zuführen"  und  dafür  alsbald  wieder  „Glaubens-  und  Zucht- 
losigkeit",  und  nun  hat  er  den  Schlüssel  für  Luthers  Entwicklungsgeschichte  gefunden: 
erst  versuchte  er  innerhalb  der  Kirche  die  Glaubens-  und  Zuchtlosigkeit  einzuführen; 
dann  geht  er,  da  dies  bekanntlich  „niemals"  gelingt,  zum  offenen  Angriff  gegen  die 
Kirche  vor.  Wie  sehr  man  dem  Forscher  M.  immer  auf  die  Finger  sehen  muss, 
dafür  nur  ein  charakteristisches  Beispiel:  versichert  er  doch  (S.  268),  Petrus  Sylvius 
stütze  sich  „auf  das  Zeugnis  der  eigenen  Mutter  Luthers"  für  seine  Nachricht,  dass 
diese  als  Bademagd  in  Eisleben  ihren  Sohn  in  Unzucht  mit  dem  Teufel  erzeugt  habe. 
Bekanntlich  beruft  sich  aber  S.ylvius,  als  er  1534  diese  Teufelsgeschichte  mit  biederem 
Ernst  vorträgt,  auf  eine  „redliche  gottesfürchtige  (d.  h.  also  in  seinem  Munde : 
katholische)  Weibsperson",  die  es  ihm  gemeldet.  Diese  Zeugin  hat  behauptet,  es  von 
Luthers  Mutter  gehört  zu  haben.  Aber  diese  Zeugin  des  Sylvius,  deren  Namen  und  Person 
er  verständiger  Weise  in  Dunkel  gehüllt  hat,  ist  offenbar  eine  würdige  Kollegin  des 
famosen  Dieners  N.  N.,  auf  dessen  Zeugnis  M.  seinen  Selbstmordroman  aufgebaut  hat. 

—  Der  kleine  Artikel  von  Kawerau  ^""j  greift  zwei  Stellen  aus  früheren  Majunkeschen 
Lutherstudien  heraus,  um  an  ihnen  die  Unkenntnis  des  Vf.  und  die  Leichtfertigkeit 
seiner  Behauptungen  zu  beleuchten."*)  — 

Die  Ueberleitung  zu  den  Arbeiten  über  Luthers  Theologie  und  Welt- 
anschauung mögen  die  Schriften  bilden,  die  sich  mit  seiner  Stellung  zur  Ehe  und 
den  das  sexuelle  Leben  betreffenden  Materien  beschäftigen.  Nicht  aus  dem  ultra- 
montanen, sondern  aus  dem  Lager  unserer  modernen  Naturalisten  kam  unerwartet 
ein  kräftiger  Verstoss.  Panizza*'-')  wendete  sein  Dogma,  dass  ein  Mensch,  der  erst 
mit  42  Jaliren  heiratet,  notwendigerweise  vorher  aussereheliche  Befriedigung  seiner 
Triebe  gesucht  haben  müsse,  auf  Luther  an  und  pries  ihn  darum,  dass  er  angeblich 
so  oft  und  so  ungeniert  gethan  und  auch  allen  entgegenstehenden  Kirchenlehren 
zum  Trotz  eingestanden  habe,  gethan  zu  haben,  „was  jeder  andere  gesunde  Mann  in 
diesem  Fall  ebenfalls  thut",  als  einen  „sittlich  starken  Helden".  Es  kann  nicht 
unsere  Aufgabe  sein,  mit  P.  über  sein  Dogma  von  dem,  „was  jeder  gesunde  Mann 
thut",  hier  zur  verhandeln.  Gespannt  wai'en  wir  dagegen  auf  sein  Beweismaterial. 
Es  ist  doppelter  Art.  Einmal  hat  auch  er  die  alten  Ladenhüter  vorgerückt,  die 
ultramontane  Polemik  gewöhnlich  bereit  liegen  hat,  wenn  sie  den  „unkeuschen" 
Luther  abmalen  will:  von  der  „jungen"  Frau  Cotta  an,  der  er  den  ersten  Unterricht 
in  Frauenliebe  verdanken  soll,  bis  zu  den  apokryphen  Versen  aus  Voss  Musen- 
almanach „Wer  nicht  liebt  Wein  usw."  Hier  würde  sich  P.  sicher  bei  näherer  Prüfung 
leicht  davon  überzeugen,  dass  auch  nicht  eins  dieser  „Zeugnisse"  stichhaltig  ist.  Um 
so  mehr  wird  er  auf  seine  zweite  Zeugenreihe  Gewicht  legen,  eine  Sammlung  von 
Citaten  aus  Luthers  Schriften,  in  denen  dieser  von  der  Naturgewalt  des  Geschlechts- 
triebes und  von  seinen  Folgen  redet,  wenn  ihm  durch  Satzungen,  wie  den 
Cölibat,  seine  ordnungsmässige  Befriedigung  versagt  wird.  Aber  er  findet  hier  doch 
nur  die  Behauptung,  dass  „das  mehrer  Teil"  dieser  Cölibatäre  ihr  Gelübde  verletzen, 
weil  sie  das  „Brennen"  nicht  ertragen,  und  dass  nur  „fast  wenig"  in  dieser  Lage  ihr 
Gelübde  halten.  Von  sich  selbst  sagt  er  offen  heraus,  dass  er  auch  dies  Brennen 
gespürt  habe  und  dass  er  „von  sich  nicht  so  viel  habe,  dass  er  sich  enthalten  könne". 
Auf  diese  Stelle  legt  P.  besonders  Gewicht.  Aber  weiss  er  nicht,  dass  in  Luthers 
Weltanschauung  dieses  Bekenntnis  von  dem,  was  man  aus  eigener  Kraft  nicht  ver- 
möge, ein  Korrelat  hat?     Es  steht  an  der  betreffenden  Stelle  (Erl.  Ausgabe  ^  16,  S.  52 

—  P.  citiert:  Vermischte  Predigten,  her.  v.  Enders  1817  [1.  1877],  S.  156  ff\!)  6  Zeilen 
vorher,  von  P.  aber  ausgelassen  und  nur  durch  Punkte  bezeichnet:  ..darum  soll  einer 
seinen  Herren  Christum  bitten  und  sprechen:  Sieh,  Heri',  da  bin  ich,  du  weisst,  dass 
ich  vergift  bin  in  meinem  Fleich  und  bedarf  deiner  Hülf".  Luther  kennt  doch  noch 
einen  anderen  Rat  als  den  ausserehelicher  Selbsthülfe.  —  Gegen  Panizza  nur  nebenher 
(S.  43  ff.),  in  erster  Linie  dagegen  gegen  die  ultramontane  Behandlung  dieses  Kapitels 

(Vgl.  .TBL.  1892  II  8:102.)  —  95)  O  S-  Lemnius,  Les  Noces  de  Luther,  ou  la  Monachopornomachie.  Trad.  du  latin,  ponr  la 
premifere  foia  avec  le  texte  en  regard.  Paris,  Liaenx.  XX,  120  S.  Fr.  25,00  —  96)  P-  Majunke,  Oldekops  Chronik. 
(Luther  u.  d.  Eeformation):  HPBll.  112,  S.  157-68,  263-78.)  (S.  o.  N.  25)  —  97)  G-  Kawerau,  Bemerkungen  zu 
P.  Majunkes  Lutherforschungen:  DEBll.  S.  204/5.  —  98)  X  H.  Wedewer,  Z.  Frage  nach  Luthers  Lebensende: 
Llts.  1892,  S.  321,6,  353/8.   —    99)    0.  Panizza,    Luther  u.  d.  Ehe.     E.  Verteidigung  gegen  Verleumdung:  Ges.  9,   S.  355-63. 


fl 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  -.  100-109 

hat  Lutherophilus"''')  —  die  Gegner  werden  sofort  gespürt  haben,  wer  unter 
diesem  Pseudonym  mit  ihnen  Abrechnung-  hält  —  sein  vortreffliches  Buch  „Das 
6.  Gebot  und  Luthers  Leben"  geschrieben.  In  einem  ersten  Abschnitt  erörtert  er  die 
Anschuldigungen  gegen  Luthers  „unanständige"  Redeweise,  indem  er  untersucht, 
was  jene  Zeit  für  erlaubt  hielt,  öffentlich  auszusprechen,  und  an  den  Beispielen  von 
H.  Bebel,  Poggius,  Job.  Pauli  zeigt,  was  man  in  der  Unterhaltungslitteratur  vertrug, 
an  pädagogischen  Schriften  und  an  Predigten,  was  man  auch  der  Jugend  und  der 
zur  Andacht  versammelten  Gemeinde  unverhüllt  meinte  mitteilen  zu  können.  (Eine 
wichtige  Ergänzung  und  Vorstudie  dazu  bietet  der  höchst  instruktive  Aufsatz 
Walthers  ^•^'J  über  die  beliebten  Predigten  des  Dominikaners  Job.  Herolt,  der  zu- 
gleich zur  Kritik  von  Quellencitaten  in  Janssen  (Bd.  I)  einen  sehr  lehiTcichen  Bei- 
trag liefert.)  Der  Vf.  zeigt  dann  weiter,  wie  viel  decenter  Luther  redet  als  manche 
Erzeugnisse  der  zeitgenössischen  Litteratur,  wie  aber  ein  Teil  seiner  Derbheiten  als 
bewusster  Cynismus  eines  durch  Heuchelei  und  Unnatur  gereizten,  starken  sittlichen 
Bewusstseins  zu  erklären  ist.  Im  folgenden  Abschnitt  behandelt  er  in  wahrhaft  ver- 
nichtender Kritik  die  ganze,  so  oft  siegesgewiss  uns  vorgeführte  Zeugenschaft,  auf  die 
man  die  Anklagen  wegen  Luthers  Unsittlichkeit  in  That  und  Wort  hatte  begründen 
wollen,  vom  Schiileiiiebesroman  in  Eisenach  und  der  Erfurter  Studentenliebschaft  an 
bis  zu  seinen  unehelichen  Kindern  und  seinen  zweideutigen  Dichtungen  hin.  Man 
sieht  hier  einmal  dicht  bei  einander  so  viel  Verleumdungen,  Entstellungen,  gefälschte 
Zeugnisse  u.  dergl.,  mit  denen  ultramontane  Gehässigkeit  fort  und  fort  gegen  ihn 
operiert  hat,  dass  man  hier  zugleich  erbauliche  Studien  über  die  Waffen  und  die 
Kampfesweise  der  Gegenreformation  des  16.  und  auch  noch  des  19.  Jh.  anstellen 
kann.  Hoff'entlich  unterlässt  der  Vf.  die  Fortsetzung  nicht,  die  Beleuchtung-  der  an- 
geblich so  schrecklichen  Lehren,  die  Luther  über  Dinge  des  ehelichen  Lebens  vor- 
getragen haben  soll.  —  Wie  Luther  seinen  in  der  „Deutschen  Messe"  1526  aus- 
gesprochenen Wunsch  nach  einer  Ausscheidung  des  rohen  Haufens  von  denen,  die 
mit  Ernst  Christen  sein  wollen,  seinen  Gedanken  einer  zu  sammelnden  ecclesiola  in 
ecclesia,  meinte  verwirklichen  zu  können,  zeigt  Kolde"^^)  aus  Andeutungen,  die  in 
Schwenkfelds  Schriften  sich  darüber  finden:  er  selbst  wollte  die  „rechten"  Christen 
zu  besonderen  Gottesdiensten  in  der  Klosterkirche  sammeln,  während  der  Kaplan 
den  anderen  in  der  Pfarrkirche  predigen  sollte  Es  war  doch  gut,  dass  Luther  diese 
bedenklichen  Pläne  bald  wieder  fallen  liess.  —  Unter  den  mancherlei  Recensionen"^"^), 
die  Lipsius  Buch  über  Luthers  Busslehre  (vgl.  JBL.  1892  II  6  :74)  besprechen,  verdient 
die  von  W.  Herrmann,  gegen  den  in  erster  Linie  sich  Lipsius  gewendet  hatte,  ganz 
besondere  Beachtung.  Neben  williger  Anerkennung  mancher  Vorzüge  der  Lipsius- 
schen  Schrift  macht  er  doch  gegen  die  dort  vertretene  Auffassung  geltend,  dass 
sie  teilweise  Luthers  Gedanken  umdeute,  teilweise,  wo  sie  mit  Luther  überein- 
stimmt, gleich  diesem  die  eigentliche,  sachliche  Schwierigkeit  ungelöst  lasse.  Aus 
Luthers  Lehrweise,  nach  welcher  aus  der  Verkündigung,  dass  im  Evangelium  uns 
die  Gnade  Trost  anbiete,  die  Simiesänderung  hervorgehen  solle,  sei  ja  das  sinnlose 
Vertrauen  auf  die  Heilsmacht  blosser  Lehre  erwachsen,  eine  Verkümmerung  des 
evangelischen  Christentums,  an  der  noch  die  Gegenwart  schwer  zu  tragen  habe.  Dem 
gegenüber  sei  zu  betonen,  dass  Erlösung  nur  erfolge  durch  Erweisungen  persönlichen ' 
Lebens.  „Nur  durch  das  persönhche  Leben  Christi  und  der  Menschen,  denen  Christus 
die  Schlüssel  des  Himmelreichs  gegeben  hat,  seiner  Erlösten,  kann  der  Sünder  über 
den  Gesichtskreis  der  Sünde  erhoben  werden."  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  dass  durch 
den  Tod  von  Lipsius  die  weitere  Auseinandersetzung  zwischen  ihm  und  dem  Mar- 
burger Theologen  abgeschnitten  worden  ist.'*'*"'*'^)  — 

Den  offiziösen  Abschluss  der  grossen  Litteratur,  welche  die  Renovierung  und  Ein- 
weihung der  Wittenberger  Schloss  kirche  hervorgerufen  hatte  (vgl.  JBL.  1892 
II  6  :  60—70)  bildet  Wittes '"9)  Schrift.  Ausser  dem  Facsimile  der  Weiheurkunde  mit 
den  Unterschriften  der  deutschen  Fürsten  bietet  sie  einen  historischen  Bericht  über 
die  Schlosskirche  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt,  über  die  Zerstörung  der  Kirche  in 
den  Kriegen,  ihre  Wiederherstellung  unter  Friedrich  Wilhelm  III.,  über  die  Thesen- 
thüren,  die  Friedrich  Withelm  IV.  der  Kirche  stiftete,  die  Vorbereitungen  zur  Er- 
neuerung in  ihren  verschiedenen  Phasen  bis  zum  Ausbau  in  der  vom  Kronprinzen 
Friedrich    veranlassten    prächtigeren   Ausführung.     Ein    ausführliches    Referat   über 

(Auch  schon  Ges.  8,  S.  1177.  Dazu  C.  Fey  in  KirchlKorr.  1892,  N.  35;  1893,  N.  4.)  —  100)  Lutherophilus,  D.  6.  Gebot 
n.  Luthers  Leben.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  111  S.  M.  2,00  —101)  W.  Walther,  D.  sechste  Gebot  u.  Joh.  Herolls  Predigten; 
NKZ.  3,  S.  485-99.  —  102)  Th.  Kolde,  Luthers  Gedanke  von  d.  ecclesiola  in  ecclesia:  ZKG  1.3,  S.  487-512.  —  103)  X  W. 
llerrmann:  ThLZ.  S.  17-20;  Ecke:  ThLB.  14.  S.  9;  LCBl.  S.274;  H.  .«Schmidt:  ThLBI.  14,  S.  173,5.  —104)  X  A.  Romann, 
Luthers  Bedentnng  für  d.  Kirche  Jesu  Christi:  KM.  12,  S.  157-71.  —  105)  X  B-  6-  de  Vries  van  Heyst,  Luther  zieh 
zelf  ontronw  ten  opzichte  zijner  leer  van  den  aanvang  der  Mernrota? :  ThT.  S.  137-67.  —  106)  F.  Pieper,  Luthers  doc- 
trine  of  inspir.ition :  PresbR.  S.  249-66.  —  107)  X  T.  Hahn,  Ob  Luther  wirklich  ein  Gegner  d.  „Homousios"  gewesen?: 
MNEKR.  S.  21/8.  —  108)  X  Luther  d.  Deutsche:  20.  Jh.  1,  8.  216-20.  -  109)  L.  Witte,  D.  Erneuerung  der  Wittenberger 
Schlosskirche  e.  That  evang.  Bekenntnisses.  Anf  Grand  d.  anitl.  Quellen  dargest.  Wittenberg,  Herrose.  4".  XII.  93  S. 
Jahresbenohte  f&r  neuere  deutsche  Litteratnrgeschiobte.    IV.  (2)'S 


II  6:  110-113  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

den  Verlauf  des  Weihetag-es  macht  den  Beschluss  der  würdig  ausgestatteten  Schrift. 
—  Die  Urkunde  der  Einweihung  selbst  ist  in  doppelter  photographischer  Reproduktion, 
in  der  Originalgrösse  und  verkleinert,  in  den  Buchhandel  gekommen^'^j  In  der  ver- 
kleinerten Form  bildet  sie  auch  die  Beilage  zu  Wittes  Festschrift."*''')  — 

Zu  den  beliebten  Lutherfestspielen  hat  sich  ein  „Lutheroratorium"  gesellt, 
das  von  Neander^i^)  darauf  berechnet  ist,  mit  einfachsten  Mitteln  Luthers  Bild 
einem  Hörerkreise  vorzuführen.  Es  ist  eine  geschichtliche  Darstellung  Ijuthers  im 
Spiegel  deutscher  Poesie,  von  einem  oder  mehreren  abwechselnd  zu  deklamieren. 
Je  nach  den  vorhandenen  Kräften  können  Chor-  und  Sologesänge  eingelegt  werden. 
Gewiss  ist  damit  eine  Form  der  Festfeier  geschaffen,  die  auch  mit  den  bescheidensten 
Mitteln,  ohne  Kostenaufwand  und  ohne  das  bedenkliche  Drum  und  Dran  einer 
dramatischen  Dilettantenaufführung  herzustellen  ist.  Für  eine  gehobene  Volksfest- 
feier hat  aber  doch  meines  Erachtens  Herrig  den  geeigneten  Weg  gewiesen,  auf  dem 
die  Mittel  der  dramatischen  Darstellung  in  möglichster  Vereinfachung  erfolgreich 
Verwendung  finden  können.  — 

Reformationsgruppen  und  Sekten.  Mit  dem  engeren  und  weiteren 
Kreise  der  Wittenberger  Reformation  beschäftigen  sich  zahlreiche  Ar- 
beiten. Unter  den  auf  Melanchthon  bezüglichen  Arbeiten  möge  der  schöne 
Vortrag  voranstehen,  den  der  Jenenser  Theologe  Lipsius^^j  (gest.  19.  Aug.  1892) 
als  letzten  öffentlichen  Vortrag  gehalten  hat,  und  der  aus  seinem  Nachlass  publi- 
ziert wurde,  ohne  dass  er  letzte  Hand  noch  hätte  anlegen  können.  „Er  ist  es 
gewesen,  der  die  Fluten  der  humanistischen  Bewegung  in  das  geregelte  Strombett 
der  Reformation  hin  eingeleitet  und  dadurch  die  reichen  Kräfte  der  humanistischen 
Bildung  der  evangelischen  Theologie  und  der  neubegründeten  evangelischen  Kirche 
dienstbar  gemacht  hat."  Demgemäss  behandelt  er  Melanchthon  nach  drei  Beziehungen: 
als  Humanisten,  als  Theologen  und  als  Kirchenreformator.  An  Universalität  des 
Wissens  vergleicht  er  ihn  mit  Leibniz,  nur  dass  das  unmittelbare  Verhältnis  aller  seiner 
wissenschaftlichen  Arbeiten  zum  praktischen  Lehrberuf  und  zu  der  Erziehung  der 
Jugend  ihn  hoch  über  letzteren  stelle.  Als  Theolog  erreicht  er  die  Höhe  im 
ersten  kühnen  Aufschwung  in  den  Loci  theologici  von  1521.  Doch  hat  er  sich 
hernach  auf  dieser  Höhe  nicht  behaupten  können:  ei'  selbst  lenkt  in  den  nachfolgen- 
den Bearbeitungen  der  Loci  in  die  traditionellen  Bahnen  der  Sohuldogmatik  zurück. 
Freilich  weist  L.  die  durch  Ritschi  angebahnte  Betrachtung  Melanchthons  als  des 
Mannes  zurück,  der  für  die  verhängnisvolle  Verwechslung  des  orthodoxen  Dogmas 
mit  dem  göttlichen  Wort  verantwortlich  und  somit  der  .erste  konfessionelle  Doktrinär 
gewesen  sei,  der  uns  die  Kirche  in  eine  Theologenschule  verwandelt  habe.  Aber 
wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  bestreitet  er  doch  nicht  die  Thatsache  selbst,  sondern 
nur  den  Vorwurf,  den  man  darum  gegen  Melanchthon  erheben  könnte.  Denn  er 
erwidert  darauf  nur:  man  übersehe  dabei,  dass  die  reformatorische  Bewegung  sich 
ihr  Existenzrecht  erst  mühsam  habe  erkämpfen  müssen,  und  dass  es  daher  „ohne 
Kompromisse  mit  dem  Uebeiiieferten"  nicht  abging.  Ich"  glaube  nicht,  dass  die, 
gegen  welche  L.  hier  streitet,  diese  geschichtliche  Erklärbarkeit  des  Thatbestandes 
„übersehen"  haben.  In  Frage  würde  nur  kommen,  ob  es  denn  für  den  späteren 
Melanchthon  „Kompromisse"  waren,  die  er  in  Erkenntnis  der  schwierigen  Existenz- 
bedingungen des  Protestantismus  einging,  oder  eine  ihm  selbst  verborgen  bleibende 
Verdunklung  und  Umbiegung  seiner  eigenen  evangelischen  Grundbegriffe.  Mit 
gutem  Rechte  hätte  aber  L.  daran  erinnern  dürfen,  dass  man  Melanchthon  darin 
Unrecht  thut,  dass  man  diese  Umbiegungen  bei  ihm  so  stark  urgiert,  bei  Luther 
selbst  dagegen  weniger  beachtet,  und  ihn  so  im  Gegensatz  zu  Luther  zum  Urheber 
einer  Deformation  macht.  Zur  Erklärung  der  kirchen politischen  Haltung  Melanchthons 
betont  L.,  dass  neben  jener  leicht  zur  Schwäche  werdenden  Nachgiebigkeit  hier  auch 
seine  konservative,  immer  an  das  Ueberlieferte  anknüpfende  Natur  und  sein 
ökumenischer  Zug  in  Betracht  zu  ziehen  seien.  Schliesslich  preist  er  ihn  als  den 
Vater  der  evangelischen  Union,  wobei  jedoch  meines  Erachtens  übersehen  wird,  dass 
bei  ihm  dieser  Unionszug  der  späteren  Jahre  zunächst  nur  der  sehr  begreifliche 
Trieb  ist,  bei  seiner  im  eigenen  Lager  durch  seine  Abendmahlslehre  bedrohten 
Stellung  Bundesgenossen  zu  finden.  Er  möchte  die  Bruderhand  den  Reformierten 
reichen,  aber  seine  Union  wäre  sicher  intolerant  gegen  die  Lehre  der  Gnesio- 
lutheraner.  Man  überschätze  die  Weitherzigkeit  Melanchthons  nicht!  Wo  seine 
Leute  vorübergehend  die  Herrschaft  erlangt  haben,  haben  sie  ebenso  engherzig 
die  Sache  ihrer  Partei  betrieben  wie  die  Gnesiolutheraner.  —  Der  Lebensabriss 
von  Funks  *i^)   ist   ein    durch    seine    ruhige,    rein   wissenschaftliche   Haltung  aus- 

M.  3,00.  —  HO)  Urlc.  über  d.  Einweihung  d.  erneuerten  Schlosskirche  zu  Wittenberg  vom  31.  Okt.  1892.  Mit  allerhöchster  Ge- 
nehmigung her.  ebda  Fol.  4  Bll.  M.  12,00.  (Kl.  Ausg.  4».  M.  1,00.)  —  UOa)  M.  Fischer,  Friedrich  d.  Weise  u.  d. 
Schlosskirche  zu  Wittenberg:  PKZ.  40,  S.  330/1.  (Auszug  aus  Köstlins  Schrift  [vgl.  JBL.  1892  II  6:00],)  —  Hl)  W.  Neander, 
M.  Luther,  d.  dtsch.  Reformator.  D.  Leben  Luthers  im  Spiegel  d.  dtsch.  Poesie.  Hannover,  (W.  Otto).  32  S.  M.  0,75. 
|[AELKZ.  26,   S.  875.]l   —  112)  K.  A.  Lipsius,  Ph.  Melanchthon:  DRs.  73,   S.  365-78.  (Vgl.  JBL.  1892  II  8:82.)  —  113)  F.  X. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  114-119 

gezeichneter  Artikel.  Sachlich  gut  orientiert,  zeigt  der  katholische  Kirchenhistoriker 
das  Bestreben,  auch  der  Bedeutung  Melanchthons  voll  gerecht  zu  werden.  Er 
erkennt  an,  dass  ihm  als  Humanisten  nächst  Erasmus  die  erste  Stelle  in  Deutsch- 
land zukam.  Aber  auch  seine  Bedeutung  für  die  Reformation  wird  in  würdiger 
Weise  behandelt.  Das  Gesamturteil  über  seine  kirchliche  Haltung  lautet  dahin,  dass 
er  der  Neuerung  im  ganzen  mit  Ueberzeugung  zugethan  war  und  zugleich  bei 
starker  Beeinflussung  durch  Luther  selbständiges  Urteil  sich  bewahrte.  Seine  Nach- 
giebig'keit  in  Religionsverhandlungen,  „die  bis  zur  Verleugnung  der  reformatorischen 
j  Prinzipien  geht",  erklärt  F.  als  eine  sittliche  Schwäche;  ebenso  deutet  er  sein  Ver- 
halten in  Bezug  auf  Augustin,  den  Melanchthon  öffentlich  als  Zeugen  für  seine 
Rechtfertigungslehre  aufrief,  während  ihm  doch  die  Verschiedenheit  der  beider- 
seitigen Anschauungen  wohl  bewusst  war.  Er  hebt  auch  richtig  hervor,  dass 
gerade  Melanchthon  gegen  alles,  was  ihm  Ketzerei  ist,  sofort  nach  der  severitas 
magistratuum  ruft,  um  falsche  Lehre  zu  strafen,  nicht  nur  gegen  Antitrinitarier  wie 
Servet,  wo  er  die  Exekution  in  Genf  als  pium  ac  memorabile  ad  omnem  posteritatem 
exemplum  preist,  nicht  nur  gegen  Sektierer  wie  Schwenkfeld,  sondern  auch  beim 
Lehrstreit  im  eigenen  Lager  (z.  B.  CR.  9,  S.  798);  aber  er  ist  unbefangen  genug, 
hierin  nicht  „protestantische  Unduldsamkeit"  als  eine  böse  Frucht  der  Reformation, 
sondern  einfach  ein  Stehenbleiben  auf  dem  Standpunkt  des  Mittelalters  zu  erblicken. 
—  Eine  schöne,  wertvolle  Ergänzung  zu  seinem  „Melanchthon  als  Praeceptor  Ger- 
maniae"  (Berlin  1889),  zu  dem  wir  noch  einige  Besprechungen  nachtragen '^*), 
liefert   Hartfelder ^1^)    in   seinen    Melanchthoniana    Paedagogica.     Er  bringt  hier: 

I.  3  Schulordnungen  Melanchthons  zum  Abdruck  (Eisleben  1525,  Nürnberg  1526, 
Herzberg~-1538);  2.  28  Briefe  von,  an  und  über  Melanchthon;  3.  Aktenstücke  zur 
Geschichte  der  Universität  Wittenberg;  4.  Wittenberger  Studentenbriefe  aus  den 
J.  1520 — 25;  5.  den  Entwurf  der  theologischen  Promotionsordnung  für  Frank- 
furt a.  0.  von  1546;  6.  einen  Cisiojanus  Melanchthons;  7.  12  Gedichte  zum  Teil  aus 
früher  Zeit  (1513,  1516,  1518);  8.  interessante  Aussprüche  und  Erzählungen 
Melanchthons,  wie  sie  namentlich  aus  seinen  Vorlesungen  gesammelt  wurden; 
9.  Biographisches,  teils  aus  seinen  eigenen  Erzählungen,  teils  aus  einer  hs.  Vita,  die 
sich  in   Hannover  befindet;    10.  zahlreiche  Ergänzungen  zur  Bibliographie  im  CR,; 

II.  Aufklärungen  über  die  in  antiquarischen  Katalogen  öfters  angebotenen  Drucke 
„aus  Melanchthons  Bibliothek",  „mit  Randbemerkungen  von  Melanchthons  Hand"; 
diese  weisen  alle  auf  den  englischen  Auktionskatalog  der  Klossschen  Bibliothek  (aus 
Frankfurt  a.  M.)  London  1835  zurück,  gegen  dessen  betrügerische  Angaben  aber 
schon  Kloss  selbst  im  Serapeum  (2  [1841],  S.  169  ff.)  Protest  erhoben  hat;  12.  Lob- 
gedichte und  Epitaphien  auf  Melanchthon  (19  Nummern).  Sorgfältige  Register 
beschliessen  den  reichhaltigen  und  wertvollen  Band,  der  eine  schöne  Nachlese  zum 
CR.  gewährt,  teils  Ungedrucktes,  teils  aus  seltenen  Drucken  ans  Licht  Gezogenes. 
Dabei  ist  neben  dem  biographischen  und  bibliographischen  Interesse  die  Beziehung 
auf  den  Praeceptor  Germaniae  bei  der  Auswahl  massgebend  gewesen:  seine  Thätig- 
keit  an  der  Universität  und  für  das  Universitätswesen,  seine  Verdienste  um  die 
Begründung  und  Organisation  der  Lateinschulen,  seine  Stellung  zu  den  Wissen- 
schaften. Für  das  Einzelne  muss  ich  auf  die  Recensionen  verweisen;  besonders  auf 
Kaweraus^'^)  eingehende  Besprechung.  —  Das  städtische  Museum  in  Nordhausen 
besitzt  in  Nachschrift  Melanchthons  Diktat  der  Epitome  Ethices,  datiert  Pridie  Nonas 
Dec.  1532.  Heineck ^i"*)  bringt  sie  zum  Abdruck.  1538  hat  Melanchthon  selbst 
sein  Diktat  zum  ersten  Male  in  Druck  gegeben,  dann  häufig  wieder  in  mannigfacher 
Ueberarbeitung.  Das  CR.  (16,  S.  21  ff.)  bringt  den  Abdruck  der  Ausgabe  von  1546.  Da 
nun  Melanchthon  sicher  1532  über  die  Ethik  des  Aristoteles  las  —  die  Absicht  hatte 
er  schon  1527—28  (vgl.  CR.  1,  S.  888)  — ,  so  ist  wahrscheinlich,  dass  in  der  Nord- 
häuser Hs.  uns  seine  Epitome  in  ihrer  ältesten  Gestalt  erhalten  geblieben  ist.  H. 
hätte  freilich  gut  gethan,  uns  seinen  Abdruck  des  Textes  von  1532  in  beständiger 
Vergleichung  mit  der  Editio  princeps  von  1538  zu  geben.  Man  ist  jetzt  nur  auf  den 
Vergleich  des  Textes  mit  dem  mehrfach  überarbeiteten  von  1546  angewiesen.  Viele 
Sätze  des  Diktates  kehren  noch  1546  wörtlich  wieder;  aber  es  finden  sich  auch 
erhebliche  Erweiterungen  und  Umarbeitungen.  Es  sei  hier  hervorgehoben,  dass 
Melanchthon  schon  1532  in  dem  Abschnitt  „Licetne  privatis  tyrannos  interficere?"  in 
einer  Reihe  von  Fällen  den  Tyrannenmord  billigi;;  auch  hier  schon  ist  speciell  Teils 
Selbsthülfe  als  defensio  in  privato  periculo  —  si  atrox  injuria  et  notoria  est  —  (S.  162) 
in  Schutz  genommen.  —  Vogt  * '8)    teilt   aus   Hs.-Band  I    der   Landeshuter   Kirchen- 

V.  Funk,  Ph.  Melanchthon :  WetzerWelteKirchenlex.  8,  S.  1198-1213.  —  114)  X  G-  Orterer:  HJb.  13,  S.  812-22;  O.  Kawerau: 
HZ.  68,  S.  325,8  (vgl.  JBL.  1892  11  8:80).  —  115)  K.  Hartfe"ldor,  Melanchthoniana  Paedagogica  (?gl.  JBL.  1892 
I  10:19).  |[HJb.  14,  S.  215,6;  H.  Holstein:  NJbbPh.  63,  S.  568-71.]!  —  116)  G.  Kawerau,  Z.  Melanchthon-Litt. : 
ThLBl.  14,  S.  1/3,  17,9.  —  117)  H.  Hei  neck,  D.  älteste  Fassung  t.  Melanchthons  Ethik.  Z.  ersten  Mal  her.: 
PhilosMh.  29,  S.  129-77.  j[ThLBl.  13,  S.  39.J|  (Als  Sonderabdr.:  B.,  B.  Salingor.  55  S.  M.  1,00.)  (Vgl.  U  7  :  47.; 
—  118)  0.  Vogt,  Ungedr.  Schriften  v.  Pommern  an  Melanchthon:   BaltSt.  42,  S.  1-30.    —    119)  N.  Müller,   MelancUthonianu 

(2)8* 


II  6:120-126  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

bibliothek  einige  Schreiben  des  Theologen  Jakob  Runge  an  Melanchthon  und  Peucer 
aus  den  J.  1553—58,  einen  Brief  des  jugendlichen  Herzog  Ernst  Ludwig  von  1559 
und  ein  Schreiben  Lorenz  Mollers,  Rektors  der  Andreasschule  in  Hildesheim,  mit. 
Er  benutzt  zugleich  diese  Publikation,  um  Hartfelders  „Melanchthon  als  Praeceptor"  in 
einem  Punkte  zu  vervollständigen:  es  sind  dort  nämlich  die  Beziehungen  Melanchthons 
zur  Greifswalder  Universität  übersehen  oder  übergangen.  S.  9—12  giebt  V.  zur  Aus- 
füllung dieser  Lücke  reichhaltige  Nachweisungen.  —  N.  Müllerei'')  hat  in  der 
Katharinenkirche  in  Brandenburg  a.  H.  Bücher  und  Hss.  aus  dem  Nachlasse  des  1574 
verstorbenen  Superintendenten  J oh.  Garcaeus  bezw.  seines  in  dem  gleichen  Amte  1633 
verstorbenen  Sohnes  Joach.  Garcaeus  entdockt;  ebenso  den  hs.  Nachlass  des  Schwieger- 
vaters des  letzteren,  des  bekannten  AnJr.  Musculus.  Er  teilt  daraus  einen  Aufsatz 
vom  J.  1550  De  electione  ministrorum  Evangelii  et  de  publice  ritu  ordinationis  eorum 
mit,  den  Melanchthon  verfasst,  Joh.  Forster  und  G.  Major  mitunterzeichnet  haben; 
ferner  eine  Responsio  Melanchthons  „ad  calumnias  Islebii"  (Joh.  Agricolas)  vom 
26.  Jan.  1560,  an  den  Berliner  Propst  Buchholzer  gerichtet,  von  nicht  misszuver- 
stehender Grobheit  gegen  die  „närrische  Gans",  den  Eisleben,  der  totus  ex  mera 
asinina  justitia  et  superstitiosa  arrogantia  ventreque  epicureo  conflatus  est.  Es  betrifft 
die  Zänkereien,  die  Agricola  gegen  Melanchthon  wegen  des  Satzes  von  der  Not- 
wendigkeit der  guten  Werke  fortsetzte.  Als  3.  Stück  bringt  er  uns  aus  einem  in 
Venedig  aufbewahrten  Stammbuch  des  Mag.  Heinrich  Piperites  den  dort  eingetragenen 
Brief  Melanchthons  vom  9.  Nov.  1542,  dessen  Adressat  leider  dort  nicht  genannt  ist. 
Er  enthält  eine  Unterweisung  über  die  Erfordernisse  für  den  orator  in  ecclesia,  mit 
charakteristischer  Schilderung  der  Predigtweise  Luthers.  —  Die  Zahl  der  schon  be- 
kannten Gutachten  Melanchthons  in  Ehesachen  vermehrt  DisteP^*^)  durch  ein  solches 
von  1556.  —  Latendorf '2ij  berichtet  über  die  Aufzeichnungen,  die  Hartimg  Tischer 
aus  Kulmbach,  1557  in  Wittenberg  immatrikuliert,  in  ein  Exemplar  von  Ebers  Kalen- 
darium  (jetzt  in  Halle,  Univ.-Bibl.)  eingeschrieben  hatte,  als  er  Melanchthons  Vor- 
lesung über  Carions  Chronik,  im  Winter-Semester  1557  —  58  anhörte,  und  vergleicht 
diese  Nachschriften  mit  dem  Drucke  im  CR.  (12,  S.  712  ff.).  —  Zu  Gedichten 
Melanchthons ,  in  denen  K.  Albrecht  Inedita  entdeckt  zu  haben  meinte ,  liefert 
Endersi223  den  Nachweis,  dass  sie  schon  im  CR.  (10,  S.  652,  N.  341;  7,  S.  965 
N.  5075)  zu  lesen  waren.  —  Seh  äff '^^j  behandelt  die  freundschaftlichen  Beziehungen 
zwischen  Melanchthon  und  Kalvin  als  a  testimony  that  a  deep  spiritual  union  and 
harmony  may  co-exist  with  theological  differences.  Ihre  persönliche  Begegnung  fand 
zuerst  1539  in  Frankfurt  a.  M.  statt,  wurde  dann  in  Worms  und  Regensburg  1540 
und  41  wiederholt.  Die  gegenseitigen  Fi;eundschaftsbezeugungen  werden  zusammen- 
getragen —  nicht  in  gleicher  Genauigkeit  die  Zeugnisse  der  seit  dem  Abendmahls- 
streit mit  Westphal  erfolgten  Abkühlung.  Ich  verweise  nur  auf  den  hier  ganz  über- 
gangenen Brief  Kalvins  vom  5.  März  1555  (Bindseil,  Supplementa  S.  373/4).  Wie 
teuer  aber  der  lutherischen  Kirche  damals  diese  Freundschaftsepisode  zu  stehen 
gekommen  ist,  wie  verhängnisvoll  es  wurde,  dass  Kalvin  sich  auf  Melanchthons 
Einverständnis  öffentlich  berief,  Melanchthon  sich  aber  in  immer  scheueres  Schweigen 
hüllte,  darauf  wird  nicht  weiter  reflektiert.  — 

Für  Bugenhagen  hat  Buchwaldi24j  ^uf  der  Suche  nach  hs.  Predigten 
Luthers  in  Nürnberg  (Mss.  Solger)  13  Nachschriften  von  Predigten  gefunden,  von 
denen  drei  (aus  den  J.  1529  und  32)  sicher  Bugenhagen  angehören;  bei  verschiedenen 
anderen  derselben  Sammlung  ist  seine  Autorschaft  wahrscheinlich.  Sodann  weist 
B.  aus  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek  eine  zwar  bereits  gedruckte,  aber  sehr 
seltene  Predigt  Bugenhagens  von  1529  über  die  Taufe  nach,  an  deren  Schluss  der 
Prediger  die  Mahnung  ausspricht,  nur  Einen  Paten  zu  nehmen;  die  grosse  Zahl  der 
Paten  sei  vom  Uebel.  —  Die  mir  nicht  vorliegende  Arbeit'25)  über  Bugenhagens 
Gottesdienstordnung  von  1524  beschäftigt  sich  offenbar  mit  der  von  einem  speku- 
lativen Buchdrucker  herausgegebenen,  angeblich  von  Bugenhagen  gebrauchten  Liturgie, 
die  dieser  selbst  hernach  entschieden  desavouierte.  Ob  der  Vf.  dies  Pseudepigraphon 
erkannt  hat  (es  hat  schon  manchen  irre  geführt),  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  — 

Das  400  jährige  Jubiläum  des  Justus  Jonas  hat  allerlei  Festschriften  ver- 
anlasst. Die  Studie  von  K.  Meyer'^ej  ist  im  Hauptteile  nach  Presseis  Biographie 
und  Kaweraus  Briefwechsel  des  Jonas  gearbeitet,  bringt  aber  am  Schlüsse  von  der 
Hand  des  kundigen  Lokalforschers  einige  dankenswerte  Nachrichten  über  die  Familie 


uns  Brandenburg  !i.  II.  n.  Venedig:  ZKG.  14,  S.  133-42.  (Vgl.  II  7:46.)—  120)Th.  Distel:  V.  Melanchthons  Iliind  geschriebenes 
BedonVen  in  d.  Ehesache  d.  Grafen  Ladislaus  zu  Haag  (1556):  DZKE.  1,  S.  406/7.  —  121)  F.  Latendorf,  Melanchthon iana. 
Aufzeichnungen  e.  Wittenberger  Studenten  ans  d.  J.  1558-60:  CBlBibl.  10,  S.  483,6.  —  122»  L.  Enders,  Zu  d.  Gedichten  Melanch- 
thons in  dieser  Zeitschrift  (65,  S.178fr.)  Berichtigung:  ThStK.  (56,  S.  599-000.  (Vgl.  II  7:43.)  —  123)  Ph.  Schaff,  The  friendship 
of  Kalvin  and  Melanchthon:  PASChH.  4,  S.  141-63.  —  124)  G.  Buchwald.  Unbekannte  Bngenhagenpredigten.  gefunden  in  d. 
Nfirnberger  Stadtbibl.  u.  in  d.  Zwickauer  Ratsschulbibl.:  ThStK.  05,  S.  339-42.  125 1  Bugenhagens  Order  of  seryice  of  1524: 
LnthChR   1891,    S.  288-93.    —    126)  K.  Meyer,   Festschrift  z.  Jubelfeier  d.  400j.  Geburtstages  d.  Dr.  J.  Jonas  am  5.  Juni. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  127-134 

des  Jonas  (Koch),  sein  Geburtshaus,  seinen  Jugendfreund  Melchior  von  Aachen 
(Ocha),  den  Grabstein  der  Eltern  und  über  das  in  Wolfenbüttel  befindliche  Luther- 
Jonas-Glas.  —  Ist  diese  Schrift  speciell  für  die  Feier  in  Nordhausen  als  der  Geburts- 
stadt des  Jonas  bestimmt  g-ewesen,  so  der  hübsche  Aufsatz  von  Ger  mann '2')  für 
die  Erinnerung  an  Jonas  letzte  Aemter  in  Koburg  und  Eisfeld  und  seine  Superinten- 
dentur  über  das  Meininger  Gebiet.  Die  hierher  gehörigen  Erinnerungen  aus 
seinem  Leben  sind  daher  besonders  hervorgehoben.  —  Bahlow^^^)  hat  einen 
längeren  Festartikel  geschrieben;  Kawerau'^i»)  einen  solchen  für  die  Leser  der 
ChrW.  (seine  Autorschaft  sei  hier  besonders  festgestellt,  da  die  ThLZ.  [18,  S.  559] 
die  Namenschiffre  irrig  als  „Gustav  Krüger"  gedeutet  hat).  Hier  sind  besonders 
die  F"'ortentwicklung  Jonas  aus  einem  Erasmianer  zum  Lutheraner,  sein  eigenartiger 
Anteil  an  der  Reformationslitteratur  als  eines  Hauptübersetzers  der  Schriften  Luthers  und 
Melanchthons  aus  dem  Deutschen  ins  Lateinische  und  umgekehrt,  sodann  seine 
schwierige  Position  in  der  Zeit  nach  Luthers  Tode  und  die  unvermeidliche  Erkaltung 
der  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Melanchthon  hervorgehoben.  — 

Der  erste  Band  einer  wissenschaftlichen  Biographie  über  Wenzeslaus 
Linck,  Luthers  gleichaltrigen  Ordensbruder  und  Freund,  erschien  aus  Reindells'^'') 
Feder.  R.  behandelt  auf  Grund  tüchtiger  Vorstudien  zunächst  die  Zeit  bis  1522, 
also  bis  zum  Ende  von  Lincks  General vikariat  über  die  deutsche  Augustinerkongregation 
und  bis  zu  seinem  Amtsantritt  im  Predigtamt  zu  Altenburg,  dem  dann  1523  die  Ehe- 
schliessung und  damit  das  defimtive  Ende  seines  Mönchslebens  folgte.  In  einem 
Anhange  (S.  223 — 89)  werden  bisher  ungedruckte  oder  schwerer  zugängliche  Documenta 
Linckiana  abgedruckt,  andere  in  Regestenform  mitgeteilt,  sie  geben  von  den  um- 
fänglichen Forschungen  R.s  Zeugnis.  Einzelne  Berichtigungen  bringt  die  Anzeige  von 
Kawerau,  die  den  begabten  und  fleissigen  Vf.  aber  auch  wegen  der  hoffärtigen  Kritik 
seiner  Vorgänger  Caselmann  und  Bendixen  und  wegen  der  unwürdigen  Behandlung, 
die  L.  Enders  zu  teil  wurde,  zur  Rede  stellt.  In  letzterer  Beziehung  hat  der  Vf. 
hinterher  (ThLZ.  18,  S.  292)  sich  zu  entschuldigen  bemüht.  — 

Am  26.  Dec.  1891  feierte  Gotha  das  400  jährige  Jubiläum  des  Reformators 
Friedrich  Myconius,  des  ehemaligen  Annaberger  Franziskaners,  —  freilich  wohl 
ein  Jahr  zu  spät,  da  nach  bekannter  Weise,  mit  Weihnachten  die  neue  Jahreszahl  zu 
schreiben,  der  26.  Dec.  1491  nach  unserer  Art  zu  rechnen  das  J.  1490  meint.  Das 
Jubiläum  veranlasste  die  populäre  Schrift  von  0.  Müller '3')  in  Gotha  und  den  gut 
geschriebenen  Artikel  von  Kreyenberg'^^^.  Die  wissenschaftliche  Erforschung  der 
Lebensgeschichte  dieser  besonders  liebenswürdigen  und  sympathischen  Persönlichkeit 
unter  den  Reformatoren  ist  nicht  weiter  geiördert  worden.  —  Dankenswert  ist  die 
Biographie,  die  der  Mathematiker  Cantor^^S)  (jem  ehemaligen  Augustiner,  dann 
evangelischem  Prediger,  dem  Apokalyptiker  und  verdienten  Mathematiker  M.  Stifel 
gewidmet  hat.  Zwar  folgt  er  für  die  Darstellung  der  Lebensgeschichte  lediglich  den 
Arbeiten  von  Strobel  und  Kawerau,  bietet  dafür  aber  wertvolle  Belehrungen  über  die 
wunderliche  Methode  der  apokalyptischen  Rechnungen  Stifels  und  über  seine  wirk- 
lichen Verdienste  um  die  Mathematik.  (Zu  Stifels  Flucht  aus  Esslingen  1523 
s.  Bosserts  Notiz  in  BWKG.  8,  S.  80.)  —  N.  Paulus  »34)  hebt  aus  des  Urban 
Rhegius  „Enchiridion  oder  Handbüchlein  eines  christlichen  Fürsten"  1537  den  Ab- 
schnitt „Ob  man  die  Leute  zum  Glauben  zwingen  kann"  heraus,  ebenso  Abschnittte 
aus  seinem  Handbüchlein  für  die  Söhne  des  Herzogs  von  Braunschweig-Lüneburg 
1540  und  aus  seinem  Bedenken  über  die  Wiedertäufer  1538.  Aus  ihnen  erhellt  un- 
zweifelhaft, dass  er  lehrt:  Zwar  könne  man  niemand  zum  Glauben  zwingen,  aber 
doch  zum  Anhören  der  Predigt.  Falscher  Gottesdienst  lasse  sich  abschaffen,  falsche 
Lehre  verbieten.  Und  die  Pflicht  hierzu  liege  dem  Fürsten  als  eine  Pflicht  gegen 
die  erste  Tafel  des  Dekalogs  ob.  Er  geht  auch  weiter  und  lehrt:  Oeffentliche  Ketzer 
sind  mit  dem  Schwert  zu  strafen;  denn  Ketzerei  ist  ärger  und  schädlicher  als  Dieb- 
stahl, Ehebruch  und  Totschlag.  F.  X.  von  Funk  würde  zu  solchen  Expektorationen 
evangelischer  Theologen  sagen  (s.  0.  N.  113):  Sie  stehen  noch  ganz  auf  dem  Stand- 
punkt des  Mittelalters.  Janssens  Schüler  sagt  dagegen:  „So  wurde  schon  im  Katechismus 
den  jungen  protestantischen  Fürsten  die  Unduldsamkeit  ans  Herz  gelegt"  und  jammert 
über  den  drückenden  Despotismus,  den  die  Reformation  erzeugt  habe.  Die  Sache  ist 
doch  nur  die,  dass  im  Mittelalter  die  katholische  Kirche  allein  über  die  Fürsten- 
gewalt verfügt  hatte,  jetzt  aber  unter  den  mannigfaltigen  kirchlichen  Spaltungen   die 

Mlt3Abbild.  Nordhausen,  Fr.  Eberhardt.  H,  64  S.  M.  1,00.  —  127)  W.  Gerraann,  Dr.  J.  Jonas:  HildburghansenerDorfzg«.  N.  23. 
—  128)  F.  Bahlow,  J.  Jonas:  KZ.  40,  S.  534-40.  —  129)  G.  Kawerau,  J.  Jonas.  Z.  5.  Juni  1893:  ChrW.  S.  548-52.  — 
130)  W.  Reindell,  Dr.  W.  Linck  aus  Coldilz.  1483-1547.  Nach  gedr.  u.  ungedr.  Quellen  dargest.  1.  T  :  Bis  z.  reformator. 
Thätigkeit  in  Altenburg.  Mit  Bild.  u.  e.  Anh  ,  entb.  d.  zugehörigen  Documenta  Linckiana  1485-1522.  Marburg  i.  H..  Ehrhardt. 
1892.  XIV,  2S9  S.  M.  4,50.  |[G.  Kawerau:  ThLZ.  18,  S.  193  6  (dazu  S.  292;;  K.  Bendixen:  ThLBl.  14,  S.  468;  H.  Lösoh- 
horn:  MHL.  21,  S.  261  2.] I  -  131)  0.  Muller  F.  Myconins.  (=  FFFGAV.  N.  150.)  Barmen,  Klein.  1892.  12«.  52  S.  M.  0,20. 
|[PKZ.  39,  S.  437.JI  —  132)  G.  Kreyenberg,  F.  Myconius:  Grenzb.  1892:  1,  S.  114-27.  (Vgl.  JBL.  1892  I  10:23,5.)  —  133) 
G.  F.  L.  Ph.  Cantor,  M.  Stifel:  ADB.  36,  S.  208-16.-  134}  N.  Paulus,  Urban  ßhegius  über  Glaubenszwang  u.  Ketzerstrafen: 


I  6  :  135-142  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

verschiedensten  Parteien  die  Obrig-keit  im  Interesse  dessen,  was  ihnen  dort  „katholische 
Wahrheit",  hier  „reine  Lehre"  war,  in  Aktion  setzten.  Jetzt  bekamen  auch  die 
Katholiken  unter  Umständen  die  Zweischneidig-keit  jener  mittelalterlichen  Theorie  zu 
spüren.  Instruierten  denn  etwa  die  von  P.  behandelten  Pelarg-us  oder  K.  Braun 
(s.  o.  N.  14,  18)  die  Fürsten  anders  als  es  hier  Rhegius  that?  Recht  gut  hat  über 
Rhegius  in  dieser  Beziehung  schon  Uhlhorn  in  seiner  Biographie  (1861,  Ö.  214  ff.)  ge- 
handelt. Auch  ist  es  ein  Trugschluss,  wenn  P.  ausführt:  „Im  Namen  der  Gewissens- 
freiheit" sei  doch  Rhegius  seiner  Zeit  gegen  die  Autorität  der  katholischen  Kirche 
aufgetreten,  hätte  er  nun  nicht  auch  anderen  dieselbe  Freiheit  zulassen  müssen?  Denn 
unsere  moderne,  durch  viele  Kämpfe  errungene  Anschauung-  von  Gewissensfreiheit 
kennt  bekanntlich  kein  katholischer  und  auch  kein  evangelischer  Theologe  der  Re- 
formationszeit. Das  könnte  und  sollte  P.  wissen,  —  dazu  hat  er  jetzt  lange  genug 
Reformationsgeschichte  studiert.  —  Ka w  erau '^5)  veröffentlicht  den  Brief,  den  Andreas 
Oslander  Ende  April  1524  an  die  Strassburger  schrieb  (aus  dem  Thesaurus  Bau- 
mianus),  in  dem  er  über  die  gottesdienstlichen  Reformen  in  Nürnberg  Bericht  giebt.  — 

üeber  Hermann  Bonnus,  einen  Hauptrepräsentanten  des  Luthertums  im 
niedersächsischen  Sprachgebiet  (Lübeck,  Osnabrück)  hatte  Spiegel '^^)  schon  1864 
ein  Buch  geschrieben.  Jetzt  hat  er  es  in  neuer  Bearbeitung  wieder  ausgehen  lassen. 
Unverkennbar  ist  es  an  vielen  Punkten  gegen  die  frühere,  recht  nachlässig-  und  un- 
genügend vorbereitete  Gestalt  verbessert  worden;  wertvolle  Bereicherungen  sind  hin- 
zugekommen, aber  man  hätte  doch  nach  27  Jahren  Zeit  zur  Nachreife  etwas  Ab- 
schliessendes und  Vollständiges  erwarten  können.  —  Wie  wenig-  das  wirklich  er- 
reicht ist,  haben  dem  Vf.  die  Recensionen  gezeigt,  die  ihm  Fehler  und  Ueber- 
sehenes  mancherlei  Art  nachwiesen  und  auch  den  Umstand  rügten,  dass  er  den 
Recensenten  seiner  1.  Auflage,  der  ihm  so  vieles  schätzbare  Material  nachgewiesen 
(Grote  in  der  ZHistTh.  1866,  S.  435  ff.),  nicht  einmal  erwähnt  hatte.  Er  hat  darauf  freilich 
geantwortet,  dass  er  dies  Material  zumeist  auf  anderem  Wege  kennen  g-elernt  habe ; 
um  so  mehr  hätte  er  dann  den  bösen  Schein  meiden  sollen.  Dankenswerte  Zugaben 
hat  die  2.  Auflag-e  erfahren:  Des  Bonnus  Schreiben  an  den  unordentlichen  Rat 
1534,  den  plattdeutschen  Katechismus  von  1539,  eine  plattdeutsche  Predigt,  das 
Testament  des  BonnuS  und  mehrere  Korrespondenzen.  Für  anderes  ist  auf  die  Re- 
censionen zu  verweisen.  —  Noch  gerade  rechtzeitig,  um  von  Spieg-el  noch  benutzt 
werden  zu  können,  erschien  der  in  der  Paulinischen  Bibliothek  zu  Münster  befind- 
liche Bericht,  den  des  Bonnus  Bruder  Gerlach  über  seinen  Tod  und  sein  Begräbnis 
aufg-esetzt  hatte,  im  Druck '3').  —  Das  „geistliche  Lied",  das  einen  Neudruck 
zu  erbaulichem  Zweck  erfuhr^^^),  ist  des  Bonnus  bekanntes  Lied  „O  wir  armen 
Sünder."  139)  — 

Dem  Reformator  Rostocks,  Joachim  Slüter,  widmet  Unruh '4**)  eine  kleine 
populäre  Arbeit,  die  an  der  Tradition  festhält,  dass  er  1532  durch  den  Genuss  ver- 
gifteten Weines  gestorben  sei,  eine  Annahme,  der  von  anderer  Seite  entschieden 
widersprochen  wird.  Von  der  Wirksamkeit  Slüters  wird  hier  nur  ein  sehr  un- 
genüg-endes  Bild  gegeben.  — 

Buddes'*^)  sorg-fältige  kleine  hymnologische  Studie  macht  gegen  Tschackerts 
Ang-aben  über  die  Liederdichtung-  des  Paul  Speratus  einige  Einwendungen.  Lässt 
dieser  (vg-l.  JBL.  1891  II  6  :  70;  S.  13)  das  Lied  „Es  ist  das  Heil  uns  kommen  her" 
schon  im  Gefängnis  zu  Olmütz  gedichtet  sein,  so  macht  B.  wahrscheinlich,  dass  es 
erst  nach  seinearAnkunft  in  Wittenberg  (Herbst  1523)  direkt  auf  Anreg-en  Luthers 
verfasst  wurde.  Für  andere  Lieder  aber  (1527),  die  Tschackert  gleich  älteren 
Hymnologen  Speratus  beilegt,  bezeugt  B.  aus  dem  bei  Wackernagel  vorliegenden 
Beweismaterial,  dass  vielmehr  der  Franke  Kasp.  Löner  der  Dichter  gewesen  ist.  — 

Ein  fast  verschollenes  schönes  und,  weil  von  Laienhand  stammend,  doppelt  wert- 
volles evangelisches  Bekenntnis  hat  T  seh  ackert  ^^^j  durch  einen  Neudruckzu  verdienter 
Beachtung  gebracht:  Die  Aufforderung,  die  der  Ordensritter  Fried  rieh  von  Heideck 
1526  an  den  Deutsch-Ordensmeister  W.  von  Plettenberg  in  Livland  richtete,  die 
Reformation  einzuführen  (vgl.  Tschackerts  Urkundenbuch  zur  Reformationsgeschichte 
Preussens  2,  S.  148,  N.  434  und  besonders  1,  S.  186/9,  wo  bereits  eine  ausführ- 
liche Inhaltsangabe  gedruckt  ist).     Nur  ein  einziges  vollständiges  Exemplar  ist  noch 

IIPBU.  109,  S.  817-30.  (Vgl.JBL.  1892  II 1  :  59.)  -135)  G.  K  a  w e r  a u ,  Oslander  an  d.Strassbnrger  ca. Ende  April  1524 :  ZKG.  13, S.390;2. 
—  136)  B.  Spiegel ,  H.  Bonnns,  erster  Superintendent  v.  Lübeck  u.  Reformator  v.  Osnybrnck,  nach  seinem  Leben  und  seinen  Schriften 
dargest.  Nebst  14  Anlagen  n.  1  Bild.  2.  nmgearb.  u.  vervollst.  Aufl.  Göttingen,  Vandenhoeclc  &  Ruprecht.  1892.  VIII, 
211  S.  M.  4,00.  |[G.  Bessert:  ThLZ.  17,  S.  261/2;  18,  S.  171/2;  G.  Kawerau:  DLZ.  1892,  S.  522/5;  DPBl.  26,  S.  100/1.]|  — 
137)  H.  Bonnus  Tod  u.  Begräbnis:  MVGOsnabrück.  16,  8.  256-64.  —  138)  H.  Bonnus,  E.  geistlich  Lied  v.  Leiden  Christi: 
AELKZ.26,  S.  297/8.  — 139)  Hans  Sachs,  Z.  Reformationsfest:  ib.  S.  1079.  (Neudruck.)  —  140)  Th.  Unruh,  Slüter  aus  Rostock. 
E.  Reformationsbild  aus  Rostock.  (=  FFFGAV.N.  152.)  Barmen,  Klein.  12".  16  S.  M.  0,10.  -  141)  K.  Budde,  P.  Speratus  als  Lieder- 
dichter. 2  Randbemerkungen  zu  Tschackert,  P.  Speratus  v.  Rötlen :  ZPTh.  14,  S.  1-16.  —  142)  P.  Tschackert,  F.  Herr  zu  Heideck, 
Christi.  Ermahnung  an  Hrn.  Walther  v.  Plettenberg,  d.  deutschen  Ordens-Meister  in  Livland.  Königsberg  1526.  Mit  e.  Einl. 
her.  V.  d.  Altertumsges.  Prussia.  (Aus  SBPrussia.)    Königsberg  i.  Pr.  (Beyer).    1892.    44  8.    M.  1,00.  (Vgl.  JBL.  1892  II  5b:  19.) 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  =  143-150 

bekannt,  daher  ist  der  Neudruck  besonders  dankenswert.  Er  interessiert  aber  auch 
um  des  Vf.  willen,  der  hier  noch  völlig'  in  den  Gedanken  der  Reformation  Luthers 
heimisch  ist  —  bis  hin  zur  Abhängig-keit  von  Luthers  De  servo  arbitrio  — :  bald 
hernach  sehen  wir  ihn  Schwenkfeldianer  werden  und  seinen  bedeutenden  Einfluss 
g-anz  in  diesem  Sinne  aufbieten.  — 

Auf  die  Persönlichkeit  Christoph  Heg-endorfs,  dem  wir  nach  einander 
als  Humanisten  und  Juristen  in  Leipzig,  in  Posen,  dann  an  der  Frankfurter  Uni- 
versität begegnen,  darauf  als  Syndikus  in  Lüneburg",  zeitweise  auch  in  Rostock, 
wo  er  bereits  eine  theologische  exegetische  Vorlesung  hält,  schliesslich  wieder  in 
Lüneburg",  aber  jetzt  als  Stadtsuperintendenten  (gest.  1540),  hatte  neuerdings  Kawerau 
in  seiner  Schrift  „Zwei  älteste  Katechismen"  (vg"l.  JBL.  1891  II  6  :  25;  7  :  32)  auf- 
merksam gemacht.  HenscheP'*^)  ist  den  Spuren  des  interessanten  vielseitigen 
Mannes  und  Schriftstellers  im  Interesse  der  Reformationsgeschichte  der  Provinz 
Posen  weiter  nachg"egangen.'**)  —  Der  biographische  Artikel  über  Georg  Major,  den 
Fritz '*^)  g-eschrieben  hat,  verrät  keinerlei  tiefer  g-ehende  und  aus  den  Quellen  g"e- 
schöpfte  Studien.  — 

Ganz  anders  die  Schrift,  die  über  den  bekannten  Theologen,  Liederdichter 
und  streitbaren  Polemiker  Erasmus  Alberus  jetzt  Schnorr  von  Carolsfeld**^) 
veröffentlicht  hat.  Jahrelange  mühsame  Forschungen  nach  archivalischem  Material, 
die  Herbeischaffung  der  verstreuten  spärlichen  Reste  seines  Briefwechsels,  vorzüg- 
liche Akribie  in  der  Feststellung  des  bibliographischen  Apparates  bilden  die  Unter- 
lage. Den  verschlungenen,  mehrmals  in  Dunkel  gehüllten  Wanderungen  des  so 
oft  Stellung  und  Wohnort  wechselnden  Mannes  ist  sorgsamst  nachgespürt.  Mit  der 
äussersten  Voi'sicht  ist  Sicheres  und  nur  Vermutetes  geschieden.  Dabei  ist  der  Vf. 
dem  kecken,  kampfesfrohen  Luthertum  des  Alberus,  auch  seinen  Schärfen,  mit  ge- 
schichtlichem Sinn  und  mit  Sympathie  für  den  Mann  gerecht  geworden.  Die  Bei- 
lagen (von  S.  159  an)  bieten  den  Ertrag  jener  mühevollen  Forschungen  auf  Archiven 
und  Bibliotheken  in  einem  musterhaft  korrekten  Abdruck  dar.  Wenn  gleichwohl  dem 
Leser  diese  Arbeit  so  grosser  Mühe  und  so  langen  Studiums  eine  gewisse  Ent- 
täuschung bereitet,  so  ist  daran  der  notizenhafte,  chronikalische  Charakter  der  Zu- 
sammenfügung schuld.  Dieser  erinnert  etwas  an  den  der  Seidemannschen  historischen 
Arbeiten:  lauter  wertvolle,  gesicherte  Einzelangaben,  aber  die  Umsetzung  des  Ge- 
schichtsforschers in  den  aus  den  Einzelheiten  ein  künstlerisches  Bild  schaffenden 
Darsteller  möchte  man  gern  noch  mehr  spüren.  —  Letzterer  Aufgabe  wird  in  weit  höherem 
Masse  der  Aufsatz  von  W.  Kawerau'^"*)  über  Alberus  Aufenthalt  und  litterarische 
Wirksamkeit  in  Magdeburg  gerecht,  der  gleichzeitig,  unabhängig  von  Schnorrs  Buch, 
erschien.  Zwar  wird  dieser  frisch  und  anschaulich  geschriebene  Aufsatz  in  Einzel- 
heiten durch  Schnorrs  tiefer  dringende  bibliographische  Forschung  berichtigt,  aber 
er  behält  trotzdem  seinen  selbständigen  Wert  neben  der  grösseren  Biographie.  — 

Aus  dem  Archiv  in  Arolsen  teilt  Nebelsieck'*^)  einen  Brief  mit,  den  Veit 
Dietrich  in  Nürnberg  am  10.  Jan.  1546  an  den  in  Regensburg  weilenden  Joh.  Brenz 
gerichtet  hat.  Es  handelt  sich  um  Melanchthons  Erscheinen  in  Regeiisburg,  auf  das 
man  noch  rechnet,  und  um  die  Gesamtbeurteilung  der  politischen  Lage.  Der  Brief 
scheint  mir  in  dem  Satze  Est  quidem  apud  nos  etc.  falsch  gelesen  zu  sein,  oder  es 
fehlen  einige  Worte.  — 

Wie  sich  Schnorr  durch  einzelne  Aufsätze  über  Alberus  schon  seit  Jahren 
als  mit  einer  Alberusbiographie  beschäftigt  ankündigte,  so  sendet  Loesche^^^)  seit 
1886  einzelne  Proben  der  von  ihm  vorbereiteten  (inzwischen  1895  erschienenen) 
Mathesius-Biographie  voraus.  Diesmal  betrifft  es  das  Kapitel  Mathesius  als  Dichter. 
Er  ordnet  und  sichtet  die  deutschen  wie  die  lateinischen  Dichtungen  des  Joachims- 
thalers,  weist  die  verschiedenen  Drucke  nach  und  giebt  sein  Urteil  über  den  ge- 
ringen Wert  des  auf  diesem  Gebiete  von  Mathesius  Geleisteten  unverhohlen  ab.  Da- 
zu kommt  noch  eine  Anzahl  von  Mathesius  gefertigter  Epitaphia.  Eine  Uebersicht 
über  die  Verse  von  zweifelhafter  Echtheit  oder  von  unzweifelhafter  Unechtheit  — 
Antilegomena  und  Notha  schreibt  der  Wiener  Kirchenhistoriker  in  Reminiscenz  an 
Eusebianische  Terminologie  —  bildet  den  Beschluss.  Der  Mühe  und  Sorgfalt,  die 
hier  aufgeboten  sind,  muss  alle  Anerkennung  gezollt  werden.  —  Im  weiteren  Sinne 
gehören  auch  hierher  zwei  andere  Joachimsthal  betreffende  Veröffentlichungen 
Loesches'^**).  Zunächst  Mitteilungen  aus  einer  Pergamenths.  in  Joachimsthal :  Cantica 
Sacra   Euangelia  Dominicalia   in   prosarum   formam    redacta   complectentia   in   usum 


—  143)  A.  Henschel,  Ohrph.  Hegendorf:  ZIIGPosen.  7,  S.  337-43.  -  144)  X  Chrph.  Hegendorfor:  EKZ.  1892,  S.  841/5, 
S60;6.  —  145)  Fritz,  G.  Major:  WetzerWeltesKirchenlex.  8,  S.  532/7.  —  146)  F.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  E.  Alberus.  E. 
biograph.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Reformationszeit.     Dresden,  Ehlerraann      VIII,  232  S.     M.  6,00.  |[G.  Kawerau:  HZ    37,  S.  492;5.]| 

—  147)  W.  Kawerau,  E  Alberus  in  Magdeburg:  GBllMagdeburg.  28,  S.  1-62.  -  148)  H.  Nebel  sieolc,  Veit  Dietrich  an 
Joh.  Brenz,  10.  Jan.  1546:  ZKG.  13,  S.  392  3.  -  149)  G.  Loesche,  J.  Mathesius  als  Dichter.  E.  Beitr.  zu  seiner  Biogr.  n.  z. 
Hymnologie:  ThStK.  66,  S.  543-67.  —150)  id.,  Z.  Agende  v.  Joachimsthal  in  Böhmen.    E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Liturgie:  Siona  17, 


II  6:151-157  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Ecclesiae  Vallensis  oonscripta  A.  D.  1558.  Schreiber  dieser  liturg-ischen  Sammlung- 
ist  Nik.  Hermann,  der  Joachimsthaler  Kantor  und  Liederdichter.  Dieses  für  die 
Gestaltung-  des  lutherischen  Gottesdienstes  im  Anschluss  an  katholische  Kultus- 
traditionen höchst  lehrreiche  Dokument  gewährt  einen  Einblick  in  die  Thätigkeit,  die 
dem  Schulchore  beim  Gottesdienst  zufiel,  sowie  in  die  hierbei  noch  verbleibende  Vor- 
herrschaft der  lateinischen  Sprache  und  lehrt  uns  zugleich  Hermann  als  lateinischen 
Prosendichter  kennen.  —  Eine  andere  Studie  Loesches'^')  stellt  zusammeti, 
was  noch  an  Beständen  der  alten,  von  Mathesius  begründeten  Schulbibliothek  Joachims- 
thals erhalten  geblieben  ist.  Er  ermittelt  noch  circa  200  Werke,  die  er  übersichtlich 
g-eordnet  zusammenstellt.  — 

Der  Vortrag  über  Antonius  Corvinus,  den  Reformator  von  Kalenberg*- 
Göttingen,  dem  Ulhorn^^^j  wertvolle  Anmerkungen  (S.  31/8)  beigefügt  hat,  behandelt 
im  wesentlichen  die  Episode  der  Gefangennahme  und  Haft  Corvins  vom  2.  Nov.  1549 
bis  Herbst  1552  und  den  Geg-ensatz  des  1548  wieder  katholisch  gewordenen  Herzogs 
Erich  zu  seiner  im  evangelischen  Bekenntnis  treuen  Mutter  Elisabeth  —  Die  Bio- 
graphie, die  von  Petersdorff '^3)  dem  brandenburgischen  Staatsmann  Christoph 
von  der  Strassen  (gest.  1560)  gewidmet  hat,  zeigt  uns  einen  charakteristischen  Ver- 
treter der  Staats-  und  Kirchenpolitik  Joachims  II.  Die  Hausmachtpolitik  fordert 
vor  allem  die  Bewahrung  der  kaiserlichen  Gunst;  daher  auch  bei  evangelischem  Be- 
kenntnis eine  geflissentliche  Katholikenfreundschaft.  Als  Geheimrat  nimmt  Strassen 
teil  am  Augsburger  Interimsreichstag,  ist  1551  in  Trient,  dann  in  Linz,  Passau,  Augs- 
burg. Aus  der  Zeit  seiner  juristischen  Professur  in  Frankfurt  wird  sein  Konflikt  mit 
dem  Schotten  Alex.  Alesius  (1542)  ganz  übergangen;  Strobels  Aufsatz  darüber  (Neue 
Beiträge  II  [1790]  2.  Stück,  S.  351  ff.)  scheint  P.  unbekannt  geblieben  zu  sein.  Strassen 
war  ja  der  „homo  impius,  qui  non  veritus  est  ex  cathedra  dictare  studiosis:  accessum 
ad  publicas  meretrices  esse  licitum"  (S.  354).  —  Georg  Müller'^^)  behandelt  die 
wechselnden  Lebensschicksale  und  Gesinnungen  des  Theologen  Johann  Stössel. 
Geboren  1524  in  Kitzingen,  in  Witttenberg  1549  Magister,  wird  er  in  Jena  für  das 
reine  Luthertum  in  Flacianischer  Prägung  gewonnen.  Er  wird  Superintendent  in  Held- 
burg, ist  dann  in  Baden-Durlach  bei  der  Reformation  thätig;  1556  auf  der  Eisenach  er 
Synode,  1557  beim  Kolloquium  in  Worms  als  Abgesandter  Johann  Friedrichs  des  Mittleren, 
dann  Professor  in  Jena:  aber  diese  seine  Professur,  die  er  erhält,  als  die  Flacianer- 
partei  in  Ungnade  fällt,  zeigt  uns  ein  erstes  bedeutsames  Schwenken  bei  Stössel. 
Sein  Entweichen  aus  Jena  1568  in  die  Superintendentur  nach  Mühlhausen  bezeichnet 
einen  neuen  Sieg  der  Gnesiolutheraner  bei  Hofe.  Dei'selbe  Stössel  steht  aber  bald 
darauf  in  Pirna  als  einflussreicher  Führer  der  Kryptokalvinisten  da,  bis  er  1574  eben 
um  dieser  Gesinnung  willen  in  Ungnade  fällt  und  als  Gefangener  auf  der  Festung 
Senftenberg  1576  sein  Leben  beschliesst.  Eine  genügende  Erklärung  für  das  Ab- 
schwenken Stössels  in  den  Kalvinismus  hinein  hat  M.  nicht  geben  können.  —  Zu 
H.  Rembes  Briefwechsel  des  Cyriacus  Spangenberg  (Dresden  1888)  hat 
Hein  eck  1^5)  eine  kleine  Nachlese  veröffentlicht.  — 

Ueber  den  Sohn  Andreas  Oslanders,  den  am  15.  Dec.  1534  geborenen, 
17.  Sept.  1604  verstorbenen  Lukas  Oslander  giebt  Hochstetter '5^)  einen  auf  um- 
fänglicher Lektüre  beruhenden,  gut  unterrichteten,  aber  nicht  besonders  durch- 
gearbeiteten und  mehr  notizenhaften  Bericht.  Dadurch,  dass  Herzog  Albrecht  von 
Preussen  Oslander  nach  seines  Vaters  Tode  (1552)  in  Tübingen  studieren  Hess,  kam 
er  in  den  Dienst  der  württembergischen  Kirche,  der  sein  Geschlecht  dann  bis  in  die 
Gegenwart  hinein  viele  Glieder  geliefert  hat.  H.  hebt  besonders  Oslanders  Bedeutung 
als  Prediger  und  sein  Verdienst  um  den  Kirchengesang  hervor;  sodann  seine  Mit- 
arbeit am  Konkordienwerk  und  am  Gespräch  zu  Mömpelgard  (1586),  seinen  Anteil  am 
Streit  mit  S.  Huber  über  die  Gnadenwahl  und  an  der  Kontroverse  mit  dem  streit- 
baren Katholizismus  der  immer  bedrohlicher  ihr  Haupt  erhebenden  Gegenreformation.  — 

Hertel'^''),  der  rührige  Specialforscher  in  der  magdeburgischen  Geschichte, 
veröffentlicht  ein  Lebensbild  des  ersten  evanglischen  Predigers  am  Magdeburger  Dom 
Siegfried  Sack.  Geboren  1524  in  Nordhausen,  studiert  Sack  in  Wittenberg  unter 
Melanchthon,  verwaltet  ein  Schulamt  in  Nebra,  studiert  dann  weiter  in  Jena  unter 
E.  Schnepf,  wird  in  Wittenberg  Magister  (15.  Febr.  1554  Sigebertus  Saccus  Northu- 
sanus,  vgl.  Köstlin,  Die  Baccalaurei  und  Magistri  4.  Heft,  S.  14),  worauf  er  unter 
Gottschalk  (Abdias)  Praetorius  Konrektor  der  Mageburger  Schule  und  Nachmittags- 


S.  163-72,  183/7.  —  151)  id.,  D.  Bibl.  d.  Lateinschule  in  Joacljimsthal :  MGESchG.  2,  8.  208-46.  (Vgl.  JBL.  1892  I  3 :  103 ; 
10:333;  s.  o.  I  3:218.)  —  152)  G.  Uhlhorn,  A.  Corvinus,  e.  Märtyrer  d.  evang.-luth.  Bekenntnisses.  (=  Schriften  d.  Ver.  för 
Reforniationsgesch.  Bd.  37.)  Halle  a.  S.,  M.  Niemeyer.  1892'.  38  S.  M.  1,20.  -  153)  H.  v.  Petersdö  rf  f ,  Chr.  v.  der 
Stiassen:  ADB.  36,  S.  506-10.  —  154)  Georg  Müller,  Joh.  Stössel:  ib.  S.  471/3.  -  155)  0.  Spangenberg,  3  Briefe  an  M. 
Andreas  Fabricius,  Pastor  zu  .St.  Nicolai  in  Eisleben.  Her.  v.  H.  He  in  eck,  mit  e.  Vorw.  v.  H.  Grössler.  [Aus:  Mans- 
fclder  ßll.  S.  150/5.J  Nordhausen,  Heinecks  Selbstverl.  6  S.  M.  0,50.  —  156)  E.  Hoohstetter,  Lukas  Osiander  d.  Aeltere : 
BWKG.  8,  S.  37-40,  45/8,  53/5,  61/4,  68-72,  76/7.  —  157)  G.  Hertel,  D.  Siegfried  Sack,  d.  erate  evang.  Doraprediger:  MagdZgB. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  i58-i65 

predig-er  wird;  1559  wird  er  Nachfolger  des  Praetorius  als  Schulrektor.  Er  tritt  als 
Verteidiger  des  Rates  der  Stadt  litterarisch  auf,  als  Til.  Hesshusen  mit  diesem  wegen 
des  Rechtes,  den  Bann  auszusprechen,  in  schweren  Streit  gekommen  war,  worauf  ihm 
Hesshusen  mit  bekannter  Grrobheit  („Lügensack'' !)  diente.  1567  wird  er  der  erste 
evangelische  Domprediger  und  öffnet  damit  den  seit  1547  geschlossenen  Dom  der 
evangelischen  Predigt;  in  dieser  Stellung  bleibt  er  bis  zu  sein'em  1596  erfolgten  Tode. 
Seine  Schriften  sind  fast  sämtlich  Predigten,  so  sein  grösstes  Werk,  die  vierteilige 
grosseEvangelien-Postille(1595-98),  und  die  dreiteilige  Epistelpostille  (1600  erschienen). 
Daneben  viele  Kasualreden,  Hochzeitsansprachen  und  besonders  die  wegen  der  darin 
enthaltenen  geschichtlichen  Nachrichten  für  Magdeburgische  Geschichte  wertvollen 
Leichenpredigten.  Aus  seinen  Predigten  teilt  H^  sittengeschichtlich  Interessantes  in 
längeren  Auszügen  mit.'^**"'^^)  — 

Mit  einem  wenig  bekannten  Theologen,  Kirchenliederdichter  und  Schrift- 
steller aus  den  Kreisen  des  orthodoxen  Luthertums,  Veit  Wolfrum  (geb.  1564, 
gest.  1626,  von  1593—1626  Superintendent  von  Zwickau),  macht  uns  Klotz  ^^^j  be- 
kannt. Kulturgeschichtlich  interessant  sind  die  Schulwanderjahre  Wolfrums,  das  Bild 
eines  lutherischen  Pfarrhauses,  das  sich  hier  zeigt;  auch  schaut  man  die  hässlichen 
Nachwirkungen  der  Kämpfe  wider  den  kursächsischen  Krjptokalvinismus  im  Detail 
der  Pastorengeschichte  einer  einzelnen  Stadt.  — 

Am  Schlüsse  dieser  Revue  über  Arbeiten,  die  sich  mit  dem  Gebiete  der 
lutherischen  Reformation  beschäftigen,  sei  die  fleissige  Studie  über  das  Superinten- 
dentenamt von  Nobbe  ^^0  genannt.  Sie  behandelt  auf  Grund  der  Kirchenordnungen 
des  16.  Jh.  die  rechtliche  Stelllung  der  Superintendenten  zur  Gemeinde,  zu  den  Geist- 
lichen, zu  den  kirchlichen  und  weltlichen  Behörden.  — 

Wir  treten  in  das  Gebiet  des  oberdeutschen,  schweizerischen  Pro- 
testantismus des  16.  Jh.  und  des  Kalvinismus  ein.  Die  Festschriften,  welche  die 
400jährige  Geburtstagsfeier  Martin  Butzers  hervorrief,  gehören  noch  dem  J.  1891 
an;  aber  ihre  Besprechung  fiel  ins  nächste  Jahr;  um  letzterer  willen  sei  daher 
auf  sie  auch  an  dieser  Stelle  verwieseniß-"!^^^,   — 

Ein  schätzenswerter  Beitrag  zur  Geschichte  der  Reformation  in  Oberdeutschland 
und  der  Schweiz  liegt  in  einer  Dissertation  über  Jakob  Otter  von  Sussann  ^^^J 
vor.  Dieser,  geboren  um  1490  zu  Lauterburg  im  Elsass,  ist  Schüler  Wimphelings, 
begeisterter  Hörer,  später  auch  Herausgeber  der  Predigten  Geilers  von  Kaisersberg. 
Er  studiert  in  Heidelberg  seit  1505,  habilitiert  sich  in  Freiburg,  wo  er  auch  die 
theologischen  Promotionen  absolviert;  er  steht  in  freundschaftlichem  Verkehr  mit 
U.  Zasius  wie  mit  dem  ganzen  oberrheinischen  Humanistenkreise.  Früh  (sicher 
seit  1520)  erscheint  er  aber  auch  unter  den  begierigen  Lesern  der  Schriften  Luthers ; 
er  ist  nicht  mehr  an  der  Universität,  sondern  seit  1518  Landpfarrer  ili  Wolfenweiler 
im  Gebiet  des  Markgrafen  Ernst  von  Baden.  Hier  predigt  er  bereits  unter  steigen- 
dem Beifall  des  Volkes.  1522,  als  er  nach  Kenzingen  berufen  ist,  geht  er  vom 
Predigen  zum  Reformieren  über,  aber  der  Konstanzer  Bischof  zieht  ihn  zur  Verant- 
wortung; der  Rat  nimmt  sich  warm  seines  Predigers  an  und  weist  die  Citation  zurück. 
Aber  Erzherzog  Ferdinands  Erscheinen  im  Breisgau  verschärft  die  Situation  und 
nötigt  ihn  zu  weichen  (1524),  um  die  Stadt  vor  völligem  Verderben  zu  bewahren. 
Mit  150  evangelischen  Bürgern  flüchtet  er  nach  Strassburg.  Er  findet  1525  neue 
Thätigkeit  in  Neckar-vSteinaoh  bei  dem  Ritter  Hans  Landschad  —  aber  auch  von  hier 
vertreibt  ihn  Ferdinand  1527;  Strassburg  herbergt  ihn  abermals,  zwei  Jahre  später 
begegnen  wir  ihin  in  der  Schweiz:  in  Solothurn,  dann  in  Bern  und  in  Aarau.  Die 
Reaktion,  die  der  Unglücksschlacht  von  Kappel  folgte,  verjagt  ihn  aufs  neue.  Nun 
öffnet  sich  ihm  die  Reichsstadt  Esslingen,  in  der  erst  1531  die  Reformation  zum  Siege 
gelangte.  Hier  wirkt  er  fortan  als  oberster  Geistlicher  und  als  einer  der  Führer  der 
oberdeutschen  Richtung,  als  einer  der  Abgesandten  zur  Wittenberger  Konkordie,  als 


1892,  S.  17,  25/7,  33/5,  41/4,  53/5.  —  158)  O  W.  Horning,  Dr.  Joh.  Pappus  v.  Lindau.  1549-1610  Münsterprediger,  Univ.- 
Prof.  n.  Präsid.  d.  Kircheniconvents  zu  Strassburg,  aus  unbenutzten  Urkk.  u.  Mss.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  1891.  VII,  323  S. 
Mit  Bild.  M.  6,00.  l[ThLB.  13,  S.  164/5.11  -  159)  O  id..  Mag.  Elias  Schadäns,  Pfarrer  an  d.  Alt-St.-Peterkirche,  Prof.  d. 
Theol.  n.  Mänsterprediger  zu  Strassburg.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  luth.  Judenmission  in  Strassburg  aus  unbenutzten  Urkk.  {^=  Schriften 
d.  InstitutuTO  Judaicum  N.  31.)  L.,  Akad.  Buchh.  25  S.  M.  0,40.  —  160)  H.  Klotz,  D.  V.  Wolfrum,  Superintendent  zu 
Zwickau  1593-1626.  E.  Stadie  z.  sächs.  Kirchengesch.  Zwickau,  Zückler.  1892.  IV,  84  S.  M.  1,00.  |[G.  Kawerau:  ThLZ.  19, 
S.  115/6.]|  —  161)  H.  Nobbe,  D.  Superintendentenamt,  seine  Stellung  n.  Aufgabe  nach  d.  evang.  Kirchenordnungen  d.  16.  Jh.: 
ZKG.  14,  S.  414-29,  556-72.  —  162)  X  Z.  400j.  Gebnrtsfeier  Butzers.  M.  Butzers  an  e.  christlich  Rat  vnd  Gemeyne  d. 
Rat  Weissenburg  Suramary  seiner  Predig  daselbst  gethon.  Bibliograph.  Zusammenstellung  d.  gedr.  Schriften  Butzers  t.  F. 
Mentz.  Heber  d.  hs.  Nachlass  u.  die  gedr.  Briefe  Butzers.  Verzeichnis  d.  Litt,  über  Butzer  v.  A.  Erichson.  Strass- 
burg i.  E.,  Heitz.  1891.  VI,  181  S.  Mit  Bild.  M.  6,00.  [[ThLBl.  13,  S.  309-10;  G.  Bessert:  ThLZ.  17,  S.  258-60;  G. 
Kawerau:  ZKG.  13,  S.  568.]|  (Vgl.  JBL.  1891  II  7 :  70.)  —  163)  A.  Erichson,  M.  Butzer,  d.  elsässiscbe  Reformator  zu  dessen 
400j.  Geburtsfeier  d.  elsäss.  Protestanten  gewidmet.  1.-3.  Aufl.  ebda.  1891.  76  S.  M.  0,40.  |[ThLBl.  13,  S.  309;  G. 
Bessert:  ThLZ.  17,  S  253-60.] j  (Vgl.  JBL.  1891  U  7:75.)  —  164)  E.  Stern,  M.  Butzer.  E.  Lebensbild  aus  d.  Gesch.  d. 
Strassb.  Reformation.  Gedächtnisbll.  z.  400j.  Jubelfeier  seines  Geburtstages.'  Strassburg  i.  E ,  Strassb.  Druckerei.  1891.  87  S. 
Mit  Bild.  M.  0,50.  |[ThLBl  13,  S.  309.]|  (Vgl.  JBL.  1892  II  7:76.)  —  165)  H.  Sussann,  Jak.  Otter.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  \~)" 


II  6:166-174  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Ueformation. 

Volks-  und  Erbauung-sschriftsteller  (Katechismus  und  Betbüchlein),  bis  ihn  des'Kaisers 
Interim  noch  einmal  in  die  Verbannung-  trieb.  Kaum  wieder  heimgekehrt,  verstarb 
er  1552.  S.s  Darstellung-  baut  sich  vor  allem  auf  Archivalien  und  den  teilweise 
noch  ungedruckten  Briefwechsel  Otters  auf.  Aus  der  gedruckten  Litteratur  ist  ihm 
Einzelnes  entgangen,  z.  B.  Strassburgs  politische  Korrespondenz  II,  S.  221;  der 
Brief  Luthers,  den  er  (S.  63)  für  ungedruckt  hält,  steht  schon  in  Ditzinger,  Esslingisches 
Denk-  und  Dank-Mahl  (1718;  S.  142).  Ungenügend  ist  wohl  seine  Beweisführung  dafür, 
dass  Otter  auch  Karthäuser  gewesen  sei.  Denn  dass  er  den  Karthäuserprior  G.  Reisch 
in  einem  Briefe  tituliert  suo  majori  ac  domino,  beweist  gar  nichts.  So  schreibt  ja 
auch  Eck  an  Luther  (Enders  1,  S.  428),  Luther  an  Karlstadt  (ib.  S.  402)  und  an 
Egranus  (ib.  S.  407) ;  das  ist  reine  Höflichkeitstitulatur.  Eher  spricht  dafür,  dass  er 
die  Kollegien  hören  muss  ratione  statuti  domus  Carthusiani;  aber  zwingend  ist  auch 
dieser  Beweis  meines  Wissens  nicht.  — 

Für  Zwingli  verdient  Eglis'^^)  Schrift  Beachtung,  die,  anknüpfend  an 
seine  ältere  Studie  über  die  Schlacht  von  Kappel  (Zürich  1873),  vor  allem  der  ver- 
breiteten Anschauung  entgegentritt,  als  wenn  Zwingiis  Einfluss  in  Zürich  bereits 
im  Sommer  1531  zusammengebrochen  wäre,  und  sie  der  Uebertreibung  der  wirk- 
lichen Sachlage  beschuldigt:  wohl  zeigten  sich  Schwierigkeiten,  aber  seiner  Energie 
gelang  es  auch,  sie  zu  überwinden.  Nicht  als  gefallene  Grösse,  sondern  als  der 
seinem  Volke  ins  Gewissen  redende  zürnende  Prophet  stehe  er  damals  da;  er  erreicht 
—  allerdings  mit  äusserster  Kraftanstrengung  —  seinen  Zweck  und  bleibt  politisch 
thätig  bis  ans  Ende.  In  einer  „Nachlese"  bespricht  E.  die  seit  1873  über  Kappel  neu 
publizierten  Quellen. iß''"^^^)  — 

Der  Aufsatz  von  Burckhar  dt- Bieder  mann  iß^'i'^o)  über  Oekolampad 
macht  u.  a.  darauf  aufmerksam,  dass  die  traditionelle  Beurteilung  des  Baseler  Refor- 
mators als  eines  „melanchthonisch"-  milden  Charakters  erheblicher  Berichtigung  be- 
darf. Sein  grösseres  Werk  über  Bonifacius  Amerbach  führt  in  den  Baseler 
Humanistenkreis  und  dessen  Verbindung  mit  der  schweizerischen  Reformations- 
bewegung hinein:  besonders  interessant  ist  es  zu  sehen,  wie  wenig  Amerbach  sich  von 
dem  Wege  befriedigt  fühlt,  den  man  dort  in  der  Abendmahlsfrage  einschlägt.  Es  ist 
bisher  kaum  beachtet  worden,  dass  der  nüchtern-rationale  Zug  derselben  in  ihrer 
nächsten  Umgebung  auch  auf  entschiedene  Abneigung  gestossen  ist,  ja  als  ein  Hindernis 
für  die  Ausbreitung  der  Reformation  betrachtet  werden  konnte.  —  Von  dem  1877 
durch  B.  Riggenbach  veröffentlichten  Chronikon  des  Belli kan,  das  nicht  allein  für 
die  persönliche  Geschichte  des  Vf.,  sondern  auch  für  die  Kenntnis  der  Baseler  und 
Züricher  Humanisten-  und  Theologenkreise,  besonders  auch  für  die  Geschichte  des 
Franziskanerordens  in  den  Jahren  der  reformatorischen  Volksbewegung  reiche  Aus- 
beute gewährt,  hat  Vulpinus^'^)  (Renaud)  eine  deutsche  Uebersetzung  mit  Erläute- 
rungen veranstaltet.  Erstere  ist  gut,  letztere  zeigen  doch  nur  eine  dilettantenhafte 
Beschäftigung  mit  der  Reformationslitteratur.  — 

Die  drei  Briefe  Sebastian  Münsters,  die  Pulvermacher '"'2)  heraus- 
gegeben hat,  zeigen  u.  a.  den  engen  Gesichtskreis  des  Hebraisten,  der  nicht  will, 
dass  eine  lateinische  Uebersetzung  des  Koran  herausgegeben  werde.  — 

Dass  von  seiner  Monographie  (1875)  über  Ochino  von  Siena,  den  Kapuziner- 
general und  späteren  Prediger  und  Schriftsteller  der  italienischen  evangelischen 
Flüchtlingsgemeinden,  Benrath^'' 3)  jetzt  eine  zweite,  überall  sorgfältig  nachbessernde 
und  vervollständig-ende  Ausgabe  hat  ausgehen  lassen,  darf  bei  der  Beziehung  seiner 
schriftstellerischen  Arbeit  zu  der  deutschen  Reformationslitteratur  (z.  B.  in  der  Frage 
wegen  der  Polygamie)  nicht  übergangen  werden.  —  Noch  mehr  gehört  hierher  die  schöne 
Erstlingsarbeit  von  Hubert  ''^)  über  die  publizistische,  die  Waffen  gegen  Rom  kehrende 
Thätigkeit  des  ehemaligen  Bischofs  von  Capo  d'Istria,  Vergerio,  da  diese  sich 
wesentlich  auf  deutschem  Boden  vollzogen  hat.  Die  Unterlage  für  die  zu  den  früheren 
Arbeiten  über  Vergerio  gar  manche  Berichtigung  hierzu  bringende,  durchweg  sorg- 
fältige und  lehrreiche  Studie  bietet  eine  gegen  frühere  Forschungen  vielfach  bereicherte, 
exakte   Biographie.     Besondere    Beachtung  verdient   der    einleitende  Abschnitt  über 


Reformation.  Diss.  Karlsruhe,  J.  Lang.  VI,  70  S.  M.  0,75.  IfMHL.  22,  S.  51/3.]|  —  166)  E.  Egli,  Zwingiis  Tod  nach  seiner 
Bedeutung  für  Kirche  u.  Vaterland.  Vorles.  Nebdt  e.  Anh.:  Nachlese  ■/..  d.  Schrift:  „D.  Schlacht  v.  Kappel"  (Zürich  1873). 
"üricli,  Leemann.  56  S.  M.  1,50.  —  167)  X  Strickler,  Zwingiis  Gutachten  über  e.  Bündnis  mit  Konstanz,  Landua  u. 
Strassburg.  Sommer  1527.:  AnzSchwG.  S.  507-10.  —  168)  X  A.  v.  Salis,  E.  geistlich  Spiel  auf  Zwingiis  Todestag.  [Festspiel.] 
(11.  Okt.):  SohwKs.  3',  S  100.  —  169)  Th.  Burckhardt- Biedermann,  Ueber  Oekolampads  Person  u.  Wirksamkeit: 
ThZSchw.  S.  27-40,  81-92.  -  170)  O  id.,  Bonif.  Amerbach  u.  d.  Reformation.  Basel,  Reich.  VIII,  407  S.  Mit  Bild.  M.  6,40. 
|[G.  Bessert:  ThLBl.  14,  S.  573/4.] |  —  171)  K.  Pellikan  v.  Rufach,  Hauschronik.  E.  Lebensbild  aus  d.  Reformationszeit. 
Dtsch.  V.  Th.  Vulpinus.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  VIII,  168  S.  M'.  3,00.  [[Aug.  Werner:  PKZ.  40,  S.  3734;  G.  Kawerau: 
ThLZ.  19,  S.83/4.]|  (Vgl.II  1  :  170;  3  :  71.)  -  172)  D.  Pul  vermacher ,  3  Briefe  Seb.  Münsters:  ThStK.  S.  797-804  —  173)  K.Ben- 
rath,  B.  Ochino  v.  Siena.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Reformation.  Mit  Orig.-Dok.,  Portr.  u.  Schriftprobe.  2.  vorb.  Aufl.  Brannschweig, 
öchwetschke.  1892.  XU,  823  S.  M.  7,00.  |fG.  Bessert,  ThLZ.  18,  S.  211/3;  G.  Kawerau:  HZ.  34,  S.  540;  G.  Loesche: 
PLZ.  8,  548/9 ;  C.  F.  A  r  n  0 1  d :  ThLB.  14,  8. 124/6.]  1  -   174)  F.  H  u  b  e  r  t ,  Vergerios  publizist.  Thätigkeit,  nebst  e.  biograph.  Uebersicht. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  =  ivs-iso 

die  Beweggründe  für  Vergerios  Uebertritt  zur  evangelischen  Kirche.  H.  betont,  dass 
die  Berührung  mit  Spiera  ausschlaggebend  gewesen  ist.  Weil  er  nicht  widerrufen 
wollte,  musste  er  übertreten.  Mit  Erfolg  wendet  sich  H.  hier  gegen  Th.  Schott,  der 
verletzten  Ehrgeiz  als  stark  mitwirkendes  Motiv  gelten  Hess,  indem  er  entgegenhält: 
dem  Ehrgeizigen  wäre  es  leichter  geworden,  dem  Papst  Widerruf  zu  leisten  und  damit 
Ehren  und  Würden  sich  zu  erhalten  als  auf  alle  Ehren  des  bischöflichen  Amtes  zu 
verzichten,  nur  um  der  Demütigung  eines  Widerrufs  zu  entrinnen.  — 

Die  neue  gelehrte  Arbeit  über  den  Heidelberger  Katechismus  von 
Goossen  ^'•'^)  knüpft  an  sein  Werk  von  1890  an;  es  behandelt  die  litterarische  Polemik, 
die  sich  in  den  seiner  Entstehung  nächstfolgenden  Jahren  wider  und  für  den  neuen 
Katechismus  erhob  und  ebenso  um  das  (von  Th.  Erast  verfasste)  „Büchlein  vom 
Brodbrechen",  das  Doedes  jüngst  durch  einen  Neudruck  wieder  zugänglich  gemacht 
hat.  G.  beobachtet  den  Einfluss  holländischer,  nach  der  Pfalz  geflüchteter  Gemeinden 
bei  der  Entstehung  des  Katechismus  und  sucht  eine  Gruppe  nachzuweisen,  die  im 
Sinne  einer  mittleren  Position  zwischen  Kalvin  und  Luther  wirksam  war,  deren 
Spuren  von  der  Schweiz  bis  Holland  reichen.  — 

Der  ungarische  Kirchenhistoriker  Szlävik^''^)  berichtet  in  Kürze  über  die 
Schola  hungarica  an  der  Wittenberger  Universität:  442  Ungarn  erscheinen  von  1522—60 
als  Studenten  in  Wittenberg,  fast  alle  Reformatoren  des  ungarischen  Landes  haben 
hier  studiert,  seit  1546  organisieren  sie  sich  an  der  Universität  als  eine  nationale  Körper- 
schaft, deren  Statuten  1555  bestätigt  werden,  mit  Unterstützungskasse  und  eigener 
Bibliothek.  Ein  daran  anschliessender  zweiter  Artikel  behandelt  Leonhard  Stöckel 
aus  Bartfeld  in  Ober-Ungarn,  der  1530 — 31  in  Wittenberg  studierte  und  sich  fest  an 
Melanchthon  anschloss,  auf  dessen  Empfehlung  er  Beschäftigung  als  Hofmeister  in 
Wittenberg  selbst  fand.  (Die  Nachricht,  dass  er  auch  einige  Zeit  in  Eisleben  thätig 
gewesen  sei,  halte  ich  nicht  für  so  unglaubwürdig,  wie  Sz.  thut;  er  braucht  ja  nicht 
gerade  Rektor  des  Gymnasiums  gewesen  zu  sein.  Vgl.  Kordes,  Agricolas  Schriften 
S.  188.)  1539  kehrte  er  in  die  Heimat  zurück,  organisierte  die  Bartfelder  Schule  nach 
dem  Vorbild  der  Melanchthonschen  Schulordnungen,  entwarf  auch  1546  die  noch 
heute  in  Ungarn  gültige  Confessio  pentapolitana.  1556  aus  seinem  Amt  durch  per- 
sönliche Gegner  verdrängt,  wurde  er  bald  ehrenvoll  zurückgerufen;  er  starb  1560. 
Er  repräsentiert  noch  den  Wittenberger  Zweig  der  ungarischen  Reformation,  aber 
in  Anlehnung  mehr  an  Melanchthon  als  an  Luther.  — 

Wenden  wir  uns  zu  den  Personen  und  Kreisen  der  Reformationszeit,  die  als 
Schwärmer,  Separatisten  und  Wiedertäufer  von  den  Hauptströmen  der  kirch- 
lichen Bewegung  sich  lösten  und  Sonderwege  einschlugen.  Zur  Biographie  Carl- 
stadts  liefert  Schäfer^")  einen  Beitrag,  indem  er  gegen  Kolde  (ZKG.  8,  S.  283  ff.) 
nachweist,  dass  dieser  die  Nachrichten  über  Carlstadts  kurzen  Aufenthalt  in  Däne- 
mark 1521  hyperkritisch  für  unzuverlässig  erklärt,  dass  vielmehr  aus  dem  Verhör, 
das  Spalatin  am  24.  Juni  1521  mit  ihm  anstellen  musste,  seine  Anwesenheit  dort  wie 
sein  dabei  dem  König  gegebenes  Versprechen,  auf  ein  volles  Jahr  abermals  zu  ihm 
zu  kommen,  hervorgeht,  der  dänische  Chronist  Svaning  also  gerechtfertigt  bleibt  mit 
seinem  Bericht  über  Carlstadts  Erscheinen  in  Kopenhagen.  —  Tschack  er  t  *^^)  hat 
einen  biographischen  Artikel  über  den  Zwickauer  Propheten  Nik.  Storch  geschrieben. 
Es  macht  grosse  Mühen,  über  einen  Mann  dieser  Art  die  Materialien  aus  der  Refor- 
formationslitteratur  zusammenzutragen.  Auf  manches  Uebersehene  hätte  wohl  mein 
Artikel  (in  ThLZ.  5,  S.  558—61;  vgl.  auch  ThLBl.  1881,  S.  36)  aufmerksam  machen 
können.  Namentlich  ist  es  ein  Mangel,  dass  der  Vf.  die  älteste  biographische  Schrift 
über  Storch  von  dem  Flacianer  Markus  Wagner  nur  in  dem  unvollständigen  Auszuge 
kennt,  den  Tentzel  1694  daraus  gegeben  hatte.  —  Ueber  die  Schlacht  von  Franken- 
hausen und  das  Ende  des  Thomas  Münzer  handelt  Lenz^'"')  in  vortrefflicher  Kritik 
der  Quellen,  auf  Grund  deren  sich  doch  ein  viel  bestimmteres  Bild  von  den  Vorgängen 
gewinnen  lässt,  als  das  skeptische  Urteil  G.  Droysens  (in  ZPrGL.  1873)  angenommen  hatte. 
Interessant  ist  auch,  dass  L.  die  Tradition  kritisch  beleuchtet,  die  Melanchthon  als  den 
Vf.  der  „Histori  Thoma  Müntzers"  bezeichnet,  die  1525  in  Hagenau  erschien,  dann  in 
Luthers  Werken  (zuletzt  W^alch  XVI)  —  dagegen  nicht  im  CR.  —  abgedruckt  wurde. 
Wird  sie  vielleicht  nur  darum  Melanchthon  beigelegi;,  weil  die  Jenenser  Ausgabe  II 
(1569),  402  ihr  die  Randbemerkung  beigefügt  hat:  diese  Historie  hätte  eigentlich  gleich 
hinter  Melanchthons  Schrift  wider  die  Artikel  der  Bauernschaft  ihren  Platz  finden 
sollen?  —  Ueber  Jakob  Strauss  bringt  uns  Bossert****)  in  einem  sorgsam  gearbeiteten 


Qöttingen,  Vandenhoeck  &  Enprecht.  XV,  323  S.  M.  6,00.  (Vgl. II 7 : 2a,)  — 175)  M.  A.  G  o  o  s  s  e  n ,  De  Heidelbergsche  Catechismns  en  het 
boclqe  van  de  Breking  des  Broods  in  het  jaar  1563-64  bestreden  en  verdedigd.  Leiden,  E.  J.  Brill.  X,  424  S.  Fl.  3,90. 
![0.  Kohl  Schmidt:  ThStK.  S.  3;  id.:  PKZ.  40,  S.  3713;  J.  J.  Prins:  ThT.  N.  3;  J.  J.  van  Toorenenbergen:  ThSt.  11, 
S. 259  74;  LCBl.S.  1457  8.1  —  176)  Szlävik,  Z.  ung.  Reformationsgesch  I.  D.  Schola  Hungarica  zu  Wittenberg.  U.  Leonh. 
Stöckel:  ZKG.  14,  S.  2' 2-13.  —  177)  D.  Schäfer,  Carlstadt  in  Dänemark:  ib.  13,  S.  3118.  —  178)  P.  Tschackert,  Nik. 
Storch:  ADB.  36,  S.  442  5.  —  179)  M.  Lenz,  Z.  Schlacht  bei  Frankenhausen:  HZ.  69,  S.  193-208.   —   180)  G.  Bessert,  Jak. 

(2)9* 


II  6:181-185  G.  Kawerau,  Luthei^  und  die  Reformation. 

Aufsatz  eine  Ueberarbeitung-  seines  (für  die  theologische  Realencyklopädie  [1884] 
gelieferten)  Lebensbildes.  Geboren  in  Basel  zwischen  1480  —  85,  als  Schulmeister 
seit  1506  in  Strassburg-  (auch  in  Wertheim?)  und  Horb  thätig-,  dann  als  Theologe  an 
der  Freiburger  Universität,  wo  er  den  Doktorgrad  erwirbt,  dann  (vor  1521)  Stifts- 
prediger in  Berchtesgaden,  darauf  in  Schwaz,  bald  darauf  stürmischer  Reformprediger 
in  Hall  am  Inn.  Aber  hier  muss  er  vor  drohender  Gefahr  weichen;  er  begiebt  sich 
nach  Wittenberg,  wo  er  mit  dem  benachbarten  Kemberger  Propst  Bernhardi  und  mit 
Caiistadt  Freundschaft  schliesst.  Ende  1522  erhält  er  Anstellung 'in  Eisenach  und 
gewinnt  sich  das  Vertrauen  des  Herzogs  Johann.  Hier  beginnt  Strauss  mit  seiner 
eigenartigen  socialen  Predigt:  Wiederherstellung  des  mosaischen  Rechtes,  Verbot  des 
Zinsnehmens.  Bei  den  Bauern  bisher  in  hohem  Ansehen,  verdirbt  er  es  doch  im 
Bauernkriege  mit  beiden  Parteien,  den  Bauern  und  den  Fürsten.  Vom  Amte  getrieben, 
sucht  er  vergeblich  Anschluss  an  Brenz.  Als  Stiftsprediger  in  Baden-Baden  mischt 
er  sich  in  unklarem  Eifer  in  den  Abendmahlsstreit,  wobei  er  von  Zwingli  grob  ab- 
gewiesen wird.  Sein  weiterer  Lebensgang  hüllt  sich  in  Dunkel;  doch  hält  B,  für  nicht 
unmöglich,  dass  der  Mann  lebhafter  Impulse  aber  mangelnder  Klarheit  schliesslich 
als  Katholik  gestorben  wäre.  —  Höchst  schätzenswert  ist  es,  dass  Loserth^*^),  der 
verdiente  Hus-Wiclif-Forscher,  jetzt  unter  Benutzung  des  Nachlasses  des  Ritters  von 
Beck  der  Geschichte  der  mährischen  Täufergemeinden  seine  Forschung  zugewendet 
hat.  Der  Aufsatz  „Die  Stadt  Waldshut  und  die  vorderöstereichische  Regierung  1523 — 26" 
(im  AÖG.  77,  S.  1  ff.)  war  vorangegangen,  sowie  eine  Studie  über  den  Anabaptismus 
in  Tirol  von  seinen  Anfängen  bis  zum  Tode  Jakob  Huters  (1526—36;  ib.  78,  S.  427  ff.). 
Darauf  folgte  die  Schrift  über  Balth.  Hubmaier,  einen  der  bedeutendsten  imd 
anziehendsten  unter  den  Führern  der  Täufergemeinden.  Gebürtig  aus  Friedberg, 
Schüler  und  Schützling  Ecks  in  Freiburg,  Pfarrer  und  Professor  in  Ingolstadt, 
Dompfarrer  in  Regensburg,  war  er  als  guter  Katholik  noch  1521  in  Waldshut 
Pfarrer  geworden.  Im  Sommer  1522  beginnt  er  Luthers  Schriften  zu  lesen, 
geht  nach  Basel  zu  Besuch,  nimmt  dann  mit  Eifer  das  Studium  der  Paulinischen 
Briefe  auf,  folgt  Advent  1522  einem  zweiten  Rufe  nach  Regensburg  als  Prediger 
an  der  Kapelle  der  schönen  Maria,  wo  er  jetzt  im  evangelischen  Sinne  predigt. 
Aber  schon  1523  kehrt  er  freiwillig  in  die  Waldshuter  Pfarre  zurück  und  tritt  nun 
in  lebhaften  Verkehr  mit  den  Schweizer  Reformatoren,  nimmt  auch  am  zweiten 
Züricher  Religionsgespräch  teil  (Okt.  1523).  Aber  auf  den  Einfluss  Zwingiis  folgt 
der  des  Th.  Münzer  und  die  Verbindung  mit  den  Züricher  Stürmern;  er  nahm  das 
Bundeszeichen  der  Wiedertaufe  an  und  trug  damit  die  Spaltung  in  die  Waldshuter 
Gemeinde;  er  musste  fliehen,  die  katholische  Reaktion  siegte.  Aber  auch  in  Zürich 
stellt  man  sich  gegen  den  Wiedertäufer  feindlich.  Ein  erster  Widerruf,  den  man 
dem  Gefangenen  abnötigt,  genügt  nicht;  erst  nach  erneuertem  Widerruf  (S.  120/1) 
erlangt  er  seine  Freiheit  wieder  (Ostern  1526).  Er  zieht  nun  in  die  Ferne,  über 
Augsburg  nach  Nikolsburg  in  Mähren ;  persönlich  und  litterarisch  betreibt  er,  immer 
überzeugungsvoll  und  doch  ruhig  und  ohne  Extravaganz,  die  Propaganda  der 
Täufergemeinde.  Ihm  danken  wir  die  Beschreibung  ihrer  Tauf-  und  Abendmahls- 
liturgie (S.  155/6).  Von  Ferdinand  gefangen  gesetzt,  muss  er  in  mehrtägiger  Dis- 
putation seinem  ehemaligen  Mitschüler  Joh.  Fal3ri  gegenüberstehen ;  standhaft  erleidet 
er  darauf  den  Ketzertod  in  Wien  1528.^^2-)  —  Ni  coladonis^^^)  umfängliche  quellen- 
mässige  Arbeit  über  J.  Bünderlin  ist  dem  Berichterstatter  leider  nicht  zugänglich, 
—  Ueber  Seb.  Franck  liegen  zwei  neue  Arbeiten  vor.  Die  Dissertation  von 
Tausch  ^^^)  behandelt  die  Einflüsse,  die  der  geistig  bewegliche  und  aufgeschlossene 
Geist  Francks  von  den  verschiedenartigsten  seiner  Zeitgenossen  in  sich  aufgenommen 
hat:  humanistische,  mystische,  reformatorische.  —  Einen  bedeutsamen  Beitrag  zum 
Verständnis  der  Gedankenwelt  Francks  bietet  Heglers^^^)  Schrift.  Es  ist  geistvoll, 
dass  hier  bei  den  Begriffen  Geist  und  Schrift  eingesetzt  wird,  um  die  Gedanken 
Francks  zu  analysieren;  es  gelingt  dem  Vf.  von  diesem  Ausgangspunkt  aus,  nicht 
nur  Francks  Gedanken  bis  in  ihre  entlegensten  Verzweigungen  hin  zu  verfolgen, 
sondern  auch  ihre  Kraft  und  ihr  (wenigstens  relatives)  Recht,  wie  auch  ihre 
Schranken  und  Mängel  zur  Darstellung  zu  bringen.  „Die  Nähe  Luthers  wirkt 
drückend,  wenn  man  Francks  Bild  betrachtet.  Aber  dass  man  unwillkürlich  ihn 
mit  Luther  selbst  vergleichen  muss,  nicht  mit  den  kleineren  Geistern,    auch  das  ist 


strauss:  ADB.  36,  S.  635/8.  —  181)  J.  Loserth,  Dr.  Balth.  Hubmaier  u.  d.  Anfänge  d.  Wiedertaufe  in  Mühren.  Ans  gleich- 
zeit.  Quellen  u.  mit  Benutzung  d.  wissensch.  Nachlasses  d.  Hofrat  Dr.  J.  Ritter  v.  Beck.  Her.  v.  d.  hist.-stiitist.  Sektion  d. 
k.  k.  Ges.  z.  Beförderung  d.  Landwirtschaft,  d.  Natur-  u.  Landeskunde.  Brunn,  Winiker.  VIII,  217  S.  Mit  1  Lichtdr. 
M.  2,40.  —  182)  X  Ph.  Kieferndorf,  D.  Prophetenübers.  v.  Ludw.  Hätzer  u.  Hans  Denck  in  neuer  Beurteilung:  Menno- 
nitBll.  60/1.  —  183)  A.  Nicoladoni,  Joh.  Bünderlin  v.  Linz  u.  d.  oberösterreich.  Tänfergemeinden  in  d.  J.  1525-81.  B., 
Gaertner.  VIII,  314  S.  M.  8,00.  —  184)  E  Tausch,  Seb.  Franck  v.  Donauwörth  u.  seine  Lehrer.  Diss.  B.,  Mayer  u.  Müller. 
55  S.  M.  1,00.-185)  A.  Hegler,  Geist  u.  Schrift  bei  Seb.  Franck.  E.  Studie  z.  Gesch.  d.  Spiritualismus  in  d.  Reformations- 
zeit.   Freibnrg  i.  B„   Mohr.     1892.    XII,  291  S.    M.  5,00.    |[G.  Loesche:  DLZ.  8.  3/4;  J.  Iverach:  CRThPhL.  3,  S.48-54;  K. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  .-  186-193 

ein  Ruhm."  Besonders  sei  auch  auf  die  Abschnitte  hingewiesen,  die  Francks  Ent- 
wicklung-sg-ang-  aus  dem  lutherischen  Pfarramt  zum  einsamen  Spiritualisten  trefflich 
behandeln.  —  Die  kleine  Festschrift  zu  Menno  Simons  400jährig'er  Geburtstagsfeier 
(6.  Nov.  1892)  von  Mannhardt '*ö)  enthält  eine  Darstellung  der  ältesten  Gemeinden 
der  Täufer  vor  Menno  Simons  Wirksamkeit  (S.  1 — 25);  darauf  ein  kurzes  Lebens- 
und Charakterbild  dieses  Reorganisators  der  Taufgesinnten  (S.  26—47)  uad  endlich 
eine  Betrachtung  über  den  Geist,  in  welchem  die  heutigen  „Mennoniten"  diesen 
Mann  feiern:  nicht  als  Stifter,  aber  als  den  Mann,  der  in  schwerer  Zeit  viele  Ge- 
meinden vom  Untergange  gerettet  hatte;  ferner  als  den  Verteidiger  ihrer  Grundsätze 
mit  Wort  und  Schrift  und  als  den  Mann  vorbildlichen  Wandels  in  den  Grundsätzen, 
die  er  lehrte.  (Bei  dieser  Gelegenheit  ist  auch  eine  ältere  Schrift  Mannhardts  wieder 
in  Erinnerung  gekommen,  seine  „Stimmen  aus  der  Reformationszeit"  Danzig  1861, 
in  denen  er  reichhaltige  Auszüge  aus  Simons  Schriften  [S.  1—68]  wiedergegeben 
hat.)  Kieferndorf '^^^J  druckt  die  Schrift  neu  ab:  „Prozess,  wie  es  soll  ge- 
halten werden  mit  den  Wiedertäufern,  durch  etliche  Gelehrte,  so  zu  Worms  ver- 
sammelt gewesen,  gestellet.  Worms  1557",  unterzeichnet  von  Melanchthon,  Brenz, 
Marbach  usw.  — 

Schliesslich  werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  verschiedene  Schriften,  die  ein- 
zelne Gebiete  der  litterarischen,  künstlerischen  und  kulturellen  Wirksam- 
keit im  Reformationszeitalter  behandeln.  Die  Erbau ungslitteratur  der  evangelischen 
Kirche  Deutschlands  im  16.  Jh.  hatte  Beck^^'')  bereits  1883  ausführlich  behandelt. 
Sein  neues  Werk  bietet  in  grösserem  Zusammenhange  das  dort  Geleistete  in  gedrängterer 
Darstellung.  —  Hans^^^)  bespricht  folgende  Augsburger  Katechismen:  1.  Catechismus, 
das  ist  ein  anfengklicher  Bericht  der  Christi.  Religion  von  den  Dienern  des  Evange- 
liums zu  Augsburg  . . .  verfasset  (0.  J.,  Anfang  der  30er  Jahre  des  16.  Jh.).  2.  Catechismus 
christianae  religionis  institutionem  paucis  complectens.  Per  W^olfg.  Musculum  1545. 
3.  Der  Catechismus.  Mit  viel  schönen  Sprüchen  .  . .  Casp.  Huberinus  (1543).  4.  Catechismus. 
Eine  kurtze  christliche  leer.  Durch  Joh.  Meckhart  ( 1554, 1557— 1603).  Diese  Katechismen 
werden  nach  Form  und  Inhalt  charakterisiert.  Ein  Nachtrag  behandelt  noch :  5.  Precepta 
ac  doctrinae  Domini  nostri  Jesu  Christi  1530.  6.  Catechismus  von  etlichen  Haupt- 
artickeln  des  Christlichen  g'laubens.  Casp.  Schwenckfeld.  Augsb.  1531.  (Die  Frage,  ob 
dieser  von  Schwenckfeld  selbst  verfasst  oder  nur  von  einem  seiner  Anhänger  zu- 
sammengestellt wurde,  bringt  H.  nicht  zum  Austrage,  neigt  aber  [gegen  Zezschwitz] 
ersterer  Annahme  zu.)  7.  Der  kleine  Catechismus.  Casp.  Huberinus  1544  (Auszug 
aus  N.  3),  —  Alb.  Fischer'^'-'),  der  verdiente  Hymnologe,  hat  mit  seinem  Ueberblick 
über  die  kirchliche  Dichtung  doch  der  Kritik  Anlass  zu  mancherlei  Einrede  geboten : 
es  fehlt  an  scharfer  Unterscheidung  zwischen  der  Species  kirchliche  Dichtung  und 
dem  Genus  religiöse  Dichtung;  aber  auch  seine  Quellen-  und  Litteraturangaben 
bieten  gerade  für  das  16.  Jh.  manches  Ungenaue  oder  geradezu  Fehlerhafte  (vgl.  die 
Recension  von  Achelis).  —  Wolf  rums  i^")  Arbeit  wird  als  ein  nützliches  Nach- 
schlagebuch gelobt;  doch  wird  die  Ausstellung  gemacht,  dass  es  zu  viel  Geschicht- 
liches, aber  zu  wenig  Verarbeitung  des  geschichtlichen  Stoffes  enthalte.  —  W. 
Kawerau  1^^)  sucht  zu  zeigen,  in  welchem  Umfange  die  sittlichen  Ideale  der  Refor- 
mation sich  in  der  Ehelitteratur  des  16.  Jh.  wiederspiegeln:  der  mittelalterlichen  Ge- 
ringschätzung der  Ehe  tritt  eine  neue  Würdigung  derselben  gegenüber,  aber  der 
Umschwung  in  der  sittlichen  Aufassung  vollzieht  sich  nur  langsam,  denn  die  „grobia- 
nische" Unterströmung  bildet  ein  Hemmnis.  Dass  dieser  Grobianismus  nicht  erst  ein 
Produkt  der  Reformation  ist,  sondern  bereits  vor  ihr  in  voller  Blüte  steht,  wird 
gegen  Janssen s  Behandlung  zur  Geltung  gebracht.  Es  wird  zunächst  der  litterarische 
Kampf  gegen  den  Cölibat,  dann  die  grobianische  Litteratur  dargestellt,  schliesslich 
kommen  die  evang-eli sehen  „Ehespiegel"  zur  Behandlung,  in  denen  die  sittliche  Er- 
neuerung*, die  Luthers  Werk  gebracht  hatte,  auch  positiv  in  die  Erscheinung  tritt.  — 

Ein  recht  kleiner  Geist  ist  der  Anonymus  ^''2),  der  sich  zu  einer  Beurteilung 
der  Re forma tions zeit  angeschickt  hat  und  ihre  sittliche  Verkommenheit  aufzu- 
weisen gedenkt.  Er  will  zu  diesem  Zwecke  „Männer  kleineren  Stiles"  aus  Luthers 
Gefolgschaft  beleuchten.     So  wird  denn  von   dem  Torgauer  Bürger  Koppe,  dem  Be- 


Brandes: lcbi.s.  595/6;  F.  Hummel:  KAW.N.24;C.  F.  A  rnold:  ThLB.  14,  S.  102/3.]  |  (Vgl.  JBL.  1892  II  5  b  :  3 ;  s.  o.  II 3 :  62.) — 
186)  H.  G.  Mannhardt,  Festschrift  zu  Menno  Simons  400 j.  Geburtstagsfeier  d. 6.Nov.  18921ier.im  Auftr.d.westprenss. Mennoniten- 
Gemeinden.  Danzig,  Saunier.  60  S.  M.  0,50.  —  186a)  Tb.  Kieferndorf,  E.Streitschrift  evang.  Theologen  gegen  d.  „Wieder- 
täufer" aus  d.  16.  Jh.:  MennonilBll.  S.  103  9,  114,5,  121/2.  -  187)  H.  Beck,  D.  relig.  Volkslitt.  d.  evang.  Kirche  Deutschlands. 
i—  Zimmers  Handbibl.  d.  prakt.  Theol.  Bd.  X,  c.)  Gotha,  Perthes.  1892.  X,  291  S.  M.  5,00.  [K.  Knoke:  ThLBl.  14,  S.  283.]| 
—  188)  H.  Hans,  Angst.  Katechismen  aus  d.  16.  Jh.:  ZPTh.  14,  S.  101-20.  (DazuNachtr:  ebda.  S.  339-45.)  —  189)  (II  2:1a.) 
||E.  Chr.  Achelis:  TliLZ.  18,  S  336;8;  W.  Tümpel:  Siona  17,  S.  194,6;  E.  Krause:  ThLBl.  14,  S.  141  2.] |  -  190)  Ph. 
Wolfrum,  D.  Entstehung  u.  erste  Entwicklung  d.  dtsch.  evang.  Kirchenliedes  in  musik.  Beziehung.  L.,  Breitkopf  &  Härtel. 
1890.  XIY,  250  S  M.  5,00.  |[F.  Zimmer:  ThLBl.  1892.  S.  31,3.]|  —  191)  W.  Kawerau,  D.  Reformation  u.  d.  Ehe.  E. 
Beitr.  z.  Kulturgesch  d.  16.  Jh.  (=  Schriften  d.  Ver.  für  Eeformationsgesch.  Bd.  39.)  Halle  a.  8.,  Niemeyer.  1892.  VI,  104  S. 
M.  1,20.  -   192)  Aus  d.  Reformationszeit:  Kath.  72^  S.  421/9.  —  193)  W.  Walther,  D.  Bedeutung  d.  dtsch.  ßeformation  fftr 


II  6 :  194-200  117  G.  Elling-er,  Humanisten  und  Neulateiner. 

freier  Katharinas  von  Bora,  registriert,  dass  er  1523  beim  Sturm  auf  das  Franziskaner- 
kloster in  Torgau  beteiligt  gewesen  war.  Kaum  ist  nun  Luther  tot,  so  trat  die 
ganze  Armseligkeit  des  mühsam  aufgebauten  Werkes  in  dem  „lüderlichen*Leben" 
der  Pastoren  zu  Tage.  Beweis?  Erstens:  1575  wurde  in  Kurhessen  ein  Pastor  wegen 
salopper  Behandlung  des  Abendmahls  abgesetzt.  Zweitens  behorchte  ein  Merseburger 
Superintendent  verkleidet  die  Predigten  seiner  Pastoren,  wurde  dann  abgesetzt.  (Da 
beide  Belastungszeugen  unseres  Anonymus  abgesetzt  wurden,  muss  doch  noch  ganz 
gute  Zucht  gewesen  sein!)  Aber  noch  viel  schlimmer!  Die  Protestanten  suchten  ver- 
ruchter Weise  sogar  ihre  Gegner  „moralisch  zu  töten"  —  Beweis:  sie  erzählten  von 
dem  frommen  Franziskaner  Konr.  Kling,  er  sei  evangelisch  geworden!  (Man  wundert 
sich  billig  darüber,  dass  eine  so  angesehene  Zeitschrift  wie  der  Kath.  einen  so  ab- 
geschmackten Artikel  abdruckt.)  —  Walther  ^^•')  macht  zur  Beurteilung  der  Be- 
deutung, die  Luthers  Werk  für  die  Gesundheit  des  deutschen  Volkslebens  gehabt  hat, 
vor  allem  geltend,  dass  die  Reformation  als  die  geistige  Macht  betrachtet  werden 
müsse,  die  in  dem  Zeitpunkt,  als  die  Renaissance  eine  Fülle  neuer  Kräfte:  Freiheits- 
durst, Weltsinn  usw.  entfesselt  hatte,  den  zerstörenden  Strom,  mit  dem  diese  Kräfte 
für  sich  allein  das  Volksleben  aufgewühlt  und  mit  sich  fortgerissen  haben  würden, 
aufgehalten  und  in  ein  ruhiges  Bette  geleitet  habe.'^^)  —  Warum  Hochstetters^^^) 
schon  in  den  60  er  Jahren  niedergeschriebene  Apologie  der  Reformation  jetzt  noch 
posthura  gedruckt  worden  ist,  ist  schwer  zu  begreifen.  Er  redet  von  dem  verderb- 
lichen Einfluss  der  römischen  Kirche  auf  Menschen,  Bürgertum,  Korporationen, 
Völker,  Staaten  —  aber  das  alles  in  Form  sehr  allgemein  gehaltener  Urteile  mit  ge- 
schichtlichem Material,  das  viel  zu  wenig  ins  Detail  geht  und  nichts  Neues  bietet. 
Der  mit  der  Fülle  gelehrter  Einzelheiten  ihre  Wirkungen  erzielenden  Janssenschen 
Darstellung  kann  doch  nur  mit  einer  Gegenrede  geantwortet  werden,  die  gleichfalls 
diese  Einzelheiten  quellenmässig  beherrscht.  —  Ob  Schwanns^^^)  kritische  Studie  nach 
dieser  Seite  etwas  geleistet  hat,  vermag  ich  nicht  zusagen.  —  Auf  Vir  cks'^')  licht- 
volle Zeichnung'  der  Gründe  und  Verhältnisse,  die  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jh. 
den  Niedergang  des  Protestantismus  und  die  grossen  Fortschritte  der  katholischen 
Reaktion  herbeigeführt  haben,  sei  nachdrücklich  hingewiesen. '^^j  — 

Ein  neues  Reformationsfestspiel  hat  Wächter '9^)  gedichtet,  das  die 
Gewinnung  des  anfangs  widerstrebenden  Grafen  Ernst  von  Schön  bürg  zum  evan- 
gelischen Glauben  behandelt.  Es  umfasst  den  Zeitraum  von  1525—34.  Das  Gebrechen 
derartiger  Festspiele :  Mangel  an  dramatischer  Handlung  und  daher  eine  überwiegend 
deklamatorische  Darlegung  der  verschiedenen  Standpunkte,  wenngleich  in  lesbaren 
Jamben,  tritt  auch  hier  zu  Tage,  und  das  stoffliche  Interesse  ist  ausserdem  zu  gering, 
um  über  die  nächsten,  in  Lokalpatriotismus  beteiligten  Kreise  hinauszugreifen.  — 
Stubbe^*^^),  Pastor  in  Kiel,  hat  von  den  Vorbereitungen  für  eine  Aufführung  des 
Devrientschen  Gustav  Adolf  Anlass  genommen,  für  das  Recht  solcher  Aufführungen 
im  allgemeinen  und  für  die  Vorzüge  der  Devrientschen  Dichtungen  im  besonderen  mit 
warmen  Worten  einzutreten.  Ich  verzichte  darauf,  hier  meine  teilweise  abweichende 
Meinung  über  die  Richtung,  in  der  sich  das  auf  Dilettantenaufführungen  berechnete 
Volksfestspiel  entwickeln  miisste,  darzulegen.  — 


11,7 

Humanisten  und  Neulateiner. 

Georg  EUinger. 

Allgemeines:  ZnsammenfassQnde  Darstellungen  N.  1;  „Lateinische  Litteraturdenktnäler"  N.  3.  —  Erste  Anfänge 
des  Ilnmanisnius  in  Deutschland  N.  C.  —  Frühzeit:  Albrecht  von  Eyb  N.  10;  studierende  Deutsche  in  lt.alien  N.  12;  Herrn. 
Schedel  N.  13;  Cassandra  Fedele  N.  14;  A.  von  Bonstetten  N.  15;  Steinhöwel  N.  17ii;  Humanismus  in  Tirol  N.  18.  —  Blüte- 
zeit: Rud.  Agricola,  Pallas  Spangel  N.  19;  Wimpheling,  Jak.  Spiegel  N.  21;  Reuchlin  N.  23;  Spalatin  N.  24;  Celtis,  .1.  Stabins 
N.  26;    Murmellius  N.  29;    M.  von  Bredenhach  N.  31;    Erasmus  N.  32;    Konstanzer  Humanistenkreis   N.  36;  Hatten  N.  37;    0. 


d.  Gesundheit  unseres  Volkslebens:  AELKZ.  26,  S.  1079-81,  1102/5,  1127-30,  1151,3,  1175/8,  1199-1201.  —  194)  Chr.  Meyer, 
D.  Reformation  u.  d.  dtsch.  Bürgerstand:  VYPK.  30,  S.  51-60.  —  195)  K.  Hochstetter,  Einfluss  d.  Protestantismus  u. 
Katholizismus  auf  Staaten  U.Völker.  Gütersloh,  Bertelsmann.  1892.  160  S,  M.2,00.  1[K.  Köhler:  ThLZ.  18,  S.  24/5  ]|  (Vgl.  JBL.  1892 
111:45.)  —  196)  O  (II  1:8.J—  197)  H.  Vi  rck,  D.  Niedergang  d.  Protestantismus  um  Ende  d.  16.  Jh.:  DEBll.  S.  141-61. —  198)  X  P- 
V.  Rhein,  Jesuiten  u.  evang.  Bund.  Zeitgemässe  Betrachtungen  über  I.  Jesuitenmoral  u.  Lutherraoral;  II.  D.  Zweck  heiligt 
d.  Mittel;  111.  D.  Lehre  v.  Tyrannenmord;  IV.  Protest- Verteidiger  d.  Tyrannen-  u.  Königsmordes.  Speyer,  Jäger.  VI,  88  S. 
M.  0,60.  —  199)  G.  Wächter,  E.  v.  Schönhurg.  Reforniationsfestspiol.  Glauchau,  Peschke.  VIII,  91  S.  M.  1,00.  —  200) 
S  t  u  b  b e ,  D.  Kocht  d.  Devrientschen  Gustav-Adolf-Spiels :  DPBl.  26,  S.  250,3,  261/2.  (Dazu  i  d.,  Gustav-Adolf-Spiele :  ib.  S. 274/7.)  — 


G.  Elling-er,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  : 1-4 

Brnnfftls  N.  39;  Eifelwolf  vom  Stein  N.  40;  Veit  Bild  N.  42;  Angsbnrger  Aerzto  N.  43;  Lnscinius  (Nachtgall)  N.  44;  J.  Eck 
N.  45;  Melanchthon  N.  46;  E.  Stellii.  ,1.  W.  Stnclci,  S.  Sten  N.  52.  —  Nenl.iteinische  Dichtung:  Drama  (Allgemeines,  M. 
Steyndorffer,  N.  Frischlin)  N.  56.  —  Lyrilt:  J.  Sligel  N.  61;  Q.  und  A.  Fabricias  N.  62;  Chrph.  von  Schallenberg,  S.  Rettenbacher 
N.  65a.  —  Lateinische  Drucke  (J.  Schöfferj  N.  67.  —  Humanistenschule  N.  63    —  Humanismus  in  Polen  und  Böhmen  N.  69. — 

Allg-emeines.  Georg"  Voigts  g-rundlegende  zusammenfassende  Dar- 
stellung* der  „Wiederbelebung  des  klassischen  Altertums"  ist  im  Berichtsjahre  zum 
dritten  Male  aufgeleg-t  worden.  Die  Neubearbeitung  hatte  für  den  schwer  erkrankten 
und  bald  darauf  verstorbenen  hochverdienten  Vf.  Lehn  er  dt')  übernommen.  Die 
grossen  Vorzüge  und  die  eminente  Bedeutung  des  Werkes  für  das  ganze  hier  in 
Betracht  kommende  Studiengebiet  brauchen  an  dieser  Stelle  wohl  nicht  besonders 
hervorgehoben  zu  werden.  Ungewöhnlich  innige  Vertrautheit  mit  dem  Gegenstande, 
gründlichste  Durchdringung  des  Materials  und  beständige  Betrachtung  der  zu  be- 
handelnden Perioden  und  Persönlichkeiten  unter  grossen  und  eigenartigen  Gesichts- 
punkten haben  hier  ein  Buch  geschaffen,  das  zwar  im  einzelnen  der  Modifizierung 
bedürfen,  in  seinen  wesentlichen  (ürundzügen  aber  wohl  unangetastet  bleiben  wird.  Die 
.  Ausstellungen,  die  Gaspary  (Gesch.  der  italienischen  Litt.  2,  S.  650)  macht,  und  die  ähn- 
lichen Bedenken,  die  neuerdings  auch  von  anderer  Seite  geltend  gemacht  worden  sind, 
kann  man  nur  insoweit  anerkennen,  als  in  der  That  durch  Voigts  Neigung  zu  möglichst 
scharfer  Herausarbeitung  der  Charakteristik  die  Beurteilung  der  Persönlichkeiten 
sich  zuweilen  etwas  zu  -sehr  zuspitzt.  Keineswegs  aber  ist  zuzugeben,  dass  durch 
diese  Neigung  Voigts  die  Gesamtindividualität  einzelner  Humanisten  verzeichnet 
worden  wäre;  gerade  die  Charakteristik  Petrarcas  wird  die  Mehrzahl  der  Beurteiler 
für  eine  der  gelungensten  Partien  der  Darstellung  halten,  wenn  man  auch  mit  der 
Art,  in  der  Voigt  manche  Züge  zu  sehr  in  den  Vordergrund  gerückt  hat,  nicht  über- 
einstimmt. L.  hat,  so  weit  ich  nachprüfen  konnte,  die  Litteratur  immer  sorgfältig 
berücksichtigt  und  das  Werk  dem  inzwischen  im  einzelnen  erweiterten  Standpunkte 
der  Wissenschaft  angepasst.  Dass  der  für  die  Geschichte  des  deutschen  Humanismus 
wichtigste  Abschnitt  des  Buches  im  zweiten  Bande  jetzt  in  seinen  wichtigsten  Teilen 
als  überholt  bezeichnet  werden  muss,  ist  nicht  die  Schuld  des  Herausgebers,  da  die 
meisten  der  betreffenden  Publikationen,  z.  B.  Joachimsohns  Heimburg  (vgl.  JBL. 
1892  II  8  :  18)  erst  während  seiner  Arbeit,  andere,  wie  Herrmanns  Albrecht  von  Ejb 
fs.  u.  N.  10)  und  der  Briefwechsel  H.  Schedels  (s.  u.  N.  13),  erst  nach  deren 
Vollendung  erschienen  sind.  Andererseits  hat  gerade  dieses  Kapitel  besonders 
viel  dazu  beigetragen,  die  Forschungen  über  die  Anfänge  des  Humanismus  än- 
zuregen,2'2bj  — 

Die  Sammlung  der  „Lateinischen  Litteratur  denkmäler  "3),  deren 
Leitung  jetzt,  nach  S.  Szamatölskis  frühem  Tode,  allein  in  M.  Herrmanns  Händen 
liegt,  ist  auch  in  dem  Berichtsjahre  i^üstig  fortgeschritten.  Das  7.  Heft  enthält  eine  von 
EUinger*)  besorgte  Auswahl  aus  der  neulateinischen  Lyrik.  Es  kam  dem  Heraus- 
geber darauf  an,  wie  er  in  der  Einleitung  (S.  IV)  sagt,  ein  Bild  von  dem  Gesamt- 
bestande dieser  Litteratur  zu  entwerfen,  d.  h.  den  inhaltlichen  und  formellen  Grund- 
charakter der  neulateinischen  Dichtung  an  einer  grösseren  Reihe  zu  diesem  Zwecke 
ausgewählter  Stücke  darzuthun.  Da  die  Delitiae  poetarum  Germanorum,  wie  E. 
(S.  III)  nachweist,  trotz  der  Bedeutung,  die  ihnen  als  Stoffsammlung  zukommt,  ein 
derartiges  klares  Bild  nicht  gewähren,  sondern  durch  die  wahllose  Zusammenhäufung 
des  Materials  zunächst  nur  einen  verwirrenden  Eindruck  ausüben,  scheint  das 
Bedürfnis  einer  für  den  Germanisten  zur  Orientierung  auf  diesem  Gebiete  be- 
stimmten kleinen  Auswahl  wohl  dargethan.  Bei  dem  geringen  Räume,  der  dena 
Herausgeber  zugemessen  war,  konnte  selbstverständlich  nicht  daran  gedacht  werden, 
jedem  der  in  der  Auswahl  vertretenen  neulateinischen  Dichter  so  viel  Platz  zuzu- 
weisen, dass  ein  einigermassen  ausreichendes  Bild  seiner  dichterischen  Persönlichkeit 
sich  hätte  ergeben  können.  Vielmehr  schien  es  bei  einer  zur  notwendigsten  Orien- 
tierung bestimmten  Arbeit  zweckmässig,  möglichst  alle  bedeutenderen  Vertreter  der 
neulateinischen  Lyrik  zu  Worte  kommen  zu  lassen,  um  so  dem  Leser  eine  Vor- 
stellung von  dem'  Reichtum  der  Persönlichkeiten  zu  geben.  Dass  dabei  mancher  an 
sich   nicht   unbedeutende  Dichter    nur    durch    ein  oder  zwei  Gedichte  vertreten  sein 


1)  Georg  Voigt,  D.  Wiederbelebung  d.  klass.  Altertums  oder  d.  1.  Jh.  d.  Humanismus.  2  Bde.  3.  Aufl.,  bes.  v. 
ML  Lehner  dt.  B.,  Eeimer.  XVI,  591  S.;  VIU,  543  S.  M  20,00.  -  2)  X  W.  Cloetta,  Beitrr.  z.  Litt.-Gesch.  d.  MA.  u.  d. 
Renaissance  (vgL  JBL.  1892  II  8:44):  LCBl.  S.  17/8.  -  2a)  X  (H  6:174.)  —  2b)  X  A.  Bömer,  Neuere  Litt,  aber  d. 
Humanismus:  MhComeniusG.  2,  S.  297-302.  (B.  stellt  d.  wichtigsten  Publikationen  über  d.  Humanismus  in  d.  J.  1890-92  zus.) 
—  3)  X  Lat.  Litt.-Denkmäler  d.  15.  u.  16.  Jh.  Her.  v.  M.  Herrmann  u.  S.  Szamatölski.  N.  1-6  (1.  J.  Bolte,  Gnaphens, 
Acolastus;  2.  S.  Szamatölski,  Eckius  dedolatus;  3.  J.  Bolte  u.  Erich  Schmidt,  Pammachlus;  4.  K.  Hartfelder,  Melanchthons 
Declaraationes ;  5.  K.  Krause,  Cordus  Epigramme;  6.  H.  Holstein,  Wimphelings  Stylpho.  Vgl.  JBL.  1892  118:5/8,10/1.) 
|[ZKG.  14,  S.  315;  ThLBl  14,  S.  271/2;  D.  Jacoby:  DLZ.  S.  1386  3  (über  N.  3);  Y.  Michels:  ADA.  19,  S.  69-72  (über  N.  4; 
M.  bestreitet  d.  Zweckmässigkeit  d.  v.  d.  Heransgebern  durchgeführten  Ortbogr.);  BPhWS.  13,  S.  217  (über  N.  5);  ß.  Sp  renger: 
ASNS.  90,  S.  207  (über  N.  5/6);  G.  Kawerau:  ThLZ.  S  81/3  (über  N.  5/6);  MHL.  S.  259-61  (über  N.5/6)  ]|  -  4)  G.  Ellinger, 
Dtsch.  Lyriker  d.  16.  Jh.    Ausgew.  u.  her.    (=  LLD,  N.  7.)    B.,  Speyer  &  Peters.    XL,  122  S.   M.  2,80.  |[H.  U(agen):  LCBL 


II  7:5-7  Gr.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner. 

konnte,  ist  gewiss  ein  Uebelstand,  der  aber  durch  die  Anlag-e  des  Ganzen  beding-t 
war  und  unzweifelhaft  einer  Beschränkung  auf  wenige  Dichter  gegenüber  als  das 
kleinere  Uebel  zu  bezeichnen  ist.  Soweit  ein  einigermassen  unparteiisches  Urteil  über 
die  eigene  Arbeit  sich  gewinnen  lässt,  glaubt  Referent  wohl  sagen  zu  dürfen,  dass  die 
von  ihm  zusammengestellten  Proben  in  der  That  ein  ausreichendes  Bild  von  dem 
Gesamtbestande  der  neulateinischen  Lyrik  Deutschlands  gewähren.  In  der  Einleitung 
hat  E.  auf  Grund  vierjähriger  Arbeit  versucht,  auch  eine  darstellende  Charakteristik 
der  in  der  Auswahl  vertretenen  Dichtungsgattungen  zu  entwerfen;  hier  hat  er 
danach  gestrebt,  auch  die  bedeutenderen  dichterischen  Persönlichkeiten  herauszu- 
heben und  zu  ihrem  Rechte  kommen  zu  lassen.  Unter  den  in  dieses  Berichtsjahr 
fallenden  Recensionen  der  Auswahl  nimmt  die  von  Zupitza  die  erste  Stelle  ein. 
Er  weist  einige  stehen  gebliebene  Druckfehler  nach,  bringt  recht  bemerkenswerte 
Vorschläge  zur  Besserung  des  Textes  und  der  Interpunktion  und  macht  auf  ein 
Versehen  des  Herausgebers  aufmerksam,  welches  dieser  allerdings  unmittelbar  nach 
der  Vollendung  des  Druckes  selbst  bemerkt  und  dem  jetzigen  Herausgeber  der 
Sammlung  mitgeteilt  hatte.  In  dem  Gedichte  des  Valens  Acidalius:  Ad  Venerillam  (S.  29) 
ist  die  erste  Zeile  durch  die  Interpunktion  völlig  entstellt,  so  dass  das  zweite  mane 
als  eine  mit  dem  Metrum  wie  mit  dem  Sinne  unvereinbare  Wiederholung  des  ersten 
erscheint;  Z.  weist  darauf  hin,  dass  die  Zeile  selbstverständlich  lauten  muss: 
„Lux  mea,  quotam  mane?  Mane!  nondum  orta  usw."  —  In  dem  8.  Hefte  der  LLD.  hat 
Bolte^)  einen  sauberen  Neudruck  der  Susanna  von  Sixt  Birck  nach  der  Editio 
princeps  (Augsburg  1532)  gegeben.  Die  in  der  Baseler  Sammlung  von  1547  vor- 
liegende zweite  Bearbeitung  des  Dichters  ist  zur  Berichtigung  der  Druckfehler  mit 
herangezogen,  die  in  ihr  enthaltenen  Scenenanweisungen  sowie  die  Abänderungen 
sind  in  der  vortrefflichen  Einleitung  mitgeteilt  worden.  Diese  enthält  ausser  einer 
kurzen  Biographie  (neu  darin  das  Datum  der  Immatrikulation  Bircks  in  Basel: 
31.  Dec.  1523)  und  einer  wertvollen  Analyse  und  Vergleichung  des  deutschen  und 
lateinischen  Dramas  den  wichtigen,  bisher  übersehenen  Nachweis  zweier  Perioden 
in  Bircks  dramatischem  Schaffen,  einer  Baseler  und  einer  Augsburger,  jene  vor,  diese 
nach  1536.  Aus  einer  von  den  früheren  Forschern  nicht  beachteten  Stelle  in  der 
Biographie  Bircks  von  Nysäus  ergiebt  es  sich,  dass  nicht  bloss  Susanna  und  die 
Tragödie  wider  die  Abgötterey  (später  Beel),  sondern  auch  die  vier  anderen  deutschen 
Stücke  in  die  Zeit  von  Bircks  Baseler  Aufenthalt  fallen,  während  die  lateinischen 
Dramen  in  der  Augsburger  Zeit  entstanden  sind.  — 

Die  ersten  Anfänge  des  Humanismus  in  Deutschland  hat  Burdach  ^) 
in  seinen  aufschlussreichen  Untersuchungen  behandelt  "und  damit  einen  sehr  wert- 
vollen Beitrag  zur  Erkenntnis  der  frühesten  Einwirkungen  der  Renaissance  in 
unserem  Vaterlande  gegeben.  Die  Bedeutung  der  böhmischen  Kanzlei  für  die  Einigung 
der  neuhochdeutschen  Schriftsprache  stand  seit  Müllenhoffs  Ausführungen  in  der 
Vorrede  zu  den  Denkmälern  in  ihren  Grundzügen  fest;  jetzt  lernen  wir  durch  B., 
der  die  von  Voigt  (s.  o.  N.  1;  2,  S.  2(33  ff.)  gegebenen  Anregungen  durch  eindringende 
Benutzung  des  gesamten  in  Betracht  kommenden  Materials  erweitert  und  vertieft, 
die  Kanzlei  auch  als  die  erste  Vermittlerin  des  humanistischen  Geistes  kennen. 
Summarisch  hat  B.  die  Ergebnisse  seiner  Untersuchungen  selbst  zusamraengefasst : 
„Hier  zuerst  in  Deutschland  (d.  h.  in  der  Reichskanzlei)  tritt  das  Gefühl  für  den 
Stil  der  Prosa,  für  die  Eleganz  des  Ausdrucks,  für  die  Eloquenz  im  Sinne  der  Re- 
naissance hervor  als  eine  wirksame  Macht;  hier  beobachten  wir  die  ersten  Versuche 
einer  Theorie  der  Epistolographie  und  Rhetorik ;  hier  werden  die  neuen  litterarischen 
Gattungen :  der  Brief,  die  Rede,  der  Dialog,  die  Novelle,  alle  in  ungebundener  Rede, 
und  die  Ode,  die  Elegie  in  poetischer  Form  zuerst  bewundert,  verbreitet,  teilweise 
nachgeahmt;  hier  entwickelt  sich  zuerst  der  Sinn  für  das  künstlerisch  geschmückte 
Leben,  wie  er  sich  besonders  in  den  prachtvollen  Miniaturen  äussert,  die  für  diese 
Kreise  und  in  ihnen  entstehen;  hier  spielt  zuerst,  nach  dem  Vorbilde  von  Frankreich 
und  Italien,  die  Landesprache  eine  neue  litterarische  Rolle,  indem  auch  sie  fortan 
unter  das  Gesetz  des  neuen  Stilbegriffs,  der  neuen  Kunstanschauungen  gestellt 
wird."  Der  Träger  und  Vermittler  dieses  neuen  Geistes  war  hauptsächlich  Johann 
von  Neumarkt,  Karls  IV.  Kanzler;  neben  ihm  kommen  vor  allen  Dingen  noch 
Johann  von  Gelnhausen  und  Nicolaus  von  Kremsier  in  Betracht.  Namentlich  die 
Thätigkeit  Johanns  von  Neumarkt  hat  B.  nach  den  oben  angegebenen  Gesichts- 
punkten einer  sorgfältigen  Betrachtung  unterzogen  und  so  unzweifelhaft  ein  richtigeres 
Bild   von   seiner  Bedeutung  entworfen,  als  es  Voigt  in  seiner  kurzen  Charakteristik 


S.  1116/8;  WSKPh.  10,  8.  745,6;  K.  Wotke:  BPhWS.  13,  S.  1005;  J.  Z(iipitza):  ASNS  90,  S.  443-50.]  -  5)  J.  Bolte, 
Xystns  Betnlius,  Susannii.  Mit  e.  Bilde  u.  e.  Notenbeigabo.  (=  ebda.  N.  8.)  XYIII,  92  S.  M.  2,20.  (D.  Bild  ist  Wieder- 
gabe 0  llulzschnittes  d.  Augsburger  Malers  u.  Formenschnoiders  Jörg  Brew  d.  J  ,  d.  d.  Anregung  dazu  violleicht  durch  e.  Aufführung  v. 
Birclis  Drama  erhalten  hat;  d.  Notenbeigabe  enthält  d.  vierstimmige  Melodie  zu  d.  abgeänderten  Eingangschore  nach  d.  Kölner  Ausg. 
V.  1538.)  —  6)  (11  l  :  73.)  —  7)  X  F-  Kühl,  P.  de  Nolhac,  Petrarque  et  l'humanisme.  Paris,  Bouillon.  1891.  X,  439  S.:  BPh  WS.  13, 


I 


G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  :  s-ia 

gethan  hat.  In  höchst  lehrreicher  Weise  werden  für  seine  ganze  Thätig-keit  die 
analog-en  Vorg-äng-e  im  italienischen  Humanismus  nachgewiesen.  Auch  da,  wo  ihn 
die  äusseren  Zeugnisse  im  Stiche  lassen,  ist  B.  in  seinen  Vermutungen  meist 
glücklich;  so  erscheint  der  von  ihm  angenommene  Zusammenhang  Johanns  von 
Neumarkt  mit  den  Augustinern  von  S.  Spirito  nicht  unwahrscheinlich.  Auch  Karl  IV. 
wird  in  seinem  Verhältnis  zu  der  neuen  geistigen  Richtung  vortrefflich  charakterisiert.'"*^) 
(Vgl.  auch  II  1  :  74—81.)  — 

Die  bemerkenswerteste  Leistung  auf  dem  Gebiete  der  Frühzeit  des  deut- 
schen Humanismus  ist  Herrmanns^")  Biographie  Albrechts  von  Eyb. '^)  Bei 
dieser  monographischen  Darstellung  kann  sich  der  Berichterstatter  um  so  eher  Be- 
schränkung auferlegen,  als  es  unmöglich  ist,  die  ganze  Fülle  des  durch  H.  neu  auf- 
geschlossenen Materials  im  einzelnen  aufzuzählen.  Nicht  allein  dass  die  Persönlichkeit 
Eybs  in  ihrenLebensschicksalen  wie  nach  ihren  geistigen  Bestrebungen  in  erschöpfender 
Weise,  wenigstens  soweit  Eybs  Stellung  innerhalb  des  Humanismus  in  Betracht 
kommt,  behandelt  ist,  auch  der  geistige  Nährboden,  auf  dem  die  durch  Eyb  ver- 
tretene Richtung  erwuchs,  ist  auf  Grund  minutiösester  Arbeit  hier  zum  ersten  Male 
klar  erkannt  und  wiedergegeben  worden.  Einerseits  sind  die  Einflüsse  der  italienischen 
Renaissance  klargelegt  und  die  Persönlichkeiten,  die  dabei  die  Vermittler  abgeben, 
z.  B.  Rasinus,  vortrefflich  dargestellt,  andererseits  wird  die  Eigenart  dieses  frühen 
Humanismus,  dem  es  vor  allem  darauf  ankam,  stofflich  des  gleichsam  neu  entdeckten 
geistigen  Gutes  Herr  zu  werden,  hier  in  einer  typischen  Persönlichkeit  verkörpert. 
Im  einzelnen  wird  unsere  Kenntnis  auf  Schritt  und  Tritt  gefördert :  wir  greifen  z.  B. 
nur  die  Neudatierung  der  Margarita  poetica  (1459),  den  Nachweis,  dass  die  „Artis 
rhetoricae  praecepta"  nicht  von  Enea  Silvio,  sondern  von  Eyb  verfasst  sind,  heraus. 
Besonders  anzuerkennen  ist,  dass  H.  sich  nicht  durch  falsche  Rücksicht  auf  scheinbare 
schriftstellerische  Oekonomie  hat  verleiten  lassen,  manches  zusammenzudrängen  oder 
zu  kürzen:  gerade  einzelne  Partien,  die  um  der  Einförmigkeit  des  Stoffes  willen 
vielleicht  manchem  Leser  entbehrlich  scheinen,  wie  die  ausführliche  Behandlung 
Johannes  Roths,  die  sehr  lehrreiche  Rekonstruktion  der  Bibliothek  Eybs,  gewähren 
für  die  Geschichte  des  Humanismus  die  wichtigsten  Aufschlüsse.  Das  ganze  Buch 
zeigt,  was  durch  planmässige  Ausnutzung*  des  gedruckten  und  ungedruckten  Materials 
auf  diesem  Gebiete  zu  leisten  ist,  und  welche  Aufschlüsse  noch  für  die  Geschichte 
des  Frühhumanismus   aller  Wahrscheinlichkeit   nach  erschlossen  werden  können.  — 

Für  die  Geschichte  der  auf  den  italienischen  Universitäten  studierenden 
Deutschen  hat  Herrmann  im  wesentlichen  auf  Grund  der  Bologneser  Matrikel  lehr- 
reiche Untersuchungen  angestellt;  bereits  im  vorigen  Jahre  ist  auch  auf  die  dahin- 
gehenden Veröffentlichungen  Luschin s  von  Ebengreuth '2)  hingewiesen.  L.  hat 
das  archivalische  Material  in  Padua,  Bologna,  Siena,  Pavia,  Pisa  und  Perugia  ver- 
wertet; aus  den  Statistiken,  die  er  in  der  ersten  Abhandlung  aufstellt,  lässt  sich  für 
unser  Gebiet  mancher  Nutzen  ziehen;  mehr  noch  sind  die  allgemeinen  Aufstellungen 
des  zweiten  Aufsatzes  über  die  Nationen,  den  Wechsel  des  Studienortes,  den  Stand 
der  Studenten,  die  Einzelheiten  der  Prüfung  von  Wert  und  können  mancher  irrigen 
Auffassung  der  Quellenstellen  vorbeugen.  (Auch  der  Aufenthalt  deutscher  Studenten 
auf  französischen  Universitäten  [Orleans]  wird  kurz  berührt.)  — 

Eine  höchst  wertvolle  Quelle  für  die  weitere  Erkenntnis  des  Früh- 
humanismus ist  durch  die  Herausgabe  von  Hermann  Schede Is  Briefwechsel 
von  Joachimsohn  13)  erschlossen  worden.  Aus  der  Münchener  Hs.  Cod.  lat.  224 
teilt  er  mit  Zuhülfenahme  von  fünf  anderen  Münchener  Hss.  die  Korrespondenz 
Schedels  (namentlich  dessen  Briefe  an  seinen  Neffen  Hartmann)  sowie  die  ein- 
zelner seiner  Freunde  mit.  Der  Ueberlieferungszustand  der  Briefe  ist  ein  sehr 
schlechter;  es  sind  Konzepte;  sie  bieten  daher  gewiss  kein  vollkommenes  Bild  der 
abgesandten  Briefe,  auch  sind  sie  vielfach  durch  Fehler  entstellt,  dennoch  muss  ihnen 
ein  grosser  Wert  zugeschrieben  werden.  Den  Datierungen  des  Herausgebers  wird 
man  in  den  meisten  Fällen  zustimmen  müssen.  Der  Briefwechsel  umfasst  die 
J.  1452 — 78;  angehängt  sind  einige  vorläufig  undatierbare  Stücke.  Die  Briefschreiber 
stehen  sämtlich  in  näherer  oder  fernerer  Beziehung  zu  dem  Augsburger  Humanisten- 
kreise. Ausser  den  beiden  Schedel  sind  u.  a.  als  Briefschreiber  oder  Adressaten 
vertreten  Lorenz  Blumenau,  Wilhelm  von  Reichenau,  die  beiden  Sigismund  und 
Ulrich  Gossembrot,  Hieronymus  Rotenpeck,  Bischof  Johann  von  Eichstädt,    Valentin 


S.  52.  —  8)  X  P.  de  Nolhac,  Les  Mss.  de  Thisl.  Angaste  chez  Petriirqnc.  Kome,  Caggiani.  1892.  19  S.  —  9)  X  'd., 
De  patrntn  et  medii  aevi  scriptnrum  codicibas  in  bibliotheca  Petrarcae  olira  coUectis.  Paris,  Bouillon.  43  S.  [C.  Appel: 
DLZ.  S.  585;7  (bespr.  aucli  N.  8).]!  —  10)  M.  Herrmann,  Albr.  v.  Eyb  u.  d.  Frühzeit  d.  dtsch.  Hamanismas.  ß.,  Weidmann. 
Vm,437S.  M.  10,00.  |[J.  Schlecht:  LHw.  32,  S.  649-54.] i  (Vgl.  II  3  :  4.)  —  U)  X  id.,  Dtsoh.  Schriften  A.  v.  Eyb  (vgl.  JBL.  189:) 
II  8:56;  1892  II  8:22).  |lJohn  Meier:  LBlGRPh.  S.  1236  (weist  einige  Versehen  in  d.  Textgestaltang  nach);  M.  Blau: 
MLN.  8,  S.  3123.]  —  12)  A.  Laschin  v.  Ebengreuth,  Quellen  z.  Gesch.  dtsch  Rechtshörer  in  Italien:  SBAkWienPi«.  124, 
N.  11,  S.  1-30;  127,  N.  2,  S.  1-144.  (Vgl.  JBL.  1892  II  8:16.)  —  13)  P.  Joachimsohn,  Herrn.  Schedels  Briefwechsel 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (2)10        % 


II  7:14-15  G.  Ellin g er,  Humanisten  und  Neulateiner. 

Eber,  Thomas  Oedenhofer,  Andreas  Kaufring-er,  Jakob  Sam,  Heinrich  Lur,  Leonhard 
Gessel.  Was  sich  an  thatsächlichen  Angaben  für  die  Adressaten  und  Briefschreiber 
sowie  für  die  in  den  Briefen  nur  erwähnten  Persönlichkeiten,  z.  B.  Sig".  Meisterlin 
und  Johannes  Kautzsch  (in  N.  62  participiert  er  nur  als  Adressat)  Neues  ergiebt, 
ist  nicht  so  wichtig  wie  der  Ueberblick,  den  man  aus  den  Briefen  über  die  Be- 
strebungen des  älteren  Aug-sburger  Humanistenkreises  erhält.  Wir  sehen  die  Männer 
erfüllt  von  Begeisterung"  für  den  neuen  Studienbetrieb  und  beseelt  von  dem  Wunsche, 
es  den  vielbewunderten  italienischen  Vorbildern  g-leichzuthun.  So  sind  denn  auch 
die  meisten  dieser  Briefe  Prunkstücke  ganz  nach  der  Art  der  italienischen  Humanisten- 
briefe, und  nicht  allein  dass  in  der  Anlage  und  in  dem  Stil  sich  deutlich  die  Muster 
erkennen  lassen,  manche  Stücke  sind  auch  wörtlich  aus  Petrarca,  Pog'gio  und  Enea 
Silvio  entlehnt;  der  Herausg-eber  hebt  richtig"  hervor,  dass  mit  den  von  ihm  nach- 
g"ewiesenen  Quellen  die  Entlehnungen  wohl  noch  kaum  erschöpft  seien;  seine  Ver- 
mutung", dass  auch  Guarino  stark  benutzt  sei,  hat  viel  W^ahrscheinliches.  Man  sieht, 
wie  es  dem  Frühhumanismus  darauf  ankam,  zunächst  stofflich  sich  so  viel  wie  möglich 
von  den  Erzeugnissen  der  neuen  Geistesrichtung"  anzueignen.  Natürlich  wird  man 
bei  der  üebernahme  der  aus  den  Briefen  sich  erg"ebenden  thatsächlichen  Nachrichten 
nun  doppelt  vorsichtig  sein  müssen.  — 

An  Hartmann  Schedels  Namen  knüpft  auch  die  Veröffentlichung  über 
Cassandra  Fedele  von  S  i  m  o  n  s  f  e  1  d  i*)  an.  Seine  Ausführungen  über  die 
Chronologie  der  Drucke  des  Werkes  der  Cassandra  Fedele,  welches  ihre  Rede  für 
ihren  Verwandten  Bertuccio  Lamberto  und  einige  Briefe  enthält,  wollen  in  einem 
Venetianer  Druck  von  1488  die  editio  princeps  nachweisen,  während  sie  einen  an- 
geblich aus  dem  J.  1487  stammenden  Druck  aus  Modena  dem  J.  1494  zuweisen. 
Wichtiger  ist  für  uns  der  Hinweis  auf  einen  Nürnberger  Druck,  von  dem  die 
Münchener  Bibliothek  drei  Exemplare  besitzt;  zwei  davon  stammen  aus  der  Bibliothek 
Hartmanns  Schedels.  Der  Veranstalter  des  Nürnberger  Druckes,  der  sich  unter  dem 
Namen  „Petrus  Abietiscola  Nerimontanus  artiuin  magister"  verbirgt,  war  der  Nürn- 
berger Humanist  und  Freund  des  Celtis  Peter  Danhauser.  Er  hat  seiner  Ausgabe 
ein  gedrucktes  Schreiben  an  Cassandra  Fedele  beigefügt  (datiert:  22.  Nov.,  wohl 
1488),  das  um  seiner  ausserordentlichen  Seltenheit  willen  von  S.  abgedruckt  wird. 
In  diesem  Schreiben  beglückwünscht  Danhauser  Cassandra  wegen  ihrer  oben  er- 
wähnten Rede;  diese  sei  ihm  durch  Hartmann  Schedel  überbracht  worden,  der  zugleich 
ihre  Beredsamkeit,  Klugheit  und  Keuschheit  gepriesen  habe.  Ob  nun  Hartmann 
Schedel  1487  in  Padua  die  Rede  Cassandras  mit  angehört  hat,  wie  S.  aus  dieser  Stelle 
folgert,  muss  man  dahingestellt  sein  lassen;  mit  Sicherheit  lässt  sich  nur  das  eine 
schliessen,  dass  er  Cassandra  persönlich  kannte  und  Danhauser  einen  Druck  der 
Rede  übergeben  hat,  nach  dem  dieser  seine  Ausgabe  herstellte.  Am  Schluss  des 
Schreibens  bittet  Danhauser  die  Cassandra  um  eigenhändige  Briefe,  die  er  zu  ihrem 
Ruhme  in  Deutschland  verbreiten  wolle,  und  schickt  ihr  eine  Ode  seines  Freundes 
Celtis,  welche  Cassandra  zuweilen  zur  Lyra  singen  möchte.  Jedenfalls  legt  das 
Schreiben  ein  recht  bemerkenswertes  Zeugnis  für  die  lebendigen  Wechselbeziehungen 
zwischen  deutschen  und  italienischen  Humanisten  ab,  — 

Ein  weiterer  wichtiger  Beitrag  zur  Geschichte  des  früheren  Humanismus  ist 
die  Publikation  von  ausgewählten  Briefen  und  Werken  Albrechts  von  Bon- 
stetten,  welche  Büchi^^)  jetzt  seiner  Biographie  folgen  lässt.  Aus  dem  Cod.  719 
der  Stiftsbibliothek  in  St.  Gallen  druckt  B.  den  Briefwechsel  Bonstettens  mit  Ein- 
schluss  der  bereits  bekannten  Stücke  ab.  Für  die  Geschichte  des  Humanismus  in 
der  Schweiz  bieten  zahlreiche  der  mitgeteilten  Briefe  schönes  Material,  so  vor  allen 
Dingen  die  Schreiben,  die  sich  an  Bonstettens  Aufenthalt  in  Pavia  anschliessen 
(namentlich  N.  9—  34),  aber  auch  die  Briefe  von  Michael  Cristan,  Johannes  Langfeld, 
mehr  noch  die  von  Konrad  Schoch  und  Johannes  Hux  und  vor  allem  die  Briefe 
von  Niklas  von  Wyle,  deren  Abdruck  ganz  besonders  wünschenswert  war.  In  einem  An- 
hange hat  B.  die  Widmungsschreiben,  die  Bonstetten  einzelnen  Werken  voranschickte, 
sowie  einige  Aktenstücke  zusammengestellt.  Es  schliesst  sich  der  für  die  Geschichte  des 
Humanismus  sehr  wichtige,  bisher  ungedruckte  Traktat  von  der  Verbannung  der  Ge- 
rechtigkeit an;  weniger  wichtig  ist  für  uns  das  dann  folgende  Stück:  Von  der  Stiftung 
des  Klosters  Einsiedeln;  dagegen  wieder  für  diese  Zwecke  wertvoll  die  Beschreibung 
der  Schweiz,  die  offenbar  humanistische  Einwirkung  aufweist  und  zwar  vielleicht  von 
Enea  Silvio  beeinflusst  ist;  sie  wird  in  den  beiden  Fassungen,  der  lateinischen  und 
der  deutschen,  abgedruckt;  für  die  Herstellung  des  Textes  der  lateinischen  Fassung 
verwertet  B.  gleichmässig  die  drei  Hss.  zu  München  (ehemals  im  Besitze  Peutingers), 
Rom  und  Paris ;  der  deutschen  liegt  die  einzig  bekannte  hs.  Ueberlieferung  in  dem 


(1452-78)  her.  (=  Bibl.  d.  litt.  Ver.  Bd.  196.)    Tübingen,  Litt.  Ver.    X,  216  S.    -  14)  H.  Simonsfeld,  Z.  Gesch.  ä.  Cassandra 
Fedele.  (=11:118,  S.  99-103.)  -  15)  (U  3  :  70.)  |[LCB1.  S.  1421/2;  Gh.  Pf  ister:  RCr.  36,  S.  225;6;  A.  Schulte :  ZGORh.  8,  S,  715,6.Ji 


G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulatein^r.  II  7  :  16-24 

eben  genannten  Münchener  Codex  zu  Grunde.  B.  hat  der  Ausgabe  grosse  Sorgfalt 
zugewendet  und  manche  neue  Notiz  auch  zur  Geschichte  des  Humanismus  beigesteuert. 
Wertvoll  ist  vor  allem  sein  Hinweis  auf  das  Vorbild  des  Traktats  von  der  Ver- 
bannung der  Gerechtigkeit.  In  seiner  Biographie  Bonstettens  (S.  54)  hatte  er  fiir 
die  Einkleidung  des  merkwürdigen  Werkes  noch  auf  mittelalterliche  Allegorien  ver- 
wiesen; jetzt  macht  er  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dass  offenbar  der  bekannte, 
von  Niklas  von  Wyle  übersetzte  Brief  des  Enea  Silvio  vom  Traum  der  Fortuna 
das  Muster  für  die  gewählte  Form  abgegeben  hat,  zumal  Bonstetten  am  Anfang 
seines  Werkes  in  der  Widmung  an  Niklas  von  Wyle  selbst  auf  dieses  Werk  hin- 
deutet.'*) —  Schulte^")  macht  wahrscheinlich,  dass  die  Chronik  des  Gallus  Oehem 
(nach  1496)  durch  Bonstettens  soeben  erwähnte  Schrift:  „Von  der  loblichen  Stiftung 
des  hochwürdigen  gotzhus  Ainsideln  unser  lieben  Frowen"  ri494)  angeregt  ist.  Den 
Vermittler  hat  wohl  Abt  Martin  von  Weissenburg  (1492—1508)  abgegeben,  der  ein 
intimer  Freund  und  Bewunderer  Bonstettens  war.  Wertvoll  ist  die  von  Seh.  mit- 
geteilte, eine  andere  Beziehung  zu  Bonstetten  eröffnende  Notiz,  dass  1464  Niklas 
von  Wyle  in  seiner  Eigenschaft  als  Comes  palatinus  den  Gallus  Oehem  von  dem  Makel 
unehelicher  Geburt  befreit.  — 

Die  Studien  über  Heinrich  Steinhöwel  von  S  tr  auch '''»"i'"»)  und  des- 
selben Vf.  vortreffliche  biographische  Charakteristik  Steinhöwels  sollen  im  nächsten 
Berichtsjahre  in  anderem  Zusammenhange  betrachtet  werden.  — 

Den  Anfängen  des  Humanismus  in  Tirol  hat  Zingerle '^)  eine  auf- 
schlussreiche und  lesenswerte  Studie  gewidmet.  Auch  in  Tirol  erscheint  Enea  Silvio 
als  der  mächtige  Anreger  und  Verkünder  der  Altertumsstudien.  Er  versucht  den 
Erzherzog  Siegmund  von  Tirol  für  die  von  ihm  vertretene  Richtung  zu  gewinnen, 
und  er  ist  der  Gönner  und  Lehrer  des  Bischofs  Johann  Hinderbach  von  Trient,  der 
zusammen  mit  dem  Abt  Kaspar  Augsburger  von  Georgenberg  und  Johann  Fuchs- 
magen in  Tirol  den  Humanismus  unter  Siegmund  mächtig  gefördert  hat.  Diesem 
Thatbestande  entsprechend,  besteht  auch  die  Arbeit  von  Z.  im  wesentlichen  aus  drei 
Charakteristiken  der  eben  genannten  Männer,  deren  Wirken  auf  Grund  der  bekannten  That- 
sachen  und  neu  aufgefundenen  Materials  gut  beleuchtet  wird.  Namentlich  gut  dargestellt 
sind  die  Beziehungen  der  drei  Gelehrten  zu  italienischen  und  deutschen  Humanisten,  bei 
deren  eingehender  und  belehrender  Auseinandersetzung  Z.  durchweg  die  in  seinen 
Beiträgen  zur  Geschichte  der  Philologie  (Innsbruck  1880)  gewonnenen  wertvollen 
Resultate  zu  gute  kamen.  Am  meisten  Neues  hat  Z.  aus  bisher  unbekannten  Quellen 
für  die  Biographie  des  Kaspar  Augsburger  gewonnen;  der  Abschnitt  über  ihn  be- 
reichert in  höchst  dankenswerter  Art  unsere  Kenntnis  des  früheren  Humanismus. 
Doch  sind  auch  für  Hinderbach  einige  neue  Thatsachen  mitgeteilt,  so  sein  Geburts- 
jahr 1418  und  der  Umstand,  dass  seine  Mutter  mit  Heinrich  von  Langenstein  ver- 
wandt war.  Von  ganz  besonderem  Interesse  sind  noch  die  kurzen  Abschnitte,  die 
uns  über  die  Bücheranschaffungen  Hinderbachs  und  Augsburgers  unterrichten 
(S.  30/1,  34/5).  Auch  für  Johann  Fuchsmagen  wird  die  Arbeit  von  Ruf  vielfach, 
namentlich  durch  die  von  Z.  in  seinen  Beiträgen  benutzte  Innsbrucker  Hs.,  ergänzt.  — ■ 

Blütezeit  des  Humanismus.  Dem  Rud.  Agricola  hat  Ihm'^)  eine 
kurze,  klar  und  sachlich  geschriebene  Biographie  gewidmet,  die  die  Verdienste  des 
grossen  Anregers  angemessen  auseinandersetzt.  Im  wesentlichen  folgt  er  seinen 
Vorgängern;  in  der  Auffassung  war  nach  den  ausgezeichneten  Charakteristiken 
Geigers  und  Bezolds  nicht  viel  Neues  mehr  zu  bringen,  dagegen  verwertet  I. 
zum  ersten  Male  die  von  Hartfelder  veröffentlichten  Briefe  Agricolas.  Der  Biographie 
schliessen  sich  einzelne  ausgewählte  Stücke  aus  Agricolas  Werken  in  Uebersetzungen 
an;  nach  den  angestellten  Stichproben  ist  die  Uebertragung  geschickt  und  sinn- 
gemäss. —  Von  Agricola  hat  nach  Melanchthons  Zeugnis  Pallas  Spangel  sein 
gutes  Latein  gelernt.  Hartfelder^*^)  hat  diesem  eine  hübsche  Charakteristik  zu 
teil  werden  lassen ;  dass  die  beiden  Geistesrichtungen,  die  sich  sonst  feindUch  gegen- 
übertraten, die  scholastische  und  die  humanistische,  in  dieser  Persönlichkeit  friedlich 
neben  einander  bestanden,  hätte  vielleicht  etwas  schärfer  hervorgehoben  werden 
können;  richtig  dagegen  ist,  dass  die  so  oft  missbrauchte  Bezeichnung  „Reformator 
vor  der  Reformation"  auf  Pallas  Spangel  durchaus  nicht  passt.  — 

Für  Wimpheling  steuert  Knod^')  eine  sehr  bemerkenswerte,  bisher  un- 
bekannte   Urkunde    bei,    in    der  Wimpheling    in    der  gebräuchlichen  Form   um   die 


-  16)XL.Stein,  Büchi.A.v  Bonstetten:  AGPhilos.  6,  S.  587/8.  —  17)  A.Schnlte,  A.  v.  Bonstetten  u.  Qallns  Oehein:ZGORh.  8, 
S.  709-10.  -  17a)XXPh.  St r.i HC h.Z.Lebensgescli.  Steinhöwels :VLG. 6,  S.  277-90.  —  17b)  X  X  (H  3  :  41.)  —  18)  0.  Zingerle, 
D.  Hnmanismus  in  Tirol  nnter  Erzherzog  Siegmund  d.  Münzreichen.  (=  Festgruss  ans  Innsbrnck  an  d.  42.  Vers,  dtsch. 
Philol.  u.  Schulmänner  in  Wien.  [Innsbruck,  Wugner.  UI.  203  S.  M.  4,80|,  S.  21-42.)  —  19)  G.  Ihm,  D.  Humanist  Rud. 
Agricola,  sein  Leben  u  seine  Schriften.  (=  Samml.  d.  bedeutendsten  päd.  Schriften  aus  alter  u.  neuer  Zeit,  her.  v.J.  Gänsen, 
A.  Keller  u.  B.  Schulz.  Lfg.  78,9.)  Paderborn,  Schöningh.  VII,  88  S.  M.  0,80.  —  20)  K.  Hartfelder,  Pallas  Spangel: 
ABB.  35,  S.  32,3.  —  21)  (II  6  :  40.)  —  22)  G.  Knod,  Jak.  Spiegel:  ADB.  35,  S.  156/8.  —  23)  (S.o.  N.21.)  —  24)  X  K.  Hart- 

(2)10* 


II  7  :  25-28  G.  Elling-er,  Humanisten  und  Neulateiner. 

Anwartschaft  auf  eine  Pfründe  anhält.  Die  vom  16.  März  1487  datierte  Urkunde  ge- 
währt auch  insofern  ein  besonderes  Interesse,  als  wir  aus  ihr  erfahren,  dass 
Wimpheling-  eine  Zeit  lang"  das  Pfarramt  zu  Sulz  im  Elsass  (Kreis  Molsheim)  ver- 
waltet hat.  K.  weist  mit  Recht  auf  den  inneren  Widerspruch  hin,  dass  Wimpheling, 
der  so  sehr  gegen  die  Pfründenjäger  geeifert,  selbst  den  üblichen  Weg  nicht  ver- 
schmäht hat,  sich  um  eine  solche  Einnahmequelle  zu  bemühen.  In  einem  zweiten 
Beitrag  zu  Wimpheling  führt  K.  zu  den  bisher  bekannten  vier  Ausgaben  des  von 
Johannes  ßeckenhaub  besorgten  Werkes:  Tabula  super  libros  sententiarum,  cum 
Bonaventura,  in  dessen  viertem  Bande  sich  ein  Brief  von  Wimpheling  findet,  noch 
eine  fünfte  an.  In  dieser  trägt  Wimphelings  Brief  die  Ueberschrift :  Jacobus 
Wymffling  Sletstatensis  theologie  doctor  usw.  Da  nun  Wimpheling  sich  niemals  als 
Doktor  der  Theologie  bezeichnet  hat,  so  folgert  K.,  dass  die  Ueberschrift  nicht  von 
ihm  selbst  herrührt.  Stammt  diese  aber  von  anderer  Hand,  so  meint  K.  auch  das 
Recht  zu  haben,  ebenso  die  Zuverlässigkeit  des  Datums  „Ex  Nurnberga  1491"  zu  be- 
streiten und  es  für  einen  Zusatz  des  Druckers  zu  erklären,  während  er  die  Authenticität 
des  Textes  selbst  allerdings  nicht  antasten  will.  Demgemäss  meint  er  nun  die  auf 
das  Datum  unseres  Briefes  gegründete  Nachricht  von  einem  zeitweiligen  Aufent- 
halte Wimphelings  in  Nürnberg  im  J.  1491  überhaupt  in  das  Reich  der  Fabel  ver- 
weisen zu  können.  Mir  scheint  die  Beweisführung  K.s  etwas  zu  scharf  zu  sein; 
dass  die  Ueberschrift  nicht  vollständig  zutrifft,  giebt  uns  noch  nicht  das  Recht,  ohne 
weiteres  auch  das  Datum  zu  bestreiten,  zumal  der  Text  nicht  wohl  anzuzweifeln  ist. 
Immerhin  scheint  es  daher  noch  nicht  zulässig,  den  Aufenthalt  Wimphelings  in 
Nürnberg  ganz  zu  leugnen,  wenn  auch  zuzugeben  ist,  dass  er  nach  K.s  Ausführungen 
nicht  mehr  als  unumstösslich  sicheres  Faktum  zu  betrachten  ist.  —  Wimphelings 
Neffe  Jakob  Spiegel  ist  ebenfalls  von  Knod22),  der  im  wesentlichen  die  Resultate 
seiner  grösseren  Arbeit  zusammenfasst,  biographisch  behandelt  worden.  — 

Einen  bisher  unbekannten  Brief  Reuchlins  an  Agricola  teilt  wiederum 
Knod23)  mit.  Es  ist  das  einzige  bisher  bekannt  gewordene  Schreiben  Capnions 
an  Agricola  und  insofern  recht  interessant,  als  Reuchlin  in  ihm  den  Freund  um 
Rat  über  die  Auffassung  des  Textes  einer  Psalmstelle  fragt.  Der  Brief  muss 
zwischen  1482  und  85  geschrieben  worden  sein.  Wenn  K.  bemerkt,  aus  dem  Briefe 
gehe  hervor,  dass  auch  Reuchlin  zunächst  aus  theologischem  und  nicht  philologischem 
Interesse  sich  dem  Studium  der  heiligen  Sprache  zugewandt  habe,  so  scheint  mir 
der  vorliegende  Brief  dafür  keinen  ausreichenden  Beweis  zu  bieten.  Dass  freilich 
das  philologische  Interesse  zu  Reuchlins  hebräischen. Studien  nicht  in  erster  Linie 
den  Anstoss  gegeben  hat,  ist  unzweifelhaft;  stärker  aber  als  das  rein  theologische 
Interesse  hat  zweifellos  der  Wunsch  gewirkt,  in  der  Kabbala  die  Geheimnisse  ver- 
borgener Weisheit  zu  finden.  — 

Von  dem  Mutianischen  Orden -*),  dem  Kreise  der  jüngeren  Freunde  Mutians, 
ist  ausser  Hütten  diesmal  nur  Spalatin  zu  erwähnen.  G.  Müller  2^)  hat  ihm  eine 
biographische  Darstellung  zu  teil  werden  lassen,  die  aber  trotz  ihrer  Ausführlichkeit 
wenig  Neues  bietet.  Doch  ist  wenigstens  Spalatins  Verhältnis  zu  Mutian  und  den 
in  seinem  Kreise  herrschenden  Anschauungen  auf  Grund  des  Briefwechsels  charak- 
terisiert worden.  — 

Ein  von  Konrad  Celtis^ß)  verfasstes,  allerdings  wohl  nicht  in  des  Dichters 
eigenem  Ms.  vorliegendes  Schriftstück  teilt  Ru  eppr  echt^")  aus  einer  Münchener 
Hs.  mit.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  es  aber  kein  Brief,  sondern  ein  Anschlag, 
durch  den  die  Studenten  zu  Celtis  Vorlesungen  eingeladen  werden  sollten.  Celtis 
war  bekanntlich  anfangs  1492  an  die  Universität  Ingolstadt  berufen  worden.  Noch 
vor  dem  feierlichen  Antritt  seiner  Professur  (Aug.  1492)  hatte  er  für  seine  Zuhörer 
die  Schrift  herausgegeben:  Epitoma  in  utramque  Ciceronis  rhetoricam  cum  arte 
memorativa  nova  et  modo  epistolandi  utilissimo  (s.  1.  e.  a;  Ingolstadt  [Joh.  Kachel- 
ofen], 1492).  Zu  Vorlesungen  über  dieses  Buch  ladet  der  vorliegende  Anschlag,  der 
im  April  oder  Anfang  Mai  1492  geschrieben  sein  wird,  offenbar  ein,  wie  aus  den 
nachfolgenden  Worten  klar  hervorgeht:  praecepta  dicendi  et  omnem  ut  ita  dicam 
Ciceronianae  eloquentiae  succum  in  prospicuum  et  darum  quendam  ordinem  redegimus: 
eaque  imprimenda  curavimus:  proximoque  die  lunae  ad  horam  primam  illa  interpretari 
et  legere  ita  instituimus,  ut  totus  iam  Cicero  non  rhomana  sed  germana  lingua 
loqui  intellegatur.  Die  Betrachtungen,  die  das  Schreiben  eröffnen,  gehen  übrigens 
von  dem  gleichen  Gedanken  aus,  den  Celtis  nachher  in  seiner  feierlichen  Antritts- 
rede (im  Aug.)  zum  Ausdruck  brachte.  Er  beklagt  nämlich  auch  in  dem  Ein- 
ladungsschreiben an  die  Studenten  den  traurigen  Zustand    der  sprachlichen  Studien 

fei a  er,  K.Gillert,  Briefwechsel  d.  Mutian  (vgl.  JBL.  1892118:52):  HZ  34,8.123,5.—  25)  (1.  Mttl  1er,  Spalatin:  ADB.  35,  S.  1-29. 
—  26)  X  Ö.  List,  Littoraria  sodalitas  Danubiana.  (Aus  ÖUR)  Wien  i^L.,  Litt.  Anst.,  A.  Schulze).  21  S.  M.  0,40.  (Popnl. 
Abhandlung  über  Celtis  u.  d.  Donauges.,  auf  Grund  d.  allg.  bekannteren  Quollen  gearbeitet  u.  nicht  frei  v.  thatsächlichen 
Irrtümern.)  —  27)  C.  Euepprecht,  E.  Brief  v.  K.  Celtis  an  d.  Univ.  Ingolstadt:  ZVLR.  6.  S.  121/2.    —    28)  F.  v.  Krones, 


G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  :  29-31 

in  Deutschland  und  weist  auf  die  Alten  als  die  alleinigen  Lehrmeister  hin.  Gerade 
Ciceros  Rhetorik  scheint  ihm  zur  Verbesserung-  des  sprachlichen  Ausdrucks  am  g-e- 
eig'netsten  zu  sein,  und  so  findet  er  den  Ueberg-ang"  zu  der  Ankündig-ung  seiner 
Vorlesung-.  —  Celtis  Freund  Joh.  Stabius  hat  eine  kurze  biographische  Darstellung 
durch  Krön  es  28)  gefunden.  — 

Seinen  im  vorigen  Berichtsjahre  besprochenen  Ausgaben  zweier  Werke  des 
Murmellius^o)  hatBömer^'^)  jetzt  einen  Neudruck  der  Elegien  des  münsterischen 
Humanisten  folgen  lassen.  Man  kann  nicht  sagen,  dass  Murmellius  innerhalb  der 
humanistischen  Poeten  einen  bedeutenden  Rang  einnimmt;  seine  Erfindungen  sind 
meist  recht  dürftig  und  prosaisch,  der  Ausdruck  ist  häufig  hart  und  ungeschickt. 
Der  Herausgeber  erkennt  in  seiner  Einleitung  die  Schwächen  des  Dichters  an,  meint 
aber  trotzdem  ihn  noch  recht  hoch  stellen  zu  können.  Dennoch  würde  es  besser 
sein  von  Redewendungen  wie:  „Murmellius  beweist  in  der  poetischen  Auffassung 
seiner  Stoffe  glänzendes  Talent"  oder  „Murmellius  ist  ein  Dichter  von  Gottes 
Gnaden"  Abstand  zu  nehmen;  bringt  man  schon  im  allgemeinen  derartigen  Urteilen 
ein  starkes  Misstrauen  entgegen,  so  hat  man  gerade  bei  der  neulateinischen  Dichtung 
die  doppelte  Aufgabe,  vorsichtig  zu  sein,  da  der  poetische  Gehalt  im  Durchschnitt 
sehr  gering  zu  sein  pflegt  und  es  auch,  wie  ein  unparteiischer  Betrachter  zugestehen 
muss,  im  vorliegenden  Falle  ist.  Trotzdem  wird  man  für  die  Erneuerung  des 
ziemlich  seltenen  Buches  dankbar  sein.  Murmellius  Elegien  nehmen  nämlich  durch 
ihre  Form  schon  eine  eigenartige  Stellung  innerhalb  der  neulateinischen  Poesie  ein; 
der  Dichter  bestrebt  sich,  durch  die  vier  Bücher  eine  bestimmte  Disposition  fest- 
zuhalten und  das  Ganze  so  mehr  dem  Charakter  des  Lehrgedichtes  anzunähern.  Das 
erste  Buch  will  das  Elend  des  menschlichen  Körpers  schildern,  die  Unbeständigkeit 
der  irdischen  Güter  darthun;  das  zweite  rühmt  die  hohe  Würde  und  Vortrefflichkeit 
der  menschlichen  Natur ;  der  Uebergang  vom  zweiten  zum  dritten  Buch-e  ergiebt  sich 
aus  einzelnen  Elegien,  z.  B.  III,  9  und  10 :  Der  Mensch  soll  sich  bei  den  hohen  An- 
lagen seines  Geistes  nicht  den  Leidenschaften  unterwerfen,  sondern  sein  Glück  nur 
in  der  Tugend  suchen.  Um  sich  in  diesem  Kampf  gegen  die  Versuchungen  zu 
stählen,  empfiehlt  der  Dichter  im  Anschluss  an  die  Aufstellungen  Picos  von  Mirandola 
zwölf  geistige  Waffen;  ihrer  Behandlung  sollte  das  dritte  Buch  gewidmet  sein,  während  das 
vierte  endlich  von  den  zu  erstrebenden  Tugenden  und  dem  höchsten  Gute  handelt.  Der  Ge- 
dankengang, der  dem  Dichter  vorschwebte,  ist  klar,  aber  die  Disposition  ist  nicht  immer 
eingehalten;  am  besten  ist  sie  noch  im  ersten  Buche  durchgeführt  worden.  Im  einzelnen 
wäre  manches  Interessante  hervorzuheben;  da  hier  eine  Beschränkung  auf  das  Wesent- 
liche nötig  ist,  so  sei  nur  auf  Folgendes  hingewiesen :  I,  1  die  echt  humanistische  Ein- 
kleidung. II,  14  Lobgedicht  auf  Albertus  Magnus.  III,  1  bei  der  Variierung  des 
bekannten  humanistischen  Gedankens  von  der  Un Vergänglichkeit  des  dichterischen 
Ruhmes  führt  Murmellius  eine  ganze  Reihe  dichtender  Zeitgenossen  an,  ausser  den 
älteren  Humanisten  Rud.  Agricola,  Faustus  Andrelinus,  Poliziano  erscheinen  Mur- 
mellius Gönner  Rudolf  von  Langen,  Hermann  von  dem  Busche,  der  Rektor  der 
Münsterer  Domschule,  Timann  Kemner,  mit  dem  Murmellius  später  (um  150B)  in 
Zwist  geriet,  so  dass  er  von  der  Domschule  zur  Ludgerischule  überging;  ferner  eine 
Reihe  wenig  bekannter  Freunde  und  Genossen  des  Murmellius,  der  Kanonikus 
Bernhard  Tegeder,  Johannes  Modersohn,  Peter  Gymnich,  der  Bibliophile  Heinrich 
Morlage  in  Münster,  der  sonst  unbekannte  Joh.  Iserlohn,  der  Speirer  Jak.  Montanus, 
Joh.  Rötger  und  Murmellius  Kollegen  an  der  Domschule,  Ludolf  Bavink  und  Joh. 
Pering ;  als  berühmter  Rechtskundiger  wird  noch  Joh.  von  Elen  erwähnt.  Das  Ge- 
dicht giebt  uns  einen  guten  Ueberblick  über  den  humanistischen  Freundeskreis  des 
Murmellius  in  Münster,  und  somit  gewinnt  es  auch  für  die  Geschichte  des  Humanismus 
im  allgemeinen  einen  gewissen  Wert.  III,  14  Loblied  auf  Thomas  von  Aquino. 
IV,  11  Loblied  auf  den  Karthäuserorden  und  seinen  Stifter  Bruno.  S.  XIX  schliesst 
B.  sich  der  Ansicht  Reichlings  an,  dass  die  Ausgabe  der  Elegien  von  1508,  nach 
welcher  der  vorliegende  Abdruck  veranstaltet  ist,  nicht  die  erste  gewesen,  sondern 
dass  ihr  schon  eine  andere  1507  vorausgegangen  sei.  Die  Stellen  indessen,  die 
Reichling  und  mit  ihm  B.  für  diese  Ansicht  anführt,  scheinen  mir  keineswegs  be- 
weiskräftig zu  sein.  — 

Mathias  von  Bredenbach  mag  hier  angereiht  werden,  weil  er  seine  Bildung 
an  der  Domschule  in  Münster  sich  erwarb,  wo  er  ein  Schüler  von  Murmellius  Gegner 
Timan  Kemner  war,  vielleicht  auch  bei  Murmellius  selbst  Unterricht  genossen  hat. 
Aus  Heinrichs 31)  Schrift  über    ihn   (Frankfurter   zeitgemässe    Broschüren  Bd.  11, 


Joh.  StaMus:  ADB.  35,  S.  337.  —  29)  X  A.-  Bömer,  D.  Murmellius  „De  magistri  et  discipulorum  officiis  .  .  ."  u  „Opnscnlnm 
de  discipulorum  officiis..."  (vgl,  JBL.  1892  II  8:48/9).  |[H.  H(.agen):  LCBl.  S.  649-50;  K.  Wotke:  BPhWS.  13,  S.  534; 
A.  Mayer:  ÖLBl.  2,  S.  742.]|  —  30)  A.  Bömer,  D.  Münsterischen  Humanisten  Joh.  Murmellius  Elegiarum  moralium  libri 
qnattuor  in  e.  Neudr.  her.  (=:  Ansgew.  Werke  d.  Münsterischen  Humanisten  J.  Murmellius.  N.  3.)  Münster,  Regensberg. 
XXn,  140  S.    M.  3,00.    -   31)    K.  Heinrichs,    D.  Humanist  Mathias    Bredenbach   als  Exeget:  Kath.  73^  S.  345-71,  445-69, 


II  7:32  G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner. 

Heft  12)  kennen  wir  ihn  als  fanatischen  Gegner  der  Reformation;  derselbe  Autor 
führt  ihn  uns  jetzt  als  Exeg-eten  vor.  Er  behandelt  zunächst  den  Kommentar  Breden- 
bachs  zu  den  ersten  69  Psalmen.  Nach  den  von  H.  im  Auszuge  mitgeteilten  Stellen 
fordert  Bredenbach  eine  allegorische  Auslegung  der  Psalmen,  sucht  aber  auch  mit 
den  Mitteln  der  philologischen  Kritik  die  Bedeutung  des  Wortsinns  festzustellen.  Zu 
diesem  Zwecke  g-eht  er  regelmässig  auf  den  hebräischen  Text  zurück,  zieht  aber 
noch  andere  Hülfsmittel  herbei  und  fordert  mit  Nachdruck  für  die  Erklärung  der 
Schrift  die  Betreibung-  sprachlicher  Studien.  Doch  soll  das  alles  nur  insoweit  Geltung- 
haben, als  es  der  von  der  Kirche  vorgetragenen  Lehre  nicht  widerstreitet.  Breden- 
bachs  Hauptgrundsatz  ist:  Bei  der  Auslegung  der  Psalmen  „muss  man  sich  an  die 
Erklärung  der  lehrenden  Kirche  halten".  Damit  ist  der  Standpunkt  des  Mannes 
bezeichnet,  wie  denn  auch  über  die  Benutzung  der  jüdischen  Grammatiker  (S.  354) 
sich  Bemerkungen  finden,  die  stark  an  eine  bekannte  Stelle  aus  den  Dunkelmänner- 
briefen erinnern.  Für  seine  Erklärung  hat  Bredenbach  hauptsächlich  die  Kirchen- 
väter benutzt,  ganz  vereinzelt  findet  sich  hier  und  da  ein  Citat  aus  den  klassischen 
Schriftstellern.  Es  stimmt  dazu,  dass  Bredenbach  auch  sonst  gelegentlich  in  dem 
Kommentar  recht  geringschätzig  von  der  Weisheit  der  Heiden  redet,  die  sich  beim 
Ausgange  des  Evang-eliums  „als  reine  Thorheit  herausgestellt  habe".  H.  giebt  einige 
Proben  aus  den  Bemerkung-en  Bredenbachs  zu  den  ersten  Psalmen  und  wendet  sich 
dann  zu  seinem  Kommentar  zum  Evangelium  Matthäi,  der  ebenso  wie  der  Kommentar 
zu  den  Psalmen  erst  1560  nach  des  Vf.  Tode  erschienen  ist.  In  der  Erklärung  des 
Evangeliums  Matthäi  tritt  die  textkritische  Behandlung- durchaus  zurück;  Bredenbach 
hält  sich  an  den  Vulgatatext,  der  kapitelweise  mit  gelegentlicher  Erklärung  schwieriger 
Stellen  erläutert  wird.  Sowohl  in  dem  Kommentar  zu  dem  Psalmen  als  auch  in 
dem  soeben  besprochenen  nimmt  der  Erklärer  fortwährend  auf  die  religiösen 
Zustände  seiner  Zeit  Bezug-,  und  die  beiden  Werke  sind  erfüllt  von  den  heftig-sten 
Ausfällen  g-egen  die  Reformation  und  die  Reformatoren.  Diese  Aeusserungen  unter- 
scheiden sich  in  nichts  von  den  heftigen  Ang-riffen,  die  Bredenbach  in  seiner  Schrift 
„De  dissidiis"  gegen,  den  Protestantismus  und  seine  Begründer  richtete.  H.  hat  in 
seiner  oben  erwähnten  früheren  Schrift  aus  diesem  polemischen  Buche  reichliche 
Auszüge  geg-eben;  ob  es  daher  notwendig  war,  die  entsprechenden  Bemerkungen 
aus  den  beiden  Kommentaren  in  der  gleichen  Ausführlichkeit  zu  liefern,  lassen  wir 
dahingestellt.  Jedenfalls  erfahren  wir  aus  ihnen  nichts  Neues,  es  sind  die  bekannten 
Vorwürfe,  Versuche  der  Zurückweisung  protestantischer  Lehren  und  zum  Teil  grobe 
Schmähungen.  Am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  weist  H.  auf  einen  bei  Wolter, 
Konrad  von  Heresbach,  abgedruckten  Brief  Melanchthons  hin  (31.  Jan.  1559),  worin 
dieser  erklärt,  er  habe  im  Jahre  zuvor  durch  Konrad  von  Heresbach  den  Herzog 
Wilhelm  von  Jülich-Kleve-Berg  bitten  lassen,  dem  Bredenbach  „sein  schändtlich  vnd 
vnchristlich  schreiben"  zu  verbieten  und  komme  jetzt  nochmals  auf  die  Bitte  zurück. 
Das  Missfallen,  das  der  Herzog,  wie  H.  auf  Grund  einer  Notiz  Hamelmanns  nach- 
weist, dem  Gelehrten  bezeigte,  als  dieser  ihm  seine  Schrift  „De  dissidiis"  widmete, 
kann  vielleicht  auf  diesen  Brief  zurückgeführt  werden,  wenn  auch  chronologisch  einige 
Schwierigkeiten  bleiben,  da  Bredenbachs  Pamphlet  schon  1557  erschienen  ist.  Wenn 
nun  aber  H.  gesperrt  drucken  lässt:  „Wir  nageln  die  hochinteressante  Thatsache  fest: 
Hinterrücks  hat  Philipp  Melanchthon  zweimal  den  Versuch  gemacht,  durch  fürstlichen 
Machtspruch  den  unbequemen  Gegner  Mathias  Bredenbach  litterarisch  tot  zu  machen", 
so  scheint  das  recht  unnötig.  Als  ob  wir  nicht  zur  Genüge  wüssten,  dass  von  der- 
artigen Mitteln  zur  Unterdrückung  der  Gegner  im  Zeitalter  der  Reformation  von 
beiden  Seiten  der  ausgiebigste  Gebrauch  gemacht  worden  ist.  — 

Mit  einem  bisher  unbekannten  Gedichte  des  Erasmus,  das  nicht  bloss  um 
seines  Autors,  sondern  auch  um  des  behandelten  Gegenstandes  willen  Beachtung  ver- 
dient, macht  uns  Hartfelder^S)  vertraut.  Ein  von  Hieronymus  Gebweiler  besorgtes 
und  von  diesem  mit  einem  Widmungsbrief  an  den  Pfalzgrafen  Johann  versehenes 
Schriftchen  (Hagenau  1536;  Exemplar  in  Freiburg)  enthält  ausser  einigen  nachher  noch 
zu  erwähnenden  Stücken  ein  Gedicht  des  Erasmus  auf  den  Tod  des  Thomas  Morus. 
Das  in  Hexametern  geschriebene,  mit  Reminiscenzen  aus  den  klassischen  Dichtern 
reichlich  versehene  Gedicht  beginnt  mit  der  Ankündigung  des  Gegenstandes,  ruft 
dann  die  Musen  um  Beistand  an  und  wendet  sich  nach  einer  kurzen  Erwähnung- 
John  Fischers,  eines  Leidensgenossen  Morus,  zu  einer  Darstellung  der  Verhältnisse,  die 
Morus  Tod  veranlasst  haben.  Mit  starken  Farben  werden  Heinrichs  VIII.  Abfall 
von  der  katholischen  Religion  und  die  Veranlassung  zu  diesem  Schritte  geschildert ; 
dem  Könige  wird  prophezeit,  dass  ihn  die  Reue  über  die  Unthat  noch  schwer 
peinigen  werde;  der  Dichter  hält  ihm  Alexanders  fruchtlose  Verzweiflung  nach  der 
Ermordung   des    Klitus    als    warnendes    Beispiel    vor.     Mit   einer    erneuten    Klage 


519-37.    —    32)    K.  Hartfelder,    E.  nnbekannt   gebliebenes  Gedicht   d.  Des.  EraBtntis  v.  Rotterdam:    ZVLR.  6,  S.  457-64.  — 


G.  Ellinger,  Humanisten  und  Nenlateiner.  II  7  :  33-36 

um  Morus  und  mit  dem  Preise  seines  Märtjrrertodes  schliesst  dann  das  Gedicht  ab, 
das  an  poetischem  Wert  die  Durchschnittsleistung-en  der  neulateinischen  Dichtung* 
nirgends  überragt.  Ausser  diesem  Poem  enthält  der  Druck  noch  eine  Grabschrift 
auf  Morus  in  Distichen,  wahrscheinlich  von  Johannes  Sapidus,  einige  Erklärung-en 
Gebweilers  zu  Stellen  in  dem  Gedichte  des  Erasraus,  eine  kurze  Biographie  des  oben 
erwähnten  John  Fischer,  die  Erasmus  zugeschrieben  wird,  und  eine  Passio 
Episcopi  Roffensis  (Fischers)  et  Thome  Mori,  über  die  H.  keine  näheren  Nachrichten 
giebt.  Einen  kurzen  Abriss  von  Gebweilers  Leben  und  Wirken  entwirft  H.  im 
wesentlichen  auf  Grund  von  Schmidts  Darstellung;  hinzu  kamen  nur  noch  einige 
kleinere,  aber  wenig  belangreiche  Notizen  aus  dem  Briefwechsel  des  Rhenanus. 
Die  Entstehungszeit  des  Gedichtes  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen ;  zwischen 
Juli  1535  (Morus  Tod)  und  Juli  1536  (Erasmus  Tod)  muss  es  entstanden  sein.  Das  Wahr- 
scheinliche ist,  dass  es  in  den  ersten  Monaten  nach  dem  Tode  des  Morus  gedichtet  worden 
ist.  Schliesslich  zieht  H.  als  vielleicht  Erasmianische  Prosaparallele  zu  dem  Gedichte  die 
aus  Erasmus  Werken  bekannte,  kleine  lateinische  Prosaschrift  an,  die  bald  nach  dem 
Tode  des  Morus  unter  dem  Pseudonym  Gulielmus  Covrinus  Nucerinus  veröffent- 
licht wurde.  Freilich  steht  die  Autorschaft  des  Erasmus  in  diesem  Falle  keineswegs 
fest,  und  es  wäre  recht  wünschenswert,  wenn  einmal  in  einer  eingehenden  Unter- 
suchung die  inneren  und  äusseren  Gründe  geprüft  würden,  die  sich  für  oder  gegen 
Erasmus  Autorschaft  ins  Feld  führen  lassen.  —  Als  eine  der  letzten  brieflichen 
Aeusserungen  des  Erasmus  von  Interesse  ist  ein  von  Knod-^^)  mitgeteilter  Brief, 
datiert  Basel,  23.  Okt.  1535.  Er  ist  an  ein  Mitglied  der  Strassburger  Schulherren- 
kommission gerichtet,  vielleicht  an  Jakob  Sturm  oder  an  Nikolaus  Kniebs,  und 
empfiehlt  einen  Franciscus  Berus  (wahrscheinlich  identisch  mit  dem  1527  in  der 
Basler,  1530  in  der  Freiburger  Matrikel  Genannten  gleichen  Namens)  für  eine  erledigte 
Pfründe.  K.  teilt  noch  einen  im  Strassburger  Thomasarchiv  erhaltenen  Brief  mit, 
in  welchem  sich  Bers  Oheim,  Ludwig  Berus,  in  der  gleichen  Angelegenheit  an  den 
Strassburger  Rat  wendet;  ein  weiteres  Empfehlungsschreiben  von  Bers  Vater  findet 
sich  ebenfalls  im  Thomasarchiv.^^"^^)  — 

Erasmus  war  der  geistige  Mittelpunkt  des  Humanistenkreises,  der  sich 
im  Anfang  des  16.  Jh.  in  Konstanz  zusammenfand.  Für  die  Geschichte  dieses 
Kreises  haben  sich  aus  dem  Briefwechsel  des  Beatus  Rhenanus,  aus  den  „Analekten 
zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben"  von  Horawitz 
(1878),  sowie  aus  dessen  Erasmiana  und  auch  gelegentlich  aus  anderen  an  den  Tag 
gekommenen  Stücken  manche  neue  und  wertvolle  Thatsachen  und  Gesichtspunkte 
ergeben.  Mit  Recht  hat  daher  Hartfeld  er  ^ß)  den  Versuch  gemacht,  die  Ergeb- 
nisse des  früher  unbekannten  Materials  wieder  zu  einem  Gesamtbilde  zusammenzufassen. 
In  den  einleitenden  Bemerkungen  streift  er  kurz  die  Männer,  die  man  noch  nicht 
im  eigentlichen  Sinne  für  den  Humanismus  in  Anspruch  nehmen  kann,  wenn  sie 
ihm  auch  durch  die  Art  ihres  wissenschaftlichen  Strebens  nahe  stehen:  Georg 
Nauclerus,  den  Neffen  des  Johannes  Nauclerus,  der  die  Veröffentlichung  der  Chronik 
seines  Oheims  ermöglichte,  den  Präpositus  Matthäus  Schad,  als  Bewunderer  des 
Erasmus  bereits  bekannt,  den  Pfarrer  Johannes  Wanner,  der  indessen  mehr  für  die 
Entwicklung  des  kirchlichen  als  für  die  des  geistigen  Lebens  in  Konstanz  in  Betracht 
kommt.  Auch  Ambrosius  Yphofer  von  Yphofersthal  wird  in  seinem  lebhaften 
wissenschaftlichen  Streben,  seinen  Beziehungen  zu  Luscinius  und  Rhenanus  kurz 
geschildert,  obgleich  sein  Aufenthalt  in  Konstanz  erst  in  etwas  spätere  Zeit  fällt. 
Nach  einem  Ausblick  auf  die  Fäden,  die  zwischen  Konstanz  und  Tübingen  sich  an- 
spannen (H.  Bebel  und  Johannes  Stöffler),  und  nach  einer  Erwähnung  von  Ambrosius 
und  Thomas  Blaurer,  deren  Bedeutung  ebenfalls  mehr  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte 
der  Reformation  zu  suchen  ist,  wenn  es  auch  an  Beziehungen  zum  Humanismus 
keineswegs  fehlt,  folgt  eine  sorgfältige  und  mit  Wärme  ausgeführte  Charakteristik  des 
Johann  von  Botzheim.  Walchners  liebevolle  Biographie  Botzheims  wird  von  H. 
in  einigen  Punkten  ergänzt;  das  Datum  von  Botzheims  Immatrikulation  in  Heidel- 
berg ergiebt  die  Matrikel:  23.  Okt.  1496;  wenn  H.  demnach  Botzheims  Geburt  um 
1480  ansetzt,  so  stimmt  das  auch  zu  der  Thatsache,  dass  sich  der  Vater  des  Huma- 
nisten 1488  zum  dritten  Male  verheiratete,  Botzheim  aber  aus  der  zweiten  Ehe  stammte. 
Ebenso  können  wir  seine  Ankunft  in  Bologna  auf  das  J.  1500  fixieren.  Auch  über 
seine  Persönlichkeit  und  seinen  unermüdlichen  Wissenstrieb  wird  aus  Horawitz 
Analekten  noch  mancher  bemerkenswerte  Zug  gewonnen.  Wie  hier  für  Botzheim, 
so  bringt  H.  auch  in  den  unmittelbar  sich  anschliessenden  Charakterbildern  von 
Menlishofer,  Hummelberg  und  Faber  einige  Ergänzungen  zu  den  Skizzen  von 
Horawitz.     Namentlich  die  Kenntnis  von  Hummelbergs  Leben  ist  durch  die  neu  er- 


33)  (S.  0.  N.  21.)    —   34j   X   Bibliothec.1   Erasmiana:   NedSpect.  S.  195.   —   35)   X    K.  Hartfelder,   A.  Richter,    Erasmns- 
stndien   (ygl.  JBL.  1892  118:56):    HZ.  35,   S.   505/6.    —    36)   id.,    D.   humanistische   Freundeskreis   d.   Desid.   Erasmns   in 


II  7:37-39  G.  Elling-er,  Humanisten  und  Neulateiner. 

schlossenen  Quellen  recht  g-efördert  worden:  wir  wissen  jetzt,  dass  der  Aufenthalt 
in  Paris  1503,  nicht  1508  beg-ann,  dass  Humrnelberg-  vorher  (seit  1501)  die  Universität 
Heidelberg"  besuchte  und  dort  9.  Jan.  1503  sein  Baccalaureatsexamen  bestand.  Ebenso 
bieten  die  Analekten  von  Horawitz  und  der  Briefwechsel  desRhenanus  manche  fördernde 
kleinere  Aufschlüsse  über  Fabers  Freundesverkehr.  Die  Beziehung-en  zwischen 
Hummelberg  und  Urbanus  Rhegius,  dessen  Frühzeit  der  fünfte  Abschnitt  H.s  ge- 
widmet ist,  werden  zum  ersten  Male  nach  den  in  den  Analekten  abgedruckten  Stücken 
dargestellt;  ebenso  wird  zum  ersten  Male  das  Urteil  Zwingiis  über  Rhegius 
Schrift  „De  dignitate  sacerdotum",  wonach  geradezu  Faber  die  Autorschaft  des  Buches 
zugeschrieben  wurde,  verwertet.  Den  Schluss  bildet  eine  Schilderung-  von  Erasmus 
Aufenthalt  in  Konstanz  (Sept.  1522),  die  zum  Teil  auf  dem  bekannten  und  schon  von 
Walchner  verwerteten  Materiale  aufgebaut  ist;  doch  bietet  auch  hier  der  Briefwechsel 
des  Beatus  Rhenanus  reizvolle  neue  Züge,  namentlich  über  die  Unterhaltungen,  die 
in  Konstanz  zwischen  Erasmus  und  seinen  Freunden  g-epflogen  wurden.  Im  Anhange 
teilt  H.  aus  einer  Hs.  der  Breslauer  Stadtbibliothek  zwei  Briefe  mit,  deren 
Inhalt  bereits  aus  Horawitz,  Erasmiana  (3,  S.  11,  14)  bekannt  war.  Der  eine  von 
Johann  von  Botzheim  an  Erasmus  legt  von  der  glühenden  Verehrung*  Botzheims 
für  Erasmus  Zeugnis  ab,  der  andere  ist  von  Menlishofer  an  Erasmus  g-erichtet  und 
verdient  als  das  einzige  bisher  bekannte  Schriftstück  Menlishofers  entschieden  Be- 
achtung. Menlishofer  verbreitet  sich  hauptsächlich  über  seine  und  des  Erasmus 
Stellung  zur  Reformation;  er  selbst  neigt  der  neuen  Lehre  zu  und  möchte  anscheinend 
auch  Erasmus  veranlassen,  sich  günstiger  zu  ihr  zu  stellen;  Faber  wird  von  ihm  ge- 
tadelt, weil  er  zu  heftig  der  reformatorischen  Bewegung  gegenübertritt.  — 

Für  Hütten 3'')  bietet  Knod^S)  einige  recht  wertvolle  Beiträge.  Er  teilt 
zunächst  ein  bisher  unbekanntes  Schreiben  des  Schlettstadter  Rates  vom  27.  März 
1521  an  Hütten  mit,  worin  der  Rat  diesem  Mitteilung  macht,  dass  in  Schlettstadt 
sein  und  Luthers  Bild  von  unbekannter  Hand  beschimpft  worden  sei,  und  dass  der 
Rat  sich  Mühe  geben  werde,  den  Thäter  auszumitteln  und  zu  bestrafen.  Auf  Grund 
dieses  Aktenstückes  und  der  Freiburger  Matrikel  wird  das  Datum  eines  Briefes, 
in  dem  der  junge  Johannes  Sandizeller  aus  Schlettstadt  seinem  Landsmanne  Beatus 
Rhenanus  Kunde  von  der  Luther  und  Hütten  angethanen  Beschimpfung  giebt, 
(Horawitz-Hartfelder,  Briefwechsel  des  Beatus  Rhenanus  N.  421)  datiert:  er  rauss 
nach  dem  17.  Febr.  1521  geschrieben  sein.  Ueber  die  weitere  Haltung  des  Schlett- 
stadter Rates  teilt  K.  noch  ein  Zeugnis  mit:  in  einem  Schreiben  an  seinen  Pro- 
kurator Johannes  Man  in  Rom  (14.  Juni  1522)  sucht  der  Rat  dem  Papst  gegen- 
über sein  Verhalten  so  darzustellen,  als  ob  er  die  protestantische  Sache  niemals  be- 
günstigt hätte,  was  allerdings  mit  der  Wahrheit  nicht  übereinstimmte.  Weit  wert- 
voller indessen  als  dieses  Schreiben  ist  der  Fund,  den  K.  an  dritter  Stelle  mitteilt: 
ein  bisher  unbekannter  gedruckter  Fehdebrief  Huttens  an  die  Kurtisanen.  Die  von 
K.  wiedergegebene  Vorlage  befindet  sich  im  Strassburger  Stadtarchiv  und  weist 
Korrekturen  von  Huttens  eigener  Hand  auf.  Sie  ist  datiert  Freitag  vor  Judika  1522 
und  offenbar  aus  einer  Ebernburger  Presse  hervorgegangen.  In  heftigen  Worten 
kündigt  der  Ritter  den  Kurtisanen  Fehde  an,  er  will  sie  mit  „Feür  vnd  Eysin  be- 
suchen" und  alle,  die  sich  ihrer  annehmen,  in  der  gleichen  Weise  behandeln.  — 

Die  Schutzschrift  für  Hütten,  mit  der  Otto  B runfei s  der  Spongia  des 
Erasmus  gegenübertrat,  behandelt  Hartfei  der ^S).  In  der  Lebensskizze  des  Brun- 
fels,  die  H.  der  Betrachtung  der  Schrift  vorausschickt,  sind  zum  ersten  Male  die 
sieben  Briefe  verwertet,  die  jener  1520  an  Bealus  Rhenanus  geschrieben,  und  die  im 
Briefwechsel  des  letzteren  abgedruckt  sind.  Sie  geben  uns  Aufschluss  über  die  Be- 
ziehungen, die  Brunfels  zu  dem  elsässischen  Humanistenkreise  (Wimpheling,  Sapidus, 
Phrygio,  Butzer,  Capito,  Volz  u.  a.)  angeknüpft  hatte,  und  über  seine  Versuche,  mit 
Erasmus  in  Berührung  zu  kommen;  auch  seine  humanistische  Geistesrichtung  und 
sein  Widerwille  gegen  das  Klosterleben  kommen  zum  Ausdruck.  Es  kann  nicht 
zweifelhaft  sein,  dass  diese  Stücke  für  die  Erkenntnis  von  Brunfels  Entwicklungs- 
gang von  hohem  Werte  sind.  Konnte  sich  H.  hier  auf  noch  nicht  ausgebeutetes 
Material  stützen,  so  behandelt  er  die  Beziehungen  des  Brunfels  zu  Hütten,  die  Schrift 
selbst,  die  brieflichen  Aeusserungen  des  Erasmus  und  dessen  Beschwerde  beim 
Strassburger  Rat  im  wesentlichen  auf  Grund  der  bei  Böcking  zusammengestellten 
Aktenstücke  des  Streites.  In  der  Besprechung  der  Schrift,  der  wir  nur  insoweit  nach- 
gehen können,  als  es  sich  nicht  um  eine  direkte  Inhaltsangabe  handelt,  bringt  H. 
eine  Reihe  guter  Beobachtungen.  Er  weist  mit  Recht  darauf  hin,  dass  Brunfels  Be- 
hauptung, er  habe  in  Neuenburg  die  Spongia  noch  bei  Huttens  Lebzeiten  erhalten, 
nicht   zutreffend    sei,    da  Hütten    sicher   schon   tot  war,    als  die  Spongia  herauskam. 


Konstanz:   ZGORh.  8,  8.  1-33.    —   37)  X   R-  Papp  ritz,  ülr.  v.  Hütten.    E.  Lebensbild.    Marburg,  Biwert.    49  S.    M.  0,80. 
(Wertlose  Kompilation.)   —    38)    (S.  o.  N.  21.)    —    39)    K.    Hartfolder,    0.   Brunfels   als  Verteidiger    Huttens:    ZGORh.  8, 


G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  :  40-42 

Richtig-  ist  auch  die  Bemerkung-,  dass  Brunfels  g-ar  keinen  Versuch  macht,  das 
Wahre  und  Unwahre  in  Erasmus  Anklag-en  zu  scheiden;  er  schadet  seiner  Sache 
damit,  dass  er  keinen  Flecken  auf  seinem  Helden  sitzen  lassen  will,  während  that- 
sächlich  doch  manche  Schwächen  in  Huttens  Wesen  nicht  zu  leug'nen  waren.  Hübsch 
hebt  H.  auch  hervor,  dass  fast  alle  Citate  in  Brunfels  Schrift  aus  der  Bibel  stammen, 
während  Anführung-en  aus  dem  klassischen  Altertum  fast  vollständig-  zurücktreten, 
wie  denn  auch  die  heftig-e  autipapistische  Sprache  sich  durchaus  an  Luther  ge- 
bildet hat.  So  ist  auch  diese  geg-en  Erasmus  g-erichtete  Schrift  ein  sprechender  Be- 
weis für  die  Thatsache,  dass  seit  Luthers  Auftreten  das  Interesse  sich  immer  mehr 
verschiebt  und  die  humanistische  Bildung  von  dem  grossen  kirchlichen  Kampfe 
völlig-  aufgesogen  wird.  —  Schliesslich  behandelt  H.  noch  den  Brief  des  Erasmus  an 
Brunfels.  Die  Kombinationen,  durch  die  H.  die  Vorgeschichte  dieses  merkwürdigen 
Aktenstückes  herstellt,  sind  durchaus  zutreffend:  Brunfels  hatte  wegen  seiner 
reformatorischen  Gesinnung  Neuen  bürg  verlassen  müssen  und  sich  nach  Strassburg 
begeben,  wo  er  am  26.  März  1524  als  Bürger  aufgenommen  wurde.  Hier  hatte  er 
eine  lateinische  Schule  eröffnet,  als  deren  Leiter  er  der  Gerichtsbarkeit  des  Rates 
unterstand.  Nun  hatte  Erasmus  sich  bei  dem  Rate  über  den  Drucker  von  Brunfels 
Schrift,  Johannes  Schott,  beschwert  und  damit  wirklich  insofern  Erfolg  gehabt,  als 
der  Rat  dem  Drucker  einen  Verweis  erteilte.  Offenbar  ist  es  nun  auch  der  Rat  ge- 
wesen, der  Brunfels  veranlasst  hat,  sich  mit  Erasmus  auseinanderzusetzen.  Jeden- 
falls hat  Brunfels  an  diesen  einen  verloren  gegangenen  oder  wenigstens  vorläufig 
nicht  bekannten  Brief  geschrieben,  dessen  Ton  sicher  recht  unfreuadlich  war.  Dem 
entspricht  denn  auch  die  Haltung  in  Erasmus  Antwort,  die  sehr  kühl  und  gemessen 
ist.  Die  litterarische  Geschicklichkeit  von  Brunfels  schlägt  H.  wie  Strauss  äusserst  gering 
an  und  zeigt  an  einer  Reihe  von  Stellen  auf,  wie  gerechtfertigt  Straussens  kurzes 
und  bündiges  Urteil  über  den  Wert  der  Verteidigungschrift  ist.  — 

Huttens  Gönner  Eitelwolf  vom  Stein  hat  in  Falk*^)  einen  Biographen 
gefunden.  Aus  der  Arbeit,  die  den  Versuch  macht,  alle  über  Eitel wolfs  Leben  be- 
kannten Thatsachen  zusammenzutragen,  ist  zunächst  die  Untersuchung  über  sein 
Geschlecht  hervorzuheben ;  F.  weist  nach,  dass  Eitelwolf  einer  Adelsfamilie  angehörte, 
die  ihren  Sitz  in  dem  heutigen  württembergischen  Oberamte  Ehingen  hatte  und  in 
einer  „zum  Rechtenstein"  genannten  Linie  heute  noch  blüht.  Zutreffend  ist  ferner 
der  Hinweis,  dass  in  Schlettstadt  nicht  Kraft  Udenheim,  sondern  Dringenberg  selbst 
Eitelwolfs  Lehrer  gewesen  ist.  Die  Eintragung  in  der  Matrikel  von  Bologna,  in  der 
Eitelwolf  zum  J.  1489  als  canonicus  et  custos  Wratislaviensis  erscheint,  könnte  eben 
wegen  dieses  Zusatzes  Zweifel  an  der  Identität  des  hier  Genannten  mit  unserem 
Humanisten  erwecken.  F.  weist  aber  zur  Erklärung  mit  Recht  darauf  hin,  dass 
Eitelwolf  wohl  auf  Grund  der  damals  üblichen  Gewohnheit  diese  Prälatur  als 
römische  Pfründe  erhalten  hat,  ohne  die  höheren  Weihen  zu  besitzen.  Annehmbar 
ist  auch  die  Vermutung,  dass  er  diese  Pfründe  durch  seinen  Oheim,  den  einfluss- 
reichen Georg  vom  Stein  erhalten  und  nach  dessen  Tode  1490  wieder  verloren  habe. 
Die  Zeitbestimmung  der  Uebernahme  des  Hofmarschallamtes  (vor  Nov.  1514)  ist 
weniger  wichtig,  zumal  wir  allen  Grund  haben  anzunehmen,  dass  Eitelwolf  seine 
Aemter  bei  Albrecht  sofort  nach  dessen  Amtsantritt  in  Mainz  übernommen  hat. 
Hervorzuheben  ist  dann  schliesslich  noch  die  Grabschrift  Eitel  wolfs  im  Dome  zu 
Mainz  nach  einer  1727  von  dem  Domvikar  Bourdon  genommenen  Abschrift.  Die 
Thätigkeit  im  Dienste  Joachims  I.  wird  von  F.  ausführlich  dargestellt;  neue  Quellen 
dafür  sind  freilich  nicht  erschlossen,  sondern  im  wesentlichen  ist  das  bekannte 
Material  verwertet'  worden,  allein  es  ist  ganz  nützlich,  dass  uns  so  einmal  eine  über- 
sichtliche Schilderung  der  Thätigkeit  Eitelwolfs  auch  nach  dieser  Seite  hin  gegeben 
worden  ist.  —  Auch  in  der  ADB.  ist  Eitelwolf  eine  kurze  biographische  Darstellung 
durch  Hartfelder 41)  zu  teil  geworden,  die  seine  Persönlichkeit,  seine  Stellung  zu 
der  geistigen  Bewegung  sowie  zu  den  einzelnen  Humanisten  kurz,  aber  richtig 
zeichnet.  Die  thatsächlichen  Angaben  würden  hier  und  da  (Aufenthalt  in  Schlettstadt 
und  Bologna)  nach  der  vorstehenden  Abhandlung  zu  berichtigen  bezw.  zu  er- 
gänzen sein.  — 

Eine  sehr  wertvolle  Bereicherung  unserer  Kenntnis  des  Humanismus  in 
Augsburg  gewährt  die  Arbeit  über  Veit  Bild  von  A.  Schröder42).  Der  Vf.  giebt 
zunächst  eine  kurze  biographische  Darstellung  im  wesentlichen  auf  Grund  des  gleich 
noch  zu  besprechenden  Briefwechsels  Bilds  und  beutet  sodann  das  gleiche  Material 
gründlich  aus,  um  eine  Uebersicht  über  die  vielseitige  wissenschaftliche  Thätigkeit 
des  Humanisten  zu  entwerfen,  deren  zuverlässige  Resultate  man  kurz  so  zusammen- 
fassen  kann:    Bilds   sprachliche  Kenntnisse  waren  gering.     Im  Lateinischen  brachte 


S.  565-78.  -   4ÖJ    V.  Falk,   D.  Mainzer  Hofmarschall  Eitelwolf  vom  Stein:    HPBll.  111,  S.  877-94.    —    41)  K.  Hartfelder, 
Eitelwolf  vom  Stein:   ADB.  35,    S.  606,7.    —   42)  A.  Schröder,   D.  Hamanist  Veit  Bild:    ZHVSchwaben.  20,   S.  173-227.   — 
Jahresberichte  ffir  neuere  deutsche  Litteratnrgesohichte.    lY.  (2)11 


II  7:42  G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner. 

er  es  nicht  zu  einer  erheblichen  Fertig-keit,  wenn  auch  im  Laufe  der  Jahre  die 
Sicherheit  in  der  Beherrschung-  der  Sprache  wuchs,  wobei  ihm  zu  g-ute  g-ekommen 
sein  mag-,  dass  er  eine  Zeit  lang  den  lateinischen  Unterricht  an  der  Klosterschule 
gab,  für  den  er  1519  eine  nie  gedruckte,  aber  wiederholt  in  den  Klöstern  abge- 
schriebene lateinische  Grammatik  verfasste.  Im  Griechischen  genoss  er  höchst- 
wahrscheinlich den  Unterricht  Otmar  Nachtgalls  und  wurde  in  seinen  Bestrebungen 
von  Joh.  Kaiser,  Pinician  und  Oekolompad  unterstützt.  Dennoch  hat  er  es  zu  nennens- 
werten Kenntnissen  kaum  g-ebracht.  Ganz  ähnlich  ist  es  wohl  mit  dem  Hebräischen 
bestellt  gewesen.  Charakteristisch  ist,  dass  der  mächtigste  Anstoss  zur  Erlernung- 
dieser  Sprache  bei  Bild  von  den  Wittenberg-er  Reformatoren  herstammt,  wenn  auch 
die  Anfänge  des  Studiums  in  frühere  Zeiten  zurückgehen.  In  dem  Augustinerprior 
Konrad  Amman  in  Lauingen,  der  wie  Bild  der  Reformation  zug-ewandt  war  und 
Luther  als  „unsren  Apostel"  bezeichnet,  findet  er  einen  guten  Lehrer,  doch  hat  er 
augenscheinlich  nicht  viel  erreicht,  da  er  sich  nicht  zutraute,  die  von  Amman  ver- 
fassten  Grundzüg-e  einer  hebräischen  Grammatik  richtig-  abzuschreiben.  Ausführlich 
verweilt  Seh.  bei  den  mathematisch-astronomischen  Studien  Bilds  und  bringt  zu  dem 
bereits  bekannten  Material  noch  eine  Reihe  von  neuen  Daten  bei ;  Bilds  musik- 
theoretische Thätigkeit  wird  nur  g-estreift,  dagegen  erhält  unsere  Kenntnis  seiner 
hagiographisch-liturg-ischen  und  lokalhistorischen  Arbeiten  durch  einig-e,  in  neuerer 
Zeit  noch  nicht  wieder  verwertete  Notizen  Förderung-.  Ebenso  erhalten  wir  hier 
zum  ersten  Mal  aus  dem  Briefwechsel  von  einer  theologischen  Arbeit  Bilds  Kenntnis, 
einem  Auszug  aus  den  Sentenzen  des  Petrus  Lombardus,  den  Bild  im  J.  1507 
Bernhard  Adelmann  zur  Prüfung-  vorlegte.  Wichtig-er  indessen  als  diese  und  andere 
kleinere  theologische  Arbeiten  ist  Bilds  allgemein-relig-iöser  Standpunkt,  wie  er  sich 
namentlich  in  seinem  Verhalten  der  Reformation  g-eg-enüber  kund  thut.  Auch  er 
nimmt  Luther  gegenüber  jene  Stellung-  ein,  die  wir  bei  den  Humanisten  so  häufig- 
beobachten können:  anfangs  begrüsst  er  das  Auftreten  Luthers,  dessen  Schriften 
ihm  Bernhard  Adelmann  zuerst  nahe  g-ebracht  hatte,  freudig,  er  feiert  ihn  als  den 
neuen  Elias  und  erklärt  sich  in  allen  Punkten  mit  ihm  einverstanden.  Auch  drückt 
er  in  zwei  Briefen  an  Luther,  auf  die  dieser  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aber  g-ar 
nicht  antwortete,  die  g-leiche  Gesinnung  aus.  Wenn  er  dann  später  von  der  Re- 
formation sich  g-änzlich  zurückzog,  so  ist  dieser  Vorgang  bei  ihm  wohl  ähnlich  wie 
bei  so  vielen  anderen  Humanisten,  z.  B.  bei  Pirkheimer  und  Crotus  Rubeanus  zu 
erklären.  Die  Förderung  der  humanistischen  Interessen,  die  die  Humanisten  von 
der  Reformation  erhofft  hatten,  erfolgte  keinesweg-s,  vielmehr  trat  das  Gegenteil  ein; 
dazu  kamen  noch  die  grossen  Volksbeweg-ungen,  die  Teilnahme  der  Massen,  die 
diesen  weitabgewandten  Gelehrten  notwendig-  unsympathisch  sein  und  ihnen  Be- 
denken gegen  die  neue  Lehre  einflössen  mussten.  Derartige  Eindrücke  und  Er- 
wägungen werden  auch  Bilds  spätere  Stellung-  zur  Reformation  bestimmt  haben, 
jedenfalls  brach  er  völlig  mit  Oekolompad  und  schloss  sich  in  dem  AJbendmahlsstreit 
durchaus  an  Pirkheimer  und  Peutinger  an.  —  Seiner  darstellenden  Arbeit,  deren 
wesentliche  Grundzüg-e  in  den  vorstehenden  Zeilen  wiederg-eg-eben  sind,  lässt  Seh. 
dann  den  wichtigsten  Teil  seiner  Arbeit,  den  Briefwechsel  Bilds  in  Regesten  folgen. 
Die  Hs.  des  Briefwechsels  befindet  sich  in  dem  Archiv  des  bischöflichen  Ordinariates 
Augsburg;  sie  ist  von  Bild  selbst  angeleg-t,  der  seit  1506  alle  abgesandten  Briefe  in 
eigenhändigen  Abschriften  aufzubewahren  pflegte  und  ebenso  (regelmässig  erst  seit 
1517)  die  an  ihn  ankommenden  Briefe  für  seine  Sammlung  durch  eine  andere  Hand 
kopieren  Hess.  Es  ist  unmöglich,  hier  im  einzelnen  die  Bereicherungen  aufzuzählen, 
die  unsere  Kenntnis  des  humanistischen  Freundeskreises  Bilds  erhält.  Die  Briefe 
von  Spalatin,  Oekolompad  und  Eilenbog  an  Bild,  die  wir  bisher  aus  Veiths  Ver- 
öffentlichungen und  gelegentlichen  Mitteilungen  in  Pez  Thesaurus  nur  unvollständig 
und  zum  Teil  bruchstückweise  kannten,  werden  hier  insgesamt  nach  ihrem  Inhalte 
wiedergegeben;  dazu  aber  erhalten  wir  fast  überall  die  bis  jetzt  unbekannten  Antworten 
Bilds.  Ebenso  werden  wir  mit  den  Briefen  Bilds  an  Locher  bekannt  gemacht, 
während  bisher  nur  dessen  Antworten  zugänglich  waren  (vgl.  N.  51,  65,  auch  72). 
Von  den  sonstigen  Teilen  des  Briefwechsels  waren  die  zwischen  Bild  einerseits, 
Peutinger  und  Pirkheimer  andererseits  gewechselten  Briefe  schon  durch  Veith  und 
Braun  (Notitia  de  codd.  ms.)  veröffentlicht,  doch  fehlt  es  in  Sch.s  Verzeichnis  der  be- 
treffenden Briefe  keineswegs  an  wertvollen  Ergänzungen,  namentlich  für  die  Peu- 
tingers.  Von  dem  bisher  nicht  bekannten  Material  ist  am  wichtigsten  und  aufschluss- 
reichsten der  Briefwechsel  mit  Bernhard  Adelmann,  während  die  Briefe  von  Konrad 
Adelmann  zum  Teil  schon  bekannt  waren,  auch  weit  weniger  wertvoll  sind;  doch 
vgl.  den  sehr  wichtigen  Nachtrag  Sch.s  N.  247,  den  bisher  unbekannten  Trostbrief, 
den  Bild  nach  Bernhards  Tode  an  Konrad  Adelmann  richtet.  Ferner  die  Briefe  von 
und  an  Otmar  Nachtgall  (Luscinius),  die  für  den  elsässischen  Humanisten  manches 
Neue  bieten  (s.  u.  N.  44),  der  Brief  an  Heinrich  Bebel  (N.  112),  durch  den  Bild  mit 


G.  Elling-er,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  :  43-45 

dem  berühmten  Humanisten,  dem  er  einige  matte  Beiträg-e  zu  seinen  Facetien  zu- 
kommen lässt,  anzuknüpfen  sucht,  ferner  der  Brief  an  Th.  Murner,  der  Brief  an  B. 
von  Waldkirch,  der  Briefwechsel  mit  Kaspar  Amman  (auch  die  Briefe  Kaspar 
Ammans  selbst,  die  teilweise  schon  durch  Veith  veröffentlicht  waren,  werden  durch  Seh. 
ergänzt  und  vervollständigt),  mit  dem  späteren  Täufer  Joh.  Denck,  Joh.  Mader, 
Joh.  Pinician,  Nikol.  Poll  und  Joh.  Stabius;  doch  auch  die  übrigen  Briefe  gewähren 
manches  schätzbare  Material.  Unter  den  18  ungedruckten  Stücken  der  Sammlung, 
die  im  Anhang  von  P.  Beda  Grundl  vollständig  herausgegeben  sind  (1  Brief  von 
Luscinius,  6  von  Spalatin,  4  von  Oekolompad,  1  von  Joh.  Frosch,  4  von  Bild  und  2 
von  Bild  entworfene  Schriftstücke,  ein  amtliches  und  ein  Bittschreiben),  verdienen 
die  beiden  Briefe  Bilds  an  Luther  als  neue  Zeugnisse  für  die  anfängliche  enthu- 
siastische Stellung  der  meisten  humanistisch  Gesinnten  zu  dem  reformatorischen 
Gedanken  und  der  Brief  von  Oekolompad  (N.  266;  womit  zu  vergleichen  die  Inhalts- 
angabe von  Bilds  Brief  N.  263,  auf  den  Oekolompads  Schreiben  die  Antwort  bildet 
als  Anzeichen  für  die  beginnende  Abwendung  Bilds  von  der  Reformation)  besondere 
Hervorhebung.  — 

Einen  anziehenden  Gegenstand  hat  sich  Radlkofer*^)  zur  Behandlung  aus- 
ersehen, indem  er  zehn  Augsburger  Aerzte  (die  drei  Occos,  Grünpeck,  S.  Grimm, 
Wirsung,  Gasser,  Moiban,  Rauwolf  und  Henisch)  in  ihrer  Stellung  zum  Humanismus 
schildert.  Der  Vf.  hat  offenbar  seine  Darstellung  für  einen  grösseren  Leser- 
kreis bestimmt;  so  ist  es  wohl  zu  erklären,  dass  manches  Bekannte  recht  breit  vor- 
getragen ist.  Doch  finden  sich  unter  den  von  R.  gegebenen  Mitteilungen  auch 
einige  bisher  unbekannte  Notizen,  die  meist  den  Protokollen  des  CoUegium  medicum 
in  Augsburg  entstammen.  Neu  ist  z.  B.  die  Nachricht  von  einem  Gedicht  Sebastian 
Brants  auf  Adolf  Occo  I,  S.  27;  ebenso  einzelne  Angaben,  die  sich  auf  Anstellungs- 
verhältnisse in  Augsburg  beziehen,  vgl.  z.  B.  bei  Sigm.  Grimm:  Er  wurde  1511 
(nicht  1512  [ADB.  9,  S.  690])  als  Stadtarzt  in  Augsburg  mit  50  Fl.  in  Augsburg  an- 
gestellt, erhielt  durch  seine  Heirat  mit  Magdalena  Welserin  das  Bürgerrecht,  1515 
wurde  sein  Jahrgeld  auf  60  Fl.  erhöht.  Aehnliche  kleinere  Notizen  finden  sich  auch 
sonst  in  dem  Aufsatz;  eine  gewisse  Förderung  lässt  sich  daher,  was  kleinere  Einzel- 
angaben betrifft,  für  die  Kenntnis  des  Augsburger  Humanismus  immerhin  aus 
ihm  gewinnen;  freilich  im  allgemeinen  hätte  sich  der  so  dankbare  Vorwurf  weit 
eindringender  und  fruchtbarer  gestalten  lassen.  Ob  es  notwendig  war,  Leonhard 
Rauwolf  so  ausführlich  zu  behandeln,  lassen  wir  dahin  gestellt;  von  speciell 
humanistischen  Bestrebungen    ist    doch  bei   ihm    so  gut  wie  gar  nicht  die  Rede.  — 

Ueber  Luscinius  hat  Schröder**)  gehandelt.  Er  setzt  mit  Hartfelder 
auf  Grund  der  Heidelberger  Matrikel,  aus  der  auch  Nachtgalls  Aufenthalt  in  Heidel- 
berg zum  ersten  Male  festgestellt  worden  ist,  dessen  Geburtszeit  zwischen  1478  und  80  an 
und  berichtigt  die  Auffassung  des  von  Hartfelder  mitgeteilten  Zeugnisses  des  Kart- 
häusermortuariums  dahin,  dass  es  sich  nicht  um  eine  Aufnahme  Nachtgalls  als 
Ordensmitglied,  sondern  um  geistliche  Fraternität  mit  dem  Orden  handelte.  Der 
Briefwechsel  Bilds  (s.  o.  N.  42)  ergiebt  die  wichtige  Notiz,  dass  seine  Pariser 
Studienzeit  nicht  in  das  J.  1508,  wie  K.  Schmidt  meinte,  sondern  zwischen  die  J. 
1511 — 14  fällt.  Auf  Grund  der  Augsburger  Archive  hat  Seh.  nun  für  den  Augs- 
burger Aufenthalt  eine  Reihe  wertvoller  Notizen  zusammengestellt.  Das  Datum 
seiner  Anstellung  als  Prediger  bei  St.  Moritz  in  Augsburg  (auf  Präsentation  der 
Fugger)  ist  der  30.  Juni  1525.  Wir  sehen  jetzt  auf  Grund  der  archivalischen  Notizen, 
die  Seh.  mitteilt,  wie  Luscinius  von  vornherein  in  Augsburg  mit  Schwierigkeiten  zu 
kämpfen  hatte.  Das  Kapitel  brachte  ihm  feindselige  Gesinnungen  entgegen  und  er- 
schwerte ihm  offenbar  seine  Thätigkeit.  Auch  über  die  späteren  Lebensverhältnisse, 
nachdem  ihm  in  Augsburg  vom  Rat  das  Predigen  untersagt  war  (15.  Sept.  1528  — 
das  Datum  war  bisher  unbekannt,  ebenso  die  Thatsache,  dass  er  schon  am  7.  Okt. 
desselben  J,  nicht  mehr  in  Augsburg,  wohl  Ende  Sept.  schon  geschieden  war  — ) 
und  nachdem  er  die  Stadt  verlassen  hatte,  erhalten  wir  von  Seh.  neue  Aufschlüsse, 
namentlich  über  die  Pension,  die  ihm  die  Fugger  später  zahlten.  An  diese  neuen 
Notizen  schliesst  sich  eine  Betrachtung  Sch.s  über  die  Stellung  Nachtgalls  zu  den 
religiösen  Fragen.  Auf  Grund  einer  eingehenden  Darstellung  gelangt  er  zu  dem 
Ergebnis,  dass  Luscinius,  einige  Schwankungen  abgerechnet,  sich  nicht  von  der 
Lehre  der  katholischen  Kirche  entfernt  habe.  Indessen  lässt  sich  doch  in  der 
Rechtfertigungslehre  eine  Hinneigung  zur  protestantischen  Lehre  bemerken,  die  er 
aber  schnell  wieder  überwunden  zu  haben  scheint.  Dass  aus  seiner  begeisterten 
Hingabe  an  den  Humanismus,  aus  seiner  Abneigung  gegen  Mönche  und  Scholastik 
noch  nicht  eine  feindliche  Stellung  zur  katholischen  Kirche  überhaupt  gefolgert  werden 
darf,  ist  Seh.  gewiss  zuzugeben.  Auch  ohne  ausdrückliche  Zeugnisse  wird  man  annehmen 


43)(I  4  :  121.)  — 44)  (II  6  :  23.)  —  45)  O  F.  Dittrich,  Miscellanea  Katisbonensia  a.  1541.    Ex  ohartis  Pflugianis  bibliothecae 

(2)11* 


II  7  :  46  56  G.  Elling-er,  Humanisten  und  Neulateiner. 

dürfen,  dass  Luscinius  Stellung"  zu  Luther  wohl  ähnlich  gewesen  ist  wie  die  der  meisten 
anderen  Humanisten:  er  wird  Luther  sympathisch  begrüsst  haben,  so  lang-e  er  eine  För- 
derung- des  Humanismus  von  der  Bewegung-  erwartete,  und  sich  abgewandt  haben,  als 
die  ganz  anderen  Ziele  der  neuen  Richtung  offen  zu  Tage  traten,  lieber  Nachtgalls 
Auftreten  als  Prediger  in  Augsburg-  giebt  der  Vf.  eine  Dai-stellung,  die  ebenfalls 
meist  auf  archivalischem  Material  beruht  und  im  wesentlichen  den  Zweck  hat,  Nacht- 
gall  von  dem  g'egen  ihn  erhobenen  Vorwurf  des  fanatischen  Eiferns  gegen  die  re- 
ligiöse Neuerung  zu  reinigen.  Man  wird  Seh.  jedenfalls  darin  unbedenklich  zu- 
stimmen dürfen,  dass  Nachtgall  in  der  Polemik  auf  der  Kanzel  sicher  nicht  weiter 
g-egangen  ist  als  die  protestantischen  Prediger.  Einzelne  Urteile  von  Zeitgenossen, 
die  der  Vf.  am  Schlüsse  mitteilt,  sollen  Nachtg-alls  sittliches  Verhalten  in  das  beste 
Licht  stellen;  wir  lassen  die  Frage,  ob  die  wiederholt  erhobene  Behauptung,  dass 
sein  Wandel  nicht  tadelfrei  g-ewesen  sei,  zutrifft,  vorläufig  unentschieden,  aber  unzweifel- 
haft hat  Seh.  recht,  wenn  er  bei  der  allg-emeinen  Auffassung  der  Geschlechtsverhältnisse 
im  16.  Jh.  Schlüsse  aus  Nachtgalls  Schwanksammlung-  auf  seinen  Lebenswandel 
ablehnt.  — 

Johann  Eck  darf  zwar  selbstverständlich  nicht  zu  den  Humanisten  g-erechnet 
werden,  allein  bei  der  Stellung,  die  er  durch  sein  Auftreten  gegen  Pirkheimer, 
Bernhard  Adelmann  und  andere  Humanisten  gewinnt,  sowie  als  Held  des  Eckius 
dedolatus  darf  er  doch  bei  einer  Betrachtung  des  deutschen  Humanismus  nicht  fehlen. 
Neue  Züge  zu  seinem  Charakterbild  ergaben  sich  aus  einer  Veröffentlichung  von 
Dittrich^^),  die  mir  leider  nicht  zugänglich  gewesen  ist,  so  dass  ich  ihren  Inhalt, 
soweit  er  Eck  betrifft,  nur  nach  einer  in  dieses  Berichtsjahr  fallenden  Besprechung 
von  J.  Schmid  wiedergeben  kann.  D.  giebt  auf  Grund  neuer  Funde  Aufschluss 
über  Ecks  Verhalten  bei  dem  Regensburger  Religionsgespräch  1541.  Das  Bild,  das 
wir  von  Eck  erhalten,  ist  auch  hier  entschieden  kein  sympathisches.  Auch  aus  den 
Unterhandlungen  mit  seinen  Gesinnungsgenossen  lassen  sich  Ecks  unerfreuliche 
Charaktereigenschaften,  seine  Eitelkeit,  Leidenschaftlichkeit,  aber  auch  seine  geringe 
Zuverlässigkeit  und  seine  Hinterhältigkeit  klar  und  deutlich  erkennen.  — 

Die  Vermittlung  zwischen  dem  eigentlichen  Humanismus  und  den  theologisch- 
philologischen Interessendes  deutschen  Gelehrten  tums  im  16.  Jh.  bildet Melanchthon. 
Aus  den  Hss.  der  Bibliothek  der  St.  Katharinenkirche  in  Brandenburg  a.  H.  teilt 
N.  Müller'*^)  eine  Abhandlung  und  einen  Brief  Melanchthons  mit,  die  für  unsere 
Zwecke  wenig  ergeben,  wenngleich  der  gegen  Agricola  gerichtete,  nicht  lange  vor 
Melanchthons  Tode  geschriebene  Brief  durch  seine  derb-volkstümliche  Ausdrucksweise 
anzieht.  Mehr  in  unser  Gebiet  gehört  der  an  der  gleichen  Stelle  von  M.  nach  einer 
Hs.  in  Venedig  publizierte  Brief  „Ad  amicum  quendam";  freilich  sind  die  Aus- 
führungen über  die  Art  der  geistlichen  Redekunst  mehr  theologischer  Natur,  auch 
ist  die  Betonung,  dass  die  Kenntnis  der  klassischen  Litteratur  für  einen  Prediger 
ungemein  fördernd  sei,  bei  Melanchthon  nichts  Neues.  —  Recht  wertvoll  ist  die 
Mitteilung  der  ältesten  Gestalt  von  Melanchthons  Philosophiae  moralis  epitome,  die 
1538  zum  ersten  Male  gedruckt  worden  ist.  Aus  einer  jetzt  in  Nordhausen  be- 
findlichen Hs.,  über  deren  Herkunft  Genaueres  nicht  bekannt  ist,  druckt  Hei  neck*'') 
die  vorliegende  Fassung  ab.  Sie  unterscheidet  sich  von  den  gedruckten  Ausgaben 
beträchtlich,  und  sichtlich  bemüht  sich  Melanchthon,  den  Ausdruck  möglichst  präcis 
zu  gestalten,  sowie  die  Thatsachen  summarisch  zusammenzufassen.  Aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  ist  die  vorliegende  Fassung  1532  entstanden;  sie  sollte  offenbar  den 
Studenten  zur  Unterstützung  von  Melanchthons  Vortrag-  in  die  Hand  gegeben  werden 
und  ist  wohl  zu  diesem  Zwecke,  wie  es  scheint,  abscht-iftlich  verbreitet  worden.  — 
Die  im  vorigen  Berichte  (vgl.  JBL.  1892  II  8  :  82)  erwähnten  beiden  kleinen  Gedichte 
Melanchthons  werden  von  Enders*^)  als  mehrfach  gedruckt  nachgewiesen;  ein 
Eingehen  auf  die  Fragen  nach  der  Ueberlieferung  der  Texte,  wie  sie  sich  aus  dem 
Vergleich  der  hs.  Fassung  ergeben,  und  auf  die  Varianten  kann  wohl  unterbleiben, 
da  der  Wert  der  Stücke  gering  ist.'^^'^i")  — 

Von  Gelehrten  des  16.  Jh.^^j  [q^  ({qj.  seit  Lessing  durch  seine  Fälschungen 
allgemein  bekannte  Erasmus  Stella  durch  Wegele^^)  biographisch  behandelt 
worden.  —  Eine  recht  gute  biographische  Darstellung  wurde  dem  schweizerischen 
Philologen  und  Theologen  Jos.  Wilh.  Stucki  von  Koldewey ■'''*)  gewidmet.  — 
Hoche^^)  giebt  eine  kurze,  nicht  sonderlich  orientierende  Notiz  über  den  Polyhistor 
Simon  Sten.  — 


Bcholae  episcopalis.  Progr.  Bniunsberg.  1892.  4».  29  S.  \[3.  Schmid:  Lßs.  19,  S.  41,2.J1  —  46)  (II  6:119.)  —  47)  (116: 117.) 
—  48)  (11  6  :  122.)  —  49)  X  (H  6  :  62  )  -  50)  X  (U  6  =  HS)  l[K.  Wotke:  ZOG.  44,  S.  321/2.]|  -  51)  X  (H  6  :  121.)  - 
51  a)  X  B.  Caspar i,  F.  Mykonius.  L.,  Faber.  16  S.  M.  0,10.  (Behimdelt  einige  Tliatsaclien  aus  Mykonius  Leben  mit  er- 
baulich-päd.  Absichten.  Vgl.  auch  II  6:131/2)  —  52)  X  X  ß  Neidhardt,  De  Jasti  Lipsi  vita  .Tenensi  crationibusque 
ab  eo  habitis.  Progr.  d.  Gymn.  Passau.  41  S.  -  53)  F.  X.  Wegele,  Erasm.  Stella:  ADB.  36,  S.  30/1.  —  54)  F.  Koldewey, 
Jos.  W.  Stucki:  ib.  S.  717-20.  —    55)  (I  6:  17.)  —    56)  P.  Bahlmann,  D.  lat.  Dramen  v.  Wimphelings  Stylpho  bis  z.  Mitte 


G.  Elling-er,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  :  57  64 

Eine  sehr  brauchbare  bibliographische  Darstellung  für  das  neulateinische 
Drama  im  allgemeinen  hat  Bahlmann^*')  geliefert.  Er  giebt  ein  Verzeichnis 
der  lateinischen  Schauspiele  in  Italien,  Deutschland,  Frankreich,  England  und  den 
Niederlanden  -  an  Zahl  überwiegen  weit  die  deutschen  —  und  nennt  bei  jedem 
einzelnen  die  Ausgaben  mit  den  Fundorten,  die  Uebersetzung  in  andere  Sprachen, 
wenn  solche  vorhanden,  und  eine  kurze  Inhaltsangabe.  —  Neben  dem  Einflüsse  des 
Plautus  auf  die  dramatische  Produktion  Deutschlands  sowie  auf  die  Uebersetzungs- 
litteratur  ist  Terenz  verhältnismässig  zurückgetreten;  jetzt  sind  auch  diesem  Gegen- 
stande Untersuchungen  gewidmet  worden,  auf  die  im  nächsten  Berichte  zurück- 
gekommen werden  soll.  ^''"^^)  —  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  kann  man  bei 
Matern  US  Steyndorffer  von  einer  Anlehnung  an  die  Art  von  Eybs  Plautus- 
emeuerungen  sprechen;  Bolte^'-*)  hat  jetzt  seine  eigenen  Forschung*en  sowie  die 
von  Roethe  und  Stiefel  (vgl.  JBL.  1892  II  8:23/5)  in  einer  kurzen  biographischen 
Darstellung  zusammengefasst.  —  Scherers  schöner  Aufsatz  über  Nikodemus 
Frischlin  ist  in  dem  von  Erich  Schmidt^o)  herausgegebenen  zweiten  Bande  der 
„Kleinen  Schriften"  neu  gedruckt  worden;  er  beschäftigt  sich  hauptsächlich  mit  den 
dramatischen  Arbeiten;  Frischlins  lateinische  Lyrik  ist  dem  poetischen  Wert  im 
Verhältnis  zu  seiner  Dramatik    entsprechend    weniger  berücksichtigt  worden. ^**^)  — 

Den  Lyriker^i)  Johann  Stigel  behandelt  Hartfelder^'*);  doch  ruht  der 
Hauptnachdruck  bei  ihm  auf  der  Schilderung  der  ausreichend  bekannten  Lebens- 
verhältnisse; ein- Versuch,  seine  Dichtung  zu  charakterisieren,  wird  nicht  gemacht.  — 

Die  Briefe  des  Georg  Fabricius  an  seinen  Bruder  Andreas  (1528—71) 
hat  Peter^^j  nach  der  von  Andreas  Enkel,  Georg  Andreas  (1586—1645)  zusammen- 
gestellten Nordhäuser  Hs.  herausgegeben,  Fi  ekel  scher  er  ^3)  in  ihrem  Inhalte 
kurz  charakterisiert.  Sie  bieten  für  die  Persönlichkeit  des  Georg  Fabricius  wertvolles 
biographisches  Material  und  gewähren  einen  anziehenden  Einblick  in  das  Gelehrten- 
leben des  16.  Jh.  Das  Bild,  das  wir  aus  ihnen  von  Georg  empfangen,  ist  ein  ungemein 
sympathisches;  wir  lernen  ihn  als  einen  frommen,  aufopferungsfähigen  Mann  kennen, 
der  mit  rührender  Zärtlichkeit  an  seiner  Familie  hing  und  namentlich  seinen  Ge- 
schwistern stets  hilfsbereit  zur  Seite  stand.  Ueber  die  Einzelheiten  seines  Familien- 
lebens, Eheschliessung,  häusliche  Sorgen  und  ähnliches  sendet  Georg  dem  Bruder 
regelmässige  Berichte,  ebenso  über  die  Verhältnisse  der  Meissner  Fürsten  schule,  deren 
Rektor  er  war.  Wichtiger  als  alle  diese  Fragen  sind  für  uns  die  geistigen  Beziehungen, 
die  sich  ergeben.  Selbstverständlich  werden  die  poetischen  und  wissenschaftlichen 
Werke  des  Georg  Fabricius  häufig  erwähnt;  der  Briefschreiber  teilt  seinem  Bruder 
mit,  welche  Arbeiten  ihn  beschäftigen,  er  benachrichtigt  ihn  von  dem  Abschluss  und 
der  Drucklegung  der  Werke.  Neues  zur  Datierung  der  Werke  ergiebt  sich  im 
wesentlichen  aus  der  Publikation  nicht,  aber  immerhin  verdienen  die  Mitteilungen 
Beachtung.  Auffallend  gross  ist  der  Kreis  der  Interessen  des  Dichters:  ausser  der 
Altertumswissenschaft,  der  Geschichte  ziehen  ihn  auch  die  Naturwissenschaften  an, 
und  er  sucht  sich  möglichst  eingehend  auch  auf  diesem  Gebiete  zu  orientieren.  Be- 
zeichnend für  seine  Bescheidenheit  ist  der  grosse  Wert,  den  er  auf  die  Urteile  anderer 
über  seine  Arbeiten  legt.  (1,  S.  8.)  Den  entscheidenden  Einfluss  auf  seine  Geistes- 
richtung und  Weltanschauung  hat  Luther  ausgeübt  (N.  56),  als  einen  Jünger  Luthers 
fühlt  er  sich  und  nimmt  dem  zufolge  auch  heftig  Stellung  gegen  den  Papst.  Er 
beglückwünscht  den  Bruder,  dass  dessen  Dichtung  „Christus  lacrimans"  auf  den 
Index  gesetzt  ist,  und  fordert  ihn  auf,  noch  einen  Christus  triumphans  zu  schreiben. 
Dem  Kardinal  Otto  von  Augsburg,  der  dem  Papst  das  Verzeichnis  der  auf  den  Index 
zu  setzenden  Bücher  übergeben  haben  sollte,  schickt  er  eine  Satire  Naogeorgs,  „vehe- 
mentis  poetae",  zu,  wahrscheinlich  die  Schrift  „In  catalogum  Haereticorum".  In  dem 
Streite  zwischen  Melanchthon  und  Flacius  nimmt  Fabricius  keine  bestimmte  Stellung 
ein;  er  beklagt  die  Uneinigkeit  und  spricht  den  Wunsch  aus,  dass  die  Gegner 
Frieden  halten  möchten.  Doch  blieb  er  mit  Flacius  noch  in  Verbindung  und  Hess 
später  durch  seinen  Bruder  den  Centuriatoren  einen  Beitrag  zugehen.  Mit  einer 
grossen  Reihe  von  neulateinischen  Dichtern,  z.  B.  mit  G.  Aem.ilius,  Luthers  Schwager, 
David  Chyträus,  G.  Major,  Adam  Siber  u.  a.  stand  Georg  Fabricius  in  Beziehungen, 
von  denen  die  vorliegenden  Briefe  ein  Zeugnis  ablegen;  auch  sein  Verhältnis  zu 
dem  Drucker  Oporinus  spielt  eine  grosse  Rolle.  Ueberhaupt  gewinnt  man  aus  den 
Briefen,  aus  der  Art,  in  der  neuere  und  ältere  dichterische  Produkte  ausgetauscht, 
und  mitgeteilt  werden,  eine  lebendige  Anschauung  davon,  eine  wie  starke  litterarische 
Macht  die  neulateinische  Dichtung    damals    in  Deutschland   gewesen  ist.     Uebrigens 

d.  16.  Jh.  (1480-1550.)  E.  Beitr.  z.  Litt.-Gesch.  Münster,  Regensbnrg.  114  S.  M.  3,50.  —  57)  X  X  (H  *  =  10.)  —  58)  XX 
(I  6:246;  Sonderabdr.  B.,  Müller.  28  S.)  -  59)  J.  Bolte,  M.  Steyndorfer:  ADB.  36,  S.  160  1.  —  60)  (I  1  :  117;  2,  S.  51  6.) 
—  60a)  X  (S.  0.  N.  5.)  —  61)  X  (S-  o.  N.  4.)  -  61a)  (l  6:16;  II  6:43.)  -  62)  H.  Peter,  Georgii  FabricU  ad 
Andream  fatrem  epistolae  ex  autographis  primam  editae.  Progr.  v.  St.  Afra.  Meissen,  Klinlcicht.  1891-92.  4".  31  S.  — 
63)   M.   Fi  ekel  8  oh  er  er,   D.   Briefwechsel   zwischen   G.  u.   A.   Fabricius.     (=1  4:385.   8.  81/3.)    —   64)   X   (116:94.) 


II  7  :  65-67  G.  EUing-er,  Humanisten  und  Neulateiner. 

hring-t  Fabricius  auch  der  deutschen  Dichtung-  ein  g-ewisses  Interesse  entg-eg-en, 
namentlich  wenn  diese,  wie  Cyriacus  Spang-enbergs  Schrift  „Die  bösen  Sieben  ins 
Teufels  Karnöffelspiel  1562"  religiös-polemischen  Zwecken  diente  (N.  83,  vom  6.  Juni 
1552).  Gewiss  wird  man,  wenn  auch  Fabricius  innerhalb  der  g-eistlichen  neu- 
lateinischen Poesie  eine  hervorrag-ende  Stelhmg  einnimmt  (vgl.  LLD.  7  [s.  o.  N.  4], 
S.  VII),  den  rein  poetischen  Wert  seiner  Arbeiten  gering  anschlagen ;  allein  es  be- 
weist doch  immerhin  eine  gewisse  Beweg-lichkeit  und  eine  Art  Reichtum  der  poetischen 
Schöpferkraft,  wenn  Fabricius  beim  Vorschlagen  eines  Themas  zur  dichterischen 
Behandlung*  sofort  selbst  beginnt,  dies  im  einzelnen  auszumalen.  So  schreibt  er  an 
seinen  Bruder  in  der  oben  erwähnten  Indexang-elegenheit:  „Quod  si  revalescis, 
Christum  quoque  Triumphantem  scribe,  de  successu  sui  verbi,  de  ampliatione  imperii, 
de  conversione  multorum,  de  constantia  suorum,  qui  in  Italia,  Belg-ico,  Anglia  vitam 
posuerunt  et  eum  exora,  ut  in  illorum  numero  nos  quoque  simus  et  maneamus;  eun- 
dem  item  triumphantem  de  morte,  diabolo,  Inferno  etc."  Ausser  den  Briefen  an 
Andreas  Fabricius  enthält  die  vorliegende  Ausgabe  noch  einen  Brief  Georgs  an 
seinen  Bruder  Blasius ;  abg-eschlossen  wird  das  Ganze  zweckmässig  durch  den  Brief 
des  Jakob  Fabricius  an  seinen  Bruder  Andreas,  der  einen  schönen  Bericht  von 
Georgs  Tod  und  Begräbnis  enthält.  Für  eine  künftig-e  Geschichte  der  neulateinischen 
Poesie  Deutschlands  bietet  der  Briefwechsel  sehr  schätzbare  Beiträge.  Durch  sorg- 
fältige sachliche  Erläuterungen  hat  der  Herausgeber  den  Wert  der  Publikation  noch 
erhöht,  und  er  hat  manches  herbeigezogen,  was  keineswegs  auf  der  Oberfläche  lag. 
Der  in  N.  33  erwähnte  Johannes  Mylius,  über  den  P.  die  näheren  Angaben  fehlen, 
ist  der  neulateinische  Dichter  Joh.  Mylius  aus  Liebenrode  (gest.  1575),  der  neben 
Stigel  und  Georg  Fabricius  als  der  bedeutendste  Vertreter  der  religiösen  neu- 
lateinischen Dichtung  in  Deutschland  zu  bezeichnen  ist  (vgl.  LLD.  7  [s.  o.  N.  4], 
S.  VII  f.,  XII  f.,  wo  seine  poetische  Eigenart  charakterisiert  ist;  ferner  ebda.  S.  78); 
es  ist  hübsch,  dass  sich  nun  auch  persönliche  Beziehungen  zwischen  den  beiden  Dichtern 
ergeben.  64""6'^)  —  Die  hs.  erhaltenen  lateinischen  Gedichte  Christophs  von  Schallen- 
berg, über  die  Hurch^^»)  in  seiner  Arbeit  über  den  Dichter  berichtet,  scheinen  nach 
den  Mitteilungen  des  Vf.  einen  guten  Einblick  in  das  geistige  Leben  Oberösterreichs 
in  den  letzten  Jahrzehnten  des  16.  Jh.  zu  gewähren.  Der  Vf.  glaubt,  dass  Scballen- 
bergs  Gedichte  durch  die  gleichartigen  Produkte  seines  [jehrers  Calamimis  (vgl. 
LLD.  7,  S.  XXIII)  beeinflusst  seien,  ob  mit  Recht,  lässt  sich  aus  den  vorliegenden 
Notizen  nicht  ersehen.  Hervorgehoben  werden  zwei  individueller  angelegte  Ge- 
dichte aus  des  Dichters  Studienzeit  sowie  ein  Trauergedicht  auf  den  Tod  seines 
kleinen  Sohnes.  — 

Einen  lateinischen  Dichter  des  17.  Jh.,  den  Klostergeistlichen  P.  Simon 
Rettenbacher  (geb.  19.  Okt.  1634,  gest.  9.  Mai  1706)  hat  Lehner^*')  in  seinen 
Dichtungen  wieder  aufleben  lassen.  Die  vortrefflich  ausgestattete  Ausgabe  giebt  aus 
dem  hs.  Nachlasse  des  Dichters  vier  Bücher  Oden,  eiYi  Buch  Epoden,  zwölf  Bücher 
Silvae  und  dann  noch  carmina  singularia,  sämtlich  in  lyrischen  Massen.  Der 
Dichter  zeigt  eine  unleugbare  Gewandtheit  in  der  Handhabung  der  dichterischen 
Form  und  für  einen  neulateinischen  Dichter  einen  verhältnismässig  grossen  Reichtum 
an  Stoffen.  Man  merkt  es  diesen  Gedichten  an,  dass  ihr  Autor  nicht  bloss  hinter 
den  stillen  Klostermauern  gelebt,  sondern  die  Welt  kennen  gelernt  und  mannigfache 
Anregungen  erfahren  hat.  Mit  Recht  hebt  auch  der  Herausgeber  die  patriotische 
Lyrik  Rettenbachers  besonders  hervor;  sie  zeigt  uns  den  Dichter  in  Gesinnung  und 
poetischer  Gestaltungskraft  von  einer  besonders  erfreulichen  Seite.  Die  Ausgabe  ist 
mit  grosser  Sorgfalt  hergestellt;  L.  hat  dem  Text  einen  lesenswerten  Lebensabriss 
vorangestellt,  in  welchem  namentlich  die  Beziehungen  Rettenbachers  zu  italienischen 
Gelehrten  seiner  Zeit  von  Interesse  sind,  und  in  dem  auch  die  übrigen  Werke  des 
Dichters  (namentlich  seine  anonym  erschienenen  Satiren,  über  die  man  gern  noch 
nähere  Aufschlüsse  erhalten  möchte,  und  seine  lateinischen  Singspiele,  zu  denen  der 
Dichter  selbst  die  Musik  schrieb)  kurz  behandelt  werden.  Ausserdem  erhalten  wir 
noch  eine  grössere  allgemeine  Betrachtung  L.s  über  Rettenbachers  Dichtungen  sowie 
Bemerkungen  über  Sprache  und  Versmass.  Bei  der  sorgfältigen  und  liebevollen  Ar- 
beit, die  der  Herausgeber  seinem  Helden  gewidmet  hat,  wird  man  es  ihm  leicht  ver- 
zeihen, dass  er  bei  der  Charakteristik  der  poetischen  Arbeiten  ein  für  unser  Gefühl 
zuweilen  etwas  zu  hohes  Lob  spendet.  — 

Eine  Bibliographie  der  von  Johann  Schöffer  in  Mainz  veranstalteten 
Drucke  lateinischer  Klassiker  und  Schulbücher,  die  sich  wohl  noch  vermehren 
liesse,    sucht   Roth^'')    zu    entwerfen.     Unter    allen   Umständen    sind    derartige  Ver- 

IfMVGDB".  31,  8.  51;  Seh  eldemanf  el:  AKKE.  70,  8.  3.36.]|  —  65)  X  L-  Frinkel,  Keniat.  Abderitenschwänke:  Urquell  4, 
S.  180/2.  —  65a)  (112:38.)  —  66)  T.  Lehner,  P.  Simon  Rettenbachers  lyr.  Gedichte.  (In  lat.  Sprache.)  Mit  Unterstütz.  d.Leo-Ges. 
her.  Wien,  „St.  Norbertns".  LVI,  483  S.  n.  1  Facs.  M.  7,20.  |[ÖLB1  2,  S.  330  2.]l  —  67)  F.  W.  E.  Roth,  D.  Bnchdrncker  n. 
Verleger   Joh.   8choeffer   in    Mainz   als   Verleger   liitein.   Klassiker   n.   Sohniböcher:   RomanF.  6,   8.462-74.    (Vgl.  JBL.  1891 


G.  Ellinger,  Humanistea  und  Neulateiner.  II  7  :  68-72 

zeichnisse  willkommen  zu  heissen,  da  sie  wertvolle  Aufschlüsse  für  die  Entwicklung* 
der  humanistischen  Richtung*  und  der  Teilnahme  an  ihr  g-ewähren,  und  es  wäre  nur 
zu  wünschen,  dass  auch  für  andere  Drucker  derartige  Zusammenstellung-en  ver- 
anstaltet würden.  Joh.  Schöffer  begann  1517  den  Verlag"  lateinischer  Autoren  und 
führte  ihn  bis  zu  seinem  Tode  (1531)  fort.  Von  lateinischen  Klassikern  erscheint 
Livius  (in  der  durch  ihre  Vortrefflichkeit  bekannten,  von  Hütten  und  Erasmus  ge- 
förderten Ausgabe  Nicolaus  Carbachs),  Cicero,  Plautus,  Terenz  und  Valerius  Maximus, 
Plutarch  und  Appian  in  lateinischen  Uebersetzung-en.  Dazu  kommt  die  von  Huttichius 
herausgeg-ebene,  vielleicht  zum  Teil  von  Gresemund  d.  J.  verfasste  Mainzer  Inschriften- 
sammlung",  Peuting-ers  Inschriften,  einzelne  juristische  Werke,  darunter  die  Institutionen 
und  der  Gajus,  eine  Schrift  des  Grälen  und  der  Donat.  Von  italienischen  Humanisten 
sind  zwei  mit  ihren  Werken  vertreten:  Valla  und  Pomponio  Leto,  von  Franzosen 
einer:  Budäus;  an  Zahl  der  vertretenen  Werke  aber  überrag-t  alle  Erasmus,  der  mit 
8  Schriften  erscheint,  darunter  eine  (die  Colloquia)  in  2  Auflagen.  — 

Die  1511  g-estiftete  Humanistenschule  Colets  zu  St;  Paul  in  London, 
von  deren  Einrichtung-  und  Verfassung*  Hartfelder^^)  ein  g-utes  Bild  entworfen  hat, 
berührt  die  Geschichte  des  deutschen  Humanismus  insofern,  als  es  im  wesentlichen 
Erasmische  Gedanken  sind,  die  hier  ins  Werk  gesetzt  wurden.  Nicht  allein  dass 
Erasmus  zahlreiche  Lehrbücher  wie  die  Institutio  hominis  christiani,  ferner  De  duplici 
copia  verborum  ac  rerum,  die  Concio  de  puero  Jesu,  die  Carmina  scholaria  für  Colets 
Schule  geschrieben  hat,  das  ganze  Unternehmen  stellte  sich  in  den  Dienst  der  Idee, 
durch  die  Erasmus  eine  durchgreifende  Reform  des  Christentums  auf  friedlichem 
Wege  herbeizuführen  hoffte:  der  Verbindung  der  Pflege  religiösen  Sinnes  mit 
klassischer  Bildung.  Wenn  die  Schule  eine  sehr  segensreiche  Wirkung  ausgeübt 
und  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  hat,  so  ist  der  Grund  indessen  wohl 
nicht  allein  in  den  Erasmischen  Gedanken,  auf  denen  sich  der  Lehrplan  aufbaute, 
sondern  auch  in  der  sehr  zweckmässigen  äusseren  Einrichtung  zu  suchen,  die  ihr 
ihr  Stifter,  John  Colet  (1466  —  1519),  der  Freund  des  Erasmus,  gegeben  hat.  — 

In  die  neueren  Arbeiten  über  die  Geschichte  des  Humanismus  in  Polen ^^'''*) 
und  Böhmen  führen  besonders  die  Referate  Wotkes'''"'^)  gut  ein.  — 


I  4:26;  1892  H  3:  139.)  —  68)  K.  Hartfelder,  D.  Ideal  e.  Hnmanistenschule  (d.  Schale  Colets  zu  St.  Paul  in  London). 
{=  Sonderabdr.  aus  d.  Verhandl.  d.  41.  Vers,  dtsch.  Philologen  u.  Schulmänner.)  [L.,  Tenbner.J  1892.  4".  16  S.  |[0.  Kämmel: 
DLZ.  S.  9656.JI  (Vgl.  JBL.  1892  II  8  :  138.)  —  69)  X  ö-  Bauch,  Rud  Agricola  Junior  (vgl.  JBL.  1892  U  8  :  91a): 
Majchrowicz:  Muzeum  (Lemberg)  S.  72.  —  70)  X  J-  Kallenbach,  Les  humanistes  polonais  (vgl.  JBL.  1892  II  8:142): 
K.  Wotke:  ZOG.  44,  S.  320  1.  —  71)  X  K.  Wotke,  D.  Litt,  über  d.  Humanismus  in  Böhmen  u.  Mähren:  AZg«.  N.  92.  (Be- 
spricht namentl.  Truhlärs  Arbeiten,  so  d.  1892  erschienenen  „Anfänge  d.  Humanismus  in  Böhmen".)  —  72)  X  i^-<  Ueber 
einige  neuere  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Humanismus  in  Oesterr. :  ZOG.  44,  S.  773,7.  (Bespr.  d.  Arbeiten  v.  Morawski,  d.  in  seinem 
Buche  „Andrzej  Patrycy  Nidecki"  [Krakau  1892J  d.  Leben  d.  berühmtesten  Philol.  Polens  zu  e.  Schilderung  aller  Faktoren 
ausgestaltet,  d.  auf  d.  poln.  Humanismus  fördernd  u.  hemmend  eingewirkt  haben,  in  seiner  Schrift  „Jaköb  Görski"  [Krakau 
1892J  dagegen  e.  populäreres  Bild  v.  d.  poln.  Humanismus  in  d.  3.  Hälfte  d.  16.  Jh.  und  d.  Verhältnissen  d.  Krakauer  Univ. 
entwirft.  Ferner  d.  Ausg.  d.  Briefwechsels  v.  Bohuslaus  Lobkowitz  durch  Truhläf  [Prag,  1892J;  d.  für  d.  Gesch.  d.  böhm. 
Humanismus  sehr  wichtige  Ausg.  entlehnt  zwar  189  Nummern  ans  d.  v.  Mitis  veranst.  Ausg.  v.  Bohuslaus  Lobkowitz  Werken 
(1562-63),  d.  aber  t.  Truhläf  richtig  chronologisch  angeordnet  werden.  An  vierter  u.  fünfter  Stelle  werden  v.  W.  d.  Ver- 
öffentlichungen V.  Zingerle  [s.  o.  N.  18]  u.  v.  Lehner  [s.  o.  N.  66J  bespr.)  — 


JAHEESBERICHTE 

FÜR 
NEUERE 

DEUTSCHE  LITTERATUEGESCHlCflTE 


(JAHR  1893.) 

ZWEITEE  HALBBAND. 


ä 


III.  Vom  Anfang  des  17.  bis  zur  Mitte 
des  18.  Jahrhunderts. 


111,1 

Allgemeines. 

Alexander  Reifferscheid. 

Politische  und  wirtschaftliche  Verhältnisse  N.  1.  —  Kirchliche  und  religiöse  Zustände  N.  84.  —  Geistesleben 
N.  101.  —  Hoflehen  N.  126.  -   Litteraturgeschichte  N.  134.  — 

Die  politischen  und  diewirtschaftlichen  Verhältnisse 
dieses  Zeitraumes  erfuhren  auch  in  diesem  Berichtsjahre  vielfache  Behandlung-,  zunächst 
in  zusammenfassenden  Werken.  Von  den  populären  Weltgeschichten  für  die  weitesten 
Kreise  der  Gebildeten,  die  eine  kurze  und  bündige  Darstellung-  verlang-en,  kommen 
in  Betracht  die  Fortsetzungen  eines  neuen  Unternehmens  von  Kaemmel')  und  eines 
älteren,  das  jetzt  in  „verbesserter"  Auflage  ausgegeben  wird,  von  J.  B.  von  Weiss^). 
In  der  Ueberzeugung,  dass  der  Geschichtsschreiber  nicht  bloss  Staats  Veränderungen 
und  Schlachten  zu  schildern  habe,  entwarf  W.  auch  ein  Bild  des  g-eistigen  Lebens,  in  dem 
er  in  grossen  Zügen  die  Entwicklung  von  Kunst  und  Wissenschaft  darstellte.  Die  neue 
Auflage  scheint  übrigens  nicht  gleichmässig  überarbeitet  zu  sein,  das  verraten  u.  a. 
die  Anführungen,  die  sich  fast  nur  auf  ältere  Litteratur  beschränken.  Einmal  (11, 
S.  505)  wird  sogar  auf  die  „vor  kurzem"  erschienene  Selbstbiographie  Edelmauns 
hingewiesen,  die  doch  schon  vor  45  J.,  also  beinahe  einem  heutigen  Menschenalter, 
veröffentlicht  worden!  —  Eine  deutsche  Geschichte  für  die  Jugend  schrieb  im  Sinne 
der  Mahnung  Kaiser  Wilhelms  IL,  das  Deutsche  als  Grundlage  für  das  Gymnasium 
zu  nehmen,  Neumann-Strela^)  auf  Grund  der  besten  und  neuesten  Quellenwerke. 
Er  lässt  darin  die  deutschen  Kriegs-  und  Friedenshelden  sich  vom  kulturgeschicht- 
lichen Hintergrunde  abheben.  Die  neuere  Geschichte  wird  mit  gutem  Fug  ausführ- 
licher behandelt.*)  —  Ueber  die  Geltung  des  jus  reformandi,  eines  Annexes  der 
weltlichen  Gewalt,  für  beide  Religionsparteien,  machte  Kloppt)  eine  gelegentliche 
Bemerkung,  anknüpfend  an  eine  Aeusserung  des  Paderborner  Fürstbischofs  aus  dem 
J.  1607,  in  der  dieser  nach  den  Bestimmungen  des  Religionsfriedens  das  jus  reformandi 
für  sich  in  Anspruch  nahm.  Er  folgerte  daraus,  dass  der  erst  in  unserem  Jh.  ge- 
prägte Ausdruck  „Gegenreformation"  überflüssig,  ja  irreführend  sei.  —  Droysen®) 
brachte  von  seinem  gross  angelegten  Werke  endlich  die  erste  Hälfte  als  Geschichte 
der  Gegenreformation  zum  Abschluss.  Sie  zerfällt  in  fünf  Bücher:  1.  der  Sieg  des 
Protestantismus,  2,  die  Zersetzung  der  protestantischen  Partei  in  Deutschland,  3.  der 


1)  X  0.  Kaemmel,  Vom  Beginn  d.  grossen  Entdeckungen  bis  z.  30 j.  Kriege.  (=  Spamers  illustr.  Weltgesch. 
5.  Bd.)  L.,  Spamer.  XH,  752  S.  M.  8,50.  —  2)  J.  B.  v.  Weiss,  Weltgesch.  2.  u.  3.  verh.  Aufl.  IX.  D.  30 .j.  Krieg.  Kunst 
u.  Wissenschaft.  X.  D.  englische  Revolution.  Ludwig  XIV.  Leopold  I.  XI.  Staatengesch.  Earopas  t.  1700-44.  Kunst  u. 
Wissenschaft.  Graz  u.  L.,  Styria.  VIII,  708  S.;  M.  6,80;  VH,  830  S.;  M.  7,.50;  VIU,  804  S.;  M.  7,50.  |[G.  E.  Haas:  HPBll.  111, 
S.  668-81;  id.:  LRs.  19,  S.  338-41. ]|  —  3)  K.  Neumann-Strela,  Deutschlands  Helden  in  Krieg  u.  Frieden.  Dtsch.  Gesch.  IL 
Mit  vielen  Brustbildern  u.  Textabbild.  Hannover,  Prior.  352  S.  M.  5,00.  —  4)  X  H-  Lewin,  Unsere  Kaiser  u.  ihr  Haus 
nebst  d.  Wichtigsten  aus  d.  Leben  unserer  Vorfahren.  Geschichtsbilder  für  d.  Schüler  d.  Mittel-  u.  Oberstufe.  3.  Aufl.  Dresden, 
Jacobi.  170  S.  M.  0,70.  (D.  Epoche  d.  30 j.  Krieges  S.  105-10.)  —  5)  0.  Klopp,  W.  Richter,  Gesch.  d.  Paderborner  Jesuiten. 
(Vgl.JBL.  1892  I  4:831.):  ÖLBl.  2,  S.  129-30.  —  6)  G.  Droysen,  Gesch.  d.  Gegenreformation.   Mit  Portrr.,  Illustr.  n.  Karten. 

(3)1* 


III  1:7-15        AI.  Reifferscheid,  Allg-emeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Ultramontanismus,  4.  Vordringen  des  Ultramontanismus  in  Deutschland,  5.  der  Kampf 
um  den  Relig'ionsfrieden.  Die  letzten  Ausg'äng-e  des  fünften  Buches  sind  den  ersten 
8  Jahren  des  17.  Jh.  gewidmet.  —  Die  zweite  Hälfte,  die  Geschichte  des  ;-30jährigen 
Krieges,  bearbeitet  von  Winter'),  liegt  bereits  vollständig  vor.  Er  wird  in  drei 
Büchern  des  grossen  Materials  FTerr.  Sie  tragen  die  Ueberschriften :  1.  Gänzlicher 
Zerfall  der  Reichsverfassung.  Organisation  entgegengesetzer  Parteien.  Union  und 
Liga.  2.  Der  oOjährige  Krieg,  in  fünf  Abschnitten.  3.  Der  westfälische  Friede  und 
die  Folgen  des  Krieges.  Besonderer  Aufmerksamkeit  wert  ist  der  Abschnitt  des  dritten 
Buches  über  die  Einwirkung  der  Kriegsnot  auf  die  deutsche  Kultur.  Die  furchtbare 
Art  der  Kriegführung  entsprach  dem  Charakter  der  damaligen  Heere,  dem  zu  Gunsten 
der  militärischen  Anführer,  zum  Schaden  der  Staaten  raffiniert  ausgebildeten  Söldner- 
und  Werbesystem.  Aus  der  historiographischen  Note  am  Schlüsse  des  W.schen 
Werkes,  die  über  die  Quellen  orientiert,  ist  anzuführen  die  Bemerkung,  dass  un- 
ermessliche,  historische  Schätze  über  die  ganze  Epoche  in  den  Archiven  noch  un- 
berührt liegen,  dass  unabsehbares  Material  von  Kriegs-  und  Verwaltungsakten  des 
Forschers  harrt,  der  über  der  Unmasse  des  verwirrenden  Details  das  Ganze  zu  er- 
kennen und  darzustellen  weiss.  —  Dagegen  vertrat  Kl  o  p  p *)  in  der  völligen  Umarbeitung 
seiner  verdienstlichen  Monographie  über  Tilly,  die  das  biographische  Moment  in  den 
Hintergrund  drängte  und  zu  einer  eingehenden  Geschichte  des  30jährigen  Krieges, 
seiner  Vorgeschichte  und  seines  Verlaufes  bis  zum  Tode  Gustav  Adolfs  wurde,  die 
Ansicht,  dass  es  bei  der  Beleuchtung  dieses  Zeitalters  noch  lange  nicht  allein  darauf 
ankomme,  durch  archivalische  Enthüllungen  den  Stoff  zu  vermehren,  als  vielmehr 
die  Fülle  der  gedruckten  Akten  allseitig  zu  benutzen  und  aufzuarbeiten.  —  Die 
Geschichtswerke  von  Ritter^)  und  von  H.  von  Zwiedeneck- Süd  enhorst'*') 
schritten  rüstig  weiter,  doch  ohne  im  Berichtsjahr  bis  zum  Schlüsse  eines  Bandes  zu 
gelangen. —  Ueberden  1.  Band  von  Erdmanns  dorffer^^'^^j  (ygl.  JBL.  1892  III  1 :  3) 
erschienen  anerkennende  Besprechungen.  Durch  den  2.  Band  kam  das  Werk  zum 
völligen  Abschluss.  Er  beginnt  mit  den  Kriegsjahren  1688  und  89,  schildert  den 
Anteil  Deutschlands  an  den  gewaltigen  Erschütterungen,  welche  die  europäischen 
Machtverhältnisse  umgestalteten,  und  führt  die  Erzählung  bis  zum  Tode  König  Friedrich 
Wilhelms  L,  dem  Endpunkte.  Die  verwirrten  politischen  Verhältnisse  sind  über- 
sichtlich und  klar,  mit  feinstem  Verständnis  für  die  treibenden  Kräfte  und  unter  steter 
Beachtung  der  wirtschaftlichen  und  geistigen  Momente  dargestellt.  Oft  weicht  E.  von 
der  bisherigen  Beurteilung  ab  und  begründet  seine  Ansicht  in  den  Anmerkungen,  so 
über  das  Testament  des  Grossen  Kurfürsten  (S.  107);  oder  er  weist  darin  auf  die 
Notwendigkeit  näherer  Untersuchung  hin,  z.  B.  (S.  116)  über  die  Versuche,  die  man 
in  Berlin  nach  englischem  Vorbilde  machte,  eine  Reform  der  Sitten  auf  anderem 
Wege  als  auf  dem  der  Kirchenzucht  herbeizuführen.  Hier  interessieren  am  meisten 
sein  Ueberblick  über  die  geistige  Entwicklung  vom  westfälischen  Frieden  bis  zum 
Beginn  des  18.  Jh.  (S.  148),  seine  Auseinandersetzungen  über  die  litterarischen  und 
künstlerischen  Bestrebungen  am  brandenburgischen  Hofe  (S.  110),  mit  kurzer,  aber 
treffender  Würdigung  der  Bedeutung  von  E.  von  Danckelmann,  Pufendorf,  Spener, 
Francke,  Thomasius,  über  kirchliche  Wirren  und  Kulturabeit  (S.  374),  mit  knappen 
Bemerkungen  über  die  Leibniz-Wolffsche  Philosophie,  die  moralischen  Wochen- 
schriften, Gottsched  u.  a.,  endlich  die  Erörterungen  über  die  Reformversuche  zur 
Vermehrung  und  Hebung  des  Bauernstandes  unter  Friedrich  I.  (S.  316),  über  die 
Reform  des  Städte wesens  unter  Friedrich  Wilhelm  I.  (S.  499). '3)  —  Von  den  zahl- 
reichen Einzelabhandlungen  seien  zuerst  die  genannt,  die  grössere  Zeiträume  um- 
fassen. Wertvolle  Beiträge  zur  deutschen  Wirtschaftsgeschichte  gab  von  Below'*) 
aus  Verfügungen  der  Herzöge  von  Jülich-Kleve-Berg  aus  den  J.  1625 — 1728,  die  sich 
scharf  gegen  verschiedene  Missbräuche  bei  der  Veranlagung  und  Erhebung  der 
Steuerkontingente  richten.  Sie  sind  voll  Wohlwollen  gegen  den  gemeinen  armen 
Mann,  der  „bei  den  allgemein  durchgehenden  Landbeschwernissen"  über  seine  Kräfte 
belastet  werden  muss,  weil  Reiche  sich  zu  eximieren  verstehen;  sie  verlieren  dabei 
aber  nie  das  Interesse  des  Staatssäckels  aus  den  Augen,  der  durch  stramme  Heran- 
ziehung zur  Steuer,  durch  strengere  Kontrollierung  der  Steuererheber  besser  gefüllt 
wird.  —  Aehnliche  I-i'ürsorge  bewies  der  Herzog  Augustus  von  I^auenburg  1641—54'^). 


(-=Allg.  Gesch.  in  Einzeldarst.  her.  v.  W.  Oncken.)  B.,  Grote.  472  S.  M.  7,00.  ||HJb.  85,  S.  216/7.]|  —  7)  G.  Winter, 
Gesch.  d.  30j.  Krieges.  Mit  Portrr.,  Ulustr.  u.  Karten,  ebda.  671  S.  M.  16,00.  —  8)  OXX  0.  Klopp,  D.  30j.  Krieg  bis  z. 
Tode  Gust.  Adolfs  1682.  2.  Ausg.  d.  Werkes:  Tilly  im  30 j.  Kriege.  II.  Vom  Beginn  1621  an  bis  z.  Uebertragung  d.  Herzog- 
tumes  Mecklenburg  an  Wallenstein  1628.  Paderborn,  Schöningh.  XXVIII,  868  S.  M.  13,00.  |[DE.  4,  S.  394/5;  K.  Jentsch: 
BLU.S.  692/4;  H.  Landwehr:  FBPG.  6,  S.  620;  J.  Moser:  Kath.  2,  S.  315-28;  0.  Pülf:  StML.  45,  S.  509-1 3.J|  -  9)  (JBL.  1891 
III  1:1.)  -  10)  (JBL.  1891  III  1:2.)  -  U)  A.  Zimmermann:  HPBll.  111,  S.  951/6;  Grenzb.  3,  S.  397-402.  —  12)  B.  Erd- 
mannsdörffer,  Dtsch.  Gesch.  vom  westfäl.  Frieden  bis  z.  Eegierungsantritt  Friedrichs  d.  Gr.  Mit  Portrr.,  Illustr.  n.  Karten, 
n.  (=Allg.  Gesch.  in  Einzeldarst.  hör.  v.  W.  Oncken.)  B.,  Grnte.  527  S.  M.  12,00.  |[Ed.  Heyck:  FBPG.  7,  S.  605/S.]|  — 
13)  X  F.  Stiere,  L.  Frhr.  v.  Stralendorf :  ADB.  36,  S.  493/5.  —  14)  G.  v.Below,  Beitrr.  zur  Verfussungs-  etc.  Gesch.  d.  Nieder- 
rheinsTom  16.-18.  Jh.:  BGNiederrh.  7,  S.  9-35.—  15)Allerlei  fürstliche  Reskripte  d.  Herzogs  Augustus  v.  Lauenburg:  AVGLauenburg. 


AI.  Reiff  er  scheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts,      lll  1  :  le-ae 

Er  suchte  zu  verhindern,  dass  sein  Land  „totaliter  ruinirt  und  zu  kunftig-er  Herbei- 
bring-ung-  der  kontributionsquoten  untüchtig"  g-emacht"  werde.  Er  Hess  seine  Lehn- 
güter nicht  deteriorieren  durch  Verwüstung-  des  Holzes,  vermahnte  aber  auch  einen 
Amtsdiener  ernstlich,  weil  dieser  sich  „auf  die  Völlerei  geleget,  des  morgens  die  Brant- 
weinflasche  und  den  ganzen  Tag  die  Tabackspfeife  weidUch  gebrauchte".  —  G.  von 
Buchwald'^j  entwarf  an  der  Hand  alter  Wirtschaftsakten  und  Rechnungen  wirt- 
schaftsgeschichtliche Zahlenbilder  aus  dem  30jährigen  Krieg,  die  mit  erschreckender 
Deutlichkeit  von  dem  Elend  zeugen,  das  Kaiserliche  und  vSchweden  gleichmässig  den 
mecklenbm'gischen  Aemtern  bereiteten.  Er  gab  Beiträge  zur  politischen  Geschichte 
Mecklenburgs  in  den  J.  1691 — 1708,  behandelte  u.  a.  die  Fortschritte  der  Volkswirtschaft 
unter  Adolf  Friedrich  II.  (s.  o.  I  4  :  343).  —  Beiträge  zur  Städtegeschichte  lieferten 
Darpe»')  (vgl.  JBL.  1891  I  5:331;  s.  o.  I  4 :  4Üb)  und  Demmei»)  (vgl.  JBL.  1892  I 
4:672),  beide  mit  mannigfachen,  lehrreichen  Detaüs  aus  der  Landesgeschichte  und  dem 
Wirtschaftsleben,  Darpe  dabei  auch  mit  manchen  Zügen  aus  den  Streitigkeiten  der  Konfes- 
sionen. —  Zu  einer  umfassenden,  objektiven  Geschichte  des  30jährigen  Krieg-es  gewährten 
reiche  Aufschlüsse  Ein  e  r  t  s  '"j  Mitteilungen  aus  der  Kirchenchronik  eines  Zeitgenossen, 
des  Pfarrers  Thom.  Schmidt  aus  Dornheim  in  Thüringen,  die  leider  überarbeitet  und,  wie 
es  scheint,  verkürzt  vorgelegt  worden  sind.  Die  Not  der  Zeit  liess  keine  weicheren  Ge- 
fühle in  ihm  aufkommen,  gleich  in  der  ersten  Aufzeichnung  nennt  er  eine  Exekution, 
die  er  an  drei  Wegelagerern,  einem  Rittmeister,  einem  Cornet  und  einem  Arkebusier, 
vollziehen  sehen,  eine  herrliche  Augenlust.  Er  ist  ein  vortrefflicher  Humorist  und 
schreibt  überall  unumwunden,  was  er  denkt.  Die  Glaubensgenossen,  die  Herzoglichen 
und  die  Schweden,  kommen  dabei  schlimmer  weg  als  die  Feinde,  die  Kaiserlichen. 
Von  den  Freunden  des  Evangeliums  hatte  er  und  seine  Bauern  kaum  weniger  zu 
leiden,  als  wenn  der  Feind  ins  Land  gebrochen.  Er  nennt  sie  (S.  40)  „lutherische 
Türken".  Banner  verwüstete  (S.  37)  „in  Freundesland  die  Edelhöfe,  die  Pfarre  und 
verschonte  keines  Menschen,  denn  um  Gottes  Ehre  allein  war  ihm  zu  thun!''  „Warum 
sollen  die  Schweden  nicht  unsere  Helfer  heissen?"  schreibt  er  (S.  17)  und  fügt  die 
Antwort  hinzu:  ,, Haben  sie  uns  ja  helfen  um  das  unsere  bringen.  Gott  helfe  uns 
vor  solchen  Beschützern !"  Aus  verschiedenen  Aeusserungen  Schmidts  sehen  wir,  dass 
die  Städte,  so  lange  es  ging,  alle  Lasten  auf  die  Landbewohner  abwälzten,  die 
ohne  dies  mehr  zu  leiden  hatten.  —  Wetzepf^)  teilte  aus  der  Ausgabe  der  Briefe 
Banners  an  A.  Oxenstierna  die  Stellen  mit,  an  denen  die  schwedischen  Pläne  hin- 
sichtlich Berlins  erwähnt  werden.  —  Bau  er  2')  veröffentlichte  von  seinen  Unter- 
suchungen der  umfangreichen  Akten  des  Memminger  Stadtarchivs  und  vieler  aus- 
wärtiger Archive  für  die  Geschichte  Memmingens  im  30jährigen  Kriege  den  Teil,  der 
die  bedeutenderen  Begebenheiten  vom  Anfang  des  Krieges  bis  zur  Besetzung  der 
Stadt  durch  die  Schweden  schildert  —  vier  selbständige  Abhandlungen,  die  geschickt 
auch  innerlich  zu  einem  Ganzen  vereinigt  sind:  1.  Wirtschaftliche  Not  und  Krank- 
heiten. 2.  Die  Streitigkeiten  wegen  Einführung  der  Jesuiten.  3.  Die  Kriegslasten 
von  Memmingen  bis  zur  Gründung  des  Leipziger  Bundes;  Wallensteins  Aufenthalt 
daselbst  zur  Zeit  seiner  Absetzung  1630.  4.  Die  Beziehungen  der  Stadt  zum  Leipziger 
Bund  und  zu  Gustav  Adolf.  —  Ebenfalls  auf  Grund  umfassender  archivalischer 
Studien  bearbeitete  Donaubauer^^)  die  Geschichte  Nürnbergs  von  der  Schlacht  bei 
Breitenfeld  an  bis  zur  Ankunft  Gustav  Adolfs  im  Juni  1632.  Seine  Arbeit  hat  all- 
gemeineren Wert,  weil  wir  durch  sie  Aufschluss  erhalten  über  die  Politik  einer  evan- 
gelischen Stadt,  deren  Bürgerschaft  ganz  schwedisch  gesinnt  war,  deren  Rat  sich  aber 
nur  zögernd  mit  Gustav  Adolf  einliess,  um  es  mit  dem  Kaiser  nicht  ganz  zu  ver- 
derben. —  Einen  Beitrag  zur  Geschichte  Mecklenburgs  gab  Schulenburg'-^*')  in 
seiner  Dissertation,  in  der  er  nach  bisher  unbenutztem  hs.  Material  die  Geschichte 
bis  zur  Vertreibung  der  Herzöge,  die  Zeit  der  Wallensteinschen  Herrschaft  und 
die  Wiedereinsetzung  der  Herzöge  geschickt  behandelte.''^'*)  —  Ueber  Wallenstein  liegt 
nichts  Neues  vor,  abgesehen  von  Landwehrs^^)  Schilderung  der  Zügellosig'keit 
des  jungen  W'allenstein  auf  der  Universität  Altdorf,  von  dem  skizzenhaften  Aufsatze 
Nedomas-^),  der  nur  wegen  Benutzung  des  auf  Quellenstudium  beruhenden  Buches 

4,  S.  98-104.  —  16)  G.  V.  Buchwald,  Bilder  ans  d.  Volkswirtschaft!,  vt.  polit.  Vergangenheit  Mecklenburgs  (1631-1708). 
Nenstrelitz,  R.  Jacoby.  V,  138  S.  M.  2,25.  -  17)  F.  Darpe,  Gesch.  d.  Stadt  Bochum.  U.  Bochum  in  d.  Neuzeit.  B.  1618-1740. 
Progr.  Gymn.  Bochum  (Stumpf;.  S.  299-368.  (Beigefügt  ist  e.  Ansicht  d.  Stadt  aus  d.  Zeit  um  1700.)  —  18)  L.  Demme, 
Nachrichten  u.  Urkunden  z.  Chronik  v.  Hersfeld.  U.  V.  lieginn  d.  30  j.  bis  z.  Beginn  des  7j.  Krieges.  Mit  82  Beil.  Hers- 
feld, H.  Schmidt.  360  S.  M.  4,50.  —  19)  E.  Einert,  E.  Thüringer  Landpfarrer  im  30j.  Kriege.  Mitteilungen  ans  e.  Kirchen- 
Chronik.     Arnstadt,  Frotscher.     IV,   95  S.     M.   1,60.  —  20)  A.  Wetzel,   Notizen    über  Berlin  im  30 j.  Kriege:  MVGBerlin.  10, 

5.  85,6.  —  21)  B.  Bauer,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Reichsstadt  Memmingen  vom  Begfinne  d.  30 j.  Krieges  bis  z.  Besetzung  d.  Stadt 
durch  d.  Schweden.  Diss.  München.  (Augsburg,  J.  B.  Himmer.)  1892.  VI,  122  S.  —  22)  St.  Donaubauer,  Nürnberg  um 
d.  Mitte  d.  30  j.  Krieges.  (V.  Okt.  1631  bis  Mitte  Juni  1632.)  Diss.  Erlangen.  (Nürnberg,  C.B.J.  Bieling-Dietz.)  178  S.  (Steht 
ohne  Inhaltsverzeichnis  u.  ohne  Uebersicht  d.  benutzten  Quellen  im  MVGNürnberg.  10,  S.  69-240.)  —  23)  0.  Schulenburg, 
D.  Vertreibung  d.  mecklenb.  Herzöge  Adolf  Friedrich  u.  Johann  Albrecht  durch  Wallenstein  u.  ihre  Restitution.  E.  Beitr.  z. 
Gesch.  Mecklenburgs  im  30j.  Kriege.  Diss.  Rostock  (Adlers  Erben).  1892.  133  S.  |[HZ.  35,  S.  570.]|  —24)  O  X  B..  Ehlers, 
Aus  d.  30 j.  Kriege:  Heimat  3,  S.  11-20.  —  25)  H.  Landwehr,  Aus  Wallensteins  Jugend:  NatZg».  N.  44.  —  26)  J.  Nedoraa, 


III  1  :  27-42      AI.  Reifferscheid,  Allg-emeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

von  Fr.  Dvorsk^  beachtungs wert  ist. ^''j  —  Röckls^^j  Qaellenbeiträg'e  zur  Geschichte 
der  kriegerischen  Thätigkeit  Pappenhehns,  für  die  er  die  erhaltenen  Briefe  und 
Berichte  des  Feldherrn  geschickt  verwertete,  sind  mit  dem  3.  Teile  zum  Abschluss 
gelangt.  Sie  lassen  lebhaft  wünschen,  dass  dem  Vf.  bald  die  Möglichkeit  geboten 
werde,  die  im  Pappenheimschen  Familienarchive  liegenden  Briefe  zu  veröffent- 
lichen.-^) —  Hopf^*'"3i)  behandelte  in  der  Fortsetzung  seiner  Untersuchungen  (vgl. 
JBL.  1892  III  1 :  20)  über  die  politische  und  diplomatische  Thätigkeit  des  Fürst- 
bischofs Anton  Wolfradt,  des  vertrauten  Ratgebers  Ferdinands  IL,  auf  Grund  bisher 
noch  nicht  gedruckter  Briefe,  Wolfradts  Verhandlungen  mit  Wallenstein,  der  zu  ihm, 
wie  der  Kaiser  wusste,  besonderes  Vertrauen  hatte,  und  dessen  Wege  Wolfradt  im 
Interesse  des  Kaisers  mit  hingebendem  Eifer  gegen  die  Absichten  der  eifersüchtigen 
Reichsstände  zu  ebnen  suchte.  Wolfradts  Einfluss  am  kaiserlichen  Hofe  wurde  nicht 
erschüttert,  auch  nicht  unter  Kaiser  Ferdinand  III.  —  Einen  unschätzbaren  Beitrag  zur 
Geschichte  des  30 jährigen  Krieges  gab  Wittich ''^J  in  seiner  hochbedeutenden  Studie 
über  Dietrich  von  Falkenberg,  einen  der  hervorragendsten  Werkmänner  Gustav 
Adolfs,  worin  er  mit  besonderem  Erfolge  dessen  Thätigkeit  in  Magdeburg  schilderte. 
Nach  W.s  sorgfältiger  Beweisführung  kann  es  nicht  mehr  zweifelhaft  sein,  dass  der 
Brand  Magdeburgs  von  Falkenberg  und  den  Magdeburgern  ausgegangen  ist.  — 
Die  Bemühungen  von  Vo  Ikholz^'^),  die  alten  Magdeburger  Traditionen,  die  den 
Kaiserlichen  die  Schuld  zuschreiben,  zu  verteidigen,  sind  daher  durchaus  verfehlt. 
Mit  Recht  wies  Klopp  dem  gegenüber  in  seiner  Anzeige  auf  die  Beweiskraft  der 
fünf  Tonnen  Pulver  hin,  die  auf  dem  neuen  Markte  vergraben  waren  und  deren 
Auffindung  durch  die  Kaiserlichen  den  schönsten  Stadtteil  Magdeburgs  rettete.  — 
Den  Feldzug  des  J.  1622  schilderte  von  Reitzenstein  3^)  auf  Grund  sorgfältiger 
archivalischer  Studien  vom  rein  militärischen  Standpunkte,  er  entwarf  ein  klares 
und  zuverlässiges  Bild  der  Schlacht  bei  Wimpfen.  —  In  einer  Besprechung  der  Arbeit 
von  Opitz  über  die  Schlacht  bei  Breitenfeld  (vgl  JBL.  1892  III  1  :  23)  erklärte  Krebses), 
die  bisher  erschlossenen  Quellen  gestatteten  noch  nicht  eine  genaue  und  einwandfreie 
Darstellung  des  eigentlichen  Verlaufes  der  Schlacht.  —  Wittich^^)  besprach  einzelne 
Untersuchnangen  über  andere  Schlachten,  die  quellenkritische  LI.  Diemars  über  die 
Schlacht  bei  Lützen  und  die  kriegsgeschichtliche  Täglichsbecks  über  die  Gefechte' 
und  das  Treffen  bei  Steinau.  — -  Zu  einer  von  seinen  Vorgängern  wesentlich  ab- 
weichenden Darstellung  der  Schlacht  bei  Nördlingen  gelangte  Struck^"?)  durch 
strengere  Kritik  der  Quellen,  die  eine  andere  Verwertung  derselben  bedingte.  —  Sehr 
dankenswert  w^ar  es,  dass  das  ausführliche  Fürstlich  Sächsisch  Eisenachisch  Kriegs- 
recht in  einem  genauen  Neudruck  ^^j  erschien. •^^"'*')  —  Die  deutschen  Kreditverhält- 
nisse während  des  30jährigen  Krieges  und  unmittelbar  darnach  untersuchte  ab- 
schliessend Gothein42)  in  der  ausführlichen  Einleitung  seiner  Ausgabe  der  höchst 
charakteristischen  Flugschrift  Pflaum ers,  die  für  die  Gläubiger  eintrat  und  die  sich 
kurz  als  Programmschrift  zu  Gunsten  des  Bürgertums  kennzeichnen  lässt.  Unter 
steter  Berücksichtigung  der  wirtschaftlichen  Zustände  und  der  Rechtsanschauungen 
zeigte  G.,  wie  man  damals  in  Theorie  und  Praxis  die  beispiellose  Zerrüttung  der 
Volkskraft,  die  der  Krieg  verschuldet,  durch  bewusste  Begünstigung  des  Schuldners 
zu  überwinden  suchte.  Mit  Befriedigung  stellt  G.  fest,  dass  das  deutsche  Volk  nach 
dem  ärgsten  Verhängnis,  das  es  je  betroffen  hat,  durch  den  Ernst  und  die  Umsicht 
seiner  Staatsmänner  und  Gelehrten,  auch  materiell  die  Grundlage  zu  neuem,  frucht- 
barem Schaffen  nicht   in  einem  schimpflichen  Bankerott,    sondern     in   einer    ehren- 


Albr.  V.  Waldstein  vor  d.  30 j.  Kriege:  Öüß.  14,  S.  289-303.  ([HZ.  35,  8.  570.]1  —  27)  X  H.  W.,  A.  Glndely,  Waldsteins  Ver- 
trag mit  d.  Kaiser  bei  der  Uebernahme  d.  2.  Generalates.  Prug  1889:  HZ.  34,  S.  135/7.  —  28)  S.  RöcVl,  Qaellenbeitrr.  z. 
Geschichte  d.  kriegerischen  Thätiglieit  Piippenheims  V.  1627  bis  z.  Schlacht  bei  Breitenfeld.  UI.  Progr.  Gymn.  München, 
F.  Straub).  72  S.  -  29)  O  G.  Wolfram,  4  Briefe  Octavio  Piccolominis  über  Vorbereitung  u.  Verlauf  d.  Schlacht  bei  Dieden- 
hofen  (7.  Juni  1639):  JbGesLothrG.  5,  S.  220y2.  -  30)  E.  F.  Kaindl,  A.  Hopf,  Anton  Wolfradt  I.  II  1.  (Vgl.  JBL  1892 
m  1 :20):  MHL,  21,  S. 267/8.  —  31)  A.  Hopf,  Ant.  Wolfradt,  Fürstbischof  v.  Wien  u.  Abt  d.  Benedilctinerstiftes  Krerasraünster, 
Geh.  Rat  n.  Minister  Kaiser  Ferdinands  IL  II,  2.  Wien,  Holder.  4')  S.  M.  0,72.  —  32)  K  Witt  ich,  Dietrich  v.  Fallcenberg, 
Oberst  u.  Hofmarschall  Gust.  Adolfs.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  30  j.  Krieges.  Magdeburg,  Liebscher.  1892.  XII,  360  S.  M.  6,00. 
|[G.  Rüthning:  MHL.  21,  S.35;8-,  P  Sonden:  HTS.  13,  S.  23-68.JI  —  33)  R.  Volkholz,  D.  Zerstörung  Magdeburgs  (1631) 
im  Lichte  d.  neuesten  Forschung.  Magdeburg,  Faber.  1892.  VI,  91  S.  M.  3,00.  |[KBGV.  41,  S.  87;  0.  Klopp,  ÖLBl.  2, 
S.  327/9;  R.  Setzepfandt:  MIIL.  21,  S.  156/7;  AMZg.  68,  S  5;  HJb  14,  S.  440.]|  —  34)  K.  Frhr.  v.  Reitzenstein,  D. 
Feldzug  d.  J.  1622  am  Oberrhein  u.  in  Westfalen  bis  z.  Schlacht  bei  Wimpfen  II.  München,  Zipperer.  II,  225  S.  M.  2,80. 
|[LCB1.  S.  1500/1;  K.  Obser:  ZGORh.  8,  S.  529-31;  AMZg.  N.  41.]|  (D.  1.  T.  erschien  1891.)  -  35)  J.  Krebs:  NASächsG.  14, 
S.  153/.5.  (Vgl.  JBL.  1892  III  1:23)  -  36)  K.  Wittich,  H.  Diemar,  Schlacht  bei  Lützen  ,16.  Nov.  16321.  Marburg  1890.  — 
F.  Täglichsbeck,  D.  Gefechte  bei  Steinau  a.  0.  vom  29.  Aug.  bis  4.  Sept.  1632.  D.  Treffen  bei  Steinau  a.  0.  am  11.  Okt.  1633. 
B.,  Mittler.  1889:  HZ.  34,  S.  500/7.  -  37)  W.  Struck,  D.  Schlacht  bei  Nördlingen  im  J.  1634.  E.  Beitr.  z  Gesch.  d. 
30j.  Krieges.  Mit  e  Uebersicht-skärtchen  u.  e.  Karte  v.  Nördlingen  u.  Umgegend.  Stralsund,  Regierungs-Bnchdr.  106  S. 
M.  3,00.  |[HJb.  14,  S  723;  Tli.  Lorentzen:  DLZ.  S.  1522/3.1|  (Als  Berliner  Diss.  46  S.  erschienen.)  —  38)  (I  4:192.)  — 
39)  X  S.  Frey,  D.  Anfänge  d  dtsch.  Heerwesens:  Fenillef-Cg.  N.  447.  -  40)  O  X  X  D-  Wehrmacht  d.  h.  Rom.  Reichs  dtsoh. 
Nation;  AMZg.  68,  S.  162,3,  170,1.  —  41)  X  F-  Philippi,  Ueber  die  Wehrverfassung  v.  Stift  n.  Stadt  Osnabrnck  in  froherer 
Zeit:  MVGOsnabrück.  17,  S  23  -44.  —  42)  E.  Gothein,  D.  dtsch.  Kreditverhälfnisse  u.  d.  30 j.  Krieg.  E.  Neu:  Nutzlich-  u. 
Lnstigs  CoUoquium.  V.  etlichen  Reichstags-Puncten.  Insonderheit  d.  Reformation  d.  Zöllen  Zinsszahlung  n.  Verbesserung  d. 
Matricul  betr.  Colloquenlen  seyn:  Doctor.  Edelmann.  Bürger.   Bauer.    (=  Samml.  älterer  u.  neuerer  staatswissensch.  Schrifteu 


AI.  Reifferscheid,  Allg-emeines  des  17./18.  Jahrhunderts.     III  1  :  43-63 

vollen  Liquidation  gefunden  hat.  —  Zur  Hälfte  gehört  noch  in  die  Zeit  des  30jährigen 
Krieges  das  lesenswerte  Buch  aus  der  Kurländischen  Vergangenheit,  in  dem  die 
Brüder  Seraphim^^^  nach  archivalischen,  bisher  unbenutzten  Quellen  weitere 
Bilder  und  Gestalten  des  17.  Jh.  zeichneten,  Ernst  S.  den  Kurländer  W.  Farensbach, 
einen  Parteigänger  und  Verräter,  Aug.  S.  die  herzoglose  Zeit  und  ihre  Vorboten 
1655—60,  die  Schwedennot  in  Kurland^^}.  —  Die  Schwedennot  in  Dithmarschen 
illustrierte  durch  Mitteilungen  aus  den  1891  als  Ms.  gedruckten  Kriegsberichten  des 
dänischen  Generalfeldmarschalls  E.  Albrecht  von  Eberstein  Niemeyer^^).  —  Einen 
Beitrag  zur  Geschichte  des  westfälischen  Friedens  gab  Rohdewald^^)  in  seiner 
Arbeit  über  die  Abtretung  des  Elsass  an  Frankreich,  die  aber  durch  die  exakten 
Untersuchungendes  Ende  März  1893  verstorbenen  Kolmarer  Archivars  Mossmann"*') 
weit  überholt  wurde.  —  Eine  innere  Folge  des  30jährigen  Krieges  waren  die  Auf- 
stände der  Bauern,  die  schütz-  und  rechtlos  jeglicher  Willkür  preisgegeben  waren. 
Die  Bauernrevolutionen  in  Böhmen  besprach  kurz  Hutter*^"*^);  von  Liebenau^*^) 
dagegen  begann  eine  umfassende,  bis  in  die  kleinsten  Details  sich  erstreckende  Unter- 
suchung des  luzernischen  Bauernkrieges  von  1653.  Ee  war  kein  Kampf  des  Volkes 
gegen  die  Aristokratie.  Die  Empörung  richtete  sich  anfangs  gegen  unkluge  Mass- 
nahmen der  Regierung  und  gegen  wirkliche  Uebelstände,  nahm  aber  bald  eine 
socialistische  und  destruktive  Gestalt  an,  so  dass  sie  den  Bestand  der  Eidgenossen- 
schaft bedrohte.  Grundlage  der  Untersuchung  sind  die  gleichzeitigen  Akten  des 
Staatsarchivs,  vor  allem  die  Briefe  der  handelnden  Personen,  die  Instruktionen  der 
Gesandten,  die  Protokolle  des  unparteiischen  Gerichts.  Man  erkennt,  dass  es  keine 
plötzliche  Empörung,  sondern  eine  sorgfältig  vorbereitete  Revolution  war.^*)  — 
Fester^^j  schilderte  zuerst  auf  Grund  umfangreicher  archivalischer  Studien,  unter 
glücklicher  Verwertung  der  bisher  noch  wenig  beachteten  Kreisakten,  die  geringe 
Bedeutung  der  Augsburger  Allianz  von  1686,  welche  die  französische  Geschichts- 
schreibung in  Einklang  mit  dem  französischen  Kriegsmanifest  von  1688  als  Gefahr  für 
Frankreich  darzustellen  liebt. ^^  54)  _  F.  von  der  Wengen^'^)erzählte  nach  bisher  un- 
benutzten Quellen  die  Uebergabe  der  Stadt  Freiburg  an  die  Franzosen.  Feldmarschall 
Freiherr  von  Harsch  hatte  die  Festung,  dem  Befehle  Prinz  Eugens  entsprechend,  aufs 
äusserste  verteidigt,  bei  den  Behörden  Freiburgs  aber  nicht  einmal  moralische  Unter- 
stützung gefunden.  —  Einen  namhaften  kaiserlichen  Feldherrn  aus  der  2.  Hälfte  des 
17.  Jh.  charakterisierte  Stieve^^),  Joh.  Grafen  von  Sporck,  der  sich  durch  kühne 
Reiterthaten  ausgezeichnet  und  ruhmvoll  gegen  Schweden,  Franzosen  und  Türken 
gekämpft  hatte.  —  Schlitter^'-sSj  schilderte  die  Grafen  Ernst  Rüdiger  und  Guido 
von  Starhemberg,  die  sich  beide  gegen  die  Türken  hervorgethan^*^).  Ueber  die  Grau- 
samkeit, mit  der  die  Kuruzzen  des  Grafen  Emerich  Tököly,  der  sich  den  Türken 
angeschlossen,  die  israelitische  Gemeinde  zu  Ungarisch-Brod  in  Mähren  verheerten, 
berichtete  nach  jüdischen  Aufzeichnungen  Kaufmann^*').  —  Ueber  den  Frieden  von 
Karlowitz  und  seine  Vorgeschichte,  die  Ereignisse  des  J.  1697,  darunter  die  Schlacht 
bei  Zenta,  welche  mit  der  materiellen  und  moralischen  Niederlage  der  Türken  endete, 
schrieb  Popovic^^)  eine  Dissertation,  ohne  im  wesentlichen  Neues  zu  geben.  — Wie 
verlockend  am  Ende  des  17.  Jh.  die  Aussicht  auf  eine  Königskrone  für  deutsche 
Fürsten  war,  zeigt  der  Plan  des  Kurfürsten  Joh.  Wilhelm  von  der  Pfalz,  die  arme- 
nische Krone  zu  gewinnen;  Heigel ^^^  behandelte  ihn  nach  den  erhaltenen  Akten 
erschöpfend.  Ein  armenischer  Handelsmann  hatte,  allem  Anschein  nach  nur  in  eigen- 
nütziger Absicht,  den  Kurfürsten  auf  diesen  Gedanken  gebracht.^3-64j  —  Eine   gute 


her.  V.  L.  Brentano  u.  E.  Leser  N.  3.)  L.,  Dnncker  &  Htimblot.  XCVn,  107  S.  M.  3,20.  —  43)  (I  4:493;  vgl.  JBL.  1892 
m  1:26)  —  44)  X  E-  ^-  A.  Seraphim,  Aus  Kurlands  herzog].  Zeit  (vgl.  JBL.  1892  DI  1:25).  |[F.  Bienemann:  BLU. 
S.  1479;  V.  d.  Brüggen:  DLZ.  S.  399;  J.  Girgensohn:  GGA.  S.  946;  B.  Seeberg:  ThLBl.  14,  S.  283.]|  —  45)  J.  Nie- 
meyer,  Urkundl.  Beitrr.    z.  Gesch.  Dithmarschens  ans  d.  J,  1658-60.  Progr.  Gymn.     Meldorf  (P.  Bundies  Nachf.).     4*.    21  S. 

—  46)  W.  Rohdewald,  D.Abtretung  d.  Elsass  an  Frankreich.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  westfäl.  Friedens.  (=  Hallesche  Abhandl. 
z.  neueren  Gesch.  XXXI.)    Halle  a.  S.,  Niemeyer.   76  S.    M.  2,00.    1[A.  Meister:  HJb.  15,  S.  19.34.]|    (Als  Hallenser  Diss.  32  S.) 

—  47)  X.  Mossmann,  La  France  en  Alsace  aprfes  la  paix  de  Westphalie:   RH.  51,  S.  26-43,    225-49;  53,  S.  29-51,    280-300. 

—  48)  Th.  Hutter,  D.  Banernrevoluticnen  in  Böhmen:  ZDKG.  3,  S.  375-86.  —  49)  O  A.  Kezek,  Dva  pfispevky  k  dSjinäm 
selskych  bouri  a  selsköho  podanstvi  v.  XVII.  stoleti.    (Zwei  Beitrr.  z  Gesch.  d.  Bauernaufstände  im  17.  Jh.):  SBGWPragl*h.  N.  2. 

—  50)  Th.  V.  Li  eben  au,  D.  luzernische  Bauernkrieg  v.  J.  1653.  I:  JbSchwG.  18,  S.  229-331.  —  51)  X  A.  Pr  ihr  am,  0.  Klopp, 
Coriespondenza  epistolare  fra  Leopolde  I.  imperatoie  ed  il  P.  Marco  d'Aviano  capuccino.  Graz  1888:  HZ.  34,  S.  137-43.  (Betont 
d.  Wichtigkeit  d.  Veröffentlichung.)  -  52)  K.  Fester,  D.  Augsburger  Allianz  v.  1686.  München,  Rieger.  Vm,  187  S.  M.  5,00. 
|(Th.  Lorentzen:  DLZ.  S.  1299-1302;  J.  W(eiss):  HJb.  15,  S.  447.||  -  53)  X  E.  Strafgericht  d.  Markgrafen  Ludwig  Wilhelm 
V.  Baden  (Tnrken-Louis):  StiassbPost.  N.  80.  (Nach  Schultes  Werk;  vgl  JBL.  1892  III  1:28.  D.  Strafgericht  erging  ober 
Feldmarschalllientenant  v.  Heddersdorf  wegen  d.  schändlichen  Uebergabe  Heidelbergs  an  d.  Franzosen  1693.)  —  54)  O  X  Aus 
Württembergs  Vergangenheit.  D.  Franzoseneinfall  1693:  BBSW.  S.  223-35.  —  55)  F.  v.  d.  Wengen,  D.  Uebergabe  d.  Stadt 
Freiburg  i.  Br.  am  3.  Novbr.  1713:  ZGORh.  8,  S.  312-72.  —  56)  F.  Stieve,  J.  Grf.  v.  Sporck:  ADB.  35,  S.  264  7.  —  57)  H. 
Seh  [litter],  E.  Rüdiger  Grf .  v.  Starhemberg :  ib.  S. 468-70.  -  58)  id..  Guido  Grf.  Starhemberg:  ib.  S.  473-82.  -  59)  X  Feldzüge 
d.  Prinzen  Eugen  v.  Savoyen.  [Gesch.  d.  Kämpfe  Oesterreichs]  her.  v.  d.  kriegsgesch.  Abt.  d.  k.  u.  k.  Kriegs-Archivs.  Reg  -Bd. 
Wien,  Gerold.  V,  1021  S.  M.  30,C0.  (1.-20.  Bd.  u.  Reg.  M.6io,00.)  —  60)  D.  Kaufmann,  D.  Verheerung  v.  Ung,irisch-Brod 
durch  d.  Kuruzzenfiberfall  vom  14.  Juli  1683:  MLWJ.  37,  S.  270-82,  319-30.  -  61)  M.  Popovic,  D.  Friede  v.  Karlowitz  (1699). 
Diss.  L.,  (O.Schmidt).  73  S.  |[HJb.  15,  S.  904.]|  -  62)  K.  Th.  Heigel,  Ueber  d.  Plan  d.  Kurfürsten  Joh.  Wilhelm  v.  d.  Pfalz, 
d.  armen.  Königskrone  zu  gewinnen  (1698-1705) :  SBAkMünchenPli.  2,  S.  273-319.  —  63)  X  T h.  K  ü  k  e  1  h  a u  s ,  D.  Ursprung  d  Planes 


III  1  :  64-86       AI.  Reifferscheid,  Allg-emeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Vorstellung  von  der  masslosen  Frechheit  und  der  gewaltthätigen  Selbsthülfe  der  Hand- 
werker im  Anfang  des  18.  Jh.  gab   Buff**^J    in  seinen    gehaltvollen  Aufsätzen    über 
den    Ausstand  der    Augsburger    Schuhknechte    1726.    —  Aus    der    brandenburgisch- 
preussischen  Geschichte  ist  zunächst  zu  nennen  das  treffüche  Lebensbild  des  Grossen 
Kurfürsten  in  populärer  Darstellung  von  Wilh.  Müller**^),  der  auch  den  Begründer 
der  russischen  Macht,  Peter  den  Gr.,  in  grossen  Zügen  gezeichnet  hate^).  —  Im  aus- 
gesprochenen Gegensatz  zu  der  verfehlten    Charakteristik    des  Kurfürsten  in  E.  von 
Wildenbruchs  „Neuem  Herrn"    gab  Prutz^**)    eine    historisch-psychologische  Studie 
über  die  Anfänge  des  Begründers  der  preussischen  Machtstellung,   in  der  er  zeigte, 
dass  gerade  die  harte  Schule,  durch  die  Friedrich  Wilhelm  als  Knabe  und  Jüngling 
gegangen,    und    die    furchtbare    Krisis,    die    er    gleich  im    Anfang  seiner  Regierung 
durchzumachen  hatte,  ihm  die  Härte  und  die  Biegsamkeit  des  Stahls  verliehen,  die 
er    beide     zur     Lösung     seiner    grossartigen    Aufgaben     nötig     hatte.      Hirschs^") 
Ausgabe    der   Aktenstücke    (JBL.    1892  HI  1  :  3ü)    wurde    anerkennend  besprochen, 
ebenso  die  Arbeiten  von  Schrötters ''*)  (JBL.  1892  IIl  1:33)  und    Streckers -i)  (JBL. 
1892  III  1:36),    sowie    die    Lebensbilder    von    Natzmers''23  (JBL.  1892  III  1:43).  — 
Poten'3)  charakterisierte  den  Feldmarschall  des  Grossen  Kurfürsten,  0.  Frhrn.  von 
Sparr,  Hirsch '*)  den  Oberpräsidenten  0.  von  Schwerin,    den  vertrautesten  Freund 
und  Ratgeber  Friedrich  Wilhelms.  —  Daneben  begann  Hirsch"^)  eine  grössere  Ab- 
handlung  über    die   Lebensverhältnissse    und   das    staatsmännische    Wirken  0.  von 
Schwerins.''^"''''"')  —  Neue,  ziemlich  zuverlässige  Nachrichten  eines  Zeitgenossen  über 
den  Regierungsantritt  Friedrich  Wilhelms  I.,  über  die  Zeit  vom  Tode  bis    zur  feier- 
lichen Beisetzung  Friedrichs  I.  (1.  März  bis  2.  Mai  1713)  veröffentlichte  Krauske'^), 
fälschlich  als  Bruchstück    einer  geschriebenen  Zeitung.     In  Wirklichkeit  sind  es  die 
vertraulichen  Berichte  eines  Agenten,  der  seinem  Auftraggeber,  einem  Höhergestellten 
in  der  Provinz,  auf  das  schleunigste  die  ersten  Massnahmen    des    neuen   Herrschers 
meldet.     Daher  heist  es  (S.  118):  „Seit  meinen  letztern  gehorsambsten    fällt    diesmal 
zu  berichten."     Er  macht  seine  Meldungen,  trotz  des  „sehr    harten"  Verbotes,  etwas 
aus  Berlin  zu  schreiben,  und  bittet  deshalb  „alles  wol  zu  menagiren".     Seine  Nach- 
richten stammten  aus  gut  unterrichteten  Kreisen,    wurden    von  ihm    aber  in  solcher 
Hast   weitergegeben,    dass  er    oft  unhaltbare  Gerüchte  als  Thatsachen  gemeldet  hat, 
wie  aus  K.s  Anmerkungen  zu  entnehmen  ist.  —  Eine  Verteidigung  König  Friedrich 
Wilhelms  I.  unternahm  Kraus  ke'*').  —  Sodann  erhalten  wir  einen  erwünschten  Ein- 
blick in  das  Seelenleben  dieses  Königs  durch  seine  Briefe  an  den  Domprediger  Herm. 
Reinh.  Pauli  in  Halle   aus  den  J.  1727—408").  —  Die  Mitteilungen  Re  mers«i)  über 
J.  P.  Gundling,  den  gelehrten  Hofnarren  am  Hofe  Friedrich  Wilhelms  L,  lehren,  wie 
sehr  dem   praktisch  gesinnten  Könige  alle  Gelehrsamkeit  verhasst  war.  —   Mannig- 
fache Belehrung  gewähren  die  hs.    erhaltenen  Nachrichten    über    die    Huldigung  in 
der  Landgrafschaft  Thurgau  seit  dem  J.  1712*»2j.  __  E.  de  Muralt*^)  veröffentlichte 
zeitgenössische  Berichte  über  den  Kampf  der  fünf  katholischen  Kantone  gegen  Zürich 
und  Bern,  der  sich  zu  einem  regelrechten  Religionskrieg  entwickelte.  — 

Ueber  die  kirchlichen  und  religiösen  Zustände  in  diesem  Zeitraum 
liegen  neben  kleineren  Arbeiten  einige  grössere  Abhandlungen  vor.  Wintera^*) 
behandelte  die  für  die  Vorsgeschichte  des  30  jährigen  Krieges  so  wichtige  Streitfrage 
des  Baues  und  der  Schliessung  der  protestantischen  Kirche  in  Braunau  nach  Akten 
des  Braunauer  Stadtarchivs*^).  —  Die  Notizen  B  e  c  k  e  r  s**^)  über  das  Amtsleben  zweier 
Zerbster  Landpastoren  schildern  nach  zeitgenössischen  Berichten  die  Bemühungen 
des  Fürsten  Johann  von  Anhalt,  der  1642  zur  Regierung  gelangt  war,  in  seinem 
Gebiete    den    Kalvinismus    durch    ein   strenges  Luthertum  zu  ersetzen.  —  Aus  dem 


yom  ewigen  Frieden  in  d.  Memoiren  d.  Herzogs  v.  Sally.  B.,  Speyer  &  Peters  VIII,  181  S.  M.  3,50.  l[HJb.  14,  S.  190;  JSav.  S.  771.]| 
(D.  Hälfte  d  Arbeit  erschien  1892  [als  Berliner  Diss.  58  S.].)  -  64)  X  G-  Heide,  Ueber  d.  angebliche  Bewerbung 
Ludwigs  XIV.  um  d.  dtsch.  Krone:  UPBll.  112.  S.  865-78.  —  65)  A.  Buff,  D.  Aufstund  d  Augsburger  Schuhlcnechte  im  J.  1726: 
AZgB.  N.  198-200.  -  66)  Wilh.  Müller,  D.  Grosse  Kurfürst.  Peter  d.  Gr.  (=  Bilder  ans  d.  neueren  Gesch.  [St.,  Bonz.  III,  350  S. 
M.  4,00J,  S.  1-60.)  —  67)  O  X  L.  Frey  tag,  G.  Hiltl,  d.  grosse  Kurfürst  u.  seine  Zeit.  3.  Aufl.  1892.  Bielefeld,  Velhugen  &  Klasing. 
VIII,  447  S.  M.  8,U0:  CÜIRW.  21,  S  367.  —  68)  H.  Prutz,  D.  .Tugend  u.  d.  Anfänge  d.  Grossen  Kurfürsten.  E.  hist.-psycholog. 
Studie:  AZg".  N.  38,9.  -  69)  LCBl.  S.  277,8;  EH.  53,  S.  389.  —  70)  KonsMschr.  S.  361;  K.  Br[ey  ls[i]  g:  LCBl.  S.  1006/7.  - 
71)  Ed.  Hey  ck:  HZ.  34,  S.  5234.  —  72)  W.  Arndt:  BLU.  S.  8203;  ÖLBl.  2,  S.  618;  KonsMschr.  S.  1032;  R.  Kos  er: 
FBPG.  6,  S  6201;  ThLBl.  14,  S.  148.  —  73)  B  Poten,  0:  Chrph.  Frhr.  v.  Sparr:  ADB.  35,  S.  64,7.  —  74)  F.  Hirsch, 
0.  V.  Schwerin:  ib.  S.  754-66.  —  75)  id.,  Otto  v.  Schwerin.  I.:  HZ.  35,  S,  193-259  —  76i  X  *^-  Fitte,  D.  preuss.  Königs- 
Icrone:  VossZg".  N.  34.  —  77)  X  N.  Thoemes,  Aus  d.  Jesnitenbriefen  d  preuss.  Krönnngsakten,  oder  wie  d.  Jesuiten  d.  Hause 
HohenzoUern  z.  Königswürde  mit  verhelfen  haben.  E.  Geschichtserzählung  für  d.  dtsch.  Volk.  B.,  Kommanditges.  Mark.  Volkszg. 
62  S.  M.  0,30.  ||0.  Klopp:  ÖLBl.  9,  S.  650,1.]|  —  77a)  X  »d.,  D.  Anteil  d.  Jesuiten  an  d.  preuss,  Königskrone  (vgl.  JBL. 
1892  III  1:38):  Polybibl"'.  67,  H.  270  1.  —  78)  0.  Krauske,  Aus  e.  geschriebenen  Berliner  Zeitung:  SVGBerlin.  30,  S.  97-129. 
—  79)  id.,  Vom  Vater  Friedrichs  d.  Gr.:  Didask.  N.  125.  (Ref.  über  e.  Vortr.)  —  80)  14  ungedr.  Briefe  König  Friedrich  Wil- 
helms I.  V.  Preussen  an  e.  Hallischen  Geistlichen  aus  d.  J.  1727-40:  VossZg.  N.  544.  —  81)  P.  Rem  er,  J.  P.  Gundling: 
VossZg".  N.  36,7.  —  82)  D.  Huldigung  in  d.  Lundgrafscbaft  Thurgau  seit  d.  J.  1712:  ThurgauischeBVtG.  33,  S.  19-33.  —  83) 
E.  de  Muralt,  Papiers  de  1712:  AnzSchwG.  24,  S.  511;9.  -  84)  L.  Wintera,  Gesch.  d.  Protestant.  Bewegung  in  Braunan: 
MVGDB.  31,  S.  13-42,  103-28,  237-62.  —  85)  O  X  X  K.  Reisse  nberger,  Z.  Geschichte  d.  relig.  Bewegung  in  Ober- 
österreich: JGGPÖ.  14,  S.  45-56.  —  86)Heinr.  Becker,  Ueber  d.  Amtsleben  zweier  Zerbster  Landpastoren  d.  17.  Jh.:  MYAnhaltG. 


AI.  Reifferscheid,  Allg-emeines  des  17./18.  Jahrhunderts.     III  1 :  87-101 

Kreis  seiner  sorg-samen  und  eingehenden  Forschungen  über  die  Kirchenpolitik  des 
Grossen  Kurfürsten  veröffentlichte  Landwehr^'')  eine  weitere  Vorstudie,  eine  Ab- 
handlung- über  den  Hofprediger  B.  Stosch,  der  seit  dem  Beginn  der  60er  Jahre  den 
grössten  Einfluss  auf  die  EntSchliessungen  Friedrich  Wilhelms  hatte.  Er  war  Haupt- 
vorkämpfer der  Reformierten  gegen  die  Lutheraner  und  wurde  bei  seinen  Bestrebungen 
unterstützt  durch  0.  von  Schwerin  und  die  Kurfürstin  Luise  Henriette,  die  als 
Kalvinistin  ihn  allein  von  den  Hofpredigern  zu  sich  heranzog.  Durch  seine  Be- 
stallung von  22.  Febr.  1644  war  er  in  der  freiesten  Weise  verpflichtet,  „in  Lehren  und 
Gottesdienst  allein  an  das  Wort  Gottes,  welches  in  den  Schriften  der  Propheten  und 
Aposteln  verfasst",  also  an  keine  Bekenntnisschrift,  nicht  einmal  an  das  Apostolikum  ge- 
bunden. Erst  nach  der  zweiten  Vermählung  des  Kurfürsten  trat  sein  Einfluss  in 
den  Hintergrund^*"^^).  —  Grünberg^'')  legte  den  Anfang  seiner  wissenschaftlichen 
Untersuchungen  über  das  lieben  und  Wirken  Ph.  J.  Speners  vor.  In  der  richtigen 
Erkenntnis,  dass  man  Speners  Streben,  welches  sich  als  eine  Reaktion  gegen  die 
bestehenden  kirchlichen  Zustände  darstellt,  nur  auf  Grund  einer  genauen  Bekannt- 
schaft mit  den  allgemeinen  Zuständen  und  der  herrschenden  Richtung  der  lutherischen 
Kirche  um  die  Mitte  des  17.  Jh.  würdigen  könne,  schilderte  er  zunächst  die  Zeit 
Speners.  —  Eine  aktenmässige  Darstellung  der  Beziehung-en  Zinzendorfs  zu  Er- 
weckten, Separierten  und  zu  der  lutherischen  Geistlichkeit  in  Frankfurt  a.  AI.  ver- 
öffentlichte Dechent*").  Von  denen,  die  sich  dort  um  Zinzendoi'f  geschart  hatten, 
blieben  ihm  auf  die  Dauer  nur  wenige  treu.  Seine  Methode,  die  betrübten  Seelen 
unmittelbar  zu  Christus  zu  weisen,  galt  mit  Recht  vielen  als  ungenügend.  —  Als 
praktische  Pietisten  ohne  jeden  Anflug  von  schwärmerischem  oder  sektiererischem 
W'esen  feierte  J  a  c  o  b  s^^"''^)  die  Gräfin  Sophie  Eleonore  zu  Stolberg-Stolberg  und 
Christian  Ernst,  den  regierenden  Grafen  zu  Stolberg- W'ernigerode.  —  Von  den 
Schriften  über  die  Aufnahme  vertriebener  Protestanten  in  Norddeutschland  ist  mit 
Anerkennung  zu  nennen  die  gründliche  Arbeit  Pipers-'^)  über  die  Aufnahme  der 
Reformierten  und  Mennoniten  in  Altona.  Man  erkennt  daraus  die  hohe  Bedeutung 
der  niederländischen  Einwanderer  für  Gesittung  und  Erwerbsleben.  P.  verarbeitet 
den  reichen  Stoff  in  5  Kapiteln:  1.  die  Aufnahme  der  Reformierten,  2.  die  andere 
Ausstattung  und  die  Weiterentwicklung  der  Kirche,  3.  die  Geistlichen,  die  Kirchen- 
ordnung und  die  Lehre,  4.  die  Geldverhältnisse  der  Gemeinde,  5.  die  Gemeinde,  6.  die 
Mennoniten. ^^"''^j  —  Ueber  die  Ausbreitung  und  die  Thätigkeit  des  Jesuitenordens 
handelten  (s.  0.  N.  21)  von  Krone  s"^)  und  E  h  r  e  n  b  e  r  g'-*^).  —  Für  die  Ge- 
schichte des  Kapuzinerordens  enthalten  mancherlei  die  Mitteilungen  Eschbachs'*'') 
aus  der  lateinischen  Chronik  des  Kapuzinerklosters  zu  Kaiserswerth.  —  Hierher  ge- 
hört auch  die  Veröffentlichung  der  Testamente  von  2  Wiener  Bürgermeistern  aus  dem 
17.  Jh.'^**^).  Beiden  liegt  sehr  viel  daran,  dass  sie  in  gutem  Andenken  bleiben,  sie 
tragen  Sorge  für  ihre  Hinterbliebenen,  vergessen  auch  die  Armen  und  das  Gemein- 
interesse nicht.  Beide  lassen  unzählige  Messen  für  ihre  Seelenruhe  lesen  und  zeig-en 
so  ihre  fromme  und  kirchliche  Gesinnung.  Um  so  wichtiger  ist  die  ausdrückliche 
Anordnung  des  einen,  dass  das  Geld  für  die  Messen  nicht  Ordensleuten,  sondern  den 
armen  Weltgeistlichen  geg'eben  werden  solle..  — 

Für  die  Geschichte  des  geistigen  Lebens  dieser  Zeit  ist  mancher 
schöne  Beitrag  geliefert  worden.  Wertvoll  war  Varrentrapps  i^')  Veröffentlichung 
von  27  Briefen  des  berühmten  Publizisten  S.  Pufendorf  aus  den  J.  1668 — 93.  Pufen- 
dorf  bekennt  offen,  dass  man  dessen  Lied  singt,  dessen  Brot  man  isset,  deshalb  soll 
einem  Publizisten  nicht  beigemessen  werden,  wenn  er  seines  Herrn  „sentimente  mit  der 
Feder  exprimiret"  (S.  27).  Er  ist  sich  bewusst,  dass  er  sich  durch  seine  Schwedische 
Geschichte  viele  Feinde  gemacht,  allein  ein  Geschichtsschreiber  könne  „sowenig  von 
allen  leuten  gloriose  schreiben,  als  aller  menschen  actiones  mit  den  regeln  der  klug-- 
heit  und  fugend"  übereinstimmten  (S.  28).  Er  spottet  über  die  lächerliche  Behut- 
samkeit  mancher    Höfe,    „solche    dinge  zu  secretiren,    die  in  den  äugen  der  ganzen 

VI.  3.  |[HZ.  35.  S.  572.  I  —  87)  H.  Landwehr,  ßartholom.  Stosch,  knrbrandenb.  Hofprediger  (1604-86):  FBPG.  6,  S.  91-140. 
|[A.  M(eister):  HJb.  14,  S.  910  1;  HZ.  35,  S.  571.]|  (Erschien  auch  als  Sonderabdr.  L.,  Dnnclcer  &  Hnmblot.     50  S.     M.  1,40.) 

—  88)X  W.  Bey  schlag,  D.  Gr.  Kurfürst  als  evang.  Charalcter.  Halle  a.  S.,  Strien.  62  S.  M.  0,80.  |[C.  Spannagel: 
FBPG.  6,  S.  622  3;  HZ.  35,  S.  379-80;  ThLBl.  14,  S.  186.]i  (Kaiser-Geburtstagsrede;  auch  DEBll.  18,  S.  141-72.)  —  89)  X  E. 
Lepp,  Preussen  u.  d.  Protestantismus:  DPBl.  26,  S.  10,3,  18-21,  268,  34  7.  —  90)  P-  Grünberg,  Ph.  J.  Spener.  Sein  Leben 
u.  Wirken.  1.  Bd.:  D.  Zeit  Speners;  d.  Leben  Speners;  d.  Theol.  Speners.  Göttingen,  Vandenhoeclc  &  Ruprecht.  VIII,  531  S. 
M.  10,00.  (Vgl.  III  5:22;  als  Strassb.  Dias.  1892.  VII,  124  S.)  —  91)  H.  Dechent,  D.  Beziehungen  d.  Grafen  v.  Zinzendorf 
zu  d.  Evangelischen  in  Frankfurt  a.  M.:  ZKG.  14,  S.  19-68.  (Vgl.  III  5:33.)  —  92)  Ed.  Jacobs,  Sophie  Eleonore  Gräfin  zu 
Stolberg-Stolberg:  ADB.  36,  S.  3723.  -  93)  id.,  Ch.  Ernst  Graf  zu  Stolberg- Wernigerode:  ib.  S.  3816.  —  94)  P.  Piper,  D. 
Reformierten  n.  d.  Mennoniten  Altonas.  (=  Altona  unter  Schauenburgischer  Herrschaft  VI.)  Altona,  Härder.  97  S.  M.  2,00.  — 
95)  O  X  H.  Dalton,  König  Friedrich  I.  als  Fürsprecher  d.  Hugenotten  am  Zarenhofe:  Bär  19,  S.4789.  — 96)XD.  Salzbnrger 
Auswanderung  V.  1731  u.  32:  PomraerscheBllSch.  17,  S.  98-100.  (D.  KathLehrerZg.  entnommen.)  —  97)  F.  y.  Krone.s,  Z.  Gesch. 
d.  Jesuitenordens  in  Ungarn  seit  d.  Linzer  Frieden  bis  z.  Ergebnisse  d.  ung.  Magnatenverschwörnng  1645-71:  AÜG.  79,  S.  277-354. 

—  98)  R.  Ehrenberg,  D.  Jesuiten  Mission  in  Altona.  (=  Altona  unter  Schauenburgischer  Herrschaft  VII.)  Altona,  Härder. 
61  S.  M.  2,00.  —  99)  P.  Eschbach,  Aus  e.  Chronik  d.  Kapuzinerklosters  zu  Kaiserswerth:  BGNiederrh.  7,  S.  137-200.  — 
100)  W.  E.,  Testamente  t.  Wiener  Bürgermeistern  aus  d.  17.  Jh.:  WienerKommKal.  21,  S.  407-18.  —  101)  K.  Varrentrapp, 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     IV.  (3)^ 


HI  1:102-115    AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

weit  passiret",  da  doch  „die  höchste  belohnung-  derjenigen,  die  solche  verrichtet", 
sei,  „dass  sie  nicht  in  die  Vergessenheit  verscharret"  würden  (S.  47).  Er  ist  für  den 
vernünftigen  Gottesdienst  der  Christen,  gegen  die  Atheisterei  ebenso  wie  gegen  das 
unnütze  Gezanke  der  Protestierenden,  hat  ebenso  viel  Sorge  pro  vera  pietate  gehabt 
wie  die  Schwarzmäntel  (S.  33).  Er  erklärt  sich  entschieden  gegen  die  Theologen, 
„homines  servituti  parati,  die  den  fürsten  zu  grosse  rechte  einräumen"  (S.  196).  Es 
fehlt  nicht  an  sarkastischen  Bemerkungen  über  die  Jesuiten  (S.  195,  200),  über 
Bossuet  (S.  195).  Er  will  nicht  entscheiden,  ob  Thomasius  auch  ein  Synkretist  sei, 
„weil  ich  noch  definitionem  syncretistae  nicht  weiss.  Denn  auch  bei  etlichen  die- 
jenigen darunter  gerechnet  werden,  die  käse  und  butter  zusammen  essen"  (S.  204). 
Er  begreift  die  Zänkereien  und  Intriguen  der  Gelehrten  nicht,  denn  „der  weg  durch 
erudition  zu  inclaresciren  ist  so  breit,  dass  viel  hundert  neben  einander  nach  dem 
zweck  laufen  können,  ohne  dass  sie  nötig  haben  einander  ein  bein  zu  stellen,  oder 
einem  gegen  den  leib  zu  rennen"  (S.  40).  Er  zeigt  sich  als  Kind  seiner  Zeit,  wenn 
er  die  kritische  Thätigkeit  des  Thomasius  missbilligt  und  wie  ein  echter  Philister 
schreibt  (S.  204):  „Zwar  ist  dergleichen  censur  publice  utilissima  und  denjenigen 
sehr  anmuthig  zu  lesen,  die  selbst  nicht  perstringirt  werden.  Allein  es  gebährt  einen 
unaussprechlichen  hass,  den  ich  nicht  weis,  ob  ein  weiser  mann  für  lange  zeit  auf 
sich  zu  lenken  ursach  hat.  Man  kriegt  wol  feinde  genug,  wenn  man  sich  gleich 
befleisst,  keinem  menschen  etwas  zu  leide  zu  thun  und  in  seiner  Unschuld  einher- 
wandelt."  —  Aus  dem  ungeheueren  Briefschatze,  den  Chrn.  Daum  nachgelassen,  teilte 
Beck^ö2j  Interessantes  über  die  Verhältnisse  der  Lehrer  und  der  Studierenden  an 
der  Leipziger  Universität  mit.  —  Eine  reichhaltige  Quelle  sind  die  Stammbücher  der 
bürgerlichen  Studierenden  und  der  vornehmen  Herren,  doch  müssen  sie  sorgfältig 
gesichtet  und  kritisch  behandelt  werden.  Musterhaft  ist  die  Ausgabe  von  Lütg-en- 
dorffs"*'^),  dankenswert  der  Artikel  von  Bobe^***),  aber  völlig  kritiklos  die  Sammlung 
der  Brüder  Keil"*^).  Beachtenswert  ist  die  Beobachtung,  dass  die-  Eintragungen 
der  Universitätslehrer,  die  übrigens  selten  eigenartig  waren,  im  18.  Jh.  merklich  ab- 
nahmen. —  Der  Pfälzer  J.  J.  Callenfels,  über  dessen  Album  Janssen^t^^j  ]^ej.jß|^^gjg^ 
scheint  sein  Buch  fast  ausschliesslich  reformierten  Glaubensgenossen  vorgelegt  zu 
haben.io")  —  Geigers  Werk  (vgl.  JBL.  1892  I  4:586;  III  1:59)  über  das  geistige 
Leben  Berlins  wurde  von  Verschiedenen  i^^)  mit  grosser  Anerkennung^  besprochen.  — 
Ein  Bild  aus  dem  geistigen  Leben  Strassburgs  entwarf  mit  geschickter  Hand  Bünger  ^^ö) 
in  seiner  musterhaften  Biographie  des  vielseitigen  Professors  Bernegger,  für  die  Reiffer- 
scheids  „Quellen"  (I)  beinahe  alles  Material  boten.  -—  Seine  geistreichen  Unter- 
suchungen über  das  natürliche  System  der  Geisteswissenschaften  im  17.  Jh.  setzte 
Diltheyiio)  (vgl.  JBL.  1892  III  1:60)  fort.  Er  behandelte  die  Entwicklung  des 
historisch-kritischen  Denkens  und  die  Auflösung  des  Kirchenglaubens  vom  Mittelpunkt- 
der  Bibel  und  des  Dogmas  aus,  darauf  den  Einfluss  der  römischen  Stoa  auf  die  Ausbildung 
des  natürlichen  Systems  und  wandte  sich  zuletzt  zu  Melanchthon,  dem  man  in  Deutsch- 
land die  erste  Ausbildung  dieses  Systems  verdankt.'*')  —  Einen  der  bedeutendsten 
Geister  seiner  Zeit,  der  als  Gelehrter  und  Staatsmann  eine  vielseitige,  aber  stille,  fried- 
liche Wirksamkeit  entfaltete,  Ezechiel  Spanheim,  schilderte  von  P  etersdorff"^).  — 
Den  Erzeugnissen  der  Publizistik  wendet  man  immer  lebhaftere  Teilnahme  zu.  Frick"^) 
lieferte  einen  Beitrag  zur  Geschichte  der  historisch-politischen  Litteratur  in  der  ersten 
Hälfte  des  17.  Jh.  Er  beschäftigte  sich  mit  den  sogenannten  Elzevirschen  Republiken, 
der  bekannten  Sammlung  von  Staatenbeschreibungen,  die  in  lateinischer  Sprache  ab- 
gefasst  dem  Studium  der  Politik  dienen  sollten,  und  alles  enthielten,  was  man  in  damaliger 
Zeit  wissen  musste,  um  am  politischen  Leben  thätigen  Anteil  nehmen  zu  können.  —  Die 
Autorschaft  an  einer  bedeutenden  Flugschrift,  die  grosses  Aufsehen  erregte,  an  den 
Vindiciae  contra  tyrannos,  schrieb  Waddington  "*j  dem  Du  Plessis  Mornay  zu,  auf 
Grund  einer  Stelle  in  den  Memoiren  Conrarts  und  des  Zeugnisses  der  eigenen  Gattin. 
—  Der  tüchtige  Beitrag  Gebauers  (vgl.  JBL.  1892  III  1 :  62)  zu  einer  kritischen 
Geschichte  der  deutschen  Publizistik  wurde  lobend  angezeigt"^).  —  Auf  die  Gothein- 


Briefe  v.  Pufendorf:  HZ.  34,  S.  1-51,  193-232.  —  102)  R.  Beck,  M.  Chrn.  Daums  Beziehungen  z.  Leipziger  gelehrten  Welt 
■während  d.  60er  Jahre  d.  17.  Jh.  Progr.  Gymn.  Zwickau  (R.  Zückler).  4».  16  S.  —  103)  L.  Frhr.  v.  Lütgendorff,  D. 
Stammbuch  Davids  V.  Mandelsloh.  E.  Beitr.  z.  Adelsgesch.  d.  17.  Jh.  Hamburg,  Verlagsanstalt.  XXXUl,  164  S.  Mit  Facs.  u.  4  Taf. 
M.  12,00.  |[F.  W.:  DHerold.  S.  100/2.]|  —  104}  L.  Bobe,  D.  Temlersche  Samml.  adel.  n.  bnrgerl.  StammbScher  aus  d.  17.  n. 
18.Jh.  in  d.Kgl.Bibl.  zu  Kopenhagen:  DHerold.  S.  5  6  (s.  u.  IV  la  :  24). —105)  (1  4:141;  5  :  309.)  —  106)  H.  Q.  Janssen,  D.  beiden 
Stammbücher  d.  J.  J.  Callenfels:  VHSQ.  21,  S.  30.3-28.  -  107)  X  F-  v.  W  eech.  Ans  e.  Stammbuch  d.  17.  Jb.:  ZGORh.  8, 
S.  711,4.  -108)  W.  Arndt:  BLU.  S.  663/6;  A.  Chuquet:  RCr.  35,  S.  226,8;  M.  Fr.:  LZg".  N.  15;  C.  Spannagel:  FBPQ.  6, 
S.  319-21;  Spectator:  ML.  S.  69-71;  DRs.  75,  S.  157:  Geg.  43,  S.  223;  LCBl.  S.  9425.  —  109)  C.  Bünger,  Matth.  Ber- 
negger, e.  Bild  aus  d.  geistigen  Leben  Strassburgs  z.  Zeit  d.  30  j.  Krieges.  Mit  e.  Bildn.  Strassburg  i.  E.,  Trübner.  IX,  401  S. 
M.  12,00.  |[RCr.  36,  S.  159-60;  W.  W.:  ZGORh.  8,  8.  724;  LCBl.  S.  1607/8;  StrassbPost.  N.  2:W.J|  —  HO)  W.  Dilthey,  D. 
natürliche  System  d.  Geisteswissenschaften  im  17.  Jh.:  AQPhilos.  6,  S.  60-127,  225-56,  347-79,  509-45  -  111)  X  A-  Socin,  R. 
Hodermann,  Universität svorlesungen  (vgl.  JBL.  1892  111  1:61):  LBlGRPh.  S.  8.  —  112)  H.  v.  Petersdorff,  Ez.  Spanheim: 
ADB.  35,  S.  50,9.  —  113)  G.  Frick,  D.  Elzevirschen  Republiken.  Diss.  Halle  a.  S.,  (E.  Karras).  32  S.  \[ÜZ.  35,  S.  570.]|  — 
114)  A.  Waddington,   L'auteur    des  Vindiciae    contra   tyrannos:    RH.  51,  S.  65/9.    —    115)  A.  F.   Pribrara:    DLZ.  S.  814,6; 


AI.  Reifferscheid,  AUg'emeines  des  17./18.  Jahrhunderts.     III  I:ii6-i2d 

sehe  "^)  Ausg-abe  der  Flugschrift  Pflaumers  „Colloquium  von  ethchen  Reichstag-s- 
punkten"  sei  hier  nochmals  hingewiesen,  desgleichen  auf  die  getreuen  Facsimiles 
interessanter  Flugblätter  in  den  Werken^'")  Droysens,  Winters  und  Erdmannsdörffers. 
—  Von  Droysen  angeregt  untersuchte  Güerler^'^j  (\[q  publizistischen  Schriften  über 
die  Kaiserwahl  des  J.  1658.  Er  unterscheidet  zwei  Gruppen:  private  Flugschriften, 
die  auf  die  leitenden  Kreise  wirken  wollen,  und  Denkschriften  der  offiziellen  Kreise, 
die  meistens  erst  später  gedruckt  wurden.  Richtiger  hätte  er  offiziöse  und  offizielle 
Schriften  unterschieden,  die  beide  einander  in  die  Hand  arbeiteten.  So  nimmt  die 
offizielle  Denkschrift  des  französischen  Gesandten  von  Grammont  ganze  Gedanken- 
reihen aus  den  Fhigschriften  Frischmanns,  des  französischen  Residenten  zu  Strassburg, 
auf.  Dasselbe  thut  das  offizielle  Schreiben  des  Mainzer  Kurfürsten.  Es  bezeichnet 
die  Unklarheit  der  Situation,  dass  der  offiziöse  schwedische  Publizist,  D.  Mevius, 
mit  Frischmann  in  litterarische  Fehde  geriet.  Der  in  österreichischem  Sinne  schreibende 
von  Streithagen  hatte,  wie  es  zur  Zeit  scheint,  keine  Fühlung  mit  den  offiziellen 
Kreisen.  —  Die  Geschichte  des  Zeitungswesens  erfuhr  keinerlei  Bereicherung  durch 
Krauskes^'^)  angebliches  Bruchstück  aus  einer  geschriebenen  Berliner  Zeitung.  — 
Einen  wirklichen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Berliner  Zeitungswesens  gab  Geiger '^oj 
durch  seine  Studie  über  den  Berlinischen  Relations-Postillon  1711.  Obgleich  die  Zeitung 
länger  als  100  J.  dreimal  wöchentlich,  an  den  drei  Posttagen  Dienstag,  Donnerstag 
und  Sonnabend,  erschien,  hat  sich  vom  Jahrgang  1709  nur  eine,  vom  Jahrgang  1711 
80  Nummern  erhalten.  Jede  Nummer  enthielt  8  Seiten  in  klein  Oktavformat.  Die  Zeitung 
referierte  kurz  ohne  persönliche  Anteilnahme,  wohl  nach  fremden  Blättern,  über  die 
Zeitereignisse,  und  tischte  ihren  Lesern  recht  viel  „Vermischtes"  auf,  ohne  auf  Ber- 
liner Verhältnisse,  abgesehen  von  offiziösen  Mitteilungen,  Rücksicht  zu  nehmen.^^i) 
Ueber  den  Anteil  deutscher  Fürsten  an  den  Kunstbestrebungen  ihrer  Zeit  handeln 
zwei  Arbeiten.  F.  von  Reber  '-2)  zeigte  in  einer  Festrede,  wie  Kurfürst  Maximilian  I. 
von  Bayern  die  von  einem  seiner  Vorgänger  auf  der  Basis  eines  naiven,  rein  gegen- 
ständlichen Interesses  g-egründete  Gemäldesammlung  zu  einer  von  künstlerischen 
Gesichtspunkten  ausgehenden  Galerie  erhob.  Das  um  1628  entstandene  fachgemässe 
Inventar  der  Galerie  Hess  R.  im  Anhange  abdrucken.  —  In  einer  Reihe  wertvoller 
Aufsätze,  die  sich  vornehmlich  mit  dem  Zusammenhang  der  Kunst  in  Holland  und 
Brandenburg  beschäftigen,  schilderte  Galland  ^^sj  ^[q  Beziehungen  des  Grossen 
Kurfürsten  zu  den  Künsten,  seine  Bemühungen,  sie  in  seinem  Lande  durch  hollän- 
dische Meisler  einzubürgern  und  deckte  dabei  auf  Grund  sorgfältiger  archivalischer 
Forschung  die  ausserordentlichen  Verdienste  des  Fürsten  Johann  Moritz  von  Nassau, 
des  Statthalters  von  Kleve,  um  die  Hebung  der  brandenburg-preussischen  Kultur 
aufi24)  (vgl.  I  11 :  256). -- Friedrich  Wilhelms  I.  Verhalten  zu  Öhristian  Wolff  suchte 
von   Winter  feld '25)  in  ein  besseres  Licht  zu  rücken.  — 

Ueber  das  Hofleben  dieser  Zeit  liegen  nur  wenige  Schriften  vor.  Reich- 
haltige Belehrung  über  die  Grundsätze  der  Prinzen erziehung  im  17.  Jh.  gewähren  die 
von  F.  von  Weech'^e^  veröffentlichten  Bestallungen  und  ausführlichen  pädago- 
gischen Instruktionen,  des  Kurfürsten  Karl  Ludwig  von  der  Pfalz  für  die  Erzieher 
des  6jährigen  Kurprinzen  und  für  die  Hofmeisterin  und  den  Hofmeister  der  11  jährigen 
Elisabeth  Charlotte,  der  späteren  Herzogin  von  Orleans.  Das  beste  Zeugnis  für  die 
hohe  Denkart  des  Kurfürsten  ist  es,  dass  er  die  Haupterziehung  des  Thronerben  dem 
besten  Manne,  den  er  kannte,  dem  Staatsmanne  und  Gelehrten  Ezechiel  Spanheim 
anvertraute.  —  Eine  ansprechende  Charakteristik  der  Kurfürstin  Sophie  von  Hannover, 
einer  Tochter  des  böhmischen  Winterkönigs,  gab  Fester'-"),  er  bemüht  sich  nur 
zu  sehr,  sie  als  über  jeden  Tadel  erhaben  darzustellen.  —  Die  einzige  Tochter  der 
Liselotte,  die  letzte  Herzogin  von  Lothringen,  die  Stammmutter  der  heute  noch  in 
Oesterreich-Ungarn  regierenden  Herrscher familie,  schilderte  Fitte^^sj  _  q[q  prunk- 
volle Hofhaltung  Herzog  Friedrich  Casimirs  von  Kurland  wurde,  kurz  bevor  die 
Schweden  das  Land  besetzten,  mit  sichtlichem  Behagen  von  seinem  Kammerdiener 
J.  C.  Brandt  beschrieben,  dessen  Bericht  über  „Solenitäten  so  bei  der  Vermälung 
seines  gnädigsten  Fürsten  und  Herrn  Herzogs  Friedr.  Casimir  und  anderen  Gelegen- 
heiten beobachtet  worden"  nach  zwei  späteren  Abschriften  Diederichs '^Sj  heraus- 

LCBl.  S.  639-40.  —  116)  (S.  o.  N.  42.)  -  117)  (S.  o.  N.  6/7,  112.)  —  118)  C.  Goerler,  Ueber  d.  Publizistik  z.  Kaiserwahl  d. 
J.  1658.  Diss.  Halle  a.  S.,  (Beyer  &  Konnger).  31  8.  -  119)  (S.  o.  N.  78.)  -  120)  L.  Geiger,  Berl.  Studien.  I.  Berlinischer 
Relations-Postillon  1711:  VossZg«.  N.  49.  -  121)  X  A.  Kebelliau,  Bossuet  (vgl.  .7BL.  1892  UI  1:68.)  |[A.  Bauer:  GGA. 
S.  482-92;  K.  Benrath:  DLZ.  S.  962,4.]|  — 122)  F.  v.  Reber,  Kurfürst  Maximilian  I.  v.  Bayern  als  Gemäldesammler.  Festrede. 
München,  Franz.  1892.  4».  45  S.  M.  1,30.  —  123)  G.  Galland  D.  Grosse  Kurfürst  n.  Moritz  r.  Nassau  d.  Brasilianer. 
Studien  z.  Brandenburg,  u.  Holland.  Kunstgesch.  Frankfurt  a.  M.,  H.  Keller.  II  236  S.  M.  4,00.  |[K.  Töche-Mittle  r : 
FBPG.  6,  8.3178;  MVGBerlin.  10,  8.  12;  HJb.  14,  8.463;  ZChrK.  6,  8.  381  2.]|  -  124)  X  A.  Krieger,  Wallerant  Yaillant  n. 
Matthaeus  Merian  d.  jüngere  am  baden-badischen  Hofe:  ZGORh.  8,  8.  3312.  —  125)  F.  A.  v.  Winterfeld,  Chr.  Wolff  in 
seinem  Verhältnis  zu  Friedrich  Wilhelm  I.  u.  Friedrich  d.  Gr.:  N&S.  64,  S.  224-36.  —  126)  F.  v.  Weech,  Z.  Gesch.  d.  Er- 
ziehung d.  Kurfürsten  Karl  v.  d.  Pfalz  n.  seiner  Schwester  Elisabeth  Charlotte:  ZGORh.  8,  8.  101-19.  —  127)  R.  Fester, 
Kurfürstin  Sophie  v.  Hannover.  (=  8GWV.  N.  179.)  Hamburg,  Verlagsanst.  34  8.  M.  0,60.  —  128)8.  Fitte,  D.  letzte 
Herzogin  v.  Lothringen,  e.  Tochter  d.  Liselotte:  VossZgB.  N   51.    —    129)    H.   Diederichs,  Joh.   Casimir  Brandts  Aufzeich- 

(3)2* 


1111:130-140  1112:1-3   L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

gab.  —  Die  enormen  Kosten  der  Gesandtschaft,  welche  die  Stadt  Lübeck  zur  Krönung' 
Friedrichs  III.,  König-s  von  Dänemark,  schickte,  teilte  nach  dem  Kämmereibuch 
Brehmer ^''*'''3i)  mit,  ebenso  die  nicht  minder  bedeutenden  Kosten,  die  der  Stadt 
Gevatterschaften  bei  Fürstenkindern  machten.  —  Die  servile  Erniedrig-ung-  vor  den 
Höherstehenden,  besonders  vor  dem  Hofe,  suchte  St  einhausen>32-i33)  als  Folg-e 
der  ganzen  Lebensauffassung  des  17.  Jh.  zu  erweisen.  — 

Auch  aus  dem  Gebiet  der  Litteraturgeschichte  sind  diesmal  einige  Werke 
und  kleinere  Abhandlungen  zu  verzeichnen.  Vor  allem  die  vortreffliche  Neuausgabe 
der  vorzüglichen  Litteraturgeschichte  des  18.  Jh  von  Hettner,  besorgt  von  Harnack'34). 
Mit  der  liebevollsten  Sorgfalt  ist  der  neue  Herausgeber  zu  Werke  gegangen.  Mit 
Geschick  hat  er  die  Ergebnisse  neuerer  Forschung  eingefügt,  manches  von  dem,  was 
jetzt  überflüssig  erscheinen  durfte,  mit  schonender  Hand  gestrichen,  die  Anführungen 
mit  den  Texten  sorgsam  verglichen  und  dabei  manches  Versehen  Hettners  berichtigt. 
Die  Vergleichung  hätte  mit  Erfolg  u.  a.  auch  auf  die  aus  Edelmanns  Selbstbiographie 
mitgeteilten  Stellen  ausgedehnt  werden  können.  Manche  bedenkliche  Druckfehler 
haben  sich  leider  neu  eingeschlichen,  besonders  in  der  ersten  Hälfte  des  Bandes.  ~ 
Aeltere  Beiträge  zur  Litteraturgeschichte,  auf  selbständigen  Studien  beruhend,  die 
früher  einzeln  veröffentlicht  worden,  gab,  in  einer  Sammlung  vereint,  neu  heraus 
Ad.  Stern  i35j^  ^lle  zeichnen  sich  gleichmässig  durch  tiefes  und  lebensvolles  Erfassen 
der  Vergangenheit  aus.  —  Einen  Anlauf  zu  einer  Litteraturgeschichte  Mecklenburgs 
machte  Lorenz  '^^)  in  seiner  Dissertation,  welche  die  wenig  erquicklichen  Dichtungen 
mecklenburgischer  Prediger  des  17.  Jh.  verzeichnet.  —  Nur  im  Auszug  liegt  ein 
Vortrag  Skladnys^^')  vor  über  die  deutsche  Dichtung  in  der  Provinz  Posen,  aus 
dem  sich  ergiebt,  dass  fast  ausnahmslos  in  den  Schlesien  benachbarten  Teilen  der 
Provinz  deutsch  gedichtet  worden,  und  zwar  ganz  in  der  Art  der  schlesischen 
Dichter. '•'*"' 3 •')  —  Als  Beleg  für  frühes  Bekanntwerden  Molieres  in  Deutschland  ver- 
öffentlichte Fränkel''*'*)  eine  Variante  des  Doctorandus  Molieri,  der  Promotionskarikatur 
am  Schluss  von  Molieres  Malade  imaginaire,  die  starke  Abweichungen  von  der 
gewöhnlichen  Lesart  zeigt.  — 


111,2 

Lyrik. 

Ludwig  Pariser. 

Anonymes:  Politische  Verse  N.  1;  Volkslied  und  Gesellschaftslied  N.  2.  —  Geistliche  Lyrilc:  Allgemeines  N.  7; 
das  katholische  Kirchenlied:  Spee  N.  10,  Angelus  Silesius  N.  13;  evangelische  Poesie:  J.  V.  Andreae  N^  14,  J.  H.  Heermann 
N.  20,  P.Gerhardt  N.  21,  G.  Neumarclt  N.  24,  Chrn.  von  Stökken  und  H.  A.  Stockfleth  N.  25,  Psalmenparaphrasen.  (M.  Stechow, 
J.  J.  Spreng,  Stresow,  St&bner)  N.  27.  —  Weltliche  Kunstlyrik:  Uebersetzungen  (Anakreon,  Horaz)  N.  32;  Weckherlin  N.  34; 
Fleming  N.  37;  Hofmannswaldau  N.  38;  Mühlpfort  N.  39;  Günther  N.40;  G.Stolle,  Chrn.  Stieff,  D.  Stoppe,  F.  D.  Stender  N.  42. - 

Bibliographische  Arbeiten  sind  auch  in  diesem  Jahre  nicht  zu  verzeichnen. 
Neben  historischen  Ausführungen  über  die  Entstehung  der  Gymnalsialbibliothek  zu 
Zweibrücken  und  die  fast  gänzlich  verloren  gegangenen  Schätze  der  alten  herzog- 
lichen Bibliothek  ebendort,  wurde  aus  den  Hss.  der  erstgenannten  Sammlung  einiges 
auf  die  deutsche  Dichtung  Bezügliche,  unter  dem  einige  anonyme  politische 
Verse  das  Hauptinteresse  beanspruchen,  von  Englert^)  mitgeteilt.  Es  sind  „Histo- 
rische Reime  von  dem  Vngereimbten  Reichstage"  (Katal.  N.  36),  eine  Satire  auf  den 
resultatlos  verlaufenen  Reichstag,  den  Kaiser  Matthias  1613  nach  Regensburg  berief. 
Der  ziemlich  unbeholfene  Dichter,  der  aber  offenbar  satirisches  Talent  besitzt,  be- 
kämpft in  gleichem  Masse  die  Hartnäckigkeit  seiner  katholischen  Glaubensgenossen 


nungen  über  Ereignisse  u.  TToffestlichkeiten  ans  d.  Zeit  Herzog  Friedr.  Casimirs  v.  Kurland  u.  d.  nächstfolgenden  J.  1689-1701. 
Her.  V.  d.  kurländ.  Ges.  f.  Litt.  «.  Kunst.  Mitau  (F.  Besthorn).  1892.  4".  X,  47  S.  M.  2,40.  —  130)  W.  Brehmer,  Ge- 
sandtschaft d.  Stadt  Lübeck  z.  Krönung  d.  dän.  Königs  Friedrich  HL:  MVLübG.  6,  S.  8  9.  —  131)  id.,  Drei  Gevatterschaften 
d.  Rates:  ib.  S.  9-11.  —  132)  G.  Steinhausen,  D.  Lebensauffassung  d.  17.  Jh.:  VossZg».  N.  47.  --  133)  X  Th.  Distel, 
E.  Schreiben  d.  Hofnarren  Fröhlich  an  seinen  Herrn  (1727):  NASächsG.  14,  S.  339-41.  —  134)  H.  Hettner,  Litt.-Gesch.  A. 
18.  Jh.  III.  D.  dtsch.  Litt,  im  18.  Jli.  1.  Buch.  Vom  westfäl.  Frieden  bis  z.  Thronbesteigung  Friedrichs  d.  Gr.  1648-1740. 
4.  verb.  Aufl.  Her.  v.  0.  HarnacV.  Braunschweig,  Vievreg.  X,  400  S.  M.  7,00.  —  135)  A.  Stern,  Beitrr.  z.  Litt.-Gesch.  d.  17.  u.  18.  Jh. 
L.,  E.  Richter.  328  S.  M.  7,50.  (In  Betracht  kommen  hier:  D.  Unt«rgang  d.  allengl.  Theaters  S.  1-34.  D.  Musenhof  d.  Königin 
Christine  v.  Schweden  zu  Rom  S.  35-59;  vgl.  III  3:  17.)  —  136)  (1  1:111.)  —  137)  A.  Skladny,  D.  dtsch.  Dichtung  in  d. 
Provinz  Posen  vom  16.-18.  Jh.  Vortr.:  ZHGPosen.  8,  S.  386-90.  (S.  u.  IV  la :  46.)  —  138)  X  C.  Heine,  D.  Ausdruck  „Zweite 
schles.  Schule":  ZVLR.  6,  S.  448-56.  -  139)  O  X  X  l^-  Faguet,  La  poesie  fran9aise  de  1600-20:  RPL.  2,  S.  738-46.  -  140) 
A.  Fränkel,  Zu  Molifere  in  Deutschland  nebst  e.  Textvariante  seiner  Promotions-Karikatur:  ASNS.  91,  S.  263-70.  — 

1)  (I  3  :  37;  II  2  :43.)  -  2)  R.  M.  Wem  er,  Z.  Volkslitt.:  VLG.  6,S.  290-300,433-48.  -  3)  H.  Markgraf,  Soldatenlob: 


L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  2:4-7 

und  die  Unversöhnlichkeit  der  evangelischen  Partei.  Von  kulturhistorischem  Stand- 
punkt bemerkenswert  in  dem  von  E.  abgedruckten  Bruchstück  ist  die  Vertrautheit 
des  unbekannten  Vf.  mit  den  niederländischen  Malern  seiner  Zeit.  Der  Epilog-  des 
umfangreichen  Gedichts  ermahnt  die  hadernden  Parteien  zur  Eintracht  und  endet 
in  einem  kraftvollen  Gebet  um  Erhaltung"  des  bedrohten  Friedens.  — 

Auf  ein  bisher  noch  nicht  gewürdigtes  Volksl  ied  aus  der  Zeit  des  30  jährigen 
Krieges,  „Soldatenlob",  macht  Werner-)  aufmerksam.  Es  befindet  sich  hs.  in  einem 
Sammelbande  der  Bibliothek  des  Reichsfreiherrn  von  Teuffenbach  zu  Salzburg  und 
in  einem  Quartdruck  aus  Fleyses  Besitz  in  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin.  Druck 
und  Hs.,  von  denen  letztere  offenbar  den  besseren  Text  bietet,  werden  von  W.  mit 
einander  verglichen.  Das  aus  36  Strophen  bestehende,  zuerst  1644  gedruckte  Lied, 
schildert  in  greller  Beleuchtung  allerhand  Krankheiten  und  schädliche  Natur- 
erscheinungen, um  zu  dem  Schluss  zu  gelangen,  dass  alle  Plagen  nicht  so 
schlimm  seien  als  das  Soldatenübel.  —  Markgraf^)  hat  auf  der  Breslauer  Stadt- 
bibliothek einen  Druck  des  Soldatenlobs  entdeckt,  der  zwar  den  gleichen  Text,  wie 
das  Berliner  Exemplar  enthält,  sich  aber  dadurch  von  ihm  unterscheidet,  dass  Sprache, 
Metrik  und  Orthographie  nach  Opitzschen  Grundsätzen  modernisiert  sind.  —  Zehn 
Volkslieder  aus  Kärnten,  von  denen  8  geistlich  und  2  weltlich  sind,  veröffentlicht 
Jaksch*j  aus  einer  Papierhs.,  die  sich  im  Archiv  des  Geschichtsvereins  für  Kärnten 
befindet.  Die  Lieder  stammen  etwa  aus  dem  1.  Jahrzehnt  des  18.  Jh.  und  sind  —  wie 
landwirtschaftliche  Einträge  derselben  Hand  beweisen  —  von  Bauern  oder  Hand- 
werkern aus  dem  Krapfeld  niedergeschrieben.  Die  geistlichen  Lieder  sind  über- 
wiegend Weihnachts-  bez.  Adventlieder.  (Die  Hirten  bei  der  Geburt  Christi;  die 
Verkündigung;  ein  Zwiegespräch  zwischen  Joseph  und  Maria  im  Stalle  usw.)  Die 
Marienlieder  beginnen  —  wie  so  häufig  in  den  Weihnachtsspielen  —  mit  dem  Lobe 
des  Hirtenlebens.  Die  beiden  weltlichen  handeln  von  „fallschen  Weibszbildern"  und 
der  Nichtigkeit  der  weltlichen  Freuden,  also  von  Motiven,  die  den  Charakter  der  Lieder 
nahezu  zu  einem  geistlichen  stempeln.  J.  weist  auf  die  Uebereinstimmung  dieser 
Lieder  mit  denjenigen  hin,  welche  Weinhold  (Graz  185.5)  und  Lexer  (1862  als  Anhang 
seines  kärntnischen  Wörterbuches)  herausgegeben  haben.  —  Aus  den  Mss.  der  Wolfen- 
bütteler  Bibliothek  veröffentlicht  Bolte*)  die  Anfänge  der  im  Liederbuche  des  Prinzen 
Joachim  Karl  von  Braunschweig  (1573  —  1615.  Bruder  des  dramatischen  Dichters 
Heinrich  Julius)  enthaltenen  Gedichte.  Denjenigen  Liedern,  welche  sich  auch  in 
anderen  Sammlungen  finden,  hat  der  Herausgeber  eine  reichhaltige  Litteraturüber- 
sicht  beigefügt.  Interessant  sind  namentlich  die  Analoga,  welche  er  zu  dem  Liebes- 
gruss  (Bl.  26  a  des  Liederbuches)  „so  mannig  laüb  auf  bhömen  stehet"  vergleichs- 
weise heranzieht.  Welche  Lieder  in  der  vornehmen  Gesellschaft  des  17.  Jh.  be- 
liebt waren,  sehen  wir  aus  dem  Tabulatur-Büchlein  der  Prinzessin  Louise  Charlotte 
von  Brandenburg,  der  älteren  Schwester  des  Grossen  Kurfürsten.  Der  auf  der 
Bibliothek  der  Petersburger  Akademie  der  W^issenschaften  befindliche  Band  ist  im 
J.  1632,  dem  16.  Lebensjahr  der  Prinzessin,  angelegt  und  dann  später  fortgeführt. 
Während  ihres  Aufenthaltes  in  Königsberg  ergaben  sich  Beziehungen  zu  Simon 
Dach  und  Heinrich  Albert,  welche  in  Liedern  und  Arien  der  Dichter  zum  Ausdruck 
kamen.  Im  ganzen  enthält  das  Buch  40  Lieder  mit  ihren  Weisen  in  Mensural-Noten 
und  einer  einstimmigen  Begleitung  (Viola  di  Gamba).  Das  von  B.  mitgeteilte  Inhalts- 
verzeichnis führt  ausser  Liedern  von  Dach  noch  solche  von  Opitz,  Voigtländer  u.  a. 
auf.  Eigentliche  Volkslieder  fehlen  ganz,  dafür  sind  drei  französische  und  zwei  eng- 
lische Lieder  aufgenommen.  Das  Vorkommen  der  letzteren  erklärt  B.  aus  der 
Nationalität  des  Komponisten  Walther  Rowe,  von  welchem  verschiedene  Lieder  der 
Sammlung  herstammen.  Sonstige  Melodien  rühren  von  H.  Albert,  J.  H.  Schein, 
Kaspar  Kittel,  Andreas  Hammerschmid  u.  a.  her.  —  Das  „Venusgärtlein",  welches 
von  Waldberg  herausgegeben  hat  (vgl.  JBL.  1890  III  2  : 2),  giebt  im  Gegensatz  zu 
diesem  fürstlichen  Liederbuch  einen  guten  Begriff  davon,  welche  Lieder  in  den 
Bürgerkreisen  und  in  den  niederen  Volksschichten  um  die  Mitte  des  17.  Jh.  Ver- 
breitung gefunden  hatten.  Die  Quellen  für  die  Erzeugnisse  der  Kunstlyrik,  welche 
in  dieser  Sammlung  enthalten  sind,  hat  der  Herausgeber  in  seinem  Vorbericht  bereits 
nachgewiesen.  Ellinger^)  bietet  nun  einen  Nachtrag,  in  welchem  er  einige  ältere 
Volkslieder  und  Gesellschaftslieder  einer  kritischen  Prüfung  unterwirft.  Er  kommt 
zu  dem  Resultat,  dass  nur  wenige  Volkslieder  des  16.  Jh.  sich  um  die  Mitte  des 
folgenden  noch  allgemeiner  Beliebtheit  erfreuten.  Die  Gesellschaftslieder  des  „Venus- 
gärtlein" verweist  er  zum  Teil  in  das  endende  16.  und  beginnende  17.  Jh.,  während 
eine  andere  Gruppe  nicht  weiter  als  in  die  vierziger  Jahre  des  17.  Jh.  zurückreichen 
soll.     E.    charakterisiert    das   jüngere    Gesellschaftslied    dadurch,    dass    er   ihm  „die 


ib.  S.  6278.  —  4)  A.  Jaksch,  Alte  Lieder  aus  Kärnten:   Carinthia  1892,  1,  S.  15-22  n.  1469.  —  5)  J.  Bolte,  Liederiiss.  d. 
16.  u.  17.Jh.:  ZDPh.  25,  S.  29-36  (s.  o  II  2  :  26).  -  6)  G.  Ellinger:  ib.  S,  273-86.  -  7)X  R- Maisch:  KBlöRW  40,8.163,4;  R. 


III  2  :  8-14  L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Zierlichkeit  und  Anmut,  die  Gewandtheit  in  Sprache  und  Komposition  und  die  treu- 
herzige altfränkische  Naivetät"  abspricht,  Eigenschaften,  durch  welche  sich  das 
ältere  Gesellschaftslied  ausgezeichnet  habe.  Der  Ton  dieser  Gattung  wird  im  Laufe 
des  17.  Jh.  prosaischer,  nüchterner  und  roher.  In  diesem  Zustand  befand  sich  das 
Gesellsohaftslied  zur  Entstehungszeit  des  „Venusg-ärtlein".  Als  den  Hauptvertreter 
dieser  Richtung  bezeichnet  E.  Gabriel  Voigtländer.  Er  betont  ferner  den  günstigen 
Einfluss,  welchen  die  lyrische  Kunstdichtung  des  17.  Jh.  auf  die  Entstehung  des 
neueren  Volksliedes  ausgeübt  hat,  und  erklärt  ihn  aus  der  ungemeinen  Verbreitung 
von  Sammlungen  wie  das  Venusgärtlein,  durch  welche  auch  Produkte  der  Kunst- 
lyrik dem  Volke  übermittelt  wurden.  — 

Aus  der  Litteratur  über  die  geistliche  Lyrik  ist  von  Darstellungen 
allgemeineren  Charakters  neben  Recensionen '')  von  Ellingers  vorjähriger  Aus- 
wahl (vgl.  JBL.  1892  II  2:18;  III  2:6)  nur  eine  populär  gehaltene  Arbeit  von 
Eug.  Wolff^)  zu  nennen.^)  Er  bietet  eine  Auslese  aus  dem  Kirchenlied  des  16.  und 
17.  Jh.  auf  Grund  der  von  Wackernagel  gesammelten  ersten  Drucke  unter  Berück- 
sichtigung der  dort  mitgeteilten  Varianten.  Der  grösste  Raum  ist  der  Wiedergabe 
der  Lieder  Paul  Gerhardts  und  der  Trutz-Nachtigal  von  Spee  gegönnt.  Eine  ge- 
drängte Lebensschilderung  der  in  der  Sammlung  vertretenen  Dichter  ist  voran- 
geschickt. Dem  gewaltigen  Stoffe  gegenüber  ist  es  kaum  möglich,  durch  verhältnis- 
mässig wenig  Proben  ein  Bild  von  der  geistlichen  Dichtung  des  behandelten  Zeit- 
raums zu  geben.  So  wird  man  z.  B.  in  dieser  Sammlung  Liederproben  von  Matthesius 
oder  einzelnen  fürstlichen  Dichterinnen  der  Periode  vermissen.  Ein  Hinweis  auf 
die  in  anderen  Bänden  der  Kürschnerschen  Nationallitteratur  mitgeteilten  geistlichen 
Lieder  (z.  B.  auf  die  von  Hans  Sachs  in  Bd.  20)  wäre  zu  wünschen.  Im  übrigen 
erfüllt  die  Auswahl  ihren  Zweck,  durch  kurze  Anmerkungen  und  biographische 
Nachrichten  den  behandelten  Stoff  einem  weiteren  Leserkreise  nahe  zu  bringen 
(vgl.  II  2:3).- 

An  litterarischen  Erscheinungen  über  das  deutsche  katholische  Kirchen- 
lied ist  im  Berichtsjahr  wenig  zu  verzeichnen.  Eine  seiner  Bedeutung  entsprechende 
Monographie  hat  F.  von  Spee  noch  immer  nicht  gefunden.  Dre wes 'O)  hat  ihm  in 
der  ADB.  einen  äusserst  kurz  bemessenen  Lebensabriss  gewidmet,  welcher  fast  aus- 
schliesslich auf  die  segensreichen  Wirkungen  der  cautio  criminalis  eingeht.  Eine 
Würdigung  der  dichterischen  Thätigkeit  Spees  hat  der  Vf.  unterlassen.  —  Ausführ- 
licher ist  eine  Besprechung  der  Trutz-Nachtigal  in  einem  Programm  des  Coüegium 
Josephinum  von  Gebhard'*).  Anlass  zu  der  Abhandlung  bot 'der  Umstand,  dass 
der  Dichter  kurze  Zeit  Mitglied  dieses  Jesuitenkollegs  gewesen  ist  und  im  J.  1629 
nach  seiner  schweren  Verwundung  dort  Heilung  und  Pflege  gefunden  hat.  Dem  Vf. 
ist  es  geglückt,  namentlich  den  biographischen  Teil  seiner  Skizze  ansprechend  zu 
gestalten;  die  Wirksamkeit  Spes  —  diese  Schreibung  erklärt  G.  nach  den  Jahres- 
berichten des  ehemaligen  Jesuitenkollegs  als  die  richtige  —  für  die  Gegenreformation 
in  Paderborn  und  Peine,  der  Mordanfall  auf  ihn,  seine  Bekämpfung  der  Hexen- 
prozesse usw.  sind,  unter  gewissenhafter  Benutzung  der  Quellenschriften,  lebendig 
geschildert.  12)  _ 

Die  Mystik  des  Angelus  Silesius  hat  Mahn'^)  auf  ihren  Zusammenhang 
mit  den  Schriften  der  älteren  deutschen  Mystiker  geprüft.  Er  weist  auf  den  Unter- 
schied hin,  der  zwischen  dem  versöhnlichen  Geist  und  der  undogmatischen  Haltung 
des  „Cherubinischen  Wandersmanns"  und  der  „Heiligen  Seelenlust"  im  Gegensatz 
zu  dem  streng  konfessionellen  Charakter  der  „Ecclesiologie"  obwaltet.  Der  Dichter 
habe  beide  Anschauungen  nicht  für  widersprechend  gehalten:  die  Ecclesiologie  sei 
eine  Dogmatik  und  für  den  empirischen  Verstand  bestimmt,  der  Cherubinische 
Wandersmann  hingegen,  das  mystische  Glaubensbekenntnis  Schefflers,  sei  auf  eine 
davon  ganz  verschiedene  Erkenntnisweise  gegründet,  die  von  der  Welt  der  Er- 
scheinungen abgewendet  sich  im  „Schauen"  des  Wesens  der  Dinge  verliere.  Für 
seine  tiefsinnigen  Sprüche  setzte  er  —  mit  Recht  —  kein  Verständnis  bei  seiner 
Generation,  die  er  „prava  et  adultera"  schilt,  voraus.  Nach  dem  Vorgange  Carrieres 
werden  Einwirkungen  des  Meister  Eckhart  auf  Schefflers  Weltanschauung  zugestanden, 
ohne  die  ihm  zeitlich  näher  stehenden  Mystiker  auszuschliessen.  Die  Frage,  ob  die 
„Monodisticha  Sapientum"  Czepkos,  welche  formell  und  inhalthch  dem  Cherubinischen 
Wandersmann  nahe  stehen,  diesen  beeinflusst  haben,  wird  dahin  beantwortet,  dass 
Scheffler  durch  die  Monodisticha  nur  die  Anregung  erhielt,  seine  mystischen  Anschau- 


Sohneider:.CO.IRW.  21,  S.  216/7  (anerkennend).  —  8)  Eng.  Wolff,  D.  dtsch.  Kirchenlied  d.  16.  u.  17.  Jh.  (=  DNL.  31.) 
St.,  Union.  XXII,  496  S.  M.  2,50.  --  9)  O  X  D-  Dibelius,  Bemerlcnngen  ü.  Verzeichnis  d.  Liederdichter  im  sächs.  Landes- 
gesangbnch:  B8ächsKG.  8,  8.  345/8.  —  10»  G.  M.  Drewes,  Fr.  v.  Spee:  ADB.  35,  S.  92  4.  —  U)  Ign.  Gebhard,  Fr.  Spe 
V.  Langenfeld.  Sein  Leben  u.  Wirlten,  insbes.  teine  dichter.  Thätigkeit  Progr.  d.  Gymn.  Josephinum.  Hildesheim  (A  Lux). 
4».  24  S.  ||L.  Kölscher:  ASNS.  91,  S.  468.J1  —  12)  X  F-  ^ '-^^  Holfs,  Fr.  Spe  v.  Langenfeld.  Vortr.  Trier,  F.  Lintz.  19  S. 
M.  0,50.  —  13)  P.  Mahn,   D.  Mystik  d.  Angelus  Silesius.    Diss.     Kostock.     1892.    62  S.  —  14)  L.  Keller,  J.  V.  Andreae  u. 


L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  2  :  15-21. 

ung-en  in  der  Form  von  Epigrammen  niederzulegen.  Das  von  M.  rekonstruierte 
System  der  Weltanschauung'  des  Dichters  weist  manche  Berührung-spunkte  mit  der 
Schopenhauerschen  Philosphie  auf;  dem  Vf.,  welcher  auch  das  rein  litterarhistorische 
Material  vollkommen  beherrscht,  muss  man  für  die  reichhaltig-en  und  sorgfältig-en 
Litteraturangaben  dankbar  sein.  — 

Die  Litteratur  über  die  evangelische  g-eistliche  Po  esie  ist  etwas  reich- 
haltig-er  ausg-efallen,  doch  besteht  sie  hauptsächlich  in  einer  Vermehrung-  des  bio- 
graphischen Details  und  in  kleineren  Einzeluntersuchung-en.  —  Die  in  den  letzten 
Jahren  eifrig  betriebenen  Comenius-Studien  haben  auch  wertvolles  Material  für  die 
Kenntnis  der  litterarischen  Zeitgenossen  des  grossen  Pädagogen  zu  Tage  gefördert. 
So  wird  in  dem  Hauptorgan  dieser  Bestrebungen,  den  Monatsheften  der  Comenius- 
Gesellschaft,  das  Verhältnis  Joh.  Val.  Andreaes  zu  Comenius  ausführlich  dar- 
gestellt, und  dem  ersteren  der  ihm  gebührende  Platz  in  der  Geschichte  der  Päda- 
gogik angewiesen.  Schon  von  Criegern  wies  in  der  Darstellung  der  theologischen 
Anschaungen  des  Comenius  darauf  hin,  dass  seine  didaktischen  und  pansophischen 
Grundgedanken  sich  bereits  bei  Andreae  finden,  und  dass  Comenius  namentlich  in 
seinem  „Labyrinth  der  Welt"  den  Andreae  wörtlich  wiedergegeben  habe.  Ein  Auf- 
satz Kellers**)  erörtert  die  Wandlungen,  welchen  die  Beurteilung  Andreaes  als 
Geistlichen  und  Dichters  unterworfen  war,  und  stellt  die  einzelnen  Daten  seines  Ver- 
kehrs mit  Comenius  zusammen.  Noch  Adelung  hat  in  seiner  „Geschichte  der  mensch- 
lichen Narrheit"  Andreae  zu  den  Astrologen,  Sektierern  und  Fanatikern  gezählt. 
Herder  und  Schleiermacher  schätzten  ihn  zwar  hoch,  doch  erst  vor  einem  Jahrzehnt 
begann  man  bei  der  Darstellung  der  Lehrmeinung-en  des  Comenius  auf  den  bedeuten- 
den Einfluss  aufmerksam  zu  werden,  den  der  Dichter  auf  die  Pädagogik  seiner  Zeit 
ausgeübt  hat.  K.  behandelt  die  von  Andreae  gegründete  „Societas  Christiana", 
welche  neben  religiösen  und  humanen  auch  —  nicht  näher  gekennzeichnete  —  litte- 
rarische Ziele  verfolgte.  —  Kemper^^)  erklärt  den  Namen  „Capharsalama"  in  der 
Respublica  Christiana  des  Andreae  (1619)  als  Friedensdorf.  Diese  Auslegung  ent- 
spricht der  Tendenz  der  Schrift,  welche  nach  Art  der  Utopie  des  Thomas  Morus  das 
Ideal  eines  christlichen  Musterstaates  behandelt.  —  Aus  dem  Hss.-Bande  Extravag. 
54  der  W^olfenbütteler  Bibliothek  teilt  Radi  ach '^i'')  einen  Brief  des  Comenius  d.  d. 
Lüneburg,  22.  Aug.  1647  an  Andreae  mit.  Wenn  auch  in  erster  Linie  für  die  Bio- 
graphie des  Briefschreibers  von  Bedeutung  und  ein  wertvolles  Dokument  für  sein 
Streben  nach  Versöhnung  der  Gegensätze  auf  kirchlichem  Gebiete,  ersieht  man  doch 
aus  ihm,  welche  Ehrfurcht  Comenius  vor  dem  Charakter  und  der  geistigen  Bedeutung 
Andreaes  hegte.  In  einem  zweiten  Aufsatz  weist  R.  darauf  hin,  dass  die  Ueberein- 
stimmung  beider  Männer  nicht  auf  dogmatischem,  sondern  auf  ethischem  Gebiete  zu 
suchen  ist,  da  Andreae  in  „eminentem  Sinn  lutherisch-orthodox"  war,  während 
Comenius  zum  Mystizismus  hinneigte.  R.  schildert  ferner  die  Beziehungen  Andreaes 
zu  Nürnberg  und  das  dortige  kirchliche  Leben.  Als  Hauptquelle  diente  dem  Vf. 
hierbei  Andreaes  „Vita  Sauberti".  —  Eine  sehr  erwünschte  Bereicherung  des  biblio- 
graphischen Materials  über  Andreae  (der  Artikel  bei  Goedeke  3,  S.  29  bedarf  noch 
sehr  der  Ergänzung)  bietet  eine  Zusammenstellung  der  Schriften  über  Andreae  von 
BrügePS),  welche  bis  zum  J.  1893  fortgeführt  ist.  —  Zum  Teil  unbenutzt  sind 
noch  die  durch  von  Heinemann '^)  verzeichneten  Briefe  von  und  an  Andreae 
und  ihm  gewidmete  Glückwunschgedichte,  die  sich  auf  der  Wolfenbütteler  Biblio- 
thek befinden.  — 

Ohne  neue  Quellen  zu  erschliessen,  giebt  ein  anonymer  Aufsatz^^)  —  offenbar 
von  einem  geistlichen  Vf  —  ein  sorgsam  ausgeführtes  Bild  von  dem  Leben  und  den 
Drangsalen  J.  H.  Heermanns.  Seine  litterarische  Stellung,  der  schon  von  Palm 
genau  festgestellte  Charakter  seiner  Kirchenlieder  wird  nur  mit  wenigen  Worten 
angedeutet.  Auf  die  Verwendung  eines  Heermannschen  Liedes  in  dem  bekannten 
Gedicht  von  Clem.  Brentano,  die  „Gottesmauer"  (zuerst  1819  in  den  „Schneeglöckchen" 
verötTentlicht),  wird —  wir  wissen  nicht,  ob  zum  ersten  Male  —  hingewiesen.  Die  entlehnte 
Stelle  findet  sich  in  dem  Heermannschen  „Treuer  Wächter  Isreals"  (nach  Psalm  121).  — 

Die  volkstümliche  Biographie  Paulus  Gerhardts  von  Roth  hatLom- 
matsch^i)  mit  einigen  Zusätzen  neu  herausgegeben.  Ein  veralteter  Anhang  über 
die  Dichtungen  Gerhardts  und  ihrer  Ausgaben  bis  1829  ist  beseitigt  worden.  In  der 
Einleitung  behandelt  der  Herausgeber  Gerhardts  Konflikt  mit  dem  Grossen  Kur- 
fürsten und  wendet  sich  gegen  den  noch  immer  verbreiteten  Irrtum.,  das  Lied   „Be- 


Comenius:  MhComeninsG.  2,  S.  230-41.  (Vgl  JBL  1892  1  10:135.)  —  15)  0.  Kemper,  D.  Inselname  Capharsalama  in 
J.  Y.  Andreaes  Schrift  „Eeipublicae  christianopolitanae  descriptio"  (1619):  MhCoraeniusG.  2,  S.  186-90.  —  16)  (I  6:26.")  — 
17)  0.  Bad  lach,  D.  Protest  d.  Comenius  gegen  d.  Vorwurf,  er  sei  e.  Sektierer,  beleucht.  ans  d.  Bezieh.  Andreaes  zu  Nürn- 
börg:  ib.  S.  127-35.  —18)  J.  Brügel,  Litt,  über  J.  V.  Andreaa  aus  d.  letzten  100  J.:  ib.  S.  250/3,  310.  —  19)  0.  t.  Heine- 
mann, Z.  Gesch.  V.  Andreaes.  (Aus  „D.  Hss.  d.  herzogl.  Bibl.  zu  Wolfenbnttel"  1884  ff.):  ib.  S.  2338.—  20)  Joh.  Heermann: 
LZgB.   N.  20.  —  21'»   E.  G.    Roth,  Paul   Gerhardt.    Nach   seinem  Leben  u.    Wirken,  aus   z.  T.   nngedr.   Nachrichten  dargest. 


III  2  :  22-25  L.  Pariser,  Lyrik  des  17./1B.  Jahrhunderts. 

fiehl  du  deine  Weg-e"  sei  aus  Anlass  dieses  Streites  entstanden.  —  Vier  Lieder, 
welche  man  bisher  der  Kurfürstin  Luise  zuschrieb,  werden  ihr  von  Biltz^^j  abg-e- 
sprochen  und  für  Gerhardt  in  Anspruch  g-enommen.  Es  sind  L  ,,Ein  Andrer  stelle 
sein  Vertrauen  —  Auf  die  Gewalt  und  Herrlichkeit";  2.  „Gott,  der  Reichtum  deiner 
Güte,  dem  ich  alles  schuldig-  halt";  3,  „Jesus,  meine  Zuversicht";  4.  „Ich  will  von 
meiner  Missethat  —  Zum  Herren  mich  bekehren."  B.s  Zweifel  an  der  Autorschaft 
der  Fürstin  gründet  sich  einmal  darauf,  dass  sie  als  Holländerin  nur  mang-elhafte 
Kenntnis  der  deutschen  Sprache  besass,  sowie  auf  den  Umstand,  dass  vom  J.  1653 
ab,  in  welchem  jene  Lieder  zuerst  im  Gesangbuch  des  Berliner  Buchdruckers  Rung-e 
erschienen,  über  ein  Jh.  verg-ing",  ehe  man  daran  dachte,  die  Kurfürstin  als  ihre 
Dichterin  zu  betrachten.  Den  Ausdruck  „eigene  Lieder"  in  der  Rung-eschen  Dedi- 
kation,  welcher  das  Missverständnis  herbeigeführt  habe,  fasst  B.  so  auf,  als  habe  die 
Kurfürstin  diese  Lieder,  in  welchen  sie  ihre  religiöse  Empfindung  besonders 
prägnant  wiederg-egeben  sah,  zu  ihren  „Leib-  und  Lieblingsliedern"  erhoben.  N.  2,  3,4 
seien  von  Gerhardt  auf  ihren  Wunsch  g-edichtet,  um  ihren  wohl  nur  stammelnd  auf- 
gezeichneten gläubig-en  Gedanken  das  dichterische  Gewand  zu  g-eben.  Schon  vor 
170  Jahren  hat  Pastor  Herrmann  aus  Plauen  aus  sprachlichen  Gründen  Gerhardt  als 
Autor  bezeichnet.  B.  macht  auf  einzelne  bei  Gerhardt  beliebte  Zusammensetzungen  in 
den  Gedichten  aufmerksam  (,,hochbetrübt",  „Erdenkluft"  usw.).  Dass  Gerhardt  sich  nicht 
als  Vf.  bekannt  hat,  wird  aus  der  keuschen  Zurückhaltung-  der  geistlichen  Dichter 
des  16.  und  17.  Jh.  erklärt,  sowie  aus  der  Sitte,  dass  bei  Liedern,  welche  auf  Wunsch 
hoher  Personen  verfertig-t  waren,  der  eigentliche  Autor  mit  seinem  Namen  hinter  dem 
des  Bestellers  zurücktrat.  Die  Kurfürstin  als  Reformierte  und  Gerhardt  als  eifriger 
Lutheraner  hätten  überdies,  bei  der  damaligen  Spannung  zwischen  beiden  Bekennt- 
nissen, einen  schwerwiegenden  Grund  gehabt,  die  Entstehung  der  Lieder  verborgen 
zu  halten.  —  Blanckmeister^^j  j^^t  auf  der  Hamburger  Stadtbibliothek  zwei  Briefe 
des  Zerbster  Pastors  Chrn.  Reuter  gefunden,  welche  über  das  bisher  unbekannte 
Schicksal  von  Paul  Friedrich  Gerhardt,  dem  Sohne  des  Dichters,  einig-en  Aufschluss 
g-eben.  Er  fand,  nachdem  er  in  Wittenberg-  und  Greifswald  Philosophie  und  Theo- 
logie studiert  hatte,  in  der  Stadt  Bauske  bei  Mitau  in  Kurland  Anstellung-  als  Kon- 
rektor. Seine  dürftig-en  Vermögensverhältnisse  Hessen  ihn  häufig-  sein  Domizil 
wechseln;  doch  bewahrte  er  —  trotz  seines  unstäten  und  unsicheren  Lebens  —  treu- 
lich den  hs.  Nachlass  und  die  Bibliothek  seines  Vaters.  Auf  diese  Hss.,  welche  er 
dem  D.  Feustking  in  Zerbst  vorlegte,  hat  letzterer  seine  Ausgabe  der  Gerhardtschen 
Lieder  (1707)  mit  gegründet.  — 

G.  Neumaroks  Lied  „Wer  nur  den  lieben  Gott  lässt  walten"  erklärt 
Beck  er  2*)  als  so  farblos  in  christologischer  Hinsicht,  dass  es  auch  in  katholische 
und  israelitische  Gesangbücher  habe  aufgenommen  werden  können.  Gerade  dieser 
Charakter  habe  aber  seine  g-rosse  Verbreitung-  und  mehrfache  Verwendung  in  kirch- 
lichen Kompositionen  zur  Folge  gehabt.  Auf  die  Persönlichkeit  Neumarcks,  dem 
als  Dichter  nur  formelle  Gewandtheit  zug-estanden  wird,  wirft  B.s  Schilderung-  kein 
g-ünstiges  Licht.  Er  sei  eine  subalterne  Natur  gewesen,  und  dieser  Qualifikation 
entspechend  wird  ihm  ein  kleinliches  Streben  nach  Anerkennung  vorgeworfen.  Zu 
streng-  beurteilt  B.  die  späteren  Poesien  Neumarcks.  Gerade  das  mitgeteilte  Lied, 
in  welchem  der  augenleidende  Dichter  darüber  klagt,  in  seinen  schönen  Büchern 
nicht  mehr  lesen  zu  können,  verdient  nicht  —  im  Vergleich  mit  anderen  g-leich- 
zeitigen  Gedichten  —  den  Vorwurf  „äusserster  Plattheit".  Hier  ist  doch  natürliche 
Empfindung-  zu  spüren,  wenn  sie  auch  in  verschnörkelten  Formen  zum  Ausdruck 
g-ebracht  ist.  Auf  Grund  von  Specialstudien  des  in  Kiel  lebenden  Vf.  werden  die 
kirchlichen  und  g-esellschaftlichen  Verhältnisse  dieser  Stadt  zur  Zeit  von  Neumarcks 
dortigem  Aufenthalt  auseinander  gesetzt,  — 

Zu  denjenig-en,  welche  die  alten  Kirchenlieder  „nach  jetziger  poetischer 
Zierde"  durchgehends  verbesserten  und  verständlich  einrichteten,  gehörte  der  Rends- 
burger Propst  Chrn.  von  Stökken  (1633—82).  Von  Opitzsohen  Grundsätzen  aus- 
g-ehend  und  ein  Mitglied  der  Zesenschen  Lilienzunft,  erregte  er  namentlich  durch 
sein  1680  herausgegebenes  „Kleines  holsteinsches  Gesangbuch"  unliebsames  Auf- 
sehen. Seine  ang-eblichen  Verbesserungen  thun  der  poetischen  Form  zuliebe  den 
Gedanken  schmählich  Gewalt  an  und  entstellen  aus  dogmatischen  Befürchtungen 
häufig  den  Sinn.  Bertheau^s)  hat  sein  poetisches  Verfahren  anschaulich  analysiert. 
—  Ebensowenig-   dichterisch    beanlagt    war  H.  A.  Stockfleth.     Sein  Biograph  von 


Aufs  neue  her.  mit  e.  Einl.  v.  S.  Lommatsch.  B.,  F.  Schulze.  XV,  64  S.  M.  1,00  —  22)  K.  Biltz,  W.  ist  d.  eigentl. 
Vf.  d.  d.  Kurförstin  Luise  zugeschriebenen  Lieder?:  ZDU.  7,  S.  521-34.  —  23)  F.  Blandem eister,  P.  Gerhardts  einziger 
Sohn.  Ungedr.  Beitrr,  z.  Familiengesch.  d.  Dichters:  Pfarrhaus  S.  179-81.  (Vgl.  auch  d  Rothsche  Biogr.  Gerhardts  [s.  o.  N.  21], 
S.  63/4.) —  24)  W.  Becker,  G.  Nenmark  u.  sein  Lied  „Wer  nur  d.  lieben  Gott  lässt  walten".  E.  Bild  aus  d.  Gesch.  d.  evang. 
Kirchenliedes   ü.  Zeit   d.    30 j.  Krieges:    NKZ,    3,    S.  169-90.  —  25)  C.   Bertheau,    Chrn.   v.  SföVlten:    ADB.    M6,    S.  284/6.  — 


L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  2  :  26-82 

Waldberg-^ß)  weist  zutreffend  auf  die  Unsitte  jener  Zeit  hin,  in  welcher  jeder 
g-eistig-  reg-e  protestantische  Predig-er  sich  verpflichtet  fühlte,  g-eistliche  Lieder  und 
einig-e  weltliche  Lyrika  zu  veröffentlichen.  Ebenso  wie  Stökken  hat  auch  der 
Peg-nitzschäfer  Stockfleth  (Dorus)  ein  verbessertes  Gesangbuch  (1690)  herausgegeben, 
in  dem  er  versucht,  den  Liederschatz  der  evangelischen  Kirche  nach  dem  Ge- 
schmack des  Nürnberger  Blumenordens  metrisch  und  sprachlich  umzugestalten.  Auch 
seine  Gattin  Dorilis  hat  sich  eifrig  in  den  verschiedensten  Dichtungsarten  ver- 
sucht. — 

Einer  gereimten  Paraphrase  der  „Psalmen  Davids"  verdankt  das 
Mitglied  des  Elbschwanenordens,  der  Pfarrer  Mich.  Stechow,  seinen  be- 
scheidenen litterarischen  Ruhm.  Er  passt,  nach  dem  Vorgange  Corn.  Beckers,  seine 
Psalmen  den  Weisen  bekannter  Kirchenlieder  an.  Die  fehlende  poetische  Voll- 
endung entschuldigt  er  mit  der  Schwierigkeit  der  Aufgabe,  deren  Lösung  ihm  in 
anderen  Gedichten  besser  geglückt  sei.  Roethe^"),  welcher  auf  Grund  archivalischer 
Nachrichten  von  dem  unstäten  Leben  Stechows  berichtet,  macht  es  aber  wahr- 
scheinlich, dass  diese  Poesien  keinen  Anspruch  auf  das  Lob  der  Freunde  des  Dichters 
erheben  konnten:  „Tullius  es  Maroque  simul,  quin  clarior  illis!"  —  Nach  unge- 
druckten Akten  der  Bibliotheken  zu  Basel  und  Zürich  wird  das  Leben  Joh.  Jac. 
Sprengs,  des  Herausgebers  der  Werke  Drollingers,  von  Socin^^)  beschrieben.  In 
seiner  „Neuen  Uebersetzung  der  Psalmen  Davids"  (1741),  welche  einen  Ersatz  für 
die  veraltete  und  metrisch  ungenaue  Lobwassersche  Bearbeitung  bieten  sollten,  zeigt 
sich  eine  pedantische,  unpoetische  Natur.  Seine  1748  veröffentlichten  geistlichen  und 
weltlichen  Gedichte  stehen  nicht  höher.  —  Unter  dem  Titel  „Biblisches  Vergnügen 
in  Gott' (1752)  hat  auch  der  Holsteiner  Theologe  S  t  r  e  s  o  w  ,  von  dem  Carstens-'') 
berichtet,  eine  Umdichtung  sämtlicher  Psalmen  unternommen,  welcher  ebenso  wenig 
poetischer  Schwung  nachzurühmen  ist  wie  den  Psalmen  des  Baj^reuther  Hofpredigers 
Stübner3o-3i).  — 

An  die  Umdichtung  der  Psalmen  sei  —  und  damit  kommen  wir  zur  welt- 
lichen Kunstlyrik  —  die  spärliche  Litteratur  angereiht,  welche  über  die  deutschen 
Uebersetzungen  unseres  Zeitraumes  zu  verzeichnen  ist.  Eine  Ergänzung  zu 
Witkowskis  „Vorläufern  der  anakreontischen  Dichtung"  (vgl.  JBL.  1890  IV 
2  :  1/2)  hat  G.  Koch32).in  einem  sehr  inhaltreichen  Aufsatz  geliefert.  Er  zeigt,  wie  die 
Uebersetzungen  der  'Avax^eoviEia  am  Schlüsse  der  Anthologia  Palatina  in  der  Zeit 
von  Weckherlin  bis  Gleim  allmählich  zu  grösserer  Vollkommenheit  gediehen  sind. 
Der  Anmut  seines  Vorbildes  gegenüber  bewahrt  Weckherlin  „eintönigste  Lehrhaftigkeit" 
und  vermag  trotz  der  ihm  sonst  eigenen  Frische  er  bei  der  Anlehnung  an  ein 
seinem  Empfinden  fremdes  Werk  nicht  über  die  konventionellen  Formen  des  Re- 
naissancegeschmacks hinauszukommen.  Opitz  ist  sich  zwar  bei  der  Uebersetzung*  des 
rj  yrj  uelaipa  Ttivei,  bcwusst,  dass  der  Rciz  dcs  Originals  in  dem  scherzhaften,  epigram- 
matischen Zug,  der  wirksam  die  Pointe  vorbereitet,  zu  suchen  ist  —  man  erkennt 
dies  aus  dem  bei  ihm  seltenen  Verzicht  auf  jedes  Epitheton  ornans,  —  allein  der 
schleppende  Alexandriner  vernichtet  die  angestrebte  Wirkung.  Burkhard  Menke  hat 
1710  in  den  „Galanten  Gedichten"  und  1713  in  den  „Schertzhaften  Gedichten"  im 
ganzen  7  anakreontische  Lieder  verdeutscht.  Seine  Uebersetzung,  die  durch  malende 
Zusätze  der  Einfachheit  des  Originals  Abbruch  thut,  bedeutet  einen  Rückschritt 
gegen  Opitz  und  beweist  kein  Verständnis  für  die  Sprachmelodie  der  griechischen 
Verse.  Triller  wendet  bei  seiner  Uebertragung  in  den  „Poetischen  Betrachtungen" 
(1725)  keinen  Alexandriner  an,  sondern  teils  jambische,  teils  trochäische  Tetrameter, 
mit  abwechselnd  klingenden  und  stumpfen  Reimen.  Da  er  nur  kurze  Verse  wählt, 
kommt  er  dem  Vorbild  schon  näher  als  seine  Vorgänger.  Gegen  den  Vorwurf  einer 
geschmacklosen  Uebersetzung  verteidigt  ihn  K.  —  wie  mir  scheint  mit  Recht  — 
gegen  Witkowski.  Nach  einer  kurzen  Besprechung  der  schwülstigen  Uebertragung 
Hudemanns  (1732)  wird  Gottscheds  „Versuch  einer  Uebertragung  Anakreons  in 
reimlose  Verse"  (1733)  einer  genauen  Untersuchung  unterzogen.  Gottsched  hat  zu- 
erst unter  Verzicht  auf  den  Reim  eine  dem  Griechischen  möglichst  getreu  nach- 
gebildete metrische  Form  gefunden  und  ist  vorbildlich  für  die  meisten  späteren 
Anakreon-Uebersetzer,  Uz,  Götz  usw.  geworden.  Freilich  begegnen  auch  bei  ihm 
ungriechische  Wendungen,  z.  B.  wenn  er  von  dem  „lieben  Vater  Bacchus"  spricht. 
Andererseits  findet  sich  in  seiner  Anakreon-Uebersetzung  eine  Grazie  (z.  B.  in  dem  so 
oft  übersetzten  eü.m  Xeyeif  'ArosiSas},  welche  bei  der  sonstigen  dichterischen  Persönlichkeit 
Gottscheds  überrascht.  Mit  einer  eingehenden  Charakteristik  der  Gleimschen  Ueber- 
tragung schliesst    die   an   feinen  ästhetischen    und   metrischen  Bemerkungen   reiche 


26)  M.  T.  Waldberg,  H.  A.  Stockfleth:  ib.  S.  286,7.-27)  G.  Boethe,  Mich.  Stechow:  ib.  35,  S.  539.  —  28)  (I  2:5;  8:54.)  — 
29)  0.  E.  Carstens,  K.  F.  Stresow:  ADB.  36,  S.  575.  —  30j  G.  A.  Stabiler:  ib.  S.  713.  —  31)  X  A.  Schumann,  W.  F.  Stölzel: 
ib.  S.  430/2.  —  32)  Günth.  Koch,   Beitrr.  z.  Würdig^ing  d.   ältesten  dtsch.   uebersetzungen  anakreont.   Gedichte:    VLG.  6, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IT.  (ß)^ 


III  2  :  33-37  L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Betrachtung-.  —  Als  üebersetzer  horazischer  Oden  ist  der  Bautzener  Advokat 
M.  Stubritz  zu  nennen,  den  Schnorr  von  Carolsfeld^^)  behandelt.  — 

Aus  der  weltlichen  Lyrik  unseres  Zeitraums  hat  besonders  Weckherlin 
die  Forschung-  auf  sich  g-elenkt.  In  der  Abkehr  von  französischen  Mustern  und  in  seinem 
Anschluss  an  die  Poesie  der  Engländer  sieht  Bohm^*)  Weckherlins  Hauptverdienst. 
Im  Beg-inn  seiner  poetischen  Thätig-keit  folg-t  er  den  Dichtern  der  Plejade.  Seine 
„Oden  und  Gesäng-e"  lehnen  sich  noch  durchaus  an  den  französischen  Renaissancestil 
an.  Nach  Du  Bellays  Forderung  in  der  „Defense  et  illustration  de  la  langue 
franpaise"  zieht  er  den  ganzen  Olymp  zur  Ausschmückung  seiner  Dichtung  heran. 
Dass  Ronsard  nicht  nur  in  der  Behandlung  des  Stoffs,  sondern  auch  in  metrischer 
Hinsicht  das  Vorbild  des  jungen  Dichters  gewesen  ist,  zeigt  B.  durch  eine  Zusammen- 
stellung der  Strophenformen  in  den  „Oden  und  Gesängen",  in  denen  Weckherlin 
sogar  bemüht  ist,-  in  der  Behandlung  der  Caesur  Ronsards  Technik  nachzuahmen 
(S.  12/3,  15/8).  Die  dauernde  Uebersiedlung  nach  England  bedingt  den  Umschwung 
in  der  Dichtung  Weckherlins.  An  Stelle  des  früheren  mythologischen  Rüstzeugs 
und  der  am  französischen  Hof  üblichen  Lobhudelei  tritt  eine  einfachere,  freimütige 
Sprache.  Soweit  die  englischen  Vorlagen  davon  durchdrungen  sind,  macht  sich  in 
seinen  Gedichten  nach  dem  J.  1620  natürliche  Empfindung  bemerkbar.  Ungemein 
bezeichnend  für  seine  rezeptive  Natur  ist  es,  dass  er  sich  durch  die  neue  Umgangs- 
sprache sogar  verleiten  Hess,  englische  Satzkonstruktionen  und  Sprachwendungen 
in  seine  Gedichte  aufzunehmen  fS.  42/4).  Die  englischen  Belege  hierfür  hat  B.  mit 
feinem  Sprachgefühl  aus  der  elisabethanischen  Litteratur  herausgefunden.  In  der 
Psalmen-Paraphrase  Weckherlins  begegnet  die  in  der  damaligen  Dichtersprache 
Englands  beliebte  Häufung  von  Synonymen,  sowie  die  euphuistische  Spielerei, 
jedem  dieser  gleichbedeutenden  Substantiva  Verben  und  Attribute  in  gleicher  An- 
ordnung folgen  zu  lassen.  Ein  Einfluss  Petrarcas  auf  Weckherlins  Sonettendichtung 
wird  abgelehnt,  und  unter  seinen  englischen  Vorbildern  ist  hier  namentlich  Spenser 
hervorgehoben.  In  den  Epigrammen  hat  er  sich,  wie  die  meisten  seiner  deutschen 
Zeitgenossen,  Martial,  den  im  17.  Jh.  unglaublich  überschätzten  Owen  und  die  be- 
kannteren Neulateiner  zum  Muster  genommen.  Doch  belehrt  uns  B.,  dass  neben 
diesen  Dichtern  ihm  auch  Ben  Jonson,  Harington,  Sherburne  und  andere  enghsche 
Epigrammatiker  während  seines  englischen  Aufenthalts  vertraut  und  vorbildlich  ge- 
worden sind.  —  Aus  den  unerschöpflichen  Schätzen  der  Collectio  Camerariana  in 
München  teilt  Schnorr  von  Carolsfeld^s)  4  Briefe  Weckherlins  an  Ludwig 
Camerarius  (1573— 1651)  mit,  welche  in  den  J.  1624 — 31  geschrieben  sind.  Der 
Adressat  war  zu  dieser  Zeit  schwedischer  Rat  und  bevollmächtigter  Gesandter  bei 
den  Generalstaaten,  nachdem  er  früher  für  seinen  König  Friedrich  V.  von  der  Pfalz 
publizistisch  thätig  gewesen  war.  Die  Briefe  behandeln  demgemäss  grösstenteils 
politische  Fragen,  mit  Ausnahme  des  vierten,  welcher  einen  intimeren,  mehr  per- 
sönlichen Charakter  besitzt.  Weckherlin  erwähnt  hier  seine  Psalmenparaphrase  und 
kommt  auf  seine  litterarische  Thätigkeit  zu  sprechen.  —  Ein  Lobgedicht  von  ihm  in 
englischer  Sprache  auf  den  Gesandten  Lord  Hays,  das  als  Stuttgarter  Einzeldruck 
vom  J.  1619  in  englischen  Katalogen  verzeichnet  ist,  wird  von  Fischer^^)  für  seine 
Weckherlin-Ausgabe  gesucht.  — 

In  seiner  Kritik  der  deutschen  Gedichte  Flemings  versucht  der  französische 
Litterarhistoriker  W^ysocki^')  dem  Dichter  eine  andere  litterarische  Stellung  anzu- 
weisen, als  ihm  in  der  deutschen  Forschung  bisher  eingeräumt  wurde.  W.  be- 
hauptet —  wie  in  seinem  Buche  über  Gryphius  —  auch  hier  seinen  Stoff  „longe 
aliter  ac  qui  hactenus  de  eo  scripserant"  behandelt  zu  haben  (S.  137).  Dieser 
Unterschied  beschränkt  sich  jedoch  im  wesentlichen  auf  eine  noch  höhere  ästhetische 
Würdigung  des  Dichters  und  die  Behauptung,  Fleming  sei  ein  Vorläufer  unserer 
anakreontischen  Dichtung.  Das  einleitende  Kapitel  bringt  einen  kurzen  Abriss  der 
deutschen  Litteraturentwicklung  von  1524 — 1624,  in  welchem  besonders  der  Einfluss 
der  Reformation  auf  die  deutsche  Dichtung  berücksichtigt  wird.  W.  beklagt,  dass 
Luthers  Beispiel  folgend  die  führenden  Geister  sich  vorwiegend  der  kirchlichen 
Dichtung  zugewendet  und  die  weltliche  Lyrik  vernachlässigt  hätten.  Unter  aus- 
giebiger Benutzung  der  Geschichte  des  deutschen  Pentameters  und  Hexameters  von 
W'aokernagel,  Höpfners  „Reformbestrebungen"  und  Borinskis  Poetik  der  Renaissance 
wird  ein  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  deutschen  Verskunst  bis  Opitz  geboten. 
Die  Abhängigkeit  der  ersten  Gedichte  Flemings  von  Opitz,  auch  in  der  äusseren 
Einteilung  und  Benennung,  wird  hervorgehoben.  Von  ihm  hätte  der  jugendliche  Dichter 
die    Vorliebe   für   mythologische    Schilderungen,    auch   bei    religiösen   Stoffen   über- 


S.  481-506.  -  33)  F.  Schnorr  t.  Carolsfeld,  Mart.  Stubritz:  ADB.  36,  S.  714  —  34)  W.  Böhm,  Englands  Einfluss  auf 
G.  R.  Weckherlin.  Diss.  Göttingen,  Dieterich.  80  S.  M.  1,25.-35)  H  Schnorr  t  Carolsfeld,  Briefe  G.  E.  Weckherlins. 
(=  1  1:118,   P.  157-66.)  —  36)  Herrn.  Fischer,   Weckherlins  Engliph  Poem:   Ac.  46,  S.  .16.  —  37)  L.  Wysocki,  De  Pauli 


L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  2  :  38-39 

nommen.  Im  einzelnen  wird  g-esucht,  Uebereinstimmungen  in  den  Oden,  Sonetten 
usw.  beider  Dichter  nachzuweisen  (S.  36—47);  doch  wird  man  sicher  nicht  bei  allen 
Parallelstellen  mit  W.  auf  eine  direkte  Abhäng-igkeit  Flemings  von  Opitz  schliessen 
dürfen,  da  die  beiden  gemeinsamen  Gleichnisse  und  Metaphern  auch  bei  anderen 
Dichtern  des  Zeitraums,  zum  Teil  auch  solchen  vor  Opitz  begegnen.  Namentlich 
das  von  beiden  beliebte  Kunstmittel,  die  körperlichen  Vorzüge  der  Geliebten  mit 
edlen  Gesteinen  usw.  zu  vergleichen,  ist  der  gesamten  Renaissancelyrik  eigen  und 
konnte  von  Fleming  selbst  unmittelbar  aus  den  antiken  Klassikern  herübergenommen 
sein.  Dass  Fleming  sich  bei  seiner  Psalmenparaphrase  Opitz  zum  Muster  genommen 
hat,  ist  freilich  unbestreitbar,  da  er  es  in  der  Vorrede  selbst  bestätigt.  Auf  metrische 
Fehler  und  falsche  Reime  in  den  Jugendgedichten  wird  hingewiesen  und  die  spätere 
strenge  Selbstkritik  Flemings  gerühmt.  Das  4.  Kapitel  bringt  —  nach  deutschen 
Biographen  —  eine  Lebensbeschreibung  des  Dichters  und  die  Geschichte  seiner 
Reisen  und  Verlobungen.  Feinfühlig  im  einzelnen  wird  sein  dichterischer  Schwung 
(Schillers  „Rekrutenlied"  und  Flemings  „Lob  eines  Soldaten  zu  Ross"  werden  mit 
einander  verglichen),  die  Naturwahrheit  seiner  Schilderungen  und  seine  Fähigkeit 
zur  formellen  Gestaltung  analysiert.  Die  grössere  metrische  Sorgfalt  seiner  späteren 
Gedichte  und  das  Fehlen  trivialer  Sentenzen  in  den  Schöpfungen  seiner  letzten  Jahre 
wird  gelobt.  Das  5.  Kapitel  stellt  die  Aeusserungen  der  Litterarhistoriker  über 
Fleming  von  Morhof  bis  auf  die  Gegenwart  zusammen.  W.  findet  in  seinen  Ge- 
dichten bereits  die  Eigentümlichkeiten  unserer  Anakreontiker,  zumal  die  Anmut 
und  liebenswürdig-heitere  Lebensauffassung  eines  Hagedorn.  Er  preist  ihn  als 
Geistesverwandten  Goethes,  der  auf  dem  von  Fleming  eingeschlagenen  Wege  die 
deutsche  Lyrik  zur  höchsten  Blüte  gebracht  hätte.  — 

Eine  in  der  Fürstlich  Plessschen  Bibliothek  zu  Fürstenstein  befindliche 
Hs.  der  Hofmanns wald auschen  Epigramme  wird  von  Friebe^S)  mit  den  „100 
Grabschriften"  des  Dichters  verglichen,  welche  ein  im  J.  1663  ohne  Ortsangabe  er- 
schienener Druck  enthält.  Letzterer  galt  bisher  als  erste  authentische  Ausgabe  der 
Epigramme;  die  früher  veröffentlichte  „Centuria  Epitaphiorum"  war  von  unberufener 
Seite  herausgegeben  worden.  Die  Fürstensteiner  Hs.  bietet  einen  verständlicheren 
und  —  trotz  vieler  Verschreibungen  —  besseren  Text  als  die  von  einem  gewissen 
J.  Pol  besorgte  Ausgabe  von  1663;  sie  hatte  also  offenbar  eine  bessere  Vorlage. 
Da  die  Polsche  Ausgabe  nicht  den  vollen  Namen  des  Dichters  auf  dem  Titel  führt, 
ferner  Lohenstein  in  seiner  Lobrede  auf  Hofmannswaldau  bezeugt,  dieser  habe 
„seine  Werke  bis  zu  seinem  Tode  (1679)  aus  Bescheidenheit  der  Welt  vorenthalten*', 
und  schliesslich  Pol  den  Dichter  wegen  der  von  ihm  unternommenen  Ausgabe  um 
Verzeihung  bittet,  muss  man  mit  F.  auch  den  Druck  von  1663  für  einen  unrecht- 
mässigen erklären.  Im  einzelnen  weist  F.  nach,  dass  die  Centuria  und  Pols  Aus- 
gabe sich  sehr  nahe  stehen,  während  die  Hs.  sowohl  in  der  Reihenfolge  der  Epi- 
gramme, wie  im  Text  einen  selbständigen  Charakter  trägt.  Der  Hs.  ist  eine  vom 
Dichter  herrührende  Vorrede  vom  22.  Juli  1643  vorangeschickt.  Durch  diese  Datierung 
wird  die  Annahme  Ettlingers  (vgl.  JBL.  1891  III  2  :  25;  1892  III  2  :  26),  die  Epigramme 
Hofmannswaldaus  seien  ungefähr  um  das  J.  1660  entstanden,  hinfällig.  Der  Text 
der  Hs.  und  derjenige  der  rechtmässigen  Ausgabe  von  1680  weichen  zum  Teil  stark 
von  einander  ab.  So  sind  selbst  manche  Epigramme,  die  Anstoss  erregen  oder 
Angehörige  der  Verspotteten  hätten  kränken  können,  ganz  ausgemerzt  worden. 
Sonst  ist,  wie  F.  an  mehreren  Beispielen  zeigt,  in  einzelnen  Grabschriften  der  vulgäre 
Ausdruck  zu  Gunsten  eines  edleren  abgeändert  worden.  F.  glaubt  an  eine  grössere 
Selbständigkeit  Hofmannswaldaus  seinen  italienischen  Vorbildern  (Cimiterio  des 
Loredano  und  Michiele)  gegenüber  als  Ettlinger  und  macht  eine  Uebereinstimmung 
der  Gedanken  in  Marinos  Galeria  und  den  Epigrammen  des  Schlesiers  glaubhaft. 
Die  heftige  Polemik  gegen  Ettlingers  verdienstvolle  Biographie,  welche  in  der 
ganzen  Abhandlung  hervortritt,  wäre  —  nicht  zum  Schaden  der  ungemein  sorgfältigen 
Untersuchung  —  besser  eine  rein  sachliche  geblieben.  — 

Dem  Leben  und  der  Dichtung  von  Heinr.  Mühlpfort  ist  eine  sorgfältige 
und  eingehende  Arbeit  von  Hofmann^'')  gewidmet.  Gegenüber  der  harten  Be- 
urteilung Goedekes,  welcher  in  Mühlpforts  Gedichten  hauptsächlich  „blühenden 
Unsinn"  finden  wollte,  und  der  zu  günstigen  Kritik  Kahlerts,  giebt  der  Vf.  eine  auf 
genaues  Studium  zum  Teil  bisher  unbenutzter  Quellen  gegründete  Darstellung.  Das 
Gesamtbild,  welches  man  hier  von  Mühlpforts  dichterischem  Schaffen  gewinnt,  nähert 
sich  dem,  welches  Erich  Schmidt  in  seiner  biographischen  Skizze  (in  der  ADB.) 
entworfen  hat.  Im  einzelnen  schildert  H.  ausführlich  den  Bildungsgang  des  Dichters 
auf  dem  Breslauer  Elisabethanum  und  die  Anregungen,  die  er  durch  seine  Lehrer 


Flemingi  Germanice  Scriptis  et  Ingenio.    Diss.    Paris,  Bouillon.    1892.    n,  140  S.    M.  2,75.  —  38)  K.  F  riebe,  Chrn.  Hof  man 
V.  Hofmanswaldans  Grabschriften.  Progr.  d.  Gymn.   Greifswald  (F.  W.  Kunilce).  4".  35  S.  —  39)  Karl  Hof  mann,  H.  Möhl- 

(3)3* 


III  2  :  40-42  L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Elias  Major,  Crph.  Colerus  und  J.  F.  Schreck  empfang-en  hat;  ihnen  verdankte  er 
auch  seine  religiöse  Vertiefung.  Sein  freundschaftliches  Verhältnis  zu  dem  Privat- 
gelehrten Caspar  von  Barth,  einem  ehemaligen  Studiengenossen  von  Opitz,  erweist 
sich  Mühlpfort  während  seiner  Leipzig-er  Universitätsjahre  förderlich.  Zuerst  widmet 
er  sich  der  Medizin;  von  Mai  1659  ab  wird  er  als  Cand.  jur.  utr.  bezeichnet.  Als 
solcher  wagt  er,  kaum  20  Jahre  alt  und  ohne  sicheren  Unterhalt,  ein  Ehebündniss 
einzug-ehen.  Trotz  angestrengter  Thätigkeit  wird  seine  Lage  durch  Geldnot  und 
Zwistigkeiten  mit  den  neuen  Verwandten  immer  peinlicher.  Hofmaunswaldaus  Einfluss 
genüg-t  nicht,  ihm  die  durch  M.  Machners  Tod  vakant  g-ewordene  Registratorstelle 
in  Breslau  zu  verschaffen.  Auch  als  er  auf  Grund  einer  Dissertation  „De  jure 
sepulturae"  von  der  Wittenberger  Universität  1662  zum  Doctor  juris  ernannt  wird, 
bleibt  ihm  nichts  anderes  übrig,  als  eine  Hauslehrerstelle  anzunehmen  und  seiner 
Herrschaft  auf  ihre  verschiedenen  Güter  zu  folgen.  Selbst  im  Besitze  des  Breslauer 
Amtes  wird  er  von  Nahrungssorgen  g-epeinigt.  Aus  dieser  Notlage  heraus  wird  man 
den  Ursprung-  mancher  Geleg-enheitsg-edichte  herleiten  und  entschuldig-en  müssen. 
Mühlpfort  empfindet  tief  den  Zwiespalt  zwischen  seiner  trockenen  Thätig-keit  und 
der  immer  wachen  Lust  zum  poetischen  Schaffen,  doch  verwaltet  er  rühmlich  sein 
unerquickliches  Amt  bis  zu  seinem  Tode.  Die  auch  bei  Goedeke  wiederholten  Be- 
hauptung-en,  er  sei  ein  Zecher  und  seine  Gattin  Maria  Sophia  Berlich  eine  Xantippe 
g"ewesen,  werden  von  H.  durch  fast  zu  genaue  Verg-leichung  der  Qellen  als  Miss- 
verständnis einer  Stelle  bei  Neumeister  seitens  der  Biographen  John  und  Leuschner 
nachg-ewiesen.  Opitz  als  Theoretiker  und  als  Dichter  steht  natürlich  hoch  in  Mühl- 
pforts  Wertschätzung,  daneben  die  römischen  Klassiker  und  Petrarca,  dessen  Triumphus 
temporis  er  übersetzt.  Die  schlichten,  vom  schlesischen  Schwulst  freien  Liebes- 
g-edichte,  welche  mitunter  an  das  Volkslied  anklingen,  werden  auf  Erlebnisse  des 
Dichters  zurückgeführt,  die  Epigramme  und  Sonette  auf  ihre  Vorbilder  hin  geprüft 
und  namentlich  letztere  genau  formell  untersucht.  H.  zählt  sämtliche  Einzeldrucke 
von  Mühlpforts  deutschen  und  lateinischen  Gedichten  auf,  sowie  die  ihm  bekannt 
g-ewordenen  Gesamtausgaben.  Im  Anhang  teilt  er  ein  bisher  ung-edrucktes  Kuriosum 
mit,  das  „Coemeterium  Henrici  Mühlpfortii".  Es  besteht  aus  lateinischen  und  deutschen 
Epicedien,  welche  der  kranke  Dichter  unter  dem  Namen  und  dem  Charakter  seiner 
Kollegen  gemäss,  auf  den  eigenen  Tod  gedichtet  hat.  Ein  zweiter  Abschnitt  ist  dem 
Einfluss  gewidmet,  welchen  das  Hohe  Lied  auf  die  sogen,  zweite  schlesische  Schule 
ausgeübt  hat.  Aus  den  „Leichengedichten"  Mühlpforts  stellt  der  Vf.  gleichsam  ein 
Hohes  Lied  en  miniature  zusammen.  Er  zeig-t  ferner,  wie  Lohenstein,  Neukirch  und 
mehrere  schlesische  Gelegenheitsdichter  in  ihren  Begr'äbnisgedichten  sich  oft  wörtlich 
an  das  Hohe  Lied  angelehnt  haben,  und  wie  dessen  überschwengliche  orientalische 
Ausdruckweise  dazu  beig-etragen  hat,  der  Herrschaft  des  schlesischen  Schwulstes  neue 
Nahrung  zuzuführen.  — 

Den  Schauplatz  von  Günthers  Liebesg-lück,  das  schlesische  Lohethal,  wo 
Philindrene  und  die  rätselhafte  Leonore  den  jungen  Dichter  fesselten,  hat  Kopp'**')  be- 
schrieben. Die  dort  lieg-enden  Güter  Ruschkowitz  und  Borckut  haben  auch  durch 
den  Aufenthalt  und  darauf  bezügliche  Dichtungen  der  Schlesier  Logau,  Lohenstein  und 
Chrn.  Gryphius  eine  lokale  Berühmtheit  erhalten.  —  Friedlaender^^)  will  Günthers 
Lied  „Wie  gedacht"  (1715),  das  bald  volkstümlich  wurde  und  schon  1759  im  „iVrien- 
buch  von  Joh.  Andr.  Freytag"  in  veränderter  Fassung  begegnet,  wegen  seines 
metrischen  und  melodischen  Charakters  auf  ein  altes  geistliches  Lied  zurückführen. 
In  den  J.  1810  und  17  ist  es  als  fliegendes  Blatt  wieder  gedruckt  worden.  Auf 
seinen  Zusammenhang  mit  Hauffs  ,, Reiters  Morgenlied,  eine  alte  Soldatenweise" 
(1824)  hat  Tillmann  zuerst  1874  aufmerksam  gemacht.  Bolte  bezweifelt,  dass  Günther 
ein  älteres  Volkslied  für  seine  Gedicht  benutzt  habe.  — 

Der  Jenenser  Polyhistor  G.  Stolle  verdient  mehr  Beachtung  wegen  seiner 
wissenschaftlichen  Leistungen,  in  welchen  von  Waldberg ^^^  Berührungspunkte 
mit  Thomasius  nachweist,  als  wegen  seiner  Gedichte.  Seine  Poesie  findet  sich  zum 
Teil  im  6.  Bande  der  Sammlung  „Des  Herrn  von  Hofmannswaldau  und  anderer 
Deutschen  auserlesene  Gedichte",  teils  ist  sie  in  anderen  Anthologien  unter  dem 
Pseudonym  „Leander  aus  Schlesien"  abgedruckt.  Die  Gedichte  erheben  sich  nicht 
über  die  gewöhnlichen  Produkte  der  galanten  Lyrik  jener  Zeit.  Am  geniessbarsten 
sind  die  „im  schlesischen  Helicon",  deren  Stil  W.  als  eine  glückliche  Mitte 
zwischen  dem  Marinismus  der  Schlesier  und  der  volkstümlichen  Art  Chrn.  Weises 
charakterisiert.  —  Einen    Schüler    des  Chrn.    Gryphius,    Chrn.    Stieff,  hat  Mark- 

pfort  u.  d.  Einflnss  d.  Hohen  Liedes  anf  d.  zweite  schles.  Schule.  Nebst  e.  Anh.:  Ooemeterinm  Henrici  Mühlpfortii.  Diss. 
Heidelberg,  Ph.  Wiese.  VII,  107  S.  M.  2,50.  —  40)  A.  Kopp,  E.  schles.  Musensitz:  VossZg".  N.  18/9.  —  41)  Max  Fried- 
laender,  Ueber  Günthers  „Wie   gedacht".    Vortr.  in  GDL.:  VossZg.  N.  153.    (Vgl   dazu  d   Bemerkung  J.  Boltes  ib )  —  42) 


AI.  Reifferscheid,  Epos  des  17./ 18.  Jahrhunderts.  III  2 :  43-45  III  3  :  i-io 

graf*')  g-eschildert.  Nach  dem  Beispiel  seines  Lehrers  bildete  auch  er  sich  zum 
Polyhistor  aus  und  übte  eine  höchst  umfangreiche  poetische  Thätig-keit.  Er  war 
Jahrzehnte  hindurch  einer  der  beliebtesten  Gelegenheitsdichter  Breslaus,  inbesondere 
für  Begräbnisse.  Es  existiert  eine  Sammlung  von  400  einzeln  gedruckten  Gedichten 
von  ihm  und  das  Fragment  einer  Selbstbiographie.  —  Ein  weiterer  Vertreter  der 
in  Schlesien  üppig  gedeihenden  Gelegenheitsdichtung  war  der  Hirschberger  Konrektor 
Stoppe.  Die  kurze  Charakteristik,  die  Markgraf **)  von  ihm  entwirft,  beschränkt 
sich  auf  eine  Wiedergabe  des  von  Hoffmann  von  Fallersleben  in  den  Schlesischen 
Provinzialblättern  (1831)  und  von  Jakob  Baebler  im  Archiv  für  Litteraturgeschichte 
bereits  Gesagten.  —  Das  kümmerliche  Leben  und  die  anagrammatischen  Bemühungen 
Fr.  D.  Stenders  hat  Roethe''^)  behandelt.  Im  „Teutschen  Letterwechsel"  (Hamburg 
1667)  und  der  nach  seinem  Tode  in  Braunschweig  veröffentlichen  „Anagrammatum 
Latinorum  et  Germanorum  Coronis"  wird  den  Namen  klassischer  und  zeitgenössischer 
Berühmtheiten  durch  Umstellung  der  Buchstaben  irgend  ein  Sinn  abgewonnen. 
Neben  einer  „Wolke  unbekannter  Theologen  und  Schulmänner"  und  zahlreichen 
Gönnern,  von  deren  Liberalität  er  lebte,  besingt  Stender  auch  Opitz,  Fleming,  Rist 
und  Dach.  Wie  schon  Gervinus  findet  auch  R.  in  Stenders  poetischen  Verirrungen 
ein  lehrreiches  Beispiel  dafür,  wohin  die  Ueberschätzung  der  formellen  Künsteleien 
im  17.  Jh.  führen  musste.  — 


111,3 

Epos. 

Alexander  Reifferscheid. 

Volksbücher:  Tiecks  Erneuerungen  N.  1;  Faust  N.  2.  —  Schwanklitteratur  N.  10.  —  Grimmelsliausen  N.  12.  — 
Rudolf  Gasser  N.  13.  —  Schelmenroman  N.  14.   —  Ttobinson  und  die  Bobinsonaden  N.  15.  — 

Für  die  Erforschung  der  Entwicklungsgeschichte  des  Epos  ist  auch  in 
diesem  Berichtsjahre  wenig  geschehen.  Abgesehen  von  einigen  Abhandlungen  sind 
nur  Notizen  zu  verzeichnen.  Hinsichtlich  der  Volksbücher  untersuchte  Tiecks 
Erneuerungen  alter  deutscher  Volksromane  Steiner')  sehr  sorgsam  in  ihrem 
Verhältnis  zu  den  Vorlagen ;  er  beschränkte  sich  dabei  auf  die  Schildbürgerchronik, 
das  Buch  von  den  Haimonskindern,  die  wundersame  Liebesgeschichte  von  der 
schönen  Magelone  und  die  Geschichte  von  der  schönen  Melusine.  In  einem  be- 
sonderen Kapitel  werden  Entlehnungen  und  Nachbildungen  in  Sprache  und  Stil  erörtert.  — 

Zur  Faustsage 2)  liegen  einige  Kleinigkeiten  vor.  FränkeP)  teilte  die 
Geschichte  von  Fausts  Weintraubenzauber  aus  einer  1713  gedruckten  lateinischen 
Schwanksammlung  mit,  machte  einige  Bemerkungen  über  Fausts  Fortleben  in  Eng- 
land. Als  isländische  Volkslegende  über  Joh.  Faust  notierte  er  eine  Geschichte  von 
unzweifelhaft  g-elehrter  Herkunft.  —  Werner*)  veröffentlichte  nach  einer  Wiener 
Hs.  aus  der  Wende  des  17.  und  18.  Jh.  eine  Uebersetzung  aus  dem  J.  1680  des 
Teufelspaktes,  den  ein  Herzog  von  Luxemburg  1676  in  der  Bastille  zu  Paris  ge- 
schlossen und  der  einige  Aehnlichkeit  mit  der  Faustsage  hat.  —  Gleichfalls  Werner^) 
wies  an  zwei  Stellen  des  alten  Faustbuches  Entlehnungen  aus  M.  Lindeners  Katzipori 
vom  J.  1558  nach.  —  Des  leider  so  früh  verstorbenen  Szamatölski^)  treffliche  Aus- 
gabe von  dem  Faustbuch  des  Christlich  Meynenden  wurde  weiter  mit  verdientem 
Lobe  besprochen  (vgl.  JBL.  1891  III  3:5;  1892  ib.)  —  Walzel')  zeigte,  dass  der 
Herausgeber  des  Wagner  Volksbuches  von  1712  wirklich  P.  J.  Marperger,  seine 
Vorrede  aber  eine  gelehrte  Dissertation  war  zu  Gunsten  der  Hexenprozesse,  einer 
der  letzten  Schläge  der  Hexen-  und  Zaubergläubigen  gegen  den  siegreich  vor- 
dringenden Anhang  des  Thomasius.  —  Recht  dankenswert  war  das  Verzeichnis  der 
Faustausstellung  im  Goethehause  zu  Frankfurt  a.  M.,  mit  wohlgelungenen  inter- 
essanten Lichtdrucktafeln,  von  Heuer  ausgearbeitet^"").  — 


M.  T.  Waldberg,   G.  Stolle:  ADB.  36,  408/9.    -    43)  H.  Markgraf,    Chrn.  Stieff:    ib.    S.  1745.    —  44)   id.,  D.  Stoppe:  ib. 
S.  435,6.  -  45)  G.  Koethe,  F.  D.  Stender:  ib.  S.  44  6.  — 

1)  B.  Steiner,  L.  Tieck  u.  d.  Volksbücher.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  der  älteren  roniant.  Schule.  B.,  C.  Vogt.  III,  83  S. 
M.1,60.  (Als  Berliner  Diss.  63  S.;  vgl.  U  3  u.  IV  10.)  —  2)  O  X  (I  5  :  224;  10:  25;  II  3.)  —  3)  L.  Fränkel,  Beitrr..  z  Litt.-Gesch.  d. 
Faustfabel.  2.  E.  lat.  Fanstschwank.  6  Zu  Dr.  Faust  in  England.  7.  Joh.  Faust  in  Island:  GJb.  14,  S.  290/2,  294/6.  —  4)  R. 
M.  Werner,  Z.  Faustsage.  2.  D.  Teufelspakt:  ib.  S.  264,8.  —  S'*  id.,  Z.  Faustsage.  3  Entlehnungen  im  ältesten  Faustbuch: 
ib.  S.  269-70.  —  6)  X  eo  [=  Erich  Schmidt]:  DRs.  74,  S.  318;  Polybiblionf.  67,  S.  242;  A.  Bielscho  wsky  :  ADA.  19, 
S.74/7.  —  7)  0.  F.  Walzel,  D.  Herausgeber  des  Wagnervolksbuches  v.  1712:  VLG.  6,  S.  115  9. —  8)  [0.]  [Heuer],  Ausstellung 
T.  Hss.,  Druckwerken,  Bildern  n.  Tonwerken  z.  Faustsage  u.  Faustdichtung  veranst.  vom  Freien  Deutschen  Hochstift.  28.  Aug. 
bis  10.  Nov.  Frankfurt  a.  M.  (Gebr.  Knauer).  VIII,  127  S.  (In  zwei  Ausg.  erschienen,  d.  e.  mit  20  Lichtdrucktaf.,  d.  andere 
ohne  Illustr.)  —  9)  OX  L.  Fränkel,  Z.  Faustsage:  Urquell  4,  S.  171,2.   (Gelegentl.  d.  Ausstell.,  s.  N.  8.)  —  10)  F.  Ger- 


III  3  :  11-18  AI.  Reifferscheid,  Epos  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Ueber  die  Schwanklitteratur  des  17.  Jh.  gab  Gerhard'")  eine 
g-ut  orientierende  Skizze,  in  der  er  eine  Gliederung-  der  verschiedenen  Arten  ver- 
suchte, als  Einleitung-  zu  seiner  Untersuchung  über  Joh.  Peter  de  Memels  „Ijustige 
Gesellschaft".  Die  Arbeit  selbst  behandelt:  1.  die  Elemente;  2.  Schwanke  und  Anek- 
doten; 3.  Gedichte,  Epigramme;  4.  Ausgaben;  5.  Geschichte  der  Ausgaben;  6.  Ver- 
fasserfrage. Zum  Schlüsse  wird  der  Einfluss  der  „[jUstigen  Gesellschaft"  auf  die 
Schwanklitteratur  und  deren  Entartung  behandelt.  Der  Schwerpunkt  der  Unter- 
suchung liegt  in  dem  sorgfältig  ausgearbeiteten  3.  Kapitel.  Neu  ist  vor  allem  der 
Nachweis  der  starken  Verwendung  der  Epigramme  Logaus  in  der  „Lustigen  Ge- 
sellschaft ".'i)  — 

Ueber  G  ri  m  m  el  s  h  a  u  s  e  n  s  Dietwald  und  Amelinde,  einen  der  ersten 
deutschen  historischen  Originalromane,  der  1670  erschien,  handelt  die  tüchtige 
Arbeit  Stilgebauers'^)^  in  der  Absicht  durch  den  Nachweis  der  benutzen  Quellen 
die  Arbeitsweise  des  Dichters  zu  beleuchten.  In  einer  Inhaltsangabe  des  Romans 
deutet  er  recht  geschickt  durch  verschiedenen  Druck  an,  was  Grimmeishausen  aus 
historischen  Quellen  und  was  er  aus  novellistischen  Vorbildern  entnommen  hat.  Der 
historische  Teil  hat  starke  Anleihen  bei  dem  1640  erschienenen  Armin  von  Joh. 
Heinr.  Hagelganss  gemacht,  während  der  eigentliche  Romankern  dem  Meisterliede 
„von  dem  Grafen  von  Safoi"  entstammt.  Sehr  viele  Einzelzüge  nahm  Grimmeishausen 
aus  Volksbüchern  auf.  Das  Ganze  hüllte  er  in  ein  historisches  Gewand,  das  er  sich 
aus  seinen  historischen  Quellen  zusammenflickte.  — 

Auf  einen  interessanten,  litterar-  und  kulturhistorisch  wichtigen  Roman,  der 
bisher  völlig  übersehen  worden,  lenkte  HirzeP^)  die  Aufmerksamkeit.  Es  ist  der 
Roman  „von  Philologo,  einem  portugiesischen  Cavalieren  vnd  Carabella,  einer 
Kaiserin  in  China"  des  Kapuzinerpaters  Rudolf  Gasser  (1646-  1709)  aus  Schwytz, 
der  darin  den  Liebesromanen  entgegenarbeiten  wollte,  „solchen  Lasterbüchern  die 
Stirne  bietend,  insonderheit  und  voraus  den  sogenannten  Romanzen  oder  Romanen, 
d.  i.  den  Dichtern  unerbarer  Geschichten  und  Buhlschaften".  Gasser  wollte  unter 
einer  kurzweiligen  Romanzenart  den  armen,  von  wahren  Romanen,  „d.  i.  leicht- 
fertigen Gedichten-Schreiberen  verführten,  Seelen  eine  hilfreiche  Hand  bieten".  Die 
Poeterey  war  ihm  „gar  nit  die  Substanz,  sonder  nur  ein  Accidenz,  nicht  der  Kern, 
sonder  allein  die  Heuischen".  Nach  H.  ist  diesem  Roman,  dem  der  ganze  Apparat 
der  damaligen  Romanschriftstellerei :  Jagden,  Entführungen,  Verkleidungen,  Turniere, 
Kämpfe,  Revolutionen,  Naturschilderungen,  Träume,  Schlaftrunk,  Seuchen,  Mahl- 
zeiten, Liebschaften,  heimliche  Geburt,  Aussetzung  von  Kindern  durchaus  nicht 
fehlt,  eine  gewisse  Frische  und  unmittelbare  Lebendigkeit  nicht  abzusprechen,  ja  er 
wirkt  sogar  in  den  zahlreichen  moralisierenden  Kapiteln  durch  seinen  geistigen  Gehalt.  — 

Einen  Ueberblick  über  die  spanischen  Schelmenromane,  ohne  ihre 
Beziehungen  zu  den  volkstümlichen  Erzählungen  auch  nur  zu  streifen,  gab  Schult- 
heiss'4).  Ueber  die  deutschen  Bearbeitungen  handeln  nur  wenige  Zeilen,  in  denen 
von  den  selbständigen  Zuthaten  des  Aegidius  Albertinus,  der  hier  irrtümlich  Aug. 
Albertinus  heisst,  gar  nicht  die  Rede  ist.  — 

In  seiner  Besprechung-  der  gründlichen  Untersuchung  Kippenbergs  über 
Robinson  in  Deutschland  und  die  R  o  b  i  n  s  o  n  a  d  e  n  bis  zur  Insel  Felsenburg 
(vgl.  JBL.  1892  III  3  :  8),  teilte  Bolte'-^)  einige  genaue  Notizen  über  den  Magister 
Ludw.  Fr.  Vischer,  den  Verdeutscher  des  englischen  Robinson  mit;  Ulrich'^'*),  der 
seit  Jahren  an  einer  Bibliographie  sämtlicher  Robinsonaden  arbeitet,  ergänzte 
und  berichtigte  in  der  seinigen  einige  Angaben  Kippenbergs.  —  Eingehender  be- 
sprach Biltz'ß)  den  Nachdruck,  den  der  Leip>^iger  Buchhändler  Joh.  Chr.  Martini 
gleich  im  J.  1720  von  Vischers  Verdeutschung  veranstaltet;  über  das  Leben  Vischers, 
sowie  über  sein  Werk  „Das  Gross-Britannische  Amerika"  wusste  auch  er  Neues  beizu- 
bringen. —  Sterns'')  ergebnisreiche  Untersuchung  über  J.  G.  Schnabel,  die  zu- 
erst wieder  die  Aufmerksamkeit  auf  die  „Insel  Felsenburg"  gelenkt,  den  Vf.  des 
Werkes  glücklich  aufgespürt  und  unter  Berücksichtigung,  besonders  seiner  journa- 
listischen Thätigkeit  in  Stolberg,  trefflich  charakterisiert  hatte,  erschien  neu  be- 
arbeitet. —  Näher  ging  Kleemann 'S)  auf  Schnabels  journalistische  Thätigkeit  ein. 
Unter  Hinweis  auf  die  katholisierende  Tendenz  des  Schnabelschen  Romans  „Der  aus 


hard,  Joh.  Peter  de  Meraels  Lustige  Gesellschaft  nebst  e.  Uebers.  Aber  d.  Sohwank.-Litt  d.  17.  Jh.  Halle  a.  S.,  Niemeyer. 
127  S.  M.  2,80.  —  U)  X  H.  Merkens,  Dtsch.  Humor.  Schwänice  u.  Erzählungen  aus  älterer  Zeit.  Aasgew.  u.  erneuert. 
L  ,  ßibliogr.  Inst  140  S.  M.  0,20.  —  12)  E.  Stil  gebauer,  Grimmeishausens  Dietwald  u.  Amelinde.  E.  Beitr.  z.  Litt.- Gesch. 
d.  17.  Jh.  Gera,  Leatzsch.  .54  S.  M.  1,20.  —  13)  L.  Hirzel,  E.  Schweiz.  Roman  aus  d.  17.  Jh.  u.  sein  Vf.  (Sonderabdr.  aus 
BnndB.)  Bern,  Jent  &  Co.  42  S.  M.  0,75.  —  14)  A.  Schul theiss,  D.  Schelrffenroman  d.  Spanier  u.  seine  Nachbildungen. 
(=SGWV.  N.  106.)  Hamburg.  Verlagsanst.  62  S.  M.  1,00.  |[LCB1.  S.  1587;  ÖLBl.  S.  715;  A.  Schroeter:  BLU.  S.  582.]! 
— 15)  J.  B  0 1 1  e :  ASNS.  90,  S.  464/6.  —  15  a)  H.  Ulrich:  Z VLR.  6,  S.  259-66.  — 161  K.  B  i  1 1  z ,  Zu  Kippenbergs  .Insel  Felsenburg" : 
ASNS.  90,  S.  13-26.  —  17)  Ad.  Stern,  D.  Dichter  d.  „Insel  Felsenburg".  (=  Beitrr.  z.  Litt.-Üesch.  des  17.  u.  18.  Jh.  [L.,  R. 
Richter.    VII,  328  8.    M.  7,50J,  S.  61-93.)   -   18)  S.   Kleemann,   D.  Vf.   d.  Insel  Felsenburg  als  Zeitungsschreiber:    VLG.  6, 


J.  Bolte,  Drama  des  17,/18.  Jahrhunderts.    III  3  :  19-30  III  4  ■.  1-3 

dem  Mond  gefallene  .  .  .  Printz",  der  nach  seiner  Ansicht  zu  Heiligenstadt,  nicht 
zu  Helmstedt  oder  Halberstadt  erschienen,  spricht  er  auch  den  1748  gedruckten 
Roman  „Der  Sieg  des  Glücks  und  der  Liebe  über  die  Melancholie"  wegen  ähnlicher 
Tendenz  demselben  Dichter  zu,  indem  er  Genaueres  für  später  in  Aussicht  stellt. 
Schnabels  Zeitung,  die  „Stolbergische  Sammlung  Neuer  und  Merkwürdiger  Welt- 
Geschichte"  hat  eine  hervorragende  Bedeutung*  für  die  Sittengeschichte  der  da- 
maligen Zeit.  Sie  enthielt  manches  in  Skizze,  was  die  „Insel  Felsenburg"  ausführte. 
Während  Strauch  alle  Epigramme  der  Sammlung  Schnabel  zuschrieb,  wies  K.  nach, 
dass  sehr  viele  von  dem  Pastor  Christian  Andreas  Teuber  verfasst  sind.  —  Von  dem 
englischen  Robinsonbuch  sind  neuerdings  wieder  Ausgaben  für  den  Schulgebrauch '^"2"), 
andere  zur  Unterhaltung 2>-22j  erschienen.  Auch  die  Uebersetzungen23-24ii^^  Bear- 
beitungen25)  und  Nachahmungen^ß'^o^  finden  immer  wieder  ihr  Publikum.  (Vgl.  I  7 :  53.)  — 


111,4 

Drama. 

Johannes  Bolte. 

Uebergangszeit :  Fortleben  des  Hans  Sachs  N.  1;  Stephan  Egl  N.  2.  —  Einfluss  der  englischen  Bühne  N.  4.  — 
Singspiele  d.  englischen  Komödianten  N.  7.  —  Chph.  Stöltzer  N.  11.  —  E.  Stapel  N.  12.  —  Andr.  Gryphias  N.  14.  —  A.  A.  von  Hangwitz 
N.  17.  —  Weise  N.  18.  —  Moliere-Üebersetzer  N.  19.  —  Schalkomödie  N.  20.  —  Jesuitendraraen  N.  21.  —  Theatergeschichte 
einzelner  Städte  und  Wandertruppen :  Allgemeines  N.  27 ;  Bamberg,  München,  Gotha,  Danzig  N.  29 ;  Spencer  N.  33 ;  Veiten 
N.  34;  deutsche  Banden  in  Dänemark  N.  33.  —  Geistliche  Volksschanspiele  N.  36.  —  Weltliche  Volksschauspiele:  Faust  N.  39; 
Puppenkomödien  N.  44.  — 

So  wenig  wie  im  vorigen  Jahre  haben  wir  hier  eine  Arbeit  allgemeiner  oder  zu- 
sammenfassender Natur  zu  verzeichnen.  Zur  Charakteristik  der  Uebergangszeit 
dient  eine  Untersuchung  über  das  Fortleben  des  Hans  Sachs  im  17.  Jh.  von 
Richter^).  Fleissig,  wenn  auch  nicht  vollständig,  stellt  er  die  Abdrücke  seiner 
Bildnisse,  die  Ausgaben  seiner  Werke,  die  Aufführungen  einiger  Schauspiele  in 
Nördlingen  und  Kaufbeuren,  die  Plagiate  von  Zihler  zusammen  und  mustert  die 
Urteile,  die  Vogel,  Spangenberg,  Gryphius,  Grimmeishausen,  Prätorius,  Morhof  u.  a. 
über  den  Nürnberger  Meister  fällen. '^J  — 

Ganz  unter  dem  Einflüsse  des  16.  Jh.  stehen  auch  zwei  1618  zu  Regensburg 
aufgeführte  Fastnachtspiele,  von  denen  schon  Mettenleiter  1866  kurz  berichtet  hatte, 
die  aber  erst  jüngst  wieder  aufgefunden  wurden.  Hartmann  2)  hat  sie  mit  reichen 
Worterklärungen  zum  Abdruck  gebracht  und  ihren  Zusammenhang  mit  anderen 
Handwerkerspielen  klar  gelegt.  IJas  erste  vom  Schreinermeister  Stephan  Egl 
auf  Grund  älterer  Ueberlieferungen  verfasste  Stück  behandelt  den  Streit  zwischen 
Meistern  und  Gesellen  über  die  gegen  Ende  März  aufhörende  Arbeit  bei  Licht;  der 
zur  Entscheidung  aufgerufene  Richter  verurteilt  infolge  der  von  den  Gesellen  vor- 
gebrachten Klagen  das  Licht  zum  Tode ;  in  einem  Intermezzo  wird  ein  ungeschlachter 
Bauer  vom  Beilmeister  behobelt.  —  Spätere  Aufzeichnungen  dieses  Spiels  vom 
J.  1656  und  1696  sind  aus  Nürnberg  und  Hamburg  erhalten  und  von  Bolte=^)  in  einem 
Vortrage  besprochen.  In  dem  anderen  Regensburger  Spiele  zieht  ein  Bauernknecht, 
Hänsl  Frischenknecht  geheissen,  in  den  Krieg  und  hält  nach  seiner  Heimkehr 
Hochzeit.  (Vgl.  II  4 :  15.)  - 

S.  337-71.  (Vgl.  JBL.  1892  III  3:8.)  —  19)  X  E.  Grube,  Life  and  surprising  adventures  of  Robinson  Crusoe  of  York, 
mariner,  by  Dan.  De  Foe.  (Im  Auszuge.)  (=  Engl.  Authors.  30.  Lfg.)  Bielefeld  u.  L.,  Velhagen  &  Klasing.  1892.  12».  184  S. 
M.  1,00.  —  20)  X  K.  Foth,  Robinson  Crusoe  v.  Dan.  Defoe.  Für  d.  Schulgebr.  bearb.  (=  Franz.  u.  engl.  Schnlbibl.  her.  v. 
0.  B.  A.  Dickmann.  Bd.  75)  L.,  Renger.  X,  86  S.  M.  1,00.  —  21)  X  D.  Defoe,  Robinson  Crusoe,  with  100  designs  by 
Gordon  Browne.  New.  ed.  London,  Hutchinson.  Sh.  3/6.  —  22)  D  Defoe,  Robinson  Crusoe.  (=  Caxton  Series.)  London, 
Routledge.  Sh.  0/6.  —  23)  X  Aventures  de  Robinson  Crusoe.  Trad.  de  Daniel  de  Foe.  Ed.  revue  &  corrigee  avec  sein,  con- 
tenant  88  grav.  sur  bois.  Tonrs,  Mame  &  fils.  1892.  4".  400  S.  —  24)  X  Aventures  de  Robinson  Crusoe.  Paris,  Vermot. 
16".  139  S.  —  24a)  D.  Del'oe,  Les  aventures  de  Robinson  Crusoe.  Trad.  nouv.  Avec  norabr.  grav.  par  K.  Halswelle  et  V.  A. 
Poirson.  Paris,  Dreyfous  et  Dalsace.  300  S.  —  25)  X  J-  H-  Campe,  Robinson  d.  Jüngere.  Erzählung  für  d.  Jugend.  L., 
Gressner  &  Schramm.  12".  93  S.  M.  0,73.  —  26)  X  Th.  Weyler,  D.  Schweiz.  Robinson  nach  J.  D.  Wyss  frei  bearb.  Mit 
Farbendrnckb.  nach  Aquarellen  von  0.  Försterling  u.  e.  Karte  v.  F.  Knopf.  L.,  0.  Drewitz  Nachfolger.  156  S.  M.  3,00.  — 
27)  X  J-  D-  Wyss,  Le  Robinson  snisse,  Journal  d'un  p6re  de  famille  naufrage  avec  ses  enfants.  Nouv.  ed.  avec  33  grav. 
Limoges,  Ardant  &  Co.  328  S.  —  27a)  id.,  Le  Robinson  snisse.  Avec  grav.  Paris,  Vermot.  188  S.  —28)  W.  H.  G.  Kingston, 
Swiss  Family  Robinson.  London,  Routledge.  Sh.  2/6.  —  29)  X  Marie  Guerrier  de  Haupt,  Le  Robinsonjdes  Antilles.  Aven- 
tures d'Owen  Evans,  abandonne  en  1739  dans  une  ile  deserte  des  Antilles  Extrait  du  ms.  orig.  par  W.  H.  Anderdon.  Tradnit 
de  l'anglais.  5.  ed.  avec.  grav.  Tonrs,  Mame  &  Als.  1392.  240  S.  Fr  1,50.  —  30  X  E-  ^oa,  Les  nouveaux  Robinsons. 
111.  d.  R.  Bacard.     Paris,  Delarue.     202  S.  — 

l)Alb.  Richter,  Hans  Sachsens  Fortleben  im  17.  Jh.:  ZDKG.  3,  S.  353-74.  —  la)  X  J-  Schlus  Comedia  von 
Isaac.  Her.  v.  A.  Freybe.  (Vgl.  JBL.  1892  III  4:1):  KBlVNiederdSpr  16,  S.  93.  —  2)  Aug.  Hartmann,  Regensburger 
Fastnachtspiele.    Z.  ersten  Male  her.:  Bayerns  Mundarten  2,  S.  1-64,  139-42.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  3,  S.  342.J|  —  3)  J. 


IIT  4  : 4-16  J.  Bolte,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Der  bestimmende  Einfluss,  der  zu  Anfang-  des  Jh.  von  der  englischen 
Bühne  auf  die  deutsche  ausging-,  nötig-t  uns  auch  auf  die  wichtigeren  Arbeiten 
Rücksicht  zu  nehmen,  die  dieser  gewidmet  werden.  Dass  Fleays  Chronik  des  eng- 
lischen Schauspiels  weder  auf  der  Höhe  der  Forschung  steht  noch  von  groben  Ver- 
sehen frei  ist,  zeigt  Boyle*)  in  ausführlicher  Besprechung  (s.  II  4  :  38);  er  hätte  hinzu- 
fügen können,  dass  Halliwells  von  Fleay  hart  getadeltes  „Dictionary  of  old  english  plays" 
1892  in  W.  C.  Hazlitts  Manual  einen  guten  Nachfolger  gefunden  hat.  —  Den  Einfluss 
der  Tragödien  Senecas  auf  die  Entwicklung  des  englischen  Dramas  untersuchen 
gleichzeitig  der  Engländer  Cunliffe^)  und  der  Deutsche  Uud.  Fischer^),  der  eine 
mehr  äusserlich  auf  die  Nachahmung  einiger  Stellen  achtend,  der  andere  mehr  auf 
die  inneren  Gremeinsamkeiten  eingehend.  —  lieber  die  Einbürgerung  Shakespeares 
in  Deutschland,  die  alten  Uebersetzungen  der  fahrenden  Komödianten  und  die 
selbständigeren  Nachahmungen  der  fremden  Stücke  bei  Ayrer,  Herzog  Heinrich 
Julius,  Gryphius  und  Weise  orientiert  kurz  eine  ansprechende,  sachkundige  Schrift 
Hauffens^^).  — 

Eine  Materialsammlung  zur  Geschichte  der  1596  durch  die  englischen 
Schauspieler  in  Deutschland  eingeführten  Singspiele  giebt  Bolte').  Im  Gegensatze 
zu  der  gleichzeitig  entstehenden  italienischen  Oper  behandeln  diese  niedrigkomische 
Schwankmotive,  schliessen  sich  an  bekannte  Liedmelodien  an  und  sind  daher  durch- 
weg strophisch  gegliedert.  Die  englischen  Originale  sind  bis  auf  zwei  Stücke,  „Singing 
Simpkin"  und  „The  black  man",  verloren;  doch  lassen  sich  bis  1760  über  30  deutsche, 
5  holländische,  2  schwedische  und  2  dänische  Gesangspossen  nachweisen,  die  teils 
direkt,  teils  indirekt  auf  jene  Anregung  zurückgehen.  B.  druckt  zwölf  vollständige 
Texte  und  sämtliche  ihm  erreichbaren  Melodien  ab  und  spürt  den  Quellen  und  Nach- 
ahmungen nach.  Für  Christian  Reuters  Singspiel  von  Harlekins  Hochzeit  hat  er 
eine  1693  gedruckte  Vorlag-e  aufgefunden,  die  jener  mit  geringen  Abweichungen 
kopierte.  —  Zu  dem  Singspiele  von  der  doppelt  betrogenen  Eifersucht  hat  Nyrop 
in  seiner  früher  erwähnten  Schrift^)  Parallelen  nachgewiesen,  über  die  schwedischen 
Possen  hat  auch  Schuck-')  geschrieben  und  für  den  „Courtisan  in  der  Kiste"  eine  Auf- 
führung durch Upsalaer  Studenten  am  17. Mai  1685  erwiesen. i")  (S.  JBL.  1892  III 4  :  10.)  — 

Der  Thüringer  Schulmann  Christoph  Stöltzer,  der  1618  von  Rinkart  als 
Mitvf.  seines  „Indulgentiarius  confusus"  genannt  wird,  verdient  nach  Boltes")  An- 
sicht keinen  Platz  unter  den  dramatischen  Dichtern,  da  Rinkart  ihm  nur  seinen 
Dank  für  die  von  ihm  ins  Werk  gesetzte  Aufführung  ausdrücken  wollte.   — 

Auf  gleichen  Rang  will  Holstein '2)  Rists  Studienfreund  und  Schwager 
Ernst  Stapel  aus  Lemgo  herabdrücken,  indem  er  ihm  keinen  Anteil  an  dem  1630 
veröffentlichen  Schauspiele  Irenaromachia  zugesteht;  doch  ist  dies  Rists  eigenem 
Zeugnis  gegenüber  eine  etwas  gewagte  Behauptung.  Auf  Stapels  Germania,  die 
jüngst  noch  Göckeler  in  Zusammenhang  mit  J.  Mylius  gebracht  hat,  geht  H.  gar 
nicht  ein.'-')  — 

Dem  grossen  dramatischen  Talente  des  Andreas  Gryphius  ist  eine  sorg- 
fältige Arbeit  von  Wysocki^^)  gewidmet.  W.  charakterisiert  die  Stücke  als 
Situationstragödien  und  hebt  auch  die  persönlichen  Beziehungen  und  Erfahrungen, 
die  sich  in  diesen  verraten,  richtig  hervor.  Dagegen  stellt  er,  wie  Creizenach  be- 
tont, des  Dichters  Verhältnis  zu  den  älteren  und  zeitgenössischen  Schriftstellern 
mangelhaft  dar ;  er  vernachlässigt  seine  Beziehungen  zum  Drama  der  Wander- 
komödianten, der  Jesuiten  und  der  Holländer  und  äussert  über  die  Benutzung 
Shakespearescher  Bühnenwerke  wunderliche  Ansichten.  —  Der  Frage  nach  der  Quelle 
von  Gryphius  „Cardenio  und  Gelinde"  geht  Herrmann '^)  mit  Glück  zu  Leibe. 
Gryphius  benutzte  eine  1624  erschienene  Novelle  des  Spaniers  Montalvan  „La  fuerza 
del  desengafio"  in  der  italienischen  Uebersetzung  von  B.  Cialdini  (Prodigi  d'amore 
1637).  Die  Erzählung  Harsdörffers,  auf  die  Boxberger  aufmerksam  machte,  giebt 
offenbar  eine  ältere  spanische  Novelle  wieder,  die  Montalvan  nebst  Zügen  aus  Bandello 
und  Tirso  de  Molina  verwertet  hat^^).  — 


Bolte,  Ueber  Handwerkerkomödien  aus  d.  17.  u.  18.  Jh.  (Referat):  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  81.  —  4)  R.  Boyle,  F.  G.  Fleay, 
Abiogr.  chronicleofthe  engl,  dramii  1559-1642.  London.  Reeves.  1891.  VIII,  389  S.;  VI,  406  S.  Sh.30:  EnglSt.  18,8.111-25.  -  5)  J.  W. 
Cunliffe,  The  influence  of  Seneca  on  Elizabethan  Tragedy.  London,  Macraillan.  IV,  155  S.  Sh.4.  —  6)  Rud.  Fischer,  Z.  Knnst- 
entwicklnng  d.  engl.  Tragödie  v.  ihren  ersten  Anfängen  bis  zu  Shakespeare.  Strassburg  i.  K.,  TrSbner.  XIII,  192  S  M.  5,00. 
—  6a)  A.  Hauffen,  Shakespeare  in  Deutschland.  (=  SGV.  N.  175.)  Prag,  Haerpfer.  26  S.  M.  0,20.  —  7)  J.  Bolte,  D.Sing- 
spiele d.  engl.  Komödianten  u.  ihrer  Nachfolger  in  Deutschland,  Holland  u.  Skandinavien.  (=  TheatergeschF.  N.  7.)  Hamburg, 
L  Voss.  VII,  194  S.  M  5,00.  |[(W.  Creizenach:)  LCBl.  S.  1794;  J.  A.  Worp:  Mus«.  1,  S.  361,3;  MhMusikgesch.  S.  221; 
AMusZg.  20,  S.  673/4;  Grenzb.  4,  S.  47.]|  —  8)  W.  Golther,  K.  Nyrop,  Nej.  Et  Motivs  Historie.  1891:  ZVLR.  6,  S.  140,4.  - 
9)  H.  Schuck,  Bidrag  tili  kännedomen  om  1600-talets  dramatik:  Saralaren  13,  S.  5-90.  (Bes.  S.  17/9.)  —  10)  X  P- 
Harms,  Die  deutschen  Fortunatusdramon  (vgl.  .TBL.  1892  in4:3).  |[[W.  Creizenach:]  LCBl.  S.  797/8;  L.  Fränkel: 
BLU.  S.  .344/5;  AZg«.  N.  9;  A.  Bing:  WRDK.  N.  l.]|  —  U)  J.  Bolte,  Chr.  Stöltzer:  ADB.  36,  S.  420.  —  12)  H.  Holstein, 
E.  Stapel:  ib.  35,  S.  448.  —  13)  X  J-  Bolte,  Drei  Königsberger  Zwischenspiele  (vgl.  JBL.  1890  III  4:9h  KBlVNiederdSpr.  15, 
S.  11.  —  14)  L.  G.  Wysocki,  A.  Gryphius  et  la  tragödie  allemande  au  XVIL  sieole.  Paris,  Bouillon.  II,  456  S.  I[(W. 
Creizenach:)  LCBl.  S.  1396.11  —  15)  M.  Herrmann,   Cardenio  u.  Gelinde.  Vortr.  in  GDL.:  DLZ.  S.  184/5.    —  16)  X  J-  G- 


J.  Bolte,  Drama  des  17./ 18.  Jahrhunderts.  III  4  :  17-28 

Aug".  Ad.  von  Haug-witz  unterzieht  Hübner  ^''J,  der  schon  1885  in  einem 
Trarbacher  Prog-amra  über  ihn  gehandelt,  zum  zweiten  Male  einer  litterarhistorischen 
Würdigung.  Er  berichtigt  auf  Grund  eines  1836  im  Lausitzer  Mag.  erschienenen  Artikels 
von  Köhler  einige  biographische  Einzelheiten  und  analysiert  die  1684  im  Prodroraus 
poeticus  veröffentlichen  steifen  Alexandrinerstücke  von  Haugwitz :  die  Maria  Stuarda, 
Soliman  und  Flora.  Als  Quellen  dienten  ihm  Erasmus  Franziscis  Trauersaal,  der 
Ibrahim  der  Scudery  in  Zesens  üebersetzung  und  ein  französisches  Ballet  (von 
Benserade?).  Die  Vergleichung  mit  den  Vorlagen  und  älteren  dramatischen  Behand- 
lungen durch  Vondel,  Kormart  und  Lohenstein  könnte  schärfer  durchgeführt  sein ; 
interessant  ist  der  Nachweis,  dass  1686  ein  Pleidelberg-er  Anonymus  eine  gekürzte 
Ueberarbeitung  des  Soliman  drucken  Hess.  — 

Eine  Rostocker  Dissertation'^)  über  Christian  Weises  historische  Dramen 
ist  mir  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  — 

Eloessers'")  Untersuchung  der  M oli er e- Verdeutschung  von  1670,  von 
der  1893  nur  ein  Teil  veröffentlicht  ist,  bleibt  besser  für  eine  Besprechung  in  den 
nächsten  JBL.  aufgespart.  — 

Zur  Geschichte  der  protestantischen  und  katholischen  Schulkomödie  sind 
einig-e  Beiträge  geliefert  worden.  Ueberdie  in  Arnstadt  während  des  17.  Jh.  auf- 
geführten Weihnachtsspiele  berichtet  summarisch  ohne  Angabe  genauerer  Daten 
Einert20).  _ 

In  das  weite  Gebiet  der  J  esuitendrame  n^i)  hat  Zeidler^^)  erneute 
Streifzüge  unternommen.  Er  berichtet  über  zwei  mit  der  Faustsage  in  losem  Zu- 
sammenhange stehende  Stücke  des  18.  Jh.  nach  den  in  einem  ihm  gehörenden  Sammel- 
bande befindlichen  Inhaltsangaben :  einen  1736  zu  Schussenried  gespielten  lateinischen 
„Cyprianus  poenitens",  in  welchem  der  böse  Geist  Megistophiles  jenen  Ahnherrn  des 
Doktor  Faust  verführt,  und  über  eine  1754  aus  Holbergs  „Hexerei"  hervorgegangene 
deutsche  Fastnachtskomödie  „Der  blinde  Lermen",  in  der  die  geistlichen  Herren  zu 
Wengen  bei  Ulm  den  Komödianten  Leopold  als  angeblichen  Zauberer  mit  einer  paro- 
distischen  Beschwörung  des  Teufels  Mephistopheles  vorführten.  —  Ein  anderer  Aufsatz 
Zeidlers^^Jüber  die  dramaturgische  Thätigkeit  des  Paters  Ferdinand  Rosner  ist  mir 
leider  nicht  zugänglich. —  In  Leipzig  wurden  1660,  wie  Georg  Müller-*)  mitteilt, 
mehrere  Jesuitenkomödien  gespielt,  die  protestantischen  Geistlichen  nicht  unbedenk- 
lich erschienen,  und  zwar  „Androphilus  und  Sylvia"  und  „Tobiä  Freudenspiel". 
Offenbar  handelte  es  sich  dabei  um  Birkens  1656  gedruckte  Bearbeitung  des  Androphilus 
von  Masenius,  die  auch  1658  in  Zittau  und  1686  in  Lüneburg  von  Schülern  'dar- 
gestellt wurde.  —  Auch  in  Lothringen  pflegten  die  Jesuitenkollegien  zu  Pont-ä-Mousson, 
Verdun,  Nancy  eifrig-  die  Schulkomödie,  wie  Germain^s)  j^  seiner  Kritik  von 
Jacquots  lothringischer  Theatergeschichte  im  einzelnen  nachweist  (vgl.  II  4 :  40).  — 
Das  Vordringen  der  Jesuiten  in  Ungarn  nach  dem  30jährigen  Kriege  schildert  von 
Kr  ones^ß)  auf  Grund  archivalischer  Studien  und  teilt  dabei  Näheres  mit  über  eine  1653 
zu  Ehren  des  Grafen  Illeshäzy  in  Trentschin  veranstaltete  Aufführung  von  Joseph 
und  seinen  Brüdern,  die  nicht  weniger  als  sechs  Stunden  dauerte.  Die  Jesuiten 
wollten,  nachdem  die  Lutheraner  kurz  zuvor  zur  Fastnacht  ein  Josephdrama  g-e- 
spielt  hatten,  bei  dem  es  nicht  sehr  sittsam  herg-egangen  war,  durch  ihre  Aufführung- 
zeigen,  wie  ein  geistliches  Drama  beschaffen  sein  müsse.  — 

Zur  Theatergeschichte  einzelner  Städte  und  zur  Kenntnis  der 
Wandertruppen  folgen  zunächst  einige  allgemeine  Beiträg-e.  In  einer  Be- 
sprechung von  Heines  Buch  über  die  Wanderbühne  des  17.  Jh.  weist  Ellinger^"?) 
auf  eine  bisher  wenig  ausgenutzte  Quelle  hin,  nämlich  auf  die  grossenteils  aus  den 
Stücken  der  fahrenden  Komödianten  älterer  Zeit  hervorgegangenen  jüngeren  Puppen- 
spiele. Den  Hauptwert  von  Heines  Leistung  sieht  er  in  den  Analysen  der  Wiener 
Dramenhss.  und  in  den  Nachweisen  der  ausländischen  Vorbilder,  während  er  die 
schematische  Zusammenstellung  der  dort  verwendeten  Motive  wenig-  fördernd  findet. 
—  Bolte  28)  bemerkt  in  einer  Anzeige  von  Reulings  Werk  über    die  lustige  Person 


Schoch,  Komödie  vom  Studentenleben  her.  v.  W.  Fabricius  (vgl.  JBL.  1892  III  4:6):  LCBl.  S.  11556.  —  17)  B.  Hnbner,  D. 
kleineren  Dichtungen  u.  Dramen  d.  Prodromus  Poeticus  v.  A.  A.  v.  Haugwitz.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Eunstdramas  im  17.  Jh. 
Progr.  Neuwied,  Heuser.  4".  35  S.  |[L.  Hölscher:  ASNS.  91,  S.  468/9.]|  —  18)  O  A.  Hess,  Chr.  Weises  hist.  Dramen 
u.  ihre  Quellen.  Diss.  Eostock.  82  S.  —  19)  (I  8:95.)  —  20)  E.  Einert,  Aus  d.  Papieren  e.  Rathauses.  Beitrr.  z.  dtsch. 
Sittengesch.  Arnstadt,  Frotscher.  III,  196  S.  M.  3,00.  (S.  162  7:  Weihnachtsspiel.)  —  21)  X  J-  Zeidler,  Studien  u.  Beitrr.  z. 
Gesch.  d.  Jesuitenkomödie.  (Vgl.  JBL.  1891  III  4:  15a.)  |[K.  Wotke:  ZOG.  44,  S.  220  1;  M.  Landau:  ZYLR.  6,  S.  136/8;  G. 
Ellinger:  NatZg.  N.  21.J|  —  22)  J.  Zeidler,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Klosterdramas.  1.  Mephistopheles:  Z7LR.  6,  S.  464-78.  — 
23)  O  id.,  Jesuiten  u.  Ordenslente  als  Theaterdichter  u.  über  P.  Ferd.  Bosner  insbes.:  BVLNiederöstr.  27,  S.  128-41.  —  24) 
Georg  Müller,  Z.  Gesch.  d.  Jesuitenkomödie  in  Sachsen:  NASächsG.  14,  S.  140.  —  25)  L.  Germain,  A.  Jacquot,  Notes 
pour  servir  ä  l'hist.  du  theätre  en  Lorraine.  (=:  CR.  de  la  Reunion  des  beaux  arts  des  departements  1891,  S.  561-685.): 
AnnEst.  7,  S.  621-33.  —  26)  F.  v.  Krones,  Z.  Gesch.  d.  Jesuitenordens  in  Ungarn  1645-71:  AÖG.  79,  S.  277-354.  (Bes.  S.  313.)  — 
27)  G.  Ellinger,  C.  Heine,  D.  Schauspiel  d.  dtsch.  Wanderbühne  vor  Gottsched.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  1889.  VIL  92  S.: 
ZDPh  25,  S.  419-2L  (Vgl.  JBL.  1890  III  4:15.)  —  28)  J.  Bolte,  C.  Renling,  D.  komische  Figur  (vgl.  JBL.  1890  UI  4:32): 
Jahresberiehte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV.  (3)4 


III  4:29-41  J.  Bolte,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts. 

den  Zusammenhang  zwischen  der  Bühne  und  einer  Reihe  von  Schwanksammlungen, 
die  unter  dem  Namen  einzelner  bekannter  Clowndarsteller  wie  Jan  Tamboer,  Scara- 
muzza,  Kilian  Brustfleck  veröffentlicht  wurden.  — 

Leists^ö)  Arbeit  über  die  Bamberger  Bühne  ist  uns  nicht  zu  Gesicht 
gekommen.  —  Ueber  die  Geschichte  des  Münchener  Theaters  in  der  ersten  Hälfte 
des  18.  Jh.,  zu  der  Trautmann  schon  1889  in  seinem  Aufsatze  „Deutsche  Schau- 
spieler am  bayerischen  Hofe"  wertvolles  Material  veröffentlicht  hatte,  giebt  der  un- 
genannte Vf.  30)  der  Jubiläumsschrift  des  Eberlbräus  einige  Notizen.  Um  1745  ver- 
wandelte der  Besitzer  des  Faber bräuhauses  seine  Malztenne  in  einen  Komödienstadel, 
auf  dem  die  Truppen  eines  Wallerotty  und  Kurz  auftraten.  —  Die  für  die  Besucher 
der  Gothaer  Musteropervorstellungen  bestimmte  Broschüre  Ho  derma  n  ns^^)  liefert 
nur  einen  flüchtigen  Rückblick  auf  die  1669  in  Gotha  agierte  Aktion  von  der  argen 
Grundsuppe  der  Welt,  während  Rub^^)  in  seinem  Buche  über  die  dramatische  Kunst 
in  Dan  zig  die  Periode  von  1650—1730  auf  drei  Seiten  wörtlich  nach  Hagens  Ge- 
schichte des  Theaters  in  Preussen  bespricht.  — 

Mit  eingehender  Sachkenntnis  dagegen  schildert  Creizenach^^)  die  Per- 
sönlichkeit des  englischen  Komödianten  John  Spencer,  der  auf  seinen  Wander- 
zügen durch  Deutschland  in  den  J.  1605—29  überall  durch  reiches  Personal,  glänzende 
Ausstattung  und  gewandtes  Benehmen  gegenüber  dem  Rat  und  der  Geistlichkeit 
Beifall  und  Ansehen  gewann  und  auch  einen  neuen  Clowntypus  „Hans  Stockfisch" 
schuf.  — 

Einen  Nachtrag  zu  Heines  Untersuchung  über  den  Schauspieler  Johannes 
Veiten  liefert  Nehring^^j^  indem  er  nach  russischen  Quellen  über  die  Verhand- 
lungen berichtet,  die  1672  ein  Abgesandter  des  Zaren  Alexej  Michailowitsch,  der 
Oberst  van  Staden,  in  Riga  mit  Veiten  und  Czarlus,  d.  h.  Veltens  Schwiegervater 
Karl  Paulsen,  wegen  eines  Gastspieles  in  Moskau  pflog,  freilich  ohne  seinen  Zweck 
zu  erreichen.  — 

Dankenswert  sind  die  Zusammenstellungen  Paludans^^)  über  die  von 
1600 — 1750  in  Dänemark  nachweisbaren  deutschen  Wandertruppen 
eines  Treu,  Paulsen,  Uhlich,  der  Witwe  Veiten,  Denner,  Spiegelberg,  Ecken berg, 
Quoten,  zumal  da  er  die  dänischen  Quellen  durch  Vergleichung  der  deutschen  Theater- 
geschichten ergänzt  hat.  Willkommen  heissen  wir  besonders  den  Abdruck  mehrerer 
ausführlicher  Kopenhagener  Theaterzettel:  1.  Die  in  ein  marmorsteinernes  Bild  ver- 
liebte Prinzessin  Adamira  (1707  nach  Cicognini);  2.  Der  verirrte  Liebesstand,  oder 
der  durchlauchtige  Bauer  (Orismanna  von  Böhmen  und  Sigislaus);  3.  Des  Glückes 
Probierstein,  oder  der  .  .  .  verirrte  Liebes-Soldat  (Ormachus  und  Aribane  1719); 
4.  Der  grossmütige  Rechtsgelehrte  Aemilius  Paulus  Papinianus  (1719  nach  Gryphius).  — 

Die  geistlichen  Volksschauspiele  Süddeutschlands  erhalten  durch  eine 
tüchtige  Arbeit  von  Amman n^ß)  eine  treffliche  Beleuchtung  hinsichtlich  ihrer 
Quellen.  Nicht  nur  das  Höriizer  Passionsspiel,  von  dem  in  unserem  vorjährigen 
Berichte  (JBL.  1892  III  4  :  35)  die  Rede  war,  ist  durch  das  weitverbreitete  Leben  Jesu 
des  Kapuziners  Martin  von  Kochem  beeinflusst,  sondern  auch  viele  andere  Passions-, 
Weihnachts-  und  Paradeisspiele  aus  Böhmen,  Schlesien,  Oberbayern,  Steiermark  und 
Kärnten,  die  von  Weinhold,  Peter,  Hartmann  und  Schlossar  herausgegeben  sind, 
zeigen  Entlehnungen  aus  diesem  von  Scherer  trefflich  charakterisierten,  zuerst  1676 
gedruckten  Volksbuche.  —  Zu  der  Litteratur  über  das  Oberammergauer  Passionsspiel 
liefert  die  breite  Reisebeschreibung  von  Niedenzu^'^)  einen  wissenschaftlich  wert- 
losen Beitrag.  —  Aus  einem  im  Gianthale  in  Kärnten  heimischen  Spiele  von  Joseph 
und  seinen  Brüdern,  dessen  Aufführung  vier  Stunden  beansprucht,  druckt  Franz  iszi^^) 
die  eingelegten  acht  Lieder  der  Schäfer,  Josephs,  des  eingekerkerten  Mundschenken 
und  der  begnadigten  Brüder  Josephs  ab.  — 

Unter  den  weltlichen  Volksdramen  steht  diesmal  das  Volksschauspiel 
vom  Doktor  Faust  obenan.  Ueber  Kuno  Fischers "^^)  Einleitung  zu  Goethes 
Drama  wird  an  anderer  Stelle  dieser  Berichte  gehandelt  werden.  —  Die  Frage,  ob 
das  deutsche  Faustdrama  auf  Marlowe  zurückgehe  oder  auf  deutschem  Boden  er- 
wachsen sei,  wirft  Werner^^)  von  neuem  auf.  Er  betrachtet  die  Erweiterungen, 
die  Marlowes  Stück  in  England  durch  ernste  und  komische  Züge  erfahren  hat,  und 


ib.  S.  563-5.  —  29)  O  F.  Lei  st,  Gesch.  d.  Theaters  in  Bamherg  bis  z.  J.  1862:  BHVBambg.  N.  55;  278  S.  —  30)  (I  4:275.)  — 
31)  R.  Hodermann,  Theatergesch.  Erinnerungen.  Gotha,  (J.  Qoltsch).  12».  15  S.  M.  0,50.  —  32)  0.  Rub,  D.  dramat. 
Kunst  in  Danzig  v.  1615  bis  1893.  Danzig,  Bertling.  150  S.  M.  2,50.  —  33)  W.  Creizenach,  John  Spencer:  ADB.  35, 
8.  99-101.  —  34)  W.  Nehring,  E.  unbekannte  Episode  aus  d.  Leben  J.  Veltens:  ZVLR.  6,  S.  1/4.  (Vgl.  C.  Heine:  ib.  6, 
S.  150.)  —  35lJ.  Paludan,  Dtsch.  Wandertruppen  in  Dänemark:  ZDPh.  25,  S.  313-43.  —  36)  J.  J.  Amman n,  D.  Leben 
Jesu  V.  P.  Martinus  v.  Kochem  als  Quelle  geistl.  Volksschanspiele:  ZVVolksk.  3,  S.  208-23,  300-29.  —  37)  A,  Niedenzu,  E. 
Reise  z.  d.  Oberammergauer  Passionsspielen  im  Sommer  1890.  Wollstein,  E.J.Scholz.  104  S.  M.  1,60.  —  38)  F.  Franziszi, 
Lieder  aus  d.  Josefl-G'spiel:  Carinthia  83,  S.  19-22.  —  39)  OX  Kuno  Fischer,  Goethes  Faust.  3.  Aufl.  2  Bde.  1. 
Kunstdichtung  vor  Goethe.  2.  Entstehung,  Idee  u.  Komposition  d.  Goetheschen  Faust.  St.,  Cotta.  VIII,  :i20  S.;  VI,  260  S. 
M.  8,00.  (Vgl.  II  3:25  und  IV  8e.)   -    40)  R.  M,  Werner,   Fauststndien :  ZOG.  44,  S.  194-205.  -  41)  Elisabeth  Mentzel, 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.       1114:42-46   III  5 

hebt  hervor,  dass  einzelnes  im  Monologe  des  Helden,  das  Auftreten  der  beiden  Lehr- 
meister in  der  Zauberei  und  der  Selbstmordversuch  nicht  zu  dem  Spiessschen  Faust- 
buche, sondern  zu  dem  erst  nach  Marlowes  Tode  erschienenen  Widmannschen  Werke 
stimme,  mithin  schwerlich  von  Marlowe  geschrieben  sei.  Ferner  sucht  er  für  die 
aus  Schröders  Bericht  bekannte  Danziger  Faustaufführung  von  1669  deutsche  Parallelen 
nachzuweisen,  während  Creizenach  bekanntlich  die  einleitende  TeufelssceneausDekkers 
Stück  ,Jf  this  play  be  not  good,  the  devil  is  in  it"  herleiten  wollte.  —  Elisabeth 
MentzeH'),  die  verdienstvolle  Geschichtsschreiberin  des  Frankfurter  Theaters,  hat 
zwei  bisher  unbekannte  Theaterzettel  veröffentlicht,  von  denen  der  eine  mutmasslich 
um  1730  von  der  Witwe  des  Marionettenspielers  Neufzer  ausgegeben  ist;  er  nennt 
seinen  Helden  D.  Joannes  Faustus,  ehemahgen  Professor  in  Wittenberg.  Die  andere 
Ankündigung  ist  ausführlicher  und  stammt  von  der  Neuberin,  die  am  7.  Juni  1737 
auf  vieles  Begehren  und  Nachfrage  das  ruchlose  Leben  und  erschreckliche  Ende 
des  weltbekannten  Erzzauberers  D.  Johann  Faust  gab,  —  In  einer  sonst  anerkennenden 
Besprechung  der  Arbeit  von  Kraus  über  das  böhmische  Faust-Puppenspiel  bekämpft 
Ellinger^-)  die  H3^pothese,  das  epische  Faustlied  sei  mit  dem  „Prager  Comoedi- 
Lied"  zu  identifizieren  und  gebe  den  Inhalt  einer  Prager  Aufführung  des  17.  Jh.  wieder. 
—  Eine  von  mir  nicht  gesehene  englische  Uebersetzung  ^^j  des  Puppenspiels  von 
Dr.  Faust  scheint  auf  Simrocks  Text  zu  beruhen.  — 

In  einem  neuen  Hefte  seiner  deutschen  Puppenkomödien  hat  Engel^*"*^) 
zwei  ziemlich  junge  Stücke  von  dem  1858  entstandenen  Alünchener  Marionettentheater 
„Don  Juans  zweites  Leben,  oder  Kasperles  Gefahren"  und  „Die  Wasser-  und  Feuer- 
probe, oder  Kasperle  als  Wunderdoktor"  herausgegeben  und  ihnen  den  „Verlorenen 
Sohn"  aus  den  Englischen  Komödien  von  1620  hinzugefügt,  obwohl  dies  Stück  durch 
Tittmanns  Neudruck  längst  bequem  zugänglich  war.  Der  als  Einleitung  voran- 
gestellte Beitrag  zur  Geschichte  des  Puppenspiels  vereinigt  einige  brauchbare 
Notizen,  verrät  aber  in  litterarhistorischen  Fragen  häufig  den  Dilettanten.  —  Aus 
einer  kürzlich  in  den  Besitz  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  gelangten  Sammlung  von 
Puppenspielhss.  bespricht  Bolte-*6j  eine  1855  von  dem  sächsischen  Marionettenspieler 
E.  Möbius  verfasste  vieraktige  Komödie  „Hamlet,  Prinz  von  Dänemark,"  die  sich  von 
dem  Shakespeareschen  Trauerspiele  durch  einen  heiteren  Abschluss  und  die  ein- 
gefügte Rolle  des  lustigen  Kasper  unterscheidet.  Möbius  hat  die  Hamlet-Bearbeitung 
Schröders  und  zwar  die  dritte  vermehrte  Ausgabe  von  1795  benutzt  und  sie  in  rück- 
sichtsloser grober  W^eise,  aber  nicht  ganz  ohne  theatralisches  Geschick  umgestaltet.  — 


111,5 

Didaktik. 

Victor  Michels. 

Nationales  Leben:  Sprachgesellschaften:  Allgemeines  N.  1;  Casp.  Stieler  N.  2;  Pegnesischer  Blnmenorden 
N.  3.  —  Satire:  Tenfellitteratnr  N.  5;  Soldatenlob  N.  6;  Cresc.  Steiger,  H.  Josema  N.  7;  Mosoherosch  N.  9;  Veridor  von  Stack- 
dorn N.  11;  Lauremberg  N.  12;  C.Abel  N.  15:  FlnchpsalmN.  15a;  Abraham  aSanota  Clara  N.  16;  J.  P.  de  Memel  N.  16a.  —  Religiöses 
Leben  :  F.  Spanheim  Vater  und  Sohn,  B.  Stosch,  V.  E.  Löscher  N.  17.  —Die  Mystik  des  Angelas  Silesins  N.  20a.  —  Pietismus: 
Allgemeines  N.  21;  SpenerN.  22;  J.Gerhardt  N.  26;  Chrn.  Scriver  N.  27;  Ziuzendorf  N.  31 ;  „Die  schöne  Seele",  A.  G.  Spangen- 
berg N.  34;  Mich.  Hahn  N.  36.  —  Wissenschaftliches  Leben:  Gelehrtenbiographien:  Fortanat  Sprecher  von  Bernegg, 
Frhr.  von  und  zu  Stadl,  J.  K.  Spener,  ß,  G.  Struve,  .1.  J.  Stnbel,  A.  Stübel,  Strunz  N.  37;  Th.  G.  Spitzel,  J.  J.  Speidel,  F.  G. 
Strnve,  J.  L.  Hocker  N.  4S.  —  Pädagogik  und  Unteirichtswesen:  Morhof,  moralische  Wochenschriften  N.  48.  —  Leibniz- 
Wolfflsche  Philosophie  N.  51.  —  Gottsched  und  die  Seinen:  Gottsched  selbst  N.  59;  die  deutsche  Gesellschaft  in  Königs- 
berg N.  61;  die  deutsche  Gesellschaft  in  Basel  N.  63.  — 

In  dreifacher  Weise  bereitet  sich  in  dem  Deutschland  des  17.  Jh.  ein  grosser 
Umschwung  vor,  der  für  das  geistige  Leben  des  18.  die  Vorbedingungen  schafft. 
Langsam,  freilich  sehr  langsam  erwacht  das  Selbstgefühl  der  Nation,  inmitten  der 
Ausländerei  des  30jährigen  Krieges:  die  deutschen  Sprachgesellschaften  fördern  die 
Liebe  für  die  „Haupt-  und  Heldensprache",  die  Satiriker  appellieren  lebhaft  an  das 
Schamgefühl  der  Deutschen  durch  wenig  schmeichelhafte  Vergleiche  mit  dem  Aus- 
land   und    der  Vorzeit.     Allmählich    vertieft   sich  das  Gefühlsleben :    die    pietistische 


2  Frankfurter  Faustanff&hrungen  in  den  30er  J.  d.  18.  Jh  :  BFDH.  9,  S.  229-47.  —  42)  G.  Ellinger,  E.  Kraus,  D.  böhmische 
Puppenspiel  vom  Dr.  Faust  (vgl.  JBL.  1892  III  4:43):  ZDPh.  25,  S.  421.  —  43)  The  Life  and  Death  of  Dr.  Johannes  Faustus, 
Master  of  the  Black  Art,  as  played  by  the  Kasperle  Company,  and  now  first  done  out  of  German  into  English.  London,  Nutt. 
63  S.  Sh.  1.  i[AZgB.  N.  123  ]1  —  44)  X  J-  Bolte,  K.  Engel,  Dtsch.  Pnppenkomödien  11.  (Vgl.  JBL.  1892  III  4:42.):  DLZ. 
S.  679-80.  —  45)  K.  Engel,  Dtsch.  Pnppenkomödien  12.  Oldenburg,  Schulze.  XXVIII,  86  S.  M.  1,20.  |[G.  Ellinger 
NatZg.  N.  353JI  —  46)  J-  Balte,  Hamlet  als  dtsch.  Puppenspiel:  JbDShakespeareGes.  28,  S.  157-76.    - 

(3)4* 


III  5  : 1-5  V.  Michels,  Didaktik  des  17./ 18.  Jahrhunderts. 

Beweg-ung  —  das  Wort  im  weitesten  Sinne  genommen  —  setzt  ein,  und  die  Religion 
wird  mehr  als  im  16.  Jh.  Herzensangelegenheit,  Ganz  allmählich  erstarkt  aber  auch 
in  allen  Wirren  und  in  der  Roheit  des  Lebens  der  wissenschaftliche  Sinn:  die 
massenhafte  und  stumpfsinnige  Anhäufung  von  Wissensmaterial  weiss  ein  universeller 
Geist  wie  Leibniz  zu  nutzen,  und  in  der  Philosophie  entsteht  die  Centralsonne,  die 
nach  allen  Seiten  Licht  und  Leben  spendet.  Wer  auf  irgend  einem  Gebiete  die  ge- 
lehrte Arbeit  eines  Jahres  zur  Erforschung  des  17.  Jh.  mustert,  darf  sich  fragen, 
wie  weit  dieser  dreifachen  Umbildung  Rechnung  getragen  ist.  Wenn  wir  zunächst 
die  das  nationale  Leben  fördernden  Werke  mustern,  so  werden  wir  in  die 
Kreise  der  Sprachgesellschaften,  über  deren  Entstehung  uns  ein  allgemein 
gehaltener,  populärer  Aufsatz  von  K.  Scherer  ^)  belehrt,  durch  den  Namen  Caspar 
S  tielers  hineingeführt.  Dem  als  „Spaten"  mit  dem  Spruch  „Uebertrifft  den  Frühzeitigen" 
in  die  fruchtbare  Gesellschaft  aufgenommenen,  als  Dichter  und  Sprachbildner  thätigen 
Polygraphus  widmet  Edw.  Schröder 2)  einen  kurzen  Artikel.  Die  Identifizierung 
mit  „Filidor  dem  Dorferer",  die  schon  Rudolphis  Erfurter  Programm  vom  J.  1872 
als  unwahrscheinlich  erwiesen  hatte,  lehnt  Seh.  entschieden  ab.  Die  beiden  echten 
Dramen  Stielers  vom  J.  1680  tragen  wesentlich  anderen  Charakter  als  die  Rudolstädter 
Festspiele.  Die  „Ballemperie"  wird  auf  Grund  einer  Mitteilung  Boltes  indirekt  auf 
Kyds  „Spanish  Tragedy"  zurückgeführt;  das  Lustspiel  „Willmut"  in  Zusammenhang 
gebracht  mit  den  allegorischen  Lehrstücken,  deren  erster  Repräsentant  der  Göttinger 
H.  Tolle  ist.  — 

Nur  indirekt  berührt  es  die  Forschung  über  das  17.  Jh.,  dass  der  Pegne- 
sische  Blumenorden  in  seinem  zweiten  Album  „Altes  und  Neues  aus  dem  Blumen- 
orden" der  Welt  wiederum  ein  Lebenszeichen  gegeben  hat^).  „Mit  Nutzen  erfreulich 
zu  sein"  erscheint  auch  den  Nachfahren  der  Harsdörffer  und  Bircken  als  der  Zweck 
des  Ordens.  Die  Freude  an  der  alten  Tradition  berührt  wohlthuend  in  dem  Nürnberg, 
dessen  Stadtverwaltung  sich  neuerdings  gegen  die  alten  Mauern  mit  moderner  Barbarei 
versündigt;  und  dass  sich  dabei  ein  harmloser  Dilettantismus  in  Poesie  und  Prosa 
ergeht,  wird  niemand  verdenken.  Der  Präsident  W.  Beck,  welcher  in  seinen  Ge- 
dichten ein  freundliches  Formtalent  zeigt,  leitet  die  Vorträge  ein  mit  einem  historischen 
Ueberblick  von  1644 — 1886  „Zweck  und  Ziel  des  Pegnesischen  Blumenordens".  Georg 
B'reiherr  von  Kress  handelt  mit  tüchtiger  Kenntnis  über  gelehrte  Bildung  im  alten 
Nürnberg  und  das  Studium  der  Nürnberger  an  italienischen  Hochschulen.  Vorträge 
über  Uhland  von  Mummenhoff,  über  Grillparzer  von  Volbehr,  über  Martin  Greifs 
„Konradin"  von  August  Schmidt,  Schillers  „Braut  von  Messina"  von  J.  P.  Ree, 
Shakespeares  „Kaufmann  von  Venedig"  von  Adolf  Freiherrn  v.  Scheurl,  Lessings 
(d.  h.  Weidmanns)  „Faust"  auf  der  Nürnberger  Bühne  von  H.  Pfeilschmidt  bekunden 
das  Interesse  der  Mitglieder  für  Litteraturgeschichte.^)  — 

Für  die  Kenntnis  der  volkstümlichen  Satire  liegen  mannigfache  neue  Bei- 
träge vor.  N ur  Nachwirkungen  der  Teufellitteratur  des  Reformations-Zeitalters  sind 
es,  die  Osborn^)  im  letzten  Teil  seines  Buches  verfolgt,  an  der  Hand  von  Goedeke, 
aber  doch  selbständig  prüfend  und  nachsammelnd.  Zahlreich,  führt  er  aus,  sind  im 
17.  Jh.  die  Auflagen  und  Nachahmungen  von  Musculus  „Hosenteufel".  Moscherosch 
nennt  im  ,,Alamode  Kehraus"  im  Sinne  von  Musculus,  Oslander,  Strauss  den  Teufel 
als  Urheber  der  Modethorheiten,  und  der  Redaktor  der  „Hosenteufel"-Ausgabe  von 
1623  prägt  den  Namen  „Alamode-Teufel".  Der  starre  Weiberfeind  Ellin ger schreibt  1629 
einen  „Allmodischen  Kleyder-Teuffel"  in  drei  Teilen;  ein  halbes  Jh.  später  (1679) 
folgen  ein  patriotischer  Anonymus  mit  seinem  „Teutsch-Frantzösischen  Alamode-Teufel" 
und  Joh.  Ludw.  Hartmann  ebenfalls  mit  einem  „Alamodeteufel".  Auf  den  Anonymus, 
dessen  Werk  bei  Goedeke  fehlt,  stützt  sich  1682  Michael  Freud  der  Aeltere  —  bei 
Goedeke  fälschlich  Freund  genannt  — ,  der  vergeblich  mit  Spener  Fühlung  zu  ge- 
winnen sucht.  Der  Titel  klingt  noch  am  zeitgemässesten:  „Alamode  Teuffei  oder 
Gewissensfragen  von  der  heutigen  Tracht  und  Kleider  Pracht";  im  übrigen  segeln 
wir  nach  O.s  Angaben  ganz  im  Fahrwasser  des  „Theatrum  Diabolorum".  Ebenso 
findet  im  17.  Jh.  der  „Gesindeteufel"  von  Glaser  Nachahmung.  0.  hat  einen  „Sieben- 
fältigen Ehehalten-Teuff'el"  von  Tobias  Wagner,  Ulm  1651,  jetzt  in  der  Kgl.  Biblio- 
thek zu  Berlin  aufgefunden.  Auf  ihn  folgt  Balthasar  Schupp  1658  und  auf  diesen 
1698  Philemon  Menagius  mit  einem  dickleibigen  Opus.  Ein  Buch,  das  sich  an  Cyriacus 
Spangenbergs  Werk  „Wider  die  böse  Sieben  ins  Teuffels  Carnöff'elspiel"  anschliesst, 
hat  O,  in  dem  Werk  eines  Mannes  entdeckt,  der  sich  Christian  Warner  nennt,  weil 
er  ein  christlich  Warnender  sein  möchte.  Ein  „Soldatenteufel"  entstand  1633  durch 
Arnold  Mengering;  ein  „Fastnachtteufel"  1672  durch Lubertus:  O.  hat  die  von  Goedeke 

1)K.  Scherer,  Dtsch.  Sprachgesellschaften  im  17.  Jh.:  DNJb.  3,  S.  122-32.  -  2)  Edw.  Schröder, 
Kaspar  (t.)  Stieler:  ADB.  36,  S.  201/3.  —  3)  Altes  und  Neues  aus  dem  Pegnesischen  Bluraenorden.  II.  Nürnberg, 
Schräg.  VI,  293  S.  M.  3,00.  —  4)  X  H.  Schultz,  H.  Graf,  D.  „Sprachverderber"  (vgl.  JBL.  1892  III  5:6):  ADA.  19, 
S.    90,1.    —    5)   M.    Osborn,    D.   Teufellitt.    d.    Ifi.    Jh.    (=  Acta    Germanica    her.   v.    R.    Henning   u.   .1.   Hoffory.    Bd.   3, 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5  :  e-io 

citierten  Werke  eing-esehen.  Der  „Sanfteufel"  muss  schon  um  die  Wende  des  16. — 17.  Jh. 
durch  H.  Ammersbach  aufgelebt  sein.  Es  wird  ein  als  zweite  Auflag-e  bezeichneter 
Druck  von  1605  angeführt.  Als  eine  interessante  Erscheinung  tritt  trotz  der  etwas 
knappen  Angaben  O.s  der  „Gewissensteufel"  von  Heinrich  Decimator  aus  der  Masse 
hervor.  Es  ist  der  Teufel,  der  den  Menschen  nach  den  Sünden  nagende  und  verzehrende 
Vorwürfe  ins  Herz  legt  und  sie  dadurch  von  dem  frommen  Gottvertrauen  abzieht. 
Das  16.  Jh.  kannte  den  melancholischen  Teufel ;  aber  wir  spüren  in  dieser  Schöpfung 
aus  dem  J.  1604  doch  schon  das  allererste  Wehen  einer  neuen  Zeit,  die  sich  von  dem 
starren  Luthertum  loslöst :  Anlehnung  an  die  Mystik  ist  zu  konstatieren.  Flüchtig 
berührte,  weiterhin  Aegidius  Albertinus,Moscherosch, Balthasar Kindermann-Curandor, 
Veridor  von  Stackdorn,  Zeidler.  Für  Kindermann  hat  er  die  Biographie  von  Kawerau 
(siehe  JBL.  1892  III  5:5),  für  Stackdorn  die  von  Roethe  (s.  u.  N.  11)  noch  nicht 
benutzen  können.  Etwas  ausführlicher  geht  0.  auf  die  Schriften  von  Joh.  Ludw. 
Hartmann  ein.  In  einem  knappen  Schlusswort  führt  er  dann  aus,  wie  allmählich  die 
Teufellitteratur  abstirbt.  Der  zunehmenden  Aufklärung  und  ihrer  Wirkung  auf  den 
Dämonen  glauben  wird  nicht  gedacht,  treffend  aber  betont,  wie  die  pietistische  Be- 
wegung so  grober  Mittel,  um  auf  die  Seelen  zu  wirken,  nicht  mehr  bedurfte.  Die 
Briefe  Speners  an  Michael  Freud,  die  0.  nur  eben  streift,  sind  höchst  bezeichnend. 
Kühl  erklärt  gegen  Ende  des  Jh.  Zeidler:  „Man  muss  sich  an  die  Redensarten  nicht 
kehren,  dass  die  lieben  Alten  so  einfältig  gewesen  und  alles,  wie  es  ihnen  ins  Maul 
kommen.  Teuffei  geheissen,  nach  dem  Sprüchwort :  homo  homini  diabolus.  Was  mich 
anlanget,  fürchte  ich  mich  weder  vor  dem  Teuffei,  noch  vorm  grossen  Mogul."  An 
eine  Einwirkung  der  Teufellitteratur  auf  den  jungen  Schiller  glaubt  0.  im  Gegen- 
satz zu  Minor  nicht.  — 

Ein  ungedrucktes  Soldatenlob  vom  J.  1644  teilt  W  e  r n  e r  ^)  neben  gleich- 
gültig-eren,  aus  Hs.  geschöpften  Mitteilungen  (zwei  satirischen  Grabschriften,  einer 
Wetterregel,  einem  Reimbüchlein)  unter  dem  Titel  „Zur  Volkslitteratur"  mit.  Das  Lied 
warnt  die  ehrliebenden  Soldaten  in  nervösem  Eifer  vor  den  Lastern  derer,  die  den 
Kriegerstand  durch  ihr  Treiben  schänden.  Merkwürdig,  wie  nahe  manche  Strophen 
mit  ihrer  aufgeregten  Rhetorik  dem  bekannten  Weberliede  vom  J.  1844  rücken. 
Aus  den  Kreisen  des  von  der  Soldateska  des  30jährigen  Krieges  gepeinigten  Mittel- 
standes ist  das  Lied  wohl  hervorgegangen;  schwerlich  aus  Soldatenkreisen.  W. 
kennt  auch  einen  Druck  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin;  Markgraf^-'^)  fügt  einen 
in  der  Breslauer  Stadtbibliothek  hinzu.  — 

Den  Vf.  des  „Wachtelgesanges"  von  1621  gegen  die  „Kipper  und  Wipper", 
Cresc.  Steiger,  hat  Roethe'')  hübsch  und  lebendig  charakterisiert.  Er  vermutet, 
dass  Steiger  ein  Obersachse  gewesen  sei,  und  dass  sich  die  zahlreichen  Anspielungen 
auf  lokale  Verhältnisse  des  obersächsischen  Kreises  beziehen.  Der  Name  Valde- 
Joachimicus  werde  nur  seine  dringende  Wertschätzung  der  alten  vollwichtigen 
Joachimsthaler  ausdrücken.  —  Den  bibliographischen  Apparat  für  Herm.  Josemas  (des 
Jesuiten paters  Hammerj  „Prädikantenlatein"  und  die  Gegenschriften  (vgl.  Goedeke, 
Grundriss  2.  Aufl.  2,  S.  287)  vervollständigt  Bahlmann**).  — 

Seiner  Münchener  Dissertation  über  Moscher  osch  vom  J.  1891  hat  Pariser^) 
einen  Neudruck  der  „Insomnis  Cura  Parentum"  folgen  lassen  und  sich  damit  ein 
Verdienst  um  den  herrlichen  Mann  erworben,  der  in  schweren  Zeiten  seine  Kinder  mit 
dem  Bibelwort  trösten  konnte:  „Es  ist  ein  köstlich  Ding  einem  Manne,  dass  er  das 
Joch  in  seiner  Jugend  trage",  dessen  sittliche  Grösse  und  Tiefe,  dessen  ernste  und 
männliche  Frömmigkeit,  dessen  schriftstellerische  Würde  und  Wucht  in  diesem  wenig 
gelesenen  Schriftchen  wahrhaftig  nicht  weniger  imponierend  zu  Tage  tritt,  als  in 
den  vielgelesenen  „Gesichten  Philanders  von  Sittewald".  Nur  hätte  P.  dem  Ab- 
druck immerhin  noch  etwas  grössere  Sorgfalt  schenken  können.  Es  begegnen  zu  viel 
Druckfehler.  So  ist  einmal  (S.  69)  eine  ganze  Zeile  zweimal  gesetzt.  P.  hätte  wohl 
auch  aus  der  zweiten  Strassburger  Ausgabe  von  1647  (Aj),  die  er  mit  nicht  ganz  durch- 
schlagenden Gründen  für  einen  Nachdruck  erklärt,  das  englische  „Traktätlein",  das 
Moscherosch  zu  seiner  Schrift  veranlasste,  durch  Neudruck  zugänglicher  machen  können. 
Dass  er  das  nicht  gethan  hat,  ist  um  so  mehr  zu  bedauern,  als  inzwischen  das  einzige 
Exemplar  der  Ausgabe  von  1647,  das  die  Göttinger  Universitätsbibliothek  besass, 
verloren  gegangen  ist.  Auch  die  „5  Creutz  Gebettlein",  die  Moscherosch  der  ersten 
x\usgabe  „zu  Gewinnung  der  vbrigen,  sonst  verlohrnen  blätterlein"  angehängt  hat, 
vermisse  ich  ungern.  —  H.  Schlosser**^)  hat  eins  davon  biographisch  verwertet. 
Fleissige  Lokalforschungen  haben  diesen  zu  interessanten  Ergebnissen  geführt.     Er 


Heft  3).  B.,  Mayer  &  Müller.  VI,  236  S.  M.  7,00.  (S.  1-56  auch  als  Berliner  Diss.  unter  d.  Titel:  Theatmm  Diabolornm. 
1.  T.)  —  6)  R.  M.  Werner,  Z.  Volkslitt.:  VLG.  6,  S.  290-300,  433-48.  (S.  o.  m  2:2.)  —  6a)  (HI  2  :  3.)  —  7)  G.  Boethe, 
Cresc.  Steiger:  ADB.  35,  S.  580.  —  8)  P.  Bahlmann,  Herm.  Josemas  (i.  e  Joh.  Hammers)  Prädikanten-Latein :  CBlBibl. 
S.  271/5.  —  9)  L.  Pariser,  Insomnis  Cura  Parentum  v.  Hans  Michel  Moscherosch.  Abdr.  d.  1.  Ausg.  (1643).  (=  NDL.  N.  108/9.) 
Halle  a.  S.,  Niemeyer.    VIII,  139  S.    M.  1,20.  —  10)  H.  Schlosser,  Joh.  Mich  Moscherosch  n.  d.  Burg  Geroldseck  ini  Wasgau: 


III  5  :  6-10  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

weist  nach,  dass  die  Burg",  die  Moscherosch  Geroldseck  im  Wasg-au  nennt  und  mit 
ihrer  Umgebung-  zum  Schauplatz  der  letzten  der  sieben  „Gesichte  Philanders  von 
Sittewald"  g"emacht  hat,  nicht  die  g-emeinhin  Geroldseck  am  Wasichen  oder  im  Wasichen 
g-enannte  Burg-  Geroldseck  bei  Zabern  sein  soll,  sondern  Geroldseck  an  der  Saar, 
unterhalb  von  Finsting-en.  Moscherosch  scheidet  („Soldatenleben"  S.  792)  ausdrücklich 
„das  gross  Elsasische  Vorgeburg"  „auf  Latein  Vogesus,  auf  Frantzösisch  Voge,  auf 
Teutsch  Wassigin"  (wofür  er  auch  „Wass-Gebürge"  sagt)  und  „das  Land  so  hinder 
selbigem  Gebürg  lig't,  biss  auff"  Weissenburg",  „geheyssen  das  Wassgaw",  d.  h.  ge- 
nauer die  niederen  oder  nördlichen  Vogesen,  von  Zabern  bis  nach  Weissenburg, 
sowie  das  westlich  daran  stossende  und  bis  zur  Saar  sich  erstreckende  Hochland. 
Er  stellt  ausdrücklich  dem  „Geroltz-Eck  am  Wassigin"  die  „alte  Burg  Geroltz-Eck" 
im  Wasgau  gegenüber,  „von  deren  ich  diese  Gesichte  geschrieben".  Seh.  thut  dar, 
dass  auf  Geroldseck  an  der  Saar  alles  zutrifft,  was  Moscherosch  gelegentlich  über 
die  Lokalitäten  fallen  lässt.  Ein  gut  Stückchen  Selbstbiographie  ist  in  die  „Gesichte 
Philanders"  eingewebt,  wie  immer  deutlicher  wird.  Herzog  Ernst  Bogislaw  von 
Croy  und  Arschot,  bei  dem  Moscherosch  als  Amtmann  in  Diensten  stand,  war  Mit- 
besitzer von  (jeroldseck.  Der  Ausgangspunkt  jener  Wanderung,  die  Philander  (d.  i. 
Moscherosch)  bei  Beginn  des  zweiten  Teils  der  Gesichte  unternimmt,  um  auf  den 
Berg  Parnassus  zu  gelangen,  und  die  er  dann  auf  Schloss  Geroldseck  beschliesst, 
kann  nur  Moscheroschs  damaliger  Aufenthaltsort  Finstingen  sein.  Wenn  Philander 
sich  stellt,  als  wolle  er  „nur  in  die  Gärten  spatzieren",  so  ist  an  die  fürstlich  Croyschen 
Gärten  vor  der  Stadt  gedacht.  Das  Wasser,  an  dem  er  hinunterschleicht,  ist  die  Saar. 
Der  „Bronnen  unden  am  Brudergarten  genant"  ist  die  gegenwärtig  Muttergottes- 
brunnen genannte  Quelle  bei  der  Notre  Dame  de  Bon  Secours  gewidmeten  W^allfahrts- 
kapelle  Brüdergarten.  Durch  genaue  Beschreibung  und  ein  beigegebenes  Kärtchen 
wird  der  Weg,  den  Philander  nimmt,  klar.  Er  will  ins  Köllerthal  bei  Saarbrücken 
und  betritt  zunächst  den  oberen  Teil  des  Brüderwaldes,  die  Wasserscheide  zwischen 
Isch  und  Saar  überschreitend.  Von  seiner  östlichen  Grenze,  der  heutigen  Bezirks- 
grenze an,  verfolgt  er  einen  „Altweg",  nach  Seh.  einen  W^eg,  der  sich  längs  der 
Bezirksgrenze  von  der  heutigen  Strasse  Finstingen-Posdorf  bis  auf  den  Hirsch- 
berg, oberhalb  Kirberg  erstreckt.  Er  geht  weiter  auf  der  heutigen  Strasse  nach 
Posdorf:  denn  der  „Hohlweg",  an  dem  er  plötzlich  etliche  Reiter  erblickt,  ist  der  so- 
genannte „Hohlackerweg",  der  einst  Posdorf  mit  dem  1523  eingegangenen  Ort  Ohlingen 
verband.  Wenn  die  Reiter  Philander  zwingen,  mit  ihm  „überzwerchs  zurück  durch 
den  Wald"  auf  die  Matten  zu  gehen,  so  muss  er  von  hier,  der  jetzigen  Wiese  Gross- 
Eschermatt-Burggraben,  Schloss  Geroldseck  an  der  Saar  erblicken.  Was  Philander 
von  dem  Innern  der  Burg  berichtet,  ist  grossenteils  Phantasie,  doch  nicht  ohne 
alle  reale  Grundlage.  Mit  dem  mehrfach  erwähnten  „Burgthurn"  muss  der  W^artturm 
von  Geroldseck  an  der  Saar  gemeint  sein :  Geroldseck  bei  Zabern  hatte  mehrere 
Türme.  Die  Saar  fliesst  unmittelbar  an  der  Burg  vorbei.  „Die  Sar  hienegst  bey", 
„die  Saar  alhie"  heisst  es  („Alamode  Kehraus"  S.  65,  129).  Philander  steht  vom 
Tisch  auf  „hinaus  an  das  Ufer  der  Saar  zu  spatzieren";  ein  Schiff  ist  „unden  vor  der 
Burg  angelandet"  („Hanss  hienüber,  Ganss  herüber"  S.  222).  Das  Echo,  das  jenseits 
des  Wassers  „nechst  bey  einem  Birnbaum  an  dem  Hübel,  rieht  gegen  dem  Schloss 
über,  unden  am  Steinsal"  aufgesucht  wird,  ist  noch  heute  vorhanden,  allerdings 
längst  nicht  so  \vundervoll,  wie  Moscherosch  angiebt.  „Steinsal,  wo  Fried  Wolffs 
Vater  wohnete"  ist  das  nah  gelegene  Dorf  Niederstinzel;  und  hier  war  in  der  That 
Christoph  Wolfram ,  der  Vater  des  „frommen ,  andächtigen ,  würdigen  Friedrich 
W^olffram  von  Steinsall",  dem  das  Gesicht  ,, Hanss  hienüber,  Ganss  herüber"  in  der 
Auflage  von  1666  gewidmet  ist,  bis  zum  J.  1630  Pfarrer.  Die  Rittersmatt,  auf  der 
im  „Weiberlob"  ein  Turnier  stattfindet,  ist  die  heutige  Rickerts-  oder  Rickersmatt. 
Seh.  versucht  auch  den  Standort  der  im  Gesicht  „Thurnier"  erwähnten  hohen  Eiche 
im  Ischwald  zu  bestimmen,  indem  er  sie  mit  der  „Drudden-Eiche"  identifiziert,  die  in 
der  Widmung  des  ersten  Teils  der  „Gesichte"  an  Pfalzgraf  Karl  Gustav  genannt  wird. 
Die  von  Philander  auf  seiner  Flucht  aus  Geroldseck  besuchte  Kirche  mit  der  fingierten 
Inschrift  „Domus  Vasalli"  ist  deutlich  die  Kirche  des  Dorfes  Domfessel.  Moscherosch 
hat  Anspielungen  auch  auf  Personen  seiner  Zeit  und  Umgebung  eingestreut.  Erstens 
ist,  wie  erwähnt,  Friedwolff  eine  wirkliche  Persönlichkeit,  Moscheroschs  Schwager, 
der  Pfarrer  Friedrich  Wolffram,  und  Seh.  weist  nach,  dass  das  Erlebnis,  auf  das 
Philander-Moscherosch  anspielt,  wenn  er  erzählt  von  der  ihm  und  Estacker  (d.  i.  Esther 
Ackermann,  Moscheroschs  erster  Frau)  ,,von  etlichen  Jahren  hero  in  der  eussersten 
Not  erwiesener  Freundestreue",  wahrscheinlich  1632  kurz  vor  dem  Tode  der  Esther 
stattfand.  Ferner  hat  der  Satiriker  bei  dem  altgermanischen  Helden  Kalofelss 
nach  Sch.s  Ermittlungen  an  den  Rittmeister  Johann  Heinrich  von  Steinkallenfels 
gedacht,  der,  unter  Bernhard  von  Sachsen-Weimar  stehend,  den  Winter  1636—37  in 
Finstingen   zubrachte  und  vermutlich  die  Besatzung  des  Orts   kommandierte.     Dass 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5  :  11-15 

mit  den  drei  Feinden,  vor  denen  Philander  aus  Geroldseck  flieht,  auf  Moscheroschs 
eigene  Feinde  g-estichelt  sei,  ist  läng-st  bemerkt,  auch  dass  unter  DonUnfallo  Daniel 
Vog-el  verstanden  ist.  Mit  Mutius  Jung-fisch  dürfte,  wenn  Seh.  das  Richtig-e  trifft, 
Moscheroschs  Kollege,  der  Amtmann  des  Herzogs  von  Havre  Frangois  Thomas,  gemeint 
sein;  Don  Thraso  Barbaviso  könnte  Jean  de  Tepp  geheissen  haben  (wegen  Epigr. 
III,  41  „in. Schandetepp").  Moscherosch  hat  endlich  auch  bei  Schilderung  der  Raub- 
züge der  ,, löblichen  Gesellschaft  Moselsar",  an  denen  Philander  teilnimmt,  eigene 
Erlebnisse  verwertet.  Das  „Alt-Stättlein",  das  der  Bande  zum  Schlupfwinkel  dient, 
ist  Saarbrücken,  Venustingen  natürlich  Finstingen.  Der  schwarze  Amtmann  aber, 
den  die  Marodeurs  bei  der  „Ringmatt",  das  ist  dem  heutigen  „Ring",  überfallen  und 
niederhauen  wollen,  weil  er  durch  lose  Leute  namentlich  durch  Don  Unfallo  „mit 
allerhand  auffgedichteten  Sachen  angegeben  gewesen",  ist  Moscherosch  selbst.  Auf 
Grund  des  „Gebets  in  verlust  zeitlicher  Güter"  vom  6.  Sept.  1641,  das  sich  im  Anhang 
der  „Insomnis  Cura"  befindet,  verlegt  Seh.  den  Ueberfall  auf  den  5.  Sept.  1641.  Zur 
Zeit  der  Abfassung  der  Gesichte  lag  Geroldseck,  wie  Seh.  gegen  X.  Kraus  ausführt, 
schon  in  Trümmern.  Schwerlich  hat  Moscherosch  in  der  Burg  sein  Werk  nieder- 
geschrieben, sondern  zu  Finstingen  im  Salmischen  Hause,  das  dem  Schlosse  gegen- 
überstand. Was  er  von  den  alten  Helden  in  Geroldseck  erzählt,  beruht  nicht  auf 
Volkssage,  sondern  ist  seine  Erfindung.  — 

Einen  Nachahmer  der  „Gesichte  Philanders  von  Sittewald",  der  sich  Veridor 
von  Stackdorn  nennt,  hat  Roethe^^)  in  gewissem  Sinne  erst  entdeckt:  denn  er 
war  trotz  der  Erwähnung  bei  Goedeke  und  Menzel  vorher  gänzlich  unbeachtet  ge- 
blieben. R.  weist  auf  das  reiche  kulturhistorische  Material  hin,  das  namentlich  im 
dritten  Teil  der  „gross  angelegten,  ekelhaften"  Beschreibung  des  teuflischen  Reiches 
(Leipzig  1664)  stecke.  Stackdorns  Einkleidung  lasse  sich  aus  der  reichen  Teufels- 
litteratur  im  Bunde  mit  Moscheroschs  „Schergenteufel"  und  „Höllenkindern"  ab- 
leiten. — 

Einen  Beitrag  zur  Biographie  Laurembergs  verdanken  wir  Hof  meiste  r*^), 
nämlich  die  Mitteilung  des  Universitätszeugnisses,  das  Hans  Wilmsen  Lauremberg 
1616  beim  Abschied  von  Rostock  durch  den  Rektor  Quistorp  erhielt.  Dessen  enthu- 
siastische Lobspriiche  sind  schwerlich  zu  überbieten.  —  Den  Ausdruck  „Karren 
Amme  ere  flaschen"  in  Laurembergs  Scherzgedichten  (II,  106)  erläutert  Puls '3)  in 
einem  für  den  vorjährigen  Bericht  übersehenen  Aufsatz  durch  den  Hinweis  auf  Fischarts 

Geschichtklitterung    (vgl.    NDL.    N.    65/7,    S.    168)-    „Vier    Milchflaschen 

das  ist  zwo  Säugammen",  woraus  erhellt,  dass  Flasche  ein  scherzhafter  Ausdruck 
für  Brust  ist.  —  Für  den  Ausdruck  „den  schnöden  fulen  Gast"  (II,  369),  den  er  (in 
JbVNiederdSpr.  5,  S.  186)  mit  „Stank"  erläutert  hatte,  bringt  Sprenger  ^'*),  was  auch 
schon  im  vorigen  Jahre  hätte  erwähnt  werden  sollen,  einen  Verweis  auf  Vilmars  Kur- 
hessisches Idiotikon  (S.  116):  „Garst  bedeutet  ursprünglich  den  Aasgestank,  garstig, 
stinkend  wie  Aas",  ferner  auf  Alberus  (Dictionarium  Bl.  n  4  a):  ,,Stancar  die  feule 
des  Fleisches,  g*arstig'keiten".  — 

Ein  Nachahmer  Laurembergs  und  Rachels,  Caspar  Abel,  hat  einen  anonymen 
Verehrer  15)  gefunden,  der  die  drei  plattdeutschen  Satiren  „Ein  Gespräch  vom  Frauen- 
volk und  dem  Ehestande",  „Ein  Gespräch  vom  Mannvolke  und  dem  Ehestande"  und 
„Die  verkehrte  Welt"  im  J.  1891  in  einem  geschmackvoll  ausgestatteten  Neudruck 
publiziert  hat.  Leider  ist  diese  hübsche  Ausgabe,  wie  es  scheint,  so  gut  wie  gar 
nicht  beachtet  und  auch  an  dieser  Stelle  seinerzeit  übersehen  worden.  Der  Heraus- 
geber hat  sich  aber  ein  entschiedenes  Verdienst  erworben,  dass  er  diese  in  Abels 
Boileau-Uebersetzung  (1729)  ziemlich  versteckten  Dichtungen  bequem  zugänglich 
gemacht  hat.  Sie  haben  keine  grosse  Tiefe,  aber  eine  leichte  Anmut:  der  Alexandriner 
fliesst  sanft  dahin.  Schon  den  Uebersetzer  Boileaus  wird  man  geneigt  sein  den 
deutschen  Horazianern  Canitz  und  Neukirch  anzureihen;  das  Muster  der  horazischen 
Sermonen  ist  auch  auf  seine  eigene  Dichtungen  nicht  ohne  Einfluss  geblieben.  Die 
zweite  Satire  beginnt  mit  einem  „Ibam"  („Neulich  ging  ich  an  das  Dohr  in  Gedanken 
und  spatzeren")  und  geht  alsbald  in  ein  munteres  Geplauder  über.  Der  Dichter  be- 
lauscht das  Gespräch  von  Barbe  und  Suse,  zwei  betagten  Jungfern,  über  die  Männer- 
welt. Am  flottesten  ist  die  erste  Satire  mit  ihren  priamelhaften  Partien,  ihren  ge- 
häuften Anaphern.  Weil  ein  längst  Verstorbener  in  populärer  Weise  ohne  jedes 
gelehrte  Beiwerk  Thorheiten  geissele,  die  nicht  zum  wenigsten  heute  gegeisselt  zu 
werden  verdienen,  sagt  die  knappe  Vorrede,  ist  diese  Edition,  die  keine  wissen- 
schaftlichen  Ansprüche    macht,    für   ein   gebildetes    Publikum    veranstaltet    worden. 


BSCMHAlsace.  16,  S.  10-83.  —  11)  G.  Koethe.  Veridor  v.  Stackdorn:  ADB.  35,  S.  777.  —  12)  A.  Hofmeister,  Hans  Wilmsen 
Laurembergs  Abgangszeugnis  v.  d.  Univ.:  JbbMecHGn.  2,  S.  17  8.  —  13)  A.  Puls,  Zn  Laurembergs  Scherzgedichten: 
KBlVNiederdSpr.  15,  S.  53.  —  14)  R.  Sprenger,  Zu  Laurembergs  Scherzgedichten:  ib.  16.  S.  39.  —  15)  Casp.  Abel,  E.  Gespräch  v. 
Frauenvolck  u,  d.  Ehestande  (16961;  E.Gespräch  vom  Mannvolcke  u.  d.  Ehestande  (1717);  D.  T«rVehrte  Welt.  Drei  plattdtsch 


III  5  :  i5a-2i  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Seelmanns  Recension,  der  ich  den  Hinweis  auf  die  Ausg-abe  verdanke,  lobt  sie 
in  Bezug"  auf  Ausstattung-  und  Korrektheit  des  Drucks,  tadelt  aber  die  Auslassung-en, 
die  den  Wert  der  Ausg-abe  für  litterarhistorische  Zwecke  beeinträchtig-ten.  — 

In  Anlehnung-  an  diese  Niederdeutschen  sei  erwähnt,  dass  ein  Fluch- 
psalm in  niederdeutscher  Sprache  durch  Glöde  **•"•)  in  einem  Codex  entdeckt 
wurde,  der  ein  Exemplar  der  Erstling-e  von  Schröders  Wismarscher  Chronik  von 
1732,  1734  und  1743,  sowie  eine  Schrift  zur  500jährigen  Jubelfeier  der  Domkirche 
St.  Cäcilien  zu  Güstrow  von  1726  enthält.  Den  Kirchen-  und  Schuldienern  wird 
ihr  Unterhalt  von  selten  des  Fürsten  versprochen  und  angedroht,  dass  sich  der 
Seg-en  Gottes  bei  ihnen  in  Fluch  wandeln  werde,  falls  sie  ihr  Amt  ungetreu  ver- 
walten. Man  schreibe  ihn,  heisst  es,  „döm  Herrn  Johanni  Theologo"  zu,  „dass  er 
ihn  verfertiget,  und  er  soll  zu  Zeiten  in  den  Kirchen  gesungen  sein."  —  Tech eni^'>) 
verweist  dazu  auf  Bachmanns  „Geschichte  des  evangelischen  Kirchengesanges" 
(S.  317),  Schröders  „Evangelisches  Mecklenburg"  (1,  S.  508/9),  und  G.  verspricht  eine 
weitere  Untersuchung.  — 

Eine  ganz  äusserliche  und  schwerlich  erschöpfende  Zusammenstellung  der 
Sprichwörter,  sprichwörtlichen  Redensarten  und  bildlichen  Wendungen  bei  Abraham 
a  Sancta  Clara  hat  Lauchert'^)  gegeben.  — 

Walthers  (vgl.  JBL.  1890  III  5  :  31)  Vermutung,  G.  Schnitze  aus  der  Alt- 
mark sei  der  Vf.  von  J.  P.  de  Memels  „Lustiger  Gesellschaft",  weist  Gerhard  i^"') 
zurück.  — 

Am  eingehendsten  ist  diesmal  die  religiöse  Bewegung  behandelt  worden. 
Ein  paar  biographische  Arbeiten  seien  vorweg  erwähnt.  Den  beiden  ehrenfesten 
Calvinisten,  F.  Spanheim  dem  Vater  (1600—49)  und  F.  Spanheim  dem  Sohn 
(1632 — 1701)  haben  Tschackert'')  und  Cuno'^)  kurze  biographische  Artikel  ge- 
widmet. —  Eingehender  handelt  über  Barth.  Stosch  auf  Grund  umfangreicher 
Forschungen  Land  w  ehr  ^^).  Stosch  übte  als  kurbrandenburgischer  Hofprediger 
in  den  J.  1644 — 69  einen  Einfluss  auf  die  Kirchenpolitik  Friedrich  Wilhelms  des 
Grossen  Kurfürsten  aus ;  er  stammte  aus  einer  ursprünglich  lutherischen  Familie ;  sein  Vater 
war  zur  reformierten  Kirche  übergetreten.  Stosch  selbst,  seit  1646  in  engster  Beziehung 
zur  Kurfürstin  Luise  Henriette,  seit  1659  Konsistorialrat,  wirkte  auch  nach  L.s 
Darstellung  im  Sinne  jener  Versöhnungspolitik  zwischen  Lutheranern  und  Re- 
formierten, bei  .welcher  die  letzteren  an  Boden  gewannen.  So  ging  er  dem  Ober- 
präsidenten Otto  von  Schwerin  an  die  Hand.  L.  schildert  die  Streitigkeiten  mit  der 
lutherischen  Geistlichkeit  und  hat  die  Bibliotheken  Preussens  und  Deutschlands 
nach  Schriften  von  Stosch  und  seinen  Gegnern  eifrig  durchforscht.  Nach  dem  Tode 
der  Kurfürstin  1667  und  dem  Abgang  von  Schwerin  1669  trat  Stosch  mehr  in  den 
Hintergrund.  —  Von  späteren  Lutheranern  hat  der  um  Kirch-  und  Schulwesen  in 
Sachsen  verdiente,  als  Prediger  hervorragende  Dresdener  Theolog  Val.  Ernst 
Löscher  in  dem  Pastor  Blanckmeister^o)  einen  etwas  superlativisch  arbeitenden 
Biographen  gefunden.  — 

Die  Mystik  des  Angelus  Silesius  suchte  Mahn^oa^  in  ein  System  zu 
bringen.  Dem  verdienstlichen  Werk  von  Kern  gegenüber  (1866)  rettet  er  die  Ein- 
heitlichkeit in  Schefflers  Denken,  die  freilich  keine  widerspruchslose  Folgerichtigkeit 
im  Sinne  eines  philosophischen  Systems  ist.  Im  Gegensatz  zu  der  wohl  allgemein 
angenommenen  Meinung,  dass  Scheffler  eine  starke  innere  Wandlung  durchgemacht 
habe,  vertritt  M.  die  Ansicht,  dass  die  scheinbar  verschiedene  Denkart  im  „Cherubini- 
schen Wandersmann"  einerseits,  in  der  „Heiligen  Seelenlust",  der  „Sinnlichen  Be- 
schreibung der  vier  letzten  Dinge"  und  der  „Ecclesiologie"  andererseits  nur  auf  ver- 
schiedener —  man  kann  etwa  sagen:  esoterischer  und  exoterischer  —  Ausdrucksweise 
beruhe.  Diese  Auffassung  ist  gewiss  beachtenswert,  wenn  auch  zu  scharf  zugespitzt. 
Mit  Recht  erkennt  M.  in  der  Betonung  des  Einsseins  mit  Gott  die  schwerwiegendste 
Heterodoxie  Schefflers,  während  sich  die  Vorstellung  vom  Einswerden  mit  Gott 
lediglich  mit  der  katholischen  Lehre  in  Einklang  bringen  lässt.  Verstand  und  Gemüt, 
darauf  glaubt  M.  das  Schwanken  bei  Scheffler  zurückführen  zu  können,  ringen  um 
die  Herrschaft.  „Während  dieses  mit  aller  Kraft  an  den  grossen  Wahrheiten  des 
Christentums  festhält,  die  von  der  Kirche  und  ohne  Dogmen  getrennt  zu  denken  es 
weder  vermag  noch  wagt,  strebt  jener,  unabhängig  von  kirchlicher  Autorität, 
schüchtern  nur  und  gleichsam  in  unbewachten  Augenblicken,  eigene  Pfade  freier 
Spekulation  zu  schreiten."  Die  Engherzigkeit  des  Protestantismus  habe  Scheffler  zur 
Konversion  bewogen.  Zu  wenig  geht  M.  auf  die  nächsten  historischen  Voraussetzungen 

Satiren.  München,  Buchholz  &  Werner.  1891.  H,  24  S.  M.  1,00.  |[W.  Seelmann,  KBlVNiederdSpr.  15,  S.  62/3.]|  —  15a)  0.  Glöde, 
Nlederdtsch.  Fluchpsalm:  KBlVNiederdSpr.  16,  S.  19-20,  54/5.  —  15b)  F.  Techen,  Niederdtsch.  Flnchpsalm:  ib.  S.  38. 
-  16)  (I  5:311.)  —  16a)  (III  3:10.)  —  17)  I'.  Tschacitert,  Fr.  Spanheim  d.  Aeltere:  ADB.  35,  S.  59-60.  —  18)  F.  W. 
Cuno,  Fr.  Spanheim  d.  Jüngere:  ib.  S.  60/1.  —  19)  H.  Landwehr,  Barth.  Stosch,  kurbrandenburg.  Hofprediger  1604-86: 
FBPG.  6,  S.  91-140.  —  20)  F.  El anckrae ister,  Aus  d.  Leben  D.  Val.  E.  Löschers:  BSächsKG.  8,  8.  330-44.  - 
20  a)    (II  j   2:13.t     TP-   Grfinberg;    PLZ.    16,    S.   839-40.]  |     —     21)   0.  Funcke,   Wer  ist  e.  Pietist?:  Gütersloher  Jb.   3, 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5  :  22-28 

von  SchefQers  Mystik  ein  und  beschränkt  sich  auf  allg^emeine  Bemerkungen.  Scheffler 
wurzele  nicht  in  Jakob  Böhmes  Gedankenwelt,  sondern  sei  einer  der  ersten  Ausläufer 
der  Schule  Meister  Eckharts;  von  zeitlich  Nahestehenden  sei  am  bestimmendsten 
für  ihn  Weig'el  g*ewesen.  Frankenberg-s  Einfluss  wird  so  g-ut  wie  g-ar  nicht  erwog-en. 
So  kommt  er  nicht  viel  über  seine  Vorg-änger  hinaus,  wenn  er  .auch  in  seiner 
systematischen  Darstellung-  der.  Schefflerschen  Weltanschauung"  manches  klarer  und 
schärfer  fasst.  Er  bedient  sich  dabei  der  Kantschen  Terminolog-ie :  das  darf  nicht 
irre  führen.  Von  festen  philosophischen  Einsichten  kann  nicht  die  Rede  sein,  und 
die  These,  Scheffler  habe  sehr  deutlich  die  Unterscheidung-  der  Erscheinung  vom 
Ding  an  sich,  birgt  zweifellos  etwas  Richtiges,  ist  aber  zu  scharf  pointiert.  Die  Welt 
ist  meine  Vorstellung,  lehrt  Scheffler  nach  M.s  Ausdrucksweise;  Zeit  und  Ort  sind 
lediglich  Anschauungsformen;  unser  Erkennen  ist  nur  ein  relatives.  Die  Ewigkeit 
weiss  nichts  von  Jahren,  Tagen,  Stunden.  Sie  ist  da,  wo  Gott  ist,  wo  freier  Raum 
und  Zeit.  In  Gott  ist  alles  eins.  Gut  legt  M.  klar,  wie  Scheffler  die  „verneinende 
Beschauung'"  anwendet,  dasselbe  nämlich,  was  bei  Dionysius  x\reopagita  d-eoloyia 
dTTofuTix/;,  bei  Scotus  Erigena  „theologia  negativa"  heisst.  Gott  ist  frei  von  allen 
Prädikaten  (die  sein  Wesen  einschränken  würden):  daher  Epigramme,  die  ihm  aller- 
hand Eigenschaften  absprechen  und  in  dem  Paradoxon  gipfeln  „Gott  ist  ein  lauter 
Nichts".  Gott  ist  die  Ruhe,  frei  von  Begehren:  er  hat  nicht  Willen.  Ein  schein- 
barer Widerspruch  entsteht:  „Man  kaim  den  höchsten  Gott  mit  allen  Namen  nennen, 
Man  kann  ihm  wiederum  nicht  einen  zuerkennen."  Scheffler  ist  etwas  von  dem 
Gegensatz  des  diskursiven  und  intuitiven  Denkens  aufgegangen.  M.  citiert  (S.  31 
Anm.)  eine  interessante  Stelle  aus  dem  „Abgott  der  Vernunft"  über  „der  Weisen  über- 
einstimmenden Ausspruch,  dass  der  Mensch  nichts  könne  gedenken  noch  fassen  ohne 
Bilder".  Was  das  Verhältnis  von  Gott  zur  Welt  anlangt,  so  zeigt  M.,  dass  Angel us 
Silesius  in  der  Regel  die  Schöpfung  als  Emanation  auffasst.  Aber  die  Dinge 
existieren  nicht  erst  seit  der  Schöpfung;  sie  w^aren  schon  vor  dieser  in  Gott 
(„idealiter")  vorhanden.  Die  Frage  nach  dem  Zweck  der  Welt  verwirft  Scheffler. 
ITnser  Leben  auf  der  Erde  wird  gelegentlich  als  Abfall  von  Gott  aufgefasst.  Ihrem 
Wesen  nach  sind  alle  Dinge  ewig'.  Gott  und  Welt  sind  eins;  Gott  ist  allenthalben 
ganz.  Daraus  entspriesst  eine  völlige  Gleichschätzung  aller  Dinge.  In  seiner  Ethik 
schwankt  Angelus  Silesius  zwischen  einer  entschiedenen  Freiheitslehre  und  einem 
entschiedenen  Determinismus.  Das  Ziel  der  Ethik  ist  die  Rückkehr  zu  Gott,  die 
„Vergöttung",  die  durch  Liebe  oder  durch  Verneinung  des  Willens  („Gelassenheit", 
„Ruhe")  erreicht  wird.  Die  Liebe,  das  Aufgeben  der  „Ichheit"  ist  die  Quintessenz 
aller  Tugenden.  Gott  ist  aller  „Ichheit"  oder  „Vielheit"  feind.  Alle  Menschen  sollen 
in  Christi  Eines  sein.  Alle  Sonderinteressen  sollen  schwinden :  „je  edeler  ein  Ding, 
je  mehr  ist  es  gemein,"  Das  höchste  Ziel  des  Lebens  ist  Willenlosigkeit,  die  gleich 
ist  mit  völligem  Verlorensein  in  Gott.  Sie  muss  aus  der  Einsicht  in  die  Nichtigkeit 
der  Welt  entspringen.  Ein  ausgesprochener  Pessimismus  durchzieht  den  „Cherubini- 
schen Wandersmann".  Die  Welt  ist  „eitel  nichts",  sittlich  ist  sie  schlecht,  ihr  Thun 
ein  Trauerspiel.  Wir  müssen  uns  selbst  absterben.  Zuweilen  wird  deutlich  auf 
Askese  hingewiesen.  Keuschheit,  Demut,  Armut  werden  empfohlen.  Die  Armut  ist 
ein  geistiger  Zustand;  auch  ein  Kaiser  kann  (geistig')  arm  sein.  Die  Abtötung  des 
Willens  muss  so  weit  gehen,  dass  wir  auch  nach  Gott  nicht  mehr  Verlangen  tragen. 
Dass  sich  im  „Cherubinischen  Wandersmann"  Sprüche  mit  protestantischer  Färbung 
finden,  erklärt  M.  für  unzutreffend;  wohl  aber  giebt  es  solche  mit  entschieden  anti- 
protestantischer Tendenz.  Zu  bedauern  ist,  dass  M.  nicht  für  seine  Arbeit  die 
Originalausgabe  zu  Rate  gezogen  hat;  noch  viel  mehr,  dass  er  die  weiteren  Schriften 
Schefflers  nicht  genügend  benutzt  hat.  — 

Sorgsam  wird  die  pietistische  Bewegung  erforscht.  ,,Wer  ist  ein  Pietist?", 
diese  ganz  allgemeine  Frage  stellt  sich  Funcke-^).  Er  knüpft  an  die  Verse 
an,  mit  denen  Joachim  Feller,  der  Vf.  des  „Andächtigen  Studenten",  die  Orthodoxie 
angriff  und  den  Begriff  des  Pietisten  definierte:  „Der  Gottes  W^ort  studiert.  Und 
nach  demselben  auch  ein  heilig  Leben  führt".  Im  wesentlichen  giebt  er  eine  populäre 
Darstellung  von  Speners  und  Franckes  Wirken,  die  sich  ganz  an  der  Oberfläche  hält 
und  auch  die  nötige  Stimmung  mit  äusserlichen  Mitteln  wie  der  reichlich  ein- 
gestreuten Exklamation  „Ach!"  zu  erzielen  sucht.  Am  Schlüsse  bricht  allerdings 
ehrliche  Empfindung  durch.  F.  macht  für  den  Verfall  des  Pietismus  verantwortlich: 
1.  die  Verachtung  der  Kirche,  2.  den  sogenannten  Terminismus,  3.  die  Uebertrieben- 
heit  und  Macherei  auf  geistlichem  Gebiete,  4.  den  Busskampf,  5.  den  Streit  über  die 
Adiaphora.  — 

Eine  reichhaltige  wissenschaftliche  Arbeit  über  den  Pietismus  ist  die  S pener- 
Biographie  von  Grünberg-2).    Im  ersten  Buch  ist  die  Zeit  Speners  dargestellt.    An 


S.  95-129.    -    22)   (UI  1  :  90.)     |[L.  Loesche:   DLZ.  S.  1646;   LCBl.  S.  304/5;    R.   Albert:   ThLBl.   15,   S.  391.]!    —    23)  P. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Littcraturgeschichte.    lY.  (^)5 


III  5:23  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

die  Arbeiten  Tholucks  knüpft  G.  in  erster  Linie  an.  Verständig-  erwäg-t  er  die 
Gründe  für  die  Erstarrung-  des  Luthertums  zur  Pastoralkirche.  Das  innerste  Mark 
des  religiösen  Lebens  im  17.  Jh.  legt  seine  Darstellung  wohl  nicht  blt)ss;  doch  be- 
rührt er  wichtige  Punkte  und  zeigt,  wie  die  kirchliche  Verfassung  Obrigkeit  und 
Geistlichkeit  zusammenwirken  liess,  ohne  dem  Volk  Anteil  am  kirchlichen  Leben  zu 
verstatten,  wie  der  g-eistliche  Stand  sich  aus  plebejischen  Kreisen  rekrutierte,  wie  das 
Schul-  und  Unterrichtswesen  mit  seinem  Fanatismus  und  Schematismus  weder  auf 
Gymnasium  noch  auf  Universität  geeignet  war,  für  den  geistlichen  Stand  vorzubereiten 
(so  dass  z.  B.  die  theolog-ische  Moral  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jh.  allmählich  in 
den  akademischen  Lehrkreis  trat),  wie  in  der  Lehre,  im  g-ottesdienstlichen  und  kirch- 
lichen, relig-iösen  und  sittlichen  Leben  allerhand  Schäden  zu  Tage  treten.  In  Ritschis 
„Geschichte  des  Pietismus"  wird  das  Luthertum  freilich  schärfer  und  tiefgehender 
g-eprüft.  Was  bemerkt  wird  über  das  Ueberwiegen  des  Lehrinteresses  in  der  luthe- 
rischen Kirche  um  die  Mitte  des  17.  Jh.  und  die  juridische  Betrachtung  der  Kirchen- 
lehre mit  Bezug  auf  den  nur  der  Augsburg-er  Konfession  zugestandenen  Religions- 
frieden, ist  gewiss  richtig;  aber  den  Gründen  dafür  ist  der  Vf.  nicht  nachgegangen. 
Treffend  werden  nun  als  Folgeerscheinungen  hervorgehoben:  die  übermässige  Aus- 
dehnung der  Polemik,  die  ins  Subtile  sich  versteigende  neue  Scholastik,  die  Zurück- 
drängung des  Laien  Clements  und  die  Ausbildung  der  Kirche  zu  einer  Theologenkirche,  die 
Ueberschätzung  der  Lehrtradition  und  theologischer  Autoritäten,  die  krankhafteKetzer- 
sucherei  und  Ketzermacherei.  G.  hält  für  nötig  daran  zu  erinnern,  dass  es  sich  bei  den 
UnvoUkommenheiten  der  kirchlichen  Lehre  jener  Zeit  um  Probleme  handelt,  welche  trotz 
des  Fortschritts  der  dogmatischen  und  theologischen  Arbeit  noch  zur  Stunde  keineswegs 
gelöst  seien.  Zugestanden  wird,  dass  schon  Luther  im  Gottesdienst  das  didaktische 
und  pädagogische  Element  in  bedenklicher  und  missverständlicher  Weise  in  den 
Vordergrund  gestellt  habe,  hervorgehoben,  dass  der  Glaube  an  die  objektive  Kraft 
des  Sakraments  stark  ausgebildet  war,  und  schliesslich  weiter  daran  erinnert, 
wie  sehr  die  Auffassung  der  Kirche  als  eines  Zuchtinstitutes  das  religiöse  Leben 
schädigte.  Ueber  die  herrschende  Verquickung  des  bürgerlichen  und  kirchlichen 
Wesens  fällt  gelegentlich  ein  ganz  treffendes  Wort.  G.  spricht  von  dem  „einseitigen 
kirchlichen  Optimismus",  der  dazu  verleitete,  „Kirche  und  Religion  als  ein  Fach  für 
sich  anzusehen  und  zu  pflegen".  Einzelne  Laster  wie  die  Trunksucht  werden  für 
die  Schwächen  des  sittlichen  Lebens  über  Gebühr  verantwortlich  gemacht,  das  frische 
Emporkommen  eines  frivolen  Atheismus  und  Skeptizismus  dagegen  schärfer  vielleicht 
als  anderwärts  betont.  Wie  die  Deutschen  dazu  kamen  auch  ihrerseits  den  für  das 
17.  Jh.  so  charakteristischen  Typus  derer  auszubilden,  die  sich  selbst  als  „Weltleute"  fühlten, 
hätte  feinsinniger  abgeleitet  werden  können.  Sehr  anerkennenswert  ist  es  immer, 
wenn  einmal  ein  protestantischer  Theologe  energisch  betont,  dass  das  17.  Jh.  eine 
Art  Blütezeit  der  katholischen  Theologie  ist  —  „zwar  nicht  in  Deutschland",  setzt 
G.  vorsichtig  hinzu,  „aber  in  den  romanischen  Ländern".  Wohlthuend  ist  anderer- 
seits gegenüber  der  landläufigen  oberflächlichen  Beurteilung  des  Verhältnisses  von 
Luthertum  und  Kalvinismus,  dass  unter  den  Gründen  für  den  anticalvinistischen  Eifer 
auch  die  Abneigung  gegen  „den  rationalistischen  Zug"  genannt  wird  „den  man  im 
Kalvinismus  witterte  und  dem  gegenüber  man  das  Mysterium  des  Glaubens  um  so 
energischer  verteidigen  zu  müssen  glaubte".  In  der  Reaktion  gegen  die  Pastoral- 
kirche unterscheidet  G.  vier  Grundrichtungen,  eine  mystische  Reaktion,  die  er  an 
die  Namen  Prätorius,  Weigel,  Böhmer,  Arnd,  Hohburg  knüpft,  eine  praktische  mit 
Meisner,  J.  V.  Andrea,  Schupp,  Grossgebauer  als  Hauptvertretern,  eine  im  engeren 
Sinne  theologische,  die  Umbildung  der  kirchlichen  Lehre  anstrebende,  am  aus- 
gesprochensten in  Calixt,  und  eine  Reaktion  der  persönlichen  Frömmigkeit  innerhalb 
der  Orthodoxie,  vertreten  durch  Männer  wie  Herberger,  Lüttkemann,  Müller,  Scriver. 
Ueber  die  Gruppierung  lässt  sich  streiten.  Im  ganzen  werden  an  die  neunzig  „Vor- 
pietisten" namhaft  gemacht.  Die  Charakteristik  ist  etwas  ungleich  ausgefallen  und 
wird  gelegentlich  zur  blossen  Aufzählung.  Bei  Moscherosch  findet  man  z.  B.  einen 
dürren  Verweis  auf  die  Litteraturgeschichten  und  die  Erwähnung  der  „Gesichte 
Philanders  von  Sittewald",  während  der  Vf.  die  „Insomnis  cura"  offenbar  nicht 
kennt.  Gerade  Moscherosch  aber  wäre  in  einer  Spener-Biographie  als  Landsmann 
Speners  besonders  zu  berücksichtigen  gewesen,  weil  zum  Teil  dieselben  Persönlich- 
keiten auf  jenen  einwirkten  wie  auf  diesen,  so  Joh.  Schmidt  in  Strassburg,  und  weil 
Moscherosch  Belesenheit  in  denselben  Erbauungsschriften  zeigt,  die  auch  die  Lektüre 
des  jungen  Spener  bildeten:  Arnds  „Wahres  Christentum",  Dykes  „Nosce  te  ipsum", 
Sonthomes  „Güldenes  Kleinod",  Baylys  „Praxis  pietatis".  Der  Einfluss  der  englischen 
Erbauungslitteratur  auf  die  elsässischen  Lutheraner  hätte  sich  schärfer  formulieren 
lassen.  Sollte  nicht  überhaupt  für  den  Einfluss  Englands  auf  die  pietistische  Be- 
wegung sich  noch  manches  beibringen  lassen?  Für  die  Lebensbeschreibung  Speners 
hat  G.  neues  Material  nicht  herbeigeschaff't,    aber  das    bereitliegende   und   zum  Teil 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  TU  5  :  24-31 

von  seinen  Vorg-äng-ern  benutzte  seinerseits  in,  wie  es  scheint,  erschöpfender  Weise 
durchg-earbeitet.  Vor  allen  Ding-en  hat  er  Speners  und  seiner  Geg-ner  Schriften  ein- 
g-ehend  studiert.  Speners  Geg-ner  charakterisiert  er  aus  ihren  Schriften.  Als  der 
heimtückischste  und  unsympathischste  erscheint  der  Leipziger  Carpzow,  als  der  un- 
fähig-ste  und  albernste  Deutschmann,  als  der  anständig-ste  und  bescheidenste  Alberti. 
Pfeiffers  Scharfsinn  wird  anerkannt,  Schelwig-  lernen  wir  als  erbitterten  Pedanten 
kennen.  Für  seinen  Helden  bemüht  sich  der  Vf.  Licht  und  Schatten  g-erecht  zu 
verteilen.  Er  verschweig-t  Speners  Schwächen  keinesweg-s,  seine  mehrfach  hervor- 
tretende Unentschiedenheit,  seinen  mangelnden  Erkenntnisdrang-,  der  sich  z.  B.  darin 
kundgiebt,  dass  er  Arnolds  Ketzergeschichte  ungelesen  lässt,  seine  schwächliche 
Neutralitätspolitik  als  Parteioberhaupt  in  Berlin,  Auswüchse  seines  moralischen 
Rigorismus.  Dass  in  der  Bittschrift  um  Abstellung  der  Schauspiele  in  Berlin  (1703) 
ganz  besonders  auf  das  Aergernis  „durch  die  reizenden  Liebesgeschichten  und  die 
lästerliche  Abschwörung  Gottes  an  den  bösen  Feind  in  dem  beliebten  Doktor  Faust" 
hingewiesen  wird  (Geppert,  Chronik  von  Berlin  1,  S,  391),  scheint  von  den  Faust- 
forschern bisher  nicht  notiert  zusein.  Weniger  glücklich  ist  es,  wenn  G.,  nachdem  er 
in  einem  besonderen  Buch  die  Theologie  Speners  zusammenfassend  geschildert  und 
sein  Verhältnis  sowohl  zur  lutherischen  Orthodoxie  als  zu  fremden  Konfessionen  und 
Sekten  eingehend  erörtert  hat,  seine  Ergebnisse  zusammenfasst  und  Speners  geistigen 
Gehalt  auf  die  Formel  bringt:  „Spener  ist  religiöser  Realist,  religiöser  Subjektivist, 
und  religiöser  Moralist."  Unter  den  Recensenten,  die  meist  sehr  anerkennend  urteilen, 
bemängelt  Lösche,  dass  die  hs.  Briefschätze  Speners  nach  des  Vf.  eigenem  Ein- 
geständnis nicht  genügend  herangezogen  sind.  —  Neben  Grünbergs  erschöpfender 
Darstellung  müssen  die  übrigen  Spenerbiographien  zurücktreten.  Tsc  hack  er  t^S) 
hebt  in  seiner  Darstellung  hervor,  dass  Labadies  Einfluss  auf  Spener  neuerdings 
unterschätzt  werde  (Ritschi  bestritt  ihn  sehr  energisch).  Speners  „evangelischer  Mannes- 
mut" wird  wohl  etwas  zu  stark  accentuiert.  —  Walrond24j  hat  in  seinem  populären 
Schriftchen,  so  scheint  es,  Grünbergs  Werk  schon  benützen  können,  hält  sich  aber, 
ohne  irgendwie  Neues  zu  bringen,  in  seinem  Urteil  selbständig.  Auch  er  bemerkt 
gelegentlich  Speners  „weakness",  und  dass  er  im  Gegensatz  zu  dem  steifen  Doktrinarismus 
die  intellektuelle  Seite  des  theologischen  Studiums  zu  wenig  beachtet  habe.  —  Pfarrer 
Rade 25)  erklärt  in  der  Vorrede  seiner  populären  Behandlung  von  Speners  Frank- 
furter Zeit  selbst,  dass  er  von  Grünberg  abhängig  ist.  — 

Unter  die  Vorläufer  Speners  gehört  J.  Arnds  Schüler  und  Freund  J  o  h. 
Gerhardt.  Ein  Vortrag  vom  Pfarrer  Ferd.  Schmidt^S)  schildert  panegyrisch  die 
Heldburger  Zeit.  Von  dem  wenig  beachteten,  auch  von  Grünberg  nicht  erwähnten, 
allerdings  kürzlich  durch  eine  Uebersetzung  verbreiteten,  „Enchiridion  consolatorium" 
wird  gesagt,  „dass  die  christliche  Kirche  ein  herrlicheres  Trostbuch  nicht  hervor- 
gebracht hat  bis  auf  den  heutigen  Tag".  — 

Speners  älteren  Freund  Chrn.  Scriver  hat  zuletzt  Carstens 2')  biographisch 
behandelt  und  namentlich  „Gottholds  zufällige  Andachten"  analysiert.  Was  ein 
Zeituno-saufsatz  D  i  1 1  m  a  r  s  2^)  anlässlich  seines  200jährigen  Todestages  über  ihn 
bietet,  ist  nichts  als  ein  Auszug  aus  dieser  Darstellung.  —  Erfreulicher  ist,  dass  der 
Gedenktag  eine  modernisierte  Ausgabe  von  „Gottholds  zufälligen  Andachten"  ver- 
anlasst hat,  die  K  ob  er  2-')  besorgte.^«)  — 

Dass  Spener  sichtlich  viel  von  Labadie  gelernt  hat,  wird  auch  in  der  die 
Thätigkeit  Jean  de  Labadies  und  Zinzendorfs  in  Parallele  stellenden  Abhandlung 
von  Bajorath^^)  betont.  Beider  Frömmigkeit  ist  die  innige  Versenkung  in  Jesus;  doch 
ist  das  Ideal  der  Christusgemeinschaft  bei  dem  ehemalig"en  Jesuitenschüler  ein 
anderes  als  bei  dem  Zögling  der  Halleschen  Pietisten.  Aus  einer  fünfjährigen  fort- 
gesetzten Betrachtung  des  unendlichen  Gottes  entspringt  bei  Zinzendorf  die  Einsicht, 
dass  „das  Wesen,  was  kein  Auge  schaut",  sich  in  ,,Jesu,  dem  geringen  Kinde"  einen 
Leib  erschaffen  hat  als  konkrete  Erscheinung  seiner  Liebe ;  Labadies  Mystik  ent- 
springt von  vornherein  der  Sehnsucht  nach  einem  Lebensideal.  Beide  versuchen 
anfangs  durch ecclesiolae  in  ecclesia  zu  reformieren.  Labadie  wurde  zwar  gezwungen 
zum  Kalvinismus  überzutreten,  durchbrach  dann  aber  ohne  äusseren  Zwang  aus 
eigener  Initiative  auch  die  Schranken  der  reformierten  Kirche ;  Zinzendorf  dagegen 
fühlte  sich  nicht  zur  Absonderung  gedrängt,  sondern  kam  erst  nachträglich  zum 
Bewusstsein  des  Gegensatzes  der  von  ihm  geschaffenen  Gemeinde    gegen    die  luthe- 

Tschackert,  Ph.  J.  Spener:  ADB,  35.  S.  102-15.  —  24)  F.  F.Wal rond,  Ph.  J.  Spener.  London,  Soc.  for  promoting  Christian  Know- 
ledge. 128  S.  Sh.  2.  —  25)  M.  Rade,  Spener  in  Frankfurt.  Z.  Besten  e.  Spener-Gedenktafel  in  d.  Paulskirche  zu  Frankfurt  a.M.  Frank- 
furt a.  M.  (K.Brechert).32S.  M.1,00.  |(J.  Scheuffler:  ThLBl.  14,  S.  201.]|  -  26)  Ferd.  S  c  h  m  i  d  t ,  Joh.  Gerhardt  in  Heldburg. 
Vortr.  (AusSVMeiningenGLK.  Heftie.)  Meiningen,  Eye.  56  S.  M.1,00.—  27)  C.  E.  Carstens,  Chrn.  Scriver:  ADB,  33,  S.  489-92. — 
28)  M.  Ü[ittraar],  Z.  Erinnerung  an  Chrn.  Scriver:  MagdZg".  S.  114,5.  —  29j  Gottholds  Zufällige  Andachten  oder  Erhauliche  Reden 
T.  M.  Christian  Scriver  auf  jeden  Tag  des  Jahres  geordnet.  Durchges.  neue  Aufl.  mit  kurzem  Lebensabriss  Scrivers  v.  J.  K  o  b  e  r.  Basel, 
Jaeger&Kober.  (C.  F.  Spittlers  Nachf)  XVI,  366  S.  M.  1,60.  |[ThLBl.  15,  S.  407.]|  —  30)  X  K.  Knoke,  II.  Beck,  D.  relig. 
Volkslitt.  d.  evang.  Kirche.   (Vgl.  .JBI-.  1891  II  7:30):  TbLBl.  14,  S.  283.  —  31)  M.  Bajorath,  Jean  de  Labadies  Separations- 

(3)5* 


III  5:32-41  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts, 

rische  Kirche.  Er  war  tolerant  in  Bezug-  auf  die  Staatskirche,  während  Labadie 
intolerant  war.  Reiche  Phantasie,  plastische  Anschauung-skraft,  machtvolles  Gefühl, 
das  nicht  g-anz  frei  von  Sinnlichkeit  ist.  ein  fester  Wille,  ein  sieg-esg-ewisses  Gottes- 
und  Selbstvertrauen  sind  beiden  eigen.  Labadie  separierte  sich  von  der  Landeskirche 
und  gTÜndete  eine  Gemeinde,  Zinzendorf  hatte  eine  Gemeinde  geg-ründet  oder  um- 
gestaltet, als  er  in  einen  gewissen  Gegensatz  zur  lutherischen  Landeskirche  trat. 
Labadie  betrachtete  als  das  wesentliche  Kennzeichen  der  Wiedergeburt  christliche 
Lebenspraxis,  Zinzendorf  die  Jesusliebe.  Beide  nehmen  Einwirkung  Gottes  auf  das 
Thun  der  Menschen  an.  Zinzendorfs  Anhänger  suchen  Proselyten  zu  machen,  Labadies 
weniger.  AehnlicheAnsichten hegen beidein Bezug aufEheundKindertaufe,  abweichende 
in  Bezug  auf  Kirchenzucht.  Beide  suchen  das  christliche  Leben  auf  Erden  zu  fördern, 
dringen  nicht  lediglich  auf  ein  Absterben  für  die  Welt.  Beide  treiben  äussere 
Mission.  —  lieber  Zinzendorfs  Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete  handelt  wiederum 
Roy  '^'^),  indem  er  seinen  früheren  Aufsatz  (vgl.  JBL.  1892  III  5 :  27)  jetzt  auch  in 
einem  erweiterten  Sonderabzug  publiziert  hat.  —  Dechent^^)  schildert  die  Be- 
mühimgen  des  Grafen  Zinzendorf,  in  Frankfurt  eine  Brüdergemeinde  zu  gründen, 
auf  Grund  von  Akten  des  Frankfurter  Archivs,  die  zum  Teil  schon  der  Frankfurter 
Senior  Fresenius  in  seinen  „Nachrichten  von  Herrnhutischen  Sachen"  (1746—51) 
und  Bischof  Spangenberg  in  seiner  Biographie  Zinzendorfs  benutzt  hatten.  Es  ist 
die  Erweiterung  eines  Vortrags,  über  den  auf  Grund  eines  Berichts  der  „Didaskalia" 
J.  Elias  schon  früher  an  dieser  Stelle  referiert  hat  (JBL.  1891  III  5:2).  Von  ihm 
ist  alles  Wesentliche  berührt.  Das  Leben  und  Treiben  der  Erweckten  namentlich 
in  den  J.  1736 — 38  tritt  nun  durch  die  ausführlichen  Berichte  über  die  Verhandlungen 
vor  dem  Konsistorium  lebhafter  hervor.  Die  Persönlichkeiten  des  Schusters  Schick,  mit 
dem  noch  Susanna  von  Klettenberg  1767  korrespondiert  hat,  und  des  Perücken- 
machers Biefer  treten  jetzt  klarer  heraus.  Flüchtig  geht  D.  auf  die  aus  den  „Bekennt- 
nissen einer  schönen  Seele"  bekannten  Anfeindungen  der  Pietisten  durch  den  Senior 
Fresenius  seit  1748  ein.  — 

Der  „schönen  Seele"  selbst  gilt  dann  eine  Publikation  von  Erich 
Schmidt^*).  Der  Vf.  kann  aus  der  als  Hs.  gedruckten  Stolberg-Plessschen  Familien- 
korrespondenz schöpfen  und  bringt  insbesondere  Mitteilungen  über  die  Beziehungen 
zu  Lavater  und  über  den  Tod  des  Fräulein  von  Klettenberg,  die  grösstenteils  von 
Auguste  Friederike  von  Ysenburg- Büdingen  herrühren. -^^j  —  Seinem  grösseren 
Werk  über  den  herrnhutischen  Bischof  A.  G.  Spangenberg  vom  J.  1846  hat 
Ledderhose "^^)  nunmehr  eine  kürzere  biographische  Skizze  folgen  lassen.  — 

Als  Stifter  schwäbischer  ecclesiolae  in  ecclesia,  die  noch  heute  bestehen,  ist 
Michael  Hahn  —  der  Altdorfer  „Michele"  —  bekannt,  dem  die  Litteraturgeschichte 
auch  als  Dichter  geistlicher  Lieder  ein  bescheidenes  Plätzchen  einzuräumen  hat.  Das 
Buch,  das  ihm  Staudenmeyer^ß)  gewidmet  hat,  ist  keine  Biographie,  wie  der  Titel 
vermuten  lassen  könnte,  sondern  eine  Anklageschrift  und  ein  Verdammungsurteil. 
Nach  dem  „göttlichen  Wort",  d.  h.  nach  den  traditionellen  Anschauungen  der  luthe- 
rischen Orthodoxie  werden  Leben  und  Lehren  Hahns  beurteilt,  und  vor  dem  Tribunal 
des  Pfarrers  von  Wilferdingen,  der  freilich  in  all  seiner  naiven  Ungerechtigkeit  doch 
mehr  den  Eindruck  eines  schwäbischen  Dickschädels  als  eines  fanatischen  Ketzer- 
richters macht,  rückt  der  harmlose  Schwärmer  in  bedenkliche  Nachbarschaft  mit 
Türken  und  Anabaptisten.  — 

Für  die  Kenntnis  des  wissenschaftlichen  Lebens  im  17.  Jh.  sind  wir  sehr  auf 
Einzelarbeiten  angewiesen.  Zu  einer  Galerie  von  Gelehrten  porträts  vereinigen  sich 
leicht  die  biographischen  Aufsätze,  die  grösstenteils  dem  Fortschreiten  der  ADB, 
ihre  Entstehung  verdanken.  Von  Historikern  hat  der  Graubündner  Fortuna  t 
Sprecher  von  Bernegg  (1585—1647)  in  von  Jecklin^''),  der  steirische  Genealog, 
Frhr.  von  und  zu  Stadl  (1678-1717)  in  Ilwof^«),  der  jüngere  Jak.  K.  Spener, 
der  Sohn  des  berühmten  Pietisten,  in  Landsberg^^)  einen  Biographen  gefunden.  — 
Trefflich  ist  die  Persönlichkeit  des  als  Historiker  verdienten  Jenenser  Bibliothekars 
B.  G.  Struve  (1671—1738),  der  in  Günthers  „Lebensskizzen  der  Professoren  der 
Universität  Jena"  (1858)  zuletzt  eine  knappe  biographische  Behandlung  erfahren 
hatte,  von  Mitzschke***)  herausgearbeitet  worden.  Die  Unordnung  der  Jugend,  der 
lebhafte  Ehrgeiz  vorwärts  zu  kommen,  die  alchymistischen  Versuche,  die  schweren 


gemeinde  u.  Zinzendorfs  Bruder- Unität.  B.  Vergleich:  ThStK.  66,  S.  125-66.  —  32)  H.  Bo  y ,  Zinzendorfs  Anweisungen  f&r  d.  Missions- 
arbeit. Erweit.  u.  verb.  Abdr.  aus  AMZ.  Gütersloh,  Bertelsmann.  34  S.  M.  0,50.  |[ThLBl.  15,  S.  190.1|  -  33)  (111 1  :  91.)  —  34)  Erich 
Schmidt,  D.  schöne  Seele:  VLCx.  6,  S.  592/7.  —  35)  K.  F.  Ledderhose,  A.  G.  Spangenberg:  ADB.  35,  S.  33/7.  —  36)  H. 
Staudenmey er ,  Mich.  Hahn.  Sein  Leben  u.  seine  Lehre  im  Lichte  d,  göttlichen  Wortes.  Wilferdingen,  Selbtetverl.  (Karls- 
ruhe, Keiff.)  11,  169  S.  M.  1,50.  ||ThLBl.  14,  S.  403.]|  —  37j  P.  v.  Jecklin,  Fortnnat  Sprecher  v.  Bernegg:  ADB.  35, 
S.  279-81.  -  38)  F.  llwof,  F.  L.  W.  Freiherr  v.  n.  zu  Stadl:  ib.  S.  376/8.  —  39)  E.  Landsberg,  Jak.  K.  Spener:  ib. 
S.  101,2.    -    40)  MitzschVe,    BnrVh,  Gotth.  Strnve:    ib.  36,   S.  671/6.    —  41)  F.  Koldewey,  .Toh    .lalc.  Stfibel:  ib.  S.  704.  — 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5  :  42-50 

Schicksalsschläg-e,  die  religiöse  Einkehr  und  Umkehr,  die  innerliche  Ruhe  und  Be- 
friedigung- in  der  Arbeit  sind  in  hübschen  organischen  Zusammenhang  gebracht, 
so  dass  sich  diese  Darstellung  vorteilhaft  von  den  anderen  in  unserem  Zeitraum  unter- 
scheidet. —  Wie  viel  weniger  hat  es  z.  B.  Koldewey '**"43)  verstanden,  die  beiden 
Brüder,  denNeisser  Rektor  Joh.  Jak.  S  tu  bei,  den  Schüler  und  Herausgeber  Buchners, 
und  den  als  Schulmann  bedeutenden  Konrektor  der  Leipziger  Thomasschule  Aug. 
S  tu  bei  lebendig  werden  zu  lassen.  Für  den  Wittenberger  Professor  Poeseos 
Strunz  macht  er  lediglich  darauf  aufmerksam,  dass  die  Schriftverzeichnisse  von 
Jöcher  und  Zedier  sehr  der  Berichtigung  bedürfen. ^4)  — 

Th.  G.  Spitzel  wird  von  T  seh  ack  ert*^)  als  „lutherischer  Geistlicher  und 
Polyhistor"  erwähnt.  T.  erkennt  relativen  Wert  nur  seinen  litteraturgeschichtlichen 
Werken  zu.  Sollte  sich  z.  B.  aus  dem  „Augsburgischen  Seelengarten"  gar  nichts  zur 
Charakteristik  seines  Vf.  gewinnen  lassen?  —  Die  Juristen  Speidel  und  Friedr. 
Gottl.  Struve  hat  von  Eisenhart^^'^^a^  behandelt.  —  Zu  erwähnen  ist  weiterhin, 
dass  die  Selbstbiographie  des  als  Prediger  und  Geschichtsschreiber  bekannten  J,  L. 
Hocker  durch  Chrn.  Meyer*'')  zum  Abdruck  gebracht  wurde.  Sie  ist  interessant 
durch  die  Kriegs-  und  Reiseerlebnisse  in  den  Niedei'landen  während  des  Spanischen 
Erbfolgekriegs  und  die  Erfahrungen  im  Beruf,  z.  B.  bei  Hexenprozessen.  Hocker 
weiss  gut  zu  erzählen  und  erscheint  uns  als  ein  kluger  und  aufgeweckter  Mann,  als 
massvolle,  wenn  auch  nicht  gerade  imponierende  Persönlichkeit.  Besonderer  Mut 
gehörte  nicht  zu  seinen  hervorragendsten  Eigenschaften,  wie  ein  Geschichtchen  aus 
der  Belagerung  von  Kaiserswerth  darthut.  Mit  ergötzlicher  Naivität  glaubt  er  überall 
die  specielle  Fürsorge  Gottes  für  sein  kostbares  Leben  zu  erkennen  und  bereut, 
unbekümmert  um  das  Gelächter  des  Erbprinzen  von  Kassel  über  seine  furchtsame 
Figur,  ernstlich  den  Fürwitz,  der  ihn  veranlasst  hat,  sich  für  einen  Moment  in  der 
Nähe  der  Durchlaucht  den  feindlichen  Bomben  auszusetzen.  Für  die  seelische  Grösse 
des  atheistischen  Offiziers,  der  auf  den  Tod  verwundet  sich  bei  seinen  Bekehrungs- 
versuchen unwillig  gegen  die  Wand  wendet,  um  als  ein  Unbesiegter  sein  junges  Leben 
auszuhauchen,  hat  dieser  Mann  nur  einen  frommen  theologischen  Schauder  übrig.  — 

Lebhaft  regt  sich  neuerdings  das  Interesse  für  Pädagogik,  Bildungs-  und 
Unterrichtstendenzen  im  17.  und  18.  Jh.  Eine  Inhaltsgabe  von  Morhofs  „Poly- 
histor" giebt,  angeregt  durch  Willmanns  „Didaktik",  Eymer^s)  in  einer  jener  be- 
quemen Programmabhandlungen,  in  denen  fortwährend  über  Platzmangel  geklagt, 
der  vorhandene  Platz  aber  keineswegs  durch  präzise  Darstellung  ausgenutzt  wird. 
Dass  bereits  vor  ihm  von  Liliencron  das  Werk  in  der  ADB.  analysiert  hat,  ist  ihm 
entgangen.  —  Die  pädagogischen  Reformgedanken  in  den  deutschen  moralischen 
W'ochenschriften  des  18.  Jh.  stellt  Lehman  n^O)  zu  einer  Mosaik  ziisammen.  Er 
hat  den  „Patrioten",  die  „Vernünftigen  Tadlerinnen",  die  „Disöourse  der  Mahlern",  den 
„Einsiedler",  den  „Eremiten",  den  „Jüngling"  u.  a.  excerpiert.  Dass  unsere  Kenntnis  der 
Anschauungendes  vorigen  Jh.  dadurch  wesentlich  vertieft  werde,  kann  ich  nicht  finden. 
Die  Aufklärung  in  ihrer  ganzen  redseligen  Breite  und  Seichtheit  passiert  Revue, 
wenn  wir  hören,  wie  den  Eltern  die  Notwendigkeit  und  Wichtigkeit  einer  sorgfältigen 
Erziehung  eingeschärft  wird,  wie  sie  auf  die  Pflicht  aufmerksam  gemacht  werden, 
Kinder  nicht  fremden  Personen  anzuvertrauen,  oder  wie  sie  hingewiesen  werden 
auf  die  gewöhnlichsten  Fehler  in  der  Erziehung  und  ihre  Folgen  usw.  Ueber  die 
Vorteile  der  öffentlichen  oder  Privat-Erziehung  wird  diskutiert,  über  die  Stellung 
des  Hofmeisters,  über  Universitätsreformen.  Beachtenswerter  ist,  dass  schon  die  Frage 
auftaucht  (z.  B.  im  „Eremiten"),  ob  nicht  die  Einflüsse  der  Erziehung  überechätzt 
werden.  Dass  Gottsched  für  höhere  Mädchenbildung  eintrat,  ist  bekannt ;  weniger 
vielleicht,  dass  gleichzeitig  auch  der  „Hamburger  Patriot"  die  Gründung  einer 
Frauenakademie  befürwortete.  Einige  charakteristische  Anekdoten  sind  ausgehoben, 
so  die  Schilderung  des  Besuchs  in  einer  wohlbestellten  Schule  im  28.  Stück  des 
„Hofmeisters"  (S.  35),  ferner  Musterbeispiele  für  den  Unterricht,  wie  die  Anweisung 
zum  Religionsunterricht  aus  dem  63.  Stücke  des  „Greises"  (S.  56).  Als  sociale, 
patriotische  und  pädagogische  Reformschriften  des  Bürgerstandes  feiert  L.  zum 
Schluss  die  moralischen  Wochenschriften,  glaubt  die  Litterarhistoriker  vor  schiefen 
Urteilen  warnen  zu  müssen  und  findet  in  Geliert  die  ganze  Richtung  auf  ihrem 
Höhepunkte^").  — 

Gering  ist  diesmal  die  Ernte  für  die  Erforschung  der  Leibniz-W^olffschen 
Philosophie.     Von  den  Recensenten,  die  Koppehls  Schrift  über  Leibniz  und  Thomas 


42)  id.,  A.  Stnbel:  ib.  S.  702  4.  —  43)  id,  F.  Strunz:  ib.  S.  669-70.  —  44)  X  C.  Siegf  rie  d,  S.  G.  Starcke:  ib.  3.5,  S.  467.  - 
45)  P.  TschiicVert,  Th.  G.  Spitzel:  ib.  S.  221,2.  -  46)  A.  v.  Eisenhart,  J.  J.  Speidel:  ib.  S.  96  7.  —  46a)  id.,  Fr. 
Gottl.  Struye:  ib.  .^6,  S.  676.  —  47)  Chrn.  Meyer,  Aus  d.  Lebensgang  e.  cvangcl.  Gelehrten  n.  Geistlichen.  Nach  eigen- 
händ.  Aufzeichnungen:  ZDKG.  3,  S.  339-54,  4-28-48,  488-521.  -  48)  W.  Eymer,  D.  G.  Morhof  n.  sein  Polyhistor.  Progr. 
Budweis.    38  S.  -  49)  (Hl  6:250)  [[G.  Oe.:  liZg".  N.  144.]|   —  50)  X  0.  Lehmann,  D.  Kulturaufg.  d.  moraL  Wochenschr- 


III  5  :  51-61  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Aquinas  (vgl.  JBL.1892  III5: 18)g'efundenhat^i),sprichtsichSiebertamg'ünstig-stenaus. 
Er  sieht  einen  historischen  Zusammenhang-  zwischen  Thomas  und  Leibniz  als  bewiesen 
an,  bemerkt  aber  ergänzend,  dass innerhalb  des  augenscheinlich  thomistischenGedanken- 
gewebes  ein  entschieden  scotistischor  Einschlag  sich  geltend  mache,  auf  den  auch 
Windelband  „Geschichte  der  Philosophie"  (Freiburg  1892,  S.  335,  387)  hingewiesen 
habe.  Im  Sinne  der  scotistischen  Metaphysik  sei  es,  wenn  bei  Leibniz  die  „Kontingenz" 
aller  Dinge  in  der  Welt  überhaupt  auf  den  Willen  Gottes  zurückgeführt  werde ;  in 
der  Richtung  der  thomistischen  dagegen  liege  die  Bestimmung,  dass  in  der  Wahl 
unter  den  verschiedenen  möglichen  Welten  der  göttliche  Wille  an  den  göttlichen 
Verstand,  d.  h.  an  die  in  ihm  liegenden  „ewigen  Wahrheiten",  gebunden  sei,  mithin  auch 
in  Gott  der  Wille  nicht  über,  sondern  unter  dem  Intellekt  stehe.  Will  mann  da- 
gegen glaubt  zu  erkennen,  dass  der  Vf.  über  die  Aussenwerke  der  thomistischen 
Philosophie  nicht  weit  hinausgekommen  ist,  findet  es  verkehrt,  dass  Thomas  als  Rationalist 
bezeichnet  und  ihm  eine  Abschwächung  des  Gegensatzes  zwischen  Gut  und  Böse  zu- 
geschoben werde.  —  In  die  neue  Bearbeitung  seiner  Mitteilungen  aus  den  „Manuscripta 
juridica  Leibnitiana"  in  Hannover  hat  Mollat^^j  Proben  aus  dem  „Novum  systema 
juris"  aufgenommen.  Wiedereingefügt  ist  aus  der  ersten  Auflage  die  Skizze 
„Axiomes  ou  principes  du  droit",  die  in  der  zweiten  Auflage  fortgeblieben  war.  — 
Hartmanns  Schrift  über  Leibniz  als  Jurist  (vgl.  JBL.  1892  III  5:19)  hat  warme,  ja 
zum  Teil  enthusiastische  Beurteilungen  gefunden^^^.  Frank  vermisst  nur  eine 
schärfere  Präzisierung  der  Stellung  von  Leibniz  zu  seinen  Vorgängern  und  Nach- 
folgern und  behauptet,  die  spätere  deutsche  Rechtsphilosophie,  namentlich  die  der 
Wolffschen  Schule  sei  abhängig  von  Leibniz,  dem  jüngeren,  dem  Scholastiker,  nicht 
von  dem  reifen  Ijeibniz,  dem  freien  Denker.  •'''*"^^)  — 

Hand  in  Hand  mit  der  Zunahme  der  philosophischen  Bildung  gehen  die 
Reform bestrebungen  Gottscheds  und  der  Seinen,  sowie  der  Schweizer.  Die 
Specialforschung  über  Gott  s  che  d  selbst  vertreten  diesmal  nur  Recensionen  früherer 
Schriften  von  J.  Reicke  über  die  Lehrjahre  (vgl.  JBL.  1892  III  5 :  29)^")  und  von 
P.  Fischer  über  seinen  Kampf  mit  den  Schweizern  (vgl.  JBL.  1892  III  5  :  28)^").  — 

Gottsched  wird  man  immer  am  besten  verstehen,  wenn  man  sich  seine  philo- 
sophischen Anfänge  gegenwärtig'  hält.  Wie  der  Gegensatz  zwischen  lutherischer 
Orthodoxie  und  Pietismus  hinübergreift  in  den  Gegensatz  zwischen  rationalistischer 
Philosophie  und  Pietismus,  ist  aus  Danzels  „Gottsched"  bekannt.  Durch  das  Werk 
über  die  deutsche  Gesellschaft  in  Königsberg  von  Kr  au  se^*)  erhalten  wir 
einen  Einblick  in  die  Kämpfe,  die  in  Gottscheds  Vaterstadt  ausgefochten  wurden 
zwischen  Gottscheds  Lehrer,  dem  orthodoxen  Hofpredi'ger  Quandt  und  dem  Pietisten 
Professor  Franz  Albert  Schulz,  dem  Lehrer  von  Knutzen  und  Kant.  Wir  sehen  den 
jüngeren  Gottschedianer  Coelestin  Chrn.  Flottwell  in  den  Kampf  eingreifen,  Gottsched 
aus  der  Ferne  Anteil  nehmen.  Frau  Gottscheds  „Pietisterey  im  Fischbein-Rock" 
rückt,  wenn  der  Anschein  nicht  trügt,  in  eine  neue  eigenartige  Beleuchtung.  Es  ist 
der  Kampf  zwischen  den  Wirkungen  der  geistlichen  Kanzelberedsamkeit  und 
denen  des  intimeren  Verkehrs  von  Seelsorger  und  Pfarrkindern,  der  in  eigen- 
artiger Weise  in  die  Litteraturgeschichte  hineinspielt.  Man  erkennt,  welche  Be- 
deutung Gottscheds  Redegesellschaften  dabei  gewinnen;  übersendet  doch  z.  B., 
was  Danzel  erwähnt,  aber  nicht  ins  rechte  Licht  rückt,  1753  Lessings  späterer 
Gegner  J.  M.  Goeze  Gottsched  eine  Leichenpredigt  mit  sicherlich  aufrichtigen 
Schmeicheleien  über  seine  Regeln  und  schätzbaren  Muster.  Bei  Friedrichs  IL 
Regierungsantritt  triumphiert  die  W^olffsche  Philosophie  und  durch  sie  auch  die 
Orthodoxie!  Gottscheds  Beziehungen  zu  Kanzelrednern  wie  Mosheim  wird  man  künftig 
auf  diesen  Punkt  hin  näher  zu  betrachten  haben.  Für  die  Königsberger  deutsche 
Gesellschaft  legt  dann  K.  weiterhin  —  und  das  ist  das  eigentliche  Thema  seiner 
Arbeit  —  das  Verhältnis  zu  Gottsched  klar.  Er  giebt  eine  Lebensskizze  und  gute 
Charakteristik  ihres  Stifters,  des  Professors  Eloquentiae  Flottwell,  dessen  Treue  und 
Anhänglichkeit   an    Gottsched    auch   in    den    Zeiten    des  beginnenden  Niederganges 

d.  18.  ,Ih  :  LZgii.  n.  42.  —  51)  H.  Siebert:  ThLZ.  18,  S.  4045;  0.  Willraann:  ÖLBl.  2,  8.  293,5;  Drng.:  LCBl.  S.  972; 
L.  Ratus:  ThLßl.  14.  S.  281,2.  —  52)  G.  Mollat,  Mitteilungen  ans  Leibnizens  ungedr.  Schriften.  Nene  Bearb.  L.,  Uaessel. 
VII,  140  S,  M.  2,40.  -  53)  R.  Frank:  DLZ.  S.  2467;  G.  Pfizer:  AZgU.  N.  40;  G.  Mollat:  MhComeninsG.  2,  S.  812.  - 
54)  O  X  La  Monadologie  de  Leibniz.  Publiee  d'apres  les  mss.  de  la  bibl.  de  Ilanovre,  avec  introd.,  notes  et  supplem.,  par 
H.  Lachelier.  3.  ed.  Paris,  Hachette  &  Cie.  16".  103  S.  Fr.  1,00.  —  55)  O  X  Corrispondenza  tra  L.  A.  Mnratori  e.  G.  G. 
Leibniz  public,  da  Matteo  Campori.  Modena,  Vincenzi.  1892.  335  S.  L.  6,00.  ||RCr.  85,  S.  206.]|  —  55a)  XX  O  C. 
CipoUa,  Leibniz  e  Muratori:  considerazioni  a  proposito  di  una  recente  publicazione.  Modena,  Societiv  tip.  modenese  antica 
tip.  Soliani.  28  S.  —  56)  X  L.  Finkel,  Przeglad  literatury  zagraniscznej :  KwH.  7,  S  170-82.  (enthält  S.  176  Besprechungen 
über  P.  Zimmermann,  Leibniz  bei  Spinoza;  E.  Bodemann,  Briefe  Leibnizens  [ZIC6.  12,  S.  362];  L.  Levy-Bruhl,  L'Allemagne 
depuis  Leibniz  u.  a.)  —  57)  X  !*"• '^- V.  Winterfeld,  Chrn,  Woltf  in  seinem  Verhältnis  zu  Friedrich  Wilhelm  I.  u.  Friedrich  d.  Gr. : 
N&S.  64,  8.  224-36.  —  58)  X  G.  Kraus,  Chrn.  Wolff  .als  Botaniker.  Rede  geh.  z.  Uebernahme  d.  Rektorats  d.  Univ.  Halle  a.  S. 
Halle  a.  8.,  Niemeyer.  17  8.  M.  0,50.  |[0.  Drude:  BLZ.  S.  504.JI  —  59)  X  A.  Chuquet:  RCr.  35,  S.  212;  G.  Waniek: 
ADA.  19,  S.  253,7;  0.  Erdmann:  ZDPh.  25,  8.  565,6;  M.  K[och]:  LCBl.  8.  19-20.  -  60)  X  G.  Waniek:  ADA.  19,  8.  253,7; 
L.  1151  scher:   ASNS.  90,    8.  341.    -    61)  G.  Krause,   Gottsched  u.  Flottwell,   d.  Begründer  d.   dtsoh.  Ges.  in  Königsberg. 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5  :  62-64 

sympathisch  berülirt,  und  schildert  die  Wirksamkeit  der  Gesellschaft,  der  Friedrich  IL 
seine  Gunst  zuwandte:  die  rednerischen  Bemühung-en,  die  Sorge  für  vaterländische 
und  monarchische  Gesinnung-,  die  Pfleg-e  der  deutschen  Sprache  mit  missg-lückten 
Ansätzen  zu  einem  deutschen  Wörterbuch,  weiterhin  die  Org-anisation  der  Gesell- 
schaft, ihre  Sitzungen  und  Arbeiten,  ihre  Ausbreitung-.  Sie  blieb  die  Stütze  des  Diktators, 
als  die  Leipziger  deutsche  Gesellschaft  von  ihm  abfiel.  Auch  hier  freilich  macht  sich 
schliesslich  (aber  erst  nach  dem  Tode  Flottwells)  die  Opposition  geltend.  Der  Persönlich- 
keit Gottscheds  gewinnt  K.  auf  Grund  der  Korrespondenz  mit  Flottwell,  die  im 
Anhang  abgedruckt  ist,  sympathische  Seiten  ab ;  er  hebt  seinen  Patriotismus  hervor, 
indem  er  Danzel  gegenüber  ein  gewisses  Interesse  für  politische  Fragen  konstatiert, 
die  Treue  für  sein  ostpreussisches  Heimatland,  die  Anhänglichkeit  an  seine  alte 
Mutter,  für  die  sich  Flottwell  bemüht.  Familienbeziehungen  treten  hervor ;  es  taucht 
in  Königsberg  ein  Fräulein  Kulmus  auf,  eine  bislang  unbekannte  Schwester  der 
Frau  Gottsched,  mit  der  sich  ein  kleiner  Roman  abspielt.  Ein  Kreis  von  Frauen, 
um  deren  Bildung  sich  Gottsched  und  seine  „gelehrte  Freundin"  verdient  machen, 
wird  uns  geschildert.  Den  Höhepunkt  der  Beziehungen  zwischen  Leipzig  und 
Königsberg  bildet  die  Reise  des  Gottschedschen  Ehepaares  nach  Preussen.  So  er- 
halten wir  ein  lebhaftes  Bild;  allerhand  Kleinigkeiten  fallen  nebenbei  ab,  Z.B.Nach- 
richten und  Notizen  über  Streitschriften  der  Gottschedschen  Schule  und  ihre  Vf.*'^)  — 
Ueber  die  Gründung  der  deutschen  Gesellschaft  zu  Basel  und  ihre 
Stellung  zu  Gottsched  und  den  Schweizern  wagt  Socin^^^  in  einem  Aufsatz 
über  J.  J.  Spreng  ein  paar  Kombinationen.  Erwähnt  wird  sie  zuerst  1743  in  Sprengs 
Gedächtnisrede  auf  DroUinger,  in  der  Widmung  seiner  Ausgabe  von  Drollingers  Ge- 
dichten und  sonst  brieflich.  Nach  einem  Briefe  des  Berner  Professors  Aitmann  vom 
24.  Febr.  1744  (an  Gottsched;  bei  Danzel  S.  240)  ist  sie  nach  der  Berner  deutschen 
Gesellschaft  1739  gestiftet.  S.  vermutet,  dass  sie  sich  bald  nach  dem  1742  erfolgten 
Ableben  Drollingers  auf  Betreiben  Sprengs  aus  dem  Freundeskreise  des  Verstorbenen 
heraus  entwickelte,  etwa  Männer  wie  Nik.  Bernoulli,  Pfarrer  Beuter,  Aug.  Joh.  Bux- 
torf,  Joh.  Jak.  Huber,  Peter  Mangold,  Benedikt  Stähelin,  Joh.  Rud.  Burckhardt,  Joh. 
Buxtorf,  Franz  Christ,  Jerem.  Raillard,  Lukas  Schaub  zu  Mitgliedern  zählte.  Partei- 
gängerin Gottscheds,  wie  Danzel  meinte,  war  die  deutsche  Gesellschaft  zu  Basel  nach 
S.s  Auffassung  keineswegs:  Spreng  stand  nur  in  einem  gewissen  Gegensatz  zu  Bodmer, 
ohne  deshalb  Gottsched,  mit  dem  er  die  Neigung  zur  Sprachmeisterei  teilt,  irgend- 
wie zu  lieben.  S.s  Versuch,  Spreng  zu  charakterisieren,  fällt  etwas  schwächlich  aus. 
Einzelne  Züge,  die  er  bemerkt,  weiss  er  nicht  zum  Gesamtbild  zu  vereinigen. 
Sprengs  spöttische  Bemerkungen  über  den  heiligen  Fridolin,  die  den  Rat  zur  Unter- 
drückung- seiner  Schrift  „Von  dem  Ursprung  der  mehreren  und  mindern  Stadt 
Basel"  veranlassten,  sein  kritisches  Verhalten  gegen  die  Tellsage,  seine  höhnende 
Polemik  gegen  die  Herrnhuter  in  den  Wochenschriften  „Der  Eidgenoss"  und 
„Sintemal",  seine  Abneigung  gegen  Hallers  Dunkelheit,  seine  Verbesserungen  und 
Verwässerungen  der  Lobwasserschen  Psalmen,  seine  schrullenhafte  Bekämpfung  der 
Fremdwörter  lassen  sich  doch  wohl  in  einen  psychologischen  Zusammenhang  bringen. 
Ueber  Sprengs  germanistische  Arbeiten    urteilt  S.  recht  enthusiastisch.^*)  — 


Festschr.  z.  Erinner,  an  d.  150 j.  Bestehen  d.  Kgl.  dtsch.  Ges.  zn  Königsberg  in  Preussen.  L.,  DnncVer  &  Hnmblot.  IX,  293  S. 
mit  Facs.  M.  6,00.  —  62)  X  H.  Prutz.  Gottsched  u.  d.  Kgl.  dtsch.  Ges.  in  Königsberg:  NatZg.  N.  674.  —  63)  (I  8:59.)  — 
64)  X  A.   Lichtenheld,  J.  Presch,  D.  Fabelbnch  Meyers  v.  Knonan.    (Vgl.  JBL.  1S92  lU  5:32):  ZOG.  44,  S.  181/2.  — 


IV.  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
bis  zur  Gegenwart. 


iv,i 

Allgemeines. 

la.  Litteraturgeschichte. 

Adolf  Stern. 

Allgeraeines:  Gesamtdarstellungen  N.  1.  —  Die  ^Moderne"  N.  7.  —  Anthologien  N.  15.  —  Almanache  N.  17. 
—  Stammhncher  N.  21.  —  Specialforschung  und  -Darstellung:  Gesammolte  Aufsätze  N  27.  —  Briefe  N  30.  —  Lokale 
Litteraturforschnng:  Oesterreich  N.  32;  Mittel-  und  Norddeutschland  (Gotha,  Weimar  und  Jena,  Alsfeld,  Bremen,  Berlin, 
Mecklenburg,  Posen)  N.  39;  baltische  Provinzen  N.  47;  Schweiz  N.  43.  — 

Allg-emeines.  Als  in  den  Berichten  der  J.  1&91  und  1892  der  Mangel  einer 
Gesamtdarstellung-  der  deutschen  Litteratur  im  18.  und  19.  Jh.  hervorgehoben 
und  unzweideutig  als  ein  Mangel  an  umfassendem  Geist,  an  energischer  Darstellungs- 
kraft, als  der  Verzicht  auf  die  Beherrschung  grosser  Entwicklungen  und  Erscheinungs- 
reihen bezeichnet  wurde,  war  schon  oin  Werk  unterwegs,  das  nach  seiner  Anlage 
nicht  einmal  auf  die  deutsche  Litteratur  beschränkt,  sondern  dazu  bestimmt  war,  die 
Grössen  der  modernen  Litteratur  überhaupt  von  Voltaire  bis  Byron  unter  neuen  Ge- 
sichtspunkten zu  schildern.  Der  streitbare  Philosoph,  Mathematiker  und  National- 
ökonom Du  bring  1)  (vgl.  I  12  :  161)  unternahm  es,  in  den  engen  Raum  zweier  massigen 
Bände  gepresst,  samt  einer  die  Jahrtausende  alte  Vorgeschichte  der  modernen  Litteratur 
umfassenden  Einleitung  auch  die  vollständige  Entwicklungsgeschichte  der  modernen 
Litteratur  in  seinem  Sinne  zu  geben.  Dass  er  zu  diesem  Endzweck  gewaltig  radikal  ver- 
fahren und  das  Volk  der  Poeten  und  Belletristen  auf  ein  Häuflein  reduzieren  musste,  das 
sich  ausnimmt  wie  die  kleine  Zahl  der  wunden  Helden,  die  im  Nibelungenliede  den  tod- 
geweihten Burgundenkönig  in  der  ausgebrannten  Halle  am  Heunenhofe  umstehen, 
leuchtet  ein.  In  der  Siebenzahl  Voltaire,  Goethe,  Bürger,  Rousseau,  Schiller,  Byron  und 
Shelley  fasst  D.  die  Grössen  zusammen,  die  ihm  selbst  nach  seiner  an  ihnen  geübten 
Kritik  noch  übrig  zu  bleiben  scheinen.  Mit  unzweideutiger  Geringschätzung  der  Forsch- 
ungen, Resultate  und  Urteile  aller  zünftigen  Litteraturgeschichte  erklärt  er.  Litteratur- 
geschichten  böten  gegen  den  Uebelstand,  dass  mit  dem  Guten  das  Schlimme  eng  ver- 
wachsen sei  und  sich  in  den  von  der  Autorität  befangenen  Geist  mit  einführe,  als 
wäre  es  auch  ein  Muster,  so  gut  wie  keine  Gegenmittel.  „Sie  beschränken  sich", 
urteilt  D.,  „auf  einige  herkömmliche  ästhetische  Sonderungen  unzulänglicher  Art  und 
lassen  namentlich  in  den  Fragen  nach  dem  Charaktertypus  ganz  im  Stich.  Die 
Autorität,  von  der  sie  befreien  sollten,  wuchtet  auf  ihnen  selbst.  In  ihnen  ist  weder 
Wille  noch  Fähigkeit  anzutreffen,  dem  Publikum  das  zu  leisten,  dessen  es  am  meisten 
bedarf.  Sie  bestärken  vielmehr  in  dem,  was  jetzt  kritisch  wegzuschaffen  ist."  Kein 
Wunder,  dass  der  Vf.  der  Grössen  der  modernen  Litteratur  nach  diesen  Ueberzeug- 
ungen  selbst  den  Führer  aus  der  Wirrnis  der  bisherigen  Täuschung  und  des  Aber- 


1)  E.  Dühring,  D.  Grössen  d.  modernen  Litt.,  populär  n.  krit.  nach  neuen  Gesichtspunjcten  dargest.    2.  Abt.    L., 
C.  G.  Naumann.     XI,  288  S.;  XVI,  412  S.;   M.  6,00;  M.  8,00.    |[Tgll{s«.  N.  25  6;  WoserZg.  N.  16844;  F.  Mauthner:   Nation". 


Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  la  :  2 

g-laubens  an  falsche  Götter  und  holile  Ideale  abgeben  will.  Bis  zum  pädagogischen 
Gesichtspunkt,  „dass  sich  unter  der  Hülle  der  Schöngeisterei  nichts  Gesuudheits- 
zersetzendes  einschleiche,  dass  die  wirklich  echten  Ideale  nicht  verborgen  bleiben,  sondern 
in  Unterscheidung  von  den  unechten  um  so  wirksamer  werden",  erstrecken  sich  die 
Notwendigkeits-  und  Zweckmässigkeitsgründe,  mit  denen  ü.  eine  Darstellung'  einführt, 
die  nicht  allein  bis  zum  äussersten  subjektiv,  durchaus  nach  dem  Masse  der  persön- 
lichsten Bedürfnisse  ihres  Vf.  zugeschnitten,  sondern  im  innersten  Kern  dazu  be- 
stimmt ist,  die  Schätzung  der  Poesie  in  entscheidender  Weise  auf  ein  Minimum  herab- 
zudrücken. Verkennen  wir  nicht,  dass  eine  historische  Uebersicht,  die  sich  beim 
Nebensächlichen  und  den  Schöpfungen  zweiten  Ranges  nicht  aufhielte,  die  überall 
auf  das  Vorzüglichste  hinwiese  und  dabei  nicht  ängstlich  um  die  Gerechtigkeit 
gegen  das  bloss  historisch,  bloss  als  Vorstufe  Berechtigte  sorgte,  die  den  Wust  der 
Namen  und  Titel  entschlossen  hinter  sich  würfe,  in  ihrer  Art  höchst  wohlthätig  und 
erfrischend  wirken  könnte.  Auf  dem  Wege  D.s  ist  diese  überschauende  Dai'stellung 
aber  schon  um  deswillen  nicht  zu  erreichen,  weil  die  aufsteigende  Linie  der  D. sehen 
Kritik  nicht  dem  künstlerisch  Hochstehenden  entgegen,  sondern  von  der  Kunst  hinweg 
führt.  Unter  den  sieben  oben  genannten  Grössen  übt  D.  die  schärfste  und  bitterste 
Kritik  an  Goethe,  der  in  dem  Masse,  als  es  ihm  Ernst  um  die  Dichtung  als  Lebens- 
zweck war,  verurteilt  und  verworfen  wird,  und  er  zollt  Byron  die  unumwundenste 
Anerkennung,  weil  diesem  das  Dichten  ein  Surrogat  für  die  That,  weil  Dichtung  an 
sich  ihm  kein  voller  Ernst  war,  die  er  gelegentlich  in  denselben  Akten  verspottete, 
in  denen  er  seine  höchsten  dichterischen  Mittel  einsetzte.  Je  weiter  D.s  Darstellung 
vorschreitet,  um  so  offener  und  schneidiger  tritt  sein  letztes  Bekenntnis  hervor,  dass 
die  ganze  Poesie,  so  wie  sie  vor  uns  liegt,  zu  999  Teilen  eine  Kinderei  sei.  „Diese 
Kindheitsthatsache  berechtigt  aber  nicht  die  Albernheiten  dieses  Spiels  in  alle  Zeit- 
alter fortzusetzen  und  nie  zu  reifen."  Zornig  fragt  der  Vf.,  ob  der  Roman  oder 
überhaupt  die  Erdichtung  von  Lebensepisoden  dauernd  eine  geistige  Nahrung  höher 
entwickelter  Menschen  bleiben  könne ;  er  meint,  dass  man  ,,das  Spiel  isolierter  Ein- 
drücke, worauf  die  Wirkung  alles  dessen  beruht,  was  anstatt  Thatsache  blosser 
Schein  ist,  einen  Missbrauch  der  Organe  und  namentlich  des  Hirns  nennen  könne." 
Die  ganze  Hingabe  an  das  Fiktive  dürfe  daher  als  menschheitliche  Verirrung  zu 
falschen  und  schädlichen  Genüssen  betrachtet  werden.  Sie  habe  sogar  einige  Ana- 
logien mit  dem  Opiumgebrauch  und  den  Ueberregungen  durch  geistige  Getränke, 
nur  sei  sie  ein  noch  feineres  Gift,  dessen  Gebrauch  sich  nun  schon  Jahrtausende 
der  vollen  Kritik  entzogen  habe.  Endlich  und  in  einer  Art  Einlenkung,  die  dem 
Vorangegangnen  gegenüber  keine  sonderliche  Bedeutung  mehr  haben  kann,  erklärt 
D.  (und  das  ist  vielleicht  das  einzige  Mal,  dass  er  mit  Gervinus  zusammentrifft),  dass 
wenigstens  das  Ende  unseres  Jh.  der  Poesie  ganz  und  gar  feindlich  sei.  „Wäre  es 
auch  sonst  möglich,  höheren  und  edleren  Konzeptionen  eine  dichterische  Form  zu  geben, 
so  würde  das  wüste  Durcheinander  von  umgebenden  Verhältnissen  und  ungünstigen 
Umständen  den  Aufschwung  beeinträchtigen,  ja  verleiden  und  niederhalten  müssen. 
Mit  der  Widerstandskraft  von  Charakter  und  Verstand  ist  es  etwas  anderes;  diese 
bethätigen  sich  auch  der  grössten  Ungunst  der  Umstände  gegenüber."  Fasst  man 
diese  Gedankenfolge  ins  Auge,  so  ergiebt  sich  von  vornherein,  dass  es  überflüssig, 
ja  unmöglich  ist,  sich  mit  den  Einzelurteilen  des  Vf.  auseinanderzusetzen,  so  bald 
man  die  Poesie  als  ein  unverlierbares  Völkererbe  und  ein  kostbares  Gut  der  ganzen 
Menschheit  betrachtet.  Die  meisten  Beurteilungen  des  D. sehen  Buches  hielten  sich 
an  Einzelnes,  fochten  des  Vf.  Urteile  über  Goethe  und  Schiller,  seinen  Hass  gegen 
Lessing,  seine  Religionsfeindschaft,  seinen  Anti-Judaismus  usw.  an  und  trafen  eben 
damit  den  Kern  des  Werkes  nicht.  Es  ist  ein  Verdienst  D.s,  die  Frage  klar  und 
scharf  gestellt  zu  haben,  ob  wir  fernerhin  einer  Dichtung,  einer  poetischen  Litteratur 
bedürfen  oder  nicht?  D.giebt  die  Antwort  in  seiner  Weise;  dass  es  die  letzte  und  bleibende 
Antwort  sein  werde,  haben  wir  aus  tausend  guten  Gründen  zu  bezweifeln.  —  Die 
Neubearbeitung  von  Goedekes  „Grundriss",  unter  Goetzes^)  Redaktion,  ist  auch  1893 
nur  um  ein  Heft  vorgeschritten,  mit  dem  zugleich  der  Abschluss  des  5.  Bandes  des 
Gesamtwerkes  erreicht  wurde.  Die  Darstellung  umfasst  (von  §  257—81)  die  Zeit- 
genossen Goethes  und  Schillers,  vorwiegend  die  schier  unübersehbare  Zahl  der  dii 
minorum  gentium  in  Drama,  Lyrik  und  Roman,  die  Goedekes  Anschauung  bestätigen 
helfen  sollen,  dass  fast  nichts  von  dem,  was  Goethe  und  Schiller  durch  Lehre  und 
Beispiel  dargeboten  hatten,  fruchtbar  geworden  sei.  So  wie  hier  die  Gruppen  ge- 
ordnet und  verschränkt  sind,  und  indem  einerseits  die  grosse  Schar  der  Nachzügler 
aus  früheren  Entwicklungen  (unter  denen  viele  der  Zeit  ihrer  fi-ischesten  Wirksamkeit, 
ja  selbst  ihres    Todes    nach,   in    den    vierten   Band  des  Werkes  noch  gehört  hätten) 


10,  S.  504/6;  AELKZ.  26,  S.  209-10.]!  —  2)  K,  GoedeVe,  Grnndriss  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Dichtung.    Aus  d.  Quellen.    2   ganz  neu 
bearb.  Auflage.    Nach  d.  Tode  d.  Vf.  in  Verbindung  mit  D.  Jacoby,  K.  Jnsti,  M.  Koch,   K.  Müller-Praurenth,  F. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (^)l 


IV  la:3         Ad,  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

den  Zeitgenossen  eingereiht  erscheint  und  andererseits  die  wirklich  von  einem  Hauch 
üoetheschen  oder  Schillerschen  Geistes  berührten  wenigen  nicht  aus  der  Masse  hervor- 
g-ehoben  werden,  wird  das  ExempeL  freilich  richtig.  Bringt  man  jedoch  in  Anschlag, 
dass  z.  B.  Erscheinungen  wie  die  baj'erischen  Jesuiten  Ferd.  Reisner  und  Florian 
Reichssiegel  noch  Fortsetzer  der  lateinischen  und  deutschen  Jesuitendramatik  des 
17.  Jh.  waren,  dass  der  Schweizer  Fr.  Jak.  Hermann  noch  ein  Gottschedianer  vom 
reinsten  Wasser  ist,  dass  die  Hamburg-er  Albrecht  Wittenberg,  B.  0.  d' Arien,  der 
Potsdamer  Fr.  O.  von  Diericke,  der  Berliner  B.  V.  Ephraim  und  viele  andere  zu 
den  Schauspieldichtern  gehören,  die  nicht  sowohl  in,  als  höchst  unsicher  neben 
Lessings  Spuren  gingen,  trennt  man  alle  diese  Namen,  die  nur  durch  die  landschaft- 
liche Gruppierung'  in  den  5.  Band  geraten  sind,  fasst  man  andererseits  ins  Aug'e, 
dass  Goedeke  mit  vollem  Recht  im  Drama  Kotzebue  und  Iffland  an  die  Spitze  der 
Goethe-Schillerschen  Zeitgenossen  stellte,  die  den  Antagonismus  gegen  die  Klassiker 
vertreten,  ohne  den  Versuch  zu  machen,  die  entschiedenen  Nachahmer  Kotzebues, 
diejenigen  Ifflands  und  endlich  die  eklektischen  Talente  zu  unterscheiden,  die  in  den 
Stoppeln  des  einen  wie  des  anderen  Aehren  zu  lesen  versuchten,  so  erg-iebt  sich,  dass 
es  in  den  §§  256—70  ein  wenig-  bunt  hergeht.  Eine  Ausnahme  macht  hier  der  §  259 
„Bühnendichter  in  Oestereich",  den  von  Weilen  bearbeitet  und  mit  reichen  Nach- 
weisen über  den  engen  Zusammenhang-  der  dramatischen  Dichtung  Deutschösterreichs 
mit  dem  Wiener  und  Prager  Theater  ausgestattet  hat.  Auch  W.  setzt  noch  bei  dem  Kampf 
zwischen  dem  extemporierten  und  dem  regelmässigen  Schauspiel  ein,  der  in  W^ien 
allerdings  bis  in  die  Tage  Goethes  und  Schillers  fortgewährt  hat.  W\s  Darstellung 
schöpft  aus  den  verborgensten  Quellen,  vermag  aber  in  einzelnen  Fällen,  so  bei  dem 
interessanten  Kringsteiner  (Kriegsteiner?  Kriegstein?)  nicht  einmal  den  Namen  fest- 
zustellen. Die  akademischen  Dramatiker  wie  die  Gebrüder  Collin,  die  doch  unzweifel- 
haft zu  Schillers  Zeitgenossen  gehörten  und  vielen  sogar  als  Rivalen  Schillers  galten, 
haben  in  dieser  Darstellung  noch  keinen  Raum  gefunden.  Die  §§  271/9,  die  die 
Lyrik  und  den  Roman  behandeln,  suchen  in  dem  wirren  Durcheinander  alter  und 
neuer  Elemente  so  viel  als  möglich  zu  scheiden,  ganz  scharf  und  klar  kann  dies  nur 
im  §  279  geschehen,  in  dem  Müller-Fraureuth  eine  vortreffliche  Uebersicht  der 
Ritter-,  Räuber- undGeisterromanegiebt,diediedurch  Goethes  Götz  und  Schillers  Räuber 
erweckten  Phantasierichtungen  (der  Einfluss  der  englischen  Schauerromane  von 
Walpoles  „Schloss  von  Otranto"  bis  zu  Lewis  „Mönch"  wäre  hier  wohl  zu  untersuchen 
und  nachzuweisen  gewesen)  ins  Grobe  und  Gemeine  zogen  und  „eine  Welt  der  idealen 
Roheit"  schufen.  Ihnen  schliesst  M.-F.  die  frivolen  Romane  der  Albrecht,  Laun, 
Jul.  von  Voss  an.  Handelte  es  sich  nur  um  die  Einheit  eines  gewissen  Stils,  so 
würde  dieser  Gruppe  vor  den  zahlreichen  Poeten  der  unmittelbar  vorangehenden  Ab- 
schnitte sogar  ein  Vorrang  gebühren.  W^enn  in  diesen  letzteren  Schmidt  von  Lübeck 
und  Tiedge  an  der  Spitze  der  lyrischen  Poeten  älterer  Schule  erscheinen,  J,  J.  Engel 
als  der  namhafteste  Vertreter  des  älteren  Familien-  und  Sittenromans  hervorgehoben 
wird,  Matthisson,  Salis,  Conz  und  Sophie  Mereau,  später  Chr.  L.  Neuffer,  Amalie  von 
Helwig,  Fr.  Hölderlin  gebührendermassen  über  die  Reihe  der  Poeten  von  klassischer 
Richtung  hervorragen,  wenn  endlich  Jean  Paul  am  Eingang  von  §  276  eine  aus- 
führlichere Darstellung  zu  teil  wird,  so  erblicken  wir  darin  wohl  Ansätze  zu  einer 
schärferen  Charakteristik  und  einer  energischem  Zusammenfassung  des  geistig  Zu- 
sammengehörigen, aber  doch  nur  Ansätze;  der  Versuch  einer  deutlichen  Scheidung 
nach  inneren  Motiven  ist  nicht  gemacht.  Die  Fülle  des  Materials  ist  eine  ausser- 
ordentliche, die  Litteraturnach weise  sind  mit  grösster  Sorgsamkeit  vervollständigt 
worden.  Dass  trotz  aller  rühmlichen  Gewissenhaftigkeit  gelegentliche  Irrtümer  nicht 
bloss  in  Daten  und  Büchertiteln  unterlaufen,  ist  bei  der  umfassenden  Anlage  des 
Buches  und  der  notwendigen  Benutzung  minderwertiger  Quellen  unvermeidlich.  Im 
§  279  erscheint  neben  dem  Zwickauer  Buchhändler  Fr.  August  Gottlieb  Schumann, 
dem  Vf.  der  „Ritterscenen  und  Mönchsmärchen",  ein  gleichnamiger  Ronneburger  Kauf- 
mann, Vf.  der  „Gemälde  nach  Originalien  älterer  und  neuerer  Zeit".  Beide  Autoren  sind 
ein  und  dieselbe  Person:  der  von  1773-^1826  lebende  Vater  des  Komponisten  Robert 
Schumann,  der  eben  zuerst  Kaufmann  in  Ronneburg,  darnach  Verlagsbuchhändler 
in  Zwickau,  allezeit  aber  ein  federfertiger  Schriftsteller  war.  —  Ein  in  drei  vom  Vf. 
bearbeiteten  Auflagen  eingebürgertes  Werk,  Hettners  Litteraturgeschichte,  trat  in 
vierter  von  Harnack^)  besorgter  Auflage  hervor,  und  dem  Berichtsjahre  gehören 
die  beiden  ersten  Bände  an.  Weist  der  Einleitungsband,  der  tief  ins  17.  Jh.  zurück- 
greift und  die  Zeit  vom  westfälischen  Frieden  bis  zur  Thronbesteigung  Friedrichs 
des    Grossen   behandelt,    teilweise   nach    einem    anderen  Berichtsgebiet  hinüber,    so 


Muncker,  K.  Ch.  Redlich,  A.  Sauor,  B.  Suphan,  K.  Vorländer  u.  A.  von  Weilen  fortgeführt  von  E.  Goetze. 
6.  Bd.  Heft  13.  Dresden,  Ehlermann.  S.  241-565.  M.  7,40.  |[Ph.  Strauch:  ADA.  19,  S.  128-31.]|  —  3)  H.  Hettner, 
Gesch.  d.  dtsch.  Litt,  im  18.  Jh.    4.  verb.  Aufl.    HI.  Teil,  1.  n.  2.  Buch.    Brannschweig,  Vieweg.    X,  400  S  ;  VI,  579  S.     M.  7.00; 


Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.         IV  la  :  4 

handelt  das  zweite  Buch  „Das  Zeitalter  Friedrichs  des  Grossen"  ausschliesslich  von 
o-eistig-en  Strömung-en  und  Erscheinungen,  die  auch  beim  Ablauf  des  19.  Jh.  noch 
immer  eine  über  die  specifisch  wissenschaftlichen  Kreise  weit  hinausg'ehende  Teil- 
nahme finden.  Es  ist  eines  der  Hauptverdienste  des  Hettnerschen  Werkes,  dass 
es  diese  Teilnahme,  die  unter  der  Einwirkung-  gewisser  Elemente  zu  erstarren  drohte, 
warm  und  in  lebendigem  Fluss  erhalten,  und  es  darf  als  gutes  Zeichen  g-elten,  dass 
das  Bedürfnis  nach  diesem  Werke  den  Tod  seines  Vf.  überdauert  hat.  Ganz  richtig 
hebt  der  Neubearbeiter  des  umfangreichsten  Hauptteils,  der  „Deutschen  Litteratur- 
geschichte",  die  grosse  Schwierigkeit  hervor,  mit  fremder  Hand  an  ein  Werk  so  be- 
stimmter P^igenart  zu  rühren  und  g-iebt  zu  bedenken,  dass  diese  Schwierig-keit  noch 
g-rösser  g"ewesen  sein  würde,  wenn  nicht  eine  Bestimmung"  des  Vf.  die  Aufg-abe  dahin 
begrenzt  hätte,  dass  nur  Erg-ebnisse  neuerer  Forschung  in  das  mög-lichst  unveränderte 
Werk  eingefügt  werden  sollen.  Hettner  hat  dabei  zunächst  an  die  Berichtigung  that- 
sächlicher  Angaben,  an  die  Ausfüllung  ihm  selbst  bewusster  Lücken,  an  die  Berück- 
sichtigung solcher  Forschungen  gedacht,  die  seine  eigenen  Anschauungen,  die  Er- 
gebnisse seiner  Untersuchungen  zu  stützen  geeignet  wären.  Ob  er  mit  der  [Jm- 
arbeitung  aller  Stellen  einverstanden  gewesen  sein  würde,  die  H.  „ändern  durfte,  weil 
herrschende  Irrtümer  in  ihnen  bekämpft  wurden,  die  heuzutage  nicht  mehr  herrschen," 
mag  einigermassen  fraglich  sein;  das  Verdienst  durch  energische  Polemik  Irrtümer 
zerstreut  und  beseitigt  zu  haben,  soll  zwar  der  Allgemeinheit  zu  gute  kommen,  hat 
aber  schliesslich  doch  auch  einen  gewissen  persönlichen  Charakter.  Die  ausser- 
ordentliche Sorgfalt,  mit  der  H.  den  Hettnerschen  Text  durchgearbeitet  hat,  die  Pietät, 
mit  der  er  namentlich  bemüht  gewesen  ist,  seine  zählreichen  kleineren  Zusätze  und 
Einschaltungen  unscheinbar,  aber  für  den  Wissenden  willkommen  und  schätzbar,  an 
Gedankengang  und  Darstellung  des  Vf.  fest  anzuschliessen,  verdient  hoch  anerkannt 
zu  werden.  Und  obschon  Wert  und  Wirkung  des  Hettnerschen  Werkes  in  ganz 
anderen  Dingen  als  in  der  wörtlichen  Genauigkeit  seiner  Citate  und  der  unbedingten 
Zuverlässigkeit  seiner  Daten  beruhen,  so  ist  es  durchaus  erfreulich,  dass  der  junge 
Herausgeber  auch  nach  dieser  Richtung  hin  eine  strenge  Revision  geübt  hat.  Die 
wichtigsten  Zusätze  H.s  zum  ersten  Buche  finden  wir  in  den  Abschnitten  über 
Thomasius,  Leibniz,  die  Romane  des  17.  Jh.,  über  M.  Veiten,  Chr.  Günther,  Gottsched, 
über  die  Dramatiker  zwischen  Gottsched  und  Lessing  (Cronegk,  Brawe,  C.  F.Weise), 
über  Liscow  und  Geliert,  —  zum  zweiten  Buche  in  den  Abschnitten  über  J.  M.  von 
Loen,  Alex.  Baumgarten,  J.  J.  Pjra,  Klopstock,  Fr.  Nicolai,  über  die  Anfänge  der 
Kantschen  Philosophie,  die  Erziehungs-  und  Volkslitteratur,  über  Justus  Moser,  über 
die  Kunstschriftsteller  des  Zopfes,  in  denen  über  Wieland  und  Lessing.  Der  Ver- 
gleich der  vierten  mit  der  dritten,  von  Hettner  noch  selbst  überarbeiteten  Auflage, 
lässt  keinen  Zweifel,  dass  neben  den  Ergebnissen  neuerer  Forschung  auch  die  be- 
richtigten und  geklärten  Urteile  zum  Worte  gelangen,  auf  die  H.  in  seiner  Vorrede 
hindeutet.  Einige  Stellen,  die  recht  gut  in  Wegfall  kommen  konnten,  z.  B.  der  Ausfall 
gegen  die  episodischen  Einschiebungen  von  Blutschande,  Giftmischerei  und  andere 
Scheusslichkeiten  in  Gellerts  Roman  „Das  Leben  der  schwedischen  Gräfin",  die 
„Geliert  in  eine  ebenso  unerwartete  als  unerfreuliche  Nähe  mit  den  allermodernsten 
französischen  Romandichtern  setzen",  während  es  sich  hier  in  Wahrheit  um  Nach- 
wirkung der  Phantasierichtungen  und  Kunstmittel  des  Romans  des  17.  Jh.  handelt,  und 
mancher  ähnliche  Satz,  sind  schliesslich  doch  stehen  geblieben.  Indessen  jede  Prüfung, 
die  man  bei  solchem  Anlass  über  die  Grenzlinien  des  streng  Notwendigen,  des  Zweck- 
mässigen oder  gar  des  noch  Zulässigen  der  Eingriffe  in  ein  geistig  gereiftes  und 
abgeschlossenes  Werk  anstellt,  zeigt  den  bedenklichen  Abstand  dieser  Grenzen  von 
einander  und  führt  immer  wieder  zur  Empfehlung  der  erstgenannten  Linie,  die  denn 
auch  H.  im  wesentlichen  eingehalten  hat.  Die  Einbeziehung  zahlreicher  litterarischen 
Verweisungen  und  Citatparenthesen  in  den  Text  und  ihre  geschickte  Kürzung  ist 
ein  offenbarer  Gewinn  für  das  Werk  und  ein  weiteres  Verdienst  des  Herausgebers. 
—  Der  umfassenden,  zur  klassischen  Geltung  gelangten  Litteraturgeschichte  schliesst 
sich  eine  neue  (gleichfalls  die  vierte)  Auflage  des  viel  umstrittenen  Werkes  von 
Brandes 4j  an.  Mit  diesem  Werk  hat  es  insofern  eine  seltsame  Bewandtnis,  als 
die  vom  Vf.  selbst  veranstaltete,  mannigfach  umgearbeitete  und  ergänzte  deutsche 
Bearbeitung  („Die  Litteratur  des  19.  Jh.  in  ihren  Hauptströmungen"  dargestellt  von 
G.  Brandes),  die  zwischen  1882  und  1891  hervorgetreten  ist,  nur  in  ihrem  ersten 
und  zweiten,  ihrem  fünften  und  sechsten  Bande  vorliegt,  während  der  dritte  und 
vierte  Band  noch  ihrer  Neuentstehung  harren.  Inzwischen  aber  wird,  soviel  wir 
verstehen,  gegen  den  Wunsch  und  Willen  des  Vf.  die  deutsche  Uebersetzung  der 
ersten  dänischen  Abfassung  des  Werkes,   die    in    vier  Bänden    von  Strodtmann  und 


M.  10,00.     |[F.   SchnOrer:    ÖLBl.  3,    S.  ß21;2,]|    -    4)    G.  Brandes,    D.    llanptströmnngen    d.    Litt.   d.    19.  Jh.     üebers.    v. 
Ad.  Strodtmann   und   W.   Rudow.    4.  verm.  Aufl.    (14  Lfgn.)   Bd.   1-3.    L.,   Barsdorf.    XVIII,   228  S.;   YIII,  304  S.;  VIII, 

(4)1* 


IV  la:5-7       Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

im  fünften  von  Rudow  herrührt,  beständig-  weiter  verbreitet.  Die  1893  beg-onnene 
Lieferungsausgabe  könnte  eben  nur  durch  die  Vollendung-  der  Brandesschen  eig-enen 
Neubearbeitung-  zurückgedräng-t  werden.  Die  Bedeutung  des  Werkes  liegt  im  wesent- 
lichen in  Eigenschaften  und  Vorzügen,  die  auch  der  ersten  dänischen  Fassung  zu 
eigen  waren  und  darum  werden  sich  leider  eine  grosse  Anzahl  von  Käufern  und 
Lesern  auch  an  der  Strodtmann-Rudowschen  Ausgabe  genügen  lassen.  Für  den 
ernsteren  Litteraturfreund  müsste,  von  allem  anderen  abgesehen,  schon  die  Thatsache 
entscheiden,  dass  nur  die  von  Brandes  selbst  veranstaltete  Ausgabe  den  ,,Das  junge 
Deutschland"  betitelten  sechsten  Band  und  eigentlichen  Abschluss  des  Werkes  ent- 
hält, dass  der  Vf.  ausdrücklich  erst  das  J.  1848  als  einen  historischen  Wendepunkt 
und  als  die  Grenze  ins  Auge  gefasst  hatte,  bis  zu  der  er  beabsichtigte,  dem  Gange  der 
Entwicklung  zu  folgen,  um  der  späteren  Fassung  der  „Hauptströmungen  der  Litteratur 
des  19.  Jh."  den  Vorzug  zu  geben.  Die  vierte  Auflage  der  ersten  deutschen  Be- 
arbeitung giebt  daher  vor  allem  Anlass,  den  dringendsten  W^unsch  nach  endlicher 
Ergänzung  und  Vervollständigung  der  von  Brandes  selbst  besorgten  Ausgabe  seines 
tiauptwerkes  auszusprechen.  —  Mehr  pädagogischen  als  wissenschaftlichen  Zwecken 
dient  eine  Gruppe  von  Arbeiten,  die  das  längst  Bekannte  entweder  unter  besonderen 
Gesichtspunkten  betrachten  oder  in  besonderen,  vom  praktischen  Zweck  gegebenen 
Formen  darstellen.  Voran  stehen  hier  elf  Essays  von  Landwehr^),  die  sich  als  ein 
Beitrag  zum  Verständnis  der  klassischen  Dramen  einführen.  —  Carstensen'')  giebt 
elf  kurz  gefasste  Biographien,  die  in  etwas  wunderlicher  Folge  Goethe,  Schiller, 
Arndt,  Hebel,  Geliert,  Reinick,  Th.  Körner,  Uhland,  Hey,  Matth.  Claudius  und  Fr. 
Rückert  behandeln.  Man  sollte  meinen,  dass  der  Gewinn,  der  durch  diese  Art  Litteratur- 
kunde  erreicht  werden  kann,  sehr  massig  sei.  Abgesehen  von  der  Willkür 
der  Auswahl,  heisst  es  doch  kaum  die  Gestalten  der  Dichter  dem  Verständnis  der 
Jugend  näher  bringen,  wenn  man  sich  auf  die  Aneinanderreihung  der  äusserlichsten 
Daten  und  statt  der  entscheidenden  und  charakteristischen  auf  die  zufälligen  Züge 
beschränkt,  die  sich  dem  kindlichen  Auffassungsvermögen  am  besten  einprägen, 
wobei  viel  Täuschung  unterlaufen  kann.  Auch  fragt  sich,  welches  Lebensalter  C. 
im  Auge  hat;  die  flüchtigen  Skizzen  können  im  Grunde  nur  einer  Unreife  genügen, 
für  die  jeder  Litteraturuntericht  überhaupt  zu  früh  kommt.  — 

Die  „Moderne"  führt  nach  wie  vor  auf  einen  vielumstrittenen,  an  mehr  als 
einer  Stelle  brennenden  und  zur  Abwechslung  an  anderen  Stellen  sumpfigen  Boden. 
Trotz  aller  Bemühungen,  den  Kampf  zu  einem  sachlichen  umzubilden,  auf  die  eigent- 
lichen prinzipiellen  Fragen  zurückzuführen  und  zu  beschränken,  trotz  der  allmäfilich 
wachsenden  Erkenntnis,  dass  von  Hause  aus  eine  viel  schärfere  Unterscheidung  zwischen 
der  wirklich  aus  innerem  Antrieb  erwachsenden  und  der  bloss  Effekt  und  Abstand 
von  allem  schon  Gewordenen  suchenden  neuen  Richtung  hätte  gemacht  werden  müssen, 
trotz  der  immer  mehr  ersichtlichen  Scheidung-  zwischen  der  geistig  belebten,  von  einem 
grossen  Zuge  der  Wahrheit  erfüllten  Poesie  und  einer  blossen  Atelierkunst,  die  ihr 
Vertrauen  auf  raffinierte  Kunstgriffe  und  modische  Drucker  setzt,  ist  der  Wirrwarr 
und  Widerspruch  noch  immer  gross.  Wenn  ein  Buch  wie  Kirchners '')  (vgl.  I  12  :  272/3) 
„Gründeutschland"  es  unternehmen  wollte,  diesen  Widerspruch  zu  lösen  und  gleich- 
sam ein  abschliessendes  Wort  zu  sprechen,  so  musste  man  von  vornherein  erstaunen, 
dass  dem  Vf.  die  eben  bezeichneten  Unterschiede  beinahe  ganz  verborgen  blieben, 
dass  er,  ohne  auch  nur  den  Versuch  einer  Gruppierung  nach  inneren  Motiven  zu 
machen,  ohne  die  Einwirkungen  des  Auslandes,  der  socialen  Gärungen  und  Um- 
bildungen, des  ganzen  modernen  Lebens  überhaupt  genügend  zu  würdigen  und 
gegeneinander  abzuwägen,  gleich  in  die  Mitte  der  Erscheinungen  sprang  und  Dramen 
und  Romane,  Erzählungen  und  Gedichte  wirr  durcheinander  kritisierte  und  verur- 
teilte. K.s  Buch  rühmt  sich,  keine  Polemik  gewöhnlicher  Art  zu  sein,  die  den  Gegner 
mit  einigen  Phrasen  und  Schlagworten  abthut,  sondern  ein  Versuch,  die  modernen 
Dichter  vom  litterarhistorischen  Standpunkte  aus  zu  würdigen.  Aber  von  eigentlich 
litterarhistorischen  Gesichtspunkten  ist  wenig  genug  in  dem  ganzen  Werke  zu  finden: 
Die  Kapitel  „Der  Naturalismus  und  die  Liebe"  und  „Die  sociale  Dichtung  und  der 
Naturalismus"  sind  die  einzigen,  in  denen  eine  Art  Versuch  gemacht  wird,  die  Masse 
aneinandergereihter  kurzer  Recensionen  durch  eine  allgemeinere  Anschauung  in  Fluss 
zu  bringen.  Was  aber  schlimmer  war,  als  die  Unzulänglichkeit  der  Einsicht  und  des 
Urteils,  die  in  der  Polemik  wie  in  der  Zustimmung  K.s  zu  Tage  traten,  war  die 
Thatsache,  dass  ein  guter  Teil  der  doch  anspruchsvollen  Darstellung  überhaupt  nicht 
ihm  gehörte,  sondern   einer  Reihe   von  Aufsätzen  über   die  moderne  Litteratur  im 


242  S.  M.  13,50.  —  5)  H.  Landwehr,  Dichterische  Gestalten  in  hist.  Treue.  Elf  Essays.  E.  Beitrag  z.  Verständnis  d. 
klass.  Dramen.  L.,  Velhagen  &  Klasing.  VI,  191  S.  M.  2,40.  |[AkBll.  8,  S.  148.J|  -  6)  C.  Carstensen,  Aus  d  Leben  dtsch. 
Dichter.  Für  Schule  u.  Haus.  Braunschweig,  Wollermann.  IV,  156  H.  Mit  11  Bildern.  M.  1,00.  —  7)  F-  Kirchner,  Grün- 
deutschland.  E.  Streifzug  durch  d.  jüngste  deutsche  Dichtung.  Wien  u.  L.,  Kirchner  &  Schmidt.  XX,  246  S.  M.  5,00. 
|[Pre8seH.  N.  184;    Cäsar  Flaischlen:    ML.  S.  507/9;    B.  Waiden:    Wiener  Abendpost   N.    220;    A.  O.:    WienTBl.    N.  223; 


Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.     IV  la  :  7a-n 

„20.  Jahrhundert"  entlehnt  war.  Der  von  Albert  Stern''*)  g-eführte  Nachweis,  dass 
der  Vf.  von  üründeutschland  einen  guten  Teil  der  von  ihm  verurteilten  Schöpfungen 
überhaupt  nicht  näher  kannte,  seine  Wiedergabe  ihres  Inhalts  ausschliesslich  auf  die 
Kritiken  jener  Zeitschrift  stützte,  der  Vergleich  der  von  K.  besprochenen  und  berück- 
sichtig-ten  mit  der  thatsächlich  vorhandenen  Litteratur,  der  eine  unduldbare  Willkür 
K.s  herausstellte,  das  ganze  Missverhältnis  der  rein  kompilatorischen  Arbeit,  die 
dabei  nicht  einmal  eine  gute  und  umsichtige  Kompilation  genannt  werden  konnte, 
zu  der  Prätension,  das  abschliessende  Wort  zu  sprechen,  forderte  die  schärfsten  Ab- 
lehnung-en  des  Buches  heraus,  die  um  so  berechtig-ter  erschienen,  als  auch  eine  g-leich- 
zeitig-e  umfassendere  Darstellung'''')  K.s  über  die  deutsche  Nationallitteratur  des  19.  Jh. 
die  g-leiche  hohle  Aeusserlichkeit,  die  gleiche  Abwesenheit  jeder  tieferen  Erkenntnis 
der  schaffenden  Kräfte  und  ihres  Zusammenhangs  mit  dem  Leben  und  den  allg-emeinen 
Geistesströmung-en  ihrer  Zeit,  den  gleichen  Mang-el  wirklicher  Entwicklung-sgeschichte, 
die  g-leiche  Dürftigkeit  der  wissenschaftlichen  Grundlag-en  erkennen  Hess.  Mehr 
als  Eine  Be-  und  Verurteilung  des  K.schen  Buches  g-estaltete  sich  zu  einem  selb- 
ständig-en  Ueberblick  über  die  gegenwärtige  deutsche  Litteratur  und  den  Stand  der 
kämpfenden  Parteien.  —  So  versuchte  Bartels^)  die  Kirchnerschen  Engherzigkeiten 
und  Einseitigkeiten  zu  widerlegen,  den  berechtigten  Bestrebungen  der  jungen  und 
jüngsten  Talente  gerecht  zu  werden,  dabei  aber  der  Litteraturgeschichte  wie  der 
Kritik  ihr  Recht  zu  wahren  zwischen  dem  Reifen  und  Umreifen,  dem  Bedeutenden 
und  Unbedeutenden.  Die  Anschauung  der  Vertreter  des  Alten,  dass  die  Kunst  der 
Sittlichkeit  und  einer  rein  äusserlichen  Versöhnung  zu  dienen  habe,  erklärt  er  für 
unwürdig,  findet  jedoch,  dass  die  Anschauung  der  Modernen,  die  Kunst  habe  Material 
für  die  Wissenschaft,  für  Psychologie  und  Sociologie  zu  liefern,  nicht  eben  höher 
stehe  und  im  Grunde  ebenso  utilitarisch  sei.  Nicht  eher  wwden  wir  wieder  eine 
grosse  Kunst  haben,  als  bis  man  die  Kunst  wieder  für  eine  freie  Bethätigung  des 
grossen  Schöpfungs-  und  Gestaltungstriebes  der  Menschheit  erklärt,  der  ihr  ebenso 
wesentlich  ist  wie  der  Forschungstrieb  —  Muss  Bartels  nach  seiner  Auffassung  der 
Dinge  z.  B.  Gerhart  Hauptmann  für  das  am  weitesten  gediehene  Talent  unter  den 
Jüngstdeutschen  erklären,  so  kommt  Bahr^)  in  einer  Abhandlung  über  das  jüngste 
Deutschland  zwar  gleichfalls  zu  dem  Schluss :  dass  Hauptmann  unter  den  Naturalisten 
der  Deutschen  der  einzige  zur  Wirkung  auf  die  Menge  vorgedrungene  sei.  Aber  er 
nennt  ihn  eine  enge,  schmale,  keuchende  Natur,  dumpf,  kümmerlich  und  mühsam, 
in  seiner  Zeit,  in  seinem  Kreise  befangen,  mit  allen  vergilbten  Vorurteilen  und 
Schrullen  des  preussischen  Kleinbürgers  von  Gestern,  der  so  gerne  von  Morgen  wäre. 
Nach  seinen  Anschauungen,  die  „der  Entwicklung  einer  höheren,  feineren  und  aus- 
erlesenen Menschlichkeit,  eines  erkünstelten  Adels  an  Nerven"  zugewandt  sind,  muss 
er  nicht  nur  Sudermann,  sondern  auch  M.  G.  Conrad,  Detlev  von  Liliencron,  vor 
allem  aber  Herm.  Conradi  höher  stellen.  ,,Man  braucht  mir  nicht  erst  das  Rohe, 
Läppische,  Abscheuliche  an  diesen  wüsten  Büchern  zu  zeigen,  ich  kenne  es  selber 
ganz  genau,  aber  mitten  in  ihrem  wirren  Wahne  und  ihrem  jämmerlichen  Schmutze 
ist  der  grosse  und  sichere  Drang  nach  einer  reinen  Schönheit,  in  die  Tiefen  mächtiger 
Gefühle,  in  das  Besondere  der  Menschen  von  heute  und  morgen."  B.  prophezeit, 
auf  die  Gefahr  hin,  „sich  unsterblich  lächerlich  zu  machen",  dass  in  100  Jahren  die 
Litteraturgeschichte  den  neuen  Abschnitt,  der  das  20.  Jh.  beginnt,  von  Conradis 
Namen  aus  datieren  werde.  Ein  neuer  Beweis,  dass  noch  nicht  einmal  die  Anfänge 
einer  Verständigung  gewonnen  sind,  wenn  der  malaische  Wutlauf,  den  Conradi  und 
verwandte  Naturen  für  Genialität  hielten,  in  solcher  Weise  verherrlicht  werden  kann. 
—  Ein  völlig  anderer  Geist  belebt  eine  Studie  von  Sauer^*^),  die  u.a.  dadurch  aus- 
gezeichnet ist,  dass  sie  neben  den  Talenten,  deren  Namen  im  Streite  am  häufigsten 
genannt  werden,  auch  solche  würdigt,  die  vor  dem  Getöse  bei  Seite  getreten  sind, 
so  Ad.  Wilbrandt,  dessen  „Meister  von  Palmyra"  S.  als  die  bedeutendste  Dichtung 
der  letzten  beiden  Decennien  erachtet,  „eine  hoheitsvolle  Schöpfung  von  getragener 
Schönheit,  tiefster  Weisheit  und  erschütterndster  Wahrheit".  —  Wunderbar  genug 
klingt  der  Bericht  über  einen  Vortrag,  den  Conrad^^)  über  die  neue  Bewegung  in 
der  Würzburger  Gesellschaft  für  modernes  Geistesleben  gehalten,  mit  den  geläutert- 
sten  Anschauungen  zusammen,  denen  wir  irgendwo  begegnen.  Der  Begriff  der  mo- 
dernen Litteratur,  so  heisst  es  da,  bedarf  einer  scharfen  Umgrenzung.  Modern  sei 
nicht  gleichbedeutend  mit  Feindseligkeit  gegen  das  Alte,  sofern  es  wahrhaft  gut 
und  wurzelkräftig;  modern  sei  auch  nicht  mit  modisch  in  Beziehung  zu  setzen, 
modern   decke  sich  nicht  mit  Realismus  oder  Naturalismus  oder  Materialismus  oder 


0.  Krack:  Geg.  44,  S.  1378;  N*S.  67,  S.  408-12;  Ad.  Stern:  Grenzb.  4,  S.  23-83;  Jost  Keyfried:  FrB.  4,  S.  1009-17.]| 
—  7a)  Albert  Stern,  Professor  Plagiator  n.  d.  Humboldt- Ak. :  InternatLB.  1,  S.  23,  15/7,  268,  39-41.  —  7b)  F.  Kirchner, 
r».  dtsch.  Nationallitt.  d.  19.  Jh.  Heidelberg,  G.  Weiss.  VIII,  686  S.  M.  7,50.  (7  Lfgn!  a  M.  1,00.)  —  8)  A.  Bartels,  D. 
Moderne.  Litt.  Skizze:  Didask.  N.  165/6.  —  9)  H.  Bahr,  D.  jüngste  Deutschland:  DZg.  N.  7785,  7792,  7798.  —  10)  A.  Siiuer, 
üeber  d.  dtsch.  Litt.  d.  Gegenw.:  Bohemia  N.  130,  132,  136.   —   U)  M.  G.  Conrad,   Ueber  d.  moderne  Bewegung  in  Kunst  n. 


IV  la:  12-15     Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Atheismus.  Modern  sei  vielmehr  die  Orig-inahtät  in  Schaffen  und  Denken,  sei  die 
Wahrhaftigkeit,  mit  der  der  Dichter  aus  sich  selbst,  aus  seinem  innersten,  tiefsten 
Wesen  seine  Werke  schöpfe  und  bilde,  modern  sei  die  Selbstveräusserlichung  des 
Schöpfers  in  seiner  Schöpfung.  Mit  diesen  Vordersätzen  darf  C.  freilich  nicht  fürchten, 
auf  Widerspruch  zu  treffen;  nur  schade,  dass  bei  ihrer  Anwendung  sofort  die  Zer- 
klüftung und  der  ungeheure  Gegensatz  der  Ueberzeugungen  zu  Tage  tritt.  Aus 
ihrem  eigensten  tiefsten  Wesen  haben  alle  grossen  Dichter  geschaffen,  die  uns  nach 
der  Auffassung  der  schlechthin  Modernen  nichts  mehr  zu  sagen  haben,  die  ,, Selbst- 
veräusserlichung des  Schöpfers"  aber  findet  auch  bei  den  Naturen  statt,  deren  innerstes 
Wesen  Mass,  Anmut,  Sehnsucht  nach  Innigkeit  und  Reinheit  ist  und  deren  Wahrheit 
oder  Bedeutung  eben  darum  von  der  Kritik  der  Modernen  bezweifelt  wird.  Auf  die 
Prämissen  scheint  leider  in  diesem  Geisteskampfe  viel  weniger  anzukommen,  als  auf  die 
aus  persönlichen  Beziehungen  entstammten  Folgerungen.  —  Dass  auch  im  anderen 
Lager  mit  unglaublicher  Einseitigkeit  und  Kurzsichtigkeit  gesündigt  wird,  dafür 
dienen  Plugschriften  wie  die  des  „Provinzlers"  über  die  undeutsche  Litteratur  der 
Gegenwärtig)  ujj(j  verwandte  x\rtikel  zum  unerquicklichen  Zeugnis.  Wohl  gemeint, 
unwiderlegbar  in  der  Erkenntnis,  welch  eine  Unsumme  gemachter,  die  eigene  Geistes- 
armut schlecht  verdeckender  Scheingenialität  sich  in  der  fiebernden  Nachahmung  der 
fremden  Muster,  im  hastigen  Aufgreifen  des  Abhubs  französischer  und  russischer  Belle- 
tristik verbirgt,  fehlt  der  Schrift  andererseits  doch  die  unterscheidende  Schärfe  der  Ein- 
sicht in  das  innere  Wiesen  der  wirklich  in  Frage  kommenden  Schriftsteller;  ohne  Ver- 
ständnis für  den  eigentlichen  künstlerischen  Drang  betont  sie  viel  zu  ausschliesslich  die 
Hingabe  an  ein  unklar  formuliertes  Deutschtum,  das  zuletzt  wieder  auf  die  beliebte  Ge- 
sinnungstüchtigkeit hinauslaufen  würde,  die  litterarisch  und  ästhetisch  oft  genug 
Schiffbruch  gelitten  (vgl.  I  12:267). —  Auch  Kapff'^)  verfällt  in  die  Einseitigkeit  blosser 
Standeskritik,  er  klagt  die  „modernen"  Dichter,  unter  die  diesmal  auch  Heyse  und 
Spielhagen  gerechnet  werden,  aufs  heftigste  an,  weil  bei  ihnen  „verkommene  Menschen 
als  Prediger  oder  Kandidaten  der  Theologie"  auftreten,  er  polemisiert  gegen  die 
Wiedergabe  der  Nachtseiten  des  Lebens,  ja  der  Leidenschaft  selbst,  er  rühmt  wohl,  dass 
Shakespeare  vor  der  Darstellung  der  Tiefen  der  W^elt  und  der  Seele  nicht  zurück- 
geschreckt sei,  aber  er  engt  das  Recht  der  neueren  Dichtung  auf  ein  Gebiet  ein,  in 
dem  über  die  lyrische  Offenbarung  der  subjektiven  gläubigen  Empfindung  und  die 
Sammlung  moralischer  Exempel  nicht  hinauszukommen  wäre.  Dass  die  alten  An- 
klagen gegen  Goethe  fgemildert  allerdings  durch  die  Einsicht,  dass  es  Goethe  ernst 
um  die  Dinge  war,  wie  durch  den  Respekt  vor  der  poetischen  Gewalt  des  Genius) 
wieder  laut  werden,  dass  der  grosse  Dichter  abermals  der  „vollendeten  Selbstsucht" 
und  einer  ,, mangelhaften  Entwicklung  des  Gemütslebens"  angeklagt  und  die  vom 
Vf.  bekämpfte  ünsittlichkeit  der  neuesten  deutschen  Litteratur  in  eine  gewisse  höchst 
unklare  Beziehung  zu  Goethes  Unglauben  gesetzt  wird,  darf  nicht  Wunder  nehmen. 
—  Während  Kapff  im  Grunde  beklagt,  dass  die  Schilderung  des  Pfarrhauses  nicht 
im  Mittelpunkt  der  erzählenden  Litteratur  steht,  der  neueren  Dichtung  Geibel  und 
Gerok  als  Leitsterne  preist,  leitet  Biedenkapp^*)  die  ,, geistigen  Epidemien"  im 
19.  Jh.  aus  der  ,, Manie"  für  philosophische  ,, einseitige,  kitzliche  und  pricklige  Lehren 
ab".  Nach  dem  Wallenstein  sehen  Motto:  ,,Aber  wie  soll  man  die  Knechte  loben, 
kömmt  doch  das  Aergernis  von  oben"  führte  er  die  Krankheitserscheinungen  der 
Zeit  und  der  Litteratur  auf  die  drei  grösseren  geistigen  Epidemien,  die  sich  an  die 
Gedankenkreise  Hegels,  Darwins  und  Schopenhauers  angeschlossen  haben,  zurück, 
neben  denen  in  kürzeren  Zeiträumen  „kleinere  Verwirrungen  der  Geister",  wie  die 
aus  dem  Buche  „Rembrandt  als  Erzieher"  entsprossene  „Rembrandtmanie"  herlaufen. 
Gegenwärtig  sei  die  „Nietzschemanie"  im  Entstehen  begriffen,  der  gegenüber  der 
Vf.  den  „weit  umspannenderen  und  besser  begründeten  Gedankenkreis"  Dührings 
rühmt.  — 

Von  der  umfassenden  Anthologie  Leimbachs^^)  erschien  nach  längerer 
Pause  der  Schluss  des  5.  und  die  erste  Lieferung  des  6.  Bandes.  Beide  Tieferungen 
reichen  von  Johanna  Leitenberger  bis  zu  Alfred  Meissner.  L.s  Sammlung  von  Cha- 
rakteristiken und  Proben  fährt  fort,  nach  dem  Ruhme  der  möglichsten  Vollständigkeit 
zu  streben  und  neben  den  anerkannten  und  litterarisoh  einflussreichen  Dichtern  auch 
einer  guten  Zahl  von  vergessenen  und  nur  in  engeren  Kreisen  genannten  Poeten  zu 
einem  bescheidenen  Plätzchen  in  der  Litteraturgeschichte  zu  verhelfen.  Der  Fleiss,  die 
Hingabe,  die  Sorgfalt  des  Herausgebers,  auch  seine  ernste  Anschauung  von  den  Auf- 
gaben der   poetischen  Litteratur  verdienen  alles  Lob,    die   biographischen  Angaben 

Dichtnng.  Vortr. :  AZg".  N.  52.  (Referat.)  —  12)  D.  nndtsch.  Litt.  d.  Gegenw.  E  Wort  an  d.  Modernen.  V.  e.  Provinzler. 
B.,  IL  Lüstenöder.  lU,  74  S.  M.  0,90.  —  13)  E.  Kapff,  D.  Verhältnis  zwischen  Christentum  n.  Litt,  mit  bes.  Beziehung  auf 
Shakespeare,  Goethe  u.d.  junge  Deutschland.  (=  ZKChrVL  N.132.)  St.,  Baisers  Verl.  43  S.  M.0,80.  (Vgl.IVll)  —  14)G.Bieden- 
kapp,  Geistige  Epidemien  im  19.  Jh  :  Uidask.  N.  305.  -  15)  K.  Leimbach,  D.  dtsch.  Dichter  d.  Neuzeit  u.  Gegenw. 
Biographien,    Charakteristiken  n.  Answ.  ihrer  Dichtungen.     5.  Bd.   3.  Lfg. ;   6.  Bd.  1.  Lfg,     L„  Frankfurt  a.  M.,  Kesselringsche 


Ad.  Stern,  Litteraturo-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.         IV  la  :  le 

scheinen  durchaus  sorg-fältig*  und  zuverlässig*,  berichtig"en  zahlreiche  Irrtümer  bei 
Brummer,  Kurz,  Hinrichsen  usw.  Leider  lässt  sich  das  Lob  nicht  überall  auf  den 
Geschmack  und  das  Urteil  des  Herausg-ebers  erstrecken.  Ganz  abg-esehen  davon, 
dass  «"eg-enüber  den  aufgenommenen  und  charakterisierten  Uichtern  andere  und  be- 
deutendere fehlen,  so  macht  sich  eine  kaum  zu  erklärende  Ung-leichheit  in  der  Wertung" 
der  vertretenen  Dichter  geltend,  die  Anerkennung"  von  Poeten  wie  Mähly  oder  Meer- 
heimb  durfte  sich  nicht  zum  Panegyrikus  steigern;  die  Proben  könnten  bei  mehr  als 
einem  charakteristischer  sein,  auch  ist  nicht  abzusehen,  warum  sie  bei  Albert  Lindner, 
Hans  Marbach  u.  a.  fehlen.  Gelangt  das  Werk  zum  Abschluss,  so  wird  es  für  die 
Einführung"  in  die  poetische  Litteratur  und  namentlich  in  die  Lyrik  der  letzten  50  Jahre 
unentbehrlich  und  nach  g'e wissen  Richtungen  hin  höchst  schätzbar  sein,  inzwischen 
aber  darf  man  den  Wunsch  aussprechen,  dass  L.  die  ästhetische  Seite  nicht  minder 
als  die  pädagogische  erwägen  und  die  Leistungskraft  mindestens  so  hoch  wie  die 
gute  Gesinnung  veranschlagen  möge.  —  Eine  Anthologie  eigentümlichster  Art  und  von 
entschiedener  litterarhistorischer  Bedeutung  redigierte  Zimmermanns^)  in  Chicago 
unter  dem  Titel  „Deutsch  in  Amerika".  Es  sind  nicht  nur  Biographien  der  deutsch- 
amerikanischen Dichter  nebst  Auswahl  ihrer  Dichtung-en,  um  die  es  sich  in  diesem 
Werke  handelt,  sondern  es  will  zugleich  eine  geschichtliche  Darstellung  der  deutschen 
Poesie  in  den  vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  sein.  Die  litterarhistorische  Ein- 
leitung greift  sogar  über  die  geographischen  Grenzen  der  Union  hinaus.  Die  Lebens- 
skizzen und  Proben  beginnen  bei  der  Wirksamkeit  der  deutschen  Pietisten  und 
Separatisten,  die  schon  im  17.  Jh.  Zuflucht  auf  dem  Boden  Neuenglands  suchten  und 
ihre  religiösen  Gesinnungen  poetisch  bekannten,  und  sie  erstrecken  sich  bis  zur  un- 
mittelbaren Gegenwart.  Es  sind  nahezu  dreihundert  Namen,  die  das  Register  ver- 
zeichnet; trotzdem  liegt  die  Frage  nahe,  ob  wirklich  zwischen  den  spärlichen  ältesten 
Zeugnissen  deutscher  Poesie  in  Amerika  und  den  poetischen  Lebensäusserungen  des 
19.  Jh.  eine  so  breite  Lücke  klafft  und  aus  dem  ganzen  18.  Jh.  nichts  überliefert  ist? 
Die  grosse  und  einflussreiche  deutsche  Einwanderung  in  Amerika  hat  freilich  erst 
seit  1800  begonnen,  und  diesem  Zeitraum  gehörten  denn  auch  die  beiden  Generationen 
politischer  Flüchtlinge  an,  die  nach  der  Demagogenhetze  der  20  er  Jahre  und  wieder 
nach  dem  Scheitern  der  revolutionären  Erhebungen  von  1848—49  unter  dem  Sternen- 
banner Zuflucht  suchten.  Aus  diesen  beiden  Generationen  und  einem  massigen 
Nachschub  nach  1860  erwuchsen  die  Vertreter  und  Pfleger  deutscher  Poesie  und 
Litteratur  in  Amerika,  die  die  umfangreiche  Z.sche  Sammlung  verzeichnet,  gruppiert 
und  in  poetischen  Proben  zu  charakterisieren  sucht.  Der  Herausgeber  scheidet  dabei 
nicht  streng  genug  zwischen  der  Gruppe  der  poetischen  Talente,  deren  eigentliche 
Entwicklung  noch  im  alten  Vaterlande  stattgefunden  hat  und  den  Späteren.  Männer 
wie  Franz  Lieber,  Karl  Folien,  Aug.  Becker  (der  Giessener  Genosse  Georg  Büchners 
und  Weidigs),  Karl  Heinzen  hatten  ihre  litterarische  Physiognomie  ohne  jeden  Einfluss 
Amerikas  im  alten  Europa  erlangt,  selbst  Achtundvierziger  wie  Niklas  Müller  und 
Reinhold  Solger  hatten,  der  erste  mit  seinen  Liedern,  der  andere  mit  dem  satirischen 
Epos  „Hans  von  Katzenfingen",  ihre  besten  Leistungen  hinter  sich,  ehe  sie  nach  den 
Vereinigten  Staaten  kamen.  Eine  Gruppe  der  Revolutionsflüchtlinge,  unter  ihnen  Fr. 
Hassaurek  aus  Wien,  Carl  Schnauffer  aus  Baden,  Otto  Dresel  aus  Detmold,  wie  die 
Holsteiner  Fr.  Lexow  und  Theod.  Kirchhoff  haben,  da  sie  als  ganz  junge  Männer  von 
den  Wogen  der  deutschen  Bewegung  nach  Amerika  geschleudert  wurden,  ihre  Haupt- 
entwicklung erst  drüben  durchlebt  und  gehören  mit  ihren  litterarischen  Leistungen 
völlig  der  deutschen  Diaspora  in  der  grossen  Union  an.  Immerhin  reichten  ihre 
geistigen  Wurzeln  nach  Deutschland.  Auch  die  am  meisten  genannten  deutsch- 
amerikanischen Poeten  des  jüngeren  Nachwuchses,  Caspar  Butz,  Udo  Brachvogel, 
Karl  Knortz  sind  alle  noch  in  Deutschland  geboren,  und  ein  Ton  leiser  und  gelegent- 
lich starker  Sehnsucht  nach  der  alten  Heimat  klingt  durch  ihre  Poesie.  Die  Zahl  der 
deutschen  Talente,  die  als  Bürger  Amerikas  zur  Welt  gekommen,  ist  verschwindend 
klein;  die  Sprache  scheint  sich  eben  nirgends  bis  in  die  dritte  und  kaum  bis  in  die 
zweite  Generation  zu  erhalten,  mehr  als  einer  der  Poeten  spricht  die  Klage  aus,  dass 
ihn  seine  Enkel  schon  nicht  mehr  verstehen.  Ohne  den  Nachschub  von  Europa  würde 
es,  trotz  der  hunderte  deutscher  Zeitschriften  und  Schulen,  kaum  eine  deutsch-ame- 
rikanische Litteratur  geben.     Daher  auch  die  Anlehnung   der  deutschen  Dichter  in 


Hofbuchh.  S.  321-488;  S.  1-160.  ä  M.  1,50.  (Berücksichtigt  J.  Leitenberger,  0.  v.  Leixner,  K.  Leraclce,  B.  v.  Lepel,  J.  V.  Leschke. 
H.  Leuthold,  Max  Leytbäuser,  J.  Lichtenstein,  M.  Liebermann  v.  Sonnenberg,  Detlev  v.  Liliencron,  P.  Lindau,  A.  Lindner,  H.  Lingg, 
0.  Linke,  A.  Lohn-Siegel,  F.  Löwe,  K.  Löwe,  Rnd.  Löwenstein,  P.  Lohraann,  J.  Lohmeier,  A.  Lomnitz,  H.  v.  Longer,  K.  Lotze, 
H.  Lubliner,  H.  Lucius,  0.  Ludwig  [d.  .1.  stolzen  Beginn  des  6.  Bandes  abgiebtj,  A.  Lutze,  J.  Machaneck,  P.  Macheol,  J.  H.  Mackay, 
Jak.  Mähly,  F.  A.  Märcker,  Märzroth  [M.  Barach],  J.  Magewirth,  K.  Malachow,  F.  Mallebroin,  H.  Marbach,  0.  Marbach,  Ad. 
Marees,  L.  de  Marees,  H.  Marggraff,  E.  Marinelli,  M.  Martersteig,  Fr.  Marx,  Fr.  Maser,  J.  Matz,  Ch.  J.  Matzerath,  Ed  Mautner, 
K.  Mayer,  A.  May,  R.  v.  Meerheimb,  A.  Meissner.)  —  16)  Q.  A.  Zimmermann,  Deutsch  in  Amerika.  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  dtsch.- 
araerik.   Litt.     Her.   vom   Germ.inia-Männerchor   in   Chicago.     Chicago,    Ackermann  &  Eyller.     4".     XLVI,   265  S.     M.    10,00.    — 


IV  la:  17-22      Ad.  Stern,  Litteratnrs-esohichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

der  Union  an  die  Sang-esfreude  ihrer  deutschen  Landsleute.  Zwischen  den  deutschen 
poetischen  Bestrebung-en  und  dem  Männergesang'  besteht  ein  eng-eres  Bündnis:  auch 
das  in  Rede  stehende  Sammelwerk  ist  ja  vom  Gerraania-Männerchor  in  Chicago 
herausg-eg-eben  worden.  Verg-lichen  mit  den  ersten  Antholog-ien  deutsch-amerikani- 
scher Poesie,  den  „Heimatg-rüssen  aus  Amerika"  (1870)  und  den  „Dornrosen,  Erst- 
ling-sblüten  deutscher  Lyrik"  (1871)  lässt  sich  nicht  leug-nen,  dass  die  deutsche  Lyrik 
jenseits  des  Weltmeeres  rasch  in  die  Breite  g-eg-ang-en  ist,  dass  sie  da  und  dort  mit 
Glück  die  Stoffe  und  Motive  aufg-reift,  die  ihr  das  fremde  mächtig-e  Leben  bietet,  dass 
sie  aber  immer  noch  nur  schwachen  Halt  in  und  an  diesem  Leben  hat.  — 

Das  Schauspiel,  das  die  Doppelausstellung  der  älteren  Künstlerg:enossen- 
schaft  und  der  „Secession"  in  München  g-ewährt,  wiederholt  sich  in  der  Litteratur, 
da  von  München  zwei  Musenalmanache  in  die  Welt  geschickt  wurden.  Der  ältere 
und  reg'elmässig  erscheinende  Cottasche  Musenalmanach  unter  der  Redaktion  Brauns  i^) 
behält  in  seiner  äusseren  Erscheinung-sform  alle  die  Zierlichkeit  der  alten  Musen- 
almanache und  Anthologien  bei,  während  der  von  Bierbaum i^)  geleitete  moderne 
Musenalmanach  schon  in  seinem  Royaloktavformat  ein  Geschlecht  robuster  und  hoch- 
strebender Poeten  verkündigen  soll.  Für  den  unbefangenen  Beurteiler  liegt  die  Sache 
doch  ein  wenig  anders,  als  sie  nach  diesen  und  anderen  Aeusserlichkeiten  scheint. 
Die  Engel  sind  eben  weder  so  weiss,  noch  die  Teufel  so  schwarz,  wie  die  mit  blossen 
Schlagworten  arbeitende  Tageskritik  dem  Publikum  erzählen  will.  Der  Braunsche 
Almanach  enthält  neben  den  formell  glatten  Nichtigkeiten,  die  man  als  akademisch 
bezeichnen  kann,  blut-  und  lebensvolle  poetische  Gebilde.  Paul  Heyses  Beiträge  m 
Prosa  und  Vers  gehören  zum  Besten,  was  wir  vom  Dichter  überhaupt  kennen. 
Stephan  Milows  elegisches  Idyll  „Die  Grafentochter",  Albert  Matthäis  „Die  letzten 
Bonden",  auch  das  etwas  dunkle  „Maja"  von  Isolde  Kurz  lassen  eine  wirklich  dich- 
terische Konzeption  und  Verkörperung  nicht  missen.  Unter  den  rein  lyrischen  Gaben 
hebt  Muncker  in  einer  eingehenden  Beurteilung  die  Beiträge  von  J.  G.  Fischer,  A. 
Fitger,  W.  Jensen,  Ad.  Stern,  W.  Langewische  als  die  wertvollsten  heraus.  Seinem 
wie"  jedem  prüfenden  Blicke  entgeht  auch  im  diesmaligen  Jahrgang  das  entschiedene 
Ueberwiegen  der  ernsten,  schwermütigen  über  die  heiteren  lebenskräftigen  Stimmungen 
nicht,  und  in  dieser  Hinsicht  besteht  mehr  Verwandtschaft  zwischen  dem  alten  und 
dem  modernen  Musenalmanach  als  für  die  Gesamtschätzung  unserer  Zeit  und  ihrer 
poetischen  Litteratur  erspriesslich  ist.  Auch  die  von  Bierbaum  redigierte  Sammlung 
hat  in  Pleinairismus,  modischer  Decadence,  in  ziellosem  Sturm  und  Drang,  in  nach- 
geahmter Wüstheit  und  Grellheit  reichlich  so  viel  konventionelle  Elemente  als  die 
Braunsche.  Daneben  aber  strahlt  aus  den  Beiträgen,  namentlich  des  Herausgebers 
selbst,  aus  denen  von  Karl  Henckell,  G.  Falke,  D.  von  Liliencron,  W.  Weigand  so 
lebendige,  echte,  zum  Teil  ergreifend  schöne  Poesie,  dass  die  Etikette  der  „neuen 
Richtung"  ganz  überflüssig  wird.  Der  Windmühlenkampf  wider  die  wirklichen  oder 
vermeinten  „Spiesser"  und  „Kanneoiesser"  kann  die  jüngste  Schule  in  ihrer  eigent- 
lichen Entwicklung  nur  aufhalten  (vgl.  I  12  :  264).  —  Von  ungleichem,  im  ganzen  nur 
massigem  Gehalt  zeigt  sich  das  „Hamburger  Weihnachtsbuch" i^),  dessen  Gewicht 
freilich  mehr  in  den  künstlerischen  als  den  litterarischen  Beiträgen  liegt.  Die  bunte 
Mannigfaltigkeit  des  Stoffes  umschliesst  erzählende  und  lyrische  Dichtungen,  Novelletten, 
Märchen  und  Legenden,  historische  Skizzen  und  Naturbilder,  hamburgische  Erinne- 
rungen und  Schilderungen.  Die  Zahl  der  poetischen  Beiträge  ist  nicht  gross  und 
hinterlässt,  obschon  Namen  wie  K.  Woermann,  Ilse  Frapan,  J.  Stinde,  R.  Waldmüller 
vertreten  sind,  keinen  charakteristischen  Eindruck.  Unter  den  Prosabeiträgen  finden 
sich  zwei  litterarischen  Gepräges:  Eine  Festrede  zu  Körners  Gedächtnis  von  Schultess 
und  die  kleine  Studie  „Robinson  und  Salas  y  Gomez"  von  G.  H.  Röpe.^o)  — 

Während  die  Musenalmanache  und  die  ihnen  verwandten  Sammlungen  nicht 
unwesentlich  zur  Spiegelung  des  Geistes  und  poetischen  Zuges  der  Gegenwart  sind, 
helfen  die  Stammbücher  die  Vergangenheit  in  Einzelheiten  spiegeln.  Wie  auch 
ein  Splitter  etwas  Charakteristisches  treu  wiedergeben  kann,  so  haben  einzelne 
Blätter  dieser  Stammbücher  eine  gewisse  Bedeutung,  und  die  reicheren  und  inter- 
essanteren sind  wenigstens  einer  Mitteilung  wert.  Die  allgemeine  historische  Dar- 
stellungder  Gebrüder  Keipi)  hat  einen  Begriff  von  dem  Reichtum  kulturhistorischen 
Materials  gegeben,  das  in  diesen  Erinnerungsbüchern  vergangener  Tage  und  Manschen 
aufgespeichert  ist.  Fort  und  fort  zeigt  sich,  dass  es  noch  eine  grosse  Zahl  in- 
haltvoller und  in  ihrer  Art  bedeutender  Stammbücher  giebt,  woraus  jedoch  nicht 
gefolgert  werden  sollte,   dass  es  wünschenswert  sei,   sämtliche   noch   unbekannte  in 

17)  Cottascher  Musenalmanach  anf  d.  J.  1894.  Her.  v.  0.  Braun.  St,  Cotta.  16».  VIII.  296  S.  M.  6,00.  1[L.  Geiger: 
NatinnH  10  S.  .^Söß;  Ad.  Pichler:  ÖLBI.  2,  S.  1,51/3;  F.  Muncker:  AZg».  N.  294.]|  -  18)  Moderner  Musenalmanach  a.  d. 
,T  1894  Her.  v.  0.  J.  Bierbaum.  München,  Dr.  E.  Albert  *  Co.  XI,  317  S.  M.  6,00.  -  19)  Hamburger  Weihnachtsbuch. 
Mit  140  Bild.  Hamburg,  0.  Meissner.  4».  IH,  567  S.  M.  15,00.  |[Geg  4S,  S.  175;  N&S.  66,  S.  131/5.11  --  20)  X  A.  Fitger, 
Neue  Bremer  Beitrr.  (vgl.  JBL.  1892  IV  la:10):  DDiohtung.  13,  S.  1.52.  -  21)  d  4: 141 ;  5 :  309;   Hl  1:105.)    -    22)  Blätter 


Ad.  Stern,  Litteraturgeschichte  des  18,/19.  Jahrhunderts.     IV  la-.  23-27.1 

Druck  zu  geben  und  sich  nicht  mit  Berichten  darüber  und  Auszügen  daraus  zu  be- 
gnügen. —  Wie  massig  der  Gewinn  bei  der  wörtlichen  Wiedergabe  ist,  zeigt  der 
autotypische  Abdruck  einer  Reihe  von  Blättern  aus  Jens  Baggesens  Stammbuch, 
Einzeichnungen,  die  das  Jahrzehnt  zwischen  1787—97  umfassen.  Die  Einleitung,  von 
Grupe,  rechtfertigt  die  von  ihm  und  dem  Enkel  Jens  Baggesens,  Theodor' von 
Baggesen^s),  bewirkte  Auswahl  aus  dem  Buche  (auf  dessen  Titelblatt  „der  Däne 
Jens  Baggesen  dem  Andenken  derer,  die  das  Zeitalter  schmückten,  die  durch  Weisheit, 
Tugend  und  Wissenschaft  Ausgezeichneten"  die  sämtlichen  Einzeichnungen  gewidmet 
hat)  durch  die  Bedeutung  der  im  Stammbuch  vorhandenen  Namen.  In  der  That 
finden  sich  hier  neben  Klopstock  und  Lavater  die  Poeten  der  älteren  Generation 
vom  alten  Gleim  und  dem  Braunschweiger  Ebert  an,  die  Männer  und  Frauen  des 
Kopenhagener  Kreises,  zu  dem  Baggesen  gehörte:  Friedrich  Christian  Herzog  von 
Augustenburg  und  dessen  Gemahlin  Luise  Auguste  von  Dänemark,  die  beiden 
Bernstorff,  Graf  Ernst  Schimmelmann,  Friederike  Brun.  Maria  Magdalena  Pram, 
die  Holsteiner  und  Hamburger,  wie  Christian  und  Friedrich  Leopold  zu  Stolberg^ 
Graf  Friedr.  Reventlow,  Gräfin  Katharina  zu  Stolberg,  J.  H.  Voss,  Matth.  Claudius' 
die  verschiedenen  Glieder  des  Hauses  Reimarus-Siveking,  die  Grössen  von  Weimar 
und  Jena  mit  Namen  wie  C.  M.  Wieland  und  dessen  Gattin,  Herder  und  Karoline 
Herder,  Schiller  und  Charlotte  Schiller,  Reinhold  und  dessen  Nachfolger  auf  dem 
Jenenser  philosophischen  Katheder  Fichte,  dazu  Johannes  von  Müller,  Niebuhr  und 
Pestalozzi,  Chr.  G.  Körner  und  Fernow,  —  ein  stattliches  Naraensverzeichnis,  das  es 
allenfalls  begreiflich  macht,  weshalb  neben  den  Herausgebern  noch  W.  Fick  in 
Hamburg  und  H.  Luthmer  in  Zabern  zu  den  Erläuterungen  herangezogen  worden 
sind.  Leider  sind  nur  die  wenigsten  Einzeichnungen  so  charakteristisch,  wie  die 
Fichtes,  der  (Zürich  am  8.  Febr.  1793)  wenige  Wochen  nach  der  Hinrichtung 
Ludwigs  XVL  in  acht  Verszeilen  die  Timoleone  pries,  damit  das  „Sceptervolk"  mit 
Massigkeit  „raube  und  wenigstens  sich  tötbar  glaube",  oder  wie  das  längst  bekannte 
Gedicht  Schillers  vom  9.  Aug.  1790,  das  wie  ein  Nachhall  der  „Künstler"  klingt  oder  die 
Distichen  Fr.  Leopold  Stolbergs,  die  an  die  Botschaft  vom  Tode  Bernstorffs  (1797) 
anknüpfen;  die  treue  Wiedergabe  der  Hss.  aber  kann  doch  nur  einen  kleinen 
Kreis  anziehen.  —  Ueber  das  Stammbuch  des  schwedischen  Grosshändlers  Joh 
Nik.  Lmdahl  zuNorrköping  (1762-1813),  der  auf  grossen  Reisen  die  Bekanntschaft 
der  hervorragendsten  Männer  Deutschlands  und  Frankreichs  machte,  den  Schiller  an 
Goethe  empfahl,  der  zu  Anfang  unseres  Jh.  der  Gastfreund  Seumes  und  E.  M. 
Arndts  bei  deren  Reisen  in  Schweden  war,  veröffentlichte  Ad.  Stern 23)  einen 
Aufsatz,  der  aus  dem  im  Besitz  des  schwedischen  Dichters  und  Reichbibliothekara 
Graf  Karl  Snoilsky  befindlichen  Stammbuche  vor  allem  die  wichtigsten  deutschen 
Eintragungen  berücksichtigt.  Wir  finden  aus  der  Zeit  zwischen  1783  und  1804  im 
Stammbuche  des  Schweden  u.  a.  Klopstock,  Moses  Mendelssohn,  J.  H.  Voss,  C.  A. 
0 verbeck.  Fr  Schiller  (von  diesem  ein  seither  ungedrucktes  Distichon  vom 
2.  Sept.  1798),  Jean  Paul,  Wieland  und  Herder,  Arndt  eingezeichnet.  —  Ein  Auf- 
satz2*)  über  ein  jenaisches  Studentenstammbuch  aus  dem  vorigen  Jh.,  das  dem 
Theologen  und  späteren  Elsasser  Pfarrer  Schmidt  gehört  hat,  der  zwischen  1753 
und  1757  in  Jena  studierte,  rückt  das  ältere  Jena  mit  seinem  Renommisten-  und 
Raufwesen  lebendig  vor  Augen,  die  poetischen  Eintragungen  in  das  gedachte 
Stammbuch  scheinen  jedoch  weder  litterarische  Bedeutung  zu  haben,  noch  auch  nur 
an  bekannte  und  hervorragende  Persönlichkeiten  zu  erinnern.  --  Bob  es  25)  Bericht 
über  die  Temlersche  Sammlung  adeliger  und  bürgerlicher  Stammbücher  aus  dem 
17,  und  18.  Jh.,  die  sich  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Kopenhagen  befindet,  ist  viel  zu 
summarisch  gehalten,  um  den  Wert  der  einzelnen  Stammbücher  mit  einiger  Sicherheit 
abschätzen  zu  können.  —  Sehr  eingehend  vergleicht  hingegen  L.  Werner 26)  eine 
grössere  Anzahl  von  Augsburger  Stammbüchern  aus  dem  18.  Jh.,  zu  denen  namentlich 
die  alte  Patrizierfamilie  von  Stetten  einen  beträchtlichen  Beitrag  geliefert  hat.  Litterarisch 
bedeutsame  Namen  sind  in  diesen  Stammbüchern  nicht  eigentlich  vertreten,  mit 
Glück  aber  weist  der  Vf.  der  Studie  nach,  dass  die  meisten  Einzeichnungen,  je  'nach- 
dem die  heitere  Lebenslust  oder  die  Tugend  besonders  betont  wird,  unter  dem  Ein- 
flüsse Hagedorns  und  Gellerts  stehen,  deren  Dichtungen  etwas  später  den  W^eg  nach 
Süddeutschland  fanden  und  dafür  dort  um  so  länger  nachwirkten.  — 

Specialforschung  und  -darstellung.  Die  Forschung  über  einzelne 
Gestalten  und  Erscheinungen  der  Litteratur  des  18.  Jh.  erhielt  in  gesammelten 
Aufsätzen    von    Ad.    Stern  27),  namentlich  in  den  Lebensbildern   des    Freiherrn 

ans  a.  Stammbuch  Jens  Baggesens.  1787-97.  Her.  v.  E.  Grupe  n.  Th.  v.  Baggesen.  Marburg,  Eylhardt.  VIT,  46  S,  48  Taf 
M.  6,00.  -  23)  Ad.  Stern,  Lindahls  Stammbuch:  Grenzb.  1,  S.  35-42.  -  24)  G.  M..  E.  jenaisches  Studentenstammbuoh 
^o,ro. '"T^^"  ^^■-  ^''*^^-  ^-  ^'-  ~  25)  (111:104.)  -  26)  L.  Werner.  Augsburger  Stammbücher  d.  18.  Jh.: 
ZHVSchwaben  20,  S.  53-92.  (Vgl.  1 4 :  142.)  -  27)  (HI  3  :  17  )  -  27a)  H.  Hornberger,  Essays  (vgl.  JBL.  1892  IV  1  a :  16;  1  b  :  3;  5 :  180). 
.lahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV.  ^4)2 


IV  la:27b-3o     Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

0.  von  Schönaich,  Gottschedschen  Ang-edenkens,  von  J.  K.  A.  Musäus,  Friedrich 
Rochlitz,  in  den  Studien  „Aus  Chr.  Gr.  Körners  Reisetagbüchern"  und  „Chr.  P.  Körner 
und  Göschen"  eine  kleine  Folge  wesentlich  neuer  Untersuchungen,  obschon  es  dem 
Vf.  zuerst  und  zuletzt  weniger  auf  besondere  Hervorhebung  des  Neuen  als  auf 
möglichst  anschauliche  und  plastische  Rundung  der  Bilder  ankam.  Während  die 
Skizzen  über  Karl  von  Dalberg,  Amalie  von  Helwig,  Charlotte  von  Kalb  und  Jean 
Paul,  J.  G.  von  Salis-Seewis,  Fr.  Hölderlin  sich  als  Besprechungen  der  biographischen 
Werke  von  Beaulieu-Marconnay,  H.  von  Bissing,  P.  Nerrlich,  Ad.  Frey  und  B.  Litz- 
mann erweisen,  die  die  grösseren  Portraits  verkleinert  wiedergeben,  stützen  sich  die 
obengenannten  Monographien  auf  teilweise  völlig"  unbekanntes,  unbenutztes  oder 
vergessenes  Material. '■^"''"^'ß)  —  Die  litterarischen  Studien,  die  Marie  Herzfeld^S)  gab, 
beziehen  sich  zumeist  auf  norwegische  und  schwedische  Litteratur,  enthalten  indessen 
eine  Studie  über  den  Vf.  der  Briefe  eines  Unbekannten,  den  geistreichen  capriciösen 
Alexander  von  Villers.  Das  Kind  französischer  Eltern,  nach  bewegten  Jugend- 
schicksalen im  sächsischen  diplomatischen  Dienst  ergraut,  langjähriger  Legations- 
sekretär der  sächsischen  Gesandtschaft  in  Wien,  war  Villers  eine  Natur,  die  die 
stärksten  Gegensätze  in  sich  vereinigte.  Vielseitig  unterrichtet,  in  seltener  Art  be- 
lesen, der  individuellste  und  freieste  Mensch  in  vielen  Einzelheiten,  in  anderen 
kläglich  abhängig  von  den  Ueberlieferungen  und  Vorurteilen  einer  gewissen  Wiener 
Adelsgesellschaft,  in  der  er  Freunde  und  Freundinnen  fand,  künstlerisch  begabt  und 
feinfühlig,  dabei  doch  wieder  vollkommen  unempfänglich  auch  für  die  Schöpfungen 
des  Genius,  war  Villers  aus  einer  Fülle  von  Widersprüchen  zusammengesetzt.  Marie 
H.  nennt  ihn  einen  „Nietzsche  in  Duodezformat";  und  noch  als  pensioniertem  Legationsrat 
blieb  sein  Aristokratismus  immer  der  Aristokratismus  des  Aristokraten,  und  es  hing 
ihm  ein  Zöpfchen  von  ancien  regime  an.  Stets  beherrschte  ihn  das  Gefühl,  weder 
in  innerer  noch  äusserer  Excentrität  verleugnete  er  je  die  höfische  Art.  Genau 
diesen  Eindruck  hinterlassen  die  „Briefe  eines  Unbekannten",  in  denen  sich  Villers 
als  Stilist  von  hohem  Rang,  von  graziöser  Laune  und  eigentümlicher  Anmut  be- 
währt. —  Der  ersten  Reihe  seiner  geistlichen,  humoristischen  und  komischen  Denk- 
male schickte  der  wunderlich  originelle  Humbert 29)  eine  zweite  Folge  nach,  deren 
litterarische  Ausbeute  sich  freilich  als  geringfügig  erweist.  Die  ultramontanen  Sym- 
pathien und  Antipathien  des  Vf.  führen  ihn  zu  einer  Betrachtungsweise,  die  mit 
der  wirklichen  Erscheinung  der  Dinge  in  Gegensatz  steht;  er  nimmt  frischweg 
Shakespeare,  Schiller  und  Goethe  wenigstens  als  Kryptokatholiken  in  Anspruch 
und  zieht  es  offenbar  vor,  dass  Goethe  eine  Art  Heide,  als  dass  er  Protestant  ge- 
.wesen  sei;  er  plänkelt  und  polemisiert  mit  Vorliebe  auf  dem  Gebiet  religiöser  Streit- 
fragen. Die  aphoristische,  anekdotische  Behandlungsweise  deckt  sich  schlecht  mit 
dem  Ernst  der  behandelten  Gegenstände.  Die  auch  in  der  ersten  Reihe  nicht  ganz 
zuverlässigen  litterarischen  Erinnerungen  beschränken  sich  diesmal  auf  alte  Berliner 
Zeitungs-  und  Theatererinnerungen,  die  nur  sehr  untergeordneten  Wert  beanspruchen 
dürfen.  — 

Mit  der  Veröffentlichung  von  34  Briefen  aus  den  J.  1741 — 85  hat  Schüdde- 
kopf3ö)  zur  Lebens-  und  Entwicklungsgeschichte  des  Dichters  Job.  Nik.  Götz 
einen  nicht  unwichtigen  Beitrag  gegeben.  Freilich  sind  alle  diese  Briefe  von  Götz  an 
Gleim,  von  Gleim  an  Götz,  von  Götz  an  Uz,  an  Ramler,  an  Knebel,  schliesslich  von 
C.  G.  Götz  (dem  Sohn  von  Johann  Nikolaus,  dem  Mannheimer  Buchhändler)  an  Ramler 
und  von  Gleim  an  C.  G.  Götz  nicht  mehr  als  Material  zu  einer  wirklichen  Biographie 
des  Dichters  der  „Mädchen-Insel"  und  des  Verdeutschers  von  Gressets  „Ver-Vert" 
oder,  wenn  man  will,  auch  Material  zu  einer  deutschen  Kulturgeschichte  des  18.  Jh. 
Man  empfängt  auch  aus  diesen  Briefen  wieder  den  Eindruck,  wie  wichtig  in  dieser 
Frühzeit  des  poetischen  Strebens  und  eines  allmählich  sich  bildenden  künstlerischen 
Geschmacks  der  zaghafteste  und  kleinste  Schritt  nach  vorwärts  war;  man  fühlt,  dass 
die  Zerwürfnisse  über  rein  litterarische  Fragen  unter  damaligen  Umständen  mindestens 
eben  so  viel  zu  bedeuten  hatten  und  den  Männern  so  tief  gingen,  als  beute  un- 
heilbare Trennungen  aus  politischen  und  socialen  Gegensätzen.  Es  fehlt  auch  in 
Sch.s  Beiträgen  nicht  an  Zeugnissen  sachlicher  Kämpfe,  die  zu  persönlichen  wurden; 
nichts  ist  rührender  als  die  flehentlichen  Bitten  in  dem  letzten  Briefe,  den  Götz 
am  20.  Okt.  1766  aus  Winterburg  an  Gleim  richtete,  sich  um  jeden  Preis  mit 
Ramler  zu  versöhnen:  „Ich  respektiere  Ihre  Wehmut  über  den  Verlust  eines  solchen 
Freundes  und  rühre  Ihre  Wunde  nicht  an.   Ich  sage  nur  dieses:  Was  auch  HE.  Ramler 


|[H.  Grimm;  DBs.  74,  S.  308-10;  0.  Girndt:  DWBl.  S.  204;  LCBl.  S  336.]|  —  27  b)  Ella  Mensch,  Neuland  (vgl.  JBL.  1892 
I  4:856;  IV  la:4;  1893  I  1:121).  |[Ge8.  S.  245/6;  DR.  1,  S.  392;  WIDM.  73,  S.  430/2.]|  —  27 C)  W.  Weigand,  Essays  (vgl. 
JBL.  1892  IV  la:  15;  1893  11:120).  |[E.  Mahrenholtz:  MHL.  21,  S.  187/8;  KZg.  N.  897.JI  —  28)  Marie  Herzfeld, 
Menschen  n.  Bücher.  Litt.  Studien.  Wien,  L.  Weiss.  VII,  172  S.  M.  3,50.  —  29)  E.  Hnmbert,  70  geistl.,  hnmorist.  n. 
komische  Denkmale.  2.  F.  d.  geistl.,  humorist.  u.  a.  Erinnerungen  an  44  hedeut.  zeitgenöss.  dtsch.  Männer  nebst  87  Denkmalen 
gleichen  Charakters.     Qrandenz,    Gaebel.     89  S.     M    1,60.    (Vgl.  .TBL.  1892  IV  la:20.)   -■  30)  C.  Schflddekopf,    Briefe  v.  u. 


Ad.  Stern,  Litteraturg-esohichte  des  18./19.  Jahrhunderts.      IV  la:  31-32 

verbrochen  haben  mag"  sich  Ihrer  Freundschaft  unwürdig  zu  machen,  so  wäre  es 
doch  um  der  schönen  Wissenschaften  und  um  Ihres  beiderseitig-en  (!)  Ruhmes  willen 
besser  diese  Freundschaft  je  eher,  je  lieber  zu  erneuern."  Ein  höchst  charakte- 
ristisches Stück  Sittengeschichte  sind  die  ängstlichen  Massregeln,  mit  denen  Götz  sein 
Poetentum  in  die  tiefste  Verborgenheit  hüllt.  Er  fürchtet  bei  Entdeckung  seines 
Namens  sein  kleines  Glück  untergraben  und  sich  um  Brot  und  Frieden  gebracht 
zu  sehen,  wenn  er  als  Autor  erotischer  Gedichte  bekannt  werden  sollte.  Seh.  nimmt 
an,  dass  Götz  auch  in  der  Furcht,  Gleim  möge  über  die  Herausgabe  der  Blüten  des 
Parnasses  nicht  reinen  Mund  halten,  mit  dem  Halberstädter  Freunde  seit  1766  ge- 
brochen, sich  ihm  gegenüber  wenigstens  in  Schweigen  gehüllt  habe.  Der  alte  Gleim 
blieb  auch  bei  diesem  Anlass  er  selbst;  kaum  waren  nach  Götz  Tode  die  von 
Ramler  herausgegebenen  Gedichte  des  Halleschen  Studiengenossen,  des  Bruders  aus 
dem  Halleschen  Dichterkränzchen  und  langjährigen  Freundes,  erschienen,  so  war  er 
mit  Subskriptionen,  mit  Lobeserhebungen  und  mit  „zorniger  Brandmarkung  der 
Stümper",  die  „von  diesen  Meisterstücken  der  deutschen  Musen  ein  läppisches  Urteil 
öffentlich  fällten",  hurtig  zur  Hand.  —  Als  ein  Beitrag  zur  Frage  der  Volksschriften- 
litteratur  und  ihrer  Förderung  in  verschiedenen  Richtungen,  hier  im  Dienste  der 
kirchlichen  Aufgaben,  darfein  Brief  F.  V.  Reinhards,  des  1812  verstorbenen  Dresdener 
Oberhofpredigers,  angesehen  werden,  den  S ander 3^)  aus  dem  Nachlass  des  Abtes 
Fr.  Lücke  mitteilte.  Gerichtet  war  der  Brief  an  einen  der  MitbegTÜnder  des  heute  noch 
bestehenden  christlichen  Vereins  im  nördlichen  Deutschland,  den  Pastor  J.  G.  Uhle 
zu  Seeburg  und  Helbra.  Reinhard  weist  für  den  zu  begründenden  Verein  auf  die 
musterhafte  Organisation  der  1799  ins  Leben  getretenen  „Religious  tracts  Society" 
hin  und  erklärt  sich  aus  persönlichen  und  politischen  Gründen  gegen  alles  Ge- 
heimnis bei  dieser  Angelegenheit,  da  das  Gute  nach  dem  Muster  unseres  Herrn  und 
seiner  Apostel  frei  und  öffentlich  befördert  werden  müsse,  auch  die  Lage  der  Welt 
und  der  politischen  Angelegenheiten  jetzt  so  beschaffen  sei,  dass  nichts  leichter  an- 
stössig  werde  und  die  Aufmerksamkeit  der  Regierungen  leichter  auf  sich  ziehe  als 
Associationen,  die  etwas  Geheimnisvolles  an  sich  hätten.  Zum  Verständnis  des 
letzten  Satzes  verhilft  das  Datum  des  Briefes,  er  ist  im  Nov.  1811,  also  zur  Zeit  der 
tiefsten  und  anscheinend  hoffnungslosesten  Demütigung  Deutschlands  unter  die 
französische  Fremdherrschaft  geschrieben.  —  Als  eine  Gestalt,  die  nach  Abstammung, 
Bildung,  Verbindungen  und  Lebensschicksalen  untrennbar  mit  der  Geschichte  der 
deutschen  klassischen  Poesie  verwachsen  ist,  ohne  durch  eigene  grössere  Leistungen 
hervorzuragen,  kennen  wir  längst  Heinrich  Voss,  den  Sohn  des  Homerübertragers 
und  Dichters  J.  H.  Voss  und  seiner  Ernestine.  Für  die  reichen  Beziehungen  Heinrichs 
spricht  die  durch  Heuermann^'*)  herausgegebene  Auswahl  von  Briefen,  die 
B.  R.  Abeken  zwischen  1800  und  1822  an  Voss  richtete.  Aus  Jena  (1800),  Berlin 
(1802—7),  Weimar  (1808—9),  Rudolstadt  (1810-15),  Osnabrück  (seit  1815)  be- 
richtete Abeken  über  persönliche  Erlebnisse,  Eindrücke  seiner  Lektüre;  zwischen  wich- 
tigen, für  die  Stimmungen  der  Zeit  bezeichnenden  Mitteilungen  läuft  auch  etwelcher 
Klatsch  mit  unter,  im  ganzen  hat  man  immer  wieder  nur  Ursache  eine  Zeit  zu 
preisen,  die  ihren  Menschen  ein  so  starkes  Gefühl  für  das  Grosse  und  Echte  gab, 
die  selbst  einfache  Lebensgeschicke,  wie  die  späteren  Abekens  waren,  mit  immer  neuen 
Erkenntnissen  und  inneren  Beglückungen  bereicherte.  Die  Briefe  lassen  uns  anfänglich 
in  den  Verkehr  der  beiden  Freunde  und  ihre  gemeinsamen  Interessen  hineinblicken, 
rücken  aber,  da  die  Antworten  von  Heinrich  Voss  fehlen,  allmählich  seinen  Kor- 
respondenten in  den  Vordergrund.  Aus  den  Briefen  geht  auch  hervor,  dass  Abeken 
mit  einem  Aufsatz  im  „Morgenblatt"  zu  den  ersten  kritischen  Vorkämpfern  der 
Goetheschen  Wahlverwandtschaften  gehörte.  — 

Auf  dem  Gebiete  lokaler  Litteraturforschung  tritt  diesmal  Oester- 
reich  bemerkenswerter  Weise  in  den  Vordergrund.  Die  Litteratur-  und  Lebensbilder, 
die  Müller-Guttenbrunn'2)  unter  dem  Titel  „Im  Jh.  Grillparzers"  vereinigt  hat, 
und  die  ausser  Grillparzer  selbst  „Th.  Körner  in  Wien",  „Otto  Prechtler  und  Franz 
Grillparzer",  „Ferdinand  Raimund",  „Eduard  von  Bauernfeld",  „Robert  Hamerling", 
„Ludw.  Anzengruber",  „Josef  Weilen  und  Ed.  Mautner"  und  endlich  die  kleine  Studie 
„Auch  ein  Dichter"  enthalten,  worin  unter  dem  Namen  Richard  das  Wesen  und  das 
persönliche  Geschick  eines  Vf.  von  gangbaren  Kolportageromanen  geschildert  wird.  Zu 
dem  Satze  „den  Göttern  und  Halbgöttern  der  Litteratur  stehen  die  Beherrscher  der 
litterarischen  Unterwelt  gegenüber  und  ihre  Macht  über  die  Volkssele  ist  grösser, 
als  ihr  da  oben  ahnt"  liefert  das  Lebensbild  des  Anonymen  einen  traurigen  und 
erschreckenden    Beleg.      Das,    worauf   es    eigentlich    ankäme:    Das   Verhältnis   der 


anJoh.NiV.  Götz.  Nach  d.  Originalen.  Wolfenbattel,  Zwissler.  XVI,130S.  M.2,00.  (Vgl.  IV  lo  :65.)  —  31)  F.  Sander,  E.  Brief  F.  V. 
Beinhards:  ThStK.  65,  S.  769-73.  —  31a)  A.  Heuermann,  Aus  B.  R.  Abekens  Briefen  an  Heinr.  Voss.  Progr.  der  städt.  höh. 
Mädchenschule.  Osnabrüclt  (J.  G.  KislingX  4».  24  8.  (Vgl.  IV  1  0  :  68.)  —  32)  A.  MOll  e  r-Outtenbrunn,  Im  Jh.  Grillparzers.  Litt.- 

(4)2* 


IV  la:33-34      Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

neuesten  belletristischen  Unterströmung-en  der  Litteratur  zu  früheren  verwandten 
Unterströmung-en  vergleichend  zu  untersuchen,  kann  der  kurze  Aufsatz  freilich  nicht 
leisten.  Aber  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Litteratur  und  zur  Geschichte  der 
socialen  Fragen  ist  er  jedenfalls.  —  Stellt  hier  Müller-Guttenbrunn  die  dunkle  Kehr- 
seite des  Dranges  nach  poetischer  Thätigkeit  und  litterarischem  Erfolg  dar,  deren 
Lichtseiten  die  übrigen  Skizzen  seines  Buches  behandelt  haben,  und  verharrt  er 
dabei  im  hauptstädtischen  Mittelpunkt  Deutsch-Oesterreichs,  dem  nur  Hamerling 
nicht  dauernd  angehört  hat,  so  beschreibt  Schlossar^-^)  die  litterarischen  Persönlich- 
keiten und  geistigen  Bestrebungen,  die,  ungefähr  auch  im  Jh.  Grillparzers,  einer 
deutsch-österreichischen  Provinz  wie  Steiermark  im  besonderen  angehört  haben,  mit 
guter  Kenntnis  und  warmem  Anteil.  Nur  die  kleinste  Zahl  davon  erlangte  eine  über 
die  Grenzen  der  Provinz  hinausgehende  Bedeutung.  Mit  der  Grazer  Wochenschrift 
„Wochenblatt  für  die  innerösterreichischen  Staaten"  (1775),  deren  Herausgeber  der 
spätere  Professor  in  Lemberg  Gottfr.  Uhlig  war,  der  als  Poet  zu  den  Nachfahren 
Klopstocks  zählte,  mit  dem  Aufenthalt  J.  F.  Schinks  in  Graz  und  dem  ersten  steier- 
märkischen  Musenalmanach,  den  der  Lyriker  und  Dramendichter  J.  N.  Ritter  von 
Kalchberg  1789  als  „Früchte  vaterländischer  Musen"  A'eröffentlichte,  beginnt  nach 
Sch.s  Darstellung  das  selbständige  Litteraturleben  in  Steiermark.  Aus  den  Forschungen 
Sch.s  tauchen  nacheinander  eine  ganze  Reihe  vergessener  Namen  und  Werke  wieder 
empor;  schon  ins  19.  Jh.  hinüber  leiten  Erscheinungen  wie  Karl  Schröckinger,  der 
Schicksalstragödien  schrieb,  wie  der  Lyriker  und  Dramatiker  Josef  Kollmann,  der  von 
1812—37  die  litterarische  Beilage  der  Grazer  Zeitung  „Der  Aufmerksame"  redigierte. 
Dem  neuen  Jh.  g-ehörten  völlig  R.  G.  Puff  (1808-65),  C.  G.  von  Leitner  (1800— 90)  an;  mit 
der  Zunahme  der  Wiener  Belletristik  schoss  natürlich  auch  die  steiermärkische  ins  Kraut. 
War  es  in  der  erstenHälfte  des  g-eschilderten  Jh.  die  Signatur  beinahe  aller  Bestrebungen, 
dass  sie  von  Wiener  Vorbildern  beinflusst  wurden,  legt  Seh.  dem  Aufenthalt 
J.  G.  Seidls  in  Cilli  und  sog-ar  Karl  von  Holteis  in  Graz  eine  gewisse  Bedeutung 
für  die  Entwicklung  deutscher  Dichtung  in  Steiermark  bei,  verwandelten  sich  in 
eben  dieser  Zeit  geborene  Steirer  wie  Josef  Hammer  (von  Purgstall)  und  Faust 
Pachler  völlig  in  Wiener  Schriftsteller,  so  ist  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jh.  leicht 
wahrzunehmen,  dass  die  Provinztalente  selbständig  wurden.  Anastasius  Grün  und 
Robert  Hamerling,  die,  obwohl  keine  Steirer  im  engeren  Sinne,  doch  Steiermark 
mannigfach  verbunden  und  in  Graz  heimisch  wurden,  standen  auf  eigenen  Füssen 
und  gaben  der  „Centrale"  W'ien  mehr  als  sie  von  ihr  e'mpfingen.  Vollends  P.  K. 
Rosseger  und  Hans  Grasberger  dürfen  als  specifisch  steiermärkische  Talente  angesehen 
werden,  die  nicht  bloss  durch  ihre  Geburt  und  ihre  äusseren  Lebensverhältnisse  der 
Provinz  angehören,  sondern  die  alle  ihre  poetischen  Wurzeln  im  Heimatboden  haben.  — 
Zur  lokalen  Litteraturgeschichte  Steiermarks  gehört  ferner  die  kleine  Studie  über 
„Cilli  in  der  Litteratur",  die  Kurz^^''')  im  Album  ,,Celeja"  veröffentlicht,  in  der 
natürlich  zum  Teil  dieselben  Namen  auftauchen,  denen  wir  bei  Schlossar  begegnen. 
—  Auf  die  leidenschaftlichen  Rivalitäten,  die  in  dem  doppelsprachigen  österreichischen 
Kronlande  Böhmen  nach  wie  vor  herrschen  und  immer  heftiger  zu  werden  scheinen, 
wirft  ein  Aufsatz  des  Prager  Universitäts-Professors  Mischler^^)  ein  grelles  Streif- 
licht. Die  nationale  Eifersucht  der  slawischen  Bewohner  Böhmens  ruft  die  Statistik 
zu  Hülfe,  um  die  Ueberlegenheit  der  cechischen  über  die  deutsche  Litteratur  zu  er- 
weisen und  versucht  sich  auf  die  Zahl  der  cechischen  belletristischen  W^erke  gegen- 
über den  deutschen  zu  stützen.  Mit  Recht  hält  M.  den  nationalen  Heissspornen 
entgegen,  dass  ganz  naturgemäss  die  cechischen  Schriften  in  ihrer  Gesamtheit  in 
Oesterreich  zum  Verlage  kommen,  während  von  deutschen,  durch  Oesterreicher 
verfassten  Schriften  ein  bedeutender  Teil  ausserhalb  Oesterreichs  gedruckt  und  ver- 
legt werde.  Viel  wichtiger  als  die  rein  äusserliche  Frage  nach  der  Schriften-  und 
Bändezahl  ist  die  Frage  nach  dem  Gehalt  und  Wert  der  Werke,  und  diese  Frage 
ist  mit  der  Erörterung,  dass  die  cechische  Litteratur  im  „poetischen"  und  die  deutsche 
im  „scientivisohen  Zeitalter"  stehe,  wahrlich  nicht  beantwortet.  Es  stände  schlimm, 
wenn  in  der  That  die  belletristische  Produktion  der  Cechen  die  der  Deutschen  so 
weit  hinter  _  sich  Hesse,  wie  der  Wiener  Abgeordnete  Zucker  behauptet  hat  und  M. 
indirekt  zugiebt.  Aber  darauf  freilich  kommt  nichts  an,  ob  die  paar  deutsch-böhmischen 
Poeten  des  letzten  Jahrzehnts  von  ihren  slawischen  Rivalen  übertroffen  werden,  da 
eine  Trennung  der  ersteren  von  ihren  Genossen  im  übrigen  Deutsch-Oesterreich  (von 
der   allgemeinen    deutschen  Litteratur  noch  ganz  abgesehen)  schechthin  sinnlos  und 


u.  Lebensbilder  ans  Oesterreich.  1.-2.  Aufl.  Wien,  Kirchner  &  Schmidt.  V,  224  S.  M.  4,00.  [[Didaslc.  N.  7;  Grenzb.  2,  S.  288; 
B.  Mfinz:  ÖUR  14,  S.  55/8;  0.  Harnacls:  PrJbb.  73,  S.  c41 ;  DEs.  76,  S.  159;  N&S.  65,  S.  136;  J.  Minor:  ÖLBl.  2,  S.  714/5; 
R.  Opitz:  BLÜ.  S.  183/4;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  939-40.1|  —33)  A.  Schlossar,  100  J.  dtsch.  Dichtung  in  Steiermark.  1785-1885. 
(=0e8terr.  Bibl.  her.  v.  A.  Ilg.  2.  Bd.|  Wien,  Graeser.  XI,  193  S.  Mit  10  Abbild.  M.  2,00.  —  33a)  M.  Kurz,  Cilli  in  d. 
Litt.  (=  Celejii.  Festschrift  z.  Feier  d.  25j.  Bestandes  selbstärd.  Gemeinsatznngen  v.  Cilli,  veranst.  v.  d.  „Deutschen  Wachf 
n.  her.  t.  G.  Ramberg  [Cilli,  J.  Rakusch.     1892.     4».     78  S.  niif  Abbild.     M.  6,00],  S.  36-40.)  —  34)  E.  Mi  so  hl  er,   D.  dtsch 


Ad.  Stern,  Litteraturgeschichte  des  18./i9.  Jahrhunderts,     IV  la  :  35-39 

unthunlich  ist.  Jedenfalls  hat  die  Erörterung-  die  Folge  gehabt,  den  Eifer  der  Deutsch- 
böhmen für  ihre  heimatlichen  Talente  anzuspornen,  wie  u.  a.  der  Aufsatz  Pauchlers^^) 
erweist.  —  Auch  in  Tirol,  wo  es  deutsche  Sprache  und  Litteratur  gegen  die  von 
Süden  heraufdrängende  Verwelschung  zu  verteidigen  gilt,  mischt  sich  der  litterari- 
schen Betrachtung  die  patriotische  und  parteipolitische  nur  allzuleicht  bei.  Dies 
wird  bei  jedem  Blick  auf  geistiges  Leben  in  Tirol  klar,  gleichviel  ob  Vor-  oder 
Nachmärzliches  dabei  gemeint  ist-'^).  —  Auf  den  gemeinsamen  Boden  deutsch-öster- 
reichischer Litteratur  führt  uns  zunächst  Marianne  Nigg^")  mit  ihren  Biographien 
der  österreichischen  Dichterinnen  und  Schriftstellerinnen  zurück,  die  zu  den  durch 
die  Weltausstellung  in  Chicago  veranlassten  Arbeiten  gehört.  Vom  Frauenkomitee 
dieser  Ausstellung,  das  in  einer  besonderen  Abteilung-  das  weibliche  Wirken  in  der  ganzen 
civilisierten  Welt  zur  Anschauung  bringen  wollte  und  darum  auch  Bildnisse  und 
Lebensgeschichten  litterarisch  thätiger  Frauen  sammelte,  war  die  Vf.  beauftragt,  die 
Biographien  der  österreichischen  (soll  heissen  deutsch-österreichischen)  Zeitgenossinnen 
zu  sammeln,  und  sie  unternahm  es  unter  der  Voraussetzung-,  dass,  wer  in  deutscher 
Sprache  in  Büchern,  Broschüren,  Zeitungen  oder  Zeitschriften  irgend  etwas  veröffent- 
licht habe,  in  diesem  Werkchen  genannt  werden  müsse,  daneben  mit  der  Zuversicht, 
dass  das  solchergestalt  vereinte  Wii'ken  sich  als  „geistige  Macht"  darstellen  müsse. 
Darüber  kann  man  nun  verschiedener  Ansicht  sein,  den  fleissigen  Bemühungen 
Marianne  N.s,  ein  zuverlässiges  Verzeichnis  der  deutsch  schreibenden  Schrift- 
stellerinnen Oesterreichs  und  ihrer  Werke  zu  geben,  wird  man  wenigstens  den  Wert 
eines  ersten  Versuchs  zusprechen  müssen.  Da  das  Heft  alphabetisch  geordnet  ist, 
gehen  denn  freilich  die  grundverschiedensten  Leistungen  bunt  durcheinander,  neben 
blossen  Notizen  stehen  eingehende  und  gelegentlich  ein  wenig  ruhmredige  Auto- 
biographien; die  Berühmtheiten  gipfeln  das  eine  Mal  in  der  Dichterin  Marie  von 
Ebner-Eschenbach  und  das  andere  Alal  in  der  Edeln  Katharine  von  Schweiger,  deren 
unter  dem  Pseudonym  „Katharina  Prato"  veröffentlichte  „Süddeutsche  Küche"  in 
150  000  Exemplaren  verbreitet  ist.  Die  hochfliegenden  Bestrebungen  einer  Bertha 
von  Suttner,  die  mit  Romanen  den  Krieg  aus  der  Welt  zu  schaffen  trachtet,  und  die 
rührend  bescheidenen  einer  Josefine  Godai,  die  sich  auf  einen  nützlichen  Leitfaden  für  den 
Massenunterricht  in  den  weiblichen  Handarbeiten  beschränkt,  wohnen  hier  friedlich  bei 
einander.  Charakteristisch  für  Oesterreich  ist  das  starke  Vorwiegen  des  aristokratischen 
Elements  unter  den  Schriftstellerinnen  und  die  Vorliebe  für  exotische  Kriegsnamen.  Die 
letztere  wird  einem  künftigen  Erläuterer  von  Pseudonymen  insofern  Not  schaffen,  als 
einige  der  geschätzten  Damen  den  gleichen  Namen  gewählt  haben.  So  erfahren  wir 
z.  B.,  dass  die  Novellistin  Paula  Dorn  von  Marwald  unter  dem  Namen  „Paul  Andor" 
schreibt,  begegnen  aber  dem  gleichen  Pseudonym  bei  der  Schrifstellerin  Margarethe 
Halm,  von  der  das  Verzeichnis  rühmt,  dass  sie  in  Ecksteins  Dichterhalle  „siegreich 
mit  der  Idee  von  einem  höheren  Menschentum  aufgetreten  sei".  Etwas  mehr  Be- 
schränkung in  so  hyperbolischen  Behauptungen  und  etwas  schärfere  Genauigkeit 
in  den  bibliographischen  Angaben  würden  die  Brauchbarkeit  der  Arbeit  wesentlich 
erhöht  haben.  —  Ueber  das  „junge  Oesterreich",  eine  Gruppe  von  jungen  meist 
Wiener  Poeten  und  Schriftstellern,  belehrt  uns  Bahr 3*)  als  ein  Angehöriger.  Um 
alle  Missverständnisse  zu  vermeiden,  beginnt  er  mit  der  Erörterung,  dass  das  junge 
Oesterreich  nichts  mit  den  naturalistischen  Experimenten  des  jüngsten  Deutschland 
gemein  habe.  Es  will  vielmehr,  „da  einmal  unser  Leben  aus  der  deutschen  Ent- 
wicklung geschieden  und  heute  der  deutschen  Kultur  nicht  näher  als  einer  anderen 
ist,  den  Anhang  der  deutschen  Litteratur  verlassen  und  nun  aus  eigener  Art  auch 
eine  eigene  Kunst  gestalten."  Es  möchte  —  sonst  hat  es  keinen  vornehmlichen  Trieb  — 
„es  möchte  recht  österreichisch  sein,  österreichisch  von  1890,  was  dann  Jeder  wieder  auf 
seine  Weise  versteht."  Die  Versicherung,  dass  das  junge  Oesterreich  „die  Er- 
bitterung der  jüngsten  Deutschen  gegen  die  alte  Kunst,  als  ob  diese  erst  nieder- 
gemacht und  ausgerottet  werden  müsse",  nicht  teile,  klingt  ganz  gut,  aber  der  Nach- 
satz, „das  junge  Oesterreich  sei  nicht  revolutionär",  steht  im  unlösbarsten  Widerspruch 
mit  der  voraufgeschickten  Behauptung,  dass  Jung-Oesterreich  in  deutscher  Sprache 
schaffend  gleichwohl  den  uralten  Zusammenhang  und  die  lebendige  Wechselwirkung 
zwischen  der  deutschen  und  deutsch-österreichischen  Litteratur  und  Kultur  zu  lösen 
und  aufzuheben  trachte.  Wenn  es  sich  so  verhielte,  und  wenn  diese  Versuche  Be- 
deutung hätten,  Bedeutung  haben  könnten,  so  wären  sie  revolutionärer  als  der 
schroffste  Naturalismus.  Die  Poeten,  um  die  es  sich  hier  handelt,  sind  ausser  B. 
selbst  K.  von  Torresani,  Arthur  Schnitzler,  Hugo  von  Hofmannsthal  (Loris)  und  die 
Lyriker  F.  Dörmann,  H.  von  Korff  und  R.  Specht.    Sie  alle  lassen  den  naturalistischen 

a.  d.  2ecliische  Litt,  in  Böhmen.  E.  Entgegnung:  Bohemia'*.  N.  i.  —  35)  A.  Panchler,  E.  deutschböhm.  Litt.:  MNord- 
böhmExcursClub.  16,  8.  36-40.  —  36)  Geistiges  Leben  in  Tirol:  ÖUE.  14,  S.  142/4.  —  37)  Marianne  Nigg,  Biographien  d. 
österr.  Dichterinnen  n.  Schriftstellerinnen.  E.  Beitr.  z.  dtsch.  Litt,  in  Oesterreich.  Korneuburg,  Kühkopf.  61  S.  M.  2,00. 
l[ÖLBl    2,    S.  748/9.11    -    38)  H.  Bahr,   D.  junge  Oesterreich:   DZg.  N.  7806,  7813,  7823.    —  39)  R.  Schlösser,  E.  Fraaen- 


VI  la:40        Ad.  Stern,  Litteraturgeschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Drang",  „die  unpersönliche  Wahrheit  ohne  Wahl  und  Absicht,  strenge  wie  das  Leben 
an  der  Fläche  scheint,  den  Enthusiasmus  der  täglichen  Dinge"  vermissen,  haben 
vielmehr  Verwandtschaft  mit  den  französischen  Parnassiens,  „die  nur  in  der  Fassung 
Pflicht  imd  Verdienst  der  Kunst  erkennen  und  als  eitel  erachten,  was  nicht  seltene 
Nuance,  malendes  Adjektiv,  gesuchte  Metapher  ist,"  In  dem  Geständnis,  dass  diese 
Schule  um  den  Gehalt  unbekümmert  sei,  und  in  der  Einräumung,  dass  die  Zungen 
des  jungen  Oesterreich  meist  aus  fremden  Litteraturen  reden,  liegt  schon  eine  Art 
Verurteilung  dieser  auf  den  Grund  verzichtenden,  nur  „den  vollen  Taumel  aller 
Wallungen  auf  den  Nerven  und  Sinnen"  suchenden  Dekadenten.  B.  charakterisiert 
sich  selbst  dahin,  dass  „die  europäische  Seele  keine  Geheimnisse  vor  ihm  habe.  Es 
sind  nicht  Viele,  die  das  von  sich  sagen  können.  Maurice  Barres,  mein  lieber 
Meister,  leitet  sie.  Sie  hoffen,  dass  ihre  wachsende  Gemeinde  langsam  eine  neue 
Rasse  geben  wird,  das  Volk  der  Europäer,  das  die  nationale  Befangenheit  zu  einer 
reinen  Menschlichkeit  verklärt.  Dann  würde  man  erst  sehen,  wie  deutlich  schon  in 
meinen  Werken  die  Spuren  dieser  Zukunft  sind,  und  mein  Verdienst  der  Vorem- 
pfindung wäre  gross."  Besonnen  und  dem  Kritiker  das  letzte  Wort  vorwegnehmend, 
setzt  er  dann  hinzu:  „Aber  es  ist  auch  möglich,  dass  es  nur  eitle  und  leere  Marotten 
nervöser  Sonderlinge  sind,  die  verschäumen."  Uns  deucht  es  nicht  bloss  möglich, 
sondern  gewiss,  dass  es  so  kommen  wird.  Wer  wird  in  einem  Menschenalter  nach 
Lebensdarstellern  fragen,  deren  Welt  „die  gemütliche  und  liebe  Weiblichkeit,  die  auf 
dem  Wege  von  der  Grisette  zur  Kokotte  ist,  nicht  mehr  das  Erste  und  das  Zweite 
noch  nicht",  —  wem  werden  die  „Sensationen,  wo  sich  wunderlich  die  feinsten 
Schrullen  einer  sehr  künstlichen  Kultur  und  die  ewigen  Instinkte  des  menschlichen 
Tieres  vermischen"  dann  noch  einen  Pfifferling  gelten?!  — 

Auf  mittel-  und  norddeutschen  Boden,  ja  zum  Teil  darüber  hinaus, 
gelangen  wir  in  einer  Reihe  von  Abhandlungen,  Vorträgen,  Studien  und  Plaudereien, 
die  litterarische  Erscheinungen  und  Entwicklungen  unter  lokalen  Gesichtspunkten 
behandeln  oder  auch  rein  lokalen  Erinnerungen  gewidmet  sind.  In  die  klassische 
Periode  hinein  ragt  noch  Frau  Juliane  Franziska  von  Buchwald,  die  dem  Hofe  zu 
Gotha  angehörte  und  sich  erst  im  Alter  von  der  Teilnahme  an  französischem  Geist 
und  französischer  Litteratur  den  aufgehenden  Gestirnen  deutscher  Dichtung  zuwandte. 
Schlösser 3^)  zeichnet  in  dieser  Prauengestalt  aus  dem  geistigen  Leben  des  vorigen 
Jh.  das  Muster  einer  fürstlichen  Hofdame  und  Obersthofmeisterin  der  Aufklärungs- 
periode.  Die  Freundin  der  geistreichen  Herzogin  Luise  Dorothea  von  Sachsen- 
Gotha,  die  ihre  Gebieterin  um  22  Jahre  überlebte  (die  Herzogin  starb  1767,  Frau  von 
Buchwald  1789),  genoss  die  Verehrung  der  hervorragenden  Menschen  zwei  grund- 
verschiedener Zeiten  und  Bildungen,  in  ihrer  Jugend  von  Voltaire  als  „grande  Mai- 
tresse de  Gotha  et  des  coeurs  grande  maitresse"  gefeiert,  von  Friedrich  dem  Grossen 
und  seinem  Bruder  Heinrich  ausgezeichnet,  im  Alter  von  Wieland,  Herder  und  Goethe 
um  ihres  Geistes,  ihres  feinen  Urteils  ebenso  wie  um  ihrer  persönlichen  Liebens- 
würdigkeit willen  gepriesen  („ehe  noch  Oberon,  Egmont  und  andere  Meisterwerke 
an  die  Oeffentlichkeit  traten,  hatten  sie  der  Frau  von  Buchwald  im  Ms.  vorgelegen"), 
half  sie  die  Uebergänge  von  der  französischen  Hof  bildung  zu  der  neuen  deutschen  Bildung 
erleichtern  und  vermitteln  und  verdient  nicht  bloss  in  der  unmittelbar  nach  ihrem  Tode  ge- 
schriebenen Biographie  F.  W.  Gotters  fortzuleben.  —  Unmittelbar  aus  persönlichen 
Eindrücken  in  Weimar  und  Jena  hervorgegangen,  geschrieben  wie  der  Neuheraus- 
geber Ed.  von  der  Hellen^'^)  sagt,  ,,in  einer  glücklichen  Zeit,  in  der  es  dem  Verehrer 
Goethes  und  Schillers  noch  möglich  war,  seine  aus  den  Werken  der  Dichter  selbst 
geschöpfte  Anschauung  ihrer  Grösse  frei  und  leicht  und  freudig  mitzuteilen,"  trat 
Ad.  Stahrs  „Tagebuch"  zum  dritten  Mal  in  die  Litteraturwelt.  Mit  allem  Recht  hat 
sowohl  Stahr  bei  der  zweiten  als  v.  d.  H.  bei  der  dritten  Auflage  eines  Buches,  dessen 
eigentümlicher  Charakter  es  ist,  dass  der  Vf.  den  Hut  auf  dem  Kopf  und  den  Stock 
in  der  Hand  die  Stätten  aufsuchte,  an  denen  unsere  klassischen  Dichter  schufen,  und 
mit  dem  lebendigen  Eindruck  die  lebendige  Erinnerung  paarte,  die  Tagebuchform  der 
ersten  Niederschrift  gew^ahrt.  Ein  Buch,  das  man  „nicht  benutzen,  aber  lesen  kann", 
das  ohne  Plan,  je  nach  Gelegenheit  und  Stimmung  entstanden  ist,  das  an  die  frische, 
aber  unsystematische  Heraufbeschwörung  der  einzelnen  Lokalitäten  von  Weimar 
und  Jena,  an  den  Park,  an  Schillers  und  Goethes  Haus,  an  Goethes  Garten  am  Stern, 
an  die  Fürstengruft,  an  Jenas  Umgegend  und  Höhen,  an  Schillers  Gartenhaus  an 
der  Leutra  und  an  den  Friedhof  von  Jena  die  Mannigfaltigkeit  seiner  Utterarischen, 
künstlerischen  und  politischen  Erörterungen,  Rückblicke  und  Prophezeihungen  knüpft, 
in  dem  Vergangenheit  und  Gegenwart  bunt  abwechseln,  behält  seinen  Wert  natürlich 
durch  ganz  andere  Eigenschaften  als  durch  die  unbedingte  Zuverlässigkeit  seiner 
Citate  und  die  einwandsfreie  Objektivität  seiner  Urteile.    Berichtigungen  seitens  des 

geetalt  aus  d,  geistigen  Leben  d.  vorigen  Jh.:  LZg".  N.  14    —  40)  Ad.  Stahr,  Weimar  u.  Jena.     E.  Tagebuch.    3.  Aufl.    Mit  e. 


Ad.  Stern,  Litteraturgeschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    IV  la  -.  41-43 

Herausgebers  oder  der  Kritik  wären  hier  nahezu  vom  Uebel,  „dass  einige  Daten  un- 
genau, die  Beziehungen  einiger  Gedichte  nicht  ganz  richtig,  einige  Widersprüche 
stehen  geblieben  sind,  wird  dem  Leser  nichts  schaden  und  dem  Buche  auch  nichts". 
Man  steht  entweder  auf  dem  Standpunkt,  dass  die  Persönlichkeit  des  Vf.,  sein  Geist, 
sein  Wissen,  seine  Art,  die  Dinge  anzuschauen  und  die  empfangenen  Eindrücke 
wiederzugeben,  der  Teilnahme  wert  sei  und  Anregung  zu  eigenem  Nachdenken  gebe, 
oder  man  meint,  dass  diese  Art  der  Betrachtung  und  Darstellung  veraltet,  die  Vorzüge 
des  Vf.  zu  stark  von  persönlicher  Eitelkeit  in  den  Schatten  gestellt  wären.  Die 
freundlichere  erstbezeichnete  Anschauung-  ist  offenbar  die  vorherrschende,  und  so  wird 
Stahrs  Buch  eine  weitere  Generation  von  Lesern  erfreuen  und  erfrischen,  ihnen  zeigen, 
welcher  Reichtum  von  Nachwirkungen  auf  unser  Leben  aus  der  klassischen  Litteratur- 
periode  hervorgegangen  ist,  und  ihnen  für  ein  tieferes  Eindringen  in  das  Leben  von 
W^eimar  und  Jena  die  Pforten  öffnen.  —  Zum  Kapitel  Weimar  und  Jena  gehören  die 
Erinnerungen  an  „die  litterarischen  Abende  der  Grossherzogin  Maria  Pawlowna",  die 
wir  Lili  von  Kretschmann^i)  verdanken.  Sie  beziehen  sich  zumeist  auf  die  nach- 
goethesche  Zeit,  in  der  „W^eimar  und  Jena  viel  angegriffen  wurden ;  man  verstand 
nicht  oder  wollte  nicht  verstehen,  dass  der  Rückschlag  nach  einer  so  gewaltigen 
Epoche  nur  ein  natürlicher  war,  und  machte  sich  lustig  über  das,  was  jetzt  für  Kunst 
und  Wissenschaft  geschah.  Sogar  Ranke  hielt  diese  Bestrebungen  nicht  für  Enthu- 
siasmus, sondern  meinte,  man  woUe  nur  den  Kredit  aufrecht  erhalten."  Lili  v.  K. 
sieht  die  Dinge  nun  im  richtigen  Licht  und  betont,  dass  man  sich  nicht  auf  die 
Herstellung  der  Dichterzimmer  im  Weimarer  Residenzschlosse,  nicht  auf  die  Heraus- 
gabe von  Briefwechseln  und  Erinnerungen  beschränken  konnte,  wenn  auch  natürlich 
diese  pietätvolle  Pflege  der  Ueberlieferung  im  Mittelpunkte  der  geistigen  Interessen 
der  Grossfürstin- Grossherzogin  stand.  Während  der  Regierung  ihres  Gemahls 
(1828—53)  versammelte  Maria  Pawlowna  fast  wöchentlich  an  einem  Abend  einen  Kreis, 
der  mit  ihr  an  geistigen  Dingen  lebendigen  Anteil  nahm  und  den  Vorträgen  lauschte,  die 
zumeist  von  Professoren  der  Universität  Jena  gehalten  wurden.  Neben  K.  von  Hase, 
J.  F.  Fries,  C.  W.  Göttling,  Huschke,  M.  J.  Schieiden,  Apelt,  K.  Fortlage,  J.  G.  Droysen, 
A.  Schleicher,  Kuno  Fischer,  Ad.  Schmidt  waren  von  Weiraaranern  der  Staatsminister 
von  Schweitzer,  der  Kanzler  von  Müller,  St.  Schütze,  K.  F.  von  Froriep  u.  a.,  deren 
Anfänge  imd  persönliche  Erinnerungen  in  die  Tage  des  klassischen  Weimar  zurück- 
reichten, später  L.  von  Schorn,  A.  Scholl,  L.  Preller,  H.  Sauppe  beteiligt.  Alles  in 
allem  hinterlassen  die  Schilderungen  den  Eindruck,  dass  es  sich  um  eine  Uebergangs- 
zeit  handelte,  an  deren  Schluss  freilich  schon  das  „Neu-Weimar"  Liszts  und  des 
Grossherzogs  Karl  Alexander  emporzu  tau  eben  begann.  Hübsch  ist,  was  Lili  v.  K. 
über  die  Wirkung  dieser  litterarischen  Abende  auf  die  Gelehrten-  und  namentlich 
auf  die  Hofkreise  erzählt.  Maria  Pawlownas  Hofdamen  mochten  oft  heimlich  seufzen, 
wenn  die  Herrin  von  ihnen  verlangte,  die  gelehrten  Abhandlungen  den  nächsten 
Tag  aus  dem  Gedächtnis  nachzuschreiben.  Es  wurde  ihnen  nicht  ganz  leicht,  den 
Anforderungen  gerecht  zu  werden,  die  die  Grossherzogin  an  ihre  Auszüge  der  Vor- 
träge stellte,  am  wenigsten  wenn  der  Stoff  ihnen  fern  lag  oder  ganz  neu  war.  Am 
lebendigsten  und  gewinnendsten  tritt  aus  diesen  Erinnerungen  die  Gestalt  des  Kirchen- 
historikers K.  von  Hase  hervor.  —  Eine  Alsfelder  Dichterin  des  vorigen  Jh.  Johanne 
Elisabeth  Merk  geborene  Neubauer  (1736—73)  sucht  Strack  ^2)  a^g  völliger  Vergessen- 
heit zu  retten.  Eine  Tochter  des  Giessener  Theologieprofessors  Neubauer  und  die  Gattin 
des  Amtsphysikus  Merk  zu  Alsfeld  in  Hessen,  eines  Bruders  des  Darmstädter  Goethe- 
Merk,  lehnte  sich  Johanna  Elisabeth  in  ihren  poetischen  Versuchen  an  Klopstock 
und  Geliert,  vorzugsweise  an  den  Engländer  Young  an,  war  eine  Bewundererin  Friedrichs 
des  Grossen  und,  im  Gegensatz  dazu,  eine  empfindsame  Naturfreundin,  eine  der  ersten, 
bei  denen  sich  die  moderne  Mondscheinschwärmerei  findet.  St.  charakterisiert  sie 
als  eine  für  ihre  Zeit  moderne  Dichterin  im  guten  Siim  des  Wortes,  die  ihr  be- 
scheidenes Teil  dazu  geholfen  habe,  unsere  klassische  Blüteperiode  vorzubereiten  und 
deren  heutige  Unbekanntheit  ihrer  temporären  Bedeutung  nicht  entspreche.  —  Voll 
in  den  Drang  und  Streit  des  Tages  versetzt  uns  hingegen  Hähneis *3)  litterarische 
Plauderei  über  die  bremischen  Dichter  und  Schriftsteller  der  Gegenwart.  Die  alte 
Hansestadt  hat,  trotz  der  Verknüpfung  mit  dem  ersten  grossen  Aufschwung  der 
deutschen  poetischen  Litteratur  durch  die  Bremer  Beiträge  niemals  zu  den  bedeutenden 
litterarischen  Mittelpunkten  Deutschlands  gehört,  aber  auch  zu  keiner  Zeit  einzelner 
Talente  und  geistig  hochstrebender  Mitbürger  entbehrt.  In  den  letzten  Jahrzehnten 
sind  die  Namen  von  H.  Allmers,  H.  Bulthaupt,  A.  Fitger  und  0.  Gildemeister  auf 
verschiedenen   poetischen   Gebieten   mit   Recht   zu   Ansehen    gelangt.    Eine   freilich 


Vorwort  v.  Ed.  v.  der  Hellen.  2  Bde.  Oldenburg,  Schulze.  XV,  316  S.;  IV,  246  S.  M.  6,00.  —  41)  Lili  v.  Kretsch- 
man,  D.  litt.  Abende  d.  Grossherzogin  Maria  Pawlowna:  DRs.  75,  S.  422-43;  76,  S.  58-89.  —  42}  A.  Strack,  E.  Alsfelder 
Dichterin  d.  vorigen  Jh.:  QBllHVHessen.  1,  S.  341/2.  (Referat.)  —  43)  F.  Hähnel,  D.  bremischen  Dichter  u.  Schriftsteller  d. 


IV  la:  44-47      Ad.  Stern,  Litteraturgeschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

höchst  unzuläng-liche  Charakteristik  dieser  vier  steht  dann  auch  im  Mittelpunkte  der 
Uebersicht,  in  der  H.  mit  allzuweitg-reifendem  Lokalpatriotismus  77  bremische  Dichter 
und  Schriftsteller  zusammeng-ebracht  hat.  Wenn  es  sich  nur  darum  handelt,  ein  er- 
trägliches Gredicht,  eine  vereinzelte  Probe  leidlicher  Uebersetzung-  vorzuführen,  wer 
könnte  da  nicht  unter  die  Zahl  der  Berufenen  gereiht  werden?  Natürlich  befinden  sich 
auch  unter  den  wenig  Genannten  Talente,  und  es  wäre  ein  Verdienst  gewesen,  Be- 
strebungen wie  die  von  J.  P.  Willatzen,  Ed.  Ruete  u.  a.  ins  rechte  Licht  zu  rücken. 
Bei  einer  Verteilung  der  Anerkennung  auf  Dutzende  und  aber  Dutzende  von  Namen 
kann  der  Vf.  den  einzelnen  wirklich  Hervorragenden  nicht  gerecht  werden.  Die 
zersplitternde  Einteilung  nach  Lyrik,  Epik,  Dramatik,  Roman  und  Novelle  lässt  auch 
bei  der  kleinen  Zahl  derer,  von  denen  mehr  zu  rühmen  gewesen  wäre  als  der  redliche 
Wille  und  eine  gewisse  Sinnigkeit  oder  Sprachfertigkeit,  kein  rechtes  Bild  entstehen.  — 
In  einer  Studie,  deren  lokales  Interesse  zunächst  an  Berlin  geknüpft  erscheint,  die 
aber  nicht  ohne  Wert  für  die  allgemeine  Beurteilung  der  gesellschaftlichen  und 
litterarischen  Zustände  der  Restaurationsperiode  ist,  berichtet  Greiger^*)  über  ein 
Berliner  Hoffest  und  seine  litterarischen  Folgen.  Das  vom  Archäologen  A.  Hirt  ent- 
worfene Programm  der  grossen  Maskerade  „Die  Weihe  des  Eros  Uranios",  die 
am  8.  Jan..  1818  zur  Nachfeier  der  Vermählung  des  Prinzen  Friedrich  von  Preussen 
veranstaltet  wurde,  hatte  einigen  mitwirkenden  Hofdamen  ihre  Stelle  im  Festzuge  als 
„Hierodulen"  angewiesen;  der  Dresdener  C.  A.  Böttiger  Hess  sich  in  einer  gelehrt 
hämischen  Erörterung  in  der  „Zeitung  für  die  elegante  Welt"  dahin  vernehmen,  dass 
im  Altertum  unter  Hierodulen  nicht  keusche  Tempeldienerinnen,  sondern  Mädchen 
im  Dienste  der  Venus  verstanden  worden  seien.  Darob  entrüstetes  Entsetzen  in 
Berlins  höheren  Kreisen,  eine  auf  höhere  Veranlassung  verfasste  Gegenerklärung 
F.  A.  Wolfs,  dass  der  Ausdruck  Hierodule  „ursprünglich"  eine  sehr  edle,  anständige 
Bedeutung  gehabt  habe,  eine  Streitschrift  Hirts,  die  den  gleichen  Standpunkt,  eine 
Replik  des  Dresdeners  und  eine  Duplik  Hirts,  dazwischen  viel  Gerede  und  leiden- 
schaftliche Korrespondenz,  in  der  der  Intendant  Graf  Brühl  erklärte,  dass  „der  Wurf 
nicht  bloss  gegen  Hirt  gerichtet  war,  sondern  hämisch  und  malitiös  alle  diejenigen 
berühren  sollte,  welche  an  dem  Feste  teil  haben."  Charakteristisch  an  dem  ganzen 
Handel  ist  vor  allem  die  hundertfach  schon  bewiesene  und  bei  dieser  Gelegenheit 
wieder  bewährte  katzenhafte  Tücke,  mit  der  Ubique  aus  dem  Hinterhalt  zu  verwunden 
trachtete,  und  die  persönliche  Feigheit,  die  den  Verdacht  der  Autorschaft  durch  die 
Buchstaben  W.  R.  auf  den  Weimaraner  Riemer  zu  lenken  versuchte  und  sich  gegen 
unliebsame  Folgen  durch  fortgesetzte  Zweideutigkeit  zu  decken  trachtete,  und  dass  diese 
archäologische  Angelegenheit  in  Berlin  Wochen  hindurch  das  eifrigste  Tagesgespräch 
sein  konnte.  Die  ganze  Neigung  der  Gebildeten  gehörte  eben  noch  dem  Theater  und 
der  Litteratur  an.  —  Den  Anteil  Mecklenburgs  an  der  deutschen  Nationallitteratur 
schildert  Lorenz 4^);  am  Ende  verzeichnet  er  auch  die  Namen  neuerer  Dichter.  — 
Einen  sehr  weiten  Zeitraum  umfasst  der  Vortrag,  den  Skladny^®)  über  die 
deutsche  Dichtung  in  der  Provinz  Posen  vom  16.  bis  zum  18.  Jh.  gehalten  hat.  Da 
Posen  nicht  viel  über  ein  Jh.  zum  preussischen  Staate  gehört,  so  weisen  die  Anfänge 
deutschen  litterarischen  Lebens  in  dieser  Provinz  auf  die  Zeiten  zurück,  da  die  An- 
fänge deutschen  Städtelebens  und  deutschen  Geisteslebens  unter  den  Fängen  des 
weissen  polnischen  Adlers  gedeihen  mussten.  Die  Mittelpunkte  deutscher  Poesie  in 
der  nachmaligen  Provinz  waren  Fraustadt  und  Lissa.  Dort,  wo  der  erlauchte  evan- 
gelische Liederdichter  Valerius  Herberger  lebte  und  unvergessene  Lieder  schuf,  war 
im  17.  Jh.  ein  Gottfr.  Textor  (vielleicht  ein  Angehöriger  derselben  Familie,  der  im 
18.  Jh.  Goethes  Mutter  entspross)  Rektor  der  Schule,  der  als  lateinischer  und 
deutscher  Dichter  gerühmt  ward.  Andere  Fraustadter  Talente  waren  Abr.  Lindner 
und  Fr.  Bergmann  (um  1710).  In  Lissa  zeigt  sich  eine  Folge  deutscher  Poeten  bis 
zu  dem  geistlichen  Liederdichter  Zach.  Herrmann  (gest.  1716),  auch  in  Bojanowo  gab 
es  deutsche  Lyriker,  natürlich  nur  von  untergeordneter  Bedeutung.  Die  deutsche 
Poesie  blieb  nicht  nur  auf  die  an  Schlesien  grenzenden  Gebiete  beschränkt,  sondern 
schmiegte  sich  naturgemäss  an  das  Wesen  der  schlesischen  Schulen  an,  ja  blieb,  als 
deren  Einfluss  anderwärts  längst  überwunden  war,  in  den  Formen  der  Schlesier  bis 
zum  Schlüsse  des  18.  Jh.  befangen.  — 

Entlegenen  Absenkern  des  deutschen  litterarischen  Lebens  in  den  baltischen 
Provinzen  galt  eine  Veröffentlichung  von  Jordan*''),  der  die  Geschichte  der  „esth- 
ländischen  litterarischen  Gesellschaft  zu  Reval"  im  Halbjh.  zwischen  1842  und 
1892  darstellte.  In  diesen  Blättern  giebt  sich,  wie  es  in  der  Lage  der  Dinge  be- 
gründet  ist,   neben   dem  Stolz   auf  die   bewahrte    deutsche  Eigenart  doch   auch  die 


Qegenw.  E.  litt.  Plauderei.  Bremen,  J.  Kflhtrnann.  64  S.  M  1,00.  —  44)  L.Geiger,  E.  Berliner  Hoffest  n.  seine  litt.  Folgen :  NatZg. 
N.  703. -45)  a  1:111;  1111:136.)  -  46)  (IUI :  187.)  -  47 1  P.Jordan,  Gesch.  der  esthl&nd.  litt.  Ges.  in  d.  Zeit  v.  1842-92.  Bernl 


Ad.  Stern,  Litteraturg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.     IV  la:48-5o 

Sorg-e   um    das  weitere  Gedeihen   deutscher  Sprache   und  Bildung-  in  den  mehr  und 
mehr  russifizierten  Ostseeländern  kund.  — 

Die  weite  Spanne  Zeit  von  der  Mitte  des  vorigen  bis  zum  Ende  unseres  Jh. 
haben  wir  bei  einer  kleinen  Gruppe  litterarhistorischer  und  kritischer  Arbeiten  zu 
durchmessen,  die  sich  auf  die  deutsche  Schweiz  beziehen.  Eine  kleine  Reihe  von 
Baechtold^^)  entdeckter  und  veröffentlichter  Briefe  des  jungen  schweizerischen 
Theologen  Johann  Georg  Schulthess  (1724—1804)  an  Bodmer  gestaltet  sich  mit  der 
Einleitung  und  den  Anmerkungen  B.s  zu  einem  Nachtragskapitel  für  dessen  „Ge- 
schichte der  deutschen  Litteratur  in  der  Schweiz"  und  ist,  da  die  Briefe  von  1749—50 
aus  Deutschland  an  den  Züricher  Aesthetiker  gerichtet  wurden,  ein  denkwürdiges 
Zeugniss,  wie  sich  die  deutschen  Litteraturzustände  von  damals  im  Kopfe  eines 
jungen  Schweizers  malten.  Nürnberg  und  Dresden  haben  ihn  nichts  erblicken 
lassen,  „das  in  die  schönere  Gelehrsamkeit  einschlüge".  Da  er  in  Dresden  die 
Satiriker  Rost  und  Liscow  verfehlte  (vielleicht  verfehlen  wollte),  findet  Schulthess 
seine  Rechnung  erst  in  Leipzig,  wo  er  Geliert  kennen  lernt,  der  ihm  „wie  ein  Bach, 
der  sittsam  fortwallet  und  nur  an  einigen  Stellen  kleine,  lieblich  murmelnde  Wellen 
wirft"  erscheint.  Rabener  beklagt  sich  über  sein  Amt,  bei  dem  so  wenig  Menschen- 
liebe stattfindet,  muss  die  Steuern  streng  eintreiben,  auch  wenn  die  armen  Bauern 
mit  Weib  und  .Kind  weinend  vor  ihm  knien,  und  Geliert  erteilt  ihm  das  unter  diesen 
Umständen  zweideutige  Lob,  dass  er  sich  in  seinem  Amte  als  treuer  Bürger  erweise 
und  seine  Dienste  an  der  Accisenkammer  sehr  hoch  geschätzt  werden.  Gegenüber 
der  Ansicht  Gellerts  und  Rabeners,  dass  Klopstocks  Messias  zu  frühe  aufgetreten  sei, 
ehe  der  Geschmack  der  Deutschen  genug-sam  vorbereitet  war,  sich  in  solche  Höhen 
nachzuschwingen,  wallt  der  Stolz  des  Schweizers  und  echten  Jüngers  Bodmers  auf: 
„Mich  nimmt  Wunder,  wie  viele  Jahre  man  Klopstock  noch  hätte  geben  wollen  für 
Wartezeit  oder  dem  deutschen  Geschmack  zur  Reifungszeit:  sind  denn  die  Wege 
nicht  schon  angezeigt  und  geöffnet,  die  den  Geschmack  zu  dem  natürlich  Schönen 
und  Grossen  hinaufführen?"  Dieses  Bewusstsein  hält  er  in  aller  Bescheidenheit  fest, 
wenn  er  über  die  deutschen  Pfarrhäuser,  in  denen  in  jener  Periode  die  Lyrik 
lebendig  war,  über  Langes,  des  Horazübersetzers,  Pfarre  zu  Laublingen,  über  Cramers 
Pfarre  zu  Crellwitz,  auf  der  Johann  Adolf  Schlegel,  der  Vater  der  Romantiker,  als 
ständiger  Gast  weilte,  nach  Berlin  reist  und  hier  ausser  den  Schweizer  Landsleuten 
(Sulzer,  Schinz  u.  a.)  Ewald  von  Kleist,  Ramler  usw.,  kurz  das  litterarische  Berlin 
von  damals  kennen  lernt.  Begi'eiflicherweise  ist  von  Bodmers  eben  erscheinendem 
„Noah"  und  seiner  Aufnahme  beinahe  mehr  die  Rede  als  von  allen  anderen  Neuig- 
keiten der  deutschen  Litteratur,  doch  verrät  der  Briefschreiber,  allerdings  ohne  es  zu 
wollen,  dass  ihm  Klopstocks  Messias  das  Herz  tiefer  bewegt  und  seine  Erwartungen 
höher  spannt,  als  die  Noachide  des  Landmanns  und  Meisters.  Schulthess  Urteile 
sind  im  ganzen  gesund  und  stehen  auf  der  Höhe,  die  die  poetische  Entwicklung  er- 
reicht hatte.  Freilich  würde  er  sich  heute  wundern,  dass  schliesslich  von  allem, 
dessen  er  in  Gunst  und  Abgunst  gedenkt,  die  von  ihm  so  gering  geschätzten  Fabeln 
Lichtwers  am  lebendigsten  geblieben  sind.  Die  Schilderungen,  die  der  litterarische 
Korrespondent  Bodmers  aus  dem  deutschen  und  im  Schlussbriefe  vom  J.  1752  von 
seinem  eigenen  Pfarrhausleben  giebt,  sind  ganz  hübsch.  Dass  auch  in  den  Schrift- 
steller- und  Gelehrtenkreisen  jener  Frühzeit  ein  fröhlicher  Klatsch  gedieh,  lassen  des 
Schulthess  Briefe  deutlich  erkennen;  man  lese  nur,  was  über  Gottscheds  angebliche 
Uebersiedlung  nach  Wien  und  seine  Wendung  zu  den  Katholiken,  von  den  Stock- 
prügeln, die  der  Leipziger  Geschmacksdiktator  von  einem  preussischen  Offizier  er- 
halten haben  soll,  gefabelt  wird.  Dass  Schulthess  schliesslich  die  Rückreise  nach 
seiner  Heimat  mit  Klopstock  antrat  und  den  jugendlichen  Sänger  des  Messias  in  die 
Arme  des  Patriarchen  von  Zürich  führte,  ist  aus  den  Klopstockbriefen  bekannt 
genug;  einem  kurzen  Briefe  von  dieser  Rückreise  aus  Nördlingen  ist  eine  sechs- 
zeilige  Nachschrift  Klopstocks  hinzugefügt.  —  Mit  gewaltigem  Sprunge  versetzen 
uns  Saitschiks^^)  Meister  der  schweizerischen  Dichtung  des  19.  Jh.,  die 
sehr  warm  besprochen  werden,  aus  dem  Zürich  Bodmers  in  das  Gottfried  Kellers. 
—  Ueber  die  neueste  schweizerische  Litteratur  Hess  sich  auch  Mähly^^)  vernehmen, 
in  dessen  Uebersicht  das  capriciöse  Talent  K.  Spittelers  gewürdigt,  neben  den 
Dramatikern  Ott  und  J.  V.  Widmann  auch  Th.  Curti,  der  Vf.  eines  Catilina,  gerühmt 
und  der  bäuerische  Erzähler  J.  Joachim  freundlich  hervorgehoben  wird,  während 
M.  mit  unverminderter  Feindseligkeit  Keller  gegenübersteht.  Dass  im  Kompass 
Kellers  die  Nadel  „nicht  stets  und  unwandelbar  nach  dem  Pol  des  guten  Geschmacks 
gerichtet   war",    verschlägt   gegenüber   dem,    was    die   deutsche   Litteratur   an   dem 


(F.  KInge).  1892.  92  S.  M.  2,50.  —  48)  J.  Baech  told,  Briefe  v.  J.  ö.  Schulthess  an  Bodmer:  ZürcherTb.  17,  S.  1-46.  — 
49)  O  B.  M.  S  a  i  t  s  c  h  i  k  ,  Meister  d.  Schweiz.  Dichtung  d.  19.  Jh.  J.  Gotthelf,  ö.  Keller,  K.  F.  Meyer,  H.  Lenthold.  Frauen- 
feld, Hnber.    428  S.    Fr.  5,60.  |[SchwEs.  2,  S.  227/8.]j  —  50)  J.  Mähly,  Schweiz.  Litt.:  AZg».  N.  56.  — 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (A")^ 


IV  Ic:  1-11  F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechseid.  18./19.  Jh.  1892,  1893. 

Züricher  Meister   g-ewonnen    hat,    viel   zu  wenig-,    um  immer  wieder  als  Hauptsache 
vorgetragen  zu  werden.  — 


Ib)  Politische  Geschichte. 

Georg  Winter. 

[Der  Bericht  über  die  Erscheinungen  des  Jahres  1893  wird  im  fünften  Bande 
nachgeliefert.] 


Ic)  Memoiren,  Tagebücher  und  Briefwechsel.    1892,  1893. 

Franz  Muncker. 

Fürstliche  Personen  N.  1.  —  Staatsmänner  nnd  Diplomaten  N.  16.  —  Kriegsleute  N.  47.  —  Dichter  und  Dichterinnen  : 
J.  N.  Götz  N.  65;  H.  G.  von  Bretschneider  N.  66;  Lavater  N.  67;  Fr.  L.  Graf  zu  Stolberg,  J.H.Voss  N.  63;  Romantiker  N.  69 ; 
J.  Mosen  N.  73:  Annette  von  Droste-Hülshoff,  L.  Schücking  N.  74;  Thekla  voa  Sehoi)er,  Helene  Adelmann  N.  75;  Hebbel  N.  81; 
Ad.  Pichler  N.  82;  E.  Holenia,  P.  K.  Rosegger  N.84;  F.  von  Bodenstedt  N.  87;  F.  D.ihn  N.  90;  G.  Ebers  N.  91.  -  Philosophen 
N. 94.  — Theologen:  protestantische  N.  98;  katholische  N.  109.  —  Naturforscher  and  Aerzte  N.  114.  —  Philologen  nnd  Schulmänner 
N.  124.  —  Historiker  N.  134.  —  Kunsthistoriker  und  Kunstkritiker  N.  146.  —  Bildende  Künstler  N.  149.  —  Musiker  und  Musik- 
schriftsteller N.  153.  ^   Schauspieler  N.  158.  —    Buchhändler  N.  159.  —   Ihrem  Berufe   nach  unbestimmte  Autoren  N.  161.  — 

Die  Jahre  1892  und  1893  zeigen  neuerdings  ein  mächtiges  Anwachsen  der 
Memoiren-  und  Briefwechsellitteratur  in  Deutschland,  ohne  dass  freilich  die  geistige 
oder  die  künstlerische  Bedeutung  dieser  Veröffentlichungen  ihrer  äusseren  Fülle 
irgendwie  entspricht.  Insbesondere  ist  die  eigentliche  litterargeschichtliche  Ausbeute 
daraus,  um  die  es  sich  im  Folgenden  hauptsächlich  und  fast  ausschliesslich  handelt, 
in  den  allermeisten  Fällen  kärglich.  Nahezu  ergebnislos  sind  in  dieser  Hinsicht  die 
neu  erschienenen  Mem.oirenwerke  fürstlicher  Personen^''')  sowie  der  für  die 
politische  Geschichte  aufschlussreiche,  teils  Bruchstücke  aus  Memoiren,  teils  Briefe 
aus  den  J.  1807—31  enthaltende,  von  A.  du  Casse^)  herausgegebene  Ergänzungs- 
band zu  der  Korrespondenz  der  Königin  Katharina  von  Westfalen.^^'^j  —  Auch 
der  von  Knies  i^)  sorgfältig  veröffentlichte  und  eingeleitete  Briefwechsel  des  Mark- 
grafen Karl  Friedrich  von  Baden  mit  zwei  Hauptvertretern  der  Physiokratie,  mit 
Mirabeau  und  Du  Pont,  von  1769  bis  1806  berührt  gelegentlich  nur  Verhältnisse 
der  französischen  Litteratur.  So  rühmt  Du  Pont  z.  B.  1774  in  dem  letzten  Memoire 
von  Beaumarchais  die  ,,aventure  romanesque  aussi  belle  qu'aucune  qu'ait  peinte 
Richardson"  oder  verurteilt  1796  auf  das  schroffste  das  extravagant-tolle  Treiben  der 
Frau  von  Stael,  sendet  wohl  auch  voll  Dankes  1773  einmal  eine  französische  Ode  an 
den  Markgrafen,  der  in  deutschen  freien  Rhythmen  antwortet,  oder  richtet  an  den 
Erbprinzen  Karl  Ludwig  allgemein  ästhetisch^litterarische  Zuschriften.  An  Mirabeau 
empfahl  Karl  Friedrich  1775  die  beiden  Weimarer  Prinzen  bei  ihrer  Pariser  Reise, 
und  Mirabeau  berichtete  darauf  dankbar  von  seinem  Verkehr   mit  Karl  Auarust  und 


1)  X  L.  Trost  u.  F.  Leist,  Pfalzgraf  Friederich  Michael  v.  Zweibröcken  n.  d.  Tagebuch  seiner  Reise  nach 
Italien.  Mit  d.  Bildn.  d.  Pfalzgrafen  n.  e.  genealog.  Taf.  Bamberg,  Buchner.  1892.  LXXXII,  224  S.  M.  10,00.  |[APT.  S.  126/8.]  | 
(Vgl,  JBL.  189214:584.)  -  2)  X  Memoiren  d.  Markgräfin  v.  Bayreuth:  Seh wäbKron.  1892,8.4/3.  -  3)  X  F-  v- Krone s.  Aus  d  Tage- 
buche Erzherz.  Johanns  V.  Oesterreich  1810-15  (vgl.  JBL.  1891 IV  1 :  160) :  LCBl.  1892,  S.  316  7.  -  4)  X  Th.v.Bayer  [=Prin- 
zessin  Therese  v.  Bayern],  Auguste  Ferdinande  Prinzessin  Luitpold  v.  Bayern,  geh.  Prinzessin  v.  Toskana,  Erzherzogin  v. 
Oesterreich.  Mit  Bildn.  Wien  u.Teschen.Prochaska.  1892.  12".  31  S.  M.  0,50.  (Liebevolle,  dabei  scharfe  u.  bei  aller  Kürze  eindring- 
liche Charakteristik.)  —  5)  O  X  W.  Bartold,  Friedrich  Wilhelm,  Grossherz.  v.  Mecklenbnrg-Strelitz,  u.  Augnsta  Caroline 
T.  Grossbritannien,  Irland  u.  Hannover,  Grossherzogin  v.  Mecklenburg-Strelitz.  E.  Lebensbild  nach  Akten,  Aufzeichnungen  u. 
Erinnerungen.  Mit  Bild.  Nenstrelitz,  Barnewitz.  V,  111  S.  M.  2,00.  —  6)  X  Ernst  IL,  Herzog  v.  Sachsen-Koburg-Gotha. 
Aus  meinem  Leben  u.  aus  meiner  Zeit.  Bearbeit.  in  1  Bd.  (in  10  Lfgn.)  1.  Lfg.  B.,  Besser.  VIII,  80  S.  M.  1,00.  |[K.  T  h. 
Heigel:  DLZ.  1892,  S.  1436/8.]|  (Blosse  Bearbeit.  d.  bereits  1887-89  erschienenen  Werks;  vgl.  JBL.  1892  IV  1  b  :  99.)  —  7)  X 
Kari-udo  [=  Prinz  Philipp  v.  Sachsen-Koburg  n.  Gotha],  Tagebuch-Skizzen.  Breslau,  Trewendt  1892.  95  S. 
M.  1,60.  IIAlfr.  Kirchhoff:  BLU.  S.  732.]|  (Abgedruckt  ans  DR  1891,  Bd.  3  u.  1.892,  Bd.  3;  Schilderung  v.  Reisen  nach 
Honolulu,  Onro  Preto  n.  Dimantina.)  —  8)A.  lebaron  du  Gasse,  Correspondance  ined.  de  la  reine  Catherine  de  West- 
phalie,  nee  princesse  de  Wurtemberg,  avec  sa  famille  et  Celle  du  roi  Jeröme,  les  souverains  etrangera  et  divers  personnages. 
Paris,  Bouillon.  VL  398  S.  |[ß.  Mahrenholtz:  AZg".  N.  94;  RH.  51,  S.  69-83,  286-302:  52,  S.  80-99.]|  _  9)  X  A. 
Brückner,  D.  Memoiren  d.  Fürstin  Johanna  Elisabeth  v.  Anhalt-Zerbst:  VossZg».  N.  18/9.  (Nach  kulturgesch.  interessanten 
Briefen,  d.  d.  Mutter  Katharinas  IL  17.58  an  e.  Herrn  v.  Pouilly  über  ihren  Aufenthalt  am  russischen  Hof  1741-45  schrieb.) 
—  10)  X  Koederritz,  E.  Bodemann,  Aus  d.  Briefen  d.  Herzogin  Elisabeth  Charlotte  v.  Orleans  (vgl.  JBL  1891  III  1:25): 
MHL.  21,  S.  42,6.  —  U)  K.  Knies,  Karl  Friedrich  v.  Baden.  Briefl.  Verkehr  mit  Mirabeau  u.  Da  Pont.  Bearb.  u.  eingel. 
durch  e.  Beitr.  z.  Vorgesch.  d.  1.  franz.  Revolution  u.  d.  Physiokratie.  2  Bde.  Heidelberg,  Winter.  189i.  CLXII,  284  S.; 
XVI,  .398  S.     M.  25,00.    ||LCB1.  1892,   S.  1725|7;   G.  Cohn:   DLZ.  S.  729-30;  NA.  48,  S.  174/5.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  lc:96.)  — 


F.  Munoker, Memoiren,  Tag-ebücher U.Briefwechsel  d.  18./19.Jh.  1892,1893.  IVlc:i2-2o 

dessen  Bruder  und  von  der  Teilnahme,  die  beide  Jüng-ling-e  auch  der  physiokratischen 
Wissenschaft  entg-egenbrachten.^^)  _  Die  Beziehung-en  deutscher  Fürsten  zur  fran- 
zösischen Politik  und  Kunstpfleg-e  beleuchtet,  freilich  in  Seltsamer  Weise,  auch  der 
Briefwechsel  des  für  Herder  und  namentlich  für  Jean  Paul  schwärmenden,  auch 
schriftstellerisch  thätig"en  Herzogs  August  von  Gotha  (geb.  1772,  regierte  1804—22) 
mit  der  1784  in  Weissenfeis  geborenen,  1806—8  in  Paris  studierenden,  vor-  und  nachher 
meist  in  Dresden  lebenden  Malerin  Therese  Emilie  Henriette  aus  dem  Winckel'^). 
Die  Briefe,  denen  der  Herausgeber  nur  eine  höchst  dürftige  biographische  Einleitung 
beigefügt  hat,  reichen  vom  Mai  1806  bis  zum  März  1811  und  bieten  ein  kultur- 
geschichtlich merkwürdiges  neues  Beispiel  von  freundschaftlicher  Schwärmerei  aus 
dem  Zeitalter  der  Romantik,  werfen  aber  vornehmlich  ein  helles  Licht  auf  das  sonder- 
bare, stellenweise  verschrobene  Wesen  des  im  Umgang  anziehenden,  aber  launischen 
und  reizbaren  Herzogs,  auf  seine  weiblich  geartete  und  daher  nach  weiblicher  Freund- 
schaft (im  edlen  Sinn)  besonders  strebende  Natur.  Zuerst  ergeht  er  sich  in  den 
überschwänglichsten  Schwärmereien  und  in  unsinnlich  verschwommenen  Bildern,  die 
überall  den  dilettierenden  Nachahmer  Jean  Pauls  verraten;  bittere,  eigensinnige  Ver- 
stimmung bildet  dagegen  den  Grrundton  seiner  späteren  Briefe,  nachdem  die  Freundin 
sich  in  Dresden  verehrungsvoll  dem  Kreise  des  ihm  unsympathischen  Malers 
Kügelgen  angeschlossen  hatte.  Neben  allerlei  Herzensergiessungen  über  die  Kunst 
und  über  den  Edelsinn  der  Freundin  bekunden  die  Briefe  des  Herzogs  eine  un- 
fassbar  hochgesteigerte  Begeisterung  für  Napoleon.  Auch  Fräulein  aus  dem  Winckel 
bewundert  den  Welteroberer  aufs  höchste,  doch  nicht  so,  dass  sie  aufhören  wollte, 
deutsch  zu  sein.  Sie  fühlt  sich  sogar  mehr  als  Deutsche  denn  als  Sächsin  und  will 
vor  allem  nicht  Korsin  oder  Gallierin  sein.  So  kommt  ihr  auch  die  Natur  in  Paris 
herzlos  vor.  Desto  entzückter  spricht  sie  von  den  Fortschritten,  die  die  französische 
bildende  Kunst  David  verdankte,  auch  von  den  Leistungen  der  Pariser  Oper.  Un- 
mittelbar litterarische  Themata  werden  in  dem  Briefwechsel  kaum  berührt.  ^*"'^)  — 

Unter  den  autobiographischen  Werken  aus  der  Feder  von  Staatsmännern 
und  Diplomaten  ragen  an  historisch-politischer  Bedeutung  die  Memoiren  des  Fürsten 
Talleyrand  hervor,  die  nunmehr  in  der  Originalausgabe  des  Duc  de  Broglie'^) 
sowie  in  deutscher  Uebersetzung  von  Ebelingi'^)  zum  Abschluss  gediehen  sind; 
für  die  deutsche  Litteraturgeschichte  bringen  die  beiden  letzten  Bände,  die  die 
J.  1830—38  umspannen,  nichts  Neues  bei.^^"^^)  —  Viel  ergiebiger  in  letzterer  Beziehung 
sind  die  mehrfachen  Veröffentlichungen  aus  dem  Kreise  Wilhelm  von  Humboldts. 
Für  die  Erkenntnis  von  Humboldts  geistigem  Entwicklungsgang  eröffnet  sich  eine 
neue,  reiche  Quelle  in  seinen  Briefen  an  F.  H.  Jacobi,  die  Leitzmann^o)  diplomatisch 
genau  mit  vortrefflichen  Erläuterungen  herausgegeben  hat.  Die  Briefe  reichen  vom 
17.  Nov.  1788  bis  zum  18.  Febr.  1815  und  zeigen  uns  in  ihrer  ersten  Hälfte  namentlich 
den  werdenden  Denker  in  seinem  philosophischen  Ringen  und  Zweifeln:  bereits  tief 
in  das  Studium  Kants  eingedrungen,  sträubt  er  sich  doch  gegen  gewisse  Sätze  des 
Königsberger  Gelehrten,  dessen  Philosophie  ihm  noch  nicht,  wie  in  der  späteren  Zeit 
seiner  Reife,  die  wahre  Philosophie  schlechthin  ist.  So  sucht  er  Aufschluss  bei 
Jacobi,  dessen  Persönlichkeit  ihn  beim  ersten  Zusammentreffen  in  Pempelfort  1788 
begeistert,  dessen  Weltanschauung  ihm  trotz  mancher  Bedenken  tiefen  Eindruck  ge- 
macht hat.  Wie  zu  einem  Lehrer  spricht  er  zu  ihm  u.  a.  über  Kant,  Hume,  Spinoza 
und  Herders  Ansicht  vom  Spinozismus;  ja  in  seiner  Verehrung  gesteht  er  ge- 
legentlich, indem  er  sich  eines  Lieblingswortes  Jacobis  bedient,  diesem  allein  Tief- 
sinn, allen  anderen  Philosophen  nur  Scharfsinn  zu.  Daneben  berichtet  er  dem 
Freunde  von  seiner  ersten,  noch  ziemlich  äusserlichen  Begegnung  mit  Goethe,  dem 
er  sich  in  höchster  Verehrung*  1789  mit  einer  Empfehlung  von  Jacobi  nähert,  äussert 
sich    liebenswürdig-warm    über   Lavater,    urteilt    ausführlich   über    A.  W.  Schlegels 


12)  O  X  Gust.  Haase,  D.  Briefe  d.  Herzogin  Luise  Dorothea  v.  Sachsen-Gotha  an  Voltaire:  ASNS.  91,  S.  405-26.  —  13j 
W.  V.  Metzsch-Schilbach,  Briefwechsel  e  dtsch.  Fürsten  mit  e.  jungen  Künstlerin  (Herzog  August  v.  Sachsen-Gotha  u. 
Altenbnrg  u.  Frl.  aus  d.  Winckel).  Mit  2  Portrr.  B.,  Sigisninnd.  307  S.  M.  4,00.  IfM.  Landau:  Wiener  Abendpost  N.  169, 
170;  K.  Kralik:  ÖLBl.  2,  S.  664;  L.  Geiger:  FZg.  N.  337;  E.  Jacobs:  DLZ.  S.  1097/9;  Ottilie  Moldenhauer:  DR.  3, 
S.  202-14;  H.  A.  Lier:  BLü.  S.  ö96;  H.  Br(endicke):  MVGBerlin.  10,  S.  50.]|  -  14)  O  X  H.  C.  Andersen,  Correspon- 
dence  with  the  Grand  Duke  of  Saxe-Weimar.  London.  Dean.  Sh.  6.  —  15)  X  L.  Trost,  König  Ludwig  I.  r.  Bayern  in  seinen 
Briefen  an  seinen  Sohn  Otto  v.  Griechenland  (vgl.  JBL.  1891  IV  1:244.)  |[0.  Lorenz:  DLZ.  1892,  S.  472;  ZDS.  5,  S.  358-61, 
391;2.]| --  16)M.le  duc  de  Broglie,  Memoires  du  prince  de  Talleyrand.  pablies  avec  une  pref.  et  des  notes.  T.  5  et  dernier. 
Avoc  portr.  Paris,  C.  Levy.  1892.  XVUI,  655  S.  Fr.  7,50.  |[A.  Chuquet:  RCr.  34,  S.  417,  467.JI  (Vgl.  JBL.  1892  IV 
le:  432-41.)  —  17)  A.  Ebeling,  Memoiren  d.  Fürsten  Talleyrand.  her.  mit  e.  Vorrede  u.  Anm.  vom  Herzog  v.  Broglie. 
Dtsch.  Originalausg.  3.  Tausend.  Bd.  4  u  5.  Mit  3  Bildn.  (=  Memoirenbibl.  Bd.  8  u.  9.)  Köln  u.  L..  Ahn.  1892.  283  S.; 
XXn,  292  S.  ä  Bd.  M.  6,00.  [[VossZg«.  1892,  N  23;  MHL.  21,  S.  169-71;  ML.  61,  S.  325;  Lady  Blennerhassett:  DRs.  71, 
S.  246-86;  0.  Gildemeister:  Nation«.  9,  S.  316,9,  336  9,  513;6.J[  (Vgl.  JBL.  1892  IV  1  e  :  433.)  —  18)  X  Un  dernier  mot  sur 
l'authenticite  des  memoires  de  Talleyrand:  EPL.  1,  S.  575.  —  19)  O  X  A.  Ebeling,  Napoleon  III.  u.  sein  Hof.  Denk- 
Würdigkeiten,  Erlebnisse  u.  Erinnerungen  ans  d.  Zeit  d.  zweiten  franz.  Kaiserreiches  1851-70.  2  Bde.  2.  Aufl.  Köln,  Ahn. 
1892.  M.  12,00.  |[F.  W.:  BLÜ.  S.  171/2.]|  —  20)  A.  Leitzmann,  Briefe  v.  Wilh.  v.  Humboldt  an  F.  H.  Jacobi,  her.  u.  erlänt. 
Halle  a.  S,   Nieroeyer.    1892.    VIU,    142  S.    M.  3,00.      |IR.   Steig:    DLZ.    1892,   S.   1617/8;   F.  Jonas:   PrJbb.  73,   S.  354/7 

(4)3* 


IV  lc:2i  F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892,  1893. 

grosse  Recension  des  Vossschen  Homer  und  über  F.  öchleg-els  Wolderaar-Recension, 
indem  er  ungemein  vorsichtig-  die  guten  und  schlimmen  Seiten  des  oft  verletzenden 
Kritikers  unparteiisch  beleuchtet.  Schön  bestimmt  er  1789  den  Unterschied  zwischen 
sich  und  seinem  Bruder  Alexander:  „Im  ganzen  hat  er  überall  und  in  jedem  Ver- 
stände mehr  Sinn,  mehr  Kraft,  neue  Ideen  aufzufassen,  aus  dem  Wesen  der  Dinge 
selbst  herauszuheben;  ich  mehr  Fähigkeit,  Ideen  zu  entwickeln,  vergleichen,  ver- 
arbeiten." Redliche  Mühe  giebt  er  sich,  Jacobis  allzu  geringe  Meinung  von  Schiller 
zu  korrigieren.  Er  bekennt,  dass  ihm  selbst  eine  Zeit  lang  das  Verständnis  für 
manche  Dichtung  Schillers  gefehlt  habe.  Nun  aber  (15.  Okt.  1796)  bewundert  er  an 
dem  befreundeten  Dichter  vor  allem,  wie  sein  Geist  das  philosophische  und  poetische 
Genie  in  einander  zu  verschmelzen  strebt;  so  sieht  er  mit  Recht  in  Schiller,  ohne 
dessen  einzelne  Leistungen  irgendwie  zu  überschätzen,  den  Schöpfer  einer  ganz 
neuen  Art  von  philosophischer  Poesie  und  gesteht  ihm  ebenso  in  der  Philosophie 
eine  Originalität  zu,  die  sich  auf  weit  mehr  als  den  blossen  Vortrag  erstreckt. 
Später  beruhigt  Karoline  von  Humboldt  im  Auftrag  ihres  Gatten  Jacobi  durch  die 
bestimmte  Versicherung  Schillers,  dass  keines  der  Xenien  auf  ihn  gemünzt  sei.  In 
einem  langen,  ausserordentlich  interessanten  Schreiben  vom  Okt.  1798  aus  Paris 
äussert  sich  Humboldt  auch  mit  vieler  Teilnahme  über  Frau  von  Stael  und  über 
Baggesen  sowie  andeutungsweise  über  seine  eignen  „  Aesthetischen  Versuche".  1808 
berichtet  er  von  Goethes  ernsten  Klagen  über  „Anarchie,  Formlosigkeit  und  Mangel 
an  Technik"  bei  manchen  hochbeg-abten  neueren  Dichtern  Deutschlands,  erwähnt  auch 
Napoleons  lange  Unterredung  mit  Goethe  über  den  „Werther"  und  das  französische 
Theater.  Den  Briefen  ist  ein  Stück  eines  fragmentarisch  erhaltenen  Reisetagebuchs 
Humboldts  aus  dem  Nov.  1788  beigegeben,  das  den  ersten  Eindruck  schildert,  den 
er  von  Jacobi  empfing,  ferner  sieben  Briefe  Humboldts  an  Schlabrendorf  von  1800 
bis  1809,  litterargeschichtlich  weniger  bedeutend:  1801  beklagt  Humboldt  den  lahmen 
Gang  der  deutschen  Litteratur  infolge  einer  Erkrankung  Goethes  und  der  Mischung 
von  Gutem  und  von  Rohheit  in  der  „Schlegelschen  Clique";  so  stehe  Schiller  unter 
den  Dichtern  nur  allzu  allein  da.  —  Leider  bloss  in  französischer,  wie  es  scheint, 
nicht  immer  wörtlich  genauer  Uebersetzung  von  Laquiante^^)  herausgegeben  sind 
die  Briefe  Humboldts  und  seiner  Gemahlin  an  Göttfried  Schweighäuser  (1777 — 1844), 
der  1798 — 99  als  Hauslehrer  in  Humboldts  Familie  weilte,  sich  dann  aber  wegen 
seiner  militärischen  Pflichten  von  ihr  trennen  musste  und  schliesslich  als  Professor 
des  Griechischen  der  Nachfolger  seines  Vaters  an  der  Universität  Strassburg  wurde. 
Beide  Humboldts  bewiesen  dem  jüngeren  Freunde  auch  in  der  Ferne  die  herzlichste 
Teilnahme;  die  Briefe  (vom  Juli  1799  bis  zum  Okt.  1823  reichend)  sind  in  warmem, 
vertraulich -freundschaftlichem  Tone  gehalten.  Für  Schweighäusers  geistiges  und 
materielles  Wohl  besorgt,  hatte  Humboldt  ihn  zuerst  für  die  Stelle  ausersehen,  die 
dann  A.  W.  Schlegel  bei  Frau  von  Stael  einnahm ;  die  Sache  zei-schlug  sich,  vornehmlich 
weil  Schweighäuser  irriger  Weise  fürchtete,  immer  in  Coppet  eingeschlossen  zu 
bleiben.  Später,  als  der  junge  Mann  die  Absicht  äusserte,  Deutschland  zu  besuchen, 
bemühte  sich  Humboldt,  ihn  in  unmittelbaren  Verkehr  mit  Schiller  und  Goethe  zu 
bringen;  er  riet  vor  allem  zu  einem  mehrmonatlichen  Aufenthalt  in  Jena.  Ueber- 
haupt  erscheinen  die  Briefe  Wilhelm  von  Humboldts  an  ihn,  wie  bereits  Haym  in 
einer  feinsinnigen  Besprechung'  hervorhob,  als  ein  natürliches  Seitenstück  zu  seinen 
Briefen  an  W^elcker;  litterarische,  wissenschaftliche,  namentlich  auch  philosophische 
Erörterungen  (über  Kant,  Fichte,  Schelling)  überwiegen.  Karoline  berichtet  ein- 
gehender über  ihre  Reiseerlebnisse,  ihre  häuslichen  Verhältnisse  und  Sorgen.  Aber 
gleich  ihrem  Gatten  giebt  auch  sie  Rechenschaft  von  ihrer  Lektüre  und  spricht  sich 
so  z.  B.,  als  sie  im  Sommer  1800  Virgils  Aeneide  in  Vossens  Uebersetzung  liest, 
sehr  klug  über  den  Unterschied  zwischen  Homer  und  Virgil  aus.  Zur  höchsten  Be- 
wunderung reisst  sie  im  Sept.  1800  die  Lektüre  des  „Wallenstein"  hin.  Sie  meint, 
Schiller  müsse  in  sich  eine  ganze  Welt  von  Empfindungen  und  Ideen  getragen  haben, 
während  er  sein  Werk  vorbereitete,  weil  er  wiederum  bei  dem  denkenden  Leser 
eine  ganze  Welt  von  Eindrücken  und  Ideen  hervorrufe.  Die  Familie  Wallenstein 
vergleicht  sie  mit  der  Atridenfamilie :  die  Hauptpersonen  seien  auf  eine  ideale  Höhe 
gestellt,  und  doch  sei  das  Gemälde  ihres  Herzens  von  ergreifender  Wahrheit. 
Namentlich  entzücken  sie  Max  und  Thekla,  in  denen  sie  zwei  absolut  neue  und  voll- 
ständig natürliche  Typen  des  Menschentums  erblickt.  Das  Ganze  gilt  ihr  trotz  einiger 
Fehler  im  einzelnen  als  das  Schönste,  was  bisher  in  deutscher  Sprache  geschrieben 
worden.  Nicht  weniger  hoch  stellt  Wilhelm  im  Okt.  1801  die  „Jungfrau  von  Orleans"; 
sie  ist  ihm  das  Shakespearescheste  von  Schillers  Werken,  an  Intensität  des  Gedankens 
und  Tiefe  der  Empfindung  allen  seinen  früheren  Dramen  überlegen.     Später  äussert 

(=  id.,  ADA.  19.  S.  169-72);  M.  Kronenberg:  Nation".  10,  S.  62,3.]|  (Vgl.  JBL.  1892  lY  5:22;  10:21,  56.)  -  21)  A.  La- 
qniante,  G.  de  Humboldt  et  Caroline  de  Humboldt  (n6e  de  Dacheröden).  Lettres  ä  G.  Schweighaenser,  trad.  et  annot.  sur 
les  originaux  ined.    Mit  6  Ulustr.    Paris  &  Nancy,   Berger- Leyrault  et  Cie.    XXXVIII,   238  S.    |[R.  Haym:    6GA.  S.  654-64; 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  des  18/19.  Jh.  1892, 1893.  IV  1  c:2-2 

er  sich  mehrmals  über  seine  eigenen  litterarischen  Arbeiten,  über  seine  Ueber- 
setzung-  des  „Agamemnon"  von  Aeschylus,  über  seinen  Beitrag  zu  Goethes  „Winckel- 
mann",  besonders  über  seine  Elegie  „Rom".  Er  beurteilt  die  Dichtung"  streng-  genug-: 
die  Verse  ermangelten  der  Poesie,  mehr  in  der  Form  als  im  Gedanken;  und  doch 
war  er  überzeugt,  in  ihnen  sein  poetisches  Maximum  gegeben  zu  haben.  Matthissons 
verwandtes  Gedicht  freilich  stellt  er  viel  niedrig-er;  aber  A.  W.  Schleg-els  Elegie  über 
Rom  findet  er,  so  arm  sie  auch  an  Ideen  sei,  doch  unvergleichlich  poetischer  als 
seinen  eigenen  Versuch.  Aber  auch  hier  drängt  sich  ihm  die  Erinnerung  an 
Schiller  auf,  der  nun  leider  dieses  Gedicht  nicht  mehr  zu  lesen  bekomme ;  er  betont, 
dass  er  ihm  alle  seine  äusseren  Antriebe  verdanke,  dass  er  nun  nach  dem  Tode 
dieses  edelsten  Freundes  g-eistig-  ganz  vereinsamt  sei.  —  Von  einer  anderen,  nicht 
weniger  merkwürdigen  Seite  lernen  wir  Humboldt  in  seinen  Briefen  an  eine  Königs- 
berg-er  Freundin,  Johanna  Charlotte  Motherby  geb.  Thielheim  (1783—1842),  kennen, 
die  Meisner 22J  nebst  den  Briefen  Arndts  an  dieselbe  Dame  mit  trefflichen  Er- 
läuterungen und  einer  kurzen,  aber  in  der  Hauptsache  erschöpfenden  Biographie 
Johannas  herausgegeben  hat.  Die  Tochter  eines  armen  Handwerkers,  heiratete  Johanna 
1806  den  einer  englischen  P^amilie  entstammenden,  vielbeschäftigten  und  hochan- 
g-esehenen  Arzt  Dr.  William  Motherby  und  trat  damit  an  die  Spitze  des  gesell- 
schaftlichen Lebens  in  König-sberg-.  Sie  zog  Humboldt,  der,  zum  Geheimen  Staats- 
rat und  Leiter  des  preussischen  ünterrichtswesens  ernannt,  im  April  1809  hier  ein- 
traf, ebenso  an  wie  E.  M.  Arndt,  der  vom  Jan.  bis  März  1813  in  König-sberg-  ver- 
weilte. Von  den  Briefen  des  ersteren  sind  nur  wenig-e  erhalten  (vom  17.  Dec.  1809 
bis  zum  30.  Mai  1813),  anfäng-lich  in  besonnen-ruhigem  Tone  gehalten,  dann  leiden- 
schaftlicher und  innig-er,  als  wir  es  sonst  von  Humboldts  Briefen  g-ewöhnt  sind,  ohne 
sinnliche  Begierde,  aber  voll  geistiger  Schwärmerei,  stets  auf  Gedanken  gerichtet, 
die  „sich  tiefer  bewegen  müssen"  und  ausser  dem  Kreise  des  Gewöhnlichen  liegen, 
zuletzt  plötzlich  abgebrochen.  Scheint  hier  vor  allem  Johanna  die  massvoll  Zurück- 
haltende gewesen  zu  sein,  so  erwiderte  sie  Arndts  hingebungsvolle  Liebe  mit  der 
gleichen  Leidenschaft.  Seine  Briefe,  viel  zahlreicher  als  die  Humboldts,  reichen  vom 
24.  x\pril  1813  bis  zum  25.  März  1836.  Voll  enthusiastischer  Zärtlichkeit,  die  sich 
gelegentlich  in  anmutigem  Getändel  ergeht,  dann  aber  wieder  in  Werthersche  Em- 
pfindsamkeit und  Jean-Paulsche  Gefühlsschwärmerei  verliert,  beweisen  sie  deutlicher 
als  andere  Zeugnisse,  wie  weit  sich  Arndt  im  Leben,  Denken  und  Empfinden  den 
Romantikern  näherte,  freilich  auch,  was  ihn  schliesslich  immer  von  diesen  trennte. 
In  sittlicher  Beziehung  fasste  er  doch  die  Liebe  ganz  anders  auf  als  etwa  Friedrich 
Schlegel  und  seine  Genossen.  An  Geist  und  Herzen  kerngesund,  bekämpfte  er  mit 
wankellosem  Ernst  die  gewaltige  Leidenschaft,  und  gerade  die  strenge  Reinhaltung 
der  Pflicht,  die  männlich  edle  und  grosse  Gesinnung,  die  sich  in  seinen  Briefen 
offenbart,  macht  ihre  Lektüre  zu  einem  erhebenden  .Genuss.  Sie  enthalten  überdies 
manches  Gedicht,  das  zuerst  für  Johanna  bestimmt  oder  aus  der  Liebe  zu  ihr  er- 
wachsen war,  sowie  allerlei  Aufschlüsse  über  Arndts  Leben  in  seiner  bewegtesten 
Zeit.  Wir  verfolgen  sein  Hin-  und  Herreisen  in  politischen  Aufträgen,  vernehmen 
seine  Angst,  es  möchte  1813  nicht  zum  rechten  Kriege  gegen  den  Unterdrücker  des 
Vaterlandes  kommen,  hören  seine  Urteile  über  Freunde,  die  ihm  damals  besonders 
nahe  standen,  lernen  seinen  Patriotismus  kennen,  dem  er  sich  selbst  und  was  ihm 
das  Liebste  war,  aufzuopfern  sich  keinen  Augenblick  weigerte.  Nachdem  er  seine 
Leidenschaft  bezwungen,  verband  ihn  noch  lange  Jahre  hindurch  treue,  besorgte 
Freundschaft  mit  Johanna,  deren  Leben  sich  bald  abenteuerlicher  gestaltete.  Schon 
1814  suchte  sie  ihn  in  Frankfurt  a.  M.  auf,  wo  er  im  Dienste  des  Freiherrn  von  Stein 
arbeitete.  Den  Gedanken  an  eine  Scheidung  von  ihrem  Manne,  den  die  innerlich 
Unbefriedigte  wohl  schon  damals  hegte,  verwarf  sie  vorerst  wieder;  in  gegenseitiger 
Entsagung  trennten  die  Liebenden  sich  im  Herbst,  nachdem  Johanna  in  Frankfurt 
und  besonders  in  den  nahen  Städten  Hessens  und  Badens  mehrere  Monate  verlebt 
hatte.  Wieder  in  Königsberg,  fand  sie,  während  Arndt  1817  Schieiermachers  Schwester 
Nanna  heiratete,  einen  neuen  schwärmerischen  Verehrer  in  dem  jungen  Mediziner 
Ludwig  Dieffenbach,  dem  sie  nach  heftigen  äusseren  und  inneren  Kämpfen,  nachdem 
sie  1824  von  Motherby  geschieden  worden  war  und  Dieffenbach  sich  als  Arzt  in 
Berlin  niedergelassen  hatte,  angetraut  wurde.  Aber  auch  hier  fand  sie  nicht  das 
gehoffte  Glück;  1833  musste  auch  diese  Ehe  wieder  gelöst  werden.  Für  ihre  letzten 
Jahre  g-ewann  sie  an  Philipp  Kaufmann,  dem  Uebersetzer  Shakespeares,  einen  innig- 
ergebenen,  kindlich  treuen  Freund,  an  Elisa  von  Lützow  geb.  Ahlefeldt,  die  ihr 
schon  vor  der  Scheidung  von  Motherby  ein  Jahr  lang  in  Münster  eine  Zuflucht  be- 

BLÜ.  S.  333  4;K.  Witte:NatZg.  N.  725;  H.  Grimm:  DLZ.  S.  751  2.]|  (Vgl.  IV  5.)  -  22)H.  Meisner,  Briefe  an  Johanna  Motherby  v. 
W.  V.  Humboldt  u.  E.  M.  Arndt.  Mit  e.  Biogr.  -lohanna  Motherbys  u.  Erläut.  her.  Nebst  e.  Portr.  L.,  Brockhans.  VII,  238  S. 
M.  3,50.  |[Ad.  Stern:  Grensb.  3,  S.  134-40,  167-74;  R.  Steig:  DLZ.  S.  491/3;  LCBl.  S.  156,7;  P.  Goldschmidt:  FBPG.  6, 
S.  641,2;  L.  Geiger:  FZg.  N.  24;  0.  Härtung:  DDichtung  14,  8.  150,/2;  F.  Poppenberg:  ML.  S.  571/4:  Ad.  Schroeter: 


IV  lc:2s-33  F.  Munck er,  Memoiren,  Tagebücher  u. Briefwechseid.  18./ 19.  Jh.  1892, 1893. 

reitet  hatte,  eine  teilnehmende  Herzens-  und  Lebensgenossin.  Zumal  seit  Elisa  sich 
von  Immermann  getrennt  hatte,  gehörten  die  zwei  Freundinnen  unlösbar  zu  ein- 
ander. 1839  reisten  sie  zusammen  mit  Kaufmann  (bis  Strassburg  auch  von  Arndt 
begleitet,  den  Johanna  seit  1814  noch  mehrmals  besucht  hatte)  nach  Italien  bis 
Florenz;  dann  wohnten  sie  beisammen  in  Berlin,  wo  ihr  Salon  noch  immer  ein 
Mittelpunkt  des  geistigen  Lebens  war:  Cornelius,  Rauch,  L.  Tieck,  F.  von  Raumer, 
Steffens,  F.  Wehl  verkehrten  u.  a.  daselbst.  —  Gleichfalls  mehr  den  Menschen 
Humboldt  als  den  Schriftsteller,  speciell  den  Familienvater  im  Kreise  der  Seinigen, 
für  die  er  liebevoll  sorgt  und  die  ihn  herzlich  verehren,  rückt  uns  das  schöne, 
nach  Humboldts  Tochter  Gabriele  (1802—87)  betitelte  Memoiren werk^S)  nahe,  das 
Briefe  und  tagebuchartige  Aufzeichnungen  Humboldts,  seiner  Gemahlin  und  seiner 
Kinder  in  den  Rahmen  einer  Art  von  objektiv  historischer  Darstellung  einschliesst. 
Zuerst  sind  es  vornehmlich  Briefe  von  Karoline  von  Humboldt  (seit  1799),  darunter 
kulturgeschichtlich  höchst  interessante  Reiseberichte  aus  Spanien,  dann  mannigfach 
anziehende  Schilderungen  aus  ihrem  Leben  mit  den  Kindern  und  Freunden  der 
Familie  in  Rom  und  Italien.  Briefe  Gabrielens  und  ihrer  Schwestern  schliessen  sich 
daran;  der  Vater  Wilhelm  von  Humboldt  tritt  erst  nach  dem  Tode  Karolinens  in  der 
Korrespondenz  thätiger  hervor,  dann  aber  mit  sehr  schönen,  bedeutenden  Briefen. 
Verschiedene  Einzelheiten  über  seine  letzten  Jahre  berichten  Gabrielens  Briefe  an 
ihren  Gatten,  den  preussischen  Gesandten  in  London  und  späteren  Minister  des 
Aeusseren,  Heinrich  von  Bülow  (1791— 1846),  mit  dem  sie  sich  1821  vermählt  hatte. 
In  glücklichster  Ehe  verlebte  sie  an  seiner  Seite  mehrere,  auch  an  sie  allerlei  ge- 
sellschaftliche Anforderungen  stellende  Jahre  in  London;  doch  blieb  sie  hernach, 
teils  aus  äusseren  Gründen,  teils  dem  kränkelnden  Vater  zu  Liebe,  geraume  Zeit 
fern  von  Bülow  bei  den  Geschwistern  in  Tegel,  wo  sie  auch  später  als  Witwe  mit 
geringen  Unterbrechungen  den  Rest  ihrer  Tage  hinbrachte.  Unmittelbar  litterar- 
geschichtliche  Ausbeute  liefern  diese  Briefe  und  Memoiren  nur  selten.  In  seinen 
Briefen  an  die  Gattin,  die  innige,  vollauf  beglückte  Liebe,  aber  ohne  heisse  Leiden- 
schaft atmen,  erzählt  Wilhelm,  der  1808  ohne  seine  Familie  von  Rom  nach  Deutsch- 
land zurückgekehrt  war,  wie  Goethe  die  Beschreibung,  die  Karoline  von  spanischen 
Bildern  geliefert  hatte,  als  einen  Schatz,  ein  wahres  Meisterstück  pries,  auch  Gewicht 
darauf  legte,  dass  sie  die  „Wahlverwandtschaften"  lese.  Auf  ein  Bild  der  beiden 
Schwestern  Adelheid  und  Gabriele,  die  Gottlieb  Schick  in  Rom  als  Kinder  gemalt 
hatte,  verfasste  Th.  Körner  1811  ein  hübsches,  bereits  früher  veröffentlichtes  Sonett. 
Dagegen  ist  in  unserem  Buch  eine  dramatische  Gelegenheitsdichtung  zum  ersten 
Mal  gedruckt,  die  gleichfalls  Körner  zum  Vf.  hat  und  von  den  zwei  Schwestern  am 
22.  Juni  1812  zu  Wien  gespielt  wurde,  eine  hübsche,  namentlich  metrisch  recht  ge- 
schickt gemachte,  obschon  dichterisch  nicht  bedeutende  Geburtstagshuldigung  für 
ihren  Vater,  den  sowohl  die  Tibernymphe  zu  Rom  wie  die  Donaunymphe  zu  Wien 
schwer  vermissen.  —  Noch  unmittelbarer  in  die  Geschichte  des  preussischen  Staats- 
lebens führen  uns  die  ursprünglich  französisch  geschriebenen  Denkwürdigkeiten 
Heinrich  von  Beguelins  (1765—1818)  und  seiner  zweiten  Frau  Amalie  geb.  Gramer 
(1778—1849)  ein,  die  Ad.  Ernst  24)  nach  einer  deutschen  Uebersetzung  von  Raimund 
von  Beguelin,  dem  Sohne  des  Vf.,  nebst  Briefen  Beguelins  an  seine  Gattin  (nach  den 
deutschen  Originalen)  und  Briefen  von  Gneisenau  und  Hardenberg  herausgegeben 
und  mit  einer  ausführlichen  biographischen  Skizze  begleitet  hat.  In  ihnen  tritt  be- 
sonders die  liebevoll,  aber  nicht  parteiisch  einseitig  gezeichnete  Gestalt  des  Frhrn. 
von  Stein,  dessen  vertrauter  Mitarbeiter  Beguelin  war,  charakteristisch  hervor.  Zur 
deutschen  Litteraturgeschichte  im  engeren  Sinn  haben  diese  Memoiren  aus  den  J. 
1807 — 13  keine  Beziehung.  —  Die  sonstigen  Memoiren  werke  norddeutscher  Staats- 
männer und  Regierungsbeamter25~33j  liefern  für  die  Litteraturgeschichte  ebenfalls  nur 

BLU.  S.  804;  KonsMschr.  S.  230/1 ;  YossZg.  N.  247 ;  Didask.  N.  1  (abgcdr.  aus  MagdZg.)J  (Vgl.  IV  5.)  —  23)  Gabriele  v.  Bülow,  Tochter 
W.  T.  Humboldts.  E.  Lebensbild.  Aus  d.  Familienpapieren  W.  y.  Humboldts  n.  seiner  Kinder.  1791-1887.  Mit  2  Bild.  (2  Aufl.) 
B.,  Mittler  &  Sohn.  XI,  572  S.  Nebst  Stammbaum.  M.  10,00.  |[H.  Grimm:  DLZ.  S.  751,2;  LCBl.  S.  943;  E.  Zabel:  NatZg. 
N.339;  W.  E.  L.:  Fremdenbl.  N.  191.]|  —  24)  Ad.  Ernst,  H.  u.  Amalie  v.  Beguelins  Denkwürdigkeiten  aus  d.  J.  1807-13,  nebst 
Briefen  t.  Gneisenau  u.  Hardenberg.  Mit  1  Lichtdr.-Bild.  B.,  Springer.  1892.  XVI,  2fi2  S.  M.  5,00.  |[0.  Bailleu:  DLZ. 
S.  76/7;  LCBl.  S.  600;  PrJbb.  70,  S.  509-10;  W.  Arndt:  BLU.  S.  699-700;  C.  Bulle:  WeserZg.  N.  16481;  J.  v.  Grüner: 
MHL.  21,  S.  167/9;  Bär  19,  S.  108;  J.  v.  Belfert:  ÖLBl.  2.  S.  267/8;  SchwäbKron.  1892,  19.  Not.]|  -  25)  X  L-  Geiger, 
Aus  Briefen  Dohms  an  Nicolai :  ZGJuden.5,  S.75-91.  (Vgl.  JBL.  1892IV  1  e  :  376.)  -  26)  X  R- Thi  mm,  Hist.  Tagebuch  d.StadtTilse 
vom  17.  Dec.  1812  bis  zum  3.  Aug.  1814  gef.  v.  d.  Stadtsekretär  Salchow.  (=  Beitrr.  z.  Gesch.  v.  Tilsit.  II.)  Tilsit,  W.  Lohauss. 
45  S.  M.  0,50.  (Darin  3  Gelegenheitsgediclite  d.  Stadtjustizrats  Klein  nach  d.  Schlacht  v.  Leipzig  1813  n.  z.  Begrüssung  d. 
russischen  Kaiserin  im  Jan.  1814.)  —  27)  X  ß-  Prümers,  E.  Reichenau,  Erinnerungen  aus  d.  Leben  e.  Westpreussen. 
Gotha,  Perthes.  1890.  IV,  336  S.  M.  5,00:  ZHGPosen.  7,  S.  356/7.  —  28)  O  X  Briefe  berühmter  Zeitgenossen  an 
W.  Frhrn.  v.  Hammerstein,  Chefredakteur  d.  Neuen  Preussischen  (Kreuz-)Zeitnng.  Zürich,  Verlagsmag.  1892.  54  S. 
M.  1,00.  |[BLÜ.  S.  605/7.]|  —  29)  O  X  0.  L.  Tesdorpf,  Mitteilungen  aus  d.  hs.  Nachlass  d.  Senators  J.  M.  Hudtwalcker 
(1747-1818):  ZVHambG.  9,  S.  150-81.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  1  e :  342.)  —  30)  X  ß-  Schieiden,  Erinnerungen  eines  Schleswig- 
Holsteiners  (vgl.  JBL.  1891  IV  1:166).  ||G.  Egelhaaf:  DRs.  71,  S.  471/2;  A.  Wetzel;  ZSchlH.  23,  S.  321/5.]|  -  31)  O  X  F- 
Prensdorff,  Zwei  Briefsammlungen  d.  Welfenmns.  in  Hannover:  NGWGöttingen.  S.  305-37.  —.32)  O  X  H.  Diederiohs, 
Briefwechsel  Juri  Samarins  mit  d.  Baronesse  Edith  Rahden:  BaltMschr.  40,  S.  368-80.    —   33)  O  X   Ans  d.  Leben  d,  Grafen 


F.  M  uncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  IS./W.Jh.  1892,1893.  IVlc:34-39a 

schwache  Ausbeute.  So  sind  die  von  Lang-werth  von  Simraern^^)  edierten 
Tag-ebuchblätter  und  Essays  Friedrich  von  Kling-gräffs  g-anz  ausschliesslich  den 
mannigfachsten  politischen  Gedanken  und  (nunmehr  läng-st  veralteten)  abenteuerlichen 
g-rossdeutschen  Träumereien  g-ewidmet,  wobei  sich  der  Vf.  häufiger  mit  den  An- 
schauungen von  Constantin  Frantz  freundschaftlich  begegnet;  Personen  und  Fragen 
der  schönen  Litteratur  werden  darin  nicht  berührt.  —  Etwas  mehr  ist  dies  bei  dem 
nordamerikanischen  Romanschriftsteller  und  Historiker  John  Lothrop  Motley^^) 
der  Fall,  der  zuerst  als  Student,  dann  wiederholt  auch  in  diplomatischen  Aufträgen 
sich  in  Deutschland  aufhielt.  Sogleich  nach  seinen  Universitätsjahren  in  Göttingen 
und  Berlin  wurde  er  1834  mit  Goethes  Schwiegertochter  bekannt  und  durch  sie  an 
Tieck  empfohlen.  Von  beiden  entwirft  er  eine  kurze,  wenig  Neues  beibringende 
Schilderung.  Auch  1842  suchte  er  wieder  Ottilie  von  Goethe  auf,  die  er  damals  zwar 
sehr  gealtert,  aber  noch  ebenso  liebenswürdig  und  verständig  wie  früher  fand ;  seinen 
Artikel  über  Goethe  las  sie  mit  Wohlgefallen.  1852  und  hernach  noch  öfter  lernte 
er  den  sächsischen  Prinzen  und  nachmaligen  König  Johann,  den  Uebersetzer  Dantes, 
kennen,  der  ihn  freundlichst  empfing,  zugleich  viel  Sachkenntnis  von  der  englisch- 
amerikanischen Litteratur  zeigte.  Am  meisten  interessieren  den  deutschen  Leser  aber 
die  seit  der  Universität  gepflegten  freundschaftlichen  Beziehungen  Motleys  zu 
Bismarck.  1855  begegneten  sich  die  Beiden  wieder  in  Frankfurt.  Schon  damals  sah 
Motley  in  seinem  Freunde  den  künftigen  Premierminister  Preussens;  schon  damals 
erkannte  er  in  ihm  den  grossen  Staatsmann,  den  Mann  „von  sehr  edlem  Charakter 
und  grosser  Geisteskraft",  besonders  von  „hartnäckiger  Wahrhaftigkeit".  Die 
Freundschaft  dauerte  bis  zu  Motleys  Tod  1877;  namentlich  hatte  Motley  1872  bei 
einem  längeren  Besuch  in  Varzin  auch  Gelegenheit,  einen  gründlichen  Einblick  in 
Bismarcks  häusliches  Leben  zu  gewinnen.  Und  wie  er  dieses  und  anderes,  was  sein 
Verhältnis  zu  dem  Freunde  betrifft,  in  den  (grossenteils  an  seine  Eltern,  seine  Frau 
und  Kinder  gerichteten)  Briefen  schildert,  so  enthält  seine  Korrespondenz  auch 
mehrere  Briefe  Bismarcks  an  ihn,  darunter  eine  Anzahl,  die  der  grosse  Kanzler  teil- 
weise oder  ganz  in  englischer  Sprache  abfasste.  Mit  Recht  hat  bei  diesen  der 
deutsche  Uebersetzer  seiner  Uebertragung  stets  auch  das  Original  beigesetzt.  —  Mit 
Motley,  der  besonders  in  Wien  seine  diplomatische  Wirksamkeit  entfaltete,  mag 
Wilhelm  Frhr.  von  Wolzogen  (1762 — 1809),  der  Freund  und  nachmalige  Schwager 
Schillers,  den  Uebergang  zu  den  süddeutschen  Staatsmännern  bilden.  Nach  seinem 
Besuch  der  Karlsschule  blieb  er  im  Dienste  des  Herzogs  Karl  Eugen  von  Württem- 
berg und  ging  in  dessen  Auftrag  zweimal  (1788—91  und  1792 — 94)  nach  Paris,  ohne 
jedoch  trotz  aller  Zähigkeit  bei  der  Republik  Erkleckliches  für  Württemberg  zu  er- 
reichen. Später  lebte  er  meistens  in  Weimar  und  griff  bei  der  Besetzung  des  säch- 
sischen Herzogtums  durch  Napoleon  1806  zum  Wohle  Weimars  sehr  energisch  in 
den  Gang  der  Dinge  ein.  Noch  einmal  kehrte  er  1807  nach  Paris  zurück,  wo  er  nun 
nahe  mit  Baggesen,  wie  schon  früher  ebenda  mit  Salis-Seewis  befreundet  wurde. 
Sein  Tagebuch  vom  Jan.  1793,  aus  Briefentwürfen  bis  zum  Juni  desselben  Jahres  er- 
gänzt, teilt  nebst  einer  Charakteristik  des  Vf.  Ernst  von  Wolzogen^ß)  rait.^''"^^)  — 
Manches  geistreich  treffende  Wort  über  Goethe,  Schiller,  Hebbel,  Wilbrandt,  Rousseau, 
Shakespeare,  Byron  und  andere  deutsche  wie  ausländische  Dichter  enthalten  die 
Aphorismen  des  österreichischen  Staatsmanns  Leopold  von  Hasner,  die  der  Bruder 
des  1891  Verstorbenen,  Joseph  von  Hasner  ^^),  herausgegeben  hat.^''«)  Die  Selbst- 
biographie des  gleichen  Vf.  erzählt  besonders  auch  von  dem  gewaltigen  Eindruck, 
den  die  erste  Lektüre  Goethes  einst  auf  den  Jüngling  machte.  Erst  als  Student  be- 
kam der  Neunzehnjährige  1837  zufällig  Goethes  Werke  in  die  Hand;  im  Prager 
Gymnasium  hatte  man  ihn  nicht  einmal  auf  den  „Faust"  hingewiesen.  Nun  aber 
fühlte  er,  überwältigt,  bezaubert  und  erhoben  von  der  Grösse,  Weisheit  und  Schönheit 
des  Dichters,  gleichsam  eine  neue  Epoche  seines  Lebens  anbrechen.  1848  machte 
ihm  wieder  ein  deutscher  Dichter,  Hebbel,  und  zwar  durch  eine  zornmütige  politische 
Rede  den  Eindruck  des  Genies ;  aber,  wie  diese  Rede  in  öffentlicher  Versammlung 
ohne  ein  bestimmtes  Ergebnis  verlief,  so  berichtet  Hasner  auch  von  keinen  weiteren 
unmittelbaren   Beziehungen  zu  Hebbel.  —  Münchener  Gesellschaftszustände    charak- 


D.  Keyserling:  ib.  S.  507-25,  579-95.  —  34)  H.  Frhr.  Langwerth  v.  Siramern,  Ans  d.  Mappe  e.  verstorb.  Freundes 
(F.  v.Klinggräff).  2.  T. :  Staat  u.  Kirche.  B,  B  Behr.  IX,  570  S  M.  7,50.  |[Geg  43,S.31;  O(tto)  H(arnack):  PrJbb  69,  S.  579-80; 
N&S.  60.  S.  137/8;  KonsMschr.  S.  815.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  Ie:276;  5:307.)  —  35)  J.  Lothrop  Motley,  Briefwechsel. 
Aus  dem  Engl.  Bbers.  v.  A.  Eltze.  2.  wohlfeile  Ausg.  2  Bde.  B.,  Janke.  395  S.;  419  S.  M.  6,C0.  (Titelausg.  d.  1890  er- 
schienenen 1.  Ausg.)  —  36)  E.  V.  Wolzogen,  E  Augenzeuge  der  Hinrichtung  Ludwigs  XVI.:  VossZgB.  N.  1,  2,  4/6.  —  37)  X 
Jul.  Fröbel,  E  Lebenslauf  (Tgl.  JBL.  1891  IV  1:179.  irHJb.  13,  S.  393;  A.  B.:  Nation».  9,  S.  59;  Th.  Tupetz:  HZ.  68, 
S.  123/5.]!  —  38)  O  X  B'  Erdraannsd  örff  er,  D.  badische  Oberland  im  J.  1785.  Reisebericht  e.  österr.  Kanieralisten. 
(=  BadNjbll.  N.  3.)  Karlsruhe,  Braun.  VL  86  S.  M.  1,00.  j[W.  Wiegand:  ZGORh.  8,  S.  134 ;6.]j  —  39)  L.  v.  Hasner,  Denk- 
wQrdigkeiten.  Autobiographisches  u.  Aphorismen.  Her.  v.  J.  v.  Hasner.  St.,  Cotta.  1892.  III,  196  S.  M.  5,00.  |[J.  Frhr. 
V.  Helfert:  ÜLBl.  2,  S.  39-41.)]  (Vgl.  JBL.  1892  IV  Ib:  134.)  -  39a)  X  A.  v.  Helfert,  A.  Graf  t.  Höbner, 
K   Jahr    meines    Lebens    (vgl.   JBL.  1891  IV  1:173):    LBs.   18,   S.  21/3.     lln   d.    Hauptsache    ablehnend,   mit   d.   Nachweis 


IV  Ic:  40-47  F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechseid.  18./19.Jh.  1892,1893. 

terisiert  Otto  von  Völderndorff*")  in  seinen  humoristisch-ung-eordnet  vom 
Hundertsten  ins  Tausendste  überspringenden  Plaudereien,  die,  seit  etwa  zwanzig 
Jahren  einzeln  in  der  „Allgemeinen  Zeitung"  erschienen,  jetzt  zu  einem  stattlichen 
Bande  g-esammelt  sind.^i)  Auch  die  Theater  Verhältnisse  streift  er  dabei  mehrfach. 
Namentlich  aber  beschreibt  er  liebevoll  die  Abende  bei  Wilhelm  von  Dönniges  und 
seiner  Gattin  Franziska,  wo  in  den  fünfziger  Jahren  fast  alle  litterarisch,  künstlerisch 
und  politisch  bedeutenden  Männer  aus  der  Tafelrunde  des  Königs  Maximilian  IL  ver- 
kehrten. Unter  ihnen  hebt  er  Bodenstedt,  Geibel,  Heyse,  Kobell,  Kaulbach  hervor. 
Besonders  beg-eistert  ist  er  von  Ding-elstedts  Kunst  des  Vorlesens,  die  dieser  g-e- 
legentlich  an  seinem  Trauerspiel  „Das  Haus  des  Barneveldt",  einmal  auch  an  Qe- 
dichten  Hebbels  zum  Entzücken  des  gerade  anwesenden  Dichters  bewährte;  nicht 
minder  schwärmt  er  für  den  Gesang*  von  Dingelstedts  Frau  und  für  die  komische 
Beg-abung  des  Grafen  Tascher,  späteren  Herzogs  de  la  Pagerie.  —  Zu  mehrfachen 
Veröffentlichungen  gab  der  Nachlass  des  schweizerischen  Staatsmannes  und  Gelehrten 
Philipp  Albert  Stapfer  (1766 — 1840)  Geleg-enheit.  Litterargeschichtliche  Bedeutung- 
haben in  seinem  reichhaltig-en,  meist  politischen  und  gelehrten  Zwecken  dienenden 
Briefwechsel,  der  in  Lug'inbühH2-44)  einen  vortrefflichen  Herausg-eber  und  Kom- 
mentator gefunden  hat,  namentlich  die  Briefe  Job.  G.  Zimmermanns  an  den  jung-en 
Landsmann,  dessen  Beg-abung-  der  hochangesehene  Schriftsteller  bald  erkannte. 
Zimmermann  spricht  sich  g-egen  Stapfer  oifen  über  mancherlei  persönliche  Ver- 
hältnisse, Familiensorg-en,  über  seine  Beziehungen  zu  Katharina  H.  von  Russland, 
über  sein  Werk  von  der  Einsamkeit  und  andere  schriftstellerische  Leistungen  und 
Pläne  aus.  Seine  späteren  Briefe  zeigen  seine  zunehmende  Hypochondrie  und  seinen 
heftigen  Ingrimm  gegen  die  Aufklärer  nur  allzu  deutlich.  1790  entwickelt  er  dem 
jungen  Freunde  seinen  (bald  wieder  aufgegebenen)  Plan,  einen  deutschen  Aristophanes 
zu  einem  satirischen  Lustspiel  gegen  die  Aufklärer  zu  bewegen;  auch  den  Dichter, 
der  dieses  Stück  schreiben  könne,  glaubt  er  schon  gefunden  zu  haben,  in  Kotzebue, 
der  sich  ihm  jüngst  genähert  hatte.  Zimmermann  rühmt  ihn  als  einen  der  aller- 
witzigsten  Köpfe  und  als  einen  äusserst  guten  Mann  von  der  edelsten  und  vortreff- 
lichsten Denkart.  Nicht  lange  darnach  bereitet  ihm  Kotzebues  anonymes  Pamphlet 
„Dr.  Bahrdt  mit  der  eisernen  Stirn",  das  man  im  aufklärerischen  Lager  zuerst  als 
ein  Produkt  Zimmermanns  verschrie,  mehrere  W^ochen  lang  qualvolle  Aufregung. 
Dann  wieder  tröstet  er  sich  freudig  in  dem  Wahne,  in  Goethe  einen  Kampfgenossen 
gegen  die  Aufklärung  gefunden  zu  haben;  ihm  schreibt  er  irrtümlich  1791  eine 
grössere  Anzahl  von  Schriften  zu,  deren  Vf.  E.  A.  A.  v.  Göchhausen  war.  In  den 
übrigen  Briefen  von  und  an  Stapfer  werden  litterarische  Persönlichkeiten  und  Ver- 
hältnisse seltener  gestreift,  noch  am  ersten  im  Gedankenaustausch  mit  Frederic 
Cesar  Laharpe.^^^^ej  — 

Von  den  Staatsmännern  zu  den  Kriegsleuten  leitet  Felix  Theodor  von 
Bernhardi*')  über  (1802— 87),  der  ausgezeichnete  Militärschriftsteller,  der  sich  auch 
als  Diplomat  im  preussischen  Dienst  ehrenvoll  bewährte.  In  den  fünfziger  Jahren 
schrieb  er  die  Geschichte  seiner  Kindheit  von  1805—18;  seit  den  vierziger  Jahren 
bis  zu  seinen  letzten  Tagen  führte  er  Tagebücher.  Die  Zwischenzeit  von  fast  dreissig 
Jahren  ergänzte  der  Herausgeber,  ein  naher  Freund  Bernhardis,  mit  Hülfe  von 
Briefen  und  gelegentlichen  Notizen.  Als  drittes  Kind  entsprosste  Bernhardi  der 
Ehe  zwischen  dem  Schulmann  Aug.  Ferd.  Bernhardi  (1772—1820)  und  Tiecks 
Schwester  Anna  Sophie  (1775—1833).  Die  Ehe  der  beiden  war  auf  die  Dauer  nicht 
glücklich ;  Anna  Sophie  trennte  sich  von  ihrem  Gatten  und  folgte  mit  dem  Knaben 
einem  Herrn  von  Knorring  aus  Esthland,  den  sie  später  heiratete,  für  zwei  Jahre 
nach  Rom,  wo  damals  ihre  Brüder  Ludwig  und  Friedrich  lebten.  In  diese  Zeit 
reichen    Bernhardis   früheste   Erinnerungen    zurück.     Den    Oheim    Ludwig    sah   er 


mannigfacher  Fehler  im  einzelnen.)  —  40)  0.  Frhr.  v.  Völderndorff,  Harmlose  Plaudereien  e.  alten  Münchners.  Mönchen, 
Beclc.  1892.  XIV,  343  S.  M  3,50.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4  :  717;  IV  1  b  :  4.)  —  41)  X  (14:445.)  (Humorist.  Schilderungen 
d.  Altbayern  in  Traunstein  u.  Umgebung;  litterargesch.  interessant  d.  Bemerkung,  dass  d.  Alpenbewohnern  d.  Schilderungen 
V.  L.  Steub  unsympathisch,  weil  „zu  scharf''  sind.)  —  42)  X  ß-  Luginbühl,  Briefe  v.  J.  G.  Zimmermann,  E.  v.  Fellenberg, 
S.  Schnell,  K.  Schnell  n.  G  L.  Meyer  v.  Knonau  an  Ph.  A.  Stapfer :  AHVBern.  13,  S.  63-230.  —  43)  i  d. ,  Aus  Ph.  A  Stapfers  Briefwechsel. 
Bd.  In.  2.  (=QSchwG.  Bd.  llu.  12.)  Basel,  Geering.  1891.  CXL1I,400S.;  523  S.  M.  20,00.  ([Grenzb.  1892,  1,  S.  536-43;  LCBl.  1892, 
8.  775/6;  Alfr.  Stern:  DLZ.  1892,  S.  632/3;  HJb.  13,  S.  359;  F.  Bienemann:  BLU.  S.  150/1;  DRs.  1892:  2,  S.  127.]|  (Vgl. 
JBL.  1891  IV  1:235;  9a:  64.)  -  44)  id.,  Nachtr.  z.  Briefwechsel  d.  Ph.  A.  Stapfer  n.  P.  üsteri:  AnzSohwG.  24,  S.  458-71.  — 
45)  O  X  Auszug  aus  d.  „Journal"  d.  Joh.  K.  Freienmuth,  Regierungsrat:  ThurgauischeBVtG.  33,  S.  33-96.  —  46)  X  E. 
Dümmler,  Aus  d.  Reisetagebuch  e.  jungen  Zürichers  in  d.  J.  1782-84.  (=  Njbll.  her.  v.  d.  Hist.  Kommiss.  d.  Prov.  Sachsen, 
N.  16.)  Halle  a.  S.,  Hendel.  1892.  46  S.  M  1,00.  (Tagebuch  d.  jungen  J.  H.  Landolt  (1763-1850),  späteren  Ratsherrn  in 
Zürich,  d.  1782  mit  Empfehlungen  Layaters  u.  anderer  Gönner  nach  Deutschland  reiste,  Gleims  Haus  aufsuchte  u.  länger  in 
Halle  studierte;  besonders  genau  beschreibt  er  Dessau,  d.Philanthropin  daselbst  u.  d.  fQrstl  Schloss  zuWörlitz;  vgl.  JBL.  1892 
IV  lb:19d.)  —  47)  Aus  d.  Leben  Theodor  v.  Bernhardts.  1.  T.:  Jugenderinnerungen.  Mit  e.  Lichtdr.-Bild.  d.  Geschwister 
Tieok.  2.  T.:  Unter  Nikolaus  I.  u.  Friedrich  Wilhelm  IV.  Briefe  u.  Tagebuchbll.  aus  d.  J.  1834-57.  Mit  Bildn.  L.,  Hirzel. 
XIV,  230  S.;  368  S.  M.  14,00.  |[HZ.  35,  S.  414-60;  DRs.  74,  S  253-66;  Grenzb.  2,  S.  252/8,  494-507,541-58;  B.  Gebhardt: 
Geg.  44,  8.  341/3;   Th.  Schiemann:    DLZ.   8.  559-61;   LCBl.  S.  913/4;   G.  Ellinger:    Nation».  10,   8.  582/4.]|     (Bd.  II    war 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893.  IV  lc:48-.58 

1807  und  1808  wieder  in  Wien,  wo  dieser  bei  seiner  Schwester  wohnte.  Bei  ihr 
verkehrten  aber  auch  Collin  und  F.  Schlegel,  der  im  Aeusseren  einen  starken  Gregen- 
satz  zu  Tieck  bildete.  Doch  wurde  den  Besuchen  Schlegels  ein  schnelles  Ende 
bereitet,  weil  er  gegen  einen  weiblichen  Gast  des  Hauses  sich  allzu  romantisch-frei 
betragen  hatte.  Dann  kam  der  Knabe  Bernhardi  oft  in  das  Haus  der  Frau  von 
Stael  und  lernte  dabei  natürlich  auch  A.  W.  Schlegel  kennen.  Von  München  her, 
wo  seine  Mutter  1808— 11  lebte,  blieb  ihm  das  excentrische  Gebahren  Bettina  Brentanos 
in  der  Erinnerung.  Mit  Tieck  besuchte  er  damals  oft  das  volkstümliche  Lipperl- 
Theater,  von  dem  Tieck  auch  im  .,Phantasus"  erzählt;  er  sah  hier  noch  den  letzten 
berühmten  Lipperl,  Franz  Schweiger  mit  seinem  unerschöpflichen  Humor.  Nach 
Bernhardis  Erzählung  spielte  man  daselbst  immer  den  ganzen  Tag  hindurch  das 
nämliche  Stück,  tags  über  in  einem  einaktigen  Auszug,  am  Abend  zur  eigentlichen 
Hauptvorstellung  vollständig  in  drei  Akten.  Das  beste  damalige  Stück  der  Komödianten- 
gesellschaft erinnerte  stofflich  in  seltsamer  Weise  an  „Macbeth".  Dann  machte  die 
vornehme  Erscheinung  F.  H.  Jacobis  tiefen  Eindruck  auf  den  Knaben.  Traulich 
verkehrte  er  namentlich  im  Hause  Schellings,  der  dem  aufmerksam  Zuhörenden  gern 
allerlei  Wunderabenteuer  aus  „Schelmuffski"  und  „Münchhausen"  aufband.  All- 
mählich begann  Bernhardi  wahllos  alles  zu  lesen,  was  ihm  von  W^erken  der  Romantik 
in  die  Hand  kam,  darunter  die  Dichtungen  seines  Oheims,  den  Shakespeare,  die 
„Nibelungen",  das  „Heldenbuch"  und  andere  mittelalterliche  Epen,  den  „Don 
Quixote".  Noch  vertrauter  wurde  er  mit  den  Theorien  der  Romantiker  während 
der  folgenden  Jahre,  die  er  in  Esthland,  in  der  Heimat  seines  Stiefvaters,  verbrachte. 
Gegen  die  Einseitigkeit  dieser  Theorien,  die  Schiller  überhaupt  nicht  als  Dichter, 
Goethe  fast  nur  in  seinen  Jugend  werken,  die  W^erke  dieser  beiden  sowie  ihrer  Vor- 
gänger überhaupt  aber  noch  nicht  selbst  als  Litteratur,  sondern  nur  als  Anfang  und 
Vorbereitung  einer  künftigen  Litteratur  gelten  Hessen,  regte  sich  aber  bald  der 
Widerspruch  des  Jünglings,  zumal  da  seine  Mutter,  noch  exklusiver  als  die  meisten 
Romantiker,  auch  von  Fouque  und  Friedrich  Schlegel  nichts  wissen  wollte  und  selbst 
an  den  Werken  ihres  Bruders  Tieck  vieles  tadelte.  Aber  auf  die  Dauer  fühlte  sich 
der  an  historische  Kritik  noch  nicht  gewöhnte  Bernhardi  auch  durch  Dante  und  die 
Wilkinasaga,  die  ihm  alle  priesen,  nicht  entzückt.  1820  bezog  er  die  Universität 
Heidelberg,  wo  er  namentlich  Schlosser  und  Creuzer  hörte.  Auf  kleinen  Reisen  be- 
suchte er  nun  A.  W  Schlegel,  1823  in  Teplitz  Tieck,  der  ihn  schon  wegen  seiner 
Bewunderung  von  Walter  Scott  unfreundlich  aufnahm,  und  wenige  Tage  darauf 
Goethe  in  Marienbad,  wo  ihm  ein  herzlicher  Empfang  zu  teil  ward.  Die  späteren 
Abschnitte  des  ersten  Bandes  seiner  Lebensgeschichte,  der  bis  1834  reicht,  enthalten 
nichts  litterargeschichtlich  Bemerkenswertes  mehr.  —  Den  geringsten  Ertrag  für  die 
Litteraturgeschichte  ergeben  diesmal  die  Memoiren,  Tagebücher  und  Briefe  von 
Kriegsmännern.  Charakteristische  preussische  Kriegslieder  volkstümlicher  Art  voll 
Begeisterung  für  Friedrich  H.  enthält  das  von  Kerler  herausgegebene  Tagebuch 
eines  preussischen  Musketiers  aus  dem  siebenjährigen  Kriege,  wie  B  a  u  e  r  ^^)  in  einer 
Besprechung  des  älteren  Buches  auseinandersetzt.*^ '^^^  —  Unter  den  späteren  Werken 
dieser  Klasse  verdienen  die  von  Duhr^*)  veröffentlichten  Briefe  des  Feldmarschalls 
Radetzky  an  seine  Tochter  aus  den  J.  1847 — 57  rühmlich  hervorgehoben  zu  werden, 
in  denen  sich  das  im  Grunde  weiche  und  innige,  gottergebene  Gemüt  des  alten 
Kriegshelden  schön  offenbart s^"^^);  desgleichen  die  Briefe  des  Generals  Julius  von 
Hartmann^'')  aus  den  J.  1870  und  1871,  die  seine  Witwe  nunmehr  herausgegeben 
hat:  mitten  im  Verlauf  der  grossen  Ereignisse  unserer  jüngsten  Geschichte  ge- 
schrieben, stellen  sie  diese  klar  und  lebendig,  einfach  und  mit  ergreifender  Wärme 
(ja^j.  58-63^  —  Auch  die  Selbstbiographie  des  dichterisch  thätigen  Dagobert  von  Ger- 


mir  nicht  zugänglich. 1  —  48)  Karl  Bauer,  Ans  d.  siebenj.  Kriege.  Tagebuch  d.  preuss.  Musketiers  Dominikus.  Nebst 
nngedr.  Kriegs-  u.  Sold.itenliedern.  Her.  v.  D.  Kerler  (vgl.  ,IBL.  1891  IV  1:80):  ZDKG.  3,  S.  128-32.  —  49)  O  X  B"on 
Trenck,  Menioirs  written  by  hiraself.  London,  Biiutledge.  Sh.  6.  -  50)  X  A..  Haag,  Erinnerungen  d  Obersten  Johannes 
Landolt  v.  Zürich  ans  d.  J.  1307-15,  nach  seinem  Tagebuch  her.  1.  T.:  1807-10  (span.  Feldzug).  Mit  5  Abbild.:  ZürcherTb.  16, 
S.  133-258.  —  51)  X  Ed.  Schulte,  D.  Denkwürdigkeiten  d.  Obersten  Landraann:  VossZgB.  N.  401.  (Vor  etwa  40  J.  bereits 
englisch  erschienen,  behandeln  besonders  d  Teilnahme  d.  engl.  Obersts  Landmann  am  span.  Befreiungskrieg  seit  1806.)  — 
52)  X  F.  Meinecke,  0.  Redlich,  Tagebuch  des  Lieutenants  Anton  Vossen,  vornehml.  über  d.  Krieg  t.  1812.  Marburg, 
Elwert.  1891.  VIII,  20  S.  M.  0,30:  DLZ.  S.  370.  —  53)  X  A.  Wetzel,  Erinnerungen  d.  Generalmajors  L.  N.  H.  v.  Bach- 
wald an  seine  Kommandantschaft  zu  Altona  im  Dec.  1813:  ZSchlH  23,  S  121-208.  —  54)  B.  Duhr,  Briefe  d.  Feldmarsehalls 
Riidetzky  an  seine  Tochter  Friederike  1847-57.  Aus  d.  Arch.  d.  freiherrl.  Familie  Walterskirchen.  Festschrift  d.  Leo-Ges. 
z.  Enthüllung  d.  Radetzkydenkmals  in  Wien.  Mit  1  Portr.  u.  mehreren  Facs.  Wien,  Roller.  1892.  194  8.  M.  4,00. 
||M  :  HJb.  1.3,  S.  638;  Kath.  72',  S.  479;  LCBl.  1892,  S.  1117.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  Ib:  106.)  —  55)  X  Denkwürdigkeiten 
aus  d.  Leben  L.  v.  Gerlachs,  Generals  d.  Infanterie  u.  Generaladjntanten  König  Friedrich  Wilhelms  IV.  Nach  seinen  Auf- 
zeichnungen her  V.  seiner  Tochter.  Bd.  2.  B.,  Hertz.  1892.  788  S.  M.  11,00.  (Umfasst  d.  J.  1853-61;  über  Ton  u.  Tendenz 
vgl.  JBL.  1891  IV  1:168.  Enthält  nichts  v.  Bedeutung  für  d.  dtsch.  Litt.-Gesch.  im  engeren  Sinne.)  -  56)  X  L.  Riedt, 
Heiteres  u  Ernstes  im  Krieg  u.  Frieden  ans  meinem  Soldatenleben.  3.  Aufl.  Mit  1  Bild.  Saulgau,  Kitz.  317  S.  M.  1,00. 
(Behandelt  d.  J.  1848-71;  mehrere  patriot.-militär.  Gedichte  d.  Vf.,  ohne  künstlerischen  Wert,  sind  in  d.  Erzählung  ein- 
geflochten.) —  57)  Jul.  General  v.  Hartmann,  Briefe  Cd.  Führers  d  I.  Kavallerie-Div.)  aus  d.  dtsch. -franz.  Kriege  1870-71. 
(An  seine  Gattin.)  Kassel,  Freyschmidt.  III,  VI,  180  S.  M.  3,50.  -  58)  X  Karl  Richter,  Kriegstagebuch  e.  Sanitäts- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (4)4 


IV  lc:59-65  F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893. 

hardt^*)  mag-  hierher  gerechnet  werden,  ein  Buch,  dem  es  an  einem  bedeutenden 
Inhalt  ebenso  wie  an  einer  interessanten  Autorenphysiognomie  fehlt.  Anschauliche 
Bilder  zeichnet  der  1813  zu  Lieg-nitz  geborene  Vf.  von  den  Schicksalen  seiner  Familie 
in  der  Franzosenzeit;  dagegen  schildert  er  seine  eigenen  kleinen  Schulerlebnisse  er- 
müdend breit.  Sein  späterer  Schriftstellername  Gerhard  von  Amyntor  stammt  in 
seiner  zweiten  Hälfte  aus  dieser  Zeit:  ein  Lehrer  in  Prima,  der  alle  Schüler  seiner 
Klasse  mit  antikisierenden  Namen  zu  begaben  pflegte,  nannte  Gerhardt  wegen  der 
glücklich  durchgeführten  Verteidigung  eines  schwierigen  Themas  Amyntor,  den  Ver- 
fechter. 1849  absolvierte  dieser  das  Gymnasium,  vertauschte  in  Breslau  bald  das 
Universitätsstudium  mit  dem  Militärstand,  ohne  die  Beziehungen  zur  Hochschule 
ganz  aufzugeben,  wurde  1850  Offizier  und  zwar  in  dem  Regimente,  das  hernach  ein  Jahr 
lang  der  spätere  Kronprinz  Friedrich  Wilhelm  kommandierte.  Gerhardt  erfreute 
sich  der  persönlichen  Gunst  des  Prinzen;  so  sind  von  ihm  wie  von  dem  General 
Moltke  einzelne  hübsche  Züge  der  Darstellung  eingewoben.  Von  künstlerischen 
Persönlichkeiten  trat  Gerhardt  dem  Komponisten  Adolf  Henselt  und  später  in  Minden 
der  Schriftstellerin  Elise  Polko  näher,  deren  liebenswürdiges  Wesen  und  musikalische 
Talente  er  in  seiner  Autobiographie  dankbar  preist.  Die  Bekanntschaft  mit  Henselt 
wurde  der  Anlass  zu  seiner  Novelle  „Frühlingstage  bei  Adolf  Henselt".  Kurz 
bespricht  der  Vf.  seine  ersten  politisch-militärischen  Schriften,  viel  ausführlicher  die 
verschiedenen  Garnisonen,  in  denen  er  stand,  seine  Erlebnisse  daselbst,  seine  Ver- 
lobung mit  Gertraud,  der  Tochter  des  Generals  von  Natzmer,  und  den  Feldzug  von 
1864,  in  dem  er  bei  den  Düppler  Schanzen  schwer  verwundet  wurde.  Auch  mehrere 
mittelmässige  Gelegenheitsgedichte  sind  im  Rahmen  der  Erzählung  mitgeteilt.  — 

Den  Reigen  der  Dichter  und  Dichterinnen  im  engeren  und  der  poetisch 
thätigen  Schriftsteller  im  weiteren  Sinne  eröffnet  in  diesem  Zusammenhange  der 
Anakreontiker  Johann  Nikolaus  Götz,  aus  dessen  Freundeskorrespondenz 
Schüddekopf^^)  eine  Anzahl  von  Briefen  ungemein  sorgfältig  mit  guten  An- 
merkungen und  einer  aufschlussreichen  Vorrede  über  das  freundschaftliche  Verhältnis 
zwischen  Götz,  Uz,  Gleim  und  Ramler  herausgegeben  hat.  Von  den  28  teilweise 
sehr  ausführlichen  Briefen  sind  zwei  an  Uz,  einer  an  den  Buchhändler  und  Schrift- 
steller Chr.  Friedr.  Schwan  in  Mannheim,  einer  an  Knebel  gerichtet;  die  übrigen  ge- 
hören dem  Briefwechsel  Götzens  mit  Gleim  und  Ramler  an.  Dazu  kommen  noch 
6  Briefe  aus  der  Korrespondenz  der  beiden  letzteren  mit  Götzens  Sohne,  von  denen 
Seh.  einige  nur  im  Auszug  mitteilt.  Die  Briefe  bereichern  unsere  Kenntnis  vom 
Leben  und  vom  Dichten  Götzens  und  gewähren  uns  namentlich  einen  schätzens- 
werten Einblick  in  die  persönlichen  Beziehungen  der  Anakreontiker  zu  einander. 
Von  welchen  Kleinlichkeiten  hing  bei  diesen  Sängern  der  Freundschaft  und  der 
Liebe  der  Fortbestand  oder  die  Lösung  ihrer  Freundschaftsbündnisse  im  Leben  ab, 
welche  Komplimente  häuften  sie  im  Umgang  mit  einander,  hinter  welche  Weihrauch- 
wolken von  übertriebenem  Lob  bargen  sie  schüchtern  den  kleinsten  Tadel  an  einer 
Dichtung  ihrer  Genossen,  wie  erschwerten  sie  sich  durch  das  alles  den  Verkehr  und 
machten  wahre  Aufrichtigkeit  unter  sich  zu  einem  Ding  der  Unmöglichkeit!  Ramlers 
Gedichten,  auch  seinen  unbefugten  Aenderungen  an  fremdem  Gute  spendet  Götz 
durchaus  Beifall,  und  zwar  aus  voller  Ueberzeugung ;  gegen  Gleims  Poesie  scheint 
er  dagegen  einige  Bedenken  zu  haben,  die  er  aber  nicht  recht  offen  auszusprechen 
wagt.  Unumwundener  äussert  er  sich  über  seine  amtlichen  Verhältnisse  und  per- 
sönlichen Wünsche,  die  trotz  aller  Anerkennung,  die  er  in  Winterburg  findet,  mehr 
auf  eine  Stellung  in  oder  bei  Berlin  abzielen.  Freilich  bleiben  diese  Wünsche,  die 
auch  Gleim  teilt,  erfolglos.  Die  litterarischen  Ereignisse  der  Zeit  werden  im  Brief- 
wechsel der  Freunde  mit  lebhaftem  Interesse  verfolgt;  der  deutsche  Anakreon, 
Bodmers  „Erzählungen"  von  1747,  Gessners  Idyllen,  Lessings  „Kleinigkeiten"  und 
„Miss  Sara  Sampson",  Wielands  „Erzählungen"  von  1752,  die  Gleim  zuerst  für  ein 
Werk  von  Götz  hielt,  Klopstocks  Dichtungen  und  der  Kampf  zwischen  seinen  An- 
hängern und  der  Gottschedschen  Partei,  Moses  Mendelssohns  Anfänge,  die  litterarischen 
Strömungen  am  Hofe  Friedrichs  IL  und  mehrere  ähnliche  Themata  werden  erörtert. 

Offiziers  beim  Stabe  d.  Generalkommandos  des  X.  Armeecorps  aas  d.  J.  1870-71.  Rathenow,  Babenzien.  1892.  VII,  378  S. 
M.  5,00.  ([F.  Bienemann:  BLU.  S.  149.] |  —  59)  X  Th.  Bracht,  Ernstes  u.  Heiteres  aus  d.  Kriegsj.  1870-71.  Erlebnisse 
e.  Studenten  u.  Einjährigen  d.  kgl.  sächs.  8.  Infanteriereg.  N.  107,  naraentl.  während  d.  Belagerung  y.  Paris.  Im  besondern 
für  d.  Jagend  unserer  höheren  Lehranst.  erzählt.  Halle  a.  S.,  Waisenhaus.  1892.  VII,  2.39  S.  M.  2,40.  |[F.  Bieneraann: 
BLU.  S.  149.11  —  60)  X  L.  Halevy,  D.  Feind  im  Land.  Erinnerungen  aus  d.  Kriege  1870-71.  Nach  d.  Tagebuche  e.  Fran- 
zosen her.  Dtsch.  autoris.  Uebers.  v.  H.  Altena.  2.  Aufl.  Brannschweig,  Salle.  1892.  IV,  124  S.  M.  1,50.  |[F.  Biene- 
mann: BLU.  S.  150.JI  —  61)  X  ^-  Sarcey,  D.  Belagerung  v.  Paris.  Eindrücke  u.  Erinnerungen.  Aus  d.  Franz. 
Obers,  v.  A.  Tuhten.  (=  ÜB.  N.  3118-20.)  L.,  Reclam.  320  S.  M.  0,60.  —  62)  X  K-  Graf  v.  Pfeil,  Erlebnisse 
e.  preuss.  Offiziers  in  russ.  Diensten  während  d.  törk.  Krieges  1877-78.  4.  Aufl.  Mit  e.  Skizze,  ß.,  Mittler  &  Sohn. 
1892.  YII,  234  S.  M.  4,50.  |[LCB1.  S.  1263.] |  —  63)  O  XEmil  Schultz,  Erlebnisse  e.  dtsch.  Deserteurs,  angeworben  in 
Frankreich  bei  d.  Fremdenlegion,  nebst  e.  Bearbeit.  d.  Krieges  zwischen  Frankreich  u.  China  v.  1893-85.  Mannheim  (St., 
J.  B.  Metzler).  12".  52  S.  M.  0,50.  —  64)  D.  v.  Gerhardt  (Gerhard  v.  Amyntor),  D.  Skizzenbuch  meines  Lebens.  1.  T. 
Mit   Bild.    Breslau,    Scbles.  Verlagsanst.    806  S.     M.  4,00.     |[N&8.  67,   S.  414;    ThLBl.  14,   S.  242.]|    -    65)   (IV  la:30.)    - 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892,  1893.  IVlc:66 

Von  litterarischen  Neuig-keiten  berichtet  Gleim  am  6.  Februar  1764  auch  eine  für 
die  moderne  Forschung-,  indem  er  erzählt,  dass  Klopstock  damals  ausser  seinem 
„Salomo"  auch  schon  den  „David"  und  ein  weiteres,  uns  g-anz  unbekanntes,  wohl 
auch  biblisches  Trauerspiel  „Der  König"  so  gut  wie  fertig  hatte.  Die  letzten  Briefe 
behandeln  hauptsächlich  die  Herausgabe  der  sämtlichen  Gedichte  von  Götz  durch 
Ramler.  — 

Ein  ungleich  bewegteres  Leben  lernen  wir  in  den  Denkwürdigkeiten 
Heinrich  Gottfried  von  Bretschneiders  kennen,  die  hinger^^)  aus  den 
seit  1783  verfassten,  bereits  1816  und  1818  von  Meusel  gedruckten  autobiographischen 
Fragmenten  des  vielgewanderten  Satirikers,  aus  seinen  Briefen  an  Nicolai  und 
anderen  Dokumenten  zusammengestellt  hat.  Die  eigene  Dai'stellung  Bretschneiders 
umfasst  seine  Jugendgeschichte  von  1739—57,  also  besonders  seine  Schuljahre  im 
Herrenhuter  Erziehungshaus  zu  Ebersdorf  und  im  Gymnasium  seiner  Vaterstadt 
Gera,  dann  seine  Kriegsjahre  (seit  1753)  bald  in  sächsischem,  bald  in  preussischem 
Dienst  —  auch  in  französische  Gefangenschaft  kam  er  während  des  siebenjährigen 
Krieges.  Hernach  lebte  er  mehrere  Jahre  in  Frankfurt  a.  M.  und  Wetzlar,  wurde 
1767  Landeshauptmann  zu  Idstein  im  Nassauschen,  1769  Major,  trat  mit  Nicolai  in 
Verkehr  und  war  nun  auch  schriftstellerisch  thätig.  1771  gab  er  seine  Stellung 
auf,  und  da  sich  zunächst  keine  bessere  für  ihn  fand,  versuchte  er  sein  Glück 
auf  einer  ziemlich  abenteuerlichen  Reise  durch  England  und  Nordfrankreich,  oft  in 
arger  Bedrängnis,  bis  er  endlich  in  Paris  im  Chiffern kabinet  des  Ministeriums  mit 
einem  "reichlichen  Gehalt  angestellt,  auch  bisweilen  mit  diplomatischen'  Sendungen 
betraut  wurde.  Hier  liegt  wieder  die  eigene  Darstellung  Bretschneiders  im  Tagebuch 
dieser  Reise  vor.  Im  französischen  Auftrag  kam  er  1772  nach  Berlin,  wo  er  Lessing, 
den  er  von  früher  her  kannte,  wieder  sah  und  im  Montagsklub  neben  Nicolai  nun  auch 
Mendelssohn,  Ramler  und  andere  Aufklärer  kennen  lernte.  Nach  dem  Tode  Ludwigs  XV. 
trat  er  1774  in  österreichische  Dienste,  wurde  nach  vorübergehender  Beschäftigung 
in  Koblenz,  wo  er  zum  Kreise  der  Frau  von  La  Roche  gehörte,  1776  Vicekreis- 
hauptmann  zu  Werschnetz  im  Temesvarer  Banat,  dann  Universitätsbibliothekar  in 
Ofen,  endlich  Professor  und  Bibliothekar  an  der  neu  errichteten  Hochschule  zu  Ijemberg, 
1801  mit  dem  Hofratsrang  auf  sein  Ansuchen  pensioniert,  worauf  er  nach  Wien  über- 
siedelte. 1810  starb  der  Einundsiebzigjährige  infolge  eines  Schlaganfalls  zu  Kfimitz 
bei  Pilsen.  Seine  Briefe  aus  der  österreichischen  Periode  seines  Lebens  berichten 
zuerst  u.  a.  von  der  Verachtung,  in  die  Riedel  schon  damals  in  Wien  gesunken  war, 
von  seinem  eigenen  Verhältnis  zum  „Werther"  und  seiner  Bänkelsängerei  über  Goethes 
Roman;  auch  später  enthalten  sie  einige  litterarische  Andeutungen,  so  1792  über 
Bretschneiders  Roman  „Georg  Wallers  Leben  und  Sitten".  Vor  allem  erzählen  sie 
manche  charakteristische  Einzelzüge  von  Joseph  IL,  der  an  Bretschneiders  Umgang 
Gefallen  fand,  und  klagen  heftig  über  die  Ränke,  mit  denen  die  Jesuiten  den  Vf. 
verfolgten.  Da  er  1781  Nicolais  Führer  in  Wien  war,  machte  man  für  dessen  ab- 
sprechende Urteile  in  seiner  Reisebeschreibung  auch  ihn  —  und  vielleicht  nicht 
ganz  mit  Unrecht  —  verantwortlich,  und  selbst  bei  massgebenden  Persönlichkeiten 
am  Hofe  galt  er  als  geheimer  Preussen freund,  ja  als  Arbeiter  im  Dienste  Preussens. 
Uebrigens  schildert  Bretschneider  trotz  seiner  leidenschaftlichen  Zuneigung  zur  Auf- 
klärung doch  einige  Führer  dieser  Richtung  in  Oesterreich  nicht  eben  mit  den 
freundlichsten  Farben.  Man  rühmte  den  erfahrenen,  durch  Sprachenkenntnis  und 
praktischen  Weltsinn  ausgezeichneten  Mann  wegen  seiner  rücksichtslosen  Wahrheits- 
liebe und  seiner  Wohlthätigkeit  gegen  Arme  und  Bedrückte.  In  seinen  Denk- 
würdigkeiten zeigt  er  eine  nichts  weniger  als  sympathische  Persönlichkeit.  Nüchtern 
und  herzlos-roh  behandelt  er  öfters  zärtliche  Herzensangelegenheiten ;  Freude  am 
Frivolen  und  am  Skandal  ist  ihm  kaum  abzusprechen.  Eine  gewisse  Wärme  und  echte 
Verehrung  bekundet  er  fast  nur,  wenn  er  von  Friedrich  IL,  und  noch  mehr,  wenn 
er  von  Joseph  IL  redet.  Auf  Grund  der  Angaben  Meusels  fügt  L.  den  Denk- 
würdigkeiten ein  Verzeichnis  der  Schriften  Bretschneiders  mit  kurzer  Beurteilung 
des  Einzelnen  bei.  — 

Aus  dem  Lager  der  Aufklärer  in  das  der  Stürmer  und  Dränger  hinüber 
leitet  der  Briefwechsel  Johann  Georg  Schlossers  mit  Lavater  aus  den  J.  1771  und 
1772.  Auszüge  aus  diesen  Briefen  hat  schon  1879  Ludw.  Hirzel  („Im  neuen  Reich" 
1879,  1,  S.  273—85)  bekannt  gemacht  und  dabei  die  litterargeschichtlich  bedeutendsten 
Bemerkungen  Schlossers  über  seine  Liebe  zu  Goethes  Schwester,  über  seine  Mit- 
arbeiterschaft an  den  „Frankfurter  gelehrten  Anzeigen"  und  über  den  von  Lavater 
der  Unmenschlichkeit  und  Unbrüderlichkeit  beschuldigten  Ton  der  Recensionen 
daselbst,    über  Wieland    und    seinen  „Goldnen  Spiegel",    über   den   Patriotismus   in 


66)  K.  F.  Linger,    Denkwürdigkeiten   ans    d.  Leben   d.  k.  k.  Hofrates  H.  6.  v.  Bretschneider.    1739-1810.    Mit  Benütz,  sehr 
selten    gewordener   Quellen    x.    erstenmale   vollst,   her.    Wien   n.  L.,    Eisenstein  &  Co.    1892.    VIII,   376  S.     M.  6,00.    |[rt,: 

(4)4* 


IV  lc:67-70  F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893. 

Lavaters  „Schweizerliedern"  abgedruckt.  Dennoch  ist  die  vollständige  Herausgabe 
dieser  Briefe  durch  Keller^'')  erwünscht;  sie  liefern  besonders  zur  Kenntnis  der 
religiösen  Entwicklung  im  vorigen  Jh.  manchen  brauchbaren  Beitrag.  Schlosser, 
dessen  Briefe  ungleich  zahlreicher  sind,  äussert  gelegentlich  der  „Aussichten  in  die 
Ewigkeit"  Bedenken  gegen  Lavaters  Vorstellungen  von  der  Beschaffenheit  der 
Seelen  im  Jenseits,  beleuchtet  allerlei  theologische  und  pädagogische  Fragen,  spricht 
sich  zornig  über  Goeze  aus,  dessen  „Ernstliche  Betrachtungen  über  das  Leben  Jesu 
auf  Erden"  er,  nach  diesen  Briefen  zu  schliessen,  in  den  „Frankfurter  gelehrten  An- 
zeigen" recensiert  zu  haben  scheint,  und  beurteilt  namentlich  Lavaters  Predigten. 
Ueber  den  Inhalt  sagt  er  weniger,  da  er  sich  bei  seiner  im  Grunde  rationalistischen 
Richtung  hier  von  vornherein  im  Gegensatz  zu  Lavater  weiss;  desto  gewissenhafter 
prüft  er  die  Sprache  des  Freundes  auf  schweizerische  Ausdrücke,  kleine  Nach- 
lässigkeiten in  Konstruktion  und  Rechtschreibung.  Seine  meisten  derartigen  Be- 
merkungen sind  berechtigt;  auch  nahm  Lavater  in  der  Hauptsache  Schlossers 
Korrekturen  an.  Freilich  bekrittelte  aber  dieser  auch  einzelne  Wörter,  die  sich  seit- 
dem bei  uns  völlig  eingebürgert  haben,  und  nahm  selbst  an  poetisch  bildlichen  Aus- 
drücken, die  unmittelbar  aus  der  Bibel  stammten,  allzu  nüchtern  Anstoss.  Inhalts- 
reiche Anmerkungen  des  Herausgebers,  der  sich  nur  hie  und  da  auf  einen  ein- 
seitig schweizerischen  Standpunkt  stellt,  weisen  dabei  auf  den  modernen  wie  auf  den 
damaligen  Sprachgebrauch  (bei  Frisch,  Gottsched,  Adelung,  Bodmer,  Goethe,  Schiller) 
hin.  Auch  dem  Dichter  Lavater  giebt  Schlosser  bisweilen  einen  beherzigenswerten 
Wink,  den  dieser  freilich  nicht  immer  gebührend  beobachtet.  So  rät  er  ihm,  die 
„Aussichten  in  die  Ewigkeit"  in  Blankverse  umzuschreiben,  dringt  jedoch  mit  seinem 
Vorschlag  nicht  durch,  da  Lavater  gegen  den  Jambus  ähnliche  Bedenken  hegte  wie 
Klopstock.  Ebenso  macht  Schlosser  an  dem  Anfang  eines  hexametrischen  Gedichts 
„Der  Mensch",  das  ihm  der  Züricher  Freund  mitteilt,  offenherzig  allerlei  Aus- 
stellungen, so  dass  Lavater  sich  hier  wirklich  zu  einer  Umschmelzung  der  ungelenken 
Verse  in  Jamben  herbeilässt.  — 

Aus  dem  Stolbergisch-Vossischen  Kreise  brachte  schon  das  J.  1891 
eine  bedeutsame  Veröffentlichung,  die  noch  mannigfache  Besprechung  fand^^);  neu 
gesellten  sich  dazu  Briefe  des  Schulmanns  und  Litterarhistorikers  B.  R.  Abeken  an 
Heinrich  Voss,  von  1800—22  reichend,  mit  Weglassung  alles  eigentlich  philologischen 
Materials  sowie  der  für  das  Publikum  gleichgültigeren  P^amiliennachrichten  von 
Heuermann öö)  gut  herausgegeben.  Abeken  strömt  vor  dem  Freunde  seine  Be- 
geisterung über  Goethes  und  Schillers  neue  Dichtungen  aus,  über  die  Dramen  vom 
„Wallenstein"  bis  zum  „Teil",  ebenso  über  „Iphigenie",  die  zu  seinem  Aerger  1802 
in  Berlin  vor  leerem  Hause  gespielt  und  von  Garlieb  Merkel  boshaft-dumm  kritisiert 
wurde,  über  „Egmont"  mit  der  Musik  Beethovens,  deren  Meisterschaft  er  alsbald 
erkannte,  über  die  „Natürliche  Tochter",  den  Musenalmanach  von  Goethe  und  Wie- 
land, die  „Wahlverwandtschaften",  über  die  Abeken  auch  einen  von  Goethe  beifällig 
aufgenommenen  Aufsatz  im  „Morgen blatt"  veröffentlichte,  über  „Dichtung  und 
Wahrheit"  und  andere  Arbeiten  Goethes.  Seine  Bewunderung  des  Dichters  steigt 
noch,  als  er  1808  Hauslehrer  der  Kinder  Schillers  wird;  voll  Verehrung  für  Schillers 
Witwe,  voll  inniger  Liebe  zu  seinen  Zöglingen,  schwelgt  er  nun  in  dem  Kreise,  in 
dem  Heinrich  Voss  vorher  geweilt  hatte,  immer  aufs  neue  von  der  persönlichen 
Liebenswürdigkeit  Goethes  entzückt,  von  seiner  menschlichen  Vortrefflichkeit  hin- 
gerissen. Neben  seinen  und  Schillers  Werken  vermochten  Tiecks  formlose  Dramen 
und  Matthissons  empfindsame  Briefe  ihn  nicht  zu  erwärmen.  Tieferen  Eindruck 
machten  wieder  Oehlenschlägers  Dichtungen,  ebenso  Moritz  Reise  durch  Italien  und 
Johannes  von  Müllers  Geschichtswerke  auf  ihn.  Unendlich  schätzt  er  das  Nibelungen- 
lied, das  er  1807  kennen  lernte,  wohl  durch  den  von  ihm  sehr  gerühmten  von  der 
Hagen  darauf  hingeleitet.  Auch  die  Uebersetzungslitteratur  von  der  Vossischen 
Odyssee  an  wird  vielfach  erwähnt:  vornehmlich  der  Aeschylus  von  Heinrich  Voss 
und  die  Dramen  Shakespeares,  an  denen  der  Freund  sich  versuchte,  „Othello"  an 
ihrer  Spitze,  Solgers  Sophokles,  Baudissins  Verdeutschungen  aus  Shakespeare, 
Calderon  in  der  üebertragung  von  Gries  und  in  der  des  Freiherrn  von  der  Malsburg. 
Seit  1814  treten  neben  den  ästhetischen  Interessen  auch  die  patriotisch-politischen 
in  Abekens  Briefen  stärker  hervor;  Sands  blutige  That  regt  ihn  1819  tief  schmerzlich 
auf.  Aus  allen  Briefen  spricht  ein  warmer,  begeisterungsfreudiger  Sinn,  den  nur 
das  Grosse  und  Schöne,  dieses  aber  auch  unwandelbar,  zu  fesseln  vermag.  — 

Von  den  Klassikern  hinüber  zur  romantischen  Schule  führen  Hahns''^) 


AZgB.  1892,  N.  226.]|  (Tgl.  JBL.  1892  IV  5  :  237;  inzwischen  in  Wien  beschlagnahmt.)  -  67)  J.  Keller,  D.  Schlosser- 
Lavatersche  Korrespondenz  aus  d.  J.  1771  u.  72:  ZOrcherTb.  16,  S.  1-74.  —  68)  0.  Hellinghaus,  Briefe  Fr.  Leop.  Grafen 
zu  Stolbergs  n.  d.  Seinigen  an  J.  H.  Voss  (vgl.  JBL.  1891  IV  1:233).  |[J.  Heuwes:  Gymn.  11,  S  207;  A.  Sauer:  DLZ. 
S.  619-20;  J.  Seeber:  ÖLBl.  1,  S.  93/4;  LKs.  18,  S.  181;  ECr.  33,  S.  473:  AZgB.  1892,  8.  Jan.;  H.:  NatZg.  1892,  N.  164.]|  — 
69)  (IV  la:31.)  -  70)  H.  Hahn,  Aue  d.  Naohlass  v.  Henrfette  Herz:  N&S.  63,  S.  68-74.     |[G.  Karpeles:  FZg.  1892,  N.  292 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./ 19.  Jh.  1892, 1893.  IV  Ic: 71-74 

Veröffentlichung'en  aus  dem  Nachlass  von  Henriette  Herz.  Ausser  einem  noch  recht 
altmodischen  Gelegenheitsg-edichte  von  Gumperz  zur  Hochzeit  Henriettens  (1.  Dec.  1779) 
teilt  er  einige  Briefe  von  Markus  Herz,  dann  psychologisch  interessante  Tagebuch- 
blätter Henriettens  aus  dem  Febr.  1820  und  namentlich  Briefe  Schleiermachers  und 
A.  von  Humboldts  an  Henriette  mit.  In  rückhaltloser  Herzlichkeit  berichtet  Schleier- 
macher 1817,  kurz  nach  dem  heimlichen  Uebertritt  der  Fremidin  zum  Christentum, 
über  alle  möglichen  Dinge  in  seiner  Familie,  in  seinem  privaten  und  öffentlichen 
Leben,  trägt  der  nach  dem  Süden  Reisenden  Grüsse  an  „Väterchen  Jacobi"  auf, 
versichert  ihr  vorläufige  Geheimhaltung  ihrer  Taufe  und  schreibt  so,  selbst  in 
unruhiger  Stimmung,  das  Verschiedenste  durch  einander.  Humboldts  Briefe  sind 
formal  viel  künstlerischer  abgerundet,  teils  humoristisch-satirisch  plaudernd,  teils 
phantastisch  schwärmend,  wie  die  beiden  ersten  langen  Episteln  aus  seiner  Jugend 
von  1788  und  96,  teils  besonnen  und  klar  in  knapper  Weise  Aufschluss  gebend,  wie 
die  vier  folg'enden  Briefe  aus  den  J.  1806 — 45;  alle  aber  zeugen  von  wahrer 
Anhänglichkeit  und  inniger  Verehrung  für  die  Jugendfreundin,  der  noch  in  ihrem 
späten  Greisenalter  Humboldts  Fürsprache  eine  Unterstützung  von  Seiten  Friedrich^ 
Wilhelms  IV.  in  zartester  Form  verschaffte.'' ^"''2)  — 

Eine  sehr  erfreuliche  Gabe  ist  der  Neudruck  des  autobiographischen  Meister- 
stücks von  Julius  Mosen,  seiner  1848  verfassten,  1863  veröffentlichten  „Er- 
innerungen", durch  Zschommler''^),  der  die  Hs.  neu  verglichen  und  nach  ihr  den 
Text  in  Kleinigkeiten  verbessert  hat.  Daran  schliessen  sich  ergänzende  und  er- 
läuternde Beiträge  des  Herausgebers,  der  u.  a.  eine  kurze  Skizze  Mosens  zur  Fort- 
setzung seiner  „Erinnerungen"  mitteilt.  In  der  Hauptsache  sind  diese  Beiträge  nur 
eine  leichte  Umarbeitung  einer  älteren  Schrift  Z.s  über  Mosen  (vgl.  JBL.  1891  IV 
3  :  104;  1892  IV  2  :  310).  Neu  hinzugekommen  sind  ein  paar  Briefe  von  Mosen  und 
von  seinem  Vater,  die  meisten  an  sich  nicht  bedeutend,  aber  in  diesem  Zusammen- 
hang immer  erwünscht,  einzelne  Briefe  des  Sohnes  schon  recht  charakteristisch. 
Wichtiger  sind  einige  Briefe  Mosens  an  seine  Mutter;  darin  u.  a.  die  Nachricht, 
dass  er  mit  einem  Gedicht  zum  fünfzigjährigen  Regierungsjubiläum  Karl  Augusts 
den  Beifall  des  Grossherzogs  und  Goethes  geerntet,  auch  dafür  6  Louisdor  von 
Karl  August  erhalten  habe,  ferner  ein  Bericht  von  dem  Anfang  seiner  grossen 
italienischen  Reise  mit  Dr.  Kluge.  Mehr  Neues  von  Bedeutung  dürfen  wir  von  der 
Fortsetzung  der  Lebensgeschichte  Mosens  auf  Grund  seiner  Briefe  erwarten,  die  Z. 
in  Aussicht  stellt:  ein  Werk,  das  allen  Freunden  der  neueren  deutschen  Dichtung 
willkommen  sein  wird.  — 

Eine  wahre  Bereicherung  hat  unsere  Litteratur  durch  Theo  Schücking''^) 
erfahren,  der  den  bisher  der  Oeffentlichkeit  entzogenen  Briefwechsel  zwischen  Mosens 
um  wenige  Jahre  älterer  Zeitgenossin  Annette  von  Droste-Hülshoff  und  ihrem 
jüngeren  Freunde  Levin  Schücking  sorgfältig  herausgegeben  hat.  Vom  Sept. 
1840  bis  zum  Febr.  1846  währt  diese  Korrespondenz;  grossenteils  sind  es  Briefe 
Annettens  an  Schücking,  auch  ein  paar  Zettelchen  an  dessen  Frau  Luise  geb.  von 
Gall  nebst  ihren  Antworten.  Es  sind  richtige  Plauderbriefe,  ausserordentlich  an- 
mutig in  ihrer  Art,  ohne  jede  Sucht  nach  Geistreichtum,  vertraulich  mit  einer  ge- 
wissen wohlthuenden  Nachlässigkeit  niedergeschrieben,  voll  von  Scherzworten,  familiären 
Lieblingsausdrücken,  provinzialen  Redensarten,  Herzensergüsse  einer  hochbegabten 
Dichterin  voll  Phantasie,  lebendiger  Anschaulichkeit  und  Gemüt,  liebenswürdig  und 
erquickend  durch  und  durch,  auch  wo  nur  gleichgültigere  persönliche  Nachrichten 
mitgeteilt  werden.  Annette  tritt  persönlich  dem  Leser  dieser  Briefe  näher;  man  ge- 
winnt sie  lieb,  wenn  man  ihre  mütterliche  Teilnahme  und  innige  Liebe  zu  Schücking 
Schritt  für  Schritt  verfolgt,  wenn  man  all  die  übrigen  Zeichen  ihrer  Herzensgüte 
wahrnimmt,  wie  sie  etwa  durch  ihre  eigenen  Gedichte  der  armen,  nicht  immer  ge- 
rade liebenswürdigen  Schriftstellerin  Luise  von  Bornstedt  (dem  Urbild  der  Lucinde 
in  Gutzkows  „Zauberer  von  Rom")  uneigennützig  in  edelster  Weise  aufhelfen  wiU, 
wie  sie  gerne  für  Freiligrath  etwas  thun  möchte,  überhaupt  wie  sie,  die  selbst  nichts 
übrig  hat,  Wohlthaten  nach  allen  Seiten  spendet.  Dann  freut  man  sich  wieder  des 
spöttischen  Humors,  mit  dem  sie  sich  ärgerlich  und  doch  meist  recht  gutmütig  für 
die  wichtigthuerische,  schwerfällige  Umständlichkeit  ihres  Schwagers  Lassberg  rächt. 
Einmal  stellt  ihr  dieser  sogar  das  Ansinnen,  sie  solle  den  „Liedersaal"  ins  Neu- 
hochdeutsche übersetzen,  natürlich  unter  seinen  Augen,  so  dass  zugleich  für  die 
philologische  Richtigkeit  gesorgt  sei.    Auch  von  allerlei  buchhändlerischen  Geschäften 


(im  einzelnen  manches  ergänzend).]]  —  71)  X  Aus  d.  Leben  Philipp  Veits:  NorddAZgB.  n.  7.  ( Hauptsächlich  nach  Er- 
innerungen V.  Luise  Seidler  u.  Henriette  Herz;  nichts  nennenswertes  Neues.)  —  72)  X  J-  Kerner,  D.  Bilderbuch  aus  meiner 
Knabenzeit.  Erinnerungen  aus  d.  J.  1786-lö04.  Vollst.  Ausg.  Frankfurt  a.  0.,  H.  Andres  &  Co.  294  S.  M.  1,00.  —  73)  M. 
Zschomniler,  Erinnerungen  v.  Jul.  Mosen.  Fortgef.,  erläut.  u.  her.  Nebst  e.  Vorw.  t.  Reinhard  Mosen.  Plauen  i.V., 
Nenpert.  IV,  168  S.  M.  1,50.  —  74)  Theo  Schücking,  Briefe  v.  Annette  v.  Droste-Hülshoff  u.  L.  Schücking.  L.,  Grunow. 
XI,  362  S.    M.  4,00.    |[L.  Geiger:   NFPr.  11.  Not.;   ß.  Waiden:    Wiener  Abendpost  N.  294;   Geg.  44,   S.  416;   0.  Girndt: 


IV  lc:75-8i  F.  Munck er,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893. 

ist  die  Rede;  Schücking  vernnttelt  wiederholt  den  Druck  von  Gedichten  Annettes 
und  führt  zuletzt  die  Verhandlungen  über  eine  Gesamtausgabe  mit  dem  Cottaschen 
Verlage.  Ein  Charakterzug  der  Dichterin  ist  dabei  sehr  bedeutsam.  Schücking 
hatte  ihr  früher  bewunderungsvoll  versichert,  dass  sie  allein  unter  allen  Zeitgenossen 
noch  „eigentlich  klassisch  schreiben"  könne,  während  selbst  Freiligrath  und  Lenau 
hier  und  da  etwas  Mattes,  Gemachtes,  Dilettantenhaftes  aufwiesen ;  ihre  Poesie  allein 
mache,  wie  die  Shakespeares  oder  Walter  Scotts,  „den  Eindruck  des  Tiefen  und  Ge- 
diegenen, mit  wunderbarer  Intuition  auf  einem  fremden  Felde  Gepflückten".  Gleich- 
wohl hatte  er  wiederholt  eine  strengere  Feile  der  Form  verlangt,  und  in  gewissem 
Sinne  hatte  Annette  das  zugegeben,  und  wenn  sie  hoffte,  dass  sie  mit  einiger  Uebung 
bald  nach  ihrem  eigenen,  ihr  keineswegs  schmeichelnden  Geschmacke  den  Besten 
gleichstehen  werde,  hatte  sie  beigefügt,  Schücking  müsse  „zuweilen  per  Feder  nach- 
schieben". Jetzt  aber  bei  den  Verhandlungen  mit  Cotta  fordert  sie  (am  8.  Jan.  1844) 
sein  unverbrüchliches  Ehrenwort,  dass  er  an  ihrem  Ms.  auch  nicht  eine  Silbe  willkürlich 
ändern  wolle;  denn  in  diesem  Punkte  sei  sie  ungemein  empfindlich.  Dagegen 
^schlägt  sie  ihm  vor,  dass  er  die  ihm  bedenklich  scheinenden  Stellen  anzeigen  und 
nach  Gutdünken  unter  den  neuen  Lesarten,  die  sie  ihm  vorlegen  werde,  die  passendste 
für  den  Druck  wählen  solle.  Und  derartige  Auseinandersetzungen  über  verbesserungs- 
bedürftige Verse  sowie  mannigfache  Verbesserungsvorschläge  begegnen  denn  auch 
in  den  folgenden  Briefen.  (Vgl.  IV  2.)  — 

Wie  Annette  alle  deutschen  Dichterinnen  an  Bedeutung  weit  überragt,  so 
steht  auch  dieser  Briefwechsel  hoch  über  allem,  was  an  Memoiren  von  späteren 
deutschen  Schriftstellerinnen  erschienen  ist.  Thekla  von  Schober''^)  geb. 
von  Gumpert  hat  als  eine  Art  von  Fortsetzung  ihrer  autobiographischen  Darstellung 
„Unter  fünf  Königen  und  drei  Kaisern"  Autographen  bedeutender  Personen,  denen 
sie  in  ihrem  langen  Leben  näher  trat,  gesammelt  und  mit  kurzen  Schilderungen 
ihres  Verhältnisses  zu  den  Schreibern  derselben  begleitet.  Das  bescheiden  und  an- 
spruchslos dargebotene  Buch  berichtet  zunächst  über  die  Jugendjahre  der  1810  ge- 
borenen Vf.,  namentlich  über  ihren  intimen  Verkehr  mit  den  Mitgliedern  des 
fürstlich  Radziwillschen  Hauses.  Unter  den  Autographen  befinden  sich  mehrere 
Blätter  von  deutschen  Fürsten  und  Fürstinnen,  neben  ihnen  besonders  interessant  ein 
Brief  der  selbst  schriftstellernden  Fürstin  Agnes  von  Reuss  j.  L.,  die  sich  über 
einige  ihrer  eigenen  Versuche  gegen  Frau  von  Schober  1886  aussprach,  ebenso  ein 
Abschnitt  aus  einem  Gedichte  der  Prinzessin  Eleonore  vofi  Reuss.  Aus  der  littera- 
rischen Welt  ist  Alexander  von  Humboldt  vertreten,  der  schöne  Worte  aus  einem 
Briefe  seines  Bruders  Wilhelm  aufzeichnete,  ferner  Arndt  mit  einem  Stammbuchblatt 
aus  Jena  vom  12.  April  1794  an  Theklas  Vater,  seinen  Jugendfreund,  der  mystische 
Naturforscher  Gotthilf  Heinrich  von  Schubert,  Karl  von  Holtei  mit  einem  scherz- 
haften Gedicht  nach  aufgegebenen  Reimen,  Christoph  von  Schmid,  Franz  Allioli, 
Marie  Nathusius,  Franz  von  Schober  mit  mehreren  zum  Teil  noch  ungedruckten  Ge- 
dichten, Klaus  Groth,  Gerok,  Julius  Sturm,  Ludwig  Richter,  Georg  Weber,  Ebers 
und  andere,  endlich  Liszt  mit  einem  bisher  unveröffentlichten  Liede.  In  den  Be- 
merkungen der  Vf.  über  die  einzelnen  Autographen  spricht  sich  keine  grosse,  aber 
eine  menschlich  liebenswürdige  Persönlichkeit  aus,  die  jeder  falschen  Eitelkeit  feind 
ist  und  auch  durch  das  in  hohen  und  niederen  Kreisen  ihr  reichlich  gespendete  Lob 
sich  nifcht  verblenden  Hess.  —  Mit  drolligem  Humor  erzählt  Helene  Adelmann ''ß) 
verschiedene  Kindererlebnisse,  streift  dabei  aber  auch  allerlei  politische  Ereignisse 
des  Vormärzes  und  der  Revolutionsjahre  von  1848  und  1849."''-***)  —    • 

Sehr  umfangreich  und  inhaltlich  hochinteressant  ist  der  vorläufige  Schluss- 
band von  Hebbels  Briefwechsel,  den  Bamberg*^),  leider  in  einer  wenig  prak- 
tischen Anordnung,  aus  dem  Nachlass  des  Dichters  veröffentlicht  hat.  Er  enthält 
namentlich  die  Korrespondenz  Hebbels  mit  Dingelstedt,  E.  Kuh,  Gutzkow,  F.  von 
Uechtritz,  H  Th.  Rötsoher,  Jul.  Glaser,  Hettner,  Ad.  von  Pichler,  Klaus  Groth,  Ad. 
Stern  und  mehreren  weniger  bedeutenden  Verehrern,  ferner  Hebbels  Briefe  an  die 
Fürstin  von  Wittgenstein  und  deren  Tochter  und  an  seine  Gattin  Christine.  Von 
verschiedenen  Seiten  spiegelt  sich  in  diesen  Briefen  sein  menschliches  wie  sein 
künstlerisches  Wesen  ab,  je  nachdem  er  mit  einem  als  ebenbürtig  geltenden,   wohl- 


DWBl.  S.  587;  Ad.  Bartels:  Didask.  N.  260/l.]|  —  75)  Thekla  v.  Scholier,  Autographen  u.  Erinnerungen.  (Mit  eingedr. 
Autographen  u.  1  Musikbeil.)  Bremen,  C.  Ed.  Müller.  VUI,  3:i9  S.  M.  4.H0.  |[DBs.  74,  S.  478;  BLU.  S.  830;  0.  Lorenz: 
DLZ.  1892,  S., 598.] I  (Vgl.  IV  2.)  -  76)  Helene  A  delni  ann.  Aus  meiner  Kinderzeil.  B.,  Appelius  (L.  Oehniigke).  UI,  146  S.  M.  1,80. 
—  77)  O  X  Nora  Gräfin  Strachwitz,  Erinnerungen  aus  meiner  .Tugendzeit.  Gedichte.  Strassburg  i.  E.,  Kattentidt. 
XII,  236  S.  M.  3,00.  —  78)  O  X  Letters  of  Jane  Welsh  Carlisle  to  Amely  Bölte:  NewR.  1892,  Maiheft.  —  79)  O  X  Ch.  11. 
Leland  |=  Hans  Breitmann],  Memoirs.  2  vols.  London,  Heinemann.  Sh.  32.  —  80)  X  Iwan  Turgcnieff,  Litteratur- 
u.  Lobenserinnerungen,  dtsch.  v.  Franz  Walter.  (=  ÜB.  N.  2905.)  L.,  Iteclam.  110  S.  M.  0,20.  UW.  Nehring:  DLZ. 
S.  :532/3.]|  (Gute  Uebers.  d.  seit  1874  d.  Werken  T.s  beigeg.  autobiograph,  Essays.)  —  81)  V.  Bamberg,  F.  Hebbels  Brief- 
wechsel mit  Freunden  u.  berühmten  Zeitgenossen.  Mit  e.  Vorw.  u  e.  Epilog  zu  Hebbels  litt.  Nachlass.  2.  Bd.  B.,  Grote. 
1892.     616   S.     M.    15,00.     |[F.    Lemmerroayer:    ML.    62,    S.    199-201;    id.:    WIDM.    71,    S.   414/6.JI     (Vgl.    auch   JBL.  1892 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./ 19.  Jh.  1892, 1893.  IV  Ic: 82-83 

meinend  für  ihn  thätig-en  Freunde  wie  Dingelstedt  oder  mit  einem  in  schrankenloser 
Bewunderung-  zu  ihm  aufblickenden  Jünger  wie  Kuh  verkehrt,  je  nachdem  er  einen 
wortkargen  tjandsmann  wie  Klaus  Groth  oder  eine  zu  schwärmendem  Ueberschwang 
neigende,  zartempfindsame  Frauennatur  wie  die  Fürstin  Wittgenstein  und  ihre  Tochter 
sich  gegenüber  weiss.  Das  Bewusstsein  seines  eigenen  dichterischen  Wertes  bleibt 
zwar  durchweg  sehr  stark,  und  im  Zusammenhange  damit  spricht  er  sich  ziemlich 
gegen  alle  Korrespondenten  mit  der  gleichen,  nicht  immer  gerechtfertigten  Herbheit 
über  viele  Werke  gleichzeitiger  Dichter  aus.  Doch  ist  der  Ton  ein  ganz  anderer, 
wenn  er  etwa  zu  wiederholten  Malen  seinen  eigenen  künstlerischen,  philosophisch- 
religiösen und  politischen  Standpunkt  gegen  die  mannigfachen  Bedenken  und  gegen- 
sätzlichen Ansichten  eines  üechtritz  verteidigen  muss,  oder  wenn  Kuh  ihn  durch, 
masslos  übertriebenes  Lob  zu  schroffen  Urteilen  über  andere  förmlich  reizt.  Am  er- 
giebigsten ist  der  gesamte  Briefwechsel  insofern,  als  er  über  Einzelheiten  im  Leben 
des  Dichters  und  über  die  Entstehung  seiner  Werke  sowie  über  die  künstlerischen 
Absichten,  die  Hebbel  in  ihnen  verfolgte,  ungemein  reiche  Aufschlüsse  giebt.  Dazu 
kommt  die  Fülle  von  Urteilen  der  Freunde  über  Hebbels  Dichtungen.  Auch  über 
die  Schicksale  und  litterarischen  Leistungen  dieser  Freunde  erfahren  wir  allerlei. 
Sonst  vernehmen  wir  doch  nur  gelegentliche  Urteile  der  Briefsteller  über  andere  Er- 
scheinungen des  Lebens  und  der  Litteratur;  ein  wirkliches  reges  Interesse  an  der 
Gesamtheit  der  übrigen  deutschen  oder  ausländischen  Litteratur  aber  bekunden, 
wenigstens  in  diesen  Briefen,  weder  Hebbel  noch  die  meisten  seiner  Freunde :  immer 
und  überall  reden  sie  fast  nur  von  Hebbels  eigenen  Dichtungen.  Unter  diesen  steht 
wieder  „Agnes  Bernauer"  im  Vordergrunde,  vom  Vf.  selbst  wiederholt  als  „moderne 
Antigone"  bezeichnet  und  in  ihren  Grundideen  mit  der  antiken  Tragödie  dieses 
Namens  verglichen;  daneben  finden  sich  zahlreiche  Bemerkungen  und  Urteile  über 
die  „Nibelungen".  Aber  auch  über  „Gyges",  „Judith",  „Herodes",  „Mutter  und  Kind" 
und  die  anderen  Werke  des  Dichters  wird  manches  treffliche  W^ort  gesprochen,  und 
Hebbel  selbst  giebt  in  einem  auch  sonst  bedeutenden  Briefe  offene  Auskunft  über  die 
traumhaft- visionäre  Art  seines  poetischen  Schaffens  ohne  einen  klar  bestimmten  Plan 
(S.  475).  Anerkennend  äussert  er  sich  u.  a.  über  Gutzkows  „Ritter  vom  Geist", 
über  Meissner,  über  Schopenhauer,  zu  dem  er  sich  mannigfach  und  lebhaft  hin- 
gezogen fühlt,  über  Heine,  über  R.  Wagners  „Lohengrin";  begeistert  schreibt  er  über 
Liszt.  Neu  erschienene  historische  oder  litterarhistorische  Werke  von  Bedeutung 
fesseln  seine  ganze  Aufmerksamkeit,  so  namentlich  Hayms  Buch  über  W.  von  Hum- 
boldt, Köpkes  Erinnerungen  aus  dem  Leben  Tiecks,  Wilbrandts  Biographie  von  H. 
von  Kleist,  dessen  Erzählungen  er  einen  unmittelbaren  Einfluss  auf  sein  eigenes 
Schaffen  zugesteht,  dessen  ganze  Natur  ihm  in  mehr  als  einer  Beziehung  der  seinigen 
verwandt  erscheint.  Desto  schroffer  wendet  er  sich  aber  gegen  Grabbe,  mit  dem  ihn 
nur  die  Niederträchtigkeit  und  Dummheit  vergleichen  könne,  dessen  krankhaftes 
Wesen  ihn  anwidert,  von  dem  er  auch  in  seiner  Entwicklungszeit  so  gut  wie  nichts 
gelesen,  also  auch  keinen  bestimmenden  Eindruck  bekommen  zu  haben  behauptet. 
Doch  auch  über  Grillparzer,  Otto  Ludwig,  Laube  und  andere  ältere  und  neuere 
Dramatiker  urteilt  er  hart  und  oft  ungerecht.  Er  scheut  sich  nicht,  Lenau  jede 
lyrische  Ader  abzusprechen  und  Gustav  Freytag,  dessen  „Soll  und  Haben"  ihm  nur 
eine  Porträtierung  des  Philisters  für  Philister  ist,  mit  dem  gründlich  verachteten 
Julian  Schmidt  auf  eine  Stufe  zu  setzen.  Namentlich  ist  ihm  aber  der  „Phrasen- 
drechsler" Geibel,  zumal  als  Nebenbuhler  im  Nibelungenstoff,  samt  seiner  ganzen 
Münchener  Schule  unsympathisch  oder  verächtlich;  am  herbsten  äussert  sich  diese 
Stimmung  vielleicht  in  Worten  über  Melchior  Meyr,  der  es  gewagt  hatte,  gleich- 
zeitig mit  Hebbel  eine  Tragödie  „Agnes  Bernauer"  zu  schreiben,  die  freilich  nach 
seinem  und  Dingelstedts  übereinstimmendem  Urteile  kläglich  verfehlt  war.  Seine 
Korrespondenten  lassen  sich  keineswegs  alle  zu  gleicher  Bitterkeit  im  Urteil  fort- 
reissen;  nur  Kuh  übertrumpft  —  und  zwar  bisweilen  recht  ungeschickt  —  womöglich 
noch  seinen  Meister.   — 

Von  diesen  Freunden  Hebbels^^^  hat  uns  nunmehr  auch  Adolf  Pichler^S)  (vgl. 
IV  2)  mit  der  Darstellung  seiner  Jugendgeschichte  beschenkt,  wahrhaft  beschenkt :  denn 
sein  Buch,  grossenteils  aus  alten  Briefen  zusammengesetzt,  giebt  das  prächtige  Bild 
eines  Einzellebens  auf  dem  Hintergrunde  der  ganzen  Zeitgeschichte,  regt  überall  an 
und  ergreift  durch  seine  Unmittelbarkeit  und  poetische  Wärme.  Pichler  erzählt  von 
seiner  an  Entbehrung  und  Druck  reichen  Kinderzeit;  als  Sohn  eines  armen  Zollamts- 
schreibers  1819  im  Zollhaus   bei  Erl   (in  der  Nähe  Kufsteins)  geboren,   verlebte    er 


IV  4:113.)  —  82)  X  Erich  Schmidt,  Kl.  Groth,  Lebenserinnerungen  (vgl.  JBL  1S91  IV  1:203):  DLZ.  1892,  S.  279-80.— 
83)  Ad.  Pichler,  Zu  meiner  Zeit.  Schattenbilder  ans  d.  Vergangenheit.  L.,  Liebeskind.  1892.  334  S.  M.  6,60.  ifA. 
Brandl:  DLZ.  S.  181,4;  0.  Harnaclc:  PrJbb.  73,  S.  540;  E.  H.  Greinz:  Geg.  42,  S.  329-31;  A.  Schlossar:  BLU.  1892, 
S.  660,4;  S.  M.  Prem:  ÜLBI.  2,  S.  121;2 ;  Br(enning):  WeserZg.  N.  16646;   M.  Necker:  AZg».  1892,  N.  195;  DE.  1892:  4, 


IV  Ic:  83  P.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892,  1893. 

seine  Knabenjahre  meist  bei  Mittenwald  und  Füssen,  wohin  der  Vater  versetzt  wurde, 
g-enoss  in  Reutte,  dann  in  Vils  den  ersten  Schulunterricht,  bis  er  nach  der  früh- 
zeitig-en  Pensionierung-  des  Vaters  mit  ihm  nach  Innsbruck  zog  und  daselbst  ins 
Gymnasium  eintrat.  Hier  ging  dem  Knaben,  der  anfangs  sich  zum  Maler  bestimmt 
glaubte,  auch  für  Musik  Sinn  und  Talent  fühlte,  das  Licht  der  Poesie  bei  Homer  auf. 
Auch  den  rechten  Eifer  für  das  Studium  erweckte  in  ihm  das  hellenische  Epos:  zum 
sachlichen  Interesse  gesellte  sich  sogleich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  das  formale. 
Auch  später  blieb  ihm  die  Antike  wegen  ihrer  Gesundheit  immer  das  Höchste.  Von 
neueren  Dichtern  erfuhr  er  freilich  in  der  Schule  so  gut  wie  nichts;  den  unglück- 
lichen Johann  Senn,  dem  er  später  näher  trat,  sah  er  damals  fast  nur  von  ferne. 
•Verschiedene  poetische  Versuche  Pichlers,  von  ihm  selbst  zum  grossen  Teile  1888 
verbrannt,  fielen  noch  in  jene  Schuljahre,  darunter  manche,  die  von  Faustischen  Ge- 
dankenkämpfen redeten  und  aus  heftigen  religiösen  Zweifeln  erwachsen  waren.  Auch 
in  fragmentarischen  Dramen  suchte  er  diese  Kämpfe,  die  ihn  beinahe  zum  Uebertritt 
in  die  protestantische  Gemeinde  geführt  hätten,  darzustellen.  Zwei  solche  dramatische 
Bruchstücke  aus  seinen  ersten  Studentenjahren  —  seit  1838  besuchte  er  als  an- 
gehender Jurist  die  Universität  Innsbruck  —  teilt  Pichler  mit:  „Ulrich  von  Hütten" 
und  „Der  Student''.  Das  erste,  unter  dem  starken  Eindruck  der  Reformationsschrift- 
steller verfasst,  derb-stürmerisch  in  Knüttelversen  geschrieben,  in  der  Behandlung 
von  Zeit  und  Ort  sehr  frei  gehalten  mit  fast  Shakespearescher  Kühnheit,  zeigt  den 
Dichter  im  schroffen  Gegensatz  zum  Katholizismus,  zu  Kirche,  Kloster,  Papsttum. 
Der  „Student''  deutet  auf  genauere  Beschäftigung  mit  Hegel  hin:  in  seinen  Monologen 
ist  der  Student  ein  Hegelisch  philosophierender  Faust.  Beachtenswert  ist,  dass  schon 
in  diesem  Fragment  von  1840  die  sociale  Frage,  die  sonst  in  der  deutschen  Litteratur 
meist  erst  einige  Jahre  später  auftaucht,  eine  bedeutende  Rolle  spielt.  Nur  ungern 
hatte  Pichler  sich  zur  Rechtswissenschaft  entschlossen;  er  hätte  lieber  Medizin 
studiert.  Aber  dazu  hätte  er  nach  Wien  gehen  müssen,  und  bei  seiner  bitteren 
Armut  durfte  er  daran  nicht  denken.  Doch  trieb  er  neben  der  Juristerei  natur- 
wissenschaftliche und  andere,  besonders  auch  litterargeschichtliche  Studien,  gründete 
eine  litterarische  Studentengesellschaft,  die  sich  die  ,, Nibelungen"  nannte,  und  hielt  in 
ihr  Vorträge  über  den  Wert  des  altdeutschen  Studiums,  über  das  Nibelungenlied 
und  ähnliche  Themata.  Da  verschafften  ihm  1842  Freunde  die  Mittel,  auf  einem 
Frachtschiff  nach  Wien  zu  reisen;  dort  sollte  er  sich  selbst  weiter  helfen.  So  konnte 
er  nun  endlich  seiner  Neigung  folgen,  Medizin  und  Naturwissenschaften  zu  studieren. 
Was  er  seit  dieser  W^endung  seines  Schicksals  erlebte,  stellt  Pichler  nur  zum  aller- 
geringsten Teile  mehr  episch  dar;  wir  erfahren  das  Meiste  davon  aus  seinem  Brief- 
wechsel mit  Cornelie  Schuler  (1824—83),  der  Schwester  seines  älteren  Freundes 
Professor  Dr.  Johannes  Schuler  in  Innsbruck.  In  ihren  Antworten  offenbart  sich 
eine  nur  nach  dem  Edlen  strebende  Seele  von  seltener  Klarheit:  aufregende  Schwärmerei 
und  falsche  Empfindsamkeit  sind  ihr  fremd;  geistige  Bildung  und  Gedanken  über 
das  Ideale  gelten  ihr  als  das  Höchste.  Herzensreinheit,  innige  Religiosität  ohne 
jegliche  Einseitigkeit,  tiefe,  warme,  aber  durch  keine  sinnliche  Leidenschaft  verwirrte 
Empfindung-,  echt  weibliche  Milde  sind  Grundeigenschaften  ihres  Wesens.  Auch 
mehrere  Briefe  ihres  Bruders  und  anderer  litterarisch  thätiger  Tiroler  E'reunde,  be- 
sonders Joseph  von  Schnells,  schaltet  Pichler  seinem  Buche  ein.  Manches  gute 
Urteil  über  die  gleichzeitige  und  die  ältere  Litteratur,  manche  geschichtlich  be- 
deutende Bemerkung  namentlich  über  das  poetische  Treiben  in  Tirol  während  der 
vierziger  Jahre  findet  sich  in  diesen  Briefen  Pichlers  und  seiner  Genossen.  So  hebt 
Pichler  z.  B.  gut  den  Unterschied  von  „Faust"  und  „Manfred"  hervor,  nennt  1843 
einmal  die  „Natürliche  Tochter"  nach  erneuter  Lektüre  „in  dem  Sinn,  als  es  reine 
Exempla  der  Geometrie  giebt,  ein  Exemplum  der  Poesie",  spricht  sich  über  Halms 
„Sohn  der  Wildnis"  sehr  schroff  aus,  stellt  ein  ander  Mal  A.  Grüns  „Schutt"  und 
Goethes  „Iphigenie"  in  den  entschiedensten  Gegensatz  zu  einander  (S.  222),  äussert 
sich  möglichst  objektiv  auch  über  ihm  unsympathische  Schriftsteller  wie  Beda  Weber 
und  Ludw.  Steub,  schätzt  die  Vorzüge  und  Mängel  Platens,  den  er  erst  1846  kennen 
lernte,  höchst  zutreffend  ab  und  widmet  der  „Ethik"  und  dem  ganzen,  „gotterfüllten" 
Dasein  Spinozas  schöne  Worte  in  einer  Anzahl  Aphorismen,  die  er  1845  an  Cornelie 
schickte.  Auch  war  Pichler  selbst  litterarisch  mannigfach  thätig.  Wir  hören  von 
einer  Dichtung  „Die  Habsburger",  die  er  im  ersten  Guss  gleich  vollendet,  von 
Legenden,  von  einem  Drama  aus  der  römischen  Geschichte,  von  verschiedenen  damals 
in  Sammel-  oder  Wochenschriften  gedruckten  Erzählungen,  die  er  nunmehr  teilweise 
sehr  streng  beurteilt,  besonders  von  dem  nach  allerlei  Censurhindernissen  1845  ver- 
öffentlichten lyrischen  Almanach  „Frühlieder  aus  Tirol",  der  ihm  manche  wertvolle 
persönliche  Bekanntschaft  (so  die  Herm.  von  Gilms)  eintrug.  Der  letzte  Teil  dieser 
Memoiren  liest  sich  wie  eine  gute  Novelle:  die  Briefe  an  Cornelie  schildern  mit  aller 
Wärme  der  unmittelbarsten  Empfindung  das  Glück  und  Leid  einer  Jugendliebe,  die 


F.Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  la/ 19.  Jh.  1892, 1893.  IV  1  c : 84-s9 

dem  Vf.  in  einer  Wiener  Familie  erblühte,  in  die  er  als  Hauslehrer  eingeführt  war. 
Die  Eltern  des  Mädchens  trennten  mit  unerbittlicher  Strenge  das  Band,  das  die 
Liebenden  vereinigte.  Als  Pichler,  kurz  nach  bestandener  medizinischer  Prüfung, 
1848  am  nationalen  Kampfe  sich  beteiligte,  hatte  er  die  Greliebte  trotz  seiner  wieder- 
holten Versuche,  ihre  Eltern  umzustimmen,  endgültig  verloren.  Mit  dem  Ausblick 
in  die  politischen  Kämpfe  von  1848  und  mit  den  „Liedern  an  Emma"  schliesst  seine 
Selbstbiographie.  — 

Formal  und  inhaltlich  unbedeutend  erscheinen  neben  diesem  schönen  Buche 
die  Lebenserinnerungen  eines  anderen  Oesterreichers,  des  1826  geborenen  Edmund 
Holenia^*).  Sein  Vater  Franz  Joseph  Holenya  kämpfte  18 lo  als  Kamerad  Th. 
Körners  im  Lützowschen  Korps  mit;  der  Sohn  verfasste  mehrere  politische  Schriften 
und  zeitgemässe  Epigramme,  deren  er  eine  Anzahl  als  Anhang  seiner  Memoiren  mit- 
teilt. Auch  schildert  er  darin  eine  flüchtige,  feindliche  Berührung,  die  er  1848  mit 
Uffo  Hörn  hatte.  Sonst  bleibt  seine  Schrift  für  die  deutsche  Litteraturg'eschichte  er- 
gebnislos.^^) -  Mehr  bietet  Rosegger^^)  i^  seinen  Erinnerungen  an  berühmte  Zeit- 
genossen. Er  zeichnet  kleine  Charakterbilder,  alle  von  einem  sehr  persönlichen 
Standpunkt  aus,  so  dass  er  unwillkürlich  mit  den  geschilderten  Autoren  zugleich 
sich  selbst  darstellt,  und  zwar  von  seiner  besten  Seite.  Dabei  beleuchtet  er  mehr 
den  persönlichen  als  den  schriftstellerischen  Charakter  der  porträtierten  Freunde; 
besonders  zeigt  er  sie  in  ihrer  Art,  mit  anderen  zu  verkehren,  sowie  in  ihren  An- 
sichten von  ihrer  eigenen  Bedeutung.  Den  breitesten  Raum  widmet  er  Anzengruber, 
von  dem  er  auch  gegen  fünfzig  Briefe  mit  mamiigfachen  Aeusserungen  über  seine 
Dramen  und  deren  Aufnahme  im  Publikum  und  in  der  Kritik  mitteilt.  Mit  herzlicher 
Wärme  und  Bewunderung  spricht  Rosegger  von  dem  lange  und  vielfach  ang-efeindeten 
Dichter,  für  den  er  als  Kritiker  mehrmals  einzutreten  Gelegenheit  hatte.  Entschieden 
aber  lehnt  er  die  öfters  gehörte  Behauptung  ab,  als  ob  er  und  Anzengruber  bei  ihren 
dichterischen  W^erken  und  Gestalten  auf  einander  eingewirkt  hätten.  Lebhaft  ver- 
teidigt er  die  Naturwahrheit  der  Bauern  Anzengrubers,  ohne  jedoch  zu  leug'nen,  dass 
einzelne  von  ihnen  „mehr  gedacht  als  geschaut"  sind,  wie  denn  der  Dichter  etwa  1875 
ihm  selbst  sagte:  „Ich  bin  nicht  dafür  vorhanden,  dass  ich  naturwahre  Bauern- 
gestalten mache;  sondern  ich  schaffe  Gestalten,  wie  ich  sie  brauche,  um  das  darzu- 
stellen, was  ich  darzustellen  habe."  Durch  Anzengruber  lernte  Rosegger  1871  Fr. 
Schlögl  kennen,  dessen  humoristisch-ironische  Natur  er  höchst  anschaulich  darstellt. 
Zum  Teil  kürzer  und  meist  mit  guter  Laune  schildert  er  A.  Grün,  F.  Stelzhamer, 
B.  Auerbach,  den  vagabundenmässig-liebenswürdigen  Emil  Vacano,  von  dem  er 
mehrere  gemütlich  plaudernde  Briefe  abdruckt,  den  Naturforscher  Rud.  Falb,  seinen 
einstigen  Lehrer  in  Graz,  ferner  Gottfr.  von  Leitner,  Karl  Morre,  den  Lieder- 
komponisten Jak.  Schmölzer,  die  Schauspielerin  Josephine  Gallmeyer,  deren  Neigung- 
zu  besseren  Charakterrollen  er  betont;  satirisch  fertigt  er  den  eitlen  Kürnberger  ab. — 

Von  den  Dichtern  des  einstigen  Münchener  Kreises ^^)  tritt  uns  Bodenstedt 
in  den  Briefen  an  den  Deckerschen  Verlag,  mit  dem  er  seit  1849  in  Verbindung 
stand,  nicht  eben  bedeutend,  aber  vielfach  charakteristisch  entgegen^'''**^).  Die  Briefe 
bis  1869  sind  meist  an  Wilhelm  Schnitze,  den  Vertreter  des  Geheimen  Oberhofbuch- 
druckers Rud.  von  Decker,  die  folgenden  an  Decker  selbst  gerichtet;  nach  dessen 
Tod  1877  waren  Bodenstedts  Adressaten  die  nunmehrigen  Verlag'seigentümer  Otto 
Marquardt  und  Gust.  Schenck,  seit  1885  der  letztere  allein,  dem  wir  jetzt 
auch  die  Herausgabe  der  Briefe  verdanken.  In  der  Hauptsache  dreht  sich 
die  Korrespondenz  um  geschäftliche  Dinge,  neue  Ausgaben  des  „Mirza-Schaffv", 
um  den  Verlag  von  anderen  Dichtungen  oder  Uebersetzungen  Bodenstedts, 
von  denen  einige  hernach,  wie  es  scheint,  nicht  zur  Freude  des  eifersüchtigen 
Verlegers,  bei  anderen  Buchhändlern  erschienen,  um  den  Absatz  dieser  Bücher,  der 
dem  Vf.  stets  viel  zu  langsam  ging,  um  ihre  Aufnahme  bei  der  Kritik,  der  er  ein 
ungeheures  Gewicht  beilegte.  Auch  an  Klagen,  über  deren  Berechtigung  man  schwer- 
lich Ulieilen  kann,  da  uns  nicht  auch  die  Briefe  des  Verlegers  vorliegen,  an  Bitten  um 
Geldvorschüsse,  um  Freiexemplare,  an  Drohungen,  einen  anderen  Verlag  aufzusuchen, 
dann  wieder  an  Dankesäusserungen  gegen  Decker  ist  kein  Mangel.  Nach  der  22.  Auf- 
lage des  „Mirza-Schaffy"  deutet  Bodenstedt  ohne  viele  Umschweife  seinem  Verleger 
an,  dafs  seines  Wissens  andere  deutsche  Dichter  beim  Ueberechreiten  der  20.  Auflage 

S.  128.]|  —  84)  Edm.  Holenia,  ErLnaerungea  aus  meiaem  Leben.  Wels,  Joh.  Haas.  1892.  134  S.  M.  1,50.  —  85)  O  X 
F.  F.  Masaidek,  Herzerfrischnngen.  (Erinnerungen  an  L.  Anzengruber,  A.  Glassbrenaer.  Wienerisches.  Huraorist.  Figuren. 
Knnterbnnt.  Lose  Gedanken.)  Wien,  Lesk  &  Schwidernooh.  12".  VIII,  157  S.  M.  1,40.  —  86)  P.  K.  Rosegger,  Gute 
Kameraden.  Persönl.  Erinnerungen  an  berühmte  u.  beliebte  Zeitgenossen.  Mit  12  Bildn.  Wien,  Pest,  L.,  Hartleben.  VII,  223  S. 
M.  3,00.  |[A.  Sauer:  DLZ.  S.  63Ü2;  M.  Necker:  BLU.  S.  247,9.]|  —  87)  X  ^-  F-  Graf  v.  Schack,  E.  halbes  Jh. 
Erinnerungen  u.  Aufzeichnungen.  3  Bde.  3.  Aufl.  Mit  Bildn.  St.,  Verlagsanst.  Vm,  432S.;  IV,  443  S.;  VI,  4U0  S.  M.  15,00. 
(Unverätid.  neue  Aufl.  d.  1888  erschienenen  Werkes.)  —  88)  G.  Schenck,  F.  v.  Bodenstedt.  E.  Dichterleben  in  seinen 
Briefen  18.52-92.  B.,  R.  v.  Decker  (G.  Schenck).  X,  249  S.  M.  3,00.  (S  u.  IV  2.)  —  89)  X  Aus  Bodenstedts  Nachlass 
(Tgl.  JBL.  1890  IV  1:60):  DDichtung.  12,  S.  101,4.  (Rühmende  Besprech.  v.  Bodenstedts  „Erinnerungen  aus  meinem  Leben" 
Jühresberichte  fBr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (4)5 


IV  lo:oo  F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892,  1893. 

von  Seiten  ihres  Buchhändlers  eine  „Manifestation"  erlebt  hätten;  so  hätten  Uhland 
und  Freiligrath  ein  besonderes  Honorar  erhalten.  Die  Naivetät,  mit  der  Bodenstedt 
hier  und  in  weiteren  Briefen  bettelt,  entspricht  der  naiven  Freude,  mit  der  er  auch 
jeden  Erfolg'  und  jede  Hoffnung  sorgsam  seinem  Verleger  mitteilt:  man  kann  ihm,  auch 
wo  er  eine  ziemliche  Einbildung  bekundet,  nicht  leicht  böse  werden.  In  seinen 
Urteilen  über  andere  ist  er  gelegentlich  recht  schroff;  Heines  „Romanzero"  z.  B.  nennt 
er  1851  sehr  schlecht.  Der  Herausgeber  fügt  Bemerkungen  über  die  Hauptwerke 
Bodenstedts  mit  Auszügen  aus  den  Vorreden,  ferner  ein  chronologisches  Verzeichnis 
seiner  Schriften  und  ihrer  verschiedenen  Auflagen  bei.  — 

Viel  aufdringlicher  als  Bodenstedts  harmlose  Eitelkeit  erscheint  das  Selbst- 
bewusstsein  des  autobiographischen  Darstellers  in  I^^elix  Dahns^'^)  „Erinnerungen", 
von  denen  ein  dritter  Band,  leider  noch  lange  nicht  der  letzte,  1892  erschienen  ist. 
Die  ermüdend  breite  Geschwätzigkeit,  mit  der  der  Vf.  jede  Nichtigkeit  seines  Lebens, 
Thuns  und  Denkens  erzählt,  sowie  die  planlose  Flüchtigkeit  seines  Vortrages,  den 
oft  noch  dazu  ein  gemachtes  Pathos  entstellt,  ist  bereits  früher  (vgl.  JBL.  1890  IV 
1:59;  1891  IV  1:198)  gerüg-t  worden;  der  dritte  Band  der  „Erinnerungen"  verdient 
diesen  Tadel  um  kein  Haar  weniger  als  die  beiden  ersten.  Er  behandelt  die  J. 
1854 — 63,  Dahns  Thätigkeit  als  Praktikant  an  Münchener  Aemtern,  seine  Doktor- 
promotion und  Habilitation  an  der  Münchener  Hochschule,  seine  Mitarbeit  an  der 
„Bavaria"  als  Mitherausgeber,  besonders  ausführlich  eine  Heise  nach  Tirol  und  Italien 
bis  Ravenna  (1862)  mit  wichtigen  Studien  für  den  „Kampf  um  Rom",  endlich  seine 
Ernennung  zum  Extraordinarius  in  Würzburg  nach  einig-en  mühsamen  Privatdocenten- 
jahren  eben  in  dem  Augenblick,  da  er  meinte,  er  müsse  die  Universitätslaufbahn 
aufgeben  und  Advokat  werden.  Auch  die  Abfassung  und  das  Erscheinen  seines 
poetischen  Erstlings  „Harald  und  Theano"  (1855;  vgl.  JBL.  1891  iV  3:212)  und 
seiner  lyrischen  Gedichte  (1857)  fällt  in  diese  Zeit.  Ihr  gehören  ferner  mehrere  erst 
später  veröffenthchte  Werke  an,  die  Erzählung  „Kämpfende  Herzen",  das  kleine 
Epos  „Die  Amalung-en",  die  zwei  ersten  Bände  des  „Kampfs  um  Rom",  der  Plan 
der  „Könige  der  Germanen",  die  Grundzüge  des  Romans  „Bissula".  Auch  über  ver- 
schiedene dieser  und  anderer  seiner  späteren  Werke  sagt  uns  der  jede  Chronologie 
missaohtende  Vf.  schon  jetzt  allerlei  Gehöriges  und  Ungehöriges.  Dabei  übt  auch 
er  die  Sitte  mancher  Autoren,  die  ihre  minderwertigen  Werke  über  die  besseren 
stellen;  so  zieht  er  dem  Gedankeninhalt  nach  „Odhins  Trost"  und  „Sind  Götter?", 
der  Einheit  und  Vollendung  der  Form  nach  „Felicitas"  und  „Rolandin"  seinem 
dichterischen  Hauptwerke,  dem  „Kampf  um  Rom",  vor.  Im  Zusammenhange  damit 
redet  Dahn  noch  einmal  (S.  360  ff.)  etwas  pathetisch- theatralisch  von  seinem  Bruch 
mit  dem  Christentum  und  seiner  tragisch-heroischen,  aber  nicht  pessimistischen  Welt- 
anschauung. Sonst  betont  er  die  Anregungen,  die  er  als  Dichter  von  Shakespeare, 
von  Vischers  Aesthetik  und  namentlich  von  seinen  altgermanischen  Studien  her  er- 
hielt, und  denkt  dabei  wiederholt  dankbar  Konr.  Maurers,  der  ihm  ein  Führer  zu 
Jak.  Grimm  geworden.  Auch  die  gesellschaftlichen  Kreise  des  damaligen  München 
boten  dem  jungen  Forscher  und  Dichter  mehr  als  flüchtigen  Genuss :  Dahn  schildert 
das  Haus  eines  Thiersch,  wo  Liebig,  Sybel,  Carriere  und  andere  verkehrten,  eines 
Bluntschli,  Kaulbach  und  charakterisiert  gut  durch  einige  humoristische  Einzelzüge 
die  süddeutsch-gemütliche,  derbe  Art  des  von  ihm  besonders  verehrten  Schwind. 
So  sympathisch  er  sich  zu  diesen  Männern  der  Wissenschaft  und  der  bildenden 
Kunst  hingezogen  fühlt,  so  kühl  steht  er  mehreren  Dichtern  in  und  ausser  seiner 
Vaterstadt  gegenüber.  Von  Dingelstedt  will  er  nicht  viel  wissen;  er  gesteht  ihm 
zwar  eine  glänzende  Begabung  zu,  zeichnet  ihn  aber  als  wenig  fleissigen,  im  Grunde 
unzuverlässigen,  seinem  Witz  und  Spott  nie  Halt  gebietenden  „Ironicus  maximus". 
Von  Gutzkow  urteilt  er  vollends  ungerecht,  wenn  er  nur  das  eine  Lustspiel  „Zopf 
und  Schwert"  unter  all  seinen  vielen  Werken  gelten  lassen  will.  Den  Münchener 
„Krokodilen",  Carriere,  Melchior  Meyr  und  Zeising  ausgenommen,  meint  er  an 
philosophisch-ästhetischer  Bildung  überlegen  gewesen  zu  sein,  weshalla  er  nur  wenig 
von  ihnen  gelernt  habe:  das  letztere  mag  richtig  sein,  das  erstere  erscheint  jedoch 
sehr  fraglich.  Doch  rühmt  er  dankbar  die  mannigfachen  Anregungen,  die  er  im 
Gespräch  unter  vier  Augen  von  Geibel  empfangen.  Auch  erkennt  er  unumwunden 
gar  manches  poetische  Verdienst  bei  den  übrigen  Genossen  des  dichterischen  Kreises 
an,  selbst  bei  Hans  Hopfen,  der  doch  später  —  horribile  dictu!  —  auf  den  alten 
Freund,  der  ihm  nie  etwas  zu  Leide  gethan,  und  auf  seinen  „Gott  Odhin  im  Professoren- 
frack" so  bitterböse  gestichelt  hat,  und  noch  dazu  so  unrichtig:  denn  Dahn  trägt, 
wie  er  uns  (S.  298)  heilig  versichert,  niemals  einen  Frack,    wenn  er  es  irgend  ver- 


mit  mehreren  Auszügen  aus  d.  Buch.)  --  90)  F.  Dahn,  Erinnerungen.  3.  Buch:  D.  letzten  MSnohener  J.  (18.54-63).  L., 
Breitkopf  &  Härtel.  1892.  571  8.  M.  10,00.  |[DDichtung.  13,  S.  28-32;  Grenzh.  1892:  2,  S.  187;  N&S.  64,  S.  407/9;  A. 
Schroeter:    BLU.  8.  140/1;    AZg">.  N.  217;    P.  v.  Szczepai'i  ski:    VelhagenKlasingsMh.  1892:1,  S.  138-42,  732/4    (voll  ver- 


F.  M  u  n  0  k  e  r,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893.  IV  1  c :  91-93 

meiden  kann!  Wirklich  warm  spricht  er  namentlich  von  Karl  Heigel,  Ludw.  Steub, 
Wilh.  Hertz,  Rückert  und  Scheffel.  1854  näherte  er  sich  Rückert  mit  einem  anonymen 
Gedichte,  1855  legte  er  ihm  „Harald  und  Theano"  zur  Prüfung  vor  und  begründete 
dadurch  sowie  durch  einen  Besuch  in  Neusess  ein  festeres  Verhältnis  zu  dem  älteren 
Dichter,  den  er  zugleich  als  Modell  für  seinen  Dietrich  von  Bern  benützte.  Scheffel 
aber  lernte  er  im  Winter  1856/7  im  Hause  Thierschs  kennen,  da  er  eben  noch  unter 
dem  frischen  Eindruck  des  mit  Begeisterung  g^elesenen  „Ekkehard"  stand.  Von  da 
an  verband  die  Beiden  bis  zu  Scheffels  Tod  eine  nie  gestörte,  herzliche  Freundschaft. 
Unter  allen  mitlebenden  Dichtern  weiss  Dahn  keinen,  der  ihm  innerlich  so  art- 
verwandt gewesen  wie  Scheffel ;  als  den  dann  ihnen  beiden  am  nächsten  Stehenden 
bezeichnet  er  —  schwerlich  mit  Recht  —  Wilh.  Hertz.  Auch  mit  IJ'reiligrath  ver- 
standen beide  sich  gut.  Dahn  bringt  u.  a.  schätzenswerte  Nachrichten  von  einem 
Romane  Scheffels  bei,  der  die  Kämpfe  der  Albigenser  behandeln  sollte;  die  Ein- 
gangskapitel las  ihm  der  Dichter  vor,  führte  aber  nach  dem  Tode  seiner  Schwester 
Marie,  der  er  die  weibliche  Hauptgestalt  hatte  nachbilden  wollen,  das  Werk  nicht 
weiter  fort.  — 

Auch  der  als  Romandichter  mit  Dahn  vielfach  verwandte  Q cor g  Ebers^^"^^) 
(geb.  1837)  hat  begonnen,  die  Geschichte  seines  Lebens  zu  erzählen.  Er  schildert 
vorläufig  seine  Kinderjahre  in  Berlin,  wobei  er  mit  inniger  Liebe  das  Bild  seiner 
Mutter  ausmalt,  deren  Märchen  er  auch  die  erste  poetische  Anregung  verdankt,  den 
erschütternden  Eindruck,  den  er  von  den  Berliner  Märztagen  1848  empfing,  dann 
die  glücklichen  Jahre,  die  der  Knabe  seit  Ostern  1848  in  der  Fröbelschen  Erziehungs- 
anstalt zu  Keilhau  bei  Rudolstadt  verlebte  (mit  ausführlichen  Charakteristiken  der 
Begründer  und  Leiter  dieser  von  Ebers  als  musterhaft  gepriesenen  Schule),  den  darauf 
folgenden  Besuch  der  Gymnasien  zu  Kottbus,  wo  seine  dichterischen  Anlagen  sich 
mehr  zu  entwickeln  beg-annen,  und  zu  Quedlinburg,  seine  Studentenzeit  in  Göttingen, 
wo  er  nominell  Rechtswissenschaft,  in  der  That  aber  hauptsächlich  philosophische 
Studien  trieb,  angeregt  durch  Lotze  und  die  Schriften  Karl  Vogts  und  Feuerbachs, 
endlich  die  schweren  Jahre  gefährlicher  Krankheit  und  langsamer  Genesung  teils 
in  Berlin  unter  der  treuen  Pflege  der  Mutter,  teils  in  Wildbad,  zugleich  die  Periode 
innerer  Reife,  in  der  er  den  bisherigen  philosophischen  und  juristischen  Studien  ent- 
sagte und  sich  unter  der  persönlichen  Leitung  von  Rieh.  Lepsius  und  Heinr. 
Brugsch  der  Aegyptologie  im  umfassenden  Sinne  zuwandte.  Aber  auch  für  den  Dichter 
wurde  diese  Epoche  bedeutend :  während  er  sich  bis  dahin  vornehmlich  mit  einem 
grossen,  philosophischen  „Weltgedicht"  getragen  hatte,  dessen  Grundzüge  die  Auto- 
biographie mitteilt,  sah  er  jetzt  die  seine  Kraft  übersteigenden  Schwierigkeiten 
einer  solchen  Aufgabe  und  die  Mängel  der  begonnenen  Ausführung  ein,  verwarf 
und  vernichtete,  was  er  überhaupt  bisher  gedichtet  hatte,  und  schrieb  mit  leiden- 
schaftlichem Eifer,  meist  in  den  Abendstunden  nach  der  eigentlich  wissenschaftlichen 
Arbeit,  seinen  ersten  Roman  „Eine  ägyptische  Königstochter",  dessen  Thema  ihm  aus 
seinen  gelehrten  Fachstudien  erwachsen  war.  Mit  der  Vollendung  dieses  Romans, 
dessen  Hauptpersonen  er  zum  Teil  nach  persönlichen  Bekannten  zeichnete,  und  mit 
seiner  gleichzeitigen  Habilitation  1863  schliesst  Ebers  vorerst  seine  Darstellung.  Sie 
ist  häufig  breiter  ausgefallen,  als  es  die  Schilderung  eines  Lebens  erfordert  hätte, 
das  ohne  bedeutende  Schicksale  verlief.  Aber  sie  ist  durchaus  anschaulich  und 
zeugt  nicht  nur  von  grosser  formaler  Gewandtheit,  sondern  auch  von  einer  frischen 
Lebendigkeit,  die  uns  den  minderwertigen  Inhalt  ebenso  wie  den  wiederholten  Still- 
stand der  Erzählung  bei  Betrachtung-en,  die  sich  ganz  hübsch  lesen,  aber  nicht  viel 
Neues  besagen,  vergessen  macht.  Litterargeschichtlich  interessante  Beziehungen  des 
Vf.  werden  nur  wenige  erwähnt.  Als  Knabe  schon  kam  Ebers  mit  den  Brüdern 
Grimm,  die  im  gleichen  Hause  mit  ihm  wohnten,  in  nahe  Berührung;  sie  blieben 
auch  dem  reifenden  Jüngling  freundschaftliche  Berater.  In  Kottbus  lernte  er  den 
Fürsten  Pückler-Muskau  kennen,  mit  dem  er  in  Wildbad  wieder  zusammentraf.  Mit 
Jul.  Hammer,  Moritz  Hartmann,  Gutzkow,  Auerbach,  Andersen,  Liebig,  dem  Kompo- 
nisten Silcher,  dem  Maler  Gallait  und  anderen  Männern  der  Kunst  und  Wissenschaft 
wurde  er  meistens  in  Wildbad  bekannt.  Ihnen  allen,  ebenso  wie  seinen  Lehrern, 
widmet  er  freundliche,  vielfach  auch  scharf  zutreffende  Worte  der  Charakteristik.  — 
Auf  eine  Selbstbiographie  Otto  Roquettes,  deren  Titel  die  Jahreszahl  1894  trägt 
(vgl.  JBL.  1894  IV  1  c)  wiesen  bereits  einige  Zeitungsbesprechungen  empfehlend 
hin  93).  _ 

Auf  das  Gebiet  der  Philosophie  führt  uns  eine  reichhaltige  und  sachlich 


nichtender  Ironie).]!  —  91)  G.  Ebers,  D.  Geschichte  meines  Lehens.  Vom  Kind  bis  z.  Manne.  1.-4.  Aufl.  St.,  L.,  B.,  Wien, 
Dtsch.  Vorlagsiinst.  VIII,  .522  S.  Mit  Bildn.  M.  9,00.  |[LCB1.  S.  1759;  ThLBl.  14,  S.  242;  Geg.  43,  S.  15;  DDichtnng.  13, 
S.  179-80;  A.  Schroeter:  BLU.  S.  140;1;  DBs.  77,  S.  475;  W.  Paetow:  Nation«.  10,  S.  312;  .1.  R.:  LZgü.  1892,  N.  289; 
U.  Klein:  Presse  N.  39;  F,  Dittmar:  FräntKnr.  1892,  N.  637;  SchwäbKron.  1892,  21.  Dec;  KonsMschr.  S. 473/4.J|  —  92)  O  X 
id.,  Story  of  niy  life  from  childhood  to  raanhood,  transl.    London,  Ilirschfeld.    Sh.  5.  —  93)  A    Bartels:  Didask,  N.  300,301; 

(4)5* 


IV  lc:94-96  F.  M  unck  er,  Memoiren,  Tagebücher  U.Briefwechsel  d.l8./19.  Jh.  1892,1893. 

bedeutende  Sammlung,  die  Briefe  von,  an  und  über  Schopenhauer,  die  Schemann^^) 
als  Ergänzung  der  schon  vorhandenen  grösseren  Briefsammlungen  aus  diesem  Kreise 
herausgegeben  hat,  die  Briefe  von  Schopenhauer  mit  strengster  Akribie  auch  in 
Schreibung  und  Interpunktion,  die  Briefe  an  ihn  etwas  weniger  diplomatisch  genau. 
An  der  Spitze  stehen  Briefe  von  Johanna  Schopenhauer  an  ihren  Sohn  von  1806—7, 
auszugsweise  mitgeteilt,  früher  schon  von  Düntzer  excerpiert;  dann  folgen  u.  a.  Briefe 
Schopenhauers  an  Frommann  in  Jena,  an  Bertuch,  F.  A.  Wolf,  Böttiger,  der  Brief- 
wechsel mit  Goethe  (1814—  18),  bereits  früher  veröffentlicht,  reich  an  charakteristischen 
Zügen  zur  Erkenntnis,  der  beiden  Persönlichkeiten,  Briefe  an  F.  A.  Brockhaus,  an 
Boeckh  (im  Zusammenhang  mit  dem  Habilitationsgesuch  an  die  Berliner  philo- 
sophische Fakultät),  an  den  Jugendfreund  F.  Osann  (1820—24),  an  Eichstädt,  Thiersch, 
Radius,  der  Briefwechsel  mit  dem  Romanisten  J.  G.  Keil  (1832—39,  hauptsächlich 
wegen  des  Drucks  der  Gracian-Uebersetzung),  ein  französisch  geschriebener  Brief  an 
Aubert  de  Vigny,  dem  sich  Schopenhauer  zur  Durchsicht  einer  von  diesem  ange- 
kündigten Goethe-Uebersetzung  wegen  etwaiger  Sinnesfehler  anbietet  mit  der  Ver- 
sicherung, dass  er  zur  vornehmen  deutschen  Litteratur  und  unter  die  intimen  Freunde 
Goethes  gehöre,  dann  der  Briefwechsel  mit  Karl  Rosenkj^anz  über  die  Ausgabe  von 
Kants  "Werken,  mit  Joh.  Gottlob  von  Quandt  und  besonders  mit  Adam  Ludwig  von 
Doss  (1849—60),  Schopenhauers  treuem  Anhänger  und  „tiefsinnigstem  Apostel",  der 
1858  den  Meister  zuerst  nachdrücklich  auf  Leopardi  hinwies,  sowie  mit  Bahnsen 
(1856 — 60),  seinem  bald  hernach  sich  etwas  freier  entwickelnden  Schüler,  der  damals 
sogar  eine  Zeitlang  den  Plan  hegte,  eine  Erklärung  des  „F'aust"  im  Sinne  der 
Schopenhauerschen  Philosophie  zu  schreiben,  Briefe  an  C.  Bahr  (1857—60),  der  Brief- 
wechsel mit  Crüger  in  Merseburg,  mit  G.  W.  Körber,  Joh.  Karl  Becker,  G.  Brecht 
usw.  Daran  schliessen  sich  eindringende,  gewissenhaft  nach  Bedarf  erläuternde  An- 
merkungen Sch.s,  ferner  Erörterungen  über  allerlei  Beziehungen  Schopenhauer», 
(z.  B.  zu  Zacharias  Werner),  Alitteilungen  über  ihn  aus  Briefen  von  seiner  und  an  seine 
Schwester  Adele,  biographisch  wichtig  (hier  auch  ein  Brief  Adelens  an  Goethe),  je 
ein  Brief  Tolstois  und  Richard  Wagners  (der  nebst  Herwegh  und  anderen  deutschen 
Verbannten  schon  im  Dec.  1854  den  Philosophen  vergeblich  zu  sich  nach  Zürich 
eingeladen  hatte)  über  Schopenhauer,  endlich  verschiedene  biographische  Analekten, 
sein  Testament  und  anderes.  Der  persönliche  Charakter  Schopenhauers  erscheint  in 
diesen  Briefen  selten  liebenswürdig,  auch  nicht  immer  bedeutend,  oft  sogar  recht 
kleinlich.  Aber  mit  Recht  betont  der  Herausgeber  in'  seiner  Einleitung  die  Un- 
abhängigkeit der  sittlich-wissenschaftlichen  Grösse  des  Philosophen  von  gewissen 
Fehlern  des  Menschen,  den  Unterschied  des  weltbedeutenden  Genies  und  des  persön- 
lichen Charakters.  Wohlthuend  berührt  u.  a.  die  innige,  nie  abgeschwächte  Ver- 
ehrung Goethes.  --  Im  Gegensatze  zu  dem  allgemeinen,  sachlichen  Gehalte  der 
„Schopenhauerbriefe"  hat  das  von  Lind  au''^''*^)  veröffentlichte  Tagebuch  des  jungen 
Lassalle  vom  1.  Jan.  1840  bis  zum  Mai  1841  nur  einen  persönlichen,  biographischen 
W'ert.  Wir  beobachten  darin  den  künftigen  Denker  und  Agitator  im  Uebergangs- 
stadium  vom  Knaben  zum  Jüngling  während  seines  Besuchs  des  Magdalenen- 
gymnasiums  zu  Breslau  und  der  Handelsschule  zu  Leipzig,  mit  der  er  jenes  frei- 
willig vertauschte,  keineswegs  von  seinen  Eltern  gezwungen.  Es  war  dies  aber 
zugleich  die  Zeit,  da  Lassalle  erkannte,  dass  er  nicht  zum  Kaufmann  geboren  sei, 
dass  sein  Beruf  vielmehr  (nach  Lindaus  Ausdruck)  die  „agitatorische  Thätigkeit  des 
Wissenschafters"  sei.  Die  Lektüre  des  vielfach  durch  falsches  Pathos  entstellten 
Tagebuchs  ist  recht  unerquicklich  und  bestätigt  durchweg  das  Bild,  das  Lindau  in 
der  Einleitung  mit  kühler  Nüchternheit  von  dem  Charakter  des  fünfzehnjährigen  Vf. 
entwirft:  eitel,  ruhmsüchtig,  verlogen,  verbummelt,  im  Grunde  des  Herzens  gut,  aber 
grenzenlos  leichtsinnig,  furchtbar  leidenschaftlich,  im  Hass  zu  den  widerlichsten 
Uebertreibungen  geneigt,  als  Schüler  bei  bedeutender  Begabung  namenlos  faul  und 
zerstreut,  gegen  sich  selbst  durchaus  aufrichtig  und  darum  meist  voll  klarer  Selbst- 
erkenntnis. l3ass  der  Herausgeber  Gleichgültiges  in  den  Ergüssen  des  unsympathischen 
Knaben  gestrichen  hat,  ist  nur  zu  billigen;  dass  er  aber  auch  „an  zwei  oder  drei 
Stellen  unzulässige  Derbheiten  im  Ausdruck  durch  sinnentsprechende  Umschreibungen 
gemildert"  hat,  war  recht  überflüssig:  wenn  Lassalles  Tagebuch  überhaupt  den  Druck 
verdiente,  was  ja  kaum  unbedingt  behauptet  werden  dürfte,  dann  musste  es  ohne 
derartige  Abschwächungen  gedruckt  werden;  die  Ausgabe  gehört  doch  nicht  für 
höhere  Töchterschulen!  Litterargeschichtliches  im  engeren  Sinne  findet  sich  wenig 
darin:    am  31.  März  1840  einige  wegwerfende  Worte  über  den   „alten,    wollüstigen. 


Mür.chNN.  N.  571.  —  94)  L.  Schemann,  Schopenhauerbriefc.  Samml.  meist  ungedr.  oder  schwer  zugänglicher  Briefe  v., 
an  n  über  Schopenhauer.  Mit  Anm.  u.  biogr.  AnaleVten.  Nebst  2  Stahlstichportrr.  Schopenhauers  v.  Rahl  u.  Lenbach.  L., 
Brockhaus.  XXX1I,566S.  M.  12,00.  |[B.  Münz:  BLU.  S.  396/8.11  (Vgl.  IV 5.)  -  95)  F.  Lasalles  Tagebuch.  Her.  u.  mit  e.  Einl.  vers. 
V.P.Lindau.  Breslau,  Schles.  Kunst-  u.  Verlagsanst.  1891.  259  S.  Mit  Bild.  M.  3,00.  IfllPBll.  109,  S.  226/9;  L.  G[eiger]: 
ZQ.Iuden.5,  S.  284,9. 1|  (Vgl.  JBL.  1891 IV  1  :  184;  6  :  203.)  -  96)  X  F-  Lasalle,  Briefe  an  Uans  v.  Bülow   (1862-64).    3.  Tausend. 


F.  Munck er,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  18/19.  Jh.  1892, 1893.  IV  1  cmv-ios 

verliebten  Schäker"  Wieland,  von  dem  der  Knabe  doch  erst  nur  „Musarion",  die 
„Grazien"  und  den  „Verklagten  Amor"  gelesen  hatte;  am  21.  Mai  ein  schiefes  Urteil 
über  Goethes  „Wahlverwandtschaften"  und  eine  bessere,  aber  unbedeutende  Aeusserung- 
über  den  „Clavig-o".  Etwas  später  schwelgt  er  in  dem  g-eliebten  und  heissbewunderten 
Heine,  an  dem  ihn  nur  sein  Abfall  von  der  Sache  der  Freiheit  bitter  schmerzt.  Auch 
„Nathan  der  Weise"  erg-reift  ihn  tief,  ebenso  „Hamlet",  „Fiesco",  die  Schriften  Börnes. 
Im  „Wilhelm  Meister"  glaubt  er  sich  selbst  geschildert  zu  sehen  (3.  Aug.  1840). 
[Jeher  alle  Begriffe  herrlich  findet  er  die  Musik  zu  den  „Hugenotten",  besonders 
Marcels  Lied  „Piff,  paff,  puff!"  Im  Nov.  liest  er  begeistert  Byron,  dann  ziemlich 
skeptisch  Fürst  Pücklers  „Briefe  eines  Verstorbenen";  im  März  1841  lernt  er  die 
Schriften  Laubes  kennen,  gegen  den  er  vorher  ein  unbegründetes  Vorurteil  hegte: 
jetzt  rechnet  er  ihn  entzückt  unter  Deutschlands  beste  Männer  und  stellt  ihn  dicht 
neben  Börne  und  Heine.  Gleichzeitig  spricht  er  recht  unreif  über  den  „Egmont" 
des  „ewig  lächelnden"  Goethe.  Schliesslich  kommen  noch  anerkennende  Worte  über 
den  jüdischen  Dichter  Karl  Maien.  —  Zur  Theologie  leiten  die  1877 — 83  geschriebenen, 
bis  1835  reichenden  Lebenserinnerungen  des  Theosophen  Karl  Bayer  (1806 — 8.3) 
über,  aus  denen  Haupt^'')  Auszüge  veröffentlicht.  Bayer,  zuerst  für  Kant,  dann 
besonders  für  Schelling  und  die  deutschen  Pantheisten  begeistert,  während  Hegel 
ihn  bald  abstiess,  schwärmte  frühzeitig  für  Klopstocks  Oden  und  trat  später  in 
Erlangen  namentlich  Rückert  persönlich  nahe.  1867  Hess  er  eine  „Rede  zu  Rückerts 
Gedächtnis"  erscheinen.  Auch  versuchte  er  sich  selbst  in  religiösen  Gedichten  über 
alttestamentliche  Helden,  die  unter  dem  Titel  „Lobgesänge"  1854  herauskamen.  — 
Im  allgemeinen  dürftig  ist  die  litterargeschichtliche  Ausbeute  aus  den  Memoiren 
der  Theologen.  Auf  protestantischer  Seite  kommt  als  der  älteste  unter 
ihnen  Joh.  Dav.  Tschirner  (1748—1831)  in  Betracht,  zuletzt  Pastor  in  Saabor  bei 
Grünberg,  der  seit  1825,  hauptsächlich  seit  1828  seine  Selbstbiographie  schrieb.  Den 
Anfang  derselben,  etwa  den  achten  Teil  des  Ganzen  teilt  nun  sein  Urenkel  Sattig *^^) 
mit,  die  Schilderung  von  Tschirners  Jugend-  und  Schulei-lebnissen  1757—65,  die 
uns  ein  Bild  des  sonderbaren,  vielfach  rohen  und  unverständigen  Schulwesens  zur 
Zeit  des  siebenjährigen  Krieges  giebt.  Von  Litteratur  und  Poesie  ist  in  diesen  Blättern 
nirgends  die  Rede.^**)  —  Etwas  mehr  Berührungen  damit  zeigt  die  Jugendgeschichte 
H.  E.  Schmieders,  1861  und  1863  geschrieben,  von  seinem  Sohne  Paul  Seh  miede  r'*'") 
im  99.  Lebensjahre  des  1794  geborenen  Vf.  herausg'egeben.  Schmieder  ist  in  Schulpforta 
geboren  und  erzogen;  er  war  zugegen,  als  1801  der  Schüler  Küttner  im  Auftrag 
Klopstocks  Blumen  auf  das  Grab  des  früheren  Konrektors  Stübel  streute.  Verehrung 
für  Klopstock  ward  auch  ihm  in  Pforta  eingeflösst;  sonst  schwärmte  er  für  Schiller 
und  vergoss  über  Goethes  „Wahlverwandtschaften"  1810  heisse  Thränen.  Seit  1811 
studierte  er  Theologie  in  Leipzig,  wo  er  sich  bald  an  den  talentvollen  und  charakter- 
festen, in  Philosophie  und  fremden  Sprachen  und  Litteraturen  gründlich  gebildeten 
Schriftsteller  Ad.  Wagner  innig  anschloss.  Er  wies  ihn  u.  a.  auf  Jak.  Böhme  und 
die  ältere  deutsche  Mystik  hin,  wurde  aber  auch  in  philologischen  Dingen  sein 
Lehrer.  Auch  seinen  Bruder,  der  Polizeikommissar  und  „zugleich  ausgezeichneter 
Acteur  auf  einem  Liebhabertheater"  war,  den  Vater  Richard  Wagners,  lernte  er  da 
kennen.  Die  spätere  Lebensgeschichte  des  eifrigen  Theologen  und  geistlichen  Schrift- 
stellers Schmieder  enthält  nichts  litterarhistorisch  Bedeutsames  mehr.  —  Ebenso  un- 
ergiebig ist  die  Lebensgeschichte  des  Superintendenten  Gustav  Lenz^*^!)  in  Friedenau 
bei  Berlin  (1808 — 91),  der  von  seinem  als  humoristischem  Gelegenheitsdichter  vor- 
trefflichen Vater,  dem  Pastor  Joh.  Erdmann  Lenz  in  Stettin,  die  poetische  Begabung 
erbte  und  mehrere  geistliche  und  weltliche  Gedichte  verfasste,  sowie  die  des  Berliner 
Theologen  Gh.  H.  Otte  (1808—90),  die  jedoch  das  Berliner  Schulwesen  und  Universitäts- 
studium bis  zur  theologischen  Prüfung  in  der  Jugendzeit  des  Vf.,  der  noch  bei  Hegel, 
Neander,  Schleiermacher,  Ritter  hörte,  auch  das  musikalische  Treiben  des  damaligen 
Berlin  interessant  schildert.  Sie  ist  von  Richard  und  Gustav  Otte  ^*^^),  den  Söhnen  des 
Vf.,  herausgegeben.  —  Das  Schlussheft  der  pietätvoll  zusammengestellten,  den  strengsten 
kirchlichen  Geist  atmenden  Biographie  Wilhelm  Löhes**'^)  (1808—72)  berichtet  von 
der  Bekanntschaft  Löhes  mit  Julius  Sturm,  der  „dem  lieben  Schweiger"  ein  schönes, 
in  leicht  verhüllter  Form  den  Adressaten  charakterisierendes  Sonett  widmete.  —  Noch 


Dresden,  Minden.  12".  76  S.  M.  1,00.  |[BerlTBl.  N.  74.J|  (Nur  neue  Aufl.  d.  schon  188.5  erschienenen  1.  Ausg.)  —  97)  H. 
Haupt,  Aus  d.  Lebenserinnerungen  e.  Theosophen:  DEBll.  18,  S.  481-92.  —  98)  Joh.  Dav.  Tschirner,  Lebenserinnerungen. 
I.  Jugend-  n.  Schulerlebnisse  e.  ehemal.  Bnnzlauer  Waiscnhauszöglings  aus  d.  J.  1757-65.  Her  v.  F.  Sattig.  Programm  d. 
Waisen-  u.  Schulanst  Bunzlau  (L.  Fernbach).  4"*.  15  S.  —  99)  X  0  Hunziker,  Bericht  d.  Antistes  Hess  über  seinen 
Anteil  an  d.  Vorgängen  d.  19.  Jan.  1798:  ZörcherTb.  16,  S.  2.59-70.  —  100)  H.  Ed.  Schmieder,  Erinnerungen  ans  meinem  Leben 
(1794-1823).  Fiir  d.  Familie  u.  d.  Freunde  her.  v.  Paul  Schmieder.  Mit  Bild.  Wittenberg,  Wunschmann.  240  S.  M  2,00. 
KThLBl.  14,  S.  29-30:  EKZ.  S.  789  ]|  —  101)  G.  Lenz,  E.  Frühlingsleben.  Selbstbiogr.  Als  Ms.  gedr.  B.,  Buchhandl.  d.  Stadt- 
mission. 1892.  284  S.  M.  2,00.  —  102)  Chr.  H.  Otte,  Aus  meinem  Leben.  Nach  d.  Tode  d  Vf.  her.  v.  seinen  Söhnen  Rieh. 
Otte  n.  G.  Otte.    Mit  Bildn.    L.,  Grimme  &  Trömel.    V,  174  S.    M.  5,00.    —   103)    Wilh.  Löhes  Leben.    Ans  seinem  scliriftL 


IV  Ic:i04-ii4  F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-obücher  u. Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893. 

einseitiger  predigen  die  Memoiren  Fr.  Brunns  ^^^j,  zum  Teil  schon  1878  in  der  Zeit- 
schrift „Kirche  und  Mission"  erschienen,  das  orthodoxe  Luthertum,  rechthaberisch 
und  unduldsam  und  dabei  in  einem  oft  schwächlich-weinerlichen  Ton.  Geschichtlich 
am  merkwürdigsten  ist  in  dieser  Biographie  des  streitbaren  Pfarrers  die  Darstellung 
seiner  Jug-end.  1819  in  Hessen-Nassau  geboren,  wuchs  Brunn  im  äussersten 
Rationalismus  auf,  der  Sohn  eines  g-anz  rationalistischen  hessischen  Hofpredigers, 
der  allerdings  in  der  Vermeidung"  alles  Offenbarungsg-laubens  erstaunlich  weit  g'ing-. 
Auch  die  Schilderung  Brunns  von  der  extrem  aufklärerischen  Unterrichtsmethode 
im  ganzen  nassauischen  Ländchen  ist  sehr  interessant.  Freilich  schiesst  auch  er  mit 
seiner  Polemik  dagegen  weit  über  das  Ziel  hinaus,  wenn  er  z.  B.  jammert,  dass  die 
Lektüre  weltlicher  Romane  und  Schauspiele,  besonders  die  Bekanntschaft  mit  den 
Märchen  von  „Tausend  und  einer  Nacht"  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  ihm  „un- 
säglichen Seelenschaden"  gebracht  habe.  Nach  seiner  Bekehrung  zur  „rechtgläubigen" 
Kirche  —  welche  Anmassung  liegt  in  diesem  Epitheton,  das  Brunn  stets  im  Munde 
führt!  —  auf  der  Universität  Leipzig  erzählt  der  Vf.  nichts  mehr,  was  für  den  Litterar- 
historiker  Wert  hätte.  —  Viel  bescheidener  und  liebenswürdiger  tritt  uns  Bernhard 
Rogge^*^^)  in  seiner  kulturgeschichtlich  interessanten  Beschreibung  von  Schulpforta 
etwa  vor  fünfzig  Jahren  (er  besuchte  die  Anstalt  1843 — 50)  entgegen.  Mit  besonderer 
Dankbarkeit  und  Hochachtung"  gedenkt  er  der  durch  und  durch  harmonischen  Per- 
sönlichkeit Aug.  Kobersteins,  seiner  Wahrhaftigkeit,  die  allen  falschen  Schein  hasste, 
seines  preussischen  Patriotismus,  der  schon  1848  nichts  von  Grossdeutschland  wissen 
wollte.  In  Pforta  erkämpfte  er  vornehmlich  der  deutschen  Sprache  und  Litteratur 
ihre  Stellung*  neben  den  klassischen  Sprachen  und  Studien.  Seine  Lieblingsdichter 
Goethe  und  Shakespeare  las  er  an  Winterabenden  meisterhaft  vor.  Aber  auch.. 
Immermanns  „Münchhausen"  würdigte  er  dieser  Auszeichnung.  Ausserdem  berichtet 
Rogge  noch  von  der  Feier  des  100.  Geburtstages  Goethes,  bei  der  Scenen  aus  dem 
„Faust"  mit  eingelegten  Chören  vorgetragen  wurden.  —  Kindlich  fromm  ohne  Un- 
duldsamkeit und  im  frischen  Tone  des  echten  Volksschriftstellers  erzählt  Eduard 
Spach'06)  (geb.  1836)  von  seinem  Kinderleben  im  Elsass,  gelegentlich  Gedichte  von 
Karl  Gerok  sowie  eigene  Verse  einflechtend.  —  Ebenfalls  volkstümlich  frisch  schildert 
Emil  FrommeP"'')  die  Belagerung  Strassburgs  von  1870  nach  eigenen  Erinnerungen 
und  nach  den  Tagebuchblättern  eines  in  der  belagerten  Stadt  eingeschlossenen  Strass- 
burger  Kindes;  auch  er  webt  seinem  Bericht  gelegentlich  ein  Volkslied  ein,  das 
damals  im  Soldatenkreise  gesungen  wurde.  —  Umfassendere  Bekenntnisse  aus  seinem 
Leben  und  seelsorgerischen  Wirken  giebt  Frommel^^s^^  durch  Gerok  dazu  er- 
muntert, indem  er  vom  Schluss  seiner  Studienzeit  und  von  seinen  ersten  Vikarsjahren  im 
Badischen  erzählt.  Dabei  ist  auch  von  allerlei  Gelegenheitsgedichten  die  Rede,  die 
er  verfasste  oder  die  er  —  meist  sehr  drollig  —  von  Gemeindemitgliedern  empfing. 
Auch  begann  er  damals,  um  seinen  Bauern  die  thörichten  und  nutzlosen  Geschichten, 
die  sie  sich  erzählten,  aus  dem  Kopfe  zu  bringen,  zunächst  Geschichten  von  Stöber, 
Ahlfeld,  Caspari  und  anderen  auswendig  zu  lernen  und  ihnen  vorzutragen,  bis  er 
endlich  selbst  Volksgeschichten  für  sie  schrieb.  Diesen  Jugenderinnerungen  fügt 
Frommel  unter  dem  Titel  „Allerlei  Rauh"  mehrere  schon  vorher  in  der  „Christoterpe" 
gedruckte,  novellenartig  abgerundete  Aufsätze  bei,  die  Erfahrungen  aus  seiner  Pfarr- 
thätigkeit  von  1850 — 93  behandeln.  — 

Noch  weniger  als  aus  diesen  Schriften  gewinnt  die  Litteraturgeschichte  aus 
den  Memoiren  katholischer  Theologen io9-ii2j  —  Von  einem  katholischen  Priester 
wenigstens  eingeführt  sind  die  „Lebenserfahrungen  eines  Siebzigers" '^3),  keine 
richtige  Selbstbiographie,  sondern  mehr  ein  didaktisch-moralisches  Buch  mit  religiösem 
Beigeschmack,  darin  zahlreiche  Citate  und  Anspielungen  auf  Goethe,  die  Romantiker, 
Rückert,  Schopenhauer,  Tolstoi  und  andere  Dichter  und  Schriftsteller.  Ganz  besonders 
werden  Vischers  „Auch  einer",  Roseggers  „Im  Frieden  des  Alters"  und  Jung-Stillings 
Autobiographie  besprochen.  — 

Von  den  deutschen  Naturforschern  gehört  vornehmlich  Georg  Forster 
auch  der  Litteraturgeschichte  an.     L  eit  z  m  an  n  ^^*),    der  sich  um  den   mannigfach 

Nachlass  zusammengest.  3.  Bd.,  2.  Hälfte.  Gütersloh,  Bertelsmann.  1892.  IV,  S.  145-338.  M.  2,40.  —  104)  Fr.  Brunn, 
Mitteilungen  aus  meinem  Leben  für  meine  Kinder  u.  Freunde  zu  meinem  50j.  Amtsjnbil.  Mit  Bild.  Steeden,  Selbstverl.  d.  Vf. 
(Zwickau,  J.  Herrmann).  III,  272  S.  M.  1,40.  -  105)  (I  6  :  193.)  —  106)  Ed.  Spach,  Elsäss. Pfarrhäuser.  N.  F.  Erinnerungen 
aus  meinem  Kinderleben.  (=:  Elsäss.  Voltsschriften.  N.  23.)  Strassbnrg  i.  E.,  Heitz.  1892.  91  S.  M.  0,80.  —  107)  E. 
Frommel,  0  Strassbnrg,  du  wunderschöne  Stadt!  Alte  u.  neue,  freudvolle  u.  leidvolle,  fremde  u.  eigene  Erinnerungen  e. 
Feldpredigera  vor  Strassbnrg  im  J.  1870.  4.  Aufl.  Mit  e.  Titelbild.  (=  Dtsch.  Jugend-  u.  Volksbibl.  N.  40.)  St.,  Steinkopf. 
1892.  128  S.  M.  0,75.  -  108)  id.,  Aus  Lenz  u.  Herbst.  Erinnerungen.  Bremen,  C.  Ed.  Müller.  VII,  193  S.  M.  3,00. 
KKonsMschr.  S.  1365.JI  —  109)  O  X  A.  U.  Piscalar,  Erinnerungen  an  Augustin  Link,  Priester  d.  Ges.  Jesu,  für  d.  Ver- 
storbenen Freunde  u.  Schüler  ges.  Schwäb.-Gmünd,  Roth.  1892.  322  S.  M.  3,50.  |[G.  Weber:  Kath.  72',  S.  187/9.] |  — 
HO)  X  H  Koetzschke,  50  J.  in  d.  kath.  Kirche:  DWBl.  .5,  S.  309-10.  —  111)  X  F.  Lorinser,  Ans  meinem  Leben.  Wahr- 
heit u.  keine  Dichtung.  Bd.  1  u.  2  fvgl.  JBL.  1891  IV  1  :  227).  ÜHPBII.  109.  S.  194-205;  A.  Rösler:  LRs.  19,  S.  18/9.]|  — 
112)  X  J-  Elias,  Luise  v.  Kobell.  Döllinger-Erinnerungen  (vgl.  JBL.  1891  IV  1  :  226):  Nation».  9,  S.  306,9.  —  113)  Aus  d. 
Lebenser%ihrungen  e.  Siebzigers.  Mit  e.  Vorw.  v.  P.  F.  v.  Bodelsch wingh.  Gotha,  Perthes.  1891.  IX,  199  S.  M.  3,00. 
(2.  [Titel-]Aufl.  1894.)  —  114)  A.  Leitzmann,   Briefe  u.  Tagebücher  Georg  Forsters  v.  seiner  Reise  am  Niederrhein,  in  Eng- 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u. Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893.  IV  Ic:  115-121 

Verkannten  schon  wiederholt  verdient  g-einacht  hat,  veröffentlicht  nun  seine  Briefe 
und  Tagebücher  von  der  Reise  am  Niederrhein,  in  England  und  Frankreich  1790, 
die  Briefe  grösstenteils  bisher  ungedruckt,  ebenso  die  erste  Hälfte  der  Tagebücher, 
während  der  Rest  der  letzteren  schon  von  Huber  1794  im  3.  Bande  der  „Ansichten  vom 
Niederrhein"  herausgegeben  wurde.  Die  Briefe  erstrecken  sich  nur  auf  die  Reise 
am  Rhein  und  durch  Holland  nach  London  ;  sie  reichen  bis  zum  1.  Juni.  Das  Tage- 
buch geht  bis  zum  9.  Juli  und  umfasst  auch  die  weitere  Reise  durch  England  und 
Frankreich  bis  zur  Ankunft  in  Metz.  Den  Reiz  der  Briefe  bildet  namentlich  ihr 
menschlicher  Gehalt,  die  Herzlichkeit  des  Verhältnisses  zwischen  Forster  und  seiner 
Familie,  die  Innigkeit,  mit  der  er  beständig  an  Weib  und  Kind  denkt  und  für  sie 
besorgt  ist,  dann  die  Unmittelbarkeit  der  Darstellung,  ihre  sinnliche  Anschaulichkeit 
und  Wärme  bei  aller  Einfachheit,  die  Vereinigung  von  Humor  und  Enthusiasmus  in 
ihr.  Jene  persönlichen  Beziehungen  sind  in  den  gedruckten  „Ansichten  vom  Nieder- 
rhein" überall  getilgt;  was  die  Briefe  und  Tagebücher  dagegen  unmittelbar  litterar- 
geschichtlich  Bedeutendes  enthalten,  ging  meist  schon  damals  vollständig  in  den 
Druck  über.  Gleich  im  Beginn  der  Reise  treffen  Forster  und  sein  Begleiter  A.  von  Hum- 
boldt mit  Iffland  zusammen,  der  sie  zu  F.  H.  Jacobi  nach  Pempelfort  begleitet.  Ueber 
Ifflands  sittlichen  Charakter  urteilt  Forster  am  7.  April  in  mteressanter,  .leider  nur 
etwas  verhüllter  Art.  Mit  Jacobi  fühlt  er  sich  eins  in  seiner  Grundansicht  von 
Goethes  „Tasso":  bei  aller  Bewunderung  des  prachtvollen  Stils  wissen  sie  beide  aus 
dem  Antonio  nichts  zu  machen.  Von  Kotzebues  Stücken  wollen  sie  beide  nicht  viel 
wissen;  doch  findet  Jacobi  ihren  Vf.  im  Umgang  äusserst  angenehm.  Später  zeichnet 
Forster  verschiedene  Bemerkungen  über  neuere  englische  Stücke  auf.  Im  Briefe  vom 
25.  April  tritt  schon  die  tragische  Grundstimmung  hervor,  die  bald  sein  Leben 
ganz  und  gar  durchklingen  sollte:  schwer  drückt  ihn  das  Miss  Verhältnis  zwischen  seinen 
Handlungen  und  seinen  empfundenen  Pflichten,  zwischen  seiner  Empfänglichkeit  für 
alles  Vorzügliche  und  dem  eigenen  Guten.  —  Auch  die  Veröffentlichung'en  aus  Forsters 
sonstigen  Briefen,  in  denen  Leitzmann^*^)  mit  gewohnter  Gründlichkeit  und  Sorgfalt 
fortfährt,  ergeben  weit  mehr  für  die  Erkenntnis  von  Forsters  Leben,  Charakter  und 
persönlichen  Ansichten  als  für  die  deutsche  Litteraturgeschichte  im  engeren  Sinne. 
Das  gilt  sowohl  von  den  zahlreichen  Nachträgen  zum  Briefwechsel  mit  Joh.  Karl  Phil. 
Spener  —  darin  1776  eine  beachtenswerte  Aeusserung  über  Joh.  Fr.  Schiller  f  1731  — 1815), 
den  Paten  des  Dichters  —  als  von  den  mitunter  sehr  schönen  Briefen  an  Chrn.  Gottlob 
Heyne,  von  denen  L.  vorerst  die  Hälfte,  aus  den  J.  1778 — 85,  herausgiebt.  In  ihnen 
spiegeln  sich  gut  die  persönlichen  Verhältnisse  des  Vf.  ab,  seine  wechselnden  Schick- 
sale in  früheren  und  späteren  Jahren,  seine  sich  rasch  freundschaftlich  gestaltenden 
Beziehungen  zu  Heyne.  Gelegentlich  vermittelt  er  zwischen  diesem  und  F.  H.  Jacobi, 
den  er  ein  andermal  begeistert  einen  der  würdigsten  Menschen  nennt,  die  er  kenne. 
Dann  giebt  er  Nachrichten  über  Joh.  von  Müller  während  seines  ersten  Aufenthalts 
in  Kassel,  nimmt  Stellung  in  dem  litterarischen  Streite  zwischen  Lichtenberg  und 
Voss,  den  er  wegen  seines  ,, unbändigen  Hochmuts"  für  seelenkrank  hält,  flicht  über- 
haupt allerlei  wissenschaftliche  Bemerkungen  und  Berichte  ein,  auch  philosophische 
Betrachtungen  über  das  Leben,  über  das  wahre  Glück  des  Menschen  (nämlich  zum 
Glück  anderer  beizutragen).  Voll  Jubel  und  Dankbarkeit  schreibt  er  nach  seiner 
Verlobung  mit  Heynes  Tochter,  voll  überschwänglichen  Entzückens  nach  der  Hochzeit. 
Mit  der  Ankunft  der  Neuvermählten  in  Wilna  (Nov.  1785)  schliesst  vorläufig 
die  dankenswerte  Veröffentlichung  dieser  Briefe. *'^"*'^)  —  Ohne  Beziehungen  zur 
eigentlichen  Litteraturgeschichte  ist  das  vielbewegte,  an  Arbeit,  Erfahrungen,  auch 
Reisen  und  Reiseabenteuern  reiche  Leben  Werner  von  Siemens ^'^"•-'')  geblieben, 
dessen  einfache,  schmucklose  Darstellung  einen  fesselnden  und  durchweg  bedeutenden 
Eindruck  macht.  —  Einfach  und  anspruchslos  stellen  sich  die  Memoiren  eines 
Mediziners  dar,  des  1810  zu  Dresden  geborenen  K.  E.  Hasse^^i),  der  besonders 
aus  seiner  Jugendzeit  über  litterarische  Persönlichkeiten,  mit  denen  er  in  Verkehr 
kam,  zu  berichten  weiss.  Sein  Vater,  damals  Lehrer  am  Dresdener  Gymnasium,  später 
Professor  der  Geschichte  an  der  Universität  Leipzig,  war  Mitglied  einer  litterarischen 
Gesellschaft,    der   Graf  Loeben,    Frhr.  von   der    Malsburg,    Kind,    Th.  Hell,    K.    M. 


land  u.  Franicroich  im  Prnhj.  1790.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  XI,  310  S.  M.  6,00.  |(LCB1.  S.  1757/S;  Edm.  Lange:  BLU. 
S.  6413.]  (S.  n.  IV  5.)  —115)  id.,  Ungedr.  Briefe  G.  Forsters:  ASNS.  90,  S.  27-56;  91,  S.  129-78  (S.  u.  IV  5 :  32;3.)  —  116)  O  X 
Ph.  Lehzen,  Ans  allen  Weltteilen.  Reiseerlebnisse  ans  d.  J.  1878-85.  L.,  ühl.  VIII,  428  S.  M.  6,00.  -  117)  X  Berzelins 
u.  Liebig.  Ihre  Briefe  v.  1831-45  mit  erlänternden  Einschaltungen  ans  gleichzeit.  Briefen  v.  Liebig  n.  Wöhler  sowie  Wissen- 
schaft!. Kachweisen  her.  mit  Unterstütz,  d.  kgl.  bayer.  Ak.  d.  Wiss.  v  Just.  Carriere.  Mönchen,  .1.  F.  Lehmann.  VIII,  279  S. 
Mit  2  Bildn.  M.  6,00.  |[LCB1.  S.  560/l.]|  (S.  n.  IV  5  :  450.)  —  118)  OXl'TSchroeder,  Jngendbriefe  K.  E.  v.  Baers  an  W.  v.  Ditmar: 
BaltMschr.  40,  S.  264-84.  —  119}  W.  v.  Siemens,  Lebenserinnernngen.  Mit  Bild,  in  Photograv.  B.,  Springer.  1892.  317  S. 
M.  5,00.  ![H.  Albrecht:  DRs.  75,  S.  132/5;  W.  Berdrow:  Geg.  43,  S.  1.325;  A.  Berliner:  Nation^.  10,  S.  146/9,  166-70, 
181/5;  KonsMschr.  S.  234/6;  E.  Lehmann:  BLU.  S.  91;9;  AMZg.  68,  N.  29;  BBSW.  S.  287/8.]|  (Ebenso  2.  u.  3.  Aufl.,  unver. 
bis  1893  erschienen.  —  120)  X  W.  v.  Siemens,  Personal  Recollections.  Translated  by  W.  C.  C  o  u  p  1  a  n  d.  London,  Asher  &  Co.  Sh.  15. 
|[SBturdayR.  76,  S.  574/5.] |    —    121)  K.  E.  Hasse,   Erinnerungen  aus  meinem  Leben.    Als  Ms.  gedr.    Braunschweig  (Vieweg), 


IV  Ic:i22-i29  F.  Munck GT,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./l9.Jh.  1892, 1893. 

von  Weber,  Böttig-er,  Helmine  von  Chezy,  Amalie  von  Helvig,  Johanna  Schopenhauer, 
die  Talvj  und  andere  ang-ehörten ;  intim  war  er  mit  Elisa  von  der  Recke  und  Tiedg-e 
bekannt.  So  trat  ihnen  auch  der  jung-e  Hasse  gelegentlich  nahe.  In  Leipzig,  wo  er 
sein  Universitätsstudium  beg-ann  und  sich  später  nach  allerlei  Zwischenstationen  und 
wissenschaftlichen  Reisen  als  Privatdocent  niederliess,  verkehrte  er  besonders  mit  dem 
Philosophen  Krug,  dessen  Frau,  der  ehemaligen  Braut  H.  von  Kleists,  und  ihrer 
Schwester.  In  Dresden  nahm  Hasse  noch  als  jung-er  Arzt  an  den  berühmten,  auch  von 
ihm  hochgerühmten  Vorlesung-en  Tiecks  teil. '-2)  —  Hier  mag"  die  trefflich  geschriebene 
Autobiographie  des  um  die  wissenschaftliche  Pflege  der  Landwirtschaft  verdienten 
H.  Settegast'23)  eingeschaltet  werden,  für  unsere  Zwecke  natürlich  wenig  ergiebig. 
Dankbar  gedenkt  der  Vf.  der  Förderung,  die  er  von  Fr.  von  Farenheid  (1780  —  1848) 
erfuhr,  dessen  Gut  Angerapp  ihm  mehrere  Jahre  zur  Bewirtschaftung-  übertragen  war. 
Er  flicht  eine  liebevolle  Charakteristik  dieses  Grönners  in  seine  Darstellung  ein : 
Farenheid,  der  Schüler  Kants  in  Königsberg,  dann  Heynes  und  Lichtenbergfs  in 
Göttingen,  hatte  Frankreich,  Nordamerika,  England,  die  Schweiz  und  Oberitalien 
bereist  und  verbesserte,  zurückgekehrt,  auf  seinen  Gütern  das  Schulwesen  wie  die 
socialen  Zustände,  eine  durchaus  humane,  vornehm-liebenswürdige  Persönlichkeit.  In 
seinen  philosophischen  Anschauungen  war  er  eklektisch,  ohne  oberflächlich  zu  sein, 
mannigfach  durch  Kant  bestimmt;  in  politischen  Fragen  war  er  liberal  im  Sinne 
Fichtes,  Gneisenaus,  Scharnhorsts,  W.  von  Humboldts.  Von  gleichzeitigen  deutschen 
Dichtern  verehrt  Settegast  vor  allem  Gust.  Freytag,  dem  er  auch  das  Motto  für  seine 
Erinnerungen  entlehnt.  Ihm  und  seinem  Genossen  in  den  „Grenzboten",  Julian 
Schmidt,  weist  er  einen  hervorragenden  Platz  unter  den  Hütern  gesunder  Volksauf- 
klärung an  und  schätzt  die  Dienste  hoch,  die  sie  zur  Läuterung  und  Stärkung 
besonnenen  Fortschritts  dem  Vaterlande  in  schwerer  Zeit  leisteten.  — 

Die  Reihe  der  Philologen  und  Schulmänner  eröffnet  der  als  Pädagog 
thätige  Jugendfreund  Joh.  G.  Müllers,  Hofrat  Büel  (1761 — 1830),  aus  dessen  Stamm- 
büchern Baechtold'2*)  Mitteilungen  darbietet.  Büel  lebte  an  verschiedenen 
Orten  in  der  Schweiz,  Deutschland  und  Oesterreich  und  kam  mit  vielen  Menschen  in 
Berührung.  Seine  Stammbücher  enthalten  Einträge  von  Dichtern,  Geistlichen,  Philo- 
logen und  anderen  Gelehrten  oder  Künstlern  in  Prosa  oder  in  Versen;  so  von 
Ch.  F.  Weisse,  J.  G.  Jacobi,  Fritz  Stolberg,  Miller,  Tiedge,  Matthisson,  Kotzebue, 
Mayrhofer,  Karoline  Pichler  (1809  und  wieder  1814),  Weishaupt,  Schlichtegroll,  Lavater 
(zu  wiederholten  Malen),  Pestalozzi,  Joh.  Jak.  Hess,  Höttinger,  P.  A.  Stapfer,  Joh. 
von  Müller  und  Joh.  G.  Müller.  Höher  ragen  unter  den  Dichtern,  die  sich  einschrieben, 
Herder  (1802),  Schiller  (4.  Sept.  1802),  Jean  Paul  (4.  Juli  1802  mit  bedeutenden 
Worten),  Tieck  (1808),  Friedrich  und  Dorothea  Schlegel  (1814)  hervor;  Goethe  fehlt, 
da  Büel  sich  nicht  zu  ihm  hingezogen  fühlte.  Von  Musikern  ist  besonders  Beethoven 
(1805),  von  den  zahlreichen  Malern  Schnorr  von  Carolsfeld  zu  nennen. '25)  —  Briefe 
von  der  Hagens  an  die  Göttinger  Bibliothekare  Heyne  und  Benecke  aus  den  J.  1805 — 20 
teilt  Dziatzkoi26)  j^n  Es  handelt  sich  dabei  zunächst  um  Bücherbestellungen;  dabei 
schildert  aber  von  der  Hagen  sein  wissenschaftliches  Streben  und  seine  in  aus- 
schweifenden Plänen  ohne  sichere  Methode  sich  gefallende  Persönlichkeit  und  spricht 
allerlei  Vermutungen  aus  über  den  Zusammenhang  der  alten  deutschen  und  der 
nordischen  Sagen  im  einzelnen,  besonders  über  das  gegenseitige  Verhältnis  der  ver- 
schiedenen Fassungen  der  Nibelungensage.  Seine  Erörterungen  sind  jetzt  zwar 
meistens  durch  die  spätere,  strengere  Forschung-  weit  überholt;  doch  ist  der  Rück- 
blick auf  die  allmähliche  Entwicklung  der  Wissenschaft  lehrreich.  —  Nur  halb  in  den 
Kreis  der  Philologen  gehört  Oechelhäuser^^''),  von  dessen  ursprünglich  nur  für  den 
engeren  Familienkreis  bestimmten  Memoiren  ein  Teil  der  Oeffentlichkeit  übergeben 
wurde.  Es  ist  die  Schilderung  der  Revolutionsjahre  1848—50,  namentlich  der 
Ereignisse  in  Frankfurt,  wo  der  massvoll  liberale,  allen  demokratisch -extremen 
Bestrebungen  abholde,  entschieden  preussisch  gesinnte  Vf.  seit  dem  Juli  1848  lebte, 
vom  Sept.  an  im  Reichsministerium  des  Handels  thätig.  Am  Wirtstisch  traf  er  hier 
des  Abends  öfters  mit  Ludw.  Feuerbach  zusammen,  musste  dabei  aber  wahrnehmen, 
dass  der  von  ihm  früher  emsig-  studierte  Philosoph  im  Bierhaus  nur  spiessbürg-erlich- 
harmlose  Gespräche  liebte.  Später  verkehrte  Oechelhäuser  mehrfach  mit  dem  durch 
Humor  ausgezeichneten  Schriftsteller  Rob.  Heller.  1 28  - 1 29^  _  Nicht  viel  reicher  ist  die  litterar- 

IV,  238  S.      [Bich.  Friedrich:    BLU.  8.  675/6.]!     (Nicht   im    Hanael.)    —    122)  X    Bmilie  Ringseis,    Erinnerungen    an  J.  N. 

V.  Ringseis  (vgl.  .IBL.  1892  IV  Ib:  138).  1[HPB11.  109,  S.  128;  0.  Pfalf:  StML.  44,  8.  239-41. ]|  —  123)  H.  Settegast,  Er- 
lebtes u.  Erstrebtes.  B.,  Puttkaramer  &  Mühlbrecht.  1892.  XII,  324  8.  M.  5,00.  |[A.  Thaer:  DLZ.  1892,  S.  376/7;  F.  Biene- 
mann:  BLU.  1892,  8.  152;  L.:  DK  1892:3,  S.  126;  Grenzb.  1892:1,  8.  415/6.]|  —  124)  J.  Baechtold,  Aus  Hofrat  Buels 
Stammbüchern:  ZnrcherTb.  15,  8.  132-68  —  125)  O  X  J-  ^-  Beylcert,  Notice  biogriiph.  Relation  de  sa  captivite  ä  Dijon  etc. 
Lettres  ä  sa  ferarae  1793-94.  Mit  e,  Silhouette.  Strassbur;,'  i.  E.,  Heitz.  XXIII,  125  8.  M.  3,20.  -  126)  (I  2  :  14.)  —  127)  W. 
Oechelhäuser,  Erinnerungen  aus  d.  J.  1843-50.  B.,  Springer.  1892.  V,  138  S.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  1  b  :  27; 
5:253.)  —  128)  X  W.  Mönch,  Tagebuchbll.  Eindrücke  u.  Gediinken  in  loser  Aufzeichnung.  B.,  Gfirtner.  1891.  X.  100  8. 
M.  2,60.    |[0.  Lyon:  ZDÜ.  6,  S,  316/7;   H.  Schirwer;  DLZ.  1893,  S,  606.]|    —  129)   X   H-  Kohrs,   L.  Kollner,   LabensbU. 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u. Briefwechsel  d.  18./19.Jh.  1892, 1893.  IV  Ic:  130-133 

geschichtliche  Ausbeute  aus  den  zwei  Bänden  der  Lebenserfahrungen  des  thüringischen 
Schulmanns  Friedrich  Polack^^"),  die  in  französischer  Uebersetzung  erschienen,  wie 
es  scheint,  nicht  nach  einer  zusammenhängenden  deutschen  Selbstbiographie  verfasst, 
sondern  aus  mehreren  autobiographischen  Einzelskizzen  Polacks  zusammengestellt. 
Dadurch  hat  freilich  das  Ganze  einen  prätentiöseren  Charakter  bekommen,  der  zu  dem 
ziemlich  unbedeutenden  Leben  des  deutschen  Schulmanns  nicht  recht  passt,  so 
anregend  und  reich  an  pädagogischen  Lehren  wie  an  novellistischem  Reiz  auch  immer 
das  Buch  ist.  Polack,  1835  geboren,  erzählt  seine  Greschichte  bis  zu  seiner  Anstellung 
in  Erfurt  1869,  nachdem  er  in  den  thüringischen  Dörfern  Schwenda  und  Kammer 
mehrere  Jahre  als  Lehrer  thätig  gewesen.  Schon  in  der  Schule  wurde  er  von  seinem 
liebsten  Lehrer  auf  Hebel  und  Bitzius  hingewiesen  und  zwar  auf  den  letzteren  als 
den  gedanklich  tieferen,  wenngleich  in  der  Form  weniger  einfachen  und  weniger 
fesselnden  Schriftsteller.  So  zog  er  denn  auch  damals  Hebel  weitaus  vor.  Später  im 
eigentlichen  Lehrerseminar  verweigerte  man  den  Zöglingen  gelegentlich  selbst  die 
Lektüre  Schillers  und  aller  auch  nur  etwas  philosophischen  Schriftsteller.  Dennoch 
lernte  Polack  hier  manchen  Autor  kennen ;  besonders  begeisterte  er  sich  für  Heine,  nach 
dessen  Muster  auch  er  sich  in  sarkastischen  Gedichten  versuchte.  Die  eigentlichen 
Anfänge  seiner  Schriftstellerei  fielen  aber  erst  in  seine  eigene  Lehrthätigkeit.  Freunde 
machten  ihn  mit  Auerbachs  Volksgeschichten  bekannt  und  erzählten  ihm  zugleich 
eine  wahre  Geschichte  aus  dem  Thüring-er  Volksleben  mit  der  Aufforderung,  sie  nach 
jenem  Muster  nachzuerzählen.  So  entstand  sein  Erstling  „Eine  einzige  Tochter",  der 
im  Freundeskreis  mit  wohlwollender  Kritik  aufgenommen  wurde.  Nun  fuhr  er  fort, 
denselben  Freunden  Gedichte  nach  Hebels  Vorbild  und  sonstige  schriftstellerische 
Arbeiten  vorzulegen.  —  Unverhältnismässig  interessanter  ist  Heinrich  Schlie- 
mannsi3i)  Selbstbiographie,  zum  grossen  Teil  schon  1881  in  seinem  Buche 
„Ilios"  gedruckt,  nun  von  Alfr.  Brückner  im  Auftrage  der  Witwe  des  Vf.  er- 
gänzt. Warm  und  lebendig  schildert  das  fesselnde  Buch  ein  rastloses  Forecher- 
leben  von  den  Träumen  des  Knaben  an,  die  sich  schon  um  die  Wiederentdeckung 
Trojas  drehten,  die  Hindernisse,  die  sich  dem  Jüngling  lang  entgegenstellten,  dann 
die  Reisen  des  Mannes,  seine  Ausgi-abungen,  die  Mühen  und  Gefahren  der  Arbeit,  die 
wissenschaftlichen  Ergebnisse  seiner  Thatigkeit.^^^j  _  Zwischen  den  Philologen  und 
Historikern  in  der  Mitte  steht  das  Brüderpaar  Johann  Georg  und  Johannes  Müller, 
deren  zum  Teil  schon  (vgl.  JBL.  1891  IV  1  :  236)  besprochener  Briefwechsel  aus  den 
J.  1789—1809  nun  abgeschlossen,  von  Haug^^^-j  herausgegeben,  vorliegt.  Auch  in 
der  zweiten  Hälfte  dieser  Briefe  (seit  1800)  bleibt  das  Verhältnis  der  Brüder  zu  ein- 
ander sowie  der  Charakter  ihrer  Briefe  und  der  in  denselben  ausgesprochenen  Urteile 
in  der  Hauptsache  wie  zuvor.  Wieder  hätte  Johann  Georg  seinen  berühmteren  Bruder 
gern  von  den  „heillosen  politischen  Geschäften"  abgebracht.  Darum  freute  er  sich 
im  Herbst  1800  ungemein  über  dessen  Ernennung  zum  ersten  Kustos  der 
Wiener  Hofbibliothek,  nicht  minder  1803  über  seinen  Anschluss  an  Goethe  in  Sachen 
der  Litteraturzeitung.  Entzückt  pries  er  1806  die  neue  Vorrede  zur  „Schweizer 
Geschichte"  mit  ihrer  klassischen  Sprache  als  ein  Meisterstück  „ganz  im  grossen  Ge- 
schmack der  Alten".  Bald  darauf  aber  verhehlte  er  seine  Besorgnis  und  sein  Be- 
dauern über  den  Eintritt  des  Bruders  in  politische  Dienste  durchaus  nicht,  obgleich 
er  das  Genie  Napoleons  vollauf  würdigte,  den  doch  auch  der  nun  von  dem  fran- 
zösischen Glanz  geblendete  Johannes  noch  im  Febr.  1800  einen  Abenteurer  und  Lügner 
von  Anfang  gescholten  hatte,  den  man  nimmermehr  mit  Sulla  oder  Cromwell  ver- 
gleichen dürfe.  Johann  Georg  selbst  wusste  erst  1809  sich  von  den  beengenden 
politischen  Angelegenheiten,  zu  denen  ihn  seine  Stellung  in  Schaffhausen  zwang, 
etwas  freier  zu  machen.  Aber  schon  1800  spielten  allerlei  Pläne,  um  ihn  nach  Nord- 
deutschland zu  versetzen.  Lavater  empfahl  ihn  nach  Eutin  an  Vossens  Stelle ;  Herder 
suchte  ihn  in  Kiel  unterzubringen.  1805  ward  er  wiederholt  nach  Heidelberg  berufen. 
Die  Liebe  zur  Schweizer  Heimat  hielt  ihn  aber  allen  Verlockungen  gegenüber  in 
Schaffliausen  fest.  Dabei  nahm  er  unablässig  innigen  Anteil  an  den  Ereignissen  im 
eigentlichen  Deutschland.  So  begeisterte  ihn  mächtig  1804  der  Brief  des  Frhrn. 
von  Stein  an  den  Fürsten  von  Nassau:  „Donnerworte  sind  es,  eine  mehr  als  Demosthe- 
nische   Beredsamkeit!"    Die    beiden  Männer,  zu    denen   er    sich   unter  allen  Schrift- 


Erinnernngen  ans  d.  Schulwelt.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  1891.  VII,  587  S.  Mit  Bild.  M.  4,50.  |[ZDU.  7,  S.  69-70.]|  —  130) 
F.  PolacV,  Les  experiences  d'nn  maitre  d'ecole  allemand  Trad.  de  A.  Bosselet.  2  Bde.  Paris,  Firmin- Didot.  1892.  12*. 
381,3948.  — 131)  H.  Schliemann,  Selbstbiographie.  Bis  zu  seinem  Tode  verToUst.  Her.  v.  Sophie  Schliemann.  Mit  e. 
Portr.  in  Heliograv.  und  10  Abbild.  L.,  Brockhaus.  1892.  V,  100  S.  M.  3,00.  |[F.  t.  Duhn:  DLZ.  1892,  S.  268/9 ;  LCBl.  1893, 
S.  534/5;  H.  L.  Urlichs:  BBG.  29,  S.  16t;  F.  Bienemann:  BLÜ.  1892,  S.  185.]|  —  132)  X  H.  Brugsch,  Mein  Leben  u. 
mein  Wandern:  VossZg.  K.  347,  349.  851,  353,  355,  35",  359,  361,  363,  365,  367.  369,  371,  373.  375,  377,  379,  381,  383,  335,  387, 
393,  395,  397,  .S99,  401,  403,  405,  407,  409,  411.  413.  415,  417,  419,  421,  423,  425.  427,  429,  431,  433,  435,  437,  439,  441.  (Als 
Buch  erst  1894  erschienen,  wird  im  nächsten  .1.  bespr.)  —  133)  Ed.  Hang,  D.  Briefwechsel  d.  Brüder  J.  G.  Müller  u.  Joh. 
V.  Mailer  1789-1809.  Frauenfeld,  Hnber.  XII,  440  S.;  134  S.  M.  10,00.  |[LCBI.  S.  480/1;  A.  G.:  ZGORh.8,  S.  155;  A.  Chnqnet: 
RCr.  36,  S.  422/4;  E.  Foss:  MHL.  20,  S.  73;  Ad.  Schroeter:  BLÜ.  S.  805;  W.  Hosäns:  LZgB.  N.  18.]|  (S.  n.  IV  5.)  — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgesohichte.    IV.  (A)^ 


IV  Ic:i33-i34  F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893. 

stellern  am  meisten  hing-ezog-en  fühlte,  verlor  er  bald  nach  dem  Beginn  des  neuen 
Jh.  durch  den  Tod.  Im  Sommer  1800  nahm  er  den  letzten  Abschied  von  Lavater. 
„So  ein  Mann",  schrieb  er  am  17.  Juli,  „kömmt  so  bald  nicht  wieder.  In  seinen 
letzten  Jahren  hat  er  für  das  Vaterland  gethan,  was  er  konnte,  und  mit  unglaublicher 
Freimütigkeit  geredt,  gepredigt,  geschrieben  —  aber  ohne  Erfolg."  Und  am  3.  Jan.  1801 
widmete  er  dem  eben  Verstorbenen,  seinem  lebendigen  thätigen  Glauben,  seiner  nie 
ermüdeten  Liebe,  seinem  grossen  Herzen,  seinem  Mut,  zu  jeder  seiner  Ueberzeugungen 
sich  zu  bekennen,  seinem  Wahrheitseifer  einen  schönen  Nachruf.  Keine  drei  Jahre 
vergingen,  und  auch  Herder,  dessen  „Entfesselter  Prometheus"  ihn  noch  kurz  vorher 
entzückt  hatte,  war  dahin.  Schmerzlich  rief  Johann  Georg  beim  Eintreffen  der  Todes- 
nachricht aus:  „Unendlich  liebte  ich  Lavatern,  aber  doch  lange  nicht  so  sehr  wie 
ihn."  Und  einige  Wochen  später  fügte  er  u.  a.  hinzu :  „Menschlichkeiten  hatte  er  wie 
wir  alle,  aber  eine  Reinigkeit  und  Heiligkeit  der  Seele,  die  er  durch  die  strengste 
Gewissenhaftigkeit  von  Jugend  an  und  einen  nie  unterdrückten  Hang  zur  Religiosität 
sich  eigen  gemacht  hatte,  zu  einem  xt;?^«  elg  aei.^'-  Mit  allem  Eifer  widmete  er  sich 
alsbald  der  Aufgabe,  die  Schriften  des  Verstorbenen  herauszugeben,  und  immer  be- 
geisterter las  er  sich  von  neuem  in  dieselben  ein,  hingerissen  u.  a.  von  den 
scharfsinnigen  Ideen  in  Hamanns  Briefen  an  den  Verewigten,  abgestossen  von  der 
Plattheit  in  den  Briefen  Nicolais,  der  wegen  seiner  „grobhäutigen"  Einseitigkeit  im 
Kampf  gegen  Jesuiten,  Illuminaten  und  Schwärmer  oder  Pietisten  und  wegen  seiner 
hässlichen  Polemik  gegen  den  toten  Lavater  überhaupt  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  seinen 
Aerger  reizte.  Auch  den  Bruder  zog  er  in  diese  Interessen  herein.  Johannes  war 
Herder  gegenüber  stets  etwas  kühler  gewesen.  „Er  hat  Ideale",  schrieb  er  am 
23.  Aug.  1800,  „woraus  er  Prokrustesbetten  macht:  wehe  dem  nicht  herein  Passenden! 
und  gut,  dass  der  im  Himmel  etwas  toleranter  mit  uns  ist."  Doch  wollte  er  sich  der 
Ausgabe  der  Herderschen  Werke  nicht  entziehen.  Er  sollte  die  historischen  Schriften 
übernehmen,  auch  die  Biographie  und  Charakteristik  des  Autors  liefern.  Grosse 
Arbeit  erwartete  man  nicht  von  ihm;  so  sollte  er  z.  B.  zu  den  „Ideen"  nur  hie  und 
da  „als  Meister  vom  Stuhl"  eine  Anmerkung  beifügen.  Später  erklärte  er  sich  auch 
bereit,  die  Ausgabe  der  „Volkslieder"  zu  besorgen,  zur  besonderen  Freude  Johann 
Georgs,  dessen  Lieblingsbuch  gerade  dieses  Werk  Herders  nie  gewesen  war. 
Uebrigens  ergiebt  auch  der  Briefwechsel  der  Brüder  deutlich,  wie  wenig  philologisch- 
methodisch sie  bei  dieser  Ausgabe  vorgingen.  Während  der  Arbeit  fällte  der  jüngere 
Bruder  gelegentlich  im  April  1807  ein  ungerechtfertigt  herbes  Urteil  über  Karl  August 
und  Goethe,  für  den  er  überhaupt  nicht  den  rechten  Massstab  fand,  wenn  er  auch 
einmal  (im  Okt.  1803)  das  Urteil  seines  Bruders  Johannes,  der  allezeit  in  Goethe 
mehr  oder  weniger  verliebt  gewesen  zu  sein  behauptete  und  in  dem  bewunderten 
Dichter  ,, viele  Originalität,  grosse  Kraft,  viel  Ideenreichtum"  wahrnahm,  vollständig 
unterschreiben  wollte.  Hauptsächlich  beklagte  Johann  Georg  das  masslose  Gräcisieren 
der  Weimarer.  Vor  allem  Goethe  sollte  dieser  Vorwurf  treffen,  doch  auch  Wieland, 
an  dem  er  sonst  —  auch  hier  schroffer  als  Johannes  —  die  verweichlichende 
Gallikanisierung  der  deutschen  Sprache  tadelte,  und  Schiller,  von  dessen  Trauerspiel 
„Die  Braut  von  Messina"  er  dann  doch  urteilte:  „Es  übertrifft  alles,  was  er  je  ge- 
schrieben, und  was  jemals  die  deutsche  Bühne  hervorgebracht,  an  Interesse,  Oekonomie 
der  Handlung,  Hoheit  der  Gedanken  und  Wohlklang  der  Sprache."  Seltener  be- 
rührte er  in  seinen  Briefen  die  Romantik.  1805  klagte  er,  gelegentlich  des  Urteils 
eines  Schellingianers  über  Schleiermachers  Piatonübersetzung,  über  die  Unduld- 
samkeit dieser  neuen  Sekte,  namentlich  gegen  Herder  und  Heyne.  Die  intolerante 
Heftigkeit  gegen  Heyne  und  andere  Gegner  in  mythologischen  Dingen  entlockte  ihm 
in  demselben  Brief  auch  ein  bitteres  Wort  über  das  „genus  irritabilissimum"  der 
„Vosse,  Vater  und  Sohn."  Als  Johannes  ihm  Zacharias  Werners  „Söhne  des  Thals" 
nannte,  antwortete  er  1806  nur  mit  dem  Wunsche,  dass  das  ihm  noch  unbekannte 
Werk  kein  Affe  des  Allerheiligsten,  kein  gekünstelter  Mystizismus  sein  möge.  Aber 
an  Tiedges  „Urania"  erkannte  er  an,  dass  die  Dichtung  trotz  ihrer  Ueberladung  mit 
Metaphysik  doch  „engelschöne  Stellen"  enthalte.  Mit  am  schroffsten  sprachen  beide 
Brüder  über  den  ihnen  von  seiner  politischen  Laufbahn  her  unsympathischen 
Zschokke  ab;  Johann  Georg  sah  in  ihm  geradezu  einen  politischen  Heuchler,  während 
Johannes  seine  wissenschaftliche  Redlichkeit  in  Zweifel  zog.  — 

Sogleich  die  ältesten  Aeusserungen  von  Historikern,  die  hier  in  Betracht 
kommen,  vier  kurze  Briefe  Varnhagens  an  Eckermann  aus  den  J.  1830—36,  von 
Meyer-Cohn '34)  mit  einiger  Emphase  in  den  Druck  gegeben,  weisen  durchweg  in 
die  Litteraturgeschichte  hinüber.  Sie  berichten  von  dem  „unsäglichen  Behagen",  mit 
dem  Varnhagen  Goethes  „Italienische  Reise"  gelesen,  verheissen  einen  Artikel,  den 
er  über    den  Briefwechsel    zwischen  Schiller   und    Goethe   schreiben  wolle,    drücken 


134)  Alex.  Meyer-Cohn,  Gruss  aus  Budersee!    Hrn.  Prof.  Dr.  Erich  Schmidt  z.  20.  Jani  1893  gesendet.   (Varnhagen  v.  Ense 


P.  Muricker,  Memoiren,  Tagebücher  u. Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893.  IV  Ic:  135-13^ 

dann  Freude  aus  über  Eckermanns  Mitteilungen  aus  Gesprächen  Goethes,  dessen 
Macht  und  Ansehen,  Güte,  Frömmigkeit,  Arbeitsstrenge,  Menschenliebe  sich  hier  auf 
das  herrlichste  darthun,  und  teilen  dabei  manchen  Hieb  aus  auf  Goethes  kleinliche 
Gegner,  unter  denen  sie  A.  W.  Schlegel  i^  ei-ster  Reihe,  Tieck  und  Steffens  als  seine 
vornehmsten  Nachfolger  nennen.  —  Dieselbe  Verehrung  Goethes  bekunden  Carljdes 
Briefe  an  Varnhagen  (1837—57),  die  Preuss '35-136)  (vgl.  JBL.  IV  5:250;  10:31)  in 
deutscher  Uebersetzung  nach  den  in  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  befindlichen 
Originalen  herausgegeben  hat.  Gleich  in  seinem  ersten  Briefe  giebt  Carlyle  diesem 
Gefühle,  nicht  minder  aber  seiner  Bewunderung  Chamissos  und  Rückerts,  besonders 
der  „Makamen  des  Hariri",  Ausdruck.  An  Varnhagen,  der  ihm  die  ersten  vier  Bände 
der  „Denkwürdigkeiten  meines  Lebens"  übersandt  hatte,  rühmt  er  jetzt  und  später 
die  „Kunst"  des  Schreibens,  die  Wahrheit  der  Darstellung  des  wirklichen  Lebens, 
die  Meisterschaft,  mit  der  er  ein  „historisches  Gemälde  der  lebendigen  Gegenwart" 
entwerfe.  Skeptisch  äussert  er  sich  über  Gentz,  und  mit  Börnes  nichtigem  Sticheln 
auf  Goethe  ist  er  wenig  zufrieden.  Aber  auch  Heines  Buch  über  Börne  erscheint  ihm 
als  „das  seltsamste  Gemische  von  Sonnenstrahlen  und  brutalem  Schmutz",  dem  er 
seit  langer  Zeit  begegnet.  Treffend  urteilt  er  1847  über  den  Briefwechsel  Schillers 
und  Körners,  durch  den  man  erst  in  die  Lage  versetzt  sei,  den  wirklichen  Schiller 
leibhaftig  zu  sehen.  Seine  späteren  Briefe  drehen  sich  hauptsächlich  um  seine  Ge- 
schichte Friedrichs  des  Grossen,  des  „letzten  wahren  Königs,  den  wir  in  Europa 
gehabt  haben,  auf  lange  Zeit  hin".  Schon  1840  hatte  er  die  Frage  nach  einer  an- 
gemessenen Biographie  dieses  Fürsten  sowohl  wie  Luthers  oder  wenigstens  nach 
einer  Ausgabe  der  Tischreden  Luthers  aufgeworfen.  Die  Antworten  Varnhagens  sind 
bisher  nicht  aufgefunden.  Die  sorgfältige  Veröff'entlichung*  der  Briefe  ist  dankenswert, 
wenng-leich  uns  aus  ihnen  die  menschliche  Persönlichkeit  ihres  Vf.  nicht  sonderlich 
nahe  tritt,  und  auch  die  sachliche  Belehrung,  die  sie  bieten,  nicht  überreich  ist.  — 
Gerade  für  den  Litterarhistoriker  ist  dagegen  die  Selbstbiographie  ausserordentlich 
wertvoll,  die  Gervi  nus '•*')  (oder,  wie  nach  seinem  Wunsche  sein  Name  auf  dem 
Titelblatt  eigentlich  lauten  sollte,  Gerwin)  schon  1860  seiner  Frau  Viktorie,  der 
Tochter  des  Botanikers  Schelver,  auf  den  Weihnachtstisch  legte.  Sie  ist  in  mehr  als 
einer  Hinsicht  eine  bewusste,  in  vielen  Punkten  auch  eine  gelungene  Nachbildung- 
von  „Dichtung  und  Wahrheit".  Von  vornherein  verzichtet  Gervinus  auf  die  Dar- 
stellung seines  ganzen  Lebens;  ihm  genügt  es,  die  „Geschichte  seiner  Ausbildung" 
zu  geben.  So  führt  er  die  Erzählung  bis  etwa  1836,  bis  zu  seiner  Ernennung  zum 
ordentlichen  Professor  der  Geschichte  in  Göttingen,  zu  seiner  Heirat  und  den  Anfängen 
seines  namentlich  durch  die  Pflege  der  Musik  verschönten  häuslichen  Lebens,  zugleich 
zum  Beginn  des  Erscheinens  seiner  Litteraturgeschichte.  Ausdrücklich  betont  er, 
dass  das  Verhältnis  des  einzelnen  zur  Zeitgeschichte  die  Aufgabe  aller  Biographie 
sei,  und  so  stellt  er  denn  auch,  wie  Goethe,  seine  Jugendschicksale,  -plane  und  -an- 
schauungen  im  Mittelpunkt  der  gesamten  politischen  und  geistigen  Geschichte  der 
J.  1805—36  dar,  möglichst  objektiv  trotz  des  persönlichen  Inhalts,  mit  sachlicher 
Ruhe,  ohne  Eitelkeit  und  falsche  Selbstbespiegelung,  durchaus  tüchtig.  Nur  wie  sein 
Leben  und  seine  Persönlichkeit  unbedeutender,  ärmer,  vor  allem  nüchterner  war  als 
die  Goethes,  so  fehlt  auch  seiner  Biographie  der  dichterische  Reiz,  die  lyrische 
Wärme  des  Empfindens,  die  „Dichtung  und  Wahrheit"  auszeichnet;  durchaus  über- 
wiegt ein  nüchterner  Ernst,  der  jedoch  eine  gelegentliche  humoristische  Schilderung 
(etwa  bei  Scenen  aus  den  Knabenjahren)  keineswegs  ausschliesst.  Langw'eilig  wirkt 
die  Darstellung  nirgends;  davor  schützt  sie  die  markige  Kraft  und  die  Knappheit  des 
Vortrags:  auch  lüer  steht  hinter  den  geschriebenen  oder  gedruckten  Worten  immer 
ein  ganzer  Mann.  Auch  Gervinus  untersucht  genau  den  Anteil  seiner  Eltern  an  der 
Bildung  seines  Geistes  und  Charakters  und  kommt  dabei  zu  dem  Ergebnis:  „Was 
an  mir  klug  sein  möchte,  hat  mir  mein  Vater  vererbt;  was  an  mir  gut  ist,  hab'  ich 
der  Mutter  zu  danken."  Schon  als  Knabe  dichtet  er  nach  Vorbildern,  die  nicht  den 
edelsten  Kreisen  der  Litteratur  angehörten,  allerlei,  was  er  natürlich  später  vernichtet, 
darunter  mehrere  Tragödien,  eine  epische  Theseide.  Vierzehn  Jahre  alt,  knüpft  er 
sogar  nebst  seinem  Freunde,  dem  späteren  Philologen  Nodnagel,  von  dessen  über- 
legenem Wissen  und  reiferem  Urteil  er  vielen  Gewinn  zog,  wegen  einer  von  ihnen 
beiden  herauszugebenden  Zeitschrift  „Euterpe"  mit  einem  Frankfurter  Verleger  Verhand- 
lungen an,  die  nur  wegen  der  in  den  Karlsbader  Beschlüssen  verschärften Censurgesetze 
scheiterten.  Während  seiner  Kaufmannsjahre  liest  er  sich,  von  der  modernen  Tages- 
litteratur  rückwärts  schreitend,  in  allerlei  deutsche  Schriften  des  18.  Jh.  ein.    Da  wird 


an  Gckermann.)  4  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  135)  R-  Prenss,  Briefe  Thoraas  Carlyles  an  Varnhagen  v.  Ense  ans  d.  J.  1837-5". 
Uebers.  n.  her.  B.,  Gebr.  Paetel.  1892.  163  S.  M.  3,00.  |[Grenzb.  1,  S.  54,5;  VelhagenKlasingsMh.  1,  S.  574;  M.-Fr.:  LZgK. 
N.  90;  Ang.  Weiss:  AZgB.  1892,  N.  262;  B.  B.:  HambCorrB.  1892,  N.  31;  Krg.:  WeserZg.  N.  16586  (mit  guter  Charakterskizze 
Carlyles).]!  (Vorher  in  Dßs.  71,  S.  96-120,  220-45  abgedr.)  —  136)  X  Letters  of  Carlyle  to  Varnhagen  von  Ense:  NewR., 
April  and  May  1892.—  137)  (I  2  :  25;  IV  5:  319.)  |[Grenzb.4,S  572/7:  S.  Münz:  NFPr.  17.  Okt.;  VossZg't.  N.  .50;  AZg«.  N.239-43.1| 

(4)6* 


IVlc  138-139  F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  U.Briefwechsel  d.l8./19.Jh.  1892,1893. 

ihm  eine  Zeitlang-  Jean  Paul  Lieblingsautor  und  Trost,  bei  seinem  eigenen  "Wider- 
spruch zwischen  phantasievollem  Innenleben  und  nüchterner  Wirklichkeit  ihm  doppelt 
sympathisch.  Entscheidend  aber  wird  für  ihn  während  seiner  Heidelberger  Uni- 
versitätszeit die  Lehre  und  die  mannhafte» Persönlichkeit  Fr.  Chph.  Schlossers,  dem 
Gervinus  dankbar  in  seiner  Lebensgeschichte  eine  ausführliche,  liebevolle  Charakte- 
ristik im  grössten  Zuge  und  in  seinem  besten  Stile  widmet.  Durch  ihn  bestimmt, 
wendet  sich  der  Jüngling  nach  verzweiflungsvollen  inneren  Kämpfen  von  allen 
falschen  ästhetisch-poetischen  Neigungen  und  Tändeleien  zum  ernsten  Studium  der 
Philologie  und  der  Greschichte.  Das  romantische  Träumen  wie  das  Jeanpaulisieren 
hört  auf;  antike  Humanität,  klassische  Sicherheit  und  Klarheit  werden  die  neuen 
Ideale  des  Studierenden;  der  Sinn  für  Wahrheit  wird  ihm  zu  einer  „Dotation  für 
das  ganze  Leben".  Eine  italienische  Reise  1832—33  vollendet  seine  Reife;  ihr  be- 
deutendster Gewinn  besteht  darin,  dass  er,  der  als  Kosmopolit  ausgezogen  ist,  als 
Deutscher  heimkehrt.  Noch  tauchen  in  seiner  Seele  neue  poetische  Pläne  auf:  in 
eine  Dichtung  vom  ewigen  Juden  wünscht  er  eine  Philosophie  der  Geschichte  ein- 
zukleiden; dann  denkt  er  an  eine  Neubearbeitung  der  „Kudrun"  im  Homerischen 
Geist  und  Ton,  an  politische  Xenien  und  Aehnliches.  Proben  aus  diesen  poetischen 
Arbeiten,  die  schliesslich  alle  vor  seinen  grossen  wissenschaftlichen  Werken  zur  Seite 
rücken  müssen,  giebt  der  Anhang:  üebersetzungen  aus  dem  Arabischen,  eine  hexa- 
metrische ümdichtung  des  15.  Gesanges  der  „Kudrun",  einige  politisch-satirische 
Versuche.  Beigefügt  sind  die  , .Grundzüge  der  Historik",  die  er  1837  als  Unterlage 
für  öffentliche  Vorträge  drucken  Hess,  deren  Entstehung  aber  auf  ein  früheres  Heidel- 
berger Kolleg  zurückgeht.  Im  gelegentlichen  Urteil  über  gleichzeitige  und  ältere 
deutsche  Dichter  verrät  sich  auch  hier  manchmal  die  gewöhnliche  Schroffheit  des 
Vf.,  so  wenn  er  Ernst  Schulze,  Clauren,  Müllner  und  Houwald  als  ebenbürtig  in 
einem  Atem  nennt  oder  Th.  Körner  ohne  weiteres  zu  den  schlechten  Poeten  rechnet. 
Das  litterarische  Treiben  des  Jungen  Deutschland  flösste  ihm  schon  als  Jüngling  nur 
Widerwillen  ein.  —  Grossenteils  auf  das  Gebiet  der  politischen  Geschichte  führen 
Wiedemann  s^"^^)  Erinnerungen  an  Leopold  von  Ranke.  Sie  schildern  ausführlich 
Rankes  politische  Anschauungen,  seinen  streng  monarchischen  Konservatismus,  sein 
Verhältnis  zu  L.  von  Ger  lach,  J.  von  Radowitz  und  E.  von  Manteuff'el,  seine  politischen 
Denkschriften  und  den  Einfluss,  den  er  etwa  zeitweilig  auf  die  preussischen  Könige 
und  Prinzen  ausübte,  seine  im  einzelnen  oft  ungerechte  Missstimmung  gegen  Bis- 
marck,  so  lange  sich  dieser  auf  die  liberale  Partei  stützte.  Dabei  tritt  der  religiös 
und  sittlich  gefestigte  Charakter  Rankes,  seine  grundsätzliche  Milde  trotz  einzelner 
Anfälle  von  Heftigkeit,  sein  Geistesmut  und  seine  Geistesfrische,  seine  muntere 
Sinnigkeit,  aber  auch  sein  hohes  Selbstbewusstsein,  in  dem  er  sich  nur  mit  Piaton 
und  den  grossen  Schriftstellern  aller  Völker  und  Zeiten  verglichen  wissen  wollte,  in 
helles  Licht.  Von  den  deutschen  Schriftstellern  der  Gegenwart  erkannte  er  keinen 
als  sich  ebenbürtig  an,  wenn  er  auch  mit  Hochachtung  von  Treitschke  und  mit 
persönlicher  Teilnahme  von  einzelnen  seiner  eigenen  Schüler  sprach.  Von  den 
neuesten  poetischen  Werken  nahm  er  überhaupt  keine  Notiz  mehr.  Wildenbruchs 
„Karolinger",  die  er  sich  vorlesen  Hess,  empörten  ihn  als  eine  „Karikatur  der 
wahren  Geschichte".  Aber  in  Hegels  Werken  las  er  noch  viel  trotz  der  bedeutenden, 
namentlich  religiösen  Gegensätze,  die  ihn  von  Hegels  Philosophie  trennten;  auch 
Schelling  schätzte  er  menschlich  hoch.  Schlossers  Weltgeschichte  und  Schröckhs 
christliche  Kirchengeschichte  benutzte  er  mit  Eifer  bei  der  Abfassung  seiner 
eigenen  Weltgeschichte.  Die  freundlichen  Beziehungen,  die  ihn  mit  F.  von  Raumer 
verknüpften,  blieben  ungelockert  bis  zuletzt.  Mit  Verehrung  sprach  er  von  Neander, 
mit  höchster  Achtung  von  Schleiermacher,  mit  inniger  Zuneigung  von  den  Brüdern 
Grimm;  teilnehmend  fühlte  er  sich  zu  Imm.  Bekker  hingezogen,  während  Böckh  ihn 
abstiess.  Schiller  sprach  er  jeden  Beruf  zum  Geschichtsschreiber  ab ;  aber  dass  Goethe 
auch  ein  grosser  Historiker  hätte  werden  können,  davon  war  er  nach  der  Lektüre 
der  Noten  zum  „Westöstlichen  Di  van"  überzeugt.  Dagegen  hielt  er  den  grossen 
Dichter  für  einen  der  schlechtesten  Minister,  die  es  überhaupt  gegeben  habe.  Mit 
Varnhagen  stand  Ranke  zuerst  in  freundschaftlichem  Verhältnis,  bis  zunächst  die 
politischen  Gegensätze,  dann  auch  andere  Differenzen  eine  Entfremdung  und  1848  die 
vollständige  Entzweiung  der  beiden  herbeiführten.  Sorgfältig  berichtet  W.  auch 
über  die  Entstehung  von  Rankes  verschiedenen  Werken,  besonders  von  seiner  Welt- 
geschichte, der  weit  ausgreifende  ethnographische  und  anthropologische  Studien  vorher- 
gingen, und  von  den  Eigentümlichkeiten  seines  Stils,  von  der  Sorgfalt,  mit  der  Ranke 
hier  auch  das  Einzelne  behandelte,  von  seinem  mit  den  Jahren  sich  beständig  steigernden 
Streben  nach  formaler  Korrektheit. '^S)  _  Als  Mitglied  der  historischen  Kommission  traf 

(Vgl.  unch  IV  5.)  —  138)  Th.  Wiedemann,  16  J.  in  d.  Werkstatt  L.  v.  ßunkes.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  seiner  letzten  Lebens- 
jahre. III-XV:  DR.  1892  :  1,  S.  95-102,  208-20,  342-53;  2,  S.  100-16,  232-40,  .341-50;  3.  S.  93-102,  215-23,  356-67;  4,  S.  228-38; 
1893:.%  S.  227-36;    4,  S.  25.1-65.     (Vgl.  .IBL.  1892  IV  5:  146;    s.  auch  u.  IV  5.)    —    139)    X    E-  Ritter,    Correspondance  de 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücheru. Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893.  IV  Ic:i40-i45 

Ranke  in  seinem  Alter  zu  München  öfters  mit  Alfred  von  Arneth^*")  zusammen, 
von  dessen  Selbstbiog-raphie  nunmehi*  auch  der  zweite,  bis  1890  reichende  Band  er- 
schienen ist,  von  derselben  liebenswürdigen  Milde  und  Bescheidenheit  und  der- 
selben treuen  Anhäng-lichkeit  an  Oesterreich  und  dessen  Kaiserhaus  zeugend  wie 
die  erste  Hälfte  des  schönen  Werkes.  Für  die  Litteraturgeschichte  war  diese  freilich 
eine  bessere  Fundgrube.  Jetzt  spricht  Arneth  nur  noch  bei  Gelegenheit  von  seinen 
freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Friedrich  Halm,  Laube,  Jos.  von  Weilen  und 
anderen,  besonders  österreichischen  Dichtern,  oder  von  wiederholten  Begegnungen  mit 
Döllinger,  der  ihm  zuerst  als  Vertreter  der  ultramontanen  Partei  unsympathisch  war, 
später  aber  näher  trat,  so  dass  er  selbst  sein  Gast  in  München  wurde.  Auch  die 
Körner-Erinnerung*en  tauchen  noch  einmal  auf.  Arneths  Alutter  hatte  nach  Körners 
Tod  nur  mehr  wenige,  aber  stets  gleich  herzliche  Briefe  mit  den  Eltern  ihres  einstigen 
Bräutigams  gewechselt;  noch  1838  schrieb  Körners  Matter  an  sie.  1852  besuchte  sie 
zum  ersten  Male  Dresden,  Körners  Geburtsstadt,  die  sie  läng-st  zu  sehen  gewünscht 
hatte;  doch  hintei'liess  sie  keine  Aufzeichnungen  von  dieser  Reise.  1856  wiederholte 
sie  diese  Fahrt  mit  ihrem  Sohn  und  dessen  damals  leidender  Gattin;  auch  das  Körner- 
haus in  Loschwitz  besuchte  sie  mit  ihnen,  verschloss  aber  die  mächtige  innere  Be- 
wegung, die  sie  hier  ergriff,  wortlos  in  sich.  1863  lud  sie  Friedrich  Förster  im 
Namen  des  Centralausschusses  für  eine  Körnerfeier,  die  am  Grabe  zu  Wöbbelin  statt- 
finden sollte,  ein,  pereönlich  dort  zu  erscheinen.  Sie  lehnte  aus  richtigem  Taktg-efühle 
mit  einem  schönen  Briefe  ab  und  sandte  nur  einen  riesigen  Lorbeerkranz  an  das 
Grab.  Sie  starb  erst  am  25.  Dec.  1867  nach  langer  Krankheit;  ihr  Gatte,  der  1861 
in  den  Ritterstand  erhoben  worden  war,  ging  ihr  im  Okt.  1863  voraus. '^^ '•■**)  —  Ueberaus 
reich  sind  wieder  die  römischen  Tagebücher  von  Gregoroviüs,  die  Althaus  ^^^j  mit 
einer  knappen,  aber  recht  guten  Lebensskizze  des  Vf.  herausgab.  Trotz  ihres  oft 
aphoristischen  Charakters  in  einem  wahrhaft  klassischen  Stil  geschrieben,  geben 
diese  Aufzeichnungen  über  Gregoroviüs  selbst  und  eine  grosse  Anzahl  litterarischer 
Persönlichkeiten  mannigfache  Aufschlüsse  und  bieten  auch  da,  wo  das  Urteil  des 
Vf.  einseitig  erscheinen  mag,  eine  höchst  anregende  Lektüre.  Im  Mittelpunkt  steht 
die  Arbeit  an  seinem  Hauptwerke,  der  „Geschichte  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter". 
Trotz  der  Warnung  eines  kundigen  Freundes,  dass  an  einem  solchen  Versuch  jeder 
scheitern  müsse,  hält  Gregoroviüs  seit  1854  an  diesem  Plane  fest;  er  geht  von  der 
Ueberzeugung  aus  :  „Ich  muss  etwas  Grosses  unternehmen,  was  meinem  Leben  Inhalt 
gäbe."  1855  beginnt  er  die  Vorarbeiten,  1856  die  Niederschrift.  Die  russische  Gross- 
fürstin Helene,  der  er  einige  Abschnitte  vorliest,  bemerkt,  dass  sein  Stil  „tendu"  sei, 
„angestrengt" ;  er  sieht  ein,  dass  sie  Recht  hat,  und  beschliesst,  sich  „leichter  zu 
machen".  Im  Juni  1858  kann  er  zwei  Bände  nach  Stuttgart  in  die  Druckerei  schicken. 
Und  so  arbeitet  er  nun  Jahr  für  Jahr  an  dem  Riesenwerk  weiter,  während  die  Er- 
eignisse des  italienischen  Krieges  1859  und  in  der  Folgezeit  ihn  umstürmen,  oder 
während  er  die  deutschen  Vorgänge  von  1866  mit  warmer  Teilnahme  und  klar  in 
die  Zukunft  vorblickendem  Geiste  begleitet,  dann  wieder  mitten  unter  den  Um'uhen 
des  vatikanischen  Konzils,  von  dem  er  nichts  wissen  will  und  das  ihn  doch  einiger- 
massen  beschäftigt;  aber  der  deutsch-französische  Krieg  von  1870  versetzt  ihn  in  eine 
so  fieberhafte  Aufregung,  dass  er  die  Arbeit  unterbrechen  muss.  Wie  schon  öfter  in 
den  vorausgehenden  und  wieder  in  den  folgenden  Jahren,  verbringt  er  den  Sommer 
und  Herbst  in  Deutschland,  meistens  in  München.  Als  er  im  Winter  nach  Rom,  dem 
inzwischen  von  den  Italienern  eroberten  Rom,  zurückkehii;,  muss  er  sich  sagen,  dass 
nun  auch  hier  das  Mittelalter  zum  letzten  Ende  sich  neige,  und  eilt,  von  den  ver- 
änderten Zuständen  zunächst  unbehaglich  berührt,  um  auch  mit  seinem  Werke  zum 
Schlüsse  zu  kommen.  1872  vollendet  er  den  achten  und  letzten  Band;  im  Juli  1874 
nimmt  er  tief  bewegt  Abschied  von  der  ewigen  Stadt.  Neben  dem  geschichtlichen 
Hauptwerke  spielen  seine  poetischen  Versuche  in  den  Tagebüchern  nur  eine  kleine 
Rolle.  1853  ist  von  einem  Gedicht  „DieEumeniden",  1854  von  einer  pompejanischen 
Novelle  „Der  bronzene  Kandelaber",  die  später  in  Hexameter  umgeschzieben  und 
„Euphorion"  betitelt  wurde,  ferner  von  Uebersetzungen  aus  Meli  die  Rede.  Zahlreichen 

Sainte-Beuve  avec  H.  Renchlin:  ZFSL.  13,  S.  157-67.  IIT.  de  L.:  KCr.  33,  S.  212.]|  —  140)  A.  Ritter  v.  Arneth,  Ans 
meinem  Leben.  2  Bde.  Mit  2  Stehlstichen.  St.,  Cotte.  1891-92.  VUI,  282  S.;  VIII,  368  S.  M.  12,00.  |[Th.  Schiemann: 
DLZ.  S.  1003  8;  LCBl.  S.  1261,3;  Grenzb.  4,  S.45,6;  FZg.  N.3;  Presse  N.  200  (22.  Juli);  A.  Königsberg:  NFPr.  8.  n.  9.  Febr.]| 
(Vgl.  JBL.  1891  lY  1  :  170;  1892  IV  Ib  :  142a.)  -  141)  O  X  Chrn.  Ritter  d'Elvert,  Gedenkbll.  zu  seinem  90.  Geburtetage.  (Her. 
T.  d.  hist.-stat.  Seirtion  d.  k.  k.  mährisch-schles.  Ges.  z.  Beförderung  d.  Ackerbaues,  d.  Natur-  u.  Landeskunde,  nunmehr 
k.  k.  mährischen  Ges.  dieses  Namens.)  Mit  Bild.  Brunn  (C.  Winiker}.  IV,  220  S.  M.  3,20.  —  142)  X  Z.  Feier  d.  90.  Ge- 
burtstages d.  k.  k.  Hofrates  Chrn.  Kitter  d'Elvert.  Anh.  zu  d.  v.  d.  hist.-stat.  Sektion  d.  k.  k.  mährischen  Ges.  z.  Beförderung 
d.  Landwirtschaft,  d.  Natur-  u.  Landeskunde  her.  Gedenkbll.  Brunn,  Verl.  d.  hist.-stat.  Sektion  (Druck  v.  R.  M.  Rohrer).  IV,  71S, 
(Beschreibung  aller  Feierlichkeiten,  Reden,  GlQckwunschadressen  usw.  z  90.  Gebnrtstsg,  auch  ganz  kurze  Biogr.  d'Elverts; 
nicht  im  Handel.)  —  143)  O  X  Briefe  aus  d.  Nachlasse  Viktor  Hehns:  BaltMschr.  40,  S.  160-71,  321-35,  569-609.  —  144)  X 
J.  Lantenbacher,  W.  A.  Riehl,  Kulturgesch.  Charakterköpfe  (vgl.  JBL.  1891  I  5  :  418;  IV  1  :  191):  AZg'*.  1892,  N.  138,9.  — 
145)  F.  Gregoroviüs,  Römische  Tagebücher.  Her.  v.  F.  Althans.  St.,  Cotta.  1892.  XXV,  624  S.  M.  8,00.  |[F.  Poppen- 
berg:  ML.  62,  S.  30/1;  VossZg.  N.  11,  53  (sehr  rühmend).]|     (2.  Aufl.  ebda.  XVI,  416  S.     Mit  Bild  ;  vgl.  JBL.  1392  IV  5:147.) 


IV  lc:i45  F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892,  1893. 

litterarischen  Persönlichkeiten  tritt  Gregorovius  in  Rom  oder  auf  seinen  wiederholten 
Reisen  nach  Deutschland  nahe.  Schon  1853  lernt  er  Heyse  kennen,  einen  „Jüngling 
von  fast  mädchenhafter  Schönheit,"  der  „in  so  jungen  Jahren  schon  völlig  fertig  zu 
sein  scheint".  Die  damals  geschlossene  Freundschaft  erneuert  er  namentlich  1869  in 
München,  um  sie  ungelockert  bis  zum  Tode  sich  zu  erhalten.  Ein  gleich  festes  Band 
verknüpft  ihn  mit  A.  F.  von  Schack,  dem  er  am  31.  Dec.  1856  zum  ersten  Mal  be- 
gegnet. Schon  damals  betrachtet  er  das  Zusammentreffen  als  ein  schönes  Geschenk 
des  scheidenden  Jahres.  Mit  der  Zeit  wird  das  Verhältnis  immer  inniger.  1874  nennt 
er  Schack  „eine  bis  zur  Kindlichkeit  harmlose,  von  keiner  Leidenschaft  bewegte 
Natur,  immer  von  dichterischen  Phantasien  eingenommen".  Ebenso  wird  er  mit 
Fröbel,  Giesebrecht,  Riehl,  Liliencron,  Kaulbaoh  und  verschiedenen  Gelehrten  und 
Künstlern  des  Münchener  Kreises  bekannt  und  befreundet;  auch  mit  Ranke  trifft  er 
hier  1871  zusammen,  und  er  findet  in  ihm  einen  der  interessantesten  Menschen,  die 
er  je  gesehen,  zugleich  einen  Enthusiasten  für  das  neue  deutsche  Reich;  bezeichnend 
äussert  er  sich  über  den  greisen  Gelehrten:  „So  mag  ungefähr  Thiers  aussehen,  für 
dessen  jüngeren  Bruder  ich  ihn  halten  würde."  Herber  urteilt  er  zur  selben  Zeit 
über  DöUinger:  „ein  Mann  des  kalten  Verstandes,  nicht  der  Begeisterung  für  ein 
hohes  Ideal",  und  ähnlich  wieder  1872 :  „Döllinger  ist  ein  einseitig  grosser  Gelehrter, 
aber  nur  ein  Verstandesmensch.  Ohne  das  Feuer  des  Glaubens,  welches  vom  Herzen 
strömt,  kann  kein  Reformator  gedacht  werden.  Döllinger  besitzt  keine  einzige  Eigen- 
schaft dazu.  Die  altkatholische  Bewegung  ist  nur  eine  kleine  Empörung  auf  einem 
Schulkatheder."  Auch  zu  König  Max  IL  tritt  Gregorovius,  wie  früher  vorübergehend 
zu  Ludwig  L,  in  Beziehungen ;  aber  vorerst  lässt  er  sich  durch  ihn  nicht  in  München 
fest  halten,  seine  Freiheit  steht  ihm  zu  hoch.  1864  schickt  ihm  Schack  Hebbels 
„Nibelungen";  sie  machen  ihm  einen  möglichst  schlechten  Eindruck.  G.  ist  über  die 
„Gewöhnlichkeit  in  der  Auffassung,  Darstellung  und  Sprache"  erstaunt:  „Nichts  von 
echter  Tragik;  Menschen  ohne  Blut;  Helden  nirgends;  kein  grosser  Zug;  alles  ins 
Bürgerliche  abgeplattet,  trotz  eingemischter  Edda-Phantastik".  Von  sonstigen  Poeten 
nennt  er  Titus  Ulrich,  dem  er  1854  begegnet,  einen  fein  organisierten,  geistreichen 
Menschen,  und  den  Enkel  Goethes  findet  er  1855  gar  nicht  so  verschroben  wie  seine 
ganz  unglaublichen  Gedichte.  Einen  vortrefflichen  Nachruf  widmet  er  Rückert:  „Ein 
grosser  Künstler;  seine  Poesie  ein  Kunstgarten.  Er  schaut  seine  Gefühle  an  und 
macht  sie  zum  Gegenstande  der  Kunst.  Er  fasst  sie  wie  Diamanten  ein.  Er  be- 
spiegelt sich  selbst  darin.  Daraus  kommt  Kälte  und  Künstelei."  Sympathisch  fühlt 
er  sich  von  Auerbach,  ebenso  von  L.  Schücking  berührt,  und  mit  Freiligrath  verträgt 
er  sich  1869  gut,  da  sie  abweichende  politische  Gespräche  vermeiden.  Wie  ihm 
Gottfried  Keller  gefallen,  den  er  1869  ebenso  wie  Kinkel  in  Zürich  kennen  lernt,  lässt 
sich  aus  seinen  unbestimmten  Worten  über  den  „ernsten  und  verschlossenen,  fast 
schüchternen"  Mann  nicht  entnehmen.  Dagegen  ist  ihm  Gutzkow  höchst  unangenehm  ; 
er  sieht  in  ihm  nur  einen  „virtuosen  Sophisten  unserer  Litteratur",  dessen  ganze 
Art  zu  denken  auf  ihn  „wie  eine  Dissonanz"  wirke.  Das  junge  Deutschland  hat  er 
überhaupt  in  böser  Erinnerung;  dass  man  ihm  Gust.  Kühne,  der  einst  doch  auch 
dazu  gehörte,  1869  als  anspruchslos  rühmt,  setzt  ihn  in  Erstaunen.  Am  ärgerlichsten 
jedoch  macht  ihn  Scheffel,  als  er  ihm  im  Sept.  1870  „mit  den  Manieren  eines  Wilden 
ganz  unsinniges  zusammenhangsloses  Zeug  über  die  Weltereignisse  entgegenbrüllte, 
wobei  er  sich  als  Socialdemokrat  gebärdete".  Durchaus  verständnislos  sind  Gregorovius 
Aeusserungen  über  Rieh.  Wagner,  während  er  sich  über  die  Freundin  des  Verkannten, 
Frau  Wesendonc,  liebenswürdig  ausspricht.  Auch  Liszt,  der  ihm  sehr  freundlich 
entgegenkommt,  ist  ihm  zwar  eine  „auffallende  dämonische  Erscheinung";  aber  es 
dauert  lange,  bis  er  sich  ihm  innerlich  nahe  fühlt;  1869  schreibt  er  ihm  einige  Verse 
für  ein  Musikstück  auf,  das  Liszt  zum  hundertsten  Geburtstag  Beethovens  komponieren 
wollte.  So  ist  ihm  auch  Liszts  Freundin,  die  Fürstin  Wittgenstein,  nicht  sympathisch; 
aber  ihren  Geist  bewundert  er,  und  gern  zeichnet  er  blendende  Bemerkungen  von 
ihr  auf.  Mit  Begeisterung  spricht  er  1868  von  Karl  Witte,  dem  „Dante-Üebersetzer 
und  Hohenpriester  des  Dantekultus":  „ehedem  ein  Wunderkind,  jetzt  ein  Wunder- 
greis voll  Feuer  und  Kraft".  Auch  für  Kuno  Fischer  und  F.  Th.  Vischer  hat  er 
Worte  hoher  Anerkennung.  Dagegen  sieht  er  1862  in  Theodor  Mommsen  eine 
Mischung  aus  „  Juvenilität  und  schulmeisterlicher  Gewissenhaftigkeit"  und  erklärt  sich 
aus  diesem  Umstand  auch  das  Wesen  „seines  durch  kritische,  destruktive  Schärfe 
und  Gelehrsamkeit  ausgezeichneten  Werkes,  welches  aber  eher  ein  Pamphlet  als  eine 
Geschichte  ist".  Auch  an  Gervinus  stört  ihn  zuerst,  abgesehen  von  den  abweichenden 
politischen  Ansichten,  die  „professorenhafte  Schwerfälligkeit";  doch  kommen  sich  die 
beiden  allmählich  näher,  und  als  Gregorovius  1871  die  Kunde  vom  Tode  des  be- 
freundeten Forschers  erhält,  beklagt  er  in  ihm  den  „durchaus  edlen  Mann,  fest  in  sich 
begründet  und  unerschütterlich,  von  weit  umfassendem  Verstand",  den  „gross  an- 
gelegten prosaischen  Geist."  — 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u. Briefwechsel  d.  18./ 19.  Jh.  1892, 1893.  IV  Ic:i46-i52 

Zur  bildenden  Kunst  leiten  die  Memoiren  von  Kunsthistorikern  und 
Kunstkritikern  hinüber^*^).  Ludwig"  Pietschi*'')hatdiezuerst  in  einer  Zeitschrift  ver- 
öffentlichte Darstellung  seiner  schriftstellerischen  Anfänge  zu  einem  stattlichen  Buche 
erweitert,  ohne  ihr  den  ursprünglichen  Reiz  der  behaglichen  Plauderei  zu  nehmen, 
worin  er  Meister  ist.  Ein  reicher  Einblick  in  die  Berliner  Schriftsteller-,  Künstler- 
und  Gesellschaftswelt  überhaupt  während  der  fünfziger  Jahre  thut  sich  uns  auf;  kurz, 
aber  fast  immer  mild  charakterisiert,  ziehen  Männer  wie  F.  Dunoker,  Palleske,  Lewald, 
Melchior  Meyr,  Widmann,  Gottfr.  Keller,  Fr.  Eggers,  Lübke,  Roquette,  Kugler,  Heyse, 
Storm,  Kaiisch,  Stahr,  Bogumil  Goltz,  Bruno  Bauer,  Lassalle,  Varnhagen,  von  Pfuel, 
E.  Dohm,  Hans  von  Bülow,  Scherenberg,  Pückler- Muskau,  Titus  Ulrich,  Turgenjew 
und  andere  an  uns  vorüber.  Und  mit  ihnen  belebt  sich  für  uns  das  ganze  Berlin 
jener  Zeit,  das  den  stets  gleichen  und  im  einzelnen  doch  immer  wechselnden  Hinter- 
grund zu  der  äusseren  und  inneren  Geschichte  des  Vf.  bildet.  —  Mit  gewohnter 
Vortrefflichkeit  schrieb  Anton  Springer '^S)  seit  dem  Herbst  1880  die  Geschichte 
seines  bewegten  Lebens  bis  zur  Berufung  nach  Leipzig  1873 ;  sein  Sohn,  der  Heraus- 
geber des  Buches,  fügt  eine  kurze  Schilderung  der  letzten  achtzehn  Jahre  des  1891 
Verstorbenen  bei.  Die  durchweg  ausserordentlich  anregende  Darstellung  schweift 
auch  bisweilen  auf  das  litterargeschichtliche  Gebiet  hinüber.  In  die  deutsche  Litteratur 
wurde  Springer  erst  während  seiner  Prager  Universitätsjahre  durch  das  Studium 
Lessings  wirklich  eingeführt;  seine  philosophischen  Studien,  die  er  namentlich  bei 
Schwegler  und  Vischer  in  Tübingen  fortsetzte,  mussten  ihn  auch  in  dem  litterarischen  Be- 
zirke stets  heimischer  machen.  Auf  einer  Reise  wurde  er  zu  Anfang  der  fünfziger  Jahre 
in  Dresden  mit  Gutzkow  und  Auerbach  bekannt.  Jenen  schildert  er  als  einen 
zugeknöpften,  bloss  verstandesmässig  arbeitenden  Menschen ;  diesen  findet  er  ungemein 
warm  und  naiv  in  seinen  Fehlern  wie  Tugenden.  Als  niedriger  Verleumder,  geraein 
und  ränkesüchtig  erscheint  dagegen  Sacher-Masoch.  Die  polizeiliche  Ueberwachung 
der  Litteratur  in  Preussen  wie  in  Oesterreich  zu  jener  Zeit  beleuchtet  der  Vf.  von 
verschiedenen  Seiten  her.  Ausser  einigen  akademischen  Reden  Springers  enthält  das 
Buch  eine  Würdigung  der  Verdienste,  die  er  sich  als  bahnbrechender  Vorkämpfer 
der  Kunstgeschichte  an  unsern  Hochschulen  erworben,  aus  der  Feder  Janitscheks 
und  einen  Aufsatz  Freytags  über  Springer  als  Historiker  und  Journalist,  sehr  warm 
gehalten,  mit  wenigen  Worten  fein  charakterisierend.  F.  betont  die  besonderen 
Schwierigkeiten,  die  Springer  bei  seiner  Zwischenstellung  zwischen  Czechen  und 
Deutschen,  bei  seinem  Ausgehen  von  der  Revolutionszeit  von  1848  zu  überwinden 
hatte,  um  die  für  den  Geschichtsschreiber  seiner  Zeit  nötige  politische  Schulung  zu 
gewinnen.  — 

Weniger  ergeben  die  Memoiren  bildender  Künstler  für  die  Litteratur- 
geschichte.  Ein  hübscher  Aufsatz  Hans  Müllers  i^^)  schildert,  grossenteils  nach 
Briefen  von  Wilhelm  Kaulbach  an  seine  Frau  und  seine  Kinder  und  nach  Tagebuch- 
blättern seiner  jüngsten  Tochter  Josepha,  das  trauliche  Leben  des  Malers  in  seiner 
Häuslichkeit,  mit  seiner  Familie,  mit  Freunden  und  Dienern.  Dabei  tritt  seine 
menschliche  Liebenswürdigkeit,  sein  kindliches  Gemüt,  seine  Milde  und  Wohlthätig- 
keit,  seine  Liebe  zu  Blumen,  Pflanzen  und  Tieren,  seine  Freude  an  einfach-melodischer, 
auch  an  wertlos-sentimentaler  Musik  und  andere  ähnliche  Züge  in  ein  wohlthuendes 
Licht.  Von  schriftstellernden  Bekannten  wird  nur  Ludw.  Speidel  genannt.  —  Die 
lebendig,  anschaulich  und  interessant  geschriebene  Selbstbiographie  des  böhmischen 
Bildhauers  Emanuel  Max  von  Wachstein ^^^^  liefert  uns  eine  Fülle  von  mensch- 
lich und  künstlerisch  anziehenden  Ereignissen  aus  dem  Künstlerleben  (namentlich  in 
Italien),  auch  eine  Reihe  kulturhistorisch  beachtenswerter  Bilder,  doch  kaum  Ang-aben, 
die  für  die  Litteraturgeschichte  speciell  eine  Bedeutung  gewinnen  dürften.  —  Mehr 
ist  das  letztere  in  der  mit  Liebe  und  Gewissenhaftigkeit  ausgearbeiteten  Biographie 
der  Fall,  die  Hermann  Schmidt i^i)  dem  Schöpfer  des  Hermanndenkmals,  Ernst 
von  Bändel,  nach  Briefen  und  eigenhändigen  Aufzeichnungen  desselben  gewidmet  hat. 
Wenigstens  verkehrte  Bändel  1826  und  27  in  Italien  viel  mit  Platen,  der  sich  an 
den  ihm  geistig  in  mancher  Beziehung  verwandten,  eigenwilligen  und  selbstbewussten 
Bildhauer  innig  anschloss,  obgleich  dieser  durch  und  durch  deutsch  gesinnt  war, 
Platen  aber  in  seiner  Bewunderung  alles  Italienischen  sich  bis  zu  lächerlichem 
Deutschenhass  verirrte.     Von  seiner  nervösen  Ueberreizung,   die  im  Juni  1827  sogar 

—  146)  X  W.  Löblce,  Lebenserinnernngen  (vgl.  JBL.  1891  IV  1  :  209):  WIDM.  72,  S.  142/3.  —  147)  L.  Pietsch,  Wie  ioli 
Schriftsteller  geworden  bin.  Erinnerungen  ans  d.  fünfziger  J.  Mit  Bild,  in  Photograv.  B.,  Fontane.  398  S.  M.  6,00.  |[K. 
Zabel:  NatZg.  1892,  N.  634  (darin  Charakteristik  d.  Schriftstellers  P.,  seine  Verwandtschaft  mit  Je.'in  Paul  in  idyllischen  Scenen 
aus  d.  Kleinleben);  P.  Schienther:  VossZg».  1892,  N.  46  ^sehr  lobend);  WeserZg.  N.  1655«;  M.  Haese:  ML.  61,  S.  818; 
P.  L-g.:  DRs.  74.  S.  315.'7;  N.feS.  64,  S.  267/9;  VelhagenKlasingsMh.  1,  S.  5703;  Bär  19,  S.492;  F.  Bienemann:  BLU.  1892, 
S.  792/3.]l  (Vgl.  .TBL.  1891  IV  1  :  206/8.)  —  148)  (I  U  :  400.)  |[PrJbb.  69,  S.  292/5;  Nation».  9,  S.  200.]]  —  149)  H.  M.  [=  Hans 
MallerJ,  W.  Kaulbach  in  seiner  Häuslichkeit:  NatZg.  1892,  N.  415,  417,  423,  429.  —  150)  F.  Max  v.  Wachstein,  82  Lebens- 
jahre. Mit  Bild.  Prag,  Dominicns.  IV,  537  S.  M.  6,00.  |fj.  v.  Helfert:  ÖLBl.  2,  S.  623/4;  MNordböhmExcursCIub.  16,  S.  82,3.J| - 
151)  (I  11:296.)    -    152)    H.  Laders,    Unter   drei    Kaisern.     Malerfahrten.     Mit  221  Illustr.  vom  Vf.     2  Bde.     (=  örotesche 


IV  1  c:  152-157  F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./ 19.  Jh.  1892, 1893. 

zu  einem  g"lücklicherweise  rasch  vorüberg'ehenden  Tobsuchtsanfall  führte,  berichtet 
Bändel  mehrere  Beispiele.  Ebenso  von  seiner  Selbstzufriedenheit,  besonders  nach 
dem  Erscheinen  der  „Verhäng-nis vollen  Gabel ".  So  schildert  er  auch,  wie  Platen  ihm 
oder  vielmehr  sich,  selbst  seine  neuesten  Oden  vorliest,  „jede  Silbe  langsam  und 
gleich  betonend",  ohne  durch  die  Hämmer  der  arbeitenden  Bildhauer  sich  irre 
machen  zu  lassen.  Sonst  erzählt  die  Biographie  von  Begegnungen  Bandeis  mit  dem 
Naturphilosophen  Gr.  von  Schubert,  mit  W.  Wackernagel,  mit  Massmann,  der  ihn  in 
seinen  auf  ein  Hermanndenkmal  abzielenden  Bestrebungen  mit  am  wirksamsten 
unterstützte.  Die  Geschichte  dieses  Denkmals  von  den  ersten  Skizzen  1819  und  20 
an  bis  zur  Vollendung  1875,  ein  Jahr  vor  seinem  Tode,  bildet  naturgemäss  den  Haupt- 
inhalt des  Buches ;  aus  dem  eingehenden  Bericht  über  die  wechselnde  Förderung  oder 
Hemmung  des  Werkes  durch  die  politischen  Verhältnisse  des  deutschen  Volkes  zieht 
die  Kulturgeschichte  im  allgemeinen  mehr  Gewinn  als  die  Litteraturgeschiohte  im 
besonderen.  —  Noch  weniger  ist  für  ans  aus  den  frisch  und  flott,  namentlich  auch 
sehr  anschaulich  beschriebenen  „Malerfahrten"  von  Hermann  Lüders i^^)  zu  holen. 
Eine  gute  Bemerkung  fällt  bei  Gelegenheit  des  Krieges  von  1866,  den  der  Vf.  als 
preussischer  Soldat  mitmachte.  Aus  dem  Umstände,  dass  dieser  Feldzug  kein  eigent- 
licher Volkskrieg  war,  der  auch  in  der  Masse  verstanden  wird,  erklärt  Lüders  richtig 
die  Erscheinung,  dass  er  auch  kein  populäres  Kriegslied  hatte;  doch  sang  man 
vereinzelt  schon  auf  dem  Marsche  die  „Wacht  am  Rhein",  die  dann  1870  zum  Volks- 
lied wurde.  — 

Von  Musikern  kommt  als  ältester  hier  J.  F.  Reichardt  in  Betracht,  dessen 
„Vertraute  Briefe"  von  1792  in  französischer  Uebersetzung  in  der  ausländischen 
Kritik  noch  manche  Beachtung  fanden. ^^3)  —  Gades  für  die  Geschichte  des  Musik- 
lebens von  1840 — 80  sehr  wichtige,  von  Dagmar  Gade'^*'^^^)  veröffentlichte 
Aufzeichnungen  und  Briefe,  aus  dem  dänischen  Original  nunmehr  auch  ins  Deutsche 
übersetzt,  enthalten  nur  wenige  Bemerkungen  über  litterarische  Dinge,  besonders 
Klagen  über  die  Erbärmlichkeit  des  deutschen  Schauspiels,  das  er  hauptsächlich  auf 
Reisen  nach  Berlin  und  Leipzig  seit  1843  kennen  lernte,  einmal  eine  schroffe 
Aeusserung  seiner  Schwester  Sophie  über  Bettina  von  Arnim,  die  sie  1852  in  Leipzig 
sieht  und  „hässlich  wie  eine  Nachteule  und  sehr  unwahr"  findet,  dann  wieder  von 
1878  ein  freundliches  Wort  Gades  über  den  „herzlichen,  stillen"  Klaus  Groth.  — 
Ein  bischen  mehr  von  litterarischen  Persönlichkeiten  handelt  Heinrich  Ehrlichs 
Selbstbiographie*'^^),  ein  langweiliges  und  widerliches  Buch,  im  Stil  oft  ohne  Not 
pathetisch,  zerfahren  und  verworren,  durchweg  von  kleinlicher  Gesinnung  zeugend, 
subjektiv-einseitig  in  schlimmster  Weise.  Der  Vf.  hat  das  Glück  gehabt,  unter  be- 
deutenden Menschen  zu  leben,  und  hat  kaum  einen  von  ihnen  in  seiner  wirklichen 
Bedeutung  erkannt,  misst  sie  samt  und  sonders  nur  mit  dem  eig-enen,  kleinlichen 
Massstab,  ja  wird,  wo  er  von  ihnen  redet,  kaum  jemals  rechtschaffen  warm.  Seine 
ersten  vierzig  Lebensjahre  behandelt  er  summarisch;  genauer  und  geordneter  wird 
die  Darstellung  erst  seit  1862,  seit  er  in  Berlin  wohnt.  Da  charakterisiert  er  um- 
ständlich den  ihm  von  Wien  (1848)  her  bekannten  Auerbach  mit  all  seinen  Vorzügen 
und  Schwächen,  die  beide  nicht  nach  Berlin  passen,  und  bespricht,  bald  kürzer,  bald 
länger,  Hans  von  Bülow,  den  er  zuerst  1852  in  Weimar  sah,  und  seine  Gattin,  die  be- 
deutendste „femme  superieure",  die  ihm  jemals  vorgekommen,  die  ihm  aber  unsym- 
pathisch bleibt,  während  er  ihrem  Vater  Liszt  gegenüber  aus  seiner  sonstigen  Eiseskälte 
doch  schliesslich  etwas  auftaut,  fernerG.Freytag, G.Kühne,  Lassalle,  E. Dohm,  P.Lindau, 
Rodenberg,  0.  Blumenthal  und  andere.  Ganz  besonders  gehässig  und  zwar  unehrlich- 
gehässig spricht  er  von  Rieh.  Wagner,  von  dem  nach  seiner  Meinung  niemand  auch 
nur  Eine  menschlich  edle  That  nachweisen  kann!  Auch  was  er  über  Wagner  als 
Dichter  und  Künstler  sagt,  ist  ganz  thöricht  und  verkehrt;  selbst  die  oberflächliche 
Bewunderung  seiner  Werke,  die  er  mitunter  äussert,  beweist  nur  ein  mangelhaftes 
Verständnis.  Auf  den  —  doch  gewiss  nahe  liegenden  —  Gedanken,  die  Widersprüche 
in  Wagners  Leben  und  Ansichten  aus  der  historischen  Entwicklung  des  Menschen 
und  Künstlers  zu  erklären,  lässt  ihn  seine  hämische  Parteilichkeit  nicht  kommen. 
Ehrlichs  eigene  Erlebnisse  interessieren  uns  hier  weniger,  da  er  in  erster  Linie 
Musiker  und  Musikkritiker  ist;  doch  hat  er  sich  auch  als  Novellist  versucht,  und  so 
kann  er  in  seinen  Erinnerungen  gelegentlich  auf  die  Anlässe  und  begleitenden  Um- 
stände dieser  Thätigkeit  hinweisen.  —  Sehr  vorteilhaft  stechen  von  Ehrlichs  Memoiren 
die  Lebenserinnerungen  Hanslicks  ab*^').  Nicht  nur  wegen  der  frischen,  klaren, 
anschaulichen  und  geistreich  anreg'enden  Darstellung;    auch  wegen  der  Wärme,    die 


Samml.  N.  42/3  )  B.,  Qrote.  1892.  VUt,  .345  S. ;  328  S.  M.  8,00.  -  153)  J.  F.  Reichardt,  Un  Prussien  en  France  en  1792.  Strasbourg,  Lyon, 
Paris.  Lettres  intimes.  Trad.  et  annot.  par  A.  Laqniante.  Paris,  Perrin.  1892.  436  S.  Fr.  7,50.  |[\.Chuquet:  RCr.  34,  S.467; 
Polybibl''.  65,  S.  260/2 ;  Caltnre  2,  S  225 ;  BURS.  56,  S.  165,7.]  |  -  154)  Niels  W.  Gade.  Optegnelser  og  breve  udgivne  afDagmarGade. 
Mit  mehreren  Bild.  u.  Facs.  Kopenhagen,  Gyldendal  (F.  Hegel  &  Sohn).  1892.  V,  328  S.  —  155)  id  ,  Aufzeichnungen  u.  Briefe  her.  v. 
Dagmar  Gade.    Uebersctz.  ans  d.  Dan.  Mit  3  Portrr.  n.  2  Facs    Basel,  Geering.  VI,  279  S    M  4,00.  —  156)  (I  13  :  35.1  —  157) 


F.  Muncker,  Memoiren,  Tag-ebücher  u.  Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893.  IV  Ic:i58-i59 

sie  unbeschadet  der  kritischen  Schärfe  belebt,  und  weg-en  des  Verständnisses,  das 
der  Vf.  allem  Bedeutenden  in  Kunst,  Litteratur  und  Leben  entgeg-enbring-t,  auch  da, 
wo  ihm  eine  Richtung  oder  ihr  Vertreter  aus  persönlichen  oder  sachlichen  Gründen 
unsympathisch  ist.  Hanslick  strebt  augenscheinlich  nach  möglichster  Objektivität  in 
diesen  Memoiren,  und  im  allgemeinen  mit  bestem  Erfolg.  Am  stärksten  fällt  das  bei 
den  Bemerkungen  über  Rieh.  Wagner  in  die  Augen,  für  dessen  Werke  Hanslick, 
wie  bekannt,  anfänglich  Propaganda  machte,  mit  dem  er  zuerst  auch  persönlich 
freundliche  Beziehungen  unterhielt,  während  er  später  zu  den  gefährlichsten  Gegnern 
des  Menschen  Wagner  und  seiner  künstlerischen  Bestrebungen  gehörte.  In  seiner 
Selbstbiographie  berührt  er  —  wenigstens  bisher  —  dieses  ganze  Verhältnis  auf- 
fallend wenig*,  vielleicht  weniger  als  recht  ist,  verdient  sich  aber  durch  solche  Ver- 
meidung- gehässiger  Offensive  gewiss  den  Dank  vieler  Leser.  Denn  dass  er  seine 
Gegnerschaft  gegen  den  späteren  Wagner  und  dessen  Anhänger  in  keiner  Weise 
aufgegeben  hat,  geht  aus  einzelnen  bissigen  Seitenbemerkung-en  zur  Genüge  hervor. 
Auch  gegen  Hebbel  befolgt  er  eine  ähnliche  Taktik.  Bei  den  paar  Begegnungen,  die 
er  mit  ihm  hatte,  konnte  in  ihm  wahrlich  keine  innere  Zuneigung  zu  dem  anspruchs- 
vollen, unerhört  sich  überhebenden  Dichter  aufkeimen;  aber  seine  dramatische  Be- 
deutung, die  Kühnheit  seiner  Probleme  und  seinen  psychologischen  Scharfblick  ver- 
kennt Hanslick  keinen  Augenblick,  wenn  er  auch  seinen  Mangel  an  Schönheitssinn 
und  naiver  Schaffensfreudigkeit,  ebenso  an  Sinn  für  Musik  und  landschaftliche  Natur 
beklagt.  Ausdrücklich  betont  er  Hebbels  Virtuosität  im  mündlichen  Vortrag,  der  bei 
ihm  nur  stets  etwas  Docierendes  gehabt  habe.  Im  übrig-en  sind  es  naturgemäss  vor 
allem  musikalisch  bedeutende  Persönlichkeiten,  bei  denen  Hanslick  ausführlich  ver- 
weilt: Schumann,  Meyerbeer,  F.  Hiller,  Berlioz,  Liszt,  Bülow,  Brahms  und  viele  andere. 
Daneben  ziehen  aber  bei  der  vortrefflichen  Schilderung  des  gesamten  g'eistig-künstle- 
rischen  Lebens  in  Wien  und  anderen  Orten,  wohin  den  Vf.  sein  Lebensweg  führte, 
auch  mehrere  berühmte  Schauspieler  (Anschütz,  Loewe,  Laroche,  Julie  Rettich, 
Lewinsky  usw.)  an  unseren  Augen  vorüber.  Von  bildenden  Künstlern  tritt  nament- 
lich Schwind  mehrmals  in  den  Vordergrund,  und  eine  ganze  Reihe  von  Dichtern 
und  Schriftstellern  wird,  meistens  nur  mit  wenigen,  aber  treffenden  Strichen, 
charakterisiert,  von  dem  alten  Tiedge  an,  der  dem  fünfzehnjährigen  Jüngling  allerlei 
über  Matthisson  vorsagte,  bis  auf  manche  der  neuesten.  Als  Student  schwärmte  H. 
für  A.  Grün,  Herwegh,  Prutz,  Hoffmann  von  Fallersleben  und  ihre  Genossen;  seine 
ersten  Musikreferate  schrieb  er  als  Nachahmer  des  Heineschen  Prosastils.  In  Wien 
trat  er  frühzeitig  als  Mitarbeiter  der  „Sonntagsblätter"  in  Beziehungen  zu  L.  A.  Frankl 
und  anderen  dortigen  Autoren,  von  denen  er  besonders  Alex.  Baumann  anschaulich 
schildert,  später  zu  Mosenthal,  den  er,  ohne  seine  dichterischen  Schwächen  zu  ver- 
leugnen, als  liebenswürdigen,  heiteren  Freund  rühmt.  In  Klagenfurt  lernte  er  flüchtig 
Tschabuschnig'g,  in  Gastein  den  kranken  J.  Mosen,  in  Berlin  Fanny  Lewald  und 
Ad.  Stahr,  in  Köln  R.  Benedix,  in  Leipzig-  Julian  Schmidt  kennen,  in  München 
genauer  Steub,  Geibel,  Heyse  und  Wilbrandt,  in  London  Freiligrath,  Kinkel  und 
Dickens,  seinen  Lieblingshumoristen,  während  ihm  Jean  Paul  stets  unbehaglich  war. 
Zu  seinem  nachmaligen  Leidwesen  näherte  er  sich  aus  Schüchternheit  dem  alten 
Grillparzer  nicht,  der  doch  —  wie  Hanslick  freilich  erst  später  hörte  —  seine  Musik- 
berichte und  grösseren  Schriften  mit  Interesse  las.  Eingehender  als  diese  verschiedenen 
Autoren  schildert  Hanslick  seinen  Freund  Ambros,  den  ausgezeichneten  Musikhistoriker 
und  jeanpaulisierenden  Feuilletonisten.  — 

Aus  dem  Schauspielerkreise  ist  diesmal  nur  das  Stammbuch  der  durch 
ihre  mimisch-plastischen  Vorstellungen  hochberühmten  Henriette  Hendel-Schütz  zu 
erwähnen,  aus  dem  Holstein ^^*)  beg-eisterte  Einzeichnungen  von  Goethe,  Schiller, 
Wieland,  Karoline  von  Wolzogen,  Johannes  Schulze,  Thümmel,  Joh.  von  Müller,  Wilh. 
Grimm,  Th.  Körner,  Seume,  Tiedge,  H.  von  Kleist,  Iffland,  Fichte,  Blücher,  Frau 
von  Stael,  A.  W.  Schlegel  und  vielen  anderen  mitteilt.  — 

Die  verschiedenartigsten  Gebiete  des  geistigen  Lebens  in  Deutschland  am 
Ende  des  18.  und  in  den  ersten  vier  Decennien  des  19.  Jh.,  Politik,  Philosophie, 
Religion,  Litteratur,  Geschichte,  Handels wesen,  werden  in  der  von  Clemens 
Th.  Perthes '^^)  herausg-eg-ebenen  Biographie  (und  Korrespondenz)  des  Buch- 
händlers Friedrich  Perthes  beleuchtet,  deren  7.  Auflage  nunmehr  abgeschlossen 
vorliegt.  Sie  zeigt  uns  den  treuen,  klar  blickenden  und  erfahrenen,  patriotischen  und 
streng  protestantisch-religiösen  Mann  im  regsten  Verkehr  fast  mit  allen,  die  in  der 
deutschen  Geistesgeschichte  seiner  Zeit  eine  Rolle  spielten ;  seine  Urteile,  oft  treffend, 
nur   gegen  Goethe    und   namentlich   geg-en  kritisch-neg-ative  Geister,    wie    die  Jung- 


(I  13  :  167.)  — 158)  H.  Holstein,  Aus  d.  Stammbuche  d.  Henriette  Hendel-Schütz:  MagdZg«.  1892,  N.  11/3.    -    159)  Cl.  Th. 
Perthes,    F.  Perthes  Leben  nach  dessen  schriftl.  u.  mändl.  Mitteilungen  anfgez.    7.  Aufl.    Bd.  2  u.  3.    aotha,  Perthes.   1392. 

Jahresbericht«  für  neuere  deutsche  Litteratnrgesohichte.    IV.  M^) 


IV  lc:i6o-i66  F.  Muncker,  Memoiren,  Tagebücher  u. Briefwechsel  d.  18./19.  Jh.  1892, 1893. 

deutschen,  die  Vf.  der  „Hallischen  Jahrbücher",  D.  F.  Strauss,  bisweilen  ungerecht, 
streifen  leichter  oder  nachdrücklicher  eine  kaum  übersehbare  Reihe  von  Persön- 
lichkeiten, von  denen  er  den  meisten  auf  seinen  zahllosen  Reisen  unmittelbar  nahe 
getreten  war.  Neben  Claudius,  Stolberg,  dem  gegen  alles  Romantische  bitter  unduld- 
samen Voss,  und  dem  an  liebe  so  reichen  F.  H.  Jacobi  stehen  da  W.  von  Humboldt, 
dessen  wahre  menschliche  Grösse,  tiefes  Gemüt  und  ernsten  guten  Willen  Perthes 
durch  die  äusserliche  Kälte  und  die  sarkastischen  Einfälle  seines  Witzes  hindurch 
erkennt,  A.  W.  Schlegel,  sein  Bruder  Friedrich  und  seine  treffliche  Gattin  Dorothea, 
Fouque  und  der  liebenswürdige  und  wunderliche  Chamisso,  Görres,  der  unruhige 
Hormayr,  Jean  Paul,  von  dessen  menschlicher  Persönlichkeit  Perthes  keinen  be- 
deutenden Eindruck  erhält,  aber  auch  der  Frhr.  von  Stein,  Arndt,  Niebuhr  und  L. 
von  Ranke,  der  Frhr.  von  Meusebach,  Neander,  Job.  Gg.  Rist  und  viele  andere.  — 
Wie  Perthes,  pflegte  der  Berliner  Verlagsbuchhändler  Georg  Andreas  Reimer  einen 
ausgebreiteten,  meist  freundschaftlichen  Verkehr  mit  den  verschiedensten  Persön- 
lichkeiten unserer  Litteratur.  Aus  seiner  reichhaltigen  Korrespondenz  ist  zwar  mit 
das  Beste  verloren  gegangen,  die  Binefe  H.  von  Kleists,  Novalis,  Jean  Pauls,  Fichtes, 
A.  von  Humboldts  und  anderer;  immerhin  aber  kann  Hirzeli^*^)  noch  eine  hübsche 
Anzahl  von  Briefen  an  ihn  aus  den  J.  1802 — 39  mitteilen.  Die  ersten  (1802—8) 
stammen  von  F.  Schlegel,  von  dessen  dichterischen  Plänen  (einem  Lustspiel  „Florio" 
und  einem  anderen  Drama)  und  altindischen  Studien  in  Paris  sie  berichten;  mehrere 
dieser  Briefe  behandeln  Schleiermachers  „Piaton"  und  den  Ideendiebstahl,  dessen 
Sohlegel  hier  den  Freund  beschuldigte,  wie  bereits  anderweitig  bekannt  ist.  Dann 
folgen  Briefe  von  Varnhagen,  von  Steffens  (aus  der  traurigsten  Periode  seiner 
Hallesohen  Professorenjahre),  von  Eichhorn  und  L.  Tieck,  von  Arndt  (aus  der  Zeit 
seiner  politischen  Verfolgung  1821—22),  endlich  zwei  Briefe  A.  W.  Schlegels  (1838—39) 
über  die  Veränderungen,  die  Tieck  an  Schlegels  Shakespeare-Uebersetzung  anbrachte, 
und  über  Tiecks  Anmerkungen  zu  Shakespeare,  die  Schlegel  bei  aller  sonstigen 
Achtung  für  den  Dichter  und  Gelehrten  Tieck  gar  nicht  befriedigten.  Ueberhaupt 
zeugen  die  beiden  Briefe  reichlich  von  dem  berechtigten  Selbstbewusstsein  sowohl 
wie  von  der  lächerlichen  Eitelkeit  ihres  Vf. ;  dabei  enthalten  sie  aber  vortreffliche  Be- 
merkungen über  die  Aufgabe  des  dichterischen  Uebersetzers  im  allgemeinen  wie 
im  einzelnen.  — 

Schliesslich  seien  hier  noch  einige  Schriften  angereiht  von  Autoren, 
deren  Beruf  sich  nicht  so  ohne  Weiteres  bestimmen  lässt.  Luc  GersaP^i) 
plaudert  in  seinen  (alsbald  ins  Deutsche  übersetzten)  Skizzen  von  Spree- 
Athen  auch  ziemlich  oberflächlich  über  die  litterarischen  Persönlichkeiten  und  Be- 
strebungen in  Berlin,  charakterisiert  kurz  und  stellenweise  nicht  übel  mehrere 
Männer  der  Wissenschaft,  die  dort  lehren,  nennt  ein  Dutzend  oder  mehr  Dichter- 
namen, giebt  eine  Uebersicht  der  socialdemokratischen  und  sonstigen  Zeitungen  von 
Berlin,  kanzelt  das  Theatertreiben  der  Reichshauptstadt,  die  Stücke,  die  man  auf- 
führt, die  Schauspieler  und  Schauspielerinnen  etwas  arrogant,  aber  im  einzelnen  gar 
nicht  immer  mit  Unrecht  ab  und  sagt  so  mehr  oder  weniger  unreif  und  doch  hie 
und  da  zutreffend  seine  Meinung  über  Verschiedenes,  was  die  moderne  deutsche 
Litteratur  überhaupt  berührt.  —  Für  diese  haben  die  Erinnerungen  an  die  alte 
Burschenherrlichkeit  von  Theobald  Rassmus^^Z)  kaum  ein  aktuelles  Interesse. 
In  seiner  sehr  rosig  gefärbten  Schilderung  der  Jenenser  Studententage  und  Studenten- 
streiche giebt  der  Vf.  (S.  42)  eine  bequeme  Zusammenstellung  der  berühmten  und 
besonders  litterarisch  ausgezeichneten  Männer,  die  in  Jena  studierten,  lehrten  oder 
vorübergehend  als  Gäste  wohnten.  Später  schildert  er  eine  lustige  studentische 
Travestie  der  Schillerschen  „Räuber"  (litterarisch  wertlos)  sowie  eine  Vorstellung 
desselben  Dramas  in  Weimar  unter  Beteiligung  der  Studenten  durch  die  üblichen 
Gesänge.  —  Emils  i^^-)  novellistisch  abgerundete  Ghettogeschichten  aus  Prag  haben 
mit  Litteraturgeschichte  nichts  zu  thun ;  einige  vielleicht  bedeutsamere  autobiographische 
Aufzeichnungen  vornehmlich  von  Vf.  aus  den  Ostseeprovinzen  sind  mir  nicht  zu- 
gänglich gewesen^ß^"*^^).  — 


VI,  341  8  ;  VI,  538  S.  M.  11,40.  (Alle  drei  Bde.  M.  18,00.)  —  160)  G.  Hirzel,  üngedr.  Briefe  an  G.  A.  Reimer:  DR.  4, 
S  98-114,238-53.-  161)  (I  4  :  337.)  |[E  Koschwitz:  DLZ.  1892,  S.  1370/1.]|  —  162)  Theobald  Rassmus  [=  0.  H.  Leh- 
mann], 0  qnae  mntatio  rerum!  Reminiscenzen  e.  alten  Jenensers.  Mit  12  Illustr.  2.  (Titel-)Aufl.  Dresden,  Alex.  Beyer. 
XII,  168  S.  M.  3,50.  (1.  Aufl.  1890.)  —163)  Em.  Emil,  Erinnerungen  e.  alten  Pragers.  Ghettogesch.  aus  vergangenen  Tagen. 
L.,  Malende.  252  S.  M.  3,00.  -  164)  O  X  V.  Diederichs,  J.  H.  Kant:  BaltMschr.  40,  S.  535-62.  (S.  u.  IV  5.)  —  165)  OX 
id.,  E.  V.  Klopmanns  Aufzeichnungen  über  sein  Leben:  ib.  S.  108-31.  —  166)  O  X  Baron  L.,  Lose  Blätter  aus  meinem  un- 
geschriebenen Tagebuche.    3.  Aufl.    B.,  Eckes  &  Co.     96  S.    M.  1,00.  — 


Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./ 19.  Jahrhundert.    IV  Id:  i 

Id)  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

Adolf  {Stern. 

Frankreich:  Deutsche  Litteratur  in  FrunVreich:  Einfluss  im  allgemeinen  N.  1;  gesammelte  Essays  N.  3; 
Anthologien  N.  4;  Goethe  (Werther)  N.  12;  Schiller  N.  13;  Kotzebne  N.  15;  Heine,  Jercmias  Gotthelf  N.  16;  moderne 
Litteratur  (Hauptmann,  Halbe)  N.  18.  —  Französische  Litteratur  in  Deutschland:  Moliere  N.  22;  Anfklärungszeit  N.  25; 
Romantik  N.  26.  —  England:  Deutsche  Litteratur  in  England:  Carlyles  Wirksamkeit  N.  28;  Anthologien  N.  30; 
Ausgaben  (Eichendorff,  Hauff)  N.  33;  Uebersetzungen  N.  36;  kritische  Studien  N.  45.  -  Englische  Litteratur  in  Deutsch- 
land: Volkspoesie  (Percy)  N.  57;  Shakespeare  (Allgemeines,  Hamlet,  Regis  Uebersetzung,  Verhältnis  zu  Lenz,  zu  Klinger,  zum 
Naturalismus)  N.  59;  Milton  N  68;  Einfluss  auf  Hölty,  Kotzebne  N.  69;  Macauly  N.  71.  —  Italien:  Deutsche  Litteratur  in 
Italien:  Uebersetzungen  (Lyrik,  K.  F.  Meyer)  N.  72;  Studien  (Goethe,  Lessing)  N.  77.  —  Italienische  Litteratur  in  Deutsch- 
land: Dante,  Tusso  N.  78;  Goldoni  N.  81;  Mantegazza  N.  85;  Gildemeister  N.  S6.  —  Spanien:  Allgemeines  (Dorers  Studien) 
N.  87;  Cid  N.  89;  Don  Quixote  N.  90;  Calderon  (Richter  von  Zalamea)  K.  91;  Spanische  Litteratur  der  Gegenwart  N.  92; 
Goethe  in  Spanien  N.  94.  — 

Bis  auf  den  heutigen  Tag"  ist  die  Thatsache,  dass  Deutschland,  in  der  Mitte 
Europas,  allen  Einwirkung-en  von  West  und  Ost,  von  Nord  und  Süd  ausgesetzt  liegt, 
dass  in  Wechselwirkung*  damit  unsere  Litteratur  den  Einflüssen  des  Auslandes  am 
offensten,  unsere  Wissenschaft  den  Schöpfungen,  Leistungen  und  Anregungen  aller 
Kultur-  und  Halbkulturvölker  am  zugänglichsten  ist,  ein  Thema  nie  endender  Er- 
örterungen, nie  zu  schlichtender  Streitfragen  geblieben.  Zwei  Anschauungen,  von 
denen  die  eine  nur  den  geistigen  Gewinn  veranschlagt,  der  uns  durch  den  unermüd- 
lichen Austausch  mit  der  Fremde  erwächst,  die  andere  ebenso  einseitig  nur  beklagt, 
dass  die  Natur  und  wir  selbst  keine  besseren  Schranken  gegen  das  Ausland  auf- 
gerichtet haben,  stehen  sich  nach  wie  vor  unversönlich  gegenüber.  Obschon  unver- 
kennbar die  Teilnahme  an  deutscher  Litteratur,  namentlich  in  England,  Frankreich 
und  Italien  wächst,  sind  es  noch  immer  wir,  die  der  Vergangenheit  und  Gegenwart 
nahezu  aller  Litteraturen  ein  weit  stärkeres  und  in  der  That  oft  ein  Interesse  widmen, 
das  nicht  überall  berechtigt  und  fruchtbar  g*enannt  werden  kann.  In  der  Zahl  un- 
gleichwertiger Erscheinungen,  mit  denen  ein  Jahresbericht  zu  thun  hat,  ist  es  freilich 
nicht  möglich,  alle  einzelnen  auch  unter  diesem  Gesichtspunkte  zu  prüfen  und  ab- 
zuschätzen, obschon  der  Punkt  nie  aus  dem  Auge  verloren  werden  sollte.  Die 
Vielseitigkeit  wie  die  Menge  der  hier  in  Frage  kommenden  Studien  und  Arbeiten 
verlangt  vom  urteil  sicher  einige  Zurückhaltung,  aber  sie  hebt  sein  Recht  und  seine 
Pflicht  nicht  auf.  Eine  annähernde  Ausgleichung  des  Anteils,  den  wir  der  fremden 
Litteratur  widmen,  und  der  vice  versa  unserer  eigenen  gegönnt  wird,  findet,  trotz 
allem,  am  ehesten  zwischen  Frankreich  und  Deutschland  statt.  Die  Zunahme 
ernster  Beschäftigung  mit  deutscher  Litteratur  in  Frankreich  ist  eine  höchst 
beachtenswerte  und,  im  Gegensatz  zur  Stimmung  im  politisch  lauten  und  mass- 
gebenden Teile  des  französischen  Volkes,  bedeutsame  Erscheinung.  Und  bei  so 
vielen  Erörterungen  und  Nachweisungen  über  die  Einflüsse  französischer  Geistesgrössen 
auf  die  deutsche  Litteratur  hat  eine  Untersuchung  im  umgekehrten  Sinne  über  den 
Einfluss  deutschen  Geistes  im  allgemeinen  auf  die  gesamte  französische  Litteratur, 
namentlich  aber  auf  die  des  19.  Jh.  schon  lange  am  Wege  gelegen.  Selbst  die  Behauptung 
der  Franzosen,  dass  ihnen  bis  zum  Anfang  unseres  Jh.  Deutschland  fast  ganz  unbe- 
kannt und  die  Gedankenbewegung  im  Nachbarlande  nahezu  völlig  unverständlich 
gewesen  sei,  hätte  auf  ihre  Richtigkeit  und  namentlich  auf  ihre  Ausnahmen  geprüft 
werden  müssen.  Die  Thatsache,  dass  mit  der  Wende  des  18.  Jh.  neben  der  englischen 
auch  die  deutsche  Litteratur  stark  auf  die  Franzosen  zu  wirken  beginnt,  stellt  die 
französische  Geschichtsschreibung  und  Kritik  selbst  nicht  in  Abrede,  immerhin  war 
es  eine  umfassende  und  dankenswerte  Aufgabe,  die  sich  Meissner  i)  mit  der  Arbeit 
über  den  „Einfluss  des  deutschen  Geistes  auf  die  französische  Litteratur  des  19.  Jh. 
bis  zum  J.  1870"  stellte.  Leider  hat  der  Vf.  von  vornherein  ziemlich  einseitig  und 
ausschliesslich  die  Aeusserungen  der  französischen  Kenner  und  Beurteiler  deutscher 
Litteratur  von  Madame  de  Stael  bis  zu  St.  Rene  Taillandier  ins  Auge  gefasst  und 
ist  nur  gelegentlich  dem  weit  wichtigeren  Teile  der  Aufgabe  der  wirklichen  Ein- 
wirkung des  deutschen  Geistes  namentlich  der  Poesie  auf  die  französische  Produktion 
und  Weltanschauung  näher  getreten.  Die  Würdigung  der  deutschen  Litteratur  seitens 
einer  kleinen  Gruppe  französischer  Kenner  ist  sicher  nicht  unwichtig  und  die  Ueber- 
sieht  des  hier  Geleisteten  nicht  uninteressant,  aber  von  ganz  anderer,  wenngleich  viel 
schwerer  nachzuweisender  Bedeutung  sind  die  Einflüsse  deutscher  auf  französische 
Schöpfungen.  M.  nimmt  bei  der  Erwähnung  Chateaubriands,  Senancourts,  Benjamin 
Constants,  Lebruns  u.  a.  einen  Anlauf  hierzu,  im  Zusammenhang  seiner  Arlaeit  jedoch 
bedeuten    diese    vereinzelten    Bemerkungen    wenig.     Selbst   zu  einer  Geschichte  der 


1)   F.  Meissner,   D.  Einfluss   dtsch.  Geistes   auf  d.   franz.  Litt.   d.    19.  Jh.  bis  1870.    L.,  Renger.    VIII,  249  S. 
M.  5,00.     IfDRs.  77,  S.  158;    E.  Wasserzieher:  ASUS.  91,  S   3356;   R.  Mahrenholtz:  LBlGRPh.  S.  327  8:    Th.  Sttpfle: 

(4)7* 


IV  ld:2-3  Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert. 

französischen  Kritik  über  neuere  deutsche  Werke  g-iebt  sein  Buch  nur  Material; 
weder  treten  die  Gesichtspunkte,  nach  denen  die  französischen  Kritiker  geurteilt, 
klar  hervor,  noch  g-iebt  sich  der  Vf.  die  Mühe,  das  Vei^wandte,  g-eistig-  Ueberein- 
stimmende  zu  gruppieren.  Er  selbst  will  seine  Nachweisung-en  nur  als  Bausteine 
zu  einer  zusammenhäng-enden  Darstellung-  des  Einflusses  deutscher  Litteratur  in 
Frankreich  angesehen  haben,  doch  auch  dafür  können  sie  bei  ihrer  Zufälligkeit  und 
Lückenhaftigkeit  nur  im  beschränktesten  Sinne  gelten.  Wären  wenigstens  die 
direkten  und  unmittelbaren  Einflüsse  der  deutschen  auf  die  französische  Dichtung  in 
einiger  Vollständigkeit  dargestellt,  so  könnte  man  auf  die  Nachweisung  der  mittel- 
baren, weniger  rasch  zu  ergründenden  einstweilen  verzichten.  Interessant  bleiben 
auch  die  mittelbaren  und  indirekten  Einflüsse.  Wenn  es  z.  B.  unter  dem  Stichwort 
Victor  Hugo  heisst:  „Unter  seinen  W^erken  ist  bloss  seine  sogenannte  Trilogie  ,,Die 
Burggrafen"  der  deutschen  Geschichte  entnommen,  aber  so  phantastisch  behandelt, 
dass  man  sich  in  die  Zeiten  der  rohesten  Barbarei  versetzt  glaubt  und  von  deutscher 
Art  auch  nicht  die  geringste  Spur  vorhanden  ist.  Ebenso  unsinnig  ist  in  „Hernani" 
der  Monolog  Kaiser  Karls  V.  in  einem  Keller  in  Frankfurt  a.  M.,  wie  denn  überhaupt 
Hugo  mit  der  Weltgeschichte  in  sonderbarer  Weise  umgeht",  so  wäre  eben  der 
Nachweis  wichtig  gewesen,  auf  welchem  Wege  und  durch  welche  Ueberlieferungen 
Victor  Hugos  Phantasie  zu  dem  Bilde  des  mittelalterlichen  Deutschland  gelangt  ist, 
das  der  Poet  in  den  „Burggrafen"  vor  uns  aufrollt.  Auch  verstehen  wir  nicht  recht, 
wie  M.  zu  der  Behauptung  gelangt,  dass  im  Trauerspiel  „Hernani"  Karl  V.  einen 
Monolog  „in  einem  Keller  zu  Frankfurt  a.  M."  halte.  Der  vierte  Akt  besagter  Tragödie 
spielt  allerdings  in  der  Gruft  Karls  des  Grossen  zu  Aachen,  aber  zwischen  dieser 
und  einem  beliebigen  Keller  in  Frankfurt  ist  doch  wohl  noch  ein  Unterschied,  und 
derartige  Flüchtigkeiten  sollten  wenigstens  nie  in  Verbindung  mit  herb  verurteilen- 
der Kritik  auftreten.  Die  grössere  Zahl  der  Beurteilungen  des  M.schen  Buches  ist 
daher  auch  ziemlich  abweisend  ausgefallen;  mit  allem  Recht  protestiert  man  gegen 
die  Begnügsamkeit,  die  von  vornherein  auf  eine  wirkliche  Bewältigung  der  Aufgabe 
verzichtet.  Dürfte  man  den  Tenor,  mit  dem  ziemlich  einstimmig  das  blosse  Zusammen- 
stoppeln von  Material  abgelehnt  wird,  als  den  Grundton  künftiger  Anschauung  und 
Kritik  betrachten,  so  wäre  bei  dieser  Gelegenheit  ein  wesentlicher  Fortschritt  zu 
verzeichnen.  Denn  je  ungeheuerlicher  das  wissenschaftliche  Material  auf  allen  Ge- 
bieten anschwillt,  um  so  rücksichtsloser  muss  geistige  Erhebung  über  das  Material 
gefordert  werden.  —  In  einem  wenn  auch  nur  losen  Zusammenhang  mit  der  un- 
gelösten Aufgabe  des  Meissnerschen  Buches,  steht  ein  Aufsatz  über  Tocquevilles 
Memoiren  2),  der  daran  erinnert,  dass  dieser  Politiker  und  Historiker  der  deutschen 
Einigung  mit  reiferem  Urteil  und  freundlicheren  Gefühlen  gegenübergestanden  hat, 
als  die  Mehrzahl  seiner  Landsleute,  und  der  es  beklagt,  dass  die  Einsicht  Tocquevilles: 
„Ich  für  meine  Person  bin  der  Ansicht,  dass  unser  Westen  bedroht  ist,  früher  oder 
später  unter  das  Joch  oder  doch  unter  den  Einfluss  der  Zaren  zu  fallen,  und  ich 
meine  deshalb,  dass  unser  vornehmstes  Interesse  ist,  die  Einigung  aller  germanischen 
Rassen  zu  begünstigen,  um  sie  jenen  entgegenzusetzen"  in  Frankreich  zum  weissen 
Raben  geworden  ist.  Der  Aufsatz  teilt  u.  a.  eine  Verbrüderungshymne  „Teutonen 
und  Franken"  mit,  die  vom  Baron  Taylor  gedichtet,  von  französischen  Gesang- 
vereinen noch  1865  vorgetragen  wurde.  „Noch  seltsamer  als  die  Aeusserung  Tocque- 
villes wirkt  dieses  Gedicht  als  Stimmungsdenkmal  einer  Vergangenheit,  die  noch 
gar  nicht  so  weit  hinter  uns  liegt,  und  deren  Anschauungen  wir  uns  doch  heute 
kaum  noch  vergegenwärtigen  können."  — 

Ein  charakteristisches  Zeugnis  für  die  Teilnahme,  die  eine  Gruppe  der 
französischen  Litteraturforscher  unseren  deutschen  Dichtern  und  dem  germanischen 
Geiste  überhaupt  widmet,  erhalten  wir  in  den  gesammelten  litterarischen  Essays 
von  Le  Fevre-Deumier^),  in  denen  „Oehlenschläger,  der  nationale  Dichter  Däne- 
marks" ohne  weiteres  und  schliesslich  nicht  ohne  ein  gewisses  Recht,  als  „be- 
rühmter Deutscher"  behandelt  wird,  ausser  Oehlenschläger  aber  Heinrich  von  Kleist, 
Müllner,  Ernst  Schulze  und  in  beinahe  komischer  Zusammenstellung  —  „Paracelse", 
will  sagen  Theophrastus  Paracelsus  von  Hohenheim,  einem  wissbegierigen  fran- 
zösischen Publikum  vorgeführt  werden.  Schon  diese  Zusammenstellung  verrät,  dass 
der  Vf.  trotz  seiner  Kenntnis  der  deutschen  Litteratur  die  alte  französische  Vor- 
stellung von  deutschem  Leben  und  Wesen  nicht  völlig  abgeschüttelt  hat  und  noch 
immer  meint,  etwas  von  dem  mystischen,  sich  geheimer  Kräfte  rühmenden,  zu  gleicher 
Zeit  forschenden  und  prahlenden  Charlatan  sei  eben  in  Deutschland  allgemeiner  vor- 
handen und  echt  „teutonique".  Die  beiden  interessantesten  Studien  des  Buches  sind 
die  über  Oehlenschläger  und  Heinrich  von  Kleist.     Dass  letztere  sich  auf  kein  anderes 


DLZ.  S.  874/6;  LCBl.  S.  1650/1;  Bär  19,  S.  731;  LZg«.  N.  68.]|  —    2)  Ans    A.  dt»  Tocquevilles    Erinnerungen:  KZg.  N.  288.  - 
3)  J.  Le  Keyre-Denmier,    Celebres  Allemands.     Essais    bibliogr.    et    litter     Puris,    Firmin  Didot.     289  S.     |[WestroR.  140, 


Ad.  Ötern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert.  IV  ld:4-i2 

unbekannteres  Material  stützt,  als  die  grösseren  biographischen  Werke  von  Wilbrandt 
und  Brahm  gereicht  L.  F.-D.  natürlich  nicht  zum  Vorwurf,  und  selbst  auf  kleine  Irrtümer 
braucht  man  kein  Gewicht  zu  legen.  Dass  sich  Henriette  Vogel,  die  Todesgenossin 
Kleists,  in  eine  „Adolphine"  verwandelt,  dass  die  unbedeutenden  Berliner  „Abend- 
blätter" ein  litterarisches  Journal  genannt  und  wahrscheinlich  mit  dem  „Phöbus" 
verwechselt  werden,  wird  den  Franzosen  wenig  verschlagen  und  ihre  Erkenntnis 
Kleists  nicht  beeinträchtigen,  viel  bedenklicher  erscheinen  die  Urteile  des  Vf.  „Die 
Hermannsschlacht"  Kleists  mit  ihrem  wilden  Trotz  und  Hass  gegen  die  Franzosen 
Napoleons  I.  wird  jedem  französischen  Beurteiler  des  Dichters  unbequem  sein.  Aber 
„Hermanns  Schlacht"  von  Klopstock  ihr  zur  Seite,  ja  über  sie  hinauszustellen,  ist 
nur  dann  möglich,  wenn  man  den  Deutschen  einmal  für  allemal  das  Nebelhafte,  Ge- 
staltlose, Rhetorisch-Phantastische  als  ihr  besonderes  Gebiet  anweist,  wozu  L.  F.-U.  trotz 
guter  und  ernster  Studien  nicht  übel  Lust  zeigt.  — 

Zur  Einführung  in  die  deutsche  Balladenpoesie  dient  eine  Anthologie, 
durch  Kont*)  herausgegeben,  die  sich  von  Bürgers  „Lenore"  bis  zu  Hebbels  Balladen 
„Schön  Hedwig"  und  „Der  Heideknabe"  erstreckt,  übrigens  nicht  chronologisch, 
sondern  nach  fünf  bestimmten  Stoffgruppen  geordnet  ist,  wobei  denn  als  eine  Haupt- 
gruppe eine  Anzahl  der  Balladen  und  poetischen  Erzählungen  erscheint,  in  denen 
die  deutschen  Poeten  allzu  eifrig  französische  Revolutionsscenenund  die  bonapartistische 
„Gloire"  verherrlicht  haben.  Eine  gut  geschriebene  Einleitung  und  erläuternde  Noten 
unter  allen  einzelnen  Balladen  dienen  dem  unmittelbaren  pädagogischen  Zweck  der 
Arbeit.  Hierbei  fällt  es  wiederum  auf,  dass  der  Anteil  der  Franzosen  an  unserer 
poetischen  Litteratur  sich  auch  auf  Talente  erstreckt,  die  bei  uns  völlig"  in  den  Hinter- 
grund getreten  sind.  K.s  Auswahl  bringt  Balladen  von  Conz,  Woltmann,  AI.  Schreiber. 
K.  Streckfuss,  A.  Nodnagel,  W.  Smets,  W,  Zimmermann,  die  aus  unseren  Anthologien 
verschwunden,  von  A.  Schnezler,  Halm  und  Zedlitz,  die  seltene  Gäste  in  ihnen  ge- 
worden sind.  Die  Noten  zeugen  von  grosser  Belesenheit  in  der  deutschen  Litteratur, 
wenn  auch  einzelne  Irrtümer  und  Flüchtigkeiten  in  ihnen  mit  unterlaufen.  So  ist 
z.  B.  Wolfram  von  Eschenbach  der  Dichter  des  Parzival,  aber  nicht  des  Lohengrinepos; 
Tiecks  ,, Ritter  Blaubart"  und  „Prinz  Zerbino"  gehören  nicht  zu  den  Romanen,  sondern 
zu  den  dramatischen  Dichtungen  des  Romantikers,  Goethes  Singspiel  heisst  „Die 
Fischerin"  und  nicht  „Das  Fischermädchen";  Wagners  „Fliegender  Holländer"  stammt 
von  1842  und  nicht  von  1872  usw.  Urteile  wie  die,  dass  Hebbels  Tragödie  „Maria 
Magdalena"  ein  Seitenstück  zu  Schillers  „Kabale  und  Liebe",  dass  Geibel  „der  erste 
klassische  Dichter  nach  Goethe"  sei,  mag  der  Herausgeber  verantworten,  wie  er 
kann.  —  Dem  Balladenbuch  reiht  sich  LeFevre-Deumiers^)  umfangreichere  Aus- 
wahl aus  deutschen  Dichtern  und  Prosaisten,  mit  einer  Einleitung  „Uebersicht  der 
deutschen  Litteratur  von  Luther  bis  auf  unsere  Tage",  als  eines  der  zahlreichen 
Hülfsmittel  an,  durch  die  der  jüngeren  Generation  in  Frankreich  die  deutsche  Sprache 
und  Litteratur  zugänglich  gemacht  werden  sollen.  —  Hierher  g-ehören  auch  die  Samm- 
lungen von  Stoffel^)  und  von  S  cherdlin "),  die  Erzählungen  und  ausgewählte 
Stücke  von  Schmid  fdem  Vf.  der  „Ostereier"),  Krummacher,  Liebeskind,  Lichtwer, 
Hebel,  Herder  und  Campe  mit  Lebensabrissen  der  Vf.  und  französischen  Noten 
bringen.  —  Dagegen  sind  die  kleinen  Sammlungen  von  Millien^)  und  Marcou^), 
die  uns  nicht  zu  Gebote  stehen,  wohl  selbständige  Uebertragungen  deutscher  Gedichte. 
—  Die  Schweiz  ist  eine  der  gangbarsten  Brücken,  über  welche  die  deutsche  Litteratur 
ihren  Einzug  in  Frankreich  hält.  Die  BURS.  vermittelt  mit  Vorliebe  die  Leistungen 
deutscher  Lyrik  (wie  z.  B.  F.  Oser)  den  französisch  sprechenden  Landsleuten  und  darnach 
auch  den  eigentlichen  Franzosen  *'>"'^).     (Vgl.  IV  5  :  17.)  — 

Im  Anschluss  an  Goethes  Werther  gab  Hermenjat^^j  eine  vergleichende 
Litteraturstudie,  die  leider  die  einzige  ihres  Vf.  bleiben  sollte.  Der  jugendliche  Autor 
(gest.  zu  Lausanne  am  31.  Okt.  1891)  hatte  die  feinsinnige  Untersuchung,  die  als 
die  „Brüder Werthers":  Foscolos  „Jacopo  Ortis",  Chateaubriands  „Rene",  Nodiers  „Maler 
von  Salzburg",  Senancourts  „Obermann",  Benjamin  Constants  „Adolphe"  betrachtet, 
also  hauptsächlich  die  französischen  Brüder  des  deutschen  Helden  charakterisiert, 
auch  die  Verwandtschaftsverhältnisse  zwischen  Byrons  Harold  und  Puschkins  Eugen 
Onägin  und  Werther  nicht  ausser  Augen  lässt,   als  Dissertation   bei   der  Akademie 


S.  688.]|  —  4)  J.  Kont,  Choix  de  ballades  allemandes  (Ballndenbuch).    Avec  nne  inirod.  et  des  notes.    Paris,  Garnier.   243  S. 

—  5)  J-  Le  FeTre-Denmier,  Le^ons  de  1a  litt  allenande.  Morceanx  choisis  des  poetes  et  des  prosatenrs  classiqnes. 
Onvrage    prec.  d'un   conp    d'ceil    sur   la   litt,  allem,  depnis  Luther  jusqu'ä    nos    jonrs.     Paris,  Firmin  Didot.     4".     XIX,  373  S. 

—  6)  J.  Stoffel,  Konv.  cours  de  la  lang-ne  allein.  Extraits  en  prose  et  en  vers  de  principanx  antenrs  allemands.  Paris, 
Vic  et  Amat.  16".  IV.  120  S.  —  7)  D  £■  Scherdlin,  Contes  et  morceanx  choisis  de  Schmid,  Kriimmucher,  Lieheskind, 
Lichtwer,  Hebel,  Herder  et  Campe.  Avec  des  notices  snr  les  antenrs  et  de  notes  en  fran9.  Nouv.  ed.  Paris,  Hachette. 
XVI,  260  S.  Fr.  1,50.  —  8)  A.  Millien,  Fleurs  de  poesie.  Morceanx  des  poetes  etrangers  contemp.  Trad.  en  vers.  Nevers, 
Impr.  Valliere.  16  S.  —  9)  F.  L.  Marcon,  Recneil  de  morceanx  choisis  des  poetes  et  prosatenrs.  (Darin:  Poetes  allemands.) 
Paris,  Garnier.  UI,  257  S.  —  10)  Poesies  allemundes  snr  la  Snisse:  BURS.  57,  S.  408.9  (Ueber  d.  Anthol.  „D.  Schweizerland 
im  Liede".)  —  U)  Chroniqne  allcniande:  Fr.  Oser:  ib.  53,  S.  402/4.  ~   12)  L.  Hermenjat,  Werther  et  les  freres  de  Werther. 


IV  Id:  13-15  Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert. 

von  Lausanne  eingereicht,  und  diese  ist  der  Arbeit,  ohne  ihre  Meinungen  vertreten 
zu  wollen,  wenigstens  so  weit  gerecht  geworden,  dass  sie  deren  Druck  ange- 
ordnet hat.     (Vgl.  IV  8d  u.  8e;  ferner  IV  11  :  49.)  — 

Von  einer  nicht  bloss  schulmässig  bedingten  Teilnahme  an  deutscher  Litte- 
ratur zeugen  die  Schillerübertragungen  von  Schmitt^^"'*),  Uebersetzungen  der 
historischen  Schriften  und  der  „Braut  von  Messina",  deren  jedoch  an  anderer  Stelle 
zu  gedenken  sein  wird  (s.  u.  IV  9:32,  37,  41,  85,  96/8,  125,   140).  — 

Der  Eifer  der  französischen  Erforscher  deutscher  Litteratur  ist  so  gross, 
dass  er  es  unternimmt,  gewisse  Lücken  unserer  eigenen  Litteraturgeschichte  zu  er- 
gänzen. Trotz  einer  kleinen  Bibliothek  von  Schriften  über  und  namentlich  gegen 
Kotzebue  haben  wir  es  zu  einer  umfassenderen  und  erschöpfenderen  Darstellung 
dieses  problematischen  Schriftstellercharakters,  einem  eingehenden  Werke  über  seine 
Zeit  und  die  "Wirkungen,  die  er  auf  sie  hatte,  noch  nicht  gebracht  und  sind  in  dieser 
Beziehung  von  einem  Buche  wie  dem  Rabanys^^)  gewissermassen  beschämt  worden. 
Zieht  man  freilich  in  Betracht,  von  welchen  Voraussetzungen  der  französische  Litterar- 
historiker  bei  seiner  Rettung  Kotzebues  ausgeht  (er  verwahrt  sich  zwar  dagegen, 
eine  Rettung  beabsichtigt  zu  haben,  erklärt  aber  ausdrücklich,  dass  litterarischer 
Hass  und  politische  Parteileidenschaft  Kotzebues  Bild  verdunkelt  hätten),  so  darf 
man  noch  bezweifeln,  dass  diese  französische  Wiederauferstehung  dem  viel  angefochtenen 
Dramatiker  und  Pamphletisten  zum  bleibenden  Vorteil  g-ereichen  werde.  Nach  R.s 
Meinung  hat  Kotzebue  das  ungünstige  Schicksal  gehabt,  von  seinen  deutschen  Lands- 
leuten als  eine  Art  fremder  Vogel,  in  einem  germanischen  Nest  ausgebrütet,  be- 
trachtet zu  werden.  Die  Deutschen  vermissen  in  ihm  die  charakteristischen  Züge 
ihrer  Rasse,  sind  empört  über  seine  Neigung  zum  Spott,  und  Kotzebue  hat,  wie 
später  Heine,  erfahren  müssen,  dass  die  Deutschen  von  Natur  den  Geist  —  in  dem 
sie  mit  Joseph  de  Maistre  etwas  Satanisches  finden  —  nicht  lieben.  W^enn  den 
Franzosen  die  lottrige  geistige  Beweglichkeit,  die  rasche,  aber  flache  Eindrucks- 
fähigkeit der  Kotzebueschen  Phantasie  und  die  charakterlose  Händelsucht  des  Lust- 
spieldichters schon  als  Geist  erscheint,  lässt  sich  nur  entgegnen,  dass  wir  im  allge- 
meinen höhere  Anforderungen  stellen,  um  einen  Schriftsteller  als  Mann  von  Geist  zu 
ehren,  dass  aber  die  starke  gegen  Kotzebue  waltende  Abneigung  auf  den  Eindruck 
zurückzuführen  ist,  dass  er  und  sein  Schaffen  überall  ein  Zerrbild  der  tieferen  und 
mächtigeren  geistigen  Bewegungen  darstellen,  die  Deutschland  in  der  Wende  des 
18.  und  unseres  Jh.  durchdrangen.  Immermanns  gewichtiges  Wort,  dass  Kotzebue 
mit  unfehlbarer  Sicherheit  auf  den  Plebejer  und  die  plebejischen  Neigungen  jeder- 
manns wirke,  trifft  eben  tiefer,  als  R.  zugiebt.  Er  meint,  Kotzebue  nehme  in  der 
deutschen  Litteraturgeschichte  einen  Platz  ein,  der  gleich  weit  vom  Genie  und  der 
Mittelmässigkeit  entfernt  sei.  Er  berühre  einigemal  die  erste  Region,  aber  entbehre, 
um  sich  in  ihr  dauernd  zu  behaupten,  die  edle  Sehnsucht  nach  dem  Ideal,  er  habe 
die  Freude  am  unmittelbaren  Erfolg,  an  der  Popularität  bei  Lebzeiten,  die  immer 
auf  Kosten  des  dauernden  Ruhms  erkauft  werde,  zu  eifrig  vorweggenommen.  Das 
alles  ist  wahr,  aber  es  reicht  nicht  aus,  den  Widerwillen  gegen  das  eitle,  überall 
von  den  niedrigsten  Instinkten  der  menschlichen  Natur  bewegte  Talent  des  Mannes 
zu  erklären,  und  alle  Sorgfalt  R.s  wird  diesen  Widerwillen  bei  uns  nicht  beseitigen.  Nichts- 
destoweniger verdient  das  französische  Werk  die  Anerkennung,  eine  Schuld  der 
deutschen  Litteraturgeschichte  eingelöst  und  Kotzebues  fruchtbare  Leichtigkeit  voll- 
ständig und  mit  Berücksichtigung  aller  ihrer  so  zahlreichen  als  vielseitigen  Zeugnisse 
gewürdigt  zu  haben.  Der  Massstab,  den  R.  an  poetische  Werke  anlegt,  wird  uns 
nicht  recht  klar,  da  es  ihm  möglich  ist,  Dichtungen  wie  „Menschenhass  und  Reue", 
„Octavia"  und  „Rollas  Tod"  als  Werke  ersten  Ranges  zu  bezeichnen.  Wenn  er 
geltend  macht,  dass  Kotzebues  wahre  Originalität  in  der  Komödie  liege,  die  er  in  all 
ihren  verschiedenen  Formen  von  der  grossen  Sittenkomödie  bis  zum  „Schwank  zur 
Verdauung"  beherrscht  habe,  so  wird  er  auch  in  Deutschland  auf  wenig  Wider- 
spruch stossen.  Immerhin  hätte  dem  Landsmann  Molieres  der  Mangel  eines  bleibenden 
Elements,  die  überrasche  Vergänglichkeit  aller  Typen  und  Gestalten  Kotzebues 
etwas  stärker  auffallen  und  die  Betrachtung  nahe  leg'en  sollen,  dass  in  der  ge- 
samten Menschendarstellung  Kotzebues  eine  wurzellose,  scheinlebendige  Geschick- 
lichkeit die  echten  produktiven  Antriebe  weit  überbot.  Die  umfassende  Studie  R.s 
hat  in  Deutschland,  wiederum  im  inneren  Zusammenhang  mit  der  über  ihren  Helden 


Etüde  de  litt,  comparee.  Diss.  Lansanne,  Imprim.  Ch.  Pache.  1892.  141  S.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  8d  :  16.)  —  13)  X  I^ 
Schinitt,  F.  Schiller,  OOuvres  historiques.  Avec  notices  et  notes.  4.  ed.  (=  Les  auteurs  du  prograinnie  du  cours  snp.  de 
la  langae  alleroande  [Extr.  relies  par  des  analyses].)  Paris,  Delagrave.  18".  V,  70  S.  (Vgl.  IV  9:30.)  —  14)  X  »d.,  La 
fiancee  de  Messine,  tragidie  de  Schiller.  Avec  notices  et  notes  (Classiqnes  alleroands).  4.  ed.  (=:  Cours  saperienr  de  langue 
allemande.  Les  auteurs  du  programme  [extr.  reli^s  par  des  analyses].  Classe  de  rhetoriqne.)  ebda.  18°.  VI,  63  S.  Fr.  0,75. 
(Vgl.  IV  9:126.)  —  15)  Ch.  Rabany,  Kotzebue,  sa  vie  et  son  temps,  ses  (Buvres  draniat.  Paris  u.  Nancy.  Berger,  Levrault  &  Co. 
VII.  536  S.  ||K  Trost:  NorddAZg.N.  376;  BLU.  S.5S9.]|  (Thfese  pourledoctorat.  Pres. ii  la  Fac.  des  Lettres  de  Paris.)  (Vgl.IV4:38.) 


Ad.  Stern,  Die  deutsche Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert.  IV  ld:i6-25 

herrschenden  Anschauung-,  nur  mässig-e  Würdigung  gefunden.  In  dem  sehr  sorg- 
fältigen bibliog-raphischen  Anhang  seines  Werkes  verzeichnet  R.  218  dramatische 
Werke,  13  Romane  und  Novellensammlungen,  2  Gedichtsammlungen  (es  muss  deren 
mehr  geben),  5  historische  Werke,  4  autobiographische  und  Reisewerke,  12  pole- 
mische und  vermischte  Schriften,  10  Zeitschriften,  die  der  Unermüdliche  veröffentlicht 
hat.  Unter  die  Zeitschriften  ist  allerdings  auch  eine  Skizzensammlung"  wie  „Clios  Blumen-» 
körbchen"  gerechnet  worden.  Alles  in  allem  eine  ungeheure  litterarische  Thätigkeit, 
von  der  freilich  nur  kümmerliche  Reste  und  Ueberlieferungen  bis  zu  uns  ge- 
langt sind.  — 

Dass  von  den  Vertretern  der  neueren  deutschen  Litteratur  den  Franzosen 
Heinrich  Heine  noch  immer  am  nächsten  steht  und  fortgesetzt  zu  kritischen 
Würdigungen  Anlass  giebt,  wie  denn  Girots'^J  Buch  nur  eine  der  zahlreichen 
französischen  Veröffentlichungen  über  diesen  Dichter  ist,  darf  uns  nicht  Wunder 
nehmen.  Indessen  ist  die  Zeit  vorüber,  wo  mit  der  Nennung  der  Namen  Hoffmann  und 
Heine  die  Kenntnis  grosser  französischer  Lebenskreise  von  deutscher  Litteratur  er- 
schöpft und  beschlossen  war.  —  Selbst  eine  so  ausschliesslich  deutsche,  ja  provinziell 
deutsche  Erscheinung  wie  Jeremias  Gotthelf '"J  hat  französische  Uebersetzer  und 
Beurteiler  gefunden.  — 

Die  „Eroberung  Frankreichs"  durch  die  moderne  Litteratur  der  „nordischen 
Barbaren",  zu  denen  neben  Tolstoi  und  Ibsen  auch  Richard  Wagner  und  die 
deutschen  Poeten  naturalistischer  Schule  gerechnet  werden,  scheint  nach  den 
Pariser  Theaterereignissen  und  kritischen  Kämpfen  des  J.  1893,  wie  uns  Poppen- 
bergs'^)  interessante  Zusammenstellung  lehrt,  im  vollen  Gange.  —  Den  fragmen- 
tarischen Uebersetzungen  von  Gerhart  Hauptmanns  „Einsamen  Menschen"  und 
Max  Halbes  „Jugend"  durch  Cohen ^'■'-2*^)  folgte  die  Aufführung  von  Hauptmanns 
„Webern" 21),  die  gewaltigen  Staub  aufwirbelte,  aber  im  Endergebnis  doch  ein  ent- 
schiedener Erfolg  des  deutschen  Dichters  war.  — 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem,  was  im  Berichtsjahre  bei  uns  für  das  Ver- 
ständnis und  die  Aufnahme  französischer  Litteratur  in  Deutschland  geschah, 
so  ist  zunächst  noch  einer  Reihe  mehr  oder  minder  eingehender  Besprechungen 
der  früher  (vgl.  JBL.  1892  IV  Id:  1/2;  4  :  95)  gewürdigten  Moli  er  e  Übertragung 
Fuldas  zu  g'edenken'-2}.  —  Von  der  jüngsten  zur  ältesten  Verdeutschung  des  fran- 
zösischen Komödiendichters  führt  uns  die  Schrift  Eloessers^^)  über  die  älteste 
deutsche  Uebersetzung  Molierescher  Lustspiele,  unter  der  er  die  Uebertragung-en 
„Amor  der  Arzt"  (L'amour  medicin),  „Die  köstliche  Lächerlichkeit"  (Les  precieuses 
ridicules),  „Der  Hahnrei  in  der  Einbildung"  (Sganarelle  ou  le  cocu  imaginaire),-  „Der 
Geitzige"  (L'avare)  und  „Georg  Dandin"  (Georges  Dandin  ou  le  mari  confondu) 
versteht,  die  in  der  „Schaubühne  Englischer  und  Französischer  Komödianten" 
(Frankfurt  1670  bei  Johann  Georg  Schiele)  gedruckt  sind.  Den  Uebersetzer  kann 
er  nicht  nennen;  dass  er  selbst  Schauspieler  gewesen  sei,  lässt  sich  nicht  beweisen. 
„Dass  er  aber  den  Komödiantenkreisen  zum  mindesten  nahe  stand  und  für  ihre 
Zwecke  arbeitete,  geht  aus  der  Anlage  und  dem  Zwecke  der  „Schaubühne"  hervor. 
Das  Verdienst,  die  Bedeutung  Molieres  für  die  deutsche  Bühne  erkannt  zu  haben, 
gebührt  den  Komödianten.  Der  grösste  Dramatiker  Frankreichs,  der  sich  durch 
geniale  Hebung  vorhandener  populairer  Motive  aufg*eschwungen  hatte,  fiel  nicht  in 
die  Hände  eines  bühnenfeindlichen  gelehrten  Interpreten,  an  der  Hand  eines  un- 
bekannt gebliebenen  Komödianten  setzte  er,  der  selber  als  wandernder  Komödiant  be- 
gonnen hatte,  denFuss  sogleich  auf  die  deutsche  Bühne." —  Wie  sehr  Moliere  noch  immer 
im  Mittelpunkt  alles  Anteils  an  französischem  Geist  und  französischer  Kunst  steht, 
erweisen  die  fortgesetzten  Anläufe,  die  Gestalt  und  das  Schicksal  des  Dichters 
poetisch  zu  beleben  und  uns  näher  zu  bringen.  Z  a  b  e  1  ^4)  hebt  in  einem  diese  Be- 
mühungen charakterisierenden  Aufsatz,  in  dem  er  die  Molieredramen  von  Goldoni, 
Gutzkow,  George  Sand,  Paul  Lindau  zusammenfasst  (es  fehlt  nur  das  eigentüm- 
liche, für  Ludwig  II.  von  Baj'ern  besonders  gedichtete  Drama  „Der  Weg  zum 
Frieden"  von  Ludwig  Schneegans)  hervor,  dass  das  Leben  des  grossen  französischen 
Lustspieldichters,  „halb  Lustspiel,  halb  Tragödie",  reich  an  interessanten  und  roman- 
tischen Ereignissen  sei,  die  zur  Dramatisierung  beinahe  herausfordern.  Freilich  sei 
es  auch  „schwer,  ja  unmöglich,  eine  Bühnenfigur  für  Moliere  auszugeben,  wenn  man 
ihr  nicht  etwas  von  Molieres  Geist,  Klugheit  und  Temperament  einflössen  kami.  Die 
Vorstellung,  die  wir  von  der  Persönlichkeit  des  Mannes  haben,  muss  durch  lebendige, 


—  16)  A.  Girot,  H.  Heiae,  Extraits  des  oeaTres  en  vers  et  en  prose.  Ännotes.  Paris,  Delagraye.  1892.  Vm,  100  S.  (Vgl. 
JBL  1892 IV  11 :  16;  s.u.  IV 11: 39.)  -  17)  Jer.  Gotthelf  en  fran9ai8:  Schw  Es.  2,  S.  623,6,744.  -  18)  F.  Poppenberg,  D  „Eroberung" 
Frankreichs:  ML.  62,  S.  8336  -  19)  A.  Cohen,  G.  Hauptmann,  Arnes  solltalres:  RPL.  1,  S.  724-30.  —  20)  id-,  Encore  un 
drame  realiste  berlinois  (M.  Halbe,  Jugend):  ib.  S.  579-80.  —  21)  BÜR9.  58,  S.  1769;  Lou  Andreas-Salome:  FrB.  S.  606  7, 
723,6,  836,8,  945-50;  NFPr.  4.  Juni.  —  22)  X  0.  Härtung:  DDichtung.  14,  S.  78;  Erich  Schmidt:  DLZ.  S.  1421,2;  K.  A.  M. 
Hartmann:  BLU.  S.  1968.  —  23)  (I  3:95;  III  4:19.)    -  24)  E.  Zabel,  Berliner  Theater:  NatZg.  N.  76.    -  25)  H.  Morf, 


IV  1  d : 26-29  Ad.  Stern,  Die  deutsch©  Litteratüf  und  das  Ausland  im  18./ 19.  Jahrhundert. 

charakteristische  Züge  ausgefüllt  sein  und  darf  nicht  ins  Grewöhnliche  herabgezogen 
werden."  — 

Neben  der  klassischen  Litteraturperiode  der  Franzosen  ist  es  das  Jh. 
der  Aufklärung,  das  noch  immer  zu  eingehenden  Untersuchung-en  und 
Studien,  wie  zu  leichteren  Skizzen  Anlass  giebt.  t)ie  Abhandlung  Morfs^^j  in 
Zürich  über  Denis  Diderot,  trägt  bezeichnenderweise  den  Titel  „Aus  dem  philosophischen 
Jh.",  und  die  gesamte  Beurteilung  der  französischen  Litteratur  des  18.  Jh.  muss 
genau  so  mit  der  in  ihr  vorherrschenden  Mischung  des  poetischen  Darstellungs-  und 
des  philosophischen  Auf  klär  ungsdrang^es  rechnen,  wie  jede  Beurteilung  unserer  jung- 
deutschen und  Tendenzdichtungsperiode  von  der  unlöslichen  Verbindung  litterarischer 
und  politischer  Bestrebungen  auszugehen  hat.  — 

Auch  die  Romantik,  die  in  Frankreich  selbst  als  überwunden,  völlig  be- 
seitigt und  ziemlich  vergessen  gilt,  findet  bei  uns  noch  ihren  günstigen  Beurteiler 
und  Fürsprecher.  So  bevorzugt  die  kleine  Sammlung  geschmackvoller  metrischer 
Uebertragungen  neuerer  französischer  Gedichte,  die  Thamhayn-^)  mit  historisch 
philologischen  Erläuterungen  veröffentlichte  neben  Beranger  die  Romantiker  Lamartine, 
Alfred  de  Musset,  Emil  Souvestre,  Fr.  Berat,  so  verbreitet  sich  Ulrich^'')  über  die 
französischen  Neuromantiker  und  den  Wert  ihrer  Schriften  für  die  deutsche  Schule.  — 

Ohne  elegische  Anwandlungen  lässt  sich  das  Verhältnis  der  englischen 
Litteratur  zur  deutschen  betrachten  und  besprechen.  Die  Teilnahme,  die  für  deut- 
sche Poesie  in-  England  von  alters  her  vorhanden  ist,  scheint  sich  im  all- 
gemeinen weder  vermindert  noch  gesteigert  zu  haben,  sie  stützt  sich  in  erster  Reihe 
noch  immer  auf  wertvolle  Arbeiten  eines  früheren  Geschlechts,  unter  dem  Thomas 
Carlyles  Wirksamkeit  über  alles  andere  hervorragte.  Als  eine  Mahnung  an  die 
Verdienste,  die  er  sich  um  Kenntnis  und  Erkenntnis  des  deutschen  Geistes  in  seinem 
Vaterlande  erworben  hat,  als  unvergängliche  und  bis  heute  unübertroffene  Leistung 
begrüssten  wir  daher  die  von  Rhys^*)  mit  einer  Einleitung  versehene  Neuausgabe 
seiner  kleinen  Schriften  zur  deutschen  Litteratur,  die  ausser  einer  kurzen  Einleitung 
historischer  Natur  die  fünf  vielgenannten  Essays  über  „Novalis",  „Richter",  „Schiller", 
„Das  Nibelungenlied"  und  „Goethes  Werke"  enthält,  die  Carlyle  zwischen  1829  und 
32  zuerst  in  der  „Foreign  Rewiew",  in  „Fräsers  Magazine",  in  der  „Westminster 
Rewiew"  und  „Quarter ly  Rewiew"  veröffentlicht  hat,  die  seitdem  in  verschiedener 
Gestalt  wieder  gedruckt  worden  und  die  Grundlage  der  Anschauung  nahezu  aller 
lebenden  Engländer  bilden,  die  überhaupt  nach  deutscher -Litteratur  fragen.  Carlyles 
Verständnis  des  specifisch  deutschen  Genius,  der  zeugenden  Kräfte,  der  geistigen 
Strömungen  unserer  klassischen  und  romantischen  Litteraturepoche  ging  über  die 
Enge  der  vor  ihm  herrschenden  englischen  Vorstellung  weit  hinaus  und  hat  dies 
Verständnis  bei  hundert  Anlässen  während  seines  ganzen  Lebens  bewährt.  In  erster 
Frische,  mit  der  morgendlichen  Freudigkeit  einer  neugewonnenen  Anschauung  giebt 
sie  sich  jedoch  vor  allem  in  diesen  Essays  kund.  Die  spätere  üeberzeugung  Carlyles, 
dass  der  wahre  Dichter  in  unseren  Tagen  eben  nicht  Dichter,  sondern  Betrachter, 
Agitator,  Prophet  und  was  sonst  noch  alles  sei,  die  bewusste  Wendung  von  der 
schöpferischen  Unmittelbarkeit  zur  Reflexion  warf  zur  Zeit  der  Entstehung  dieser 
Essays  kaum  ihre  ersten  Schatten  in  seine  geistige  Welt  und  beeinträchtigte  die 
bewundernde  Einsicht  des  schottischen  Kritikers  in  das  Wesen  und  eigentümliche 
Wollen  der  schöpferischen  Poeten  Deutschlands  nicht.  Die  Nachwirkung  dieser 
Jugendarbeiten  Carlyles  lässt  sich  durch  die  englische  Litteratur  Wissenschaft  eines 
halben  Jh.  verfolgen  und  lässt  es  doppelt  beklagten,  dass  Carlyle  die  projektierte  Geschichte 
der  deutschen  Litteratur,  deren  Entwurf  er  nach  R.s  Versicherung  im  J.  1831  samt 
dem  Sartor  resartus  mit  nach  London  brachte,  nicht  ausgeführt  hat.  Denn  beim 
Vergleich  alles  dessen,  was  neuerdings  für  deutsche  Litteratur  in  England  geschehen 
ist,  mit  früheren  Urteilen  und  Vorurteilen  spürt  man  überall  den  klärenden  Einfluss 
Carlyles  und  wünschte  ihn  noch  weiter  erstreckt,  als  es  durch  die  vorliegenden 
Essays  und  seine  anderen  Arbeiten  geschehen  ist.  —  Zahlreiche  Studien  für  die 
unausgeführte  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  scheint  Carlyle  in  den  Vorträgen 
über  allgemeine  Litteraturgeschichte,  die  er  vom  April  bis  Juli  1838  in  London  hielt, 
verwertet  zu  haben,  Vorträge,  die  nach  stenographischen  Aufzeichnungen  lange  nach 
seinem  Tode  durch  Greene  zuerst  veröffentlicht  worden  sind.  Ueber  die  besondere 
Rolle,  die  der  deutschen  Litteratur  in  diesen  Vorträgen  zugewiesen  ist,  berichtet 
R.  M.  Meyer  29),  dass  sie  nur  Gedanken 'und  Anschauungen  enthalten,  die  aus  den 
Schriften  des  „umgekehrten  Bonifacius"  bekannt  sind.  Die  Germanen  speciell  werden 
in  jener  eigentümlich  Neutaciteischen  Beleuchtung  gezeigt,  die  Carlyle  mit  Madame  de 

Aus  d,  philos.  Jh.:  Nation".  10,  S.  294/6,  307-10,  323/4.  —  26)  W.  Thamhay  n,  Aus  neueren  franz.  Lyrikern.  Metr.  üebertrag. 
Progr.  d.  Gymn.  Seehausen  i.  d.  A.  4".  12  S.  —  27)  W.  Ulrich,  Ueber  d.  franz.  Neuromantiker  n.  d.  Wert  ihrer  Schriften 
far  d.  dtsch.  Schule:  BllHSch.  10,  S.  2S-30.  —  28)  Th.  Carlyle,  Essays  on  tlie  greater  german  poets  and  writers.  With  introd, 
by    K.  Rhys.    London,  W.  Scott.    12».    XII,  245  8.    Sh.  1/6.   —   29)   B.  M.  Meyer,  Th.  Carlyle,  Lectnres  on  the  history  of 


Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert.  1 V  1  d -. 30-37 

Stael  teilt.  „Carlyle  sieht  in  den  Schweizern  die  typischen  Vertreter  deutscher  Art, 
in  Luther  den  g-rössten  Repräsentanten,  neben  den  er  gleich  Erasmus  und  Hütten 
stellt.  Bedeutender  ist  seine  Besprechung*  der  neueren  deutschen  Litteratur.  Neben 
Goethe  und  Schiller  erhält  Jean  Paul  ein  liebevoll  ausgeführtes,  aber  wenig  ähnlich 
geratenes  Monument.  Goethe  wird  als  der  Prophet  der  Entsagung  und  des  Mitleids 
gefeiert,  sicher  mit  mehr  Recht,  als  wenn  man  ihn  für  den  Wortführer  des  Egoismus 
und  der  Genusssucht  erklärt,  aber  durch  die  theologische  Färbung,  die  Carlyle  seinen 
Worten  giebt,  missverständlich  genug.  Deutsche  Philosophie  und  Wissenschaft  werden 
energisch  beiseite  geschoben ;  schliesslich  ist  es  dann  die  deutsche  Poesie,  auf  die  der 
leidenschaftliche  Idealist  seine  Hoffnung  einer  neuen"  Epoche  stützt."  (Vgl.  IV  4:43.) — 

Dass  jüngere  Kräfte  in  den  Spuren  Carlyles  weitergehen,  erweist  eine  Gruppe 
englischer  Studien  und  Abhandlungen  zur  Geschichte  und  Kritik  der  deutschen 
Litteratur  auch  im  Berichtsjahr.  Kaum  lässt  sich  noch  sagen,  dass  die  Engländer 
einer  bestimmten  Periode  der  deutschen  Dichtung'  einen  sichtbaren  Vorzug  gäben; 
vom  Nibelungenlied  und  den  deutschen  Volksliedern  des  ausklingenden  Mittelalters 
bis  zu  den  Operndichtungen  Richard  Wagners,  ja  bis  zu  den  Novellen  Ossip  Schubins 
erstreckt  sich  in  Herausgabe,  Uebertragung  und  Besprechung  die  englische  Teil- 
nahme an  deutscher  Litteratur.  Aus  der  lang*en  Reihe  der  hierher  gehörigen  Er- 
scheinungen gedenken  wir  zunächst  einiger  Anthologien  deutscher  Musterstücke  in 
Poesie  und  Prosa,  die  von  englischen  Herausgebern,  offenbar  meist  zu  Unterrichts- 
zwecken,  mit  Einleitungen  und  Noten  versehen,  die  Kenntnis  deutscher  Litteratur 
von  den  verschiedensten  Punkten  aus  zu  fördern  suchen.  Die  von  Stevens- 
White^o)  veranstaltete  Sammlung  „Deutsche  Volkslieder"  steht  hier  im  Vorder- 
grunde; an  sie  scliliessen  sich  Buchheims ^1-^2)  Sammlungen  an,  von  denen  die 
erstere  im  Berichtsjahre  schon  in  neuer  Ausg*abe  erschien,  während  sich  die  zweite 
als  ein  Ergänzungsband  an  die  erete  anschloss.  Die  Einleitung  giebt  eine  sehr  kurze 
und  gedrängte  Uebersicht  der  Entwicklung  der  deutschen  Ballade,  in  der  der  Heraus- 
geber mit  Recht  betont,  dass  ihm  der  Ueberreichtum  der  deutschen  Balladenpoesie 
bei  einer  knappen  Auswahl  hinderlich  gewesen  sei.  Er  teilt  die  Geschichte  dieser 
Poesie  in  drei  Perioden,  deren  erste  er  von  Bürger  bis  Chamisso,  die  zweite  von 
ühland  bis  Heine,  die  dritte  von  Freiligrath  bis  auf  die  Gegenwart  rechnet.  Wie  in 
diese  streng  gewählte  Sammlung  des  Allerbesten  Poeten  dritten  und  vierten  Ranges  wie 
J.  N.  Vogl,  S.  H.  Mosenthal,  H.  Pröhle  hineinkommen,  ist  uns  nicht  recht  klar; 
dass  „Treuer  Tod"  nicht  zu  Th.  Körners,  „Liebesprobe"  und  „Die  Weiber  von 
Winsperg"  nicht  zu  Chamissos,  „Die  Thurbrücke  zu  Bischofszell"  nicht  zu  Schwabs, 
„Saul  und  David"  nicht  zu  Platens,  „Die  letzten  Zehn  vom  vierten  Regiment"  nicht 
zu  Mosens  besten  Stücken  dieser  Art  gehören,  weiss  jeder,  der  die  betrefTenden 
Dichter  näher  kennt,  aber  es  scheint,  dass  der  Herausgeber  ein  imd  das  ander  Mal 
seine  Auswahl  getroffen  hat,  um  gewisse  Mannigfaltigkeiten  und  Absonderlichkeiten 
in  Metren  und  Rhythmen  nicht  unberücksicht  zu  lassen.  — 

Nächst  der  Lyrik  und  Balladenpoesie  scheint  für  höhere  und  mittlere  Unter- 
richtszwecke in  England  die  deutsche  Erzählung  und  zwar  wesentlich  die  der 
romantischen  Litteraturperiode  bevorzugt  zu  werden.  Die  hübschen  Ausgaben  von 
Eichendorffs  „Aus  dem  Leben  eines  Taugenichts",  die  Osthaus^^j^  von  Hauffs 
„Wirthshaus  in  Spessart",  die  Schlottmann  und  CartmelP*)  veranstalteten, 
erweisen  ein  lebenbiges  Interesse  an  diesen  frischen  und  liebenswürdigen  Schöpfungen 
unserer  Litteratur.  Auch  bei  den  englischen  Nach-  und  Neudrucken  unserer  Klassiker 
stehen  —  vom  Goetheschen  „Faust"  abgesehen,  der  fortgesetzt  die  stärkste  Teilnahme 
beansprucht  und  findet  —  Prosawerke  im  Vordergrund;  die  Veröffentlichungen  von 
Beresford- Webb^^)  u.  a.  erweisen  dies  klar  genug.  — 

Von  englischen  Uebersetzungen  deutscher  Dichtwerke  hat  sich  die  im 
vorjährigen  Bericht  bereits  angezeigte,  von  G.  B'iedler  bevorwortete,  kleine  Samm- 
lung deutscher  Lyrik  von  Aikman  (vgl.  JBL.  1892  IV  1  d :  25)  besonderer  Beachtung 
bei  der  englischen  wie  bei  der  deutschen  Kritik  erfreut^^).  —  Auch  die  Auswahl  aus 
deutschen  Humorigten,  die  mit  Einleitung  und  biographischem  Verzeichnis  in  der 
Uebersetzung  von  MüUer-Casenow^'')  erschien,  gehörte  noch  dem  J.  1892  an.  — 
Von  selbständigen  Schöpfungen  unserer  Litteratm'  wurden    Schillers    „Maria  Stuart" 


litterature  (vgl..IBL.  1892  I  4:13;  IV  8a:  109):  ADA.  19,  S.  S44/5.  —  30)  H.  Stevens- White,  Dtsoh.  Volkslieder:  a  selection 
from  german  folksongs.  Ed.  with  intr.  and  notes.  New- York,  Putnams  Sons.  1892.  324  S.  Doli.  1,50.  |[MLN.  8,  S.  179-83; 
NQ.  3,  S.  380.] I  —  31)  C.  A.  BuchJieim,  Dtsch.  Lyrik.  Select.  and  arranged  with  notes  and  a  litter.  introd.  (==  Golden 
Treasury  Series.)  London,  Macmillan  &  Co.  1892.  Sh.  2/6.  |[DRs.  74,  S.  477.JI  —  32)  id.,  Balladen  n.  Romanzen.  Select. 
and  arranged  with  notes  and  litter.  introd.  ib.  12».  318  S.  Sh.  2  6.  |[MLN.  7,  S.  127/8;  WestmR.  137,  8.  112;  DRs.  71, 
S.  317;  K.  M.  Werner:  DLZ.  S.  1209.]|  —  33)  J.  Frhr.  t.  Eichendorff,  Aus  d.  Leben  e.  Taugenichts.  Ed.  with  an  introd. 
and  notes  by  0.  Osthaus.  Boston,  Heath  &  Co.  1892.  176  S.  Doli.  0,40.  |[MLN.  3,  S.  311  2.J|  -  34)  W.  Hauff,  D.Wirts- 
haus im  Spessart.  Ed.  with  notes  by  Ä.  Schlottmann  and  J.  W.  Cartmell.  (=  Pitt  Press.)  Cambridge,  Warehouse. 
12».  X,  292  S.  Sh.  3.  )[Ad.  Maller:  ASNS.  91,  S.  293.JI  —  35)  H.  S.  Ber  esford  -  Webb,  Goethes  iUlien.  Reise.  Selection 
with  notes.  London,  Percival.  12«.  Sh.  2.  -  36)  DRs.  74,  S.  477;  Ac.  43,  S.  1278.  —  37)  (I  4:  163.)  IfWestmR.  139,  S.  21.5.J| 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschiohte.    IV.  (4)8 


IV  Id: 38-56  Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert. 

von  B r  e u P^"''^''),  „Wilhelm  Teil"  von  Maxwell^'')  neu  übertragen;  die  Verdeutschung- 
des  ersten  Teiles  des  Goetheschen  Faust  von  Anna  S w an wick*")  erschien  in  neuer 
durchgesehener  Ausgabe,  Bailey-Saunders*')  übersetzte  Goethes  „Maximen  und 
Reflexionen"  („Sprüche  in  Prosa"),  wobei  es  natürlich  auf  eine  Auswahl  hinauslief 
(von  den  1055  Maximen  der  Loeperschen  Ausgabe  von  1870  hat  der  englische  Ueber- 
setzer  nur  590  mitgeteilt!),  Oxenford*^^  vollständig  die  beiden  ersten  Bücher  der 
Autobiographie  des  Dichters.  Die  Popularität  Hauffs  in  England  wird  u.  a.  durch 
Nisbets^^)  Uebertragung  der  „Bettlerin  vom  Pont  des  Arts"  bekräftigt,  deren  Titel 
sich  freilich  eine  echt  englische  Umwandlung  gefallen  lassen  musste.  —  Unter  den 
neuesten  Dichtern  ist  J.  V.  Scheffel  die  Ehre  einer  metrischen  Uebertragung  seines 
Trompeters  vonSäckingen  durch  zwei  Damen,  Jessie  Bekk  und  Loui  se  Lorimer**), 
zu  teil  geworden.     (Vgl.  IV  9:43,  99,  120,  131,  139;   11:41/3.)  — 

Die  Uebersicht  über  kritische  Studien  englischer  Autoren,  die  der 
deutschen  Litteratur  gelten,  lässt  uns  wiederum  den  ganzen  Zeitraum  von  der  Mitte 
des  vorigen  Jh.  bis  zur  unmittelbaren  Gegenwart  durchmessen.  —  Als  ein  höchst 
interessantes  Zeugnis,  wie  die  Bekanntschaft  mit  einer  Reihe  von  deutschen  Dichtungen 
(von  Lessings  Minna  von  Barnhelm  bis  zu  Schillers  Räubern  und  Goethes  von 
Frederick  Reynolds  dramatisiertem  Werther)  auf  die  Engländer  wirkte,  sammelte 
Singer^^)  einige  englische  Urteile  über  die  Dramen  deutscher  Klassiker.  Aus  seinen 
Nachweisen  geht  entscheidend  hervor,  dass  nichts  der  deutschen  Dichtung  empfindlicher 
schadete,  als  die  von  Sheridan  und  den  englischen  Bühnenkreisen  ein  paar  Jahr- 
zehnte lang  genährte  Kotzebuebegeisterung.  Freilich  spricht  es  nicht  für  besondere 
Feinheit  des  Sinnes,  dass  man  in  London  zwischen  Kotzebue  und  seinen  grossen 
deutschen  Zeitgenossen  nicht  schärfer  zu  unterscheiden  wusste,  aber  schliesslich  darf 
die  Frage  aufgeworfen  werden,  wie  viele  denn  im  damaligen  Deutschland  klar  unter- 
schieden? —  Der  stattlichen  Reihe  früherer  englischer  Betrachter  und  Beurteiler 
Lessings  hat  sich  Rolleston ^ß)  gesellt,  der  sich  im  allgemeinen  über  Lessing  und 
seine  Stellung  in  der  deutschen  Litteratur  verbreitet,  während  Calthins*'')  die 
Doktorfrage,  ob  Nathan  der  Weise  ein  Gedicht  oder  ein  Drama  zu  nennen  sei,  zum 
hundertsten  Male  erörtert.  (Vgl.  IV  6.)  —  M  oseley*^)  untersucht  dieBeziehungenzwischen 
Goethe  und  Smollet,  die  im  ganzen  beschränkter  Natur  und  von  untergeordneter 
Bedeutung  sind.  —  Als  Nachklang  zum  Körnerjubiläum  von  1891  verzeichnet  und 
beurteilt  Edgcumbe"*^)  einige  englische  Aufsätze  und  Gelegenheitsschriften  über 
den  Dichter  von  „Leyer  und  Schwert".  —  Eine  Skizze  über  Chamissos  Leben  von 
Lentzner^*^)  stützt  sich  durchaus  auf  die  allbekannten  deutschen  Veröffentlichungen 
über  diesen  Poeten  und  W^eltfahrer.  —  Der  neueren  und  neuesten  deutschen  Litteratur 
widmen  die  englischen  Kritiker  unverminderten  Anteil:  Heinrich  Heines  Werke ^^), 
van  Embdens52)Buch  über  Heines  Familienleben  (vgl.  JBL.  1892  IV  11:  12),  die  Er- 
zählungen von  Ossip  Schubin  53j^  Paul  Heyses  Roman  „Merlin",  die  Dramen  Haupt- 
manns ^^)  erfuhren  in  den  hervorragendsten  litterarischen  Blättern  zum  Teil  eingehende 
und  umfassende  Besprechungen ;  kürzere  Sammelübersichten  über  deutsche  Litteratur 
brachte  nach  wie  vor  die  SaturdayR.^^)  —  Den  denkbar  unerquicklichsten  Eindruck 
hinterlässt  das  grosse,  mit  Hingabe,  Geist  und  Fleiss  entworfene  und  ausgeführte 
Werk  Fincks^^)  über  Wagner  und  seine  Werke,  hierher  nur  gehörig,  soweit  es 
Bezug  auf  den  Dichter  Wagner  nimmt.  Der  englisch-amerikanische  Wagnerfanatismus 
übertrumpft  hier  den  deutschen  mit  einer  Masslosigkeit  und  Einseitigkeit,  die  die 
ältesten  und  enthusiastischsten  Anhänger  des  grossen  Meisters  zu  blöden  Gegnern 
stempelt.  Wer  sich  gestattet,  Mozarts  Don  Juan  und  Beethovens  Fidelio  neben  Tann- 
häuser und  den  Meistersingern  noch  gelten  zu  lassen  oder  gar  zu  bewundern,  wird 


—  38)  K.  Breul,  F.  Schiller,  Maria  Stuart.  E.  Trauerspiel,  edit.  with  introd.,  english  notes,  genealog.  tables  etc.  (=  Pitt 
Press  Series.)  Cambridge,  Univ.  Press.  12«.  XXXH,  272  S.  Sh.  3/6.  |[Ath.  2,  S.  64;  MLN.  8,  S.  494/7.]|  (Vgl.  IV  9 :  99.)  — 
38a)  X  id-'  F-  Schiller,  D.  30 j.  Krieg.  Abridged  and  ed.  (=  Pitt  Press.)  Cambridge,  Warehouse.  1892.  12».  Sh.  3.  (Vgl. 
JBL.  1892  IV  9:34.)  -  39)  X  P.  Maxwell,  F.  Schiller,  William  Teil,  transl.  with  an  introd.  and  notes.  London,  Scott. 
12".  XXVI,  214  S.  Sh.  1/6.  1[P.  H.:  LCBl.  S.  1020;  NQ.  4,  S.  79.J1  (D.  Uebers.  ist  sorgsam  gemacht,  d.  Einl.  nur  für  d.  erste 
Orientierung  ausreichend;  W.  Teil  gilt  d.  Uebers.  als  bist.  Persönlichkeit;  vgl.  IV  9:131.)  —  40)  Anna  Swanwick,  The 
flrst  part  of  Goethes  Faust.  Revised  edition.  With  Retzschs  illustrations.  London,  Bell  &  Sons.  XLIV,  167  S.  Sh.  6.  |[Ath.  2, 
S.  768/9.]|  (S.  u.  IV  8e:82;  vgl.  auch  JBL.  1890  IV  Ue:32b.)  -  41)  J.  W.  Goethe,  Maxims  and  Reflections.  Transl.  by 
Bailey  Saunders.  With  a  preface.  (=  Eversley  Series.)  London,  Macmillan.  210  S.  Sh.  5.  (Vgl.  IV  8a.)  — 42)  J.  Oxenford, 
Goethe,  The  boyhood  and  Youth.  Being  Books  I  to  II  of  the  aatobiography.  Transl.  (=  Knickerbocker  Nuggets.)  London, 
Piitnams  Sons.  1891.  Sh.  5.  (Vgl.  JBL.  1891  IV  9b  :  31.)  -  43)  J.  Nisbet,  W.  Hauff,  A  constant  lover.  Transl.  London, 
Fisher.  12».  Sh.  3/6.  ![Ath.  2,  S.  319.]|  —  44)  Jessie  Bekk  u.  Louise  Lorimer,  The  Trumpeter.  A  Romance  of  Rhine 
by  Scheffel.  Transl.  Introd.  by  Sir  Th.  Martin.  London,  Blackwoods.  Sh.  36.  |[Ath.  2,  S.  319.J1  -  45)  H.  W.  Singer, 
Einige  englische  Urteile  über  d.  Dramen  dtsch.  Klassiker.  (=  I  1:118,  S.  1-18.)  —  46)  T.  W.  Rolleston,  Lessing  and 
his  place  in  german  litt.:  ContempR.  64,  S.  237-58.  —  47)  B.  Galt  hin  s,  Nathan  d.  Weise  —  poera  or  play?:  MLN.  8. 
S.  193-205.  —  48)  B.  D.  Moseley,  Goethe  and  Smollet:  NQ.  3,  S.  53/6.  —  49)  R.  Edgcumbe,  Th.  Körner:  ib.  S.  .309.  — 
50)  K.  Lentzner,  Chamisso,  a  sketch  of  his  life  and  works  with  specimens  of  his  poetry.  London,  Williams  and  Norgiite. 
1892.  4».  Sh.  5.  —  51)  The  works  of  H.  Heine:  NQ.  4,  S.  239.  —  52)  WestmR.  139,  S.  212/3.  —  53)  The  novels  of  Ossip 
Schubin:  ib.  140,  S.  653-61.  -  54)  German  Fiction.  (Heyses  Merlin,  Hauptmanns  Dramen):  Blaokwoods  Mag.  153,  S.  87-108.  — 
55)  Oermiin  Litt.:    SaturdayR.  76,  S.  336/7,  364/5,  749-50.    —    56)    H.  T.  Finck,   Wagner  and  his  works.     Critical    comments. 


Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert.  IVld:57-60 

ohne  weiteres  „höchst  komisch"  (very  funny)  gefunden;  die  Enge  eines  „Messianismus", 
der  von  der  unerm esslichen  Weite  und  Lebensfülle  der  Kunst  keinen  Begriff  hat 
und  haben  will,  kann  sich  kaum  hochmütiger  äussern,  das  Urteil  über  den  Dichter 
Wagner  entspricht  dem  Urteil  über  den  Musiker,  Wagner  ist  für  den  Vf.  der  einzige 
Deutsche,  der  je  „Genie"  gehabt  hat,  obschon  er  dem  Kunstphilosophen,  Politiker 
und  Pamphletisten  gelegentlich  mit  echter  Yankeepolemik  zu  Leibe  geht.  — 

Gegenüber  der  vielseitigen,  aber  immerhin  vereinzelten  englischen  Arbeit 
an  deutschen  Schöpfungen  erscheint  die  Thätigkeit,  die  für  englische  Litteratur 
in  Deutschland  entfaltet  wird,  schon  um  deswillen  reicher  und  tiefer,  weil  unsere 
Litteraturforschung  und  Kritik  fortfährt,  den  grössten  bintischen  Genius  Shakespeare 
aus  hundert  vollwichtigen  Gründen  als  eine  der  Säulen  unserer  eigenen  Dichtung 
und  unseres  gesamten  Geisteslebens  anzusehen.  Die  unerloschene  Dankbarkeit  für 
manche  Anregung  und  Förderung-,  die  die  neuere  deutsche  Litteratur  in  ihren  Jugend- 
tagen von  England  her  empfangen  hat,  verbindet  sich  mit  den  alten  kosmopolitischen 
Neigungen,  mit  der  methodischen  Aliseitigkeit  deutscher  Litteratur-  und  Sprach- 
forschung. Eines  der  W^erke,  die  zur  Zeit  ihres  Erscheinens  in  Deutschland  fast 
noch  unmittelbarere  und  lebendigere  Wirkungen  äusserten  als  in  England,  die  viel- 
berühmte Sammlung  altenglischer  Volkspoesie  des  Bischofs  Percy,  hat  130  Jahre 
nach  dem  ersten  Erscheinen  Schröer^''J  neu  und  höchst  sorgfältig  herausgegeben. 
In  seiner  Einleitung  rechtfertigt  der  Herausgeber  den  Neudruck  gerade  der  ersten 
ursprünglichen  Sammlung  von  1765  gegenüber  dem  in  der  Tauchnitz  Edition  und 
anderwärts  benutzten  Text  der  Ausgabe  letzter  Hand  (vierte  Ausgabe)  von  1794. 
Er  betont,  dass  die  litterargeschichtUche  Bedeutung  der  „Reliques"  nicht  jener  er- 
weiterten und  veränderten  Gestalt,  wie  sie  sich  in  den  gewöhnlichen  Ausgaben  ab- 
gedruckt findet,  sondern  den  älteren  Ausgaben,  vor  allen  der  ersten  zukommt.  „Die 
,Reliques'  hatten  durch  die  gewaltige  und  weitgehende  Anregung,  die  sie  geboten, 
so  viele  Veröffentlichungen  anderer  zur  Folge  gehabt,  dass  sie  selbst  ihre  wichtige 
Rolle  in  den  neunzig-er  Jahren  des  18.  Jh.  mehr  und  mehr  ausgespielt  hatten;  auf 
den  stürmischen  Enthusiasmus  folgte  die  nüchterne  Kritik;  und  macht  die  erste 
Ausgabe  den  Eindruck  eines  naiven  und  mutigen  Verstosses  in  einer  neuen  Richtung, 
bei  dem  man  trotz  aller  Mängel  die  Gelehrsamkeit  und  Umsicht  des  Herausgeber 
bewundern  musste,  so  erscheint  die  Ausgabe  letzter  Hand  vielfach  wie  ein  ver- 
driesslicher  Rückzug,  trotz  all  des  gelehrten  Ballastes,  und  zeigt  den  Herausgeber 
nicht  mehr  auf  der  Höhe  seiner  Zeit.  Die  Anschauungen  über  litterarhistorische  und 
kulturhistorische  Fragen,  so  wie  sie  sich  in  der  ersten  Auflage  von  1765  niedergelegt 
fanden,  und  im  Zusammenhang  damit  die  von  Percy  als  alte  Volkslieder  vorgeführten 
Gedichte  waren  es,  die  in  den  sechziger,  siebziger,  achtziger  Jahren  die  englischen 
Litteraten  und  Poeten  tiefeindringend  beeinflussten  und  bekanntlich  nicht  weniger 
auf  Deutschland  einwirkten."  Seh.  hatte  seine  Neuausgabe  ursprünglich  auf  einen 
weiteren  Umfang  und  die  grösstmögliche  wissenschaftliche  Vollständigkeit  angelegt ; 
sie  sollte  nicht  nur  den  Text  der  editio  princeps  und  die  Varianten  der  späteren 
Originalausgaben,  sondern  auch  Materialien  zur  Kritik  der  Texte,  Anmerkungen  zu 
den  einzelnen  Stücken,  mit  eingehender  Erörterung  über  das  Verfahren  Percys  in 
Wiedergabe  und  Kritik  seiner  Texte,  die  alten  Singweisen,  eine  Einleitung  über  die 
englische  Volksliederlitteratur  im  allgemeinen  und  die  Stellung  der  „Reliques"  in 
der  englischen  und  deutschen  Litteraturgeschichte  im  besonderen,  einen  Motivenindex 
u.  a.  m.  enthalten.  Ein  Missgeschick  der  ursprünglichen  Verlagsbuchhandlung  zwang 
den  Herausgeber,  sich  auf  eine  vorzügliche,  so  verlässliche  als  handliche  Gesamt- 
ausgabe des  Percyschen  Textmaterials,  auf  Register  und  einen  litterarischen  Index 
zu  beschränken.  Seine  Anmerkungen  und  die  alten  Singweisen  hofft  Seh.  in  be- 
sonderen Heften  nachzubringen,  an  Stelle  der  Einleitung  verweist  er  auf  Brandls^^) 
inzwischen  erschienene  meisterhafte  Skizze  der  englischen  Volkspoesie,  durch  die 
seine  eigene  beabsichtigte  Einleitung  „einigermassen  entbehrlich  gemacht  worden  sei."  — 

Wie  ein  Prolog  zu  der  stattlichen  Zahl  der  deutschen  Shakespeare- 
forschungen erschien  eine  allgemein  gehaltene  Skizze  Hauffens^^)  „Shakespeare 
in  Deutschland",  die  in  knapper,  lebendiger  Uebersicht  die  Geschichte  der  Shakespeare- 
kenntnis, Shakespeareübertragimg  und  Shakespearewirkung  in  Deutschland  vom 
Beginn  des  17.  Jh.  und  den  Wanderungen  der  englischen  Komödianten  bis  zu  den 
Jahrbüchern  der  deutschen  Shakespearegesellschaft  vor  Augen  stellt.  Der  Vf.  be- 
tont mit  Recht,  dass  die  Begeisterung  für  Shakespeare  in  Deutschland  nicht  unter 
den  Begriff  der  tadelnswerten  Ausländerei  falle,  dass  sie  in  ihrer  Tiefe  wie  in  ihrer 
Breite  dem  Goetheschen  Wort  „Von  Verdiensten,  die  wir  zu  schätzen  wissen,  haben 


2  ?ols.  Ne w-York,  Scribner  Sons.  1892.  Sh.  21.  (Vgl.  1 13 :  117. ) — 57)  M.  M.  A.  S  c  h  r  ö  e  r ,  Percys  Reliques  of  ancient  english  poetry .  Nach 
d.  1.  Ausg.  V.  1765.  Mit  d.  Varianten  d.  spät.  Originalansg.  her.  n.  mit  Einl.  n.  Reg.  vers.  Weimar,  Felber.  XXVUl,  1136  S. 
M.  15,00.    -    58)    A.  Brandl,    Kngl.  VolVspoesie.     (=  I  1  :  92,  S.  S.37-60.)    -    59)   (HI  4:6a;  IV  4:25.)    -    60)   (I  2:45.) 

(4)8* 


IV  ld:6i-66  Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert. 

wir  den  Keim  in  uns"  entspreche,  dass  wir  Shakespeare  errungen  haben  und 
täglich  neu  erringen.  —  Allgemeines  über  Shakespeare  in  gedrängtester  Fassung, 
aber  auf  Grund  der  umfassendsten  Litteraturkenntnis  und  selbständiger  Anschauung 
geben  die  fünf  hinterlassenen  Vorträge  von  ten  Brink^^j^  (j^g  a^^g  (jg^  Nachlasse 
des  hervorragenden  Gelehrten  vonEdw.  Schröder  herausgegeben  wurden.  In  der 
brennenden  Frage  des  Tages  steht  B.  durchaus  im  Glauben  an  die  Existenz  und 
Persönlichkeit  des  Dichters  William  Shakespeare  und  weist  die  „Bacon-Theorie" 
energisch  von  sich.  B.s  Gruppierung  der  Shakespeareschen  Werke  wie  seine  Urteile 
über  einzelne  Schöpfungen  können  angefochten  werden,  unanfechtbar  ist  die  frische 
Natürlichkeit  und  Sicherheit,  mit  der  der  leider  zu  früh  Entraffte  seine  Hörer  und 
Leser  in  die  Entwicklung  einer  grossen  Dichterseele  einführt,  mustergültig  ist  das 
zusammenfassende  Talent,  das,  mit  allen  Kontroversen,  allen  Einzelresultaten  des 
Shakespearestudiums  vertraut,  vor  allem  erst  eine  sichere  Basis  der  Anschauung 
und  des  Verständnisses  giebt.  —  Sowohl  Hauffens  als  ten  Brinks  Vorträge  haben 
dann  Aufsätze  wie  z.  B.  den  von  Fränkel^')  veranlasst,  die  in  wenigen  Spalten 
die  Quintessenz  der  genannten  grösseren  Arbeiten  und  einiger  Specialstudien  zu 
geben  trachten.  —  Unter  den  kommentierenden  Werken  erregte  das  grosse  Hamlet- 
Werk  Loenings^-)  doch  ein  Interesse,  als  ob  nicht  eben  erst  Werder  auf  seine 
Weise  versucht  hätte,  das  Rätsel  der  Tragödie  und  des  Hamletcharakters  zu  deuten, 
und  als  ob  L.  ganz  frisch  an  den  Stoff  hätte  herantreten  können,  anstatt  sich  mit 
der  zur  Bibliothek  angewachsenen  erläuternden  Litteratur  eines  ganzen  Jh.  aus- 
einanderzusetzen. L.  gelangt  zu  dem  Resultat,  dass  trotz  und  nach  allem  Hamlet  ein 
tragischer  Charakter,  so  reich  entwickelt,  so  individualisiert,  von  solcher  Eigenart 
und  dabei  von  solcher  Lebenswahrheit  sei,  wie  die  dramatische  Poesie  keinen  zweiten 
aufzuweisen  hat.  Seine  Erklärung,  dass  Hamlet,  weil  er  nicht  gern  thätig  sei  und  seine 
Aktivität  im  Moralisieren  bestehe,  sich  einrede,  Handeln  sei  überhaupt  unnütz,  dass 
die  ihm  gestellte  Aufgabe,  den  Mord  des  Vaters  zu  rächen,  Hindernisse  weder  in 
Hamlets  Gewissen,  noch  in  der  unklaren  Rechtsfrage  finde,  dass  ein  Mann  von 
Hamlets  Fatalismus  nur  handle,  wenn  er  des  Erfolges  unbedingt  gewiss  sei,  und  auch 
dabei  den  rechten  Augenblick  leicht  verfehle,  dass  Hamlet  selbst  dem  schlauen 
Spiel  des  Königs,  dieser  aber  der  höhern  Macht  des  Schicksals  unterliege,  muss 
natürlich  in  ihrem  besonderen  Verhältnis  zu  den  älteren  und  neueren  Deutungen  der 
Tragödie  ebenso  viel  Beifall  als  Widerspruch  erwecken.  Wer  mit  L.  darin  über- 
einstimmt, dass  der  Dichter  an  einem  bedeutenden  Falle  zeigen  will,  wie  alle  Dinge 
einer  höheren  göttlichen  Macht  unterstehen,  welche  trotz  des  Widerstrebens  der 
Menschen  stets  Mittel  und  Wege  findet,  ihre  ewigen  Gebote  durchzusetzen,  wird  die 
geistvolle  und  kenntnisreiche,  die  logisch  folgerichtige  Entwicklung  des  Hamlet- 
problems und  Hamletcharakters  rückhaltlos  bewundern;  wer  von  ganz  anderen  Prämissen 
ausgeht,  wird  sie  bekämpfen.  An  einen  Abschluss  der  obschwebenden  Streitfragen  war 
natürlich  auch  nach  diesem  Buche  nicht  zu  denken,  und  die  künftigen  Erörterungen 
spukten  zum  Teil  schon  in  den  zahlreichen  Besprechungen  des  L.schen  Buches  vor. 
—  Einen  neuen  Gesichtspunkt  versucht  auch  der  Vortrag  „Hamlet  und  die  Blutrache" 
von  Hugo  Meyer*^)  zu  eröffnen,  nach  welchem  Hamlet  das  Drama  der  alt- 
germanischen Blutrache  ist,  das  der  Dichter  durch  reiche  Motivierung  und  ergreifende 
psychologische  Vertiefung  der  modernen  Empfindung  wieder  nahe  brachte.  —  Die 
grosse  Reihe  der  Einzelstudien  zu  Shakespeare  eröffnen  die  aus  dem  hs.  Nachlasse 
von  J.  Gottlob  Regis  durch  Elias^*)  veröffentlichten  Fragmente  einer  Shakespeare- 
übe rsetzung,  von  denen  der  Herausgeber  in  Uebereinstimmung  mit  einem  brief- 
lichen Wort  von  Regis  („Nach  meiner  Idee  muss  der  rechte  Uebersetzer  nichts  weiter 
sein  als  ein  Mensch,  der  die  Hülse  der  fremden  Sprache  mit  leisem  Scherchen  von 
einem  ausländischen  Werke  bloss  abtrennt,  so  dass  es  auf  einmal  als  das,  was  es 
ist,  den  Einheimischen  erkennbar  dasteht")  erklärt,  dass  sie  Regis  nicht  unter  denen 
neue  Freunde  werben  werden,  welche  die  äussere  Glätte  der  Form  vor  allem  von 
einer  Uebertragung  fordern.  Wer  aber  die  herbe,  treue  Art  schätzt,  im  Ausdruck 
den  inneren  Schatz  der  Gedanken  und  Empfindungen  charakteristisch  zu  prägen, 
dem  werden  die  dargebotenen  Fragmente  eine  längstgehegte  Anschauung  aufs  neue 
bestätigen.  —  Das  Verhältnis  zweier  Dichter  der  deutschen  Sturm-  und  Drang- 
periode, Lenz  und  Klinger,  zu  Shakespeare  fassen  zwei  besondere  Schriften  von 
Rauch ö5)  und  Jacobowski^^)  ins  Auge.   Während  R.  die  theoretische  Versenkung 

1[E.  Heilborn:  Nation  10,  S.  558-60;  A.  Schröer:  DWBl.  S.  382/3;  L.  Proescholdt:  LBlQBPh.  S.  427/8;  SchwRs.  2, 
S.  482/5.]|  —  61)  L.  Fränkel,  Shakespeare  in  Deutschland:  NatZg.  N.  611.  —  62)  E.  Loening  D.  Hamlettragödie 
Shakespeares.  St.,  Cotta.  X,  418  S.  M.  8,00.  | (Nation«.  10,  S.  626;  L.  Proescholdt:  LBlGRPh.  S.  395/7;  Grenzb.  2, 
8.383/4;  0.  Qranichstädten:  Presse  (Wien)  N.  205;  JbDShakespeareGes.  28,  S,  332/3;  0.  Harnack:  PrJbb.  8.  184/5; 
LCBI.  S.  892/3;  E.  v.  Sallwörk:  BLU.  8.  289-91,  305;9.1|  —  63)  Hugo  Meyer,  Hamlet  u.  d.  Blutrache.  Vortr.  L., 
A.  Deichert  Nachf.  32».  M.  0,60.  |[BLU.  S.  367.]|  —  64)  J.  Elias,  Fragmente  e.  ^hakespeare-üebersetz.  (=11:118, 
8.252-330.;  vgl.  IV  4: 27.) —  65)  H. Rauch,  Lenz  u.  Shakespeare.  E.Beitr.z.  Shakespearonianie  d,  Sturm- u.  Drangperiode.  B.,Apn]Hnt. 
1S92.     111  S.     M.  3,00.     (Vgl.  JBL.  1S92  IV  4  :  C.)    -   66)  L.  Jacobowski,  Klinger  u.  Sliakespearn.    E.  Beitr.  z.  Shakespearo- 


Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  JahrJiundert.  IV  Id:ß7-T4 

von  Lenz  in  Shakespeares  Dramen,  seine  Uebersetzungsversuche  und  die  Einflüsse 
Shakespearescher  Gewalt  auf  Lenzens  eig-ene  weiche  und  eigentlich  zum  Idyll  neigende 
poetische  Natur  darzustellen  hat  und  urteilt,  dass  Shakespeares  gewaltige  Rüstung 
zu  hart  und  schwer  auf  Lenz  gedrückt  habe,  kann  J.  nachweisen,  dass  Klinger 
die  „Shakespearomanie"  in  gewissem  Sinne  gestählt  hat,  dass  er  sich  aus  ihr  und  an 
ihr  zu  seinen  besseren  und  abgeklärteren  Schöpfungen  emporrang.  —  Ein  weitab- 
liegendes und  doch  sinnverwandtes  Thema  behandelt  Bulthaupt^')  in  der  Studie 
„Shakespeare  und  der  Naturalismus".     (Vgl.  II  1  :  81.)  — 

Der  zweiten  grossen  Erscheinung  der  englischen  Litteratur  des  17.  Jh.,  bei 
der  zugleich  ein  Stück  Frühzeit  des  deutschen  Litteraturaufschwungs  im  18.  Jh.  aus 
den  Quellen  fein  und  erschöpfend  darzustellen  war,  gilt  die  Studie  über  „Die  An- 
fänge des  Zürcherischen  Milton"  von  Bodmer^^).  Milton  war  der  erste  hervor- 
ragende englische  Dichter,  dessen  Ruhm  sich  zu  kontinentaler  Bedeutung  erhob, 
Unerechöpflich  an  fortwirkender  Kraft  bildete  sein  Genius  die  Quelle,  welche  die 
künstlerische  Natur  der  Züricher  erwärmte  und  belebte.  Jakob  Bodmers  Prosa- 
übersetzung von  1732  lenkte  die  Aufmerksamkeit  weiterer  Kreise  auf  das  verlorene 
Paradies  und  der  Nachweis,  auf  welchem  Wege  er  zur  ersten  Anschauung  von 
Miltons  Hauptwerk  gelangte,  hat  daher  für  die  Geschichte  der  englischen  wie  der 
deutschen  Litteratur  eine  gewisse  Bedeutung.  — 

Verwandte  Untersuchungen  wurden  über  den  Einfluss  der  englischen 
Litteratur  auf  Hölty  von  Rhoades^")  und  über  Kotzebue  und  Sheridan  von 
Bahlsen'*')  angestellt.  — 

Dass  nicht  immer  Ursache  ist,  sich  des  deutschen  poetischen  Uebersetzer- 
fleisses  zu  rühmen,  erwies  wieder  einmal  eine  Neuübertragung  von  Macaulays 
,, Legenden  aus  Alt-Rom"  durch  Hei  eben''*),  die  im  besten  Falle  eine  Tautologie 
g-ewesen  wäre,  da  drei  vollständige  Uebertragungen  von  Alex.  Schmidt,  J.  S.  (Julius 
Schanz)  und  H.  von  Pilgrim  vorhanden  waren,  und  die  obenein  namentlich  gegen- 
über der  Schmidtschen  Verdeutschung  sehr  unzulänglich  und  dilettantisch  erschien.  — 

Die  regere  Teilnahme,  die  seit  ein  paar  Jahrzehnten  die  deutsche  Litteratur 
in  Italien  gefunden  hat,  darf  noch  auf  lange  Zeit  hinaus  nur  als  der  Anfang  einer 
Vergeltung  für  das  seit  Jahrhunderten  unter  wechselnden  Umständen  deutscherseits 
an  den  Tag  gelegte  bewundernde  und  tiefreichende  Verständnis  der  italienischen  Poesie 
gelten.  Die  deutsche  Lyrik  wird  fortgesetzt  durch  eine  Reihe  von  poetischen  U  e  b  e  r - 
Setzern  den  Italienern  vermittelt,  ein  und  das  andere  Mal  offenbar  mit  mehr  Eifer 
als  Glück,  immer  aber  mit  dem  besten  Willen,  der  Eigenart  deutschen  Empfindens 
und  Träumens  mit  den  Mitteln  einer  völlig  anders  gerichteten  Sprache  und  An- 
schauung gerecht  zu  werden.  Dass  es  sich  in  der  That  um  Anfänge  und  nicht  um 
mehr  handelt,  erweist  schon  die  volle  Naivetät,  mit  der  die  italienischen  Uebersetzer 
aus  alter  und  neuer  deutscher  Lyrik  aufgreifen,  was  ihnen  schön  deucht  und  zu 
Sinne  geht.  Zwei  Sammlungen  mit  Proben  deutscher  Lyrik,  eine  umfassendere  von 
Cibrario"^)  und  eine  kleinere  von  Losana'^),  weisen  in  gleichem  bunten  Durch- 
einander und  Nacheinander  Gedichte  von  J.  P.  Uz,  Gaud.  von  Salis-Seewis,  von 
Voss  und  Matthias  Claudius,  von  Theod.  Körner,  M.  von  Schenkendorf,  von  Uhland 
und  Simrock,  von  Heine  und  Eichendorff,  von  Gottfried  Keller  und  Julius  Sturm, 
von  K.  Gerok  und  R.  Baumbach  auf,  ohne  dass  einer  der  Uebersetzer  auch  nur  durch 
die  Gruppierung  seinen  Landsleuten  zum  Bewusstsein  brächte,  dass  es  sich  in  diesen 
Gedichten  um  gTundverschiedene  Zeiten,  Stimmungen,  Sprach-  und  Stilentwicklungen 
handle.  —  Auch  eine  grosse  Anthologie  von  Vecchi  und  Targioni-Tozzetti''^) 
„Das  Meer"  häuft,  hier  aber  wenigstens  unter  einem  leicht  zu  erkennenden  Gesichts- 
punkte, Altes  und  Neues  zusammen,  nimmt,  um  möglichst  viele  Beiträge  aus  der 
Fremde  zu  haben,  sogar  die  gänzlich  veraltete  Form  der  Prosaübertragung  von  Ge- 
dichten auf  und  gönnt  daneben  einigen  deutschen  Dichtern  in  metrischer  Wiedergabe 
ihr  Wort  über  das  Meer.  Neben  Goethes  „König  in  Thule"  und  Schillers  „Taucher" 
begegnen  uns  noch  Ladislaus  Pyrker,  Nik.  Lenau  und  Heinrich  Heine,  aus  welch 
letzterem  die  Auswahl  leicht  war,  da  er  nicht  weniger  als  drei  italienische  Ueber- 
setzer (G.  Chiavini,  Bernardino  Zendrini  und  Ettore  Toci)  gefunden.  —  Dass  der 
Auswahl  deutscher,  zur  Uebertragung  bestimmter  Gedichte  nicht  bloss  die  individuelle 
Sympathie,  sondern  eine  in  Italien  noch  vielverbreitete  und  sogar  lehrhaft  vorgetragene 

manie  d.  Stnrm-  n.  Drangperiode.  Dresden,  Pierson.  1891.  66  8.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  4:7.)—  67)  (I  12  :  278.)  — 
68)  H.  Bodmer,  D.  Anfänge  d.  Zürcherischen  Milton  (=11:  118,  S.  179-99.)  —  69)  L.  A  Rhoades,  Höltys  Verhältn.  zu 
d.  engl.  Litt.  Diss.  Göttingen.  1892.  48  S.  —  70)  L.  Bahlsen,  Kotzebne  u.  Sheridan.  Kotzebues  Peru-Dramen  n.  Sheridans 
Pizarro.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Beziehungen  zwischen  dtsch.  u  engl.  Litt.  Progr.  Berlin  (Gärtner).  32  S.  —  71)  W.  Heichen,  T.  B. 
Macauleys  Legenden  ans  Alt-Rom,  im  Versmass  d.  Orig.  übertr.  B.,  (P.  Bannenbergs  Buchdr.).  168  S.  |[J.  Z(npitza): 
ASNS.  90,  S.  425/7  (scharfe  Abweisnng  d.  stümperhaften  Arbeit).]]  —  72)  L.  Cibrario,  Saggio  di  Tersioni  poetiche  dal 
tedesco.  Torino-Roma,  L.  Ronx  &  Co.  1892.  16".  180  S.  L.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  ld:28a.)  —  73)  C.  Losana,  Alcnne 
liriche  tedesche,  tradotte  in  Tersi  italiani.  Tnrin,  (Tip.  Speitani).  60  S.  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  74)  H.  V.  Vecchi  e 
G.  Targioni-Tozzetti,    II  Mare.    Antolog^ia  di  prose  e  poesie  di  moderni  e  antichi  scrittori,  originali  e  tradotte.    Livorno, 


lVld:75-86  Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert. 

Anschauung"  über  das  innerste  Wesen  deutscher  Lyrik  zu  Grunde  lieg-t,  erweist  über- 
zeugend die  so  warmherzig'e  und  liebenswürdige  und  doch  so  einseitige  und  von 
vorgefassten  Meinung"en  beherrschte  Studie  des  in  deutscher  Dichtung  nicht  unbe- 
lesenen Nardelli''^)  über  die  lyrische  Frühlingssehnsucht  Deutschlands.  Der  Vf. 
erkennt  als  den  treibenden  Zug  unserer  Poesie  die  Sehnsucht  des  barbarischen 
Nordens  nach  Wiederkehr  der  schönen  Jahreszeit  (die  in  der  That  bei  unseren  mittel- 
alterlichen Dichtern  aus  guten,  von  Uhland  schön  nachgewiesenen  Gründen  eine 
Hauptrolle  spielt)  in  der  ganzen  deutschen  Lyrik  von  Walther  von  der  Vogelweide 
bis  zur  Gegenwart.  Wenn  man  freilich,  wie  N.  selbst,  in  den  Naturschilderungen 
des  Goetheschen  Werther  pantheistische  Naturauffassung-  und  die  Verkörperung-en 
des  Sommers  und  Winters  erblickt,  kann  man  viel  nachweisen.  Ein  paar  wunder- 
liche Missverständnisse  des  Italieners  hat  Sauer  in  seiner  Anzeige  des  kleinen 
Werkes  glücklich  berichtigt;  das  Ganze  zeig-t  nur,  wie  fern  auch  den  wohlwollenden 
Romanen  das  Verständnis  deutscher  Dinge  meist  noch  liegt.  —  Man  sollte  hoffen 
dürfen,  dass  die  Uebertragungen  neuerer  deutscher  Prosawerke,  die  für  Italien  ein 
besonderes  Interesse  darbieten,  beispielsweise  der  Renaissanceerzählung-en  K.  F. 
Mey  ers,  dessen  jüngste  Novelle, ,AngelaBorgia"  von  Maria  Poli-Hardmey  er''^)  vor- 
züglich ins  Italienische  übertragen  wurde,  das  Verständnis  wesentlich  fördern  werde, 
aber  wahrscheinlich  nehmen  die  Italiener  das  specifisch  deutsche  Element  in  diesen 
mit  der  Kenntnis  ihrer  Vergangenheit  und  ihrer  Eigenart  durchtränkten  Schöpfungen 
gar  nicht  wahr.  — 

Als  ein  höchst  beachtenswertes  und  gewinnendes  Zeugnis  des  guten  und 
besten  Willens,  Deutschland  gerecht  zu  werden,  müssen  die  Studien  über  fremde 
Litteratur  gelten, in  denen  Zumbini'''')  über  das  Goethe-Museum  berichtet  und  Goethes 
Egmont  wie  Lessings  Nathan  behandelte.     (Vgl.  IV  9:34.)  — 

Müssten  wir  den  Bericht  über  die  Beiträge  zur  Kenntnis  und  Würdigung 
italienischer  Litteratur  in  Deutschland  auf  die  alten  längst  anerkannten  und 
wirksamen  Leistungen  zurückerstrecken,  so  würde  er  gewaltig  anschwellen.  Gerade 
im  gegenwärtigen  Berichtsjahre  ist  eine  Reihe  Neuauflagen  sowohl  deutscher  Aus- 
gaben italienischer  Klassiker  als  deutscher  Uebertragungen  italienischer  Meisterwerke 
neu  erschienen.  Als  Beispiel  für  die  ersteren  möge  an  die  kleinere  Dante-Ausgabe 
von  W^itte''^),  als  Beispiel  für  die  letzteren  an  die  Verdeutschung  von  Torquato 
Tassos  Befreitem  Jerusalem  von  Gries,  die  nun  Fleischer^")  herausgab,  und  an 
die  der  „Göttlichen  Komödie"  von  Streckfuss  erinnert  werden.  Die  letztere  ist  durch 
Roquette^*^)  von  mancherlei  Härten  und  einigen  empfindlichen  Irrtümern  befreit 
worden.  — 

Im  Vordergrunde  des  Tagesinteresses  stand  durch  die  Feier  des  hundertsten 
Todestages  der  venezianische  Lustspieldichter  Carlo  Goldoni  (gest.  6.  Febr.  1793 
zu  Paris).  Wenn  eine  neue  Bearbeitung  seiner  „Pamela"  von  Grünstein^')  für 
das  Berliner  Lessingtheater  mehr  dem  Gastspiel  der  Eleonore  Düse  als  der  Säkular- 
feier galt,  so  wurde  eine  Anzahl  von  Studien  und  Kritiken  über  Goldonis  Thätigkeit, 
seine  Bedeutung  für  das  verflossene  und  für  unser  Jh.  doch  durch  die  Erinnerung 
an  das  traurige  und  verkümmerte  Ende,  das  der  heitere  Italiener  im  revolutionären 
Paris  der  beginnenden  Schreckenszeit  gefunden  hat,  veranlasst.  —  Ueber  Goldonis 
bleibende  Wirkung  Hess  sich  Henzen  82)  vernehmen,  der  spöttisch  der  vielen  litterarischen 
Weltsysteme  gedenkt,  die  seit  Goldonis  Tod  gebaut  worden  sind  und  darauf  vertraut, 
dass  die  Schutzengel  ,, Wahrheit  und  Natur"  den  Dramatiker  Goldoni  nicht  sterben 
lassen  werden.  —  In  ähnlichem  Sinne  äusserten  sich  Wittmann^^-j  ^j^j  Salomon^*).  — 

Unter  den  Arbeiten,  die  der  neueren  und  neuesten  Litteratur  Italiens  gelten, 
wurde  die  problematische  Erscheinung  von  Paolo  Mantegazza  in  einem  Feuilleton 
Land  aus 8^)  geschildert,  das  die  Popularität  Manteggazzas,  des  Physiologen,  mit 
der  Mascagnis,  des  Musikers,  in  einen  etwas  wunderlichen  Vergleich  zieht,  übrigens 
aber  seine  ausführlichen  und  dankenswerten  Mitteilungen  über  Mantegazzas  Lebens- 
und Entwicklungsgang  dem  italienischen  Werke  von  Carlo  Renaudy  entnimmt.  Ein 
wunderlicher  Druckfehler  lässt  Mantegazza  am  31.  Okt.  1731  (1831)  zu  Monza  ge- 
boren   werden.    Auch    er   hatte    den   Hauptteil    seiner    inneren   Bildung    und  seiner 


E.  Ginsti.  16».  XVIII,  715  S.  L.  4,00.  —  75)  G.  Nardelli,  Le  primavere  liriche  dellu  Germania.  Koma,  G.  L.  Para via  &  Comp. 
1891.  183  S.  L.  3,00.  |[K.  M.  Sauer:  DLZ.  S.  269-70.];  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:370.)  -  76)  C.  F.  Meyer,  Angela  Borgia. 
Traduz.  di  Maria  Poli-Hard  mey  er.  Milano,  Hoepli.  16".  249  S.  L.  3.50.  -  77)  B.  Zumbini,  Studi  di  lett.  striiniere. 
Firenze,  Le  Monnier.  16».  VII,  264  S.  L.  2,00  ||R.  M.  Meyer:  Nation  10,  S.  620/1  („E.  italien.  Weimarpilger«).J|  (Vgl.  IV  6 
u.  IV8a.)  —  78)  C.Witte,  La  divina  coramedia  di  Dante  Alighieri.  B.,  K.  v.  Decfcer.  537  S.  M.  5,00.  —  79)  J.  D.  Gries,  Torquato 
Tassos  Befreites  Jerusalem.  Mit  e.  biogr.  Einl.  v.  H.  Fleischer.  2  Bde.  St.,  Cotta.  256,  272  S.  M.  2,00.  —  80)  K. 
Streckfuss,  Dantes  Göttl.  Komödie.  Uebers.  n.  erläut.  Neu  bearb.  u.  mit  e.  hist.-biogr.  Einl.  v.  0.  Roqnette.  2  Bde.  ebda. 
269  S.;  288  S.  M.  2,00.  —  81)  C  Goldoni,  Pamela.  Komödie  in  3  Auf/,.  Dtsch.  v.  J.  Grflnstein.  (Bearb.  d.  Lessingtheaters 
in  Berlin.)  (=  ÜB.  N.  .3148.)  L.,  Ph.  Eeclam.  64  S.  M.  0,20.  —  82)  W.  Henzen,  Z.  Goldoni- Jubiläum:  BLU.  S.  177/9.  — 
83)  H.  Witt  mann,  C.  Goldoni:  NFPr.  5.  Febr.  —  84)  L.  Salomon,  Zu  C.  Goldonis  Gedächtnis:  IllZg.  100,  S.  128.  — 
85)  M.  Landau,   P.  Mantegazza;    FZg.  N.  319.    -    86)  E.  Keil,    Z.  70.  Gehurtpt.  0,  Gildemeisters:   IllZg.  lOn,   S,  263,4.  — 


Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19.  Jahrhundert.  IV  ld:87-9!i 

litterarischen  Neig-ung-en  seiner  Mutter  zu  danken.  Ueber  seine  Beziehungen  zu 
Deutschland  erfahren  wir,  dass  er  sich  soviel  Kenntnis  des  Deutschen  angeeignet 
hatte,  um  den  Werther  übersetzen  zu  können  (allerdings  eine  merkwürdig-e  Vor- 
bereitung zur  „Physiologie  der  Liebe")  und  im  J.  1855  Deutschland  bereiste.  Die 
Zahl  seiner  Schriften  ist  eine  ausserordentlich  g-rosse,  und  L.  führt  die  Thatsache, 
dass  nur  eine  kleinere  Gruppe  dereelben  eigentliche  Popularität  gewonnen  hat,  „auf 
eine  g-e wisse  lüsterne  Neugier,  die  Begier  nach  dem  Verbotenen  und  die  Selbst- 
kuriersucht mancher  Leidenden"  zurück,  womit  die  B'rage  freilich  kaum  gestreift, 
g-eschweige  denn  erschöpft  wird.   — 

Dem  lebenden  Meister  der  poetischen  Uebertragungskunst  Otto  Uilde- 
m  e  i  s  t  e  r ,  dessen  rühmliche  und  weit  nachwirkende  Thätigkeit  in  der  zweiten  Hälfte 
seines  litterarischen  Lebens  vorzug-sweise  der  älteren  Litteratur  Italiens  g'alt,  widmete 
Keil*^)  zu  seinem  siebzigsten  Greburtstag-  ein  pietätvolles  Gedenkblatt.  — 

Die  spanische  Litteratur,  in  den  Tagen  der  Romantiker  eine  Domäne 
deutscher  Uebertrag-ungskunst  und  bis  auf  den  heutig-en  Tag  für  einzelne  katholische 
Kreise  die  mustergültige  Litteratur,  scheint  zwar  seit  einer  Reihe  von  Jahren 
etwas  in  den  Hintergrund  gerückt,  aber  keineswegs  aus  dem  Gesichtskreis  deutscher 
Forschung  verschwunden.  Unter  den  Arbeiten  allgemeiner  Art  zur  Geschichte 
der  spanischen  Litteratur  trat  diesmal  kein  so  umfassendes  und  wichtiges  Werk 
wie  das  im  vorigen  Bericht  angezeigte  Buch  Farinellis  (vgl.  JBL.  1892  IV  1  d :  29) 
hervor.^'')  —  Neben  Uebertragungen  spanischer  Volkslieder  und  lyrischer  Gedichte 
sowie  dreier  Zwischenspiele  des  Cervantes  brachten  die  gesammelten  Nachlass- 
schriften des  schweizerischen  Dichters  und  Litteraturforschers  Edm.  Dorer  (geb.  1837 
zu  Baden  im  Aargau,  gest.  1890  zu  Dresden),  die  Graf  Schack^®)  herausgegeben 
hat,  eine  Reihe  von  kleinen  Studien  zur  spanischen  Litteratur.  Dorer  hätte,  wie 
einer  seiner  Beurteiler  sagt,  „in  den  Kreis  gebildeter  junger  Männer  gehört,  den 
Ludwig  Tieck  in  seinen  Dresdener  Jahren  um  sich  sammelte,  —  lauter  Leute  von  Ge- 
schmack und  mannigfachen  litterarischen  Interessen,  im  Besitz  nicht  alltäglicher 
Sprach-  und  Litteraturkenntnisse,  alle  hoch  -über  der  Plattheit  der  Alltagsreimerei 
und  des  stümpernden  Biedermeiertums  stehend  und  alle  doch  ohne  stärkere  Phantasie 
und  Gestaltungskraft,  ohne  tieferen  Zusammenhang  mit  Welt  und  Leben".  Die 
einzelnen  Studien  über  „Heinrich  von  Villena",  „Cristoval  de  Virues",  „Ludwig  Hol- 
berg und  das  spanische  Theater",  „Die  Burg  des  Glückes",  „Die  Emancipation  der 
Frauen  und  der  Dichter  Calderon"  bekunden  die  umfassende  Kenntnis  der  spanischen 
Litteratur  und  die  Vorliebe  für  die  spanischen  Dichter,  die  Dorers  bester  Trost  in 
einem  von  vielfachen  Leiden  beeinträchtigten  Leben  waren.  — 

Ein  nur  in  kleineren  Kreisen  bekanntes,  in  diesen  aber  voll  gewürdigtes 
Werk,  eine  der  zahlreichen  Arbeiten,  für  die  die  deutsche  Litteratur  Gottlob  Regis 
verpflichtet  ist,  das  „Liederbuch  vom  Cid",  das  Regis  vor  einem  halben  Jh.  nach 
dem  spanischen  Original  (in  der  damals  vollständigsten  Ausgabe  A.  von  Kellers)  über- 
setzte, ist,  bevorwortet  von  Laus  er  ^^),  in  neuer  Ausgabe  erschienen.  Kann  auch 
keine  Rede  davon  sein,  dass  diese  Uebertragung  jemals  die  Herdersche  Bearbeitung, 
durch  die  uns  zuerst  der  Cid  nahe  getreten  ist,  verdrängen  wird,  so  gewährt  sie  doch 
in  ihrem  engen  Anschluss  an  das  Original,  an  den  treuherzig  volkstümlichen  Ton 
der  alten  Cidromanzen  eine  wertvolle,  dem  Litteraturkenner  unentbehrliche  Ergänzung 
und  hilft  zugleich  die  Erinnerung  an  den  selbstlosen  und  vielverdienten  üebersetzer 
bewahren.  — 

Von  älteren  Verdeutschungen  spanischer  Meisterwerke  wurde  ferner  der 
„Don  Quixote"  von  Hieronymus  Müller  durch  R  o  q  u  e  1 1  e  ^")  neu  herausge- 
geben. — 

Die  Aufführung  von  Calderons  „Richter  von  Zalamea"  in  Wilbrandts 
Bearbeitung  auf  der  Berliner  Freien  Volksbühne  gab  zu  einem  stark  fortschrittlich  ge- 
färbten Aufsatz  über  dies  dramatische  Meisterwerk  Anlass.***)  — 

Aus  der  spanischen  Litteratur  der  Gegenwart  schöpften  Litte n^^j^ 
der  die  „Letzten  Betrachtungen"  des  Gaspar  Nunez  de  Arce  in  klangvollen  Oktaven 
wiedergab,  und  Braun ^3),  der  Proben  aus  einer  ganzen  Reihe  neuerer  spanischer 
Dichter,    Jose   de    Espronceda,    Angel  Saavedra   Herzog   von  Rivas,    Juan  Escudero, 


87)  Spanien  im  Lichte  d.  dtsch.  Kritik  u.  Poesie:  KZg.  N.  723.  --  88)  Edm.  Dorer,  Nachgel.  Schriften.  Her.  v.  Ad.  Fr. 
Grafen  v.  Schack.  3  Bde.  1.  Lyr.  Gedichte,  Fastnachtsspiele.  Uebersetzungen.  2.  u.  3.  Verm.  Schriften.  Dresden,  L. 
Ehlermann.  XX,  228  S.;  Y,  184  S.;  Y,  160  S.  (Mit  Bild.)  ä  M.  4,00.  |[Ad.  Stern:  Grenzb.  4,  S.  368-73;  K.  Pasch: 
ÖLBI.  2,  S.  6634;  J.  Y  Widmann:  Nation».  10,  S.  700/2.];  —  89)  G.  Begis,  D.  Liederbuch  v.  Cid.  Nach  d  bis  jetzt  yoll- 
ständigsten  Kellerschen  Ansg.  verdeutscht.  Mit  e.  Einl.  v.  W.  Lauser.  2  Bde.  St.,  Cotta.  I,  200  S.;  H,  251  S.  M  2,00.  — 
90)  Ceryantes  Don  Qnijote  t.  d.  Mancha.  Neue  Ansg.  d.  Uebers.  v.  Hieron  MQller.  Mit  Einl.  v.  0.  Roquette.  4  Bde. 
ebda.  308,  236,  275,  272  S.  M.  4,00.  —  91)  Calderons  Richter  v.  Ziilames:  Yolksbnhne  3,  S.  1-10.  -  92)  F.  W.  Litten, 
Oaspar  Nunez  de  Arce,  ultima  lamentaciön  de  Lord  Byron.  (Lord  Byrons  Letzte  Betrachtungen).  Dtsch.  Abers.  Santiago 
(Berlin,  B   Frjedländer  £  Sohn).    22  S.  M.  0,60.  (Sepanttabdr.  aus  d.  Yerhandl.  d.  dtsch.  wissenschaftl.  Yer.  zu  Santiago.)  -  93) 


lVld:5>4    Ad.  Stern,  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland  im  18./19,  Jahrhundert. 

Breton  de  los  Herreros,  vom  Grafen  Campo  Alang-e,  Manuel  del  Palacio  und  Luise 
Arroyo  in  meisterhafter  Form  und  mit  feiner  Nachempfindung-  gab,  Proben,  aus  denen 
hervorgeht,  dass  auch  die  spanische  Ljrik  beim  Schluss  des  Jh.  von  pessimistischem 
Verzagen  heimgesucht  wird.  Auch  ein  paar  vorzügliche  Stücke  cälterer  spanischer 
Klassiker  (Ijope  de  Vega,  Fray  Ponce  de  Leon,  Argensola  und  der  heiligen  Theresa) 
fanden  in  der  vorzüglichen  kleinen  Sammlung-  B.s  Aufnahme.  — 

Alles  in  allem  zeigt  sich,  dass  die  Beziehungen  der  deutschen  Litteratur  zur 
spanischen  noch  zahlreich  und  mannig-faltig  genug  sind.  Wenn  es  wirklich  wahr  ist, 
dass  die  im  Liceo  Rins  zu  Madrid  1892  erfolgte  Aufführung  der  „Mitschuldigen""'') 
die  erste  Aufführung  eines  Goe theschen  Dramas  in  Spanien  überhaupt  war,  so 
sind  die  Aussichten,  dass  die  Spanier  uns  je  unsere  Teilnahme  an  ihren  Schöpfungen 
und  ihrem  litterarischen  Leben  heimzahlen  werden,  verzweifelt  dürftig.  —  Wir  haben 
für  diesmal  den  Kreis  der  gegenseitigen  Beziehungen  der  alten  fünf  Hauptlitteraturen 
durchmessen.  Die  wenigen  Erscheinungen,  die  den  Beziehungen  der  deutschen 
Litteratur  zu  den  nordischen  und  slavischen  Litteraturen  angehören,  mögen  im 
nächsten  Berichte  mit  den  gleichartigen  des  J.   1894  zusammengefasst  werden.  — 


0.  Braun,  Aus  allerlei  Tonarten.    Verdeutschte  spanische  und  eigene  Lyrik.    St.,  Cotta.    16".   120  S.  M.  2,00.    —  94)  GJb.  14, 
S.  307/8  (aus  BerlTBl.  31.  Mai).  — 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.    IV  2a:  1-4 

IV,2 

Lyrik.    1892,  1893. 
a)  Von  der  Mitte  des  18,  Jahrhunderts  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

Aug-ust  Sauer. 

Allgeraeines  N.  \.  —  Hiiller  N.  5.  —  Hagedorn  N.  6.  —  Ch.  G.  Stdckel  N.  7.  —  Anakreontik  N.  8.  —  Gleim, 
Romanze  N.  9.  —  Götz  N.  18.  —  Uz  N.  l'O.  —  Karschin  N.  21.  —  J.  G.  Jacobi  N.  23.  -  Klopstock  N.  24.  —  Bardische  Lyrik 
N.  28.  —  ßobbo  N.  29.  —  J.  F.  Schmidt  N.  30.  —  Graf  Reinhard  N.  31.  —  Göttinger  Dichterband:  Auswahl  N.  32:  Hölty 
N.  34;  Miller  N.  35;  Chrn.  nnd  Vt.  L.  Stolberg  N.  36.  —  Claudius  N.  43.  —  Bürger  N.  44.  -  Lenz  N.  54.  —  Schubart  N.  55.  — 
M.  Etenhueber  N.  62.  -  Gelegenheitsgedichte  (Neuberin,  Chrn.  Gottfr.  Ludwig,  Musaeus)  N.  63.  —  Wieland  N.  69.  —  F.  A.  Cl.  Werthes 
N.  70  —  K.  Th.  Conz  N.  71.  —  Matthisson  N.  72.  —  Salis  K.  74.  —  Amaliu  von  Helvig  N.  76.  —  Berliner  Musenalmanach  von 
1791-97  N.  77.  —  H.  Ch.  L.  Senf  N.  78.  —  Geistliche  Liederdichter  (H.  Ernst  Graf  Stolberg,  Ch.  H.  A.  Silber,  Marie  Clara 
von  Silberradi  N.  7^>.  —  U.  Spekmoser,  K.  L.  Strnve  iV.  82.  —  M.  Döring  N.  84.  —  F.  W.  Ehrhardt  N.  85.  —  Arndt  N.87.  — 
Körner  N.  94.  ^  J.  D.  Gries  N.  112.  — 

Zusammenfassende  Arbeiten  über  die  Lyrik  dieses  Zeitraumes  im  allgemeinen 
liegen  nicht  vor.  In  Goedekes  unter  Goetzes^)  Leitung  fortgeführtem  Grundriss  um- 
fassen die  §§  270/o  die  Lyrik  zur  Zeit  Schillers  und  Goethes,  und  zwar  §  270  die 
Lyriker  der  alten  Schule,  wie  Seume,  und  die  von  bloss  lokaler  Bedeutung,  §  271  die 
Lyriker,  die  sich  eine  besondere  Manier  des  Klassizismus  erwählt  hatten,  wie 
Matthisson,  Conz,  Salis,  Friederike  Brun,  §  272  die  Gesellschaftslieder  (Schmidt 
von  Lübeck,  Lappe),  §  273  die  geistlichen  Lieder  (Magenau).  Die  neue  Bearbeitung 
rührt  von  G.  selbst  her;  nur  §  270  N.  32/3,  Johann  Jakob  und  Maria  Mnioch,  hat 
Daniel  Jacoby  beigesteuert.  Alle  Paragraphen  weisen  reichliche  Vermehrung  auf, 
am  meisten  §  270,  der  von  41  auf  118  Nummern  gebracht  ist.  Im  einzelnen  lässt  die 
Bearbeitung'  viel  zu  wünschen  übrig:  Bei  Seume  fehlt  biographisches  und  briefliches 
Material,  bei  Matthisson  hätten  wir  ein  Verzeichnis  der  ersten  Drucke  seiner  Gedichte 
erwarten  dürfen;  aber  auch  die  übrig'en  bibliographischen  Angaben  für  Matthisson 
sind  ungenau.  —  Den  ganzen  hier  zu  behandelnden  Zeitraum  umfasst  Mendheims-"^) 
dreibändige  Sammlung:  Lyriker  und  Epiker  der  klassischen  Periode  in  Kürschners 
DNL.  Den  Plan  dazu  hatte  A.  Sauer  entworfen,  der  die  Ausgabe  ursprünglich 
übernommen  hatte:  Die  Gruppierung  nach  den  einzelnen  Musenalmanachen,  d.  h.  den 
litterarischen  und  lokalen  Centren.  Für  die  meisten  dieser  Gruppen  hat  sich  die 
Einteilung  bewährt,  für  den  Göttinger  und  Hamburger  Musenalmanach  ist  die  Grenze 
allerdings  eine  fliessende.  Aber  durch  die  Feststellung  mehrerer  Unterabteilimg'en 
hätte  sich  auch  hier  eine  schärfere  Scheidung  durchführen  lassen.  Auf  eine  eigent- 
Kche  Charakteristik,  auf  die  der  Plan  angelegt  war,  hat  aber  der  Bearbeiter  sowohl 
bei  den  einzelnen  Dichtern  als  bei  den  Dichtergruppen  leider  vollständig  verzichtet; 
es  fehlt  durchweg  an  Gründlichkeit  und  Vertiefung.  Im  übrigen  muss  bei  einer 
gerechten  Beurteilung  der  Bände  allerdings  im  Auge  behalten  werden,  dass  sie  zur 
Ergänzung  einer  ganzen  Reihe  von  anderen,  teilweise  damals  noch  gar  nicht  er- 
schienenen Bänden  der  DNL.  bestimmt  sind.  Für  die  Auswahl  der  Gedichte  war 
nicht  immer  ihr  poetischer  Wert  allein  massgebend;  es  kam  dem  Herausgeber  viel- 
mehr vor  allem  darauf  an,  das  für  die  betreffenden  Dichter  oder  ihre  Zeit  besonders 
Charakteristische  oder  auch  das  durch  augenblickliche  oder  nachhaltige  Wirkung  be- 
sonders Hervortretende  auszuwählen,  soweit  es  sich  in  den  benutzten  Quellen  vor- 
findet. W^o  es  möglich  war,  sind  die  ersten  Drucke  zu  Grunde  gelegt.  In  der  Ein- 
leitung zum  ersten  Bande  giebt  M.  einen  raschen  üeberblick  über  die  Centralstätten 
der  Lyrik,  über  die  fremden  Einflüsse,  besondei's  den  von  Young  und  Ossian,  und 
verfolgt  dann  die  einzelnen  lyrischen  und  epischen  Gattungen  in  ihrer  Entwicklung 
während  des  18.  Jh.:  Lied,  Elegie,  Ballade,  Romanze,  Epos,  Idylle,  Satire,  Epigramm, 
Epistel,  Sonett,  Hymne,  Lehrgedicht.  Der  erste  Band  bringt  dann  in  alphabetischer 
Reihenfolge  Proben  von  51  Dichtern  des  Göttinger,  von  29  Dichtern  des  Hamburger 
und  von  16  Dichtem  des  schwäbischen  Musenalmanachs.  Die  Dichter  des  Göttinger 
Bundes  hätten  zweifellos  in  die  erste  Gruppe  gehört.  J.  N.  Götz  und  J.G.  Jacobi,  beide  un- 
genügend vertreten,  fallen  aus  dem  Rahmen  heraus.  S.  360  ein  Verzeichnis  der  Dichter 
und  der  anonymen  Beiträge  des  schwäbischen  Almanachs.  Für  die  Charakteristik  dieser 


1)  (IV  la:2;  S.  404-45.)  (Lyrische  Dichter,  Gesellschaftslieder,  Geistliche  Lieder.) — 2)M.  Mendheim,  Lyriker 
u.  Epiker  d.  klass.  Periode.  1.  T.  D.  Dichter  d.  Göttinger  Musenalmanachs.  D.  Dichter  d.  Vossischen  Musenalmanachs.  D. 
Dichter  d.  Schwab.  Musenalmanachs.  (==  DNL.  135  Bd.  1.  Abt.)  St.,  Union.  XXXI,  428  S.  M.  2,50.  —  3)  id.,  Dass.  2.  T. 
D.  Dichter  d.  Berliner  Mnsenalm.  D.  Dichter  d.  Wiener  Musenalm.  D.  Dichter  d.  Schillerschen  Musenalm.  u.  d.  Hören. 
F.  V.  Matthisson.  Chrph.  A.  Tiedge.  F.  Hölderlin.  (=  ebda.  2.  Abt.)  459  S.  M.  2,50.  (Vgl.  auch  IV  10  :  7.)  —  4)  id.,  Dass. 
3.  T.  L.  G.  Kosegarten.  Amalie  v.  Helvig-Imbotf.  D.  romant.  Musenalmanache:  D.  Dichter  d.  Musenalm.  T.Schlegel  u.Tieck; 
D.  Dichter  d.  Musenalm.  v.  Vermehren ;  D.  Dichter  d.  Musenalra.  v.  Chamisso  u.  Varnhagen.  Lyriker  d.  Freiheitskriege. 
Jahiesbeiiohte  für  neuere  deutsche  Litteraturgesohiohte.    IV.  (A)^ 


IV  2a: 5-7   A,  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

Gruppe  hätten  die  neuen  Schillerbiographien  reiche  Beobachtungen  dargeboten.  Reinhard 
ist  viel  zu  kurz  gekommen.  Im  zweiten  Bande  ist  der  Berliner  Musenalmanach  durch  14 
Dichter  vertreten;  die  übrigen  Beiträge  und  die  chiffrierten  Namen  sind  S.  6  verzeichnet. 
Von  Ernst  Christoph  Bindemann  wird  behauptet:  „Selbständige  Werke  sind  von  ihm 
nicht  bekannt".  M.  kennt  also  nicht  dessen  bis  auf  Mörike  fortwirkende  Ueber- 
setzung  von  Theokrits  Idyllen  und  Epigrammen  (Berlin  1793)  und  weiss  nichts  von 
Hermann  Petrichs  Biographie,  Charakteristik  und  Gedichtauswahl  im  Stargarder 
Programm  von  1878.  Es  folgen  20  Dichter  des  Wiener  Musenalmanachs,  deren 
Charakteristik  durch  einen  Ausblick  auf  die  späteren  bekannten  österreichischen 
Lyriker,  besonders  auf  Grillparzer,  der  mit  Leon  in  Verbindung  stand  und  Martin 
Spans  Schüler  war,  leicht  hätte  belebt  werden  können.  Von  Leons  Versuchen,  die  mittel- 
hochdeutsche Lyrik  zu  erneuern,  erfährt  man  nichts;  die  neue  Ausgabe  von  Kalch- 
bergs  Werken  lalieb  M.  unbekannt.  Der  Schillersche  Musenalmanach  und  die  Hören 
sind  durch  14  Dichter  vertreten,  darunter  Gries  und  Knebel;  Luise  Brachmann, 
Friederike  Brun,  Sophie  Mereau,  Elise  von  der  Recke.  Das  S.  154  erwähnte  Gedicht 
der  Brun:  „Ich  denke  dein,  wenn  über  Roms  Ruinen"  (Hören  1796)  war  vollständig 
mitzuteilen,  und  ein  Hinweis  auf  Goethes  Nachahmung  hätte  nicht  fehlen  dürfen.  — 
Von  Matthisson  werden  31  Gedichte  mitgeteilt;  auch  Lesarten  aus  späteren  Drucken; 
bei  der  „Adelaide"  fehlen  alle  Quellennachweise.  Von  Tiedge:  „Urania"  und  12 
kleinere  Gedichte.  Hölderlin  ist  mit  34  Gedichten  dürftig  vertreten,  und  in  der  Vor- 
bemerkung dazu  keine  Spur  zu  einer  Würdigung  dieses  oft  Charakterisierten  vor- 
handen. —  Der  dritte  Band  enthält  von  Kosegarten  die  „Jucunde"  nach  der  Ausgabe 
von  1808  und  4  kleinere  Gedichte  (H.  Francks  Monographie  Halle  1887  wird  ignoriert); 
von  Amalia  von  Helvig-Imhoff  „Die  Schwestern  von  Lesbos"  nach  dem  ersten  Druck 
im  Schillerschen  Musenalmanach  für  das  J.  1800  mit  den  Aenderungen  der  Buch- 
ausgabe von  1801,  zwei  kleinere  Gedichte  und  die  Reproduktion  einer  Zeichnung: 
Die  Dichterin  auf  dem  Totenbette.  Die  romantischen  Musenalmanache  sind  durch 
den  von  Schlegel  und  Tieck,  den  von  Vermehren  und  den  von  Chamisso  und  Varn- 
hagen  repräsentiert.  Prometheus,  Phoebus,  Trösteinsamkeit  hätten  sich  anreihen 
müssen.  Auch  die  bedeutenderen  romantischen  Dichter,  denen  eigene  Bände  der  DNL. 
eingeräumt  sind,  kehren  hier  überflüssiger  Weise  wieder.  Bei  Schelling  vermisse  ich 
sein  bekanntestes  Gedicht:  „Die  letzten  Worte  des  Pfarrers  zu  Drottning  auf  See- 
land"; der  Neudruck  des  dritten  grünen  Almanachs  durch  Geiger  ist  M.  entgangen. 
In  der  Liste  der  Mitarbeiter  dieses  Almanachs  S.  174  hätten  auch  noch  mehrere 
andere  Chiffren  an  der  Hand  des  Chamissoschen  Briefwechsels  leicht  aufgelöst  werden 
können:  P  (1805)  =  Paalzow;  MZ  (1806)  ist  Herr  von  Jariges,  der  Recensent  des 
Almanachs  in  der  Jenaischen  Litteraturzeitung;  die  Ungenannte  (1806)  ist  Frau 
von  Fouque.  Unter  den  Lyrikern  der  Freiheitskriege,  die  mit  11  Namen  den  Schluss 
bilden,  nimmt  die  Wiederholung  bekannter  Gedichte  Körners,  dessen  Werke  bereits 
vollständig  in  derselben  Sammlung  vorliegen,  anderem  den   Raum  weg.  — 

Im  einzelnen  liegen  über  die  Lyrik  dieses  Zeitraums  viele  und  wichtige 
Arbeiten  vor.  Den  Einfluss  Hallers  auf  Klopstock  sucht  Drescher^)  im  Gegen- 
satze zu  Frey  und  Muncker  nachzuweisen ;  in  einer  feinsinnigen  Analyse  der  Elegie 
„Die  künftige  Geliebte"  deckt  er  die  Nachwirkung  von  Hallers  „Doris"  auf;  die  un- 
sinnliche Verwendung  des  substantivischen  ,,Ach"  bei  Klopstock  leitet  er  über  Haller 
auf  Lohenstein  zurück.  Er  ergänzt  ferner  Freys  und  Wanieks  Arbeiten,  indem  er 
auch  bei  Pyra  und  Lange  den  Einfluss  Hallers  sicher  nachweist.  — 

Hagedorns  Verhältnis  zu  Burkard  Waldis  stellt  in  einer  ansprechenden 
Quellenuntersuchung  Kunz^j  fest.  Bei  zehn  Fabeln  nennt  Hagedorn  Burkard  Waldis 
als  seine  Quelle;  bei  drei  von  diesen,  „Der  Fuchs  und  der  Bock",  „Johann  der  Seifen- 
sieder", „Der  Bauer  und  die  Schlange",  lässt  nichts  auf  die  Benutzung  von  Waldis 
schliessen,  während  die  sieben  anderen  sie  deutlich  zeigen.  Ausserdem  hat  Hagedorn 
noch  14  Fabeln  verfasst,  deren  Stoffe  ebenfalls  bei  Waldis  vorbereitet  erscheinen; 
zwei  davon,  „Der  Hirsch  und  der  Eber",  „Der  Wolf  und  der  Fuchs",  verraten  deutlich 
Waldis  Einfluss;  in  den  übrigen  12  überwiegt  derjenige  Lafontaines.  Hagedorn  weist 
seinem  Vorbild  gegenüber  Selbständigkeit  auf,  eingehendere  Motivierung  und  Charak- 
teristik, Neigung  zu  beissendem  Witz  und  grosse  Sorgfalt  in  der  Durchführung  seines 
Themas;  für  Waldis  ergiebt  sich  eine  grössere  Einfachheit  und  Natürlichkeit  der  Dar- 
stellung und  daraus  entspringende  Naivetät;  endlich  zeigen  sich  bedeutende  Unterschiede 
in  der  Art,  wie  die  Moral  mit  der  Fabel  verknüpft  wird.    (Vgl.  JBL.  1892  III  5  :  33.)  — 

Das  Leben  des  schlesischen  Dichters  Chn.  G.  Stock el  (1722—74)  erzählte 
Markgraf)  in  der  ADB.  Stöckel  verfasste  ausser  dem  grösseren  patriotisch-epischen 
Gedichte  „Das  befreyte  Schlesien"  (1745—46)  auch  lyrische  Gedichte,  Oden,  Elegien, 


f=  ebda.  3.  Abt.)     430  S.     M.  2,50.     (S.  u.  IV  10:  7.)    —    5)  (IV  5:1.)    —    6)    F.    Kunz,    Hagedorns  Verhältnis    zn  Burkard 
Waldis.     19.  .IB.  d.  Staats-Oberrealschnle.     Tescben  (K.  ProchasVa).     1892.     S.  19-30.    —    7)    H.   MarVgraf,   Ch.  G,  Stöckel: 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskrieg-en.  IV2a:8-io 

Briefe  und  Kantaten,  die  als  schwung-los  und  in  der  glatten  Sprache  als  Produkte 
seines  g-rossen  Fleisses  charakterisiert  werden.  Als  sein  Fleiss  vom  Amte  in  An- 
spruch genommen  wurde,  verstummte  seine  Muse.  — 

Witkowskis  Untersuchungen  über  die  Vorläufer  der  anakreontischen 
Dichtung  in  Deutschland  (vgl.  JBL.  1890  IV  2:1/2)  hat  Günther  Koch»)  ergänzt 
und  erweitert;  nach  einem  Blick  auf  Weckherlins  und  Opitzens  einschlägige  Versuche 
behandelt  er  die  Bearbeitungen  anakreontischer  Gedichte  von  Burkhard  Menke  (1710, 
1713),  der  ihnen  den  epigrammatischen  Charakter  geraubt,  es  nicht  verstanden  habe, 
den  kunstvollen  Bau  eines  Gedichtes  im  ganzen  und  im  einzelnen  zu  erkennen  und 
wiederzugeben,  unvorteilhafte  Erweiterungen  und  Modernisierungen  vorgenommen 
und  an  Stelle  des  einfach  treffenden  den  weitläufig  kennzeichnenden  Ausdruck  gesetzt 
habe;  ferner  die  gereimten  Uebertragungen  Dan.  Wilh.  Trillers  (1725),  welche  in 
mehrfacher  Beziehung  einen  Fortschritt  bezeichnen:  Er  wählt  kurze  Verse,  teilweise 
Strophen  und  strebt,  den  durch  die  Anzahl  der  griechischen  Verse  vorgezeichneten 
Raum  innezuhalten;  sein  Ausdruck  sei  meist  einfach  und  treffend;  er  bemühe  sich 
den  natürlichen  Ton  der  Vorlage  beizubehalten,  ja  auf  manchem  seiner  Verse  ruhe 
ein  Hauch  volkstümlicher  Frische.  Den  Vorwurf  der  Geschmacklosigkeit,  den 
Witkowski  gegen  Triller  erhoben  hat,  weist  K.  zurück.  Ebenso  sei  Witkowskis  Be- 
hauptung, dass  Ludw.  Friedr.  Hudemann  in  seinen  Uebersetzungen  (1732)  ein  grösseres 
Geschick  als  Triller  bewiesen  habe,  durchaus  irrig ;  seine  Ausdrucksweise  sei  sehr 
reich  an  schwülstigen  Wendungen  und  steche  gegen  den  volkstümlichen  Ton  Trillers 
ausserordentlich  ab.  Gottsched  endlich  habe  mit  der  Aufnahme  einer  dem  Original 
analogen  poetischen  Form  (1733,  1736)  zugleich  einen  Grad  von  Objektivität  erreicht, 
den  die  früheren  Uebersetzer  nicht  erreicht  hätten;  er  überschreite  den  gegebenen 
Umfang  der  Vorlage  bei  vollständiger  Wiedergabe  des  Sinnes  nicht  und  sehe  sich 
daher  genötigt,  auf  knappen  schlagenden  Ausdruck  mehr  als  jeder  Uebersetzer  vor 
ihm  zu  achten,  Weitläufigkeiten  zu  meiden,  eigene  Zuthaten  ferne  zu  halten,  kurz 
von  einer  mehr  oder  weniger  willkürlichen,  subjektiven  zu  einer  strengeren  objektiven 
Uebertragungsweise  fortzuschreiten.  In  Gleims  „Liedern  nach  dem  Anakreon"  (1766) 
dagegen  lebe  der  Subjektivismus  wieder  auf;  er  bereichere  seine  Vorlage  durch  wirk- 
same Motive  aus  der  Zeitgeschichte;  breit  und  geschwätzig,  male  er  Nebendinge  über 
Gebühr  aus  und  flechte  lehrhafte  oder  satirische  Randglossen  ein;  die  sinnliche 
Frische  erscheine  bei  ihm  sehr  gedämpft.  — 

In  einer  Weiterführung  dieser  Untereuchung  über  Gleim  vergleicht  Koch®) 
dann  die  „Scherzhaften  Lieder"  (Berlin  1744 — 45)  mit  ihren  Quellen  und  zwar  nach 
derjenigen  Seite,  auf  die  es  bei  der  Beurteilung  dieser  mehr  durch  Witz  und 
klügelnden  Verstand,  als  durch  Gefühl  und  Phantasie  zu  stände  gekommenen  Produkte 
naturgemäss  vor  allem  ankommt  —  nach  ihrem  formalen  Charakter  als  Kunstganzes, 
ihrer  Komposition.  Er  unterscheidet  unter  den  Anakreonteen  erzählende,  dramatische 
und  schildernde  Gedichte  und  findet  in  den  beiden  Bändchen  der  scherzhaften  Lieder 
16  erzählenden  Charakters;  er  zeigt  an  einer  Analyse  des  Gedichtes  „Der  Vermittler", 
wie  sehr  in  ihnen  vor  der  Massenhaftigkeit  des  Stoffes  die  künstlerische  Beherrschung 
zurücktritt;  es  mangeln  dem  Dichter  Gestaltungskraft  und  Ebenmass;  dagegen  kann 
seiner  Phantasie  eine  gewisse  Fruchtbarkeit  im  Ersinnen  von  Situationen  nicht  ab- 
gesprochen werden.  Ein  Exkurs  führt  aus,  dass  in  der  Entwicklung  Gleims  als 
anakreontischen  Erzählers  von  einem  künstlerischen  Fortschritte  nicht  viel  wahrzu- 
nehmen sei,  dass  die  Kunst  der  Erzählung-  nicht  wachse,  seine  Phantasie  mehr  und 
mehr  vertrockne.  Auch  jenen  Gedichten,  in  denen  die  Begebenheit  dramatisch  vor- 
geführt wird,  vermag  K.  wenig  Lob  zu  spenden;  meist  schliesse  die  Vermischung 
der  Darstellungsformen  Ebenmass  und  Uebersichtlichkeit  aus.  Im  Anschluss  an  die 
Kritik  der  schildernden  Gedichte  untersucht  K.  die  Technik  seiner  Schilderungen  mit 
Blicken  auf  seine  Lebensauffassung  und  Weltanschauung.  —  Von  Gleim  muss  auch 
die  geschichtliche  Betrachtung  der  Romanze  im  18.  Jh.  ausgehen;  aber  Klenze'^) 
hat  in  seiner  Abhandlung  darüber,  deren  Einleitung  eine  ungenügende  Zusammen- 
stellung über  den  Gebrauch  der  Worte  Ballade  und  Romanze  und  einen  ebenso 
ungenügenden  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Romanze  enthält,  die  nötigste 
Vorarbeit  dazu,  nämlich  die  genaue  Entstehungsgeschichte  der  Gleimschen  Ro- 
manzen an  der  Hand  der  Halberstädter  Papiere  und  den  eingehenden  Vergleich 
mit  den  Quellen,  nicht  geliefert.  Von  der  älteren  Fassung  der  Gleimschen  Romanze 
„Cornelius  van  der  Tyt"  („Der  neue  Jonas")  werden  nur  die  ersten  drei  Strophen 
aus  einem  Briefe  von  Gleim  an  Uz  (12.  März  1746)  mitgeteilt;  J.  G.  Jacobis  Ueber- 
setzung   des    Gongora   nur   in  einer  Anmerkung  flüchtig  erwähnt.     Der  Abschnitt 


ADB.  36,  S.  281/2.  —  8)  Günther  Koch,  Beitrr.  z.  Würdigung  d.  ältesten  dtsch.  Uebersetzungen  anaVreont.  Gedichte: 
VLG.  6,  S.  481-506.  —  9)  id.,  Gleims  scherzhafte  Lieder  u.  d.  sog.  Anakreonteen.  E.  Beitr.  zu  ihrer  Charakteristik.  JB.  d. 
PfeifTerschen  Lehr-  n.  Erziehungsanst.  S.  1-19.    Jena  (Univers.-Buchdr.  G.  Nenenhahn).    4».    S.  1-19.  —  10)    C.   t.    Klenze, 

(4)9* 


IV  2a:  11-17  A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

„Zur  Technik  der  Romanzendichter"  stellt  zusammen:  1.  Bänkelsäng-er-Elemente 
(Lange  Titel,  Anrufen  des  Publikums);  2.  Weitere  volkstümliche  Elemente,  Moral, 
Spuk  und  Teufel.  Der  nächste  Abschnitt  behandelt  die  Stoffe  und  ihre  Gruppierung, 
Motive  und  Tendenzen.  In  dem  Abschnitt  „Quellen  und  Vorbilder"  ist  d^r  Nachweis, 
dass  Gleims  nach  Gongora  gearbeitete  Romanze  „Der  schöne  Bräutigam"  unter  dem 
Einfluss  der  „Lenore"  geschrieben  sei,  nicht  überzeugend;  daher  der  Schluss:  „Es 
giebt  kaum  etwas  Charakteristischeres  an  diesem  Wendepunkt  in  der  Geschichte  der 
Romanze,  als  diese  Kreuzung  von  Gongora  und  Bürger  in  einem  Gleimschen  Gedichte" 
mehr  blendend  als  zwingend.  Die  von  Löwen  und  Schiebeier  aus  dem  „Recueil  des 
Romances"  übersetzten  Stücke  werden  zusammengestellt,  ohne  dass  ein  Vergleich  der 
Bearbeitungen  mit  der  Quelle  durchgeführt  würde.  Aufschlussreich  ist  die  Geschichte 
der  dem  Ovid  entlehnten  Stoffe:  Quevedo,  Senece,  Scarron,  Marmontel,  Grecourt 
reichen  sich  in  der  burlesken  Bearbeitung  dieser  Stoffe  die  Hand;  dagegen  finden 
sich  bei  Bouffiers  nur  zwei  ernste  Bearbeitungen  Ovidischer  Motive.  Diese  Dichter 
wirken  auch  nach  Deutschland  herüber.  Schiebelers  Pygmaleon  zeigt  Einfluss  von 
Grecourts  „Pigmalion"  und  Marmontels  „Daphne";  „Daphne  und  Apollo"  von  J.  N.  Götz 
verrät  gleichfalls  die  Bekanntschaft  mit  Marmontel,  die  meisten  Stücke  aber  hat 
Schiebeier  auf  eigene  Faust  aus  Ovid  geschöpft.  Es  werden  dann  die  anderen  antiken 
Stoffe,  ferner  die  Stoffe  der  neueren  Zeit  und  der  deutschen  Sage  zusammengestellt. 
Hier  erscheint  auch  die  Faustsage:  In  den  „Leyerliedern"  von  Karl  Ferdinand 
Schmidt  (1780)  steht  ein  Gedicht:  „Faust.  Autorhand",  das  aber  mit  der  Faustsage 
wenig  gemeinsam  hat  und  auf  eine  Satire  gegen  den  englischen  Messias-Uebersetzer 
Collier  hinauszulaufen  scheint;  in  der  Preussischen  Blumenlese  für  das  J.  1781: 
„Doktor  Faust.  Eine  akademische  humoristisch-moralische  Vorlesung"  von  K. 
A.  Herklots,  von  A.Tille  („Die  deutschen  Volkslieder  vom  Doktor  Faust",  S.  284  ff.) 
nach  einem  fliegenden  Blatt  abgedruckt.  —  Schüddekopf^')  weist  nach,  dass  das 
von  Muncker  in  der  AZgB.  vom  3.  Nov.  1891  (N.  305)  mitgeteilte  „Sieges-Lied  der 
Preussen  nach  der  Schlacht  bey  Lissa"  (vgl.  JBL.  1892  IV  2:7)  nicht  von  Gleim 
herrühre,  sondern  eine  schlechte  Nachahmung  der  Grenadierlieder  sei,  und  bringt 
neue  Beweise  dafür  bei,  dass  die  dort  genannten  Sammlungen  nur  unechte  Nach- 
drucke seien.  —  Schüddekopf *2j  veröffentlicht  auch  einen  Brief  Gleims  an 
E.  von  Kleist,  Halberstadt  31.  Aug.  1757;  Kleists  Erzählung  „Die  Freundschaft", 
Geliert,  Lessing  und  Weisse  werden  darin  erwähnt;  im  übrigen  enthält  er  Kriegs- 
geschichten. —  Pawel  13)  setzt  seine  Veröffentlichungen  aus  dem  Briefwechsel  zwischen 
Gleim  und  Herder  (vgl.  JBL.  1892  IV  7  :  1)  fort;  N.  29-68  aus  den  J.  1795-1803. 
Das  Schwergewicht  der  Publikation  liegt  in  den  Briefen  Herders.  Ungedruckt  ist 
eine  Stelle  aus  einem  nicht  abgesandten  Briefe  Gleims  an  Herder  über  die  Humanitäts- 
briefe (S.  42)  und  der  Brief  vom  6.  Jan.  1800  über  die  Entstehung  seines  Gedichts 
„Amor  und  Psyche";  ferner  ein  Gedicht  an  Karoline  Herder  „Den  2.  Apr.  1799". 
Auch  Briefe  Gleims  an  Frau  von  Klenke,  geb.  Karschin,  werden  mitgeteilt:  12.  Okt.  1796 
und  14.  Apr.  1797  über  die  Xenien  und  seine  Antixenien,  22.  Jan.  1800  Verse  auf 
Jean  Paul,  17.  Juni  1800  über  Jean  Paul.  —  Pawel^*)  veröffentlicht  auch  zwei  Briefe 
von  J.  H.  Voss  an  Gleim:  1)  Eutin  24.  Juni  1784  über  Gleims  Episteln,  über  die 
unechte  Ausgabe  der  Vossischen  Gedichte  und  den  Plan  einer  echten  Sammlung, 
über  die  Luise  und  die  Idyllen.  Klopstock,  Gerstenberg  und  Stolberg  werden  er- 
wähnt ;  2)  Eutin  28.  Apr.  1785  über  die  erste  Ausgabe  seiner  Gedichte,  die  er  Gleim 
übersendet;  über  Gerstenberg  und  dessen  Minona,  über  die  Dramen  der  Stolberge, 
Klopstocks  Bardiete  und  neuere  Oden;  über  den  künftigen  Musenalmanach.  — 
Schüddekopf  1^)  verfolgt  in  einem  hübschen  Aufsatz  die  Beziehungen  Gleims  zur 
Königin  Luise.  Dreimal  wandte  sich  der  Dichter  an  die  Monarchin:  am  29.  Dec.  1797, 
bald  nach  ihrem  Regierungsantritt;  am  19.  Okt.  1800  übersandte  er  ihr  ein  Lied  zum 
Beginn  des  neuen  Jh.  und  am  28.  Apr.  1802  empfahl  er  ihr  den  Einländischen  Barden 
Kretschmann;  für  den  zweiten  Brief  und  das  „schöne"  Gedicht  dankte  die  Königin 
dem  „Ossian  unseres  Hauses"  in  einem  eigenhändigen  Schreiben  vom  30.  Okt.  1800: 
„Es  ist,  als  wäre  es  in  meiner  Seele  gedichtet".  —  In  Gleims  Halberstädter  Freundes- 
kreis führt  uns  Pröhle^^),  indem  er  in  der  ADB.  den  von  Gleim  viel  besungenen 
Domdechanten  Ernst  Ludwig  von  Spiegel  zum  Desenberge  (gest.  1785)  behandelt. 
Ein  unter  seinem  Namen  gehendes  Gedicht  rührt  von  Gleim  her.  In  seinem  Sieges- 
liede  auf  die  Schlacht  bei  Rossbach  führte  Gleim  unter  den  fliehenden  Reichstruppen 
(V.  193  ff.)  auch  den  Paderborner  ein,  weil  der  Domherr  die  dortige  Mundart  gern 
im  Scherze  sprach.  —  An  demselben  Orte  charakterisiert  Pröhle*'')  auch   den  Frei- 


D.  kom.  RoiDiinzen  d.  Deutschen  im  18.  Jh.  Diss.  Marburg  i.H.  (Univ.-Buchdr.  [C.L.Pfeil]).  1891.  46  S.  -  IDC.Schttdde- 
Icopf,  E.  angeblich  Gleimsches  Kriegslied:  VLG.  6,  S.  128-32.  —  12)  id.,  E.  Brief  Gleims  an  E.  v.  Kleist:  VLG.  5,  S.  612/4. 
—  13)  (IV  7:4.)  —  14)  J.  Pawel,  Zwei  Briefe  v.  J.  H.  Voss  an  Gleim:  VLG.  6,  S.  133/6.  —  15)  K.  Schüddekopf,  Königin 
Luise  u.  Gleim:  NatZg.  N.  721.  —  16)  H.  Pröhle,  E.  L.  Frhr.  v.  Spiegel:  ADB.  35,  S.  146/9.  -  17)  id.,  F.  E.  Frhr.  v.  Spiegel : 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a:  I8-20 

herrn  Dietrich  Ernst  Spieg-el  von  Pickelsheira  (1737—89)  als  Vf.  zahlreicher  Geleg-en- 
heitsgedichte  und  grenzt  dessen  dichterisches  Eigentum  gegen  das  der  anderen  Halber- 
städter Dichter  ab.  — 

Der  von  der  Forschung  lang  vernachlässigte  J.  N.  Götz  ist  durch  Schüdde- 
kopfs*^""*)  Bemühungen  in  helleres  Licht  gerückt  worden.  Zwar  ist  es  dem 
Herausgeber  der  DLD.  leider  nicht  gelungen,  die  Schwierigkeiten,  welche  eine  voll- 
ständige Ausgabe  der  Gedichte  von  Götz  bisher  verhindert  hatten,  schon  jetzt  aus 
dem  Wege  zu  räumen;  Sch.s  Ausgabe  konnte  sich  nur  auf  die  Schöpfungen  der  J.  1745 
bis  65  erstrecken,  die  er  zum  ersten  Male  in  unverfälschter  Form  vorlegt;  aber  es 
ist  damit  wenigstens  ein  tüchtiger  Anfang  zur  richtigen  Erkenntnis  und  Würdigung 
des  Dichters  gemacht.  In  der  Einleitung  zu  der  Ausgabe  zählt  Seh.  die  Bemühungen 
auf,  die  bisher  gemacht  wurden,  um  zur  echten  Gestalt  der  Götzischen  Gedichte  vor- 
zudringen, legt  die  Geschichte  der  Ramlerschen  Ausgabe  dar  und  charakterisiert  das 
ihm  zur  Verfügung  stehende  Material.  Die  Ausgabe  selbst  enthält  den  bisher  fast 
unzugänglichen  „Versuch  eines  Wormsers  in  Gedichten"  1745  (N.  1/7),  welcher,  wie 
es  scheint,  auf  verlorene  Einzeldrucke  zurückgeht  und  schon  1744  gedruckt  ist;  die 
Ode  „Ueber  den  Tod  seines  Bruders  Cornelius  Georg  Götzens"  (N.  8)  nach  einem 
Einzeldrucke  ohne  Angabe  des  Druckorts  aus  dem  J.  1747  und  zwei  Gedichte  aus 
dem  Anakreon  von  1760  (N.  18/9);  endlich  88  Gedichte  (N.  9—17,  20—99)  nach  der  Hs., 
von  welchen  15  bisher  ungedruckt  waren  (darunter  N.  17  „Prosaische  Ode  An  den 
Marquis  von  Montbarey"  1749)  und  8  weitere  in  der  Ramlerschen  Ausgabe  fehlten. 
Die  Anordung  ist  chronologisch;  gute  Register  tragen  zur  raschen  Orientierung  bei. 
Ist  hier  an  dem  jugendlichen  Dichter  die  verdiente  Rettung  vollzogen  worden,  so  be- 
zieht sich  der  von  Seh.  musterhaft  herausgegebene  Briefwechsel  Götzens  auf  dessen 
ganze  Lebenszeit.  Er  enthält  23  Briefe  von  Götz  an  Gleim,  Uz,  Ramler,  Schwan  und 
Knebel  (1741—80),  7  Briefe  von  Gleim  an  Götz  und  dessen  Sohn  Gottlieb  Christian, 
4  Briefe  von  diesem  an  Ramler  (1783—85)  über  die  Gedichtausgabe  und  die  Lebens- 
sfeizze.  Ausserdem  sind  noch  zahlreiche  Stellen  aus  dem  Briefwechsel  zwischen 
Gleim  und  Uz  verwertet  und  der  Brief  Gleims  an  Ramler  2.  Dec.  1755  (S.  47).  Auch 
Götzens  Eintragung  in  Gleims  Stammbuch  (Sentenz  aus  Hallers  Gedicht  über  die 
Ehre)  1.  Aug.  1741  bei  des  letzteren  Weggang  aus  Halle.  Die  Briefe  führen  uns  in 
die  Zeiten  des  Hallenser  Dichterbundes,  in  die  jugendlichen  Freundschaften  und  die 
späteren  Zerwürfnisse,  in  die  Entstehung  der  Anakreonübersetzung  und  anderer 
Dichtungen  von  Gleim,  Götz,  Uz  und  Rudnik  ein.  Man  kann  die  Bemühungen  der 
Freunde  um  die  Veröffentlichung  der  Götzischen  Gedichte  verfolgen,  ebenso  aber 
auch  seine  grenzenlose  Furcht  vor  der  Enthüllung  der  Anonymität.  Immer  von, 
neuem  beschwört  er  Gleim  und  Ramler,  seinen  Namen,  so  lange  er  lebe,  zu  ver-' 
schweigen,  damit  er  nicht  um  Amt  und  Brot  gebracht  werde.  Neben  litterarischen 
Fragen,  der  Besprechung  neuer  Erscheinungen  des  Büchermarktes,  Kritik  von  Ge- 
dichten usw.  kommen  auch  die  persönlichen  Schicksale  Götzens  und  seiner  Familie 
vielfach  zur  Sprache.  Es  ist  der  wichtigste  Beitrag  zu  seiner  Biographie  und 
Charakteristik,  den  wir  bisher  besitzen.  Von  Einzelheiten,  die  sich  nicht  auf  Götz  be- 
ziehen, seien  hervorgehoben:  S.  30  eine  Anmerkung  über  die  „Freundschaftlichen 
Briefe"  Berlin  1746 ;  S.  25,  44  Drucke  Gleimscher  Gedichte,  die  bei  Goedeke  fehlen. 
S.  70,  89  Bemerkungen  über  Gleims  Lieder  nach  dem  Anakreon,  mit  Günther  Kochs 
bereits  angeführten  Untersuchungen  (s.  0.  N.  8)  zusammenzustellen ;  S.  67  über  Gleims 
versifizierten  Philotas;  S.  48  f.  Gessner;  S.  49  Lessings  Kleinigkeiten  und  Miss  Sara 
Sampson;  die  neuen  kritischen  Briefe,  Zürich  1749  (die  meisten  Briefe  sind  von  Bodmer, 
einige  wenige  von  Schultheiss);  Wielands  Erzählungen  1752,  von  Gleim  Götzen 
zugeschrieben;  S.  52  Klopstock;  S.  56  Gerstenberg;  S.  61  Ramler;  S.  68  G. 
S.  Lange.  — 

Aus  einer  umfassenderen  Arbeit  über  Johann  Peter  Uz  legt  Petzet^«) 
jene  Teile  vor,  welche  das  Verhältnis  des  Dichters  zur  Anakreontik  und  zu  Horaz, 
sowie  seine  philosophische  Odenpoesie  behandeln.  Uz  ist  kein  unselbständiger  Nach- 
ahmer der  Anakreontik  und  Gleims.  Der  Ton  des  heiteren  anakreontischen  Liedes 
war  ihm  angemessen,  weil  er  selbst  einen  fröhlichen  Sinn  besass,  und  er  hatte  sich 
in  den  Vorstellungskreis  Anakreons  so  ganz  eingelebt,  dass  er  für  ihn  nichts  nach- 
gemachtes, sondern  sein  wirkliches  Eigentum  war.  Er  war  nicht  frei  genug  von  den 
konventionellen  Anschauungen  der  Zeit,  um  sich  Günther  zum  Vorbild  zu  nehmen, 
aber  neben  Anakreon  und  Horaz,  neben  Lafontaine  und  Rost  war  das  Muster  Marots,  den 
er  nicht  sehr  glücklich  übersetzte,   Chaulieus  und  Hagedorns  für   seine   jugendlichen 


ib.  S.  159.  —  18)  K.  Schfiddekopf,  Gedichte  v.  J.  N.  Götz  ans  d.  J.  1745-65  in  ursprüngl.  Gestalt.  (=  DLD.  N.  42.)  St..  Göschen. 
XXXVI,89S.  |[M.  K(ooh):LCBl.  S.  1396.]|  —  19)  (IV  lc:65.)  [[R.Friedrich:  BLU.  S.  644;  M.  K(och):  LCBl.  S.  1551,2.]| — 
20)G.  Petsse t,  Studien  zu  J.  F.  üz.  D.  Ginflnss  d.  Änalcreontik  u.  Horazens  auf  J.  P.  Uz.  Dias.  München.  B.,G.  Felber.  6S  S.   11.1,50. 


IV  2a:  20    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  ^Freiheitskriegen. 

Versuche  vorbildlich.  Aber  schon  in  seiner  ersten,  vorwiegend  anakr eontischen  Ge- 
dichtsammlung (1749)  predigt  er  zugleich  ernste  Lebensfreude;  mehrere  Gedichte 
deuten  schon  damals  auf  eine  spätere  Stufe  von  üzens  Entwicklung  vor,  wo  philo- 
sophische Lyrik  und  die  Einflüsse  von  Horaz  das  spielende  Getändel  der  Jugend  und 
der  anakreontischen  Freunde  verdrängten;  auch  in  manchen  der  anakreontischen 
Tändeleien  kann  man  eine  grössere  Tiefe  und  Innerlichkeit  bemerken,  als  sie  bei  den 
anderen  Anakreontikern  zu  finden  ist,  die  einen  wirklich  persönlichen  Anteil  des 
Dichters  erkennen  lassen.  Stilistisch  zeigen  diese  Jugend  versuche  ebenfalls  den 
Einfluss  von  Anakreon  und  Horaz,  den  der  französischen  und  der  schäferlichen  Poesie; 
von  Hagedorn  lernte  er  die  Leichtigkeit  in  der  Behandlung  des  Versmasses.  Die  „Briefe" 
verraten  das  Studium  der  Episteln  von  Horaz,  Boileau  und  Pope.  Für  seine  Oden- 
poesie  war  Horaz  das  Hauptmuster;  aber  er  ging  über  die  seichte  anakreontische 
Auffassung  Horazens  bei  vielen  seiner  Zeitgenossen  hinaus,  begriff  ihn  tiefer  und  ge- 
langte endlich  zu  einer  selbständigen  philosophischen  Lyrik.  Er  geht  von  horazischen 
Stoffen  und  Ideen  aus,  wird  allmählich  selbständiger  und  individueller,  behandelt 
schliesslich  die  seine  eigene  Zeit  bewegenden  philosophischen  und  vaterländischen 
Fragen.  Seiner  Technik  jedoch  bleiben  immer  Spuren  des  horazischen  Vorbildes  an- 
haften, wenn  er  sich  auch  durch  sein  Festhalten  am  Reim  grössere  Beweglichkeit 
sichert  als  die  meisten  seiner  Vorgänger  und  Zeitgenossen.  Wörtliche  Entlehnungen  aus 
Horaz  bei  Uz,  Haller,  Hagedorn,  Geliert,  Pyra,  Lange,  Kleist,  Ramler  werden  angeführt; 
im  „Silenus"  wird  Anlehnung  an  Vergil  nachgewiesen.  Auch  die  Personifikationen 
und  Bilder  sind  bei  Uz  meist  horazisch.  In  stofflicher  Beziehung  kommt  wie  bei 
Hagedorn  in  Betracht,  dass  die  modernen  Dichter  dem  antiken  eben  in  den  Gesinnungen 
verwandt  sind;  Uz  suchte  die  horazischen  Weisheitslehren  auch  im  Leben  zu  ver- 
wirklichen. In  einzelnen  pathetischen  Oden  wird  er  allerdings  manchmal  mehr 
rhetorisch  als  lyrisch.  Im  allgemeinen  ist  aber  ein  bedeutender  Fortschritt  auf  dem 
Wege  zur  Verinnerlichung  der  Gedankendichtung  bei  Uz  festzustellen.  Schon  der 
Bruch  mit  dem  fast  allein  herrschenden  Alexandriner  einerseits,  den  steifen  reimlosen 
Versen  Pyras  andererseits  brachte  eine  grössere  Beweglichkeit  mit  sich;  dem  Verlassen 
der  trockenen  Versformen  entsprach  auch  immer  mehr  gesteigertes  Abweichen  von 
dem  rein  moralisch  didaktischen  oder  orthodox  frommen  Gehalte  der  Gedichte.  Durch 
die  Entfesselung  der  Versform  wie  der  Phantasie  kam  allmählich  auch  mehr  Gefühl 
in  die  Gedankendichtung,  Schillers  Gedankenlyrik  vorbereitend.  Auch  die  Gelegen- 
heitspoesie wird  durch  Horaz  gehoben;  in  den  Klagegedichten  werden  individuellere 
Töne  als  früher  angeschlagen;  selbst  die  patriotische  Dichtung  ist  von  Horaz  nicht 
unabhängig.  Zwar  verfällt  Uz  nicht  in  Ramlers  Unfreiheit  der  Nachbildung,  sondern 
mit  dem  Inhalt  wird  auch  die  Form  eingedeutscht;  trotzdem  sind  nahe  Anlehnungen 
vorhanden.  Uz  selbst  ist  von  edelster  patriotischer  Begeisterung  erfüllt,  die  sich 
nicht  bloss  auf  seinen  kleinen  Heimatsstaat,  sondern  auf  ganz  Deutschland  bezieht. 
Mit  Haller,  Klopstock  und  Kleist  berührt  er  sich  in  seinem  Groll  über  den  Verfall 
deutscher  Sitte  und  Sittlichkeit,  in  dem  Abscheu  gegen  Eroberungskriege,  in  den 
Forderungen  an  die  Fürsten  für  das  Glück  der  Völker,  nicht  bloss  für  ihren  Ruhm 
und  ihre  Macht  zu  sorgen;  er  steht  im  Gegensatze  zu  Lange,  Gleim,  Ramler  und 
anderen,  die,  von  der  Grösse  der  Persönlichkeit  Friedrichs  IL  hingerissen,  kaum  etwas 
anderes  kannten  als  Bewunderung  und  Preis  des  siegreichen  Königs.  In  der  An- 
merkung S.  44  wird  hervorgehoben,  dass  die  erste  Strophe  von  Ramlers  Ode  „An  die 
Feinde  des  Königs  1760"  unter  dem  Einfluss  von  Uzens  Gedicht  „Das  bedrängte 
Deutschland"  entstanden  sei.  Die  philosophischen  Oden  von  Uz  stehen  unter  dem 
Einfluss  von  Leibniz,  Shaftesbury,  Haller  und  Pope.  In  einer  eingehenden  Be- 
trachtung der  „Theodicee"  wird  der  enge  Anschluss  an  Leibniz  klar  gemacht,  zugleich 
aber  auch  betont,  dass  Uz  mit  Haller  und  Shaftesbury  in  der  Annahme  der  Freiheit 
des  menschlichen  Willens  und  in  der  Auffassung  der  ethischen  Aufgabe  des  Menschen 
von  Leibniz  abweicht.  Das  Gedicht  wird  gegen  den  Vorwurf  der  Unklarheit  in  Schutz 
genommen:  Durch  den  Schwung  und  das  Feuer  seiner  Ausführung  sei  Uz  weitaus 
der  erste  unter  den  Gedankendichtern  seiner  Zeit.  Die  Gedanken  der  Theodicee 
werden  hierauf  bei  Brockes,  Haller,  Kleist,  Cronegk,  Creuz,  Withof,  J.  J.  Sucro, 
Zernitz  und  Wieland  nachgewiesen.  „So  ergeben  sich  bei  Wieland  und  Uz  in  der 
Zeit  ihrer  erbitterten  Fehde  in  ihrer  philosophischen  Dichtung  Berührungspunkte,  die 
den  stürmischen  Angreifer  hätten  belehren  können,  wie  ungerecht  seine  einseitige 
Polemik  war.  Aber  auch  bei  Wieland  erschien  in  lehrhaftem  Gewände,  was  Uz  mit 
lyrischem  Schwung  vortrug".  In  formeller  Beziehung  ist  Uz  in  seinen  Gedanken- 
dichtungen auch  vielfach  von  Haller  abhängig;  aber  es  eignet  ihm  eine  grössere  Be- 
weglichkeit. Die  Tendenz  zu  kürzeren  leichteren  Versen  als  dem  Alexandriner  lag 
ihm  nahe.  Er  bricht  dessen  Alleinherrschaft,  setzt  seiner  Monotonie  einen  wohl- 
abgemessenen Strophenbau  gegenüber.  Durch  den  meist  sehr  feinsinnig  und  geschmack- 
voll gewählten  Wechsel  seiner  jambischen  und  trochäischen  Verse  erreicht  er    einen 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  lÖ.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.    IV  2a: 20-23 

hohen  Grad  von  Leichtigkeit  und  Beweglichkeit.  Und  auch  den  Reim  handhabte  er,  wenn- 
gleich nicht  sehr  rein,  so  doch  geschickt  in  der  Verschlingung  des  männlichen  und  weib- 
lichen Versausgangs.  Im  Versbau  erscheint  er  noch  oft  als  Suchender,  der  die  ver- 
schiedensten Zusammensetzungen  probiert  und  daher  auch  manchmal  fehl  greift.  Oft 
ist  der  Strophenbau  durch  die  Verschiedenheit  der  einzelnen  Verse  zu  unruhig  und 
lässt  allzu  sehr  jede  Gleichmässigkeit  vermissen.  Es  ergiebt  sich  eine  grosse  Mannig- 
faltigkeit von  Strophenbildungen,  wenn  er  auch  in  einzelnen  Fällen  nicht  glücklich 
ist.  Doch  auch  in  den  komplizierteren  Versinassen  bewegt  er  sich  meist  ohne  Schwer- 
fälligkeit. Denn  er  besitzt  ein  sehr  feines  Gefühl  für  Rhythmus  und  eine  grosse 
Leichtigkeit  der  Sprache.  Sein  Satzbau  ist  stets  einfach  und  klar;  die  Ausdrücke 
vermeiden  meist  glücklich  den  Schwulst  wie  die  nackte  Prosa  und  sind  würdig  und 
angemessen.  So  hat  Uz  einen  bedeutenden  Schritt  gethan,  die  poetische  Sprache  auch 
beim  Ausdruck  philosophischer  Gedanken  freier,  leichter,  natürlicher,  deutscher  zu 
machen;  fast  stets  bewährt  er  guten  Geschmack  und  sicheren  Takt.  Die  mit  Junck- 
heim  und  Hirsch  gemeinsam  verfasste  prosaische  Horazübersetzung-  ist  ein  schwächeres 
Werk,  bei  dem  von  vornherein  darauf  verzichtet  wurde,  die  poetische  Schönheit 
Horazens  wirklich  wiedergeben  zu  können;  aber  bei  aller  Einfachheit  ist  doch  ein 
Streben  nach  rhythmischem  Wohllaut  nicht  zu  verkennen,  und  der  Ausdruck  ist 
meist  minder  prosaisch,  als  in  den  meisten  poetischen  Uebertragungen,  wenn  natürlich 
auch  eine  gewisse  ängstliche  Abhängigkeit  vom  Wortlaut  des  Originals  sich  bisweilen 
recht  störend  geltend  macht.  Anhangsweise  wird  der  Einfluss  von  Uz  auf  Schiller 
charakterisiert,  wobei  seine  epochemachende  Stellung  in  der  Entwicklung  der  Ge- 
dankenlyrik noch  einmal  betont  wird.  — 

Von  Anna  Luise  Karschin  teilt  Kohte'-^)  eine  „Ode  an  die  christliche  Ge- 
meinde zu  Tirschtiegel"  mit,  die  in  der  dortigen  Kirche  aufbewahrt  wird,  um  deren 
Erbauung  (1780—81)  sie  sich  verdient  gemacht  hat.  —  Die  Beziehungen  R.  E.  Raspes 
zu  ihr  verfolgt  Scherer--J  in  einem  Aufsatze,  worin  die  Darstellung  der  Lebens- 
schicksale Raspes  bis  zu  seiner  Flucht  aus  Kassel  (1775)  mit  ungedruckten  Briefen 
und  Gedichten  der  Karschin  recht  unglücklich  vermischt  ist.  Für  die  Karschin  ergiebt 
sich  wenig  neues,  es  wäre  denn  die  barocke  Idee  Nicolais,  der  sie  zu  dramatischen 
Versuchen  veranlassen  wollte  (S.  398).  Raspe  steht  mit  ihr  seit  1767  in  Verkehr. 
Sie  sucht  durch  seine  Vermittlung  hauptsächlich  mit  fürstlichen  Persönlichkeiten  in 
Beziehung  zu  treten,  mit  dem  Prinzen  Karl  von  Mecklenburg-Strelitz  in  Hannover 
und  später  mit  dem  Landgrafen  Friedrich  II.  von  Hessen.  Wichtiger  ist  die  Publi- 
kation für  Raspe,  insbesondere  für  dessen  Beziehungen  zu  Berlin,  wohin  ihn  als 
Mitglied  der  Akademie  zu  bringen  die  Absicht  seiner  Freunde  war,  und  seinen 
Aufenthalt  daselbst  im  J.  1770.  Einzelheiten:  S.  387  (Anmerkung):  J.  G.  Jacobi  muss 
bereits  Ende  1768  nach  Halberstadt  übergesiedelt  sein;  30.  März  1769  ausführlich  über 
Ramler,  dessen  Tod  Jesu  im  Vergieicu  mit  dem  Messias;  die  gegen  Raspe  gerichtete 
Vorrede  zu  den  „Neuen  Kriegsliedern  mit  Melodien.  Leipzig,  Cassel  und  Zwäzen  1769" 
soll  von  Klotz  herrühren,  das  Werk  selbst  nach  einem  Brief  Matthäis  von  einem  ge- 
wissen Gerstenberg  aus  Erfurt,  einem  Anhänger  Riedels;  30.  Sept.  1770  über  Boies 
Kritik  von  den  Liedern  der  Karschin;  S.  402  die  Karschin  über  Klotz,  über  Jacobi, 
dessen  Kantate  auf  den  Geburtstag  des  Königs  und  dessen  Gedicht  „An  das  Publikum"; 
S.  106  Raspes  Plan  einer  Beschreibung  von  Berlin  und  Potsdam  unter  Teilnahme 
von  Nicolai  und  Gatt,  die  nicht  zum  Druck  gelangt  zu  sein  scheint;  S.  379  dürfte 
statt  „Mnomine"  zu  lesen  sein:  „Monimia".  — 

Ueber  Johann  Georg  Jacobis  Jugendwerke  liefert  Ransohoff^^)  eine 
gi'undlegende  vorzügliche  Arbeit.  Mit  Ausnahme  der  „Vindiciae  Torquati  Tassi"  1763, 
des  „Tempels  der  Glückseligkeit"  1764  und  der  „Romanzen  aus  dem  Spanischen  des 
Gongora"  werden  alle  seine  wichtigen  Arbeiten  bis  zum  J.  1774  analysiert  und 
charakterisiert.  Der  Einfluss  von  Uz,  Horaz,  Petrarca  (besonders  „Das  Körbchen" 
S.  49),  Dante  (Aus  dem  33.  Gesang  des  Inferno  ist  die  Erzählung  des  Grafen 
Ugolino  ausgehoben.  Der  herben  Einfachheit  Dantes  genügt  Jacobis  Stil  nicht;  seine 
Uebersetzung  nimmt  sich  oft  wie  eine  Anmerkung  zu  dem  Original  aus:  S.  11), 
Metastasio,  Gresset,  Chaulieu,  Rousseau,  Voltaire,  der  Gegensatz  zu  Young,  die  per- 
sönlichen Beziehungen  zu  Klotz  und  Gleim,  werden  nachgewiesen,  seine  Lyrik  mit  der 
Gleims  und  Gerstenbergs  verglichen,  ihr  spieleriger,  tändelnder,  anakreontischer 
Charakter  beschrieben,  der  späte  und  vorübergehende  Einfluss  Klopstocks  wird  auf- 
gedeckt. Die  „Winterreise"  steht  unter  dem  Einflüsse  von  Chapelle  und  Sterne;  in 
dem  anakreontischen  Roman  ,jCharmidas  und  Theone"  lassen  sich  die  Anregungen 


(Vgl.  ZVLR.  6,  S.  329-92.)  —  21)  J.  Kohte,  Ode  d.  Anna  Luise  Karschin  an  d.  evangel.  Gemeinde  in  Tirschtiegel:  ZHGPosen  8, 
8.  362,4.  —  22)  C.  Scherer,  Knd.  Er.  Raspe  u.  seine  Beziehungen  zu  Anna  Luise  Karschin.  Nach  zumeist  ungedr.  Briefen: 
VLG.  6,  S.  371-409.  —  23)  G.  Ransohoff ,  Ueber  Joh.  G.  Jacobis  Jngendwerke.  Diss.  B.,  Buchdr.  G.  Schade  (0.  FrancVe). 
1892.  59  S.  (Thesen:  1.  Bereits  in  d.  ersten,  nicht  erhaltenen  Fassung  d.  „Tasso"  war  e.  Gegenfigur  wie  Antonio;  2.  Zu 
d.  Marianne   d.   gGeschwister"   hat   Lotte   Baff    Züge    beigesteuert;    3.   Grinijnelshansens    „RatstQbel   Platonis"  [sie!]  ist  vor 


IV  2a: 23-28    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

Winckelmanns  und  Petrarcas  erkennen.  Gesamtcharakteristik:  „Der  Grundzug-  in 
Jacobis  Wesen  war  eine  schwächliche  Empfindsamkeit.  Ihr  fehlte  Gedankenfülle,  die 
sie  zum  Sentimental-Pathetischen  erheben,  Innigkeit  und  Ernst,  durch  den  sie  er- 
greifen konnte;  Leidenschaft  und  Seelentöne,  durch  welche  sie  hingerissen  hätte. 
Ohne  stärkere  Impulse,  immer  nur  zärtlich  und  rührselig,  verflachte  sie  und  verlor 
sich  zum  Empfindungslosen"  (S.  36/7)  .  .  .  „Man  braucht  Jacobi  nicht  gerade  mit 
Goethe  zu  vergleichen,  um  ihm  den  Vollgehalt  einer  lyrischen  Natur  abzusprechen. 
Ihm  fehlt . . .  die  tiefe  Innerlichkeit,  die  Leidenschaft  des  Empfindens,  der  subjektive 
Ausdruck  des  Gefühls.  Er  bietet  nur  allgemeine  Stimmungen,  ohne  das  Besondere 
des  Momentes  und  der  Person  hervorzuheben;  und  das  Eigenartigste  seiner  Kunst  ist 
eigentlich  die  schöne,  fliessend  weiche  Form.  Aber  innerhalb  seiner  bescheidenen 
Sphäre  wiesen  ihn  die  vornehmsten  Eigenschaften  seines  dichterischen  Charakters, 
Phantasie,  Empfindsamkeit  und  Weichheit  des  Gemütes,  unzweifelhaft  zur  Lyrik.  Auf 
diesem  Gebiete  fand  er  seine  schönsten  Erfolge"  fS.  44/5).  — 

Klo  p  stock  8^4-26^  Kenntnis  des  germanischen  Altertums  beleuchtet  ScheeP''), 
indem  er  als  Klopstocks  altdeutsche  Quellen  vor  1766  Resenius  (daraus  der  Name 
Bragor  in  der  Ode  „Sponda"  1764),  Mallet  und  Lohensteins  Roman  Arminius  nach- 
weist, aus  welch  letzterem  alles  über  das  Bardenwesen  stammt,  und  indem  er  für  die 
Zeit  nach  1766,  nach  den  einzelnen  Göttern  geordnet,  die  Stellen  bei  Resenius  und 
Mallet  anführt,  aus  denen  Klopstock  seine  Ansichten  schöpfte.  Klopstocks  Kennt- 
nisse der  nordischen  Mythologie  sind  weit  reicher  als  die  der  bardischen  Dichter, 
die  sich  nur  mit  den  Brocken  nährten,  die  von  seinem  und  Kretschmanns  Tische  ge- 
fallen sind.  — 

Der  bardischen  Lyrik  widmet  Ehrmann-^)  eine  umfangreiche  Unter- 
suchung, indem  er  sie  als  ein  abgeschlossenes  Gebiet  von  der  historischen  Entwick- 
lung losgelöst  nach  Inhalt  und  Form  eingehend  betrachtet.  Er  definiert  die  Barden- 
lyrik etwas  umständlich  folgendermassen :  „Entscheidend,  allerdings  ganz  äusserlich, 
kann  nur  dies  sein,  dass  in  dem  Gedicht  gesagt  oder  in  seinem  ganzen  Charakter 
stillschweigend  aber  klar  vorausgesetzt  wird:  Der  Dichter  will  als  Barde  singen,  das 
Gedicht  soll  ein  Bardenlied  sein,  oder  dass  dadurch,  dass  ein  Gedicht  einer  alt- 
deutschen Person,  z.  B.  Thusnelda,  oder  einer  Gesamtheit  wie  den  Cheruskern  in  den 
Mund  gelegt  ist,  eine  deutliche  Nachahmung  altdeutschen  Gesanges  beabsichtigt  wird". 
Er  findet  die  erregenden  Momente  in  Herder,  in  den  Schleswiger  Litteraturbriefen, 
in  den  Grenadierliedern,  in  Klopstock  und  Ossian,  weist  auch  kurz  auf  Gerstenbergs 
Lehrer  und  Gönner  Gottfried  Schütze  hin,  ohne  aber  die  entscheidende  Stellung  dieses 
Mannes  genauer  zu  präzisieren,  stellt  dann  in  übersichtlicher  Weise  .die  die  Dichter 
beherrschenden  Vorstellungen  (1.  Der  Barde  und  sein  Ruhm,  2,  Die  Harfe,  3.  Das 
Lied,  4.  Klang  und  Echo,  5.  Geisterwelt,  6.  Natur),  sowie  die  behandelten  Gegenstände 
und  Stimmungen  f  1.  Vaterland,  2.  Kriegslust,  3.  Gelegenheitsdichtung,  4.  Moralische 
Zwecke,  5.  Deutsche  Mythologie)  zusammen  und  verfolgt  die  Mischung  mit  anderen 
Zeitideen  (Sturm  und  Drang,  Anakreontik).  Er  sondert  hier  überall  das  Formelhafte 
und  Konventionelle  von  dem  Neuen,  Persönlichen,  Erlebten.  Er  macht  schöne  Ansätze 
dazu,  die  einzelnen  Motive  auf  ihre  Quellen  zurückzuführen,  aber  er  scheidet  die  An- 
regungen, die  vom  deutschen,  resp.  nordischen  Altertum  ausgehen,  nicht  scharf  genug 
von  den  Einflüssen  des  Volksliedes  und  denjenigen  Ossians.  In  Bezug  auf  die  Quellen 
und  die  Verwendung  der  mythologischen  Kenntnisse  ist  er  durch  Scheels  Aufsatz 
bereits  überholt.  In  formeller  Beziehung  weist  er  nach,  dass  die  Form  des  Gersten- 
bergischen  „Skalden",  der  sonst  in  Ehrmanns  Untersuchung  viel  zu  kurz  kommt, 
nicht  nur  im  Versmasse,  sondern  auch  in  ihrem  charakteristischen  Aufbau  geschichtlich 
aus  der  musikalischen  Poesie  und  zwar  aus  der  Kantate  herzuleiten  sei.  Ramlers 
„Ino"  bildet  die  Vermittlung  zu  Dryden  und  Pope.  Er  betrachtet  dann  die  freien 
Rhythmen,  die  antikisierenden  Versmasse,  den  formellen  Einfluss  der  Kriegslieder 
(S.  5/6  eine  Zusammenstellung  von  deutschen  Kriegsliedern  in  den  letzten  drei 
Decennien  des  18.  Jh.)  und  die  von  ihm  nicht  sehr  glücklich  „ossianische  Scene"  be- 
nannte Form  des  Bardenliedes,  wonach  das  eigentliche  Lied  durch  die  Erzählung  der 
Umstände,  die  es  veranlassten,  eingerahmt  wird.  Den  Schluss  bildet  ein  Quellen- 
verzeichnis, eine  revidierte  und  chronologisch  geordnete  Uebersicht  über  die  bei 
Goedeke  §  218  unter  den  Barden  aufgeführten  Gedichte.  In  einer  ausführlichen 
Recension  dieses  Buches  macht  Kost  er  E.  eine  gewisse  Unklarheit  und  die  Ver- 
quickung zweier  Prinzipien  der  Betrachtung  zum  Vorwurfe.  Er  habe  sich  bei  seinen 
Untersuchungen  gar  zu  leicht  mit  dem  Aeusserlichen  begnügt  und  aus  dem,  was  er 


„Proximns  u.  Lympida"  entstanden.)  —  24)  E.  Naumann,  J.  Imelmann,  Klopstoclcs  Oden  (vgl.  JBL.  1891  I  7:43): 
ZGymn.  26,  S.  481/2.  —  25)  X  L-  FränVel,  D.  freie  Rhythmik  in  d.  nhd.  Lyrik  vor,  bei  u.  nach  Klopstock:  ZDU.  6,  S.  817-29. 
(Knappe  Skizze  e.  älteren,  v.  d.  Forschung  teilweiee  überholten  Vortr.  ohne  neue  Gesichtspunkte;  vgl.  JBL.  1892  I  7  :  11.)  — 
26)  X  (I  7:44;  IV  8c  :  8.)  —  27)  W.  Scheel,  Klopstocks  Kenntnis  d.  gerraan.  Altert.:  VLG.  6,  S.  186-212.  —  28}  E.  Ehr- 
mann,   D.  bardische  Lyrik   im  18.  Jh.    Halle  a.  S.,    Niemeyer.    1892.    VIII,  108  S.    M.  2.40.    |[M.  K(ooh):    LCBl.  S.  796/7 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskrieg-en.     IV  2a  :  29-33 

uns  schuldig-  geblieben,  Hesse  sich  ein  zweites  Büchlein  von  dem  Umfange  des 
seinigen  schreiben.  Wir  hätten  gern  von  ihm  erfahren,  welchen  Umfang  die  bardische 
Bewegung  annahm,  was  alles  von  ihr  in  stärkere  oder  schwächere  Mitleidenschaft  ge- 
zogen wurde.  Es  hätte  die  Technik  der  Barden  genauer  erörtert  werden  müssen, 
die  wichtige  Frage:  Woher  haben  Klopstock  und  die  Barden  die  nordische  Mytho- 
logie? war  zu  erledigen,  die  andere:  Was  war  die  bardische  Lyrik  für  ihre  Zeit? 
war  aufzuwerfen.  Er  bringt  zur  Beantwortung  dieser  letzteren  Frage  eine  Aeusserung 
der  Karoline  Flachsland  bei,  welche  beweist,  wie  ernst  diese  Bewegung  aufzu- 
fassen ist.  — 

Mit  einem  Nachzügler  der  Bardenpoesie  macht  uns  Masius^'')  bekannt  durch 
die  Veröffentlichung  eines  Gedichtes,  das  der  spätere  Oberpfarrer  Bobbe  in 
Mehringen  bei  Aschersleben  als  Sekundaner  im  J.  1784  auf  einem  Aktus  des  früheren 
reformierten  Gymnasiums  zu  Halle  unter  grossem  Beifall  der  Zuhörer  vorgetragen 
hatte :  Ein  Hymnus  auf  die  Befreiung  Amerikas  vom  Sklavenjoche  im  verstiegensten 
Bardentone.  Während  er  die  „Hellenen  unsrer  Tage"  preist,  mahnt  ihn  die  klirrende 
eiserne  Kette,  .  .  .  dass  er  ein  Deutscher  sei.  „Nichts  halfen  deine  Schergen  .  .  . 
gesandt  zum  Mord  auf  hundert  ehrnen  Kielen  und  zahlenlos  geheur'te  deutsche 
Sklaven  .  .  .".  — 

In  der  ADB.  wird  Jakob  Friedrich  Schmidt  (1730—96)  von  Schumann^*') 
als  Nachahmer  Klopstocks,  Bodraers  und  Gessners,  als  Horaz Übersetzer  und  als  Heraus- 
geber der  ersten  Auflage  der  moralischen  Wochenschrift  „Der  Hypochondrist",  die 
sein  Mitarbeiter  Gerstenberg  später  umarbeitete,  kurz  charakterisiert.  — 

Eine  ausführliche  Würdigung  wird  dem  Grafen  Reinhard  als  deutschem 
Dichter  durch  Lang^i)  zu  Teil.  Er  beginnt  1778  mit  2  Elegien:  „Lotte  bei  Werthers 
Grab"  und  „Sigwart";  durch  Klopstock  wurde  er  zur  elegischen  Versart  hingezogen; 
früh  schon  übersetzt  er  aus  Tibull  und  Properz;  durch  den  Ephorus  Schnurrer  (so 
ist  statt  „Schumann"  zu  lesen  in  Reinhards  Brief  an  Goethe  1.  Febr.  1820)  wurde  er 
zu  metrischen  Uebersetzungen  aus  dem  Arabischen  angeregt,  die  sich  in  seiner 
Probeschrift  zur  Erlangung  der  Magisterwürde  1780  finden.  Aus  dem  März  1781 
stammt  sein  Gedicht  an  Schiller.  Die  Göttinger  sind  seine  Muster.  Im  Staeudlinschen 
Musenalmanach  auf  1782  ahmt  er  Bürger  und  die  Anakreontiker  nach,  singt  leichte 
Lieder  und  patriotische  Weisen.  In  diesem  Almanach  schreibt  ihm  L.  die  mit  — t  ge- 
zeichneten Strophen  „An  F.  L.  Graf  zu  Stolberg"  und  „Der  Tanz"  zu,  im  Musen- 
almanach auf  1783  die  mit  —  h  —  gezeichnete  empfindsame  Ode  „An  Luisen",  „An 
ihrem  Geburtstag".  Im  Musenalmanach  auf  1784  giebt  er  die  Ugolinoscene  aus 
Dantes  Hölle  als  erster  in  Terzinen  wieder.  Er  überwindet  die  Klopstock-Ossianischen 
Stimmungen  unter  Swifts  und  Lukians  Einfluss.  Der  Uebersetzung  des  Tibull 
(Zürich  1783)  sind  eigene,  im  einzelnen  vielfach  dunkle  Elegien  beigegeben.  Er 
macht  den  Uebergang  zur  horazischen  Epistel  nach  Goeckingks  Muster  und  legt 
1785  eine  Sammlung  „Episteln"  vor,  in  denen  neben  den  allgemeinen  Eigenschaften 
der  Gattung  als  individuelle  Züge  zum  Vorschein  kommen:  Das  grausame  Zer- 
pflücken der  eigenen  Empfindungen,  ein  beständiges  Schwanken  zwischen  wühlendem 
Weltschmerz  und  ironischer  Kälte  und  häufige  Ausbrüche  seiner  Misslaune.  In  der 
schwäbischen  Blumenlese  für  1786  gehört  ihm  die  mit  —  r  —  gezeichnete  Elegie  „An 
Minna",  deren  Anmut  und  beredter  W^ohllaut  anzeigt,  dass  kein  weiter  Weg  mehr 
zurückzulegen  bis  zu  der  Vollendung  der  Goetheschen  Elegien.  Von  da  ab  zeigt  sich 
in  Reinhards  Lyrik  keine  weitere  Entwicklung  mehr.  Aus  dem  Schwäbischen 
Museum  1785 — 86  sind  hervorzuheben:  Ein  Märchen  „Zobeide"  (nach  Gozzi?)  und 
Uebersetzungen  aus  lateinischen  Dichtern  des  14.  und  15.  Jh.,  unter  den  späteren  Ge- 
dichten, die  Lang  zusammenstellt,  das  politische  Gedicht  „Bassevilles  Schatten";  auch 
französische  Gedichte  hat  er  verfasst.  Endlich  wird  die  bisher  ungedruckte  Elegie 
„Auf  Goethes  Genesung"  1823  mitgeteilt.  — 

Aus  den  Gedichten  des  Göttinger  Dichterbundes^^j  wurden  im  zweiten 
Bande  der  Auswahl  von  Sauer ^^-j  Gedichte  von  Hölty  und  J.  M.  Miller  vereinigt. 
W^ährend  S.  sich  bei  der  Wiedergabe  des  Höltyschen  Textes  an  Halms  Ausgabe  an- 
schliesst,  geht  er  bei  Miller  auf  die  ersten  Drucke,  vereinzelt  auch  auf  Hss.  zurück. 
Die  Einleitungen  bieten  kurze  Biographien  und  knappe  Charakteristiken.  Als  Beilage 
ist  Millers  Aufsatz:  „Einiges  von  und  über  Höltys  Charakter"  abgedruckt.  Das 
reproduzierte  Bildnis  Höltys  ist  unbedeutend;  dagegen  ist  Millers  Wachsbild  von 
Buckle  aus  dem  J.  1776  nach  dem  Original  sehr  g-ut  wiedergegeben.  — 

In  einer  sehr  sorgfältigen  Untersuchung   wird   Höltys  Verhältnis   zu   der 


A.  Schlossar:  BLU.  S.  789;  A.  Koste r:  ADA.  19,  S.  77/9.J|  —  29)  H.  Masin s.  Auch  e.  Stock  Schulgesck:  NJbbPh.  146, 
S.  549-jjI.  (Vgl.  JBL.  1892  1  10:338.)  —  30)  A.  Schumann,  J.  F.  Schmidt:  ADB.  36,  S.  777-81.  —  31)  W.  Lang,  Graf 
Reinhard  als  dtsch.  Dichter:  VLG.  6,  S.  251-77.  —  32)  X  Th.  Uhle,  D.  Göttinger  Dichter.  Z.  Erinn.  an  d.  12.  Sept.  1772; 
LZgl».  N.  108.  —  33)  A.  Sauer,  D.  Göttinger  Dichterbnnd.  2.  T.  L.  H.  Chr.  Hölty  u.  J.  M.  Miller.  (=  DNL.Bd.50,  I.Abt.) 
Jahresberichte  f&r  neuere  deutsche  Litteraturgesohicbte.    IV.  (4)9  a 


IV  2a  :  34-39     A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freilieitskrieg-eü. 

eng-lischen  Litteratur  von  Rhoades^*)  festg-estellt.  An  der  Hand  der  Ausleih- 
bücher der  Göttinger  Bibliothek  kontroliert  er  Höltys  ausgebreitete  Lektüre  auf  dem  Ge- 
biete der  englischen  Dichtung*;  er  vergleicht  sodann  die  Nachahmungen  und  Umdich- 
tungen  ganzer  Gedichte  mit  den  Originalen:  Die  „Elegie  auf  einen  Dorfkirchhof"  ist  von 
Gray  so  abhängig,  dass  wir  darin  keinem  einzigen  Motiv  von  Höltys  eigener  Erfindung 
begegnen;  „Toffel  und  Käthe"  ist  nicht  direlE^t  nach  Ovid,  sondern  nach  der  Swift- 
schen  Umarbeitung  gestaltet;  auf  die  Idee  der  Geistererscheinungen  kam  er,  unab- 
hängig von  Bürger,  durch  das  Studium  der  Sammlung  Percys.  Weiterhin  verfolgt 
R.  die  Entlehnung  einzelner  Motive  oder  die  Anregung  durch  ein  englisches  Original. 
Die  „Elegie  auf  den  Tod  des  Freiherrn  Gerlach  Adolph  von  Münchhausen"  ist  durch 
Thomsons  „Poem  to  the  Memory  of  the  Right  Honorable,  the  Lord  Talbot,  Late 
Chancellor  of  Great  Britain"  beeinflusst,  „Adelstan  und  Röschen"  durch  Mallets  Ge- 
dicht „Margarets  Ghost",  das  auch  in  Percys  Sammlung  enthalten  war;  für  die 
Balladenreihe  „Leander  und  Ismene"  ist  ein  englisches  Original  nicht  vorhanden,  aber 
die  Beschreibung  des  bezauberten  Schlosses  ist  Thomsons  „Castle  oflndolence"  nach- 
gebildet. In  den  Mailiedern,  besonders  demjenigen,  das  „Schön  im  Feierschmucke" 
beginnt,  ist  der  Einfluss  von  Thomsons  „Spring",  deutlich;  für  die  „Elegie  bei  dem 
Grabe  meines  Vaters",  in  dem  uns  auch  biblische  Reminisoenzen  auffallen,  ist  Tickells 
Elegie  „To  the  Earl  of  Warwick  on  the  Death  of  Mr.  Addison"  das  Vorbild  gewesen; 
die  Anregung  zu  der  „Ballade":  „Ich  träumt',  ich  war'  ein  Vögelein"  erhielt  Hölty 
wahrscheinlich  aus  einem  Gedicht  in  der  Sammlung  von  Moses  Mendez  (London  1777) 
„The  lady  and  the  Linnet,  a  Tale".  Ein  Schlussabschnitt  charakterisiert  Höltys  Ver- 
hältnis zur  englischen  Dichtung  im  allgemeinen  und  sucht  bei  der  Betrachtung  der 
verschiedenen  Gruppen,  Gedankenreihen  und  Stimmungen,  die  sich  in  seiner  Dichtung 
vereinigen,  festzustellen,  wo  der  englische  Einfluss  auf  ihre  Entstehung  oder  ihre 
Entwicklung  eingewirkt  hat.  Das  Verhältnis  scheint  ein  durchaus  sympathisches  ge- 
wesen zu  sein.  Durch  den  Einfluss  der  ländlichen  Poesie  und  die  melancholische 
Betrachtung  der  Natur  sowohl,  wie  durch  die  in  ihr  herrschende  sentimentale  Stimmung 
wurde  seine  angeborene  Anlage  in  dieser  Richtung  noch  weiter  entwickelt;  in  der 
Liebeslyrik  ist  er  durch  den  englischen  Einfluss  auf  eine  höhere  und  ruhigere 
Fassung  der  Liebe  geführt,  und  in  seiner  trüben  Lebensanschauung  stimmt  er  mit 
den  englischen  Dichtern  seiner  Zeit  überein.  — 

Die  Abhandlung  über  Millers  Gedichte  von  Kraeger^^)  ist  ein  Abschnitt 
aus  einer  abgeschlossenen  Monographie  über  J.  M.  Miller  und  die  Empfindsamkeit 
des  18.  Jh.  (vgl.  JBL.  1894  IV  2  a  und  IV  3).  K.  schliesst  sich  an  die  Charakteristik 
und  Einteilung  an,  die  sein  Lehrer  Erich  Schmidt  von  Millers  Gedichten  in  der  ADB. 
gegeben  hat,  und  bespricht  eingehend  die  Bauern-  und  Gesellschaftslieder,  die  revo- 
lutionäre Lyrik  der  Hains,  den  Minnesang  und  die  Nonnenlieder.  — 

Christian  und  Friedrich  Leopold  Stolberg  werden  von  Erich 
Schmidt36-37j  j^  der  ADB.  glänzend  charakterisiert.  — Den  Einfluss  dieser  Aufsätze 
verspürt  man  in  Keipers^^)  auch  an  eigenen  feinen  Beobachtungen  reichem  Buche 
über  F.  L.  Stolbergs  Jugendpoesie,  das  für  ähnliche  Untersuchungen  als  ausgezeichnetes 
Muster  gelten  kann.  Der  erste  Abschnitt  charakterisiert  den  ,, Schüler  Klopstocks", 
stellt  den  Einfluss  des  Bundes  auf  Stolberg  fest  und  analysiert  die  Vaterländischen 
Gedichte.  S.  15  wird  in  einer  Anmerkung  das  Bild  des  Adlers  durch  die  Dichtung 
des  18.  Jh.  verfolgt.  S.  20  wird  in  dem  „Lied  eines  schwäbischen  Ritters"  Einfluss 
Ossians  angenommen.  Der  zweite  Abschnitt  „Der  Stürmer  und  Dränger"  behandelt 
die  Gedichte  der  Schweizer  Reise,  analysiert  eingehend  den  „Freiheitsgesang",  sucht 
Goethes  Einwirkung  auf  Stolbergs  Lyrik  festzustellen  und  giebt  einen  knappen 
Abriss  von  Stolbergs  Poetik  und  poetischem  Charakter.  Der  dritte  Abschnitt  „In 
Dänemark"  ist  der  Naturlyrik  nach  der  Rückkehr  in  die  Heimat,  den  Einflüssen  der 
Anakreontik  und  den  Balladen  Stolbergs  gewidmet,  die  eine  zusammenstellende  Dar- 
stellung, selbst  über  die  Zeit  der  Jugend  hinaus,  erfahren.  Auch  die  Quellen- 
forschung und  Stoffgeschichte  werden  für  die  Balladen  gefördert.  S.  64  eine  kurze 
Analyse  von  Bodmers  Gedicht:  „Hedwig,  Gräfin  von  Gleichen"  (Karlsruhe  1771). 
Das  folgende  Kapitel  behandelt:  „Text,  Metrik  und  Sprache  der  Gedichte";  S.  69  Ver- 
besserungen zu  Hellinghaus  Ausgabe  von  Stolbergs  Briefen  an  Voss  (vgl.  JBL.  1891 
IV  1 :  233),  die  in  dem  Berichtsjahre  noch  eine  nachträgliche  Besprechung  erfuhr"^^) ; 


St.,  Union.  XXH,  332  S.  M.  2,50.  |[L.  Fränkel:  BLU.  S.  41.j|  —  34)  (IV  ld:69.)  —  35)  H.  Kräger,  J.  M.  Miller.  E. 
Beitr.  z.  Gesch.  d.  EmpflndeamVeit.  Bremen,  M.  Heinsius  Nachf.  X,  165  S.  M.  2,80.  (Davon  1.  T.:  J.  M.  Millera  Gedichte. 
Berliner  Diss.  1892.  ib.  VI,  54,  V  S.  M.  1,60;  Thesen:  3.  Es  ist  anzunehmen,  dass  Grimraelshausen  d.  Simplicissimus  ursprlingl. 
mit  Buch  V,  c.  9  zu  schliessen  heabsicht.  hat;  4.  Goethes  Gedicht.  „Dies  wird  die  letzte  Thrän"  nicht  sein"  [in  Ewalds  Urania 
1793J  ist  gegen  Düntzer  für  e.  Jngendgedicht  zu  erachten;  5.  D.  method.  Standpnnkt,  d.  Goedeke  beim  Egraont  vertritt 
[Grundr.*  4',  S.  464J  ist  für  e.  endg&ltige  Würdigung  d.  Goetheschen  Schauspiels  u.  Oberhaupt  zu  einseitig.)  —  36)  Erich 
Schmidt.  Chrn.  Graf  zu  Stolberg-Stolberg:  ADB.  36,  S.  348-50.  -  37)  id.,  Friedr  Leop.  Graf  zn  Stolberg-Stolberg:  ib. 
S.  850-67.  —  38)  W.  Keiper,  Friedr.  Leop.  Stolbergs  Jngendpoesie.  B.,  Mayer  &  Müller.  VI,  103  S.  M.  1,60.  |[DRs.  77, 
8.  319;  M.  K(^ooh):  LCBl.  S.  1272;    A.  Saleck:  BLU.  S.  809.J|     (D.  1.  T.  [52  S.]    auch   als   Berliner  Diss.  1892.)    —   39)    X 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a  :  39-6I 

S.  70  ein  Verzeichnis  der  im  Bundesbuche  enthaltenen  Gedichte  mit  ihren  Varianten 
und  der.  Entsteh ung-szeit  nach  dem  Protokollbuch  des  Bundes.  Die  Bundesbücher 
sind  auch  sonst  in  K.s  Studie  benutzt.  Ein  Ueberblick  über  Stolberg-s  Verhältnis  zu 
seinen  Zeitgenossen,  über  die  Kritiken,  die  seine  Gedichte  erfuhren,  über  seine  Nach- 
ahmer und  Nachfolger  und  ein  Ausblick  auf  seine  spätere  Lyrik  schliesst  das  ver- 
dienstliche Buch  ab.  —  Puls*^)  erklärt  das  Wort  „Geschoss"  in  dem  „Lied  eines 
schwäbischen  Ritters  an  seinen  Sohn"  kollektiv  =  Trefi'waffen*i).  —  Jacobs^^j 
Charakteristik  der  Gräfin  Katharina  Stolberg,  Schönborns  Altersfreundin,  der  merk- 
würdigsten Charakterfigur  des  Stolberg-schen  Geschwisterkreises,  ist  ein  Auszug  aus 
einer  grösseren,  meist  nach  hs.  Quellen  gearbeiteten  Biographie.  Auch  Verse  aus 
ihrer  letzten  Zeit  lagen  J.  vor.  — 

Claudius  wird  in  Stockmay ers*3)  Vortrag  hauptsächlich  als  „Bote  des 
Glaubens"  behandelt.  — 

Unsere  Kenntnis  von  Bürgers"**"*^)  Leben  wird  durch  Schröters  ^^)  Bei- 
träge zur  Familiengeschichte  des  Dichters  nicht  gefördert.  Er  verbreitet  sich  über 
die  Schreibung  und  Erklärung  des  Ortsnamens  Molmerschwende,  giebt  eine  Schilderung 
des  Ortes,  stellt  dem  Gedichte  „Mein  Dörfchen"  zum  Beweise,  dass  Bürger  dabei 
nicht  seinen  Heimatsort  im  Auge  gehabt  habe,  das  französische  Original  gegenüber, 
findet  aber  mit  Pröhle  in  der  Ballade  „Des  Pfarrers  Tochter  von  Taubenhain"  die 
heimischen  Lokalitäten  wieder.  Er  berichtigt  einige  Angaben  über  die  Familie  des 
Dichters  in  unwesentlichen  Punkten.  Der  Vater,  Johann  Gottfried  Bürger,  ist  nach 
der  Eintragung  in  das  Pansf eider  Taufregister  am  15.  (nicht  am  8.)  Dec.  1706  ge- 
boren^^j.  —  Bergers  Ausgabe  der  Bürgerschen  Gedichte  (vgl.  JBL.  1892  IV  2  .•  25) 
ist  in  den  Berichtsjahren  noch  mehrmals  angezeigt  worden''*).  —  Desgleichen  be- 
sprach Waag*^)  Bonet-Maurys  Abhandlung  „G.  A.  Bürger  et  les  origines  anglaises 
de  la  Ballade  litteraire  en  Allemagne"  (vgl.  JBL.    1890  IV  2:  35;  1892  IV  2 :  36)50-5i). 

—  Kohl^^j  bringt  sachliche  und  sprachliche  Erklärungen  zum  „wilden  Jäger"  vor. 
Bin  der  ^3)  neue  Beiträge  zur  Stoffgeschichte  des  Gedichtes  „Kaiser  und  Abt": 
Mehrere ,  an  die  Person  des  König  Mathias  anknüpfende  ungarische  Fassungen 
der  Anekdote  nach  der  Jökaischen  Anekdotensammlung  „Ungarischer  Volkswitz" 
S.  3,  14.  — 

Die  Ausgabe  der  Gedichte  von  Lenz,  die  Weinhold  veranstaltete  (vgl.  JBL. 
1892  IV  2  :  66),  wurde  noch  mehrmals  besprochene^).  — 

Von  Schubart  wurden  durch  Krauss  und  S  e  uff  ertee)zwei  Briefe  publiziert; 
der  erste  ein  überschwenglicher  Dankbrief  in  Vers  und  Prosa,  Asperg  27.  Nov.  1783, 
an  einen  nicht  näher  zu  bestimmenden  Schwarz  (vielleicht  war  er  Hofpauker),  der 
ihm  durch  Hauptmann  von  Ehrenfeld  ein  Geschenk  hatte  zukommen  lassen;  die 
Selbstbiographie  wird  erwähnt;  der  zweite  Brief,  Hohenasperg  im  Mai  1786,  ist  an 
eine  Dame,  vielleicht  an  die  Schriftstellerin  Frau  Fanny  von  Heppenstein  in  München, 
gerichtet.  Er  erwartet  von  ihr  neue  Gedichte,  die  er  in  das  Strassburger  Frauen- 
zimmer-Magazin, an  dem  er  mitarbeiten  wolle,  einrücken  werde.  Er  ermahnt  sie  aufs 
dringendste,  sie  möge  sich  von  aller  fremden  Manier  fern  halten  und  sich  gleichsam 
in  ihre  Eigentümlichkeit  verweben:  „So  bald  der  Mensch  sich  selbst  gefunden  hat; 
so  fängt  er  erst  an  zu  existieren.  Jeder  Mensch  hat  sein  Eigenes  —  an  Denkart, 
Geistesfarbe,  Herzgefühl;  ja  sogar  Wort  und  Ausdruck  ist  eigentümlicher  Nachhall 
seiner  Innern  Stellung.  Wir  alle  sprechen  und  schreiben  Deutsch;  aber  änderst 
Luther,  änderst  Klopstock,  änderst  Wieland  und  änderst  die  göttliche  Karschinn"^^"^''). 

—  Solger^S)  fasst  seine  älteren  Artikel  über  Schubart  (vgl.  JBL.  1891  IV  2:47/8) 
in  einer  verständig  geschriebenen  Broschüre  zusammen.^^"^^)  — 


L.  P.:  ThLBl.  13,  S.  125/7.  —  40)  A.  Puls,  „Geschoss"  in  Stolbergs  Lied  e.  schwäbischen  Ritters  an  seinen  Sohn:  ZDÜ.  7, 
S.  497/8.  —  41)  X  W.,  L.  F.  Graf  zu  Stolbergs  Geleitbrief  an  seinen  Sohn  bei  dessen  Eintritt  in  d.  Armee:  Sammler^.  1892, 
N.  83.  (Abdr.  d.  v.  Janssen  veröffentl.  Briefes  t.  30.  Juli  1803.)  —  42)  Ed.  Jacobs,  Katharina  Gräfin  zu  Stolberg-Stolberg: 
ADB.  36,  S.  367-70.  —  43  J  K.  Sto.ckmayer,  Matth.  Claudius,  d.  Wandsbeoker  Bote.  B.  popul.  Vortr.  Basel,  Jaeger  &  Kober. 
18  S.  M.  0,20.  (Separatabdr.  aus  d.  „Kirchenbl.  für  d.  reformierte  Schweiz".)  —  44)  X  H.  Pröhle,  Aufforderung  u.  Bitte: 
LCBl.  S.  1030.  —  45)  X  Denkmal  für  G.  A.  Bürger:  BerlTBl.  N.  178.  —  46)  0.  Schröter,  Beitrr.  z.  Familiengesch.  G.  A. 
Bürgers:  MansfelderBll.  7,  S.  156-61.  —  47)  O  G.  A.  Bürgers  ausgew.  Werke  in  2  Bdn.  Mit  e.  biograph.  Einleitg.  t.  R.  M. 
Werner.  St.,  Cotta.  283  u.  220  S.  M.  2,00.  —  48)  X  LCBl.  1892,  S.  329-30;  A.  Sauer:  DLZ.  1892,  S.  1646;  O.Behaghel: 
LBlGRPh.  S.  158,9.  —  49)  X  A.  Waag:  LBlGRPh.  S.  424,5.  —  50)  O  Schiller  et  Bürger.  Le  Chant  de  la  cloche  et  Lenore. 
Trad.  en  Ters  equimetriques  et  equirhythmiques  par  Ed.  Pesch.  Pref.de  L.  de  Fourcaud.  Paris, Hinrichsen.  1891.  XV, 56S. 
Fr.  1,50.  —  51)  X  I*6rcy,  Reliques  of  ancient  english  poetry.  By  R.  A.  Willmott.  New  ed.  London,  Routledge.  Sh.  2.  (Vgl. 
auch  IV  ld:57.)  —  52)  0.  Kohl,  Bürgers  wilder  Jäger  u.  Goethes  getreuer  Eckart:  ZDU.  6,  S.  6-35.  (Vgl.  JBL.  1892  15:34; 
IV  8c  :  33.)  —  53)  E.  Binder,  Weiteres  zu  Bürgers  „Kaiser  u.  Abt":  ZVLR.  5,  S.  466/9.  (.Vgl.  I  10:33.)  -  54)  X  A.  Chuqnet: 
RCr.  ;55,  S.  213/4;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  42/3.  —  55)  R.  Krauss  u.  B.  Seuffert,  Zwei  Briefe  Chr.  Fr.  D.  Schubarts:  VLG.  6, 
S.  585,8.  —  56)  O  E.  Brief  V.  Schnbart.  Mitget.  v.  K.  Waicker:  BBSW.  S.  69-73.  -  57)  X  Erich  Schmidt,  Brief 
Schubarts  an  Prof.  Nast.  Mitget.  in  GDL.  (März).  Referat:  DLZ.  S.  1370,1.  —  58)  H.  Solger,  Schnbart,  D.  Gefangene  auf 
Hohenasperg.  E.  Bild  seines  Lebens  u.  Wirkens.  Mit  e.  Portr.  Schubarts.  Bamberg,  Handels-Dr.  56  S.  —  59)  O  L. 
Simmet,  D.  Dichter,  Publizist  u.  Musiker  Ch.  F.  D.  Schubart  in  Augsburg  1774  u.  75.  Progr.  Augsburg.  32  S.  —  60)  X 
F.  A.  V.  Winterfeld,  Schubarts  Beziehungen  zu  Preussen:  Bär  19,  S.  355/6.  —  61)  X  Luise  Pichler,  D.  Expeditionsrat. 
Erzählung  aus  d.  Zeit  d.  Dichters  Schubart.    3.  Aufl.    (=  Eist.  Erzählungen  für  d.  Jugend  N.  4.)    L.,  A.  Oehmigke.  12*.  96  3, 

(4)9  a* 


IV  2a  :  62-68    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

In  der  Charakteristik  des  bayerischen  Hofpoeten  und  Journalisten  Matth. 
Etenhueber  (1720—82)  liefert  von  Reinhardstöttner^^-)  einen  interessanten  Bei- 
trag" zur  lokalen  und  provinziellen  Litteratur-  und  Kulturgeschichte.  Etenhueber  gab 
von  1759—77  das  „Münchnerische  Wochenblatt  in  Versen"  (der  Jahrgang  1767  betitelt 
sich  „Der  poetische  Zeitungsfabrikant"),  eine  Art  Reimchronik  über  die  zeitgenössischen 
Ereignisse,  meist  in  Alexandrinern,  heraus.  Alle  europäischen  und  aussereuropäischen 
Vorfälle  werden  berührt,  vor  allem  spukt  der  „klug  und  tapfre"  Prinz  Heraklius 
in  einer  Reihe  von  Wochenblättern ;  die  Auflösung  des  Jesuitenordens  wird  betrauert. 
In  späteren  Jahren  mehr  Themen  religiösen  und  ethischen  Gehalts.  Sehr  interessante 
kulturhistorische  Schilderungen,  z.  B.  über  die  Bierverhältnisse  im  alten  München, 
Schilderung  Münchener  Festlichkeiten;  Satiren  auf  alle  Stände,  über  die  Kinderzucht; 
Gedichte  auf  den  Kaffee,  auf  das  Bier;  ein  „Lob  der  kleinen  und  magern  Leute"  ge- 
mahnt vielfach  an  Castellis  „Trostgedicht  für  die  Kleinen";  Fabeln;  auch  Ueber- 
setzungen  finden  sich,  die  Etenhueber  fast  um  die  Gunst  seiner  Leser  gebracht  hätten : 
aus  Ovids  Herolden,  das  erste  Buch  der  Tristia  ex  Ponto  (der  ,.Traurigen"),  Horaz. 
Einen  eigentümlichen  Anstrich  erhält  die  Zeitschrift  durch  die  versifizierten  Urteile 
der  in  erschrecklicher  Zahl  in  München  Hingerichteten,  „widerliche  Galgenpoesie"; 
hervorzuheben  sind  ferner  die  offiziellen  Glückwünsche  an  den  Kurfürsten  und  andere 
Gelegenheitsgedichte  von  ihm;  ferner  seine  Bettelgedichte,  unter  denen  die  regel- 
mässig wiederkehrenden  Holzmemoriale  an  den  Kurfürsten  des  Humors  nicht  ganz 
entbehren;  endlich  seine  Bildergedichte.  Bemerkenswert  sind  auch  seine  Streitig- 
keiten mit  dem  kurbayerischen  Intelligenzblatt.  1763  war  er  zum  Hofpoeten  ernannt 
worden;  seine  politische  Poesie  brachte  ihn  im  J.  1778  trotzdem  für  einige  Zeit  ins 
Gefängnis.  — 

An  Etenhueber  reihen  sich  zwanglos  die  übrigen  Gelegenheitsgedichte 
an,  die  während  der  Berichtsjahre  gedruckt  wurden.  —  Eine  gereimte  Eingabe  der 
Neuberin  an  Brühl,  Leipzig  17.  Mai  1734,  mit  der  Bitte  um  Spielerlaubnis  und  um 
Wiedererteilung  des  Prädikates  „Hofkomödianten"  an  ihre  Truppe,  voll  von  Seiten- 
hieben auf  die  Müllersche  Truppe,  veröffentlicht  Distel^^)^  —  Gädcke^*)  lässt  ein 
anonymes  Spottgedicht  aus  dem  J.  1738  auf  den  Kriegs-,  Domänen-  und  Steuerrat 
Titius  abdrucken,  welcher  sich  durch  seine  „hitzigen"  Verordnungen  bei  der  Bürger- 
schaft von  Salzwedel  missliebig  gemacht  hatte,  bei  Friedrich  Wilhelm  I.  in  Ungnade 
fiel  und  sich  erschoss.  —  Ferner  wurde  veröff'entlicht  eine  bewegliche  versifizierte 
Bitte  des  Pfarrers  Chrn.  Gottfr.  Ludwig^s)  zu  Oetlingen  (1752— 75)  in  der  Mark- 
grafschaft Baden  an  die  markgräiliche  Verwaltung  zu  Rötteln  um  Ausbesserung  seines 
jämmerlichen  Pfarrhauses.  Ihr  poetischer  Wert  ist  durch  den  Schlussreim  „Glück: 
Ludwig"  genügend  charakterisiert.  Der  Markgraf  ging  auf  den  Ton  ein  und  versah 
das  Gesuch  mit  dem  Vermerk:  „Hierauf  wird  resolvieret:  Die  Fenster  reparieret!" 
—  Junghaus ^ß)  teilt  eine  Reihe  von  Akten  mit,  aus  denen  hervorgeht,  dass  das 
Hanausche  Konsistorium  zum  Regierungsantritt  des  Erbprinzen  Wilhelm  zu  Hessen- 
Hanau  im  J.  1764  bei  dem  Sekretär  Scheel  zu  Frankfurt  ein  Gedicht  bestellte,  dieses 
drucken  Hess  und  in  kostbaren  Einbänden  überreichte.  Die  Kosten  210  Fl.  4  Heller 
waren  einzelnen  Geistlichen  zu  hoch,  und  sie  hielten  mit  ihren  Klagen  nicht  zurück. 
Das  Konsistorium  verteidigte  sich:  „Das  dem  Hrn.  Secretario  Scheel  gegebene 
praemium  (40  fl.)  scheint  zwar,  wie  es  in  der  That  auch  ist,  viel,  wir  müssen  aber 
ohnverhalten,  dass  solches  von  sämtlichen  Herrn  Directoribus  und  resp.  Deputatis  in 
Betracht,  dass  derselbe  sein  Meisterstück  bewiesen,  viele  ausserordentliche  Aenderungen 
vornehmen  und  alle  übrige  bei  dieser  Gelegenheit  verfertigte  Gedichte  noch  weit 
höher  bezahlt  bekommen,  einmüthiglioh  beschlossen  worden".  Das  so  umstrittene 
Carmen  hat  sich  bis  jetzt  nicht  wieder  auffinden  lassen.  —  Als  Probe  von  C.  A.  Musaeus 
Gelegenheitsdichterei  und  als  Beweis  von  dem  kläglichen  Aussehen  der  Dichtkunst 
in  Weimar  vor  Wielands  Eintritt  veröffentlicht  Seuffert^^)  dessen  konventionell 
schwülstiges  Trauergedicht  auf  die  Frau  des  als  Goethes  Amtsgenossen  bekannten 
Weimarer  Geheimden  Assistenz-Rates  D.  Achatius  Ludwig  Karl  Schmid,  Karoline 
Friederike  Marie  Schmid  geb.  Heimburg,  welche  am  3.  März  1767  in  Jena  gestorben 
war.  Unter  den  sonstigen  Trauergedichten  auf  diese  Dame  befindet  sich  auch  eines 
von  Kotzebues  Mutter.  —  Endlich  kam  auch  überflüssiger  Weise  das  Gedicht  eines 
Ungenannten^^)  zu  Tage:  „Freyberg,  den  Siebenten  August  1781.    Als  der  Blitz  mit 


M.  0,75.  —  62)  K.  V.  Reinhardstöttner,  D.  knrfürstl.  bayerische  Hofpoet  Matth.  Etenhueber:  FKLB.  1,  S.  7-68.  (Dazu 
Notiz  S.  232.)  —  63)  Th.  Distel,  Noch  e.  Gedicht  d.  Neuberin  an  Brühl:  VL6.  5,  S.  604  7.  —  64)  (14:168.) 
—  65)  W.  K.,  E.  poet.  Bittschr.:  Didask.  1892,  N.  252.  —  66)  G.  Junghans,  Nachricht  v.  e.  Glückwünschnngs-Carmen, 
welches  d.  Durchlauchtigsten  Hohen  Landesherrschaft,  nämlich  Sr.  Hochfürstlichen  Durchlaucht  d.  gnädigst  regierenden  Fürsten 
u.  Herrn,  Herrn  Erbprinzen  Wilhelm  zu  Hessen-Hanau  u.  Höchst-Deroselben  Frauen  Gemahlin,  d.  Frau  Erbprinzessin  Wil- 
helmine Karoline  zu  Dänemark  u.  Norwegen  Kgl.  Hoheit,  gelegentl.  dero  höchst  beglückter  Vermählung  u.  demnächst  erfolgten 
Einzugs  u.  Segierangsantritts  nomine  d.  Hanauischen  reformierten  Ministerii  ist  fiberreicht  worden.  Hanau  im  Okt.  1764 : 
Hessenland  S.  1148.   —   67)  B.  Seuffert,  E.  Trauergedioht  v.  C.  A.  Musaeus:  VLG.  6,  S.  137-41.   —    68)  Blitzschlag  in  d. 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a  :  69-74 

einem  entsetzlichen  Krachen  in  den  am  Erbischen  Thore  befindlichen  Thurm  oben 
herein  und  g-antz  durchschlug-".  — 

Zu  Wielands  Gespräch:  „Goethe  und.  die  jüngste  Niobetochter"  (GJb.  9, 
S.  7 ff.)  versucht  Weizsäckers^)  einen  Kommentar  zu  geben,  indem  er  nachweist, 
dass  in  der  jüngsten  Niobetochter  nicht  eine  überlebensgrosse  Statue,  sondern  nur 
ein  Abguss  des  Kopfes  zu  erkennen  sei.  — 

Für  Fr.  Aug.  Cl.  Wert  he  s  Biographie  liefert  Heinrich'")  wertvolle  Er- 
gänzungen zu  Wurzbach  55,  S.  132/4  aus  Akten  der  Budapester  Universität  und 
des  kgl.  ungarischen  Landesarchivs.  Die  Studien-Hof-Kommission  in  Wien  schlägt 
Werthes  am  29.  Sept.  1784  zur  Ernennung  für  den  durch  den  Tod  Szerdahelyis  er- 
ledigten Lehrstuhl  der  schönen  Wissenschaften  an  der  Universität  zu  Pest  vor.  In 
diesem  Schriftstück  wird  er  als  „ein  Schüler  des  berühmten  Wieland"  bezeichnet;  er 
habe  in  Deutschland,  in  der  Schweiz  und  in  Italien  wiederholte  Reisen  gemacht,  sei 
1782  an  die  neue  Stuttgarter  Universität  auf  den  Lehrstuhl  der  Aesthetik  berufen 
worden,  habe  diesen  Lehrstuhl  ein  und  ein  halbes  Jahr  innegehabt,  worauf  er 
dies  Amt  niedergelegt  habe  und  nach  Wien  gekommen  sei,  wo  er  sich  derzeit 
litterarischen  Arbeiten  widme.  Am  12.  Okt.  1784  ernannt,  eröffnete  W.  seine  Vor- 
lesungen mit  einer  in  demselben  J.  gedruckten  Rede.  Er  trug  deutsch  vor,  während 
die  Vortragssprache  lateinisch  war  und  nur  einzelne  Lehrer  ungarisch  docierten. 
Schon  am  8.  Jan.  1791  bittet  Werthes  mit  Berufung  auf  seine  geschwächte  Gesundheit 
um  seine  Entlassung,  die  er  nebst  einer  Abfertigung  von  1000  Fl.  auch  erhielt.  Den 
eigentlichen  Grund  seines  Wegganges  sieht  H.  in  politischen  Verhältnissen.  Während 
seines  ungarischen  Aufenthaltes  veröffentlichte  Werthes  „Kirchengesänge  auf  das  am 
1.  Mai  1791  von  den  Protestanten  in  Ungarn  zu  feiernde  Religionsfest  für  das 
evangelische  Bethaus  zu  Pest  verfertiget"  (0.  0.  1791)  und  das  Drama  „Niclas  Zrini" 
(Wien  1790),  das  noch  in  demselben  Jahre,  bearbeitet  von  Stefan  Csepän  von  György- 
falva,  in  ungarischer  Uebersetzung  erschien  (Komorn  1790);  die  Beziehungen  zu 
Körners  „Zriny"  werden  kurz  erörtert;  ein  fünfaktiges  „nationales  ungarisches,  teil- 
weise trauriges  Lustspiel":  „Matthias  Korvinus"  scheint  nicht  vollendet  worden  zu 
sein.  H.  erwähnt  ferner  neben  der  sechsbändigen  Gozziübersetziing  noch  zwei  selb- 
ständig erschienene  Uebersetzungen  Gozzischer  Stücke  von  Werthes :  „Die  zwei  schlaf- 
losen Nächte  oder  der  glückliche  Betrug"  (Wien  1775)  und  „Die  zwei  feindlichen 
Brüder"  (Wien  1782).  — 

K.  Th.  Conz  wird  von  einem  Ungenannten''^)  als  Lorcher  Dichter  gefeiert; 
die  lokale  Färbung  seiner  poetischen  Stillleben  und  der  historische  Hintergrund  seiner 
stimmungsvollsten,  vaterländischen  Gemälde  werden  hervorgehoben.  — 

Ueber  Matthissons  Verkehr  mit  Goethe  stellt  Bock'^)  eine  Reihe  von 
Notizenbequem  zusammen.  Eine  Einwirkung  Schillers  oder  Goethesauf  Matthissons  künst- 
lerisches Schaffen  lasse  sich  nirgends  nachweisen,  seine  dichterische  Erscheinung  gehöre 
vielmehr  zu  den  Epigonen  der  Klopstockepoche.  B.  hebt -ferner  hervor,  dass  Matthisson 
im  J.  1826  von  dem  Erbgrossherzog  von  Sachsen- Weimar  eine  Abschrift  des  Tiefurter 
Journals  erhalten  habe,  die  nach  seinem  Tode  versiegelt  an  den  Herzog  wieder  zu- 
rückgegeben w^urde,  und  wünscht  eine  Veröffentlichung  der  Weimarer  Zeitschrift 
„Chaos",  an  der  Matthisson  mitgearbeitet  hat.  —  Mit  Matthissons  „Adelaide"  be- 
schäftigt sich  Englert^3^.  Im  Gegensatze  zu  Sprenger  {ygl.  JBL.  1892  IV  2  :23b) 
meint  er,  es  läge  näher  anzunehmen,  dass  Matthisson  den  Namen  Adelaide  einfach 
aus  formellen  Gründen  gewählt  habe,  da  derselbe  gerade  einen  adonischen  Vers  ab- 
gab und  sich  so  als  wohllautender  Refrain  verwenden  Hess,  weist  aber  dann,  ohne 
Scherers  Aufsatz  (ZDA.  24,  S.  279  =1  1  :  117;  2,  S.  356/7)  zu  berücksichtigen,  auf  ein  Ge- 
dicht von  Marmontel  „A  Mademoiselle  d&  Saint-S**"  mit  dem  Refrain  „Adelaide"  hin, 
das  jedoch  keine  innere  Aehnlichkeit  mit  Matthissons  Gedicht  besitze.  — 

Der  Dichter  J.  Gaudenz  von  Salis-Seewis  ist  in  dem  Buche  von  Salis- 
Soglios'*)  über  die  Konvertiten  der  Familie  von  Salis  nur  anmerkungsweise  er- 
wähnt; dessen  Sohn  Johann  Ulrich  Gaudenz  Dietegen  1794—1844  und  seine  Familie 
werden  behandelt.  Im  übrigen  sind  besonders  folgende  Mitglieder  der  Familie  Salis- 
Soglio  hervorzuheben:  Graf  Johann  von  Salis-Soglio-Bondo  1776—1855  (Auszüge  aus 
Briefen  an  ihn  von  dem  Herzog  Franz  V.  von  Modena  S.  45;  über  die  Revolution 
des  J.  1848  S.  48;  von  Erzherzog  Maximilian  S.  45,  51,  55;  von  Erzherzog  Ferdinand 
S.  46,  über  Haynau:  „Das  ist  der  Mann  für  das  19.  Jh.,  wo  kein  Band  mehr  hält"; 
von  Huster  S.  48,  von  Baron  Moy  de  Sons  S.  50 ;  von  und  an  Graf  Senfft  S.  47,  53, 
115).  Freiherr  Anton  von  Salis-Soglio  1762—1831  (S.  64  Briefe  aus  Wien  1808; 
S.  65  f.   über   den   Wiener   Kongress  1815;    S.  69  über  Aenderungen   in   der   öster- 

Erbische  Thor:  MFreibergAV.  30.  Heft,  S.  117/8.  —  69)  P.  Weizsäcker,  Wielands  Niobetochter:  VLG.  6,  S.  141,5.  — 
70)  Gnst.  Heinrich,  Fr.  Aug.  Ol.  Werthes  in  Ungarn:  UngR.  13,  S.  508-13.  —  71)  W.  Z.,  Erinnerung  an  d.  Lorcher  Dichter 
K.Phil.  Conz:  SchwftbKronB.  1892,  N.  182.  —  72)  (IV  8b  :  48.)  -  73)  A.  Englert,  Zu  ZDU.  5,  S.  637,8:  ZDÜ.  6,  S.  439-40.  — 
74)  P.  N.  V.  Salis-Soglio,   D.  Konvertiten  d.  Familie  v.  Salis.    Mit  e.  Bilde  d.  Stammsitzes  Soglio.    Luzern,  Gebr.  Räber. 


IV  2a  :  75-79     A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

reichischen  Volkshymne  1822).  Fida  Adelheid  Zaire  von  Salis-Sog-lio,  g-eb.  1788,  die 
ihren  Namen  der  damals  noch  sehr  lebhaften  Vorliebe  ihres  Vaters  für  die  Werke 
Voltaires  verdankt  S.  96.  Eine  Selbstbiographie  des  Vf.  S.  123.  —  Das  anziehende 
und  gewinnende  Bild,  das  Frey  von  dem  Dichter  J.  Gaudenz  von  Salis-Seewis  entworfen 
hat,  zeichnet  Adolf  Stern  ''^j  in  einer  liebevoll  ausgeführten  Skizze  nach.  Frey  hätte  die 
Zusammengehörigkeit  Salis  und  Matthissons  zu  stark  betont,  er  hätte  auch  den  Vorzug 
grösserer  Frische,  einfacherer  Männlichkeit  und  unmittelbarer  Natiirempfindung,  den 
der  Graubündner  in  seinen  Gedichten  vor  dem  Sohne  der  norddeutschen  Ebene 
voraus  hatte,  entschiedener  betonen  dürfen.  Wenn  der  Leser  von  heute  die  Gedichte 
von  Salis  und  Matthisson  gegen  einander  halte,  so  falle  der  Eindruck  grösserer 
Wahrheit,  schärferen  Blicks  für  die  verborgenen  Reize  der  Natur,  runderer  Plastik 
und  sinnlicheren  Sprachgefühls  durchaus  auf  Salis  Seite.  Er  sei  viel  mehr  aus 
einem  Guss  als  Matthisson.  — 

In  dem  Buche  der  Henriette  Bissing  über  Amalie  von  Helvig  vermisst 
Adolf  Stern''^)  in  einem  fesselnd  geschriebenen  Essay  nähere  Aufschlüsse  über 
ihres  Vaters  erste  Ehe.  Die  Annahme,  dass  Imhoff  seine  erste  Frau  an  Warren 
Hastings  überlassen,  gleichsam  verkauft,  dass  er  in  der  ganzen  Angelegenheit  eine 
unwürdige  Rolle  gespielt  habe,  gehe  durch  ganze  Reihen  englischer  Werke  über  den 
berühmten  Nachfolger  Imhoffs  in  Indien  hindurch;  sie  habe  durch  Macaulays 
glänzenden  Essay,  der  in  hunderttausenden  von  Exemplaren  verbreitet,  in  alle 
europäischen  Sprachen  übersetzt  sei,  eine  gewaltige  Geltung  gewonnen.  Die  Ver- 
fasserin hätte  diesen  Anschuldigungen  entgegentreten,  Gegenbeweise  vorbringen 
müssen,  nicht  an  dem  Kern  der  Frage  vorbeihuschen  dürfen ;  oder  sie  hätte  die  ge- 
schichtliche Wahrheit  wenigstens  durch  Schweigen  ehren  müssen;  dies  würde  umso 
eher  möglich  gewesen  sein,  als  in  Wahrheit  Amalie  von  Imhoff  sehr  wenig  von  den 
früheren  Lebensverhältnissen  ihres  Vaters  berührt  worden  sei.  St.  ergänzt  das  Buch 
ferner  durch  eine  Würdigung  von  Amaliens  dichterischer  Produktion,  insbesondere 
ihres  Epos  „Die  Schwestern  von  Lesbos".  Mannigfache  Geister  hätten  in  wunder- 
lichem Reigen  dieses  Werk  umschwebt.  Eindrücke  aus  Goethes  „Iphigenie",  einzelne 
Bilder  aus  „Alexis  und  Dora"  und  dem  „Neuen  Pausias",  fein  nachempfundene  Klänge 
aus  Schillers  antikisierenden  Gedichten,  Erinnerungen  an  Vossens  „Bomer",  ein  und 
der  andere  Nachhall  aus  Goethes  „Hermann  und  Dorothea",  ja  aus  Vossens  „Luise", 
Sentenzen,  die  Herders  sittlicher  Grazie  entsprungen  schienen,  Züge  und  Farben  jener 
„Griechheit",  die  die  bildende  Kunst  der  Zeit  in  den  Blättern  von  Rafael  Mengs, 
Angelika  Kaufmann,  Füssli  und  Füger  bevorzugte,  und  in  die  sich  auch  Fräulein 
von  Imhoff  hineingesehen  hatte,  hätten  sich  darin  verbunden  mit  einer  feinen  Em- 
pfindung, einem  beobachtenden  Natursinn,  der  in  der  Seele  des  jungen  Mädchens  ge- 
lebt, mit  einer  stillen  Hoheit  des  Sinnes,  die  sie  in  lebendigen  und  wirklichen 
Menschengestalten  ihrer  Umgebung  vor  Augen  gehabt.  Ein  wohlthuender  Hauch 
klaren  und  reinen  Lebensgefühls,  milder  Menschlichkeit  und  stiller  Freude  am 
Schönen  gehe  durch  das  Gedicht  hindurch.  In  den  späteren  poetischen  Versuchen 
der  Dichterin,  nach  ihrer  Rückkehr  aus  Schweden,  sei  ein  Fortschritt  über  das  hinaus, 
was  sie  schon  zu  Anfang  des  Jh.  vermocht  hätte,  nicht  zu  erkennen;  ersichtlich  g'e- 
sellen  sich  Einflüsse  der  herrschenden  Romantik  zu  den  poetischen  Elementen,  die 
bei  der  Schülerin  Goethes  und  Schillers  früher  vorgewaltet  hätten.  — 

Die  Herausgeber  des  Berliner  Musenalmanachs  von  1791—97, 
K.  H.  Jördens,  Bindemann,  F.  W.  A.  Schmidt  werden  von  Geiger'''')  kurz  charak- 
terisiert. Er  zählt  ihre  Mitarbeiter  auf,  unterscheidet  in  den  Beiträgen  eine  den 
Neuerungen  freundliche  und  eine  antirevolutionäre,  royalistische  Strömung,  hebt  die  Be- 
ziehungen zum  Herrscherhause  hervor  und  «teilt  das  Berlinische  aus  den  Almanachen 
zusammen.  — 

Das  Dunkel,  das  über  den  mutmasslichen  Vf.  der  „Gedichte  von  Filidor" 
(Leipzig  1788),  den  Leipziger  Advokaten  Heinr.  Chr.  Lebr.  Senf^),  schwebt,  ist 
durch  den  anonymen  Artikel  der  ADB.  nicht  gelichtet  worden.  — 

Auch  mit  einigen  Dichtern  geistlicher  Lieder  hatte  sich  die  ADB.  der 
Reihenfolge  des  Alphabeths  nach  diesmal  zu  beschäftigen:  Jacobs"*^)  Artikel  über 
den  Halberstädter  Domherrn  Henrich  Ernst  Graf  zu  Stolberg-Wernigerode 
(1716—78)  beruht  vorwiegend  auf  den  Briefen  und  Journalen  der  Fürstin  Luise 
Ferdinande  zu  Anhalt-Cöthen,  von  denen  7  Teile  1764—84  als  Hs.  gedruckt  sind. 
Stolberg  war  der  Mittelpunkt  für  einen  Kreis  Wernigerodischer  geistlicher  Sänger. 
688  von  ihm  verfasste  Gedichte  sind  hs.  erhalten,  338  wurden  durch  Prof.  Siegm. 
Jak.  Baumgarten  in  Halle  von  1748—52  in  vier  Bänden  zum  Druck  befördert.  Ver- 
schiedene haben  sich  lange  in  Gesangbüchern  und  geistlichen  Liedersammlungen  ge- 


1892.     4  Bl.,     134  S.     M.  2,40.  —  751  (UI  1  :  135;  S.  305-14.)  —  76)  (=N.  75,   S.  282-95.)  —  77)    L.    Geiger,    D.    Berliner 
Musenalm.  v.  1791  u.  seine  Nachf.:  YossZg".  1892,  N.  26.  —  78)  — d,  H.  Chr.  L.  Senf:  ADB.  34,  S.  23.  —  79)  Ed.  Jacobs. 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a  :  so  99 

halten,  zwei  sind  ins  Eng-lische  übersetzt.  —  Von  Chr.  Heinr.  Aug.  Silber  (gest. 
1797),  der  in  dem  „Liturgischen  Vermächtnis  für  seine  Zeitgenossen"  (Freiberg  1800) 
als  Vf.  und  Ueberarbeiter  geistlicher  Lieder  bekannt  wurde,  weiss  die  ADB.***)  zu  be- 
richten, dass  er  hinsichtlich  der  Sprache  und  des  Reimes  grosse  Ansprüche  an  sich 
gestellt  habe,  und  dass  in  dieser  Hinsicht  seine  Lieder  teilweise  nicht  so  übel  ge- 
raten seien;  inhaltlich  gehören  sie  der  moralisierenden  Richtung  jener  Zeit  an,  die 
wenig  poetische  Kraft  bewährte.  —  Von  demselben  ungenannten  Autor^')  ist  der 
Artikel  über  die  Dichterin  Marie  Klara  von  Silberrad  (gest.  1815),  die  1793 
„Biblische  Denksprüche  mit  Liedern"  anonym  in  Nürnberg  herausgab.  Ob  sie  identisch 
ist  mit  Marie  Klara  von  Lemp  auf  Ebenmut,  der  Gattin  des  Nürnberger  Advokaten 
Joh.  Gust.  Silberrad,  der  erst  nach  seiner  Hochzeit  geadelt  worden  wäre,  bedarf  noch 
weiterer  Untersuchung.  — 

In  der  ADB.  behandelt  weiterhin  Ilwof^^)  den  Benediktiner  des  Stiftes 
Admont  Ulr.  Speckmoser  (1781—1845),  geboren  -zu  Stegmühl  in  Obersteiermark, 
einen  an  den  Gymnasien  zu  Graz  und  Marburg  thätigen  Schulmann,  der  der  Vf.  einer 
Reihe  gediegener  lyrischer  Dichtungen  in  der  Beilage  zur  Grazer  Zeitung  „Der  Auf- 
merksame" ist;  Strieda^^)  den  Philologen  K.  L.  Struve  (1785—1838),  der  in 
Dorpat  und  Königsberg  wirkte  und  auch  einen  Band  nicht  weiter  charakterisierter 
„Gelegenheitsgedichte"  (Königsberg  1817)  herausgab.  — 

Das  Verzeichnis  der  Schulprogramme  des  Freiberger  Konrektors  Mo  r.  Döring, 
des  Dichters  des  Bergmannsgrusses,  welches  B.  Richter  in  seinem  Lebensbild  Dörings 
(Osterprogr.  des  Gymnasium  Albertinum  1884)  gegeben  hat,  ergänzt  Heydenreich^^) 
durch  eine  neuaufgefundene  Schulschrift  zum  11.  Apr.  1823,  Konjekturen  zu  Homer 
enthaltend.  — 

Ganz  in  der  alten  Manier  des  18.  Jh.,  im  Geiste  Gellerts  und  Hagedorns, 
Gleims  und  Goeckingks  dichtete  Fr.  Wilh.  Ehrhardt,  dessen  Andenken  Heineck^^) 
in  lokalgeschichtlichem  Interesse  aufgefrischt  hat.  Ehrhardt  war  geboren  in  Rüx- 
leben  24.  Dec.  1752,  studierte  in  Göttingen,  Halle  und  Jena,  war  1775—78  Feld- 
prediger in  Witzenhausen,  1782—86  Erzieher  in  der  Familie  Bethmann,  seit  1786  in 
Nordhausen  ansässig,  wo  er  1820  starb.  Dort  erschienen  seine  Gedichte  1805  bei 
J.  A.  Nietzsche  unter  dem  Titel  „Gedichte  eines  Nordhäuser  Bürgers".  Auch  seine 
Tochter  Elise  war  dichterisch  thätig.  Ihre  Gedichte  wurden  unter  dem  Titel 
„Wiesenblumen"  1818  gesammelt^^).  — 

Von  E.  M.  Arndts  ausgewählten  Werken^")  begannen  Ausgaben  von  Rösch®*) 
und  von  Geerds^^'^**)  zu  erscheinen.'-'i'^^)  — 

Th.  Körners  Werke^*"^*)  gab  Zimmer^s)  in  der  Klassikersammlung  des 
Bibliographischen  Instituts  neu  heraus.  Hier  kommt  nur  der  erste  Band  in  Betracht, 
der  neben  den  kleinen  Lustspielen  die  Gedichte  enthält.  Die  Texte  sind  mit  den 
ersten  Drucken  verglichen;  nur  Castellis  Taschenbuch  „Selam"  für  1813,  in  welchem 
das  Gedicht  „Der  Rynast"  zuerst  erschien,  war  dem  Herausgeber  unzugänglich.  Im 
allgemeinen  ist  die  Textrevision  nicht  sehr  ergiebig.  Zu  zwei  zuerst  von  Latendorf 
veröffentlichten  Gedichten  „An  Toni"  und  „Zum  13.  Juni"  werden  Verbesserungen 
nach  neuerlicher  Vergleichung  der  Hs.  mitgeteilt.  Ein  Anhang  bringt  vier  bisher 
ungedruckte  Gedichte:  Ein  Sonett  „Zum  6.  März",  dem  Geburtstag  der  Dora  Stock; 
„Mit  einer  Rute";  „Im  Kreis  der  Musen";  „Kunzens  Jule",  ein  poetisch  wertloses, 
aber  biographisch  nicht  uninteressantes  Gedicht  auf  die  Heirat  Julie  Kunzes  mit 
Alexander  von  Einsiedel  3.  Dec.  1808.  Er  flucht  Leipzig,  das  ihm  seine  Schwester 
geraubt  habe.  Die  Hs.  des  letzten  Gedichts  ist  schwer  leserlich.  I,  S.  19  ist  ein 
Gedicht  an  Körner:  „W^ohl  dir,  dass  du  als  Jüngling  dich  verblutet!"  mitgeteilt,  das 
bisher  ungedruckt  sein  soll  und  nach  dem  Urteil  W.  Künzels  von  C.  A.  Tiedge  her- 


Heinr.  Ernst  Graf  zn  Stolberg- Wernigerode :  ib.  36,  S.  393  6.  —  80)  1.  n.,  Ohr.  H.  A.  Silber:  ib.  34,  S.  308.  —  81)  id.,  Marie 
Clara  v.  Silberrad:  ib.  S.  314.  —  82)  F.  Ilwof,  U.  Speclcmoser:  ib.  35,  S.  845.  —  83)  L.  Strieda,  K.  L.  Struve:  ib.  36, 
S.  687-90.  —  84)  E.  Heydenreich,  E.  verschollene  Schrift  d.  Konrelitors  Mor.  Döring,  d.  Dichters  d.  Bergmannsgrusses: 
MFreibergAV.  80,  S.  115  6.  -  85)  H.  Hei  neck,  Gedichte  e.  Nordhäuser  Bürgers.  Als  Ms.  gedr.  Nordhausen,  Fr.  Eber- 
hardts  Buchdr.  11  S.  —  86)  X  E.  dtsch.  Dichterin  u.  Edelfruu  aus  d.  18.  Jh.:  DAdelsBl.  10,  S.  439-41.  —  87)  X  R- Geerds, 
E.  M.  Arndts  säratl.  Werke:  AZgl*.  8.  Sept.  —  88)  E  M.  Arndt,  Ausgew.  Werke.  1.  Gesamt- Ausg.  Her.  v.  H.  ßösch.  1.  Bd. 
L.,  K.  F.  Pfau.  1892.  IV.  344  S.  M.  3,00.  |[BurschenschaftlBll.  7  (S.-S.),  S.  306;  VossZg«.  N.  17.]  -  89)  K.  Geerds,  Ge- 
dichte V.  E.  M.  Arndt.  In  neuer  Ausw.  mit  biogr.  Einl.  her.  (=  ÜB.  N.  3081  2.)  L.,  Ph.  Eeclam  jnn.  12".  188  S.  M.  0,40. 
—  90)  X  id--  E.  M.  Arndt,  Erinnerungen  aus  d.  äusseren  Leben,  ebda.  1892.  12".  .391  S.  Mit  Bild.  M.  0,60.  —  91)  X 
id..  Von  E.M.Arndt.  Einige  wunderbare  Erlebnisse  aus  seinem  Leben,  zusammengest.:  Sphinx  14,  S.  248-52.  (Fälle  t.  Hell- 
sehen, Telepathie  etc.)  —  92)  X  E.  M.  Arndts  Urteil  aber  d.  Jesuiten:  DPBl.  26.  S.  53.  —  93)  X  H.  Keferstein,  E.  M. 
Arndt  als  Pädagoge:  DB11EÜ.  20,  S.  2136,  2215.  —  94)  X  Th-  Körners  sämtl.  Werke  in  4Bdn.  Mit  Einl.  v.  Herrn.  Fischer. 
St.,  Cotta  Nachf.  258,  243,  327,  247  S.  Mit  Bild.  M.4,00.  —  95)X  Körners  Werke.  2  Bde.  L,  Th.  Knaur.  VL  411  S.;  III,  389  S. 
M.  2,00.  —  96)  X  id.,  Werke.  111.  Pracht-Ausg.  Her.  v.  Heinr.  Laube.  2.  (Titel-)Aufl.  2  Bde.  Wien,  S.  Bentinger.  1892. 
VII,  440  S.;  427  S.  h.  M.  11,00.  —  97)  X  0.  Hellinghaus,  Leier  u.  Schwert  u.  andere  Gedichte  v.  Th.  Körner  (vgl. 
JBL.  1892  I  5  :  63).  —  98)  X  Th.  Körner,  Leier  u.  Schwert.  Kriegs-  u.  Freiheitslieder.  L.,  Walther  Fiedler.  16».  65  S. 
M.  1,00.  (Kurze  Einl.  v.  M.  Mendheim.)  —  99)  H.  Zimmer,  Körners  Werke  Krit.  dnrchges.  u.  erläut.  Ausg.  2  Bde. 
L  u.  Wien,  Bibliogr.  Inst.  28,  398,  461  S.  (Nicht  zu  übersehen,  dass  2,  S.  363  d.  d.  Erzählung  J.  Heiderich  zu  Grunde 
liegende  Begebenheit  aus  Akten  d.  k.   u.  k.  österr.  Kriegsarchirs  nachgewiesen  wird.    E.  Gefreiter  namens  J.  Heidrich  diente 


IV  2a  :  100-111     A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskrieg-en. 

rührt.  —  Den  wertvollsten  Beitrag-  zur  Körnerforschung'  lieferte  in  den  Berichtsjahren 
PeschePoo)  durch  die  Veröffentlichung"  des  Taschenbuches,  das  Körner  im  Feldzuge 
bei  sich  trug*  und  in  das  er  bis  kurz  vor  seinem  Tode  Einzeichung-en  machte.  Körner 
hatte  es  von  Frau  von  Pereira-Arnstein  zum  Geschenk  bekommen,  von  der  auch 
offenbar  die  Eintragung-  S.  30:  „Gedenken  Sie  meiner  letzten  Bitte"  herrührt.  Es 
enthält  S.  25/9  Körners  Tagebuch  vom  15.  März— 29.  Mai  1813;  S.  30/7  ein  Diarium 
unter  der  Ueberschrift  „Mein  Feldzug-"  vom  15.  März— 22.  Aug-.;  S.  38—103  die 
Krieg-slieder  teils  in  ersten  Entwürfen,  teils  in  Reinschriften,  mit  vielfachen  Ab- 
weichung-en  von  den  bekannten  Texten,  darunter  am  interessantesten  die  erste  Fassung- 
von  „Lützows  verwegene  Jagd".  Auch  den  Entwurf  des  Aufrufs  „An  das  Volk  der 
Sachsen".  Sechs  Gedichte  waren  bisher  ungedruckt:  „An  L.  als  Dank  für  das 
Feldzeichen",  unbedeutend;  „Gebet",  schwermütig  und  träumerisch;  „Als  ich  schwer 
verwundet  lag,  im  Augenblicke  des  höchsten  Schmerzes"  mit  dem  schönen  Schluss: 
„Der  Leib,  der  Schmerz  ist  sterblich.  Unsterblich  ist  der  Geist";  „Auf  Wieknitzens 
Tod"  und  das  wutschnaubende  „Lied  von  der  Rache".  Leider  ist  der  Abdruck  der 
vielfach  korrigierten  Hss.  sehr  unklar  und  unübersichtlich,  auch  der  Text  durch  die 
Lesarten  der  gedruckten  Fassungen  interpoliert,  Zusammengehöriges  auseinander- 
g-erissen  und  die  Anmerkungen  vom  Text  oft  durch  mehrere  Seiten  getrennt.  Ein 
Anhang  enthält  Mitteilungen  über  Körners  Tod  und  Beerdigung;  S.  22  ist  ein  Gedicht 
„An  Theodor  Körner"  von  Friedrich  Grafen  von  Kaikreuth.  Endlich  ist  dem  Buche 
u.  a.  beigegeben  Körners  Bildnis  nach  der  Kreidezeichnung  seiner  Schwester  Emma; 
Autotypien  von  Körners  Brief  an  Parthey  vom  23.  Aug.  1813  und  von  6  Gedichten. '"'*=') 

—  Latendorf 'Ol)  trägt  zu  seiner  Schrift  „Friedrich  Försters  Urkundenfälschungen" 
(vgl.  JBL.  1891  IV  4:101;  dazu  JBL.  1892  IV  4:  37,  39)  ein  neues  und  augenfälliges 
Beispiel  für  Sinn  und  Wesen  des  Fälschers  nach:  In  dem  erdichteten  Brief  aus 
Jauer  den  30.  März  1813  lässt  Förster  unachtsamer  Weise  von  der  Einsegnung  in 
der  „hiesigen  Kirche"  schreiben,  während  die  kirchliche  Einsegnung  der  Lützower' 
für  die  das  Weihelied  gedichtet  war,  in  dem  etwa  5  Meilen  entfernten  Rogau  statt- 
fand. —  Sanders"^-)  bestreitet  im  Anschluss  an  eine  Bemerkung  von  K.  E.  Franzos 
in  der  Deutschen  Dichtung  die  Berechtigung,  gegen  Körners  Gedichte  Bedenken  und 
Einschränkungen  geltend  zu  machen  und  versieht  die  drei  Gedichte  „Schwertlied", 
„Lützows  wilde  verwegene  Jagd"  und  „Gebet  während  der  Schlacht"  mit  einigen 
sprachlichen  und  metrischen  Bemerkungen.  —  In  einem  bunten  Sammelschriftchen 
stellt  Mus  iol^o^)  die  Beziehungen  der  Familie  Körner  zur  Musik  zusammen.  Erzählt 
die  Musiker  auf,  die  in  Körners  Vaterhause  verkehrten  und  berichtet  über  die 
Musikliebe  und  die  Kompositionen  des  alten  Körner;  dann  über  Theodors  Alusik- 
unterricht,  über  die  von  ihm  gebrauchten  Instrumente  und  deren  Verbleib.  S.  21 : 
Verzeichnis  der  im  Körnermuseum  im  Ms.  erhaltenen  Kompositionen  Theodors,  darunter 
die  Schillerschen  Gedichte  „Der  Alpenjäger",  „Teilung  der  Erde",  „Resignation"  und 
„Hoffnung"  für  Gesang  und  Guitarre  komponiert.  Es  folgen  Briefstellen  über  Musik- 
aufführungen in  Wien,  Nachrichten  über  seine  Musikliebe  und  Musikkenntnis,  Stellen 
aus  seinen  Werken  über  Musik;  ein  Verzeichnis  von  Komponisten,  die  Körnersche 
Gedichte  gesetzt  haben;  Kompositionen  zu  seinen  Dramen;  seine  Operntexte  und 
deren  Kompositionen ;  Lieder,  die  auf  ihn  Bezug  haben,  und  musikalische  Dramen,  in 
denen  er  auftritt. 'o*"">'<)  _  Das  früher  erschienene  Werk  Peschels  (vgl.  JBL.  1891 
IV  4:100)  wurde  von  Frank el"*^),  die  Arbeiten  von  Brockhaus  (vgl.  JBL. 
1891  IV  4:103),  Hauflen  (ib.  N.  50)  und  Bischoff  (ib  N.  106)  von  Sauer  i««)  re- 
censiert.i'o-iii)  — 

wirklich  im  Rejfimente  Stuart.  D.  Oberlieutenant  hiess  Hrorauda.)  —  100)  W.  E.  Peschel,  Th.  Körners  Tagebuch  u. 
Kriegslieder  aus  d.  J.  1S13.  Mit  d.  Bilde  Th.  Körners,  Abbild,  seiner  Grabstätte,  sowie  6  autotyp.  Gedicliten  u.  1  Briefe 
Th.  Körners.  Nach  d.  Orig.-Hs.  veröffentl.  Freiburg  i.  B.,  F.  E.  Fehsenfeid.  VIII,  107  S.  M.  2  00.  [AMZg.  68,  N.  61; 
K.  Siegen:  Didaslc.  N.  160  (aus  LeipzTBl.);  E.  B.:  LZg.N.  158;  E.G.:  NatZg.  N.433;  E.  M.  Meyer:  ML.  S.  727;  R.  Broclt- 
haus:  BLU.  S.  449-51;  Grenzb.  3,  S.  236,8.1|  —  100a)  X  H.  Zimmer,  6  neue  Gedichte  zu  Th.  Körners  „Leier  u.  Schwert" : 
BurschenschaftlBll.  7  (3.-S.),  S.  240,1.  —  101)  P-  Latendorf,  E.  frivole  Körnerfälschnng  an  e.  einzigen  Worte  nachgewiesen : 
KonsMschr.  4,  S.  4634.  —  102)  I).  Sanders,  Tli.  Körner  (geb.  23.  Sept    1791,  gest.  26.  Aug.  1813):  ZDS.  5,  S.  329-33.  369-76. 

—  103)  R.  Musiol,  Th.  Körner  u.  seine  Beziehungen  z.  Musik.  Musikhist.  Studie.  Ratibor,  E.  Sinimich.  96  S.  M.  1,50. 
IIP.  A.:  LZg".  N.  89.]|  —  104)  X  A.  Kohut,  Th.  Körner,  Sein  Lehen  u.  seine  Dichtungen.  Für  d.  Jugend  u.  d.  Volk. 
2.  (Titel-)Anfl.  Mit  d.  Portr.,  e.  Namens-  u.  Gedichts-Facs.  B.,  C.  Georgi.  1891.  X,  319  S.  M.  4.00.  —  105)  X  Th. 
Schemmling,  Andenken  an  Wöbbelin!  Leben,  Dichten,  Sterben,  Abbild,  u.  Inschriften  d.  Grabstätte  d.  Heldendichters 
Th.  Körner.  Güstrow  (Opitz  &  Co).  30  S.  M.  0,40.  —  106)  X  (IV  la:32;  S.  82-96.)  --  107)  X  Th.  Körner.  Erinnernngsbll. 
ges.  aus  Anlass  d.  Wiederkehr  seines  100.  Geburtst.  v.  d.  Lese-  u.  Eedehalle  d.  dtsch.  Studenten  in  Prag.  Prag,  J.  G.  Calve. 
1892.  56  8.  M.  0,80.  (Enthfilt  Gedichte  v.  F.  Adler,  J.  Bendel,  R.  Bunge,  R.  Byr,  B.  Curneri,  J.  J.  David, 
L.  A.  Frankl,  M.  Greif,  F.  Herold,  P.  Heyse,  F.  Keim,  A.  Klaar,  St.  Milow,  A.  A.  Naaff,  H.  Rollet, 
P.  K.  Eosegger,  Emil  Prinz  zu  Schön  aich-Carolath,  A.  Silberstein,  H.  Swoboda,  M.  Urban;  Sprüchen.  Briefe 
V.  H.  Heiberg,  E.  Herbst,  Ph.  Knoll,  0.  v.  Leixnor,  K.F.Meyer,  E.Plener,  A.  E.  Schönbach,  A.  G.  v.  Suttner, 
B.  Voss,  Weitlof;  Aufsätze:  Th.  Körner  als  Student  v.  A.  Hauffen;  Th.  Körner  u.  d.  akad.  Jugend  v.  E.  Keil;  D.  Ver- 
mächtnis Körners  an  d.  dtsch.  Jugend  in  Oesterr.  v.  K.  PröU:  Körners  Sonett:  Hofers  Tod  im  Autogramm.)  —  108)  L. 
Fränkel:  ZDU.  6,  S.  8523.  —  109)  A.  Sauer:  DLZ.  S.  15612.  (Brockhaus  S.  47:  Krusst  verlesen  für  Krufft  :i=  Freiherr 
Nikolaus  V.  Krufft.)    —    HO)  X  R-  Edgcnmbe,  Th.   Körner:   NQ.  3,   S.  309.    (Kurze  Anz.   englischer  Werke    6ber  Körner.) 

—  111)  X  Th.  Körner,  Z.  Nachtr.  Transl.:  Jonrn.il  of  Education.  1892,  Nov.  -  112)  K.  Th.  Gaedertz,  Hamburger  Friedens- 


J.  Elias ,  Lyrik :  Von  den  Freiheitskrieg-en  bis  zur  Gegenwart.    IV  2a :  na-iu  IV  2b :  i-5 

Gaedertz"2)  teilt  das  zu  einer  privaten  Festfeier  Haraburgischer  Freunde 
in  Jena  verfasste  Gedicht  von  Johann  Diedrich  Gries:  „Hamburgs  Befreiung 
1814"  in  erster  Fassung  mit:  „Sei  uns  gegrüsst  vom  fernen  Saalestrande",  ebenso  ein 
zweites  zu  derselben  Feier  verfasstes  Gedicht  von  Ed.  Wesselhöft:  „Der  Herr  gebot! 
Europas  Fesseln  fielen".  —  Ferner  publiziert  Gaedertz  "^)  ein  bisher  ungedrucktes 
humorvolles  Theelied  von  Gries,  das  dieser  als  Dank  für  eine  Sendung  Thee  1829  an 
Alexis  Bohn  nach  Stuttgart  richtete.^'*)  — 


b)  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

Julius  Elias. 

Alliremeines  N.  1.  —  Schwäbische  Dichter  N.  6.  ~  Hedwig  von  Olfers  N.  20.  —  Heinrich  und  Charlotte  Stieglitz 
N.  29.  —  Platen  N.  33.  —  Rackert  N.  39.  —  Bodenstedt  N.  43.  —  Annette  von  Droste- Hülshoff  N.  81.  —  Freiligrath  N.  87.  — 
F.  von  Sallet,  G.  Herwegh,  J.  Ohm.  von  Zedlitz  N.  89.  —  Hoffmann  von  Fallersleben  N.  97.  —  Geibel  N.  104.  —  G.  von  Leinburg, 
Alex.  Kaufmann,  0.  L.  Heubner  N.  108.  —  L.  Sehefer,  Spiller  von  Hanenschild,  J.  Hammer  N.  112.  —  K.  J.  Ph.  Spitta  und 
K.  Gerok  N.  116.  — 

An  der  Spitze  dieses  Berichtes  verdient  ein  allgemein  charakterisierender 
Aufsatz  Brunetieres^),  der  der  Entwicklungsgeschichte  der  französischen  Lyrik  in 
diesem  Jh.  sehr  sorgfältig  nachgegangen  ist,  wenigstens  kui'z  verzeichnet  zu  werden. 
Allerdings  wird  der  Einfluss  Goethes  auf  den  französischen  Lyrismus  zumal  an  der 
Stelle  nicht  verschwiegen  (S.  137,  196,  199,  300),  wo  es  sich  um  die  ästhetische  Frage 
nach  der  Befreiung  des  Individuums  handelt,  aber  B.s  Betrachtungsweise  ist  doch  nur 
zögernd  und  wenig  tief.  Er  konsultiert  über  Deutschlands  Kultur-  und  Litteratur- 
verhältnisse  sehr  stark  Mme.  de  Stael,  ferner  Heine  (S.  200,  203,  298).  Die  Geistes- 
verwandschaft  Baudelaires  und  Richard  Wagners  ist  in  späteren  Abschnitten  über  den 
Symbolismus  lebhaft  betont;  von  unseren  Philosophen  huschen  Kant,  Fichte,  Schopen- 
hauer, Nietzsche  durch  die  Darstellung.  —  Wie  sehr  sich  pädagogische  Kurzsichtigkeit 
und  Zimperlichkeit  gegenüber  dem  Liedergut  des  deutschen  Volkes  versündigt,  das 
schildert  mit  Leidenschaft  und  Spott  ein  Anonymus^),  zumal  an  gemütvoll-kräftigen 
Liebesliedern,  die  sich  unter  der  Hand  von  Schulmeistern  in  banale  und  gleich- 
gültige Reimereien  verwandelten;  zu  den  Pädagogensünden  gesellen  sich  allerlei 
„Komponistensünden"3)^  die  an  altdeutschen  Gesängen  versucht  und  im  einzelnen 
von  Mendelssohn  an  Spee  und  von  Schumann  an  Mahlmann  begangen  wurden.  — 
Thekla  vonSchober*)  sammelte  hs.  Gedichte  von  vielen  Poeten  dieses  Jh.  Stücke 
von  Scheffel,  Arndt,  Holtei,  Klaus  Groth,  Gerok,  Julius  Sturm,  das  fromme  Gedicht 
des  Knaben  E.  von  Willich,  das  Kaiser  Friedrich  so  sehr  liebte,  sind  längst  gedruckt. 
Dann  finden  sich  in  dem  hübschen  Buche  ein  Gelegenheitsgedicht  des  Dr.  Baer  in 
Hirschberg  auf  Kaiser  Friedrich  zur  Einweihung  eines  Denkmals  und  mehrere 
liebenswürdig-fromme  Verse  aus  dem  wohl  auch  schon  veröffentlichten  Gedichte 
der  Fürstin  Eleonore  von  Reuss:  „Flügel  und  Hände".  Etwas  bedeutender  sind 
Stammbuchverse  Arndts  vom  12,  April  1794  an  den  Vater  der  Sammlerin,  die  in 
warmer  Begeisterung,  einigermassen  bilderreich,  das  Lob  der  Freundschaft  singen, 
und  lustige  Zeilen  Holteis  nach  aufgegebenen  Reimen.  Das  Beste  sind  nach  Form 
und  Gehalt  die  vorgelegten  Proben  aus  Franz  von  Schobers  Nachlass,  darunter 
schwungreich  aus  dem  nationalen  Bewusstsein  der  Ungarn  herausempfunden:  „Ungarns 
Gruss  an  F.  Liszt"  und  „Hungaria"  (von  Liszt  komponiert).  Noch  ist  der  „Fahnen- 
schwur"  hervorzuheben,  der  Sammlerin  1845  überreicht:  das  Gelübde  des  Poeten, 
nur  für  Edles  und  Gutes,  Recht  und  Freiheit  seine  Gaben  zu  gebrauchen.^)  — 


feier  in  Jena  1814:  HambCorr.  1892,  N.  165.  —  U3)  id.,  E.  ungedr.  Gedicht  v.  J.  D.  Gries:  ib.  N.  678.  —  U4)  X  Dichter- 
iclänge ans  Deutschlands  grosser  Zeit.  Patriot.  Dichtungen  z.  Feier  d.  nat.  Gedenktage  in  Schulen  u.  Vereinen.  3.  Aufl. 
Langensalza,  Beyer  &  Söhne.     12».     XH,  212  S.     M.  1,20.     (Vorrede  unterzeichnet  F.  M.)  — 

1)  F.  Brunetifere,  L'evolution  de  la  poesie  lyriqne  au  XIX.  sifecle.  Conrs  libre  de  la  Sorbonne:  RPL.  1, 
S.  65-72.  99-107,  135-42,  164-72,  195-203,  257-64,  293-302,  331/9,  363-72,  495-504,  517-24,  594-603,  613-22,  650,9.  6S6-94, 
743-51,  773-80.  (D.  Stoff  verteilt  sich  im  einzelnen  so:  Les  origines;  Bernardin  de  Saint-Pierre ;  Chateaubriand  et  Andre 
Chönier;  La  poesie  de  Lamartine;  L'emancipation  du  Moi  par  le  romantisme;  La  premi^re  maniere  de  V.  Hugo;  L'cBuvre 
poetiqne  de  Sainte-Beuve;  A.  de  Musset;  La  trunsformation  du  lyrisme  par  le  roroan;  A.  de  Vigny;  L'oenvre  de  Th.  G.-iutier; 
La  seconde  maniere  de  V.  Hugo;  Leconte  de  Lisle;  De  Heredia,  Sully  Prndhomnie  et  F.  Coppee;  Le  syrabolisme;  im  zu- 
sammenfassenden Schlusskap.  werden  u.  a  metrische  Fragen  erörtert.)  —  2l  D.  Verunstaltung  dtsch.  Lieder:  Grenzb.  1392:  4, 
8.  316-23.  -  3)  Komponistensünden:  ib.  S.  3412.  —  4)  (IV  Ic:  75.)  —  5)  X  Weihnacliten  in  d.  alt.  u.  neueren  Dichtung. 
(=  Kinderglocken  N.  1.)  B.,  L.  Burmeister.  1892.  16".  32  S.  M.  0,10.  (Ans  d.  Sonntagsschnl-Litt.;  u.  a.  Volkslieder, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    lY.  (4))0 


IV  2b  :  6-16  J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Geg'enwari 

Aus  der  Restgruppe  der  schwäbischen  Dichter,  die  das  Kapitel 
Romantik  übrig-  lässt  (vgl.  IV  10 :  105—63),  sei  zunächst  Leo  von  Seckendorff  ge- 
nannt, in  dessen  Musenalmanach  für  das  J.  1807  öhlands  wie  Kerners  erste 
Gedichte  erschienen  sind.  Seckendorff  war  dem  Uhlandschen  Kreise,  der  sich  um 
das  „Sonntagsblatt"  scharte,  ein  treuer  Berater.  Fränkel^)  spricht  für  eine  Sammlung 
und  Veröffentlichung  des  Seckendorffschen  Briefwechsels,  aus  dem  sich  auch  für 
Goethe  manches  ergeben  müsste.  —  Einen  Jüngling  aus  Uhlands  Kreise,  eine  hoffnungs- 
reiche, am  politischen  Elend  der  Zeit  verendete  Dichternatur  schildert  wehmütig, 
warm,  Rümelin''):  August  Mayer,  Karls  Bruder,  den  eine  tiefe  und  auch  litterarisch 
nicht  unfruchtbare  Freundschaft  mit  Kerner  und  Schwab  verband.  Er  war,  ein  sehr 
begabter  Mensch,  dazu  geschaffen,  sich  künstlerisch  auszuleben;  auch  die  Musik  war 
ihm  tief  ans  Herz  gewachsen  —  er  hat  Lieder  Uhlands,  z.  B.  „Ich  hatf  einen 
Kameraden"  komponiert,  —  doch  die  sklavische  Napoleonvergötterung  seines  Landes- 
herren riss  den  Widerwilligen  in  den  russischen  Feldzug.  Eine  nervöse  Todessehn- 
sucht ergriff  ihn;  hier  setzt  eine  sehr  hübsche  Charakteristik  der  Mayerschen  Feld- 
zugsbriefe ein.  Das  letzte  Gedicht  stand  in  Kerners  Almanach  für  1813,  und  Schwab 
hat  das  traurige  Opfer  der  Despotie  rührend  besungen.  R.  bringt  den  jungen  Schwaben 
in  einen  wirksamen  Gegensatz  (übrigens  angeregt  durch  Goedeke^  3,  S.  345)  zu  einem 
anderen  Dichterfreunde  Uhlands,  Fr.  von  Harpprecht,  der,  ein  Kriegsmann  aus  Neigung, 
begeistert  zu  den  Fahnen  Napoleons  sich  schlägt.  —  Von  Mörike  sind  wiederum 
launige  Kleinigkeiten  ans  Licht  gekommen:  Durch  C.  von  Arnswaldt**)  veröffentlicht, 
ein  Sprüchlein  gegen  die,  die  sagen,  dass  „Gutenbergs  Erfindung  so  nahe  lag";  so 
nahe,  meint  Mörike,  wie  dem  Herrgott  die  ganze  Weltschöpfung:  sie  musste  ersonnen 
sein^).  —  Unter  den  jüngsten  Recensenten'^)  des  Mörike-Stormschen  Briefwechsels 
(vgl.  JBL.  1892  IV  2 :  119)  wünscht  ErichSchmidt  mit  Recht,  dass  der  neunzehn- 
bändigen  Ausgabe  der  Werke  Storms  ein  zwanzigster  Band  hinzugefügt  werde,  der 
das  bekannte  Bruchstück  der  Jugendgeschichte  und  eine  sorgfältige  Auswahl  der 
Briefe  böte^i"^^^.  —  Das  nicht  eben  fruchtbare  Verhältnis  zwischen  Mörike  und  Tieck 
unterzieht  Krauss^^^  einer  neuen  Betrachtung.  Tieck  hat  wohl  im  Sommer  1828 
zum  ersten  Male,  in  Schwaben,  von  Mörike  gehört.  1832  erscheint  der  „Maler  Nolten" ; 
Tieck  ist  voll  Bewunderung  für  das  Buch,  und  Mörike  wendet  sich  nun,  durch  das 
rückhaltlose  Lob  ermutigt,  in  einem  herzlich  verehrenden  Briefe  (bei  Holtei  2,  3657) 
an  Tieck,  dessen  Novellen  ihm  Muster  gewesen.  TiecJcs  wiederholter  Besuch  in 
Schwaben  (Sommer  1841)  erregte  in  Mörikes  B>eunden  grosse  Erwartungen:  Der 
Dichter  kränkelte,  mühte  sich  in  unzuträglichen  Verhältnissen  ab,  und  so  dachte  man, 
der  einflussreiche  Tieck  werde  hier  etwas  thun.  In  diesem  Sinne  schreibt  Hermann 
Kurz  unter  dem  26.  April  1841  an  Mörike.  Der  indessen  stellte  sich  beim  Rendezvous 
in  Weinsberg  nicht  ein.  K.  bekämpft,  überzeugend,  die  Ansicht,  Mörike  habe  aus 
Hochmut  den  Besuch  Tiecks  erst  abwarten  wollen.  Unbefriedigender  Gesundheits- 
zustand war  der  Grund.  Auf  eine  Anregung  Kerners  schreibt  Tieck  am  3.  Juli  einen 
liebenswürdigen  (von  K.  abgedruckten)  Brief  an  Mörike,  der  die  Antwort  schuldig 
bleibt.  Tieck  that  dann  auch  nichts  mehr.  Mörikes  stille  Verehrung  aber  für  den 
greisen  Dichter  dauerte  fort.  —  Am  30.  Nov.  1893  erinnerte  Bett elhe im  i*J  an  den 
achtzigsten  Geburtstag  des  Hermann  Kurz  durch  eine  litterarische  Würdigung,  die 
den  Dichter  und  Schilderer  der  Natur  der  Vergessenheit  entreissen  möchte,  den  Er- 
forscher schwäbischen  Lebens,  den  Gelehrten  und  Uebersetzungskünstler  wieder  vor 
Augen  bringt  und  den  treuherzigen  Süddeutschen,  den  Lebensfreund  der  grossen 
Schwaben  charakterisiert.  B.s  heisser  Wunsch  einer  ausführlichen  Biographie  wird, 
fürchte  ich,  nicht  allzu  Vielen  am  Herzen  liegen.  —  Sprenger*^)  citiert  nach  Long- 
fellow  (Prose  works,  author.  ed.  London,  Routledge,  S.  469),  dass  der  englische  Dichter 
Dec.  1827,  aus  Verehrung  für  Wilhelm  Müllers  Romanze  „Est  est",  von  Montefiascone 
aus  das  Grab  des  Bischofs  Johann  Defoucris  aufgesucht  habe,  ,,who  died  a  martyr 
to  bis  love  of  this  wine  of  Montefiascone".  —  Ueberaus  anmutig  ist  die  Schilderung, 
die  ein  Anonymus^^)  (Johannes  Trojan?)  von  einer  sommerlichen  Wanderfahrt  nach 
der  Stätte  entwirft,  wo  einst  Chamissos  Stammburg  stand.  Aus  Bauernmunde  hat  er 
Manches  erfahren  von  den  Schicksalen  des  Schlosses  Boncourt,  von  dem  Nachruhm 
des  Geschlechtes.  Die  Einwohner  von  Vieildampierre  an  der  Aube  hatten  während 
des  Krieges  1870 — 7 1  nichts  zu  leiden,  weil  der  feindliche  Regimentschef,  von  Chamisso, 


Arndt.  Reinick,  Krnmmacher,  Prutz,  Klette.)  —  6)  L.  Fränkel,  Leo  v.  Seckendorff  u.  d.  schwäb.  Dichter :  BBSW.  1892,  S.  207/8. 

—  7)  Ad.  Rümelin,  Z.  Gedächtnis  e.  Verschollenen:  BBSW.  S.  3-17.  —  8)  E.  Mörike,  Gutenbergs  Erflndung.  (Her.  v.  C. 
T.  Arnswaldt):  DDichtung.  14,  S.  161.  —  9)  X  »d..  Versus  domesticns:  ib.  12,  S.  19.  —  10)  DR.  1892:  4,  S.  251 ; 
Nation".  9,  S.  232;  Erich  Schmidt:  DLZ.  1892,  S.  100/1;  DRs.  77,  S.  474;  WIDM.  73,  S.  141.  —  11)  X  L.  v.  Donop, 
J.  Bächtold,  Briefwechsel  zwischen  M.  v.  Schwind  u.  E.  Mörike  (vgl.  JBL  1890  IV  2:81):  DLZ.  1892,  S.  232.  —  12)  X 
E.  Mörike,  Ges.  Werke.    4  Bde.    3.  Aufl.    St.,  Göschen.    1889-90.    |[DRs.  77,  S.  474;  YossZg».  1892,  N.  4.]|  —  13)  (IV  10:40.) 

—  14)  A.  Bettelheim,  H.  Kurz:  AZg".  N.  278.  —  15)   R.  Sprenger,  Zu  W.  Müllers  Romanze  „Est  est." :  ZDPh.  23,  S.  142/3. 

—  16)  J.  T.,   Sohloss  Bonconrt:   DRs.  74,   8.  281/6.   —   17)    F.  Notter,   Gedichte.    In  Ausw.    her.  v.  R.  Kranss.    St,  Cotta. 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Geg-enwart.    IV  2b  :  17-21 

der  Enkel  ihres  eigenen  Schlossherrn  war.  Bei  eiijer  Bäuerin  fand  der  Vf.  ein  Bildnis 
der  Dichtermutter,  im  Watteaugeiste  der  Zeit  gehalten.  —  Eine  kleine,  doch  angenehme 
Persönlichkeit,  Friedrich  Notter  (geb.  zu  Ludwigsburg  23.  April  1801,  gest.  15.  Febr. 
1884)  führt  Kr  aus  s'')  in  die  Geschichte  der  deutschen  Lyrik  ein,  indem  er  aus 
seinem  dichterischen  Nachlass  eine  geziemende  und  vorteilhaft  geordnete  Auswahl 
veranstaltet  und  eine  massvoll  anerkennende  Einleitung  dazu  schreibt.  Notter  ist 
bekannt  aus  seinem  freundschaftlichen  Verhältnisse  zu  Uhland,  aus  seinem  intimen 
Verkehr  mit  Mörike  und  F.  Th.  Vischer.  Auch  Schwab,  Lenau,  Kerner,  Graf 
Alexander  Alb.  Knapp,  H.  Kurz,  M.  Hartmann,  Freiligrath  interessierten  sich  für  ihn, 
und  sein  litterarischer  Pylades  war  Paul  Pfizer.  Er  war  Publizist  (als  Redakteur 
verschiedener  Cottascher  Unternehmungen),  Politiker,  Dramatiker,  Litterarhistoriker, 
Uebersetzer  und  seiner  Anlage  nach  Lyriker.  Er  hatte  ein  grossdeutsches  Herz  und 
schwärmte  früh  für  ein  neues  Kaiserreich  unter  Preussens  Führung.  Als  Mensch 
war  er  rein,  sanft,  treu;  eine  gewisse  Melancholie  war  seinem  Wesen  nicht  fremd, 
die  aus  dem  Unterschiede  seiner  begrenzten  natürlichen  Gaben  und  seiner  viel  weiter 
gesteckten  Absichten  entsprang.  K.  gesteht  selbst  zu,  dass  Notters  Dante-Ueber- 
setzung,  die  ihm  übrigens  die  lebhaften  Sympathien  König  Johanns  (Philalethes) 
eintrug,  länger  leben  werde,  als  alles  andere,  was  er  hervorgebracht,  auch  als  seine 
Lyrika,  die  in  schlichtem,  doch  wenig  persönlichem  Tone  die  Natur,  Lebens- 
stimmungen, Herzensgeheimnisse  singen,  in  leichtem  Distichengang  die  Freundschaft 
feiern,  unter  Mörikes  Einfluss  antike  Formen  zu  beleben  suchen  und,  in  ühlands  Art, 
Balladenstoffe  nicht  verschmähen;  Gelegenheitsgedichte  bezeugen,  dass  Notter  seine 
Zeit  verstand.  In  der  Hauptsache  ist  es  bewährtes  schwäbisches  Schema.  —  Aus  der 
schwäbischen  Meistersingerstube  her  wird  auch  der  jüngere  Stern,  Eduard  Paulus'^), 
gefeiert,  dessen  umfangreiche  Sammlung  mir  nicht  vorlag.  U.  a.  charakterisiert  ihn 
Ebner  als  Kunst-  und  Alterstumsforscher  und  als  Künstler:  als  den  Poeten  des 
Seelenfriedens,  den  Freund  des  Helldunkels  und  Dämmerlichtes.  —  Weitbrecht*'^) 
vergleicdit  den  „merkwürdigen  überzwerchen  Schwabenkopf'  in  dem  Punkte  mit 
Vischer,  dass  er  mit  Bewusstsein  Schwabe  war  und  Schwabe  sein  wollte,  dabei  „aber 
ebenso  bewusst  über  das  schwäbische  Wesen  sich  hinausstreckte  und  für  die  grossen 
Angelegenheiten  der  Nation  ein  offenes  Auge  hatte".  Dabei  aber  teilt  er  ihm  so  tiefe 
und  weite  lyrische  Eigenschaften,  eine  solche  Kraft  der  gestaltenden  Phantasie,  ein 
so ,  starkes  Gefühl  der  Persönlichkeit,  einen  so  bedeutenden  Humor,  eine  so  gewaltig'e 
Ausdrucksfähigkeit  zu,  dass  man  sagen  kann,  W.  habe,  ohne  Distanz  zu  seinem 
Gegenstande,  den  Typus  des  grössten  Lyrikers  der  W^elt  zeichnen  wollen.   — 

Zu  Wilhelm  Müller  gehört  Hedwig  von  Ol  fers,  das  Ideal  seiner  Jugend, 
der  Stolz  seiner  frühen  Gesänge.  Ueber  die  Entstehungsgeschichte  der  Müllerlieder 
ist  (vgl.  JBL.  1892  I  9:79;  IV  2:  124/6)  schon  Einiges"  mitgeteilt  worden.  Fried- 
la ender 20-21)  hat  seine  interessanten  Nachweise  zu  einem  Vortrag  verarbeitet  und 
ihn  auch  drucken  lassen.  Nach  Rellstabs  Werk:  Ludwig  Berger.  Ein  Denkmal  (1846) 
schildert  er,  wie  jene  Lieder  aus  dem  feinen  Unterhaltungsbedürfnis  einer  romantisch 
erregten  Gesellschaft  hervorgingen,  die  das  Thema  von  der  Rose  der  schönen 
Müllerin  nach  „La  bella  molinara"  von  Paisiello  anschlug-  (Winter  1816  auf  17).  Der 
Tonsetzer  Ludwig-  Berger  —  er  arbeitete  langsam,  zaudernd,  vielfach  verwerfend  — 
hat  Müller  getrieben,  seine  Lieder  zu  einem  Cyklus  zusammenzustellen.  Bergers 
Kompositionen,  ein  schmächtiges  Heft,  „Gesänge  aus  einem  gesellschaftlichen  Lieder- 
spiele Die  schöne  Müllerin"  findet  sich  auf  der  Königl.  Bibliothek  in  Berlin;  es  ent- 
hält fünf  Lieder  des  Müllers,  eins  des  Jägers  und  je  zwei  des  Gärtnerknaben  und  der 
Müllerin;  auch  der  Junker  muss  aufgetreten  sein.  F.  giebt  nun  wichtige  textgeschicht- 
liche Bemerkungen  und  lässt  einzelne  der  im  Cyklus  nicht  vorhandenen  Gedichte 
abdrucken.  Der  Gärtnerknabe  ist  Luise  Hensel;  ein  Lied  der  Müllerin  über  ihre 
Lieblingsfarbe  Grün  giebt  den  Anstoss  zu  W\  Müllers  Lied  „Die  liebe  Farbe".  Ueber 
den  Schluss  berichtet  F.,  dass  sich  die  Müllerin  dem  Müller  ins  W^asser  nachstürzt, 
und  der  Jäger  auf  dem  Grabe  der  Beiden  ein  wehmütiges  Trauerlied  anstimmt.  Ver- 
schiedene Fassungen  der  ersteren  und  der  späteren  Publikationen  von  Müllers  Ge- 
dichten stellt  F.  zusammen,  und  er  hebt  auch  ein  „ungereimtes  Lied"  aus,  das  Müller 
1817  veröffentlichte,  ohne  es  dann  in  den  Cyklus  aufzunehmen.  F.  handelt  endlich 
über  Bergers  Melodien  und  über  Schubert.  Auch  den  Einfluss  des  Wunderhorn  auf 
einzelne  Lieder  des  Cyklus  hat  er  nachgewiesen.  —  Das  entzückende  Bildnis  der 
fünfeehnjährigen  „schönen  Müllerin"  schmückt,  höchst  charakteristisch,  das  litterarische 


16».  152  S.  M.  2,00.  i[E.  Weitbrecht:  BLU.  S.  679-80.]  —  18)  O  Ed.  Paulus,  Ges.  Dichtungen.  St.,  Frommann.  1892. 
Vni,  454  S.  M.  4,00.  |[Th.  Ebner:  Geg.  42,  S.  83-90;  K.  Weitbrecht:  BLU.  1892,  S.  4813;  AZg«.  1892,  7.  Juni; 
Vom  Fels  z.  Meer  1892,  Heft  11,  S.  337,8;  Schw&bKron».  1892,  12.  Nov.;  J.  Hart:  TglRs".  1892,  N.  142.]|  —  19)  K.  Weit- 
brecht, V.  Schwab.  Dichtern  (Ed.  Paulus):  NZürichZg.  1892,  N.  194.  —  20)  M.  Fried laen der,  D.  Entstehung  d.  Müller- 
lieder.   E.  Erinnerung   an  Frau  y.  Olfers:  DEs.  73,  S.  301  7.  —  21)  X  >^<  ^-  Entstehung  d.  Müllerlieder.  Vortr.  geh.  inGDL.: 

(4)10* 


IV  2b  :  22-32     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

Denkmal^-),  das  Herman  Grrimm.^ä),  Erich  Schmidt^^)  und  Ernst  von  Wiiden- 
bruch  der  am  11.  Dec.  1891  heimgegangenen  Hedwig  von  Olfers,  geb.  von  Stägemann, 
mit  einer  diskreten,  das  persönliche  Wesen  dieser  ausserordentlichen  Frau  erschöpfenden 
Auswahl  ihrer  Dichtungen,  gesetzt  haben,  eine  pietätvolle  Trias  mitfühlender  Freunde. 
Der  Zauber  dieses  (von  Wolff  in  Paris  gemalten)  Porträts  ist  innerlich  mit  dem  Buche 
verwachsen  und  verwandt:  Ueber  dem  Leben  und  dem  Dichten  Hedwig  von  Olfers, 
dieser  „Unwandelbaren,  Unverwundbaren",  liegt  ewige  Jugend  gebreitet.  Aus  per- 
sönlichen Erinnerungen  schöpfen  die  Nekrologisten  alle  drei:  G.  lässt  die  merk- 
würdige Gestalt  psychologisch  aus  ihrer  Zeit  herauswachsen;  er  ist  geistreich.  Erich 
Seh.  stellt  die  neu  gewonnene  dichterische  Persönlichkeit  litterarisch  dar;  er  übt,  be- 
deutend, das  Amt  des  Historikers;  W.,  der  sich  schon  als  werdender  Poet  ihrer  warmen 
Nähe  erfreuen  durfte,  schildert  das  entzückende  Menschenkind;  er  ist  ganz  dichte- 
risches Temperament  und  erregtes  Gemüt.  Was  Hedwig  von  Olfers  selbst  uns  spendet, 
ist  der  naive  Schatz  einer  poetisch  gestimmten  Lebenskunst.  Sie  hat  nicht  produziert, 
um  litterarisch  wirksam  zu  sein.  Fein  sagt  Grimm:  „Frau  von  Olfers  war  eine 
Dichterin,  aber  sie  war  ein  Veilchen  im  Walde.  Es  entzückte  sie,  an  ihrer  Stelle  zu 
empfinden,  dass  sie  im  Blühen  stehe"  (S.  VI).  Nicht  minder  treffend  Erich  Schmidt, 
der  auch  in  ihren  Brietwechsel  Einsicht  nahm:  „Ihre  Gedichte  sind  Blüten  der  Ge- 
legenheit, nicht  gedankenschwer,  nicht  leidenschaftlich,  —  zierende  Gewinde,  auch 
Kränze  verblichener  Freuden,  bildlich,  melodisch,  phrasenlos,  mit  zarter,  aber  durch- 
aus gesunder  Weltansicht  durchwirkt,  gern  Freunden  in  Lust  und  Leid  dargebracht, 
immer  wohlthätig"  (S.  XVI).  Zugleich  aber  werden  diese  documents  humains  un- 
schätzbare Zeugnisse  einer  grossen  Epoche  im  deutschen  Gefühlsleben.  Im  Gedächtnisse 
der  Frau  von  Olfers  wurzelten  ihre  jugendlichen  Beziehungen  zu  Heinrich  von  Kleist, 
den  sie  noch  kurz  vor  seinem  Todesgange  sehen  durfte,  und  ihr  reiferer  Verkehr  mit 
Klemens  Brentano  und  Tieck  besonders  tief.  Robert-tornow  und  Bee  r  haben  sehr 
angenehm  und  verständig  über  das  Büchlein  geschrieben,  das  in  jedem  Sinne  ein 
Büchlein  der  Erinnerung  ist.  25- 28)  — 

Ueber  die  Lebensschicksale  des  krankhaft- weichlichen  Heinrich  Stieglitz 
und  seiner  heroischen  Charlotte  hat  Kummer 2'')  die  wesentlichen  Momente  nach 
bekannten  Quellen  wiederum  zusammengestellt,  ohne  in  seiner  Charakteristik  mehr 
als  die  landläufige  Urteilsmünze  zu  geben.  Er  bestimmt  nach  dem  Arolsener  Kirchen- 
buche das  Tautjahr  1814;  auch  Heinrichs  Eltern  Hessen  sich  1819  noch  taufen. 
—  Wie  sehr  übrigens  Stieglitz,  über  den  die  litterarhistorische  Kritik  nicht  ohne 
Grund  den  Stab  bricht,  als  Mensch  und  Persönlichkeit  unter  den  Zeitgenossen  ge- 
schätzt war,  davon  zeugt  ein,  durch  Elias ^^j  auszugsweise  veröffentlichter,  enthu- 
siastischer Brief  des  Breslauer  Litterators  und  Uebersetzers  Joh.  Gottlob  Regis  an 
Karl  Gustav  Carus  in  Dresden  (14.  Okt.  1835).  Die  beiden  Männer  waren  durch 
Wachler  bekannt  geworden,  als  Stieglitz  auf  der  Heimkehr  von  einer  Karpathenreise 
in  Breslau  Station  machte.  Sie  waren  sich  vom  ersten  Augenblick  sympathisch 
und  öffneten  einander  bald  ihr  Herz,  was  bei  Stieglitz  etwas  Leichtes,  bei  Regis  aber 
etwas  sehr  Schweres  und  Seltenes  war.  Regis  nennt  seinen  neuen  Freund  einen 
wirklichen  Menschen,  ein  liebenswürdiges  Kind  und  einen  durchaus  reinen,  an  d-en 
Griechen  gebildeten  und  durch  seinen  grossen  Lebensschmerz  befestigten  Geist.  Ihre 
Gespräche  kreisen  fast  ausschliesslich  um  Charlotte :  „Stieglitz  lebt  ganz  im  Jenseits", 
die  Grabstätte  der  Frau  ist  „sein  Mekka".  Regis  wird  wohl  das  Rechte  treffen  mit 
seinem  Urteil:  „Es  werden  mitunter  Menschen  geboren,  die  es  in  ihrer  Schale  nicht 
leidet,  und  diese  würde  sich  früher  oder  später  entleibt  haben,  auch  wenn  sie  den 
Stieglitz  niemals  hätte  kennen  lernen".  Von  einem  Werke  spricht  Stieglitz,  das  er 
herausgeben  wolle:  „Denktafeln",  worin  u.  a.  auch  das  Bild  des  Regis  festgehalten 
werden  sollte.*^*)  —  Als  Dramatiker  ist  Michael  Beer s  bescheidene  Epigonengestalt 
vergessen,  um  wieviel  mehr  als  Lyriker.  Manz^^)  (vgl.  JBL.  1892  IV  4:58)  er- 
neuert auch  in  dieser  Richtung  das  Andenken  des  Mannes,  wobei  er  nachgelassene 
Poesien  und  Briefe  benutzen  durfte  (u.  a.  Briefe  Eduard  von  Schenks,  nach  denen 
ich  für  meine  Schenk-Biographie  [s.  ADB.  31,  S.  37—44]  lange  und  vergeblich 
forschte).     Der  Vf.  schlägt  Beers  lyrische  Begabung  nicht  allzu  hoch  an  und  betrachtet 


BLZ.  1892,  S.  348/9.  —  22)  Hedwig  v.  Olfers,  Gedichte.  Nebst  Nachrufen  v.  H.  Grimm,  Erich  Schmidt  u.  E.  v.  Wilden- 
brnch.  B.,  Besser.  1892.  XXX\,  88  S.  Mit  Bild  in  Heliogr.  M.  2,00.  |[W.  Bobert-tor riow:  DLZ.  189'>,  S.  1694;6; 
L.  Beer:  Nation».  10,  S.  258/9;  BLU.  S.  225/7;  Grenzb.  2,  S.517/9.]f  —  23)  H.Grimm,  Frau  v.  Olfers.  Vereach  e.  Schilderung: 
Dßs.  70,  S.  249-52.  (Vgl.  JBL.  1692  IV  3:67;  s.  o.  N.  22.)  —  24)  X  Erich  Schmidt,  Ueber  Frau  v.  Olfers.  Vortr.  in 
GDL.:  DLZ.  1892.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  3  :  68;  s.  o.  N.  22.)  —  25)  X  K.  B.,  Dichtende  Frauen:  Grenab.  2,  S.  507-19.  (Reicht 
d.  Palme  d.  Frau  v.  Olfers. j  —  26)  X  F.  Dernburg,  Hedwig  v.  Olfers  (1800-91):  BerlTBl.  1892,  N.  637.  —  27)  X  Hedwig 
T.  Olfers:  AZg».  N.  109.  -  28)  Wilhelraine  Hensel:  NatZg.  1892,  N.  533.  (D.  90 j.  Dichterin  giebt  Lebenserinnerungen; 
u.  a.  plaudert  sie  recht  nett  über  d.  jungen  lebensfrohen  Lieutenant  Helmuth  v.  Moltke.)  —  29)  F.  Kummer,  H.  W.  A. 
Stieglitz  n.  Charlotte  Stieglitz  geb.  Willhöfft:  ADB.  36,  S.  177-8U.  —30)  J.Elias,  J.  G.  Regis  über  H.  Stieglitz:  YossZg». 
1892,  N.  51.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  la  :  30;  s.  u.  N.  100.)  —  31)  X  F-  Brandes.  W.  t.  Studnitz:  ADB.  36,  S.  735,6.  (Soldat  n. 
Dichter.      Auszug    aus    Goedeke'  3,  S.  360/1.)  —  32)  G.  Manz,  M.  Beers  Lyiik.    Mit  ungedr.  Gedichten  aus  seinem    Nach!.: 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskrieg'en  bis  zur  Gegenwart.    IV  2b  :  33-39 

vornehmlich  die  Tendenzseite  der  Beerschen  Poesie.  Hier  wie  überall  Glätte  und 
Sauberkeit  der  Form,  und  in  der  Verteidigung-  der  religiösen  und  politischen  Ideale  ein 
warmer  Schwung.  Am  Ende  der  20er  ist  Beer  von.  besonders  starkem  Zeitgefühl  er- 
fasst;  er  empfindet  „Abstumpfung  gegen  die  illusorischen  Emotionen  der  Tragödie, 
seit  das  Leben  selbst  so  ungeheure  gab".  Aus  dem  Rausch  der  Julirevolution  ent- 
stand die  von  M.  abgedruckte,  höchst  pathetische  „Ode  an  die  Hauptstadt".  Die  beiden 
Eingangszeilen  hätten  M.  an  die  Anfangsverse  der  „Germania"  von  Strachwitz  erinnern 
können.  Beer  schleudert  ferner,  ein  Patriot,  glühende  Anschuldigungsverse  gegen 
Deutschland:  Weil  es  seine  grossen  Männer  so  schlecht  lohne  und  durch  die  ganz  kleine 
Stadt  Chäteauthierry  sich  beschämen  lasse,  die  ihrem  Lafontaine  ein  Denkmal 
errichte.  — 

Die  Forschung  über  Platen33-34^  hält  sich  in  bescheidenen  Grenzen.  Zur 
Frühzeit  giebt  Friedrich ^s),  nach  einer  ziemlich  breiten  und  an  Wiederholungen 
leidenden  Charakteristik  von  Döllingers  Studiengang  und  Glaubenskämpfen,  Auszüge 
aus  dem  Tagebuche  des  Dichters,  die  durchaus  auf  DöUinger  zugeschnitten  sind  und 
im  wesentlichen  die  Zeit  gemeinsamer  Studien  vom  Sommer  1818  bis  Herbst  1819  um- 
fassen. Sie  bilden  eine  Ergänzung  zu  Karl  Pfeuffers  fragmentarischer  Veröffent- 
lichung (Stuttgart  1860);  das  Ms.  bewahrt  die  Münchener  Hof-  und  Staatsbibliothek. 
Für  Platens  dichterische  Entwicklung  kam  aus  diesem  Verkehr  fast  nichts  heraus, 
wohl  aber  für  seine  Ausbildung,  zumal  durch  eine  Lektüre  fremder  Litteraturen,  die 
geregelt  betrieben  wurde.  Es  ist  von  den  ersten  lateinischen  Versen  die  Rede,  die 
Platen  machte  (16.  Juli  1818),  Widmungsdistichen,  bestimmt  für  Ovid-  und  Tasso- 
Ausgaben  —  sodann  von  Döllingers  medisanter  Kritik  am  „Sieg  der  Gläubigen" 
(31.  Dec.  1818),  dessen  Umarbeitung  erfolgt  (15.  Aug.  1820);  bei  der  Sammlung  seiner 
Lyrika  schickt  Platen  an  Döllinger  zur  Durchsicht  hundert  Epigramme  (13.  Nov.  1820); 
er  unterlässt  fei^ner  nicht,  ihm  ein  Exemplar  der  „Ghaselen"  zu  überbringen 
(5.  Okt.  1823).  Die  Dichter,  mit  denen  Beide  sich  besonders  tief  beschäftigt  haben,  sind : 
Anakreon,  Euripides,  Catull,  Tibull,  Properz,  Calderon,  Camoens,  Cervantes,  Tasso, 
Shakespeare,  Racine,  Voltaire;  Goethe  zieht  fortdauernd  durch  ihr  Gespräch.  Der 
jugendliche  Rückert  erscheint  in  der  Schilderung  eines  Freundes,  des  Assessors  Merk; 
Ernst  Schulzes  „Bezauberte  Rose"  macht  auf  Platen  ungewöhnlichen  Eindruck 
(12.  Okt.  1818).  Eine  warme,  jugendfrohe  Freundschaft  hat  sich  zwischen  Platen  und 
Döllinger  nicht  herausgebildet;  litterarische  Interessen  führten  sie  zusammen,  die 
Herzen  blieben  kühl.  Döllinger  führte,  unbegreiflich  schroff,  einen  Bruch  herbei 
^(1.  Aug.  1819),  der  im  Mai  1820  oberflächlich  geheilt  wurde.  Nur  vereinzelt  noch 
'taucht  in  Platens  Papieren  der  Name  Döllingers  auf,  zum  letzten  Male  in  einem  Briefe 
Max  von  Grubers  an  Platen  (Memmingen,  7.  Dec.  1825).  —  In  Rom  lernte,  1826,  der 
Bildhauer  Ernst  von  Bändel  (vgl.  111:  296),  durch  den  Schweden  Schröder,  Platen 
kennen  und  hat  über  den  Verkehr  mit  ihm  einige  Briefe  in  die  Heimat  gerichtet,  an 
seine  Braut  Karoline  von  Kohlhagen.  Hermann  Schmidt^ß)  legt  Auszüge  daraus  vor 
(15.  Nov.,  10.  Dec.  1826  und  3.  Febr.,  26.  März  1827):  Von  Platens  Dichtung  ist 
wenig  die  Rede;  nur  einmal  wird  die  Aufnahme  der  „Verhängnisvollen  Gabel"  ge- 
streift, um  Platens  masslose  Eitelkeit  zu  charakterisieren.  „Seine  W^ut,  gegen  alles, 
was  von  Deutschen  gemacht  wird",  rügt  Bändel,  dann  seinen  Jähzorn,  seine  groteske 
Leidenschaftlichkeit,  die  die  Entwicklung  des  inneren  Menschen  hindert,  seine 
überreizten  Verkehrsformen;  auch  von  einem  nervösen  Krankheitsanfall  berichtet 
der  Korrespondent,  in  der  Erregung  des  Moments.  Im  ganzen  sind  die  Mitteilungen 
wenig  behaglich.  —  DüseP')  gewährt  aus  dem  in  der  Münchener  Hof-  und  Staats- 
bibliothek verwahrten  hs.  Nachlass  Platens  (nach  eigenen  Abschriften)  frühere  Les- 
arten und  sucht  durch  sie  für  einzelne  Gedichte  (Columbus  Geist;  Der  Pilgrim  von 
St.  Just;  Das  Grab  im  Busento;  Willst  du  lauen  Aetber  trinken;  So  hast  du  reiflich 
dir's  erwogen;  Mädchens  Nachruf;  Lockt  es  nicht  auch  dich  in  die  Weite;  Choröbus 
der  Cassandra)  ein  Bild  ihrer  allmählichen  formalen  Entstehung  zu  gewinnen,  wobei 
die  im  kritischen  Apparate  der  Redlichschen  Ausgabe  verzeichneten  Varianten  zu 
Hülfe  genommen  werden.  Es  wird  versucht,  nach  dem  Worte  Goethes  von  der  „Ver- 
igleichung  der  stufenweisen  Korrekturen  in  den  Ausgaben  unseres  Wielands,  dieses 
un ermüdet  zum  Besseren  arbeitenden  Schriftstellers,"  aus  ähnlicher  Betrachtungs- 
weise auch  für  die  stilistische  Geschmacksbildung  des  Lesers  ästhetische  Belehrung 
zu  ziehen.  —  Hellmuths^»)  Beiträge  zur  lyrischen  Technik  Platens  sind  an  anderer 
Stelle  hinreichend  gewürdigt  worden.  — 

Beim  Rückert  Jubiläum  1888  hatte  Reuter^^)  eine  Rettung  des  klassischen 


Geg.  44,  S.  Ö3IÖ.  —  33)  O  X  Platens  sämtl.  Werke  in  4  Bdn.  Mit  e.  biogr.  Einl.  v.  K.  Goedeke.  St..  Cotta.  319,  344, 
380,  320  S.  Mit  Bild.  M.  4,00.  —  34)  X  A.  Gr.if  v.  Platen-Hallermünde:  BnrschenschBll.  6.  S.  180/1.  -  35)  Job.  Friedrich, 
Döllinger  u.  Tlaten:  FKLB.  1,  S.  69-102.  —  36)  Herm.  Schmidt,  Platen  in  Born:  ZDU.  6,  S.  553,8.  —  37)  (I  8:49.)  — 
38)  (I  12:195.)  —  39)  F.  Benter,    D.  Erlanger    Freunde  F.  KQckert  n.  J.  Kopp.      Nach    Familienpapieren    dargest.    Progr. 


IV  2b -.39  44     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskrieg-en  bis  zur  Geg-enwart. 

Philolog-en  Joseph  Kopp  versucht,  der  in  der  schweren  Erlang-er  Zeit  so  treu  zn  dem 
recht  isolierten  Dichter  und  ITniversitätsprofessor  stand  und  von  den  Litterarhistorikern 
immer  nur  als  Rückerts  Schildknappe  angesehen  wurde.  Durch  F.  g-ewann  man  von 
Kopp  den  Eindruck  eines  zwar  beg-eisterung-svoll  seinem  Dichterideal  liingeg-ebenen, 
doch  ganz  selbständig  empfindenden  und  urteilenden  Menschen,  einer  sehr  g-elehrten 
und  viel  konsultierten  Persönlichkeit.  In  einer  zweiten,  die  J.  1834 — 36  umfassenden 
Schrift,  die  u.  a.  auch  die  Zeitgeschichte  der  Erlanger  Universität  und  die  relig-iösen 
wie  politischen  Verhältnisse  Bayerns  gut  beleuchtet,  im  Tone  aber  vielleicht  etwas  zu 
schwungvoll  ist  für  den  immerhin  bescheidenen  Gegenstand,  setzt  sich  R.  vor,  zu  be- 
weisen, dass  Kopp  dem  Dichter  ebenbürtig  war,  „überdies  harmonischer  und  fester 
in  sich",  ferner  dass  ein  Teil  der  Erlangter  Schöpfungen  ohne  Kopps  Einfluss  kaum 
entstanden  wäre.  Er  druckt  den  Kommentar,  den  Kopp  zu  Rückerts  Sammlung  vom 
J.  1834  in  die  Allg*.  Litt.-Zg".  schrieb  (Sept.  1835)  in  extenso  wieder  ab,  und  sucht 
nach  Gründen  für  diese  weitgehende  Herzensergiessung  des  „grundehrlichen  und 
g-rundgescheiten"  Mannes,  der  seinen  Tadel,  trotz  oder  gerade  wegen  des  öffentlichen  Lobes, 
in  Briefen  keineswegs  zu  unterdrücken  pflegte.  Er  findet  sie  in  Kopps  Persönlichkeit, 
die  ein  Produkt  romantischen  Gefühlslebens,  nach  der  „Urgestalt  eines  Freundes" 
suchte,  die  „reiner  ist  als  wir  selbst"  und  die  „desto  zarter  und  heilsamer"  von  uns 
behandelt  wird,  je  klarer  das  „innere  Gefühl"  von  dieser  Urgestalt  in  uns  hervor- 
tritt. In  der  Entstehungszeit  der  „Weisheit  des  Brahmanen"  teilt  Kopp  völlig  Rückerts 
Seelenleben.  Er  war  es,  der  ihm  mit  Intensität  die  philosophischen  Ideen  Schellings 
zuführte,  ihn  von  der  „Macht  des  Persönlichen",  von  der  „Bedeutsamkeit  der  Natur" 
durchdrang'  und  so  die  unmittelbarste  Einwirkung  auf  den  Charakter  der  Rückertschen 
Lyrik  besass.  Rückerts  Kampf  mit  dem  jüng-eren  Deutschland,  mit  Menzel,  fand  in 
Kopp  den  treuesten  Genossen,  sein  politisches  und  religiöses  Ringen  an  ihm  die 
wärmste  Stütze,  einen  Berater  in  seinen  traurig-en  häuslichen  Verhältnissen  und  in  der 
angefeindeten  Stellung  als  Universitätslehrer  den  aufrichtenden  und  befestigenden 
Tröster.  Wissenschaft  und  Kunst  flochten,  durchaus  produktiv,  ein  festes  Band 
zwischen  den  beiden  Männern.  Der  Nachweis  geling-t  R.  aus  teilweise  unbekannten 
und  durchaus  zuverlässigen  Quellen.  Zu  einer  Rückertbiographie  ist  hier  neues 
Material  geboten.  —  Das  kann  man  leider  über  Arndts ^i')  „Beitrag  zur  Feier 
deutscher  Dichter"  nicht  sag-en,  einen  wohlgemeinten,  grotesk-stilvollen  Hymnus,  der 
sachlich  längst  Bekanntes  wiederbringt  und  in  drei  Abteilungen  „Vaterland",  „Fremde", 
„Haus  und  Jahr"  die  Lyrik  und  Weisheitsdichtung-  kompilatorisch  abwandelt.  „Der 
grösste  Baumeister  am  Riesendom  der  Weltlitteratur",  „Formenbändiger"  —  sind  WortCj 
mit  denen  A.  nur  so  um  sich  wirft.  —  Zwar  rückt  auch  Herford'*^)  seinen  Helden 
in  die  nächste  Nähe  Goethes,  zwar  ist  auch  seine  Darstellung  vom  Leben  und  Dichten 
Rückerts  durchaus  herkömmlich,  aber  die  Art,  wie  er  den  von  der  Schule  vernach- 
lässigten Dichter  für  die  Schule  fruchtbar  machen  will,  ist  recht  bemerkenswert.  W^as 
Rückert,  vertraut  mit  dem  Empfindungsleben  der  Jugend,  von  Vaterland  und  deutscher 
Einigkeit,  von  Gottesfurcht  und  stillem  Glück  in  der  Natur  sang,  was  er  an  ernsten 
Lehren  für  den  Lebensweg  spendete  und  pädagogisch  Wertvolles  im  Versgewande 
äusserte,  könnten  Lehrer  und  Erzieher  billiger  W^eise  eifriger  berücksichtigen  fiir 
ihre  pi^aktischen  Zwecke,  als  es  bisher  geschehen  ist.  —  Neuerdings  spricht  Walle  *2^, 
nach  Gust.  Kühnes  kritischen  Schilderungen,  über  die  unbehaglichen  Verhältnisse,  die 
Rückerts  in  Berlin  warteten.  Er  teilte  das  Schicksal  der  Cornelius,  Tieck,  Schlegel. 
Sein  Dasein  an  der  Universität  spürte  man  kaum,  als  Sprachlehrer  ist  er  neben  Bopp 
wirkungslos,  und  in  den  glänzenden  Salons  ist  er  ein  schwerfällig-schweigsamer 
Gast.  —  Steidle*^)  teilt  eine  briefliche  Aeusserung  über  den  rheinhessischen  Dialekt- 
dichter Friedrich  Lennig  mit,  der  Rückert  sympathisch  ist  wegen  der  „Fülle  der 
Volkstümlichkeit"  und  harmlosen  Heiterkeit,  aber  auch  deshalb,  weil  er,  gleich  ihm, 
„als  Bauer  an  der  Gutenberg-Statue",  humoristisch-oppositionell  gesinnt  ist  gegen  die 
überproduzierenden  Buchhändler.  —  Ein  anderer  rastloser  Rück  ertforscher,  Bayer**), 
holt,  ergänzend,  ordnend  und  feilend,  aus  des  Dichters  weitschichtigem  Nachlass 
wiederum  ein  Buch  hervor:  Umdichtungen  Rückerts  aus  dem  Diwan  Saadis  (1184— 1291), 
der  ihm  ohne  Zweifel  durch  die  Auswahl  Hammer-Purgstalls  (Geschichte  der  schönen 
Redekünste  Persiens,  1818)  ans  Herz  gewachsen  war.  Doch  er  ging  von  anderen 
Gesichtspunkten  aus  als  Hammer,  der  fast  nur  die  erotischen  Stücke  bekannt  ge- 
macht hatte  (K.  H.  Grafs  Uebersetzungen,  1855—64,  hätten  erst  später  in  Frage 
kommen  können,  sind  aber  dann  nicht  mehr  berücksichtigt  worden).  Er  nimmt  vor 
allem  „die  hoch  mystischen  und  ernst  moralischen"  heraus  und  erweist  sich  hier  wie 
überall  als  tiefdringender  Nachempfinder  und  vollkommener  Sprachkünstler.    B.,  dem 


Altena  (P.  Meyers  Bnchdr.)  4».  79  S.  |fS.  Gönther:  Nation".  10,  S.  625/6;  AZgB.  N.  42.JI  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:  138.)  — 
40)  0.  Arndt,  F.  Rückert.  E.  Beitr.  z.  Feier  dtsch.  Dichter.  Progr.  Gleiwitz.  4».  29  S.  —  41)  E.  Herford,  F.  Rücltert 
u.  seine  Bedeutung  als  .Tugenddichter.  Progr.  Thorn.  4".  12  S.  —  42)  P.  W.,  Rückert  in  Berlin:  MVGBerlin.  10,  S.  40.  — 
43)  E.  Steidle,  F.  RQckert  n.  F.  Lennig:  LMerk.  1892  (Bd.  12),  S.  33/5.  —  44)  Edm.  Bayer,  F.  Rückert,  Ans  Sadis  Diwan. 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b:  45-70 

die  Redaktion  des  schlimm  erhaltenen  Ms.  (Königl.  Bibl.  zu  Berlin)  schwer  zu 
schaffen  machte,  verleg-t  die  Entstehungszeit  der  Verdeutschungen  in  die  vierziger 
Jahre.  Er  hat  aufgenommen:  3  „Oden  und  Hymnen",  62  ,,Süssigkeiten",  29 
„Wunderpoesien",  6  „Siegelringe",  92  ,, Vierzeilen",  130  „Ghaselenbruchstücke",  15 
„Frivolitäten",  47  „Einzel verse"  und  als  Zugabe  ein  kleines  36  zeiliges  Lehrgedicht. 
Ein  hs.  Rest  (Sahibbuch,  Politische  Trauergedichte,  Lobgedichte,  Fragmente)  bleibt 
für  eine  weitere  Publikation  aufgespart,  so  dass  die  Absichten  einer  umfassenden 
Auswahl,  die  Rückert  bei  seiner  Beschäftigung  mit  Saadi  leiteten,  noch  erfüllt 
werden  sollen.  —  Ausserdem  veröffentlicht  Bayer*^)  eine  bunte  Reihe  von 
Rückertiana,  zumeist  bibliographischer  Art.  Er  weist  auf  eine  druckfertige  Hs. 
„Albanesischer  Volkslieder"  hin,  die  auf  eingehender  Kenntnis  von  J.  G.  von  Hahns 
„Albanesischen  Sünden"  (1854)  beruht,  und  teilt  hübsche  toskische  Sentenzen  daraus 
mit;  sodann  legt  er  Proben  persischer  Lyrik  (Erlangen,  Dec.  1831)  nach  dem  Rückert- 
schatze  der  königl.  Bibliothek  zu  Berlin  vor,  ferner  ein  Seitenstück  zu  den  „Rätseln 
der  Turandot"  aus  dem  Schähnäme  des  Firdusi,  die  Prüfung  eines  Philosophen  (über- 
setzt Ende  der  dreissiger  oder  Anfangs  der  vierziger  Jahre).  B.  citiert  aus  dem 
Nachlass  des  weiteren  zwei  ethische  Stücke  aus  Rückerts  Dschämisstudien  sowie 
eine  aus  dem  Diwan  Jämis  übersetzte  Fabel  von  der  Lerche  und  dem  Veilchen.  Im 
ganzen  bedeuten  diese  Späne  nicht  viel.  —  Sanders*^),  in  bekannter,  wenig  fördernder 
Art,  reiht  interpretierende  sprachliche  Bemerkungen  zur  Brahmanenweisheit  an- 
einander.'*'^) — 

Gleich  hier  sei  Boden stedf  behandelt,  der  in  orientalischer  Vermummung 
als  Dichter  seine  grössten  Erfolge  gehabt,  ein  Nachfolger  Rückerts.  Er  hat  am 
23.  April  1892,  hochbetagt,  in  Wiesbaden  das  Zeitliche  gesegnet  und  die  Federn 
zahlreicher  Nekrologisten^^"^^)  in  Bewegung  gesetzt.  Es  seien  besonders  erwähnt 
die  Artikel  von  Klaar^'),  der  nach  Prager  Erinnerung*en  auch  die  menschliche  Per- 
sönlichkeit schildert;  von  einem  Anonymus  >''''),  der  ihn  mit  kritikloser  Wärme  hin- 
nimmt; von  Brenning^^),  der  Bodenstedts  „Eigenartigkeit"  stark  in  Zweifel 
zieht,  und  von  Theodor  Wolff^*^),  der  in  stimmungsvollem  Plaudertone  die  rechte 
Mitte  des  Urteils  hält.  —  Herzfeld er^'),  der  Lyriker,  findet  den  dauernden 
Wert  der  Mirza  Schaffy-Gedichte  in  der  feinen  ITebereinstimmung  von  innerem  Ge- 
halte und  äusserer  Form,  in  der  künstlerischen  Annäherung  der  hafisischen  Denkart 
an  gesunden  deutschen  Geist.  Und  dann,  etwas  gezwungen:  „Goethe  tritt  uns  als 
„westöstlicher"  Dichter  gern  in  Shawl  und  Turban  entgegen,  Rückerts  Virtuosität 
schwelgt  in  allen  Verskünsten  des  Orients,  Bodenstedt  giesst  nur  fremdes  Erz  zu 
eigensten  heimisohen  Gefässen  um."  —  Eine  umfassendere  litterarhistorische  Charak- 
teristik des  Lyrikers,  Uebersetzers,  Forschers,  Kulturhistorikers  Bodenstedt  versucht 
Ad.  Stern^2j  mit  Glück;  Neumann-Hofer^^^j  geht  mit  leichter  Ironie  dem  freundlich 
lächelnden  Optimisten  Bodenstedt  und  seinem  unecht  fühlenden,  aber  doch  verständig 
sich  drapierenden  Mirza  Schaffy  zu  Leibe;  er  stellt  hübsch  dar,  wie  diese  Poesie  des 
bon  sens  und  des  bürgerlich  gemässigten  Temperamentes  litterarisch  als  Reaktionspoesie 
zu  fassen  und  für  ihre  Zeit  eine  nicht  ungesunde  Kost  gewesen  sei;  auch  Svendson^*) 
stellt  fest,  dass  die  entzückende  Scenerie  der  Mirza  Schaffy-Landschaft,  nicht  wirkliche 
Natur,  sondern  ein  lyrisches  Panorama  ist.  —  Alexander  Meyer^»)  spricht  mass- 
voll, in  offizieller  Eigenschaft  für  das  Shakespeare-Jahrbuch,  dessen  erster  Heraus- 
geber Bodenstedt  gewesen:  Als  üebersetzer  und  Forscher  hat  der  Mann  keine  Gross- 
thaten,  doch  brauchbare  Bausteine  geliefert;  mit  dem  Mirza  Schaffy  war  seine 
dichterische  Kraft  erschöpft.  —  Misch^^)  und  Friedmann^")  folgen  mit  affektierter 
Trauermiene,  in  belanglosen  „Erinnerungen",  der  Poetenbahre;  ^*)  Gantter^")  schildert, 
recht  überschwenglich,  das  Wiesbadener  Heim  und  auch  das  Familienleben  des  an- 
geschwärmten, harmlos  eitlen  Bodenstedt.    —    Was  in  den  von  Schenck'")  heraus- 


Auf    Grund    d.    Nach!,    lio.r.     B.,  Lüstenöder.     12».     XIV.  172  S.      M.  3,00.   |[ß.   Weitbrecht:    BLU.  S.  461/2;  LCBl.  S.  1043. J| 

—  45)  id.,  Eückertiana:  ZVLR.  6,  S.  245-5-5.  (Vgl.  JBL.  1S90  IV  2:  118-20.)  -  46)  D.  Sanders,  Zu  Rüclcerts  Weisheit  d. 
Brahmanen:  ZDS.  6,  S.  469-70.  —  47)  X  H.  Pröhle,  D.  Kyffhäuser-Kaisersage  u.  Rückerts  Barbarossa-Gedicht:  AZg".  N.  83. 
(Im  wesentl.  Sagengeschichfliches.)  -    48)  X  Bodenstedt:  FrB.  3,  S.  554  5.    —    49)  X  ^-  v-  Bodenstedt:  Post  1892,  20.  April. 

—  50)  X  L.  Salomon,  F.  v.  Bodenstedt:  lUZg.  1892,  S.  476.    -  51)  X  F.  v.  Bodenstedt:  ScliwäbMerk.  1892,  19.  u.  22.  April. 

—  52)  X  F.  de  Bodenstedt:  RPL.  1892:  1,  S.  607.  -  53)  X  ^-  Bodenstedt:  BÜRS.  54,  S.  6314.  (Schwungvolle  Anerkennung; 
Streiflichter  auf  SchleRel,  Goethe.  Rückert,  Platen,  D.iumer,  Freiligrath.  „Son  Orient  n'est  pas  saupoudre  de  la  poussiere  des 
bibliotheques".)  —  54)  X  F-  M.  v.  Bodenstedt:  NedSpect.  1892,  N.  18.  -  55)  X  ^-  Bodenstedt.  (Mit  Portr.  u  Autogr.): 
FiCho  muzyczne.  teatralne  i  artystyczne  1892,  S.  199-200.  iNur  kurze  Biogr.,  da  erst  vor  3  J.  in  derselben  Zs.  e.  grösserer 
Aufsatz  über  d.  Dichter  stand.)  —  56)  X  A.,  F.  Bodenstedt:  Tygodnik  ilustrowany  1892,  S.  286.  —  57)  A.  K[  laar],  F.  Boden- 
stedt: Bohemia».  1892,  N.  110.  —  58)  R.  v.  G.,  F.  v.  Bodenstedt:  SchlesZg.  1892,  N.  233.  —  59)  E.  Brenning,  F.  v.  Boden- 
stedt: WeserZg.  1892,  N.  16305.  -  60)  Theod.  Wolff,  F.  v.  Bodenstedt:  BerlTBl.  1892,  N.  198.  —  61)  J.  Herzfelder. 
F.  Bodenstedt:  MünchNN.  1892,  N.  188.  —  62)  Ad  Stern,  F.  Bodenstedt:  WIDM.  73,  S.  220-33.  —  63i  0.  Neuniann- 
Hofer,  F.  Bodenstedt:  ML.  61,  S.  281/3.  —  64)  0.  Svendson,  F.  v.  Bodenstedt:  Nation».  9.  S.  458/9.  —  65)  Alexander 
Meyer,  F.  v.  Bodenstedt.  Nekrol.:  JbDShakespeareGes.  28,  S.  337-41.  -  66)  R.  Misch.  Bodenstedt-Erinnerun<;en  :  BerlTBL.  1892, 
N.  201.  —  67)  Alfr.  Friedmann,  Erinnerungen  an  F.  v.  Bodenstedt:  Zeitgeist  1892,  N.  18.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:  UD- 
OS) O  X  '•  I^M  Erinnerungen  an  Bodenstedt:  HambNachrB.  1892,  N.  26.  —  69)  E.  Gantter,  Erinnerungen  an  F.  v.  Boden- 
stedt: Didask.  1892,  N.  94.  —    70)  (IV  lo:88.)     |[Fremdenbl.  N.  336.].    —    71)  4  unveröffentl.  Briefe  F.  v.  Bodenstedts  an  e. 


IV  2b  :  71-75    J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

gegebenen  Bodenstedt-Briefen  steckt,  hat  schon  Muncker  in  allgemeiner  zutreffender 
Charakteristik  angedeutet.  „Dieses  Dichterleben"  giebt  nicht  intimere  Aufschlüsse 
über  Bodenstedts  Dichtergeschäft;  es  lässt  sich  im  wesentlichen  nur  die  äussere  Ent- 
stehungsgeschichte seiner  Werke  daraus  zusammen  lesen.  Man  kann  bequem 
verfolgen,  wie  Mirza  Schaffy  in  der  stets  wachsenden  Zahl  der  Auflagen,  die  zu  Be- 
ginn der  60  er  Jahre  nachlassen  und  wieder  nach  dem  Kriege  ungeahnt  sich  mehren 
(S.  180/5,  209),  sich  verbreitet  und  inhaltlich  zunimmt,  wie  Bodenstedt  mitarbeitet  am 
Vertriebe  und  das  Büchlein  durch  seine  litterarischen  Verbindungen  poussiert.  Er 
gesteht  dem  Herrn  von  Decker  zu,  dass  er,  der  Verleger,  die  erste  Idee  zu  einer 
Sammlung  der  Lieder  gehabt  habe  (S.  161),  und  spricht  nicht  ohne  Eitelkeit  von  den 
vielen  Nachbildungen  und  üebersetzungen  fS.  162),  vornehmlich  vom  Interesse  des 
italienischen  Dichters  Zendrini.  Ueber  die  neue  Einteilung  der  Lieder,  die  mit  der 
50.  Auflage  erscheint,  verhandelt  Bodenstedt  ausführlich  (S.  181/2).  Parallel  damit 
läuft  die  Anordnung  einer  zweiten  Gruppe  von  Mirza  Seh affy-Liedern,  die  unter  dem 
Titel  des  „Nachlasses"  und,  aus  materiellen  Gründen,  einem  anderen  Verlage, 
A.  Hofmann  &  Co.  (später  Brockhaus),  gegeben  worden  sind  (S.  183/5).  Die  Samm- 
lung seiner  übrigen  Gedichte  machte  Bodenstedt  zu  allen  Zeiten  viel  zu  schaffen; 
ihre  Gruppierung,  Verbesserung,  Vermehrung,  vorteilhafte  Verwendung  betrieb  er 
mit  grosser  Sorgfalt.  Ihre  geringe  Verbreitung  begründet  er  selbstbewusst  mit 
billigen  Seitenhieben  auf  „die  durch  Geibel  und  Andere  vertretene  süssliche  Mode- 
poesie" (S.  128),  während  er  doch  sonst  behauptet  (S.  71),  sich  in  litterarischen  Dingen 
mit  Geibel,  ferner  mit  Hejse  und  Schack  stets  eins  zu  wissen,  öeber  die  musi- 
kalische Verwertung  seiner  Lieder,  zumal  des  Mirza  Schaffy,  teilt  Bodenstedt  manches 
mit  und  weist  mit  besonderem  Stolze  auf  Spohr,  Marschner,  Rubinstein  hin;  ein 
Konflikt  über  die  Einschiachtung  des  Mirza  Schaffy  zu  einer  Operette  wirkt  er- 
götzlich (S.  214/9).  Auch  die  Uebersetzung  der  Shakespeare-Sonette  ist  auf  eine  An- 
regung von  Deckers  zurückzuführen;  in  einem  Briefe  vom  25.  April  1861  ist  zum 
ersten  Male  die  Rede  davon  (S.  117).  Mit  einer  starken  Begeisterung  beginnt  und 
vollführt  Bodenstedt  die  Arbeit,  nicht  ohne  seine  Vorgänger,  so  oft  er  kann,  zu 
diskreditieren:  mit  Unrecht  den  trefflichen  Regis  (z.  B.  S.  124);  Menzels  künstlerische 
Beilage  wird  kritisiert  (S.  183)  und  mit  Genugthuung  von  Lewinskys  Vorlesung 
aus  dem  Sonettenbuche  erzählt,  die  1863  in  Wien  zu  Gunsten  des  kranken  Otto 
Ludwig  veranstaltet  worden  war  (S.  139).  Am  18.  Okt.  1851  berichtet  Bodenstedt 
über  seine  Beschäftigung  mit  den  „schönsten  Gedichten"  seines  Freundes  Lermontow, 
dessen  gesamter  litterarischer  Nachlass  auf  ihn  übergegangen  war  (S.  17).  Er  stellt 
das  Ms.  im  Laufe  weniger  Monate  fertig  (S.  19);  es  leitet  ihn  das  Streben,  nur  solche 
Üebersetzungen  zu  liefern,  die  sich  wie  „formvollendete  Originalwerke  lesen"  (S.  24); 
er  bedenkt  den  Kenner  Varnhagen  von  Ense,  ferner  den  Kaiser  von  Russland  mit 
einem  Dedikationsexemplar  ('S.  22/3).  Dass  Bodenstedt  mit  Hammer-Purgstalls 
Studien  zur  persischen  Poesie  sich  eingehender  beschäftigt  hat,  wird  in  Erinnerung 
gebracht  (S.  108).  Der  Herausgeber  teilt  manches  über  Mirza  Schaffy-Parodien 
(S.  201/2)  mit,  druckt  ünediertes  ab  (S.  108,  206),  lässt  den  Prolog  der  ersten  Mirza 
Schaffy- Ausgabe,  der  später  gekürzt  wurde,  in  extenso  wieder  folgen  (S.  235/9)  und 
citiert  zum  Ueberflusse,  was  Bodenstedt  selbst  über  die  Person  seines  persischen  An- 
regers bekannt  gemacht  (S.  195/9).  Endlich  schreibt  er,  dass  ihm  ein  grösseres  episches 
Gedicht  Bodenstedts,  „Der  Hermanshof"  im  Ms.  gezeigt  worden  sei  (S.  240).  Ueber 
die  grosse  Zahl  bedeutender  Namen,  die  im  Briefwechsel  auftauchen,  unterrichtet  ein 
Register.  —  In  einer  Tageszeitung  werden  Briefe  veröffentlicht,  die  Bodenstedt  im 
J.  1891  und  92  an  eine  Berhner  Dame  gerichtet  hat.''*)  Es  wiederholen  sich  die 
Klagen  über  den  bösen  Zustand  seines  Körpers  und  über  seine  häuslichen  Verhält- 
nisse; von  dem  Epos  „Theodora"  rühmt  er,  es  solle  dem  deutschen  Volke  sagen, 
wie  es  vor  Bismarck  war;  die  „Schul-  und  Bekenntnisfrage"  der  Zedlitzschen  Aera 
macht  ihm  schwere  Sorge  und  diktiert  ihm  ein  Gedicht  in  die  Feder,  das  den  Frieden 
„zwischen  Herz  und  Himmel"  predigt.  -^  Olga  Morgensterns''^)  Plauderei  bringt 
den  in  Wiesbaden  lebenden  Botaniker  Staatsrat  M.  J.  Schieiden,  der  1858  unter  dem 
Pseudonym  „Ernst"  Gedichte  herausgab,  in  einen  ganz  äusserlichen  Zusammenhang 
mit  Bodenstedt.")  —  Kreiten''*)  fährt,  einigermassen  verspätet,  schweres  Geschütz 
auf,  um  von  katholisch-ethischer  Höhe  herab  den  leichten  Mirza  Schaffy  zusammen- 
zuschiessen.  So  sehr  diese  prosaische  Auflösung  dichterischer  Motive  kritisch  ab- 
zulehnen ist,  so  sehr  kann  man  mit  dem  eifernden  Kleriker  in  dem  Punkte  überein- 
stimmen, dass  Bodenstedts  Mirza  Schaffy  überschätzt  worden,  und  diese  Ueberschätzung 
auf  die  liebe  deutsche  Philisterei  zurückzuführen   ist.    —    Pröllss'^)    dagegen,    ein 


Freundin  in  Berlin:  NorddAZg.  N.  440.  —  72)  Olga  Morgenstern,  F.  v.  Bodenstedt  u.  M.  J.  Schieiden:  Zeitgeist  1892, 
N.  20.  —  73)  X  A.  W.  Ernst,  F.  Bodenstedt  u.  sein  letztes  Werk:  Geg.  42,  S.  25/6.  (Resümiert:  B.  wird  nur  als  Spruch- 
dichter  fortleben.)    -    74)  M.  K reiten,    D.  Lieder  d.  Mirza  Schaffy:  StML.  45,  S.  496-507.    —    75)  J.  Pr ölss,  D.  Urbild  d. 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  76-si 

unbeirrter  Bodenstedtenthusiast,  trägt  aus  Bodenstedts  Werken  und  nach  den  Auf- 
schlüssen, die  er  gelegentlich  selbst  von  dem  Poeten  empfangen,  alles  das  zu- 
sammen, was  sich  über  die  Person  Mirza  Schaffys,  des  Weisen  von  Gjändsäh,  er- 
mitteln lässt.  Ein  Mirza  Schaffy  war  thatsächlich  Lehrer  der  Tartarensprache  an  der 
Tifliser  Garnisonschule ;  er  war  Bodenstedts  Freund  und  Förderer,  ein  schöpferischer 
Dichter  aber  nicht.  Die  Lieder  sind  des  Deutschen  rechtmässiges  Eigentum,  und 
doch  wäre  ohne  den  wirklichen  Mirza  Schaffy  das  Buch  nicht  entstanden.  P.  be- 
schreibt die  Entwicklung  des  Liederbüchleins  aus  Bodenstedts  ethnographischem 
Werke  „Tausend  und  ein  Tag  im  Orient".  —  Mehring'^)  verfolgt  durch  die  neuere 
deutsche  Poesie  die  Geschichte  der  Ghaselenform  und  bringt  im  Gegensatz  zu  Rückerts 
und  Platens  ausgeprägter  und  starrer  Behandlung  die  freiere,  leichtere,  vollere,  ganz 
auf  verstärkte  Klangwirkungen  angelegte  Art  Bodenstedts,  den  er  für  den  grössten 
Reimkünstler  der  Welt  erklärt.  Erst  der  Mirza  Schaffy-Dichter  habe  das  Ghasel 
germanisiert.''''"^'')  — 

Das  wundervolle  Buch,  das  die  Ueberreste  eines  Briefwechsels  zwischen 
Annette  von  Droste-FIülshoff  und  Levin  Schücking  birgt^'),  ist,  seinem  mensch- 
lichen wie  litterarhistorischen  Gehalte  nach,  schon  an  anderer  Stelle  der  JBL.  ge- 
würdigt worden;  auch  auf  das,  was  es  im  Besonderen  für  die  lyrische  Dichtung  der 
ausserordentlichen  Frau  ergiebt,  ist  hingewiesen  worden.  Als  eine  ihrer  wichtigsten 
Aeusserungen  wird  mit  Recht,  im  Briefe  vom  8.  Jan.  1844,  die  Stelle  bezeichnet,  wo 
sie  Schücking  zum  Versprechen  zwingt,  dass  er  ohne  ihr  Vorwissen  nichts  ändern 
werde  (S.  235/6).  Reinigungskünste  hatte  der  kritisch  gestimmte  Freund  an  den 
früheren  Dichtungen,  zumal  an  denen,  die  Annette  ihm  für  das  „Malerische  und 
romantische  Westfalen"  lieferte,  zur  Genüge  geübt,  indem  er  ihr  herbes,  persönliches 
Sprachgefühl  zu  meistern  suchte,  —  ein  Bestreben,  das  ihm  später  leid  that  gegen- 
über dem  „charakteristischen  Wesen  dieser  unvergleichlichen  Poesie."  Schücking 
giebt  nun  zwar  bedingungslos  das  geforderte  Ehrenwort,  unbewusster  Humor  aber 
ist  es,  wenn  er  in  der  Antwort  spricht  von  Annettens  „ganz  kurioser  Befürchtung": 
„bei  Ihrer  die  meinige  so  anerkannt,  zweifellos  und  entschieden  überragenden  poetischen 
Begabung"  (S.  238/9,  241).  Im  Hin  und  Her  der  brieflichen  Verhandlungen  kamen 
so  mannigfache  Aenderungen  in  Ausdruck  und  Sinngestaltung  zur  Sprache,  dass 
sich  aus  der  Korrespondenz  eine  gute  Variantensammlung  für  eine  wünschens- 
werte kritische  Ausgabe  gewinnen  lässt  (S.  252—61,  264,  285/8,  296/7);  sogar  ein 
Druckfehlerverzeichnis  für  die  Ausgabe  von  1844  stellt  Annette  zusammen  (S.  297/8). 
Sie  zeigt  sich  „rechtlichen  Bedenken"  willfährig.  Und  Schücking  gegenüber  ist  sie 
diesmal  in  besonders  guter  Stimmung,  die  sie  —  halb  witzig,  halb  resignierend  — 
ihn  auffordert  gründlich  auszunützen.  Man  kann  in  diesen  Briefen  die  Entstehungs- 
geschichte der  Ausgabe  genau  verfolgen:  Am  10.  Okt.  1842  ist  zum  ersten  Male 
die  Rede  davon;  man  erfährt  von  Annettens  hoher  Freude  an  der  Arbeit  des  Ver- 
mehrens,  Sichtens,  Feilens,  Ordnens  und  nicht  zum  Wenigsten  von  der  Mühe  des 
Abschreibens;  von  Schückings  anspornender  Teilnahme;  von  Lassbergs  Bedenklich- 
keiten; von  einer  Verlegerkonkurrenz;  von  Verhandlungen  mit  Cotta,  die  der  Komik 
nicht  entbehren;  von  dem  unklugen  Verfahren  Annettens  gegenüber  ihrem  früheren 
Verleger  Hüffer.  Ein  wehmütiger  Ton  des  Verlangens  nicht  nach  wohlfeiler  Berühmt- 
heit, doch  nach  einer  tiefen  und  intimen  Wirkung  auf  weitere  Kreise  klingt  durch 
die  Zeilen.  Keine  Spur  von  dem  Selbstbewusstsein,  das  nicht  gleichbedeutend  wäre 
mit  dem  naiven  Vertrauen  auf  die  eigene  künstlerische  Sache.  Man  fühlt:  wie  würde 
sich  diese  volle,  überstarke  Dichternatur  erst  entwickelt  haben  unter  fi'eieren,  erquick- 
licheren Lebensverhältnissen.  Oft  wird  ein  Brief  ihr  zum  Lied;  das  kleine  Leben, 
in  dem  sie  steht,  gewinnt  dichterische  Grösse,  da  sie  es,  mit  seinen  sonderbaren 
Menschen  in  stiller  Kammer  charakteristisch  schildern  will,  und  aus  ihren  Natur- 
beschreibungen leuchtet  nicht  selten  ihr  starkes  malerisches  Talent.  Man  liest  von 
Stimmungen,  „wo  Gedanken  und  Bilder  ihr  ordentlich  gegen  den  Hirnschädel  pochen 
und  ans  Licht  wollen"  (S.  54);  wo  ihr  eine  Fülle  von  Gedichten  im  Sinne  liegt,  „die 
sie  nur  herausschreiben  muss,  um  sie  los  zu  werden"  (S.  278);  sie  arbeitet  meistens 
sehr  schnell,  und  Schücking  mahnt  zur  Ruhe  (S.  26/8).  Diese  abwartende  Stellung 
Schückings,  seine  westfälische  Natur,  „die  um  so  fester  wurzelt  in  Allem,  was  ihr 
einmal  heimisch  und  eigen  geworden  ist",  die  schwerfällige  Beharrlichkeit  seines 
poetischen  Empfindens,  die  sie  mit  dem  Philister  in  ihm  aussöhnt,  wenn  dieser  „sie 
so  oft  miserabel  en  bagatelle  behandelt"  (S.  279)  haben  ihr  litterarisches  Verhältnis 
zu  diesem  kindlichen  Manne  befestigt.    Sie  drückt  es  einmal  impulsiv  so  aus:  „Schreib 


Mirza  Schaffy:  Vom  Fels  z.  Meer  1892,  Heft  11,  S.  265-71.  —  76)  S.  Mehring,  D.  Eeimknnst  d.  Mirza-Schaffy :  Didask.  1892, 
N.  114.  —  77)  X  D.  Lieder  d.  Mirza  Schaffy:  ZDS.  5,  S.  2Ö9-76.  —  78)  X  D.  Sanders,  Zu  Bodenstedts  Neupm  Liederbuch: 
Ans  d  Nachl.  Mirza  Schiiffys:  ib  7,  S.  146,8.  (Sprach].  Stoppelarbeit  wie  N.  46,  77.)  —  79>  O  F.  Bodenstedt,  E.  Bild 
d.  Welt:  Vom  Fels  z.  Meer  1892,  Heft  10,  S.  243.  -  80)  O  i<J--  Liebe  n.  Leben.  E.  Samml.  dtsch  Lyrik.  Ul.  r.  H.  Kettig. 
L.,  Adb  Fifcher.  1892.  4».  VII,  150  S.  Mit  Text-Illustr.  M.  15,00.  —  81)  (IV  1  c  :  74.)  |[Grenzb.4,  S,519-27;  LZgB.N.  135.]l — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgescfaichte.    IV.  (4)10  a 


IV  2b  :  81-86     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

mir  nur  oft,  mein  Talent  steigt  und  stirbt  mit  Deiner  Liebe;  was  ich  werde,  werde 
ich  durch  Dich  und  um  Deinetwillen;  sonst  wäre  es  mir  viel  lieber  und  bequemer, 
mir  innerlich  allein  etwas  vorzudichten."  Von  vielen  hervorragenden  Männern  ist 
im  Buche  die  Rede:  Von  den  Schwabenkreisen  und  dem  Stuttgarter  Litteraturtreiben 
(S.  36/7,  200/2),  insbesondere  von  Lenau,  der  Annette  wie  Schücking  ans  Herz  ge- 
wachsen war  (S.  64,  66,  202,  301;  er  nennt  Geibel  einmal  sehr  bitter  „Die  letzte  Eule 
anf  den  Trümmern  von  Thron  und  Altar"),  vom  bescheidenen  Uhland  (S.  277),  vom 
treuherzigen  Zedlitz,  der  sich  für  die  westfälische  Dichterin  so  aufrichtig  begeistert 
hat  (S.  317,  327),  von  Geibel  und  Dingelstedt  und  ihrer  lieben  Eitelkeit  (S.  201,  21H,  301), 
von  Frau  von  Binzer  (S.  217);  ferner  von  Guido  Görres  (S.  313)  und,  in  sehr  be- 
lustigender Schilderung  —  vom  aufgeblasenen  Kleriker  Wessenberg  (S.  55/6); 
die  Freundschaft  mit  Freiligrath  (S.  19-20,  23,  92,  110,  143,  148;  seine  innere  Hin- 
neignng  zu  Victor  Hugo  wird  treffend  betont)  findet  in  Annettens  wie  Schückings 
Briefen  einen  sehr  warmen  Ausdruck.  —  Eine  billige,  durch  Alexander 
von  Schmidt^^)  besorgte  Sammlung  der  Gedichte,  die  die  Ausgabe  von  1844  ganz 
enthält  und  aus  Annettens  posthumen  Büchern  eine  geschickte  Auswahl  trifft,  auch 
einen  brauchbaren  Text  liefert,  ist  als  Volksbuch  nicht  unwillkommen.^^'^'*)  — 
Löwenberg^^)  sucht  in  einem  Vortrage,  der  sich  als  die  litterarische  Rettung  einer 
grossen  „Unbekannten"  giebt,  x\nnettens  entfernte  Verwandtschaft  mit  der  modernen 
Produktion  zu  erweisen.  —  Buddes*^)  Betrachtungen  über  das  „Geistliche  Jahr" 
gehören  zu  den  aufschlussreichsten  und  anziehendsten  Studien  über  das  Gemütsleben 
und  Dichten  der  Droste.  Der  streitbare  Geist,  der  durch  den  Beitrag  geht,  giebt  dem 
Urteil  etwas  erfrischend  Persönliches.  An  diese  rätselhaften  „Schmerzenslieder" 
hat  die  Dichterin  ihr  Bestes  gesetzt;  durch  ihr  ganzes  Dasein  hat  das  schwere 
Werk  sie  begleitet.  1819  findet  sich  die  erste  Spur,  1820  werden  25  fertige  Gedichte 
der  Mutter  üljergeben,  1837  erfolgt  die  Fortsetzung,  die  eigentliche  Arbeit  aber  be- 
ginnt erst  Aug.  1839;  April  1840  sind  die  72  Lieder  vollendet.  Den  Druckauftrag 
erhält  erst  Ende  des  Jahrzehnts  B.  Schlüter,  jener  ergebene  Mann,  von  dessen 
rührender  Persönlichkeit  im  Briefwechsel  mit  Schücking  so  oft  die  Rede  ist.  Bei  der 
Veröffentlichung  hat  die  orthodoxe  Familie  ihre  Hände  im  Spiel.  Sie  liess  die  Ge- 
dichte mit  allgemeinen  religiösen  Empfindungen  bestehen  und  merzte  die  Stücke  aus,  in 
•denen  Annette  „in  den  Schacht  des  eigenen  Herzens"  hinabstieg,  weil  man  dogmatischen 
Anstoss  umgehen  wollte.  Noch  heute  bestreitet  Kreiten,  als  Helfershelfer,  dass  das 
„Geistliche  Jahr"  ein  poetisches  Selbsbekenntnis  sei.  Es  liegt  hier  eine  Fälschung 
von  Annettens  persönlichem  Geständnis  vor.  Die  Lieder  enthalten  unumwundene 
Zeugnisse  „wechselnder  Gemütsstimmungen",  einer  gedrückten  und  „vielfach  geteilten" 
Seele,  eines  „Selbstgerichtes  vor  Gott".  In  den  Liedern  von  1820  klingen  die  An- 
klagen eigener  Sünden,  eigenen  Unglaubens,  wird  versucht,  die  eigene  Persönlich- 
keit zu  läutern.  Sie  nimmt,  poetisch,  aus  jedem  Evangelium  die  Note  auf,  die  am 
stärksten  in  ihr  nachklingt  und  modelt  diese  Note  nach  den  Bedürfnissen  ihres 
Herzens.  In  den  späteren  Gedichten  redet  der  reife,  in  schmerzlicher  Erfahrung  ge- 
läuterte Mensch,  der  sich  um  das  Seelenheil  der  Mitmenschen  mühen  will:  der  Ton 
der  Predigt  herrscht  vor.  Sie  hat  ihres  Gleichen  nur  in  F.  von  Spee.  Nachdem  B. 
so  Annettens  eigenes  Verhältnis  zu  ihren  Dichtungen  auseinandergesetzt,  kommt  er 
zur  religiösen  Seite  der  Erklärungsaufgabe,  indem  er  fragt:  Inwiefern  war  Annette 
Katholikin,  inwiefern  nicht.  Sie  übt  Duldung,  doch  sie  hält  an  gewissen  Glaübens- 
formen  fest,  die  sie  ererbt  hat;  sie  steht  im  Kirchenstreite  zum  Katholizismus,  doch 
der  Verwandlung  der  Kirche  in  eine  politische  Partei  ist  sie  durchaus  abhold.  „In 
ihr  innerstes  Heiligtum"  darf  „kirchlicher  Autoritätsanspruch"  nicht  dringen;  hier 
hat  ihr  Katholizismus  seine  Grenze.  Das  „Geistliche  Jahr"  offenbart  durchaus,  dass 
sie  den  Glauben,  der  in  ihr  wankte,  nicht  durch  theologischen  Zuspruch,  sondern 
nur  durch  die  Kämpfe  der  eigenen  Seele  wiedergewonnen  habe.  Die  „erleichternden 
Mittel",  die  die  Kirche  gegen  den  Unglauben  bereit  hat,  verschmäht  Annette.  Sie 
will  keinen  Mittler  zwischen  sich  und  Gott.  In  ihrem  verzweifelten  Kampfe  um  eine 
Weltanschauung  mit  oder  ohne  Gott,  will  sie  nicht  durch  die  Macht  der  Kirche  „zum 
Himmel  steigen";  sie  will  „fliegen  oder  gezogen  werden".  Zu  so  freier  und  selb- 
ständiger Art  des  inneren  Ringens,  befeuert  sie  die  heilige  Schrift  selbst.  Das  Buch 
ist  aus  dem  intimsten  Leben  mit  der  Bibel  entsprossen.  Alle  Werkheiligkeit,  auch 
die  Anwendung  der  Beichte  weist  sie  zurück.  B.  kommt  zudem  Schlüsse,  dass  durch  diesen 
unmittelbaren  Verkehr  mit  Gott  die  Lieder  sich  stark  evangelischer  Auffassung 
nähern,  dass  man  in  Annette  eine    grossartige  Zeugin    für    wahrhaft    evangelisches 


82)  Annette  Freiin  v.  Droste- Hülslioff,  Gedichte.  (Her.  v.  Alex,  von  Schmidt.)  (=  Uibl.  d.  Gesinnt- Litt.  d.  In-  u.  Aus- 
landes N.  710/3.)  Halle  u.  S.,  Hendel.  VIU,  283  S.  M.  1.75.  l[LZg".  N.  12-2.]|  -  83)  O  id.,  Gedichte.  L.,  Reclam.  1892. 
Ifl".  456  S.  M.  1,75.  -  84)  X  E.  Genniges,  H.  Hüffer,  Annette  v.  Droste-Hülshoft' (vgl.  JBL.  1890  IV  2:184):  Gymn.  1892, 
S.  61;3.  (Master  e.  vornehmen  Biogr.)  —  85)  J.  Löwenberg,  Annette  v.  Drosto-Hülshoir.  Vortr.  geh.  in  d.  Litt.  Ges.  zu 
Hamburg.    Referat:  ML.  62,  S.  162.  —  86)  K.  Budde,  D.  geistl.  Jahr  d.  Annette  v.  Droste-Hülshoff:  PrJbb.  69,  S.  340-85.  — 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  s7-99 

Christentum  zu  erblicken  habe.  Obwohl  B.s  Betrachtung  des  „Geistlichen  Jahres" 
im  wesentlichen  auf  diese  beiden  Punkte,  die  Individualitäts-  und  Religionsseite, 
sich  stützt,  so  berührt  der  Vf.  doch  auch  Fragen  der  Aesthetik,  der  Komposition, 
der  Form  mit  nicht  gewöhnlichem  Verständnis  und  Gefühl  für  Poesie.  Vor  allem 
der  Prozess  der  ümschnielzung  biblischer  Motive  und  die  künstlei'ische  Bedeutung 
des  eigenartigen  und  mannigfaltigen  Strophenbaues  lag  klar  vor  dem  Geiste  des  Vf.  — 

Aus  Freiligraths  Gedichten  bringt  Hertel  ^')  ein  kärgliches  Sammelsurium 
über  Occident  und  Orient  und  behauptet  dadurch  des  Dichters  Bedeutung  für  die 
Geographie  erwiesen  zu  haben.  Die  Schrift  ist  für  einen  abendlichen  Zeitvertreib 
der  Alpenvereinssektion  Landsberg  a.  L.  zusammengestoppelt  worden.  H.  betrachtet 
es  als  eine  besonders  geistreiche  Entdeckung,  dass  Freiligraths  erstes  Gedicht  dem 
isländischen  Moosthee  gegolten  habe,  sein  letztes  mit  einem  Hinweis  auf  den  China- 
wein endige.  Aus  einem  Ms.  des  vierzehnjährigen  Dichters  teilt  er  einen  romantisch- 
phantastischen Aufsatz  über  die  Abenteuer  eines  Seefahrere  mit  und  möchte  einzelne 
Motive  in  späteren  Dichtungen  wiedererkennen ;  der  Auszug  aus  einem  ungedruckten 
Briefe  Freiligraths  vom  29.  Dec.  1836  enthält  Nichtigkeiten. '^s)  — 

Friedrich  von  Sallets  fünfzigjähriger  Todestag  hat  die  Erinnerung  an 
den  Offizier  und  Laienevangelisten  aufgefrischt.  Erwähnt  seien  hier  die  Aufsätze 
von  Müller-Rast  at  t^^),  von  Westenberger^o)^  einem  ganz  jung  verstorbenen 
rheinländischen  Schriftsteller,  der  unseren  JBL.  ein  warmer  Freund  gewesen,  und  eine 
kurze  Charakteristik  ^i)  des  Salletschen  Haupt-  und  Lebenswerkes.  —  Classen^^)^ 
in  einem  Hymnus,  meint,  Sallet  habe  in  seinem  Gesamtschaffen  Tendenzpoesie  im 
edelsten  und  bedeutendsten  Wortsinne  bekundet:  Er  predigte  mit  grosser 
sittlicher  Würde  eine  Religion  der  Thatkraft  und  des  idealen  Strebens;  in  wahrhaft 
christlichem  Sinne  wollte  er  die  Menschenwürde  zur  Anerkennung  bringen  und  durch 
eine  veredelte  Moral  auf  die  Umgestaltung  der  Staatsverhältnisse  hinwirken.  Sallet 
hatte  nichts  zu  thun  mit  der  gewöhnlichen  Revolutionsformel  der  Zeit.  —  Georg 
Herwegh  ist  für  Ebner  ^^)  zwar  der  ideale  Dichter  der  Freiheit,  aber  doch  auch 
der  schwäbische  Starrkopf,  dessen  demokratischen  Eigensinn  der  Geist  einer  neuen 
Zeit  nie  eines  Besseren  belehren  konnte.  Er  sah  nicht  die  Annäherung  zwischen 
Fürst  und  Volk  oder  verstand  sie  falsch.  Seine  Freiheit  hat  im  Grunde  mit  Politik 
nichts  zu  schaffen;  es  ist  die  schwäbische  Lust  am  Protestieren.  Sein  Ideal  ver- 
steinert in  persönlicher  Verstimmung:  über  die  Audienz  beim  Könige  und  die  Nieder- 
lage von  Dossenbach.  E.  lehnt  den  Vergleich  Uhlands  als  politischen  Dichters  mit 
Herwegh  ab:  So  klar  wie  Uhland  hat  kaum  sonst  einer  politische  Tagesfragen  in 
dichterisches  Gewand  gekleidet;  man  wusste,  was  dieser  Poet  im  württembergischen 
Verfassungskampfe  um  das  gute  alte  Recht  wollte.  Herweghs  politische  Ideale  waren 
Utopien  und  Träumereien  und  endlich  der  kleinlichste  Partikularismus.  So  ein 
jüngerer  Landsmann  Herweghs.  —  M ü n z  ^*)  veröffentlicht  ein  Spottgedicht  Joseph 
Christians  von  Zedlitz^^)  auf  Herweghs  Wort  an  den  preussischen  König:  „W^er 
mit  seinem  Gott  gegrollt,  darf  auch  mit  seinem  König  grollen."  Kindischer  Atheis- 
mus habe  diese  Worte  eingegeben,  und  Gott  werde  sich  aus  Herweghs  Groll  nicht 
viel  machen.  Die  Verse  sind  wohl  um  dieselbe  Zeit  wie  Geibels  Gedicht  „An  Georg 
Herwegh",  Anfang  1842,  entstanden.  ^^)  — 

Die  „Gesammelten  Werke"  Hoffmanns  von  Fallersleben,  in  der  treff- 
lichen Ausgabe  Gerstenbergs  9'),  sind  fvgl.  JBL.  1892  IV  2:  146)  wieder  um  zwei 
Bände  vermehrt  worden,  wovon  der  eine  die  Gelegenheitsgedichte  und  Trinksprüche 
(1820 — 74),  der  andere  das  erste  bis  vierte  Buch  der  Autobiographie  enthält.  Im 
nächsten  Berichtsjahre  wird  die  Ausgabe  eine  Gesamtbesprechung  erfahren,  da  sie 
1894  vollendet  wurde.  Auch  hier  besorgte  G.  das  Geschäft  des  Herausg'ebers  so 
umsichtig  und  lobenswert  wie  früher.  —  Zu  Reklamezwecken  sind  aus  dem  ungedruckten 
Nachlasse  Hoffmanns,  den  Gerstenberg  benutzt  hat,  35  Stücke:  Kinderlieder,  Lieder  im 
Volkston,  Liebeslieder  wieder  abgedruckt  worden^^).  —  Gaedertz  "^)  gewährt,  nach  hs. 
Quellen,  einen  tieferen  Einblick  in  Hoffmanns  Freundschaftsverhältnis  zum  Freiherrn 
von  Meusebach  und  in  ihren  aus  Gelehrsamkeit  und  poetischem  Humor  gemischten 
Briefwechsel.     Die  Korrespondenz  von  Seiten  Hoffmanns  ist  schon  durch  Wendelers 


87)  E.  Hertel,  F  Freiligrath  in  seiner  Bedeutung  for  d.  Geographie  Progr.  Landsberg.  1S92.  20  S.  —  88)  X  Edw. 
Schröder,  K.  J.  Siniroclt:  ADB.  34,  S.  382/5.  (D.  Lyriker  S.  e.  sehr  sympath.  „Erscheinung  aus  d  Gefolge  Uhlands  u. 
Chamissos-'.  Seine  .,Warnung  vor  d.  Rhein"  n.  d.  „Ständchen"  besonders  herausgehoben.)  —  89)  K.  Müller-Rastatt,  Vom 
Leutnant  z.  Laienevangelisten.  (Zu  F.  v.  Sallets  50.  Todestage):  FZg.  N.  52.  —  90)  G.  Westenberger.  F.  v.Sallet:  LZg". 
X.  22.  —  91)  Gedenkbl.  an  F.  v.  Sallet  anlässl.  seines  50  j.  Todestages:  VossZg.  N.ST.—  92)  Jürgen  Classen,  F.  v.Sallet: 
MontagsB.  N.  8.  —  93)  Th.  Ebner,  G.  Herwegh.  E.  Dichter  d.  Freiheit.  E.  litt  Skizze:  N&S.  64,  S.  374-82.  —  94)  G.  H. 
Mfinr.,  Zedlitz  u.  Herwegh:  DDichtnng.  13,  S.  227.  —  95)  X  J-  Ch.  Frhr.  v.  Zedlitz,  Gedichte.  Mit  e  Einl.  v.  A.  Kohut. 
(=  ÜB.  N.  31412.)  L.,  Reclani.  232  S.  M  0,80.  (Kurze  Biogr.;  ausführlichere  Inhaltsang,  der  „Totenkränze".)  —  96)  X 
L.  Frinkel,  M.  Graf  v.  Strachwitz:  ADB.  36,  S.  4803.  (Als  Lyriker  e.  Haudegen  n.  Ritter  romantischen  Schlages.)  — 
97)  Hoffmann  v.  Fallersleben,  Ges.  Werke.  Her.  v.  H.  Gerstenberg.  Bd.  6  n.  7.  B.,  Fontane.  1892.  XH,  375  S.;  X,  424  S. 
M.  6,00.    -    98)   id.,    Ungedr.    Nachlass:    DDichtung.  13,    S.  260  2;    14,    S.  28,  55,   124/6,  138-40,  215,  269-72.    —    99)    K.  Th. 

(4)10  a* 


IV  2b  :  99  104     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

bekannt  geworden;  die  höchst  originellen,  inhaltreichen  und  so  menschlich  schönen 
Briefe  Meusebachs  verdankt  G,  dem  Sohne  des  Dichters,  Franz.  Eine  Liebesepisode 
(1829),  die  tief  in  Hoffmanns  Leben  griff  und  ihn  in  lange  Seelenkämpfe  stürzte, 
wird  durch  litterarische  Zeugnisse  belegt.  Hoff  mann  bewirbt  sich  in  fingierten 
Tagebuchkapiteln  (Leiden  und  Liebe;  Liebe  und  Leiden)  um  Meusebachs  Tochter 
Karoline,  der  er,  unverstanden,  seit  Jahr  und  Tag  innig  zugethan  ist.  Meusebachs 
Antwort,  die  alle  Aussichten  zerstören  muss,  lässt  die  innere  Bewegung  deutlich 
spüren;  erschütternd  sind  die  Zeilen,  die  Hoffmann  im  ersten  Schmerze  aufs  Papier 
wirft.  Die  Beziehungen  zum  väterlichen  Freunde  hat  dieser  schwere  Herzenskonflikt 
keinen  Augenblick  getrübt.  G.  führt  uns  in  die  zwischen  Freude  und  Trübsinn, 
zwischen  Hoffen  und  Verzweifeln,  zwischen  Lebenslust  und -überdruss  schwankenden 
Stimmungen,  die  dem  Entschlüsse  vorausgehen,  sich  zu  erklären.  Wir  erfahren, 
wie  väterlich  zu  allen  Zeiten  Meusebach  um  die  Zukunft  Hoffmanns  besorgt  war, 
wie  sehr  ihm  u.  a.  daran  lag,  den  Breslauer  Kustoden  als  Hauptbibliothekar  nach 
Wolfenbüttel  zu  bringen,  als  F.  A.  Ebert  nach  Dresden  ging  (Brief  vom  22.  Dec.  1824). 
Er  findet  zahlreiche  zärtliche  Wendungen  und  Formen,  um  sich  über  des  jungen 
Freundes  Thun  und  Fühlen  zu  unterrichten,  ihn  zu  korrigieren  und  ihm  den  Spiegel 
vorzuhalten,  wenn  es  nötig  ist.  In  einer  „Parabel"  schildert  er  Hoffmanns  naive 
Streberei;  indessen,  er  ist  durchdrungen  von  der  einstigen  Berühmtheit  des  jungen 
Menschen  und  schildert  in  einem  erdichteten  Schriftenwechsel  von  Philologen  und 
Litteratoren,  der  in  die  J.  1881  auf  82  verlegt  wird,  wie  kommende  Geschlechter 
Hoffmanns  litterarischen  Spuren  nachgehen.  In  der  Korrespondenz  war  Meusebach 
der  eifrigere;  seine  Wünsche  und  Meinungen  zielen  zumeist  auf  gelehrte  Dinge,  dach 
er  vergisst  auch  nicht  den  Poeten  in  Hoffmann:  „Meine  Frau  spielt  und  singt  ihre 
Lieder,  und  ich  singe  das  meine,  dass  ich  nämlich  nie  aufliören  werde,  Sie  zu  lieben. 
Sie  Gefeierter  machen  eine  Ausnahme,  nämlich  die  schönsten  Gedichte  neben  den 
trefflichsten  litterarischen  Sachen.  Aber  Sie  sind  freilich  auch  ein  Einziger  und  ein 
Tausendsassa."  -  Das  schrieb  Meusebach  nach  Breslau.  Dort  hatte  Hoffmann,  wie 
er  in  seinem  ,, Leben"  (2,  S.  230;  neue  Ausg.  7,  S.  193)  erzählt,  „in  der  Poesie  einen 
Beichtvater"  gefunden:  Johann  Gottlob  Regis  ^"^o^.  Im  Aug.  1833  übergab  Hoffmann, 
der  eine  zweite  Auflage  seiner  Gedichte  vorbereitete  Terschienen  bei  Brokhaus  1834), 
ein  Exemplar  der  ersten  Auflage  seinem  Berater,  damit  er  die  Sammlung  im  ganzen 
und  im  einzelnen  begutachte.  Regis  berichtet  darüber  an  Carus  (s.  o.  N.  30);  er 
nennt  den  Dichter  einen  guten  Gesellen  und  „edlen,  liebenswürdigen  Kerl  bis  auf 
etwas  Vetter-Michelei".  Er  hat  zahlreiche  Aenderungen  vorgeschlagen;  er  meint 
—  als  einer,  der  immer  von  weltlitterarischer  Höhe  herab  urteilt  —  Hoffmanns 
Sphäre  sei  beschränkt;  das  mancherlei  ,, Nette,  Brave,  Reingeformte"  drehe  sich  nur 
um  W^ein,  Liebe  und  Frühling;  Hoffmanns  volksmässiger  Ton  geht  ihm  freilich  zu 
Herzen,  i^i)  _  Ueber  die  Entstehung  und  die  Schicksale  des  Liedes  „Deutschland, 
Deutschland  über  Alles"  schreibt  ein  Anonymus  ^'^^);  nach  der  Ausgabe  Gerstenbergs 
wird  das  Facsimile  der  Hs.  wieder  abgedruckt.  Es  war  zunächst  ein  liberales 
Lied,  das  die  Reaktionäre  hassten  und  verfolgten.  Seine  zweite  Blütezeit  fällt  in 
die  sechziger  Jahre.  1870  versuchte  man  es  als  Nationalhymne  emporzubringen. 
Theodor  Ebeling  in  Hamburg  lässt  es  als  Flugblatt  drucken  und  verteilen.  Hoffmann 
hatte  die  Absicht,  eine  „Oratio  pro  domo"  voraufzusenden,  die  indessen  nie  gedruckt 
wurde  (Brief  an  Ebeling  vom  18.  Aug.  1870).  Der  Grundgedanke  war:  Sobald  wir 
zu  fragen  aufgehört  „Was  ist  des  Deutschen  Vaterland?"  hatte  dieses  ,, Deutschland, 
Deutschland  über  Alles"  seine  Zukunft.  Die  Komponisten  des  Liedes  waren : 
F.  Abt,  A.  Dresel,  M.  Ernemann,  W.  Graef,  H.  Grosse,  L.  Hahn,  C.  Halbmair,  Iper, 
L.  Kindscher,  F.  G.  Klauer,  C.  Kreutzer,  F.  Lachner,  Fr.  Müller,  V.  Nessler,  Ernst 
Richter,  L.  Scherff,  C.  G.  Schöne,  L.  Stark,  E.  Thiele.  Aber  Hoffmann  selbst  hat 
sich  immer  für  die  Melodie  Haj^dns  zu  ,,Gott  erhalte  Franz  den  Kaiser"  ausgesprochen. 
Der  Vf.  des  Aufsatzes  teilt  eine  Variante  des  Schlusses  mit:  „Stosset  an  und  ruft 
einstimmig:  Hoch  das  deutsche  Vaterland!"  —  Auf  Helgoland,  wo  am  26.  Aug.  1841 
dieses  Lied  der  Deutschen  gedichtet  ist,  wurde  ein  Denkmal  Hoffmanns  enthüllt '**3).  — 
Reizvoll  ist,  was  über  Emanuel  Geibels  schöne  Jugend-  und  Studentenzeit 
Gaedertz^*^*)  zu  berichten  weiss  nach  Briefen  des  angehenden  Dichters  an  seinen 
Freund  Wilhelm  Wattenbach,  der  1835 — 36  noch  zu  Lübeck  auf  dem  Gymnasium  sass, 
und  zweier  Universitätsfreunde  aus  Berlin,  Moritz  und  Julius  Sotzmann,  Söhne  eines 
Oberfinanzrates,  sowie  nach  mündlichen  Ueberlieferungen  des  alten  Gaedertz,  der  mit 
Niebuhrs  Sohne  Markus  damals  das  feuchtfröhliche  Convivium  teilte.     Geibel  hat  die 


Gaedertz,  Hoffmann  v.  Fallersleben  u.  sein  Berliner  Gönner:  N&S.  62,  S.  210-27.  -  100)  J.  Elias,  J.  G.  SegU  über  Hoff- 
mann V.  Fallersleben:  VossZg».  1892.  N.  .51.  (S  o.  N.  30.)  —  101)  X  —  z,  Hnffraann  v.  Fallersieben:  BnrsohenschBU.  6,  S.  271/3. 
—  102)  E.  dtsch.  Nationallied:  DDichtunp.  14,  S.  Ö4/6.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:  146.)  -  103)  D.  EnthBllung  d.  Denkmals  für 
Hoffmann  v.  Fallersleben:  NorddAZg.  Is92,  4.  Sopt.  (D.  erste  Anregung  gab  K  Th.  Gaedertz:  vgl.  JBL.  1S90  IV  2:211/2; 
iB.  auch  N*S.  62,  S.  226)    —    104)    K.  Th.  Gaedertz,    Aus  E.  Geibels  Studienzeit:    N&S.  60,   S.  136-211.    --    105)  O  X  X 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  105-112 

beiden  Bonner  Semester  in  naivem,  von  romantischer  Schwärmerei  vergoldetem 
Lebensgenüsse  dahin  gebracht  und  auch  seine  Philologie  nur  genossen.  Dass  aber 
bei  gelehrter  Fein  schmeckerei  oft  mehr  herauskommt  als  beim  Silbenzählen,  das  be- 
zeugt die  ausgezeichnete,  von  moderner  Künstlerempfindung  eingegebene  Charakte- 
nstik  des  Lukrez,  dieses  „götterleugnenden  Lord  Byron  des  Altertums"  (S.  197/8),  aus 
dessen  Schicksal  die  jugendlich  berauschte  Phantasie  sich  gleich  die  Grundzüge 
eines  tragischen  Dramas  schafft.  Der  Grundton  dieser  Jugendbriefe  ist  zunächst 
Heimweh,  das  sich  bis  zur  Krankheit  steigert,  und  Liebe,  die  entsagen  lernt;  dann 
eine  humoristische  Auffassung  der  Welt,  die  der  um  Herzens-  und  Gefühlsweh  un- 
bekümmerte Geist  des  Rheinlandes  in  Geibel  erzeugt,  und  die  der  Ernst  der  Berliner 
Zeit  fürs  erste  nicht  verdrängen  kann.  Dichterische  Gaben:  die  hexametrische 
Schilderung  einer  drollig-abenteuerlichen  Landpartie  ins  Bonner  Land,  das  Weihelied 
des  karnevalistischen  Hampelmänner- Vereins,  eine  breite  komische  Ermahnungsrede 
an  den  zur  Universität  abgehenden  Wattenbach  kommen  aus  dieser  Stimmung. 
Den  romantischen  Sinn  des  Jünglings  erfasst,  im  Gedanken  an  die  verfallene  Staufen- 
burg,  mit  Macht  die  Kaiseridee  (S.  198/9);  doch  Preussens  steigende  Bedeutung  ver- 
ringere die  Aussicht.  Später  sollte  Geibel  anders  denken.  Von  Goethe  ist  oft  die 
Rede,  auch  von  Kerner  und  Jean  Paul,  vor  allem  aber  von  Bettina  (S.  189 j,  für  die 
er  nicht  genug  enthusiastische  Worte  finden  kann.  Litterarisch  bemerkenswert  ist 
der  Nachweis,  dass  der  Stoff  zu  Geibels  Lustspiel  „Meister  Andrea"  aus  einer 
Humoreske  Sotzmanns,  des  Vaters,  stammt:  „Der  dicke  Tischler",  die  im  Almanach 
„Urania"  (1824)  veröffentlicht  worden  ist  (vgl.  AZg«.  1884,  N.  246)'"5).  _  Ueber 
Geibels  Beziehungen  zu  Cäcilie  Wattenbach  wird  erst  dann  völlige  Klarheit  ge- 
schafft werden,  wenn  einmal  Cäciliens  im  Aug.  1836  angelegtes  Tagebuch  ver- 
öffentlicht ist,  das  Gaedertz  ^*^^)  in  der  Hand  gehabt  hat.  Der  greise  Geibel  selbst 
hat,  als  nach  einem  Menschenalter  die  Jugendgeliebte  es  ihm  zur  Lektüre  lieh,  unter 
Thränen  bekannt,  dass  alles,  was  dieses  Buch  enthalte,  die  reine  Wahrheit  sei.  G. 
hat  ausserdem  ein  Poesie-Album  Cäciliens  (angefangen  am  6.  Nov.  1839)  durchgesehen, 
das  gleichfalls  als  ein  menschliches  Dokument  gelten  muss.  Die  Citate  aus  ein- 
heimischen wie  ausländischen  Dichtern  und  Prosaisten  sind  so  gewählt,  dass  sie  fort- 
laufend den  jeweiligen  Seelenzustand  des  liebenden  und  entsagenden  Weibes  schildern* 
Auch  Poesien  des  geliebten  Mannes  finden  sich  in  erster  Niederschrift  darunter.  — 
Neuerdings  sind  wieder  verschiedene  ungedruckte  Kleinigkeiten  aus  Geibels  rührigem 
Poetendasein  veröffentlicht  worden,  ^ö')  — 

Freunde  und  Schüler  Geibels  waren  der  in  Oesterreich-Ungarn  geborene,  doch 
in  Deutschland  heimische  Gottfried  von  Leinburg  und  Alexander  Kaufmann, 
der  dem  vormärzlichen  Bonner  Dichterkreise  angehörte  und  vor  allem  auch  ein  ver- 
trauter Kamerad  Kinkels,  Simrocks  und  Freiligraths  war.  Beide  sind  im  J.  1893  ge- 
storben, jener  am  8.  und  dieser  am  25.  April.  Frank  el  ^*^**j  schildert,  mehr  be- 
richtend als  charakterisierend,  das  ganz  in  der  Zurückgezogenheit  abgelaufene 
Dichterleben  Kaufmanns,  der  gemütvoll  sang  von  Natur,  Wein  und  Minne,  humor- 
reiche Epen  schrieb  und  im  Balladenstile  Uhlands  arbeitete.  Als  Forscher  beschäftigte 
er  sich  im  wesentlichen  mit  Sagengeschichte.  Seine  Gattin  Mathilde,  eine  geborene 
Binder,  war  ihm  auch  eine  litterarische  Gefährtin;  sie  hat  als  „Amara  George" 
1850  unter  dem  Titel  „Blüten  der  Nacht"  ein  Bändchen  Gedichte  herausgegeben.  — 
Lebhafter  spricht  für  Gottfried  von  Leinburg  ein  Anonymus ^09j^  als  für  einen  traurig 
verkannten  deutschen  Schriftsteiler.  Als  Lyriker  war  von  Leinburg,  der  ein  wechsel- 
volles, doch  durch  wichtige  litterarische  Beziehungen  interessantes  Leben  führte, 
überzeugter  Platenide.  Seine  Gedichte  sind  indessen  bis  heute  nicht  gesammelt 
worden.  Wichtiger  ist  er  wohl  für  die  Geschichte  der  Uebersetzungskunst  als  ge- 
schickter Vermittler  zwischen  Skandinavien  und  Deutschland.  Er  versuchte  sich  mit 
Erfolg  u.  a.  an  Teg-ner,  Oehlenschläger  und  Björnson.  —  In  Otto  Leonhard 
Heubner  (geb.  am  17.  Jan.  1812  zu  Plauen  i.  V.,  gest.  am  4.  April  1893  zu  Dresden) 
gräbt  Isülani^^*^)  einen  begeisterten  Sänger  der  deutschen  Turnerei  aus,  der,  ein  Frei- 
heitskämpfer, in  Dresden  auf  den  Barrikaden  stand,  später  aus  dem  Gefängnisse  Lieder 
schrieb,  mit  Mosen  befreundet  war,  litterarisch  zu  Geibel  und  Freüigrath  sich  hin- 
gezogen fühlte  und  auch  als  Uebersetzer  thätig  gewesen  („Englische  Dichter"  in 
Auswahl,  Leipzig  1856).  i^^  — 

In  Leopold  Schefer,  dessen  dreissigstem  Todestage  er  ein  Gedenkblatt 
widmet,  sieht  PröU^'^j  einen  „romantischen  Naturalisten",  romantisch  in  den  Motiven, 


Lindenberg  [Hanptpastor],  Geibels  Vater.  Vortr.  L&beck  (L&bcke  ü  Hartmann).  12°.  44  S.  M.  0,50.  —  106)  K.  Tfa. 
Gaedertz,  Cäcilie  Wattenbach  n.  E.  Geibel:  NChristoterpe.  1892,  S.  113-24.  —  107)  S.,  Zehn  nen  aafgefnndene  Gedichte 
E.  Geibels:  Hessenland  6,  S.  3001.  —  108)  L.  Fränkel,  Alex.  Kaufmann:  Geg.  44,  S.  169-71.  —  109)  L.  R.,  Gottfr.  y.  Lein- 
bnrg:  AZgi*.  N.  110.  —  HO)  E.  Isolani,  0.  L.  Heabaer.  Lebensbild  e.  dtsch.  Mannes.  Mit  e.  Einfdhr.  v.  F.  Goetz.  Dresden, 
Hönsoh  &  Tiesler.  40  S.  M.  0,60.  —  111)  X  A.  Englert,  Zu  Kopischs  „Bärenschlacht'':  ZDÜ.  7,  S.  4912.  (E.  interpretiert 
d.  Stelle  „Zeigt,  dass  ihr  nicht  vom  Kassbaum  seid"  unter  neuen  Belegen  ao  wie  Sprenger  ZDÜ.  4,  S.  160.)  —  112)  E.  Pröll, 


IV  2b  :  112-119    J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

naturalistisch  in  der  Schilderung"  und  Zergliederung  von  Seelenzuständen.  Das 
„Laienevangelium"  1^3^,  dessen  erste  Lieder  Schefer  schon  auf  dem  Gymnasium  ge- 
dichtet hat,  stellt  P.  in  Vergleich  mit  Rückerts  „Weisheit  des  Brahmanen"  —  es  ist 
Betrachtungspoesie  mit  stark  lyrischem  Schwünge.  —  Ein  entschiedener  Anhänger 
Schefers  ist  R.  G.  Spiller  von  Hauenschild,  genannt  Max  Waldau,  gewesen, 
den  jetzt  FränkeP^'*)  weit  sachlicher  betrachtet  als  sein  schwächlicher  „Retter" 
Rudolf  von  Gottschall  (vgl.  JBL.  1892  IV  2  :  299).  —  An  Rückert  und  Schefer  auch 
schliesst  sich  Julius  Hammer,  dessen  zarte  Gedankenlyrik  („Schau  um  dich  und 
schau  in  dich"  1851)  Brummer i^^)  neu  herausgiebt.  — 

Die  neue  Ausgabe  des  Spitta-Buches  von  Münkel,  die  Mejer*'^)  für  seinen 
verstorbenen  Freund  besorgt  hat,  stellt  sich  im  wesentlichen  als  ein  treuer  und  sorg- 
fältiger Abdruck  der  ersten  Edition  (1861)  dar.^''"i^*^)  —  Ein  neuerei^,  vielgelesener  Ver- 
treter der  geistlichen  Dichtung  sei  hier  gleich  angeschlossen,  der  Schwabe  KarlGerok, 
der  bewundernde  Freund  Uhlands,  Schwabs  undMörikes.  Gustav  Gerok  i'^),  der  Sohn, 
hat  nach  Tagebüchern,  Kalendern  und  Briefen  ein  Buch  zusammengestellt,  das  die 
gewöhnlichen  Mängel  der  Familienpublikationen  besitzt:  die  Breite  der  Darstellung 
und  die  Aufhäufung  von  vielem  unwesentlichem  Materiale  aber  schliesslich  die  liebens- 
würdige Persönlichkeit  des  dichterischen  Theologen  und  theologischen  Dichters  charak- 
teristisch hervortreten  lässt,  wenn  man  sich  durch  die  670  Seiten  erst  einmal  hindurch 
gelesen  hat.  Der  Band  bildet  eine  Fortsetzung  der  „Jugenderinnerungen",  die  Gerok 
noch  selbst  zum  Druck  befördert  hat.  Eine  Fülle  ungedruckter  Gedichte,  zumeist 
Gelegenheitssachen  von  bedingtem  Werte,  ist  unter  die  Prosadokumente  gemischt, 
versteckte  und  verstreute  Aufsätze  theologischen  wie  schöngeistigen  Inhaltes  werden 
neu  abgedruckt.  Geroks  Hauptkorrespondenten  waren:  der  Rektor  Fritz  Köstlin,  zu- 
gleich sein  treuer  Ratgeber  in  poetischen  Dingen,  Ottilie  Wildermuth,  der  Schwager 
Ijang  und,  seit  den  sechsziger  Jahren,  A.  W.  Grube,  einweit  schärferer  Richter,  als 
der  gute  Köstlin.  Heute  schreibt  Gerok  an  die  Prinzessin  Wera  von  Württemberg, 
morgen  an  einen  armen  Zuchthausgefangenen.  Eine  weite  edle  Seele  thut  sich  auf, 
ein  Priester  spricht,  der  die  Menschenliebe  nicht  bloss  auf  der  Zunge,  auch  im  Herzen 
hat,  ein  Mensch,  der  den  Weltlauf  begreift,  der  das  Glück  des  Lebens  ernst  geniesst 
und  Schicksalsfügungen  demütig  hinnimmt.  Ein  positiv  gläubiger  Christ,  hat 
Gerok  in  litterarischen  Angelegenheiten  doch  ganz  ästhetisch  empfunden  und  unab- 
abhängig  geurteilt.  In  der  Verehrung  für  Goethe  ging  er  geradezu  auf,  und  er 
lehnte  es  ab,  diesem  grossen  und  harmonischen  Leben  den  Sittenrichter  zu  spielen. 
Wohl  nie  hat  ein  Theologe  Goethes  „nicht  specifisch  christliche,  ja  meinetwegen 
heidnische,  aber  jedenfalls  tiefe  und  ungeheuchelte  Frömmigkeit  gegenüber  dem 
Schöpfer  und  der  Schöpfung"  bewundert.  Er  schwärmte  für  Schelling,  liebte  Hegel, 
schätzt  Heine  und  hatte  selbst  noch  für  D.  F.  Strauss  Individualität  Worte  der 
Anerkennung.  Wie  sehr  Gerok  sich  auf  echte  Poesie  verstand,  das  zeigen  die  brief- 
lichen Nekrologe  über  Mörike  und  ühland,  seine  Worte  über  Gottfried  Keller.  Mörike 
gegenüber  fühlt  er  sich  als  Lyriker  unsagbar  klein:  Ihm  selbst  fehle  „das  punctum 
saliens  der  Lyrik:  der  Duft,  der  Schmelz,  das  Unsagbare,  das  Irrationale,  was  Goethe 
meint,  wenn  er  sagt,  ein  gutes  lyrisches  Gedicht  müsse  im  ganzen  sehr  vernünftig, 
im  einzelnen  immer  ein  wenig  unvernünftig  sein",  und  des  Gedichtes  „Hauch";  nur 
ein  einziges  seiner  Stücke,  „Das  Herbstgefühl"  wagt  er  ein  wirkliches  Lied  zu 
nennen  (S.  481).  Sonst  aber  lehnt  er  Grub  es  ehrliche  Charakteristik  seines  Schaffens 
als  eines  „behäbigen"  und  „hausbackenen"  gar  nicht  ab;  er  findet  selbst,  dass  das 
„Lehrhafte"  der  Hauptzug  seiner  Poesie,  dass  sie  darin  aber  „gesund,  natürlich  und 
nahrhaft"  sei  (S.  495).  Er  freut  sich  dessen,  dass  es  ihm,  dem  Theologen,  durch 
Anlage  vergönnt  war,  sich  auch  auf  dem  Gebiete  der  weltlichen,  „wenn  auch  mehr 
oder  weniger  christlich  beleuchteten"  Poesie  zu  bewähren,  dass  er  „vor  den  ordinärsten 
geistlichen  Liedermachern,  die  in  der  Schule  der  weltlichen  Poeten  gebildete  Form 
voraus  hatte."  W^ie  Geibel,  den  er  sich  oft  als  Muster  vorsetzte,  war  Gerok  ein 
Epigone  der  Romantik.  Die  „liebliche  Beschäftigung"  des  Dichtens,  für  das  ihm  sein 
schweres  Predigeramt  die  Zeit  nur  knapp  bemass,  folgt  ihm  auf  seine  Spaziergänge 
und  sommerlichen  Wanderungen.  Manche  lebhafte  Naturschilderung  von  Rügen,  von 
Helgoland  und  aus  der  Schweiz  liest  sich  wie  die  erste  naive  Fassung  eines  Liedes.  — 
(Der  Schluss  folgt  im  nächsten  Hefte,  dem  ersten  des  fünften  Bandes.) 


L.  Schefer.  E.  GedenTcbl.:  Didask.  1892,  N.  35.  —  113)  X  L-  Schefer,  Laienbreyier.  Mit  e.  Einl.  y.  A.  Kohnt.  (=  ÜB. 
N.  3031/3.)  L.,  Reclara.  16».  355  S.  Mit  Bildn.  M.  1,00.  —  114)  L.  Fränkel,  K.  6.  Spiller  v.  Hanenschild :  ADB.  35, 
8:  190/6.  —  115)  J.  Hammer,  Schau  um  dich  n.  schau  in  dich.  Dichtungen.  Her.  v.  F.  BrQmmer.  (=  ÜB.  N.  3024.)  L., 
Reclam.  16".  100  S.  Mit  Bildn.  M.  0,60.  —  116)  K.  K.  Münkel,  K.  J.  Ph.  Spitta  (vgl.  JBL.  1892  :  158).  |[ThLBl.  13,  S.  12; 
ThLB.  14,  S.221.]|  —  117)X  !•  «•.  K.  J.  Ph.  Spitta:  ADB.  35,  S.  204,8.  —118)  X  K.  J.  Ph.  Spitta,  Psalter  u.  Harfe.  E.  Samml. 
Christi.  Lieder  z.  häusl.  Erbauung.  L.,  W.  Fiedler.  12».  190  S.  M.  1,50»  —  119)  Gust.  Gerok,  K.  Gerok.  E.  Lebensbild, 
aus  seinen  Briefen  u.  Aufzeichnungen  zusammongest.  St.,  Krabbe.  1892.  V,  670  S.  Mit  Bildn.  M.  6,00.  |[Geg.  42,  S.  336 
warm    anerkennend);    LCBl.   1892,    S.  1754;    BBSW.    1892,   S.  269-78;    SchwäbKron.    1892,   16.  Nov.]|     (S.u.    IV    5:129.)   — 


A.  von  Weilen,    Drama   und  Theatergeschichte   des  18./19.  Jahrhunderts.     IV  4:i3 

IT,  3 

Epos. 

Max  Freiherr  von  Waldberg". 

[Der  Bericht  über  die  Erscheinungen  des  Jahres  1893  wird  im  fünften  Bande 
nachgeliefert.] 


IV,4 

Drama  und  Theatergeschichte. 

Alexander  von  Weilen. 

Geschichte  des  Dramas:  Allgemeines  N.  1.  —  Dramatiker  zur  Zeit  Gottscheds  N.  4  —  Sturm  und  Drang 
N.  7.  —  Shakespeare  in  Deutschland  N.  23.  —  Kotzebufi  N.  29.  —  Körner  N.  44.  —  H.  von  Kleist  N.  03  —  Charlotte  Birch- 
Pfeiffer,  Holtei  N.  79.  —  Otto  Ludwig  N.  S3.  —  \V.  K.  Stolte.  F.  A.  Steinmann  N.  87.  -  Neueres  deutsches  Drama:  M.Greif, 
F.  Wehl,  K.  Werder,  L.  Fulda,  F.  von  Wildenbruch,  G.  von  Moser,  A.  Wilbrandt  N.  90.  —  Die  Moderne:  Allgeraeines  N.  113; 
Ibsen  N.  119;  Sndermann  N.  141;  Hauptmann  N.  152;  Halbe,  Hartleben,  Strindberg,  E.  von  Wolzogen  N.  164.  —  Oesterreichische 
Dramatiker:  P.  Weidmann,  die  Familie  Stegmayer,  A.  E.  Frhr.  von  Steigentesch,  J.  L.  von  Deinhardstein  N.  175;  Raimund 
K.  184;  Nestroy  N.  191;  Grillparzer  N.  193:  Bauernfeld  N.  225;  Friedrich  Halm  N.  231;  Hebbel  N.  234;  M.Schleifer,  F.  Nissel 
N.  251;  F.  von  Saar  N.  262;  Anzengrnber  N.  267.  —  Drama  der  Schweiz  N.  273.  —  Geistliches  volkstümliches  .Schauspiel 
N.  279.  —  Festspiele  N.  286.  —  Volkstheater  und  Dialektdichtung  N.  290.  —  Puppenspiele  N.  305.  —  Dramaturgisches: 
Allgemeines  N.  309.  —  Modernes  Theater  N.  317.  —  Eeformvorschläge  N.  324.  —  Schauspielkunst  N.  340.  —  Technisches 
N.  351.  —  Einzelheiten:  Lustspiel  N.  355;  Gerichtsverfahren  N.  357:  Blinde  N.  362.  —  Censur  N.  364.  —  Bühnenbearbeitungen 
N.  369.  —  Sammelwerke  N.  372.  —  Theatergeschichte:  Allgemeines  N.  373.  --  Einzelne  Städte:  Bamberg  N.  383;  Berlin 
N.  386;  Danzig  N.  393;  Frankfurt  a..  M.  N.  .394;  Hamburg  N.  398;  Karlsruhe  N.  402:  München  N.  404;  Wien  N  409;  Würzburg 
N.  418.  —  Schauspielerbiographien:  Spencer,  Veiten,  Beibehand,  Ackermann,  die  beiden  Stephanie,  Döbbelin  N.  429;  Schröder 
N.  445;  K.  D.  Stegmann,  P.  A.Wolff,  Iffland,  Frl.  Maass  N.  450;  Antonie  Adamberger,  S.  H.  Spiker,  Familie  Spitzeder,  F.  lUen- 
berger,  K.  Chr.  L.  Starklof  N.  454;  Seydelmann,  L.  Devrient  N.  459;  A.  W.  T.  Stahr,  A.  Hessler  N.  467;  Ludwig  und  Zerline 
ßabillon  N.  469;  Eleonora  Düse  N.  473.  — 

Drama:  AUg-emeines.  An  die  Spitze  dieses  Berichtes  muss  die  verdienstvolle 
Neubearbeitung  treten,  welche  die  das  Theater  zu  Schillers  und  Goethes  Zeiten  be- 
handelnden Paragraphen  in  der  Neuausgabe  des  Goedekeschen  Grundrisses*)  erfahren 
haben.  Eine  reiche  Vermehrung  im  einzelnen  ist  jedem  Abschnitte  zu  gute  ge- 
kommen, während  die  einleitenden  Bemerkungen  Goedekes  meist  ungeändert  blieben. 
Die  Bibliographie  der  Theatergeschichten  ist  (S.  245)  sehr  vervollständigt.  §  257 
bringt  die  Uebersetzer,  voran  ein  höchst  dankenswertes  genaues  Verzeichnis  des 
Dykschen  Theaters  der  Franzosen.  N.  6,  15  fVgl.  §  259,  N.  71,  3)  ist  falsch.  Bei 
der  dänischen  Schaubühne  (S.  254)  fehlt  von  Weilens  Anzeige  (ZVLR.  2,  S.  128—34). 
Unter  den  italienischen  Uebersetzern  vermisst  man  Joseph  Landes,  der  schon  früher 
(4,  S.  249)  zu  kurz  gekommen  war,  und  J.  G.  Heubel.  Bei  den  Shakespeare -Ueber- 
setzungen  fehlt  Leonhardis  „Hannibal  von  Donnersberg  oder  der  geizige  Soldat",  Lust- 
spiel in  5  Akten  (Wien  1784)  nach  Shakespeares  Lustigen  Weibern.  §  258: 
Bühnendichter.  Iffland  ist  Hollands  Mitwirkung  sehr  zu  gute  gekommen,  die 
Kotzebue-Bibliographie  lässt  noch  manches  zu  wünschen  übrig.  Bei  Hagemann  (N.  10) 
fehlt  zu  7  die  Ausgabe :  Graz  1796,  bei  Hagemeister  (N.  12)  zu  8  die  Ausgabe  Graz  1797 ; 
am  schwächsten  ist  wohl  F.  W.  Ziegler  geraten  (N.  14);  J.  N.  Komarek  CN.  15)  ist 
nach  dem  Theater-Kalender  (1782,  S.  164)  zu  Prag  1757  geboren  und  debütierte  als 
Schauspieler  daselbst  1776.  Dort  werden  auch  drei  Dramen  genannt:  Die  Promotion, 
Karl  von  Braunwald,  Der  geplagte  Mann,  die  im  Verzeichnisse  fehlen.  Die  alte,  von 
der  ersten  Auflage  beibehaltene  Einteilung  wirkt  gerade  in  diesem  Paragraphen  recht 
störend,  in  dem  Dramatiker  vorangestellt  werden,  die  besser  und  gründlicher  später 
in  den  einzelnen  Ländern  abgehandelt  worden  wären.  Ziegler  und  Steigentesch 
z.  B.  hätten  gleich  im  nächsten  Abschnitte  (§  258)  Platz  finden  können,  der  die 
Bühnendichter Oesterreichs  umfasst.  Dieser  ist  durch  A.  von  Weilen  vollständig  neu  be- 
arbeitet worden.  Die  Einleitung  hebt  besonders  den  Zusammenhang  des  Wiener 
Stückes  mit  den  in  Deutschland  beliebten  Dramen,  speciell  mit  den  Erzeug-nissen  des 
Sturms  und  Drangs,  hervor  und  skizziert  den  Gang  der  Wiener  Volksbühne.  Im 
einzelnen  bleibt  hier  noch  viel  Arbeit  übrig,  aber  es  ist  doch  ein  erster  Versuch, 
die  Massenproduktion  eines  Kurz,  aus  dessen  Arien  zum  ersten  Male  die  sämtlichen 
Titel  mitgeteilt  werden,  Hensler,  Schikaneder,    Perinet  zu  überblicken.     Die  Angabe 


1)   (IV  la:2.)    —   2)    R.   Schlösser,   Z.  Qotter-Bibliographie :    VLG.  6,   S.  3015.    (Dazu  ib.  3   585.)    —   3)  K. 
Jabresberiebte  für  neuere  deutsche  Litferatnrgeschichte.    IV.  (4)1 1 


IV  4:4-10    A.  von  Weilen,  Drama  und  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

CS.  314  N.  40),  dass  Weidmanns  Bettelstudent  auf  Boccaccio  zurückgeht,  ist  falsch. 
Man  streiche  bei  Otterwolf  (N.  35,  4)  die  Osmonde;  das  Stück  ist  von  Gebier. 
J.  Friedel  (N.  70)  ist  1750  geboren.  N.  77  die  Warnung  des  Schicksals  ist  von 
Ayrenhoff.  Arnsteins  Maske  (N.  80,  5)  ist  gedruckt  als  einaktiges  Lustspiel:  Wien  1788, 
8",  56  S.  Eberls  Unglücksvogel  (N.  112,  22)  erschien  als  Oper  mit  Musik  von  Roser 
am  28.  Febr.  1819  am  Theater  in  Wien.  Zu  Hutt  (N.  153)  vgl.  Oest.  Pantheon  Bd.  2, 
§  260:  Das  Drama  in  der  Schweiz  hat  wenig  Bereicherung  erfahren;  da  fand  Hirzels 
Anzeige  vieles  Bibliographische  nachzutragen;  einiges  steuert  sie  auch  für  die 
Iffland-Bibliographie  bei.  Viel  besser  sind  die  übrigen  das  Drama  betreffenden 
Paragraphen  (§  260/9)  behandelt.  Dazu  muss  hier  noch  erwähnt  werden  §  277  mit 
Engel,  L.  F.  Huber,  Karoline  Pichler,  deren  zahlreiche  Zeitschriftenaufsätze  leider 
ganz  unberücksichtigt  geblieben  sind  u.  a.  Vieles  Dramatische  bietet  auch  der  von 
M  Uli  er-Fraureuth  meisterhaft  ausgearbeitete  §279,  der  die  Ritter-  und  Räuberromane 
behandelt.  —  Als  Nachträge  zufrüheren  Abschnittendes  Grundrisses  sind  Schlossers^) 
„Zur  Gotter-Bibliographie"  und  Schüddekopfs^)  ,, Bibliographisches  über  Goue" 
laeachtenswert.  — 

In  seiner  Anzeige  des  Heitmüllerschen  Buches*)  (vgl.  JBL.  1890  IV  4  :  6)  über 
die  Hamburgischen  Dramatiker  zur  Zeit  Gottscheds  liefert  Leitzmann 
kleinere  Nachträge;  Redlich  bringt  reiche  Korrekturen  und  Verbesserungen  für 
Dreyer,  Schönemann,  Stüven  und  aus  Kirchenbüchern  Mitteilungen  über  Borkensteins 
Familiengeschichte.  Für  Behrmann  ist  die  Sammlung  theatralischer  Gedichte  (Leipzig 
1776)  von  Wichtigkeit,  in  der  nachgewiesen  ist,  dass  Behrmann  seine  Horatier  1751 
in  seinem  Hause  siebenmal  gespielt  hat  und  Aufklärungen  über  den  Bericht  Schützes 
gegeben  werden.  Ein  Urteil  Pyras  über  Behrmann  wird  mitgeteilt.^)  —  Aus  Briefen 
Pfeffels  schöpft  Funck^)  Kenntnis  von  den  ersten  dramatischen  Versuchen  Pfeffels, 
die  zum  Teil  ganz  verschollen  sind.  Er  projektierte  1760  einen  Henoch,  verwundert, 
dass  Bodmer,  W^ieland  oder  Gessner  noch  nicht  nach  diesem  Stoffe  gegriffen  haben ; 
im  selben  Jahre  arbeitet  er  seinen  Einsiedler,  ein  Trauerspiel,  das  er  schon  vor  zwei 
Jahren  entworfen,  zunächst  in  Prosa,  dann  in  „zehnsilbigen  Zeilen,  wie  Schlegels 
Sophonisbe",  endlich  in  Alexandrinern.  Fertig  hat  er  unterdessen  ein  kleines  komisches 
Impromptu,  bestimmt  für  die  Ackermannsche  Gesellschaft,  „Die  Pockennarben",  das 
seinen  Stoff  einem  alten  Romänchen  aus  dem  Mercure  de  France  entnahm.  Es  wurde- 
auch  nicht  zu  seiner  Zufriedenheit  (im  Dec.)  gespielt.  ,  Ebenso  ist  auch  ein  (Febr. 
1761  vollendetes)  Schäferspiel,  Der  Schatz,  als  stimmungsvolles  Nachspiel  nach  grossen 
Tragödien  gedacht,  was  Lessing  als  gute  Absicht  bezeichnet.  Wegen  des  Druckes 
des  Einsiedlers  und  des  Schatzes  ergaben  sich  Streitigkeiten  mit  dem  Verleger  in 
Karlsruhe.  1761  arbeitet  er  an  einem  kleinen  Schauspiel  Philemon  und  Baucis,  das 
1763  gedruckt  wurde,  sein  bestes  Jugenddrama,  wie  die  Analysen  zeig-en,  die  F.  von 
diesem  Drama,  dem  Schatze  und  dem  Einsiedler  giebt.  — 

Wir  kommen  zur  Sturm-  und  Drangzeit.  Klingers  Lustspiel  „Der  Der- 
wisch" (Prag  1780,  nur  aufgenommen  im  dritten  Teil  seines  Theaters  1786)  hat  seine 
Quelle  nach  K.  0.  Mayer')  in  H.  Pajons  Histoire  des  trois  fils  d'Hali  Baba  (zuerst 
1745),  die  Wieland  auch  in  Dschinnistan  übersetzte.  Klingers  Derwisch  trägt  auch 
Züge  von  AI  Hafi  und  Cagliostro;  märchenhafte  Motive  spielen  öfter  hier  hinein.  — 
Dass  die  Stelle  im  Briefe  Goethes  an  Kestner  15.  Dec.  1772:  „Klinckern  habe  ich  nicht 
gesehen,  aber  viel  mehr  Guths  davon  gehört,  als  der  Frankfurter  Recensent  davon 
sagt"  sich  nicht  auf  Klinger  bezieht,  sondern  auf  Smolletts  Roman  Humphrey  Clinker, 
hat  Leitzmann**)  gezeigt.  —  Ein  Lenz -Autograph  aus  dem  Besitze  Loepers  vom 
Mai  1776  veröffentlicht  Franzos**).  Auf  einer  Schneiderrechnung  aus  Weimar 
stehen  abgerissene  Notizen  über  Soldatentum  und  Soldatenheirat,  ein  Verzeichnis  von 
einigen  aus  der  Weimarer  Bibliothek  entliehenen  Büchern,  worunter  u.  a.  Plutarch 
und  Polybius,  Citate  aus  französischen  Schriftstellern  und  eine  Anweisung  für  sich 
selbst:  „Im  Styl  beständige  Abwechslung!  Aber  kürzer!  Zusammengezogenheit  ohne 
Undeutlichkeit!  Mehr  Witz!"  —  Gegen  Froitzheims  Darstellung  der  Beziehungen 
zwischen  Goethe  und  Lenz  (vgl.  JBL.  1891  IV  4  :  15)  wendet  sich  Düntzer^O),  der  die 
Unwahrheit  der  Berichte  Falks  und  Böttigers  und  den  Klatsch  Wielands  und 
Bertuchs  klar  darlegt.  Als  Lenz  am  I.April  1776  in  Weimar  ankam,  jedenfalls  ohne 
sich  früher  brieflich  bei  Goethe  angemeldet  zu  haben,  war  dieser  in  Leipzig;  ein  bal 
pare,  von  dem  Falk  erzählt,  war  gar  nicht.  Die  Stelle  im  Briefe  an  die  Frau  von  Stein 
wird  von  D.  in  demselben  Sinne  interpretiert,  den  ich  ihr  in  dem  oben  erwähnten 
Passus  dieser  JBL.  gegeben.      Lenz  war  auch  nie  herzoglicher  Vorleser,    sein  Wort 


Schaddekopf,  Bibliographisches  über  Goue:  ib.  S.  145-52.  —  4)  A.  Leitzmann:  LBIGRPh.  S.  155/fi;  K.  Oh.  Redlich: 
ADA.  19,  S.  165j9.  —  5)  X  P-  Brandes,  J.  H.  Steffens:  ADB.  35,  .S.  558/9.  —  6)  H.  Funclc,  G.  K.  Pfeffels  erste  drainat. 
Versuche:  VLG.  6,  S.  37-67.  -  7)  K.  0.  Mayer,  D.  Quellen  v.  Klingers  Lustspiel  D.  Derwisch:  ZDPh.  25,  S.  356-62.  — 
8)  A.  Leitzmann,  Zu  Goethes  Briefen  2,40:  VLG.  6,  S.  320.  —  9)  K.  K-  Franzos,  E.  Lenz-Kuriosum  :  DDichtung.  13, 
S.  17C/7,  2Ü3,4.  —  10)  H.  Düntzcr,  D.  Dichters  J.  Lenz  flucht  v.  Strassburg  an  d.  Weimarer  Hof:  WIDM.  74,  S.  266-72.— 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.   IV4:ii-:is 

über  eine  derartige  Stellung-  war  eine  augenblickliche  Einbildung-,  zu  der  ihn  das 
Glück,  bei  Hofe  zu  sein,  hinriss.  —  üie  Arbeiten  Jacobowskis  und  Rauchs  (vg-1.  JBL. 
1892  IV  4:5/6)  sind  besprochen  worden^').  —  Einen  vortrefflichen  Artikel  hat  Erich 
Schmidt^2)  mit  Wahles  Unterstützung  rtprickmann  gewidmet.  P]r  fühlt  sich  in 
seinem  Amte  unglücklich,  obwohl  er  es  gut  verwaltet,  und  lebt  sich  in  innerliche 
und  äusserliche  Wirren  hinein.  Seine  Dichtung,  der  er  1780  entsagt,  arbeitet 
im  Krassen  und  Monströsen  mit  groben  Sprachverhunzungen.  Von  seinen  grösseren 
Dramen  ist  vieles  verloren  gegangen.  Seine  Singspiele  sind  unbedeutend.  „Die 
natürliche  Tochter"  ist  ein  weinerliches  Familiendrama,  der  „Schmuck"  steht  auf  dem 
Wege  zu  Schröder  und  Iffland,  in  Knalleffekten  zeigt  sich  der  Einfluss  Lenzens,  sein 
Stil  erinnert  aber  mehr  an  Klinger.  „Eulalia"  behandelt  einen  alten,  schon  aus 
Geliert  bekannten  StoflP,  mit  Motiven  der  Emilia  Galotti,  in  Bombast  und  Hyperbeln 
schwelgend.  —  Weniger  Bedeutung  für  das  Drama  haben  die  Stolbergs,  die,  wie 
Erich  Schmidt'^"'*)  zeigt,  diese  Form  gar  nicht  bewältigten. '^"'ß)  —  Ein  so  frucht- 
barer und  gelesener  Schriftsteller,  wie  C.  H.  Spiess  hätte  eine  weit  ausführlichere 
Würdigung  verdient,  als  ihm  Lier^')  hat  zu  teil  werden  lassen.  —  Wie  Gotter  aufUm- 
änderungsvorschläge  Schröders '*''^^)  einging,  zeigt  Schlösser^»)  an  Theaterhss. 
seiner  Dramen  aus  Ekhofs  Bibliothek.  So  erhielt  das  Stück  „Der  weibliche  Haupt- 
mann", nach  Monfleury  gearbeitet,  starke  Umänderungen  für  den  unter  dem  Titel 
„Der  Fasching^sstreich"  1778  erfolgten  Druck.  Die  „Dorfgala",  1774  gedruckt,  erscheint 
in  einem  durchkorrigierten  Exemplare  nach  Schröders  Intentionen  in  seinen  groben 
Motiven  sehr  gemildert.  Aehnlich  steht  es  mit  Romeo  und  Julie,  das  hs.  in 
einer  dem  Drucke  (1779)  vorangehenden  Fassung  vorliegt.  Seh.  fügt  noch  einige 
Bemerkungen  zu  Litzmanns  Ausgabe  der  Briefe  bei  und  teilt  im  Anschlüsse  an  den 
letzten  Brief  Schröders  ein  Schreiben  Karoline  Böhmers  an  Meyer  mit  (7.  Juni  1794), 
der  Schröder  ,, aufgeblasen  und  hartherzig"  in  seiner  höhnischen  Abweisung  der 
Gotterschen  Dramen  nannte.  —  Franz  von  Kleist  wird  von  Schulze-')  gegen  die 
Ungerechtigkeit  der  Litterarhistoriker  verteidigt.  Als  Dichter  g-eht  er  aus  der  Schule 
Wielands  in  die  Bürgers  und  Schillers,  dessen  Räuber  und  Don  Carlos  namentlich 
sein  uneinheitliches,  sentenzenreiches  Drama  „Graf  Peter  der  Däne"  beeinflusst  haben. 
Die  „Sappho",  welche  Grillparzer  nicht  benutzt  hat,  erscheint  als  ein  Werk  voll 
mass voller  Schönheit  und  bedeutet  einen  grossen  Fortschritt  Kleists.  —  Schmidt- 
Neuhaus  ^2)  teilt  einen  unbedeutenden  Brief  Kleists  an  Albertine  Jung  (1.  Dec.  1791) 
mit  und  weist  im  Anschluss  an  Ackermann  (vgl.  JBL.  1892  IV  4:25)  einen  weiteren 
Stich  nach,  der  ebenfalls  Verwechslung  Kleists  mit  Schiller  zeigt.  — 

Shakespeare  in  Deutschland'^^~'24j  stellt  Hauffen-^)  in  einem  knappen 
Vortrage  recht  übersichtlich  dar,  wobei  er  die  Hauptmomente,  auch  aus  den  Dramen 
der  englischen  Komödianten  gut  hervorhebt.  Nachdrücklich  betont  er  den  Gegensatz 
zwischen  Schiller-^),  der  Shakespeare  immer  näher  kam,  und  Goethe,  der  sich  be- 
wusst  von  ihm  trennte.  —  Proben  der  Shakespeare-Uebersetzung  J.  G.  Regis  lernt 
man  durch  Elias^'')  kennen,  der  auch  des  Mannes  ganze  reiche  Thätigkeit  als  Ueber- 
setzer  und  Shakespeare-Forscher  aus  seinen  in  Breslau  aufbewahrten  Papieren  über- 
blicken lässt.  —  Eine  deutsche,  stark  germanisierende  Bearbeitung*  der  „Beiden  Veroneser" 
von  Kleediz  (1802)  charakterisiei-t    G.   von    Vincke-*)    als  nüchtern  und  dürftig.  — 

Unter  den  Dramatikern  des  19.  Jh.^'^'ä")  ist  Kotzebue  ausführlich  behandelt 
worden.  Aus  Frankreich  kommt  uns  eine  umfangreiche  Biographie  über  ihn,  allzu 
umfangTeich,  wenn  man  bedenkt,  dass  der  Vf.  Rabany^sj  nur  das  Leben  und  die 
dramatischen  Werke  in  Betracht  zieht  und  sehr  zu  seinem  Schaden  die  ganzen 
prosaischen  Schriften  ausser  Acht  lässt.  Darf  man  auch  der  hübschen  Würdigung, 
die  der  Schriftsteller  erfährt,  beistimmen,  ohne  sich  durch  die  allzu  blendenden 
Lichter,  die  R.  auch  dem  Charakter  Kotzebues  aufsetzt,  beirren  zu  lassen,  so 
muss    man    doch  bedauern,    dass  ihm   die  notwendigen  Kenntnisse  fehlten,    um  eine 


U)  X  M.  Koch:  Engist.  18,  S.  235/6.  —  12)  Erich  Schmidt,  A.  M.  Spriclnnann :  ADB.  35,  S.  305-13.  —  13)  id.,  Graf 
Chrn.  Stolberg- Stolberg:  ib.  m,S.  348-50.  —  14)  id.,  F.  L.  Stolberg-Stolberg:  ib.  S.  350-67.  —  15)  X  J-  A.  Leisewitz,  Julius 
T.  Tarent.  E.  Tranerspiel.  Mit  Einl.  und  Anm.  v.  A.  Lichtenheld.  (—  Graes(-rs  Schulausg.  kliiss.  Werke  N.  42.)  Wien, 
Graeser.  XVI,  48  S.  M.  0,50.  —  16)  O  E.  Schmidt,  E.  Brief  von  Maler  Müller  an  Wieland:  MGNM.  S.  13/'.).  -  17)  H.  A. 
Lier,  C.  H.  Spiess:  ADB.  35,  S.  177,8.  —  18)  X  G.  Frhr.  v.  VincVe,  F.  L.  Schröder,  d.  dtsch.  ShaVespeare-Begründer  (=  s. 
U.N.372,  S.  21-56)  -  19)  X  Th.  Mehrin  g.  F.  L.  Schröder  als  Mensch:  DBühneng.  S.  81  2  (Nach  F.  L  W.Meyer;vgl  ib.  S.  106  8). 
—  20)  R.Schlösser,  Schröder  u.  Gotter:  VLG.  6,  S.  574-85.  —  21)  B.  Schulze,  E.  vergessener  Dichter  (F.  v.  Kleist):  N&S.  65, 
8.322-41.  —  22)P.  Schraidt-Neuhans,F.  V.  Kleist:  Bär  19,8.  48.  —23)  X  G.  Frhr.  v.  Vincke,  Z.  Gesch. d. dtsch.  Shakespeare- 
Bearbeitung  (=  s.  u.  N.  372,  S.  81-106).  -  24)  X  id.,  Z.  Gesch.  d.  dtsch.  Shakespeare-Uebersetzung  {=  s.  u.  N.  372, 
S.  64-S6).  —  25)  (III  4:6a;  IV  1  d  :  59.)  IfL.  Proesoholdt:  LBlGRPh.  S.  423.]|  —  26)  X  G-  Frhr.  v.  Vincke,  Schiller  als 
Shakespeare-Bearbeiter  (=  s  u.  N.  372,  S.  115-22).  —  27)  (IV  Id  :  64.)  —  28)  G.  Frhr.  v.  Vincke,  D.  beiden  Veraneser  in 
alter  Bearbeitung  (=  s.  u.  N.  372,  S.  106-14).  —  29)  X  L-  Fränkel,  R.  G.  Spiller  v.  Hauenschild:  ADB.  35,  S.  190/6.  — 
30)  X  id.,  A.  R.  K.  Spindler:  ib.  S.  200,2.  -  31)  X  *"•  Brummer,  F.  Steffens  (C.  H.  Dammar):  ib.  S.  554  5  —  32)  X  K. 
Ileigel,  L.  Steub:  ib.  36,  S.  135-40.  -  33)  E.  Martin,  ü.  E.  Stoeber:  ib.  S.  271,2.  —  34)  0.  Hörth,  F.  S.  Stoltze:  ib. 
S.  415/9.  —  35)  X  L-  Fränkel,  F.  A.  Strubberg:  ib.  S.  630,5.  -  36)  X  id.,  A.  F.  K.  Streckfuss:  ib.  S.  560,2.  —  37)  X 
A.  S[chlos8ar],  J.  L.  Stoll:  ib.  S.  404.  -    38)  (IV  Id:  15.)     |[L.  Geiger:   FZg.  N.  293;   A.  Chuqnet:  ECr.  36,  S.  5I3'5.]| 

4(11)* 


IV  4:39-58    A.  von  Weilen,  Drama  und  Theater^eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

derartige  Arbeit  unternehmen  zu  können.  Er  kennt  nicht  einmal  die  landläufigsten 
Quellen  der  Weimarer  Zeit,  er  teilt  mit,  dass  Schröder  ans  Hofburgtheater  als 
Direktor  berufen  wurde,  Antonie  Adamberger  mit  Th.  Körner  sich  vermählte,  die 
Anti-Kotzebue-Bewegung  der  Romantik  bleibt  unbeachtet,  Schlegels  Ehrenpforte  fährt 
ebenso  schlecht  wie  Tiecks  Gestiefelter  Kater,  der  nach  seiner  Meinung  keinen  Ver- 
gleich mit  Kotzebues  Parodien  aushalten  kann.  Sehr  lobenswert  ist  der  Versuch, 
die  Stücke  in  grössere  Gruppen  zu  gliedern,  und  im  ganzen  auch  gelungen;  aber  es 
fehlt  z.  B.  die  ganze  Reihe  der  Schauspielerstücke,  die  lediglich  für  den  Virtuosen 
geschrieben  sind,  und  Dramen  wie  „Die  Indianer  in  England"  und  „Bruder  Moriz" 
nehmen  sich  mit  der  Ueberschrift  „Comedies  philosophiques"  recht  sonderbar  aus. 
Für  die  Fehler  seines  Dichters  ist  der  Vf.  oft  blind,  das  Lob  der  historischen  Dramen 
muss  sehr  eingeschränkt  werden,  der  Vergleich  der  Oktavia  mit  Shakespeare  fällt 
nicht  eben  zu  Ungunsten  Kotzebues  aus,  von  dessen  „genie  tragique"  R.  durchdrungen 
ist.  Vollständig  fehlt  die  Quellenuntersuchung:  Von  Holberg,  Iffland,  Schröder  weiss 
R.  so  gut  wie  gar  nichts,  selbst  Moliere  wird  nicht  genügend  herbeigezogen.  Auch 
die  Berücksichtigung  und  Würdigung  der  einzelnen  Dramen  ist  oft  sehr  ungerecht. 
Die  beiden  Klingsberg  kommen  viel  zu  kurz  gegen  die  Organe  des  Gehirns.  Die 
Roheit  in  dem  Pachter  Feldkümmel  wird  ebenso  beschönigt  wie  die  Frivolität  des 
Rehbock.  Sind  einzelne  von  Kotzebues  Typen  hübsch  entwickelt,  so  vermisst 
man  dafür  eine  zusammenfassende  Studie  über  die  dramatische  Technik.  Die  mit 
grosser  Papierverschwendung  gedruckte  Bibliographie  ist  unvollständig  und'über- 
haupt  überflüssig.  Dem  französischen  Leser  werden  viele  der  Auszüge  wertvoll  sein ; 
die  Kotzebue-Biographie  bleibt  aber  nach  wie  vor  zu  schreiben. 39"42^  —  lieber  die 
grosse  Beliebtheit,  deren  sich  Kotzebue  in  England  erfreute,  berichtet  Süpfle*^): 
Menschenhass  und  Reue  war  1797  als  „The  Stranger"  übersetzt  worden  von  Sheridan, 
der  bald  darauf  die  Spanier  in  Peru  folgen  Hess.  — 

Körners'**"^'')  engen  Zusammenhang  mit  Wien,  in  das  er  gewiss  zurück- 
gekehrt wäre,  um  ein  Wiener  Dichter  zu  werden,  schildert  Mü  ller-Gutten- 
brunn^S"*^).  —  Isolani^^^  bespricht  ein  Alexandrinerlustspiel  aus  Körners  Frei- 
burger Zeit,  „Cleant  und  Cephise",  im  Kömer-Museum  aufbewahrt,  mit  Mitteilungen 
aus  der  letzten  Scene.  —  Dass  im  Zriny^')  Eva  den  Turm  in  die  Luft  sprengt,  stammt 
nach  Bisch  off  ^2)  ^^s  dem  Drama  von  Clem.  W^erthes.  B.  steuert  auch  einige  An- 
gaben zur  Geschichte  der  Zriny-Bearbeitungen  in  Ungarn  bei.  Schon  in  der  Wahl 
des  Stoffes  war  Körner  beeinflusst  durch  den  ungarischen  Maler  und  Dichter  Karl 
Kisfaludy,  der  seinerseits  wieder  die  Einwirkung  der  Körnerschen  Lustspiele  in  seiner 
Dichtung  verspüren  lässt.  — 

Auch  Heinrich  von  Kleist^^"^^)  hat  einen  ausserdeutschen  Biographen 
in  Fried mann^^)  gefunden,  der  mit  ihm  seine  noch  weiter  hier  zu  erwähnenden 
italienischen  Studien  aus  dem  deutschen  Drama  des  19.  Jh.  eröffnet.  Er  erfasst  Kleist 
richtig  als  Vorläufer  des  modernen  Dramas.  Ungemein  geschickt  sind  die  Analysen 
der  Dramen,  nur  ist  es  hier  wie  in  den  anderen  Biographien  bedauerlich,  dass  die 
Anmerkungen  notwendige  Ergänzungen  zum  Texte  bieten.  Der  Einfluss  Schillers 
wird  zu  gering  angeschlagen.  Die  Liebesscene  der  Schroffensteiner  hält  F.  für 
bühnenmöglich,  wie  sie  ist.  Sehr  gelungen  ist  die  Charakteristik  der  Hermanns- 
schlacht und  des  Prinzen  von  Homburg,  obwohl  das  Buch  Jungfers  übersehen  ist. 
Des  Prinzen  Todesfurcht  ist  „debolezza  fisica"  und  wird  mit  Egmonts  Monolog  zu- 
sammengestellt. Bedauerlicher  Weise  hat  F.  den  Robert  Guiscard  nur  nebenbei  er- 
wähnt und  den  Araphitryon  ganz  übersehen.  So  findet  er  im  Zerbrochenen  Krug 
den  einzigen  Ausdruck  für  Kleists  komische  Begabung.  —  Mandl^")  macht  auf  den 
im  Goethe-  und  Schiller-Archiv  befindlichen  Brief  Kleists  an  Goethe  aufmerksam 
(24.  Jan.  1808),  in  dem  er  ihn  zur  Mitarbeiterschaft  am  Phoebus  einladet.   Hebbel  erzählte 

—  39)  X  A.  V.  Kotzebne,  D.  neue  Jahihnndert.  Neu  l)eaib.  von  C.  F.  Wittmann.  (=  ÜB.  N.  3099.)  L.,  Eeclam.  42  S.  M.  0,20.  — 
40)  X  i^->  I'^  petite  ville  alleraande  et  extraits  de  „Misanthl-opie'  et  Repentir".  Texte  allemand  par  M.  Bailly.  (=  Classiques 
ulleraands.)  Paiis,  Hachette.  16".  XXIV.  187  S.  Fr.  1,50.  —  41)  X  i^-'  Natura  e  gratitudine:  dramraa  in  tre  atti,  ridotto 
per  soll  uomini,  da  G.  Harlan i.  —  L'assistente  del  medico:  farsa  tradotta  del  tedesco  da  G.  Leva.  Milano,  S.  Majocchi. 
16".  109  S.  L.  0,50.  —  42)  X  '^m  L'angelo  del  perdono:  commedia  ridotta  per  soll  uoraini  da  V.  Zagni.  Modena,  tip.  pont. 
ed  arcio  dell'  Immacolata  Concezione.  16".  55  S.  L.  0,.30.  —  43)  Th.  Süpfle,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Litt. 
in  England  im  letzten  Drittel  d.  18.  Jh  :  ZVLR.  6,  S.  303-28.  -  44)  O  Th.  Körner,  Werke  her.  v.  H.  Zimmer. 
2  Bde.  (=  Meyers  Klass.-Bib.)  L.,  Bibl.  Inst.  28,  398  S.;  401  S.  M.  4,00.  i[KZg.  N.  868;  DB.  77,  S.  474;  LZg".  N.  133; 
Geg.  44,  S.  367;  A.  Säle ck  (A.  Schröter):  BLU.  S.  S23.]l  —  45)  X  Körners  Werke  in  2  Bdn.  L.,  Knaur.  VI,  411  S.; 
m,  389S.  M.  2,00.  —  46)  O  Körners  sämtl.  Werke  in  4  Bdn.  Mit  Einl.  r.  H.  Fischer.  St.,  Cotta.  258,  243,  327,  247  S. 
M.  4,00.  —  47)  X  Th.  Körner,  D.  Gouvernante.  Posse.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  999.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  32  S.  M.  0,10.  — 
48)  A.  Müller-Guttenbrunn,  Th.  Körner  in  Wien  (=  s.  u.  N.  206, S.  92,6).  ~  49)  X  H.  K.  Frhr.  v.  Jaden,  Th.  Körners 
Andenken  in  Wien:  Alt-Wien  2,  S.  9-12,  26-31,  435.  —  50)  E.  Isolani,  E.  neues  Stück  v.  Th.  Körner:  DZg.  N.  7763.  - 
51)  X  H.  Landwehr,  Zriny  (=IV  la:5,  S.  180,8).  —  52)  H.  Bischoff,  Zu  Körners  „Zriny":  ASNS.  92,  S.  135-40.  —  53)  X 
IL  V.  Kleist,  Werke.  Neue  Ausg.  2  Bde.  Gütersloh,  Bertelsmann.  468,  433  S.  M.  3,30.  —  54)  X  '^^t  Sämtl.  Werke.  Neue 
Ausg.  Mit  Einl.  v.  F.  Muncker.  4  Bde.  St.,  Cotta.  8".  312,  347,  218,  332  S.  M.  4,00.  (Dass.  in  12".  193,  232,  228,  228  S. 
M.  2,00.)  —  55)  X  ^M  H.  V.  Kleist:  DAdelsbl.  S.  914  6.  —  56)  L.  Friedmann,  II  dramma  tedesco  del  nostro  secolo.  I.  Enrico 
di  Kleist.  Milano,  Chiesa.  VII,  92  S.  L.  1,50.  |[A.  Sauer:  DLZ.  S,  777/8;  W.  Creizenach:  ASNS.  91,  S.  435/6;  M.  Koch: 
LCBl.  S.  1156;  Cultura  1,  S.  346.J]    —    57)  M.  Mandl,  Titan  u.  Olympier  (H.  v.  Kleist  u.  Goethe):  DZg.  N.  7557,8.  —  58)  F. 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.    IV  4:59-67 

K.  Beck,  Goethe  solle  die  Penthesilea  an  die  Wand  geschleudert  haben.  Goethes 
Missg-unst  hatte  auch  den  Abbruch  der  Beziehungen  zu  Cotta  zur  Folge.  Die  Dar- 
stellung des  Verhältnisses  zwischen  Kleist  und  Goethe  ist  sehr  wirr  und  unklar.  — 
Ein  ähnlicher  Geist  spricht  aus  der  Studie  Becks^^).  Die  Katastrophe  von  Kleists 
Leben  war  „eines  der  zahlreichen  Menschenopfer,  welche  die  öffentliche  Auffassung* 
vom  Dichterberufe  als  nimmersatter  Moloch  verschlingt".  In  seiner  Liebe  zu  Wilhelmine 
von  Zenge,  die  keine  Individualität  war,  verkündet  er  die  wahre  auf  physische  und 
psychische  Uebereinstimmung'  gegründete  Ehe  als  Vorläufer  Ibsens  und  des  jüngeren 
Geschlechts;  dass  das  Mädchen  seiner  nicht  würdig  war,  zeigt  seine  fast  vierzigjährige 
giückliche  Ehe.  Goethe  erscheint  als  der  Unterdrücker  von  Kleists  Talent.  —  In 
der  Familie  Schroffenstein  finden  JeUinek  und  Kraus^^)  einen  Widerspruch  im 
5.  Akte,  in  dem  Kleist  vergass,  dass  das  Schwert  schon  aus  Agnes  Brust  gezogen 
war.  —  Eine  ausführliche  Untersuchung  der  „Penthesilea"  liegt  von  Niejahr^^)  vor. 
Die  antike  Ueberlieferung  hat  Kleist  dem  Sinne  nach  ins  Gegenteil  verkehrt,  dort  steht 
der  Sieger  vor  der  entseelten  Penthesilea.  Nur  bei  Ptolemaeus  Chennus  findet  sich 
die  Kleistsche  Wendung,  aber  auch  bei  ihm  lebt  der  gefallene  Achill  wieder  auf 
und  tötet  sie.  Kleist  bringt  Einzelheiten  der  Penthesilea-  und  Amazonensage 
nach  den  verschiedensten  Quellen,  die  Erzählung  von  der  Gründung  des  Frauen- 
staates ist  freie  Erfindung.  Verstösse  gegen  die  alte  Sage,  besonders  in  Namen,  und 
Anachronismen  sind  zahlreich;  auch  um  die  geographische  Lage  des  Schauplatzes 
hat  sich  der  Dichter  nicht  gekümmert.  Er  bildet  zur  romantischen  Handlung  den 
romantischen  Hintergrund.  Anklänge  an  Homer  finden  sich  nicht,  dagegen  an  die 
Aeneis;  Iphigenie  hat  Einfluss  geübt,  besonders  im  14.  Auftritte;  der  Vergleich  mit 
der  Jungfrau  von  Orleans,  den  Brahm  gezogen  hat,  hat  nur  für  das  Käthchen  von  Heil- 
bronn,'nicht  für  dieses  Drama  Berechtigung.  Aeusserlich  in  Handlung  und  Aufbau 
antikisiert  das  Drama;  der  Bericht  Meroes  vom  Tode  des  Achill  (23.  Auftritt)  ist  dem 
Berichte  über  den  Tod  des  Pentheus  in  den  Bacchen  des  Euripides  nachgeahmt. 
Kleist  konnte,  wenn  er  den  Artikel  Penthesilea  in  Hederichs  Lexikon  las,  leicht  auf 
dieses  Motiv  geführt  werden,  da  unmittelbar  darauf  der  Artikel  Pentheus  folgte. 
Von  diesem  durchaus  sicheren  Boden  der  Ergebnisse  schwingt  sich  N.  mit  seinen 
Vermutungen  über  die  erste  Gestalt  der  Penthesilea  in  das  Luftgebiet  kühner  Hypo- 
thesen. Aus  dem  Fragment  des  Phoebus  und  dem  Berliner  Ms.  ergiebt  sich  für 
N.,  dass  der  Tod  Achills  durch  Penthesilea  nicht  ursprünglich  gedacht  war,  sondern 
dass  Penthesilea  durch  Achill  fiel.  Diesem  Entwurf  g-ehörten  die  ersten  dreizehn 
Scenen  an.  Da  lernt  Kleist  die  vereinzelte  Version  der  Sage  und  dasjMotiv^aus 
Euripides  kennen  und  arbeitet  die  elf  letzten  Auftritte  nach  einem  ganz  neuen 
Plane,  die  durch  die  Täuschungsscene  im  14.  Auftritte  mit  dem  vorhergehenden 
Teile  verbunden  wurden,  was  natürlich  nicht  ohne  Widersprüche  abging.  —  In  der- 
selben Weise  hat  Nie  jähr  0^)  auch  den  Prinzen  von  Homburg^-)  und  die  Hermanns- 
schlacht ^3-64-)  untersucht.  Er  weist  im  einzelnen  den  Einfluss  des  Wallenstein  und 
des  Don  Carlos  auf  den  Prinzen  von  Homburg  nach;  für  die  Traumscene  war  die 
Egmont- Vision  Vorbild.  Fast  alle  Scenen,  in  denen  Hohenzollern  auftritt,  zeigen 
Widersprüche.  Die  ersten  Auftritte  des  zweiten  Aktes  harmonieren  nicht  mit  denen 
des  ersten.  Wir  haben,  wie  oft  bei  Kleist,  doppelte  Entwürfe  anzunehmen; 
die  Motive  des  ersten  Aktes  gehören  einer  späteren  Entwicklung  an,  wie  auch 
Hohenzollerns  Eintritt  im  letzten  Akte.  Freilich,  wie  ursprünglich  die  Zerstreutheit 
des  Prinzen  motiviert  war,  lässt  sich  nicht  mehr  erraten.  Auch  die  Friedensunter- 
handlung hat  der  Dichter,  um  den  Zorn  des  Kurfürsten  glaublicher  zu  machen,  später 
hinzugefügt,  aber  gleich  wieder  fallen  lassen.  N.  kommt  zu  der  schwer  annehmbaren 
Vermutung,  dass  ursprünglich  nur  das  Kriegerische  der  Handlung  da  war,  j^und 
Hohenzollern,  Natalie  und  die  Kurfürstin  dem  ersten  Entwürfe  fehlten;  für  die  Her- 
mannsschlacht schöpft  Kleist  seine  historischen  Kenntnisse,  die  grösser  waren,  als 
man  gewönlich  annimmt,  wohl  nirgends  aus  den  Quellen  selljst.  Klopstock  ist  Kleist 
wohl  bekannt,  die  Charakteristik  des  Varus  stammt  wohl  indirekt  aus  Vellejus. 
Deutlich  erkennbar  ist  die  Einwirkung  Fiescos;  der  Vf.  hätte  für  seine  Nach- 
weise auch  das  gewagte  Spiel  mit  der  Frau  hinzufügen  können.  Auch  in  diesem 
Drama  soll  sich  ein  starker  Widerspruch  finden;  II,  7  raubt  Ventidius  Thusnelda 
die  Locke ;  III,  3  erklärt  sie,  sie  werde  sich  gegen  einen  Angriff  auf  ihre  Locken  zu 
schützen  wissen.  N.  schliesst:  „Man  wird  zugeben,  dass  das  unmöglich,  wenn  Ventidius 
durch  seinen  Lockenraub  Bedenken  erregt  hätte."  Sonach  gehöre  III,  3  einer  früheren 
Bearbeitung  an(?j.^^'^")  —  Unter  den  Schulausgaben  Kleistscher  Dramen  ist  die  des 

Beck,  H.  T.  Kleist  n.  d.  Dichterbernf :  WienerZg.  N.  16,8.  —  59)  (I  12:165.)  —  60)  J.  Niejahr,  H.  v.  Kleists  Penthesilea: 
VLG.  6,  S.  506-53.  —  61)  id.,  H.  v.  Kleists  Prinz  t.  Homburg  n.  Hermannsschlacht:  ib.  S.  409-29.  —  62)  X  H.  Landwehr, 
Prinz  Friedrich  v.  Homburg.  (=  IV  la:5,  S.  169-79.)  —  63)  X  Welche  Ziele  verfolgte  H.  v.  Kleist  mit  seiner  Hermanns- 
schlacht: KZg.  N.  898.—  64)  X  C.  Alberti,  D.  Hermannsschlacht:  Zukunft  6,  S.  571,4.  —  65)  X  H.  v.  Kleist,  Prinz  Friedrich 
T.  Homburg.  E.  Schansp.  Mit  Einl.  u.  Anmerkungen  t.  E.  Kade.  (=  Graesers  Schuluusg.  klass.  Werke  N.  37.)  Wien, 
Graeser.  XI,  67  S.  M.  0,50.  —  66)  X  id..  D.  Hermannsschlacht.  Her.  v.  F.  Khull.  (=  Freytags  Schulausg.  klass.  Werke.) 
Wien  u.  Prag,  Tempsky.    130  S.     M.  0,60.     1[H.  Herzog:  ZOG.  44,  S.  11004.JI  -  67)  X   »d-.  I>.  Käthchen  v.  Heilbronn  oder 


IV  4:68-86    A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Prinzen  von  Homburg-  durch  Benedictes)  weg-en  ihrer  sprachlichen  und  metrischen 
Beobachtungen  zu  erwähnen.  —  Für  den  scheinbaren  Widerspruch  zwischen  dem 
lauten  Gespräche  in  der  ersten  Scene  und  den  Worten:  „Weck'  ihn  mit  deinem  Zirpen 
nur  nicht  auf"  (V.  80)  hat  v  on  We  ilen  ^^j  in  seiner  Anzeige  der  Heuwesschen  Ausgabe 
(vgl.  JBL.  1892  I  5  :  68)  die  Erklärung  aus  Gmeilins  Beobachtungen  über  Somnambule 
gegeben,  die  lautes  Gespräch  nicht  störe,  wohl  aber  das  Ticken  einer  Uhr.  —  Für  dasselbe 
Drama  verweist  Sprenger^*^)  zu  1,  1,  46,  der  Nennung  der  Weide  als  Zeichen 
des  unglücklich  Liebenden,  auf  Ophelias  Lied  und  eine  Ballade  bei  Percy.''^)  —  Einige 
Stellen,  die  Einfluss  Shakespeares  zeigen,  notiert  Heu  w  es"-).—  Der  Vortrag"  Gilows^^), 
der  im  Vorjahre  nur  nach  dem  kurzen  Zeitungsberichte  wiedergegeben  werden  konnte 
(vgl.  JBL.  1892  IV  4 :  50),  liegt  nunmehr  im  Drucke  vor.  Die  Begnadig-ung-  des 
Prinzen  ist  der  Angelpunkt  des  Dramas.  Der  Erfolg  der  Schlacht  ist  nicht  das  eigenste 
Verdienst  des  Prinzen  und  nur  ein  partieller.  Eigentlich  hat  der  vermeintliche  Tod 
des  Kürfürsten  die  Keiter  angespornt.  Der  Prinz  vollbringt  keine  That  für  Vater- 
land und  Krone,  wie  Kottwitz  auszuführen  sucht,  sondern  er  übereilt  sich  und  ver- 
liert alle  Selbstbeherrschung.  Nicht  das  Recht  des  freien  Heldenmuts  und  das 
Unrecht  der  toten  Reg"el,  sondern  das  Unrecht  des  unfreien  Eigenwillens  und  das 
Recht  des  lebendig-en  Staatsbewusstseins  stehen  sich  gegenüber.  Wohl  möglich,  dass 
das  Kleistsche  Drama  die  Verurteilung  der  abenteuerlichen  Unternehmung  Schills 
ist.  Der  Kurfürst  thut  einen  kühnen  Schachzug-,  die  Verurteilung  zur  Selbstent- 
scheidung ist  der  Weg-,  der  dem  Prinzen  zur  inneren  Befreiung"  führt.  Dass  der 
Kurfürst  mit  der  äusseren  Enthaftung-  zögert,  ist  die  Folge  der  Fürsprache  des 
Militärs,  die  eine  Parteinahme  für  die  That  des  Prinzen  involviert.  So  werden  auch  die 
Offiziere  belehrt.  —  Es  ist  interessant,  in  Au  erbachs  ■"•*)  Aufzeichnungen  über  diese 
„spartanische  Dichtung"  zu  lesen:  „Es  ist  dem  Kurfürsten  bitterer  Ernst.  Es  muss 
ihm  bitterer  Ernst  sein,  sonst  ist  alles  nur  Theaterspielerei."  —  Zu  dem  Satze  „Hat  sie 
das  Licht  dabei  gehalten"  im  „Zerbrochenen  Krug"  citiert  Spreng"er^^)  den  Kauf- 
mann von  Venedig".  —  Den  Ausdruck  „mausen"  (vg"l.  JBL.  1892  IV  4 :  52)  weist 
Spandl'^)  als  bayerisch-österreichischen  Ausdruck  für  „stehlen"  nach.  —  Eine  sonderbare 
Charakteristik  entwirft  Semler'''')  vom  Dorfrichter  Adam:  Er  schwebte  mit  freiem 
Humor  über  seiner  gefährlichen  Situation,  sein  Behagen  steigerte  sich,  je  weiter  die 
Verwickelung"  geht.  —  Im  „Käthchen  von  Heilbronn"  erklärt  Reich el'^)  den  Aus- 
druck ,, ordinieren"  als  zum  Ritter  schlagen  (IV,  1).  „Was?  bist  du  ein  Jud?"  lässt 
ihn  an  die  Redensart,  die  man  den  Juden  (?)  in  den  IMu'nd  legt,  das  Wasser  habe 
keine  Balken,  denken.  — 

Eine  liebenswürdige  Schilderung  der  Birch -Pfeiffer''^)  entwirft  aus  per- 
sönlichem Verkehr  Helene  von  Hülsen^").  Zum  Drama  wurde  sie  eig"entlich 
1828  durch  Direktor  Karl  ang"ereg"t.  Sie  hat  einen  vierten  Akt  zu  Mey erbeers 
Afrikanerin  geschrieben,  der  nie  gegeben  wurde.  In  ihren  auszug"sweise  mitgeteilten 
Briefen  spricht  sie  sich  enthusiastisch  über  Fanny  Lewald  aus.  Ihr  Drama  „Der  Gold- 
bauer" soll  auf  einer  wirklichen  Begebenheit  beruhen.^')  —  In  der  Vorrede  zum 
Trauerspiel  in  Berlin  vindiciert  sich  Holtei^^j  den  Ruhm,  den  Eckensteher  Nante 
geschaffen  zu  haben.  — 

Sauers  Vortrag  über  Otto  Ludwig^S)  (vgl.  JBL.  1892  IV  4  :  66)  giebt  Bettel- 
heim^*)  Anlass,  ein  Wort  der  Anerkennung  für  Auerbach  einzulegen.  Aus  einem 
Briefe  Anzengrubers  vom  12.  Mai  1871  citiert  er  einen  Passus,  der  von  Ludwig 
als  genialem  Kleinmaler  spricht,  und  konstatiert  den  Einfluss,  den  Ludwig-  auf  Anzen- 
gruber  geübt.  —  Berger **^)  zieht  eine  Parallele  zwischen  Schiller  und  Ludwig. 
Beide  erlagen  in  der  Periode  der  Ernte,  Schiller  schaffend,  Ludwig  grübelnd.  Schiller 
schuf  sein  Selbst  um,  aber  er  genas,  Kleist  und  Ludwig  gingen  dabei  zu  Grunde. 
Wie  Ludwig  selbst  wenden  sich  auch  alle  seine  Figuren  zerstörend  gegen  ihr  Inneres. 
Schillers  Helden  sind  schöpferische  Grössen,  sie  geben  ein  Werk  ausserhalb  ihres  Ich. 
So  arbeitet  Schiller  seinen  Wallenstein,  so  konstruiert  Ludwig"  den  seinen.  —  Von 
einer  persönlichen  Begegnung  mit  Ludwig  in  Dresden  1851    berichtet  Lorm^^).     Er 


d.  Feuerprobe.  Mit  Einl.  n.  Anm.  v.  A.  Lichlenheld.  (=  Graesers  Schulausg.  klass.  Werke  N.  40.)  Wien,  Graeser.  XII,  82  S. 
AI.  0,50.  —  68)  id.,  l'rinz  l'riedrich  von  Uomburg.  Her.  v.  A.  lienedict.  (=  Frey  tags  Schnlausg.  klass.  Werke.)  Wien  u. 
Prag,  Tempsky.  109  S.  M.  0,.50.  IfH.  Herzog:  ZOG.  44,  S.  1100;4.]|  —  69)  A.  v.  Weilen:  ZOG.  44,  S.  1149.  —  70)  B. 
Sprenger,  Zu  Kleists  Prinz.  V.  Homburg:  ZDU.  7,  S.  60/1.  —  71)  X  K.  Reicbel,  Zu  Kleists  Prinz  v.  Homburg:  ib.  S. 4945. — 
72)  J.  Heuwes,  Zu  Kleists  Prinz  Friedrich  v.  Hombnrg:  ib.  S.  422/4.  —  73)  H.  Gilow,  D.  Grundgedanken  in  H.  v.  Kleists 
Prinz  Friedrich  v.  Hombnrg.  Progr.  Königstädt.  Gymn.  B.  (Gaertner).  4".  25  S.  M.  1,00.  |[R.  Friedrich:  BLU.  S.  644.JI 
—  74)  (S.  n.  N.  314,  S.  191,5.)  -  75)  R.  Sprenger,  Zu  Kleists  Zerbrochenem  Krug:  ZDÜ.  7,  S.  683.  -  76)  J.  Spandl, 
Zu  Kleists  Zerbrochenem  Krug:  ib.  S.  561.  —  77)  C.  Semler,  D.  Dorfricliter  Adam  im  Zerbrochenen  Krug  v.  H.v,  Kleist:  ib. 
S.  374-84.  -  78)  R.  Beichel,  Zu  H.  v.  Kleists  Käthchen  v.  Heilbronn:  ib.  S.  495.  —  79)  X  F.  Koppel,  Charlotte  Birch- 
Pfeiffer:  FeuilletZg.  N.  477.  (Auch  Sammler'^.  N.  101  usw.)  —  80)  Helene  v.  Hülsen,  Drei  Lebensepisoden.  B.,  R.  Eck- 
stein Nachf.  1892.  139  8.  M.  3,00.  |[N<tS.  64,  S.  134.]|  —  81)  X  H.  Lee,  E.  dtsch.  Lustspieldicliter.  Z.  Erinnerung  an 
K.  Töpfer:  FeuilletZg.  N.  444.  (Auch  SammlerA.  N.  2  usw.)  —  82)  Zu  Holtei:  Ußühneng.  22,  S.  177  8.  —  83)  X  0.  Ludwig, 
Werke  (vgl.  JBL.  1891  lY  4  :  12äa.|  \[A.  Sauer:  DLZ.  S.  11;  H.  Nord:  Grenzb.  4,  S.  174-86.ji  -  84)  X  A.  Bettelheim: 
'AZgT.  N.  236;    Bohemia   N.  83.    —    85)  A.  Frhr.  v.  Berger,    0.  Ludwig  u.  F.  Schiller:  WienerLZg.  N.  1.  —  86)  H.  Lorm, 


A,  von  Weilen,  Dratna  und  Theaterg-eschichte  des  18. '19.  Jahrhunderts.   IV4:87-n3 

bemühte  sich  die  Tragödie  „Die  Rache  des  Herzens"  für  Eduard  Devrient  herbei- 
zuschaffen, von  der  Ludwig*  nicht  mehr  wusste,  in  welcher  Theaterkanzlei  sie  liegen 
mochte.  L.  tritt  für  eine  Aufführung  dieses  Stückes  ein  und  stimmt  Laube  bei,  der 
einen  versöhnlichen  Ausg-ang  des  Erbförsters  wünschte.  — 

Einen  verschollenen  Genossen  Gutzkows^")  führt  Brümmer^^)  in  W.  K.  St  ölte 
vor  (1809—74).  Auf  dessen  Anraten  schrieb  er  seinen  „Faust",  der  Stellen  von 
grosser  Tiefe  enthalten  soll.  —  F.  A.  Steinmann  (1801—75),  ein  erbärmlicher 
Geg'ner  Heines,  wird  von  Fränkel^'')  wegen  seines  kultur-historisch  wichtigen  Volks- 
dramas „Zum  Tode  verurteilt"  (184:^)  hervorgehoben.     (Vgl.  IV  11:56.)  — 

Neueres  deutsches  Drama.^""''^)  Die  Biog-raphie  Greifs  von  Prem 
(vgl.  JBL  1892  IV  4:  84)  wird  von  Necker^^)  in  ihrem  kritiklosen  Enthusiasmus,  der 
gänzlich  verkennt,  wie  wenig  sich  Greifs  Drama  den  berechtigten  Forderung-en  der 
Zeit  anzupassen  vermochte,  entsprechend  charakterisiert.  Das  von  Prem  citierte 
Urteil  Hehns  über  Greif  fasst  Necker  als  Ironie.  —  Dageg-en  tritt  Lyon  9')  für  den  Ernst 
des  Hehnsohen  Urteils  ein  und  leitet  Neckers  Auffassung  von  einem  Druckfehler  in 
Hehns  Briefe  ab,  der  aber  für  den  Sinn  des  Ausspruches  durchaus  nicht  massgebend 
ist.  —  Wehls  Umdichtung  des  Cid  von  Corneille,  „Liebe  und  Ehre",  wird  von 
Bormann»^)  in  einer  Studie  über  den  Cid  im  Drama,  die  auch  ein  wirres  deutsches 
Drama  von  Bruno  Rodel  (1867)  neben  Castros  und  Corneilles  Werken  anführt,  an 
Naturwahrheit  und  Lebendigkeit  über  das  französische  Original  gestellt.  —  W^ er  der 
erscheint  in  Schlenthers'"')  stimmungsvollem  Nekrologe  als  Meister  in  der  Be- 
schränkung, voll  edler  Strebsamkeit.  In  seinen  Vorlesungen  über  dramatische 
Kunst  spricht  nicht  der  grosse  Gelehrte  und  Forscher,  wohl  aber  der  Dichter.  — 
Seine  Columbus-Tragödie  figuriert  auch  in  der  stoffgeschichtlichen  Arbeit  Loevin- 
sons^oo^^  dig^  nach  Frank  eis  Referate,  ausser  ihm  Klingemann,  Rückert,  Kösting, 
H.  von  Schmid,  Herrig  und  Dedekind  nennt.  F.  trägt  die  Bearbeitung  E.  Wolffs 
(1892)  und  E.  Karpffs  nach;  auch  Halm  scheint  einen  Columbus  geplant  zu  haben. 
—  Gegen  Fuldas i"')  Moliere-Uebersetzung  (vgl.  JBL.  1892  IV  4:95)  haben  sowohl 
Schient  her  als  Erich  Schmidt'02^  i,q[  aller  Anerkennung  kleine  Bedenken,  die  sich 
auf  die  allzugrosse  Glätte  und  Flottheit  des  Verses  beziehen,  wodurch  die  Tiefe  des 
Misanthrope  etwas  beinträchtigt  wird.  Schi,  weist  für  Fulda  auch  darauf  hin,  wie  er 
als  Dichter  selbst  von  Moliere  ausging,  aber  sein  Ziel  stand  stets  über  seinen 
Leistungen.  —  Spi  elhagen 'o^)  vergleicht  den  „Talisman"  mit  Wildenbruchs^*'^) 
Heiligem  Lachen,  das  die  Märchenregion  vollständig  verlassen.  Aber  auch  Fulda  hätte 
noch  mehr  Märchenhaftes  geben  können.  —Für  die  Schule  analysiert  Gloel '<*^)  Die 
Quitzows,  die  ihm  als  höchst  bedeutendes  Werk  erscheinen,  wenn  auch  die  Ge- 
schlossenheitfehlt.—G.vonMoser  wird  von  Zabel  •t^^)  als  echter  liebenswürdiger  Theater- 
praktiker geschildert,  der  durch  seine  Verwertung  des  Militärs  für  die  deutsche  Bühne 
bedeutsam  geworden.  Das  Stiftungsfest  von  Benedix^o'^i^^)  arbeitete  er  in  einer 
Weise  aus,  dass  dieser  nichts  mehr  davon  wissen  wollte. i'^"'*')  —  In  Wilbrandts 
„Meister  von  Palmyra"  sieht  Deinhardt ^^-j  die  Wiederverkörperungslehre,  wie  sie 
Hellenbach  u.  a.  gepredigt.  Aber  vom  Standpunkt  der  Metaphysik  fehlte  dem  Werke 
das  Moment  der  aufsteigenden  Seelenwandlung,  es  ist  mehr  zusammenhangslose 
Seelenwanderung,  das  Ahasver-Problem.  — 

Lawinenartig  wächst  die  Flut  der  Aufsätze  an,  welche  sich  mit  den  Dramen 
der  Modernen  sowie  mit  später  zu  besprechenden  dramaturgischen  Fragen,  die 
sich  an  sie  anknüpfen,  beschäftigen ^^^j  Wer  kann  die  Legion  Zeitungsartikel  über- 
sehen, die  sich  an  bedeutsame  Neuaufführungen,  wie  sie  das  Berichtsjahr  bot, 
anschliessen ?    Man  gestatte  mir   hier  gleich  im   allgemeinen   als  einen  kundigen 


Erinnerung  an  0.  Ludwig:  NPrr.  N.  10218.  -  87)  O  W.  Volkmann,  Uriel  Acosta.  E.  Skizze.  [Aus:  .Festschrift  z.  Jubel- 
feier d.  Gymn.  zu  St.  Maria  Magdalena  (vgl.  I  6  :  205.)J  Breslau,  Morgenstern.  38  S.  M.  0,50.  —  88)  F.  Brömmer,  W.  K. 
Stolte:  ADB.  36,  S.  4113.  -  89)  L.  Fränkel,  F.  a'.  Steinraann:  ib.  36,  S.  744/6.  —  90)  X  P-  Heyse,  Kolberg  by  R.  H. 
Allpress.  London,  Rivington.  Sh.  2.  —  91)  X  ö  Frey  tag,  D.  Journalisten:  Lustsp.  in  4  A.  Texte  allemand  avfic  notes  par  A. 
Girot.  (=  Bibl.  Allemande  contemp.  N.  1.)  Paris,  Delagrave.  183  S.  —  92)  X  L.  Sal  omon.  Zu  R.  t.  Gottschalls  70.  Ge- 
burtstage: niZg.  101,  S.  3746.  —  93)  X  J-  E-  ▼.  Grotthnss,  R.  Voss:  VelhagenKlasingsMh.  2.  S.  664-71.  —  94)  X  L- 
Salomon,  0.  Justinns:  IllZg.  101,  S.  274.  —  95)  X  E.  Pohl,  La  cavallerizza.  Commedia  in  un  atto.  Milano,  Kantorowicz.  16». 
32  S.  L  1,20.  -  96)  X  M.  Necker:  AZ».  N.  2;  K.  Eisschilt:  ÖLBl.  S.  75;  0.  Lyon:  ZDÜ.  7,  S.  75/7;  R.  H.  Greinz: 
Geg.  43,  S.  19.  -  97)  0.  Lyon,  V.  Hehn  n.  M.  Greif:  AZg".  N.  13.  —  98)  W.  Bor  mann,  D.  Cid  im  Drama:  ZVLR.  6, 
S.  5-33.  —  99)  P.  Schienther,  Am  Grabe  d.  alten  Werder:  ML.  62,  S.  249-52.  -  100)  (I  10  :  24  )  —  101)  X  ^-  Falda.  II 
paradiso  perduto.  Commedia  in  3  atti,  riduzione  per  le  scene  Italiane  di  0.  Eisenschitz.  Milano,  Kantorowicz.  16".  90  S.  L.  1,50. 
—  102)  E.  Schmidt:  DLZ.  S.  14212;  0.  Härtung:  DDichtung.  14,  S.  78:  P.  Schienther:  ML.  62,  S.  2368.  —  103J  F. 
Spielhagen,  L.  Fuldas  Talisman:  ML.  62,  S.  85/7.  —  104)  X  E.  v.  Wildenbrnch,  Harold.  Transl.  by  A.  Vagelin.  (=  Modem 
German  advanced.)  London,  Rivington.  Sh.  1-20.  —  105)  H.  Gloel,  D.  Quitzows  E.  v.  Wildenbruchs:  ZDU.  7,  S.  734-50.  — 
106)  E.  Zabel,  G.  v.  Moser:  NatZg.  K.  527.  -  107)  X  K.  Benedix,  Aschenbrödel.  Schausp.  in  4  A.  2.  Aufl.  (=  R.  Benedir 
Yolkstheater  Bd.  17.)  L.,  Weber.  125  S.  M.  1,00.  —  108)  X  id.,  Scenes  choisies  du  theätre  de  famille.  Texte  allemand 
avec  des  notes  par  M.  Feuillie.  (=  Classiqnes  AUemands.)  Paris,  Hachette.  XIV.  217  S.  Fr.  1,50.  —  109)  X  »^-^  ^ 
pxochs.  Comedie  en  1  acte,  publiee  avec  une  notice  sur  le  theätre  allemand  et  des  notes  par  A.  Lang.  Nouv.  ed.  ebda.  16*. 
55  S.  M.  0,60.  —  HO)  X  -A"  Kohnt,  G.  v.  Moser:  Bühne  u.  Leben  S.  2Ö/1.  —  Hl)  X  G-  Goetschel,  G.  v.  Moser:  NFPr. 
N.  10320.  —  112)  L.  Deinhardt,  D.  Wiederverkörperungslehre  im  Drama:  Sphinx  15,  S.  297-304.  -  113)  X  B-  Friedrich, 


IV4:ii4]'.'o  A.  von  Weilen,  Drama  und  Theatcrg-eschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

Führer  durch  die  neueste  dramatische  Litteratur  das  ML.  zu  nennen,  dem  diesmal 
in  F.  Spielhag^en^i'*)  ein  ruhiger  Beobachter  zugewachsen  ist.  Dieser  zieht  auch 
in  einem  grösseren  Artikel  das  Facit  des  Theaterjahres :  Es  war  gute  Mittelernte. 
Das  ist  wenig,  wenn  man  sieht,  wie  sich  die  Jugend  zum  Drama  drängt,  wo 
der  Dichter  leichter  das  Publikum  erobert  als  mit  der  epischen  Darstellung.  Die 
meisten  der,  fast  durchweg-  naturalistischen,  Dramen  zeigen  wieder  die  bekannte 
Verwechslung-  zwischen  dramatischer  und  epischer  Kunst.  In  der  Alleinherrschaft 
des  Milieu  leiden  Handlung  und  Held  Schaden.  Sp.  hebt  einzelne  Werke  kurz 
charakterisierend  hervor.  Bei  den  „Webern"  darf  man  frag-en,  ob  das  Elend  nicht 
auch  andere  Gründe  als  die  vorgeführten  habe.  Der  jungen  Schule  fehlt  es,  trotz 
mancher  Vorzüge,  an  Disciplin  und  Strenge  gegen  sich  selbst.  —  Die  Forderung  nach 
modernen  Menschen  stellt  Mauthner^'^)  an  Dichtung  und  Darstellung-,  wenn  er  die 
Berliner  Novitäten  des  J.  1892  mustert. i'^)  —  Praktischen  Zwecken  dienen  die  kurzen 
Analysen  der  Monatsschrift  „Freie  Volksbühne"'^"),  Anzengrubers  Viertes  Gebot  und 
Meineidbauer,  Kleists  Zerbrochener  Krug,  Sudermanns  Heimat  und  Ehre  und 
Sodoms  Ende,  Gutzkows  Uriel  Akosta  umfassend.  —  Ein  sonderbarer  Versuch 
Wunderlichs  "^)  beschäftigt  sich  wissenschaftlich  mit  der  Sprache  des  modernen 
Dramas,  die  Spielhagen  unnatürlich  genannt  hatte.  Es  zeigt  sich  ein  Fortschritt  zur 
Sprache  ohne  Worte,  sogar  bis  zu  verwickelten  Vorstellungen.  So  bietet  sich  manche 
Aehnlichkeit  mit  der  Sprache  des  Sturms  und  Drangs,  aber  der  junge  Schiller  spricht 
alles  direkt  aus,  was  ein  Hauptmann  schamhaft  verschweigt.  Alle  sprachliche  Kraft 
konzentriert  sich  ins  Nomen,  im  Anschluss  ans  tägliche  Leben  und  die  Entwicklung 
der  neueren  Sprache.  Ueberall  wird  von  der  natürlichen  Rede  ausgegangen,  so 
entstehen  die  Ellipsen,  fallen  die  Pronomina,  öfter  sogar  die  Prämissen  eines  Satzes,  die 
Frageform  dringt  stark  ein.  Besondere  Zunahme  erfahren  die  Sätze,  die  aus  mangel- 
hafter Gedankenbildung-  an  einander  gereiht  werden,  ähnliche  Gründe  sind  mass- 
gebend für  die  vielen  Wiederholungen,  das  Ringen  nach  dem  Ausdrucke  u.  a. 
Ueberall  aber  muss  die  Mimik  auf  das  sorgsamste  berücksichtigt  werden,  sie  diktiert 
eig-entlich  den  sprachlichen  Ausdruck.  So  bringt  das  neuere  Drama  ein  wertvolles 
Material  für  die  Sprachbeobachtung.  — 

Ueber  Ibsen  i'^'^'^i)  plaudert  Doumic '^^-'^sj  recht  oberflächlich.  Und  doch 
wollte  er  seine  Feuilletons  an  einen  Faden  reihen,  der  von  Scribe  bis  hinauf  in  die 
neueste  Zeit  zu  verfolgen  sein  soll.  In  Reaktion  zu  Scribe  entwickelte  sich  das 
Drama  aus  dem  theätre  d'analyses  zu  einem  theätre  d'idees.  D.  prüft  nun  an  den 
älteren  wieder  hervorg-eholten  französischen  Dramen,  was  in  ihnen  für  unsere  Zeit 
lebendig",  und  kommt,  besonders  für  das  romantische  Drama,  zu  negativen  Erg-ebnissen. 
Aber  dieser  ganz  hübsche  Grundgedanke  geht  unter  den  vielen,  bedeutungslosen 
Eintagskritiken  verloren,  und  g-erade  für  die  von  Ibsen  beeinflussten  Motive  der 
Dramen  von  F.  de  Curel,  Aicard  u.  a.  hat  D.  wenig-  Verständnis.  Von  Ibsens  Dramen 
analysiert  er  sehr  ung-eschickt  die ,,  Wildente",  ohne  rechtes  Erfassen  des  Hjalmar,  be- 
sonders rühmt  er  die  „Hedda  Gabler"  als  „un  beau  drame,  d'une  allure  simple,  vigoureuse 
et  hardie",  während  er  mit  der  „Frau  vom  Meere"  nichts  anzufangen  weiss.  —  Ein 
zweites  französisches  Werk,  von  Tissot  '^^j,  über  Ibsen  und  Björnson  blieb  mir  leider 
unzugänglich.  —  Dass  die  deutsche  Ibsenschule  ihr  Vorbild  oft  missverstanden, 
sucht  Hansson'25j  ^u  zeigen.  Ibsen  wirkte  als  technisches  Vorbild  und  wurde  als 
Dichter  des  Realismus  in  Deutschland  proklamiert,  zu  einer  Zeit,  da  er  schon  längst 
diese  Richtung-  verlassen  hatte.  Man  wollte  eine  neue  Kunst  imd  suchte  nicht  zum 
neuen  Inhalt  die  neue  Technik,  sondern  erstrebte  die  neue  Technik  als  etwas  Primäres. 
Von  Ibsens  socialen  Dramen  blieb  nur  der  einzelne  Familienkonflikt  im  klein- 
bürgerlichen Kreise  übrig-,  dagegen  wurde  die  Detailmalerei  ausgebildet.  Das  Ver- 
hängnis war,  dass  man  nur  seine  Gesellschaftsdramen  kannte.  Die  deutschen 
Dramatiker  gehen  von  der  Socialdemokratie  aus  und  sehen  deren  poetischen  Ver- 
treter in  Ibsen,  für  den  Norden  ist  er  der  Mystiker.  Was  Ibsen  bietet,  ist  ein 
Zerg-rübeln  seiner  eigenen  Gedanken,  jede  Dichtung-  ist  die  Auflösung  einer  seiner 
früheren,  „Baumeister  Solness"  die  Auflösung  seiner  sämtlichen  Dramen;  den  Inhalt 
fasst  H,  in  die  Formel  zusammen:  „Wenn  der  Mann  auf  ein  Weib  hört,  bricht  er  den 
Hals."  In  seinen  Frauengestalten,  die  auf  konstruktivem  Wege  entstanden  sind,  g*eht 
Ibsen  von  der  Verfechtung  der  Emancipation  aus,  bis  er  das  Unheil  darin  entdeckte. 
Ibsens  Phasen  und  die  Phasen  der  nordischen  Kulturentwicklung-  sind  Eins.    „Brand". 


Moderne  Dramen:  BLÜ.  S.  42/5.  —  114)  F.  Spielhagen,  EücWlicTce  auf  d.  Theaters.aison  1892-9.3:  PrJbb.  72,  S.  3S5-405.  — 
115)  fl  12:227.)  -  116)  X  0.  Neumann  -  Hof  er,  D.  dtsch.  Schauspiel  d.  letzten  Saison:  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  253-64.  — 
117)  F.  Mehring,  Freie  Volksbühne.  E.  Mschr.  B.,  Maurer  &  DimmieV.  14  Hfte.  ;i  Mk.  0.10.  —  118)  (I  8:96.)  -  119)  X 
W.Kempe,  Ibsens  Motivierungsknnst  in  seinen  berühmtesten  Dramen:  DWBl.  S.  511/4.  —  120)  X  A.  Boccardi,  La  donna 
neir  opere  di  H.  Ibsen.  Trieste,  G.  Balestra.  16".  51  S.  Fl.  0,.50.  —  121)  O  Th.  Odinga,  H.  Ibsen.  E.  Essay.  (=  Kleine 
Studien.  Her.  t.  J.  Bacra  eister  N.  2.)  Erfurt,  Bacmeister.  1892.  12».  15  S.  M.  0,20.  |[BLU.  S.  430.|l  —  122-123)  (1 12  :  346.) 
—  124)   O   (I  12:344.)  —  125)0.  Hansson,  D.  dtsch.  und  d.  nordische  Ibsen:  Nation".  10.  8.276  8,291/3.-126)  (112:354.) 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./ ID.  Jahrhunderts.  IV  4  :  127-151 

der  ihn  zum  Oberg-ewissen  Skandinaviens  machte,  und  „Peer  Gynt",  der  nordische 
Durchschnittsmensch,  sind  Evangelien  für  das  Volk  geworden.  H.  schildert  die 
Bedeutung"  des  Krieges  von  1864  für  Ibsen,  der  ihm  seine  Ideale  raubte.  Sein 
grösster  Triumph  wurde  „Nora".  Wie  unter  dem  Einfluss  seiner  obengenannten 
Dramen  die  Bauernerhebung  sich  vollzog,  begann  nun  eine  lebhafte  Erörterung  der 
Frauenfrage;  ganz  parallel  mit  späteren  Dramen  wie  „Hedda  Gabler"  vollzog  sich 
im  Norden  die  Einschränkung  dieser  Bewegung.  Ueberall  giebt  er  die  tiefsten 
Impulse  im  Leben  seines  Volkes.  —  Im  diametralsten  Gegeusatze  zu  dieser  nationalen 
Erfassung  Ibsens  stehen  Hertzbergs  126)  Ansichten:  Nach  Werles  und  Bernicks 
Häusern  würde  man  im  Norden  vergebens  suchen;  Ibsen  sei  auch  gewiss  nicht  der 
Meinung  gewesen,  dass  seine  Konflikte  und  Lebensanschauungen  norwegisch  seien. 
Nur  im  „Bund  der  Jugend"  habe  Ibsen  wirkliche  Nationalfehler  gezeichnet,  später 
nicht  mehr.  H.s  Argumente,  unter  denen  z.  B.  auch  figuriert,  dass  es  in 
Norwegen  keinen  solchen  CJeberfluss  an  Kammerherren  gebe,  wie  die  „Wildente"  glauben 
mache,  können  Hanssons  scharfe  Darlegungen  nicht  erschüttern.  —  Einen  kleinen 
Jugend-Aufsatz  Ibsens  über  die  Kämpeviser  leitet  Jireczek'-^)  mit  einer  Ueber- 
sicht  der  romantischen  Dramen  Ibsens  ein.  —  Auf  die  Frage,  die  ein  Interviewer 
Bigeon '2^)  nach  Mitteilungen  im  Pariser  „Figaro"  an  Ibsen  stellte,  ob  er  Zola  zu 
seinen  Mitarbeitern  rechne,  erwiderte  er:  Ja  und  Nein;  er  ist  Socialist  und  Kollektivist; 
ich  bin  Anarchist  und  Individualist.  Er  spricht  seine  Freude  an  den  Symbolisten  aus 
und  nennt  seinen  „Baumeister  Solness"  ein  symbolisches  Stück.  Aber  seine  Symbole 
seien  die  Anfänge  der  Voraussetzungen,  wahre  Realität,  während  Zolas  Symbole  erst 
durch  die  Wirklichkeit  erklärt  werden.  —  Die  Methode,  nach  der  Loris^-^J  die 
Menschen  Ibsens  charakterisiert,  kennzeichnet  er  selbst  als  eine  „halb  g-eistreiche, 
halb  leichtfertig-e  Art,  die  Dramen  Ibsens  zu  zerpflücken  und  durcheinander  zu 
schütteln."  Gleich  im  Eingange  seiner  Erörterung  steht  der  höchst  bedenkliche  Satz: 
„Man  ist  wohl  nie  in  Versuchung  gekommen,  einen  Vortrag  zu  überschreiben:  Von 
den  Menschen  in  den  Dramen  Shakespeares  oder  0.  Ludwigs  oder  Goethes."  Er  ver- 
gleicht Ibsen  mit  Byron.  Alle  seine  Gestalten  treiben  Selbstpsychologie.  —  der  Glaube 
an  das  Wunderbare,  Stendhals  „imprevu",  wird  ihnen  innerlichste  Ueberzeugung.  Sie 
repräsentieren  nur  eine  Leiter  von  Seelenzuständen,  die  Julian  schon  im  Keime  trägt. 
Das  Grundproblem  ist  wesentlich  undramatisch.  In  jedem  Stücke  wird  eine  Idee 
betont  und  in  französischer  Manier  durchgeführt.  —  „Kaiser  und  Galiläer"  erscheint 
Schlenther^^*')  als  Ibsens  Faust,  als  Fundament  seiner  ganzen  Dichtung.  Er  zeigt 
die  Keime,  die  in  dem  Stücke  für  die  modernen  Dramen,  besonders  in  der  bedeutungs- 
vollen Rolle  des  Weibes,  liegen,  und  plaidiert  für  eine  Darstellung.  —  Die  „Gespenster" 
reklamiert  Lombr  OSO  '"^')  für  die  Wissenschaft  als  Beweismittel  der  Vererbungstheorie.  — 
Die  regeste  Diskussionhat  natürlich  das  zuletzt  erschienene  Drama  „  Baumeister  Solness"  '^^j 
hervorgerufen. '3^)  Gemeinsam  heben  alle  Recensenten  das  Ueberwuchern  der  Symbolik 
hervor.  Berger  ^3'*)  betont,  das  Entree  Hildes  mit  Raimunds  Jugend  vergleichend, 
die  ungeheuere  Hebung,  welche  in  dieser  Gestalt  das  Rollenfach  der  Naiven  bis  ins 
Dämonische  hinauf  erfahren  hat.  —  Berger  wie  Riess'-'^)  sehen  den  Zusammenhang 
mit  Nietzsche.  —  Harden'^^)  fasst  das  Stück  als  Beichte  Ibsens,  in  der  er  in  gross- 
artiger Weise  seine  Kleinheit  eingesteht.  —  Für  Holm*"'^)  ist  es  das  Trauerspiel  der 
„Bourgeoisie",  in  dem  der  Baumeister  als  typische  Gestalt  des  Grössenwahns  und  der 
Grossmannssucht  erscheint.  —  Ibsens  Einbürgerung  in  England,  die  hauptsächlich 
W.  Archer  zu  danken  ist,  hat  gegenwärtig,  nach  Kellners  ^^^j  Ausführungen,  einen 
Rückschritt  erfahren,  obwohl  sein  Einfluss  auf  die  dramatische  Litteratur  deutlich 
merkbar  ist  und  B.  Shaw  1891  ein  Werk  über  das  Wesen  des  Ibsenismus  veröffentlicht 
hat,  das  „Nora"  für  die  Frauenfrage  stark  verwertet.  —  Archer '3'-')  konstatiert  den 
grossen  Absatz,  den  die  Dramen  im  englischen  Buchhandel  finden. '*'*)  — 

S  udermann^*'"^*3jhatergötzlich  die  Geschichteseinesunaufgeführten  Erstlings- 
werks, „Die  Tochter  des  Glücks",  erzählt '*4);  seine  Mitteilungen  ergänzt  Neumann- 
Hof  er  *^^),  der  das  Stück  als  Nachahmung  der  Freytagschen  „Valentine"  charak- 
terisiert. —  An  die  Aufführung  der  „Heimat"''*^)  schloss  sich  eine  reiche  Artikel- 
litteratur '4'-i49^:  Spielhagen '^oj  sieht  trotz  starker  Unwahrscheinlichkeiten  in  ihr 
einen  Fortschritt  des  Dichters  zum  Lessingschen  Ideale  des  Dramas,  dagegen  nennt 
Alb.  Stern '***)  Magdas  W^andlung   und    Schuldgefühl  inkonsequent,    ihr  Herz  sehe 

—  127)  0.  L.  Jireczelc,  H.Ibsen,  D.  Kämpeviser  a.  ihre  Bedeutung  für  d.  Kunstpoesie:    AZgü.  N.  111.    —    128)  (I  12:361.) 

—  129)  Loris,  D.  Menschen  in  Ibsens  Dramen:  WienerLZg.  N.  13.  —  130)  (I  12:3-56.)  —  131)  (I  12  :  35S.)  —  132)  X 
(I  12:359.)  —  133)  X  (I  12:360.)  —  134)  A.  Frhr.  v.  Berger,  Baumeister  Solness  v.  H.  Ibsen:  WienerLZg.  N.  5.  —  135) 
(I  12:364.)  —  136)  (I  12:360ii.)  —  137)  (1  12:363.)—  138)  (I  12:349.»  - 139)  W.  Archer,  D.  Ibsenmausoleum:  Zakunftü, 
S.  174-87.     (Vgl.  I  12  :  352.)  —  140)  X  d  12  :  350.)  -  141)  X  O   (I  12  :  416.)  -  142)  X  W.  K.,  Sndermann:  DWßl.  S.  2502. 

—  143)  X  H.  Sudermann,  La  flne  di  Sodoma.  Drama  in  5  atti.  Milano,  Kantorowicz.  16".  117  S.  L.  1,20.  —  144)  id.. 
Mein  erstes  Drama.  (D.  Gesch.  d.  Erstlingswerkes):  DDichtung.  13,  S  16-20.—  145)  0.  Keu  man  n-Hof  er,  Z.  Charaltteristik 
II.  Sudermanns:  ib.  S.  52.  —146)  X  H-  Sudermann,  Casa  paterna  ^Heimat).  Dranima  in  4  atti,  traduzione  di  E.  Nathan  son. 
Milano,  Kantorowicz.  16".  116  S.  L.  1,50.  —  147)  X  (I  12:393.)  —  148)  X  F-  Kummer,  Sadermanns  neuestes  Drama 
(Heimat):  BLU.  S.  G02.  -    149)    X    F-  Mehring,    Sudermanns  Heimat:    NZSt.  U,  S.  r)44  6.  — 150)  (I  12:399.)   —  15li  Alb. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschioht».    IV.  4(12) 


IV  4152-182    A.  von  Weilen,  Drama  und  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

aus  „wie  eine  Weihnachtsnummer  der  Gartenlaube".     Das  Stück,  gänzlich  undeutsch, 
biete  nur  Koulissenpsychologie,  meisterhaft  sei  die  Stimmungsmalerei.  — 

Zu  Gerhart  Hauptmanns '^-"i^*)  „Webern"i^s-'56j  hat  Spielhagen  •&')  die 
Formel  gefunden:  Der  Held  ist  die  Not.  In  diesem  Sinne  besteht  auch  eine  Einheit. 
Zu  fürchten  sind  aber  die  Nachahmer.  Er  zieht  eine  Parallele  mit  dem  Götz.  Auch 
in  der  Sturm-  und  Drangperiode  nahm  die  Jugend  die  Natur  aus  zweiter  Hand, 
damals  hatten  sie  als  Quelle  Shakespeare,  heute  Ibsen,  Zola,  Tolstoi.  —  An  Spiel- 
hagen knüpft  S  ch  len  t  h  e  r '•''^)  an.  Eine  Fülle  kleiner  Menschen  ist  nach 
seiner  Ansicht  dasselbe  Objekt  für  die  Kunst  wie  Ein  grosser.  —  Mehring'^^j 
citiert  als  Hauptmanns  Quelle  das  Bürgerbuch  von  W.  Wolff  (1845).  Dort  erscheinen 
als  Mittelpunkt  des  Aufstandes  auf  Seite  der  Fabriksherrn  die  Gebrüder  Zwanziger 
(bei  Hauptmann  Dreissiger).  Der  Polizeiverweser  heisst  bei  Wolff  Christ,  bei  Haupt- 
mann Heide  u.  a.  Von  den  25  Strophen  des  „Weberliedes"  hat  Hauptmann  sieben 
mit  kleinen  Aenderungen  aufgenommen.  Dass  aber  aus  der  Benutzung  dieses  Buches, 
wie  M.  meint,  schon  folgt,  dass  Hauptmann  eine  socialistische  Tendenz  mit  bewusster 
Parteischattierung  zum  Ausdrucke  bringe,  ist  nicht  richtig.  —  Als  eine  misslungene 
Verhimmlichung  der  Idee  der  „Weber"  betrachtet  Har  den  '6*)j  (j^s  „Hannele",  ein  Stück, 
das  verständnislos  mit  einem  grossen  Gedanken  .spielt  und  nur  Bonbonpoesie  zu 
bieten  vermag,  während  S  pielhagen '^')  in  ihm  eine  Phantasie  im  besten  Sinne 
erkennt.  Die  beiden  genannten  Autoren  begegnen  sich  in  der  Verurteilung  des 
„Biberpelz",  162- 163)  ^er  äusserlichsten  Ausbildung  der  Kleinmalerei.    — 

Den  grossen  Fortschritt,  den  Halbe  vom  „Eisgang"  zur  „Jugend"  durch- 
gemacht, konstatiert  Spielhagen  i^^),  das  ausgezeichnete  Studium  des  Milieu  her- 
vorhebend, mit  richtigen  Bemerkungen  über  das  Bedenkliche  des  Schlusses.  — 
Dagegen  macht  Spielhagen  '^s^  bei  Hartlebens  „Hanna  Jagert"  schon  auf  das  Frag- 
würdige und  Schiefe  des  vorangesetzten  Hebbelschen  Mottos,  das  für  jedes  dramatische 
Werk  ein  Problem  fordert,  aufmerksam.  Das  behandelte  Thema,  die  Emanicipation 
einer  Frauenseele,  kann  in  dieser  Weise  nur  im  Romane  behandelt  werden.  Ein 
Lessing,  der  die  Gattungen  sondern  könnte,  thäte  heute  dringend  not.  —  An 
Strindbergs^ö^)  „Gläubiger"  anschliessend,  deren  grandiose  Einfachheit  gerühmt 
wird,  erörtert  Servaes  i^''),  wie  der  Dichter  das  Weib  nur  in  Gestalt  seiner  Thekla 
sieht;  nicht  der  Intellekt,  sondern  der  Affekt  hat  ihn  zum  Weiberhasser  gemacht. 
Er  predigt  die  Ueberlegenheit  des  Mannes  und  giebt  auf  der  Bühne  nur  das  den 
Mann  ganz  beherrschende  Weib.  Die  unbesonnene  Jugend  sah  aber  in  seinen  Ge- 
stalten gleich  das  Weib  überhaupt.  —  In  seinen  Dramen  sieht  Laura  Marholm^^*) 
biographische  Beiträge  zur  Lösung  seines  Ich-Rätsels.  Poesie  und  Barbarei  steht  in 
seiner  Dichtung  neben  einander,  ein  finnischer  Zug  geht  durch  sein  ganzes  Wesen. 
Seine  Dramen  bauen  auf  trivialen  Voraussetzungen  erschütternde  Tragödien  auf.  — 
Eine  befreiende  That  auf  dem  Gebiete  des  Dramas  nennt  Schienther i^^)  Wol- 
zogens  „Lumpengesindel",  mit  dem  die  Zukunftsform  der  neueren  Komödie,  die  Tragi- 
komödie beginne.  Dann  wird  auch  das  Drama,  wenn  es  erst  echten  Humor  biete,  die 
Höhe  der  deutschen  Erzählung  Kellers  und  Fontanes  erreichen.  Nur  Anzengruber 
kann  als  Keller  der  deutschen  Komödie  gelten.  —  Hier  mögen  auch  summarisch 
einige  Sammlungen  dramatischer  Schriften  neuerer  deutscher  Autoren  verzeichnet 
stehen.i''o-i^4)  _ 

Zu  den  österreichischen  Dramatikern  i"^"''^)  teilt  aus  einem  Th. 
Ackermannschen  Antiquariatskataloge  Fränkel'^")  eine  darin  herausgehobene 
Stelle  aus  den  „Faschingskrapfen  für  Wiener  Autoren  1785"  über  den  „Faust"  Paul 
W^eidmanns  mit.  —  Die  Familie  Stegmayer 'S')  hätte  eine  würdigere  Behandlung 
in  der  ADB.  verdient,  als  ihr  zu  teil  geworden.  —  Dagegen  hat  Brandes '^2)  eine 
hübsche  Charakteristik  Steigenteschs  geliefert.    Er  hätte  einer  der  besten  deutschen 

Stern,  D.  Dichter  d.  Heimat  u.  die  Heimat  d.  dtsch.  Dramas:  Bär  19,  S.  343/7.  —  152)  X  ßr.,  G.  Hauptmann:  WeserZg. 
N.  16897.  —  153)  X  E.  Goldmann,  G.  Hauptmann.  Vortr.  (=  Ber.  d.  Lese-  u.  Redehalle  d.  dtsch.  Studenten  in  Prag  fiber 
d.  J.  1892.)  Prag  (Haase).  23  S.  -  154)  X  L.  Salomon,  G.  Hauptmann:  IllZg.  101,  S.  689-90.  -  155)  X  G-  Hauptmann. 
Les  tisserands,  drame  en  5  actes.  Trad.  fran^;.  p.  J.  Thorel.  Paris,  Charpentier.  VIII,  149  S.  Fr.  4,00.  —  156)XG.  Frie- 
. berger,  E.  verbotenes  Theaterstück  (D.  Weber  v.  G.  Hauptmann):  WienTBl.  N,  69.  —    157)  (I  12:405.)  —  158)  (I  12:406.) 

—  159)  F.  Mehring,  G.  Hauptmanns  „Weber":  NZ"*».  11,  S.  769-74.  —  160)  M.  Harden,  D.  Weberhimmel:  Zukunft  5, 
S.  380/4.  —  161)  (I  12  :  413.)   -  162)  M.  Harden,  D.  Biberpelz:  Zukunft  4,  S.  661  6.  —  163)  (I  12  :  410.)    -  164)  (I  12:  407.) 

—  165)  (I  12:403.)  —  166)  X  (I  12:375.)  —  167)  (I  12:376.)  ~  168)  (I  12:374.)  —  169)  P.  Schienther,  E.  theatral. 
That:  ML.  62,  S.  56  8.  —  170)  X  E.  Derer,  Nachgelassene  Schriften.  Her.  v.  A.  F.  Graf  v.  Schack.  3  Bde.  Dresden, 
Ehlerraann.     XX.  228  S  ;  VIII,  184  S.;  VIII,  160  S.     M.  12,00.     |[K.  Pasch:   ÖLBl.  S.  663,4;    R.  M.  Meyer:  ML.  62,  S.  817.]| 

—  171)  X  A.  Dulk,  Sämtl.  Dramen.  1.  Ges.-Ausg.  Her.  v.  E.  Ziel.  2.  Bd.  St,  Dietz.  III,  388  S.  M.  3,00.  UNZ"".  11. 
S.  138-44  ]|  -  172)  X  H-  Merriff,  Ges.  Schriften.  4.  T.:  Christnacht.  E.  Weihnachtsspiel  für  d.  Volksbühnen.  2.  Aufl.  B., 
Luckhardt.  VIII,  63  S.  M.  1,30.  —  173)  X  H.  Hopfen,  Neues  Tlieater.  Bd.  III.  B.,  Paetel.  237  S.  M.  3,00.  |[F.  Munckor: 
AZ".  N.  283.J]  —  174)  X  0.  Weddigen,  Ges.  Werke.  Bd.  4.  Epische  n.  dramat.  Dichtungen.  2.  Aufl.  Wiesbaden,  Bechtold. 
VII,  392  S.  M.  4,00.  — -  175)  X  A.  S[chlossar]:  A.  Frhr.  v.  Stifft:  ADB  36,  S.  217.  --  176)  X  id>  F-  Stamm:  ib  35, 
S.  430/2.  —  177)  X  ifl-.  Tli.  Stamm  (Graf  Heusenstamm):  ib.  S  4334.  —  178)  X  i<l  .  J-  Streiter:  ib.  30,  S.  5678.  -  179)  X 
K.  Reissenberger,  E.  siebenbürg.-sächs.  Dichter.  (M.  Albert):  ÖUR.  15,  S.  213/5.  —  180)  L.  Fränkel,  Z.  sogen.  Pseudo- 
Lessingschen  „Faust"  d.  P.  Weidmann:  G.Ib.  14,  S.  293/4.  -  181)  F.  Br.,  K.  u.  F.  Stegraayer:  ADB.  35,  S.  565/7.  -  182)  F. 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  IV*4:i8.3-20o 

Lustspieldichter  werden  können,  wenn  er  weniger  oberflächlich  und  lebenslustig"  ge- 
wesen wäre.  Seine  Auffassung  des  Dramas,  die  sich  auch  in  theoretischen  Schriften 
ausspricht,  ist  eine  weit  höhere,  als  die  Kotzebues.  —  D  ei  n  har  d  s  t  e  i  n  stellt 
sich  in  einem  Briefe 's^)  aus  dem  J.  1841  weit  über  Bauernfeld.  — 

In  Raimunds 'S'*J  „Gefesseiter  Phantasie"  sieht  Müller-Guttenbrunn '**^) 
ein  Symbol  seines  dichterischen  Schaffens. '^^"'^^)  Er  legt  die  Grundsätze  dar, 
welche  ihn  in  der  Bearbeitung  dieses  zur  Eröffnung  eines  Raimund-Theaters  wie 
geschaffenen  Festspieles  geleitet  haben.  Er  hat  die  Zusätze  und  Einlagen,  die 
Sauers  Ausgabe  bietet,  gestrichen,  auch  manches  Parodistische  in  den  Reden  der 
Zauberschwestern  getilgt  und  das  Lied  Amphios  durch  ein  weniger  schwülstiges 
Gedicht  ersetzt.  Aus  der  Geschichte  des  Werkes,  die  Glossy  skizziert,  ersieht  man, 
dass  Raimund  es  nur  zögernd  zur  Aufführung  brachte.  Die  Krones  vergriff  sich  in  der 
Rolle  der  Phantasie  vollständig.  Auch  Nestroy  nahm  das  Stück  nochmals  auf.  Im 
Anhang  werden  einige  ältere  Zeitungskritiken  mitgeteilt  und  ein  Aufführungs Verzeichnis 
gegeben.  —  Mülle r -Gutt enbr  u  nn  i*^j  hat  auch  eine  Charakteristik  Raimunds  ge- 
liefert, die  mit  Recht  starken  Nachdruck  auf  seine  schauspielerische  Thätigkeit 
legt:  aus  ihr  erwuchs  erst  der  Dichter.  Als  solcher  hat  er  keine  neuen  Formen 
geschaffen,  aber  den  Inhalt  geadelt.  Verwandlungen  und  Zauberkünste  werden  ihm 
zu  Symbolen  in  vollster  Belebung.  Dass  Nestroys  Erfolg  Schuld  an  seinem  Tode  ge- 
wesen, wird,  wie  gewöhnlich,  auch  hier  wieder  mit  allzu  starkem  Nachdruck  heraus- 
gearbeitet. —  Dass  speciell  das  Vorbild  Korntheuers  Raimund  zum  Dichten  aneiferte, 
wie  Wimmer  1^^)  ausführt,  scheint  mir  fraglich.  Aus  der  Theater-Zeitung  teilt  W. 
einige  Scherze  mit,  die  Raimund  in  andere  Stücke  einlegte.  Am  17.  Dec.  1823  sprach 
er  die  Einladung  zum  „Barometermacher  auf  der  Zauberinsel"  „von  Irgend  Jemand". 
Bekannt  ist  der  Streit  um  die  Autorschaft  und  Raimunds  Protest.  Noch  1846  gab 
Meisl  die  Erklärung  ab,  dass  das  Stück  ganz  Raimunds  Eigentum  sei:  ,, Ich  habe  dabei 
kein  Verdienst,  als  einen  bis  dahin  vielleicht  mit  sich  selbst  unbekannten  Dichter, 
auf  den  wir  stolz  zu  sein  Ursache  haben,  aus  dem  Schlafe  geweckt  zu  haben."  — 
Zum  Verschwender-Stoffe  weist  Dorer'-'")  auf  ein  Stück  Lopes:  Die  Prüfung  der 
Freunde  hin.  — 

Die  Nestroy- Ausgabe  von  Ganghofer  undChiavacci  (vgl.  JBL.  1891 IV  4:164; 
1892  IV  4:117)  giebt  Ernst  "")  Anlass,  Vischers  Vorwürfe  gegen  Nestroys  Frivolität 
als  unbegründet  zurückzuweisen.  Er  ist  ein  Künstler  der  Karikatur,  eines  der 
grossen,  komischen  Genies  der  Weltlitteratur  und   heute  noch  vollkommen  lebendig. 

—  W'itttmann'-'2)  repliciert  auf  Vorwürfe,  die  ihm  eine  Notiz  des  „Wiener  Tage- 
blattes" wegen  Verdeutschungen  in  seinen  Nestroy-Ausgaben  gemacht '"^"i^ß):  Er 
habe  nach  norddeutschen  Bühnenmss.  einige  dem  grösseren  deutschen  Publikum 
unverständliche  Ausdrücke  durch  andere  ersetzt,  so  z.  B.  nach  dem  Darmstädter 
Regiebuch  „Beuschl"  durch  —  „Kamillenthee".  —  Die  Ausgabe  der  Werke  durch 
Gottsleben  1"')  nenne  ich  nur,  um  vor  deren  Kauf  zu  warnen.  — 

Grillparzer  i'>8-i99j  kehrt,  nachdem  die  Hochflut  der  letzten  Jahre  abgelaufen, 
wieder  an  seinen  Platz  unter  den  österreichischen  Dramatikern  des  Gesamtkapitels 
zurück.  Das  bedeutendste  Ereignis  ist  der  Abschluss  der  fünften  Ausgabe  der  Werke, 
der  Sauers^ooj  unermüdliche  Sorgfalt  neuen  Glanz  verlieh.  Sie  umfasst  jetzt 
zwanzig  Bände  (vgl.  JBL.  1892  IV  11 :  130a).  Die  Einleitung  (vgl.  JBL.  1892  IV 
11:  105a)  hat,  zumeist  nach  S.s  eigenen  Forschungen  (vgl.  JBL.  1892  IV  11:46,  170, 
203,  204  usw.)  im  Detail  viel  gewonnen:  so  in  dem  Exkurs  über  das  österreichisch- 
patriotische Drama,  für  das  die  Anregung  Hormayers  bedeutungsvoll  ist,  über 
Bearbeitungen  des  Medea-Stoffes  u.  a.  Auch  der  Aufbau  ist  gelegentlich  glücklich 
abgeändert,  bedeutsam  tritt  „Des  Meeres  und  der  Liebe  W^ellen"  in  den  Vordergrund. 
Ottokar  erscheint  viel  ausführlicher  gewürdigt,  mit  Rücksicht  auf  die  in  N.  222  aus- 
Brandes, A.  E.  Frhr.  v.  Steigentesch :  ib.  S.  577-SO.  —  183)  Ans  Deinhardsteins  Briefwechsel:  Bohemia«.  1S92,  N.  72.  — 
184)  X  >"•  lf-1  Raimunds  Flora:  Fremdenbl.  N.  329.  —  185)  A.  Müller-Guttenbrunn,  D.  gefesselte  Phantasie.  Gelegen- 
heitsschrift  z.  EröfFnnng  d.  Eaimnnd-Theaters.  Mit  e.  Anh.  z.  Gesch.  d.  gefesselten  Phantasie  (von  C.  Glossy).  Wien, 
Konegen.  36  S.  M.  0,50.  |[Fremdenbl.  N.  32.3.]l  —  186)  X  F-  Raimund,  D.  gefesselte  Phantasie.  Orig.-Zanberspiel  in  2  A. 
(Einrichtung  d.  Eiiimund-Theaters.j  (=  ÜB.  N.  3136.1  L.,  Reclam.  64  S.  M.  0,20.  —  187)  X  F-  Schütz,  F.  Ruimund,  D. 
gefesselte  Phantasie:  NFPr.  N.  10517.  —  188l  A.  Müller-Guttenbrunn,  F.  Raimund.  (=IVla:32  [s.  u.  N.  206], 
S.  94-116.)  -  189)  J.  Wimmer,  F.  Raimunds  erstes  Theaterstück:  Fremdenbl.  K.  341.  —  190)  E.  Dorer,  D.  Verschwender 
auf  d.  Bühne.  (==  N.  170,  S.  99-114.1  —  191)  A.  Sauer:  LCBl.  S.  21/2:  P.  Ernst:  ML.  62,  S.  6034.  —  192)  0.  F.  Witt- 
raann.  Zu  Nestroy:  WienerLZg.  N.  5.  —  193)  X  »^  i  J-  Nestroy,  Zu  ebener  Erde  u.  erster  Stock  oder  d.  Launen  d.  Glücke. 
Posse  inSA  Durchges.  u.  her.  (=  ÜB.  N.  3109.)  L.,  Reclam.  92  S.  M.  0,20.  -  194)  X  id.,  id.,  D.  böse  Geist  Lumpacivagabundus 
oder  D.  liederliche  Kleeblatt.  Zanberposse  in  3  A.  Durchges.  u.  mit  d.  Extempores  her.  (=  ebda.  N.  3025.)  75  S.  M.  0,20. — 
195)Xidi  id-,  E.  Jux  will  er  sich  machen.    Posse  in  4  A.    Durchges.  u.  mit  d.  Extempores  her.  (=  ebd.i.  N.  3041.)  93  S.  M.  0.20. 

—  196)  X  id..  id.,  Eulenspiegel  oder  Schabernack  über  Schabernack.  Posse  in  4  A.  Durchges.  u.  her.  (=  ebda.  N. 3042.)  72  S. 
M.  0,20.  —  197)  id.,  Werke.  Her.  v.  L.  Gottsleben.  In  18  Bdchn.  B.,  A.  H.  Fried  &  Co.  48,  56,  62,  64,  96,  74,  64,  60, 
74,  80,  60,  64,  72,  62,  i04,  103,  52  S.  ä  M.  0,20  (kompl.  M.  3,00).  (VIII  S.  Vorrede.)  —  198)  O  R.  Batka,  Z.  Andenken  an 
F.  Grillparzer:  BayreuthBll.  16,  S.  82-90.  —  199)  O  Th.  Volbehr,  Rede  .auf  Grillparzer.  (=  UI  5  :  3,  S  153-75.)  -  200) 
F.  Grillparzer,  Werke.  5.  Ausg.  Her.  v.  A.  Sauer.  20  Bde.  .St.,  Cotta.  264,  240,  251,  232,  236,  256,  276,  268,  220,  268,  266,  219, 
266,  191,  178,  196,  260,  203,  262,  250  S.    M.  20,00.  |[J.  Seemüller:    AZ».  N.  296;  J.  Volkelt:  DLZ.  S.  34;  A.  Schlossar; 

(4)12* 


IV 4: 201-203  A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

gesprochenen  Ansichten  hat  der  „Treue  Diener  seines  Herrn"  eine  viel  gründlichere 
Darstellung'  erhalten.  Das  in  der  früheren  Ausgabe  ausgesprochene  Bedenken  gegen 
Bancbans  Verstummen  vor  der  Leiche  nimmt  !S.  hier  zurück.  Auch  die  politischen 
Verhältnisse  erhalten  eine  eingehendere  Würdigung.  Die  vollendeten  Dramen  um- 
fassen jetzt  die  Bände  4  bis  9.  Dem  Abdrucke  sind  die  Nachworte  Laubes  aus  der 
ersten  Gesamtausgabe  wieder  beigegeben  worden,  eine  sehr  erfreuliche  Veränderung. 
Band  10  bringt  die  Jugendarbeiten,  Band  11  und  12  die  dramatischen  Fragmente, 
mit  manchen  Textbesserungen  und  neuen  Datierungen.  Hinzugekommen  sind  die 
früher  (VLG.  Bd.  1)  von  S.  selbst  mitgeteilten  Fragmente  und  kleinere  Stoff- 
notizen. Im  13.  Bande  erscheinen  jetzt  zusammengefasst  die  dramatischen  Ueber- 
setzungen  und  Fragmente,  mit  zwei  neu  hinzugefügten  Nummern:  Otways  „Gerettetes 
Venedig"  und  Lopes  „Der  letzte  Gote  in  Spanien".  Dann  folgen,  um  einige  Stücke 
vermehrt,  zwei  Abteilungen  Satiren.  Für  die  Bände  14 — 18  wurde  mit  Recht  die 
sachliche  Einteilung  beibehalten,  im  einzelnen  erscheinen  die  verschiedenen  Rubriken 
bedeutend  bereichert.  Auch  für  die  Schlussbände  ergab  sich  manches  Neue.  Mög'e 
jetzt  aber  auch  der  Text  der  Grillparzer-Ausgabe  für  lange  Zeit  sichergestellt  sein! 
In  den  Bemerkungen  zur  Kunstlehre  (12,  S.  1)  sucht  Volkelt  Beziehungen  auf 
Schopenhauers  „Welt  als  Wille  und  Vorstellung"  (1,  S.  218).  Nachdem  der  Band 
erst  Ende  1818  erschien,  dürfte  wohl  der  Text  irrtümlich  1819  datiert  sein.  —  Ein 
Aufsatz  Grillparzers,  der  für  die  Gesellschaft  der  Musikfreunde,  anknüpfend  an  die 
Aufführung  der  „Jahreszeiten",  Unterstützung  aus  den  Kreisen  der  Kunstliebhaber 
fordert,  wird  von  Sauer^o')  nach  dem  Abdrucke  in  der  Wiener  Zeitschrift  für  Kunst, 
Litteratur  und  Mode  vom  10.  Jan.  1839  mitgeteilt.  Das  Grillparzer-Jahrbuch-''^) 
bringt  diesmal  als  bedeutsamste  Gabe  Grillparzers  Tagebücher,  herausgegeben  und 
mit  Anmerkungen  begleitet  von  Glossy^os).  Nur  zum  Teil  lag  die  Hs.  des  Dichters 
vor,  eine  Abschrift,  die  Rizy  hatte  anfertigen  lassen,  musste  ergänzen.  Der  Beginn 
der  Tagebücher  fällt  in  die  zweite  Hälfte  des  J.  1808.  Die  letzte  Aufzeichnung  stammt 
aus  dem  J.  1859.  Das  Grübeln  des  Dichters  über  sich  und  seinen  Beruf,  sein  Selbst- 
quälen lässt  sich  in  diesen  oft  weit  auseinander  liegenden  einzelnen  Aufzeichnungen 
genau  verfolgen  und  liefert  zu  einer  Charakteristik  des  Dichters  nicht  gerade  neue, 
aber  sich  jetzt  verstärkende  Züge.  Gleich  im  ersten  und  zweiten  Briefe  erscheinen 
die  Jugendarbeiten  „Bianca  von  Castilien"  und  „Die  Schreibfeder",  die  ihm  Zweifel  an 
seiner  dramatischen  Begabung  überhaupt  erregen.  Erst  die  Anfänge  des  „Robert  von  der 
Normandie"  (N.  7)  geben  ihm  Vertrauen.  Der  Tod  der  Schauspielerin  Roose  zerstört 
seine  Hoffnungen  auf  Aufführung  der  Tragödie  (N.  17).  N.  53  bringt  ein  Konzept 
seiner  Antwort  auf  Müllners  Brief  über  die  „Ahnfrau"  an  Schreyvogel  vom  6.  Mai 
1817,  der  in  der  Anmerkung  (S.  245)  abgedruckt  ist.  Grillparzer  bemerkt,  dass  „die 
Ahnfrau  in  ihrer  gegenwärtigen  Gestalt  nicht  meine  Ahnfrau,  die  Vorrede  nicht 
meine  Vorrede  ist".  Er  skizziert  seinen  dichterischen  Entwicklungsgang.  — 
Bemerkung-en  zur  „Medea"  bringen  die  Nr.  62,  69,  70.  Ueber  die  Aufführung  des 
„Treuen  Dieners"  ist  N.  95  nachzulesen.  Im  Anschluss  daran  sagt  der  Dichter  von 
sich  selbst:  „Ich  fühle  mich  gerade  jenes  Mittelding  zwischen  Goethe  und  Kotzebue, 
wie  ihn  das  Theater  braucht."  —  Die  Arbeit  an  der  „Hero"  lässt  sich  vom  104.  Briefe 
ab  verfolgen,  schon  im  Febr.  1829  (N.  111)  stellt  sich  Ueberdruss  ein.  Ueber  die 
Aufführung  berichtet  N.  127,  besonders  über  den  unwirksamen  vierten  Akt.  „Wenn 
ich  durch  ein  paar  noch  folgende,  gelungene  Leistungen  mich  in  der  Zahl  der 
bleibenden  Dichter  erhalten  kann,  mochte  leicht  eine  Zeit  kommen,  wo  man  den 
W^ert  des  wenn  auch  nur  Halberreichten  in  diesem  4.  Akte  einsehen  möchte."  1832 
arbeitet  er  an  einer  Revision  (N.  145/6).  Beim  Zusammentreffen  mit  Erzherzog  Johann  in 
Gastein  denkt  er  an  ihn  als  Erzhei-zog  Matthias,  wenn  er  seinen  Rudolf  II.  aus- 
führen sollte  (N.  128).  Er  arbeitet  Dec.  1831  mit  Unlust  an  „Libussa"  (N.  131).  Im 
Anschluss  an  die  Aufführung  von  „Traum  ein  Leben"  erzählt  er  die  Entstehungs- 
geschichte (N.  154).  Für  den  Monolog  des  Bischofs  in  „Weh  dem  der  lügt"  macht 
Grillparzer  auf  eine  auffallende  Parallele  bei  Montaigne  aufmerksam  (N.  166).  Was 
persönliche  Beziehungen  Grillparzers  betrifft,  so  sind  die  Tagebücher  besonders  über 
den  Verkehr  mit  Fröhlichs  und  Daffinger  sehr  aufschlussreich.  In  den  ersten  Briefen 
erscheinen  Jugendfreunde  wie  Wohlgemuth  und  Altmütter.  Am  28.  Febr.  1829 
empfing  Grillparzer  den  Besuch  des  Schauspielers  undDirektorsF.  L.Schmidt.  DieFuss- 
reise  nach  Ischl  wird  ihm  (26.  Aug.  1831)  durch  seine  Genossen  verleidet.  Besonders 
scharf  ist  das  Urteil  über  Bauernfeld :  „Bauernfeld  fängt  an,  durch  das  Komödien- 
wesen und  den  Umgang  mit  Schauspielern  verdorben  zu  werden  . . .  Bauernfelds 
Vorzüge  gehen  alle  aus  der  Empfindung  hervor;   wenn  er  ihr  untreu  wird,  ist  auch 

BLU.  S.  346/7.JI  —  201)  A.  Sauer,  E.  verschollener  Aufsatz  Grillparzers:  NFPr.  N.  104S9.  —  202)  Jahrbuch  d.  Grillparzer-Ge- 
sellschaft.  Bd.  3.  Wien,  Konegen.  V,  398  S.  M.  10,00.  l[AZgl!.  N.  275;  LCBl.  S  828/9;  M.  Necker:  BLU.  S.  163/6;  F.  Beck: 
WienerZg.  22.  Apr.;  M.  Necker:  FZg.  N.  40;  Presse  N.  33;  0.  Teuber:  Fremdenbl.  N.  33;  R.  M.  Meyer:  ML.  62,  S.  341  ]| 
—  203)    C.  Glossy,    Ans    d.  Grillparzer- Arohiv.     Tagebuchbll.     (=  N.  202,    S.  95-268.)     (Auch    als    Sonderabdr.   erschienen. 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theatergeschichte  des   18/19.  Jahrhunderts.     IV  4 -.  203 

sein  g-anzer  Wert  verloren."  Sein  Leichtsinn  wird  ihm  (16.  Sept.  1832)  widerlich, 
„seine  dramatische  Anlage  ist  ohnehin  schwach."  Das  Lustspiel  „Das  letzte  Aben- 
teuer" (10.  Okt.  1832)  „zum  Teil  bezaubernder  Dialog',  aber  Anlag-e  und  Erfindung* 
doch  einmal  gar  zu  ärmlich.  Ob  es  der  Mann  je  im  Lustspiel  zu  etwas  bringen 
wird?  Ich  verzweifle  beinahe."  Grosse  Anerkennung  spendet  er  (20.  Dec.  1831)  den 
poetischen  Leistungen  seines  ehemaligen  Schulkollegen  Hornbostel,  den  er  über  Tieck 
stellen  möchte.  Die  Anmerkungen  bieten  (S.  258)  einige  Nachrichten  über  diesen 
verg-essenen  Schriftsteller  und  seinen  ung-edruckten  Nachlass.  In  Berlin  lernt 
Grillparzer  1847  A.  von  Humboldt  kennen  (N.  172),  bei  dem  ihm  die  g-eistig-e 
Athmosphäre  fehlt:  „Man  fühlt  nicht  die  Gegenwart  eines  bedeutenden  Mannes." 
Dadurch,  dass  Grillparzer  sich,  um  sein  oft  gescholtenes  Gedächtnis  zu  unter- 
stützen, Aufzeichnung-en  über  und  aus  seiner  Lektüre  macht,  kommt  es  zu  in- 
teressanten litterarischen  Urteilen.  1809  betrübt  ihn  Lichtenbergs  Urteil  über 
Sternes  Charakter,  dessen  „Empfindsame  Reise"  immer  seine  Liebling-slektüre  war 
(N.  23,  28).  1810  vollzieht  sich  die  Wendung  von  Schiller  zu  Goethe  (N.  33/4),  die 
durch  die  Lektüre  des  Tasso  entschieden  worden,  doch  stellen  sich  (N.  35)  wieder 
Zweifel  ein,  ob  er  nicht  Schiller  Unrecht  thue,  besonders  bei  der  Lektüre  der  „Jung- 
frau von  Orleans"  (N.  35).  Noch  1859  hat  er  Geleg-enheit,  anlässlich  der  Schillerfeier 
seine  Stellung-  zu  präcisieren  (N.  186).  1811  spricht  er  ein  scharfes  Urteil  über  das 
„behagliche  Wohlgefallen  an  sich  selbst  . .  nebst  einer  gewissen  gelehrten  Affektation", 
die  in  J.  von  Müllers  Briefen  herrschen  (N.  78,  vgl.  auch  N.  64).  Aus  den  Confessions 
Rousseaus,  die  ihn  erschrecken,  sich  selbst  darin  zu  sehen  (N.  63),  zeichnet  er  sich 
gelegentlich  Stellen  auf  (N.  69,  70,  71,  74).  Nach  G.s  Mitteilung  (S.  247)  findet 
sich  eine  Uebersetzung    des    Contrat  social   aus    dem  J.  1808  im  Nachlass.  19.  Dec. 

1831  heisst  Diderot,  dessen  Memoiren  er  liest,  der  Lessing  der  Franzosen.  „Diderot 
ist  feiner  und  beweglicher,  begabt  mit  dem  glücklichen  Takt  der  Franzosen.  Lessing 
aber  ist  mehr  Mann.  Als  Kunstrichter  und  Kenner  steht  Lessing  weit  über  jenem."  Er 
bespricht  1850  (N.  177)  die  Stelle  aus  der  Dramaturgie,  wo  Lessing  sich  anheischig 
macht,  jedes  Stück  Corneilles  besser  zu  machen.  „Wenn  er  damit  meinte  „verbessern", 
so  mochte  er  allerdings  recht  haben.  Hätte  er  aber  damit  gemeint,  von  vornherein 
besser  oder  auch  nur  eben  so  gut  zu  machen  als  Corneille,  so  wäre  er  in  einem 
grossen  Irrtum  befangen  gewesen,  schon  darum,  weil  Corneille  ein  eigentlicher  Dichter 
war.  Lessing  aber  in  seiner  Vielseitigkeit  die  Poesie  nur  nebenbei  zum  Ausruhen 
von  anderer  Beschäftigung  trieb."  Grillparzer  bedauert,  dass  Lessing  sich  der 
bürgerlichen  Tragödie  zuwendete.  Julius  Caesar  erscheint  ihm  nach  Holteis  Vor- 
lesung (1841,  N.  162)  als  kein  gutes  Stück,  es  verläuft  in  rein  historisches  Interesse 
und  endet  als  „Begebenheit,  statt  dass  es  zur  Handlung  geworden  wäre."  Während  fran- 
zösische, eng'lische  und  spanische  Litteratur  oft  mit  einig-en  Worten  erwähnt  erscheint, 
die  klassische  Litteratur  durch  Tacitus,  Thukvdides  usw.  vertreten  ist,  spielt  die  zeit- 
genössische deutsche  Litteratur  eine  ziemlich  geringe  Rolle  in  Grillparzers  Lektüre. 
Im  Theater  sieht  er  Raupachs  „Fürsten  von  Chawansky" :  „Miserables  Stück.  Gefällt 
dem  Publikum  sehr.     Recht   en  niveau  mit  ihm"  (21.  Dec.  1831,  N.  134).     Am  IL  Okt. 

1832  verzeichnet  er  den  kompletten  Durchfall  von  Mailaths  „Zauberschwestern":  „Ich 
habe  es  ihm  vorausgesagt.  Eine  abgeschmackte  unwahre  Natur,  dieser  Autor" 
(N.  144).  S.  Engländers  Auftreten  im  „Humoristen"  giebt  Grillparzer  Anlass  zu  ab- 
fälligen Bemerkungen  (N.  175).  Viele  verstreute  Notizen  begegnen  über  Musik  und 
musikalische  Werke;  Weber  erscheint  ihm  als  der  musikalische  Müllner  (N.  90,  108). 
Die  Anmerkungen  G.s  orientieren  vorzüglich  über  die  erwähnten  Persönlichkeiten  und 
Werke,  vielfach  aus  hs.  Mitteilungen  schöpfend.  Einige  Druckirrtümer  seien  im 
Folgenden  berichtigt.  Lies:  N.  4  (S.  102)  Altmütter  für  Altmüller,  N.  8  (S.  106)  Mose 
für  Wieser.  N.  128  (S.  191)  heisst  der  Name  Heidegger;  in  der  Anm.  S.  256  steht: 
„Richtig:  Heidegger."  Folglich  muss  der  Name  Inder  Hs.  anders  lauten.  N.  134  (S.  199) 
die  Fürsten  Chavansky  für  Fürstin.  N.  147  (S.  209)  Rosetti  für  Roselli.  N.  157 
(S.  217)  spricht  er  über  den  geringen  Erfolg  von  „lieben  ein  Traum;"  gemeint  ist 
„Traum  ein  Leben".  Hat  Grillparzer  den  IiTtum  selbst  begangen?  N.  175  (S.  224) 
muss  es  heissen:  in  ein  hiesiges  Blatt.  In  der  Anm.  zu  N.  2  (S.  234)  muss  es  nach 
freundlicher  Mitteilung  D.  Daubrawas  heissen  „11.  Jan.  1808  in  crudis  vollendet";  die 
zweite  Fassung  wurde  am  20.  (nicht  10.)  Jan.  1809  vollendet.  Zu  N.  16  (S.  238) 
muss  es  heissen:  Hekabes  Klage  (f.  Kloya).  Enks  Brief  an  Heinzel  ist  (S.  250)  un- 
genau citiert.  Zu  N.  108  (S.  254)  die  erste  Aufführung  des  Oberon  war  am  15.  Febr. 
(nicht  25.)  1829.  Zu  N.  133  (S.  258)  Hornbostels  „Maria"  hat  3  (nicht  5)  Akte.  Zu 
N.  137  (S.  260)  Vigny  ist  1863  gestorben.  Zu  N.  142  (S.  260)  Karr  ist  zu  München 
geboren.  Zu  N.  162  (S.  264)  das  Citat  aus  den  „Vierzig  Jahren"  steht  VI  348.  Im 
allgemeinen  möchte  ich  noch  mit  Bedauern  hervorheben,  dass  diesem  Bande  des 
„Jahrbuches"  jedes  Register  fehlt.  Auch  mangelt  bisher  eine  kritische  Bibliographie 
der   neuen  Erscheinungen  der  Grillparzerlitteratur,    wie  sie  jedes  derartige  Jahrbuch 


IV 4: 204-211  A.  von  Weilen,  Drama  und  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

bietet  und  bieten  muss.  —  Als  dritten  Band  seines  deutschen  Dramas  des  19.  Jh. 
hat  Fried  mann  204^  eine  Grillparzer-Biographie  g-eg-eben;  er  fasst  ihn  beinahe  zu  sehr 
als  Epigonen  Schillers  und  Goethes,  als  „antike  Statue";  Kleist  hätte  vor  allem  mehr 
beachtet  werden  können.  Wieder  sind  die  Analysen  sehr  wohl  geraten,  das 
Urteil  ruhig  und  verständig.  In  der  „Ahnfrau"  sieht  F.  weniger  eine  Schicksals- 
tragödie, als  die  Darstellung  des  Vererbungsgesetzes;  der  eigentlichen  Jugenddramen 
geschieht  nur  gelegentlich  Erwähnung.  Zur  ,,Sappho"  zieht  er  die  italienischen 
Dichtungen  L.  Marencos  und  L.  Scevolas  (1815)  herbei.  Sehr  verdienstlich  ist  es,  dass 
F.  gerade  die  späteren  Dramen  Grillparzers,  die  dem  Ausländer  schwerer  verständlich 
sein  dürften,  mit  besonderer  Sorgfalt  behandelt.  In  „Weh  dem  der  lügt"  fasst 
er  Galomir  zu  sehr  als  „idiota  bestiale",  der  Vergleich  des  Stückes  mit  Beaumarchais 
Figaro,  den  der  Vf.  selbst  eigentlich  wieder  zurückzieht,  ist  etwas  gesucht.  Dadurch, 
dass  er  die  Figur  des  Bischofs  aus  seiner  Analyse  fast  wegeskamotiert  hat,  wird  das 
Grundproblem  nicht  klar.  Mit  der  „Libussa"  weiss  er  nicht  viel  anzufangen.  Dass  er 
Bergers  Vorlesungen  nicht  kennt,  fällt  bei  der  ,, Jüdin  von  Toledo",  die  er  hübsch  mit  der 
Carmen  Merimees  vergleicht,  viel  einschneidender  aber  bei  der  „Esther"  auf,  die  er 
so  nicht  richtig  auffasst.  Die  Fragmente  werden  nur  gestreift,  der  „arme  Spielmann" 
mit  Annunzios  „Giovanni  Episcopo"  verglichen.  —  Ein  gänzlich  verunglückter  Versuch 
Fr eybes -"•'')  sucht  Grillparzers  Weltanschauung  als  auf  der  Offenbarung-  beruhend 
darzustellen,  mit  fortwährenden  Hieben  auf  unsere  arge  Zeit.  —  Eine  Sammlung 
biographischer  Artikel  hat  Müller-Guttenbrunn^oöj  unter  den  Titel  „Im  Jh. 
Grillparzers"  zusammengefasst.  Er  betont  einleitend,  dass  mit  Grillparzer,  Hamerling 
und  Anzengruber  das  Acht-Millionen- Volk  der  Deutschen  in  Oestereich  in  diesem  Jh. 
seine  Schuldigkeit  gethan  habe.  Der  erste  Aufsatz  bietet  eine  hübsche  Charakteristik 
des  Menschen  Grillparzer  (vgl.  JBL.  1892 IV  12 :  78).  —  Zur  Familiengeschichte  des  Dichters 
liefert  Sauer-"^)  wertvolle  Beiträge;  der  Name  Grillparzer,  der  mit  dem  sla vischen 
po  rece  (am  Flusse)  zusammenliängt  und  so  viel  bedeutet,  wie  der  an  einem  Grillen- 
parz  ansässige,  begegnet  uns  schon  im  15.  Jh.  bei  österreichischen  Weinbauern.  Der 
(irossvater  Josef  erscheint  in  den  siebziger  Jahren  als  Gastwirt  in  Wien;  er  hinterliess 
eine  Tochter,  verehelichte  Koll,  deren  sieben  Kinder  eine  schwere  Sorge  für  den  Bruder 
Wenzel,  den  Vater  des  Dichters,  wurden.  Dieser,  um  1760  geboren,  studierte  Jus  und 
wurde  Advokat.  Seine  Dissertation  ,,Von  der  Appellation  an  den  römischen  Stuhl"  atmet 
JosefinischenGeist  und  ist  voll  dramatischer  Wärme.  Soviel  der  Sohn  an  Gesinnung  und 
Temperament  vom  Vater  überkommen,  der  dem  Vater  des  „armen  Spielmanns"  und 
Rudolf  II.  Züge  geliehen,  ist  seine  Haltung  doch  streng  antipoetisch.  Hier  steuerte 
die  Mutter  bei,  eine  geborene  Sonnleithner,  deren  Eltern  und  Voreltern  im  litterarischen 
und  künstlerischen  Wien  eine  bedeutende  Rolle  spielten,  besonders  auf  musikalischem 
Gebiete.  Auch  die  drei  Brüder  des  Dichters  gerieten  mehr  nach  der  Mutter.  Am 
meisten  der  verhätschelte  Camillo,  ein  echtes  musikalisches  Talent,  der  1865  in  Linz 
als  Hypochonder  endete.  Er  schwebt  im  „armen  Spielmann"  sichtlich  vor.  Der 
jüngste  Bruder  Adolf,  musikalisch  und  poetisch  veranlagt,  tötete  sich  selbst.  Karl 
hat  das  interessanteste  Leben  gehabt,  das  ihn  abenteuernd  zu  Andreas  Hofer,  nach 
Corfu,  in  den  französischen  Feldzug-  führte.  Auch  ihn  umnachtet  öfter  der  Wahnsinn,  der 
Dichter  muss  für  ihn  sorgen.  Auch  ein  Grossneffe  Grillparzers,  ein  natürlicher  Sohn 
einer  Tochter  Karls,  endete  durch  Selbstmord.  So  liegt  ein  Fluch  auf  der  Familie, 
den  der  Dichter  schwer  empfindet.  —  In  den  Gesuchen  des  Beamten  Grillparzer^o») 
findet  Schleich^"«*)  eine  Mischung  von  Bescheidenheit  und  Selbstbewusstsein, 
der  Schriftsteller  zeigt  sich  in  der  Art,  wie  einzelne  Gedanken  zq  selbständigen 
Exkursen  ausgesponnen  werden.  —  Von  Testamenten^'oj  Grillparzers  sind  drei  vor- 
handen: Das  eine  vom  7.  Okt.  1848  setzt  seinen  Bruder  als  Erben  ein,  nur  der  schrift- 
stellerische Nachlass  gehört  Kathi  Fröhlich.  Die  „dem  Schein  nach  vollendeten" 
Trauerspiele  „Rudolf  IL"  und  „Libussa"  sollen  vernichtet  werden.  Er  will  nicht,  dass 
sein  Name  „durch  derlei  leblose  und  ungenügende  Skizzen  geschändet  werde".  Er 
bittet  Kathi  seinen  Tod  mit  Fassung  zu  ertragen,  „da  er  mein  Wunsch  ist".  Das  zweite 
Testament  vom  29.  April  1863  ernennt  die  Kinder  seines  Bruders  und  den  Sohn  seiner 
Nichte  zu  Erben,  er  bestimmt  seine  litterarischen  Arbeiten  und  den  Ertrag  der  Ge- 
samtausgabe den  Schwestern  Fröhlich.  Diese  erscheinen  im  letzten  Testamente  1866 
als  alleinige  Erbinnen  und  die  Beteilung  der  Familie  wird  ganz  ihrem  Ermessen 
überlassen.  —  Von  persönlichen  und  litterarischen  Beziehungen  Grillparzers  sind  die 
zu  Feuchtersieben  von  Necker ^n)  beleuchtet  worden.     Seine  Stellung  im  Kreise  des 

Wien,  Konegen.  172  S.  M.  4,00.)  —  204)  S.  Friedraann,  II  dramma  tedesco  del  nostro  secolo.  III.  F.  Grillparzer.  Milano, 
Chiesa.  203  S.  L.  3,00.  -■  205)  A.  Freybe,  D.  ethische  Gestalt  in  Gvillparzors  Werken.  Gatersloh,  Bertelsmann.  39  S. 
M.  0,80.  ([M.  Neclter:  AZg".  N.  165;  KcnsMschr.  S.  592;  ThLBl.  14,  S.  188.]|  (Zuerst  in  BGl.  14,  S.  24-35,  57-73,  93-127; 
s.  0.  I  12:93.)  —  206)  (IV  1  a  :  32.)  ([F.  Poppenberg:  ML.  62,  S.  146.J|  —  207)  A.  Sauer,  Studien  z.  Familiengesoh. 
Grillparzers.  (=  II  3:49;  S.  195-214.)  -  208)  X  Grillparzer  als  Beamter:  DBühneng.  22,  S.  444.  —  209)  R.  Scheich, 
Grillparzers  Beamtenl  auf  bahn:  ZDU.  7,  S.  540;5.  —  210)  Grillparzers  Testamente:  WienerZg.  N.  3.  (Auch:  BerlTßl.  N.  8; 
Didaslt.  N.  46;   MünchNN.  N.  1;   ML.  62,   S.  34.)   —   211)    M.   Neck  er,   E.  Frhr.  t.  Feuchtersieben,   d.  Freund    Grillparzers. 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Tlieaterg-eschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    IVt:2i2-2i8 

Dichters  beruht  nicht  auf  der  Intimität  des  Verkehrs,  sondern  auf  der  Bedeutung 
seiner  Persönlichkeit,  die  aus  einigen  neu  mitgeteilten  Briefen  klar  hervortritt.  In 
der  Charakteristik,  die  Grillparzer  von  Feuchtersieben  gegeben,  zeigt  sich  die  Ver- 
wandtschaft beider  Naturen.  Feuchtersieben  ist  aber  kein  Dichter  von  weiter 
Phantasie;  er  wurde  zum  Muster  eines  Bildungsmenschen.  Aehnlich  sind  sich  beide 
Individualitäten  in  ihrer  hypochondrischen  Stimmung,  aus  der  heraus  sie  schaffen,  gegen 
die  Feuchtersieben  eigentlich  seine  „Diätetik  der  Seele"  richtet,  um  sie  zu  bekämpfen. 
Der  Gegensatz  von  Thun  und  Betrachten,  der  Feuchterslebens  Persönlichkeit  durch- 
zieht, macht  ihn  Grillparzer  so  sympathisch.  Aus  einer  Reihe  von  Stellen  in 
Feuchterslebens  Schriften  spricht  seine  Verehrung  für  Grillparzer.  —  Sehr  viel  Per- 
sönliches über  Grillparzer  steht  in  den  von  Glossy2i2j  vorgelegten  Briefen 
Karoline  Pichlers  an  Therese  Huber,  von  denen  wohl  kurze  Auszüge  genügt  hätten. 
Die  litterarischen  Urteile  über  ihn,  Deinhardstein  (S.  280),  Kurländer  (S.  293),  Raupach 
(S.  309,  324),  Zedlitz  (S.  346),  Immermann  u.  a.  sind  ziemlich  belanglos;  ausführ- 
licher^wü'd  über  die  Aufführung  der  Schlacht  von  Fehrbellin  (S.  318)  gehandelt,  mit 
spöttischem  Seitenhieb  auf  Dresden,  das  sich  von  Tieck  am  Gängelband  führen  liesse. 
Hauptgegenstand  der  Unterhaltung  bilden  die  schriftstellerischen  Erzeugnisse  der 
Damen  selbst.  —  Ein  Anonym us^ '3)  zieht  die  Kritik  Börnes  in  der  „Wage"  vom 
Aug.  1819  über  die  Aufführung  der  „Ahnfrau"  in  Frankfurt  hervor,  scharf  gegen 
die  Schicksalstragödie,  aber  voll  Anerkennung  des  herrlichen  und  geistreichen 
Dichters.  Ebenda  feiert  er  die  „Sappho"  und  die  Scenen  aus  „Traum  ein  Leben". 
Eine  briefliche  Aeusserung  vom  J.  1825  wendet  sich  gegen  das  „Goldene  Vliess".  Der 
Besuch  Grillparzers  bei  Börne  (1836)  wird  nach  der  Selbstbiographie  dargestellt.  — 
Seine  Beziehungen  zu  0.  Prechtler  (vgl.  JBL.  1892  IV  12:  126/7)  geben  Müller- 
Guttenbrunn2'4)  Anlass,  ein  Wort  zur  Rettung  des  vergessenen  Dichters  ein- 
zulegen. Er  wurde  ein  Abklatsch  Grillparzers,  aber,  dass  er  Bühnentalent  hatte, 
zeigt  sich  in  seiner  .Begabung,  Stoffe  zu  finden.  So  stammen  der  zu  Laubes  „Cato 
von  Eisen"  und  der  zu  Mosenthals  „Deborah"  von  ihm.  —  Aus  Tagebuchblättern  Bauern- 
felds teilt  Clara  Schreiber 2'5)  einige  Aeusserungen  über  Grillparzer  mit.  Ueber  sein 
zur  Preisbewerbung  eingereichtes  Lustspiel  „Der  kategorische  Imperativ"  äusserte 
sich  Grillparzer,  wie  Laube  Bauernfeld  mitteilte  (1851),  günstig,  forderte  aber,  dass 
die  politischen  Ausfälle  weg'  blieben.  Bei  der  Grillparzer-Feier  „oder  Laube-Feier 
sprach  Laube,  der  sich  „patzig"  machte,  die  zu  lang  und  litterarisch  sich  ausspinnende 
Festrede  sehr  wirksam,  viel  Selbstveiheniichung."  Er  charakterisiert:  „Grillparzer 
hat  wohl  Gemüt,  aber  ein  passives".  Er  war  auch  ein  dramatischer  Einsiedler. 
„Bin  ich  es  nicht  auch,  aber  in  anderer  Weise."  Beleidigungen  vergass  er  selten  oder 
nie.  „Dem  Beethoven  trug  er  es  sein  Leben  lang  nach,  dass  er  die  „Melusine"  nicht 
komponieren  wollte."  Deshalb  pries  er  Mozart:  „Auch  gegen  Goethe  hatte  er  eine 
Ranküne.  Es  scheint,  dass  der  grosse  Pan  in  Weimar  den  jungen  österreichischen 
Dramatiker  zu  seinen  Theorien  bekehren  wollte.  Das  war  genug,  um  Schiller  zu  lob- 
preisen." Ebenso  ging  es  mit  Shakespeare.  Er  blieb  eigensinnig  bei  seinem  Lope, 
bei  dem  er  abends  immer  einschlief.  „Die  Natur  hat  ihn  gross  angelegt,  aber  er 
blieb  ein  Torso."  „Ottokar"  erscheint  Bauernfeld  als  das  beste  Stück,  „Das  goldene 
Vliess"  sollte  nur  einen  Abend  haben.  Das  Traumleben  in  der  „Hero"  ist  vortrefflich, 
„aber  die  Hauptsache  hausbacken",  Melitta  ist  zu  modern.  Die  ersten  Akte  der 
„Jüdin"  sind  vortrefflich,  die  letzten  abscheulich.  Dieses  Urteil  bestätigt  Bauernfeld 
die  Aufführung.  Persönlich  zieht  er  sich  von  Grillparzer  zurück,  weil  er  sich  ihm  nicht 
aufdrängen  wollte.  —  Es  sind  hübsche  Beobachtungen  von  Tomanetz^ie-siTj  ^u  ver- 
zeichnen, die  sich  leider  auf  Grillparzers  Prosa  beschränken.  Er  holt  einige  auffällige  Wort- 
bildungen und  dialektische  Wendungen  hervor.  Ersichtlich  ist  der  starke  Einfluss,den  die 
Umgangssprache  auf  Grillparzers  Stil  genommen.  —  Den  Einfluss,  den  Goethe  auf 
ihn  geübt,  erörtert  Waniek^i^j.  Die  Wendung,  welche  Grillparzer  von  Schiller  zu 
Goethe  durchmachte,  geht  auf  Schreyvogel  zurück,  dessen  Schätzung  Lessings  auch 
in  den  der  „Minna  von  Barnhelm"  entlehnten  Motiven  der  „Schreibfeder"  ersichtlich 
ist.  Spartacus  wie  der  Faustplan,  aus  dem  manches  in  „Traum  ein  Leben"  über- 
gegangen, zeigen  Goetheschen  Geist.  ,,Wer  ist  schuldig?"  klingt  schon  im  Titel  an  die 
Mitschuldigen  an.  Später  tritt  Goethe  gegen  Shakespeare  und  die  Spanier  zurück. 
Doch  ist  in  der  „Ahnfrau"  noch  manches  Goethesche  Element,  so  in  dem  Liede  Berthas: 
„Ich  kann's  nicht  fassen."  Am  merkbarsten  ist  der  Einfluss  Goethes  in  der  Sappho, 
nicht  so  sehr  der  Tassos,  sondern  der  Iphigeniens.  Mit  dem  Tasso  hat  Sappho  mehr 
den  Begriff,  mit  Iphigenie  mehr  die  Anschauung  gemein.  Besonders  lernt  Grill- 
parzer bei  Goethe  das  Periodisieren;  die  Klagen  um  das  verlorene  Glück  kehren  im 

(=  N.  202,  S.  61-93.)  -  212)  C.  Qlossy,  Briefe  v.  Karoline  Pichler  an  Therese  Huber.  (=  N.  202,  S.  269-315.)  —  213) 
Örillpiirzer  ii.  Börne:  MontagsR.  N.  5  —  214)  A.  Müll  er-Gnttenbrunn,  0.  Prechtler  n.  P.  GriUparzer.  (=  N.  206,  S. 29-81.) 
—  215)  Clara  Schreiber,  Bauernfeld  aber  Grillparzer:  NFPr.  N.  10348.  (Auch  Didask.  N.  141.)  —  216-217)  (1  8:  115.) 
(Dazu  R.  T.  Payer:  ZOG.  44,  1Ü69.J  —  218)  G.  Waniek,  Grillparzer  unter  Goethes  Einfluss.  (Aus  Xenia  Austriaca.     Abt.  2, 


IV  4: 219-223   A.  voii  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./1 9.  Jahrhunderts. 

Monolog  der  Melitta  wieder,  der  ähnlich  wie  die  erste  Rede  der  Iphigenie  disponiert 
ist.  W.  findet  auch  Aehnlichkeiten  in  der  Charakteristik  Iphig-eniens  und  Sapphos. 
Mit  mehr  Recht  werden  Melitta  und  Gretchen  zusammengestellt  und  der  Faustplan 
herbeigezogen,  in  dem  sich  Melitta  und  ein  Phaon  vorgebildet  finden.  Für  die 
Expositionsscene  wird  auf  „Elpenor'-  verwiesen.  Auch  in  späteren  Werken  Grillparzers 
zeigt  sich  Nachwirkung  Goethes,  besonders  in  der  Faustischen  Verhen*lichung'  der  Selbst- 
begrenzung. Auch  die  Hero  weist  Parallelen  im  Aufbau  zu  Iphigenien  auf.  üie  Figur  der 
Rahel  erinnert  W.  an  „die  natürliche  Tochter".  Auch  die  Freude  an  weiblichen  Gestalten 
ist  beiden  Dichtern  gemeinsam.  —  Von  der  „Ahnfrau"  liegt  eine  gute  Schulausgabe 
durch  LichtenheDPi»)  vor.  —  Das  Buch  Schwerings  (vgl.  JBL.  1892  IV  12:14, 
164,  171,  181,  193,  213,  228)  hat  zwei  grössere  Recensionen220^  erfahren.  Sauers 
Besprechung  strotzt  von  stoffgeschichtlichen  Nachweisen  für  die  antikisierenden 
Dramen,  besonders  für  Sappho.  Er  macht  auf  Thorwaldsens  Jason  aufmerksam,  den 
Grillparzer  kannte.  Das  Calderonsche  Drama  El  mayor  monstruo  los  zelos  wirkt  nicht 
nur  auf  die  „Ahnfrau",  sondern  auch  auf  „Medea"  ein.  Der  Bericht  Costenobles  über 
die  „Sappho"  wird  ganz  mitg'eteilt.  S.  weist  den  Einfluss  F.  von  Kleists  entschieden 
ab  und  teilt  einen  Brief  seiner  Witwe  mit,  worin  sie  Grillparzer  um  ein  Exemplar 
der  „Sappho"  bittet  (13.  Juli  1818).  S.  zeigt  an  Sappho  und  Hero,  wie  Grillparzer 
das  Meer  für  seine  Bilder  verwertet.  In  der  Stil-  und  Versverschiedenheit  des 
Goldenen  Vliesses  wie  in  der  Anwendung  der  Allitteration  ahmt  Grillparzer  Fouque 
nach.  In  den  Einwendungen  gegen  die  Disposition  und  den  Aufbau  des  Buches  stimmt 
S.  mit  A.  von  Weilen  überein,  der  den  Einfluss  H.  von  Kleists  stärker  betont  sehen 
möchte.  Elr  weist  nachdrücklich  auf  die  echt  wienerischen  Elemente  hin,  die  „Sappho" 
und  „Des  Meeres  und  der  Liebe  Wellen"  durchziehen.  Das  letztg-enannte  Stück  zeigt 
Spuren  der  Berührung  mit  Marlowe-Chapmans  Epos,  möglicher  Weise  hat  Grill- 
parzer auch  Byrons  Bride  of  Abydos  gekannt.  —  Ungerechtfertigte  Bedenken 
Kilians22ij  gegen  scenische  Angaben  im  1.  Akte  der  Argonauten  hat  schon  die 
Redaktion  des  Jahrbuchs  zurückgewiesen.  —  Eine  ausführliche  Studie  hat  Sauer'-22) 
dem  „Treuen  Diener  seines  Herrn"  gewidmet.  Katona  hat  eine  Tendenztragödie  ge- 
schaö'en,  Grillparzer,  teilweise  anderen  Quellen  folgend,  giebt  die  Tragödie  der  Treue, 
wie  er  sie  schon  längst  mit  einem  anderen  Stoffe  (in  „Zwei  gute  Hornbläser"  oder 
„Jaromir  in  Böhmen")  geplant  hatte.  Der  Stoff  kam  ihm  von  aussen,  durch  einen 
offiziellen  unausgeführten  Auftrag,  kein  innerliches  Bedürfnis  leitete  ihn  dazu.  Gerade 
dadurch  wurde  aber  das  Stück  von  so  grosser  Wirkung-,  dass  es  ihm  ferner  stand 
und  sich  von  seinem  Innenleben  loslösen  konnte.  Bancban  wird  auf  eine  dreifache 
Probe  gestellt.  Die  Hauptsituation  war  im  zweiten  Akte,  in  der  Stellung  Ernys 
zwischen  Prinz  und  Gemahl.  Diese  Scenen  hat  Grillparzer  immer  wieder  um- 
gearbeitet, nach  VerStärkungsmitteln  suchend,  um  schliesslich  ganz  auf  solche  zu  ver- 
zichten. S.  giebt  Bancbans  Charakteristik,  deren  Schlüssel  im  letzten  Akte  liegt.  Da 
drängt  sich  das  Menschliche  vor;  Pflichten,  die  von  den  Unterthanen  begehrt  werden, 
sind  auch  Pflichten  für  den  Herrscher  und  die  Seinen.  Da  trifft  der  Dichter  mit 
Hans  Sachs  zusammen,  und  sein  Werk  wird  ein  Fürstenspiegel,  wie  besonders  aus 
den  in  älterer  Fassung-  mitgeteilten  Schlussworten  hervorgeht.  In  der  Spitze,  die  das 
Drama  g'egen  die  Unsittlichkeit  erhält,  hängt  es  mit  den  Plänen  einer  Lucretia  zu- 
sammen, bei  der  Tarquinius  Züge  Ottos  aufweist,  und  tritt  in  nahe  Verwandtschaft  zum 
„Marino  Falieri".  Der  geplante  „Saul"  mit  der  biblischen  Scene,  in  der  Saul  mit  dem 
Speer  wirft,  ist  deutlich  im  „Treuen  Diener"  noch  erkennbar.  Hier  zeigt  sich  in 
Grillparzers  Dichtung  zum  ersten  Mal  der  Einfluss  der  Spanier,  der  Grundgedanke 
weist  auf  Lopes  „Demetrius"  hin,  wie  die  ganze  realistische  Charakteristik  im  allgemeinen. 
Bancban  hat  in  seinem  etwas  pedantischen  Rechtsgefühle  auch  Züge  von  Grillparzers 
Vater,  König  und  Königin,  die  in  einem  älteren  Ms.  noch  sicherer  erscheint,  von 
Graf  und  Gräfin  Stadion.  Dort  war  auch  Erny  noch  kühler  angelegt.  Grillparzers 
Kunst  zeigt  sich  im  Herzog  Otto  am  grossartigsten.  Das  Verbot  des  Stückes  wird 
durch  die  mitgeteilten  Akten  und  Briefe  neu  beleuchtet,  besonders  in  den  gewundenen 
Berichten  Sedlnitzkys.  Auf  dessen  Rat  urgierte  Grillparzer  eine  Entscheidung  mit 
der  Motivierung,  dass  fremde  Bühnen  das  Stück  forderten,  und  das  Werk  wurde  frei 
gegeben.  Grillparzer  war  durch  diesen  unerhörten  Handel  auf  das  tiefste  getroffen. 
Zum  Schluss  teilt  S.  einen  schönen  Brief  Feuchtersieb ens  über  das  Drama  mit.  — 
Ein  würdiges  Seitenstück  zu  diesem  Aufsatze  bildet  Minors 223)  Studie  über  „Weh 
dem  der  lügt".  Die  Jugendlustspiele  zeigen  die  Art  Kotzebues,  aber  trotz  aller 
Kindlichkeit  hat  die  „Schreibfeder"  im  Problem  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit 
„Weh  dem  der  lügt".  Grillparzer  war  ein  Kenner  des  europäischen  Lustspiels  und  stand 

S.  65-99.)  Bielitz,  Fröhlich.  33  S.  M.  0,80.  —  219)  F.  Grillparzer,  D.  Ahnfrau.  Mit  Einl.  n.  Anm.  v.  A.  Lichte nheld, 
(=  Schulausg.  dtsch.  Klass.)  St,  Cotta.  182  S.  M.  1,20.  j[F.  Frosch:  ZOG.  S.  333/6  ][  —220)  A.  Sauer:  ADA.  19,  S.  308-38; 
A.  T.  Weilen:  ZOG.  44,  S.  919-26;  ÜLBl.  S.  205.  —  221)  E,  Kilian,  Miscellen  z.  2.  Teil  d.  Vliess-Trilogie.  (=  N.  202, 
S.  366;?.)  —  222)  A.  Sauer,  E.  treuer  Diener  seines  Herrn.     (=  N.  202,  S.  1-40.)   —   223)  .T.  Minor,  Grill[.arzer  als  Lust- 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  IB./l 9.  Jahrhunderts.    IV 4: 224-237 

Bauemfeld  mit  Rat  und  That  zur  Seite.  So  wird  „Weh  dem  der  lügt"  eine  not- 
wendige Frucht.  Aus  der  Quelle,  einer  Erzählung*  Gregors  von  Tours,  hat  Grillparzer 
den  Gang  der  Handlung  beibehalten,  aber  reiche  Zuthaten  und  feinere  Motivierung- 
gegeben,  besonders  durch  die  frei  erfundene  Figur  der  Edrita.  Der  Gegensatz  von 
Barbarei  und  Kultur,  der  in  dem  „Goldenen  Vliess"  tragisch  ausgeführt  wurde,  erscheint 
hier  von  der  humoristischen  Seite,  Edrita  folgt  dem  Fremdling  wie  Medea.  Das 
Interesse  bei  Grillparzer  beruht  nicht  darauf,  ob  die  Flucht  gelingt,  sondern  wie  sie 
gelingt.  Leicht  und  ungezwungen  wird  das  Thema  in  der  Exposition  gegeben.  In 
Leons  „Man  wird  ja  sehen"  liegt  das  Lustspiel  im  Gegensatz  zum  Imperativ  des 
Trauerspiels.  Grillparzer  vertieft  das  Thema  in  der  Durchführung:  Leon  geht  von 
der  äusserlichen  Beobachtung  des  Grundsatzes  zur  inneren  Wahrhaftigkeit  vor,  vom 
Buchstaben  zum  Geiste  des  Gebotes.  Zum  Schluss  siegt  mit  Humor  wahr  handeln 
über  wahr  reden.  Leon,  ein  Verwandter  des  Grazioso,  malt,  was  Grillparzer  ganz 
fehlte:  die  Weitläufigkeit;  wienerische  Elemente  machen  sich  glücklich  geltend. 
Atalus  ist  der  Typus  des  herabgekommenen  Adligen,  wie  er  im  vormärzlichen 
Oesterreich  gedieh.  Galomir  war  vom  Dichter  nicht  als  abstossende  Figur  gedacht, 
sondern  dem  heimatlichen  Typus  des  Hanswurst  genähert.  Auch  von  Seite  der 
Technik  gehört  es  zu  den  echt  Grillparzerschen  Thesenstücken,  bei  denen  Anfang 
und  Schluss  den  Rahmen  der  Dichtung  bilden.  —  Bei  Besprechung  einer  Dresdener 
,,Esther"-Aufführung  1875  gesteht  Auerbach224)^  Jass  er  Grillparzers  frühere  Dramen 
wie  nachgemachte  Antiken  in  Stearin  angesehen.  Erst  Ottokar  und  Esther  hätten  ihm  die 
Ueberzeugung  gegeben,  dass  in  Grillparzer  ein  wirkliches  Talent  stecke.  Er  ver- 
mutet, dass  sich  in  der  weiteren  Handlung  der  Ueberschätzung  Esthers  eine  Unter- 
schätzung der  Jüdin  entgegengestellt  haben  dürfte,  und  leugnet  die  Möglichkeit  eines 
tragischen  Schlusses.  Am  „Traum  ein  Leben"  tadelt  er,  seine  frühere  Aeusserung 
gegen  die  antiken  Dramen  wiederholend,  dass,  ähnlich  wie  bei  Raimund,  die  Stimmung 
zwischen  Realistik  und  Märchenton  gaukle,  und  der  Grundgedanke  eigentlich  platt 
sei.     „Es  bleibt  aber  doch  ein  Dichter,  nur  ein  gedrückter,  fast  gebrochener." 

Aus  Bauernfelds  Nachlasse  sind  vereinzelte  Blätter  ans  Licht  gedrungen, 
die  selten  Eigentümliches  und  Wertvolles  hieten'^'^'^-^^').  In  den  Notizen,  die 
Clara  Schreiber228)  bringt,  betrauert  er  tief  und  erschüttert  den  Tod  AI.  Schwinds, 
nennt  Strauss  alten  und  neuen  Glauben  unerquicklich,  bewundert  Wilbrandts  Kleist- 
Biographie.  Ueber  Shakespeare  heisst  es :  „Mit  Shakespeare  kann  ich  nicht  behaglich 
genug  umgehen,  ich  fühle  nur  zu  sehr,  dass  ich  nicht  seines  Gleichen  bin."  Ge- 
legentliche kleine  Ausfälle  richten  Laube  und  die  Schauspieler,  die  er  tadelt,  weil  sie 
bei  einem  neuen  Stücke  nur  an  ihre  Rollen  denken.  —  Viel  Anlass  zur  öffentlichen 
Besprechung  hat  die  Herausgabe  seines  dramatischen  Nachlasses  durch  F.  von 
Saar -29 j  gegeben,  der  ein  kurzes  Vorwort  über  die  Entstehungszeit  der  vom  Dichter 
selbst  noch  zum  Druck  bestimmten  Stücke  vorausschickt.  —  Nach  Bauernfelds  münd- 
lichem Berichte  stellt  Franz os^^O)  seinen  Gang  in  die  Hofburg  mit  Auersperg  am 
15.  März  1848  und  das  Gespräch  mit  Erzherzog  Franz  Carl  dar.  — 

Im  Anschluss  an  die  Wiederaufführung  von  Friedrich  Halms23i-232^  „Verbot 
und  Befehl"  entwirft  Speidel233^  eine  kurze  Charakteristik  des  Dichters,  von  dem 
eigentlich  nur  mehr  der  „Sohn  der  Wildnis"  lebt,  der  aus  dem  echtesten  Wiener 
Geiste  die  Civilisation  des  Menschen  durch  echte  Weiblichkeit  darstellt.  In  dem  oben- 
genannten doktrinären  Lustspiele  macht  sich  Halms  persönlicher  Hass  gegen  das 
Beamtentum  Luft.  — 

Friedrich  Hebbel  234-236^  erscheint  als  Höhepunkt  des  psychologischen  Dramas 
in  der  italienischen  Studie  Friedmanns237^^  welche  ihre  grossen  Vorzüge  mitden  beiden 
anderen  bereits  genannten  Biographien  teilt.  Nur  flüchtig  wird  Grabbe  als  Vorläufer 
Hebbels  ins  Auge  gefasst,  eine  Rolle,  die  Büchner  abgesprochen  wird,  am  Schlüsse 
des  Buches  werden  R.  Griepenkerl  und  Elise  Schmidt  als  Schüler  genannt,  als 
Geistesgenosse  erscheint  0.  Ludwig  allzu  flüchtig  behandelt,  dem  der  Vf.  weiter 
weniger  Sympathien  als  Hebbel  entgegenbringt.  Hebbel  selbst  sind  ausgezeichnete 
Analysen    gewidmet,    welche  die    psychologische  Seite    seines  Dramas  stark    heraus- 


spieldichter  u.  Weh  dem  der  lügt.  (=  N.  202,  S.  41-60.)  —  224)  (S.  u.  N.  314,  S.  182/8.)  -  225)  X  A.  MQller-Gutten- 
brunn,  E.  v.  Bauernfeld.  (=  N.  206,  S.  117-36.)  —  226)  X  E.  v.  Bauernfeld,  Leben  u.  Sterben.  (Ungedr.  Nachlass): 
DDichtung.  13,  S.  712.  -  227)  X  1"-  Hirschfeld,  TJngedruclttes  v.  Bauemfeld:  DZg.  N.  7764.-228)  Clara  Schreiber, 
Aus  Bauernfelds  Tagebuch:  NFPr.  N.  10399.  (S.  o.  N.  215.)  —  229)  E.  r.  Bauemfeld,  Dramat.  Nachlass.  Her.  t.  F.  v.  Saar. 
St.,  Cotta.  XVI,  280  S.  M.  5,00.  |[L.  Hevesi:  Fretndenbl.  N.283;  H.  v.  Hof  f  raannsthal  (Loris):  FZg.  N.  338;  BerlTBI.  N.  405; 
F.  Armin:  WienerTBl.  K.  310;  E.  Heilborn:  Geg  45.  S.  311  2.|j  (S.s  Vorw.  abgedruckt  AZg".  N.  182.)  —  230)  K.  E. 
Franzos,  Bauernfeld  im  März  1848:  DDichtung.  15,  S.  294,5.  —  231)  X  *'  Halm,  D.  Sohn  d.  Wildnis.  Dramat.  Gedicht. 
4.  Aufl.  (=Oesterr.  Nat.-Bibl.  Her.  v.  L.  Weichelt.  N.  201.)  Wien,  Dr.  H.  Weichelt.  76  S.  ä  M.  0,20.  —  232)  X  iä- 
Griseldis.  Dramat.  Gedicht.  3.  Aufl.  ebda.  K.  29-30.  70  S.  ä  M.  0,20.  —  233)  L  Speidel,  Verbot  u.  Befehl  v.  F.  Halm: 
KFPr.  N.  10235.  —  234)  X  J-  H.  Krumm,  Hebbels  Werke  (vgl.  JBL.  1892  IV  4:  111).  |[K.  Werner:  AZg".  N.  116;  id.: 
MontagsR.N.l;  K.  Krauss:  BBSW.  S.  115-22.]|  -  235)  X  A.  Bartels,  F.  Hebbel:  Didask.  N.  2923  —  236)  X  A.  J.  W[eltner], 
D.  30.  Todestag  F.  Hebbels:  Fremdenbl.  N.  345.  —  237)  L.  Friedmann,  II  dramma  tedesco  del  nostro  secolo  II.  I  psicologei 
Jahresberichte  f&r  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    lY.  4(13) 


IV 4: 238-244  A.  V 0 11  Weilen,  Drama  und  Theaterg-esohichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

arbeiten,  dagegen  fehlt  der  Zusammenhang  mit  Kleist  und  0.  Ludwig,  dessen 
dramaturgische  Studien  z.  B.  kaum  erwähnt  werden.  Die  Hingabe  Klaras  in  „Maria 
Magdalena"  ist  rein  aus  dem  Pflichtgefühl  abgeleitet,  Bergers  Vorlesungen  hätten 
dem  Vf.  hier  wieder  den  richtigen  Weg  gezeigt.  Sehr  wirksam  sind  die  Hinweise 
auf  Ibsen.  Von  den  erwähnten  Fehlern" abgesehen,  bleiben  die  drei  Bücher  F.s  nicht 
nur  für  fremdsprachliche  Leser  durch  das  sorgsame  Verständnis  der  verschiedenen 
Dramen  wertvoll.  Abschliessend  bemerkt  der  Vf.,  dass  die  psychologische  Reaktion 
in  Deutschland  zu  früh  gekommen  war,  um  auf  Erfolg  rechnen  zu  dürfen.  Kochs 
Besprechung  hebt  hervor,  dass  Laube  nicht,  wie  F.  meint,  beim  Burgtheater  war,  als 
Hebbel  nach  Wien  kam.  Zum  Herodes  nennt  er  Calderons  „Eifersucht  das  grösste 
Scheusal"  und  englische  Dramen;  auch  Grillparzer  wollte  Herodes  und  Gyges  behandeln. 
—  Eine  Ikonographie  Hebbels  giebt  Seis^s»)^  in  der  er  das  Porträt  Rahls  als 
besonders  gelungen  hervorhebt.  —  Im  Anschluss  an  den  Briefwechsel,  dessen  zweitem 
Bande  (vgl.  JBL.  1892  IV  4:14)  noch  viele  Besprechungen  und  Einzeldarstellungen 
folgten2^9-24i),  sind  neue  Mitteilungen  aus  ungedruckten  Briefen  zu  Tage  getreten: 
Lemmermayer242)  veröffentlicht  Briefe  Hebbels  an  den  Verleger  Campe.  Am 
20.  Aug.  1841  äussert  er  sich  günstig  über  Dingelstedts  Nachtwächterlieder.  1861 
erwähnt  er  den  Plan  einer  Gesamtausgabe,  in,  der  er  viel  bessern  will:  „Einiges 
z.  B.  den  Diamant  muss  ich  ganz  umschmelzen;  die  Grundidee  ist  eine  der  besten, 
die  ich  je  gehabt  habe,  aber  die  Ausführung  schwankt  auf  eine  mir  jetzt  unerträgliche 
Weise  zwischen  Satire  und  naiver  Komik,  auch  ist  der  märchenhafte  Hintergrund  bei 
weitem  nicht  tief  genug.  Welch  einen  Gedanken  hatte  ich  zum  Moloch  und  wie 
manches  davon  ist  auch  wirklich  fertig;  aber  wo  bleibt  der  Rest  und  wie  ungern 
erklärte  ich  ihn  für  einen  ewigen  Torso."  Der  „Zauberer  in  Rom"  ist  ihm  tödtlich 
langweilig.  1862  druckt  er  an  den  „Nibelungen",  nie  habe  er  so  viel  Arbeit  an  ein 
Werk  gewendet.  „Bei  aller  Bescheidenheit  wollen  wir  auf  Geibels  Marzipan  und 
R.  Wagners  Krüppelholz  mit  Lächeln  herabschauen . . .  Diese  Leute  haben  nicht  ein- 
mal eine  Ahnung  vom  Gegenstande  und  behandeln  das  Götterschwein  Särimier,  das 
in  Walhalla  die  Äsen  fett  macht,  ohne  zu  sterben,  wie  eine  gewöhnliche  Sau."  Er 
berichtet  auch  über  die  Proben,  die  er  mitmacht,  und  die  Aufführung:  „Ich  habe  das 
Theater  stets  vor  Augen  gehabt  und  keine  Scene  geschrieben,  die  nicht  gespielt 
werden  könnte."  —  Lemmermayer^^s)  veröffentlicht  auch  Briefe  an  die  Familie, 
zumeist  an  die  Schwester  seines  Freundes  E.  Rousseau.  Er  sendet  nach  dessen  Tode 
(1838)  seine  Bücher  und  Effekten,  behält  aber  Schiller  und  Kleist  zurück,  über  welche 
beide  Schriftsteller  er  zu  arbeiten  gedenke.  Er  bespricht  die  Gedichte  des  Freundes, 
denen  er  Mangel  an  Form  vorwirft:  „Form  ist  in  meinen  Augen  Ausdruck  der  Not- 
wendigkeit." Am  24.  Jan.  1840  klagt  er,  dass  sein  Roman  (Schnock)  von  Brockhaus 
abgelehnt  wurde;  er  verzweifelt  aber  nicht  am  Durchdringen:  „Seit  ich  meine  Judith 
in  den  Händen  habe,  rechne  ich  mit  Zuversicht  auf  den  Sieg.  Sie  ist  jetzt  ganz 
fertig . . .  Ich  hatte  mir  vorgenommen,  nie  wieder  ein  Drama  zu  schreiben,  wenn  die 
Judith  mich  täuschen  sollte,  denn  ich  wusste  wohl,  dass  es  sich  nicht  mehr,  wie  wohl 
früher,  um  einen  blossen  Versuch  handelte,  sondern  dass  ich  mein  Höchstes  aufbot." 
Eine  neue  Tragödie  ist  in  ihm  schon  vollständig  ausgebildet,  am  meisten  reizt  ihn 
ein  Lustspiel.  Er  bezweifelt  aber,  dass  sich  die  Judith  für  das  Theater  eigne.  „Das 
Herbe,  Entschiedene,  das  sich  keine  Modifikationen  gefallen  lassen  will,  ist  nicht  die 
Speise  des  jetzigen  Publikums . . .  Gutzkow  ist  der  rechte  Mann  für  die  Leute.  Der 
kann  ihnen  geben,  was  sie  brauchen.  Das  Genie  ist  in  seiner  höchsten  Freiheit 
gebunden,  das  forcierte  Talent  kann,  was  es  soll."  Am  17.  Febr.  1840  sagt  er  wieder 
über  die  Judith,  deren  Aufführung  er  am  liebsten  in  Berlin  sähe:  „Es  ist  mir  aus 
dem  Innersten  des  Gemüts  geflossen;  und  ich  habe,  um  es  zu  gestalten,  die  höchsten 
Kräfte  angespannt;  wäre  es  Nichts,  so  wäre  ich  selbst  Nichts."  Er  glaubt  Laube  wie 
Gutzkow  verachten  zu  dürfen.  Am  27.  Juli  1841  schreibt  er  über  den  Schluss  der 
seit  drei  Monaten  fertigen  Genoveva:  „Allerdings  ist  er  fürchterlich,  aber  nach  meiner 
festen  Ueberzeugung  ist  es  die  nächste  Konsequenz  des  Goloschen  Charakters  und 
lässt  nicht  die  geringste  Aenderung  zu."  Der  Moloch  soll  an  Furchtbarkeit  noch 
weiter  gehen.  Ein  Brief  aus  Paris  (14.  Juni  1844)  spricht  die  Hoffnung  aus,  dass  seine 
künftigen  Dramen  seine  „individuellen  Schmerzen"  nicht  wieder  erkennen  lassen  werden. 
So  sei  schon  die  Maria  Magdalena  objektiv  geworden.  In  Rom  werde  er  am  Moloch 
arbeiten.  —  Ueber  den  Eindruck,  den  Judith  und  Genoveva  ihm  in  späten  Jahren 
machten,  spricht  er  sich  in  einem  Brief  an  den  Naturforscher  J.  Grailich 
aus  244^:     „Genoveva    und   Judith    wurden    mir    durch    das    Theater    wieder    aufge- 

(Fed.  Hebbel).  Milano,  Chiesa.  III,  192  S.  L.  2,50.  |(M.  K(och):  LCBl.  S.  1156/7.]|  -  238)  E.  Seis,  D.  Hebbel-Bildnisse: 
Presse  N.  30.  ~  239)  X  M.  K(och):  LCBL.  S.  2934;  F.  Lemmermay er:  ML.  62,  S.  199-201;  id.:  NatZg.  N.  469;  K. 
Werner:  WienerZg.  N.  4;  Geg.  43,  S.  87-90;  44,  S.  15;  E.  Granichstädton:  Presse  N.  1756;  Ad.  Stern:  Grenzb.  2, 
S.  211-23,  258-71.  -  240i  X  E.  G.,  Hebbel  u.  Dingelstedt:  Presse  N.  1756.  -  241)  X  A.  Bartels,  F.  Hebbel  n.  F.  Dingelstedt: 
DidasV.  N.  31;2.  —  242)  F.  Lemmermay  er.  Aus  ungedr.  Briefen  F.  Hebbels:  NFPr.  N.  10418.  —  243)  id.,  F.  Hebbel  u.  d. 
Familie  Ronssean.     (Ungedr.  Briefe):   ML.  62,    S.  430/1,  526/8,  670/2,  688-90.   —   244)    Ungedr.  Briefe  F.  Hebbels  an  Grailich: 


A.  von   Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  IV 4: 245-257 

drung-en  und  bei  der  Geleo"enheit  kam  es  mir  dann  allerdings  vor,  als  ob  eine 
gewisse  Fülle  des  Totaleindrucks,  das  Ungenüg-ende,  oft  BizaiTe  und  wohl  gar 
Lächerliche  der  Einzelheiten  überwöge.  Der  Stumme  in  der  Judith  wird 
wohl  immer  seinen  Rang  in  der  deutschen  Litteratur  behaupten  und  etwas  Er- 
schütternderes, als  das  Verhältnis  zwischen  Golo  und  Siegfried,  wie  es  sich  zuletzt 
entwickelt,  dürfte  es  nicht  geben."  —  In  p]i'M'ideruno'  eines  Aufsatzes  in  der  Frank- 
furter Zeitung  von  E.  Sack,  der  den  Bericht,  den  Jordan  in  seinen  Vorträg'en  und 
Episteln  über  seinen  und  Hebbels  Besuch  bei  Schopenhauer  g-egeben  unter  dem 
Hinweis  auf  die  andere  Darstellung,  in  einem  Briefe  Hebbels  in  Zweifel  zieht,  erklärt 
Jordan 2^^),  dass  Hebbel  der  herbe  Tadel,  den  Schopenhauer  über  seine  Vorrede  zu 
Maria  Magdalena  aussprach,  aus  der  Fassung  brachte,  besonders  da  J.  Zeuge  der 
Niederlage  gewesen,  und  deshalb,  wie  Kuh  J.  erzählte,  auch  über  diese  Begegnung- 
mit  Schopenhauer  immer  Schweigen  beobachtete.  —  Die  dramatischen  Nibelungen- 
Bearbeitungen  mustert  Weitbrecht^^ßj.  Unbedingt  theatralisch  ist  der  zweite  Teil 
des  Liedes,  in  dem  Kriemhild  Hauptfigur  ist.  Spröder  ist  der  erste  Teil,  Siegfrieds 
Tod,  da  er  als  Held  ohne  jede  Schuld  erscheint.  Aber  doch  existiert  ein  Verschulden 
Siegfrieds:  seine  Plauderei  und  Gedankenlosigkeit.  Er  missbraucht  seine  üeber- 
legenheit  einem  Weibe  g-egenüber,  das  ihn  liebt.  Dieses  Motiv  macht  Waldmüller 
zum  Mittelpunkt  seiner  Brunliild-Trag'ödie.  Hebbel  trifft  haarscharf  den  springenden 
Punkt:  Sieg-friedist  einem  Trugspiel  nicht  gewachsen.  So  rücktHag-en  an  die  bedeutung-s- 
voUe  Stelle,  während  er  bei  Geibel  und  Wilbrandt  stark  zurücktritt.  Für  das  moderne  Em- 
pfinden liegt  die  Schwierigkeit  der  Behandlung  im  Verhältnis  Brunhilds  zu  Siegfried. 
Wir  haben  Brunhild-  und  Kriemhild-Tragödien,  je  nachdem  die  eine  oder  die  andere 
zur  Heldin  geworden.  Auch  Günther  ist  eine  dramatisch  unmögliche  Figur.  In 
Wag-ners  Dichtung  ist  der  Gedanke  zum  Mythus  zurückzugehen  und  die  Konzeption 
grossartig";  doch  erheben  sich  starke  Bedenken  gegen  die  Ausführung".  So  ist  auch 
für  diesen  Stoff  das  letzte  Wort  noch  nicht  gesprochen.  —  Mit  Bezugnahme  anf  diese 
Studie  erörtert  Gnad^'*')  Hebbels  Verhältnis  zu  dem  Stoffe.  Ihn  lockten  die  ins  Un- 
geheure vergrösserten  Charaktere,  denen  er  noch  einige  Züg'e  des  Grosssprecherischen 
l)eigab,  und  das  im  Mittelpunkte  stehende  Weib.  Sein  Lieblingsproblem  ist  der 
Kampf  zwischen  den  beiden  Geschlechtern,  der  sich  auch  in  seiner  Selbstüberhebung- 
gegen  Emilie  Lensing"  äussert.  Er  erscheint  in  diesem  Werke  am  bedeutendsten,  wo 
er  am  wenig-sten  aus  Eigenem  gegeben.  G.  meint,  die  Zusammenstellung  Hebbels 
und  Ibsens  sei  etwas  schief,  weil  seine  Probleme  immer  klar  und  keine  Fragezeichen 
seien.  Auch  sei  seine  Sprache  ganz  anders.  —  Den  Verg-leich  aus  den  Rolandsäulen, 
den  Siegfried  anstellt,  citiert  Koch 2*^)  zu  Eickes  Rolandstudie  (vgl.  JBL.  1892  IV 
4 :  57)  unter  Hinweis  auf  Briefe  2,  S.  475,  wobei  er  auch  Fouquesche  Dramen  und 
zahlreiche  lyrische  Gedichte  nachträgt. —DieLustspiele  Hebbels  untersucht  K.W  erner^^^). 
Der  Stoff  des  „Diamant",  aus  Jean  Pauls  „Leben  Fibels"  geschöpft,  musste  vielfach 
abgeändert  werden,  um  Hebbels  Gedanken  von  der  Bedeutung  des  Steines  hervor- 
treten zu  lassen.  So  viel  auch  Hebbel,  besonders  durch  das  reiche  Personal,  an  Humor 
hinzuthat,  zerfiel  gerade  dadurch  das  Stück  in  zwei  Gruppen,  eine  ernste  und  eine 
komische,  und  die  Hoffiguren  kamen  schablonenhaft  heraus.  Auch  die  Komposition 
ist  fehlerhaft.  Ebenso  suchte  er  im  „Rubin"  den  Kontrast  zwischen  Ernstem  und 
Heiterem,  aber  die  tolle  Welt,  die  er  vorzuführen  strebte,  wurde  in  Wien  nicht  ver- 
standen. Das  Stück  ist  auch  zu  knapp  verständlich  schwer  und  in  seiner  Motivierung, 
das  Märchenhafte  verschwimmt;  aber  doch  bedeutet  es  einen  technischen  Fortschritt 
gegen  das  erstere  Tjustspiel  und  dürfte  heute  bessere  Aufnahme  finden.  —  Scharf 
urteilt  Auerbach  über  Hebbel ;  in  „Maria  Magdalena"  sieht  er  nur  eine  Kumulation 
von  Unglücksfällen:  „Nie  ist  ein  frevelhafterer  Missbrauch  mit  der  Dichtkunst  getrieben 
worden  als  in  diesem  Machwerk."  Schon  der  Titel  ist  eine  Frechheit.  Alles  ist 
Unnatur,  ein  Aufrühren  verschiedener  Gestänke.  Er  vergleicht  ihn  mit  R.  Wagner: 
beide  haben  keine  Lieder,  ^^o)  — 

In  einem  von  Neck  er  ^si)  abgedruckten  Briefe  an  M.  Schleifer  erwähnt 
Hamerling  dessen  Dramen,  darunter  die  ungedruckte  ,,Jacobäa  von  Bayern".  —  Die  Aus- 
gabe der  dramatischen  Werke  F.  Nissels252^  wie  der  Tod  des  Dichters  haben  viele 
Besprechungen,  beziehungsweise  Nekrologe  hervorgerufen. 253-255^  Gottschall  ver- 
gleicht in  seiner  Anzeige  die  „Agnes  von  Meran"  mit  dem  Drama    von  B.  Tschisch- 


AZB.  N.  107.  —  245)  W.  Jordan,  Hebbel  bei  Schopenhauer:  AZ'«.  N.  168.  —  246)  C.  Weitbrecht,  D.  Nibelungen  im 
modernen  Drama.  E  Antrittsvorlesung.  Zürich,  Schulthess.  37  S.  M.  1,00.  —  247)  E.  Gnad.  F.  Hebbel  u.  d.  Nibelungen- 
Tragödie:  AZgU.  N.  172  3.  —  248)  M.  Koch:  ZVLR.  6,  S.  2369;  L.  Frank el:  LBlGRPh.  S.  2867.  —  249)  K.  Werner, 
Diamant  u.  Rubin.  E.  Hebbel-Studie:  AZg».  N.  279.  2801.  -  250)  (S.  u.  N.  314,  8.  198-211.)  —  251)  R.  Hamerling,  Briefe. 
Mitget.  V.  M.  Necker:  AZg».  N.  71.  —  252»  F.  Nissel,  Ausgew.  dramat.  Werke.  St.,  Cotta.  XU,  375  S.  M.  6,00.  |[E. 
V.  Gottschall:  AZg".  N.  1 ;  J.  Minor:  DLZ.  S.  14602:  DRs.  76,  S.  476;  A.  Friedmann:  BLU.  ^'.  746:  M.  Necker: 
SchwRs.  2,  S.  3905;  Grenzb.  1,  S.  58;  K.  Pröll:  NatZg.  N.  184;  BURS.  59,  S.  628-30;  H.  Klem:  Presse  N.  63:  ML.  62, 
S.  17,8;  Freradenbi.  N.  62.]]  —  253)  X  A  Dorda,  F.  Nissel:  WienerLZg.  N.  8.-254)  X  I'-  Salomon,  F.  Nissel:  IllZg.  101, 
S.  191/2.  —  255)  X  A.  Bettelheim,  F.  Nissel:  AZg".  K.  168.  —  256)  J.  Bayer,  F.  Nissel:  NFPr.  N.  10389.  —  257)  (S.  u. 

(4)13* 


IV  4:  258-285  A.  von  Weilen,  Drama  und  Theatergeschichte  des  18/19.  Jahrhunderts. 

witz;  von  den  Panegyriken,  die  meist  kritiklos  erhoben  wurden,  sticht  die  gerechte 
Beurteilung"  in  Minors  Recension  vorteilhaft  ab.  Sie  zeigt,  wie  Nissel  sich  an 
grossen  Charakteren  ohne  Glück  und  mit  mangelhafter  Technik  versucht;  rühmens- 
wert erscheint  die  vornehme,  edle  Sprche.  —  Auch  Bayer^sß)  hebt  hervor,  wie  trotz 
echter  dichterischer  Begabung  seinem  Talente  die  wirkliche  Kraft  gebrach  und  die 
Richtung  desWollens  in  seinen  Gestalten  immer  unklar  bleibt.  —  Auerbach-^")  nennt 
seinen  „Heinrich  den  Löwen"  ein  „Sekundanerstück".  —  Im  Gegensatz  zu  diesen 
Beurteilern  sieht  Neck  er  ^^S)  in  ihm  einen  geborenen  Theatermenschen  mit  vollendeter 
Technik  und  vergleicht  seine  Weltflucht  der  Grillparzers.  So  stellt  er  das  Nacht- 
lager Corvins,  dessen  Bau  auch  Spei  deP^'*)  unter  Bedenken  gegen  die  unsprechbare 
Diktion  rühmt,  zusammen  mit  dem  ,, Treuen  Diener"  und  hofft  auf  ein  litterarisches 
Nachleben  Nisseis.  —  Aus  persönlichen  Erinnerungen  teilt  Schlesinger  26o-26ij^ 
einen  früheren  Bericht  ergänzend  (vgl.  JBL.  1891  IV  4:  162),  einiges  über  gemein- 
same Jugendstücke  und  einzelne  dramatische  Versuche  Nisseis  mit.  Laube  erwies 
sich  wenig  fördernd  für  Nissel.  Seh.  bringt  einen  Brief  Laubes  vom  J.  1859,  der 
Nisseis  „Jakobiten"  ablehnt  mit  Rücksicht  auf  die  Missstimmung,  welche  der 
,,Düwecke"  Mosenthals  bei  Lanckeronski  hervorgerufen.  — 

Die  innere  Verwandtschaft,  die  zwischen  F.  von  Saar2^2-263j  und  Anzengruber 
im  Kampfe  gegen  die  Hierarchie  besteht,  aus  dem  Heinrich  IV.  wie  der  Pfarrer  von 
Kirchfeld  hervorgegangen,  charakterisiert  Bet telheim^^*).  Als  bühnenwürdigstes 
Stück  Saars  erscheint  ihm  Tempesta,  an  dem  der  Einfluss  der  Emilia  Galotti  deutlich 
wahrnehmbar  sei.  —  Müller-Guttenbrunn^ßs)  charakterisiert  J,  Weilen  und  E. 
Mauthner,  den  persönlichen  Eigenschaften  des  ersteren  volle  Anerkennung  zu- 
wendend, aber  ohne  historischen  Sinn  für  seine  Stellung  in  der  dramatishen  Litte- 
ratur  Oesterreichs.  Auch  kann  von  einer  Förderung,  die  er  durch  Laubes  Nach- 
folger erfahren,  keine  Rede  sein.  —  Im  Nachlass  F.  Schlögls  fand  sich,  nach 
Tann-Berglers266)  Bericht,  der  Entwurf  zu  einem  Volkstück  „Die  Kinder  vom 
Grunde",  für  die  Gallmeyer  gedacht,  ganz  im  Anzengruberschen  Ton.  — 

Von  Anzengruber^^f-ses^  teilt  Rosegger^ßS)  eine  Reihe  von  Briefen  mit, 
die  manches  über  seine  Dramen  und  Entwürfe  enthalten.  Hamerling  ist  ihm  „ein 
genialer  Dichter,  aber  ebenso  wenig  populär  wie  Hebbel".  Das  (S.  39J  erwähnte 
Trauerspiel  „Das  Kronenhaus"  ist  von  V.  Stern.  Was  R.s  Büchlein  sonst  über  Auer- 
bach, Schlögl,  Kürnberger,  Morre  und  Josefine  Gallmeyer  etc.  erzählt,  ist  litterarisch 
belanglos.  —  Ein  ungedrucktes  Gedicht  des  Vaters  Anzengruber  an  Grillparzer  legt 
Müller-Guttenbrunn2''0)  .jj-^  seiner  enthusiastischen  Charakteristik  vor.  —  Dass 
seine  Dramen,  anders  als  die  O.  Ludwigs,  vollständig  im  Dialekt  empfunden,  dieses 
Moment  trennt  sie,  nach  Bergers?'' ^)  Meinung,  vom  Burgtheater.  —  Die  Charakteristik, 
die  Schere r2''2)  von  Anzengruber,  Nisseis  „Agnes"  und  Wilbrandts  „Krimhild"  bei 
Gelegenheit  der  Verteilung  des  Schillerpreises  1878  gegeben,  ist  in  die  kleinen 
Schriften  wieder  aufgenommen.  — 

Das  Drama  der  Schweiz^'^'^'^^a)  mustert  flüchtig  Mähly^'J^).  Er  warnt 
vor  der  Ueberschätzung  des  Kellerschen  (vgl.  JBL.  1892  IV  4 :  94)  Fragments 
„Therese"^'''),  Nur  kurz  erwähnt  er  J.  V.  Wi  dm  anns  2''^)  „Jenseits  von  Gut  undBöse", 
für  dessen  Doppelhandlung  ein   Recensent  Grillparzer  und  Calderon  herbeizieht,  — 

Von  geistlichen  volkstümlichen2''9'28i^  Schauspielen  steht  das  Höritzer 
im  Vordergrund  des  Interesses  282-284j  Dass  Kochems  Werk  nicht  nur  für 
dieses  Spiel  (vgl.  JBL.  1892  IV  4  :  176),  sondern  für  eine  Reihe  anderer,  wie 
das  Vordernberger  Paradeisspiel,  Obergrunder  Weihnachtsspiel  etc.  als  Quelle  gedient, 
weist  Am  mann 285)  nach.  — 

N.  314,  S.  nn.)  —  258)  M.  Necker,  F.  Nissel:  ML.  62,  S.  505  7.  —  259)  F.  Speidel,  F.  Nissel,  E.  Nachtlager  Corvins: 
NFPr.  N.  10484.  —  260)  S.  Schlesinger,  Ans  meinem  Znsanimenlehen  mit  F.  Nissel:  WienerTBl.  N.  20O.  —  261)  iä.,  Zu 
F.  Nisseis  Gedächtnis:  ib.  N.  287.  —  262)  X  F-  t.  Saar:  NWienerTBl.  N.  270.  —  263)  B.  Rüttenauer,  F.  y.  Saar:  ML.  62, 
S.  619-21.  —  264)  A.  Bettelheim,  Z.  60.  Geburtstag  v.  F.  v.  Saar:  AZ».  N.  226.  —  265)  A.  Müller- Gnttenbrnn  n, 
J.  Weilen  u.  E.  Mauthner.  (=  N.  206,  S.  190,8.)  —  266)  0.  Tann-Bergler,  F.  Schlögl  als  Dramatiker:  NWienTBl.  N.  96. 
—  267)  X  L.  Anzengruber,  D.  Pfarrer  v.  Kirchfeld.  Volksstück  mit  Gesang.  Nebst  e.  dramatnrg.  Ber.  v.  H.  Laube.  5  Aufl. 
St.,  Cotlii.  104  S.  M.  2,00.  —  268)  K.  Gründorf,  Aber  Anton!  Z.  Gesch.  meines  Koropagniestücks  mit  Anzengruber: 
Fremdenbl.  N.  35.  —  269)  P-  K.  Rosegger,  Gute  Kameraden.  Persönliche  Erinnerungen  an  berühmte  Zeitgenossen.  Wien, 
Hartleben.  VH,  223  S.  M.  3,00.  |[AZgii.  N.  92;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  630/2;  M.  Neck  er:  BLU.  S.  247/9;  Geg.  44,  S.  175.]|  — 
270)  A.  M&ller-Guttenbrnnn,  Ludwig  Anzengruber.  (=  N.  206,  S.  150-89)  —  271)  A.  v.  Berger,  Anzengruber  im 
Burgtheater:  MontagsR.  N.  44.  -  272)  W.  Scherer,  D.  Schillerpreise.  (=  I  1:117;  2,  S.  170/6.)  —  273)  O  J.  Suter, 
Wahrheit  u.  Dichtung  in  A.  Freys  hist  Trauerspiel  „Erni  Winkelried":  SchwRs.  2,  S.  467-76,  596-607.  —  274)  X  Ausw. 
dramat.  Dichtungen  für  d.  Schweiz.  Dilettantenbühne.  Bearb.  im  Auftr.  d.  Schweiz,  genieinnütz.  Ges.  Aarau,  Sauerländer. 
32  S.  M.  0,40.  —  275)  X  F.  Wichmann,  Thalia  in  d.  Schweiz:  TglRs".  N.  161.  |[Knnstwart  6,  S.  325.11  —  275a)  O  F.  A. 
Stocker,  D.  Volkstheater  in  d.  Schweiz.  3.  verm.  u.  verb.  Aufl.  Aarau,  Sauerländer.  IV,  180  S.  M.  2,80.  |[G.  Hinz: 
LBlGRPh.  S.  358.JI— 276)  J.  Mähly,  Schweiz.  Litt.:  AZg«.  N.  48.  -  277)  X  LtlB'-  S.  761/3;  E.  Schmidt:  DRs.  77,  S.  472/3; 
M.  Necker:  BLU.  S.  24;  FZg.  N.  4;  BURS.  57,  S.  6313;  DDichtung.  13,  S.  149-51.  —  278)  J.  V.  Widmann,  Jenseits  v. 
Gut  u.  Böse.  Schausp.  in  3  A.  St.,  Cotta.  152  S.  M.  2,00.  |[AZg".  N.  137.]|  —  279)  O  L.  Kelber,  Prukt.  Christentum 
u.  geistl.  Schauspiele:  NKZ.  4,  S.  372-410.  —  280)  X  Missionsfestspiel  u.  Pastor  Buumann:  DEKZ.  7,  S.  165,6.  —  281)  X 
(III  4:37.)  —  282)  X  L.  Stettenheim,  D.  Passionsspiel  in  Höritz:  NFPr.  N.  10433.  —  283)  X  E.  Knh,  D.  österr.  Ober-. 
Ammergau:  NWienTBl.  N.  190.    -    284)    X   F.  Gross.  E.  böhmisches  Ober-Ammergau :  Fremdenbl.  N.  175.  —  285)  (1II4 :  36) 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./ H*.  Jahrhunderts.  IV  4:236-314 

Die  Litteratur  über  Festspiele  hat  wenig-  Neues  zu  Tag-e  g-efördert^^ß).  Mit 
Recht  wendet  sich  Flaischlen^»^)  g'eg-en  die  litterarisch  wertlosen  Lutherspiele,  die 
sich  überlebt  haben.  —  Stubbe-^^^'^soj  vergieicht  das  Gustav -Adolf- Spiel  Devrients 
und  das  eines  Stockholmer  Predigers  Kaiser,  von  denen  das  erstgenannte  kunstvoller 
und  tiefer,  das  letztere  einfacher  und  volkstümlicher  sein  soll.  — 

Zum  Volkstheater  und  zur  Dialektdichtung  hat  Brenner-^")  die  im 
bayerischen  Dialekt  gehaltenen  Zwischenspiele  des  Dechanten  F.  Kiennast  abgedruckt 
(1728—83),  der  1759  die  Leitung  der  Dachauer  Dilettantenbühne  übernahm.  Die  Stücke: 
Hirlanda  Herzogin  aus  Burgund  (1759  gespielt),  Die  heilige  Itta,  Johanna  d' Are  (1770 
gespielt)  zeigen  den  Typus  der  Haupt-  und  Staatsaktion;  die  Hauptfigur  der  sehr 
derben  Zwischenspiele  ist  Hansdampf  oder  Kasperle.  Im  ersten  Stück  erscheint 
eine  wohl  viel  ältere  Scene  mit  dem  Quacksalber,  in  der  noch  Reime  stehen  geblieben 
sind, 291)  —  Grosses  Aufsehen  erregte  das  Schlier seer  Bauerntheater  von  K.  Dreher, 
besonders  durch  Gastspiele  in  München  und  Berlin.  Schaumberger-"-)  feiert 
seine  Darstellungskunst  als  naivste  Reproduktion,  erreicht  durch  die  vollständige 
Deckung  der  Individualität  der  Darstellenden  mit  den  Figuren.  Es  bietet  den  ersten 
gelungenen  Versuch,  die  Bauernkomödie  zur  künstlerischen  Höhe  zu  erheben. 
Bedauerlich  ist  nur,  dass  die  Stücke  nicht  lebenswahr,  sondern  sentimental-oberfläch- 
lich gehalten  sind.  Gerade  aber  von  dieser  volkstümlichen  Bühne  erhofft  Seh.  die 
Schaffung  eines  wirklichen  Volksdramas.  Während  die  meisten  kürzeren  ArtikeP''"'"^^^) 
im  Tone  dieser  Broschüre  gehalten  sind,  sieht  Kerr -"''•)  in  den  Schlierseern  nur 
schlechte  Dilettanten,  die  unglücklicherweise  einem  Berufsmimen  in  die  Hände 
gefallen  sind,  und  in  ihrem  ersten  Darsteller  einen  ganz  geriebenen  „Coulissen-Aelpler" 
mit  schauspielerischer  Begabung.  —  Vom  ältesten  Frankfurter  Dialektstück,  ,,Der 
Prorektor",  weist  Grotefend^**")  eine  dem  Drucke  von  1794  vorangehende,  hs.  ausführ- 
lichere Fassung  nach.  Das  Stück,  das  in  dieser  Gestalt  zum  ersten  Mal  abgedruckt 
wird,  hat  F.  K.  L.  Textor  in  seinen  Jugendjahren  abgefasst,  auf  Grundlage  wirklicher 
Schulpersonen  und  Ereignisse.  —  Die  Werke  des  oberschwäbischen  Dialektdichters 
S.  Sailer,  dessen  Bedeutung  schon  die  kurze  Biographie  Becks ^oi)  kennzeichnet, 
sind  in  vierter  Auflage  herausgegeben  worden  von  Hassler^''^).  —  Ueber  das 
Volksschauspiel  in  Tirol  giebt  von  der  Passer^^^^)  schlechte  Auszüge  aus  Pichlers 
Buche.  304)   _ 

Zum  11.  Bande  der  Engeischen  Puppenspiele  bemerkt  B ölte 3"^),  dass, 
nach  den  Sprachformen  zu  schliessen,  die  Stücke  nicht  vor  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jh.  entstanden  sein  können.  Dem  Vf.  der  Comedia  des  kleinen  Cupidinis  scheint 
Ayrers  Phenicia  vorzuschweben.  —  Bolte^ocj  teilt  auch  einen  interessanten  Text  eines 
Hamlet-Puppenspiels  mit,  das  Ms.  eines  Puppenspielers  M.  Möbius,  1855  nieder- 
geschrieben. Es  geht  zurück  auf  den  Berliner  Druck  des  Schröderschen  Hamlet  von 
1795,  in  dem  auch  Scenen  aus  Wieland  und  Eschenburg  aufgenommen  wurden.  Zum 
Schluss  des  Puppenspiels  erscheint  der  Geist  des  Vaters,  Hamlet  wird  König*.  Die 
Monologe  sind  ganz  beseitigt.  Kaspar  spielt  eine  sehr  grosse  Rolle.  —  Einen  dankens- 
werten Neudruck  hat  das  Poccische^^ij  Komödienbüchlein  erfahren.  —  Hier  sei  auch 
der  Katalog  der  vom  Freien  Deutschen  Hochstifte  veranstalteten  Faust-Ausstellung^"^) 
erwähnt,  der  eine  Reihe  von  Theaterzetteln,  Puppenspielhss.  u.  dgl.  nachweist.  Das 
Wiener  Theater  ist  wenig  berücksichtigt,  so  fehlt  Hopp  u.  a.  gänzlich,  merkwürdiger 
Weise  bleiben  auch  Kraliks  Texte  unbemerkt.  — 

Dramaturgisches309  3i3j  j)[q  wichtigste  Publikation  des  Berichtsjahres 
bilden  die  allgemeinen  dramatischen  Eindrücke  Auerbachs.  Es  sind  zumeist  kurze, 


—  286)  X  A.  Brandt,  Ber.  über  H.  Herrigs  Luther-Festspiel  in  Grandenz.  Graudenz,  Gaebel.  13  S.  M.  0,15.  —  287j  C. 
Flaischlen,  Z.  Lutherfestspiel- Volkskunst:  FrB.  4,  8.903,8.-288)  Chrn.  Stubbe,  Gustav-Adolf-Spiele:  DPBl.  26,  S.  274/7. 

—  289)  X  i^'  !*■  ßecht  d.  Devrientscben  Gustay-Adolf-Spiels.  Gustav-Adolf-Spiele:  ib.  S.  250  3,  261/2,  274/7.  —  290)  F. 
Kiennast,  Altbayer.  Possenspiele.  Z.  erstenm;il  her.  v.  0.  Brenner.  München,  Kaiser.  XVI,  40  S.  M.  1,20.  —  291)  X 
D.  Volksschan spiel  im  bayer.  Hochlande:  lUZg.  101,  S.  239-42.  —  292)  J.  Schaumberger,  K.  Drehers  Schlierseer  Bauern- 
theater. E.  Zeit-  u.  Zukunftsbild.  München,  Albert.  71  S.  M.  1,00.  —  293)  X  0.  J.  Bierbanm,  D.  Schlierseer  Bauern- 
komödien: ML.  62,  S.  569-71.  —  294»  E.  t.  Wolzogen,  Münchener  Kunst  u.  Theater:  ib.  S.  537-40.  —  295)  X  Bauern- 
theater in  Schliersee:  BÜES.  60,  S.  60,  402/5.  —  296)  X  D-  f^cWierseer  Bauerntheater:  AUgKunstChr.  S.  493/7.  -  297)  X 
0.  Hansson,  Bauerntheater  in  Schliersee:  Zukunft  4,  S.  81,6.  ~  298)  X  J-  Edgar.  Bauerntheater  in  Schliersee:  DBühneng.  22, 
S.  245,6.  —  299)  A.  Kerr,  D,  Bauernkomödie  im  Wallner-Theater:  ML.  62,  S.  646.  —  300)  H.  Grotefend,  „D.  Prorector« 
u.  d.  Frankf.  Gymn.  am  Ende  d.  vorigen  Jh.:  AFrankfG.  4,  S.  1-63.  —  301)  P.  Beck,  S.  Sailer:  ADB.  36,  S.  763;5.  —  302) 
S.  Sailer,  Sämtl.  Schriften  in  schwäb.  Dialekt  4  Aufl.  Mit  Wörterbuch  u.  Einl.  v.  K.  Hassler,  illustr.  v.  G.  Heyberger. 
Ulm,  Ebner.  XVI,  271  S.  M.  300.—  303)  A.  von  der  Passer,  Volksschauspiele  in  Tirol.  München,  Huttier.  1892.  32  8. 
M.  0,50.  (Vgl.  JBL.  1892  III  4:31.)  ifÖLBl.  8.  172.]|  -  304)  X  D-  Saul,  D.  Meraner  Yolksschauspiel:  Vom  Fels  z.  Meer  1, 
S.  234,9.  —  305)  (III  4:44.)  -  306)  (III  4:46.)  —  307)  F.  Graf  Pocci,  Lustiges  Koraödienbüchlein.  Neue  Ausg.  6  Bde. 
München,  Galler.  I,  272  S.:  H,  311  S.;  III,  285  S.;  IV,  285  8.;  V,  256  S.;  VI,  XXXVI,  264  S.  M.  12,00.  —  308)  (II  3  :  37; 
HI  3:8.)  —  309)  O  L.  Nelten,  Dramaturgie  d.  Neuzeit.  Essays  u.  Studien  über  d.  moderne  Theater.  Halle  a.  S,  Peter. 
Vm,  152  8.  M.  2,40.  ||R.  Opitz:  BLU.  8.  553  4.]|  —  310)  O  B.  Fischer,  Kochbuch  d.  Kalliope.  Handbuch  für  Kunst-  u. 
Theaterfreunde.  L.,  Slav.  Buchh.  112  S.  M.  1,00.-311)  O  V.  Leon,  Dramaturg.  Brevier.  München, Bnbinverl.  VUI,  132  8.  M.  0,60. 
l[AllgKunstChr.  8.  738,9.]|  —  312)  X  H.  von  Basedow,  Charaktere  u.  Temperamente.  Dramaturg.  Studien.  I.  Shakespearesche 
Charaktere  mite.Anh.:UeberGoethe8„Fau8t".(VgLIV  8a:136;8e:70.)|[LZg".N.  64.]|  -  313)  X  (1 12  :  415.)  -  314)  B.  Auerbach, 


iV4:3i5-3i6  A.  von  Weilen,  Drania  und  Theatergeschichte  des  18./19.  Jahrhunderts. 

nach  der  Vorstellung'  aufgezeichnete  Einfälle,  vom  J.  1855—80,  mit  einer  grossen 
Lücke  von  1866—75.  Richtig  charakterisiert  der  Herausgeber  Neumann-Hofer^'*): 
Der  Weg-,  auf  dem  Auerbach  die  Erkenntnis  gewann,  kein  Dramatiker  zu  sein,  steht 
in  dem  Buche.  So  liegt  der  Vergleich  mit  O.  Ludwigs  Studien  nahe:  aber  diese 
sind  wühlender,  selbstquälerischer.  Der  hohe  Ernst  ist  in  jeder  Zeile  unverkennbar ; 
überall  spricht  der  Schriftsteller,  der  das  Drama  nur  vom  litterarischen  Standpunkt 
würdigen  will.  Das  Theater  ist  für  das  heutige  Publikum  nur  die  Verdauungsstunde 
oder  ein  Surrogat  für  das  Kartenspiel,  er  vergleicht  es  einem  Wurstladen.  Mehrmals 
hebt  er  hervor  (S.  71,  181),  dass  nur  alle  acht  Tage  gespielt  werden  sollte.  Die  Auf- 
gabe des  Dramas  bleibt  die  Schaffung  des  bürgerlichen  Schauspiels,  die  immer  von 
neuem  versucht  werden  muss.  Aber  das  moderne  Drama  giebt  die  Verwitterung  des 
Gesunden,  die  heutige  Schauspielkunst  ist  selbständiger  Zweck,  und  damit  hat  das 
Drama  aufgehört,  Werk  der  Dichtung  zu  sein.  Unter  den  Begriff'  der  Theatermacher 
fallen  für  Auerbach  die  Franzosen  und  die  Mehrzahl  der  zeitgenössischen  deutschen 
Dichter  wie  Holtei  (S.  4D,  die  Birch-Pfeifer  (S.  147,  176),  Laube  (S.  53,  89);  von 
Unnatur  strotzt  Gutzkow  (S.  56,  65),  Heyse  (S.  131),  Bauernfeld,  den  er  einst  be- 
wundert, wird  als  frivol  abgelehnt  (S.  227),  am  schärfsten  geht  er  Brachvogels  Narciss 
zu  Leibe  (S.  49).  Höher  stehen  ihm  Dichter  wie  Freytag  (S.  1 19),  der  in  den ,, Journalisten", 
einer  „purzelbaumschlagenden,  forciert  humoristischen  Dichtung",  doch  den  Typus 
des  modernen  Journalisten  gegeben,  (S.  83)  Ad.  Wilbraiidt  (S.  212).  dessen  „Tochter  des 
Herrn  Fabricius"  trotz  der  theatralischen  Packungen  viel  echte  Tiefe  enthält  und 
das  W^erk  eines  echten  Dichters  ist,  und  L'Arronge  (S.  253).  Nach  dem  Grundsatze, 
den  Auerbach  bei  dem  als  Meister  der  Technik  gerühmten  Sardou  ausspricht 
„dichterisch  darf  man  keine  Frage  aufwerfen,  die  man  nicht  zu  beantworten  vermag" 
(S.  303),  kann  ihm  Ibsens  Nora,  die  er  nach  der  Lektüre  beurteilt,  nicht  sympathisch 
sein  (S.  208).  Er  anerkennt,  wie  hier  die  Kunst  und  Mache  der  Franzosen  mit  nordischer 
Strenge  vereint  erscheint  und  neue  Menschen  vorg-eführt  w^erden.  Das  Motiv  der 
Schuld  des  Vaters  ist  nicht  ausgenutzt.  Auch  der  Schluss  erscheint  ihm  peinlich: 
wohl  kann  ein  Drama  mit  einer  Dissonanz  schliessen,  aber  hier  liegt  ein  ausgleich- 
bares Missverständnis  vor.  Er  vergleicht  das  Drama  mit  dem  „Erbförster"  in  der  sub- 
jektiven Unschuld  der  Hauptpei^son.  Diesem  Stücke  0.  Ludwigs  prophezeit  er  (S.  286) 
keine  Fortdauer  auf  der  Bühne,  da  alle  Menschen  in  unerträglicher  Siedhitze  dargestellt 
sind.  Die  Fabel  ist  die  Hauptsache,  das  Ganze  bleibt  peinlich.  A.  sieht  den  Zu- 
sammenhang des  Stückes  mit  den  „Jägern",  das  ihm  als  bestes  Schauspielerstück 
erscheint,  von  dem  die  Kunst  viel  lernen  könne  (S.  9).  Wie  sich  Auerbach  über 
Kleist,  Grillparzer,  Hebbel  und  Nissel  geäussert,  wurde  schon  an  den  betreffenden 
Stellen  (s.  N.  74,  224.  250,  257)  hervorgehoben.  Besonders  interessant  ist  sein  Ver- 
hältnis zu  Anzengruber.  An  dem  Romane  „Der  Schandfleck"  tadelt  er  die  theatralische 
Haltung  und  bezweifelt,  dass  der  Dichter  noch  je  zu  etwas  Rundem  kommen 
werde  (S.  216).  Der  „Ledige  Hof '  und  das  „Jungferngift"  werden  als  Machwerke  be- 
zeichnet (S.  219,  246).  Diese  harten  Urteile  nimmt  er  beim  „Meineidbauer"  (S.  239) 
zurück.  Dies  ist  das  Werk  eines  wirklichen  Dichters,  obwohl  das  Melodramatische 
störend  auftritt.  In  der  „Trutzigen"  findet  er  (S.  269)  Züge  voll  Wahrheit,  doch  die 
Handlung"  ist  lose  und  ohne  Fleiss  zusammengefügt.  Auch  Anzengruber  schreibe, 
um  Theaterstücke  zu  verfertigen,  und  lasse  sich  vom  Theatermässigen  unterjochen, 
statt  es  zu  beherrschen.  Er  findet  den  Reiz,  den  das  Bauernleben  in  der  Litteratur 
ausübe,  in  der  „Nudität  der  Psyche".  Aber  das  Theater  übernaturt  die  Natur. 
Dieselbe  Strenge  wendet  Auerbach  auch  gegen  sich.  Als  grosses  Muster  erscheint 
ihm,  wie  0.  Ludwig,  Shakespeare,  besonders,  wie  man  die  Reflexion  dramatisch  in 
Personen  und  Handlungen  zu  verarbeiten  habe  (S.  68);  er  bewundert,  wie  er  immer 
das  zutreffende  Wort  findet  (S.  151).  Von  seinem  eigenen  Stücke,  dem  „Wahrspruch" 
fordert  er,  genau  so  wie  O.  Ludwig  immer  sein  „Schlanker!"  sich  zuruft,  ein  festeres 
Rückgrat.  Er  habe  aber,  im  Kampfe  mit  der  dramatischen  Form  nach  verschiedenen 
Seiten  ausgebogen,  statt  „alle  geilen  Nebenschosse  an  dem  einen  festen  Stamm  zu 
stützen"  (S.  186).  Besser  gelungen  erscheint  ihm  das  „erlösende  Wort"  (S.  233), 
das  zwar  unzulänglich,  aber  doch  eig-entümlich  und  ohne  Phrasen  ist.  Im  Anschluss 
an  das  Buch  erzählt  Zabel  von  der  Berliner  Vorstellung  des  „Andreas  Hofer"  (1879), 
der  er  mit  Auerbach  beiwohnte.  —  Ueber  das  Stück,  das  Auerbach  mit  W^ilbrandt 
zu  schreiben  vor  hatte,  teilt  der  letztere  Lothar  mit,  dass  es  der  Roman  „Das  Wald- 
baus" war,  den  Auerbach  zu  gemeinsamer  Bearbeitung- vorschlug  und  im  raschen  Wurt 
skizzierte.  —  Von  Bulthaupts^'^)  Dramaturgie  ist  der  erste  Bd.  in  5.  Aufläge  erschienen. 
—  Burckhard^^^)  sucht  den  Kunstsinn  mit  Hinweis  auf  Darwinsche  Sätze  aus  vitalen 

DraiDttt.  Eindrücke.  (Her.  t.  0.  Neumann-Hof  er.)  St.,  Cotta.  326  S.  M.  4,00.   |[E.  KiUan:  AZjf'*.  N.  119-20;  K.  Friedrich:  BLU. 

.  S.6pl;3;  E.  Zabel:  NatZg.N.  178;  Grenzb.  2,  S.  88-91;  Nation  10,  S.  864;  E.  Heilbor  n:  Geg.  43,  S.  200,1;  L.  Fulda:  ML.  62,  S.  265,6; 

R  Lothar:  KFPr.  25.Apr.]|  —315)  H.  Bulthaupt,  Dramaturgie  d.  Schauspiels.     Bd.  1.     (Lessing.  Goethe,  Schiller,  Kleist.) 

y.  Aufl.    Oldenburg,  .Schuhe.    XXIII,  509  S.    M.  5,00.     ||B.  Lothar:  NFPr.  N.  10370.]!  —  316)  M.  Burckhard,  D.  Kunst  u. 


A.  von  Weile»,  Drama  und  Theaterg'eschichte  des  18.  19.  Jahrhunderts.   IV 4:  317-343 

Instinkten  abzuleiten  und  begründet  aus  der  historischen,  organischen  Entwicklung* 
die  Rechte  der  socialen  Bewegung  auf  die  Kunst,  in  der  heute  an  Stelle  des  Schönen 
das  Wahre  eintritt.  Diese  gar  nicht  neue  Entdeckung  wird  im  dem  prätentiösen,  mit 
philosophischen  Phrasen  überladenen  Vortrage  nicht  geniessbarer.  — 

Eine  scharfe  Kritik  am  modernen ^'i')  Theater  übt  Ha r dentis).  Es  ist 
heute  ein  Geschäft  für  die  Männer,  für  die  Damen  ein  Nebenberuf.  —  Mit  einem 
Ausblick  auf  die  historische  Entwicklung  des  deutschen  Theaters  fordert  Strind- 
5epg.3ii)j  g[,jß  Bühne  ganz  vom  Schriftsteller  ausgehend,  ähnlich  dem  „Theätre  libre" 
und  redet  mit  Berufung  auf  Lessing  Dilettanten- Vorstellungen  das  Wort.  Er  ver- 
mutet, dass  man  im  Suchen  nach  der  konzentrierten  Form  des  Dramas  das  einaktig-e 
Stück  immer  mehr  bevorzugen  werde.  —  Alber ti-^^*^)  spricht  dem  modernen  Drama 
die  Fühlung  mit  dem  Publikum  ab.  Es  hat  seine  Form  noch  nicht  gefunden,  Haupt- 
manns Arbeiten  sind  nur  Studienblätter.  Der  Naturalismus  hat  die  Teile,  aber  das 
geistige  Band  fehlt.  —  Die  Unmöglichkeit,  volle  Wahrheit  auf  der  Bühne  zu  geben, 
zeigt  Sittenberger^^i)  Die  drei  Gesetze  der  Perspektive,  der  Ueb ersichtlichkeit  und 
der  Illusion  ergeben  sich  aus  den  räumlichen  Verhältnissen  des  Theaters,  sie  haben 
auch  volle  Geltung  für  die  dramatische  Komposition  und  die  schauspielerische  Aktion. 
Dadurch  entsteht  nur  Wahrscheinlichkeit,  nie  Wahrheit.  Das  wird  an  einzelnen 
Beispielen  hübsch  gezeigt,  und  zahlreiche  Verstösse,  besonders  in  Strindbergs  „Julie" 
nachgewiesen.  Einige  Behauptungen,  wie  dass  die  Naturalisten  nicht  für  die  Auf- 
führung schreiben,  dass  sie  nicht  Individuen,  sondern  Typen  geben,  sind  anfechtbar. 
—  Bulthaupt3'-2j  geht  von  der  Liebesscene  in  Hauptmanns  „Vor  Sonnenaufgang"  aus, 
der  er  ,, Romeo  und  Julie"  gegenüberstellt,  und  fragt,  ob  diese  hülflose  Nachahmung 
des  Verstummens  noch  Kunst  zu  nennen  sei.  Nach  seiner  Ansicht  muss  entweder 
der  eine  oder  der  andere  Dichter  irren.  So  gestellt  entscheidet  sich  die  Frage  zu  Gunsten 
Shakespeares,  der  psychisches,  nicht  physisches  Leiden  dargestellt  hat.  Das  Verdienst 
der  modernen  Beweg'ung  bleibt,  auf  die  Natur  hingewiesen  zu  haben.  —  Zwischen  der- 
artigen Ansichten,  die  Bulthaupt  in  einem  Vortrage  geäussert,  und  denen  Schienthers, 
der  Goethe  für  den  Naturalismus  reklamieren  wollte,  sucht  Sittenberger^^sj  einen 
Mittelweg.  — 

Viel  wird  über  den  Zustand  des  gegenwärtigen  Theaters  geklagt^-*^^**),  zur 
Abhülfe  und  Reform  stellt  ein  Anonymus  die  kategorische  Forderung  auf,  es  müsse 
in  eine  nationale  Erziehungsanstalt  verwandelt  werden,  und  lädt  alle  Schuld  auf  die 
Schultern  der  Schriftsteller  und  Theaterleute;  ein  anderer^^')  wettert  gegen  die  Führer- 
rolle Berlins  und  das  üeberwuchern  des  französischen  Geistes,  der  ihm  auch  in  L. 
Fulda  zu  leben  scheint,  und  ruft  nach  einer  echten  deutschen  Volksbühne,  zu  der 
Sudermanns  „Ehre"  den  ersten  Anlauf  genommen  habe.  Shakespeare  und  dem  Volksstücke 
gehöre  die  Zukunft.  —  Mit  grossem  Ernste,  aber  nicht  ohne  moralisierende  Ein- 
seitigkeit stellt  die  deutsche  Bühnengesellschaft332)  ihr  streng  nationales  Prog-ramm 
auf,  das  sie  durch  Volksbühnenvereine,  städtische  Bühnen  und  specieli  durch  ein  von 
Martersteig  bis  ins  Detail  entworfenes  Festspielhaus  zu  verwirklichen  hofft. 
Mit  Recht  werden  die  dilettantischen  Aufführung-en  zurückgewiesen,  aber  die  Mög- 
lichkeit, zur  Sommerzeit  ein  Theater  mit  den  disponiblen  Kräften  der  Winterbühne 
zu  schaffen,  erscheint  mir  recht  problematisch.  Mit  Tiraden,  wie  sie  Westarp  hier  im 
Anschluss  an  seine  vorjährige  Schrift  (vgl.  JBL.  1892  IV  4 :  149)  gegen  die  Aus- 
länderei vorbringt,  ist  wenig  gethan;  um  so  angenehmer  beruhigt  Schreyers  Ruhe, 
mit  der  er  dem  Idealismus  wie  dem  Realismus  sein  Recht  in  der  Kunst  zugesteht.  — 
Eine  grosse  Bedeutung  für  die  Zukunft  des  Theaters  will  Ste  wart-Chamberlain^^s^ 
der  die  Festspiele  vorbereitenden  Schule  in  Bayreuth  zusprechen.  —  Vor  der  Ueber- 
schätzung,  die  dem  Theater  in  der  socialistischen  Bewegung  durch  die  Volksbühnen 
zu  teil  geworden,  warnt  ein  Anonymus.^'"**"336^  —  Auch  Reform  der  Kritik  wird  von 
verschiedenen  Seiten  gefordert.337-339j    — 

Für  den  Schauspieler^*'^)  giebt  Skraup^*»)  einen  Katechismus  der  Mimik, 

d.  natQrl.  Entwiclclungsgeschichte:  N&S.  66,  S.  160-83.  —  317)  X  R-  Renard,  Vom  dtsch.  Theater  d.  Gegenw.:  AllgKunstChr. 
S.  700.  —  318)  M.  Hiirden,  D.  Schaubühne  als  unmoralische  Anstalt:  Zukunft  2,  S.  34/7.  —  319)  (I  12:  372.)  —  320) 
(I  12:253.)  —  321)  (I  12:228.)  —  322)  (I  12:2789:  IV  ld:67.)  -  323)  H.  Sittenberger,  V.  Kampf  d.  Meinungen: 
WienerLZg.  N.  12.  -  324 1  X  Vivus,  D.  üeberschätzung  d.  Theaters:  ib.  N.  9.  —  325)  X  (I  12  :  424.)  — 
326)  X  Vivus,  D.  Repertoirenot:  WienerLZg.  N.  2.  —  327*  X  L.  Lier,  Schriften  z.  modern.  Bühnen- Reform: 
Kw.  6,  S.  182/3,  196.  —  328)  X  Z.  Reform  d.  dtsch.  Bahnenwesens:  BurschenschaftlBll.  7,  S.  41/2.  —  329)  X  <>•  Kraok, 
D.  Theater  d.  Zukunft:  Geg.  43,  S.  85  7.  —  330)  L,  Wie  d.  dtsch.  Theater  d  Kunst  fördern:  20.  Jh.  3,  S.  394-405.  — 
331)  (I  12:229.)  —  332)  Dtsch.  Nationalbühne.  Mitteilungen  d.  AUg.  Dtsch.  Bnhnenges.  her.  v.  H.  Schreyer. 
Heft  1  u.  2.  L,  Kreysing.  50,  48  S.  M.  1,00.  i[E.  Kilian:  DLZ.  S.  11701;  LZg».  N.  64;  Qrenzb.  4,  S.  191/2;  20.  Jh.  2, 
S.  2657;  0.  Harnack:  PrJbb.  74,  S.  180  1;  F.  Poppenberg:  ML.  62,  S.  650.]!  (S.  o  I  12  :  2.J9.)  —  333)  H.  Stewart- 
Chamberlain,  Z.  Eröffnung  d.  Stilbildnngsschule  in  Bayreuth:  PrB.  4,  S.  188-96.  —  334)  X  ^-  Mehring,  E.  letztes  Wort 
in  Sachen  d.  Freien  Vollfsbühne:  NZSr.  n,  S.  317-23.—  335)  X  G-  Ledebour,  Z.  Krisis  d.  Freien  Volksbühne.  E.Erwiderung: 
ib.  S.  284.  —  336)  Freie  Volksbühnen:  ib.  S.  4816.  —  337)  O  M.  Trausil,  D.  Schule  d.  Theaterkritikers.  Handbuch  für 
Theaterfreunde.  L.,  Slav.  Buchh.  96  S.  M.  1,00.  —  338)  X  J-  Knopf,  Andere  Kritiker:  Ges.  3.  210,2.  —  339)  X  G. 
Morgenstern,  Andere  Kritiker:  ib.  S.  625,6.  —  340)  X  '^^  Moldauer,  Betrachtungen  über  moderne  Schauspielkunst:  ib. 
S.  333-40.  —  341)  (I  12:243.;  —  342)  X  ^-  Borger,  Realist.  Schauspielkunst:  WienerLZg.  N. 8.  —  343)  A.  Fr hr.  v.  Borger., 


lV4:344-:?64   A.  von  Weilen,  Drama  und  Tlieaterg-eschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

ein  i^echt  praktisches  Handbuch  zum  Nachlesen,  wiewohl  es  viel  Konventionelles  und 
Schematisches  enthält.  Manche  allgemeine  Regeln  erhalten,  wie  ziemlich  begreiflich, 
recht  Schiefes,  wie  z.  B.,  dass  die  Bewegung  um  so  lebhafter  sein  muss,  je  lebhafter 
die  Empfindung  ist.  Die  Erörterungen  über  Mimik  gehen  auf  Darwin  zurück  und  bringen 
zahlreiche  Beispiele  aus  Dramen.  Ich  möchte  den  Schauspieler  aber  nicht  sehen,  der 
den  Hamlet-Monolog  so  mit  Spiel  überlädt,  wie  der  Vf.  es  (S.  98)  vorschreibt.  Auch 
gegen  die  Empfehlung  des  Besuchs  von  Kranken-  und  Irrenanstalten  lässt  sich  viel 
einwenden,  geradezu  komisch  wirkt  die  Erörterung,  wie  die  Vergiftung  naturg'etreu 
darzustellen  sei  und  das  erläuternde  Beispiel  der  Louise  in  „Kabale  und  Liebe",  die 
im  Tode  die  Symptome  der  Arsenikvergiftung  zu  geben  habe.  —  Der  Realismus  in 
der  Schauspielkunst3''2)  besteht  nach  Berger^'*^)  darin,  dass  der  Schauspieler  auch 
erdichteten  Ausdrucksmitteln  den  Anschein  verleihe,  als  seien  sie  der  Wirklichkeit 
abgelauscht.  —  Den  Stand  und  die  Lage  des  deutschen  Schauspielers^**'^*^)  be- 
leuchtet Wichers  von  Gogh^^*'),  mit  scharfer  Verurteilung  der  Kontrakte  und  Gre- 
setze.  Seine  Forderungen,  die  Besetzung  der  Rollen  habe  durch  die  Schauspieler 
selbst  stattzufinden,  es  stehe  ihnen  das  Recht  zu,  sich  überall  über  ein  Stück  frei  zu 
äussern  und  dgl.,  sind  mehr  als  sonderbar.  Fast  so  sonderbar  wie  die  Ansicht  des 
Recensenten,  der  die  Tage  der  Berufsmimen  überhaupt  gezählt  sieht.  — 

Vom  Technischen^^^)  des  Theaters  plaudert  Lindau^^'^)  in  einer  höchst 
anregenden  Studie  über  den  Regisseur  und  seine  Aufgabe,  die  sich  in  Inhaltsregie 
und  Formregie  teilt.  Die  erstere  war  einseitig  bei  Laube  ausgebildet,  von  dem 
einige  Aussprüche  citiert  werden.  Er  hebt  die  Sorgfalt  der  Meininger  in  der 
Inscenierung  hervor,  der  auch  Weidmann 3^^)  nach  den  Erfahrungen  bei  seinem 
eigenen  Stücke  das  höchste  Lob  zollt,  und  die  er  mit  der  unhistorischen  Ausstattung  des 
Münchener  Hoftheaters  kontrastiert.  Besondere  Anerkennung  erfährt,  dass  auf  dem 
„Theater  des  guten  Gewissens",  wie  er  die  Meininger  Bühne  nennt,  kein  Wort  aus 
„Jenseits  von  Gut  und  Böse"  gestrichen  war.  —  Fast  wie  eine  Erwiderung  auf  die 
oben  citierten  Ausführungen  Bulthaupts  klingen  die  Bemerkungen,  die  Schlenther^^^j 
an  die  Aufführung  des  französischen  Mimodramas  „Jean  Mayeux"  knüpft.  Auch  die 
Sprache  der  Gebärde  hat  ihr  Recht,  jeder  Stil  konsequent  durchgeführt  giebt  ein 
Bild  der  Natur.  Die  dramatische  Kunst  ist  keine  blosse  Kunst  der  Rede.  Vom  Stand- 
punkte des  Realismus  wird  im  Drama  überhaupt  zu  viel  geredet,  auch  ein  Stück 
wie  Shakespeares  „Irrungen"  dankt  seinen  neuen  Erfolg  in  Berlin  hauptsächlich 
der  Aktion.  — 

Wir  kommen  zu  dramaturgischen  Einzelheiten.  Das  Lustspiel  ent- 
steht nach  Alberti^^^J  nur  dann,  wenn  eine  Gesellschaft  vorhanden  und  zusammen- 
gesetzt ist.  Da  dies  in  Deutschland  nicht  der  Fall  ist,  so  waren  Bolz  und  Schmock  die 
einzigen  humoristischen  Gestalten  des  neueren  deutschen  Dramas.  Dann  that  Moser 
einen  glücklichen  Griff  mit  ,, Reif-Reiflingen",  indem  er  diese  Gestalt  einer  Kaste 
entnahm,  die  sicher  genug  ist,  über  ihre  eigene  Schwäche  zu  lachen.  —  Biltz-^^^) 
will  dem  Lustspiele  aufhelfen  durch  Verwertung  aller  socialen  und  politischen 
Zustände  der  Nation.  Den  Beweis,  dass  er  der  Mann  dazu,  erbringen  seine  Versuche 
leider  nicht.  — 

Wie  wenig  das  Gerichtsverfahren  im  Drama  dem  wirklichen  Vorgang*  ent- 
spricht, skizziert  Neuda^^''),  einige  Beispiele,  ohne  die  richtige  litterarische  Schätzung 
herausgreifend.  —  Dass  die  guten  Manieren  der  Gesellschaft  im  Drama  nicht  beobachtet 
werden,  zeigt  KroscheP^*"-'^^).  — 

Falsch  werden,  nach  Anna  Pötsch^^^),  die  Blinden  im  Schauspiel  charakteri- 
siert; selbst  Shakespeare  hat  den  Fehler  begangen,  Gobbo  im  Kaufmann  von  Venedig  die 
Stimmen  nicht  erkennen  und  Gloster  sich  über  den  Weg  täuschen  zu  lassen.  Von 
diesem  Standpunkt  aus  ist  „König  Renes  Tochter"  von  Hertz  eine  Meisterleistung.  ^^•*)  — 

Die  Frage  der  Censur  ist  durch  den  Prozess  um  die  „Weber"  in  den 
Vordergrund  getreten.  Für  Grelling-^^^J  ist  die  Theatercensur  ein  LJeberbleibsel  des 
Polizeistaats.  So  lange  sie  besteht,  kann  sie  nur  aus  dem  Gesichtspunkte  der 
Opportunität  gehandhabt  werden,  nach  lokalen  und  zeitlichen  Gründen.    Jedes  Verbot 

D.  Realismus  in  d.  Schanspielkanst:  ib.  N.  6.  —  344)  X  ^'^^  willst  du  worden?  D.  Berafsarten  d.  Mannes  in  Einzel- 
darstellungen. ]).  Schauspieler.  L.,  Beyer.  44  S.  M.  0,50.  ~  345)  X  M.  Kaufmann,  Schminke.  E.  Blick  hinter  d. 
Coulissen.  B.,  Lehmann.  32  S.  M  0,75.  —  346)  X  ö.  Engelsmann,  Schauspieler.  Direktoren  u.  Publikum:  WienerLZg. 
N.  11.  —  347)  X  0-  Teuber,  Hinter  d.  Coulissen.     E.  Wort  z.  Schauspieler-Elend:  Fromdenbl.  K  248.  —  348)  X  §  2.     An 

d.  dtsch.  Schauspieler.  E.  offenes  Wort  v.  Veritas.  B.,  Centralbuohh.  43  S.  M.  1,00.  -  349)  X  E.  Schugay,  Künstler  u. 
Komödianten:  Didask.  N.  100.  —  350)  0.  Wichers  v.  Gogh,  D.  Elend  d,  dtsch.  Schauspieler.  Zürich,  C.  Schmidt.  31  S. 
M.  0,50.  ![Ed.  B.:  NZS».  11,  S.  30ii8.),  —  351)  X  A.  Schütte,  Hinter  dem  Theatervorhang:  Didask.  N.  913.  -  352)  P. 
Lindau,  Bemerkungen  üb.  Regie  u.  Inscenierung:  N&S.  65,  S.  85-106,  227-42.    —    353)    J.  V.  Widmann,  Wie  d.  Meininger 

e.  neues  Stück  aufführen:  SchwRs.  1.  S.  364-73.  —  354l  (I  12:244.)  —  355)  C.  Alberti,  D.  dtsch.  Lustspiel:  Zukunft  3, 
S.C09-12.  —  356)(I12:236.)— 357)(112:234.)  |[A.  v.  Weilen:  DLZ.  N.  47.J|  -  358)  M.  K  rösche  1,  D.  guten  Manieren  u.  d.  Theater: 
Geg.  43,  S.  278,9.  —  359)  X  E-  Isolani,  Ueber  d.  Alter  auf  d.  Bühne:  DBühneng.  22,  S.  189-90.  —  360)  X  (I  12:232.)  — 
361)  X  Vi V US,  D.  Frau  auf  d.  Bühne:  WienerLZg.  N.  3.  —  362)  Anna  Pötsch,  Wahrheit  n.  Dichtung  über  Blinde:  Geg.  43, 
S.  118-22.    —    363)  X  *'•    T-  Salpins,  Kleinstädter- Typen    in  Altertum    u.  Neuzeit:    DBühneng.  22,  S.  326/7,  342  3.  —  364) 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  4 : 3ß5-a7i 

dräng-t  Stücke  wie  die  „Weber"  den  freien  Bühnen  zu  und  vergTÖssert  die  Gefähr- 
lichkeit.^^^)  —  Ihm  tritt  ein  Anonymus  scharf  entg-eg-en  (vg-l.  JBL,  1892  IV  4 :  180). 
Grelling'  hätte  hervorheben  müssen,  dass  in  den  „Webern"  überhaupt  keine  pohtische 
Tendenz  liege,  er  aber  behaupte,  dass  der  Dichter  nicht  auf  Seite  des  Aufruhrs 
stünde  und  verweise  demg-emäss  denunziatorisch  (?)  auf.  die  freien  Volksbühnen,  die 
socialdemokratische  Tendenzen  zur  Darstellung  bringen.''^''ö)  —  Wie  lebhaft  die  Frag-e 
in  Fluss  geraten  ist,  zeigt  die  durch  Franzos^^^)  veranstaltete  Enquete.  Bulthaupt 
spricht  sich  für  die  Censur  als  notwendiges  üebel  aus,  ähnlich  L'Arronge,  Wiehert, 
Barnay,  Devrient,  nur  wünschen  einig-e,  dieses  Amt  einer  höheren  Instanz  zu  über- 
tragen. Weitaus  gewichtiger  sind  die  Gegenstimmen,  deren  stärkste  in  Fuldas 
Schreiben  ertönt.  Nach  seiner  Ansicht  reicht  das  Strafgesetzbuch  für  den  Schutz  des 
Bürgers  vollkommen  aus,  die  Möglichkeit  einer  subjektiven  sittUchen  Gefahr  ist  bei 
keinem  Stück  ausgeschlossen.  Der  Prüderie  erscheint  die  Frivolität  anständiger  als 
die  Natürlichkeit.  Ihm  schliessen  sich  J.  Kohler,  Heyse,  Grelling,  Bernstein  und 
Lindau  an.  Der  letztere  giebt  einige  historische  Belege  und  hebt  hervor,  dass  der 
censurierende  Lektor  überhaupt  nicht  im  stände  ist,  nach  dem  Lesen  über  Sittlichkeit 
oder  ünsittlichkeit  zu  entscheiden.  Mitten  in  diese  anregende  Debatte  hinein  fiel 
das  Urteil  der  Oberverwaltung  über  das  Verbot  der  „Hanna  Jagert"  Hartlebens, 
durch  das  zwar  das  Urteil  selbst  aufgehoben,  aber  die  Rechtsgültigkeit  des  Instituts 
der  Theatercensur  unbedingt  anerkannt  wurde.  —  Die  Streichung  des  Theaters  aus 
der  Gewerbeordnung  und  eine  eigene  Gesetzgebung  und  Vertretung  im  Ministerium 
beantragt  Martersteig--^^*).  — 

Den  Uebergang  zur  Theatergeschichte  mögen  einige  Studien  zur  Bühnen- 
bearbeitung bilden.  Kilian^ß»)  findet  die  Hauptverschiedenheit  der  Shakespeareschen 
Dramen  von  den  modernen  in  der  Zersplitterung  der  Akte  in  kleine  Scenen  und  im 
Mangel  des  Vorhangs  begründet.  Da  muss  und  kann  der  Dramaturg  energisch  ein- 
greifen durch  festere  Verbindung  und  Aktabschlüsse,  wo  Shakespeare  zu  technischen 
Kunstgriffen  Zuflucht  nehmen  musste.  Alle  Vorteile  der  modernen  Scenierungskunst 
dürfen  auch  hier  zur  Geltung  gebracht  werden.  —  In  diesem  Sinne  berichtet  Kilian^''**) 
auch  über  eigene  Bearbeitungen  der  Königsdramen  für  die  Karlsruher  Bühne,  in  der 
Art  des  allerdings  zu  weitgehenden  Dingelstedt  auf  die  Theaterwirkung,  aber  mit 
stärkerem  Anschlüsse  an  das  Original  hinarbeitend.  Für  Heinrich  VI.  folgt  er 
Oechelhäuser,  der  den  2.  und  3.  Teil  in  ein  Stück  zusammenzog,  er  trifft  aber  eine 
Reihe  selbständiger  Aenderungen,  von  denen  die  bemerkenswerteste  die  Beseitigung  des 
ganzen  dritten  Akts,  des  Aufstandes  Cades,  ist.  —  Die  Geschichte  des  „Götz"  auf  der 
deutschen  Bühne  schildert  Scholte-Nollen"^"'),  über  dessen  Buch  ich  nur  nach 
dem  ausführlichen  Referate  Kilians  berichten  kann.  Er  unterscheidet'  zwei 
Gruppen  von  Bearbeitungen.  Die  eine  nach  dem  Texte  von  1773  ohne  Mitwirkung 
des  Dichters,  die  andere  von  1804  ab  auf  die  Goethesche  Bearbeitung  zui^ückgehend. 
H.  G.  Koch  brachte  das  Stück  1774  in  Berlin  mit  grossem  Erfolg,  es  verschwand 
aber  und  wurde  erst  1795  von  Fleck  wieder  hervorgeholt;  1805  brachte  Iffland 
Goethes  Bearbeitung.  Berlin  folgte  Hamburg;  Schröder  brachte  das  Stück  am 
24.  Oktober  in  einer,  bis  auf  kleine  Versehen  sinngemässen  Bearbeitung.  Koch  hielt 
sich  noch  konservativer;  ein  Zigeunerballet  wurde  eingelegt.  Kochs  Text  liegt  wohl 
der  Breslauer  Aufführung  bei  Wäser  1775  zu  Grunde.  In  Frankfurt  spielte  Abel 
Seyler  das  Stück  1778  oder  1779;  K.  teilt  mit,  dass  dieselbe  Truppe  es  schon  1776  in 
Dresden  gespielt  hatte.  Die  Mannheimer  Fassung  von  1786  bezeichnet  einen  be- 
dauerlichen Rückschritt.  Das  entsetzlich  zusammengestrichene  Stück  hatte  auch 
keinen  Erfolg.  Der  Bearbeiter  ist  wahrscheinlich  Rennschüb.  Merkwürdig  ist,  dass 
auch  nach  1804  noch  drei  Bearbeitungen  nach  dem  Texte  von  1773  in  Wien  entstanden. 
Das  Stück  wurde  unter  Hensler  im  Leopoldstädter  Theater  am  23.  April  1808  mit  Ge- 
sang in  einer  angeblich  von  Ehrimfeid  stammenden  Redaktion  gegeben,  1809  erschien 
Fr.  Grüners  Bearbeitung,  die  1810  am  Theater  an  der  Wien  gegeben  wurde,  eine 
wahre  „Rosskomödie",  willkürlich  ändernd  und  voll  Plattheiten.  Diskret  und  fein- 
fühlig stellte  Schreyvogel  1830  das  Stück  wieder  her,  mit  Kenntnis  des  eben  ge- 
nannten Vorgängers.  Goethes  Bearbeitung  wanderte  nach  Mannheim  1811,  wurde 
dort  stark  gekürzt,  und  ging  so  nach  Karlsruhe  1820.  Zumeist  nahmen  aber  die 
deutschen  Theater  den  Text  an,  welchen  die  Weimarer  Bühne  nach  der  Aufführung 
des  ungekürzten  Textes  der  Bearbeitung  (am  22.  Sept.  1804),  in  wesentlich  verkürzter 
Gestalt  am  8.  Dec.  hatte  in  Scene  gehen  lassen.  Ein  Konglomerat  der  Texte  von  1773 
und  1804  lieferte  Dingelstedt,  die  grosse  Adelheid-Scene  zur  Sensationsnummer  will- 


R.  Grelling,  Glossen  z.  Weberprozess:  ML.  62,  S.  649-52.  —  365)  Entweder  —  Oder:  NZ^t.  n,  s.  778-82.  -  366)  X  E. 
Wengraf,  D.  Theatercensur:  WienerLZg.  N.  9.  —  367)  0.  Frage  d.  Theater-Censur  :  DDiohtung.  13,  S.  22  7,  72  3,  124  6, 146  9, 
1736,  2512.  —  368)  (I  12:225.)  —  369)  E.  Kilian,  D.  scenischen  Formen  Shakespeares  in  ihrer  Beziehung  zu  d.  Aufführung 
seiner  Dramen  auf  d.  modern.  Bahne:  .JbDShakespeareGes.  28,  S.  90-110.  —  370)  id.,  D.  Königsdramen  auf  d.  Karlsruher 
Bühne.  Mit  bes.  Berücksichtig,  d.  Einrichtungen  t.  Heinrich  V.  u.  Heinrich  VI.:  ib.  S.  111-56.  —  371)  J.  Scholte-NoUen,  Goethes 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV.  (4)  1 4 


IV  4 : 372-.i78  A.  voii  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

kürlich  ausgestaltend.  Perfall  griff  1890  sogar  teilweise  auf  die  erste  Fassung  von 
1779  zurück,'  noch  weiter  ging  im  selben  Jahre  Devrient  in  Berlin,  der  lediglich 
auf  der  ältesten  Gestalt  des  Dramas  fusste  und  damit  auch  die  eine  Scene  zwischen 
der  Gräfin  Helfenstein  und  Metzler  für  das  Theater  gewann.  — 

Die  verstreuten  Abhandlungen  Vinckes  zur  Bühneng'eschichte  hat  Litz- 
mann ^^^j  zu  einer  Sammlung  vereinig-t.  Einige  wurden  anderweitig*  (s.  N.  18,23,  24,26, 
28)  angeführt.  Ich  kann  nicht  finden,  dass  diese  Hervorhebung"  von  Studien,  die  seiner 
Zeit  g-anz  schätzenswert  waren,  heute  aber  in  den  meisten  Punkten  längst  überholt 
sind,  einem  wirklichen  Bedürfnis  entspräche,  selbst  wo  teilweise  Nachträge  geboten 
werden.  Was  soll  z.  B.  ein  Aufsatz  über  die  Mannheimer  Schauspieler  Beil,  Beck 
und  Iffland,  wo  nicht  einmal  auf  die  Protokolle  des  Theaters  Rücksicht  genommen 
wird?  Ich  hebe  die  Studie  über  die  Bearbeitungen  der  Sheridanschen  Lästerschule  in 
Deutschland,  und  die  höchst  flüchtig-e  über  das  spanische  Schauspiel  in  Deutschland 
hervor.  — 

Ebenso  wenig  als  der  Bericht  über  Dramaturgisches  die  im  ewigen  Einerlei  sich 
wiederholenden  Klagen  und  Verbesserungsvorschläge  auch  nur  in  den  Anmerkungen 
verzeichnen  könnte,  ist  es  auf  dem  noch  immer  recht  schwach  bestellten  Gebiete  der 
Theatergeschichte    mög"lich,     all    den    Anekdotenkram    und    die    verstreuten    un- 
wissenschaftlichen Notizen  zu    buchen.    Dem    praktischen    Bedürfnisse    des    Theater- 
freundes soll  das  allgemeine ^''3)  Verzeichnis  der  Theaterstücke    der  Weltlitteratur, 
das    im    vorigen     Berichtsjahr    übersehen    wurde,    dienen.     Ob    die    dem    Scenarium 
folg"enden    nackten   Inhaltsangaben    wirklich   jemandem    nützen   werden?     Ueber    die 
Auswahl    kann   man   manchmal    den   Kopf  schütteln.     Das  Wiener  Theater   ist  sehr 
spärlich  berücksichtigt.     Von  Bauernfeld  fehlt  u.  a.  „Krisen",  „Aus  der  Gesellschaft"; 
von  Fulda  erscheinen  nur   die  Jugendstücke.     Bei  Hebbel  fehlt  „Maria  Magdalena", 
bei  Lindau  „Ein  Erfolg",   gar   nicht    erscheinen    Hopfen,    Costa    und  andere.  —  Das 
Gegenunternehmen    von    Melitz^''*)    ist    mir    leider    nicht  zugeg-angen.  —  Auf  dem 
Umfang  von  104  Seiten  die  ganze  Theatergeschichte,   noch    dazu  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung" der  modernen  Bühne  darzustellen,  war  ein  schwieriges  Unternehmen. 
Es  ist  auch  Heine ^'^J,  wenigstens  im  historischen  Teile,  nicht  übermässig"  geglückt. 
Schon  die  Einteilung  in  Kapitel:    Die  Unbehausten,    Das  Heim    an  den  Höfen,    Das 
Heim  in  den  Städten,    Im  neuen    deutschen  Reich    verschwimmt,    besonders    wie  H. 
sie   durchführt,  im  2.  und  3.  Abschnitte  vollständig.     Zahlreich  begegnen  uns  schiefe 
Urteile  wie:    Ackermann  hat  im  Vereine  mit  Eckhof  (sie!)  dem  gesunden  Realismus 
Bahn  gebrochen.     Es  passiert  ihm  der  bedenkliche  Lapsus,  das  Wort  Lessings  über 
Gottsched  als  Verderber  des  deutschen  Theaters  in  der  Hamburgischen  Dramaturgie 
zu  suchen.     Kein  W^ort  über    die  Entwicklung    des    Bühnenwesens,    kaum    eine    An- 
deutung über  die  Einbürgerung  Shakespeares,  dagegen  wird  der   „27.  Februar"  aus- 
führlich besprochen.     Geradezu    erheiternd    ist  seine  Unkentnis  des  W^iener  Theaters. 
Da  heisst  es :  „Hier  wirkten  Sartori,  J.  Schuster  und  Korntheuer,  der  durch  die  Aus- 
bildung einer  besonderen  Staberl-Maske  sich  zum  Liebling  des  Publikums  machte." 
Das  Theater  an  der  Wien  ,, verwandelte  sich  1829  in   das  Karl-Theater".    Das  Burg- 
theater wird  recht   flüchtig"  behandelt,  aus  Laubes  Repertoire    hebt  er  besonders  den 
Erbförster    und    den    „allerliebsten"    Königslieutenant    hervor.     Sicherer  bewegt  sich 
H.  in  der  Neuzeit;  was  er  über  Gewerbefreiheit   und  Sprache    der  modernen   Bühne 
vorbringt,  ist  recht  gut,  die  Charakteristik  der  Meininger  ebenfalls  ansprechend.  Mit 
ruhigem  Blick  weist  er  die  Volksbühnen  zurück.     Nur  hätte  ich  auch  hier  die  vielen 
Namen  mit  den  charakterisierenden  Beiworten  gerne  vermisst.     Er  sieht  in  der  g"rossen 
Beschäftigung  mit  dem  Theater  eine  Wendung  zum  Besseren.     Das  sich  gegenwärtig" 
entwickelnde  Drama  scheint  ihm  den  Realismus  der  Form  beizubehalten,  aber  einen 
Inhalt    zu    suchen.      Es    wird  Leute  geben,     die    gerade    das   Gegenteil    behaupten. 
—  Bei  Gelegenheit  der  Besprechung"  des  Heineschen  Buches  über  die  Wandertruppen 
hebt  Ellinge r3''6)  die  Notwendig"keit  hervor,  für  ihr  Repertoire  das  Puppenspiel  zu 
Hülfe  zunehmen.  —  Ueber  deutsche  Truppen    in  Dänemark    berichtet  Paludan-^"''). 
1663  erschien   in  Kopenhagen  eine  niederländische  Truppe    des  J.  A.  Wulff,  dessen 
Hauptspieler  der  bekannte  M.  D.  Treu  ist,    zu  gleicher   Zeit  kam  A.  Pandszen,  1672 
C.  Andreas  (Paulsen)  u.  a.     Auch  die  Witwe  Velthen   scheint  im  J.  1703  in  Kopen- 
hagen gewesen  zu  sein.  Einige  Zettel  werden  mitgeteilt:  Von  der  „Prinzessin  Adamira", 
(um  1707),  der  „Verirrte  Liebessoldat"  und  „Der  eiserne  Tisch".     Die  beiden  Stücke 
stammen  aus  dem  Repertoire  Denners,  der  mit  Joh.  Spiegelberg  in  Kopenhagen  war 


Götzv.Berlichingen  auf  d.  Bahne.  Diss.  L.,(0. Schmidt).  133  S.  | [M.Koch:  BFDH.  10,  S.  225;  E.  Kilian:  AZg».  N.  205  6.J|  (Vgl. 
IV8e:10/l.)—  372)  Ö.Frhr.v.Vincke,  Ges.  Aufsätze  z.Bühnengescb.  Her.  v.  B.  Litzmann.  (=  TheatergesehF.  VI.)  Hamburg  u.L., 
Voss.  254 S.  M.5,00.  |fE.  Kilian:  DLZ.  S.945,7.J|  -  373)  D.  Theaterstücke  d.  Weltlitt., ihrem  Inhalte  nach  wiedergegeben.  B.,  L., 
Budapest.  Fried.  1892.  XVI,  648  S.  M.  3,00.  —  374)  O  (1 1 :  162. )  -  375)  C  H  e  i  n  e ,  D.  Theater  in  Deutschland.  Seine  gesch.  Entwicklung 
u.  kulturelle  Bedeutung  bis  z.  Gegenw.  (=  Lessers  Handbibl.  für  Zeitungsleser.  Bd.  IH.)  Einbeck,  Lesser.  VI,  104  S.  M.  1,25. 
—  376)  (111  4:27.)  —  377)  (in  4:35.)  -  378)Xt!.  Alberti,  D.  Hervorruf  im  Theater:  FeuilletZ.  N.  478.  (Auch  Fremdenbl. 


A.  von  Weilen,  Diania  und  Theaterg-eschichto  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV 4: 379-402 

und  auch  den  Gryphiusschen  ,.Papinian"  in  Hasscarls  Verarbeitung-  spielte.  P.  kon- 
statiert auch  die  Anwesenheit  eines  Christian  Spiegelberg.  Nach  1720  kamen  keine 
Wandertruppen  mehr.  In  diesem  Jahr  und  1722  traf  Eckenberg-  mit  Seiltänzern  ein. 
Mit  den  dänischen  Komödianten  wetteiferte  Salomon  Paulsen  von  Quoten,  der  früher 
Soldat,  dann  Zahnbrecher  und  Okulist  gewesen  war.  Er  spielte  von  1715  ab  wieder- 
holt, aus  seinem  Repertoire  werden  einige  Titel  mitgeteilt.  3'^"-^'*'')  —  Eine  Reihe  von 
berühmten  Theaterskandalen  registriert  Sternberg •'^').  1734  wurde  in  Braunschweig 
bei  einem  Trauerspiele  vom  Magistrat  das  Lachen  verboten.  —  Aus  der  Geschichte 
der  Theaterkritik ^i^^)  wird  ein  interessanter  Fall  erzählt:  1828  erhielt  Gubitz  als 
Redakteur  des  „Gesellschafter"  eine  Verwarnung,  mit  dem  Bedeuten,  dass  eine 
tadelnde  Kritik  eines  auf  der  Königlichen  Bühne  vorgestellten  Schauspiels  erst  zu- 
lässig- sei,  bis  es  entweder  dreimal  gegeben  oder  im  Zeitraum  von  14  Tag-en  nicht 
so  oft  aufgeführt  worden  sei.  — 

Zur  Theatergeschichte  einzelner  Städte^^^-^^*).  Trotz  des  grossen  Um- 
fanges  bietet  die  Studie  über  das  Theater  in  B  a  m  b  e  r  g  von  L  e  i  s  t  ^s^),  wie  leider  die  meisten 
derartigen  Monographien,  fast  nichts  litterarisch  und  geschichtlich  Wertvolles.  Die 
Quellen,  die  dem  Vf.  vorlagen,  sind  auch  ausserordentlich  dürftig.  Nicht  einmal  über 
E.  T.  A,  Hoffmann  und  Holbein,  die  interessantesten  Persönlichkeiten,  die  für  diese 
Bühne  gewirkt,  erfahren  wir  etwas  Neues.  — 

Ein  kleiner  ArtikeP^ß)  erinnert  gelegentlich  der  Eröffnung  des  „Theaters  Unter 
den  Linden"  an  das  Schuchsche  Theater  in  der  Behrenstrasse  in  Berlin. ^^'J  —  Einen 
scharfen  Angriff  gegen  die  Hofbühne  richtet  Verdi ng^^^*)  bei  Musterung  der  geringen 
Novitätenausbeute  des  verflossenen  Jahres.  Die  Lässigkeit  der  Berliner  Bühne,  die  eines 
wirklichen  Dramaturgen  bedarf,  wirkt  lähmend  auf  die  deutschen  Theater.  Sie  soll 
nationale  Dichtung-  fördern  und  echte  Talente.  „Herrn  Hauptmann  zählen  wir  nicht 
zu  den  Dramatikern."  (l)  —  Aehnliches  erhofft  Lorenz^^''J  vom  Schiller-Theater.  — 
Im  „Ronacher"  sieht  Elias^''**)  ein  Institut,  das  zwischen  Kunst  und  Gesellschaft  zu 
vermitteln  berufen  ist;  künstlerische  Freude  an  der  Form  zu  bereiten  ist  seine 
Sendung.  —  Ein  französischer  Kritiker^'**)  tadelt  an  der  Berliner  Vasantasena-Vorstellung 
die  brutale  Kunst  der  deutschen  Schauspieler,  bewundert  aber  die  Volksscenen.3"2j  _ 

Nicht  viel  mehr  als  aus  Hagens  Buche,  das  nur  in  den  preussischen  Provinzial- 
Blättern  erschienen  sein  soll,  erfahren  wir  aus  der  Geschichte  des  Theaters  in 
Danzig  von  Rub^^-'j.  Er  registriert  die  Truppen,  ohne  die  Litteratur  gehörig  zu 
kennen,  bei  Schönemann  erwähnt  er  den  „Bocksbeutel",  dessen  Titel  der  Namen  einer 
Person  sein  soll.  Mit  Karoline  Schuch  erschien  J.  F.  Kurz  1771  und  1772,  ohne  dass 
seine  Bernardoniaden  hier  grossen  Beifall  fanden.  1784  wurden  die  ,, Räuber"  als 
unmoralisches,  sittenbeleidigendes  Stück  verboten,  — 

Was  über  die  Bühneng-eschichte  der  Schillerschen  Jugenddramen  in  Frank- 
furt a.  M.  uns  Elisabeth  MentzeP^*)  erzählt,  war  schon  im  Vorjahr  an  anderem 
Orte  erwähnt,  es  sei  hier  nur  wegen  der  eingefügten  Biographie  Grossmanns  nochmals 
hervorgehoben.  —  Interessant  weiss  Elisabeth  MentzeP^^)  auch  über  die  Auffuhr  ung 
Lessingscher  Dramen  zu  berichten.  J.  von  Kurz  brachte  1767,  wie  er  behauptet  und  die 
Vf.  etwas  leichthin  glaubt,  die  ,, Minna  von  Barnhelm"  zur  ersten  Aufführung,  wahr- 
scheinlich Ende  Sept.  oder  Anfang  Okt.  Auch  den  „Freigeist"  kündigt  er  1768  als 
Novität  an.  Er  gab  überhaupt  viele  ernste  Stücke,  auch  die  Aufführung  der  „Eugenie" 
von  Beaumarchais  (1768)  ist  vielleicht  die  erste  in  Deutschland. ^*^ö'397j  _ 

Die  Geschichte  des  Thalia  -  Theaters  in  Hamburg  erzählt  chronikartig 
Schön wald^^s).  —  Ein  hübsches  Porträtwerk^^-'^),  die  Künstler  der  Hamburger 
Bühnen  darstellend,  gab  die  Firma  Fritzsche  heraus,^<'ö-40ij  _ 

Einen  wertvollen  Beitrag  liefert  für  die  Geschichte  des  Karlsruher  Hof- 
theaters   unter   E.  Devrient    der    oft   genannte  Dramaturg  Kilian*02j     g^n  Artikel 

N.  242  usw.)  —  379)  X  K.  Spitteler,  Etwas  vom  Theaterzettel:  Kw.  6,  S.  321/2.  —  380)  X  Schanspieler-Gehalte  v.  Einst: 
Didask.  N.  121.  —  381)  H.  Sternberg,  Denkwürdige  Theaterskundale:  DBühneng.  22,  S.  89-91.  —  382)  D.  goldene  Zeitalter 
d.  Theaterkritik:  Didask.  N.  109.  —  383)  X  J-  Knopf,  Theater-Statistisches:  Bühne  n.  Leben  S.  84.  —  3841  X  Gedenk- n. 
Jubeltage:  NTheaterAlm.  4.  S.  71-101.  —  385)  O  (HI  4:29.)  —  386)  D.  Theater  Unter  d.  Linden:  Bär  19,  S.  171  4.  —  387)  X 
D.  Brand  d.  Berliner  Kgl.  Opernhauses  vor  50  J. :  VossZg.  N.  385,  387.  —  388)  G.  Veiding,  D.  künstler.  Leistungen  d. 
Kgl.  preuss.  Hofbühnen  im  .1.  1892:  20.  Jh.  3,  S.  253  8.  —  389)  G.  R.  Lorenz,  D.  Aufgaben  d.  Schiller- Theaters:  Geg.  44, 
S.  2046.  —  390>  J.  Elias,  „Ronacher«:  Nation".  10,  S.  15  6.  —  391)  Dtsch.  Schauspielkunst  in  französ.  Augen :  Kw.  6,  S.  325,6. 
—  392)  X  D-  Jnl>il-  ä-  Bremer  Stadttheaters:  SchorersFamilienbl.  N.  41.  —  393)  (lU  4:32.)-  394)  Elisabeth  Mentzel, 
Schillers  Jugenddranien  z.  ersten  Mnle  auf  d.  Frankfurter  Bühne.  II.  D.Verschwörung  d.Fiesco,  Kabale  u.  Liebe  u.  Don  Carlos: 
AFrankfG.  4,  S.  64-160.  |LE.  Kilian:  AZg«.  N.  4l'.j|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  9  :  65,  65a,  74.)  —  395)  id.,  Lessings  Minna 
V.  Bariihelm  n.  Freigeist  auf  der  Frankfurter  Bühne  in  d  J.  1767  u.  68:  ib.  S.  375-84.  (Vgl.  IV  6.)  —  396)  X  H.  Becker, 
D.  Schaubühne  im  alten  „Krachbein"  in  Frankfurt  a.  M.:  DBühneng.  22,  S.  138,9,  149-50.  —  397)  X  (lU  4:31.)  —  398)  A. 
Schönwald,  D.  Thalia-Theater  in  Hamburg  1843-93.  Festschrift.  Hamburg,  Raderaacher.  114  S.  M.  2,00.  || DBühneng.  22, 
S.  390,1.J|  —  399)  Künstler-Album  d.  Opern-  u.  Schauspiel-Ensembles  d.  vereinigten  Stadttheater  zu  Hamburg.  Saison  1892-93. 
Hamburg,  Pritsche.  Fol.  30  Bl.  M.  4,75.  —  400)  X  Tb.  Mehrin  g,  Ueber  d.  Hamburger  Theaterlogen  vor  200  J.: 
DBühneng.  22,  S.  318.  —  401)  X  D.  50j.  Jnbil.  d.  Thalia-Theaters  in  Hamburg:  ib.  S.  3901.  ||Didask.  N.  266.]|  --  402)  E. 
Kilian,  D.  Karlsruher  Holtheater  unter  E.  Devrient.  Karlsruhe,  Braun.  VH,  167  S.  M.  2,00.  [AZg".  N.  148;  H.  Sitten- 
berger:  WienerLZg.  N.  9;StrassbPost.  N.  171;  ElisabethMentzel:  Didask.  N.  124;  F.  Kunkel:  BerlTBl.  N.  338;  A.Bette  1- 

(4)14* 


IV 4: 403-417  A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des   18. /19.  Jahrhunderts. 

Koffkas  in  der  Badischen  Landeszeitung"  charakterisiert  die  Desorganisation  des 
Theaters,  die  zu  heben  Devrient  1852  aus  Dresden  berufen  wurde.  Schon  nach  zwei 
Jahren  kann  der  obengenannte  Recensent  die  Verdienste  hervorheben,  die  sich  der 
neue  Leiter  erworben,  besonders  durch  Einführung'  Shakespeares,  zum  Teil  in  eigenen 
Bearbeitungen,  und  durch  sorgfältige  Pflege  der  Klassiker.  Grillparzer  aber  kommt 
nur  sehr  selten  zu  Wort.  In  seiner  Einrichtung  des  „Richter  von  Zalamea"  hat  er  schon 
von  der  geteilten  Bühne  Gebrauch  gemacht.  Von  bedeutenden  Dichtern  der  Neuzeit 
brachte  er  besonders  G.  Freytag  zur  Geltung.  Auch  interessante  Experimente  wie 
Immermanns  „Andreas  Hofer"  (i861),  Uhlands  „Herzog  Ernst"  (1868)  fehlen  nicht. 
Ablehnend  hält  er  sich  gegen  die  Franzosen.  Auch  das  Opernrepertoire  baut  er  auf 
klassischer  Grundlage  auf.  Der  Schwerpunkt  lag  in  dem  stilvollen  Zusammenspiel, 
dem  sein  ausgezeichnetes  Lehrtalent  zu  gute  kam.  So  schuf  er  eine  kleine  Muster- 
bühne, ähnlich  der  Immermanns.  Aus  seiner  Hs.  teilt  im  Anhange  0.  Devrient 
Aufzeichnungen  über  die  Berufung'  mit,  der  er  nur  zögernd  folgt,  weil  die  Freude, 
neu  zu  schaffen,  mit  dem  Kummer,  nicht  mehr  zu  spielen,  in  ihm  streiten.  Den 
Ausschlag  giebt,  trotz  aller  Verdriesslichkeiten,  die  persönliche  Liebenswürdigkeit  des 
Prinzregenten.  Noch  1857  fühlt  er  sich  in  dem  Gedanken  zufrieden,  hier  alles  durch- 
geführt zu  haben,  was  er  gekonnt  und  beabsichtigt.*"^)  — 

Für  München  mustert,  unter  grosser  Anerkennung,  Bierbaum ^o*)  (\[(^, 
Leistungen  Perfalls,  die  in  der  Einführung  Ibsens  und  Schaffung  der  Münchener 
Oper  gipfeln.  Zu  scharf  tadelt  er  den  Kultus  der  Franzosen  und  fordert  für  die 
Zukunft  Befreiung  von  der  künstlerischen  Bevormundung  Berlins  und  grösseren  Stil 
in  der  Darstellung.  Den  meisten  Raum  des  Buches  nehmen  die  statistischen  Angaben 
wie  die  nicht  besonders  gehmgenen  Porträts  der  Mitglieder  ein.^oäj  —  Die  Jubiläums- 
schrift des  ,,Bberlbräu"*"^)  birgt  hübsche  Beiträge  zur  Geschichte  der  Münchener 
Bühne.  1745  wurde  die  Tenne  zu  einem  „Comoedienstadel"  umgewandelt,  auf  dem 
eine  Reihe  von  Truppen  wie  Steph.  Mayer,  Borsch  von  WaUrode,  Kurz  (1768)  u.  a. 
erscheinen.  Zu  der  Truppe  von  Lorenzoni  und  Sartori  trat  Niesser,  der  bei  Teresina 
Kurz  seine  Ausbildung  gefunden,  und  reformierte  das  Theater,  das  er  bald  allein  über- 
nahm. 1771  wurde  dort  als  erstes  regelmässiges  Stück  die  Wirtschafterin  von 
Stephanie  d.  Ae.  gegeben.  Ein  Protest  der  Stadtmusikanten  gegen  sein  Spiel  während 
der  Adventzeit  hatte  keinen  Erfolg.  Obwohl  Niesser  auch  1773  das  Opernhaus  erhielt, 
behielt  er  dieses  Theater  noch  eine  Zeit  weiter  und  brachte  noch  die  „Minna  von 
Barnhelm"  1774.  Die  Truppe  löste  sich  1778  auf;  bei  der  letzten  Vorstellung  „Romeo 
und  Julie"  hielt  die  Darstellerin  der  Julie,  nachdem  sie  das  Gift  genommen,  eine 
Abschiedsrede  an  die  Zuschauer.  *07-408-)  _ 

Eine  höchst  oberflächliche,  nur  die  landläufigsten  Notizen  zusammenraffende 
Arbeit  liefert  Lentner*«»)  über  die  Hanswurstkomödie,  vornehmlich  in  Wien. — 
Ueber  die  Neujahrsgaben  der  Wiener  Komiker  Stranitzky  und  Prehauser  berichtet 
Weilen'*^'*),  bei  erstgenaniitem  kurz  auf  Benutzung  Grimmeishausens  und  Callenbachs 
hinweisend.  —  Auf  Faustdramen  der  Wiener  Bühne  verweist  Werner^i').  Er  citiert 
eine  Kritik  Hebenstreits  aus  der  Wiener  Mode-Zeitung  von  1816  über  eine  Vor- 
stellung des  „Faust"  von  weiland  Kringsteiner  im  Leopoldstädter  Theater  (vgl. 
Goedeke  5,  S.  342);  1818  wurde  daselbst  Bäuerles  Posse  „Der  Schatten  von  B^austs 
Weibe"  gegeben.  Aehnlich  ist  ein  Stück,  „Faust  im  18.  Jh.,  Singspiel  in  3  Akten", 
hs.  in  der  Hofbibliothek  erhalten.  Es  benutzt  Motive  des  Faustdramas,  um  den  Frei- 
herrn von  Faust  von  seiner  Schuldenmacherei  zu  heilen  und  zu  seiner  Braut  zurück- 
zuführen. Grosse  Zauberscenen  sind  eingefügt.  —  Näheres  über  die  Aufführung  des 
Götz  (s.  N.  371)  im  Leopoldstädter  Theater  1808  teilt  Kilian^'^^  mit.  Er  ist 
mit  specieller  Berücksichtigung  dieser  Bühne  um  einen  Schneider  Sindelfinger  samt 
Familie  und  eine  Marketenderin  bereichert  worden,  vielleicht  wurde  die  Bauern- 
hochzeit des  Götz  von  1773  dazu  benutzt.  Erasmus  von  Onoldsbach  ist  offenbar 
Olearius,  Liebetraut  ist  ein  „Meistersänger".  Die  Maximilian-Scene  fehlt  nicht,  im 
Gegensatz  zu  den  späteren  Wiener  Bearbeitungen.  EigentümUch  ist  die  Teilung  in  vier 
Akte.  —  Das  Sündenregister  der  neuen  Burgtheater-Direktion  führt  ein  Anonymus*'^), 
nach  dem  unsicheren  Tasten  in  moderner  Litteratur  Rückkehr  zum  Alten  fordernd*'*"*'^). 
—  Einen  bösen  Nekrolog  hält  Marsop*'^)  der  Musik-  und  Theaterausstellung.     An 

heim:  NationU.  10,  S.  555/7;  DBahneng.  22,  S.  167,  183/4.JI  —  403)  X  Wer  ist  schuld?  Betrachtungen  über  d.  Leipziger 
Stadttheater  v.  e.  The.ilerfreund.  L.,  Eeussner.  21  S.  M.  0,50.  —  404)  0.  J.  Bi erbau m,  25  J.  Mfinchener  Hof- 
theater-Gesch.  München,  Albert.  1892.  90  S.  M.  4,00.  |[E.  Kilian:  DLZ.  S.  373/5;  L.  Fränkel:  BLU.  S.  345/6;  M.  G. 
Conrad:  Ges.  S.  1145;  DDichtung.  15,  S.  79-80.]  —  405)  O  Z-  Münchenev  Tlieatergesch.:  TglRs".  N.  166,7.  —  406) 
(I  4:275;  III  4:30.)  —  407)  X  A..  Elger,  D.  Dilettanten-Theater  in  Reiohstadt:  MNordböhraExcnrsClub.  16,  S.  149-51.  — 
408)  X  B-  Stern,  D.  Anfänge  d.  Theaters  in  Enssland:  AllgKunstChr.  S.  333/7,  372/4,  411/2.  —  409)  F.  Lentner,  Dtsch. 
Volkskomödie  u.  Salzburgisches  Hanswurstspiel.  Studie  über  d.  Entwicklnngs- u.  d.  Rechtsgang  d.  Bühnenwesens  in  Oesterreich. 
Innsbruck,  Wagner.  39  S.  M.  1,00.  —  410)  (1  4:5.5.)  —  411)  R-  M.  Werner,  Z.  Faustsage.  I.  E.  unbekanntes  Faustdrama: 
GJb.  14,  S.  245-64.  (Vgl.  IV  8e  :  62.)  —  412)  E.  Kilian,  Z.  Hühnengesch.  d.  Götz  t.  Berlichingen:  ib.  S.  2768.  (Vgl. 
IV  8o:  12.)  —  413)  Im  neuen  Burgtheater.  Krit.  Streiflichter.  2.  Aufl.  L.,  Schnitze.  35  S.  M.  0,50.  —  414)  X  A.  Bettel- 
heim, Billige  Mustervorstellungen :  Nation".  10,  S.  188.  —  415)  X  K.  Goldmann,  D.  Raimund-Theater  in  Wien:  DBühneng. 22, 
S.  82/3.    —    416)   X    L.  Hevesi,   D.  Raimund-Theater:  Fremdenbl.  N.  :124.    —    417)  P.  Marsop,  Gegen  Theater-  n.  Musik- 


A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./in.  Jahrhunderts.  IV4:4i8-*52 

und  für  sich  ist  ein  derartiges  Unternehmen  widersinnig",  hier  wurde  es  unter 
Leitung"  von  Dilettanten  unmög-lich.  Eine  zusammenhängende  Darstellung  war  nicht 
zu  bieten,  trotz  des  Fleisses,  der  von  Fachleuten  aufgewendet  worden,  auch  der  Ge- 
lehrte habe  nicht  den  g-ering-sten  Nutzen  davon  gehabt.  Er  plädiert  für  Musik-  und 
Theatermuseen  in  grossen  Städten.  Die  einzig  richtige  Musik-  und  Theateraus- 
stellung bleibe  aber  eine  gute  Aufführung.  — 

Angesichts  der  ausführlich  darg-elegten  Missstände  des  Würz  burger  Theaters 
wünscht  NeaH'^)  dring-end  die  Uebernahme  in  städtische  Regie.* •'•'-^^o-)  _ 

Zahlreiche  unbedeutende  biographische  Notizen  über  Schauspieler  und 
Bühnenangehörige  sind  im  Org-an  der  deutschen  Bühnengeijossenschaft  und  ander- 
weitig verstreut.  Auch  die  ADB.  führt  eine  ganze  Reihe  von  Bühnenkünstlern 
yoi..43o-436-)  Hervorzuheben  ist  Cr  ei zenachs*^'')  Biographie  des  englischen  Banden- 
führers Spencer.  —  Dass  Veiten  durch  Oberst  van  Staden  1672  mit  einer  Truppe 
von  12  Personen  nach  Moskau  berufen  wurde,  teilt  Nehring*^^)  mit.  —  In  P.  A. 
Schraders  Scherzen  (1762)  findet  FränkeH^")  einen  interessanten  Passus  über  den 
berüchtigten  Prinzipal  Reibehand  und  ähnliche  sohlechte  Schauspieler:  „Wennsich 
die  Schönen  nicht  würden  sehen  lassen,  w^elcher  junge  Herr  würde  einen  Faust 
sehen  wollen."  —  Litzmann^^o^  charakterisiert  Ackermanns  letzte  Rolle,  den 
Korporal  Kauzer  in  Stephanies  „Werbern"  1771.  —  Die  beiden  Stephanie  hat 
Walzel44i)  g-ut  behandelt.  Der  ältere  wurde  trotz  ehrlichen  Strebens  eine  Last  für 
das  Burgtheater  als  Künstler  und  Dichter.  Viel  gewandter  zeigte  sich  der  jüngere  in 
beiden  Fächern,  er  bereitet  Kotzebue  vor  und  erinnert  in  der  Leichtigkeit  seiner 
Produktion  an  Holtei.  —  Des  hundertjährigen  Todestag-s  Döbbelins  wurde  mehrfach 
g-edacht.  442-4443  — 

Der  erste  Band  der  Schröder-Biographie  von  Litzmann  (vgl.  .TBL.  1890 
IV  4:166)  wird  von  Sau  er  445)  bei  grösster  Anerkennung  als  zu  umfangreich  und 
im  Ausdrucke  schwülstig-  bezeichnet.  S.  hebt  in  einer  allg-emeinen  Betrachtung  die 
Missstände,  welche  der  theaterg-eschichtlichen  Forschung  anhaften,  hervor.  —  Ueber 
den  vornehmen  Anstand  auf  der  Bühne,  den  Ph.  Ed.  Devrient  Schröder  zu  Gunsten  Ifflands 
abstreitet,  führt  Vincke446)  die  entgegengesetzten  Zeug-nisse  Meyers  und  Schinks  an. 
—  Das  Rundschreiben  Schröders  zur  (Gründung  einer  deutschen  Theater-Pensions- 
anstalt wurde  bei  der  Gedenkfeier  in  das  g-ebührende  Licht  gestellt,  und  seine  Ver- 
dienste werden  auch  in  dieser  Richtung"  g'efeiert.447-440ii3  _ 

Einen  seiner  Schauspieler,  R.  D.  Steg  mann  (1751  —  1826),  der  ihm  vor- 
nehmlich als  Komponist  von  Nutzen  wurde,  behandelt  Lier*^«).  —  Koch45i)  ver- 
öffentlicht zu  P.  A.  Wolffs  Aufnahme  in  Weimar  die  besorgten  Briefe  der  Mutter 
über  die  von  ihr  und  den  Seinen  nicht  gebilligte  Berufswahl  und  Goethes  beruhigende 
Antwort  vom  1.  Sept.  1803.  Er  giebt  ferner  Auszüge  aus  Familienbriefen  und 
eigene  Briefe  Wolffs  aus  seiner  Berliner  Zeit,  die  manches  Interessante  für  den  Schau- 
spieler und  Schriftsteller  bieten.  —  Geiger452)  teilt  hübsche  Briefe  Marianne  von 
Eybenbergs  mit,  die  an  Cioethe  über  das  Theater  berichten.  Aus  Berlin  melden  sie  1796 
über  Ifflan  d  s  Essig-händler;  er  habe  einen  alten  Deutschen,  aber  nicht  einen  Franzosen 
gespielt.  1798  hat  Marianne  mit  Fleck  gesprochen,  wohl  ohne  Auftrag  Goethes, 
und  ihn  geneigt  gefunden  nach  Weimar  zu  gehen.  Sie  teilt  auch  eine  Art  Xenion 
F.  Schlegels  auf  IfTland  mit,  das  sagt,  er  sei  ein  „bouffon,  den  die  Moral  debauchiert 
hätte".  Aus  Wien  1803  weiss  sie  nicht  viel  Gutes  über  die  Hoftheater  zu  sagen. 
Sie  werden  „täglich  schlechter  und  erbärmlicher,  dass  wir  nichts  als  Ifflandiaden  oder 
was  noch  ärger  Kotzebuejaden  sehen  müssen",  und  Schikaneder  giebt  Opern  mit  ver- 

ausstelliingen :  AZg^'.  N.  141.  —  418)  M.  Neal,  D.  Reform  d.  Würzburger  Sfadttlieatere.  E.  Signalrakele  zu  Itommender 
Saison.  Wiirzbnrg,  Dornauer.  44  S.  M.  0,50  —  419)  X  J-.  Schanspieler-GedenVtage:  DBühneng.  22,  S.  98.  (J.  F.  Rüthling 
u.  C.  W.  Unzelmann.)  -  420)  X  F-  Katt,  Christiana  FriederiVa  Weidner:  ib.  S.  29-30.  —  421)  X  A.  J.  Weltner,  D.  erste 
Melitta.  Z.  50.  Todestage  v.  Willielniine  Korn:  Fremdenbl.  N.  253.  —  422)  X  J-  Neumann,  Naclirnf  an  Polyxena  Boclte: 
DBühneng.  22,  S.  15.  -  423)  X  B-  Heibig,  Francisca  Berg:  ib.  S.  157.  —  424)  X  J-  Lewinsky,  Thron  n.  Bühne.  Hof- 
konzerte n.  Theater-Eeminiscenzen.  (=  Ecksteins  Reisebibl.  N.  37.)  B.,  Eckstein.  96  S.  M,  1,00.  (Enth.  Biographisches  v. 
Scholz  n.  Nestroy.)  —  425)  X  F-  Walter,  J.  M.  Boeck  (gest.  18.  Juli  1893):  FZg.  N.  197.  -  426)  X  J.  Hart,  Marie  Nie- 
mann- Seebach:  VelhagenKlasingsMh.  1,  8.  53/6.  —  427)  X  E.  Zabel,  Nuscha  Bntze:  IllZg.  l,  S.  801,2.  —  428)  X  A.  Bartels, 
F.  Mitterwurzer  u.  d.  Schauspielkunst:  Didask.  N.  154.  —  429)  X  C.  v.  Vincenti,  Charlotte  Wolter:  VelhagenKlasingsMh.  1, 
S.  640,2.  —  430)  X  H.  A.  Lier,  J.  A.  Stenzel:  ADB.  36,  S.  57/8.  -  431)  X  id-  Familie  Steinbrecher:  ib.  3.5,  S.  691;2.  — 
432)  X  P-  Schlenther,  K.  Stawinsky:  ib.  S.  536.  —  433)  X  E.  Handy  czewski,  J.  Staudigl:  ib.  S.  512/3.  —  434)  X 
H.  A.  Lier,  W.  Stich:  ib.  36,  S.  163,4.  —  435)  X  id.,  J.  3.  u.  Marie  Strassmann :  ib.  S.  510,2.  —  436)  X  A.  v.  Weilen. 
F.  Strampfer:  ib.  S.  496,7.  —  437)  (HI  4  :  33.)  -  438>  (1114:34.)-  439)  L.  Fränkel,  Reibehiinds  Faust-Aufführung: 
GJb.  14,  S.  292,3.  —  440)  B.  Litzmann,  Ackermanns  lelzte  Rolle:  Salon-Feuillet.  N.  17.  —  441)  0.  F.  Walzel,  C.  G.  d.  ä. 
u.  G.  d.j.  Stephanie:  ADB.  36,  S.  96-100.  —  442)  X  W.  6.,  E.  Schauspieldirektor  d.  18.  Jh.  (E.  Gedenkblatt  z.  lOOj. Todestage 
Döbbelins):  VolksZg.  N  289.  —  443)  X  H.  Lee,  D.  letzte  dtsch.  Komödienvater.  E.  Gpdenkblatt  an  d.  10.  Dec.  1893:  FeuilletZg. 
N.  492.  —  444)  X  K.  Döbbelin:  DBühneng.  22.  S.  427.  -  445)  A.  Sauer:  GGA.  S.  414,9.  —  446)  G.  v.  Vincke,  Schröder  n. 
Ifflands  vornehmer  Anstand  auf  d.  Bühne.  (=  N.  372,  S.  51-63.)  —  447)  Th.  Mehring,  KOj.  Jubeltag  e.  dtsch.  Theater- 
Pensionsanst.:  DBühneng.  22,  S.  14,  22,  30,  41,2.  —  448)  X  Ueber  ein  Rundschreiben  F.  L.  Schröders:  BerlTBl.  N.  13. — 
449)  X  Schröder-Feier.  (In  Hamburg  19.  März):  DBühneng.  22,  S.  106,8.  -  449a)  X  F- Walter,  J.  M.  Boeck  (gest.  18.  Juli  1793): 
FZg.  N.  197.  -  450)  H.  A.  Lier,  K.  D.  Stegmann:  ADB.  35,  S.  788/9.  —  451)  M.  Koch,  E.  Brief  Goethes  nebst  Auszügen 
aus  Briefen  P.  A.  Wolffs.     (=11:  118,  S.  19-39.)  -  452)  L.  Geiger,  Briefe  v.  Marianne  v.  Eybenberg  an  Goethe:  G.Tb.  14, 


IV  4:453-472  A.  von  Weilen,  Drama  und  Theaterg-eschichte  des  18./H)-  Jahrhunderts. 

schwenderischer  Pracht.  Noch  1805  konstatiert  sie  die  künstlerische  Abnahme  des 
Nationaltheaters.  „Kotzebue  ist  hier  und  ist  wieder  fortgereist,  dies  ist  alles,  was 
über  ihn  zu  sag-en,  ich  hasse  ihn  wie  die  Sünde."  1809  in  Berlin  bewundert  sie  den 
Teil  Ifflands  als  unnachahmlich  schön.  Am  24.  Febr.  1810  spricht  sie  über  die  Auf- 
führung von  Zach.  Werners  „Weihe  der  Kraft",  die  mit  vielem  Pompe  in  Scene  ging: 
„Allein  diese  Hyacinthen  duften  mir  nicht,  dieser  Karfunkel  leuchtet  mir  nicht."  In 
einem  undatierten,  aber  wohl  ins  J.  1804  nach  Vermutung-  des  Herausgebers  zu 
setzenden  Briefe  begeistert  sie  sich  für  Ifflands  Lear  und  schreibt  ausführlich  und 
freundlich  über  Frl.  Maas.  —  Diese  Schauspielerin,  die  früher  in  Weimar  engagiert  war, 
wird  auch  von  Varnhagen  in  Prag  1812  sehr  bewundert.  Dieser  berichtet  in  einem 
andern  Briefe  an  Goethe  aus  Berlin  1828,  den  Geiger^^^)  vorlegt,  über  Töpffers 
„Hermann  und  Dorothea".  — 

Die  reizvolle  Schilderung,  die  Arneth  von  Antonia  Adamberger  gegeben 
(vgl.  JBL.  1891  IV  11:170),  ist  jetzt,  nachdem  das  Buch  ^^4^  {^  Handel  erschienen, 
auch  dem  grösserem  Publikum  zugänglich.  —  Eine  journalistisch  imd  dramaturgisch 
für  Berlin  bedeutsame  Persönlichkeit  lernt  man  durch  Pröhle^^"')  in  S.  H.  S  pik  er 
(1786—1850)  kennen.  —  Die  Künstlerfamilie  Spitzeder  behandelt  Welti^sß).  —  Ein 
schnuiTiges  Original  führt  Wittmann'*^'')  in  dem  1841  gestorbenen  F.  lUenb erger 
vor.  —  Die  Verdienste  K.  Chr.  L.  Starklofs  (1789— 1850)  um  das  Oldenburger  Hof- 
theater anerkennt  Mutz  enbecher*^^).  — 

Ziemlich  viel  erschien  über  Se3''delmann45!'-462-)  Sehr  gut  entwickelt 
Schlenther^^^)  die  Persönlichkeit  im  Gegensatz  zu  der  L.  Devrients.  Er  ging 
vom  Handwerk  aus  und  hob  es  nur  durch  Anspannung  aller  seiner  Kräfte  ins 
Künstlerische.  Sein  Wesen  war  die  klare  Schärfe,  der  Geist  baute  ihm  den  Körper. 
Wenn  man  ihm  vorwarf,  dass  er  aus  dem  Ensemble  heraustrat,  muss  man  berück- 
sichtigen, dass  kein  Ensemble  da  war.  Seh.  giebt  einen  etwas  heroinenhaften  Brief 
Auguste  Crelingers  an  den  Intendanten  über  Seydelmanns  Künstlerschaft  (1833)  und 
einen  Brief  des  Künstlers  selbst  vom  1.  Mai  1835  über  seine  Aufnahme  in  Berlin  und 
die  Kritik.  —  Loewenfel  d*^*)  bespricht  Seydelmanns  Regiebuch  des,,Clavigo",  in  dem 
er  sich  Bemerkungen  zu  der  Rolle  des  Carlos,  die  er  noch  mit  Goethe  durch- 
gegangen, aufzeichnet.  Aus  ihnen  geht  hervor,  wie  stark  Seydelmann  das  Welt- 
männische der  Figur  ohne  den  tradionellen  Bösewicht-Typus  herauszuarbeiten  suchte. 
Der  Herausgeber  teilt  auch  einige  Briefe  mit,  darunter  einen  von  1826  an  den  Ham- 
burger Direktor  F.  L.  Schmidt  wegen  eines  Gastspiels  mit  eventuellem  Engagement. 
—  Kohut^ös)  citiert  einen  Brief  Laubes  an  F.  Grunert,  zwei  Tage  vor  dem  Tode 
Seydelmanns  geschrieben:  „Er  ist  für  unsere  Kunst  ein  Ungeheuer,  weil  selten  so 
eine  reiche  Verstandesbildung  dem  Talente  beiwohnt."  —  Die  Todesanzeige  Ludwig 
Devrients  (1832)  ist  aus  den  Berliner  Tagesblältern  wieder  abgedruckt  worden^^^),  — 

Stah  rs  Verdienste  um  den  Aufschwung  des  Oldenburger  Hoftheaters  werden 
von  Fränkel'*^^)  erörtert.  Dass  die  freie  Bearbeitung- des  Shakespeareschen  Winter- 
märchens, die  daselbst  in  Scene  ging,  von  ihm  und  Mosen,  nicht  von  Palleske  sei, 
wird  in  der  ADB.  (36,  S.  792)  zu  Gunsten  Palleskes  richtig  gestellt.  —  Ueber  seine 
persönlichen  Beziehungen  zu  Herzog  Ernst  von  Gotha  plaudert  Hessler^^^).  Er 
erzählt  auch  einen  Besuch  bei  Rückert  (1862),  der  sich«  gegen  das  ekle  Getriebe 
der  schauspielerischen  Virtuosen,  dieser  „Ehren passagiere  aller  Eisenbahnen"  aus- 
spricht. — 

Zum  Schauspieljubiläum  Ludwig  Gabillons  haben  Hevesi*^^) 
und  Speidel'*''^)  Charakteristiken  entworfen,  die  sein  Reckentum  als  Grundlage 
seiner  künstlerischen  Persönlichkeit  auffassen.  Für  H.  ist  er  „der  eiserne  Mann" 
des  Burgtheaters.  Hebbel  vergleicht  seinen  Hagen  bei  der  Generalprobe  der  Nibe- 
lungen mit  einem  Gewitter.  —  Ein  Verzeichnis  seiner  von  1853  —  93  im  Burgtheater 
gespielten  Rollen  hat  Bettelheim^'')  als  Festgabe  für  Freunde  erscheinen  lassen.  — 
Obwohl  mit  1894  bezeichnet,  gehört  dies  warmfühlende,  von  echter  Freundschaft  durch- 
wehte, nur  in  der  Disposition  etwas  unübersichtliche  Lebensbild,  das  Hevesi'*"^)  von  der 
unvergesslichen    Zerline    Gabillon    entworfen    hat,    in    unser    Berichtsjahr.      Wir 

8.  27-46.  -  453)  id.,  Briefe,  v.  Vainhagen  v.  Ense  an  Goethe:  ib.  S.  60.  -  454)  (IV  Ic  :140;  vgl.  JBL.  1892  IV  Ib  :  142a 
und  AZgH.  N.  143,4.)  |[Th.  Schiemann:  DLZ.  S.  1003;S;  M.  Necker:  BLÜ.  S.  513/5.] |  —  455)  H.  Pröhle,  S.  H.  Spiker: 
ADB.  35,  S.  1646.  —  456)  H  Welti,  Familie  Spitzeder:  ib.  S.  217-20.  -  457)  A.  Wittiuann,  F.  Illenberger:  VolksZg. 
N.  71  4.  —  458)  A.  Mutzenbecher,  K.  Chr.  L  Starklof:  ADB.  35,  S.  496  7.  -  459i  X  E.  I[solani],  K.  Seydelmann: 
DBühneng.  22,  S.  129-30,  137,8.  —  460)  X  R-  Loewenfeld,  K.  Seydelmann:  Didask.  N.  95;6.  —  461)  X  A.  v.  Winter  feld  , 
K.  Seydelmann  über  Schauspielkunst:  FZg.  N.  76.  -  462)  X  A.  Dresdner,  Zu  K.  Seydelmanns  Ged&chtnis:  NatZg.  N.  260. — 
463)  P.  Schienther,  K.  Seydelmann:  VossZg".  N.  17/8.  464)  R.  Loewenfeld,  Eigenes  v.  K.  Seydelmann.  Ungedr.  Briefe 
u.  Eegiebemerkungen :  N&8.  65,  S.  82-93.  —  465)  A.  Kohnt,  K.  Seydelmann  in  Oesterreich:  Fremdenbl.  N.  198.  —  466) 
Todesanzeige  C.  Devrients:  DBöhneng.  22,  S.  33.  —  467)  L.  Fränkel,  A.  W.  T.  Stahr :  ADB  35.  S.  405  6.  —  468)  A.  Hessler , 
Künstlerische  Erinnerungen  an  Herzog  Ernst:  StrassbPost.  N.  244.  —  469)  L.  Hevesi,  L.  Gabillon:  Fremdenbl.  N.  299.  — 
470)  L.  Speidel,  L.  Gabillon:  NFPr.  N.  10486.  —  471)  A.  Bettelheim,  Verzeichnis  d.  Rollen,  d.  L.  Gabillon  als  Mitglied 
d.  Hofburgtheaters  in  d.  J.  1853-93  gespielt  hat.  Wien,  Fromme.  32  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  472)  L.  Hevesi,  Zerline 
Gabillon.     E.    Künstlerleben.     Mit    18    Zeichnungen    v.    Helene    Bettelheim-Gabillon.     St.,  Bonz.     1894.     VIII,  238  S.     M.  3,60. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  I8./19.  Jahrhunderts.    IV 4: 473-477  IV  5 

lernen  ihr  ganzes  Repertoire  von  ihren  Anfäng-en  als  Sentimentale  ab  in  hübschen 
Charakteristiken  kennen,  die  nur,  soweit  es  die  jüng-ere  Generation  beurteilen  kann, 
ihre  trag-ische  Beg-abung-  überschätzen.  Ihr  künstlerischer  Ausg-ang-spunkt  ist  der 
Stil  Sophie  Schröders,  neben  dem  sich  der  Einfluss  der  Rachel  für  einig-e  Zeit  störend 
g-eltend  machte.  Ihr  eigentliches  Gebiet  wurde  aber,  besonders  durch  Laubes  von  ihr 
zunächst  ung-ern  ertragenes  energisches  Eing-reifen,  das  Konversationsfaoh.  Sie  war 
die  ideale  „femme  de  trente  ans",  die  beste  Bauernfeld-Spielerin,  die  berufenste 
Interpretin  von  französischem  Geiste  und  französischer  Pikanterie.  All  ihr  Denken  bezieht 
sich  auf  die  Bühne;  zahlreiche  briefliche  und  mündliche  Aeusserungen  zeigen  ihr  Ver- 
ständnis für  Stücke,  aber  auch  ihre  leidenschaftliche  Natur,  die  besonders  im  Kampfe 
mit  Laube  durchbricht.  Ein  grosser  Reiz  des  Buches  liegt  in  den  intimeren  Partien 
über  ihr  häusliches  Glück  und  ihre  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Schriftstellern 
und  Künstlern.  Ein  Brief  Gutzkows  an  sie  über  Ella  Roose  (S.  99)  und  Briefe 
F.  Th.  Vischers  (S.  181)  werden  abgedruckt.  — 

Obwohl  Italienerin,  kann  Eleonora  Düse  wegen  des  starken  Eindrucks, 
den  sie  in  Deutschland  hervorgerufen,  und  den  vielen  Betrachtungen,  die  an  sie 
über  deutsche  Schauspielkunst  geknüpft  wurden,  nicht  ganz  übergangen  werden. 
Zabel '•'3)  giebt  einen  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  italienischen  Schauspiel- 
kunst in  Deutschland,  die  natürliche  Begabung  der  Romanen,  aber  auch  ihre  Willkür 
dem  Dichter  gegenüber  hervorhebend.  Die  Ristori  wird  nach  den  für  sie  geschriebenen 
Dramen  Giacomettis  und  besonders  nach  ihrer  Glanzrolle  der  „Maria  Stuart"  Schillers 
als  ideale  Heldin  voll  Hoheit  und  Schönheit  geschildert,  das  Dämonische  lag  ihr  ferne, 
wie  ein  Vergleich  ihrer  Lady  Macbeth  mit  der  der  Wolter  deutlich  zeigt.  Rossi 
verfügt  über  die  grössere  Natur,  Salvini  über  den  grösseren  Intellekt.  Rossi  giebt 
mehr  Leidenschaft,  Salvini  mehr  Poesie.  Z.  analysiert  ihre  Shakespeare-Rollen  und 
besonders  Salvinis  „Sohn  der  Wildnis",  der  ganz  als  Charakterrolle  gehalten  ist. 
Als  einzig  dastehende  Erscheinung  und  Persönlichkeit  tritt  die  Düse,  deren  einzelne 
Rollen  sorgfältig'  durchgesprochen  worden,  in  den  Vordergrund.  Der  deutsche  Schau- 
spieler kann  von  ihr  ungezwrmgene  Bewegung  und  vor  allem  die  meisterhafte 
Technik  des  Atemholens  lernen.  Z.  teilt  auch  briefliche  Aeusserungen  Salvinis, 
Rossis  und  der  Ristori  über  sie  mit.  Sie  ist  als  Künstlerin  immer  sie  selbst,  ihr 
Nervenleben  ist  ein  wesentlicher  Faktor  ihres  Genies,  —  Laura  Marholm*"*)  er- 
klärt, dass  vor  der  Düse  das  moderne  Weib  auf  der  Bühne  noch  nicht  dargestellt 
worden  sei.*''^"'*"^)  — Schlenther*''^)  feiert  in  ihr  die  grösste  Künstlerin  der  Mimik 
und  Plastik.  — 


IV,  5 

Didaktik. 

Richard  M.  Meyer. 

Didaktische  Litteratur:  Haller  N.  1.  —  Geliert  N.  5.  —  Pfeffel  N.  8.  —  Kästner  N.  11.  —  Zachariä, 
Kortum  N.  12.  —  Eberhard,  Hey  N.  14.  --  Leop.  Schefer,  Ad.  Fischhof  N.  18.  —  Popnlarphilosophen:  Die  alte 
Schule:  Nicolai  N.  2.3;  Lichtenberg  N.  24:  Joh.  G.  Zimmermann  N.  30;  G.  Forster  X.  31;  K.  J.  Weber,  Dav.  Friedlaender. 
Haro.inn  N.  34.  —  Neuere  Richtung:  Steffens  N.  38:  Jean  Paul.  R.  0.  Spazier  und  seine  Eltern  N.  39;  Fenohterslehen,  H.  E. 
Sachse  N.  43.  —  Neueste  Richtung:  Büchner,  Häckel  N.  45;  Aufklärer,  „Feinde  des  Aberglaubens"  N.  54;  Egidy,  Ethische 
Kultur,  Freidenker  N.  60;  Max  Müller  N.  74:  H.  Lorm,  R.  Hamerling,  B.  Wille  N.  75;  Spiritisten,  Theosophie,  christlich-naive 
Wendung  N.  78.  —  Uebersichten  N.  86.  —  Philosophie:  Gesamtdarstellungen  N.  89.  —  Gruppendarstellungen  N.  101.  — 
Einzelne  Philosophen:  Die  grosse  Reihe:  Kant  N.  106;  Hegel  N.  130:  Schelling  N.  137;  Fichte,  F.  H.  Jacobi,  Krause,  Beneke 
N.  139;  Schopenhauer  N.  147;  Ed.  v.  Hartmann  N.  163:  Nietzsche  N.  170;  Stirner  N.  198;  Steiner  N.  204.  —  Nebenwege: 
Herbart  N.  205;  Steinthal,  Stiedenroth  N.  211.  —  Einzelne:  Michelct,  Frohschammer,  Carri&re  N.  215;  Drobisch,  Lotze,  F.  A. 
Lange,  Paulsen,  Steudel  N.  225.  —  Allgemeine  Kritik  der  Philosophie  N.  233.  —  Specialuntersuchungen:  Metaphysik.  Er- 
kenntnistheorie N.  234;  Ethik  N.  240;  Verschiedenes  N.  249.  —  Theologie:  Lavater  N.  253.  —  Schleiermacher  N.  260.  — 
Baur,  D.  F.  Stranss  N.  263.  —  Neuere  N.  268.  —  Popnlartheologen  N.  275.  —  Katholische  Theologen  (Alban  Stolz,  Stattler) 
N.  279.  —  .Jüdische  Theologen  N.  287.  —  Geschichte:  Umfassende  Betrachtungen  N.  290.  —  Einzelne  Historiker:  Joh. 
von  Müller,  Spittler,  Niebnhr  N.  293;  Ranke  N.  299;  Döllinger,  Moramsen,  Gregorovius  N.  306.  —  Politisierende  Historiker: 
Gervinus  N.  319;  H.  Leo  N.  322;  Troitschke,  M.  Duncker,  Kluckhohn,  Maurenbrecher,  Baumgarten  N.  323;  Janssen,  Pauli, 
Roepell.  Gindely;  Streitigkeiten  der  Historiker  N.  334.  —  Urknndenforschung:  Stumpf-Brentano,  Spruner  N.  343.  —  Lokal- 
geschichte N.  345.  —  Philologie:  Samuel  Schmidt,  Friedrich  Samuel,  Steinbrüche!,  Spalding  N.  357.  —  Boeckh,  Lachmann, 
Döderlein,  Sauppe,  Spengel,  J.  Th.  Struve,  Studemund,  Kiessling.  R.  Scholl,  Müller-Strübing  N.  361.  —  Archäologie:  Stark, 
Brunn  N.  376.  —  Hartfelder,  Romanische  Philologen  N.  378.  —  Litterarhistoriker:  Eschenburg,  H.  Kurz,  Streckfuss.  Strodt- 
mann  N.  384.  —  Volkskunde:  Rochholz,  Steub,  A.  v.  Spann,  R.  Hein  N.  390.  —   Kulturgeschichte:  V.  Hehn,    Haym  N.  394.  — 


irO.  T(euber):  Fremdenbl.  N.  297;  E.  Z(abel):  NatZg.  N.  650;  Geg.  44,  S.  382]1  -  473)  E.  Zabel,  D.  Italien.  Schau- 
spielkunst in  Deutschland.  B..  Rentzel.  68  S.  M.  1,00.  |[Dida8k.  N.  51;  0.  Harnack:  PrJbb.  4,  S.  182/3.]|  —  474)  L. 
Marholm,  Eleonora  Düse:  N&S.  64,  S.  169-85.  —  475)  X  L.  Schönhoff,  Eleonore  Düse:  Nation".  ID,  S.  200,1.  —  476)  X 
P.  V.  Szczepanski,  D.  Duse-Gastspiel  in  Berlin:  Velhag^nKlasingsMh.  2,  S.  64/8. —  477)  P.  Schienther,  Eleonora  Dnse: 
DRs.  74,  S.  127-39.  — 


IV  5  :  1-3  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Uebersetzer:  San  Marte,  Gelbcke,  Steinacker,  Geffcken  N.  403.  —  Sprachvergleichung:  Von  der  Gabelentz,  Max  Müller  N.  407. — 
Kunstlehre  und  Kritik:    K.  Ph.  Moritz,  F.  Th.  Vischer,  K.  Werder  N.  409.   —  Stabr,  E.  v.  Gottschall,  W.  Jordan  N.  423. 

—  Andere  Wissenschaften:  Geographen,  .Juristen  N.  432.  —  Staatswissenschaften  N.  444.  —  Naturwissenschaften: 
Chemie,  Physik,  Botanik  N.  449.  —  Medizin,  Psychophysik  N.  462.  —  Stennj^raphie,  Mathematik  N.  472.  —  Pädagogen: 
Hamann,  Overberg,  Steffens,  Basedow,  Salzmann,  Trapp,  Pestalozzi,  Schleiermaoher,  Herbart  N.  470.  —  Jahn,  Guts  Muts, 
Fröbel,  Bertha  von  Marenholtz,  Stamford,  Stoll,  K.  Strnve,  Universitäten,  Volkserziehnng  (Fichte)  N.  4S.5.  —  Journalismus: 
Uebersichten,  Zeitungsbiographien  N.  499.  —  Einzelne  Journalisten:  Scbubart,  Wckhrlin  N.  512;  Job.  Theoph.  Lessing,  Saphir, 
Sporschil,  Spiker,  Streit,  Stegmann,  Th.  Stampf,  B:ister,  Wechsler,  Steinmann,  Schmidt-Weissenfels,  D.  Spitzer  N.  514.  — 
Politiker:  Staatsmänner  N.  532.  —  Agitatoren:  E.  M.  Arndt  K.  546.  —  Verfassungskämpfe  N.  5.50.    —    Socialpolitik  N.  558. 

—  Staat  und  Kirche  N.  ,597.  --  Allgemeines  (Reden)  N.  605.  —  M.  G.  Conrad  N.  607.  —  Ausserhalb  des  deutschen  Reiches 
(Ad. Fischhof,  Ph.A.  Stapfer,  F.  A.  von  Spann)  N.  610.  —  Volkserziehung  und  Zeitkritik:  Rousseau  N.  61.3.  —  Gerh. 
van  Swieten,  W.  von  Humboldt  (Gabriele  von  Bülow)  N.  616.  —  De  Lagarde,  Riehl,  Jentsch,  der  Rembrandtdeutsche, 
Dühring  N.  624.  —  M.  Nordau  N.  633.  —  Kritik  der  Gegenwart  N.  637.  — 

Die  litterarhistorische  Behandlung-  der  Didaktik  des  18.  und  19.  Jh. 
steht  im  Berichtsjahre  g-anz  unter  dem  Zeichen  der  Philosophie.  Nicht  nur  nimmt 
die  Besprechung-  der  Philosophen  selbst  den  gTÖssten  Raum  in  dem  uns  vorg-elegten 
Material  ein ;  auch  bei  anderen  Klassen  überwiegt  die  Vergleichung-  und  Würdigung 
des  Gedankeninhalts  und  der  allgemeinen  Auffassung  die  Beobachtung  der  Sprache, 
der  Metrik  oder  Technik,  der  rein  litterarischen  Zusammenhänge.  So  stützt  sich 
gieich  der  Aufsatz  über  litterarische  Nachwirkungen  Hallers,  den  Drescher  •) 
veröffentlichte,  mehr  noch  auf  CJebereinstimmungen  im  Gredankengang-  als  auf  wört- 
liche Anklänge,  um  bei  Klopstock  und  Langte  Entlehnungen  von  Haller  zu  behaupten, 
die  nicht  immer  genüg-end  erwiesen  scheinen.  —  Widmann^)  hat  den  Staatsromanen 
Albrecht  von  Hallers  ein  fleissiges,  aber  etwas  trockenes  Buch  g-ewidmet.  Auf  eine 
Einleitung,  die  über  die  Geschichte  des  Staatsromans  orientiert,  ohne  (wie  natürlich) 
Vollständigkeit  zu  erreichen,  folg't  für  jeden  der  drei  Romane  eine  gut  disponierte 
Abhandlung:  Inhalt,  Entstehung,  Quellen,  Ausgaben,  Uebersetzungen.  Dann  wird 
Haller  allgemein  als  politischer  Schriftsteller  betrachtet,  und  diesen  Teil  halten  wir 
für  den  bestgelungenen;  endlich  wird  kurz  über  die  Aufnahme  der  Romane  referiert 
und  über  ihre  Bedeutung  geurteilt.  Der  Vf.  hat  ausser  der  gedruckten  Litteratur 
den  Briefwechsel  zwischen  Haller  und  Bonnet  und  den  zwischen  Haller  und  dem 
württembergischen  Regierung-spräsidenten  und  Schriftsteller  von  Geramingen  benutzen 
können.  Er  konnte  daher  (S.  45)  nachweisen,  dass  Haller  ursprünglich  „le  roman 
d'un  savant"  zu  schreiben  plante,  aus  dem  Bruchstücke  in  der  Geschichte  des  Oel- 
fu  in  „üsong-"  erhalten  sind;  er  fand  auch  (S.  44)  Hallers  authentische  Deutung  des 
Oel-fu  auf  Christian  Wolff.  Wir  erfahren  ferner,  dass  Haller  ursprünglich  nur  den 
einen  üsong  schreiben  wollte  und  also  nicht  eine  systematische  Behandlung  der  drei 
Reg-ierungsformen  beabsichtigte.  Aber  auch  wo  W.  keine  neuen  Quellen  benutzt, 
verdanken  wir  ihm  neue  Aufschlüsse.  Sehr  gut  weist  er  (S.  105)  schon  in  den 
„Alpen"  jenen  „politisch-ethischen  Zug"  nach,  der  später  die  Staatsromane  erfüllt; 
vorzüglich  beleuchtet  er  (S.  159  — 60)  Hallers  Stellung  zur  bernischen  Aristokratie  und 
seinen  Einfluss  (S.  182);  ob  freilich  eine  „A.  H."  sig-nierte  Denkschrift  (S.  179—80)  dem 
Dichter  gehöre,  bleibt  unentschieden.  Mit  g-rosser  Aufmerksamkeit  sucht  W.  sowohl 
die  historischen  Modelle  als  auch  die  litterarischen  Vorbilder  aufzufinden.  Friedrich 
der  Grosse  und  üsong  (S.  117),  Rousseau  und  Karneades  in  „Fabius  und  Cato"  fS.  92) 
waren  wohl  schon  erkannt;  wie  aber  Hallers  eigene  Lust  zu  regieren  mitspielt  (S.  112), 
das  hat  erst  dieser  scharfsichtige  Beobachter  herausgefühlt.  Unter  den  litterarischen 
Vorbildern  wird  Montesquieu  TS.  101,  128/9)  besonders  eingehend  gewürdigt  (nur 
als  Beweis,  wie  leicht  ein  lapsus  calami  sich  festsetzt,  mache  ich  den  Autor  auf  den 
[S.  128/9]  mehrmals  wiederholten  falschen  Titel  „Esprits  des  lois"  aufmerksam).  Das  Ver- 
hältnis wird  sehr  gründlich  untersucht;  bald  ist  Montesquieu,  bald  Haller  der  Demokratie 
näher  (S.  138),  wie  es  denn  bei  diesem  überhaupt  nicht  an  demokratischen  Gedanken 
fehlt.  Sein  Hauptaugenmerk  bleibt  aber  immer  der  Wahrung  der  Staatshoheit  gegenüber 
der  Kirche  als  dem  geborenen  Feind  (S.  200);  national-ökonomische  Fragen  treten  zurück 
fS.  198),  wogegen  auf  die  Frage  nach  der  Moralität  der  Schaubühne  (in  „Fabius  und 
Cato")  breit  eingegangen  wird  (S.  203).  Zu  all  diesen  Fragen  beleuchtet  W.  auch 
die  geistige  Umgebung  Hallers,  Iselin  (S.  152),  Fenelon  (S.  187/9),  den  Goldenen 
Spiegel  (S.  190).  Unter  den  Urteilen  hebe  ich  die  von  Herder  (S.  213)  und  Wieland 
(S.  216)  sowie  die  bekannte  Recension  der  Frankfurter  Gelehrten  Anzeigen  (S.  214) 
hervor,  die  Haller  nach  W.s  Mitteilung  Leuchsenring  zuschrieb.  Durchweg  be- 
deutet das  Buch  eine  wirkliche  Förderung  unserer  Kenntnis  und  zwar  über  das 
eigentliche  Thema  hinaus.  —  Im  Gegensatz  zu  Widmanns  umfassenderem  Thema 
sucht  Bondi^)  nur  ein  einziges  Gedicht  Hallers  und  auch  dies  nur  in  zwei  schwie- 
rigen Punkten  aufzuklären,  das  Gedicht  „Ueber  die  Ewigkeit".  Dass  mit  dem  un- 
bekannten „Freund",  dessen  Hinscheiden  V.  11—30  beklagt  wird,  Marianne  gemeint 


1)   K.  Drescher,    Litt.  Nachwirkungen  A.  v.  Hallers:   VLG.  6,   S.  451-60.    —    2)   M.  Widmann,    A.  v.  HaUers 
Staatsromane  n.  Hallers  Bedeutung  als  polit.  Schriftsteller.    E.  litt.-gesoh.  Studie.     Biel.  E.  Kuhn.    224  S.    M.  2.40.  —  3)  G. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  4-i7 

sei,  ist  eine  geistreiche  Vermutung-,  die  aber  durch  stärkere  Analog-ien  hätte  g-estützt 
werden  müssen.  Die  Schwierig-keiten  aber,  die  V.  8 — 10  dem  Verständnis  entg-egen- 
setzen,  hat  B.  scharfsinnig-  bemerkt  und  wahrscheinlich  auch  richtig   aufgehellt.*)  — 

Der  zweite  Hauptmeister  der  eigenthchen  didaktischen  Litteratur  im  Eingang 
unserer  klassischen  Periode,  Geliert^),  ist  durch  einen  wahrscheinlich  an  den  Ober- 
konsistorialpräsidenten  von  Grlobig  gerichteten  Brief  vertreten,  den  Distel^)  nebst 
einer  flehentlichen  Eingabe  Liscows  an  den  Minister  von  Hennicke  und  nebst  Nach- 
richten über  des  Dichters  unglücklichen  Neffen  Gabriel  Meese  aus  dem  sächsischen 
Hauptstaatsarchiv  mitteilt.  -  Auch  über  einen  anderen  nahen  Verwandten  Gellerts, 
seinen  Freiberger  Bruder,  hat  Distel '')  bei  Gelegenheit  einer  Briefpublikation 
gehandelt.  — 

In  einem  geistreichen  Aufsatz  „Etwas  von  Pfeffel  und  Geliert"  setzt 
Hildebrand*)  die  politische  Stellung  des  einen  und  den  europäischen  Ruhm  des 
anderen  in  helles  Licht.  „Ein  deutscher  Lehrer,  freilich  französischer  Unterthan, 
aber  auch  deutscher  Dichter  vom  besten  Ansehen  auf  dem  damaligen  Parnass,  und 
mit  den  Zeitgenossen  diesseits  des  Rheins  aufs  engste  verbunden,  als  Mitstrebender 
in  den  Arbeitsbahnen  unserer  Dichter,  deren  Ziele  er  mit  Begeisterung  zu  den 
seinen  machte  —  also  ein  deutscher  Dichter  im  Elsass  unterweist  einen  jungen 
B>anzosen  im  Kriege  gegen  Deutschland  wie  in  seiner  Lebensaufgabe,  setzt  auch 
dabei,  echt  französisch,  als  sicher  voraus,  dass  er  als  Sieger  in  deutsche  Städte  ein- 
ziehen würde"  (S.  85).  Und  diese  Zeit  der  deutschen  Vaterlandslosigkeit  war  es 
gerade,  in  der  die  Franzosen  die  Deutschen  um  ihre  „Begeisterung"  beneideten ! 
(S.  86.)  H.  bespricht  dann  noch  ein  Gedicht  Pfeffels  (von  1777),  das  ihn  als  Ver- 
treter der  alten  Schule  dem  Hainbund  gegenüber  zeigt  (S.  88),  und  schliesst  mit 
einem  russischen  Zeugnis  für  Gellerts  Ruhm.  —  Mit  Pfeffel^)  befinden  wir  uns  in 
der  Schar  jener  eigentümlich  leichtgesinnten  Aufklärer,  die  noch  ernstlich  an  das 
„ridendo  castigat  mores"  glaubten,  während  Liscow  sich  nicht  auf  die  „mores",  Geliert 
nicht  eigentlich  auf  das  „castigare"  und  Haller  gar  nicht  auf  das  „ridere"  einliess. 
Die  ganze  Reihe  der  Satiriker  zieht  in  Goedekes*^)  Grundriss  an  uns  in  neuer, 
aber  nicht  wesentlich  geänderter  Bearbeitung  vorüber.  Neue  Namen  wie  der  Justs 
und  eine  ganze  Zahl  von  Einzelsatiren  sind  hinzugekommen,  die  Litteratur  ist  fast 
durchgängig  (z.  B.  bei  Cranz,  von  Pahl,  von  Rebmann)  vermehrt,  kleine  Fehler 
sind  verbessert  (Robert  statt  Urbert  Busch),  aber  an  den  hier  so  wunderlichen 
Anordnungsprinzipien  Goedekes  durfte  leider  nicht  gerüttelt  werden.  — 

Eigentlich  Neues  bringt  auch  der  Aufsatz  über  Lessing  und  Kästner 
von  Holstein^i)  nicht,  den  Nachweis  etwa  ausgenommen,  dass  ein  ursprünglich 
von  Lessing  im  „Neuesten  aus  dem  Reiche  des  Witzes"  veröffentlichtes  Sinngedicht 
auf  Moritz  von  Sachsen  von  Kästner  herstammt,   das  er  später  auf  Leibniz  umschrieb.  — 

Zachariä  wird  in  einem  gründlichen  Vortrag  von  Rosenbaum '2)  be- 
handelt. Er  untersucht  seine  Vorläufer,  findet  die  Sonderstellung  des  jenaischen 
Studenten  schon  bei  Menantes,  den  Keim  der  Handlung  des  „Renommisten"  in  einer 
Stelle  von  Gottscheds  „Kritischer  Dichtkunst".  Dann  wirkte  ein  verlorenes  Lustspiel 
,, Das  Gespräche  im  Reiche  der  Toten"  ein,  ferner  von  fremden  Mustern  Boileau  und 
Pope.  Aber  der  Autor  wusste  dem  Ganzen  ein  originelles  Gepräge  zu  geben,  das 
sich  schon  in  der  Behandlung  der  Sprache  zeigt.  —  Von  der  Methode,  die  dieser 
Vortrag  über  Zachariä  aufweist,  findet  sich  leider  keine  Spur  in  einem  Büchlein  über 
den  Vf.  unseres  populärsten  komischen  Epos,  über  den  Jobsiadendichter  Kortum, 
von  Deicke'^).  — 

Das  rein  lehrhafte  Epos  ist  aus  der  freien  Lektüre  längst  in  die  Schulen 
geflohen,  wo  Eberhards  unleidliches  „Hannchen  und  die  Küchlein",  von  Jahn^*) 
herausgegeben  und  mit  kurzen  Fragen  und  Nachrichten  ausgestattet,  fernerhin  zur 
„stillen  bescheidenen  Tugend"  anhalten  mag.  —  Einen  höheren  litterarischen  Wert 
haben  die  lehrhaften  Epen  kleinsten  ümfangs,  die  Fabeln,  wie  Hey  sie  für  Kinder 
schrieb;  sie  erscheinen  in  immer  neuen  Ausgaben  i^~'^)  und  Uebersetzungen  ^^).  — 

Die    lehrhafte  Litteratur   unserer  Tage    schlägt   nicht    mehr   gern  den  über- 


Bondi,  Hallers  Gedichte  über  d.  Ewigkeit:  VLG,  6,  S.  570,4.  —  4)  X  A.  v.  Haller-Litt.  (Bibliogr.):  BLChrSchw.  S.  155-60. 
(Antiquar.  Anz.)  —  5)  X  0-  Behagliel,  Gellerts  Dichtungen,  her.  v.  A.  Schnllerus  (vgl.  JBL.  1891  IV  6  :  3;  1892  IV  5:2): 
LBlGRPh.  S.  158.  —  6)  Th.  Distel,  Aktennachlese  zu  Liscow  u.  Geliert:  VLG.  6,  S.  448-51.  -  7)  id..  Schreiben  d.  Freiberger 
Geliert  v.  J.  1747,  mit  wissensch.  Beilagen:  MFreibergAV.  30.  Heft,  S.  108/9.  (Christlieb  Ehrgott  Geliert,  d.  ältere  Bruder  d. 
Dichters;  Bergkomraissionsrat.)  —  8}  K.  Hildebrarid.  Etwas  v.  Pfeffel  u.  Geliert:  ZDÜ.  7,  S.  84-90.  —9)  H.  Pfannenschmid, 
G.  K.  Pfeffels  Fremdenbuch  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:3).  |[LCB1.  S.  1117/8;  PädBll.  22,  S.  72/6.]l  -  10)  (IV  1  a  :  2,  S.  539-52.)  - 
11)  H.  Holstein,  Lessing  u.  Kästner:  MagdZgU  N.  44/7.  —  12)  R-  Rosenbaum,  Ueber  Zachariäs  „Renommisten".  Vortr. 
geh.  in  GDL.  Mai:  DLZ.  S.  1370/1.  —  13)  H.  Deicke,  D.  Jobsiadendichter  C.  A.  Kortum,  sein  Leben  u.  seine  Schriften. 
Mfilheim  a.  R.,  H.  Baedecker.  VL  111  S.  M.  2,00.  |[F.  Kanffmann:  ZDKG.  1,  S.  475.]|  —  14)  (I  7:87.)  -  15)  W.  Hey, 
.50  Fabeln  für  Kinder.  8  Far.bdr.- Bilder  nach  Aquarell  v.  E.  Klimsch  u.  60  Textabbild,  t.  W.  Schäfer  u.  Ch.  Votteler.  2.  Aufl. 
St.,  F.  Loewe.  4".  31  S.  M.  3,00.  —  16)  id.,  F.ibeln  u.  Gedichte  nebst  55  Sprüchen;  neu  her.  v.  D.  Theden.  4  lUustr.  v.  E. 
Limmer.  (=  ÜB.  für  d.  Jugend  N.  2978.)  St.,  Union.  120  S.  M.  0,40.  —  17)  M.  Mathis,  Choix  de  fahles  et  de  contes 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litte ratnrgesohicbte.    IV.  (A)^*^ 


IV  5  :  \s--2<.<  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des   18./19.  Jahrhunderts. 

leg-en-schulmeisterlichen  Ton  an,  den  frühere  Zeiten  pflegten;  sie  giebt  ihre  Belehrung* 
als  Ergebnis  eig'ener  Erfahrung  und  hebt  so  das  Didaktische  in  die  Sphäre  indivi- 
dueller Kunst.  Das  gilt  selbst  von  Produkten,  wie  Leopold  Sc  he  fers  „Laienbrevier", 
trotz  ihrer  strengen  Lehrhaftigkeit.  Dieses  Buch  hat  lange  Zeit  eine  Popularität  in 
den  besseren  Kreisen  des  deutschen  Bürgertums  genossen,  wie  sie  in  ähnlichem  Grade 
vielleicht  nur  Zschokkes  „Stunden  der  Andacht"  erlebten.  Die  billige  neue  Ausgabe 
wird  sie  schwerlich  neu  beleben.  Obwohl  Kohuts '^J  Einleitung,  verhältnismässig 
gut  kompiliert,  in  das  Wesen  des  Autors  leidlich  einführt,  versäumt  sie  doch,  das 
einzelne  Werk  richtig  auf  seinen  litterarhistorischen  Hintergrund  zu  stellen.  Vorläufer 
und  Nachwirkung  —  man  denke  nur  anSallet!  —  raussten  untersucht  werden,  und 
jene  Popularität  selbst,  die  Groedeke  zu  ungerecht  heftigem  Einspruch  reizte,  ver- 
langt Erklärung.  Mit  dem  Verweis  auf  die  Schriften  von  Lindemann  und  Brenning  ist  es 
nicht  gethan.  Der  pantheistische  Realismus  war  eine  Zeitstimmung,  die  z.  B.  in 
Frankreich  Michelet  glänzend  vertrat,  Schefer  auch  in  seiner  senilen  Lüsternheit 
verwandt  (La  femme,  l'oiseau-Hafis  in  Hellas).  Schefer  schrieb  die  Bibel  dieser 
Stimmung,  und  unter  derartigen  künstlichen  Bibeln  (deren  Geschichte  bei  uns  Gleims 
„Halladat"  eröffnetj  nimmt  sein  Andachtsbuch  keinen  geringen  Rang  ein.  Auf  solche 
Fragen  aber,  oder  gar  auf  die  nach  metrischen  Dingen  lässt  der  Herausgeber  sich 
gar  nicht  erst  ein.'^  ^oj  _  Eine  Anzahl  von  neuesten  „Gedankendichtungen"  be- 
spricht Ev  er  s^');  zu  ihren  philosophisch-weltumfassenden  Betrachtungen  stehen  die  un- 
bedeutenden meist  politischen  Epigramme  Ad.  F i s c h h o f s ,  die  Jacques  F i s c h e r ^2) 
veröffentlicht  hat,  in  schneidendem  Gegensatz.  — 

Ein  Mann  wie  Leopold  Schefer  könnte  schon  den  Populär  philo  sophen 
unserer  Tage  zugezählt  werden,  deren  Schriften  sich  mit  der  rein  didaktischen 
Litteratur  so  nahe  berühren,  dass  kaum  die  Grenzen  zu  bestimmen  sind.  Wichtig 
und  interessant  ist  ein  Brief  von  einem  Führer  der  Populari)hilosophen  der  alten 
Schule,  von  Nicolai  über  Weimar  im  J.  1773,  den  S  ch  ü  d  d  e  k  o  p  f^^)  mitteilt.  Er 
lag  bisher  in  Ramlers  Nachlass  versteckt;  er  berichtet  über  Musäus  kurz,  über  Wieland 
ausführlicher,  am  breitesten  über  Aufführungen  von  „Emilia  Galotti"  und  anderen 
Stücken  mit  Eckhof.  Nicolai  wird  der  Herzogin  Amalia  vorgestellt,  die  nach  einem 
„kleinen  Kritiker  in  Berlin"  fragt,  „der  solch  dumm  Zeug  vom  Theater  schreibt" ; 
sie  meint  Grossmann.  „Der  Erbprinz  (Karl  August)  ist  von  der  Litteratur  sehr 
unterrichtet,  und  hat  für  alles,  was  deutsch  ist,  viel  guten  Willen.  Ich  sagte  ihm 
unter  andern,  dass  ich  im  Schlosse  eben  den  Saal  besehen  hatte,  wo  die  frucht- 
bringende Gesellschaft  an  der  Tafel  eines  seiner  Vorfahren  sei  abgeredet  worden 
(eine  Anekdote,  die,  wie  es  schien,  man  in  Weimar  nicht  wusste),  und  dass  ich  mir 
dabei  seine  künftige  Regierung  in  einem  angenehmen  Traum  vorgestellt  hätte.  Er 
antwortete:  Er  werde  nie  vergessen,  dass  er  ein  Deutscher  sei.  Nicolai  am  Vorhof 
des  Weimarer  Genietums,  die  Blütezeit  prophezeiend,  die  ihn  abdanken  sollte  — 
welch  merkwürdiges  tragikomisches  Gemälde !  Mit  hohem  Lob  erwähnt  der  Brief- 
schreiber noch  Dalbergs  und  schliesst  mit  Theaternachrichten.  — 

Von  Lichtenbergs  Schriften  hat  kein  geringerer  als  Wilbrandt-4"25j 
eine  neue  Auswahl  veranstaltet.  Die  Einleitung  ist  hübsch  und  warm,  aber  nicht 
eben  tief;  die  Auslese  reichhaltiger  als  bei  Grisebach  und  Reichel,  besonders  durch 
Mitteilung  von  Briefen.  Im  ganzen  glaub  ich  doch,  dass  Grisebachs  „Lichtstrahlen" 
zur  Werbung  und  Einführung  noch  besser  geeignet  sind  als  Wilbrandts  dankens- 
werter neuer  Versuch,  der  deutschen  Nation  einen  vergessenen  Klassiker  wieder  zu  er- 
obern. —  Ganz  ausgezeichnet  ist  L  a  u  ch  e  r  t  s  ^^"2^)  chronologische  üebersicht  von 
Lichtenbergs  schriftstellerischer  Thätigkeit.  Auf  eine  musterhaft  gründliche  chrono- 
logische Aufzählung,  die  jedesmal  „die  wichtigsten  Daten  zur  Geschichte  der  einzelnen 
Schriften"  und  vor  allem  eine  genaue  Vergleichung  der  Drucke  bringt,  folgt  (S.  161) 
eine  knappe  Üebersicht  über  „unausgeführte  litterarische  Pläne",  sodann  (S.  16.^) 
„allgemeine  orthographische  und  sprachliche  Bemerkungen  zum  Text  der  vermischten 
Schriften".  L.  stellt  ferner  (S.  169-70)  Notizen  über  Lichtenbergs  Verarbeitung  seiner 
„Vermischten  Bemerkungen"  zusammen,  höchst  lehrreich  für  des  grossen  Humoristen 
Art  zu  arbeiten;  und  den  Schluss  bildet  (S.  179-80)  eine  „Nachlese  von  kleineren 
litterarischen  Arbeiten  Lichtenbergs,    die    in  den  Ausgaben    keine   Berücksichtigung 


en  allemand,  publie  avec  nne  introd.  des  notices  et  des  notes.  Pavis,  Hachette  *  Cie.  16''.  H,  215  S.  Fr.  1,50.  —  18)  L. 
Schefer,  Laienbrevier.  Mite  Einl.  v.  A.  Kohut.  (=  ÜB.  N.  3031 3.)  L.,  Reclam.  le^  355  S.  M .  0,60.  -  19)  X  K. 
Gutzkow,  V.  Baum  d.  Erkenntnis  (vgl.  .TBL.  1892  IV  5:11):  DDichtung.  13,  S.  32.  -  20)  X  D-  Haek,  Demokrit  d.  .lungere. 
Aus  d.  Papieren  e.  lachenden  Philos.  1.  Bd.  L.,  A.  Fischer.  632  S.  M.4,00.  —  21)  F.  Evers,  Gedankendichtungen:  Sphinx  17, 
S.  119-22.  —  22)  Jacques  Fischer,  Aus  d.  Nachlass  Ad.  Fischhofs:  NWienTBl.  N.  350.—  23)  K.  Schüddekopf,  Nicolai 
über  Weimar  1773:  VossZg.  N.  590.  -  24)  Ad.  Wilbrandt,  G.  Ch.  Lichtenbergs  ausgew.  Schriften.  St.,  Cotta  XII,  368  S. 
M.  5,00  |[Nautilus:  BLU.  S.  273/5;  L.  Geiger:  Nation".  10,  S.  549-50;  Presse  N.  221;  E.  Zabel:  NatZg.  N.  656;  AZg». 
N.  69;  Didask.  N.  75;  Grenzb.  3,  8.  192;  BsrlTBl.  N.  140;  NWienTBl.  N.  183.J(  -  25)  id..  G.  Chr^Lichtenberg:  NFPr.  24.  März. 
(Ans  W.s  Lichtenberg- Ausg.,  s.  N.  24.)  —  26-29)  F.  Lauchert,  6.  Chr.  Lichtenbergs  schriftstell.  Thätigkeit  in  chronol. 
üebersicht.    Mit  Nachtr«.  zu  Lichtenbergs  „Vermischt.  Schriften"  u.  textkrit.  Berichtigungen.    Göttingen,  Dietrich.    IV,  192  S. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  30-35 

fanden".  Besonders  wichtig-  sind  hier  die  Nachrichten  über  Lichtenbergs  Mitarbeiter- 
schaft an  der  Allg-emeinen  Deutschen  Bibliothek  (S.  175/6):  dag-eg-en  vermissen  wir 
seine  Mitteilung«  über  Lichtenbergs  von  Grisebach  doch  wohl  erwiesene  Beteiligung- 
an  Bürgers  Münchhausen.  Von  dort  wird  auch  eine  Recension  (über  des  Fürsten 
Galitzin  Sendschreiben  über  die  Elektricität)  abgedruckt,  ebenso  fS.  183/4)  ein  paar 
kleine  Gedichte,  worunter  eine  mit  Bürger  gemeinschaftlich  verfasste  Parodie  von  dessen 
Lied  „Die  Holde,  die  ich  meine",  sonst  nur  Epigramme  und  Prosafabeln.  Uebrigens 
finden  sich  auch  in  de'in  Verzeichnis  selbst  mehrfach  Stellen  wiedergegeben,  die  in 
den  „Vermischten  Schriften"  unterdrückt  waren,  so  dass  auch  hierdurch  L.s  Buch  eine 
unentbehrliche  Ergänzung  der  Gesamtausgaben  wird.  — 

Ueber  Lichtenberg-s  Geg-ner  Joh.  G.  Zimmermann  handelt  Ischer^^j  j)jes 
sehr  ausführliche  Buch  ist  vielleicht  die  beste  Monographie,  die  bis  jetzt  einem  der 
kleineren  Popularphilosophen  zu  teil  geworden  ist.  Mit  gründlicher  Kemitnis  ver- 
bindet L  grosse  Objektivität  und  eine  sichere  Methode.  Zu  rühmen  sind  vor  allem 
die  vortrefflichen  Analysen  sowohl  der  Werke  Zimmermanns  als  der  durch  sie  er- 
weckten Streitschriften.  Es  ist  üblich  geworden,  alle  solche  Schriften  einfach  als  be- 
kannt vorauszusetzen,  während  doch  die  Wenigsten  sie  kennen,  ja  auch  nur  ein- 
sehen können;  in  Wirklichkeit  ist  eine  zuverlässige  Analyse  verschollener  Schriften 
zur  vollen  Würdigung  eines  Autors  geradezu  unerlässlich.  Zuverlässig  muss  sie 
freilich  sein,  und  I.  hat  nachgewiesen,  dass  Bodemann  dies  Prädikat  nicht  verdient 
(S.  204,  3;  292;  394  Anm.  u.^ö.);  doch  auch  Goedeke  (S.  267  Anm.),  Hamel  (S.  97j 
und  Minor  (S.  195,  197  Anm.)  waren  in  Kleinigkeiten  zu  berichtigen.  Auch  I. 
konnte  ungedruckte  Briefe  benutzen,  unter  denen  namentlich  die  von  Zimmermann 
an  Haller  nicht  nur  für  den  Schreiber  charakteristisch  sind.  Hallers  Eitelkeit  ver- 
trägt sich  all  seinen  Gönnern  gegenüber  recht  gut  mit  wegwerfender  Demut.  Dennoch 
ist  Zimmermann  auch  als  Mensch  nicht  bloss  zu  tadeln,  und  geg^en  Goethes  harte 
Darstellung  (in  Dichtung  und  Wahrheit)  hat  L  (S.  192/3)  ihn  gewiss  mit  Recht  in 
Schutz  g-enommen.  Auch  für  manche  andere  litterarhistorisch  wichtige  Persönlichkeit 
liefert  das  (mit  einem  guten  Namenregister  ausgestattete)  Buch  wichtige  Nach- 
w^eise;  so  vor  allem  für  Haller,  aber  auch  für  Creuz  (S.  31j,  van  Swieten  (S.  53), 
Kleist  (S.  62,  99),  Wieland  (S.  46,  64/5),  dessen  Briefe  Zimmermann  piagierte  (S.  69, 
89),  Julie  Bondeli  (S.  72),  Lavater  (S.  83),  Kauffmann  (S.  92),  Iselin  (S.  93),  Herder 
(S.  129-30)  im  biographischen  Teile;  für  Muralt  (S.  227),  Kästner  (S.  248),  Kotzebue 
fS.  292,  323),  dessen  Kleinstädter-Spott  ganz  von  Zimmermann  abhängig  ist,  für 
.Öbereit,  den  „Entdecker  der  Nibelungen"  (S.  308,  336/7),  den  Zopfschulz  (S.  354), 
Hippel  (S.  358)  und  vor  allem  die  Hauptgegner  Lichtenberg  und  Knigge  im  litterar- 
historischen  Abschnitt.  Charakteristische  Dokumente  sind  Zimmermanns  Urteil  über 
den  „W^erther"  (S.  141)  und  Gleims  (schon  bekannter)  Brief  über  Friedrich  den 
Grossen  (S.  348).  Auf  die  kulturhistorisch  merkwürdige  Anekdote  von  dem  über- 
fahrenen  Vorreiter  (S.  114)  weise  ich  noch  besonders  hin;  sie  erinnert  an  eine  sehr 
bekannte  Stelle  in  einem  Briefe  der  Madame  de  Sevigne.  Nachdem  L  im  Lauf  des 
Buches  besonders  Zimmermanns  politische  Entwickelung  (S.  102/3)  und  seine  religiöse 
Stellung  (S.  360)  eingehend  geprüft,  schliesst  er  (S.  419-20)  mit  einer  guten  Charak- 
teristik. Störend  waren  uns  an  dem  trefflichen  Buch  nur  die  hässlichen  Komposita  mit 
Eigennamen:  „Tscharnerkorrespondenz  (S.242)  Anm.),  „Zürcherauflage"  (S.267  Anm.), 
„Leipzigerausg-abe"  (S.  306),  „Berlinerprodukt"  (S.  350),  „Potsdamergarnison"  (S.  351), 
„Leipzigermagister"  (S.  359)  „Berlinermonatsschrift"  (S.  371),  „Pariservolk"  (S.  376); 
von  Druckfehlern  ist  uns  nur  der  bei  einem  Schweizer  sehr  verzeihliche  „Käser" 
statt  „Haeser"  (S.  258  Anm.  3)  aufgefallen.     (Vgl.  IV  8d  :  21.)  — 

Gehört  Zimmermann  zu  Lichtenbergs  Opfern,  so  ist  dagegen  Forster  sein 
liebster  Freund.  Leitzmann3'~33)  zeichnet  von  ihm  ein  knapp  umrissenes biographisches 
Bild  und  begleitet  einen  von  ihm  entdeckten  neuen  Brief  Goethes  an  Forster  mit 
kurzen  Notizen  über  beider  Verhältnis  und  Briefwechsel.  — 

Von  K.  J.  Webers  Demokrit  erschien  wieder  einmal  eine  billige  Ausgabe^^).  — 
Einen  in  seiner  Art  nicht  minder  charakteristischen  anderen  Vertreter  der  Aufklärungs- 
Periode,  David  Friedlaender,  kennzeichnet  Geiger ^s)  im  Anschluss  an  die 
Mitteilung  von  Briefen  desselben  an  Böttiger;  auch  einige  von  Böttiger  werden  mit- 
geteilt oder  analysiert.  Die  beiden  Korrespondenten  sind  einig  in  der  g-eheimen 
Abneigung  gegen  Goethe;  die  „alte  Sara"  heisst  er  in  einem  der  späteren  Briefe, 
die   keine  Kinder    mehr   hervorbringen    könne.     Sie   leben  ganz  in  Engel,  ^endels- 


M.  3,60.  —  30)  K.  I scher,  J.  GJ Zimmermanns  Leben  u.  Werke.  Litt.-hist.  Studie.  Bern,  K.  J.  Wyss.  428  S.  M.  5,00.  — 
31)  A.  Leitzmann,  G.  Förster,  e.  Bild  aus  d.  Geistesleben  d.  18.  Jh.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  VI,  32  S.  M.  0,60.  IfNatZg. 
N.  697.]1  (Akad.  AntrittsvorlesunR.)  —,32)  (IV  10:114.1  1|L.  Geiger:  NationB.  10,  S.  804,6;  NatZg.  N.  697; 
NedSpeot.  S.  347/8.]|  —  33)  A.  Leitzmann^  Zu  Goethes  Briefwechsel  mit  G.  Forster:  VLG.  6,  S.  152/6.  (Vgl.  IV  8b  :  4/5.)  —  34) 
K.  J.  Weber,  Demokritos  od.  hinterlass.  Papiere  e.  lachenden  Philosoph.  V.  d.  Vf.  d.  „Briefe  e.  in  Deutschland  reisenden 
Deutschen".    (Ausw.  in  3  Bd.)    3.  Bd      Halle  a.  i^.,  0.  Hendel.     VI,  777  S      M.  1,75.  —  35)  L.  Geiger,  Z.  Charakteristik  Dar. 

(4)15* 


IV  5  :  36-5fi  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des   18./19.  Jahrhunderts. 

söhn  und  ihren  Genossen,  und  Hamann  ist  für  Friedlaender  der  „Noah",  der  Jean 
Paul  und  all  die  anderen  züg-ellosen  Witzling-e  erzeugt  habe,  von  denen  noch  be- 
sonders Fichte  durch  die  Hechel  gezogen  wird.  Als  Stimmen  aus  dem  Kreise  der 
alt-nikolaitischen  Fronde  haben  die  Briefe  typische  Bedeutung.  —  Inzwischen  war 
damals  schon  längst  der  Kampf  gegen  die  alte  Aufklärung  im  Gang^^l,  und  die 
geistigen  Enkel  Hamanns  3^)  spielten  wieder  eine  grosse  Rolle.  — 

Aus  diesem  Kreise  der  Popularphilosophen  neuerer  Richtung  hat  einer 
der  originellsten  und  liebenswürdigsten,  Steffens,  in  Lieb  mann 3^)  einen  Bio- 
graphen gefunden,  der  freilich  eine  psychologische  Analyse  des  merkwürdigen  Mannes 
gar  nicht  erst  versucht,  sondern  ihn  mit  seiner  Bezeichnung  als  „Schellingianer"  ge- 
nügend charakterisiert  zu  haben  meint.  Ebenso  wenig  wird  eine  litterarische  Wür- 
digung des  einflussreichen  Schriftstellers  angestrebt.  — 

Eine  Darstellung  von  Jean  Pauls  Seelenlehre  giebt  von  Koeber^^j^  sein 
Biograph  R.  O.  Spazier  wird  von  Brandes*^'*^)  gewürdigt,  der  auch  dessen 
Eltern,  dem  Pädagogen  J.  G.  K.  Spazier  und  die  Schriftstellerin  Karoline  Spazier,  in 
der  ADB.  geschildert  hat,  Jean  Pauls  Schwägerin  und  Freundin,  — 

Aus  diesen  gemütswarmen,  leicht  sentimentalen  Kreisen  führt  der  vortreffliche 
Arzt  und  Popularphilosoph  Feuchtersleben*^)  in  die  kühlere  Luft  einer  jüngeren 
Autklärungsepoche  herüber.  Sie  kündigt  sich  tumultuarisch  genug  mit  stürmischen 
Religionsbestreitungen  und  Religionsgründungen  an.  Als  einer  der  letzten  Vertreter 
der  „Freien  Gemeinden"  wird  H,  E.  Sachse  von  Isolani^*)  gefeiert.  — 

Auf  ihren  Bahnen  schritt  mit  noch  grösserem  Radikalismus  die  neueste 
Richtung,  ein  materialistisches  ,,Freidenkertum"  fort,  dessen  letzter  Kirchenvater, 
Büchner''^),  nach  allen  Seiten  seinen  Standpunkt  mit  bewährter  Trockenheit  zu  ver- 
teidigen fortfährt.'*^"^^)  —  Die  Unfehlbarkeit  dieser  „wissenschaftlichen  Weltansicht" 
wird  aber  neuerdings  durch  den  auf  eine  andere  Phase  der  Naturforschung  aufgebauten 
,, Monismus"  Ha  eckels^'*"''^)  in  Anspruch  genommen,  dessen  1892  erschienenes 
„Glaubensbekenntnis  eines  Naturforschers"  neben  verschiedenen  abwehrenden  Kritiken 
von  protestantischer^^)  und  katholischer^^)  Seite  auch  die  Gegenschrift  des  Pfarrers 
B  rüsselbach^3)  hervorgerufen  hat.  Der  wehrt  sich  gegen  TTltramontanismus  und 
orthodoxen  Dogmatismus,  lässt  sich  aber  durch  seine  christliche  Liebe  nicht  an  dem 
Avisspruch  hindern:  „Auch  die  edelsten  Geister  ausserhalb  des  Christentums  zeigen 
wenig  Moral"  und  erläutert  dies  durch  den  Satz:  „Welche  Zoten  reisst  nicht  der  grosse 
Goethe !"  (S.  1 1).  B.  darf  freilich  den  Autor  der  Hexenküche  verachten,  denn  das 
Hexeneinmaleins  ist  leicht  durch  seinen  kühnen  Satz  überboten:  ,.Dass  Haeckel  die 
Dreieinigkeit  sogar  unbegreiflich  ist,  verrät  wenig  Mathematik.  Wer  begreift,  dass 
ein  Meter  lang,  ein  Meter  breit  und  ein  Meter  tief  nicht  drei  Kubikmeter,  sondern 
ein  Kubikmeter  ist,  der  kann  auch  einsehen,  dass  der  Vater  ewig,  der  Sohn  ewig 
und  der  Geist  ewig  und  doch  nicht  drei  Ewige,  sondern  Ein  Ewiger  ist.  Denn  es 
giebt  nicht  nur  eine  Addition,  sondern  eine  Multiplikation,  Potenzen"  (S.  12).  So 
wird  das  Geheimnis  des  Glaul)ens  zum  mathematischen  Spielzeug  gemacht,  und  so 
lenkt  die  christliche  Popularphilosophie  imserer  Tage  triumphierend  wieder  in  die 
Bahnen  der  mittelalterlichen  Scholastik  ein,  welche  die  Dreieinigkeit  etwa  an  Wasser, 
Schnee  und  Eis  nicht  minder  siegreich  darthat.  — 

Eine  mildere  Fortsetzung  der  alten  Aufklärer  wird  durch  die  Freimaurer^*) 
und  verwandte,  höchst  unschädliche  Feinde  des  „Aberglaubens"  vertreten^^), 
die  zumeist  in  naivster  Weise  unter  diesem  Namen  religiösen  Wahn,  wissenschaft- 
liche Irrtümer  und  beliebige  andere  ihnen  nicht  zusagende  Dinge  zu  vereinen  pflegen. 
Ein  kleines  Handbüchlein  wie  Strapparellos  in  seiner  Art  vorzügliches  über  die 
,,Errori  e  pregiudizi  volgari"  vermag  gewiss  viel  Gutes  zu  stiften;  drei  dicke  Bände, 
wie  die  Hellenbachs^^),  welche  die  „Vorurteile  der  Menschheit"  hauptsächlich  im 
Interesse    des  Spiritismus  bekämpfen,    werden    wohl  im   günstigsten  Falle   alte  Vor- 


Friedlaenders.  Ungedr.  Briefe  1816-20:  AZgJudent.  N.  20/1.  --  36)  X  *'■  Grünhagen,  D.  Kampf  gegen  d.  Aufklärung  unter 
Friedrich  Wilhelm  11.:  ZVGSchlesien.  27,  S.  1-25.  —  37)  X  J-  G.  Hamann,  Aussprüche  aus  seinen  Schriften,  ges.  v.  P. 
Demmler:  NBllEÜ.  22,  S.  177-207,  209-25.  (Sch)uss  folgt.)  —  38)  0.  Liehmann,  H.  Steffens:  ADB.  35,  S.  555  8.  —  39)  R. 
V.  Koeber,  Jean  Pauls  Seelenlehre.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Psychologie.  (=  Schriften  d.  Ges.  für  psychol.  Forschung.  Heft 5 
[L.,  A.  Abel.  V,  37,  176  S.  M.  7,00.],  S.  115-51.)  -  40)  F.  Brandes,  R.  0.  Spazier:  ADB.  35,  S.  75,6.  —  41)  id.,  J.  G.  K. 
Spazier:  ib.  S.  74  5.  —  42)  id.,  Johanne  Karoline  Wilhelmine  Spazier:  ib.  S.  73/4.  —  43)  X  Fenohtersleben.  Z.  Diätetik  d. 
Seele.     2.  Aufl.     Halle  a.  S.,  Gesenius.    12».  XV,  179  S.    M.  2,00.  —  44)  E.  Isolani,  Dem  Andenken  Sachses:  VolksZg.  N.  168. 

—  45)  L.  Büchner,  Monismus  u  Dualismus:  KBlDFreidenkerbund.  7,  S.  62/4.  —  46)  X  E.  Dreher,  Materialismus  u. 
Dualismus.  E  Antikritik:  ib.  8,  S.  79-81.  -47)  X  Wie  sieht  Herr  Prof.  Büchner  z.  Socialismus?:  ib.  11,  S.  118-20. —  48)  X 
L.  Büchner,  E.  moderner  Geisterseher:  Zukunft  2,  S.  2169.  —  49-50)  E.  Haeckel,  D.  Monismus  als  Band  zwischen  Re- 
ligion u.  Wissensch.  Glaubensbekenntnis  e.  Naturforschers.  Vortr.  Bonn,  Strauss.  46  S.  M.  1,60.  [Didask.  N.  45;  ThLBI.  14, 
S.  121;2.J|  —  51)  X  E.  Böhme,  Haeckels  ..Monismus":  PKZ.  S  754-61,  777-85.  —  52)  H.  Grub  er,  E.  Hueckel  als  Stifter 
e.  neuen  „Konfession":  Kath.  73',  S.  350/7.  —  53)  J.  Hrüsselbach,  Religion  u.  Wissensch.  wider  d.  Glaubensbekenntn.  E. 
Haeckels.  L.,  Ernst  Rnst.  20  S.  M.  0,5(».  |[Holtzheuer:  EKZ.  S.  234/5,  307/8.]|  —  54)  X  3.  G.  Findel,  Schriften  über 
Freimaurerei.     13.-15.  (Schlu8s-)Heft.     (=  Verm.  Schriften.     5.  Bd.     2.  Aufl.)     L.,   J.  G.  Findel.     VH,  202  u.  VIII  S.     M.  3,00. 

—  55)  X  A.  Brodbeck,  D.  Welt  d.  Irrtums.    2.  Aufl.    L.,  W.  Friedrich.     V,  121  S.    M.  1,50.    -    56)  L.  B.  Hellenbaoh, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts,  IV  5 :  57-74b 

urteile  durch  neue  ersetzen.  Lehrreich  ist  in  den  schlecht  geschriebenen  Büchern 
höchstens  das  Litteraturverzeichnis,  das  eine  Uebersicht  der  augenblicklich  in 
diesen  Kreisen  geltenden  Autoritäten  g'iebt.  Sonst  citierte  man  in  solchen  Werken 
g-ern  Dichter;  jetzt  statt  dessen  —  Nationalökonomen.  Gemeinsam  ist  all  diesen  neuen 
Popularphilosophen  die  absolute  Sicherheit  ihrer  Aussagen;  aller  Zweifel  liegt  hinter 
ihnen  und  da  am  meisten,  wo  der  Boden  am  unsichersten  ist.  —  Wohlthuend  berührt 
es  in  dieser  Zeit  allgemeiner  Skepsis, -dass  es  auch  noch  Männer  giebt,  die  über  nichts 
im  Zweifel  sind.  Behrends^^)  aus  Frankfurt  am  Main  —  wohl  ein  Verwandter  von 
Lenaus  einstiger  Braut  —  hat  unter  dem  Titel  „Fausts  Vermächtnis"  über  Adam  und 
Eva,  Dämonen  und  Engel  (S.  147),  Prometheus  (S.  271)  und  Moses  (S.  276)  endgültige 
Auskunft  erteilt;  seine  Kenntnis  giebt  uns  (S.  241)  die  beruhigende  Gewissheit, 
dass  das  grosse  Ganze  des  Weltalls  in  Ordnung  ist.  In  seiner  neuest-platonischen 
Philosophie  und  Theologie  kehren  uralte  Mythologeme  wie  das  Weltei  (S.  179)  wieder 
und  reichen  kühnen  Etymologien,  wie  der  über  Devos  und  Zebaoth  (S.  460)  die 
Hand.  Schildert  uns  der  Autor  sogar  Schöpfung  und  Himmelreich  (S.  347),  so  bleibt 
uns  schliesslich  nur  Eins  noch  ungewiss :  was  der  Name  „Fausts  Vermächtnis"  zu 
bedeuten  habe.  ZM'ar  sind  alle  Motti  aus  dem  Faust  genommen,  es  wird  gezeigt, 
dass  Goethe  ein  Lichtwesen  war  (S.  551),  und  ein  Anhang*  verbreitet  sich  über  seine 
Adelung;  bei  alledem  wäre  es  doch  vielleicht  angezeigt  gewesen,  den  Titel  zu  be- 
schränken und  das  Buch  etwa  „Aus  der  Hexenküche"  zu  taufen.  —  Popularphilo- 
sophie  neuesten  Stils,  im  Charakter  der  Religionsgründung,  bietet  Paris ^*^)  ,, Glaubens- 
bekenntnis des  Humanisten",  ein  von  Wohlwollen  und  Allgemeinheiten  erfülltes 
„Evangelium  unseres  Zeitgeistes"  ohne  jede  andere  Bedeutung  als  die  symptomatische, 
dass  eben  solche  Schriften  wieder  Verleger  und  vielleicht  auch  Leser  finden.  —  Eher 
begreift  man  das  beiM.R.von  Stern  s^^j  Bibelversuch,  der  in  der  Art  von  Lamennais  den 
socialen  Frieden  auf  Gedanken  und  Wendungen  des  Evangeliums  und  zugleich  auf 
moderne  Anschauungen  aufzubauen  versucht.  — 

Eine  Erneuerung  des  Christentums  in  diesem  Sinne  strebt  auch  Egidy^**) 
an  und  mit  stärkerem  Radikalismus  die  viel  diskutierten  Gesellschaften  für  ethische 
Kultur^i'^^),  deren  Wesen  und  Ziele  JodpO)  am  klarsten  hervorhebt. '''*")  —  Strebten 
sie  die  Gründung  einer  neuen  Kirche,  einer  Religionsgemeinschaft  der  Aufgeklärten 
erst  an,  so  haben  die  „Freidenker"  schon  längst  ihre  Konzile'*),  ihre  offiziellen 
Heiligen  und  ihre  zelotische  Orthodoxie.  —  Ein  Naturforscher,  Do  d  e  H 2)  in  Zürich, 
hat  durch  seine  leidenschaftlichen  Werbereden  für  Socialisraus  und  Freidenkerei  schon 
wiederholt  den  alten  Erfahrungssatz  bestätigt,  dass  die  ,, Exakten",  wenn  sie  ihr 
eigenes  Gebiet  verlassen,  kritikloser  und  dogmatischer  zu  sein  pflegen  als  Forscher, 
die  sonst  mehr  wagen.  Knallphrasen  wie  die,  der  Privatbesitz  an  Grund  und  Boden 
sei  die  abscheulichste  Missethat,  zu  der  der  Mensch  sich  verführen  liess  (1,  S.  13), 
abgeschmackt-durchsichtige  „Märchen"  (1,  S.  103),  hohle  Phrasen  über  die  menschen- 
unwürdigsten Laster,  die  im  Gefängnis  gedeihen  (2,  S.  153),  mögen  bei  pathetischem 
Vortrag  vielleicht  auf  ein  im  voraus  zum  Beifall  gestimmtes  Publikum  ihre  Wirkung 
nicht  verfehlt  haben;  der  Leser  kann  sich  davon  nur  angewidert  fühlen.  Auch  wo 
D.  lobt,  wie  in  dem  Vortrag  über  Konrad  Deubler  (2,  S.  131/2),  zeigt  er  sich  unfähig, 
über  Redensarten  hinauszukommen,  die  selbst  in  die  einfache  Erzählung-  vom  Leben 
des  Bauernphilosophen  eindringen.  —  K.  Deubler  ist  auch  von  einem  Pseudonymen 
Kuno  Faust'''*)  ausgiebig  verherrlicht  worden.  Die  wirklich  lohnende  Aufgabe, 
den  „Bauernphilosophen"  in  seine  beiden  Elemente  zu  zerlegen,  hat  keiner  von  beiden 
auch  nur  versucht.   — 

Einen  völlig  anderen  Weg-,  die  Religion  von  der  Wissenschaft  aus  zu  erreichen, 
schlägt  Max  Müller^*"'''*''),  der  berühmte  Sprachforscher,  ein,  der  die  Sprache  und 
das  Denken  für  identisch  hält.     Er  sucht  auf  historischem  Wege  die  Grundlage  der 


Vorurteile  d.  Menschheit.  3  Bde.  L.,  Osw.  Mutze.  VU,  363  S.;  XVI,  299  S.;  VU,  376  S.  M.  12,00.  -  57)  P.  F.  Behrenda, 
Fausts  Vermächtnis.  Geist-,  Seelen-  u.  Körperwelt  Tolkstümlich  erörtert.  Z.  Förderung  allg.  Bildung,  Menschenliebe  u.  Duld- 
samkeit. L.,  Baldamus.  XVI,  556  S.  M.  6,00.  (Vgl.  lY  8e  :  69.)  —  58)  A.  Paris,  D.  Glaubensbekenntnis  d.  Humanisten. 
E.  Evangelium  unseres  Zeitgeistes.  B.,  Bibliogr.  Bureau.  48  S.  M.  1,00.  —  59)  M.  E.  v.  Stern,  Ans  d.  Papieren  e.  Schwärmers. 
Worte  an  d.  Zeitgenossen.  Dresden  u.  L.,  E.  Pierson.  42  8  M.  1,00.  —  60)  X  H.  Schnell,  Herrn  v.  Egidys  Volksschrift 
„Einiges  Christentum":  EKZ.  S.  334  9.  —  61)  X  F.  Jodl,  Was  heisst  eth.  Kultur?:  EthKult.  1,  S.  2/3.  —  62)  X  H.  Köh  I  er . 
D.  sogen,  eth.  Bewegung  u.  d.  Socialdemokratie.  L..  J.  C.  Hinrichs.  48  S.  M.  0,60.  [Braasch:  PKZ.  S.  597;8.]|  —  63)  X 
A.  K.Hardey  (=Adele  Gerhard),  Einige  Worte  z.  eth.  Bewegung:  NZSt.  H,  S.  728-31.  —  64)  X  Braasch,  D.  Ges.  für 
eth.  Kultur:  PKZ.  S.  183,5,  597,8.  —  65)  X  D.  dtsch.  Ges.  für  eth.  Kultur:  AELKZ.  26,  S.  868,9.  —  66)  X  0.  Veck,  Eth. 
Kultur:  DPBl.  26,  S.  35-67.  —  67)  X  H.  Gruber,  D.  Gesellschaften  für  eth.  Kultur:  StML.  44,  S.  385-404,  517-37.  —  68)  X 
D.  eth.  Bewegung  in  Deutschland:  BnrschenschBll.  7,  S.  107,9.  —  69)  X  F.  Wyss,  Ueber  d.  eth.  Bewegung  in  Amerika  u. 
Deutschland:  Pädagogium  15,  S.  315-23.  —  70)  F.  Jodl,  Wesen  u.  Ziele  d.  eth.  Bewegung  in  Deutschland.  Nach  e.  Vortr. 
Frankf.  a.  M.,  Gebr.  Knauer.  26  S.  M.  0,40.  —  70a)  X  F.  Mehring,  Ethik  u.  Klassenkampf:  NZSt.  11,  S.  698-702.  -  71) 
D.  geschäftl.  Sitzung  d.  XI.  Hauptvers.  d.  dtsch.  Freidenkerbundes  in  Karlsruhe:  KBIDFreidenkerbund.  12,  S.  129-34.  —  72) 
(I  4:586,  597.)  -  73;  Kuno  Faust,  E.  Bauernphilosoph  (K.  Deubler).  D.  Volke  z.  Ehren  dargest.  München,  C.  Mehrlich. 
52  S.  M.  0,45.  —  74)  Max  Müller,  Phys.  Eeligion:  WeserZg.  K.  16681.  —  74a<  X  id.,  Theosophy,  or  psychological  re- 
ligion,  Clifford  lectures.     London,  Longmun.    Sh.  10,6.     |[J.  Owen:  Ac.  44,  S.  285;6.]|  —  74b;  X   id.,  Introd.  to  the  soience 


IV  5  :  75-80  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Religion  zu  ermitteln  und  auf  dieser  Grundlage  dann  einen  neu-alten  vedisch-bud- 
dhistisch- christlichen  Glauben  aufzubauen.   — 

Einsam  stellten  andere  Denker  sich  ihre  eigene  Lebensphilosophie  auf: 
Lorm'^),  Hamerling"^),  für  den  sich  zwar  in  Brukner''^"')  ein  Prophet  fand, 
Wille").  - 

Eine  Gemeinde  für  sich  bilden  die  Spiritisten,  zu  denen  auch  Hellenbach 
(s.  o.  N.  56)  schon  zählt.  Kiesewetter "^)  gi'eift  auf  Mesmer  zurück,  der  einmal 
auch  in  unserer  Litterat  Urgeschichte  durch  seinen  Einfluss  auf  Lavater,  Kerner  u.  a. 
wichtig  wurde;  du  Prel '"^")  erzählt  von  sich  selbst.  —  Indische  Theosophie,  wie 
Max  Müller  sie  lehrt,  wollen  andere  mit  europäischem  Spiritismus  verquicken  ^i"^2). 
und  Schneidewi  n*3j  meint  schon  ernstlich  die  Aussichten  des  Buddhismus  in  Europa 
untersuchen  zu  sollen.  Für  die  Litteraturgeschichte  sind  alle  diese  Dinge,  so  kurios 
sie  meist  im  einzelnen  sind,  als  GaiTzes  nicht  ohne  Interesse:  diese  Reliongsgründungen, 
diese  esoterischen  Lehren,  diese  Geisterbeschwörungen  und  Entlehnungen  aus  dem 
Orient  sind  Symptome  dafür,  wie  wir  wieder  in  eine  neue  Romantik  hineinsteuern.  — 
Andere  Zeugnisse,  wie  das  neu  erwachte  Interesse  an  Hoffmann  und  Brentano,  die 
Analogie  der  französischen  Kunst,  und  manche  Theorie  der  deutschen  Modernen 
stimmen  hierzu.  Daher  können  wir  uns  nicht  wundern,  Seite  an  Seite  m^it  raffinierter 
Originalitätssucht  dem  Streben  nach  christlich-naiver  Lebenshaltung  zu  be- 
gegnen*'*); Andresen^^)  sucht  diese  noch  mit  specifisch  nationalem  Gehalt  zu 
durchdringen. 

Was  denn  schliesslich  die  signatura  temporis  sei,  suchen  in  zusammen- 
fassenden Ueb ersichten  aus  diesen  und  anderen  Symptomen  Salomon*^)  und 
Fritz  Schnitze^')  zu  erschliessen,  und  der  letztere  geht  darüber  hinaus  an  die 
Konstruktion  des  mutmasslichen  Zeitgeistes  im  20.  Jh.  Solchen  nur  allzu  populären 
Versuchen,  aktuelle  Geschichtsphilosophie  zu  treiben,  stellen  wir  einen  wunderhübschen 
Aufsatz  Delbrücks*^)  gegenüber,  der  den  Kardinalsatz  aller  populären  Geschiciits- 
philosophie,  das  Dogma  von  der  „guten  alten  Zeit",  durchdie  Jahrhunderte  verfolgt.  ITeber- 
all  findet  er  ihn  wieder;  von  Pontius  werden  wir  zu  Pilatus  geschickt,  wenn  wir 
die  gute  alte  Zeit  suchen,  und  kommen  wir  zu  Pilatus,  so  ist  sie  auch  da  schon  ge- 
wesen. Jeder  Zeit  erscheint  in  dem  A^erschönernden  Licht  der  historischen  Perspektive 
die  alte  Zeit  als  eine  gute,  und  jede  Zeit  schwelgt  in  der  populären  Vorstellung 
einstigen  Glücks,  weil  sie  die  Lücken  des  eigenen  Behagens  mit  Träumen  ausfüllt. 
Unveränderlich  bleibt  durch  die  veränderten  Zeiten  diese  Lehre,  unveränderlich  auch 
die  geheime  Hoffnung  auf  Wiederkehr  der  goldenen  Tage;  und  es  ist  vielleicht  nur 
die  leichtsinnigere  Annahme  einer  baldigen  goldenen  Zukunft,  in  der  die  dilettantische 
Popularphilosophie  sich  von  der  gelehrten  Fachphilosophie  unterscheidet.  Träumt  ja 
doch  sogar  Schopenhauers  Weltverzweiflung  von  einstiger  Erlösung,  von  der  Rückkehr 
in  die  gute  alte  Zeit,  des  vom  principium  individuationis  noch  nicht  gestörten  Chaos!  — 

Kommen  wir  nun  zu  der  Philosophie  selbst,  so  treffen  wir  hier  eine  solche 
Fülle  von  Litteratur  und.  was  besonders  zu  beachten,  neben  zahlreichen  Monographien 
eine  solche  Zahl  von  Gesamtdarstellungen,  dass  wir  auch  hierin  ein  Symptom 
für  die  gegenwärtige  Litteraturepoche  zu  sehen  nicht  umhin  können.  Berg- 
mannes) jjat  seine  Geschichte  der  Philosophie  zu  Ende  geführt  (vgl.  JBL.  1892 
IV  5  :  32);  in  sorgsam,  aber  arg  nüchtern  ausgeführten  Einzelschilderungen  stehen 
Schelling,  Baader,  Schleiermacher,  Krause,  Hegel,  Schopenhauer  und  Fries,  Herbart, 
Beneke  neben  einander.  Selbst  wenn  B.  die  kühnsten  Proben  von  Schellings^natur- 
philosophischen  Orakeln  (S.  290)  oder  von  Krauses  Verdeutschungen  (S.  339)  mitteilt, 
widersteht  er  der  Versuchung  zu  lächeln.  Er  identifiziert  sich  oft  so  weit  mit  dem  je- 
weils dargestellten  Philosophen,  dass  seine  und  des  Betreffenden  Rede  (z.  B.  S.  285)  kaum 
entwirrbar  durcheinandergehen.  Besonders  dankenswert  sind  die  ausführlichen  Analysen 
der  oft  nicht  nach  Gebühr  gewürdigten  kleineren  Helden  wie  Fries  und  Beneke;  Baader 
kommt    etwas    zu  kurz,    weil  seine  Bedeutung  eigentlich  mehr  eine  kulturhistorische 


of  religion,  lectnres.  New  ed.  ebda.  Sh.  36.  —  75)  H.  Loim,  D.  Muse  d.  GlücVs  u.  moderne  Einsamkeit.  2  Beitrr.  z. 
Lebensphilos.  2.  Aufl.  Dresden,  H.  Minden.  12».  78  S.  M.  1,00.  —  76)  R.  Hamerling,  D.  Atomistik  d.  Willens  (vgl.  JBL.  1891 
IV  3:  176).  IfAth.  10,  S.  88/9.]|  -  76a)  X  B-  Brukner,  Hamerling  als  Erzieher  (vgl.  JBL.  1892  IV  3:  141).  |1K.  Opitz: 
BLU.  S.  184;  Spectator:  ML.  62,  S.  3214  („Hamerling  e.  Erzieher?").  —  77)  Br.  Wille,  Selbstportr. :  Ges.  S.  164-72.  — 
78l  (I  4:183.)  -  79)  K.  du  Frei,  Wie  ich  Spiritist  geworden  bin:  Zukunft  2,  S.  356-67.  -  80)  X  L.  Büchner,  E.  moderner 
Geisterseher:  ib.  S.  2169.  (Heber  K.  du  Frei,  1).  Eätsel  d.  Menschen  [vgl  JBL.  1892  IV  5  :  19J.)  -  81)  X  W.  Hflbbe- 
Schleiden,  D.  theosoph.  Vereinigung.  Lebe  deinem  höchsten  lde:il  gemäss:  Sphinx  lö,  S.  83.  —  82)  X  id.,  Theosophie 
auf  d.  Weltkongress  d.  Religionen:  ib.  17,  S.  165-70.—  83)  M.  Schneidewin,  D.  Charcen  d.  buddhaist.  Glaubens  für  Europa : 
WeserZg.  N.  16559,  165634.  -  84)  X  U.  Oeser,  D.  Herrn  Archemoros  Gedanken  (JBL.  1892  IV  5:809):  Grenzb.  1,  S.  455  6. 
—  85)  C.  Andresen,  D.  Entwicklung  d.  Menschen  im  Lichte  christl.-nation.  Weltanschauung  (vgl.  JBL.  14:8).  |[DDichtung.  14, 
S.  101;  ThLBl.  14,  S.  25;  DWBl.  S.  336.]]  -^  86)  L.  Salomon,  Deutschlands  Leben  u.  Streben  im  19.  Jh.  St.,  Levy  &  MüHer. 
XV,  326  S.  M.  4,50.  —  87)  Fritz  Schnitze,  D.  Zeitgeist  in  Deutschland,  seine  Wandlungen  im  19.  u.  seine  mutraassl.  Ge- 
staltung im  20.  Jh.  L.,  E.  Günther.  III,  194  S.  M.  3,00.  (Vgl.  JBL.  1894  IV  Ib)  —  88)  (I  4:  166.)  —  89)  J.  Bergmann, 
Gesch.  d.  Philos.  2.  Bd.  2.  Abt.  Nach  Fichte.  B.,  E.  S.  Mittler  &  Sohn.  338  S.  M.4,00.  |[R.  Falkenberg:  DLZ.S.  612/3; 
WIDM.  73,  S.  857;    LCBl.  S.  1813;    L.  Weis:  BLU.  S.  349,  652;    N&S.  06,  S.  139;    DR.  3,  S.  253;    G.  Glogau:    PhilosMh.  29, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  90-105 

ist  als  eine  rein  philosophische.  Zahlreiche  Besprechungen  heben  die  Zuverlässigkeit 
und  den  Ernst  des  Werkes  hervor.^'')  —  Zwei  andere  Historiker  der  Philosophie, 
Erdmann  und  Windelband,  sind  —  jener  von  Hough"'),  dieser  von  Tufts^^j  — 
ins  Englische  übersetzt  worden,  Zeugen  der  fortdauernden  Führung  Deutschlands  auf 
diesem  Gebiete.  —  Nur  als  Unterrichts  buch,  nicht  als  selbständige  wissenschaftliche 
Leistung-  ist  Braschs''^)  Lehrbuch  der  Geschichte  der  Philosophie  gedacht.  Es  wäre 
indessen  besser,  wenn  ein  Repetitorium,  statt  sich  äusserlich  mit  Stoff  zu  überfüllen, 
ihn  gründlich  durcharbeitete.  B.  bespricht  freilich  auch  die  Philosophen  der  Renais- 
sance und  ihre  arabisch-jüdischen  Vorgänger  und  geht  in  der  Behandlung  der  neuesten 
Philosophie  nicht  bloss  auf  Wundt,  sondern  sogar  auf  Frohschammer,  Noire,  Berg- 
mann ein,  um  mit  einem  Dithyrambus  auf  —  J.  Rülf  zu  schliessen.  Was  nützt  es 
aber  dem  Leser,  wenn  z.  B.  (S.  402)  Hermes  Name  mit  einem  Gefolge  anderer  Namen 
vorgebracht  wird,  ohne  dass  man  irgend  etwas  über  den  Inhalt  seiner  Lehren  erfähi't? 
Es  ist  ganz  schön,  auf  Solger  einzugehen;  aber  man  muss  ihn  besser  charakterisieren 
können  als  mit  den  Worten:  „Solger  war  eine  feingeistige,  klassisch  gebildete  Per- 
sönlichkeit und  ein  anziehender  Stilist"  (S.  395).  Doch  sind  hier  und  öfter  (z.  B.  bei 
Kant)  die  Belegstellen  nicht  ohne  Geschick  gewählt;  ob  auch  die  Litteraturbelege, 
kann  ich  nicht  überall  g-enügend  beurteilen.  Ein  entschiedener  Fehler  ist  der  Mangel 
eines  Sachregisters,  ohne  das  gerade  ein  Repetitorium  nur  die  halbe  Brauchbarkeit 
besitzt;  dagegen  macht  die  übersichtliche  Inhaltsangabe  ein  Namensregister  wenigstens 
für  die  wichtigeren  Persönlichkeiten  entbehrlich.  Es  sind  aber  überhaupt  viel  zu  viel 
Namen  genannt,  wobei  denn  noch  mit  echt  B.scher  Flüchtigkeit  Henricius 
Renerius  (S.  176)  in  zwei  Philosophen,  Renerius  in  Utrecht  und  Renery  in  Leyden, 
gespalten  wird.  Ganz  wüst  ist  der  Namenhaufen  z.  B.  bei  den  „Anfängen  der  neueren 
Rechts-  und  Staatsphilosophie"  (S.  144),  wo  Thomas  Morus  der  Vf.  der  ersten  kommu- 
nistischen Utopie  heisst,  erst  Grotius  und  dann  „ein  Vorläufer  des  Grotius"  genannt 
wird  usw.  Zuverlässig  ist  überhaupt  kaum  ein  Abschnitt  des  Buches;  aber  dies  hat 
man  ja  läng'st  aufgehört  von  Repetitorien  zu  verlangen.  —  Unter  den  im  Vorjahr 
verzeichneten  Büchern^^-ö"*)  hat  besonders  das  von  Spicker"")  (vgl.  JBL.  1892  IV 
5  :  107)  zu  interessanten  Diskussionen  Anlass  gegeben. -'Sj  Während  er  über  den  Verfall 
der  Philosophie  sprach,  handeln  Brentano^")  und  JoeP^*^)  über  ihre  Zukunft.  — 
In  ihren  Gruppendarstellungen  aus  der  Geschichte  der  Philosophie  kommen 
Vaihinger'oi)^  der  bis  zu  Kant  geht,  und  D  r  e  w  s  '02)  ^  der  mit  Kant  begimit,  einander 
entgegen.  —  In  Goedekes '"^j  (jrundriss  bringt  die  Neubearbeitung  die  Philosophen 
aus  der  Zeit  Goethes  und  Schillers;  ein  einzelner  von  ihnen,  der  zu  Schillers  näheren 
Freunden  gehörte,  und  dem  er  den  „Verbrecher  aus  verlorener  Ehre"  verdankt, 
J.  Fr.  Abel,  erhielt  eine  Monographie  durch  Aders^*^^).  Im  übrigen  gilt  für  jenen 
Paragraphen  bei  Goedeke  etwa  das  Gleiche  wie  für  die  ganze  Neubearbeitung.  In 
der  Einleitung  ist  Kants  Stellung  zur  deutschen  Litteratur  mit  einig-en  neu  ein- 
gefügten Worten  charakterisiert;  Fichte,  Schelling,  Hegel  werden  anders  als  in  der 
ersten  Auflage  dargestellt,  insbesondere  fielen  die  Worte  weg-,  dass  Schelling  „die 
bis  dahin  zur  Seite  geschobene  Natur  in  sein  System  fügte".  Lessings  Erwähnung 
ward  gestrichen,  dagegen  Herbart  zug-ebracht.  Die  Litteraturangaben  sind  natürüch 
durchweg,  besonders  auch  für  die  Gesamtdarstellungen,  stark  vermehrt.  Aus  dem 
Zusammenhang  der  Philosophen  (§  247)  wurde  Garve  entfernt,  dagegen  Mellin  und 
Ratze  neu  aufgenommen.  Mehrfach  musste  die  Reihenfolge  g-eändert  werden.  Endlich 
wurden  Einzelheiten  umgeformt;  so  blieb  bei  Kant  (weshalb?)  der  Satz  fort:  „seit 
1794  ermattend  und  in  fast  völlige  Geistesschwäche  verfallen",  wog'egen  bei  Platner 
die  Charakteristik  „erst  Leibnizianer,  später  dem  Skeptizismus  sich  zuneigend"  neu 
aufgenommen  wurde  usw.  Bei  Joh.  Jak.  Wagner  ward  der  Hinweis  auf  Platen  unter- 
drückt, dagegen  bei  Baader  der  auf  Schelling  eingefügt;  eine  Würdigung  der 
litterarischen  Beziehungen  von  Männern  wie  Baader  und  Solger  und  Schubert  unter- 
blieb   aber    auch    diesmal.  —  Eine    seltsame  Auswahl    bietet  Brasch'*^^)   in    seinen 

S.  76-87.]|  —  90)  X  R-  Fallcenberg,  Gesch.  d.  neueren  Philos.  (vgl  JBL.  1892  IV  5  :  31).  |[DLZ.  S.  789-90;  C.  Güttler: 
LRs.  19,  S.  112  3.]|  —  91)  J.  E.  Erdmann,  Hist.  of  philos.,  ed.  by  W.  S.  Hongh,  3  vols.  .3.  ed.  London,  Swan  Sonnenschein  4  Co. 
Sh.  42.  —  92)  W.  Windelband,  Hist.  of  philos.  Transl.  by  J.  H.  Tafts.  New-York  u.  London,  Macmillan  &  Co.  XHI,  659  S. 
Sh.  21.  —  93)  M.  Brasch,  Lehrbuch  d.  Gesch.  d.  Philos.  zngl.  als  Repetit.  L.,  Rossberg.  XIV,  441  S.  M.  5,60.  —  94)  X 
R.  EucVen,  D.  Lebensideale  (vgl.  JBL.  1891  IV  6:43):  Geg.  43,  S.  79.  —  95)  X  J-  Volkelt,  Vortrr.  z.  EinfQhrg.  in  d. 
Philosophie  d.  Gegen w.  (JBL.  1892  IV  5:29):  N&S.  65,  S.  409-10.  —  96)  X  J-  Royce,  The  spirit  of  the  mod.  philos.  (  JBL.  1892 
IV  5:32a.)  |[F.  Jodl:  DLZ.  S.  2934;  LCBl.  S.  172,3.J|  —  97)  X  E-  Volkelt:  DLZ.  S.  549-51;  B.  Münz:  BLÜ.  S.  5234; 
LCBl.  S.  3113;  C.  Montanus:  AZgB.  N.  166;  Nation".  10,  S.  4iO;  ThLBL  14.  S.  73,4;  K.  Gntberlet:  PhilosJb.  6,  S.  190. — 
98)XL.Büchner,  D.Verfall  d.  Philos.:  Zukunft  4,  S.366,9.  -  99)  F.  Brentano,  Ueber  d.  Zukunft  d.  Philos.  Mit  apologet.- 
krit.  Berücksichtig,  d.  Inaugurationsrede  v.  A.  Exner  „Ueber  polit.  Bildung-'  als  Rektor  d.  Wiener  Univ.  Wien,  Holder.  IX,  75  S. 
M.  2,00.  \[K.  Twardowski:  ÖLBl.  2,  S.  337  3.]|  —  100)  K.  Joel,  D.  Zukunft  d.  Philos.  (Antrittsvorles.)  Basel.  B.  Schwabe. 
35  S.  M.  0,80.  |[DR.  3,  S.  379.JI  —  101)  H.  Vaihinger,  Litt.-Ber.  über  d.  neuere  Philos.  bis  auf  Kant  für  d.  J.  1890-91: 
AGPhilos.  6,  S.  276-97.  —  102)  A.  Drews.  D.  dtsch.  Spekulation  seit  Kant,  mit  bes.  Rücksicht  auf  d.  Wesen  d.  Absoluten 
u.  d.  Persönlichkeit  Gottes.  2  Bde.  B.,  Mater.  XVIU,  531  S.;  VIU,  632  S.  M.  18,00.  |[L.  Weiss:  BLU.  S.  285  6;  LCBl. 
S.  7802;  P.  V.  Lind:  AltprMschr.  30,  S.  357-63;  E.  Uelzer:  PhilosMh.  27,  S.  624-31. ||  -  103)  (IV  la:2;  S.  1-14.)  —  104) 
F.   Aders,   J.   F.    Adelbachs   Philos.    B.,   F.  Trautwein.    UI,  93  S.    M.  2,40.   —   105)    M.    Brasch,    Leipziger   Philosophen. 


IV  5  :  106-131  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./i9.  Jahrhunderts. 

„Leipziger  Philosophen",  einem  von  der  Kritik  mit  Recht  abgelehnten  Buche,  aus  dem 
Ernsthaftes  nicht  zu  entnehmen  ist.  Ganz  richtig  haben  die  Recensenten  darüber  gespottet, 
dass  B.  Autoren  hereinzieht,  die  nicht  Leipziger  sind  (wie  Ueberweg)  oder  nicht 
Philosophen  (wie  Stallbaum);  aber  auch  der  Artikel,  der  nach  Röscher  benannt  ist, 
beschäftig't  sich  in  Wirklichkeit  mit  Schmoller.  Und  wo  B.  über  Fechner,  Drobisch, 
Wundt,  Ahrens,  Biedermann  handelt,  da  sind  seine  Analysen  so  schwerfällig,  und  da 
ist  seine  Kritik  so  unbedeutend,  dass  bei  aller  zur  Schau  getragenen  Belesenheit  man 
den  Eindruck  hat,  der  Autor  habe  sich  traurig  übernommen,  als  er  ernste  Forscher 
popularisieren  wollte.  — 

Unter  den  einzelnen  Philosophen  fiel  natürlich  auch  diesmal  unter  den 
Arbeiten  über  die  „grosse  Reihe"  der  Löwenanteil  Kant  zu.  Populäre '•^^-log-) 
und  streng  fachgemässe  Aufsätze  und  Schriften ^*'^""''),  Ausgaben ^'^)  und  Ueber- 
setzungen^i^),  allgemeine  Raisonnements  über  Kant'^O),  Mitteilungen  über  seine 
Familie^-i)  und  Recensionen  über  ihm  g-eltende  Schrifteni22j  können  hier  nur  ver- 
zeichnet werden,  ebenso  die  Arbeiten,  in  denen  Punkte  seiner  Lehre  mit  ihren  Ent- 
sprechungen bei  Hegel ^23-)^  Maimon^-^j,  Schopenhauer '25j  oder  in  der  modernen 
Wissenschaft ^''^^)  verglichen  werden.  Allgemeinere  Bedeutung  hat  der  grosse,  vielfach 
besprochene  Kommentar  Vaihinger  s  ^^''j  zur  Kritik  der  reinen  Vernunft  und 
das  Kantlexikon  Wegners  '^S),  —  Neues  aus  Kants  Nachlass  teilte  Reicke  ^^''3  mit.  — 

Aus  Hegels  hs.  Nachlass  veröffentlichte  MoUat^^"^)  sein  „System  der  Sittlich- 
keit" von  1802.  Rosenkranz  und  Haym  haben  es  bereits  eingehend  gewürdigt;  im  Druck 
lag  es  aber  noch  nicht  vor.  Wichtig  ist  besonders  die  Staatslehre  (S.  30/ Ij  und  in 
dieser  wieder  die  Polemik  gegen  Fichte  (S.  o6).  Als  Anhang  sind  Stücke  der  Vor- 
lesungen über  die  Philosophie  des  Geistes  (Jena  1803—6)  mitgeteilt;  ich  hebe  einen 
interessanten  Punkt  heraus:  ,,Das  geistige  Band  ist  die  öffentliche  Meinung:  Dies 
das  wahre  legislative  Corps ,  Nationalversammlung,  Erklärung  des  allgemeinen 
Willens,  der  in  der  Exekution  aller  Befehle  lebt.  Die  Regierungsbeamten  gehören 
diesem  Geiste  an.  Es  wird  jetzt  anders  regiert  und  gelebt  in  Staaten,  deren 
Konstitution  noch  dieselbe  ist,  und  diese  ändert  sich  nach  und  nach  mit  der  Zeit" 
(S.  59  Anm.).  Wer  würde  diese  g-esunde  Rücksicht  auf  die  Erfahrung  einem  Mann  zu- 
trauen, der  Sätze  schreibt  wie  (S.  23) :  „Das  Zutrauen  ist  in  der  Identität  des  Ersten 
und  der  Differenz  des  Zweiten"?  —  In  weiteren  Kreisen  hat  eine  andere  Publikation 
aus  Hegels  Nachlass,  die  wir  gleichfalls  Mollat^^')  verdanken,  Interesse  erregt: 
seine  „Kritik  der  Verfassung  Deutschlands",  1801  —  2  geschrieben.  Wie  Hegel  sich 
zu  dem  verzwickten  Problem  der  damaligen  Reichsverfassung  stellt,  wie  selbst  er,  der 
spätere  Lobredner  des  Absolutismus,  Abgeordnete  verlangt,  wie  er  mit  grosser  Heftig- 
keit Friedrich  dem  Grossen  entgegentritt,  um  Macchiavelli  zu  preisen,  all  das  bringt 
uns  den  noch  nicht  in  der  eigenen  Theorie  erstarrten  Philosophen  menschlich  näher; 
und  mit  Recht  hebt  eine  Besprechung  als  prophetisch  die  Worte  heraus :  ,,Wenn  alle 
Teile  dadurch  gewönnen,  dass  Deutschland  zu  Einem  Staate  würde,    und  wenn  auch 


Portrr.  u.  Studien  aus  d.  wissensch.  Leben  d.  Gegenw.  Mit  e.  bist.  Einl.:  D.  Philos.  an  d.  Leipziger  Univ.  v.  15.-19.  Jh.  L., 
A.  Weigel.  XXVIII,  371  S.  M.  4,00.  |[Geg.  44,  S.  414;  VossZg«.  N.  51.]i  —  106)  X  Z.  Erinnerung  an  Kants  „Religion 
innerhalb  d.  Grenzen  d.  blossen  Vernunft".  1793:  VossZg".  N.  52  3.—  107-108)  X  E.  Zabel,  I.  Kant  u.  seine  Tischgenossen: 
NatZg.  N.  547.  —  109)  X  E-  v.  Hartmann,  Kants  Erkenntnistheorie  u.  Metaphysik  in  d.  4  Perioden  ihrer  Entwicklung.  L., 
W.  Friedrich.  XIV,  256  S.  M.  4,00.  |[A.  Drews:  PrJbb.  S.  542-50.]|  —  HO)  X  H.  Gisevius,  Kants  Lehre  v.  Baum  u. 
Zeit.  Krit.  beleuchtet  vom  Standpunkte  d.  gemeinen  Menschenverstandes.  Hannover,  Helbing.  1890.  38  S.  M.  0,80.  |[A. 
Schneider:  JbPSPh.  7,  S.  472.J|  —  Hl)  X  ^-  Triemel,  D.  Aufgaben  d.  Kantschen  Metaphysik  u.  deren  Lösung  innerh.  d. 
Kritik  d.  reinen  Vernunft.  Progr.  d.  Gymn.  Koblenz,  Krabbensche  Bachdruckerei.  4".  44  S.  —  112)  X  H.  Seeger,  D.  Straf- 
rechtstheorien Kants  u.  seiner  Nachfolger  im  Verhältnis  zu  d.  allg.  Grundsätzen  d.  krit.  Philos.    Progr.    Tübingen.    1892.  38  S. 

—  113)  X  W.  Vorländer,  D.  Formalismus  d.  Kantschen  Ethik  in  seiner  Notwendigkeit  u.  Fruchtbarkeit.  Diss.  Marburg.  83  8. 

—  114)  X  ßadulescu-Motru,  Z.  Entwicklung  v.  Kants  Theorie  d.  Naturkausalität.  Diss.  Leipzig.  121  S.  —  115)  X 
F.  W.  Foerster,  D.  Entwicklung  d.  Kantschen  Ethik  bis  z.  Kritik  d.  reinen  Vernunft.  Diss.  Freibnrg.  75  S.  —  116)  X  M-  J- 
Zang,  üeber  d.  Verhältn.  d.  Anschauung  z.  Vorstand  in  Kants  Kritik  d.  reinen  Vernunft.  Diss.  Giessen.  1892.  36  S.  — 
117)  X  A.  Baur,  A.  Hegler,  D.  Psychologie  in  Kants  Ethik  (vgl.  JBL.  1892  IV  5  :41j:  GGA.  S.  309-12.  —  118)  X  I-  Kant, 
Prolegomena  zu  e.  jed.  kunft.  Metaphysik,  d.  als  Wissensch.  wird  auftreten  können.  Her.  v.  J.  H.  v.  Kirch  mann.  3.  Aufl. 
(=  Philos.  Bibl.  N.  1023.)  B.,  Philos.-hist.  Verl.  (Dr.  R  Salinger).  VII,  152  S.  M.  1,00.  —  119)  X  E.  Kant,  La  pedagogia. 
Proemio  e  tradnz.  di  A.  Valdarnini.  4.  ed.  (=  Collezione  di  libri  d'itrnzione  e  di  educazione.  N.  248.)  Torino,  Roma,  Milano, 
Firenze,  Napoli,  G.  B.  Paravia  e  Co.  104  S.  L.  1,50.  —  120)  X  E-  Amol  dt,  Z.  Beurteilung  v.  Kants  Kritik  d.  reinen  Ver- 
nunft u.  Kants  Prolegomena:  AltprMschr.  30,  8.  501-635.  —  121)  X  V.  Diederichs,  J  H.  Kant:  BaltMschr. 40,  S. 535-62.  — 
122)  X  C.  Ludewig,  E.  Temming,  Beitr.  z.  Darstellung  u.  Kritik  d.  moral.  Bildungslehre  Kants  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:  40): 
ÖLBl.  2,  8.  646/7.  —  123)  X  G-  Sodear,  Vergleichende  Untersuchung  d.  Staatsidee  Kants  u    Hegels.    Diss.    Erlangen.    68  8. 

—  124)  X  L.  Rosenthal,  L.  Maimons  Versuch  über  d.  Transcendentalphilos.  in  seinem  Verhältnis  zu  Kants  transcendent. 
Aesthetik  u.  Analytik.  Diss.  Halle  a.  8.  36  8.  —  125)  X  R-  Böhm,  Vergleichung  d.  Kantschen  u.  Schopenhauerschen  Lehre 
in  Ansehung  d.  Kausalität.  Diss.  Heidelberg.  1892.  88  8.  —126)  X  L-  Graf  Pfeil,  Ist  d.  Kant-Laplacesche  Weltbildungs- 
hypothese mit  d.  heutigen  Wissensch.  vereinbar?:  DR.  4,  8.  78-89.  —  127)  H.  Vaihinger,  Kommentar  zu  Kants  Kritik  d. 
reinen  Vernunft.  2.  Bd.  St.,  Union.  1892.  -VIII,  563  8.  M.  13,00.  ifA.  W ernicke:  DLZ.  S.  1127-30;  L.  Herr:  RCr.  35,  8.  336; 
DR.  3,  8.  127/8;  JSav.  8.  62;3;  L.  Busse:  AZg».  N.  286,  289;  N&S.  66,  8.  271;  L.  Weis:  BLU.  8  347;  E.  v.  Hartmann: 
PrJbb,  71,  8.  340/6;  LCBl.  S.  1219-21;  VjWPh.  17,  8.  134/5  (Selbstanzeige)]!.  —  128)  G.  Wegner,  Kantlexikon.  E.  Handbach 
für  Freunde  d.  Kantschen  Philos.  B.,  Wiegandt  &  Schotte.  IV,  347  8.  M.  6,00.  [LCßl.  8.  1459-60;  BLU.  8.  638.]|  —  129) 
R.  Reicke,  Lose  BU.  aus  Kants  Nachl.  (Forts.):  AltprMschr.  30,  8.  229-308,  330-72.  —  130)  G.  W.  F.  Hegel,  System  d.  Sitt- 
lichkeit. Aus  d.  ha.  Nachl.  d.  Vf.  her.  v.  G.  Mollat.  Osterwieok,  A.  W.  Ziehfeldt.  IV,  71  8.  M.  2,00.  —  131)  id.,  Kritik 
d.  Verfassung  Deutschlands.   Aus  d,  hs.  Nachl.  d.  Vf.    Her.  v.  G.  Mollat.    Nebst  e.  Beil.    Kassel,  Th.  Fischer  &  Co.  VII,  143  8. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  132-151 

der  allgemeinen  Bildung*  g-emäss  dieses  Bedürfnis  tief  und  bestimmt  g-efühlt  würde, 
so  ist  eine  solche  Begebenheit  nie  die  Frucht  der  Uebeiiegung-  gewesen,  sondern  der 
üewalt"*32)  —  Zeigt  sich  hier,  wie  aus  Hegels  Grundauffassungen  heraus  die 
revolutionäre  Doktrin  der  Rüge  und  Genossen  so  gut  wie  die  hochkonservative  des 
gealterten  Philosophen  selbst  erwachsen  konnte,  so  verfolgt  Kronenberg^^^) 
speciell  den  Einfluss  Hegels  auf  Marx  und  Lassalle,  ohne  freilich  dabei  tief  hinein- 
zutauchen. —  Auch  Hegel  ist  mehrfach  übersetzt '3^'»),  mit  Männern  wie  Darwin  ver- 
glichen^^'')  und  zum  Gegenstand  specieller  Untersuchungen  gemacht  worden^^s  i37j_  — 

Auffallend  wenig  kam  uns  dagegen  diesmal  Sehe  Hing  vor.  Ueber  seine 
Philosophie  der  Mythologie  schrieb  Schaper'^S),  der  sich  als  aufrichtiger  Verehrer 
der  „unwiderleglichen  Prinzipienlehre"  Schellings  bekennt  (S.  5)  und  seine  knappe  Analyse 
mit  Seitenblicken  auf  Schopenhauer  und  Ed.  von  Hartmann  (S.  10,  13)  ausstattet.  — 

In  populären  Aufsätzen  werden  Fichte  von  Prutz'^i»)^  F.  H.  Jacobi 
von  Wachler  ^^<'),  Krause  von  Hohlfeld^*^)  besprochen,  während  die  un- 
endlichen Mitteilungen  aus  des  letzteren  Nachlass  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:58— 60 d) 
rastlos  weiterfliessen^^--*^*j;  eine  gilt  der  Erläuterung  von  Fichtes  Grundlag'e  des 
Naturstaats '*^j.  —  Benekes  Sittenlehre  findet  in  Kühn**^)  einen  Bearbeiter,  wie  ja 
überhaupt  die  Ethik  bevorzugt  wird.  — 

Ebenfalls  bei  Schopenhauer'*^)  finden  wir  dies,  der  freilich  auch  sonst  viel- 
fach besprochen  wurde '*S"i*^),  wie  auch  die  neue  Brockhaussche  Ausgabe  •^•*).  —  Die 
bedeutendste  Leistung,  welche  die  Geschichte  der  Philosophie  in  diesem  J.  zu  ver- 
zeichnen hat,  ist  Kuno  Fischers  '^i)  Schopenhauer.  Zwar  fehlen  auch  diesem  Werk 
die  befremdenden  und  zum  Teil  verletzenden  Eigenheiten  nicht,  mit  denen  der  be- 
rühmte Gechichtsschreiber  der  Philosophie  seine  Werke  zu  signieren  pflegt.  Schon 
seine  Art,  uns  den  Stoff  in  kleinste  Portionen  vorzuschneiden,  wird  die  Kost  nicht  für 
jeden  schmackhafter  machen;  noch  viel  wenig-er  aber  der  Ton,  in  dem  F.,  über  seinen 
Gegenstand  erhaben,  wie  der  Lehrer  über  den  Schüler,  von  Schopenhauer  spricht. 
Gewiss  ist  es  verdienstlich,  der  Legendenbildung  entgegenzutreten,  die  den  „Buddha 
unserer  Zeit"  zu  einem  Heiligen  und  einem  Heros  zu  verklären  strebt;  hat  er  selbst 
auf  die  Erfüllung  seiner  beiden  Ideale  doch  nur  zu  bald  verzichtet!  So  sind  denn  auch 
gerade  die  Abschnitte,  die  den  Charakter  des  Philosophen  schildern,  inhaltlich  höchst 
dankenswert;  sie  wären  es  aber  noch  mehr,  wenn  man  weniger  merkte,  wie  viel 
Anteil  der  Autor  an  der  Schwäche  Schopenhauers  hat,  die  er  am  heftigsten  schilt: 
an  der  Eitelkeit.  Er  citiert  fast  nur  die  eigenen  Schriften;  er  hebt  eifrig  ein  Stellchen 
heraus,  an  dem  Schopenhauer  seinen  Namen  genannt  hat;  und  wemi  er  (übrigens 
mit  vollem  Recht)  des  Philosophen  Freude  iiber  die  Professoren-Massregelungen 
der  Reaktionszeit  tadelt,  so  spielt  ein  gewisser,  nicht  genannter  „junger  Docent  der 
Philosophie  in  Heidelberg"  (S.  94)  die  Hauptrolle.  Dergleichen  macht  misstrauisch. 
Wenn  F.  mit  Schärfe  Schopenhauers  Anklagen  gegen  die  Philosophie-Professoren 
zurückweist,  so  wird  wohl  jeder  Unbefangene  ihm  zugeben,  dass  von  einer  böswilligen 
„Verschwörung"  nicht  die  Rede  sein  kann.  Dass  aber  jenes  dumpfe  Uebelwollen  der 
auf  eine  bestimmte  Richtung  eingeschworenen  Mittelmässigkeiten  gegen  den  originellen 
Neuerer,  das  z.  B.  auch  Goethe  als  Naturforscher  erfuhr,  das  Robert  Mayer  und 
Helmholtz  kennen  lernten,  dass  dies  auch  gegen  Schopenhauer  wirkte,  wird  ebenso 
schwer  zu  bestreiten  sein.  Und  am  wenig-sten  wird  man  dem  Widerspruch  gerade 
F.s  hierin  Vertrauen  schenken,  wenn  man  sieht,  wie  er  selbst  (S.  483)  über  Nietzsche 
spricht  und  es  nicht  einmal  verschmäht,  mit  der  einigermassen  kindlichen  Wendung 
„ein  ehemaliger  Gymnasial-  und  Universitätslehrer  in  Basel"  den  grossen  Gelehrten, 


M.  4,00.  irDßs.  77,  S.  159. ]|  —  132)  X  P.  Michaelis,  Hegels  Gedanken  über  Deutschland:  VossZgB.  N.  34.  —  133)  M. 
Eronenberg,  Hegels  Geschichtsauffassung  im  Socialismus :  ib.  N.  39-40.  —  133a)XG.  W.  F.  Hegel,  Lectures  on  the  bist,  of 
philos.  transl.  by  E.  S  Haidane.  London.Panl.  1892.  Sh.  12.  i[A.  Bern:  Ac.  44,  S.  559-60.J1  -  134)  X  D- 6- Ritchie,  Darwin 
and  Hegel,  with  other  philosophical  studies.  London,  Swan  Sonnenschein  &  Co.  Sh.  7/6.  |[W.K.Leask:  Ac.  44,  S.  209 :  WestmB.  140, 
S.  193/4. ]|  —  135)  X  Kackwitz,  Hegels  Ansicht  über  d.  Priorität  von  Zeit  n.  Baum  u.  d.  Kantschen  Kategorien.  E  philos. 
Kritik  nach  Hegels  „Phänomenologie  d.  Geistes".  Halle  a.  S.,  Pfeffer.  1891.  82  S.  M.  1,50.  |[M.  Schneider:  JbPSTh.  7, 
S.  486.JI  —  136-137)  X  A.  Seth.  Hegelianisra  and  Personality,  2.  series  of  ßalfour  lectures.  2.  ed.  London,  Blackwoods. 
Sh.  5.  —  138)  F.  Schaper,  Schellings  Philos.  d.  Mythol.  Progr.  d.  Realprogymn.  Nauen,  Freyhoffsche  Buchdr.  4''.  29  S. — 
139)  H.  Prutz,  J.  6.  Fichte  in  Königsberg:  AZg«.  N.  181.  -  140l  D.  Wächter,  Briefe  F.  H.  Jacobis  über  d  Tod  seiner 
Frau:  BGNiederrh.  7,  S.  217-25.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  6  :  52.)  -  141)  P.  Hohlfeld,  V.  u.  über  Krause:  MhComeniusG.  2, 
S  191/7.  —  142)  X  K.  Ch.  Fr.  Krause,  D.  Begriff  d.  Philos.  Aus  d  hs.  Nachl.  d.  Vf.  her.  v.  P.  Hohlfeld  o.  A.  Wünsche. 
B.,  E.  Felber.  Till,  108  S.  M.  2,50.  —  143)  X  id.,  Aphorismen  z.  Sittenlehre.  Aus  d.  hs.  Nachl.  d.  Vf.  her.  v.  P.  Hohl- 
feld  n.  A.  Wünsche,  ebda.  VUI,  137  S.  M.  3,00.  -  144)  X  id..  Z.  Religionsphilos  u.  spekulat.  Theol.  Aus  d.  hs.  Nachl. 
d.  Vf.  her.  v.  P.  Hohlfeld  n.  A.  Wünsche,  ebda.  XII,  ISO  S.  M.  3,50.  |[L.  Weis:  BLÜ.  S.  443/4.JI  —  145)  X  id.. 
Erklärende  Bemerkungen  u.  Erläuterungen  zu  J.  G.  Fichtes  Grandlage  d  Xaturrechts.  Aus  d.  Nachl.  d.  Vf.  her.  v.  G.  Mollat. 
ebda.    IV,  64  S.    M    1,50.  —  146)  T.  Kühn,  D.  Sittenlehre  F.  E.  Benekes.     K.  Beitr.  z.  mod.  Ethik.    Diss.  Leipzig.  1892.  61  S. 

—  147)  X-*--  C.  Kali  scher,  Schopenhauers  eth.  Anschauungen:  VossZg".  N.  24.  —  148)  XE.  Sack,  A.  Schopenhauer:  FZg.  N.  128  9. 

—  149)  XP-P-  N.  Land,  Reclame  voor  Schopenhauer:  NedSpect. S. 401  2.  (üeber  A.  Schopenhauer,  De  vier  Hocksteeuen  der  wereld  en 
haar  Bouwmeester  in  het  Nederduitsch  overgebracht  en  van  Anteekeningen  voorzien  door  D.  Kiel.  2  deelen.  f's  Gravenhage.])  — 
150)XFBremer,  Brockhaus  neueste  Schopenhauerausg.  (vgl.  JBL.  1891  IV  6:69-73:1892  IV  5:68):  20  Jh.  2,  S.  978.  —  151) 
Kuno  Fischer,  Gescn.  d.  neuer.  Philos.  Bd.  8.  (Schopenhauer.)  Heidelberg,  Winter.   XVI,  495  S.    M.  12,00.  |[L.  Busse:  DLZ. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschicbte.    lY.  (^)i6 


IV  5  :  151-152  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

der  allerdings  (wie  die  Schweizer  Professoren  in  der  Regel)  auch  in  der  Schule  zu 
unteiTichten  hatte,  diskreditieren  zu  wollen.  Man  ist  seiner  Zeit  mit  Schopenhauer 
umgegangen  wie  jetzt  mit  Nietzsche:  erst  hat  man  ihn  vornehm  ignoriert,  während 
das  kleinste  Zunftlämpchen  an  die  goldene  Kette  gehängt  wurde;  dann  machte  man 
billige  Spässchen,  wiehierF.über  die  „Luftfahrt"  Nietzsches  —  und  schliesslich  wird  man 
auch  über  ihn  dicke  Bücher  von  ordentlichen  Professoren  der  Philosophie  zu  lesen 
bekommen.  F.  behauptet  zwar,  die  ,,Tumultuanten",  wie  Schopenhauer  die  führenden 
Hegelianer  seiner  Tage  nannte,  hätten  „sämtlich  um  ihrer  Reden  und  Schriften  willen 
Amt,  Stellung  und  Wirksamkeit"  eingebüsst  (S.  84);  man  wird  aber  fragen  dürfen, 
ob  zur  Zeit  «Johannes  Schulzes  wirklich  die  Katheder  der  Philosophie  keinen  einzigen 
Hegelianer  trugen !  Auch  sonst  darf  man  F.  öfter  vorwerfen,  dass  er  den  Splitter  im 
Auge  des  Nächsten  sieht,  nicht  den  Balken  im  eigenen  Auge,  lieber  Schopenhauers 
Stil  spricht  er  zwar  lobend  (S.  491/2),  tadelt  aber  doch  die  vielen  Wiederholungen; 
und  er  selbst  bringt  fast  jede  wichtigere  Stelle  des  Philosophen  zwei-  oder  dreimal.  Er 
giebt  allgemeinen  Sprachunterricht  (S.  212),  zwar  in  gesunder  Weise,  aber  doch  sehr 
vom  hohen  Ross  herab,  als  hätte  er  selbst  nie  geschrieben:  „Die  evangelischen 
Zeugnisse  wohlgeprüft  und  erwogen,  gewinnen  wir  ein  Bild  — "  (S.  428),  „. .  in  welcher 
das  Kolon  eine  ähnliche  Rolle  spielt,  als  bei  Lessing  das  Semikolon"  (S.  493)  oder 
gar,  völlig  undeutsch:  „Auf  diese  Art  wird  aus  den  Weltbegebenheiten  eine  Art 
Rummel"  (S.  458).  Es  fehlen  auch  nicht  jene  berühmten  F.schen  Stilblüten,  die  ihm 
mehr  in  weiten  als  in  geschmackvollen  Kreisen  Beifall  sichern:  ,,Jene  Weglassung 
glich  dem  amputierten  Beine,  diese  Hinzufügung  dem  hölzernen"  (S.  77),  was  oben- 
drein unlogisch  ist,  da  die  Weglassung  doch  höchstens  der  Amputation,  aber  nicht 
dem  Bein  verglichen  werden  konnte.  Es  fehlen  nicht  pompöse  Erklärungen  wie  die: 
Schopenhauer  habe  so  lange  keinen  Erfolg  gehabt,  weil  seine  Philosophie  dem  Zeit- 
geist nicht  entsprach  CS.  8),  was  doch  im  Grunde  nur  heisst :  Sie  konnte  seiner  Zeit 
nicht  gefallen,  weil  sie  seiner  Zeit  nicht  gefallen  konnte.  Sogar  kühne  Erschleichungen 
begegnen,  wie  die,  dass  Schopenhauers  Lehre  von  den  angeborenen  Greistesgaben  mit 
dem  Zwischensätzchen  „angeboren,  das  heisst  doch  wohl  vererbt"  (S.  487)  ad  absurdum 
geführt  werden  soll,  während  doch  nach  der  Lehre  des  Philosophen  „angeboren" 
keineswegs  „vererbt"  heisst!  Doch  all  diese  Dinge  ist  man  gewohnt,  und  F.s  be- 
g'eisterte  Anhänger  versichern  sogar,  sie  erhöhten  die  Kraft  seiner  Vorzüge.  Wir  finden 
auch  ohne  solche  Würze  die  Vorzüge  bedeutend  genug:  Klarheit  und  Schärfe  in  Auffassung 
und  Darstellung,  sichere  Beherrschung  des  Stoffes,  geschickte  Veranschaulichung  an 
gut  gewählten  Beispielen  (vgl.  S.  '610).  Wie  hübsch  sind  z.  B.  die  Kommentare  Hegels  und 
Schopenhauers  über  die  Kammerdiener  grosser  Männer  (S.  297)  verglichen!  Aus- 
gezeichnet werden  die  Lücken  von  Schopenhauers  Kenntnis  Spinozas  (S.  433/4)  und 
der  Bibel  (S.  428)  beleuchtet;  seine  widerspruchsvolle  Stellung  zu  dem  Problem  der 
Weltgeschichte  wird  (S.  446,  456)  so  scharf  dargelegt  wie  der  circulus  vitiosus  des  als 
Gehirn phänomen  gedachten  Gehirns  (S.  468).  Gegenüber  verdunkelnden  Anpreisungen 
der  „Prophezeiungen"  des  Frankfurter  Philosophen  hebt  F.  dessen  Stellung  zu  Darwins 
und  Goethes  Naturauffassung  (S.  463)  bestimmt  hervor,  während  er  andererseits 
seine  Lehren  von  der  Erblichkeit  mit  Ibsens  Drama  (S.  368)  illustriert.  Als  Glanz- 
punkt hebe  ich  den  Abschnitt  über  die  „Komposition  der  Lehre"  (S.  291/2)  hervor; 
er  beweist  allein  zur  Genüge,  wo  F.s  unerreichte  Stärke  liegt:  in  der  scharfen 
Analyse,  aus  der  er  wieder  eine  restlose  Synthese  aufbaut.  Manches  mag  dabei  „ver- 
dampfen"; auch  von  F.  als  Historiker  gilt,  was  er  von  Schopenhauer  behauptet:  dass 
er  mehr  noch  Künstler  ist  als  Forscher.  Gar  manches  Mal  baut  er  die  Teile  nicht 
wie  sie  waren  auf,  sondern  wie  sie  hätten  sein  sollen.  Aber  ist  Geschichtsschreibung 
möglich  ohne  solche  leise  Verschiebung?  Man  hat  oft  gefordert:  Nur  wer  Geschichte 
macht,  solle  sie  schreiben  dih^fen;  man  könnte  die  Forderung  auch  an  den  Historiker 
der  Philosophie  stellen.  Aber  er  wie  der  Weltgeschichte  Schreibende  könnte  ant- 
worten: Giebt  es  andere  Geschichte  als  die,  die  ich  mache?  —Ein  wertvoller  Beitrag 
zur  Geschichte  der  Philosophie  ist  die  Sammlung  von  Schopenhauer-Briefen,  die 
Schemanni52)  veranstaltet  hat.  Mit  grösster  Sorgfalt  ist  er  den  Briefen  des  Philo- 
sophen nachgegangen  und  hat  eine  ganze  Reihe  von  Korrespondenten  Schopenhauers 
der  allgemeinen  Kenntnis  erst  zugänglich  gemacht,  so  insbesondere  den  liebens- 
würdigen und  tiefsinnigen  Adam  von  Doss.  Denn  mit  gutem  Grunde  hat  er 
sich  nicht  auf  die  Briefe  Schopenhauers  beschränkt  und  seine  ursprüngliche  Absicht, 
ein  vollständiges  Korpus  derselben  anzustreben,  einem  zugleich  engeren  und  weiteren 
Plan  geopfert :  Er  bringt  von  dem  Philosophen  selbst  fast  nur  ungedruckte  oder  doch 
schwer  zugängliche  Briefe,  dafür  aber  reiche  Mitteilungen  aus  den  Zuschriften  seiner 
Verehrer.     Da    Seh.  ausserdem   über  alle   sonstigen   Veröffentlichungen  gewissenhaft 


S.  1059-62;    DR.    4,  8.  394;  DEKZ».  S.  51/2;    LCBl.    S.  16689;    B.  Zabel:    NatZg.  N.  451;    AZg>».  N.  41.]|  —  152)  (IV  lc:94.) 
j[L.  Busse:    DLZ.    S.    1317,8;    WienerZg,   21.    März;    i.CBl.  S.  1843/4;    Grenzb.  2,  S.  346-56;  AZg".  N.  41;  KZg.  N.  257.]|   — 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  103-154 

Nachricht  giebt  und  sogar  auch  die  Namen  aufzählt,  die  unter  den  bisher  nach- 
gewiesenen Briefen  fehlen,  aber  mit  Wahrscheinlichkeit  in  Schopenhauers  Brief- 
wechsel vertreten  waren,  so  g-iebt  das  Buch  von  seiner  gesamten  privaten  schrift- 
stellerischen Thätigkeit  ein  vollständiges  Bild.  Sogar  Auktionsaufträge  sind  in  Proben 
mitgegeben,  ebenso  offizielle  Aktenstücke:  Eingaben  an  die  Universität  Berlin, 
Testament  und  Codicille.  Man  kann  dennoch  nicht  behaupten,  dass  man  über 
Schopenhauer  selbst  viel  Neues  lerne.  Aus  der  in  mühsamem  Prophetenton  geschriebenen 
Einleitung  mit  ihren  überflüssigen  Seitenhieben  auf  alle,  die  an  dem  „Meister" 
zweifeln,  und  auf  Eduard  von  Hartmann,  der  über  ihn  hinausgehen  wollte,  lernt  man 
nur,  dass  es  unbedingt  s-läubige,  im  religiösen  Sinn  gläubige  Verehrer  des  ,, Buddha 
von  Frankfurt"  auch  heute  noch  g'iebt;  aus  den  „Biographischen  Analekten"  (S.  513/4) 
erfährt  man  einiges  über  die  Jugend  des  Philosophen.  Aber  aus  seinen  eigenen 
Briefen  ist  kaum  etwas  Neues  zu  seinem  Bilde  zu  entnehmen.  Um  so  mehr  aber 
sind  sie  wie  auch  die  Briefe  von  Doss,  von  Quandt  u.  a.  wichtig  und  aufschlussreich 
für  das,  was  man  die  Populärgeschichte  der  Schopenhauerschen  Philosophie  nennen 
möchte :  für  die  Geschichte  ihrer  Aufnahme,  ihrer  ersten  Eroberungen,  der  Apostel- 
thätigkeit  ihrer  ersten  Anhäng-er.  Es  ist  von  Bedeutung*  auch  zur  Würdigung  des 
Systems  selbst,  wie  fast  immer  dieselben  Punkte  bei  den  begeisterten  Jüngern 
Zweifel  erregen :  die  Frage  der  individuellen  und  allgemeinen  „Erlösung"  vor  allem. 
Ist  doch  in  dieser  Sehnsucht  nach  Erlösung  von  der  Welt  der  stärkste  Hebel  für  die 
werbende  Kraft  jenes  wundersamen  Systems  zu  finden !  Charakteristisch  ist  dann  die 
demütige  Verehrung  dieser  Gefolgsleute.  Wie  hart  behandelt  er  sie!  Wie  übt  er  ihre 
x\skese,  wenn  er  dem  armen  Schütz  zum  Trost  für  seine  Erblindung  (S.  340)  meldet, 
wie  vorzüglich  seine  eigenen  Augen  noch  seien!  Wenn  er  eine  unterwürfige  Bitte 
um  etwas  von  seinem  Tabak  („ist  es  mir  auch  nicht  mehr  gestattet,  dieselbe  Luft 
mit  Ihnen  zu  atmen,  so  habe  ich  doch  dann  die  Genugthuung,  denselben  Tabak  mit 
Ihnen  zu  priesen  und  dadurch  die  Thätigkeit  meines  Geistes  auf  ähnliche  Art  an- 
zuregen" S.  366)  mürrisch  mit  Angabe  von  Adresse  und  Preis  beantwortete.  Nur 
einmal  stiehlt  ein  leiser  Zug  von  Menschenfreundlichkeit  sich  in  das  starre  Gesicht, 
wenn  er  (S.  395)  des  armen  Bahnsen  Anstrengung-en  rührend  findet.  Sonst  ist  nur 
von  der  „Sache"  die  Rede,  womit  keineswegs  nur  der  Sieg  der  „wahren  Erkenntnis" 
gemeint  ist,  sondern  vor  allem  auch  der  persönliche  Ruhm  des  Entdeckers.  Wie 
skrupellos  Schopenhauer  hierin  war,  zeigt  z.  B.  ein  Brief  an  Joh.  Carl  Becker  (a.  a.  O.), 
worin  er  zugiebt,  eine  Schrift  für  Goethes  Farbenlehre  sei  schlecht,  sie  aber  dennoch  als 
heilsam  begrüsst.  „Das  Publikum  schaut  auf:  man  wird  die  Akten  revidieren,  Goetholatrie 
ist  in  höchster  Kulmination."  Siegesgewiss  ist  er  überall;  wenn  von  Doss  ihm 
zwei  Namen  nennt,  deren  Träger  an  der  Besiegung  des  Schopenhauerschen  Systems 
grossen  Anteil  haben  sollten:  Renan  und  —  Darwin,  so  erkennt  er  (S.  325)  weder 
bei  dem  Mann,  der  dem  Christentum  die  Sympathien  der  Kulturwelt  wieder  erobert 
hat,  noch  bei  dem  Begründer  der  Entwicklungslehre  Bedeutung  und  Kraft.  Und  dem 
Tischrücken  gegenüber  haben  (S.  256)  Faraday  und  Humboldt  sich  einfach  blamiert. 
Hübsch  ist  es,  wie  man  Schopenhauers  erster  Bekanntschaft  mit  Leopardi  beiwohnt, 
den  von  Doss  (S.  305)  ihm  als  Gegengabe  für  die  Empfehlung  Lichtenbergs  ans 
Herz  legt,  und  andererseits,  wie  wir  Leopold  Schefer  (S.  253)  sich  in  Schopenhauer 
versenken  sehen.  Zu  diesen  Punkten  giebt  dann  der  Herausgeber  überall  lehrreiche,  wenn 
auch  vourteilsvolle  Anmerkungen  (S.  439  über  die  „drei  Kardinal thesen"  Schopen- 
hauers; S.  418  über  Goethe;  S.  425  über  Beneke;  S.  428  sehr  hübsch  über  Rosen- 
kranz; S.  443  Herder;  S.  440  Majer),  wie  er  denn  auch  kurze  Biographien  der 
Korrespondenten  beifügt.  Höchst  dankenswert  ist  es,  dass  er  ausser  dem  Portrait 
des  alten  Schopenhauer  von  Lenbach  noch  (aus  eigenem  Besitz)  ein  prächtiges 
Jugendbild  von  Ruhl  reproduzieren  liess,  in  dem  zu  den  starren  Zügen  des  Unterkopfs 
die  funkelnden  Augen  und  das  dichterisch  verwirrte  Haar  ein  bezeichnendes  Geg'en- 
stück  liefern.  Endlich  gab  Seh.  noch  allerlei  kleine  Beiträge  zur  Geschichte  der 
Philosophie  Schopenhauers;  namentlich  handelt  er  (S.  467/8)  lehrreich  über  dessen 
Lehrer  und  weist  (S.  534/5)  die  Behauptung  Lehmanns,  das  Wesentliche  an  Schopen- 
hauers System  stamme  von  —  Bouterwek  her,  siegreich  zurück.  Dass  auch  in  diesen 
historischen  Abschnitten  ein  von  Schopenhauer  selbst  gelobter  Geschichtsschreiber  der 
Philosophie,  Weigelt,  der  „Fälschung"  beschuldigt  wird  (S.  479),  weil  er  einen  Punkt 
in  Schopenhauers  System  falsch  auffasste,  das  beweist  von  neuem  den  Grundton  der 
Schopenhauerianer:  eine  fanatische,  religiöser  Unduldsamkeit  gleichkommende  Un- 
bedingtheit  des  Glaubens.  Sie  wollen  sich  unterwerfen,  ganz,  ohne  Zweifel;  auch 
das  ist  Askese.  Und  so  wird  das  Buch  zu  einem  unschätzbaren  Dokument  für  die 
Psychologie  der  Anhängerschaft  Schopenhauers.'^"^)  —  Diesen  beiden  wichtigen  Werken 
reihen  sich  wiederum  kleinere  an,  Vergleichungen  Schopenhauers  mit  Kant^^"*)   und 

153)  XI^    Schemann,    E.  Nachw.  zu  d.   Schopenhauerbriefen:    BayreuthBll.    16,   S.    67-81,  95/6.  —  154)  X    K.  Richter, 

(4)16* 


IV  5  :  155-172  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

SchelHng^^^)  oder  Schiller^^^^  und  Einzelausg-aben  seiner  Schriften ^^''"i^^)  _  Ej^e 
englische  üebersetzungiß^)  und  eine  französische  Besprechung  aus  der  geistreichen 
Feder  von  Valbert-Cherbuliez^^*)  sind  auch  für  Schopenhauer  Zeugnisse  inter- 
nationaler Wirkung,  während  seine  historische  Bedeutung  für  die  Entwicklung  der 
monistischen  Weltanschauung  von  Lehmann i^^)  untersucht  wird.  —  Ueber  den 
Pessimismus  im  allgemeinen  handeln  Wir th'^^)  und  Voneisen^ß').  W.s  burschikos 
geschriebene  Widerlegung  der  Weltschmerzphilosophie  (aus  der  wir  mindestens  die 
hässliohe  Stelle  S.  12  wegwünschten),  führt  allerlei  erhebende  und  erfreuliche  Momente 
gegen  diese  ins  Feld,  ohne  doch  die  Thatsache  wegräumen  zu  können,  dass  das  von 
Tausenden  empfundene  Weltelend  mindestens  für  Diese  eine  nicht  wegzudisputierende 
Wahrheit  ist.  V.  hat  „Perlen  der  pessimistischen  Weltanschauung"  mit  mehr  Be- 
lesenheit als  Geschmack  g-esammelt;  die  kleinen  machen  sich  da  sehr  breit  und  die 
Glasperlen  verdecken  die  echten.  —  , 

Eduard  von  Hartmann  wird  von  Büchner'^^)  mit  der  diesem  Autor 
eigenen  populären  Leichtfertigkeit  erledigt;  sein  Hauptinteresse  gilt  freilich  dem 
Schutze  seines  eigenen  Kraft-  und  Stoffevangeliums.  —  Viel  gründlicher  prüft 
Achelisi^^)  den  Kernpunkt  von  Hartmanns  System,  das  „Unbewusste",  um  allerdings 
ebenfalls  mit  einer  verwerfenden  Kritik  zu  schliessen.  — 

Aber  der  eigentliche  Held  des  Tages  —  ich  meine  das  Wort  nicht  im  ab- 
getragen-ironischen Sinne,  sondern  in  seiner  ursprünglicheren  hohen  Bedeutung  — 
ist  nicht  mehr  Schopenhauer  oder  Eduard  von  Hartmann:  es  ist  Nietzsche.  Was 
in  unserer  Zeit  nach  Philosophie  strebt  —  und  was  ihr  widerstrebt,  das  findet  einen 
Vereinigungspunkt  in  dem  wunderbaren  Mann,  der  alle  Geisteskämpfe  dieser  Zeit  im 
eigenen  Herzen  durchlebt  hat.  Ein  neuer  Winkelried  drückte  er  die  Speere  aller 
Glaubenslehren,  aller  philosophischen  Systeme  in  die  eigene  Brust,  um  der  Freiheit 
eine  Gasse  zu  bahnen.  Wie  man  sich  auch  zu  seinen  Ergebnissen  stellen  mag,  für 
die  Persönlichkeit  darf  Niemand  ein  inniges  Interesse  verleugnen,  der  für  geistigen 
Kampf  überhaupt  ein  Herz  hat.  Recht  aus  solchem  vollen  Interesse  an  der  Per- 
sönlichkeit heraus  sind  die  Erinnerungen  von  Mal  vida  von  M  ey  senbug^^^'i'") 
und  von  Lanzky^''^)  geschrieben.  Die  Verfasserin  der  „Memoiren  einer  Idea- 
listin" hat  ihr  liebenswürdig  für  alles  Grosse  empfängliches  Gemüt  auch  dem 
jugendlichen  Philologen  geöffnet,  den  sie  durch  Cosima  Wagner  kennen  lernte.  Sie 
teilt  herrliche  Briefstellen  mit,  in  denen  er  über  das  Erlernen  fremder  Sprachen  so 
gut  wie  über  die  tiefsten  Probleme  sich  äussert.  Er  blüht  in  reichster  Gedanken- 
fülle: „Da  fällt  mir  immer  ein  Gedanke  herunter",  sagt  er  scherzend,  indem  er  beim 
Spazierengehen  auf  einen  Baum  zeigt.  Alles  muss  bei  ihm  der  Erkenntnis  dienen, 
selbst  das  Leiden,  das  er  deshalb  fromm  segnet.  Seine  Herzensfrömmigkeit,  seine  Güte 
tritt  überhaupt  rührend  hervor:  „Ich  wünschte,  ich  könnte  anderen  Menschen  täglich 
etwas  Gutes  erweisen.  Diesen  Herbst  nahm  ich  mir  vor,  jeden  Morgen  damit  zu  be- 
ginnen, dass  ich  mich  fragte:  Giebt  es  keinen,  dem  du  heute  etwas  zugute  thun 
könntest?  Mitunter  glückt  es,  etwas  zu  finden."  So  schreibt  der  Mann,  über  dessen 
Härte  man  klagt;  aus  dieser  Gesinnung  heraus  erklärt  er  Goethes  Wahlverwandt- 
schaften milde  und  weise ;  aus  dieser  Gesinnung  heraus  träumt  er  davon,  eine  Pflanz- 
schule für  Apostel  einer  höheren  Lebensanschauung  zu  errichten  (man  denkt  un- 
willkürlich an  „Rosmersholm",  an  den  Schluss  des  „Volksfeindes".)  Aber  wegen  dieser 
heimlichen  Milde  seines  Herzens  lastet  auch  die  Einsamkeit  schwer  auf  ihm,  die 
härtere  Gemüter  leichter  tragen.     Wohl  schreibt  er  erst:  „Dass  jetzt  alle  Welt  mich 


Schopenhauers  Verhältn.  zu  Kant  in  seinen  Grundzügen.  I.  Diss.  Leipzig.  205  S.  —  155)  X-^- Wyezolkowska,  Schopenhauers 
Lehre  v.  d.  menschl.  Freiheit  in  ihrer  Beziehung  zu  Kant  u.  Schelling.  Diss.  Zürich.  53  8.  —  156)  X  (I  12  :  17.)  —  157)  X 
A.  Schopenhaiier,  Parerga  u.  Paralipomena.  Kleine  philos.  Schriften.  VI.:  Z.  Lehre  v.  d.  Unzerstörbarkeit  unseres  wahren 
Wesens  durch  d.  Tod.  Nachtrr.  z.  Lehre  v.  d.  Nichtigkeit  d.  Daseins  her.  v.  H.  Hirt.  (=  Bibl.  d.  Gesatntlitt.  d.  In-  u.  Aus- 
land. N.  663.)  Halle  a.  S.,  0.  Hendel.  IV,  55  S.  M.  0,25.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  5:63.)  —  158)  X  id.,  id.  VH.:  üeher  Ee- 
ligion.  Her.  v.  H.  Hirt.  (=  ebda.  N.  664.)  IV,  69  S.  M.  0,25.  —  159)  X  id-,  id.  VHI.:  Einiges  z.  Sanskritlitt.  Einige, 
archäol.  Betrachtungen.  Einige  mythol.  Betrachtungen.  Z.  Metaphysik  d.  Schönen  u.  Aesthetik.  Her.  v.  H.  Hirt.  (=  ebda. 
N.  665.)  IV,  54  S.  M.  0,25.  —  160)  X  id-,  id.  V.:  Einige  Worte  über  d.  Pantheismus.  Z.  Philos.  u.  Wissensch.  d.  Natur. 
Z.  Farbenlehre.  Z.  Ethik.  Z.  Rechtslehre  u.  Politik.  Her.  v.  H.  Hirt.  (=  ebda.  N.  652,3,)  IV,  61  S.  M.  0,50.  —  161)  X 
id.,  id.  IX.:  Ueber  Urteil.  Kritik,  Beifall  u.  Ruhm.  Ueber  Gelehrsamkeit  u.  Gelehrte.  Selbstdenken.  Her.  v.  H.  Hirt. 
{—  ebda.  N.  666.)  IV,  45  S.  M.  0,25.  —  161a)  X  id-  Neue  Paralipomena:  Vereinzelte  Gedanken  über  vielerlei  Gegenstände. 
(=  Schopenhauers  hs.  Nachl.  Aus  d.  auf  d.  Kgl.  Bibl.  in  Berlin  verwahrten  Ms.-Büchern her.  v.  Ed.  Grisebach:  ÜB.  N. 3131/5.) 
L.,  Reclam.  510  S.  M.  1,00.  —  162)  id.,  Nachlass  her.  v.  E.  Grisebach  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:64-66):  LCBl.  S.  1219.  — 
163)  X  id.,  Studies  in  pessiniism.  (Afterdinner  series.)  London,  Temple  &  Co.  12».  Sh.  1.  —  164)  G.  Valbert  [=  Cherbuliez], 
Schopenhauer,  l'homme  et  le  philos.  d'apres  une  public,  recente:  RDM.  119,  S.  214-25.  (Im  Anschl.  an  Kuno  Fischer;  s.  o. 
N.  151.)  -  165)  Th.  Achelis,  R.  Lehmann,  Schopenhauer  u.  d.  Entwicklung  d.  monist.  WeHanschauung  (Progr.  B.,  R.  Gaertner. 
1892.  4».  25  S.  M.  1,00):  PhilosMh.  29,  S.  624-36.  —  166)  Th.  Wirth,  D.  Ansicht  d.  modernen  Pessimismus  über  d.  Ursprung 
d.  Uebel  dieser  Welt.  Progr.  d.  Gymn.  Bayreuth,  Ellwanger  (vorm.  Th.  Burger).  41  S.  —  167)  F.  Von  eisen.  Nirwana. 
Perlen  d.  pessimistischen  Weltanschauung.  (=  ÜB.  N.  3140.)  L.,  Ph.  Reclam.  100  S.  M.  0,20.  -  168)  L.  Büchner, 
Das  Unbewusste:  AZg".  N.  64.  —  169)  Th.  Achelis,  D.  Begriff  d.  Unbewussten  in  psycholog.  u.  erkenntnistheoret.  Hinsicht 
bei  Ed.  V.  Hartmann.  E.  Studie  z.  50.  Geburtstage  d.  Philosophen:  PhilosJb.  6,  S.  49-72,  395-407.  —  170)  Mal  vida 
v.  Meysenbug,  Erinnerungen  an  F.Nietzsche:  NFPr.  16./7.  Juni.  (Vgl.  Didask.  N.  148-51;  s.  o.  112:386.)  —  171)  ead..  Ans 
meinem  Tagebuche  über  Nietzsche:  ib.  14.  Okt.  — 172)  P.  Lanzky,  Erinnerungen  an  F.  Nietzsche:  AZg«.  N.  240.  —  173)  R.  V.  \V.  A. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  172-185 

allein  lässt,  darüber  beklag-e  ich  mich  nicht;  ich  finde  es  vielmehr  nützlich  und 
natürlich."  Aber  bald  entring-t  sich  ihm  doch  der  bittere  Schrei:  „Giebt  es  denn  keinen 
Menschen,  der  mich  lieb  hat?"  Aber  er  überwindet  auch  das:  „Seit  Jahren  bin  ich 
nun  g-anz  allein,  und  Sie  werden  mir  zugeben,  dass  ich  eine  gute  Miene  dazu  ge- 
macht habe  —  auch  die  gute  Miene  g-ehört  unter  die  Bedingungen  meiner  Askese". 
Tapfer  hielt  er  aus  und  erfüllt  hat  er,  was  er  1878  schrieb:  „Der  Bogen,  den  meine 
Bahn  läuft,  ist  gross,  und  ich  muss  an  jeder  Stelle  desselben  g-leich  gründlich  und 
energisch  gelebt  und  gedacht  haben."  Neben  diesen  heiTlichen  Dokumenten  treten 
die  eigenen  Worte  der  Erzählerin  bescheiden  zurück;  doch  gebührt  auch  ihnen  Be- 
achtung, wenn  sie  den  Standpunkt  der  letzten  Jahre  nur  als  eine  Uebergangsphase  auf- 
fasst,  „aus  der,  wenn  das  Schicksal  es  erlaubt  hätte,  sein  Geist  in  erneuter  Schönheit, 
frei  von  den  Schlacken,  welche  Bitterkeit,  Empörung  und  Hass  in  ihm  erzeugt  hatten, 
hervorgegang-en  sein  würde."  L.  dagegen  giebt  nur  persönliche  Urteile  und 
Erlebnisse,  die  wieder  Nietzsches  persönliche  Sanftmut,  daneben  die  unge- 
heuere Intensität  seiner  geistigen  ArlDeit  hervorheben;  er  teilt  nur  Ein  Wort  des 
Philosophen  mit,  freilich  ein  sehr  merkwürdiges:  „In  Nizza  sprachen  wir  eines 
Abends,  im  Jardin  public  auf-  und  abg-ehend,  sehr  ruhig  über  das  Ende,  das  ihm 
einmal  bevorstehe,  und  er  schloss  die  lange  Erörterung  mit  den  Worten:  'Sie  werden 
vielleicht  am  Wahnsinn  verg-ehen,  wenn  die  Götter  Ihnen  nicht  darüber  hinweghelfen; 
ich  jedoch  g-edenke  des  freien  Todes  teilhaftig  zu  werden.'"  —  Hat  sich  auch  diese 
Prophezeiung  läng-st  als  trag"ischer  Irrtum  erwiesen,  so  ist  doch  auch  längst  Nietzsches 
traurig-e  Klag'e  widerlegt,  er  sei  g-anz  allein,  niemand  liebe  ihn.  Von  der  Fürsorge 
seiner  Verwandten  ^'^)  zeugt  glänzend  schon  die  neue  Ausgabe  seiner  Werke  i^*). 
Unter  der  Leitung-  seiner  Schwester,  der  Frau  Elisabeth  Förster-Nietzsche  i"^), 
ward  das  grosse  Unternehmen  begonnen  und  vollendet;  Fritz  Koegel  stellte  mit  ihr  im 
Einvernehmen  den  Plan  und  die  Grundsätze  fest  und  besorgte  den  grössten  Teil  der 
philologischen  Arbeit,  wobei  ihn  Eduard  von  der  Hellen  für  anderthalb  Bände  ab- 
löste. Es  kam  auf  diese  Weise  eine  Ausgabe  zu  stände,  die  an  philolog-ischer  Gründ- 
lichkeit, Zuverlässigkeit,  Sauberkeit  unter  denen  neuerer  Philosophen  schwerlich 
ihres  g-leichen  hat.  Diechronolog-ische  Folg-e  ward  nur  beim„Zarathustra"  unterbrochen, 
um  dessen  vier  Teile  vereinigt  erscheinen  zu  lassen.  Neu  aufg-enommen  ist  ausser 
einer  Reihe  von  Gedichten  —  Dithyramben,  EpigTammen  —  der  „Antichrist",  Nietzsches 
Auseinandersetzung  mit  dem  Christentum,  soweit  es  die  Vernichtung  der  antiken 
Kultur  bedeutet.  Da  jedoch  das  Erscheinen  dieses  Bandes  noch  nicht  in  das  Berichts- 
jahr fällt,  muss  eine  Besprechung  des  hochbedeutenden  Werkes  noch  unterbleiben. 
Aufmerksamkeit  verlangen  in  allen  Bänden  die  knappen,  aber  vorzüglich  orientierenden 
Notizen  der  Herausgeber.  In  einer  zweiten  Reihe  der  „Werke"  werden  Elisabeth 
F.  und  Koegel  nun  bald  die  zahlreichen  Einzelaufsätze  und  Fragmente  veröffent- 
lichen, soweit  diese  nicht  in  die  grosse  und  schöne  Lebensbeschreibung  des  Philosophen 
vcm  der  Hand  seiner  Schwester  verarbeitet  werden.  Manches  Neue  ist  bereits  an 
mehreren  Stellen  erschienen  i'ß-i'S),  sehr  geeignet,  auf  die  Fülle  des  noch  zu  Erwartenden 
gespannt  zu  machen.  —  Natürlich  ging  auch  die  Diskussion  über  einzelne  Bücher  ^^'^~'^') 
wie  über  die  Gesamterscheinung  des  merkwürdigen  Denkers  fort.  Die  Gegner 
schlugen  zumeist  den  Ton  des  Warners  an.  —  Geg-en  Jordans  greisenhafte  Anklag-e 
hat  Mauthner  1^2-)  (jen  Philosophen  verteidigt;  aber  Stein ^^^"i^*)  hat  fast  nur  Beifall 
g-eerntet,  als  er  in  breiten  Ausführungen  vor  diesem  „neuen  Cynismus"  warnte. 
Scheint  uns  schon  der  Standpunkt  an  sich  recht  wenig  philosophisch,  der  vor  einem 
Denker  warnt,  weil  er  „gefährlich"  sei  —  Gefahren  bring-t  jede  neue  Tendenz,  jede 
Erfindung-,  jeder  neue  Sonnenaufgang-  sog-ar  —  so  ist  die  ganze  Art,  wie  Nietzsche 
einerseits  als  Nichtphilosoph  „entlarvt"  wird  und  andererseits  doch  St.  ein  „System" 
aus  seinen  Schriften  aufbaut,  von  jedem  tieferen  Verständnis  für  die  Eig-enart  Nietz- 
sches erstaunlich  fern.  Anzuerkennen  ist,  dass  St.  die  hässliche  Art,  wie  Türck  u.  a. 
aus  der  Erkrankung-  des  Philosophen  Kapital  schlug-en,  nachdrücklich  ablehnt,  wie 
er  sich  denn  überhaupt  eines  ruhigen  Tons  befleissig-t.  Aber  welch  unglaubliche 
Verkennung-,    wenn    diesem    Manne   des   vornehmen  Stils  und  der  g-eistig-en  Askese 

Oehler,  F.  Nietzsche:  Didask.  N.  234.  -  174)  F.  Nietzsches  VVerlce.  2.-4.,  7.  Bd.  u.  8.  Bd.,  1.  Aht.  (2.:  Unzeitgemässe  Be- 
trachtungen. 2  Tle.  in  1  Bd.  2.  Anfl.  mit  e.  Vorw.  d.  Herausg.  XV,  206  n.  205  S  M.  10  50.  —  S.u. 4.:  Menschliches,  AUzn- 
menschliches.  E.  Buch  für  freie  Geister.  2  Bde.  2.  Aufl.  Mit  e.  Brieffacs.  u.  e  Vorw.  d.  Herausg.  .XLVIII,  408  S.;  379  S. 
ä  M.  9.00.—  7.:  Also  sprach  Zarathnstra.  E.  Buoh  für  Alle  u.  Keinen.  3.  Aufl.  Mit  Portr.  u.  Brieffacs.  d.  Autors  n.  e.  Vorw. 
d.  Herausg.  XLUI,  472  S.  M.  12,00.  -  8,1.:  Jenseits  v.  Gut  u.  Böse.  Vorspiel  e.  Philoe.  d.  Zukunft.  3.  Aufl.  292  S.  M.  6,25.) 
L.,  Naumann.  M.  47,75.  [F.  Poppenberg:  ML.  62,  S.  710.]|  —  175)  X  Elisaheth  Förster-Nietzsche,  Mitteilungen 
über  F.  Nietzsches  Schriften  u.  seinen  Nachl.:  AZg".  N  258.  —  176)  X  Neues  v.  F.  Nietzsche:  Zukunft  3,  S.  39-40.  —  177)  < 
F.  Nietzsche,  Ueber  d.  Zukunft  unserer  Bildnngsanstalten :  ML.  62,  S.  825,9.  —  178)  X  (I  12:387.)—  179)  X  Une  preface 
in6d.  de  Nietzsche:  KPL.  2,  S.  670/1.  —  180)  X  F.  Nietzsche,  Götzendäramerung  od.  wie  man  mit  d.  Hammer  philosophiert. 
2.  Aufl.  L.,  Naumann.  VUl,  116  S.  M.  2,25.  —  181)  X  M.  Schindler,  F.  Nietzsche,  Jenseits  t.  Gut  u.  Böse.  E.Genealogie 
d.  Moral:  OLBl.  2,  S.  197-200.  —  182)  F.  Mauthner,  Jordan  gegen  Nietzsche:  Nation».  16,  S.  787/8.  (Vgl.  1  12:378.)  — 
183)  (I  12:379.)    (Vgl.  RPL.  2,  S.  748-51.)  —  184)  (1  12:380.)     |[W.  Bölsche:    FrB.  S.  719-22.]|  —  185)   X   F-  Nietzeehe: 


IV  5:186-192  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

nachgesagt  wird,  er  „ringe  mit  cynischen  Mitteln  nach  hedonischen  Zielen"  (DRs.  74, 
S.  894)!  Und  wenn  eine  Prüfung-  von  Nietzsches  Weltauffasung"  zu  dem  Urteil  gelangt, 
von  einer  Weltanschauung  könne  bei  ihm  im  Ernste  gar  nicht  gesprochen  werden 
(S.  419),  so  hat  der  Kritiker  sich  selbst  gerichtet,  der  gegen  den  so  deutlichen  und 
klaren  Kern  in  Nietzsches  Gedankenwandlungen  blind  ist.  Er  mag  im  einzelnen 
öfters  im  Recht  sein,  wo  er  etwa  über  das  Bedenkliche  der  aphoristischen  Form 
spricht  (S.  399)  oder  Nietzsches  allzu  summarische  kritisch-historische  Dogmata  an- 
zweifelt (DRs.  75,  S.  231/2),  aber  für  die  Gesamterscheinung  fehlt  es  ihm  zu  sehr 
an  jeglicher  verwandten  Ader.  Wer  für  die  künstlerische  Freude  an  der  Umbildung 
und  Ausbildung  eigener  Gedanken  so  wenig  Verständnis  besitzt,  wer  Philosophie 
nur  als  nüchternen  Ausbau  einer  starren  Prämisse  auffassen  kann,  der  steht  dem 
Philosophen  unserer  Zeit  fast  so  fremd  gegenüber  wie  ein  giäubiger  Katholik  *^5),  und 
der  selbstbewusste  Ton  seiner  Lehrreden  wird  niemanden  darüber  täuschen,  dass 
dieser  philosophische  Warner  ein  ganz  guter  Dogmatiker  sein  mag,  in  der  Psychologie 
aber  noch  etwa  alles  zu  lernen  hat.  —  Ein  Zeug^nis  für  die  fortwirkende  Kraft 
Nietzsches  sind  auch  die  zahlreichen  Parodien  —  eine  Lieblingsgattung  unserer  Zeit, 
weil  sie  zwei  Hauptleidenschaften  unserer  Generation  zugleich  befriedigt:  die,  sich 
an  einen  Heros  anzuschliessen,  und  die,  ganz  unabhängig-  scheinen  zu  wollen. 
Wirklich  witzig  ist  „Also  sprach  Confusius"^^^).  Zumal  die  Vorrede  trifft  die  Be- 
denklichkeiten in  Stil  und  Gedankenart  Nietzsches  mit  Glück  und  die  Schilderung 
des  Verlegers,  des  „trillernden  Ostermesse-Besuchers,  des  kühnen  Turners,  des  lallenden 
Tänzers,  des  Mannes  mit  dem  alles  verkaufenden  Geiste"  (S.  4.),  fügt  den  „hässlichsten 
Menschen"  des  vierten  Zarathustra  ein  lustiges  Gegenbild  bei.  Auch  im  übrigen 
Text  sind  z.  B.  die  unerwarteten  Gedankenstriche  Nietzsches,  seine  Art,  fremde  Aus- 
drücke zu  benutzen,  seine  kühnen  Verbalsubstantiva  mit  Geschick  nachgeahmt ;  auch 
die  Aposiopesen  und  andere  Stileigenheiten.  Inhaltlich  steht  die  Parodie  hier  freilich 
nicht  auf  der  Höhe  der  Vorrede  —  das  gewöhnliche  Schicksal  der  Parodien ;  doch  ist 
der  „Fall  Mascagni"  keine  schlechte  Karikatur  von  Nietzsches  Selbstbekehrungen, 
und  ein  Aphorismus  wie  die  „Summe  aller  Aesthetik"  (S.  49)  verdient  citiert  zu 
werden:  „Das  mauvaiseste  Genre  ist  immer  auch  das  ennuyanteste."  —  Eine  weniger 
gelungene  Karikatur  war  es,  die  Türck  von  Nietzsche  entworfen  hatte;  Zerbst^®'') 
hat  darauf  geantwortet.'^**)  —  Mehr  sich  selbst  parodiert  Eisner'^"),  der  eine  ge- 
legentliche Erwähnung  benutzt,  um  im  Ton  des  Baccalaureus  im  zweiten  Teil  des  Faust 
seine  Ueberlegenheit  an  den  Mann  zu  bringen,  als  habe  er  in  seiner  noch  jugendlicheren 
Schrift  ,,Psychopathia  spiritualis"  die  ungemeine  Sicherheit  seines  Urteils  noch  nicht 
genügend  offenbart  !''**^"'^').  —  Bedeutender  ist  Weigands  '^^j  vielbesprochener  „psycho- 
logischer Versuch".  W.  stellt  sich  zu  Nietzsche  wie  dieser  zum  „Fall  Wagner": 
,,Für  den  Psychologen  bedeutet  das  Problem  Nietzsche  einen  Glücksfall  der  aller- 
seltensten  Art"  sagt  er  mit  wörtlicher  Anlehnung  an  jene  Schrift,  wie  er  denn  über- 
haupt von  Nietzsches  Stil  stark  beeinflusst  ist;  „aus  diesem  hochgespannten  Geiste 
reden  die  geheimsten  modernen  Wünsche  und  Begierden  ihre  bezauberndste  Sprache; 
in  seinen  Ausbrüchen  finden  wir  alles,  was  die  widerspruchsvolle  moderne  Seele 
peinigt  und  beglückt:  Kraft,  Adel,  Fülle,  Harmonie,  dichterische  Anschauung  und 
historischen  Scharfblick,  Zorn,  Hass,  Empörung,  Bosheit,  Naivetät,  Schalkhaftigkeit, 
Grössenwahn,  prophetischen  Tiefsinn,  sublimierteste  geistige  Genusssucht;  hier  ward 
der  Geist  der  Vergangenheit  Mensch  und  —  glaubt  die  Sprache  der  Zukunft  zu 
reden"  (S.  6).  Gewiss,  das  heisst  nicht  schlecht  charakterisieren,  wenn  auch  vielleicht 
der  Schlusssatz  das  Uebrige  verdirbt.  Der  Versuch,  nicht  nur  der  Person,  auch  ihrem 
Denken  die  Ahnentafel  zu  stellen  (S.  6/7),  entbehrt  nicht  des  Scharfsinns  und  die 
Liste  „Darwin,  Comte,  ^tendhal,  Dostojewsky,  Bourget,  Renan"  (S.  45)  ist  nicht  voll- 
ständig, doch  aber  gut  gewählt.  Ueber  die  Decadence  spricht  W.,  der  sie  sorgfältig 
studiert  hat,  aus  der  Fülle  seiner  Lektüre  heraus  (S.  64/5),  besser  als  ich  mich  noch 
entsinne  über  sie  je  gelesen  zu  haben,  und  ihre  Verwandtschaft  mit  der  Romantik 
ist  ihm  klar  (S.  66).  Aber  auch  wo  er  ins  Geheimste  dieser  Rätselnatur  hinabsteigt, 
gelingt  ihm  mancher  glückliche  Fund.  „Und  wozu  zwangen  ihn  nach  der  schranken- 
losen Entfesselung  seiner  geistigen  Gelüste,  seine  Erfahrungen?  Zum  Dekretieren  von 
Wahrheiten"  (S  .74).  Manchmal  mag  er  sich  von  Lou  Andreas-Salome  (vgl.  JBL.  1892 
IV  5 :  95/6)  zu  stark  beeinflussen  lassen  (S.  86) ;  er  mag  das  Krankhafte  in  den 
letzten  Schriften  übertreiben  fS.  97j;  aber  eine  tiefe  Erkenntnis  wie  die  über  die  Selbst- 
opferung (S.  99)  entschädigt  für  vieles.  Auf  der  Grundlage  des  antiken  Individualismus 
(S.  80)    und    seiner  Erneuerung  in  der  Renaisance  (S.  82;  wie  Zumbini   vor  kurzem 


HPBll.  112,  S.  747-57.  —  186)  (I  12:388.)   -   187)  M.  Zerbst,    Nein  u.  ja!     Antwort  auf  H.  Türcks  Broschüre  ..Nietzsche  u. 
seine    philos.    Irrwege"    (Dresden,    Druckerei    Glöss.     72  S.     M.  1,70.)     L,    C.  G.  Naumann.     Vm,  84  S      M.  1,00.     |[F.  Jodl 
DLZ.  S.  166,'7.]i   -  188)  X  Lndw.  Salomon,  F.  Nietzsche:  BlZg.  101,  S.  292/3.  -  189)  (I  12:383.)  190)    X    H.  Kaatz, 

D.Weltansciiaunng  F.  Nietzsches  (vgl.  JBL.  1892 IV  5:  91;  s.  o.  I  12:384).  |[VossZgB.  N.  53:  ThLBl.  14,  S.  122;  WIDM.  73.  S.  143 
M.  Schindler:  ÖLBl.  2,  S.  197-200.]    —  191)  X  !>'«  ideeSn  van  F.  Nietzsche:  NedSpeot.  S.  28.3/4.  — 192)  (I  12:381.)  |[J8aT. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  193-210 

in  einem  auso-ezeichneten  Aufsatz,  weist  W.  auf  Rabelais  Abba.ye  de  Theleme  hin) 
lässt  er  in  Rousseau  das  „kritische  Individuum"  neuen  Stils  entstehen:  das  „schöpferische 
Individuum  aus  Mangel"  (S.  83)  —  auch  das  ist  ein  g-utes  Wort  zur  Charakteristik 
Nietzsches.  Nicht  minder  treffend  weiss  er  Schopenhauers  Definition  als  mit  Nietzsches 
Standpunkt  unverträg-lich  zu  beg-ründen:  ,, Nietzsches  g-anze  Aesthetik  geht,  um  es 
kurz  zu  sag-en,  nicht  von  dem  Betrachtenden,  sondern  von  dem  Schaffenden,  von  dem 
Zeugenden  aus,  dem  das  Moment  der  Produktion  als  Augenblick  höchsten,  intensivsten 
Lebens  gilt"  (S.  101).  Träfe  Kuno  Fischers  Lösung  von  Schopenhauers  „Charakter- 
rätsel" zu  (s.  0.  N.  151),  so  fiele  dieser  Gegensatz  dahin.  Eine  glückliche  Idee  ist 
es  ferner,  zu  sammeln,  wen  Nietzsche  hasst  (S.  104),  oder  was  er  als  schön  empfindet 
(S.  112);  das  müsste  nur  systematisch  und  erschöpfend  geschehen.  Endlich  weiss  W. 
auch  Nietzsches  Stil  gut  zu  charakterisieren  fS.  105),  was  an  ihm  deutsch,  undeutsch 
(S.  110)  und  antideutsch  (S.  111)  ist,  zu  scheiden.  Weniger  gut  ist  die  Revue  über 
seine  Anhänger  (S.  106  f.)  geraten.  Indessen,  man  sieht,  es  ist  ein  Buch,  das  man  nicht 
ungelesen  lassen  darf,  wenn  man  sich  für  die  philosophische  signatura  temporis  in- 
teressiert. Schade  nur,  dass  der  Vf.  sich  im  Ausdruck  oft  gehen  lässt.  Er  verwickelt 
sich  in  der  Negation:  „Wer  möchte  leugnen,  dass  dieses  Bild  der  Grossartigkeit  ent- 
behre" (S.  93).  Er  schreibt  über  Chamfort:  „Viel  tiefer  blickend  als  alle  seine  Zeit- 
genossen, war  ihm  das  Gestalten  versagt"  (S.  100).  Und  so  gerade  über  Nietzsche 
und  Chamfort  zu  schreiben!  —  Wiederum  folgen  Konfrontierungen  Nietzsches  mit 
Richard  Wagner  »9»- 194),  Chopin  i»^),  Stirner  »9ö->9').  - 

Stirner  selbst  wird  von  seinem  Biographen  Liebmann'^*)  mit  antiken 
Sophisten  verglichen,  während  Laut  er  ba  ch '*'*')  vor  seiner  neuen  Ausgabe  des  be- 
rühmten Buches  vom  „Einzigen"  nicht  nur  von  neuem  Nietzsche  als  seinen  „Ausbauer 
und  Umschöpfer"  anspricht,  sondern  in  hastiger  Rhapsodie  auch  auf  Feuerbach, 
Rudolf  von  Ihering\  Spencer,  Dostojewsky  verweist.  —  Horn^ooj^  Johannes^»'), 
T  h  o  r  e  1  -*'2J  stellen  ebenfals  Nietzsche  und  Stirner  mit  anderen  Vertretern  des  theoretischen 
Anarchismus  zusammen,  während  Steiner^oaj  tiefer  g-reifend  alte  und  neue  Moral- 
begriff'e  überhaupt  zu  scheiden  sucht.  -- 

Mit  Steiner  sind  wir  bei  dem  jüngsten  Vertreter  jener  philosophischen 
Entwicklung  angelangt,    die  von  Kant  über  Schopenhauer  zu  Nietzsche  führt ^O'*).  — 

Neben  der  gTossen  Strasse,  die  in  regelrechter  Ausbildung'  bestimmter 
Grundanschauungen  von  Kant  zu  Nietzsche  leitet,  schlängeln  sich  zahlreich  die 
Nebenwege  einzelner  Philosophen.  Die  Abweichung  vom  kantischen  Weg'e  beginnt 
mit  Herbart,  dessen  Unterrichtsmethode 2**^)  eine  besondere  Untersuchung  gefunden 
hat  206)^  während  wieder  verschiedene  Abhandlungen  seine  Lehre  in  einzelnen  Punkten 
mit  der  Lotzes-**^  208^  ^j^f^  Steinthals ^o^)  vergleichen.  —  Hartensteins^'^)  Ausg*abe 
von  Herbarts  Werken  (vgl.  JBL.  1891  I  6^:  36;  1892  1  10:59;  IV  5:55)  ist  mit  dem 
dreizehnten  Band  zu  Ende  geführt  worden.  Dieser  bringet  wenig  Ung'edrucktes,  dagegen 
vieles,  was  schwer  zugänglich  war,  aus  Zillers  Herbartschen  Reliquien  und  besonders 
aus  kritischen  Zeitschriften.  Gerade  die  mitgeteilten  Recensionen  enthalten  wichtige 
Beiträge  zur  Charakteristik  Herbarts  selbst:  was  er  über  „populäre  Darstellungen" 
(S.  276)  und  über  den  „Rhythmus  der  Spekulation"  (S.  463),  über  Atheismus  (S.438) 
und  Skeptizismus  (S.  564)  bemerkt,  ist  für  seine  ganze  Denkweise  ebenso  bezeichnend 
wie  die  seltsamen  I'rteile  über  Tempel  und  Kirche  (S.  464)  und  die  ängstlich  scheue 
Zurückhaltung  bei  einer  Erörterung  über  den  Adel  (S.  479)  für  seine  Anschauungen. 
Zahlreich  finden  sich  über  hervorragende  Zeitgenossen  oder  Vorgänger  kürzere 
Urteile  (Sulzers  „ganz  ordinäre  Ansicht"  S.  291)  oder  ausführlichere  Besprechungen 
(Schloezer  S.  278';  Adam  Müller  S.  277/8;  Baader  S.  453;  Salat  S.  463;  F.  Schlegel 
S.  520/1,  bes.  S.  528;  Tennemann  S.  457;  Fries  S.  406;  Fichte  und  Reinhold,  Jacobi 
oft,  bes.  S.  227,  .327 J.  An  Süvern,  der  durch  Diltheys  Artikel  in  der  ADB.  uns  allen 
wieder  näher  gerückt  ist,  nimmt  Herbart  (S.  39)  menschlich  Anteil;  zwei  Figuren  aus 


S.  704;  Kw.  6,  S.  2013;  DR.  2,  S.  393;  Ed.  B(ernstein):  NZS:.  11.  S.  38;  PolybiblU  63,  S.  340.]|  —  193)  X  P-  Gast.  F. 
Nietzsche  n.  Rieh.  Wagner:  FZg.  N.  286.  —  194)  X  Wagner  et  Nietzsche:  RPL.  1,  S.  609-11.  —  195)  X  St.  Przybyszewslci, 
Z.  Psychol  d.  Individuums.  I.  Chopin  u.  Nietzsche  (vgl.  JBL.  1892  I  11  :  257;  IV  5  :  87):  WIDM.  73.  S.  144.  —  196j  X  R- 
Schellwien,  M.  Stiiner  u.  Fr.  Nietzsche  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:89-90):  M.  Schindler:  ÖLBL  2,  S.  197-200.  —  197)  X  01a 
Hansson,  D.  Philosophie  d.  Egoismus:  VossZg".  N.  1/2.  —  198)  0.  Liebmann,  M.  Stirner:  ADB.  36,  S.  258,9.  —  199)  M. 
Stirner  (=  Kasp.  Schmidt),  D.  Einzige  u.  sein  Eigentum  (her.  v.  P.  Lauterbach).  (=  ÜB.  N.  3057-60.)  L.,  Ph.  Reclam  jun. 
16".  429  S.  M.  0,80.  -  200)  E.  Hörn,  M.  Stirner  u.  d.  Anarchismus:  Zukunft  2,  S.  2526  —  201)  W.  Johannes,  Feuer- 
bach, Stirner,  Nietzsche:  BerlTBl,  N.  7.  —  202)  J.  Thorel,  Les  peres  de  l'anarchisme:  Bakounine.  Stirner,  Nietzsche:  RPL.  1, 
3.  449-54.  —  203)  R.  Steiner,  Alte  u,  neue  Moralbegriffe:  Zakunft  2,  S.  714.  —  204)  id.,  Wahrheit  U.Wissenschaft.  Vor- 
spiel e.  „Philosophie  d.  Freiheit'-.  Weimar,  H.  Weissbach.  VIII,  43  S.  M.  1,00.  |[N.ftS.  67,  S.  137;  B.  Münz:  BLU.  S.  714 5.]  1 
—  205)  X  A.  Gleichmann,  D.  bloss  darstellende  Unterr.  Herbarts.  E.  Studie.  (=  PaedMag.  Her.  v.  F.  Mann.  N.  24.) 
Langensalza,  H.  Beyer  *  Söhne.  V,  50  S  M.  0.60.  —  206)  X  0.  Hostinsky.  Herbarts  Aesthetik  (vgl.  JBL.  1891  I  3  :  12  ; 
IV  6:86):  Ath.  10,  S.  218-22.  —  207)  X  Th.  Simon,  Darstellung  d  .Seinslehre  Lotzes  in  ihrem  Verhältn.  zu  der  Herbarts. 
L,  G.  Focke.  77  S.  M.  2,00.  —  208)  X  M.  Nath,  D.  Psychol.  H.  Lotzes  in  ihrem  Verhältn.  zu  Herbart.  Diss.  Halle  a.  S. 
1892.  4».  .37  S.  —  209)  X  T.  Ivanoff,  D.  Abweichungen  Steinthals  v.  Herbart  auf  d.  Gebiete  d.  eth.  ElemenUrlehre.  Diss. 
Jena.     56  S.    —    210)    J    F.  Herb»rt,   Sämtl.  Werke,  her.  t.  G.  Hartenstein.     13.  Bd.     N*chtrr    u.  Ergänznnjen.     Hamburg 


IV  5:211-230  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Goethes  Umkreis,  Heinroth  (S.  582)  und  Oken  (S.  591)  werden  mit  abwehrenden 
Worten  vorg-eführt.  Herbarts  eig'ene  Persönlichkeit  tritt  selten  hervor,  etwa  wenn 
der  Gedanke  eines  g'etöteten  Jag-dtiers  ihm  elegisch  stimmt  (S.  141),  oder  wenn  er  Verse 
macht  (S.  267),  die  es  doppelt  beg-reiflich  erscheinen,  lassen,  wie  entschieden  diese 
nüchtern  mathematische  Natur  gegen  die  Einmischung*  von  Poesie  in  g-elehrte 
Abhandlung"en  (S.  348)  oder  gegen  überflüssige  Citate  (S.  468)  Widerspruch  erheben 
musste.  So  reg-t  er  sich  denn  auch  (S.  273)  auf,  wenn  ein  unbedeutender  Skribent 
Kants  Kritik  der  reinen  Vernunft  mit  der  französischen  Revolution  verg-leicht,  und 
denkt  nicht  an  den  bekannten  Ursprung"  dieser  Parallele.  — 

Mit  Herbarts  bedeutendstem  Schüler  Steinthal  besohäftig-en  sich  ausser  der 
schon  angeführten  Dissertation  ^^*)  mehrere  Gratulationsartikel  zu  seinem  siebzig-sten 
Geburtstag"e ^^2-213^^  unter  denen  die  beiden  von  Achelis^'^-^i^a)  am  vollständig-sten 
das  eig-enartig-e  Wesen  Steinthals  zu  charakterisieren  suchen.  Der  Jünger  Wilhelm 
von  Humboldts  und  Herbarts  sah  eben  in  der  Volksindividualität  so  zu  sagen  erst 
den  vollständigen  Menschen,  von  dem  alle  einzelnen  Individuen  nur  Bruchstücke, 
zufällige  Spiegelungen  geben.  Diesem  „Kollektivmenschen"  ging  seine  Sprach- 
forschung und  seine  Völkerpsychologie  nach,  während  seine  Ethik  den  einzelnen 
nach  dem  Muster  des  idealen  Typus  zu  erziehen  sucht.  Hierin  liegt  das  Eigenartige 
seiner  „Humanität",  die  übrigens  A.  mit  Recht  als  Grundzug  seines  Wesens  heraus- 
hebt, hierin  der  Punkt,  der  ihn  mit  Herder  und  W.  von  Humboldt  verbindet  und  ihn 
zum  dritten  grossen  Inter])reten  der  Volksindividualitäten  (vorzugsweise  auch  durch 
seine  berühmte  Lehre  vom  Volksepos)  gemacht  hat.  —  Einem  anderen  bedeutenden 
Schüler  Herbarts,  Stiedenroth,  hat  Häckermann2i4»>)  ein  biographisches  Denk- 
mal errichtet.  — 

Während  Steinthal  noch  weiter  wirken  darf,  sind  einzelne  ältere  Philosophen 
im  Laufe  des  Berichtjahres  dem  Nekrolog  entgegengereift:  Michelet2i5-2i6)^  (jer 
noch  das  Jubiläum  der  von  ihm  gestifteten  Philosophischen  Gesellschaft  mit  einer 
Festrede  hatte  feiern  können -i''),  Frohschammer''^'^-'^^'),  der  eben  erst  sein  „System 
der  Philosophie  im  Umriss"  als  Siebzigjähriger  hatte  erscheinen  lassen  222j^ 
Carriere223),  der,  wie  er  gelebt  hatte,  in  religiös-philosophischen  Betrachtungen 
dahin  ging224)_  — 

Wieder  eine  Gruppe  für  sich  bilden  jene  Philosophen,  die  durch  engen 
Anschluss  an  die  moderne  Naturforschung  eine  neue  Richtung  des  Positivismus  ein- 
leiteten. Ueber  Drobisoh  schrieb  Grosse  225)^  überLotze  ausser  den  schon 
Erwähnten  ('s.  o.  N.  207/8)  Powers 226);  und  Ellissens  Buch  über  F.  Lange  (vgl. 
JBL.  1891  IV  6:225;  1892  IV  5: 269)  fand  weitere  Beurteiler  227).  _  Dieser  Richtung 
steht  aber  eine  neueste  gegenüber,  die  die  Philosophie  wieder  auf  die  individuelle 
Erfahrung,  auf.  das  Gemütsleben  basieren  will  und  somit  zu  den  Positivisten  etwa 
dieselbe  Stellung  einnimmt,  wie  einst  der  Pietismus  gegenüber  der  Orthodoxie  228). 
Als  ein  charakteristischer  Vertreter  dieser  Tendenzen  gilt  Paulsen229)  der 
ultramontanen  Kritik  230)  Der  Recensent  der  HPBll.  misst  in  lehrreicher  Weise  die 
„neue  Religion",  wie  er  sich  ausdrückt,  an  dem  Massstabe  katholischer  Rechtgläubig- 
keit und  polemisiert  in  derber  iVrt,  übrigens  nicht  ohne  witzige  Vergleiche,  g'egen 
Paulsens  kritische  Ausführungen.  Insbesondere  soll  der  teleologische  Beweis  gegen 
alle  Anfechtungen  gerettet  werden.  Es  geschieht  in  der  üblichen  Art:  weist  Paulsen 
an  der  Verschwendung  von  Lebewesen,  an  zwecklosen  oder  gefährlichen  Rudimenten 
usw.  nach,  wie  wenig  der  Begriff  der  menschlichen  „Zweckmässigkeit"  sich  auf 
den  „Haushalt  der  Natur"  übertragen  lässt,  so  erwidert  sein  Gegenpart,  unsere  Ver- 
nunft reiche  hier  blos  nicht  aus,  um  den  Sinn  solcher  Einrichtungen  zu  verstehen ; 
diese  selbe  Vernunft  kann  aber  natürlich,  wo  es  der  Orthodoxie  passt,  Gott  in  die 
Karten    sehen    und    in  jedem   beliebigen    Unfall,   der  einem    „Gegner   der    Kirche" 

tt.  L.,  L.  Voss.  X,  633  S.  M.  6,00.  -  211)  X  (S.  o.  N.  209.)  —  212)  X  G.  Karpeles,  Z.  70.  Geburtst.  H.  Steinthals: 
niZg.  100,  S.  545/6.  —  213)  X  Z.  70.  Geburtst.  v.  Prof.  Steinthal:  VossZg.  N.  22.5.  -  214)  Th.  Achelis,  D.  Begründer  d. 
Yölkerpsychol.,  H.  Steinthal,  z.  70.  Geburtst.:  NatZg.  N.  310.  -  214a)  id..  Zu  Steinthals  70.  Geburtst:  WeserZg.  N.  16686. 
—  214  b)  A.  Hacker  mann,  E.  Stiedenroth:  ADB.  36,  S.  473.  —  215)  X  K.  L.  Michelet:  VossZg.  N.  .')8S.  -  216)  X  ^-  ^■ 
Michelet,  overleden:  NedSpect.  S.  409.  —  217)  X  Bericht  über  d.  Feier  d.  .50 j.  Bestehens  in  d.  Philos.  Ges.  Festreden  v.  K. 
L.  Michelet,  A.  Lassen  n.  a.:  VossZg. N. 49.  —  218)  XJ.  Frohsoharamer:  AZg».  N.  142.  -  219)  X  J- Frolischammer:  PhilosJb.  6, 
B.  473.  —  220)  X  P.  Kirchner,  .1.  Frohschamraer:  UlZg.  101,  S.  15,6.  —  221)  X  J-  Frohschammer:  Ath.  S.  799.  -  222)  J. 
Frohschamm  er,  System  d  Philos.  im  Umriss.  (Philos.  als  Idealwiss.  u.  System.)  1.  Abt.  München,  A.  Ackermanns  Nachf. 
1892.  XXXn,  234  S.  M.  3,00.  IfA.  Baumann:  GGA.  S  649-59.]|  -  223)  M.  Carrifere,  E.  Philosoph  am  Altar  d.  un- 
bekannten Gottes:  AZg".  N.  68.  —  224)  id..  Ges.  Werke.  14.  Bd.  14  relig.  Reden  u.  Betrachtungen  fSr  d.  dtsch.  Volk  v.  e. 
dtsch.  Philos.  3.  Aufl.  L,  F.  A.  Brockhaus.  XX VH,  365  S.  M.  7,00.  -  225)  H  Grosse,  M.  W.  Drobisch:  DBIIEU.  20, 
S.  361)2,  368-70.  —  226)  J-  H.  Powers,  Krit  Bemerkungen  zu  Lotzes  Seelenbegriff.  Diss.  Göttingen,  V.indenhoeck  &  Ruprecht. 
49  S  M.  1,00.  —  227l  X  T.  Adrian:  COIRW.  21,  S.  552.  —  228)  X  H.  Delff.  Philos.  d.  Gemüts.  Begründung  u.  Umriss 
d.  Weltanschauung  d.  sittl.-relig.  Idealismus.  Husum,  Delff.  VU,  309  S.  M.  6,00.  I[L.  Weis:  BLÜ  S.  443  4;  ThLBl.  14, 
S.  192.]i  —  229)  X  F.  Paulsen,  Einleitung  in  d.  Philos.  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:28).  |[PhilosJb.  6,  S.  264-72,  382-94;  K. 
Gutberiet:  Grenzb.  4,  S.  10-20;  G.  Glogau:  ThLZ.  18,  S  233;  R.  Willy:  VWPh.  17,  S.  389-400  (dazu  S.  132/3);  P. 
Barth:  BLU.  S.  689-92;  A.  Baumann:  GGA.  S.  14.5-63;  J.  Volkelt:  DLZ.  S.  133/6;  Ad.  Lassen:  Pr.Ibb.  S.  514-20;  P. 
Michaelis:  VossZg".  N.  9J|    -  230)  X   Wieder   e.   neue   Religion:    HPBll.  112,    S.  582-98,  650-61.    (Ueber  F.  Paulsen.)  — 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.         IV  5  :  231-235 

beg-egnet,  den  „Fing-er  Gottes"  mit  Sicherheit  erkennen.  Gutberiet  bekämpft 
ebenfalls  vorzugsweise  Paulsens  Zweifel  an  der  Zweckmässig-keit  aller  natürlichen 
Einrichtungen,  „beweist"  die  Notwendig-keit  einer  immateriellen  Seele  usw.  —  Ist 
aber  in  all  diesen  Punkten  von  den  katholischen  Kritikern  Neues  nicht  zu  lernen, 
so  treffen  sie  doch  damit  ins  Schwarze,  dass  sie  die  pantheistische  Richtung-  Paulsens 
für  ein  Zeichen  der  Zeit  erklären. ^^i)  —  Auch  ein  Liebhaber  der  Philosophie  vom 
alten  Stil,  wie  Steudel,  dessen  Bild  Schott^si)  gezeichnet  hat,  fühlt  sich  zu 
Spinoza  hingezog-en.  — 

Wir  sind  damit  bei  der  Kritik  philosophischer  Strömungen  wieder  ange- 
langt. Mehr  eine  allgemeine  Kritik  der  Philosophien  aus  einem  bestimmten 
Gesichtspunkte,  als  ein  eigenes  System  bietet,  seinem  Titel  zum  Trotz,  Dieses ^33) 
„Philosophie  des  Metaphorischen".  Der  Grundgedanke  des  Buches  ist  der,  dass 
die  Metapher,  d.  h.  die  Uebertragung  aus  einem  Anschauungsgebiet  in  das  andere, 
keine  willkürliche  Erfindung  geistreicher  Köpfe  sei,  sondern  eine  notwendige  Aus- 
drucksweise der  Urvölker  (vgl.  S.  10).  Diese  gewiss  richtige  Meinung  ist  nun 
freilich  keineswegs  so  allgemein  verkannt,  wie  B.  behauptet.  Ausser  Vico  und  Jean 
Paul  hätte  er  vor  allem  Hamann  und  Herder  anführen  müssen.  „Wenn  diese  Lippen 
sich  öffneten,  ward  es  gewiss  lebendiger  Laut,  Bild  der  Sache  im  Atem  der 
Empfindung:  und  das  ist,  dünkt  mich,  der  Geist  der  ebräischen  Sprache."  „Man 
wird . . .  dahinkommen,  das  Wesentliche  und  Zufällige  in  der  Bedeutung  zu  unter- 
scheiden, die  sanften  Üebergänge  zu  finden,  und  auch  in  Ableitung  der  Wörter,  in 
Anwendung  der  Metaphern  eine  wahre  Erfindungskunst  des  menschlichen  Geistes, 
die  Logik  der  Bildersprache  früherer  Zeiten  inne  werden."  Da  stände,  meine  ich, 
die  Anschauung  deutlich  genug  da,  auf  deren  Neuentdeckung  B.  sich  etwas  viel  zu  gute 
thut.  Sie  ist  aber  auch  keineswegs  seit  Herder  verschüttet,  so  dass  er  sie  neu  hatte 
ausgraben  müssen.  Scherer,  von  dem  B.  (S.  14)  nur  die  Definition  der  Metapher  als 
stilistischer  Figur  citiert,  handelt  wiederholt  über  die  Ursprünglichkeit  der  Ver- 
gleichung  (Poetik  S.  87,  209,  265,  bes.  S.  116)  und  sagt  ausdrücklich  (S.  267): 
„Femer  gehören  hierher  auch  die  Metaphern,  die  entweder  Abstraktes  sinnlich 
machen  oder  eine  einzelne  Eigenschaft  hervorheben  oder  wieder  auf  Personifikation 
beruhen  und  in  der  Regel  eben  dadurch  entstehen,  nicht  durch  einen  Umweg  über 
das  Bild."  Und  Nietzsche,  dessen  Abkanzelung  B.  zum  Schlusseffekt  seines  Buches 
macht,  hat  in  seinem  Erstlingswerk  bereits  dasselbe  ausgesprochen:  „Die  Metapher 
ist  für  den  echten  Dichter  nicht  eine  rhetorische  Figur,  sondern  ein  stellvertretendes 
Bild,  das  ihm  wirklich,  an  Stelle  eines  Begriffes,  vorschwebt"  (Geburt  der  Tragödie 
S.  39).  Diese  Auffassung,  die  sich  fast  unvermeidlich  jedem  aufdrängt,  der  den 
Stil  poetischer  Kunstwerke  zu  prüfen  gelernt  hat,  konnte  B.  also  einfach  mit 
weiteren  Belegen  erhärten,  statt  sich  einer  überflüssigen  Polemik  gegen  zurück- 
gebliebene Lehrbücher  zu  widmen.  Er  ist  aber  in  seiner  Entdeckerfreude  sicher 
ganz  aufrichtig;  dass  er  Stellen,  wie  die  angeführten  —  „luoghi  d'oro"  würde  unser 
gemeinschaftlicher  Freund  Vico  sagen  —  nicht  kennt,  liegt  in  seiner  unglücklichen 
Art  zu  sammeln.  Seine  früheren  Arbeiten  zeigten  es  längst,  dass  B.  von  einer 
systematischen  Durchforschung  des  Materials  keinen  rechten  Begriff  hat;  eine  weit 
umgreifende,  aber  nirgends  erschöpfende  Lektüre  giebt  ihm  einen  Haufen  von  Beleg- 
stellen an  die  Hand,  die  er  dann  ziemlich  tumultuarisch  vorbringt.  Statistik, 
gründliche  Scheidung  von  chronologischen  oder  nationalen  Gruppen,  individuelle 
Erfassung  des  Einzelfalles  sind  dieser  hastig  hinwirbelnden  Art  unbekannte  Dinge. 
Völlig  diesen  Charakter  trägt  auch  sein  neuestes  Buch.  Er  geht  die  kindliche 
Phantasie,  die  Sprache,  den  Mythus,  die  Religion,  die  Kunst,  schliesslich  die  Philo- 
sophie durch,  um  überall  Belege  für  die  Unvermeidlichkeit  der  Metapher  zu  sammeln. 
Eine  glückliche  Idee!  Und  wie  fruchtbar  hätte  sie  bei  gründlicher  Durchführung 
werden  können!  Da  hätte  man  die  innere  Form  untersuchen  müssen,  die  bei  ver- 
schiedenen Volksindividualitäten  verschiedene  Färbung  der  Metaphern  bewirkt,  den 
Einfluss  der  Tradition  auf  die  Bildung  neuer  Metaphern  feststellen  können,  und  wie 
viel  andere  interessante  Probleme  hätten  einer  wenigstens  vorläufigen  Lösung  näher 
gebracht  werden  können!  Dazu  wäre  aber  eben  nötig  gewesen,  dass  statt  des 
Umherfahrens  von  Storm  auf  die  Bibel  und  von  Paulus  auf  Piaton  irgend  ein  Gebiet 
fest  umgraben  und  sicher  durchgepflügt  worden  wäre.  Was  B.  nun  gethan  hat, 
bleibt  eine  lockere  Vorarbeit.  Dass  auch  sie  Verdienste  hat,  leugne  ich  nicht;  zumal 
sein  Kampf  g"egen  Max  Müllers  eulenspiegelische- Mythologie  (S.  39)  ist  sehr  nach 
meinem  Herzen;  g-egen  Bruchmann  hat  B.  fast  immer  Recht  (wenn  er  ihm  auch 
S.  33  Anm.  mit  Unrecht  Schuld  g-iebt,  alle  nachbiblischen  Dichter  für  blosse  „Nach- 
dichter" zu    erklären;    wenn  Bruchmann  von  den  Nachdichtern  redet,  die  sich  Jahr- 


231)  X  M-  Kronenberg,  Moder.  Pantheismns:  Nation".  10,  S.  527-30.  —  232)  Th.  Schott.  A.  Steudel:  ADB.  86,  S.  150/1. 
—  233)  (I  12:107.)  —  234)  E.  Fröhlich,  D.  Metaphysik  in  d.  modern.  Physiologie :  VossZgB.  N.  29-30.  —  235)  L.  B  Ochner, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgescliichte.    IV.  (4)17 


IV  5:236-263  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

hunderte  lang  an  dem  Feuer  des  Alten  Testaments  wärmten,  so  meint  er  eben 
weder  den  armen  Groethe,  noch  den  armen  Byron,  noch  den  armen  Shelley,  noch 
den  armen  Mörike,  die  B.  ihm  in  so  bizarrer  Zusammenkuppelung:  entgegenwirft). 
Auch  bringt  seine  Belesenheit  ihm  oft  sehr  hübsche  Citate,  wie  (S.  84)  das  aus  Tiecks 
„Gemälden".  Im  ganzen  kann  man  ihm  doch  das  Urteil  nicht  ersparen,  er  habe 
nur  fumum  ex  fulgore  zu  machen  gewusst.  — 

Der  Anschauung,  dass  selbst  die  strengste  Wissenschaft  sich  der  Metaphern 
kaum  erwehren  könne,  verdankt  auch  die  interessante  Specialuntersuchung  von  Karl 
Hauptmann  „Die  Metaphysik  in  der  modernen  Physiologie",  über  die  Fröhlich -3*) 
referiert,  ihren  Ursprung.  —  Ueber  die  Berechtigung  der  Metaphysik  als  Wissenschaft 
handelt  Büchner^ss)  und  in  populären  Aufsätzen  besprechen  Dreher^a^)^  von 
Stern23'')  und  Tille  ^38)  Fragen  der  Erkenntnistheorie  und  andere  hierher  ge- 
hörige Themata.  —  Die  Grundanschauung,  auf  der  mehrere  von  ihnen  fussen,  die  des 
Materialismus,  beleuchtet  Hagemann^s^)  vom  katholischen  Standpunkt  aus.  — 

Dies  führt  uns  zu  dem  Einzelgebiet  der  Ethik  über,  auf  dem  Paulsens^^Oj 
„System  der  Ethik",  in  dritter  Auflage  erschienen,  zwischen  dem  ausgesprochen 
christlichen  Standpunkt  des  Protestanten  Luthardt^*')  und  der  Katholiken  Gutberiet 
(von  dessen  ethischen  Schriften  Pfeifer^*^)  Bericht  giebt)  und  Cathrein^^S)  auf 
der  einen  Seite,  dem  radikal  individualistischen  Simmels^^^)  auf  der  anderen  Seite 
die  Mitte  hält.  Eine  ausführlichere  Besprechung  dieser  wichtigen  Werke,  unter  denen 
zumal  die  von  Simmel,  Cathrein,  Paulsen  auch  eine  grosse  symptomatische  Bedeutung 
haben,  würde  den  Rahmen  eines  litterarhistorischen  JB.  überschreiten,  während 
wiederum  eine  Anzahl  kleiner  Artikel  zur  Ethik^'^^'^^ß)  zu  leichte  Ware  sind. 247)  _ 
Den  Versuch,  über  die  ethischen  Gegensätze  unserer  Zeit  zu  orientieren,  macht 
Tille248).  _ 

Aus  anderen  Specialgebieten  der  Philosophie  verzeichnen  wir  noch  ver- 
schiedene Beiträge  zur  Geschichtsphilosophie  von  RochoU-*^),  zur  Rechtsphilosophie 
von  JodPso^^  zur  Psychologie  von  Dandolo^^')  und  schliessen  den  Kreis  mit 
Knauers252j   J)[q  Hauptprobleme  der  Philosophie"  besprechendem  Buche.  — 

Die  Theologi  e253"254j  berührt  uns  hier  nur,  insofern  sie  sich  mit  litterar- 
historisch  wichtigen  Persönlichkeiten  beschäftigt.  Oberlin^^s)  und  Lavater  führen 
in  die  Zeit,  da  Geistlichkeit  und  Laienwelt  sich  mehr  als  jemals  sonst  auf  dem  Boden 
des  Philanthropinismus  begegneten.  Ein  konservativer  Journalist,  Wenton^sß), 
stellt  Goethes  Urteile  über  Lavater  zusammen  und  sucht  nachzuweisen,  dass  dieser 
mit  Unrecht  „zwei  Lavater"  unterscheide:  Der  gereifte  Mann  sei  immer  noch  derselbe 
fromme  Prophet  gewesen  wie  der  jüngere,  der  auch  Goethe  entzückte.  Doch  gesteht 
auch  W.  Ijavaters  Schwächen  ein,  seine  Eitelkeit,  seine  Schreibseligkeit ;  und  er  hält 
sich  von  dem  Tone  fern,  in  dem  nur  zu  oft  Lavaters  Freunde  über  seine  Gegner 
herfallen.  —  Waldmann  ^ö"?)  handelt  über  Lenzens  Stellung  zu  Lavaters  Physiognomik, 
ein  Ungenannter  über  Lavaters  Verhältnis  zu  Frau  Aja^^sj;  weitere  Litteratur  ver- 
zeichnet eine  schweizerische  Chronik^^»),  die  uns  nicht  zugänglich  war.  — 

Schleiermacher,  von  dessen  Predigten  Stage^ßO)  eine  Auswahl  veran- 
staltet hat,  bot  Bachmann26i-262-)  Stoff  für  eine  Einzeluntersuchung.  — 

Baur,  der  Vater  der  neueren  kritischen  Theologie^^^j^  ist  in  die  „Bibliothek 


D.  Metaphysik  als  Wissensch.:  Zukunft  5,  S.  500/4.  —  236)  E.  Dreher,  D.Quellen  unserer  Erkenntnis:  KBlDFreidenkerhund.  12, 
S.  136/8.  —  237)  M.  V.  Stern,  Streifzüge  durch  d.  neueste  dtsch.  Erkenntnistheorie,  Psychol.  u.  Logik:  BaltMschr.  40, 
S.  613-26.  —  238)  Armin  Tille,  D.  Unsterblichkeitsglaube:  KBlDFreidenkerbund.  10,  S.  1059.  —  239)  G.  Hagemann, 
Materialismus:  WetzerWelteKirchenlex.  8,  S.  930-1011.  —  240)  F.  Paulsen,  System  d.  Ethik  mit  e.  Umriss  d.  Staats- u.  Ge- 
sellschaftslehre. 2  Bde  3.  Aufl.  B.,  Besser  (W.  Hertz).  XVI,  429  S.;  V,  576  S.  M.  11,00.  —  241)  Chr.  E.  Lnthardt, 
Gesch.  d.  christl.  Ethik  seit  d.  Reformation.     L.,  Dörffling  &  Francke.     XII,  744  S.     M.  16,00.  IfHoltzhener:  EKZ.  S.  446/8. || 

—  242)  X.  Pfeifer,  Gutberlets  eth.  Schriften:  HPBll.  112,  S.  67-76.  -  243)  V.  Cathrein,  Moralphilosophie.  E.  wissenschaftl. 
Darlegung  d.  sittl.,  einschliessl.  d.  rechtl.  Ordnung.  2.  verm.  u.  verb.  Aufl.  2  Bde.  (1.  AUg.  Moralphilos.  2.  Besondere 
Moralphilos  )  Freiburg  i.  B.,  Herder.  XIX,  538  S.;  XVI,  662  S.  M.  15,50.  |fA.  Qlossner:  JbPSTh.  7,  9.  247-53.]|  —  244) 
G.  Simmel,  Einleitung,  in  d.  Moralwissensch.  E.  Kritik,  d.  eth.  Grundbegriffe.  (In  2  Bdn.)  1.  Bd.  B.,  W.  Hertz.  1892. 
Vlir,  467  S.  M.  9,00.  IfWIDM.  73,  S.  858;  NationB.  10,  S.  658.]|  —  245)  X  Allerlei  Ethik:  NZSt.  H,  S.  92/3,  265-70.  — 
246)  X  Noch  Einiges  über  Ethik:  ib.  S.  103.   -    247)  X  W.  Bender,  Z.  Moral  u.  Religionsphllos.:  PhilosMh.  29,  S.  337-42. 

—  248)  Alex.  Tille,  Zwei  eth.  Welten:  Zukunft  4,  S.  250/7.  —  249)  (I  1  :  15.)  |[ThLBl.  14,  S.  96/8.](  —  250)  F.  Jodl, 
Ueber  d.  Wesen  d.  Naturrechts  u.  seine  Bedeutung  in  d.  Gegenw.  Nach  e.  Vortr.  in  d.  Wiener  Jurist.  Ges.  (Separatabdr. 
aus  Jurist Vjs.)  Wien,  Manzsche  Buchh.  20  S.  M.  0,50  —  251)  G.  Dandolo,  La  dottrina  della  „Memoria"  nella  fllosofia 
tedesca.  Padova,  Draghi.  L.  1,00.  —  252)  V.  Knauer,  D.  Hauptprobleme  d.  Philos.  in  ihrer  Entwicklung  u.  teilw.  Lösung 
V.  Thaies  bis  E.  Hamerling.  Vorlesungen,  geh.  an  d.  k.  k.  Wiener  Univers.  Wien,  Braumfiller.  XVllI,  408  S.  M.  8,00. 
|[LCB1.  S.  237/8;  Ath.  S.  286/7.]|  —  253)  X  E-  »e^ie  Gesamtdarstell.  d.  Theol.:  HPBll.  111,  S.  894-913.  —  254)  X  D-  neue 
ThJB.:  ib.  S.  457-67.  —  255)  X  De  Boureulle,  Le  Ban-de-la-Roche,  h  propos  d'une  correspondance  ined.  du  pastenr 
Oberlin.  (Extr.  du  BSPVosgienne.)  Saint-Die,  Humbert.  23  S.  —  256)  B.  Wenton,  Lavater  im  Lichte  Goethes:  KonsMschr. 
S.  184-95.  -  257)  F.  Waldraann,  Lenz  Stellung  zu  Lavaters  Physiognomik:  BaltMschr.  40,  S.  419-36,  482-97,  516-33.  — 
258)  0.  K.,  Lavater  u.  Frau  Aja.  (Im  Anschl.  an  K.  Heinemanns  Werk:  Goethes  Mutter):  BLChrSchw.  S.  169-71.  (K.  Heine- 
mann, Goethes  Mutter  [vgl.  JBL.  1891  IV  9b:  63;  1892, IV  8b:38-41J.)  -  259)  X  J-  K.,  Larater-Litt.  (Bibliogr.):  ib.  S.  174-80. 
—  260)  C.  Stage,  .Schleierraacber.  E.  Ausw.  aus  seinen  Predigten,  Reden  u.  Briefen.  (=  Relig.  Volksbibl.  her.  v.  C. 
Werckshagen.  I,  5.)  B.,  Bibliogr.  Bur.  IV,  95  S.  M.  0,50.  —  261-262)  F.  Bachmann,  D.  Entwicklung  d.  Ethik 
Schleiermachers  nach  d.  Grundlinien  e.  Kritik    d.  bisher.  Sittenlehre.     Diss.     Leipzig.     1892.     54  S.  —  263)  X  K.  Weizsäcker, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  264-290 

theologischer  Klassiker"  aufgenommen  worden;  Pfleiderer 264)  j,at  die  Einleitung 
beigesteuert.  —  Strauss^ßs-sesü)^  dessen  Biographie  Zell  er  ^«ö)  schon  einmal  ge- 
schrieben hat,  ist  auch  für  die  ADB.  von  ihm  bearbeitet  worden.  Die  neue  Dar- 
bietung, wesentlich  ein  Auszug  aus  der  älteren,  teilt  mit  ihr  die  Klarheit  der  Dar- 
stellung, die  meisterhafte  Analyse  der  Schriften,  aber  auch  die  freundschaftliche 
Voreingenommenheit,  die  z.  B.  in  der  Frage  nach  Strauss  Haltung  seiner  Gattin 
gegenüber  kein  tadelndes  Wort  für  seine  Härte  und  nachtragende  Bitterkeit  hat  und 
ebensowenig  die  krankhafte  Empfindlichkeit  des  schwäbischen  Theologen  zu  be- 
merken  weiss.26^)  — 

Einige  neuere  liberale  Theologen,  Lipsius  und  Schrempf,  werden,  der 
eine  von  G.  Richter  und  N  i  p  p  0  1  d  268),  der  andere  von  Z  i  e  g  1  e  r269)  charakterisiert. 
—  Allgemeiner  erörtert  Paulsen^'JO)  die  Frage  über  das  Grenzrecht  der  kirchlichen 
Obrigkeit  der  unabhängigen  Moral  gegenüber,  wie  die  Orthodoxie^'^  1-273)  gjg  ver- 
tritt. —  Hüb  eners2'4)  „Erinnerungen  an  den  Pastor  Brauer"  schildern  einen  strengen 
Lutheraner  alten  Schlages,  wie  sie  unter  Landgeistlichen  noch  leben,  und  haben  in- 
sofern allgemeinere  Bedeutung,  als  sie  die  schroffen  Gegensätze  innerhalb  der  strammen 
evangelischen  Orthodoxie  Mecklenburgs  an  den  Tag  legen:  die  Staatskirche  und  die 
separierten  Gemeinden  klagen  sich  gegenseitig  des  Abfalls  an.  — 

Wie  man  von  Popularphilosophen  spricht,  könnte  man  von  Populär  theologen 
reden,  die  sich  bemühen,  den  Inhalt  ihres  theologischen  Systems  nach  Möglichkeit 
auf  das  Niveau  des  allgemeinen  Verständnisses  zu  bringen.  In  der  Blütezeit  der 
Popularphilosophie  vertrat  mit  vielem  Beifall,  aber  eine  Zeitlang  zu  Herders  Ent- 
setzen, Spalding,  den  Petrich2'5)  kurz  charakterisiert,  diese  Richtung.  Ihr  ge- 
hören auch  die  beiden  Spieker  an,  der  Hesse,  den  Otto  2^6)  und  der  Brandenburger, 
den  P  r  ö  h  1  e  277)  schildert.  —  Mehr  als  Philolog  denn  als  Theolog  hatte  Schlott- 
mann 2'8)  Bedeutung-,  den  ausser  einigem  orientalistischen  Missgeschick  besonders 
sein    entschiedenes  Auftreten    gegen  den  Ultramontanismus  bekannt  gemacht  hat.  — 

Die  katholische  Theologie  ist  im  Berichtsjahr  durch  Reuschs2"ö~280) 
Biographie  Sterzingers,  eines  tapferen  Bekämpfers  des  Hexenglaubens,  und  durch 
desselben  Lebensbild  von  Alban  Stolz,  dem  bekannten  journalistischen  Volksprediger, 
vertreten28 1-282)  —  Graf  Hoensbroech,  über  dessen  Uebertritt  G.  Ka  u  f  f  m  an  n  283) 
spricht,  hat  vielfach  die  Diskussion  über  den  Jesuitenorden  und  seine  einstige  Auf- 
hebung wieder  aufleben  lassen,  die  einst  Stattler,  für  die  ADB.  von  R  e  u  s  c  h  284) 
geschildert,  eifrig  im  Sinne  der  Jesuiten  führte  —  durch  seine  Gegenschriften  gegen 
Kant,  Mendelssohn,  Bahrdt,  Weishaupt  und  die  Illuminaten  eine  litterarhistorisch 
interessante  Figur,  Sailers  Freund  und  einer  der  ersten  in  der  Reihe  jener  eifrigen 
katholischen  Kirchenlehrer,  die  durch  die  Selbständigkeit  ihres  Denkens  mit  der 
Kurie  in  Konflikt  gerieten,  und  damit  ein  Vorgänger  der  Hermes,  Günther,  Döllinger, 
Rosmini.  —  Den  Dogmatikern  schliesse  ich  den  Kirchenhistoriker  Stäudlin  an,  dessen 
Leben  Tschacke  rt  285)  schrieb,  und  den  als  Historiker  erfolgreichen  Stichart,  den 
Georg  Müller 286)  würdigte.  — 

Paulus  Cassel,  der  bekannte  Konvertit  und  vielseitig  thätige  Schriftsteller287-288)^ 
leitet   dann  zu  dem  jüdischen  Theologen  Phüippson289)  über.  — 

Alle  diese  letztgenannten  Theologen  stehen  in  Beziehungen  zu  der  Geschichts- 
wissenschaft,  zu    der   wir    uns    nun    zu    wenden    haben. 2^0)     Umfassendere    Be- 


F.  Chr.  Baur  (vgl.  JBL.  1892  IV  5  :  117):  ThLBl.  14,  S.  10.  -  264)  P.  C.  Banr,  Vorlesungen  fiber  neutestanientl.  Theol.  Her. 
V.  F.  F.  Banr.  Nene  Ansg.  mit  Einl.  v  0.  Pfleiderer.  1.  n.  2.  Tl.  (=  Bibl.  theol  Klassiker.  Bd.  45/6.)  Gotha,  Perthes. 
Vm,  251  S.;  VIII,  224  S.  M.  4,80.  —  265)  X  D.  F.  Stranss,  The  life  of  Jesns,  critic.  examined  transl.  by  G.  Eliot.  2.  ed. 
London,  Swan  Sonnenschein  &  Co.  1890.  Sh.  15.  [[WestminsterK.  139,  S.  317,8.]|  —  265  a)  X  Stranss.  Life  of  Jesus.  A  new 
translat.  by.  J.  L.  M'Ilraith.  London,  Temple  &  Co.  1892.  Sh.  2.  —  266)  E.  Zeller,  D.  F.  Stranss:  ADB.  36,  S.  538-48.  — 
267)  X  Agnes  Willms- Wild  ermnt,  Erinnerungen  an  D.  Stranss  u.  J.  Kerner:  SchorersFamilienbl.  S.  155/7.  —  268)  G. 
Richter  u.  F.  Nippold,  L.  Adalb.  Lipsius.  Zwei  Gedächtnisreden,  geh.  in  d.  Rose  zu  Jena  (I.  G.  Richter,  Lipsius  Lebens- 
bild. II.  F.  Nippold,  Lipsius  bist.  Methode.)  Jena,  G.  Fischer.  66  S.  M.  1,00.  (Ans  ZVThürG.)  —  269)  Th.  Ziegler,  Chr. 
Schrempf  als  religiöser  Redner:  AZgB.  N.  21.  —  270)  F.  Paulsen.  D.  unabhängige  Moral  u.  ihre  kirchl.  Richter:  EthKult.  1, 
S.  4,5.  —  271)  X  Mathilde  Tholuclc  (geb.  Freiin  v.  Gemmingen),  Erinnerungen  an  Prof.  Tholucks  Heimgang.  L.,  Akad. 
Bnchh.  (W.  Faber).  63  S.  M.  1,00.  ([ThLBl.  14.  S.  80.]|  —  272)  X  0.  Kraus,  G.  Schlosser  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:132): 
BLÜ.  S.  15.  —  273)  X  0.  Zöckler,  D.  B.  F.  Grau:  BGl.  14,  S.  317.  —  274)  W.  Hübener,  Erinnerungen  an  Pastor  A.  K. 
Brauer.  (Sonderabdr.  aus  d.  „Ev.-Luth.  Freikirche.'' J  Zwickau,  Verl.  d.  Schriftenver.  (St.,  Vereinsbuchhandl.).  1892.  50  S. 
M.  0,50.  —  275)  H  Petrich,  J.  J.  Spalding:  ADB.  35,  S.  30/1.  —  276)  F.  Otto,  Job.  Spieker:  ib.  S.  164.  —  277)  H. 
Pröhle,  Chrn.  W.  Spieker:  ib.  S.  162  4.  —  278)  Jugendbekenntnisse  von  K.  Schlottmann.  (Mit  e.  Vorbemerk,  v.  J.  Jacobi): 
DEBll.  18,  S.  689-706.  —  279)  F.  H.  Bensch,  F.  Sterzinger:  ADB.  36,  S.  124/5.  -  280)  id.,  A.  Stolz:  ib.  S. 421/4.  -  281)  X 
A.  F.  Maier,  J,  Stöckle:  RhBllEÜ.  67,  S.  479-80.  —  282)  X  J-  B-  Stillbauer,  Jos.  Klein,  1.  Generalvikar  d.  Erzbistums 
Mfinchen-Freising,  e.  Bekenner  ans  d.  Anfang  unseres  Jh.  (=  Frankfurter  zeitgemässe  Broschüren.  Bd.  14,  Heft  8.)  Franl»- 
furt  a.  M.,  A.  Poesser  Nachf.  24  S.  M.  0,50.  —  283)  G.  Kauffmann,  Warnro  ist  Graf  Paul  v.  Hoensbroech  aus  d.  Jesuiten- 
orden ausgetreten?:  DWBl.  S.  193,5,  207-10.  —  284)  F.  H.  Reusch,  B.  Stattler:  ADB.  35,  S. 498-506.  -  285)  P.  Tschackert, 
K.  F.  stäudlin:  ib.  S.  516-20.  -  286)  Georg  Müller,  F  Stiehart:  ib.  86,  S.  164,5.  —  287i  X  P-  Kirchner,  Paulus 
Cassel:  IllZg.  100,  S.  14.  -  288)  X  G-  E.  v.  Natzmer,  E.  Erinnerung  an  Paulus  Cassel:  KonsMschr.  S.  424-31.  —  289)  X 
D.  Philippson,    Ges.  Schriften   (vgl.  JBL.  1892  IV  5:136):   BLU.  8.  111.    —   290)    34   Plenarvers.   d.   bist.   Kommiss.   bei    d. 

(4)17* 


IV  5:291-300  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

trachtungen  über  diese  herrschende  Wissenschaft^^^)  fehlen  diesmal,  Ellissens^^^) 
Aufsatz  über  F.  A.  Lang-e  und  die  Geschichtswissenschaft  etwa  ausg-enommen, 
in  dem  der  Biograph  Langes  seinen  Helden  mit  Fug  gegen  einen  höchst  un- 
gerechten Angriff  Treitschkes  in  Schutz  nimmt;  es  handelt  sich  um  die  Geschichts- 
auffassung  des  Socialismus  und   um  die  historische  Praxis  seiner  Anhänger;    einem 

F.  A.  Lange  hätte  man  wahrlich  nicht  vorwerfen  dürfen,  ihm  lohne  es  nicht  der 
Mühe,  die  „gefälschte  Ueberlieferung"  der  Geschichte  ernsthaft  zu  durchforschen!  — 

Zahlreich  sind  dagegen  Mitteilungen  über  einzelne  Historiker  und 
Versuche,  sie  selbst  historisch  zu  behandeln.  Eine  Denkschrift  Johannes  von  Müllers 
aus  dem  J.  1787  wurde  veröffentlicht^^s)^  sie  handelt  „sur  la  convenance  et  les  moyens 
d'attacher  les  princes  ecclesiastiques  d'AUemagne  au  Systeme  de  l'Union".  Ranke  hatte 
den  Autor,  welcher  „die  ältere  Geschichte  des  Reiches  und  der  Päpste  mit  den  da- 
maligen Zuständen  in  Bezug  setzte",  gelobt,  ohne  ihn  zu  erkennen^^*).  _  Gundlach^^S) 
behandelt  Müllers  Aufenthalt  am  hessischen  Hofe.  Der  interessante  Briefwechsel  des 
Historikers  mit  seinem  Bruder  Georg  ist  an  anderer  Stelle  besprochen. 2^^)  —  An  Johannes 
von  Müller  reiht  sich  Spittler,  Geschichtsschreiber  und  aktiver  Politiker  wie  er. 
Wegele^ö^)  wird  in  seiner  Darstellung  den  grossen  Vorzügen  des  schwäbischen 
Historikers  gerecht,  ohne  seine  Schwächen  zu  bemänteln;  besonders  beklagt  er  das 
für  Spittler  verhängnisvolle  Verhältnis  zu  Friedrich  von  Württemberg.  Den  Stilisten 
weiss  er  nicht  wie  einst  F.  D.  Strauss  zu  würdigen.  —  Aber  die  Beziehungen 
zwischen  Historie  und  Politik  sind  zu  eng,  als  dass  man  nicht  jedem  echten  Ge- 
schichtsschreiber den  Wunsch  zu  gute  halten  sollte,  auch  selbst  Geschichte  zu 
machen.     Auch  Niebuhr^^^)    hat   ja    eine  diplomatische  Mission  übernommen.   — 

Und  nicht  minder  hat  Ranke  auf  den  Gang  der  Ereignisse  im  preussischen 
Staate  einzuwirken  gesucht.  Von  ihm  hat  uns  Guglia^ös^  eine  Biographie  gegeben, 
die  in  ihrem  leisen,  stillen  Fluss  und  in  dem  gleichmässigen  Stil  eine  gute  Schulung 
an  dem  Meister  zeigt.  Aber  während  sie  alle  äusseren  Thatsachen  klar  und  knapp 
hinstellt ,  teilt  sie  oft  auch  Rankes  Schwäche,  die  inneren,  geheimen  Triebkräfte  zu 
rasch  als  unbegreiflich  beiseite  zu  schieben.  Wenn  G.  trefflich  zu  zeigen  weiss,  was 
bei  Ranke  neu  und  originell  ist  (S.  72,  79),  so  vermissen  wir  einen  Hinweis  auf  das, 
was  er  mit  seinen  Zeitgenossen  teilt;  wir  vermissen  ihn  umsomehr,  als  dem  Vf. 
(unseres  Er  achtens  mit  Unrecht)  die  Lorenzsche  Generationenlehre  „ganz  im  Geiste 
Rankes"  (S.  395)  gedacht  scheint,  wofür  er  sogar  so  völlig  anders  geartete  Dinge  wie 
eine  periodische  Epidemie  (S.  397)  anführt.  Ueberhaupt  aber  scheint  G.,  wo  er  in  die 
Urgründe  Rankescher  Geschichtsanschauung  einzudringen  sucht,  nicht  so  glücklich 
wie  in  seiner  vortrefflichen  Charakteristik  des  Stils  (S.  208, 241).  Dass  die  Ideen- 
lehre Ranke  fern  gelegen  habe  (S.  75),  wird  er  nach  Festers  ^oo)  schönen  Ausführungen 
vielleicht  selbst  nicht  mehr  aufrecht  erhalten;  aber  schon  er  selbst  citiert  jenen 
Passus  Rankes,  dass  es  auch  eine  Invasion  der  Ideen  gebe  (S.  256),  womit  der . 
Altmeister  doch  der  Ideenlehre  schon  ein  recht  weitgehendes  Zugeständniss  macht. 
Mit  feinem  Verständnis  verfolgt  G.  dagegen  die  politische  Entwicklung  Rankes, 
seine  leise  Annäherung  an  die  liberalen  Ideen  (S.  345),  sein  Verhältnis  zu  Bismarck 
(S.  364),  und  wenn  wir  ihm  auch  darin  nicht  zustimmen  können,  dass  Ranke  mit 
der  Haltung  der  Historisch-Politischen  Zeitschrift  recht  behalten  habe  (S.  206),  oder  dass 
in  seiner  Denkschrift  vom  März  1849  mehr  Prophetisches  sei  als  damals,  da  die 
Zukunft  sich  so  deutlich  ankündete,  an  vielen  Orten  zu  finden  war  (S.  266),  so  ist 
das  politische  Element  der  „Neun  Bücher  preussischer  Geschichte"  (S.  244/5)  um  so 
glücklicher  ausgeführt.  Nirgends  hält  G.  sich  in  den  Niederungen  biographischer 
Anbetung  auf;  er  kritisiert  freimütig  die  Revolutionsgeschichte  (S,  341),  er  sieht  in 
Rankes  vorsichtigen  Aeusserungenüber  Christus  und  die  Weltregierung  einen  Ausdruck 
subjektiver  Empfindung,  den  man  vielleicht  auch  Beschränktheit  nennen  dürfe  (S.  390). 
Ohne  Unbilligkeit  stellt  er  sich  zu  anderen  Historikern,  nicht  nur  zu  Ranke  nahe- 
stehenden, wie  Johannes  von  Müller  (S.  80),  sondern  auch  zu  Gegnern  wie  Janssen 
(S.  241),  Bergenroth  (S.  319),  den  Kämpen  des  Ranke-Schlosser-Streites  (S.  320/1), 
der    auf    historischem    Gebiet    eine    so    hübsche    Parallele    zu    dem    philologischen 

G.  Herrmann-Boeckh-Streit  bildet;  nur  gegen  Mommsen  klingt  (S.  386)  eine  subjektive 
Ungerechtigkeit  vor.  Nicht  allzu  glücklich  läuft  das  schöne  Büchlein  in  eine 
politische  Predigt  (S.  403)  aus  und  versäumt  auch  nicht,  was  jetzt  kaum  je  versäumt  wird. 


kgl.  bayer.  Ak.  d.  Wissensch.  Bericht:  DLZ.  S.  982/5.  (Verhandlungen  üher  ABB.,  Reichstagsalcten  usw.)  —  291)  A.  Gull  lau  d, 
0.  Lorenz,  L.  v.  Ranke  (vgl.  JBL.  1891  I  1  :  27;  IV  6  :  133;  1892  IV  5:146a):  RH.  52,  S.  191/6.  —  292)  0.  A.  E Hissen. 
F.  A.  Lange  u.  d.  Geschichtswissensch. :  DZG.  9,  S.  312/4.  —  293)  M.  L.,  E.  Denkschrift  v.  Joh.  Müller  aus  d.  J.  1787: 
HZ.  35,  S.  68-76.  —  294)  X  E.  Guglia,  Neues  t.  J.  v.  Müller:  VossZgB.  N.  47.  —  295)  F.  6  und  lach,  .Toh.  v.  Müller  am 
landgräfl.  hess.  Hofe:  JbSchwG.  18,  S.  159-228.  —  296)  X  (IV  1  c  :  133.)  —  297)  F.  X.  Wege le,  L.  Th.  Spittler:  ADB.  35, 
S.  212/6.  —  298)  X  B-  G.  Niebuhr,  Lectures  on  the  bist,  of  Home,  by  Leonb.  Schmitz,  5.  ed.  London,  Lockwood.  Sh.3/6. 
—  299)  E.  Guglia,  L.  t.  Bankes  Leben  u.  Werke.  L.,  Grunow.  424  S.  M.  4,50.  |[B.  Waiden:  Wiener  Abendpost  N.  237 ; 
A.  Bartels:  Didask.  S.  164;  LZg".  N.  65.]|  —  300)  X  R-  Fester,  Humboldts  u.  Eankes  Ideonlehre  (vgl.  JBL.  1892 IV  5  :  146b): 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  301-319 

den  Leser  damit  zu  entlassen,  dass  der  Vf.  Nietzsche  den  Fehdehandschuh  ins  Gesicht 
wirft.  Wenn  Nietzsche  vom  Nutzen  und  Nachteil  der  Historie  fürs  Leben  sprach 
(S.  406),  so  ging  er  von  einem  Satz  Goethes  aus,  der  Ranke  nicht  strafen  würde; 
denn  was  kann  unsere  Thätigkeit  mehr  lördern,  als  Rankes  unermüdliche  Freude 
am  Menschen  (S.  189)?  Aus  demselben  Geist  ist  aber  auch  diese  Biographie  geboren: 
aus  der  reinen  Freude  an  einem  reichen,  in  mannigfaltigen  Formen  sich  offenbarenden 
Geistesleben.  Nur  aus  solchem  Anteil  heraus  konnte  die  schöne  Charakteristik 
eines  frühen  Aufsatzes  (S.  183)  entspringen,  nur  daraus  der  stille  Glanz  behaglich 
bewundernden  Nacherzählens,  der  das  Buch  zu  einer  der  liebenswürdigsten  Er- 
scheinungen auf  dem  Gebiet  neuerer  biographischer  Kunst  macht. 3oi-302j  _  Ueber 
Rankes  Art  zu  arbeiten  setzte  Wiedemann^us)  seine  lehrreichen  Mittheilungen 
(vgl.  JBL.  1892  IV  5:146)  fort.304)  _ 

Für  das  Interesse,  das  Döllingers  persönliches  Auftreten  erregte,  giebt  eine 
Uebersetzung305-306)  der  Erimierungen  Luise  vonKobells  (vgl.  JBL  1891 IV  6: 122)  »O') 
den  besten  Beweis.  —  Ins  Französische  wurden  Döllingers  Erklärungen  in  der 
Unfehlbarkeitsfrage  übertragen ^"**-3i0j_  _  Mommsens  Jubiläum  rief  eine  Reihe 
von  deutschen  '^^^),  englischen ^  12),  holländischen  ^'^j  Aufsätzen  hervor;  ein  noch  besseres 
Zeugnis  seiner  Autorität  ist  die  französische  Uebersetzung  des  Staatsrechts  ^i*).  —Be- 
sprechungen von  Gregorovius  letzten  Schriften  ^'^"^  iß)  gingen  über  diese  selten  heraus, 
während  Necker'-^i')  seine  litterarischen  Beziehungen  skizzierte  und  ein  ultramontaner 
Richter,  Bellesheim^is),  ihn,  wie  üblich,  vom  katholischen  Standpunkt  aus  aburteilt, 
ohne  der  Individualität  auch  nur  gerecht  werden  zu  wollen.  — 

Von  den  Historikern,  die  eine  vornehm-diplomatische  Thätigkeit  nicht 
verschmähten,  sind  wir  mit  den  letzten  Nampn  schon  zu  denen  hinübergeglitten, 
die  in  eifriger  agitatorischer  oder  parlamentarischer  Thätigkeit  am  politischen 
Leben  teil  nahmen.  An  der  Spitze  dieser  Reihe  steht  Gervinus^i»).  Selten  hat 
wohl  ein  bedeutender  Mann  seinen  Verehrern  die  Bewunderung  mehr  erschwert, 
als  dieser  Gelehrte  mit  seiner  Selbstbiographie,  die  jetzt  erst,  nach  dem  Tode  seiner 
Gattin,  veröffentlicht  worden  ist.  Die  unerträgliche  Selbstgefälligkeit  des  Mannes, 
der  sich  nie  geirrt,  immer  alles  am  besten  gewusst  hat  und  beständig  unter  dem 
Druck  seiner  eigenen  Verdienste  seufzt,  sie  macht  den  Leser  leicht  gegen  diese  doch 
wirklich  sehr  bedeutenden  Verdienste  ungerecht.  Den  Autor  aber  verführt  sie  zu 
Dingen,  die  schlimmer  sind  als  sein  unermüdlicher  Selbstruhm.  Auf  derselben 
Seite,  die  über  „Vergiftung"  seiner  Stimmungen  durch  Verdächtigungen  klagt  (S.  .313), 
scheut  Gervinus  sich  nicht,  dem  Vormund  seiner  späteren  Gattin  auf  die  Nachsage  der 
Welt  hin  hässliche  Dinge  nachzureden:  „Ich  habe  keine  ausreichenden  Gründe,  das 
bestätigen  oder  ihm  widersprechen  zu  können."  So  bricht  die  Rachsucht  der 
gekränkten  Eitelkeit  selbst  den  Wahrheitssinn,  den  er  sich  sonst  (S.  147)  mit  Recht,  aber 
mit  allzu  viel  pharisäischen  Seitenblicken  nachrühmt.  Kann  man  aber  dem  in  Erfolgen 
gereiften  Manne,  der  der  eitelsten  Periode  unserer  Weltgeschichte  (die  Renaissance 
etwa  ausgenommen)  angehörte,  viel  verzeihen,  so  ist  doch  der  Jüngling  geradezu 
unausstehlich,  der  an  einen  Freund  schreibt:  „Ich  kann  alles  werden"  (S.  75)  und 
die  hingehendste  Freundschaft  durch  dünkelhafte  Tadelsucht  (S.  138)  zu  verderben 
weiss.  Wenn  er  nach  Italien  kommt,  so  ist  es  unter  der  Würde  des  Historikers, 
zu  bewundern  (S.  252) ;  das  durfte  ein  Goethe,  —  ein  Gervinus  sieht  in  der  Welt  wie 
in  der  Geschichte  immer  nur  die  eigentlich  überflüssige  Bestätigung  seiner  Voraus- 
setzungen. Durfte  dieser  Jüngling  wirklich  sich  über  Eitelkeit  und  Anmassung  des 
„Jungen  Deutschland"  so  erhaben  fühlen,  wie  er  es  (S.  234)  damals  that  und 
noch  im  Rückblick  thut?  Ist  aber  die  Biographie  der  unerfreulichsten  eine,  so  ist 
sie  doch,  wie  bei  solchem  Mann  sich  von  selbst  versteht,  immer  lesenswert.  Nicht 
nur   werden   Historiker    wie    Schlosser  (S.  122,    150/1)  K.    Hegel   (S.  295)   und,    mit 


W.  Bröcking:  MHL.  21,  S.  195/9.  —  301)  X  F-  J-  Schmidt,  L.  Bänke:  DWBl.  S.  387/9.  —  302)  X  ^-  Keussler,  L. 
V.  Rankes  Leben  u.  Wirken.  Yortr.  St.  Petersburg,  Eggers  &  Co.  12».  36  S.  M.  0,80.  |[BaltMschr.  40,  S.  187/8;  LCBl. 
S.  517.]'  —  303)  Th.  Wiedemann,  16  J.  in  d.  Werkstatt  L.  v.  Eankes.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  seiner  letzten  Lebensj.:  DR.  3, 
S.  227-336,  342-54;  4,  S.  253-65.  —  304)  X  F-  Schmidt,  L.  v.  Ranke  n.  König  Maximilian  IL  v.  Bayern:  TglRs».  N.  238/9. 
—  305-306)  J.  Owen,  Luise  y.  Kobell,  Convers.  of  Dr.  Döllinger  (vgl.  JBL.  1891  IV  1  :  226;  6  :  122):  Ac.  43,  S.  258.  —  307) 
X  E.  S.  A.:  Polybibl''.  68,  S.  71.  —  308)  X  J-  J-  Döllinger,  Lettres  et  declarations  au  snjet  des  decrets  du  Vatioan.  Trad.  de 
Vallem.  et  preced.  d'une  introd.  par  G.  Bon  e  t-Mandy.  Paris,  Solin  &  Cie.  16".  292  S.  Avec  portr.  —  309)  X  I^^  chanoine 
Doellinger  et  le  haut  clerge  catholique:  RPL.  1,  S.  633/5.  —  310)  X  J  Owen,  J.  v.  Döllinger,  Papsttum  (vgl.  JBL.  1892  IV 
5  :  141):  Ac.  43,  S.  257.  —  311)  X  0.  Arendt,  Th.  Mommsen:  DWBl.  S.  352,4.  —  312)  X  Mommsen-Jubilee:  Ac.  44,  S.  548.  — 
313)  X  J.  B.  Kan,  Th.  Momrosen  gehuldigt:  NedSpect.  S.  417/8.  —  314)  X  Th.  Mommsen,  Le  droit  public  romain.  Trad.  sur 
la  3.  ed.  allem.,  avec  l'autorisation  de  l'auteur  par  P.  F.  Girard.  (=  Manuel  des  antiquitäs  romaines,  par  Th.  Mommsen  et 
J.  Marquardt.  Trad.  sous  la  direction  de  G.  Humbert.  III.)  Paris,  Thorin.  395  S.  —  315)  X  F-  Gregorovius,  Kleine  Schriften 
(vgl.  JBL.  1892  I  4  :  26;  III  4  :  33;  IV  5  :  148).  |[E.  Heyck:  HZ.  34,  S.  468;  Grenzb.  2,  S.  143/4 Jj  —  316)  X  id-,  Römische 
Tagebücher  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:  147;  8e  :  14).  [R.  Prölss:  VossZg.  N.  11,  53;  K.  Heinrich:  Nation".  10,  S.  136/8,  151/4; 
DDichtung.  14,  S.  249-51,  272/5.]|  —  317)  M.  Necker,  F.  Gregorovius:  FZg.  N.  23.  (Manches  ober  Gutzkow,  Redwitz  usw.) — 
318)     A.    Beilesheim,    F.    Gregorovius,    Rom.    Tagebücher:     HPBll.    111,    S.   489-510.    —    319)    (12:25;    IVlc:137.) 


IV  5:320-322  R.  M.  Mejer,  Didaktik  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

höchst  ung-erecht  abschätzig-em  Urteil,  Ranke  als  Lehrer  (S.  296)  charakterisiert; 
auch  über  Dante  und  Macchiavelli  (S.  258/9),  über  Jean  Paul  (S.  71,  83)  hören  wir 
belehrende  Auseinandersetzung-en.  Und  in  die  Entstehung  von  Gervinus  eigener,  so 
bedeutender  und  charakteristischer  Persönlichkeit  führen  die  geistreichen  Bemerkungen 
über  seine  kaufmännische  Thätigkeit  (S.  60),  die  Mittheilungen  über  seine  Lektüre 
(S.  36,  70),  über  seine  poetischen  und  litterarischen  Pläne  (S.  271/2),  über  seine 
Hausgründung  (S.  300)  ein,  wobei  man  freilich  mit  wahrem  Schmerz  den  hof- 
meisternd überlegenen  Ton  selbst  in  der  Charakteristik  der  liebenswürdigen  und 
geliebten  Gattin  (S.  323)  festgehalten  sieht.  Beigegeben  sind  Uebersetzungsproben 
aus  arabischen  Dichtern  (S.  333)  und  aus  der  Gudrun  (S.  337),  die  „Grundzüge  der 
Historik"  (S.  353;  vgl.  für  Gervinus  Geschichtsphilosophie  S.  259,  276)  und  endlich 
entsetzliche  Xenien  politischen  Inhalts  (S.  397/8).  Seit  Gramer  von  und  über  Klopstock 
schrieb,  hat  kaum  ein  Biograph  so  unbeschränkt  seinen  Helden  verherrlicht  wie  der 
Autor  dieser  Autobiographie;  die  Wirkung  ist  die,  dass  man  eine  Rettung  des 
Helden  gegen  seinen  geschmacklosen  Propheten  schreiben  möchte ! ^2*^- ^2')  — 

Aus  Heinrich  Leos  geschichtlichen  Monatsberichten  und  Briefen  teilt 
Kraus^22j  Proben  mit.  Ehrlich  gesteht  er  ein,  dass  Leo  von  Frivolität,  sogar  von 
Roheit  nicht  frei  war  (S.  818),  schilt  aber  doch  (S.  832)  Wegeies  Artikel  in  der 
ADB.  ungerecht.  Wir  glauben  fast,  dass  Heinrich  Leo  heut  eher  unter  seinen 
Gegnern  auf  gerechte  Richter  rechnen  darf  als  unter  seinen  Parteifreunden.  Wenn 
Leo  (S.  818)  im  Nov.  1853  schreibt:  „Lnd  so  werden  wir  uns  in  impotenten  Ge- 
lüsten und  Velleitäten  verzehren,  immer  dünnere  Charaktere  produzieren,  immer 
herzensschwindsüchtigere  Gemüter,  bis  uns  der  Herr  erlöst  und  macht,  dass  wir  in 
einem  frischen  blutigen  Kriege  der  Natur  auch  still  halten  müssen  und  den  Herrn  in 
seinem  Wettern  erkennen  lernen",  —  so  ist  diese  Anschauung  trotz  der  theologischen 
Ausdrucksweise  jedenfalls  unendlich  mehr  nach  dem  Herzen  der  Verehrer  Ibsens 
und  Nietzsches,  als  nach  dem  ihrer  konservativen  Ankläger.  Interessant  genug  sind 
allerdings  K.s  Auszüge.  Leo  spricht  über  das  „Seid  unterthan  der  Obrigkeit"  und 
verwirft  (S.  931)  den  Schmalkaldener  wie  den  dreissigjährigen  Krieg  als  „straf- 
baren Aufruhr  gegen  Kaiserliche  Majestät",  wogegen  er  (S.  930)  die  Kämpfe  der 
Hugenotten  rechtfertigt;  er  urteilt  sehr  sachlich  über  unseren  Adel  (S.  933),  sehr 
scharf  über  die  deutsche  Burschenschaft  (S.  934)  und  über  die  Slaven  (S.  935).  Er 
nennt,  dem  germanischen  Pochen  auf  „reine"  Nationalität  entgegen,  die  Deutschen 
(S.  938)  ein  Mischvolk:  „Denn  in  Deutschland  ist  ja  kein  Mann,  nicht  einmal  ein 
König,  der  nicht  unter  seinen  Vorfahren  Kelten,  Slaven  oder  Romanen  hat"  (vgl.  S.  1050). 
Ueber  die  Civilisation  spricht  er  wieder  wie  die  Neuesten,  über  das  „Erfinden" 
(S.  1157)  so  skeptisch  wie  Anatole  France.  Auch  was  er  (S.  1052)  über  die  „Volks- 
seele" ausführt,  entspricht  den  herrschenden  Anschauungen  seiner  Partei  so  wenig,  wie 
seine  stark  zu  Rom  neigenden  Urteile  über  die  Reformation  und  ihre  Wirkung 
(S.  1280/1),  gegen  die  K.  „den  grössten  Theologen  unseres  Jh.,  Vilmar,"  anrufen 
muss"  (S.  1284  Anm.).  Man  fühlt  sich  an  solchen  Stellen  lebhaft  an  Lagarde  er- 
innert, mit  dem  Leo  auch  die  geheime  Verwandtschaft  mit  der  Renaissance  (S.  1155) 
teilt;  nur  ist  er  viel  kräftiger  und  lebhafter,  recht  ein  „Landsknecht"  (S.  948) 
und  nicht  so  stark  wie  Lagarde  zur  Paradoxie  geneigt  (S.  932).  Aber  in  der 
Abneigung  gegen  das  Slaventum  giebt  er  Lagarde  —  und  Viktor  Hehn  nichts 
nach ;  dies  wirkt  auch  auf  seine  Beurteilung  von  Hus  und  den  Hussiten  (S.  943/4) 
ein,  so  dass  er  sogar  den  „Freibrief"  für  einen  den  Kaiser  keineswegs  bindenden 
„Pass"  erklärt.  Hierüber  gehen  lebhafte  Briefe  zwischen  ihm  und  seinem  Gesinnungs- 
genossen von  Rappard  (S.  929)  hin  und  her;  sonst  wird  hauptsächlich  Politik  ge- 
trieben, wobei  Leo  in  Betreff  der  Zukunft  des  Papstes  sich  nicht  gerade  als  vorwärts 
schauender  Prophet  erweist:  um  1860  hätte  der  Papst  danach  in  Italien  keinen  Raum 
mehr  gehabt,  sondern  hätte  nach  Luzern  gehen  müssen.  Reichlich  strömen  die  Ur- 
teile des  leidenschaftlichen  Mannes,  über  die  schwarzrotgoldene  Fahne  (S.  1052)  wie 
über  den  Treubund  (S.  1167),  zumeist  jedoch  über  Personen:  Haller,  der  „Restaurator 
der  Staatswissenschaft"  (S.  938),  Neander  (S.  1042),  König  Ludwig  von  Bayern  (S.  1049), 
der  Geograph  Ritter  (S.  1 156),  die  Gagern  (S.  1 159),  der  Rationalist  Wegscheider  (S.  1 162), 
der  Missionär  Gützlaff  (S.  1171),  Görres  (S.  1296)  werden  knapp  und  meist  hart  beurteilt, 
und  nun  gar  Robert  Prutz  (S.  1160)  und  andere  politische  Gegner  fahren  übel.  Dem  alten 
Ernst  Moritz  Arndt  wirft  er  (S.  1172)  „Frechheit"  vor!  Aber  auch  über  Luther  urteilt  er 
(S.  1042,  1286)  in  einer  Art,  die  wieder  zuweilen  an  Lagarde  erinnert :  Der  „wüste  lieder- 
liche Hütten"  und  die  „Ebersburger"  sollen  auf  ihn  einen  schlimmen  Einfluss  ausgeübt 
haben  usw.  Ein  Recht  der  Revolution  gesteht  Leo  eben  (S.  1047)  schlechterdings 
nicht  zu;  wie  konnten  ihm  die  grossen  Revolutionäre  genehm  sein?  Aber  das  sagte 
nur  seine  Theorie;    sein  leidenschaftliches  Herz    verstand  jede  Empörung   und    dies 


—  320-321)  W.  K(awerau),    G.  Gervinus:    MagdZg.  N.  533.    —   322)    0.    Kraus,    Aus  H.  Leos   gesch.  Monatsberichten  u. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  323-351 

eben  machte  ihn  zum  grossen  Geschichtsschreiber  der  italienischen  Staaten  —  gerade 
wie  dies  ihn  zum  bitteren  und  ungerechten  Feind  des  Autors  der  „Römischen  Päpste" 
machte.  Dem  Herausgeber  hätten  wir  manche  Anmerkung  erlassen;  er  fühlt 
mit  Ludwig  von  Ger  lach  (S.  1058)  und  steht  deshalb  Leo  im  Grunde  seiner  Seele 
vielleicht  ferner  als  viele,  die  er  schilt.  — 

Treitschke^23)  wird  von  Guillaud324j  charakterisiert,  M.  Duncker  von 
Flathe^25)  und  Brode^-^),  Kluckhohn  von  S  tieve 327)  und  einem  Ungenannten^^»), 
Maurenbrecher  von  G.  Wolf 3-^).  —  Bedeutender  sind  die  Aufsätze,  in  denen 
Marcks^^")  seinen  Lehrer  Baumgarten  zeichnet,  den  Politiker  allerdings  aus  feind- 
lichem Gesichtswinkel  betrachtend,  den  Historiker  und  den  Lehrer  und  den  Schrift- 
steller nach  Gebühr  feiernd.  —  Gegen  die  einseitige  politische  Verurteilung  des  Alt- 
liberalen erhob  sich  Alfred  Stern^^^),  während  Wiegand-^^^^  m^(j  andere ^^3) 
diesen  Streitfragen  ferner  blieben.  — 

Janssen  kann  freilich  überhaupt  nicht  ohne  politische  Stellungnahme  be- 
urteilt werden.  Ellinger-^^*)  hält  sich  noch  so  objektiv  wie  möglich,  aber  der 
Verherrlichung  durch  Pastor  (vgl.  JBL.  1892  H  1  :  15;  IV  IbrUlapS)  trat  u.  a. 
Lenz  mit  grosser  Schärfe  und  wohl  allzuhart  entgegen. 3^^)  —  Dagegen  schwächt 
bei  Pauli'^"^'')  und  Roepell"*^**),  obwohl  beide  eifrige  Politiker  waren,  doch  die  Be- 
thätigung  an  dem  öffentlichen  Meinungskampfe  sich  ab,  und  von  Gindely  berichtet 
Jung 33^),  er  habe  sich  wohl  über  die  einzelne  politische  Frage  sehr  erhitzen  können, 
sei  im  Grund  aber  doch  so  objektiv  gewesen,  dass  er  es  in  beiden  Lagern  verdarb. 
Vielleicht  ist  das  freundschaftliche  Auslegung ;  vielleicht  ist  auch  der  Kampf  zwischen 
Deutschen  und  Tschechen  keiner,  bei  dem  man  eine  „Objektivität"  von  der  Art 
Gindelys  liebt.^^^)  —  Und  da  wir  denn  gerade  bei  den  Streitigkeiten  der 
Historiker  angelangt  sind,  müssen  wir  auch  jene  höchst  unerquicklichen  Flug- 
schriften verzeichnen,  in  denen  Georg  von  Below  und  eine  Gruppe  von  Schülern 
Nitzschs  ihre  Animositäten  austauschen. 3* ^"^^-j  Auf  wessen  Seite  das  sachliche 
Recht  ist,  wissen  wir  nicht;  formell  scheint  die  grössere  Summe  von  Unrecht  Below 
zuzufallen,  der  den  schi'offsten  Urteilen  über  wissenschaftliche  Leistungen  Anders- 
denkender persönliche  Verdächtigungen  beimischt.  Jedenfalls  aber  sind  diese  uner- 
freulichen Kämpfe  unter  den  Historikern,  die  der  einstigen  Nibelungennot  der  Ger- 
manisten ein  schlimmeres  Gegenbild  liefern,  nicht  ohne  Wert  für  die  Psychologie 
der  Wissenschaft:  sie  beweisen,  dass  die  Gelehrten  nie  reizbarer  sind,  als  wenn  eine 
für  untrüglich  geltende  Methode  dem  Irrtum  des  Einzelnen  auch  nicht  den  geringsten 
Spielraum  übrig  zu  lassen  scheint.  Deshalb  hat  unter  den  Historikern,  gerade  seit 
sie  alle  so  „exakt"  geworden  sind,  sich  die  Tonart  so  sehr  verschärft.  — 

Die  eig-entlichen  Meister  der  exakten  Geschichtsforschung  freilich,  der 
Urkundenforscher  Stumpf-  Brentano,  den  Wattenbach^*^)  etwas  kühl 
charakterisiert,  oder  auch  ein  Geringerer  von  den  Aelteren  wie  Spruner,  der  vor- 
treffliche Vertreter  historischer  Geographie,  den  HeigeP**)  schildert,  waren  zu 
vornehm  zu  einer  derartigen  Kampfesweise  und  entbehrten  auch  noch  der  aber- 
gläubischen Verehrung  für  eine  Methode,  die  sie  selbst  erst  schufen.  Spruner  freiüch 
hat  auf  seine  Weise  auch  gekämpft:  als  Bayer,  obwohl  liberal,  glaubt  er  gegen 
Sybel  eine  Warnung  an  den  Kabinetssekretär  des  Königs  Alaximilian  eingeben  zu 
müssen;  später  aber  schloss  er  sich  dem  neuen  Reich  begeistert  an  und  focht  gegen 
die  Ultramontanen.  — 

Der  eifrige  Bayer  führt  uns  zu  den  Vertretern  der  Lokalgeschichte 
über.^'*^"^*^)  Dem  Braunschweiger Spehr  wurde  von  Zimmmermann^*^),  dem  Franken 
Sprenger  durch  Wegele^^'^f),  den  beiden  Augsburgern  Paul  von  Stetten  durch  V  ogt^^*') 


Briefen:  KonsMschr.  S.  798-800,  817-34,  929-48,  1041-61,  1153-73.  1279-1301.  —  323)  X  W.  S.  Lyon,  H.  Treitschke,  Dtsch. 
Ordensland  Preussen.  London,  Kivington.  Sh.  2.  —  324)  M.  A.  Gailland,  Un  historien  du  nonvel  empire  allemand. 
H.  de  Treitschke:  RPL.  2,  S.  257-65.  —  325)  Th.  Flathe,  B.  Hayra,  D.  Leben  Max  Dunokers  (vgl.  JBL.  1891  IV  6:134; 
1892  IV  le:402):  HZ.  35,  S.  139-44.  —  326)  R.  Brode,  Mas  Dunckers  Anteil  an  d.  dtsch.  Geschichtsschreibung:  FBPU.  6, 
S.  501-27.  -  327)  F.  Stieve,  A.  Kluckhohn:  AZg».  N.  156.  -  328)  A.  v.  Kluckhohn:  HZ.  35,  S.  396,8.  -  329)  G.  Wolf, 
W.  Maurenbrecher.  E.  Lebens-  u.  Sohaffensbild.  B.,  0.  Seehagen.  32  S.  M.  0,80.  |[BLÜ.  S.  49.3,5.]|  —  330)  E.  Marcks, 
H.  Banmgarten:  AZg".  N.  227  8,  230.  -  331)  Alfr.  Stern,  H.  Baumgarten:  Nation^.  10,  S.  634/6.  —  332)  W.  Wiegand, 
H.  Baumgarten:  ZGORh.  8,  S.  542/5.  —  333)  H.  Baumgarten:  HZ.  35,  S.  398,9.  —  334)  G.  Elllinger,  J.  Janssen:  Nation».  10, 
S.  210/2.  —  335>  X  M.  Lenz:  PrJbb.  71,  S.  5407;  ThLBl.  14,  S.  221;  LCBL  S.  401/2;  KonsMschr.  S.  236/7;  A.  Banm- 
gartner:  StML.  44,  S.  100.  -  336)  X  (^  l  =  8.)  |[NatiönB.  10,  S.  576;  ÖLBL  2.  S.  745;  LCBl.  S.  1180/1.]|  —  337)  X  PaalJ. 
Blake  and  Cromwell.  (=  German  Series.l  London.  Bivington.  Sh.  2.  —  338)  X  Th.  H.  Lange,  R.  Roepell:  IllZg.  101,  S.  592. 
—  339)  J.  Jung,  A.  Gindely:  AZgB.  N.  7.  -  340)  X  A.  Kleinschmidt,  Dtsch.  Historiker:  IllZg.  100,  S.  366.  -  341)  X 
R.  Hoeniger.  G.  v.  Belows  „Detailpolemik".  B.,  H.  Walther.  1892.  69  S.  M.  1,50.  —  342)  X  G.  v.  Below,  D.  Höniger- 
Jastrowsche  Freundeskreis.  E.  Beitr.  z.  Zeitgesch.  Düsseldorf,  L.  Voss  &  Co.  32  f.  M.  1,00.  —  343)  W.  Wattenbaoh, 
K.  F.  Stumpf-Brentano:  ADB.  36,  S.  757/8.  —  344)  K.  Th.  Heigel,  K.  v.  Spruner:  ib.  35,  S.  325,8.  —  345)  X  M.  Stoeger, 
D.  fränk.  Geschichtsschreiber  P.  1.  Gropp  aus  Kissingen.  Progr.  Kissingen.  1891.  36,  21  S  u.  4  Beill.  |[Ph.  E.  Ullrich: 
AHVUnterfranken.  36,  S.  247.J|  (Vgl.  JBL.  1891  IV  6:130;  1892  III  5:41.)  —  346)  X  R-  Beuss,  M.  Xavier  Mossmann, 
Archiviste  de  la  Tille  de  Colmar:  AnnEst.  7,  S.  299-306.  —  347)  X  X.  Mossmann:  Polybibl''.  67,  S.  372  3.  —  348)  X  B- 
Beuss,  X.  Mossmann:  BH.  52,  S.  120  4.  —  349)  P.  Zimmermann,  L.  F.  Spehr:  ADB.  3.5,  S.  946.  —  349a)  F.  X.  Wege le, 
P.  J.  Ph.  Sprenger:  ib.  S.  304  5.    -  350)  W.  Vogt,  P.  v.  Stetten:  ib.  36,  S.  127/8.  -  351)  P.  Stalin,  Chph.  v.  Stalin :  ib.  35, 


IV  5:352-377  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./ 19.  Jahrhunderts. 

ein  Denkmal  gesetzt;  der  jüngere  von  ihnen  hat  durch  seine  Korrespondenz  mit 
Wieland,  Weisse,  Nikolai,  besonders  aber  durch  seine  „Briefe  eines  Frauenzimmers 
aus  dem  15.  Jh."  auch  litterarische  Bedeutung-.  —  Den  Autor  der  besten  deutschen 
Landesg-eschichte,  den  Württemberg-er  von  Stalin,  hat  ein  Geschlechtsg-enosse  P. 
von  Stälin^^i)  in  die  ADB.  g-estiftet;  der  ausg-ezeichnete  Mann  war  auch  Döllinger 
und  den  Dichtern  Hang-  und  Matthisson  durch  Jugendfreundschaft,  dem  Historiker 
Böhmer  durch  Arbeitsgemeinschaft  verbunden.  —  Die  Schweizer  Segesser  und  Sailer 
wurden  als  Historiker  von  Jonelli352^  und  Götzinger^^sj  gewürdigt,  die  Hessen 
Steiner  und  Strieder  von  Winter^i^*)  und  Kretzschmar^^^),  der  Schleswiger  Stuhr 
von  Meyer  von  Waldeck^sß).  Den  letzteren  setze  ich  an  diese  Stelle,  obwohl  er 
sich  keineswegs  auf  Lokalgeschichte  beschränkt  hat,  vielmehr  Weltgeschichte  und 
Geschichtsphilosophie  mit  Vorliebe  trieb,  weil  das  köstliche  Bildchen,  das  sein  Bio- 
graph von  ihm  zeichnet,  den  Charakter  eines  eingezogenen  Sonderlings  verrät,  der 
heimisch  doch  immer  nur  in  der  engeren  Heimat  blieb.  Seine  platonische  Liebe  zu 
der  Prinzessin  Alexandrine,  sein  Tabakschnupfen,  all  das  ist  so  unberlinisch,  so  ganz 
im  Stil  des  Lokalgeschichtschreibers.  Unrichtig  ist  es  übrigens,  wenn  M.  v.  W. 
unter  den  Gelehrten,  die  die  Ehe  mit  der  Arbeit  für  unverträglich  hielten  (S.  738), 
auch  Ranke  nennt.  — 

Wie  die  Geschichtsforschung,  so  ist  auch  die  ihr  nah  verwandte  Philo- 
logie im  Berichtsjahr  durch  keine  umfassendere  Arbeit  von  methodologischer  Be- 
deutung vertreten.35^)  Zahlreich  sind  dagegen  auch  hier  Einzelbilder  von  Gelehrten, 
besonders  von  klassischen  Philologen.  Drei  alte  Schweizer  eröffnen  den  Reihen: 
Die  Berner  Samuel  Schmidt  und  sein  Sohn  Friedrich  Samuel,  von  denen 
D(jbi358j  handelt,  und  der  von  Hunziker^s^)  geschilderte  Züricher  Steinbrüche!. 
Der  ältere  Schmidt  ist  hauptsächlich  Bibelausleger,  handelt  aber  auch  über  den 
Ursprung  der  Schweizer,  der  jüngere  ist  Aegyptolog,  Steinbrüche!  klassischer  Philolog, 
Uebersetzer,  besonders  aber  als  Lehrer  wirksam.  —  Ist  bei  ihnen  allen  die  Philologie 
noch  mit  Theologie  oder  Philosophie  verquickt,  so  ist  Spalding,  über  den 
Hoche^^**)  handelt,  schon  „reiner  Philolog",  ein  Freund  Philipp  Buttmanns.  — 

Böckhs  Leben  und  Leistungen  schildert  Max  H of f mann 36')  unter  dankens- 
werter Beigabe  von  Proben  aus  seinen  Festreden.  —  All  diese  kleinen  Arbeiten 
überragt  aber  weit  die  glänzende  Rede,  in  der  Leo^^^-aesj  einen  anderen  Haupt- 
meister der  Philologie,  Lachmann,  schildert.  Er  fasst  ihn  als  Vereinigungspunkt 
der  Gottfried  Hermannschen  und  der  ßöckhschen  Richtung  und  wirft  von  diesem  hohen 
Standpunkt  aus  auf  die  Entwicklung  der  Philologie  in  unserem  Jh.  einen  rasch 
orientierenden  Blick.  Was  bei  klassischen  Philologen  selten:  L.  wird  bei  aller 
Bewunderung  Lachmanns  nicht  ungerecht  gegen  J.  Grimm  und  vergleicht  glücklich 
dies  Paar  mit  Goethe  und  Schiller.  Leben,  Arbeit,  Persönlichkeit  werden  in  raschen, 
aber  sicheren  Zügen  hingezeichnet  und  ein  schönes  Schlusswort  mahnt  an  die 
bleibende  Bedeutung  des  gerade  in  unseren  Tagen  oft  so  hart  gescholtenen  Meisters.  — 
Kleinere  Lehrer  wie  Döderlein364-365^^  Sauppe366-367j^  SpengeP^sj,  J.  Th. 
Struve369j,  Studemund3^o)^  Kiessling^-t),  R.  Scholl  3'2)  haben  ebenfalls  ihre 
Biographien  gefunden,  meist  freilich  nur  in  kurzen  Nekrologen  oder  (was  für  den 
Artikel  über  Studemund  [s.  o.  N.  370]  gilt)  in  Panegyriken,  welche  die  der  Nachwelt 
geschuldete  Wahrhaftigkeit  über  der  unbedingten  Verteidigungssucht  des  Schülers 
vergessen.  —  Höchst  individuell  sind  dagegen  die  Erinnerungen,  die  H.  Müller- 
Strübings  originelle  Figur  bei  Pietsch  ^''s-s''^)  hervorgerufen  hat.  Der  Neffe 
von  Theodor  Mundt  und  Luise  Mühlbach,  der  alte  „Demagog",  der  gelehrte  Aristo- 
phanesforscher,  wird  auch  von  B  uff  375),  und  von  diesem  mehr  nach  seiner  philo- 
logischen Seite  geschildert.  — 

Bedeutende  Namen  hat  diesmal  die  Archäologie  in  unseren  Bericht 
gebracht.  H  o  c  h  e  316)  erzählt  das  Leben  Starks,  Flasch  3")  feiert  das  Doktor- 
jubiläum Brunns,  das  der  unvergleichliche  Meister  der  Kunstbeschreibung  nur  so 
kurz  überleben  sollte.  — 


S.  417-22.  —  352)  A.  Jonelli.  A.  Ph.  v.  Segesser  als  Historiker:  BBaselG.  13,  S.  213-59.  —  353)  E.  Götzinge  r,  Landammann 
Sailer  als  Dichter  u.  Gescliichtsschreiber:  SchwRs.  2,  S.  315-27.    —    354)  G.  Winter,    J.  W.  Ch.  Steiner:   ADB.  35,  S.  703,5. 

—  355)  H.  Kretzschniar,  F.  W.  Strieder:  ib.  36,  S.  589.  —  356)  F.  Meyer  v.  WaldecV,  P.  F.  Sluhr:  ib.  S.  738-41.  — 
357)  X  V.  d.  Wiener  Philologen vers.:  DLZ.  S.  762,3.  -  358)  H.  Dübi,  Zwei  vergessene  Berner  Gelehrte  ans  d.  18.  Jh.  (Sam. 
Schmidt  u.  Friedr.  Sam.  Schmidt.)  Neujahrsbl.  d.  litt.  Ges.  Bern.  Bern,  K.  J.  Wyss.  4".  44  S.  M.  1,20.  —  359)  J.  Unnziker, 
J.  J.  Steinbrüche!:  ADB.35,  S.6936.—  360)  (I  7:71.)-  361)  Max  Hof  fmann,  Z.  Erinn.  an  A.  Böckh.  Progr.  d.  Kathiirineams. 
Lübeck.  4".  44  S.  —  362-363 1  (I  2:17.)  —  364-365)  X  -^  Döderlein,  Unsere  Väter:  Kirchenrat  Chph  Doderlein,  Ober- 
konsist.-Rat  J.  v. Niethammer  n.  Hofrat  L.  v.  Döderlein  (vgl.  JBL.  1892  I  4:797).  |[J.  K.  Fleischmann:  BBG.  29,  S.  419-21.]| 

—  366)  X  P-  H-.  H.  Sanppe:  NatZg.  N.  549.  —  367)  X  F.  Kirchner,  H.  Sanppe:  IllZg.  101,  S.  377-80.  -  368)  X  R- Hoche, 
L.  Spengel:  ADB.  35,  S.  115/7.  —  369)  X  (S.  n.  N.  403a.)  —  370)  X  Leop.  Cohn,  W.  Studemund:  ADB  36,  S.  721-31.  — 
371)  X  Prof.  Dr  Kiessling:  StrassbPost.  N.  124.  -  372)  X  R-  Scholl:  ib.  N.  163.  -  373)  L.  Pietsch,  H.  MOller-Strlbing. 
Persönl.  Erinnerungen:  VossZg.  N.  393.  —  374)  X  id.,  Persönl.  Erinnerungen  an  H.  MüUer-Strübing:  AZg«.  N.  196.  —  375) 
A.  Buff,  H.  MüUer-Strabing:  ib.  N.  265.  —  376)  E.  Hoche,  K.B.  Stark:  ADB.  35,  S.  488-90.  —  377)  A  Flasch,  H.  v.  Brunn: 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  378-399 

Hartfelder,  der  verdienstvolle  Forscher  auf  dem  Gebiete  des  Humanismus, 
dem  Knod^"^)  und  der  Nekrologist  der  HZ. 3'»)  Nachrufe  widmen,  leitet  uns  von 
der  alten  zur  neuen  Philologie  herüber ^^^^  —  d[q  romanische  Philolog-ie,  die 
zu  unserem  Stolz  auch  die  Italiener  aus  Neumanns  trefflichem,  nun  von  Lallici^^^) 
übersetzten  Grundriss  kemien  lernen  3*'-),  ist  ja  schon  durch  ihr  Stoffgebiet  auf  fort- 
währende Berührungen  mit  dem  klassischen  Altertum  angewiesen ;  aber  auch  die 
deutsche  Philologie  wird  schon  durch  das  Vorbild  ihrer  ersten  Stifter^*"*)  auf  solche 
Berührungen  hingelenkt.  — 

Die  Hauptvertreter  dieser  Disciplin  fallen  freilich  einem  anderen  Abschnitt 
desJBL.  (s.  o.  I,  2)  anheim;  uns  bleiben  einige  Litterarhistoriker.  Auf  die  Ver- 
dienste Eschen  burgs  weist  Mendheim^***)  hin,  Bettel  h  eim^^^j  auf  die  von 
Hermann  Kurz.  —  Schriftsteller  und  Litterarhistoriker  zugleich  sind  auch 
Streckfuss  und  Strodtmann.  Der  Uebersetzer  Ariosis,  Tassos,  Dantes,  über 
den  FränkeP^^)  eine  charakterisierende  Bibliographie  schrieb,  kann  wegen  seiner 
Einleitungen  und  Kommentare  den  Litterarhistorikern  beigezählt  werden;  der  eben- 
falls von  FränkeP^')  behandelte  Vermittler  zwischen  nordischer  Litteratur  und 
deutschen  Lesern  verdient  dies  Prädikat  in  höherem  Grade :  wegen  seiner  Arbeiten 
zur  Kenntnis  Bürgers,  wegen  seiner  „Dichterprofile",  vor  allem  wegen  seiner 
Biographie  Heines.  —  Einen  Namensvetter  von  ihm,  der  sich  um  deutsche 
Dialektkunde  verdient  gemacht  hat,  schilderte  Edw.  Schroeder'^^^),  einen  dritten, 
der  Mitarbeiter  an  Grimms  Wörterbuch  war  und  auch  klassische  und  orientalische 
Philologie  trieb,  Carstens ^^^).  — 

Der  zweite  gehört  schon  zu  jenen  Dialektphilologen,  Folkloristen  und 
Erforschern  der  Volkskunde,  deren  liebenswürdigster  einer  Roch  holz  war. 
Ihm  hat  Hunziker^^^)  ein  hübsches  Büchlein  gewidmet.  Wir  erfahren,  wie  der 
spätere  Germanist  Schelling  studiert,  mit  den  drei  „Frankendichtern"  Rückert,  Jean 
Paul  und  Platen  Bekanntschaft  macht,  wie  er  unmögliche  Jugendgedichte  verfertigt, 
wie  er  Spottgedichte  auf  Ludwig  von  Bayern  hinwirft.  Rochholz  geht  dann  zu 
dem  Pädagogen  Fellenberg  nach  Hofwyl,  entzweit  sich  aber  mit  dem  „Bonaparte 
der  Pestalozzischen  Erziehungsrevolution"  (S.  14).  Von  W.  Wackernagel  geprüft, 
erhält  er  eine  Lehrerstelle  in  Aarau,  wo  er  den  Fabeldichter  Fröhlich  (S.  21) 
ersetzt.  Aber  mit  seiner  wirklich  recht  unpädagogischen  —  und  unkollegialischen 
Art  können  die  Aufsichtsbehörden  sich  nicht  befreunden:  er  muss  schliesslich 
die  Stelle  verlassen,  widmet  sich  nun  aber  um  so  eifriger  der  Volkskunde  und 
—  wenn  man  den  neuen  Kunstausdruck  wagen  darf  —  der  Volkshistorik.  Es 
ist  bekannt,  wie  er  erst  den  Teil  dauernd  als  unhistorisch  erwiesen  hat; 
zahlreiche  andere  Beiträge  zur  Sagengesohichte ,  Kulturgeschichte ,  Dialektkunde 
verzeichnet  der  bibliographische  Anhang  mit  ungedruckten  oder  überhaupt  erst 
geplanten  Entwürfen,  z.  B,  über  die  Etymologie  der  deutschen  Autorennamen.  — 
Merkwürdig-,  dass  gerade  diese  Forscher  auf  dem  idyllischen  Gebiet  der  Volkskunde 
so  oft  eine  ungewöhnliche  persönliche  Streitlust  und  Empfindlichkeit  zeigen! 
Kampflustig  wie  Rochholz  ist  Steub,  dessen  Biographie  Heigel *^')  geschrieben 
hat.  Dem  Autor  der  „Drei  Sommer  in  Tirol,"  dem  eifrigen  Etymologen  und  ver- 
dienten Namenforscher  waren  wohl  grössere  Erfolge  und  ein  froheres  Ende  zu 
gönnen  gewesen,  als  da  gemeldet  werden.  —  Einen  Vorgänger  Steubsin  österreichischer 
Volkskunde,  Anton  von  Spaun,  schildert  Schlossar ^^'*).  —  Auch  R.  Hein^'-'-) 
von  dem  L.  Fr  änkeP'«*»)  erzählt,  erlebte  eine  schwere  Enttäuschung:  der  fleissige 
Leser  und  Aufspürer  hatte  gehofft ,  seine  Kenntnisse  und  Talente  als  Herausgeber 
der  „geflügelten  Worte"  verwerten  zu  können,  was  ihm  versagt  blieb.  — 

Auch  den  grossen  Kulturhistoriker  Viktor  Hehn  ordnen  wir  dies- 
mal an  dieser  Stelle  ein,  weil  mehr  und  mehr  der  Autor  der  „Gedanken  über 
Goethe"  über  den  Volkspädagogen  39*)  und  Richter  der  Volksindividualitäten  ^^^-^s^) 
die  Oberhand  gewinnt  ^''S).  Aus  seinen  Reisetagebüchern  hat  sein  posthumer  Freund 
Schiem  ann  399)  eine  stattliche  Auswahl  von  Bruchstücken  veröffentlicht.  Die  ältere 
Reihe ,   Aufzeichnungen  aus  Italien  von   1840,    ist   nicht  nur  (wie  der  Herausgeber 


AZgB.  N.  68.  —  378)  G.  Knod,  K.  Hartfelder:  ZGORh.  8,  S.  538-41.  —  379)  K.  Hartfelder:  HZ.  35,  S.  398.  —  380)  X  P- 
Geyer,  Alte  n.  neue  Philol.  in  ihrem  gegenseit.  Verhältnis:  BBG.  27,  S.  1Ö1-63.  |[P.  Cauer:  DLZ.  8.  231.]|  —  381)  Fed. 
Neumann,  La  Filologia  Romanza.  Traduz.  del  Dottore  Sl.  Lallici.  Citta  di  Castello,  S.  Lapi.  IV,  224  S.  L.  3,00.  —  382)  X 
Ed.  Schwan:  Ac.  44,  S.  236.  —  383)  X  (I  2:11.)  —  384)  M.Mendheim,  J.  J. Eschenbnrg :  LZg«.  N.  146.  —  385)  A.  Bettel - 
heim.  Zu  Ehren  v  H.  Kurz:  AZg«.  N.  278.  —  386)  L.  Fränkel,  M.  F.  K.  Streckfuss:  ADB.  36,  S.  560/2.  —  387)  id.,  A. 
Strodtmann:  ib.  S.  605-11.  —  388 J  Edw.  Schroeder,  J.  Chr.  Strodtmann:  ib.  S.  611/2.  —  389)  C.  E.  Carstens,  J.  S. 
Strodtmann:  ib.  S.  612/3.  -  390)  (I  6:178.)  —  391)  K.  Th.  Heigel,  L.  Steub:  ADB.  36,  S.  135-40.  -  391a)  A.  Schlossar, 
A.  Bitter  v.  Spaun:  ib.  35,  S.  68/9.  -  392)  X  R-  Hein:  NatZg.  N.  390.  —  393)  L.  Fränkel,  R.  Hein:  Urquell  4,  S.  152.  — 
394)  X  (I  7:54.)  -  395)  X  V.  Hehn,  De  moribus  Ruthenornra  (vgl.  JBL.  1892  lY  5:289).  i[NationB.  10,  S.  193/6;  M. 
T.  Oettingen:  DWBl.  S.  32,4;  F.  Bieneraann:  BLÜ.  S.  118-20.];  -  396)  X  G.  S.,  Russ.  Intimitäten:  WienTBl.  N.  5. 
(Nach  V.  Hehn.)  —  397)  X  V.  Hehn  n.  d.  Juden:  KonsMschr.  4,  S.  1153-73;  5,  S.  1279-1301.  —  398)  X  0.  Schrader,  V.  Hehn 
(vgl  JBL.  1891  IV  6:  145/6;  1892  I  2:21;  IV  5:288):  KonsMschr.  S.  420/2.  —  399)  V.  Hehn,  Eeisetagebücher.  Mitget.  r. 
Jahresberichte  fftr  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV.  ^(13) 


IV  5:400-408  R.  M.  Mejer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

selbst  bemerkt)  stilistisch,  sondern  auch  inhaltlich  weitaus  die  bedeutendere.  Wir 
hören  den  Mann,  der  später  den  kühnen  Gedanken  einer  umfassenden  Kultur- 
geschichte Europas  im  Haupte  trug-,  über  den  Beg-riff  der  Weltgeschichte  (N,  183) 
und  über  die  Auffassung  der  Historie  (N.  186)  tiefsinnig'e  Worte  äussern ;  wir  ver- 
nehmen von  dem  zukünftigen  Autor  der  „Gedanken  über  Goethe"  die  Aeusserung : 
„Goethe,  der  der  Geschichte  fremd  und  der  Natur  vertraut  war",  und  sehen 
Niebuhr  als  Vertreter  echt  historischer  Auffassung  ihm  entgegensetzt  (N.  190).  Ueber 
Overbecks  absichtsvolle  Naivetät  (N.  224),  über  Strauss  und  Kotzebue  (N.  128)  werden 
Urteile  gefällt,  aber  auch  politische  Fragen  berührt:  entschieden  spricht  Hehn  hier 
(N,  234)  noch  als  Liberaler.  Scharfe  Worte  erinnern  an  die  radikalsten  Neuesten, 
denen  er  späterhin  so  feindlich  gesinnt  war:  „Die  erste  Regung  der  Kunst  ist  die 
erste  Regung  der  Irreligiosität"  (N.  126);  „Nichts  hat  die  alte  Welt  so  geschwächt 
wie  das  Christentum"  (N.  183).  Aber  all  das  ist  Intermezzo;  fast  ganz  gehört  seine 
Seele  dem  Schwelgen  in  italienischer  Natur.  Herrlich  schildert  er  den  Charakter 
der  italienischen  Landschaft  mit  ihrer  hehren  Einfalt  und  stillen  Grösse:  „Keine 
Leidenschaft  jauchzt  rasch  oder  schluchzt  in  der  italienischen  Landschaft"  (N.  225). 
Einen  reizenden  Ausdruck  findet  er  für  die  „süditalienische  Poesie  der  Sorglosen 
und  Verwahrlosten"  (N.  230);  den  italienischen  Gartenstil  (N.  187)  wie  den  Kunst- 
charakter des  Menschenlebens  in  Italien  (N.  190),  die  Architektur  der  Städte  (N,  229) 
wie  den  Klang  italienischer  Vollworte  (N.  234)  weiss  er  ti'efl'end  zu  charakterisieren. 
Und  welche  Bilder  malt  er  von  Neapel  (N.  128),  vom  Tanz  in  Genzano  (N.  186),  von 
Albano  (N.  190),  dem  Soracte  (N.  224),  Pisa  (N.  225)!  Wenn  der  künftige  Vf.  der 
„Kulturpflanzen  und  Haustiere"  sich  auch  erst  geringe  botanische  Kenntnisse  nach- 
sagt (N.  221),  so  achtet  er  doch  schon  sorgfältig  auf  den  Oelbaum  (N.  194)  und  den 
Pflanzenwuchs  an  der  Riviera  (N.  230);  und  ebenso  studiert  er  schon  auffallende 
Wagenformen  in  Nemi  (N.  186).  Die  Einseitigkeit  aber,  die  das  Buch  „Italien" 
durchzieht,  liegt  ihm  hier  noch  fern:  der  italienische  Kunstgeschmack  ist  nicht  der 
seine  (N.  187;  über  italienische  Musik  N.  186).  Hier  wahrt  er  sich  inmitten  der 
Begeisterung  das  individuelle  Urteil:  „Die  Kunst",  sagt  er  bedeutungsvoll,  „gehört 
dem  Individuum,  die  Wissenschaft  der  Gattung  an"  (N.  182).  —  Zwanzig  Jahre  später 
reist  er  nach  Frankreich;  da  ist  der  jugendlich  feurige  Ton  erloschen  und  oft 
genug  klingt  schon  die  spätere  Grämlichkeit  hinein.  Aber  er  zeichnet  noch  immer 
meisterlich  Genrebilder  aus  Genua  (N.  260),  spricht  über  Massilia  (N.  298)  und 
Paris  (N.  302)  von  hohen  Gesichtspunkten  aus.  Doch  -  drängt  die  politische  Be- 
trachtung sich  in  den  Vordergrund  (N.  245,  255,  298)  und  noch  mehr  die  persönliche 
Empfindung.  Der  Jüngling  berichtete  von  seinem  Heimweh  (N.  183);  der  Mann 
ergeht  sich  in  Klagen  über  die  erste  Nacht  im  Wagen  (N.  255).  Eine  etwas 
gefährliche  Parallele  lässt  ihn  Franzosen  undJonier,  Germanen  und  Dorier  (N.  262) 
zusammenstellen  —  ein  Vergleich ,  der  jene  bedeutsamen  Erörterungen  über  die 
menschliche  Perfektibilität  (N.  183)  so  wenig  aufwiegt  wie  die  Schilderung  des 
Kolosseums  (N.  260)  jene  Städtebilder.  Nur  die  geistreichen  Ausführungen  über 
die  Wirkung  des  nackten  Felsens  (N.  254)  stehen  hier  noch  auf  der  alten  Höhe; 
im  ganzen  ist  auch  das  Nebeneinander  dieser  beiden  Tagebücher  ein  Beweis  dafür, 
wie  wenig  Hehns  glänzende  Begabung  und  seine  imposanten  Pläne  zu  voller  Ent- 
faltung gelangt  sind. ''00-40 ij  —  Einen  Litterarhistoriker,  der  an  Feinheit  des  psycho- 
logischen Verständnisses  Hehn  mindestens  erreicht ,  den  bedeutendsten  lebenden 
Meister  biographischer  Kunst ,  H  a  y  m ,  beglückwünscht  Kirchner  ^02^  zum 
Doktorjubiläum.  — 

Den  Philologen  gesellen  wir  wieder  die  üebersetzer  bei,  indem  wir  an  Stein- 
brüche!, Streckfuss, Strodtmann  (s.o. N.  359,  386/7)  nochmals  erinnerndes).  SanMarte*^«) 
und  Gelbcke^05^  haben  beide  ihre  Uebersetzungen  durch  Abhandlungen  und  Er- 
klärungen noch  wertvoller  gemacht.  —  Aus  dem  Ungarischen  übersetzte  G.  Stein- 
acker, dessen  vielbeschäftigtes  Leben  uns  Schlossar-^^öa^  schildert.  —  Geffcken^06j 
fügt  seine  Uebersetzungen  von  griechischen  Grabinschriften  in  eine  fortlaufende  Ab- 
handlung ein.  Insofern  er  die  griechischen  Verse  durch  deutsche  Reime  wieder- 
giebt,  trägt  er  praktisch  zur  Beantwortung  der  durch  Wilamowitz  neu  angeregten 
Frage  nach  der  inneren  Form  der  Uebersetzungen  bei.  — 

Zwei  Sprachvergleicher,  H.  G.  C.  von  der  Gabelentz^^?^  ^ind  Max 
Müller*o8),  machen  den  Schluss  der  Philologen.  — 

Unter  den  Kunstlehre    und  Kritik  vertretenden  Autoren   begegnen  uns 


Th.  Sohiemann:  AZg».  N.  125,6,  128,  183,  186/7,  190,1,  194,  221,  224/5,  230,  234,  245/6,  254,5,262,290,292/3,300/2.  -  400)  X 
Briefe  aus  d.  Nachlasse  V.  Hehns:  BaltMschr.  40,  S.  160-71,  321-35,  596-609.  —  401)  X  Aus  d.  Nachlasse  V.  Hahns:  Didask. 
N.  122.  -  402)  F.  Kirchner,  Zu  R.  Hayras  50 j.  Doktorjubil. :  IIIZr.  101,  S.  267.  —  403)  X  J-  Mähly,  Verdeutschen  u. 
Uebersetzen:  Geg.  43.  S.  102/5.  —  404)  X  Alb.  Schulz.  (=  San  Marte):  IllZg.  100,  S.  678.  -  405)  X  F-  Ad.  Gelboke: 
JbDShakespeareG.  28,  S.  353.  —  405a)  A.  Schi  ossär,  G.  Steinacker:  ADB.  35,  S.  675,6.  —  406)  J.  Geffcken,  Stimmen 
d.  Griechen  am  Grabe.    Hamburg,  L.  Voss.    50  S.    M.  1,00.  —   407)  X  H.  G.  C.  v.  d.  Gabelentz:  Ac.  44,  S.  552.  —  408)  X 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  409-443 

diesmal  wieder  besonders  orig-inelle  Gestalten:  K.  Ph.  Moritz  (von  Sack^"^J  und 
Isolani'*^'*)  o-eschildert),  F.  Th.  Vischer^'**''),  Karl  Werder,  dessen  Tod  eine 
o-anze  Reihe  von  Nekrolog-en  Nathans*^'),  Schlenthers^^^j^  Zabels^'^j  und  andere 
i.4.ufsätze  zu  seiner  Charakteristik  (von  Wich  mann'*''*),  ja  sog'ar  zur  Beurteilung 
der  so  ungewöhnlich  rasch  errichteten  Gredenktafel*'^"**^)  Anlass  gab.  Zumeist  wurde 
der  „latente  Schauspieler"  in  unserem  Kunstkritiker  hervorgehoben;  das  merkwürdige 
Problem,  wie  ein  so  langes,  in  behaglicher  Ruhe  stets  denselben  Kunstaufgaben  zu- 
gewandtes Leben  nur  vier  Bücher  als  Grruss  an  die  Nachwelt  zurückliess,  ward  meist 
nur  gestreift.  —  Eins  von  ihnen,  das  am  meisten  angefochtene,  über  Macbeth,  unter- 
warf der  italionische,  im  litterarischen  Leben  aller  Kulturvölker  heimische  Litterar- 
historiker  Zumbini*'')  einer  gehaltvollen  Kritik.  —  Theod.  Wolff'**^"*'^)  stellte 
Werder  und  Fontane  zusammen  und  gab,  wie  auch  Schlenther*20-42i-)^  persönliche 
Erinnerung-en.*--)  — 

Stammt  Werder  ganz  aus  der  philosophischen  Periode  des  Hegelianischen 
Berlins,  so  ist  dagegen  in  der  Physiognomie  Stahrs  wie  in  der  Rud.  vonGottschalls 
der  politische  Zug  vorherrschend  geblieben.  Stahr  der  Philolog,  Historiker,  Litterar- 
historiker,  Kunstschriftstelier,  Kritiker  wird  von  Frank el^^s)  massvoll  gefeiert,  und 
eine  „Rettung"  verdient  der  in  „Rettungen"  so  gern  bemühte  Mann  gewiss  gegenüber 
dem  Fluch  der  Lächerlichkeit,  der  aus  G.  Kellers  und  anderen  doch  recht  subjektiven 
Erinnerungen  sich  an  das  Ehepaar  Lewald-Stahr,  das  „vierfüssige  Tintentier",  ge- 
heftet hat.  —  Gottschall  kann  sich  gegen  Alb  ertis*24-)  schiefes  Lob  noch  selbst  ver- 
teidigen und  die  Lobeserhebungen  von  Bartels^^ö)^  Br  asc  h  ^26-)^  Friedrich'*-''), 
ZabeH^sj  noch  selbst  geniessen.  —  Hähneis  Litterarische  Reliquien^^S)  sind  an 
diesem  Orte  nur  zu  erwähnen  und  Wilh.  Jordans^^Oj  Kritik  über  „die  Moderne" 
nur  aus  schuldiger  Ehrfurcht  vor  früheren  Verdiensten  des  Autors  zu  verzeichnen.'*^!)  — 

Wenden  wir  uns  zu  anderen  Wissenschaften,  deren  Verbindung  mit  der 
Litteraturgeschichte  loser  ist,  so  treffen  wir  unter  den  Geographen  neben  Reinhold 
Forsters  Schwiegersohn  Sprengel,  über  den  Ratzel*^^)  schrieb,  einen  Weltreisenden 
Kohl*^2a^,  dessen  Schriften  längst  der  deutschen  Litteratur  angehören,  sowie  einen 
anspruchslosen  Lokalgeograplien  Moosmann,  dem  Sander*^^)  eine  Dankrede  hielt. 
Der  um  die  Geographie  von  Vorarlberg  verdiente  Mann  hat  auch  kameralistische 
Aufsätze  abgefasst.  —  Von  den  beiden  grossen  Juristen,  die  1893  gestorben  sind, 
stand  W^indscheid^^*)  dem  allgemeinen  Interesse  ferner  als  Ihering*^^"'*"^ ''"■),  der 
wiederholt  mit  populären  Schriften  das  öffentliche  Rechtsbewusstsein  zu  erziehen 
suchte''38-'*39^,  —  Landsberg**")  schrieb  eine  ausgezeichnete  Biographie  Stintzings. 
—  Allgemeiner  handelt  über  die  moderne  Jurisprudenz** i)  ein  Aufsatz  von  de 
Jonge**-J.  —  Das  Sohriftchen  von  Gensel**^)  über  die  Sprache  des  Entwurfs  eines 
bürgerlichen  Gesetzbuches  ist  beachtenswert  als  Symptom  dafür,  dass  endlich  wieder 
in  unseren  Rechtsgelehrten  ein  litterarischer  Ehrgeiz  erwacht,  ihrer  eigenen  Berufs- 
sprache geweiht.  Für  den  Entwurf  selbst  findet  G.  mehr  Worte  des  Lobes  als  des 
Tadels  und  weist  manche  Rüge,  als  sei  er  durchaus  unvolkstümlich  und  schwer- 
verständlich gehalten,  zurück;  dagegen  hat  er  an  den  begleitenden  „Motiven"  sehr 
viel  auszusetzen.  Der  Kritiker  selbst  gehört  dem  Sprachverein  an,  ohne  sich  von 
dessen  Fremdwörterfeindschaft  auszuschliessen;  er  steht  auch  dem  Kreis  Wustmanns 
nahe,  aber  mit  Mässigung,  und  kennt  sogar  Fälle,  wo  man  „derselbe"  sagen  muss 
(S.  59).  Sein  Sprachgefühl  ist  ihm  ein  sicherer  Führer,  dem  er  auch  wirklich  mit 
gutem  Erfolg  sich  anvertraut;  und  so  wird  seine  Schrift  durch  das,  was  er  selbst 
sagt,  wie  durch  das,  was  er  bespricht,  für  die  Sprach-  und  Litteraturgeschichte  der 
Gegenwart  ein  Baustein,  den  wir  bei  dem  ungeheueren  Einfluss  gerade  der  Juristen 
auf  das  „öffentliche  Deutsch"  unserer  Tag-e  nicht  unterschätzen  dürfen.  — 


(I  2:51.)  -  409)  Ed.  Sack,  K.  Ph.  Moritz.  E.  Gedentbl.  z.  100.  Todest.  (26.  Juni):  FZg.  N.  175.  —  410)  E.  Isolani,  E. 
Journalist  u.  Aesthetiker  d.  18.  Jh.  (Z.  100 j.  Todest.  t.  K.  Ph.  Moritz):  VossZg.  N.  293.  -  410a)  X  (I  12:  28.)  |[LZgB.N.  152.]| 
—  411)  P.  Nathan,  K.  Werder:  Nation».  10,  S.  457-61.  -  412)  P.  Schienther,  Nachruf  auf  K.  Werder:  VossZg.  N.  166.  — 
413)  E.  Zabel,  Z.  Erinnerung  an  K.  Werder:  NatZg.  N.  242.  —  414)  H.  Wichmann,  E.  Beitr.  z.  psycholog.  Charakteristik 
K.  Werders:  DR.  4.  S.  132,8.  —  415)  X  K.  Werder:  NalZg.  N.  230.  —  416)  X  K.  Werder:  ih.  N.  278.  —  417 1  B.  Znmbini, 
F.  Th.  Vischer.  (=  IV  ld:77,  S.  77-95)  —  418)  Th.  Wolff,  Th.  Fontane  —  Karl  Werder:  BerlTBl.  N.  638.  -  419)  id., 
Erinnerungen  an  K.  Werder:  ib.  N.  183,  187.  —  420)  P.  Schienther,  Am  Grabe  d  alten  Werder:  ML.  62,  S.  249-53.  — 
421)  X  id.,  K.  Werder:  VossZg.  N.  169.  -  422)  X  K.  Werder:  Ath.  44,  S.  508.  -  423)  L.  Fränkel,  A.  W.  Th.  Stahr: 
ADB.  35,  S.  403/6.  —  424)  C.  Alberti,  R.  v.  Gottschall:  FeuilletZg.  N.  482.  —  425)  A.  Bartels,  R.  v.  Gottschall:  Didask. 
S.  230.  —  426)  (I  2  :  47.)  |[ÖLB1.  2,  S.  524.]|  -  427)  B.  Friedrich,  R  v.  Gottschall:  BLU.  S.  209-11.  —  428)  E.  Zabel, 
R.  V.  Gottschall:  NatZg.  N.  557.  —  429)  (I  11:21.)  —  430)  W.  Jordan,  Dtsch.  Hiebe  (Frankfurt  a.  M.,  Selbstverl. 
1891.  16».  31  S.  M.  0,60):  DDichtung.  13,  S.  22.  —  431)  X  (1  ^  =53.)  |[R.  M.  Meyer:  DLZ.  S.  971/3.]|  ~  432)  F.Ratzel, 
M.  Chrn.  Sprengel:  ADB.  35,  S.  299-300.  —  432a)  Gedenkbl.  für  J.  G.  Kohl:  WeserZg.  30.  Apr.  —  433)  H.  Sander,  Rede  z. 
Moosmann-Feier  in  Schnepfenthal.  Dornbirn,  F.  Rusch.  16  S.  M.0,10.  —  434)  X  E.  Landsberg,  B.  Windscheid:  Nation".  10, 
S.  84/6  —  435)  X  K.  E.  Franzos,  R.  v.  Ihering:  DDichtung.  13,  S.  50/2,  78-80.  —  436)  X  ß-  Leonhard,  R.  v.  Ihering: 
Zukunft  3,  S.  600/8.  —  437)  X  K-  ^-  Ihering:  NationB.  10,  S.  34  —  437a)  X  Ad.  Merkel,  R.  v.  Ihering.  Jena,  J.Fischer. 
37  8.  mit  Bild.  M.  1,20.  |[DRs.  77,  S.  312/4.J1  (Abdr.  aus  Iherings  Jb.^  —  438)  X  J-  Kohler,  Windscheid  n.  Ihering:  Zu- 
kunft 2,  S.  54-63,  1138.  —  439)  X  R-  Leonhard,  Ihering  u.  Windscheid:  ib.  4,  S.  74-80.  —  440)  E.  Landsberg,  J.  A.  R. 
T.  Stintzing:  ADB.  36,  S.  249-54.  -  441)  X  E.  Imm.  Bekker,  Ernst  u.  Scherz  6ber  unsere  Wissenschaft  (JBL.  1892  IV  5:  278): 
DR.  3.  3.  252/3.   —   442)   Chr.  M.  de  Jonge,  R   v.  Ihering  u.  d.  Jurisprudenz:  KonsMschr.  S.  63-70.  —  443)  (I  8:  146.)  — 

4(18)* 


IV  5:444-445  R.  M.  Mejer,  Didaktik. des  18./19.  Jahrhunderts. 

Als     wir    im     vorig-en    Jahrgang*    in     der     Besprechung     staatswissen- 
schaftlicher Werke  bei  Gelegenheit  von  Roschers444)  „Politik"  (vgl.  JBL.  1892  IV 
5 :  231)  den  Wunsch    nach«  einem    empirischen,    Thatsachen    statt    der  Abstraktionen 
bringenden  Lehrbuch  der  Politik  aussprachen,  da  ahnten  wir  nicht,  dass  wir  diesmal 
schon  ein  solches  Werk  anzuzeigen  haben  würden.     Als   das  Ergebnis   langjähriger 
Arbeit,    sorgfältigen    Sammeins    und    ernstesten  Durchdenkens   liegt   jetzt    R atzen - 
hofers**'^)  „Wiesen  und  Zweck  der  Politik"  vor.     Das  bedeutende  Werk  hat  für  uns 
zunächst  als  „document  humain"  Wichtigkeit.     Es  liegt  ein  nicht   geringer  Triumph 
der    auf  exakte    Beobachtung    von    Thatsachen    gerichteten    Strömung    unserer    Zeit 
darin,  dass  ein  Forscher  wirklich  wieder  wagt,  von  Konferenzen  und  Verträgen,  von 
Kriegsführung  und  Handelspolitik  zu  reden,  „als  ob  es  sich  um  geometrische  Figuren 
handle".     Und   zwar    thut    er   dies    mit    solcher   Ziiversicht,    dass   er    seinen    Unter- 
suchungen (3,  S.  305)  „jene  unveränderliche  Wahrheit"  zuschreibt,  „die  wissenschaft- 
lichen Erwägungen  im  engsten  Anschluss  an  die  lebendige  Natur  eigen  ist";  so  zu- 
versichtlich, dass  er  dem  genialsten  Praktiker  unserer  Zeit  einmal  (2,  S.  100)  ziemlich 
von    oben   herab  die  Anerkennung  zuerteilt,   er  scheine  in   einer  bestimmten  Frage 
„richtig   zu    sehen".     Diese  Zuversicht   ruht   eben  vor  allem  auf  dem  ehrlichen  Be- 
wusstsein,  den  Thatsachenvorrat  vorurteilslos  geprüft  zu   haben;    und    wieder    diese 
Vorurteilslosigkeit,  die  energisch  der  Politik  einen  Standpunkt  jenseits  von  Gut  und  Böse 
anweist  (z.  B.  3,  S.  411)  gehört  zu  den  Zeichen  der  Zeit.     In  den  Gedankenkreis  der 
Renan  und  Nietzsche  führt  auch  dieses  Zurückgreifen  auf  die  Renaissance:    mit  Be- 
wusstsein  führt  R.  die  Politik  in  Macchiavellis  Spur  zurück  (1,  S.  60)  und  stellt  sich 
in  seiner  (übrigens  nicht  uneingeschränkten)  Bewunderung  Bismarcks  rein  auf  den 
praktischen  Standpunkt,   wie    der   Florentiner    seinen    „duca    Valentine"    um    seiner 
Virtuosität  willen  bewundert.    Als  andere  symptomatisch  bedeutsame  Punkte  hebe  ich 
die  Ueberzeugung   von    einem    ständigen  Fortschritt    der   Menschheit  (3,  S.  91),    die 
Unterscheidung  civilisatorisch  fähiger  und  unfähiger  Völker  (3,  S.  44),   den  Glauben 
an    die    definitive  Sesshaftigkeit    der  Nationen  (3,   S.  58)   und  die  kühne  Konzeption 
einer  Weltpolitik  (2,  S.  242/3)  heraus.    All  diese  Auffassungen    führen  in   die  Mitte 
brennender  Zeitprobleme:   Die    erste   antwortet   auf   die  pessimistische  Verzweiflung 
unserer  Jüngsten,    denen    die  gepriesene  „Entwicklung"  nicht  rasch,    nicht  deutlich 
und  greifbar  genug  marschiert;  die  zweite  schliesst  sich    der  von  Renan,   Nietzsche, 
Dühring    gelehrten  Wertunterscheidung    der  Nationen    an,    mit    der  einer  der  letzten 
Punkte  aus  dem  Katechismus  der  „Aufklärung"  gestrichen  wird;  die  dritte  hängt  mit 
der  Theorie    des  „Milieu"    eng   zusammen    und   ist    daher  z.  B.  von  dem  dänischen 
Mythologen  Vodskov  noch  allg-emeiner  als  Theorie  der  örtlichen   Gebundenheit  aller 
Kultur  ausgesprochen  worden;  die  vierte  endlich  schliesst  sich  den  oft  phantastischen 
Ideen  des  geistreichen  „Rembrandtdeutschen"  an.     Wenn   in   all  diesen   Punkten  R. 
wichtige  Fingerzeige  für  die  herrschende  Gedankenlagerung  und  Gedankengestaltung 
liefert,  die  doch  schliesslich  für  die  Litteraturgeschichte  immer  das  letzte  und  höchste 
Problem  bleibt,  so  ist  auch  im  einzelnen  für  uns  manche  Ausbeute  aus  dem  gedanken- 
reichen  Werk   zu   gewinnen.     So    werden  Gentz  (1,  S.  126),    Sjbel    und  Treitschke 
(1,  S.  141),  Gneist  und  Ihering  (3,  S.  443),  Feuerbach  (3,  S.  468)  gestreift;  es  wird  über 
den    Stil    der    Staatsschriften    (2,    S.    15)    gesprochen,    und   zur    Charakteristik    der 
Thätigkeit  Bismarcks  finden  sich  zahlreiche,  zur  Beurteilung  der  verschiedenen  „Zeit- 
geiste" (1,  S.  96)  beachtenswerte  Hindeutungen.     Vor  allem  ist  aber  die  Erörterung  über 
Politik  und  Geschichtskenntnis  (3,  S.  445)  wichtig,  die  den  berufenen  Streit  zwischen 
Staaten-  und  Kulturgeschichte  schlichtet,  indem  sie  beide  nur  als  einzelne  Seiten  der 
richtig,   d.   h.   universell,  aufgefassten  „Politik"  darstellt.     Zu  bedauern  ist,  dass  das 
treffliche  Buch   in    einem   grauen,    trocknen  Stil    geschrieben   ist,    der  oft  sogar  in- 
haltlich wertvolle  Sätze  verdirbt  (z.  B.  1,  S.  325;  dagegen  1,  S.  273;  3,  S.  58  gut  ge- 
prägte Sätze:  „Der  Verkehr  führt  ungeheure  Gütermassen  spazieren,  um  sich  zu  er- 
halten   und   dem    Kapitel    Gewinn    zu    schaffen".)     Hierin    hat    der    Vf.    sich    leider 
weniger  Macchiavelli  zum  Vorbild  genommen  als  die  modernen  Gelehrten,  von  denen 
er  gelernt  hat:  Gumplowicz  und  Spencer  (welch  letzteren  er  allerdings  auch  mehrfach 
bekämpft,  weil  dieser  Individualist  die  „sociale  Notwendigkeit"  nicht  versteht:  3,  S.  233, 
270).     Wie  R.  in   seinen  Anschauungen  den   deutschliberalen  Oesterreicher  nirgends 
verleugnet,    so    auch   in    seiner    sorglosen   Schreibart,    wobei    denn    allerdings   eine 
fein  gegliederte  Disposition  und  eine  allzu  häufige  Anwendung  der  bestimmten  Zahl 
zur    Gruppierung    unzählbarer  Dinge  (z.  B.  1,  S.  223)  dem  Mangel  einer   hell    durch- 
leuchteten   Schreibart   abhelfen   müssen.     Einen  Grenzstein   in    der    Geschichte    der 
theoretischen  Politik  wird  deshalb  doch  dies  Buch  bedeuten,  dessen  Autor  so  scharf 
und  klar  Grosses  und  Kleines  sieht  und  bei  der  Vorführung  der  politischen  Faktoren 


444)  X   L.  Humberti:   BLU.  S.  133/4;   AZgU.  N.  130;   J.  Eahm:    Schwßs.  1,  S.  607-20;   0.  Gildemeieter:   Nation».  10, 
S.  346/8.  —  445)  G.  Ratzenhofe  r,  Wesen  u.  Zweck  d.  Politik.    Als  Teil  d.  Sociologie  U.Grundlage  d.  Staatswissensohaften. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  4*6-472 

das  internationale  Gaunertum  (2,  S.  284)  so  wenig-  vergisst  wie  den  Adel  oder  die  Kirche. 
Und  da  die  Litteraturg-eschichte  dieser  politisch  sturmbeweg-ten  Zeit  eine  Ein- 
sicht in  das  Getriebe  der  gouvernementalen,  parlamentarischen,  journalistischen 
Maschinerie  nicht  entbehren  kann,  wird  R.s  Werk  schliesslich  auch  g-anz  direkt  dem 
Litterarhistoriker  zum  wertvollen  Hülfsmittel.  Und  der  praktische  Pädagog,  der 
Schulmann  wird  R.s  Worte  über  das  Schulwesen  (3,  S.  273/4)  vielleicht  auch  dann 
beachtenswert  finden,  wenn  er  (wie  ich)  die  Nachahmung  der  Napoleonischen 
„universite",  die  Verwandlung  aller  Schulen  in  eine  uniformierte  Pyramide,  nicht 
wünschenswert  findet.  —  Einige  Einzelstudien  zur  Nationalökonomie,  über  den 
Schweizer  Muret  (von  Lauterburg^^^)  und  über  F.  A.  Lange  (von  Reiches- 
berg 447-448^^  schliessen  sich  an.  — 

Der  Versuch,  durch  die  „Sociologie"*49^  (jie  Nationalökonomie  auf  den  Boden 
der  Naturwissenschaften  überzuführen,  bringt  uns  zu  diesen.  Interessant  muss 
nach  den  mitgeteilten  Auszügen  der  Briefwechsel  zwischen  den  Ch  emikern  Berzelius 
und  Liebig  sein,  den  J.  Carriere^^oj  herausgab.  Leider  schliesst  diese  Korrespondenz, 
so  herzlich  sie  beginnt  (Liebig  schreibt  an  den  schwedischen  Kollegen:  ,, Ich  bin  Dein 
Sohn  im  Herzen,  ich  will  es  im  Geiste  sein"),  mit  einem  Bruch.  Charakteristisch 
lautet  Liebigs  abschliessendes  Urteil:  „Es  würde  ein  Verzug  gewesen  sein,  wenn 
Berzelius  etwas  empfänglicher  gewesen  wäre  für  das  Schaffen  durch  den  Gedanken, 
was  ich  die  Poesie  des  Naturforschers  nenne."  —  Neben  den  Chemikern  stehen  die 
Physiker:  Abt  Steiglehner,  der  Physiker  und  Meteorolog  und  letzte  Fürst  von  St. 
Emmeran,  von  Knotf^^i)  gewürdigt,  scheint  durch  eine  Welt  getrennt  von  den 
Neueren,  von  Wilh.  Weber452)^  von  Rob.  Mayer ^^^^^  von  Helmholtz 4^4)  und  W.  v. 
Siemens  455"*5')^  den  vor  allem  Kundt^^^)  aus  seinem  eigenen  Geist  heraus  schildert. 
—  Kommen  wir  zu  den  Botanikern,  so  scheint  der  Abstand  kaum  geringer  zwischen 
einem  Polyhistor  des  vorigen  Jh.  wie  Sprengel,  über  den  Strasburger '*^9)  sowie 
Wunsch  mann  und  PageH^**)  schrieben,  und  einem  neueren  Systematiker  wie 
Reichenbach,  dem  Gr  ott  ewitz*^')  eine  Gedächtnistafel  errichtet.  — 

Mit  der  Botanik  wieder  steht  die  Medizin  in  alter  Verschwisterung.  Unter 
dem  Titel  „Medizinisches  aus  der  Weltgeschichte"  hat  der  Tübinger  Arzt  V  ierordt462) 
„Buntes  Allerlei"  zusammengestellt:  Nachrichten  über  die  Schädel  Schillers  (S.  7) 
und  Kants  (S.  9),  über  Goethes  Geburt  (S.  2),  Hallers  Jugendkrankheit  (S.  7),  die 
Esslust  Friedrich  Wilhelms  I.  und  den  Geschmack  Fi'iedrichs  des  Grossen  an  stark 
gewürzten  Speisen  (S.  20),  über  den  Tod  dieser  beiden  Könige  (S.  24),  Schillers  (S.  27) 
und  Luthers  (S.  43)  und  das  Ende  Ludwigs  II.  von  Bayern  (S.  63).  Ueber  die  Gicht 
(S.  41)  und  eine  schlimmere  Krankheit  (S.  52)  hätte  die  Litteraturgeschichte  mancherlei 
Material  beisteuern  können,  während  andererseits  V.  besser  daran  gethan  hätte,  in  der 
Aufnahme  litterarischer  Namen  in  die  Liste  der  „griechisch  Liebenden"  (S.  67)  vor- 
sichtiger zu  sein  :  Platen  muss  hier  noch  auf  Heines  Zeugnis  hin  am  Pranger  stehen!  — 
Einzelne  hervorragende  Aerzte  wie  Stifft  und  Schönlein  erhielten  durch  Pagel*^^) 
und  Leitschuh 46'*)  Biographien,  Moleschott  durch  Marschall^^^)  und  Albu^eß) 
Nachrufe;  uns  interessiert  dieser  näher  durch  sein  Buch  über  Hettner  als  Stricker^^") 
durch  kleinere  Schriften,  auch  über  Goethe.  ■*68- 469^  _  Aus  der  Medizin  ging  auch 
Fechner  hervor,  der  Gründer  der  Psychophys  ik^^O),  über  dessen  „Humor  und 
Glauben"  Lasswitz*'*)  klar  und  hübsch  wie  immer  schrieb.  — 

Erfinder  anderer  Art  sind  die  Stenographen  Gabelsberger,  den  Krüger4''2) 

3  Bde.  L.,  Brockhans.  X,  400  S. ;  VH,  363  S.;  IX,  481  S.  M.  20,00.  -  446)  A.  Lauterbarg,  J.  L.  Muret,  e  schwei«. 
Nationalökonom  u.  Statistilcer  d.  18.  Jh.  (=  Berner  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Nationalölconomie.  Her.  v.  A.  Oncken.  N.  5.)  Bern, 
H.  J.  Wys8.  71  S.  M.  1,40.  —  447-448)  N.  Eeichesberg,  F.  A.  Lange  als  Nationalölconom.  Diss.  Bern.  1892.  35  S. 
(Vgl.  JBL.  1892  IV  5:270a.)  -  449)  X  P-  Barth.  D.  Sociologie  e.  neue  Wissensch.:  BLU.  S.  529-32,  545/7.  —  450)  Berzelius 
u.  Liehig.  Ihre  Briefe  v.  1831-45  mit  erläut.  Einschaltungen  aus  gleichzeit.  Briefen  v.  Liehig  u.  Wöhler,  sowie  wissenschaftl. 
Nachweisen  her.  mit  Unterstützung  d.  kgl.  hayer.  Ak.  d.  Wissensch.  v.  J.  Carrifere.  München,  J.  F.  Lehmann.  VIII,  279  S. 
M.  6,00.  |[E.  Lehmann:  BLÜ.  S.  461,3;  Didask.  K.  28  ](  (Vgl.  IV  Ic  :  117.)  —  451)  R.  Knott,  Cöl.  Steiglehner:  ADB.  35, 
S.  593/5.  —  452)  X  H.  Weber,  W.  Weber  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:205).  ![E.  Rehnisch:  GGA.  S.163-75;  E.  Lehmann:  BLU. 
S.  625/8;  KonsMschr.  S.  1258.]|  —  453)  X  R"l>-  Mayer,  Kleinere  Schriften  u.  Briefe.  Nebst  Mitteilungen  ans  seinem  Leben.  Her. 
V.  J.  J.  W  e y  r  a u  c h.  St.,  Cotta.  XVI,  503  S.  Mit  2  Abbild.  M.  10,00.  | [L.  G r  a e  t  z :  AZgB.  N.  222.]|  —  454)  X  H.  v.  Helmholtz, 
Populär  lectures  on  scientific  subjects,  trans.  series  1,  new  ed.  London,  Lor.gman.  Sh.  3,6.  —  455)  X  W.  v.  Siemens,  Personal 
recollection8.Transl.by  W.O.  Coup  land.  London,  Asher  and  Co.  Sh.  15.  l[SaturdayR.  76,  S.  574;5.]|  —  456)  X  W.T.Siemens: 
NationB.  10,  S.  158.  —  457)  X  G-  van  Muyden,  W.  de  Siemens:  BÜRS  57.  S.  345-61.  (S.  dazu  ib.  S.  176 )-- 458)  A.  Kundt, 
Gedächtnisrede  auf  W.  v.  Siemens.  B.  (G.  Reime).  4».  21  S.  M.  1,50.  (Ans  AbhAkBerlin.)  —  459)  Ed.  Strasburger,  Z. 
lOOj.  Gedächtn.  an  „D.  entdeckte  Geheimnis  d.  Natur":  DRs.  77,  S.  113-30.  —  460)  J.  Wnnschmann  u.  J.  L.  Pagel,  Kurt 
Sprengel:  ADB.  35,  S.  296,9.  —  461)  K.  Grottewitz,  Z.  Gedächtnis  L.  Reichenbachs:  NatZg.  N.  13.  —  462)  H.  Vierordt, 
Medizinisches  aus  d.  Weltgesch.,  Buntes  Allerlei.  Z.  Feier  d.  50j.  Doctorjubil.  R  v.  Roths.  Tübingen,  Laupp.  VL  80  S. 
M.  1,60.  —  463)  J.  L.  Pagel,  A.  J.  Frhr.  v.  Stifft:  ADB.  36,  S.  216  7.  —  464)  F.  Leitschuh,  J.  L.  Schönlein.  Zu  seinem 
lOOj.  Geburtst.  (Aus:  ,.D.  Bayerland.")  München  (Bamberg),  C.  Hübscher.  19  S.  Mit  Bild.  M.  0,50.  —  465)  W.  Marschall, 
J.  Moleschott:  IllZg.  100,  S.  604.  -  466)  A.  Albu,  J.  Moleschott:  Geg.  43,  S.  354,6.  -  467)  X  C.  Cohn,  Z.  Erinnerung  an 
W.  Stricker:  AFrankfG.  4,  S.  385/9.  —  468)  X  Z.  70.  Geburtst.  F.  v.  Esmarchs:  IUZg.  100,  S.  38.  —  469)  X  W.  Krebs, 
M.  T.  Pettenkofer:  ib.  S.  562.  —  470)  X  F.  Kuh,  Ausblicke  auf  e.  junge  Wissensch.:  WeserZg.  N.  16798.  —  471)  K.  Lass- 
witz, Humor  u.  Glauben  bei  G.  Th.  Fechner  (Dr.  Mises):  VossZgB.  n.  6,  8.  —  472)  Bernh.  Krüger,  F.  X.  Gabelsberger. 
Allegor.  Festspiel.   (=  Reuters    Bibl.    für    Gabelsberger    Stenographen.     Bd.  26.)     Dresden,   Wilh.  Reuter.     23   S.     M.  0,50,    -, 


IV  5:473-504  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

feiert,  und  Stolze,  über  den  Alberti^'^-^  handelt. ^''■*)  —  Die  reine  erfinderische 
Phantasie  aber,  von  allen  technischen  Behinderungen  frei,  zeigt  sich  in  grossen 
Mathematikern  wie  J.  Steiner,  dessen  Leben  Cantor*''^)  schrieb. ^^^'i)  — 

Steiner  verdankte  die  ersten  Anregungen  zu  seinen  geometrischen  Leistungen 
der  Pestaiozzischen  Anstalt  in  Iferten,  So  verbindet  er  uns  mit  der  Pädagogik. 
Hamann,  den  Lettau*''^)  mit  ostpreussischem  Lokalpatriotismus  als  Geistesver- 
wandten des  Comenius  rühmt  und  für  dessen  Bedeutung  er  Citate  sammelt,  und 
Overberg,  von  dem  A.  Richter*'''')  Nachricht  giebt,  vertreten  noch  den  alten 
Geist  christlicher  Schulzucht.  —  Aber  schon  ein  Mann  wie  J.H.Steffens  kommt  nach 
Brandes'*'^)  Schilderung  der  Pädagogik  der  Aufklärungszeit  nahe,  ohne  sie  doch 
zu  erreichen:  „Seine  Schrift  'Von  der  Moralität  der  Schauspiele'  (Celle  1746)  regt 
zu  einem  interessanten  Vergleich  mit  Schillers  ähnlichem  Aufsatze  an  und  bringt 
den  himmelweiten  Abstand  der  ästhetischen  Auffassung  zweier  aufeinanderfolgenden 
Zeitalter  drastisch  zur  Anschauung."  —  Die  ästhetische  Auffassung  ist  nun  freilich 
auch  nicht  die  starke  Seite  B  a  s  e  d  o  ws*'^)  und  seiner  Nachfolger,  wie  S  a  1  z  m  a  n  n  *^^) 
und  T  r  a  p  p*^^).  —  Diese  Richtungen  aber  sind  in  der  Gegenwart  wohl  fast  ganz  auf 
bestimmte  Anstalten  beschränkt;  von  Pestalozzi*^^^  bleibt  die  neuere  Pädagogik  be- 
herrscht trotz  Schleiermacher*^^)  und  trotz  H  e  r  b  ar  t****).  — 

Nur  als  neue  Reiser  an  dem  von  ihm  gepflanzten  Baum  blühten  die  Turn- 
kunst und  die  Kindergärtnerei  auf,  beide  auf  systematische  Erziehung  der  mensch- 
lichen Herrschaft  über  den  eigenen  Körper  gerichtet,  lieber  J  ah  n  *^^"***öj  epg(>]^gij^gjj 
jedes  Jahr  eine  Reihe  unbedeutender  Aufsätze'*^''),  die  zu  seinem  Bilde  keine 
neuen  Züge  bringen.  —  Das  erste  deutsche  Turnbuch,  die  „Gymnastik  für  die 
Jugend"  von  Guts  Muts,  hat  darch  Lukas**^)  Sorge  eine  Jubiläumsausgabe 
erlebt.  Das  liebenswürdige  Büchlein  ist  hier  auch  mit  seinen  charakteristischen 
Kupfern  geziert;  eine  knappe  Einleitung  orientiert  ausreichend  und  anspruchslos.  *^^) 

—  Ueber  F  r  ö  b  e  1  schrieb  Pappenheim  490-4«  i),  der  auch  seiner  getreuen  Schülerin 
Bert  ha  von  Marenholtz  ein  Denkmal  setzte.  —  Ein  pädagogischer  Specialist, 
Stamford,  hervorragend  als  Militärlehrer,  wird  von  Pröhle45>2)  geschildert:  Mau- 
villons  Nachfolger,  der  Erzieher  des  Prinzen  Louis  Ferdinand  (und  Friedrich  Wil- 
helms IIL),  selbst  Lyriker  im  Kreis  der  Bürger  und  Goeckingk,  lässt  er  uns  so  recht 
den  Abstand  zwischen  der  Zeit  der  Ewald  Kleist  und  unserer   Gegenwart  erkennen. 

—  Von  den  Gymnasialpädagogen  S  t  o  1 1 ,  der  uns  wohl  fast  alle  in  die  Sagen  des 
klassischen  Altertums  eingeführt  hat  —  Koldewey^a»)  schrieb  über  ihn  —  und 
K.  S  t  r  u  V  e*^^'»)  kommen  wir  mit  M  a  s  i  u  s  494)  auf  die  Universitäten  und  zu 
Virch  0  w  s*^^)  viel  besprochener  Rektoratsrede,  Sie  charakterisiert  kurz  die  Blüte- 
zeiten der  Philosophie  in  Halle  (S.  14),  Königsberg  (S.  15)  und  Berlin:  Fichte  (S.  16), 
Hegel  (S.  16/7),  Schelling  (S.  18)  und  Friedrich  Wilhelms  HI.  Stellung  zur  Philosophie 
(S.  19).  A.  von  Humboldt  (S.  22)  bedeutet  ihm  den  definitiven  Uebergang  in  die 
naturwissenschaftliche  Zeit,  die  aber  doch  (S.  29)  vor  dem  Mystizismus  nicht  sicher 
ist.  Vielleicht  kann  sie  doch  auch  die  Hülfe  von  Geschichtsforschung  und  Philologie 
noch  fürder  gebrauchen.496)  —  Fichte49''-498)  selbst  gehört  mehr  zu  den  „Volks- 
erziehern"  als  zu  den  eigentlichen  Pädagogen;  dagegen  ist  an  Männer  wie  Stein- 
brüchel  und  Rochholz  nochmals  zu  erinnern  (s.  o.  N.  359,  390).  — 

Pädagogen  und  oft  Volkserzieher  wollen  auch  die  besseren  Journalisten 
sein.  Eine  ganze  Reihe  von  Uebersichten  von  Franck499),  Mähly  ^oo-50ij  u.  a. 
handelt  über  die  Presse  im  allgemeinen  oder  einzelne  Seiten  derselben. ^os'j  —  Specieller  be- 
handelt Osk.  Lehmann ^03j  ^{q  deutschen  moralischen  Wochenschriften  des  18.  Jh. 
als  pädagogische  Reform  Schriften.  504-)  —  Auch  dies    Jahr   hat    ein    Paar   Zeitungs- 

473)  B.  Alberti,  W.  Stolze:  ADB.  36,  S.  425/8.  -  474)  X  E.  Erfindergenie  (v.  Drais):  StrassbPost.  N.  275.  -  475)  M. 
Cantor,  J.  Steiner:  ADB.  35,  S.  700/3.  —  475a)  X  ^'-  Stieda,  Wilh.  Strnve:  ib.  36,  S.  693/8.  —  476)  Lettau,  J.  G. 
Hamann  als  Geisterverwandter  d.  Comenius:  MhComeniusG.  2,  S.  201-13.  —  477)  (I  6  :  56.) —  478)  F.  Brandes,  J.  H.  Steffens: 
ADB.  35,  S.  558/9.  -  479)  X  (I  6  =  44.1  —  480)  X  N.  Anastasiu,  Salzmann  als  Erzieher.  Diss.  Leipzig.  1892.  53  S.  — 
481)  X  A.  Gündel,  Leben  n.  Wirken  E.  Chr.  Trapps.  Diss.  Leipzig.  1892.  53  S.  (Vgl.  JBL.  1892  I  10:49.)  -  482)  X 
(I  6:48.)  —  483)  X  P-  Diebow,  D.  Pädagogik  Schleierraachers  im  Zusammenhange  mit  seiner  Philos.  n.  d.  Bildungs- 
bestrebungen seiner  Zeit.    Diss.    Halle  a.  S.    31  S.  —  484)  X  d  6:49.)  —  485-486)  X  M.  Ring,  F.  L.  Jahn:  NatZg».  N.  10/2. 

—  487)  X  Stammbuchbll.  F.  L.  Jahns:  BurschenschBll.  7  (S.-S.\  S.  169-71.  —  488)  J.  C.  F.  Guts  Muts,  Gymnastik  für  d. 
Jugend,  ünveränd.  Ausg.  d.  ersten.  1793  erschienenen  Aufl.,  veranst.  v.  G.  Lukas.  Wien  u.  L.,  A.  Pichler.  XVII,  258  S. 
Mit  11  Taf.  M.  2,00.  (Vgl.  anoh  I  6:14.)  —  489)  X  K.  Waasmannsdorff ,  Guts  Muts  1793-1893,  D.  Kupfer  u.  Einiges 
V.  Texte  d.  1.  Turnnnterrichtsbuches  d.  Welt,  „Schnepfenthal  1793".  Mit  e.  turngesch.  Einl.,  e.  Facs.  d.  Hs.  Jahns  in  Schnepfen- 
thal, d.  Idealturnplatz  Basedows  v.  J.  1771.  L.  (E.  Strauch).  16».  43,  XXIV  S.  u.  S.  139-57.  M.  0,80.  -  490)  (I  6  :  53a.)  - 
491)  E.  Pappenheira,  Bertha  Freifrau  v.  Marenholtz,  geb.  v.  BOlow:  YossZgB.  N.  12.  —  492)  H.  Pröhle,  H.  W.  v.  Stamford: 
ADB.  35,  S.  24/6.  —  493)  F.  Koldewey,  K.  W.  Stell:  ib.  36,  S.  401/2.  —  493a)  X  (1  6:74.)  -  494)  X  H.  Masius : 
IllZg.  100,  S.  603/4.  —  495)  X  (I  6:90.)  —  496)  X  E.  Haufe,  Freidenkertum  u.  Pädagogik:  KBlDFreidenkerbund.  9,  S.  91/3. 

-  497)  X  Neufeld,  Fichtes  Plan  e.  Nationalerz.:  PommerscheBll.  17,  S.  121/3,  130/1.  -  498)  X  W.  Fricke,  Fichtes  Reden 
an  d.  dtsch.  Nation  u.  ihr  Verhältnis   z.  Gegenw.:    AkBll.  8,    S.  16/8.  499)    A.    Franck,    Reformateurs    et   publicistes  de 

I'Europe:  Ath.  2,  S.  415/6.  —  500-501)  J.  Mähly,  D.  öffentl.  Presse:  SohwRs.  1,  S.  717-29.  -  502)  X  0-  J-  Bierbaum, 
Moderne  Pamphletschreiberei:  FrB.  4,  S.  1.3303.  —  503)  (I  6:250;  III  5:49.)  —  504)  X  E.  V.  Zenker,  Gesch.  d.  Wiener 
Journalistik  während  d.  J.  1848.    E.  Beitr.  z.  dtsch.  Kulturgesch.    Wien,  Braumüller.    XI,  159  S.    M.  4,00.    |[LCB1.  S.  479-80; 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  öos-öis 

biographien  gebracht.  Der  Bericht  der  Weser-Zeitung-  von  Lindemann^'>^) 
hat  nach  dem  ersten  Redakteur,  Arens,  den  Shakespeareforscher  Delius,  den  Bremer 
Senator  und  Dante-Üebersetzer  Gildemeister,  den  Dichter  des  Mirza  Schaffy,  Bodenstedt, 
den  Historiker  Frese  und  den  Generalpostmeister  Stephan  unter  den  Redakteuren 
und  Mitarbeitern  zu  nennen.  —  Die  „Neue  Zeit"^*^*),  die  socialdemokratische  Revue, 
hat  eine  nicht  weniger  stattliche  Reihe  von  Namen  aufzuweisen,  allerdings  nur,  indem 
sie  sich  als  direkte  Fortsetzung  ähnlicher  Unternehmungen  giebt:  der  „Deutsch-fran- 
zösischen Jahrbücher",  der  „Neuen  Rheinischen  Zeitung"  u.  a.  Hier  werden  Marx, 
Rüge,  aber  auch  Freiligrath  erwähnt  und  bei  Besprechung  anderweitiger  Tendenzen 
Weitling  und  Kinkel  beurteilt. ^o'-so«)  —  Kraus^^g-sioj  giebt  Auszüge  aus  dem 
hochkonservativen  „Volksblatt  für  Stadt  und  Land"  unter  der  Leitung  des  eifrigen 
Tippeiskirch  und  des  talentvolleren  Florencourt.  —  Brunold^*')  erinnert  an  eine 
vergessene  Zeitschrift  mit  dem  lustigen  Titel  „Laufen  Sie  doch  nicht  so!"  — 

Wir  kommen  zu  den  einzelnen  Journalisten.  Einen  interessanten  Brief 
Schub  arts  teilte  Erich  Schmidt-"*''^)  mit.  —  Aber  ein  Gegner  Schubarts  hat  von 
allen  deutschen  Journalisten  zuerst  eine  wissenschaftliche  Biographie  erhalten. 
Böhms^iäj  „Ludwig  Wekhrlin",  trotz  Vaihingers  Kant-Kommentar  und  Kuno 
Fischers  „Schopenhauer"  wohl  das  meistbesprochene  Buch  des  Berichtsjahres  auf  unserem 
Bezirk,  hat  die  Aufmerksamkeit  weiter  Kreise  auf  einen  fast  ganz  Vergessenen  zu 
lenken  gewusst.  Das  ist  schon  kein  geringes  Verdienst;  ein  grösseres  ist  es,  dass 
B.  von  dem  abenteuerlichen  Leben  und  der  zerflatternden  Thätigkeit  Wekhrlins  zum 
ersten  Mal  ein  zuverlässiges  Bild  giebt.  Die  Schwierigkeiten  waren  nicht  gering, 
nicht  bloss  weil  Wekhrlins  Schriften  und  Briefe  selten  sind,  sondern  besonders  auch, 
weil  er  selbst  durch  allerlei  Flunkereien  (vgl.  z.  B.  S.  37,  106-51,  190,  199,  202) 
seine  Spur  verdunkelt  hat.  Mit  emsigem  Fleiss  ist  sein  neuer  Biograph  den  Quellen 
nachgegangen,  w^ährend  die  früheren,  wie  er  selbst  spottet,  „mit  mehr  deutscher  Treue 
als  deutscher  Gründlichkeit"  (S.  42)  einer  den  anderen  ausgeschrieben  hatten.  In  der 
Ausdeutung  von  Anspielungen  oder  vermeintlichen  Selbstzeugnissen  ist  B.  mit  Recht 
sehr  vorsichtig  gewesen;  doch  hat  er  sie  gelegentlich  (S.  31)  sehr  glücklich  zur  Auf- 
hellung dunkler  Stellen  verwandt.  Nie  hat  er  es  sich  aber  erlaubt,  Lücken  unserer 
Kenntnis  durch  freie  Phantasien  auszufüllen,  wie  es  besonders  der  unglückliche 
Ebeling  thut,  der  für  Wekhrlins  Haft  auf  Hochhaus  einen  vertrauten  Umgang  mit 
dem  Fürsten  von  Wallerstein  erdichtete  (S.  210/1).  Auch  ist  B.  sicher  im  Recht, 
wenn  er  aus  einem  Artikel  Wekhrlins,  den  Ebeling  für  eine  überströmende  Satire 
erklärt  hatte,  vielmehr  eine  ernste  Philippika  gegen  die  Tierquälerei  herausliest 
(S.  265).  Sonst  möchten  wir  seine  Auffassung  des  abenteuernden  Publizisten,  die 
sich  übrigens  grosser  Objektivität  befleissigt,  nicht  immer  teilen;  mit  Recht  hat  ein 
Recensent  getadelt,  dass  B.  dem  „Boheme"  und  seinen  übermütigen  Erfindungen  und 
Gelegenheitsfinten  mit  allzuviel  Ernst  gegenübertritt.  Wekhrlin  hatte  nicht  umsonst 
einen  Tropfen  des  berühmten  Ludwigsburger  Blutes  in  den  Adern  und  der  Verwandte 
Mörikes  (dessen  Mutter  als  Kind  den  alternden  Mann  bezauberte,  s.  S.  275)  hat  gewiss 
oft,  mehr  mit  naiver  Erfindungslust  als  mit  böser  Absicht,  seine  Arabesken  von 
grossen  Gönnern  und  schönen  Aussichten  hingemalt.  „B.",  sagt  jener  Recensent  zu- 
treffend, „nimmt  das  freie  Spiel  der  Phantasie,  die  renommistischen  Aufschneidereien, 
hinter  denen  sich  bald  ein  ganz  bestimmter  Zweck  verbirgt,  bald  nur  die  Lust  am 
Fabulieren  steckt,  halb  und  halb  auf  Treu  und  Glauben  hin.  Er  hat  keine  richtige 
Empfindung  für  das  Jägerlatein  seines  fahrenden  Journalisten,  für  das  Gemisch  von 
ehrlicher  Ueberzeugung  und  opportunistischer  Anschmiegsamkeit,  für  die  kleinliche 
Spiessbürgerei  und  grossmäulige  Renommage,  für  das  Versteckenspiel  hinter  schlank- 
weg angemasstem,  falschem  Adelsprädikate  und  Beamtentitel,  welche  Wekhrlin  vor 
den  kleinstaatlichen  und  kleinstädtischen  Behörden  ein  Lustre  geben  mussten,  für 
des  Mannes  grosses  Pumpgenie,  der  dabei  als  ehrlicher  Arbeiter  im  Schweisse  des 
Angesichts  mit  der  Feder  sein  Brot  verdiente."  „Ebenso  wenig  arbeitete  B.  den  be- 
deutenden Publizisten  aus  seinem  Milieu,  aus  der  entsetzlichen  politischen  Misere 
der  damaligen  Zwergstaaterei  im  Deutschen  Reiche  entsprechend  heraus."  Muss  ich 
diese  Worte  auch  als  eine  zutreffende  Berichtigung  und  Ergänzung  des  von  B.  g*e- 
zeichneten  Bildes  gelten  lassen,  so  fordert  doch  die  Gerechtigkeit,  hinzuzufügen,  dass 
B.  direkt   zwar   wenig,    indirekt   aber   mehr  als  irgend  ein  Vorgänger  für  das  Ver- 

ADA.  19,  S.  79-85;  Grenzb.  1,  S.  1023.]l  -  505)  M.  Lindemann,  E.  Rückbliclc  auf  d.  Gesch.  d.  We^erZg.:  WeserZ?.  N.  16913  4. 
—  506)  Z.  lOj.  Bestand  d.  „NZ":  NZ.  1,  S.  1-11.  —  507 1  X  B-  W.,  Aus  d.  Zeitung  vor  10)  J.:  NFPr.  19.  Jan.  -  508)  X 
G  Bujard,  Aus  d.  Tagebuch  e.  Provinz-Zeitung.  1843-90.  E.  Beitr.  z  Gesch.  d.  Zeitung-swesens.  Neuenburg  (L.  G.  Fock).  32  S. 
M.  1.50.  —  509)  0.  Kraus,  D.  Volksbl.  für  Stadt  u  Land  unter  F.  v.  Tippelskirch :  KonsMsohr.  S.  129-4%  241-56.  -  510) 
id.,  D.  Volksbl.  für  Stadt  u.  Land  unter  F.  v.  Florencourt:  ib.  S  369-85,  481-99.  —  511)  F.  Brunold,  „Laufen  Sie  doch 
nicht  Bo!"  Erinnerung  an  e.  vergess.  Zschr. :  Bär  19,  S.  284  5.  —  512)  Erich  Schmidt,  Brief  Schubiirts  an  Prof.  Nast; 
Brief  Franziskas  v.  Hohenheim.  Mitteilung  in  GDL.  (März):  DLZ.  S.  13701.  —  513)  (I  4:134.)  |[K.  Th.  Heigel:  DLZ. 
8.  1361;  Presse  N.  147;  E.  Wasserzieher:  COIRW.  21,  S.  572;  DPBl.  26,  S.  184:  H.  A.  Lier:  BLÜ.  S.  595  6;  DRs.  77, 
S.  319;    LZgB.  N.  80;    G.  Grnpp:  HPBU.  112,  S.  S81-96;    KonsMschr.  S.  1032/3;    LCBl.  S.  1181;    Didask.  N    133;  0.  Krack: 


IV  5:514-531  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

ständnis  von  Wekhrlins  Wesen  und  seines  Milieus  gethan  hat.  Die  Briefe,  die  er 
mitteilt,  zeig-en  das  g-utmütig-leichtfertige  Herz  des  schwäbischen  Aufklärers  so  an- 
schaulich, wie  etwa  das  Ratsprotokoll  (S.  78)  den  Glanz  kleinstädtischer  Senate. 
Zahlreiche  Proben  aus  Wekhrlins  Zeitschriften  illustrieren  sein  Verhältnis  zu  den 
grossen  Zeitfragen,  zu  Josef  IL  (S.  55)  und  der  französischen  Revolution  (S.  260/1). 
Zu  wenig  erfahren  wir  von  seinen  Mitarbeitern  (S.  248),  unter  denen  nur  Bahrdt  und 
der  „Zopfschulz"  genannt  seien ;  zu  wenig  auch  von  seinen  Gegnern  und  Konkurrenten : 
nur  mit  Schubart  sehen  wir  ihn  (S.  236)  im  Konflikt.  Von  seinen  Freunden  hätten 
Jung  Stilling  (S.  227),  Sailer  (S.  344,  246)  und  vor  allem  der  Ritter  von  Lang  eine 
genauere  Betrachtung  verdient;  des  letzteren  Angaben  über  seinen  Fürsten  werden 
(S.  178)  mit  zweifelhafter  Berechtigung  bestritten.  Im  allgemeinen  aber  hütet  sich 
B.  allzu  ängstlich  über  das  direkt  Biographische  hinauszugehen.  Dies  bringt  freilich 
immer  noch  mancherlei  Seitenblicke  mit  sich:  wir  hören,  wie  der  gescheite  Publizist 
über  van  Swieten  (S.  34)  und  über  den  „Kardinal-Patriarch  von  Zürich",  Lavater 
(S.  129),  urteilt,  wie  seine  Bibliothek  aussieht  (S.  103,  171),  und  dass  er  Wielands 
Büste  als  Schmuck  der  armseligen  Wohnung  aufstellt  (S.  103);  wir  begegnen  dem  um  die 
Leibnizforschung  hochverdienten  Dutens  (S.  39)  und  lesen  eine  interessante  Ver- 
fügung Hardenbergs  zur  Pressfreiheit  (S.  299).  Auch  ist  es  nicht  uninteressant,  zu 
hören,  dass  1780  in  Nördlingen  der  „Clavigo"  mit  dem  Nebentitel  „oder:  Wie  der 
innerliche  Schmerz  töten  kann"  aufgeführt  wurde  (S.  169),  oder  dass  der  Prediger 
Lang,  des  Ritters  Oheim  und  Pflegevater,  einer  Predigt  die  Ueberschrift  gab:  „Die 
Pflicht  des  christlichen  Menschenfreundes,  anderen  gern  einen  vergnügten  Abend  zu 
machen"  (S.  233).  Wekhrlins  Sprache  scheint  der  Eigenheiten  nicht  zu  ermangeln 
r„mutter  -  blitz  -  nackt"  S.  229),  aber  B.  versäumt  sie  zu  würdigen;  und  doch  hätte 
diese  Aufmerksamkeit  ein  Autor  verdient,  der  vielleicht  Goethen  einen  vielcitierten 
Vers  an  die  Hand  gab  („Ich  mag  die  Hirtendichter  nicht  —  sie  verderben  mir  die 
Natur"  S.  222).  Solche  Ausstellungen  entheben  uns  aber  keineswegs  der  Pflicht, 
für  ein  lehrreiches,  sorgsames  und  (trotz  dem  furchtbaren  Genetiv  „eines  Anachronis- 
musses"  S.  178)  gutgeschriebenes  Buch  zu  danken.  B.s  Werk  gehört  gewiss  zu  den  be- 
merkenswertesten Bereicherungen  unserer  Kenntnis  von  der  „kleinen  Litteratur"  unserer 
klassischen  Zeit;  und  was  etwa  Nördlingen  einst  an  Wekhrlin  gesündigt  hat,  das 
hat  ein  Sohn  der  alten  Reichsstadt  mit  dieser  Arbeit  gesühnt,  und  ein  Nachkomme 
von  Wekhrlins  Nördlinger  Verleger  hat  das  mit  zwei  hübschen  Porträts  geschmückte 
Buch  würdig  ausgestattet. 

Eine  der  vielen  Fortsetzungen  von  Wekhrlins  Zeitschriften,  das  „Neue 
graue  Ungeheuer",  brachte  als  Begleiter  eine  Schmähschrift  auf  Chemnitz  mit,  über 
die,  wie  über  die  schwache  Widerlegung,  die  Lessings  Bruder  Joh.  Theophilus 
ihr  angedeihen  liess,  Uhle^'^)  mit  ausführlichen  Proben  berichtet.  —  Auch  Saphir^*^) 
ist  mehr  Pamphletist  als  Journalist.  —  Aber  der  Oesterreicher  Spors  chil,  über  den 
Wegele^^^)  berichtet,  und  der  Bremer  S  piker,  von  dem  Pröhle^*'')  handelt,  sind  rechte 
Journalisten ;  der  letztere  war  als  Mitglied  des  dramaturgischen  Komitees  am  Berliner 
Schauspielhaus  und  als  Redakteur  der  Spenerschen  Zeitung  längere  Zeit  nicht  ohne 
Einfluss.  Beide  haben  auch  Uebersetzungen  geliefert.  —  Eine  ähnliche,  nur  noch 
selbständigere  Stellung  hatte  Streit  in  Breslau,  dessen  Theaterverwaltung  Holtei 
(nach  Grünhagen  s^'^)  Nachricht)  höchlich  lobte,  und  der  den  Schlesischen  Provinzial- 
blättern  eine  hervorragende  Bedeutung  sicherte.  —  Dagegen  hat  Stegmann,  über 
den  Petz  et  ^1^)  schreibt,  der  „Allgemeinen  Zeitung"  noch  nicht  auf  die  Höhe  ver- 
helfen, die  sie  später  erreichte.  —  Der  altkatholische  Publizist  Stumpf^^"),  der 
deutschamerikanische  Journalist  Raster ^^i-j^  (jer  Wien-Berliner  Tagesschriftsteller 
Wechsler^22-)  haben  es  zu  grösserer  Bedeutung  nicht  gebracht,  Steinmann,  der 
fingerfertige  Litterat,  den  Fränkel^^^)  zu  besprechen  hatte,  kam  nur  durch  seine 
Heine-Fälschungen  zu  schlimmem  Ruf.  —  Dagegen  erhebt  Schmidt-Weissen- 
f  el  s^24-525^^  (jej.  Biograph  Freiligraths,  der  Historiker  der  Berliner  Parlamente,  sich 
schon  zu  grösserer  litterarischer  Bedeutung.  —  Spitzer  aber,  den  neben  anderen^^e-sis^ 
Erich  Schmidt 529^  ^j^^j  Speidel^^o)  würdigten,  hat  mit  Recht  in  der  ADB.,  wo 
ihn  Frank  eP^ij    behandelte,    Aufnahme   gefunden   als    einer    der   ersten    Feuille- 

NatZg.  N.  729;  KZg.  N.  565;  FränltKnr.  N.  270.] I  —  514)  P.  Uhle,  E.  Schraähscbr.  auf  Chemnitz  ans  d.  vorig.  Jh.  mit  Er- 
widerung V.  J.  Th.  Lessing.  {—  I  4:385,  S.  51-73;  vgl.  I  6:  12.)  —  515)  X  M.  Gt.  Saphirs  Bibl.  gegen  Liingeweile.  11  Bde. 
(Einzel-Ansg.  d.  ausgew.  Schriften.)     Brunn,  Karaflat  &  Sohn,     ä  M.  1,20.     (1.  Romane,  Novellen.  [255  S.]  —  2  Blüthen.  [248  S.] 

—  3.  Humorist.  Allerlei.  [252  S.]  —  4.  Humorist.  Bll.  [252  S.]  —  5.  Humorist.  Vorlesungen.  [252  S.]  -  6.  Humorist.  Plaudereien. 
[252  S.]  —  7.  Ernste  DeWamationsgedichte.  [235  S.]  —  8.  Heitere  Deklamationsgedichte.  [316  S.|  —  9.  Litt.-artist.  Plaudereien. 
[252  S.]  —  10,  Aphoristisches,  Memoiren.  [234  S.]  —  11.  Wilde  Rosen,  Liebesgedichte  an  Hertha  u.  Mathilde.  [127  S.])  —  516} 
F.  X.  Wegele,  J.  Ch.  Sporschil:  ADB.  35,  S.  277/8.  —  517)  H.  Pröhle,  S.  H.  Spiker:  ib.  S.  164,6.-  518)  C.  Grünhagen, 
K.  K.  Streit:  ib.  36,  S.  .564/5.  —  519)  C.  Petzot,  K.  J.  Stegmann:  ib.  3"),  S.  564/5.  —  520)  X  F.  H.  Reusch,  Th.  Stumpf: 
ib.  36,  S.  756/7.  —  521)  X  F.  Schupp,  E.  dtsch.-amerik.  Journalist  (Raster):  BerlTBl.  N.  HO.  -  522)  X  E.  Wechsler: 
FZg.  N.  192.  —  523)  IV  4  :  89:  11, :  56.  —  524)  X  Ed.  Schmidt- Welssenfeis.  E.  Nachruf:  BerlTBl.  N.  209-10, 
212.    —    525)    X    L.    Salomon,     Ed.    Schmidt-Weissenfels:    lUZg.    100,    S.    490.    —    526)    X    I>-    Spitzer:    NFPr.    12.    Jan. 

—  527)  X  D.  Spitzer:  UlZg.  100,  S.  130.  -  528)  X  D.Spitzer:  Ath.44,S.89.  —  529)  Erich  Schmidt,  D.  Wiener  Spazier- 
gänger: VossZgU.  N.  4.  —  530)  L.  Speidel,  D.  Spitzer:  NFPr.  15.  Jan.  -  531)  L.  Fränkel,  D.  Spitzer:  ADB.  36,  S. 785/6. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  53:^-548 

tonisten  Deutschlands  und  in  seiner,  speciell  vom  Jungen  Deutschland  eingeführten 
Form  Heines  letzter  Erbe.  — 

Politiker  sind  schon  alle  diese  Journalisten;  aber  doch  eben  immer  mehr 
an  der  schriftstellerischen  Verbreitung  der  politischen  Gedanken  beteiligt  als  an 
ihrer  Umsetzung  in  die  Praxis.  Dies  aber  ist  es,  was  den  Politiker  von  Beruf,  den 
Staatsm  ann,  macht.  Freilich  kann  ihm  leicht  der  Weg  zur  Praxis  verlegt 
werden,  so  dass  er  in  die  journalistische  Bahn  geworfen  wird.  So  ging  es  F.  K. 
von  Moser,  dessen  vielfach  an  die  moderne  Demokratie  erinnernde  Lehren  R.  M. 
Meyer532J  (hauptsächlich  auf  Grund  des  „Herrn  und  Dieners")  schilderte,  während 
L  ö  b  e  1 1  ^^^)  Mosers  Gegner  Merck  als  politischen  Autor  behandelte ;  er  analysiert 
dessen  Schrift  gegen  den  hessischen  Minister  und  sucht  Mercks  Gehässigkeit  zu 
motivieren  oder  doch  zu  entschuldigen.  —  Bei  anderen  bringt  gerade  das  Amt  eine 
publizistische  Thätigkeit  mit  sich,  wie  bei  dem  hannoverschen  Juristen  Strube,  den 
F  r  e  n  s  d  0  r  f  f  ^34^  Q^g  vorführt.  —  Recht  in  die  Mitte  der  josefinischen  Periode  führen 
Karl  Friedrich  von  Baden,  denFunck^^^)  in  La vaters  Physiognomischen  Fragmenten 
aufsucht,  und  Struensee,  dessen  wechselvolle  Laufbahn  Wittich  ^3^)  uns  vorführt.  — 
Für  uns  ist  er  schon  als  Held  von  M.  Beers  Trauerspiel  von  grösserem  Interesse  als 
sein  (durch  von  P  etersdorff^^'')  beurteilter)  Bruder,  der  preussische  Minister, 
Th.  von  Schöns  Gönner,  aber  (wie  Friedrich  Wilhelm  III.)  aller  „Poesie"  abgeneigt 
und  nur  an  Lichtenbergs  Prosa  Behagen  findend.  Auch  er  hatte  als  Lehrer  der 
Kriegskunst  begonnen,  ohne  es  darin  zu  solchem  Ruhm  zu  bringen  wie  Stamford. 
oder  gar  Erzherzog  Karl^^^'^^^).  —  Zu  den  Höfen  führen  uns  auch  die  beiden 
(von  Sam  wer  ^*ö"^4i)  geschilderten)  Stockmar.  Der  ältere  hat  wie  Struensee  sich  vom 
Arzt  zum  Vertrauten  von  Fürsten  erhoben;  das  Amt  aber,  das  jener  leichtsinnige 
Abenteurer  schnöde  missbrauchte,  hat  er  nur  immer  im  höchsten  Sinne  ausgenutzt. 
Sein  weniger  bedeutender  Sohn,  der  Privatsekretär  des  späteren  Kaisers  Friedrich, 
hat  wie  der  Vater  stets  zu  litterarischen  Kreisen  Beziehungen  gehabt;  er  war  mit 
G.  Freytag  und  Heinrich  Rückert  befreundet  und  H.  Hettners  Schwager.^^^j  _  ^Is 
Diplomat  von  geringerer  Geltung  hat  Bamberg^*^"^^*),  Hebbels  Freund  und  der 
Herausg'eber  seines  Nachlasses,  um  die  Litteraturgeschichte  noch  direktere  Verdienste. 

—  Das  Leben  des  Schweizer  Staatsmanns  A.  R.  von  Planta,  durch  P.  C.  von  Planta^*^) 
geschildert,  berührt  den  Litterarhistoriker  insofern,  als  es  die  alte  Tradition  der 
schweizerischen  Aufklärer  in  ungebrochener  Kraft  zeigt.  Wie  diese  Iselin,  Bonstetten 
und  Zschokke  (den  man  ja  doch  den  Schweizern  zurechnen  darf),  wie  auf  der  Gegen- 
seite Haller,  üsteri  und  Bitzius,  vereinigt  Planta  in  sich  den  politischen  Partei- 
führer, den  wirtschaftlichen  Reformer  und  den  grossen,  allgemeinen  Interessen  zu- 
gewandten Schriftsteller.  Die  grosse  Rede  (S.  69—70),  die  schönen  Worte  über  die 
politische  Aufgabe  der  Schweiz  (S.  61),  das  Revisionsprogramm  (S.  49—50)  und  die 
,, Bauernrede"  (S.  79)  zeigen  die  parlamentarische  Beredsamkeit  der  Schweiz  auf  un- 
verächtlicher Höhe,  während  die  Klagen  über  den  Bureaukratismus  (S.  73)  beweisen, 
wie  eine  ringsum  iDcklagte  Exklusivität  des  Beamtentums  selbst  in  der  alten  Bauern- 
republik Wurzel  fasst.  Auch  für  das  „Milieu",  innerhalb  dessen  der  grosse  Stadt- 
schreiber von  Zürich  seine  reifen  Werke  schrieb,  hat  dies  einfach  und  schlicht  in  ur- 
kundlicher Form  gegebene  Bild  eines  Mannes  Bedeutung,  dessen  Heimat  und  Familie 
gleichzeitig  auf  den  Boden  des  „Georg  Jenatsch"  führt  und  somit  auch  zu  dem 
zweiten  bedeutenden  Schweizerdichter  unserer  Tage.  — 

Von  diesen  Staatsmännern  gehen  wir  zu  den  Agitatoren  über,  deren 
Reihen  E.  M.  Arndts  ruhmvoller  Name  eröffnen  solP*^).  Die  neue  Auswahl  seiner 
Werke  schreitet  fort.^*"')  —  Zu  den  wertvollsten  Gaben,  die  das  Berichtsjahr  uns  ge- 
bracht hat,  gehören  jedenfalls  die  von  Meisner^*^)  veröffentlichten  und  erläuterten 
Briefe  an  Johanna  Motherby  von  Wilhelm  von  Humboldt  und  Arndt.  Der  grösste 
Teil  fällt  in  die  Jahre  der  Befreiungskriege;  man  sollte  meinen,  da  wäre  für  jene 
beiden  mächtigen  Führer  der  nationalen  Bewegung  keine  Zeit  gewesen  zum  „buch- 
stabieren in  Liebes-Fibeln,  tändelnd  grübeln  nur  am  Liebeln,  müssig  liebeln  fort  im 
Grübeln."     Dennoch  kennzeichnen  gerade  diese  Worte  Arndts  Briefe  am  treffendsten. 

—  532)  B.  M.  Meyer,  E.  frommer  Demokrat:  VossZg».  N.  24.  —  533)  R.  Löbell,  J.  H.  Merck  als  Vf.  d.  Anti-Necker  u. 
F.  K.  ?.  Moser:  QBllHVHessen.  1,  S.  256-91.  -  534)  F.  Frensdorff,  D.  G.  Strube:  ADB.  36,  S.  635,9.  —  535)  H.  Funck, 
Karl  Friedrich  t.  Baden  in  Laraters  Physiognom.  Fragmenten:  ZGORh.  8,  S.  1324.  —  536)  K.  Wittich,  J.  Fr.  v.  Struensee: 
ADB.  36,  S.  647-61.  —  537)  H.  v.  Petersdorff,  K.  A.  t.  Struensee:  ib.  S.  661  5.  —  538)  X  Karl,  weil.  Erzherz.  v.  Oesterr., 
Ausgew.  Schriften.  Her.  im  Auftr.  seiner  Söhne,  d.  Herren  Erzherz.  Albrecht  u  Wilhelm.  2  u.  3.  Bd.  Wien,  Braumäller. 
VII,  415  S.;  VI,  432  S.  M.  7,00;  7,50.  HPresse  N.  123,  266.]|  —  539i  X  W.,  Aphorismen  vom  Erzherz.  Karl  t.  Oesterreich: 
ÜLBI.  2,  S.  134/6.  —  540)  H.  A.  F.  Samwer,  Chrn.  v.  Stockmar:  ADB.  36,  S.  295-305  —5411  id.,  E.  A.  Ch.  Frhr.  v.  Stockmar: 
ib.  S.  305-15.  -  542)  X  Moltke  als  Schriftsteller:  Didask.  N.  280.  -  543)  X  ^  Bamberg:  BerlTBl.  N.  88.  —  544)  X  F.Bam- 
berg: AZgB.  N.  40.  —  545)  P  C.  V.  Planta,  A.  R.  ?.  Planta.  E.  republikan.  Staatsmann.  Zürich,  Inst.  Orell  Fössli.  170  S. 
M.  2,00.  —  546)  X  E-  M.  Arndt,  D.  Rhein,  Deutschlands  Strom,  aber  nicht  Deutschlands  Grenze.  Neudr.  d.  Leipziger  Ausg. 
V.  3.  1813.  Düsseldorf,  Silbermann.  92  S.  M.  0,40.  —  547)  id.,  Werke.  1.  einheitl.  Ausg.  seiner  Hanptschriften  bearb.  t. 
H.  Rösch.     2.  Bd.     L.,  Pfau.     VI,    216,    172,    23  S.     M.  3,00.     |[A.  Preybe:    KonsMschr.  3.  122;3.J[     -    548)  (IV  1  c  :  22.)  — 

Jahresberichte  f&r  neuere  dentsche  Litteratargesohichte.    lY.  (4)19 


IV  5:548  550  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Nicht  so  Humboldts;  bei  aller  Schwärmerei  bleibt  er  auf  die  Unabhäng-igkeit,  die  er 
sich  selbst  nachrühmt  und  in  höchst  bezeichnenden  Worten  (S.  54)  beschreibt,  be- 
dacht, und  lehrhaft  ist  Charlotte  Diedes  Korrespondent  auch  hier  (S.  43),  obwohl 
Varnhagen  mit  Recht  meinen  konnte,  man  würde  Humboldt  aus  diesen  Briefen  ganz 
anders  kennen  lernen  als  aus  jenen  allbekannten  (S.  5).  In  der  That  sagen  die  vier 
Briefe,  die  allein  von  Humboldts  Briefwechsel  mit  Johanna  Motherby,  der  Gattin 
eines  Königsberg-er  Arztes,  erhalten  sind,  mehr  als  ein  halbes  Hundert  Forsterbriefe. 
„Es  ist  nicht  notwendig,  glücklich  zu  sein,  aber  unerlässlich,  seine  eigentliche,  tiefe 
Bestimmung  zu  erfüllen;  auch  der  Seidenwurm  mag  nicht  glücklich  sein,  wenn  er 
sich  einspinnt,  aber  es  giebt  ein  Gefühl,  das  weit  mehr  als  Glück  ist,  die  Ruhe  der 
"Wehmut,  und  die  geht  allemal  aus  der  Erfüllung  der  Bestimmung  hervor.  Die  Be- 
stimmung aber  ist  in  jedem  Menschen  eine  eigne"  (S.  48).  Diese  Worte  geben  das 
Losungswort  zu  Humboldts  ganzem  Leben,  und  sind  für  ihn  deshalb  nur  um  so  mehr 
charakteristisch,  weil  sie  gleichzeitig  eine  Reminiscenz  an  Goethes  Tasso  und  eine 
Ermahnung  an  die  Freundin  in  sich  schliessen.  Geben  aber  schon  die  wenigen 
Briefe  Humboldts  eine  wichtige  Bereicherung  unserer  Kenntnis  von  ihm  und  zugleich 
einen  dankenswerten  Zuschuss  zu  dem  litterarischen  Nachlass  dieses  Meisters  im 
Briefstil,  so  sind  die  zahlreichen  Briefe  Arndts  ein  grosser  ungeahnter  Schatz.  An 
Leidenschaftlichkeit  und  Innigkeit  könnte  man  sie  fast  Goethes  Briefen  an  Frau 
von  Stein  vergleichen;  auch  die  wunderbar  individuellen  Anreden  kehren  wieder: 
„Kleine  Süssigkeit"  (S.  95),  „Mein  kleines  süsses  romantisches  Pipvögelein  der  Mitter- 
nacht" (S.  130),  „Mein  Blumenseelchen  und  Sternenseelchen"  (S.  201).  Wir  sind,  wie 
schon  diese  Proben  zeigen,  mitten  inne  in  der  Romantik,  und  auch  ihr  tiefster  Zug, 
die  Sehnsucht  nach  Auflösung  und  Vergehen,  kehrt  wieder  (S.  117,  129).  Dennoch 
trennt  den  tapferen  Kämpfer  eine  weite  Kluft  von  den  Brentano  und  Friedrich 
Schlegel:  Es  ist  das  leidenschaftliche  Pflichtgefühl,  das  ihn  beseelt  (S.  129,  161). 
„Dass  mich  das  Leben  doch  nie  matt  und  faul  machte"!  (S.  87)  —  hätte  das  der 
Autor  der  Lucinde  rufen  können?  Und  so  kämpft  Arndt  auch  tapfer  gegen|die  Ver- 
suchung (S.  139,  201);  er  findet  das  köstliche  Wort:  „Es  ist  Sünde,  dich  zu  lieben, 
doch  grössere  Sünde,  dich  nicht  zu  lieben"  (S.  155).  Wie  wir  ihn  hier  mit  dem 
mächtigen  Eindruck  einer  heissen  Liebe  ringen  sehen,  so  zeigen  andere  Briefe  ihn 
unter  der  vorübergehenden  Ansteckung  des  im  Kreise  der  Frau  von  Krüdener 
herrschenden  Tones  (S.  156);  andere  berichten  über  die  Anfänge  der  Universität  Bonn 
(S.  208),  über  die  Demagogenhetze  (S.  213),  über  sein  häusliches  Glück:  „In  meinem 
Hause  wimmeln  und  tosen  jetzt  fünf  kleine  Buben  umher,  feines  lebendiges  Volk, 
was  aber  Mühe  macht  und  auch  etwas  Bedrängnis  bei  knapp  zugeschnittenen  Umb- 
ständen  (sie).  Indessen  wünscht  sich  doch  jeder  dergleichen  Kräuter  und  Sprösslein" 
(S.  223).  Ein  glückliches  Schicksal  führte  den  wackeren  Reichsherold  doch  aus  den 
Netzen  der  kleinen  dunkeläugigen,  schwarzlockigen  „Furia"  in  ein  gefestetes  eigenes 
Heim ;  sie  aber  gewann  noch  zweimal  bedeutende  Männer  für  ihr  Herz :  den  Chirurgen 
Dieffenbach  (den  ich  immer  für  das  Modell  des  Arztes  in  der  „Letzten  Recken- 
burgerin"  gehalten  habe)  und  den  Shakespeare-Uebersetzer  Kauffmann;  in  inniger 
Gemeinschaft  mit  einer  anderen  verlassenen  Dichtergeliebten,  mit  Elise  von  Ahlefeld, 
hat  sie  ihre  letzten  Tage  verbracht  und  Varnhagens  Huldigung  empfangen.  Man 
sieht  also,  dass  diese  Briefsammlung  ausser  dem  litterarischen  Wert  vieler,  ja  fast 
aller  Stücke,  ausser  ihrer  Bedeutung  für  Humboldts  und  Arndts  Biographie  noch 
weiterhin  für  die  Litteraturgeschichte  der  Restaurationszeit  fruchtbar  ist.  Die  Heraus- 
gabe ist  mit  all  der  Sorgfalt  und  Geschicklichkeit  geschehen,  die  man  von  M.  ge- 
wohnt ist;  die  Ausstattung  ist  hübsch,  die  Korrektur  hätte  noch  etwas  sorgfältiger 
sein  können.549^  — 

Mit  Arndt,  den  die  Demagogenhetze  zum  Opfer  der  Reaktionszeit  machte, 
und  den  noch  bei  Heinrich  Leo  weder  das  Alter  noch  der  verdiente  Ruhm  vor 
Beschimpfung  schützen  konnte,  treten  wir  in  die  Aera  der  Verfassungskämpfe 
ein.  Zum  hundertsten  Geburtstag  Sylvester  Jordans  hat  Schaefer  ^^<')  „Lesefrüchte" 
aus  seinen  „Wanderungen"  mitgeteilt.  Die  „W^anderungen  aus  meinem  Gefängnisse" 
sind  kein  uninteressantes  Werk,  nicht  bloss  als  politisches  und  kulturhistorisches 
Monument,  sondern  auch  in  litterarhistorischer  Hinsicht.  Zwei  litterarische  Traditionen 
kreuzen  sich  in  ihnen:  die  „politischen  Reisen",  deren  bekanntestes  Beispiel  Längs 
Hammelburger  Satiren  sind,  und  die  „Reisen  im  Zimmer",  für  die  Xavier  de  Maistre 
der  Klassiker  geworden  ist.  Diese  Beziehungen  jedoch  wie  auch  die  interessante 
Frage  nach  dem  Verhältnis  von  Jordans  Buch  zu  E.  M.  Arndts  „Wanderungen  aus  und 
um  Godesberg"  (1844)  hat  der  von  Mollat  beratene  Aehrenleser  am  Boden  liegen 
lassen.     Ihnen  nachzugehen  war  er  ja  auch  nicht  verpflichtet,  aber  wohl  mit  seiner 


549)  XCl.  Th.  Perthes,  Fr.  Perthes  Leben  nach  dessen  schriftl.  u.  mündl.  Mitteilnngen  anfgezeichn.  3.  Bd.  7.  Anfl.  Gotha, 
Perthes.    VI,  588  8.    M.  7,00.     |[ThLBl.  14,  S.  149.]|   -  550)   Fr.  Schaefer,  Lesefrüchte  aus  Sylv.  Jordans  „Wanderungen.« 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  •.  551-5-3 

Auslese  doch  einig-ermassen  ein  Abbild  des  ganzen  Werks  zu  geben.  Leider  sind 
die  ausgewählten  Stellen  weder  an  sich  hervorragend  noch  bezeichnend.  Auch 
hätte  mindestens  Ein  grösserer  Abschnitt,  etwa  der  köstliche  über  die  „bestellte 
Konstitution"  mitgeteilt  werden  sollen.  Diese  disiecta  membra  hier  werden  den 
armen  Absj^rtus  nicht  wieder  lebendig  machen.  —  Das  „böse  Prinzip"  Hessens, 
Hassenpflug,  uns  noch  als  Schwager  der  Brüder  Grimm  interessant,  schildert  von 
Sybepsij  jnit  gewohnter  Meisterschaft.  —  Wie  anders  als  der  Freund  Vilmars 
fasste  ein  Bunsen,  von  Beyer  als  Vorläufer  des  evangelischen  Bundes  gefeiert  ^^2^^ 
die  Aufgabe  des  christlichen  Staatsmanns  auf  oder  gar  Stahl,  der  gerade  in  unseren 
Tagen  (durch  Treitschke  und  andere)  wieder  aufs  Schild  gehobene  Lehrer  des 
konservativen  Rechts  und  des  Rechts  der  Konservativen.  Landsbergs  ^^3)  vor- 
zügliche Biographie  weiss  Stahls  Standpunkt  wohl  von  dem  eines  J.  de  Maistre  oder 
L.  von  Haller  zu  scheiden  (S.  394)  und  stellt  ihn  und  Bunsen  als  „die  beiden  Typen 
des  religiösen  Charakters  in  vollendetem  Gegensatz"  neben  einander  (S.  397) :  „Es  ist 
der  Kampf  des  starr  theokratischen  reinen  Verstandesmenschen  von  felsenfester  Ueber- 
zeugung  mit  dem  tiefreligiösen  Gemüte  voll  idealen  Schwunges  und  humaner  all- 
seitiger Bildung."  Auf  eine  vortreffliche  Analyse  seiner  wichtigen  Vorträge  über 
„die  Parteien  in  Staat  und  Kirche"  folgt  eine  glänzende  Schlusscharakteristik  (S.  400): 
„Bürgerlich  einfach  in  seinen  Sitten,  peinlich  höflich  gegen  jedermann,  fein  und 
liebenswürdig  im  näheren  Umgang  und  von  unermüdlichem  Fleiss;  in  gewählter 
schwarzer  Kleidung  den  Eindruck  des  vornehmen  juristischen  Professors  demjenigen 
des  Geistlichen  annähernd;  ohne  Pathos,  aber  mit  scharfer  Stimme  redend,  —  so 
bildete  der  ein  stilles  und  glückliches  Familienleben  führende,  kleine,  zarte,  den 
Typus  seiner  Abstammung  in  der  äusseren  Erscheinung  deutlich  aufweisende  Mann 
gegen  die  Mitglieder  der  Partei,  deren  führender  Geist  er  zu  Lebzeiten  gewesen 
und  deren  geistiger  Heros  er  geblieben  ist,  einen  Gegensatz  von  geradezu  welt- 
geschichtlicher Ironie.  Er  selbst  scheint  nichts  derart  empfunden  zu  haben  —  in 
dieser  unerschütterten  Sicherheit  lag  ein  guter  Teil  seiner  Kraft."  —  Vergleicht  man 
mit  diesem  Mann  des  Prinzips  einen  stürmischen  Parteigänger  wie  Kleist-Retzow  ^^*), 
so  erscheint  er  kaum  weniger  als  Revolutionär  als  ein  Struve,  dem  auch  ein  Gegner, 
wie  sein  Biograph  Wipp  er  mann  55S),  „Mut  und  Wahrheit  im  Kampfe  für  sein  Ideal" 
nachrühmen  muss.  Jedenfalls  wäre  es  schwer  festzustellen,  auf  welcher  Seite  man 
sich  weiter  von  dem  „Rechtsboden"  entfernte,  den  der  alte  „Kammerliberalismus" 
so  streng  festhielt ;  einen  Vertreter ,  den  Braunschweiger  K.  Steinacker ,  schildert 
sein  Sohn  Ed.  Steinacker  ^^e-ssi^^  _ 

Als  die  Verfassungskämpfe  im  „Konflikt"  ^^8)  eine  neue  Schärfe  erfuhren, 
hatte  daneben  sich  schon  ein  neuer  stärkerer  Gegensatz  geregt:  der  der  social- 
politischen  Anschauungen.  Die  wohlthätige  Finanzpolitik  des  alten  preussischen 
Beamtentums  ^^9)  genügte  nicht  mehr  den  Forderungen  des  „vierten  Standes". 
Marx  560-562J  und  Engels  ^63-566)^  (jie  n^^  durch  üebersetzungen  auch  in  England 
und  Italien  socialistische  Klassiker  werden s^'),  bauten  die  Theorien  auf,  die 
Lassalle  568-569)  in  die  Agitation  einbrachte.  —  Zu  ihnen  tritt  Lothar  Bucher  ^''o-s^sj 
in  Beziehungen,  zu  dem  Historiker  Marx  und  dem  Redner  Lassalle  gesellt  sich  ein 
vortrefflicher  Schriftsteller.  Aber  die  Auswahl  von  Buchers  kleinen  Schriften 
politischen  Inhalts,  die  sein  Bruder  veranstaltet  hat^'S),  lässt  das  Merkwürdigste  an 
Bucher,  seine  Entwicklung  vom  alten  Achtundvierziger  zur  „rechten  Hand  Bismarcks", 
nicht  erkennen,  weil  sie  fast  ausschliesslich  Schriften  aus  seiner  späteren  Epoche 
bringt.  Eigentlich  zeigt  nur  die  „Vertheidigungsrede"  von  1850  (aus  England 
geschrieben)    noch   den    Unbekehrten.     Dennoch    ist   die    Sammlung   mit   Dank   zu 


Kassel,  G.  Th.  Fischer  &  Co.  20  S.  M.  0,40.  —  551)  H.  v.  Sybel,  H.  D.  Hassenpflug:  HZ.  71,  S.  48-67.  |[F.  Seelig: 
Hessenland  7,  S.  213  6.1|  —  552)  X  E.  Beyer,  Chr.  C.  J.  v.  Bunsen,  d.  Vorläufer  d.  evang.  Bundes  (JBL.  1892  lY  lh:121): 
ThLBl.  14,  S.  147.  —  553)  E.  Landsberg,  F.  J.  Stahl:  ADB.  35,  S.  392-400.  —  554)  X  M.  Gensichen,  Hans  v.  Kleist- 
Betzow.  Lebensbild.  Vortr.  B.,  Vaterland.  Verlagsanst.  24  S.  Mit  Bild.  M.  0,30.  |[ThLBl.  14,  S.  220.]|  -  555)  C.  Wipper- 
mann, G.  V.  StruTe:  ADB.  36,  S.  681/7.  —  556)  Ed.  Steinacker,  K.  Steinacter:  ib.  35,  S.  676-81.  —  557)  X  K.  E.  Raab, 
H.  T.  Raumer.  E.  biogr.  Versuch.  Erlangen,  Menclce.  X,  138  S.  Mit  Bild.  M.  1,60.  -  558)  X  B- PoteHjEr.  K.  L.  Starenhagen: 
ADB.  35,  S.  5335.—  559)  X  B-  Berner,  F.  Chr.  A.  t.  Motz  u.  G.  K.  Maassen:  DWBl.  S.  537/9,  547-50,  557-61.  —  560)  X 
K.  Marx,  Tlieory  of  value,  the  flrst  9  chap.  of  „Capital".  London,  W.  Reeves.  Sh.  1.  —  561-562)  X  Car.  Marx,  Capitale  e 
salario,  colla  biografia  dell'  autore  e  con  una  introduz.  di  F.  Engels.  Prima  traduz.  ital.  di  P.  Martignetti.  Milano, 
Critica  sociale  (tip.  degli  Operai).  16*.  59  S.  L.  0,25.  —  563-564)  X  C.  Marx  e  F.  Engels,  II  manifeste  del  partito  comunista 
con  un  nuovo  proemio  di  F.  Engels.  Versione  completa,  esegnita  suUa  5.  ed.  da  P.  Bettini.  ebda.  16°.  46  S.  L.  0,25. 
—  565)  X  E.  Engels,  Barbarie  et  Civilisation,  extr.  de  l'eTolution,  de  la  propriete  de  Tetat  et  la  famille.  (=  Bibl.  de  l'Ere 
nouT.  N.  1.)  Saint-Amand,  Pivoteau.  24  S.  —  566)  X  >d.,  L'origine  de  la  famille,  de  la  propriete  privee  et  de  l'etat  (pour 
faire  suite  aux  travanx  de  Lewis  H.  Morgan).  Trad.  franyaise  p.  H.  Rave.  Paris,  Carre.  XXXUI,  296  S.  —  567)  X  J- 
Bourdean,  Le  Socialisme  allemand  et  le  Nihilisrae  rnsse.  (Le  Parti  socialiste  en  Allemagne:  les  origines  philosophiqnes, 
Tagitation  politique,  Tesprit  et  la  doctrine.  Karl  Marx,  Ferdin.  Lassalle,  Michel  Bakonnine.)  (=  BibL  d'hist.  contemp.)  Paris, 
F.  Alcan.  1892.  322  S.  Fr.  3,50.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  lb:45.)  —  568)  X  E.  Bernstein,  F.  Lassalle.  (=  Social  Science 
Series.)  London,  Sonnenschein  Swan  *  Co.  Sh.  26.  —  569)  X  E.  Bernstein,  Lassalle,  as  a  Social  Reformer.  Transl.  by  El. 
Marx  Aveling.  ebda.  Sh.  26.  —  570)  X  W.  G.,  L.  Bucher  u.  K.  Marx:  VolksZg.  N.  221.  —  571-572)  X  Bischer  u.  Lasalle: 
NZ.  11,  N.  46.  —  573)  X  I--  Bucher,  Kleine  Schriften  polit.  Inhalts.    St.,  C.  Krabbe.    VII,  352  S.    M.  5,00.    IfAkBll.  8,  S.  226; 

4(19)* 


IV  5:573-578  R.  M.  Meyei',  Didaktik  des  18. /19.  Jahrhunderts. 

beg-rüssen.  Sie  fügt  dem  nicht  allzu  grossen  Vorrat  an  Staatsschriften  von  littera- 
rischer Bedeutung,  den  wir  besitzen,  eine  ganze  Reihe  interessanter  Stücke  bei  (bloss 
das  Selbstbekenntniss  „Nur  ein  Märchen"  war  schon  in  Posohingers  „Achtund- 
vierziger" abgedruckt),  darunter  eine  geistreiche  Rede  über  Schiller  als  Juristen 
(S.  72),  die  freilich  nach  neuerer  und  genauerer  Terminologie  eher  „Schiller  als 
Sooiolog"  heissen  müsste.  Sie  zeigt,  wie  Schiller  ("zumal  im  ,,Teir')  die  Stände 
gliedert,  und  sucht  nachzuweisen,  dass  seine  Auffassung  der  Rechtsentwicklung  der 
eines  Pufendorf  näher  stehe  als  dem  „Contrat  social"  Rousseaus  CS.  76).  Aber  weit- 
aus die  meisten  dieser  kleinen  Schriften  scheinen  der  Litteraturgeschichte  fern  zu 
bleiben:  sie  sind  dem  leidenschaftlichen  Kampf  gegen  England,  seine  innere  und 
äussere  Politik,  seine  Presse,  seine  Freihandelslehre  gewidmet.  Rucher  spricht  hier 
mit  dem  ganzen  glühenden  Hass  des  enttäuschten  Liebhabers;  England  ist  ihm  der 
Sitz  aller  Heuchelei,  und  alles  ist  Heuchelei,  was  dort  vorgeht.  Als  ob  nicht  der 
Eine  Name  Darwins  bewiese,  dass  auch  dort  noch  grossartig-schlichte  "Wahrhaftigkeit 
existiert!  Als  ob  nicht  auch  Frankreich  oft  genug  seine  Ländergier  unter  wohl- 
klingende Vorwände  versteckt  hätte!  Als  ob  nicht  auch  bei  uns  weite  Kreise  durch 
eine  Mischung  von  Selbstbetrug  und  bewusster  Heuchelei  den  Gegensatz  von  Leben 
und  Lehre  auszufüllen  verständen!  Dieser  Hass  gegen  das  „perfide  Albion",  der  z.B. 
in  dem  Aufsatz  über  denCobdenklub  (S.  180)  Bucher  zu  hässlichen  Verdächtigungen  jedes 
Freihändlers  hinreisst  und  der  überhaupt  in  seiner  fanatischen  Unbedingtheit  an 
den  Franzosenhass  der  Jahn  und  Wolfgang  Menzel  erinnert,  —  er  bedeutet  das 
Absterben  eines  in  unserer  Litteratur  lange  wirksamen  Zuges.  Steht  ja  doch 
Bucher  mit  seinem  Hass  auf  England  nicht  allein;  ich  brauche  nur  an  Treitschke 
zu  erinnern.  Und  doch  war  einst  der  edle  Engländer  eine  Lieblingsfigur  unserer 
Schriftsteller ,  wie  Buch  er  selbst  (S.  327)  bemerkt.  Er  führt  das  auf  Rousseaus 
Mylord  Edouard  in  der  „Neuen  Heloise"  zurück  —  zu  eng,  wie  ich  glaube.  Die 
Bewunderung  englischen  Wesens  im  Anfang  unseres  Jh.  entsprang  so  gesunden 
Wurzeln  wie  in  der  Zeit  der  Leibniz  und  Thoraasius  der  Hinweis  auf  französische 
Art.  Der  Gegensatz  gegen  deutsche  Pedanterie,  Unterwürfigkeit,  Unselbständigkeit 
hat  den  „idealen  Engländer"  in  die  deutsche  Litteratur  gebracht.  Nachdem  in  der 
Freundschaft  zwischen  Kant  und  Green  die  Annäherung  der  bis  dahin  fremden 
Nationen  sich  symbolisch  vorgebildet  hatte,  wies  vor  allem  Lichtenberg  auf  das 
englische  Muster  hin.  Er  stellte  den  deutschen  Gymnasiasten  „im  Haarbeutel,  gepudert, 
demütig  und  gespannt,  auf  den  mindesten  Druck  mit  einer  Menge  Gelehrsamkeit 
loszubrechen,  in  seinen  Meinungen  schlechterdings  nichts  anderes  als  der  kleine 
schlecht  kopierte  Papa  oder  Präceptor"  dem  jungen  Schüler  von  Eton  gegenüber : 
der  „hat  sein  reines  lockiges  Haar  um  die  Ohren  und  Stirne  hängen,  die  Miene 
blühend  .  .  .;  in  seinen  Meinungen  ist  er  bestimmt  und  eigen,  irrt  sich  tausend 
Mal,  aber  verbessert  sich  selbst"  (Werke  1,  S.  215).  Dieser  Gegensatz  wird  von 
Goethe  völlig  angenommen;  auch  er  stellt  die  jungen  deutschen  (belehrten  „kurz- 
sichtig, blass,  mit  eingefallener  Brust,  jung  ohne  Jugend"  den  Engländern  gegen- 
über :  „So  jung  und  siebzehnjährig  sie  hier  auch  ankommen,  so  fühlen  sie  sich  doch 
in  dieser  deutschen  Fremde  keineswegs  fremd  und  verlegen ;  vielmehr  ist  ihr  Auf- 
treten und  ihr  Benehmen  in  der  Gesellschaft  so  voller  Zuversicht  und  bequem,  als 
wären  sie  überall  die  Herren  und  als  gehöre  die  Welt  überall  ihnen"  (12.  März  1828 
mit  Eckermann,  Gespräche  6,  S.  294/5)  Ebenso  notiert  er  im  Tagebuch  (6,  S.  42, 
Apr.  1816):  „Vorzüge  der  Engländer,  Gewandtheit  im  Leben  und  Sprechen. 
Sicherheit  persönlicher  Gegenwart."  Nannte  doch  Herder  den  jungen  Goethe 
selbst  einen  „Mylord",  und  auf  Goethes  Anerkennung  aller  inneren  Unabhängigkeit 
und  Frische  beruht  die  bevorzugte  Stellung,  die  die  Engländer  in  Weimar  nicht 
nur  am  weltlichen,  sondern  auch  am  geistlichen  Hofe  (wie  es  im  Kotzebue-Streit 
hiess)  einnehmen.  Diesen  theoretischen  jungen  Engländer  übersetzt  dann  z.  B. 
Goethes  Verehrer  Hegner  (in  der  „Molkenkur")  in  die  litterarische  Praxis.  Die 
Bewunderung  des  Engländers  aus  der  politischen  Doktrin  heraus,  die  bei  Forster, 
Chamisso,  Heine  kräftig  einsetzt,  hat  erst  später  allgemeinen  Wiederklang  gefunden. 
Und  als  sie  sich  verbreitete,  trat  auch  gleich  die  Gegenströmung  auf,  deren  Abschluss 
eben  Lothar  Bucher  und  Treitschke  bedeuten:  schon  Immermann  verspottet  im 
„Tulifäntchen"  den  englischen  Maschinenmann  mit  seinem  wohlregulierten  Innern. 
So  haben  wir  hier  eine  bedeutsame,  kultur-  und  welthistorisch  wichtige  Entwick- 
lung vor  Augen  und  Lothar  Buchers  Hass  gegen  England  —  der  vielleicht  sogar 
den  grossen  Reichskanzler  gelegentlich  zu  ungewöhnlicher  Schärfe  des  Tons 
der  englischen  Diplomatie  gegenüber  bestimmt  hat^''^)  —  gewinnt  in  diesem 
Licht  die  Bedeutung  eines  Wendepunkts  in  der  deutschen  Geistesgeschichte.^''^"^''')  — 

Grenzb.  2,  S.  618-20.]!  —  574)  X  I>othar  Buclier  et  M.  de  Bismarolc:  BTJRS.  57,  S.  402/4.  —  575)  X  H.  v.  Poschinger, 
L.  Bücher:  DB.  2,  S.  823-39;  3,  S.  36-57,  171-87,  295-309;  4,  S.  44-61.  194-211,  319-27.—  576)  X  t- Bieter :  NZSt.H,  S.  129-38. 
—  577)  X  W.  Gittermann,  L.  Bucher.     E.  Kr-widermig:  Grenzb.  1,  S.  176-83.    -     578)  F.  Greiff enrath,  Bischof  W.  E. 


tl.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  578-«o6 

Neben  .den  Demokraten  waren  es  die  Ultramontanen,  die  zuerst  der  „Socialreform" 
näher  traten;  auf  Bischof  Kettelers  Wirksamkeit  in  diesem  Sinn  weist  Greif fen- 
rath  ^''^)  hin.  —  x\us  der  Mitte  des  g-emässig-ten  Liberalismus  heraus  g-ing-en 
Industrielle  wie  der  „alte  Harkort",  den  Gr  essler  ^'^)  feiert,  zuerst  auf  diesem 
Weg"e  weiter,  während  die  eigentlichen  Politiker  dieser  Richtung-,  Bamberg-er  voran, 
sich  jeder  „Hilfe  von  oben  her"  feindlich  g-eg-enüberstellten.  —  Bamberg-er  ist  zum 
70.  Geburtstag'  von  keinem  Geringeren  als  T  h.  M  o  m  m  s  e  n  ^^*')  öffentlich  beglück- 
wünscht worden ;  aber  diese  Feier  fällt  in  eine  Zeit,  in  der  die  von  Bamberger  und 
seinen  Genossen,  wie  Braun^^')  und  Otto  Gildemeister  582- 587 j^  vertretene  politische 
Richtung  sehr  unpopulär  ist:  gerade  jenes  „Manchestertum",  das  niemand  heftiger 
bekämpft  hat  als  Bucher.  Glücklicherweise  haben  alle  drei  sturmfestere  Lorbeeren 
als  die  ihrer  Handelspolitik.  Der  Anekdotenerzähler  aus  Wiesbaden  wird  zwar  nur 
als  Kulturhistoriker  der  deutschen  Kleinstaaten  fortleben.  Bamberger  und  Gilde- 
meister aber  auch  als  ausgezeichnete  Stilisten,  als  Vertreter  der  in  Deutschland  so 
seltenen  Kunst,  Charakter  und  Geschmack  zu  vereinigen.  In  Gildemeister  konnten 
ausserdem  Heyse^^sj  ^^(j  B  u  1 1  h  a  u  p  t  ^*^)  den  Uebersetzungskünstier  feiern.  — 
Ein  Mann  wie  Lammers,  der  die  politische  Socialreform  durch  private  Vereins- 
thätigkeit  zu  ersetzen  sucht,  vermittelt  zwischen  den  Männern  des  „Laissez  faire" 
und  den  Socialisten.^'-"^)  —  Auf  ihre  Social  politik  werden  jetzt  aber  nicht  nur 
Politiker  geprüft,  sondern  auch  Philosophen  ö^i-s^sj  Neben  theoretische  Erörterungen  ^9^) 
treten  Utopien,  ernst  oder  parodistisch  gemeint  ^^■*).  — 

Als  dritte  Einzelfrage  trat  nach  der  konstitutionellen  und  der  social- 
politischen  die  über  das  Verhältniss  von  Staat  und  Kirche  neben  die  grosse 
dauernde  Hauptfrage  der  Reichseinigung  und  Reichsbefestigung.  Die  ultramontane 
Partei,  deren  mächtigen  Gründer  Görres  auch  ein  Beitrag  von  Grün  er  ^'•^")  beleuchtet, 
hatte  das  Glück,  solche  Talente  wie  Peter  Reichensperger,  den  erfahrenen  Juristen, 
Windhorst ,  den  gewandten  Taktiker  (der  jetzt  nach  beliebter  Modeform  von 
Mönch^''"*)  als  „Erzieher"  gepriesen  wirdj,  und  Mallinckrodt ,  den  feurig'en 
Redner 60  ij^  neben  einander  an  ihrer  Spitze  zu  sehen,  während  kleinere  Talente  6*^-) 
im  Lande  wirkten.  —  Wie  weit  sich  diese  Partei  im  Lauf  eines  Jh.  von  ihrem 
einstigen  Standpunkt  entfernt  hat,  sieht  man  recht  deutlich,  wenn  man  einen 
Mann  wie  den  „Westphalus  Eremita"  als  Vorgänger  gepriesen  sieht :  J.  F.  J.  Sommer, 
der  es  für  „unvaterländisch"  erklärte,  „die  Abhängigkeit  Deutschlands  von  Rom 
und  die  Suprematie  (nicht  Primat)  des  Papstes  zu  verteidigen"  ^o*).  — 

Wesentlich  als  eine  aus  den  Quellen  geschöpfte  allgemeine  Geschichte 
der  inneren  Entwicklung  unserer  Politiker  erscheint  das  wichtige  Werk  Flathes^**^): 
die  „Deutschen  Rede  n".  Allerdings  verfolgt  diese  ausgezeichnete  Sammlung  nach 
Aussage  des  Vorworts  einen  doppelten  Zweck:  „Sie  will  Meisterstücke  deutscher  Be- 
redsamkeit bieten,  sie  will  aber  zugleich  auch  die  Abwandlung  der  Anschauungen 
über  unsere  nationalen  Verhältnisse,  wie  sie  sich  unter  den  Eindrücken  wechselnder 
Zeitumstände  gebildet  haben,  und  damit  auch  die  Kämpfe  unserer  Väter  und  Vor- 
gänger um  Güter  des  öffentlichen  Lebens,  welche  die  Gegenwart  sich  längst  als 
unantastbaren  Besitz  zu  betrachten  gewöhnt  hat,  in  einigen  ihrer  bedeutendsten  Phasen 
wie  in  einem  Spiegel  und  gleichsam  als  Momentphotographien  zur  Erscheinung 
bringen."  Aber  der  Herausgeber  bemerkt  es  selbst,  dass  es  nicht  immer  gelang, 
beiden  Zwecken  zugleich  zu  dienen ;  und  wir  unsererseits  möchten  glauben,  dass  für 
den  ersten  zu  wenig  geschehen  ist.  Dies  liegt  schon  darin  begründet,  dass  die  Aus- 
wahl mit  beständigem  Hinblick  auf  die  politische  Bedeutung  geschah.  Es  werden 
daher  geistliche  Reden  nur  aufgenommen,  wenn  sie  (wie  die  von  Ahlfeld  [2,  S.  113] 
nach    den    Siegen   von  1870—71,    von  Kögel    [2,  S.  412]    nach  Hödels    Attentat,  von 


V.  Eetteler  u.  d.  dtsch.  Socialrefoim.  (.=  Frankfurter  zeitgemässe  Broschüren  Bd.  14,  Heft  10,1.)  Frankfurt  a.  M.,  A.  Foesser  Nachf. 
80  S.  M.  1,00.  —  579)  J.  Gressler,  F.  Harkort,  e.  Bahnbrecher  heimischer  Industrie  u.  Kultur.  Festrede.  (Yereinsbl.  d. 
lib.  Schnlver.  für  Rheinland  u.  Westfalen.)  Bonn,  Strauss.  29  S.  M.  0.60.  —  580)  Th.  Momnisen,  L.  Bumberger:  Nation».  10, 
S.  645,6.  —  581 1  X  K.  Braun:  BURS.  59,  S.  410/1.  —  582)  X  0-  Gildemeister :  BerlTBl.  N.  130.  —  583)  X  Lebensbild  v. 
0.  Giidemeister  z.  70j  Geburtst:  VobsZg.  N.  121.  —  584)  X  ^u  0-  Gildemeisters  70.  Geburtstag :  MünchNN.  N.  120.  —  585)  X 
0.  Gildemeister.     Z.  70.  Geburtstag  13.  März:  FZg.  N.  72.  -   586)  X  0-  Gildemeister.    Zu  seinem  70.  Geburtstag:  TglRs.  N.  61. 

—  587)  X  0.  Gildemeister:  NatZg.  N.  173.  —  588)  P.  Heyse.  An  0.  Gildemeister.  Z.  70.  Geburtstage:  AZgH.  N.  61.  — 
589)  H.  Bulthaupt,  0.  Gildemeister:  WesetZg.  12.  März.  —  590)  X  P-  l>ehn,  A.  Lammers:  IllZg.  100.  S.  1034.  —  591)X 
W.  Lotz,  Socialpolitik  e.  dtsch.  Philos.  E.  Antw.  an  E.  v.  Hartmann:  Zukunft  3,  S.  114-20.  -  592)  X  ^d.  t.  Hartmann, 
Antw.:  ib.  S.  1812.  —  593)  X  N.  Eeichesberg,  D.  soc.  Frage  d.  Gegenw.,  ihr  Wesen  n.  ihr  Werden:  SchwRs.  2,  S.  566-79. 

—  594)  X  Schlaraffla  politica  (JBL.  1892  I  4:403;  IV  5 :  282U  |[K.  Kautsky:  NZSt.  H,  S.  21;  KonsMschr.  S.  110.J|  — 
595-596)  X  E-  Gregoroviu»,  D.  Himmel  anf  Erden  in  d.  J.  1901-12.  L.,  Grunow.  1892.  159  S.  M.  1,00.  |[DBs.  75, 
S.  317.||  —  597)  J.  V.  Grüner,  E.  Beitr.  z.  Briefwechsel  v.  J.v.Görres:  DR.  3,  S.  241-52,  354-69.  —  598)  X  P- Reichensperger: 
NZ.  11,  N.  16.  —  599)  H.  H.  Mönch,  Windhorst  als  Erzieher.  (Aus  „Pastor  bonus«.)  Trier,  Panlinusdr.  16  S.  M.  0,30.— 
600)  X  0.  Pfülf,  H.  V.  Mallinckrodt  (vgl.  JBL.  1892  IV  1  b  :  141 ;  5  :  272^  1[H.  Kaich:  Kath.  1,  S.  269-73;  KonsMschr. 
S.  118-20.]i  —  601)  X  Pinline  v.  Mallinckrodt:  HPBll.  111,  S.  389-96.  -  602)  X  Justizrat  F.  Reinhard  in  Ehrenbreitstein : 
ib.  112,  S.  76-88.-—  603)  X  J-  A.,  D.  Westphalus  Eremita.  Zu  J.  F.  J.  Sommers  100  j.  Geburtst. :  ib.  111,  S.  81-93.  —  604)  X 
J.  F.  V.  Schulte,  Joh.  Fr.  Jos.  Sommer:  ADB.  34,  S.  606i7.  —  605)  Th.  Flathe,  Dtsch.  Reden.  Quellen  u.  Denkmäler  z. 
vaterländischen   Gesch.    d.    19.  Jh.    In  2  Bdn.    I.-IO.  Lfg.    L.,   F.  W.  t.  Biedermann.     S.  1-480.    M.  7,50,    i[AkBll.  8,   S.  137, 


IV  5  :  605  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des^lS./lQ.  Jahrhunderts. 

Rogge  [2,  S.  666]  bei  der  Grundsteinlegung  der  Protestationskirche  in  Speier)  y/ichtige 
Momente  der  nationalen  Geschichte  besprechen;  und  ebenso  wissenschaftliche  Reden 
bloss,  wenn  in  ihnen  (wie  in  der  J.  Grimms  [1,  S.  243]  beim  ersten  Germanistentag, 
in  der  Virchows  [1,  S.  612]  über  die  nationale  Entwicklung  und  Bedeutung  der 
Naturwissenschaften,  in  der  du  Bois-Reymonds  über  die  Hohenzollern  und  die 
Akademie  der  Wissenschaften)  politische  Fragen  durchklingen,  sei  es  auch  nur  in 
jener  abgeklärten  leisen  Art,  die  Döllingers  Festreden  (1,  S.  578;  2,  S.  154) 
eignet.  Die  gerichtliche  Beredsamkeit  (falls  wir  eine  solche  besitzen)  fehlt  gänzlich, 
und  doch  wäre  selbst  vom  Standpunkt  des  Herausgebers  es  zu  empfehlen  gewesen, 
etwa  Holtzendorffs  Rede  für  den  Grafen  Harry  Arnim  oder  auch  eine  der  Verteidigungs- 
reden Lassalles  aufzunehmen.  Auch  jene  den  Deutschen  eig-entüm liehe  oder  doch 
von  ihnen  am  besten  gepflegte  Gattung  der  Beredsamkeit,  die  ich  ,, Vereinsbered- 
samkeit" nennen  möchte,  hätte  ausser  einer  überlangen,  zugleich  steifen  und  pathe- 
tischen Kommersrede  von  Felix  Dahn  (2,  S.  643)  wohl  noch  etwa  durch  eine  Schützen- 
festrede des  Herzogs  Ernst  von  Koburg  charakteristisch  vertreten  sein  sollen. 
Endlich  vermisse  ich  eine  reichere  Vertretung  jener  amtlichen  Eröffnungsreden,  die 
bei  uns  etwa  die  gleiche  Rolle  spielen  wie  in  Frankreich  die  akademischen  „eloges"; 
die  Sammlung  der  „Ansprachen  und  Reden"  des  Herrn  von  Gossler  hätte  dafür  manches 
inhaltlich  und  formell  wertvolle  Beispiel  liefern  können.  Auch  die  Enthüllungsreden, 
z.  B.  die  prachtvolle,  die  Erich  Schmidt  beim  Berliner  Lessingdenkmal  hielt,  gehören 
dahin,  auch  hier  sind  die  Proben  zu  spärlich.  Alle  diese  Gattungen  deutscher 
Beredsamkeit  —  und  es  sind  weder  die  ärmsten  noch  die  schlechtesten  —  hätten 
auch  dann  Berücksichtigung  fanden  können  und  sollen,  wenn  die  Reden  lediglich 
als  Symptome  der  politischen  Umbildung  gefasst  wurden.  Lieber  hätte  ich  dafür 
z.  B.  die  gehäufte  Zahl  von  Reden  über  die  Sonntagsruhe  (2.  S.  386  ff.)  entbehrt,  da 
ja  doch  nur  die  beiden  Gegner  Kleist-Retzow  und  Stumm  wirklich  charakteristische 
Aeusserungen  vorbrachten.  Und  so  mag  man  auch  sonst  mit  F.  über  die  Auswahl 
selbst  der  politischen  Reden  rechten.  Die  kleinstaatliche  Beredsamkeit  der  Restaura- 
tionszeit kommt  etwas  zu  kurz;  neben  Welcker  und  Rotteck  hätte  mindestens  Itzstein 
zum  Worte  kommen  müssen.  Ebenso  fehlen  später  die  Verhandlungen  in  Kurhessen 
ganz,  die  doch  schon  ihres  Wiederhalls  in  ganz  Deutschland  wegen  neben  den  preussi- 
schen  Reden  über  diese  Frage  (1,  S.  391  ff.)  Raum  forderten.  Desgleichen  kommt 
die  Revolutionszeit  zu  kurz;  so  charakteristische  Persönlichkeiten  wie  Waldeck  und 
Johann  Jacoby  haben  für  eine  Sammlung  von  Zeugnissen  zur  Geschichte  der  deut- 
schen Politiker  (und  als  solche  giebt  sich  das  Werk)  eine  unvergleichlich  grössere 
Bedeutung  als  der  Staatssekretär  Hofmann  (2,  S.  418)  oder  H.  von  Kusserow 
(2,  S.  584).  Ueberhaupt  ist  die  Wahl  gerade  der  preussischen  Regierungsvertreter 
keine  allzuglückliche;  neben  Roon,  Moltke  und  Bismarck  (der  ganz  gewiss,  wie 
F.  hervorhebt,  trotz  den  vorzüglichen  Sammlungen  seiner  Reden  auch  hier  nicht 
fehlen  durfte)  hätten  mindestens  Radowitz,  Bismarcks  romantisierender  Vorläufer, 
Delbrück,  der  klassische  Vertreter  des  preussischep  Geheimratstums,  Stephan,  der 
redegewandte  und  redelustige  Typus  der  neuen  Bismarckschen  Schule,  nicht  aus- 
bleiben dürfen.  Alle  diese  Einwände  hat  sich  aber  der  Herausgeber  doch  nur  da- 
durch zugezogen,  dass  er  mit  seltener  und  fester  Folgerichtigkeit  Ein  Ziel  verfolgte : 
die  Grundmelodie  unserer  politischen  Entwicklung  aus  dem  betäubenden  Geräusch 
der  neben  und  gegen  einander  spielenden  Musikanten  hervortreten  zu  lassen.  Die 
Umbildung  unserer  Politiker  ist  die  Vorbedingung  für  die  Umgestaltung  der  deut- 
schen Politik  gewiesen;  und  indem  F.  diese  allmähliche  Umformung  an  den  wichtigsten 
Wendepunkten  vor  unsere  Augen  treten  lässt,  liefert  er  für  das  Verständnis  der 
deutschen  Geschichte  in  unserem  Jh.  ein  unschätzbares  Hilfsmittel.  Gerade  weil 
die  Masse  der  Reden  spurlos  im  Getümmel  der  Thatsachen  verschwindet  (denn  nur 
einen  Augenblick  lang  vermag  das  Wort  die  That  zu  übertäuben),  gerade  deshalb 
geht  uns  so  leicht  alles  psychologische  Anpassungsvermögen  für  ältere  Epochen 
verloren  und  wir  kommen  zu  der  masslosen  Ungerechtigkeit  gewisser  neuerer 
Historiker.  Die  Geschichtsschreiber  des  Altertums  wussten  sehr  wohl,  was  sie 
wollten,  wenn  sie  die  Entschlüsse  ihrer  Helden  mit  erfundenen  Reden  einleiteten ; 
sie  gaben  eben  nur  einen  Ersatz  für  die  wirklichen  Reden,  weil  ohne  solche  Aus- 
sprache der  individuellen  Gründe  der  Entschluss  so  oft  fremdartig,  isoliert  bleibt. 
Besässen  wir  etwa  die  Reden,  die  im  Rate  Heinrichs  IV.  vor  dem  Gang  nach  Canossa 
gehalten  wurden  —  trotz  allen  diplomatischen  Verstellungen,  dialektischen  Kunst- 
stücken, gewaltsamen  Selbsttäuschungen,  die  sicher  nicht  gefehlt  haben  werden, 
verständen  wir  den  so  verschieden  beurteilten  Akt  ganz  anders!  So  erscheint  uns 
jetzt  z.  B.  die  berüchtigte  „Polen-Interpellation"  vom  Febr.  1863  selbst  aus  Bismarcks 
Gegenrede  (1,  S.  533)  heraus  viel  verständlicher,  als  wenn  sie  lediglich  als  Thatsache 
erzählt  wird:  wir  fühlen  die  Luft,  in  der  sie  entstand,  fast  entstehen  musste.  Hierfür 
nun  gerade  hätte  der  Herausgeber  vielleicht  noch   etwas   mehr   thun  können.    Zwar 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./ 19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  605-eo« 

dass  er  biog-raphische  Daten,  wie  sie  die  meisten  solcher  Sammlung-en  bringen,  fort- 
liess,  ist  kein  gTOSser  Schade.  Wenn  das  Gresamtbild  der  Redner  gezeichnet  werden 
soll,  wie  z.  B.  in  dem  ausgezeichneten  „Treasure  of  British  Eloquence",  dann  ist 
natürlich  nötig,  dass  auch  die  individuellen  Vorbedingung*en,  aus  denen  Jeremy 
Taylor  oder  Burke  oder  Brougham  erwuchsen,  skizziert  werden.  Wo  aber  das  Ge- 
samtbild so  entschieden  zur  Hauptsache  wird,  wie  bei  F.,  da  kann  für  solche  Daten 
auf  die  Nachschlagebücher  verwiesen  werden.  Etwas  anders  steht  es  schon  mit  ein- 
leitenden Bemerkungen.  Eine  ganz  kurze  Orientierung,  wie  sie  z.  B.  sogar  das 
handliche  Büchlein  „British  Oratory"  bietet,  hat  mit  Recht  auch  F.  für  unerlässlich 
gehalten,  und  hat  dabei  den  Tadel  nicht  gefürchtet,  dass  er  die  Objektivität  trübe. 
Seine  Einführungen  zeigen  sicher,  dass  er  „Kulturkämpfer",  dass  er  für  Bismarck 
und  gegen  Caprivi  ist;  aber  der  thäte  mir  leid,  den  gegenüber  dieser  Fülle  von  mit- 
geteilten Zeugnissen  die  paar  kleingedruckten  Worte  stören  würden!  Dass  F.  in  der 
Auswahl  von  seinen  politischen  Meinungen  stark  beeinflusst  wäre,  kann  ich  kaum 
finden;  höchstens  hätten  Centrum  und  besonders  Socialdemokratie  bessere  Vertretung 
finden  dürfen;  freilich  fehlen  auch  die  besten  .,Elomstürmer"  jener  Tage:  Petri,  Eduard 
Windthorst,  Jung.  Auch  wird  Windthorst  durch  seine  langen  Reden  nicht  am  glück- 
lichsten vertreten:  ihn  hätte  F.  im  Kreu2feuer  der  Unterbrechungen  zeigen  sollen. 
Er  streicht  aber  sogar  die  Beifalls-  und  Alissfallensäusserungen  (nur  Heiterkeit  ver- 
zeichnet er),  die  doch  auch  bezeichnend  sind  und  gerade  das  ,, Milieu"  anschaulich 
machen.  Ueberhaupt  wird  das  Wort. „Rede"  zu  streng  genommen;  kurze  Ansprachen, 
wie  manche  glänzende  Bismarcks,  sollten  die  langgesponnenen  Vorträge  unterbrechen. 
Wiegt  Napoleons  Ausruf  am  Fusse  der  Pyramiden  nicht  ein  Dutzend  Prunkreden 
auf?  Dagegen  gehört  eine  Thronrede  (2,  S.  82)  nicht  in  diese  Sammlung,  weil  sie  der 
mündlichen  Beredsamkeit  nur  scheinbar  angehört,  und  ausserdem  Vf.  und  Sprecher 
nicht  zusammenfallen.  Aus  all  diesen  Gründen  glauben  wir,  dass  das  ausgezeichnete 
Werk  für  eine  Geschichte  der  deutschen  Beredsamkeit  nicht  dieselbe  Bedeutung  be- 
anspruchen kann  wie  für  die  politische  Geschichte.  Die  litterarische  Wichtigkeit 
tritt  hinter  der  weltg'eschichtlichen  zurück.  Aber  als  eine  Sammlung  von  Urkunden 
für  die  „allgemeine  Geschichte  der  deutschen  Politiker",  als  eine  Quellenschrift  für 
die  Durchschnittsbiographie  des  deutschen  Parlamentarismus  und  der  öffentlichen 
Meinung  in  den  gebildeten  Kreisen  Deutschlands  ist  das  Werk  unschätzbar  und  recht- 
fertigt die  ausführliche  Würdigung,  die  wir  für  nötig  hielten.  Mit  bewunderswerter 
Sicherheit  hält  F.  den  Faden  fest.  Geistreich  ergänzt  er  den  Mangel  gleichzeitiger 
Zeugnisse  durch  spätere  Gedenkreden,  z.  B.  über  W.  v.  Humboldt  (1,  S.  103J,  über  die 
Gründung  der  Universität  Berlin  (1,  S.  22).  Ungemein  geschickt  lässt  er  einen 
Punkt  nach  dem  anderen  hervortreten;  nur  die  Kolonialpolitik  vielleicht  nicht  ganz 
an  der  richtigen  Stelle  und  nicht  breit  genug.  Und  was  wir  auch  an  der  Auswahl 
auszustellen  hatten  —  es  wird  doch  jedenfalls  auch  der  deutschen  Litteraturgeschichte 
ein  reiches  Material  geradezu  neu  geschenkt,  indem  vergrabene  und  verschüttete 
Reden  wieder  lebendig  gemacht  und  in  den  grossen  Zusammenhang  der  Dinge  ein- 
geschaltet werden.  Die  Reden  vom  Wartburgfest  (l,  S.  74)  und  vom  Hambacher 
Fest  (1,  S.  144)  erscheinen  wie  leg-endarische  Gestalten  der  Vorzeit,  die  plötzlich 
ans  Tageslicht  hervorgezaubert  werden;  Aehnliches  gilt  z.  B.  von  Hases  Jugendrede 
fl,  S.  88).  Trotz  dem  Unwert  mancher  Einzelstücke  könnte  man  das  Buch  mit  einem 
anderen  Unternehmen  des  gleichen  Verlags  vergleichen :  mit  der  Sammlung  von 
Goethes  Gesprächen,  die  ebenfalls  unfindbare  Reden  wieder  dem  deutschen  Leser  hörbar 
gemacht  hat.  Es  geht  allzuviel  verloren  in  unserer  hastigen  Zeit,  und  die  Nachwelt 
flicht  auch  dem  Redner  keine  Kränze;  hier  ward  einer  geflochten,  der  dem  Sammler 
und  Herausgeber  den  herzlichsten  Dank  aller  sichern  sollte,  die  die  neuere  Geschichte, 
die  neue  Litteratur,  die  neuere  Weltanschauung  in  ihren  Wurzeln  studieren,  in  ihrer 
Entwicklung  begreifen  wollen!  Die  Ausstattung  ist  gut,  der  Druck  vortrefflich,  die 
beiden  Bände  sind  handlich  und  ausnahmsweise  gut  geheftet.  —  Auch  Blums^"^)  zwei- 
bändiges Werk  ,,Auf  dem  Wege  zur  deutschen  Einheit"  bringt  in  seinem  grösseren 
Teil  vorzugsweise  Parlamentsreden,  allerdings  oft  in  kurzer  Analyse  und  immer  in 
einen  ausführlich  raisonnierenden  Bericht  eingebettet;  der  kleinere  Schlussteil  enthält 
Briefe,  die  der  Vf.  1870  als  Kriegsberichterstatter  des  „Daheim"  schrieb.  Führen 
diese  zum  Teil  ganz  anschaulich  in  das  militärische  Kleinleben  hinein  — 
von  der  grossen  Anschauung  etwa  der  „Feldbriefe"  Rindfleischs  oder  der  vor- 
nehmen Haltung  Wilmowskis  ist  hier  nichts  zu  spüren  —  so  bietet  der  Wieder- 
abdruck von  Blums  Parlamentsreferaten  aus  den  J.  1867 — 70  nur  wenig,  was 
nicht  knapper  und  durch  den  grossen  Zusammenhang  dennoch  klarer  bei  Sybel 
zu  finden  wäre.  Es  kann  jedoch  nichts  schaden,  wenn  an  gewisse  Dinge  wieder- 
holt   erinnert    wird,     und    man     wii'd    z.    B.     den    Bericht    über    Laskers    Inter- 


147,  197.]|     (Vgl.  JBL.  1894  IV  Ib.)   —   606)  H.  Blum,»  Auf  d.  Wege  z.  dtsch.  Einheit.    Jena,    Costenoble.    VI,  -377;  3.58  S, 


IV  S  :  606  611  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

pellation  betreffs  Badens  Eintritt  in  den  Bund  (2,  S.  56)  oder  besonders  auch  den 
über  die  Schlusssitzungen  des  Norddeutschen  Reichstages  nicht  ohne  Interesse  lesen. 
Wiederholt  fügt  B.  eine  kurze  üebersicht  der  Vorgeschichte  bei,  z.  B.  für  die  Frage 
der  parlamentarischen  Redefreiheit  (1,  S.  248),  der  Ehebesohränkungen  (1,  S.  278), 
des  Strafgesetzbuches  (2,  S.  132).  Auch  charakteristische  kleine  Anekdoten,  wie  die 
Mitteilungen  über  die  Wahlen  des  Herrn  vonOertzen  (1,  S.  115)  und  Max  Kirschs  (I5Ö.  308), 
oder  über  die  Notenbank  in  Reuss  ä.  L.  (2,  S.  75)  sind  dankenswert.  Wäre  nur  die  Art, 
wie  das  alles  vorgetragen  wird,  irgendwie  geniessbar!  Aber  zunächst  stösst  die  kleinliche 
Polemik  ab,  die  in  jeder  abweichenden  politischen  Meinung  die  schlimmsten  Motive 
wittert,  während  er  bei  den  „Nationalen"  (wie  B.  die  Nationalliberalen  schlechtweg 
zu  benennen  beliebt)  eitel  Weisheit  und  Selbstverleugnung  findet.  Noch  hässlicher 
ist  die  persönliche  Grehässigkeit,  die  noch  nach  25  Jahren  eine  Unhöflichkeit  durch 
eine  hämische  Indiskretion  zu  bestrafen  sucht  (2,  S.  255).  Dabei  ein  blasses,  trübes 
Deutsch,  das  sich  in  poetischen  Momenten  bis  zu  der  berühmten  Wellenbewegung, 
die  der  geworfene  Stein  hervorruft,  aufschwingt  (1,  S.  107),  sonst  aber  Redeblumen 
erzeugt  wie  die,  dass  ein  kühner  Schritt  „sich  ermisst"  (2,  S.  94).  Die  dankbare 
Aufgabe,  unsere  parlamentarischen  Führer  zu  zeichnen,  wird  nur  bei  wenigen  wie 
Wagener  (1,  S.  29),  Miquel  (1,  S.  58),  Braun- Wiesbaden  (1,  S.  107),  Ewald  (1,  S.  306) 
ernstlicher  versucht;  sonst  müssen  ein  paar  Adjektiva  wie  „tiefdenkend"  und  „wacker" 
die  Sache  besorgen.  Was  die  sonderbare  Bezeichnung  „der  kahle  Minister  Windt- 
horst"  (1,  S.  306)  bedeuten  soll,  blieb  mir  unklar,  da  für  einen  Verehrer  Bismarcks 
eine  Glatze  doch  füglich  keine  Schande  sein  kann!  üebrigens  sei  angemerkt,  dass 
B.  gelegentlich  sich  Widerspruch  gegen  Bismarck  erlaubt  und  es  bedauert,  wenn 
dieser  g'egen  seine  Partei  „ungemütlich"  wird  (1,  S.  323);  dagegen  hält  er  die 
offiziösen  Blätter  für  höchst  massvqll  (l,  S.  240).  Es  scheint  mir  übertriebene  Pietät, 
wennder  Vf.  in  keinem  dieser  Punkte  seine  früheren  Aufzeichnungen  glaubte  berichtigen 
zu  dürfen,  und  wenn  er  sogar  nach  fast  dreissig  Jahren  weder  die  thörichte  Meinung, 
hinter  der  Berliner  Fortschrittspartei  stehe  der  „süsse  Mob"  (1,  S.  25),  noch  den 
taktlosen  und  auserdem  g-rammatisch  unmöglichen  Angriff  auf  die  „Royal  Britain 
Princess"  (2,  S.  176)  unterdrücken  lernte.  Auch  was  ein  „Frey-Haus"  ist  (1,  S.  22), 
oder  weshalb  Becher  der  Reichsregent  hiess  (2,  S.  33),  hätte  ein  anderer  in  dieser 
Zeit  zu  erforschen  vermocht.  B.  aber  bewahrt  liebevoll  sogar  alle  Schreibfehler  auf, 
lässt  dem  Kriegsminister  Verdy  du  Vernois  den  Namen  des  Troubadour-Komponisten, 
schreibt  Zeilenrode  statt  Zeulenroda  (2,  S.  76)  und  le  Clerc  statt  de  Ciaer  (2,  S.  202) ; 
der  Krieg  von  1870  ist  seiner  Ansicht  nach  um  den  „Fürsten"  von  Hohenzollern 
entbrannt  (2,  S.  341)  und  wie  der  schwäbische  Dialekt  klingt,  muss  man  bei  ihm 
selbst  (2,  S.  349)  nachlesen.  - 

M.  G.  Coni^ad^'^'')  fasst  sich  selbst  als  Politiker  auf,  wenn  er  unter  dem 
blutrot  gedruckten  Titel  „Ketzerblut"  ein  „nationales  Protestbuch"  herausgiebt.  Diese 
Sammlung  von  „offenen  Briefen"  und  anderen  offenen  Artikeln  gehört  zu  den  über- 
flüssigsten Neudrucken  unserer  Tage.  Der  Vf.  ist  von  der  viel  verbreiteten  Ueber- 
zeugung  durchdrungen,  Grobheit  sei  schon  Originalität  und  Entschiedenheit  des  Tons 
könne  Tiefe  des  Gedankens  ersetzen.  Da  schreibt  er  dann  etwa  unter  dem  Titel  „Das 
lächerliche  Berlin"  eine  angebliche  Charakteristik  der  Reichshauptstadt  im  Stile  Victor 
Tissots  und  wärmt  die  uralten  Redensarten  von  Nicolai  als  dem  unsterblichen  Berliner 
auf  —  als  ob  z.  B.  Ludwig  Tieck  und  Paul  de  Lagarde,  zwei  echte  Berliner,  Nicolais, 
oder  als  ob  etwa  Herr  Max  Nordau,  der  moderne  Nicolai,  ein  Berliner  wäre!  Dies 
gewaltsame  Verhetzen  gegen  die  Stadt,  die  doch  nun  einmal  Mittelpunkt  des  Reiches 
ist,  hat  ernsthafte  nationale  Gefahren;  das  Schlimmste  ist,  dass  die  Gehässigkeit  und 
Oberflächlichkeit  des  Tadels  nicht  einmal  die  Möglichkeit  einer  Verständigung  er- 
öffnet. Auch  wo  man  mit  C.  übereinstimmt,  wenn  er  etwa  gegen  atheistischen  Bettler- 
hochmut oder  gegen  alberne  Bibeldenunzianten  kämpft,  auch  da  ist  das  in  lauter 
dünnen  Ausrufen  verpuffende  Geschreibe  unerfreulich  und  ungesund.  Und  nun  be- 
fasst  dieser  Herr  sich  gar  mit  Nietzsche  oder  nimmt  sich  selbst  ernsthaft  als  Typus 
des  modernen  Denkers  und  urteilt  vom  hohen  Stuhl  über  Tolstoi.  Es  genügt  nicht, 
dass  man  die  Heiligen  und  die  Heroen  nicht  versteht:  Ein  rechter  Ketzer  muss  selbst 
ein  bisschen  von  beiden  haben,  und  das  wird  man  in  den  Urteilssprüchen,  die  hier 
in  Dutzenden  verschenkt  werden,  vergeblich  suchen. ^'^^'^'^^^  — 

Ausserhalb  desDeutschen  Reiches  wirkten  der  Oesterreicher  Ad. Fisch- 
hof, von  dem  Jaques  Fischer^"^)  ein  paar  schwache  Epigramme  mitteilt,  und  der 
Schweizer  S tapfer,  dessen  Biographie  Alfr.  Stern^^^)  schrieb.  Er  hatte  in 
Göttingen  bei  Eichhorn,    Michaelis,    Heyne,    Spittler,    Schloezer,  Lichtenberg  gehört, 

M.  10,00.  —  607)  M.  a.  Conrad,  Ketzerblut,  Socialpolit.  Stimmungen  u.  krit.  Abschlüsse.  Mönchen,  Poessl.  VIII,  271  S. 
M.  3,00.  |[L.  Huberti:  BLU.  S.  312/3.J|  —  608)  X  id.,  Bergfeuer.  Evangel.  Erzählungen.  (I.Reihe.)  München,  E.  Albert  &  Cie. 
Sep.-Conto.  III,  103  S  M.  2,00.  l[ThLBl.  14,  8.  248.J|  —  609)  X  ^-  Stümcke,  M.  G.  Conrad.  E.  litt.  Skizze.  (Sonderabdr. 
aus  NLBU.  N.  10/1.)     Bremen,  Kühtraann.     15  S.     M.  0,30.  —  610)  (S.  o.  N.  22.)   -   611)  Alfr.  Stern,  Ph.  A.  Stapfer :  ADB.  35, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  l8./i9.  Jahrhunderts,  IV  5  :  612-6I8 

mit  Zimmermann  Bekanntschaft  gemacht;  dann  hat  er  eifrig"  für  die  Einheit  der 
Schweiz  g-ewirkt,  Pestalozzi  unterstützt,  mit  [Jsteri  korrespondiert.  Von  der  Politik 
ermüdet  schreibt  er  über  Kant,  sorg-t  für  Uebersetzung-en  von  fleeren,  Wessenberg- 
u.a.,  arbeitet  mit  Alexander  von  Humboldt  zusammen;  im  hohen  Alter  lebt  er,  „ein 
Virtuose  g-eistvoller  Unterhaltung-",  auf  seinem  Schloss  —  fürwahr  ein  reiches  Leben! 
—  F.  A.  von  Spaun^''-),  der  Mathematiker  und  Goethefeind,  der  weg-en  einer 
„staatsg-efährlichen  Schrift"  zehn  Jahre  auf  der  Festung-  verbüssen  musste,  leitet  mit 
seinem  politischen  Roman  „Der  sarmatische  Lykurg-",  mit  seinen  „pohtischen  und 
litterarischen  Phantasien"  von  den  Politikern  zu  den  Volkserziehern  über,  die 
die  Politik  nur  für  eine  einzelne  Aeusserung-  der  Zeitpädag-og-ik  ansehen.  — 

Volks  er  Ziehung-  und  Zeitkritik  hat  es  in  beschränktem  Mass  immer 
g-egeben  und  oft  haben  sie  sich  zu  hoher  Bedeutung-  erhoben;  so  in  der  Zeit 
Walthers  von  der  Vogelweide  und  Bertholds  von  Regensburg.  Die  Tradition  der  neueren 
Schriften  dieser  Art  aber  geht  nur  bis  auf  Rousseau  zurück;  er  hat  die  „Anklage- 
litteratur"  unserer  Tage  geschaffen,  er  auch  die  leichtsinnige  Art,  alle  Schmerzen  aus 
Einem  Punkt  kurieren  zu  wollen.  Ausnahmsweise  müssen  wir  deshalb  aus  Anlass 
von  Chuquets^i^j  vortrefflich  berichtender  Biographie  auf  diesen  ausserdeutschen 
Autor  Bezug  nehmen.  Viel  Neues  bringt  Ch.  nicht,  und  den  „Confessions"  gegen- 
über ist  er  fast  noch  so  befangen,  wie  früher  die  Goetheforschung  gegenüber 
„Dichtung  und  Wahrheit";  aber  Persönlichkeit  und  Umgebung  werden  knapp  und 
klar  geschildert. 6 '4j  Besonders  im  Vergleich  mit  den  üblichen  Verhimmelungen 
des  Genfers  ist  das  Buch  eine  Wohlthat  und  ein  Fortschritt.^'äj   _ 

Gerhard  vanSwieten,  über  den  Jacoby^'^j  sprach,  ist  noch  ein  Volks- 
erzieher vom  alten  Schlag.6i''j  —  In  ganz  andere  Luft  kommen  wir  mit  Wilhelm 
von  Humboldt,  Goethes  und  Schillers  Genossen  bei  der  Erziehung  des  deutschen 
Volkes  im  Sinn  des  klassischen  Ideals.  Laquiant  e^'^)  hat  von  ihm  und  seiner 
Frau  Briefe  an  den  Philologen  Schweighäuser  veröffentlicht,  leider  in  französischer 
Uebersetzung.  Dies  wunderliche  Verfahren,  eine  doch  fast  a,usschli esslich  für  deutsche 
Leser  bestimmte  Veröffentlichung  in  französischer  Uebersetzung  zu  bringen  (nur 
zwei  Briefe  Karolinens  S.  76,  89  sind  französisch  geschrieben),  ist  um  so  mehr  zu  be- 
dauern, als  die  Briefe  wirklich  sehr  wichtig  sind.  Humboldt  eröffnet  dem  jungen  Strass- 
burger  Philologen  sein  Herz  mit  vollstem  Zutrauen.  Wir  hören  den  niedergedrückten 
Patrioten  über  den  Frieden  von  Tilsit  klagen,  aber  doch  im  Blick  auf  die  Antike 
Trost  finden  (S.  137),  hören  ihn  über  Schillers  Tod  und  seine  letzten  Pläne  (3.  161), 
über  die  neugegründete  Universität  Berlin  und  seinen  allzu  raschen  Abschied  von 
ihrer  Verwaltung  (S.  173)  berichten.  Er  erzählt  manches,  was  für  sein  ganzes 
Wesen  bezeichnend  ist:  seine  langsame  Art  zu  arbeiten  (S.  3);  seine  Abneigung  gegen 
die  Urgeschichte  (S.  105)  und  (gut  Goethesch !)  gegen  die  formlose  indische  Philosophie 
(S.  178)  kommen  zum  Ausdruck,  und  jene  Verdrängung  von  der  Leitung  der 
akademischen  Angelegenheiten  entreisst  ihm  das  Geständnis:  „En  g-eneral,  j'ai  toujours 
eu  du  goüt  pour  la  carriere  diplomatique"  (S.  153).  Freimütig  urteilt  er  über 
Madame  de  Stael  (S.  112),  sehr  hart  über  la  Harpe  (S.  153).  Ueberhaupt  stehen 
litterarische  und  philosophische  Fragen  entschieden  im  Vordergrund.  1801  klagt 
Humboldt  (S.  46)  über  einen  allgemeinen  Stillstand  in  Philosophie  und  Poesie;  er 
nennt  Schiller  und  die  Schlegel  als  Ausnahmen,  Goethe  nicht.  Auf  dem  Gebiete  der 
Geschichte  sei  gar  nichts  Ernstes  zu  erwarten:  Gentz  schreibe  nicht  mehr,  Woltmann 
habe  nie  was  getaugt  (S.  47).  Aber  die  „Jungfrau  von  Orleans"  bewundert  er  als 
das  Shakespeareschste  Werk  Schillers  (S.  48).  Ueber  das  Verhältnis  der  Nationen  zur 
Philosophie  stellt  er  (S.  68),  ähnlich  wie  schon  in  seinen  Jugend briefen,  Betrach- 
tungen an,  die  natürlich  sehr  zu  Ungunsten  Frankreichs  ausfallen.  Als  Kriterium  jeder 
echten  Philosophie  giebt  er  (S.  70),  charakteristisch  genug,  dies  an,  ob  sie  das 
dämmernde  Licht  einer  anderen  Welt,  das  wir  alle  ahnen,  lebhafter  schauen  lasse  oder 
es  verdunkele.  Seine  Neigung,  alles,  was  er  sieht,  schön  zu  finden,  erinnert  ihn 
selbst  fS.  99)  an  den  Candide,  Voltaires  Parodie  auf  den  Optimismus.  Dann  zahl- 
reiche Mitteilungen  über  seine  Arbeiten,  seine  Bewunderung  des  Demosthenes  (S.  140), 
den  Plan  einer  Geschichte  des  Verfalls  der  griechischen  Freistaaten  (S.  146),  der 
ein  merkwürdiges  Gegenstück  zu  Gibbons  Werk  geliefert  hätte,  seine  Elegie  „Rom", 
auf  die  er  ein  nicht  geringes  Gewicht  legt  (S.  158),  die  er  mit  Schlegels  und 
MatthissoES  Gedichten  über  die  Weltstadt  (S.  159,  161)  vergleicht  und  die  ihm  zu  Be- 
trachtungen über  ersten  Wurf  und  Feile  (S.  126)  Anlass  giebt.  All  das  bespricht  er 
mit   dem   jungen  Freunde.     L^nd    was  für  Etymologien  tauschen  sie  noch  1807  aus: 

S.  4ö\j6.  —  612)  F.  A.  Ritter  v.  Spann:  ib.  S.  69-70.  —  613)  A.  Chuquet,  J.  J.  Bousseau.  (=  Les  grands  ecrivains  fran9.) 
Paris,  Hachette.  201  S.  Fr.  2,00.  —  614)  X  K.  Fr.,  E.  neues  Buch  aber  J.  J.  Kousseau:  NatZg.  N.  278.  —  615)  K.  Fester, 
Kousseau  u.  d.  dtsch.  Geschichtsphilos.  (vgl.  JBL.  1890  IV  1 :  27):  WIDM.  73,  S.  288.  (Vgl.  I  1  :  23c.)  -  616)  D.  Jacoby, 
G.  van  Swieten.  Vortr.  geh.  in  GDL.:  DLZ.  S.  698;9.  —  617)  X  L.  Rupprecht,  Just.  Mosers  soc.  u.  Volkswirtschaft!. 
Anschauungen  In  ihrem  Verhältn.  z.  Theorie  u.  Praxis  seines  Zeitalters.  Diss.  München.  173  S.  —  618)  (IV  lc:21.)  |[E.  6.: 
JahieBberickte  f&r  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.    IV.  '^(^'^0 


IV  5:619-630  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

„alt"  soll  von  „oleo"  kommen,  „denken"  von  Sumo  (S.  131)  —  solche  Arbeit  hatten 
J.  Grimm  und  Bopp  noch  zu  leisten!  Auch  Karolinens  Briefe  sind,  wie  immer,  lesens- 
wert: ihr  Urteil  über  den  „Wallenstein"  (S.  88),  ihre  Schilderung-  Roms  (S.  60), 
ihre  Freundschaft  für  Fernow  (S.  63)  finden  den  klaren  festen  Ausdruck,  der  ihr 
eigen  ist,  und  ihre  Reiseskizzen  aus  Spanien  sollte  man  einmal  mit  den  hoch- 
modernen des  M.  Barres  vergleichen,  um  zu  sehen,  dass  wirklich  eine  Landschaft 
nichts  anderes  ist  als  ein  „etat  d'äme".  Ueberall  bei  den  Gatten  der  ruhige  milde  Ton, 
aufrichtiges  Wohlwollen  für  den  begabten  jungen  Mann,  dem  Humboldt  (S.  12)  ein 
Programm  vorzeichnet.  Die  Ausgabe  ist  sorgfältig,  die  Anmerkungen  sind  zumeist 
ausreichend,  doch  nicht  frei  von  kleinen  Nachlässigkeiten  in  Namen  und  Personal- 
angaben: Haym  heisst  nicht  Robert  (S.  VIII.  Anm.),  Zoega  fvon  dem  die  An- 
merkung- S.  99  überhaupt  ein  falsches  Bild  giebt)  stammte  von  väterlicher,  nicht 
von  mütterlicher  Seite  aus  Italien;  Ruhnkenius  heisst  auf  deutsch  nicht  Ruhneken 
(S.  139  Anm.).  Beigegeben  sind  ein  paar  Auszüge  aus  Briefen  und  Mitteilungen,  die 
über  Tegel,  den  Montserrat,  Humboldts  Tod  und  andere  in  den  Briefen  berührte  in- 
teressante Punkte  orientieren;  hier  ist  die  Auswahl  sehr  geschickt,  wie  sie  es  auch 
bei  den  Briefen  scheint.  Druck  und  Papier  sind  prachtvoll,  die  beigegebenen  Ab- 
bildungen zu  loben.  —  So  recht  in  die  Lebensluft  hinein,  die  das  Haus  Humboldts  er- 
füllte, führt  das  schöne  und  mit  verdientem  Erfolg  gekrönte  Buch  „Gabriele 
von  Bülow"^'^).  Natürlich  steht  zwar  die  Tochter  Humboldts  durchaus  im  Vorder- 
grunde. Aber  zahlreich  sind  doch  auch  Briefe  Wilhelms  mitgeteilt,  rührend  er- 
greifende nach  dem  Tode  seiner  Gattin  (über  „das  Schmerzliche"  S.  245).  Sein  Ge- 
spräch wird  oft  charakterisiert  (S.  210),  seine  Heiterkeit  und  Liebenswürdigkeit 
dankbar  gerühmt.  Wie  er  seine  Entlassung  aufnimmt  (S.  172),  wie  er  im  Alter, 
gleich  Goethe,  die  Zeitungen  verabschiedet  (S.  327),  endlich  sein  körperlicher  Ver- 
fall (S.  300)  —  das  alles  wird  anschaulich  geschildert.  Und  dann,  wie  charakterisieren 
seine  Frau,  seine  Töchter,  sein  Schwieg-ersohn  Bülow  sich  selbst  in  ihren  Briefen! 
Welche  Fülle  der  geistigen  Interessen,  welche  Grossartigkeit  der  Auffassung-  (S.  82 
über  die  Einheit  des  Lebens),  welche  Bestimmtheit  des  Urteils  (Karoline  über 
Preussen  S.  81;  Bülow  über  Italien  S.  130,  Canova  S.  137,  Talleyrand  S.  311)  und 
welche  Kunst  der  Schilderung  (Assisi  S.  146)!  Dazu  bei  ihnen  allen  so  viel  Witz 
(„umbrelliferous"  S.  162)  und  so  viel  moralische  Festigkeit!  Diese  g-lücklichen 
Naturen  bewegen  sich  nun  auf  dem  g-lücklichsten  Hinterg-rund,  in  dem  päpstlichen 
Rom  (Rom  1817;  S.  132,  145),  in  London  während  diplomatischer  Kämpfe,  in  dem 
mit  kostbaren  Kunstdenkmälern  geschmückten  Tegel  (S.  184  geschildert),  sie  erleben 
kleine  Genrebilder  (die  Weinbäder  S.  50)  und  grosse  Ereignisse  (Humboldts  Tod 
S.  347;  Friedrich  Wilhelms  IV.  Thronbesteig-ung  S.  463),  diese  voll  aufzunehmen, 
jene  innerlich  zu  verarbeiten  befähigt  —  kurz,  es  ist  eins  jener  Bücher,  bei  dem 
eine  Anzeige  nur  die  Aufgabe  haben  kann,  zum  Lesen  anzureizen.  Die  ung^enannte 
Herausgeberin  hat  in  der  Auswahl  der  Briefe  so  viel  Geschick  und  Takt  bewiesen 
wie  in  ihrer  Verbindung  und  Verarbeitung-;  wir  ver4anken  ihr  ein  Memoiren  werk, 
dem  in  seiner  Art  kaum  ein  zweites  in  unserer  Litteratur^20-622j  2iir  Seite  g-estellt 
werden  kann.  —  Mit  Freuden  begrüssen  wir  es  auch,  dass  Humboldts  „Briefe  an 
eine  Freundin"  auch  in  Frankreich  populär  g-emacht  werden  sollen^-^).  Das  Heft, 
das  diesem  Zweck  gewidmet  ist,  bringt  aber  nach  einer  ganz  gut  orientierenden  Ein- 
leitung von  Simond  nur  eine  ganz  kleine  Reihe  von  Proben  aus  jenen  Briefen  und 
dann  noch  ein  paar  aus  Alexanders  „Ansichten  der  Natur"  —  zwei  klassische 
Werke,  von  deren  reichem  Mahl  diese  Bröckchen  doch  kaum  einen  Urgeschmack 
geben.  — 

Wir  überspringen  abermals  eine  Generation  und  mehr,  um  bei  de  Lagarde^-*) 
und  Riehl  anzukommen;  den  letzteren  schildert  Sträter^^s^  recht  hübsch.^-^)  — 
Mit  Riehl  lässt  Jentsch^^v^  gicji  in  mannigfacher  Hinsicht  vergleichen:  sie  wollen 
beide  die  Socialreform  auf  dem  Wege  der  Kulturreform  und  gehen  dabei  viel  histo- 
rischer vor  als  Lagarde,  der  mit  Rousseauschem  Eifer  Jahrhunderte  negieren  möchte.  — 
Kulturreform  verlangt  auch  der  „Rembrandtdeutsche"  ^^s-j^  der  aber  bei  allem 
„niederdeutschen"  Chauvinismus  doch  auch  Venedig  und  England  zu  rühmen  weiss. 
Aber  die  Neuesten  wollen  ein  exklusives  Deutschtum.*'29-630^  —  Mindestens  absoluten 


AnnBst.  7,  S.  97-118,  326-30;  A.  Ch(uqTiet):  ECr.  35,  S.  474;  H.  Grimm:  PrJbb.  S.  168;  LCBl.  S.  921/2.]|  -  619)  (IV  1  c :  23.) 
|[H.Grimm:  PrJbb.  73  S.  167/8;  Grenzb.  2,  S.  398-404;  L.Ziemssen:  DEs.  77,  S.  468-72;  TglBs.  N.  139;  KBGV.  41,  S.38.]|  — 
620)  X  Aus  Briefen  Wilh.  v.  Humboldts:  Grenzb.  4,  S.  10-20,  649-51.  —  621)  X  »Aus  d.  Lebenskreise  W.  v.  Humboldts«: 
NFPr.  10.  Nov.  —  622)  X  L-  Geiger,  Aus  d.  Humboldtschen  Hause:  FZg.  N.  254.  —  623)  W.  de  Humboldt,  Lettres  ä  uns 
amie.  Avec  une  pref.  de  C  h.  S  i  m  o  n  d.  (=  Nouv.  bibl.  pop.)  Paris,  H.  Gautier.  35  S.  Fr.  0,10.  —  624)  X  Tlie  late  Prof. 
de  Lagarde:  Ac.  43,  S.  153.  —  625)  E.  St  räter.  Zu  H.  W.  Riehls  70,  Geburtst.  6.  Mai:  Post  N.  123.  (S.  auch  Montags-Presse 
N.  20.)  —  626)  X  W-  G-.  Z-  50.  Geburtst.  P.  K.  Eoseggers:  VolksZg.  N.  178.  -  627)  X  K.  Jentsoh,  Geschichtsphilosophisclie 
Gedanken  (vgl.  JBL.  1892  IV  5:283).  |[KonsMschr.  S.  919-20;  ThLBl.  14,  S.  192,3;  J.  Wychgram:  BLU.  S.  56-77.JI  — 
628)  X  D-  Eembrandtdeutsche  (vgl.  JBL.  1892  IV  5 :  304).  1[20.  Jh..  1,  S.  339-41;  A.  Freybe:  KonsMschr.  S.  225/6; 
BurschensohBll.  7  (W.-S.),  S.  212/3;  HPBll.  111,  S.  48-56;  dazu  ib.  S.  406/8.]|   —    629-630)  X  (I  4:615.)     |[J.  Hart:  FrB.  4, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  631-643 

Ausschluss  aller  orientalischen  und  griechischen  Einflüsse  fordert  auch  Dühring^^*), 
auf  dessen  neuestes  Werk  wir  im  übrig'en  froh  sind,  nicht  näher  eingehen  zu 
müssen,  gerade  weil  wir  den  Mann  trotz  all  seinen  Schwächen  hoch  schätzen. ^^^^  — 

Dies  können  wir  von  dem  grossen  Arzt  der  „Krankheit  des  Jahrhunderts"  nicht 
behaupten.  Dieser  leichtfertigste  Journalist  unserer  Zeit,  der  jeden  Tag  eine  Meldung  von 
gestern  zu  widerrufen  hat,  ist  der  Mann  nicht,  um  die  Zeit  von  ihrer  „Entartung"  zu 
heilen.  Hat  Nordau^33-634j  q^qY^  nicht  vielleicht  selbst  charakterisieren  wollen,  wenn 
er  (2,  S.  445)  citiert:  „Die  Schwachsinnigen  lieben  es.  Unflätigkeiten  zu  sagen.  Das  ist 
eine  besondere  Neigung,  die  namentlich  bei  Entarteten  beobachtet  wird;  sie  ist  ihnen 
so  natürlich,  wie  es  bei  Geistesgesunden  der  gute  Ton  ist."  In  der  That,  kann  man 
ohne  pathologische  Hypothesen  dies  masslose  Schimpfen,  dies  unanständige  Ver- 
dächtigen erklären?  Wenn  dieser  Mann  ganz  ernsthaft  rät,  die  Tolstoi  und  Ibsen  und 
Zola  ins  Irrenhaus  zu  sperren  —  sollte  man  nicht  an  einen  Narren  denken  dürfen, 
der  jeden  für  verrückt  erklärt,  dem  der  Mond  nicht  grün  scheint?  Und  seine 
„Methode"!  Auf  leichtfertige  Aussagen  hin  —  ein  Artikel  der  „Presse"^35j  bietet  ein 
hübsches  Beispiel  an  Nordaus  Vergleich  Whitmans  mit  Verlaine  —  werden  polternde 
Phrasen  losgelassen;  ein  verzerrtes  Bild  des  Besprochenen  wird  mit  einem  ungefähren 
Krankheitsbild  identifiziert  —  und  die  „Wissenschaftlichkeit"  hat  einen  neuen  Triumph 
über  die  konventionellen  Lügen  der  Kiüturmenschheit  zu  verzeichnen!  Wüsste  ich 
nur,  wer  auf  solche  Weise  nicht  für  toll  erklärt  werden  könnte!  Man  nehme  etwa 
Goethe.  Er  sieht  in  seiner  „Zueignung"  eine  Gestalt,  die  gar  nicht  existiert  — 
Hallucination !  Er  sehnt  sich  in  die  Einsamkeit  und  verwünscht  das  laute  Gewühl 
—  Agoraphobie !  Er  spricht  unter  der  Maske  des  Faust  und  des  Prometheus  mit  Gott 
wie  mit  seinesgleichen  —  Grössenwahn !  Die  „Geheimnisse"  dokumentieren  religiösen 
Wahnsinn,  die  Briefe,  in  denen  Friederikens  unglücklich-glücklicher  Liebhaber  klagt, 
Kains  Fluch  liege  auf  ihm,  zeigen  Verfolgungswahnsinn,  die  Paralipomena  zum 
Faust  Satyriasis;  Melancholie  versteht  sich  ohnehin  von  selbst.  Auch  liebt  er  neue 
Worte  zu  bilden,  nach  N.  ein  sehr  gravierendes  Symptom ;  er  führt  zeitweilig  einen 
„dissoluten  Lebenswandel".  Und  von  solch  einem  während  aller  Phasen  seines  Lebens 
gestörten  Geist  hat  die  Elite  des  modernen  Europa  „in  hysterischem  Nachahmungs- 
und Bewunderungstrieb"  sich  nasführen  lassen,  bis  endlich  ein  psychiatrisch  ein- 
geweihter Kenner  das  Geheimnis  aufdeckt!  So  entlarvte  der  unsterbliche  Schuster 
von  Jerusalem  den  grössten  Propheten  der  W^eltgeschichte ;  so  wies  der  Rat  von 
Salamanca  dem  Narren  Columbus  seine  Thorheiten  nach;  so  bemerkten  nach  Zelters 
Mitteilung  einige  scharfsinnige  Beobachter,  dass  Beethoven  ein  Narr  sei.  Auf  der 
plumpen  Gleichsetzung  einer  nervösen  Disposition,  wie  sie  zart  organisierten  und 
eben  deshalb  zu  hohem  Dichten  und  tiefem  Denken  beanlagten  Naturen  selten  fehlt, 
mit  Geisteserkrankung  und  „Entartung"  beruht  das  ganze  Spiel.  Zu  lernen  ist  dabei 
für  den  Litterarhistoriker  nichts,  als  dass  die  Nicolais  nicht  aussterben  und  nur  immer 
schlimmer  werden.  Nicht  nur,  wenn  N.s  unästhetische  Faust  sich  an  Nietzsche  ver- 
greift (S.  303/4),  sogar  wenn  er  mit  den  „jungdeutschen"  Zolaisten  (S.  460/1)  wirk- 
lich bedenkliche  Objekte  in  die  Hand  bekommt  —  das  Verfahren  ist  das  gleiche  von 
jedem  psychologischen  Eingehen  entfernte  blinde  Lostappen,  und  Beiträge  zur 
Charakteristik  liefert  es  nur  für  Herrn  N.  Dass  aber  dies  schmutzige  Buch  un- 
gerügt  durch  die  Welt  gehen  durfte,  das  bleibt  (S.  398)  „immer  noch  eine  schwere 
Schmach  für  das  deutsche  Geistesleben  der  Gegenwart". ^^^j  — 

Aber  natürlich  hat  auch  Nordaus  Kritik  der  Gegenwart  Nachfolger ^37) 
und  Nebenbuhler^^s^  Mehrfach  hat  man  versucht,  den  Geist  unserer  Zeit  fest- 
zustellen^^^),  seine  Wandelungen^^o)^  seine  Forderungen^* ^"^'*2^,  und  hat  daraus  auch 
Ausblicke  in  die  Zukunft  gewinnen  woUen^^^^.  Solche  Versuche  der  Zeit,  sich  auf 
sich  selbst  zu  besinnen,  sind  immer  löblich;  auch  pflegen  sie  alle  fünfzehn  bis 
zwanzig  Jahre  wiederzukehren.  Aber  es  scheint,  sie  werden  nicht  besser.  1806  gab 
Fichte  „Die  Grundzüge  des  gegenwärtigen  Zeitalters"  heraus  und  1807  E.  M.  Arndt 
den  „Geist  der  Zeit";  ihnen  folgte  1808  Brandes  mit  seinen  „Betrachtungen  über  den 
Zeitgeist  in  Deutschland".    Als  1820  Zschokke  „Vom  Geist  des  deutschen  Volkes  im  An- 


S.  1068-71;  AkBll.  8,  S.  95.]|  —  631)  (I  12  :  161;  IV  la  :  1.)  —  632)  X  H-  Hart,  Mit  n.  ohne  Dichtung:  FrB.  4,  S.  210/5.— 
633)  (I  12:389.)  |[DR.  2,  S.  395.]j  (Vgl.  JBL.  1892  I  11:85.)—  634)X  M.  Nordau,  Deprayation.  London, Heinemann.  Sh.  16. 
|[B.  Purcell:  Ac.  44,  S.  1205.]|  —  635)  E.  falsche  Diagnose  M.  Nordaus:  Presse  N.  189.  —  636)  X  M.  Nordau,  Entartung 
u.  „D.  Recht  zu  liehen":  BURS.  60,  S.  405/8.  —  637)  X  G.  Zepler,  Moderne  Sünden.  II.:  D.  Sünden  unserer  Civilisation. 
B.,  Steinitz.  IV,  144  S.  M.  2,00.  —  638)  X  H.  Hansjakob,  D.  Wunden  unserer  Zeit  u.  ihre  Heilung.  6  Yortrr.  Prei- 
burg  i.  B.,  Herder.  IV,  116  S.  M.  1,80.  |[ÖLB1.  2,  S.  453.]|  —  639)  X  R-  Eucken,  D.  Grundbegriffe  d  Gegenwart  (vgl.  JBL.  1892 
IV  5:  842):N&S.  66,  S.  269-70.  —  640)  X  Wandlungen  d.  Zeitgeists  in  Deutschland:  TglRs.  N.  249.  —  641)  X  H.  Gall- 
witz, D.  Problem  d.  Ethik  in  d.  Gegenw.  E.  Beitr.  z.  Lösung  desselben.  Göttingen,  Vandenhoeck  &  Ruprecht.  1891.  VIII, 
272  S.  M.  5,00.  ITHerm.  Schmidt:  ThLBl.  14,  S.  32/4.]|  —  642)  X  L.  Auerbach,  Wie  ist  d.  Judenhetze  erfolgreich  zu 
bekämpfen?  (=  An  d.  Tagesordnung.  Beitrr.  z.  Klärung  d.  öffentl.  Meinung.  Heft  3.)  B.,  R.  Lesser.  20  S.  M.  0,40.  — 
643)  X  L.  B.  Hellenbach,  D.  19.  u.  20.  Jh.  Kritik  d.  Gegenw.  n.  Ausblicke  in  d.  Zukunft.  Aus  d.  hs.  Nachlass  her.  v.  K. 
du  Prel.    L.,  Mutze.    Vm,  136  S.    M.  3,00.  — 

(4)20* 


IV  5    IV  6:1-6  Erich  Schmidt,  Lessiag'. 

fang-  des  19.  Jh."  schrieb,  erreicht  er  sie  so  wenig-  als  um  1840  Rohmer  mit  ähn- 
lichen Versuchen  ihn.  Und  die  Heutig-en  g-ar?  Nun,  man  liebt  eben  das  direkte 
Charakterisieren  heut  wenig*;  sieht  man  zu,  wie  die  Gegenwart  sich  indirekt  charak- 
terisiere, so  giebt  vielleicht  ein  Berichtsjahr  voll  didaktischer  Litteratur  einen  nicht  un- 
wichtigen Beitrag  zur  Beurteilung  dieser  Frag-e!  — 


IV,  6 

Lessing. 

Erich  Schmidt. 


Ausgal)en  N.  1.  —  Sprache  N.  3.  —  Aufnahme  N.  6.  —  Lehen  und  Werke  N.  8.  —  Dramen:  Faust  N.  14;  Minna 
von  ßarnhelm  N.  17;  Matrone  von  Ephesns  N.  19;  Emiliu  Galotti  N.  20;  Nathan  N.  22.  —  Aesthetik:  Fabel  N.  30;  Laokoon 
N.  33;  Hamburgische  Dramaturgie  N.  36.  —  Theologie  und  Philosophie  N.  38.  —  Vereinzeltes  N.  41.  — 

Ausgaben.  Im  9.  Bande  g-iebt  Muncker^)  den  Laokoon,  für  den  er  die 
Berliner  Originalhs.,  die  Korrekturbog"en  und  die  Citate  sorgfältig  neu  verglichen  hat, 
und,  ohne  hs.  Material,  aber  die  von  Weibert  entdeckten  Doppeldrucke  berück- 
sichtigend, den  ersten  Teil  der  Hamburgischen  Dramaturgie.  Er  bleibt  durch  I^ach- 
manns  g"ewiss  unglückliches  Prinzip  gezwungen,  die  hs.  Varianten  des  Laokoon 
nicht  auszubeuten;  was  doch  viel  wichtiger  wäre  als  die  Mitteilung-  blosser  Satzfehler 
wie  „Mormontel"  „öffende;'  „Plaisanteriern."  Die  Emendationen  189,  6  „abgetäuschet" 
und  298,  Bl  „seiner"  gehören  als  zweifellos  in  den  Text,  während  326,  17  die 
Vermutung,  es  sei  „hatte"  zu  lesen,  unnötig  ist,  aber  zu  196, 25  Kettners  Be- 
merkung, Lessing  habe  „wagrecht"  und  „senk-  oder  lothrecht"  verwechselt,  hätte 
erwähnt  werden  sollen.  Im  ganzen  zeigt  der  Text,  dass  Grosse  die  Ueberlieferung' 
der  Dramaturgie  allzu  pessimistisch  beurteilt  hat.  —  Albert  Cohn'-^J  veröffentlichte 
aus  dem  Stammbuch  des  Regensburgers  Johann  Ludwig  Grimm  Lessings  Eintrag, 
Braunschweig  30.  August  1771:  Wess  Herz  war  nicht  ein  Schalk?  Freund,  trau 
dem  Schmeichler  nicht,  |  Der  durch  dein  Lob,  nur  Hohn  der  deutschen  Sitte  spricht!  | 
Das  Herz  hat  seinen  Wunsch;  die  Weisheit  ihre  Lehren,  |  Worunter  die:  Sein  Herz 
mit  Misstraun  nur  zu  hören.  (S.  175  Winckelmanns  Brief,  10.  Dec.  1766,  an  Gleim 
über  L. ;    S.  154  Brocken    aus  einem  Klotzischen  Schreiben,  25.  Juli  1771.)  — 

Sprache.  Während  Dunger^J  und  Du  sei*)  nur  ein  paar  abgerissene 
puristische  oder  auf  „welcher"  und  „derselbe"  gerichtete  Beobachtungen  zu  Markte 
bringen,  behandelt  TyroP)  ausführlich  und  trotz  allgemeinen  Schwächen  wie  einzelnen 
Fehlern  erspriesslich  die  formale  Redaktion  fünf  älterer  Lustspiele  in  der  Sammlung 
von  1767,  auch  die  Sara  (1755,  1772)  heranziehend,  sächsische  Zeitgenossen  ver- 
gleichend, Gottscheds  Sprachkunst,  Adelung  usw.  aufschlagend.  Was  den  Setzern 
gehört,  wird  nicht  erwogen.  Die  vielen  Aenderungen  der  Flexionen,  der  Syntax,  des 
Stils  zeigen  keine  strenge,  für  die  Folgezeit  gültige  Konsequenz,  aber  doch  bestimmte 
Absichten  in  der  Einführung  voller  Deklinationsformen,  die  überhaupt  normiert 
wurden,  der  Vermeidung  des  Hiatus,  der  Wahrung  des  Mundartlichen  in  charakte- 
ristischer Rede,  der  Präcisirung  und  Belebung  des  Gesprächs.  Die  Abschnitte 
„Wortschatz"  und  „Wortfügung"  ermangeln  klarer  Rubriken.  — 

Aufnahme.  Nach  einer  Pause  von  neun  Jahren  schliesst  Brau  n'^)  sein 
leider  nicht  nach  den  Schriften,  sondern  rein  annalistisch  geordnetes  Sammelwerk  ab. 
Er  hat  es  an  unverdrossenem  Eifer  nicht  mangeln  lassen,  obwohl  mancherlei  fehlt  und 
nicht  selten  Anmerkungen  über  Vf.  und  Beziehungen  vermisst  werden  —  aber  ist 
das  Ergebnis  der  Mühe  wert?  Macht  die  ältere  deutsche  Tageskritik  in  diesem 
Areopag  zum  allergrössten  Teil  unbedeutender  oder  alberner  oder  verrannter  Richter 
nicht  einen  kläglichen  Eindruck?  Das  Sammelsurium  müsste  aus  den  Briefen  hervor- 
ragenderer Zeitgenossen  ergänzt  werden.  Schweigen  doch  autfällig  genug  die  Frank- 
furter Gelehrten  Anzeigen  von  der  Emilia,  aber  an  Herder  sendet  Goethe  sein  inhalt- 
schweres Urteil.  Ist  es  nötig  ganze  Bogen  mit  Engels  längst  verwerteten  Ab- 
schnitten des  „Philosophen  für  die  Welt",  mit  schalen  Briefen  über  den  Nathan,  mit 
dreistem  Gerede  Kleins  über  die  Emilia  zu  füllen?  Herders  Kritik  „Wie  die  Alten" 
und  seinen  grösseren  Nachruf  aus  dem  Merkur  —  freilich  auch  hier  ein  Labsal  nach 


1)  F.  Muncker,  G.  E.  Leasings  sämtl.  Schriften.  Her.  v.  K.  Lachmann.  3.,  aufs  neue  durchges.  u.  verm.  Aufl. 
9.  Bd.  Stuttgart,  Göschen.  X,  406  8.  M.  4,50.  —  2)  (I  3  :  53,  S.  172.)  (Vgl.  auch  DDichtung.  18,  S.  272.)  —  3)  (I  3  :  37.)  — 
4)  (I  8:38.)  —  5)  (I  8:39.)  -  6)  J.  W.  Braun,    Lessing   im  Urteile  seiner  Zeitgenossen.   2.  Bd.   1773-81.    B.,  Stahn.    XVI, 


Erich  Schmidt,  Lessing-.  IV  6 


7-14 


den  unnützen  Zeitungsnachrichten  vom  tötlichen  „Steckfluss"  —  sucht  man  jetzt  in 
Suphans  Ausgabe  seiner  Werke.  B.  hätte  sich  in  zahh^eichen  Fällen  mit  einem 
kurzen  Regest  begnügen  sollen.  Vor  allem  der  vasten  und  wüsten  Fragmenten- 
Litteratur  gegenüber:  denn  der  Abdruck  zweier  Stücke  aus  Goezes  „Vorläufigem", 
die  zunächst  in  einer  Zeitung  erschienen  waren,  kann  keinem  Forscher  g-enügen, 
und  was  all  die  Bekämpfer  des  Ungenannten  ausgekramt  haben,  wird  er  sich  von 
ihnen  selbst  sagen  lassen,  nicht  von  ihren  Parteigäng-ern  oder  von  rationalistischen 
Berichterstattern.  Das  Buch  führt  also  einen  schweren  Ballast,  doch  erkennen  wir 
die  Nützlichkeit  so  mancher  Ausgrabung  gern  an.  —  Ganz  äusserlich  und  unge- 
schickt rafft  Singer'')  Notizen  zusammen  über  Aufführungen  und  Uebersetzungen 
der  Minna  (Haymarket  1786  The  disbanded  officer,  von  Johnstone  verballhornt;  in 
York  1788  heisst  der  „landlord"  Katzenbuckle;  1799  School  for  honour;  1806  in 
Holcrofts  Theatrical  Recorder  II,  ziemlich  treu,  vorn  ein  Tadel  der  Riccautscene  und 
die  Entschuldigung- :  the  manners  of  Germany  admit,  or  rather  require,  the  woman 
to  make  direct  advances,  which  halfshock  our  customs)  und  der  Emilia(Drurylane  1794, 
ungedruckt,  erst  Thompson  1800;  Orsina:  Mrs.  Siddons);  über  den  „Nathan"  nur 
ein  nichtssagendes  Sätzchen.     Bernays  möchte  sich  derartige  „Spenden"  verbitten !  — 

Leben  und  Werke.  Scherers^)1881in  der  Deutschen  Rundschau 
erschienener  Jubiläumsaufsatz  ist  nun,  mit  einer  einzigen  sachlichen  Aenderung, 
seinen  „Kleinen  Schriften"  einverleibt  worden.  —  Den  äussersten  Gegensatz  dazu 
bildet  das  1892  in  den  Heften  der  socialdemokratischen  „Neuen  Zeit"  (vgl.  JBL. 
1892  IV  6:4a)  abgedruckte  Pamphlet  Mehrings'^),  worin  Lessing  von  der  durch 
Goethe  eingeleiteten,  durch  Gervinus  fortgebildeten,  durch  Scherer  und  mich,  wie 
der  Vf.  meint,  aus  preussischem  Byzantinismus  und  akademischer  Borniertheit  zu 
Tode  gehetzten  „Legende"  befreit  werden  soll,  Friedrich  der  Grosse  habe  mittel- 
bare und  unmittelbare  Verdienste  um  die  deutsche  Litteratur.  M.  ist  ein  gescheiter 
und  beredter  Mann,  aber  ein  Rabulist,  der  hier  seinen  Lessing  in  die  Reihe 
socialistischer  Vorreformatoren  hinein  „retten"  möchte,  von  dem  König  ein  äusserst 
tendenziöses  Zerrbild  entwirft,  unbequeme  Gedichte  und  Briefe  Lessings  und  der 
Seinen  ebenso  eskamotiert,  wie  er  z.  B.  meine  Sätze  über  die,  Ode  „An  Mäcen" 
dreist  auf  den  Kopf  stellt.  Immerhin  sind  die  rein  polemischen  Absätze  viel  frischer 
zu  lesen  als  die  ruhigeren  über  Lessings  Bildungsgang  und  das  sächsische  Wesen.  — 
Rolleston'*')  hat  uns  Deutschen  in  seiner  langen  Einleitung  nichts  Neues  zu 
sagen,  und  der  specielle  Teil,  der  Lessing  als  Neuschöpfer  des  Dramas  über- 
schwenglich feiert,  bietet  ausser  Gemeinplätzen  (S.  253)  einen  schiefen  Vergleich 
zwischen  Teilheim  und  Don  Quixote  und  fS.  255)  einen  nicht  minder  schiefen 
zwischen  Lessing  und  Goethe;  dieser  habe  leider  als  Dramatiker  andere,  falsche 
Wege  eingeschlagen.  Schliesslich  bricht  R.  über  die  deutsche  Dichtung  der  Gegen- 
wart den  Stab.  —  Erich  Schmidts  Lessing  (vgl.  JBL.  1892  IV  6:4)  hat  Chuquetu) 
sehr  freundlich  besprochen,  ohne  dieser  Kritik,  den  kleinen  über  „Lessings  Ueber- 
setzungen" und  Munckers  Ausgabe,  den  grösseren  über  Gruckers  „Laokoon"  und 
„Dramaturgie"  ausser  dem  Reiz  der  Form  auch  das  Gewicht  eigener  Bemerkungen 
zu  geben.  —  Lessings  Bruder  Theophilus  erscheint  1799  mit  dem  Anhang  zu  seinem 
Gedicht  „Liebe  und  Dank"  als  zahmer  und  lahmer  Verteidiger  der  Stadt  Chemnitz 
gegen  ein  unverschämtes  Pasquill,  das  Uhle'^)^  die  Zoten  streichend,  nach  dem 
einzigen  erhaltenen  Exemplar  wieder  abdruckt.  —  f^H  o  1  s  t  ei  n'-')  stellt  kundig  in 
einem  grossen  Citatenteppich  alles  zusammen,  was  die  Werke  und  Briefe  Lessings 
und  Kästners  über  ihre  persönlichen  und  geistigen  Beziehungen  enthalten.  In  einem 
bisher  ungedruckten  Brief  an  Scheibel  (29.  Nov.  1797)  nennt  Kästner  als  nachher 
berühmt  gewordene  Genossen  seines  Leipziger  Disputatoriums  Lessing ,  Gramer, 
Zachariä,  Mylius.  Am  1.  April  1799  schreibt  Kästner,  Lessing  habe  ihm  vor  vielen 
Jahren  gesagt :  „Die  Philosophie,  wie  sie  damals  vorgetragen  wurde  —  Deklamationen 
statt  Beweise  —  wird  so  seicht,  dass  man  es  fühlen  muss,  sie  kann  nicht  so  bleiben!" 
In  der  Spinozafrage  —  er  macht  den  Wortwitz  :  Spinosisten  von  spina.  Dorn  --  g-laubt 
er  an  eine  Schrauberei:  „Lessing  war  ebenfalls  so  mutwillig,"dass  er,  um  gute  Leute 
zum  besten  zu  haben,  sich  schlimmer  stellte  als  er  war".  Die  Mitteilung  an  Frau 
Baidinger  (12.  Nov.  1779)  über  seinen  dreisprachigen  Brief  an  Lessing  und  dessen 
Antwort  über  die  drei  giftigen  Cerberus-Zungen  deckt  sich  ungefähr  mitjKästners^ 
Worten  an  Nicolai,  die  ich  (VLG.  4,  S.  273)  abgedruckt  habe.  — 

Dramen.  Für  den  Faust  verweist  Schönbach'*)  kurz  auf  eine 
Variation   des   nächtlichen  Teufelkonvents   in    der    um   1250  entstandenen,    1483  ge- 

415  S.  M.  9,(X).  —  7)  H.  W.  Singer,  Englische  Urteile  über  d.  Dramen  dtsch.  Klassiker.  (=  I  1:118,  S.  1-12.)  —  8) 
(I  1  :  117;  2,  S.  71-102.)  —  9)  F.  Mehring,  D.  Lessing-Legende.  E.  Rettung.  Nebst  e.  Anh.  über  d.'hist.  Materialismus. 
St.,  Dietz.  Vin,  500  S.  M.  3,00.  |[A.  Sauer:  DLZ.  S.  1323;  (Beplik  S.  1524;  Duplik  S.  1589).]|  —  10)  T.  W.  Rolleston, 
Lessing  and  his  place  in  German  litt.:  ContempR.  64,  S.  236-58.  —  U)  A.  Chuquet:  RCr.  35,  8. 130  1,  212  3;  36,  S.  304,420/1. 
—  12)  (IV  5:514.)  —  13)  H.  Holstein,  Lessing  u.  Kästner:  M»gdZgB.  N.  44/7.  —  M)  A.  Schön bach,  Zu  Lessings  Faust- 


IV  6  :  15-24  Erich  Schmidt,  Lessing-. 

druckten   Predigtsammlung'    des  F'ranziskaners  Lucas    (Haureau,    Notices    et  extraits 

V  1892.  S,  62).  —  Pf  eilsch  midt^^)  berichtet,  marktschreierische  Zettel  mitteilend, 
über  eine  Aufführunsr  des  „Faust  von  Lessing"  in  Nürnberg"  1782,  während  dort 
1777  Weidmann  als  Urheber  genannt  war,  und  erblickt  in  diesem  nicht  den  Schau- 
spieler Paul  Weidmann,  wie  man  bisher  mit  Werner  meinte,  sondern  Karl  Weid- 
mann, Referendar  der  böhmischen  Kanzlei.  —  Das  bestätigt  Fränkel^^}.  — 

In  allzu  konstruierender  Weise,  doch  mit  feinen  Bemerkungen,  erklärt 
Kettner'')  die  Charakteristik  der  Minna  von  Barnhelm  aus  dem  „Gesetz  des 
Komischen":  sie  vertrete  so  einseitig,  wie  Tellheim  die  Ehre,  das  Recht  der  Liebe,  und 
das  Spiel  kehre  sich  endlich  um,  dass  er  der  Gebende,  sie  die  Empfangende  sei.  —  Die 
verdiente  Elis  ab  et  hMentzel*^)  bietet  neu  aufgefundeneZettel  der  Kurz-Bernardonschen 
Truppe  (vgl.  Litzmanns  Schröder  Bd.  2)  aus  Frankfurt  a.  M.  dar,  die  mit  An- 
preisungen der  Stücke  versehen,  aber  undatiert  sind:  „Der  Freigeist"  1768  (Brock- 
mann als  Theophan);  „Minna  von  Barnhelm"  (ohne  Riccaut,  wie  bekannt):  „Ein  ganz 
neues,  hier  und  an  keinem  Ort  noch  vorgestelltes  Lustspiel",  doch  ist  der  Schluss, 
diese  Aufführung   falle   vor    die  Hamburgische  vom   28.  Sept.,    nicht   unbestreitbar. 

Zur  Matrone  von  Ephesus  bieten  mittelbares  Interesse  Colli gnons '8) 
lose  aufgefädelte  gelehrte  Nachrichten  über  die  Kunde  Petrons  in  Frankreich;  für 
unseren  Stoff  kommen  in  Betracht  S.  59  Brantome  (nach  d'Aurat),  S.  66  Balzacs  und 
S.  80  J.  B.  Rousseaus  Anspielungen;  S.  68ff.  Uebersetzungen  in  Briefen  Meres, 
Plassacs,  Bussys;  S.  73  Lafontaine;  Dramen  S.  73  P.  Brisson,  L'Ephesienne,  fünfaktige 
Tragikomödie  in  Versen  (Theätre  frangais  1614);  S.  74  Parodie  in  einer  ,,scene  du 
compliment  et  de  la  bouteille"  von  Noland  de  Fatouville,  La  Matrone  d'E.  ou  Arlequin 
Grapignan  (Theätre  Italien  1682);  S.  82  la  Motte,  ein  Prosaakt  (Theätre  frangais 
1702);  Fuseliers  dreiaktige  komische  Oper  (Foire  St.  Laurent),  Legays  Einakter 
in  Versen  1788,  Radets  Einakter  mit  Vaudevilles  1792,  Verconsins  Einakter  in  Versen 
(Gymnase  1869).  Die  Nachahmung  im  6.  Kapitel  des  Daudetschen  Immortel  ist  auch 
mir  sofort  aufgefallen.     Von  Lessing  ist  bei  C.  nicht  die  Rede.  — 

Aus  der  Wasserflut  der  Schulschriften  über  EmiliaGalotti  erhebt  sich 
ein  scharfer,  geistreicher  Aufsatz  Kettners^^),  der,  hie  und  da  wohl  zu  streng,  den 
Hintergrund  der  Zeit,  die  Verkettung  der  motivierenden  Umstände  oder  Zufälle,  die 
Rolle  des  Intriganten  (ein  Davus  ins  Teuflische  hinübergespielt),  die  innere  Ge- 
bundenheit der  nervösen  Personen,  das  endliche  Hervorspringen  der  sittlichen  Frei- 
heit aus  dem  äussersten  Determinismus  prüft  und,  was  uns  das  Anregendste  scheint, 
Lessings  dramatische  Psychologie  im  Zusammenhange  mit  Leibnizens  „Nouveaux 
essais  sur  l'entendement  humain"  zeigt:  Wichtigkeit  der  „perceptions  petites  et 
insensibles"  für  Charakterbildung  und  Willensakte,  Bewusstes  und  Unbewusstes, 
Temperament,  vage  Unruhe  verbunden  mit  Erinnerungen  und  dem  Spiel  der  Ein- 
bildungskraft, innerer Kampfder„penseesconfuseset  distinctes".  —  Als Odoardo übertreffe 
Ekhof  die  höchsten  Erwartungen,  meint  Nicolai,  wie,  S  ch  ü  d  d  e  k  o  p  f  ^i)  mitteilt, 
nach  der  Aufführung  in  Weimar  1773  (6.  Mai);  die  Hensel-Seyler  findet  er  nicht  so 
erschöpfend,  doch  in  den  „furiosen  Stellen"  meisterhaft,  Bock  als  Prinzen  „ziemlich 
gut",  die  Mecour  als  Emilia  „ziemlich  mittelmässig",  Madame  Bock  als  Claudia  der 
Starkin  nicht  gewachsen,  Brandes  als  Kammerherrn  im  Stil  eines  Kammerdieners.  — 

Nathan.  Feiert  Trost  22)  obenhin  die  unreifen  „Juden"  als  Messias  des  socialen 
Dramas,  so  nimmt  Zumbini23)  mit  einer  Verurteilung  des  Antisemitismus  den 
Anlauf  zu  einem  langen,  wohl  nur  in  dem  Abschnitt  über  Cardan,  dessen  Recht- 
gläubigkeit Lessing  fälschlich,  d.  h.  politisch  verfochten  habe,  für  uns  beachtens- 
werten Aufsatz;  denn  auch  alles,  was  über  die  Italiener  gesagt  wird,  ist  geläufig, 
die  Verwertung  anderer  Geschichten  des  Decameron  (10,  5)  durch  Caro  vorweg-ge- 
nommen  (Z.  selbständig,  Fanfulla  7.  Dec.  84).  Mehrmals  erfreut  ein  gesunder 
W^iderspruch  gegen  Konstruktionen  der  deutschen  Forschung,  die  dem  Vf.  aber  nur 
teilweise  bekannt  zu  sein  scheint.  --  Durch  eine  unzulängliche  Erstlingsarbeit 
Fioravantis  (II  Saladino  nelle  leggende  francesi  e  italiane  del  medio-evo,  Reggio 
1891)  aufgefordert,  erstattet  Paris^*)  schwergelehrten  Bericht  über  Saladins 
romantisches  Nachleben  in  gedruckten  und  ungedruckten,  poetischen  und  prosaischen 
Werken    des   französischen   Mittelalters.    Aus    der    sauber  gegliederten  Abhandlung 


Vorspiel:  VLG.  6,  S.  320.  —  15)  H.  Pfeilschmidt,  Lessinge  „Faust"  auf  d.  Nürnberger  Bühne.  (=  III  5:3;  S.  176-88.) 
(Sonderabdr.  1.5  S.  Schon  1888  als  Zeitungsfeuilleton  erschienen.)  -  16)  (IV  4  :  180;  vgl.  BLU.  S.  403/5.)  —  17)  G-  Kettner, 
D.  CharaVter  der  Minna  v.  Barnhelm  n.  seine  Stellung  im  Drama:  ZDU.  7,  S.  217-30.  —  18)  Elisabeth  Mentzel,  Lessings  „Minna 
V.  Barnhelm"  n.  „Freigeist"  auf  d.  Frankfurter  Bühne  1767  u.  68 :  AFranljf  G.  4,  S.  375-85.  —  19)A.Collignon,  Pef  rone  au  MA.  et  dans 
la  litt,  f  rany. :  AnnEst.  7,  S.  47-91.  —  20)  G.  Kettner,  Ueber  Lessings  Emilia  Galotti.  (=  Illustrissimae  Scholae  Regiae  Afranae  con- 
gratulantur  Scholae  Regiae  Portensis  rector  et  collegae.  (Naumburg,  Lipperts  Buchdr.  32  S.,  S.  5-32.)  —  21)K.Schüddeko  p  f,  Nicolai 
über  Weimar  im  J.  1773:  VossZgB.  N.  51.  —  22)  K.Trost,  D.  sociale  Drama:  NorddAZg.  5.  Dec.  -  23)  (IV  1  d :  77;  S.  173-216.) 
irA.  Zardo:  NAnt.  48,  S.  711-20.]|  —  24)  G.  Paris,  La  legende  de  Saladin.     (Extr.  du  JSav.,  Mai  h  Aoüt.)  Paris, Imprim.  nat. 


Erich  Schmidt,  Lessing-.  IV  6  :  25-36 

hebe  ich  hervor  S.  14/5  (der  sterbende  Saladin  fragt  die  drei  weisesten  Männer 
Jerusalems,  einen  Juden,  einen  Christen,  einen  Muselmann,  nach  der  besten  Religion. 
Der  Jude  antwortet:  meine,  und  gab'  ich  sie  auf,  so  würde  ich  die  christliche 
wählen,  die  von  ihr  stammt;  der  Saracene :  meine,  und  gab'  ich  sie  auf,  so  würde 
ich  die  christliche  wählen,  von  der  sie  stammt;  der  Christ:  meine,  und  um  keinen 
Preis  würde  ich  sie  für  eine  andere  aufgeben.  Ihm  folgt  der  Sultan.  Lateinisches 
Ms.  von  Tours,  13.  Jh.,  citiert  von  Lecoy  de  la  Marche,  Etienne  de  Bourbon  p.  64). 
Ferner  die  Erörterung  der  europäischen  Reise  Saladins  vom  Busone  an  ('S.  29—30). 
Für  die  Ring-Parabel  verweist  P.  kurz  auf  seinen  älteren  Aufsatz.  —  Hampe^^) 
druckt  aus  einem  Codex  der  Berliner  Kgl.  Bibliothek  „Ein  gleichnus  Eines  Juden 
[von]  der  Religion"  ab,  einen  elenden  anonymen  Meistergesang  von  1605,  worin 
nach  unbekannter  Quelle  mit  widerspruchsvoller  Auszeichnung  des  jüngsten  Lieblings- 
sohnes Kaiser  Max  II.  und  ein  Prager  Jude  zusammengebracht  werden.  —  J  a  c  0  b  y  2^) 
leitet  die  Frage  des  Schillerschen  Jünglings  „Ist  deine  Wahrheit  .  .  .  nur  eine 
Summe"  von  dem  Nathan-Monolog  3,  6  ab.  —  Mehr  als  aus  C  a  1  k  i  n  s  2'')  Ueberlegung 
„Gedicht  oder  Stück?"  mögen  wir  aus  klugen  Theaterkritiken,  z.  B.  Kalbecks^S), 
lernen,  und  Auerbachs  ^9)  Aufzeichnungen,  frisch  nach  wiederholtem  Besuch  des 
„Nathan",  der  ,,Emilia",  wird  man  sowohl  seinet-  als  L.s  wegen  gern  mit  Beifall  und 
Widerspruch  lesen.  Das  Register  lässt  diese  und  allgemeinere  Reflexionen  leicht 
übersehen.  — 

Aesthetik.  An  Fischers  förderlicher,  aber  zu  orthodoxer  Arbeit  (vgl. 
JBL.1891IV  7  :  41)  über  Lessings  Theorie  derF  ab  e  Ihaben  W^alz  e  1  und  Pr  o  s  ch^o) 
verständige  Kritik  geübt.  —  Programme,  in  denen  immer  wieder  dasselbe  Stroh 
gedroschen  wird,  lassen  wir  bei  Seite ^t).  Dagegen  verdient  rühmende  Erwähnung 
das  von  Noelle^^j  über  La  Fontaine  wegen  seiner  liberalen,  gar  nicht  schul- 
füchsischen  Poetik,  der  Nachweise,  dass  der  Dichter  Lessing  keineswegs  immer  so 
knapp  sei  wie  der  Gesetzgeber  Lessing  heische,  der  über  Lessings  „Bestandheit" 
hinausweisenden  Tierpsychologie,  der  guten  Citation  des  Babrius,  der  von  Abdrücken 
begleiteten  Vergleichung  mehrerer  Fuchsfabeln.  —  Für  Lessings  Wolfenbütteler 
Studien  wäre  aus  dem  Vorjahre  Braunes 32a j  treffliche  Einleitung  zu  Erasmus 
Alberus  nachzutragen.  — 

Laokoon.  Lessings  Erklärung  der  körperlichen  Schönheit  als  Schönheit 
der  Form,  der  Farben,  des  Ausdruckes  in  seinen  Vorarbeiten  zur  Fortsetzung  führt 
Harnack^S)  auf  Mengs  Riflessioni  sulla  bellezza  (deutsch  1765)  zurück:  Raphaels 
„espressione",  Correggios  „certe  forme",  Tizians  „colori".  —  Ueb  er  egg  er  3*)  sucht 
Lessings  zuversichtliche  Behauptungen  über  das  Verhalten  der  leidenden  Griechen 
und  Barbaren,  schon  von  Herder  angefochten,  durch  einen  Schwall  homerischer,  sopho- 
kleischer  und  mittelhochdeutscher  Steilen  zu  widerlegen  und  schliesslich,  Blümner  folgend, 
noch  einen  Widerspruch  zu  beleuchten,  da  Weinen  und  Lachen  nicht  transitorisch 
sei.  —  H  a  r  m  s  35)  citiert  Walthers  „Ich  sa^  üf  eime  steine",  um  Lessings  Theorie, 
der  Dichter  schildere  Körper  andeutungsweise  durch  Handlungen,  zu  bestreiten  und 
zu  erklären,  durch  konkrete  Verba  schaffe  die  Sprache  im  Hörer  deutliche  Vor- 
stellungen von  Dingen  im  Räume.  Mit  einer  Klage  über  den  Schwund  der  echten 
Verba  schwingt  er  sich  dann  fernab  vom  Laokoon  auf  Wustmanns  Tummelplatz, 
haut  die  akademische  Litteraturgeschichte  in  die  Pfanne ,  stellt  die  lotterigen 
Kathederredner  an  den  Pranger,  versetzt  dem  Poetiker  und  Stilisten  Scherer  die 
üblichen  Tritte  und  nagelt  ein  paar  „geschmackvolle"  Sätze  (wie  „Die  winzige  Scene 
vor  dem  Kreuz  entfiel")  fest  zum  Beweis,  dass  ich  „den  litterarischen  Gigerlrock  noch 
etwas  kürzer  trage".     Ein  geschmackvoller  Kritikus!  — 

Dramaturgie.  Ich  lege  Grucke  rs^ß)  gleich  seiner  früheren  Laokoon- 
Studie  sehr  lehrreichen  und  anregenden  Aufsatz  über  L.  und  das  französische 
Drama  und  das  Verhältnis  beider  zu  Aristoteles  zurück,  weil  er  nur  einen  Teil 
des  grossen,  der  Hamburgischen  Dramaturgie  gewidmeten  Kapitels  bildet  und  dieses 
im  2.  Bande  der  „Historie  des  doctrines  litteraires  et  esthetiques  en  Allemagne", 
hoffentlich  recht  bald,  noch  „certains  developpements,  ainsi  que  certains  details  et 
commentaires  d'erudition"  aufnehmen  soll.  —  Die  Verbesserungen  in  der  2-.  Auflage 


4».  48  S.  —  25)  Th.  Hampe,  Zwei  Parabeln  v.  Meistersingern.  1.  D.  Ringparabel:  VLG.  6,  S.  102,6.  (Vgl.  H  2:22.)  —  26) 
D.  Jacoby,  Zu  Schillers  Gedicht  „D.  verschleierte  Bild  zu  Sais":  ib.  S.  158/9.  (Vgl.  lY  9  :  50.)  —  27)  ß.  Calkins, 
Nathan  d.  Weise  —  poem  or  play?:  MLN.  8,  S.  193-205.  —  28)  M.  Kalbeck,  Nathan  d.  Weise:  NWienTBl.  N.  15.  —  29) 
(IV  4:314.)  -  30)  0.  F.  Wulzel:  ZOG.  44,  S.  1368;  F.  Prosch:  ib.  S.  535/8;  id.:  Gyran.  11,  S.  12  3.  —  31)  O  X  A.  E. 
Z witzers,  Lessings  Stellung  z.  Fabel.  Progr.  Emden.  16  S.  —  32)  A.  Noelle,  Beitrr.  z.  Studium  d.  Fabel  mit  bes.  Be- 
rücksichtig. Jean  de  La  Fontaines.  Nebst  vergleichenden  Texten  n.  metrischen  Verdeutschungen.  Progr.  Cnxhaven  ( Ranschenplat). 
4».  57  S.  —  32a)  W.  Braune,  D.  Fabeln  d.  Erasmus  Alberus.  (=  NDL.  N.  104,-7.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  LXXII,  216  S. 
M.2,40.  (Vgl.  JBL.  1892  II  5b:27.)  — 33)  (1 12  :  15  b.)  —  34)  J.  Ueberegger,  üeber  d.  v.  Lessing  in  d.  ersten  drei  Abschnitten 
seines  Laokoon  ausgesprochenen  Ansichten.  Progr.  d.  Staatsgymn.  Olmütz.  30  S.  —  35j  P.  Harms,  Laokoon,  Kap.  16: 
Grenzb.  2,  S.  591-605.  —  36)  E.  Grncker,  La  „Dramaturgie"  de  Lessing,  Corneille,  Aristote  et  la  tragödie  fran9.:  AnnEst.  7, 


IV  6:37-41  Erich  Schmidt,  Lessing-. 

der  Cosackschen  „Materialien"  (vgl.  JBL.  1891  IV  7  :  58)  würdig-t  kurz  K  ö  s  t  e  r  3").  — 
Das  Heftchen  „Der  bremische  Lessing"  •^'a')  hat  mit  Gütthold  Ephraim  nichts  zu  thun, 
sondern  bringt  die  Abfertigung  des  Herrn  Henri  Gartelmann  (vg-l.  JBL.  1892 
I  11:  128)  durch  einen  empörten  „Cerberus".  — 

Theologie  und  Philosophie.  Seiner  Darstellung"  der  Händel  lässt 
Erich  Schmidt^s)  (^q^^  Abdruck  der  Goezeschen  Streitschriften  „Etwas  Vor- 
läufiges" und  „Lessings  Schwächen"  1 — 3  folgen  und  stellt  in  einem  Anhang,  zum 
Teil  nur  referierend  (vg-l.  nun  auch  Braun  Bd.  2),  alles  zusammen,  was  die  Ham- 
burgischen „Freywillig"en  Beyträg-e"  1774 — 78  und  der  „Beytrag  zum  Reichs-Post- 
reuter"  1777  —  80  aus  den  Kreisen  Goezes  und  Wittenberg-s  auf  Lessing  und  den 
Fragmentenstreit  Bezügliches  enthalten,  auch  Goezes  drei  Erklärungen  über  die 
„bibliothekarische  Ungefälligkeit"  und  seinen  Artikel  über  den  „Papst  Hammoniens". 
(Zur  Abwehr  von  Missverständnissen  sei  bemerkt,  dass  M.  Sdraleks  „Wolfen- 
bütteler  B'ragmente"  kircheng-eschichtliche  Analekten  des  Mittelalters  aus  Hss.  der 
Guelferbytana  enthalten.)  —  Man  n^^),  in  Lessings  Werken  wohl  beschlagen,  bezeichnet 
die  Recensionen  Wielands  und  Cramers,  den  5.  Fabelaufsatz  und  die  „Erziehung-", 
ausser  zerstreuten  Aeusserungen,  als  Quellen  der  Erkenntnis  nicht  eines  geschlossenen 
Systems,  doch  der  Hauptpunkte  einer  Lessingschen  Pädagogik  und  behandelt,  mit 
umfassendem  Hinblick  auf  das  selbständige  Streben  nach  sittlicher  und  intellektueller 
Vervollkommnung  als  Lessings  Ideal,  seine  Ansichten  vom  „erziehenden  Unterricht" : 
Aufgaben  (Anregung  des  Denkens,  Interesse),  Unterrichtsstoff,  Auswahl,  Bearbeitung, 
Durcharbeitung ,  „formale  Stufen",  Specielles.  Schon  die  Schlagworte  zeigen  den 
Herbartianer.  Er  könnte  genetischer,  entwickelnder  verfahren,  auch  dem  Dichter 
Lessing  mehr  entnehmen  und  das  praktische  Lebensideal  stärker  betonen.  —  An 
einem  schwierigen  Thema  erprobt  A  r  n  s  p  e  r  g"  e  r  4*^)  seine  Kraft  mit  umfassender 
Kenntnis  der  älteren  Litteratur  bis  zu  meinem  Kapitel  und  mit  eigenen  Ergebnissen, 
die  wohl  nach  Art  des  Meisters  Kuno  Fischer  manchmal  in  zu  klarer  Periodisierung 
dargeboten  werden,  denn  die  Probleme  sind  verwickelter,  die  Grenzscheiden  der 
Gedankenarbeit  fliessender,  als  die  bis  zu  einem  gewissen  Grad  ja  unerlässlichen 
log-ikalisch-historischen  Gewaltakte  unserer  Forschung"  sie  erscheinen  lassen. 
Natürlich  hat  auch  A.  von  Dilthey  viel  gelernt.  Er  legt  dar,  wie  Lessing  von 
seiner  vernunftgemässen  Umdeutung"  der  Dogmen  und  im  Zusammenhang  damit  von 
Leibniz  her  —  S.  13 :  aber  auch  von  einem  Reimarischen  Wink  aus  —  zur  Metem- 
psyohose  kam ,  dass  seine  Palingenesie ,  mit  Umbildung"  alter  und  neuerer  Vor- 
stellungen, Metamorphose,  seine  Fortdauer  Fortentwicklung"  ist,  der  von  mir  strikt 
g"eleugnete  Gedanke  einer  kosmischen  Wanderung"  allerdings  nur  den  jüngeren 
Lessing"  beschäftigt  hat,  und  wie  der  Determinismus  (S.  21  auch  für  das  „Horoskop" 
wichtige  Citate  über  Wissenschaft  des  Zukünftigen)  anders  als  bei  Jerusalem  durch 
die  Theodicee  ergänzt  werde.  Dass  Lessing"  starke  Einwände  gegen  seine  Metem- 
psychose,  besonders  die  Frage,  warum  ein  Teil  des  Intellekts,  das  Gedächtnis 
schwinde,  bloss  rhetorisch  von  der  Hand  geschlagen  habe,  ist  richtig.  Dem  Erweis, 
in  der  letzten  Phase  trete  die  Palingenesie  nicht  mehr  als  Hypothese,  sondern  als 
religiöses  Postulat,  als  Idee  auf,  vermag  ich  hier  nicht  nachzugehen.  Vor  den 
Belegen  findet  man  rasche  Ausblicke  auf  Schlosser,  Herder,  Goethe,  Schopenhauer.  — 

Vereinzeltes.  Zum  Schluss  verweise  ich  auf  die  Paralipomena  der  von 
Erich  Schmidt  und  Suphan^^)  herausgegebenen Xenien  und  meinen  Kommentar 
zu  den  alten  und  neuen  Lessing  wie  Nicolai  gewidmeten  Distichen.  N.  267 :  Nicolai  hat 
in  seiner  Albernheit  von  der  Nähe  des  „Edeln"  so  wenig"  profitiert  wie  Lessings 
Stuhl.  N.  482 :  Lessing  verfolgt  als  ungeheurer  Orion  auf  der  Asphodeloswiese  die 
Würg"opfer  der  Litteraturbriefe.  — 


S.  489-537.  —  37)  A.  Köster:  ADA.  19,  S.  196/7.  —  37a)  D-  bremische  Lessing  (H.  Gartelmann).  Bremen,  Hampe. 
15  S.  M.  0,40.  —  38)  Erich  Schmidt,  Goezes  Streitschriften  gegen  Lessing.  (=  DLD.  N.  43,5.)  St.,  Göschen.  V,  208  S. 
M.  3,30.  —  39)  G.  Mann,  Lessings  Päd.,  dargest.  auf  Grund  seiner  Philosophie.  Diss.  Jena.  55  S.  —  40)W.  Arnsperger, 
Lessings  Seelenwanderungsgedanke  krit.  beleuchtet.  Diss.  Heidelberg  (Hörning).  52  S.  —  41)  Erich  Schmidt  u.  B.  Suphan, 
Xenien  1796.  Aus  d.  Hss.  d.  Goethe-  und  Schiller-Arch,  her.  (=  Schriften  d.  Goethe-Ges.  8.  Bd.)  Weimar,  Böhlau.  XXXVI, 
267  S.     (Vgl.  IV  8a  :  34a;  8c  :  20;  9  :  56.)  — 


E.  Naumann,  Herder.  IV  7  :  i-s 

iy,7 

Herder. 

Ernst  Naumann. 

Geburtshaus  nnd  Familie  N.  1.  —  Briefe  N.  4.  —  Geistesleben:  Ein::elheiten  N.  7;  Gesamtbild  N.  11.  —  Werke: 
Gesamtausgaben  N.  14;   Blätter  von  deutscher  Art  und  Kunst  N.  16;    Cid  N.  17.   —    Herder  und  Goethes  „Satyros"  N.  19.  

Das  Geburtshaus  Herders  in  Mohrung-en,  welches  im  Dec.  1891  von  einem 
Urenkel  des  Dichters,  Herrn  Gottfried  von  Herder-Porchheim,  käuflich  erstanden  ist, 
wurde,  vollständig-  wiederhergestellt,  dem  Kreise  Mehrungen  zu  einem  wohlthätigen 
Zwecke  am  3.  Mai  feierlich  übergeben  und  somit  auf  absehbare  Zeit  vor  Verfall 
bewahrt.  Das  Gelingen  des  Planes  ist  durch  die  thätige  Teilnahme  der  Herderschen 
Familie,  des  Sohnes  von  Herders  Tochter  Luise,  von  Stichling,  gefördert  worden. 
Vor  allen  aber  hat  sich  Suphan^)  warm  der  Sache  angenommen. 2)  —  Gottfried 
Theodor  von  Stichling ^J  war  geboren  am  14.  Juni  1814;  er  starb  am  22.  Juni  1892 
als  Staatsminister  des  Grossherzogtums  Sachsen-Weimar,  um  das  er  sich  grosse 
Verdienste  erworben  hat.  Die  lebhaften  Beziehungen  zur  deutschen  Litteratur,  ins- 
besondere zur  klassischen  Weimarer  Periode,  in  denen  er  als  Herders  Enkel  stand, 
hat  er  bis  zu  seinen  Tode  gepflegt.  Suphans  kritische  Ausgabe  der  sämtlichen 
Werke  Herders  sowie  Hayms  Herderbiographie  danken  ihm  fruchtbarste  Unterstützung-; 
neben  seiner  amtlichen  Thätigkeit  fand  er  Müsse  zu  eigener  schriftstellerischer  Be- 
schäftigung, mit  hervorragenden  Männern  der  Wissenschaft  und  der  Litteratur  stand 
er  in  engem  Verkehr.  Während  seiner  53  Dienstjahre  war  es  ihm  vergönnt,  segens- 
reiche Einrichtungen  im  Grossherzogtum  einzuführen  und  zu  fördern,  und  auch  in 
den  grossen  Angelegenheiten,  um  die  es  sich  1866  und  1870  —  71  handelte,  hatte  Herders 
Enkel  Gelegenheit,  ein  gewichtiges  Wort  mitzusprechen.  — 

Die  Veröffentlichung  ungedruckter  Briefe  und  übergangener  Stellen  aus 
Herders  Briefwechsel  mit  Gleim  setzt  Pawel*)  durch  Mitteilung  von  30  Nummern 
aus  den  J.  1795—1803  fort.  —  An  einen  bereits  bekannten  Briefe  Herders  an  seine 
Braut  knüpft  Sanders^)  sprachliche  Bemerkungen,  besonders  den  Gebrauch  von 
„bei"  mit  dem  Akkusativ  bei  Herder,  Moritz,  Goethe,  Jung-Stilling  nachweisend.  — 
Nach  einer  ersten  Bekanntschaft  Herders  und  seiner  Gattin  mit  Georg  und  Therese 
Forster  im  Sept.  1785  entstand  zwei  Jahre  später  ein  inniger  Verkehr  zwischen  den 
verwandten  Seelen.  Aus  dem  sich  nunmehr  entspinnenden  Briefwechsel  teilt  Leitz- 
mann^)  ein  erhalten  gebliebenes  Blatt  von  Karoline  und  Herder  an  Therese  Forster 
vom  3,  März  1788  mit.  Karoline  entschuldigt  ihr  längeres  Schweigen  mit  Krankheit 
bald  nach  der  Geburt  ihres  Sohnes  Karl  Alfred  (11.  Dec.  1787)  und  spricht  freudige 
Erwartung  zu  Goethes  Heimkehr  aus  Italien  aus.  Herder  fährt  fort,  berichtet  über 
das  Söhnlein,  berührt  manches,  was  Forster  persönlich  betrifft,  wünscht  sich  über 
den  Berg  seines  vierten  Teils  der  „Ideen"  hinweg  und  schliesst  mit  einem  Seitenhieb 
auf  Kants  Metaphysik.  — 

Geistesleben.  Herders  Wirken  im  einzelnen,  wie  an  dem  Weimarer 
Gymnasium  behandelt  Francke'')  auf  Grund  der  Schulreden,  indem  er  die  Haupt- 
gesichtspunkte Herders  für  Erziehung  und  für  den  Betrieb  der  verschiedenen  Lehr- 
fächer zusammenstellt  und  auch  einen  Blick  auf  dessen  Bemühungen  um  Hebung 
des  sittlichen  Lebens  der  Schüler  wie  um  die  Stellung  der  Lehrer  wirft.  —  Als  ein 
schönes  Denkmal  für  Herders  und  Schillers  geistigen  Verkehr  im  J.  1795  weist 
Imelmann^)  den  Eingang  Herderscher  Ideen  in  Schillers  „Wallenstein"  nach. 
Der  Aufsatz  „Das  eigene  Schicksal",  in  jenem  Jahre  entstanden,  in  Schillers  „Hören" 
erschienen  und  von  diesem  mit  lebhaftem  Beifall  gelesen,  enthält  eine  ganze  Reihe 
einzelner  Betrachtungen  und  bezeichnender  Gedanken,  welche  in  zahlreichen  Stellen  des 
„Wallenstein"  oft  bis  auf  den  Ausdruck  wiederklingen.  Die  von  I.  beigebrachten 
Parallelen  sind  überzeugend,  sie  werfen  sogar  auf  einige  schwierigere  Stellen  des 
Dramas  neues  Licht.  Aber  auch  die  weitere  Vermutung  ist  begründet,  dass  auch  an 
der  Einführung  der  Schicksalsidee  selber  in  den  Wallenstein-Plan  Herders  Meditationen 
in  Schillers  Zeitschrift  ihren  Anteil  gehabt  haben  mögen,  zumal  eine  frühere  Spur 
dieser  Idee  im  Zusammenhange  mit  dem  Wallenstein  nicht  bekannt  ist.  Eine  gewisse 
Kongruenz  der  Schicksalsbegriffe  bei  Herder  und  bei  Schiller,  so  schwer  fassbar  sie 
bei  beiden   sind,    lässt  sich  nicht    verkennen;  jedenfalls  kann   das    Fundament    der 


1)   B.    Suphan:   AltprMschr.  30,   S.  372.    —   2)    X    ^Zg-  N.  75.    -    3)    X.,    Staatsminister  D.  G.  Th.  Stichling: 

NJbbPh.  148,  S.  473/4.    —    4)   J.  Pawel,    Briefe  Herders  an  Gleim:  ZDPh.  25,  S.  36-70.    —    5)    D.    Sanders,    Zu    e.  Briefe 

Herders:  ZDS.  6,  S.  393  4.    —    6)A.  Leitzmann,    E.  Brief  v.  Herder  u.  Karoline  an  Therese  Forster:  VL6.  6,  S.  588-91.  — 

7)  (I  6:47.)   —   8)   J.  Imelmann,    Herder  u.  Schillers  Wallenstein.     Progr.  d.  Joachimsthalschen  Gymn.     Berlin.     4".     16  S. 

Jahresberichte  fftr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (4)21 


rV  7:9-11  E.  Naumann,  Herder. 

Dichtung"  aus  Herders  Behandlung*  des  Themas  eine  Verstärkung-  erfahren  haben. 
Erwähnungen  Wallensteins  und  seiner  Zeit  bei  Herder  im  Jahre  jenes  Aufsatzes,  meist 
im  Anschluss  an  Baldes  Oden,  legt  I.  in  grösserer  Zahl  dar;  oft  ergeben  sich  auch 
hierbei  An-  und  Nachklänge  bei  Schiller.  —  An  Herders  Wahlspruch  „Licht,  Liebe, 
Leben"  knüpft  Rohde-Beyersdorf^)  Betrachtungen  pädagogischen  Inhalts.  — 
Herders  letzten  Kampf  gegen  Kant  in  der  Metakritik  und  der  Kalligone  erklärt 
Kühne  mann  10)  aus  der  eigenartigen  rein  persönlichen  Denk-  und  Anschauungs- 
weise des  ersteren.  Herder  fühlte  sich  als  Vertreter  der  Erfahrung  in  Natur,  Ge- 
schichte und  Kunst  dem  Metaphysiker  gegenüber,  war  in  dem  von  ihm  herauf- 
beschworenen Vernichtungskampf  aber  der  kritischen  Philosophie  nicht  ge- 
wachsen. Nicht  geschult  genug  im  abstrakten  Denken  und  nicht  einmal  gewillt 
oder  ruhig  genug,  die  Einzelausführungen  Kants  in  Zusammenhange  des  Systems 
zu  prüfen,  vermag  er  in  der  Kantschen  Philosophie  nichts  mehr  als  Wortstreit  zu 
sehen  und  glaubt  die  einzelnen  Sätze  desselben  durch  Einzelerörterungen  beseitigen 
zu  können.  Das  ganze  Problem  ändert  sich  unter  seinen  Händen.  Nicht  mehr  die 
menschliche  Vorstellung  ist  das  erste  feststehende  Element  der  Untersuchung,  sondern 
Gott,  der  als  Ursein  und  Urkraft  lebt,  ist  ihm  von  vornherein  gegeben,  er  ist  bereits 
mitgedacht  im  Begriffe  des  Seins.  Es  kümmert  ihn  also  nicht  die  Gewissheit  und 
der  Prozess  des  menschlichen  Erkennens;  er  durchdringt  vielmehr  die  Fülle  des 
empirischen  Wissens  und  überträgt  das  tiefe  Gefühl,  durch  welches  ihm  die  Vielheit 
der  Welt  aufging,  auf  die  Dinge  selbst.  Die  Grundbegriffe,  von  denen  Herder  aus- 
geht. Sein  und  Kraft,  erzeugen  ihm  in  der  Kalligone  eine  vielgestaltige  blühende 
Welt.  Aber  sie  sind  gleich  den  mannigfachen  Ausführungen,  die  sie  in  den  Tabellen 
der  Metakritik  erfahren,  nur  logische  Allgemeinbegriffe,  die  wohl  den  Gang  der  Ab- 
straktion, aber  nicht  die  Methoden  der  Wissenschaft  erschliessen ;  so  vermischt  sich 
ihm  selbst  das  Problem  der  Sprache  mit  dem  der  Philosophie.  Die  Individualität 
des  Denkers  erklärt  seine  Philosophie.  Was  ihm  die  eigentliche  Welt  und  damit 
der  Inhalt  seiner  Philosophie  war,  der  nicht  erforscht,  sondern  mit  religiöser 
Inbrunst  erfasst  ward,  die  organische  Natur  bis  zu  dem  Geistesleben  des  Menschen 
hinauf,  davon  fand  sich  bei  Kant  kein  Wort.  So  war  dessen  System  für  Herder 
von  vornherein  leer.  Dann  aber  nimmt  dieser  die  philosophischen  Kunstaus- 
drücke im  Sinne  des  gewöhnlichen  Lebens  und  verschliesst  sich  durch  diese  Um- 
drehung der  Begriffe  die  gründliche  Erfassung  der  Sätze,  die  er  bekämpft.  So  sehr 
Herder  auch  gegen  den  Kantianismus  als  Richtung  streitet,  so  wenig  kann  er  sich 
doch  enthalten,  gegen  die  Person  des  Gegners,  der  ihm  seine  Lebensarbeit  durchkreuzt, 
Widerwillen  zu  hegen  und  zu  äussern ;  er  empfindet  dessen  Widerspruch  als  persön- 
liche Kränkung.  Der  Inhalt  der  beiden  Werke  zeigt  Plerder  im  Besitze  der  ihm 
möglichen  grössten  Kraft,  aber  auch  an  der  Grenze  seiner  Kraft.  — 

Ein  Gesamtbild  von  Herders  geistigem  Leben  zu  entwerfen,  diese  Aufgabe 
stellt  sich  Kühnemann  ^^)  in  einer  umfangreicheren  Schrift.  Er  sucht  jenes  Leben 
mit  seiner  Fülle  der  verschiedenartigsten,  oft  schwer  mit  einander  zu  vereinigenden 
Aeusserungen  in  Wort  und  Schrift,  auf  einen  einheitlichen  Grund  zurückzuführen, 
indem  er  unter  den  Einzelerscheinungen  übei'all  die  Persönlichkeit  des  Schriftstellers, 
des  Menschen  aufsucht.  Er  prüft  die  Reihe  seiner  Schriften  zwar  ihrer  zeitlichen 
Folge  nach,  aber  nicht  mit  dem  Ziele  des  Litteraturforschers,  sondern  unter  dem 
einen  Gesichtspunkt,  wie  sie  alle  dem  Drange  eines  philosophisch  thätigen  Geistes, 
der  mit  der  Kraft  einer  ausgeprägten  Persönlichkeit  ausgerüstet,  sich  eine  eigene 
Geschichtsphilosophie  und  Weltanschauung  erringt,  als  Bethätigung  dieses  Prozesses 
ihre  Entstehung  verdanken.  Es  handelt  sich  also  in  diesem  Werke  um  eine  philo- 
sophische Aufgabe,  um  eine  Zergliederung  des  Herderschen  Geistes  überhaupt;  der 
Vf.  beabsichtigt  eine  genetische  Psychologie  des  Herderschen  Denkens  zu  geben. 
Ganz  kann  sich  dieser  Aufgabe,  wenn  sie  auch  nie  so  entschieden  gestellt  worden 
ist,  kein  Biograph  entziehen,  und  auch  Haym  hat  sie  keineswegs  unbeachtet  gelassen. 
Aber  die  Entwicklungsgeschichte  ist,  nach  K.,  Hayms  Hauptaugenmerk  nicht  gewesen, 
er  vergleicht  ihn  vielmehr  mit  dem  beschreibenden  Anatomen,  für  den  jeder  Körper 
etwas  Abgeschlossenes,  Fertiges,  Seiendes  ist,  der  also  die  Entwicklungsgeschichte 
nur  insofern  mit  vertritt,  als  die  einzeln  präparierten  Stücke  sich  als  Glieder  einer 
Entwicklungsreihe  aufweisen  lassen.  K.  hat  dagegen  das  Ziel,  die  treibenden  Motive 
in  den  Arbeiten  Herders  zu  erkennen,  danach  die  Gedanken  in  dem  Verhältnis  zu 
seinem  Gesamtlebensgefühl  zu  begreifen,  die  ganze  Gedankenbildung  also  auf  die 
ursprünglichen  Lebensrichtungen  seiner  Persönlichkeit  zurückzuleiten  und  so  den 
Gedanken    als   ein  Element   psychologischer    Entwicklung   zu  erweisen.     Bei  dieser 

|[H.  Unbescheid:  ZDU.  7,  8.  555.]|  —  9)  A.  Rohde-Be yersdorf ,  Welche  Bedeutung  haben  d.  Grabworte  Herders 
„Licht,  Liebe,  Leben"  für  d.  Lehrer?:  PommerscheBll.  17,  S.  345/8,  353,4.  —  10)  E.  Kühnemann,  Herders  letzter  Kampf 
gegen  Kant.  (=  I  1  :  118;  8.  133-55.)  —  11)  id.,  Herders  Persönlichkeit  in  seiner  Weltanschauung.  E.  Beitr.  z.  Begründang 
e.  Biologie  d.  Geistes.    B.,    Dümmler.    XYl,   269  S.    M.  5,00.    |[E.  Friedrich:    BLU.  S.  628-31;    H.  Roetteken:   ZVLR.  6, 


E.  Naumann,  Herder.  IV  7  :  12-is 

psychologischen  Forschung  sieht  sich  K.  an  als  im  Dienste  systematisch-philosophischer 
Arbeit  stehend;  sie  gilt  ihm    als    ein  Stück  Methodenlehre,    welche  Entstehung  und 
Ausbau  der  Wissenschaft  in  der  psychologischen  Erzeugung  aus  den  Persönlichkeiten 
der    Denker    verfolgt   (S.  35).     Diese    Behandlung    der   Probleme   gestaltet   sich    zu 
einer   Biologie  des  Geistes  (S.  248)     Einer  nach  diesen  Grundsätzen  angelegten  Be- 
trachtung bietet  Herder  einen    besonders    geeigneten  Gegenstand;    früh    gezwungen, 
sich  aus  sich  selbst  heraus  zu  entwickeln,  und  früh  überschäumend  von  einer  Menge 
in  ihm    gärender    Gedanken,    Pläne    und  Aussichten,   brauchte  er  späterhin  nur  die 
Gedankenfülle  seiner  Jugendjahre  auseinander  zu  legen  und  zu  entfalten;    es  würde 
nicht  schwer  sein,  alle  Gebiete  seiner  späteren  Arbeit  bereits  in  dem  „Journal  meiner 
Reise"  bezeichnet  und  teilweise    mit    den    ersten  Keimen    späterer  Werke  besetzt  zu 
finden.     Herders  Geistesentwicklung  vollzog  sich  vor  den  Augen  der  Welt  in  seinen 
Schriften;  das  „Journal"  offenbarte  die  ersten  Ansätze,    es  wies  auch  den  Weg,    auf 
dem  man  Herdern  in  der  Beurteilung  gerecht  wird,  denn  es  „fesselt  (Suphans  Worte) 
den  Leser    durch   die  Kunst,    die  Herder   hier  in  einer  fast  unheimlichen  Weise  be- 
thätigt,   das  Geheimnis  des    eigenen  Inneren    zu    belauschen  und  zu  enthüllen".     K. 
behandelt    in    zwei  Büchern    die  Entwicklung   und    die  Vollendung   der  Geschichts- 
philosophie und  Weltanschauung  Herders.     Die  Jugendschriften    bekunden  die  Ent- 
stehung und  Ausbreitung  der  Grundanschauungen,  darunter  bezeichnet  das  „Journal" 
die  psychologische  Stufe  der  Selbstbesinnung,  die  religiöse  Begründung  seiner  Welt- 
anschauung   steht    im    Zusammenhang    mit    den  metaphysischen    Gedanken    seiner 
Welterklärung,  die  Ideen  enthalten  die  allseitigste  Offenbarung  seiner  Persönlichkeit, 
die  sich  in  ihrem  Werk  vollständig  auslebt,    sie   zeigen   sich  als  ein  Werk  einer  in 
ihrem  Lebensgefühl  isolierten  Persönlichkeit;  in  gleichzeitigen  und  späteren  Schriften 
tritt    der  Verfall    von  Herders    Geistesform    allmählich    hervor.     Die    mit  hoher  Be- 
geisterung für  ihre  Aufgabe  verfasste,  vielleicht  mit  zu  grossem  Aufwand  an  Ueber- 
redungskunst  und  zu  umständlicher  Beweisführung-  ausgestattete  Schrift   ist   gerade 
durch  ihre  Beschränkung  auf  den  gewählten  Standpunkt    ein  wichtiger  Beitrag    für 
die  Kenntnis  Herders  geworden,  sie  zeigt  uns  einen  Herder    in  abstracto,    der    aber 
in  Wirklichkeit  doch  nicht  so  in  die  Erscheinung  trat.     Um   ein    vollständiges  Bild 
seiner  Persönlichkeit  zu  erhalten,  wird  man  nicht  umhin  können,  die  vielfachen  An- 
regungen, denen  ein  Herder  zu  folgen  mehr  als  andere  im  stände  war,  nachzugehen; 
wenigstens  als  Hebel  für  die  Förderung  seiner  Gedanken  an  das  Tageslicht  sind  die 
persönlichen    und    wissenschaftlichen  Beobachtungen,  Streitigkeiten,    Reibungen  imd 
Förderungen  wirksam  gewesen  und  haben  dazu  geholfen,  den  Herder  zu   gestalten, 
wie  er  als  geschichtliche  Person  dasteht.  —  Ganz  im  Sinne  des  besprochenen  Werkes 
behandelt  Kühnemann  i^)  an  anderer  Stelle  Herders  Seereise    als    ein  Kapitel  aus 
dessen  Seelengeschichte.     Aus  der  Empfindung  des  Moments  steigen  dem  Reisenden 
die  Gebilde  seines  Geistes  auf,  noch  in  Beziehung  stehend  zu  seinem  Leben  in  Riga, 
aber  ihn  erhebend   und   befreiend.     Das  Gebilde    der  Idealschule  wird  ihm  ein  Ent- 
wurf, wie  er  selbst  hätte  erzogen  werden  wollen.    In  dem  hervortretendem  Drange  nach 
thatenreichem  Leben  regt  sich  seine  reine  Lebenskraft,  er  sieht  sich  als  Reformator 
Liflands,  Menschheit  und  Wirkung   ist    sein  Ideal,    seine  Selbsterziehung   stellt  sich 
ihm  dar  unter  dem  Bilde  einer  Erziehung  der  Welt.     Und    doch    kehren    seine  Ge- 
danken immer  wieder  zu  Büchern  zurück,  aus  denen  er  lernen,  oder  die  er  schreiben 
will.     Kühn  führt  er  die  Künste  auf  die  Sinne  der  Menschen   zurück,    baut    er   aus 
den  Kräften    der   Seele    die   Wissenschaften  auf,    will   er    die    menschliche    Seele   in 
allen  ihren  Erscheinungen  erforschen.     Dazu  soll   ihm    die  Geschichte    dienen.     Aus 
der   ihn    umgebenden  Natur,    aus    dem  Leben    selbst  gehen  ihm  die  geschichtlichen 
Gedanken  hervor.    Aber  das  geschichtliche  Problem  erscheint  als  Seitenweg  von  dem 
eigentlichen  Ziele,  die  Welt  erziehend  zu  gestalten,  und  auf  diesem  Abwege  liegt  die 
Gefahr.     Denn  um  die  historischen  Darstellungen  schwankt   das  ungewisse  ethische 
Ideal,  und  so  trägt  dieser  Geist  in  seiner  Anlage  sein  Schicksal.  —  Herders  Stellung 
zu  den  Zeitgenossen  berührt  Carriere^^)  in  einer  Besprechung  der  Kühnemannschen 
Schrift.    In   Herder  durchdringen    sich  Poesie,  Wissenschaft,  Religion,  und  als  eine 
Sonderung    dieser    Gebiete    in  Goethe   und   Kant   hervortrat,    verharrte   Herder    auf 
seinem  Standpunkt.     Nicht  ganz  unberechtigt;    während  Schiller  und  Goethe  sich  in 
das  Reich  freier  Schönheit  flüchteten  und  das  Leben  zu  typischer  Symbolik  abklärten, 
suchte  er  Gehalt  und  Form  der  Poesie  aus  dem  ureignen  Geist  deutschen  Volkstums, 
er  forderte  von  Sängern  und  Dichtern  eine   prophetische  Wirkung   in    den    Fragen 
der  Gegenwart.     Religion    war    ihm  Lebensatem    der  Seele,  das  Christentum,  gegen 
das  Goethe    und  Schiller    sich    kühl  verhielten,    Blüte    der  Humanität.     Kant  schied 
die  Elemente,  die  in  Herders  Gemüt  durcheinander  wogten;    dieser  übersah,  dass  die 
wissenschaftliche   Forschung   sie    sondern    muss,    aber  es    war   sein  Recht,  dass  der 

8.  487-94.] I  —  12)  id.,  Herders  Seereise  nach  Frankreich  im  J.  1769.    E.  Kap.  dtsch.  Seelengeschichte:  FZg.  N.  168.  —  13)  M. 

(4)21* 


IV  7  :  u-19  E.  Naumann,  Herder. 

ganze  Mensch,  der  ganze  Geist  mit  allen  seinen  Kräften  im  Ineinander  wirken  derselben 
lebendig  ist.  Des  weiteren  würdigt  C.  Hayms  und  Suphans  Verdienste  um  das 
Wiederaufleben  Herders  und  gesellt  ihnen  Kühnemann  zu.  — 

Von  Suphans  Ausgabe  der  sämtlichen  Werke  ist  der  neunte  Band  er- 
schienen. ^^)  Er  teilt  sich  im  unmittelbaren  Anschluss  an  den  achten  zwischen 
Bückeburg  und  Weimar.  Der  vorweimarschen  Periode  gehört  die  älteste  Gestalt 
der  Schrift  über  die  Offenbarung  Johannis  an,  ferner  eine  Anzahl  der  kleinen  Schriften 
und  Recensionen.  Beim  Abschluss  der  Schrift  über  die  Apokalypse  glaubte  Herder 
einen  Ruhepunkt  oder  einen  Wendepunkt  seiner  Thätigkeit  erreicht  zu  haben;  un- 
verkennbar hat  er  in  dieser  Zeit  Schriftstellerei  mit  „menschlicher"  Wirksamkeit 
aufs  engste  verknüpft.  Das  zeigt  der  gemeinsame  Gedankenkreis,  dem  alle  diese 
Schriften  entsprossen  sind.  Die  Obliegenheiten  der  Herausgabe  hat  Suphan  auf  S  t  e  i  g  ^^) 
übertragen,  nachdem  die  wichtigsten  Punkte  der  Anordnung  und  Einrichtung  ge- 
meinsam festgestellt  waren.  Den  Vorbericht  erstattet  St.  gleichfalls.  Wir  entnehmen 
daraus  zunächst  den  geschichtlichen  Bericht  über  Herders  Beschäftigung  mit  der 
Apokalypse.  Spuren  reichen  zurück  bis  1770,  etwa  vier  Jahr  später  wurden  die 
Gedanken  über  die  „Offenbarung  Johannis"  niedergeschrieben;  aus  diesem  Heft  ist 
die  Hs.  hervorgegangen,  die  Herder  1777  einem  engeren  Freundeskreise  mitteilte,  sie 
liegt  nun  (S.  1—99)  zum  ersten  Male  im  Druck  vor.  In  drei  Stufen  von  Um- 
arbeitungen näherte  sich  Herder  der  Druckgestalt  von  1779,  mit  Uebergehung  jener 
folgt  die  letzte  Fassung  (S.  101—288),  zwei  Vorreden  sind  im  Anhange  (S.  99—100) 
mitgeteilt.  Den  Text  der  Preisschrift  „Ueber  den  Einfluss  der  schönen  in  die  höheren 
Wissenschaften"  (S.  289  ff.)  liegt  der  erste  Druck  in  den  Abhandlungen  der  bayerischen 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Grunde.  Für  den  Wortlaut  der  Berliner  Preisschrift 
„Vom  Einfluss  der  Regierung  auf  die  Wissenschaften  und  der  Wissenschaften  auf 
die  Regierung"  boten  Bruchstücke  hs.  Materials  einige  Verbesserungen.  Ueber 
Herders  Anteil  an  der  Lemgoischen  Bibliothek  (S.  409 ff.)  bestand  kein  Zweifel;  als 
sein  Zeichen  wählte  Herder  die  Zahl  des  apokalyptischen  Tieres :  666.  Aus  Lavaters 
,,Physiognomischen  Fragmenten"  sind  das  Stück  über  Hamann  nebst  drei  anderen 
Absätzen  aufgenommen;  aus  hs.  Aufzeichnung  kommt  hinzu  das  „Bild  der  Maria", 
Gräfin  von  Schaumburg-Lippe,  und  „Melanchthon"  (S.  470  ff.).  Die  Stücke  aus  dem 
„Teutschen  Merkur"  (S.  476ff.)  gliedern  sich  als  „Charaktere"  im  grösseren  Stile  an, 
der  Aufsatz  über  Hütten  ist  die  Vorgestalt  zu  der  überarbeiteten  Form  in  den 
„Zerstreuten  Blättern",  zu  demjenigen  über  „Nikolaus  Kopernikus  Leben"  lieferte 
eine  der  Druckgestalt  nahe  kommende  Hs.  einige  gute  Lesarten  und  Verbesserungen. 
Die  Betrachtungen  Herders  „Ueber  die  dem  Menschen  angeborene  Lüge"  (S.  536  ff.) 
sind,  wie  St.  nachweist,  von  Düntzer  nicht  mit  Recht  als  zu  „Karl  von  Dalbergs 
Betrachtungen  über  das  Universum"  (1777)  gehörig  bezeichnet,  Herders  Abhandlung 
ist  vielmehr,  wie  Johannes  von  Müller  richtig  erkannt  hatte,  durch  eine  andere,  hs., 
von  Dalberg  veranlasst  worden.  Der  Text  bietet  nicht  die  endgültige  an  Dalberg 
gelangte  Redaktion,  welche  ebenso,  wie  Herders  Konzept,  das  der  Vulgatausgabe  zu 
Grunde  liegt,  verloren  ist.  Den  Schluss  des  inhaltreichen  Bandes  bildet  das  von 
Matthisson  aufbewahrte  und  1890  von  Fresenius  wieder  aufgefundene  „Fragment 
über  die  beste  Leitung  eines  jungen  Genies  zu  den  Schätzen  der  Dichtkunst" 
(S.  541  ff.).  — 

Zu  den  „Blättern  von  deutscher  Art  und  Kunst"  führt  Erich 
Schmidt  16)^  unter  Begrüssung  der  Ausgabe,  sachliche  und  sprachliche  Parallelen 
an  und  teilt  eine  Reihe  von  Verbesserungen  mit.  — 

An  der  Schulausgabe  des  Cid  von  Büchner^'')  hebt  Gl  öde  die  Unter- 
scheidung der  Grundbestandteile  der  Dichtung  durch  den  Druck  billigend  hervor. ^^)  — 

Zu  Scherers  Deutung  des  Goetheschen  „Satyros"  auf  Herder  trägt 
Seuffert*^)  nach,  was  Flögel  an  Klotz  mit  Bezug  auf  das  gegen  diesen  gerichtete 
kritische  Wäldchen  am  20.  Juli  1769  schreibt:  „Herder,  der  Waldbruder,  sucht  unter 
der  Nebelkappe  unsichtbar  zu  werden,  weil  er  merkt,  dass  die  Welt  seinen  Unsinn 
kennt."  — 


Carrifere,  Herder:  AZgB.  N.  128.  —  14)  O  X  Herders  ausgew.  Werke  in  6  Bdn.  Mit  e.  l)iogr.-litt.  Einl.  v.  J.  Lauter- 
bacher. MitBildn.  St.,  Cotta.  288,  324,  286,  235,  252,  280  S.  M.  6,00.  —  15)  B.  Snphan,  Herders  sämtl.  Werke,  Bd.  9.  (Bearb.v. 
E.  Steig.)  B.,  Weidmann.  XVm,  554  S.  M.  7,00.  -  16)  Erich  Schmidt,  H.  Larabel,  V.  deutscher  Art  u.  Kunst  (vgl. 
JBL.  1892  IV  7:13):  DLZ.  S.  11/2.  —  17)  (I  7:63.)  |[0.  Glöde:  ASNS.  90,  S.  416/7.]|  —  18)  X  0-  10:23.)  —  19)  B, 
Seuffert,  Herder,  D.  Waldbruder:  VLG.  6,  S.  480.    (Vgl.  IV  8e:22.)  — 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a  :  i-iv 

IV,  8 

Goethe, 
a)  Allgemeines. 

Veit  Valentin. 

Bilder  und  Denkmäler  N.  1.  —  Erinnernngsstätten  N.  19.  —  Vereine  N.  31.  —  Feiern  N.  38.  —  Ausstellungen  N.  44. 

—  Theater  N.  47.  —  Bildende  Kunst  N.  55.  —  Musik  N.  66.  —  Religion  N.  71.  —  Philosophie  N.  79.  —  Kabbala  N.  82.  —  Stellung  in  der 
socialen  Entwicklung  N.  33.  —  Stellung  in  der  Kulturgestaltnng  N.  83.  —  Politische  Stellung  N.  90.  —  Naturwissenschaft 
N.  97.  —  Sprache  N.  101.  -  Metrik  N.  110.  —  Ausgabe  der  Werke  N.  112.  —  Art  zu  Arbeiten  N.  124.  —  Urteile  von  Zeit- 
genossen N.  125.  —  Stellung  zur  Gegenwart  N.  131.  —  Moderne  Beurteiler  N.  134.  —  Stellung  in  der  Weltlitteratur:  Zu 
England  N.  135;  zu  Amerika  N.  149;  zu  Frankreich  N.  151;  zu  Dänemark,  Böhmen,  zur  indischen  und  antiken  Litteratur 
N.  158.  —  Goetheforscher  N.  169.  — 

Unter  den  Goethebildern  behauptet  zunächst  noch  das  Collinssche  Bild, 
das  dem  Freien  Deutschen  Hochstift  von  Herrn  Albert  Holz  in  Breslau  überlassen 
worden  ist  (vg-l.  JBL.  1892  IV  8a  :  1),  einen  wichtigen  Platz  in  der  Untersuchung. 
Der  Maler  Donner- von  Richter i)  hält  vom  künstlerischen  Standpunkt  daran 
fest,  dass  das  Goethebildnis  ein  nach  der  Natur  geschaffenes  ist,-  während  0.  Heuer  2) 
es  fiir  ein  komponiertes  Porträt  erklärt:  Beide  begründen  ihre  Annahmen  aus- 
führlich. —  Valentin 3)  schliesst  sich  dem  ersten  Urteil  an  und  weist  besonders 
darauf  hin,  dass  der  Umstand,  Collins  werde  nicht  in  den  Tagebüchern  erwähnt,  und 
von  einer  Originalaufnahme  Goethes  durch  ihn  sei  nichts  bekannt,  wissenschaftlich 
als  Gegenbeweis  nicht  gelten  könne.  —  Eine  Bestätigung  hierfür  giebt  das  durch 
Ruland*)  veröffentlichte,  von  G.  von  Bosse  gemalte  Miniaturporträt:  auch  Bosse  wird 
nicht  in  den  Tagebüchern  erwähnt  und  von  einer  Originalaufnahme  Goethes  durch 
ihn  ist  nichts  bekannt;  dennoch  kann  es  nur  eine  solche  sein.  Am  meisten  nähert 
es  sich  der  früher  in  den  Hochstiftsberichten  veröffentlichten  Zeichnung  X.  v.  Schön- 
bergs (vgl.  BFDH.  1888,  S.  88).  —  Neu  veröffentlicht  wurde  das  Goethebild  der 
Gräfin  Julie  Eglofstein;  Ruland^)  giebt  darüber  nähere  Nachricht.  —  Einen  ein- 
gehenden Vortrag  über  Goethebildnisse  hat  E.  Lehmann  6)  in  Leipzig  im  Anschluss 
an  die  Ausstellung  der  Sammlung  Zarncke  gehalten.  —  Aus  dem  in  der  Neuen 
Pinakothek  befindüchen  Bild  Goethes  von  Stieler  ist  ein  dreieckiges  Stück  heraus- 
geschnitten worden,  das  die  Nase  und  die  Hälfte  der  Augen  umfasst;  das  heraus- 
geschnittene Stück  wurde  jedoch  sofort  wieder  gefunden  und  in  das  Bild  wieder  ein- 
gesetzt, so  dass  ein  Schaden  nicht  sichtbar  isf^).  —  Das  Goethebild  Kolbes  in  der  Uni- 
versitätsbibliothek zu  Jena,  das  rissig  geworden  war,  ist  vorzüglich  wieder  her- 
gestellt worden»).  —  Ueber  Trippel  berichtet  Vogler ^j,  und  Baechtold'")  fügt 
wertvolle  Notizen  von  Goethe  selbst  über  Trippel,  Vater  und  Sohn,  hinzu.  —  Eine 
neue  Darstellung  hat  Augusto  Benvenuti  geschaffen:  der  sterbende  Goethe  in 
Marmor^');  ebenso  Frank  Kirchbach:  der  jugendliche  Goethe  in  der  FamiHe  in 
einem  Garten  auf  dem  Mühlberg.  Das  Bild  ist  in  photographischer  Nachbildung  er- 
schieneni2j.    _    Ein    Goethedenkmal    wird    in  Böhmen    am   Wolfsberg  geplant'^j. 

—  In  Wien  wächst  der  Fonds  zur  Errichtung  eines  Goethedenkmals  laugsam 
an  und  wird  gelegentlich  durch  einen  Vortrag  gefördert  (s.  u.  N.  40).  Zu- 
nächst ist  endlich  der  Platz  vom  Ministerium  des  Inneren  bestimmt  und  bewilligt 
worden:  Zwischen  dem  Kaisergarten  und  dem  Hause  N.  3  in  der  Albrechtsgasse. 
Das  Denkmal  soll  in  Erz  ausgeführt  werden  und  den  Dichter  im  reiferen  Mannes- 
alter darstellend^).  —  Im  Anschluss  an  die  Denkmalfrage  behandelt  Schröeri*») 
Goethes  äussere  Erscheinung.  -  Aus  Goethes  „Freundeskreise"  bringt  Heine- 
m  a  n  n  '5)  zum  neunzigsten  Geburtstag  Ulrikens  von  Levetzow  (4.  Febr.)  eine 
sorgfältige  Darstellung  von  Goethes  „letzter  Liebe";  er  giebt  die  Porträts  der 
Ulrike  mit  Mutter  und  Schwestern  aus  dem  J.  1822  und  das  letzte  Bildnis  der 
noch  lebenden  Greisin  bei.  —  Illustrationen,  die  in  Prems  Biographie  Goethes  er- 
scheinen   sollen,    finden    sich  vorläufig  abgedruckt  * 6),  —  Der  Maler  E.  Palm  hat  in 


1)  0.  Donner-v.  Richter,  D.  Goethebild  v.  Collins:  BFDH.  9,  S.  20,3.  ~  2)  0.  Heuer,  D.  Goethebild  t. 
Collins:  ib.  S.  23,8.  —  3)  V.Valentin,  D.  Goethebild  v.  Collins:  ib.  S.  29-30.  —  4)  C.  Ruland,  E.  Goethebildn.:  IllZg.  100, 
S.  453/4.  -  5)  id.:  GJb.  14,  S.  III-IV.  IfM.  Koch:  BFDH.  9,  S.  358.]|  (In  L.  Geigers  Vorw.)  —  6)  E.  Lehmann  über 
Goethe-Bildnisse.  Vortr.  Bef.  v.  E.  Kiesling:  LeipzTBl.  30.  Okt.  (S.  auch  Didask.  N.  237.)  —  7)  D.  Zerschneidung  d. 
Goethebildes  v.  Stieler  in  d.  Neuen  Pinakothek:  AZg.  N.  292.  —  8)  LeipzTBl.  11.  Okt.  (S.  auch  FZg.  N.  282.)  —  9)  (1 11 :  281.) 
10)  (S.  0.  N.  9.)  —  11)  D.  sterbende  Goethe  in  Marmor  (v.  A.  Benvenuti):  FZg.  N.  319.  —  12)  Frank  Kirchbach,  D.  jngendL 
Goethe  in  d.  Familie  in  e.  Garten  auf  d.  M&hlberg.  (Heliograv.,  Verlagsanst.  Bruckmann  in  München):  ib.  N.  351.  —  13) 
GJb.  15,  S.  360.  (Notiz.)  —  14)  D.  Platz  für  d.  Wiener  Goethe-Denkm.:  FZg.  N.  299.  (Aus  NFPr.)  —  14a)  K.  J.  Schröer, 
Goethes  äussere  Erscheinung:  ML.  62,  S.  6013.  —  15)  K.  Heinemann,  Goethes  letzte  Liebe:  Gartenlaube  S.  124/5.  (Vgl. 
F.  Gross:  Fremdenbl.  N.  26.)   —   16)  LLB.  1,  N.  10.   —   17)   Ausstellung  t.  Werken  v.  E.  Palm:   AZg.  N.  84.    (Ausstellung 


IV  8a  :  i8-29a  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

einer  Sammlung-  von  109  Bildnissen,  die  Persönlichkeiten  von  hervorragender  Be- 
deutung wiedergeben,  dargestellt:  Goethes  Gretchen  aus  „Dichtung  und  Wahrheit", 
Käthchen  Schönkopf,  Friederike  Brion,  Lili  Schönemann,  Charlotte  Buff,  Frau  von 
Stein,  die  „junonische  prachtvolle"  Corona  Schröter,  Christiane  Vulpius,  Johanna 
Schopenhauer  „in  jugendlicher  Schönheit",  Bettina  Brentano  und  Ulrike  vonLevetzow^''). 

—  Als  Geleite  für  jeden  Tag  des  Jahres  ist  ein  Goethekalender**)  erschienen.  — 

Von  den  Erinnerungsstätten  hat  die  Goethehauskommissioni^)  des  Freien 
Deutschen  Hochstiftes  das  diesem  gehörige  Goethehaus  zu  Frankfurt  planmässig 
weiter  ausgestaltet.  Die  Bildersammlung  ist  durch  ein  Kircheninneres  (St.  Leonhards- 
kirche  in  Frankfurt)  von  Morgenstern  sowie  durch  zwei  Landschaften  von  Seekatz,  die 
Sammlung  der  Goethebilder  durch  eine  treffliche,  von  H.  Junker  ausgeführte  Kopie 
des  von  Angelica  Kaufmann  in  Rom  1787  gemalten  Porträts  bereichert  worden. 
Ein  wertvolles  Depositum^o)  wurde  der  Sammlung  anvertraut:  ein  Glasbecher  mit 
einer  gelben,  geringelten  Schlange  auf  blauem  Grunde  aus  Goethes  Besitz;  Goethe 
benutzte  ihn,  um  seine  Farbenlehre  zu  stützen  (vgl.  Ausgabe  letzter  Hand  60,  S.  49). 
Das  nächste  grössere  Ziel  ist  die  gänzliche  Befreiung  des  Goethehauses  von  der  Ver- 
wendung einzelner  Zimmer  zu  Arbeitsräumen  des  Hochstiftes:  eine  Reihe  von  Ent- 
würfen für  einen  Neubau  auf  einem  anstossenden,  von  dem  Hochstift  erworbenen 
Grundstück  liegen  vor.  Es  steht  in  sicherer  Aussicht,  dass  diese  Befreiung  des 
Goethehauses  durch  Beihülfe  der  städtischen  Verwaltung  zu  stände  kommen  wird.  — 
Eine  interessante  Beurteilung  dieser  Bestrebungen  giebt  T heuriet ^i)  bei  der  Er- 
zählung seines  Ausfluges  an  den  Rhein.  Er  schliesst  die  Schilderung  des  Goethe- 
hauses mit  den  Worten:  „Mit  einer  geradezu  frommen  Sorgfalt  haben  die  Bewunderer 
Goethes  die  Wohnung  des  grossen  Schriftstellers  wiederhergestellt,  jenes  Dichters, 
der  nicht  nur  Deutschland,  sondern  der  Menschheit  gehört.  Und  wegen  dieses 
Kultus  einer  ganzen  Stadt  für  ihr  Kind,  dem  sie  ihre  Berühmtheit  verdankt,  habe 
ich  Frankfurt  erst  recht  lieb  gewonnen". ^  1^.-2  ib)  _  Einen  weiteren  Bericht  über  einen 
Besuch  des  Hauses  giebt  ein  Berichterstatter  der  Wiener  Presse^^j.  —  Eine  Ab- 
bildung der  Gräber  der  Eltern  Goethes  (und  der  Kätchen  Schönkopf)  giebt  die  Ge- 
legenheit einen  geschmacklosen  Titel  „Familiengräber  zur  Goethelitteratur"  mit  vollem 
Rechte  zu  rügen23-24j_  _  Eine  wertvolle  Darstellung  von  sonstigen  Frankfurter  Er- 
innerungsstätten bietet  die  neue  Auflage  von  Reiffensteins^^)  schönem  Werke 
„Bilder  zu  Goethes  Dichtung  und  Wahrheit".  Früher  waren  die  Nachbildungen 
Photographien:  an  ihre  Stelle  sind  jetzt  trefflich  ausgeführte  Lichtdrucke  getreten, 
wodurch  das  Werk  wesentlich  billiger  geworden  ist.  Die  Zahl  der  Tafeln  ist  um  zwei 
vermehrt  worden.  Sie  geben  1.  Goethes  Geburtshaus  vor  dem  Umbau  1755  (eine  auf 
gründlichen  Studien  gieichzeitiger  Bauten  beruhende  Rekonstruktion);  2.  Aussicht 
aus  den  hinteren  Fenstern  des  oberen  Stockwerks  1755 ;  3.  Goethehaus  nach  dem  Um- 
bau; 4.  Hof  des  Hauses;  5.  Vorsaal  im  ersten  Stock  1759;  6.  Haus  der  drei  Brüder 
von  Ochsenstein  1752;  7.  Haus  und  Garten  des  Stadtschultheissen  Textor  1755;  S.Haus 
und  Garten  des  Herrn  von  Reineck  in  der  Hasengasse  1753;  9.  Theater  im  Jung- 
hof 1759;  10.  Klingers  Wohnhaus  in  der  Rittergasse  1768;  11.  der  Goethesche 
Garten  vor  dem  Friedberger  Thor  an  dem  Bornheiraer  Fusspfad;  12.  das  Schoene- 
mannsche  Haus  auf  dem  grossen  Kornmarkt.  Eine  Textzugabe  enthält  bei  der 
Erklärung  der  einzelnen  Tafeln,  deren  jeder  auch  die  dem  Gegenstande  entsprechende 
Stelle  aus  „Dichtung  und  Wahrheit"  beigedruckt  ist,  eine  Fülle  interessanter  An- 
gaben, die  von  dem  sorgfältigen  Studium  des  Künstlers  Zeugnis  ablegen.  —  Ueber  die 
gedeihliche  Fortentwicklung  des  Goethe-Nationalmuseums  im  Goethehause  zu  Weimar 
berichtet  Ruland^ß)  und  im  Anschluss  an  ihn  andere2''"27b)  — Zumbini^S)  druckt 
seinen  im  Vorjahr  (vgl.  JBL.  IV  8a  :  17)  besprochenen  Bericht  in  einer  Essay- 
sammlung wieder  ab.  —  H  od  ermann-^)  schildert  das  Schloss  Friedenstein  in  Gotha 
und  hebt  besonders  auch  die  Besuche  Goethes  dort  hervor.  —  Goethes  Beziehungen 
zu  Franzensbad,  seinen  Aufenthalt  dort,  seine  Beobachtungen,  Bemerkungen  und 
Dichtungen,  die  sich  darauf  beziehen,  schildert  Kar pel es 2^").  —  Eine  Berichtigung 

„Berühmter  Liebespaare"  in  Berlin.)  —  18)  Goethekalender  für  1893.  Nürnberg,  Th.  Ströfer.  12  Bll.  M.  2,00.  —  19)  Ber. 
d.  Goethehaus-Komm.  an  d.  Hauptvers.  über  ihre  Thätigkeit  während  d.  Verwaltungs-J.  1891-92:  BFDH.  9,  S.  55;6.  (Im  Titel 
steht  dnrch  e.  Druckfehler  1890-91  statt  1891-92.)  —  20)  Goethehaus  zu  Frankfurt:  FZg.  N.  .303.  —  21)  A.  Theuriet: 
Journal  30.  Aug.  | Bericht  mit  teilw.  Debers. :  FZg.  N.  242.)  —  21a)  X  D.  Franzosen  in  Frankfurt  a.  M.  u.  d.  Königsleutnant 
in  Goethes  Elternhause:  ZDS.  5,  S.  1,6,  49-56,  89-102.  (Vgl.  da-/.u  A.  Bauer,  D.  Königsleutnant:  ib.  S.  162).  —  21blX  B.-e, 
D.  Goetheturm  auf  d.  Mühlberg  in  Frankfurt:  FZg.  19.  Nov.  —  22)  M.  B-n,  V.  Goethes  Geburtshaus  zu  Goethes  Sterbehaus: 
Presse  N.  242.  —  23)  Familiengräber  z.  Goethelitt.:  ChVVGV.  S.  19-20.  —  24)  FZg.  N.  244.  -  25)  C.  Th.  Reiffenstein, 
Bilder  zu  Goethes  Dichtung  u.  Wahrheit.  Blicke  auf  d.  Stätten,  an  denen  d.  Dichter  seine  Kindheit  verlebte.  Nach  eigenen 
Forschungen  dargest.  u.  mit  e.  Einl.  vers.  4.  Aufl.  Frankfurt  a.  M.,  H.  Keller.  Fol.  16  S.  u.  12  Bl.  Text  mit  13  Heliograv. 
M.  18,00.  |[K.  Heinemann:  BLU.  S.  229;  Kunstchron.  S.  292/.3.]i  (Für  Mitglieder  d.  Goethe-Ges.  z.  ermäss.  Preise  v. M.  13,50 
v.  d.  Verlagsbuchh.)  —  26)  C.  Ruland,  D.  Goethe-Nationalmus.:  8.  JB.  d.  Goethe-Ges.  (=  GJb.  14,  Anh.),  S.  12/4.  — 
27)  id.,  Aus  d.  Goethe-Nationalmus.:  WeiraarZg.  N.  10 .  —  27  a)  FZg.  N  118;  AZg.  N.  14;  VossZg.  N.  186.  —  27b)  X  0. 
Menke-Höltzke,  D.  Goethe-Sammlungen  u.  d.  Sammlungen  Goethes  im  Goethe-Nationaimns.  zu  Weimar:  Sammler^.  15,  N.  11/2. 

—  28)  B.  Zumbini,  U  Museo  Goetheano  in  Weimar.  (=  IV  Id  :  77;  S.  129-53.)  |[NAnt.  48,  S.  711-20.]|  -  29)  R.  Hoder- 
mann,  Schloss  Friedenstein.    1643-1893.    Gotha  (J.  Goetsch).    16".    32  S.    M.  1,00.    i[FZg.  N.  241.J|  —  !59a)  G.  Karpeles, 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a  :  30-89 

über  den  jetzig-en  Zustand  der  Goethe-Kneipe  in  Rom  g-iebt  Torresani^o):  der  Raum 
ist  nicht  wiederherg-estellt,  sondern  wird  zu  einem  Milchgeschäft  benutzt.  — 

Vereine.  Das  Freie  Deutsche  Hochstift  legt  in  seinem  9.  Jahresbericht 
Rechenschaft  über  seine  Thätigkeit  bis  zum  1.  Okt.  1892  ab,  während  die  Berichte 
aus  der  Akademischen  Abteilung  die  Zeit  vom  1.  Mai  1892  bis  30.  April  1893  um- 
fassen^').  Die  satzungsgemäss  zu  feiernden  Geburtstage  von  Goethe  und  Schiller 
brachten  Festreden  von  A.  Biese  über  Goethes  dichterischen  Pantheismus  (s.  u.  N.  79) 
und  von  Eugen  Wolff:  Schillers  und  Goethes  Verhältnis  zur  Litteratur  und  zum 
Leben  unserer  Zeit  (s.  u.  N.  131).  Aus  den  Fachabteilungsberichten  gehören  in  das 
Gebiet  der  Goetheforschung  die  Untersuchungen  über  das  CoUinssche  Bild  fs.  o. 
N.  1/3),  eine  Kritik  von  Froitzheims  historischer  Goetheforschung  von  O.  Heuer 
und  von  Louviers  Buch  „Goethe  als  Kabbaiist"  von  A.  Sulzbach  (vgl.  JBL.  1892 
IV  8a  :  69;  8e  :  Gl;  s.  u.  IV  8  e  :  71/2).  In  den  „Litterarischen  Mitteilungen"  erscheinen 
die  Berichte  von  Max  Koch  über  „Neuere  Goethe-  und  Schillerlitteratur"  weiter.  — 
Ein  im  Inhalt  ungerechter  und  in  der  Form  taktloser  Angriff  auf  die  „Berichte"  ver- 
anlasste den  Vorsitzenden  der  Akademischen  Abteilung  zu  einer  ernsten  sachlichen  Ver- 
wahrung gegen  solche  Angriffe,  die,  aus  irgend  welcher  Gereiztheit  hervorgehend, 
noch  mehr  das  Ansehen  der  litterarischen  Kritik  überhaupt  als  ihren  Urheber 
schädigen^-).  —  Elisabeth  Mentzel  berichtet  über  zwei  Frankfurter  Faustauf- 
führungen ;  W.  V.  Biedermann  teilt  ein  lateinisches  Carmen  von  Goethes  Ururgross- 
vater  Joh.  Wolffgang  Textor  aus  dem  J.  1673  mit,  und  A.  Biese  veröffentlicht  einige 
litterarisch  interessante  Stammbucheintragungen.  Die  Goethebibliothek  erfuhr  einen 
Zuwachs  von  ungefähr  1100  Bänden,  so  dass  sie  einen  Bestand  von  rund  6400  Bänden 
aufweist.  Eine  besonders  wichtige  Förderung  erhielt  sie  ausserdem  durch  den  Erwerb 
der  Lessingsammlung  des  kgl.  Auktionskommissars  Müller  zu  Berlin;  durch  rasches 
Eingreifen  von  Freunden  des  Hochstiftes  wurde  es  möglich,  diese  Lessingbibliothek 
ungeteilt  zu  erwerben.  Sie  übertrifft  die  berühmte  Sammlung  der  Wolfenbütteler 
Bibliothek  mit  ihren  250  Nummern  um  das  Doppelte  und  zeichnet  sich  durch  fast 
lückenlosen  Bestand  der  seltenen  Erstausgaben  in  ausgesucht  schönen  Exemplaren  aus. 
Sie  enthält  auch  die  späteren  Ausgaben,  Uebersetzungen,  Erläuterungen  und  Schriften 
über  Lessing  und  seine  Einzel  werke.  —  Für  die  Goethe-Gesellschaft  berichtet 
Ruland^^)  nur  Erfreuliches  über  das  J.  1892,  den  Verlauf  der  Generalversammlung 
mit  den  in  ihr  gehaltenen  Vorträgen  über  den  Stand  des  Goethe-Archivs  und  der 
Bibliothek,  das  Goethe-Nationalmuseum,  die  Jahresrechnung  und  die  Zuwendungen. 
Einen  Zuwachs  von  256  Nummern  erhielt  die  Bibliothek  durch  Vermächtnis  aus  dem 
Nachlasse  G.  von  Loepers.^^a)  — Suphan^*)  berichtet  über  den  Stand  des  Goethe- 
und  Schiller-Archivs  und  dessen  Bereicherungen,  über  Nachträge  des  Freiherrn 
Ludwig  von  Gleichen-Russwurm  zu  seiner  Stiftung  vom  Mai  1889,  über  den  Nach- 
lass  Immermanns,  Hebbels  und  Ludwig-  Bechsteins,  und  die  Deponierung  des 
Kestnerschen  Familieneigentums,  d.  i.  des  Nachlasses  von  Georg  und  Sophie  Kestner, 
sowie  eine  Reihe  wertvoller  sonstiger,  dort  einzeln  aufgezählter  Schenkungen;  ferner 
wurden  wichtige  Ankäufe  gemacht.  —  Als  8.  Band  ihrer  „Schriften"  hat  die  Goethe- 
Gesellschaft  die  Xenien  in  ihrer  ursprünglichen  Gestaltung  durch  Erich  Schmidt 
und  Suphan3^=^)  herausgegeben,  worüber  an  anderer  Stelle  berichtet  wird.  —  Ueber 
den  7.  Band,  das  „Journal  von  Tiefurt"  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a  :  34;  8c  :  21),  sind 
weitere  Besprechungen  erschienen^^b).  —  Der  Wiener  Goethe-Verein^^)  berichtet  über 
seine  Thätigkeit  in  seiner  Chronik,  der  Zwickauer  Goethe- Verein  in  Mitteilungen^^), 
die  in  Lokalblättern  und  in  besonderem  Abdruck  erscheinen.  —  Die  English  Goethe- 
Society  hat  ihre  von  Oswald 3^)  redigierten  Transactions  aus  den  J.  1891 — 92  heraus- 
gegeben: über  die  einzelnen  Arbeiten  wird  geeigneten  Ortes  berichtet.  — 

Besondere  Feiern  veranstaltete  die  Goethe-Gesellschaft  bei  Gelegenheit  ihrer 
Generalversammlung:    Lorenz-^^)    sprach   über    „Goethes    politische   Lehrjahre".   — 


Goethe  in  Pranzensbad :  PragTBl.  N.  177.  —  30)  K.  t.  Torresani,  D.  Goethe-Kneipe  in  Rom:  ChWGV.  S.  28.  (Vgl.  FZg.  N.  267 .) 
—  31)  BFDH.  Her.  vom  Akad.  Gesamt-Ansschnss.  N.  F.  Bd.  9.  Frankfurt  a.  M.,  Gebr.  Knaner.  51*,  425  S.  M.  6,00.  —  32) 
V.  Valentin,  Herr  Prof.  J.  Minor  u.  d.  Goethe-Schiller-Litt.-Berichte  d.  BFDH.:  BFDH.  9,  S.  59-71.  —  33)  [C.  Rnland], 
8.  JB.  d.  Goethe-Ges.:  GJb.  U,  Anh.  S.  1-14.  |[AZgn.  N.  121;  P.  Weizsäcker:  BBSW.  S.  296-304;  RPL.  1,  S.  676  („Les 
soc.  litt,  ä  Weimar");  BURS.  59,  S.  183/4  („Declin  de  la  fete  de  Goethe");  P.  Schienther:  Kation".  10,  S.  5458.]|  — 
33a)  X  GJb.  Her.  V.  L.Geiger.  14.  Bd.  Frankfurt  a.  M.,  Litt.  Anst.  VUI,  379  S.  (Dazu  Anh.  [8.  JB.  d.  Goethe-Ges.] 
64  S.)  mit  1  Bild.  M.  10,00.  UM.  Koch:  BFDH.  9,  S.  3567;  FZg.  N.  110;  H.  C.  K(ellner):  MGoetheVZwickau.  N.  3;  A. 
Chuqnet:  RCr.  36,  S.  490;  K.  Heinemann:  BLÜ.  S  468-70;  R.  M.  Meyer:  ML.  62,  S.  341;  0.  Pniower:  Nation".  10, 
S.  651/4;  ZDÜ.  7,  S.  7713;  Ath  S.  536.]i  —  34)  B,  Suphan.  (=  N.  33;  S.  8-12.)  —  34a)  (IV  6:41;  8c  :  20;  9:56.)  |[H. 
Grimm:  DLZ.  S.  1579-80;  FZg.  N.  145;  W.  K(awerau»:  MagdZg.  N.  566;  Gh.  B.:  Post  N.  297;  A.  v.  Weilen:  ChWGV. 
S.  38/9;  R.  Wulokow:  Zeitgeist  N.  52.]|  — 34b)X  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  226;  K.  Heinemann:  BLÜ.  S.  20/2;  L.Geiger: 
MagdZgB.  N.  11;  Grenzb.  1,  S.  3209;  W.  Paetow:  Nation".  10,  S.  172;  G.  Kreyenberg:  PrJbb.  74,  S.  343-65.  —  35) 
ChWGV."  Bd.  7.  Her.  v.  K.  J.  Schröer.  Wien  (Holder).  4«.  46  9.  M.  4,00.  —  36)  MGoetheVZwickau.  (=  Beil. 
z.  ZwickauTBl.)  Her.  v.  H.  C.  Kellner.  N.  1-4.  —  37)  Public,  of  the  English  Goethe-Soc  N.  VU.  Transact.  1891-92.  Ed. 
by  E.  Oswald.  London,  David  Nntt.  288  S.  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  361/4;  Ac.  44,  S.  387  8,  491.1|  (Vgl.  JBL.  1392 
IV  8a  :  26a,  53;  s.  GJb.  15,  S.  327.)  —  38)  (3.  n.  N.  91.)     |[AZg.  N.  148;   NatZg.  N.  331.]l    -  39)   H.  C.  Kellner,    Feier  t. 


IV  8a  :  40-57  V.  Valentin,  Goethe:  Allg-emeines. 

Das  Freie  Deutsche  Hochstift  feierte  Goethes  Geburtstag-:  R.  Steiner  sprach  über 
„Goethes  Naturanschauung-  g-emäss  den  neuesten  Veröffentlichungen  des  Goethe- 
Archivs".  Die  Festrede  wird  im  10.  Bande  der  Hochstiftsberichte  zum  Abdruck 
kommen  (vgl.  JBL.  1894  IV  8a).  —  Im  Zwickauer  Goethe-Verein  behandelt  nach 
Kellners^**)  Bericht  W.  Weicker  die  Frage,  welche  Stellung  Goethe  zur  französischen 
Revolution  genommen  habe.  —  Der  Wiener  Goethe- Verein  beging  den  Todestag- 
festlich:  Robert  Vischer**^)  sprach  über  „Goethes  Ansichten  über  Bildkunst".  — 
Eine  kleine  Feier  auf  dem  Brenner  erhielt  durch  Hervortreten  eines  von  Goethe  g-e- 
schriebenen  Stammbuchblattes  weiteres  Interesse"*').  —  Zu  den  Feiern  der  g-oldenen 
Hochzeit  des  Weimarer  Fürstenpaares  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  32/3,  34b— 39a)  sind 
noch  einig-e  Kundgebung-en  nachzutragen^-"^^).  — 

Am  28.  August  eröffnete  das  Freie  Deutsche  Hochstift  eine  Faustausstellung-, 
von  deren  Bestand  der  von  Heuer 4*)  bearbeitete  Faustkatalog  ein  bleibendes 
Zeugnis  ablegt.  Die  Ausstellung  gliederte  sich  in  vier  Hauptabschnitte:  I.  Der 
Faust  der  Sage  (1.  Der  historische  Faust  und  die  Faustsage  bei  den  Gelehrten;  2.  die 
Volksbücher;  3.  Fausts  magische  Schriften);  IL  Der  Faust  der  Dichtung  (1.  Drama- 
tische Dichtungen;  2.  Dichtungen  in  erzählender  Form);  III.  Faust  in  der  Bildkunst; 
IV.  Faust  in  der  Tonkunst  (1,  Tondichtungen  für  Theater  u.  a.;  2.  Lieder).  Die 
Lichtdrucktafeln  geben  eine  Reihe  von  Blättern,  die  hier  zum  ersten  Mal  überhaupt 
oder  doch  zum  ersten  Mal  in  authentischer  Form  erscheinen,  darunter  besonders  ein 
Bremer  und  ein  Frankfurter  Theaterzettel  so  wie  der  einzige  Frankfurter  Marionettenzettei 
des  18.  Jh."*^)  —  In  Heidelberg  veranstaltete  der  Kunstverein  eine  Sonderausstellung  von 
Gemälden,  Zeichnungen  und  Kunstblättern,  die  ihrem  wesentlichen  Inhalte  nach  eine 
Goetheausstellung  war :  unter  63  Nummern  waren  30  Bilder  von  Goethe  (einzelne 
Nummern  umfassten  wieder  ganze  Reihen),  von  seinen  Angehörigen  und  Freunden 
sowie  Zeichnungen  von  der  Hand  des  Dichters^^).  — 

Theater,  üeber  Burckhardts  Schrift  (vgl.  JBL.  1891  IV  5:68;  9a:  73; 
1892  IV  8a :  43)  gab  Bechstein^")  einen  ausführlichen  Bericht.'*^)  —  Ueber  die 
Persönlichkeit  des  Kilian  Brustfleck,  dessen  Name  Goethe  in  „Hanswursts  Hochzeit" 
verwendet  hat,  oder,  wie  er  wirklich  hiess,  Johann  Valentin  Petzold,  macht  Mencik'*^) 
ausführliche  Mitteilungen,  veröffentlicht  ein  Bittschreiben  des  Schauspielers,  das  in 
seine  Verhältnisse  Einblick  gewährt,  sowie  ein  zu  der  Vermählung  Karl  Egons  von 
Fürstenberg  mit  Maria  Franziska  von  Schwarzenberg  1699  von  ihm  verfertigtes  Ge- 
dicht, bei  dem  ,,in  dem  zierlichen  Ton  der  Schäferpoesie  derber  Ausdruck  und  Schwank 
mit  eingeflochten"  ist.  —  Eine  eingehende  Schilderung  des  Wirkens  der  Herzogin 
Anna  Amalia  giebt  Kreyenberg*^**)  im  Anschluss  an  die  Erzählungen  des  Sohnes 
von  Karl  Ludwig  von  Knebel,  besonders  über  die  Erziehung  ihrer  Söhne.  —  Das 
Heranwachsen  der  später  für  das  Weimarer  Theater  so  wichtigen  Schauspielerin 
Karoline  Jagemann  schildert  Kellner^').  —  Zur  Bühnengeschichte  des  Götz  bringt 
Kilian^^-)  q[j^q  interessante  Mitteilung  über  die  erste  Aufführung  des  Dramas  in 
Wien  und  seine  Umgestaltung  auf  Grund  eines  von  ihm  abgedruckten  Theaterzettels 
aus  dem  J.  1808.  —  Goethes  eigene  Bemerkungen  über  das  Theater  in  Weimar  in 
dem  durch  von  der  Hellen ^3)  herausgegebenen  Vortrag  ,, Ueber  die  verschiedenen 
Zweige  der  hiesigen  Thätigkeit"  finden  sich  herausgehoben  bereits  in  Wahles  Geschichte 
des  Theaters  unter  Goethes  Leitung  (vgl.  JBL.  IV  4:250;  8a:  45;  8e:2;  S.  70).  — 
Sittenberger^'')  macht  den  Versuch,  die  Begriffe  „dramatisch"  und  „theatralisch" 
zu  bestimmen:  das  Dramatische  sei  „die  Geschichte  eines  Willens,  der  im  stände  ist, 
unser  Gefühl  sympathisch  zu  erregen",  während  theatralisch  alles  sei,  „was  von  der 
Bühne  herab  unmittelbar  auf  unsere  Nerven  einwirkt".  Nach  diesen  Gesichtspunkten 
charakterisiert  er  die  bekannteren  Dramen  Goethes.  — 

In  Goethes  Beziehungen  zur  bildenden  Kunst  gewährt  einen  allerdings 
nur  spärlichen  Einblick  in  seine  Ansichten  sein  eigener  Vortrag,  den  von  der 
Hellen^^)  aus  dem  Goethe- und  Schiller-Archiv  veröffentlicht.  Als  ersten  Zweig  der 
„hiesigen  Thätigkeit"  schildert  Goethe  das  Zeicheninstitut  und  im  Anschluss  daran  die 


Goethes  Geburtstag  im  „Deutschen  Hause«  zu  Zwickau:  MGoetheVZwickau.  N.  1,  3/4.  (Vgl.  ChWGV.  7,  S.  33/4;  s.  u.IV  8e :  44.) 
—  40)  R  ob.  Vis  eher,  Goethes  Ansichten  über  Bildkunst.  Vortr.  geh.  an  Goethes  Todestag.  Ref.:  ChWGV.  S.  7/8.  |(AZgB. 
N.  72.]|  (S.  u.  N.  57.)  —  41i  Goethefeier  auf  d.  Brenner:  ib.  S.  25,  32,  39.  —  42)  X  K-  Bärlf  ne  r.  Karl  Alexander  u.  Sophie. 
E.  färstl.  Jubelpaar.  Festschr.  z.  8.  Okt.  1892.  Weimar,  Böhlau.  1892.  32  S.  M.  0,20.  (Mit  2  Bildn.)  —  43)  X  Festschrift 
z.  8.  Okt.  1892  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  32).  |[V.  Valentin:  BFDU.  9,  S.  75;  H.  C.  Kellner:  MGoetheVZwickau.  N.  l.]|  — 
44)  (II  3  :  37;  III  3  :  8;  IV  4  :  308:  8e  :  55.)  |[HambNachr.  N.  221.]|  -  45)  X  M.  Koch,  Wertheransstellung  (vgl.  JBL.  1892 
IV  8a:  40;  8d  :  14):  BFDH.  9,  8.  57/8,  189.  (S.  u.  IV  8d:29.)  -  46)  Goethe- Ausstell,  in  Heidelberg:  AZg".  N.  59.  —  47) 
[R.]  B[echstei]n,  Goethes  Theaterleitnng  in  Weimar:  RostockZg".  N.  317,  329.  —  48)  X  A..  Chuqnet:  RCr.  35,  S.  132.  — 
49)  F.  Mencik,  Ueber  Kilian  Brustfleck:  MVGDB.  31,  S.  183/9.  —  50)  G.  Kreyenberg,  Amalia  v.  Sachsen- Weimar  u.  ihre 
erziehliche  Thätigkeit.  Päd.  Skizze  aus  Alt-Weimars  Tagen:  RhBllEÜ.  67,  S.  146-68.  —  51)  H.  C.  Kellner,  Karoline  Jage- 
mann u.  ihre  Mannheimer  Lehrjahre:  MGoetheVZwickau.  N.  1,2.  —  52)  (IV  4:412;  8e  :  11.)  —  53)  E.  v.  d.  Hellen,  Ueber 
d.  verschiedenen  Zweige  d.  hiesigen  Thätigkeit.  E.  Vortr.  v.  Goethe:  GJb.  14,  S.  3-26.  (S.  bes.  S.  7/8,  20.)  —  54)  H.Sitten- 
berger,  D.  Dramat.  u.  Theatralische  in  Goethes  Dramen.  Ausz.  aus  e.  Vortr.  im  Wiener  Goethe-Ver.:  ChWGV.  S.  13/9.  (S. 
u.  IV  8e  :  1.)  —  55)  (S.  o.  N.  53;  S.  3/7.)    -    56)  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  358-60.     (Bespr.  v.  N.  53.)  —  57)  (S.  o.  N.  40.)  — 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a  :  56-70 

Thätigkeit  in  Weimar  auf  dem  Gebiete  der  Bildkunst  überhaupt.  Er  knüpft  gerade 
hieran  an,  weil  es  das  Gebiet  ist,  worüber  das  Publikum  („man")  „am  ersten  etwas  All- 
gemeines sich  zu  sagen  erlaubt".  —  Koch^^j  versteht  unter  „man"  Goethe  selbst, 
und  stellt  daher  Goethes  Meinung  von  seiner  Berechtigung  hierüber  zu  reden  das 
Urteil  von  Malern  entgegen,  die  sie  ihm  absprechen,  besonders  die  von  Stauffer- 
Bern.  —  In  zusammenfassender  Weise  behandelt  „Goethes  Ansichten  über  Bildkunst" 
Robert  Vischer^").  Der  Hauptzweck  ist,  mit  möglichstem  Anschluss  an  Goethes 
eigene  Worte  das  realistische  Element  in  seinen  Ansichten  über  bildliche  Darstellungen 
und  seine  Neigung  zu  Dürer  und  den  Niederländern  darzuthun.  Goethes  Entwick- 
lungsgang zeigt  ihn  zuerst  als  Romantiker  und  Realisten,  hierauf  als  Idealisten  und 
Puristen,  aber  dann  wieder  ab  und  zu  auf  den  Lieblingspfaden  seiner  Jugend.  Einen 
Hauptbeleg  für  V.s  Darlegungen  bildet  der  Aufsatz  Goethes  „Nach  Falconet 
und  über  Falconet",  —  Dieses  „wichtigste  Zeugnis  der  Kunstanschauungen  Goethes 
in  den  Jahren  der  Gärung"  hat  Witkowski^*)  einer  sorgfältigen  Untersuchung 
unterzogen  und  das  Rätsel  des  Titels  im  Verhältnis  zum  Inhalte  des  Aufsatzes  glücklich 
gelöst.  Er  schildert  eingehend  Falconets  künstlerische  Bedeutung,  seine  Stellung  zu 
Diderot  und  besonders  zu  Lessing  und  der  deutschen  Litteratur  überhaupt.  Ein- 
gehend untersucht  er  Falconets  Schrift  „Observations  sur  la  statue  de  Marc-Aurele", 
aus  der  Goethe  eine  Stelle  zu  Anfang  seines  Falconetaufsatzes  wörtlich  übersetzt 
hat.  Er  weist  die  Verwandtschaft  zwischen  Falconets  und  Goethes  Auffassungen  nach, 
die  sich  bis  auf  den  Stil  erstreckt.  So  ergiebt  sich,  dass  Falconets  Werke  ausser 
durch  die  Beziehung  auf  Goethe  überhaupt  „als  Zeugnisse  eines  eigenartigen  Geistes 
und  eine  unbeachtete  Quelle  für  die  Erkenntnis  der  Kunstanschauungen  seiner  Zeit" 
Bedeutung  haben.  ~  Den  Einfluss,  den  Mengs  auf  Goethe  ausgeübt  hat,  legt 
Harnack^^j  eingehend  dar;  er  zeigt  die  übereinstimmenden  Punkte,  weist  die 
Abweichungen  Goethes  von  Mengs  auf,  erläutert  das  Eingreifen  Lessings  und  Goethes 
Umarbeiten  und  Weiterführen,  so  dass  seine  Darlegung  einen  trefflichen  Einblick  in 
Goethes  eigene  Entwicklung  bietet.  Das  Studium  der  Natur  und  ihre  Umgestaltung 
zu  Schönem,  die  Beurteilung  der  antiken  Malerei,  die  Darstellung  des  prägnanten 
Augenblickes  der  Handlung,  ob  nicht  transitorisch  oder  transitorisch,  die  Methode  der 
Betrachtung  und  Beschreibung  von  Kunstwerken  nach  festem  Schema,  die  historische 
Kunstbetrachtung  Goethes  sind  die  Hauptpunkte,  die  zur  Behandlung  kommen.  — 
Einen  Einfluss  auf  Goethes  kunstwissenschaftliche  Auffassung  weist  Harnack^^*) 
für  den  Schluss  von  Goethes  Laokoonaufsatz  durch  Heranziehung  einer  Stelle  aus 
Gh.  Heynes  Sammlung  antiquarischer  Aufsätze  nach.  —  Lambels  Ausgabe  „Von 
Deutscher  Art  und  Kunst"  (vgl.  JBL.  1892  IV  7  :  13;  8a  :  50J  wird  weiter  be- 
sprochen^o).  —  ygn  eigenen  Arbeiten  Goethes  schildert  Ruland®')  aus  dem  reichen 
Schatze  des  Goethe-Nationalmuseums  einige  Blätter  aus  den  ersten  weimarischen 
Jahren,  aus  der  Zeit  des  frohen  und  freien  Umherschweifens  in  den  Thüringer  Wald- 
thälern ;  sie  erhalten  ihre  besondere  Bedeutung  durch  ihre  Niederschriften  und  Verse 
und  deren  Beziehung  zu  Charlotte  von  Stein.  —  Zwei  Radierungen  Goethes  veröffentlicht 
Wustmann  62-63j_  Eine  Handzeichnung  Goethes,  eine  an  die  Hexenküche  im  Faust 
erinnernde,  sie  jedoch  nicht  darstellende  Beschwörungsscene  giebt  in  photographischer 
Nachbildung  der  Faustkatalog^*).  —  Ueber  persönliche  Beziehungen  zu  dem 
schwäbischen  Künstler  Heinrich  Rapp  und  zu  Stuttgart  berichtet  S trörafeld^^).  — 
Goethes  Beziehungen  zur  Musik  behandelt  Bock^^'^"),  aber  in  wenig 
genügender  Art:  weder  die  Briefe  Goethes  noch  die  neueren  Mitteilungen  von 
Ruland  sind  hinreichend  verwertet.  —  Geiger ^S)  schildert  den  Missbrauch  von 
„Werthers  Leiden"  für  einen  französischen  Operntext  zur  Musik  von  Massenet.  — 
Max  Chop69)  charakterisiert  Bungerts  Sinfonische  Dichtung  „Tasso.  Nach  W. 
V.  Goethe."  Er  findet  in  der  Komposition  „den  ganzen  Gedankengang  des  Goetheschen 
Dramas."  Alle  Personen  erstehen  vor  unserem  geistigen  Auge,  alles  ist  specialisiert : 
„An  der  Hand  der  in  scharfen  Umrissen  die  Charaktere  zeichnenden  Motive  drängt 
sich  uns  die  Handlung  mit  unabweisbarer  Ueberzeugungstreue  auf,  kein  Miss  Ver- 
ständnis ist  möglich"  —  ein  Urteil,  das  auf  völlige  Unkenntnis  des  Wesens  der  ab- 
soluten Musik  hinweist,  die  weder  Personen  noch  Handlungen  specialisieren  kann, 
so  dass  sie  jeder  Hörer  gleichmässig  auffassen  müsste.  —  Ritters  Studien  und 
Skizzen  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a: 56)  sind  weiter  besprochen  worden "'ö).  — 

58)  G.  Witkowski,  Goethe  u.  Falconet.  (=  I  1  :  118;  S.  75-96.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  379.]|  —  59)  (I  12  :  15b.)  —  59a) 
0.  Harnack,  Zu  Goethes  Laokoonaufsatz :  YLG.  6,  S.  156,3.  -  60)  X  BLÜ.  S.  143;  M.  Koch:  BFDH  9,  S.  192.  (Vgl.  IV  7: 16.)  -  61)  C. 
Bnland,  Verse  u.  Niederschriften  Goethes  zu  Zeichnungen.  (Mitteil,  aus  d  Goethe-Nationalmus.):  GJb.  14,  S.  142-50.  |[M. 
Koch:  BFDH.  9,  S.  358.]|  (S.  bes.  S.  142/7.)  —  62)  G.  Wustmann,  Zwei  Radierungen  Goethes:  ZBK.  4,  N.  5,  S.  97/9.  — 
63)  X  Niwa  24,  N.  16  (17.  [19.]  Apr.).  (Abdr.  e.  Radierung  d.  jungen  Goethe  mit  d.  Dnterschr. :  „Dedie  k  Monsiear  Goethe, 
conseiller  actuel  de  S.  M.  Imperiale,  par  son  Als  trfes  obeissant";  vgl.  Th.  Hey  se:  GJb.  15,  S.  359.)  —  64)  iS.  o.  N.  42;  Beil.) — 
65)  G.  Ströhmfeld,  G.  H.  Rapp,  e.  schwäb.  Kaufmann  u.  Künstler:  FZg.  N.  159.  (S.  n  IV  8b  :  49;  9:20.)  —  66)  (113:  41; 
S.  86-115:  Goethe.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  399-400.]|  —  67)  X  A,  Bock,  Goethe  u.  Spontini:  Zeitgeist  N.  38.  —  68)  L. 
Geiger:  FZg.  N.  124.  —  69)  M.  Ohop  (—  M.  Charles),  Sinfonie  u.  sinf.  Dichtung:  D.  neue  Kurs  2,  S.  6528.  —  70)  X 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    lY.  ('^)^2 


IV  8a:  71-78  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

Goethes  Stellung-  zur  Relig-ion  wird  vom  Standpunkte  strengster  dog- 
matischer Gläubigkeit  aus  durch  Dekan  Kap  ff"')  behandelt.  Er  betrachtet  in 
Goethes  religiöser  Entwicklung  drei  Stufen:  bis  1786,  bis  1805,  bis  1832.  Schon 
in  der  ersten  Periode  findet  sich  neben  Goethes  Sympathie  für  das  Christentum  eine 
zunehmende  Erkaltung-  ihm  gegenüber.  Dann  wii'd  Goethe  „in  der  Schule  des 
Pantheismus  der  vollendete  Heide."  In  der  dritten  Periode  hat  er  mehr  als  ihm  be- 
wusst  war,  von  dem  Wege  der  Versöhnung  mit  Gott  durch  Christum  in  sich  auf- 
genommen: er  wusste  wenigstens  ganz  gut,  was  Wiedergeburt  ist.  Daneben  werden 
Goethe  seine  vielen  Liebschaften  sowie  seine  Idealisierung  des  Selbstmordes  in  Werthers 
Leiden  vorgehalten,  durch  den  er  „zu  der  ungeheuren  Zunahme  des  Selbstmordes  in 
der  neuesten  Zeit  viel  beigetragen  hat."  Ebensowenig  wird  der  Vorwurf  des  Mangels 
patriotischer  Gesinnung  vergessen.  —  Gleichfalls  vom  streng  christlichen,  aber  nicht 
engherzig  dogmatischen  Standpunkt  aus  beurteilt  Heinzelmann'^)  Goethes  rehgiöse 
Entwicklung.  Er  erklärt  es  für  verfehlt,  „den  Genius  mit  der  Elle  eines  ob  auch  noch 
so  schulgerechten  dogmatischen  oder  kritischen  Alltagsverstandes  messen  zu  wollen", 
und  will  seine  Aufgabe  vom  Gesichtspunkt  „rein  geschichtlicher  Betrachtung"  lösen. 
Aus  der  schwankenden  Jugendzeit  mit  ihren  mancherlei  Anregungen  zum  Deismus, 
Rationalismus  und  zur  Gefühlssch wärmerei  gelangt  Goethe  zu  seiner  Hinneigung  zum 
Pantheismus.  In  der  zweiten  Periode  1786 — I8ü5  werden  seine  Naturforschung  sowie 
seine  sittlichen  und  ästhetischen  x\nschauungen  vom  Pantheismus  beherrscht,  aber 
„als  Mensch  ist  er  durchaus  Theist."  Er  offenbart  das  besonders  in  der  Harzreise 
im  Winter:  „Das  ist  der  wahre  Goethe,  der  mit  dem  tief  mitfühlenden,  frommen, 
deutschen  und  von  Natur  doch  christlichen  Herzen  —  das  ist  unser  Goethe."  Im 
Ganymed  zeigt  er  sich  als  „der  fromme  Theist."  In  der  ,, Periode  der  Vollendung" 
trägt  seine  theistische  Weltanschauung  „so  unverkennbar  die  Einwirkungen  des 
christlichen  Geistes  an  sich,  dass  wir  ihr  das  Prädikat  einer  echt  christlichen  Denk- 
weise nun  und  nimmer  mehr  versagen  können",  so  wenig  auch  seine  „religiös- 
sittliche Weltanschauung  in  den  engen  Rahmen  irgend  eines  besonderen  kirchlichen 
Bekenntnisses  passen  möchte."  H.  bleibt  bei  den  grossen  Gesichtspunkten  und  hält 
sich  von  kleinlicher  Nörgelei  durchaus  frei.  —  Goethes  Verhältnis  zum  Christentum 
behandelt  Umfried'^),  indem  er  den  Kampf  gegen  den  Gekreuzigten  als  den  eigent- 
lichen Inhalt  der  Fausttragödie  zu  erkennen  glaubt''*'"'').  —  Zardo'^)  dagegen  unter- 
sucht Goethes  Verhältnis  zum  Katholizismus.  Er  geht  davon  aus,  dass  Goethe  als 
artista  e  poeta  als  Polytheist,  dagegen  als  naturalista  als  Pantheist  zu  betrachten  ist; 
in  späteren  Zeiten  glaubt  er  auch  an  die  Unsterblichkeit,  wenn  nicht  aller,  so  doch 
der  grossen  Entelechien.  Indessen  verhindert  Goethe  seine  philosophische  Anschauung 
nicht,  das  Christentum  als  etw^as  Grosses  anzuerkennen,  was  wiederum  seine  Antipathie 
speciell  gegen  den  Katholizismus  hervorzubrechen  nicht  abhält :  so  in  den  venezia- 
nischen Epigrammen,  in  der  Braut  von  Korinth  —  wo  es  sich  freilich  um  das 
Christentum,  nicht  um  den  Katholizismus  handelt!  —  und  in  der  italienischen  Reise. 
Z.  findet  es  dem  gegenüber  geradezu  erstaunlich,  -dass  trotzdem  Goethe  die  Inni 
sacri  von  Manzoni,  obgleich  sie  ein  Ausdruck  strenggläubigsten  Katholizismus 
sind,  doch  warm  begrüsst  und  im  Gegensatz  zu  Manzonis  Landsleuten  für  gross 
und  bedeutend  erklärt.  Das  Rätsel  löst  sich  ihm  in  der  Erkenntnis,  dass  „il  Goethe 
aveva  animo  cosi  grande  che  tutto  abbracciava  e  tutto  comprendeva  quanto  gli  paresse 
veramente  degno,  senza  cercare  donde  venisse,  a  quäle  scuola  appartenesse  e  a  quali 
principii  fosse  inspirato."  Statt  sich  mit  dieser  trefflichen  Erkenntnis  zu  begnügen, 
unternimmt  Z.  es  nun  aber  zu  zeigen,  wie  allmählich  bei  Goethe  die  ästhetische 
W^ertschätzung  des  Katholizismus  einer  sachlichen  Platz  gemacht  habe,  und  beruft 
sich  dafür  auf  Goethes  Charakterisierung  der  sieben  Sakramente  und  ähnliche  Urteile,  auf 
den  tiefen  Eindruck,  den  katholische  Kirchenmusik  auf  Goethe  gemacht  hat,  auf 
sein  Verständnis  des  heiligen  Philipp  Neri.  So  kam  Goethe,  als  er  „maturo  d'anni 
e  giä  provetto  nell  arte"  seine  katholische  Legende  des  Faust  machte,  dazu,  aus  ihr 
die  Inspiration  der  schönsten  Scenen  zu  gewinnen.  Dass  Z.  die  Scene  Gretchens  vor 
der  mater  dolorosa  und  die  Domscene  zu  den  Schöpfungen  des  Goethe  „maturo  d'anni" 
zählt,  ist  freilich  kühn.  Nicht  minder  kühn  ist  die  unbedenkliche  Annahme  der 
Identität  eines  dramatischen  Motivs  mit  der  persönlichen  Ueberzeugung  des  Dichters, 
und  gänzlich  übersehen  ist,  dass  Goethe  seinen  Faust   durchaus   unkathoiisch    statt 


DLZ.  S.  149-50.  —  71)  (IV  la:13;  11:3.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  331/2;  BLU.  S.  686/7.]!  —  72)  W.  Heinzelmann, 
Goethes  religiöse  Entwicklung.  (=  Vortrr.  u.  Aufs,  aus  d.  Comenins-Ges.  1,  N.  2 )  h.,  B.  Voigtländer.  24  S.  M.  0,75.  (Vorher 
schon  erschienen:  MhComeniusGes.  2,  S.  105-26.)  —  73)  0.  L.  Umfried,  Goethe  d.  dtsch.  Prophet  in  d.  Faust-  u.  Meister- 
dichtung mit  e.  Anh.  d.  benützten,  teilw.  erst  neu  aufgefundenen  Quellen  in  Goethes  Werken,  Korrespondenzen  usw.  St.,  Bonz. 
XVI,  178  S.  M.  3,00.  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  382;  KBIGRW.  40,  S.  251/3;  L.  Fränkel:  BLU.  S.  401;  BerlTBl.  N.  346.]| 
(S.  u.  IV  8e:68.)  —  74)  X  Stimmen  ans  d.  Vergangenheit:  „Goethe  u.  d.  Religion":  BayreuthBll.  16,  S.  29-31,  307-19.  — 
75)  X  Goethe  aber  d.  Bibel:  DAdelsbl.  8.  956/7.  -  76)  X  Goethe  Ober  Religiosität,  Christentum  u.  Judentum:  DSBll.N.  240. 
—  77)   X   H.  Baumgarten.    Goethes  relig.  Weltanschauung.    Vortr.    Koburg,   Sendelbach.    HI,  24  S.    M.  0,40.    —   78)  A. 


V.  Valentin,  Goethe:  AUg-emeines.  IV  8a  :  79-91 

durch  Dogmeng-läubigkeit  und  Bekehrung-  vielmehr  infolg-e  seines  strebenden  Sich- 
beraühens  der  Himmelsherrlichkeit  teilhaftig-  werden  lässt.  — 

In  Goethes  Verhältnis  zur  Philosophie  wird  dageg-en  seine  panth eistische 
Weltanschauung  hervorgehoben.  Biese'-')  legt  dar:  was  Goethe  dem  System 
Spinozas  entlehnte,  das  war  die  Ueberzeugung,  „dass  nur  die  klare  Erkenntnis  der 
Affekte  die  Befreiung  von  ihnen  in  sich  schliesse,  dass  alles  einen  endlosen  Kausal- 
nexus wirkender  Ursachen  bilde,  der  weder  für  Zufall  noch  Willkür  einen  Raum  lässt, 
dass  nichts  anderes  sei  und  geschehen  könne  als  es  ist  und  geschieht,  und  vor  allem 
der  metaphysische  Hauptsatz  von  der  Immanenz  Gottes,  von  der  Einheit  von  Gott 
und  Welt."  ,,Von  dieser  Harmonie  ist  seine  Dichtung,  vor  allem  seine  Naturpoesie 
durchdrungen;  sie  ist  die  Seele  seines  dichterischen  Pantheismus,  sie  führt  zur 
innigen  Sympathie  mit  allen  Lebewesen,  die  ja  dem  gleichen  Urgrund  wie  der  Mensch 
entflossen  sind."     B.  führt  dies  besonders  am  Werther  und  an  Goethes  Lyrik  durch. 

—  Optimismus  in  Goethes  Weltanschauung  findet  Alford^*^);  er  legt  diese  „very 
important  side  of  Goethe's  character"  in  einer  Auswahl  von  Aussprüchen  in  Briefen, 
lyrischen  und  reflektierenden  Gedichten  dar.  —  Wenley^^)  dagegen  sucht  das 
pessimistische  Element  in  Goethe.  Er  findet  es  überall,  wo  das  Hecht  des  Indi- 
viduums gegen  die  Uebergewalt  des  Allgemeinen  ankämpft  und  so  zu  einem  tragischen 
Konflikte  führt.  Hier  liegt  eine  Verwechslung  ästhetischer  und  ethischer  Probleme 
vor :  die  Lösung  des  Dichters  fällt  nicht  zusammen  mit  der  Lösung-  des  philosophischen 
Denkers.  W.  erklärt  die  Erweiterung  und  Vertiefung  des  pessimistischen  Elements 
in  Goethe  als  „the  first  eff'ect  of  devotion  to  Spinoza"  und  will  nachweisen,  dass  die 
späteren  Werke  eine  richtigere  Lösung  versuchen  als  die  früheren.  Als  bleibende 
Schwäche  erkennt  er  jedoch  den  Umstand,  dass  Goethe  „who  was  a  stranger  to 
deep  sense  of  sin,  could  not  apprehend  the  mediatory  power  of  a  God  able  to  save." 
Das  Ziel  der  Untersuchung  ist  philosophisch,  der  Gesichtspunkt  der  Beurteilung 
rein  theologisch.  — 

Die  von  Louvier  zur  Erklärung  von  Goethes  Faust  versuchte  Anwendung 
der  Kabbala  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a :^  69/70;  8e:60/l;  s.  u.  IV  8e:7l/2)  hat  einen 
Apostel  gefunden:  Müller-Holm^^^  giebt  „eine  Stelle,  die  kein  Mensch  erklären 
kann,"  in  der  Erklärung  Louviers,  um  ein  deutliches  Beispiel  von  der  Richtigkeit 
seiner  Methode  aufzuweisen.  Die  unerklärliche  Stelle  ist:  „Habt  Ihr  mit  Herren  Hans 
noch  erst  zu  Nacht  gespeist?"  Freilich  muss  sich  M.-H.  sofort  belehren  lassen,  dass 
der  Vers  längst  richtig  verstanden  wird;  das  stört  ihn  aber  nicht,  da  ja  stets 
ein  Doppelsinn  da  ist.  So  bleibt  „Herr  Hans" :  Don  Juan  und  „Ihr" :  der  steinerne 
Gast.  Ein  Neubekehrter  wird  nicht  wieder  rückfällig,  und  Louviers  Methode  ist 
gerettet.  — 

Goethes  Stellung  in  der  socialen  Entwicklung  der  Menschheit  wird 
in  Besprechungen  von  Mühlhausen  (vgl.  JBL.  1892 IV  8a:  82)  weiter  behandelt.^^)  — 
Temming^^)  giebt  an  der  Hand  von  Wilhelm  Meisters  Lehr- und  W'anderjahren  eine 
Schilderung  von  Goethes  Bildungsideal  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  diesem  „Bildungs- 
ideal, das  hinsichtlich  der  Frage  nach  Irrtum  und  Schuld  immerhin  einer  gewissen 
Sophistik  nicht  ganz  entbehrt,  aus  streng  ethischen  Gründen  nicht  in  allen  Stücken" 
zustimmen  zu  können:  „Die  Schule  der  Romantiker  nahm  dieses  Ideal  der  sittlich- 
freien Persönlichkeit  in  sich  auf:  sie  hat  sich  heute  überlebt."  —  Kerns^^)  Behandlung 
von  Goethes  Wort:  „Es  bleibt  Idee  und  Liebe"  ist  eine  adhortatorische  Rede  an 
Abiturienten.  ^^"S'')  — 

Auf  Goethes  Stellung  in  der  Kulturgestaltung  wirft  Tille^^)  einen 
interessanten  Blick,  wenn  er  nachweist,  dass  Goethe  es  war,  der  den  Christbaum  in 
die  deutsche  Litteratur  eingeführt  hat. —  In  den  vom  Grafen  von  Schack^^)  heraus- 
gegebenen Schriften  E.  Dorers  wird  Goethe  unter  den  Dichtern  hervorgehoben, 
die  ihrem  Volk  ins  Gewissen  reden,  wie  unwürdig  es  civilisierter  Menschen  ist,  die 
Tierwelt  roh  zu  behandeln.  — 

Goethes  politische  Stellung  behandelt  Ella  Hagemann^")  auf  Grund 
bekannten  Materials  von  dem  Gesichtspunkte  aus:  „It  is  unfair  and  undesirable  to 
let  the  man  as  he  was  in  his  old  age  entirely  overshadow  the  man  in  his  youth 
and  in  his  prime."  —  Auf  Grund  wirklich  historischer  Forschung  behandelt  Goethes 
politische   Lehrjahre   L  o  r  e  n  z  *> ' J.     Zuerst    sprach     er    hierüber    auf    der   General- 

Zardo,  Goethe  e  il  catholicismo:  NAnt.  127,  S.  673-89.  —  79)  A.  Biese,  Goethes  dichterischer  Pantheismus.  Festvortr.  zu 
Goethes  Geburtstag  im  FDH.  zu  Frankfurt  a.  M.:  BFDH.  9,  S.3-25.  —  80)  G.  Alford,  Goethes  Optimism.  (_=N.  37;  S.  25-31.) 

—  81)  M.  Wenley,  The  pessimistic  element  in  Goethe.  (=  ib.  S.  246-71.)  —  82)  E.  Müller-Holm,  Goethe  als  Kabbaiist 
in  d.  Faust-Tragödie:  HambCorr.  N.  16,  18.  —  83)  X  L.  Huberti:  BLU.  S.  5025:  NZSt.  n,  S.  8634.  —  84)  E.  Temming, 
Goethes  Bildungsideal.  (=  Samml.  päd.  Vortrr.  her.  v.  W.  Meyer-Mark  au.)  Bielefeld,  Helraich.  14  S.  M.  0,40.  —  85) 
F.  Kern,  Ueber  Goethes  Wort:  „Es  bleibt  Idee  u.  Liebe."  (=  Progr.  d.  Kölln.  Gymn.  zu  Berlin,  S.  3/6.)  —  86)  X  Goethe  u.  d. 
Sociulismus:  DSBll.  N.  245.  —  87)  X  Goethe  u.  d.  Mittelstand:  ib.  N.  272.  —  88)  A.  Tille,  D.  Weihnachtsbaum:  AZg. 
N.  355/6.  —  89)  (IV  ld:88)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  400/1;  E.  Böcker:  FZg.  N.  223.]  (Im  3.  Bd.  über  Goethes  Ver- 
hältnis z.  Tierwelt.)  —  90)  Ella  Hagemann,  Goethe  as  minister  of  state.  (=  N.  37;  S.  52-65.)—  91)  O.Lorenz,  Goethes 

(4)22* 


IV  8a  :  91-96  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

Versammlung-  der  Goethe-Gesellschaft,  und  nach  dem  ihm  von  L.  überlassenen  Konzept 
hat  N  eumann-Hofer^^-)  ^[q  Rede  wiedergegeben.  L.  selbst  hat  dann  die  ganze 
Untersuchung  mit  dem  reichen  Materiale  der  Anmerkungen  etwas  später  veröffentlicht. 
Nach  einleitenden  Bemerkungen  zu  den  zeitgenössischen  Urteilen  über  Goethe,  über 
die  einschneidende  Bedeutung  der  französischen  Revolution  für  Goethes  Ansichten 
und  seine  weisheitsvolle  Betrachtung  der  Ereignisse  bis  in  sein  höchstes  Alter  schildert 
L.  im  ersten  Abschnitt  Goethes  politische  Weltanschauung  auf  Grund  der  möglichen 
Quellen.  Den  Schlüssel  hierfür  sowie  für  die  Lösung  der  ganzen  Frage  findet  er 
in  dem  Ausspruche  Goethes,  jeder  solle  „sein  Metier  treiben,  das  er  gelernt  habe"; 
das  Regieren  des  Fürsten  sei  aber  auch  ein  Metier,  das  gelernt  sein  wolle,  und  das 
sich  niemand  anmassen  solle,  der  es  nicht  verstehe.  Demgemäss  war  Goethe  für 
seine  Person  der  politischen  Thätigkeit  eher  abgeneigt  und  gehörte  auch  keiner  Partei, 
keinem  System  an;  er  war  der  Mann  der  Thatsachen,  der  historischen  Erfassung 
des  Gegenstandes  und  der  auf  den  Regierungszweck  gerichteten  Geschäftstüchtigkeit. 
Im  zweiten  Abschnitt  schildert  L.  Goethes  Lehrjahre  und  Lehrmeister:  Goethe  ist 
in  politischen  Dingen  nicht  der  Lehrer,  sondern  der  Schüler  Karl  Augusts.  Dagegen 
ist  Goethe  auch  in  staatsmännische  Aktion  (3.  Abschnitt)  selbstthätig  eingetreten : 
Von  ihm  rührt  der  Grundgedanke  des  Fürstenbundes  her.  Der  gewonnene  feste 
Standpunkt  bewährt  sich  auch  im  Kriege  (4.  Abschnitt :  Politik  im  Kriege)  und  in 
der  Bewahrung  der  monarchischen  Idee  (5.  Abschnitt :  Im  Vollgefühl  der  monarchischen 
Idee).  Das  Ergebnis  ist,  dass  Goethe  sich  in  politischen  Dingen  nicht  nur  willig 
Karl  August  unterordnete,  sondern  mit  einer  Art  von  Begeisterung  und  mit  einerawahrhaft 
fatalistischen  Glauben,  dass  sein  teurer  Herr  unter  den  Berufenen  zu  den  Auserwählten 
gehöre,  deren  staatsmännische  Weisheit  keinen  Zweifel  lasse.  Was  Goethe  in  den  Lehr- 
jahren vor  der  französischen  Revolution  für  seine  politische  Denkungsart  an  den  Ein- 
drücken gewonnen  habe,  spiegle  sich  in  all  seinen  Urteilen  und  in  seiner  ganzen  Stellung 
bis  ans  Ende  seines  Lebens  wieder.  Um  diesen  Kern  fügt  sich  eine  Fülle  von  Fragen, 
deren  Behandlung  zeigt,  wie  nützlich  es  ist,  wenn  eine  einzelne  Seite  Goethes  von 
der  ihr  entsprechenden  fachmännischen  Stelle  aus  behandelt  wird,  zumal  wenn  es  in 
so  vorurteilsloser  und  auch  dem  eigenen  Fache  gegenüber  freimütig  urteilender 
Weise  geschieht  wie  hier.  Gerade  nach  dieser  Seite  hin  sind  die  ausführlichen 
„Anmerkungen"  sehr  bedeutend.  Es  seien  hier  nur  einige  Punkte  hervorgehoben: 
Die  specifische  Gabe  der  Weissagung  bei  Goethe;  die  Epimenidesfrage :  L.  verwirft 
mit  aller  Entschiedenheit  die  Auffassung,  als  ob  Epimenides  Goethe  selbst  darstellen 
solle;  ferner  die  Uebereinstimmung  Goethes  mit  Taine;  seine  Stellung  zu  Napoleon, 
hier  besonders  mit  Bezug  auf  Talleyrands  Memoiren  und  deren  Beurteilung  in 
Deutschland,  sodann  Goethes  Stellung  zu  den  Freiheitskriegen  und  zur  Vaterlands- 
liebe; der  Okensche  Handel;  über  das  Verhältnis  Goethes  zu  Karl  August,  besonders 
mit  Bezug  auf  das  Gedicht  Ilmenau:  L.  leugnet  die  erziehlichen  Momente  in  dem 
Verhältnis  Goethes  zu  Karl  August  gänzlich;  ferner  das  Verhältnis  Goethes  zu 
Friedrich  dem  Grossen,  zur  Geschichte  des  Fürstenbundes;  endlich  die  Campagne  in 
Frankreich  und  die  Belagerung  von  Mainz.  —  Einen  wertvollen  Beitrag  zur  Erkenntnis 
von  Goethes  Anteilnahme  an  der  obersten  Leitung  der  Geschäfte  und  seiner  Thätig- 
keit im  Rate  des  Fürsten,  zu  dem  er  seit  Juni  1776  gehörte,  giebt  Suphan^»)  aus 
der  älteren  Zeit,  für  die  die  Quellen  spärlich  fliessen :  die  Fülle  des  von  den  neunziger 
Jahren  an  vorhandenen  Materials  ist  erstaunlich.  Seit  1889  werden  alle  Urkunden 
von  Goethes  amtlichem  Wirken  dem  Goethe-Schiller- Archiv  in  den  Originalen  über- 
wiesen. Hier  handelt  es  sich  um  ein  von  Goethe  gegebenes  Gutachten  in  der  Frage 
über  die  Abschaffung  der  Kirchenbusse.  S.  teilt  es  mit  und  giebt  ausführlich  Nach- 
richt über  die  zu  Grunde  liegenden  Verhältnisse  sowie  den  Verlauf  der  Angelegen- 
heit. Er  verweist  zugleich  auf  die  „poetischen  Akten"  und  zeigt,  wie  tief  Goethes 
menschliche  Teilnahme  auch  bei  dieser  Sache  thätig  ist.  —  Die  aus  Goethes  Stellung- 
nahme zu  den  politischen  Zeitereignissen  der  neunziger  Jahre  hervorgegangenen  oder 
mit  ihnen  in  Beziehung  stehenden  Dichtungen  behandelt  Weicker^*)  in  seiner 
Festrede  zu  Goethes  Geburtstag,  und  Morsch^^^ößJ  erklärt  „Des  Epimenides  Er- 
wachen" als  eine  Goethesche  Konfession  im  grossartigsten  Stil,  durch  die  sich  der 
Dichter  zu  seinem  Volk  über  die  gewaltige  Zeit  der  Befreiungskriege  ausspricht. 
Er  erklärt  es  für  eine  dreifache  Palinodie  hinsichtlich  der  von  Goethe  seit  1792  unter- 
schätzten sittlichen   Kraft   des   preussischen  Staates,    hinsichtlich    des   überschätzten 


polit.  Lehrjahre.  E.  in  d.  8.  Generalvers.  d.  Goethe-Ges.  geh.  n.  erweit.  Vortr.  mit  Anm.,  Zusätzen  u.  e.  Anh.:  Goethe  als 
Historiker.  B.,  Hertz.  V,  180  S.  M,  3,00.  |[K.  Heinemann:  BLU.  S.  662/3;  M.  Osborn:  FZg.  N.  330;  id.:  MagdZg. 
N.  561;  M.  Koch:  DWBl.  S.  573/5.]|  (Sonderabdr.  aus  DRs.;  s.  o.  N.  38:  vgl.  auch  IV  8b:17.)  — 92)  0.  Neumann-Hof  er, 
Goethes  polit.  Lehrjahre.  Nach  0.  Lorenz  (s.  o.  N.  91):  AZg«.  N.  129-30  —  93)  B.  Suphan,  Goethe  im  Conseil.  Urkund- 
liches aus  seiner  amtl.  Thätigkeit  1778-85:  VLG.  6,  S.  579-608.  —  94)  G.  Weicker,  Goethes  Stellung  z.  französ.  Eevolntion. 
Festrede  im  Goethe- Ver.  zu  Zwickau  am  28.  Aug.:  MGoetheVZwickau.  N.  3.  —  95)  H.  Morsch,  Goethes  Festspiel  „D.  Epimenides 
Erwachen."     Vortr.  geh.  in  GDL.:  DLZ.  S.  59-60.    (S.  u.  IV  8e:ö2.)  —  96)  id.,  Goethes  Festspiel :  „D.  Epimenides  Erwachen" : 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  Sa-.  97-io4 

Napoleon  und  in  Bezug  auf  seine  eigene,  in  allzugrosser  Bescheidenheit  als  „Ruhe 
und  Schlaf"  bezeichnete,  zurückgezogene,  nur  auf  Kunst  und  Kultur  gehende  Thätig- 
keit.  M.  untersucht  dabei  die  Epimenidessage,  ihre  Behandlung  in  der  französischen 
Litteratur  und  Goethes  Beziehungen  zu  ihr,  sowie  den  Gegensatz  seines  ernsten 
Dramas  zu  den  lustspielartigen,  oft  possenhaften  Scenen  bei  seinen  Vorgängern.  Eine 
ausführliche  Darstellung  seiner  Untersuchungen  und  seiner  Auffassung  giebt  M.  in 
seiner  Abhandlung  über  das  gleiche  Thema.  — 

Auf  dem  Gebiete  der  Beziehungen  Goethes  zur  Naturwissenschaft  sind 
noch  Besprechungen  zu  dem  Vortrage  von  Helmholtz  über  Goethes  Vorahnung 
kommender  naturwissenschaftlicher  Ideen  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  73)   erschienene^). 

—  Ruland^s)  veröffentlicht  einen  bisher  ungedruckten  Nachtrag  zu  den  Paralipomena 
der  morphologischen  Schriften.  Bei  zwei  Aquarellen,  die  die  Entwicklungsstadien 
der  Wolfsmilchraupe  vom  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei  bis  zur  Puppe  in  14  Phasen 
darstellen,  fand  sich  unter  den  Kollektaneen  zur  Naturwissenschaft  eine  französische 
Niederschrift  Goethes,  die  die  Gesichtspunkte  aufstellt,  nach  welchen  die  Wunder  der 
tierischen  Metamorphose  in  einem  kleinen  Bande  zusammengefasst  werden  könnten. 

—  Von  Goethes  naturwissenschaftlichen  Schriften  sind  in  der  zweiten  Abteilung 
der  Weimarer  Ausgabe  drei  Bände  erschienene^):  Band  3  bringt  die  Farbenlehre, 
Historischer  Teil,  von  Kalischer  bearbeitet;  er  entspricht  dem  53.  Bande  der  Aus- 
gabe letzter  Hand  oder  dem  13.  Bande  der  nachgelassenen  Schriften.  Von  der  grossen 
Zahl  von  Excerpten,  Ueber Setzungen,  Notizen,  Dispositionen  und  Entwürfen,  die 
noch  vorhanden  sind,  wurden  nur  diejenigen  benutzt,  die  sich  einigermassen  dem 
Texte  anschliessen.  Sodann  der  S.Band:  Zur  Morphologie,  3.  Teil,  bearbeitet  durch 
von  Bardeleben.  Die  Anordnung  der  einzelnen  Aufsätze  und  Fragmente  ent- 
spricht nicht  der  zufälligen  Folge  ihrer  Entstehung,  sondern  sie  soll  ein  Bild  von 
dem  anatomisch-zoologischen  Systeme  Goethes  liefern.  Die  einleitenden  Bemerkungen 
zu  den  „Lesarten"  führen  dies  im  einzelnen  begründend  durch.  Die  Lesarten  selbst 
bringen  zwölf  Paralipomena,  Vorarbeiten,  Schemata  und  Ergänzungen  zu  den  Auf- 
sätzen des  Bandes.  Endlich  noch  der  11.  Band;  Zur  Naturwissenschaft;  Allgemeine 
Naturlehre,  1.  Teil,  bearbeitet  von  Steiner.  Er  soll  ein  Bild  von  Goethes 
naturphilosophischen  Ideen  und  Methoden  geben.  Somit  war  der  inhaltliche  Zu- 
sammenhang der  Ideen  und  die  methodische  Behandlung  anschaulich  zu  machen. 
Beide  Gesichtspunkte  in  ihrer  Durchführung  in  der  Folge  der  Aufsätze  werden  in 
den  Bemerkungen  zu  Anfang  der  „Lesarten"  eingehend  begründet.  Den  Schluss 
bilden  die  Paralipomena,  von  denen  I  die  fragmentarischen  Aufzeichnungen  zu  den 
einzelnen  Teilen  des  Bandes  giebt,  während  II  den  Inhalt  eines  Heftes  bringt,  das  die 
Aufschrift  führt:  ,, Eigene  philosophische  Vorarbeiten  und  Kantische  Philosophie, 
circa  1790".  Das  Heft,  von  Goethe  selbst  geschrieben,  giebt  jedoch  nur  Auszüge  aus 
Kantschen  Werken.  —  Im  Anschluss  an  die  in  der  Weimarer  Ausgabe  erschienenen 
Tag-  und  Jahreshefte  (L  Abt.,  Bd.  3.5/6;  s.  u.  N.  112/3)  giebt  von  Bieder- 
mannieo)  höchst  verdienstliche  Erläuterungen.  Fast  ein  Drittel  des  Bandes  wird 
durch  Register  (Sach-,  Geographisches,  Personen-)  angefüllt,  sowie  durch  ein  Ver- 
zeichnis der  Goetheschen  Dichtungen  urid  andere  Zusammenstellungen,  die  diese 
Erläuterungen  für    sämtliche  Ausgaben  der  Goetheschen  Werke  benutzbar  machen.  — 

Goethes  Sprache  soll  in  neuestes  Gewand  gekleidet  werden:  So  wie  Goethe 
seine  Sprache  schrieb,  war  zu  seiner  Zeit  die  Rechtschreibung  modern;  schreiben 
wir  seine  Werke  heute,  wie  er  es  gethan  hat,  so  erscheint  sie  veraltet,  und  die  Werke 
selbst  machen  durch  ihre  Erscheinungsform  nicht  den  unmittelbar  nahen  Eindruck 
wie  sie  ihn  auf  seine  Zeitgenossen  gemacht.  Demgemäss  befürwortet  Mähliss'^i) 
Modernisierung  der  Rechtschreibung,  und  zwar  nach  der  Reformmethode.  Zur  Be- 
gründung seiner  Forderung  führt  er  eine  Anzahl  Stellen  in  der  Goetheschen  Recht- 
schreibung selbst  an.  —  Als  ein  Verschreiben  in  der  Hs.  des  Gedichtes  „Ilmenau" 
V.  113  wird  „Freiheit"  bezeichnet:  es  soll  heissen:  „Und  Redlichkeit  und  Froheit 
sonder  Zwang"io2j  — pyj.  ^je  Sprache  selbst  giebt  Schneidewin*03)  eine  Unter- 
suchung über  die  Anwendung  von  „welcher"  und  „der"  als  relativischen  Wörtern  und 
erklärt  sich  auf  Grund  der  Thatsachen  gegen  W^ustmanns  Bekämpfung  von  „welcher" 
(vgl.  JBL.  1891  I  8  :  59).  —  Den  Einfluss  der  Frankfurter  Mundart  auf 
Goethe  behandelt  Hammeran^^^*).  —  Dehnickes  Untersuchung  über  Goethes 
Verwendung   von  Fremdwörtern    (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  92)    ist   weiter    besprochen 


GJb.  14,  S.  212-44.  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  357.]|  —  97)  X  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  225;  S.  Günther:  BBG.  29,  8.  661/3; 
E.  Gerland:  DLZ.  S.  1019.  —  98)  C.  Ruland,  Verse  u.  Niederschriften  Goethes  zu  Zeichnungen:  GJb.  14,  S.  147-50.  — 
99)  (S.  u.  N.  112/3.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  225.]|  —  100)  W.  v.  Biedermann,  Erläuterungen  zu  d.  Tag-  u.  Jahresheften 
V.  Goethe.  (=  Anh.  an  Goethes  Werte.  Abt.  für  Erläuterungen.  Bd.  35  u.  36.  Zu  d.  Tag-  u  Jahresheften.)  L.,  F.  W. 
V.  Biedermann.  XU,  865  S.  M.  5,00.  —  101)  J.  F.  Mähliss.  Di  reßtsreihnng  Götes  unt  Sillers:  Reform  17,  S.  50/3.  — 
102)  E.  Schreibfehler  Goethes  ? :  AZgB.  N.8.  (S.  u.  IV  8c :  15a.)  — 103)  M.  Schneidewin:  BerlCourB.  N.  70.  -  104)  (1 8 :  46 ;  s.  auchFZg. 


IV  8a  :  105-119  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

worden^^*^),  desg-leichen  Olbrichs  Untersuchung"  über  Goethes  Sprache  und  die  An- 
tike (vg-l.  JBL.  1891  IV  9a:  114)106).  —  Georg-  Schmidti»'')  untersucht  speciell 
die  Sprache  Goethes  im  Clavig-o.  Dies  Drama  nimmt  nach  ihm  eine  Ausnahme- 
stellung- unter  den  Werken  der  ersten  Schaffensperiode  ein  und  zwar  in  malara 
partem,  sowohl  in  Bezug  auf  den  dramatischen  Gehalt  als  auf  die  sprachliche  Form. 
Darnach  gliedert  sich  die  Untersuchung  in  zwei  Teile,  von  denen  hier  nur  der  erste  über 
die  Sprache  in  Betracht  kommt.  Es  sollen  die  Einflüsse  der  französischen  Quelle,  der  Em- 
pfindsamkeit und  des  Sturmes  und  Dranges  nachgewiesen  werden,  was  teils  durch 
Nebeneinanderstellen  der  Quelle  und  der  Dichtung  geschieht,  teils  durch  Paralle- 
lisierung  von  Stellen  aus  Werken  derselben  Periode:  hier  werden  besonders  auch 
die  Briefe  herangezogen.  Hieran  schliesst  sich  eine  sehr  eingehende  Untersuchung 
über  die  „rhetorischen  Kunstmittel",  die  gerade  im  Clavigo  „unverhältnismässig 
reichlich  verwendet"  sind.  Um  ein  Urteil  darüber  zu  gewinnen,  hat  S.  den  ganzen 
„jungen  Goethe"  auf  diese  Gesichtspunkte  hin  geprüft  und  giebt  darüber  das  ge- 
fundene statistische  Material.  Es  handelt  sich  um  Polysyndeton,  Asyndeton, 
Anaphora  und  Geminatio:  Ueberall  findet  S.,  dass  diese  Kunstmittel  im  Clavigo  an 
falscher  Stelle,  überladen,  gekünstelt  angewendet  worden  sind.  Nirgends  aber 
taucht  bei  S.  der  Gedanke  auf,  dass  Goethe  absichtlich  seinen  Stil  der  Quelle  und 
der  in  ihr  herrschenden  Tonfarbe  angepasst  hat,  dass  der  Dichter  sich  dessen  ge- 
rühmt hat,  das  Fremde  und  das  Eigene  so  zusammengefügt  zu  haben,  dass  niemand  die 
Nähte  erkennen  könne.  Von  dieser  Absicht  aus  war  die  Untersuchung  zu  führen 
und  aufzuweisen,  in  wie  weit  dem  Dichter  die  Absicht  gelungen  ist,  deren  ErfiJllung 
ihn  naturgemäss  sehr  weit  von  der  Behandlungsweise  seiner  übrigen  Werke  führen 
musste.  —  Eine  Zusammenfassung  des  deutschen  Sprachschatzes,  zunächst  der 
Klassiker  und  besonders  Goethes,  schlägt  Grimm  i^S)  vor. io9)  — 

Für  die  metrische  Gestaltung  der  Sprache  durch  Goethe  weist  Borinskiiio^ 
in  einer  historischen  Darlegung  der  Entwicklung  der  Ueberführung  des  Sinnes  über 
den  Versschluss  auf  einen  Kunstgriff'  hin,  durch  den  Goethe  diese  Ueberführung  sich 
dienstbar  gemacht  hat.  Er  bezeichnet  die  „Vorausnahme  des  syntaktischen  Integrals 
eines  Verses  durch  die  Endsilben  des  voraufgehenden  Verses"  als  Versvorschlag, 
während  ein  entsprechendes  Austönen  des  syntaktischen  Gefüges  in  der  ersten 
Silbe  des  folgenden  Verses  als  Versnachschlag  bezeichnet  wird.  Goethe  hat  nun 
den  Versvorschlag,  der  auch  schon  den  antiken  Tragikern  geläufig  war,  gern  ver- 
wendet, während  der  Versnach schlag  seltener  erscheint,  —  lieber  andere  die  Vers- 
gestaltung  Goethes  berührende  Werke  berichtet  Koch^).  — 

In  der  W^eimarer  Ausgabe  erscheinen  Goethes  Werke  weiter.  Das  Be- 
richtsjahr brachte  acht  neue  Bände,  die  an  anderen  Stellen  im  einzelnen  besprochen 
werden^  12-113)  __  g^jt  ^qjj^  Vorjahre  erscheinen  Goethes  sämtliche  Werke  mit  Ein- 
leitungen von  Goedeke  in  einer  neuen  36  bändigen  Ausgabe  und  sind  bis  zum 
15.  Bande  gediehen' i*).  _  Düntzer^i^)  giebt  die  sämtlichen  Werke  Goethes,  von 
deutschen  Künstlern  illustriert,  heraus;  von  90  Lieferungen  sind  6  Lieferungen  er- 
schienen. —  In  Kürschners  DNL.  werden  Goethes  W^erke  fortgesetzt:  es  sind  Band 
25—28  ausgegeben  worden n^'^^^.  —  Eine  Notiz  über  die  Wiener  Goetheausgabe 
1816  kündet  eine  ausführliche  Untersuchung  im  nächsten  GJb.  über  das  Verhältnis  dieser 
Ausgabe   zu    der   gleichzeitigen  Stuttgarter  Cottaschen   an^'^).  —  Wohl  durchdachte 

N.  284.)  -  105)  X  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  212,3;  DBühneng.  S.  923,  320/1.  -  106)  X  ZDPh.  25,  S.  144.  -  107)  (I  8  :  44: 
IV  8e:23.)  —  108)  (I  8:100;  s.  auch  AZg".  N.  260  u.  E.  M.  Werner:  ib.  N.  22.)  -  109)  X  (^  8:45;  IV  9:163.)  — 
HO)  K.  Borin  Ski,  D.  Ueberführung  d.  Sinnes  über  d.  Versschluss.  (=  I  1:118;  S.  43-60.)  (Vgl.  JBL.  1894.)  —  111)  M.Koch: 
BFDH.  9,  S.  215  (über  H.  Kruses  Exkurs  zu  E.  Westphal,  Allgem.  Metrik  [vgl.  JBL.  1892 1  7  : 1]),  S.  216  (über  E.  Kuno,  Beobachtungen 
über  d.  Verhältnis  d.  Eeimes  z.  Inhalt  bei  Goethe  [Stargard  1888]  u.  über  A.  öoldbeck-Loewe,  Z.  Gesch.  d.  freien  Verses  [vgl. 
JBL.  1891  I  9:18.])  —'112)  Goethes  Werke.  Her.  im  Auftr.  d.  Grossherzogin  Sophie  v.  Sachsen.  Weimar,  H.  Böhlau.  I.  Abt., 
35.  Bd.  (1892.)  Tag-  u.  Jahreshefte  als  Ergänzung  meiner  sonstigen  Bekenntnisse,  v.  1749-1806.  Her.  v.  W.  t.  Bieder- 
mann, m,  325  S.  M.  2,50;  36.  Bd.  Dass.  v.  1807-22;  Biograph.  Einzelheiten;  Beden.  Her.  v.  dems.  Ill,  454  S.  M.  3,50. 
IS.  0.  N.  100,  u.  IV  8b:  21);  5.  Bd.,  I.Abt.  Gedichte  5.  T.,  I.Abt.  Her.  v.  K.  Chr.  Eedlich  u.  Erich  Schmidt 
IX,  313  S.  M.  3,30.  (8.  u.  IV  8c:  5.)  IL  Abt.  Naturwissensch.  Schriften.  3.  Bd.  Z.Farbenlehre.  Hist.  T.,  I.Abt.  Her. 
T.  S.  Kalischer.  XXIV,  4C0  S.  M.  4,25;  8.  Bd.  Z.  Morphologie,  3.  T.  (Zoolog.  Arbeiten;  dabei  bisher  ungedr.  Auf- 
sätze). Her.  T.  K.  v.  Bardeleben.  VIII,  362  S.  mit  5  Taf.  M.  4,00;  11.  Bd.  Z.  Naturwissenschaft.  Allg.  Naturlehre,  1.  T. 
Her.  V.  R.  Steiner.  VII,  3S2  S.  mit  1  Taf.  M.  4,00.  (S.  o.  N.  99.)  III.  Abt.  Tagebücher.  5.  Bd.  1813-16.  Her.  v.  C.  A.  H. 
Burkhardt  u.  J.  Wähle.  V,  402  S.  M.  4,00.  (S.  u.  IV  8b  :  1.)  IV.  Abt.  Briefe.  12.-14.  Bd.  1797-99.  Her.  v.  E.  v.  d.  Hellen. 
XI,  472  S.;  Xn,  438  S.;  X,  292  S.  M.  4,80;  M.  4,50;  M.  3,00.  (S.  u.  IV  8b  :  2.)  |[K.  Heinemann:  BLU.  S.  229-30,  660;2; 
M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  219  21;  0.  Harnack:  PrJbb.  72,  S.  535/6;  NedSpect.  S.  292/3,  355,6.] |  —  113)  X  Ber.  d.  Eedaktoren 
u.  Heransgeber  (zu  N.  112):  GJb.  14,  S.  317/8;  15,  S.  312-21.  —  114)  Goethes  sämtl  Werke  in  36  Bdn.  Mit  Einl.  v.  K. 
Goedeke.  St.,  Cotta.  Bd.  1-15.  XVL  373  S.;  XIV,  378  S.;  VIH,  304  S.;  XII,  420  S.  mit  Bild;  XU,  250  S.;  XU,  314  S.; 
XU,  312  S.;  XU.  312  S.;  XIV,  357  S.;  XVL  4'8  S.;  XIL  343  S.;  X,  273  S.;  XU,  379  S.;  IV,  335  S.;  XIV,  363  S.  ä  M.  1,00. 
|[AZgB.  N.  89;  DRs.  76,  S.  316.]!  —  115)  H.  Düntzer,  Goethes  sämtl.  Werke.  111.  v.  ersten  dtsch.  Künstlern.  4.  Aufl.  Lfg.  1/6. 
St.,  Dtsch.  Verlagsanst.  S.  1-176.  ä  M.  0,50.  —  116)  Goethes  Werke.  25.  Bd.  Her.  v.  H.  Düntzer.  (=  DNL.  N.  794,  801.) 
St.,  Union.  VIII,  319  S.  M.  1,00.  (S.  u.  IV  8b :  22.)  -  116a)  X  Goethes  Werke.  26.-29.  Bd.  Her.  v.  A.  G.  Meyer  u.  G. 
Witkowski.  (=  ebda.  N.  745,  752,  756;9,  761,  783/5,  788-90.)  VII,  356  S.;  396  S.;  LXXIV,  563  S.;  U,  276  S.  M.  10,00. 
IIW.  V.  Biedermann:  LZg».  S.  502;  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  223/4,  379-80;  id.:  LCBl.  S.  1274,5;  A.  Bielschowsky : 
ML.  62,  S.  98;  E.  Wolff:  ib.  S.  77;  L.  Fränkel:  BLU.  S.  41.]i  —  117)  X  Goethes  Werke  in  4Bdn.  (Taschen-Ausg.)i2.  Ausg. 
St.,  Cotta.  12».  XU,  818  S.;  III,  781  8.;  III,  767  S.;  m,  823  S.  Mit  Bild.  M.  7,00.  —  118)  X  Goethes  poet.  Meisterwerke. 
Gedichte  u.  Dramen.    (Neue  Aufl.)    Strassburg  i.  E.,   Strassburger  Verlagsanst.    XVIII,  901  S.  mit  Bild.    M.  4,50.  —  119)  D. 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  JTV  8a  :  120-130 

Bemerkungen  über  die  Normen  einer  Ausgabe  von  Goethes  Sprüchen  in  Prosa 
macht  Harnack^^")  und  begründet  die  von  ihm  vorgeschlagene  Anordnung.  Er 
geht  dabei  von  dem  Gesichtspunkt  aus,  die  Anordnung,  welche  Goethe  zum  Teil  ge- 
wünscht, zum  Teil  schon  selbst  getroffen  hat,  sei  beizubehalten  und  auszubilden.  — 
lieber  Goethes  Gespräche  ^^^)  wird  weiter  berichtet.  —  Einen  Ueberblick  über  die 
Goethe  betreffenden  litterarischen  Erscheinungen  giebt  Geiger  122)  f^j.  1992  in 
der  auch  früher  eingehaltenen  Weise.  —  Auch  verschiedene  Antiquariatskataloge*-^), 
die  gedruckte  Goetheschriften  und  Goethe-Autographen  verzeichnen,  sind  wiederum 
erschienen.  — 

Goethes  Art  zu  arbeiten  hat  R.  M.  Meyer ^24)  untersucht.  Eine  falsche 
Parallelisierung  der  äusseren  und  der  inneren  Form  mit  der  äusseren  und  der 
inneren  Technik  bringt  ihn  dazu,  die  Gestaltung  des  Kunstwerkes  zu  einem  ein- 
heitlichen Ganzen  als  die  äussere  Technik,  die  Einzelentstehung  des  "Werkes  jedoch 
als  die  innere  Technik  zu  bezeichnen,  was  ihn  weiter  dazu  führt,  die  diese  Ent- 
stehung des  Werkes  im  einzelnen  erforschende  philologische  oder  litterarhistorische 
Untersuchung  mit  der  psychologischen  zu  identifizieren.  Er  geht  von  der  falschen 
Voraussetzung  aus,  als  ob  Kunstwerk  und  Naturwerk  gleichmässig  in  ihrer  Ent- 
stehung nach  naturwissenschaftlicher  Methode  untersucht  werden  könnten,  eine  Vor- 
aussetzung, die  sofort  versagen  und  auf  Willkürlichkeiten  subjektivster  Art  führen 
muss,  sobald  die  thatsächlichen  Grundlagen  für  die  Verfolgung  der  Einzelentstehung 
nicht  bekannt  sind,  sondern  erst  aus  dem  fertigen  W^erke  durch  Rückschlüsse  fest- 
gestellt werden  sollen.  Dies  wird  aber  unter  allen  Umständen  eintreten  müssen; 
denn  „für  das  Studium  der  inneren  Technik  besitzen  wir  das  gesamte  Material 
schlechterdings  niemals".  Sehr  richtig  stellt  M.  das  „Aperpu"  als  das  eigentlich 
Schöpferische  hin :  es  ist  das  aber  für  Goethes  dichterische  „Technik"  nichts 
Eigentümliches,  da  es  vielmehr  das  Charakteristische  eines  jeden  künstlerischen  Er- 
finden s  ist.  Gerade  weil  das  Apergu  abgewartet  werden  muss,  gehört  es  überhaupt 
nicht  zur  ,,Technik",  unter  welchem  Begriff  das  Handwerksmässige  der  Kunst  ver- 
standen wird;  dieses  tritt  in  sein  Recht,  sobald  das  schöpferische  Apergu  bereits  da 
ist,  und  kann  nur  dann  Geringwertiges  schaffen,  wenn  es  ohne  diesen  schöpferischen 
Anstoss  arbeiten  will.  In  den  Kompositionen  dagegen,  die  M.  sodann  kurz  be- 
handelt, tritt  das  Technische  in  sein  Recht:  hier  lassen  sich  bei  den  einzelnen 
Künstlern,  sei  es  für  einzelne  Epochen,  sei  es  für  ihr  gesamtes  Schaffen,  bestimmte 
Methoden  nachweisen:  hierauf  wäre  das  Hauptgewicht  zu  legen  gewesen.  Dies  wird 
aber  nicht  durch  Zusammenstellen  einzelner  aus  ihrem  Zusammenhange  genommener 
Aussprüche,  sondern  durch  Betrachtung  und  Untersuchung  der  Werke  selbst  und 
zwar  besonders  durch  den  Vergleich  der  fertigen  Werke  mit  früheren  Gestaltungen 
und  Entwürfen  erreicht  werden.  Der  auch  von  M.  hervorgehobene  Grundzug  von 
Goethes  Technik  soll  das  Typisieren  sein:  so  soll  das  Apercu  specifische  Fälle  auf 
typische  Begriffe  zurückführen.  Das  Gegenteil  ist  richtig.  Die  ungeklärte  Fülle  der 
Empfindung  wird  durch  das  Apergu  an  den  einzelnen  Fall  gefügt  und  gewinnt  die 
für  die  künstlerische  Existenz  notwendige  individuelle  Gestaltung.  Ob  die  Fähigkeit, 
so  zu  schaffen,  in  Goethes  Alter  zurücktrat  oder  gar  aufhörte,  ist  eine  Frage,  wenn 
es  auch  hier  einfach  als  selbstverständliche  Thatsache  angenommen  wird.  M.s  Dar- 
legungen geben  ein  interessantes  Bild  historischer  Entwicklung:  psychologisch  hat 
er  die  Vorgänge  im  Dichten  beim  Schaffen  und  vor  dem  Schaffen  nicht  ergründet, 
weil  sie  sich  überhaupt  der  Ergründung  entziehen,  da  jegliches  Material  fehlt  und 
die  Nachahmung  der  naturwissenschaftlichen  Methode  es  nur  zu  Umschreibungen 
und  bildlichem  Ausdrucke,  nicht  aber  zu  wissenschaftlich  begründeten  Nach- 
weisen bringt.  — 

Urteile  von  Zeitgenossen  über  Goethe  werden  mitgeteilt  von  Erich 
Schmidt  125-126)^  Leitzmann^^?-)  ^^d  Geigerin»).  _  Hierhin  gehören  ferner  die 
Aeusserungen  in  dem  Briefwechsel  der  Brüder  von  Müller  i29),  sowie  die  Unter- 
suchung Trögers^3oj  ü^er  Manso:  T.  zeigt,  wie  der  Streit  durch  Mansos  harte 
und  nicht  zutreffende  Urteile  besonders  über  Schillers  ästhetische  Briefe  entstand, 
schildert  den  Verlauf  des  Kampfes,  dessen  Ausgang  darin  bestand,  dass  Manso  gleich- 

Wiener  Goethe-Ausg.  v.  1816:  VLG.  6,  S.  627.  —  120)  0.  Harnack,  Bemerkungen  aber  d.  Normen  e.  Ausg.  v.  Goethes 
Sprächen  in  Prosa:  ib.  S.  463-72.  —  121)  X  0-  Härtung,  W.  v.  Biedermann,  Goethes  Gespräche  (vgl.  JBL.  1891IV  9b  :21/2; 
1892  IV  8b  :22b):  DDichtung.  14,  S.  149.  —  122)  L.  Geiger,  Bibliographie:  GJb.  14,  S.  321-59.  -  123)  X  Jos.  Baer  &  Cie., 
Prankfurt  a.  M.,  N.  319;  H.  Kerler,  Ulm  a.  D.,  N.  190;  P.  E.  Lederer,  B.,  N.  56;  Verzeichnis  d.  v.  C.  E.  Hofmeister  hinterlass. 
Antographen-Samml.,  versteigert  durch  List  &  Francke,  L.;  L.  Liepmannssohn,  B.,  N.  102;  J.  A.  Stargardt,  B.,  E.  Autographen- 
samml.  (=1  3  :  51,  S.  141/7.)  -  124i  R.  M.  Meyer,  Goethes  Art  zu  arbeiten:  GJb.  14,  S.  167-95.  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  3ö5/6.J| 

—  125)  Erich  Schmidt,  K.  Weinhold  mit  herzl.  Glückwünschen  z.  26.  Okt.  dargebracht.  (Weimar,  Hofbuchdr.)  7  S. 
(Nicht  im  Handel;  Briefe  Blumenbachs  an  Heyne  u.  Sophiens  Brentano  an  Henriette  v.  Arnstein.  Vgl.  auch  GJb.  15,  S.  358 
u.  s.u.  IV  8b:  15;  10: 66.)— 126)  id.,  Urteil  über  Goethe.     Mitt.  ans  GDL.:  DLZ.  S.  187.  (S.  o.  N.  125;  vgl.  auch  VossZg.  N.  51) 

—  127)  (IV  lc:115;  IV  5:115  [8.  168].)  -  128)  (lY  1  c  :  13.)  jfL.  Geiger:  FZg.  N.  337  („Fürst  u.  Künstlerin«.)]!  —  129) 
(IV  lc:133;  IV  5:133.)  UM.  Koch:  BFDH.  9,  S.  360,1.]|  -  130)  J.Tröger,  Rektor  Manso  im  Xenienkampfe.  (=  Sonderabdr. 
aos  d.  Festschrift  z.  250j.  Jubelfeier  d.  Gymnasiums  zu  St.  Maria  Magdalena  zu  Breslau  [vgl.  I  6 :  205].)  Breslau,  Morgenstern, 


IV  8a  :  131-147  V.  Valentin,  Goethe:  Allg-emeines. 

sam  zur  Sühne  eine  gerechte  und  unparteiische  Besprechung  des  Wilhelm  Meister 
schrieb.  — 

Schillers  und  Goethes  Stellung  zur  Gegenwart  unterwirft  Eugen 
Wolff*^*)  in  seinem  Festvortrage  zu  Schillers  Geburtstag  im  Freien  Deutschen 
Hochstift  einer  eingehenden  Prüfung.  Er  schildert  das  Auf-  und  Abfluten  in  der 
Wertschätzung  beider  und  gelangt  zu  dem  Ergebnis,  dass  beide  noch  lebendig  sind 
und  jeder  in  seiner  Weise  mannigfaltig  fortwirkt,  dass  aber  unsere  Zeit  neben  dem 
festen,  unverlierbaren  Besitz  an  Schillerschem  Geiste  die  Domäne  Goethes  zu  er- 
weitern strebt:  ist  Schillers  Geist  heute  ohne  Rest  Gemeingut  der  deutschen  Nation, 
so  muss  es  Goethes  Geist  in  gleichem  Masse  werden.  —  In  kurzem  Ueberblick  wird 
ferner  Goethes  Verhältnis  zu  unserer  Zeit  betrachtet  *32^.  ^^Die  Ueberzeugung  von 
einer  weiteren  Bedeutung  Goethes  als  Mannes  gerade  unserer  Zeit  bricht  sich  immer 
entschiedener  Bahn.  Still  aber  unaufhaltsam  schreitet  der  Goethische  Geist  auf  seinem 
Siegeszug  zur  Weltherrschaft  vor."  Die  Untersuchung  verfolgt  dies  auf  den  ver- 
schiedenen Gebieten  und  zeigt,  wie  Goethe  durch  das  allumfassende  Ganze  seines 
Wesens  besonders  auch  auf  das  Ausland  wirkt.  „Der  unermessliche  Gewinn,  den 
Gegenwart  und  Zukunft  aus  dem  Anschauen  des  Vorbildes  Goethes  ziehen  kann", 
ist  der,  dass  wir  uns  durch  Selbsterziehung  im  Strome  der  Welt  zu  immer  höherer 
Vollendung  emporbilden". ^^sj  _ 

Ein  Goethe  in  seiner  ganzen  sittlichen  und  dichterischen  Nichtigkeit  auf- 
deckender moderner  B  eurteiler,  der  allenfalls  ein  oder  das  andere  „Gedichtchen" 
—  andere  hat  Goethe  nicht  gemacht  —  gelten  lässt,  dagegen  sein  „Wertherromanchen" 
und  sonstige  epische  und  dramatische  Torheiten  in  ihrer  Blosse  und  Erbärmlichkeit 
aufzeigt,  hat  sich  in  Dühring*^*)  gefunden.  Die  „neuen  Gesichtspunkte"  seiner 
ganzen  Litteraturbetrachtung  möchten  wohl  vorzugsweise  in  einem  möglichst  stark 
ausgeprägten  und  möglichst  unverständig  verwendeten  Antisemitismus  bestehen.  — 
Braitmaiers  Schrift  über  Goethekult  und  Goethephilologie  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  41) 
wurde  wiederholt  besprochen  i^*'^).  — 

Goethes  Stellung  in  der  Weltlitteratur  äussert  sich  zunächst  in  den 
reichen  Beziehungen  zu  den  englisch  redenden  Germanen.  Besonders  sein 
Verhältnis  zu  Shakespeare  wird  vielfach  behandelt:  so  von  Hauffeni^s^;  in  be- 
sonderer Beziehung  zu  einzelnen  Goethischen  Dramen  von  Basedow  i^^),  Winkler^^'), 
Huther  13^).  —  Loening^^sj  widmet  in  seinem  Hamletwerke  Goethes  Auffassung  ein 
besonderes  Kapitel  und  schliesst  daran  ein  zweites  „Die  Nachfolger  Goethes":  Goethe 
und  seine  Nachfolger  sind  durch  die  falsche  Uebersetzung  von  0  cursed  spite  (I,  5, 
V.  88)  irregeführt  worden:  Hamlet  hat  nicht  nur  keinen  Plan,  sondern  auch  kein  Ziel; 
bis  zum  Schlüsse  ist  er  gar  nicht  gewillt,  den  Vollzug  der  Sache  auf  sich  zu  nehmen. 
Goethes  Vorschlag,  den  Geist  im  Gemach  der  Königin  im  Hauskleid  statt  in  der 
Rüstung  auftreten  zu  lassen,  weist  L.  zurück.  —  Kilian^'**')  tadelt  die  übertreibende 
Nachahmung  Skakespeares  im  Scenenwechsel  des  Götz  und  von  Vincke'*^)  vergisst 
bei  seinem  Hinweis  auf  Goethe  als  den  Berufensten  in  Shakespeares  Sinn  zu  dichten,  auf 
Goethes  Inscenierung  des  König  Johann,  Julius  Cäsar  und  seine  Bearbeitung  von  Romeo 
und  Julia  einzugehen.  —  Singer ^^^^  verfolgt  eine  Reihe  von  Urteilen  der  Tages- 
presse und  der  populären  Wissenschaft:  er  zeigt,  wie  der  Engländer  sich  meist  in 
der  Beurteilung  bei  den  äusseren  Umständen,  dem  Formellen,  aufhält,  und  wie 
gerade  hierin  der  Unterschied  seiner  Auffassung  von  der  des  Deutschen  hervortritt. 
Bei  Goethe  werden  Clavigo,  Götz,  Iphigenie,  Werther  und  Stella  behandelt.  —  Von 
englischen  Kritikern  behandelt  Alford^^^)  die  Beurteilung  Goethes  durch .  frühere 
englische  Kritik  als  besonderes  Thema:  er  zeigt  den  gegen  Goethe  und  die  deutsche 
Litteratur  geführten  Kampf  etwa  von  fünfzig  Jahren  vor  Carlyle  an  bis  zu  dessen 
Auftreten.  —  Ueber  Boyesens  Untersuchung  über  die  Wertschätzung  Goethes  in  Eng- 
land (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  110)  wird  weiter  berichtet  i44),  _  Die  "Stellung  Carlyles 
zu  Goethe  bespricht  NichoP^^),  und  Mensch  i^^)  versucht  vergeblich,  eine  innere 
Beziehung  zwischen  Wordsworth  und  Goethe  zu  konstruieren.  — Saunders  ^*'')  hat 
sich  der  verdienstlichen  Arbeit  unterzogen.  Goethes  Sprüche  in  Prosa  den  englisch 
Lesenden  zugänglich  zu  machen.    Aus  der  grossen  Fülle  wählt  er  einen  Teil  aus,  in- 


25  S.  M.  0,50.  (S.  u.  IV  8c:  21;  9:60.)  —  131)  Eugen  Wolff,  Schillers  u.  Goethes  Verhältnis  z  Litt.  u.  Lehen  neuerer 
Zeit:  BFDH.  9,  S.  27*-51*.  (S.  u.  IV  9  :  166.)  -  132)  E.  M.,  Goethes  Stellung  z.  Gegenw.:  Kw.  7,  S.  65/7.  - 133)  X  J- Seeley , 
Goethe  reviewed  after  sixty  years.  London,  Seeley.  Sh.  3/6.  —  134)  (I  12:161;  IV  5:631  [1,  S.  155-203].)  —  134  a)  X  0. 
E[rdmann]:  ZDPh.  25,  S.  287/8;  0.  Harnack:  PrJbb.  71,  S.  134/6;  A.  Köster:  HZ.  34,  S.  308-11;  0.  Hellinghaus: 
Gyran.  11,  S.  322/3;  0.  Glöde:  ASNS.  90,  S.  417/8.  —  135)  (UI  4:6a;  IV  ld:59;  4:25  fS.  11-22].)  -  136)  (IV  4:  312; 
8e:70.)  -  137)  (IV  8e:75.)  —  138)  (IV  8e  :  5.)  —  139)  (IV  ld:62.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  365/6.]|  -  140)  (IV4:369.) 
|[M.  Koch:  BFDH,  9,  S.  368.]|  —  141)  (IV  4 :  372.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  367/8.JI  —  142 1  (IV  1  d  :  45.)  [M.  Koch: 
BFDH.  9,  S.  364.JI  -  143)  G.  Alford,  Goethes  earliest  critics  in  England.  (=  N.  37,  S.  8-24.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9, 
S.  264/5.] I  —  144)  X  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  194.  —  145)  J-  Nichol,  Thomas  Carlyle.  London,  Macmillan  &  Cie. 
1892.  |[H.  Grimm:  DLZ.  S.  204/6.]|  —  146)  Bob.  Mensch,  Goethe  and  Wordsworth.  (=  N.  37,  S.  85-107.)  |[M. 
Koch:  BFDH.  9,  S.  365.]|    -   147)  (IV  ld:41.)     |[WestmR.  140,    S.  337/8;   ScottishE.  22,  S.  459;    Ath.  2,  S.  347/8.]l    -    148) 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a  :  i48-i62 

dem  er  das  weglässt,  was  ihm  als  veraltet,  unwichtig",  von  nicht  mehr  aktuellem 
Interesse  erscheint,  oder  das  eine  nature  too  abstruse  hat,  um  ohne  Erklärungen  be- 
stehen zu  können;  er  aber  scheut  sich  mit  Recht,  den  unmittelbaren  Eindruck  beim 
Lesen  durch  Fussnoten  abzuschwächen  und  zu  unterbrechen.  Dagegen  giebt  er  aus- 
führlich Bericht  über  die  Entstehung,  über  Inhalt  und  Bedeutung  der  Sprüche,  so 
dass  des  Translators  Preface  55  Seiten  in  Anspruch  nimmt.  Bei  seiner  Auswahl 
wurde  er  für  die  Sprüche  über  Kunst  von  dem  Maler  Sir  Frederic  Leighton  und  für 
die  Sprüche  über  Natur  von  Professor  Huxley  unterstützt.  —  Sonstige  Uebersetzungen 
bieten  Kroeker  (My  Goddess;  Song  of  the  Parcae),  Tomlinson  (Sonnets)  und 
Martin  (The  Roman  Elegies),  von  denen  die  letzten  als  eine  wirklich  gelungene 
Arbeit  bezeichnet  werden  dürfen ;  sie  alle  sind  in  den  Publications  der  Englischen 
Goethe-Gesellschaft  erschienen. i*^)  — 

Ein  Bericht  der  deutschen  Abteilung  des  Havard-College  in  Cambridge- 
Boston  i^^)  schildert  die  Pflege  des  Deutschen  an  dieser  amerikanischen  Hochschule: 
Goethe  hat  der  Anstalt  seine  Teilnahme  durch  Zusendung  von  Werken  von  ihm  be- 
wiesen ;  der  Brief  Goethes,  der  diese  Zusendung  begleitete,  ist  abgedruckt.  Die 
Kurse  der  sprachlichen  Gruppe  bezwecken  die  praktische  Erlernung  der  deutschen 
Sprache,  während  die  Kurse  einer  zweiten  und  einer  dritten  Gruppe  die  Geschichte 
der  deutschen  Sprache  und  der  deutschen  Litteratur  behandeln  und  den  Charakter  von 
wissenschaftlichen  Fachschulen  tragen.  Auch  an  anderen  amerikanischen  Hochschulen 
wächst  die  Pflege  des  Deutschen.  —  Ueber  die  von  dorther  gekommene  Abhandlung 
über  Mantegnas  Triumph  Caesars  im  zweiten  Teil  des  Faust  urteilt  Koch^^**)  zu- 
stimmend und  günstiger  als  es  in  diesen  Berichten  geschehen  konnte  (vgl.  JBL. 
1892  IV  8a:  51).  - 

Auch  die  Beziehungen  Goethes  zu  Frankreich  treten  vielfach  auf. 
Meissner  ^^1)  behandelt  die  französischen  Autoren,  die  sich  mit  deutscher  Litteratur 
beschäftigt  haben.  Goethe  wird  von  Frau  von  Stael  an  bis  auf  die  neueste  Zeit  sehr 
häufig  genannt:  es  kommt  M.  besonders  auf  Goethes  Würdigung  durch  die  fran- 
zösischen Kritiker  an.  Auch  einige  Uebersetzungen  Goethescher  Gedichte  werden 
mitgeteilt.  —  Von  Weiss  i^^)  gj^d  früher  (1855—57)  erschienene  Studien  gesammelt 
worden,  deren  wichtigsten  Teil  sein  Essai  „Sur  Hermann  et  Dorothee  de  Goethe"  bilden: 
Er  sucht  den  den  französischen  Lesern  fremdartigen  idyllischen  Charakter  der  Dichtung 
näher  zu  bringen,  während  die  Besprechung  von  Sklowers  Entrevue  de  Napoleon  I 
et  de  Goethe  überholt  ist.  —  Uebersetzungen  von  Werken  Goethes  führt  das  GJb.  an. 
Eine  Uebertragung  von  hervorragender  Bedeutung  ist  die  des  Faust  von  Sabatier  *53); 
die  Deutschen  rühmen  den  treuen  deutschen  Charakter,  die  Franzosen  erklären  die 
Sprache  für  unfranzösisch.  —  Der  weiteren  Verbreitung  der  Kenntnis  Goethes  dienen 
besonders  die  Schulausgaben  1^4- 157-)^  — 

Goethe  und  Dänemark  behandelt  Brandes i^^)  in  einem  Aufsatz,  von 
dem  ein  Teil  schon  früher  (GJb.  2,  S,  1 — 48)  erschienen  war:  hier  wird  er  in  seiner 
ursprünglichen  umfangreicheren  Fassung  gegeben,  die  noch  durch  Zusätze  und  weitere 
Ausführungen  ergänzt  ist.  Erst  Steffens  lehrte  die  dänische  Jugend  Goethe  ver- 
stehen und  lieben;  Oehlenschläger  und  Heiberg  förderten  wesentlich  die  Schätzung 
des  Dichters.  Das  neue  Schriftstellergeschlecht  weiss  wenig  von  ihm.  —  Vodskov  ^^^) 
hat  Gedichte  Goethes  ins  Dänische  übersetzt.  —  Die  Beziehungen  .Goethes  zum 
böhmischen  Lande  hat  von  Kraus i^^^)  behandelt.  „Im  Anschluss  an  Goethes 
Reisen  nach  Böhmen  sollen  die  Beziehungen  Goethes  zur  böhmischen  Litteratur  be- 
handelt werden.  Goethe  nahm  lebhaften  Anteil  sowohl  an  dem,  was  das  Land  in 
naturwissenschaftlicher  Hinsicht  bot,  als  besonders  an  den  wissenschaftlichen  und 
künstlerischen  Bestrebungen.  Das  geistige  Leben  der  Czechen  konnte  er  um  so  eher 
in  den  weiten  und  freien  Bereich  seiner  weltlitterarischen  Betrachtung  ziehen,  als 
von  einer  feindseligen  Zuspitzung  der  nationalen  Gegensätze  damals  noch  nicht  die 
Rede  war.  Ein  grosser  Teil  des  Buches  ist  Goethes  böhmischen  Freunden  gewidmet." 
—  Eine  Sammelstelle  für  die  Ergebnisse  der  Forschungen  über  Goethes  Beziehungen 
zu  Böhmen  bildet  das  von  John'^i)  herausgegebene   LJb.     Von  Biedermann ^^^^ 


(8.  0.  N.  37.)  |[M  Koch:  BFDH.  9,  S  361/2.] I  —  149)  D.  Pflege  d.  Deutschen  an  amerik.  Hochschulen:  AZgB.  N.  110.  — 
150)  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  194/5.  —  151)  (IV  ld:l.)  |[GJb.  15,  S.  329.]|  —  152)  J.  J.  Weiss.  Sur  Goethe.  Etndes  crit. 
de  litt,  alleraande  avec  une  pref.  de  F.  Sarcey.  Paris,  Colin  &  Cie.  XI,  355  S.  fM.  Koch:  BFDH.  9,  S.  188;  id.:  LCBl. 
S.  1314/5  ]|  —  153)  (IV  8e:80.)  —  154)  X  !'•  Schmitt,  Classiqnes  allemands.  Goethe.  Extr.  des  CBUvres  en  prose.  Prec. 
de  notices  et  annot.  Paris,  Delagfrave.  119  S.  —  155)  X  ^^-^  Classiqnes  allemands.  Eitraits  de  l'antohiographle  de  Goethe 
prec6des  de  deux  notices  et  annotes.  ebda.  76  S.  (S.  u.  IV  8d:3a.)  —  156)  X  i^-'  Goethe,  Iphigenie  en  Tauride.  3.  ed. 
ebda.  IV,  104  S.  (S.  u.  IV  8e:38a.)  —  157)  X  B-  Levy,  Goethe,  Iphigönie  en  Tauride.  Paris,  Hachette  <fe  Cie.  135  8. 
(S.  u.  IV  8e:38b.)  -  158)  (I  12:316.)  |[L.  Geiger:  FZg.  N.  305] |  —  159)  H.  S.  VodskoT,  Digte  af  Goethe.  J  Udvalg 
oyers.  Kopenhagen,  Lehmann  &  Stages.  227  S.  —  160)  A.  t.  Kraus,  Goethe  a  Cechy.  Gast  I.  Prag,  Bursik  *  Kohut. 
IV,  154  S.  M.  2,40.  |[GJb.  5,  S.  349  (Inhaltsang.);  J.  Karäsek:  ÖLBl.  2,  8.  620/1  ]|  —  161)  A.  John,  LJb.,  Centralorg. 
für  d.  wissensch.,  litt.  u.  k&nstler.  Interessen  Nordwest-Böhmens  u.  d.  dtsch.  Grenzlande.  Bd.  1-3.  Eger.  Selbstverl.  1891-98. 
96,  88,  97  S.  ä  M.  1,80.  —  162)  W.  v.  Biedermann,  Zu  Goethe  in  Böhmen:  LJb,  2,  8.  32/4.  —  163)  H.  C.  Kellner, 
Jahresberichte  fflr  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  '^C^^) 


IV  8a:  163-172  IV8b:i  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

veröffentlicht  dort  einen  Brief  Goethes  (Wohnung-sbestellung-  in  Marienbad).  Die  Biblio- 
graphie des  LJb.  macht  mit  sonst  kaum  zag-äng-lichen  Aufsätzen  böhmischer  Zeitungen 
bekannt.  —  Kellner^^sj  erwähnt  Goethes  Berührung  mit  der  inciischen  Litteratur.  — 
Goethes  Beziehungen  zur  antiken  Litteratur  werden  von  Schreyer  i^*)  zunächst  für 
seine  Beschäftigung  mit  Homer  nachgewiesen:  aus  der  sorgfältigen  Untersuchung  er  giebt 
sich,  dass  die  Einwirkung  Homers  auf  Goethe  über  dessen  ganzes  Leben  sich  aus- 
dehnt. Sie  erscheint  besonders  stark  zur  Zeit  der  Reise  nach  Italien;  ihren  Gipfel- 
punkt aber  erreicht  sie  in  der  Zeit  des  Zusammenwirkens  Goethes  mit  Schiller.  In 
beiden  Zeiten  treibt  es  den  Dichter,  die  Schönheit  des  Altertums  selbstschaffend  neu  zu 
beleben.  Seh.  untersucht  nun  weiter  die  so  angeregten  Dichtungen  eingehend  und 
weist  ihren  Zusammenhang  mit  Homer  nach.  —  Böhms  Untersuchung  über  Goethes 
Verhältnis  zur  Antike  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  114)  wird  weiter  besprochen i^^).  — 
Auch  Bronner  166)  untersucht  Goethes  römische  Elegien  und  ihre  Quellen.  — 
Bintziß'')  erforscht  den  Einfluss  der  Ars  poetica  des  Horaz  auf  die  Litteratur  des 
vorigen  Jh.  und  sammelt  dafür  auch  aus  Goethe  die  Belegstellen.  Die  Untersuchung 
ist  nach  des  Vf.  Tode  von  A.  Metz  herausgegeben.  —  Eine  neulateinische,  mit 
Französisch  untermischte  Uebersetzung  eines  Goetheschen  Liedes  (des  Königs  von 
Thule)  bringt  die  lateinische  Zeitschrift  Alaudae^^s^,  — 

Von  jüngst  verstorbenen  Goetheforschern,  über  die  das  Berichtsjahr 
Nekrologe  gebracht  hat,  sind  zu  verzeichnen:  Reinhold  Köhler,  dessen  umfassende 
Thätigkeit  und  sympathische  Persönlichkeit  Erich  Schmidt  i^S)  eingehend 
schildert;  der  Maler  K.  Th.  Reiffenstein*''"),  der  Arzt  und  Litteraturforscher  Wilhelm 
Stricker,  über  den  E.  Cohn^''*)  berichtet.  —  Auch  der  Enkel  von  Charlotte  Buff, 
Georg  W.  E.  J.  Kestner^'^)^  gei  hier  genannt.  — 


b)  Leben. 

Karl  Heinemann. 


Quellen:  Tagebücher  N.  1.  —  Briefe  Goethes  N.  2.  —  Briefe  an  Goethe  N.  14b.  —  Briefe  über  Goethe  N.  146. 

Gespräche  N.  16b.  —  Autobiographische  Schriften  N.  18.  —    Darstellungen:    Goethebiographien  N.  26.   —  Beziehungen 

zu  anderen  Personen:  Goethes  Mutter,  Susanna  von  Klettenberg  N.  28;  Friederike  N.  29;  Charlotte  Kestner  N.  36;  Frau 
von  Stein,  Ulrike  von  Levetzow  N.  38;  Karoline  Luise,  Maria  Paulowna,  Anna  Amalia  N.  41;  Kaiserin  Maria  Ludovika  N.  45; 
Brüder  Grimm,  Lavater,  Matthison  N.  46;  Gottl.  Heinr.  Rapp,  Fr.  Karl  Meyer,  K.  Reitenberger  N.  49.  — 

Quellen.  Für  den  Goethekenner  und  Goetheforscher  ist  diedritte  und  vierte  Ab- 
teilung der  Weimarer  Goetheausgabe  fast  noch  wichtiger  als  die  neue  Ausgabe  der  Werke. 
Vielen  Goethefreunden  aber,  die  dem  eigentlichen  Studium  Goethes  ferner  stehen, 
wurde  der  Genuss  der  Lektüre  vieler  Briefe  und  •  noch  viel  mehr  der  Tagebücher 
durch  manches  ungelöste  Rätsel,  viele  unerklärliche  oder  an  und  für  sich  nicht 
sofort  verständliche  Stellen  verkümmert.  Diesem  Uebelstande  suchen  die  Herausgeber 
soviel  als  möglich  abzuhelfen.  Von  den  Tagebüchern  ist  in  unserem  Berichtsjahr 
nach  längerem  Stillstand  der  Ausgabe  der  fünfte  Band*),  der  die  J.  1813—16  umfasst, 
erschienen.  Das  J.  1813  hat  Burkhardt  herausgegeben,  das  übrige  Wähle,  dem 
wir  auch  den  gesamten  kritischen  Apparat  und  die  in  die  Lesarten  aufgenommenen 
erläuternden  Anmerkungen  verdanken.  Er  gedenkt  dankbar  der  Beihülfe  von 
Biedermanns,  Rulands  und  Valentins,  sowie  der  freundlichen  Uebersendung  der  Teplitzer 
Kurliste  von  1813  und  der  Wiesbadener  von  1814  und  15;  im  übrigen  war  er  für  die 
gewaltige  Arbeit  auf  eigene  Kraft  angewiesen  und  auf  das  reiche  ungedruckte 
Material  des  Goethearchivs  in  Weimar.  Von  diesem  erschienen  hier  zum  ersten  Male 
gedruckt  eine  Anzahl  Briefstellen  aus  Briefen  Goethes  an  Christiane  und  August, 
Goethes  Aufzeichnungen  über  Unterredungen  mit  Friedrich  von  Kurowski-Eichen 
und  dem  Weimarer  Kupferschmidt  Henniger.  Zum  ersten  Male  tritt  in  diesem  Bande 
das  Kapitel  „Agenda"  (S.  301/7)  auf,  eine  wertvolle  Ergänzung  der  Tagebuchnotizen. 
Die  Hauptarbeit   des  Erläuterers   lag   in  den    genaueren  Mitteilungen    über   die   im 


Vasantasena  oder  d.  irdene  Wägelchen.  E,  ind.  Schauspiel  in  10  Anfz.  v.  König  Cndraka.  Uebers.  (^  IIB.  N.  3111/2.)  L., 
Ph.  Reclam  jr.  16».  200  S.  M.  0,40.  —  164)  H.  Schreyer,  D.  Fortleben  homerischer  Gestalten  in  Goethes  Dichtung. 
(=  Gymn.-Bibl.  Her.  v.  E.  Pohlmey  und  H.  Hoffmann.  3.  Heft.)  Gütersloh,  Bertelsmann.  92  S.  M.  1,20.  |[R.  Spitz: 
BLU.  S.  532/3;  R.  Oeppmüller:  BPhWS.  13,  S.  1334/7.]|  (S.  u.  IV  8d:l.)  —  165)  X  F-  Presch:  ZOG.  44,  S.  1052.  — 
166)  F.  Bronn  er,  Goethes  röm.  Elegien  u.  ihre  Quellen:  NJbbPh.  148,  S.  33-50,  102-12,  145-50,  247-65,  305-16.  367-71, 
440-69,  .525-41,  .572-88.  (S.  u.  IV  8o:  17.)  -  167)  (I  12:4b.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  214.1|  (Progr.  d.  Kaiser- Wilhelras- 
Gymn.)  —  168)  Neulat.  Uebers.  d.  König  v.  Thule:  AZg".  N.  61.  (Nach  d.  Zeitschrift  „Alaudae".)  —  169)  (I  2:  30.)  —  170) 
K.  Th.  ReifTenstein :  FZg.  N.  340.  (S.  o.  N.  25.)  —  171)  E.  Cohn,  Z.  Erinnerung  an  W.  Stricker:  AFrankG.  4,  S.  385-99. 
(Ueber  Strickers  Arbeiten  z.  Goethe-Litt.  S.  397;8.)  —  172)  G.  W.  E.  .T.  Kestner :  AZg.  20.  Febr.  (8.  auch  GJb.  14,  S.  305/6.)  — 
1)  (IV  8a:  112/3.)  —  2)  (ib.)  -  3)  A.  Leitzmann,  Zu  Goethes  Briefen:  VLG.  6,  S.  320.  —  4-5)  (IV  5:33.)  — 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  1-2 

Tagebuch  erwähnten  Ereignisse,  Personen,  Briefe  und  Goethes  Lektüre,  für  welche 
die  Ausleihebücher  der  Weimarer  Bibliothek  die  beste  Quelle  waren,  sowie  der 
"Werke  und  Arbeiten  Goethes.  Ueber  das  äussere  Leben  Goethes  erfahren  wir  in 
den  Tagebüchern  nicht  viel  neues;  merkwürdig  kurz  sind  die  politischen  Ereignisse 
des  J.  1813,  u.  a.  auch  die  Schlacht  bei  Leipzig,  weggekommen.  Wichtig  und 
daher  seit  ihrer  Veröffentlichung  schon  oft  citiert  sind  die  Aufzeichnungen  Goethes 
über  die  letzte  Krankheit  und  den  Tod  Christianens  (Juli  1816).  Von  Goethes 
Werken  kommen,  wie  natürlich,  Dichtung  und  Wahrheit,  Des  Epimenides  Erwachen, 
die  italienische  Reise,  Aufsätze  für  Kunst  und  Altertum,  Schriften  zur  Morphologie 
und  der  Divan  hauptsächlich  in  Frage.  In  der  Aufklärung,  die  wir  über  die  Ent- 
stehung der  Goetheschen  Werke  erhalten,  liegt  ja  der  Hauptwert  der  Tagebücher. 
Aber  diesmal  ist  der  hauptsächlichste  Gewinn  schon  längst  vorweggenommen  durch 
den  im  J.  1888  erfolgten  Abdruck  der  den  Divan  betreffenden  Tagebuchstellen 
in  Burdachs  immer  mit  Dank  und  Anerkennung  zu  nennender  Ausgabe  (Weimarer 
Ausg.  I.  Abt.,  6.  Bd.).  — 

Viel  wichtiger   ist  deshalb  diesmal  die  Ausbeute,    die  die  drei  neuen  Bände 
der   Briefe   Goethes 2)    ermöglichen.      Unter    den   702  Nummern    sind   269   bisher 
ungedruckt,  71  davon  allein  an  Christiane.   Ueberspannte  und  unberechtigte  Erwartungen 
haben   es  verschuldet,    dass  der  Wert   und  die  Bedeutung  dieser  Briefe  Goethes    an 
Christiane  öfters  nicht  anerkannt  worden  ist.     Sie  geben  ein  treffliches    und  schönes 
Bild  der  Fürsorge  und  Liebe  Goethes  für  Weib    und  Kind  und  beweisen  durch  Ton 
und  Inhalt,   dass  sie  an  eine  Goethes  würdige  und  wackere  Hausfrau  gerichtet  sind. 
Dass  es  sich  meist  in  den  Briefen  um  wirtschaftliche  Angelegenheiten  handelt,   wird 
wohl   niemanden    wundern,    aber   die    Nachrichten,    die    Goethe   von   Jena   aus    der 
Geliebten  von  dem  Fortschritt  seiner  Arbeiten  giebt,  beweisen  deutlich,  dass  Christiane 
dem  geistigen  Wirken  Goethes    doch  wohl  nicht   so  verständnislos  gegenüber  stand, 
wie  man  im  allgemeihen  zu  glauben  geneigt  ist.      Goethes  Liebe  zu  Christianen  tritt 
geradezu  rührend  in  den  Briefen  aus  der  Schweiz  hervor.     Immer  wieder  versichert 
er  ihr  seine  grosse  Sehnsucht  nach  ihr  und  dem  Kleinen;    nur  um  ihretwillen,    wie 
er  schreibt,  giebt  er  die  geplante  Reise  nach  Italien  auf.     Schon  bevor  er  die  Fahrt 
antrat,  hatte  er  August  und  Christianen  zu  Erben  seines  Vermögens  eingesetzt,  nach- 
dem Frau  Rat   zu  deren  Gunsten  verzichtet   hatte.     Die  vom  Herausgeber   der  drei 
Bände,   von  der  Hellen,    in  den  „Lesarten"  abgedruckten  Stellen  aus  Christianens 
Briefen     führen     uns    u.    a.    auch    in     die    Leiden     und    Bekümmernisse    ein,    die 
für  Christiane  aus  ihrer   schiefen  Stellung  in  Weimar  erwuchsen.     Goethe    sucht  die 
Arme  mit  freundlichen  und  liebevollen  Worten  zu  trösten  und  giebt  ihr  im  Aug.  1798 
das  Versprechen,  dass  er  keine  andere  Sorge  habe,  als  ihr  eine  unabhängige  Existenz 
zu    verschaffen.    Derjenige  Adressat,   an    den    eine   noch   grössere    Zahl   der    bisher 
ungedruckten  Briefe  der  drei  Bände  sich   richtet,    ist  F.  H.  Meyer.     Es  handelt  sich 
in  diesen  Briefen  um  Goethes  gemeinsam  mit  Meyer  geplante  Reise  nach  Italien  und 
später     um     die    Propyläen,     den   Aufsatz    „Der    Sammler"    und     den     über     den 
Dilettantismus,  die  Preisaufgaben  und  die  Mitarbeit  Schillers  an  den  Propyläen;  über 
Schiller  schreibt  Goethe  einmal,  er  sei  herrlich,    insofern  von  Erfindung  und  Durch- 
arbeitung des  Planes,    von   Aussichten   nach   allen   Richtungen    die   Rede    sei,    aber 
Beistand   zu  einem    bestimmten  Zwecke   müsse   man  von   ihm  nicht    erwarten.     Die 
feste    und   unwandelbare  Freundschaft   Goethes    und  Meyers  wird   auch  durch  diese 
Briefe  wieder  bestätigt.     Von  dem  äusseren  Verhältnis  des  Hausgenossen  zu  seinem 
Wirt  erfahren  wir    etwas    in   den  Briefen  vom    3.  März    1799.     Goethe    erklärt   sich 
bereit,    von  Meyer  jährlich    150  Thaler  Zuschuss  zur  Haushaltung  anzunehmen,    „da 
Meyer  eine  leidliche  Einnahme  habe    und  Goethe  selbst  nicht  reich  sei,   sondern  nur 
durch  Ordnung  und  Thätigkeit  eine  freilich  etwas  breite  Existenz  soutenieren  könne". 
Um  die  Propyläen  handelt  es  sich  auch  hauptsächlich  in  den  neuen  Briefen  (16  Nummern) 
an  Cotta.     Auch   der  Faust,    um    dessen    Vollendung    Cotta   nach    den  Schillerschen 
Berichten  sehr  interessiert  war,   wird  erwähnt  (2.  Juni  1799):    „Mein  Faust  ist  zwar 
im  vorigen  Jahre  ziemlich  vorgerückt,  doch  wüsst  ich  bei  diesem  Hexenprodukte  die 
Zeit  der  Reife  nicht  voraus    zu  sagen.     Wenn  die  Hoffnung   näher  rückt,    sollen  Sie 
davon  hören."     Ein  Billet  von  einem  anderen  Verleger,  Hans  Friedrich  Vieweg,   der 
im  Jan.  1797    auf  Goethes  Verlagsbedingungen  für  Hermann    und  Dorothea  einging, 
vom  16.  Jan.  dieses  Jahres  (N.  3467)  wird  in  den  Lesarten  wohl  mit  Recht  als  kein 
wirklich  geschriebenes,  sondern  ein  aus  der  Tradition  der  Viewegschen  Buchhandlung 
irrig  rekonstruiertes  bezeichnet.   Von  Adressaten  der  anderen  bisher  noch  unbekannten 
Briefe   sind   zu    nennen :   Karl  August,    Bergrat  Lenz    in  Jena,    Kaufmann  Rapp    in 
Stuttgart,    Böttiger  und  Osann,  Knebel,  Lerse,    der  alte  Freund  aus  der  Strassburger 
Zeit,    Prinz  August  von  Gotha,   Burg,    Dannecker,   Hirt,    die  Brüder  Humboldt    und 
Schlegel,    Tieck,    Max  Jakobi  u.  a.     Der  Brief    an  den  zuletzt  genannten,    den  Sohn 
von  Fritz  Jakobi,    der  von  1793—95  in  Jena  studiert  hatte  und  dann  bei  Aachen  als 

(4)23* 


IV  8b:  3-12  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

Arzt  lebte,  ist  sehr  wichtig.  Goethe  sandte  dem  befreundeten  jungen  Manne  in  jenem 
Briefe  einen  ausführlichen  Bericht  über  seine  dichterische  und  wissenschaftliche 
Thätigkeit.  Hübsch  und  interessant  sind  hier  Goethes  Bemerkungen  über  die  Ent- 
stehung seiner  Elegie  Euphrosyne,  nicht  weniger  wichtig  die  Berichte  über  seine 
naturwissenschaftlichen  Studien;  am  Schluss  folgt  das  schöne  Eingeständnis,  dass  die 
Freundschaft  mit  Schiller  und  Meyer  sein  Glück  ausmache.  Wenn  wir  auch  Schiller 
hier  nicht  zu  erwähnen  hatten,  da  ja  Goethes  Briefe  an  ihn  längst  gedruckt  sind,  so 
ist  es  doch  natürlich,  dass  die  Briefe  an  ihn  die  erste  Stelle  in  diesen  Jahren  ein- 
nehmen. Eine  grössere  Zahl  Briefe  beweist  Goethes  Interesse  für  den  seit  1789 
begonnenen  Schlossbau,  für  den  er  mit  Schmidt,  Voigt  und  Wolzogen  zu  soi'gen  hatte; 
aus  dem  Briefe  an  A.  W.  Schlegel  (vom  18.  Juni  1798j  erfahren  wir,  dass  dieser  die 
Verbindung  Goethes  mit  Zelter  vermittelt  hat.  Schlegels  Bericht  über  Zelter  hat  der 
Herausgeber  dankenswerter  Weise  in  den  Lesarten  abgedruckt,  in  denen  sich  über- 
haupt eine  Reihe  zur  Erklärung  notwendiger  Mitteilungen  aus  Briefen  an  Goethe 
befinden.  —  Im  Anschluss  hierzu  sei  auf  Leitzmanns^)  Nachweis  aufmerksam 
gemacht,  dass  in  dem  Briefe  vom  15.  Dec.  1772  die  Worte  „Klincker  habe  ich  nicht 
gesehen"  auf  Smollets  Roman  „Humphrej  Clincker"  sich  beziehen.  —  Mehrere  Stellen 
aus  Goetheschen  Briefen  sind  im  J.  1893  bekannt  geworden  und  später  im  GJb.  (15.  Bd.) 
zusammengestellt  worden  ("vgl.  JBL.  1894  IV  8b).  Erstlich  Stellen  aus  4  ungedruckten 
Briefen  an  Batsch  und  an  Professor  Sturm,  die  sich  in  der  am  23.  März  1894  ver- 
steigerten Sammlung  von  Autographen  des  Grafen  Ludwig  Paar  befanden,  ferner  eine 
von  Leitzmann^^^)  mitgeteilte  Briefstelle  an  Georg  Forster  vom  16.  Nov.  1789, 
ebenso  eine  an  Friederike  Unzelmann  vom  1.  Okt.  1801^),  ferner  ein  von  Witkowski') 
jetzt  vollständig  mitgeteilter  Brief  Goethes  an  Karl  August  vom  29.  Juni  1809,  in  dem 
Goethe  erklärt,  aller  Ansprüche  auf  den  litterarischen  Nachlass  Hackerts  sich  begeben 
zu  wollen,  und  eine  Briefstelle  an  den  Bürgermeister  Lössl  in  Eger^),  in  der  Goethe 
u.  a.  um  Nachricht  über  den  Volksdichter  Firnstein  bittet.  '—  Karl  Schmidt 9) 
schliesslich  veröffentlicht  in  seinem  Buch  über  Schillers  Sohn  Ernst  einen  gemein- 
samen Brief  von  diesem  und  Goethe  an  Cotta  vom  14.  Sept.  1826,  der  den  Vertrag 
über  die  Goethe-Schillersche  Korrespondenz  betrifft.  —  Eine  nicht  neue,  aber  höchst 
willkommene  Gabe  in  neuem  Gewände  bietet  Burkhardt^^^  in  dem  Büchlein  „Goethes 
Briefe  an  Philipp  Seidel  (Italien  1786—88)";  es  ist  ein  Neudruck,  der  ursprünglich 
,,Im  Neuen  Reich"  (1871)  veröffentlichten  Briefe.  Die  Briefe  sind  wohl  bekannt  und 
viel  benutzt,  ebenso  wie  die  wertvolle  Einleitung,  die  uns  zuerst  über  den  intelligenten 
Schreiber  Goethes,  der  aus  der  Stellung  eines  Dieners  zu  der  eines  Freundes  aufrückte, 
aufgeklärt  hat.  Nur  Einiges  hätten  wir  hier  zu  erwähnen,  das  vor  allen  Dingen  wohl 
dem  Drucker  zur  Last  fällt.  Auf  S.  14  und  49  befinden  sich  bedauerliche  Druckfehler, 
auf  S.  5  aber  der  verwunderliche  Satz:  „Goethes  Mutter  erinnerte  sich  noch  nach 
Jahren,  als  Philipp  längst  in  Weimar  war,  wie  er  den  Götz  von  Berlichingen  am 
rimden  Tisch  abgeschrieben  und  ein  besseres  Verständnis  für  die  Leistung  gehabt 
habe,  als  jener  französische  Offizier,  der  nichts  bei  der  Sache  zu  denken  gefunden." 
Was  hier  der  „französische  Offizier"  soll,  der  „nichts  bei  der  Sache  zu  denken  (!) 
gefunden",  ist  ganz  unklar.  Frau  Rat  meinte  natürlich  den  von  Götz  in  die  Flucht 
geschlagenen  Ritter  im  dritten  Akt,  dem  der  Hauptmann  höhnisch  zuruft:  „Dankt 
Gott,  dass  ihr  noch  davongekommen  seid",  worauf  dieser  antwortet:  „Es  ist  nichts  zu 
danken,  ein  paar  Rippen  sind  entzwei."  Bei  der  Schilderung  der  13eziehungen  zu 
Seidel  und  Frau  Rat  wäre  ein  Hinweis  auf  ihren  schönen  Brief  an  Seidel  vom  10.  Okt. 
1777  erwünscht  gewesen.  —  Von  Neudrucken  Goethescher  Briefe  ist  hervorzuheben 
der  von  Muncker'*)  herausgegebene  Briefwechsel  zwischen  Schiller  und  Goethe  in 
der  Cottaschen  Weltlitteratur,  der  sich  durch  eine  treffliche,  alles  Wissenswerte 
zusammenfassende  Einleitung  und  durch  fünf  Register  (Goethe-,  Schiller-,  Personen-,  Sach- 
und  Ortsregister)  auszeichnet^!'^).  —  Auch  das  GJb.  enthält  eine  grössere  Anzahl  Briefe 
von  Goethe.  Zwei  davon  gehören  zu  dem  Briefwechsel  Goethes  mit  Marianne  von  Eyben- 
berg,den  zugleich  mit  acht  Briefen  von  Sara  vonGrotthus  und  zwanzigvon  Varnhagen  von 
Ense  Geig  er  !2)  abgedruckt  und  ausführlich  erläutert  hat.  Die  Korrespondentinnen 
Frau  Marianne  von  Eybenberg  und  Frau  Sara  von  Grotthus,  waren  Schwestern, 
Töchter  eines  reichen  jüdischen  Kaufmanns  Namens  Meyer  in  Berlin.  Marianne  war 
heimlich   mit   dem  Fürsten  Heinrich  XIV.  von  Reuss,    demselben,    der   aus    Goethes 


6)  ChWGV.  S.  44.  —  7)  (IV  8a  :  115;  S.  94.)  —  8)  LJb.  4,  S.  62/3.  (Vgl,  IV  8a  :  161/2.)  —  9)  Karl  Schmidt,  Schillers 
Sohn  Ernst.  E.  Briefsamml.  mit  Binl.  Mit  Bildn.  u.  2  Hss.  v.  Schiller  u.  Goethe.  Paderborn,  Schöningh.  YUl,  531  S.  M.  6,00. 
|[LZgK  N.  117;  A.  H.:  FränkKur.  N.  638;  H.  Düntzer:  BLU.  S.  785/8.JI  (S.  u.  N.  14c-14d;  IV  8e:51;  9:21.)  —  10) 
Goethes  Briefe  an  Ph.  Seidel  1786-88.  Mit  Einl.  v.  C.  A.  H.  Burkhard t.  Wien  n.  L.,  W.  Seidels  Sohn.  54  S.  M.  1,00. 
|[K.  Heineraann:  BLU.  S.  660/3.]|  (Eevid.  Abdr.  aus  „Im  neuen  Reich",  1871.)  —  U)  Briefwechsel  zwischen  Schiller  u. 
Goethe.  Mit  Einl.  v.  F.  Muncker.  4  Bde.  (=  Bibl.  d.  Weltlitt.)  St.,  Cotta.  224,  230,  278,  270  S.  M.  4,00.  —  Ha)  X 
A.  T.  Winterfeld,  F.  Hölderlins  Verhältnis  zu  Goethe  u.  Schiller:  BLU.  S.  337/9.  (Vgl.  IV  10:59.)  —  12)  21  Briefe 
T.  Marianne  v.  Eybenberg,  8  v.  Sara  v.  Grotthus,  20  v.  Varnhagen  v.  Ense  an  Goethe,  2  Briefe  v.  Goethe  an  Marianne  v.  Eyben- 


K.  Heine  mann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  i2-i2a 

Kampagne  in  Frankreich  bekannt  ist,  verheiratet  gewesen  und  hatte  nach  dessen 
Tode  den  Namen  einer  Frau  von  Eybenberg"  angenommen.  Sara  wurde  mit  fünfzehn 
Jahren  die  Frau  eines  ungeliebten  Mannes,  des  Kaufmanns  Lipmann  Wolff  in  Berlin. 
Auch  in  einer  zweiten  Ehe  mit  dem  von  ihr  schon  lange  vorher  geliebten  Baron  von 
Grotthus  wurde  die  eitle  und  krankhaft  aufgeregte  Frau  nicht  glücklich.  Beide 
wurden  mit  Goethe  während  seines  Aufenthalts  in  Karlsbad  1795  bekannt.  Nicht 
nur  die  innere  Grösse  Goethes,  nicht  nur  der  Wert  seiner  Werke,  sondern  vor  allem 
seine  Berühmtheit  und  seine  cäussere  Stellung  fesselte  diese  Frauen  an  ihn.  Wie  gar 
manche  der  emanzipierten  Berliner  Jüdinnen  jener  Zeit  suchten  sie  mit  der  Gabe  des 
Witzes  und  des  Reichtums  die  Schranke,  die  sie  von  der  höheren  Gesellschaft  trennte, 
zu  durchbrechen,  auch  auf  die  Gefahr  hin,  aufdringlich  und  anmassend  zu  erscheinen. 
W'ie  Rahel  und  ihr  Man-n,  so  wirkten  auch  Marianne  und  Sara  in  Berlin  für  das 
Verständnis  Goethes  mit  B^euereifer,  und  der  Lohn  blieb  nicht  aus.  Die  ursprüng- 
liche Kühle  des  Dichters  machte  einer  wärmeren  Empfindung  Platz;  es  kommt  zu 
einem  vertraulichen  Verhältnis,  besonders  mit  der  schönen  und  geistreichen  Marianne. 
Durch  ihre  Anhänglichkeit  und  durch  Sendungen  von  auserlesenen  Tafelgenüssen 
schufen  sie  sich  das  Recht,  Goethes  Werke  beim .  Erscheinen  von  ihm  selbst  zu  er- 
halten. Die  Briefe  des  Dichters  an  die  beiden  Schwestern  sind  schon  früher  bekannt 
geworden;  sie  wurden  1837  von  Varnhagen  veröffentlicht;  neben  anderen  später  be- 
kannt gewordenen  sind  erhalten:  22  an  Marianne,  25  an  Sara;  die  Briefe  der 
Schwestern  an  Goethe,  21  von  Marianne,  8  von  Sara,  erscheinen  nun  liier  abgedruckt, 
zusammen  mit  20  Briefen  Varnhag-ens.  Von  der  neu  gewonnenen  Bekanntschaft  (im 
Juli  1795)  unterrichtet  Goethe  sofort  Freund  Schiller,  er  nennt  sie  ein  allerliebstes 
W^eibchen  und  erzählt  von  einer  lustigen  Verwechselung  Mariann ens,  die  ihn  für  den 
Vf.  Klingerscher  Schriften  gehalten  hätte.  Varnhagen  geht  wohl  etwas  zu  weit,  wenn 
er  von  der  „lebhaftesten  Neigung"  Goethes  spricht,  „die  nach  überstandenem 
Schwindel  der  Verliebtheit  als  aufmerksame  Beachtung  fortdauerte".  Im  Juni  und 
Juli  1808  waren  Goethe  und  Marianne  wiederum  in  Karlsbad  zusammen;  er  hielt  die 
Gespräche  mit  ihr  für  wichtig  genug,  um  sie  in  seinem  Tagebuch  anzuführen.  Da- 
neben weihte  er  sie  in  seine  Dichtung  ein,  er  las  ihr  „Die  pilgernde  Thörin",  „Die 
neue  Melusine"  und  anderes  vor.  An  diese  Zusammenkunft  knüpfte  sich  ein  leb- 
hafter brieflicher  Verkehr,  bei  dem  sogar  manchmal  die  Rollen  wechseln  und  Goethe 
der  sehnsuchtsvoll  Wartende  ist.  Das  letzte  Zusammentreffen  fand  im  Juli  1810  in 
Teplitz  statt.  Vom  8.  Juli  bis  3.  Aug.  berichtet  das  Tagebuch  getreulich  von  dem 
innigen  und  vertraulichen  Verkehr,  von  gemeinsamen  Spaziergängen  und  Fahrten, 
auch  von  Gegenständen  der  Unterhaltung-,  die  meist  an  Goethesche  gedruckte  oder 
im  Entstehen  begriffene  Werke  anknüpfte,  wie  z.  B.  an  die  „Wahlverwandtschaften", 
„deren  letztes  Kapitel  er  für  sie  zusammengeschrieben  hatte,  um  ihr  keinen  frag- 
mentarischen Eindruck  zu  hinterlassen".  Am  16.  Sept.  nahm  Goethe  von  Teplitz 
Abschied,  er  hat  die  Freundin,  die  zwei  Jahre  darauf  starb,  nicht  mehr  gesehen. 
Mariannens  eitler  und  gefallsüchtiger  Schwester  geg-enüber  hatte  Goethe  bisher  sich 
kühl  und  zurückhaltend  gehalten.  Etwas  lebhafter  wird  der  Verkehr  erst  seit  dem 
Tode  Mariannens.  Von  ihren  Briefen  ist  besonders  interessant  der  vom  30.  Juni  1814, 
in  dem  sie  um  Erfüllung  der  Bitte  des  Theaterdirektors  Liebich  in  Prag,  der  Goethe 
um  ein  Friedensfestspiel  gebeten  hatte,  unter  rührender  Berufung  auf  Goethes 
Patriotismus  bittet,  und  eine  Schilderung  aus  ihrer  Jugend,  in  der  Lessings  Nathan 
und  Werthers  Leiden  eine  Rolle  spielen.  Sie  hatte  im  dreizehnten  Jahre  hinter  dem 
Rücken  des  Vaters  einen  empfindsamen  Roman  mit  einem  Hamburger  Kaufmg-nns- 
sohn,  der  ihr  zum  Trost  für  unglücklich  Liebende  den  Werther  sandte.  Der  Vater 
erfährt  das,  und  ihr  Mentor  Mendelssohn  wirft  den  Werther  aus  dem  Fenster.  Zu 
diesen  Briefen  hat  G.  sehr  ausführliche  und  sachkundige  Erläuterungen  gegeben,  die 
genau  auf  alles,  was  irg'end  der  Erklärung  bedarf,  eingehen.  In  dem  Briefe  N.  19, 
den  G.  in  das  J.  1804 (?)  setzt,  ist  von  Lerse,  dem  bekannten,  im  Götz  verewigten 
Jugendfreund  Goethes,  die  Rede.  Nun  hat  aber  Düntzer  längst  auf  eine  Stelle  in 
Wielands  „Merkur"  vom  17.  Juni  1800  aufmerksam  gemacht,  nach  der  Lerse  bereits 
1800  gestorben  war.  In  dieser  Todesnachricht  aus  Wien,  in  der  Lerse  als  Kunst- 
kenner und  Numismatiker  gepriesen  wird,  wird  auch  mitgeteilt,  „dass  herzliche  Grüsse 
von  Goethe  die  letzte  Empfindung  war,  mit  der  er  aus  der  Welt  ging".  Aus  dem 
Briefe  Mariannnens  vom  6.  Jan.  1804  und  23.  Juli  (N.  17/8)  ergiebt  sich,  dass  das 
Goethesche  Gedicht  an  den  Fürsten  von  Ligne^^aj  ( j^  früher  Zeit  noch  froh  und 
frei"),  das  auch  in  der  Weimarer  Ausgabe  (I.  Abt,  4,  S.  240)  mit  dem  Datum  1810 
bezeichnet  ist,  schon  1804  gedichtet  worden  ist.  Von  den  beiden  hier  zuerst  ver- 
öffentlichten Briefen  Goethes  an  Marianne  ist  der  eine  am  27.  April  1801  geschrieben, 
nach  Goethes  Krankheit,  „ein  lakonischer  Gruss  als  Lebenszeichen  eines  beinahe  ver- 


berg.    Her.  t.  L.  Geiger:    GJb.  14,   S.  27-143.    (8.  auch  N.  14b;    IV  8d:6,  22;   8e:28,  47,  54.)    —    12a)   X   E.  önglia, 


IV  8b  :  13-16  K,  Heinemann,  Goethes  Leben. 

lorenen  Freundes";  der  zweite,  von  G.  mit  dem  18.  Sept.  1803  als  Datum  bezeichnet, 
ist  ein  Begieitschreiben  zu  der  Uebersendung-  einer  von  Mariannen  gewünschten 
Goetheschen  Zeichnung-.  G.  weist  nach,  dass  ausser  den  erhaltenen  24  Briefen  Goethes 
an  Mariannen  von  ihm  noch  17  andere  an  sie  geschrieben  worden  sind,  die  bisher 
unbekannt  waren  und  auch  in  den  Konzepten  des  Goethe-Schiller- Archivs  nicht  erhalten 
sind.  —  Briefe  Goethes  an  Lotte  und  ihren  Sohn  Theodor  Kestner  aus  dem  J.  1801 
und  1803  hat  im  GJb.i^)  Günther  aus  dem  Kestnerschen  Nachlass,  den  jetzt  die 
Universitätsbibliothek  in  Leipzig*  besitzt,  mitgeteilt.  Diese  Billets  sind  inhaltlich 
weniger  wichtig-  als  der  Abdruck  einer  früher  unterdrückten  Stelle  des  Briefes 
Goethes  an  J.  G.  Kestner  vom  19.  Apr.  1773,  die  wir  ebenfalls  G.  verdanken.  Hinter 
den  Worten:  „Und  nun  seht,  wie  fern  ich  neidisch  bin  und  es  sein  muss"  folgen  im 
Orig-inal  die  Worte:  „ . . .  und  das  sag  ich  euch,  wenn  ihr  euch  einfallen  (lasst), 
eifersüchtig  zu  werden,  so  halt  ich  mir's  aus,  euch  mit  den  treffendsten  Zügen  auf 
die  Bühne  zu  bringen  und  Juden  und  Christen  sollen  über  euch  lachen".  Hält  man 
dazu  die  Aeusserung  Goethes  aus  dem  Juli  1773:  „Heut  vorm  Jahre  war's  doch  anders, 
ich  wollt  schwören,  in  dieser  Stunde  vorm  Jahr  sass  ich  bei  Lotten.  Ich  bearbeite 
meine  Situation  zum  Schauspiel  zum  Tröste  Gottes  und  der  Menschheit.  Ich  weiss, 
was  Lotte  sagen  wird,  wenn  sie's  zu  sehen  kriegt  und  ich  weiss,  was  ich  sagen 
werde",  —  so  ergiebt  sich  wohl  daraus,  dass  Goethe  im  Juli  und  Aug.  1773  die  Ab- 
sicht hatte,  ein  Drama  „Werther"  zu  schreiben.  Pick  teilt  zwei  kurze  wenig  be- 
deutende Billets  Goethes  1817—18  an  Frau  von  Hopfgarten,  Oberhofmeisterin  der 
Prinzessinnen  Maria  und  Auguste  von  Weimar  mit,  Hüffer  den  ersten  bis  jetzt  be- 
kannt gewordenen  Brief  Goethes  an  Johanna  Schopenhauer.  —  Ihm  folgt  ein 
hübscher  Aufsatz  Hüffers'^)  „Goethe  und  Adele  Schopenhauer".  —  Hüffer '4") 
veröffentlicht  auch  in  dem  Aufsatz:  „Zu  Goethes  Briefwechsel  mit  der  Fürstin  Galizin" 
ein  bisher  unbekanntes  Distichon,  das  für  das  Album  der  Tochter  der  Fürstin, 
Prinzessin  Marianne  Dorothea,  im  J.  1793  gedichtet  worden  ist.  — 

Unter  den  Briefen  an  Goethe  sind  vor  allem  die  schon  besprochenen 
Briefe  der  Schwestern  Marianne  von  Eybenberg  und  Sara  von  Grotthus  und  Varnhagen 
von  Ense  zu  erwähnen'*^).  Die  letzteren  erfahren  hier  durch  Geiger  eine  ausführliche 
und  fast  erschöpfende  Erläuterung.  Ihr  Inhalt  bezieht  sich  in  der  Hauptsache  auf 
litterarische  Fragen  und  Dinge,  verbietet  also  an  dieser  Stelle  ein  näheres  Eingehen. 
—  In  Karl  Schmidts  i*«)  Buch  über  Schillers  Sohn  Ernst  (S.  260)  ist  eine  Stelle 
aus  einem  Briefe  Karolinens  von  Wolzogen  an  Goethe  vom  21.  März  1824  abgedruckt. 
Karoline  ist  für  den  Fall,  dass  Goethe  seinen  Plan,  den  Goethe-Schillerschen  Brief- 
wechsel herauszugeben,  ausführen  wolle,  bereit,  bei  Cotta  anzufragen,  und  wünscht  für 
die  Schillerschen  Kinder  die  Hälfte  des  Gewinnes.  Ebenda  (S.  277)  findet  sich  die 
Mahnung  Ernst  von  Schillers  in  einem  Brief  an  Goethe  vom  21.  März  1826  an  sein 
Versprechen,  bis  Michaelis  1825  den  Schillerschen  Anteil  dieser  Korrespondenz  mit 
2000  Thalern  abzutragen.  — 

Unter  den  im  J.  1893  veröffentlichten  Briefen,  die  Nachrichten  oder  wich- 
tigere Andeutungen  von  Zeitgenossen  über  Goethe  bringen,  ist  abermals  zuerst  die 
von  Karl  Schmidt  i^^)  herausgegebene  Briefsammlung  „Schillers  Sohn  Ernst"  zu 
nennen.  In  den  Briefen  an  ihre  Kinder  berichtet  Charlotte  von  Schiller  über  Musik- 
abende bei  Goethe  und  über  seine  Vorlesung  (S.  62)  der  Geschichte  des  Bergmanns 
von  Falun,  über  Goethes  Rücktritt  vom  Theater  (S.  125),  über  seine  Stellung  zu 
Ottilien  (S.  128,  257,  375)  sowie  zu  August,  insbesondere  bei  dem  1822  auftauchenden 
Gerüchte  der  Verheiratung  Goethes  mit  Ulrike  von  Levetzow,  und  zu  den  Enkeln 
(S.  123/8,  182),  über  seine  Krankheit  im  J.  1818,  1819,  1822  (S.  129,  188,  192,  194, 
226),  über  die  Verhandlungen  wegen  der  Veröffentlichung  des  Goethe-Schillerschen 
Briefwechsels  (S.  260—355);  endlich  berichtet  Karoline  von  Wolzogen  (S.  375)  über 
Augusts  Tod.  —  Erich  Schmidt  ^^)  teilt  in  seinem  Karl  Weinhold  zum  26.  Okt. 
gewidmeten  Festdruck  einen  Brief  von  Blumenbach  an  Heyne  vom  4.  Mä^rz  1783  mit, 
der  sich  begeistert  über  Goethes  Erscheinung,  Auftreten  und  Verhalten  ausspricht: 
„Nichts  den  Geh.  Rat  ankündigendes,  zurückhaltendes,  sondern  ein  gesetzter,  aber 
ganz  unaffektierter,  äusserst  umgänglicher  Mann;  unglaublich  offen,  hell  und  doch 
tief  penetrierend  in  seinem  Urteil".  Auf  S.  6  findet  sich  ein  weniger  günstiges 
Urteil  in  einem  Briefe  von  Sophie  Brentano  an  Henriette  von  Arnstein  vom  8.  Aug. 
1799:  „Goethes  Umgang  allein  thut  einem  nicht  wohl;  er  ist  kalt  und  trocken  für 
Menschen,  die  ihm  gleichgültig  sind,  und  um  ihm  mehr  als  das  zu  sein,  dazu  gehört 
viel".  —  Leitzmann^ß)  druckt  einen  Brief  Georg  Forsters  an  Heyne  vom  19.  Sept. 
1785  ab,  wo  er  von  einem  „griechischen  Abendmahl"  erzählt,    das  Goethe    ihm    und 

Goethe  n.  d.  Prinz  v.  Ligne:  WlenerZg.  1.  Jnni.  —  13)  6  Briefe  Goethes.  Mitget.  v.  0.  Günther,  H.  Häffer,  A.  Pick 
nebst  e.  Notiz  zu  Goethes  Briefen  v.  0.  Günther:  GJb.  14,  S.  151-67.  (S.  u.  N.  37;  IV  8d:  20.)  —  14)  H.  Hüffer,  Goethe 
u.  Adele  Schopenhaner:  ib.  S.  154-60.  —  14a)  id..  Zu  Goethes  Briefwechsel  mit  d.  Fürstin  Galizin:  ib.  S.  161/4.  —  14b) 
(S.  0.  N.  12.)  -  14c)  (S.  0.  N.  9.)  -  14 d)  (S.  o.  N.9.)  —  15)  (IV  8a  :  125,  S.  3,6;  vgl.  IV  10:66.)  —  16)  (IV  1  c  :  115;  5  :  33.)  -  16a)  End. 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  i6a-23 

seiner  Frau  «gegeben,  und  zu  dem  Herder  und  Frau  nebst  Wieland  und  Amalie 
Seidler  eingeladen  waren.  —  Rudolf  Schmidt  ^^a)  veröffentlicht  einen  Brief  des 
Maler  Müller  an  Wieland  vom  29.  Juni  1778,  worin  jener  sich  für  die  durch  Wieland 
Goethe  und  Dalberg*  ihm  zuliebe  veranstaltete  Subkription  bedankt.  — 

Von  den  Gesprächen  Goethes  ist  die  Unterhaltung*  mit  Napoleon  im  J. 
1808  (vgl.  JBL.  1891  IV  9b:  72 -85)  auch  diesmal  Gegenstand  der  Erörterung-  ge- 
wesen. Dieses  Gespräch  ist  bekanntlich  durch  die  Verötfentlichung-  der  Memoiren 
Talleyrands  wieder  in  den  Vorderg:rund  des  Interesses  gerückt  worden.  An  dieser 
Stelle  (vgl.  JBL.  1891  IV  9b :  72)  hat  Geiger  eing-ehend  über  den  Wert  dieser 
Memoiren  g-eurteilt  und  mit  seinem  Urteil,  dass  Talleyrands  Bericht  nicht  als 
authentische  Quelle  anzusehen  sei.  Recht  behalten.  Zwar  hat  sich  von  Biedermann  ^^^) 
Talleyrands  ang-enommen  und  darauf  hing-e wiesen,  dass  sich  kein  vernünftiger  Grund  für 
ihn  erdenken  liesse,  in  der  Schilderung"  der  Unterredung-  Napoleons  mit  Goethe 
eine  Fälschung  zu  begehen.  —  Doch  diese  mehr  subjektive  Behauptung  ist  schlagend 
zurückgewiesen  worden  durch  Lorenz i^)  in  seinem  Buche  „Goethes  politische 
Lehrjahre".  In  Goethes  Bericht  finden  sich,  wie  bekannt,  nach  der  Beendigung' 
des  ersten  Teils  des  Gesprächs  die  Worte:  „Talleyrand  hatte  sich  entfernt"'.  Daraus 
folgt,  dass  Talleyrand  bei  dem  zweiten  Teil  des  Gespräches  nicht  zugeg-en  gewesen 
ist,  also  die  von  ihm  angeführten  Aeusserungen  über  Dalberg-  und  Alexander  von 
Russland  nicht  gehört  haben  kann.  Viel  wichtiger  aber  ist  noch  folgender  Wider- 
spruch, den  L.  aufdeckt.  Talleyrand  will  Goethe  nach  Beendigung  des  Gesprächs 
zum  Diner  zu  sich  eingeladen  haben  und  dort  sich  die  Richtigkeit  der  unmittelbar 
nach  dem  Gespräch  gemachten  Aufzeichnungen  von  Goethe  haben  bestätigen  lassen. 
Nun  wissen  wir  aber  aus  dem  1889  veröffentlichten  Tagebuch  (Weimarer  Ausg. 
in.  Abt.;  3,  S.  391),  dass  Goethe  am  2.  Okt.  1808  beim  Herzog  Karl  August,  und  bei 
Talleyrand  überhaupt  nie  gespeist  hat.  Diesen  Widerspruch  wird  wohl  niemand  be- 
seitigen können.  Ein  eigentümliches  Schlaglicht  auf  die  Entstehung  der  Memoiren 
Talleyrands  wirft  die  Veröffentlichung  des  für  ihn  von  Fr.  von  Müller  aufgesetzten 
Berichts,  mit  dem  wir  uns  aber  erst  im  nächsten  JB.  zu  beschäftigen  haben 
werden,  i''")  — 

Von  neuen  Ausgaben  der  autobiographischen  Schriften  Goethes  ist 
neben  den  Arbeiten  zu  „Dichtung  und  Walirheit"  —  einer  Schulausgabe^**),  einer 
französischen  Uebersetzung  von  Porchat '^)  und  der  Neuauilage  des  Bilderwerkes 
von  Reiffenstein^O),  ^uf  (j^s  schon  oben  näher  eingegangen  worden  ist,  —  vor 
allem  zu  nennen  der  35.  und  36.  Band  der  Weimarer  Ausgabe,  die  durch 
von  Biedermann^^)  unter  Mitwirkung  K.  Redlichs  herausgegeben  wurden.  Wir 
finden  hier  die  Tag-  und  Jahreshefte  und  die  autobiographischen  Einzelheiten,  die 
um  den  Aufsatz  „Herzogliches  Hoftheater  zu  Weimar"  vermehrt  worden  sind.  Dieser 
Aufsatz  stand  im  Tagebuch  für  die  Schaubühne  1793.  Ohne  urkundlich  als  Goethes 
Eigentum  beglaubigt  zu  sein,  wird  er  aus  inneren  Gründen  dem  Dichter  zugewiesen. 
Ferner  enthält  der  36.  Band :  Die  Reden  auf  Anna  Amalia  1807 ;  Zu  brüderlichem 
Andenken  Wielands  1813;  Kleine  Biographien  zur  Trauerloge  1821;  Rede  bei  Er- 
öffnung des  neuen  Bergbaues  zu  Ilmenau  den  24.  Febr.  1784  und  Reden  bei  der 
Feierlichkeit  der  Stiftung  des  weissen  Falkenordens  am  30.  Jan.  1816.  Der  Text  der 
Annalen  enthält  eine  Reihe  Verbesserungen  der  Ausgabe  letzter  Hand,  worüber  das 
GJb.  (15,  S.  314)  später  berichtet  hat.  Die  Lesarten  bringen  einige  später  unter- 
drückte oder  versehentlich  nicht  abgedruckte  Stellen,  u.  a.  den  ziemlich  umfang- 
reichen Schluss  vom  J.  1807  (S.  387  f.).  Dieser  Schluss  berichtet  von  Fernows  Ein- 
fluss  und  seiner  Bibliothek,  von  Hebels  Gedichten,  Schlegels  Sonetten,  Kleists 
Amphitryon,  „dem  bedeutenden  aber  unerfreulichen  Meteor",  über  Adam  Müllers  Vor- 
lesungen über  das  spanische  Drama,  den  Tod  von  Rat  Kraus  und  seinen  Ersatz  durch 
H.  Meyer  u.  a.,  besonders  ausführlich  über  Zacharias  Werners  Aufenthalt  in  Weimar. 

—  Wenn  die  Weimarsche  Ausgabe  auf  ausführliche  Erläuterungen  verzichten  muss, 
so  ist  gerade  der  Hauptwert  der  Ausgabe  der  DNL.  darin  zu  suchen,  dass  sie  den  Text  mit 
eingehenden,  von  Düntzer^-)  mit  bekannter  Akribie  bearbeiteten  Erläuterungen  be- 
gleitet. Im  Berichtsjahre  ist  der  25.  Band  der  Goetheausgabe  der  DNL.  erschienen; 
er  enthält  die  Tag-  und  Jahreshefte  von  1809 — 22,  dann  die  „Ergänzungen  der  Tag- 
und  Jahreshefte".  Unter  der  Rubrik  „Biographische  Ausführungen  mit  einer  Skizze" 
folgen  die  Artikel:  Aus  meinem  Leben;  Bedeutung  des  Individuellen;  Das  Luisenfest; 
Kotzebue;  Unterredung  mit  Napoleon,  —  die  die  Ausgabe  letzter  Hand  ebenso  wie 
alle  anderen  Ausgaben  unter  den  „Biographischen  Einzelheiten"  aufgeführt  haben,  — 
und   die  Schweizerreise    vom  J.  1779.     Bei   den   wertvollen   und   zuverlässigen  An- 

Schmidt,  Maler  Müller  an  Wieland,  29.  Juni  1778:  AGNM.  April.  —  16b)  W.  v.  Biedermann,  Goethe  bei  Napoleon  nach 
Talleyrands  Denkwürdigkeiten:  GJb.  14,  S.  282/4.  —  17 J  (IV  8a:  33,  91.)  —  17a)  X  F-v.  Voss,  Goethe  in  Erfurt:  NorddAZgB. 
N.  44/5.  —  18)  X  (I  7  :  73.)  —  19)  J.  Porchat,  Oeuvres  de  Goethe,  „Memoires-.   Trad.  nouv.  Paris,  Hachette.  672  S.  Fr.  6,00. 

—  20)  (IV  8a:  25.)  —  21)  (IV  8a:ll'2,3.)  —  22)  (IV  8a:  116.)   —   23)   J.  Biese,    Goethes  ital.  Eeise.    Progr.    Rudolstadt, 


IV  8b  :  23a-27  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

raerkungen  wurden  die  Tagebücher  bis  1813  —  soweit  lagen  sie  vor  —  benutzt,  die 
Weimarer  Ausgabe  der  Tag-  und  Jahreshefte  konnte  wenigstens  noch  in  einem 
Nachtrag  verwertet  werden.  —  Von  erläuternden  Studien  zu  Goethes  autobiographischen 
Schriften  ist  die  Abhandlung  von  Riese^S)  über  die  italienische  Reise^^^)  anzuführen. 
Die  Abhandlung  ist  völlig  wertlos.  Nicht  nur,  dass  sie  nichts  bringt:  es  ist  auch  der 
Versuch,  die  Bedeutung  der  Reise  für  den  Menschen  und  Künstler  zu  schildern, 
verunglückt.  —  Zu  Goethes  „Campagne  in  Prankreich"  und  „Belagerung  von  Mainz" 
sind  anlässlich  der  Thatsache,  dass  gerade  vor  100  J.  die  Wiedereroberung  von 
Mainz  durch  die  Deutschen  stattgefunden  hat,  mehr  erläuternde  als  berichtende 
Artikel  und  Schriften  ersjchienen.  Heidenheimer ^4)  hat  einen  hübschen  Aufsatz 
mit  Benutzung  der  neuesten  Quellen  geschrieben.  —  Bocke nheimer^^}  hat  die 
Wiedereroberung  von  Mainz  in  einer  besonderen  Schrift  behandelt^^'').  — 

Der  erste,  der  seit  Düntzers  verdienstlicher  Darstellung  den  Mut  gehabt 
hat,  das  fast  ins  Unabsehbare  angewachsene  Material  zu  einer  Goethebiographie 
zusammen  zu  fassen  und  zu  verarbeiten,  ist  Prem^ß).  Seine  Absicht  war,  ein  allgemein 
brauchbares,  dem  jetzigen  Stande  der  Forschung  entsprechendes  Buch  herzustellen  ; 
er  nennt  sein  Werk  eine  kritische  Biographie  für  weitere  Leserkreise.  Zu  rühmen 
ist  an  dem  Buch  die  klare  und  selbständige  Einteilung,  die  treffliche  Inhaltsangabe 
der  Werke  Goethes,  das  meist  besonnene,  auf  Kenntnis  und  Verständnis  beruhende 
Urteil.  Demgegenüber  muss  jedoch  ein  Tadel  ausgesprochen  werden,  der  freilich  das 
Lob  wohl  aufwiegen  dürfte.  Das  Werk  will  eine  populäre  Biographie  sein  und  ist 
weder  eine  Biographie  noch  populär.  Eine  wirkliche  Biographie  ist  es  nicht,  weil 
die  Darstellung  der  Entwicklung  des  Dichters  und  Menschen  Goethe  fehlt.  Wer  z.  B. 
über  die  Wandlung  Goethes  zum  Aristokraten  und  Hofmann,  oder  die  künstlerische 
Entwicklung  Goethes  oder  über  den  Einfluss  der  Frau  von  Stein  Aufklärung  zu 
erhalten  hoö't,  wird  sehr  enttäuscht  das  Buch  wieder  aus  der  Hand  legen.  Gewiss  war  dem 
Vf.  grosse  Kürze  und  Knappheit  aufgezwungen  oder  von  ihm  geplant.  Aber  es  giebt 
eine  Reihe  von  Dingen,  die  in  jeder  Goethebiographie  ausführlich  behandelt  werden 
müssen;  es  sind  die  Einflüsse,  die  für  den  Dichter  oder  Menschen  Goethe 
bestimmend  gewesen  sind.  Wer  von  Goethe  und  Herder  in  Strassburg  spricht,  muss 
auch  von  Shakespeare,  Ossian,  der  Bibel,  den  Griechen,  der  Muttersprache,  dem  Volks- 
lied, der  bildenden  Kunst,  von  Rousseau  ausführlich  sprechen  und  muss  zeigen,  wie 
die  in  Strassburg  gewonnenen  Ideen  in  Götz,  Werther  und  Urfaust  sich  verkörpert 
haben.  Was  P.  hierüber  sagt,  ist  auch  für  die  kleinste  Biographie,  abgesehen  von 
den  Bemerkungen  über  das  Volkslied,  unzulänglich.  Dasselbe  gilt  von  der  italienischen 
Reise,  wo  die  beste  Gelegenheit  war,  Goethes  künstlerische  Entwicklung  bis  und 
während  dieser  Reise  klarzulegen.  Es  war  das  um  so  nötiger,  als  durch  die  Ein- 
teilung P.s  die  Anschauung  erweckt  wurde,  als  habe  Goethe  erst  seit  Italien  unter 
dem  „Zeichen  der  Antike"  gestanden.  Aehnlich  enttäuscht  uns,  was  der  Vf.  über  den 
Clavigo  sagt.  Selbst  wenn  P.  über  dieses  Drama  die  Ansicht  Mercks  teilt,  so  ist  ihm 
doch  gewiss  die  grosse  Bedeutung  dieses  Dramas  i,n  der  Entwicklung  des  Dichters 
nicht  so  unbekannt  geblieben,  '  dass  er  glauben  konnte,  ihm  mit  einer  Inhalts- 
angabe gerecht  zu  werden.  Hier  musste  schlechterdings  gezeigt  werden,  dass  der 
Clavigo  die  Umkehr  Goethes  bezeichnet,  dass  er  das  Ergebnis  einer  neuen,  im  Gegen- 
satze zur  Lehre  Herders  gewonnene  Einsicht  darstellt,  jener  Einsicht,  dass  der  Dichter 
sich  am  meisten  schade,  der  die  Rücksicht  auf  die  Bühne  ausser  Acht  lässt.  Auch 
die  Figur  des  Carlos  wird  mit  wenigen  Worten  abgethan,  und  doch  offenbart  sich  in  dieser 
Gestalt  und  ihrem  Verhältnis  zu  Herder  zum  ersten  Male  Goethes  innerste  Anschauung 
und  Auffassung  des  Tragischen.  Und  auch  einem  zweiten  Tadel  müssen  wir  Ausdruck 
geben.  Er  betrifft  die  Form  und  den  Stil.  Trotz  der  gebotenen  Kürze,  trotz  der 
Absicht,  eine  populäre  Biographie  zu  schreiben,  hat  der  Vf.  es  doch  nicht  über  sich 
gewonnen,  sich  des  gelehrten  Ballasts  ganz  zu  entschlagen.  Dass  P.  uns  gar  den 
ganzen  Friederikenklatsch  in  dieser  „für  weitere  Kreise"  bestimmten  Biographie  von 
neuem  auftischt,  das  ist  ihm  schon  oft  genug  vorgeworfen  worden.  —  Den  Versuch, 
einen  Teil  des  Goetheschen  Lebens  zusammen  zu  fassen  und  zu  behandeln,  hat 
Siegmar  Schnitze-'')  in  seinem  Buch  „Der  junge  Goethe"  unternommen.  Das  Werk 
ist  in  sieben  Lieferungen  erschienen,  von  denen  die  ersten  vier,  die  in  das  Berichts- 
jahr fallen,  bis  zu  Goethes  Abreise  nach  Wetzlar  reichen.  Der  Vf.  will  etwas  unter- 
nehmen, was  seiner  Meinung  nach  noch  niemand  versucht  hat;   er  will  ein  Bild  der 


4».  23  8.  —  23a)  X  (IV  ld:35.)  —  24)  H.  Heidenheimer,  Goethe  vor  u.  in  Mainz  1793:  MainzAnz.  N.  170/1.  —  25) 
K.  Q.  Bookenheimer,  D.  Wiedeieroberung  v.  Mainz  durch  d.  Deutschen  im  Sommer  1793.  Mainz,  V.  v.  Zabern.  HI,  124  S. 
mit  2  Plänen.  M.  2,00.  (Aus  ZVßhGMainz.;  vgl.  JBL.  1894  IV  Ib.)  —  25a)  X  F-  H.  Junghans,  D.  Belagerung  v.  Mainz 
nach  d.  Tagebuch  d.  Grenadiers  J.  Reuter  v.  Miedervellman:  üessenland  7,  S.  209-10,  222/3.  —  26)  8.  M.  Prem,  Goethe. 
L.,  G.  Fock.  473  8.  Mit  Abbild.  M.  5,00.  —  27)  Siegmar  Schnitze,  D.  junge  Goethe.  E.Bild  seiner  inneren  Ent- 
wicklung (1749-75).  Ifeft  1-4.  Halle  a.  8.,  C.  A.  Kaemmerer  &  Co.  VIT,  79  S.;  80  8.;  102  8.;  V,  74  8.  M.  1,20;  M.  1,20; 
M.  1,20;  M.  1,50.     |[K.  Heinemann:    BLU.  8.  468-71;    ML.  8.  341;    Erich    Schmidt:    DLZ.  8.  556/7;    LCBl.  8.  569-70;    0. 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  27a-28a 

inneren  Entwicklung-  Goethes  geben,  „die  Zeitverhältnisse,  die  Umgebung",  den  Verkehr, 
den  inneren  Seelenzustand  des  Dichters  schildern!"  Als  wenn  das  nicht  die  Pflicht 
eines  jeden  Biographen  wäre!  Gleich  die  erste  Lieferung  beweist,  dass  dem  Vf. 
die  Kunst  der  Charakteristik  völlig  abgeht.  Was  er  da  über  Goethes  Eltern  und 
über  ihren  Einfluss  auf  den  Dichter  sagt,  ist  geradezu  kläglich.  Wer  die  Entwicklung 
des  Menschen  darstellen  will,  muss  doch  von  den  ererbten  Eigenschaften  und  dem 
Einfluss  der  Vorfahren  und  Eltern  ausgehen.  Davon  findet  sich  fast  gar  nichts  bei  P. 
Ebenso  unzulänglich  ist  trotz  der  vorhandenen  Vorarbeiten  der  Einfluss  des  französischen 
Theaters  auf  den  jugendlichen  Geist  und  die  Einwirkung  der  Frankfurt-Darmstädter 
Künstler  auf  Goethes  künstlerische  Ausbildung  geschildert.  Dabei  wimmeln  die  ersten 
Lieferungen  von  Irrtümern,  Versehen  und  Druckfehlern.  Um  nur  einiges  anzuführen : 
Die  Eröffnung  des  Leipziger  Theaters  wird  auf  den  6.  Okt.  1766  verlegt;  Engelbach 
in  Strassburg  wird  beharrlich  Engelmann  genannt:  der  Eintritt  Goethes  in  die  Arkadische 
Gesellschaft  wird  als  Thatsache  angenommen  und  in  den  Juni  1764  verlegt;  Apels 
grosser  Garten  wird  als  Kuchengarten  bezeichnet,  Behrisoh  ein  geborener  Leipzig*er 
genannt;  die  Laune  des  Verliebten  hält  Seh.  für  eine  neue  Bearbeitung  des  Frankfurter 
„Schäferspiels  Amine";  Klopstocks  direkter  Einfluss  auf  Goethe  wird  geleugnet  trotz 
der  offen  vorlieg'enden,  von  Goethe  selbst  zugegebenen  Thatsache;  die  Weimarer  Aus- 
gabe von  Dichtung  und  Wahrheit  mit  ihren  Lesarten  und  wichtigen  Mitteilungen 
scheint  Seh.  überhaupt  nicht  benutzt  zu  haben.  —  Eine  Seite  des  Goetheschen  Geistes 
behandelt  zusammenfassend  die  prächtige  Schrift  von  Lorenz^^'i):  ihr  eigentlicher 
Wert  besteht  in  dem  Nachweis,  dass  Karl  August  in  politischen  Dingen  Goethe  über- 
legen gewesen  ist,  dass  aber  auch  Goethe  auf  diesem  Gebiete  Bedeutendes  geleistet 
hat,  Goethes  grosses  Interesse  für  Mosers  patriotische  Phantasien  war  bekanntlich  eine 
der  Ursachen,  aus  denen  sich  die  Freundschaft  beider  Männer  begründete.  Goethes  Stand- 
punkt war  der  eines  konservativen  reichsstädtischen  Bürgers.  Erst  in  Weimar  bekam 
er  Einsicht  in  das  grosse  politische  Getriebe.  Am  Hofe  des  Fürsten  von  Dessau,  auf 
der  Reise  in  Berlin,  im  Verkehr  mit  Minister  Edelsheim  in  Karlsruhe  und  vor  allem 
mit  dem  Koadjutor  von  Dalberg  wurde  er  in  die  Diplomatie  und  Politik  eing^eweiht. 
Seine  Sorge  wegen  der  unglücklichen  Stellung  der  zwischen  Oesterreich  und  Preussen 
eingeklemmten  kleinen  Staaten  Hess  ihn  den  Gedanken  fassen,  einen  Bund  der  mittleren 
Staaten  als  ein  Gegengewicht  geg-en  Oesterreich  und  Preussen  zu  schaffen.  Dieser 
Fürstenbund  trat  auch  zu  Tage,  nur  dass  Friedrich  der  Grosse  es  verstand,  bevor 
die  Fürsten  sich  einigten,  die  Fäden  in  seine  Hand  zu  bekommen  und  den  Bund  unter 
Preussens  Leitung  zu  stellen.  Karl  August  erkannte  auch  bald,  dass  an  eine  Einheit 
und  wirksame  Machtentfaltung  nur  unter  Preussens  Führung  zu  denken  sei;  er  hat* 
an  Preussen  festgehalten  sein  Leben  lang.  Goethe  folgte  ihm  hierin  nicht.  Seine  ihm 
fast  angeborene  Abneigung'  gegen  Preussen  und  das  mangelnde  Verständnis  für  die 
Bedeutung  der  politischen  Einheit  Deutschlands  hinderte  ihn  daran.  Er  hatte  die  nur 
heute  etwas  naiv  klingende,  an  die  Anschauung  seiner  Mutter  erinnernde  Ansicht,  dass 
die  Kriege  von  den  grossen  Staaten  allein  ausgefochten  werden  sollten.  Auch  war 
ihm  eine  andere  Einheit  viel  wichtiger.  L.  hätte  darauf  hinweisen  sollen,  dass  Goethe 
gerade  in  der  Zeit  der  tiefsten  Erniedrigung  eine  Verbindung  aller  geistig  bedeutenden 
Männer  Deutschlands  herstellen  wollte.  Der  Hass  gegen  andere  Nationen,  auch  gegen 
die  Franzosen  lag-  ihm  fern.  Sein  Wunsch  war  der  friedliche  Wettstreit  der  Kultur- 
völker. Napoleons  gewaltige  Thaten  trübten  eine  Zeit  lang  seinen  Blick,  so  dass  er 
die  Macht  des  deutschen  Volkes  verkannte.  Sehr  interessant  sind  L.s  Nachweise, 
dass  Goethes  Anschauung  über  die  französische  Revolution  sich  fast  genau  mit  denen 
des  neuesten  Historikers  der  Revolution,  Hippolyte  Taine,  decke.  Darin  sind  beide 
einig,  dass  die  Revolution  die  ruhige  Entwicklung  der  bestehenden  Verhältnisse  zum 
Unglück  unterbrochen,  und  dass  die  segensreichen  Neuerungen  der  späteren  Zeit  sich 
auch  ohne  die  blutige  Selbsthilfe  aus  den  vor  der  Revolution  bestehenden  Verhältnissen 
entwickelt  hätten.  — 

In  dem  Kapitel  Goethes  Beziehungen  zu  anderen  Personen  wird  füglich 
Goethes  Mutter  die  erste  Stelle  gelassen.  Ich  bescheide  mich  darauf  hinzuweisen, 
dass  von  Heinemanns^S)  Buche  über  die  Frau  Rat  (vgl.  JBL.  1891IV  9b:  63;  1892 
IV  8b  :  38)  im  Berichtsjahr  die  vierte  Auflage,  die  von  der  dritten,  ein  Jahr  vorher 
erschienenen,  in  nichts  abweicht,  ausgegeben  wurde.  —  Ueber  die  Freundin  der  Frau 
Rat,  Susanna  von  Klettenberg,  die  schöne  Seele,  hat  Erich  Schmidt^s»)  Stellen 
aus  Tagebüchern  und  Briefen  von  Personen,  die  ihr  nahestanden,  veröffentlicht. 
Wichtig  sind  darin  ein  Bericht  über  Lavaters  Anwesenheit  in  Frankfurt  und  eine 
Predigt   in  Bockenheim    und  über  den  Tod  der  „schönen  Seele",    bei  der  Dr.  Metz, 


Harnack:  PrJbb.  72,  S.  539-40.]!     (S.  n.  IV  3c:  7.)    —    27a)    (S.  o.  N.  17.)    —    28)    K.  Heinemann,    Goethes  Mutter,     E. 
Lebensbild  nach  d.  Qaellen.  4.  verb.  Aafl.     Mit  vielen  Abbild,  in  n.  ausser  d.  Text  n.  mit  4  Heliograr.    L.,  Seemann.    X,  383  S. 
M   6,50.     |[L.  Fränkel:    ZDÜ.  7,  S.  436/7;    K.  Domanig:    ÖLBl.  2,  S.  1402;    Kunstchr.  4,    S.  126/7.]|    —    28a)    (HI  5  :  34; 
Jahiesberiobte  ftx  neuere  deutsche  Litteraturgesohichte.    IV.  ^(^4) 


IV  8b:  29-35  K.  Keinem ann,  Goethes  Leben. 

Frau  Rat  Goethe,  Frau  Rat  Moritz,  Frau  Pfarrer  Claus  und  Frau  Pfarrer  Koppel,  alles 
aus  Goethes  Jugendzeit  wohl  bekannte  Personen,  zug-eg-ea  waren.  — 

Unter  den  Goetheschen  Fraueng-estalten  war  g-eg-en  Friederike  von  Sesenheim 
im  Vorjahr  von  Froitzheim  (vgl.  JBL.  1892  IV  8b  :  44)  eine  abscheuliche  Anklag-e 
erhoben  worden.  Sie  hat  im  vorjährig-en  Berichte  die  verdiente  Zurückweis  ang- 
erfahren. Leider  spukte  dieser  Friederikenklatsch  auch  in  diesem  J,  in  den  Tag'es- 
blättern  lustig-  weiter^^).  Besonders  erg-ötzlich  ist  der  Schluss  der  Besprechung-  in  der 
KonsMschr.:  „Die  auf  streng  sittlichem  Boden  stehende  und  darum  dem  Geniewesen 
mannhaft  entgegen  tretende  Monographie  Froitzheims ...  sei  allen  Lesern  der  Monatsschrift 
angelegentlichst  empfohlen."  —  Auf  eine  sehr  verständige  und  objektive  Darstellung 
des  Sachverhaltes  von  Sack-^^)  erliess  Froitzheim^")  eine  Entgegnung,  die  durch- 
aus nichts  Neues  brachte,  sondern  die  alte  Behauptung  wiederholt,  der  damalige 
Pfarrer  Brion  von  Goxweiler  habe  zu  Dr.  Leyser  in  Gegenwart  von  Prof.  Baum  im 
J.  1868  gesagt,  dass  er  als  kleiner  Junge  den  Sohn  Friederikens  noch  gekannt  hätte. 
Dass  eben  dieser  Pfarrer  im  J.  1877  seine  Aussage  zurück  genommen  hat,  geniert  F. 
nicht ;  ebenso  wenig  giebt  er  etwas  auf  die  Erklärung  des  Sohnes  des  genannten  Pastors, 
des  Herrn  A.  Brion  in  Strassburg,  vom  1.  Dec.  1892,  „dass  sein  Vater  Jakob  Brion, 
früher  Pfarrer  in  Goxweiler,  niemals  etwas  dem  Entsprechendes  ihm  gegenüber 
geäussert  habe";  F.  bringt  als  neuen  Zeugen  einen  70jährigen  Pfarrer,  Namens  Ungerer. 
Dieser  Zeuge  will  vom  Pfarrer  Brion  dasselbe  gehört  haben  und  führt  für  die  Richtigkeit 
der  Behauptung  an,  dass  er  selbst  Pfarrhäuser  gekannt  hätte,  wo  ähnliche  Geschichten 
vorgekommen  seien.  Man  kann  sich  eines  Gefühls  des  Ekels  nicht  erwehren,  wenn 
man  immer  wieder  haltlose  und  vage  Gerüchte  unbeglaubigter  Zeugen  herbeigeschleppt 
sieht,  um  die  Ehre  eines  Mädchens  zu  vernichten.  Alles  kommt,  sagt  F.,  auf  den 
Nachweis  an,  dass  Friederike  später  gefallen  ist.  Ist  dies  glaubwürdig  gemacht,  dann 
lassen  sich  Rückschlüsse  ziehen  in  der  Frage,  weshalb  Goethe  mit  ihr  1771  gebrochen 
hat !  Ein  schöner  Gedanke,  um  den  wir  F.  nicht  beneiden.  —  Da  er  sich  u.  a.  auch  auf 
den  gegenwärtigen  evangelischen  Pfarrer  RübePi)  zu  Sesenheim  berief,  dem  A.  Brion 
in  Strassburg  pinvatim  erklärt  habe,  dass  er  von  der  Richtigkeit  der  Behauptung  des 
verstorbenen  Pfarrers  Brion  im  J.  1868  überzeugt  sei,  so  verwahrt  sich  dieser 
dagegen,  indem  er  feststellt,  dass  „aus  den  Briefen  des  Herrn  A.  Brion  in  Strassburg 
an  ihn  gerade  das  Gegenteil  von  dem  hervorgehe,  was  Froitzheim  insinuiert".  —  Wenn 
nun  der  Ankläger  Froitzheim  seine  Angriffe  nur  gegen  die  Friederike  der  nach- 
goetheschen  Zeit  richtet,  weil  er  gegen  Goethes  Verhalten  auch  nicht  den  Schatten 
einer  Anklage  erheben  kann,  so  sucht  von  Biedermann^-),  ein  sonst  so  besonnener 
•Forscher,  Froitzheim  noch  zu  übertrumpfen;  er  nimmt  die  Existenz  eines  Kindes 
Goethes  und  Friederikens  an  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  Gretchen  im  Faust 
und  Friederike  identisch  wären:  „Aehnlich  wie  Gretchen  im  Faust,  so  mag 
Friederike  Goethes  lüsternen  Anwandlungen  entgegen  gekommen  sein!"  „Goethe 
mochte  dann  mit  furchtbarem  Ernst  empfinden,  dass  Friederike,  nachdem  sie  ihm  zu 
Willen  gewesen,  ihm  nur  noch  sagen  konnte:  'Ich  habe  schon  so  viel  für  dich 
gethan  usw.'  Und  wenn  auch  trotz  des  frühen  Todes  von  Goethes  und  Friederikens 
angeblichem  Sohn  dennoch  (!)  von  Kindesmord  nicht  die  Rede  ist,  so  mochte  doch 
in  Goethe  die  schreckliche  Möglichkeit  aufsteigen,  dass  eine  nicht  absichtslose  Vernach- 
lässigung des  Neugeborenen  als  Todesursache  nicht  ausgeschlossen  sei."  Es  verlohnt 
wohl  nicht,  auf  diese  ungeheuerliche  Behauptung,  die  sich  von  selbst  richtet,  einzugehen. 
—  Alle  Verdächtigungen  gegen  Friederike  und  deshalb  auch  diese  darauf  bestehende 
Hypothese  sind  widerlegt  worden  durch  das  Buch  des  alten  Goetheforschers 
Düntzer33-34)^  der  schon  im  J.  1840  in  den  BLU.  einen  ähnlichen  Angriff  gegen 
Friederikens  Frauenehre  glänzend  widerlegt  hatte.  Sein  Buch  erfüllt  in  vier  Abschnitten : 
Der  Detektiv,  womit  Froitzheim  gemeint  ist,  Friederike  und  Goethe,  Friederike  und 
Lenz,  Friederikens  letzte  vierzig  Jahre  und  die  Skandalsage,  seinen  Zweck.  Wenn 
auch  das  Buch  die  bekannte  Eigenheit  der  D.schen  Schreibart  aufweist,  und  werni 
auch  D.  in  der  Datierung  der  Briefe  Goethes  an  Salzmann  wohl  nicht  das  Richtige 
trifft,  so  findet  er  doch  in  allem,  was  uns  hier  angeht,  d.  h.  in  der  Abwehr  des  Angriffs 
Froitzheims,  unsere  Billigung.  Das  Buch  bringt  zwar  wenig  Neues,  aber  die 
erschöpfende  und  zusammenfassende  Darstellung  verleiht  der  Verteidigung  D.s  unwider- 
legliche Beweiskraft.    Auf  die  einzelnen  Anklagepunkte,  die  der  Vf.  entkräftet,  ist  im 


IV  8d:  30.)  —  29)  X  LCBl.  S.  20/1;  KonsMschr.  S.  122;  A.  Chuquet:  RCr.  35,  S.  132/3;  DR.  1,  S.  272;  R.  M.  Werner: 
ZOG.  44,  S.  229-33;  M.  van  Hall:  Gids  3,  S.  478-500;  COIRW.  21,  S.  568/9;  ÖLBl.  2,  S.  6>2/3;  M.  Erdmann:  N&S.  65, 
S.  270/2;  ChrWGV.  S.  29-32.  —  29a)  E.  Sack,  Friederike  v.  Sesenheim:  FZg.  N.  206/7.  —  30)  J-  Froitzheim,  Friederike 
V.  Sesenheim.  E.  Entgegnung:  ib.  N.  217.  —  31)  Rubel,  üeber  Friederike  Brion:  ib.  13.  Aug.  —  32)  W.  v.  Biedermann, 
Friederike  Brion  u.  Gretchen:  LZg«.  N.  23.  (S.  u.  IV  8e  :  100.)  —  33)  H.  Dantzer,  Friederike  v.  Sesenheim  im  Lichte  d. 
Wahrheit.  St.,  Cotta.  III,  152  S.  M.  3,00.  [DR.  3,  S.  256;  Geg.  43,  S  351;  Ath.  S.  440;  K.  Heinemann:  BLÜ.  S.  227-30; 
ML.  62,  S.  263;  M.  van  Hall:  Gids  3,  S.  478-500;  ÖLBl.  2,  S.  652/3;  E.  E(lster):  LCBl.  S.  922/3;  ChrWGV.  S.  32.]|  (S.u. 
IV  8c:  10.)   —   34)    id.,    Goethes  Sesenheimer  Briefe  an  Salzmann:   AZg«.  N.  23.    —   35)   H.  Kruse,   Goethe  u.  Friederike: 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  so 

vorjährig-en  JB.  ausführlich  eing-egangen  worden.  Nur  auf  eine  Vermutung'  Froitz- 
heims  und  ihre  Widerlegung-  durch  D.  müssen  wir  hier  noch  eing-ehen.  Es  betrifft  den 
Goetheschen  Aufsatz  von  1822:  „Wiederholte  Spiegelungen."  Jeder  Unbefangene  wird 
den  Eindruck  von  diesem  Aufsatz  haben,  dass  hier,  wenn  auch  in  etwas  wunderlicher 
Form,  Friederiken  von  Goethe  die  höchste  Achtung  g-ezollt  wird.  Froitzheim  aber 
kommt  zu  anderem  Ergebnis.  Dieser  Aufsatz  war  die  Antwort.  Goethes  auf  des 
Philologen  Näke  „Wallfahrt  nach  Sesenheim-'  (1B22J,  in  der  auch  das  Gerücht  von 
einem  Kinde  Friederikens  erwähnt  war.  Aus  der  Thatsache,  dass  Goethe  dieses 
Gerücht  in  den  „Spiegelung-en"  nicht  zurückweist,  schliesst  Froitzheim  auf  seine 
Bestätigung-.  D.  widerlegt  diesen  Irrtum  eing-ehend.  Goethe  wollte  in  den  „Spiegelung-en" 
nur  von  sich,  von  seiner  Friederike  und  der  durch  Näkes  „Wallfahrt"  neuerwachten 
Erinnerung  an  sie  sprechen,  und  diese  Erinnerung  mit  den  entoptischen  Erscheinungen 
vergleichen,  mit  denen  er  sich  gerade  damals  beschäftig-te.  Es  war  gar  keine  Veran- 
lassung, ja  fast  keine  Möglichkeit,  von  der  Friederike  der  späteren  Zeit  in  diesem 
Aufsatze  zu  reden,  wie  ja  auch  Goethe  den  Irrtum  Näkes,  dass  Friederike  einen  Herrn 
von  Dürkheim  g-eheiratet  hätte,  unberichtigt  Hess.  —  Die  masslosen  Angriffe  veran- 
lassten schliesslich  Kruse^^),  der  im  J.  1835  auch  eine  Wallfahrt  nach  Sesenheim 
unternommen,  Sophie  Brion  noch  lebend  angetroffen  und  viele  Leute  g-esprochen  hatte, 
die  sich  Friederikens  noch  erinnerten,  seine  gewichtig-e  Stimme  erschallen  zu  lassen. 
Er  berichtet,  dass  Schweppenhauser,  der  Pfarrer,  von  dem  das  Gerücht  ausg-eg-ang-en  war, 
ihm  auf  seine  Frage,  was  er  Böses  über  Friederiken  zu  erzählen  habe,  keine  Auskunft 
geg-eben,  sondern  ihn  mit  der  Antwort,  „alle  alten  Leute  wüssten  davon",  abgefunden 
hätte.     Die  alten  Leute  hätten  aber  auf  Befragen  nichts  davon  gewusst.  — 

Ein  freundlicheres  Geschick  im  irdischen  Leben  sowie  in  der  Erinnerung 
der  Nachwelt  hat  über  einer  anderen  Geliebten  Goethes,  Charlotte  Kestner,  ge- 
waltet. An  die  glückliche  Gattin  und  Mutter  hat  die  Verleumdung  sich  nicht  ge- 
wagt. Auch  haben  pietätvolle  Nachkommen  schon  frühe  wichtige  und  unantastbare 
Dokumente  aufbewahrt,  die  jede  Verunglimpfung  unmöglich  machten.  Düntzer  und 
Herbst  haben  diese  Dokumente  schon  längst  bei  ihren  Veröffentlichungen  über  Goethe 
in  der  Wetzlarer  Zeit  verwertet,  aber  dennoch  nicht  so  ausgenutzt,  dass  nicht  für 
einen  anderen  Forscher,  der  die  Familienpapiere  zur  Durchsicht  erhielt,  manches 
Wichtige  und  Interessante  zu  finden  gewesen  wäre.  Eugen  Wolff^^)  hat  das  Er- 
gebnis seiner  eingehenden  Lektüre  mitgeteilt.  Wie  natürlich,  haben  sich  die  früheren 
Forscher  das  auf  Goethe  sich  beziehende  Material  nicht  entgehen  lassen;  W.  bietet 
uns  daher  hauptsächlich  Nachrichten  über  Kestner  und  die  Buffsche  Familie.  Aus 
Kestners  Selbstschilderung  und  seinen  Briefen  erfahren  wir,  dass  er  nicht  der 
Philister  und  kalte  Verstandesmensch  war,  für  den  er  als  Urbild  Alberts  gilt.  Er 
erscheint  nicht  ohne  Sentimentalität,  für  die  Dichtung  sehr  interessiert,  ja  selbst  als 
Dichter  thätig.  Von  seiner  Werbung  um  die  15  jährige  Lotte  unterrichtet  uns  ein 
Brief  Kestners  an  die  Mutter  und  an  Lotte  selbst;  die  Sorge,  dass  seine  Eltern  ihre 
Einwilligung  versagen  würden,  und  die  Jugend  Lottens  waren  der  Grund,  dass  das 
Verlöbnis  mehrere  Jahre  geheim  gehalten  wurde.  Ein  Brief  Kestners  berichtet  von 
Goethes  Ankunft:  „Er  hasset  die  Juristerei  und  bedarf  ihrer  auch  nicht,  da  sein 
Vater  reich,  er  aber  sein  einzig-er  Sohn  ist";  gleich  darauf  wird  in  einer  Tagebuch- 
notiz Kestners  der  Ball  in  Volpertshausen  geschildert.  Da  auch  Jerusalem  dabei 
war,  finden  wir  hier  bei  diesem  berühmtesten  aller  Tanzvergnügungen  alle  Personen  des 
Werther  vereinigt.  Ein  prächtiger  Brief  vom  März  1773  von  Hans  Buff,  Goethes 
Liebling,  einem  15  jährigen  Primaner,  giebt  eine  geradezu  köstliche  Schilderung  des 
Lebens  in  der  Familie  Buff.  Die  ganze  Kinderschar,  jedes  einzeln  nach  seinen 
Eigentümlichkeiten  charakterisiert,  passiert  vor  uns  Revue.  Der  wichtigste  Brief  ist 
der  von  Herbst  und  W.  mit  Recht  in  die  Zeit  nach  dem  13.  Aug.  1772,  an  dem  der 
verhängnisvolle  Kuss  sich  ereignete,  gesetzte,  den  W.  zum  ersten  Mal  vollständig  ab- 
druckt. Dieser  Brief  giebt  uns  überraschenden  Aufschluss  über  Kestners  Em- 
pfindungen und  lässt  uns  erkennen,  dass  Goethe  für  den  eifersüchtigen  Albert  sich 
auch  von  Kestner  Farben"  leihen  konnte.  Kestner  schreibt  u.  a.  an  Lotte:  „Jedoch 
aber  muss  ich  Ihnen  als  Freund  sagen,  dass  nicht  alles  Gold  ist,  was  da  glänzt;  dass 
man  sich  auf  die  Worte,  welche  vielleicht  aus  einem  Buche  nachgesagt,  oder  nur 
darum  gesagt  werden,  weil  sie  glänzend  sind,  nicht  verlassen  kann,  und  daran  das 
Herz  oft  keinen  Teil  haben  kann;  dass  es  von  einer  Mannsperson  schwer  wird,  sie 
ganz  kennen  zu  lernen,  wenn  man  sie  nicht  in  einer  ziemlichen  Zeit  und  in 
mancherlei  Situation  und  Begebenheiten  handeln  gesehen  hat;  denn  auf  das  Handeln 
kommt  es  an,  nicht  auf  die  schönen  Worte;  dass  eine  Mannsperson,  welche  man  nur 
selten  gesehen  hat,  vielleicht  in  denen  von  dieser  selbst  gewählten,  ihr  vorteilhaften 


DE.  4,  S.  119-31.  —  36)  Bug.  Wolff,  Bll.  aus  d.  Werther-Kreis.    (=  Urkk.  z.  Gesch.  d.  neueren  dtsch.  Litt.  N.2.)  Breslau, 
Schles.  Yerlagsanst.    80  S.    M.  1,50.     |[A.  Leitzmann:  ZDPh.  27,  S.  277-80;  A.  Eöster:  ADA.  19,  S.  281/5.JI     (Sonderabdr. 

4(24)* 


IV  8b  :  37-42  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

Stunden,  darum  noch  nicht  vorzüglicher  sein  kann;  dass  bei  einer  Mannsperson 
schwer  zu  entscheiden  ist,  wann  sie  keiner  Veränderung-,  keinem  Wankelmut  mehr 
unterworfen  ist,  zumal  wenn  sie  noch  an  keine  gewisse  Lebensart  oder  Beschäftigung 
gebunden  ist ;  dass  es  keine  Kunst  ist,  munter  und  unterhaltend  zu  sein,  wenn  man. 
völlig  sein  eigener  Herr  ist,  wenn  man  thun  und  lassen  kann,  was  man  will,  dass 
jenes  sich  aber  in  ein  mürrisches  Wesen  verändern  kann,  wenn  dieses  wegfällt  und 
eine  vielleicht  unangenehme  Beschäftigung  gewählt  werden  rauss."  —  Von  den 
späteren  Beziehungen  zu  Lotte  und  Goethe  haben  wir  durch  Günthers 3')  Ver- 
öffentlichungen Neues  erfahren.  —  Ebenfalls  Günther  3'")  verdanken  wir  einen  kleinen 
interessanten  Aufsatz  über  den  Besuch  Lottens  und  ihrer  Tochter  Klara  in  Weimar 
im  J.  1816.  Nach  beider  Bericht  war  das  Wiedersehen  nicht  besonders  er- 
freulich. Lotte  und  Goethe  waren  einander  fremd  geworden  und  Goethes  „steife 
Art"  war  nicht  dazu  angethan,  die  Kluft  zu  überbrücken.  Goethe  Hess  es  bei  einigen 
Beweisen  höflicher  Freundlichkeit  bewenden.  — 

lieber  Frau  von  Stein,  das  unerschöpfliche  Thema,  brachte  das  Berichts- 
jahr einen  aus  dem  Dänischen  übersetzten  Aufsatz  von  Brandes^^).  Der  Artikel 
handelt  in  der  Hauptsache  von  dem  Bruch  Goethes  mit  Frau  von  Stein ;  das  Ver- 
hältnis selbst  wird  nur  oberflächlich  dargestellt.  B.  ist  von  der  Sinnlichkeit  des 
Verhältnisses  durchaus  überzeugt,  und  wird  sogar  gegen  Herman  Grimm  grob, 
weil  dieser  anderer  Ansicht  ist.  Sehr  ausführlich  wird  die  Rache  der  Frau  von  Stein 
an  Goethe  geschildert.  Das  Trauerspiel  Dido,  meint  B.,  ist  geradezu  erschreckend 
für  den,  der  sich  ein  Fünkchen  Glauben  an  die  Menschen  bewahrt  hat  und  noch 
staunen  kann  über  eine  Dummheit  oder  Niedrigkeit  von  selten  eines  Weibes,  das 
auf  Rache  sinnt,  weil  es  nicht  mehr  geliebt  wird.  Die  Behauptung  hätte  wohl  etwas 
weniger  kräftig  ausgesprochen  werden  können.  B.  führt  auch  Schillers  allerdings 
etwas  sonderbares,  sehr  lobendes  Urteil  über  das  Trauerspiel  Dido  und  seine  Auf- 
forderung, es  drucken  zu  lassen,  an,  und  weist  besonders  darauf  hin,  dass  Schiller 
dieses  Urteil  1797  zur  Zeit  der  Blüte  des  Freundschaftsbundes  geschrieben  habe. 
Eine  solche  Bemerkung  kann  irre  führen.  Es  müsste  doch  erst  bewiesen  werden, 
dass  Schiller  von  Beziehungen  des  Dramas  auf  Goethe  unterrichtet  war.^^*"^^'')  — 
Von  den  anderen  Goetheschen  Frauengestalten  ist  die  letzte,  Ulrike  von  Levetzow, 
bekanntlich  noch  am  Leben.  Sie  feierte  am  4.  Febr.  1893  ihren  90.  Geburtstag  in 
voller  Gesundheit  auf  ihrem  Schloss  Tfiblitz  bei  Lobositz  in  Böhmen.  Es  war 
natürlich,  dass  viele  Tagesblätter  und  Zeitschriften  von  diesem  Tage  Notiz  nahmen. 
Wir  heben  aus  diesen  Festartikeln  den  des  bekannten  bayerischen  Gelehrten  Herz- 
felder^ö)  hervor  und  bemerken,  dass  Heinemann ^^j  den  Tag  benutzte,  um  in  der 
Gartenlaube  in  einem  das  Wesentliche  hervorhebenden  Artikel  drei  Bilder  von 
Ulrike,  ihrer  Mutter  und  ihrer  Schwester  sowie  von  dem  Schloss  Tfiblitz  zu  ver- 
öffentlichen. 40a)  _ 

Zwei  Fürstinnen  des  Weimarer  Hofes,  zu  denen  Goethe  in  näheren  Be- 
ziehungen gestanden  hat,  haben  in  dem  Buch  von  Lily  von  Gizycki*^)  „Deutsche 
Fürstinnen"  ein  biographisches  Denkmal  erhalten:  Erstlich  die  am  18.  Juli  1786 
geborene  Tochter  Karl  Augusts,  Karoline  Luise,  die  voll  Begeisterung  an  Herder 
und  Goethe,  Schiller  und  Wieland  hing  und  auch  von  Goethe  Beweise  freundlicher 
Gesinnung  und  aufrichtiger  Zuneigung  erhielt.  Von  ihrer  Verehrung  für  Goethe, 
der  ihrer  schönen  Begabung  und  besonders  ihrem  Zeichentalente  oft  und  gern  Be- 
achtung und  Förderung  zu  teil  werden  Hess,  erzählt  die  Vf.  den  hübschen 
Zug,  dass  sie  in  ihrer  Kindheit  mit  ihren  Freundinnen  einen  Bund  „Zum  Schutz  und 
Trutz  der  besten  Meister"  geschlossen  habe.  Zur  Ehrung  der  schon  im  J.  1816  als 
Erbprinzessin  von  Mecklenburg  verstorbenen  Weimarschen  FürstentoGhter  dichtete 
Goethe  bekanntlich  das  Gedicht  Trauerloge:  „An  dem  öden  Strand  des  Lebens".  .  .  . 
In  die  nachgoethesche  Zeit  führt  uns  das  Thema  des  dritten  Aufsatzes  desselben 
Buches:  Die  litterarischen  Abende  der  Grossherzogin  Maria  Paulowna.  Aber  in 
der  Einleitung  werden  die  regen  Beziehungen  dieser  von  Goethe  und  Schiller  oft 
gepriesenen  und  auch  besungenen,  geistreichen  und  wohlthätigen  Fürstin  zu  dem 
Dichter  ausführlich  dargelegt;  wenn  wir  auch  nichts  erfahren,  was  nicht  schon  aus 
dem  Buche  von  Preller,  den  Briefen  Goethes  und  seinen  ihr  gewidmeten  Gedichten 
bekannt  wäre.  —  Von  einer  anderen  Weimarer  Fürstin,  der  Mutter  Karl  Augusts, 
Anna  Amalia,  hatte  das  Vorjahr  zwei  Biographien  gebracht.  Ueber  Bornhaks 
Werk  (vgl.  JBL.  1892  IV  8b:  48)  ist  eine  Reihe  von  Recensionen  erschienen^ ^j^  auch 

aus  N&S.  66,  8.  184-201,  295-315;  vgl.  auch  IV  8d  :  19.)  —  37)  (S.  o.  N.  13.)  —  37a)  0.  Günther,  Goethe  u.  Lotte.  1816: 
GJb.  14,  S.  284/9.  (S.  u.  IV  8d:20a.)  —  38)  G.  Brandes,  Goethe  u.  Charlotte  v.  Stein.  Autorls.  Uebers.  v.  E.  Holm: 
FZg.  N.  237,  239.  —  38a)  X  F.  Muncker,  Charlotte  v.  Stein:  ADB.  35,  S.  602/5.  —  38b)  X  E- Prh''- t- örotthns,  Charlotte 
V.  Stein:  VelhagenKlasingsMh.  1,  S.  302-13.  —  39)  J.  Herzfelder,  Ulrike  v.  Levetzow  u.  Goethe:  Sammler^.  N.  15.  —  40) 
V.  Heinemann,  Goethes  letzte  Liebe:  Gartenlaube  N.  8.  —  40a)  X  Ulrike  v.  Levetzow:  Fremdenbl.  5.  Febr.  —  41)  Lily 
K.  Gizycki,  Deutsche  Fürstinnen.  B.,  Paetel.  III,  285  S.  M.  4,00.  —  42)  X  K.  Heinemann:  BLU.S.  20/2;  0.  Härtung: 
DDichtung.  14,  S.  149-50;  LCBl.  S.  184/5;  F.  Schwarz:  FBPG.  6,  S.  327 ;  KonsMschr.  S.  117/8;  Qrenzb.  1,  S.  303;  L.  Geiger: 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben,  IV  8b  :  43-50 

über  die  Schrift  von  "Weizsäcker  (vgl,  JBL.  1892  IV  8b:47)^3),  —  Ebenso  g-edenken 
wir  hier  des  Buches  von  Heitmüller  (vgl.  JBL.  1892  IV  8b:  20),  das  mehrfach  be- 
sprochen wurde'*^''),  —  Als  Einleitung  zu  einer  Darstellung  „Aus  den  Papieren  eines 
Hofmanns"  über  den  Hof  in  Weimar  zu  Goethes  Zeit  ist  eine  Schilderung  des 
Weimarer  Hofes  zur  Regierungszeit  Anna  Amaliens  kurz  vor  dem  Eintreffen  Goethes 
erschienene^).  Es  werden  hier  hauptsächlich  die  Belustigungen  des  Hofes  beschrieben, 
von  den  Promenaden  der  Fürstin  zu  Pferde,  den  Redouten,  Hofschlittenfahrten  und  Hof- 
bällen bis  zum  Theater.  Oberstallmeister  von  Stein  wird  als  „einer  der  galantesten 
Reiter  seiner  Zeit"  bezeichnet,  Hauptmann  von  Knebel  als  geistreicher,  lebendiger, 
liebenswürdiger  Gouverneur,  Graf  Görz  als  vornehmer,  feiner  Hofmann,  der  immer 
scharfe  Bemerkungen  über  das  Benehmen  der  jungen  Kavaliere  im  Munde  führt,  — 

Auch  die  Beziehungen  Goethes  zur  österreichischen  Kaiserin  Maria 
Ludovika  sind  im  Berichtsjahre  Gegenstand  ausführlicher  Darstellung  geworden 
und  zwar  in  einem  Vortrag'  von  Guglia*^).  Er  konnte  das  Goethesche  Tagebuch 
(1810  ff.)  und  den  Briefwechsel  der  Kaiserin  mit  ihrer  Mutter  Maria  Beatrice  von  Este 
benutzen,  so  dass  sein  Vortrag  auch  trotz  Düntzers  Schrift  über  dasselbe  Thema 
Neues  brachte.  Die  erste  Notiz  im  Tagebuche  1808  merkt  an,  dass  Frau  von  Eyben- 
berg  viel  von  der  neuen  Kaiserin  erzählt  habe.  In  Karlsbad  1810  meldet  das  Tage- 
buch, dass  die  Kaiserin,  nachdem  GOethe  ihr  vorg-estellt.  ihn  häufig  gesehen  und 
gesprochen  hätte.  Die  Kaiserin  erwähnt  Goethe  in  ihren  Briefen  nur  einmal  flüchtig, 
unter  dem  18.  Febr.  1811  vermerkt  Goethe  den  Empfang  einer  goldenen  Dose  von 
der  Kaiserin.  Von  der  zweiten  wichtigeren  Begegnung  (im  Sommer  1812)  berichtet 
das  Tagebuch  ausführlich.  In  den  26  Tagen,  da  die  Kaiserin  in  Teplitz  weilte,  wurde 
Goethe  elf  Mal  zur  Tafel  gezogen,  beinahe  täglich  sah  er  sie  und  las  ihr  sieben  Mal 
vor.  Alexis  und  Dora  wurde  i)esonders  gut  aufgenommen.  Dann  las  er  den  Neuen 
Pausias,  Teile  der  Pandora,  Scenen  der  Iphigenie  und  die  Ballade  „Wirkung  in 
die  Feme",  auch  Schillersche  Balladen,  Calderons  Leben  ein  Traum.  Daran  knüpften 
sich  ästhetische  Gespräche  („über  die  Fundamente  des  ästhetischen  Urteils"  sagt  das 
Tagebuch).  Am  28.  Juli  bemerkt  Goethe  im  Tagebuch :  „Aufgabe  zweier  durch  eine 
Wette  getrennter  Liebenden".  Daraus  entstand  das  Lustspiel  „Die  Wette".  Es  sollte 
in  Teplitz  aufgeführt  werden,  und  Goethe  und  die  Kaiserin  sollten  darin  mitwirken. 
Ob  das  geschehen,  ist  nicht  erwiesen,  ebenso  auch  nicht,  ob  die  Kaiserin  in  der 
Aufführung  des  ersten  Aktes  des  Tasso  (mit  Goethe  in  der  Titelrolle)  mitgespielt  hat.  — 

Von  Schriften  über  das  Verhältnis  Goethes  zu  bedeutenden  Männern  der 
Wissenschaft  oder  Kunst  war  im  Vorjahr  besonders  das  Buch  von  Steig,  Goethe  und 
die  Brüder  Grimm  (vgl.  JBL.  1892  I  2:3;  IV  8b:  43;  10:22;-  s.  auch  o.  I  2 :  10) 
besprochen  wordenes).  Es  hat  auch  in  diesem  Jahre  noch  eine  Reihe  Recensionen 
erfahren.  Lavater  im  Lichte  Goethes  nennt  sich  ein  Artikel  von  Mendon*'^),  der, 
anstatt  sich  bei  der  Thatsache,  dass  Goethe  seit  den  80er  Jahren  von  Lavaters 
Unwahrheit  und  Heuchelei  überzeugt  war ,  zu  beruhigen ,  die  total  veränderte 
Stellung  Goethes  zu  Lavater  als  eine  unbegründete,  von  persönlicher  Empfindlichkeit 
und  durch  fremde  Einflüsterungen  erzeugte  Umwandlung  bezeichnet.  —  Ueber  Goethe 
und  Matthisson  berichtet  ein  ausführlicher  Artikel  von  Bock*»).  Goethes 
Aeusserung  über  Matthissons  Poesie  klingt  sehr  skeptisch;  dagegen  fanden  beide 
Männer  in  dem  gemeinsamen  Interesse  für  die  Naturwissenschaft  nähere  Berührungs- 
punkte. Von  1815  an,  nach  vielen  Reisen,  kam  Matthisson  öfter  nach  Weimar,  wo 
er  stets  von  Goethe  gerne  gesehen  und  auch  von  Ottilien  wohl  aufgenommen  und  zur 
Teilnahme  am  „Chaos"  aufgefordert  wurde.  Im  Herbst  1829  war  er  zum  letzten  Male 
dort.    Diesmal  wurde  er  von  Schmeller  für  Goethes  Porträtsammlung  gemalt.  — 

Ueber  Gottl.  Heinr.  Rapp,  den  Stuttgarter  Kaufmann  und  Künstler,  mit  dem 
Goethe  während  seines  zweiten  Stuttgarter  Aufenthalts  verkehrt  hat,  brachte  St rö hm- 
feld^^)  schon  im  Vorjahr  eine  Studie.  Er  hat  dieser  einen  Artikel  über  dasselbe  Thema 
folgen  lassen.  Rapp  war  durch  Dannecker  mit  Schiller  befreundet  geworden.  Diese 
Freundschaft  führte  zum  Besuch  Goethes,  den  Schiller  am  21.  Juli^  1797  in  einem 
Briefe  Cotta  anzeigt.  Goethe  überbrachte  Rapp  einen  Brief  Schillers  und. machte  mit 
ihm  Ausflüge  in  die  Umgebung.  Den  Höhepunkt  des  Verkehrs  bildete  Goethes 
Vorlesung  von  Hermann  und  Dorothea  vor  Dannecker,  Rapp  und  ihren  Frauen  im 
Rappschen  Hause.  —  Gaedertz^^^  berichtet  über  den  Legationsrat  Friedrich  Karl 
Meyer,    der  identisch  ist  mit  jenem  bisher  rätselhaften,    enthusiastischen  Studenten 


Nation».  10,  S.  336,8;  NaIZg.  N.  5,  9.  —  43)  X  N&S.  95,  S.  275;  K.  J.  S(chröer):  LCBl.  S.  1083;  BLU.  S.  462.  —  43a) 
A.  By:  ML.  62,  S.  263;  0.  Harnack:  ADA.  19,  S.  172/6;  LCBl.  S.  570;  VossZgB.  N.  14;  L.  Geiger:  Nation".  10,  S.  389, 576/8. 
—  44)  D.  Hof  in  Weimar  zu  Goethes  Zeit.  Kulturbild  ans  d.  Papieren  e.  Hofmanns.  (Niedergeschr.  1840):  EonsMschr.  50, 
S.  1089-95.  —  45)  E.  Guglia,  Goethe  n.  d.  Kaiserin  Maria  Ludovika  v.  Oesterreich:  ChrWGV.  S.  42/5.  (S.  u.  IV  8c:  25.)  — 
46)  X  J-  Minor:  GGA.  S.  419-21;  0.  Harnack:  PrJbb.  71,  S.  136/7;  L.  G[eiger]:  Nation».  10,  S.  94;  8.  M.  Prem: 
ÖLBl.  2,  S.  302/3;  Ph.  Strauch:  DWBl.  S.  105/7;  NatZg.  N.  154.  —  47)  P- M e n d  o n ,  Lavater  im  Lichte  Goethes :  KonsMschr.  50, 
S,  184-95.  —  48)  A,  Bock,  Goethe  u.  Matthisson:  FZg.  N.  32.  —  49)  (IV  8a  :65;  9:20.)—  50)  K.  Th.  Gaedertz,  Goethe, 


IV  8b  :  5i-52a    IV  8c  :  1-6         0.  Piiiower,  Goethes  Lyrik. 

Meyer,  der  im  J.  1824  die  Bekanntschaft  Goethes  machte  und  sich  dessen  Sympathie 
in  hohem  Grad  erwarb.  Durch  Empfehlung*  an  das  Frommansche  Haus  in  Jena  mit 
Knebel  bekannt  g-eworden,  wusste  er  trotz  mehrfachen  Abweisung-en  durch  mehrere 
an  den  Dichter  g^esandte,  von  Begeisterung"  durchwehte  Gedichte  Goethes  Erlaubnis 
zum  Besuch  und  dessen  reg'e  Teilnahme  zu  erw^erben  (vg-l.  Gespräche  mit  Eckermann 
15.  Febr.  1824).  —  Ueber  den  Gründer  von  Marienbad,  den  Abt  Karl  Reiten- 
berg-er  hatte  Prem  im  April  1890  in  derNFPr.  ausführlich  gehandelt  in  dem  Feuilleton 
„Goethe  und  Abt  Reitenberger"  (vgl.  JBL.  1890  IV  IIb:  115).  Die  sehr  ausführliche 
biographische  Skizze  von  Schneider^')  liefert  zwar  über  die  Beziehungen  zu  Goethe 
nichts  Neues,  aber  doch  einige  wichtige  authentische  Mitteilungen  zu  Reitenbergers 
Leben.  —  Der  Aufsatz  von  Karpeles^^^  „Goethe  in  Franzensbad"  bringt  ebenfalls 
nichts  Neues.^^a-)  — 


c)  Lyrik. 

Otto  Pniower. 

Ein  pseudogoefhesches  Gedicht  N.  1.  —  Saroinlungen  und  Ausgaben  N.  3.  —  Zusammenfassende  Betraclitnngen 
N.  6.  —  Einzelne  Schöpfungen:  Leipziger  Liederbuch  N.  9.  —  Strassbnrget  Zeit  N.  10.  —  Weimarer  Zeit:  Einflnss  des 
Joh.  Secundus  N.  11;  Der  Fischer  N.  12;  Grenzen  der  Menschheit  N.  14;  Ilmenau  'S.  15;  Morgenklagen  N.  17;  Komische 
Elegien  N.  18;  Wer  kauft  Liebesgötter?  N.  19;  Xenien  N.  20:  Elegie  Hermann  und  Dorothea  N.  22;  Deutscher 
Parnass  K.  24;  Karlsbader  Gedichte  N.  25:  Memento  N.  26;  Trauerloge  N.  27;  Zum  28.  August  1823  N.  28;  „Die  beiden  lieben 
sich  gar  fein"  N.  29.  — 

Wenn  wir  sonst  unseren  Bericht  mit  der  Besprechung  neuer  Funde  begannen, 
so  sind  wir  dieses  Mal  in  der  Lage,  ihn  mit  der  Mitteilung  zu  eröffnen,  dass  ein  pseudo- 
goethesches  Gedicht  (vgl.  Weim.  Ausg.  6,  S.  353)  dem  Dichter  nun  endgültig  ab- 
gesprochen wird.  Wustmann  1)  führt  den  Nachweis,  dass  nicht  Goethe,  sondern  Prof. 
Heinroth  der  Vf.  der  Verse  ist :  „Lange  hab'  ich  mich  gesträubt.  Endlich  gab  ich 
nach;  Wenn  der  alte  Mensch  zerstäubt.  Wird  der  neue  wach",  und  Hildebrand 2), 
der  sie  noch  vor  kurzem  für  Goethesch  hielt  (Gesammelte  Vortrr.  und  Aufsätze  [vgl. 
JBL.  1890  17:3],  S.  249ff.),  erklärt  sich  durch  W.s  Ausführungen  für  bekehrt.  — 

Von  Sammlungen  der  Gedichte,  von  denen  der' Büchermarkt,  wie  es  scheint, 
immer  noch  neue  verträgt^"^),  ist  besonders  diejenige  bemerkenswert,  die  uns  im 
fünften  Bande  der  Weimarer  Ausgabe  vorliegt^).  Sie  enthält  Gedichte  „Aus*  dem 
Nachlass",  d.  h.  solche,  die  Goethe  selbst  nicht  in  seine  Werke,  bezw.  nicht  in  die 
die  Gedichte  enthaltenden  Bände  aufgenommen  hat.  Sie  sind  unter  Rubriken,  deren 
sich  Goethe  teilweise  schon  bedient  hat,  wie  „Vermischte  Gedichte",  „An  Personen", 
„Zahme  Xenien",  „Tnvektiven"  und  „Xenien"  geordnet.  Die  letzte  Gruppe  enthält 
zuerst  das  ungeteilte  Werk  der  Goethe-Schillerschen  Xenien,  wie  es  der  Musenalmanach 
auf  das  J.  1797  an  den  Tag  brachte.  Es  folgen  dann  sämtliche  von  Schiller  bei  der 
letzten  Redaktion  ausgeschlossene  Xenien  ohne  Rücksicht  auf  die  Frage,  ob  er  oder 
Goethe  ihr  Vf.  sei.  Dagegen  werden  aus  den  Tabulae  votivae  nur  die  sicher  Goetheschen 
oder  wenigstens  diejenigen,  die  Schiller  nicht  für  sich  in  Anspruch  nahm,  gegeben. 
Der  Band  enthält  mancherlei  bisher  Ungedrucktes,  nicht  bloss  unter  den  Xenien, 
wovon  noch  weiter  unten  die  Rede  ist  (s.  u.  N.  20).  Auch  die  „Zahmen  Xenien" 
bieten  eine  stattliche  Reihe  bisher  unbekannter  Sprüche,  vielfach  von  einer  leiden- 
schaftlichen, derben  Sprache,  aber  alle  voll  der  köstlichsten  Weisheit  und  Weltkenntnis. 
Eine  nähere  Besprechung  des  Bandes  muss  bis  zum  Erscheinen  des  noch  ausstehenden 
kritischen  Apparates  verschoben  bleiben.  — 

Kommentierende  Arbeiten,  die  Goethes  gesamte  lyrische  Thätigkeit  ins  Auge 
fassen,  hat  das  Berichtsjahr  nicht  hervorgebracht  und  an  zusammenfassenden 
Betrachtungen,  die  über  einen  grösseren  Zeitraum  verbreitete  Schöpfungen  behandeln, 
war  auch  nicht  gerade  Ueberfluss.  Eine  textkritische  Studie  Schraders*)  zeigt  den 
Vf.  nicht  im  Besitze  des  erforderlichen  Rüstzeuges.  Ohne  Kenntnis  der  Textgeschichte, 
auf  alten  schlechten  Ausgaben  fussend,  sucht  er  eine  Reihe  üblicher  Lesarten  als 
Entstellungen  zu  erweisen,  für  die  er  Besserungsvorschläge  bei  der  Hand  hat.  Sie 
erscheinen  um  so  weniger  annehmbar,  als  ihnen  das  gefährliche  Kriterium  des 
subjektiven,    von  Verstand   und  Logik   geleiteten  Geschmackes    zu  Grunde  liegt.  — 


Gries  b.  Friedr.  Karl  Meyer:  N&S.  65,  S.  173-89.  —  51)  H.  Schneider,  D.  Abt  K.  Reitenberger:  Bohemia  N.  228/9,  230,  232. 
—  52)  G.  Karpeles,  Goethe  in  Franzensbad:  FeuilletZg.  N.  469.  -  52a)  X  Goethe  u.  Kaiser  Nikolaus  L:  FZg.  N.  157. 
(Mitteil,  aus  d.  Aufzeichn.  d.  russ.  Schriftstellerin  A.  0.  Smirnow.)  — 

1)  G.  Wustmann,  E.  angeblich  Goethescher  Vers:  Grenzb.  1,  S.  596/7.  —  2)  Rtid.  Hildebrand,  D.  wirkl. 
Urheber  e.  angeblichen  Verses  v.  Goethe:  ZDü.  7,  S.  291/3.  —  3)  X  (1  '^  =  «5-)  —  4)  X  K.  Goedeke,  Goethes  Gedichte  mit 
Einl.    2  Bde.     8t„  Cotta.    304,  315  S.    M.  2,00.    —    5)    (IV  8a:  112/3.)  —    6)  Herrn.  Schrader,  Entstellungen  Goethescher 


O.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  8c  :  7-11 

Auch  Siegmar  Schultzes')  Buch  ist  vom  Standpunkte  des  wissenschaftlichen  Fort- 
schrittes aus  betrachtet  eine  Nullität.  Bekanntlich  kann  aber  auch  das  Unzuläng-liche 
Ereig-nis  werden  und  das  Mang-elhafte  nutzbring-end  sein.  Auch  fehlt  es  natürlich  in 
dem  Werk  nicht  an  richtig-en,  gelegentlich  auch  wohl  neuen  Beobachtungen.  Aus 
diesen  Gründen,  und  weil  es  überdies  unserem  Programm  entspricht,  von  jeder 
Erscheinung  Notiz  zu  nehmen,  wollen  wir  registrieren,  wie  weit  die  Darstellung*,  die 
Seh.  von  der  Entwicklung"  des  jungen  Goethe  giebt,  den  Lyriker  betrifft.  Das  erste ' 
Heft  bietet  eine  Zusammenstellung  derjenigen  deutschen  und  auswärtig-en  Litteratur, 
die  von  Goethe  teils  sicher  g-elesen  wurde,  teils  ihm  wenigstens  zur  Verfüg-ung*  stand. 
Seh.  giebt  nicht  mehr  als  eine  katalogartige  Aufzählung.  Ich  kann  mir  aber  vorstellen, 
dass  ein  schöpferischer,  über  Geist  und  Kritik  verfüg-ender  Forscher  aus  diesem  Stein 
Funken  schlägt.  1,  S.  37  handelt  von  der  Naturbetrachtung-  des  16jährigen  Goethe, 
wobei  es  freilich  an  unbegründeten  Behauptungen  nicht  fehlt.  Heft  2,  S.  9  berichtet 
über  die  Fortschritte,  die  Goethes  Lyrik  in  Leipzig  macht,  und  bespricht  das  kleine 
Stimmungsbild;  S.  19  seinen  üebergang  zur  Anakreontik;  S.  26,  33,  40  zeigt 
die  Einwirkung  der  von  Eifersucht  geplagten  Liebe  zu  Käthe  Schönkopf  auf  die  Lyrik 
des  Dichters  und  ihre  Widerspiegelung  darin.  Heft  3,  S.  11  wendet  sich  der  Lyrik  der 
Frankfurter  Periode  (Herbst  1768  bis  Ostern  1770)  zu  und  berührt  (S.  18)  Wielands  Einfluss, 
behandelt  aber  weiterhin  die  Strassburger  Zeit.  S.  45  ist  von  Herders  Einfluss  die 
Rede.  S.  56  gelangen  die  Friederikenlieder  zur  Besprechung.  Seh.  vermehrt  die 
Zahl  derer,  die  für  sie  eine  eigene  Chronologie  bereit  haben,  ohne  dass  er 
nach  meiner  Meinung  überall  das  Richtige  trifft.  Absurd  ist  die  Ansicht,  die  er  über 
die  Entstehung  von  „Willkomm  und  Abschied"  vorträgt.  Danach  ist  das  Lied 
nicht  in  einem  Zuge  gedichtet,  sondern  die  ersten  beiden  Strophen  sind  am  30.  März 
1771,  die  beiden  letzten  im  Juni  desselben  Jahres  verfasst !  Im  vierten  Hefte,  in  der  die 
vor  der  Wetzlarer  Episode  liegende  Frankfurter  Zeit  (1771  —  72)  charakterisiert  wird, 
kommen  neben  den  Liedern  im  Götz,  Goethes  Beschäftigung  mit  Ossian  (S.  9)  zur 
Sprache:  S.  51  die  Pindarisch-Klopstocksche  Lyrik;  S.  55  „Der  Wanderer"  und 
„Wanderers  Sturmlied";  S.  61  die  Freundschaftsoden  (Elysium,  Pilgers  Morgenlied, 
Felsweihegesang  an  Psyche).  Sie  werden  mit  ähnlichen  Gedichten  Mercks  verglichen, 
und  es  wird  eine  Einwirkung  dieser  auf  sie  konstatiert.  —  Sechs  Gedichte  der  Frank- 
furter und  ersten  Weimarer  Zeit  (Prometheus,  Ganymed,  Lied  an  den  Mond,  Gesang 
der  Geister  über  den  Wassern,  Ilmenau, Zueignung)  unterwirft  K.  Lorenz^)  einer  für 
das  Niveau  der  Schule  berechneten  Betrachtung,  bei  der  es  ihm  in  erster  Linie  auf 
Analysen  ankommt.  Beim  „Prometheus"  trägt  er  einen  im  engeren  Sinne  religiösen 
konfessionellen  Charakter  in  die  Schöpfung,  der  vom  Dichter  nicht  beabsichtigt  ist. 
Im  „Ganymed"  ist  das  Momentane  der  Situation  nicht  scharf  genug  festgehalten  und 
der  Sinn  in  einer  miss verständlichen  Weise  verallgemeinert.  Die  Analyse  von  „Ilmenau" 
verdient  nicht  mehr  diesen  Namen.  L.  giebt  eine  roh  skizzierende  Inhaltsangabe,  die 
den  poetischen  Gehalt  des  Gedichtes  nicht  ahnen  lässt.  Dergleichen  ist  der  Tod  der  im 
guten  Sinne  ästhetischen  Betrachtungsweise  und  erscheint  mir  für  Schüler  nichts  weniger 
als  musterhaft.  In  der  Behandlung  der  „Zueignung"  macht  L.  Aufbau  und  Gliederung 
des  Gedichtes  klar,  um  sich  dann  der  Betrachtung  der  Form  zuzuwenden.  Er  verweist 
zur  Erklärung  der  Scenerie  auf  die  zahlreichen,  in  Nebel  gehüllten  Göttererscheinungen 
bei  Homer,  zeigt  aber,  wie  Goethe  im  Vergleich  zu  ihm  darauf  bedacht  ist,  die  Vision 
auf  einen  Naturvorgang  zu  gründen,  den  er  mit  höchster  Treue  beschreibt.  Das 
Bekenntnis,  dass  er  die  poetische  Erfindung  in  dem  einen  Punkte  nicht  für  glücklich 
halten  könne,  dass  der  Dichter  gerade  den  Schleier  von  der  Wahrheit  empfange,  hätte 
ich  L.  gern  erlassen.  Das  Symbol  steht  durchaus  nicht  folgenlos  da,  wie  er  meint. 
Zuletzt  giebt  L.  den  Zweck  des  Gedichtes  an.  — 

Das  Hauptkontingent  zu  unserer  Heerschau  stellen  auch  dieses  Mal  diejenigen 
Schriften,  die  einzelne  Schöpfungen  betrachten,  sei  es,  dass  sie  diese  im  ganzen 
behandeln,  sei  es,  dass  sie  einen  einzelnen  Beitrag  zu  ihnen  liefern.  Doch  liegen  auch 
solche  vor,  die  ganze,  vom  Dichter  veranstaltete  Sammlungen  zum  Gegenstand  ihrer 
Erörterung  genommen  haben.  Um  den  chronologischen  Faden,  der  uns  wieder  leiten 
soll,  nicht  zu  zerreissen,  scheiden  wir  diese  Gruppen  und  etwaige  Untergruppen  nicht 
weiter.  Gleich  die  erste  lyrische  Sammlung,  die  Goethe  hat  erscheinen  lassen,  das 
Leipziger  Liederbuch,  hat  in  Strack^)  einen  trefflichen  Bearbeiter  gefunden.  St. 
behandelt  jedes  der  20  in  dem  Buch  vereinigten  Lieder  einzeln.  Seine  Schrift  ist  also 
ein  Kommentar.  Bei  jedem  giebt  er  äussere  und  innere  Entstehung,  sowie  Ueber- 
lieferung  an,  um  sich  dann  der  Interpretation  zuzuwenden.  Den  Schwerpunkt  seiner 
Betrachtung  bildet  die  Frage  nach  der  Tradition.  Stets  ist  er  bestrebt,  sie  für  die 
Gattung,  der  das  Gedicht  angehört,  zu  bestimmen.    Aber  nicht  bloss  für  die  Gattung 


Gedichte  n.  Besseningsvorschläge:  ZDS.  7,  S.  243-53.  -   7)  (IV  8b:  27.)  —  8)  (I  7  :  44  )  |[L.  Hol  scher:  ASNS.  91,  8.469-70.]) 
—  9)  A.  Strack,  Groethes  Leipziger  Liederbuch.    Giessen,  J.  Ritter.     175  S.    M.  3,60,  —  10)  (IV  8b:  33.)  —  11)  L.  Blame, 


IV  8c  :  i2-i3a  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

verfolg-t  er  ihre  Spuren,  sondern  auch  für  einzelne  Motive  und  Züge.  Ja  sogar  für 
einzelne  Worte  thut  er  es,  wenn  sie,  wie  etwa  „tändeln",  irgend  charakteristisch  sind. 
Sein  Blick  ist  dabei  keineswegs  auf  denjenigen  Kreis  der  poetischen  Litteratur 
beschränkt,  dem  die  Lieder  hauptsächlich  angehören:  die  Anakreontik,  wenngleich  er 
natürlich  sie  vor  allem  berücksichtigt,  sondern  er  ist  auch  auf  die  ältere  Produktion, 
die  sie  vorbereitete,  die  Poesie  des  17.  und  16.  Jh.  gerichtet.  Sogar  die  Urquelle  dieser 
"  Renaissancelitteratur,  die  Antike  (Griechische  Anthologie  und  Römische  Elegiker) 
berücksichtigt  St.  vielfach.  Für  die  Anakreontik  zieht  er  die  gesamte  Litteratur 
heran,  neben  der  französischen  auch  die  entlegenere  deutsche.  Man  begegnet  Autor- 
namen, die  selbst  die  Litteraturgeschichte  nicht  mehr  zu  verzeichnen  pflegt.  Neben 
der  Frage  nach  dem  Zusammenhange  der  Motive  beschäftigt  St.  am  meisten  die 
sprachliche,  im  engeren  Sinne  lexikalische  Seite  seiner  Aufgabe.  Um  Wortgebrauch 
und  -bedeutung  festzustellen,  sammelt  er  reichliche  Belege.  Er  hat  dabei  den  glück- 
lichen Gedanken  gehabt,  ausser  der  Praxis,  d.  h.  den  Dichtern,  auch  die  Theorie  zu 
Rate  zu  ziehen,  indem  er  für  die  Erklärung  gleichzeitige  Grammatiker  und  Lexiko- 
graphen citiert.  Auch  hier  schrickt  er  vor  der  Obskurität  eines  Namens  nicht  zurück. 
Manchen  interessanten  Bedeutungswechsel  lernt  man  durch  ihn  kennen.  Damit  sind 
aber  die  Vorzüge  des  Buches,  soweit  sie  sich  aus  seiner  Anlage,  aus  der  Tendenz 
des  Vf.  ergeben,  noch  nicht  erschöpft.  Auch  das  ist  noch  zu  loben,  dass  auf  die 
Gesamtlyrik  Goethes  Streiflichter  fallen,  insofern  für  bezeichnende  Motive  oder  Epitheta, 
für  solche,  die  für  seine  spätere  Poesie  charakteristisch  wurden,  die  Stellen  aus  der 
späteren  Produktion  nach  Kräften  gesammelt  sind.  So  die  für  die  Mondpoesie,  für  Bei- 
wörter wie  „heiter'\  „rein",  „still".  In  Bezug  auf  den  Geist,  mit  dem  die  Intentionen 
St.s  durchgeführt  sind,  sei  noch  gesagt,  dass  er  alle  Mittel  der  Philologie  beherrscht, 
sich  in  den  Charakter  der  Gedichte  tief  eingedrungen  zeigt  und  manche  neue 
Beobachtung  zu  Tage  gefördert  hat.  Bemerkenswert  ist  der  Eifer,  mit  dem  er,  wie 
hohen  Wert  er  auch  auf  den  Nachweis  der  Tradition  legt,  darauf  achtet,  wann  und 
wie  der  junge  Dichter  die  Fesseln  der  Ueberlieferung  bricht  und  selbständigen, 
individuellen  Geist  kundgiebt.  — 

Die  Lieder  der  Strassburger  Zeit,  von  jeher  ein  beliebtes  Thema,  fanden 
dieses  Mal  keinen  Bearbeiter.  Doch  geht  Düntzer'<^3  in  seiner  Rettung  Friederikens 
von  neuem  auf  sie  ein.  Mit  der  Darstellung  der  Beziehungen  Goethes  zu  ihr  verbindet 
er  eine  hauptsächlich  der  Chronologie  der  Gedichte  geltende  Betrachtung.  Seine 
Auffassung  zeigt  sich  von  seiner  bisherigen  (vgl.  JBL.  1892  IV  9c:  17)  nicht  ver- 
schieden. — 

Auch  für  diejenige  Epoche,  die  den  Höhepunkt  der  Goetheschen  Liebeslyrik 
umfasst,  die  Frankfurter  Zeit  (1771—75)  liegt  kein  Beitrag  vor.  Erst  die  Weimarer 
Zeit  (vgl.  IV  8a:  168)  fand  ihre  Homere.  Georg  EUinger  hat  zuerst  zusammenfassend 
auf  den  Einfluss  hingewiesen,  den  Johannes  Secundus  in  dieser  Periode  für  eine 
längere  Zeit  auf  Goethe  ausgeübt  hat  (vgl.  JBL.  1892  IV  9c:  14).  Zur  Stütze  dieses 
Nachweises  macht  Blume ^^J  auf  eine  in  der  zweiten  Abteilung  des  Taschenbuches 
für  Dichter  und  Dichterfreunde  für  das  J.  1780  unter  der  Chiffre  v.  K  .erschienene 
Umdichtung  einer  Elegie  des  Neulateiners  aufmerksam.  War  dieser  der  Bearbeiter, 
dann  zeigt  sich,  meint  B.,  wie  bekannt  Job.  Secundus  in  Weimar  war.  Indem  er 
dann  das  Verhältnis  der  Umdichtung  zum  Original  betrachtet,  kommt  er  zu  dem  Schluss, 
dass  das  Gedicht  in  mehrfacher  Beziehung  als  eine  Art  Vorläufer  von  Goethes 
Römischen  Elegien  anzusehen  ist.  — 

Ueber  eine  Stelle  im  „Fischer",  die  W^orte  :  „W^as  lockst  du  meine  Brut . .  . 
Hinauf  in  Todesglut"  lassen  sich  zwei  Stimmen  vernehmen.  Nach'  der  Ansicht 
Kohlschmidts  12J  erklärt  sich  der  Ausdruck  „Todesglut"  daraus,  dass  auf  die  im 
kühlen  Bereich  des  Wassers  lebenden  Fische,  wenn  sie  an  das  Ufer  gebracht  werden, 
die  warme  atmosphärische  Luft  gewissermassen  versengend  wirkt.  Ihr  Verschmachten 
auf  dem  trockenen  Lande  könne  danach  dichterisch  sehr  wohl  als  ein  Verbrennen 
aufgefasst  werden.  —  Für  diese  Meinung  liest  ihm  Lyon^^)  ein  wenig  den  Text. 
Er  ist  der  Ansicht,  dass  die  Aeusserung,  die  Goethe  zu  Frau  von  Stael  über  die  Stelle 
that,  für  die  Erklärung  allein  massgebend  sei.  Danach  ist  mit  „Todesglut  auf  die 
Tod  bringende  Glut  des  Küchenofens,  auf  dem  die  Fische  zubereitet  werden,  an- 
gespielt". Mir  ist  es  unbegreiflich,  wie  man  eine  derartige  Aeusserung  des  Dichters 
für  Ernst  nehmen  kann,  aber  auch  Kohlschmidts  Auffassung  scheint  mir  nicht  un- 
anzweifelbar. Könnte  Goethe  nicht  „Todesglut"  gesagt  haben,  ohne  an  Atmosphäre 
oder  Temperatur  zu  denken?  Giebt  man  als  möglich  zu,  dass  er  das  Sterben  unter 
der  dichterischen  Vorstellung  des  Verglühens  ansah,  so  kann  man  seiner  sprachlichen 
Kühnheit  zutrauen,  den  Tod  als  Todesglut  zu  bezeichnen,  i^»)  — 


Joh.  Secundus  in  Weimar:  ChWGV.  8.  30.  —  12)  W.  Kohlsohmidt,  Zu  Goethes  Fischer:  ZDU.  7,  S.  502.  —  13)  0.  Lyon, 
Zu  Goethes  Fischer:  ib.  S.  571/2.  —  13a)  X  L-  Hö Isoher,   E.  Grosse,  Z.  Erklärung  v.  Goethes  Gedicht  „D.  Göttliche"  (vgl. 


0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  8c  :  u-ica 

Zwischen  den  „Grenzen  der  Menschheit"  und  Ovids  Metamorphosen 
schläg-t  der  kühne  Konstrukteur  S  p  r  e  n  g-  e  r  ^4)  eine  Brücke.  Erblickte  kürzlich 
ein  anderer  Forscher  (vgi.  JBL.  1891  IV  9c:  28)  in  den  Worten  der  zweiten 
Strophe  „Hebt  er  sich  aufwärts  und  berührt  mit  dem  Scheitel  die  Sterne  usw."  einen 
Reflex  der  ersten  Versuche  auf  dem  Gebiete  der  Luftschifffahrt,  so  vernimmt  Sp.  darin 
Ankläng-e  an  den  Ikarusmythus  und  denkt  an  Einwirkung-  von  Ovids  Darstellung 
(lib.  VIII,  V.  189  ff.)  auf  sie.  Auf  das  Bild  von  den  „unsicheren  Sohlen"  aber  soll 
Goethe,  wenn  ich  ihn  recht  verstanden  habe,  durch  die  geflügelten  Sandalen  g-eführt 
worden  sein,  mit  denen  Hermes  bei  Homer  die  Luft  durchschreitet!  — 

Besonderer  Aufmerksamkeit  von  selten  der  Forschung-  erfreut  sich  seit 
läng-erer  Zeit  das  Gedicht  „Ilmenau"  (vgl.  JBL.  1892  IV  8c  :  22).  Ausser  K.  Lorenz  '^) 
in  der  schon  angeführten  Arbeit  beschäftig-ten  sich  noch  zwei  andere  mit  ihm.  — 
Der  eine,  ein  Anonymus^^'),  nimmt  in  V.  114/5:  „Und  wenn  ich  unklug  Mut  und 
Freiheit  sang  Und  Redlichkeit  und  Freiheit  sonder  Zwang"  an  dem  zweiten  „Freiheit" 
Anstoss.  Schon  andere  vor  ihm  wollten  es  nicht  gelten  lassen  und  schlugen  dafür 
Worte  wie  „Treue"  und  „Freimut"  vor.  Düntzer  hielt  es  ledigiich  für  ein  Versehen 
des  Abschreibers.  Die  Orighialhs.  Goethes  von  dem  Gedicht,  die  wir  seit  einig-er  Zeit 
kennen  (GJb.  7,  S.  267  ff.),  lehrt  aber,  dass  der  Dichter  selbst  so  schrieb. 
So  muss  es,  wie  der  Anonymus  meint,  ein  Schreibfehler  sein.  Schon  die 
Tautologie  in  der  V/endung  „Freiheit  ohne  Zwang"  nötige  zu  dieser  Annahme.  In 
Wahrheit  habe  er  „Frohheit  ohne  Zwang"  sagen  wollen.  Mir  will  der  Vorschlag- 
nicht  glücklich  erscheinen.  Abgesehen  von  anderen  Einwänden,  die  sich  machen 
Hessen,  will  ich  nur  bemerken,  dass  sachlich  der  damit  ausgedrückte  Gedanke  wenig 
in  den  Zusammenhang*  passt.  Es  handelt  sich  an  dieser  Stelle  um  eine  kurze 
Charakteristik  der  für  den  Dichter  jetzt  überwundenen  Poesie  der  Sturm-  und  Drang- 
zeit.  Für  sie  kann  aber  „ungezwung-ene  Fröhlichkeit"  als  ein  irgend  treffendes 
Kennzeichen  gewiss  nicht  gelten.  Ich  g-laube,  die  als  Angriffspunkt  benutzte  Tautologie 
ist  eine  durchaus  bewusste  und  dient  zur  Verschärfung  des  Geg-ensatzes  zu  der  vor- 
herg'ehenden  in  „Mut  und  Freiheit"  enthaltenen  Charakteristik.  Mit  dieser  ist  auf  den 
Götz,  mit  der  ,, Freiheit  ohne  Zwang-"  auf  die  Stella  ang-espielt.  —  Der  andere, 
Fi  eli  tz '^),  erörtert  in  einem  frisch  g-eschriebenen  Programm  die  Frag-e,  welche  Per- 
sönlichkeiten der  Dichter  bei  den  V.  59  ff.  im  Auge  gehabt  habe.  Dass  V.  59—68 
Knebel  gemeint  sei,  wie  Goethe  geg-en  Eck  ermann  45  J.  nach  der  Abfassung  des  Ge- 
dichtes äusserte,  hält  er  für  unmöglich,  weil  die  in  den  Versen  g-egebene  Charakteristik 
bis  auf  den  äusserlichen  Zug-  des  starken  Rauchens  ganz  und  gar  nicht  auf  diesen 
Mann  passe.  Goethes  Irrtum,  den  anzunehmen  F.  sich  nicht  leicht  entschliesst, 
macht  er  psychologisch  verständlich  durch  den  Hinweis  auf  die  Veränderung,  die 
sich  in  der  Zwischenzeit  in  Knebels  Wesen  vollzog.  Indem  der  „behaglich  gewordene 
Mann  das  Bild  des  früheren  nervösen  Hypochonders  unmerklich  verdrängt,  konnte 
er  wohl  für  das  altgewordene  Original  jenes  gutmütigen  Spassmachers,  wie  ihn  das 
Gedicht  schildert,  gelten,  eine  Verschiebung  der  Bilder,  zu  der  die  Tabakspfeife,  die 
auch  der  greise  Knebel  nicht  leicht  ausgehen  Hess,  der  unwillkürliche  Anlass  ge- 
wesen sein  mag".  Wie  sich  aber  Goethes  Aeusserung,  dass  in  diesen  Versen  Knebel 
dargestellt  sei,  als  unrichtig  erweist,  so  auch  die,  dass  in  den  folgenden  V.  69—76 
Seckendorf  geschildert  ist.  Denn  auch  hier  stimmen,  wie  F.  zeigt,  die  der  Persön- 
lichkeit beigelegten  Eigenschaften  zu  denen  dieses  Mannes,  so  weit  wir  ihn  kennen, 
nicht.  Dagegen  passen  sie  vortrefflich  auf  —  Knebel.  Dass  dieser  an  zweiter  Stelle 
porträtiert  ist,  hatte  schon  Blume  behauptet  (vgl.  JBL.  1890  IV  11c:  21),  was  F. 
erst  während  der  Arbeit  am  Programnr  bekannt  wurde.  Doch  begründet  F.  die  Ansicht 
besser  als  jener.  Er  weist  nach,  dass  das  vom  Dichter  entworfene  Porträt  Zug 
für  Zug  der  Physiognomie  dieses  Mannes  entspreche.  Auch  die  Stelle,  wonach  der 
Geschilderte  es  liebte  „vom  Tanz  der  himmlischen  Sphären  ein  monotones  Lied  mit 
grosser  Inbrunst  zu  singen",  bringt  F.  zu  Knebel  in  weit  überzeug-enderer  Weise  in 
Beziehung,  als  es  Blume  gelungen  war.  Dessen  Ansicht,  dass  Knebel  schon  1783 
monotone,  den  Kosmos  feiernde  Hexameter  gedichtet  habe,  bestreitet  er.  —  Dem  gegen- 
über verteidigt  Blume '^'')  seine  Ansicht.  Die  Frage,  wer,  wenn  Knebel  nicht  in 
den  Versen  59—68,  sondern  69—76  porträtiert  ist,  an  jener  Stelle  gemeint  sei,  ist  nach 
F.  nicht  einfach  unter  der  Annahme  einer  bei  Goethe  oder  Eckermann  vorliegenden 
Verwechslung  dahin  zu  beantworten,  dass  dort  Seckendorf  dargestellt  ist.  Jene 
Charakteristik  passe  auf  ihn  so  wenig  wie  die  in  V.  69 — 76  gegebene.  F.  ist  nicht  ab- 
geneigt anzunehmen,  dass  Goethe  bei  den  Versen  Wedel  im  Auge  gehabt  habe.  Er 
führt  für  diese  Ansicht  eine  ganze  Reihe  wieder  aus  gründlichster  Sachkenntnis  ge- 


JBL.  1892  IV  8c:  23):  ASNS.  90,  S.  344/5.    —   14)    B.  Sprenger,   Zu  Goethes  Grenzen  d.  Menschheit:   ZDU.  7,  S.  833,4.  — 
15)  (S.  0.  N.  8.)  -  15a)  E.  Schreibfehler  Goethes?:   AZg".  N.  8.    —   16)  W.  Fielitz,    E.  Untersuchung   zu  Goethes  Gedicht 
Ilmenau.     Progr.  d.  evang.  Fürstenschule.     Pless.     4».     13  S.     |[L.  Hölscher:    ASNS.  91,  S.  470.]|    —    16a)  (S.  o.  N.  11.)  — 
Jahresberichte  f&r  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.    lY.  4(25) 


IV  8c  :  i7-i8a  0.  Pülower,  Goethes  Lyrik. 

sohöpfter  Gründe  vor,  doch  sie  bis  zur  Evidenz  zu  beweisen,  erklärt  er  sich  bis  jetzt 
ausser  stände.  -- 

Für  die  Morg-enklag-en  weist  Bronn  er'"')  in  seinem  sog-leich  näher  zu  be- 
sprechenden Aufsatz  (S.  309)  auf  die  Verwandtschaft  hin,  die  das  Gedicht  in  ein- 
zelnen Züg-en  mit  Ovids  Amor.  I,  6,  besonders  V.  49  ff.,  zeigt.  Die  Uebereinstimmung* 
ist  derart,  dass  die  Annahme  einer  unmittelbaren  Einwirkung-  der  antiken  Verse  auf 
die  Goetheschen  wohl  erforderlich  scheint.  — 

Im  ganzen  ist  diese  umfangreiche  Untersuchung  über  die  Römischen 
Elegien^^)  von  Bronner i***)  so  beschaffen,  dass  sie  hier  weder  erschöpfend 
charakterisiert  noch  ihr  wissenschaftlicher  Ertrag  genau  angegeben  werden  kann. 
B.  wandelt  mit  seinem  Versuch,  die  Quellen  aufzugi'aben,  in  den  Spuren  Hellers,  so 
oft  er  ihn  auch  bekämpft.  Dieser  ging  bekanntlich  darauf  aus,  die  Goethesche 
Sammlung  als  eine  Art  Falsifikat  zu  erweisen,  ihr  gleichsam  die  Echtheit  abzusprechen. 
Nach  ihm  sollte  Goethe  von  ihm  in  Rom  zur  Kunstübung  bearbeitete  und  übersetzte 
Stellen  des  Properz,  Tibull  und  Ovid  nachher  zu  den  Elegien  zusammengesetzt  haben. 
So  weit  geht  B.  allerdings  nicht,  der  bei  aller  Abhängigkeit,  die  er  den  Elegien  von 
antiken  Mustern  zuschreibt,  sie  durchaus  für  originale  Schöpfungen  hält.  Und  doch 
hat  man  bei  der  Lektüre  seines  Aufsatzes  fortwährend  den  Eindruck,  dass  er  sich 
die  Entstehung  der  Gedichte  ziemlich  in  der  Hellerschen  Weise  denkt.  Es  ist  das 
zum  Teil  stilistisches  Ungeschick,  die  Folge  einer  saloppen,  nicht  genügend  sorg- 
fältigen und  bedachtsamen  Ausdrucksweise.  So  unterscheidet  er  in  seiner  Darstellung 
nicht  einmal  zwischen  Anspielung  und  Entlehnung.  Liegt  bei  Goethe  ein  bewusstes 
Citat  vor,  so  schaltet  er  damit  nicht  anders  als  wenn  es  dieselbe  Art  Entlehnung 
wäre,  mit  der  er  es  hauptsächlich  zu  thun  hat:  die  unbewusste  Reminiscenz.  Dieses 
Moment  des  Unbewussten  im  dichterischen  Prozess  aber  —  und  das  scheint  mir  der 
Kardinalfehler  seiner  Darstellung  —  lässt  er  nicht  scharf  genug  hervortreten.  So 
gut  wie  gar  nicht  berücksichtigt  er  bei  der  Zerlegung  der  Gedichte  in  ihre  einzelnen 
Motive,  für  die  er  die  antiken  Vorbilder  anführt,  ob  und  wie  viel  als  unbewusste 
Kombination  von  Reminisoenzen  anzusehen  ist,  als  eine  Kombination,  die  schon  vor  der 
Abfassung  des  jeweiligen  Gedichtes  in  der  Phantasie  des  Dichters  vollzogen  war. 
Indem  er  das  unterlässt,  führt  seine  Behandlung'  zu  einer  grenzenlosen  Atomisierung 
der  Gedichte  und  erweckt  den  Schein,  als  habe  Goethe  die  Motive  mühsam  zu- 
sammengesucht und  seine  herrlichen  Schöpfungen  ängstlich  aus  Einzelheiten  zu- 
sammengestoppelt. Und  wenn  er  gelegentlich,  wie  S.  52-7,  in  Bezug  auf  die  fünfte 
Elegie,  ebenso  auf  die  vierte  geradezu  annimmt,  es  sei  ein  Einfall  erst  später  zur 
Abrundung  vorn  angefügt  worden,  so  muss  dieser  Eindruck  noch  verstärkt  werden, 
auch  wenn  wir  zu  B.  das  Vertrauen  haben,  dass  er  sich  die  Gedichte  im  ganzen 
keineswegs  in  dieser  handwerksmässigen  Weise  entstanden  denkt.  Und  noch  ein 
Moment  kam  diesem  Eindruck  zu  Hülfe.  Es  ist  bekannt,  dass  zwischen  der 
Sammlung  der  Römischen  Elegien  und  der  der  Venetianischen  Epigramme  ein  engeres 
Verhältnis  besteht.  Der  Zusammenhang  ist  wohl  ein' mehrfacher.  Sicher  besteht  der 
zwischen  ihnen,  ,dass  bei  der  Schlussredaktion  unter  die  Epigramme  Gedichte  ge- 
rieten, die  ursprünglich  für  die  Elegien  bestimmt  waren.  B.  aber  fasst,  veranlasst 
durch  eine  gezwungene  Interpretation  der  Aeusserung  Goethes  über  die  Elegien  in 
den  Annalen  zum  J.  1790  die  Beziehungen  der  beiden  Sammlungen  noch  in  einem 
besonderen  Sinn  eng  auf.  Indem  er  den  Ausdruck  „ausarbeiten",  den  Goethe  von 
seiner  Beschäftigung  mit  den  Römischen  Elegien  gebraucht,  geradezu  presst,  schliesst 
er  daraus,  dass  manche  der  Elegien  vom  Dichter  nachträglich  aus  kurzen  Epigrammen 
zu  ihrer  jetzigen  Gestalt  aufgeschwellt  seien:  So  soll  beispielsweise  die  letzte 
Elegie,  die  zwanzigste,  aus  einem  Epigramm  erwachsen  sein  (S.  370/1,  442/3),  ähnlich 
die  vierte  (ib.).  In  die  achtzehnte  soll  ein  altes  Eroticon  „hineingearbeitet"  sein  (S.  .540). 
Ob  er  das  aber  wirklich  bewiesen  hat?  Im  vorletzten  Fall  wirft  er  nicht  einmal  die 
Frage  auf,  ob  denn  das  Epigramm,  von  dem  die  Elegie  die  Erweiterung  sein  soll, 
unbedingt  älter  ist,  überlegt  nicht,  ob  das  Motiv,  in  dem  die  beiden  übereinstimmen, 
nicht  von  der  Art  ist,  dass  seine  Wiederholung  innerhalb  der  erotischen  Poesie 
gar  nicht  auffallen  kann  und  deshalb  aus  ihr  solche  Schlüsse  gar  nicht  gezogen 
werden  dürfen.  Auch  sonst  vermisse  ich  bei  B.  eigentliches  Urteil.  Er  ist  viel 
zu  rasch  geneigt,  bei  einer  Uebereinstimmung  im  Ausdrucke  zwischen  Goethe  und  einem 
antiken  Dichter  auf  unmittelbare  Beziehungen  zu  schliessen.  Wie  viel  Aehnlichkeit 
und  Gleichheit  der  Motive  sich  aus  dem  gleichen  Charakter  der  Poesie,  dem  gleichen 
Kostüm,  dem  gleichen  oder  verwandten  Thema  (Liebesglück,  Furcht  vor  Verrat  der 
geheimen  Liebe,  ungeduldiges  Erwarten  der  Geliebten)  ergeben,  erwägt  er  nicht. 
Auch  wie  viel  Goethe,  als  er  sich  der  Antike  ausschliesslich  hinzugeben  begann,  an 


17)(IV8a:166.j  — 18)  L.  di  S.  Qlusto,  Wolfango  Goethe.    Elegie  Roraiine.    Traduz.    Turin-Rom,  L.  Roux  e  C.    51  S.   L.  1,00. 
—  18a)  (8.  0.  N.  17.)   -  19)  Ph.  Birt,  Wer  kauft  Liebesgötter?:    DRs.  74,    S.  370-91.  —  20)  (IV  6 :  41;  8a:  34a;  9:56.)  — 


O.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  8c  :  19-20 

Vorbildung"  in  der  Kenntnis  des  antiken  Wesens,  der  Litteratur,  Mythologie  usw. 
mitbrachte,  was  ihm  in  ung-efähr  vierzig-  Jahren  durch  Erziehung,  Lektüre,  Studium 
zugeflossen  war  oder  sein  konnte,  bringt  er  nicht  genügend  in  Anschlag.  Um  so  zu- 
versichtlicher ist  der  nicht  selten  hochmütige  Ton,  mit  dem  er  einen  unmittelbaren 
Zusammenhang  feststellt.  Bei  all  diesen  Mängeln  aber  bin  ich  weit  entfernt,  der  sehr 
fleissigen,  auf  umfassende  Lektüre  und  Belesenheit  gegründeten  Untersuchung  ihren 
Wert  abzusprechen.  Vermag  ich  auch  dem  Vf.  in  der  Grundauffassung,  die  er  von 
der  Entstehung  der  Römischen  Elegien  hegt,  nicht  beizustimmen,  kann  ich  vielfach 
seinen  Schlüssen  rieht  folgen,  so  habe  ich  doch  aus  seiner  Untersuchung  gelernt,  wie 
durch  und  durch  antik  die  Gedichte  sind,  mit  welcher  Intensität  Goethe  in  das  antike 
Wesen  eingedrungen  ist  und  es  in  diesen  Versen  verkörpert  hat.  Kein  Wunder,  dass 
das  persönliche  Element  in  ihnen  nicht  nur  geringer  ist  als  es  sonst  bei  Goethe  zu 
sein  pflegt,  sondern  auch  viel  geringer  als  gemeinhin  angenommen  wird.  Im  einzelnen 
weist  B.  dann  z.  B.  zuerst  auf  den  starken  Einfluss  hin,  den  die  Herderschen  Ueber- 
setzungen  der  griechischen  Anthologie  auf  die  Elegien  gehabt  haben.  Auch  Wielands 
Uebersetzung  der  Horazischen  Satiren  schreibt  er  eine  Einwirkung  zu.  Sehr  be- 
stimmt leugnet  er  dagegen  den  immer  wieder  behaupteten  Einfluss  der  Gedichte 
Tibulls  auf  sie  oder  auf  Goethe  im  allgemeinen.  Auf  welche  Quellen  überhaupt  nach  B.s 
Ansicht  die  Enstehung  der  Römischen  Elegien  zurückzuführen  ist,  ist  auf  S.  265  zu- 
sammengestellt. Das  Verzeichnis  weist  17  Nummern  auf.  Neben  antiken  Dichtern 
nennt  es  das  Hohe  Lied,  Heinses  Ardinghello  (dem  schon  0.  F.  Gruppe  Einwirkung 
auf  die  Elegien  zuschrieb),  J.  Chr.  Günther  usw.  Von  S.  305  an  führt  B.  aus,  was 
diese  Quellen  den  Gedichten  boten  erstens  in  Bezug  auf  Situationen,  dann  in  Bezug 
auf  Motive ;  zuletzt  zeigt  er,  wie  die  Motive  von  Goethe  durch  Verquickung  mit  anderen 
aufgeschwellt  oder  vereinfacht,  endlich  verändert,  mit  Eigenem  durchsetzt,  modernisiert 
wurden.  Auch  hier  in  der  Disposition  des  Stoffes  finde  ich  B.  nicht  glücklich.  Die 
Anlage  seiner  Untersuchung  hat  viele  Wiederholungen  zur  Folge  und  bewirkt,  dass 
die  Lektüre  des  Ganzen  nicht  gerade  erfreulich  ist.  — 

Wie  in  den  Römischen  Elegien  lebt  auch  in  dem  Liede  „Wer  kauft  Liebes- 
götter" der  Geist  der  Antike.  Wenigstens  ruht  es  im  Kern  auf  einer  im  17.  und 
18.  Jh.  und  im  allgemeinen  wohl  bis  heute  für  antik  gehaltenen  Vorstellung.  Jetzt 
erfahren  wir  in  einem  lehrreichen  und  interessanten  Essay  von  Birt^^),  der  den 
Ursprung  und  die  eigentliche  Bedeutung  der  Putten  und  Amoretten  auf  den  antiken 
Bildwerken  behandelt,  dass  die  Auffassung  Goethes  und  anderer  eine  missverständ- 
liche und  keine  ursprünglich  antike  ist.  Die  ein  verwandtes  Motiv  wie  unser  Lied 
darstellenden  pompejanischen  Wandgemälde,  deren  Zusammenhang  mit  dem  Goethe- 
schen  Gedicht  Düntzer  zuerst  bemerkt  hat,  zeigen  nicht  mehr  als  idealisierte  Scenen 
aus  dem  antiken  Kinderhandel.  Wenn  dagegen  in  Goethes  tändelndem  Liede  Geliebte 
feil  geboten  werden,  von  denen  man  allerlei  Freuden  erwartet,  so  ist  diese  Auffassung 
zwar  aus  der  antiken  Kunst  abstrahiert,  aber  erst  mit  Hilfe  einer  in  die  Kunstwerke 
hineingetragenen  Symbolisierung,  die  ihren  Schöpfern  fern  lag.  — 

Die  Römischen  Elegien  und  das  eben  besprochene  Gedicht  bezeichnen  noch 
nicht  den  Höhepunkt  der  antikisierenden  Lj^^ik  Goethes.  Ihn  erreicht  sie  erst  in  der 
Mitte  der  neunziger  Jahre,  in  der  Zeit  seiner  Mitarbeiterschaft  an  den  „Hören" 
Schillers.  Goethes  Anteil  an  dem  Unternehmen  seines  Freundes  und  das  Gefühl  der 
Gemeinsamkeit  der  Interessen,  das  er  sehr  bald  empfand,  nachdem  er  Schiller  näher 
getreten  war,  führten  dann  zu  dem  gemeinsamen  Werke  beider,  zu  den  Xenien, 
bei  denen  wiederum  ein  antiker  Dichter,  Martial,  Pate  stand.  Zu  der  Erkenntnis 
dieses  Manifestes,  seiner  Entstehung  wie  seiner  Beschaffenheit,  wird  uns  in  einer  neuen 
von  Erich  Schmidt  und  Suphan^O)  veranstalteten  Ausgabe  der  Xenien  ein  un- 
erwarteter, reicher  Beitrag  gespendet.  Man  wusste  schon  aus  dem  Goethe-Schillerschen 
Briefwechsel,  dass  die  Xenien,  die  der  Musenalmanach  für  das  J.  1797  brachte,  nicht 
in  der  Gestalt  erschienen,  die  ursprünglich  für  sie  beabsichtigt  war.  Was  in  einer 
über  mehrere  Monate  sich  erstreckenden,  gemeinsamen  Arbeit  auf  Grund  eines  all- 
mählich sich  ergebenden  Planes  entstanden  war,  erschien  Schiller,  als  er  im  Juli  1796  an 
die  Redaktion  der  Distichen  ging,  in  dieser  Form  nicht  mitteilbar  und  zu  Goethes  nicht 
geringem  Schmerz  verwarf  er  den  geplanten  Aufbau.  Seinem  uubarmherzig-en  Streichen 
und  Umstellen  drohte  die  erstrebte  Harmonie  völlig  zum  Opfer  zu  fallen;  was  als  ein 
schönes  Ganzes  gedacht  war,  schien  zerstückelt  und  vereinzelt  werden  zu  sollen. 
Glücklicher  Weise  kam  es  nicht  zu  dem  radikalen  Vernichtungswerk,  zu  dem  Schiller 
anfangs  entschlossen  war.  Noch  im  letzten  Augenblicke  fand  er  den  Ausweg,  was 
als  ein  ungeteiltes  Ganzes  gedacht  war,  dem  Publikum  wenigstens  gruppenweise,  in 
mehr  oder  minder  grossen  Massen  vorzulegen.  Die  aggressiven  Xenien,  um  deren 
willen  das  Werk  unternommen  wurde,  bildeten  die  für  sich  bestehende  Hauptmasse. 
Das  vorhandene  Material  schonte  Schiller  jetzt  mehr  als  er  anfangs  gewillt  war,  doch 
Hess    er   immerhin    einen  recht  beträchtlichen  Teil  fallen;  auf  der  anderen  Seite  be- 

(4)25* 


IV  8c  :  20  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

reicherte  er  freilich  die  vorhandene  Menge  und  nicht  um  die  schlechtesten  Nummern. 
Auch  die  Tendenz,  die  dem  g-eraeinsamen  Unternehmen  zu  Grunde  lag",  brachte  die 
neue  Redaktion  genüg-end  zur  Geltung.  Eher  Hess  sie  sie  stärker  hervortreten,  als 
es  bei  der  unveränderten  Publikation  des  alten  Werkes  geschehen  wäre.  Aus  diesem 
alten  Werke  ward  eine  nicht  geringe  Anzahl  derjenigen  Distichen,  die  Schiller  bei 
seiner  Redaktionsthätigkeit  unterdrückt  hatte,  schon  im  J.  1856  durch  Boas-Maltzahn 
(Schillers  und  Goethes  Xenien-Ms.)  veröffentlicht.  Sie  waren  auf  einigen  Blättern 
überliefert,  die  sich  von  der  zwischen  Weimar  und  Jena  wandernden  FTs.  erhalten 
hatten,  in  die  beide  Dichter  abwechselnd  die  jeweiligen  Erträge  an  Distichen  eigen- 
händig eintrugen.  Von  diesem  Originalms.  Hess  Goethe  um  den  Anfang  Juli  1796 
von  seinem  Schreiber  Geist  eine  Abschrift  anfertigen,  und  diese  ist  es,  die  jetzt  ans 
Tageslicht  getreten  ist.  In  den  Besitz  des  Goethe  und  Schiller-Archivs  gelangt,  gab 
sie  den  Anlass  zur  vorliegenden  Publikation  und  sie  bildet  ihren  Kern.  Nach  den 
Begriffen  derjenigen,  denen  die  wissenschaftliche  Erforschung  unserer  klassischen 
Litteratur  am  Herzen  liegt,  ist  damit  ein  herrlicher  Fund  gemacht.  Seine  Bedeutung 
Hegt  nicht  bloss  darin,  dass  wir  das  gemeinsame  Werk  der  Dioskuren  in  einem  älteren 
Stadium  kennen  lernen,  dass  wir  dessen  Plan  sich  bilden  sehen,  das  allmähliche 
Werden  des  Unternehmens  überschauen,  auch  nicht  allein  darin,  dass  uns  nicht 
weniger  als  178  bisher  unbekannte  Xenien  Goethes  und  Schillers  dargeboten  werden, 
sondern  auch  die  Lösung  des  Problems,  das  die  Xenien  der  Forschung  stellen,  wird 
durch  ihn  erheblich  gefördert.  Für  die  Frage  nach  der  Verfasserschaft  ist  die  durch 
die  Hs.  überlieferte,  nach  der  Entstehung  geordnete  Gruppierung  nicht  selten  von 
Wichtigkeit,  mindestens  giebt  sie  einen  Wink.  Auch  die  durchaus  noch  nicht  völlig 
erreichte  sachliche  Erklärung  der  Distichen  ist  sie  zu  unterstützen  geeignet.  Denn 
die  besondere  Natur  dieses  Werkes  bringt  es  mit  sich,  dass  viele  von  ihnen,  reich  an 
dunklen,  oft  absichtlich  versteckten  Anspielungen,  ihr  Licht  von  der  Nachbarschaft 
empfangen.  Wie  leicht  mochte  das  eine  Xenion  ein  verwandtes  hervorgelockt  haben, 
das  dieselbe  Erscheinung  zur  Zielscheibe  nahm!  In  dieser  Weise  reicht  uns 
das  neu  aufgetauchte  Ms.  Stützen  dar,  deren  uns  Schiller  durch  die  Zerstörung 
der  ursprünglichen  Ordnung  vielfach  beraubt  hatte.  Dazu  kommt,  dass  in  dem 
früheren  Stadium  die  Ueberschriften  der  Xenien  meistens  weniger  verhüllt 
wurden  als  später,  so  dass  wir  in  einigen  zweifelhaften  Fällen  jetzt  aus  ihnen 
erfahren,  wer  den  Gegenstand  ihres  Spottes  bildete.  EndHch  übersehen  wir, 
indem  das  Ms.  das  Korpus  der  bis  Ende  Juni  1796  vorhandenen  Distichen  überliefert, 
jetzt  erst  in  Wahrheit  Schillers  redaktionelle  Thätigkeit,  die  sich  von  ihrer  glänzendsten 
Seite  zeigt.  Auch  auf  die  Frage  nach  seinem  Anteil  als  Autor  erhalten  wir  dadurch 
reichere  Antwort  als  die  Forschung  bisher  zu  geben  vermochte.  Wir  sehen,  wie 
seinem  satirischen  Genie  noch  vor  Thoresschluss  die  schlagendsten  und  witzigsten  der 
Xenien  wie  die  Episode  mit  den  Homerischen  Rhapsoden,  der  sich  anschliessende 
Dialog  mit  den  Philosophen  u.  a.  zuströmen.  Für  diese  Frage  nach  der  Verfasserschaft 
bietet  der  Band  übrigens  noch  mehr  Neues.  Ausser  der  erwähnten  Abschrift  Geists 
fand  sich  ein  Konvolut  Goethescher  Konzepte  und  Geistscher  Munda  (in  dem  Bande 
mit  H"  signiert),  die  Goethes  festes  Eigentum  vermehren.  Diesen  schönen  Gewinn  an 
poetischem  und  wissenschaftlichem  Material  legen  uns  die  Herausgeber  in  der  Weise  vor, 
dass  zuvörderst  das  wichtigste :  das  Geistsche  Mundum  vom  Juli  1796  abgedruckt  wird. 
Um  aber  die  ganze  Summe  der  von  den  Dichtern  in  dieser  Zeit  verfassten  Distichen  zu 
geben,  lassen  sie  dann  zunächst  unter  dem  Titel  „Skizzenblätter  und  Vereinzeltes"  die  in 
H»  überlieferten,  also  von  Goethe  verfassten,  folgen.  Daran  schliessen  sich  in  einem 
„Anhang"  die  von  Boas-Maltzahn  zuerst  veröffentlichten,  soweit  sie  nicht  im  Geistschen 
Mundum  vom  Juli  enthalten  sind,  denen  diejenigen  „Xenien"  und  „Distichen  aus  dem 
Almanach"  folgen,  die  weder  im  grossen  Korpus  stehen  noch  von  Boas-Maltzahn 
publiziert  sind.  Es  sind  also  diejenigen,  die  Schiller  während  der  Redaktionsthätigkeit 
(oder  kurz  vorher)  verfasste.  Das  ist  eine  Gruppierung,  die  von  der  hergebrachten, 
durch  Schiller  bestimmten  Anordnung  natürlich  total  abweicht.  Im  ersten  Augenblick 
findet  man  sich  auch  nicht  zurecht.  Doch  da  der  Lesartenapparat  und  ein  Register 
sorgfältig  angeben,  an  welcher  Stelle  im  Almanach  oder  bei  Boas  die  bisher  bekannten 
Distichen  stehen,  so  ist  es,  wenn  man  sich  mit  dem  Bande  vertraut  gemacht  hat,  ein 
leichtes,  den  überreichen  Stoff  zu  übersehen.  Der  Ausgabe  geht  eine  Einleitung  voraus, 
die  eine  gedrängte  Entstehungsgeschichte  des  Distichenwerkes  giebt.  Hier  wird  auch 
(S.  24/5)  eine  Charakteristik  des  dem  ursprünglichen  Korpus  zu  Grunde  liegenden 
Planes  begonnen,  zu  dem  der  Kommentar  die  Belege  und  zugleich  die  Fortsetzung 
liefert.  Dieser  Kommentar  dient  der  Sacherklärung  und  berührt  natürlich  auch  die 
Autorschaftsfrage.  Er  benutzt  die  dahin  einschlagenden  Arbeiten  von  Jenisch  bis 
Jonas  und  setzt  sie  vielfach  voraus,  bringt  aber  eine  Fülle  neuer  Aufschlüsse,  die 
von  der  grossen  Belesenheit  der  Herausgeber  und  ihrer  liebevollen,  keine  Mühe  des 
Nachsuchens  scheuenden  Versenkung  in  die  Aufgabe  ein  rühmliches  Zeugnis  ablegen. 


0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  8c  :  21-26 

—  Eine  häufig  benutzte  Zielschiebe  für  die  Xenien  war  der  Breslauer  Rektor  Manso. 
Ihm  galt  eine  ganze  Reihe  von  Distichen.  Das  neu  aufgefundene  Ms.  bietet  mindestens 
vier  gegen  ihn  gerichtete  (worunter  ein  sehr  cynisches),  die  später  unterdrückt 
wurden.  Mit  diesem  Manne  und  seinem  Verhältnis  zu  Goethe  und  Schiller  beschäftigt 
sich  Tröger  21)  in  einer  Gelegenheitsschrift.  In  dem  ersten  Abschnitt  „Herausforderung 
zum  Xenienkampf"  charakterisiert  er  unparteiisch  Mansos  Horenrecension,  die  Schillers 
ästhetisch-philosophischen  Schriften  so  wenig  gerecht  wird.  Im  zweiten,  „Xenienangriff", 
werden  die  auf  Manso  gemünzten  Distichen  im  einzelnen  erörtert.  Im  dritten,  „Mansos 
Gegenwehr",  charakterisiert  T.  hübsch  die  Gegenxenien,  von  denen  er  eine  reiche 
Auswahl  unter  den  sieben  Dutzend  citiert.  Im  letzten  Abschnitt  „Nachklänge  und 
Friede"  bespricht  er  die  Nachwirkung  der  „Gegengeschenke  an  die  Sudelköche"  auf 
beiden  Seiten.  — 

Der  Sturm,  den  die  Xenien  in  Deutschland  erregten,  dauerte  noch  fort,  als 
Goethe  unbekümmert  um  das  Tagesgeschi'ei  wieder  über  einer  stillen  dichterischen 
Arbeit  sann.  Die  beste  Antwort  auf  das  hässliche  Echo,  das  seinem  und  Schillers 
keckem  Unternehmen  von  allen  Seiten  entgegenscholl,  war  das  in  dem  Xenienjahre 
begonnene  und  im  Anfang  des  folgenden  abgeschlossene  bürgerliche  Epos:  Hermann 
und  Dorothea.  Die  Elegie,  mit  der  Goethe  dieses  Gedicht  den  Lesern  empfahl, 
hatte  wie  teilweise  die  Xenien  seinen  Ursprung  in  der  Verständnislosigkeit,  die  das 
grosse  Publikum  gegenüber  seiner  antikisierenden  Lyrik,  den  Elegien  und  den  Vene- 
tianischen  Epigrammen,  bewies.  Indem  Goethe  in  dieser  Elegie  eine  poetische  Recht- 
fertigung dieser  seiner  Dichtungen  giebt,  zeigt  sie  sich  durch  dieselben  Angriffe 
hervorgerufen,  die  die  Xenien  veranlassten.  Zugleich  ist  sie  wie  das  Epos  eine 
Antwort  auf  die  neuen  durch  die  Distichen  heraufbeschworenen  Streitschriften,  nur 
keine  so  diskrete.  Eine  schöne  Charakteristik  dieser  Elegie  gewährt  Hehn  auf  S.  57—60 
seiner  Schrift  über  das  Epos,  die  Schiemann  und  Leitzmann22)  aus  dem 
Nachlass  herausgegeben  haben. -^)  — 

Auch  das  im  JuU  1798  entstandene  Gedicht  „Deutscher  Parnass"  ist  eine 
Folge  der  Xenienbewegung.  Das  zeigt  von  neuem  Jacoby^*),  nachdem  er  zunächst 
den  Gang  der  schwierigen  Dichtung  angegeben  und  ihren  ironisch  -  satirischen 
Charakter  festgestellt  hat.  Die  in  ihr  enthaltene  Satire  zielt  mittelbar  auch  auf  Herder 
und  Wieland,  gilt  aber  hauptsächlich  Gleim.  Er  hatte  auf  die  Neckereien,  die  er  in 
den  Xenien  erfuhr,  mit  schwerem  Geschütz  erwidert,  indem  er  ihnen  die  unglück- 
seligen Reimereien,  die  das  Büchlein  „Kraft  und  Schnelle  des  alten  Peleus"  enthält, 
entgegensetzte.  J.  zeigt  hübsch,  wie^  Goethe  in  ihnen  den  Anlass  zu  seinem  Liede 
fand,  wie  Bilder,  die  Gleim  hier  gebrauchte,  „seine  satirische  Phantasie  befruchteten." 
Ich  halte  den  Beweis  für  schlagend  und  alle  Zweifel,  die  man  in  Betreff  der  Ent- 
stehung des  Gedichtes  noch  hegen  konnte,  scheinen  mir  endgültig  beseitigt.  Wie  J.  weiter 
ausführt,  soll  auf  die  Entstehung  des  Liedes  noch  ein  Gedicht  Retzers  eingewirkt 
haben,  ein  Gedicht,  worin  Gleim  und  seine  Freunde  in  dem  in  diesem  Kreise  üblichen 
rührseligen  Tone  verherrlicht  wurden  und  das  im  Juniheft  des  Teutschen  Merkurs 
erschien.  Wenigstens  soll  es  in  Goethe  die  Lust  zu  dem  satirischen  Scherz  verstärkt 
haben.  Ob  die  Annahme  richtig  ist,  ist  schwer  zu  entscheiden;  möglich  wäre  es  immerhin, 
dass  das  Gedicht  den  letzten  Anstoss  gab.  Zeigt  so  die  Entstehung  des  Liedes,  wofür 
wir  es  zu  halten  haben,  so  beweisen  es  noch  einzelne  Züge,  die  nur  dann  verständ- 
lich sind,  wenn  man  die  Satire  als  seinen  Grundcharakter  anerkennt.  Zum  Schluss 
zeichnet  J.  in  raschen  Strichen  Goethes  Verhältnis  zu  Gleim.  (Vgl.  auch  JBL.  1892 
IV  8c:  28.)  — 

In  einem  Vortrage  über  Goethes  Beziehungen  zur  österreichischen  Kaiserin 
Maria  Ludovica  werden  die  im  Namen  der  Bürgerschaft  von  Karlsbad  im  J.  1810 
von  ihm  verfassten  Gedichte  „Der  Kaiserin  Ankunft",  „Der  Kaiserin  Becher"  usw. 
von  Guglia-^)  erörtert.  — 

Unter  dem  Titel  „Gedicht-Ms.  Goethes"  veröffentlicht  ein  Anonymus^«)  ein 
Faksimile  einer  Goetheschen  Niederschrift  der  beiden  unter  der  Ueberschrift  „M  em ento" 
in  der  Rubrik  „Epigrammatisch"  vereinigten  Vierzeiler.  Der  Titel  ist  nicht  ganz 
zutreffend  oder  wenigstens  irre  führend,  insofern  das  Original  der  Niederschrift  aus 
dem  J.  1825  stammt.  Das  ist  10  Jahre  nach  der  Abfassung  der  betreffenden  Verse, 
die  zuerst  in  der  Ausgabe  von  1815  veröffentlicht  wurden.  Es  handelt  sich  also 
genau  genommen  um  kein  Gedicht-Ms.,  sondern  um  eine  Stammbucheintragung  oder 
ein  Autograph,  das  lediglich  sportlichen  Wert  hat,  für  die  Textgeschichte  der  Sprüche 
aber  nicht  in  Betracht  kommt.  — 

Von  dem  im  Nov.  1816  verfassten  tiefsinnigen,  im  Ausdruck  nicht  leichten 


21)  (IV  8a:  130.)  —  22)(IV8d:4.)  -  23)  X  K.  Heinemann,  J.  Kassewitz,  Darlegung  d.  dichterischen  Technik  t. 
„Alexis  u.  Dora«  (vgl.  JBL.  1892  IV  8c  :  24):  BLÜ.  S.  660/3.  —  24)  D.  Jacoby.  Goethes  Gedicht:  Deutscher  Parnass: 
GJb.  14,  S.  196-211.    |[ZDÜ.  7,  S.  772.]|     (Auch  Vortr.  geh.  in  GDL.  Okt.:  DLZ.  S.  60.)  —  25)  (IV  8b  :  45.)  —  26)  Gedichtms. 


IV  8c  :  27-29   IV  8d  :  1-4        G.  Witkowski,  Goethes  Epos. 

Gedicht  „Trauerloge"  (Weim.  Ausg.  3,  S.  65)  giebt  Vogel  ^'')  eine  gute,  die  Loepersche 
(Hempelsche  Ausg.  2.  Aufl.,  S.  548)  bei  weitem  übertreffende  Erklärung.  — 

Von  dem  Zum  28.  Aug.  1823  von  Goethe  an  eine  Gesellschaft  ver- 
sammelter Freunde  gerichteten  Sendeblatt  (Weim.  Ausg.  4,  S.  28)  fand  sich  in  einem  in 
Schweden  aufbewahrten  Stammbuch  als  eingeklebtes  Autograph  das  Konzept.  Arn- 
heim^S)  giebt  davon  unter  Mitteilung  der  in  einigen  Versen  hervortretenden  Ab- 
weichungen Nachricht.  — 

Mit  einer  Original-Niederschrift,  wahrscheinlich  ebenfalls  dem  Konzept  zu 
dem  in  der  Mitte  der  zwanziger  Jahre  verfassten  Zahmen  Xenion  „Die  beiden 
lieben  sich  gar  fein"  usw.  (Weim.  Ausg.  3,  S.  355),  macht  uijs  auch  Pick2^)bekamit. 
Die  Mitteilung  liefert  ein  bezeichnendes  Beispiel  für  den  Gegensatz  des  Momentanen 
und  Endgültigen,  des,  wenn  man  will,  Privaten  und  Offiziellen,  des  Besonderen  und 
Allgemeinen  beim  bejahrten  Dichter.  Die  erste  Fassung  des  Spruches,  die  wir  jetzt 
erst  kennen  lernen,  war  ein  „poetisches  Kompliment"  Goethes  an  seinen  Mitstreiter 
Purkinje.  Dieses  persönliche  Moment  verwischt  er  später,  als  er  daran  geht,  dem 
Gedichtchen  Aufnahme  in  seine  Werke  zu  gewähren.  Indem  er  es  aber  statt  in  den 
Hinweis  auf  die  W^erke  des  befreundeten  Physiologen  in  den  Ausdruck  eines  Grund- 
gedankens seiner  Weltanschauung  auslaufen  lässt,  erhebt  er  es  aus  einer  beschränkt 
persönlichen  in  eine  weite  allgemeine  Sphäre  und  giebt  ihm  jene  grandiose  Per- 
spektive, die  uns  so  oft  gerade  die  Schlüsse  seiner  Schöpfungen,  auch  solcher  von 
geringstem  Umfang,  eröffnen.  — 


d)  Epos. 

Georg  Witkowski. 

Allgemeines  N.  1.  —  Hermann  und  Dorothea  N.  4.  —  Der  ewige  Jude  N.  17.  —  Werther  N.  18.  —  Wilhelm 
Meister  N.  30.  —  Novelle  N.  35.  — 

Von  allgemeiner  Bedeutung  für  Goethes  epische  und  dramatische  Dichtung 
ist  sein  Verhältnis  zu  Homer.  S  ehr  eye  r^),  der  es  schon  früher  mit  umfassender 
Kenntnis  behandelt  hat,  schildert  jetzt  in  einer  Schrift,  'die  in  erster  Linie  für  die 
Hand  reiferer  Schüler  bestimmt  ist,  von  neuem  kurz  Goethes  Stellung  zu  dem 
griechischen  Sänger  und  erörtert  sodann  dessen "Einfluss  auf  die  einzelnen  Werke:  unter 
den  epischen  „Werther",  „Hermann  und  Dorothea",  wo  das  Homerische  besonders  in 
den  Schilderungen  hervortritt,  und  „Achilleis".  Hier  wird  die  Ueberlieferung  des 
Stoffes  in  Ilias,  Odyssee  und  bei  den  Späteren  vorgeführt,  Goethes  Aeusserungen 
über  den  Plan  sind  zusammengestellt  und  an  dem  Ausgeführten  weist  Seh.  nach, 
dass  der  Dichter  sich  zu  eng  an  das  antike  Vorbild  angeschlossen  hat.  —  Unmittel- 
bar an  Homer  erinnert  auch  Goethes  Absicht  einer  kleinen  epischen  Dichtung 
„Margites"  2),  die  er  in  einem  bisher  unbekannten  Briefe  an  Friedrich  Schlegel  von 
Mitte  Juli  1798  äussert.  3-3a)  _ 

Die  hervorragendste  Erscheinung  des  Jahres  auf  unserem  Gebiete  liegt  ihrer 
Entstehung  nach  um  mehr  als  vier  Jahrzehnte  zurück.  Es  ist  die  Schrift  über 
Hermann  und  Dorothea  von  Hehn.  Aus  Vorlesungen  entstanden,  war  sie  schon 
1851  zur  Veröffentlichung  vorbereitet,  als  sie  bei  der  Verbannung  'des  Vf.  von  der 
russischen  Polizei  konfisziert  wurde.  Als  er  sie  zurückerhielt,  war  sie  an  mehreren 
Stellen  verstümmelt,  und  er  hat  später  diese  Lücken  nicht  wieder  ausgefüllt,  da  er 
den  Gedanken  der  Herausgabe  offenbar  aufgegeben  hatte.  Das  wird  dadurch  bewiesen, 
dass  er  grössere  Abschnitte  in  spätere  Aufsätze  wörtlich  hinübernahm.  Trotzdem 
sind  wir  aber  den  Herausgebern  Leitzmann  und  Schiemann^)  zu  lebhaftem 
Danke  verpflichtet,  dass  sie  diese  Arbeit  aus  dem  Nachlass  des  Vf.  hervorgezogen 
haben.  Hehn  erscheint  darin  in  voller  jugendlicher  Kraft,  weicher  und  liebenswürdiger 
als  in  späterer  Zeit,  auch  Goethe  selbst  gegenüber  noch  nicht  durch  einseitige  Vor- 
liebe für  die  Schöpfungen  der  mittleren  Periode  des  Dichters  befangen.  Freilich  ist 
in  den  thatsächlichen  Teilen  manches  seitdem  durch  die  Forschung  und  neue  Funde 
überholt  worden,  auch  die  Anschauungen,  soweit  sie  vom  Geiste  der  Entstehungszeit 
der  Schrift  beeinflusst  sind,  können  jetzt  nicht  mehr  auf  Anerkennung  rechnen.     Denn 

Goethes:  DDichtnng.  13,  S.  274/5.  -  27)  Th.  Vogel,  Z.  schulmäss.  Behandlung  v.  Goethes  Trauerloge:  ZDÜ.  7,  S.  81/4.  — 
28)  F.  Arnheira,  Goethes  Gedicht  Zum  28.  August  1823:  GJb.  14,  S.  280.  —  29)  A.  Fiele,  Zu  d.  Zahmen  Xenien.  YL: 
ib.  S.  279-80.  — 

1)  (IV  8a  :  164.)  —  2)  Goethes  Briefe  Bd.  13-14  (vgl.  IV  Sa  :  112(3)  Darin:  13,  S.  208.  —  SlOXB-DMcseley, 
Goethe  and  SmoUet:  NQ.  3,  S.  55/6.  -  3a)  O  X  (IV  8a:  155.)  —  4)  V.  Hehn,  Ueber  Goethes  Hermann  u.  Dorothea. 
Aus    dessen   Nachlass   her.    v.    A.    Leitzmann   u.   Th.    Schiemann.    St.,   J.  G.  Cotta  Naohf.    V,  164  S.    M.  3,00.     (S.  o. 


G.  Witkowski,  Goethes  Epos.  IV  8d  :  4-i3 

wer  wird  heute  in  Ludwig-  Börne  einen  „ebenbürtigen  Geg-ner  Goethes",  einen  „Geistes- 
verwandten Lessing"s"  sehen?  Wer  wird  der  Prophezeiung*  glauben,  dass  die  Popu- 
larität der  Nibelung-en  eine  künstliche,  der  Schule  angehörig"e  sei  und  daher  wahr- 
scheinlich mit  den  Tendenzen,  von  denen  sie  getragen  wurde,  wieder  absterben  werde? 
Aber  in  der  Hauptsache  behauptet  sich  Hehns  Urteil  auch  jetzt  noch,  und  die  richtige 
Auffassung  der  politischen,  socialen,  litterarischen  Grundlagen,  aus  denen  das  Gedicht 
emporwuchs,  die  Feinheit  im  Nachempfinden  des  poetischen  Gehaltes,  die  treffliche 
Analyse  der  Charaktere  und  des  Ganges  der  Handlung*  lassen  es  noch  jetzt  als  den  besten 
Führer  zu  einem  tieferen  Verständnis  der  herrlichen  Dichtung*  erscheinen.  Hervorrag*end 
sind  insbesondere  die  einleitenden  Abschnitte  über  das  Wesen  des  epischen  Gedichtes,  in 
denen  der  Einfluss  Heg-els  deutlich  bemerkbar  wird  (in  den  Anmerkungen  durch 
wertvolle,  mehr  aphoristische  Bemerkungen  über  denselben  Gegenstand  erg*änzt),  der 
Nachweis  der  specifisch  epischen  Begabung  Goethes,  die  Schilderung*  der  Zustände 
des  18.  Jh.,  zumal  des  unpolitischen  Charakters  der  Deutschen,  der  freilich  nicht 
als  ständige  Eigenschaft,  sondern  als  Ergebnis  der  Zeitverhältnisse  dargestellt  werden 
musste,  und  der  Beweis,  dass  „Hermann  und  Dorothea"  seiner  innersten  Substanz 
nach  antipolitisch  ist.  Einen  Vorklang*  der  späteren  Untersuchungen,  auf  die  sich 
Hehns  Ruhm  als  Goetheforscher  gründet,  vernehmen  wir  vor  allem  in  den  Schluss- 
kapiteln, die  der  Form  der  Dichtung  gewidmet  sind,  besonders  das  über  die  Diktion 
Gesagte  birgt  eine  Fülle  der  feinsten  Beobachtungen.  Die  bewusste  Einfachheit 
und  Mässigung  in  der  Wahl  der  Worte,  der  Ausschluss  alles  bloss  Rhetorischen,  der 
Periodenbau  und  die  Wortbildung,  die  leisen  Anklänge  an  Homerischen  Sprach- 
gebrauch, —  alles  das  wird  nicht  nach  der  landläufigen  Dissertationsmethode  auf- 
g'ezählt,  sondern  in  Verbindung  mit  dem  innersten  Wesen  des  Gedichtes  und  seiner 
Gattung  erläutert  und  mit  stetem  Bezug  auf  die  ästhetische  Wirkung  vorgeführt. 
Ebenso  weiss  Hehn  die  Wahl  und  Gestaltung  des  Hexameters  bei  Goethe  treffend  zu 
erklären;  freilich  ist  er  dabei  von  einer  gewissen  Einseitigkeit  nicht  freizusprechen, 
da  er  weder  dem  Hexameter  Klopstocks  noch  dem  Vossens  gerecht  wird  und  jede 
Anlehnung  Goethes  an  die  Technik  des  letzteren  als  Fehler  betrachtet.  Ungerecht 
erscheint  Hehn  auch  in  der  Schlussbetrachtung,  die  zwar  der  „Luise"  mit  Recht 
eine  niedere  Stelle  anweist,  dagegen  für  die  Grösse  des  „Messias"  gar  kein  Ver- 
ständnis zeigt.  Die  anspruchslosen  Anmerkung*en  L.s  wollen  in  der  Hauptsache 
den  Text  von  litterarischen  Nachweisen  entlasten  und  liefern  hier  und  da  Ergänzungen 
aus  Hehns  hinterlassenen  Papieren.  —  Die  neu  bekannt  gewordenen  Briefe^)  Goethes 
an  Christiane,  die  Herzogin  Luise,  J.  H.  Meyer  (5.  Aug.  1797),  an  Böttiger  (25.  Okt. 
1797)  eröffnen  Blicke  in  die  Entstehungsgeschichte  von  „Hermann  und  Dorothea", 
die  Korrespondenz  mit  Vieweg  berichtet  über  die  Herausgabe  des  Gedichtes,  ein 
Schreiben  an  Hirt  (30.  Jan.  1798)  über  die  Aufnahme  in  Berlin.  —  Im  J.  1823  fragt 
Varnhagen  bei  Goethe  über  die  Lokalität  von  „Hermann  und  Dorothea"  an.  Er 
meint,  es  müsse  sicher  ein  bestimmter  Ort,  eine  bestimmte  Gegend  die  Grundlinien 
der  Schilderung  geliefert  haben,  und  wünscht  auch  sonst  noch  zu  erfahren,  was 
über  das  Gedicht  vom  Standpunkte  des  Dichtei^s  selbst  zu  sagen  wäre.  Er  berichtet 
über  die  Aufführung  von  Töpfers  „Hermann  und  Dorothea"  im  Berliner  Schau- 
spielhaus am  20.  Okt.  182.3.  Geiger^)  bezieht  auf  diese  Anfrage  das  Gespräch 
mit  Eckermann,  datiert  vom  Dec.  1826  (Biedermann  5,  S.  337/8),  indem  er  es  in 
den  Dec.  1823  setzt.  —  Gruber ^)  schildert  kurz  die  Geschichte  der  Salzburger 
Emigration,  wiederholt  Goeckings  Erzählung  und  berichtet  über  die  Kolonisation  der 
Salzburger  in  Litauen.  —  Regel^)  erklärt  thörichter  Weise  „die  munteren  Träume 
der  Freiheit"  (6,  V.  24)  aus  bewusster  Nachahmung  des  Englischen,  ebenso  „Tasso" 
V.  16  „den  frohen  Kranz".  —  Dagegen  wendet  sich  Kohlschmidt ^),  indem  er  das 
Attribut  richtig  kausativ  deutet :  als  Zeichen  der  Munterkeit  und  Munterkeit  erregend. 
—  Sprenger '")  konstruiert  in  dem  Verse  (7,  V.  35)  „Denn  ein  jeglicher  denkt 
nur  sich  selbst  und  das  nächste  Bedürfnis"  denken  mit  Akkusativ  und  tadelt  die 
Einsetzung  des  in  den  alten  Ausgaben  fehlenden  Kommas  nach  „nur".  —  Erich 
Schmidt*')  legt  einige  Verse  vor,  die  vermutlich  der  ersten  Fassung  von  „Hermann 
und  Dorothea"  angehören  und  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  den  reichen  kultur- 
historischen Inhalt  von  Goethes  Quelle,  der  Emigrationsgeschichte  Goeckings. '2)  — 
Eine  gute  Schulausgabe  des  Gedichts  hat  Hauffen'^j  geliefert.  Die  Einleitung 
unterichtet  kurz,  aber  genügend  über  das  Notwendige;  nur  fällt  eine  gewisse  Un- 
klarheit in  den  chronologischen  Angaben  auf,  wenn  „Reineke  Fuchs"  zwischen  der 
„neuen,  veränderten  Ausgabe"  der  „Luise"  von  1795  und  „Alexis  und  Dora"  genannt 

IV  8c:  22.)  -  5)  (S.  o.  N.  2.)  —  6)  (IV  8b:  12;  S.  65/7,  134.)  -  7j  C.  Gruber,  D.  Salzburger  Emigranten.  Progr.  Marien- 
bürg  (L.  Giesow).  71  S.  —  8)  E.  Eegel,  E.  Seitenblick  aufs  Englische  beim  dtsch  Unterr.:  ZDU.  7,  S.  304.—  9iW.  Kohl- 
schmidt, D.  Beiwort  „munter"  in  ..Hermann  u.  Dorothea"  6,  V.  24:  ib.  S.  277/8.  —  10)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  Hermann 
u.  Dorothea:  ib.  S.  492.  —  11)  Erich  Schmidt,  Mitteilung  in  GDL.  Jan.:  DLZ.  S.  187.  (Vgl.  VossZg.  N.  51.)  -  12)  O  X 
G.  Chiarini,    Arminio  e  Dorotea:    NAnt.  45,    S.  429-41.    —   13)    (I  7:72.)     |[COIRW.    21,    S.  3801;    H.    Herzog:    ZOG.  44, 


IV  8d  :  u-29  G.  Witkowski,  Goethes  Epos. 

wird.  V.  795  ist  aus  überflüssiger  Prüderie  unterdrückt.  In  den  Anmerkung"en  ist 
alles  Notwendige  erklärt,  vielleicht  hier  und  da  etwas  zu  viel,  z.  B.  könnte  die  Er- 
läuterung von  „Kattun"  und  „Flanell"  wohl  fortfallen.  Die  Erklärung  von  „einen 
Korb  geben"  hätte  noch  weiter  zurückgehen  müssen,  um  ganz  klar  die  sinnliche 
Bedeutung  des  Ausdrucks  zu  zeigen,  i*"^^)  — 

Gegen  Hoffmanns  Untersuchungen  über  den  „Ewigen  Juden"  (vgl.  JBL.  1891 
IV  9d:  13)  wendet  sich  Düntzer^'').  Während  Hoffmann  das  Frühjahr  1775  als  Ent- 
stehungszeit ansetzt,  möchte  D.  lieber  am  J.  1774  festhalten.  Er  leugnet,  dass  in 
dem  Fragmente  eine  krankhafte  Stimmung  herrsche  und  findet  darin  nicht  Ver- 
bitterung und  Hohn  gegen  die  Kirche,  sondern  den  heitersten  Humor,  auch  nicht 
einen  cynischen  Ton,  in  dem  von  der  Gottheit  geredet  werde,  wohl  aber  die  Stimmung 
des  entschiedenen  Freidenkers,  der  Goethe  damals  schon  längst  war.  — 

In  die  Vorgeschichte  des  „Werther"  führt  Schüddekopf s*^)  sorgsame 
Bibhographie  aller  erreichbaren  Schriften  Goues  mit  genauer  Beschreibung  und 
kritischen  Notizen.  —  Sodann  berührt  sich  damit  näher  die  Publikation  Eugen 
Wolffs^^-)^  die  aus  den  Kestnerschen  Familienpapieren  die  früheren  Sammlungen  und 
Darstellungen  A.  Kestners,  Düntzers  (Morgenblatt  1863,  N.  45  ff.)  und  Herbsts  ergänzt. 
Er  bietet  autobiographische  Notizen  von  Lottens  Bräutigam  und  will  aus  ihnen  das 
bisherige  Charakterbild  des  etwas  pedantischen  Mannes  zu  dem  eines  romantischen, 
grüblerischen  Jünglings  umgestalten,  wobei  er  freilich  zu  viel  in  seine  Quellen  hinein- 
interpretiert. Daraus,  dass  Kestner  einmal  versucht  hat,  einen  Roman  zu  schreiben, 
dass  er  überhaupt  litterarischen  Interessen  nicht  ganz  abgeneigt  war,  dass  er  sich 
gesellschaftlichen  Vergnügungen  gern  hingab,  lässt  sich  doch  ein  solcher  Schluss 
noch  nicht  ziehen.  Im  Gegenteil  bestätigen  die  von  W.  veröffentlichten  Zeugnisse 
für  den  ruhigen  Verlauf  seines  Verhältnisses  zu  Lotte,  zumal  die  Werbebriefe  vom 
22.  Jan.  und  25.  April  1768,  unsere  bisherige  Vorstellung  von  seiner  leidenschafts- 
losen Art.  Auch  die  Proben  der  Gedichte,  in  denen  er  Lotte  besang,  sind  schlagende 
Beweise  dafür.  Eine  bisher  unbekannte  Tagebuchstelle  giebt  eine  Schilderung  des 
Balles  in  Wolpertshausen,  der  Goethen  zuerst  mit  Lotte  zusammenführte  und  auf 
dem  auch  Jerusalem  anwesend  war.  Ausserordentlich  lebensvoll  malt  ein  Brief  von 
Hans  Buff  an  Lotte  das  Treiben  der  Geschwister  im  Deutschen  Hause.  Die  Zu- 
sammenstellung von  Kestners  Notizen  über  die  Witterung  in  der  Zeit  von  Goethes 
Aufenthalt  in  Wetzlar  bestätigt,  dass  die  atmosphärischen  Einflüsse,  die  im  „Werther" 
eine  so  grosse  Rolle  spielen,  vom  Dichter  künstlerisch  frei  angeordnet,  nicht  dem 
wirklichen  Verlauf  nachgezeichnet  sind.  Das  wäre  ja  schon  dadurch  unmöglich  ge- 
wesen, dass  der  Roman  sich  über  eine  mehr  als  doppelt  so  lange  Zeit  erstreckt.  Die 
in  „Goethe  und  Werther"  abgedruckten  Notizen  Kestners  über  Goethes  Verhältnis  zu 
Lotte  werden  durch  einzelne  dort  übergangene,  aber  nicht  unwichtige  Stellen  ergänzt, 
ebenso  gewinnt  der  von  Herbst  (S.  118/9)  teilweise  veröffentlichte  Brief  Kestners  an 
Lotte  jetzt  beträchtlich  an  Wert,  weil  Kestner  in  dem  früher  unbekannten  Teil  eine 
indirekte  Charakteristik  Goethes  giebt.  In  demselben  Geleise  wie  dieses  Schreiben 
bewegt  sich  eine  Erörterung  des  Bräutigams  über  die  Eifersucht.  Sehr  hübsch  ist 
seine  spätere  Schilderung  seiner  Annäherung  an  Lotte.  Jerusalems  Geliebte,  Frau 
Hert,  nennt  er  die  schönste  Frau  der  Stadt  und  preist  ihre  Geistes-  und  Seeleri- 
eigenschaften.  Den  Schluss  von  W.s  Nachlese  bildet  ein  recht  schwaches  Werther- 
lied einer  Elise  von  N.  und  ein  gar  nicht  hierher  gehöriger  Bericht  Kestners  über 
den  angeblich  durch  die  Erregung  bei  einer  Aufführung  des  ,, Kaufmanns  von 
London"  herbeigeführten  Tod  des  Landgrafen  Ludwigs  VIII.  von  Hessen-Darmstadt 
im  J.  1768.  —  Eine  ausgefallene  Stelle  in  Goethes  Brief  an  Kestner  vom  14.(?)  April 
1773  (Briefe  N.  144),  die  Günther2o-20a^  ergänzt,  giebt  einen  Hinweis  auf  die  früh- 
zeitige Absicht  Goethes,  das  Verhältnis  zu  Lotte  dichterisch  zu  gestalten.  Er  droht, 
Kestner  und  Lotte,  wenn  sie  sich  einfallen  Hessen,  eifersüchtig  zu  werden,  mit  den 
treffendsten  Zügen  auf  die  Bühne  zu  bringen,  und  Juden  und  Christen  sollten  über 
sie  lachen.  —  Ischer^i)  teilt  aus  einem  Briefe  Zimmermanns  an  Haller  vom  30.  Jan. 
1775  Nachrichten  über  die  historischen  Grundlagen  des  „Werther"  mit.  —  Eine 
höchst  merkwürdige,  schwerlich  genau  wiedergegebene  Aeusserung  Lessings  über  den 
Roman  Goethes  steht  in  einem  Briefe  von  Sara  von  Grotthus  22)  an  den  Dichter.23-29)  — 

S.  1099-1104.]!  —  14)X  0  F-  Walzel,  W.  T.  Hewett,  Hermann  u.  Dorothea  (vgl.  JBL.  1891  IV  9d  :  8):  ZOG.  44,  S.  543/5.  — 
15)  O  X  Goethe,  Hermann  et  Dorothee.  Illustr.  de  Marold.  Paris,  Dentn.  221  S.  Fr.  1,25.  —  16)  O  X  i^-.  Herman  og 
Dorothea.  Oversat  af  P.  Hansen.  Met  8  Illustrationer  in  Fototypier  af  A.  Ramberg.  Kjöbenhavn,  Bojesen.  4».  V,  91  S.  Kr.  4,50. 
—  17)  H.  Düntzer,  Ueber  Goethes  Bruchstücke  d.  Gedichtes  „D.  ewige  Jude":  ZDPh.  2.5,  S.  289-303.  -  18)  (IV  4:3.)  — 
19)  (IV  8b:  86.)  —  20)  0.  Günther,  Lücke  im  Goethe-Kestnerschen  Briefwechsel:  GJb.  14,  S.  161.  (S.  o.  IV  8b:  13.)  — 
20a)  X  (IV  8b:37.)  -  21)  O  (IV  5:30.)  —  22)  (IV  8b:  12;  S.  50/2.)  —  23)  O  X  W.  Seiht,  J.  G.  Schlosser  u. 
Werthers  Leiden:  FZg.  N.  263.  —  24)  O  X  Goethe,  Werther.  Nouv.  ed.  avec  grav.  (=  Petite  bibl.  omnibus  ill.  N.  10.) 
Paris,  Roy  &  Geffroy.  16».  192  S.  Fr.  0,30.  —  25)  O  X  »d,,  Werther.  Trad.  fran9.  prec.  d'nne  etnde  snr  Goethe  par 
H.  Heine.  Paris,  C.  Lövy.  270  S.  Fr.  1,25.  -  26)  O  X  id.,  Werther.  Trad.  d'Aubry,  enti&rement  refondne  par 
J.  Rodleinmann.  (=  Bibl.  nat.)  Paris,  Berthier.  16».  160  S.  Fr.  0,25.  —  27)  O  X  id.,  Leiden  d.  jungen  Werther. 
(Rnss.  üebersetz.)  Petersburg,  A.  Suworin.  (Seiten  u.  Preis  nicht  zu  ermitteln.)  —  28)  O  X  id.,  Leiden  d.  jungen  Werther. 
(RusB.   üebersetz.)    Moskau,   M.   Lederle   &   Go.     280   S.     Rub.   0,60.    —    29)    (IV  8a:  45.)    —    30)    (1115:34;    8b  :  28a.) 


G.  Witkowski,  Goethes  Epos.  IV  8d  :  30-35 

Die  schöne  Seele  im  „Wilhelm  Meister"  zeichnet  sich  in  den  Schilderungen 
ab,  die  Erich  Schmidt^")  aus  dem  Briefwechsel  von  Aug-uste  Friederike  von  Ysen- 
burg'-Büding'en  mit  ihrer  Schwester  Luise  Ferdinande  zu  Anhalt-Köthen  heraushebt, 
und  die  sich  auf  Susanne  von  Klettenberg"  und  Lavater  beziehen.  —  Es  ist  eine 
anerkannte  litterarhistorische  Thatsache,  dass  der  Roman  der  Romantiker  unter  dem 
beherrschenden  Einflüsse  des  „Wilhelm  Meister"  steht.  An  den  einzelnen  Er- 
scheinungen wie  im  g-anzen  ist  dieser  Einfluss  häufig"  genug  konstatiert  worden,  in 
Bezug  auf  Tieck  z.  B.  erst  vor  kurzem  von  Prodnigg^')  (vgl.  JBL.  1891  IV  9  d: 21; 
1892  IV  10:30).  Donner^^^  will  nun  die  Form  ermitteln,  unter  der  sich  die  Ge- 
sinnungen, Begebenheiten  und  Schicksale  des  „Wilhelm  Meister"  in  dem  romantischen 
Roman,  speciell  den  Bildungsromanen,  fortsetzen.  Er  hat  mit  guter  Litteraturkenntnis, 
die  auf  selbständig'er  Forschung  beruht ,  die  einzelnen  Uebereinstimmungen  des 
Originals  und  der  Nachfolger  festgestellt,  vor  allem  den  Subjektivismus  der  Romantiker 
auf  die  Einwirkung  von  Goethes  Roman  zurückgeführt,  zugleich  aber  auch  die  Unter- 
schiede kräftig  betont.  Ihre  Helden  lassen  die  Welt  um  sich  herum  spielen,  sie 
bleiben  ganz  unthätig,  während  Goethes  Held  immer  weiter  strebt,  und  sie  kommen 
fast  immer  ohne  ernsten  Kampf  ans  Ziel.  Das  sorgenlose  Dasein  Wilhelm  Meisters 
ist  nicht  denkbar  ohne  sinnliche  Verhältnisse.  Er  durchlebt  Lehrjahre  der  Humanität, 
in  denen  sich  Müssiggang  und  Streben  auf  der  Grundlage  äusserer  Wohlhabenheit 
vereinigen.  Bei  den  Romantikern  durchleben  die  Helden  Lehrjahre  durch  Müssig- 
gang ohne  Streben,  daher  überwiegen  die  leichten  lockeren  Schilderungen  sehr  be- 
trächtlich. Ueberall  ist  die  Gestalt  Philinens,  teilweise  in  die  höhere  Gesellschaft 
übertragen,  nachgezeichnet,  insbesondere  wird  ihr  nächtlicher  Besuch  im  fünften  Buche 
wiederholt.  Den  stärksten  Einfluss  hat  die  Mignonepisode  ausgeübt:  Miguon  selbst 
kehrt  in  den  meisten  der  besprochenen  Romane  mit  leichten  Veränderungen  wieder, 
ebenso  das  Motiv  der  geheimnisvollen  Geburt  (freilich  ein  uralter  Kunstgriff  der  ge- 
samten Romanlitteratur,  um  die  Spannung  zu  erregen),  die  deutsch-italienischen 
Wahlverwandtschaften,  bei  manchen  auch  die  lyrischen  Einlagen.  Dagegen  wird 
der  Harfner  nur  von  Brentano  benutzt.  D.  stellt  die  Abhängigkeit  der  Romantiker 
nach  allen  diesen  Richtung-en  hin  zuerst  in  einem  Schema  zusammen  und  prüft 
dann  eine  Reihe  ihrer  Romane  auf  ihre  Beziehungen  zum  „Wilhelm  Meister"  hin 
im  einzelnen,  nämlich  Tiecks  „Sternbald"  und  „Der  junge  Tischlermeister",  Friedrich 
Schlegels  „Lucinde",  Dorothea  Schlegels  „Florentin",  Novalis  „Heinrich  von  Ofter- 
dingen",  Brentanos  „Godwi",  Eichendorffs  „Ahnung  und  Gegenwart"  und  Immer- 
manns „Epigonen".  Schon  Koch  hat  darauf  hingewiesen,  dass  auch  Hölderlins 
„Hyperion",  Jean  Pauls  „Titan",  Eichendorffs  „Dichter  und  ihre  Gesellen",  die  D. 
freilich  kurz  (S.  185/6)  charakterisiert  hat,  und  vor  allem  Fouques  „Alwin"  in  die 
Reihe  der  Nachfolger  „Wilhelm  Meisters"  zu  setzen  gewesen  wären.  Wir  vermissen 
noch  Eichendorffs  „Aus  dem  Leben  eines  Taugenichts",  mit  Recht  oft  geradezu  als 
Typus  der  Gattung  bezeichnet,  und  Arnims  „Hollins  Liebeleben",  das  schon 
Tieck  als  „eine  läppische  Nachahmung  des  Wilhelm  Meister"  verurteilte.  Die  an- 
gezogenen Werke  behandelt  D.  nach  Entstehungsgeschichte,  Form,  Inhalt  und  Auf- 
nahme bei  den  Zeitgenossen,  stellenweise  beträchtlich  den  Umkreis  seines  Themas 
überschreitend,  so  bei  der  übrigens  gut  dargestellten  Genesis  der  „Lucinde",  auch 
nicht  ohne  Wiederholungen  (S.  82).  Im  ganzen  ist  aber  die  Schrift  als  ein  recht 
förderlicher  Beitrag  zur  Geschichte  der  Alotive  anzuerkennen,  der  eine  grosse  Reihe 
von  guten  Beobachtungen  enthält.  Auszusetzen  wäre  nur  ein  Reihe  von  grösseren 
und  kleineren  Unebenheiten  im  Ausdruck,  die  zeigen,  dass  das  Deutsche  nicht  die 
Muttersprache  des  Vf.  ist.  —  Offenbar  durch  den  grossen  Erfolg  der  Oper  von 
Ambroise  Thomas  veranlasst  ist  eine  gar  nicht  ungeschickte  französische  Nach- 
erzählung der  Geschichte  Mignons  für  Kinder  von  Simond^^).  Philine  und  alles, 
was  über  das  kindliche  Gefühlsleben  hinausgeht,  musste  dabei  fortfallen.  ^4)  — 

In  der  „Novelle"  (Hempel  16,  S.  155)  spielt  die  Frau  des  Tierbändigers 
bekanntlich  mit  den  Worten  „Speise  von  den  Fressern  und  süsse  Labung  von  den 
Starken"  auf  das  Rätsel  Simsons  (Richter  14,  14)  an.  Seh  rader  •*^)  weist  auf  das 
versteckte  Wortspiel  des  hebräischen  Urtextes  hin  und  versucht  eine  entsprechende 
Uebersetzung,  was  mit  Goethe  und  seiner  Novelle  gar  nichts  zu  thun  hat.  — 


—  31)  P.  Prosch:  ZOG.  44,  S.  934/5.  (Vgl.  IV  10:14.)  —  32)  J.  0.  E.  Donner,  D.  Einflass  Wilhelm  Meisters  auf  d.  Boraan 
d.  Romantiker.     Diss.  Helsingfors.     (B.,  R.  Heinrich.)     IV,  211  S.     M.  4,00.      [M.  K  och:  BFDH.  10,  S.  260.]|     (Vgl.  IV  10 :  13.) 

—  33)  Ch.  Slmond,  Mignon.  Imite  de  TAllemand.  Paris,  Lecfene,  Ondin  &  Cie.  91  S.  —  34)  O  X  i*-  Chmielo wski, 
W.  V.  Goethe,  Wilhelm  Meister.  Przetozyl.  Warschan,  Lewental.  832  S.  Rah.  3,00.  |[PNL.  21,  S.  473  j|  —  35)  H.  Schrader, 
Zu  zwei  Stellen  t.  Goethe:  ZDS.  7,  S.  128-30.  — 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (4)26 


IV  8e  :  1-2  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

e)  Drama. 

Georg-  Witkowski. 

Allgemeines  N.  1.  —  Götz  von  Berlichingen  N.  5.  —  Götter,  Helden  und  Wieland  N.  18.  —  Jahrmarktsfest  zu 
Plundersweilern  N.  19.  —  Das  Neueste  aus  Plundersweilern  N.  20.  —  Satyros  N.  22.  —  Clavigo  N.  2.3.  —  Elpenor  N.  25.  — 
Egmont  N.  26.  —  Iphigenie  N.  34.  —  Torquato  Tasso  N.  39.  —  Bnrgergeneral  N.  44.  —  Mahomet  N.  46.  —  Die  natürliche 
Tochter  N.  48.  —  Pandora  N.  49.  —  Romeo  und  Julie  N.  51.  —  Des  Epimenides  Erwachen  N.  52.  —  Faust:  Allgemeines  N.  55 ; 
Urfaust  N.  88;  erster  Teil  N.  89;  zweiter  Teil  N.  102.  — 

Schon  in  einem  früheren  Bericht  machten  wir  darauf  aufmerksam,  dass  es 
uns  noch  an  jeder  Behandlung  von  Goethes  dramatischen  Dichtungen  im  allgemeinen, 
von  ihrer  Technik,  ihrem  dramatischen  und  theatralischen  Gehalt  fehlt.  Einen  Anlauf  zur 
Lösung  dieser  Aufgabe  unternimmt  Sittenberger ').  Er  geht  davon  aus,  dass  der 
Begriff'  des  Dramatischeu  nicht  zu  definieren,  aber  wohl  zu  erläutern,  erklärend  anzu- 
deuten ist.  Dramatisch  ist  ein  Vorgang,  der  als  die  Geschichte  eines  Willens  erscheint, 
der  im  stände  ist,  unser  Gefühl  sympathisch  zu  errege q.  Theatralisch  ist  alles,  was 
von  der  Bühne  unmittelbar  auf  unsere  Nerven  einwirkt.  Allgemein  gilt  die  Anschauung, 
Goethe  habe  nicht  verstanden,  für  die  Bühne  zu  arbeiten,  trotzdem  man  der  Mehrzahl 
seiner  Dramen  wirklich  dramatischen  Fluss  zugesteht.  Aber  dieser  Ansicht  liegt  ein 
Mangel  an  Ueberlegung  und  an  Verständnis  für  Bühnenwirkung  zu  Grunde.  Goethe 
hat  vielmehr  die  äusseren  Kniffe,  das  Theatralische,  so  gut  wie  ein  anderer  erlernt 
und  anzuwenden  verstanden,  doch  hat  er  die  Fähigkeit,  das  eigentlich  Dramatische 
herauszuwittern  und  es  mit  keckem  Griff  auf  die  Bühne  zu  stellen,  nur  in  seltenen 
Fällen  gezeigt.  In  der  Jugend  schrieb  er  dramatisch  bewegter  als  in  späterer  Zeit; 
seine  theatralischen  Künste  treten  um  so  stärker  hervor,  je  schwächer  der  eigentlich 
dramatische  Gehalt  seiner  Stücke  wird.  Die  „Mitschuldigen"  sind  dramatisch  recht 
gut  veranlagt,  vielleicht  eins  der  besten  Stücke  Goethes,  aber  das  Theatralische  ist 
durchweg  vernachlässigt.  (Das  ist  unseres  Erachtens  unbedingt  falsch.)  Der  Mangel  an 
Wirkung'  erklärt  sich  aus  den  widerlichen  Verhältnissen,  die  vorgeführt  werden.  „Götz" 
ist  nur  eine  dramatisierte  Chronik,  der  Wille  des  Helden  zu  wenig  auf  ein  bestimmtes 
Ziel  gerichtet.  Die  Götz-Scenen  wirken  weniger  als  die  Adelheid-  und  Weislingen- 
Scenen.  Das  Dramatische  zeigt  sich  hier  mehr  im  Detail  als  im  Aufbau  des  Stückes. 
Die  Art,  wie  z.  B.  bei  Götzens  Tod  Stimmung  erregt  wird,-  spielt  schon  ins  Theatralische 
hinüber.  Viele  kleine  Scenen  haben  nur  den  Zweck,  Stimmungsbilder  zu  entwerfen. 
Theatralisch  sind  die  Vorgänge  am  Bischofshofe,  das  Zigeunerlager,  die  aufrührerischen 
Bauern.  Im  „Clavigo"  drängt  der  dramatische  Zug  vom  dritten  Akte  an  nicht  mehr 
energisch  genug  vorwärts;  hier  kommt  Goethen  ein  dramatischer  (theatralischer?) 
Effekt  zu  Hilfe,  der  noch  jederzeit  seine  Wirkung  gethan  hat:  die  Schwindsucht  auf 
der  Bühne,  und  er  rettet  das  Stück  (?).  Der  Leichenzug  im  letzten  Akte  ist  ein  starker 
theatralischer  Effekt.  Mit  ,, Stella"  weiss  S.,  wie  er  gesteht,  für  seine  Betrachtung 
nicht  viel  anzufangen.  Alle  wollen  etwas  und  dabei  will  doch  im  Grunde  keiner 
etwas.  Das  Stück  ist  nichts  als  eine  fortlaufende  Reihe  lyrischer  Stimmungen, 
dazwischen  Stellen,  die  so  platt  sind,  dass  sie  abstossen.  Wenn  das  ,, Schauspiel  für 
Liebende"  von  der  Bühne  herab  überhaupt  eine  Wirkung  thut,  so  hat  es  dies  wohl 
nur  dem  Charakter  Stellas  und  etlichen  Genl^escenen  zu  verdanken.  Egmonts  Will© 
ist  bestimmter  auf  ein  festes  Ziel  gerichtet  als  der  Götzens,  wenn  auch  vielleicht 
schwächer.  Man  könnte  sich  den  ganzen  Stoff  mit  grösserer  Wucht  behandelt  denken, 
aber  gewiss  nicht  schöner.  Theatralisches  durchzieht  das  ganze  Stück,  die  Schluss- 
scene  ist  opernhaft,  die  Erscheinung  Clärchens  ein  Verlegenheitsmittel,  weil  der 
Dichter  im  natürlichen  Gange  der  Ereignisse  keinen  Sohluss  finden  konnte.  Die 
Siegessymphonie  ist  ein  ganz  willkürlicher  theatralischer  Effekt,  der  uns  aus  der 
Illusion  reisst.  (Hier  berücksichtigt  S.  nicht,  dass  es  sich  nur  um  eine  Anweisung 
für  den  Komponisten  der  damals  allgemein  üblichen  Musik  „vor,  zwischen  und  nach 
dem  Stücke"  [siehe  Hamb.  Dramaturgie  St.  26]  handelt).  Die  „Geschwister"  sind 
dramatisch  vielleicht  das  beste  Stück  Goethes,  In  „Iphigenie"  ist  die  Form  das  Erste 
und  Alles,  und  damit  wird  der  Inhalt  zur  Formel.  Goethe  hat  sich  vollständig  in  die 
griechische  Denkweise  eingelebt  (?),  und  schon  daraus  ergiebt  sich  eine  Beeinträchtigung 
der  Wirkung  für  ein  modernes  Publikum.  Er  geht  in  seiner  gräcisierenden  Richtung 
noch  weiter  als  die  Griechen  selbst,  er  vernachlässigt  das  Persönliche  gänzlich.  Es 
mangelt  die  nötige  Objektivität:  wir  sehen  den  Dichter  auf  der  Bühne  stehen  und 
wissen  damit,  dass  seine  Personen  nicht  wirkliches  Leben  besitzen.  Aehnliches  gilt 
auch  von  „Torquato  Tasso".  Immer  mehr  richtet  Goethe  sein  Augenmerk  auf  scenische 
Effekte.    Er  strebt  nach  aufdringlicher  theatralischer  Wirkung,  und  daneben  geht  oft 


1)   (IV  8a:  54.)    —   2)   (IV  la:5.)    (S.  116-27:   Götz  v.  Berlichingen.    S.  128-35:   Clavigo.    S.  136-45:   Egmont. 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  2-9 

ein  ganz  undramatisches  und  wirkungsloses  Spielen  mit  Symbolischem  und  Mystischem. 
Der  Sturz  Eugeniens  im  ersten  Akte  der  „Natürlichen  Tochter"  erinnert  an  den 
symbolischen  Sturz  des  Baumeisters  Solness.  In  der  Faustsage  liegt  viel  Dramatisches; 
aber  das  (von  Goethe  hineingetragene)  Moment  der  Verjüngung  thut  der  Bühnen- 
wirkung wesentlichen  Einti-ag.  Das  Leitmotiv,  das  sich  durch  alle  Sceuen  hindurchzieht, 
ist  der  Wissensdurst  (?).  Das  Theatralische  hindert  gerade  die  Theaterwirkung,  weil 
alles,  was  die  Aufführung  bieten  kann,  durch  unsere  Phantasie  übertrotfen  wird. 
„Faust"  ist  nicht  für  die  Bühne  geschrieben  und  alle  Versuche,  ihn  einzurichten, 
werden  vergeblich  bleiben.  Man  verdirbt  sich  den  Genuss  am  „Faust",  wenn  man 
ihn  sieht.  —  Landwehr^)  liefert  kurze  Biographien  der  historischen  Persönlichkeiten, 
die  Goethe  zu  Helden  seiner  Dramen  gemacht  hat:  ein  gutes  Hilfsmittel,  zumal  für 
den  Schulunterricht,  das  aber  noch  gewonnen  hätte,  wenn  nicht  an  einigen  Stellen 
wichtige  Daten  fehlten.  So  hätte  z.  B.  Egmonts  Beteiligung  an  der  Niederschlagung 
des  Aufstandes  der  Bilderstürmer  erwähnt  werden  müssen.  —  Die  schon  früher 
besprochene  Schrift  Schreyers^)  behandelt  auch  eine  Reihe  der  dramatischen 
Gestalten  Goethes  in  Bezug  auf  ihr  Verhältnis  zu  Homer.  Er  weist  zur  „Iphigenie 
auf  Tauris"  die  Ueberlieferung  der  Tantalidensage  bei  Homer,  den  Cyklikern  und 
Tragikern  nach,  und  stellt  Goethes  Behandlung  zu  den  von  Homer  berührten  Punkten 
des  Stoffes  in  Parallele.  Den  in  der  „italienischen  Reise"  mitgeteilten  Plan  der 
„Iphigenie  in  Delphi"  hält  Seh.  gegen  die  Weim.  Ausg.  10,  S.  415  für  über- 
einstimmend mit  dem  ursprünglichen.  Das  beabsichtigte  Drama  entspricht  der  von 
Aristoteles  am  höchsten  gestellten,  vierten  Art  tragischer  Fälle.  In  der  „Nausikaa" 
Goethes  wird,  wie  auch  bei  Sophokles,  die  Wendung  zum  Tragischen  dadurch  bedingt, 
dass  Nausikaa  in  den  Mittelpunkt  der  Handlung  tritt.  Der  zweite  Plan  in  der 
„italienischen  Reise"  entwickelte  sich  notwendig  aus  dem  in  den  Skizzen  angedeuteten 
ersten,  sobald  sich  Goethe  durch  Lektüre  der  Odyssee  den  Zusammenhang  der  Ereig- 
nisse wieder  lebhafter  vergegenwärtigte.  Die  Art,  wie  Goethe  die  Helena  im  „Faust" 
einführt,  entspricht  vollständig  der  Darstellung  bei  Homer;  aber  den  weiteren  Verlauf 
der  Ereignisse  gestaltet  er  selbständig.  Die  Gestalt  ist  nicht  allegorisch,  sondern  real 
aufzufassen^).  — 

üeber  das  vielfach  und  gründlich  behandelte  Verhältnis  des  Götz  von 
Berlichingen  zu  den  Shakespeareschen  Dramen  bringt  Huther^)  wenig,  noch  dazu 
unklar  gefasst,  in  der  Hauptsache  die  unnötige  Widerlegung  einer  verfehlten  Auf- 
fassung der  Grundidee.  Die  Aenderungen  in  B  sollen  nach  H.  dazu  gedient  haben, 
den  Grundgedanken  des  Stückes  in  einheitlicherer  Weise  zur  Durchführung  zu  bringen. 
Organisch  ist  nur  das  Verhältnis  Götzens  zu  Weisungen  umgestaltet  worden,  und 
zwar  am  deutlichsten  im  fünften  Akt,  indem  die  Adelheid-Scenen  beschnitten  wurden, 
Weisungen  die  Führung  des  Gegenspiels,  die  er  in  A  am  Schlüsse  verlor,  bis  zuletzt 
behielt  und  Götz  selbst  mehr  in  den  Vordergrund  gerückt  wurde.  Zugleich 
wurde  das  Verhältnis  Weislingens  zu  dem  Helden  vor  seinem  Abfall  inniger 
gestaltet,  sein  Charakter  gehoben.  Der  Grundgedanke  des  „Götz"  ist  nicht  der  Kampf 
zwischen  Mittelalter  und  Neuzeit,  wie  Klaucke  behauptet  hat,  den  H.  mit  einem  über- 
flüssigen Aufwand  von  Beweisen  widerlegt.  Dann  geht  er  dazu  über,  die  Abhängigkeit 
des  Aufbaues  von  Shakespeares  Technik  zu  zeigen.  Wie  im  „Julius  Cäsar"  tritt  in 
A  am  Schlüsse  ein  übernatürliches  Element  ein,  die  Erscheinung  von  Franzens  Geist. 
Der  übrige  Bau  des  Stückes  ist  wesentlich  vom  „Macbeth"  beeinflusst.  Es  sollen  im 
„Götz"  eine  Menge  von  Stellen  vorhanden  sein,  die  auf  das  üebernatürliche  hinweisen  und 
die  Handlung  fortlaufend  motivieren,  und  darin  soll  sich  die  durchgängige  Abhängigkeit 
von  Shakespeare  zeigen.  Adelheid  entspricht  der  Lady  Macbeth,  die  Zigeunerscene 
ist  eine  direkte  Nachbildung  der  Hexenscene,  beide  bilden  die  Grundlagen  für  den 
weiteren  Verlauf  der  Handlung.  Ueberhaupt  ist  der  Plan  des  „Macbeth"  der  allgemeine 
Rahmen  gewesen,  in  den  der  deutsche  Dichter  seinen  Stoff,  zumal  in  A,  gefasst  hat. 
In  B  ist  das  übernatürliche  Element  beseitigt.  Den  tragischen  Gehalt  des  „Götz"  legt 
H.  richtig  dar  und  weist  die  Durchführung  der  Grundidee  am  Gange  des  ersten  Aktes 
nach.  Den  Aufsatz  „Zum  Shakespearestag"  citiert  er  nach  dem  Auszug  von  Genee! 
—  Heidt^)  liefert  einen  wertlosen  Vergleich  des  ersten  Aktes  in  A  und  B,  um  die 
Vorzüge  von  B  nachzuweisen,  mit  Parallelabdruck  langer  Stellen.  Er  hat  keine 
Ahnung  von  der  Existenz  der  Baechtoldschen  Ausgabe.  —  Haehnel')  wendet  auf 
den  „Götz"  das  Schema  aus  Frey  tags  ., Technik  des  Dramas"  (S.  100/1)  an  und  zeigt 
daran  den  planvollen,  kunstgemässen  Aufbau®}.  —  Halbfass^j  schildert  lebhaft  eine 


S.  146-68:  Torquato  Tusso.)  —  3)  (IV  8d:l.)  —  4)  J.  Minor,  H.  Düntzer,  Z.  Goetheforschung  (vgl.  JBL.  1891  IV  9e:3): 
GGA.  S.  2C0-20.  -  5)A.  Hnther,  Goethes  Götz  v.  Berlichingen  n.  Shakespeares  hist.  Dramen.  Progr.  d.  Gymn.  Cottbus 
(A.  Heine).  4».  22  S.  ;[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  366:  id.:  EnglSt.  S.  466;  L.  Hölscher:  ASNS.  91,  S.  471/2.]|  (S.  o. 
IV  8a:  138.)  —  6)  K.  H.  Heidt,  Goethes  älteste  Bearbeitungen  d.  Götz  v.  Berlichingen.  Progr.  Trier.  4".  22  S.  |[Ij. 
Hölscher:  ASNS.  91,  S.  471.]|  -  7)  K.  Haehnel,  Z.  dramat.  Aufbau  d.  „Götz  v.  Berlichingen":  ZDU.  7,  S.  269-70.  — 
8J    X    (14:459;    II  1:33.)      |[E.    Mnmmenhoff:     PränkKur.     N.    31.)|     —     9)    Halbfass,     Aus    d.    Heimat    y.    Göti   v. 

(4)26* 


IV  8e  :  10-13  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

Wanderung  durch  alle  historischen  Götzstätten  und  beschreibt  u.  a.  den  Mechanismus 
der  eisernen  Hand  nach  eigener  Anschauung,  —  Nach  mannigfachen  Einzelforschungen 
der  letzten  Jahre  giebt  uns  Scholte-Nollen^")  jetzt  eine  ganz  vortreffliche,  auch 
vieles  Neue  enthaltende,  zusammenfassende  Darstellung  der  langen  Bühnenlaufbahn 
des  „Götz".  In  der  schwierigen  Frage  der  inneren  Entstehungsgeschichte  entscheidet 
sich  Seh.  dafür,  dass  Goethe  die  Selbstbiographie  des  Ritters  erst  nach  der  Rückkehr 
von  Strassburg  kennen  gelernt  habe.  Er  sei  durch  eine  Anmerkung  bei  Datt  „De 
pace  publica"  darauf  hingeführt  worden.  Aus  den  kritischen  Stimmen  beim  öffentlichen 
Erscheinen  des  Dramas  werden  diejenigen  herausgehoben,  welche  die  Möglichkeit  der 
Darstellung  bestreiten  oder  behaupten.  Dann  handelt  Seh.  ausführlich  über  die  erste 
Berliner  Aufführung,  bei  der  neben  den  bekanntlich  historisch  getreuen  Kostümen 
alte  Dekorationen,  Zimmer  im  Stile  des  18.  Jh.,  verwendet  wurden.  Interessante  Notizen 
auf  den  gleichzeitigen  Berliner  Theaterzetteln  beleuchten  den  grossen  Erfolg.  Bis  1777 
wurden  die  Aufführungen  in  Berlin  fortgesetzt,  dann  trat  eine  Pause  bis  1795  ein. 
Die  Hamburger  Inscenierung  zeichnete  sich  vor  der  Berliner  durch  zeitgemässe 
Dekorationen  aus.  Indem  er  die  unzuverlässige  Vergleichung  Winters  (vgl.  JBL.  1891 
IV9e:16)  berichtigt,  zählt  Seh.  die  Aenderungen Schröders  auf,  giebt  auch  im  Anhang 
ein  Scenarium  von  B  und  H  (Hamburg)  in  paralleler  Darstellung.  Dann  sucht  er  auf 
Grund  der  spärlichen  Zeugnisse  mit  grossem  Scharfsinn  die  verlorene  Berliner 
Bearbeitung  Kochs  zu  rekonstruieren.  Er  vermag  festzustellen,  dass  die  Bauernhoch- 
zeit und  die  ganze  Reichsexekution,  wie  auch  nachher  in  Hamburg,  gestrichen  waren, 
dass  dagegen  I,  1  und  4  und  III,  l,die  dort  fehlten,  in  Berlin  beibehalten  wurden.  Der 
Wortlaut  blieb  bis  auf  die  Milderung  einiger  Derbheiten  unangetastet.  Ein  Scenarium 
der  Berliner  Bearbeitung  gewährt  einen  klaren  Ueberblick  ihres  Verhältnisses  zu  B. 
In  Bezug  auf  das  Verhältnis  Schröders  zu  Kochs  Einrichtung  erscheint  die  Vermutung 
begründet,  dass  er  zwar  sicher  darüber  unterrichtet  war,  aber  die  seinige  unabhängig  davon 
unternahm.  Die  dritte  Stadt,  in  der  „Götz"  aufgeführt  wurde,  war  Breslau,  wo  er 
vom  17.  Febr.  bis  zum  10.  März  1775  viermal  auf  der  Bühne  der  herumziehenden 
Truppe  des  Prinzipals  Wäser  erschien,  vielleicht  mit  Gästen  aus  Berlin  und  vermut- 
lich nach  der  dortigen  Einrichtung,  aber  ohne  Elrfolg.  Es  scheint,  dass  Wäser  in 
demselben  Jahre  den  „Götz"  auch  in  Leipzig  gespielt  hat.  Es  folgen  Aufführungen 
in  Goethes  Vaterstadt  1778  und  79,  in  Mannheim  1786  (wahrscheinlich  in  Rennschübs  Ein- 
richtung). Ueber  die  Anfänge  des  „Götz"  in  Wien  haben  wir  schon  durch  Kilian  Näheres 
erfahren;  seine  Nachrichten  vervollständigt  Seh.  beträchtlich  (vgl.  jedoch  N.  11).  Er 
vergleicht  das  Scenarium  Grüners  mit  dem  zwanzig  Jahre  jüngeren  Schreyvogels, 
das  zwar  eine  Anzahl  von  gemeinsamen  Zügen  aufweist,  so  dass  eine  Benutzung  des 
ersteren  sicher  ist,  aber  doch  sich  viel  enger  an  B  anschliesst.  Sodann  schildert  Seh. 
die  Entstehung  und  Beschaffenheit  von  Goethes  eigenen  Bearbeitungen  1803  — 4,  C  und 
D,  über  die  er  etwas  günstiger  als  Brahm  urteilt  (auch  hier  erleichtert  wieder  ein 
Scenarium  den  Vergleich  mit  B),  er  berichtet  über  die  schnell  folgenden  Berliner 
Aufführungen  von  D,  über  die  Zweiteilung  von  1809—13,  über  die  letzte  Umarbeitung 
Goethes,  die  1819  und  1828  in  Weimar  aufgeführt  wurde.  Ein  Ueberblick  über  die 
Schicksale  des  „Götz"  auf  der  deutschen  Bühne  seit  1804  und  den  jetzigen  Stand  der 
Götzfrage  bildet  den  Schluss  der  höchst  verdienstvollen  Arbeit:  Dingelstedts  Ein- 
richtung, 0.  Devrients  Versuch,  A  auf  die  Bühne  zu  bringen,  die  Vorstellungen  auf 
der  Münchener  sog.  Shakespeare- Bühne  (nach  B  und  C),  die  in  Prag  und  Stettin 
Nachahmung  fanden,  endlich  die  verschiedenen  Inscenierungen  in,  Mannheim,  Karls- 
ruhe, Hannover,  Leipzig,  Köln,  Kassel,  Halle.  Die  schwer  kontrollierbare  Statistik 
der  Aufführungen  scheint  nicht  ganz  genau  zu  sein  ;  wenigstens  zählt  Seh.  in  Leipzig 
nur  zwanzig  Vorstellungen  auf,  während  nach  Müller  (Das  Stadttheater  zu  Leipzig 
[Leipzig  1891]  2,  S.  142)  der  „Götz"  dort  seit  1817  dreissigmal  gegeben  worden  ist. 
— -  Kilian  11)  stellt  auf  Grund  eines  Theaterzettels,  den  er  abdruckt,  fest,  dass  die 
erste  Aufführung  des  „Götz"  in  Wien  nicht,  wie  früher  von  ihm  angegeben,  1810, 
sondern  am  23.  April  1808  im  Theater  in  der  Leopoldstadt,  vor  sich  ging.  Der  Vf. 
der  leider  verlorenen  Bearbeitung  war  der  Journalist  und  Schauspieler  T.  Freiherr 
von  Ehrimfeid.  Sie  wurde  als  „historisches  Schauspiel  mit  Gesang"  in  nur  vier  Akten 
angekündigt,  als  Träger  des  in  der  Leopoldstadt  notwendigen  komischen  Elements 
war  der  Schneider  Sindelfinger  und  seine  Familie  eingefügt,  vermutlich  mit  Anknüpfung 
an  die  Erwähnung  des  von  Götz  befreiten  Schneiders  im  Original  und  vielleicht  in 
Verbindung  mit  der  Bauernhochzeit  in  B.  —  Die  Erfolglosigkeit  dieser  Aufführung  wird 
durch  eine  Kritik  bewiesen,  die  Glossy  '2)  2^^  ^eil  abdruckt.  Nur  mit  Mühe  konnte 
eine  Wiederholung  dem  Publikum  aufgedrungen  werden.  —  Am  28.  Dec.  fand  die 
100.  Aufführung  des  „Götz"  im  Wiener  Burgtheater   statt.     Ein  Anonymus i3)  stellte 

Berliohingen:  LZgB.  N.  5.  —  10)  (IV  4:371.)  -  U)  (IV  4:412;  8a:  52.)  -  12)  C.  ölossy,  Theatergesch.  Ausstellung  d. 
Stadt  Wien    [Wien,  Bibl.  d.  Stadt  Wien.    1892.    XHI,  281  S.    PI.  0,40],  S.  61.   —  13)  A.  J.  W.,   Z.  100.  Aufführung  d.  „Götz 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  14-23 

bei  dieser  Geleg-enheit  die  vor  dem  „Götz"  in  Wien  aufgeführten  Goetheschen  Dramen 
und  die  Zahl  ihrer  Aufführungen  zusammen,  dann  die  des  „Götz"  selbst,  wobei  er 
insofern  irrt,  als  er  sagt,  dass  Dingelstedt  die  alte  Bearbeitung  Schrey  vogels  angewandt 
habe.  Er  giebt  ferner  eine  Paralleltabelle  der  ersten  und  der  gegenwärtigen  Besetzung 
und  zählt  die  nach  dem  ,,Götz"  auf  dem  Burgtheater  erschienenen  Goetheschen  Werke 
auf.  Im  ganzen  haben  seine  Bühnendichtungen  dort  bis  jetzt  657  Vorstellungen 
erlebt  14-' 7),  __ 

Einzelheiten  der  satirischen  Farcen  der  letzten  Frankfurter  Jahre  erläutert 
Henkel*^)  in  einer  Reihe  von  kleinen  Bemerkungen.  In  „Götter,  Helden  und 
Wieland"  entscheidet  er  sich  für  die  Lesart  „abge weihet"  (Hempel  Bd.  8,  S.  271,  Z.  20) 
mit  Berufung  auf  die  „abgeweihten  Haare"  in  der  Invektive  auf  Himburg  (Weim. 
Ausg.  29,  S.  16,  Z.  9)  und  den  Ausdruck  ayriar,  bei  Euripides,  Alkestis  V.  76.  — 

Im  „Jahrmarktsfest  zu  Plundersweilern"  erklärt  Henkel*")  die 
Strophenform  V.  164  ff.  gegen  Düntzer  und  Schröer  für  eine  der  üblichsten  Formen 
des  Volksliedes  und  sieht  in  dem  häufigen  „Sie"  des  Schattenspielmannes  (V.  576  ff.) 
einen  ethischen  Akkusativ  des  radebrechenden  Romanen.  — 

Im  „Neuesten  aus  Plunders weilern"  soll  nach  Henkel^")  das  Mädchen 
mit  schlechten  Sitten  die  Nachdrucker  versinnbildlichen,  der  Barbier  bedeutet 
Ramler  und  dessen  Wut,  alle  möglichen  Dichtungen  seinem  Messer  zu  unterwerfen. 
Der  Pack,  den  der  Merkur  mit  sich  schleppt,  stellt  die  Mühe  vor,  die  Wieland  durch 
die  Herausgabe  der  Zeitschrift  bereitet  wurde.  Der  Engel  kehrt  nach  H.s  gewagter 
Vermutung  deshalb  betrübt  zum  Himmel  wieder,  weil  er  Lessing  nicht  mehr  hienieden 
findet.  —  Zu  anderen  Ergebnissen  gelangt,  in  Bezug  auf  die  Auslegung  dieser  und 
anderer  Stellen  desselben  Gedichts,  Weizsäcker^!).  V.  17 — 38  zielt  nach  ihm  auf 
die  Leserwelt,  und  zwar  V.  17—26  auf  die  alles  Neue  verschlingenden  urteilslosen 
Leser,  V.  27 — 32  auf  die  Benutzer  der  Leihbibliotheken,  V.  33 — 38  auf  die  Lesenarren. 
V.  39—46  trifft  den  Nachdruck,  V.  47—58  nicht  speciell  Nicolai,  sondern  die  Verleger 
im  allgemeinen.  Die  böse  Nachbarschaft  (V.  56)  ist  nicht,  wie  bisher  immer  an- 
genommen, die  Kritik,  sondern  das  Nachbarhaus  auf  dem  Bilde,  aus  dem  Jemand 
auf  das  Haus  des  Verlegers  seine  Notdurft  verrichtet.  Wen  das  bedeuten  soll,  sagt 
W.  nicht.  V.  59 — 104  meint  die  Kritik,  und  zwar  V.  63 — 70  die  Allerweltskritiker, 
V.  71  —  104  die  höhere  Kritik.  V.  141—56  zielt  auf  den  Hainbund,  nicht  auf  die 
Halberstädter,  wie  Scholl  wollte.  Der  Engel  mit  dem  Lorbeerkranz  (V.  205 — 8)  ist 
als  eine  Huldigung  für  Wieland,  nicht  als  Verspottung  desselben  (vgl.  Scholl)  auf- 
zufassen. Wieland  sei  der  einzige,  dem  der  Engel  den  Lorbeerkranz  reichen  könne, 
deshalb  kehre  er  betrübt  zum  Himmel  wieder.  Der  Pack  (V.  203),  den  der  Teutsche 
Merkur  trotz  aller  Bewunderer  nicht  los  wird,  bezieht  sich  auf  den  schlechten  Absatz 
der  Zeitschrift.  V.  215—24,  über  die  W.  nichts  Bestimmtes  ermitteln  kann,  gehen 
gewiss  gegen  die  Vertreter  der  petite  poesie,  Gleim  und  die  Anakreontiker,  worauf 
das  Schiessen  nach  Schmetterlingen,  die  ja  ihr  Lieblingsattribut  sind,  klar  hin- 
weist. — 

Seuffert22)  führt  für  die  Deutung  des  W^aldbruders  im  „Satyros"  auf 
Herder  eine  Stelle  aus  einem  Briefe  von  Flögel  an  Klotz  vom  20.  Juli  1769  an,  wo 
Herder  der  Waldbruder  genannt  wird.    — 

Den  „Clavigo"  hat  Georg  Schmidt^s)  in  einer  umfangreichen  Arbeit, 
hauptsächlich  auf  den  Stil  hin,  untersucht.  Er  beginnt  mit  einer  Verurteilung: 
„Clavigo"  nehme  unter  den  Werken  der  ersten  Schaffensperiode  Goethes  eine  Aus- 
nahmestellung ein,  und  zwar  in  mal.im  partem,  sowohl  hinsichtlich  des  dramatischen 
Gehalts  wie  der  Sprache.  Seh.  untersucht  nun  zuerst  die  Sprache,  aber  nur  in  Be- 
zug auf  gewisse,  stark  hervortretende  Besonderheiten,  da  der  Stil  an  sich,  wie  er 
meint,  Gefühlssache  ist.  Beeinflusst  ist  der  „Clavigo":  1.  durch  die  französische 
Quelle  (Gallizismen  in  den  wörtlich  entlehnten  Stellen,  Steifheit  infolge  ihres 
stolzierenden  Stils,  französisches  Milieu);  2.  durch  die  Empfindsamkeit  (daher  der 
Schwulst,  die  Tiraden,  das  Verschwommene,  Süssliche  des  Ausdrucks.  „Stella"  sei 
ganz  durchsetzt  von  unsittlicher  und  darum  in  sich  verderbter  Empfindsamkeit); 
3.  durch  den  Sturm  und  Drang  (Beaumarchais  rast  wie  ein  Tollhäusler,  so  dass  man  für 
diese  wüsten  Ergüsse  einer  mehr  als  verschrobenen  Phantasie  nur  ein  Lachen  findet). 
Diese  Ausbrüche,  die  im  „Götz"  am  Platze  sind,  passen  weder  für  den  Pariser  noch 


V.  Berlichingen"  im  Bnrgtheater:  Fremdenbl.  N.  357.  —  14)  O  X  Goethes  Götz  v.  Berlichingen.  (Rass.  Uelersetz.)  Peters- 
burg, M.  Lederle  &  Co.  (In  d.  8bänd.  Gesatntansg.  d.  rass.  Goethe-Uebers.  [Knb.  15,00].)  —  15)  X  (I  7:67a.)  —  16)  X 
W.  T.  Goethe,  Götz  v.  Berlichingen  mit  d.  eisernen  Hund.  Her.  v.  A.  Hentschel  u.  K.  Linke.  (==  Gew.  Lektöre  für  Schule 
n.  Hans  N.  3.)  L.,  E.  Peter.  1892.  92  S.  M.  0,30.  -  17)  X  id-,  Götz  of  Berlichingen  with  the  iron  band.  Transl.  by 
E.  Stanhope  Pearson.  (=  German  class.  plays  N.  8.)  Dresden,  Pierson.  1892.  136  S.  M,  1,00.  —  18)  H.  Henkel,  Zn 
„Götter,  Helden  u.  Wieland":  GJb.  14,  S.  273.  —  19)  id.,  Z.  Jahrmarktsfest  zu  PInndersweilern:  ib.  S.  2734.  —  20)  id., 
Z.  Neuesten  ans  Plundersweilern:  ib.  S.  274/5.  —  21)  P.  Weizsäcker,  D.  Neueste  v.  PInndersweilern.  Beitrr.  z.  Erklärung 
einiger  Stellen:  VLG.  6,  S.  67-78.  -  22)  (IV  7:19.)  —  23)  (I  8:44;  IV  8b:  107.)    -    24)   X   A.  Lichtenheld,   E.  Soffö, 


IV  8e  :  23-25  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

für  die  soliden  kleinbürgerlichen  Kreise,  in  denen  sich  alles  abspielt).  Die  Einflüsse 
dieser  drei  Faktoren  zeigen  sich  in  der  Eigenart  des  Clavigostils,  besonders  in  der 
häufigen  Anwendung  des  Polys,yndetons,  des  Asyndetons,  der  Anaphora  und  der 
Geminatio.  Seh.  stellt  eine  genaue  Statistik  des  Auftretens  dieser  Redeformen  in  den 
Jugendwerken  Goethes  an  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  ihnen  gewisse  Schwächen, 
zumal  die  Einseitigkeit  bestimmter,  zu  Typen  erstarrter  Wendungen  allgemein  an- 
haften; aber  nirgends  treffen  so  viele  Mängel  auf  engem  Räume  zusammen  wie  im 
„Clavigo",  vor  allem  die  übermässige  Häufigkeit  der  Anaphora.  Die  sprachlichen 
Mängel  stehen  nun  in  enger  Beziehung  zu  dem  minderwertigen  künstlerisch-ästhe- 
tischen Gehalt  des  Dramas.  Das  sucht  Seh.  an  dem  Charakter  des  Helden  nach- 
zuweisen. Die  Urteile  über  das  Stück  zählt  er  auf;  die  zeitgenössischen  lauten  im 
allgemeinen  nicht  günstig,  die  späteren  widersprechend,  beeinflusst  durch  die  Be- 
ziehungen des  „Clavigo"  zu  Goethes  Leben.  Der  Vorwurf,  den  er  darzustellen  hatte, 
war  an  sich  ebenso  ungewöhnlich  wie  abstossend.  Seh.  widerspricht  dem  Panegyrikus 
Schröers;  man  müsse  sich  Clavigo  auf  dem  Wege  der  Reflexion  nähern.  Goethe 
stellt  in  ihm  unmännliche  Veränderlichkeit  dar,  und  ein  solcher  Charakter  gehört 
nicht  auf  den  tragischen  Kothurn,  er  ist  ästhetisch  nicht  lebensfähig,  jeder  Un- 
befangene legt  den  „Clavigo"  mit  einem  Gefühl  des  Missbehagens  aus  der  Hand.  Der 
Held  ist  nicht  nur  wetterwendisch,  auch  ein  Heuchler,  er  verbindet  in  sich  unvereinbare 
Gegensätze:  er  will  sich  vor  dem  neuen  Minister  bücken  und  wird  von  Maria  als  ein 
Mann  im  wahren  Sinne  des  Wortes  geschildert.  Wir  glauben  nicht  an  seine  Reue 
und  seine  Liebe,  nur  im  Munde  Mariens  erscheint  er  sympathisch,  in  Wahrheit  steigt 
er  bis  zu  einer  schurkischen  Handlungsweise  hinab.  Konsequent  ist  er  nur  in  der 
Inkonsequenz.  Es  ist  Goethe  sehr  zu  verargen,  dass  er,  um  die  Untreue  Clavigos 
zu  begründen,  ein  so  „ekelhaftes"  Motiv  wie  die  Krankheit  Mariens  verwendet.  Aus 
den  Worten  des  Carlos  (Weim.  Ausg.  10,  S.  100,  Z.  27 ff.)  schliesst  Seh.  ohne  triftigen 
Grund,  dass  eine  Krankheit  gemeint  sei,  die  das  Weib  in  der  ehelichen  Gemeinschaft 
durch  ansteckende  Berührung  auf  den  Mann  überträgt.  Der  Tod  Clavigos  ist  nicht 
innerlich  motiviert;  er  könnte  ruhig  weiterleben.  Die  Parallele  Clavigo-Goethe,  die 
Schröer  gezogen  hat,  wird  von  Seh.  abgewiesen.  Die  Hauptzüge  des  Charakters 
waren  von  Beaumarchais  vorgezeichnet.  Schliesslich  sucht  Seh.  zu  beweisen,  dass 
Marie  nicht  schwindsüchtig,  sondern  herzleidend  ist;  sie  ruft  wohl  eine  tragische 
(besser :  rührende),  aber  keine  dramatische  Wirkung  hervqr,  da  sie  immer  passiv  bleibt. 
An  dieser  philisterhaften  Schrift  haben  nur  die  fleissigen  stilistischen  Zusammen- 
stellungen einigen  Wert.^^)  — 

W  0  0  d  25)  betont  die  geringe  Ueberein Stimmung  unter  den  bisherigen 
Rekonstruktionen  des  „Elpenor",  ihren  Mangel  an  Rücksicht  auf  die  Einfachheit 
des  klassischen  Stils  (mit  Ausnahme  von  Kettner,  vgl.  JBL.  1891  IV  9e:38).  Die 
Lösung  sollte  nicht  im  Sinne  antiker  Tragik,  sondern  durch  eine  Wiedererkennung 
ähnlich  wie  in  der  „Tphigenie  in  Delphi"  erfolgen.  Zarnckes  Ansicht,  dass  das  Stück 
allegorisch,  als  Feier  der  Geburt  des  Weimarschen  Erbprinzen  aufzufassen  sei,  ist  ab- 
zuweisen, besonders  mit  Hinblick  auf  den  Brief  an  Knebel  vom  21.  Nov.  1782.  Als 
den  Boden,  auf  dem  das  Drama  erwachsen  ist,  sieht  W.  das  Verhältnis  Goethes  zu 
Frau  von  Stein  und  ihrem  Sohne  Fritz  an.  Er  stützt  sich  dabei  auf  die  Briefstelle 
(19.  Aug.  1781):  „dass  Deine  Liebe  mich  mit  dem  Onkel  zusammenschmilzt",  für  die 
er  zum  ersten  Male  eine  befriedigende  Deutung  giebt,  indem  er  sie  auf  Lykus,  den 
Oheim  Elpenors,  bezieht.  Also  Lykus  ist  Goethe,  Antiope  Frau  von  Stein,  Elpenor 
Fritz.  Ein  ähnlicher  Bezug  herrscht  schon  im  „Falken"  und  den  „Geschwistern", 
wo  Wilhelm-Goethe  als  Erzieher  von  Charlottens  Tochter  erscheint.  Lykus  darf  nicht 
getötet  werden;  seine  früheren  Thaten  löscht  die  Versöhnung  aus.  Wie  in  „Lila", 
wo  eine  Versöhnung  der  Gatten  eintritt,  wird  hier  Antiope  in  einer  ganz  ähnlichen 
Situation  gezeigt.  (Die  Analogie  ist  nicht  sehr  kräftig.)  Im  Eingang  mischt  sich  in 
Antiope  das  Luisen-  und  das  Charlotten-Motiv,  Elpenor  steht  zwischen  Antiope  und 
Lykus,  wie  Felix  im  „Wilhelm  Meister"  zwischen  Natalie  und  Wilhelm,  wie  Fritz 
von  Stein  zwischen  der  Mutter  und  Goethe.  Die  Episoden  in  den  „Lehrjahren"  VIII, 
10  und  den  „Wanderjahren"  III,  18  bieten  eine  offenbare  Parallele  zum  „Elpenor". 
Wir  dürfen  annehmen,  dass  er  von  Lykus  beim  Herabstürzen  gerettet  wird  und 
vielleicht  dabei  das  goldene  Kettchen  mit  dem  Bilde  der  Sonne  (dem  Zeichen  der  Frau 
von  Stein  in  Goethes  Tagebuch)  bemerkt,  dass  ferner  der  vermeintliche  Sohn  der 
Antiope  überhaupt  nicht  auftreten  sollte.  Für  die  tragische  Verwicklung  (die  W.  auf 
Grund  der  Bezeichnung  „Tragödie"  für  nötig  hält,  da  er  noch  nicht  weiss,  dass  sie 
statt  der  ursprünglichen  „ein  Schauspiel"  von  Riemer  eingesetzt  ist),  schlägt  er 
einen  ungenügenden,  nun  überflüssig  gewordenen  Behelf  vor.  Die  Anschläge  des 
Polymetis  waren  zu  durchkreuzen;  er  musste  der  tragischen  Gerechtigkeit  verfallen. 


P.  erlebten  n.  litt.  Qrupdlagen  t.  Goethes  Clavigo  (vgl.  .TBL.  1890  IV  11  e  :  13):  ZAG.  44,  8.  182    —   25)  H.  Wood,  Goethes 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  26-34 

Antiope  muss  den  Göttern  danken,  dass  ihr  Racheschwiir  nicht  erfüllt  wird,  dass 
Elpenor  nicht  die  Herrschaft  mit  dem  „Ungeheuer  in  den  Klüften  des  Gebirg'es"  zu 
teilen  braucht,  Lykus  muss  dankbar  sein,  dass  sich  seine  Schuld  nicht  rächt.  Elpenors 
Zukunft  wird  problematisch  g-eblieben  sein ;  als  dem  Vereinig-er  des  Lykus  und  der 
Antiope,  als  dem  Abbild  des  Fritz  von  Stein,  stellt  ihm  der  Dichter  sein  Horoskop  in 
den  Stammbuchversen  vom  17.  März   1785.   — 

Die  Berliner  Freie  Volksbühne^^)  hat  unter  ihre  Darbietuno^en  auch  den 
„Eg-mont"  aufgenommen  und  bei  dieser  Gelegenheit  zur  Orientierung  ihrer  Mit- 
glieder und  zur  Rechtfertigung  der  Wahl  des  Stückes  wie  gewöhnlich  eine  Be- 
trachtung vorausgeschickt.  Wir  glauben  es  aufs  Wort,  dass  Goethes  Freiheitsgöttin 
für  Bruno  Wille  und  die  Seinen  nicht  die  „Freiheit,  die  wir  meinen"  ist.  Der 
historische  Egmont  war  als  Mitglied  des  grossen  Feudaladels  der  Niederlande  im  Ver- 
hältnis zu  Spanien  Mitausgebeuteter,  im  Verhältnis  zum  Bürgertum  Mitausbeuter. 
Goethe  hat  zwar  den  historischen  Helden  nicht  brauchen  können,  aber  die  historischen 
Verhältnisse  richtiger  als  die  Geschichtsschreiber  aufgefasst.  Schiller  ist  dem  „Egmont" 
gegenüber  zu  sehr  moralisierender  Philister,  dagegen  urteilt  er  richtig  über  die 
dramatische  Schwäche  des  Stückes,  die  dadurch  erklärt  wird,  dass  Goethe  vom  Herbst 
1775  bis  zum  Sommer  1785  (!)  ruckweise  daran  gearbeitet  hat^'*).  —  Marianne 
von  Eybenberg-^)  erwähnt  in  einem  Briefe  an  Goethe  vom  3.  Aug.  1796  die  be- 
zeichnende Thatsache,  dass  Friedrich  Wilhelm  H.  von  Preussen  noch  nicht  den  „Egmont" 
gelesen  hat.  —  Niejahr^^)  sieht  das  Vorbild  der  Traumscene  im  „Prinzen  von  Hom- 
burg" in  der  Traumscene  des  „Egmont".  Wie  Klärchen  als  Genius  der  Freiheit,  so 
erscheint  Natalie  als  Genius  des  Ruhmes,  einen  Kranz  über  das  Haupt  des  Helden 
haltend.  Vielleicht,  meint  N.,  Messen  sich  noch  in  anderen  Punkten  Anklänge  an 
„Egmont"  feststellen.  Sie  würden  wohl  aber  ebenso  den  Eindruck  des  Zufälligen 
machen  wie  der  von  N.  hervorgehobene.  —  Zum  bin  i^*')  macht  darauf  aufmerksam, 
dass  die  Widmungsworte,  mit  denen  Manzoni  seinen  „Adelchi"  an  Goethe  übersandte, 
aus  dem  „Egmont"  entnommen  sind.  Mit  diesem  Drama  weist  Manzonis  Erstlings- 
stück, der  „Graf  von  Carmagnola",  viele  und  merkwürdige  Aehnlichkeiten  auf:  in  den 
historischen  Vorbedingungen,  den  Charakteren  der  Hauptpersonen,  zumal  der  Helden, 
in  den  Ursachen  des  Konflikts,  in  der  Peripetie  und  der  Katastrophe,  in  der  Ver- 
bindung der  historischen  Treue  mit  den  Grundsätzen  der  modernen  Kunst.  In  beiden 
Dramen  steht  auf  der  einen  Seite  eine  Staatsgewalt,  die  mit  List  und  den  schlechtesten 
Mitteln  jeden  Widerstand  zu  unterdrücken  sucht,  auf  der  anderen  ein  freimütiger, 
offener  Held.  Im  Verlauf  der  Handlung  herrscht  die  grössteUebereinstimmung,  besonders 
in  der  Scene,  wo  der  Held,  gepanzert  mit  dem  Bewusstsein  seiner  Unschuld,  sich  dem 
Gegner  darbietet,  der  ihn  unter  dem  Vorwand  einer  wichtigen  Beratung,  in  Wahrheit 
um  sich  seiner  zu  bemächtigen,  zu  sich  gerufen  hat.  Beiden  Helden  ist  die  Seelen- 
grösse  o'emeinsam,  die  keinen  Hinterhalt  fürchtet,  auch  der  Mang-el  an  Vorsicht. 
Beide  folgen  dem  Rate  ihrer  Freunde  nicht,  nur  ihrem  Dämon,  der  sie  völlig  be- 
herrscht und  die  Katastrophe  herbeiführt.  Zumal  in  der  letzten  Stunde  gleichen  sie 
einander,  in  der  Erinnerung  an  das  Schlachtfeld  ähnliche  Empfindungen  wie  Othello 
(III,  3)  aussprechend.  Die  Gattin  und  die  Tochter  Carmagnolas  entsprechen  in  dem 
Eindruck,  den  sie  hervorrufen,  der  Gestalt  Klärchens.  Sie  dienen  dazu,  uns  den 
Helden  unter  der  Herrschaft  zarterer  Gefühle  zu  zeigen.  Marco  spielt  eine  gleiche 
Rolle  wie  Oranien,  sie  vertreten  den  Gegensatz  zum  Charakter  des  Helden.  Beide 
Werke  sind  nicht  eigentlich  dramatisch.  Z.  tadelt  besonders  mit  guten  Gründen  das 
Melodrama  am  Schlüsse  des  „Egmont".  den  „Uebergang  von  Shakespeare  zu 
Metastasio".  In  Parallele  dazu  stellt  er  die  Trennung  der  historischen  und  der  er- 
fundenen Personen  bei  Manzoni,  die  auch  Goethe  nicht  gebilligt  hat,  und  die  dem 
,, Carmagnola"  nur  Nachteil  brachte.  Manzoni  hat  mutiger  als  Goethe  mit  der  über- 
lieferten Manier  gebrochen,  indem  er  alle  Liebesverhältnisse  ausschloss  und  sich  eng 
an  die  Vorbilder  des  historischen  Dramas  hielt,  nur  lässt  er  das  Volk  nicht  an  der 
Handlung  teilnehmen  und  schädigt  so  die  Wirkung  seines  Werkes.  Er  verwarf  eben- 
so  wie  Goethe  in  der  Praxis  die  Einheiten  und  suchte  sie  theoretisch  zu  vernichten. 
—  Unter  den  Schulausgaben3i-32j  des  „Egmont"  hat  die  von  Blume^S)  einen  ver- 
dienten Erfolg  davongetragen.  Sie  ist  jetzt,  nachdem  auf  Grund  der  Weim. 
Ausg.  der  Text  verbessert  wurde,  noch  mehr  als  früher  zu  empfehlen.  — 

Als  Beleg  zu  seiner  Auffassung  des  Tragischen,  die  hier  nicht  zu  erörtern 
ist,  vergleicht  H.  F.  Müller^*)  die  Orestie  des  Aeschylos  mit  Goethes  „Iphigenie". 


Elpenor:  VLG.  6,  S.  78-101.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  8e  :  19.)  —  26)  Goethes  Egmont:  Volksböhne  N.  6.  -  27)  O  X  Egmont, 
its  derivatlon:  NQ.  8',  S.  273-341.  —  2S)  (IV  8b:  12;  S.  31.)  —  29)  J.  Niejahr,  H  v.  Kleists  Prinz  r.  Homburg  u.  Har- 
mannsschlacht: VLG.  6,  S.  409-29.  (Darin  S.  421.)  —  30)  B.  Znmbini,  L'  „Egmont"  del  Goethe  e  il  „Conte  di  Carmagnola« 
del  Manzoni.  (=  IV  ld:77;  S.  1.5.5-72)  -  31)  O  X  (I  7:69.)  |[COIRW.  22,  S.  267;  BB6.  30,  S.  316.]i  —  32)  O  X  (I"  =  70.) 
—  33)  Goethes  Egmont.  Mit  Einl.  u.  Anm.  t.  L  Blnme.  6.  Tausend.  (=  Schulausg.  klass.  Werke  N.  29.)  Wien,  Graeser. 
XXXII,  88  8.    M.  0,50.   —    34)  (I  12:220.)    (S.  109-62:   D.  Orestie  d.  Aeschylos  u.  Goethes  Iphigenie.    Schuld  u.  Söhne.)   — 


IV  8 e  :  35-39  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

Das  g-emeinsame  Thema  beider  ist  die  Schuld  und  die  Entsühnung-  des  Pelopiden- 
hauses;  wie  aber  der  innere  Friede  für  Orest  zu  erlang-en  ist,  weiss  Aeschylos  nicht 
zu  sag-en,  wohl  aber  Goethe.  Iphigeniens  reine  Menschlichkeit  vermittelt  und  spendet 
dem  Orestes  die  Versöhnung*.  In  ihm  erwacht  das  Schuldbewusstsein,  die  Reue,  die 
Gewissensangst,  von  der  zuvor  in  seinem  Geschleohte  nichts  zu  spüren  war.  Dieses 
Leiden  trägt  die  schuldlose  Iphigenie  mit,  sie  kämpft  um  seine  Seele,  befreit  sie  und 
richtet  sie  wieder  auf.  Bei  Aeschylos  ist  Orest  nur  das  Objekt,  um  das  Götter  gegen 
Götter  streiten,  seine  Entsühnung  nur  das  Mittel  zu  dem  Zwecke,  die  neue  reinere, 
humane  Religion  siegen  zu  lassen.  Bei  Goethe  ist  die  Entsühnung-  die  Hauptsache, 
wir  erfahren  in  tiefer  psychologischer  Ausführung,  wie  der  schuldig  unschuldige 
Mann  entsündig-t,  seine  Sünde  vergeben,  der  Fluch  in  seinem  Herzen  und  Gewissen 
getilgt  wird.35~38b^  — 

Durch  eine  äusserlich  stattliche  Ausgabe  des  „Torquato  Tasso"  bringt 
Kern39)  seine  Arbeiten  über  dieses  Drama  (vgl.  JBL.  1891  IV  9e:65;  1892  IV 
8e:33)  zum  Abschluss.  Wie  früher  spielt  die  Polemik,  zumal  gegen  Kuno  Fischer 
und  Kirchner,  eine  bedeutende  und  an  dieser  Stelle  nicht  ganz  angemessene  Rolle. 
Der  Text  schliesst  sich  im  allgemeinen  dem  Weinholds  in  der  Weim.  Ausg.  an; 
doch  zieht  er  stellenweise  ältere  Lesarten  denen  in  C  vor  und  ist  damit  an  einzelnen 
Stellen  gewiss  im  Recht,  z.  B.  V.  309,  wo  uns  in  der  Weim.  Ausg.  bei  dem 
Fehlen  jeder  Aufklärung  im  Apparat  ein  Versehen  vorzuliegen  scheint.  Auch  in 
V.  3342  halten  wir  mit  K.  die  ältere  Fassung  für  die  bessere.  K.  vermehrt  in  dem 
Bestreben,  die  Reden  scharf  zu  gliedern,  die  vom  Dichter  angebrachten  Absätze;  zuweilen 
zerreisst  er  aber  dadurch  den  Sinn,  wie  vor  V.  1845.  Während  alle  Aenderungen 
dieser  Art  dem  berechtigten  Bemühen  entstammen,  eine  auf  Gründen  beruhende  sub- 
jektive Anschauung  zum  Ausdruck  zu  bringen,  müssen  wir  der  von  K.  eingeführten 
Verszählung,  die  mit  jedem  Auftritt  von  neuem  beginnt,  alle  Berechtigung  und  jeden 
vernünftigen  Grund  absprechen.  Er  hat  dadurch  die  Benutzung  seiner  Ausgabe  ausser- 
ordentlich erschwert,  ohne  irgend  einen  ersichtlichen  Vorteil  zu  erzielen.  Zahlreiche 
Anmerkungen  unter  und  hinter  dem  Text  dienen  zum  Teil  seiner  Erklärung  in  einem 
Umfange,  der  sich  nur  durch  die  Rücksicht  auf  die  Zwecke  der  Schule  rechtfertigen 
lässt,  zum  Teil  erscheinen  sie  überflüssig  und  störend,  indem  entsprechende  und  wider- 
sprechende Stellen  zu  den  Worten  Goethes  aus  alten,  neueren  und  neuesten  Quellen 
der  verschiedensten  Art  wahllos  zusammengetragen  sind.  Zuweilen  sind  dem  Dichter 
Absichten,  die  ihm  gewiss  fremd  waren,  untergelegt,  z.'  B.  wenn  in  V.  607  „unter- 
scheidet" eine  Bosheit  gegen  Tasso  sein  soll.  Die  Ueberschriften,  mit  denen  jede 
einzelne  Scene  versehen  ist,  sind  zum  grossen  Teil  unzutreffend.  Vor  und  nach  dem 
Texte  sind  die  selbständigen  Beiträge  des  Herausgebers,  angeblich  nach  dem  Grade 
der  Wichtigkeit,  angeordnet.  Zuerst  behandelt  K.  nach  einer  Einleitung,  in  der 
er  weit  auseinandergehende  Urteile  über  den  „Tasso"  anführt,  die  Handlung  des 
Dramas.  Sie  bewegt  sich  nach  K.  um  Tassos  Heilung  von  krankhaften  Vorstellungen 
und  ungehörigen  Ansprüchen.  Das  Heilmittel  kann  nur  in  seiner  Entfernung  vom 
Hofe  liegen.  Am  Schlüsse  sehen  wir  ihn  genesen  und  in  eine  Lage  versetzt,  in  der 
er  den  Kampf  mit  dem  praktischen  Leben  und  dessen  Anforderungen  besser  bestehen 
kann  als  früher  und  ohne  tief  eingreifende  Störung  seinen  idealen  Aufgaben  leben 
wird.  Seine  dichterische  Thätigkeit  wird  nun  ihm  selbst  Frieden  und  der  Welt  Freude 
bereiten,  und  so  ist  am  Schlüsse  des  Dramas  der  Goethesche  Tasso  auf  dem  Wege 
zum  Glücke.  Wir  müssen  dieser  Auffassung  aufs  entschiedenste  widersprechen,  denn 
sie  drückt  das  Schauspiel  zu  einer  Episode,  die  sich  noch  beliebig  oft  wiederholen 
kann,  herab,  nimmt  ihm  dadurch  den  grössten  Teil  seiner  Bedeutsamkeit,  widerspricht 
in  unerlaubter  Weise  den  historischen  Verhältnissen  und  zwingt  dazu,  den  Seelen- 
kämpfen, die  sich  vor  uns  abspielen,  keine  grosse  Schwere  beizumessen.  Besonders 
Tassos  Liebe  zur  Prinzessin  wird  davon  berührt.  K.  muss  annehmen,  dass  sie  keines- 
wegs so  tief  und  innig  sei,  um  einen  „todesdunklen"  Schatten  auf  Tassos  ganzes 
künftiges  Leben  zu  werfen.  Trotzdem  bleibt  K.  dabei,  dass  das  Drama  im  Goethe- 
schen  Sinne  tragisch  sei.  Gut  weist  er  die  Einheit  von  Handlung,  Ort  und  Zeit,  die 
Art  der  Exposition,  den  Gehalt  an  dramatischen  Situationen  nach.  Bei  der  Erörterung 
der  Charaktere  der  fünf  auftretenden  Personen  sieht  er  in  dem  Sanguiniker  Tasso 
den  Uebergang  vom  empirischen  zum  erworbenen  Charakter  (nach  Schopenhauer)  ge- 
zeichnet,   die   Prinzessin   ist    von    phlegmatischem  Temperament  und  sucht  deshalb 


35)  O  X  V.  Paul,    D.  Entsühnnnif  Orests    bei    d.  Griechen    u.  bei  Goethe:    Jnng-Deutschland  1,    S.  44,  53/4;    2,    S.  10/1.   — 

36)  X  K.  Sprenger,  Zu  Goethes  Iphigenie  I,  3,  V.  226:  ZDÜ.  7,  S.  687/8.  (Verteidigung  gegen  Erich  Schmidts  Vorwurf  [vgl. 
JBL.  1890  IV  lle:22J,  er  habe  d.  ältere  Lesart  nicht  berücksichtigt.)  —  37)  X  K.  Hessel,  Nochmals  Goethes  Iphigenie  u. 
Schacks  Arete:  Mädchenschule  6,  S  1-15.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  8e  :  25.)  —  38)  O  X  Goethe,  Iphigenie  paa  Tauris.  Et  Skuespil. 
Oversat  af  P.  Hansen.  Kjöbenhavn,  Gyldendal  IV,  119  S.  Kr.  3,00.  —  38a)  X  (IV  8a:  156.)  —  38b)  X  (IV  8»  :  157.) 
—  39)  F.  Kern,  Torquato  Tasso.  E.  Schauspiel  v.  Goethe.  Mit  Einl.  u.  Anm.  her.  B.,  Nicolai.  VI,  394  S.  M.  10,00.  1[W. 
T.  Biedermann;  LZg«.  N,  33;  K.  Heinemann:  BLU.  S.  463-71;  DR.  3,  S.  379;  LCBl.  8.  693;  W.  Creizenach:  ASNS.91, 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  40-49 

Tasso  nicht  zu  halten,  Antonio  wird  in  mög-lichst  g-ünstig-em  Lichte  dargestellt.  Der 
Anhang-  bietet  zuerst  Ergänzungen  zu  den  einleitenden  Kapiteln,  bei  denen  man  nicht 
einsieht,  warum  sie  von  ihnen  g-etrennt  sind,  behandelt  dann  höchst  oberflächlich  den 
geschichtlichen  Tasso  und  die  Quellen  Goethes,  unter  denen  die  wichtigsten,  Serassi 
und  Manso,  viel  zu  flüchtig  gestreift  sind,  und  erörtert  die  Entstehung  der  Dichtung 
in  der  von  früher  her  sattsam  bekannten  Art.  Das  Bestreben,  Moritz  als  Modell 
Tassos  im  Anschluss  an  S.  Auerbach  nachzuweisen,  erscheint  unnütz  und  verfehlt. 
Der  letzte  Abschnitt  „Formelles"  ist  in  jeder  Beziehung  ungenügend, *''-'*3)  — 

Der  „Bürgergeneral"  wurde  von  Mitgliedern  des  Zwickauer  Goethe- 
vereins unter  der  Leitung-  Kellners^*)  am  Geburtstage  des  Dichters  mit  grossem 
Lacherfolg  aufgeführt.  —  Ein  hübscher  Prolog  von  Mosen^^j  ^jgg  ^^f  den  Feldzug 
in  der  Champagne  und  die  Stimmung,  aus  der  das  kleine  Stück  geboren  ist, 
passend  hin.  — 

Von  der  Uebersetzung  des  „Mahomet"  schreibt  Goethe*^)  an  Christiane  den 
3.  Okt.  1799.  —  Marianne  von  Eybenberg^')  meint,  dass  das  Verbot  der  Aufführung 
des  „Mahomet"  in  Wien  keinen  anderen  Grund  habe,  als  dass  man  in  einigen  Zügen 
Aehnlichkeit  mit  Bonaparte  fand.  — 

Die  Darstellung  der  „Natürlichen  Tochter"  bei  Gelegenheit  der  Weimarer 
Goetheversammlung  giebt  Valentin*^)  Anlass,  die  Bühnenwirksamkeit  des  Stückes  im 
Gegensatz  zu  dem  landläufigen  Urteil  zu  konstatieren.  Dieses  beruht  in  erster  Linie 
darauf,  dass  das  Werk  ein  Bruchstück  ist,  welches  nur  die  Exposition  der  Handlung 
giebt  und  doch  äusserlich  als  ein  ganzes  erscheint.  Die  „Natürliche  Tochter"  wäre 
keine  Trilogie  geworden,  ebenso  wenig  wie  es  der  „Wallenstein"  ist.  Ferner  wird 
die  Wirkung  durch  die  Namenlosigkeit  der  Personen  geschädigt,  die  sich  nicht  aus 
dem  Streben  nach  Aufstellung  von  Typen,  die  hier  gar  nicht  vorhanden  sind,  erklärt, 
sondern  daraus,  dass  Goethe  die  geschichtlichen  Ereignisse  möglichst  verallgemeinern 
wollte.  Er  konnte  das  berechtigte  Verlangen  nach  einem  historischen  Hintergrund 
der  Handlung-  nicht  erfüllen.  V.  zeigt  dann  den  Gedanken,  der  die  treibende  Kraft 
des  Stückes  werden  sollte:  Eugeniens  Erkenntnis  und  Erfüllen  ihres  Berufes  als 
Retterin  des  Vaters  und  des  Königs.  Durch  dessen  Durchführung  wäre  die  „Natür- 
liche Tochter"  ein  Gegenstück  zur  „Jungfrau  von  Orleans"  geworden  und  in  Ver- 
wandtschaft zu  der  in  der  „Iphigenie"  herrschenden  Weltanschauung  getreten.  — 

In  der  „Pandora",  die  meist  nur  auf  ihi-e  symbolische  und  allegorische  Be- 
deutung hin  betrachtet  wird,  will  Harnack^^)  den  speciell  dramatischen  Gehalt,  das 
Zusammenwirken  individueller  Persönlichkeiten,  würdigen.  Die  Benennung  nach  der 
Idealgestalt  der  Pandora,  welche  die  meisten  verleitet,  von  ihr  bei  der  Erklärung- 
auszugehen, ist  ein  Missgriff,  veranlasst  durch  den  ursprünglichen,  nicht  durch- 
geführten Plan.  Der  Kontrast  des  Prometheus  und  Epimetheus  beruht  bei  Goethe, 
abweichend  von  der  Ueberlieferung,  in  der  Verschiedenheit  des  Empfindens,  und 
zwar  wird  die  weichere  Empfindungsart,  die  Epimetheus  vertritt,  hier  so  sehr,  wie 
nirgend  sonst  bei  Goethe,  als  die  höhere  hingestellt.  Die  Haupthandlung  ist  beim 
Beginn  schon  g-eschehen.  Die  Brüder  sind  einander  völlig  entfremdet,  weil  sie  sich 
nicht  verstehen.  Klar  ist  ihr  Gegensatz  beim  Erscheinen  Pandoras  zu  Tage  getreten, 
die  Prometheus  als  Verführerin  fortgewiesen  hat,  während  der  Bruder  sie  aufnahm. 
Die  luftigen  Götterbilder,  die  ihrer  Büchse  entstiegen  sind,  haben  zwar  nicht  Epi- 
metheus selbst,  aber  die  grosse  Masse  der  Menschen  verführt,  ihnen  nachzujagen  und 
sich  dadurch  in  Gefahr  zu  stürzen.  Die  Menge  hascht  nach  dem  Schein  der  Schönheit, 
Epimetheus  verlangt  nach  ihrem  Wesen.  Nachdem  sie  in  Pandoras  Gestalt  ihm  ver- 
schwunden ist,  bleibt  er  trauernd  und  sehnsuchtsvoll  zurück  mit  der  Tochter  Epimeleia, 
die  sie  ihm  gelassen  hat,  und  die  zur  Jungfrau  heranwächst.  Vor  seinem  Bruder  hat 
er  sie  verborgen.  Aber  dessen  Sohn  Philemon  liebt  sie,  er  glaubt  sich  von  ihr  be- 
trogen, sein  Wüten  führt  die  Väter  zusammen,  Prometheus  nähert  sich  dem  Stand- 
punkte des  Epimetheus  und  beide  vereinigen  sich  in  der  Verehrung  der  verschwundenen 
Tochter  Elpore.  Von  Rachsüchtigen  wird  das  Besitztum  des  Epimetheus  zerstört; 
Phileros,  durch  die  Strenge  des  Vaters  verzweifelt,  hat  sich  ins  Meer  gestürzt;  Epi- 
meleia sucht  den  Tod  in  den  Flammen.  In  dieser  höchsten  Not  vereinigen  sich  beide 
Brüder  zu  gemeinsamem  Handeln.  Den  Sohn  kann  Prometheus  nicht  retten;  das 
vermögen,  wie  Eos  verkündet,  nur  die  Götter.  Das  Liebespaar  ist  durch  ihre  Macht 
unversehrt  geblieben,  das  Wiedererscheinen  Pandoras  kündigt  sich  an.     Das  Folgende 


S.  282/4;  A.  Jonas:  ZGymn.  27,  S.  116/8.]|  —  40)  X  H.  C.  Kellner,  H.  Grimm,  Leonore  v.  Este  (vgl.  JBL.  1892  IV8e:30): 
MGoetheVZwickau  N.  1.  —  41)  O  X  J-  B-  Rinaldi,  Vita  Torquati  Tassi:  oratinncala  ad  pneros  gymnasii  alamnos.  Bononia, 
ex  typ.  Regia.  1892.  16».  23  S.  —  42)  O  X  L.  Berle,  Torquato  Tasso:  appunti  storico-critico-biograflci  ad  uso  degllstituti 
d'istrazione  secondaria  e  specialmente  delle  scuole  norraali.  Torino,  Canonica.  16".  78  S.  L.  1,25.  |[NAnt.  47,  S.  160;1.J|  — 
43)  O  X  (I  7:71.)  —  44)  (IV  8a:  39.)  —  45)  G.  Mosen,  Prolog  z.  Jahrhundertautfülirong  v.  Goethes  „Bärgergeneral": 
MGoetheVZwickau.  N.  3.  (Vgl.  ChWGV.  S.  35,6.)  —  46)  (IV  8d  :  2;  14,  S.  196.)  —  47)  (IV  8b  :  12;  S.  37.)  — 
48)  V.  Valentin,  Z.  Aufführung  v.  Goethes  „Natürlicher  Tochter"  in  Weimar:  DWBl.  8.  3213.  —  49)  0.  Harnack,  Ueber 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV.  (4)27 


IV  8e  :  49-54  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

ist  nicht  mehr  ausgeführt.  Am  Schlüsse  muss  Prometheus,  der  die  Grenzen  seiner 
Kraft  erkannt  hat,  versöhnt  sein.  Der  Realist  wird  nicht  durch  die  üebermacht  des 
Ideals  ins  Nichts  zurückg-eworfen,  sondern  alles  klingt  in  Harmonie  aus.  Die  Vor- 
bedingung des  Erscheinens  der  Pandora  ist  die  Versöhnung  der  beiden  Brüder,  und 
erst  müssen  Phileros  und  Epimeleia  als  Pfleger  der  Erbschaft  des  Epimetheus  ver- 
einigt sein,  ehe  er  von  der  Erde  entrückt  und  mit  Pandora  endgültig  verbunden  werden 
kann.  Pandora  ist  die  Verkörperung  der  Schönheit,  aber  deshalb  in  unserem  Drama 
nicht  eine  blosse  Allegorie,  sondern  durchaus  individuell  in  den  Erzählungen  der  beiden 
Brüder  gezeichnet.  Sie  ist  die  Schönheit  im  weitesten  Sinne,  alles  Erhabene  und 
Beseligende,  auch  Wissenschaft  und  Religion,  in  sich  umschliessend.  Die  Form  des 
Dramas  ist  die  letzte,  die  sich  Goethe  geschaffen  hat,  angeregt  von  der  griechischen 
Tragödie  und  der  Oper.  Ein  in  durchgehendem  Versmass  gehaltener  Dialog  wechselt 
mit  lyrischen  Strophen,  die  teilweise  für  den  Gesang  berechnet  sind  und  den  handeln- 
den Personen,  nicht  einem  griechischen  Chor,  in  den  Mund  gelegt  werden.  Wir  finden 
diese  Form  zuerst  in  dem  Vorspiel  von  1807,  dann  ausgebildet  in  der  „Pandora." 
Hier  tritt  im  Dialog  der  Einfluss  des  griechischen  Dramas,  in  den  lyrischen  Partien 
der  der  Oper  mehr  hervor.  Noch  stärkeres  Hinneigen  zur  Oper  zeigt  „Des  Epimenides 
Erwachen";  doch  ist  die  Grundform  beider  Stücke  die  gleiche.  Sie  fand  die  aus- 
gedehnteste Anwendung  im  zweiten  Teile  des  „Faust".  Verwandt  sind  mit  dieser 
Mischform  nicht  Schillers  Dramen,  trotz  lyrischer  Einschiebsel,  sondern  eher  die 
dramatischen  Dichtungen  der  Romantiker ;  nur  dass  Goethe  die  specifisch  romantischen, 
südländischen  Formen  mit  Ausnahme  der  Stanze  gar  nicht  verwendet.  Er  hat  auch 
in  der  „Pandora"  die  Kunst  des  Rhythmus  weit  getrieben,  den  Reim  aber  sehr  ein- 
fach gehalten.  Es  überwiegt  darin  durchaus  für  den  Totaleindruck  das  antike  Ele- 
ment. —  Aehnlich  wie  Harnack  entwickelt  Büchner^'')  klar  den  Gang  der  Handlung 
in  der  „Pandora";  doch  hält  er  sie  in  der  vorliegenden  Form  für  abgeschlossen ;  das 
Fragment  kann  als  ein  Ganzes  betrachtet  werden,  weil  die  Prophezeiung  der  Eos  am 
Schlüsse  alles  Wesentliche,  was  nachher  dargestellt  werden  sollte,  enthält.  Wie  die 
,,  Wahl  Verwandtschaften"  ist  auch  „Pandora"  unter  dem  schmerzlichen  Gefühl  der  Ent- 
behrung, entspringend  der  hoffnungslosen  Leidenschaft  für  Minna  Herzlieb,  entstanden. 
Die  dunkle  Seite  der  Dichtung  soll  nach  B.  in  der  Lehre  bestehen,  dass  derjenige, 
der  auf  Liebe,  Freundschaft  und  Pietät  sein  Lebensglück  aufzubauen  unternimmt, 
leicht  die  Beute  verbitternder  Enttäuschungen  wird.  Den  Grundgedanken  hat  die 
„Pandora"  mit  der  „Trilogie  der  Leidenschaft"  gemein.'  — 

In  „Romeo  und  Julia"  hat  Goethe,  wie  Charlotte  von  Schiller  in  einem 
von  K.  Sohmidt^^)  mitgeteilten  Briefe  an  ihren  Sohn  Ernst  schreibt,  die  Kraft  des 
Originals  mit  seiner  schönen  Sprache  vereinigt.  Sie  berichtet  auch  (S.  76)  sehr 
günstig  über  die  erste  Aufführung.  — 

Eine  Abhandlung  über  „Des  Epimenides  Erwachen"  eröffnet  Morsch ^^^ 
mit  einer  Zusammenfassung  der  Ergebnisse  der  Forschung  über  die  Doppelgestalt 
des  historischen  Epimenides.  Wie  Loeper  rechtfertigt  er  die  Wahl  des  Stoffes  und 
erklärt  sie  durch  litterarische  Ueberlieferung.  Er  zählt  drei  französische  Behand- 
lungen des  Themas  auf,  von  Poisson  1735,  von  Henault  1755  und  von  Flins  1790. 
Die  letzte  kannte  Goethe  aus  Grimms  „Correspondance  litteraire".  Eine  andere,  sehr 
wahrscheinliche  Quelle,  die  Inhaltsangabe  in  Kotzebues  ,, Meine  B^lucht  nach  Paris", 
hat  sich  M.  entgehen  lassen,  worauf  Koch^^)  hinweist.  Alle  früheren  dramatischen 
Einkleidungen  gehen  von  der  Stelle  Diog.  Laert.  I,  109  aus;  erst  Goethe  erhebt  die 
lustspielartigen  Motive  zu  ernster  Tragik.  In  den  französischen  Dichtungen  erwacht 
der  Weise  am  Anfang,  bei  Goethe  ist  auch  sein  Entschlummern  und  die  Zeit  seines 
Schlafens  geschildert,  während  der  Titel,  der  Tradition  folgend,  nur  das  Erwachen 
erwähnt.  Die  Verbindung  mit  Staatsumwälzungen  geht  gemeinsam  auf  die  Antike 
zurück.  Noch  andere  Aehnlichkeiten  mit  den  Vorgängern  erwähnt  M.;  aber  im  ganzen 
hat  doch  Goethe  den  Stoff  völlig  in  der  Richtung  des  Antik-Tragischen  umgewandelt. 
Auch  die  enge  Beziehung  der  Schlussscene  zur  „Alkestis"  des  Euripides  zeigt  das. 
Nur  ist  der  „Epimenides"  im  Gegensatz  zu  den  früheren  antikisierenden  Dramen  antik- 
romantisch, die  antiken  Figuren  sind,  wie  schon  in  der  „Pandora",  mehr  Symbole. 
Das  Festspiel  ist  eine  Goethesche  Konfession  im  grossartigsten  Stile:  Epimenides  ist 
Goethe  selbst,  M.  weist  frühere  Vergleichungen  Goethes  mit  dem  mythischen  Seher 
nach,  ebenso  dass  das  Verhalten,  die  Hoffnungen  und  Klagen  desselben  der  Stellung 
des  Dichters  zu  den  Zeitereignissen  entsprechen.  Seiner  Ansicht,  dass  der  Schluss- 
gesang, von  einem  patriotischen  Künstler,  etwa  Richard  Wagner,  gesetzt,  zu  einer 
deutschen  Nationalhymne  werden  könnte,  vermögen  wir  uns  nicht  anzuschliessen.  — 
Sara  von  Grotthus^^)  unterstützt  die  Bitte  des  Theaterdirektors  Liebich  um  ein  Fest- 
spiel Goethes  zur  Feier  von  Deutschlands  Befreiung  mit  beweglichen  Worten.  — 

Goethes  „Pandora":  PrJbb.  73,  S.  105-22.  —  50)  W.  Büchner,  üeber  Goethes  Pandora:  ZDÜ.  7,  S.  355-68.—  51)(IV8b:9; 
9:21;S.63)  —  52)  (IV  Sa  :  95/6.)  -  53)  M.  Koch,  Neuere  Goethe- u.  Sohillerlitt.  VHI:  BFDH.  10,  S.  211-74.  (Darin :  S.  253.)  -  54) 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  55-63 

Wie  g-ewöhnlich  ist  der  Jahresertrag-  der  Erzeugnisse,  die  sich  mit  Goethes 
„Faust"  beschäftig-en,  wieder  äusserlich  ein  reicher.  Aber  es  findet  sich  in  dieser 
Ernte  eine  grosse  Anzahl  von  tauben  Aehren,  zumal  unter  den  Arbeiten,  die  den 
„Faust"  im  allgemeinen  behandeln.  Heuers^^)  trefflich  gearbeiteter  Katalog  der 
Frankfurter  Faust-Ausstellung  bringt  besonders  für  die  ältesten  Gestaltungen  der 
Sage  manches  Neue;  Goethes  Dichtung  ist  durch  sämtliche  Originalausgaben,  zahlreiche 
Nachdrucke,  illustrierte  und  kommentierte  Ausgaben  (im  ganzen 462)  vertreten,  ausserdem 
enthält  das  Verzeichnis  8  Bühnenbearbeitungen,  7  Fortsetzungen,  66  üebersetzungen, 
9  Texte  zu  Faustopern,  8  Possen,  6  Ballets,  14  Satiren  und  Parodien,  und  eine  gTosse 
Anzahl  von  darauf  bezüglichen  Bild-  und  Tonwerken.  —  Küchlers^^)  Dissertation, 
die  zugleich  dänisch*'^}  erschien,  ist  nur  ein  eilig  zusammengerafftes  Konglomerat  der 
allerbekanntesten  Dinge.  Neu  ist  die  Ansicht,  dass  Faust  in  „Trüber  Tag.  Feld"  sich 
von  Mephistopheles  lossagt,  dessen  er  von  nun  an  nicht  mehr  bedarf,  und  der  sich 
nur  noch  als  höchst  lächerliche  Figur  einschiebt  und  aufdrängt^^  ^^).  —  Kiesewetters^') 
eigenartiges  Buch  muss  auch  hier  genannt  werden,  weil  auch  auf  eine  Anzahl  Stellen 
des  Goeth eschen  „Faust"  von  dem  spiritistischen  Standpunkt  des  Vf.  ein  neues, 
freilich  wohl  meist  trügerisches  Licht  fällt.  —  Unter  den  beiden  Wiener  Faustdramen, 
die  Werner 62-)  aufgefunden  hat,  kann  das  eine  von  Goethe  beeinflusst  sein.  Es  wurde, 
von  Kringsteiner  verfasst,  1816  im  Leopoldstädter  Theater  gegeben.  Das  andere  zählt 
unter  die  Sing'spiele  des  18.  Jh. ;  es  lehnt  sich  an  die  bürgerlichen  Trauerspiele  und 
die  Tendenzen  der  Aufklärungszeit  an.  —  Die  Vorgeschichte  des  Stoffes,  in  welche  die 
zuletzt  erwähnten  Arbeiten  hineinführen,  ist  meisterhaft  in  grossen  Zügen  dargestellt 
im  ersten  Bande  von  Kuno  Fischers ''33  Faustschrift,  die  jetzt  in  dritter  Auflage 
vorliegt.  Sie  steht,  trotz  manchen  Lücken  und  Versehen  im  einzelnen,  durchaus  auf 
der  Höhe  der  W^issenschaft.  F.  hat  jetzt  den  Fund  des  Urfaust,  den  die  vorher- 
gehende Auflage  noch  nicht  verwerten  konnte,  in  seine  Darstellung  der  Entstehungs- 
geschichte eingegliedert,  und  er  konnte  das  um  so  leichter,  weil  dadurch  seine  früheren 
Aufstellungen  nur  erhöhte  Gewissheit  erhielten.  Die  Einheit  der  Dichtung  setzt  F. 
in  die  Persönlichkeit  des  Dichters;  eine  andere  vermag  er  bei  den  mannigfachen 
Widersprüchen  nicht  anzuerkennen.  —  Dagegen  wiederholt  eine  neue  umfangreiche 
Gesamterklärung  des  „Faust",  die  von  Baumgart ^*),  die  früher  mehrfach  unter- 
nommenen Versuche,  eine  präexistierende  philosophische  Idee,  der  die  Ausführung  in 
allen  ihren  Stadien  entspricht,  zu  konstruieren.  Mit  dentlich  erkennbarem  Anschluss 
an  Hegel  stellt  er  den  Erdgeist  in  die  Mitte  der  gesamten  Handlung.  Er  ist  das  Symbol 
alles  Lebens,  und  Mephistopheles  handelt  überall  nur  in  seinem  Auftrage,  er  ist 
nirgends  transcen dental  zu  denken;  der  Teufel  der  Sage,  an  den  auch  Faust  nicht 
mehr  glaubt,  ist  verschwunden.  Infolgedessen  bedeutet  auch  die  Magie  nicht  ein 
Mittel  zur  Erkenntnis  des  Uebersinnlichen,  sondern  sie  ist  nur  ein  Symbol  für  die 
Weltanschauung  von  der  Immanenz  der  Gottheit;  Faust  sucht  durch  sie  den  Weg 
ins  weite  Leben.  Anwendung  findet  sie  nur  bei  der  Beschwörung  des  Erdgeistes, 
während  die  des  Pudels  von  B.  als  Halluzination  gedeutet  wird  und  das  ganze 
folgende  Gespräch  mit  Mephistopheles  in  Wahrheit  ein  Selbstgespräch  Fausts  sein  soll. 
Kleine  und  grosse  Welt  werden  durch  Hexenküche  und  Walpurgisnacht  symbolisch 
verkörpert.  In  der  Gretchentragödie  leidet  Faust  unter  einer  schweren  geistig-sittlichen 
Erkrankung,  sein  ganzes  Gebahren  gegen  Gretchen  ist  nur  Maske.  In  dieser  Weise 
deutet  B.  die  ganze  Dichtung,  vorläufig  bis  zur  ersten  Scene  des  zweiten  Teils,  dem 
Anfangs  entwickelten  Grundgedanken  entsprechend  aus.  Wir  müssen  dabei  der  Worte 
Goethes  (an  Schiller  17.  Mai  1795)  gedenken:  „Die  Idee  mag  gut  sein  und  die 
Bemühung  ist  respektabel,  wenn  nur  nicht  diese  Herrn,  um  ihre  schwachen  Flanken 
zu  decken,  gelegentlich  die  fruchtbarsten  Gärten  des  ästhetischen  Reichs  verwüsten 
und  in  leidige  Verschanzungen  verwandeln  müssten.  Und  am  Ende  ist  mehr  Subjektives 
als  man  denkt  in  diesem  ganzen  Krame". ^^■"^')  —  Auch  Umfried^^)  sucht  den  ganzen 
„Faust"  unter  einen  beherrschenden  Grundgedanken  zu  bringen.  Er  sieht  darin  die 
Verkörperung  des  christlichen  Glaubens;  aber  frei  von  jeder  dogmatischen  Beschränkung. 
Diese  Absicht  ist  nur  fragmentarisch  im  ersten  Teil  zum  Ausdruck  gekommen,  indem 
die  Idee  der  Erlösung  nur  bis  zum  Gericht  durchgeführt  ist,  das  die  Walpurgisnacht 


(lV8b  :  12;  S.  56,7.)  —  55)  (H  3  :  37:  HI  3  :  8;  IV  4  :  308;  8a  :  44.)  |iM.  O(sborn):  MagdZg.  N.592;  A.Bartels:  Didask.  N.  215; 
NatZg.  N.  509 ;  MAutographensaramler.  S.  79-81 ,  87, 8,  94, 6 ;  E.  S  a  c  It :  FZg.  N.  256.]  |  —  56)  C.  K  ü  c  h  1  e  r ,  D.  Faustsage  u.  d.  Goethesche 
Faust.  Diss.  Kopenhagen.  (L.,  Fock.)  56  S.  M.  1,20.  1[M.  K  och:  BFDH.  9,  S  193;  LCBl.  S.  1587,8;  L.  Franke  1:  BLU.  S. 401.] |  —  57) 
(15  :  225;n3  :  27.)  — 58)  X  ^'- Küchler,  Goethes  ,,Faust"u.  seiDeQaellen:LZgB.N.  34.    (Nur  e.  wörtlicher  Ausz.  aus  N.  56.)  — 

59)  X  I"-  Lewes,  Ueber  d.  hist.  u.  myth.  Faust  im  Verhältnis  z.  Goetheschen  Dichtung.  Vortr.:  ChWGV.  S.o.  (Kurzes  Kef.)  — 

60)  X  A.  Pick,  Faust  in  Erfurt:  Erfurter  Echo  N.  30/1.     (Forts.  1894,  N.  1/3.)  —  61)  (I  5  :  224;  10  :  25;  II  3  :  28;  m  3  :  2.) 

—  62)  (IV  4:411.)  —  63)  (U  3:25;  III  5:39.)  |[BLU.  S.  447.],  —  64)  H.  Baumgart,  Goethes  Faust  als  einheitliche 
Dichtung  erläut.  1.  Bd.  Königsberg,  Koch  IV,  420  8.  M.  4,00.  |[0.  Harnack:  PrJbb.  75,  S.  87;  K.  J.  Schröer:  LCBl. 
S.  1272/3.JI  —  65)  X  K-  J-  Schröer,  Faust  (vgl.  JBL.  1892  IV  8e:55):  LCBl.  S.  1436,7.  —  66)  X  C-  Thomas,  Faust  (vgL 
JBL.  1892  IV  8e:56):  ib.  S.  411,2.  —  67)   O  X  D-  Kitto,  Goethes  „Faust":  NQ.  3,  S.  187.     (Dazu  H.  Krebs:  ib.  S.  356/7.) 

—  68)  (IV  8a:73.)  —  69)  (IV  5:57.)  —  70)  (IV  4:312;  8a:136.)  |[M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  383;  J.  Riffert:  LZgB.N.64.]| 

(4)27* 


IV  8e  :  68-76  Gr.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

als  Traum g-esicht,  die  Kerkerscene  realistisch  darstellt.  Der  zweite  Teil  hat  ausser 
dem  Namen  des  Helden  nichts  mit  dem  ersten  g-emein  als  das  Problem  der  mensch- 
lichen Bestimmung-;  denn  Faust  verfällt  am  Ende  des  ersten  in  Wirklichkeit  der  Hölle, 
und  alles  Folg-ende  behandelt  die  objektive  Seite  der  deutsch-menschlichen  Aufgabe 
der  Erziehung-  des  deutschen  Geistes  zum  sittlich -religiösen  Bewusstsein,  durch  das 
die  Versöhnung  des  Menschen  mit  sich  selbst  und  seinem  Dasein  erreicht  werden  soll. 
Infolgedessen  wird  der  ganze  zweite  Teil  von  U.  allegorisch  aufgefasst.  Faust 
selbst  ist  der  kranke  Zeitgeist,  der  durch  Entsagung  und  Busse  gesunden  soll, 
Mephistopheles  der  dem  Zeitgeist  innewohnende  Widerspruch  gegen  das  höhere  Ziel. 
Am  Schlüsse  handelt  es  sich  nicht  um  den  physischen  Tod  Fausts,  sondern  um  den 
geistigen,  einen  bei  Lebzeiten  eingetretenen  Zustand  geistiger  Impotenz,  Erschlaffung 
und  unbedingter  Ruhe.  In  diesem  Sinne  deutet  U.  mit  heissem  Bemühen  und  Heran- 
ziehung zahlreicher  paralleler  Goethestellen,  unter  denen  sich  eine  Anzahl  zwar  nicht 
neu  aufgefundener,  aber  bisher  nicht  verwerteter  und  wirklicher  wertvoller  befindet, 
den  ganzen  Gang  der  Dichtung ;  doch  da  der  Rahmen,  in  den  er  sie  presst,  bald  zu 
weit  und  bald  zu  eng  ist,  so  geht  es  vielfach  nicht  ohne  Gewaltsamkeit  ab,  wie 
andererseits  das  Kunstwerk  zerstört  wird  in  diesem  Bestreben,  den  Gedankengehalt 
herauszuschälen.  Zur  Erklärung  stützt  sich  U.  vornehmlich  auf  die  Theodicee  am  Ende 
des  achten  Buches  von  „Dichtung  und  Wahrheit"  und  auf  die  „Wanderjahre".  Im 
Vorspiel  auf  dem  Theater  repräsentiert  der  Direktor  das  stoffliche  Element  der  Dichtung, 
der  Dichter  den  höheren  sittlichen  Gehalt,  die  lustige  Person  die  Form.  Der  Schluss- 
vers „Vom  Himmel  durch  die  Welt  zur  Hölle"  findet  seine  Bestätigung-  durch  den 
Triumph  des  Bösen  in  Walpurgisnacht  und  Kerkerscene.  Ueberall  sucht  und  findet 
ü.  Symbolik,  selbst  im  Namen  Nostradamus  und  den  ersten  Scenen  „Vor  dem  Thor", 
die  angeblich  zeigen,  wie  völlig  christliche  Zucht  und  Ordnung  darniederliegt,  wie 
untauglich  unser  Leben  für  den  höheren  Zweck,  wie  unfähig  aber  auch  die  Kirche 
für  ihre  Aufgaben  sich  erweist.  Das  Glaubensbekenntnis  Fausts  in  der  Katechisations- 
scene  heisst  ,, Phrasenwerk,  Wortgeklingel,  Gefühlsspielerei."  Der  Knabe  Lenker  ist 
der  Glaube,  Plutus  das  Wunder.  Die  Mütter  sind  die  almae  matres,  die  Universitäten, 
entsprechend  der  „akademischen  Bestie"  des  ersten  Teils.  Gegen  eine  Aufführung 
des  „Faust"  legt  U.  im  Namen  des  Dichters  und  des  gesunden  Menschenverstandes 
feierlichst  Verwahrung  ein.  Wir  verwahren  uns  nicht  minder  feierlich  gegen  eine 
solche,  jedes  Verständnisses  bare  Auslegung  des  g-rossen  Werkes.  —  In  seinem 
Buche,  das  sich  mit  dem  „Faust"  nur  im  Titel  berührt,  liefert  Behrends^^)  ein 
unklares  Produkt  ohne  jeden  Wert,  das  sich  vergeblich  mit  den  höchsten 
Fragen  abmüht.  —  Nach  Basedows 'O)  Ansicht  beruht  der  undramatische  Eindruck 
des  „Faust"  darauf,  dass  Mephistopheles  undarstellbar  ist.  Um  das  zu  beweisen, 
bringt  B.  zuerst  allerlei  Unsinn  über  den  Grundgedanken  des  Werkes  vor.  Faust, 
der  alte  Gelehrte,  kommt  zur  Liebe  durch  Mephisto,  der  die  Verneinung  ist.  „Und 
das  ist  die  Formel  für  das  Christentum  ;  denn  das  Christentum  ist  ursprünglich  die 
Religion  der  Entsagung,  der  Verneinung."  Das  grell  Dämonische  in  Mephisto  dar- 
zustellen, erscheint  für  menschliche  Kräfte  unmöglich;  deshalb  soll  statt  des  Theater- 
teufels lieber  ein  diabolischer  Mensch  dargestellt  werden.  Den  Prolog  im  Himmel 
hat  Goethe  nachträglich  gedichtet,  um  für  Gottes,  durch  Mephisto  vollzogene 
„Malträtierung"  Fausts  einen  Grund  zu  finden. ''i"'^).  —  Begeben  wir  uns  nun  aus  den 
Wo] kengebieten  der  Spekulation  auf  den  Boden  der  realen  Faustforschung,  so  begegnet 
uns  ein  guter  Ueberblick  über  die  neueren  Ergebnisse  für  englische  Leser  von 
Coupland''6).  Er  berichtet  nach  kurzer  Ablehnung  von  Scherers  Hj^pothesen  von 
dem  Funde  des  Urfaust,  wobei  er  irrtümlich  die  Scene  auf  der  Landstrasse  für  bisher 
unbekannt  hält.  Die  Wichtigkeit  des  Fundes  sieht  er  vor  allem  in  seinem  Nutzen 
für  das  Verständnis  des  vollendeten  Werkes;  denn  der  beste  Schlüssel  zu  diesem  Buche 
mit  sieben  Siegeln  ist  seine  Entstehungsgeschichte.  Sodann  lenkt  C.  die  Aufmerksamkeit 
auf  den  metaphysischen  Kern  des  Par.  j.  Inhalt  und  Form  sind  technische  Ausdrücke 
aller  Metaphysiker.  Kuno  Fischers  Faustschrift  nennt  C.  mit  Recht  die  nützlichste 
für  die  Erkenntnis  der  Entstehungsgeschichte  und  wendet  sich  nur  gegen  Fischers 
Behauptung,  dass  die  Einheit  lediglich  in  der  Person  des  Dichters  liege.  Mit  guten  Gründen 
lehnt  er  die  Einheit  der  philosophischen  Idee  ab,  weil  Goethe  nicht  vom  Abstrakten 
ausgegangen  sei,  und  verurteilt  Louviers  Machwerk.  Er  bespricht  das  Mephistopheles- 
und  Erdgeist-Problem   im  Anschluss    an    die  Aufstellungen  Cornishs,   Fischers    und 


—  71)X  I--  Fränlcel,  F.  A.  Louvier,  Goethe  als  Kiibbalist.  —  id.,  Sphinx  locuta  est  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a:  69-70):  BLU. 
S.  66/8.  —  72)  X  F.  A.  Louvier,  Sphinx  locuta  est  (vgl.  JBL.  1892  IV  8a  :  70).  i[P.  Harms:  FZg.  N.  94:  E.  Müll  er-Holm: 
HambCorrB.  N.  17/8;  A.  Sulzbach:  BFDH.  9,  S.  78-92.]|  (S.  auch  o.  IV  8a:82)  — 73)  X  ?•  Harms,  W.  Gwinner,  Goethes 
Faustidee  (vgl.  JBL  1892  IV  8e:57):  FZg.  N.  94.—  74)  X  ^-  Hölscher,  K.  Schmidt,  Gedanlten  über  Goethes  Faust  (vgl. 
JBL.  1892  IV  8e:59):  ASNS.  90,  S.  345/6.-  75)X  Ph-  Winkler,  Grnndzüge  e.  „Parallele  zwischen  Shakespeares  „Hamlef^ 
u.  Goethes  „Faust"  (vgl.  JBL.  1892  IV  8e  :  64).  ||BLU.  S.  367;  L.  Hölscher:  ASNS.  91.  S.  472;  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  193.] | 
(S.  0.  IV  8a:  137.)    —   76)  W.  S.  Coupland,   Recent  contributions   to  the   study  of  Faust:   PEGS.  7,  S.  32-51.  —  77)  X  F. 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  77-85 

Curtos,  zählt  die  Widersprüche  in  der  Charakteristik  auf,  und  meint,  hier  sei  nicht 
nur  ein  verneinender,  sondern  ein  „selbstverneinender"  Geist.  Mephisto  ist  nicht  vom 
Erdgeist  gesandt;  der  Geist,  der  Faust  sein  Angesicht  im  Feuer  zugewendet  hat,  ist 
Gott.  Goethe  hat,  wie  der  Urfaust  beweist,  schon  bei  der  ersten  Konzeption  in 
Mephistopheles  den  Teufel,  nicht  einen  Kobold  im  Dienste  des  Erdgeistes  gesehen''''). 
—  Sprenger ''S)  meint,  dass  Goethe  beim  Mammon  der  Walpurgisnacht  nicht  die  Verse 
Miltons  Paradise  lost  II,  228  ff.,  auf  die  schon  Loeper  verwiesen  hat,  sondern  I,  670  ff. 
und  678fT.  vorgeschwebt  zu  haben  scheinen.  Auch  zum  zweiten  Teil  (V.  lOlOSff.) 
findet  S.  bei  Milton  Gedankenparallelen.  —  Für  die  abschätzige  Meinung  Goethes  von 
seinem  Werke  in  den  90  er  Jahren  bieten  die  neu  veröffentlichten  Briefe  der  Weim. 
Ausg."*^)  zwei  weitere  Belege.  An  Hirt  schreibt  er  den  30.  Jan.  1798  (13,  S.  46J, 
er  sei  für  den  Moment  himmelweit  von  reinen  und  edlen  Gegenständen  entfernt,  indem 
er  seinen  Faust  zu  endigen,  sich  aber  zugleich  von  aller  nordischen  Barbarei  loszu- 
sagen wünsche.  Und  an  Cotta  2.  Jan.  1799  (14,  S.  1):  „Mein  Faust  ist  zwar  im  vorigen 
Jahre  ziemlich  vorgerückt,  doch  wüsst'  ich  bey  diesem  Hexenproducte  die  Zeit  der 
Reife  nicht  voraus  zu  sagen."  —  Als  die  beste  aller  französischen  Uebersetzungen 
des  ersten  Teils  ist  von  der  gesamten  deutschen  Presse  einstimmig  die  von  Sabatier^o^ 
anerkannt  worden,  welche  nach  dem  Tode  des  Vf.  jetzt  von  seiner  Witwe  heraus- 
geg-eben  worden  ist.  In  jahrzehntelanger  Beschäftigung  hat  S.,  mit  der  feinsten  Kenntnis 
der  deutschen  und  der  französischen  Sprache  ausgerüstet,  seine  Arbeit  als  Liebhaber 
im  höchsten  Sinne  des  Wortes  zu  einer  so  getreuen  Wiederg-abe  des  Urbildes  gestaltet,  dass 
sie  in  dieser  Beziehung  schwerlich  zu  übertreffen  sein  wird.  Nicht  nur  die  Zahl  der  Verse 
ist  bis  auf  einen  einzigen  Fall  (V.  2346)  genau  übereinstimmend;  er  sucht  auch  die 
feinsten  metrischen  Eigentümlichkeiten  nachzuahmen  und  setzt  sich  über  alle  herrschenden 
Gesetze  der  französischen  Metrik  hinweg,  indem  er  die  Neuerungen,  die  erst  in  der 
französischen  Dichtung  der  letzten  Jahre,  bei  den  Parnassiens  und  Decadents,  auf- 
getreten sind,  vorwegnimmt.  Er  geht  soweit,  unreine  Reime  der  deutschen  Dichtung 
im  Französischen  durch  eben  solche  anzudeuten.  Die  Freiheiten  der  Goetheschen 
Sprache  veranlassen  ihn,  auf  die  kühnen  Bildungen  der  Volkssprache  und  der 
französischen  Dichter  des  16.  Jh.  zurückzugehen:  er  verwendet  die  Elision  von  i  in 
si  und  qui,  die  Inversion  des  Objekts  in  einem  Masse,  das  von  seinen  Landsleuten 
als  gewaltsam  bezeichnet  worden  ist.  Die  Anmerkungen  zeugen  von  dem  Ringen  des 
Uebersetzers  mit  seinem  Stoff,  dem  steten  Suchen  nach  der  schärfsten  Wiedergabe  des 
Sinnes,  auf  Grund  einer  eingehenden  Kenntnis  der  g-esamten  zu  seiner  Zeit  vor- 
handenen Litteratur.  Wir  glauben  gern  der  Versicherung-  der  Vorrede,  dass  S.  Tage 
und  Wochen  darauf  verwendet  hat,  um  für  einen  einzigen  Ausdruck  die  entsprechende 
Wendung  zu  finden,  bietet  er  doch  für  alle  schwierigen  Stellen  eine  Reihe  von  zum 
Teil  in  ihrer  Art  vollendeten  Uebertragungen  zur  Auswahl,  von  denen  jede  mit  der 
reiflichsten  üeberlegung  motiviert  ist.  Darunter  hat  die  Frische,  der  Humor,  die 
Kraft  der  Sprache  nicht  gelitten,  im  Gegenteil  scheint  er  dem  Französischen  nach 
diesen  Richtungen  hin  neue  Fähigkeiten  abzugewinnen,  wobei  es  freilich  für  uns 
schwer  zu  entscheiden  ist,  ob  er  nicht  schon  die  Grenze  des  vom  französischen  Sprach- 
geist Erlaubten  überschritten  hat.  Leider  ist  das  äussere  Gewand  dieses  Meisterwerkes 
ein  ganz  unwürdiges,  das  Papier  ist  schlecht  und  der  Druck  überaus  flüchtig.  Wir 
wollen  hoffen,  dass  der  wohlverdiente  Erfolg  der  Uebersetzung  bald  eine  zweite, 
sorgfältiger  hergestellte  Ausgabe  ermöglicht.  —  Die  Bedeutung  der  Leistung  Sabatiers 
tritt  um  so  klarer  hervor,  wenn  man  sie  mit  den  älteren  französischen  Faustüber- 
setzungen vergleicht,  z.  B.  mit  derjenigen  der  „Bibliotheque  nationale"  ^i),  die  von 
neuem  erschienen  ist  und  noch  immer  in  ihrer  steifen  Prosa  komische  Fehler  in  Fülle 
birgt.  —  In  englischer  Sprache  ist  der  erste  Teil  von  neuem  in  einer  wesentlich  ver- 
besserten Ausgabe  der  Uebersetzung  von  Anna  Swanwick^^j^  tlie  vor  44  Jahren 
ihren  ersten  Versuch  auf  diesem  Gebiete  veröffentlichte,  ans  Licht  getreten.  Die  aus- 
führliche Einleitung  schliesst  sich  eng  an  Kuno  Fischer  an^^j  _  j^-'üj.  ^{q  Beliebtheit 
des  Fauststoffes  in  England  spricht  es,  dass  schon  wieder  ein  neues  Spektakelstück, 
verfasst  von  Jones***),  auf  dem  Haymarkettheater  erschienen  ist,  das  sich  eng  an 
Goethes  „Faust",  zumal  die  Gretchenepisode  und  seine  Zeichnung  des  Mephistopheles- 
charakters,  anlehnt.  —  In  englischer  Sprache  ist  auch  eine  wertvolle  Studie  eines 
deutschen    Gelehrten,   Tille s^),    über   die    Faustbilder  erschienen.      Er  sieht   in  den 

Strehlke,  Wörterbuch  zu  Goethes  Faust;  id.,  Paralipomena  (vgl.  JBL.  1891  IV  9e  :  89-90).  fO.  F.  Walzel:  ZOG.  44, 
S.  538-42.]!  -  78)  R.  Sprenger,  Anklänge  an  Milton  in  Goethes  Faust:  EnglSt.  S.  304,6.  —  79)  (IV  8d  :  2.)  —  80)  F. 
Sabatier,  Le  Faust  de  Goethe.  Trad.  en  franj.  dans  le  metre  de  l'original  et  suivant  les  regles  de  la  versification  allemande. 
Paris,  Delagrave.  XIX,  186,  186,  198  S.  Fr.  7,50.  |[J.  Wychgram:  BLU.  S.  180/2;  M.  Koch:  BFDH.  9,  S.  374;  L.  Schmidt: 
ML.  62,  S.  667-70;  E.  Hildebrandt:  Grenzb.  2,  S.  605-10;  PolybibU-.  67,  S.  333,4;  Arn.  Krause:  ASNS.  91,  S.  284-92; 
K.  J.  Schröer:  LCBl.  S.  923,4;  J.  Ettlinger:  VossZg».  N.  20;  W.  Lübke:  AZg».  N.  31;  A.  Kippenberg:  WeserZg. 
N.  16760;  F.  Gross:  Fremdenbl.  N.  203;  MünchNN.  N.  143;  C.  v.  Glüraer:  TglRs».  N.  37.]|  (S.  o.  IV  8a  :  153.)  —  81) 
Goethe,  Faust.  Tragödie.  (=  Bibl.  Nat.)  Paris,  Librairie  de  la  Bibl.  Nat.  lö».  185  S.  Fr.  0,25.  (Enth.  nur  d.  1.  T.)  — 
82)  (IV  ld:40.)  —  83)  O  X  Goethe,  Faust,  from  the  German  by  J.  Auster,  by  H.  Morley.  (=  Lubbocks  Bocks.) 
London,    Routledge.    Sh.  2/G.  —   84)   H.  A.  Jones,   The   Tempter:   St.  James  Qaz.  21.  Sept.  —  85)   A.  Tille,   The   artistic 


IV  8e  :  85-88  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

bildlichen  Darstellung-en  den  Stempel  der  Popularität  und  weist  an  den  Abbildungen 
auf  Gebrauchsg-eg-enständen,  Illustrationen,  Karikaturen  usw.  die  unvergleichliche  Volks- 
tümlichkeit von  Goethes  „Faust"  nach,  Deutschland  besitzt  32  illustrierte  Faustaus- 
gaben, England  22,  Frankreich  8.  Keines  der  Dramen  Shakespeares  ist  in  den  drei- 
hundert Jahren  seit  ihrer  Entstehung  so  oft  der  Gegenstand  künstlerischer  Darstellungen 
geworden  wie  Goethes  „Faust".  Zuerst  bespricht  T.  die  Faustbilder  vor  Goethe.  Die 
frühesten  brachte  die  Ausgabe  von  1588  (Zarncke  a^),  dann  die  Gruppe  C,  die 
flämische  Uebersetzung  von  1592,  die  holländische  Ausgabe  o,  O.  und  J.  (Engel  N.  280), 
die  französische  von  Cayet  (1720)  und  die  holländische  von  1728.  Die  englische 
Ballade  (Engel  N.  289)  zeigt  drei  Holzschnitte.  T.  untersucht  die  Geschichte  der 
Bilder  in  Auerbachs  Keller,  die  wohl  aus  dem  J,  1636  stammen,  bespricht  die  Porträts 
Rembrandts  und  Vliets  mit  ihrer  Sippe,  über  Szamatolski  (vgl.  JBL.  1891 III  8:5)  hinaus- 
führend, und  die  fliegenden  Blätter,  Christoph  van  Sichem,  die  Titelvignette  Klingers.  In 
den  Faustillustrationen  bei  Goethes  Lebzeiten  ist  Faust  überall  gehoben,  aber  sehr  ver- 
schieden dargestellt,  da  eineBühnentradition  fehlt.  Später  haben  Bilder  und  Aufführungen 
sich  gegenseitig  beeinflusst.  Dieselbe  Schwierigkeit,  welche  die  Doppelgestalt  des 
alten  und  des  verjüngten  Faust  der  Darstellung  bietet,  besteht  auch  für  die  bildende 
Kunst.  Seibertz  hat  sie  am  besten  überwunden.  Bühne  und  Malerei  vernachlässigen 
die  Anfangsscenen  zu  Gunsten  der  Gretchentragödie.  Dagegen  hat  der  Osterspazier- 
gang,  der  auf  der  Bühne  meist  zu  kurz  kommt,  die  Maler  und  Zeichner  sehr  angezogen, 
ebenso  die  Rabensteinscene.  Im  April  1811  erhielt  Goethe  Nauwerks  Zeichnungen, 
die  1826  —  31  erschienen,  im  Mai  die  von  Cornelius,  mit  denen  er  nicht  einverstanden 
war.  Während  sie  erst  1816  veröffentlicht  wurden,  traten  schon  1811  die  beiden 
Lithographien  von  Näke  ans  Licht.  1816  erschienen  auch  Retzschs  überaus  populäre 
Umrisse,  häufig  wiederholt,  noch  in  der  neuen  Ausgabe  von  Anna  Swanwick  (N.  82), 
auch  karikiert,  sogar  in  England.  1826  folgte  Delacroix,  von  Goethe  aufs  höchste 
anerkannt,  1828—29  Ramberg,  1832  Nehrlich.  Nach  Goethes  Tode  kamen  zuerst  die 
Lithographien  von  sieben  Künstlern  zu  der  Komposition  des  Fürsten  Radziwill  heraus, 
dann  die  Stiche  nach  Kaulbach  (1836)  und  Seibertz  (1840— 51),  Konewkas  Silhouetten 
1866.  Einzelne  Darstellungen  lieferten  Schwerdgeburth,  Makart,  Gabriel  Max  (zehn 
Zeichnungen),  Ary  Scheffer  (einen  Gretchenoyklus).  In  den  70  er  und  80er  Jahren 
endlich  illustrierten  den  „Faust"  Kreling  und  Liezen-Meyer.  Zum  zweiten  Teil  hat 
ebenfalls  Retzsch  (1836)  Zeichnungen  geliefert,  ferner  Kaulbach  (1840),  Seibertz,  Vogel 
von  Vogelstein  (1861);  M.  Klinger  hat  solche  angekündigt.  Alle  die  genannten  Ver- 
körperungen werden  von  T.  in  ihrer  Eigenart  charakterisiert  und  auf  ihren  künst- 
lerischen Wert  hin  geprüft.  —  Ein  deutscher  Aufsatz  Tilles^^)  über  denselben  Gegen- 
stand giebt  in  etwas  kürzerer  Fassung  im  wesentlichen  den  Inhalt  der  besprochenen 
Abhandlung  wieder.  —  Der  trüben  Schar  der  Faustparodien  reiht  sich  ein  Erzeugnis 
des  Berliner  Witzes  von  Böhm^"*)  an^''-'*"^''').  — 

Seine  scharfsinnigen,  durch  gute  Methode  und  Selbständigkeit  ausgezeichneten 
Untersuchungen  über  den  Urfaust  setzt  Collin^^)  fort.  Er  behandelt  die  sati- 
rischen Scenen,  die  deutsches  Universitätsleben  und  -treiben  unmittelbar  auf  einander 
folgend  darstellen.  Die  dritte  von  ihnen  ist  zugleich  die  erste  Station  auf  Fausts  Weltreise. 
Alle  drei  bilden  den  Hintergrund  für  Fausts  Streben  in  einer  Schilderung  der  Welt, 
in  der  er  sich  bis  dahin  bewegt  hat,  ebenso  wie  in  der  Sage  und  z.  B,  beim  Maler 
Müller.  Der  burleske  Gegensatz  der  Erscheinung  Wagners  zu  der  des  eben  ver- 
schwundenen Erdgeistes  giebt  für  die  ganze  Reihe  den  Grundton.  Das  Motiv  der 
Störung  stellt  die  lose  Verbindung  mit  dem  Vorausgehenden  her;  es  fliesst  aus  der 
Erfahrung  des  Dichters  und  ist,  wie  schon  Scherer  bemerkt  hat,  von  ihm  öfter  ver- 
wendet worden.  Das  Thema  des  ersten  Teils  der  Scene  ist  der  Kampf  gegen  die 
äussere  Form,  besonders  im  Reden,  den  Goethe  auch  sonst  mehrfach  (Anhang  zur 
Mercier-Uebersetzung)  nach  Herders  Vorbild  aufgenommen  hat.  Par.  1,  in  dem  dieser 
Punkt  aus  dem  Inhalt  des  Gesprächs  mit  Wagner  besonders  hervorgehoben  wird, 
fasst  C.  mit  Recht  als  spätere  Rekapitulation  auf.  „Der  Menschheit  Schnitzel  kräuselt" 
umschreibt  C.  durch  „die  Abfälle  des  Menschenlebens  künstlich  aufstutzen,"  was 
keine  klare  Vorstellung  zu  erwecken  vermag.  Später  verfolgt  er  ausführlich  die 
Genesis  des  Bildes ;  der  Zusammenhang  von  Fausts  Hervorhebung  des  Gefühls  mit 
der  allgemeinen  Zeittendenz  wird  von  C.  stark  betont.  Im  zweiten  Teile  der  Scene 
spricht  Wagner  als  Strebender,  wie  zuvor  Faust.  Aber  während  dieser  sich  nach 
dem  Quell  des  Lebens  sehnt,  verlangt  Wagner  nach  den  Quellen  der  Wissenschaft. 
Er  versteht  Fausts  erneute  Verweisung  auf  das  Gefühl  gar  nicht  in  dem  stolzen  Be- 

treatment  of  the  Fanet  legend:  PEGS.  7,  S.  151-225.  —  86)  id.,  D.  Bilder  zu  Goethes  Faust:  PrJbb.  72,  S.  264-99.  —  87) 
M.  Böhm,  Faust.  D.  Tragödie  dritter  u.  unwiderruflich  letzter  T.  (Eepertoir- Stück  d.  Parodie-Theaters  zu  Berlin.)  B.,  Böhm. 
20  S.  M.  1,50.  —  87a)  X  (JV  8a:  78.)  —  87b)  X  Elisabeth  Mentzel,  üeber  zwei  Fanstiiuffflhrungen.  (=  IV  8a:31.) 
—  88)  J.  Co  Hin,  Untersuchungen  aber  Goethes  Faust  in  seiner  ältesten  Gestalt.  11.  D.  satir.  Scenen.  (1.  D.  Wagnerscene. — 
2.  D.  Schftlerscene.  —  8.  D.  Scene  in  Auerbachs  Keller.)    Habilit.-Sohrift.    Giessen,  W.  Keller.   82  S.    M.  1,50.  (Vgl.  JBL.  1892 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  sa 

wusstsein,  von  der  Höhe  seiner  Zeit  alle  anderen  zu  überblicken,  eine  Anschauung", 
die  vornehmlich  von  Voltaire  ausgesprochen  wurde.  Wieder  im  Sinne  der  neuen 
Richtung"  und  besonders  Herders  befehdet  Goethe  das  unhistorische  Verfahren,  der 
historischen  Wissenschaften  und  die  lächerliche  Ueberhebung  des  aufgeklärten  Zeit- 
alters. Zahlreiche  Belege,  vor  allem  aus  Herders  Schriften,  werden  von  C.  dafür  bei- 
gebracht. Wagners  Ablenken  auf  die  Lieblingsmode  der  Zeit,  das  Studium  des 
menschlichen  Herzens,  weist  Faust  zurück,  weil  die  Erkenntnis  hier  nur  wenigen 
möglich  und  überdies  gefährlich  sei.  Die  Schlussworte  Fausts  nach  Wagners  Ab- 
gang stellt  C.  treffend  zu  „Adler  und  Taube"  in  Parallele.  Die  Entstehung  der 
Scene  setzt  er  wegen  der  vorwaltenden  Tendenzen  in  die  J.  1773—74.  Die  Ueber- 
einstimmungen  mit  Wagners  Mercier  (1775—76)  und  Herders  Schriften  von  1774 
können  nichts  gegen  die  frühere  Entstehung  beweisen,  weil  die  neue  Richtung  sich 
schon  1773  eine  bestimmte,  bei  allen  Anhängern  wiederkehrende  Ausdrucksw^eise 
gebildet  hat.  Die  Schülerscene,  die  später  unter  allen  die  durchgreifendsten  Ver- 
änderungen erfuhr,  zerfällt  in  zwei  Teile,  zuerst  äussere  Lebensbedingungen  des 
Studenten,  dann  das  Studium  selbst  behandelnd.  Schon  der  erste  Teil  ist  beabsichtigte 
Satire  auf  das  Professorentum,  nicht,  wie  Erich  Schmidt  will,  unreifes  Geplauder.  Sie 
ist  ein  Ausfluss  der  von  Klotz  vertretenen  Gegenbewegung  gegen  die  akademische 
Pedanterie.  Unter  seinen  Anhängern  waren  Riedel  und  Bahrdt,  der  selbst  für  den 
Tisch  seiner  Studenten  sorgte  und  ihnen  gegenüber  einen  ähnlichen  Ton  wie  hier 
Mephistopheles  angeschlagen  haben  mag.  Schlafrock  und  Perücke  scheinen  auch 
sein  bevorzugtes  Kostüm  gewesen  zu  sein.  Somit  kann  die  Satire  auf  Bahrdt  gehen. 
Der  Student  entspricht  nur  zum  Teil  dem  Wesen  des  Leipziger  Goethe.  Er  hat  die 
Lebensanschauung  von  Goethes  empfindsamer  Zeit,  er  ist  zugleich  ein  jugendlicher 
Faust,  beiden  ist  die  Universalität  des  Wollens  gemeinsam.  Im  Schema  zum  elften 
Buch  von  „Dichtung  und  Wahrheit"  nennt  sich  Goethe  selbst  „Vorbild  zum  Schüler 
im  Faust."  Der  zweite  Teil  der  Scene  setzt  den  mit  derber  Komik  begonnenen 
Spott  gegen  die  Wissenschaft  und  ihre  Vertreter  in  feiner  Ironie  fort.  Der  starre 
Mechanismus  unter  der  Gestalt  der  Logik,  des  Systematisierens,  der  Spekulation 
wird  von  Mephistopheles  bekämpft  und  dagegen  auf  das  Leben  verwiesen.  Am 
Schlüsse  ist  durch  die  biblischen  Worte  die  symbolische  Bedeutung  der  Scene  deutlich 
ausgedrückt.  Sie  steht  im  Gegensatz  zur  Wagnerscene,  der  sie  Goethe  später  im 
Par.  1  ausdrücklich  gegenüberstellte.  Der  Anlage  nach  bleibt  sie  als  Belehrungs- 
dialog ganz  in  der  volkstümlichen,  eingebürgerten  Form;  deshalb  braucht  man  aber 
nicht  anzunehmen,  dass  Goethe  das  Spiel  von  Frau  Jutten  gekannt  habe  (vgl.  JBL. 
1891  IV  9e:107).  Besonders  merkwürdig  ist  die  Aehnlichkeit  mit  J.  V.  Andreas 
„Gutem  Leben  eines  rechtschaffenen  Dieners  Gottes",  die  C.  im  einzelnen  nachweist. 
Trotzdem  die  Scene  aus  zwei  verschiedenen  Teilen  besteht,  ist  doch  ihre  Einheit 
gegen  Pniower  (vgl.  JBL.  1891  IV  9e:  llOJ  aufrecht  zu  erhalten.  Die  formalen  Ver- 
schiedenheiten beider  Teile  erklären  sich  vollkommen  durch  den  verschiedenartigen 
Inhalt,  auch  alle  sonstigen  Gründe  gegen  eine  gleichzeitige  Entstehung  erweisen  sich 
vor  C.s  Kritik  als  nichtig.  Treffend  deutet  er  auf  ähnliche  Derbheiten  wie  im  ersten 
Teil  der  Scene  in  „Hanswursts  Hochzeit"  und  „Nikolai  auf  Werthers  Grabe"  von 
1775.  Mit  gleichem  Erfolg  bekämpft  er  Seufferts  Datierung  der  Scene  auf  die  Leipziger 
Zeit  (vgL  JBL.  1891  IV  9e:  111).  Sie  weist  vielmehr  auf  das  J.  1772  als  Grundlage 
zurück  und  steht  wie  die  Wagnerscene  auf  einer  Linie  mit  den  satirischen  Dichtungen 
von  1773  und  74.  Am  Schlüsse  giebt  uns  Mephistopheles  eine  Hindeutimg,  wie  er 
im  Urfaust  zu  Faust  gesprochen  hätte  :  „Hinaus  ins  Leben!"  Das  bietet  zugleich  einen 
Hinweis  auf  sein  Verhältnis  zum  Erdgeist,  dem  Geiste  des  Lebens  der  Erde,  in  dem 
Mephistopheles  mit  einbegriffen  ist  als  Vertreter  des  Schlechten  und  Gemeinen,  das 
sich  auslebt.  Durch  solche  Fäden  ist  die  Scene  überall  mit  dem  Ganzen  verbunden. 
In  „Auerbachs  Keller"  ist  die  Satire  nicht  feindselig;  es  wird  nicht  kritisiert,  sondern 
dargestellt,  und  so  tritt  an  Stelle  des  Kampfdialogs  der  beiden  vorhergehenden  Scenen 
ein  dramatisches  Gemälde.  Goethe  kehrt  hier  auf  den  Boden  der  Sage  zurück ;  aber 
er  hat  aus  ihren  Elementen  einen  ganz  eigenartigen  Vorgang  geschaffen.  Mit  dem 
dramatischen  Element  tritt  die  Prosa  hervor,  wie  in  den  Werken  von  „Götz"  bis 
zum  „Egmont".  Der  Uebergang  vom  Vers  zur  Prosa  lässt  darauf  schliessen,  dass 
diese  die  zuerst  entstandene  der  Prosascenen  in  U  ist.  In  Siebel  soll  Goethe  nach 
C.s  Meinung  seine  eigne  unglückliche  Stimmung  in  der  Zeit  seiner  Liebe  zu  Lilli 
verspottet  haben.  Wie  passt  aber  dazu  U,  S.  20,  Z.  19 ff.?  Höchstens  das  Rattenlied 
mag  auf  diese  Stimmung  zurückgehen.  Im  Flohlied  sieht  C.  einen  Nachklang  der 
Abneigung  von  Goethes  Vater  gegen  das  Hofleben.  Wie  wenig  eine  solche 
specielle  Beziehung  hier  angebracht  ist,  lehrt  der  Nachweis  von  P.  Hoffmann  (VLG. 
2,  S.  160).  Die  Entstehungszeit  der  Scene  verlegt  C.  auf  diese  Indicien  hin  in  den 
Sept.  1775.  Sie  ist  es,  die  Goethe  nach  der  bekannten  Briefstelle  vom  17.  Sept.  1775 
an  demselben    Tage    verfasst   hat.      Die  Frage  bleibt  nur,  wo  er  bei  allem,    was    er 


IV  86:89-101  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

laut  seinem  Bericht  den  Tag"  über  getrieben  hat,  die  Zeit  zu  einer  so  umfang-reichen 
Dichtung  hernahm.  Sie  spiegelt  vielleicht  die  tolle  Stimmung  der  Schweizerreise 
wieder;  aber  sollte  da  nicht  eine  andere  Art  von  Derbheit  als  die  hier  geschilderte 
geherrscht  haben?  C.  selbst  deutet  darauf  hin.  Wir  hoffen,  dass  er  seine  ertragreichen 
Forschungen  auch  auf  die  folgenden  Teile  des  Urfaust  ausdehnen  wird.  Es  kann 
der  Sache  nur  förderlich  sein,  wenn  das  problematische  Bruchstück  in  seinem  ganzen 
Umfang  in  so  gründlicher,  vorurteilsloser  und  kenntnisreicher  Art  untersucht 
wird.    — 

Einen  Vorläufer  des  Teufelspakts  im  ersten  Teil,  den  längst  bekannten 
Vertrag  des  Herzogs  von  Luxemburg  mit  dem  Satan,  druckt  Werner^^)  aus  einer 
Wiener  Hs.  ab  (vgl.  Kiesewetter  [N.  61]  S.  129).80  9i)  _  in  V.  364  („dass  wir 
nichts  wissen  können")  betont,  nach  Schröer'*^),  Sonnenthal  das  „können",  Krastel 
das  „wir",  die  NFPr.  schlägt  vor,  das  „nichts"  zu  betonen.  Richtig  erscheint  Seh. 
allein  die  Betonung  des  letzten  Wortes,  indem  der  Vers  ein  Hauptmotiv  des  „Faust", 
das  Unerforschliche,  ausspricht.  Seh.  verweist  zum  Beleg  auf  Goethes  Brief  an 
Boisseree  vom  25.  Febr.  1832,  Spruch  N.  1019  und  Faust  V.  11440ff.  —  Vogel  ^^j 
macht  auf  die  unerhörte  Kühnheit  der  Beziehung  des  Relativums  in  V.  1179/80  auf- 
merksam. —  Rachel"*)  meint  dagegen,  dass  wohl  nicht  „die",  sondern  „und"  das 
zu  Beginn  von  V.  1180  fortgelassene  und  zu  ergänzende  Wort  sei.  Es  ist  ein  als  Neben- 
satz schlechthin  fortgesetzter  Relativsatz,  wie  öfter  bei  Goethe.  —  B^ür  die  natürlichste 
Auslegung  von  V.  1710  („Wie  ich  beharre,  bin  ich  Knecht")  hält  es  Huss^^j^  (jass 
Faust  der  Knecht  des  Mephistopheles  werden  wird  von  dem  Augenblick  an,  wo  er 
zu  streben  aufhört.  Denn  Faust  meint,  dass  er  dann  äusseren  Gewalten  und  Ein- 
flüssen unterliegen  und  auf  jeden  Fall  Knecht  irgend  jemandes  sein  wird.  Es  fragt 
sich  aber,  ob  „beharren"  in  dem  Sinne  von  „anhalten",  „still  stehen"  gebraucht 
werden  kann.  Das  ist  zulässig;  denn  „beharren"  bedeutet  an  sich  nur  „in  einem 
gegebenen  Zustand  verbleiben",  und  das  kann  ein  Zustand  der  Ruhe  oder  der  Be- 
wegung sein.  Man  vergleiche  „Beharrung"  in  der  Physik.  Das  „beharre"  bezieht 
sich  also  nicht  auf  Fausts  gegenwärtige  Lage,  sondern  auf  eine  hypothetische  zu- 
künftige. Wenn  er  zum  Augenblicke  sagt:  ,, Verweile  doch,  du  bist  so  schön",  dann 
steht  die  Zeit  für  ihn  still,  er  mit  ihr,  er  beharrt;  denn  ohne  Fortschritt  der  Zeit  ist 
keine  weitere  Entwicklung,  kein  Wachstum  möglich.  So  bekommt  der  Vers  eine 
allgemeine  Bedeutung;  er  bezieht  sich  nicht  auf  Faust  allein,  sondern  auf  jeden  von 
uns.  —  Haase"^)  und  Franke  1"^)  bringen  neue  Belege  für  die  weite  Verbreitung 
des  in  Auerbachs  Keller  verwendeten  Zauberspruchs  bei  (vgl.  JBL.  1892  IV  8e  :  99—100). 

—  Die  Behauptung  Pniowers  (vgl.  JBL.  1892  IV  8e  :  92),  dass  der  Ausdruck  „mich 
übeiiäufts"  selten  und  ungewöhnlich  sei,  wird  von  Sande  rs"^),  der  sich  auch  gegen 
die  darauf  gestützte  Beweisführung  Pniowers  wendet,  im  Anschluss  an  M.  Koch 
(vgl.  JBL.  1892  IV  8e:93)  bestritten.  Blume"")  weist  den  ältesten  Beleg  dafür  in 
den  „Mitschuldigen"  V.  762  nach,  ebenfalls  ohne  das  Substantivum  Schauder  und 
ohne  ein  Adverb,  wie  kalt  oder  heiss.  —  W.  von  Biedermann^oo)  erkennt  die 
Richtigkeit  von  Froitzheims  Nachweisen  über  Friederike  an;  auch  er  glaubt,  dass 
sie  Kinder  von  Goethe  und  Reinbolt  geboren  habe.  Bei  ihrem  Verhältnis  zu  Goethe 
wird  sie,  wenn  sie  über  das  Erlaubte  hinausging,  auch  eine  so  gefällige  Nachbarin 
wie  Frau  Marthe,  die  ihre  Zusammenkünfte  ermöglichte,  aufgetrieben  haben. 
Ebenso  wie  Gretchen  dem  Faust  wird  Friederike  Goethes  lüsternen  Anwandlungen 
entgegengekommen  sein,  der  dadurch  gerade  ihr  entfremdet  wurde.  Bei  dem  frühen 
Tode  des  Kindes,  das  sie  von  Goethe  empfangen  hatte,  wird  bei  diesem  die  Ahnung 
eines  Kindesmordes  aufgestiegen  sein.  —  In  der  Domscene  hat  Goethe  nach  der 
Meinung  W.  von  Biedermanns  lo^)  eine  wirkliche  Bühne  im  Sinne  gehabt.  Die 
verschiedenen  Versuche,  den  bösen  Geist  scenisch  darzustellen,  werden  gemustert; 
sie  alle  haben  zu  keinem  befriedigenden  Ergebnis  geführt,  weil  man  annahm,  der 
böse  Geist  bedeute  Gretchens  Gewissen.  Das  wäre  eine  platte  Allegorie,  und  weshalb 
sollte  Goethe  darauf  verfallen  sein,  das  Gewissen  als  bösen  Geist  zu  bezeichnen?  Er 
entnahm  den  bösen  Geist  als  Erreger  des  Gewissens  der  Bibel  (1.  Sam.  15,  20—26; 
16,  1).  Er  kommt  von  aussen,  von  Gott  gesandt,  nicht  von  innen.  Er  muss  als  ein 
männliches  Wesen  auf  der  Bühne  dargestellt  werden,  als  Teufel  oder  dunkelfarbiger 
Engel.  Da  das  Totenamt  Gretchens  Mutter  gilt,  muss  Gretchen  in  dieser  Scene 
Trauerkleidung  tragen.  Die  neben  ihr  sitzenden  Frauen  sollen  nicht  bei  ihrem  Kommen 
von  ihr  abrücken,  wie  dies  häufig  geschieht.  — 

IV  8e:89.)  —  89)  (III  3:4.)  —  90)  O  X  Hirzel-EU wangen,  Schiller,  Goethe  nnd  Saknntala:  KBIGRW.  40,  S.  43/6. 
(Z.  Vorspiel  im  Himmel;  vgl.  IV  9:53.)  —  91)  X  W.  Sauer,  Sakuntala,  Goethe  u.  Schiller:  ib.  S.  297-306.    (Vgl.  IV  9  :  52.) 

—  92)  K.  J.  Schröer,  „Dass  wir  nichts  wissen  können":  ChWGV.  S.  24.  —  93)  Th.  Vogel,  Verlassen  hab  ich  Feld  u.  Auen : 
ZDü.  7,  a.  193.  —  94)  M.  Rachel,  „Verlassen  hab  ich  Feld  u.  Auen":  ib.  S.  573.  —  95)  H.  C.  0.  Hnss,  „Wie  ich  beharre 
bin  ich  Knecht':  MLN.  8,  S.  367/8.  —  96)  K.  E.  Haase,  Z.  Zauberspruch  in  Auerbachs  Keller:  ZDÜ.  7,  S.  141/2.  —  97)  L. 
Fränkel,  Z.  Zauberspruch  in  „Auerbachs  Keller":  ib.  S.  501/2.  —  98)  (I  8:43.)  -  99)  L.  Blume,  „Mich  überläuft's!": 
ChWGV.  S.  24.    —   100)  (IV  8b:  32.)    -    101)    W.  Frhr.   v.   Biedermann,    D.   Domscene    im    „Faust":    LZg«.    N.  33.  — 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  102-109 

Einen  Schlüssel  zum  zweiten  Teil  glaubt  Sehr  ade  r  ^"2-)  in  Goethes  staats- 
männischem, gelehrtem  und  philosophischem  Leben  entdeckt  zu  haben.  Der  erste  Akt 
lehrt,  welchen  Einblick  Goethe  in  den  Staat  und  in  die  bürgerliche  Gesellschaft  ge- 
than  hat,  der  zweite  zeigt  ihn  uns  als  Gelehrten  und  Künstler,  insbesondere  als 
Naturforscher,  der  dritte  offenbart  uns  den  Dichter,  der  vierte  und  fünfte  schildei't 
seine  allmähliche  freie  Eingliederung  in  die  grosse  bürgerliche  Gesellschaft.  —  Eine 
neue,  sehr  entlegene  Quelle  für  Einiges  im  zweiten  Teil  des  „Faust"  meint  Francke  ^**3) 
aufgefunden  zu  haben.  In  der  Hypnerotomachia  Poliphili  des  Mönches  Francesco 
Colonna  (Venedig  1499),  wird  der  Held  im  Traume  in  das  Reich  des  klassischen 
Altertums  zurückgeführt.  In  seinen  Visionen  findet  nun  F.  Aehnlichkeiten  mit  der 
klassischen  Walpurgisnacht  und  der  „Helena".  Die  Grundlage  bildet  hier  wie  dort 
eine  grenzenlose  Verehrung  der  antiken  Ideale.  Hier  wie  dort  sehen  wir  einen  Mann 
von  Fleisch  und  Blut  in  eine  Welt  von  Erscheinungen  versetzt,  er  findet  das  Ziel 
seiner  Wünsche  in  einer  schönen  Frau,  mit  der  er  sich  zu  einem  Leben  voll  para- 
diesischer Wonne  zurückzieht;  die  Geliebte  verschwindet,  und  er  befindet  sich  allein 
in  der  kalten  Wirklichkeit.  Auch  die  von  F.  zum  Teil  wiederg-egebenen  berühmten 
Holzschnitte  der  „Hypnerotomachia"  sollen  Beziehungen  zum  „Faust"  haben,  und 
zwar  sollen  sie  anregend  für  die  Mütter,  die  Blumen  im  Mummenschanz  und  die  Ver- 
einigung Fausts  mit  Gretchen  im  Himmel  gewirkt  haben.  Diese  Annahme  müssen 
wir  aber  nach  Betrachtung  der  betreffenden  Darstellungen  ablehnen,  zumal  es  doch 
nur  Wahrscheinlichkeitsgründe  sind,  die  F.  für  Goethes  Kenntnis  des  Buches  vor- 
bringt. Selbst  wenn  man  die  Erwähnung  in  Goethes  Briefwechsel  mit  Göttling  für 
beweisend  halten  will,  so  beschränkt  sich  doch  die  Möglichkeit  einer  Einsichtnahme 
auf  Goethes  kurzen  Aufenthalt  in  Göttingen,  wo  ihm  Fiorillo  das  seltene  Werk  ge- 
zeigt haben  kann.  Und  sollten  diese  Eindrücke  dann  in  der  langen  Zeit,  die  zwischen 
ihnen  und  der  Ausführung  des  zweiten  Teils  verging,  in  Goethes  Gedächtnis  gehaftet 
haben?  —  Als  ein  Unikum  auf  dem  grossen  Gebiet  der  Faustlitteratur  ist  zum  Glück 
die  Schrift  zu  bezeichnen,  in  der  ein  anonymer  Vf.io4j^  jn  (j^n  gestohlenen  Talar 
eines  verstorbenen  üniversitätsprofessors  gehüllt,  den  zweiten  Teil  als  Spielball  seiner 
schmutzigen  Phantasie  benutzt  und  allenthalben  pornographische  Anspielungen  heraus- 
liest. Wer  in  dem  Schlüssel,  der  zu  den  Müttern  führt,  das  männliche  Glied  sieht, 
im  Dreifuss  die  mons  Veneris  benannte  Partie  des  weiblichen  Körpers,  wer  selbst  im 
Namen  Peneus  eine  Anspielung  wittert,  der  verdient,  wenn  er  noch  bei  Verstände 
ist,  eine  Züchtigung,  im  entgegengesetzten  Falle  ist  er  dem  Psychiater  und  nicht  der 
wissenschaftlichen  Kritik  zu  übergeben.  —  Schrader  "'^j  meint,  so  schlechtes  Deutsch 
wie  jetzt  in  V,  5473  („Da  krümm'  und  winde  dich  sogleich!")  zu  lesen  steht,  habe 
Goethe  nicht  geschrieben.  Wenn  statt  des  Wortes  „da"  das  Wort  „hier"  stände,  so 
gäbe  es  doch  allenfalls  einen  Sinn,  w^enn  auch  einen  wenig  geistvollen.  Eine  Aende- 
rung  und  Verbesserung  ist  sehr  leicht  zu  machen,  indem  hinter  „da"  ein  Ausrufungs- 
zeichen,  oder  wenigstens  ein  Komma  gesetzt  wird.  Das  „da"  begleitet  nämlich  den 
Schlag  des  Herolds,  der  sogleich  wirkt.  —  Nach  Tilles^o;^  Behauptung  hat  Goethe 
seiner  eigenen  Schöpfung  widersprochen,  als  er  auf  Eckermanns  Bemerkung  ein- 
gehend sagte,  dass  Mephistopheles  bei  der  Entstehung  des  Homunkulus  mitwirkte. 
Wie  Goethe  in  der  Ankündigung  der  „Helena"  (Weim.  Ausg.  15,  2  S.  199)  angiebt, 
ist  der  Homunkulus  schon  fertig,  als  Mephistopheles  mit  Faust  ankommt.  Er  ist  in 
Uebereinstimmung  mit  Paracelsus  von  Wagner  ganz  selbständig  auf  alchymistischem 
Wege  hervorgebracht  worden.  Die  Schlussverse  vor  der  klassischen  Walpurgisnacht 
beziehen  sich  nur  auf  Wagners  Verhältnis  zu  seinem  Erzeugnis,  ebenso  wenig  be- 
weisen die  Worte  Mephistos  zum  Famulus,  V.  6683/4,  etwas  für  seine  Mitwirkung.  — 
Schrader^*^^)  erklärt  den  Homunkulus  als  die  trockene  Gelehrsamkeit,  das  theoretische 
Wissen  des  Philologen  vom  klassischen  Altertum,  das  sich  aus  viel  hundert  Stoffen 
aufbaut.  Er  ist  deshalb  für  Faust  der  geeignete  Führer  in  das  Reich  der  Antike, 
bis  zu  dessen  Schwelle  er  ihn  bringen  kann;  die  Welt  der  griechischen  Schönheit 
öfi'net  sich  ihm  in  Helena.  —  Ungewöhnlich  gehaltvoll  ist  die  Theaterkritik  Klaars  "^^) 
gelegentlich  der  Aufführung  des  zweiten  Teils  in  Prag,  die  nach  der  Bearbeitung  von 
L'Arronge  erfolgte.  Er  sieht  in  dieser  einen  Fortschritt,  weil  man  trotz  der  gewaltigen 
Striche  äusseiiich  kaum  einen  Zwang  bemerkt;  aber  innerlich  ist  eine  ganze  Welt 
verloren  gegangen,  die  der  Kenner  der  Dichtung  schmerzlich  vermisst.  K.  hebt 
die  Bedeutung  des  von  L'Arronge  unterdrückten  Ganges  zu  den  Müttern  treffend 
hervor    und    deutet   die    Mütter    selbst    gründlich.     In    dem    Kolonisationsgedanken 


102)H.  Schr.-ider,  E.  Schlüssel z.  2.  T.  d.  Goetheschen  Faust:  ZDS.  7,  S.  361,5.  -  103)  K.  Francke,  Did  the  Hypnerotomachia 
Poliphili  inflnence  the  Second  Part  of  Faust?  (With  plate):  StNPhL.  2,  S.  121/5.  —  104)  0.  v.  Seh.,  f  Univ.-Prof.,  D.  Erotische 
im  2.  T.  d.  Goetheschen  Faust  (IL  Alrt,  1-3).  E.  Beitr.  zu  d.  Dichters  Denkweise,  gleichzeitig  als  Versuch,  d.  ganze  Dichtung 
in  verständigen  Zusammenhang  zu  bringen.  Hagen  i.  W.,  Risel  &  Co.  30  S.  M.  0,75.  —  105)  O  X  A.  Pigeon,  Napoleon I. 
et  le  second  „Faust"  de  Goethe:  Le  Livre  et  l'Image  N.  3.  —  106)  (IV  8d  :  35.)  —  107)  A.  Tille,  D.  Entstehung  d.  Homunkulus: 
HambCorr».  N.  18.  —  108)  H.  Schrader,  D.  Rätselhafte  d.  Homunkulus  im  2.  T.  d.  GoetheschenFaust:  ZD3. 7,  8.  161,9.  —  109)  A. 
Jahresberichte  f&r  neuere  deutsche  Litteratargeschiohte.    lY.  (4)2S 


IV  8e  :  110    IV  9  : 1-9  A.  Köster,  Schiller. 

liegt  nicht  die  Lösung",  sondern  er  ist  der  Schluss  von  Fausts  Weltwanderung:  der 
Genuss  der  souveränen  Macht,  die  absolute  Herrschaft  über  Land  und  Menschen. 
Auch  da  wandelt  ihn  wieder  die  Unbefriedigung  in  Gestalt  des  Cäsarenwahnes  und 
der  Herrscherlaune  an.  In  der  Abneigung  gegen  das  Glockengeläute  erkennt  K. 
einen  individuellen  Zug  Goethes,  der  sich  auch  in  den  Wanderjahren  ausspricht.  Am 
Schlüsse  entsagt  Faust  dem  Streben  nach  Macht,  will  die  Kolonisation  als  gemein- 
nütziges Werk  vollenden,  und  sagt  sich  dadurch  von  Mephistopheles  los;  er  gewinnt  ein 
neues  Glücksgefühl,  das  dieser  irrtümlich  durch  seine  Mittel  herbeigeführt  zu  haben 
meint.  —  Am  2.  Mai  wurde  in  Stuttgartii")  der  zweite  Teil  zum  ersten  Male  auf- 
geführt, teilweise  mit  Anlehnung  an  L'Arronge.  — 


IV,9 

Schiller. 

Albert  Köster. 

Biographisches:  Vollständige  Biographien  N.  1.  —  Quellenschriften  N.  7.  —  Berühmte  Stätten  N.  10.  — 
Schillers  Zeitgenossen  und  Nachkommen  N.  14.  —  Briefwechsel  N.  22.  —  Werke:  Gesamtausgaben  N.  28.  —  Prosa- 
schriften N.  30.  —  Gedichte:  Allgemeines  N.  40;  Einzelerläuterungen:  Ring  des  Polykrates,  Das  verschleierte  Bild,  Kampf  mit 
dem  Drachen,  Gang  nach  dem  Eisenhammer,  Alpenjäger,  Künstler,  Virgil-Uebersetzung  N.  ^3;  neue  Funde  N.  56.  —  Dramen: 
Allgemeines  N.  64;  Räuber  N.  74;  Kabale  und  Liebe  N.  79;  Don  Carlos  N.  80;  Wallenstein  N.  8.5;  Maria  Stuart  N.  95;  Jung- 
frau von  Orleans  N.  104;  Braut  von  Messina,  Teil  N.  124;  Nachlass:  Warbeck  N.  141;  Prinzessin  von  Celle  N.  142:  Polizey 
N.  148;  Deraetrius  N.  144.  —  Verschiedenes  N.   148.  — 

Während  die  grösseren  Werke  über  Schiller  im  Berichtsjahr  nicht  fortgesetzt 
sind,  haben  wir  doch  eine  vollständige  Biographie  erhalten.  In  der  neuen  Auf- 
lage von  Goedekes  „Grundriss"  nämlich  hat  Koch*)  Schillers  Leben  und  Werke 
(§  248 — 55)  behandelt.  Soweit  es  anging,  hat  er  in  dem  Lebensabriss  die  Worte 
Goedekes  stehen  lassen;  nur  erkennt  man  in  jeder  Zeile  die  bessernde  Hand:  Irrtümer 
sind  beseitigt,  viele  Angaben  präziser  gefasst  worden  usw.;  vor  allem  darf  die 
Bibliographie  durchaus  als  K.s  Arbeit  gelten.  Natürlich  konnte  sie  nicht  vollständig 
bis  zu  dem  Grade  werden,  dass  jedes  Eintagsfeuilleton  verzeichnet  wurde;  aber 
alles  Wissenswerte  ist  zusammen  getragen.  Ja,  es  fragt  sich,  ob  nicht  die  Masse  der 
aufgezählten  Schriften  schon  zu  gross  ist  für  einen  Grundriss,  der  selbstverständlich 
die  Werke  der  einzelnen  Dichter  in  allen  Ausgaben  vollständig  anführen,  unter  den 
Abhandlungen  über  diese  Werke  aber  eine  vorsichtige  Auswahl  treffen  muss.  Die 
Einteilungsprinzipien  K.s  sind  die  gleichen  wie  bei  seiner  Goethe-Bibliographie  im 
vierten  Bande  des  Grundrisses.  Die  vorausgeschickte  Inhaltsübersicht  und  das  ein- 
gehende Register  machen  das  Nachschlagen  leicht. 2' 6)  — 

Auch  unter  den  Quellenschriften'')  ist  nichts  Neues,  wohl  aber  die  ver- 
besserte Auflage  eines  älteren  Werkes  zu  verzeichnen.  Dass  die  1865  erschienene 
Ausgabe  von  Schillers  Kalender  mancher  Ergänzung  und  Verbesserung  bedürfe,  hatte 
man  schon  aus  Urlichs  Ausgabe  der  „Briefe  an  Schiller"  und  später  aus  einem  Auf- 
satz von  E.  Müller  (vgl.  JBL.  1891  IV  10:  138)  erfahren.  Danach  wäre  ein  neuer 
zuverlässiger  Abdruck  des  Kalenders  erwünscht  gewesen.  Aber  die  Verlagshandlung, 
die  noch  reichliche  Exemplare  der  Ausgabe  von  1865  auf  Lager  hatte,  konnte  sich 
nur  entschliessen,  diese  durch  ein  „Vorwort",  „Ergänzungen  und  Berichtigungen", 
einen  „Anhang",  einen  „Kommentar"  und  noch  einen  „Anhang"  zu  einer  verbesserten 
Titelauflage  erweitern  zu  lassen.  Ernst  Müller^)  hat  sich  um  die  Kollationierung 
wie  um  den  alphabetisch  angeordneten  Kommentar  sehr  verdient  gemacht;  aber  was 
entstanden  ist,  ist  doch  nur  Flickwerk.  Das  Buch  ist  zuverlässig,  aber  sehr  un- 
bequem zu  benutzen.  —  Unter  Bezugnahme  auf  seinen  Kommentar  verzeichnet 
Ernst  Müller 9)  ferner  eine  ganze  Reihe  von  Briefen,  die  Schiller  an  schwäbische 

K[laar],    Fausts  2.  T.  in  d.  Bearbeitung  v.  A,  L'Arronge:    BohemiaB.   N.  240.    —    HO)    1.  Aufführung    d.  Faust  IL  in  Stutt- 
gart: GJb.  15,  S.  304.  — 

1)  (IV  la:  2.)  -  2)  X  K.  Land  manu,  D.  Neubearbeitung  Schillers  in  Goedekes  Grundriss:  ZDÜ.  7,  S.  93-105. 
(Ansführl.  Rec.  über  N.  1.)  —  3)  X  R.  Weissenfeis,  .L  Minor,  Schiller  (vgl.  JBL.  1890  IV  12  :  1):  LBlGRPh.  14,  S.  196-202. 
(Neben  grosser  Anerkennung  doch  bes.  d.  Tadel,  dass  M.  Wichtiges  u.  Unwichtiges  nicht  gebührend  scheide.  Beachtenswerte 
Hinweise  auf  d.  frühe  Ausbildung  d.  Tragikers  in  Schiller.)  —  4)  X  A.  Köster,  S.  Peter,  Schillers  Leben  (vgl.  JBL.  1892 
IV  9  :  5) :  DLZ.  S.  1608/9.  (Weitere  Besprech.  KZg.  N.  17 ;  DE.  1,  S.  394.)  —  5)XA..  Stein,  Schillers  Jugendleben :  ThLB.  14,  S.  243. 
—  6)  X  Th.  Carlyle,  John  Sterling  and  Frederick  Schiller.  London,  Chapman.  Sh.  2/6.  —  7)  X  A.  Köster,  J.  Minor, 
Aus  d.  Schiller-Aroh.  (vgl.  JBL.  1890  IV  12:2):  DLZ.  S.  238.  —  8)  Ernst  Müller,  Schillers  Kalender.  Nach  d.  im  J.  1865 
erschienenen  Text  ergänzt  u.  bearb.  M.  1  Facs.  St.,  Cotta  XII,  309  S.  M.  5,00.  |[R.M  Meyer:  ML.  S.  342;  J.  Wy  chgram: 
BLU.  S.  388;    M.  K(och):  LCBl.  8.  1315/6;    H.  ünbescheid:    ZDU.  7,  S.  558/9.]|    —    9)  id.,  Schiller  u.  Schwaben:    BBSW. 


A.  Köster,  Schiller.  TV  9  :  10-20 

Landsleute  gerichtet,  bezw.  von  ihnen  empfang-en  hat,  und  die  bis  heute  verloren 
sind.  M.  regt  zu  erneuten  Nachforschungen  an,  besonders  auch  nach  der  ver- 
schollenen Jugendkomödie  Schillers,  von  der  Göritz  1838,  angeblich  nach  Schillers 
eigenen  Gresprächen,  Mitteilung*  gemacht  hat.  — 

Wieder  knüpfen  einige  biographische  Beiträge  an  berühmte  Stätten  ^'') 
an.  Elisabeth  Mentzel  hat  sich  so  tief  in  die  persönlichen  und  künstlerischen  Beziehungen 
Schillers  zu  Frankfurt  a.  M.,  bezw.  zu  Sachsenhausen  eingelebt,  dass  aus  ihren 
Archivstudien  eine,  von  Bartels^')  besprochene,  Litteraturkomödie  erwachsen  ist,  die 
zwar  etwas  grau  von  Aktenstaub  erscheint,  aber  in  den  Dialaktscenen  den  Schau- 
spielern dankbare  Aufgaben  stellt.  Das  Stück  behandelt  die  zweimalige  Anwesenheit 
Schillers  in  Frankfurt  und  verhält  sich  zu  „Kabale  und  Liebe"  etwa  ebenso  wie 
Gutzkows  „Urbild  des  Tartüffe" zu Molieres  Komödie.  —  Ein  durch  Erich  Schmidt^^) 
ans  Licht  gezogener  Bericht  über  die  ersten  Jenaer  Uni versitäts Vorlesungen  Schillers 
befindet  sich  im  Besitz  der  Familie  Niethammer  in  Erlangen;  wahrscheinlich  stammt 
er  aus  der  Feder  eines  Jenaer  Privatdocenten ,  der  obendrein  Landsmann  des 
Dichters  war.  —  Als  Ergänzung  zu  dem  im  vorigen  Jahre  verzeichneten  Aufsatz  von 
Karpeles  über  Schiller  in  Karlsbad  (vgl.  JBL.  1892  IV  9:17)  berichtet  ReichP^) 
in  Eger,  dass  der  Dichter  im  J.  1791  auch  Franzensbad  besucht  habe.  Zwar  existiert 
der  Badeort  dieses  Namens  offiziell  erst  seit  1793;  aber  die  jetzige  Franzensquelle, 
damals  Egerbrunn  genannt,  hat,  wie  wir  aus  Schillers  Briefen  wissen,  dem  Dichter 
bei  der  Nachkur  die  besten  Dienste  geleistet.  Dass  er  die  Quelle  auch  wirklich  in 
Person  besucht  hat,  weiss  R.  aus  den  Erzählungen  des  Dr.  jur.  Joseph  Schaffer, 
dessen  Vater  Lorenz  Schaffer  als  stud.  jur.  im  J.  1791  den  Dichter  am  Rande  des 
Egerbrunn  ens  angetroffen  hat.  — 

Endlich  ist  eine  Reihe  von  Aufsätzen  den  Zeitgenossen  und  Nach- 
kommen Schillers  gewidmet.  Was  Sydow''*)  über  Christophine  Reinwald  zu- 
sammenstellt, giebt  ein  ausreichendes  Bild  von  der  vielgeprüften,  bescheidenen  Frau ; 
auch  ihre  jüngst  veröffentlichten  Briefe  sind  benutzt  worden  (vgl.  JBL.  1892  IV 
9 :  21  a)'5"'^).  —  Die  50jährige  Wiederkehr  des  Todestages  der  Charlotte  von  Kalb 
brachte  ausser  dem  mehrfach  gedruckten  wertlosen  Artikel  von  A.  von  Hanstein'") 
eine  Zusammenfassung  der  bekannten  biographischen  Daten  über  die  unglückliche 
Titanide  von  Trinius*^);  der  Aufsatz  zeichnet  sich,  wie  bei  dem  Vf.  so  mancher 
Wanderbilder  begreiflich  ist,  durch  knappe  ansprechende  Schilderungen  von  Walters- 
hausen und  Kalbsrieth  aus.  —  Zur  Biographie  Christian  Gottfried  Körners  hat 
Ad.  Stern^^)  zwei  kleine  Aufsätze  beigesteuert.  Der  erste  führt  den  Titel,  „Aus 
Chr.  G.  Körners  Reisetagebüchern"  und  benutzt  die  (leider  fragmentarischen)  Auf- 
zeichnungen, die  der  27jährige  Dr.  jur.  und  Leipziger  Privatdocent  in  den  J.  1779 
und  1780  gemacht  hat.  Auf  einer  Reise,  die  er  mit  dem  Grafen  Karl  von  Schönburg- 
Glauchau  durch  Deutschland,  England,  Holland,  die  Schweiz  und  Frankreich  unternahm, 
legte  er  verschiedene  Tagebücher  an,  die  heute  im  Dresdener  Körner-Museum  auf- 
bewahrt werden.  Sie  beginnen  mit  dem  1.  Okt.  1779  und  brechen  im  Okt.  1780 
plötzlich  ab.  Körner  hatte  auf  der  Reise  stets  die  Augen  offen;  aber  nicht  immer  war 
der  Aufenthalt  an  den  einzelnen  Orten  lang  genug,  um  wirklich  tiefe  Einblicke  zu 
gewinnen.  Den  Litterarhistoriker  interessieren  Körners  Aeusserungen  über  die  ge- 
selligen Zustände  in  Frankfurt  a.  M.,  über  Düsseldorf,  über  das  Theater  in  London 
und  über  einzelne  berühmte  Persönlichkeiten,  wie  Angelika  Kaufmann,  die  Brüder 
Jacobi,  Goethes  Schwager  Schlosser,  Lavater  und  Saloraon  Gessner.  Der  zweite  Auf- 
satz mit  dem  Titel  „Chr.  G.  Körner  und  J.  G.  Göschen"  behandelt  das  Societäts- 
verhältnis  beider  zum  Zweck  der  Gründung  einer  gemeinsamen  Verlagshandlung.  Es 
war  darüber  schon  manches  bekannt  gemacht  von  Goedeke,  Chr.  G.  Lorenz  und  Karl 
Buchner;  aber  St.  konnte  •aus  Körners  Briefen  an  Göschen,  die  in  der  Dresdener  Kgl. 
Bibliothek  bewahrt  werden,  noch  einiges  Neue  mitteilen,  besonders  über  die  Schwierig- 
keiten, die  mit  dem  Zustandekommen  der  ersten  Gesamtausgabe  von  Goethes  Schriften 
verknüpft  waren,  und  über  die  Lösung  des  Körner-Göschenschen  Abkommens  im 
J.  1787.  Einiges  erfahren  wir  auch  über  schriftstellerische  Pläne  des  Herrn  Appellations- 
rat aus  den  J.  1792  und  1797.  —  In  Schillers  Leben  greift  auch  der  kunstsinnige 
Stuttgarter  Kaufmann  Gottlob  Heinrich  Rapp  (1761—1832)  ein,  von  dem  Ströhm- 
feld^")  ein  liebevoll  ausgeführtes  Lebensbild  mit  wenigen  Strichen  entwirft.     Rapp 

's.  63/4.  —  10)  X  J-  Hartmann,  Vor  100  J.:  ib.  S.  305-12.  (Vgl.  d.  Urteil  JBL.  1892  IV  9:11a.)  —  U)  A.  Bartels. 
Schauspielneuheiten  d.  Franlcfurter  Stadttheaters:  „Der  Räuber",  Volksslfick  v.  Elisabeth  Mentzel.  Aufgeführt  Samstag,  d. 
19.  Aug.:  Didaslt.  N.  196.  —  12)  Erich  Schmidt,  Mitteilung  in  GDL.  April:  DLZ.  S.  699-700.  (Vgl.  VossZg.  N.  216;  auch 
in  d.  Privatdruck:  K.  Weinhold  mit  herzl.  Glückwünschen  z.  26.  Okt.  dargebr.  v.  Erich  Schmidt.)  —  13)  E.  Reichl, 
Schiller  in  Franzensbad:  AZgB.  N.  131.  -  14)  M.  Sydow,  Schillers  Lieblingsschwester:  VossZgB.  N.34.  —  15)X  L.  Geiger, 
Eeinwald  über  Schiller:  BLÜ.  S.  656.  —  16)  X  ^-  Stern,  Karl  v.  Dalberg,  d.  Koadjntor  u.  Fürstprimas.  (=  III  3:  17; 
S.  265-82.)  —  17)  A.  V.  Hanstein,  Charlotte  v.  Kalb.  E.  Gedenkbl.  z.  12  Mai:  FeuilletZg.  N.  462  (Auch:  Sammler*.  N.  56 
n.  Didask.  N.  110.)  -  18)  A.  Trinius,  Z.  Erinnerung  an  Charlotte  v.  Kalb.  L  u.  IL:  NatZg.  N.  304,  308.  —  19)  A.  Stern, 
Beitrr.  z.  Biographie  Ch.  G.  Körners.     (=  lU  3:17;  S.  237-62.)  —    20)    (IV  8a:65;   8b:49.)    —    21)  (IV  8e:51.)    —   22)  F. 

(4)28* 


TV  9  :  21-24  A.  Köster,  Schiller. 

hat  mit  Cotta  zusammen  die  erste  lithographische  Anstalt  in  Stuttgart  errichtet,  aus 
der  als  eine  der  frühesten  Leistungen  1807  Schillers  Reiterlied  mit  den  Kompositionen 
von  Chr.  J.  Zahn  und  J.  R.  Zumsteeg  hervorg-ing.  Schiller  war  durch  Dannecker 
mit  dessen  Schwager  Rapp  bekannt  gew^orden,  er  sprach  in  den  J.  1793  und  1794 
während  seines  Besuches  in  Schwaben  wiederholt  bei  ihm  vor  und  vermittelte  nun 
seinerseits  wieder  die  Bekanntschaft  mit  Goethe.  Im  Aug-.  1797,  auf  der  Reise  nach 
der  Schweiz," traf  dieser  in  Stuttgart  ein,  suchte  Rapp  auf  und  las  in  dessen'^Hause 
einem  kleinen  Zuhörerkreise  „Hermann  und  Dorothea"  vor.  —  Endlich  hat  der 
jüngere  Sohn  Schillers,  Ernst,  in  Karl  Schmidt^i)  einen  treu  beflissenen  Biographen 
gefunden.  Bei  dieser  Arbeit  ist  freilich  der  Wille  besser  als  die  Ausführung.  Das 
dicke  Buch  bring-t  zunächst  eine  trockene  annalistische  Zusammenstellung  der  Lebens- 
daten Ernsts  von  Schiller.  Ist  diese  reizlose  Einleitung-  dürftig  ausgefallen,  so  ist  die 
folgende  Sammlung*  von  Auszügen  aus  Briefen  und  sonstigen  Schriftstücken  viel  zu 
ausgedehnt.  So  lange  Charlotte  von  Schiller  noch  an  der  Korrespondenz  Teil  nimmt, 
bereiten  manche  Briefe  dem  Leser  Freude;  es  ist  rührend,  wie  sich  die  Mutter  in 
treuer  Sorge  um  die  Studien  Ernsts  kümmert,  wie  sie  im  Stillen  hofft,  dass  bei  ihm 
sich  dereinst  dichterische  Begabung  zeigen  möge,  wie  sie  ihm  stets  das  Muster  des 
Vaters  vorhält,  dem  der  Sohn  äusserlich  so  sehr  ähnelt.  Auffällig-  ist  dabei,  dass  die 
belesene  Frau,  die  gern  ihre  Briefe  durch  Citate  schmückt,  sehr  häufig  falsch  citiert. 
In  den  späteren  Teilen  der  Briefsammlung  hat  eigentlich  nur  das,  was  Karoline  von 
Wolzog-en  schreibt,  allgemeines  Interesse.  Die  beigefügten  Bilder  sind  von  ganz 
schlechter  Ausführung.  Von  Einzelheiten  sei  erwähnt:  Schon  sehr  bald  nach  Schillers 
Tode  müssen  viele  Blätter  mit  seiner  Hs.  verschenkt  und  verzettelt  worden  sein 
(S.  266,  453  usw.);  S.  82  Wielands  Tod;  S.  121/5  Gerüchte  über  das  Wartburgfest 
von  1817;  S.  128  Goethes  Krankheit  im  Juni  1818;  S.  220  Charlotte,  erzürnt  über 
Dörings  Schillerbiographie,  plant  selbst,  mit  Ernsts  Hülfe  das  Leben  ihres  Gatten  zu 
beschreiben;  S.  226  Goethes  Krankheit  vom  März  1823  und  die  „falschen  Wander- 
jahre"; S.  251  und  257  Besorgnis  der  Weimarer,  Goethe  möge  Ulrike  von  Levetzow 
heiraten;  am  21.  März  1824  leitet  Karoline  von  Wolzogen  in  einem  Brief  an  Goethe 
die  Verhandlungen  über  den  Goethe-Schillerschen  Briefwechsel  ein;  ihre  Betrieb- 
samkeit ist  in  dieser  Angelegenheit  von  grosser  Bedeutung  gewesen  (vgl.  besonders 
S.  260,  277,  291,  322,  499);  S.  284  über  die  Bergung  von  Schillers  Gebeinen  1826 
(auch  S.  290  und  294);  S.  286  Tod  der  Charlotte  von  Schiller;  S.  320  Schillers 
Beisetzung  in  der  Fürstengruft;  S.  339  zu  Andreas  Streichers  Bericht  über  Schillers 
Flucht  (auch  S.  342,  346j;  S.  375  aus  Goethes  Hauswesen  1831.  — 

V^on  der  Gesamtausgabe  der  Schillerschen  Briefe,  die  Jonas 2^)  besorgt, 
sind  zwei  weitere  Bände  erschienen  (abgeschlossen :  Ende  Jan.  und  Sept.  1893).  Die 
Einrichtung  ist  natürlich  die  gleiche  geblieben,  nur  sind  in  den  „Lesarten  und  An- 
merkungen" die  Nummern  der  einzelnen  Briefe  jetzt  fett  gedruckt ;  das  Aufsuchen  ist 
dadurch  erleichtert.  In  den  biographischen,  stilistischen,  sprachlichen  und  litterar- 
historischen  Erläuterungen  findet  sich  viel  Beachtenswertes;  schade  nur,  dass  zum 
Text  mancher  Briefe  erst  die  Anmerkungen  die  letzte,  zuverlässige  Kollation  bringen. 
Die  Briefe  an  Lotte  von  Lengefeld  hat  J.  nach  Fielitz  letzter  Datierung  angeordnet; 
die  an  Körner  sind  zum  Teil  durch  Geigers  Mitteilungen  aus  dem  Druckms.  der  Aus- 
gabe von  1847  ergänzt  worden.  Der  zweite  Band  bringt  2,  der  dritte  31  bisher  un- 
gedruckte Briefe,  nämlich:  N.  376  an  Karl  von  Knebel,  Mitte  Febr.  1789:  Dank  für 
einen  übersandten  Aufsatz;  N.  449  an  Ludwig  Schubart,  15.  Nov.  1789:  Dank  für 
ein  Exemplar  von  Schubarts  Thomson-Uebersetzung;  N.  543  an  Joh.  Mich.  Mauke, 
9.  Okt.  1790:  Geschäftliches,  die  Memoires  betreffend;  N.  603  an  Karl  Georg  Curtius, 
Anfang  1792:  handelt  von  der  Rücksendung  des  „Demetrius"  von  Curtius  und 
Rechlin;  N.  700  an  Eberhard  Gmelin,  7.  März  1794:  Schiller,  der  bereits  Ehrenmitglied 
der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Jena  war,  ist  beauftragt,  auch  Gmelin  als  socius 
honorarius  zu  gewinnen.  Die  Hauptmasse  der  zum  ersten  Mal  veröffentlichten  Briefe 
besteht  aus  Geschäftsbriefen  Schillers  an  Georg  Göschen,  die  das  Goethe-  und  Schiller- 
Archiv  in  Weimar  bewahrt:  N.480,  522,527,528,536,549,  597,  598,605,  609,611,  612, 
614,  615,  622,  625,  633,  645,  649,  655,  660,  661,  664,  669,  672,  676,  680,  687.  Von 
Einzelheiten  sei  hervorgehoben,  dass  J.  eine  schon  früheres)  mitgeteilte  Beobachtung 
in  der  Anmerkung  zu  N.  572  wiederholt:  das  bekannte  Gemälde  „Schiller  auf  dem 
Esel  reitend"  kann  nicht  in  Karlsbad  1791  entstanden  sein,  da  der  Maler  des  Bildes, 
J.  Chr.  Reinhart,  damals  in  Rom  lebte;  es  muss  vielmehr  in  die  Zeit  des  Aufenthalts 
in  Sachsen  (1785/7)  zurückdatiert  werden.  —  Die  von  Muncker^^)  besorgte  und  mit 


Jonas,  Schillers  Briefe.  Her.  u.  mit  Anm.  versehen.  Krit.  Gesamtansg.  2.  u.  3.  Bd.  St.,  Verlagsanst.  484,560  8.  kM.  3,00. 
|[A.  Schlossar:  BLÜ.  S.  29-30;  E.  E.:  LCBl.  S.  1619;  0.:  SchwRs.  2,  S.  729;  AkBll.  8,  S.  185;  A.  Reif f ersch eid:  DWBl. 
S.  153/4;  Q.:  DR.  2,  S.  394;  COIRW.  21,  S.  382;  KonsMschr.  S.  262.]|  —  23)  X  id-.  Vortr.  geh.  in  GDL.:  VoseZg.  N.  51.  — 
24)  F.  Muncker,   Briefwechsel   zwischen  Schiller   n.  W.  v.  Humboldt   in   d.  .T.  1792-1805.    Mit  Einl.    (=  Cottasche  Bibl.  d. 


A.  Köster,  Schiller.  IV  9  :  24-38 

einer  gut  unterrichtenden  Einleitung-  versehene  Ausgabe  des  Briefwechsels  zwischen 
Schiller  und  W.  von  Humboldt  ist,  abgesehen  von  einigen  Korrekturen  im  Personen- 
verzeichnis,  ein  Abdruck  der  zweiten  Cottaschen  Ausgabe  von  1876.  In  dieser  war 
der  42.  Brief  doppelt  gezählt;  dieser  Fehler  ist  verbessert  worden.  Nach  N.  54  fehlt 
ein  Bi'ief  Humboldts  „s.  1.  vom  20.  Febr.  1796"  (Radowitz  Autographenkatalog,  3, 
S.  568,  N.  7272;  Kalender  S.  19)  und  „Berlin,  den  2.  März  1796"  (ebda.  N.  7274 ;  Kalender 
S.  20).  —  Einige  neue  Briefe  von  Schiller  selbst  oder  von  Personen,  die  ihm  nahe 
standen,  sind  zu  verzeichnen.  Unter  den  Mitteilungen  vonKrauss  und  Seuffert^-^) 
befindet  sich:  1.  ein  Billet  Schillers  an  den  Geheimen  expedierenden  Sekretär  Bertram 
in  Berlin,  vom  26.  Jan.  1786  (einzureihen  bei  Jonas  zwischen  N.  150  und  151):  Schiller 
empfiehlt  einen  jungen  Schauspieler;  2.  ein  Brief  von  Schillers  Vater  an  Reinwald 
und  Christophine,  Solitüde,  16.  Jan.  ]789:  nimmt  Bezug  auf  einen  verlorenen  Brief 
des  Dichters  und  handelt  von  dessen  Berufung  nach  Jena;  3.  ein  Brief  von  Charlotte 
von  Schiller  an  den  Grafen  Schimmelmann,  Weimar,  9.  Nov.  1807:  Erkundigungen 
nach  dem  Schicksal  der  Familie;  4.  Nachträge  aus  Hss.  des  Germanischen  Museums 
in  Nürnberg  zu  den  Schillerbriefen:  Jonas  N.  27,  167,  578,  618;  5.  ein  Billet  Wie- 
lands  an  Schiller,  26.  Dec.  1800,  bei  Uebersendung  des  „Aristipp";  6.  ein  kurzer 
Briefwechsel  zwischen  Schiller  und  Böttiger  vom  17.  Mai  1801.  —  Schmerzlich  ver- 
misst  wurden  bisher  die  Briefe  Schillers  an  den  Grafen  Schimmelmann;  der  Kalender 
verzeichnet  im  ganzen  22.  Nachdem  man  fast  alle  Hoffnung-  aufgegeben  hatte,  sie 
wiederzufinden,  hat  jetzt  Bobe^^)  zwei  von  ihnen  unter  den  Papieren  Schimmelmanns 
im  Königlich  dänischen  Reichsarchiv  entdeckt  und  herausgegeben:  1, 13.  Juli  1793  :  Erst 
durch  Baggesen  ist  dem  Dichter  ein  klares  Bild  des  Grafen  aufgegangen ;  er  sendet  eine 
seiner  ästhetischen  Abhandlungen  (ich  möchte  sie  im  Gegensatz  zu  B.  für  die  Schrift 
„Ueber  Anmut  und  Würde"  halten)  und  spricht  die  Hoffnung  aus,  von  der  Geschichte 
aus,  durch  die  Philosophie,  sich  der  Dichtkunst  wieder  zu  nähern;  2.  5.  Febr.  1796: 
Schiller  wiederholt  den  schon  früher  abgestatteten  Dank  für  die  Güte  des  Grafen  und 
des  Herzogs  von  Augustenburg\  Es  folgen  vier  Briefe  von  Charlotte  von  Schiller: 
drei  an  die  Gräfin  Schimmelmann,  4.  April  1814,  2.  Aug.  1814,  24.  Mai  1816,  und  einer  vom 
7. Jan.  1817  anden  Grafen  nach  dem  Tode  derGräfin;  endlich  das  schöne  Antwortschreiben 
des  Grafen  mit  den  verständnisvollen  Schlussworten  über  Schillers  Grösse.  —  Im 
Goethe-  und  Schiller-Archiv  befindet  sich  noch  eine  ganze  Anzahl  von  Briefen  an 
Schiller,  die  Urlichs  mit  gutem  Grund  von  seiner  Sammlung  ausgeschlossen  hat.  Sie 
werden  aber  sicherlich  noch  unter  irgend  welchen  Vorwänden  nach  und  nach  ans 
Licht  treten,  in  Feuilletons  oder  Kommentaren  oder  sonstwie.  Vorläufig  teilt  Ernst 
Müller^'J)  zwei  Briefe  des  armen  kranken  Studenten  Steinhaus  mit,  den  Schiller  im 
J.  1799  wiederholt  mit  Geld  unterstützte.  Warum  nur  wird  der  Notschrei  eines 
Unglücklichen  nach  100  Jahren  so  schonungslos  der  Neugier  gleichgültiger  Leser 
preis  gegeben?  Für  Schillers  Opferwilligkeit  und  Güte  hatten  wir  ja  Beweise 
genug.  — 

Unter  den  volkstümlichen  Ge  samtausg  aben^S)  von  Schillers  Werken  ist 
und  bleibt  die  Cottasche  mit  den  Einleitungen  von  Goed ecke ^9)  die  wohlfeilste  und 
vornehmste.  Auffällig  ist  in  der  neuen  Auflage  bisweilen  die  Anordnung  der  einzelnen 
Werke.  Es  scheint,  als  ob  der  Herausgeber  jeden  Band  mit  einem  besonders  populären 
Stück  habe  eröffnen  wollen;  daher  ist  unter  den  sonst  chronologisch  geordneten  Dramen 
Don  Carlos  vor  Semele,  Teil  vor  die  Braut  von  Messina  gestellt  worden.  — 

Ueber  die  Prosaschriften^'^"^'')  Schillers,  und  zwar  die  philosophischen,  hat 
Gneis se 3^)  ein  lehrreiches  Buch  geschrieben.  Etwas  gar  zu  absprechend  äussert  er 
sich  über  seine  Vorgänger,  sei  es  nun,  dass  sie  Schillers  Ansichten  systematisierend 
zusammengefasst  hahen,  sei  es,  dass  sie  historisch  und  psychologisch  die  Entwicklung 
seiner  Lehre  erläutern  wollten.  G.  greift  in  kluger  Beschränkung  nur  einen  Teil 
der  Schillerschen  Ideen  heraus,  nämlich  die  Lehre  von  der  ästhetischen  Wahrnehmung, 


Weltlitt.  Bd.  230.)  St.,  Cotta  292  S.  M.  1,00.  —  25)  E.  Krauss  u.  B.  Seuffert,  Briefe  z.  Schillerlitt.:  VLG.  6,  S.  6139. 
—  26)  L.  Bobe,  Neue  Schillerbriefe.  Aus  Ernst  n.  Charlotte  Schimmelmanns  Briefwechsel  mit  Schiller  u.  dessen  Gattin: 
DEs.  74,  S.  64  81.  —  27)  Ernst  Müller,  Schiller  als  Wohlfhäter:  AZgB.  N.  234.  —  28)  X  Schillers  poet  Meisterwerke. 
Gedichte  v.  Dramen.  (Nene  Aufl.l  Mit  Bild.  Strassburg  i.  E.,  Druckerei  n.  Verhigsanst.  XI.\',  977  S.  M.  4,50.  —  29)  id.. 
Sämtl.  Werke  in  16  Bdn.  Mit  Einl  v.  K.  Goedeke.  St.,  Cotta.  XII,  365  S.;  X,  405  S.;  VI,  339  S.;  VIU,  387  S.;  Vin,346S.; 
X,  302  S  :  X,  242  S.;  VI,  336  S.;  X,  401  S.  ä  M.  1,50.  |[LZgB.  N.  38;  (>:  DRs.  77,  S.317.J1  —  30)  X  (IV  1  d  :  13.)  —  31)  X 
Schiller,  Gesch.  d.  Abfalls  d.  vereinigten  Niederlande  v.  d.  spanischen  Regierung.  Mit  Bild.  (=  Bibl.  d.  Gesamt-Litt.  d.  In- 
u.  Auslandes  N.  708.)  Halle  a.  S.,  Hendel.  IV,  306  S.  M.  0,25.  —  32i  X  i^-  Hist.  de  la  guerre  de  trente  ans.  Nonv.  ed., 
publice  avec  des  notices,  des  arguments  analytiqnes  et  des  notes  en  fran9ai3  par  H.  Schmidt.  (=  Classiques  allemands.) 
Paris,  Hachette.  16».  XV,  482  S.  Fr.  2,50.  —  33)  X  K.  Julg,  Schillers  Abhandlung  über  d.  Gesetzgebung  d.  Lykurg,  d. 
XLII.  Vers,  dtsch.  Philologen  u.  Schulmänner  als  Probe  e.  üebersetz.  aus  d.  klass.  Deutschen  in  d.  klass.  Griechisch  vorgelegt. 
Trient,  Selbstverl  31  S.  M.  0,85.  -  34)  X  A.  Foii,  L'ideale  estetico  di  F.Schiller.  Saggio  critico.  Parma  (Ferrari  e  Pellegrini). 
1892.  84  S.  |[NAnt.  45,  S.  344,6;  Cultura  1,  S.  382.]|  (Nicht  im  Handel.)  —  35)  X  Ernst  Müller,  Schiller  als 
Kritiker.  E.  kleiner  Beitr.:  KBIGRW.  40,  S.  280/4.  —  36)  X  F.  Muncker,  Kuno  Fischer,  Schillerschriften,  2.  Reihe  (vgl, 
JBL.  1892  IV  9:38):  BBG.  29,  S.  306/7.  —  37)  X  P-  Tannery,  F.  Montargis,  Testhetique  de  Schiller  (vgl.  JBL.  1892 
IV  9:35):  AGPhilos.  6,  S.  425/6     (S.  o.  I  12:15a.)  —  38)  (I  12:14.)  |[H.  Unbescheid:  ZDÜ.7,  S.  545-51.]|  -  39)  (I  12: 12.) 


IV  9  :  38-eo  A.  Kost  er,  Schiller. 

die    er   abgerundet   zunächst   aus   derjenig-en  Schrift  ableitet,  in  der  sie  am  reinsten 
ausgebildet    erscheint,    nämlich    aus   den  Briefen  über  die  ästhetische  Erziehung-  des 
Menschen.     Mit  sorgfältiger  Prüfung  der  oft  etwas  krausen  und  doppeldeutigen  Ter- 
minologie Schillers  entwickelt  er  diese  grundlegende  Lehre   klar,   beinahe   nüchtern, 
oft  elementar  im  besten  Sinne,  und  gipfelt  in  folgendem  Satze,  mit  dem  er  das  End- 
ergebnis von  Schillers  Untersuchungen  über  das  Wesen  des  Schönen  zusammenfasst: 
„Schön  ist  der  Gegenstand,  welcher,  auf  der  Stufe   sinnlich-vernünftiger   Thätigljeit, 
im  Zustande  des  Betrachtens,  zu  unserem  Bewusstsein  gelangend,  höchste  innere  Not- 
wendigkeit und  Unendlichkeit  zeigt  und  unserem  Gemüte  zu  einem  Maximum  seiner 
Kraftäusserung  Veranlassung  giebt."     Nun  erst  wendet    sich   G.   im  zweiten  Kapitel 
zurück  zu  Schillers  früheren  Schriften,  in  denen  dieser  gerade  in  Bezug  auf  das  von 
G.  behandelte  Thema  wesentlich  andere,  unfertigere  Anschauungen  äussert,  während 
er  seit  den  ästhetischen  Briefen  die  Lehre  von  der  ästhetischen  Wahrnehmung  nicht 
mehr  ändert.     Diese  Konsequenz  bis  zum  Gipfel  und  das  spätere  Verharren  wird  bei 
G.  völlig  klar.    Nur  eins  vermisst  man  bei  ihm,  wie  bei  so  manchem,  der  über  Schillers 
Aesthetik  geschrieben  hat:  nämlich  den  Sinn  dafür,  dass  hier  ein  Dichter  philosophiert, 
und  nicht  etwa  ein  so  klarer,  aber  unpoetischer  Denker  wie  Kant.     Zwar  betont   G. 
gelegentlich,  dass  die  Normen,  die  Schiller  für  den  ästhetisch  Geniessenden  aufstellt, 
auch  für  den  ästhetisch  Schaffenden  gültig  sind ;  dass  aber  in  dieser  Philosophie,  die 
ganz    der   künstlerischen    Produktion   dienstbar  sein  sollte,  die  Phantasie  häufig  die 
Offenbarerin  gewesen  ist,  während  der  Verstand  dann  nur  als  nachprüfender  Richter 
gerufen  wurde,  wird  bei  G.  nicht  klar.     Dem  dritten  Kapitel,  das  Schillers  Lehre  von 
der   ästhetischen  Wahrnehmung   mit   den    Ansichten    Kants  und  Fichtes  vergleicht, 
schliesst  G.  im  Schlusswort  den  Wunsch    an,    dass  doch   die    moderne   Psychologie, 
wie  sie  sich,  den  Bahnen  Kants  wieder  nähere,  auch  Schillers  Lehre  von  der  Wahr- 
nehmung prüfen,  ja,   hoffentlich  auch  zu  neuen  Ehren  bringen  möge.     Ob  das  mög- 
lich ist,  müssen  die  Fachgelehrten  entscheiden;  G.s  Ruf  lautet  unzweideutig:  Zurück 
zu  Kant  und  Schiller!  —  Gerade  das,  was  man  bei  Gneisse  vermisst,  findet  man  in 
vollem  Masse  bei  H.  von  Stein^^).     Was  hier  zum  Druck  befördert  wird  und  früher 
schon  in  den  „Bayreuther  Blättern"  (Mai— Juni  1887)  erschienen  war,  ist  ja  nur  Skizze. 
Aber   sie   wirkt   in   jeder  Zeile    anregend  und  lässt  schmerzlich  bedauern,  dass  der 
junge  geist-  und  phantasievolle  Forscher  so  früh  der  Wissenschaft  genommen  worden. 
Wie  schön  und  sicher  tritt  in  seiner  Reproduktion  das  Einigende  und  Trennende  in 
Goethes  und  Schillers  philosophischen  Anschauungen  hervor.  — 

Zu  Schillers  Gedichte  n^o-^t)  ist  manches  Neue  zu  verzeichnen,  zunächst 
als  allgemeine  Schrift  die  dritte  Auflage  von  Düntzers^^^  Erläuterungen, 
aller  Voraussicht  nach  die  letzte,  wie  der  greise,  nimmer  müde  Vf  in  der  Vor- 
rede wehmütig  selbst  meint.  Wieder  bewundern  wir  in  diesem  Werke  den  immer 
gleichen  Fleiss  des  Kommentators  bei  der  Zusammenfassung  der  zahllosen,  weit  ver- 
streuten Quellen,  Studien  und  Deutungsversuche  anderer  Forscher.  Für  die  erste 
Interpretation  eines  einzelnen  Gedichtes  von  Schiller  ist  D.  stets  ein  nützlicher  zuver- 
lässiger Führer;  aber  der  erste  Band  seiner  Erläuterungen,  der  eine  historische  Ent- 
wicklung Schillers  als  Lyriker  geben  will,  kommt  über  annalistische  Trockenheit 
nicht  hinaus.  — 

Und  doch  hat  Düntzer  mit  seiner  Art  der  Einzelerläuterungen^^"*"^),  die 
von  rein  subjektiven  Geschmacksurteilen  nicht  frei  sind.  Schule  gemacht.  Was  sollen 
z.  B.  Bemerkungen,  wie  sie  Draheim*^)  aus  engherzigster  christlicher  Befangenheit 
und  wieder  aus  offenkundigem,  wenn  auch  nicht  zugestandenem  Hochmut  gegenüber 
der  Antike  vorträgt?  Sie  können  das  Verständnis  von  Schillers  Gedichten  gar  nicht 
fördern.  —  Wie  wenig  er  mit  seiner  schroffen  Gegenüberstellung  antiker  und  christlich- 
romantischer Vorstellungen  Recht  hat,  zeigt  Becker^^)  am  „Ring  des  Polykrates", 
indem  er  die  unbestimmte  Furcht  vor  dem  Neid  böser  Mächte  im  Volksaberglauben 
christlicher  Zeit  nachweist.  —  Jacoby^")  stellt  die  auffällige  Thatsaehe  fest,  dass 
Schiller  in  demselben  J.  1795,  da  er  in  der  Abhandlung  über  naive  und  senti- 
mentalische  Dichtung  so  schroff  über  Lessings  „Nathan"  urteilte,  im  „Verschleierten 
Bild  von  Sais"  sich  im  Tonfall  der  Rede  an  Lessings  Drama  anlehnt.  Offenbar  hatte 
er   in  jener   Zeit   durch  erneute  Lektüre  den  Eindruck  eben  wieder  aufgefrischt.  — 

—  40)  X  (I  '  =  '^5-)  —  41)  X  Goethe  et  Schiller,  Poesies  lyriques,  texte  allemand,  publie  avec  des  notices  litt,  et  des  notes 
par  H.  Lichtenberger.  2.  ed.  Paris,  Hachette.  16".  XXXIX,  271  S.  Fr.  2,50.  —  42)  H.  Düntzer,  Schillers  lyrische 
Gedichte.  Erläut.  I.  Schiller  als  lyrischer  Dichter.  IL  D.  Gedichte  d.  1.  Periode.  IV.  D.  Gedichte  d.  3.  Periode.  5.  6.  Bdchn.  3., 
neu  dnrchges.  Aufl.  (=  Erläuterungen  zu  d.  dtsch.  Klassikern.  3.  Abt.:  Erläuterungen  zu  Schillers  Werken  7.  3.  9.  15.  16. 
d.  ganzen  Reihe  36.  37.  38.  44.  45.  Bdchn.)  L.,  Wartig.  320,  172,  290  S.  ä  M.  1,00.  -  43)  X  F.  Schiller,  Song  of  the  bell 
and  other  poems,  with  notes  by  G.  Macdonald.  London,  Blackie.  Sh.  0/6.  -  44)  X  (I  1  =76.)  |[W.  Sm.:  LZg.  N.  277.]|  — 
45)  X  R-  Sprenger,  Zn  Schillers  ..Bürgschaft"  V.  65  u.  83 f.:  ZDU.  17,  S.  563/4.  —  46)  X  B.  Stein,  Zu  Schillers  „Kampf 
mit  d.  Drachen«:  ib.  S.  768-70.  —  47)  X  A    Köster,  J.  Thikötter,  Ideal  n.  Leben  (vgl.  JBL.  1892  IV  9  :  51):  DLZ.  S.  747/8. 

—  48)  H.  Draheim,  Ueber  Schillers  antike  u.  romant.  Gedichte:  ZDU.  7,  S.  7-16.  —  49)  Th.  Becker,  Zu  Schillers  Ring 
d.  Polykrates:  ib.  8.  589-94.  —  50)  (IV  6:26.)  —  50a)  A.  Richter,  D.  Geschichte  vom  „Kampf  mit  d.  Drachen" :  PrJbb.  71, 


A.  Kost  er,  Schiller.  IV  9  :  soa-eo 

Wer  über  den  „Kampf  mit  dem  Drachen"  sich  unterrichten  will,  findet  manches 
Beachtenswerte  in  einem  Aufsatz  von  Richter^^").  Ob  alle  seine  Kombinationen  an- 
nehmbar sind,  muss  der  Specialist  auf  dem  Gebiete  der  Sag-enforschung-  entscheiden. 
R.  sieht  die  älteste  noch  lebende  Form  der  Erzählung-  im  Siegfriedslied  und  in  dem 
Märchen  bei  den  Brüdern  Grimm  (N.  60).  Dann  soll  durch  Johanniter  die  Sag-e  in 
Rhodus  lokalisiert  sein.  Und  in  der  Form,  die  sie  dort  annahm,  findet  sie  sich  zuerst 
in  dem  Bericht  über  die  Orientreise  Ottheinrichs,  des  Pfalzgrafen  bei  Rhein:  an  die 
Stelle  Sieg-frieds  oder  des  Jägers  ist  der  französische  Ritter  g-etreten,  an  die  Stelle 
Engels  oder  des  Wirtes  der  Grossmeister.  Ein  allgemeines  Verbot  des  Drachen- 
kampfes besteht  noch  nicht.  Nach  dieser  Richtung  weitergebildet  findet  sich  die 
Sag-e  erst  bei  späteren  Geschichtsschreibern;  übergeht  man  Bosios  Geschichte  des 
Johanniterordens,  so  ist  vor  allen  Vertots  Histoire  des  Chevaliers  hospitaliers  zu 
nennen,  Schillers  direkte  Quelle:  hier  ist  aus  dem  beliebig-en  Ritter  der  Provengale 
Dieudonne  de  Gozon  geworden,  aus  dem  namenlosen  Grossmeister  Heiion  de  Ville- 
neuve,  der  ein  Verbot  wider  den  Drachenkampf  öffentlich  erlassen  hat.  Aber  noch- 
mals schreitet  Schiller  über  seinen  Gewährsmann  hinaus,  indem  er  die  bloss  äussere 
Verletzung-  des  Verbots  vertieft  zu  dem  bekannten  Konflikt  der  Pflichten.  —  Zum 
„Gang  nach  dem  Eisenhammer"  stellt  Hildebrand^')  die  Vermutung-  auf, 
Schiller  habe  die  Gräfin  nur  aus  Reiranot  zu  einer  Gräfin  von  Savern  (d.  i.  die  fran- 
sische Form  für  Zabern  im  Elsass)  gemacht ;  denn  die  Vorlage,  Retif  de  la  Bretonne, 
spricht  von  einer  Gräfin  von  K...  —  Die  Vermutung  H.  Sau  er  s^^-^^  (jass  Schiller  für 
seinen  „Alpenjäger"  ausser  den  oft  citierten  schweizerischen  Quellen,  besonders 
Bonstetten,  auch  Kalidasas  Sakuntala  benutzt  habe,  sucht  HirzeP^)  in  Kürze  zu 
entkräften.  Ebenso  will  er  in  Goethes  „Faust"  zwar  für  das  „Vorspiel",  nicht  aber 
für  den  Prolog  im  Himmel  einen  Einfluss  des  indischen  Dramas  zugeben.  —  Umfang- 
reicher ist  ein  Aufsatz  von  Bormann, ^^j  ein  panegyrischer  Brief  über  die  „Künstler". 
B.  widerspricht  der  Ansicht,  als  habe  Schiller  jemals  (selbst  in  seinem  Aufsatz  über 
die  Schaubühne  als  moralische  Anstalt)  der  Kunst  die  erniedrigende  Rolle  einer 
Dienerin  zuweisen  wollen.  Stets  habe  sie  ihm  als  grosse,  selbständige,  freie  Macht, 
als  Vermittlerin  zwischen  Sinnlichem  und  Geistigem  für  den  Menschen  gegolten. 
Einen  Beweis  für  diese  hohe  Auffassung  von  der  Kunst  sieht  B.  darin,  dass  Schiller 
Gott  als  Weltschöpfer  sich  schon  in  seinen  frühesten  Werken  am  liebsten  als  den 
grossen  Künstler  denkt.  Auch  in  den  „Künstlern"  feiert  Schiller  die  Allgewalt  der 
schönen  Kunst;  aus  ihr  entspringt  alle  Kultur,  alle  Erkenntnis.  Der  Gedankengehalt 
des  B. sehen  Aufsatzes  ist  nicht  neu,  aber  mit  Wärme  vorgetragen.  Er  gipfelt  in  dem 
Wunsche,  dass  die  ästhetisch-philosophischen  Gedichte  und  Abhandlungen  Schillers 
in  die  Schullektüre  eingereiht  werden  möchten.  —  In  einer  kleinen  Notiz  endlich 
möchte  Rubensohn^^)  nachweisen,  dass  die  ursprüngliche,  später  verworfene  Lesart 
in  Schillers  Virgil-Uebersetzung,  Zerstörung  Trojas  231  f.  „wütender  Gebärde" 
mit  dem  Reimwort  „Erde"  eine  Reminiscenz  aus  Bürgers  Lenore  sei,  da  ja  die 
Recension  von  Bürg-ers  Gedichten  und  die  Aeneis-Uebersetzung  in  die  gleiche  Zeit 
fallen.    Möglich!  — 

Wichtiger  aber  als  alles  Bisherige  sind  zwei  neue  Funde,  die  im  J.  1893 
ans  Licht  traten,  nachdem  man  schon  früher  Einzelnes  über  sie  erfahren  hatte.  Ein 
kostbares  Geschenk  war  die  neue  Ausgabe  der  Xenien.^^)  Fast  ein  Jh.  sind  sie  jetzt 
alt,  diese  stachlichten  Verse;  aber  sie  bleiben  jung,  weil  sie  so  schön  sind.  Wohl 
ist  uns  das  Verständnis  für  einige  Anspielungen  verloren  gegangen;  das  ist  zu  ver- 
schmerzen. Ueber  das  Meiste  orientieren  die  Anmerkungen  der  neuen  Ausgabe  knapp 
und  zuverlässig.  Aber  nicht  das  ist  der  Hauptgewinn,  den  wir  aus  dieser  Publi- 
kation ziehen.  Vielmehr:  wir  erkennen  klarer  als  bisher  die  Entstehung  der  Xenien, 
sehen,  wie  die  Schaffenslust  der  beiden  Dichter  den  ursprünglichen  engen  Plan  zer- 
sprengt, wie  die  Masse  der  Epigramme  wächst,  ja,  wie  sie  über  das  Mass  hinaus 
anschwillt,  so  dass  grosse  Teile  unterdrückt  werden  mussten,  die  erst  jetzt  ans  Licht 
treten;  wir  sehen  schliesslich  mit  Bewunderung,  wie  Schiller,  der  schon  vorher  die 
meisten  und  zugleich  treffsichersten  Pfeile  geschmiedet  hatte,  nun  schliesslich  den  ganzen 
Vorrat  noch  einmal  durcheinander  schüttelt,  sichtet  und  mit  rücksichtsloser  Ent- 
schlossenheit das  endgültige  Xenien-Ms.  fertigstellt,  ein  souveräner  Künstler.^'-^^)  — 
Trögers ßt*}  Schrift  über  Joh.  Kaspar  Friedr.  Manso  erschien  zur  Unzeit.  Inhaltlich 
fasst  sie  nur  Bekanntes  zusammen  und  verfolgt  dabei  den  Zweck,  dem  ehemaligen 
Rektor  des  jubilierenden  Gymnasiums  ein  Ehrendenkmal  zu  setzen.  Leider  geschah 
das   gerade,    als    die  Weimarer  Xenienausgabe  Manso  in  seiner  bedauerlichen  Rolle 

S.  472-83.  —  51)  (I  8:65.)  -  52)  X  (I^  8e  :  91.)  -  53)  (IV  8e:90.)  -  54)  W.  Bormann,  Ueber  Schillers  „Künstler". 
(=  I  1:113;  S.  109-31.)  —  55)  M.  ßnbensohn.  Zu  Schillers  Uebers.  d.  Aeneide:  NJbbPh.  147,  S.  1434.  -  56)  (IV  6:41; 
IV  8a  :34a;  8c:  20.)  —  57)  X  Vom  Wiener  Philologentag.  Erich  Schmidts  Vortr.  „Ueber  d  Xenienhss." :  AZgB.  N.  119.  — 
58)  X  Neues  v.  Goethe- Schillers  Xenien:  Didask.  N.  127.  (Abdruck  aus  AZgB.:  Vorlauf.  Bericht  B.  Snphans  über  d.  Xenien,  am 
Goethetage.)    —   59)  X  Erich  Schmidt,  Mitteilung  in  GDL.  Nov.:  DLZ.  S.  1845.     -    60)  (IV  8a:  130;  8c:21.)  -  61)  B. 


IV  9:61-77  A.  Köster,  Schiller. 

wieder  auferstehen  liess;  und  wiederum  kam  diese  Sammlung  zu  spät,  als  dass  T. 
die  bis  dahin  unbekannten  Epigramme  noch  zur  Vervollständigung  seiner  Schilderung 
hätte  brauchen  können.  —  Die  zweite  Gabe,  durch  welche  die  Sammlung  von  Schillers 
Gedichten  vermehrt  wurde,  ist  eine  Schöpfung  aus  der  Dresdener  Zeit  (wahrscheinlich 
aus  dem  Herbst  1785),  ein  Wechselgesang  zweier  Liebenden,  Delia  und  Leontes,  den 
Suphan^i)  veröffentlicht  hat.  Das  Gedicht^^^)  hielt  Minna  Körner  bis  in  ihr  höchstes 
Alter  verwahrt;  dann  gelangte  es  direkt  oder  auf  Umwegen  in  die  gräflich  Paarsche 
Autographensammlung,  aus  der  es  durch  die  Auktion  im  März  1893  in  den  Besitz 
des  Grossherzogs  von  Sachsen- Weimar  und  dann  in  den  Bestand  des  Goethe-  und 
Schiller-Archivs  überging.  Mit  Recht  erkennt  S.  in  Leontes  und  Delia  Körner  und 
seine  Gattin.  Das  Lied  mit  seinem  hohen  Schwung  stellt  sich  neben  das  Lied  an  die 
Freude;  freilich  bleibt  zwischen  beiden  ein  grosser  Wertunterschied,  den  niemand 
besser  als  der  Dichter  selbst  erkannt  hat.  —  Ein  Facsimile  zweier  Strophen  ist  gleich- 
falls erschienene^).  — 

Wenden  wir  uns  den  Dramen  im  allgemeinen^*  e^)zu.  Der  nochimmer  weit 
verbreiteten  Anschauung,  als  ob  Klassizismus  und  Romantik  oder,  ins  rein  Persönliche 
übertragen,  Schiller  und  die  Brüder  Schlegel  Gegensätze  bedeuteten,  tritt  Walzet")  mit 
Entschiedenheit  entgegen.  Ausgehend  von  Schillers  direkten  Beziehungen  zu  Wilhelm 
und  mehr  noch  zu  Friedrich  Schlegel  weist  er  nach,  dass  die  W^erke  beider  Parteien 
überall  Verwandtschaft  zeigen,  wo  sie  sich  das  Uebernatürliche,  das  Unbegreifliche 
zum  Thema  wählen,  wo  sie  die  Berliner  Aufklärung  bekämpfen  und  wo  sie  auf 
Kantscher  Philosophie  beruhen.  Als  bedeutsamste  Symptome  einer  Abhängigkeit 
Schillers  von  romantischen  Anregungen  führt  W.  an :  im  „Wallenstein"  die  Versform, 
für  die  W.  Schlegels  Shakespeare-Uebersetzung  entscheidend  war;  in  „Maria  Stuart" 
die  katholische  Dulderin  und  Morlimer,  der  sich  ganz  unter  dem  Banne  römischer 
Kunst  befindet;  in  der  „Jungfrau  von  Orleans,"  der  romantischen  Tragödie,  das 
Motiv  der  Suggestion  und  die  vielen  lyrischen  Einlagen,  die  besonders  auf  Tiecks 
„Genoveva"  zurückzuführen  sind;  in  der  „Braut  von  Messina"  der  Farbenreichtum 
Siziliens  und  der  Stauferzeit,  Vererbungstheorie  und  Schicksalsidee.  —  Wie  in  diesen 
Dramen  Schiller  unter  dem  Einfluss  der  aufblühenden  Romantik  steht,  so  kann  man 
andererseits  wieder  seine  Einwirkung  auf  manche  junge  Romantiker  erkennen. 
Niejahr ''^)  sucht  dies  bei  Heinrich  von  Kleist  nachzuweisen,  dessen  „Prinz  von 
Homburg"  manche  Nachwirkung  des  „Wallenstein"  zeigt,  sowohl  in  der  Gruppierung 
der  auftretenden  Personen,  wie  in  einzelnen  wörtlichen  Reminiscenzen :  in  Homburg 
und  Natalie  m.öchte  N.  Max  und  Thekla  wiedererkennen,  bei  Hohenzollern  denkt  er 
an  den  Marquis  Posa.  Ebenso  sieht  er  in  dem  letzten  Auftreten  des  Varus  in  der 
„Hermannsschlacht"  eine  Erinnerung  an  die  Scene  Talbots  in  der  „Jungfrau  von 
Orleans"  und  erblickt  (einer  Anregung  von  Otto  Brahm  folgend)  an  Hermann  deut- 
liche Züge  von  Schillers  Fiesko.  —  Die  sprachlichen  Bemerkungen,  die  Fischer "2) 
an  Schillers  Dramen  anknüpft,  betreffen  vor  allem  schwäbische  Dialektworte.  Doch 
weiss  auch  F.  nicht  alles  zu  deuten.  —  Was  es  mit  der  Meldung  über  einen  Schiller- 
fund''^-)^  (jje  YQj^  (jeui  „Dramatischen  Centralbureau"  in  Leipzig  ausgeht,  für  eine 
Bewandtnis  hat,  ist  nicht  zu  erkennen:  es  soll  die  Litteratur  und  das  Theaterrepertoire 
eine  wichtige  Bereicherung  erfahren  haben  durch  die  Auffindung  zwar  nicht  Schiller- 
scher, aber  auf  Schiller  zurückgehender  Fragmente  in  einem  thüringischen  kleinen 
Orte.     Bis  jetzt  ist  nichts  Näheres  darüber  bekannt  geworden.  — 

Zur  Textgeschichte  der  „Räuber"''*" ''5)  stellt  Kettner''«)  fest,  dass  Schiller, 
nachdem  er  die  erste  Fassung  des  Stückes  (U)  zu  dem  „Schauspiel"  (S)  umgearbeitet 
hatte,  für  die  Mannheimer  Bühnenbearbeitung  (M)  und  für  die  erste  Ausgabe  des 
„Trauerspiels"  (T)  nochmals  auf  U,  nicht  auf  S  zurückgegangen  ist.  Und  gestützt 
auf  diesen  Nachweis  möchte  K.  besonders  in  der  Erkennungsscene  zwischen  Moor, 
Amalia  und  Karl  im  fünften  Akt  die  Fassung  von  T,  M  für  älter  halten  als  die  von 
S.  —  Von  der  seltsamen  Uebersetzung  oder  richtiger  gesagt  Bearbeitung  des 
Stückes,  die  man  1792-93  in  Paris  im  Theätre  du  Marais  spielte,  und  die  zum  Vf. 
J.  H.  F.  La  Marteliere  hatte,  weiss  als  Augenzeuge  Wilhelm  von  Wolzogen  zu  be^ 
richten.'''')     Er  ist  empört  über  die  Verunstaltung;  denn  „Robert,  chef  des  brigands" 

Snphan,  E.  Carmen  amoebaeum  ans  Schillers  Nachlass:  VLG.  6,  S.  608-12.  —  62)  X  ^-  interessantes  Ineditnm  v.  Schiller: 
VossZg.  N.  597.  —  63)  -n-.  Nur  e.  Autographensamml.:  DDichtung.  LS,  S.  273  (Bespricht  d.  Katalog  d.  gräfl.  Paarschen 
Samml.)  —  64)  X  G-  Hauher,  L.  Bellermann,  Schillers  Dramen  (vgl.  JBL.  1891  IV  10:87):  KBIGRW.  40,  S.  181/3.  •  65)  X 
H.  Conrad,  E.  Schiller-Denkmal:  DWBl.  S.  126/9.  (Ref.  üb.  Bellermann,  Schillers  Dramen.  Vgl.  JBL.  1891  IV  10:87.)  — 
66)  X  (I  7:43a.)  —  67)  X  E.  Hermann,  Schillers  Dramen,  bearb.  v.  0.  FricV:  PaedA.  35,  S.  53/7.  —  68)  X  J- Wy  chgrnm, 
E.  Mentzel,  Schillers  .Tngenddramen  z.  erstenmal  auf  d.  Frankf.  Bühne  (vgl.  JBL.  1892  IV  9  :  65):  BLU.  S.  389.  —  69)  X  E. 
Kilian,  Z  Erstaufführung  v.  Schillers  Jugenddramen:  AZgR.  N  40.  (Ansz.  ans  Mentzel,  Schillers  Jngenddramen  (vgl. 
JBL.  1892  IV  9:65.)  -  70)  0.  F.  Walzel,  Schiller  n.  d.  Romantik:  VossZgB.  N.  41/2.  —  71)  J.  Niejahr,  H.  v.  Kleists 
Prinz  V.  Homburg  u.  Hermannsschlacht:  VLG.  6,  S.  409-29.  -  72)  (I  8  :  47  )  ~  73)  Notiz  über  e.  Schillerf and :  BerlTBl.  N.  178. 
—  74)  X  F-  Br^no'd,  D.  Räuber.  Litt.  Erinnerung:  Bär  19,  S.  99.  -  75)  X  ^^^-  '^^^^  ^-  übliche  Weimarer  Aufführung  d. 
„Räuber"  unter  Mitwirk.  d.  Jenenser  Studenten  (1.  Febr.  1893):  NatZg.  N.  83.  —  76)  ö-  Kettner,  Zu  Schillers  Dramen: 
i])V,  7,  S.  455-70.  —  77)  B.  v.  Wolzogen,  E.  Augenzeuge  d.  Hinrichtung  Ludwigs  d.  Sechzehnten  (21.  Jan.  1793) :  YossZg». 


A.  Kost  er,  Schiller.  IV  9  :  73-99 

war  durchsetzt  mit  Anspielung-en  auf  die  Revolution,  eine  Glorifizierung-  des 
Tyrannenmordes.  —  Die  „Engel  mit  Schwänzen",  von  denen  Roller  (Räuber  I,  2) 
spricht,  deutet  Spreng-er'^)  mit  Recht  als  Teufel,  im  Gegensatz  zu  Düntzer,  der  hier 
von  Raubvögeln  spricht.  Zugleich  sucht  Sp.  den  Ausdruck  „Brandschande  Maal- 
g-eburt"  im  Urfaust  mit  Hinweis  auf  Schillers  Räuber  II,  3  als  eine  doppelte  Um- 
schreibung für  ein  Kind,  das  bei  der  Geburt  Galgen  und  Rad  als  Muttermal  mit  auf 
die  Welt  bringt,  zu  erklären.  Inhaltlich  ist  das  natürlich  richtig,  sprachlich  wohl 
kaum.  — 

Zu  „Kabale  und  Liebe"  ist  nur  zu  verzeichnen,  dass  Bellermann"") 
die  Zeitberechnung  des  Stückes  erörterte  und  dabei  zu  dem  Schlüsse  kam,  dass  das 
Stück  sich  über  drei  Tage  ausdehne,  da  Wurm  die  Luise  in  dem  Briefe  schreiben 
lasse:  „Wir  haben  gestern  den  Präsidenten  im  Hause  gehabt"  und  ,, Morgen  hat 
der  Major  den  Dienst!"  — 

Denjenigen,  welche  den  „Don  Carlos"^""^^)  und  die  übrigen  historischen 
Dramen  Schillers  gern  mit  den  zu  Grunde  liegenden  historischen  Thatsachen  ver- 
gleichen möchten,  bietet  hierzu  Landwehr  ^*)  die  bequemste  Gelegenheit.  Auf  Grund- 
lage der  besten  wissenschaftlichen  Litteratur  entwirft  er  fünf  Lebensabrisse  (Fiesko, 
Don  Carlos,  Wallenstein,  Maria  Stuart  und  die  Jungfrau  von  Orleans)  und  überlässt 
dem  Leser,  die  Parallele  mit  Schillers  Dichtungen  zu  ziehen.  Da  L.  ruhig  und  ganz 
geschickt  erzählt,  und  da  sein  Urteil  milde  und  besonnen  ist,  so  kann  sein  Buch  für 
den  Schulunterricht  nützlich  sein.  Seine  Bemerkung  im  Vorwort  über  das  Verhältnis 
des  Dichters  zum  Geschichtsschreiber  ist  freilich  nicht  zutreffend.  — 

Bei  einer  Besprechung  des  Wallen  stein  ^^'^^)  sucht  Bellermann^^)  dem 
Tadel  Kettners,  dass  die  Zeitrechnung  beim  Tode  des  Max  Piccolomini  einen  Wider- 
spruch enthalte  (vgl.  JBL.  1892  IV  9:93),  zu  entkräften:  Max  scheide  von  Wallen- 
stein am  dritten  Tag"e  vom  Beginn  des  Stückes  an  gerechnet;  noch  am  gleichen  Abend 
ereile  ihn  der  Tod.  Am  nächsten  Morgen  finde  das  Begräbnis  statt,  und  im  Laufe 
dieses  vierten  Tages  treffe  W^allenstein  in  Eger  ein.  In  den  Worten  „Ein  starkes 
Schiessen  war  ja  diesen  Abend"  sei  „diesen  Abend"  gegen  den  üblichen  Sprach- 
gebrauch als  „letzten  (d.h.  in  diesem  Falle:  gestern  Abend)"  aufzufassen. —  Beller- 
mann^")  hat  seine  Ausführungen  auch  als  Aufsatz  drucken  lassen.  —  Die  letzte  Er- 
klärung Bellermanns  (diesen  =  den  gestrigen)  will  nun  Düntzer^*^)  nicht  gelten  lassen, 
so  dass  er  wieder  in  den  W^orten  „Heut  früh . . ."  eine  Ungenauigkeit  des  Dichters 
findet.  Was  D.  sonst  in  seinem  Aufsatz  vorträgt,  ist  unfruchtbare  Polemik  gegen 
Kettners  Erklärungen  (vgl.  JBL.  1892  IV  9 :  93).  —  Nach  abermaliger  Prüfung  ver- 
sucht dann  Kettner*")  nochmals  eine  neue  Deutung:  Max  ist  am  vergangenen 
Abend  bei  Neustadt  gefallen  und  „heute  früh"  bestattet  worden.  Das  Schiessen  bei 
Neustadt  „diesen  Abend"  deutet  auf  ein  zweites  Treffen,  in  das  der  heranrückende 
Octavio  verwickelt  ist.  —  Vortrefflich  gelungen  ist  in  Imelmanns"^)  Aufsatz  der 
Nachweis,  dass  in  Schillers  Wallenstein  für  die  Auffassung  des  Schicksals  als  der 
natürlichen  Folge  unserer  Handlungen,  unserer  Art  zu  denken,  zu  sehen,  zu  wirken 
Herders  Aufsatz  „Das  eigene  Schicksal"  eine  wichtige  Anreg'ung-  gegeben  hat.  Er 
erschien  im  dritten  Stück  des  ersten  Jahrgangs  der  „Hören".  —  Ein  paar  Kleinig- 
keiten steuert  Spreng  er  "3-94^  bei.  Zu  dem  Ausdruck  „Er  ist  gefroren"  (Wallen- 
steins  Tod  V,  2)  citiert  er  Samuel  Zimmermanns  „Bezaar,  wider  alle  Stich,  Straich 
und  Schüss,  voller  grossen  Geheimnussen",  ein  Werk,  das  auch  Gust.  Freytag 
(Bilder  aus  der  deutschen  Vergangenheit  3,  S.  77)  benutzt  hat ;  und  zu  dem  Schwank, 
den  der  erste  Jäger  aus  Wallensteins  Altorfer  Studententagen  berichtet,  zählt  Sp. 
einig-e  Parallelen  auf,  besonders  citiert  er  ein  Gedicht  von  Longfellow.  — 

An  der  Ausgabe  der  „Maria  Stuart"^^"^^)  von  BreuP^),  wie  überhaupt 
an  den  Ausgaben  dieses  sorgsamen  Vf.  können  deutsche  Kommentatoren  und  Veran- 
stalter von  Schulausgaben  viel  lernen,  auch  wenn  man  in  Rechnung  zieht,  dass  diese 


N.  5.  —  78)  B.  Sprenger,  Volkstümliches  aus  Schiller  u.  Goethe:  Urquoll  4,  S.  182  3.  --  79)  L.  BeUermann,  Mitteilnng 
in  GDL.:  DLZ.  S.  699-700.  (Vgl.  VossZg.  N.  216.)  —  80)  X  Saint- Real,  Don  Carlos,  nour.  hist.  Conjuration  des  Espagnols 
contre  la  repnblique  de  Venire.  Paris,  Berthier.  191  S.  Fr.  0.25.  —  81)  X  J  A.  Heyl,  M.  BOdinger.  Don  Carlos  Haft  u. 
Tod  (vgl.  JBL.  1891  IV  10:  73):  ÖLBl.  2,  S.  137,8.  —  82)  X  A.  Kleinschmidt,  E.  neues  Werk  über  Don  Carlos:  IllZg.  101, 
S.  305.  (Behandelt  Büdingers  Werk  [vgl.  JBL.  1891  IV  10:  73].)  -  83 )  X  Don  Carlos  Haft  u.  Tod:  Bohemia".  N.  90,1.  (Besprech. 
V.  Bndingers  Buch  [vgl.  JBL.  1891  IV  10:73].)  —  84)  (IV  la:5.)  -  85)  X  Schiller,  Wallenstein,  poeine  dramat.  en  (rois 
parties.  Texte  alleinand,  puhlie  avec  une  notice,  des  arguments  analytiques  et  des  notes  en  fran9.  par  G.  Cottler. 
(=  Classiques  allemands.)  Paris,  Hachette.  16".  XXVI,  299  S.  Fr.  2,50.  —  86)  X  (I  '^  =  78.)  -  87)  X  L.  Kölscher,  H. 
Beckhaus,  Zu  Schillers  Wallenstein  (vgl.  JBL.  1892  IV  9:91):  ASNS.  90,  S.  346/7.  —  88)  L.  Bellermann,  Mitteilung  in 
GDL.  (April):  DLZ.  S.  699-700.  (Vgl  VossZg.  N.  216.)  -  89)  id.,  Z.  Zeitberechnnng  in  Schillers  Dramen:  NJbbPh.  148, 
8.  239-47.  —  90)  H.  Düntz.er,  Zu  Schillers  Dramen:  ZDÜ.  7,  S.  168-80.—  91)  (S.  o.  N.  76.)  —  92)  (IV  7:8;  vgl.  auch  I  9  :  8.) 
—  93)  (I  5  :  83.)  —  94)  (I  5  :  148.)  -  95)  X  (I  7  :  80.)  -  96)  X  Schiller,  Marie  Stuart.  Ed.  class.  du  texte  allemand,  avec 
introd.  et  comment.  par  E.  Henry.  Paris,  Belin  freres.  1892.  12».  XIX,  260  S.  -  97)  X  i* ,  Marie  Stuart,  trag.  Reduite 
en  trois  actes  et  arrangee  pour  pensionats  et  congregations  de  jeunes  Alles  par  P.  Lebrun.  Bordeaux,  Coussau  et  Coustalat. 
1892  67  S.  Fr.  1,00.  —  98)  X  E.  Riquiez,  Marie  Stuart  (d'aprÄs  Schiller),  drame  en  cinq  actes  et  sept  tableanx  en  vers. 
Paris,  Cerf.  16».  XVL  224  S.  Fr.  3,.50.  -  99)  (IV  ld:38.)  —  100)  X  A.  Bellesheira,  Maria  Stuart,  Königin  v.  Schott- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  ^C'^^) 


IV  9  :  100-133  A.  Köster,  Schiller. 

englischen  Ausgaben  mehr  für  Studenten  als  für  Schüler  bestimmt  sind.  Die  Ein- 
richtung des  Drucks,  die  reichlich  bemessenen  Beigaben  und  Register,  die  Auswahl 
aus  dem  bibliographischen  Material  usw.  sind  musterhaft.  —  Das  neueste  grosse 
historische  Werki'"'"^'*^)  über  Maria  Stuart,  die  dreibändige  Biographie  vonPhilipp- 
soni*>3)  beweist  unwiderleglich,  dass  in  Schillers  Tragödie  der  Historiker  dem  Dichter 
Zugeständnisse  gemacht  hat.  Zwar  behandelt  Ph.,  wie  schon  der  Titel  seines  Werkes 
zeigt,  nur  die  Zeit,  in  der  Maria  regierende  Fürstin  war,  bricht  also  mit  der  Flucht 
nach  England  ab.  Aber  man  erkennt  doch  an  diesem  Ausschnitt  aus  dem  Leben  der 
schottischen  Königin  hinlänglich,  dass  jeder  Versuch,  sie  reinzuwaschen  und  als 
unschuldig  Leidende  hinzustellen,  vor  der  Unerbittlichkeit  aktenmässiger  Widerlegung 
sich  zurückziehen  muss.  — 

Die  Frage  nach  den  Quellen  zur  „Jungfrau  von  Orleans" ^*^*"" ^22-)  j^^t 
Quiquerez^23j  noch  einmal  zum  Gegenstand  einer  Monographie  gewählt.  Vieles, 
was  er  sagt,  ist  nicht  neu,  manche  längst  bekannte  Beobachtung  hat  aber  Qu.  wahr- 
scheinlich wieder  völlig  selbständig  gemacht;  jedenfalls  nennt  er  seine  Vorgänger  nur 
selten.  Die  Arbeit  ist  deshalb  willkommen,  weil  die  Belegstellen  hier  besonders  voll- 
ständig bei  einander  sind.  Ob  L'Averdy  wirklich  die  wichtigste  Quelle  für  Schiller 
war,  ist  doch  fraglich.  Schon  der  Umstand,  dass  manche  Wendung  des  Dramas  sich 
zweifach,  dreifach  aus  verschiedenen  Vorlagen  belegen  lässt,  kann  zur  Warnung 
dienen,  eine  einzige  Quelle  auf  Kosten  der  anderen  zu  überschätzen.  Eine  der  ent- 
scheidendsten früheren  Anregung'en  scheint  mir  doch  immer  der  Pitaval  zu  sein.  Im 
ganzen  erkennen  w4r  aus  Qu.s  Zusammenstellung  wieder,  dass  dem  Dichter  solche 
Quellen  am  willkommensten  waren,  in  denen  weltgeschichtliche  Vorgänge  durch  rein 
menschliche  Motive  und  anekdotische  Züge  erläutert  wurden.  Für  seine  künstlerischen 
Zwecke  stand  ihm  die  historische  Novelle  höher  als  die  ausführliche  g-elehrte  Dar- 
stellung. Ausser  der  Quellenfrage  behandelt  Qu.  auch  die  litterarischen  Anregungen, 
Shakespeare,  Goethe  (Götz  und  die  durch  ihn  hervorgerufenen  Ritterschauspiele, 
Faust,  Balladen  usw.)  und  Tieck  (Genoveva).  Auch  hier  sind  die  Beobachtungen 
nur  zum  kleinen  Teile  neu.  An  eine  Einwirkung  Voltaires  vermag  ich  nicht  zu 
glauben.  — 

Zur  „Braut  von  Messina"  124-127J  ^nd  zum  „Tell"'28-i3i)  ist  nur  wenig 
zu  bemerken.  Eine  Zusammenfassung  der  wichtigsten  Sagen,  die  sich  mit  der 
Erzählung  vom  Apfelschuss  berühren,  findet  man  in  dem  Aufsatz  von  Harzen- 
Müller^32^.  Er  verfolgt  das  Motiv  durch  den  Sagenschatz  von  Persien,  Island,  Däne- 
mark, Norwegen,  Holstein,  Serbien,  Esthland,  die  Rheinlande  und  äussert  schliesslich' 
die  Vermutung,  dass  die  Erzählung  durch  eine  Hs.  des  Saxo  Grammaticus  nach  der 
Schweiz  gelangt  sei.  —  Von  Schillers  Notizen  zum  „Teil"  hat  Ernst  Müller^^s-^ 
wieder  ein  Bruchstück  abgedruckt;  es  bildet  die  Ergänzung,  zu  dem  im  Vorjahre 
(vgl.  JBL,  1892  IV  9  :  130)  veröffentlichten.  Die  Meinung,  man  müsse  alle  diese  ver- 
streuten Zettel  drucken,  teile  ich  übrigens  gar  nicht.     Wir  sind  über  die  Weise,  wie 


land.  1542-87:  WetzerWelteKirchenlex.  8,  S.  757-77.  —  101)  X  Th.  H.  Pantenius,  Maria  Stuart  in  Schottland: 
VelhagenKlasingsMh.  2,  S.  93-105.  —  102)  X  &•  Storm,  Maria  Stuart.  Uebers.  v.  P.  Witt  mann.  Mit  Textabbild,  und  Taf. 
München,  Mehrlich.  X,  264  S.  M.  5,00.  [Didasfe.  N.  200:  J.:  AZgB.  N.  215.11  —  103)  M.  Philippson,  Hist,  dn  rfegne  de 
Marie  Stuart.  3  vols.  Paris.  Bouillon.  1891-92.  XI,  344,  408  S.;  520  S.  |[M.  Brosch:  DLZ.  S.  1101;  Ath.  2,  S.  653/4.]| 
—  104)  X  (I  10:22.)  (Gedenkt  Schillers  nur  flüchtig  auf  d.  letzten  Seite.)  —  105)  X  P-  T.  Mitschke,  Ueber  Southeys 
Joan  of  Are.  II.:  EnglSt.  S.  23-43.  —  106)  X  J-  Etwalt-Lessuor,  Jeanne  d'Arc,  ou  l'Evasion,  dratne  en  trois  actes,  en 
vers.  Paris,  Retanx  et  Fils.  57  S.  —  107)  X  ^-  Pinchon,  Jeanne  d'Arc,  drame  en  quatre  actes  et  six  tableaux,  en  vers. 
Ronen,  Cagniard  (Paris,  Schneider).  68  S.  Fr.  2,00.  —  108)  X  LPicherit,  Jeanne  d'Arc  ä  Ronen,  draroe  en  trois  actes 
et  en  vers.  Angers,  Germain  et  Grassin.  1892.  18".  72  S.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  9:117.)  —  109)  X  ^-  Piaget,  Huitains 
inedits  de  Martin  le  Franc  sur  Jeanne  d'Arc:  MA.  6,  S.  105/7.  —  HO)  X  ?•  A.llard,  Jeanne  d'Arc  ä  Bonsecours,  ode 
triomphale.  Musique  de  Ch.  Lenepveu.  Compos.  ponr  l'inauguration  du  monuinent  de  Jeanne  d'Arc,  le  30.  juin  1892.  Ronen, 
Cagniard.  1892.  18".  10  S.  —  111)  X  B  Duhr,  üeber  Jeanne  d'Arc-Schriften :  StML.  44,  S.  103/6.  —  112)  X  M.  Sepet, 
Jeanne  d'Arc.  18.  ed.  Aveo  grav.  (=:  Bibl.  des  familles  et  des  maisons  d'educ.)  Tours,  Mame  et  Fils.  1892.  367  S.  — 
113)  X  H.  Walion,  Jeanne  d'Arc.  6.  6d.  2  vols.  Paris,  Ilachette.  16".  III,  465  S.;  455  S.  Fr.  7,00.  -  114)  X  P- R»''''«' 
Jeanne  d'Arc  en  Angleterre.  2.  ed.  Paris,  Savine.  1892.  VIII,  .376  S.  |[R.  Mahrenholtz:  LBlGRPh.  14,  S.  438/9.] |  — 
115)  X  Quis?,  Jeanne  d'Arc  e.  Heilige?  Skeptische  Studien  gelegentlich  d.  Kanonisationsprozesses.  München,  Poessl. 
VIII,  147  S.  M.  3,00.  —  116)  X  Gh.  Thomassin,  D.  echte  n.  d.  falsche  Jungfrau  v.  Orleans:  DFBl.  26,  S.  160.  — 
117)  X  M.  Desnoyers,  L'Iconographie  de  Jeanne  d'Arc.  2.  ed.  Orleans,  Herluison.  36  S.  —  118)  X  (I  7  :  81.)  —  119)  X 
(I  7  :  82.)  -  120)  X  E.  H.,  Schillers  Maid  of  Orleans.  Transl.  by  Maxwell  (vgl.  JBL.  1892  IV  9  :  119):  Nation^.  10,  S.  48. 
(E.  weitere  Besprech.:  WestmR.  139,  S.  99.)  —  121)  X  A.  Englert,  Z.  Erklärung  d.  Stelle:  Jungfrau  v.  Orleans  V.  633 f.: 
ZDü.  7,  8.  425.  —  122)  X  v.  G.,  K.  Breitsprecher:  Johanna  d'Arc  u.  d.  schwarze  Ritter.  (Breslau,  Kern.  1888.  64  S.): 
DDichtung.  14,  S.  128.  —  123)  J.  Quiquerez,  Quellenstudien  zu  Schillers  Jungfrau  von  Orleans.  Diss.  L.,  (Osw.  Schmidt).  81  S. 

—  124)  X  (I '^  •  85.)  —  125)  X  E- Scherdl  in,  Schiller,  La  flancee  de  Messine,  ou  les  freres  ennerais.  Texte  allemand,  publ.  avec 
nne  notice  litt.,  des  argnments  et  des  notes  en  fran9.     4.  ed.     (=  Class.  allemands.)    Paris,  Hachette.    16*.    LI,  173  S.  Fr.  1,50. 

—  126)  X  (IV  ld:14.)  —  127)  X  J-  B-  Gerlinger,  D.  griech.  Elemente  in  Schillers  Braut  v.  Messina.  E.  Beitr.  z.  dtsch. 
Litt.-Gesch.  4.,  unveränd.  Aufl.,  durchges.  v.  J.  E.  Ein  haus  er.  Neuburg  a.  D.,  Preohler.  1892.  107  S.  M.  1,80.  |[J. 
Wychgram:  BLU.  S.  390;  M.  K.:  LCBl.  S.  1236;  H.  ünbescheid:  ZDU.  7,  S.  551/3.JI  (E.  anerkannt  gute  Arbeit,  d.  heute 
nur  durch  einige  Belegstellen  zu  bereichern  wäre.)  —  128)  X  (I  '  =  83.)  —  129)  X  F'-  ^-  Schiller,  Wilhelm  Teil.  Schausp. 
Für  d.  gesell.  Vereinsbflhne  bearb.  v.  A.  Dinspel.  (=  Theaterbibl.  N.  10.)  Trier,  Paulinus-Druckerei.  70  S.  M.  0,75.  — 
130)  X  id.,  Wilhelm  Teil.  Schausp.  Z.  Uebers.  aus  d.  Engl,  neu  bearb.  v.  Ph.  Hangen.  3.  Aufl.  (=  Engl.  Uebangsbibl. 
z.  Benutz,  an  höh.  Lehranst.,  sowie  z.  Privatstud.  her.  v.  Ph.  Hangen.     N.  1.)     Dresden,  Ehlermann.     12".     III,  185  S.    M.  1,20. 

—  131)  X  (IV  ld:39.)  --  132)  A.  N.  Harzen-Müller,  D.  Sagen  vom  Apfelschuss:  LZg».  N.  149.  —  133)  Ernst  Müller. 


A.  Kost  er,  Schiller.  IV  9  :  134-143 

Schiller  mit  Hilfe  seiner  Excerpte  arbeitete,  jetzt  ausreichend  belehrt '^^''^s).  — 
Wichtiger  ist,  das  Verhältnis  seines  Dramas  zur  Geschichte  noch  tiefer  verstehen  zu 
lernen.  Von  den  Schweizern,  die  er  im  „Teil"  auftreten  lässt,  hat  ausser  dem  Frei- 
herrn Wernher  II.  von  Atting-husen  nur  Stauffacher  eine  bedeutende  geschichtliche 
Rolle  bei  der  Gründung  der  Eidgenossenschaft  gespielt.  Mehrere  Abkömmlinge  dieses 
Geschlechts  haben  es  zu  hohem  Ansehen  unter  den  Landsgenossen  g"ebracht.  Oechsli'^^) 
berichtet  von  dem  älteren  Werner  von  Slauffach,  der  1267  genannt  wird,  und  von 
dessen  weit  bedeutenderem  Bruder  oder  Sohne  Rudolf,  dem  ersten  urkundlich 
genannten  Ammann  von  Schwyz;  er  war  vielleicht  der  einflussreichste  Führer  der 
Freiheitsbewegung.*  Die  Sage  hat  ihn  identifiziert  mit  dem  jüngeren  Werner  von 
Stauffach,  der  gemeinsam  mit  dem  gleichfalls  historischen  Walther  Fürst  im  14.  Jh. 
die  Eidgenossenschaft  vor  schweren  Krisen  bewahrt  hat^^''"'^*^).  — 

Interessante  Studien  sind  zu  Schillers  Nachlass  zu  nennen.  Als  Er- 
gänzung zu  seinen  Untersuchungen  im  vergangenen  Jahre  (vgl.  JBL.  1892  IV  9 :  147) 
veröffentlichte  Kettner  ^'*i)  zwei  Aufsätze.  Der  erste  behandelt  den  „Warbeck".  Erst 
jetzt  erkennt  man,  wie  sorglos  Goedeke  bei  der  Herausgabe  oder  richtiger  Redaktion 
des  Schillerschen  Nachlasses  vorgegangen  ist;  der  15.  Band  seiner  grossen  Ausgabe 
ist  weder  historisch  noch  kritisch.  Hoffentlich  erhalten  wir  von  K.  bald  eine  neue 
Ausgabe.  In  der  Warbeck  -  Abhandlung  gelingt  es  K.,  die  einzelnen  Entstehungs- 
phasen der  Dichtung  zu  sondern.  Aus  der  historischen  Novelle  entspringt  der  Plan 
in  flüchtigen  Umrissen.  Von  da  geht  Schiller  an  die  Ausbildung  des  Charakters  der 
Hauptperson,  des  geborenen  Fürsten,  der  kein  Fürst  ist,  des  Betrügers  mit  dem 
starken  Drang  nach  Wahrheit.  Um  ihn  baut  sich  die  Handlung  auf;  und  wiederum 
erst  aus  dieser,  vornehmlich  aus  der  Peripetie  des  Dramas  wächst  das  Bild  des 
wichtigsten  Gegenspielers  heraus:  das  der  Herzogin  Margarethe.  Als  Typen,  nicht 
als  Individuen  gehen  die  handelnden  Personen  diesem  Dichter  auf.  Mehr  und  mehr 
gewinnt  Warbeck  den  Charakter  eines  Wallenstein  in  jüngeren  Jahren,  die  Herzogin 
einen  mephistophelischen  Zug.  Nun  erst  folgt  die  Gliederung  des  Stoffes  in  Akte, 
dann  die  Scenierung,  und  als  Letztes  das,  wovon  mancher  andere  Dichter  ausgehen 
würde,  die  Ausgestaltung  der  einzelnen  Situationen,  besonders  auch  der  Herzens- 
neigung Warbecks  zur  Prinzessin.  Weist  K.  dabei  mit  Recht  auf  den  Zusammen- 
hang mit  dem  „Wallenstein"  hin,  so  wäre  auch  noch  Goethes  „Egmont"  in  Betracht 
zu  ziehen,  wie  denn  gerade  Schiller  aus  einer  geringen  Zahl  von  Meisterwerken 
immer  wieder  neue  Anregung  zu  schöpfen  wusste.  Aufg-egeben  hat  der  Dichter  das 
Stück  offenbar  deshalb,  weil  sich  ihm  die  verschiedenen  Elemente  der  Handlung  nicht 
zu  einem  organischen  Ganzen  vereinen  wollten.  — 

Der  zweite  Aufsatz  von  Kettner  ^*2)  behandelt  die  „Prinzessin  von  Celle". 
Wollte  K.  in  der  Besprechung  des  „Warbeck"  mehr  die  Arbeitsweise  Schillers  und 
die  Entstehung  der  Charaktere  des  Schauspiels  erläutern,  so  geht  er  hier  vornehmlich 
auf  Erkenntnis  der  dramatischen  Komposition  aus.  Beginnend  mit  der  aus  dem  vor- 
jährigen Bericht  bekannten  historischen  Novelle,  zeigt  K.  die  Zusammenhänge  mit 
Schillers  früheren  Dramen.  Dann  schreitet  er  an  der  Hand  der  neugeordneten  Teile 
des  Entwurfs  vorwärts  zu  einer  Analyse  des  Stückes.  Es  wird  klar,  dass  Schiller 
bei  dem  Aufbau  dieser  Handlung,  wie  auch  in  anderen  Fällen,  durchaus  nicht  etwa 
von  einem  abstrakten  Grundgedanken  ausgegangen  ist,  sondern  dass  bei  ihm,  wie 
auch  bei  Goethe,  der  konkrete  Rohstoff  vorhanden  ist,  der  nun  durch  die  Form 
bemeistert  wird.  K,  schliesst  mit  dem  Urteil,  dass  die  „Prinzessin  von  Celle",  wenn 
sie  ausgeführt  wäre,  vielleicht  das  reinste  Beispiel  Schillerscher  Tragik  darstellen 
würde.  — 

Den  Entwürfen  zur  ,,Polizey"  hat  Stetten  heim  ^*3)  eine  vortreffliche,  sorg- 
same Untersuchung  gewidmet,  und  er  ist  zu  folgendem  Resultate  gekommen:  der 
Stoff  ist  in  der  uns  vorliegenden  Zusammensetzung  von  Schiller  nicht  völlig  entlehnt, 
aber  auch  nicht  ganz  frei  erfunden  worden.  St.  weist  auf  die  Anregungen  hin,  die 
der  Dichter  aus  den  von  ihm  selbst  mit  einem  Vorwort  versehenen  „Merkwürdigen 
Rechtsfällen"  (1792 — 95)  erhielt.  Daraus  sind  dann  im  J.  1795  ein  Lustspiel-  und  ein 
Trauerspielplan  hervorgegangen,  die  Jahre  lang  in  des  Dichters  Phantasie  neben 
einander  lebten.     Der  Lustspielentwurf  umfasst  in  Goedekes  Hist.-krit.  Ausg.  Bd.  15,  1 


Vorarbeiten  zu  Schillers  Teil:  VLG.  6.  S.  460/2.  (Abgedr.:  BerlTBl.  N.  589.)  —  134)  X  0.  Schröder,  „Jetzt,  Retter,  hilf 
dir  selbst,  -  du  rettest  alle!«:  ZDU.  7,  S.  62.  -  135)X  P.  Weizsäcker,  „Jetzt,  Better,  hilf  dir  selbst,—  du  rettest  alle.'«: 
ib.  S.  763,4.  —  136)  W.  Oechsli,  Stauffacher:  ADB.  35,  S.  523/7.  —  137)  X  F.  Frosch,  K.  Schraidtniayer,  Schillers 
Iphigenie  u.  ihr  Verhältnis  z.  gleichnamigen  Drama  d.  Enripides  (vgl.  JBL.  1S92  lY  9:144):  ZOG.  44,  S.  380,1,  1133/9.  — 
138)  X  (IV  4:372;  S.  115-22.)  —  139)  X  f"".  Schiller,  The  parnsite  or  the  art  to  malce  one's  fortnne.  A  com.  from  the 
German.  Bev.  by  Ph.  Hangen.  Dresden,  Ehlermann.  12°.  90  S.  M.  0,80.  —  140)  X  id-,  Oncle  et  Neven,  com.  en  trois 
actes.  Texie  allemand,  pnblie  avec  nne  introd.,  un  argument  analytique  et  des  notes  en  frany.  par  0.  Briois.  3.  6d. 
(=  Classiqnes  allemands.)  Paris,  Hachette.  160.  109  S.  Fr.  1,00.  —  141)  G.  Kettner,  Schillers  Warbeck.  Progr.  d.  Gymn. 
Pforta.  4».  28  S.  —  142)  id.,  Schillers  Prinzessin  v.  Celle:  PrJbb.  72,  S.  84-104.  —  143)  L.  Stettenheim,  Schillers 
Fragment:    „D.   Polizey"    mit   Berücksichtig,   anderer   Entwürfe   d.  Kachlasses.    B,  Fontane.    73  S.    M.  1,50.    (Als  Eostocker 

^(•29)* 


IV  9:144-151  A.  Köster,  Schiller. 

die  Seiten  266,24  bis  273,15.  Der  Trauerspielplan  ist  nur  in  Ansätzen  erhalten; 
Keime  finden  sich  bei  Goedeke  (S.  146/7)  und  zeigen,  wie  dieser  Entwurf  im  Laufe 
der  Zeit  sich  zu  dem  verwandten  Plane  der  „Kinder  des  Hauses"  umgestaltete.  Was 
Goedeke  (S.  259,  3  bis  266,  23)  bring-t,  sind  spätere  Vorarbeiten  zu  einem  „Schauspiel", 
in  dem  die  Polizei  der  Hebel  der  Handlung-  sein  sollte.  Dies  Stück  spielte  nun  nicht 
mehr  in  irgend  einer  Kleinstadt,  sondern  in  dem  vorrevolutionären  Paris;  im  Mittel- 
punkt sollte  der  Polizeilieutenant  d'Argenson  stehen.  Dieser  dritte  Entwurf,  der  nur 
in  den  allgemeinsten  Umrissen  ausgeführt  ist,  ohne  Detail  der  Handlung,  aber  mit 
grossartigen  Absichten,  stammt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  dem  J.  1802;  denn 
es  haben  die  „Briefe  aus  der  Hauptstadt  und  dem  Innern  Frankreichs"  von  F.  J.  L.  Meyer 
(1802)  den  Anstoss  gegeben.  Die  klare  unbefangene  Anschauung  von  dem  Treiben 
in  der  Riesenstadt  hat  Schiller  aber  erst  aus  dem  Studium  von  L.  S.  Merciers 
„Tableau  de  Paris"  gewonnen,  das  er  in  der  Nouvelle  edition,  einer  Erweiterung  der 
1.  Ausgabe,  benutzt  hat,  wie  St.  durch  viele  Belegstellen  nachweist.  An  Einzelheiten 
sei  aus  St.s  Schrift  noch  angemerkt,  dass  Schiller  für  viele  seiner  Entwürfe  die 
„Merkwürdigen  Rechtsfälle",  für  die  „Flibustiers"  auch  wohl  die  „Historisch-kritische 
Encyklopädie"  von  Hoff  benutzt  hat.  — 

Die  Ausführungen  über  den  „Demetrius"  von  Franz^**)  sollen  in  erster 
Linie  dem  Schulunterricht  zu  gute  kommen, .  können  aber  auch  anderen  Lesern  zur 
Einführung  in  das  Fragment  und  die  Entwürfe  dienen.  Das  erste  der  beiden  Pro- 
gramme legt  den  Grund  zur  Betrachtung  durch  die  Mitteilung  der  wichtigsten  Daten 
aus  der  Entstehungsgeschichte  des  Stückes,  durch  Zusammenfassung  der  zu  Grunde 
liegenden  historischen  Ereignisse  (nach  Herrmanns  Geschichte  des  russischen  Staates) 
und  durch  eine  Analyse  des  letzten  Schillerschen  Entwurfes.  Das  zweite  Programm 
ist  dann  eine  Art  Kommentar  zu  dieser  Skizze  der  Handlung.  Indem  F.  die  Charaktere 
der  auftretenden  Personen  erläutert,  stellt  er  besonders  eingehend  dar,  welch  tiefe 
Tragik  in  der  Schillerschen  Erfindung  liegt,  dass  Demetrius  schon  in  der  Mitte  des 
Stückes  den  Glauben  an  sich  selbst  verlieren  soll.  Den  Schluss  der  Abhandlung 
bildet  eine  schnelle  ITeberschau  über  die  Leistungen  der  fünf  Fortsetzer  Schillers: 
Maltitz,  Kühne,  Gruppe,  Laube,  Sievers ;  der  letzte  erhält  von  F.  den  Preis.  —  Neuerdings 
ist  noch  ein  weiterer  Versuch  gemacht  worden,  den  Demetrius-Torso^^^)  zu  ergänzen. 
Warum  nur?  Es  wird  ja  doch  immer  nur  Flickwerk.  So  gut  wie  man  Grillparzers 
Esther-Fragment  oder  Schuberts  unvollendete  Symphonie  spielt,  kann  man  ja  den 
„Demetrius"  als  Bruckstück  geben.  Die  jüngste  Bearbeitung,  die  auf  dem  Ergänzungs- 
versuch von  Gustav  Kühne  beruht  und  in  Weimar  aufgeführt  worden  ist,  rührt  von 
einer  Leipziger  Dame  her,  die  sich  unter  dem  Pseudonym  A.  Weimar  verbirgt ^'*^"^*^).  — 

In  einem  Schlussabschnitt  sei  Verschiedenes  zusammengefasst.  Um  Schiller 
ist  man  natürlich  nach  wie  vor  besonders  eifrig  in  Schwaben  bemüht,  und  zwar  um 
so  lebhafter,  je  mehr  bei  Kritikern  und  Litterarhistorikern  in  den  letzten  Jahren 
Lauheit  oder  Feindseligkeit  g^egen  den  Dichter  zu  Tage  getreten  ist.  Besonders 
Ernst  Müller^^^)  ruft  zur  Wehr  gegen  die  Zweifler  und  Widersacher  und  fordert 
neben  dem  „Goethe-Jahrbuch"  ein  „Schiller-Jahrbuch",  das  ein  Centralorgan  sein  soll 
für  alle  Bestrebungen,  die  deutsche  Sprache  und  Litteratur  und  damit  Schiller  zum 
Mittelpunkt  des  Unterrichts  in  den  höheren  Schulen  zu  machen.  Ob  sich  dieser 
Wunsch  jemals  verwirklichen  lässt,  steht  dahin.  Jedenfalls  müsste  das  Schiller-Jahr- 
buch gestützt  sein  durch  eine  Schillergesellschaft,  deren  Sitz  dann  naturgemäss 
Marbach  sein  würde.  Denn  das  dortige  Schillerhaus '*^)  gewinnt  von  Jahr  zu  Jahr 
an  Bedeutung.  Seine  Schätze  vermehren  sich  durch  hochherzige  Schenkungen  aller 
Art  (Porträts,  Autographen,  Bücher),  durch  Erwerbungen  aus  der  Sammlung  des 
Grafen  Paar  usw.  so  sehr,  dass  bereits  im  Berichtsjahr  die  Sammlung  auf  1086  Nummern 
angewachsen  war.  Man  liest  schon  in  Zeitungen,  dass  Gelehrte  dorthin  reisen,  um 
Studien  an  Ort  und  Stelle  vorzunehmen;  und  so  wird  der  Zeitpunkt  wohl  nicht  fern 
sein,  an  dem  man  das  Schillerhaus  als  ein  Nationalmuseum  dem  deutschen  Volke 
eröffnet.  —  Einen  ausführlichen  Bericht  über  diese  Neuerwerbungen  hat  Krauss^^^) 
veröffentlicht.  Aus  seinen  Mitteilungen  sind  besonders  Briefe  von  Schillers  Mutter 
an  ihre  Tochter  Luise  zu  erwähnen.  —  Sodann  sind  einige  Urkunden  über  Schillers 
Vater'^'),  den  Anteil  an  dem  Immobilienbesitz  seines  Schwiegervaters  Kodweiss 
betreffend,  in  den  Besitz  des  Marbacher  Schillervereins  durch  Vermittlung  seines 
Vorstandes,  des  Stadtschultheissen  Haffner,  gelangt.    —   Auch  sonst  tritt  immer  noch 


Diss.  gedr.)  —  144)  E.  Franz,  Gesichtspunkte  u.  Materialien  z.  Behandlung  v  Schillers  Demetrius  in  Prima.  I.  II.  Progr.  d. 
Realgymn.  Halberstadt  (Doelle).  1892-93.  40.  20,  24  S.  |[L.  Kölscher:  ASNS.  90,  S.  347  u.  91,  S.  473;  H.  ün  he  scheid: 
ZDÜ.  7,  S.  .554.]|  (Vgl.  JBL.  1892  I  5  :  41 ;  IV  9:149.)  —  145)  E.  neue  Bearbeitung  d  Schillerschen  Demetrius-Fragments: 
NatZg.  N.  230.  —  146)  X  X  A.  Popek,  D.  falsche  Demetrius  in  d.  Dichtung.  I.  Progr.  d.  Gymn.  Linz  (Verl.  k.  k.  Staatsgymn.) 
37  S.  (Wird  erst  besprochen,  wenn  d.  Fortsetzungen  erschienen  sind.)  —  147)  X  0-  7:86.)  —  148)  Ernst  Müller,  Ueber 
d.  heutige  Schillerkritik:  BBSW.  S  110/5.  —  149)  Verschiedene  Berichte  über  d.  Schillerhans  in  Marbach:  VossZg.  N.  218, 
229,  372.  —  150)  R.  KrausB,  Neues  v.  Schiller  u.  vom  Marbacher  Schillerhaus:  BBSW.  S.  241-55.  —   151)  id.,  Mitteilungen 


A.  Köster,  Schiller.  IV"  9  -.  152-I66 

Verschollenes  ans  Licht.  Erich  Schmidt '^^^  wies  auf  eine  Reihe  von  Autog-raphen 
aus  dem  Besitz  des  Dr.  Keller  in  Prag-  hin;  für  Schillerforscher  ist  daraus  interessant: 
l.  ein  Karlosfrag-ment  aus  der  Zeit  der  ersten  jambischen  Fassung;  2.  ein  Brief 
Schubarts  an  Professor  Nast;  3.  ein  Brief  der  Franziska  von  Hohenheim, 
„Herzog'in  von  Württemberg",  an  einen  schwäbischen  Gelehrten.  Was  von 
diesen  Schriftstücken  inzwischen  gedruckt  ist,  wird  in  einem  späteren  Bande 
der  JBL.  anzuzeigen  sein.  —  Von  sonstigen  kleinen  und  kleinsten  Beiträgen '^^"'^') 
zur  Schillerforschung  erwähne  ich,  dass  Jeep'^^j  auf  den  Fehler  „Käthchen" 
statt  „Clärchen"  in  J.  Grimms  Rede  auf  Schiller  deshalb  nachdrücklich  aufmerksam 
macht,  weil  sich  dieser  Lapsus  von  Buch  zu  Buch  in  Citaten  weiter  vererbt.  —  Die 
schon  öfter  zusammengestellten  Aussprüche  Goethes  und  Schillers  über  die  deutsche 
Sprache,  speciell  über  Sprachreinigung  werden  von  RiegeP^^)  noch  einmal  vereinigt. 
Es  ist  für  die  heutige  Praxis  eigentlich  gleichgültig,  was  die  beiden  Dichter  über  diese 
Sache  geäussert  haben;  denn  selbst  wenn  sie  das  Gegenteil  gesagt  hätten,  müssten 
wir  uns  nach  den  Erfordernissen  unserer  heutigen  Sprache  richten,  die  nicht  mehr 
völlig  die  Sprache  Goethes  und  Schillers  ist.  Zum  Glück  aber  stimmen  die 
Ansichten  der  beiden  Weimarer  Grossen  im  ganzen  auch  heute  noch  mit  der  Meinung 
derer  überein,  die  ein  lebendiges  Sprachgefühl  besitzen.  —  Mögen  dann  zwei  Schriften 
den  Schluss  machen,  die  ich  nicht  aus  Geringschätzung,  sondern  wegen  ihres  bunten 
Inhalts  ans  Ende  rücke.  Jellinek  und  Kraussi^*)  weisen  durch  eine  grosse  Zahl 
von  Belegstellen  nach,  dass  Widersprüche  in  Kunstdichtungen,  die  man  für  unmög- 
lich halten  sollte,  recht  häufig  anzutreffen  sind.  Oft  macht  ein  Dichter,  wenn  er  eben 
eine  Thatsache  berichtet  hat,  schon  wenige  Seiten  darauf  eine  gegenteilige  Angabe. 
Uns  interessieren  hier  vor  allem  die  Beispiele  aus  Schillers  W^erken:  Es  kommen  in 
Betracht  die  Stellen,  auf  die  Minor  (Schiller  1,  S.  342;  2,  S.  58,  61)  verweist,  Don 
Carlos  1268  und  3622,  Wallensteins  Lager  ö4f.  und  Piccolomini  1149  usw.  Aber  auch 
bei  anderen  Dichtern  kommen  ähnliche  Versehen  und  Vergesslichkeiten  vor;  Belege 
finden  sich  bei  Cervantes  in  einer  ganzen  Reihe  von  Novellen,  bei  Zola  (La  bete 
humaine  und  L'Assommoir),  Felix  Dahn  (Ein  Kampf  um  Rom),  Fr.  Vischer  (Auch 
Einer),  Goethe  (Wahlverwandtschaften),  Maler  Müller  (Golo  und  Genoveva),  Heinrich 
von  Kleist  (Familie  Schroffenstein  und  Novellen).  Die  vielen,  noch  weit  interessanteren 
Beispiele  aus  der  mittelalterlichen  Litteratur  hier  einzeln  zu  verzeichnen,  würde  die  Grenzen 
der  JBL.  überschreiten.  J.  und  K.  leiten  aus  ihrer  Zusammenstellung  von  Widersprüchen 
in  Kunstdichtungen  die  Forderung  ab,  dass  man  in  anonymen  Werken,  in  Volksepen 
usw.  nicht  unterschiedslos  aus  inhaltlichen  Inkongruenzen  sofort  auf  eine  Mehrheit  von 
Autoren  schliessen  soll.  —  Ein  Buch,  aus  dem  man  viel  lernen  kann,  hat  uns  endlich 
Stick elberger  165)  beschert.  Jedem  Leser  von  Schillers  Werken  ist  es  gewiss 
schon  aufgefallen,  wie  oft  der  Dichter  sich  selbst  ausschreibt.  Aber  eine  Untersuchung, 
wie  weit  diese  Entlehnung  geht,  fehlte  bisher.  St.  bringt  sie  und  leistet  damit  der 
Wissenschaft  einen  guten  Dienst.  Denn  jetzt  erst,  nachdem  wir  wissen,  wie  der  Klang 
gewisser  Wortverbindungen  aus  den  eigenen  Werken  dem  Dichter  im  Ohre  blieb  und 
ihn  bei  späteren  Gelegenheiten,  vielleicht  ohne  dass  er  es  wusste,  zu  Wiederholungen 
veranlasste,  jetzt  erst  treten  auch  die  Entlehnungen  aus  anderen  Dichtern  in  das 
rechte  Licht.  St.  hat  sich,  was  den  Vortrag  anlangt,  Büchraanns  „Geflügelte  Worte" 
zum  Muster  genommen;  er  verteidigt  seine  Disposition  als  die  übersichtlichste,  die  zu 
wählen  war,  und  gruppiert  nach  „äusseren  grammatischen  Gesichtspunkten".  Viel 
wichtiger  aber  ist,  dass  jeder,  der  sich  in  St.s  Anordnung  nicht  zurecht  findet,  an  dem 
Register  einen  sicheren  Führer  hat.  St.  verspricht,  nachdem  er  hier  nur  die  unbewussten 
Wiederholungen  verzeichnet  hat,  später  noch  eine  Schrift  über  die  bewussten;  auch 
stellt  er  schliesslich  ein  „erschöpfendes"  Werk  über  Schillers  Sprache  in  Aussicht. 
Dass  sich  ähnliche  Zusammenstellungen  von  Entlehnungen  aus  den  eigenen  Werken 
mit  Nutzen  auch  bei  anderen  Dichtern  machen  lassen,  zeigt  St.  an  Proben  aus  Lessing, 
Herder,  Goethe  und  Lenau.^^^)  — 


u.  Nachrichten:  AZg».  K  151.  —  152)  Erich  Schmidt,  MiUeilungen  in  GDL.  (Mai):  DLZ.  S  1370/1.  —  153)  X  A.  v.  Winter- 
feld, F.  Hölderlins  Verhältnis  zu  Goethe  n.  Schiller:  BLU.  S.  337  9.  —  154)  X  (I  '7:46.)  KVogrinz:  BUHSch.  10,  S.  36; 
E.  Opitz:  BLU.  S.  532,5;  J.  Hänssner:  BPhWS.  13,  S.  1302.]|  -  155)  X  L.  Kölscher,  A.  Ruhe,  Schillers  Einfluss  auf 
d.  Entwicklung  d.  dtsch.  Nationalgefühls.  III.  (vgl.  JBL.  1892  IV  9:161):  ASN3.  90,  S.  346.  —  156)  X  R-  v.  Gottschall, 
GedanVenharmonie  au»  Goethe  u.  Schiller.  Lebens-  u.  WeisheitssprBche  aus  d.  Werken.  8  Aufl  Mit  o.  Lichtdr.  L.,  Anielang. 
XVI,  296  S.  M.  5,00.  —  157)  X  Schiller  als  Karikaturenzeichner:  Didask.  N.  159.  (Handelt  v.  d.  bekannt.  „Avantnren  d. 
neuen  Telemachs".)  —  158)  X  L.  Kölscher,  L.Böhme.  Schillerstudien.  IL  (vgl.  JBL.  1892  IV  9:  156):  A.SNS.  90,  S.  346.— 
159)  X  A.  Köster.  L.  Böhme,  Schillerstudien  (vgl.  JBL.  1892  IV  9:156):  BLZ.  S.  618,9.  -  160)  X  H.  ünbescheid,  An- 
zeigen aus  d.  Schillerlitt.  1892-93:  ZDU.  7,  S.  545-60.  (D.  wichtigsten  dieser  kurzen  Anz.  habe  ich  bei  d.  besprochenen  Werken 
eingereiht.)  —  161)  X  33.  JB.  über  d.  Stand  u.  d.  Wirksamkeit  d.  dtsch.  Schiller-Stiftung:  NatZg.  N.  310.  —  162)  E.  Jeep, 
E.  Druckfehler  in  J.  Grimms  Rede  auf  Schiller:  ZDU.  7,  S.  499-500.  -  163)  (I  8:45;  IV  8a:  109.)  —  164)  (I  12:165; 
IV  4:59.)  —  165)  H  Stickelberger,  Parallelstellen  bei  Schiller.  Progr.  d.  Gymn.  Burgdorf  (Eggenweiler).  125  S.  — 
166)  X  (IV  8a:  131.)  - 


IV  10  : 1-7  0.  F.  Walzel,  Romantik, 

IV,  10 

Romantik. 

Oskar  F.  Walzel. 

Allgemeines:  Romantik  der  Weltlitteratnr  N.  1;  deutsche  Eoniantik  N.  7;  Verhältnis  Goethes  und  Schillers 
zur  Komantilc  N.  10;  romantische  Frenndeslcreise  N.  16.  —  Schlegelscher  Kreis:  A  W.  Schlegel  N.  20;  F.  Schlegel 
N.  29;  Kiiroline  N.  33:  Tieclc  N.  35;  Waclcenroder  N.  45;  Novalis  N.  46;  Schelling  N.  49;  Steffens  N.  51.  —  Hölderlin  N.  52. — 
Heidelberger  Romantik:  Arnim  N.  60;  Brentano  N.  63;  Sophie  Mereau  N.  65;  Bettina  N.  67.  —  Norddeutsche 
jüngere  Romantik:  Zach.  Werner  N.  68;  Fouque  N.  71;  Chamisso  N.  79;  E.  T.  A.  Hoffmann  N.  93;  Eichendorff  N.  99.  — 
Schwäbische  Romantik:  Allgemeines  N.  105;  Uhland  N.  106;  Kerner  N.  139;  Schwab  N.  143.  — 

Um  den  Blick  nicht  engherzig-  nur  auf  das  Feld  der  deutschen  Romantik 
zu  bannen,  sollen  an  dieser  Stelle  wenigstens  die  allgemeinen  Darstellungen  be- 
rücksichtigt werden,  welche  die  Romantik  der  Weltlitteratur  behandeln. 
An  erster  Stelle  sei  eine  Studie  Larroumets*)  genannt.  Die  bemerkenswerte  That- 
sache,  dass  gleichzeitig  neben  der  deutschen  Romantik  auch  in  den  Nachbarländern 
ähnliche,  ja  gleichnamige  Bewegungen  sich  abspielen,  ist  noch  immer  nicht  auf 
Grund  umfänglicheren  Materials  untersucht  worden.  Kein  Wunder,  dass  die  An- 
schauungen über  den  Zusammenhang  dieser  Strömungen  sich  noch  lange  nicht  ge- 
geklärt haben.  L.  möchte  die  französische  Romantik  zu  einer  ausschliesslich  fran- 
zösisch-autochthonen  Erscheinung  machen  und  leitet  sie  unmittelbar  aus  den  vor- 
klassischen und  antiklassischen  Regungen  der  nationalen  Litteratur  des  17,  Jh.  ab, 
Einfluss  nichtfranzösischer  Litteraturen  wird  geleugnet,  —  Gegen  Larroumets  Auf- 
stellungen erhebt  Mazzoni^)  Einspruch  und  vertritt  Anschauungen  weniger  eng- 
herziger Natur,  die  freilich  in  ihren  kühnen  Verallgemeinerungen  nicht  durchaus  mit 
unseren  wissenschaftlich  begründeten  Ansichten  von  der  deutschen  Romantik  stimmen 
wollen.  Interessant  ist  M.s  Zusammenstellung  der  sich  oft  direkt  widersprechenden 
Definitionen  des  Wortes  Romantik.  Auch  M.  muss  zugeben,  dass  die  Romantiker 
Deutschlands,  Englands,  Frankreichs  und  Italiens  kein  gemeinsames  Banner  hatten. 
„Accade  di  loro  come  delle  opposizioni  parlamentari,  concordi  nel  disfrugg-ere,  dis- 
cordi  nel  riedificare,"  Für  Italiens  Romantik  stellt  er  als  Programm  fest:  „Sciogliersi 
dalla  imitazione  degli  antichi  nelle  invenzioni  e  nelle  forme,  trattando  argomenti 
cristiani,  patrii,  moderni,  cacciando  la  mitologia,  non  osservando  le  unitä  drammatiche 
pseudoaristoteliche;  proporsi  un  intento  morale,  civile,  politico,  volgendosi  ai  molti 
con  mezzi  adeguati,"  Allzu  voreilig  schreibt  er  diese  Ideen  auch  der  Romantik  der 
anderen  genannten  Nationen  zu.  Die  Opposition  gegen  den  Klassizismus  dann  als 
erste  Regung  aller  Romantik  fassend,  verfolgt  M.  in  raschem  Ueberblick  die  gegen  un- 
bedingte Nachahmung  der  Klassiker  gerichteten  Bewegungen  von  dem  Dialogus  de 
oratoribus  bis  auf  Perrault,  In  ihnen  sieht  er  die  origini  del  romanticismo,  —  Noch 
weniger  Gewinn  wird  die  Wissenschaft  aus  einem  phantasievollen,  aber  weit  heruin- 
schweifenden  Rückblick  des  greisen  Cantü"')  ziehen  können;  was  er  über  die 
italienische  Romantik,  über  Romantik  überhaupt  vorbringt,  ist  eher  geeignet,  zu  ver- 
wirren als  zu  belehren,  zieht  keine  Grenzen,  sondern  lässt  Romantik  sich  ins  Un- 
endliche ausdehnen,  —  Bausteine  zu  einer  Darstellung  des  Verhältnisses  Frankreichs 
zur  deutschen  Romantik  lassen  sich  aus  dem  sonst  wenig  ertragreichen  Büchlei^n 
Meissners^)  holen.  Er  stellt  französische  Kritiken  über  deutsche  Autoren  des 
19.  Jh.  zusammen, ^"^)  — 

Der  deutschen  Romantik  wurden  im  Berichtsjahre  grössere  zusammen- 
fassende Arbeiten  nicht  gewidmet.  Dennoch  trat  einiges  Förderliche  zu  Tage.  In 
Mendheims'')  Anthologie  deutscher  Lyriker  und  Epiker  der  klassischen  Periode 
kommt  auch  die  romantische  Lyrik  zu  ihrem  Rechte.  3,  S.  157 — 298  giebt  M.  Proben 
aus  den  romantischen  Almanachen,  aus  dem  Schlegel-Tieckschen,  dem  Vermehrenschen 
und  dem  Chamisso-Varnhagenschen.  Die  Vorbemerkung  charakterisiert  etwas  äusser- 
lich  und  nach  veralteten  Kategorien  die  Romantik  überhaupt,  sagt  ein  paar  Worte 
über  Sophie  Bernhardi,  Schelling  und  Novalis,  giebt  das  vollständige  Mitarbeiter- 
verzeichnis des  Vermehrenschen  und  des  „grünen"  Almanachs,  erzählt  nach  Varnhagen 
die    Geschichte    des    letztgenannten    und    schildert    raschhin    die   Hauptmitarbeiter: 


1)  G.  Larroumet,  Les  origines  franyaises  du  romantisme.  (=  Etudes  de  litt,  et  d'art  [Paris,  Hachette.  376  S.], 
8.  215-47.)  —  2)  Q.  Mazzonl,  Le  origine  del  Romanticismo:  NAnt.  47,  S.  377-99.  —  3)  C.  Cantü,  Un  ultimo  Romantico: 
ib.  S.  569-92.  —  4)  (IV  1  d  :  1.)  -  5)  X  E'  Fagnet,  19.  sifecle.  Etudes  litt.  11.  dd.  Paris,  Lecöne,  Ondin  et  Cie.  XII,  453  S. 
Fr,  3,50.  (Chateaubriand,  Lamartine,  Vigny,  V.  Hugo,  Musset,  Th.  Gautier,  Merimee,  Michelet,  G.  Sand,  Balzac  behandelnd.) 
—  6)  X  G.  Brandes,  D.  romant.  Schule  in  Frankreich.  Uebers.  v.  W.  Rudow.  (=  Hauptströmungen  d.  Litt.  d.  19.  Jh. 
4.  Aufl.  Bd.  5.)  L.,  ßarsdorf.  V,  348,  XY  S.  M.  5,50.  (S.  o.  IV  la:4.)  —  7)  M.  Mendheim,  Lyriker  u.  Epiker  d.  klass. 
Periode.    (=  DNL.    N.  135,   Bd.  1;8.)    St.,   Union.    XXI,   428,   459,   430   S.     M.  7,50.    (S.  o.  IV  2:24;   vgl,  JBL.  1894  IV  3.) 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  : 8-12 

Chamisso,  Varnhag-en,  Fouque,  Koreff.  In  M.s  Sammlung"  sind  dann  noch  an  anderer 
Stelle  die  Romantiker  Brinkmann  (2,  S.  150—1),  Gries  (2,  S.  163—4),  Sophie  Mereau 
(2,  S.  172 — 7)  vertreten;  endlich  sei  Hölderlin  g-enannt  (2,  S.  389 — 458),  über  dessen 
Leben  M.  in  engem  Anschluss  an  Litzmann  berichtet,  ohne  eine  Charakteristik 
der  Dichtung-  Hölderlins  zu  versuchen.  34  Gedichte  Hölderlins  werden  abgedruckt.^) 
—  Die  Sammlung  der  kleineren  Schriften  Scherers  durch  Erich  Schmidt  und  Bur- 
dach**)  ist  nicht  ohne  Ertrag  für  die  Romantik  ausgefallen.  Freilich  lässt  sichg-erade 
aus  ihr  ersehen,  um  wie  viel  näher  die  Wissenschaft  in  den  letzten  fünfzehn  Jahren 
der  Romantik  gekommen  ist,  um  wie  viel  sympathischer  und  verständnisvoller  man 
heute  über  die  Romantiker  spricht.  Zwar  schreibt  Scherer  schon  im  J.  1865:  „Immer 
dringender  erwächst  für  uns  das  Bedürfnis,  in  die  Grundlagen  unseres  heutigen 
g"eistigen  Lebens  sichere  Blicke  zu  thun.  Immer  deutlicher  stellt  sich  heraus,  dass 
diese  Grundlag"en  sehr  wesentlich  durch  die  Bestrebungen  jener  Männer  g-ebildet 
werden,  die  wir  unter  dem  Namen  der  Romantiker  zusammenfassen  und  seit  Arnold 
Rug-es  Vorgang  bis  vor  wenigen  Jahren  so  hart  und  ungerecht  zu  schmähen  pflegten" 
(1,  S.  17).  Die  Worte  sind  mit  Hinblick  auf  J.  Grimm  niedergeschrieben,  und  immer 
wieder  hat  Scherer  die  Brüder  Grimm,  in  deren  Kinder-  und  Hausmärchen  er  das 
einzige  dauernde  Kunstwerk  der  Romantik  sah  (1,  S.  57),  g'egen  die  Romantiker 
selbst  ausgespielt.  An  die  Veröffentlichung  des  Briefwechsels  der  Grimm  anknüpfend 
schreibt  er  seinen  Aufsatz  „Die  Brüder  Grimm  und  die  Romantik"  (1,  S.  41—6), 
setzt  die  Schlegel  tief  herab,  spendet  den  jüngeren  Romantikern  ein  kärgliches  Lob 
und  feiert  nur  den  fernerstehenden  Kleist.  Ueberhaupt  beurteilt  er  die  Romantiker 
am  liebsten  vom  Standpunkt  einer  Geschichte  der  Germanistik  und  kann  ihnen  ver- 
moore dieser  Einseitigkeit  wenig  gerecht  werden.  Solche  Einseitigkeit  schädigt  auch 
die°Studie  über  Arnim  (2,  S.  102-23;  vgl.  JBL.  1890  IV  13:32).  Wenn  Arnim  die 
Brüder  Grimm  zur  Herausgabe  ihrer  Märchen  drängt  (1,  S.  36),  wenn  Lachmann  von 
W.  Schlegel  sich  beeinflusst  zeigt  (1,  S.  109),  fühlt  sich  Scherer  stärker  interessiert, 
als  wenn  er  von  den  Romantikern  unmittelbar  zu  sprechen  hat.  Der  Aufsatz  über 
den  Uhland-Lassbergschen  Briefwechsel  (1,  S.  57—71)  beschäftigt  sich  nur  mit  dem 
zweiten  der  Briefschreiber.  Chamissos  wird  einmal  gedacht,  wenn  Scherer  vom  Natur- 
eingang der  Volkslyrik  spricht  (1,  S.  698).  Das  sorgfältige  Register  des  ersten  Bandes 
notiert  noch  einige  Erwähnungen  der  Romantiker,  die  hier  füglich  übergangen  werden 
können.  Der  zweite  Band  bringt  die  kurzen  Anzeigen  von  Minors  ,,Fi'.  Schlegel" 
(S.  250/1),  von  Raichs  „Dorothea"  (S.  251/2),  von  Waitz  „Karoline  und  ihre  Freunde" 
(S.  252/4),  von  dem  Neudrucke  der  „Nachtwachen  Bonaventuras"  (S.  254/5)  und  von 
den  Briefen  an  Villers  (S.  255/6).  — 

Das  Verhältnis  Goethes  und  Schillers  zur  Romantik,  insbesondere 
zu  den  Schlegel  und  zu  Tieck,  fand  im  Berichtsjahre  mannigfache  Beleuchtung.  An 
erster  Stelle  ist  Erich  Schmidts'")  Kommentar  zum  Xenienms.  zu  nennen;  die 
neueren  und  neuesten  Briefpublikationen  verwerfend,  konnte  Seh.  manches  Fragezeichen 
beseitigen,  musste  aber  ebenso  wieder,  neueren  Ansichten  gerecht  zu  werden,  manches 
neue  Fragezeichen  einsetzen.  Gegen  die  Annahme,  dass  Madame  B.  (N.  815)  Karoline 
Schlegel  sei,  hat  Seh.  wichtige  Bedenken  beigebracht.  Im  übrigen  sei  auf  das 
Register  verwiesen.  —  Meyers  gerade  in  ihren  auf  die  Romantik  bezüglichen  Auf- 
stellungen verfehlte  Deutung  von  Goethes  „Deutschem  Parnass"  wurden  ausführlich  von 
Jacobyi')  widerlegt  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:24).  —  Schillers  Verhältnis  zur 
Romantik,  das  im  vorigen  Jahre  zu  mannigfacher  Meinungsverschiedenheit  Anlass  gegeben 
hatte  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:2/4),  wurde  von  Walzel '^j  nochmals  in  populärer  Form 
erörtert,  nicht  um  es  in  neues  Licht  zu  stellen,  sondern  um  weiteren  Kreisen  ein 
richtigeres  Bild  zu  geben  und  ihnen  Minors  Ansicht  von  diesem  Verhältnisse  zu  vermitteln. 
W.  zeigt  zunächst,  wie  stark  die  Romantik  wieder  im  modernen  Geistesleben  sich 
rege  macht;  wieder  hat  sich  die  Litteratur  mit  Vorliebe  auf  das  Grenzgebiet  von 
Wissenschaft  imd  Mystik  geworfen;  bis  in  kleine  und  kleinste  Regungen  hinein  zieht 
sich  die  Verwandtschaft  romantischer  und  moderner  geistiger  Bestrebungen.  Schiller 
steht  als  rationalistisch  angehauchter  Schwabe  von  vornherein  aller  Mystik  fern ;  aus 
persönlichen  Motiven  ist  er  von  Anfang  an  mit  den  —  zum  Teile  seine  besten  Be- 
strebungen teilenden  —  Romantikern  verfeindet;  er  fällt  bittere  Urteile  über  sie  zu 
einer  Zeit,  da  Goethe  ihnen  noch  sein  volles  Wohlwollen  schenkt.  Trotzdem  konnte 
er  in  seinen  eigenen  Schöpfungen  sich  ihres  Einflusses  nicht  erwehren.  An  Minors 
Hand  (vgl.  GJb.  10,  S.  212  ff.)  zeigt  W.  noch  einmal,  wie  starke  romantische  Ten- 
denzen in  Schillers  Dramen,  in  den  Wallenstein,  die  Maria  Stuart,  die  Jungfrau  von 
Orleans  und  in  die  Braut  von  Messina  sich  eingeschlichen  haben.  —  Die  romantische 
Nachfolge  von  Goethes  „Wilhelm  Meister"  kam  zum  ersten  Mal  in  der  anspruchslosen, 


8)  X  (IV  la  :  4,  Bd.  2.)  —  9)  (I  1 :  117.)  -    10)  (IV  6  :  41 ;  8a  :  34a;  8c  :  20;  9  :  56.)  —  U)  (IV  8o  :  24.)  —  12)  (IV9:70.) 


IV  10:13-15  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

aber  auch  wenig-  förderlichen  Abhandlung-  Donners'^)  zu  umfäng-lich  zusammen- 
fassender Erörterung".  D.  beschränkt  sich  auf  den  Bildungsroman,  weist  aber  auch 
Arnims  „Gräfin  Dolores"  aus  dem  Rahmen  seiner  Darstellung  hinaus;  ihre  Quelle 
sei  Richardson  und  nicht  Goethe.  Das  einleitende  Kapitel  schildert  in  einer  langen 
Reihe  von  Zeugnissen  die  Aufnahme  des  „Wilhelm  Meister".  Neben  der  g-rossen 
Menge  der  Missurteile  zeigen  beinahe  nur  Schiller  und  die  Romantiker  wahres  Ver- 
ständnis. Fr.  Schlegel  stellt  die  im  Roman  entwickelten  Rechte  des  Subjekts  in  den 
Vordergrund  und  wandelt  die  Goethe  genehme  Formel  „Das  Subjekt  masst  sich  ein 
Recht  an"  in  die  Formel  „Das  Subjekt  hat  Recht".  D.  zeig-t,  wie  dieses  Recht  als- 
bald zu  einem  Recht  des  Nichtsthuns  wird,  und  wie  die  lockeren  Schilderungen  des 
Goetheschen  Romans  rasch  Schule  machten.  Eine  leider  zu  wenig-  ausführlich  ge- 
ratene Tabelle  lässt  diese  Wandlungen  leicht  überblicken,  stellt  überdies  die  Gegen- 
bilder für  Philine  und  Mig-non  aus  den  von  D.  herang-ezogenen  romantischen  Romanen 
zusammen  und  weist  auf  das  Liebling-smotiv  der  geheimnisvollen  Geburt  hin.  Der 
von  Goethe  ausgehenden  lyrischen  Einlagen  wird  zuletzt  gedacht.  Im  ganzen  lassen 
sich  aus  Minors  Eichendorff-Aufsatz  (ZDPh.  21,  S.  2 14/5)  alle  diese  Verhältnisse  klarer  er- 
fassen. Stück  für  Stück  nimmt  sodann  D.  die  Romane  der  Romantik  vor;  zunächst 
Tiecks  „Sternbald".  Der  Anfang  zeiget  wenig  Züge  „Wilhelm  Meisters";  der  dilet- 
tantische Kunstbetrieb  Sternbalds  rückt  dem  ernsten  Bildungsstreben  des  Goetheschen 
Helden  nicht  näher,  wenn  Sternbald  erklärt,  er  wolle  „immer  ein  Kind  bleiben".  Der 
Eintritt  in  die  vornehme  Gesellschaft  zu  Anfang-  des  2.  Teils  bringt  dann  eine  ganze 
Reihe  Goethescher  Gestalten  mit  sich.  Stark  betont  D.  die  innere  Verwandtschaft 
Sternbalds  und  Mignons.  Goethes  Muster  leitet  Tieck  endlich  an,  sinnliche  Situa- 
tionen seinem  Roman  einzufüg-en,  die  mit  Heinsescher  Lüsternheit  ausgemalt  werden. 
D.  bemerkt,  dass  schon  die  Zeitgenossen  den  Goetheschen  Einfluss  im  Sternbald  ge- 
spürt haben.  Solchen  Einfluss  stellt  D.  auch  im  ,, Dichterleben"  und  in  der  Novelle 
„Der  Mondsüchtige"  fest,  um  dann  zum  „Jungen  Tischlermeister"  überzug-ehen.  Geg-en 
Friesen,  der  manchen  an  ,, Wilhelm  Meister"  gemahnenden  Zug  des  Tischlermeisters 
aus  eigenen  Erlebnissen  Tiecks  ableiten  will,  weist  D.  besonders  auf  das  dem  Roman 
Goethes  entnommene  Theaterwesen  der  Tieckschen  Dichtung-.  Minors  Charakteristik 
des  Tieckschen  Romans  (AkBll.  her.  v.  0.  Sievers  S.  215  ff.)  ist  D.  nicht  bekannt 
geworden.  D.  erzählt  die  Entstehung-sgeschichte  der  ,,Lucinde"  nach  den  Briefstellen 
und  setzt  die  trotz  allem  bestehende  sittliche  Tendenz  des  Romans  fest.  Bei  aller 
Bewunderung  für  den  „Wilhem  Meister"  erreiche  F.  Schlegel  keinen  festen  sittlichen 
Standpunkt.  Das  Gegenbild  zu  Philine,  Lisette,  ist  auch  die  einzige  an  Goethe  g-e- 
mahnende  Figur  des  Schlegelschen  B^'ragments,  dessen  Subjektivismus  der  objek- 
tiven Goetheschen  Charakteristik  sich  nicht  einmal  nähern  konnte.  Auch  die  Be- 
trachtung- von  Dorotheas  „Florentin"  beginnt  mit  der  Entstehungsgeschichte.  Wilhelm 
Meister  selbst,  Franz  Sternbald  und  d'Alton,  nicht  aber  Jacobis  Woldomar  werden 
als  Urbilder  Florentins  in  Anspruch  genommen.  Kapitel  für  Kapitel  den  Roman 
analysierend  hebt  D.  die  oft  bis  ins  kleinste  an  Goethe  gemahnenden  Stellen  heraus 
und  nimmt  für  die  Lyrik  nicht  immer  stichhaltig-e  Beziehungen  zu  dem  Vorbilde  des 
„Wilhelm  Meister"  an.  Wenn  indessen  Florentin  seine  Geschichte  Julianen  erzählt, 
möchte  D.  über  Goethe  hinaus  auf  Wielands  „Agathon"  zurückgreifen,  der  ja  auch 
für  die  von  Wilhelm  an  Marianne  gerichteten  Bekenntnisse  Muster  war.  Ueber  die 
geplante  Fortsetzung  giebt  D.  einige,  zum  Teil  (vgl.  S.  113^)  neue  Daten.  Ueber- 
sichtlich,  aber  nichts  Neues  vorbringend  zeigt  D.  dann  auf,  wie  die  durch  das  Ab- 
leben Sophiens  von  Kühn  in  Novalis  angeregte  Todesmystik  ihn  von  seiner  Bewunde- 
rung des  „Meister"  ablenkt,  bis  sein  „Heinrich  von  Ofterding-en"  neben  starker  Be- 
einflussung durch  den  „Sternbald"  nur  mehr  in  der  „Magie  des  Vortrags"  mit 
Goethe  wetteifert.  D.  begnüg-t  sich,  diese  stilistische  Abhängigkeit  durch  ein  paar 
Worte  über  das  kathederhafte  Docieren  der  Personen  des  Romans,  dann  durch  einen 
Hinweis  auf  die  unverschnörkelte,  von  Archaismen  freie  Sprache  des  „Ofterding-en" 
zu  erläutern.  Zwei  Lieder  bezeichnet  D.  als  unverkennbare  Nachahmung-  Goethescher; 
sie  begründen  auch  die  Verwandtschaft,  die  man  zwischen  Mig-non  und  der  Morg-en- 
länderin  empfunden  hat.  Geheimnisvolle  Geburt  spielt,  wie  im  Meister  auch  bei 
Novalis  eine  Rolle.  Wenn  endlich  Novalis  in  Kling-sohr  ein  Porträt  Goethes  entwirft, 
und  wenn  gerade  Klingsohr  das  Märchen  des  Romans  erzählt,  so  schleicht  sich  trotz 
aller  Opposition  zum  „Wilhelm  Meister"  nachträglich  doch  noch  die  Bewunderung- 
für Goethe,  insbesondere  für  den  Märchendichter,  in  den  „Ofterdingen"  ein.  Mit  sehr 
abfälliger  Kritik  setzt  das  dem  „Godwi"  gewidmete  Kapitel  ein.  Eine  ausführliche 
Inhaltsangabe  und  einige  Proben  folgen.  Für  die  Verherrlichung  des  Nichtsthuns 
möchte  D.  nicht  Tieck  oder  F.  Schlegel,  sondern  diesmal  g-anz  besonders  Goethe  ver- 
antwortlich machen;  denn  Brentano  „hat  seinem  Buch  das  Gepräge  einer  allg-emeinen 

—  13)  (IV  8d:32.)  —  14)  X  (IV  8d:31.)  —  15)  O  E.  leolani,  Dresdener  Romantik:  BerlTBl.  N,  390.  —  16)  H.r.Peters- 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  :  iß-24 

Freude  am  Dasein  geg-eben,  und  hierin  ist  er  ein  Nachfolger  Groethes".  Zum  ersten 
Male  kling-t  in  Brentanos  Buche  die  Philinenepisode  tragisch  aus.  Sehr  gross  ist  die 
Zahl  der  rätselhaften,  romantischen  Personen,  die  dem  Harfenspieler  und  Mignon 
entsprechen.  Das  Verhältnis  der  Brüder  Römer  zu  Grodwi  kann  aus  Fieldings  „Tom 
Jones"  abgeleitet  werden.  Der  zweite  Teil,  der  die  Spitze  seiner  Satire  gegen  den 
ersten  richtet,  wird  kurzhin  erledigt.  Die  durch  Fouque  erleichterte  Druckleg'ung 
von  Eichendorffs  „Ahnung  und  Gegenwart"  leitet  zu  den  mannigfachen  Beziehungen 
über,  die  Eichendorff  mit  der  älteren  und  mit  der  Heidelberger  Romantik  verbinden. 
Der  starke  romantische  Einüuss  gestattet  D.  auch  nicht,  die  Einwirkung-  des  „Wilhelm 
Meister"  allein  darzustellen.  In  ausführlicher  Analyse,  eng  an  Minor  sich  anlehnend, 
geht  er  den  Roman  durch,  vermerkt,  an  welcher  Stelle  der  Florentin  oder  Arnims 
„Gräfin  Dolores"  stärker  gewirkt  haben,  zieht  auch  mehr  fragend  als  entscheidend 
Scarrons  „Roman  comique"  heran.  Die  Gräfin  Romana  kommt  zum  Teil  auf  Bren- 
tanos Rechnung  (vgl.  S.  156').  Endlich  behauptet  D.  gegen  Minor  eine  Aehnlichkeit 
von  Leontin  und  Laertes.  In  abgeschwächter  Form,  das  Bildungsproblem  in  den 
Hintergrund  schiebend,  variiert  Eichendorff  die  Gestalten  von  „Ahnung  und  Gegen- 
wart" in  den  „Dichtern  und  ihren  Gesellen".  Mit  Immermanns  „Epigonen"  schliesst 
D.  seine  Untersuchung.  Ernstere  Lebensauffassung  unterscheidet  Immermann  von 
seinen  romantischen  Vorläufern.  Nachdem  er  schon  im  „Papierfenster  des  Eremiten" 
den  Goetheschen  „Werther"  nachgebildet  hatte,  wollte  Immermann  von  einem  Einfluss 
des  „Meister"  auf  die  „Epigonen"  nichts  wissen.  D.  gedenkt  des  Versuches  von  O. 
L.  B.  Wolff,  die  Verwandtschaft  beider  Romane  in  für  Goethe  ungünstiger  Wendung 
zu  verwerten.  Von  Goethes  und  seines  „Meister"  harmonischer  Weltanschauung 
weiss  Immermann  nichts,  der  nach  eigenem  Bekenntnisse  nur  mit  Mühe  den  „Abweg 
in  eine  trübe  Lazarethgeschichte"  gemieden  hat.  Trotzdem  der  Held  der  „Epig-onen" 
gereifter  in  den  Roman  tritt  als  Wilhelm  Meister,  verfällt  doch  auch  er  dem  alten 
romantischen  Nichtsthun;  noch  mehr  als  dieser  Zug  gemahnt  Flämmchen  an  das 
Goethesche  Vorbild.  Sie  ist  Philine  und  Mignon  zugleich.  Einzelne  andere  Wechsel- 
beziehungen flüchtiger  streifend,  erinnert  D.  bei  Gelegenheit  der  socialen  Probleme 
der  „Epigonen"  an  die  „Wanderjahre",  ohne  einen  direkten  Einfluss  nachweisen  zu 
können.'*"  15)  — 

Den  weiteren  Kreis  romantischer  Freunde  einzubeziehen,  sei  hier 
auf  eine  Schilderung  des  Salons  von  Elisabeth  Stägemann  hingewiesen,  die 
von  Pe  t  ersdorff '^"''')  entwirft.  Neben  dem  Salon  Raheis  hat  Elisabeth  Stägemanns 
Empfangszimmer  die  Berliner  Romantiker  und  das  Varnhagensche  Paar  selbst  auf- 
genommen. P.  meint,  dass  der  stärkere  sittliche  Gehalt  bei  Stägemanns  anzutreffen 
war.  —  Po  ppen  ber  g"^)  verwertet  die  Briefe  W.  von  Humboldts  und  Arndts 
an  Johanna  Motherby  1^),  um  an  ihnen  das  Liebesleben  der  Romantik  und  ihre  Ge- 
fühlswelt zu  exemplifizieren.  Mit  geschickter  Hand  zeigt  er,  wie  selbst  die  eherne 
Natur  eines  Arndt  es  nicht  verschmäht,  einer  an  Karoline  und  Dorothea  gemahnenden 
weiblichen  Erscheinung  gegenüber  sich  erotisch-phantastischem  Schwelgen  hinzugeben. 
Auch  Arndt  wählte  zum  Ausdruck  seiner  Gefühle  jene  romantischen  Ausdrucksformen 
voll  schwelgerischer  Weichlichkeit.  Krankhaft  zärtlich  hegte  auch  dieser  Recke  seine 
schmerzlich-süssen  Empfindungen.  Johanna  Motherby,  die  über  das  Philisterhafte 
einer  bürgerlichen  Ehe  nicht  anders  denkt  als  Schlegels  „Lucinde",  hat  auch,  nach- 
dem Arndts  Liebe  zur  Freundschaft  sich  abgetönt  hatte,  dem  Bedürfnisse,  Leidenschaft 
zu  fühlen  und  zu  erregen,  nicht  entsagen  können.  — 

Der  Schlegelsche  Kreis  tritt  im  Bericht  schon  in  den  Hintergrund.  Aus 
Urlichs  Nachlass  veröffentlicht  Seuffert^o)  eine  Hs.  A.  W.  Schlegels: 
„Bemerkungen  über  die  Dekoration  zum  Jon  und  ihren  Gebrauch".  S.  zweifelt 
nicht,  dass  das  Ms.  für  die  Weimarer  Aufführung  bestimmt  war,  und  macht 
einige  Mitteilungen  über  die  Verwendung,  die  das  Ms.  bei  der  Aufführung  gefunden 
hat.  —  Sauer 2')  erläutert  Walzeis  Schlegelbriefe  S.  307  und  317  durch  den  Ver- 
weis auf  W.  Schlegels  Werke  11,  S.  48  und  auf  die  Bambocciaden  1,  S.  183  ff.  22^  — 
W.  Schlegel  kommt  in  B  e  r  n  h  a  r  d  i  s  -^J  Denkwürdigkeiten  wenig-  zur  Geltung. 
Mit  Frau  von  Stael  vertrug  sich  Sophie  von  Knorring  nicht;  ihr  Sohn  schildert 
Schlegels  Gönnerin,  mit  deren  Kindern  er  verkehrt,  in  wenig  anziehender  Weise 
(1,  S.  29  ff.;  vgl.  2,  S.  67  ff.).  —  Die  Weimarer  Goetheausgabe 24)  bringt  Goethes 
Briefe  an  W.  Schlegel  aus  den  J.  1797  und  98  (N.  3557,  3586,  3606,  3696,  3741,  3766, 
3785,  3817,  3942,  3947,  3959).  Zum  ersten  Male  gedruckt  erscheint  ein  Schreiben 
vom  18.  Juni  1798  (N.  3817),  in  dem  Goethe  für  ein  Athenäumheft  dankt  und  seinen 

dorff,  F.  A.  stägemann:  ADB.  35,  S.  3839.  17)    id.,  Elisabeth  Stägemann  u.  ihr  Kreis:    MVGBerlin.  30,  S.  67-95.  —  18) 

F.  Poppenberg,  Aus  d.  Gefühlswelt  d.  Romantik:  ML.  62,  S.  571/4.  (S.  u.  N.  19.)  —  19j  (IV  lc:22;  5:548.)  —  20)  B. 
Seufl'ert,  Schlegels  Bemerkungen  über  d.  Dekoration  z.  Jon:  VLG.  6,  S.  619-27.  —  21)  A.  Sauer,  F.  Schlegels  Briefe  her. 
V.  0.  F.  Walzol  (vgl.  JBli.  1890  IV  13  :  5;  1891  IV  11:21;  1892  IV  10  :  11):  ZOG.  44,  S.  780,3.  -  22)  X  L.  Fränkel,  A.  W. 
u.  F.  Schlegel,  in  Ausw.  her.  v.  0.  F.  Walzel  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:9):  BLU.  S.  42.  —  23)  (IV  lo  :  47.)  —  24)  (IV  8a:  112/3.) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichto.     IV.  4(.30) 


IV  10:25-41  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

Inhalt  als  ihm  sehr  angenehm  und  erfreulich  bezeichnet.  —  K  o  c  h  ^S)  erhebt  Ein- 
wendung-en  gegen  Holtermanns  Studie  über  die  Vossische  und  Schlegelsche  Ueber- 
setzung  des  Romeo.  Der  Vf.  erwähne  nicht,  dass  die  Uebersetzung  Arbeit  des  Vaters 
Voss  und  nicht  der  Söhne  sei.  Zu  der  Frage  des  Wechsels  von  Vers  und  Prosa 
weist  K.  auf  A.W.  Schlegels  bekannte  Aeusserungen  in  den  „Briefen  über  Poesie,  Silben- 
mass  und  Sprache"  und  in  dem  Horenaufsatz  über  Romeo  und  Julia  hin.  Dann 
ergeht  sich  K.  in  weiteren  Betrachtungen  über  den  Alexandriner  bei  Schlegel  und 
über  die  Vers-  und  Reimtechnik  seiner  Uebersetzung.26"28)  — 

Ein  interessantes  Ineditum  von  Friedrich  SchlegeP*')  wurde  zu 
tage  gefördert.  Es  parodiert  in  14  Paragraphen  einen  Konstitutionsentwurf  von 
gleicher  Paragraphenanzahl,  den  W.  von  Humboldt  dem  Kongresse  vorgelegt  hatte. 
Die  Knittelverse  wenden  manche  scharfe  Spitze  gegen  die  führenden  Mächte,  ins- 
besondere gegen  Preussen,  und  zeigen,  dass  Schlegel  sich  über  die  reaktionären 
Tendenzen  der  Metternichschen  Aera  keinen  Täuschungen  hingegeben  hat.  —  Bern- 
hardi^o)  weiss  von  einem  Wiener  Liebesabenteuer  Schlegels  zu  berichten,  das 
diesen  mit  Sophie  von  Knorring  in  Konflikt  brachte  (1,  S.  271).  — Frau  von  Eyben- 
bergs^^)  Briefe  an  Goethe  gedenken  Schlegels  und  seiner  Lucinde,  eitleren  auch 
ein  Xenion  Schlegels  auf  Iffland:  er  sei  ein  bouffon,  den  die  Moral  debauchiert  hätte. 
—  Einen  ungedruckten  Brief  Goethes  ^^^  an  Friedrich  bringt  die  Weim. 
Ausg.  (N.  3836).  Goethe  bittet  (Mitte  Juli  1798)  den  Adressaten,  ihm  Notizen  über 
den  Margites  zukommen  zu  lassen.  — 

Aus  ungedruckten  Briefen  Dorothea  Schlegels  an  Schleiermacher  wurden 
Verdikte  über  Karoline  Schlegel  von  J  o  n  a  s  "3)  mitgeteilt.  Bei  dieser  Gelegen- 
heit äusserte  J.  auch  den  Wunsch,  dass  endlich  durch  die  Veröffentlichung  der  im 
Besitze  der  Schellingschen  Familie  befindlichen  Papiere  Karolinens  Beziehungen 
zu  Schelling  in  eine  bessere  Beleuchtung  kommen  möchten.  3^)  — 

In  dem  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  verwahrten  Nachlasse  T  i  e  c  k  s 
hat  B  ölte  3^)  einen  bisher  ganz  unbekannten  hs.  3.  Band  der  „Vorschule  Shake- 
speares" gefunden,  und  zwar  ein  von  Kopistenhand  herrührendes,  von  Tieck  gründlich 
durchkorrigiertes  Ms.  und  eine  Reinschrift  dieses  Ms.  mit  vereinzelten  Besserungen, 
die  wohl  auch  Tieck  zuzuschreiben  sind.  Der  Band  enthält:  1.  Mucedorus.  2.  Das 
schöne  Mädchen  von  Bristol.  3.  Niemand  und  Jemand.  B.  druckt  das  erstgenannte 
Stück  ab,  fügt  Anmerkungen  hinzu,  die  das  Verhältnis  von  Urtext  und  Uebersetzung 
beleuchten,  und  giebt  in  der  Einleitung  Notizen  über  die  Geschichte  des  Stückes, 
über  Tiecks  Beschäftigung  mit  dem  englischen  Theater,  endlich  auch  eine  sehr  wert- 
volle Zusammenstellung  der  seit  1700  erschienenen  Verdeutschungen  älterer  englischer 
Dramen.  Gerade  aus  dem  hs.  Nachlass,  den  B.  (S.  XXI)  verzeichnet,  lässt  sich 
ersehen,  wie  wenige  von  Tiecks  Shakespearestudien  ans  Licht  getreten  sind,  wie  viel 
er  im  Pulte  zurückgehalten  hat.^ß'^Sj  —  Umfängliche,  aus  intimer  Beobachtung  geschöpfte 
Mitteilungen  über  den  Kreis  der  Geschwister  Tieck  traten  aus  dem  Nachlasse 
Bernhardis^s)  ans  Licht.  Ludwig  Tiecks  Neffe,  der  Sohn  Sophiens  und  des 
Sprachforschers  und  Athenäumsgenossen  August  Ferdinand  Bernhardi  trägt  keinen 
Tropfen  romantischen  Blutes  in  seinen  Adern;  kühl  und  teilnahmslos,  aber  um  so 
schärfer  schildert  er  die  Umgebung  seiner  Jugend.  Auch  er  gesteht  zu,  dass  Deutsch- 
land der  Romantik  viel  verdanke,  und  der  reichen  Anregungen,  die  Shakespeare 
und  deutsche  Heldensage  dem  Knaben  gaben,  gedenkt  er  mit  Freuden  (1,  S.  48  ff.). 
Doch,  während  er  den  von  der  Romantik  gebotenen  Stoff  gern  in  sich  aufnimmt, 
verurteilt  er  die  ganz  subjektive,  völlig  unhistorische  Art  der  romantischen  Dilettanten, 
Kunst  und  Litteratur  zu  geniessen;  augenblicklicher  Genuss,  eine  feine  entnervende 
Schwelgerei  sei  ihr  ganzes  Ziel  gewesen.  B.  weist  auf  die  ungünstigen  sittlichen 
Folgen  dieses  auf  Emotion,  auf  Nervenreiz  ausgehenden  ästhetischen  Treibens.  Wenn 
aber  B.  den  Romantikern  vorwirft,   sie  sähen  in  Werken  der  Kunst  „nur  etwas  All- 


—  25)  M.  Koch,  K.  Holterraann,  Vergleiohung  d.  Schlegelscheti  u.  Vossischen  Uebers.  v.  „Roraeo  u.  Julia^  (vgl.  JBL.  1892 
I  6:57;  IV  10:12):  EnglStud.  S.  244/6.  —  26)  X  Shakespeares  dram.  Werke  nach  d.  Uebersetz.  v.  A.  W.  Schlegel,  Phpp.  Kauf- 
mann n.  Voss,  rev.  n.  teilw.  neu  bearb.  mit  Einl.  vers.  u.  her.  v.  M.  Koch.  St.,  Cotta.  3927  S.  M.  12,00.  —  27)  X  id-< 
Sämtl.  Werke.  Eingel.  u.  übers,  v.  A.  W.  Schlegel,  F.  Bodenstedt,  N.  Uelius  etc.  111.  v.  .1.  Gilbert.  7.  Aufl.  Lfg.  1-27.  St., 
Dtsch.  Verhigsanst.  ä  M.  0,50.  —  28)  X  i*!-.  Ausgew.  dramat.  Werke  in  A.  W.  Schlegels  berichtigter  Uebers.  her.  v.  Imm. 
Schmidt.  Bd.  1  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:17):  JbDShakespeareGes.  28,  S.  334/5.  —  29)  F.  Schlegel,  Toutsche  Constitution  in 
14  Paragraphen.  Polit.-satir.  Gedicht.  Mitget.  v.  F.  v.  Meyenn:  JbbVMecklG(Quartalsber.).  S.  19-23.  —  30)  (=  N.  23; 
1,  S.  27/8.)  —  31)  (IV  8b:  12,  S.  35,7.)  —  32)  (IV  8a:  112;  4.  Abt.  Bd.  13,  S.  208.)  -  33)  F.  Jonas,  Mitteil,  in  6DL.: 
VossZg.  N.  548.  —  34)  X  S.  Rudolph,  H.  Rinn,  Schleiermacher  u.  seine  romant.  Freunde  (vgl.  JBL.  1890  IV  13:26): 
COIRW.  21,  S.  706.  —  35)  J-  Bolte,  Mucedorus,  e.  engl.  Drama  aus  Shakespeares  Zeit,  übers,  v.  L.  Tieck.  B.,  W.  Gronau. 
XXXIX,  67  S.  M.  1,00.  |[(W.)  C(  reizenach):  LCBl.  S.  531;  L.  Proescholdt  :  ASNS.  91,  S.  306/8;  A  Chnquet:  RCr.  35, 
S.  22.5/6.]|  —  36)  O  L.  Tieck,  Ausgew.  Werke  in  8  Bdn.  Mit  e.  Einl.  v.  H.  Welti.  St,  J.  G.  Cotta  Naohf.  2021  S.  mit  Bildn. 
M.  8,00.  -  37)  X  id.,  Werke.  Her.  v.  G.  L.  Klee  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:27).  |[R.  Kade:  ZDÜ.  7,  S.  696-701;  A.  Sauer: 
DLZ.  S.  1164,5;  M.  K(och):  LCBl.  S.  612/3;  A.  Saleok:  BLU.  S.  824/5.]|  —  38)  X  »d.,  E.  Spruch:  DDichtang.  13,  S.  149. 
(D.  Gedicht  „An  d.  Verständigen"  in  Klees  Ausgabe  [1,  8. 62]  z.  1.  Male  gedr.,  wird  nochmals  wiedergegeben  u.  zu  zeitgemässea 
InTectiren  miBsbraucht.)  -  39)  (S.  o.  K.  23,  30.)  —  40)  R.  Krause,  Tieck  u.  Möricke:  AZgB.  N.  147.  —41)  (II  3:  12u;  1113:1.) 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10:« 

gemeing-ültig-es,  das  unabhängig-  von  allen  g-eschichtlichen  Bedingung-en  eines  g-egebenen 
National-Daseins  gleichsam  in  Gottes  freier  Luft  schwebte",  so  verwechselt  er  den 
kritischen  und  litterarhistorischen  Dilettantismus  seiner  Mutter  und  ihres  zweiten 
Gatten  Knorring,  also  romantischer  Epigonen,  mit  dem  historischen  Feinsinn  der 
Schlegel.  Diese  haben  niemals  aus  der  Feme  für  Dante  und  für  germanisches 
Altertum  geschwärmt,  um  dann  bei  näherer  Besichtigung  die  komischsten,  un- 
historischesten Missurteile  zu  fällen.  Scharf  spricht  sich  B.,  dem  es  ein  Bedürfnis 
war,  in  einer  durchsichtigen  Atmosphäre  vollkommener  Klarheit  zu  leben,  über 
romantischen  Glauben  an  die  „Geheimnisse  der  Natur"  aus  und  über  die  Gewohnheit 
seiner  Mutter,  alle  historischen  Ereignisse  auf  den  Einfluss  geheimer  Orden  und 
Gesellschaften  zurückzuführen.  B.  gedenkt  auch  des  sentimentalen  Interesses,  das 
der  Kreis  seiner  Mutter  dem  gestürzten  Napoleon  entgegenbrachte  (1,  S.  132),  nachdem 
man  früher  ihn  leidenschaftlich  gehasst  hatte  (],  S.  126).  Der"  Oheim  Ludwig 
Tieck  spielt  natürlich  in  B.s  Denkwürdigkeiten  eine  grosse  Rolle;  sein  Leben  und  sein 
Verkehr  in  Rom  (1,  S.  5),  in  Wien  während  der  J.  1807  und  1808  (1,  S.  24),  in 
München  (1,  S.  42  ff.)  werden  geschildert.  In  I^Iünchen  besuchte  er  mit  dem  Neffen  das 
„Lipperle-Theater"  und  studierte  die  Volksbühne,  um  die  Eindrücke  im  Phantasus  zu 
verarbeiten.  Während  Tieck  jetzt  mit  dem  aufgeweckten  Jungen  gerne  sich  abgiebt, 
verstehen  sich  beide  später  weniger  gut.  Ein  Brief  B.s  vom  1.  Sept.  1823  bekundet 
diese  Wendung  (1,  S.  195  ff.).  Seine  Bewunderung  für  Walter  Scott  teilte  Tieck 
nicht.  Wohlwollender  verhält  sich  der  Oheim  im  J.  1851;  allein  man  versteht  sich 
doch  nicht.  Tieck,  der  eben  Casanova  liest,  spielt  den  jungen  Goethe  gegen  den 
alten  aus.  B.  entnimmt  den  Worten  des  Oheims,  dass  in  der  Romantik  ein  gewisser 
Nihilismus  stecke,  weil  die  Leute  nicht  wirklich  zu  Ernst  und  Reife  durchgedrungen 
sind  (2,  S.  83  ff.);  er  beleuchtet  die  auffallende  Unkenntnis,  mit  der  Tieck  über  das 
Nibelungenlied  spricht  (2,  S.  94).  1852  ist  Tieck  körperlich  und  geistig  schon  stark 
gesunken.  Für  J.  Grimms  wissenschaftlich  gedachte  Germanistik  hat  er  kein  Ver- 
ständnis;  er  will  nicht,  dass  man  nach  der  Bedeutung  einer  Dichtung  frage;  nur 
auf  Gefallen  oder  Alissfallen  komme  es  an.  Wiederum  abfällige  Urteile  über  Goethe, 
dann  über  Schillers  Idee  vom  Chor  in  der  Tragödie  (1,  S.  119  ff.).  Ueber  Tiecks 
Tod  hat  B.  nur  wenig  zu  berichten  (1,  S.  165).  Enger  verwandt  als  mit  Ludwig* 
Tieck  fühlte  er  sich  mit  dem  anderen  Oheim  Friedrich.  Briefe  B.s  an  diesen  kommen 
zum  Abdruck  (1,  S.  187  ff.);  sein  Ableben  wird  beklagt  (2,  S.  78).  Die  Dichtung  der 
Mutter  Sophie  Bernhardi  tritt  durchaus  in  den  Hintergrund  ;  nur  einzelne  Gestalten 
ihres  Romans  „Evremont"  werden  gelegentlich  gedeutet  (1,  S.  101,  175).  —  Ohne 
den  Aufsatz  von  L.  H.  Fischer  (vgl.  JBL.  1891  IV  11:31)  zu  nennen,  schildert 
K  r  a  u  s  s  ^'')  die  auch  dort  erörterten  Beziehungen  von  Tieck  und  Möricke.  Zu  einem 
rechten  Verhältnis  zwischen  den  beiden  Dichtern  ist  es  nie  gekommen,  Möricke  hat 
eine  sonderbare  Zurückhaltung  an  den  Tag  gelegt.  Seine  Freunde  setzten  grosse 
Hoffnungen  in  Tieck:  er  werde  etwas  thun,  um  die  böse  materielle  Lage  Mörickes 
zu  bessern.  Kerner  arbeitet  noch  in  einem  Brief  an  Tieck  am  14.  Juni  1841  in  dieser 
Richtung.  —  Steiner*')  möchte  Tiecks  Verhältnis  zu  den  deutschen  Volksbüchern 
ergründen.  Seine  eigene  Zusammenfassung  lehrt  (S.  1),  dass  er  über  Hajm  und 
Minor  nicht  viel  hinausgekommen  ist.  St.  beantwortet  zunächt  die  Frage,  wie  Tieck 
überhaupt  zu  den  Volksbüchern  gekommen  ist,  und  behauptet,  dass  Tieck  „im  Grunde 
seiner  Seele  trotz  allen  Straussfederngeschichten  niemals  nicolaisiert  habe".  Er  stellt 
nach  dem  Fieber  der  Lovellstimmung  eine  Epoche  des  Enthusiasmus  für  Homer, 
Sophokles,  Shakespeare,  Goethe,  Ariost,  Calderon  und  Cervantes  fest.  Jetzt  findet 
Tieck  auch  für  die  Volksbücher  eine  abergläubische  Hingabe  in  sich.  Dieser  Taumel 
der  Begeisterung'  wird  begreiflicher,  wenn  A.  W.  Schlegel  tendenziös  die  Volksbücher 
als  Litteratur  des  gemeinen  Mannes  bezeichnet,  den  Gebildeten  der  Zeit  überhaupt 
jede  Litteratur  abspricht.  Zur  Schildbürgerchronik  schreibt  St.  einen  ausführlichen 
Kommentar  und  erläutert  kundig  alle  Anspielungen  auf  Personen  und  Verhältnisse 
der  Zeit.  Von  Aristophanischer  Satire  kann  St.  in  dieser  lediglich  ästhetisch-litte- 
rarischen Polemik  Tiecks  keine  Spur  finden;  überhaupt  spricht  er  der  Satire  Tiecks 
jedes  Pathos  ab.  Komposition  und  Technik  gemahnt  an  den  Peter  Lebrecht.  Die 
ganze  Erzählung-  hat  etwas  Improvisatorisches,  Eiliges.  Unverkennbar  sei  der 
sprachliche  Einfluss  der  Vorlage.  Von  dieser  sprachlichen  Anlehnung  scheidet  St. 
die  Verwertung  altmodischen  Ausdruckes  zum  Zwecke  der  Satire.  Endlich  bringt  St. 
die  Schildbürgerchronik  mit  Wielands  Abderiten  in  Zusammenhang  und  findet  trotz 
der  aufklärenden  Tendenz  Wielands  manches  Gemeinsame.  Eichendorfl',  Brentano  und 
E.  T  A.  Hoffmann  erscheinen  als  Nachfolger  in  der  Bekämpfung  des  Philistertums. 
Freilich  sollte  Eichendorffs  „Krieg  den  Philistern"  nicht  ohne  Einschränkung  als 
Fortsetzung  genannt  werden.  Die  Haimonskinder  knüpft  St.  mit  W.  Schlegel  an 
Ariost  an.  Tieck  kürzt  das  Volksbuch  auf  ein  Drittel  des  Umfangs.  Die  Kürzungen 
sind    ebenso  glücklich   wie  Tiecks  eigene  Zuthaten  unglücklich.     32  Jahre  nach  der 

4(30)* 


IV  10:42-46  O.  F.  Walzel,  Romantik, 

Abfassung'  dieser  Jugendarbeit  ist  Tieck  nochmals  und  zwar  als  Philologe  an  das 
Thema  herangegangen.  Seine  Bearbeitung  der  schönen  Magelone  merzt  die  christ- 
lichen Elemente  aus,  während  W.  Schlegel  den  Volksroman  in  seinen  Vorlesungen 
(her.  V.  J.  Minor  3,  S.  148)  tendenziös  christlich  interpretiert.  Wie  im  Sternbald  gehen 
auch  hier  schon  die  einzelnen  Künste  in  einander  über.  Eng  verwandt  sind  die 
lyrischen  Einlagen  beider  Dichtungen.  St.  gedenkt  endlich  der  Verbesserungen  der 
zweiten  Bearbeitung  im  Phantasus  und  erörtert  den  Plan  einer  dramatisierten  Magelone, 
die  ihre  Stelle  zwischen  Genoveva  und  Octavian  haben  sollte.  Auch  für  die  Melusine 
zieht  St.  Schlegels  Urteil  (a.  a.  O.  3,  S.  146)  heran.  Tieck,  wohl  durch  das  Dämonische 
des  Stoffes  angezogen,  hat  den  Stoff  doch  nicht  nach  dieser  Richtung  ausgenützt, 
sondern  sich  auf  schlichte  Nacherzählung  beschränkt.  Auch  hier  strebt  Tieck  nach 
Konzentration.  Neu  ist  die  Einführung  künstlicher  Masse.  Im  Gegensatz  zu  den 
Liedern  der  Magelone  sind  die  lyrischen  Einlagen  zum  grössten  Teil  nur  auf  Reime 
und  in  Rhythmen  gebrachte  Wortfolgen  der  Vorlage ;  zuweilen  gestattete  die  Vorlage 
einen  fast  wörtlichen  Anschluss.  Zum  Schlüsse  bespricht  St.,  mannigfach  mit 
H.  Betriebs  „drei  Kapiteln  vom  romantischen  Stil"  sich  auseinandersetzend,  das  Sti- 
listische und  Sprachliche  und  stellt  als  schönsten  Ertrag  der  Volksbücherbearbeitungen 
den  einfachen  durchsichtigen  Stil  des  blonden  Eckbert  fest.  —  Roetteken^^y 
möchte  dem  Seelenleben  der  Charaktere  von  Tiecks  „Sternbald"  eine  möglichst  um- 
fassende Behandlung  zu  teil  werden  lassen.  Sorgsam  Stelle  für  Stelle  zusammen- 
tragend, giebt  R.  eine  Uebersicht  der  Ursachen,  durch  die  bei  Sternbald  Gefühle  aus- 
gelöst werden,  und  sucht  die  Qualität  dieser  Gefühle  festzustellen.  Das  Triebartige, 
meint  R.,  tritt  in  Sternbalds  Gemütsbewegungen  ganz  zurück,  seine  Gefühle  sind 
passiv  und  drängen  nicht  zum  Handeln.  Ueber  die  ganze  Willenssphäre  ist  Schwäche 
gebreitet.  Obwohl  R.  zugeben  muss,  dass  durch  das  allmähhche  Zurücktreten  der 
frommen  Empfindungen  Sternbalds  Charakter  dem  Wackenroders  immer  unähnlicher 
wird,  kann  er  Haym  nicht  beistimmen,  der  behauptet,  Tiecks  Physiognomie  dränge 
sich  mehr  und  mehr  vor.  R.  meint,  dass  Sternbald  schon  von  vorn  herein  viel  von 
Tieck  an  sich  habe.  Als  äusserster  Gegensatz  zu  Sternbald  wird  Ludovico,  allerdings 
weit  weniger  ausführlich,  geschildert,  Ludovico  und  die  ihm  Nächststehenden  treten 
mit  ihrer  souveränen  Art  das  Leben  zu  gemessen  in  schärfsten  Gegensatz  zum 
„Wilhelm  Meister",  Friesens  Annahme  („Ludwig  Tieck"  2,  S.  127),  dass  Ludovico 
aus  dem  5,  Buche  des  Don  Quixote  entnommen  sei,  findet  bei  R,  keinen  Glauben, 
Im  ganzen  ist  R.s  unendlich  fleissiger,  aber  ganz  ünplastischer  Versuch  einer 
psychologischen  Sternbaldstudie  wohl  als  resultatlos  zu  bezeichnen,  R.s  Aufsatz 
macht  den  Eindruck  einer  wenig  geordneten  Materialiensammlung.  43-44-)  — 

Ein  dürftiges  Aufsätzchen  über  Wackenroders  „Herzensergiessungen" 
schrieb  Wölfflin^^).  Wenn  Wackenroder  über  die  Erfassung  des  Schönen  spricht, 
polemisiert  er  offen  gegen  Ramdohr  und  versteckt  gegen  Mengs.  Wenn.  Rafael  von 
seiner  Galatea  sagt:  Essendo  carestia  di  belle  donne  io  mi  servo  di  certa  idea  che 
mi  viene  al  mente,  so  überträgt  Wackenroder  diese  Worte  auf  die  Schöpfung  der 
Madonnen  und  erdichtet  sich  ein  Geschichtchen,  in  dem  unmittelbarer  göttlicher 
Beistand  Rafael  diese  certa  idea  beibringt.  Die  entscheidenden  Züge,  die  das 
Wesen  der  christlich-romantischen  Maler  ausmachen,  sind  bei  Wackenroder  schon 
angedeutet.  Dennoch  möchte  W.  Overbeck  nicht  zum  Schüler  Wackenroders  machen, 
er  sieht  vielmehr  in  Fr.  Schlegels  Europaaufsätzen  das  Motto  der  romantischen  Kunst- 
periode, ohne  indessen  an  dieser  Stelle  Wackenroders  Einfluss  anzunehmen,  — 

Für  die  Sammlung  des  bibliographischen  Instituts  wurde  eine  Auswahl  aus 
den  Schriften  von  Novalis  von  D o hm  ke*^)  besorgt.  Die  biographische  Einleitung 
lehnt  sich  an  bekannte  ältere  Darstellungen  an  und  sucht  auf  einer  zusammenfassenden, 
im  wesentlichen  wohl  richtigen  Charakteristik  der  Romantik  Novalis  Wesen  auf- 
zubauen. Anzuerkennen  ist,  dass  D,  die  Romantik  aus  dem  Klassizismus  der 
Weimaraner  hervorgehen  lässt,  überhaupt  Klassiker  und  Romantiker  in  engste  Be- 
ziehung stellt.  Auch  Novalis  ist  ins  rechte  Licht  gestellt;  die  katholisierende  Tendenz 
des  Fragments  „Die  Christenheit  und  Europa"  wird  energisch  betont,  D,  vergleicht 
Hardenbergs  „Hymnen  an  die  Nacht"  mit  Tennysons  Gedichtsammlung  „In  Memo- 
riam".  Abgedruckt  sind:  die  Hymnen,  zu  deren  Erklärung  D.  die  Studie  von  Wörner 
verwertet,  die  geistlichen  Lieder  und  12  Stück  vermischter  Gedichte,  endlich  der 
Ofterdingen,  zu  dessen  Erläuterung  Schubarts  Darstellung  herangezogen  wird. 
Leider  hat  D,,  entgegen  seiner  ausdrücklichen  Versicherung  (S,  [2]),  nicht  die  von 
Novalis   selbst   besorgten  Drucke,  sondern  durchaus  die  von  F,  Schlegel  und  Tieck 


—  42)  H.  BoetteVen,  D.  CharaVtere  in  TiecVs  Roman  „Franz  Sternbalds  Wanderungen":  ZVLR  6,  S.  188-242,—  43)  X  J- 
Bolte,  Vortr.  in  GDL.:  (April):  DLZ.  S.  700.  (Vgl.  auch  VossZg  N.  216;  Anekdoten  über  d.  Kreis  Leasings  aus  e.  Samml. 
Tiecics  werden  mitget.)  —   44)  X  F-  Brummer,  F.  Steffens:  ADB.  35,  S.  554/5.  (Sekretär  u  dramatnrg.  Helfer  d.  greisen TiecV.) 

—  45)  H.  Wölfflin,  D.  Herzensergiessungen  e.  kunstliebenden  Klosterbruders.  (=  I  1:118;  S.  61-73.)  —  46)  Novalis 
Werke.     Fonqnets   Undine.     Her.   v.   J.   Dohmke.     Krit.   durchges.   u.   erlänt.   Ausg.    L.,   Bibliogr.   Inst.     16,  327   S.    mit 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  :  4? 

hergestellte  Ausgabe  seinem  Texte  zu  Grunde  gelegt;  die  richtigen  Lesarten  der 
,, geistlichen  Lieder"  muss  man  darum  im  Apparat  (S.  322)  aufsuchen.  Beigegeben 
ist  das  Porträt  von  Eschen  nach  dem  Stiche  der  Reimerschen  Originalausgaben, 
dann  das  Facsimile  des  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  verwahrten  Gedichtes  an 
Brachmann  („Der  "Weisheit  Pfad  schlingt  sich  durch  Schattengänge").  —  Ein  fein- 
fühliges Buch  über  Novalis  wird  uns  durch  Bing*")  geschenkt.  Mit  sicherem  Blicke 
das  menschlich  Bedeutende  herausgreifend,  verwertet  B.  die  neuerdings  bereicherte 
Quellenlitteratur  zu  einem  auch  stilistisch  anheimelnden  Buche.  Rasch  eilt  er  über 
Hardenbergs  Jugendzeit  hin  und  stellt  als  unschätzbaren  Gewinn  der  Kinderjahre 
nur  die  Wirkung  des  ausgeprägten  Charakters  von  Novalis  Vater  und  der  lebendigen 
Macht  des  Christentums  fest,  die  im  Elternhause  waltete.  Zwiespältig  angeregt  durch 
den  strengen,  äusseren  Glanz  verschmähenden  Vater  und  durch  den  lebenslustig 
adelsstolzen  Oheim  gehtNovalis  zur  Universität  und  wird  sofort  von  den  Musen  angelockt. 
Er  singt  Bürger  und  A.  W.  Schlegel  an.  Reinhold  und  Schiller  werden  seine  Führer. 
Neben  Versen  in  Baggesens  Art  schreibt  er  die  Schillerisierenden  „Klagen  eines 
Jünglings".  Schon  in  diesen  Klagen,  die  B.  glücklich  mit  einer  Briefstelle  an  Reinhold 
zusammenhält,  zeigt  sich  der  Lebensnerv  seiner  Dichtung:  das  Suchen  und  Finden 
eines  Haltepunktes,  von  dem  aus  er  seine  Eindrücke  beherrsche.  Diese  Sehnsucht 
nach  einem  feststehenden  Charakter  flösst  ihm  in  Leipzig  Lust  ein,  Soldat  zu  werden. 
In  Wittenberg'  seine  Studien  beschliessend,  büsste  er  in  strenger  Arbeit  für  manche 
Leipziger  Extravaganz.  In  Tennstädt  vom  Kreisamtmann  Just  zu  praktischer  Arbeit 
angehalten,  bewährt  Novalis  immer  sein  Streben,  sich  alles  zu  assimilieren.  In  leben- 
digen Farben  zeichnet  B.  das  Bild  Sophiens  von  Kühn,  schildert  den  Eindruck  ihres 
Todes  und  des  Ablebens  von  Erasmus  auf  Novalis  und  stellt  fest,  wie  auch  diese 
bitteren  Thatsachen  ihm  nur  zu  einem  Hebel  seines  Geistes  werden.  Novalis  Tage- 
buch excerpierend  erhärtet  B.,  wie  viel  echtes  und  grosses  Gefühl  und  wie  viel  „er- 
zwungenes Hochdruckgefühl"  er  auf  die  Erinnerungen  an  jene  traurigen  Er- 
lebnisse wendete.  Den  Hauptzug  von  Novalis  Charakter,  alles  ihm  entgegen  Tretende 
sich  zu  assimilieren  und  seine  [Jeberzeugung,  dass  seine  Persönlichkeit  nicht  in  dieser 
Welt  vollendet  werden  solle,  sucht  dann  B.  aus  den  litterarischen  Einwirkungen  ab- 
zuleiten. Schon  der  ganze  Entwicklungsgang  des  deutschen  Geisteslebens  im  18.  Jh. 
zeigt  jenen  individualistischen  Grundzug.  Hemsterhuys,  Fichte  und  Goethes  „Wilhelm 
Meister"  helfen  Novalis  seine  menschliche  und  künstlerische  Individualität  ausbilden. 
Allein  er  kommt  durch  zwei  Bedingungen  in  Opposition  zum  „Meister".  F.  Schlegel 
bestärkt  ihn  in  seinem  Glauben,  dass  Poesie  ein  Lebenselement,  nicht  bloss  eine 
Kunstform  sei.  Der  Tod  Sophiens,  der  religiöse  Geist  im  Vaterhause  und  die  Lektüre 
Zinzendorfs  und  Lavaters  vollenden  seine  religiösen  Anschauungen  und  belehren 
ihn,  dass  er  eine  erst  in  der  Ewigkeit  sich  vollendende  Persönlichkeit  besitze.  Novalis 
Empfänglichkeit  scheint  dann  in  Freiberg  erst  abgestorben  zu  sein;  bald  aber  wirkt 
Werners  originelle  Persönlichkeit  auf  ihn  ein,  und  die  „Schule  zu  Freiberg  ist  zur 
Schule  des  Tempels  von  Sais  geworden"  fHaym).  In  ausführlichen  Auszügen  führt 
B.  die  „Lehrlinge  zu  Sais"  vor.  In  Novalis  Fragmenten  ist,  wie  in  den  Lehrlingen 
zu  Sais  die  Freiheit  des  Ich  das  A  und  0.  Bei  der  Betrachtung  der  inneren  Sinne 
geht  der  Charakter  des  Ich  ins  Mystische  über.  Verstand  und  Phantasie  werden  nicht 
mehr  getrennt.  Die  grenzenlose  Freiheit  des  Ich  wird  zur  Freiheit  des  gestaltenden 
Dichters.  Unserem  Magus  wird  auch  die  Politik  zur  Dichtung.  Die  staatswissen- 
schaftlichen Anschauungen,  die  er  in  den  „Jahrbüchern  der  preussischen  Alonarchie" 
entwickelt,  sind  wieder  von  denselben  Ideen  beherrscht  wie  seine  ganze  Philosophie: 
Persönlichkeit,  Wille,  Poesie,  Freiheit.  Der  Monarch,  der  seine  Nation  in  seinem 
Sinne  bildet,  bethätigt  künstlerisch  seinen  freien  Willen  freien,  künstlerisch  thätigen 
Individuen  gegenüber.  Aber  nicht  in  Preussen,  für  dessen  Königspaar  jene  poli- 
tischen Gedanken  bestimmt  waren,  fanden  seine  Ideale  einen  näheren  Anhalt.  Julie 
Charpentier  gewinnt  ihn  dem  Leben  und  bürgerlicher  Thätigkeit  zurück.  Tieck 
aber  führte  ihn  der  Poesie  zu.  B.  sucht  das  Rätsel  zu  lösen,  wie  Novalis  zu  dem 
Anempfinder  Tieck  sich  so  mächtig  hingezogen  fühlen  konnte.  Tiecks  Kunstandacht 
und  seine  Wunderwelt  berührt  sich  mit  Novalis  magischem  Idealismus.  Das  Religiöse 
findet  bei  Tieck  Anklang.  Gerade  auf  religiösem  Gebiete  vollzieht  sich  die  Vereinigung. 
Schleiermachers  Reden  über  die  Religion  entscheiden.  Tieck,  Novalis  und  Schleier- 
machers Reden  erscheinen  als  unzertrennlich  verbunden;  diesem  Bunde  entkeimt 
Novalis  Aufsatz  „Die  Christenheit  oder  Europa".  Wackenroders  unhistorisch  er- 
sonnene  „andächtige"  Renaissancekunst  ist  in  das  Bild  des  mittelalterlichen  Katholi- 
zismus hinein  gewoben.  Der  Zinzendorfianer  Novalis  tritt  mit  seiner  „Herzensreligion" 
„dem  Philologenchristen"  Luther  entgegen.  Aber  die  historische  Darstellung  ist 
falsch  gefärbt,  weil  sie  immerfort  mit   in    die   Zukunft   hinüberspäht!     Wie   Novalis 


2   Bildn.    n.    3   Face.     M.   2,00.     |[A.    Saleck:    BLTJ.    S.  824,5.](    —    47)    J.    Bing,    NoTalis    (F.    t.    Hardenberg),    E.    biogr. 


IV  10  :  48-50  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

und  Tieck  in  der  von  Schleiermacher  ang-ereg-ten  Religionsfrage  Hand  in  Hand  vor- 
gehen, so  wollten  sie  auch  zusammen  geistliche  Lieder  und  Predigten  herausgeben. 
Nur  Novalis  hält  Wort.  In  der  Gemeinde  wollte  er  Inspiration  erwecken,  den  allen 
gemeinsamen  Zug  nach  dem  Ueberirdischen  anregen.  Das  einzige  Mal,  dass  Novalis 
auf  sein  Publikum  Rücksicht  nimmt.  Zinzendorfs  „Connexion  mit  dem  irdischen 
Christus"  leuchtet  überall  hindurch.  Wenn  auch  ein  individueller  Zug  vorherrscht, 
so  weiss  Novalis  seine  Mystik  noch  so  zweifelhaft  vorzutragen,  dass  die  Gemeinde 
mit  ihm  solidarisch  wird.  Nur  der  ganz  Zinzendorfisch  die  Analogie  des  Abend- 
mahls mit  der  Ehe  durchführende  Abendmahlshymnus  fällt  aus  dem  Rahmen  der 
geistlichen  Gedichte  hinaus.  Diesmal  findet  der  Mystagog  dithyrambischen  Schwung. 
Auch  das  Marienlied  (N.  14)  sondert  B.  von  den  geistlichen  Liedern.  Die  „Hymnen 
an  die  Nacht"  reiht  B.  unmittelbar  an  die  geistlichen  Gedichte,  und  zwar  durch  die 
Datierung:  um  die  Jahreswende  1799 — 1800.  In  ausführlicher  Analyse  begründet  er 
dieses  Datum  und  verwahrt  sich  dagegen,  dass  die  Hymnen  5  und  8  erst  in  dieser 
Zeit,  nachdem  alles  Uebrige  längst  fertig  war,  eingefügt  worden  seien  und  einen 
„Kompositionsbruch"  bedeuten.  Zeitlich  und  inhaltlich  rücken  die  Hymnen  in  un- 
mittelbare Nähe  des  Ofterdingen-Märchens.  Zum  Ofterdingen  selbst  übergehend  be- 
tont B.,  dass  auch  dieses  Fragment  Novalis  eigentümliche  Weltanschauung  durch- 
führt: ,,Das  Individuum  reicht  über  die  Zeit  hinweg,  wird  erst  in  der  Ewigkeit  voll- 
endet". Das  künstlerische  Problem  lautet,  eine  Entwicklung  zu  zeichnen,  deren  Ziel 
die  Unendlichkeit  ist.  Wenn  in  mystischer  Verbindung  mehrere  Personen  zuletzt  als 
eine  einzige  sich  offenbaren,  so  interpretiert  B.  im  Gegensatze  zu  anderen  Kom- 
mentatoren: „Sie  sind  nicht  dieselbe  Person,  aber  sie  werden  es  in  der  vollendeten 
poetischen  Welt."  B.  beutet  Schubarts  Deutung  der  „blauen  Blume"  aus  und  weist 
in  der  Blume  von  Tiecks  „Traum",  dem  Schlussgedichte  der  „Phantasien",  ein  Vor- 
bild der  „blauen  Blume"  nach.  Gegen  Hayms  abfälliges  Urteil  über  Klingsohrs 
Märchen  gewendet,  lehnt  B.  eine  Vergleichung-  mit  dem  Märchen  der  „Lehrlinge  von 
Sais"  ab.  Klingsohrs  Märchen  sei  nicht  nur  eine  eingeschaltete  bedeutsame  Geschichte; 
es  bedeute  eine  Welt,  die  W'elt  der  Ewigkeit,  deren  Schleier  sich  hebt.  Darum  die 
Menge  der  Personen  und  ihre  bald  geheimnisvolle,  bald  grell  heraustretende  Bedeut- 
samkeit. Goethes  „Märchen"  ist  Vorbild;  bei  Goethe  indessen  ist  das  mystische  Schweben 
zwischen  Person  und  Nichtperson,  wie  im  Haidenröslein,  im  Erlkönig,  die  poetisch- 
wirksame  Kraft.  Bei  Novalis  ist  die  bestimmte  Auffassung  der  Persönlichkeit  in 
jedem  Existierenden  das  dichterische  Grundvermögen.-  Das  Märchen  selbst  kündet 
das  Programm  des  2.  Teils.  Auch  in  Heinrich  ist  das  Reich  der  Ewigkeit  begründet. 
Die  Poesie  ist  ihm  weltgestaltende  Macht  geworden  ;  in  der  Liebe  lernt  er  die  Ewig*- 
keit  kennen.  Den  Prolog  „Astralis"  im  einzelnen  erläuternd  (vgl.  auch  S.  173/4), 
stellt  B.  dann  noch  den  Gedankengehalt  des  Bruchstückes  fest:  es  ist  der  Kern  der 
Philosophie  von  Novalis,  dass  im  reinen  Streben  des  Willens  alle  ethische  W^ürde 
liege;  dass  dieses  Streben  mit  der  Vervollkommnung  verbunden  ist.  B.  ist  erfreut, 
dass  Tiecks  Anempfinderei  sich  nicht  an  die  Vollendung  der  grossartigen  Konzeption 
gewagt  hat.  Zusammenfassend  schildert  schliesslich  B.  noch  die  Persönlichkeit 
Hardenbergs.  Auf  der  Höhe  optimistischer  Lebensbetrachtung  stehend,  machte  er 
seinen  magischen  Idealismus  zur  absoluten  Souveränitätserklärung  des  Menschen- 
geistes. Aus  den  Zeugnissen  der  Mitlebenden  entnimmt  B.  die  Kunde  von  dem 
eigentümlichen  Eindruck,  den  Hardenbergs  geschlossener  Charakter  auf  die  Menschen 
machte.  Seine  Nachwirkung  war  gering.  E.  T.  A.  Hoffmann  benutzt  seine  Motive; 
aber  der  Rationalismus  Hoffmanns  war  Novalis  fremd.^^)  — 

Dass  Schellings  „reifstes  und  grossartigstes  Lebenswerk",  „die  Philosophie 
der  Offenbarung  und  der  Mythologie"  seine  Zeit  noch  nicht  gefunden  habe,  wird  von 
Schaper'*^)  beklagt.  Die  Ursache  solcher  geringen  Beachtung  erblickt  Seh.  in  dem 
Materialismus  der  Zeit,  in  der  Schellings  Buch  hervortrat.  Fälschlich  habe  man 
Schelling  reaktionärer  Tendenzen  beschuldig-t;  der  Mann,  der  das  schöne  Wort  ge- 
sprochen „Das  Heil  der  Deutschen  ist  in  der  Wissenschaft",  dürfe  nicht  als  Reaktionär 
gelten.  Um  Schelling  zu  besserem  Rechte  gelangen  zu  lassen,  analysiert  Seh.  seine 
Philosophie  der  Mythologie,  während  er  die  Philosophie  der  Offenbarung  späterer 
Erörterung  vorbehält.  Er  erblickt  in  jener  nicht  eine  längst  abgethane,  eine  ge- 
schichtlich interessante  Erscheinung;  Seh.  ist  vielmehr  überzeugt,  dass  diese  Philosophie 
in  ihrer  letzten  Gestalt  ein  Ferment  moderner  Bildung  werden  müsse.  Sie  allein  könne 
zwischen  dem  Christentum  und  dem  herrschenden  pantheistischen  Materialismus  ver- 
mitteln. Sch.s  sorgfältige  Analyse  zeigt  die  Punkte  auf,  in  denen  Schelling  sich  mit 
der  neueren  Philosophie,  insbesondere  mit  Schopenhauer  und  Hartmann  berührt,  imd 
sucht  auch  auf  diesem  Wege  Schelling  der  modernen  Welt  nahezubringen.  —  Eine 
liebenswürdige  Rolle    spielt   Schelling  in    Bernhardis^'*)   Denkwürdig'keiten ;    dem 

ChaTBkteristilc     Hamtnrg  n.  L.,  L.  Voss.    VI.  176  S.    M.  4,00.  |[Geg.  44,  S.  431.]|  —  48)  O  W.  Bey  schlag,  Novalis  u.  seine 
goigtl,  Lieber,     ReTttoratsrede :  DEBll.  18,  S.  505-28.—  49)  (IV  5:138.)    -  50)  (S.o.  N   23,  S.  47/8.)    -    51)  0.  Liebmann, 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  •.  sim 

Knaben  fabuliert  er  nach  Münchhausen  und  Schelmuffski  mehr  oder  minder  frei 
Erfundenes  vor.  — 

Einen  kurzen  Ueberblick  über  Heinrich  Steffens  Leben  schrieb  Lieb- 
mann^i).  Er  bietet  nicht  viel  mehr  als  etwa  der  Artikel  des  Brümmerschen  Dichter- 
lexikons, verschweigt  sog-ar  einzelne  Erlebnisse,  so  Steffens  religiöse  Wandlungen. 
Ausführlicher  sind  nur  die  Wege  geschildert,  die  ihn  von  Kant  und  Jacobi  zu 
Schelling  führten,  dann  Steffens  Anteil  an  den  Freiheitskriegen,  endlich  Wesen  und 
Wirkung  seiner  „Anthropologie"  von  1822.  — 

Der  arme  Hölderlin  soll  noch  immer  nicht  zur  Ruhe  kommen;  die  fünf- 
zigste Wiederkehr  seines  Todestages  hat  eine  Reihe  wertloser  Nekrologe  gezeitigt, 
die  mit  Längst  überwundenen  Anschauungen  arbeiten  und  zur  Erhellung  der  Gestalt 
des  Dichters  nichts  beitragen.  Haustein^-)  bringt  lebendigere  Farben  in  die  öde 
Eintönigkeit  dieser  Eintagslitteratur,  Farben,  die  zum  überwiegenden  Teil  auf 
Wilbrandts  Rechnung  zu  setzen  sind.  Wilbrandts  Fehler  machen  sich  darum  auch 
in  seiner  Studie  geltend.^^"^')  —  Aus  dem  auf  der  Kgl.  öffentlichen  Bibliothek  zu 
Stuttgart  verwahrten  Nachlasse  Schwabs  teilt  Müller-Rastatt^*^)  fünf  Jugendgedichte 
Hölderlins  mit;  das  erste,  scherzhafte,  ist  an  Louise  Nast  gerichtet  und  feiert  Schwabens 
„Mägdelein";  zwei  Oden  in  horazischen  Strophen  sind  melancholischen  Betrachtungen 
gewidmet  und  entstammen  der  Studienzeit.  In  Strophen,  die  an  Schillers  Gedanken- 
Ijrik  gemahnen,  feiert  er  seine  zweite  Flamme  Elise  Lebret.  Das  Gedicht  ist  nach 
seinem  Abschied  von  Tübingen  entstanden  und  widerlegt  Litzmanns  Annahme,  dass 
die  Liebe  zu  Elise  noch  in  Tübingen  erkaltet  sei.  Den  freudigen  Stimmungen  des 
nach  beendeten  Studien  frei  in  die  Welt  ziehenden  H.  entspricht  das  gleichfalls  an 
Schiller  erinnernde  Gedicht  an  Herkules.  —  Winterfeld^'-')  vergleicht  Hyperion  und 
Werther,  findet,  dass  im  Gegensatz  zu  Goethe  bei  H.  die  Anschauung  und  plastische 
Schilderung"  der  Natur  gegen  das  Uebermass  der  Empfindung  zurücktrete  und 
sammelt  endlich  Briefstellen  über  die  persönlichen  Beziehungen  Hölderlins  mit  Goethe 
und  Schiller.  — 

Auch  die  Heidelberger  Romantik  fand  im  Berichtsjahre  wenig  Be- 
achtung. Die  Auswahl  Arnimscher  Schriften  von  Dohmke^")  beschränkt  sich  auf 
einen  Abdruck  der  „Kronenwächter",  des  tollen  Invaliden  und  des  Fürst  Ganzgott. 
Die  Lesarten  haben  wenig  zu  sagen.  Die  Einleitung  zeichnet  einen  streng  prote- 
stantischen, ganz  unromantischen  Arnim.  H.  Grimm  steuerte  einen  ungedruckten 
Brief  Arnims  an  Bettina  vom  26.  Mai  1808  bei,  dessen  Facsimile  der  Ausgabe  voran- 
gestellt ist,  ebenso  wie  eine  vi  erzeilige  Strophe  aus  der  Sammlung  Künzels.  Das 
,, herrliche  Jugendbild"  Arnims,  das  in  England  von  E.  H.  Strehling  gemalt  wurde 
und  in  einer  Radierung  Krauskopfs  der  Ausgabe  zur  Zierde  gereichen  soll,  fehlt  in 
dem  von  mir  benutzten  Exemplar.^*)  —  Ueber  die  Stoffg-eschichte  von  Cardenio  und 
Gelinde  sprach  Herrmann^^^  Er  wies  auf  den  Zwiespalt  von  Realistik  und  Phan- 
tastik  in  Arnims  „Halle  und  Jerusalem"  hin  und  stellte  den  Goetheschen  Ton  des 
Stückes  der  Shakespearisierenden  Behandlung  gegenüber,  die  Immermann  dem  Stoff 
angedeihen  Hess.  — 

Auch  von  Dichtungen  Brentanos  lieferte  D o h m k e ^3)  eine  iiberknappe  Aus- 
wahl. Die  Einleitung  stellt  Novalis  und  Brentano  geg^enüber:  die  schöne  Gleich- 
mässigkeit  der  Stimmungen  des  in  strenger  Zucht  erwachsenen  Novalis  und  die  aller 
Selbstbeherrschung  bare  Haltlosigkeit  Brentanos,  die  fromme,  echt  religiöse  Natur  dort 
und  die  katholische  Mystik  hier.  Preisend  weist  D.  auf  Brentanos  Kindersinn.  Unter 
den  Dichtungen,  die  recht  äusserlich  an  einander  gereiht  sind,  fällt  das  meiste  Licht 
auf  die  Rosenkranzromanzen.  Abgedruckt  sind  neun  Gedichte,  die  Chronika  des 
fahrenden  Schülers,  Kasperl  und  Annerl,  Gockel  und  Hinkel  (ursprüngliche  Gestalt), 
die  Märchen  vom  Murmeltier  und  vom  Schulmeister  Klopfstock.  Beachtenswert  sind 
die  Lesarten.  Beigegeben  ist  ein  Facsimile  (Original  auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin). 
Die  Radierung  Krauskopfs  von  Brentanos  Büste,  die  in  der  Einleitung  erwähnt  ist, 
fehlt  in  dem  von  mir  benutzten  Exemplar.  Sophie  Brentanos  Sonett  auf  die  gedachte 
Büste  ist  (S.  7)  wiedergegeben.  —  Steig^^)  teilt  ein  Gedicht  Brentanos  mit,    das  er 


H  Steffens:  ABB.  35,  S.  555/8.  —  52)  A.  v.  Hanstein,  F.  Hölderlin.  E  öedenkbl.  z.  7.  Juni:  FeuilletZg.  N.  465.  (S.  auch 
Didask.  N.  131.)  —  53)  X  ö,  W  estenberger,  F.  Hölderlin.  E.  Gedenkbl.  z.  50.  Todestage  d.  Dichters:  LZgB.  N.  67. 
(Citate  ans  Litzmanns  Bach  [ygl.  JBL.  1890  IV  13:30].)  —  54)  X  F-  Olper,  D.  Manen  F.Hölderlins.  (Z.  7.  Juni):  MSnohNN. 
N.  256.  (S.  auch:  FränkKur.  N.  2.59.  Ganz  wertlos;  hantiert  mit  veralteten  Anschauungen.)  —  55)  X  A  Winterfeld,  F. 
Hölderlin  in  Frankfurt.  E.  Gedenkbl.  zu  d.  Dichters  50.  Todest. :  FZg.  N.  156.  (Aneinanderreihung  allbekannter  Notizen  über 
Hölderlins  Beziehungen  zu  Susette  Gontard.)  —  56)  X  (M  3:17;  IV  1  a :  27,  S.  315-23.)  (Abdruck  des  JBL.  1892  IV  10 :  33  be- 
sprochenen Aufsatzes.)  -  57)  X  A.  Kost  er,  B.  Litzmann,  Hölderlin:  HZ.  68,  S.  339-40.  (Vgl.  JBL.  1890  IV  13:30;  1891 
IV  11:38,9,  41,9;  1892  IV  10:37.)  -  58)  K.  MQller-Rastatt,  Aus  d  Nachl.  v.  F.  Hölderlin:  BLU.  S.  417-21.  —  59) 
(IV  8b:  11.)  —  60)  L  A.  Arnim,  Werke.  Her.  v.  J.  Dohmke.  Krit.  durchges.  u.  erläut.  Ausg.  L.,  Bibliogr.  Inst.  VI,  18, 
375  S.  mit  Bildn.  u.  2  Facs.  M.  2,00.  —  61)  X  id.,  Unbekannte  Aufsätze  u.  Gedichte  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:39).  ||R.  Jeep: 
DLZ.  S.  43,5;  F.  Poppenberg:  ML.  62,  S.  31;  A.  Chuquet:  RCr.  35,  S.  134.]|  —  62)  (III  4:  15.)  —  63)  Ol.  Brentano, 
Werke.  Her.  v.  J.  Dohmke.  Krit.  durchges.  u.  erl&ut.  Ausg.  L.,  Bibliogr.  Inst.  VI,  24,  331  S.  mit  Bildn.  n.  1  Facs. 
M  2,00.    —   64)  R.  Steig,    E.  Jugendgedicht  v.  Ol.  Brentano:  VL6.  6,    S.  159-60.    —   65'    id.,    Brentano  u.  Sophie  Mere.in, 


.   IV  10  :  65-71  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

in  seinem    17.  Lebensjahre  an  Büschler  richtete.     Das    „eigentümlich  Beg-länzte"    der 
Poesie  Brentanos  breche,  meint  St.,  auch  hier  schon  durch.  — 

Eine  aus  bisher  unbekannten  Dokumenten  g-eschöpfte,  genaue,  insbesondere 
das  Chronologische  richtigstellende  Erörterung  der  Beziehungen  von  Brentano  und 
Sophie  Mereau  gab  ebenfalls  Steig  ®^).  —  Erich  Schmidt^ß)  teilte  einen  Brief 
Sophie  Mereau-Brentanos  an  Henriette  von  Arnstein  vom  8.  Aug.  1799  mit,  der 
die  Grössen  Weimars  schildert  und  insbesondere  Schillers  in  origineller  Auffassung 
gedenkt.  — 

Das  „Kind"  Bettina  stürmt  mit  etwas  gezwungener  Naivetät  auch  durch 
Bernhar dis^"*)  Denkwürdigkeiten.  — 

Der  norddeutschen  jüngeren  Romantik  widmeten  im  Be- 
richtsjahre mehrere  Forscher  förderliche  Untersuchungen.  Die  Mystik  in  Zacharias 
Werners  „Söhnen  des  Thals"  untersuchte  P  oppenberg^^);  er  wollte,  angeleitet 
durch  Krafft-Ebings  Psychopathia  sexualis  Z.  Werners  aus  religiöser  Mystik  und 
sinnlicher  Perversität  gemischtes  Naturell  ergründen.  P.  erörtert  die  Verhältnisse, 
aus  denen  das  katholisierende  Kunstevangelium  der  Romantik  erwachsen  ist.  Auf 
diesem  Hintergrunde  baut  er  Werners  Gestalt  auf.  Mnioch,  der  ihn  zum  Maurertum 
hinleitet,  Rousseau  und  der  seltsame  Christian  Mayr  sind  die  Führer  seiner  Jugend. 
Durch  sie  kommt  Werner  zu  dem  Resultate,  dass  „Kunst,  Liebe,  Tod  jedes  in  seiner 
Art  Mittler,  beinahe  Synonyma  seien,  die  uns  ins  Universum,  aus  dem  wir  genommen, 
für  das  wir  da  sind,  wieder  mit  mütterlichen  Händen  versenken".  Auf  diese  Welt- 
anschauung begründet  P.  die  „Söhne  des  Thals".  In  der  Bearbeitung  von  1807  zeigt 
P.  Einfluss  gnostischer  W'eisheit  auf,  die  dann  auch  als  ideelle  Grundlage  des  zweiten 
Teils  festgehalten  wird.  Von  den  Thalssöhnen  aus  dann  weitere  Umschau  haltend, 
erhärtet  P.,  dass  Werners  wollüstiges  Schwelgen  in  Blut  und  Wunden  eine  der 
Romantik  überhaupt  geläufige  Anschauungsweise  sei.  Novalis,  Tieck,  F.  Schlegel, 
Kleist  in  seiner  „Penthesilea",  Brentano  im  „Godwi"  haben  auf  den  Spuren  Spees, 
Schefflers,  Baldes  mit  Werner  denselben  Weg  beschritten.  Adam  Müller  und  W^  Schlegel, 
endlich  Goethes  pater  ecstaticus  werden  herangezogen.  Das  Schlusskapitel  der  Mono- 
graphie erläutert  die  Form  des  Dramas.  Tiecks  und  Schillers  Einfluss  wird  beobachtet.  — 
In  raschem  Ueberblicke  verfolgt  auch  eine  kleinere  Studie  Poppenbergs®'')  durch 
Werners  ganzes  Leben  jene  Vereinigung  glühender  Sinnlichkeit  und  glühender 
Religiosität  und  zeigt  in  anderen  Dramen  Werners  die  jenen  Programmpunkten  der 
Thalssöhne  verwandten  Züge  auf.  Eine  Anmerkung,  die  0.-Neumann-Hofer  dem  Aufsatze 
anfügte,  und  die  Werner  in  abfälliger  Weise  mit  der  neuesten  französischen  Dichtung 
in  Beziehung  setzt,  wurde  Anlass,  dass  man  von  französischer  Seite  P.  mit  Lombroso 
und  Nordau  identifizierte  und  ihn  neben  jene  Gegner  moderner  Romantik  stellte. 
P.s  Studie  wurde  bei  dieser  Gelegenheit  ins  Französische  übertragen. 'O)  — 

Seine  Auswahl  Fouquescher  Schriften  eröffnet  Koch''')  mit  einer  Biographie 
des  Dichters;  sie  ist  die  erste  von  wissenschaftlicher  Seite  unternommene  Darstellung 
vom  Leben  und  Wirken  Fouques.  Das  erste  Kapitel  wirft  einen  Blick  auf  Familien- 
geschichte und  Kindheitseindrücke,  zeigt  insbesondere,  wie  Fouques  Jugend  in  seinen 
Dichtungen  weiterlebt.  Der  Rheinfeldzug  1794  leitet  zu  Fouques  erster  Heirat,  der 
sich  die  Geschichte  der  zweiten  Ehe  anschliesst.  K.  weist  nach,  dass  Fouques  Roman 
,, Abfall  und  Busse"  die  Abwege  ausmale,  auf  die  ihn  die  Annahme  eines  Antrages, 
in  französische  Dienste  zu  treten,  hätte  führen  können.  Der  erste  Besuch  in  Weimar 
bei  Goethe  und  bei  Schiller  lässt  K.  erwähnen,  wie  Fouque  trotz  romantischer  Partei- 
rücksichten 1806  einen  Prolog  zur  Schillerfeier,  dann  in  pietätvollem  Wetteifer  einen 
„Don  Carlos"  dichtet.  Der  Schützling  W^.  Schlegels  spricht  mit  H.  von  Kleist  nur  über 
Kriegskunst,  weil  Kleist  der  Wlelandschen,  er  selbst  der  Schlegelschen  Schule  an- 
gehört. Pellegrins  „Dramatische  Spiele"  nennt  K.  mit  Fouque  selbst  „redliches 
Sehülerwerk".  Im  Roman  „Alwin"  weist  er  Züge  des  Ofterdingen  und  W.  Lovell  nach; 
auch  Heinse  wird  genannt,  dem  Autobiographischen  besondere  Beachtung  geschenkt. 
In  Zusammenhang  handelt  K.  die  aus  der  Karlssage  geschöpften  Dichtungen  ab  und 
weist  ihre  Quellen  nach  (Stricker  und  Benedikte  Nauberts  „Eginhard  und  Emma"). 
Neben  den  grossen  Dichtungen  geht  das  lyrisch- epische  Schaffen  ununterbrochen 
weiter.  Die  Freunde,  Chamisso,  dann  der  später  von  Fouque  mit  einer  Biographie 
bedachte  Rüchel  führen  wieder  ins  Kriegerleben  zurück.  E'ouque  fordert  schon  1808 
allgemeine  Wehrpflicht.  Indessen  vermehrt  sich  der  Freundeskreis  und  auf  ihn  ge- 
stützt, möchte  Fouque  die  Einsiedlerzeitung  neu  ins  Leben  rufen;  er  begründet  die 
„Musen",  arbeitet  an  den  Zeitschriften  Fr.  Schlegels  und  Schellings  mit,  giebt  die 
„Jahreszeiten"  und  das  „Taschenbuch  der  Sagen  und  Legenden"  heraus.     K.  wendet 


Yortr.  in  GDL  (Nov.):  VossZg.  N.  548.  —  66)  (IV  8b  :  15;  S.  5/7.)  -  67)  (S  o.  N.  23,  S.  37/8.)  —  68)  F.  Poppenberg,  Zach. 
Werner.  Mystik  n.  Romantik  in  d.  „Söhnen  d.  Thals".  i=  Berl.  Beitrr.  z.  german.  u  roraan  Philol.  Veröffentl.  v.  E.  Ehering. 
Germ.  Aht.  N.2.)  B.,  C.  Vogt.  1894.  79  S.  M.  1,30.  (Seite  1-43  anch  als  Berl.  Disa.)  -69)  id.,  E.  erot.  Mystiker :  ML.  62,  S.  444/8. 
—  70)  T,  W.,  ün  Verlaine  alleraand;   BPL.  2,  S.  126,7.    —    71)  Fr.  Baron  de  la  Motte  Fouque  u.  Joseph  Frhr.  t.  Eiohendorff 


O.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  -.  71-72 

sich  gegen  Fr.  Schlegels  „hochfahrende  Unduldsamkeit",  der  Fouqae  das  Recht  be- 
stritt, Leg-enden  zu  dichten.  Litterarhistorische  Bemerkungen  über  das  Trauerspiel 
„Numancia"  von  Cervantes  und  Fouques  Uebersetzung*  beschUessen  das  erste  Kapitel. 
Das  zweite  beginnt  mit  A.  W.  Schlegels  Brief  an  Fouque  vom  J.  1806.  Fouques  Ant- 
wort war  seine  Nibelung-entrilogie  und  die  vaterländischen  Schauspiele.  K.  baut  die 
Nibelungenstiicke  auf  breitem  Grunde  auf,  weist  ihren  Zusammenhang  mit  dem 
Ritter drama  nach,  verfolgt  die  allmähliche  Hinneigung  der  deutschen  Litteratur  zur 
nordischen  Sage  und  rechtfertigt  Fouques  Verwechslung  nordischer  und  deutscher 
Sage  durch  den  Hinweis,  dass  auch  die  junge  Germanistik  nicht  schärfer  sah.  In 
Anmerkungsform  (S.  XXXII)  ergänzt  K.  Pipers  Zusammenstellung  neuerer  dichterischer 
Bearbeitung  des  Nibelungenstoffes  (DNL.  6,  2,  S.  184).  Wenn  Fouque  auch  „Sigurds 
Geschlecht",  d.  h.  seine  Tochter  Aslauga  in  den  Rahmen  der  Dichtung  aufnimmt,  so 
erinnert  K.  an  W.  Jordans  verwandtes  Verfahren.  Bei  den  Baidur-  und  Helgidramen 
gedenkt  er  Dahns.  Zu  den  vaterländischen  Dramen  märkischen  Stoffes  wird  Fouque 
von  Veit  Weber  geleitet.  In  „Waldemar"  trifft  seine  Stoffwahl  mit  Arnim,  in  den 
„Rittern  und  den  Bauern"  mit  Zach.  Werner  zusammen,  die  „Familie  Hallersee"  führt 
in  einer  Nebenrolle  den  geschichtlichen  Prinzen  von  Homburg  ein;  der  „Pappen- 
heimer Kürassier"  wetteifert  mit  „Wallensteins  Lager",  das  Thema  des  „Demetrius" 
kommt  im  „Jarl  der  Orkneyinseln"  zur  Behandlung.  An  Wallensteins  Charakter 
erinnert  „Hieronymus  von  Stauf ,  und  auf  der  von  Törring  eröffneten  Bahn  bayerischer 
Geschichtsdramen  bewegt  sich  „Tassilo".  Das  Motiv  des  Bruderzwistes,  schon  in 
der  „Familie  Hallersee"  und  in  „Alf  und  Yngwi"  angeschlagen,  gelangt  zu  breiter 
Darstellung  in  der  „Pilgerfahrt"  und  in  den  „Zwei  Brüdern".  Der  Heiligenlegende 
gehört  die  „Liebesrache"  an.  Vorgänger  und  Nachfolger  werden  zur  Vergleichung 
herangQzogen  bei  dem  „Sängerkrieg  auf  der  Wartburg"  (Novalis,  Wagner),  bei 
„Albion"  (Hans  Sachs,  Chr.  F.  Weisse),  beim  „Hermann"  (Klopstock,  Grabbe).  Den 
fragmentarischen  „Altsächsischen  Bildersaal"  hält  K.  mit  ähnlichen  Bemühungen, 
mit  unausgeführten  Plänen  Raupachs  und  Rückerts,  endlich  mit  Freytags  „Ahnen" 
zusammen.  Die  in  dem  genannten  „Bildersaal"  enthaltene  „Welleda"  spielt  vor 
Fouque  bei  Benedikt  Naubert,  nach  ihm  bei  Dahn  eine  Rolle.  Das  dritte  Kapitel 
zeichnet  den  Freiheitskrieger  B'ouque  von  1813  und  führt  die  auf  Krieg  und  Politik 
sich  beziehenden  Dichtungen  Fouques  auf.  In  der  „Sängerliebe"  ist  der  freiwillige  Jäger 
Fouque  und  seine  romantisch  angeschwärmte  Herrin  Prinzess  Wilhelm  ins  Proven- 
zalische  .  übersetzt.  An  die  Befreiungskrieg'e  knüpfen  auch  Fouques  Erörterungen 
über  den  Adel,  die  sich  schliesslich  zu  einer  unbehaglich  lächerlichen  Verehrung  des 
adligen  Offizierstandes  steigern.  Er  stimmt  der  „Restauration  der  Staatswissenschaft" 
von  C.  L.  von  Haller  zu  und  trennt  sich  von  den  „besten  Bestrebungen"  des  deutschen 
Volkes.  Zurückschreitend  beleuchtet  K.  den  Höhepunkt  der  Dichtung  Fouques, 
„ündine",  und  die  ihr  zunächst  stehenden  Elfennovellen,  dann  den  „Zauberring" 
und  seine  Fortsetzungen.  Beim  „Zauberring"  erörtert  er  das  Problem,  wie  Fouque 
neben  der  romantischen  W^iederbelebung  des  Don  Quixote  von  neuem  zum  Genre 
des  Amadisromanes  greifen  konnte,  und  erkennt  dem  Genre  Fouques  die  „höheren 
dichterischen  und  ethischen  Gesichtspunkte"  zu.  Fouque  holt  sich  das  Kostüm  aus 
Veit  Weber,  die  Idee  von  der  Einheit  der  ritterlichen  Christenheit  aus  Novalis.  Neben 
der  Fortsetzung  des  „Zauberrings",  neben  „Sintram  und  seinen  Gefährten"  stellt  K. 
das  motivverwandte  „Galgenmännlein",  das  er  mit  Recht  ebenso  hoch  schätzt,  wie 
er  die  „Fahrten  Thiodulfs"  tadelt.  K.  giebt  noch  einige  bibliographische  Notizen 
über  den  Herausgeber  Fouque  und  über  seine  lyrischen  Dichtungen,  gedenkt  des 
Heineschen  Urteils  über  Fouques  Lyrik,  sagt  ein  paar  Worte  über  die  letzten  Hallenser 
und  Berliner  Jahre,  über  Fouques  dritte  Gattin,  über  seine  Beziehungen  zu  Friedrich 
Wilhelm  IV.  und  schliesst  seine  Skizze  mit  einer  Bibliographie.  K.  stellt  in  einem 
zusammenfassenden  Verdikte  Fouques  Dichtung  durch  den  Vergleich  mit  Arnim, 
Wagner  und  Dahn  in  ein  allerungünstigstes  Licht.  In  der  Auswahl  werden  ab- 
gedruckt und  z.  T.  mit  reichen  Anmerkungen  versehen:  „Sigurd,  der  Schlangen- 
töter",  „Undine",  die  ersten  8  Kapitel  des  „Zauberrings",  endlich  ein  paar  glücklich 
gewählte  Gedichte,  insbesondere  Lieder  der  Freiheitskrieg'e.  —  Dohmke'^^)  druckt 
im  Anhange  seiner  Novalisausgabe  Fouques  „Undine"  nach  dem  Texte  der  „Aus- 
gewählten Werke"  ab,  setzt  die  Lesarten  der  2.  Ausgabe  von  1814  hinzu  und  schiebt 
eine  kurze  Einleitung  vor,  die  über  die  Undine  wenig,  über  Fouque  so  g'ut  wie  nichts 
mitteilt.  Eine  Nachbildung  von  Fr.  Fleischmanns  Stich  des  Henselschen  Fouque- 
Porträts,  dann  ein  Facsimile  dreier  Zeilen  aus  Fouques  Brief  an  Ludwig  Nolte  vom 
9.  Juni  1827  (sie  rühmen  die  Porträtähnlichkeit  des  Stiches  von  Fleischmann),  endlich 
das   Facsimile    einer  Seite  aus  einem  in  W.  Künzels  Besitze  befindlichen  Tagebuche 


her.   V.   M.   Koch.     (=   DNL.   N.  146,   Bd.  1/2.)     St.,   Union.     CXXVI.   270   S.;   344   S.     M.   5,00.  —  72)   (S.o.  N.  46.)  — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    IV.  (4)31 


IV  10:73-79  O.  F.  Walzel,  Romantik. 

Fouques  zieren  den  Neudruck.  —  Krejci''^)  leitet  Fouques  Kenntnis  nordischer 
Stoffe  und  sein  Interesse  für  nordische  Dichtung-  von  Gerstenberg-,  Klopstock,  Kretsch- 
mann  und  Denis  ab  und  zeigt,  wie  hauptsächlich  durch  die  Vermittlung-  Gräters  die 
Romantik  an  jene  Vorarbeiten  des  18  Jh.  anknüpft.  Fouque  hat  seine  Vorlagen  in 
wörtlicher  Anlehnung-  ausgenützt;  seine  Dichtungen  sind  reine  Sage;  von  leitender 
Grundidee  zeigt  sich  keine  Spur.  Die  Quellen  sind:  a)  „Held  des  Nordens"  Teil  1: 
Entwurf  aus  der  Snorra  Edda;  poetische  Edda,  Völsungasaga  und  Nornageststhättr 
dienen  zu  ausführlicherer  Ausmalung.  Teil  2:  Nur  Saemundar  Edda  (Belege  wört- 
licher Uebereinstimmung).  Teil  3:  Letzte  Kapitel  der  Völsungasaga  und  Ragnar  Saga, 
b)  AlfundYngwi:  Das  wesentliche  aus  Heimskringla  Ynglingasaga  24.  Viel  hinzu- 
erfunden, c)  Baidur  der  Gute :  Nicht  nur  Gylfaginning  c.  49,  sondern  auch  Saxo.  Das 
Historische  Saxos  ist  mit  dem  Mythischen  der  Edda  verbunden.  Ganz  Eigentum  des 
Dichters  ist  die  Darstellung,  wie  die  Äsen  nach  Griechenland  kommen,  d)  Helgi. 
Teil  1:  Helgakvidha  Hjördvardhsonar.  Teil  2:  Helgakvidha  Hundingsbana  I.,  IL 
cf.  Völsungasaga  c.  15/7.  Teil  3:  Hrömundarsaga  Greipssonar.  Das  Julfest  bei  Bragis 
Becher,  der  in  Helgi  berührt  wird,  verwertet  Fouque  auch  in  dem  sonst  frei  er- 
fundenen „Sintram".  K.  hebt  noch  hervor,  dass  die  dramatischen  Dichtungen  Fouques 
nicht  für  die  Bühne  bestimmt  waren.  Deshalb  tritt  auch  das  mythische  Element 
stärker  hervor,  durch  das  schwächliche  Ansätze,  Situation  und  handelnde  Personen 
zu  dramatisieren,  sofort  zurückgedrängt  werden.  —  Müller-Rastatt^*}  nennt  Fouque 
den  typischen  Vertreter  der  Romantik.  Er  bezweifelt,  ob  seine  ,,Undine"  im  Zeit- 
alter des  elektrischen  Lichts  eine  Stätte  finden  könne.  Fouque  sei  ein  schlichter, 
gediegener  deutscher  Dichter  (?).  Mit  Heine  wird  Fouques  Lyrik  gelobt,  seine  frischen, 
gesunden  Kriegslieder,  die  Lieder  an  die  Königin  Louise,  die  geistlichen  Lieder.  M.-R. 
macht  aufmerksam,  dass  Scheffel,  „dieser  Meister  des  historischen  Romans",  trotz  jahre- 
langer Vorarbeiten  sich  nicht  an  den  von  Fouque  behandelten  Stoff  des  Wartburg- 
krieges, an  diese  „Riesenaufgabe",  gewagt  habe.''^"''^)  — 

In  seiner  Auswahl  von  Schriften  Chamissos  druckt  Walzel '''')  die  Gedichte 
nach  der  Ausgabe  letzter  Hand  samt  den  Zugaben  der  Edition  Palms,  dann  den 
Schlemihl  ab.  Die  älteren  Fassungen  wurden  verglichen,  zugleich  der  Versuch  eines 
Kommentars  gewagt,  der  eine  Reihe  von  Quellennachweisen  erbringen  konnte.  Die 
umfängliche  Einleitung  betont,  dass  in  dem  Sohne  der  Champagne  von  Anfang  an 
eine  Mischung  germanischen  und  gallischen  Wesens  liege,  die  ihn  den  Weg  zum 
Deutschtum  erleichtere.  Des  Faustversuches  und  des  ,-,grünen"  Almanachs  ausführ- 
lich gedenkend,  erforscht  W.  die  philosophischen  Grundlagen  und  die  formalen  Vor- 
bilder von  „Adelberts  Fabel",  sammelt  die  kargen  Notizen  über  den  Fortunatplan 
und  bespricht  den  Roman  „Die  Versuche  und  Hindernisse  Karls".  Rascher  über  die 
Zwischenzeit  hinstreifend,  verweilt  W.  des  längeren  beim  Schlemihl  und  scheidet 
zwischen  den  in  das  Märchen  hineinverwebten  autobiographischen  Zügen  Chamissos 
und  zwischen  der  schwer  fassbar  durchschimmernden  Idee,  die  von  W.  umschrieben 
wird:  „Wer  schnödem  Gewinne  zuliebe  ein  Gut  hingiebt,  das  er  selbst  gar  nicht 
schätzt,  auf  das  jedoch  die  Welt  einen  grossen  Wert  legt,  der  wird  ein  für  allemal 
der  öffentlichen  Meinung  als  verfehmt  gelten."  Dieselbe  Idee  sollte  in  einer  zweiten 
Erzählung  zum  Ausdrucke  kommen,  die  von  Chamisso  an  E.  T.  A.  Hoffmann  abgetreten  und 
von  diesem  in  seiner  Datura  fastuosa  behandelt  wurde.  W.  führt  eine  Reihe  von 
Nachahmungen  und  Nachbildungen  des  Schlemihl  an.  Die  Weltreise,  wie  überhaupt 
Chamissos  wissenschaftliche  Bemühungen  kommen  in  engem  Anschluss  an  Du  Bois- 
Reymond  zur  Darstellung.  Von  den  poetischen  Ergebnissen  der  Weltreise  blieb 
„Haimatochare"  wiederum  nur  ein  Plan,  dessen  Ausführung  gleichfalls  Hoffmann 
zufiel.  Das  Biographische  der  Höhezeit  Chamissos  wird  kurz  abgethan,  nur  bei  dem 
Streit  um  das  Heineporträt  gestattet  sich  W.  ein  paar  Worte  zu  Gunsten  Heines. 
Das  Schlusskapitel  bespricht  die  metrischen  Dichtungen  der  Blütezeit,  nennt  Chamisso 
im  Sinne  Heines  einen  modernen  Dichter  und  zeigt  auf,  um  wie  viel  er  über  die 
Romantik  hinausgeschritten,  um  wie  viel  er  hinter  ihr  zurückgeblieben  ist.  Die 
politische  Dichtung  wird  mit  der  Freiheitslyrik  der  Zeit  verglichen,  Beranger  und 
mit  ihm  Chamissos  Napoleonkultus  wird  erwähnt,  endlich  Chamissos  Vorliebe  für 
realistische  Themen  im  modernen  Sinne  gewürdigt,  nicht  ohne  die  Grenzen  seines 
Realismus  zu  ziehen.  Als  Vorbild  der  Terzinendichtung  erscheinen  nach  Form  und 
Inhalt  Schellings  „Letzte  Worte  des  Pfarrers  zu  Drottning".     Chamissos   Ethik  und 


73)  J.  Krejci,  Nord.  Stoffe  bei  Fouque:  VLG.  6,  S.  553-70.  -  74)  K.  Müller- Rastatt,  Fouque  als  Dichter  d.  Undine:  BLÜ. 
8.  49-51.  —  75)  X  Z--  Friedr.  Baron  de  la  Motte-Fouque.  E.  Qedenkbl.  zu  s.  50.  Todest.:  DAdelsbl.  S.  69-70.  —  76)  X  Ge- 
denkbl.  an  Friedr.  de  la  Motte-Fouque  anlässl.  seines  50 j.  Todest.:  VossZg.  N.  37.  -  77)  X  D-  Dichter  d.  Undine.  Gedenlcbl. 
zn  seinem  50j.  Todest.:  NorddAZg».  N.  4.  (Nachrichten  über  Fouques  2.  Gemahlin.  Un vollst.  Aufzählung  u.  oberflächl. 
Würdigung  seiner  Werke.)  —  78)  X  (IV  8b:  12;  Sara  v.  Grotthus  Briefe,  S.  46-60;  S.  59  will  sie  für  Frau  v.  Stael  gegen 
Frau  V.  Fouque  auftreten.)  —  79)  A.  v.  Chamisso,  Werke  her.  v.  0.  F.  Walzel.    (=  DNL.  N.  148.)    St.,  Union.    CXXII,552S. 


O.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  :  80-98 

Aesthetik  wird  in  g-leichem  Zusammenhang-e  berührt.^"'^")  —  Sehr  anspruchsvoll  über 
seine  Vorarbeiter  wegblickend  gab  Oswald ^^)  dem  englischen  Publikum  eine  Skizze 
von  Chamissos  Leben  und  Wirken.  Sie  bietet  nichts  Neues  oder  Bemerkenswertes. 
Chamissos  „Faust"  wird  mit  Marlowe  in  enge  Beziehung  gebracht.  Beim  „Schlemihl" 
denkt  auch  0.  an  die  Unfähig-keit  zu  ,,scheinen",  trotzdem  wird  die  Vaterlandslosig- 
keit Chamissos  nebenbei  in  Erwägung  gezogen.  Ueber  die  Lyrik  weiss  0.  wenig  zu 
sagen;  die  einzige  positive  Angabe  („he  introduced  the  verse  of  Dante  into  German 
poetry")  ist  falsch.  Ueber  die  Orte  Napoleonville  und  Napoleon  (jetzt  Pontivy  und 
La  Roche-sur-Yon)  giebt  O.  nach  Bouillet  nähere  Details.  Endlich  erwähnt  er  eine 
amerikanische  Uebersetzung  von  Chamissos  Faust.^^)  —  Zur  Ergänzung  der  vor- 
jährigen Mitteilungen  aus  den  Briefen  Chamissos  an  die  Weidmannsche  Buchhandlung 
(vgl.  JBL.  1892  IV  10  :  69)  erhalten  wir  noch  ein  Schreiben  Chamissos  an  Karl  Reimer 
vom  30.  April  1829^'^).  Neues  wird  nicht  geboten.  Bemerkenswert  ist  nur,  dass 
Chamisso  auch  hier  „Salas  y  Gomez"  sein  bestes  Gedicht  nennt.  —  HirzeP^)  end- 
lich beschliesst  seine  Mitteilungen  über  die  Geschichte  von  Chamissos  Musenalmanach 
mit  dem  Abdruck  der  Briefe  Gaudys  an  Salomon  Hirzel.  Er  erinnert,  wie  lieb 
Chamisso  die  Mitarbeit  Gaudys  war,  und  stellt  Gaudys  Devise  „Lieber  keinen 
Almanach,  als  einen  schlechten!"  dem  milderen  Wesen  Chamissos  gegenüber.  Den 
15.  Febr.  1834  spricht  Gaudy  von  dem  Drucke  seiner  Novelle  „Desengano"  und  bietet 
sich  zu  weiteren  Arbeiten  an;  den  21.  März  1835  meldet  er  die  Beendigung  von 
Chamissos  Reiseberichte;  den  22.  Okt.  desselben  Jahres  spricht  er  von  seinem  Sommer- 
Aufenthalt  in  Italien  und  hebt  hervor,  dass  Chamisso  der  Besuch  des  Bades  Reinerz 
gut  gethan  habe.  Den  4.  April  1836  klagt  er  seine  Redakteursorgen.  Der  Brief 
vom  11.  April  1836  wurde  bereits  im  Vorjahre  mitgeteilt  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:69). 
Unter  dem  26.  Juni  1836  urteilt  er  sehr  kühl  über  Rückert  und  hofft  auf  Heine  und  Ana- 
stasius  Grün;  Briefe  vom  12.  Dec.  1836  und  vom  13.  Jan.  1837  gedenken  der  Marg- 
graffschen  Recension  des  Musenalmanachs  von  1837  (BLU."  1836,  N.  343)  und  ihres 
scharfen  Angriffs  auf  Gaudy.  Den  3.  März  1837  möchte  Gaudy  seinen  Aufenthalt 
verändern  und  ein  schlesisches  Provinzialstädtchen  wählen.  Dem  bitteren  Gefühl,  das 
die  kühle  Aufnahme  seines  Tagebuchs  eines  wandernden  Schneidergesellen  und  seiner 
Venetianischen  Novellen  weckte,  giebt  ein  Brief  vom  14.  Juni  1837  Ausdruck.  Den 
30.  Okt.  1837  nimmt  Gaudy  den  Antrag  an,  Mitredakteur  des  Almanachs  zu  werden 
und  nicht  länger  nur  „stillschweigender  Compagnon"  zu  sein.  Das  Schreiben  vom 
15.  April  1838  zeigt  Gaudy  schon  voll  Herausgeber-Geschäftigkeit.  Den  5.  Juni  1838 
denkt  er,  gar  keinen  Almanach  herauszugeben  und  „Neue  Lieder  von  A.  C.  und 
F.  Gv."  an  seine  Stelle  treten  zu  lassen,  und  erwähnt  sein  Gedicht  „Die  Landflüchtigen", 
das  er  den  Göttinger  Sieben  widmete.  Aus  Capri  meldet  er  am  28.  Sept.  1838  den 
Eindruck  von  Chamissos  Todesnachricht.  Der  letzte  Brief  vom  27.  Jan.  1840  urteilt 
scharf  über  Hitzigs  Chamissobiographie  ab  und  spottet  über  die  Berangerübersetzungen 
von  L.  S.  Rubens  und  Ph.  E.  Nathusius.^^^  — 

Notizen  über  Goethes  Frankfurter  Jugendfreund  Johann  Bernhard  Crespel, 
der  durch  Brentanos  Vermittlung  der  Held  von  E.  T.  A.  Hoffmanns  gleichnamiger 
Novelle  geworden  ist,  stellt  Seibt93)  zusammen.  Zu  den  Absonderlichkeiten  Cr espels 
hat  Hoffmann  aus  eigenem  den  Musikenthusiasmus  hinzugethan;  ferner  fügt  er  die 
Abenteuer  der  berühmten  Primadonna  Francesca  Cuzzoni  hinzu,  insbesondere  eine 
Scene  aus  ihrem  Leben,  in  der  Händel  die  von  Hoffmann  dem  Rate  Crespel  zugeteilte 
Rolle  spielte.  Die  possenhaften  Uebertreibungen  möchte  S.  nicht  auf  Brentanos, 
sondern  auf  Hoffmanns  Rechnung  setzen.  Crespels  Tochter  wollte  jedoch  Brentano 
wegen  seiner  Verleumdungen  zur  Rede  stellen.^*"^^)  — 


M.  2,50.  |[B.  Waiden:  WienerAbendpostB.  N.  108;  L.  Fränkel:  BLU.  S.566.]|  —  80)  X  W-.  Werte.  Her.  t.  W.  Eauschen- 
busch.  2  Bde.  B.,  Grote.  XX,  414  S.;  XX,  417  S.  M.  5,00.  —  81)  O  id.,  Ges.  Werte.  Neue  dnrchges.  u.  Term.  Ausg.  in 
4  Bden.  Mit  biogr.  Einl.  her.  v.  M.  Koch.  St,  Cotta.  360,  348,  279,  304  S.  M.  4.00.  —  82)  X  i^-  <5es.  Werke  in  4  Bden. 
(=  Cottasche  Volksbibl.  Bd.  3-6.)  ebda.  12».  279,  319,  251,  282  S.  M.  2,00.  —  83)  X  i^-.  Ansgew.  Gedichte.  In  Stenogr. 
Schrift  übertragen  u.  autogr.  v.  A.  Schöttner.  (=  Reuters  Bibl.  für  Gabelsberger  Stenographen.  N.  22.)  Dresden,  W.  Reuter. 
12».  55  S.  M.  0,90.  -  84)  X  id.,  Frauen-Liebe  n.  Leben.  Lebens-Lieder  u.  Bilder.  Mit  Dlustr.  t.  A.  Zick.  B.,  Grote.  4». 
64  S.  mit  31  111.  n.  11  Taf.  Kupferdr.  M.  10,00.  —  85)  X  i^--  The  crucifl.x.  An  art-legend.  From  the  German  by  C.  M. 
Aikman:  PGoetheSoc.  7,  S.  144-50.  —  86)  X  id.,  D.  Mann  ohne  Schatten  oder  Peter  Schleraihls  wundersame  Gesch.  D. 
Jugend  erz.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12».  48  S.  M.  0,50.  —  87)  id.,  Pierre  Schlemihl.  111.  de  Marold  et  Mittis.  (=Petite 
coli.  Guillaume.)  Paris,  Dentu.  H,  156  S.  Fr.  3,00.  —  88)  E.  Oswald,  Chamisso.  Life;  poems;  Faust;  Schlemihl: 
PGoetheSoc.  7,  S.  108-43.  —  89)  O  K.  Lentzner,  Chamissos  life  and  work,  with  specimens  of  his  poetry.  London, 
Williams  &  Norgate.  4».  Sh.  5,00.  |[Ath.  2,  S.  321.]|  —  90)  id.,  E.  Brief:  DDichtung.  14,  S.  296.  —  91)  G.  Hirzel,  Franz 
Frhr.  v.  Gaudy.  Ungedr.  Briefe  aus  d.  J.  1834-40:  ib.  S.  147/9,  177/9,  202j4,  225  7.  —  92)  F.  Pfaff,  Karls  Recht:  ZVLR.  6, 
8.  897  9.  (E.  Beitr.  z.  Stoffgesch.  v.  Chamissos  „Urteil  d.  Schemjäka"  aus  e.  Rechtsbuche  d.  Stadt  Villingen.  2.  Hälfte  d. 
16.  Jh.)  —  93)  W.  Seibt,  Rat  Crespel  u.  d.  Novelle  in  d.  „Serapionsbrüdern"  v.  E.  T.  A.  Hoffmann:  FZg.  N.  317.  —  94)  O 
H.  V.  Wol zogen,  E.  T.  A.  Hoffraann,  d.  dtsch.  Geisterseher:  BayreuthBll.  16,  S.  11-22,  33-55,  177-91,  390-407.  —  95)  X  E. 
T.  A.  Hoffmann,  Meister  Martin  n.  seine  Gesellen.  E.  Erzählung.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12».  74  S.  M.  0,60.  —  96)  id., 
Maitre  Martin  le  tonnelier.  Adapti  de  l'allemand  par  Ch.  Simond.  Illustr.  de  Firmin  Bouisset.  (=  Nouv.  Bibl.  ill.  de 
vulgarisation.)  Paris,  Lecene,  Oudin  et  Cie.  140  S.  —  97)  X  id..  L'elisir  del  diavolo.  Napoli,  L.  Pierro.  1892.  96  S.  L.  0,10, 
—  98)  X  id..  II  nano  Zaccaria,  soprannominato  Cinabro.  Vers.  ital.  di  L.  Agnes.     Milano,  Sonzogno.     16».     106  8.    L.  0,25.— 

(4)31* 


IV  10:99-104  O.  F.  Walzel,  Romantik. 

Vor  seine  für  Kürschners  DNL.  bestimmte  Auswahl  Eichen dorffscher 
Dichtung-en  stellt  Koch^^)  eine  kurze  Charakteristik  des  Benjamin  der  Romantik. 
Die  litterarischen  Jug-endeindrücke,  Volksbücher,  Campe  und  Claudius,  dann  die 
Lektüre  der  Gymnasialzeit  werden  hervorgehoben.  Die  Studentenjahre  zu  Halle  liefern 
Material  für  „Die  Entführung".  Das  J.  1806  bringt  Napoleunische  Scharen  nach 
Schlesien;  K.  meint,  Eichendorff  habe,  in  seinem  Roman  „Ahnung  und  Gegenwart" 
die  letzten  Kämpfe  eines  Gebirgsvolkes  schildernd,  ebenso  gut  an  seine  engeren 
Landsleute  wie  an  die  Tiroler  denken  können.  Bei  Eichendorffs  Wiener  Verkehr 
länger  verweilend,  spricht  K.  von  einer  Universität,  die  Adam  Müller  nach  nord- 
deutschem Muster  in  Wien  errichten  sollte.  Es  handelte  sich  indessen  nur  um  eine 
Erziehungsanstalt  für  junge  Edelleute.  Eichendorffs  unkriegerische  Kriegsfahrten, 
seine  Vermählung,  seine  amtliche  Laufbahn  werden  beleuchtet.  Den  „Taug-enichts" 
beiläufig-  streifend,  protestiert  K.  gegen  die  Auffassung-,  das  hier  geschilderte  Ideal 
entstamme  der  Sehnsucht  eines  viel  beschäftigten  Bureaukraten  nach  einem  Augen- 
blick sorgenlosen  Müssigganges.  Aus  dem  Amtsleben  Ei-chendorff's  hebt  K.  das 
vorsichtige  und  kluge  Gutachten  über  die  Säkularisation  geistlicher  Landeshoheiten 
heraus  und  stellt  es  neben  Novalis  Aufsatz  ,,Die  Christenheit".  Auch  Eichendorffs 
auf  das  Schloss  Marienburg  gerichtete  Bemühungen  werden  als  Zeichen  seiner  er- 
folgreichen Amtsthätigkeit  hingestellt;  den  unzufriedenen,  verstimmten  Brief  an  Görres 
vom  30.  Aug.  1828  und  Eichendorffs  Bitte  um  eine  bayerische  Anstellung  verschweigt 
K.  darum  nicht.  Eichendorffs  an  Marienburg  anknüpfenden  tragischen  Versuchen 
stellt  K.  die  stofflich  verwandten  neueren  Dichter  g-egenüber.  Im  Lustspiele  „Die 
Freier"  möchte  er  nicht  Shakespeareschen  Einfluss,  sondern  Züge  von  Moliere  und 
Marivaux  annehmen.  K.  betont,  dass  Eichendorffs  politische  Bestrebungen  nicht  mit 
dem  W^orte  Reaktion  abgethan  werden  können.  Abfällig  beurteilt  K.  die  epischen  Versuche, 
deren  bedeutendsten,  „Julian",  er  mit  Ibsens  „Kaiser  und  Galiläer"  verg-leicht.  Wenig 
über  die  Novellen,  Breiteres  über  die  Calderon Übersetzung  vorbringend,  stellt  K.  die 
litterarhistorischen  Arbeiten  zusammen,  deren  ästhetisch-religiöse  Grundstimmung  er 
im  Zusammenhang-  mit  den  beiden  Romanen  erörtert.  Scholl  und  Dietze  weisen  den 
Weg-.  Die  Stoffmotive  der  Romane  und  ihre  Verwandschaft  mit  dem  „Wilhelm 
Meister"  und  mit  den  Romanen  der  Romantik  kommen  in  einig-en  Gleichungen  zur 
Erledigung.  Die  Auswahl  Eichendorffscher  Schriften  besteht  aus  den  Aufsätzen 
„Deutsches  Ordensleben  am  Schlüsse  des  18.  Jh."  und  „Halle  und  Heidelberg".  Der 
„Taugenichts"  folgt,  dem  „Marmorbild"  ist  eine  Einführung-  beigegeben;  sie  teilt  die 
Quelle  der  Erzählung,  Happel,  mit,  erinnert  an  die  verwandten  Stellen  des  „Julian" 
und  der  ,, Entführung"  und  gedenkt  der  Deutung  Keiters.  Den  147  mitgeteilten  Ge- 
dichten fügt  K.  biographische  und  erläuternde  Noten  bei  und  nennt  Komponisten.  Ueber 
den  Lyriker  Eichendorff  ist  er  eine  breitere  Erörterung-  schuldig  geblieben. '°'*"i"^)  — 
Hob  er  104^  handelt  von  den  Dichtungen  Eichendorffs,  die  bis  zum  J.  1815  reichen, 
und  setzt  innerhalb  dieses  Zeitabschnittes  zwei  Epochen  fest,  das  J.  1808  und  das 
J.  1812.  Er  verwertet  das  von  Meisner  („Gedichte  aus  dem  Nachlasse  des  Freiherrn 
J.  von  Eichendorff",  Leipzig-  1888)  schon  benützte  Berliner  Ms.  Eichendorffscher 
Jugenddichtungen.  Ausgehend  von  den  Stanzen  „Italien"  stellt  H.  fest,  dass  Eichen- 
dorff nur  in  der  ersten  Jugend  seiner  Lyrik  relig-iöse  Accente  leiht;  freilich  deuten 
sie  auf  keine  bestimmte  Tendenz,  sondern  sind  nur  Ausfluss  seiner  damaligen  Stimmung. 
Schon  jetzt  spielt  die  Natur  eine  grosse  Rolle;  die  Waldhorntöne  der  Tieckschen 
Romantik  erklingen.  Romantisch  ist  auch  der  mehrfach  behandelte  Gegensatz  von 
dichterischer  Phantasie  und  plattem  Nützlichkeitssinn.  Gerne  behandelt  Eichendorffs 
Romanze  auch  in  ihren  ersten  Erscheinungen  den  Stoff  magischer  Verlockung,  den 
Goethes  „Fischer"  und  Brentanos  Loreleyballade  nahelegen.  Seit  1808  wirkt  Heidel- 
berg auf  Eichendorff  ein;  die  Volksliederdichtung  tritt  ihm  näher.  Liebe  und  Patrio- 
tismus machen  sich  geltend.  Nur  einige  Gedichte  religiösen  Inhalts  und  wenige 
Stimmungslieder  Tieckscher  Manier  gemahnen  noch  an  die  erste  Entwicklungsstufe 
der  Eichen  dörfischen  Lyrik.  Die  Romanzen  bleiben  im  Stoffbereiohe  des  Goetheschen 
„Fischers";  Bürger,  dann  der  „Erlkönig"  und  der  Herr  Olof  des  Wunderhorns  er- 
scheinen nebenher  als  Vorbilder.  Neben  einer  einzigen  historischen  Romanze  kommt 
das  ganz  volksliedermässige  „Zerbrochene  Ringlein"  zur  Betrachtung,  als  dessen  Vor- 
bild die  2.  Strophe  von  „Des  Müllers  Abschied"  (Wunderhorn  1,  S.  103)  angenommen 
wird.  „Die  wunderliche  Prinzessin"  möchte  H.  als  Poesie  deuten,  nicht  mit  Scholl 
politische  Ideen  in  ihr  suchen.  Auf  die  Zeitgedichte  fällt  ein  Blick,  H.  gedenkt  des 
Einflusses  der  Volkslieder,  greift  ein  paar  volksliedmässige  Verse  aus  den  Gedichten 
Eichendorffs   heraus   und    giebt   Beiträge   zur   Textgeschichte  des  fünften  Gedichtes 

99)  (S.  0.  N.  71.)  —  100)  X  J-  V.  Eichend-rff,  Wei  Vp  her.  v.  R.  Dictzc  I  vgl.  JBL.  1892 IV  10  :  71).  |f E  r i  c h  S  c h m  i d  t :  DRs.  74,  S.  477 ; 
HambCorr".  N.  29.]|  — 101)X  i^-.  Aus  d.  Leben  c.  Taugenichts.  Nov.  Mit  19  111.  L.,  C.  F.  Anielang.  135  .S.  M.  3,00.  —  102)  X  i^-i 
Aus  d.  Leben  e.  Tiiugenichts.  Mit  17  Lichtdr.- Bildern  nach  R.  E.  Kepler.  3.  Aufl.  St.,  Qreiner  &  Pfeiffer.  133  S.  M.  3,60. 
-  103)    X    J-  Taft-Hatfiold.    Ans   d.  Leben    e.  Taugenichts.     Kd.  by  €.  Ostlians:    MLN.  8,  S.  310/2.    —    104)  E.  Höber, 


0.  P    Walzel,  Romantik.  IV  10  :  i04  loo 

„In  der  Fremde"  und  des  Gedichtes  „Trost"  aus  der  Berliner  Hs.  Seit  1812  treten 
die  Zeitgedichte  in  den  Vordergrund,  H.  kommt  über  das  bekannte  Urteil  nicht 
hinaus,  dass  Eichendorffzum  Freiheitssänger  zu  lyrisch  weich  war.  Erst  1815  findet 
er  stärkere,  kräftigere  Töne.  Die  Liebeslieder  der  Periode  sind  flach,  leise  religiöser 
Klang  haftet  den  meisten  Gedichten  jetzt  an.  Ueber  die  Metrik  der  Jugendgedichte 
bringt  H.  wenig  vor.  Die  Veröffentlichung  des  Romans  „Ahnung  und  Gegenwart" 
zu  schildern,  druckt  er  an  Fouque  gerichtete  Briefe  des  J.  1814  ab;  zur  Charak- 
terisierung des  Romans  -weist  er  auf  das  Urteil  der  Stael  über  den  „Sternbald"  hin, 
betont  seine  lyrisch  zerfliessende  Sprache,  die  geringen  lokalen  Anspielungen,  sieht 
in  der  „zarten  Naturstimmung"  den  Hauptvorzug,  in  der  unplastischen  Darstellung 
den  Hauptmangel  des  Romans  und  möchte  das  damalige  Deutschland  gegen  Eichen- 
dorffs  Schilderung  retten.  Im  engen  Anschluss  an  Minor  kommen  die  Beziehungen 
zum  Wilhelm  Meister  und  zum  romantischen  Roman,  insbesondere  zur  „Gräfin 
Dolores"  und  zum  „Godwi"  zur  Besprechung,  ohne  dass  man  erfährt,  was  Elchendorff 
seinen  Vorbildern  verdankt.  Den  biographischen  Grundlagen  des  Romans  ist  eine 
kurze  Betrachtung  gewidmet.  Abschliessend  erklärt  H..  dass  in  den  von  ihm  be- 
sprochenen EichendorfTschen  Dichtungen  der  Keim  fast  aller  späteren  Schöpfungen 
des  Dichters  liege.  Nur  das  Feld  des  Dramas  hat  er  erst  nachträglich,  und  zwar 
mit  geringem  Erfolge  betreten.  — 

Der  schwäbischen  Romantik  kommt  zunächst  im  allgemeinen  ein 
Aufsatz  von  Krauss'**^)  zu  gute,  der  die  württembergischen  Fürsten  durch  Sage 
und  Dichtung  verfolgt.  Schon  wegen  der  häufigen  Verwechslung  der  verschiedenen 
Eberharde  —  auch  Uhland  hält  sie  nicht  auseinander  —  empfiehlt  es  sich  nachzulesen, 
was  K.  über  Eberhard  den  Greiner  oder  Rauschebart,  über  Eberhard  den  Milden 
und  über  den  durch  Kerner  verewigten  „reichsten  Fürsten"  Eberhard  im  Bart  zu 
melden  hat.  Herzog  Ulrich  wiederum  spielt  in  der  Dichtung  Hauffs  und  Schwabs 
eine  grosse  Rolle.  — 

Unter  den  Schwaben  stand  dies  Jahr  Uhland  in  erster  Linie.  Das  Ver- 
lagsrecht der  Cottaschen  Buchhandlung  ist  erloschen.  Eine  Menge  neuer  Ausgaben 
stellen  sich  ein.  Fränkel  ^^^)  besorgte  eine  brauchbare  Auswahl  Uhlandscher  Schriften. 
Die  biographische  Einleitung  gedenkt  der  Vorfahren  des  Dichters.  Aus  dem  Milieu, 
in  dem  Uhland  erwuchs,  möchte  F.  sein  Wesen  und  seine  poetische  Art  ableiten,  den 
Mangel  des  Genialen,  das  allmählich  und  ungestört  sich  entfaltende  Talent.  Lange 
verweilt  F.  bei  dem  rätselhaften  Problem  der  innigen  Freundschaft  Uhlands  und 
Kerners  und  vergleicht  ihre  Dichtart.  Gegen  den  Namen  einer  „schwäbischen  Dichter- 
schule" Einspruch  erhebend,  bespricht  F.  in  nicht  ganz  unanfechtbarer  Weise  die 
Beziehungen  der  jung-en  Dichter  zur  Romantik.  F.  wendet  mit  sichtlichem  Interesse 
sich  der  politischen  Thätigkeit  Uhlands  zu,  der  eine  ausführliche,  Uhlands  Stand- 
punkt verteidigende  Würdigung  zu  teil  wird.  Nicht  nur  Uhlands  Eintreten  für  das 
„alte,  gute  Recht",  auch  seine  Polemik  gegen  eine  Adelskammer  wird  begreiflich  ge- 
macht. Ein  besonderes  Augenmerk  schenkt  F.  auch  der  im  J.  1832  erneuten  politischen 
Thätigkeit  Uhlands,  dann  seinem  Anteil  am  Frankfurter  Parlament  und  sucht  endlich 
am  Schlüsse  seiner  Einleitung  den  Menschen  und  Dichter  Uhland  zu  charakterisieren. 
Vischers  etwas  panegyrisch  klingende  Beschreibung  von  Uhlands  Kopf  wird  auf  ein 
richtigeres  Mass  eingeschränkt.  Ausdrücklich  wendet  F.  sich  gegen  den  „oft  genug 
gedankenlos  nachgesprochenen  Satz",  Uhlands  Poesie  habe  keine  Entwicklung.  Die 
dramatischen  Fragmente  werden  hoch  über  die  beiden  ausgeführten  Dramen  gestellt. 
Die  Stoffe  der  Uhlandschen  Lyrik  sucht  F.  zu  gruppieren.  Dass  Uhland  „den  Dienst 
im  Heiligtume  der  Poesie  stets  nur  auf  inneren  Antrieb"  verrichtet  habe,  wird  mehr- 
fach betont.  Der  erste  Band  der  F.schen  Auswahl  bringt  zunächst  den  Text  der 
Uhlandschen  Gedichte  nach  der  48.  Ausgabe  von  1863,  dann  eine  umfangreiche  Nach- 
lese der  von  Uhland  nicht  in.  seine  Sammlungen  aufgenommenen  Dichtungen.  Ob- 
zwar  F.  trotz  eifriger  Umfrage  ungedrucktes  Material  nicht  zu  stände  gebracht  hat, 
ist  diese  Nachlese  doch  sehr  umfangreich  ausgefallen  und  macht  F.s  Ausgabe  zur  voll- 
ständigsten Sammlung  Uhlandscher  Lyrik.  Aus  K.  Mayers  Uhlandbiographie  ist 
noch  ein  Fragn;ent  aus  dem  „Ersten  Nachtblatt"  und  das  zweite  Nachtblatt  angefügt. 
Eine  knappe  Vorbemerkung  giebt  Notizen  zur  Geschichte  der  Ausgaben  Uhlandscher 
Gedichte.  Die  dem  Texte  beigegebenen  Anmerkungen  erläutern  teils  Selbstverständ- 
liches, teils  begnügen  sie  sich,  die  Litteratur  über  das  betreffende  Gedicht  zusammen- 
zustellen. Der  Abschnitt  „Zur  Revision  des  Textes"  giebt  im  wesentlichen  nur  den 
ersten  Druckort  an,  sehr  selten  eine  Lesart.  In  Anhangsform  berichtet  endlich  Max 
Fried laender  ausführlich,  kenntnisreich  und  übersichtlich  über  die  Kompositionen 
der    Gedichte    Uhlands.     Der   2.    Bd.   druckt  den  „Herzog  Ernst"  und  „Ludwig  den 


Eichendorifs  Jngenddichtnngen.    B.,  C.  Vogt.    80  S.    M.  1,80.     (S.  1-47   als  EoBtocVer  Diss.)    —   105)  (I  1  :  142.)   —    106)  L. 
Uhland,  Werke.     Her.  v.  L.  Fränkel.     Krit.  dnrchges.  rx.  erläut.  Ausg.    2  Bde.    L.,  BiWiogr.  Inst.   52, 558 S. ; 424 S.  äM.2,00. 


IV  10:107-115  O.  F.  Walzel,  Romantik. 

Baier"  ab,  dann  die  Fragmente  von  „Franceska  da  Rimini",  „König  Eginhard",  „Die 
Bärenritter",  „Tamlan  und  Jannet",  „Benno",  „Normannischer  Brauch",  „Konradin". 
Die  Vorbemerkungen  geben  nur  allerwichtigste  Notizen  und  spielen  gegen  Vischers 
abfälliges  Urteil  über  den  Dramatiker  Uhland  die  Autorität  eines  Boxberger  aus. 
Wie  die  biographische  Einleitung  dem  Politiker  Uhland  ihr  besonderes  Augenmerk 
schenkt,  so  rückt  auch  der  Text  diese  Seite  des  Dichters  in  helleres  Licht:  F.  druckt 
neun  politische  Reden  und  Aufsätze  ab.  Von  „wissenschaftlichen  Aufsätzen"  erscheint 
hingegen  nur  der  jugendliche  Erguss  über  das  Romantische,  die  Inauguralrede  über 
Herzog  Ernst,  und  ein  paar  jüngst  im  Weimarischen  Jahrbuch  (5,  S.  49 — 51)  mit- 
geteilte Worte  über  die  Nibelungen.  Endlich  kommen  noch  17  Briefe  Uhlands  zum 
Abdruck,  unter  ihnen  3  ungedruckte  (an  Varnhagen  vom  4.  Mai  1812  und  24.  Jan.  1827, 
an  G.  Reimer  vom  21.  Dec.  1818).  Den  beiden,  den  preussischen  Orden  pour  le 
merite  ablehnenden  Briefen  Uhlands  an  A.  von  Humboldt  vom  2.  und  10.  Dec.  1853 
sind  Humboldts  Briefe  vom  5.  Dec.  zur  Erläuterung  angefügt.  F.s  Ausgabe  fand 
allgemein  Beifall;  Sauer,  der  insbesondere  den  textlichen  Teil  lobt,  trägt  den  ersten 
Druckort  des  „Kom-adin"  (vgl.  Goedeke^  3,  S.  335,  N.  29)  nach.  —  Auch  die  von 
F.  Brand es^'*'')  besorgte  Reclamsche  Ausgabe  sucht  in  einem  „Nachtrage"  den 
Gedichtbestand  der  Cottaschen  Sammlung  zu  überbieten,  ohne  jedoch  mit  34  Nummern 
an  Fränkels  Reichtum  heranzukommen.  Dafür  beutet  B.  das  Buch  Keilers  stärker 
aus  und  giebt  14  dramatische  Entwürfe;  ferner  ist  bei  ihm  der  Germanist  Uhland 
viel  stärker  vertreten,  als  in  irgend  einer  anderen  populären  Sammlung.  Endlich 
erscheint  der  Politiker  Uhland  noch  mit  fünf  Stücken;  zwei  gehören  dem  württem- 
bergischen Landtage,  drei  dem  Frankfurter  Parlament  an.  Die  Einleitung  nennt 
Uhland  einen  Gelegenheitsdichter  im  edelsten  Sinne  des  Wortes  und  stellt  ihn  als 
solchen  sogar  über  Goethe.  Sie  preist  Uhland,  weil  er  die  „wehleidige  Stimmung 
der  Zeit",  über  die  Justinus  Kerner  nie  weggekommen  sei,  schnell  überwunden  habe, 
und  ebenso  auch  die  „schwärmerische  Manieriertheit  und  Unwahrheit  der  romantischen 
Schule".  In  Uhland  trete  Genialität  gesund  und  anspruchslos,  klar  und  ungetrübt 
hervor.  Er  feiert  Uhland  als  einen  Protestanten  im  schönsten  Sinne  des  W^ortes  und 
nennt  endlich  Goethes  bekanntes  Urteil  über  Uhland  „abgeschmackt".  —  Bölsches^^^) 
Uhlandausgabe  will  nicht  der  Wissenschaft  dienen  und  beschränkt  sich  auf  den  Ab- 
druck des  Vulgattextes,  ohne  indessen  die  dramatischen  Fragmente  mit  aufzunehmen. 
In  der  Einleitung  weiss  B.  lebendigere  Farben  auf  das  Porträt  Uhlands  zu  wenden 
als  die  Mehrzahl  seiner  Konkurrenten.  Er  warnt,  den' Dichter  Uhland  aus  der  Zeit 
seiner  stärksten  politischen  Thätigkeit,  also  aus  dem  J.  1848  verstehen  zu  wollen :  die 
Harfe  des  Achtundvierzigers  war  längst  eingerostet.  B.  sieht  die  Tragik  von  Uhlands 
Leben  in  der  Thatsache,  dass  seine  Ehrlichkeit  ihn  zwang,  sich  immer  wieder  in  die 
politische  Unrast  hineinzustürzen,  während  er  seine  Dichterkraft  früh  welken  sah 
und  sich  auf  dramatischem  Gebiete  missverstanden  glaubte.  Uhland  aber  hat  resigniert, 
ohne  Lärm,  ohne  Raketengeprassel.  Stellung  auf  Stellung  opfert  er  der  Politik,  um 
schliesslich  doch  auf  Grund  der  Einnahmen  aus  einem  einzigen  Bande  Gedichte  ein 
wohlhabender  Mann  zu  werden.  Aus  Paris  hat  sich  Uhland  keinen  französischen 
Geist  geholt;  nicht  einmal  für  den  kecken  Plan  des  Epos  „Fortunat".  Als  irgendwie 
hervortretender  Sänger  der  Freiheitskriege  ist  Uhland  nicht  zu  fassen.  Uebersicht- 
lich  schildert  B.  den  württembergischen  Konflikt;  während  Uhlands  äusseres  Leben 
in  diesem  Konflikt  Schiffbruch  leidet,  hat  er  mit  seiner  Lyrik  ausserordentliches  Glück. 
Im  „Herzog  Ernst"  erkennt  B.  eine  dramatisierte  Ballade,  ja  er  nennt  Uhland  den 
allerbesten  Vertreter  des  Balladendramas.  Wenn  Handlung  der  Nerv  des  Bühnen- 
dramas sei,  so  sei  dieser  Nerv  hier  geradezu  der  tote  Punkt  des  Stückes.  Viel 
schärfer  noch  urteilt  B.  über  „Ludwig  den  Baier".  Das  psychologische  Schlussmotiv 
der  Versöhnung  beider  Rivalen  sei  mit  dem  geschichtlichen  Hintergrund  nicht  ver- 
ankert. Mit  wenigen  Worten  den  Johannistrieb  der  Uhlandschen  Muse  bedenkend, 
zeichnet  B.  ausführlich  den  Achtundvierziger  und  nennt  Uhland  die  anständigste, 
ehrenwerteste  Gestalt  des  Jahres.  Zusammenfassend  stimmt  B.  dem  Urteile  Heines 
bei,  der  in  Uhlands  Poesie  nichts  Umbildungsfähiges  fand,  rühmt  aber  Uhland  selbst, 
der  zu  rechten  Zeit  absattelte  und  nicht  mit  seinen  Epigonen  in  Wettstreit  trat.  Sei 
doch  der  ganze  Uhlandsche  Nachwuchs  ein  lebender  Anachronismus  und  geradezu  der 
Todfeind  der  Uhlandschen  Muse  geworden.  100-123^  —  Düntzeri24^  berichtigt  einige 

|[J.  R(iffert):  LZgB.  N.  66;  A.  Saleck:  BLU.  S.  824/5;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1544/5.]|  (S.  auch  I  13:42.)  —  107)  id.,  Ges. 
Werke  in  2  Bdn.  Her.  v.  F.  Brandes.  L.,  Eeclam.  636,  632  S.  M.  2,00.  |[A.  Sauer:  DLZ.  S  154ö.]|  —  108)  id.,  Gedichte 
u.  Dramen.  Mit  e.  Biogr.  v.  W.  B  öl  sehe.  Ausg.  in  1  Bde.  B.,  R.  Trenkel.  XXVI,  444  S.  M.  2,50.  —  109)  X  id.,  Ges. 
Werke  mit  e.  biogr.-litterarhist.  Einl.  v.  Herrn.  Fischer  (vgl.  JBL.  1S92  IV  10:81):  Kw.  6,  S.  147.  -  HO)  X  id.,  Werke. 
3  Tle.  in  1  Bd.  B.,  Bibl.  Anst.  A.  Warschauer.  12».  XDI,  127  S.;  VII,  188  S.;  IV,  159  S.  M.  1,75.  —  111)  X  id.,  Gedichte 
u.  Dramen.  (Schlnss-Bd.)  (=  Cottasche  Volksbibl.  Bd.  2.)  St.,  Cotta.  12».  276  S.  M.  0,50.  —  112)  X  W-.  Gedichte  u. 
Dramen.  Bd.  I.  111.  v.  0.  Herrfurth  n.  C.  Storch.  B.,  Bong.  259  S.  M.  4,00.  —  113)  X  i'' .  Gedichte.  (=  Meyers  Volks- 
bücher N.  941,4.)  L.,  Bibliogr.  Instit.  16».  327  S.  M.  0,40.  —  114)  X  id.,  Gedichte.  (=  Bibl.  d.  Ges. -Litt.  d.  In-  u.  Aus- 
landes N.  64.'J/7.)     Halle  a.  S.,  Hendel.     XVI,  284  S.    M.  0,75.   —    115)  X   id.,  Gedichte.     Her.  v.  F.  Brandes.     Mit  d.  Bildn. 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  :  116-125 

Versehen,  die  Keller  bei  dem  Abdrucke  von  Uhlands  „Thjesf-Uebersetzung*  sich  zu 
Schulden  hat  kommen  lassen.  Die  Uebersetzung  der  Tragödie  von  Seneca  ist  mög- 
lichst treu,  wenn  auch  „häufig  zu  leichterem  Flusse  freier".  D.  stellt  die  ausgelassenen 
Partien  zusammen  und  sucht  die  Veranlassungen  der  Striche  zu  ergründen.  In 
Sprachgebrauch  und  Satzverbindung  ist  manches  aus  dem  Lateinischen  herüber- 
genommen. Geschickt  handhabt  Uhland  das  Versmass;^um  so  auffallender  sind  die 
Betonungen  Plisthenes,  Alpheos;  die  Versschlüsse  nachspaht,  schickt'  ihm,  Waldei'chen. 
D.  möchte  die  Uebersetzung  in  das  J.  1802  setzen.  Einfluss  Senecas  auf  den  Tragiker 
Uhland  lasse  sich  nur  im  Prolog  der  Franceska  feststellen.  Nicht  die  stoische  Moral 
Senecas,  sondern  das  Schaurige  und  Grelle  habe  Uhland  angezogen,  der  gleichzeitig 
seine  Phantasie  an  den  Romanen  der  Spiess  und  Gramer  nährt.  Lessings  Seneca- 
studie  war  Uhland  während  der  [lebersetzung  nicht  bekannt  geworden,  dagegen  ver- 
werten sie  später  zugefügte  Randbemerkungen,  die  (was  Keller  übersah)  oft  wörtlich 
Lessing  eitleren.  Wann  Uhland  diese  Randbemerkungen  zugefügt  hat,  konnte  D. 
nicht  feststellen.  —  Nägele '25)  prüft  die  Berichte,  die  uns  von  Uhlands  Jugend 
und  von  seinen  ersten  dichterischen  Versuchen  melden.  Aus  Notters  Erzählung  ent- 
nimmt er  ein  ziemlich  frühes  Erwachen  und  Erstarken  des  Glaubens  an  einen  dichte- 
rischen Beruf.  Den  Bericht  der  Witwe  sucht  er  wenigstens  zum  Teile  zu  kommentieren 
und  ergänzt  ihn  aus  einem  Aufsatze  von  L.  Bauer  (Tübinger  Ghronik  1862,  N.  110—43). 
N.  stellt  dann  zusammen,  was  ihm  von  eigenhändigen  Aufzeichnungen  Uhlands  aus 
der  Zeit  bis  1804  bekannt  geworden  ist:  1.  eine  Brieftasche  von  1799—1804(1805?); 
sie  wird  ausführlich  beschrieben,  ihr  Inhalt  genau  angegeben;  2.  zwei  Heftchen 
poetischer  Versuche,  zum  grossen  Teil  unbekannt;  3.  6  Hefte  Gedichte,  viele  ungedruckte, 
dann  Varianten  zu  gedruckten ;  4.  einige  Hefte  mit  Abschriften  aus  N.  3,  von  Uhlands 
eigener  Hand;  5.  Uhlands  Tagebücher  (beginnend  erst  mit  1808);  6.  4  Excerpthefte 
in  4*^  auf  der  Tübinger  Universitäts-Bibliothek  mit  Auszügen  aus  Tiecks  Minneliedern 
und  aus  dem  Teuerdank  (Ulm  1672);  7.  die  Uebersetzung  des  Thyest  von  Seneca, 
ebenfalls  auf  der  Tübinger  Universitätsbibliothek.  Mit  Benutzung  dieses  Materials 
giebt  N.  eine  Tabelle  der  ersten  54  Gedichte  Uhlands  aus  den  J.  1800—4;  34  dieser 
Gedichte  sind  noch  an  keinem  Orte  gedruckt,  10  von  diesen  Ineditis  teilt  N.  selbst 
mit  und  versucht  zunächst  die  Gedichte  der  J.  1800 — 2  zu  charakterisieren.  Der 
moralisierende  Ton  überwiegt;  die  früheste  Gruppe  ist  Schulpoesie  angelernten  Stoffs 
mid  angelernter  Form.  Eine  zweite  Gruppe  steht  in  engem  Zusammenhange  mit  dem 
Religionsunterricht  und  ergeht  sich  in  biblisch-neutestamentlichem  Stoffe.  Eine  dritte 
Gruppe  fasst  N.  als  Gesinnungsgedichte  zusammen  und  weist  auf  die  reiche  Nachfolge, 
die  sie  in  der  späteren  Lyrik  Uhlands  findet.  Auch  Naturlyrik  macht  sich  schon 
geltend,  so  in  der  „Bitte  um  Frühlingsvakanz".  Wenig  Raum  nehmen  die  Gelegen- 
heitsgedichte ein.  Hymnenartige  Strophen,  „Der  Dichter"  betitelt,  bilden  den  ersten 
Versuch  der  Gedankenlyrik.  Erzählende  Dichtungen  finden  sich  schon  in  der  ersten 
und  zweiten  Gruppe.  1802  schreibt  Uhland  eine  Ballade  in  11  Strophen  „Das  Lied 
vom  armen  Vater";  sie  ist  ein  Ansatz  zum  „Blinden  König".  Ueber  das  Ms.  der 
Thyestübersetzung  giebt  N.  wertvolle  Aufschlüsse,  die  Düntzers  Bedenken  gegen  den 
Kellerschen  Text  zum  Teil  rechtfertigen.  Von  der  Dichtung  der  J.  1803  und  1804 
stellt  N.  fest,  dass  Uhland  im  ersten  Jahre  wenig  gedichtet  habe:  er  trug  sich  mit 
zwei  epischen  Stoffen  aus  Paulus  Diakonus  und  Saxo  (Alboin  und  Kunimund;  dann 
Helgo  und  Starkater).  Die  Ballade  will  noch  immer  nicht  gelingen.  Jetzt  nimmt 
Gelegenheitspoesie  einen  grösseren  Raum  ein.  Das  Schulmässige  und  Schülerhafte 
wird  im  Laufe  des  J.  1803  abgestreift,  das  Empfindungsleben  tritt  stärker  hervor  und 
schenkt  uns  eine  Reihe  sentimentaler  Gedichte.  1804  entstehen  die  ersten,  von  Uhland 
in  seine  Sammlungen  aufgenommenen  Balladen ;  am  liebsten  bewegt  sich  Uhland  auf 
nordischem  Boden  und  in  einer  Welt  heroischen  Lebens.  In  den  rein  lyrischen  Ge- 
dichten des  J.  1804  ist  Wehmut  und  Liebe  die  Grundstimmung.  Gesinnungslyrik 
stellt  sich  auch  jetzt  wieder  ein;  zu  ihr,  nicht  zur  Stimmungsdichtung  zählt  N.  das 
„Lied  eines  Hochwächters".  In  Anhangsform  giebt  N.  dann  noch  eine  Tabelle 
von  42  Gedichten  aus  dem  J.  1805;  von  den  neun  hier  verzeichneten  ungedruckten 
Gedichten  teilt  N.  vier  mit  und  giebt  wichtige  Lesarten  zu  vier  anderen.  Jedenfalls 
hat  N.  durch  die  Fülle  neuen  Materials  und  durch  eindringende  Untersuchung  über 
die    ersten   fünf  Jahre  Uhlandscher  Dichtung  helles  Licht  verbreitet.    Möge  er  bald 

d.  Dichters.  (=  ÜB.  N.  3021/2.)  L.,  Reclam.  303  S.  M.  0,40.  —  116)  X  id-,  Ausgew.  Gedichte.  L.,  Versandt-Bureau 
(N.  Fiedler).  16".  199  S.  M.  1,20.  —  117)  X  id.,  Dramat.  Dichtangea.  Ernst  Herzog  v.  Schwaben,  Ludwig  d.  Baier.  (=  ÜB. 
N.  3023.)  L.,  Eeclam.  126  S.  M.  0,20.  —  118)  X  id.,  Herzog  Ernst  v.  Schwaben.  Trauersp.  in  5  Anfz.  {=  Bibl.  d.  Ges.-Litt. 
d.  In-  u.  Ansl.  N.  648.)  Halle  a.  S.,  Hendel.  72  S.  M.  0,25.  -  119)  X  (I  7  :  89.)  -  120)  X  (I  7  :  90.)  |[0.  F.  Walzel: 
ZOG.  44,  S.  785/6.JI  —  121)  X  L.  Uhland,  Ludwig  d.  Bayer.  Schausp.  in  5  Aufz.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  d.  In-  n.  Auslandes 
N.  662.)  Halle  a.  S.,  0.  Hendel.  79  S.  M.  0,25.  —  122)  X  id-,  Ludwig  d.  Baier.  Schausp.  in  5  Aufz.  In  Stenograph.  Schrift 
nbertr.  u.  autogr.  t.  A.  Schöttner.  (=  Reuters  Bibl.  für  Gabelsberger-Stenographen  N.  210.)  Dresden,  Wilh.  Renter.  72  S. 
M.  1,00.  —  123)  O  L.  Uhland:  BurschenschBll.  7,  S.  134,5.  —  124)  H.  Düntzer,  Uhlands  Uebersetz.  d.  Thyestes  v.  Seneca: 
VLG.  6,    S.  308-19.    —    125)    E.    Nägele,    Beitrr.    zu    Uhland.     Uhlands   Jngenddichtung.     Progr.  d.  Gymn.     Tabingen  (Arm- 


IV  10:126-144  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

den  Rest  der  Inedita  uns  zugäng-lich  machen.  —  Sprenger  ^'^^)  deutet  jetzt  in  Uhlands 
„Herzog-  Ernst"  5,  V.  1838  „seines  Blutes  Qualm"  als  „rauchendes  Blut".  —  In 
Uhlands  Gedicht  „Pilger"  von  1806  hält  Sprenger ^^t^  y  3  ^^  ^jg^,  älteren  Lesart 
„durchblüht"  (gegen  die  jüngere  „durchglüht")  fest.  —  Zu  dem  „Wirte  wundermild" 
der  „Einkehr"  bringt  Sprenger  ^^8^  ferner  eine  Parallele  aus  Konrads  von  Fusses- 
brunnen  „Kindheit  Jesu"  (ed.  Kochendörffer  V.  1474  ff.)  bei,  in  der  er  die  Quelle 
des  von  Uhland  gebrauchten  Bildes  erblickt.  —  Im  „Kastellan  von  Coucy"  empfindet 
die  Dame  von  Fayel,  nachdem  sie  das  Herz  des  Sängers  gegessen,  unbezwingliche 
Wehmut;  Sprenger '29)  betont,  dass  Uhland  diesen  Zug  aus  seiner  französischen 
Quelle  hat,  während  das  Herzmäre  Konrads  von  Würzburg  der  Dame  entgegen- 
gesetzte Empfindungen  leiht.  Sp.  stellt  noch  verwandte  Geschmacksgegensätze  zu- 
sammen.'äo)  —  Gegen  Düntzers  Interpretation  sich  wendend,  behauptet  Heintze'^'), 
dass  Uhlands  „Schwarzer  Ritter"  nur  die  „furchtbare  Macht  des  Todes"  schildere.  — 
Weymann  1=^2^  stellt  einen  antiken  Schwabenstreich  bei  Paulus  Orosius  5,  4,  5 f.  fest; 
er  gemahne  an  Uhlands  „Schwäbische  Kunde",  beziehungsweise  an  Uhlands  Quelle, 
die  Annales  Suevici  von  Crusius.  —  Flaischlen'33)  teilt,  anknüpfend  an  den  Auf- 
satz H.  Steinthals  (ZVölkerpsychol.  11,  S.  28  ff.)  die  ihm  geläufige  volkstümliche  Form 
von  Uhlands  „Gutem  Kameraden"  mit,  stellt  die  Abweichungen  fest  und  versucht  sie 
zu  erklären. '34- 138J  — 

Den  echten  Romantiker  Justinus  Kerner  hat  Roden b er gi^^)  stimmungs- 
voll geschildert.  Gerade  das  romantisch-deutsch  Sehnsüchtige,  das  Unbestimmte  und 
Unbestimmbare  kommt  in  Kerner  zur  Geltung,  der  von  dem  grösseren  Freunde 
Uhland  das  unmittelbare,  nicht  erst  durch  die  Gelehrsamkeit  ermittelte  Verständnis 
voraus  hatte.  Dem  mächtigen  Zauber  der  Persönlichkeit  Kerners  gieb.t  sich  seine 
Umgebung  hin.  Mit  Dingelstedts  Worten  zeigte  R.  uns  den  greisen  Kerner  und 
sein  Riekele  und  ergreifend  berichtet  er  von  des  Dichters  Erblindung,  auch  hier 
Dichterworte  den  eigenenBetrachtungen  einschiebend. '39a)  —  Thomassin-St.  Paul  '^o) 
handelt,  an  Gabriel  Max  neueste  Darstellung  der  Seherin  von  Prevorst  anknüpfend, 
über  die  unglückliche  Kranke.  Er  meint,  sie  sei  stark  der  Autosuggestion  zu- 
gänglich gewesen.  Ihre  Gedichte  möchte  er  nicht  auf  Kerners  Rechnung  setzen; 
sie  verrieten  ein  grösseres  Talent.  Die  philosophischen  „Wahrheiten",  die  sie  er- 
schaute, gemahnen  an  verwandte  indische  Vorstellungen;  Th.-St.  P.  stellt  indessen  die 
indischen  Hellseher  viel  höher  und  kann  Kerners  Interesse  nicht  durchaus  be- 
greifen.'*')  —  Sprenger '*2j  erblickt  in  Longfellows  „Walter  von  der  Vogelweide" 
eine  Uebersetzung  des  gleichnamigen  Gedichtes  von  J.  Kerner.  Schanzenbach 
hingegen  weist  nach,  dass  nicht  Longfellow,  sondern  Kerner  der  Uebersetzer  sei.  — 

Einige  Artikel  zum  Seh wab- Jubiläum  1892  sind  im  Vorjahr  übersehen 
worden.  Lebendig  schildert  Schienther '''3)  die  Bedeutung,  die  Schwab  heute  noch 
für  die  deutsche  Knabenwelt  hat.  Ihm  imponiert  der  Mann,  der  so  schlicht  und 
kräftig  einen  grossen  Gegenstand  ergreifen  und  ihn  vor  ein  offenes  Knabenherz  zu 
stellen  wusste.  Ueber  Schwabs  Balladen  kühler  urteilend,  feiert  Seh.  ihn  noch  als 
den  Sänger  der  alten  Burschenherrlichkeit,  erblickt  in  Schwabs  Haus  einen  Mittel- 
punkt sinnigen  und  innigen  Geisteslebens  und  gedenkt  seines  Wandertriebes,  der 
ihn  auch  nach  Berlin  führte  und  ihm  die  Mark  und  ihre  Dichter  nahe  brachte. 
Schwab  war  nicht  ein  eigentlicher  Liebling  des  Volkes.  Auf  goldener  Mittelstrasse 
wandelnd,  wendet  er  sich  an  ein  etwas  mehr  als  mittleres  Bildungsniveau.  —  In 
Ebners ''*^j  Festartikel  tritt  Kerner,  der  „die  romantischen  Neigungen  sein  Leben 
lang  nicht  ganz  überwinden  konnte",  dem  „in  sich  selbst  gefestigten"  Schwab 
gegenüber  in  ein  ungünstigeres  Licht.  Reiner  und  hingebender  habe  kein  Dichter 
seinen  Beruf  gefasst  als  Schwab;  weise  und  verständig  hielt  er  mit  seinem  Pfunde 
Haus.    Von    der    vielbesprochenen  Sentimentalität  der  Schwaben  findet  sich  bei  ihm 


brnstor  &  Kiecker).  48  S.  -  126j  R.  Sprenger,  Zu  Uhlands  Herzog  Ernst:  ZDU.  7,  S.  143.  —  127)  id.,  Zu  uhlands  „Pilger"  : 
ib.  S.  561.  —  128)  id..  Zu  Uhlands  „Einkehr^:  ib.  S.  627/8.  -  129)  id..  Zu  Uhlands  Kastellan  v.  Coucy:  ib.  S.634.  —  130)X 
id..  Zu  Uhlands  „D.  Sängers  Fluch":  ib.  S.  687.  (Wertlose  Parallelstellen  zu  Vers  11.)  —  131)  A.  Heintze,  Uhlands 
Ballade  „D.  schwiirze  Kitter«:  ib.  S.  669-72.  —  132)  C.  Weymann,  Antiker  „Schwabenstreich":  ZVLR.  6,  S.  403.  —  133)  C. 
Flaischlen,  Z.  Volksdichtung  (Uhlands  „D.  gute  Kamerad"):  ZVVolksk.  3,  S.  79-84.  -  134)  O  R.  Sprenger,  Zu  Uhlands 
Volksliedern  u.  Simrocks  dtsch.  Mythol.:  Urquell  4,  S.  33/4.  -  135)  X  W.  Crem  er,  Uhland  u.  d.  Fremdwörter:  ZADSprV. 
S.  79-80.  (Zeigt  an  e.  Citate  .aus  Uhland,  wie  sorgfältig  er  d.  Fremdwort  meidet.)  —  136)  X  Erich  Schmidt,  Vortr.  in 
GDL.  (März):  DLZ  S.  1371.  (Seh.  legt  aus  d.  Samml.  v.  Prof.  Keller  in  Prag  Autographe  v.  Uhlandschen  Gedichten  U.V.Briefen 
Preiligraths  an  Uhland  vor.)  —  137)  X  E.  Brandes,  Beitrr.  zu  Uhland  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:92).  |[L.  Kölscher:  ASNS.  91, 
a  1189;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1540.]|  -  138)  X  (I  2  :  24.)  -  139)  J.  Rodenberg,  J.  Kerner.  Z.  30j.  Gedenkt,  seines  Todes: 
Didask.  1892,  N.  44.  (Auch  MünchNN.  1892,  N.  83.)  -  139a)  X  Agnes  Willms  Wildermuth,  Erinnerungen  an  D.  Strauss 
u.  J.  Kernor:  SchorersFamilienbl.  S.  15.'j,7.  (Plauderei  über  Strauss  Hochzeit  mit  d.  Sängerin  Schebest;  K.  improvisierte  e. 
Trinkspruch.)  --  140)  Ch.  de  Thomassi  n-St.  Paul,  ,1.  Kerner  u.  d.  Seherin  v.  Prevorst:  KZg.  1892,  N.  320.  —  141)  X 
(IV  8b  :  12;  S.  00-95  Varnhagen  an  Goethe,  S.  82  gedenkt  er  d.  Absicht  Hegels,  gegen  d.  „Seherin  v.  Prevorst"  öffentl.  sich 
zu  äussern.)  —  142)  R.  Sprenger,  Longfellows  „Walter  v.  d.  Vogelwoide",  e.  Uebersetz.  aus  d. Deutschen:  ZDU.  7,  S.  275/7. 
(Vgl.  0.  Schanzenbach:  ib.  S.  081/3;  R.  Faust;:  ib.  S.  684/6.)  - 143)  P.  S[chlenthe r].  Zu  Ehren  G.  Schwabs:  VossZg.  1892, 
N.  281.    —    144)  Th.  Ebner,  G.  Schwab.     E.  Erinnerungsbl.  zu  seinem  lOOj.  Geburtst.:   Didask.  1892,  N.  140.    —    145)  X  Z. 


E.  Elster,  Das  jung-e  Deutschland.     IV10:U5-i63    IVll-.i-is 

keine  Spur.  Wenn  Schienther  in  Schwab  den  „grössten  Biedermann"  unter  den 
deutschen  Dichtern  sieht,  so  ist  durch  dieses  Woi't  das  Philisterhafte  der  Pei'sönlich- 
keit  Schwabs  g-enugsani  gekennzeichnet.  E.  scheint  diese  Philisterhaftigkeit  über 
Kerners  geistvollere  Lebhaftigkeit  setzen  zu  wollen. i'*^'') —  Sprenger'*^)  zeigt,  dass 
Schwabs  Gedicht  „Kaiser  Heinrichs  Waffenweihe",  Gerberlohe  und  die  Lohe  des 
Schmiedefeuers  verwechselnd,  einen  Schmied  Leder  gerben  lasse. '^ö'^''^'')  — 


IV,11 

Das  junge  Deutschland. 

Ernst  Elster. 

Allgemeines  N.  1.  —  Börne  N.  4.  —  Heine:  GesaratcliarjiTtteristik  N.  6;  Leben  N.  24;  Werke:  Ausgaben  N.  29; 
üebersetzungen  N.  40;  Untersuchungen  N.  47.  —  Gutzkow  N.  55.  —  F.  Steinmann  N.  56.  — 

Das  Berichtsjahr  hat  über  die  Schriftsteller  des  jungen  Deutschland  zwar 
vielerlei,  aber  nicht  viel  zu  Tage  gefördert;  die  Presse  äusserte  sich  noch  nachträg- 
lich über  die  allgemeinen  Darstellungen  der  Epoche  von  Brandes')  (vgl.  JBL.  1890 
IV  14:1)  und  Proelss^)  (vgl.  JBL.  1892  IV  11:1),  Dekan  Kapff»)  berührte  in  einer 
von  Irrtümern  nicht  freien  Abhandlung  über  Litteratur  und  Christentum  auf  wenigen 
Seiten  auch  das  junge  Deutschland,  ohne  aber  mehr  als  eine  sehr  oberflächliche  Sach- 
kenntnis zu  verraten.  — 

In  guten  Zeitungsartikeln  wurde  einiges  zu  Börnes  Biographie  beigesteuert: 
Bock*)  erzählte  von  dessen  Studentenleben  in  Giessen  und  Holzamer^)  nach  den 
Kriminalakten  des  Frankfurter  Archivs  von  Börnes  Verhaftung  zu  Frankfurt  am 
22.  März  1820.  — 

Wenn  in  diesen  Artikeln  ruhige  Forschung  das  Wort  führte,  so  erhob  sich 
dagegen  über  Heine  und  seine  Gesamtcharakteristik  der  alte  ingrimmige  Partei- 
hader^)  in  höchst  tumultuarischer  Form.  Die  Düsseldorfer  Stadtverordneten  hatten 
nämlich  in  ihrer  Sitzung  vom  24.  Jan.  1893  abermals  eine  Verhandlung  über  das 
dem  Dichter  zu  setzende  Denkmal  anberaumt,  nachdem  schon  fünf  Jahre  zuvor  der 
Platz  dazu  bewilligt  worden  war.  Dieser  ältere  Beschluss  wurde  jetzt  auf  den  Antrag 
Beckers  hin  aufgehoben,  der  Platz  für  das  von  Prof.  Herter  bereits  entworfene  Monu- 
ment verweigert.  Dieser  Vorgang  in  Düsseldorf  fand  in  der  Presse'" '-)  und  in  Flug- 
schriften eifrige  Besprechung.  B"ür  die  Erkenntnis  von  Heines  Wesen  kam  freilich 
so  gut  wie  nichts  dabei  heraus.  —  Der  deutschsociale  Verein  Düsseldorfs  sandte  vor 
jener  Verhandlung  einige  Aufsätze  von  König- Witten '3^,  die  dieser  bereits  1888 
über  den  „Schmutzfinken  im  deutschen  Dichterwald"  veröffentlicht  hatte,  aufs  neue  in 


Erinnerung  an  G.  Schwab:  ib.  N.  143.  (Aus  d.  SchwäbMerk.  wird  d.  v.  E.Paulus  bei  d.  Schwab-Gedenkfeier  d.  Stuttg.  Lieder- 
kranzes vorgetragene  Festgedicht  abgedr.)  —  145  a)  X  Ph.  Stein,  G.Schwab.  E.  Säkularerinnernng  z.  19.  Jani:  FeuilletZg.  1892, 
N.  415.  —  146)  ß.  Sprenger,  Zu  Schwabs  Gedicht  Kaiser  Heinrichs  Waffenweihe:  ZDÜ.  7,  S.  687.  —  146a)  X  Wie  e. 
schönes  Gedicht  entstand.  Gedenkbl.  zu  G.  Schwabs  100.  Gebnrtst.:  Tglßs«.  1892,  N.  141.  (Anekdotenhafte  Entstehnngs- 
gesch.  d.  Ballade  „D.  Gewitter"  [1828].)  —  147)  X  0.  Behaghel,  W.  Hauff,  Werke.  Her.  v.  M.  Mendheim  (vgl.  JBL.  1892 
IV  10  :  115):  LBlGRPh.  S.  158/9.  (B.  tadelt  d.  Textbehandlung.)  -  148)  X  W.  Hauff,  Werke.  Her.  u.  erlänt.  v.  F.  Bobertag 
(vgl.  JBL  1892  IV  10:  117).  i[Eug.  Wolff:  ML.  62,  S.  77;  Söhns:  COIRW.  21,  S.  379-80.]|  —  149)  X  id-.  Werke.  Her.  v. 
C.  Flaischlen  (vgl.  JBL.  1892  IV  10:  116).  |fN&S.  65,  S.  411;  Geg.  43,  S.  lll.JI  —  150)  O  id.,  Sämtl.  Werke  in  6  Bdn.  Mit 
biogr.  Einl.  v.  Herrn.  Fischer.  St.,  Cotta.  1737  S.  M.  6,00.  —  151)  X  id.,  Gedichte  u.  Skizzen.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  d. 
In-  u.  Auslandes.     N.  725.)     Halle  a.  S.,  Hendel.     99  S.     M.  0,25.    -■    152)    X   id ,  Lichtenstein.     St.,  Cotta.     348  S.     M.  1,00. 

—  153)  X  id.,  Märchen,  ebda.  336  S.  M.  1,00.  —  154)  X  id-,  Ansgew.  Märchen.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12'».  63  S. 
M.  0.50.  —  155)  X  id-,  Wirtshans  im  Spessart.  With  notes,  vocabulary  etc.  London,  Hachette.  Sh.  2/6.  —  156)  X  id., 
Wirtjnaus  im  Spessart,  with  notes,  by  G.  Eng.  Fasnacht.  London,  Macmillan.  12».  Sh.  3.  |[Ath.  2,  S.  623.J|  —  157)  X  id-, 
Wirtshiius  im  Spessart,  by  Schlottmann  and  J.  W.  Cartmell.  (=  Pitt  Press  Series.)  Cambridge,  Warehouse.  12".  X,292S. 
Sh.  3.  |[0.  F.  Walzel:  ZOG.  44,  S.  786.]i  —  158)  X  id-,  L-Jngnose  the  Dwarf,  and  other  Fairy  T.iles  w.  plates.  London, 
Sonnenschein.  Sh.  26.  —  159)  X  id-,  Little  Glass  Man  etc.  Stories  from  the  German.  ill.  (=  Childrens  Library.)  London, 
ünwin.  12».  Sh.  2,0.  -  160l  X  (IV  1  d  :  43.)  |[W.  Wallace:  Ac.  44,  S.  ll.J|  —  161)  X  Wilh.  Hauff,  Jud.  Süss.  Novelle, 
bearb.  v.  H.  Erdmann.  L,  E.  Werther.  120  S.  Mit  1  Bild.  M.  0,75.  — 162)0  A.  Kopp,  Reiters  Morgenlied :  BarschenschBU.  7, 
S.  144  7,  1713,  264,7,  233,6.    (Stellt  d.  Gedichte  Hauffs  d.  Lieder  v.  Günther  u.  Hunold  gegenüber;  vgl.  JBL.  1892  IV  10:115.) 

-  163)   O  (in  2  :  41.)  - 

1)  X  N&S.  66,  S.  134/5;  ÖLBL  2,  S.  461/3;  J  Thorel:  BDM.  119,  S.  337-53.  -  2)  X  J-  Minor:  DLZ.  S.  1000/2; 
L.  Marholra:  N&S.  65,  S.  200-10;  J.  Krejci:  Ath.  10,  S.  251,-2;  SchwKs.  2,  S.  1014;  0.  F.  Walzel:  ADA.  19,  S.  176-85; 
G.  Morgenstern:  Ges.  S.  2445.  —  3)  (IV  la:13;  8a:  71.)  —  4)  Ä.  Bock,  Börne  in  Giessen:  FZg.  N.  249.  —  5)  W. 
Holzamer,  D.  Verhaftung  L.  Börnes  am  22.  März  1820:  ib.  N.  108.  —  6)  X  H.  Keiter,  H.  Heine  (vgl.  JBL.  1891  IV  12:4): 
ÖLBl.  2,  S.  205/6.  —  7)  X  E.  Peschkau,  Kunstpolizei.  Glossen  z.  Heine-Denkmal:  SchorersFamilienbl.  8.  174/5.  —  8)  X 
P.  Heyse,  Heine  in  Düsseldorf:  Zukunft  2,  S.  451/4.  (Vgl.  N.  20.)  -  9)  X  H.  Heine  u.  d.  Kleinen  v.  d.  Seinen:  Grenzb.  1, 
S.  3914.  —  10)  X  J-  Legras,  La  statue  et  TAlmanach  de  H.  Heine:  RPL.  1,  S.  578,9.  -  -  11)  X  Dusseldorf  et  le  monument 
de  Heine:  BURS.  57,  S.  630/1.  —  12)  X  K.  Henckell,  Heines  Denkmal  in  Düsseldorf  1893:  FZg.  N.  34.  (Vgl.  N.  20.)  — 
13)  König- Witten,  U.  Heine,  d.  Schmutzfink  im  dtsch.  Dichterwald.  Düsseldorf,  E.  Schaber  (L.,  H.  Beyer).  32  S.  M.0,20. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratargeschichte.     IV.  ('^)>^- 


IV  11  :  14-27  E.  Elster,  Das  junge  Deutschland. 

die  Welt.  Sie  behandeln  Heines  Stellung*  zum  Christentum,  zu  Deutschland  und  Preussen 
und  stellen  Aeusserungen  des  Dichters  zusammen,  durch  die  seine  bekannten  Ver- 
sündigungen in  grellste  Beleuchtung  gerückt  werden.  Dabei  fehlt  es  nicht  an  Irr- 
tümern: so  z.  B.  wird  behauptet,  dass  Heine  auch  Immermann  und  „den  genialen 
Grabbe"  „wie  ein  bissiger  Köter"  angefallen  habe.  Ein  besonderes  Kapitel  handelt 
über  „Heine  als  Vater  der  Revolverpresse"  und  erörtert  seinen  unsauberen  Feldzug 
gegen  seine  ebenso  unsaubere  Hamburger  Verwandtschaft.  —  Allen,  die  Lust  hatten, 
für  ein  Heinedenkmal  einzutreten,  hat  ein  Pseudonymus^*)  ein  Schriftchen  über 
Heinrich  Heine  als  Antisemiten  und  Nihilisten  „mitleidsvoll  gewidmet".  Auch  er  hat 
wie  König- Witten  die  Schriften  des  Delinquenten  ziemlich  genau  angesehen ;  er  urteilt 
nach  dem  Gesetzbuch  der  katholischen  Kirche  wie  jener  nach  dem  Antisemiten- 
Katechismus.  Zunächst  werden  Heines  antijüdische  Kundgebungen  angeführt,  dann 
diejenigen  gegen  das  Christentum,  den  Protestantismus,  den  Katholizismus,  Deutsch- 
land, Preussen,  die  Monarchie,  das  Volk  und  gegen  die  Bourgeoisie,  endlich  „der 
deutsche  Charakter  und  das  deutsche  Gemüt"  beleuchtet;  und  das  Ergebnis  ist  eben, 
dass  der  Dichter  ein  sittlicher  Nihilist  sei.  —  Gegenüber  solchen  Angriffen  suchte 
Heinrich  Fränkel^^)  die  nationale  Gesinnung  Heines  darzulegen  und  führte  zu 
diesem  Zwecke  eine  Anzahl  bekannter  Stellen  aus  den  Gedichten  und  Prosawerken 
an,  die  von  echt  patriotischen  Stimmungen  zeugen.  —  Bartels ^^)  versuchte  in  einer 
„Art  Apologie"  ohne  genauere  Kenntnis  der  neueren  Forschung  und  auch  ohne  tiefere 
Auffassung  in  einer  Gesamtwürdigung  Heines  den  Dichter  zu  „retten",  während  er 
den  Schriftsteller  und  Journalisten  „ruhig  fallen"  Hess.  —  Endlich  aber  gab  die 
Denkmalsangelegenheit  auch  Anlass  zu  begeisterten  Kundgebungen  für  den  „ge- 
schmähten Dichter" i"^-'^):  Lachmanski  ^0)  verrät  freilich  mehr  guten  Willen  als 
kritische  Geschicklichkeit,  er  beherrscht  den  Stoff  nicht,  bleibt  abhängig  vom  Urteil 
anderer,  führt  (S.  18)  ein  angebliches  Gedicht  Heines  an,  das  Elster  längst  als  nicht 
von  diesem  herrührend  erkannt  hatte,  und  versäumt  es,  den  begründeten  Vorwürfen, 
die  gegen  den  Dichter  erhoben  worden  sind,  ehrlich  und  umständlich  zu  Leibe  zu 
gehen;  es  ergiebt  sich  eben  dann  zweifellos,  dass  auf  dem  hochbegabten,  jetzt  oft  so 
schmählich  verkannten  Dichter  viel,  sehr  viel  hängen  bleibt,  was  kein  anständiger 
Mensch,  welcher  Partei  er  auch  angehöre,  gutheissen  kann.  —  Mit  solchem  Mass- 
stabe tritt  man  freilich  nicht  dem  Heine- Almanach^")  gegenüber,  den  die  Litterarische 
Gesellschaft  zu  Nürnberg  in  die  Welt  gesandt  hat.  Er  enthält  poetische  und  pro- 
saische Aeusserungen  zahlreicher  Schriftsteller  über  Heine  und  insbesondere  über  den 
Beschluss  der  Düsseldorfer  Stadtväter  in  Betreff  des  Denkmals.  Dieses  über  200  Seiten 
starke  Büchlein  birgt  sehr  ungleiche  Urteile  über  den  Dichter:  da  sind  solche,  die 
ihn  wegen  seiner  süssen  Romantik  bewundern,  solche,  die  in  ihm  einen  Vorläufer 
des  modernen  Naturalismus  begrüssen,  solche,  die  seine  Hinneigung  zu  socialdemo- 
kratischen  Doktrinen  mit  Freuden  erkennen;  und  in  der  That  von  Elise  Polko  zu 
Zola,  M.  G.  Conrad,  Leo  Berg,  Bertha  von  Suttner  usw.  ist  ein  weiter  Weg.  Aber 
fast  durchweg  sind  es  gute  Leute  und  schlechte  Musikanten,  die  hier  das  Wort  er- 
greifen; von  Heines  Geist  ist  kaum  einer  dieser  Verehrer  erfüllt:  am  besten  sind 
Heyses  und  Henckells  Verse,  und  auch  Lorms  „Zwiegespräch  auf  Korfu"  ist  originell 
aus  Heineschen  Versen  zusammengestellt.  Im  ganzen  aber  herrscht  eine  erschreckende 
Geistesarmut  in  diesem  Almanach,  was  bei  der  anfechtbaren  Auswahl  der  Mitarbeiter 
nicht  zu  verwundern  ist.  —  Als  das  Düsseldorfer  Denkmalsprojekt  gefallen  war, 
wurde  Mainz^^)  dafür  in  Aussicht  genommen,  und  bereits  im  April  1893  machte  man 
in  Protestversammlungen  geltend,  dass  diesem  „Lotterbuben"  Heine,  der  „zu  sieben  Achtel 
ein  Lump  und  zu  etwa  ein  Achtel  ein  Schwein"  gewesen  sei,  zu  Mainz  „selbst  auf 
dem  Viehhofe"  kein  Denkmal  gebühre^^),  —  Dagegen  hiess  es,  dass  die  Deutschen 
in  New-York  im  dortigen  Centralpark  dem  Dichter  des  Buchs  der  Lieder  ein  Monu- 
ment errichten  würden^^).  — 

Zur  Erkenntnis  von  Heines  Leben^*"^^)  ti-ug  Eugen  Wolffs^'')  Veröffent- 

—  14)  „Dr.  J.  Stuarstecher",  H.  Heine,  d.  Antisemit  n.  Nihilist.  Bausteine  z.  HeinedenTcraal  aus  Heines  sämtl.  Werken 
zusammengetragen.     Köln,  Bachern.     55  S.     M.  1,00.   |[LZg.  N.  57;  DAdelsbl.  S.  409-10;  KonsMschr.  S.  928;  ÖLBl.  2,  S.  397/S.]| 

—  15)  Heinr.  Fränlcel,  H.  Heine  als  Ueutschnationaler:  VolksZg.  N.  223.  —  16)  Ad.  Bartels,  H.Heine.  E.  Art  Apologie: 
Didask.  N.  115/7.  — 17)  O  K.  Soipio,  D.  Würdigung  H.  Heines:  BerlTBl.  N.  10/4.  —  18)  X  Bulgarus,  Glossen  z.  Zeitgesch. 
G.  Schmoller  u.  H.  Heine:  Nation«.  10,  S.  475.  —  19)  H.  Lachmanski,  Düsseldorf  u.  H.  Heine.  E.  Würdigung  d.  ge- 
schmähten Dichters.  B.,  Friedrichstädt.  Buchh.  31  S.  M.  0,50.  —  20)  Heine-Almanach.  Als  Protest  gegen  d.  Düsseldorfer 
Denkmalverweigerung.  Her.  in  Verbindung  mit  hervorrag.  Schriftstellern  v.  d.  Litt.  Ges.  in  Nürnberg.  Nürnberg,  C.  Koch. 
V,  217  S.  M.  2,00.  |[AZgi>.  N.  134;  L.  Berg:  NatZg.  N.  409;  Spektator:  ML.  62,  S.  310;  H.  Lorm:  NFPr.  11.  März.]|  — 
21)  X  BerlTBl.  N.  192.  -  22)  Zwei  Kundgebungen  für  n.  gegen  H.  Heine:  ib.  N.  218.  —  23)  ib.  N.  196.  —  24)  X  L. 
van  Embden,  H.Heines  Familienleben  (vgl.  JBL.  1892  IV  11:12).  |fK.  Frenzel:  NatZg.  N.  48;  M.  Bernstein:  Nation«.  10, 
S.  228-31;  K.  E.  Franzos:  DDichtung.  13,  S.  94/7,  126/7;  R.  M.  Lintock:  Ao.  43,  S.  364/5;  Geg.  43,  S.  239;  E.  Elster: 
BLU.  S.  4/7;  id.:  LCBl.  S.  21;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  395;  KonsMschr.  S.  231/2;  L.  Pränkel:  Geg.  44,  S.  21,3;  DR.  2,  S.  142/3; 
G.  Morgenstern:  Ges.  S.  244/5;  P.  v.  Szczepänski:  VelhagenKlasingsMh.  2,  S.  222;  BÜRS.  57,  S.  404/7;  Polybibl''.  67, 
S.  363,5;  J.  Legras:  ECr.  35,  S.  228;  WestmR.  139,  S.  212/3;  H.  Hüffer:  DKs.  76,  S.  288/9.]l  (Engl.  Uebersetz.  v.  C.  G. 
Lei  and.  London,  Heinemann.  Sh.  5.)  —  25)  X  J-  Mähly,  Ph.  Audebrand,  Petita  Memoires  (vgl.  1892  IV  11:6):  AZgB. 
N.  66.  —  26)  X  G-  Karpeles,  Neues  über  Heine:  NFPr.  N.  10353.  (Gute  Besprech.  v.  JBL.  1890  IV  14:27.)  —  27)  Eug. 
Wol ff,  Briefe  V.  H.  Heine  an  H.  Laube.    (=  Urkk.  z.  Gesch.  d.  neueren  dtsch.  Litt.  I.)    Breslau,  Schles.  Verl.-Anst.   63 S.    M.  1,50. 


E.  Elster,  Das  jung-e  Deutschland.  IV  11  :  27-47 

lichung'  von  Briefen  des  Dichters  an  Laube  bei:  in  den  umfangreichen  witzigen 
Schriftstücken  nimmt  Heine  insbesondere  auf  seinen  Streit  mit  Gutzkow,  auf  den 
Druck  des  „Atta  Troll"  und  auf  den  Erbschaftszwist  mit  den  Hamburger  Verwandten 
Bezug:  am  wichtigsten  sind  die  Bemerkungen  und  neuen  Lesarten  zum  „Atta  Troll"; 
aber  auch  sonst  erfahren  wir  manches  Interessante,  und  namentlich  der  Brief  vom 
12.  Okt.  1850  ist  äussert  charakteristisch;  die  Sprache  der  Briefe  ist  wiederum  von 
bösen  Fehlern  nicht  frei.  Leider  hat  der  Herausgeber,  der  sich  mit  einmaligem  Ab- 
druck der  Dokumente  hätte  begnügen  können,  sich  veranlasst  gesehen,  „wenige  neben- 
sächliche Bemerkungen,  die  auch  im  Ausdruck  anstössig  erschienen",  auszumerzen. 
Seine  erläuternden  Anmerkungen  sind  der  Sache  entsprechend  ausgefallen,  nur  wäre 
etwa  nachzutragen,  dass  der  nach  Aussage  des  Briefes  vom  3.  Sept.  1840  von  der 
Redaktion  der  „Allgemeinen  Zeitung"  zurückgesandte  Artikel  Heines  jetzt  g-edruckt 
vorliegt  (in  Elsters  Ausgabe  Bd.  7,  S.  351/2).  —  Wenig  glücklich  war  Karpeles^») 
mit  einem  Artikel  über  Heine  und  Mignet,  da  nämlich  der  Brief  Heines,  durch  den 
der  Artikel  angeregt  worden,  dem  deutschen  Publikum  durch  den  Abdruck  in  der 
„Täglichen  Rundschau"  bereits  seit  längerer  Zeit  bekannt  war  ("vgl  JBL.  1890  IV 
14 :  25).  Wenn  K.  seine  Uebersetzung  des  Briefes  als  „an  Heines  Art  und  Weise 
hintastend"  bezeichnet,  so  hat  ihn  dieses  Tastgefühl  bei  der  Wiedergabe  von  „acide 
prussique"  („Blausäure")   durch  „Berliner  Blau"  leider  ganz  im  Stiche  gelassen,  — 

Von  Neudrucken  der  Werke  Heines  erwähnen  wir  zunächst  die  neuen  Auf- 
lagen der  Gesamtausgaben  von  Elster 2*')  und  Karpeles*^"):  erstere  ist  gegenüber 
der  ersten  Auflage  von  1890  nur  wenig  verändert;  sie  enthält  etliche  Textbesserung-en 
im  einzelnen  und  einen  Nachtrag  zu  den  Lesarten  des  Buchs  der  Lieder;  letztere 
bietet  die  ersten  7  Bände  auch  in  nahezu  unveränderter  Form,  bringt  aber  zu  den  in 
Bd.  8  und  9  abgedruckten  Briefen  umfangreiche  Zusätze,  namentlich  die  1892  ver- 
öffentlichten Familienbriefe  Heines,  die  oben  erwähnten  Briefe  an  Laube  usw.,  sodass 
die  Sammlung  um  178  Nummern  bereichert  worden  ist.  —  Andere  Neudrucke  der 
Werke  sind  belanglos.^'"^^)  —  Sehr  ansprechend  ist  Hess  eis  ^3)  Sammlung  von 
Heines  „Meerdichtungen":  sie  umfasst  alle  Seegedichte  des  Buchs  der  Lieder  usw. 
und  von  Prosastücken  das  kleine  Fragment  „Ramsgate",  die  dritte  Abteilung  der 
„Nordsee"  („Nordern ey"),  soweit  sie  Schilderungen  des  Meeres- und  Insellebens  enthält, 
sowie  endlich  den  „Fliegenden  Holländer"  aus  dem  „Schnabelewopski".  Ist  schon 
diese  Auswahl  geschickt  und  erfreulich,  so  ist  die  im  Anhang  beigeg-ebene  Ab- 
handlung über  „Heinrich  Heine  als  Dichter  des  Meeres"  noch  grösseren  Lobes  wert. 
Die  Dichtungen  werden  hier  in  geschmackvoller  Form  durch  die  Lebensumstände 
Heines  erläutert,  insbesondere  die  beiden  ersten  Nordseecyklen  durch  die  Liebe  zu 
Therese.  Eine  kühne  und  zweifelhafte  Hypothese  H.s,  dass  die  drei  letzten  Gedichte 
des  ersten  Cyklus  durch  Heines  Glaubenswechsel  zu  erklären  seien  (vgl.  KZg.  1892, 
N.  426,  434),  wird  hier  mit  geistreicher  Begründung  wiederholt.  —  Andere  Ausgaben 
ausgewählter  Werke^*)  sowie  Abdrucke  von  Gedichtsammlungen^^'^")  und  Prosa- 
werk en^**"  39)  Heines  sind  ohne  wissenschaftlichen  Wert.  — 

Die  Uebersetzungenins  Italienische***), Englische*'"**)  und Kleinrussische*^) 
waren  uns  zum  Teil  unzugänglich.*^)  — 

Von  den  Untersuchungen  über  Heines  Schriften  erwähnen  wir  zunächst 
die  treffliche  Abhandlung  Lichtenbergers*'')  über  Heines  poHtisch-sociale  An- 
schauungen, eine  objektive,  auf  gründlicher  Kenntnis  aufgebaute  und  sehr  ansprechend 


|[E.  Elster:  BLU.  S.  447;  N&S.  66,  S.  273;4;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  14501;  F.  Schnürer:  ÜLBl.  2,  S.  523/4;  Presse  N.  94.]| 
—  28)  G.  Karpeles,  Heine  n.  Mignet:  FZg.  N.  164.  —  29)  H.  Heine,  Säratl.  Werke,  her.  v.  E.  Elster.  Neuer  Abdr.  7  Bde. 
L.  u.  Wien,  Bibliogr.  Inst.     122  u.  576,  555,  579,  634,  554,  635,  655  S.     M.  16,00.  —  30)  id.,  Ges.  Werke,  her.  v.  G.  Karpeles. 

2.  verb.  n.  verm.  Aufl.  9  Bde.  B.,  Grote.  LXXV,  402  S.;  XIX,  590  S.;  XXII,  403  S.;  XXIV,  380  S.;  XXXIV.  463  S.;  XVII, 
481  S.;  XVII,  505  S.;  X,  618  S.;  579  S.  M.  22,50.  —  31)  X  id.,  Säratl.  Werke  Mit  e.  biograph.-litterarhlst.  Einl.  v.  St.  Born. 
St.,  Cotta.  272,  326,  259,  228,  248,  287,  254,  272,  288,  276,  320,  312  S.  Mit  Bild.  M.  12,00.  (B.s  Einl.  stammt  aus  d.  J.  1886, 
ist  daher  hier  nicht  zu  besprechen.)  —  32)  X  Dasselbe  in  12  Bdn.  (=  Cottas  Volksbibl.)  ebda.  12».  228,  307,  246,  191, 
220,  252,  228,  247,  246,  240.  284,  276  S.  Mit  Bild.  M.  6,00.  —  33)  id.,  D.  Nordsee.  Meerdichtnngen.  Nebst  e.  Anh.:  H.  Heine 
als  Dichter  d.  Meeres  v.  K.  Hessel.  Norden,  Braams.  12".  IV,  180  S.  M.  3,00.  —  34)  O  X  id.,  Ausw.  aus  sämtl.  Ge- 
dichten, für  dtsch.  Frauen  u.  dtsch.  Jugend  zusamniengest.  u.  mit  Vorw.  u.  Biogr.  vers.  v.  D.  Eckart.  L.  u.  Baden-Baden,  C.Wild. 
12».     XLIII,  227  S.     M.  3,50.     ||LZg.  N.  296.J    -  35)  X  id..  Buch  d.  Lieder.  {—  Bd.  1  v.  N.  31.)  -  36)  O  X  id..  Buch  d.  Lieder. 

3.  Aufl.  St..  Krabbe.  12".  XYI,  .332  S.  M.  3,00.  |(DRs.  77,  S.  475.]|  —  37)  X  "d .  Buch  d.  Lieder.  L.,  Fiedler.  16».  IV, 
269  S.  M.  1,50.  (Mit  „Heines  Leben"  [2  S.]  v.  M.  M[endheimJ.  Text  nicht  gut,  nach  Strodtmann,  Gedichte  eingefügt,  d. 
nicht  ins  B.  d.  L.  gehören.)  —  38)  O  X  id.i  D.  Harzreise.  Für  d.  reifere  Jugend  bearb.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12».  60  S. 
M.  0,50.  —  39)  X  id.,  Extraits  des  ceuvres  en  vers  et  en  prose,  annotes  par  A.  Girot.  Paris,  Delagrave.  VIII,  100  S.  (Z. 
Unterricht  für  Franzosen;  vorangeschickt  e.  „Notice  biograph.";  Ausw.  gut.)  —  40)  X  Da  Enr.  Heine:  nuove  traduzioni  dl 
D.  Menghini.  Milano,  Galli  di  C.  Chiesa  e  F.  Guinduni.  16».  34  S.  —  41)  X  X  H.  Heine,  Salon,  French  afl'aires  (Lutece), 
Lettres  from  Paris,  2  vols.  Transl.  bei  C.  G.  Leland.  London,  Heinemann.  Sh.  5.  ||NQ.  4,  S.  239;  Ac.  44,  S.  313/4.  440/1; 
Satnrdayß.  76,  S.  497/8.]|  ~  42)  O  id.,  Lyrics  and  Balhids.  Transl.  by  Francis  Hellmann.  London,  Pntnams  Sons.  16». 
250  S.  Sh.  7/6.  |[ML.  62,  S.  146;  AZg».  N.  18;  Ac.  43,  S.  364,5.]|  (Dasselbe  Werk  scheint  vorzuliegen  in  „Heine  and  other 
German  Poets,  Lyrics  and  Ballads,  transl.  by  F.  Hellroann.  ebda.  12».  Sh.  6.)  —  43)  O  id.,  Poems  and  Ballads,  in  English 
Verse,  by  Sir  T.  Martin.  3.  ed.  London,  Blackwoods.  Sh.  5.  —  44)  X  Elizabeth  A..  Sharp,  H.  Heine,  Italian  travel  (vgl. 
JBL.  1892  IV  11  :  18):  Ac.  43,  S.  128.  —  45)  X  Heines  Werke  in  kleinruss  Uebersetz.:  ML.  62,  S.  81.  —  46)  O  H.  Parlow, 
D.  Spanier  n.  H.  Heine:    BerlTBl.  N.  3.54.    —    47)    H.    Lichtenberger,    Les   th6ories    sociales  de  Henri  Heine:    AnnRst.  7, 

(4)32* 


IV  11  :  47-48  E,  Elster,  Das  jung-e  Deutschland. 

g-eschriebene  Arbeit.  L.  deckt  die  Motive  von  Heines  oppositioneller  Richtung- 
ähnlich  wie  andere  vor  ihm  auf:  als  Rheinländer  unter  der  Napoleonischen  Herrschaft 
aufgewachsen,  beobachtet  der  Dichter  als  Student  die  Unterdrückung  der  Burschen- 
schaft, erfährt  als  Schriftsteller  die  endlosen  Plackereien  der  Censur,  als  Mensch  die 
tief  wurzelnde  Abneigung-  gegen  das  Judentum,  und  so  wird  er,  durch  seine  persönliche 
Lage  der  preussischen  und  deutschen  Heimat  überdrüssig,  in  das  Lag-er  der  Oppo- 
sition getrieben  und  fühlt  sich  mit  Stolz  als  einen  Vorfechter  der  Armen  und 
Unterdrückten.  Aber  mit  dieser  Rolle  des  Volkstribunen  blieb  Heines  romantische 
Dichternatur  in  dauerndem  Widerstreit.  In  Paris  schien  der  Saint-Simonismus,  über 
den  L.  sehr  gut  berichtet,  diesen  Gegensatz  seines  Wesens  überbrücken  zu  wollen: 
Heine  fand  hier  Nahrung  für  seine  demokratischen  Bestrebung-en  und  seinen  künst- 
lerischen Geschmack;,  aber  er  unterschied  sich  doch  bald  von  jenen  Doktrinären 
durch  die  Ansicht,  dass  nur  durch  eine  gewaltsame  Revolution  den  neuen  Ideen  zum 
Durchbruch  verholfen  werden  könne.  Der  baldige  Zerfall  der  saint-simonistischen 
Schule  musste  Heine  vollends  über  deren  Einseitigkeiten,  ja  Lächerlichkeiten  auf- 
klären. Aber  in  der  Negation  verharrte  er  beim  Alten,  er  fuhr  fort.  Thron  und  Altar 
zu  bekämpfen.  Dabei  war  er  durchaus  nicht  reich  an  neuen  Gedanken:  er  wieder- 
holte nur  mit  grösserem  Hailoh  und  grösserer  Heftigkeit  die  seit  längerer  Zeit  vom 
Liberalismus  ausgegebenen  Schlagwörter.  Sein  sogenanntes  Exil  war  durchaus  frei- 
willig, nichts  ist  unrichtiger  als  Heine  für  einen  Märtyrer  seiner  politischen  Ueber- 
zeugungen  zu  halten.  Er  überwirft  sich  daher  auch  bald  mit  den  Radikalen  und 
verharrt  bei  solcher  Gesinnung  auch  nach  der  Revolution  von  1848.  Andererseits 
gewinnt  er  frühzeitig  der  socialistischen  Bewegung  ein  starkes  Interesse  ab,  pro- 
phezeit mit  bemerkenswertem  Scharfsinn  ihre  künftige  Bedeutung,  wird  aber  als 
Dichter  und  Künstler  von  Grauen  erfüllt,  wenn  er  an  den  endlichen  Sieg'  dieser  trost- 
losen Gleichmacherei  denkt.  Heine  ist  ein  politischer  Dilettant,  ein  Künstler,  der 
eine  Liebhaberei  für  Politik  besitzt,  ein  Mann  von  ausgeprägter  Subjektivität,  zum 
Tribunen  ganz  ungeeignet  und  viel  mehr  zur  Klasse  derjenigen  Menschen  gehörig, 
die  kein  anderes  Gesetz  als  ihr  individuelles  Vergnügen  kennen  (S.  408);  er  ist  ein 
politisches  „enfant  perdu",  wie  er  sich  selbst  nennt.  Er  liebte  als  echter  Dichter  das 
schlichte  Volk  aufrichtig,  aber  nicht  das  souveräne  Volk,  und  wenn  S.  Majestät  das 
Volk  ihm  die  Hand  drücken  sollte,  so  würde  er  sich  diese  gleich  darauf  waschen. 
Eristeinvom  Skeptizismus  durch  und  durch  erfüllter  Dichter,  aber  wir  müssen  bedenken, 
dass  die  letzte  Wahrheit  in  den  schwierigen  Fragen  des  sopialen  Lebens  auch  heut- 
zutage noch  niemand  durchschaut  hat.  Heine  hat  das  Verdienst,  als  politischer  Schrift- 
steller mit  oft  bewundernswerter  Feinheit  einen  Seelenzustand  aufgedeckt  zu  haben, 
der  zu  seiner  Zeit  häufig  anzutreffen  war  und  auch  jetzt,  nachdem  mehr  als  40  Jahre 
verflossen  sind,  noch  weit  verbreitet  ist.  Erschöpfend  ist  L.s  anregende  Darstellung 
nicht,  er  berührt  Heines  schwankendes  Verhalten  in  den  J.  1828  und  1837  teils  gar 
nicht,  teils  zu  flüchtig,  er  hebt  keineswegs  alle  Widersprüche  in  seinen  Aeusserungen 
hervor,  er  urteilt  zu  milde  über  die  französische  Staatsunterstützung,  die  der  deutsche 
Dichter  bezogen  hat.  Von  Einzelheiten  bemerken  wir  (zu  S.  263),  dass  Heine  gelegent- 
lich auch  in  seinem  Napoleonkultus  geschwankt  hat  (vgl.  Elsters  Ausg.  Bd.  4,  S.  517), 
dass  der  Name  „Junges  Deutschland"  (S.  379)  keine  Erfindung  des  Bundestages 
(L.  schreibt  fälschlich  „Bundesrat")  war,  dass  Verhaftsbefehle  gegen  Heine  (S.  380) 
1844  und  in  den  folgenden  Jahren  in  Preussen  thatsächlich  vorlagen,  und  dass  unter 
den  nach  der  Revolution  von  1848  verfassten  Gedichten  Heines  das  von  Elster 
wieder  aufgefundene  „Michel  nach  dem  März"  (Bd.  2,  S.  187)  besonders  charak- 
teristisch ist.  Die  Vorzüge  von  L.s  Arbeit  bleiben  aber  durch  diese  Einwände  un- 
berührt.—  Eine  nicht  wertlose,  aber  im  einzelnen  oft  anfechtbare  Abhandlung  über  die 
rheinischen  Eigentümlichkeiten  in  Heines  Schriften  hat  Zillgenz^^)  veröffentlicht. 
Bei  einer  solchen  vorwiegend  sprachlichen  Untersuchung  war  es  die  Hauptsache, 
einen  sauberen  und  zuverlässigen  Text  zu  Grunde  zu  legen.  Z.  hat  sich  aber  der 
in  Hamburg  1884  erschienenen  ,,  Ausgabe  von  Karpeles"  bedient,  die  zu  den  schlechtesten 
und  fehlerhaftesten  gehört,  die  es  überhaupt  giebt.  Es  ist  das  nicht  die  „kritische", 
die  Karpeles  bei  Grote  veröffentlicht  hat,  sondern  die  billige  sog.  Bibliothoksausgabe 
von  Hoffmann  und  Campe;  Karpeles  hat  nur  eine  Biographie  dazu  beigesteuert. 
Dort  findet  sich  z.  B.  solch  ein  sinnloses  Wort  wie  „Nelkenlilie"  (in  dem  Gedicht 
„Begegnung":  Elster  Bd.  1,  S.  284)  statt  „Neckenlilie"  (von  „Neck,  Nix"),  was  Z. 
ohne  Scheu  citiert  (S.  2);  nur  dort  und  in  anderen  Drucken  gleichen  Wertes  oder 
Unwertes  steht  im  W^intermärchen  „Deutschland",  Kap.  14,  die  von  Z.  zu  anderen 
Stellen  in  Gegensatz  gebrachte  Form  „Brauen"  statt  des  Heineschen  „Braunen"  (Elster 
Bd.  2,  S.  460,  Z.  12).  Wenn  Z.  weiterhin  schreibt:  „Tn  einem  Briefe  vom  17.  Okt.  1816 
(Bd.  1,  S.  236  in  der  Biographie)"  spreche  Heine  „von  Kindtaufs-Carminaden,  worunter 


S.  228-70,  375-410.      -    48)  (I  8:50.)    —    48a)    X    D-    Sanders,    Einzelne    spraohl.  Bemerbangen  zn  Stellen  ans  Briefen  v. 


E.  Elster,  Das  jung-e  Deutschland.  IV  11  :  48-56 

die  heute  sogenannten  Koteletts  zu  verstehen  sind",  so  könnte  man  zweifeln,  ob  er 
im  Ernst  rede;  denn  „Carminaden"  sind  natürlich  „Carmina",  und  wenn  dem  Dichter 
bei  Niederschrift  dieser  spöttisch-hybriden  Form  auch  „Karbonaden",  die  wir  alle 
kennen,  im  Ohre  angeklung-en  haben  mögen,  so  meint  er  doch  beileibe  keine  Kote- 
letts, sondern  Gedichte;  der  Zusammenhang-  ist  ja  ganz  klar.  Ausserdem  findet  sich 
jene  Stelle  in  dem  Briefe  vom  27.  (nicht  17.)  Okt.  und  ist  bei  Karpeles  S.  26  (nicht 
S.  236)  abgedruckt.  Das  Wort  „Beghinen"  (S.  8)  (Heine  schreibt  und  spricht  fälsch- 
lich „Beguinen",  viersilbig)  unmittelbar  mit  to  beg  zusammenzubringen,  geht  nicht 
an;  die  Etymologie  ist  noch  zweifelhaft.  Das  Wort  ,,ruddeln"  (S.  12)  ist  jüdisch- 
deutsch (Elster  4,  S.  479)  und  wird  mit  „rütteln"  wohl  nicht  zusammenhängen.  Die 
Vorlage  des  Gedichts  „Tragödie"  („Es  fiel  ein  Reif  in  der  Frühlingsnacht")  ist  von 
Hüffer  („Aus  dem  Leben  H.  Heines",  Berlin  1878,  S.  121)  längst  nachgewiesen  worden 
(bei  Z.  S.  14).  Im  allgemeinen  ist  gegen  die  Schrift  geltend  zu  machen,  dass  sie 
vieles  als  speciell  rheinisch  in  Anspruch  nimmt,  was  sehr  viel  weiter  verbreitet  ist. 
Aber  sie  berührt  zahlreiche  Dinge  und  giebt  gelegentlich  auch  recht  erwünschte  Aus- 
kunft; z.  B.  die  Erläuterung  zu  der  Stelle  „Die  Hunde  bellten  so  laut"  in  der  „Wall- 
fahrt nach  Kevlaar"  III  (S.  14),  ferner  diejenige  der  „Fallhütchen",  womit  die 
schwäbischen  Dichter  nach  Tannhäusers  Bericht  bedeckt  gewesen  sein  sollen  (S.  14; 
man  vgl.  dazu  auch  Gottfried  Kellers  Brief  vom  1.  Juli  1883:  DRs.  22,  S.  245). 
So  scheidet  man  schliesslich  nicht  ohne  Belehrung  von  der  kleinen  Arbeit.**^-')  — 
Einzelne  Bemerkungen  über  Heine  brachte  Weiss*-*)  in  seinen  kritischen  Studien 
über  Goethe  vor.  —  Der  Divan  des  Jehuda  Halevi^^-)^  (j^g  {^  Heines  „Romancero" 
so  begeistert  gefeierten  jüdischen  Dichters,  ist  in  deutscher  Uebersetzung  von  Ver- 
schiedenen erschienen.  —  Karpeles^^)  widerlegte  in  einem  Aufsatz  das  dumme  Ge- 
schwätz einiger  Tagesblätter,  Heine  habe  das  Lied  ,,Du  bist  wie  eine  Blume"  von 
Philipp  Spitta  gestohlen.  Wenn  er  aber  die  alte  Tradition  neu  zu  beglaubigen  sucht, 
das  Gedicht  sei  1822  in  Berlin  oder  Gnesen  verfasst  und  an  eine  arme  Jüdin  Miriam 
gerichtet  worden,  so  bleiben  dagegen  die  von  Elster  bereits  1887  (u.  ö.)  geltend  ge- 
machten Bedenken  (DLD.  N.  27,  S.  33)  bestehen.  Es  bezieht  sich  zweifellos  auf 
Therese.  Solche  Traditionen  sind  stets  bedenklich:  wird  doch  auch  hartnäckig 
wiederholt,  das  Lied  „Wenn  ich  an  deinem  Hause  des  Morgens  vorübergeh"  sei  1833 
für  die  zwölfjährige  Lucy  Austin,  spätere  Lady  Duff  Gordon,  verfasst  worden,  während 
es  schon  1824  gedruckt  wurde.  —  Wertvoll  waren  Seufferts^-)  Mitteilungen  über  die 
Druckvorlage  der  zweiten  Auflage  des  Buchs  der  Lieder,  die  ihm  von  der  Wittich- 
schen  Plofbuchdruckerei  in  Darmstadt  zur  Einsicht  übergeben  worden  war.  Die 
Vorlage  besteht  aus  der  berühmten  Vorrede  zu  der  Ausgabe  von  1837,  aus  einem 
bis  S.  64  reichenden  Bogen  sorgfältiger  „Korrekturen"  von  Heines  Hand  und  aus 
einem  von  fremder  Hand  unvollständig  durchkorrigierten  Leihbibliotheksexemplar 
der  ersten  Auflage  des  Werkes.  S.  berichtet  mit  gewohnter  Genauigkeit  über  die 
Einzelheiten  dieser  Vorlage  und  erkennt,  dass  die  Aufmerksamkeit  des  Dichters  von 
der  Interpunktion  bis  zum  künstlerischen  Durchbilden  gegangen  sei,  und  dass  er 
auch  auf  die  strengere  Sitte  feinfühlige  Rücksicht  genommen  habe. -''3)  — 

Ueber  die  anderen  Vertreter  des  „jungen  Deutschland"^*)  erfuhren  wir  wiederum 
nur  sehr  wenig  Neues.  Volkmanns^^)  Skizze  über  Uriel  Acosta  beschäftigt  sich 
nur  mit  dem  Urbild  von  Gutzkows  Drama,  nicht  mit  diesem  selbst,  und  bringt  das 
„Exemplar  humanae  vitae"  Acostas  nach  Phil,  von  Limborchs  Buch  „De  veritate 
religionis  Christianae"  (1687)  zum  Abdruck.  In  der  Vorrede  berichtet  V.  über  die 
religiösen  Zustände  in  Amsterdam  um  das  J.  1625  und  widerlegt  die  Behauptung 
von  Graetz,  dass  Acosta  weder  ein  theoretischer  Denker,  noch  ein  praktischer  W^eiser, 
noch  ein  mannhafter  Charakter  gewesen  sei.  — 

Wenn  wir  schliesslich  des  miserablen  Fälchers  Fr.  Steinmann,  des  Jugend- 
freundes von  Heine,  als  eines  Schriftstellers  dieser  Gruppe  gedenken  sollen,  so  ge- 
schieht es  nur,  um  die  Berechtigung  von  Fränkels^^)  Notiz  über  ihn  in  der  ADB. 
zu  bezweifeln.  — 


H.  Heine:  ZDS.  6,  S  450/1.  (Zu  N.  24.)  —  49)  J.  J.  Weiss,  Sur  Goethe.  Etudes  crltiques  de  litt,  iilleraande.  Paris,  Colin  &  Co. 
XI,  355  S.  j[M.  Koch:  LCBl.  N.  37.]l  (Vgl.  JBL.  1892  IV  8a  :  111.)  —  50)  Divan  d.  Jehuda  Halevi.  E.  Ausw.  in  dtsch. 
Uehertragungen  v.  Abr.  Geiger,  S.  Heller,  S.  J.  Kämpf,  S.  Kristeller,  Jul.  Landsberger,  M.  Levin, 
M.  Eappaport,  Mich.  Sachs,  A.  Sulzbach.  M.  Steinschneider.  (=  Schriften  d.  Ver.  für  jüd.  Gesch.  u.  Litt.  Bd.  1.) 
B., (Schildberger).  X,  173  S.  (Nur  ^fir  d.  Mitglieder  d.  Ver.)  —  51)  G  Karpeles,  Heine  oder  Spitta:  BerlTBl.  N.  453.  — 
52)  B.  Seuffert,  D.  2.  Auflage  v.  Heines  Buch  d.  Lieder:  VLG.  6,  S.  472-80.  -  53)  X  0.  Netoliczka,  Zu  Heines  Balladen 
u.  Romanzen  (vgl.  1891  IV  12:32):  ZOG.  44,  S  378.  —  54)  XX  F.  Zwenger,  Aus  d.  Leben  F.  Dingelstedts.  Altes  u. 
Neues.  IL  Dingelstedt  in  Fulda:  Hessenland  7,  S.  154/8,  169-71.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  11  :  27.)  —  55)  W.  Volkmann,  Uriel 
Acosta  (Aus:  „Festschrift  z.  Jubelfeier  d.  Gymn.  zu  St.  Maria  Magdalena".)  Breslau,  Morgenstern.  36  S.  M.  0,50.  —  56) 
(IV  4  :  89.)  — 


Autorenregister. 


Abel,  C,    111  5 :  16. 
Al)ert    A.     I  4  :  441. 
Achelis,    E.   Chr.      I  1:143  a;    112:6, 
83,  189. 

—  Th.     14:12,   14,   31;    12:300;    IV 
5  :  165,  169,  214. 

Ackermann,  K.     I  6:  176. 
Adam,  A.     11  3  :  79. 
Adamy,  K.     1  2  :  37. 
Adehoch,  B.     I  1  :  22. 
Adelmann,  Helene.     IV  1  c  :  76. 
Aders,  F.     IV  5  :  104. 
Adickes,  E.    I  12  :  76  a,  252. 
Adler,  G.     I  4  :  200. 

—  F.     1  11  :  118. 
Adrian,  T.     IV  5  :  227. 
Agnes,  L.     IV  10  :  98. 
Ahlheim,  A.    I  7  :  33 
Ahlwardt,  Vf.    13:  34. 
Ahrena,  K.     II  6  :  90. 
Aichelbnrg,  M.  Frhr.  zu.     15:  306. 
Aikraann.  C.  M.     IV  10  :  85. 
Albert,  H.     15:  175. 

—  R.     III  5  :  22. 

Alberti,  C.     I  12  :  253;  IV  4  :  64,  320, 
355,  378;  5  :  424. 

—  E.    I  3:  15.  16;  IV  5:473. 
Albrecht,  A.     18:  73. 

—  H.     IV  Ic:  119. 
Albu,  A.     IV  5  :  466. 
Aldenhoven,  C.     112:  136. 
Alford,  G.     IV  8a  :  80,  143. 
Allard,  P.     IV  9  :  110. 
Allfeld,  J.     I  3  :  281. 
Allpress,  R.  H.     IV  4  :  90. 

Alt,  Th.     I  11  :  20;  12:70,  111/2. 
Althans,  Fr.     IV  1  c  :  145. 

—  P.    n  6  :  68. 
Altena,  H.     IV  1  c  :  60. 
Ambrosi,  L.     I  12  :  101  d. 

Ammann,  J.  J.     III,  4  :  36;  IV  4  :  285. 

Amyntor,  Gerhard  v.     IV  Ic  :  64. 

Anastasiu,  N.     IV  5  :  480 

Andersen,  IL  C.     IV  1  c  :  14. 

Andersson,  A.    13:  121. 

Andreae,  C.     16:  220. 

Andreas- Salome,  Lou.     111:  276;  12  : 

355,  398,  402,  408,  411,  414;  IV  1  d  : 

21 ;  4  :  147. 
Andree,  R.     15:  132. 
Anschütz,  R.     I  10 :  42. 
Anster,  J.     IV  8e  :  83. 
Appel,  C.    II  7  :  9. 
Archer,  W,    I  12  :  352;  IV  4  :  139. 
Arendt,  H.     I  11  :  46. 

—  0.    IV  5  :  311. 
Armin,  F.     IV  4  :  229. 
Arndt,  A.     13:  275/7, 

—  0.     IV  2b:  40. 

—  P.     15:  218. 

—  W.     III  1  :  72,  108;  IV  Ic  :  24. 
Arneth,  A.  v.     IV  1  c  :  140;  4  :  454. 
Arnheim,  F.     IV  8c  :  23. 
Arnold,  0.  F.     II  6  :  173. 

—  H.     15:  110. 
Arnoldt,  E.     IV  5  :  120. 
Arnsperger,  W.     IV  6  :  40. 
Aren,  0.     I  8  :  73ii. 

Arreat,  L.   I  11 :  23;  12  :  52b/3,  290,  389. 
Ascherson,  F.     13:  130. 


Anerbach,  A.     I  6  :  159. 

—  B.     IV  4  :  224,  250,  257;  6  :  29. 

—  L.     IV  5  :  642. 
Aufleger,  0.     I  11  :  143/4. 
Anfsberg,  Th.     15:  172. 
Ault,  J.  d\     I  12  :  78. 
Anricoste  de  Lazarque.     I  5  :  58. 
Avenarius,  F.     I  12  :  198,  254. 

Baasch,  E.     II  1  :  139. 

Babncke,  H.     12:  34. 

Babnder,  G.     I  12  :  193. 

Bach,  M.     I  11  :  192/3. 

Bachmann,    A.      I    5:15,    16;    8:109; 

II  1  :  29;  3  :  56. 

—  F.     IV  5  :  261/2. 

—  H.     II:  112. 
Bacmeister,  J.     IV  4  :  121. 
Baechtold,J.  11 :  110;  11:281 ;  II  1 :  85; 

4:11,  33;  IV  la:48;  Ic:  124. 
Baecker,  K.     I  12  :  127. 
Bäckler,  M.    I  S  :  12 
Bähnisch,  A.     II  6  :  71. 
Bahr,  K.  Ch.  F.  W.     I  13  :  7. 

—  0.     18:  147. 
Biiggesen,  Th.  V.     IVla:22. 
Bahlmann.  P.    I  3 :  120,  122;  II  7:56; 

III  5  :  8. 

Bahlow,  F.     II  6  :  128. 

Bahlsen,  L.     I  10  :  40;  IV  1  d  :  70. 

Bahr,    H.    I    12:116,    249;    IV  1  a  :  9, 

38 
Baier,  B.     II  3  :  93 
Baillen,  0.     IV  1  c  :  24. 

—  P.     I  1  :  63. 
Bailly,  M.     IV  4  :  40. 
Baja,  A.     I  1  :  130. 
Bajorath,  M.  111  5  :  31. 
Baldamns,  A.     II  1  :  12. 
Baldi,  A.     1  1  :  85;  7:114. 
Ballas,  G.     I  6  :  180. 
Baltzer,  M.     I  4  :  191. 
Bamberg,  F     IV  1  c  :81. 
Bamberger,  L.     I  1  :  32. 
Bannelier,  Ch.    I  13  :  10. 
Bardeleben,  K.  v.     IV  8a  :  112. 
Bares,  F.     14:  559. 

Baröti,  L.     I  5  :  127 

Bartels,  Ad.     I  2  :  25;  11 :  21;  12  :  328 

IV  la:8;  1  c  :  74,  93;  4:235,  241 
428;  5:425,  299;  8e:55;  9:11 
11  :  16. 

—  F.     15:3,  22,  27,  93,  98;  6  :  67. 

—  P.     I  8  :  34. 

Barth,  P.    IV  5 :  229,  449. 

—  R.     I  13  :  56. 
-  Th.     13:  155. 

Bartold,  W.     IV  1  c  :  5. 

Bartsch,  Z.     1  4  :  553. 

Barzellotti,  G.    II:  62. 

Basedow,   H,    v.     IV  4  :  312;    8a:  136; 

8e:70. 
Bass,  J.     I  1  :  29 

Bassermann,  H.     12:  41 ;  II  6  :  45. 
Basset,  R.     15:  230. 
Bastian,  A.     I  5  :  117. 
Batka,  R.     1  13  :  107;  IV  4  :  198. 
Bauer,   A.     II  1  :  101;    III  1  :  121;    IV 

8a:  21. 

—  B.    in  1  :  21. 


Bauer,  F.    I  13:153. 

—  F.  F.     IV  5  :  264. 

—  Karl.     IV  1  c  :  48. 

Banmann,  A.    I  1  :  15;  IV  5 :  222,  229. 

—  F.     15:  70. 

—  F.  L.     14:  440. 
Baumert,  G.     13:  176. 
Banmgart,  A.     15:  37. 

—  H.     IV  8  e  :  64. 
Q      I  *i  •  298 

Baumgarten,  H.  H  1 : 58, 145;  lY  8a  : 77. 

—  F.  I  4  :  507. 
Baumgartner,  A.     IV  5  :  335. 
Baur,  A.     IV  5  :  117. 
Bayer,  Edm.     IV  2  b  :  44/5. 

—  J.     I   12:428;  IV  4:256. 

—  Th.  T.  IV  1  c  :  4. 
Bayersdorfer,  Ad.  I  11  :  60. 
Bazing,  St.  15:  316. 
Bebel,  A.  I  4  :  594/5. 
Becher,  R.  17:  119. 
Bechstein,  L.     15:  210/1. 

—  R.     18:86,    117;   112:12;    4:9; 
IV  8  a  :  47. 

Beck,  E.     13:  39. 

—  F.    IV  4  :  58,  202. 

—  G.     I  13  :  154. 

—  H.     11:  143;  II  6:  187. 

—  M.     14:  270/1. 

—  P.     I  8  :  25;  11  :  109,  133,  250. 

—  R.     I  3:96;  III  1  :  102. 

Becker,    H.     16:223;    III  1:86;    lY 
4  :  396 

—  K.    15:  280. 

—  Th.    IV  9  :  49. 

—  W.    III  2  :  24. 
Beckh,  H.     II  6  :  66. 
Bedier,  J.     I  10  :  9. 
Beeger,  J.     13:  215. 
Beer,  L.     IV  2b:  22. 

Behaghel,  0.      I  2  :  12;   5  :  365;  8  :  69, 

105;    II    1:115;    IV    2a:  48;    5:5; 

10  :  147. 
Behla.     I  5  :  71. 
Behm,  R.     IV  5  :  125. 
Behrends,  P.  F.     IV  5  :  57 ;  8  e  :  69. 
Beissel,  St.     I  11  :  126;  11  1  :  130. 
Bekk,  Jessie.     IV  Id  :44. 
Bellaigue,  C.     I  13  :  11. 
Bellardi,  P.    14:  233,  326. 
Bellermann,  L.     IV  9  :  79,  88,9. 
Bellesheim,  A.    II  1  :  10;  6  :  6,  10,  27 ; 

IV  5:318;  9:100. 
Below,   G.  V.     1   1  :4,   24;   4:404;   II 

1  :40,  .51;  IH  1:  14;  lY  5:342. 
Benard,  Ch.     1  12  :  15  a. 

—  Th.     I  12  :  175. 

Benda,  A.     I  5  :  48;  11  :  130. 
Bender,  H.    I  7  :  46;  IV  9  :  154. 

—  W.    IV  5:247. 
rfendixen,  F.     I  12  :  75  b. 

—  R.     II  6  :  130. 
Bendt,  F.     I  4  :  299. 
Benedict,  A.     IV  4  :  68. 
Beneke,  A.     II  1  :  112. 
Benes,  J.    13:  226. 
Benini,  V.     I  12  :  45,  101  e. 
Benrath,  K.    II  6  :  2,  173;    III  1  :  121. 
Benzoni,  R.    I  12  :  115  b. 

Berbig,  M.     14:6. 


Autorenreg'ister. 


Berdrow,  0.     I  12  :  311. 

—  W.     IV  Ic:  119. 
Beresford-Webb,    H.    S.       IV    ld:35; 

8b  :  23a. 
Berpr,  L.     II:  90,    150;    12  :  119,  304; 
IV  11  :  20. 

—  W.     I  7  :  13. 

Berger,  A.  Frhr,  v.    IV  4  :  85,  134,  271, 
343. 

—  Ph.     12:  48. 
Bergmann,  J.     IV  5  :  89. 
Beringuier,  R.     14:  529. 
Berle,  L.    IV  8e  :  42 

Berlepsch,  H.  E.  v,    I  11  :  334,  375. 
Berliner,  A.     IV  1  n  :  119. 
Bern,  A.     IV  5:133  a. 
Bernardns  Americanus.     I  4  :  379. 
Bernau,  F     15:  179. 
Bernays.  M.     I  1  :  44;  13:86. 
Berner,  E.     IV  5  :  559. 
Bernhöft,  J.     14:  33. 
Bernstein,  Ed.     IV  5  :  192,  568. 

—  M.     IV  11  :  24. 
Bersohn,  M.     I  11  :  271. 
Bertheau,  C.     III  2  :  25. 
Bettelheim.  A.     I  1  :  117;   2  :  2;   II  1  : 

113;  IV  2b  :  14;  4  :  84,  255,  264,  402, 

414,  471;  5:385. 
Bettini,  P.     IV  5  :  563/4 
Beyer,  C.     I  4  :  378;    7  :  145;    l.'  :  29  ; 

6  :  178. 
Beyerhaus,  A.     I  6  :  52 
Beykert,  J.  D.     IV  1  c  :  125. 
Bey schlag,  W.      III  1 :  88;   IV  10  :  48. 
Bezold,  Ct.  V.     I  11  :  67,  85.  151. 
Bezzenberger,  A.     15:1,  220  a. 
Biagi,  G.     II  1  :  74. 
Bie.  0.    I  11  :  29,  374;    13  :  4,  6,  9,  28, 

33,  112,  119-20.  137. 
Biedenkapp,  G.     IV  1  a  :  14. 
Biedermann,  W^.  V.      IV  8a:  100.    112, 

116a,  162;  8b:  16b,  32;  8e  :  39,  100, 

101. 
Biegeleisen,  H.     I  12  :  188. 
Bielschowsky ,  A.  III3:6;IV8a:116a. 
Bienemann,    F.      I    11  :  16:    III  1  :  44; 

IV  1  c  :  43,  58-60, 123,  131, 147 :  5  :  395. 
Bierbanm,  0.  J.    I  11  :  43,  50,  276,  349, 

352,  359;  12:2612,  264;  IV  la:18; 

4:293.  404;  5:502. 
Biernatzky.  J.     14:  235. 
Biervliet,  .1.  J.  van.  I  12  :  113. 
Biese,   A.     I  12:190,   197;    IV  5:233; 

8a:  79. 
Biltz,   K.      I  12:178,    236;    III  2:22; 

3  :  16;  IV  4  :  3.56. 
Binder,  E.     IV  2a  :  53. 
Binet,  A.     I  12  :  114/5. 
Bing,  A.     III  4  :  10. 

—  J.     IV  10  :  47. 

Bintz,  .T.    14:  27;  12:4b;  IV  8a:  167. 

Binz,  G.     IV  4  :275  a. 

Bippen,  W^.  v.     14  :  347. 

Birkler,  M.     I  11  :  147. 

Birt,  Ph.     IV  8c  :  19. 

Bischoff,  F.     I  4:  113:  13:84. 

—  H.     IV  4  :  52. 

Blanckmeister,  F.    I  4  :  162;  III  2  :  23; 

5:20. 
Blau,  M.     II  7  :  11. 
Bleicher,  H.     14:  423. 
ßlennerhasset,  Lady.     IV  lc:17. 
Bloch,  M.     14:  536. 
Blösch.     II  1  :  70. 
Blondel,  G.     H  1  :  54. 
Bloos,  G.     I,  4  :  418. 
Blürael,  E.     14:  195. 
Blum,  H.     IV  5  :  606. 
Blume,  L.    IV  8c  :  11,  16a;  8e  :  33,  99. 
Blnmentritt,  F.     15:  181. 
Bobe.  L.     III  1  :  104;  IV  1  a  :  25;  9  :  26. 
Boccardi,  A.     IV  4  :  120. 
Bock,  A.   I  13:41;  IV  2a:  72;  8a:  66/7; 

8b  :48;  11  :  4. 

—  E.  I  6:253:  II  6:75. 

—  P.     IV  4  :  301. 

Bockenheimer,    K.  G.      I    11  :  323;    IV 

8  b  :  25. 
Bode,  W.     14:  170,   607;    11  :  64,   70. 
Bodelschwingh,   P.  F.  v.     IV   lc:113. 
Bodley,  Ella.     I  5  :  204. 
Bodmer,  H.     IV  1  d  :  68. 
Boeck,  M.     17:  32. 

—  R.     I  11  :  271,  296. 
Böcker,  E.     IV  8a  :  89. 
Bödekker,  K.     18:  74. 
Böe,  A.     14:7. 

Boeheim,  W.     I  4  :  237;   11  :  433/5. 


Böhm,  G.     I  4  :  134. 

—  J.     16:4. 

—  L.     II  1  :  22. 

—  M.     IV  8e:87. 
Böhme,  E.    IV  5  :  51. 

—  F.  M.     15:  261  a;  13  :  43:  II  2  :  1. 

—  0.     18:8. 

—  P.     16:  196. 

—  W.     I  3:222. 

Bölsche,    W,     I    12  :  292,    294/5,    401 ; 

IV  5  :  184. 
Bömer,  A.     II  7  :  2b,  30. 
Börner,  R.     I  7  :  119;  12  :  35. 
Bosch,  G.     13:  50. 

—  H.     I  3:81;  4:39,  273;  IV  10:108. 
Böttger,  L.    I  11  :  96. 

Bötticher,  A.     I  4  :  310:  11  :  98. 

—  G.    I  1 :  83:  7  :  14,  56/7;  II  4 :  28. 
Bohatta,  H.     18:7. 

Böhm,  W.     III  2  :  34. 
Bohn,  E.     I  13  :  26,  47. 

—  G.     I  13  :  166. 
Bojnici6,  J.  v.     13:  47. 
Bole,  F.     I  11  :  73. 
Bolle,  C.     14:  338. 

Bolte,  J.  15:234,  243,  288;  6:34: 
10:1,  12,  31/2;  13:50,  58,  68;  II 
2  :  16,  26,  35,  41;  II  3  :  18,  22,  38; 
4  :  15,  17/9;  7  :  5,  59,  60a:  III  2  :  5; 
3:  15;  4:3,  7,  11,  28,  44,  46;  IV 
4  :  305/6;  10  :  35,  43. 

Bondi,  G.     IV  5  :  3. 

Bonet-Maury,  G.     IV  5  :  308. 

Bonnassieux,  P.     14:  253. 

Bonnier,  Ch.     I  12  :  72. 

Bonnefont,  G.     13:  158. 

Boos,  H.     I  4  :403a 

Borheck,  A.     14:  416. 

Borinski,  K.     I  1  :  89;  IV  8a  :  110. 

Borkowsky,  Th.    I  10  :  30. 

Bormann,  W.  I  10:23;  12:18;  IV 
4:98;  7  :  18;  9:54. 

Born,  St.     IV  11  :  31. 

Bornemann,  W.     II  6  :  86/7. 

Bornhak,  G.     17:  73. 

Borrraann,  R.     14:  328,  332;   11  :  103. 

Bosse,  F.     I  13  :  124. 

Bessert.  A.     I  1  :  HO. 

—  G.  14:118,  508;  111:27,  94;  3:  71; 
6  :  6,  8,  53/4,  136,  162/3,  170,  173,  180. 

Bourdeau,  J.    IV  5  :  567. 
Bonrdon,  B.     112: 46. 
Boureulle,  de.    IV  5  :  255. 
Bousset,  Alice.    I  4  :  603. 
Boy,  P.     II  2  :  10. 
Boyesen,  H.  H.     II:  109. 
Boyle,  R.     II  4:38;  III  4:4. 
Braasch.     IV  5  :  62,  64. 
Bracht,  Th.     IV  1  c  :  59. 
Brachvogel,  U.     112:  55  a. 
Bräutigam,  L.     14:  565. 
Brahm,  0.     I  11  :  13/6. 
Braitmaier,  F.     II:  42- 
Brandes,    F.      IV    2b  :  31;    4:5,    182; 
5:40/2,  478;  10:  107,  115. 

—  G.  I  12:316;  IV  la:4;  8a:l.=)8: 
8b  :  38;  10:8:  11  :  1. 

—  H.     I  8:33;  II  4:20. 

—  K.     n  6  :  185. 
Brandi,  Th.     11  1  :  152. 

Brandl,A.    I  1 :  52;  IV  Ic  :  83;  Id  :  58. 
Brandstetter,  .7.  L.     14:  486. 
Brandt,  A.     IV  4  :  286. 

—  H.     I  12  :  134. 

—  0.     I  11  :  31. 

—  S.     I  2  :  43. 

Brasch,  M.    1  2  :  47;  4  :  592;  IV  5  :  93, 

105. 
Braun,  J.  W.     IV  6  :  6. 

—  -  0.     IV  la:  17;  Id  :  93. 
Braune,  W.     IV  6  :  32  a. 
Braunfels,  Ed.     I  11  :  279. 
Braunsberger,  0.     II  1  :  96 ;  6  :  27. 
Breal.     I  2  :  12. 

Brecher.  A.     II  1  :  71. 

Bredl,  S.     14:  473. 

Brehmer,  W.      14:51,    172,    180:    III 

1  :  130/1. 
Breitmann  (=  Leland),  Hans.  IV  Ic  :  79. 
Bremer,  F.    IV  5  :  150. 

—  0.    15:  294. 

Brendicke,  H.     I   11:339;   IV   1  c  :  13. 
Brenner,  F.    IV  4:290. 

—  0.     11:119;  5:16. 
Brenning,  E.     IV  Ic  :  83;  2b  :  59. 
Brentano,  F.     I  12  :  141;  IV  5  :  99. 

—  L.     ni  1  :  42,  116. 
Breul,  K.     IV  Id:  38-38  a. 


Breymann,  H.     I  10  :  41. 

Breysig,  K.    I  1  :  5;  III  1  :  70. 

Briele,  van  der.    I  4 :  35. 

Brinkmann,  Ad.     111:  99,  443. 

Brioris,  0.     IV  9  :  140. 

Brociner,  M.     112:  418. 

Brodbeok,  A.  14:570;  13:5;  IV  6: 55. 

Brode,  R.     IV  5  :  326. 

Bröcking,  W.     IV  5  :  300. 

Broglie,  Duc  de,  M.    IV  1  c  :  16. 

Bronner,  F.    IV  8a  :  166;  8c  :  17.  18a. 

Brosch,  M.    IV  9  :  103. 

Brown,  J.  R.     13:  243. 

—  -Blackwell,  Antoinette.     I  12  :  71. 
Browne,  R.  G.  M.     I  12  :  20. 
Brnchmann,  K.     15:7. 

Brücke,  E.     I  12  :  55. 

Bröckner,  A.     IV  1  c  :  9. 

Brügel,  J.     16:  23/4,  29;   III  2  :  18. 

Brüggen  v.  d.     III  1  :  44. 

Brftramer,    F.     I    6:80;    IV   2b:  115; 

4:  31,  88;  10:44. 
Brüsselbach,  .1.     IV  5  :  53. 
Brngier,  G.     I  1  :  79;   7  :  143;    12  :  36. 
Brugsch,  H.     IV  1  c  :  132. 
Bruiningk,  H.  v.     I  4  :  48;  11  :  79. 
Bruneti&re,  F.     I   1:19,   56;    12:313; 

IV  2b:  1. 
Brnnk,  A.     15:  355. 
Brunn,  Fr.     IV  1  c  :  104. 
Brunner,  A.     I  7  :  114.  123. 

—  Const.     I  12  :  100  a. 
Brunold,  F.     IV  5  :  511;  9  :  74. 
Bruns,  Fr.     14:  75.  248. 

—  Ivo.     I  11  :  16. 
Bucher,  B.     I  11  :  69. 

—  J.     16:  212. 

Bnchheim,  CA.     IV  1  d  :  31/2. 
Bachholtz,  A.     II  3  :  57. 

—  H.     I  10  :  3. 
Buchner.  0.     I  4  :  112. 

—  W.     I  7:  63;  11:58. 
Buchwald,  G.     13:  173,   246:   4  :  100; 

6  :  113;  II  1  :  155,  159;  6 :  48-50,  53, 

56,8.  124. 

v.    14:  343;  IH  1 :  16. 

Bück,  J.     14:  258. 

Buckmann,  S.  S.     I  12  :  303. 

Budde,  K.    II  6  :  141;  IV  2b  :  86. 

Bücheier.    I  7  :  100. 

Bücher,  K.     I  3 :  154;  4  :  199. 

Büchi,  A.     n  3  :  70;  7  :  15. 

Büchner,  L.     I  12  :  303;   IV  5  :  45,  48. 

80.  98,  168,  235. 

—  W.     IV  8e:50. 
Bülan,  F.     14:  569. 

Bülow,  G.  V.    1  4  :  125;  II  1  :  162/3. 
Bünger,  C.     III  1  :  109. 

—  E.     13:  223. 
Bunker,  J.  R.     15:  317. 
Bürkner,  R.     IV  8a:  42,  64. 
Büttner  Pfänner  zu  Thal,  F.  111: 100, 

438. 
Bnff,  A.     I    11  :  131,   436/7;    II    1  :  49; 
III  1  :  65;  IV  5  :  375. 

—  M.     14:  452a. 
Bujard,  G.    IV  5  :  508. 
Bulgarus.    IV  11  :  18. 
Bulle,  C.     IV  1  c  :  24. 

Bulthaupt.  H.    I  12  :  278,9;  IV  Id:  67; 

4:  315,  322;  5:589. 
Burckhard.  M.     I  12  :  430;  IV  4  :  316. 
Burckhardt.    C.    A.    H.     IV   8a  :  112; 

8b  :  10. 

—  D.     I  11  :  138.  172.  189-190.  207. 

Biedermann,  Th.     II  6  :  169-70. 

Burdach.   K.     I  1:50/1,  57.  117;  2:2; 

8 : 1,  10.  29,  60,  72,  90, 127;  II 1  :  73; 
3:26;  7:6;  IV  6:8;  10:9. 
Burger,  K.     13: 94. 

—  L.     IV  4  :  342. 
Burgerstein,  A.     I  4:468a. 
Burghanser,  G.  1 7  :  69;  8  :  48;  IV8e :31. 
Busch,  W.    I  11:379. 

Buschmann,  J.     16:  179. 
Buss,  G.     I  4:2.56;  11:294. 
Busse,  L.     IV  5:127,  151/2. 
By,  A.     IV  8b  :43a. 
Byvanck,   W.  G.  C.    II:  64. 

Calkins,  R.     IV  6  :  27. 
Oalthius,  R.    IV  1  d  :  47. 
Campori,  M.     III  5  :  55. 
Cantalamessa,  G.    I  1  :61. 
Cantor.  G.  F.  L.  Ph.     II  6  :  133. 

—  M.     IV  5  :  475. 
Cantü,  C.    IV  10  :  3. 
Capuana.  L.     II:  136. 


Autorenreg-ister . 


Capra,  A.  13:  195. 
Carel,  G.  I  12  :  178. 
Carrifere,  Just.    IV  Ic  :  117;  5  :  450. 

—  M.    I  12  :  74:  IV  5  :  223/4;  7  :  13. 
Carstiinjen,  P.    111:  157. 
Carstens,  C.  E.     III  2  :  29;   5  :  27;   IV 

5  :  389. 

—  H.    15:  238. 
Carstensen,  A.     15:  189. 

—  C.     I  7:92,  134a;  IV  la:6 

—  H.  A.     15:  120. 
Cartellieri,  A.     II  1  :  94. 

CartmoU,  J.  W.     IV  Id  :  34;   10  :  157. 

Caspari,  B.    II  7  :  51  a 

Castan,  A.    13:  109. 

Castle,  E.     I  3  :  240, 

Cathrein,  V.     IV  5  :  243. 

Cauer,  P.  I  1  :  47/8;  12  :  213;  IV  5  :  330. 

Cederschjöld,  G.     I  2  :  29. 

Cerny,  A.     15:  147. 

Chabot,  C.     I  12  :  86. 

Chamberlain,  A.  J.     15:  241. 

—  H.  St.     I  13:112,  122. 
Charap,  J.  A.     I  5:319. 
Charaux,  C.    I  1  :  18. 
Charcnt,  J.  M.    I  12  :  115. 

Charles,  M.  (=  Max  Chop)  I  13  :  128; 
IV  8a:  69. 

Charpentier,  F.  V.     I  12  :  5. 

Cheney,  E.  D.     I  11  :  290. 

Cherbuliez,  V.  (=  G.  Valbert)  IV 
5  :  164. 

Chevalier,  L.     I  7  :  71;  IV  8e  :  43. 

Chiarini,  G.     IV  8  d  :  12. 

Chmelarz,  E.     13:  26. 

Chmielowsltj,  P.     IV  8d  :  34, 

Chop,  M    s.  Charles,  M. 

Christ,  K.     14:  434. 

Chry Sander,  F.     I  12  :  102;  13  :  64. 

Chuquet,  A.  I  1  :5I,  173;  12:9,  211; 
II  3:44:  111  1  :  108;  5:59;  IV 
lc:16,  133,  153;  2a:  54;  4:38- 
6:613,  618;  6:11;  8a  :33a,  48; 
8b:  29;  10:35,  61. 

Cian,  V.     15:  245. 

Cibrario,  L.     IV  1  d  :  72. 

Cipolla,  C.     III  5:  55  a. 

Classen,  J.     IV  2b:  92. 

Claudin,  A.     13: 87/9. 

Clauswitz,  P.     I  11  :  103. 

Giemen,  P.     I  11  :  237,  398. 

Cleveland,  Duchess  of.     I  4:  566. 

Cohen,  A.    IV  1  d  :  19-20. 

Cohn,  C.     14:  281. 

~  E.     IV  5:467;  8a  :  171. 

—  G.    IV  Ic:  11. 

—  L.     IV  5  :  370. 
CoUignon,  A.     IV  6  :  19. 
Collin,  J.    IV  8e:88. 
Corabarieu,  J.     I  12  :95  a. 
Conrad,  H.     IV  9  :  65. 

—  M.  G.  14:  610;  IV  la:  11; 
4:404;  5:  607/8. 

Consoli,  S.     I  12  :  343. 

Copinger,  W.  A.    13:  105/6,  290. 

Corradi,  G.     I  1  :  17. 

Costa-Rossetti,  A.     I  4:472a. 

Coster,  Ch.  de.     II  3  :  7. 

Cottler,  G.     IV  9  :  85. 

Coupland,  W.  C.     IV  1  c  :  120;  5  :  455; 

8e:76. 
Courtney,  W.  L.     I  11  :  362;  12  :  219. 
Coutagne,  H.     I  13  :  34. 
Conturat,  L.     I  12  :  66. 
Cox,  Marian  Eoalfe.     I  5  :  232. 
Crane,  W.     I  12  :  125. 
Crawford,  Emily.    I  4  :  604, 
Creizenach,  W.     II  4  :  1 ;   III  4  :  7,  10, 

14,33;  IV4:56,  437;  8e:  39;  10:35. 
Cremer,  W.     IV  10  :  135. 
Criegern,  H.  v.     14  :  150. 
Crohn,  H.     I  7  :  90. 
Gronau,  R,    II  1  :  111. 
Grnsins,  0.     I  10  :  6. 
Gube,  M.  V.    14:  209. 
Gunliffe,  J.  W.    III  4  :  5. 
Cuno,  F.  W.    I  6:35;  III  5:18. 
Cnrtius,  C.     13:  208. 
Gast,  L,    I  11 :  210. 

Badelsen,  H.  v.    17: 102,  115. 
Dfichsel,  K.  A.    II  6  :  78. 
Daffner,  F.     14:  504. 
Dahmen,  J.    14:  225. 
Dahn,  F.     I  1:119;  IV  1  o  :  90. 
Dalman,  G.  H.     15:  94,  226. 
Dalton,  H.    III  1  :  95. 
Pamlcöhler,  E.    15:  231. 


Daraus.    I  4  :  315. 

Dandolo,  G.     IV  5:251. 

DanVö,  J.     14:  512. 

Darpe,  F.     I  4  :  406;  III  1  :  17. 

Daszynslia.  S.     14:  218. 

Datterer,  J.  P.     II  6  :  30. 

Dawbenspeck,  H.     18:  147. 

Daude,  P.     13:  280/1,  288;  12  :  140. 

Dauriac,  L.     I  12  :  95  b. 

Deohent,  H.     III  1  :  91 ;  5  :  33. 

Dehio,  G.     I  11  :  67,  172. 

Dehmel,  R.     I  12  :  302. 

Dehn,  P.    IV  5  :  590 

Deicke,  K.     IV  5  :  13. 

Deinhardt,  L.     IV  4  :  112. 

Doininger,  J.  W.     I  II  :  107. 

Dejob,  Ch.     I  10  :  42. 

Delbrück,  A.     I  12  :  357. 

-  H.     14:  166,  410;  IV  5:88. 
Delff,  H.  K.  H     I  12  :  77b;  lY  5:228. 
Delia,  M.     I  13  :  40. 

Delisle,  L.     13:  60,  106. 

Del  Lungo,  J.     II  1  :  74. 

Dembowski,  S.     14:  66. 

Derame,  L.     I  4  :403:  III  1  :  18. 

Demmin,  A.     18:  137. 

Demmler,  P.     IV  5  :  37. 

Denecke,  A     14:  324. 

Derfel,  R.     14:  585. 

Dernburg,  F.     IV  2b  :  26. 

Derujac,  J.     I  4:479;  11:449. 

Desnoyers,  M.     IV  9  :  117. 

Dessoir,  M.     I  12  :  13,  43,  70,  75,  113. 

Detlefsen,  S.  D.  F.     I  4:217. 

Detmer,  H.     14:  404/5 ;  II  1  :  25. 

Detten,  G.  v.     14:  404. 

Deutsch,  E.     16:  50. 

-  G.     14:  500. 

Dibelius,  D.     II  2  :  11;  IIl  2  :  9. 
Dickmann,  0.  E.  A.     III  3  :  20. 
Diebow,  P.     IV  5  :  483. 
Dieckmann,  Chrn.     I  4  :  375. 
Diederichs,  V.     III  1  :  129;  IV  Ic  :  32, 

164/5;  5  :  121. 
Diefenbach,  J.     1  5  :  115. 
Dieffenbach,  G.  Chr.     I  6  :  62. 
Dielitz,  R.     II  1  :  116. 
Diemar,  H.     II  3  :  88. 
Dietlein,  W.     I  10  :  46. 
Dietz,  E.     I  6  :  140. 

-  M.     I  13  :  149. 
Dilthey,  W.     III  1  :  110. 
Dinspel.  A.     IV  9  :  129. 
Dippe.  A.     II:  16. 
Oirksen,  K.     15:  42,  237,  323. 
Disselhoff,  J.     1  11  :  175,  299. 
Distel,    Th.      I    3  :  279  ;    4  :  87/8,    117, 

215,    388a:    11:121;    II   2:44,   49; 
6  :  120;    III  1  :  133;    IV  2a  :  63;   5  : 
6/7. 
Dittmar.  F.     IV  Ic:  91. 

-  G.     II:  97. 

-  M.     14:  216,  371 ;  III  5  :  28. 
Ditfurth,  Th.  v.     14:  550. 
Dittes,  F.     I  12  :  81/2,  84. 
Dittrich,  F.     II  1  :  145;  7  :  45. 
Doblhoff,  .1.     14:  480. 
Dobson,  A.     I  11  :  208. 

Dodel,  A.     I  4  :  586,  597;  IV  5  :  72. 

Döbner,  R.     14:  369. 

Doenges,  W.     I  4  :  64. 

Dörfler,  A.  F.     15  :  272, 

Döring,  E.     I  11  :  302. 

Dohany,  G.    14:  5S0. 

Dohme,  R.    I  11  :  64,  450. 

Dohmke,  J.     IV  10  :  46,  60,  63,  72. 

Dom.anig,    K.      I    11:171,    445a;    IV 

8  b  :  23. 
Dombart,  B.     13:  216. 
Domino,  Signor.     I  4  :  187. 
Dommer,  A.  v.     II  6  :  46. 
Donaubauer,  St.     III  1 :  22. 
Donner,    J.  0.  E.     IV8d:32;    10:13. 

-  V.  Richter,  0.    IV  8a:  1. 

Donop,  L.  V.     I  11  :  345/6;  IV  2b  :  11. 

-  0.     I  11  :  12. 
Dorchester,  D.     I  12  :  21. 
Dorda,  A.     IV  4  :  253. 
Dorenwell,  K.    I  4  :  257;  7  :  52. 
Derer,  E.     IV  4  :  190. 
Dorneth,  J.  v.     14:  514 

Donmic,   R.     I  1  :  125;   12  :  218,   346; 

IV  4  :  122/3. 
Douriac,  L.     I  12  :  68. 
Dove,  A.    15:  368. 
Draheim,  H.    IV  9  :  48 
Dreher,  E.    IV  5  :  46,  236. 
Drescher,  K.     IV  2  a  :  5;  5  :  1. 


Dresdner,  A.     I  12  :  260;  IV  4  :462. 
Drewes,  G.  M.    IH  2  :  10. 
Drews,  A.     IV  5:102,  109. 

—  P.     II  1  :  3,  126;  6  :  26. 
Dreyer,  F.     I  4  :8a. 

Droysen,  G.     II  1  :  1;  III  1  :  6,  117. 
Droz,  Ed.     I  1  :  59;  12:  154. 
Drude,  0.     III  5  :  58. 
Druffel,  A.  V.     II  1  :  147. 

—  P.    I  13  :  48. 

Du  Gasse,  A.    IV  1  c  :  8. 

Duden,  K.     I  8  :  103,  108. 

Dnbi,  H.    IV  5  :  358. 

Dühr,  A.     18:  18. 

Dühring,    E.      I    12  :  161;    IV    la:  1; 

5:  631;  8a:  134. 
Düramler,  E.     IV  1  c  :  46. 
Duntzer,  H     IV  4  :  10;  8a  :  lln/6;  8b  : 

9,  33,4;  8c  :  10;   8d  :  17;   9  :  42,  90; 

10  :  124. 
Düring,  H.     14: 67. 
Dürnwirth,  R.     15:  271. 
Düsel,F.    I  8:38,  49;  IV  2b:  37;  6:4. 
Dixff,  E.  G.     13: 101,  297. 
Duflou,  G     II  4  :  23. 
Dufresne  de  Saint  Leon,  A.     13:  107. 
Duhr.B.    I  4  :523;  IV  lc:54;  9:111. 
Dnller,  E.     I  4  :  515. 
Dumas,  A.     I  12  :  339. 

—  G.     112:  331. 
Dundatschek,  R.     18:  118  a. 
Dunger,  H.     18:  37,  133;  IV  6  :  3, 
Du  Prel,  C,     I  4:185;  IV  5:79. 
Durm,  J.     I  11  :  83. 

Dute,  A.     I  6  :  142. 
Du  Tillet,  J.     I  12:347. 
Dziatzko,  K.    I  2  :  14;  3  :  113,  193,  197; 
IV  1  c  :  126. 

Ebe.     I  11:257. 
Ebel,  C.     14:  393,  506;  6:  105. 
Ebeling,  A.     IV  1  c  :  17,  19. 
Ehering,  E.     IV  10:68. 
Eberlein,  G.     I  11:378;  12:105a. 
Ebers,  G.     I  11 :  338;  IV  Ic  :  91/2. 
Eberstein,  A.  Frhr.  v.     14:  541. 
Ebner,    A.     II  6  :  27. 

—  Th.     IV  2b  :  18,  93;  10:144. 
Eck,  S.     II  1:25  a. 

Eckart,  D.    IV  11 :  34. 

—  R.     I  5  :  322 

—  Th.     15: 158. 
Ecke.     II  6  :  103 
Eckstein,  E     I  8:74/5. 
Edgar,  J.     IV  4:298. 
Edgcumbe,  R.     IV  2a:  110;   1  d  :  49. 
Edlinger,  A.     14: 533. 

Elfmann,  W.     14:  404;  11  :  124. 
Egelhaaf,  G.  II 1 :  2,  57 ;  6  :  4;  IV  1  c  :  30. 
Eggers,  K.     I  11:289. 
Eggert.     I  4:119a. 
Egli,  E.     II  6:166. 

—  J.  J.     15:  369. 
Ehlers,  H.     III  1  :  24. 

—  R.     II  6:67. 
Ehrecke,  G.     I  7:94. 

Ehrenberg,  H.  1 1 1 :  98, 104/5, 421 ;  II 1 :  35. 

—  K.     I  11  :  54. 

—  R.     I  4:151;  II  1  :63;  III  1:98. 
Ehrenthal,  M.  v.     II  1 :  121. 
Ehrhard,  A.     I  13:126;  II  6:10. 
Ehrhardt,  A.     1  12:52. 

Ehrlich,  A.     I  13:36. 

—  H.     I  13:35;  IV  lc:156. 
Ehrmann,  E.     IV  2a:  28. 
Ehses,  St.    II  1 :  151. 
Ehwald,  B.     1  3:38,  95. 
Eichfeld,  H.     I  12:118. 
Eichholz,  K.     I  5:310. 
Eichler,  M.     15: 151/2,  193. 

—  0.     18: 150. 
Eichner,  W.     II:  159. 
Eid,  L.     I  6:232. 

Einert,   E.     I  4:395;   III  1:19;   4:20. 

Einhanser,  J.  E.     IV  9  :  127. 

Eisenhart,  A.  v.     III  5:46/6». 

Eisenschitz,  0     IV  4 :  101. 

Eisner,  K.    I  1  :  65 ;  12  :  383 ;  IV  5  :  189. 

Eisschilt,  K.     IV  4  :  96. 

Eitner,  R.    13:  266  a;  13  :  1,  15, 46.  57, 

69,  78;  II  2:47/8. 
Elger,  A.     IV  4  :  407. 
Elias,  J.     I  1 :  173 ;  11 :  408 ;  12  :  410  a ; 

IVlc:112;     ld:64;     2b:30,     100; 

4 :  27,  390. 
Eliot,  G.    IV  5 :  265. 
Elling,  G.     I  13:23. 
Ellinger,    G.      110:47;     117:4,     61; 


Autorenregister. 


1112:6;  4:21,  27,  42,45;  IVlc:47; 

4:376;  5:336. 
Ellis,  W.  A.     I  13 :  110,  116. 
Ellissen,  0.  A.    IV  5  :  292. 
Elm,  H.     14: 380. 

Eloesser.A.  I8:95;III4:19;  IVld:23. 
Elster,  E.  IV  8b:  33;  11:24,  27,29. 
Elton,  C.  J.    13: 99. 

—  Mary  Augusta.     I  3:99. 
Eltze,  A.    IV  lc:35. 

Emil,  E.    I  4:546;  IV  lo:  163. 
Endeis,  E.  L.    II  6:55. 

—  L.     n  6:122;  7:4S. 
Endres,  J.    14: 438. 
Engel,  G.     I  12  :  94. 

—  K.     m  4 :  45. 
Engelhard,  R.     I  11 :  16». 
Engels,  F.     IV  5  :  .5636. 
Engelsmann,  G.     IV  4 :  346. 
Engl,  J.  E.     113: 83. 

Englert,  A.    13:37:5:255,329,332; 

II2:43;m2:l;IV2a:73;2b:lll;. 

9:121. 
Erbe,  K.    I  4 : 45;  7 : 1 ;  8 :  130;  13 :49. 
Erdmann,  H.    I  10:4;  IV  10:161. 

—  K.     I  12  :  142. 

—  M.     IV  8b:  29. 

—  0.  I  8:105;  12:4;  lUö  :59;IV8a: 
134  a. 

Erdraannsdörffer,   B.      1111:12,    117; 

IV  lc:38. 
Erhard,  A.     I  12:348. 
Erichson,  A.    II  6 :  162,3. 
Ernst,  A.     I  7  :  120 :  13 :  120 ;  I V  1 C :  24. 

—  A.  W.    IV  2b:  7.3. 

—  P.     IV  4:191. 
Bschbach,  P.     111  1 :  99. 
Essenwein,  A.  v.    I  11 :  163. 
Ettlinger,  J.    I  11 :  294a;  IV  8e:80. 
Etwalt-Lessnor,  J.     IV  9  :  106. 
Eubel,  C.     II  1 :  94. 

Enlenburg,  A.     I  12:389. 
Euler,  K.    16: 14,  185. 
Evans,  Elizabeth.     I  4:567. 
Evers,  E.    I  7:76. 

—  F.    IV  5:21. 
Ewert,  M.    I  10:34. 
Eyok,  Dr.  van.    1  12:57. 
Eye,  A.  v.    I  11 :  174. 
Eymer,  W.    IH  5  :  48. 
Eynatten,  Carola  v.    I  5:134. 
Eyth.  H.     I  11 :  10. 

Faber,  K.  W.    15  :  14. 

Fabricius,  G.    15:  196;  7  :5. 

Fack,  M.     I  7  :  26. 

Fäh,  A.     1  11  :  65. 

Faggi,  Ad.     I  12  :  296. 

Fagnau,  E.     13:  31. 

Faguet,  E.     II:  124;    DI  1  :  139;    IV 

10:5. 
FalcV,  P.  Th.     I  11  :  325. 
Falckenheiner,  W.    16:  106. 
Falk,  F.    1  3  :  40,  69,  83/4;  II  1 :  117; 

7:40. 
Falke,  J.  v.    I  11  :  64. 
Falkenberg,  B.    IV  5  :  89-90. 
Falkenheim,  H.     II:  53. 
Fasnacht,  E.    IV  10 :  156, 
Fasola,  C.    18:  128. 
Faulmann,  K.    18: 102. 
Faust,  Kuno.    IV  5  :  73. 

—  ß.    IV  10  :  142. 
Fazy,  E.    I  13  :  115. 
Feohner,  H.    16:  73. 
Feilberg,  H.  F.    15: 122,  232. 
Fellner,  K.    II:  58. 
Pelsberg,  0.    n  3  :  31. 
Fengler,  C.    II  6  :  80. 
Ferber,  H.    I  4  :  419. 
Fessler,  II  6  :  32. 

Fester,  K.    III  1  :  52,  127. 

Fenllie,  M.    IV  4  :  108. 

Fichte,  E.    1  11 :  330. 

Fickelscherer,  M.    II  7  :  63. 

Fielitz,  W.     IV  8c:  16. 

Knck,  H.  T.    I  12  :  55a;   18  :  117;  IV 

1  d  :  56. 
Findel,  J.  G.    14  :  132;  IV  5  :  54. 
Finke,  H.     I  4  :  404. 
Finkel,  L.     II  1  :  144;  Hl  5:56. 
Firnienich-Richartz,  E.     I  11 :  71,  241. 
Fischbach,  C.  v.     14:  436. 

—  F.    I  2  :  36;  11  :  404. 
Fischel,  H.    I  11  :  343. 

Fischer.  Alb.     I  12  :  205;  II  6  :  189. 

—  A.  F.  W.     II  :143:i;  II  2:1a. 

—  B.     IV  4 :  310. 


Fischer,  E.    1  11 :  5. 

—  Georg.    I  11  :  102. 

—  Herrn.  I  5  :  259;  8  : 47;  111  2  :  36; 
IV  2a  :  94;  4  :  46;  9  :  72;  10  :  150. 

—  Jacques.     IV  5  :  22,  610. 

—  Kuno.  II  3:25;  III  4:39;  IV 
5:  151:  8e:63. 

—  M.    U  6:111. 

—  0.     16:  172. 

—  Paul.     I  12:4  a. 

—  Rud.     III  4  :  6. 

—  Th.     14: 77. 

—  Th.  A.    II  1  :  169. 
Colbrie,  A.    I  12  :  282. 

—  v.  Röslerstarom,  E.    I  3  :  54. 
Fitte,  S.     m  1 :  76,  128. 
Flaischlen,  C.    1 1 :  87 ;  5  :  250 ;  12 :  273; 

IV  4:287:  10:133. 
Flasch,  A      IV  5  :  377. 
Flathe,  Th.    IV  5 :  325,  605. 
Fleiner,  A.    I  4:30;  11:16. 
Fleischer,  Ernst.     I  11:305. 

—  Herm.    IV  ld:79. 

—  0.     I  13  :  18,  29. 
Fleisohmann,  J.  K.    IV  5  :  364/5. 
Flex,  E.     18:  20. 

Florin,  A.     17: 45. 
Flotow,  M.  V.     112: 143. 
Flegel,  0.    I  12:77  a. 
Foä,  A.    IV  9  :  34. 

—  E.     III  3:30. 
Fock,  G.    13: 137. 
Förster,  C.    I  4:612. 

—  F.  W.     IV  5 :  115. 

—  0.     15: 214. 

Nietzsche,  Elisabeth.    IV  5 :  175. 

Foertsch,  A.     I  4:80;  6:  9C. 

Fokke,  A.     I  11  :S7. 

Foltz,  0.    I  7:129;  12:83. 

Forst,  H.     I  3:71;  4:366. 

Fortebracoi,  G.     1  10:24. 

Foss,  R.     I  7:113;  IV  lc:133. 

Foth,  K.    III  3 :  20. 

Fourcaud,  L.  de.    IV  2a:  50. 

Fränkel,  L.  I  1:89,  95.  139,  173; 
5:2/3,  117,  223,  226,  236,  252,  312; 
8:78,  94;  10:18,  24,  33;  II  3  :  34,5, 
44,  46:  7:65;  III  1:140:  3:3,  9; 
4:10;  IV  ld:61;  2a:  25,  33,  108; 
2b: 96,  103,  114;  4:29-30,  35,6,  S9, 
180,  248,  404,  439,  467 ;  5  :  3S6/7,  393, 
423,  523,  531;  6:16;  8a: 73,  116a; 
8b:  28;  8e:55,  71,  97;  10:22,  79, 
106;  11:15,  24,  56. 

Frahra,  L.    14: 259. 

France,  A.    II:  127. 

Franck,  A.    IV  5  :  499. 

Francke,  K.     IV  8e:103. 

—  0.     I  6:47;  IV  7:7. 
Frank,  R.    III  5 :  53. 
Franke,  C.     I  1:46. 

—  J.  H.     I  4:18  b. 

—  K.     I  4 :  408. 

—  L.  A.     13:  288. 
Frankfurter,  S.     16: 63. 
Fraoquet,  E.  v.     I  11 :  49. 
Frantz.  A.    11  6:82. 

—  E.  I  11 :  68. 
Franz,  R.     IV  9  :  144. 
Franziszi,  Fr.     I  5  :  269;  III  4:  38. 
Franzos,   K.  E.     IV  4:9,   230;   5:435; 

11 :  24. 
Frege,  F.    14: 252. 
Freiberger,  G.     IV  4 :  156. 
Freihofer,  A.     I  11:276. 
Freivogel,  L.     I  4:490. 
Frensdorff,    F.      II   3:77;    IV   lc:31; 

5 :  534. 
Frenxel,  K.    IV  11:24. 
Freson,  J.  G.    I  12:17  a. 
Freudenthal,  A.     15: 45. 
Freund,  L.     I  5:313;  10:50. 
Frey,  C.    1 11 :  2,  65,  85,  106 ;  II  6  :  99. 

—  E      I  8  '  91 

—  S.     I  4:62,  193;  III  1:39. 
Freybe,  A.    I  5:57;  10:45;  IV  4:205: 

5:547,  628. 
Freyer,  P.     I  6:240. 
Frey  tag,  E.  R.     I  5:285;  U  2:30. 

—  Gnst.     I  11:400;  IV  Ig:  148. 

—  L.  I  1:80;  5:28;  7:6,  66;  III 
1:67. 

Frick,  G.     lU  1 :  113. 

—  J.    15: 346. 

—  0.    I  7:43a:  IV  9:66. 
Fricke,  A.     II  6 :  76. 

—  h.  W.     II  C :  77. 

—  W.     IV  5:498. 


Friebe,  K.     111  2  :  38. 
Fried,  A.  H.     II:  161. 
Friedel,  E.     15:  21,  39. 
Friedensburg,  F.    I  4:323b. 

—  W.     II  1:140;  6:35. 
Friedl&nder,  E.     I  3  :  259 ;  4 :  95. 
Friedlaender,     M.     I  8: 147;  11  :  221/2, 

429;    13:42,  95.  100;    III  2:41;    IV 
2b:  20/1;  10:163. 
Friedmann, A.   11:138,149;  lV2b:67; 
4 :  252. 

—  Fr.    14: 186. 

—  L.     IV  4  :  56,  237. 

—  8.    IV  4  :  204 
Friedrich,  Job.    IV  2b:  35. 

—  Rieh.  I  12:257,  265.  375;  IV 
lc:121;  2a:19;  4:73,  113,  166,314; 
5:427;  7:  11. 

Fries,  W.     17:43. 

Frietinger,  A.    15: 160. 

Frimmel,  Th.     111  :  409. 

Frischauf,  E.     15: 68. 

Fritsch,  K.  E.  0.     I  11 :  81,  117,  160. 

Fritz.     II  6  :  145. 

Fritze.    I  11 :  165. 

Froehde,  0.     I  1 :  54. 

Fröhlich,  G.     16: 59. 

—  R.     IV  5  :  234, 
Frohschamraer,  J.    IV  5  :  222. 
Froitzheim,  J.     IV  8b: 30. 
From.inn,  Fr.    17: 122. 
Fromm  el,  E.     IV  1  c  :  107,8. 
Frotscher,  P.    I  4:593. 
Fuchs,  A.     I  7:53;  12:135a. 

—  K.    15:  278. 
Führer,  A.     17: 101. 
Ffirst,  H.    I  12  :  269. 

—  M.    I  11:300. 
Fürstenwerth.  L.     11  1:47. 
Fuhse,  F.    111: 171,  173/4. 
Fulda,  L.     IV  4  :  314. 
Kumagalli,  G.     13: 93. 
Funok,  H.    IV  4:6;  5:535. 
Funcke.  0.     III  5  :  21. 

Funk,  F.  X.  V.     II  1 :  45;  6  :  113. 
Funke,  A.    I  7:60,  81,  84;  IV  9:113. 

»abrielli,  Fr.    14:  284. 

Gade,  D.    IV  1  c  :  154/5. 

Gädcke.    I  4  :  168 

Gaedechens,  C.     14:  351. 

Gädeke.     IV  2a:  64. 

Gaedertz,  K.  Th.    IV  2a  :  112,3;  2b  :  99, 

104,  106;  8b:  50. 
Gärtner,  R.    13:  261. 
Gaidoz,  H.     15:  93/4. 
Galland,   G.     111:  256/7.    276,    282  ; 

m  1 :  123. 
Galle,  F.    I  8:35;  H  3:43. 
Gallwitz,  H.    IV  5  :  641. 
Gänsen,  J.     16:  55,  118;  II  7  :  19. 
Gareis,  C.    I  1  :  119. 
Gasch,  F.  R.     14:  233. 
Gast,  P.    IV  5  :  193. 
Gattel,  A.    13:  57. 
Gattiker.  G.    15:  156. 
Gaudig,  H.    I  7  :  43a;  IV  9  :  66. 
Gauthiez,  P.    II  1  :  90. 
Gautter,  E.     IV  2b:  69. 
Gebhard,  Ign.     III  2  :  11. 
Gebhardt,B.  11:98;  II 1 :  94;IVlc:47. 
Geerds,  E.    IV  2a  :  87,  89-91. 
Geffcken,  J.    IV  5  :  406. 
Gehmlich,  E.    I  6  :  199-200,  227/8. 
Geiger,  Abr.     IV  11  :  50. 

—  L.  1  1  :  166;  4  :  3.30;  6  :  167; 
11  :  399;  III  1  :  120;  IV  la  :  44; 
Ic  :  13,  22,  25.  74,  95:  2a  :  77;  4  :  38, 
452,3;  5  :  24,  32.  35,  622:  8a  :  5,  33a, 
34b.  68,  122,  128.  158;  8b:  12.  14b. 
42,  43a,  46;  8d:6,  22;  8e:2S;  9:15: 
10:78.  141. 

Geiser,  K.    II  2  :  27. 

Gempeler,  D.    15:  155. 

Genee,  R     II  4  :  25. 

Genniges,  E.    IV  2b  :  84. 

Gensei,  W.     I  8  :  146;  IV  5  :  44.3. 

Gensichen,  M.    IV  5  :  554. 

Georg,  C.    1  3  :  271. 

Gerard,  Francis  A.    1  11 :  278. 

Gerber,  G.    I  12:75  a. 

Gerecke,  A.    14:  540. 

Gerhard, Adele. (=  Hardegg,A.i  IV5:63. 

—  F.     n  2  :  :n;  III  3  :  10;  5  :  16.-1. 
Gerhardt,  D.  v.  (=  Gerhard  v.  Amyntor.) 

IV  1  c  :  64. 
Gerin-Cassal,  0.     I  5  :  62  a. 
Geriath,  G.     I  6  :  134. 


.Tshresberioht«  für  nenero  deutsche  I.itteratnrgeschiclite.     IV. 


4(.S8) 


Autorenreg-ister. 


Gerlach,  H.  1 3  :  77/8 ;  4  :  229  a;  11  :  122. 

—  B.     16:  150. 
Gerland.  E.    IV  8a:  97. 

—  0.     14:  183.  560. 
Germain,  A.     1  12  :  61. 

—  L.    II  4:40;  lU  4  :  25. 
Germann,  W.     II  6  :  127. 
Gernet,  A.  v.    14  :  497. 
Gerok,  G.    IV  2b:  119. 

Gersal,  Luc.  (=  Le  Gras.)   IV  Ic  :  161. 

Gerstenberg,  H.     IV  2b  :  97. 

Gerster,  F.  C.     I  12:292. 

Gerth,  E.    I  1  :  133. 

Gervinns,  G.  G.    I  2  :  25;  IV  Ic  :  137; 

5  :  319. 
Gerwig,  L.     II  1  :  149. 
Gess,  F.     II  6  :  29. 
Gessler,  M.    II  3  :  74. 
Geucke,  C.  E.    I  11  :  47. 
Geyer,  P.    IV  5  :  380. 
Giacosa,  G.    II  1  :  74. 
Gieclte,  0.     14:  431. 
Giesswein,  A.     18:5. 
Gildemeister,  0.     IV  1  c  :  17 ;  5  :  444. 
Gillhoff.  J.    15:  340. 
Gilman,  B.  J.    I  12  :  48. 
Gilow,  H.    IV  4  :  73. 
Girard,   P.  F.    IV  5  :  314. 
Girgensohn,  J.    I  11  :  326;  III  1  :  44. 
Girndt,  0.    IV  la:27a;  lc:74. 
Girot,  A.     IV  1  d  :  16;   4  :  91;    11  :  39. 
Giry,  A.    II:  14. 
Gisevins,  H.    IV  5  :  110. 
Gittermann,  W.     IV  5  :  377. 
Gizycki,  Lily  v.     IV  8b:  41. 
Gizzi,  G.  G.     I  12  :  429. 
Glabbach,  W.    16:  59. 
Gleadell,  W.  H.    I  12  :  321. 
Gleichmimn,  A.     IV  5  :  205. 
Glöckl,  L.     16:  57. 
Glöde,  0.     I  4  :  111;   5  :  130,  134,  140, 

291,   297/8,  333,   351,   334,  357,  3.i9; 

8  :  35,    68;    10  :  30;    II  3  :  24,    43; 

III  5:15a;  IV  7:  17;  8a:  134a. 
Gloel,  H.     I  7  :  33;  IV  4  :  105. 
Glogau,  G.     I  12  :  330;  IV  5  :  89,  229. 
Glossner,  A.    IV  5  :  243. 
Glossy,  C.    IV  4  :  185,  203,  212;  8e :  12. 
Glück,  A.     I  13  :  160/1. 
Glfiner,  C.  v.    IV  8  e  :  80. 
Gnad,  E.    IV  4  :  247. 
Gneisse,  H.    I  12  :  14;  IV  9  :  88. 
Goebel,  F.    I  7  :  111. 
Göbl,  S.     I  4  :  130. 
Goedeke,  K.    IV  8a  :  114;  9  :  29. 
Gödel,  G.    14:  362. 
Göllnitz,  H.    18:  98. 
Goeringer,  A.     I  12  :  51  b. 
Goerler.  C.     III  1  :  118. 
Goetschel,  G.    IV  4  :  111. 
Götting,  C.  F.  J.    II:  38. 
Goetze,  E.  110:28;  113:20:  IVla:2; 

2a  :1. 
Götzinger,  E.     IV  5  :  353. 
Goldmann,  E.     IV  4  :  153. 

—  K.    IV  4  :  415. 
Goldscheider,  P.     17:  40. 
Goldschmidt,  H.     I  13  :  67. 

—  P.    IV  lc:22. 

Golther,  W.     II:  94,  119 ;  5 :  136,  228; 

10  :  43;  III  4  :  8. 
Goltz,  F.     IV  2b:  HO. 
Gombert,  A.     18:  106. 
Goncourt,  de.    II:  128. 
Goossen,  M.  A.    II  6  :  175. 
Gossen,  H.     I  12  :  115  a. 
Gothein,  E.     I  4  :  499;  III  1  :  116. 
Gotthelf,  F.    I  13  :  4. 
Gottschaldt,  A.    14:  129. 
Gottschall,   R.  t.     I,  3  :  66;    12  :  27; 

IV  4:252;  9:  156. 
Gottsleben,  L.    IV  4  :  197. 
Gourmont,  R.  de.    I  12  :  62. 
Gradl,  H.     15:  173,  376. 
Graetz,  H.    14:  535/6. 

—  L.    IV  5  :  453 
Graf,  A.    I  5  :  116. 
Graffander,  P.     I  1  :  140;  4  :  148. 
Grandjean,  M.    14:  476. 
Granichstätten,  E.     IV  4  :  239. 

—  0.     IV  1  d  :  62. 
Granier,  H.     14:  95. 
Grasberger,  H.     111:  199. 
Grasset.    I  3  :  159. 

Granl,  R.    I  11  : 2,   17,  853,  857,  360, 

876,  451. 
Grans,  J.    I  11  :  114. 
Gr«zer.  R.    I  4  :  32. 


Greene,  Reag.    I  1  :  108. 
Gregorovius,  E.    IV  5  :  595/6. 
Greiffenrath,  F.    IV  5  :  578. 
Greinz,  R.  H.    15:  263;  IV  Ic  :  83; 

4:96. 
Grelling,  B.     IV  4  :  364. 
Gressler,  J.    IV  5  :  579. 
Grenssing,  P.     15:  19. 
Grien,  Fr.     I  5  :  371. 
Grienberger,  Th.  v.     18:  134. 
Griessbach,  J.    17:3. 
Grillenberger,  G.     16:  30. 
Grimm,  H.    I  1 :  108/9:  8  :  100;  11:38; 

IV    la:27a;    lc:21,  23;    2b:22/3; 

5:618|9;    6:41;    8a:34a,    108,   145. 
Grisberg    I  12:348. 
Grisebach,  Ed.    IV  5  :  161  a. 
Griveau,  M.     I  12:52  b,  52  o,  157/8. 
Gröning,  A.    15: 188. 
Grössler,     H.       15:33,    142;     11:99; 

II  6 :  155. 
Groner,  Auguste.    I  12  :  203. 
Groos,  K.     I  12:111a. 
Gross,  F.  IV  4:234;  8a:15;  8e:80. 

—  J.    14:  562. 
Grosse,  H.    IV  5  :  225. 

—  J.    I  11:21;  IV  5:429. 
Grosser,  R.     13:  223. 
Grotefend,  H.    IV  4 :  300. 
Grottewitz,     C.     I  1:133;    II   1:106; 

IV  5:461. 
Grotthus,  J.  E.  T.     IV  4:  93;  8b  :38b. 
Grnbe,  Anna.     I   5:48. 

—  E.     III  3  :  19. 

—  H.    II  3  :  90. 

—  K      U  6  :  2,5. 

—  W.     1  4:367  a. 
Gruber,  C.  IV  8d:7. 

—  H.     IV  5:52,  67. 

—  K.     14: 6,i. 

Grucker,  E.    I  12  : 9;  IV  6:36. 
Grünberg,  P.    III  1 :  90;  5  :  20a,  22. 
Gründorf,  K.    IV  4  :  268. 
Gränhagen,  C.  I  4  :  323  a ;  IV  5 :  36,  518. 
Grünstein,  J.     IV  1  d  :  81. 
Grüner,  J.v.    IV  Ic  :  24;  5  :  597. 

—  0.    111: 16'3. 
Grupe,  B.    IV  1  a :  22. 

Grupp.Q.   I  1:14a;  4:575;  IV 5: 513. 
Gude,  C.    I  7  :  55. 
GnÖmundson.     I  1 :  119. 
Gündel,  A.     IV  5  :  481. 
Günther,  B.    I  3  :  219. 

—  F.    15:  190. 

—  0.    IV  8b  :  13,  37-37a ;  8  d  :  20-20a. 

—  S.    IV  2b:39;  8a:97. 
Guerrier  de  Haupt,  M.    HI  3:29. 
Guglia,  E.    I  4 :  157,  463/4 ;  IV  5 :  294, 

299;  8b  :12a,  45;  8c:  25. 
Gnillaud,  A.     I  1 :  5;  IV  5  :  291,  324. 
Guiraud,  J.    II  1 :  141. 
Gundlach,  F.    I  5:  265;  IV  5  :  295. 
Gnppenberger,  L.     13: 149. 
Gurlitt,  C.     I  4  :  70;  11 :  158,  354,  367, 

390;  12:24,  70a. 
Gutberiet,  K.     IV  5  :  97,  229. 
Gutscher,  H.     I  5:305. 
Gutzeit,  yf.  V.    I  8:111. 

Haape,  W.    18:  146 o. 
Haas,  A.     15:  40,  242. 

—  G.  E.    II  1  :  14;  III  1  :  2. 
Haase,  G.    IV  1  c  :  12. 

—  H.    14:  354. 

—  K.  E.     15:  91,   121,   125,   149,  195. 
197,  240,  254,  292,  353;    IV  8e  :  96. 

Haberl,  F.  X.     I  13  :  63,  159. 
Haberland,  F.     18:  99. 
Habs,  R.    I  4  :  206. 
Hach,  Th.     I  4  :  234. 
Hack,  E.    14: 202. 
Haeberlin,  C.     13: 199,  244. 
Haeckel,  E.     IV  5:49-50. 
Häckermann,  A.     I  6:37;   IV  5:214b. 
Hähnel,  F.    112:  245/7 .  IV  1  a  :  43. 

—  K.     I  7:135;  12:428;  IV  8e:7. 
Haek,  D.    IV  5  :  20. 

Haendcke,  B.     I  11  :  216/7,  227. 
Haese,  M.     IV  1  c  :  147. 
Häussner,  J.    IV  9  :  154. 
Haeutle,  Chrn.    I  11  :  145. 
Hafner,  G.    I  12  :  203. 
Hagedorn,  E.     13:  61. 
Hagemann,  Ella.    IV  8a:  9«. 

—  G.    IV  5  :  239. 
Hagen,  H.     n  7  :  4,  29. 
Hageneier,  E.    14:  584. 
Hager,  G.    I  11  :  146. 


Hahn,  H.    IV  1  c  :  70. 

—  T.    II  6  :  107. 
Halbfass.    IV  8  e  :  9. 
Haidane,  E.  8.     IV  5  :  133  a. 
Halevy,  L.    IV  1  c  :  60. 
Hall,  M.  van.    IV  8b:  29,  33. 
Haller,  E.  A.    II  1  :  95. 
Halling,  K.     I  4  :  311. 
Hamilton,  W.    13:  241. 
Hamm,  J.     14:  210. 

Hammeran,  A.     I  8  :  46;   IV  8a  :  104. 
Hammermann,  F.     17:  94. 
Hammerstein,  Frhr.  v.     IV  lc:28. 
Hampe,  Th.     I  11  :  184;    12  :  3;    Hl: 

82;  2:  22;  IV  6:  25. 
Handtmann,  E.     15:  111,  339. 
Hanebuth,  K.    I  10  :  22;  IV  9  :  104 
Hangen,  Ph.     IV  9  :  130,  139. 
Hann,  F.  G.    I   4:240;    11:245/6;    11 

1  :  161. 
Hanncke,  K.     14:  341 ;  II  1  :  52. 
Hanover,  E.     I  11  :  336,  849. 
Hans,  H.     II  6  :  60. 

—  J.     II  6  :  188. 
Hansen,  H.     I  12  :  370. 

—  J.    I  4:502,  525;  II  1:146. 

—  K.     17:  117 

—  P.    IV  8e:38. 
Hansjakob,  H.     IV  5  :  638. 
Hansllck,  Ed.    I  13  :  167  ;  IV  1  o  :  157. 
Hansson,  0.    I  12  :  100;  IV  4 :  125,  297 ; 

5  :  197. 
Hanstein,  A.  v.    I  12  :  424;  IV  4:825; 

9:17;  10  :  52. 
Hardeg,  A.  R.     IV  5  :  63. 
Hardegger,  A.     14:  513. 
Hardeland,  Th.     II  6  :  85. 
Harden,   M.      I   12:318,   360a;   IV  4 : 

136,  160,  162,  318. 
Härder,  C.    I  6  :  33. 
Hardnng,  V.     II:  164. 
Hardy,  E.     18:  5. 

—  W    J.     13:  100. 
Harich,  E.    I  12  :  178. 
Harms,  P.    IV  6  :  35;  8e  :  72/3. 
Harnack,  0.     I  1  :  53,  173;  2  :  45;  11  : 

2;  12  :  14,  53 a,  69;  IV  1  a  :  32;   1  c  : 
34,  83;   Id  :  62;   4  :  332,  473;  6  :  33; 
8a:59-59a,  112,  120,  134a;  8b  :  27, 
43a,  46;  8e  :  49,  64. 
Hart,  H.  112:  155,  160,  396;  IV  5  :  682. 

—  J.     I    1  :77;   IV   2b:  18;    4:426; 
5  :  629-30. 

Hartel,  W.  v.    I  6  :  64. 
Hartenau,  W.    I  12  :  285. 
Hartenstein,  G.     IV  5  :  210. 
Hartfelder,  K.    I  6  :  16,  117;  II  1  :  12, 

23;  3  :  71;  6  :  41,  43,  115;  7  :  20,  32, 

35/6,  39,  41,  50,  61a,  68. 
Hartmann,  A.      I  4  :  63;  II  4  :  14;  III 

4:2. 

—  E.  V.    I  4  :  241 ;  IV  5  :  109, 127, 592. 

—  H.     I  5  :  82,  307. 

—  J.     I  4:437:  IV  Ic  :  57;  9  :10. 

—  K.  A.  M.    IV  1  d  :  22. 
Härtung,  B.    II:  15. 

—  0.    IV  Ic:  22;  Id:  22;  4:102;  8a: 
121;  8b:  42. 

Hartwig,  0.    I  3  :  194;  II  6  :  46. 
Harzen-Müller,   V.   A.  N.     I  13:123; 

IV  9  :  132. 
Hase,  0.  V.    13:  113/4,  269. 
Haselmayer,  J.  E.    17:  25,  146. 
Hasenclever,  A.     I  11:40. 
Hasner,  J.  v.    IV  1  c  :  39. 
Hasse,  K.  E.     IV  1  c  :  121. 

—  P.    I  11  :  129. 
Hassell,  U.  v.    14:  293. 
Hassenkamp.  R.     14:  181. 
Hassler,  K.    IV  4  :  302. 
Hauber,  G.    IV  9  :  64. 
Hanfe,  E.     IV  5  :  496. 

Hauffen,  A.     17:72;    II  8:47/9;    III 

4:6a;  IV  ld:69;   4:25;   8a:  135; 

8d:18. 
Hang,  E.    I   1:110;    IV   lc:133;    5: 

296;  8a:  129. 
Haupt,  H.     I  2:42;    6:107,  144;   8: 

32-32a;  H  1  :  19;  IV  lc:97. 
Hanreau,  B.    18:  82. 
Hansegger,   F.  v.    I    12  :  91-92 a,  241; 

13  :  6. 
Haussleiter,  J.    II  6  :  Ol. 
Hausrath,  A.    11  6  :  92. 
Haym,  B.    IV  lc:21. 
Hegler,  A.    II  6  :  185. 
Hehl,  K.    17: 19. 
Hehn,  V.    14:  13. 


Autorenregister. 


Heichen,  W.    IV  1  d  :  71. 
Heiok,  Ed.    111  1  :  71. 
Heide,  G.    XU  1  :  64. 
Heidemann,  J.    14:  340. 
Heidenheiroei,  H.    IT  8b:  24. 
Heidt,  K.  H.    IV  8e:6. 
Heigel,  F.    14:  585. 

—  K.  V.  I  1  :  68;  3  :  201;  4  :  444;  11  : 
254;  m  1  :62;  IV  lc:6;  4  :  32; 
5  :  344,  391,  513. 

Heilborn,  E.    I  4  :  609 ;  IV  1  d  :  60;  4  : 

229,314. 
Heilig,  0.     15:  262,  830/1. 
Heilinann,K.  I  1:86b;  7:141;  12:38. 
Heimann,  F.  C.    I  11  :  414. 
Heimbucher,  M.    13:  150. 
Heindl,  H.    1  5  :  160. 
Heine,  C.    HI  1 :  138. 

—  G.    I  8  :  70 

—  P.    IV  4  :  375. 

Heineck.  H.    II  6  :  117,  155;  7  :  47. 

—  Z.     IV  2a:  85. 

Heinemann,  K.  I  7  :  64:  11  :  273;  IV 
8a:  15,  25,  33a,  34b,  91,  112;  8b  :  10, 
27/8,  33,  40,  42;  8c  :  23;  8e  :  39, 

—  0.  V.     III  2  :  19. 

Heinrich,  G.  A.    II  :  104;    IV  2n  :  70. 

—  K.    I  1:2;  3:231:  IV  5:316. 
Heinrichs,  E.    II  7  :  31. 

Heintz.  A.    I  13  :  21.  42,  113,  129,  136. 
Heintze,  A.     15:  256;  IV  10  :  131. 
Heinze,  R.    Hl:  97. 
Heinzelmann.  W.    I  4  :  147  ;  IV  8a :  72. 
Heibig,  B.     IV  4  :  423. 

—  J.    14:  471. 
Helferich,  H.    I  11  :  7,  366. 
Helfert,  A.  t.    IV  lc:39a. 

—  J.  T.     IV  1  c  :  24,  39,  150. 
Hellen,  Ed.  v.  d.    IV  la  :  40;   8a  :  53, 

55,  112. 
Hellenbach,  L.  B.    IT  5  :  56. 
Heller,  J.    15:  62. 

—  S.    IV  11  :  50. 

Hellinghaus,    0.     IV  1 0  :  68;   2a  :  97; 

8a  :134a. 
Hellmann,  Fr.     IV  11  :  42. 
Hellmuth,  E.    I  12  :  195;  IV  2b  :  38. 
Hellwig,  L.     14:  359. 

—  P.     17:  116. 

H6mon,  F.    1  12  :  15  b,  171,  309,  346. 

Henckel,  W.    1  12:339. 

Henckell,  K.     IV  11  :  12. 

Hengesbach,  J.    II:  78. 

Henkel,  H.     IV  8e:  18-20. 

Henne  am  Khyn,  0.   I  4 :  23,  285 ;  5  :  81. 

Henning,  K.    16: 136. 

—  K.     ni  5  :  5. 
Henry,  E.     IV  9  :  96. 
Henschel,A.    14  :  363;  II 1 :  143;  6  :  143. 
Hense,  J.     17: 15. 

Hentschel,  A.    I  7 :  11 ;  IV  8  e  :  16. 

—  C.    17:4. 

Henzen,  W.    I  12: 16;  lY  ld:82 
Heraens,  M.    16: 125. 
Herber,  F.     14: 421. 
Herbert,  H.    I  4  :  484. 
Herford.  C.    U  3 :  51. 

—  E.    IV  2b: 41. 
Hermann,  E.    IV  9:67. 

—  K.  A.    I  13:51. 
Hermenjat,  L.    IV  ld:12. 
Herr,  L.    IV  5  :  127. 

Herrraann.  A.    15:  27,  30,  103,  273  4. 

—  M.  11:173;  6:246;  n  3:4;  7:10, 
58;  m  4:15:  IV  10:62. 

—  W.    n  6  :  103. 
Hertel,  E.    IV  2b: 87. 

—  G.     n  6  :  157. 

—  L.    I  4:390;  5:16;  8:113. 
Herter,  J.     II  3:3a. 

Hertz,  M.    12: 16/7,  23 ;  5  :  363. 

—  W.     I  5:157,  229;  10:7. 
Hertzberg,  Ebbe.  I  1 :  119. 

—  G.     14: 374. 

—  N.    I  12:354;  IV  4:126. 
Hertzka.  Tb.     14: 589. 
Herwig,  0.    I  8 :  112. 
Herzfeld,  Marie.    IV  1  a :  28. 
Herzfelder,  J.    IV  2b:  61;  8b  :  39. 
Herzl,  Th.     I  12:176. 

Herzo-,  H.    IV  4  :  66,  68;  8d  :  13. 
Heskamp,  H.     I  7  :80,   85;   IV  9: 124. 
Hess,  A.     III  4  :  18. 

—  J.     14: 501. 

Hessel,    K.      I    7:103,4;    IV    8e:37: 

11 :  33. 
Hessen,  R.    18: 142. 
Hessler,  A.     IV  4:468. 


Hessmert,  C.  16: 191. 
Hettner,  H.  III  1 :  134. 
Henbanm,  A.  16: 183. 
Heuer,    0.      HI    3:8;    IV    8a: 2,    44; 

8e:55. 
Henermann,  A.     IV  1  a :  31 ;  1  C :  69. 
Heuwes,  J.    I  7  :  66;  IV  Ic  :  68;  4  :  72. 
Hevesi,  L.     I  4:29;   5:51;   IV  4:229, 

416,  469,  472. 
Hewlett.  M.     U  1 :  77. 
Heyck,  Ed.    III  1 :  12,  117;  IV  5  :  315. 
Heydenreich,  E.     I  6 :201;   IV  2a:84. 
Heyl,  J.  A.    IV  9:81. 
Heyn,  E.    14: 420. 
Heyne,  M.     18: 104  5. 
Heyse,  P.     IV  5:588;  11:8. 

—  Th.     IV  Sa:  63. 

Heyst,  B.  G.  de  Vries  van.    II  6 :  105. 

Hieke.  W     I  4:229. 

Hildebrand,  A.     I  11:19;  12:65b. 

—  P.    I  11:27. 

—  E     I  7:37;   8:62,  65,  67,  71,  104; 
IV  5:8;  8c:2;  8e:80;  9:51. 

midebrandt,  A.  M.     I  3:236. 

—  P.    I  12  :  137. 

Hildenbrand,  F.  J.     I  4  :  60;  II  1 :  110. 
Hilken.     I  8 :  152 
Hillebrand,  J.     14-  397. 
Uimmelstoss,  M.    18: 114. 
Hinneberg,  P.     I  1:4,  23  c. 
Hinrichsen,  A.     II:  165. 
Hintze,  0.     14: 255. 
Hippe.  M.     I  10  :  42. 
Hiptmair,  M.    I  11:72. 
Hirsch,  Aug.    I  4 :  278. 

—  F.    I  1:153;  4:314;  m  1:74/5. 
Hirschberg,  C.    I  4:407. 
Hirschfeld,  L.    IV  4 :  227. 

Hirt,  H.     IV  5 :  157-61. 

—  P.    17: 116. 

Hirth,  G.    I  11:22/3,  62/3. 
Hirzel,  G.     IV  Ic:  160:  10  :  91. 

—  L.     I  1:96;  III  3:13;  IV  9:53. 

Ellwangen.     IV  8e:90. 

His-Heusler,  E.     I  11:218. 
Hitschmann.  F.     I  12:106. 

Hoch,  R.    IV  5:360. 

—  S.     I  4  :  545. 

Hoche,  R.     I   6:17,   19,    71,   75,6,   83, 

197;  II  7:55;  IV  5:368,  376. 
Hochstetter,  E.     U  6:156. 

—  K.     II  6 :  195. 
Hockenbeck.     II  1 :  166. 
Hodermann,  R.    I  4:391:   12:385;  III 

4:31;  IV  4:397;  Sa: 29, 
Hoeber,  E.    IV  10  :  104. 

—  K.     I  10:16. 
Höffer,  K.     14: 227. 
Höfler,  Ct.    II  6:94:  7:64. 

—  M.     I  5:11,  2T. 

Hölscher,  L.    I  8:  99:  12  :  196;  H  4: 16; 

II12:11;4:17:5:60;  IVSc:8,13a, 

16;    8e:5/6,    745;    9:87,    144,    155, 

153;  10:137. 
Honig.  B.     I  5:55;  10:33. 
Hoenjger,  E.     IV  5  :  341. 
Hoensbroech,  Graf  P.    14:  524. 
Hörmann,  F.  (W.  Kantorowicz).  1 11 :  53; 

12:112. 
Hoernes,  M.    1  11 :  106,  286. 
Hörth,  0.     I  8:28;  IV  4:34, 
Hörtnagl,  J.     17:  22. 
Hoffmann,  H.    IV  8a:  164. 

—  Jul.    I  5  :  216/7. 

—  Max.     I   6:184;   7:36;   12:42;   IV 
5 :  361. 

—  T.    I  5:219-20;  7:147. 
Hoffm.innsthal  (Loris).     IV  4:229. 
Hoffory,  J.    Ill  6  : 6. 

Hoffs,  F.  van.     III  2  :  12. 
Hofmann,  H.    II  3  :  2. 

—  K.     III  2  :  39. 

—  R.    I  4:386. 

Hofmeister,  A.     I  6  :  124:    n  1  :  123; 
lU  6 :  12. 

—  G.    I  7  :  73. 
Hofmiller.  J.     14: 146. 

Hofstede  de  Groot,  C.    Ill:  9,  276,  414. 

Hohlfeld,  P.     IV  ö  :  141/4. 

Holder,  A.    I  2  :  32 ;  4 :  425;  5 :  227 ;  II 

3:11. 
Holenia,  E.    IV  1  c  :  84. 
Hollaender,  Ale.    n  1 :  43,  96. 

—  F.     I  12  :  421. 

Holland,  H.    16:42;   11:308-16,   424, 

427. 
Holly,  F.  J.    II:  104. 
Holm.  E.    112:363;  IV4:ia7:8b:38. 


Holmes,  R.    I  3:296. 

Holstein,  H.    14:103;    6:39-40,    108, 

116;  II  6: 115;  m  4: 12;  IV  Ic:  158; 

5:11;  6:13. 
Holthausen,  F.    II  1 :  169. 
Holthof,  L.     15:  371  a. 
Holtzheuer.     IV  5:53,  241. 
Holzamer,  W.    IV  11:5. 
Hopf,  A.     III  1 :  31. 
Hopfen,  H.     IV  4 :  173. 
Hopp,  E.    14: 453. 
HoruiJka,  A.     13: 17.5;  11 :  106. 
Hörn,  E.     I  3  : 1.36:  6  :  86a;  IV  5:200. 
Home,  H.  P.    13: 103. 
Horning,  W.    II  6 :  158/9. 
Hüsäus,  W.    IV  1  c :  131. 
Hosmer,  J.     II:  107. 
Hossfeld.    I  11 :  81. 
Hostinsky,  0.    IV  5  :  206. 
Hottenroth,  Fr.    14: 262. 
Hottinger,  M.     I  11 :  140. 
Hongh,  W.  S.     IV  5 :  91. 
Houssay,  F.    I  12:145. 
Howells,  W.  D.    I  12 :  255. 
Hruschka,  A.     17: 91. 
Huber,  F.  C.    14:287,  Ö16-16a;  6:87; 

II  1:3,  124. 

—  L.     13: 110. 

Hubert,  F.   II  1:142,3;  6:  174;  7:2a. 
Huberti.  L.    I  12  :  16i;  IV  5:444,  607; 

8a:  83. 
Hübbe-öchleiden,  W.    IV  5  :  81/2. 
Hübener,  W.    IV  5  :  274. 
Hübler,  F.     14: 245. 
Hühner,  B.    lU  4:17. 
Hüffer.H.  IV8b:13-14a,  37;  8d:20a; 

11 :  24. 
Hüllemann,  E.     I  6:25. 
Hülsen,  Helene  t.     IV  4:80. 
Hüser,  B.     15:  43. 
Hüttman,  J.  V.     I  7  :  139;  12  :  40. 
Hnlley,  J.     I  11 :  156. 
Human,  A.     I  6:84. 

—  R.     I  4  :  91. 
Humbert,  E.    IV  la:29. 

—  G.     IV  5  :  314. 

Hummel,  F.     14:  606 ;  II  6 :  185. 
Hunziker,  J.    I  6  :  78  9;  IV  5  :  359,  390. 

—  0.    I  6:53,  211;  IV  lc:99. 
Hurch,  J.     II  2:38;  7:65  a. 
Huret,  J.    II:  134. 

Hnss,  H.  CO.     IV  8  e  :  95. 
Huther,  A.     IV  8  a :  138;  8e  :  5. 
Hntter,  Th.     III  1  :  48. 
Hnyer,  E.    14: 302. 

Ibsen,  H.     I  12  :  359;  IV  4: 132. 

—  S.    I  12:.i59;  IV  4:1.32. 
Ihm,  G.    I  6:118;  U  7:19. 

Hg,    A.      I    11:69,    106,   199,286;    IV 

la:33. 
Ilgen.    I  4 :  404. 
Ilwof,   F.      15:  303;    HI  5  :  38;    IV 

2a:  82. 
Imelmann,  J.     IV  7:8;  9:92. 
Inn-   u.    Enyphausen,   E.   Graf  cn.    I 

4:263  a,  364  a. 
Irving,  H.    I  12 :  217. 
Ischer,  R.    IV  5  :  30;  8d:21. 
Isenbart.  H.     I  6:252. 
Isolani,  E.   1  12:  232;  IV  2b  :  11";  4:  50, 

359-60,  459;  5:44,  410;  10:15. 
Israel,  A.     16: 22. 
Issleib,  S.     n  1 :  41. 
Ivanoff,  T.    IV,  5  :  209,  211. 
Iverach,  J.    II  6 :  185. 

Jacobi,  H.     n  1:138. 

Jacobowski,    L.     I   1  :  72;    12  :  26d; 

IV  1  d  :  66. 
Jacobs,  A.    14:  71,  182. 

—  Ed.  I  3  :  181;  4  :  213:  13  :  71; 
111:65/7;  1111:92,3;  IVlc:13; 
2a: 42,  79. 

—  H.  E.     II  6:31, 

—  P.    14: 414. 
Jacobsen,  E.  P.    II  1 :  78. 

Jacoby,    D.    II  7  :3;  IV  la:  2;  2a:  1; 

4:1;    5:616;    6:26;   8c:24;  9:50; 

10:11. 
Jaden,  H.  K.  Frhr.  v.    IV  4 :  49. 
Jaeger,  F.  M.    I  12:391. 
J&ger,  G.     14: 18. 
Jahns,  M.     14: 15,  269. 
Jagemann,  H.  C  G.  v.    I  8:56. 
Jahn,  M.     I  7:87;  IV  5:14. 
Jakobi,  J.    IV  5:278. 
Jaksch,  A.  v.     I  4:179:  IH  2:4 

(4)33* 


Autorenreg-ister. 


Janitscb,  .1.     I  11:382. 

JanitscheV,   H.     111:  64,    142.    171,2, 

191,  2.'2,  238,  400;  IV  1  c  :  148. 
J.-inssen,  H.  Q.     111  1 :  106. 
Jastrow,  J.     I  1  :  100. 
.Jeaiiniard  dn  Dot,  A.     112:164. 
■leanroy,  A.    II  3  :  17. 
.Techt,  R.     14: 323. 
Jecklin,  F.  v.     III  5:37. 
Jeep,  E.     IV  9:162:  10:61. 
Jehle,  F.     I  8:ö9;  II  6:72. 
Jeitteles,  A.     I  8:  77;  II  2  :  40. 
Jellinelc,  A.    1  4  :  538. 

—  M.  H.    I  8:66;   12:165;  IV  4  :  59; 
9  :  164. 

Jellinghaus,  H.    I  1:93;  4:114:  8:79. 

Jentsch,  K.     I  1 :  21 :   4  :  317 ;  III  1 :  8. 

Jerogow,  W.     I  12:341. 

Jireczek,  0.  L     IV  4  :  127. 

Joachim,  G.     I  13:60. 

Joachiinsohn,  P.     II  7  :  13. 

Jod).    F.      I  1  :21;    IV  5:61,    70,    96, 

187,  250. 
Joel,  K.    IV  5  :  100._ 
Joesten,  J.     14: 415. 
Joetee,  K.  F.     II  3:81. 
Johannes,  W.    IV  5  :  201. 
Johansson,  A      18:  101,  125. 
John,  A.    I  5:22;  II  1:83;  IV  8a:  161. 

—  W.    16:  145. 

Jonas,  F.    I V  1  c  :  20 ;  9  :  22/3 ;  10  :  33. 
Jonelli,  A.     IV  5  :  352. 
Jönsson,  F.    I  1 :  119. 
Jordan,  A.     I  11 :  180. 

—  P.     IV  la:47. 

—  E.    1  1  :  82. 

—  W.    I  12:378;  IV  4:245. 
Josenhuns,  J.     16: 126. 
Jostes,  F.     I  4:404. 

Joyce,  H.    14:  202. 

Jülg,  K.     IV  9:33. 

Jüngst,  H.  C.     I  12  :  416;  IV  4  :  141. 

Jung,  J.     I  4:291;  IV  5:339. 

—  R.     I  3:46;  4:221. 
Junghans,  F.  H.     IV  8b  :25a. 

—  G.     IV  2a:  66. 
JusskiewicK,  A.    14: 41. 

Justi,  K.     I  11:195;  IV  la:2;   2a:l; 

4:1. 
JuTalot,  L.    I  12  :  308. 

Kaatz,  H.     I  12  :  3S4. 
Kade,  0.     I  13  :  2,  7.'. 

—  E.     I  4:244:  IV  4:65;  10:37. 
Kaeding,  F.  W.    I  3  :  13,4. 
Kaemmel.  0.    I  6  :  2;  II  6  :  115;  7  :  68; 

III  1  :  1. 
Kaemmerer,  L.    I  11  :  356. 
Kämpf,  S.  J.     IV  11  :  50. 
Kahl,  W.    I  8  :  23,  83 
Kahnraeyer,  L.     17:  23,  27. 
Kaindl,  R.  F.  15:  85, 102;  8  : 7 ;  III 1 : 30. 
Kaiser,  M.    14:  176,  442. 
Kaisser,  B.     IG:  58,  229-30. 
Kalb,  W.     16:  139. 
Kalbeck,  M.     I  12  :  428;  IV  6  :  28. 
Kalischer,  A.  Chr.    I  12  :  221 ;  13  :  90 1, 

97;  IV  5:147. 
Kamann,  J.    I  4  :  459;  11  1 :  33 ;  IV  8e  :  8. 
Kan,  J.  B.    IV  5  :  313. 
Kantorowicz,    W.      (=    F.    H5rmann). 

I  12  :  112. 

Kapferer,  J.  A.    15:  243/4. 

Kapff.  E.    14:437;  IV  la:13;  8a:71; 

II  :3. 

Karäsek,  J.     IV  8a:  160. 

Kari-udo  (=  Prinz  Philipp  v.  Sachsen- 

Koburg  u.  Gotha).     IV  1  c  :  7. 
Karl,  Erzherzog  v.Oesterreich.  IV  5: 538. 
Karpeles,    G.     I   1  :  90;    IV   Ic  :  70; 

5  :  212;   8a  :  29a;  8b  :  52;    11  :  26, 

28,  30,  51. 
Kaspret,  A.    IV  5  :  305. 
Kiissewitz,  J.     I  12  :  207. 
Katscher,  L.     I  1  :67;  4:32 
Katt,  F.     I  4  :  84;   6  :  123;   II  1  :  122; 

IV  4  :  420. 
Kauffraann,  F.    I  5  :  8;  IV  5  :  13. 

—  G.    IV  5  :  283. 
Kaufmann,  A.     I  11  :  430. 

—  D.     III  1  :  60. 

—  G.     I  1  :  98 

—  L.    I  11  :  171/2. 

—  M.     IV  4  :  345. 
Kaulich,  J.     I  1  :  11/2. 
Kautsky,  K.     II  3  :  12;  IV  5  :  594. 
Kaweran,  G.    II  1  :  94;   2:5;   6  :  1/3, 

6,   10.   20,  22,  27,  42,  51.  58.  68,  97, 


114,   116,   129-30,   135/6,    146/7,    160, 
162,  171,  173;  7:3. 

—  W.      I  4  :  171;    6  :  111;    10  :  29; 

II  1  :91;    3:. •4;    4  :  29-30;    6:191; 
IV  5:320/1;  8a  :34a. 

Kayhausen,  G.     14:  365. 
Keferstein,  H.    IV  2a:  93. 
Kehrbiich,  K.     16:  54,  235,  24S;'9. 
Keibel,  M.     I  12  :  282. 
Keil,  E.     IV  1  d  :  86. 

—  Rieh.    I  4  :  141;  5  :  309;  II  1  :  172; 

III  1:  105;  IV  la  :  21. 

—  Rob.     I  4  :  141:  5  :  IHOI);  II  1  :  1T2; 
m  1  :  105;  IV  la:21. 

Keinz,  F.     II  2  :  21. 
Keiper,  Ph.    16:  165. 

—  W.     IV  2a:  38. 

Keiler,  E.     15:  53  a,  164,  304. 

—  H.    II:  144,  156;  12  :  150. 
Kekule,  E.     I  11  :  206. 
kelber,  L.     IV  4  :  279 
Keller,  A.     I  6  :  118;  II  7  :  19. 

—  J.    I  6:77:  IV  Ic:  67. 

—  L.     III  2  :  14. 
Kelleter.     I  11  :  85. 

Kellner,  H.  C.     IV  8  a  :  33  a,  36,  39,  43, 
51,  163;  8e:40.  44. 

—  L.     I  6  :  69;  12  :  349;  IV  4  :  138. 
Keltenborn,  R.     I  12  :  159. 
Kerape,  W.     IV  4  :  119. 

Kemper,  0.     IIl  2  :  15. 

Kenner,  K.     I  11  :  76. 

Kern,  F.     IV  8a:  85:  8e:  39. 

Kerr,A.  11:55,152;  12  :  377;  IV  4  :  299. 

Kettner,   G.     1   7  :  41;    IV  6:17,   20; 

9  :  76,  91,  141/2. 
Keussen,  H.     I  11  :  71;  II  1:  166. 
Keussler,  F.  v.     I  11  :  154;  IV  5  :  302. 
Khaynach,  F.  Frhr.  v.     I  11  :  51. 
KhuU,  F.     IV  4  :  66. 
Kieferndorf,  Ph.     II  6  :  18.',  186a. 
Kiel,  D.     IV  5  :  149. 
Kiesewetter,    C.     14:  183/4;    5  :  224.; 

10:25;  U  3  :  28;  1113:2;  IV  5:  78; 

8e  :61. 
Kiesling,  E.    IV  8a:  6. 
Kiessling,  A.    14:  389. 
Kilian,  E.     I  12  :  2-28,  243;  IV  4  :  221, 

314,  332,  369-72,   394,  402,  404,  412; 

8a: 52,  140;  9:69. 

—  J.     IV  8e:ll. 
Kind,  0.     14: 383. 
Kindscher,  F.     14:  143. 
Kingston,  W.  H.  G.     III  3 :  28. 
Kinzel,  K.     I  1 :  83;  7  :  56;  II  4 :  28. 
Kippenberg,  A.     I  3  :  225;  IV  8e  :  80. 
Kirchhotr,   A.     I  3  :  248;    II   1  :  111; 

IV  lc:7. 

Kirchmann,  J.  H.  v.     IV  5:118. 
Kirchner,  C.    I  4:226;  13:25. 

—  E.     13: 49. 

—  F.    I  2:51;  12:272;  IV  la:7,  7b; 
5 :  220,  287,  367,  402,  403. 

Kissel,  C.     13: 2:i7. 

Kissling.  E.     14: 276. 

Kitto,  D.     IV  8e  :  67. 

Kiy,  V.    II  4  :  26. 

Klaar,  A.    1 1 :  113;  12  :  428;  IV  2b:  57; 

8e:109. 
Klaczko,  J.     II  1 :  76. 
Klaiber,  K.  H.     II  6 :  64. 
Klebs,  E.     11:5. 
Klee,  G.     1  7:48,  83b. 
Kleemann,  S.     III  3  :  18. 
Klein,  H.     IV  lc:91;  4:232. 

—  M.     I  11:380. 
Kleinpaul,  E.     I  4:18a:  8:2. 
Kleinschniidt,  A.     I V  5  :  340 ;  9 :  82. 
Kiele,  J.     I  5:114. 

Klement,  K.     14: 472. 

Kiemich,  0.     I  8:148a. 

Klemm,  A.     I  11 :  136. 

Klenz,  H.     16:  198. 

Klenze,  C.  v.     IV  2a:  10. 

Kletke,  H.     I  7  :  121. 

Klewitz,  E.    16: 105. 

Klinckowstroem,  A.  v.    I  12  :  428. 

Klinger,  M.     1  11 :  11. 

Klören,  J.  B.     I  7:62  a. 

Klokow,  Ida     I  4  :  34. 

Klopp,  0.     III  1:5,  8,  33,  77. 

Klotz,  H.     II  6  :  160. 

Klnckhohn,  A.    II  1 :  20,  36. 

Kluge,  F.     12:31;    5:13;    8:101;    II 

3:30. 
Klussmann,  B.    13: 138. 
Knabe,  K.  A.  F.     16: 173/6. 
Knapp.  H.    I  4  :  108. 


Knauer,  V.     IV  5:2.52. 

Knauthe,  K.     I  5:97,  137,  185,  287. 

Kneschke,  E.     I  13  :  19. 

Kniel,  C.    I  4:503 

Knies,  K.     IV  lo:ll. 

Kniest,  Ph.     14: 355. 

Knight,  W.     I  12:  54. 

Knipping,  V.     II  3  :  91. 

Knod,    G.     II    6  :  40 ;    7  :  21/3,   33,   38 : 

IV  5:378. 
Knoke,  K.    I  4  :  102 ;   6  :  109 ;  n  6  :  27 

187 ;  III  5  :  30. 
Knoop,  0.     I  5:40.  129,  244. 
Knopf,  J.     IV  4:338.  383. 
Knothe,  F.     15: 286. 
Knott,  E.     II  1  :  134;  IV  5:451. 
Kobbe,  G.    I  13:1.35. 
Kober,  J.     III  5  :  29. 
Koch,  A.     I  4:423;  11:92. 

—  F.  E.     I  11 :  128. 

—  Günth.'  III  2:32;  IV  2a: 8/9. 

—  H.  H.     14:  502. 

—  L.     I  8  :  88. 

—  Max.  I  1:88;  7:134:  10:17,  39; 
11:400;  III  5:59;  IV  la:2;  2a:l 
18  9,  28,  38;  4:1,  11,  56.  2-37,  239, 
248,  371,  451;  8a:  5,  33a,  34b,  37, 
45,  56,  58,  60/1,  66,  71,  73,  89,  91, 
96/7,  99,  105,  111,2,  116  a,  124,  129, 
139-44,  146,  148,  1.00,  152,  167; 
8e:5,  53,  56,  64,  70,  75,  80;  9:1,  8; 
10:25/6,  37,  71,  81,  99:  11:49. 

—  V.  Berneok,  M.     14:  61. 
Kocbendörffer,  K.     I  3  :  25,  97. 
Koeber,  E.  v.     I  12:333;  IV  5:39. 
Knederritz.     IV  lc:10. 

Knegel,  F.     112:  3S7 ;  IV  5  :  178 
Köhler,  Ch.     I  3:30. 

—  H.     IV  5:62. 

—  K.     II  6  :  195. 
Koehne,  C.     14:  246. 
Koellitz.  K.    I  11  :201. 
König,  B.  E.     I  5:113. 

—  J.    16: 99-100. 

—  K.     II  6  :  65, 

—  0.     I  1:85a. 

—  R.     I  1 :  80. 

Witten.     IV  11 :  13. 

Königsberg,  A.     IV  lc:140. 

Koeppel,  E.     I  10:41. 

Koppen,  W.     II  4  :  3. 

Köster,  A.    IV  2a:  28;  6  :  37;  8a:  134a; 

8b:  36;    8e:64;    9:4,    7,    47,    159; 

10 :  57. 
Kösterus,  F.    16:  222. 
Köstlin,  A     I  11 :  120. 

—  J.     I  11:303;  II  6:53,  64, 
Koetschau,  C.     I  11 :  228. 
Kötzschke,  H.     I  4:599;  IV  lc:110. 
Koffmane,  G.     II  6  : 1. 

Kohl,  0.     IV  2a:  52. 

Kohler,  J.    I  3  :  282/3 ;  1 2 :  163 ;  13  :  125 ; 

IV  5 :  438. 
Kohlschmidt,  0.     II  6 :  175. 

—  W.     II  4:8;  IV  8c:12:  8d:9. 
Kohn,  G.     I  10:49. 

Kohrs,  H.     IV  lc:129. 

Kohut.    A.      I  4:186:    II    1:103;    IV 

2a:  104;    2b:  95,    113;    4:110,  465; 

5:18. 
Kolb,  C.    II  3  :  23. 
Kolbe,  K.    I  6 :  160. 
Kolberg,  J.    I  11 ;  98. 
Kolck,  H.  J.     I  7:138;  12:31. 
Kolde,  Th.    II  1:5;  6:6,  30,  51,  58/9, 

62,  91,  102;  7:49. 
Koldewey,  F.     14:42;    6:46,251;   II 

7:54;  in  5:41,3;  IV  5:493. 
Kollbach,  K.    I  12  :  281. 
KollhofF,  W.    14: 348. 
Kollraann,  P.    I  4:361. 
Kont,  J.    I  5:28;  IV  ld:4. 
Koopmann,  W.     I  11:26;  12:96. 
Kopfermann.  A.     I  13:94. 
Kopp,  A.     III  2:40;  IV  10:162. 
Koppel,  F.    IV  4  :  79. 

TT      I  8  *  1*^2  3 

Koppmann,  K."  I  2  :  33 :  4  :  344/5 :  6 :  121. 

Kornmüller,  U.    I  13  :  62. 

Koschwitz,  E.    IV  1  c  :  161. 

Koser,  R.    I  4:115;  III  1:72. 

Kothe,  J.    IV  2a:  21. 

Krack,  0.    I  11:35;   12:26»,  128;  IV 

la:7;  4:3-29;  5:513. 
Kräger,  H.     IV  2a: 35. 
Krätschel,  J.     I  11 :  304. 
Krafft,  K.    I  4 :  89 
I      Kralik,  E.     I  12:109:  IV  lc:l». 


Autorenregister. 


Kfiimer,  K.     16: 231. 
Kramsall,  E.     13:9. 
Krantz,  E.     I  12  :  6. 
Kratz.  H.    I  12:76. 
Kraus,  C.     IV  4  :  59. 

—  F.  S.    I  5:27,  93. 

—  F.  X.     I  11 :  88^9. 

—  G.     III  5:58. 

—  K.     I  12:165. 

—  0.     IV  5  :  322,  509-510. 

—  E.     IV  4  :  234. 

—  V.    IV  8a:  160. 
Krause,  A.    IV  8e:80. 

—  B.     I  4:381. 

—  C.     II  1 :  69. 

—  E.     II  6 :  189. 

—  Ernst  8.  Carus  Sterne. 

—  G.     III  5  :  61. 

—  K.     I  3:245;  II  1:175;  6:42. 

—  K.  E.  H.     I  5:324;  11:252. 
Kranske,  0.     III  1  :  78/9,  119. 
Krauss,  C.     IV  9  :  164. 

—  F.  S.     I  5  :  3,  96 

—  R      I   1:142;    IV    2a:  55;    2b:  13, 
17;  9:25,  150:  10:40,  105. 

Krebs,  C.     I  13 :  24,  34,  104/5. 

—  J.     III  1 :  35. 

—  W.     IV  5:469. 
Krehbiel,  H.  E.     I  13  :  118. 
Kreiten,  M.     IV  2  b  :  74. 
Krejci,  J.     IV  10:73;  11:2. 
Kretschmann,    Lily    v.      I  4:613;    IV 

la :  41  (s.  a.  Gizycki,  Lily  v.). 

—  Ed.    I  13:152. 

Kretzschmar,  H.     I  13:  112;  IV  5:  355. 
Kreyenberg,  G.  U  5: 132;  IV  8a:  34b, 

50. 
Krieger,  A.    I  11 :274;  UI  1 :  124. 
Kriegsmann,  G.     14:  349. 
Krier,  JB.     17:8. 
Krimmel,  0.     14:  282 
Krippenstapel,  F.     14: 196. 
Kristeller,  P.    I  3  :  114. 

—  S.     IV  11:50. 
Kroess,  A.     II  1:113. 
Krone,  R.     II  3  :  64. 

Kronenberg,    M.      IV    lc:20;     5:133, 

231. 
Krones,    F.    v.      II   1:29;     7:28;     III 

1:97;  4:26;  IV  lc:3. 
Kroschel,  M.  IV  4  :  388. 
Krüger,  Bernh.     IV  5:472. 

—  CA.     II  :81. 

—  G.     II  1:24. 
Krüner.     I  1 :  30. 
Krusch,  B.     14:  188. 
Krusche,  6.     16: 218. 
Kruse,  H.     IV  8b:  35. 

—  W.     I  5 :  46. 
Krusemann,  A.  C.     I  3:263. 
Kruspe,  J.     I  11  :4. 
Kubin,  F.     I  8:143:  12:185. 
Kubier,  A.     I  5:367. 

Küchler,    C.      15:225;     n    3:27;    IV 

8e:56/8. 
Küenen,  M.    I  7:76. 
Kühn,  A.    14: 156. 

—  T.     IV  5  :  146. 
Kühnemann,  E.    IV  7:10/2. 
Kfikelhans,  Th.     III  1 :  63. 
Kürschner.  J.     II:  163. 
Kufferath,  M.     I  13  :  137. 
Kuh,  E.     IV  4:283. 

—  F.     IV  5  :  470 

Knhl,  J.     I  4:412;  6:182. 
Kuhmerker,    H.      I    1:148;    12:147/8, 

258 
Kuhn,  A.     I  11 :  66. 

—  E.     I  10  :  8. 

—  R.     I  4  :  284  a. 
Kukula,  R.     I  3  :  147 ;  6 :  86. 
Kummer,  F.    I  12  :  237,  360 ;  IV  2  b  :  29 ; 

4 :  133,  148. 

—  H.  F.     I  1  :  84. 
Knndt,  A.    IV  5:458. 
Knnz,  F.    IV  2a:6. 
Kunze,  K.    13:  45. 
Kurz,  M.    IV  la:33a. 
Kvacsala,  Joh.     I  6  :  28. 

I>a  Bouraliöre,  A.  de.    13:  86. 
Lachelier,  H.     III  5  :  54. 
Lachmanski,  H.     IV  11  :  19. 
Lagarde,  P.  de.    II:  158 
Lalande,  A.     I  12  :  298,  331. 
Lallici,  St.     IV  5  :  381. 
Latßbel,  H.     U  1  :  89;  2  :  6 
Lamprecht,  K.    I  4  :  197:  II  1  :  72. 


Land,  P.  P.  N.     IV  5  :  149. 

Landau,  M.      I  10  :  36;    III  4:21;    IV 

Ic:  13;  ld:85. 
Landmann,  K.     IV  9  :  2. 
Landsberg,   E.    lU  5  :  39;    iV   5:434, 

440,  553. 
Landsberger,  Jul.     IV  11  :  50. 
Landwehr,  H.    I  1  :  102:  III  1  :  8,  25, 

87;  5:19;  IV  la:5;  4:51,  62;  8e: 

2;  9  :  84. 
Lang,  A.    I  5  :  232;  IV  4:109. 

—  F.     14:  146. 

—  R.     16:  161. 

—  W.     IV  2a:  31. 

Lange,  Edm.     IV  1  o  :  114;  5  :  32. 

—  F.    I  4  :  615;  IV  5  :  629-30. 

—  Friedr.  Alb.    I  6  :  243. 

—  Helene.     1  4:601;  6:219. 

—  K.     1  11  :  2.  173,  178. 

—  Th.  H.     IV  5  :  338. 
Langsdorf,  E.     I  4  :  280;  II  1  :  102. 
Langwerth   v.    Simmern,    H.  Frhr.    IV 

1  c  :  34. 
Lanzky,  P.    IV  5  :  172. 
Laquiante,  A.    IV  Ic  :  21,  153;  5  :  618. 
Larroumet,  G.    I  1  :  60;  12  :  15  b,  275; 

IV  10  :  1. 
Lassen,  A.     IV  5  :  217,  229. 
Lasswitz,  K.     I  12  :  74  a;  IV  5  :  471. 
Latendorf,    F.      II    6  :  121 ;    7:51;    IV 

2a:  lOL 
Laube,  H.    IV  2a  :  96. 
Lauchert,  F.     I  5  :  311;   H   3  :  63:   111 

5  :  16;  IV  5  :  26,9. 
Lauckner,  A.     14:  231. 
Lauffer,  V.     14:  249. 
Lauser,  W      IV  1  d  :  89. 
Lautenbacher,  J.     IV  Ic:  144;  7  :  14. 
Lanterbach,  P.     IV  5  :  199. 
Lauterburg,  A.     IV  5  :  446. 
Laverrenz,  V.     15:  336. 
Lavolle,  R.     I  1  :14  a. 
Lazar,  B.     11  3  :  8. 
Leask,  W.  K.     IV  5  :  134. 
Lebrun,  P.     IV  9  :  97. 
Lechalas,  6.     I  12  :  290. 
Lechleitner,  F.     1  12  :  200/1. 
Ledderhose,  K.  F.     I  6  :  60;   III  5  :  35. 
Ledebour,  G.     I  12  :  323;  IV  4  :  335. 
Ledos,  E.  G      I  3  :  188 ;  II  1  :  15. 
Lee,  V.     II  1  :74;  IV  4:81,  443. 
Le  FeTre-Denmier,  J.     IV  1  d  :  3,  5. 
Legras,  J.   (s.  auch  Luc  Gersal).     14: 

337;  IV  lc:161;  11:10. 
Lehmann,  Alfr.     I  12  :  75  b. 

—  Ernst.     1   11 : 9,    22,   172,   182,   196, 
294/5:  IV  lc:119;  5:450,  452. 

—  K.     II:  119. 

—  Max.     I  1:23b. 

—  Osk.     I  6:250;  m  5:49-50;  IV  5: 
503. 

—  Otto.    I  5  :  169-70. 

-  0.  H.  (s.  auch  Rassmus).    IV  1  c :  162. 
Lehtelat,  P.     I  11:84,  34L 
l.ehner,  T.     II  7  :  66. 
Lehnerdt,  M.     II  7:1. 
Lehrs,  M.     I  11  :  361,  413,4,  416. 
Lehzen,  Ph.     IV  lc:116. 
Leidinger,  G.     II  3  :  80. 
Leimbuch.  K.     IV  1  a :  15. 
Leinung,  W.    I  6:45. 
Leipolu,  E.     I  7:14C;  12:39. 
Leisching,  Ed.    I  11 :9. 
Leist,  F.    13:4;  III  4:29;   IV  lc:l; 

4 :  385. 
Leitschnh,    F.      I   3:22;    11:403;    IV" 

5  :  464. 
Leitzmann,  A.    IV  Ic  :  20,  114/5;  4  :  4, 

8;  5  :  31/3;   7  :  6;    8a  :  127;  8b  :  3'5, 

16,  36;  8c:  22;  8d  :  4. 
Leixner,  0.  v.     II:  78. 
Leland,    Ch.   6.    (=  Hans  Breitmann). 

IV  lo:79;  11  :  24,  41. 
Lemcke,  C.    I  11  :  385. 

—  H.    16: 158. 
Lemke,  E.    15: 53. 
Lemmermeyer,  F.     I   1:173;   IV   xc: 

81 ;  4  :  239,  242  3. 
Lenbach,   F.  v.     I  11  :8. 
Lentner,  F.     IV  4  :  409. 
Lentzner,    K.      I   8:22;    IV    1  d  :  5*? 

11  :  89. 
Lenz,  G.    IV  1  c  :  101. 

—  L.     112:  428. 

—  M.     II  6:  179;  IV  5:336. 
Lenzi,  Annita.     I  12  :  170. 
Leo,  F.     I  2:17;  IV  5:  362/3. 
Won,  V.     IV  4:311, 


Leonhard,  R.    IV  5  :  436,  439. 

Leonhardi,  P.    I  7  :31. 

Lepp,  E.     III  1  :  89. 

Leroyer    de    Chantepie,     Marie-S.      I 

1  :  129. 
Leser,  E.     m  1  :  42,  116. 
Lesimple,  A.     I  13  :  39. 
Lessing,  J.    111:  212. 

—  0.    I  II :  152. 

Lessmann,  0      I  13  :  114,  143,  148,  150. 
Lettau.     IV  5  :  476. 
Leuchtenberger,  G.     I  12 :  63. 
Leutz,  F.    16:5. 
Leva,  G.    IV  4  :  41. 
Leveque,  Ch.    I  12  :  2. 
Levin,  M.     IV  11  :  50. 
Levinsohn,  A.     I  13  :  93. 
Levy,  B.    IV  8a:  157. 

—  J.     14:  427. 

lie Walter,  J.     I  5  :  282;  11  2  :  29, 
Lewes,  L.     IV  8  e  :  59. 
I.«win,  H.     III  1  :  4. 
Lewinsky,  J.     IV  4  :  424. 

—  L.    13:  41. 
Lexer,  M.     18:  104. 
Lexis,  W.     16:  85. 
Leybold,  L.    I  11  :  131. 
Licht,  W.     13:  285. 

Lichtenberg,    R.  Frhr.   t.      I    11:432; 

13  :  140. 
Lichtenberger,  H.     IV  9  :  41:  11  :  47. 
Lichtenheld,  A.    I  7  :  61,  86;  III  5:  (54; 

IV  4:  15,   67,    219;    8e  :  24;    9:147. 
Lichtenstein,  G.     I  12  :  287. 
Lichtwark,  A.     111:  284. 
Liebe,  G.     14:  95,  543. 
Liebenau,  Th.  v.     I   4  :  488;   II  3  :  68; 

III  1  :  50 
Liebermann,  B.     14:  394. 
Liebmann,  0.     IV  5  :  38,  198 ;    10  :  51. 
Liek,  G.     14:  320. 

Lienhard,  F.  I  11  :  41. 
Lienhart,  H.  I  8  :  110. 
Lier,   H.  A.     13:  294/5;    11  :  74,   321, 

406,   425;    IV   1  c  :  13;   4:17,  430/1, 

434/5,  4.".0;  5:  513. 

—  L.     I  12  :  415;  IV  4  :  313,  327. 
Liesegang,  E.     II  1  :  119. 
Liliencron,  R.  v.     I  1  :  167;  13  :  57;  II 

2 :  46. 
Lind,  P.  V.    IV  5  :  102. 
Lindau,  P.    IV  1  c  :  95 ;  4  :  352. 
Lindemann,  M.     IV  5:505. 

—  Th      I  12  :  177. 
Lindenberg,  P.     14:  335/6. 

—  (Hanptpastor),     IV  2b:  105. 
Lindner,  Fr.     1  7  :  109. 

—  Th,    14:  110. 
Lindsay,  T.  M     II  6 :  2. 
Linger,  K.  F.     IV  lc:66. 
Lingke.  A.     14:  58. 
Linke,  K.     IV  8e  :  16. 
Lintock,  R.  M'.     IV  11  :  24. 
Lippmann,  Fr.     111:  69,  170,  411. 
Lippold.  A.     14:  387. 

—  F.     16:  129. 
Lipsius,  R.  A.    II  6  :  112. 
List,  G.    I  11  :33;  n  7  :  26. 
Litten,  F.  W.    IV  1  d  :  92. 
Little.  A.  M.    I  13  :  101. 
Litzmann,  B.     IV  4  :  440. 
Löbell,  R.     IV  5  :  533. 
Löbner,  H.     I  12  :  178. 

Löhner,  R.    17:107;    12:34;    112:5 
Löhrer.     I  1 :  86. 

Loening,  R.    IV  Id  :62:  8a:  139. 
Loersch,  H.     I  4:236:  6:89. 
Loesche,  G.  13:218:  II  3  :  62;  6: 149-51, 

173.  185;  m  5:22. 
Löschhorn,  H.    II   6  :  130. 
Loevinson,  E.     1  10:24;  IV  4:100. 
Loewenberg,    J.      U    1  :  109;     3  :  60; 

IV  2b:  85. 

Loewenfeld,  E.    I  2  :  20;  12  :  340;  IV  4 

460,  464. 
Loewinson,  H.     11:2. 
Lohmeyer,  E.    I  4:400. 

—  K.     I  4:199tt. 

—  Th.    15: 373. 

Lombroso.    C.      I  12:101a,    315,    358, 

IV  4:131. 
Lommatsch,  S.    III  2  :  21. 
Loofs,  F.     n  6  :  2. 
Loos,  J.    16: 63. 
Lorck,  C.  B.    13:  164. 
Lorentz,  K.    16:  221. 
Lorentzen,  Th.    III  1 :  37,  62. 
Lorenz,  G.  B.    IV  4  :  389. 


Autorenreg-istei*. 


Lorenz,  H.    1  6:44;  IV  5:479. 

—  K.    I  1:111;  7:44;  II  1:86;  IUI: 
136;  IV  la:4ü:  2a:26;  8c  :8,  15. 

—  O     11:  5,6;  IV  1  c  :  15,  75;  5  :  291 ; 
8a:  38,  91:  8b:  17,  27a. 

—  P.     112: 420. 
Lorimer,  Louise.    IV  1  d  :  44. 
Lorinser,  F.     IV  lc:lll. 
Loris.     IV  4:129,  229. 

Lorm,  H.    I  12:120a,   428;    IV  4:80; 

5:75;  11:20. 
Losana,  C.     IV  1  d  :  73. 
Losch,  F.     15:9,  109. 
Loserth,  J.     II  1:25;  6:181. 
Lossen,  M.    I  1 :  34;  II  1  :46. 
Lothar,  B.     I  4:1G4;  IV  4:314/5. 
Lothrop-Motley,  J     IV  lc:35. 
Lotz,  W.     IV  5 :  591. 
Lon,  Henrik    (=.  Lon  Andrea-Salome). 

1  12 :  355. 
Louis,  R.     I  12:95;  13:9,  124. 
Luhan,  E.     I  4  :  72 

Lnc  Gersal   (=  J.  Legras).     I  4  :  337. 
Ludewig,  0.     IV  5  :  122. 

—  G.     II  1:48. 
Lndorff,  A.    I  11:94. 
Ludwig,  Ilse.     1 12 :  173. 

Lübke,  W.     I  11:56,  81,  394;    IV  8a: 

153;  8e:80. 
Lückerath,  W.     I  6:213. 
Luders,  H.    IV  1  c  :  152. 

—  K.     14: 239. 
Lüning,  0.     I  13  :  106. 
Luerssen.    I  4  :  109. 
Lütgendorff,  L.  Frhr.  v.     III  1  :  103. 
Lützow,  C.  V.    I  11:6/7.  64,  420. 
Luginbahl,  K.     IV  1  c  :  42,4 
Lukas,  G.    IV  5:488. 

Luschin  v.  Ebengreuth,  A.     II  7 :  12. 

Luthardt,  Chr.  E.    IV  5:241. 

Luther,  J.     14: 372. 

Lutherophilus.     II  6 :  100. 

Luthmer,  F.     111:  69,  442. 

Lutsch,  H.     I  11:82. 

Lyon,  0.     I  1:99:    7:134,  149;    8:66, 

136,  155;  12:33/4;   II  3:32;  IV  Ic: 

123;  4:96,7;  8c:  13, 

—  W.  S.    IV  5:323. 

MIaag,  A.    IV  1  c  :  50. 

Maass,  W     16: 189. 

Macdonald,  G.    IV  9:43. 

Hachetes.     I  4  :  596. 

Macin  tyre,  J.     I  3:16.% 

Mackowsky,  H.    I  11  :  291. 

Madan,  F.     13: 27. 

Mäder,  R.     16: 18. 

Mähliss,  J.  F.     IV  8a:  101. 

Mähly,  J.    IV  la:50;   4:276:   5:403, 

500/1 ;  11  :  25. 
Mahn,  P.    III  2:13;  5:20a. 
Mahrenholtz,  R.  I  12  :  307 ;  IV  1  a  :  27  c ; 

lc:8;  ld:l;  9:114. 
Maier,  Aug.  Ferd.    I  6  :  214 ;  IV  5  :  231. 
Maigniez,  M.     I  4:430. 
Maindron,  M.     I  11 :  439. 
Mair,  Fr.     17: 123. 
Maisch,  G.    14: 26. 

—  R.     III  2  :  7. 
Majchrowicz.     II  7  :  69. 
Majunke,  P.     II  6  :  9,  96. 
Malo,  H.     II  6  :  89. 
Mandl,  L.     I  5:320. 

—  M.     IV  4:57. 
Mandyczewski,  E.    IV  4:433. 
Mangold,  W.    I  4:  127. 
Manlik,  M.     II  1 :  127. 

Mann,  F.    I  6:51,  67,  200;  IV  5:205. 

—  G.     IV  6:39. 
Mannhardt,  H.  G.     II  6:186. 
Manteuffel,  G.    I  4  :  496;  11 :  249. 
Manz,  G.  I  4 :  608 ;  12  :  126/7 ;  IV  2b  :  32. 
Marais,  P.     13: 107. 

Marbelli.  D.     II  1  :  74. 

Marcks,  E.     II  1 :  62;  IV  5 :  330. 

Marcou,  F.  L.    IV  1  d  :  9. 

Marholm,  Laura.     I   11:276;    12:374; 

IV  4:  163,  474;  11:2. 
Mariani,  G.     IV  4:41 
Markgraf,  H.    I  6:207/8;  II  1:68;  III 

2:3,  434;  5:6a;  IV  2a:  7. 
Markhauser.     I  1 :  97. 
Marqaardt,  H.    I  3:217. 
Marshall,  H.  R.     I  12:47,  54a/b. 

—  W.     IV  6  :  465. 
Marsick.    I  5:89. 
Marsop,  P.     IV  4:417. 
Martersteig,  M.    I  12  :  225;  IV  4:868. 


Martiguetti,  P.    IV  5  :  561/2. 
Martin,  A.     II  1:25  a. 

—  E.  I  1:91,  94;  3:188n;  5:157; 
8:27.  110;  11:236;  II  1:61;  3:14, 
40;  IV  4:33. 

—  J.     I  3:143:  IV  11:43. 

—  Th.     IV   ld:44. 
Martins.     I  4:611. 
Marty,  A.     18:6,  63. 
Marx-Aveling.  El.     IV  5:579. 
Masaidek,  F.  F.     IV  1  c  :  85. 
Maser,  H.     II    1  :  165. 

Masi,  E.     II  1 :  74. 

Masius,  H.     I  6:  3;  IV  2a  :  29. 

Mass,  Th.     16:6. 

Masslieb.  W.    I  3:68 

Mathis,  M     IV  5  :  17. 

Mating-Sammler,  A.    I  4:505, 

Mattauch,  J.     15: 65. 

Matthäi,  A.     I  11  :2,  155. 

Matuszewski,  J.     110: 44. 

Mätyäs,  L.     15:  29. 

Mau,  H.     14:  358. 

Maurenbrecher.  M.     13:  227. 

Maury,  A.     14: 294. 

Mauthner,  Fr.     111:16;    12:227,368, 

428;  IV  la:l;  4:115;  5:182. 
Max,  F.     15:  212. 
Maxwell,  P.     IV  ld:39. 
May,  J.     I  7  :  47. 

—  R.     16:  245. 
Mayer,  A.     II  7  :  29. 

—  Herni.     1  6  :  101/3. 

—  Jul.    I  4:499. 

—  J.  G.     14: 432. 

—  K.  0.     IV  4 :  7. 
Mays,  A.     14: 434. 
Mayser,  E.     I  3:191. 
Mazzi,  C.     13: 151. 

Miizzoni,  G.     II  1 :  74:  IV  10  :  2. 
Meckens,  N.     I  5:280  a. 
Meienreis,  Th.     I  13:61. 
Meier,  John.     II  1:160;  7:11. 
Meinardns,  L.     I  13  : 8. 
Meinberg,  M.     13:6. 
Meincke,  R.     II  1  :  17. 
Meinecke,  Fr.     I  6 :  141 ;  IV  1  c  :  52. 
Meisner,  H.     IV  lc:22. 
Meissner,  F.  H.    I  11  :  349,  352. 

—  Fr.     IV  ld:l;  8a:151:  10:4. 

—  H.     I  11:358;  IV  10:  19. 
Meister,  A.     III  1  :  46,  87. 

—  F.    16:  206. 

—  W.     14: 561. 

Mehring.  F.  I  12:133,  362;  IV  4: 117, 
149,  159,  334;  5:70a;  6:9. 

—  S.     IV  2b:  76. 

—  Th.     IV  4  :  19.  400,  447. 

—  W.     IV  lc:80. 

Melitz,  L.     I  1:162;  IV  4:374. 

Meli,  A.     I  4:511. 

Melzer,  E.     IV  5:102. 

Mencik,  F.     IV  8a:  49. 

Mendheira,    M.      IV    2a:2'4;    5:384; 

10:7;  11:37. 
Mendius,  J.     13:  62. 
Menden,  P.     IV  8b: 47. 
Menge,  K.     I  1:87;  8:131. 
Menges,  H.     18: 24. 
Menghin^  D.     IV  11  :40. 
Meiike-Höltzke.  0.     IV  8a:  27  b. 
Menkes,  H.    15: 289. 
Mensch,  Ella.     I  1 :  121. 
Mensinga,  J.    14:  53. 
Mentz,  F.     I  8  :  17  ;  II  6  :  162. 
Mentzel,    Elisabeth.     III  4  :  41 :   IV  4 : 

394/5,  402;  6:18;  8e:87b. 
Meringer,  B.     I  5:66. 
Merkel,  Ad.     IV  5  :  437  a. 
Merkens,  H.     II  3  :  52 ;  III  3 :  11. 
Mertens,  K.     I  11 :  78. 

—  W.    I  3  :  18. 
Merz,  Jobs.    I  12  :  56. 
Metzger.     I  8 :  23. 

Metzsch-Schilbach,  W.    t.     IVlc:13. 
Meurer,  J.     14: 462. 

Meusch,  R.    IV  8a:  146. 

Meyenn,  F.  t.     IV  10  :  29. 

Meyer,  Alex.    I  1 :  169;  IV  2b  :  65. 

—  A    G.     IV  8a:116a 

—  Chrn.  1 4 :  230, 4r.2, 455,  551 ;  11 :  400; 
II  3:85;  6:194;  III  5:47. 

—  Erich.     )   6:236. 

—  Ernst.     I  1  :  119. 

—  E.  H.     15:8,  13. 

—  E.  T.     I  4:201. 

—  Fritz.     I  11:452. 

—  F.  G.     13:  262. 


Meyer,  Gnst.    I  2:49;  8:4. 

—  H.    I  7:43. 

—  Hugo.    IV  ld:63. 

—  J.     I  4 :  8  a. 

—  J.  B.    14:  614. 

—  K.    n  2:25;  3:19;  6:126. 

—  R.  M.  I  1:56,  118;  2:10;  4:149; 
5  :  221 :  8  :  53;  12 :  23,  30,  53a,  69,  202. 
214,  251;  112:28;  IVld:29,  77i 
4:170,  202;  5:431,  532;  8a :33a, 
124;  9 : 8. 

—  T.     I  12  :  194. 

Cohn.  A.     I  3:55;  IV  Ic:  l34. 

Markau,  W.     14:602;   7:92,111; 

8:  154;  8a:  84. 

Waldeck,  F.  v.    IV  5 :  356. 

Meysenburg,   Malwida   v.     I    12:386; 

IV  5:170/1. 
Michael,  E.    II  1 :  10. 
Michaelis,  C.     17: 79. 

—  P.    IV  5:132,  229. 
Michalski,  F.     11  6  :  20. 
Michelet,  L.     IV  5  :  217. 
Michels,  V.    II  2:18;  7:3. 
Middend(.rf,  H.    II:  106. 
Mielck,  W.    I  4:353. 
Mieloke,  H.    15: 40. 
Mielke,  R.    I  4:204. 
Milkan.  T.     II  2 :  7/8. 
Miller,  M.     I  7  :  78. 
Millien,  A.     IV  ld:8. 
Minckwitz,  A.  v.     14: 189,  882. 
Minor,    J.      IVla:32;    4:223,    252: 

8b:  46;  8e:4;  11:2. 
Mirbt.  C.     I  1 :  31. 
Misch,  R.    IV  2  b    66. 
Mischler,  E.     IV  la:34. 
Mitschke,  P.  T.     IV  9  :  105. 
Mitzschke,  P.     I  5  :  370 ;  III  5  :  40- 
Möbis,  E.     I  13  :  147. 
Mönch,  H.  H.     IV  5:599. 
Mogk,  E.     I  12  :  .342. 
Mokrauer-Maine,  0.     I  13  :  156. 
Moldauer,  S.     IV  4  :  340. 
Moldenhauer,  Ottilie     IV  1  c  :  13. 
MoUat,  G.    III  5  :  52/3 ;  IV  5 :  130/1,  145 
Molmenti,  P.    II  1:74. 
Moltzer,  M.  N.  G.     I  12:270. 
Mommsen,  Th.    IV  5  :  580. 
Mondschein,  J.     II  1 :  164;  3  :  8%. 
Montanus,  C.     IV  5  :  97. 
Monte,  G.    112: 169. 
Montjoyard,  Viconite  de.     I  12  :  334. 
Mor-Sunuegg,  E.     1  3:58/9. 
Morf,  H,    IV  1  d  :  25. 
Morgenstern,  Chrn.     IV  11 :  2,  24. 

—  G.     IV  4  :  339. 

—  Lina.     I  4  :  6f  0. 

—  Olga.     IV  2b:  72. 
Morice,  Gh.     I  12:146. 
Morillot,  P.     I  li:309. 
Morley,  H.    IV  8e:83. 

Morsch,   H.      I    12:4b;    IV    8a: 95/6; 

8e:52. 
Morsier,  E.  de.     I  13  :  138. 
Moseley,    B.    D.      IV   ld:48;     8d:3; 

8e:46,  79. 
Mosen,  G.    IV  8e:45. 

—  R.    IV  1  c  :  73. 
Moser,  J     III  1 :  8. 

—  0     I  4  :  92. 
Mossmann,  X     III  1 :  47. 
Moszeik,  C.     I  4  :  :112. 
Müliling.  C.     II:  35. 
Müller,  Ad.    IV  1  d  :  34. 

—  C.    I  4:242;  8:87. 

n       p-  T     IQ  .   Qg 

—  E  15:159;  II '6:10;  IV9:8/9,27, 
35,  133,  148. 

_  Felix.     II  1  :  107. 

—  F.  Max.    IV  5:74b. 

—  G.     13:  253;  I  4  :  73. 

—  Georg.  I  6  :  239,  --'44;  II  6  :  154; 
7:25;  III  4:24;  IV  5:286. 

—  G    A.     I  3:287;  5:  145. 

—  G.  E.     I  12 :  113a. 

—  Hans.     I  11:294;  IV  Ic:  149. 

—  HF  17:67;  12:2-'",221a;IV8e:S4. 

—  KI  4:5U;  II  1  :  l:^.  9*. 

—  Max.    I  8:3;   IV  5:74,4a;  9:86. 
-N     I  4:  138;  II  6:21,  119;  7:46. 

—  0.     II  6 :  131. 

—  B.     I  4;  50,  482;  5:374/5;    11:113. 

—  Rud.    1  11 :  268. 

—  Th.     II  1 :  46. 

_  Wilh.     I  5:284;  III  1:66. 

—  Willibald.     I  5 :  38,  186. 

Casenow,  H.    I  4: 163;  IV  Id  :87. 


Autorenregistei'. 


Müller-Franreuth,  K.  IV  1  a  :  2;  2a  :  1; 

4:1. 

Grote,  G.     I  11  :  127. 

Guttenbrunn,  A.  lVla:32;  2a:106; 

IV  4  :  48,  135,  183,  206,  214,  225,  265, 

270. 

Holm,  E.     IV  8a: 82;  8e: 72. 

Rastatt,  K.     IV  2  b  :  89 ;  10 :  58,  74. 

Mülverstedt,  G.  A.  t.     14:  94. 
Münch,  A.    14:  219. 

—  W.     I  7:35;  IV  lc:128. 
Münsterberg.  H.     I  12  :  50. 

Münz,  B.  112:104,289;  IVla:32; 
lc:94;  5:97,  204. 

—  G.  H.     IV  2b: 94. 

—  S.     IV  1  c  :  in. 
Müschner.    I  5:321. 

Muff,  Chrn.     I  7:112;  11:24. 
Muramenhoff,  E.  1 3  :  73 ;  4 :  90 ;  11 :  151 ; 

II  2:2:i;  IV  8e:8. 
Mnncker,  F.     I  1:87.  118,  173;   8:26; 

IV  la:2,  17;   2a:l;  4:1.   54,   173; 

6:1;  8b:  11,  33a;  9:24,  36. 
Muoth,  J.  C.     15:  367. 
Muralt,  E.  de.    UI  1 :  83. 
Mdsiol,  R.     IV  2a:  103. 
Muth,  K.     I  4 :  510. 
Muther,  R.     I  11  :  63,  276. 
Mutzenbecher,  A.     I  6:66;  IV  4:408. 
Mnyden,  G.  van.    I  3  :  1Ö4;  IV  5  :  457. 
Mylius,  E.    I  4 :  377. 

Bfaaff,  A.  A.     I  12 :  131. 
Nägele,  E.     IV  10 :  125. 
Näther,  A.     13:  17. 
Nagelberg,  A.     15: 187,  290,  356. 
Nagl,  W.     18: 105/6. 
Nardelli,  G.     IV  ld:75. 
Nasser,  M.     I  1 :  71:  12  :  26  c. 
Nast,  L.     I  5  :  301 ;  13 :  52. 
Nathan,?.    I  1 :  173;  IV  5  :  411. 
Nathansen,  W.     14: 350. 
Nathanson,  E.     IV  4  :  146. 
Natzmer,  G.  E.  v.     IV  5 :  288. 
Naubert,  A.    I  13  :  130. 
Naumann,  E.     I  7  :  58;  IV  2a:  24. 

—  K.    14: 104. 
Nautilus.    IV  5  :  24. 
Naville.  A.     I  12  :  65,  67. 
Neal,  M.     IV  4 :  418. 
Neander,  W.     II  6:100  a. 
Nebelsieck,  H.     II  f> :  148. 

Necker,  M.  I  1:117;  2:2;  12:93; 
IV  lc:83,  86;  4:96,  202,  205.  211, 
251/2,  269,  277,  238,  454;  5:317. 

Neder,  E.     15: 180. 

Nedoma,  J.     III  1 :  26. 

Nehring,  W.  I  12  :  332;  HI  4  :  34; 
IV  4 :  438. 

Neidhardt,  R.    II  7:52. 

Neitzel,  0.     I  13  :  127. 

Nelten,  L.     I  12:230;  IV  4:309. 

Nencioni,  E.     II  1  :  74. 

Netoliczka,  0.     17: 62. 

Neubauer,  A.    14:  537. 

—  J.  I  4  :  469-70;  5  :  112;  7  :  61 ; 
IV  9 :  147. 

Neubaur,  L.   I  3  :  126 ;  5 :  226 ;  10 :  14/5. 

Nenburg.  C.     14:  220. 

Neuda,  M.     IV  4  :  357. 

Neudegger,  M.  J     I  3  :  43. 

Neufeld.    IV  5  :  497 

Neuhaus,  F.     13: 232. 

Neuraann,  C.     I  11:349. 

—  H.     I  1:160:  11:249. 

—  J.    IV  4 :  422. 

—  K.     1  7  :  147. 

—  W.     14: 496. 

Hofer,   0.     11:151;    11:402;    12: 

226;  II  4:35;  IV  2b:  63;  4:74,116, 

145,  319;  8a:  92. 
Strela,K.    1 1:101;  13:81;  II  1:16; 

III  1:3. 
Neuwirth,  J.    13:  21, 175;  11  :  64, 106, 

200.  229,  286,  447. 
Nichol,  J.    IV  8a:  145. 
Nioklas,  J.    I  7  :  97/8. 
Nicoladnni,  A.     II  6 :  183. 
Niedenzu,  A.     III  4 :  37 ;  IV  4  :  281. 
Niejahr,  J.     IV  4:60/1;  8e:29;  9:71. 
Niemeyer.  J.    III  1 :  45. 
Niese,  Charlotte.    I  4:356. 
Nissel,  F.    IV  4 :  252. 
Niessen,  P.  van.     I  4 :  340. 
Nietzsche,  Fr.     IV  5 :  177. 
Nietschmann,  H.     I  13:37. 
Nigg,  Marianne.     11:115;    IVla:37. 
Niggli,  A.     I  13 :  162,  164/5. 


Nippold,  P.     IV  5  :  268. 

Nisbet,  J.     IV  ld:43;  10:160. 

Nitzsoh,  F.     I  4  :  154. 

Nobbe,  H.     II  6  :  161. 

Nöldechen,  W.     16: 194. 

Nöldecke,  W.     I  7  :  64. 

Noelle,  A.     I  12:204;  IV  6:32. 

Nörrenberg,  C.     13: 193. 

Nohl,  Cl.    16: 162. 

Nolhac,  P.  de.     II  7  : 8/9. 

Nord,  H.     I  4  :  564;  12 :  167 ;  IV  4 : 8.3. 

Nordau,  M.     I  12  :  339-90;  IV  5:  633/4. 

Noreen,  A.     13: 125. 

Normann,  H.     17: 17. 

Nossig,  A.     I  11  :  106,  286. 

Noufflard,  G.     I  13  :  119. 

Noväcek,  A.     II  1 :  136. 

Nover,  J.     I  5  :  221 ;  II  3 :  13. 

Nüscheler.  A.     14: 437. 

Nyblom,  C.  R.    I  12:52d. 

Oberländer,  S.     17: 18. 
Obser,  K.     III  1:34. 
Oechelhäuser,  W.     IV  lc:127. 
Oechsli,  W.    I  4:485;  IV  9:136. 
Oedinga,  Th.     IV  4:121. 
Oehler,  R.  V.  W.  A.     IV  5 :  173. 
Oemke,  H.     14: 267. 
Oesterlen,  K.     14:  435. 
Oettingen,  M.  v.     IV  5:395. 
Ohnesorge,  K.     I  11 :  229. 
Olper,  F.     IV  10:54. 
Olsen,  Bj.  M.     II:  119. 
Oncken,  A.     IV  5:446. 

—  H.     13:  ISO. 

—  W.     11  1:1;  III  1:6/7,  12,  117. 
Opitz,  R.    I  12:416/7,   223,   230,   243; 

IV  la:32;  4  :  309:  5  :  76a;  9:  154. 
Orterer,  6.     II  6:114. 
Ortjohann,  F.     15:  364. 
Osborn,  M.   II 1:  92;  1115:5;  IV  8a:  91; 

8e:55. 
Osthaus,  C.     IV  1  d  :  33. 
Ostini,  F.  v.     I  11 :  377. 
Oswald,  E.     IV  8a: 37,  143;  10:88. 
Otte,  G.     IV  Ic:  102. 

—  R.     IV  1  c  :  102. 
Otto,  E.     14: 57.  214 

—  F.     I  6:43;  IV  5:276. 

Owen,  J.    111:77;  IV  5  :74  a,  306,  310. 
Oxenford,  J.    IV  ld:42. 

Pabst,  A.     14:  274. 

Paetow,  W.     1 V  1  c  :  91 ;  8  a :  34  b. 

Pagel,  J.  L     IV  5  :  460,  463. 

Pahner,  R.     16:  237. 

Palm,  H.     I  5:171. 

Paludan,  J.     III  4  :  35;  IV  4  :  377. 

Panizza,  0.     II  6  :  99.' 

Pantenius,  Th.  H.     IV  9 :  101. 

Panihiere,  A.  de.     I  12:336. 

Pappenheim,  E.    I  6:  Ö3a;  IV  5  :490/l. 

Pappritz,  R.     II  7  :  37. 

Paris,  A.     IV  5:53 

—  G.    I  10:19;  IV  6:24. 

Pariser,  L.     II  1  :  33;    3  :  50;    4  :  27; 

IIl  5 : 9. 
Pariset,  G.     II  1 : 6. 
Parlow,  H.     IV  11:46. 
Pasch,  K.     IV  ld:83;  4:170. 
Passer,  A.  v.  d.     IV  4  :  30  i. 
Passler,  P.     15: 146. 
Pastor,  L.     I  4:25;   II  1:7;   6:6,  36. 
Pater,  W.     U  1  :  75. 
Pauchler,  A.    IV  1  a :  35. 
Paudler,  A.     15: 178,  377. 
Pauer,  E.     I  13:32. 
Paul,  A.    I  7  :  107,  151 ;  8 :  61 ;  II 1 :  135; 

6:54. 

—  U.     II:  92;3. 

—  V.    IV  8e:35. 
Paulhan,  F.     I  12:115  c,  299. 
Pauli,  G.     I  11 :  397. 

Pauli,  II    B.     I  5:202/3,  206,7. 
Pauls,  E.     I  3:112,  250;  4:411. 
Paulsen,  F.     I  6  :  63;  IV  5  :  240,  270. 
Paulsiek.  K.     I  7:112. 
Paulus,  E.    I  11:87;  IV  2b:  18. 

—  N.   111:60;  6:5  7,10/9,22,27,33,134. 
Pauly,  M.    I  5 :  168. 

Pawel,  J.    IV  2a:  13/4;  7:4. 

Pawlowski,  J.     14: 316. 

Payer,  0.     I  13  :  142. 

Pazanrek,  G.  E.     I  13  :  21. 

Peetz,  H.    1  4:445;  IV  lc:41. 

Peez,  A.    15: 95. 

Peine,  H.    I  6  :  241. 

Pelis8ier,G.  11:132;  12:1712,271,306. 


Pelleohet,  Marie.     13:90/1,108. 

Penjon.  A.     I  12:49. 

Perez,  B.     I  12:43  a,  45,  427. 

Perktold,  F.     I  7  :  .50. 

Perlbach,  M.     I  1 :  171. 

Perlbock,  M.     I  11 :  93. 

Perthes,  Cl.  Th.    IV  Ic  :  159;  5  :  549. 

Posch,  E.     IV  2a:. 50. 

Peschel,  W.  E.     IV  2  a :  100. 

Peschkau,  E      IV  11:7. 

Peter,  H.     I  5:316;  II  7:62. 

Peters,  J.     15:  376. 

—  R.    I  10  :  41. 

Petersdorff,    H     v.      14:  95/6,     139; 

II  6  :  153;    III  1  :  112;   IV  5  :  537; 

10  :  16/7. 
Petersen,  A.     I  1  :119. 
Petri,  H.     I  6:114;  II  1:173. 

—  J.     I  10:21. 
Petrich,  H.     IV  5  :  275. 
Petzet,  E.     IV  2a:  20;  5:519. 
Pezold,  L.  V.    I  11:322. 

Pfaff,  F.     13:65,   75;    5:13;    10:37; 
IV  10  :  92. 

—  K.    16: 163. 
Pfalz,  F.    I  8:61. 
Pfeifer,  H.    111: 167. 

—  W.     I  7:10b. 

—  X.    IV  5  :  242. 

Pfeil,  L.  Graf.     IV  5 :  126. 

—  R.     IV  1  c  :  62. 
Pfeilschmidt,  H.     IV  6 :  15. 
Pfister,  C.    I  3:72;  n  7:15. 

—  M.     I  4:450;  11:150. 

—  0.  V.     I  3:151. 
--Schwaighusen,  H.  v.    I8:124/4a. 

Pfltzer,  H.  V.     16: 135. 

Pfizer,  G.     I  8:146a;  in  5:53. 

Pfleiderer,  0.     IV  5:264. 

PfQlf,  0.     III  1:8;  IV   1  n  :  122. 

Pfungst,  A.     I  12:389;  II  1:  lOa 

Pfutz,  R.     15: 176. 

Philipp     V.     Sachsen  -  Kobnrg,      Prinz 

(s.  Kari-udo).    IV  lc:7. 
Philippi,  F.     III  1 :  41. 
Philippovich.  E.  v.     I  4:17. 
Philippson,   M      II  1:145;    IV  9:103. 
Piaget.  A.     IV  9 :  109 
Picherit,  L.     IV  9 :  103 
Pichler.  Ad.    IV  1  c  :  83. 

—  J.     I  3:128. 

—  Luise.    IV  2a:  61. 

Pick,  A.  IV3b:13,  37;8c:29;8d:20a; 

8  e :  60. 
Pickford,  J.     15: 138. 
Pico,  P.     I  12  :  427. 
Picot,  E.     I  3:113. 
Pieper,  F.     II  6  :  106. 
Pietsch.  P.     I  4  :  321 ;  S  :  57. 
•      L.    I  11  :  187,   332  3,  363,  365,  384; 

IV  lc:147:  5:373,4. 
Pigeon,  A.     IV  3e:105. 
Piger,  F.  P.     15:  .38,  67. 
Pilk,  6.     I  5:177. 
Pilo,  M.     I  12:43  3  a. 
Piltz,  E.     16: 215. 

—  K.    I  6:70. 
Pinchon.  R.     IV  9:107. 
Piper,  P.     III  1  :  94. 
Piscalar,  A.  U.     IV  lc:109. 
Pisoicelli,  0.     13:3. 
Pistl,  E.     II  3  :  21 ;  4  :  36. 
Pistor,  J.     I  1  :  21 ;  II  3  :  88. 
Planer,  H.     16: 2J3. 
Planta,  P.  C.  v.     IV  5 :  545. 
Plazer,  V.  Ritter  v.     I  12:268. 
Plöhn,  R.     I  12:121. 

Pniower.O.   I  1  :  US;  2  :  10;  lV8a:33a. 

Poborykine,  P.     I  12:99  a. 

Poeck,  W.     15: 86. 

Pötsch.  Anna.     IV  4  :  362. 

Pohl,  R.     I  13  :  145. 

Pohlandt,  M.     I  6:98. 

Pohle,  J.     I  3:132. 

Pohler,  J.     14: 190. 

Pohlig,  C.  Ph.     1  11 :  2. 

Pohlmey,  E.    IV  8a:  164. 

Polenz,  W.  V.     112: 80,  139. 

Poli-Hardmeyer,  Maria.     IV  1  d  :  76. 

Pollard,  A.  W.     13: 102. 

Poltkier,  C.    13: 223. 

Poraezny,  F.     II  2:42. 

Pommer,  J.    I  5:266. 

Pontani,  B.     16: 177. 

Ponzacchi,  E.     II  1 :  74. 

Popek,  A.    I  10:26;  IV  9:146. 

Popovic,  M.    m  1 :  61. 

Poppenberg,  F.  IV  Ic  :  22,  145:  1  d  :  18; 


Autorenreg'i  ster. 


4  :  206,    332;     ö  :  174;    lo  :  18,    61, 

68/9. 
Popper,  L.  M.    14:  544. 
Porchat,  J.    IV  3b:  19. 
Poschinger,  H.  v.    I  13  :  139;  IV  5  :  576. 
Poske,  F.     I  12:13  a. 
Poten,  B.    I  6  :  234 ;  IUI :  73 ;  I V  5 :  Ö58. 
Powell,  H.     II  1:  163. 
Powers,  J.  H.    IV  5  :  226. 
Prat,  P.     I  1:77a. 
Prato,  St.     15: 239. 
Prel,  K.  du.    IV  5  :  643. 
Prem,  S.  M.  12:  38/9;  4 :  477  ;  IV  Ic  :  83; 

8b:  26,  46. 
Preobrajensky.  V.     I  12:332. 
Presber,  ß.     I  12:17;  IV  5:156. 
Preuss,  K.     IV  1  c  :  135. 
Prideaux,  S.  T.     13  :  297. 
Pribrara,  A.     III  1:51,  115. 
Primbs,  K.     14: 557. 
Prins,  J.  J.    II  6 :  175. 
Probst,  F.     I  11 :  108,  134,  228,  232. 
Prodnigg,  H.     IV  10:14. 
Pröhle,  H.     I  5:144;  IV  2a:16/7.  44: 

2b:47;  4:455:  5:277,  492,  517 
Pröll,  K     I  4  :  333;  5:  22;    12  :  267; 

IV  2b:  112;  4:252. 

—  L.     15:  165. 

Proelss,  J.    I  12:422;  IV  2b:  75. 

—  R.     IV  5:316. 

Proescholdt,  L.  IVld:60:  4:2.5;  10:3.5. 
Presch.  F.    I  7:90a;  12:210:  IV4:219: 

6:30;  Sa:  165;  8d:31;  9:  137. 
Pramers,  R.     IV  1  c  :  27. 
Prutz.  H      11:33;    1111:68;    5:62; 

IV  5 :  139 
Pndor,  H.  (s.  auch  Scham,  H.)    111:3; 

12:79,  98,  1.30. 
Pngliesi,  Adele.     I  12:110. 
Puls,  A.     m  5:13;  IV  2a: 40. 
Pulvermacher,  D.     II  1  :  98;  6:  172. 
Purcelf,  E.     IV  5:634. 
Pyl,  Th.     13:  256. 

^uade,  G.     14: 342. 
Quetsch,  F.  H.     14:  288. 
Queyrat,  F.     I  12:  115  c. 
Qnilland.  A.     I  1:106  a. 
Qttis.    IV  9:11.5. 
Quiqnerez,  J.     IV  9  :  123, 

Raab,  K.  R.    IV  5:557. 
Raabe,  F.    IV  9  :  114. 

—  W.    14: 342. 

Babany,  Ch.     IV  ld:15;  4. -38. 
Rabns,  L.     III  5 :  51. 
Rachel,  M.     IV  8  o  :  94. 
RaciborsVi,  A.     1  12:51. 
Rackwitz.     IV  5  :  135. 
Rade,  P.  M.     116:53:1110:2.5. 
Rademacher,  C.     I  5:60.  76:  7:107. 
Radlach.  0.     I  6  :26;  III  2  :  10/7. 
Radlkofer,  M.     14: 121 ;  11  7  :  43. 
Radulescu-Motru.     IV  5:114. 
Raffalovich.  A.     I  4:334. 
Rahm,  J.     IV  5  :  444. 
Rahn,  J.  R.     I  11 :  140. 
Raich,  H.     IV  5:600. 
Riijna,  P.     II  1 :  74. 
Rak,  H.     16:  1.52. 
Rambaldi,  K.  Graf  v.     14:  449. 
Ramberg,  G.     IV  la:  33a. 
Ransohoff,  6.     IV  2a:  23. 
Kappold,  J.     I  12:83  a. 
Rappaport,  M.     IV  11:50. 
Rassmann,  E.     17: 99. 
Rassmus,  Th.     IV  1  c  :  162. 
Rath.  M.     IV  5  :  208. 
Rathgeber,  J.     15: 314. 
Batzel,  F.     IV  5 :  432. 
Ratzenhofer,  G.     IV  5:44.5. 
Rauch,  H.     IV  ld:65. 
Rauprich,  M.    14: 251. 
Rauschenbach,  L.    14: 107. 
Rauschenbusch,  W.     IV  10 :  80. 
Ranthe,  E.  R.     15: 135. 
Rav6.  H.     IV  5:566. 
Raydt,  H.     14: 576 
Reber,    F.    v.     111:601,    197/8,   446; 
III  1 :  122 

-  J.    I  6:31. 

Reck,  F.  X.     17: 21,  30. 
Redlich,   K.    Chrn.     IV  la:2:    2a:  l; 
4:1,  4;  8a:  112. 

-  0.     I  4:290,  417. 

R6e,  P.  J.    111:251,417  8,422. 
Regel,  E.    IV  8d:8. 
Rehnisch,  F>     IV  5  :  4.52. 


Rehorn,  K.     I  10:11. 
Rehsener,  Marie.     I  5  :  20. 
Reichel,  B.     I  5  :  104;  IV  4:  71,  78. 
Reichesberg,  N.     IV  5:447/8,  593. 
Reichl,  E.     IV  9  :  13 
Reichlin  v.  Heldegg,  A.     15: 162. 
Reichling,  D.     16:9. 
Reicke,  E.     14:  76,  456. 

—  J.     I  12  :  4, 

—  R.     IV  5 :  129. 

ReifFenstein,  C.  Th.    IV  8a:  25;  8b  : 20 

Reifferscheid,  A.     IV  9:22. 

Reimann,  H.     I  13 :  7.   9.   13,  37,  40;1, 

44/5,  74,  80,  82,  102.  124,  152. 
Reindell,  W.     II  6  :  130. 
Reinhardt,  G.     14: 392. 
Reinhardstötner,   K.    v.     1    4:21,   116, 

135;  11:145:  IV  2a:  62. 
Reischel.     I  4:261. 

Reissenberger,  K.    1111:85;  IV  4  :  179. 
Reissmann,  K.     I  12:428. 
Reitllng,  A.     13: 36. 
ßeitzenstein,  K.  v.     III  1  :  34. 

—  R.     I  12:  197. 
Reks,  E.  W      I  12  :  103. 
Reltis,  N.     15: 163. 
Remer,  P.     III  1:81. 
Renard,  ß.     IV  4:317. 
Renatns,  J.     18:  13. 
Rennert,  H.  A.     I  10:32. 
Ressel,  G.     14: 474. 

Rethwisch,  K.     I  1  :  2,3,  .5.  27 ;   6  :  162. 
Reusch,  F.  H.    II  2  :  13 ;  IV  5  :  279-80, 
284,  520. 

—  H.  A.     II:  141. 
Renss,  F.     14:  542. 

—  R.     II  1  :  171 ;  IV  5  :  346,  348. 
Reuter,  Uhr     I  4  :  357. 

—  F.     IV  2b:  39. 
ßey.  J.     18: 84. 
Reyer,  E.     1  3  :  229-30. 
Rezek,  A.    III  1  :  49 
Rhein,  P.  v.     II  6  :  198. 
Rhnades,  L.  A.     IV  Id  :  69;  2a:  34. 
Rhys,  E.     IV  1(1 :2S 

Rlbot,  Th.    I  12:75  b. 

Richter.  A.     15:152,    337;    6:20,    41, 

44,  56;  8:121;   UI  4:1;    IV  5:477; 

9 :  50  a. 

—  Ärwed.    II  1  :  168. 

—  Chr.     II  6  :  83. 

—  E.     14: 590/1. 

—  Ed      I  5:183. 

—  G.    IV  5:268. 

—  Job.     I  11 :  123. 

—  J.  Alb.     I  6  :  13. 

—  J.  V.  0.     II  1 :  31. 

—  Karl.     IV  1  c  :  58. 

—  L.     I  11:296. 

—  FE.     15: 34. 

—  R.    IV  5  :  154. 

—  ßob.     1  7  :  88,  119. 

—  W.    I  4:101,  409,  Ö26;6a;   11  :  125. 
Rickert,  H.     I  12:75  a. 

Ried,  L     IV  lc:.56. 
Rieffei,  A.     I  11  :  231. 

Kastei,  F.     111: 183. 

Riegel,  H.     I  8:45;  IV  9:163.    • 
Riegl,  AI.     I  11:25,  69:  12:58  a. 
Riehl,  B.     I  11  :  85,6,  196. 
Riemann,  H.    I  13:31,  77,  89. 
Ries,  J.    I  8:  91. 
Riese,  J.     IV  8b:  23. 
Riess,  M.     112:  364 ;  IV  4 :  135. 
Riessen,  P.     I  6:12. 
Rietschel,  G      I  11:161. 
Riffert,  J.     IV  8e:70. 
Rinaldi.  J.  B.    IV  8  e  :41. 
Ring,  M.    IV  5:485,6. 
Biquiez,  E.    IV  9  :  98. 
Ritchie,  J.  G.     IV  5  :  134. 
Ritter,  E.     IV  lc:139. 

—  II.     I  12:90;  13:154. 

—  M.     I  1:25;  4:3;  II  1; 4;  1111:9. 
Roberts,  W.    I  3:115. 

Robertson,  A.     I  10 :  6. 
-JG.     11  4  :  34 
Robert-tornow,  W.     IV  2b:  22. 
Robinson,  E.  F.     I  4:306. 
Rocholl,  H.     I  4:. 522;  n  6:  93. 

—  R.    I  1:15;  IV  5:249. 
Rocquain,  F.     II  1 :  18. 
Rod,  E.     I  12:814 
Roden,  P.    II  1 :  81. 
Rodenberg,  J.    I  2:  9;  IV  10- 139. 
Rodleinmann,  J.     IV8d:26. 
Röckl,  S.     III  1 :  28. 

RoedigM.  M.     I  2:22. 


Röhricht,  R.     11  1  :  167. 

Rösch,  H.     IV  2a:  88;  5:547. 

Roeschen,  A.    14: 399. 

Roescholdt,  L.   IV  1  d  :  62. 

Röseler,  W.     I  5:  75a. 

Rösler,  M.     15: 69. 

Röster,  A.     IV  lc:lll. 

Roethe,    G.    I    1:103,    158;    8:52;    II 

2  :  15,  20,  32,  45;  3:3,  42;  111  2  :  27, 

45:  5:7,  11. 
Roettecken,  H.    IV  7  :  11 ;  10  :  42. 
Bogge,  B.     16: 184,  193:  IV  1  c  :  105. 
Rohde-Beyersdorf,  A.     IV  7  :  9. 
Rohden,  G.  v.     II  6:84. 
Rohdewald,  W.    UI  1 :  46. 
Rohmeder,  W.     I  6:233. 
Roisset,  E.    I  12:301. 
Kolleston,  T.  W.     IV  ld:46;  6:10. 
Rollett,  H.     I  11  :  69. 
Boraang,  R.     111:  288. 
Roraann,  A      II  6  :  104. 
Itoquette,  0.     IVld:80,  90. 
Röscher,  W.  H.     I  lu  :  2. 
Rosegger,  P    K.     IV  lc:86;  4:269. 
Kosenauer,  M.    13:  220. 
Rosenbauni,  R     IV  5  :  12. 
Rosenberg  (Aachpn).     I  4  :  236. 

—  Ad.     I  11  :  194,  263,   275,   378,   391, 
420. 

-  Marc     I  11  :440. 
Rosenkranz,  C.     15:  106. 
Rosenthal,   L.     IV  5  :  124. 
Rosselet,  A.     IV  Ic:  130. 
Rossner,  A.     I  4  :  289 ;  5  :  378 ;  6 :  195. 
Roth,  E.     I  3  :  138. 

—  F.     I  4:38:  II  1:  128. 

—  F.  W.  E     I  3:70,  278;    6:181;    II 
2:9,  36;  7:67. 

—  V.     I  5  :  25. 
Rothbart,   F      I  5  :  31 
Rott,  V.     I  12:59,  138. 
Rotter,  L.     17:9 
Rowald,  P.     15:  72. 
Roy,  H      III  5 :  32 

Rozycki,  K.  v.     I  3:247:  11:421, 

ßua,  G.     II  3  :  9. 

Bub,  0.     III  4:32;  IV  4  :  :JC3. 

Bubensohn,  M.     IV  9  :  55. 

Rudio,  F.    II  1 :  108. 

Rudolph.  L.     I  3:215. 

—  S.     IV  10  :  34. 

Rudow,  W.     IV  Ia:4;  10:6. 

Rubel.     IV  8b:  31. 

Böbenkamp,  W.     17: 148. 

Bümelin,  Ad.     IV  2b:  7. 

Buepprecht,  C.     II  7  :  27. 

Büthning,  G.     UI  1 :  32. 

Rüttennauer,    B.     I  11:352;    12:392; 

IV  4 :  263. 
Rüge,  S.     II  1 :  113. 
Ruhemann,  A.    15: 154. 
Ruhl,  F.     II  7  :  7. 
Roland,   C.     IV  8a: 4/5.   26/7,   33,    61, 

98. 
Runge,  G.     13: 111. 

—  K.    I  8:150 
Runkel,  F.     IV  4  :  402. 
Rnpprecht,  Chr.     I  11:85. 

—  L.     IV  5  :  67. 

Rüssel  Wallace,  A.     14: 32. 
Rust,  F.     I  12  :  42. 

Saar,  F.  t.    IV  4  :  229. 

Sabatier,  F.     IV  8e:80. 

Sabin,  J.     18: 138. 

Sachs,  M.    IV  11  :50. 

Sack,  Ed.      I  1:169;    IV  5:143,   409; 

8b :29a;  8e:55. 
Sacken,  E.  Frhr.  v.     I  4:556. 
Sägmüller.     I  3  :  157. 
Sahr,  J.     I  7:39;  12:156,  184. 
Saint-Auban,  E.  de.     113:121. 
Saitsohik,  R.  M.     I  12  :  383 ;  IV  1  a :  49. 
Salek,  A.  (=  Schröter,  A.).    I  8:5;  12: 

28;  IV  2a:  38;  4:44;  10:37,46,106. 
Salis,  A.  V.     II  6 :  168. 

Soglio,  P.  N.  V.     IV  2a:  74. 

Sallwürk,  E.  V       16:217;    IVld:62. 
Salomon,  L.    IV  Id  :  84:  2b  :  50;  4  :  92. 

94,  154,  254;  5:86,  188,  525. 
Salor,  J.  I.     I  13  :  88. 
Salpins,  F.  v.     I  4:165;  IV  4:363. 
Salzmann,  E.     I  7:105. 
Sumwer,  K.  A.  F.     IV  6 :  540/1. 
Sandberger.  A.     I  13 : 1,  146,  155. 
Sander,  F.  I  2:  18;  6  :  61,  81/2;  II  1  :  62; 

IV  la:31a. 

—  H.     I  4 :  207 ;   II   1 :  21 ;   IV  5 :  433. 


Autorenregnster. 


Saüfler.  W.     I  11  :  292. 

öanlers,  D.  I  5:340;  8:43,  80,  116; 
IV  2a:  102;  2b  :  46,  78;  7  :5;  8e:  98; 
11:48  a. 

San  Giusto,  L.  di.    IV8o:18. 

SanV  Ambrogio,  D.     14:  263. 

Santen-Kolff,  J.  Tan.    I  12:319-20. 

Sarcey.F.  II :  74;  IV  Ic:  61;  8a:  152. 

Sarre,  Fr.     I  11 :  103. 

Sartori,  H.     15: 48. 

Sartorius-Burckhardt,  C.        4:491. 

Sattigr,  F.    IV  1  c :  98. 

Saubert,  B.     15: 105. 

Sauer,  A.  I  1 :  173:  IV  la:  2,  10,  32; 
lc:68,  86;  ld:75;  2a  :  1,  33.  43,  54, 
109;  4:1,  56,  83,  191,  200,1,  207,  220, 
222,  269,  445;  6:9;  8e:64,  91: 
10:21,  37.  106  7,  137;  11:24,  27. 

—  H.     IV  9  :  52. 
Sani,  D.     IV  4:304. 

Saunders,  B.    IV  ld:41;  8a:  147. 
Sautour,  Auguste.     I  12  :  256. 
Savi-Lopez,  Maria.     I  5  :  154. 
Schaaf,  0.     I  4:402. 
Schacht,  H.    I  11:36;  12:73. 
Schack,    Ad.  Fr    Graf  v.      IV    ld:88; 

4:170;   8a:  89. 
Schade,  J.     15: 184. 
Schäfer,  Ang.     I  11:287. 

—  D.     II  6:  177. 

—  F.     I  4 :  431 ;  IV  5 :  550. 

—  G.     I  II :  90  I. 

—  J.  W.    17: 110. 

—  Karl.     I  11 :  137,  270. 
Schäffler,  A.     I  4:451. 
Schaerffenberg,  P.     II  3:94. 
Schaff,  Ph.     II  1:6a;  6:. 3,  123. 
Schall,  E.     14: 583. 

Scham  II.  ( ».  a.  Pudor,  H.).  1 12  :  79, 130. 
Schandl,  C.     I  4:47. 
Schanze,  J.     I  7  :  96. 

—  W.     I  7  :  90. 

Schanzenbacb.  0.   I  6:210:  IV  10: 142. 

Schaper,  F.    IV  5:1.38;  10:49. 

Schauberg,  E.     15: 107. 

Schauer,  R.     I  12:140. 

Schaumberger,  J.    IV  4 :  292. 

Scheel,  W.     I  8  :  9,  30,  81 ;  IV  2  a :  27. 

Scheele,  G.     I  3:280. 

Scheffler,  K.     I  6:106a,  126,  14S. 

Scheibler.  L.     I  11:210. 

Scheich,  R.     IV  4 :  209. 

Scheidemantel.     II  7  :  64. 

Schell,  0.     15:  92,  150,  257/8,  293,  352. 

Schellenberg,  G.     1  4:298. 

Schellhass,  K.     II  1 :  160. 

Schemann,  L.     IV  lc:94:  5:152/3, 

Schemmling,  Th.     IV  2a:  105. 

Schenck,  G.     IV  1  c :  88 ;  2  b :  70. 

Scherdlin,  D.  E.     IV  ld:7;  9:125. 

Scherer,  Chr.    I  11 :  444. 

—  K.  I  8:56;  13:76,  92;  m5:l; 
IV  2a:  22. 

—  W.    IV  4 :  272. 
Scherman,  L.    15:4. 
Scheuffler,  J.    I  6  :  184;  III  5  :  25. 
Schenrleer,  D.  F.     I  3:192. 
Schiemann,  Th.  IV  lo  :47,  140;  5:398; 

8c:  22;  8d:4. 
Schiller,  H.     I  7  :  131 ;  11 :  132. 
Schilling,  A.     14: 509. 
Schillmann,  H.     I  7  :  122. 
Schimmelbusch,  E.  W      I  13:154. 
Schindler.  M.     IV  5  :  181,  190,  196. 
Schinke,  C.     II:  145 
Schirmer,  H.     IV  lc:128. 
Schlatter,  D.     I  12 :  1S3. 

—  S      I  1^  *  183 

Schlecht,  J      I  3:116;  U  1:44;  7:10. 

Schienther,  P.  I  11:18,  407;  12:149, 
244.  356.  365,  40ü,  406,  412:  IV  Ic: 
147;  4:99  102.  130,  158.  169,  3.54, 
403,  432,  477;  5:412,  4201;  8a: 33; 
10 :  143 

Schlesinger,  8.     I  1 2 :  419 :  IV  4  :  260/1 . 

Schletterer,  G.  M.    I  13  :  99. 

Schlieben,  A.    14: 272. 

Schliemann,  Sophie.     IV  1  c  :  131. 

Sohliepmann,  H.     I  11:265;   12:58  b 

Schlingmann,  B.     111:263. 

Schlitter,  H.    III  1 :  57  8. 

Schlögel.  Fr.    I  4:465. 

Schlösser,  R.  I  4:74;  13:134;  f? 
1  a  •  39  •  4:2    20 

Sohlossar,  A.  15  :  22,  38,  89,  173,  194, 
264,  285,  299,  302;  8 : 4;  11 :  106;  II 
3:20:  IV  la:33;  lc:83;  2a:28; 
4 :  37, 175,3,  200 ;  5  :  391  a,  405  a ;  9 :  22. 


Schlosser,  H.    III  5 :  10. 

—  J.  T.  I  1:8;  3:24. 
Sohlotke,  C.  I  11:168. 
Schlottmann,  A.    IV  1  d :  34 :  10 :  157. 

—  K.    IV  5 :  278. 
Schlüter,  H.    17:7. 
Schmarsow,  A.     I  11:1,  248. 
Schmeller,  Chrn.,     I  5:372. 
Schmeltz,  J.  D.  E.    15: 100. 
Schmid,  A.     I  11:203,  239,  247. 

—  J.     I  3:185;  U  1:95,  145:  7:45. 

—  K.  A.    16:1. 

—  Otto.     I  13:38,  157. 
Schmidknnz,  H.    I  12  :  292. 
Schmidt,  Ad.     13: 125,  233;  II  1 :  174; 

3:55. 

—  Alex.    IV  2b: 82. 

—  Berth.     I  3:42. 

—  C.     I  3  :  72,  177. 

—  Erich.  11:43,  117;  2:2,30;  5 
253;  8:1,  10,  29,  36,  60.  72,  90,  127 
12:326;  II  2:39;  3:  26;  m  3: 6;  5:34 
IV  lc:82;  ld:22;  2a:36/7,  57 
2b:  10,  22,  24;  4:12/4,  102,  277 
5:512,  529;  6:8,  33,  41;  7:16;  8a 
34a,  112,  125/6, 169;  8b :  15,  27,  28a 
8c  :  20;  8d  :  11,  30;  9 :  12,  56,  59,  152 
10:9-10,  66,  136. 

—  Ferd.     III  5  :  26. 

—  F.  J.     IV  5 :  301,  304. 

—  G.  16:1,  23,  29;  8:44:  IVSa:  107 
8e:23. 

—  Gust.     111: 99. 

—  H.     II  6:103;  IV  9:32. 

—  Herrn.      I    11:296/7;    IV    lc:15I: 
2b:  36;  5:641. 

—  K.  I  3:251;  II  1:156;  IV  8b: 9, 
14c-d;  8e:51;  9:21. 

—  Leop.     I  1:47;  8e:S0. 

—  M.  P.  C.     II  1 :  88. 

—  0.     17: 122. 

—  K.     IV  4:16;  8b:  16a. 

—  Wilh.    I  11 :  177,  223  5,  448. 

Neuhans.  Paul.  I II :  331 ;  IV  4  :  22. 

R.     14: 329. 

Weissenfels.  E.     14:  577. 

Schmieder,  P.    IV  1  c  :  100. 
Schmits,  A.     18: 132 
Schmitt,  J.  D.     13 :  132. 

—  L.  116:22;  IV  ld:13'4;8a:lö46; 
8d:3a;  8e:38a-b;  9:30,  126. 

Schmitz,  L.     IV  5  :  298. 

—  W.     13:5. 
Schmoller,  D.    H  1 :  154. 

—  G.     14: 199. 

Schneider,  A      I  13  :  163;  IV  5: 110. 
-EW.     II  6  :  53. 

—  Gast     I  12:206. 

—  GH.    16: 137,  147,  149. 

—  H     IV  8b  :  51. 

—  J.     14:  4111 ;  6  :  97. 

—  Job.     II  1  :  64. 

—  K.     I  6  :  68. 

—  M.     IV  5  :  135. 

—  R.  16: 48,9 ;  7  :  56a,  83a,  110,  139 ; 
n  2:5;  lU  2:7. 

—  B.,  Ritter  v.     I  11 :  106,  236. 
Sohneidewin,  M.     I  2:11;  12:222;  IV 

5:83,  383;  8a  :  103. 
Schnell,  H.    IV  5:60. 
Schneller,  Chrn.    I  4  :  478. 
Schnerich,  A.     I  11  :  106. 
Schnorr  v.  Carolsfeld,  F.     I  11:327/8; 

II  6:146;  III  2::i3,  35 
Schnürer,  F.  I  1 :  789 ;  IV  1  a :  3;  11 :  27. 
SchnStgen.  A      I  11:196. 
Schober,  Thekla  v.     IV  lc:75;   2b:  4. 
Schoch,  R.     I  5:15;  8:109 
Schoeller,  R.     II:  37. 
Schön,  Th.     I  4:558;   6:38;   n  3:  78. 
Schoenaich,  G.     I  12:389 
Schönbach,  A.  E.     I  1:154/5;  12:228; 

IV  6:  14. 
Schöndörffer,  0.    I  12 :  10. 
Schöne,  A.     II  4 : 7. 

—  L.     I  11 :  45. 

—  Th.     I  11 :  135. 

Schöneraann,  J.     I  7  :54;  IV  5:394. 
Schönermark,  G.     I  11:99. 
Schönhoff,  L.     IV  4 :  475. 
Schöntog,  F.    13:  214. 
Schönwald,  A.     IV  4 :  398. 
Schöppe,  K.     I  8:21.  82. 
Schöttner,  A.     IV  10:83,  122. 
Schofield,  W.  H.    I  10:10. 
Scholl,  C.    14: 519. 
Soholte-Nollen,  J.     FV  4 :  371 ;   8e :  10. 
Schorbach,  K.     I  3  :  64;  II  3  : 1. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV 


Schott,  Th.    IV  5 :  232. 

Schrader,  H.     I  5 :  123 ;  8 :  85,  1 19-2na ; 

12 :  179, 181 ;  IV 8o:6; 3d  :  35 ;  8e  :  102, 

106,  108. 

—  0.    I  4  :  13. 

—  W.     16: 110. 
Schrammen.  J.    17: 42. 
Schranka.  E.  M.     I  12:192. 
Schrauf.  K.    1  6  :  122. 

Schreiber,  Klar».    I  12 :  286;  IV  4 :  215, 
228 

—  w!  L.     I  11:63,  412:  H  3  :  59 
Schreyer,  H.    I  12  :  259,  278 ;  IV  4 :  332; 

8a:164;  8d:l;  8e:3. 
Schricker,  A.     I  3:98,  113;  11:276. 
Schröder,  A.    I  II  :  233 ;  II  6 :  23;  7  :  42, 

44:  IV  Ic:  133 

—  Edw.    I  1:37;   2:34.  6;    II  3:92; 

III  5:2;  IV  ld:60;  2b:88;  5:388. 

—  Felix.    I  12:337. 

—  K.    II  4  :  4 

—  L.  V.     IV  lc:118. 

—  0.     IV  9:134. 

Schröer.  A.     I  1 :  52 ;  IV  1  d  :  60. 

—  K.  J.    I  5:28,  3.i0;  IV  8a:  14a,  35; 
8b: 43;  8e:64,  80,  92. 

—  M    M.  A.     IV  1  d  :  57. 

Schröter,  A.    (s.    auch    Saleck,    A).      I 
1:118;     5:313;     6:106;     HI  3:14; 

IV  1  c  :  22,  90  1 ;  4  :  44. 

—  0.     IV  2a:  46. 
Schroot,  A.     15: 84. 
Schubert,  K.     I  7  :  24. 

—  Th.  II  6  :  79. 
Schuberth.  G.     I  4:384. 
Schubring,  P.     I  13:132. 
Schuck,  H.     III  4 :  9. 
Schücking,  Th.    IV  lc:74;  2b:  81. 
Schüddekopf.  C.      IVla:30;    lc:65; 

2a:ll,'2,  15,  18/9;4:3;  5:23;  6:21; 

8d:18. 
Schütte,  A.     IV  4:351. 
Schüttelkopf,  B.     I  5:270. 
Schngay,  E.     IV  4  :  349. 
Schnlenburg,  0.     III  1:23. 

—  W.  V.  I  5 :  49,  141. 
Schuller,  H.    18: 139. 
Schallerus.  A.     15:3.  26,  153,  222. 
Schulte,   A.       14:431,499;     11:157; 

II  1:19;  7:15,  17. 

—  Ed.     IV  lc:51 

—  J.  F.  V.    IV  5  :  604. 
Schnltheiss,    A.      I   7:126;     113:39; 

III  3  :  14 

—  F.  G.     14: 153. 
Schultz.  E.    IV  Ic:63. 

—  H.     I  8 :  31 ;  III  5  : 4. 

Henke.  I>.     13:  291. 

Schnitze.  E.    I  4  :  554. 

—  F.     IV  5:87. 

—  Siegmar.    IV  8b: 27;  8c: 7. 

—  W.    I  3:246;  4:370. 
Schulz,  B.     U  7  :  19. 

—  Bernh.    1  6  :  118. 

—  F.     IV  4  :  187. 
Schulze,  B.    IV  4  :  21. 

—  H.    17:  23,  27 

Schumann,  A.    III  2  :  31;  IV  2a  :  30. 

—  C.    I  4:208;  5:47,  73,  296. 

—  F.     I  12:  113a 

—  P.    I  8:139;  11  :2,  66,  272. 

—  Th.    IV  4  :  454. 
Schnpp,  F.     IV  5  :  .'^'>1. 
Schurig,  E.     15:  335. 
Schurtz,  H.     14:11. 
Schwab,  0.    I  8  :  93 
Schwahn,  W.     I  7  :  144;  12  :  32. 
Schwalbe,  E.     16:8. 
Schwanfelder,  A.     15:  133. 
Schwann,  M.  II  1 : 8;  6  :  190;  IV  5  :  .■:36. 
Schwartz,  P.     16:  169. 

—  R.     I  10:35;  13:65. 

—  W.     I  5  :  10,  36. 
Schwarz.  F.     IV  8  b  :  42. 

—  Walther.     111:  263. 

—  W.  E.     II  I  :  45.  146. 
Sohwendiroann.  J.     14:  205. 
Schwenk,  B.     I  8  :  61,  129. 
Schwenke,  P.     13:  194. 
Schwieters,  J.    I  11  :  94. 
Schwindrazheim.  0.     14:  607. 
Soipio,  K.     IV  11  :  17. 
Söurat,  W.     I  5  :  101. 
Sebald,  H.     I  7  :  121. 
Secher,  V.  A.     II:  119. 
Sedläöek.  A.     Hl:  137. 
Seebald,  K.     II  3  :  5. 
Seeber,  Jos.    IV  lc:68. 

(4)34 


Atuorenregister. 


Seeberg,  R.  IH  1 :  44. 
Seefeld,  C.  I  12  :  283. 
Seeger,  H.  IV  5  :  112. 
Seehaussen,  R.  I  7  :  137;  12  :  41. 
Seeley,  J.  IV  8a:  133. 
Seelig,  F.  IV  5  :  551. 
Seelmann,  F.     14:  534. 

—  W.     I  4  :  46;  5  :  322;   6  :  10/1;   11 ; 
209;  II  4:  5;  III  5  :  15. 

Seemann,  A.     I  11  :  42 ;  12:  263. 
Seemüller,  J.     I  8  :  66;  IV  4  :  200. 
Sehling.  E.     I  6  :  93. 
Seibt,  W.     IV  8d:23;  10:93. 
Seidel,  P.     I  11  :  103,  258-63. 
Seidl,  A.    I  13:133,  151:  II  2:17. 
Seidlitz,  W.  v.     I  4  :  238;  11  :  74,  179, 

277,  396. 
Seifert,  J.     II  4 :  37. 
Seiffert,  M.    I  13  :  1,  17,  26/7,  38,  47,  79. 
Seiling,  M.     I  4:010. 
Seis,  E.     IV  4  :  238. 
Seitz,  K.     I  6  :  209. 
Seliger,  P.     II  3  :  28. 
Seil,  K.     II  6  :  53. 
Sello,  G.     I  4  :  360;  11  :  95. 
Sembrzycki,  J.     I  5  :  299-300,  327. 
Semler,  C.     IV  4  :  77. 
Semper,  H.     I  11  :  110/1. 
Semrau,  A.     14:  319. 
Senfft,  A.  V.     I  13  :  85. 
Sepet,  M.     IV  9  :  112. 
Sepp,  J.  N.     14:  59,  446;  5  :  17/8. 
Seraphim,  A.     III  1  :  43/4. 

—  E.     14:  493;  III  1  :  43/4. 
Serrure,  C.  A.     II  3  :  16. 

Servaes,  F.    I  1  :  173;  11  :  48,  400;  12  : 

322,  376;  IV  4  :  167. 
Seth,  A.     IV  5  :  136/7. 
Settegast,  H.     IV  1  c  :  123. 
Setzepfandt,  R.     III  1  :  33. 
Seuffert,  B      II:  174;  IV  2a  :  55,  67; 

7  :19;  8e:22;  9:25;  10:20;  11  :52. 
Seyfried,  J.     I  12  :  274;  IV  1  a  :  7. 
Sharp,  F.  Ch.     I  12  :  86. 
Shedloclc,  J.  S.     I  13  :  77. 
Sieber,  F.     13:8. 

—  L.     I  3:252;  II  1  :  157. 
Siebert,  H.     III  5  :  51. 
Siebold,  P.  F.     13:  67. 
Siebs,  Th.     15:  44. 
Siegfried,  C.     III  5  :  44. 
Siemens,  W.  v.     IV  Ic:  119. 
Simmel.  G.     I  1  :  1 ;  IV  5  :  244. 
Simmet,  L.     IV  2  a  :  59. 
Simon,  D.  W.     II  6  :  62. 

—  J.     I  12  :  310. 

—  0.    I  6  :  166 

—  P.     I  13  :  144. 

—  Th.     IV  5  :  207. 

Simond.    Ch.      I   13:131;    lY   5:623; 

8d:33;  10:96. 
Simons,  L.     I  12  :  351. 
Simonsfeld,  H.     I  4  :  124:  II  7  :  14. 
Simpson,  W.     I  3  :  179. 
Simson,  P      I  3  :36;  II  1  :  35. 
Singer,  H.  W.     I  11  :  214;  IV  Id  :  45; 

6:7;  8a:  142. 

—  L.     I  8  :  40. 

—  S.     112:  101  c. 

Sittonberger,  H     I  12:228;  IV  4:321, 

323,  402;  8a:  54;  8e  :  1. 
Sixt,  Fr.     14:  454. 

SklBdny,  A.     U  1  :  87 ;  III  1  :  137  ;  IV 

1  a  :  46. 
Skranp,  K.     I  12  :  243. 
Smirnow,  A.  0.    IV  8b  :  62a. 
Socin,  A.     I  2:5;    8:54,  149;    III  2: 

28;  5  :  63. 
Sodeur,  G.    IV  5  :  123. 
Sohle,  K.    I  13  :  7,  9,  128. 
Sohns.     I  1  :  110 ;    5  :  246;    8 :  130;  IV 

10 :  148. 
8off6,  E.    I  10  :  20. 
Sohnrey,  H.     14:  169. 
Soltal,  E.     I  12  :  297. 
Soldan,  F.     14:  396. 
Solger,  H.    14:  610;  IV  2a  :  58. 
Soltan,  W.     I  8  :  23. 
Sommer,  G.    I  11 :  99. 

—  W.    14:  426. 
Sommerlad,  Th     14:  198. 
Sommert,  H.     I  12:37  a. 
Sommervogel,  0.     II  6  :  27, 
Sondheira,  M     I  11  :  234. 
Sonnen,  K.     I  12  :  152. 
Sorgenfrey,  Th.    13:  213. 
Sosnosly,  Th.  t.    I  8  :  140. 
Souriau,  P.    I  12  :  290. 


Spach,  Ed.    IV  lo:106. 
Spandl,  J.    IV  4  :  76. 
Spannagel,  C.     III  1  :  88,  108. 
Spectator    (=   Eisner,    K.).     I    1:65; 

12:26b;     III    1  :  108;     IV    5:76a; 

11  :  20. 
Speidel,  L.   IV  4 :  233,  259,  470;  5  :  530, 
Spengler,  F.     11  4  :  31. 
Sperling,  H.  0.    13:  170. 
Speyer,  Fr.     I  5:866;  7:127. 
Spiegel,  B.    II  6 :  136. 
Spielhagen,  F.     I  1  :  147;  12  :  399,  403, 

405,  407,  410,  413;   IV  4:103,   114, 

150,  157,  161,  1635. 
Spier,  Anna.     I  11  :  342,  368. 
Spiesser,  J.     15:  243  a.,  315. 
Spiller,  R.     I  5  :  233. 
Spitta,  Ph.     I  1  :  49;  13  :  16,  66,  73. 
Spitteler,  K.     IV  4  :  379. 
Spittler,  C.     IV  5  :  90. 
Spitz,  R.     IV  8a:  164. 
Sponsel,  J.  L.    I  11  :  162. 
Sprenger,  R.    I  5  :  78/9,   83,    148,   260, 

326,  349,  379;    8  :  89,   118;    II  7  :  3; 

m   5:14;    IV    2b:  15;    4:70,    75; 

8c  :  14;    8d  :  10;    8e  :  36,  78;  9  :  45, 

78,  93/4;   10  :  126-30,    134,   142,   146. 
Springer,  A.     I  11:171. 

—  J.     I  11  :  171,  400;  IV  Ic  :  148. 
Staarstecher,  J.     IV  11  :  14. 
Staatsmann,  K.    I  12 :  153. 
Stäcker,  N.    I  5:325. 

Stähelin,  H.     I  11:243. 

Stalin,  P.    IV  5  :  351. 

Stage,  C.     IV  5:260. 

Stamminger,  J.  B.     I  11:153. 

Stammler,  J.     I  11  :  139,  219-20. 

Stanzer,  A.     II  1 :  145. 

Stapfer,  P.    I  1 :  131 ;  12  :  105,  238,  425. 

Stära,  A.     I  12  :  223. 

Starbuck,  Ch.  C.     I  12  :  151. 

Starzer,  A.     II  1 :  55,  141. 

Staub,  F.     I  5:15;  8:109. 

Staudenmeyer,  H.     III  5:36. 

Stearns,  F.  P.     I  12  :  255. 

Stechele,  U.    16:  204. 

Stegmann,  H.     I  11 :  445. 

Stehle,  B.    I  8  :  23;  II  3 :  71. 

Steidle,  E.     IV  2b:  43. 

Steiff,  K.     13:74,79,85,92,254,260; 

II  6 :  47. 
Steig,  R.     I  2:8;  IVlc:20,22;  7:15; 

10 :  64/5. 
Steiger,  J.    I  7:10a. 
Stein,  A.   I  11:181;  13:37;  IV  5:184; 

9  : 5. 

—  B.  '  IV  9  :  46. 

—  H.  T.     112: 12 ;  IV  9  :  39. 

—  L.    I   12:379-80;    II  1:93;    7:16; 
IV  5 :  184. 

—  Ph.    IV  10:145  a. 

—  W.     I  3  :  45. 
Steinacker,  Ed.    IV  5 :  556. 
Steinberger,  A.     I  5:161. 
Steinel.  0.     14: 443. 

Steiner,    B.      H   3:12a;     HI   3:1; 
IV  10:41. 

—  R.     IV  5:203/4;  8a:  112. 
Steinhansen,    G.    I   1:100,    173;    4:4, 

19-20,    43/4,    123,    136/7,     152,     167; 

5:362;  6:238;  II  1 :  löO;  1111:132. 
Steininger,  E.  M.    15:  267. 
Steinmeyer,  E.     I  2:10,  92. 
Steinschneider,  M.   1 3 :  119 ;  IV  11 :  50. 
Stejskal,  K.     I  1:84;  7:142. 
Stern,  Ad.     II:  76;  III  1 :  135;  3  :  17 

IV  la:7,   23,    27;    lc:22;    ld:88 

2a:7ö/6;    2b:62;   4:239;  9:16,  19 

10 :  56. 

—  Alb.     IV  la:7a;  4:151. 

—  Alfr.    IV  lc:43;  5:331,  611. 

—  B.     IV  4:408. 

—  E.     II  6  :  104. 

—  M.     14: 537. 

—  M.  R.  V.     I  11 :  16;  IV  5 :  59,  237. 
Sternberg,  H.     IV  4 :  381. 

Sterne,  C.  (=  Ernst  Krause).    I  5:59; 

12:97. 
Stettenheim,  L.     IV  4 :  282;  9  :  143. 
Stettiner,  R.     I  4:238  a. 
Stewart-Chamberlain,  H.    IV  4  :  333. 
Stiassny,  R.     I  11 :  222,  226. 
Stich,  J.    II  1 :  141. 
Stickelberger,  H.     IV  9  :  165. 
Stieböck,  L.     I  4  :  467 ;  8  :  12. 
Stieda,    L.     16:74;    IV  5:. 369,   475a, 

493  a. 

—  W.    I  4  :  222,  250,  803. 


Stiefel,  A.  L.    1  10:42. 

Stiehl,  0.    13: 190;  13  :  3. 

Stiehler,  A.     I  12:240. 

Stieler,  K.    14: 444. 

Stieve,    F.     U  1:153;    1111:13,    56; 

IV  5:327. 
Stilgebauer,  E.    III  3  :  12. 
Stillbauer,   J.  B.    II  6:28;  IV  5:282. 
Stinde,  J.     I  12:366. 
Stocker,  F.  A.     IV  4  :  275  a. 
Stockhan  ser,  G.     I  11  :  69. 
Stockmayer,  K.     IV  2a: 43. 
St5ckel,  H.     I  3:118. 
Stöcker,  A.     II  6 :  51. 
Stoeckert,  G.     11:3. 
Stoeger,  M.     IV  5:345. 
Stoessel,  A.     I  1:10;  12:  120. 
Stötzner,  P.     I  6:  20;1,  247;  7:89. 
Stoffel,  J.     IV  1  d  :  6. 
Stolz,  F.    14:  478. 
Stolze,  F.     13:7. 

Strachwitz,  Nora  Gräfin.     IV  1  c  :  77. 
Strack,   A.     I  8:41;  IV  la:42;  8c:9. 
Stracke,  H.     II  6:81. 
Sträter,  E.     IV  5:625. 
Strassburger,  E.     I  4  :  371a;    5  :  32; 

IV  5  :  459. 
Strauch,  Ph.     I  2 :  24 ;  5  :  308 ;  12 :  178 ; 

II  3:41;  7:17a-b;  IV  la:2;  8b:46; 

10:138. 
Strauss,  K.     IV  4:341. 
Streit,  W.     I  8:51,  97;  11:205. 
Streitberg,  W.    I  4 :  155 ;  8  :  66. 
Strickler.    II  6  :  167. 
Strieder,  L.     IV  2a:  83. 
Strindberg,    A.      I  12:287,    371/3;    IV 

4 :  319. 
Strodtmann,  Ad.    IV  1  a  :  4. 
Ströbel,  H.     I  12  :  101  b,  293. 
Ströhmfeld,    G.      IV  8a:  65;    8b:  49; 

9:20. 
Struck,  W.     m  1 :  37. 
Strümpell.  A.    16:  91. 
Struve,  E.    14: 228. 
Strzemcha,  P.     I  7  :83;  IV  9:  128. 
Strzygowski,  J.     1  11  :  106,  286. 
Stubbe,  Chrn.     II  6:200;   IV  4:288/9. 
Stübel,  B.     I  4:98;  6:119. 
Stühlen.    I  11:1. 
Stümcke,  H.     IV  5:609. 
Stummel,  Fr.     I  11:242. 
Stuhr,  F.    I  4 :  211. 
Sudermann,  H.     IV  4 :  143/4,  146. 
Sudhoff,  K.    13:  124;  II  1 :  104/5,  176. 
Sudre,  L.     II  3  :  17. 
Süpfle,  Th.    IV  Id:  1;  4:43. 
Sully-Prudhomme.  M.     112:52  b. 
Sulzbach,  A.  I  4  :  539 ;  IV  8  e  :  72 ;  II :  50. 
Suphan,  B     I  2  :  10;  IV  la:2;  2a  :  1; 

4:1;  6:  41;  7:1,  15:  8a:  34,  34a,  93; 

8o:20;  9:56,  61;  10:10. 
Sussann,  H.     II  6  :  165. 
Suter,  J.    IV  4  :  273 
Svendson,  0.     IV  2b:  64. 
Swanwick,  Anna.     IV  1  d  :  40. 
Sybel,  H.  V.     IV  5:551. 
Sydow,  M.     IV  9  :  14. 
Szamatölski,  S.    II:  173. 
Szczepanski,  P.  t.     IV  1c:90;  4:476; 

11 :  24. 
Szlävik.    II  6 :  176. 

Taft-Hatfield,  J.    IV  10 :  103. 

Taine,  H.     I  1:122/3;  12:52a. 

Talon,  P.     I  12:88. 

Tann-Bergler,  0.     IV  4:266. 

Tannen,  K.    II  3  :  6. 

Tannery,  P.     IV  9  :  37. 

Targioni-Tozetti,  G.    IV  ld:74. 

Tascheck,  W.     18: 130. 

Tausch,  E.     II  6  :  184. 

Techen,  F.    III  5: 15  b. 

Teelz,  F.     15: 90. 

Temming,  E.     IV  8a:  84. 

ten  Brink,  B.     I  2:45. 

te  Peerdt,  E.    I  12 :  60. 

Terey,  G.  v.     I  11 :  176,  215,  230. 

Tesdorpf,  0.  L     IV  lc:29. 

—  W.    I  11 :  267. 

Tetzner,  F.    15:  361. 

Teuber,  0.    11  4  :  2;  IV  4 :  202,  347,  472. 

Teuscher,  R.    I  5:116. 

Teutsch,  G.     14:  483. 

Tews,  J.     I  7  :  120. 

Thaer,  A.     IV  1  c  :  123. 

Thamhayn,  W.     IV  ld:26. 

Theden,  D.    I  3:145;  IV  5:1« 

Thelert,  G.    13: 270. 


Autorenregister. 


Thenn,  A.    11  6:44. 

Theumer,  E.     14:  95. 

Theuriet,  A.     IV  8a  :  21. 

Thiancourt,  C.    13: 173. 

Thibaut,  A.  F    J.    I  13 :  7. 

Thiele,  G.     I  12:2  a. 

Thierae,  U.     I  11 :  202. 

Thimm,  K.     14:  313:  IV  1  c  :  26. 

Thode,  H.     1  11:186,  188,  350/1. 

Thoemes,   N.     III  1 :  77/7a. 

Thoinan,  E.     I  3:299 

Tholuck,  Mathilde.    IV  5:271. 

TUomälen,  G.     13:  261.  291. 

Thomas,  Calv.     1  1  :  173. 

Thomassin,  Ch.     II  3  :  29  ;  IV  9  :  116 

St-Paul,  Ch.  de.     IV  10 :  140. 

Thnmpson.  E.  M.  13:2. 
ThorbecVe,  A.  I  7  :ö9a. 
Thorel,  J.   I  12  :  .395;  IV  4  :  155;  5 :  202; 

11:1. 
Thndichnm,  F.     11  3 :  76. 
Thürlings,  A.     1  3  :  82 
Tille.  Alex.    I  1 :  23  a ;  3  :  1S4 ;  5  :  54,  61, 

94;  8  :  126;  II 2  :  42;  IV  5  :  248;  8a :  88; 

8e:85,6,  107. 

—  Armin.     1  12  :  233 ;  IV  5  :  238. 
Tillmann,  H.     I  11:74. 

Tissot,  E.     I  12 :  344  :  IV  4  :  124. 
Tobler,  G.     14: 547 ;  II  2  :  33. 

—  L.     I  2:7;  5:15;  8:109;   II  2:34. 
Tocco,  F.     11  1  :  74. 
Töche-Mittler,  K.    III  1  :  123. 
Toepke,  G.     I  6:115. 

Toeppen,  M.    14: 318. 

Toischer.  W.     I  7  :  65 ;  IV  8  c :  3, 

Toldo,  P.     I  12:312 

Tollin.  H.     I  4:527,  530. 

Tolstoi.  L.     I  12:3^9. 

Tomanetz,  K.    1  8  :  92,  115;  IV  4 :  216/7. 

Toorenenbergen,  J.  J.  v.in       11  6  :  175. 

Torresanl,  K.  v.     IV  8a:  30. 

Toula,  F.     14: 16. 

Transil.  M.     IV  4 :  337. 

Trautmann.  F.     I  4:458/8». 

—  K.     1  11 :  143/5. 
Trefftz,  J.     II  1  :  42 

Treichel,  A.    I  5:64,   75,   80.   99,  121. 

198/9.  342/4,  348. 
Triemel,  h.    IV  5 :  111. 
Trinins,  A.     14:  28.  327 ;  IV  9  :  18. 
Trinks,  F.     14:  393. 
Tritonins.     I  12  :  239. 
Tröger.  J.     IV  8a  :  130;  8c  :  21;  9  :60. 
Trojan,  J.     I  11  :344. 
Trost,  K.     I  12:280,   324;  IV  ld:15; 

6:22. 

—  L.     IV  lc:l. 
Trümpelmann.  A.    16: 192. 
Tschache,  G.    I  7  :  16 

Tschackert,  P.     11  2:14;  6:142,  178; 

m  5  :  17,  23,  45.  2s5. 
Ts'hiersch,  0.     1  6:170. 
Tschirch,  0.     16:  168. 
Tuchert,  G.     14: 36. 
Tuchmann,  J.     1  5  :  88. 
Tümpel,  W.     11  6 :  189. 
Türler,  H.     II  1 ;  131. 
Tufts,  H.     IV  5:92. 
Tuhten,  A.     IV  1  c  :  61. 
Tunilirz,  C.    I  8:  153. 
Tupetz.  Th      11  1:135;  IV  lc:37. 
Tnrba.  G.     11  1  :  14s. 
TurRenieff,  J.     IV  lc:80. 
Twardowski.  K.     IV  5:99. 
Tyrol,  F.    I  8:39;  IV  6  :  5. 

Uebelacker,  M.     17:  28  9. 

Ueberegger,  J.     IV  6  :  34. 

Uellner.  V.    1  7:75;  IV  9:40. 

Uhde,  Const.    I  11:101. 

Uhl.  W.     I  4:144. 

Uhle,  P.    1  4 :  385;  IV  5  :  514 ;  6 :  12. 

—  Th.     IV  2a:  32. 
Uhlhorn.  G.     II  6 :  152. 
Ullrich,  H.     I  5  :  235;  UI  3  :  15. 

—  Ph.  E.    IV  5  :  345. 
Ullsperger.  Fr.    I  7  :82:  IV  9  :  119. 
Ulmann.  H.     II  1:37.  118. 
Ulrich,  W.     1  12:5a;  IV  ld:27. 
Umfried.  0.  L.     IV  8  e  :  68.  73. 
Umlauft,  Fr.     17: 12. 
Unberath.  J.     16:  l.i. 
Unbescheid.  H.    IV  7  : 8 ;  9 : 8,  38,  127, 

144,  160. 
Unruh,  Th.    n  6 :  140. 
Untersteiner.  A.     I  13  :  14. 
Urlichs,  H.  L.    IV  1  c  :  131. 
Usaune,  0.    13: 266. 


Vachon.  M.    1  4:605;  12:8«. 
Vagelin,  A,    IV  4:104. 
Vahlen.  J.     12: 16. 
Vaihinger.  H.     IV  5:101.  127. 
Valbert,   G.    (s.   auch  Cherbnliez.    V.). 

IV  5 :  164. 
Valdarnini.  A.     IV  5  :  119. 
Valentin.  V.     I  11:295,   317;    12:212; 

IV  8a:3,  32,  43;  8e:48. 
Valt^r.    1  1:119. 
Van  der  Briele     11  1:129. 
Vanderem.  F.     1  12 :  87. 
Varnhagen.  H.     I  10:42. 
Varrentrapp,  K.     lll  1 :  101. 
Vecchi.  A.  V.     IV  1  d  :  74. 
Veok,  0.    IV  5  :  66. 
Veesenmeyer.  G.    13: 255. 
Verding,  G.     IV  4:388. 
Versenyi,  G.     I  5:275/6. 
Veth,  Jan.     I  11 :  39. 
Vetter,  F.     I  1:110;  2:15;  5:6;   11: 

140;  II  1:53.  84. 

—  P.     II  1:152;  6:24. 

—  Th.     n  1 :  84. 
Vielau.  H.    I  3  :  221. 
Viereck,  L.    13: 215. 
Viergutz,  F.    14:8. 

Vierordt,  H.     I  4:  279;  IV  5:402. 

Villamaria.     I  5  :  215. 

Villari,  P.    11:2. 

Vincenti,  C.  v.     IV  4:429. 

Vincke,  G.  t.    IV  8a:  141. 

Violet.  F.    17: 77. 

Virchow,  R.     1  6  :  90;  IV  5:495;  7:  7. 

Virck.  H.      II  1:45,   48.    145  6;    6:35. 

197. 
Vischer.  Kob.    I  12  : 1 08 ;  IV  8  a ;  40.  55. 
ViTUS.     IV  4  :  324.  326,  361. 
Vodskov,  H.  S.    IV  8a:  159. 
Vöge.  W.    13: 23. 
Völderndorff.  0.  Frhr.  v.    IV  1  c  :  40. 
Vogel.  A.     1  6:48;9;  IV  5:482,  484. 

—  E     1  3:127;   13.1. 

—  Th.     I  7:119a;  IV8c:27;  8e:93. 
Vogler,  C.  H.     I  11 :  281 ;  IV  8  :  9. 
Vogrinz.     IV  9  :  154. 

Vogt.  F.    1  1  :  92;  2  :  26  ;  6 :  12,  52.  63. 
128;  II  3:61. 

—  J.     14: 587. 

—  0.     II  6:48. 

—  W.  I  3:80;  IV  5:350. 
Vogüe,  E.  M.  de.  II:  126. 
Voigt.  L     1  7:118.  136;  12:37. 

—  Ph.  H.     I  6:202. 
Voigtländer,  K.     13:  284. 
Volbehr,  Th.     IV  4 :  199. 
Volkell,  F.    IV  5  :  97. 

—  J.     IV  4:200;  5:229. 
Volkholz,  R.     III  1:33. 
Volkmann,  W.    IV  4  :  87;  11  :  55. 
Volksmann,  A.     15: 151. 

—  H.     I  5 :  87,  .S47. 
Voneisen,  F.     IV  5:167. 
Voretzsch,  C.     15: 2S3 :  II  3  :  14. 
Vorländer.  K.    IV  la:2;   2a:l;  4:1; 

6:113. 
Vornhecke,  B.    1  13  :  154. 
Voss,  Ft.    IV  8b:  178. 

—  J.     11  3  :  36. 

Vnlpinus.Th.    U  1 :  170;  3:  71;  6: 171. 

Waag,  A.    IV  2a:  49. 

Wachler,  E.     11:9. 

Wachbtein.  E.  M.  v.     IV  1  c  :  150. 

Wächter,  D.     IV  5  :  140. 

Wackernagel.  R.     1  4  :  492;   II  3  :  75. 

Wackernell,  E     1  7  :  10;  II  4  :  9. 

Waddington.  A.     U  1  :  42;    III  1  :  114. 

Wächter.  G.    II  6  :  199. 

Waetzold.  St.     17:  2.  68. 

Wagner.  E.     1  11  :  88. 

—  F.    14:  521. 

—  Hugo.     I  4:376;  10:48;  11  :119. 

—  H.  F.     16:  226. 

—  K.     I  13  :  55. 

—  M.     14:  122. 

—  Osk.     I  12  :  369. 

—  P.    113:  30. 
Wahl.  G.     II  4  :  24. 
Wähle,  J.     IV  8a:  112. 
Waitler.  J.     1  11:115/6. 
Waizer.  R.     15:  166. 
Walch,  J.  G.     II  6  :  52. 

Walcker,  K.     I  1  :  26;  4  :  602;  11 :  255; 

IV  2a:  56. 
Waldberg.  M.  v.  11  2  :  37 ;  lU  2  :  26,  42, 
Waiden,  B.     I  12:91;   IV  lc:74;  IV 

5  :  299;  10  :  79. 


Waiden,  P.     IV  1»:  7. 
Waldmann.  F.     IV  6  :  257. 
Waldner,  E.     II  2  :  24:  3:53. 
Wallace.  W.     IV  10  :  160. 
Walle,  P      111:  256,  302  a;  12  :  5ä. 
Walion.  H.     IV  9  :  113. 
Wallraff,  H.     111:  151. 
Wallus,  W.     15:  108. 
Walrond,  F.  F.     111  5  :  24. 
Walsemann.  H,  F.     1  12  :  77. 
Walter.  F.     1  11  :  369-73;    IV   Ic  :  80 
4:425,  449  a. 

—  J.    1  12  :  1. 
Waltersdorff,  H.     I  11  :  324. 
Walther,  Ch.     1  8  :  11. 

—  W.  I  11:185;  II  6:39,  62.  70. 
101.  193 

Walzel.O.  F.    1  1:173;  8:42;  12:37  a, 

205,  211,  288;   III  3:7;    IV  4  :  441; 

6:30;    8d  :  14;   8e:77;    9:70;    10: 

12.  120,  157;  11  :  2. 
Wanbald.    I  11  :  90. 
Wanlek.  G      1  12  :  4/4  a;    111  5  :  59-00; 

IV  4  :  218. 
Warnecke.  G.     I  11  :  57. 
Warner,  G.  F.     13:  182. 
Warren.  J.  S.    13:  34. 
Warschauer,  0.     14:  578. 
W:isielewski.  W    J.  t.     1  13  :  33/4. 
Wasserzieher.  E.    I  5  :  2:  8  :  4.  64,  103,- 

141;  IV  Id:  1;  5:513. 
Wassmannsdorff,  K.     IV  5  :  489. 
Wattenbach,    W.      1   4:410,    434;    IV 

5  *  343  *  7  *  7 
Weber.  A.     il  6  :  33/4. 

—  G.     IV  1  c  :  109. 

—  H.     14:  447;  13  :  22;  11  6  :  5.  10. 

—  L.    I  7  :  49. 

—  P.     II  1  :  56. 
Websky,  J.     14:  520. 

Weddigen.  0.     I  5:213;    12:202;    IV 

4  :  174. 
Wedewer,  H.    11  6 :  37.  9S. 
Weech,  Ft.    14:  429;  11  :  159;  II  1  . 

28;  m  1  :  107.  126. 
Wegele,  F.  X.     U  3  :  58,  86;  U  7  :  53; 

IV  5:297,  349  a.  516. 
Wegner.  G.  IV  5  :  128 
Wehrmann,  C.     14:  300. 

—  M.     14:  105  6;  6  :  1.53/7;  11  :  96. 
Weichelt,  L.    IV  4  :  231. 
Weicker.  G.     IV  8a:  94. 
Weigand.  K.     18:  104. 

—  W.     II:  120;    12  :  381;  IV  5  :  192. 
Weigel.  A.     13:  292. 

Weilen.  A.  t.  II:  117;  2:2;  4  :  55 
12:2345;  114:12,  32;  IV  la:2 
2a  :  1;  4:1,  69,  220,  410.  436;  8a 
34  a. 

Weinberg.  M.     14:  243. 

Weinhold,  E.     I  4  :  532. 

—  K.  1  1  :40;  2:1.  19,  28;  5  :  3,  5, 
1.5/6,  50.  77.  93,  139.  2302,  328,  334, 
3.58:  10:5,  18;  111  4:2. 

Weis,  L     IV  5  :  89,  102,  127,  144,  228. 
Weiss,  A.     IV  Ic:  135. 

—  J.     III  1  :  52. 

—  J.  B.  T.    III  1  :  2. 

—  J.  G.    16:  224. 

—  J.  J.    IV  11  :49;  8a:  162. 

—  K.     I  11  :  269. 
Weissberg,  M      15:  318. 
Weissenborn,  E.     1  12  :  166. 
Weissei.fels,  R.     IV  9  :  3. 
Weisstein,  G.     13:  52,  202. 
Weitbrecht.  K.     IV  2b  :  19;  4  :  24«. 

—  R.     IV  2b  :  17/8,  44. 
Weithase,  H.     14:  296. 
Weitzenböok,  G.     18:  144. 
Weizsäcker,  H.     I  11  :  16a. 

—  P.  1  11  :  77:  IV  2a  :  69;  8a:  33; 
8e:21;  9:  135. 

Welti.  H.     IV  4:456;  10:36. 
Weltner,  A.  J.     IV  4  :  236.  421. 
Wendt,  G.     I  6  :  151 
Wengen,  F.  t.  d.    III  1 :  55. 
Wengraf,  E.     I  4:  54;  IV  4:  36«. 
Wenk,  K.    II  1:30. 
Wenley.  M.    IV  8a: 81. 
Wenton,  R.     IV  5  :  256. 
Wercksh.Mgen,  C.    IV  5:260. 
Werder.  M     I  4:428. 
Wemecke.  R.    17:51,93  3a. 
Werner.  A.    II  6:171. 

—  K.    I  12:224:  IV  4:234,  239.  249 

—  L.     I  4:142;  IV  la:26. 

—  R.  M.  I  12:168.  216,  2.S1;  II  3:1. 
10,  33;  in  2:2;  3:4,5;  4:40;  5:6; 


Sachregister. 


IV  ld:32;  2a:47;  4:411;  8a:108; 
8b:  29;  8e:62,  89. 
Wernicke,  A.     IV  5  :  127. 

-  E.     I  11 :  148. 
Werra,  E.  v.     I  13  :  70. 
Wessely,  J.  E.     I  11 :  419. 
Westenberger,  G.     IV  2b  :  90;  10:  53. 
Westerfeld,  F.     16: 133. 
Westermayer,  G,     14: 457. 
Wetzel,  A.     III  1:20:  IV  lc:30,  53. 
Weyler,  Th.   .1  5:210:  III  3:26. 
Weymann,  C.     IV  10  :  132. 
Weyrauch,  J.  J.     IV  5  :  453. 
Wheatley,  L.  A.     I  5:202/3,  206/7. 
Whitman,  S.     I  4:461. 

Wichers  v.  Gogh,  0.     IV  4:350. 
Wiehert,  E.     I  12  :  428. 
Wichmann,  F.     IV  4  :  275. 

-  H.     IV  5  :  414 

—  J.     13: 224. 
Wickhoif,  F.     13:  20,  186. 
Widniann,    J.    V.     IV  ld:88;    4:278, 

353. 

—  M.    IV  5  :  2. 
Widmer,  L.     I  12  :  51  a. 
Wiechowsky,  A.     15:  182. 
Wiedemann,  A.     I  5:74,  124. 

-  Th.     IV  lc:138;  5:303. 
Wiegand,  W.     IV  1  c  :  38 ;  5 :  832. 
Wiener,  B.    I  3  :  291,  293. 

-  S.    13: 212. 
Wiese,  L.     I  6:72. 
Wiesehahn.    II  1 :  114. 
Wiesner,  J.     II:  114. 
Wiessner,  E.     17:  51,  93/3  a. 
Wilamowitz-Moellendorf,  0.  v.    II:  41. 
Wilbrandt,  Ad.    IV  5  :  24/5. 
Wildenbrnch,  E.  v.    I  1:146;    13:87; 

IV  2b:  22. 
Wille,  B.     I  12:284,  409:  IV  5:77. 
Willmann,  0.     17:  43 ;  III  5  :  51. 
Willmott,  E.  A.     IV  2  a:  51. 
Willras- Wildermnth,  Agnes.   IV  5  :  267 ; 

10:139  a. 
Willy,  E.    IV  5  :  229. 
Wilmanns,  W.     I  8:66. 
Wilte,  C.     13: 161. 
Wimmer,  Emilie.     I  5 :  174. 

—  J.    IV  4  :  189. 

Winckelmann,  0.     I  3:44;  11:141;  II 

1 :  39. 
Winckler,  Ph.    IV  8a:  137. 
Windakiewicz,  S.     II  4 :  39. 
Winkler,  A.     I  11 :  441. 

—  F.     I  7:111. 

Winter,  G.    I  1 : 1,  98;  6  :36;  II  1  :  50: 

III  1 :  7,  117  ;  IV  5 :  354. 
Wintera,  L.     III  1  :  84. 
Winterfeld,  F.  A.  v.    III  1 :  125;  5  :  57 ; 

IV  2a: 60;  4:461;  8b :11a;  9: 153; 
10:55,  59. 

Winther,  H.     17: 132. 
Wintterlin,  A.     I  11:426.  _ 
Wippermann,  C.     IV  5  :  555. 
Wirth,  A.     I  10  :  6. 

—  Ch.     I  12:76  a. 

-  K.  M.     II  2  :  2. 


Wirth,  Th.    IV  5  :  166. 
Wislicenus,  P.     15: 131. 
Witkow8ki,G.  IV8a:58,  116a;  8e:64. 
Witte,  C.    IV  ld:78. 

—  H.     I  6:188;  II  1:32. 

—  K.     IV  lc:21. 

—  L.     II  6  :  109. 

W  ttich,  K.     III  1 :  32,  36;  IV  5  :  536. 

—  M.     I  12  :  123,  129. 
Wittmann,  A.     IV  4  :  457. 

—  C.  F.     IV  4:39,  192/6. 

—  H.     IV  1  d  :  83. 

—  P.     IV  9  :  102. 

Wlislocki,  H.  V.     15:3,  22/3,    28,  118, 

126. 
Wölfflin,  H.     I  11 :  335;  IV  10  :  45. 
Wörndle,  H.  v.     I  11:298. 
Wohlfahrt.     I  8 :  102. 
Wohlgemiith.  J.     I  12  :  11. 
Wohlrabe,  W.     I  7  :  20. 
Wohlwill,  A.     14: 352. 
Wolf,  G.    II  1 :  141,  145;  IV  5  :  329. 
-3.     14: 588. 
Wolff,  C.    I  3  :  234. 

—  Eng.  I  1  :  28,  .57:  12  :  144,  199.  227 ; 
112:3;  3:15;  III  2:  8;  IV  8a:  116  a, 
131;8b:36:8d:  19;  9:166;  10:148; 
11:27. 

—  H.     I  4:212. 

—  Max  V.     II  1  :  79. 

—  Tbeod.    IV  2b:  60;  5:418/9. 
Wolfram,  E.  H.     15  :  281. 

—  G.    III  1 :  29. 
Wolfrum,  Ph.     11  6 :  190. 
Wolkan,  E.     II  4:21. 
Wollschläger,  W.     I  11  :  211. 
Wolter,  E.    I  10  :  13. 

Wolzogen,  E.  V.     IV  lc:36;  4:  294. 

—  H.  V.     I  13:120;  IV  10:94. 
Wood,  H.    IV  8e:25. 
Woodward,  J.     11  1 :  133. 
Worp,  J.  A.     III  4:7. 

Wortmann,  H.    (=  J.   H.   Franke).    I 

4:18  b. 
Wossidlo,  R.    I  5:41,  341. 
Wotke,  K.     II   7  : 4,    29,   50,   70/2 ;    III 

4:21. 
Wouvermans,  A.  v.     I  11:44. 
Wrede,  A.     II  6  :  4. 
Wülcker,  E.     18: 104,  107. 
Wünsche,  A.     I  12:8;  IV  5:  142/4. 
Wulckow,     E.       I    1:173;    IV    6:41; 

8a  :34a. 
Wunderlich,  H.     I  8:66,  96;  II  4:  10; 

7:57;  IV  4:118. 
Wundt,  W.     I  12  :  300. 
Wunschmann,  J.     IV  5  :  460. 
Wurzbach,  A.  v.     I  11:415. 
Wustmann,     G.      1   11:213,     423;    IV 

8a:62;  8c:  1. 
Wychgram,   J.     11:66;    12:15,    305; 

IV  5:627;  8e:  80;  9:8,  68,  127. 
Wyczolkowska,  A.    IV  5  :  155. 
Wysocki,  L.     III  2:37;  4:14. 
Wyss,  B.     111:  283. 

—  F.     IV  5  :  69. 

—  G.  V.    II  3  :  67,  72/3. 


Wyss,  J.  E.     III  3:  27/7  a. 
Wyze-wa,  T.  r.    14:  579. 

Yongo,  Chr.  M.  de.     IV  5  :  442. 

Zabel,  E.  111:16;  12:266,393;  IV 
1  c :  23,  147;  1  d  :  24;  4  :  106,  314,  427, 
472/3;  5:29,  107/8.  151,  413,  425. 

Zacher,  J.     111:  431. 

Zähnsdorf,  J.     13:  298. 

Zagni,  V.     IV  4 :  42. 

Zahn,  J.     I   13:53. 

V.     14: 481. 

—  Th.     15: 338. 

—  W.     I  4  :  97,  373,  552. 
Zanetti.  F.     14: 582. 
Zang,  M.  J.     IV  5  :  116. 
Zangemeister,  K      13:  203. 

Zardo,  A.     IV  0:23;   8a:  78;  8e:87a. 

Zastrow,  E.     I  12  :  182. 

Zeidler,  J     III  4 :  22/3. 

Zelle,  F.    I  13:59. 

Zeller,  E.    I  1:7;  IV  5:266. 

Werdmüller,    H.  I  4:549;  11:140. 

Zenz,  W.     16: 225. 
Zepler,  G.     IV  5:637. 
Zerbst,  M     IV  5  :  187. 
Zernial,  U.     17:  116. 
Zettfirbaum,  M.     I  12  :  51. 
Ziegler,  C.    1  7  :  111. 

—  Th.     I  12:23,  74;  IV  5:269,  410  a. 
Ziehen,  Th.     I  12 :  50. 

Ziehn,  B.     I  13:75. 

Ziel,  E.     IV  4  :  171. 

Ziemssen,  L.     I  11 :  266;  IV  5 :  619. 

Ziller,  Fr      I  7  :  34. 

Zillgenz,  G.     I  8  :  50;  IV  11 :  48. 

Zimmer,  F.     II  6  :  190. 

—  H.     IV  2a:  99,  101;  4:44. 

—  0.     17:  119. 

Zimmermann,  A.  111:38;  1111:11, 
117. 

—  F.     I  12:248. 

—  G.  A.     IV  la:16. 

—  H.    111: 106,  286. 

—  M.  G.    111:6, 204,  318-20. 

—  P.    IV  5  :  349. 
Zimmern,  Helen.     I  11:364. 
Zingerle,  0.     II  7  :  18. 

Zix,  0.     13: 63. 

Zöckler,   0.     I    1  :  15;    II   6  :  2,    91; 

IV  5 :  273. 
Zola,  E.     I  3:174;  12:304,  317/8,  339. 
Zorn,  Ph      I  1 :  119. 
Zschommler,  M.     IV  lc:73. 
Zuck,  0.     II  6  :  88. 
Zucker,  M     I  11:2.53. 
Zürn,  G.  V.     1  4:451a. 

—  L.    I  7  :  70. 

Zumbini,  B.    IV  Id  :  77;  5  :417;  6:  23; 

8a:28;  8e:30. 
Zupitza,  J.     110:31a;     117:4;    IV 

ld:71. 
Zwenger,  F.     II  1:59;  IV  11  :.54. 
Zwiedeneck-Südenhorst,  H.  v.    III  1 :  10. 
Zwitzers,  A.  E     IV  6:31. 


Sachregister. 


Aachen.     I  3:250;  4:  236,  410/1. 

-  (Ocha),  M.  V.     II  6:126. 
Abecedarium  Magdeburgense.    I  6  :  10. 
Abeken,  B.  R.     IV  la;31a;  lc:69. 
Abel,  C.     III  5:15 

-  J.  Fr.     IV  5  :  104. 
Abendmahlslehre.    II  1:1. 
Aberglaube.      1   5:25,    32,   81-113;    II 

1:34. 
Abietiscola,  T.  (Danhauser).    II,  7  :  14. 
Abraham  a  Santa  Clara.    I  5:311;  111 

6:16. 
Abt,  F.    IV  2b:  102. 
Acidalius,  Valens.    II  7  : 3. 
Ackermann,  C.    IV  4 :  6,  375,  440. 

-  Esther.    III  5 :  10. 

-  H.    II  3 :  54. 

-  0.     IV  4 :  22. 

-  Th.    IV  4 :  180. 
Adam,  J.    I  11  :  370, 


Adamberger,  Antonie.    IV  4  :  38,  454. 
Adel.    I  6:151. 
Adelger,  Herzog.     I  5  :  152. 
Adelmann,  B.     II  7  :  42. 

—  Helene.     IV  lo:76. 

—  K.    II  7  :  42. 
Adelspartikel.    I  4 :  53. 

Adelung,  J.  Ch.   18: 40,  46;  IV  1  c  :  67. 

Adlermotiv.    IV  2a:  38. 

Aegir.     I  5  :  17/8. 

Aemilius.    II  7  :  62/3. 

Aeneas  Sylvius.     II  1:97;  3  :70. 

Aerzte.     I  4 :  121,  282. 

Aeschylus.    1  12 :  220/1;  IV  1  c  :  21,  69; 

8e:34. 
Aesthetik.    I  11 : 9 ;  12  :  23,  45- 143. 

-  d.  Klassiker.    I  12: 12/5  b. 

-  u.  Pädagogik.    112:78,83,4. 
Aesthetisch  u.  schön.    I  12:70,  111/2. 
Aestbetisches  Urteil.    I  12  :  11,  51. 


Agrargesohichte.    14:2018. 
Agricola,  J.     II  6:47,  119;  7:46. 

—  K.     16:118;  n6:40;  7:19,23,30. 
d.  J.     II  7  :  69. 

—  St.  (Kastenpanr).     II  6:30. 
Agrippa  v.  Kettesheim.     I   12:379-80. 
Ahasverus.     I  10  :  14;  IV  4  :  112. 
Ahlborn,  W.     I  11 :  292. 

Ahlfeld.  J.  F.     I V  1  c  :  108 ;  5 :  605. 
Aicard,  G.    IV  4  :  122. 
Akademie,  deutsche.    I  8 :  122,3. 
Akademien  s.  Schulen. 
Akosta,  Uriel.    IV  11 :  55. 
Aktualität.    I  1  :  120. 
Alamode-Tenfel.    HI  5:5. 
Albert,  H.     III  2:5. 

—  M.    IV  4 :  179. 

—  P.    n  1 :  94. 

—  Tan  Soest     I  11 :  252. 
Alberti,  V.    lU  5 :  22. 


Sachregister. 


Albertinns,  Aeg.     III  3  :  U;  5:5. 
Albertus,  Magnus.     II  7  :  30. 
Alberus,  Erasm.      II  1:88:    3:15;    6: 

146;7;  III  5:14;  IV  6:32a. 
Albrecht,  Kurf.  v.  Brandenburg.  I  3 :  41. 

—  Herz.  V.  Bayern.     II  1  :  146,  153. 

—  V.  Brandenburg,  Hochmeister.  II 
1 :  34/5. 

Kardinal.     I  11  :  215. 

—  V.  Mainz.  II  6  :  13,  16,  18,  28/9,  94; 
7:40. 

—  F.  E.  A.    IV  1  u  :  2. 

—  K.     n  6 :  122. 
Alciati,  A.     II  3  :  47. 
Aldus,  Miinntius.     I  3  :  245. 
Aleander,  Hier.     111:140:6:13. 
Alesius,  AI.    II  6  :  153. 
Alexander  d.  Gr.    I  5  :  229. 

—  I.  V.  Eussland.     IV  8b:  17. 

—  de  Villa-Dei.  16:9. 
Alexandersage.  I  5 :  223. 
Alexandriner.      I    12:31;    IV    2a: 20; 

4:6,  50;  10:25. 

Alford,  G.    IV  Sa:  80,  143. 

Allegorie     I  12:74:  II  1:81. 

Allerleirauh.    I  5  :  232. 

Allgäu.     I  4  :  440 

Allioli,  h\     IV  1  0  :  75. 

Allmers,  H.     IV  1  a  :  43. 

Allotria,  Gesellschaft  in  München.  I 
11:277. 

Almanache.  IV  10 : 7  (s.  a.  Musen- 
almanache). 

Alpenländer.    I  5  :  303. 

Alphabete.     I  3:91. 

Aisted,  J.  H.     16:  23,  29. 

Alt,  Th.     I  12:  Ulla. 

Altdorf.    I  6  :  148.  ' 

Altdorfer,  Alb.     1: 11,  2213. 

—  (Superintendent  in  Kulmbach).  I 
6 :  95/6. 

Altertum,  germanisches.     IV  2  a :  24,6. 

—  klassisches.     I  1:41,  54;  7:19,  33. 
Althenneberg.     I  11  :  165. 

Altmann  (Prof.  in  Bern).     III  5:63. 
Altmüller,  G.     IV  4  :  202. 
Altstedt.    I  5 :  42. 
Amadisroman.     IV  10  :  71. 
Amazonen.     IV  4  :  60. 
Ambach,  Melch.    II  1 :  64. 
Ambros,  A.  W.     IV  lc:157. 
Amelungsborn.     II  4  .  4. 
Amerbach,  B.     II  6:170. 

—  H.     13: 109. 

—  (Verleger).     I   11 :  172. 
Amerika.     U  1 :  109-14,  164. 
Ammann,  H.     U   1 :  55. 

—  J.     I  3:238;  11:216. 

—  Kasp.     II  7  :  42. 
Ammersbach,  H.    III  5  :  5. 
Amor  u.  Psyche.    I  10:4. 
Amsdorf,  Nie.  v      U  6 :  13,  56. 
Amsdorff.     I  3:38. 
Amsterdam.     I   11  :  413. 
Anachronismen.     11  4 : 1. 
Anakreon.     IV  2a:  18/9. 
Anakreontik.      lU   2:32;    IV    lc:65; 

2  a :  8,  20,  28,  31,  38 ;  8  c  :  7,  9 ;  8  e  :  21. 

—  u.  Goethe.    IV  8c:  7,  9. 
Anatomie     als    Unterrichtsgegenstand, 

I  6 :  205, 6. 
Andersen,  H.  Chr.    IV  1  c  :  14,  91. 
Andreae,  Jak.     II  1:1,  173. 

—  J.  V.  I  6:23/7;  III  2: 14j9;  5:22; 
IV  8e:88. 

Andreas  (Kapellan).     II  3:2. 
Andrelinus,  ^austus.     II  7  :  30. 
Anekdoten.    I  5    243/4. 
Angelus  Silesins.     I  6:  213;  III  2  :  13; 

5 :  20  a. 
Angenehme,  D.     I  12:51,    66,    67,    74, 

111  la. 
Anhalt.     I  11  :  100. 

—  Luise  Fürstin  v.     14: 143. 

—  -Köthen,  Luise  Ferdinande  v.  IV 
2a:  79;  Sd:30. 

Anhultiner.     I  4  :  96/7. 

Anmut.     1  12:4,  45,  84. 

Anna  Amalia,  Herzogin  t.  Sachsen- 
Weimar.  IV  5:23;  Sa:50;  8b:21, 
42,  44. 

Annaberg.     II  1 :  138. 

Annoncenwesen.     I  3  :  154. 

Annunzio,  6.     IV  4:204. 

Anonymität,  in  d.  Presse.    I  3 :  174. 

Ansbach.    I  11 :  152. 

Anschaunngsprinzip.     16:8. 

Anschtitz,  H.     IV  1  c  :  1.57. 


Anshelm,  Th.  13:  72,  79,  245 ;  II  6 :  47. 

—  V.    II  3:69. 
Anspacb,  P.     II  6  :  35. 
Anstandsbuch  für  Studenten.  1 6  :  127/8. 
Antesperg,  J.  B.     16:  225. 
Anthaler.     I  6  :  57. 

Anthologia  Palutina.     IH  2  :  32. 
Anthologie,  griechische.    IV  9c  :18a. 
Anthologien.     I  7  :  92. 
Anthropomorphismns.     I  12  :  144. 
Antike,  D.    I  6: 18:  IV  9c:  18a-20. 
Antiquariatskutaloge.     I  3  :  153. 
Antisemitismus.     I   12 :  267 ;   IV  6  :  23. 
Anthisthenes.     I  12  :  379-80. 
Anzengruber,  J.    IV  4.:  270. 

—  L.  I  12:223;  IV  la:32:  lc:856: 
4 :  84,  117,  169,  2(i6,  264,  267-72,  314. 

Aparte,  D.     I  12:228. 
Apelt,  0.     17: 12. 

—  K.    IV  Ia:41. 

Apfelschuss.     IV  9:132. 

Apianqs,  s.  Bienemann,  P. 

Apiarius,  M.     I  3:82. 

Apokryphen.    II  4  : 1. 

Apotheker.     I  4 :  282. 

Appian.     II  7  :  67. 

Approbation.     I  3  :  278. 

Apuleius.     I  5:230:  10:5. 

Arbeiterfrage.    13:148/9 

Arbeitslöhne.     I  4  :  403;  11 :  159. 

Arce,  G.  Nunez  de.    IV  1  d  :  92. 

Archer,  W.     I  12  :  349 ;  IV  4 :  138. 

Architektur.     I  12  :  74. 

Architypograph.     I  3 :  264. 

Archivbenutzung.     I  3:201. 

Archive  (s.  auch  Briefwechsel  n.  Hand- 
schriften )  in :  Agram  I  3  :  47.  Arolsen 
II 6  :  14S.  Augsburg  II  7  :  43.  Bologna 
II  7  :  12.  Brandenburg  I  3  :  41. 
Bremen  I  3  :  45.  Dresden  I  6  :  199. 
Frankfurt  a.  M.  I  3  :  46,  49.  Frank- 
reich I  3  :  48.  Hagenau  i.  E.  I  5:114. 
Hamburg  I  3  :  45.  Hannover  I  3  :  45 
Hansastädte  I  3 :  45.  Holland  I  3  : 
45.  Kärnten  III  2  : 4.  Köln  I  3 :  45. 
Kroatien  I  3  :  47.  Leipzig  I  6 :  202. 
London  II  6  :  59.  Oldenburg  I  3  :  45. 
Osnabrück  I   :S:111.    Ostfriesland   I 

3  :  45.  Padna  II  7  :  12.  Pavia  II 7  :  12. 
Perugia  II  7  :  12.  Pfalzbayern  I  3  : 
43  Pisa  II  7  :  12.  Eheinlande  1 3  :  45. 
Schleiz  I  3  :  42.  Siena  II  7  :  12. 
Stettin  I  6  :  154.  Strassburg  I  3  :  44 : 
II  7:38.  Weimar  IV  Sa:  34;  8b:  1: 
9:22,  27,  62. 

Argensola.     IV  1  d  :  93. 
Arien.     I  3:127. 
Ariosto,  Lud.    IV  10:41. 
Aristophanes.      I    12:168;    IVlc:42; 

10:41. 
Aristoteles.      I    5  :  229 :    7  :  61 ;    10  :  7 ; 

12:168,  190;  IV  6:36;  8e:3. 
Armenpflege.     I  4  :  358. 
Armin.     III  3  :  12. 
Arnd,  Joh.     III  5  :  22,  26. 
Arndt,  E.  M.     I  6:176;   IV  la:6,  23; 

lc.:22,75, 159-60;2a:87-93;2b:4  5; 

5  :  322,  547/8,  550 ;  10 :  18  9. 
Arneth,  Alfr.  v.     IV  1  c  :  140, 

—  Antonie  v.    IV  1  c  :  140. 

Arnim,  Bettina  v.  lY  lc:47,  154; 
2b:  104;  10:67. 

—  L.  A.  v.  IV  8d:32;  10:9,  13, 
60/2,  71,  104. 

Arnold,  G.     I  6  :  171 :  III  5  :  22. 
Arnpeck,  V.     II  3:80/1. 
Arnstein,  B.  D.     IV  4  : 1. 

—  Henriette  v.    IV  8b:  15;  10:66. 
Arroyo,  Luisa.     IV  ld:93. 
Arzneibuch.     I  5  :  43. 

Ascham,  Roger.     II  1 :  168. 
Aschenbrödel.     1  5  :  232. 
Aschermittwoch.    I  5 :  12. 
Aschersleben.     I  4  :  371a;  5  :  32. 
Asper,  H.     111:  216. 
Aspern.  H.  tho.    I  6  :  12. 
Astrologie.     II  6:  19,  41. 
Astronomie.     II  1 :  107. 
Attendorn,  P.    13:  72. 
Attinghusen,  Wernher  II  v.    IV  9 :  136. 
Audenhain.     I  4 :  375. 
Auerbach,  B.     IV  lc:86,  91,  130,  145, 

148,  156;  4:74,  84,  250,  269. 
Auerbachs  Keller.     I  5  :  254. 
Auersperg,   A.   Graf  t.   (Anast.  Grün), 

IV  la:33;  lc:83,  86,  157;  2b:  114; 

4  :  230;  10  :  91. 

Aufführungen,  dramatische.     I  1 :  140. 


Aufklärung.      I    4  :  423a;    6  :  40;    Ili 

5 :  49. 
Aufsatz,  deutscher.  I  6 :  166;  7  :  11, 13. 
Augsburg.      I     4:452a;     11:131;    II 

1 :  47,  49. 
Augsburger,  C.    II  7  :  18. 

—  Allianz.    III  1 :  52. 

August,  Kurf.  V.  Sachsen.  II  1:42; 
U  2 :  44. 

—  Herzog  v.  Gotha.    IV  1  c  :  13. 

—  Prinz  T.  Gotha.     IV  Sb:2. 
Auguste,   Prinzessin    v.    Weimar.     IV 

8b:13. 

—  Ferdinande,  Prinzessin  Luitpold  v. 
Bayern.     IV  lc:4. 

—  Karoline,  Grossherzogin  v.  Mecklen- 
burg-Streiitz.     IV  1  c  :  5. 

Augustenburg,  Fr.  Chr.  Herzog  zu.  IV 
1  a :  22. 

—  Luise  Auguste  Herzogin  zu.  IV 
1  a :  22. 

Augustiner.     II  7  :  6. 

Augustus,  Herzog  v.  Lauenburg.  III 
1  :  15. 

Aurispa.     II  1  :  93. 

Ans  dem  Winkel,  Therese  Emilie  Hen- 
riette.    IV  1  c  :  13. 

Anspielen.     I  5 :  104. 

Aussatz.     I  4:23(1. 

Ausstand.     II  1  :  138;  IH  1 :  65. 

Auswanderung.     I  4  :  437. 

Autodafe.     I  5:113. 

Autographen.     I  3:51-60. 

Autorrecht.     I  3  :  282. 

Ayrenhofr,  C.  H.  v.     IV  4:1. 

Ayrer,  J.  II  3  :  21;  4  :  34;  lU  4  :  6a,  7; 
IV  4 :  305. 

Baader,  F.  v.     IV  5  :  89.  210. 
Babrios.     1  12:203:  IV  6:32. 
Bach,  J.  S.     I  11:160;  13:72/79. 
Bachelin,  Auguste,     111:  347. 
Bacmeister,  A.    12: 32. 
Baco  V.  Verulam.    16:8. 
Badeleben.     I  4 :  74. 
Baden.    I  11  :  88. 
Baechtold,  J.     II  1 :  7. 
Bahr,  C.     IV  lc:94. 

—  G.     111: 162. 
Bali,  J.    II  1 :  131. 

Baer,  K.  E.  v.    IV  1  c  :  118. 
Bäuerle,  A.     IV  4  :  411. 
Baggesen.   J.     IV    la:22;    lc:20,  36 
9:26;  10:47. 

—  Th.  V.    IV  la:22. 
Bahlsen,  L.     IV  1  d  :  70. 
Bahr,  H.    I  12  :  421. 

Bahrdt,  K.  F.     IV  5  :  284;  8e  :88. 

Bahrrecht.     I  5  :  78-80. 

Bälde,  J.     IV  7:8;  10:68. 

Baidinger,  Frau.     IV  6 :  13. 

Bale,  John.     II   l  :  84. 

Ballade.     I  5  :299;  IV  2a:  10. 

Balladendram.v.     IV  10:103. 

Bullet.     I  12:242. 

Balthasar,  Herzog  t.  Mecklenburg.    U 

1:86. 
Baltische  Provinzen.     111:  154,  249. 
Balzac,  H.  de.    1 12  :  309.  316;  IV  10:5. 
Bamberg.     I  4  :  447 ;  11 :  150. 

—  F.     IV  5  :  543. 
Bamberger,  L.     IV  5 :  579-80. 
Bändel.  E.  v.    I  11 :  296/7;  IV  1  c  :  151 ; 

2b:  36. 
Bandello,  M.    III  4  :  15. 
Banner,  J.    IH  1 :  19-20. 
Banzer,  H.     II  2  :  21. 
Barbara.    I  5  :  17/8. 

Legende.  I  10  :  6. 

Barbari,  Jacopo  dei.  111: 210. 

Barden.  I  13:29. 

Bardenpoesie.    IV  2a:  28/9. 

Barlaam  u.  Josaphat.     I  10:3. 

Barnay,  L.     IV  4:367. 

Barnes,  A.     II  6:59. 

Barres,  M      IV  la:38. 

Bart,  H      II  2:21 

Bartels,  Ad.    IV  la:8. 

Barth,  C.  v.    III  2  :  39. 

Bartisch,  G.     14: 281. 

Baryphonus,  H,    I  13:66. 

Basedow,  J.  B.  I  6  :  30,  45,6;  IV  5 :  479; 

8a:  136. 
Basel.     I  4  :  297 ;  11  :  138,  452. 
Bastlöserreime.    I  5  :  257. 
Batsch.     IV  8b: 4,5. 
Baudelaire,  Ch.     IV  2b :1. 
Baudissin,  Wolf  Grnf.     IV  1  c  :  69. 


Sachregister. 


Bandovin  de  Sebourc.    I  10 :  10. 
Bauer,  B.    IV  1  c  :  147. 

—  L.    IV  10:125. 
Bauern.     II  1  :  127. 

Banernfeld,  Ed.  V.  IV  la:  32;  4  :  183, 
202,  215,  223,  225-30,  314,  373,  472. 

Banernhaus.     I  5  :  66,  307;  11 :  162. 

Banernhobeln.     II  4 :  14. 

Bauernlcriege.  1 4 :  207 ;  II 1 :  20,3 ;  3 :  79. 

Banernlieder.    IV  2a:  35. 

Bauernparlament.     II  1  :  20. 

Bauernrevolutionen.     III  1  :  48-50. 

Bauernstand.     I  4:204,7a. 

Bauernetück.    IV  4  :  314. 

Baukunst  als  ünterrichtsgegenstand. 
I  6:205/6. 

ßaulente.    I  5  :  71/2. 

Baumann,  A.     IV  1  c  :  157. 

Baumbach,  E.     IV  1  d  :  73. 

Baumeister.     I  11 :  135/6. 

Baumgarten,  A.     IV  la:3. 

—  H.     II   1:57;    IV  5:330/3;    8a:77. 

—  S.  J.    IV  2  a :  79. 
Baumgärtner,  H.     14:  138. 
Baur,  F.  C.     IV  5  :  263/4. 
Bausagen.     I  5 :  148. 
Bavink,  L.     11  7  :  30. 
Bayer,  K.     IV  1  c  :  97. 
Bayern.     I  11  :  85,  143-56. 
Baylv,  Lewis.    III  5:22. 
Bayreuth.    I  4:452;  13:121/6,  139-40. 
Beamtenvesen.     I  4 :  188. 
Beaumarchais,   Caron   de.     IV  1  c  :  11 ; 

4:204,396;  8e:23. 
Bebel,  H.   II  1 :  60. 6S ;  6 :  100 ;  7  :  36,  42. 
Beck,  H.    IV  4  :  372. 

—  K.     IV  4:57. 

—  R,  Buchdrucker.  I  3:72. 
Beckenhaub,  J.  I  3  :  75,  83;  11  7:21. 
Becker,  A.  IV  1  a  :  16. 

—  C.  m  2 :  27. 

—  Sophie.  I  4 :  143. 

—  („D.  rote  Becker".)    I  6  :  145. 
Beer,  Mich.    IV  2b  :  32;  5  :  536. 
Beethoven,  L.  van.    I  13 :  80,  87-94,  97 ; 

IV  lc:69,  124,  145;  4:215. 
Befreiungskrieg.    17:4. 
Beghinen.    IV  11  :48. 
Begräbnis.    I  4 :  47,  202 ;  5 :  37. 
Begrüssungen.     I  4 :  49. 
Begruelin,  Amalie  v.    IV  1  c  :  24. 

—  H.  V.     IV  1  c  :  24. 

—  E.  V.    IV  lc:24. 
Behaim,  M.    II  1:109;  2:22. 
Beham,  A.     I  11:227/8. 
Behem,  Buchdrucker.    I  3  :  71. 
Behexung.     I  5  :  88. 

Bebra,  M.     II  2 :  12. 

Behrisch.    I  6  :  238 ;  I V  8  b  :  27. 

Behrmann,  F.     IV  4:4. 

Beil,  D.     IV  4  :  372. 

Beiwort,  schmttckendes.    I  12  : 4. 

Bekk,  Jessie.     IV  1  d  :  44. 

Bekker,  I.     IV  1  c  :  138. 

Bellini,  G.     111: 196. 

Below,  F.  V.    IV  5  :  341,2. 

Benecke,  Gg.  Frd.    IV  1  c  :  126. 

Benediktbeuren.    I  4  :  504. 

Benediktiner.     I  3:83;    4:499,    503/5, 

512;  6:87. 
Benedix,  Eod.     IV  1  c :  157 ;  4 :  107/9. 
Beneke,  F.  E.     IV  5:89,  146. 
Benfey,  Th.     I  10:9. 
Ben  Jenson.    III  2:34. 
Benserade.    III  4 :  17. 
Ber,  L.    II  1 :  33. 
Beranger,  P.  J.     IV  10:79,  91. 
Berat,  Fr.    IV  ld:26. 
Berchtenunzng  auf  Epiphanias.  1 5 :  62. 
Beredsamkeit.    IV  5  ;  605/6. 
Berg,  Franziska.    IV  4:423. 

—  L.     IV  11 :  20. 
Bergbau.    I  4:220. 
Bergenfahrer.     I  4  :  248. 
Bergenroth,  K.     IV  5  :  299. 
Berger,  A.  Frh.  v.    IV  4 :  204,  237. 

—  L.     IV  2a:  48;  2b:  20. 
Bergerat,  E.    I  12  :  327. 
Bergmann,  Fr.    IV  la:46. 
Bergsöe.    I  12:316. 
Bergrwerkslied  in  Kärnten.    I  5:271. 
Beringer,  Kitter.    II  3:1. 

Berlioh,  Maria  Sophia.    III  2  :  39. 
Berlin     14:84,   289,   324-37;  5:336; 

11:103,  168,  256,  2,58,  289,  411,450; 

III  1:108;  IV  2a:  77;  5:  607;  8b:  12. 
Berlioz,  H.    IV  1  o :  157 
Bern.    I  11:139,  219;  m  6:68. 


Bernard,  Claude.    I  12  :  309,  819. 
Bernauerin,  Agnes.     I  10  :  21. 
Bernays,  J.    I  12:220;  II  1:99. 

—  M.    II:  118. 
Bernegger,  M.    III  1  :  109. 
Bernhard  v.  Sachsen-Weimar.  111: 438 ; 

III  5 :  10. 

—  (Buchdrucker).    I  3  :  109. 
Bernhardi,  Anna  Sophie.    IV  lc:47. 

—  Aug.  Ferd.    IV  1  c  :  47 ;  10  :  39. 

—  Fei.  Th.  V.     IV  l  c  :  47. 

—  Sophie.     IV  10  : 7,  23,  30,  39. 
Bernoulli,  J.     16: 240. 

—  Nik.    III  5  :  63. 
Bernstein,  Elsa  s.  Rosmer,  C. 

—  M.     IV  4:367. 
Bernstorff,  J.  v.    IV  1  a :  22. 
Bertheau,  C.    II  2:14;  6:51. 
Berthold,  (Buchdrucker).    I  3:81. 
Bertram,  Chr.  A.     IV  9  :  25. 
Bertuch  (Schulrektor).     I  6:169. 

—  F.  J.     IV  lc:94;  4:10. 
Berns.  F.     II  7  :  33. 

Berzelius,  Frh.  J.  J.  v.     IV  1  c :  117. 

Besant,  Walter.     I  12:349. 

Beschwörnngsbuch.    I  5  :  85. 

Beschwörungsformel.    I  5  :  278. 

Besessenheit.    15:115. 

Besoldung.    I  4  :  105. 

Besprechen  von  Krankheiten    I  5  :  90/1. 

Bestallungsurkunden.     16:3. 

Bettlerhochzeiten.     I  5:328. 

Betulius,  S.     I  6:238;  II  4:18. 

Beuter  (Pfarrer).     III  5:63. 

Bevölkerungsknnde.    14:211/8,422. 

Beyerbach,  J.  C.     1  3:234. 

Beza,  Th.    II  6:3. 

Bezanceau,  J.     13:  86. 

Bezold,  F.  V.     II  6:4;  7:19. 

Bibel  (s.  auch  Luther).     I  3:21,  51/8, 

105/6. 
Bibelcitate.    I  5  :  338. 
Bibelrevision.    II  6 :  71/4. 
Bibelübersetzungen   (s.   auch  Luther). 

I  1:93,  110;  8:32/4. 
Bibliographie.  1 3 :  119-53, 270 ;  U  3 :  55 ; 

IV  4  : 1/3,  38,  202. 

—  der  Mundartenforschnng.   I  8  :  14/7. 
Bibliotheca  Friedlandiana.    I  3  :  212. 

—  historica  militaris.     I  4  :  190. 
Bibliothek,  Allgemeine  Deutsche.     IV 

5:29. 
Bibliotheken  (s.  auch  Gesindebibliothek, 
Magazinbibliothek ,  Schulbibliothek , 
Volksbibliothek)  13:175-234.  In: 
Ansbach  I  3  :  216.  Augsburg  II  6  :  60. 
Basel  I  8 :  59.  Berlin  I  3  :  144.  204/5. 
Brandenburg  II  6  :  119.  Bremen 
I  3 :  225.  Bromberg  I  3  :  176.  Bruch- 
hausen I  3  :  180.  Chicago  I  3 :  211. 
Danzig  I  3  :  36.  Darmstadt  I  3  :  125, 
238.  Dresden  I  3  :  295;  IV  9  :  19. 
England  I  3 :  179.  182.  199.  264,  286. 
Frankfurt  a.  M.  I  3 :  209.  Frankreich 
I  3  :  30,3.  107,  178/9.  Freiberg  I  3  : 
210.  Gent  1 3 :  123.  Göttingen  11:171; 
IV  2a:  34.  Güstrow  1 3  :  217.  Heidel- 
berg I  3  :  203.  Heilbronn  I  3  :  191. 
HoyaI3:180.  Jena  116:56.  Joachims- 
thal I  3  :  218;  II  6  :  150/1.  Karlsruhe 
I  3  :  207.  Königstein  II 1 :  66.  Krems- 
münster 1 3 :  149.  Krotoschin  1 3 :  219. 
Lambach  13:149  Landshut  II 6: 118. 
Leipzig  I  3  :  185,  233.  Linz  I  3 :  149. 
Lübeck  I  3  :  190,  208.  Mediasch  I  3  : 
220.  München  II  6:5,  44.  Münster- 
eifel  I  3  :  221.  Nürnberg  U  6  :  55, 
124.  Osnabrück  1  3 :  111.  Prag  I  3 : 
175.  Eiga  n  6  :  61.  Schleiz  I  3 :  222. 
Schneeberg  I  6 :  201.  Strassbnrg  i.  E. 
1 3  :  177/8.  Ungitrn  1 3  :  183.  Vaticana 
13:185  7;  4: 146;  II  1:140.  Weimar 
I  3  :  206;  IV  4 :  9.  Wernigerode  I  3  : 
181.  Wertheim  111:66.  Zerbst  13: 
224.     Zwickau   I   6  :  113;    n  6  :  48. 

—  akademische.     I  3  :  227/8. 

—  pädagogische.     I  3:215. 
Bibliotheks-Adressbuch.    I  3  :  194. 
Lehnsregister.     13:180. 

Lehre.    I  3:195. 

— Wesen,  antikes.    I  3:244. 

modernes.    I  3  :  231. 

Bibliothekzeichen,     I  3  :  236. 
Bidermann,  Jac.     I  10 :  12. 
Biedenkapp,  G.     IVla:14. 
Biefer  i  Perrückenmaoher).    III  5  :  33. 
Bienemann,  P.    II  1 :  109. 
Bier.    I  4:275;  IV  2a: 62. 


Bierbaum,  0.  J.    IV  1  a :  18. 
Biese,  A.    I  12 :  78,  108. 
Bigeon,  M.    I  12 :  361. 
Bild,  Veit.    U  7  :  42.  44. 

—  u.  Gleichnis.    I  12  :  177-87. 
Bilder  im  Unterricht.     I  7  :  38. 
Bilderbücher.    I  6  :  13. 
Bilderfibeln.     I  6:10. 
Bildergedichte.     IV  2a: 62. 
Bilderhandschriften.     I  3  :  21,  26. 
Bildung  religiöser  Ideen.     I  4 :  14. 
Bindemann,  E.  Chrph.     IV  2a:  2/4. 
Biographien.     I  1:163/8,  171;  6:8. 
Biologie  d.  Geistes.    IV  7  :  11. 
Birch-PfeifTer,  Charlotte.    IV  4 :  79-80, 

314. 
Birck,  Sixt.     II  7  :  3. 
Birken,  S.  v.     III  4:24;  5:8. 
Birlinger,  A.     II  3 :  62. 
Bismarck,  Augustus  v.     14:  552. 

—  Fürst  Otto  V.  18:  52/3;  IV  1  c  :  35, 
138;  2b: 71;   5:299,  445,  572,  605/6. 

Bischoff.    IV  2a:  109. 

Bissing,  Henriette.    IV  2a:  76. 

Bitterfeld.     I  11:99. 

Bittschriften.     I  4 :  87/8. 

Bitzius,  A.   IV  1 0  :  130;  1  d  :  17 ;  5 :  545. 

Bielinski.    I  12  :  316. 

Björnson,  B.    I  12  :  371;    IV  2b  :  109; 

4 :  124. 
Blado,  A.     I  3:93. 
Blanka  Maria.     II  2  :  20. 
Blankenburg.     I  5:231. 
Blarer  v.  Wartensee,  E.    13: 110. 
Blanmäntelchen.    I  5 :  134. 
Blaurer,  A.    II  7  :  36. 

—  Th.    II  7  :  36. 
Bleibtreu,  G.    I  11 :  332. 

—  K.    112: 144,  267. 

Blinde  auf  der  Bühne.    IV  4 :  362. 
Blinde  Lermen,  D.    m  4  :  22. 
Blücher,  Fürst.    IV  1  c :  158. 
Blumenan,  L.    II  7  :  13. 
Blnmenbach,  J.  F.    IV  8b:  15. 
Blumenorden,  Pegnesischer.     III  5  :  3.! 
Blumenthal,  0.    IV  1  c  :  156. 
Blumerschs,  Bad  zu.     I  3  :  125. 
Bluntschli,  J.  K.     IV  1  c  :  90. 
Blntaberglaube.    I  4:  177/8. 
Boas,  Ed.    IV  9c:  20. 
Bobbe  (Oberpfarrer).     IV  2a:  29. 
Boccaccio,  G.  1 3 :  26 ;  10 :  10. 42 ;  II 1 :  80. 
Bochum.    I  4:406. 
Bock,  H.     I  11:218. 

—  L.     I  11:239. 

Bode,  J.  J.  Ch.    16:  240. 

—  L.     I  11:302. 
Bodeckersche  Chronik.    II  3  :  57. 
Bodenstedt.  F.  v.    I  7  :86;  IV  1  c  :40, 

88/9;  2b:  48-80;  5:505. 
Bodmer,  H.    IV  1  d  :  68. 

—  J.  J.  I  1:110;  10  :  24;  1115:63; 
IVla:48;  1  c:  65,  67;  2a:18/9,30,38; 
4:6. 

—  (Schweizer  Schulmann).    I  6:77. 
Boeck,  J.  M.    IV  4  :  425. 

Boeckh,  Aug.     IV  1  c  :  94,  138 ;    5  :  361. 

Böckler,  M.,  von  Ingolstadt  (Buch- 
drucker).   I  3 :  75. 

Böcklin,  A.    111: 349. 

Böddecker,  Ph.  F.    I  13:69. 

Bödiker,  J.    I  6:171. 

Böhme,  J.     UI  5  :  20  a,  22 ;  IV  1  c  :  100. 

Böhmen.  I  1  :  112;  4  :  229;  II  1  :  29, 
89;  IVla:34. 

Böhmer,  Karoline.    IV  4  :  20. 

Böhnhasen.     I  4  :  231  a. 

Bölte,  Amalie.     IV  1  c  :  78. 

Boemus,  Job.     I  5  :  12;  II  3  :  61. 

Börne,  L.  IV  lc:95,  135;  4:213; 
8d:4;  11  :  4/5. 

Bötticher,  K.    I  11 :  5,  65. 

Böttiger,  K.  A.  IV  la:44i  lo:94, 
121;  4:10;  5:35;  8b:2;  8d:3; 
9  *  25 

Bohemüs,  M.    n  4:31. 

Bohn,  A.     IV  2a:  113. 

Bote,  H.  Ch.    16: 238 ;  IV  2  a  :  2  ?. 

Boileau,  N.  I  12:  144;  lU  5  :  15;  IV 
2  a :  20. 

Bojardo,  M.  M.    II  1 :  74. 

Bolte,  J.     n  2  :  38. 

Bombeck.    I  11 :  213. 

Bonaparte  (s.  a.  Napoleon).    I  5 :  329. 

Bondeli,  Julie.     IV  5:30. 

Boner,  H.    US:  53. 

Bonheur,  Bosa.    I  12 :  287. 

Bonifacius.    I  5 :  368. 


Sachi'egister. 


Bonitz,  H.     16:  63/4. 

Bonnet,  C.     IV  5:2. 

Bonnus,  H.     II  6:136/8. 

Bonstetten,  Albr.  v.     II  3:70;  7:15/7. 

—  U.  V.     IV  5  :  545. 
Bookesbentel.    IV  4  :  393. 
Bopp,  F.     I  2:49. 

Borbet  =  Vorbei     I  5  :  17/8. 
Borokut.     m  2  :  40. 
Borkenstein,  F.    IV  4:4. 
Bonnann  (Schalmann).     I  6:253. 
Bornstedt,  Luise  t.    IV  1  c  :  74. 
Borsch  y.  Wallrode.     IV  4:406. 
Bosio  (Geschichte  desJohanniterordens). 

IV  9:50a. 
Boss,  K.,  V.  Flachslanden.     II  1  :  34. 
BoBsert,  G.     II  6:8. 
Bosset-Manry.     IV  2a: 49. 
Botzheim,  J.  v.     II  7  :  36. 
Bouchet,  J.     n  1 :  43. 
Bouffiers.     IV  2a:  10. 
Bourbon,  N.    I  11  :  204. 
Bourget,  P.     I  12:301,  306,  316. 
Bouterwek,  F.     IV  5  :  152. 
Bonyer,  J.  (Buchdrucker).     I  3  :  68. 
Boxberger,  R.     m  4  :  15;  IV  10  :  106. 
Braccetto,  M.    II  1 :  140. 
Brachmann,  Luise.    IV  2a:  2/4. 
Brachvogel,  U.     IV  la:  16;  4  :  314. 
Bräunlein,  W.  (Buchhändlerl.    I  3  :  246. 
Brahe,  Tycho  de.    II  1 :  123. 
Brahms,  J.     IV  1  c  :  157. 
Bramarbas.     I  10:39. 
Brandauer.     I  7  :  100. 
Brandenbnrgische  Kanzlei.     I  3  :  41. 
Brandes,  G.     IV  la:4. 
Brandt,  J.  C.     III  1  :  129. 
Brant.  M.  (Buchdrucker).    I  3:72;    II 

3:1. 

—  S.     I  1:92;  II  1:88;  3:50;  7:43. 
Braugewerbe.     I  4  :  228. 

Braun,  G.     U  2:212. 

—  K.     n  6:18,  134;  7:42;  IV  5:581, 
606. 

Braunschweiger       Baudenkmäler.        I 
11 :  167. 

—  Taufstreit.     I  4:42. 
Braunschweigische  Centralbehörden.    I 

4:188. 
Braut,  die  „falsche".    I  5  :  68. 
Brautraub.     I  5  :  50. 
Brawe,  W.  t.     IV  1  a  :  3. 
Brecht,  G.     IV  1  c  :  94. 
Bredenbach,  M.  T.     117:31. 
Breitinger,  J.  J.    I  1:110;  6:77. 
Breitenstein,  Abt  Seb.  t.    I  6  :  88. 
Bremen.     I  4  :  347. 
Brentano,  Bettina.     IV  Sa:  17. 

—  Kl.      IV    2b:22,4;    8d:32;    10:13, 
41,  63/5,  68,  93,  104. 

—  Sophie  (s.  a.  Mereau,   Sophie).    IV 
8b:  15. 

Brenz,  J.    II  6: 14,. 47,  148,  180,  186  a. 
Breslau.    I  4:251;  6:240:  11:168. 
Breton  de  los  Herreros.     IV  1  d  :  93. 
BretBchneider,  H.  G.  t.    IV  lc:66. 
Breut,  K.    IV  ld:38. 
Breviarium  historiale.    I  3  :  86. 
Briefe.      I   3:283;    4:136-40;    6:166; 

n  1  :  140,  1509. 
Briefwechsel.  IV  1  o.  —  IV  2  b :  99, 104, 

119. 
Brink,  B.  ten.    I  2:45/6;  IV  ld:60. 
Brinkmann,  K.  G.  v.     IV  10:7. 
Brion,  Friederike.    IV  8a:  17;   8b:  26, 

29-35:  8e:100. 

—  J.    IV  8b: 30. 
Brixen.     I  3  :  149. 

Brixener  lialerschule.    111:  244. 

Brockes,  H.  B.    IV  2  a  :  20. 

Brockhagins,  Chrph.     II  1  :  86. 

Brockhaus,  F.  A.     IV  Ic  :  94;  2a:  109. 

Broelmann,  St.     II  3  :  91. 

Broker,  J.  K.    IV  1  c  :  94. 

Bronner,  F.  X.    I  12:206;  lY  8a:  166. 

Brorne.     I  3  :  264. 

Brubach,  P.     U  6:47. 

Brnchhausen  s.  Hoya. 

Brudermord.    I  10  :  13. 

Bracke,  E.  W.  v.     I  11:409. 

Brüder,  die  3  findigen.     I  5:235. 

Brügge,  Museum.     I  11 :  413. 

Brühl,  K   F.  M.  P.  Graf  v.     IV  la:44. 

Brüssel,  Museum.    111:413. 

Brugsch,  H.    IV  1  c  :  91,  132. 

Brun,  Friederike.    IV  la  :  22;  2a  :  1/4. 

Brunfels,  0.    n  7  :  39. 

Brunn,  Fr.    IV  1  c :  104. 


Brunn,  H.  v.    IV  5:377. 
Bmnnenfest,    rheinisches    im    Mai.     I 

5:60. 
Brunner,  K.     II  4:  11. 

—  S.     I  12  :  223. 

Bruno  (Stifter  d.  Karthiuserorden).   El 

7:30. 
Brustfleck,  Kilian.     IV  8a:  49. 
Bruyn,  B.     I  11:237)8. 
Brykert,  J.  D.     IV  lc:125. 
Bncer,  M.     Hl:  140,  152,  168. 
Buch  d.  Hss.-Zeit.    I  3:27. 

—  d.  neuen  Liebe.    II  3:2. 
Buchanan,  G.     II  l :  173. 
Buchbinder.     I  3  :  88,  299. 
Buchbinderkunst.     I  3  :  103,  294/9. 
Buchdruck.  I  3  :  64-112,247;  4  :  244:  8: 

9.  11 ;  II  1 :  156.  In:AachenI3:112. 
250.  Angers  I  3  :  86.  Augsburg  I  3  : 
80,  83.  Bamberg  I  3:83.  Basel  I 
3  :  81 :  II  1  :  156.  Darmstadt  II  3  :  55 ; 
Erfurt  I  3:83.  Frankfurt  a.  M.  I 
3  :  245.  Frankreich  I  3  :  85-91,  103,9. 
Freiberg  I  3  :  76 ;  4  :  244.  Freiburg  i.  B. 
I  3  :  65,  75.  Hagenau  I  3  :  79.  Heidel- 
berg III  1 :  17.  Italien  I  3  :  69,  81. 
84,  93.  Kempten  I  3:110.  Köln  I 
3:83.  Kurbayern  13:110.  Leipzig 
I  3  :  245.  Magdeburg  I  3  :  83.  Mainz 
I  3:69-71.  Marburg  I  3:97;  H  6: 
46.  Meissen  I  3  :  83.  Nessel  I  3  :  84. 
Nürnberg  I  3  :  73/4,  83.  Osnabrück  I 
3  :  111.   Ottobeuern  I  3  :  83.    Rostock 

I  3:83.  Spanien  I  3:92.  Strass- 
burg  i.  E.  I  3:64,  72/3,  79,  83,  245; 

II  6  :  47.  Ursel  II  1  :  66.  Wessobrunn 
1 3 :  83.  Wittenberg  I  3  :  83;  H  1 :  155. 

Buchdruckereien,  geistliche.    I  3  :  83/4. 
Bncheinbände.     I  3  :  295/6. 
Bucher,  L.     IV  5:570/2. 
Buchgewerbe.     I  3 :  291/3. 
Bachhändlerinventare  d.  16.  Jh.     I  3 : 

247. 
Buchhaltung.     I  6  :  205  6. 
Buchhandel.     13:108,    244-90;    116: 

48/9. 
Buchheim,  CA.     IV  1  d :  31. 
Buchholzer,  6.     II  6:119. 
Buchinger,  M.     II  6  :  19. 
Buchmalerei.     I  3  :  23. 
Buchner,  K.     IV  9  :  19. 
Buchwald,  6.  v.     II  1 :  119. 

—  Jnliana  Franziska  v.     IV  1  a  :  39. 

—  L.  N.  H.  V.     IV  lc:53. 
Buchwesen.    13.  — 
Budäus.     II  7:67. 
Budde.     II  2  :  14. 
Bücherauktionen.     I  3  :  104. 
Bücherausstattung      1  3  :  81. 
Bücherbezug.    I  3  :  245  6  IUI:  175. 
Bücher,  d.  besten.    I  4:  174. 

—  d.  heiligen,  d.  Ostens.    I  4 :  14. 
Büchermarken.     13:113,2412. 
Büchersammler.     I  3 :  99. 
Büchertitel.     I  3:81,  108. 
Büchertrödler.     I  3:266. 
Bücherrerbote.     I  3  :  279. 
Bücherverzeichnisse.     I  3  :  175. 
Bücherzeichen.    I  3  :  100,  236-43. 
Büchner,  A.     IV  4  :  237. 

—  G.     IV  1. -1:1(5. 

—  L.     IV  5  :  45. 
Bückeburg.     IV  7  :  14. 
Buckle.     IV  2a: 33. 

Bühne  (s.  auch  Drama,  Theater).  I  12  : 
227-34. 

—  d.  Mittelalters.    114:1. 
Bühnen,  deutsche.     I  3:131. 
Bühnenbearbeitung.     IV   4:26,  28,  98, 

107,  369,  372,  402. 
Bühnenreform.     IV  4:324-36. 
Bülow,  Gabriele  v.     IV  1  c  :  23;  5  :  619. 
--  Hans  T.     IV  lc:96,  147,  156/7. 

—  Heinr.  v.     IV  1  c  :  23. 
Bünderlin,  J.    II  6  :  183. 

Bürger,  G.  A.  I  7:110,  141;  10:33; 
rVla:l;ld:4;  2a:  10,31,34,44-53: 
4 :  21 ;  5  :  29,  387,  492;  9  :  55;  10 :  47, 
104. 

—  Joh.  Gottfr.     IV  2a: 46. 
Bürger-  u.  Meisterbücher.    I  3 :  73. 
Bürgergrenadiere.     I  4  :  194. 
Bürgerhaus.     11  1 :  116. 
Bürgerschule  s.  Schalen. 
Bürgertum.     I  4 :  26. 

Bürkel,  H.    I  11 :  284. 
Bürl,  Hofrat.    IV  1  c :  124. 
Bntner,  W.    HS:  34/5. 


Buff,    Charlotte.      IV    8a:  17;    8       36 
8d:19. 

—  Familie.     IV  8b: 36, 

—  Hans.     IV  8d:19. 
Bugenhagen.  J.   I  8  :  33;  II  1  :  128,  173; 

6  :  47.  55,  124,5. 

d.  J.     II  1 :  173. 

Bnkolik.    I  12  :  197. 

Bukowina.     I  5  :  85. 

Bulle,  goldene     I  3  :  21. 

Bnllinger,  H.    I  11  :  140;  U  1 :  84;  6:  3. 

Bulthaupt,  H.    I  7  :  110;  IV  4  :  354,  367. 

Bunsen,  J.  v.    IV  5  : 5.52. 

Bunzlau.     I  11:82. 

Bnrckhardt,  J.  R.    III  5 :  63. 

Burenius,  A.     II  1 :  123. 

Burg.    IV  8b:  2. 

Bnrgkmair,  H.     I  11:239. 

Bnrke,  S.     I  12  :  11. 

Burleske,  D.     I  12:4. 

Burnouf,  E.     I  2:48. 

Barschenschaft,    deutsche.      I    6:102, 

129-47 :  IV  5  :  322. 
Bürzel.  H.     II  2:21. 
Busche,  H.  v.  d.     II  7  :  30. 
Basslage,  sächsische.     I  4  :  162. 
Buthmann,  Ph.     IV  5:360. 
Butz.  K.    IV  1  a  :  16. 
Butzbach  i.  W.    14:  214. 
Butze,  Nuscha.    IV  4:427. 
Butzer,  M.     II  6:18,  1624;  7:39. 
Bnxtorf,  A.  J.     III  5  :  63. 
Byron,  N.  G.  Lord.     IV  la;l;  lo:39, 

83;  ld:12;  2b:  104;  4:129,  220. 

Caesar,  J.     I  12  :  379-80. 

Cäsur  u.  Incision.     I  12:113  a. 

Cagliostro,  Graf.     lY  4:7. 

Calaminns,  G.     I  10:20. 

Calderon  de  la  Barca.  P.     IV  Ic  :  69; 

1  d :  88,  91 ;  4  :  220,  237,  402;  8b:  45; 

10 :  41,  99 
Calixt,  G.    III  5 :  22. 
Callenbach.     IV  4 :  410. 
Callenfels,  J.  J.    HI  1 :  106. 
Calthius,  R.     IV  1  d  :  47. 
Calvin,  J.     II  1:90;  6:3,  123,  175. 
Camerarius.  J.     I  6  :  16. 

—  L.    I  3:59:  UI  2:35. 
Camerer,  A.    II  3  ;  78. 

Campe,  J.H.  I  7:53;  m3:25;  IV  ld;7; 

4:242;  10:99. 
Candid,  P.     I  11 :  254. 
Canisius,  P.     Hl:  45,  126;  6 :  12,  26/7. 
Canitz,  F.  R.  v.    III  5 :  15. 
Canzonette.     I  3 :  127. 
Capito,  W.     II  7:39. 
Carbach,  N.    II  7  :  67. 
Carboni,  P.    I  10 :  24 
Cardan.     IV  6:23. 
Carl,  C.    IV  4 :  80. 
Carlisle,  Jane  Welsh.     IV  l  c  :  78. 
Carlstadt,  s.  Karlstadt. 
Carlyle,   Th.      IV   lc:135  6;    ld:28; 

8a:  145. 
Carnarius,  J.     II  3  :  47. 
Carolas,  J.    13: 161/3. 
Carpzov,  Job.  Bened.    III  5 :  22. 
Carrifere,  M.    I  12  :  14,  74,  147;  IV  1  c  : 

90;  5:223  4;  7:13. 
Carstens,  A.  J.     111:  277. 
Carstensen.  C.     IV  la:6. 
Cartmell,  J.  W.     IV  1  d :  34. 
Carus,  K.  G.     IV  2  b  :  30,  100. 
Casanova,  G.     IV  10:39. 
Caschel,  M.  J.     I  12:4. 
Caselius,  D.     I  1 :  111;  II  1 :  86. 

—  J.     U  1 :  86. 
Caspari.     IV  lc:108. 
Cassandra  Fedele.    11  7  :  13. 
Cassel,  P.     IV  5  :  237,8. 
Castagna,  J.  B.     II  1 :  146. 
Castelli,  J.  B.     IV  2a:  62,  99. 
Castro,  G.  de.     I  10:23;  IV  4:98. 
Catel,  Ch.  S.     I  12:204. 

Catt,  H.  A.    IV  2a:  22. 

Cavalli,  F.     I  13  :  67. 

Cederström,  Frhr.  v.     111: 371. 

Celeja,  Album.     IV  la:33a. 

Cellarius.    I  6:9. 

Celtis,  C.     II  1 :  68;  7  :  14,  26/7. 

Censur.     13:112,    246-50,    275  9;    12: 

223,  226,  230;  IV  4:222,  364/8,  393. 
Censuren.    I  6 :  151. 
Cervantes,  M.  I  12  :  165, 168;  IV  1  c  :  47; 

ld:90;  9:164;  10:41,2,  71. 
Cessolis,  J.  de.    II  3 :  2. 
Chabrier,  E.    I  13  :  155. 


Sachregister. 


Chamisso,    Ad.    v.     IV   Ic  :  135,    159; 

ld:32,50;2a:2/4;2b:16,  88;  5:573; 

10:7,  9,  71,  79-92. 
„Chaos".    IV  2a:  72. 
Chapelle.    IV  2a:  23. 
Chapman,  H.    IV  4:220. 
Charakterbildung.     11:3. 
Charakteristische,  D.    I  12:70. 
Charpentier,  Julie.     IV  10:47. 
Chateaubriand,  F.  K.  de.    IV  Id  :  1, 12; 

10:5. 
(;haulien,  G.  A.  de.     IV  2a:  20,  23. 
Chauvinismus.     I  1 :  126 
Chemnitz.    I  4 :  226,  231,  385. 
Cherler,  P.     I  3:252;  II  1:157. 
Chezy,  Helmine  v.     IV  lc:121. 
Chicagoer   Weltausstellung.     I  3 :  144, 

198,  291/2:  6:85,  162,  211,  219. 
Chimmeken  (Hausgeister).     I  5  :  130. 
Chokoladisten  in  -lena.    I  6:133. 
Chop,  Max  (;=  M  Charles).    IV  8a:  69. 
Chopin,  F.     1  12:287. 
Christ,  F.     III  5  :  63. 
Christensen,  H.     112: 370. 
Christentum.     I  8  :  126. 
Christian,  Markgraf  v.  Bayreuth.    I  6 : 

95/6. 

—  Ernst,  Markgraf  v.  Bayreuth.    1  6  : 
95/6. 

Christine  v.  Schweden.    III  1 :  135. 
Christkindelspiele,   deutsch-mährische. 

I  5 :  38. 
Chronik.  Augsburger.   II 1 :  165 :  3  :  77. 

—  Bayreuther.     11  3  :  84 

—  Berner.    II  3:69. 

—  Halier.     II  .S  :  23. 

—  polnische.     I  3 :  247. 

—  Beutlinger.     II  3  :  78. 

—  Schaffhansener.     II  3  :  65,6. 

—  Stralsunder.     II  3:93. 

—  Vogtländer.     II  3:87. 

—  Zimmersche.     II  1 :  120. 
Chronisten.     II  3:63-94. 
Chronologie.     13:4. 
Chrysander,  F     1  3  :  82. 
Chrysolarus,  M.     II  1  :  93. 
Chytraeus,  D.     I  1  :  111 ;  6 :  248;  II  7  : 

62,3. 

—  N.     II  1:86. 
Cibrario,  L.     IV  1  d  :  72. 

Cid.     I  10:23;  IV  ld:89;  4:98. 

Cicero.    II  7  :  27,  67. 

Cicognini,  G.  A.     III  4  :  35. 

Cisiojani  (Heiligenkalender).    I  6  :  248. 

Cisterzienser.  1 4 :  398,  506, 513;  II 4  : 4. 

Citate.     I  1:44,  159-60. 

Claudius,  M.    I  7  :  136;  13  :  83;  IV  la: 

6,    22;     Ic  :  159;    Id  :  73;    2a  :  43; 

10 :  99. 
Clauren,  H.  (=  Heun).    IV  lc:137. 
Cochlaeus,  J.     II  1:60,  140;  6:18. 
Cochem,  Martin  v.     III  4:36. 
Cöhbat.     II  1  :  19 
Cöslin.    I  4 :  343 ;  II  1 :  52. 
Colerns,  Chrph.    III  2:39. 
Colet.    II  7  :  68. 
Coligny,  G.  v.     II  1 :  62. 
Collas,  J.  T.     I  11:208. 
Collegium  Germanicum.     II  1 :  146. 

—  Bomanura.     I  6  :  239. 
Collier,  J.  P.    IV  2a:  10. 
CoUin,  H.  J.  V.     IV  1  c  :  47. 
Colloredo,  H.  Graf.     I  6:57. 
Colonna,  Fr.    IV  8e:  103. 
Columbus,  Chrph.    I  10  :  24;  II  1 :  113. 
Stoff.    IV  4:100. 

Comenins,  J.  A.    16:8,  13,  22-33,243; 

UI  2 :  14/7. 

Gesellschaft.    16:27:1112:14. 

Como,  Kardinal  v.     II  1 :  146. 
Congregatio  Germanica.     II  1  :  45,  146 
Conrad,M.G.    IV  la:  9;  5  :  607;  11 :  20. 
Conradi,  Herrn.     IV  la:9. 
Constant,  Benj.     IV  1  d :  1,  12. 
Convay  (Dürerforscher).    I  11:173. 
Conz.  K.  Ph.    IV  la:2;  2a:  1,  71. 
Copernicus,  N.    II  1 :  106. 
Cordus.  Eur.    II  1  :59;  6:42. 
Corneille,   P.    I  1  :  106;    10  :  23,  41; 

12:9;  IV  6:36. 

—  Th.    IV  4  :  98,  202. 

Cornelius,   Peter  v.     I   11:277,    294  a; 
13:144/6;  IVlc:22;  2b:  42;  8e:85. 
Corvinus,  Ant.     II  6 :  24,  152. 
~  M.     II  2:85. 
Cosack,  W.    IV  6  :  37 
Costa,  C.     IV  4  :  373. 
CostenoWe.  C.    IV  4:220, 


Cotta,  J.  G.     IV2b:81;  4:57;  8e;79; 
9:20. 

—  Buchhandlung.     IV  1  c  :  74. 
Courtisan  in  d.  Kiste.     III  4  :  7. 
Coyrinus,  G.  N.     II  7  :  32. 
Cramer,  J.  A.    IV  6 :  13,  39. 

—  K.  G.    IV  10 :  124. 

Cranach,  Lucas,  d.  Aelt.      I   11  :  210; 

II  1:155. 
Creizenach,  W.     III  4  :  40. 
Crelinger,  Auguste.     IV  4:463. 
Crespel,  J.  B.     IV  10  :  93. 
Creuer.     I  1 :  110. 
Creuz,  F.  K.  K.     IV  2  a  :  20 ;  5  :  30. 
Crenzer,  G.  Frd.    IV  lo:47. 
Cristan,  M.     II  7  :  15. 
Cronegk,    J.    F.    Frhr.    v.      IV   la  :  3; 

2  a :  20. 
Crnciger,  C.     II  1 :  140. 
Crüger  in  Merseburg.     IV  1  c  :  94. 
Crusius.     IV  10  :  132. 
Cs6pän,  St.     IV  2a:  70. 
Cnrandor  s.  Kindermann,  B. 
Cnrel,  F.  de.     IV  4  :  122. 
Curti,  Th.     IV  la:50. 
Cnrtius,  G.     I  2:49. 

—  K.  G.    IV  9  :  22. 
Cuzzoni,  Francesra.     IV  10  :  93. 
Cyklus.    I  12  :  199. 
Cyprianus  poenitens.     III  4  :  22. 
Czepko,  D.  V.     III  2 :  13. 

Dach,  Simon.     II  2  :  26;  III  2 :  5,  4.). 
Dämonenglaube.     15:8,  224,  113-47. 
Dänemark.     IV  9  :  132. 
Daffinger,  Familie.     IV  4  :  202. 
Dahn,    F.     I   12:165;    IV   1  c  :  90/1 

5:605;  9:164;  10:71. 
Dainos,    litauische.      I  5  :  301 ;    8  :  SO 

13 :  52. 
Dalberg,    K.    t.      IV   la:27;    7:15 

8b:16a/7,  28;  9:16. 

—  W.  H.  V.    IV  5  :  23. 
Dalton,  Ed.    IV  10  :  13. 
Dammas,  C   H.  s.  Steffens,  F. 
Dampfschiffahrt.     I  4:301. 
Danae.     I  10 :  6. 

Danckelmann,  E.  t.    III  1:11/2. 
Danckmeyer,  J.  F.    I  12:4. 
Danhanser,    Peter    (Abietiscola).       II 

7:14. 
Dannecker,  J.  H.    I  11 :  280;  IV  8b  :  2, 

49    9 :  20. 
Dante.    I  12  :  101  a ;  IV  1  c  :  35,  47,  145 ; 

ld:78;   2a:23,  31:    2b:17;   10:39. 
Danzel,  Th.     III  5  :  61. 
Danzig.    I  4  :  191,  249,  314/5;  11 :  421. 
Darwin,   Ch.      112:316,    379-80;    IV 

4 :  316,  341 ;  5  :  135. 
Daubeckh,  A.     II  2:21. 

—  G.     II  2:21. 
Daubrawa,  A.     IV  4  :  202. 

Daudet,  A.    I  12 :  171,3,   254,   316;  IV 

6:19. 
Daum,  Chrn.     III  1 :  102. 
Daumer,  F.     IV  2b: 53. 
David,  J.  L.    IV  1  c  :  13. 
Davidson.    I  4  :  571. 
Decadents.     I  1:134;  IV  8e:80. 
Decker,  K.  v.    IV  lc:88. 
Decimator,  H.    III  5 :  5. 
Decius,  N.    II  1 :  88. 
Dedekind,  A.    IV  4  :  100. 
Defoe,  D.    III  3: 19-24  a. 
Deinhardstein,  F.  v.     IV  4 :  183,  212. 
Dekanatsbächer.     I  4 :  95. 
Dekker,  Th.    III  4 :  40. 
Delacroix,  F.  V.  E.     IV  8  e  :  85. 
Delfinus,  J.     II  1 :  146. 
Delitiae    poetarum    germanorum.      II 

7:3. 
Delitzsch.    I  11 :  99. 
Delius,  N.    IV  5  :  505. 
Delphinus,  Z.,  Kardinal.     II  1 :  45. 
Demeter,  A.  L,  Erzbischof  v.  Freiburg. 

I  6  :  58. 
Demetrius.    I  10 :  26. 

Dichtung.     IV  9  :  22. 

Denck,  J.     II,  6:182;  7:42. 
Denis,  M.     IV  16  :  73. 
Denner,  A.     IV  4:377. 

—  J.  L.     III  4  :  35. 
Despreanx,  s.  Boileau. 
Dessoir,  M.     I  12:295-300. 
Denbler,  K.    IV  5 :  72/3. 
Deutsch,  M.    I  11 :  216. 

Deutsch  im  Unterricht.  I  6 :  41 ;  69,  73, 
84,  152,  166,  169,  171.  204-6.  225. 


Deutsche  Dichtung  in  Amerika.  IV 
1  a :  16. 

—  Gesellschaften.   III  5 :  61,  63. 
„Deutschland,  Deutschland  Ober  Alles". 

IV  2  b  :  102. 

—  d.  junge.     IV  11.  —  I  12:265. 
Deutschmann,  J.     III  5  :  22. 
Deutsch-russische    Kunstdenkmale.     I 

11:249. 
Devotionen.    I  3  :  120. 
Devrient,  Ed.    IV  4 :  86,  402,  446. 

—  L.     IV  4  :  463,  466. 

—  0.  II  6 :  200;  IV  4 :  288,9,  367,  371, 
402;  8e:10. 

Dhir,  M.     II  2 :  21. 

Dialekt  (s.  auch  Mundarten).     II  4  :  14; 

IV  9 :  11,  48,  72. 
Dialektdichtung.       I    8:18,    25,8;     IV 

4:271,  29J-304. 
Dialektforschung.    16:10/1,789. 
Dialog     I  12:248. 

Dichterkränzchen,  Hallesches.  IV 1  a :  30. 
Dichtkunst,  Anleitung  z.    16: 171. 
Dichten,  als  Unterrichtsgegenstand.    I 

6:171. 
Dichtung,  Dorperliche.    I  12  :  265. 

—  Vaterländische.     IV  2a:  38. 
Dichtungen,  niedersächsische.    I  5  :  45. 

—  patriotische      IV  2a:  114. 
Dichtungsgattungen.     I  12  :  188-249. 
Dickens,  Ch.     I  12:163;  IV  10:157. 
Didaktik.     III  5.     IV  5.  —  I  6  :  240. 
Didaktische  Poesie.     I  12  :  31,  204. 
Diderot,  D.     IV  1  d  :  25 ;  4  :  202. 
Dierauer,  J.     II  1 :  53. 
Dieffenbach,  L.    IV  lc:22. 
Diericke,  Fr.  0.  v.     IV  1  a  :  2. 

Dies  irae.     II  2  :  7  8. 
Dietenberger,  J.    11  6  :  14. 
Dietrich,  V.    II  6 :  143. 
Dietterlin,  W.     I  11  :  229. 
Dietze,  R.     IV  10  :  99. 
Dilettantismus.     15:1. 
Dilthey,  W.     IV  6:40. 
Dingelstedt,    F.        IV   lc:40,    81.    90; 
2b  :  81;  4  :  240/2,  370/1;  8e  :  10,  13; 

10  :  139. 

Dinter  (Schulmann).     I  6:253. 
Dinterville,  Jean  de.    I  11  :  204. 
Diogenes  Laertius.     IV  8  e  :  52. 
Dionysius  Areopagita.     III  5  :  20a. 
Diploraatik.     13:4. 
Discourse  d   Mahlern.    III  5  :  49. 
Disputationen.     I  3  :  136. 
Dissertationen.     I  3  :  137,  143. 
Ditmar,  W.  v.     IV  1  c  :  118. 
Dittrich,  F.     II  1  :  145. 
Doberan.     II  4:4. 
Dobsina  s.  Volksglaube. 
Döbbelin,  Th.     IV  4  :  442/4. 
Döderlein,  L.  v.     I  6  :  94;  IV  5  :  365. 
Döllinger,  I.  v.     I  3  :  189;  IV  Ic  :  112, 
140,  145;  2b  :  35;  5  :  306-10,  351,  605. 
Dönniges,  Franziska  v.     IV  1  c  :  40. 

—  W.  V.     IV  1 0  :  40 

Döring,  M.    II  1  :  94:  IV  2a  :  84. 
Dörmann,  F.     IV  1  a  :  38. 
Doesel,  A.    IV  2b  :  102. 
Dogmatik.     I  1  :  15. 
Dohm,  Chr.  W.  v.    IV  lc:25. 

—  E.     IV  1  c  :  147,  156. 
Doles,  J.  F.    I  13  :  78. 
Dominikaner.     I  4  :  501,  503. 
Domnig,  H.     II  2  :  35. 
Donat.     II  7  :  67. 

Don  Juan.     I  12:16. 

Don  Quixote      I  3  :  152. 

Doppelbauer,  Bischof  v.  Linz.   I  3  :  149 

Doppel-Ich.  I  12  :  82,  249,  295-302 
316. 

Derer,  E.     IV  ld:88;  8a:  89. 

Dorfleben.    I  5  :  37. 

Dorfschule  (s.  auch  Schulen).    I  6  :  58. 

Dornröschen.    I  5  :  233,  258. 

Dorothea  Susanna,  Herzogin  v.  Weimar. 
I  6  :  235 

Dorpat.     I  4  :  494/5. 

Dorpius.    II  1  :  24 

Dostojewski,  F.     I  12  :  254,  291,  316. 

Doss,  A    L.  V.     IV  1  c  :  94. 

Drach,  P.     13:  70. 

Drama.  II  4.  III  4.  IV  4.  IV  8  e.  - 
I  7  :  41,  43  a;  12  :  4,  31,  74,  144,  198, 
211-49;  II  1:7,  85.  In:  Frankreich 
II 4  : 1.  Hamburg  IV  4  :  4.  Oesterreioh 

11  4:1;  IV  4  :  175-272.  Schweiz 
IV  4  :  1,  273/8.  Spanien  I  10  :  40;  IV 
8b :  21  (s.  auch  Schauspiele,  Theater). 


Sachreg-ister. 


—  Biblisches.    IV  4  :  6,  279-85. 

—  Liturgisches.     I  3  :  120. 

—  d.  Mittelalters.     I  3  :  120;  4  :  .57. 

—  Nenlateinisches.     11  7:5,  56-60a. 

—  Sociales.     IV  6  :  22. 
Dramatik.     I  1  :  110,  162 
Dramaturgie.     IV  4  :  309-68. 
Dreikönigslied,     I  5  :  263/4. 
Dreissigjähriger    Krieg.       III    1  :  7,8, 

16-42. 
Dresden.    I  4  :  58,  380/1;  11  :  162,  305: 

IV  9  :  19. 
Dresel,  0.     IV  1  a  :  16. 
Dreyer,  J.  M.     IV  4  :  4. 
Dringenberg.    11  7  :  40. 
Dritzehn,  A.     I  3  :  64 
Drobisch,  Th.     IV  5  :  225. 
Drollinger,  K.  F.    II:  110;  III  2  :  28; 

5:63. 
Droste-Hnlshoff,  Annette  v.   IV  1  c  :  74; 

2  b  :816. 
Druckalphabete  s.  Alphabete. 
Drucke,  älteste  (s.  auch  Buchdruck).    I 

3  :  96  8. 
Drnckermarken.     I  3  :  72,  113/5. 
Druckerzeichen.     I  3  :  108/9,  114, 
Druckorte.     I  3  :  108/9. 
Druckschrift.    I  3  :  116/8. 
Druckwerke,  Hebräische.     I  3  :  212. 
Dryden.  J.     IV  2a  :  28. 

Du  Bellay,  J.     III  2  :  34. 

Dabois  Reymond,  E.    IV  5  :  605;  10  :  79 

Duderstadt.     I  11  :  169. 

Dahring,E.  112:378;  IV  la:l;  5  :445, 

631/2. 
Duell.    I  4  :  93;  6  :  133. 
Dambach,  F.     13:  72. 
Düntzer,  H.    IV  7  :  15. 
Dnrckheira,  F.  E.  Graf  v.    IV  8b  :  34. 
Dürer,  A.  1 11 :  23, 170-200 ;  H  1 :  71. 82. 
Düsseldorf.      I   4:418;    11:125,    448; 

IV  9  :  19. 
Duff  Gordon,  Lady.     IV  11  :  51. 
Duhr,  B.     II  1  :  7. 
Duisburg.     I  4:416;  11  :  93. 
Dumas,  A.     I  1  :  125;  12  :  309. 

—  fils.     I  12  :  287,  329. 
Duncker,  F.     IV  1  c  :  147. 

—  M.     IV  5  :  3256. 

Du  Plessis  Mornay,  Ph.     III  1  :  114. 
Du  Port,  P.  S.     IV  1  c  :  11. 
Durchkriechen     (Volksheilmittel).         I 

5  :  93. 
Duriach.    I  11  :  159. 
Düse,  Bleonora.     IV  4  :  473  7. 
Dntens.     IV  5  :  513. 
Dvorsky,  F.     III  1  :  26. 
Dyk,  J.  G.     IV  4  :  1. 
Dyke,  D.    m  5  :  22. 

Eastlake,  Sir  Ch.    I  11  :  8. 
Ebbinghans,  Th.     I  12  :  113a. 
Ebeling,  Th.     IV  2b  :  102. 
Ebenheim,  M.  v.     II  3  :  58. 
Eber,  J.     13:  72. 

—  P.     II  6  :  121. 

—  V.     II  7  :  13. 

Eberhard  im  Bart,  Herzog  v.  Schwaben. 
IV  10  :  105. 

—  *." Greiner   (Bauschebart),    Herzog 
T.  Schwaben.     IV  10  :  105. 

—  d.    Milde,     Herzog    t.    Schwaben. 
IV  10  :  105. 

—  A.  G.     17:  56,  86. 

—  Chr.  Aug.    IV  5  :  14. 
Eberl,  F.     IV  4  :  1. 
Eberlbräu.     1  4  :  275. 
Ebers,  G.     IV  1  c  :  75,  91  2. 
Eberstein,   E.   Albr.  v.,    General-Feld- 
marschall.    III  1  :  45. 

Ebert,  A.     IV  1  a  :  22. 

—  F.  A.     IV  2b:  99. 
Eberus,  P.     II  1  :  173. 
Ebner-Eschenbach,  Marie  v.    IV  1  a :  37. 
Eck,    J.      II  1:140;    6:35,    55,    181; 

II  7  :  45. 
Eckelt,  J.  V.    I  13  :  71. 
Eckenberg,  J.  C.   III  4  :  35;  IV  4  :  377. 
Eckermann,  J.  P.     IV  Ic  :  134;  8d  :  6. 
Eckhart,  Meister.     III  2  :  13;  5  :  20a. 
Eckschrift.     I  3  :  116. 
Edda.     I  5:313;  IV  10:73. 
Edelmann,  J.  Chr.     in  1  :  2.  134. 
Edelsheim.  W.  v.    I  6  :  252  ;  IV  8  b  :  28. 
Eder,  6.     II  1  :  1. 
Edgcumbe,  E.     IV  1  d  :  49. 
Egelhaaf,  G.     II  1  :  12. 
Egenolff,  Ch.     11  3  :  47. 


Eger  (Fluss).    I  5  :  17/8. 
Egerbrnnn.     IV  9  :  13. 
Eggers,  Fr.    IV  1  c  :  147. 
Egidy,  M.  v.     IV  5  :  60. 
Egl,  St.     II  4  :  14:  III  4  :  2. 
Egmont,  Graf  v.  Lamoral.     IV  8e  :  2. 
Ehe.     I  4  :  31  2.   39-41 ;    II  6  :  99-100, 
Ehelitteratur.     II  1  :  91 ;  6  :  191. 
Ehespiegel.     II  6  :  191. 
Ehrenfeld,   Hauptmann  t.     IV  2a  :  55, 
Ehrhardt,  F.  W.     IV  2  a  :  85. 
Ehrimfeld,    T.    Frhr.    v.      IV   4  :  371; 

8e:ll. 
Ehrlich,  H.     I  13  :  141 ;  IV  1  c  :  156. 
Ehrmann.     IV  2a  :  28. 
Ephrussi,  Ch.     I  11  :  171.    • 
Eichendorff,  .1.  v.  IV  1  d  :  33,  73 ;  8  d  :  32 ; 

10  :  13,  41,  99-104. 
Eichhorn,  J    A.  F      IV  1  c  :  160. 

—  K.  F.     IV  5  :  611. 
Eichsfeld.     I  4  :  379. 
Eichstädt,  H.  K.  A.     IV  1  c  :  94. 
Eichstätt  (Philologe).     I  6  :  84. 
Eicke,  Th.     I  10  :  17. 

Eid.     I  4  :  169. 

Eidgenoss,  D.  (Wnchenschrift).  III  5:63. 

Einführung.     I  12  :  23,  74,  78,  107,8. 

Einheiten,  D.  drei.     I  12  :  11,  16. 

Einsiedler,  D.  ( Wochenschrift).  III  5 :  49. 

Einteilung   d.  Künste.     112:74,    91/3. 

Eiselen.     I  6  :  82. 

Ekhof,  K.    IV  4  :  20,  375;  5  :  23;  6  :  21. 

Ekken  Ausfahrt.     I  3  :  96. 

Ekloge.     I  12  :  4. 

Elbing.     I  4  :  318. 

Elegie.     I  12  :  31,  197. 

Elementarunterricht.     I  6  :  10,  51. 

Elen,  J.  V.     II  7  :  30. 

Eleonore,  Fürstin  v.  Beuss.    IV  2b  :  4. 

Elisabeth,  Königin  v.  England.  II  1 :  84. 

—  Knrfürstin.     II  6  :  29. 

—  Charlotte   v.   d.   Pfalz, 
128;  IV  lc:10. 

Ellenbog.     II  7  :  42. 
Ellinger,  J.    III  5  :  5. 
Elsass.     I  5  :  62. 
Eisner  (Schulrektnr).     I  i 
Elster,  E.     IV  11  :  19,  47 

—  K.     I  12  :  316. 
d'Elvert,    Chrn.    Ritter. 
Blzevir-Sammlungen.     I  c 
Elzevirsche  Bepubliken. 
Emants,  M.     I  10  :  H. 
Empfindsamkeit  d.  18.  Jh 
Engel,  E.     IV  4  :  305. 

—  J.  J.  IV  la:  2;  4:  1;  5:35. 
Engelbert  I.  v  Köln.  I  4  :  110. 
Engels,  F.     IV  5  :  562. 

England.     II  1:1.  162/3;  IV  1  d  :  28-71. 

Engländer,  S.     IV  4  :  202. 

Enk  V.  d.  Burg,  M.     IV  4  :  202. 

Ensingen,  U.  t.     I  11  :  157. 

Entartung.     I  12  :  101b;  IV  5 

Entenbaum.     I  5  :  240. 

Entenrätsel.     I  5  :  351 

Entlehnungen.     I  13  :  80. 

Ephemeridenberechnnng.     II  1 

Epheyre,  Ch.     I  12  :  301. 

Ephraim,  B.  V.     IV  1  u  :  2. 

Epidemien,  Geistige.     IV  1  a  :  14. 

Epigramm.     I  12  :  197. 

Epik.    I  7  :  44;  8  :  18;  12  :  31,  144,  198/9, 

202-10. 
Epiktet.    I  12  :  379-80. 
Epiphanias,  Berchtennmzug  an.   I  5 :  61. 
Epistel.     I  12  :  31. 
Epos.     II  3.    III  3.    IV  8d.  —  112:4; 

IV  4  :  114. 

12  :  206. 
123,  247;  II  1: 
14,  22  3,  40;    7 


III  1  :  126, 


6  :  169. 
,  51. 

IV  1  c  :  141/2. 
5:2. 
m  1  :  113. 

IV  2  a  :  35. 


;  633  6. 


109. 


128, 
:32, 


—  Idyllisches.     I 
Erasmus,  D.     I  3 

140;    3  :  49;   6: 

34,6,  39,  67/8. 
Erast,  Th.     II  6  :  175. 
Erbach.     I  11  :  90. 
"Erbanungsbücher.     I  3  :  247;    II  4  :  1 ; 

6  :  187. 
Erckraann-Chatrian.     I  12  :  309. 
Eremit,  D.     III  5  :  49. 
Erfindung,  Poetische.    I  12  :  4. 
Erfindungen.     I  4  :  242  4. 
Erfurt.   I  3  :  83;  4  :  378;  6  :  40;  11  :  158. 
Erhabene,  D.     I  12  :  14,  74,  84,  144. 
Erkenntnistheorie.     IV  5  :  236  8. 
Ernemann,  M.     IV  2b  :  102. 
Ernst,  Herz.  v.  Bayern.     II  1  :  146 

—  IL,  Herzog  v.  Sachsen-Koburg-Gotha. 
I  13  :  156;  IV  lc:6:  4:468. 

—  d.  Fromme.     I  4  :  391 ;  6  :  237. 


Ernst   Bogislaw,    Herzog    v.    Croy    u 

Arschot.     III  5  :  10. 
Erzgebirge.    II  1  :  138. 
Erziehung.     I  6  :  3;  IV  7  :  7. 

—  Aesthetische.     I  12  :  11/2,  14. 
Erziehungsgrundsätze.     I  6:3. 
Erziehnngssysteme.    I  6:3. 
Erziehungswesen.     16.    —   IV  2  a  :  93. 
Eschen.    IV  10  :  46. 

Eschenburg,  J.  J.    I  6  :  171 ;  IV  4  :  306 ; 

5:384. 
Eschenloer,  P.     II  1  :  158. 
Eschwege,  Fr.     I  6  :  177. 
Escudero,  Juan.     IV  1  d  :  93. 
Eselsbegräbnis.     1  5  :  70. 
Eselsmensch.     I  5  :  2.30 :  10  :  5. 
Espronceda,  J.  de.     IV  1  d  :  93. 
Essenwein,  A.  v.     I  11  :  404. 
Esther.     I  10  :  35. 
Estland.     I  11  :  249:  IV  9  :  132. 
Etenhneber,  M.     I  4  :  135;   IV  2a  :  62. 
Ethik.     I  12  :  14:  IV  5  :  240,8. 
Ethische    Bestrebungen.      I    4  :  611,5: 

IV  5:  61-70  a. 
Ethnologie.     I  4  :  11. 
Etymologien,  Falsche.     I  5  :  17/8. 
Eulennamen.     I  5  :  358. 
Eulenspiegel.     I  3  :  125;   II  3  :  5/7,  55. 
Eurasburg,  Schloss.     I  4  :  449. 
Earipides.    I  12  :  221a;  IV  4  :  60;  8e  : 

18,  52;  9  :  137. 
Evangeliar,  Griechisches.     I  3  :  20. 
Evalin,  J.     13:  152. 
Evenius  (Batichianer).     I  6  :  13. 
Evolution.     I  12:96  a,  144,  269^424/7. 
Ewann,  J.     II  1  :  166. 
Ewiger  Jude  (s.  a.  Ahasverns).  I  3  :  126; 

10  :  14. 
Ex-libris.    I  3  :  100,  235-43. 
Exner,  F.     16:  634. 
Exorzismus.     I  4  :  42 ;  II  1  :  153. 
Eyb,  A.  V.    II  3  :  4,  41 :  7  :  1,  10;1,  59. 
Eybenberg ,    Marianne   v.      IV  4  :  452 : 

8b:  12,  14b,  45;  8e  :  28,  47. 

Fabeln.      I    5:213;     6:62;     7:10c; 

12  :4,  2024;  IV  2a  :  62. 
Faber,  F.     Ü  4  :  10. 

—  Joh.     I  3  :  75. 

—  P.     II  1  :125;  7:36. 
Fabliaux.    I  10  :  9. 

Fabri,  J.     U  1  :  140;  6  :  12. 

(Wiener  Bischof).     II  6  :  12,   35, 

182. 
Fabricius,  A.     H  7  :  62,3. 

—  B.     II  7  :  62,3. 

—  G.     II  7  :  62/3. 

—  J.     II  7  :  62/3. 
Facius.     I  6  :  215. 
Falb,  B.    IV  1 0  :  86. 
Falk,  F.     II  6  :  5. 

—  J.     IV  4  :  10. 
Falke,  G.     IV  1  a  :  18. 
Falkenberg,  D.  v.     ni  1  :  32. 
Fallhütchen.    IV  11  :  48. 
Falschspielen.     I  4  :  187. 
Familie.     I  4  :  31-48. 
Familiengeschichte.  1 4 :  548-52,  558-62. 
Familiengeister.     I  5  :  129. 
Familiennamen.     I  4  :  46;  5  :  365/6. 
Familienstück.     IV  4  :  12,  125,  314. 
Farenheid,  Fr.  v.     IV  1  c  :  123. 
Farensbach,  W.     111  1  :  44. 
Faschingskrapfen.     IV  4  :  180. 
Fastentuch.     I  4  :  240. 

Fastnacht.     I  4  :  66. 
Fustnachtsbr&uche.    I  5  :  75  a. 
Fastnachtslieder.    I  5  :  295. 
Fastnachtsspiele.     II   1  :  85 ;    4:1,    14, 

23/4,  35. 
Faust,    Faustsage,     Fanstdichtung.     I 

5  :  2245;      10  :  25,      48;      U    1  :  74: 

3:25-37;   ÜI  3:2-7;    HI  4  :  39,   41; 

5:22;   IV  2a  :  10;    4:88,    130,    180, 

218.  411.  439;  10  :  79.  88. 
Faustaufführungen.     IV  8a:  32. 
Fanstausstellung.  III  3  : 8/9;  IV  8a  :  44. 
Faustbücherei.     I  3  :  184. 
Faustkatalog.     IV  8a  :  44. 
Faustphilologie.     I  1  :  43. 
Fayencefabrik.     I  4  :  221. 
Fechner,     Th.       I     12:11,     913;     IV 

5  :  470/1. 
Feige,  J      11  1  :  59. 
Felbiger,  J.  L  v.     16:  225.  240. 
Fellenberg,  E.  v.     IV  1  c  :  42;  5  :  350. 
Feller,  J.    m  5  :  21 
Feme      I  4  :  110/1 ;  U  1  :  97. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratargeschichte.    IV. 


(4)35 


Sachregister. 


F6nelon,  F.  de.    IV  5  :  2. 
Ferdinand  I.,  Kaiser.    II  1  :  40,  44,  61, 
140. 

—  II.,  Kaiser.     III  1  :  30/1. 

—  III.,  Kaiser.     Ill  1  :  30/1. 

—  Erzherzog  v.  Tirol.     II  1  :  146. 

—  Koadjntor  v.  Köln.    II  1  :  153. 
Fernow,  M.     IV  5:618;  8b:  21. 
Festgebäck.     I  5  :  75,5  a. 
Festgebräuche  s.  Volksbräuche. 
Festspiele.    IV  4  :  286/9,  332/3. 
Fenchtersleben,  B.  v.     IV  4:  211,  222; 

5:43. 
Fenerbach,  Ans.    I  11  :  10/1. 

—  Ludw.      IV    lc:91,     127;     5:199, 
445. 

Feuerspritzen.     I  4  :  286. 

Feuerzeug.     I  4  :  242. 

Feuilleton.     IV  5  :  526. 

Fenstking,  D.  III  2  :  23. 

Feydeaa,  G.    I  12  :  327. 

Fibeln.     16:11. 

Fichte,  J.  G.     I  1  :  89;    6  :  84,  94,  184, 

238;  12:  14;  IV  la:22;  Ic:  21,  123, 

158,  160;  2b  :  1;  5  :  35.  104,  139,  210, 

495,  497/8;  9:38;  10:47. 
Ficino,  M.     II  1  :  93. 
Fiedler,  K.    I  11  :  11. 
Fielding,  H.     IV  10  :  13. 
Figuren.     18:6,  35,  44 ;  12  :  4. 
Filidor     d.     Dorferer.      III    5:2;     IV 

2  a  :  78. 
Firnstein.     IV  8  b  :  8. 
Finanzmann.     II  1  :  63. 
Finck,  H.  T.     IV  1  d  :  56. 
Fioravanti,  A.     I  10  :  19;  IV  6  :  24. 
Fiorillo,  .(.  D.     IV  8e  :  103. 
Fischart,    Joh.     I  3  :  125,    238;    6  :  18; 

8:35;    111:7,    88;    3:43-51,    54/5; 

III  5  :  13. 
Fischer,  John.    II  7  :  32. 

—  J.  G.     IV  la:  17. 

—  Kuno.    I  1  :53;  IVla:41;  lc:145; 
5  :  151 ;  6  :  30,  40. 

—  L.  H.     IV  10  :  40. 
Fischerlieder.    I  5  :  296. 
Fischhof,  J.     IV  5  :  22. 

Fitger.  A.     I  7  :  110;  IV  1  a  :  17,  43. 

Flach,  M.     13:  72. 

Flachsland,  Karoline.     IV  2a:  28. 

Flacius,  M.     II  6  :  12,  18;  7  :  62,3. 

Flaubert,  G.     I  12  :  309,  316. 

Fleay,  F.  G     III  4  :  4. 

Fleck,  J.     IV  4  :  371,  452. 

Fleischer,  H.     IV  1  d  :  79. 

Fleischmann,  Fr.     IV  10  :  72. 

Fleischteuerung.     I  4  :  200. 

Fleming,  P.     I  1  :  106;  III  2  :  37,  45. 

Flensburg.     I  6  :  19. 

Fliegen.     I  5  :  241/2. 

Fliegende  Blätter.    I  3  :  154;  II  2 :  41. 

Fliegender  Holländer.     I  5  :  136/7. 

Flins,  de.    IV  8e  :  52. 

Plinsberg.     I  5  :  36. 

Flögel,  C.  F.     IV  7  :  19;  8e  :  22. 

Flohrätsel.     I  5  :  351. 

Florencourt,  Fr.  v.     IV  5  :  510. 

Florenz.     II  1  :  74. 

Flotow,  F.  V.     I  13  :  103. 

Flottwell,  C.  Chrn.    III  5  :  61. 

Fluchpsalm.     III  5  :  15a. 

Flugblätter.     I   4  :  182;     II  1  :  1;     IV 

2b;  102. 
Flurnamen.     I  4  :  208;  5  :  371. 
Förster,  Fr.     IV  Ic  :  140;  2a  :  101. 
Förtsch,  J.  Ph.     I  13  :  59. 
Fogazzaro,  M.  A.     I  12  :  314. 
Folien,  K.     I  6:  131;  IV  la:  16. 
Folz,  H.     II:  92. 

Fontane, Th.  14:28;  IV  4: 169;  5:419. 
Form.     I  1  :  120;  12  :  13,  73/4,  160/3. 
Formalästhetik.     I  12  ;  14,  23,  74. 
Formen,  Neue,  d.  Dramas.    I  12  :  242/9. 
Formenlehre.    I  8  :  75/9. 
Forster,  G.     IV  1  c  :  114/5;  5  :  30,  573; 

7  :  6;  8b:  6,  16. 

—  J.    II  6  :  119. 

—  K.     IV  5  :  432. 

—  Therese.     IV  1  c  :  114  5;  7  :  6. 
Forstwesen.     I  4  :  209-10;  6  :  173/5. 
Fortlage,  K.     IV  1  a  :  41. 
Fortnnatns.     II  3:8. 

Foscolo,  ügo.     IV  1  d  :  12. 

Fouqu6,    Frd.   Frhr.   de   la  Motte.     IV 

lc:47,    159;    4:220,    248;    8d:32; 

10  :  7,  13,  71/7,  104. 

—  Karoline  v.     IV  2a  :  2/4;  10  :  77/8. 
Fräuleinstift.     I  6  :  237. 


Fraktur.     I  3  :  118. 
Franck,  H.     IV  2a  :  2/4. 

—  Seb.  I  5  :  12;  II  1  :  109;  3  :  60/2; 
6  :  184/5. 

Francke,    A.    H.      I   6:76,     183;     III 

1  :  11/2;  5:21. 
Franken.     I  4  :  441,  443;  11  :  154/6. 
Frankenberg,  Abr.  t.     III  5:20  a. 
Frankenthal.     I  4  :  460. 
Frankfurt   a/M.      14:421/3;    5:371a; 

6  :  146;    11  :  92;     IV  8b:  27;    9  :  11, 

19. 
Frankfurter    gelehrte     Anzeigen.       IV 

1  c  :  67 ;  5:2. 
Frankl,  L.  A.     IV  1  c  :  157. 
Frankreich.  II  1 : 1, 42,  62 ;  IV  1  d  :  1-27  ; 

2b  :  1. 
Frantz,  Konst.     IV  1  c  :  34. 
Frantzen,  J.     II  3  :  44. 
Franz  I.,  Kaiser.     I  6  :  147,  225. 

—  I.,  König  V.  Frankreich.     II  1  :  63. 

—  V.,  Herzog  v.  Modena.     IV  2a  :  74. 
Karl,  Erzherzog.     IV  4  :  230. 

—  E.     I  13  :  150/1. 
Franzisci,  Er.     III  4  :  17. 
Franziskaner.     II  4  :  1. 

Franzos,    K.    E.     I   12:142,    288,    357; 

IV  2a:  102. 
Franzosentum.     I  4  :  15.5/6. 
Frau,   D.   weisse,    d.  Hohenzollern.     II 

I  :34. 

Frauen.   I  4  ;  33/8 ;  II  1  :  78 ;  IV  2  b  :  25. 
Frauenbriefe.     I  4  :  136. 
Frauenerziehung.     II  1  :  128. 
Frauenfrage.     I   4:596-605;    12:91/3, 

104,  286/7  ;  IV  4  :  125,  138,  165,  167, 

247. 
Frauenreohte.     I  6  :  32. 
Freder,  J.     II  1  :  86. 
Freiberg.    I  4:215,   229  a,  244,  388  a/9; 

II  :  121;  II  1  :  138. 
Freibrief.     I  4  :  207  a. 

Freiburg  i.  B.  I  4:430;  6:140; 
11  :  137 ;  III  1  :  55. 

Freidenker.     IV  5  :  44-53,  71/2. 

Freiheitsdichtung.   IV  2a  :  38;  2b  :  109. 

Freienmuth,  J.  K.     IV  I  c  :  45. 

Freiligrath,  F.  IV  Ic  :  74,  88.  90.  145, 
157;  2b:  17,  53,  81,  87/8,  108,  HO, 
114;  5:507,  524/5;  10:136. 

Freimaurerei.     I  4  :  131/2;  IV  5  :  54. 

Freitag.     I  5  :  105. 

Freitische.     I  4  :  102;  6  :  109-109 a. 

Fremdwörter.     I  6  :  173/5;  8  :  45,  150/5. 

Frese,  J.     IV  5  :  505. 

Fresenius,  A.     IV  7  :  15. 

—  J.  Th.     III  5  :  33. 
Fresken.     I  4  :403  a. 
Freud,  Michiiel.     III  5  :  5. 
Freund  s.  Freud,  Michael. 
Frey,  A.     IV  2a:  5. 

Frey  tag,  G.  Ill:  13/6,  400;  IV  1  c  :  81, 
123,  156:  4:91,  145,  314,  355,  402; 
5  :451;  9  :  93;  10  :  71. 

—  J.  A.     III  2  :  41. 
Friedel,  J.     IV  4  :  1. 
Friedensburg,  W.     II  1  :  141. 
Friedenstein.     I  4  :  391:  IV  8a  :  29. 
Friederike   Sophie   Wilhelmine,  Mark- 
gräfin V.  Bayreuth.     I  6  :  91. 

Friedland.     I  4  :  471. 
Friedländer,  D.     IV  5  :  35. 
Friedlaender,Max.  1 13  :  83;  IV  10  :  106. 
Friedrich  II.,  Kaiser.     13:3. 

—  III.,  Kaiser  (15.  Jh.).     I  3  :  154;  11 

I  :  19,  29,  68,  160. 

(19.  Jh.).     IV  Ic:  64:  2b:  4. 

—  I.,  König  V.  Preussen.     III  1  :  78. 

—  IL,  d.  Gr.  I  3:279;  6:91; 
11:259-65,  291;  III  5:61;  IV 
la:39;  lc:48,  6.5/6,  135;  2a:  20; 
5:2,  30,  131,  462;  6:9. 

—  III.,  König  V.  Dänemark.  III  1 :  130. 

—  IL,  Kurfürst  V.Brandenburg.    I  3  :41. 

—  L,  Kurf.  V.  d.  Pfalz.     II  1  :  97. 

—  V.,  Kurf.  V.  d.  Pfalz.     III  2  :  35. 

—  d.     Weise,     Kurf.     v.    Sachsen.      I 

II  :  120. 

—  Landgraf  v.  Hessen.  I  6  :  236 ;  IV 
2a:  22. 

—  Markgraf  v.  Bayreuth.     I  6  :  91. 

—  d.  Ae.,  Markgraf  v.  Brandenburg.  II 
1  :34. 

—  IL,  Pfalzgraf.     II  2  :  43. 

—  Casimir,  Herzog  von  Kurland.  III 
1  :  129. 

—  Christian,  Herzog  v.  Augustenbarg. 
IV  9  :  26. 


Friedrich  Ludwig,  Herzog  t.  Pfalz- 
Landsberg.     I  6  :  232. 

—  Michael,  Pfalzgraf  v.  Zweibrücken. 
IV  Ic:  1. 

—  Wilhelm  L,  König  v.  Preussen.  III 
1  :  11/2,  78,  81,  125;  IV  2a:  64. 

IL,     König    T.     Preussen.      IV 

8e  :28. 
III.,  T.  Preussen.     I  6  :  90,   147, 

167. 

—  —  IV.,  V.  Preussen.  IV  Ic  :  47,  70; 
10:71. 

—  —  D.  Gr.,  Kurfürst  v.  Brandenburg. 
I  11  :  256,  258;  III  1  :  66-75,  87,  123; 
5:  19. 

Grossherzog     v.     Mecklenbnrg- 

Strelitz.     IV  1  c  :  5. 
Fries,  H.    I  11  :  216. 

—  J.  F.     IV  1  a  :  41 ;  5  :  89,  210. 
Frisch,  J.  L.     IV  1  c  :  67. 
Frischbier,  H.     12:  34. 
Frischlin,  Nikod.     II  7  :  60. 
Frischmann.     III  1  :  118. 
Friesen,  H.  Frhr.  v.     IV  10  :  13,  42. 
Friesland.     I  4  :  361 ;  5  :  42,  324. 
Fritzhans.     II  6  :  13. 

Frohen,  A.     13:  75,  245. 
Fröbel,    Fr.     I    6  :  53  a,    82,    215 :    IV 
5  :  490/1. 

—  Jul.     IV  1  c  :  37,  145. 
Fröhlich,  A.     I  12  :  204. 

—  Kathi.     IV  4  :  202,  210. 
Frölicher,  0.     Ill:  348. 
Frohndienste.     I  4  :  206. 
Frohschammer,  J.     IV  5  :  218-23. 
Froitzheim,  J.     IV  4  :  10. 
Prommann,  K.  F.  E.    IV  Ic  :  94;  8b:  50. 
Prommel,  E.     IV  1  c  :  107/8. 
Pronleichnamsfeier.     II  4  :  1. 
Froring,  F.  v.     IV  1  a  :  41. 

Frosch,  Joh.     II  7  :  42. 
Frottole.     I  3  :  127. 
Prühhumanismns.     II  7  :  10/3. 
Frühlingsbräuche.     I  5  :  52-60. 
Frühlingsfeuer.     I  5  :  52. 
Puchsmagen,  J.     II  7  :  18. 
Führich,  L.  v.     I  11  :  298. 
Fürst,  Walther.     IV  9  :  136. 
Fürstenberg.     Ill:  444/5. 

—  Franz  v.     16:  55. 
Fürstenerziehung.     I  4  :  99 ;  6  :  235. 
Fürstenschule  s.  Schulen. 
Fugger,  J.     I  3:245;  II  6:23. 
Fulda.     13:5. 

—  L.     IV  4  :  103/4,  331,  367,  373. 
Furcht  u.  Mitleid.     I  12  :  11,  149,  220. 

Oaaungu-Hrolfsaga.  I  5  :  228. 
Gabelentz,  G.  v.  d.  IV  5  :  407. 
Gabelsberger,  Fr.  X.     13:11. 

Schule.     I  3  :  19. 

Gabillon,  L.     IV  4  :  470/1. 

—  Zerline.     IV  4  :  472. 
Gade,  Niels  W.    IV  1  c  :  1.54/5. 

—  Sophie.     IV  1  c  :  154. 

Gaedertz,  K.  Th.,  d.  Ae.     IV  2b  :  104. 

Gänsehirtin  am  Brunnen.     I  5  :  232. 

Gaertner,  R.     13:  261. 

Gajus.     II  7  :  67. 

Galen.     II  7  :  67. 

Galgen.    I  11  :  90. 

Galgenpoesie.     IV  2a  :  62. 

Galitzin,  Prinzessin  Marianne  Dorothea 

V.     IV  8b  :  14a. 
Gallait,  L.     IV  1  c  :  91. 
Gallen,  St.     I  11  :  227. 
Gallmeyer,  Josephine.    IV  lc:86;  4: 

266,  269. 
Gantsymbolik.     I  5  :  79. 
Garcaeus,  Joach.     II  6  :  119. 

—  Joh.     II  6  :  119. 

Gardano,    A.    (ältester   Notendrncker). 

I  3  :  82. 
Gardinenwiese.     I  5  :  379. 
Gartelmanc,  H.     IV  6:37a. 
Gartenbau.     I  11  :  430,1. 
Garve,  Chr.     IV  5  :  104. 
Gaspary,  A.     II  7  :  1. 
Gassenhauer.      I    5  :  248/9,    262,    274; 

12  :  191. 
Gasser,  R.    III  3  :  13. 
Gaudy,  F.  L.  H.  W.  v.     IV  10  :  91. 
Gautier,  Th.     I  12  :  288;  IV  10  :  5. 
Gebhardt,Truch8es8,  Erzbischof  t.  Köln. 

II  1  :  146. 

Gebier,  F.  Frhr.  v.    IV  4  :  1. 
Geburtsgöttin.     I  5  :  28-30. 
Gebweiler,  H.    II  7  :  32. 


Sachreg-ister. 


Gedächtnis.    I  12  :  91/3,  113/5  b. 
Gedanlcendichtnng.    I  12  :  189-90,  194; 

IV  2b  :n2. 
Gedichtsammlnngen.    iy2a:114. 
Gefühl.    I  12  :  74,  90. 
Gegenreformation.      I    4:182,  319;    II 

1:1,  4/5,  7.  146;  III  1  :  5/6,  9. 
Gehalt.     I  12  :  160/1. 
Gehelramittel.     I  5  :  85-103. 
Geibel,  E.     I   6:176;   10:3;   12:220; 

IV  Ic  :  40,  81,  90,  157;  Id  :  4;  2  :  70; 

2b:  81,   94,  104/7,   110,  119;   4:246. 

—  Joh.     IV  2b  :  105. 

Geiger,  L.   11  7  :  19;  IV  2a  :  2/4;  9  :  22. 
Geiler,  Joh.,  r.  Kaisersberg.      I  1  :  92 ; 

6:99,  213;  II  6  :  165. 
Geister  in  Eatzengestalt.     I  5  :  124/5. 

—  Umgehen  der.     I  5  :  119-27. 
Geisterglauben.     I  5  :  117-47. 
Geistersagen.     I  5  :  163. 
Geisterstunde.     I  5  :  123. 
Geistliche    Dichtung.      I  1  :  92/3,    110; 

IV  2b:  86,  116/9. 
Gelbcke,  F.  A.     IV  5  :  405. 
Geldern.     I  11  :  93. 
Gelegenheitsdichtnng.   I  6  :  36;  IV  2a: 

20,  63,3,  112;  2b:  97,  119. 
Geliert,  Chr.  F.    I  6  :  238 ;  7  :  141 ;  12  : 

202;    III    5:49;    IV    la:3,    6,    48; 

2a:  12,  20;  4:  12;  5:5/8. 
Gelnhausen,  J.  v.    II  7  :  6. 
Gelöbnistage.     I  5  :  65,  180. 
Gemir  s.  Asar. 

Gemmingen,  0.  H.  v.     IV  5  :  2. 
Gempperlin,  Ab.  (Buchdrucker).  I  3  :  75. 
Genealogie   als  Unterrichtsgegenstand. 

I  6  :  205/6. 
Genee,  E.     IV  8e  :  5. 
Genie.     I  12  :  74,  91/3,  101  a,  101  b,  103, 

112. 
Genieperiode.     I  12  :  13,  265. 
Genossenschaftliche  Verbände.   I  4  :  26. 
Gent.     I  3  :  123. 

Gentz,  F.  V.    IV  Ic  :  135;  5  :  445,  618. 
Geoffroy,  G.     I  12  :  116. 
Geographie.    I  6  :  12,  50,   173/5;  H  1  : 

109-10. 
Geometrie.     I  6  :  173/5. 
Georg,  Herzog  v.  Sachsen.     11  1  :  140; 

6  :  24,  29. 

—  III.,    Schenk  v.  Limburg,  Bischof  v. 
Bamberg.     II  1  :  33. 

—  Fürst  T.  Anhalt.     II  6  :  13. 

—  Hans,   Pfalzgraf  v.  Veldenz-Lützel- 
stein.     II  1  :  28. 

—  Rudolf,  Herzog  v.  Schlesien.     I  6  : 
151. 

George,  Amara   s.  Mathilde  Kaufmann. 
Gerätinschriften.     I  5  :  306. 
Gerätschaften.     I  4  :  270,4 
Gerechtigkeit,  Poetische.  1 12  :  211,  220, 

221a,  222. 
Gerecke,  A.     I  12  :  289. 
Gerhard,  der  gute.     I  5  :  152. 
Gerhardt,  D.  v.  (Gerhard  v.  Arayntor). 

IV  1  c  :  64. 

—  J.     III  5  :  26. 

—  P.     m  2  :  21/2. 

—  P.  Friedr.     III  2  :  23. 
Gerichtsverfahren.    I  4  :  120. 

—  im  Drama.     IV  4  :  357. 
Gerlach,      Freiberger      Buchdrucker- 
Familie.     I  3  :  77/8. 

—  L.  V.     IV  1  c  :  55,  138;  5  :  322. 
Germain,  Marie  Sophie.     I  12  :  104. 
Germanistik.     IV  10  :  9,  39. 

Gerok,  K.     I  7  :  105 ;    IV   1  c  :  75,   105, 

108;  ld:73:   2b:  4,  119. 
Gerresheim.     II  1  :  51. 
Gerschow,  Fr.     14:  125;  II  1  :  162/3. 
Gerstenberg,  H.  W.  v.    IV  2  a  :  14,  18/9, 

22,3,  28,  30:  10:73. 
Gervinus,    G.   G.      II  :  44,    2  :  25;    IV 

lc:137,  145;  5:319. 

—  Viktorie.     IV  Ic:  137. 
Gesandschaftsberichte.      I    4:127;    II 

1  :  147,9. 
Gesangbuch.     I  6  :  62;  II  2  :  11. 
Gesangnnterricht.     I  6  :  164. 
Geschichte  in  Eechenbüchern.    I  6  :  12. 

—  Deutsche.     I  10  :  46. 

—  d.  Poetik  u.  Aesthetik.    I  12  :  1-26. 
Geschichtsauffassung ,     volkstümliche. 

I  5  :  10. 
Geschichtsbetrachtung,     nationale.       I 

1  :  33/6,  88,  97,  168. 
Geschichtsphilosophie.      I  1  :  17/9;    IV 

5  :  249. 


Geschichtsschreibung,  pädagogische.    I 

6:3. 
Geschichtsnnterricht.  1 1 :  28/9 ;  6 :  173,'5. 
Geschichtswissenschaft.    IV  5  :  290-356. 
Geschmack.     I  12  :  11,  63,  121/2. 
Gesellenverbände.     I  4  :  2-30. 
Geselligkeit.     I  4  :  49-76,  84/6. 
Gesellschaft,   Deutsche,    in  Bern.      III 

5  :  63  (s.  a.  Deutsche  Gesellschaften). 

—  Esthländische     litterarische.        IV 
1  a :  47. 

—  Fruchtbringende.      I   4:323b;    6: 
205/6. 

—  Moderne.    I  4  :  18. 
Gesellschaftsleben.     II  1  :  119. 
Gesellschaftslied.    U  2:37/8;  III  2:6; 

IV  2a:  1,  35. 
Gesellschaftsregeln.    I  4  :  50. 
Gesetze  in  d.  Aesthetik.    I  1  :  49. 

Geschichte.     I  1  :  1/2. 

Gesindetenfel.    III  5  :  5. 
Gesinnungslyrik.     I  12  :  194. 
Gesner,  K.     II  3  :  47. 
Gespräch,  D.,   im  Beiche  d.  Toten.   IV 

5:  12. 
Gessel,  L.    11  7  :  13. 
Gessner,  G.    16:  77. 

—  Sal.  I  12  :  206;  II  1  :  172;  IV  1  c : 
65;  2a:  18,9,  30;  4  :6;  9  :  19. 

Gesta  Somanorum.     II  2  :  22. 
Gestalt,  Menschliche.     I  12  :  51,  55. 
Gesundheitswesen.     I  4  :  278-84a. 
Gewerbekunde.     I  6  :  173/5. 
Gewohnheit.     I  12  :  48,  74. 
Ghaselen.    IV  2  b  :  76. 
Giacometti,  J.     IV  4  :  473. 
Giesebrecht,  Vf.  y.    IV  1  c  :  145. 
Giessen.     I  6  :  141 ;  11  :  155. 
Giftmädchen.     I  5  :  229;  10  :  7. 
Giftmänner.     I  5  :  229. 
Giftmischerei.    I  4  :  186. 
Gildemeister,  0.     IV  1  a  :  43 ;   1  d  :  86 ; 

5  :  505,  582  9. 
Gilette  v.  Narbonne.     I  3  :  125. 
Gilm,  H.  v.     I  10:27;  IV  1  c  :  83. 
Gindely,  A.     IV  5  :  339. 
Girot,  A.    IV  1  d  :  16. 
Gitschin.     I  6  :  234. 
Giunta,  J.     13:  82. 
Glasbrenner,  L.    IV  lc:85. 
Glaser,  J.     IV  1  c  :  81. 

—  P.    III  5  :  5. 
Glasmalerei.     111:  240/2. 
Glasschleifen.     I  6  :  205/6. 
Glatz.     I  3  :  39. 

Gleichen- Russfrurm,  Frhr.  L.  v.     I  11 : 

366. 
Gleichnis.     I  12  :  177-87. 
Gleim,  J.  W.  L.     16:  238;   III  2  :  32; 

IV  la:22,  30;  lc:46,  65;  2a:8-14, 

16,18-20,23;  5:18,30;  7:4;  8c:  24; 

8e:21. 
Gleissner,  G.     II  3  :  47. 
Gletting,  B.     11  2  :  25. 
Globus.     II  1  :  109. 
Glockendon,  Jörg.     I  11  :  234. 
Glogau.     I  11  :  82. 
Glücksrad.    I  5  :  53. 
Gmelin,  E.     IV  9  :  22. 

—  J.     IV  4  :  69. 
Gnaphaeus,  G.     II  4  :  37. 
Gneisenau,  Graf  A.  W.  A.  v.     IV  1  c  : 

24,  123. 
Gneist,  E.  v.    IV  5  :  445. 
Godeski,  J.    II  7  :  72. 
Göchhausen,  K.  A.  A.  v.    IV  lc:42. 
Goecking,  G.  G.      IV  2a  :  31;    8d  :  11. 
Goeckingk,  L.  v.    IV  5  :  492. 
Goedeke,   K.    HI  5  :  5,  8,  11;  IV  la  : 

2:  2a:  1;  9:  1,  19,  141. 
Görlitz.  I  4:323;  11  :  82. 
Görres,  Gu.    IV  2b:  81. 

—  Jos.  V.  IV  lc:159;  5:322,597; 
10  :  99. 

Görz.  Graf.    IV  8b:  44. 

Göschen,  G.  J.     IV  la  :  27;   9  :  19,  22. 

Goethe,  Aug.  v.     IV  8b  :  1/2,  14 d. 

—  Catharina  Elisabeth.  IV  8b  :  2,  10, 
28,  28  a. 

—  Christiane  v.     IV  8b:  1/2. 

—  Cornelie.    IV  lo:67. 

—  J.  C.     111:  273. 

—  J.  W.  V.  IV  8.  —  I  1  :89,  140; 
2  :  10;  6  :  39,  78,  84,  171,  176;  7  :  1, 
56,  64,  134  a:  8:34,  40/1,  44,6,  80, 
128;  11:294a;  12:12/3,  15b,  91/3, 
144,  206,  220,  223,  248,  302,  316, 
378,   415;    IV  la:l,  6;    lc:21,  35, 


39/9  a,  42,  47,  67.  73,  94,  105,  113, 
124, 133/5. 138, 158/9 ;  1  d  :  28 :  2  a  :  2/4, 
23.  31,  38,  72;  2b  :  6,  35,6.  119; 
4  :  8,  10,  25,  129,  202,  204,  215,  323, 
451/3;  5:31,  35,  53,  210,  399,  462, 
469-70,  573,  612,  635;  6  :  40;  7  :  5/6, 
13;    9:  19,    21,    38,    153,    156,    165; 

10  :  10^3,  24,  32,  39,  41,  62,  71,  107, 
141. 

—  Lyrik.  IV  8  c.  —  I  7  :  44,  64, 
66a;  IV  1  c  :  69;  2a:  31;  2b  :  1,  41. 
53.  Adler  n.  Taube  IV  8e  :  88. 
Alexis  u.  Dora  IV  2a  :  76;  8b  :  45; 
8c:  23.  And.  Mond  I  7:44:  IV  Sc: 
8.  Balladen  IV  9  :  123.  D.  Göttliche 
IV  8c  :  13a.  Der  du  von  dem  Himmel 
bist  I  12  :  194.  Deutscher  Parnass 
IV  8c  :  24.  Die  beiden  lieben  sich 
gar  fein  IV  8  c  :  29.  Dies  wird  die 
letzte  Thrän'  nicht  sein  IV  2a: 35. 
Diwan  lVlc:138;  2b:  61;  8b  :  1. 
Elegien  IV  2a :31.  Euphrosyne  IV8b: 
2.  Fischer  IV  8  c :  12 ;  10 :  104.  Freund- 
Echaftsoden  IV  8c  :  7.  Friederiken- 
lieder IV  8  c  :  7.  Ganymed  I  7  :  44 ;  IV 
8  c  :  8.  Gesang  d.  Geistes  I  7  :  44 ;  IV 
8c:  8.  Grenzen  d.  Menschheit  IV 
8c:  14.  Hermann  u.  Dorothea  (Elegie) 
IV  8c  :  22.  Hochzeitslied  I  5  :  129. 
Ilmenau  17  :  44;  IV  8c  :  8, 15.  König 
in  Thule  IV  1  d  :  74.  Leipziger  Lieder- 
buch IV  8  c  :  9.  Memento  IV  8  c  :  26. 
Morgenklagen  IV  8c  :  17.  Neuer 
Pausias  IV  2a  :  76:  8b  :  45.  Nicolai 
.luf  Werthers  Grabe  IV  8  c  :  88. 
Prometheus  I  7  :  44;  IV  8  c  :  8. 
Römische  Elegien  IV  8c  :  18,  22. 
Trauerloge  IV  8c  :  27.  Trilogie  d. 
Leidenschaft  IV  8  e :  49.  Venetianische 
Epigramme  I V  8  c :  18  a,  22.  Wanderer 
IV  8c:  7.  Wanderers  Sturmlied  IV 
8  c :  7.  Wer  kauft  Liebesgötter  IV  8  c  : 
19.  Willkomm  n.  Abschied  IV  8c:  7. 
Xenien  I  7  :  64;  IV  9  :  56.  Zauber- 
lehrling I  7  :  49.  Zueignung  I  7  :  44; 
IV  8c  :  8.  Zum  28.  August  1823  IV 
8  c  :  28. 

—  Epos.  IV  8d.  —  Ewiger  Jude  IV 
8d  :  17.  Hermann  u.  Dorothea  I  7: 
72/2a;  12:206;  IV  2a:  76;  8b  :  2; 
8d  :  4-16;  9  :  20.  Neue  Melusine  IV 
8b:  12.  Novelle  IV  8 d:35.  Pilgernde 
Thörin   IV  8b  :  12.      Eeineke    Fnchs 

11  3  :  15.  Wahlverwandtschaften  1 12 : 
165;  IV  Ic  :  23,  69,  95,6. 100;  5:172; 
8b:  12;  8e:49;  9:164.  Werther 
I  12:170,  291;  IV  lc:20,  22.  66; 
Id  :  12,  45,  75;  5  :  30:  8b  :  12,3,  26; 
8  d  :  18-29 :  10  :  59.  Wette  IV  8  b  :  45. 
Wilhelm  Meister  IV  Ic:  9.5/6;  8d: 
30/4;  8e  :  25,  68;  9:21;  10:47. 

—  Drama.  IV  8e.  —  U  4  :  24;  IV  4: 
57/8;  8a:  47-54;  8b  :  21.  Bürger- 
general  IV  8  e  :  44,5.  Clavigo  I  8 : 44 ; 
IV  lc:95;  4:464;  5:513:  8b  :  26; 
8e  :  234.  Egmont  I  7:69-70;  12:168; 
IV  la:39;  lc:69,95/6;  Id:  77;  2a:35; 
4  :  56,  62 ;  8  e  :  26-33 ;  9 :  141.  Elpenor 
IV  8  e :  25.  Epimenides  Erwachen  IV 
8  a  :  95 ;  8  b  :  1 ;  8  e  :  48,  52.  Fischerin 
IV  1  d  :  4.  Faust  I  5 :  224/5,  254;  8  : 
43;  12  :  23;  13 :  149;  IV  1  c  :  39,9a, 
83,  94,  105;  Id  :  40;  4  :  218;  8b  :  2, 
26;  8e:3,  48,  55-110:  9:53,78,123; 
10  :  68.  Geschwister  IV  2a  :  23. 
Götter,  Helden  u.  Wieland  IV  8e: 
18.  Götz  I  7  :  43;  12  :  405:  II  1  :  33; 
1V4  :  157,  371,  412;  8a  :  52;  8b  :  10, 
26;  8e:5-17,  23;  9:123.  Hans- 
wursts Hochzeit  IV8a:49;  8e  :  88. 
Jahrmarktsfest  zu  Plundersweilern 
IV  8e  :  19.  Iphigenie  auf  Tauris 
I  7:67/8;  IV  lc:69,  83;  2a:  76; 
4  :  60,  218 ;  8  e  :  34/8,  48.  Iphigenie 
in  Delphi  IV  8  e  •.  3, 25.  Laune  d.  Ver- 
liebten IV  8b  :  27.  Lila  IV  8e  :  25. 
Mahomet  IV  8  e  :  46/7.  Mitschuldigen 
IV  1  d  :  94:  4  :  218;  8e :  99.  Natür- 
liche Tochter  IV  1  c  :  69,  83;  8e  :  48. 
Nausikaa  IV  8e  :  3.  Neueste  aus 
Plnndersweilern  IV  8e:20  1.  Pandora 
IV  8e  :  49.  Eomeo  n.  Julie  IV  8e  :  51. 
Satyros  IV  7:19;  8e:22.  Stella 
IV  8e  :  23.  Tasso  I  1  :  162;  7  :  31, 
71;  lVlc:114:  2a:  23;  8e:  39-43. 
Vorspiel  v.  1807  IV  8e:48. 

—  Annalen  IV  8b  :  21.  Belagerung  v. 
Mainz     IV   8b:  24.      Campag^e   in 

(4)35* 


Sachregister. 


Frankreich  IV  81)  :  12,  24.  Dichtung 
n.  Wahrheit  I  6  :  238;  7  :  64,  73;  IV 
lc:69,  137:  8a  :  25;  8b  :  1,  18-20; 
8e  :  68,88.  Farbenlehre  I  12  :  14:  IV 
5  :  152.  Gespräche  IV  8b  :  16b-17a. 
Italienische  Eelse  I  12:  3;  IV  8b  :  1, 
23/3 a,  26;  8e  :  3.  Kunst  n.  Altertum 
IV  8b  :1.  Maximen  u.  Eeflexionen 
IV  Id  :  42.  Morphologie  IV  8b  :  1. 
Propyläen  IV  8b  :  2.  Beden  u.  Weine 
Biographien  IV  8b  :  21.  Sammeln 
IV  8b  :  2.  Schweizerreise  IV  9  :  20. 
Shakespearestag  IV  8e:5.  Tage- 
bücher IV  8b  :  1.  Tag-  u.  Jahres- 
hefte  IV  8b  :  21;2.  V.  deutscher  Art 
u.  Kunst  IV  8a  :  60. 

—  Ottilie  V.     IV  1 0  :  35. 

—  Wolfg.  Max  V.     IV  1  c  :  145. 

—  -Archiv  (s.  auch  in  Archive  unter 
Weimar).     IV  8a  :  34. 

Ausstellung.     IV  8a:  46. 

Bibliothek.     IV  8a  :  32. 

Bilder.     IV  8a  :  1-12. 

Bildkunst.     IV  8a:  55-65. 

Denkmäler.     IV  8a  :  13/4 a. 

Feiern.     IV  Sa:  38-43. 

Forscher.     IV  8a  :  169-72. 

Forschung.     I  8  :  42. 

—  -Gesellschaften  und  -Vereine.  IV 
8a:. 31/7.  In:  England  IV  8a  :  37. 
Wien  IV  8a:  35.  Zwickau  IV  8 a :  36 ; 
8e  :44. 

—  -Häuser  u.  -Erinnerungsstätten.  IV 
8a:  19-.30. 

Jahrbuch.     IV  8a:  33. 

Kalender.     IV  8a  :  18. 

Kneipe.     IV  8a  :  30. 

Kult.     I  1  :  42. 

Nationalmuseum.     IV  8  a  :  26,  28. 

Philologio.     I  1  :  42. 

Turm.     IV  8a  :  21b. 

—  -Zeichnungen  u. -Radierungen.  111: 
423;  IV  8a:  61/4. 

Götterlehre,  Skandinavische.     15:8. 
Götternamen    in    Norddeutschland.      I 

5  :  141. 

G  öttinger  Dichter.     IV  2  a  :  31  2. 
Göttling,  C.  W.    IV  la:41. 
Götz    V,  Berlichingen.     II  1  :  33   (s.  a. 
Goethe,  Dramii,  Götz). 

—  J.  N.  III  2  :  32;  IV  la  :  30;  Ic  :  65; 
2  a  :  2/4,  10,  18/9. 

—  G.  Chrn.     IV  la  ;  30;  2a  :  18,9. 
Goetze,  E.     IV  1  a  :  2. 

Goeze,  J.  M.      III   5:61;    IV   lc:67: 

6  :  38. 

Goldoni,  C.     I  12  :  16. 
Goldschmiedekunst.      I     4:234,     236; 

11  :  440/2. 
Goldschnittlitteratur.     I  1  :  158. 
Goltz,  B.     I  6  :  253;  IV  1  0  :  147. 

—  M.     13:  246. 
Goncourt.  Ed.  de.    I  12  :  316. 

—  Brüder.     I  12  :  309. 
Gongora.     IV  2a:  10,  23. 
Gontard,  K.  v.     111:  264/,5. 

—  Snsette.    IV  10  :  55 
Goslar.     I  4:220;  11  :  127. 
Gossembrot,  S.,  d.  Ae.     II  7  :  13. 
d,  J.     II  7  :  13. 

—  U.     II  7  :  13. 
Gotisch.     I  8  :  66. 

Gott    u.    Teufel    im    Volksmunde.      I 

5  :  341. 
Gotter,   F.   W.     14:74:     13:83;    IV 

4  :  2,  20. 
Gottheit,  Jer.  s.  Bitzius,  A. 
Gottschall,  R.  V.     12:  47;  12  :  31;  IV 

2b:  114;  4:92;  5:424,8. 
Gottsched,  J.  Chr.     I  1  :  89;  12  :  4,  144; 

II  3  :  15;  m  1  :  11/2:   2  :  32;   5  :  49, 

59-63;     IVla:3,    48;     1  c  :  65,    67; 

2a:  8;  4:4,  375;  5:  12. 

—  Luise  Adelgunde  Viktoria.   1115:61. 
Goue,  A.  S.  v.     IV  4  :  3:  8d  :  18. 
Gounod,  €h.     I  13  :  148,9. 

Gozzi,  C.     IV  2a:  31,  70. 
Grabbe,   Ch.   D.      IV  lc:81;     10:71; 
11  :  13. 

—  Th.     IV  4  :  237. 
Grabschriften.     I   4  :  48,   544 ;    5  :  302, 

304;  III  5:6. 
Gracian,  B.     IV  1  c  :  94. 
Graef,  W.     IV  2b  :  102 
Gräfentonna.     I  4  :  392. 
Gräter,  F.  D.     IV  10  :  78. 
Graf  im  Pfluge.     I  5  :  152. 
Graf  V.  Rom.     I  10  :  12. 


Graf  V.  Rom,  H.     I  10  :  39. 

—  K.  H.     IV  2b:  44. 

—  Urs.     I  11  :  216,  219. 
Gm  ff,  St.     I  3  :  75. 
Grailich.  J.     IV  4  :  244. 
Grammatik.     II  1  :  98. 

—  lateinische  (s.  Alexander  de  Villa- 
Dei). 

—  philosophische     I  0:9;  8:3. 

—  deutsche,  im  Unterricht.     I  6  :  166. 
Graphologie.     I  3  :  61/3. 
Grasberger,  H.     IV  1  a  :  33. 
Grasshof  (Gymnasialdirektor).   I  6  :  171, 
Graumännelein.     I  5  :  133. 
Graveneck,  K.  v.     II  1  :  27. 

Gray,  Th      IV  2  a  :  34. 
Graz.     I  11  :  116 
Gr6court.     IV  2a  :  10. 
Greff,  Hier.     I  3  :  72. 

—  J.     II  1  :  155. 

Gregor  XIII ,  Papst.  I  3  :  93:  II  1  :  1. 
45.  146. 

—  V.  Tours.     IV  4  :  223. 
Gregorovius,  F.    IV  1  o  :  145 :  5  :  315/8. 
Grehemund,  D.,  d.  J.     II  7  :  67. 
Greif,  M.     III  5:3;  IV  4:96,7. 
Greifswald.     I  6  :  37. 

Greiner,  F.     IV  4  :  371. 

—  0.     I  11  :  360. 

Greis,  D.    (Wochenschrift).     III  5  :  49, 

Grelling,  R.     IV  4  :  367. 

Grenadierlieder.     IV  2a:  28. 

Gresbeck,  H.     II  1  :  24. 

Gresset,  J.  B.     IV  la  :  30;  2a  :  23. 

„Griechheit".     IV  2a  :  76. 

Griechisch.     I  8  :  85,  87/9. 

Grien,  Hans  Baidung.     I  11  :  230/3. 

Griepenkerl,  R.    IV  4  :  237. 

Gries,J.  D.    IV  Ic  :  69;  Id  :  79:  2a:  2/4 

112  3;  10:7. 
Grillenbnrg,  Schloss.     II  2  :  44. 
Grillparzer,  Ad.     18:  115. 

—  F.  I  10:20:  IH  5  :  3;  IV  la:.32; 
1  c  :  81,  1.57;  2  a  :  2,4;  4  :  21,  198-224 
258,  270,  278,  402;' 9:  145. 

—  Familie.     IV  4  :  207,  210. 
Grimm,  F.     12:8. 

—  H.     17:  86;  II  3  :  25;  IV  10  :  60. 

—  Jak.  I  2  :  1,  8  13;  6  :  176;  7  :  101 
8:60,  120a.  124.  128;  12:202/3 
IV  Ic  :  901,  138:  5  :  363,  551;  6:2 
8b:  46:  9:50a.  162;  10:9,  39. 

—  M.  Baron  v.     IV  8  e  :  52. 

—  Sig.     II  7  :  43. 

—  W.  I  2  :  1,  8,  10;  6  ;  176;  7  :  101; 
IV  Ic  :  91,  138,  158;  8b  :  46;  9  :  50a; 
10:9. 

Grimmeishausen,  H.  J.  Chr.  v.  III  3  :  12; 

4:  1;  IV  2a:  23,  35;  4:410. 
Grimmenstein,  Schloss.     I  4  :  201. 
Griseldis.     I  3  :  125. 
Grobianismus.     II  6  :  191. 
Grobianus.     I  10  :  29. 
Groos,  K.     I  12  :  70,  74,  112. 
Grosse,  H.     IV  2b  :  102;  6  :  1. 
Grossenhain.     I  4  :  384. 
Grossgebauer,  Th.     III  5  :  22. 
Grossmann,  G.  F.  W.    IV  4  :  394 :  5  :  23. 
Groth,  K.    IV  Ic  :  75,  81/2,  154:  2b  :  4. 
Grotthus,   Sara   v.       IV  8b  :  12,    14b; 

8d  :  22:  8e  :54. 
Grube,  A.  W.     IV  2b  :  119. 
Gruber.  Max  v.     IV  2  b  :  35. 
Grün.  Anast.,  s.  Auersperg. 
Grnnberg  (Buchdrucker).     I  3  :  83. 
Gründonnerstag.     I  5  :  58. 
Grüner.     IV  8e  :  10. 
Grünewald,  M.     I  11  :  234. 
Grüninger,  J.     13:  72. 
Grünpeck,  V.     II  7  :  43. 
Grünstein,  J.     IV  1  d  :  81. 
Grützner,  Ed.     I  11  :  382. 
Grunert,  F.     IV  4  :  466. 
Gruppe,  0.  F.     IV  9  :  144. 
Gryphins,  Andr.     III  4:1,  6  a,  14,  35; 

IV  4  :  377. 
a.  J.     16:  208. 

—  Chrn.     III  2  :  40,  43. 
Guarino.     II  7:13. 
Gubitz,  W.     IV  4  :  382. 
Gudrun.     17:8,  33. 

Günther,  J.  C.    I  l2  :  220:  III  2  :  40,1 
IV  la:  3;  2a  :  20;  8c  :  ISa;  10  :  162 
Güstrow.     I  11  ;  128. 
Gütchen  (Hausgeister).     1  5  :  260. 
Gütergemeinschaft.     II  1  :  19. 
Gulden,  J.     II  6  :  55. 
Gnmperz.    IV  1  o  :  70. 


Gundling,  J.  P.     III  1  :  81. 
Gurlitt.  C.     I  12  :  116. 

—  F.     111:  4078. 

Gustav  Adolf.  König  v.  Schweden.  III 
1*8    21  '2    32 

—  -Spiel.'  il  6  :  200;  IV  4  :  288/9. 
Gutenberg,   J.    I  3  :  66,7,   70,  112 1   IV 

2b:  8. 
Guts-Muts.     I  6  :  14,  82,  IV  5  :  488. 
Gutzkow,  K.    IV  1  c  :  74,  81.  90/1,  145. 

148;  4  :  87.  117,  242/3.  314,  375,  472; 

5:  19;  9:11;  11  :  27.  55. 
Gymnasialbibliutheken.     I  3:216-26. 
Gymnasium  s.  Schulen. 
Gymnich,  P.     II  7  :  30. 

Haag.     I  11  :  413. 
Haase,  F.     16:9. 

Habilitationsschriften.     13:137,    143. 
Hackenberg,  J.     II  1  :  97. 
flackert,  Ph.     I  6  :  171;  IV  8b  :  7. 
Hadamar  v.  Laber.     II  3  :  2. 
Haeckel,  E.     IV  5  :  49-53. 
Hähnel,  E.  Jul.     I  11  :  21. 

—  Franz.     IV  1  a  :  43. 

Händel,    G.   F.     I  12:102;    IV  10:93. 
Hässliche,  D.    I  12  :  70,  74,  111/1  a,  112, 

266. 
Hätzer,  L.     II  6  :  182. 
Häuserbau.     I  5  :  71/2. 
Häusernamen.     I  5  :  371  a. 
Hagedorn,  F.  v.  III  2  :  37;  IV  2a  :  6, 20. 
Hagelganss,  J.  H.     HI  3  :  12. 
Hagemann,  Ella.     IV  8  a  :  90. 

—  F.  G.     IV  4  :  1. 
Hagemeister,  J.  G.  L.     IV  4  :  1. 
Hagen,  Aug.     III  4  :  32. 

—  F.  H.  v.d.  12:  1,  14;  6;39;IV  Ic: 
69,  126. 

Hager,  G.    II  3  :  22. 
Hahn,  J.  G.  v.     IV  2b:  45. 

—  L.     IV  2b:  102. 

—  Michael.     III  5  :  36. 

—  Ph.  M.    18:  58. 
Hahnentanz.    I  5  :  51. 
Hahnjörs.     I  5  :  128. 
Haimon.     I  5  :  146. 
Haimonskinder,    D.      II   3  :  10,    12a; 

III  3  :  1 ;  IV  10  :  41. 

Hainbund.    IV  2a  :  35,  39;  5  :  8;  8e  :  21. 

Hainhofer,  Ph.     II  1  :  153. 

Halbe,  M.     I  12  :  407/8;  IV  4  :  164. 

Halberstadt.     14:71;  6  :  41;2. 

Halbmair,  C.     IV  2b:  102. 

Haie,  A.  de  la.    I  13  :  61. 

Halle   a.  S.    14:  374;  5  :  294;   6  :  76; 

11  :  215. 
Haller,  A.  v.     II  :  110;  7  :  110;  III  5  : 

63;  IV  2a  :  5,  18-20;  5  :  1/4.  30,  462; 

8d:21. 

—  L.  V.     IV  5:322,  553;  10:71. 
Halliwell.     III  4  :  4. 
Hallucinationen.     I  5  :  114. 

Halm,  F.  s.  E.  Frhr.  v.  Münch-Belling- 

hausen. 
Hamann.  J.  G.     IV  Ic  :  133;  5  :  35,  37, 

223   476. 
Hamburg.     14:  286,    348-54:    8  :  19; 

II  1  :139;  2a:  112. 
Hamelmann     II  7  :  31. 
Hamerling,  R.    IV  1  a  :  32 :  4  :  206,  251, 

269;  5:76/7. 
Hammann,  Job.,  v.  Landoia.    I  3 :  69. 
Hammer,  J.     13:  122;  III  5  :  8. 

—  Jul.     IV  lc:91;  2b  :  115. 

—  V.  Pnrgstall,  J.  IV  1  a  :  33 ;  2  b  :  44, 
70. 

Hammeran,  A.     IV  8  a  :  104. 

Hammerschraid,  A.     III  2  :  5. 

Hammerstein,  W.  Frhr.  v.    IV  1  o  :  28. 

Hammerwerke.     I  4  :  219. 

Hampelmänner-Verein.     IV  2b  :  104. 

Hanau.     I  4  :  221. 

Handarbeiten.     I  6  :  250. 

Handelsgeschichte.     I  4  :  245-55. 

Handelsordnung.     I  4  :  254. 

Handelsschule.     I  6  :  233. 

Handfertigkeitsnnterrioht.     I  6  :  250. 

Handschriften  (s.  auch  Archive,  Biblio- 
theken, Briefwechsel)  I  1  :  171;  3:1, 
20-50;  II  1  :  73.  In:  Augsburg  II  2 : 
21 ;  7  :  42.  Berlin  I  3  :  34;  II  2  :  22, 
35,  39;  III  4  :  46.  Brandenburg  a.  H. 
II  7  :  46.  Breslau  II  7  :  36.  Danzig 
13:36.  Dresden  II  2: 24, 44.  Fürsten- 
stein III  2  :  38.  Glatz  I  3  :  39. 
Göttingen   I  3  :  29.     Gotha  I  3  :  38; 

IV  4 :  20.     Haag  II  2  :  41.    Hamburg 


Sachregister. 


m  2  :  23.  Heidelberg  I  3  :  25;  II  2  : 
22,   31.     Jena   II  4 :  29.     Königsberg 

II  2  :  7.  Kopenhagen  IV  9 :  26.  Lüne- 
burg I  3  :  29.  Mattsee  II  2  :  42. 
München   II   2  :  21 ;    7  :  13,    15,   27 : 

III  2  :  35  Nürnberg  II  2  :  22/3 ;  IV  9  : 
25.  Paris  I  3  :  30  3.  4S;  II  7  :  15. 
Petersburg  II  2  :  26 ;  III  2  :  5.  Regens- 
burg III  4  :  2.  Rom  II  7  :  15.  Salz- 
burg III  2  :  2.  Sondershausen  I  4  : 
122.  St.  Gallen  II  4  :  11.  Ungarn 
I  3  :  133.  Venedig  II  7  :  46.  Wien 
I  3  :  35;  II  2  :  378.  Wolfenbüttel 
n  4  :  1 ;  III  2  :  5,  16  8.  Zürich  II  2  : 
33.    Zweibrücken  II  2:43;    lU  2  :  1. 

Handschriftenschmuck.     I  3  :  20,  25. 
Handschriften  Terzeichnisse.     I  3  :  28  9. 
Handwerksbräuche.     I  4  :  63,  90. 
Handwerksschule.     I  6  :  183. 
Hanheimer,  Joh.    I  3  :  69. 
Hansa.     I  3  :  45;  4  :  247. 
Hansgrafenamt.     1  4  :  246. 
Hanslick,  E.   I  12  :  74;  13  :  167;  IV  1  c  : 

157. 
Hansson,  01a.     I  12  :  302. 
Hans  Stockfisch.    III  4  :  33. 

—  V.  Knlmbach.     I  11  :  201. 
Hanswurst.     I  4  :  55;  iV  4  :  409-10. 
Happel,  E.  G.     IV  10  :  99. 
Hardenberg,    Fürst    K.    A.      16:  147; 

IV  1  c  :  24. 

—  Fr.v.  IV  lc:160;  ld:28;  8d:32: 
10  :  7,  13,  46,8,  63,  68,  71,  99. 

Hardy,  A.     I  10  :  41. 

Harington,  J.     III  2  :  34. 

Harkort,  F.     IV  5  :  579. 

Harnack,    0.      III   1:134;    IVla:3; 

8a  :59,9a,  112,   120,  134a. 
Harnisch,  Ch.  W.     I  6  :  67,  253. 
Harpprecht,  F.  v.     IV  2  b  :  7. 
Harsch,  Frhr.  v.,  Feldmarsuhall.  III 1 :  55. 
Harsdörffer,  G.  Ph.     III  4  :  15;  5  :"3. 
Hart,  H.     I  12  :  302. 

—  J.     I  12  :  302. 
Kartei,  W.  v.     I  6  :  64. 
Hartfelder,  K.    I  2  :  41,4;  6  :  163;  II  6  : 

45;  7:44;  IV  5:378-9. 
Hartleben,    0.   E.     112:402/3,    411/2; 

IV  4  :  165,  367. 
Hartlieb.     I  5  :  55. 
Hartmann,  Ed.  v.     I  11  :  9;  12  :  14,  70, 

111,1  a,    142,   378;    IV  5:138,  168/9; 

10  :  49. 

—  Joh.  Ludwig.     III  5  :  5. 

—  Jnl.  V.     IV  Ic:  57. 

—  M.     IV  Ic:  91;  2b  :  17. 
Harz.     1  4  :  206,  212. 

Hase,  K.  V.    16:  144:  II  1  :  24:  IV  la: 

41 ;  5  :  605. 
Hasner,  L.  t.     IV   Ic  :  39. 
Hassaurek,  Fr.     IV  1  a  :  16. 
Hasscarl.     IV  4  :  377. 
Hasse,  K.  E.     IV  Ic  :  121. 
Hassenpflug,   H.   D.  L.  F.     16:  170; 

IV  5  :  551. 
Hassler,  H.  L.     I  13  :  65. 
Hastings,  Warren.     IV  2  a  :  76. 
Hauff,  W.   17:5;  ra2:41;IVld:34; 

10  :  105,  147-63. 
Hauffen,  Ad.     II  3  :  46;  IV  2a  :  109. 
Haug,  F.     IV  5  :  351. 
Haugwitz,  A.  A.  v.     III  4  :  17. 
Haupt,  M.     12:1,  24. 
Hauptmann,   G.      1  12:  260,. 272,   316, 

405/6,  409-lOa,  413/5;  IV  1  a  :  9;  1  d  : 

20,  54;  4:  114,  118;  152-63,  320,  322, 

364,  388. 
Haus.     I  4  :  256-61 ;  5  :  44. 
Hausegger,  F.  v.     1  12  :  100. 
Hauser,  K.     14:  566,8. 
Hausgeister.     I  5  :  129-30. 
Haushaltungsbuch.     I  4  :  199a. 
Hausinschriften.     I  5  :  303,  306;7. 
Haussprüche.     I  5  :  302. 
Haustiere.    I  4  :  13. 
Haydn,  Jos.     I  13  :  802;  IV  4  :  201. 
Haym,   E.     IV    lc:8i;    5:402;    7:3, 

11/3;  10  :  41/2,  47. 
Haynau,  J.  J.  v.     IV  2a  :  74. 
Hays.     III  2  :  36. 
Hazlitt,  W.  C.     III  4  :  4. 
Hearne,  Th.     13:  264. 
Hebbel,  Christine.     IV  1  c  :  81. 

—  Fr.  17:  86;  12  :  190,  206;  IV  Ic  : 
39-40,  81,  145,  157;  ld:4;  4:57, 
165,  234-50,  269,  373,  470;  5  :  544. 

Hebel,  J.  P.  I  8  :  48;  IV  la  :  6;  Ic  : 
130;  ld:7;  8b:  21. 


Hebenstreit,  J.    IV  4  :  411. 

Hecastusdramen.     II  4  :  29. 

Hecker,  J.  J.    IG:  183. 

Hederich,  B.     IV  4  :  60 

Heer,  stehendes.     I  4  :  189. 

Heeressprache.     I  8  :  152. 

Heerraann,  J.     II  1  :  87 ;  III  2  :  20 

Hegel,  G.  W.  V.  I  6  :  90;  12  :  14,  23, 
51,  74;  IV  lc:83,  97,  102,  138;  5: 
104,  123,  130  7, 151,  495;  8d  :  4;  10  : 
141. 

—  KarL    IV  5  :  319. 
Hegendorf,  Ciirph.     II  6  :  143/4. 
Hegner,  U.     IV  5  :  523. 

Hehn,  V.    I  7  :  54;  IV  1  c  :  143;  4  :  96,7  ; 

5  :  322,  394-401. 
Heichen,  W.    IV  ld:71. 
Heideck,  F.  v.     II  6  :  142. 
Heidegger,  C.  W.  v.     IV  4  :  202. 
Heidelberg.    I  4  :  4334;  6  :  17;  11 :  168  : 

II  1  :  97. 
Heiderich,  J.     IV  2  a  :  99. 
Heidmüller,  F.     IV  4  :  4. 
Heigel,  K.  v.     IV  Ic  :  90. 
Heilbut,  E.  s.  Helferich,  H. 
Heiligenverehrung.     I  5  :  17/8;    II  1  : 

130  2. 
Heimburg,  Dr.    16:  215. 

—  Gregor.     II  7  :  1. 
Heimesage.    1  5  :  146. 
Hein,  E.     IV  5  :  392. 

Heine,  C.     III  4  :  27 ;  IV  4  :  376. 

—  H.     I  8  :  50;    12  :  190,  267,  316;  IV 

I  c  :  81,  88,  95,  130,  135,  157 ;  1  d :  16, 
51,  73,4;  2b  :  1,  114,  119;  4  :  89;  5  : 
387,  462,3,  573:  10:71,  74,  79,  91, 
108;  11  :  5-53. 

—  -Denkmal:  Düsseldorf  IV  11  :  7-20. 
Mainz    IV   11  :  202.      New-York  IV 

II  :  23. 

Heinemann,    K.      IV   8a:  15,   25,  33a, 

34  b,  91,  112. 
Heinrich  II.,    König  v.  Frankreich.     II 

1  :42. 

—  VIII.,  König  V.  England.     II  7  :  32. 

—  Prinz  V.  Prenssen.  I  11:260;  IV 
1  a  :  39. 

—  Herzog  v.  Sachsen.    II  1  :  140 ;  6  :  24. 

—  XIV.  V.  Reuss.     IV  ob  :  12. 

—  Julius  V.  Braunschweig.    III  4:6a 
Heinrichmann,  J.     II  1  :  60. 
Heinroth,  J.  G.     IV  5  :  210. 
Heinse,  W.     IV  8c  :  18a;   10  :  13,  71. 
Heintz,  J.     111:  218. 

Heinzel,  E.     I  12  :  165. 
Heinzelmännchen.     I  5  :  131. 
Heinzelmann,  W.     IV  8a  :  72. 
Heldenbuch.     IV  1  c  :  47. 
Helene,  Grossfürstin  v.  Enssland.     IV 

1  c  :  145. 
llelferich,  H.  (=  E.  Heilbut.)  I  12  :  116. 
Heitert,  Alex.  v.     16:  225. 
Helffrich,  Job.     II  1  :  168. 
Helgoland.     IV  2b  :  119. 
Heliae,  P.     II  6  :  22. 
Heliand.     17:8. 

Hell,  Th.  (=    iVinkler).     IV  1  c  :  121. 
Hellenbach,  E.  v.     IV  4  :  112. 
Heller,  Rob.    IV  Ic:  127. 
Hellinghaus,  0.     IV  2a:  38. 
Ilelmholtz,  H.  v.     IV  5  :  4.54 ;    8  a  :  97. 
Hei wig,  Amalie  v.  IV 1  a :  2,  27 :  1  c :  12 1 ; 

2a:  2  4,  76. 

—  Chph.     I  6  :  20. 
Hemsterhuys,  F.     IV  10  :  47. 
Henault.     IV  8  c  :  52. 
Henckell,  K.     IV  la  :  18;  11  :  20. 
Hendel-Schütz,  Henriette.   IV  Ic  :  158. 
Hendrich,  H.     111:  374. 

Henisch.     II  1  :  43. 
Henkertaxe.     1  4  :  403 
Hennequin,  E.     I  12  :  26  a. 
Hensel,  Luise.     IV  2b:  20/1. 

—  W.     IV  10  :  72. 

—  Wilhelraine     IV  2  b  :  28. 
Henselt,  Ad.     IV  1  c  :  64. 
Hensler,  0.  F.     IV  4  :  1,  371. 
Henzen,  W.     IV  1  d  :  82. 
Henzi,  Jak.     II  2  :  27. 
Heppenstein,  Fanny  v.     IV  2a  :  55. 
Heraklius,  Prinz.     IV  2  a  :  62. 
Heraldik.     I  4  :  ü53  6. 

Herbart,  J.  F.     I  6:49,   54,  215,  253; 

12  :  23,  74;  IV  5  :  205-10,  484. 
Herberger,    Val.     II   1:87;   HI  5  :  22; 

IV  1  a  :  46. 
Herbitzheim.     I  4  :  427. 
Herd.    I  5  :  76. 


Herder,  J.  G.  v.  IV  7.  —  1  6 :  47,  253; 
7:56,  136;  8:40;  12:12/3,  26c; 
IV  la  :  22,  39;  lo  :  13,  20,  124,  133: 
ld:7;  2a  :  28,  76;  5:2,  30:  6:34, 
40;  8b  :  15,  26,  41;  8c  :  7.  18a,  24; 
8e:88;  9:165.  Bild  d.  Maria  IV 
7  :  15.  Blätter  v.  deutscher  Art  u. 
Kunst  IV  7  :  16.  Briefe  IV  2  a  :  13  ; 
7:4/6.  Cid  I  7  :  63;  IV  7  :  17.  D. 
eigene  Schicksal  IV  7:8;  9:92. 
Hamann  IV  7  :  15.  Hütten  IV  7  :  15. 
Journal  meiner  Reise  IV  7  :  11. 
Kalligone  IV  7  :  10.  Kopernikus  IV 
7  :  15.      Lemgoische    Bibliothek    IV 

7  :  15.  Melanchthon  IV  7  :  15.  Mer- 
kur IV  7  :  15.  Metakritik  IV  7 :  10. 
Offenbarung  Johannls  IV  7  :  15. 
Schulreden  IV  7  :  7.  Ueber  d.  Ein- 
fluss  d.  Schönen  in  d.  höheren  Wissen- 
soliaften  IV  7  :  15.  Ueber  d.  beste 
Leitung  e.  jungen  Genies  zu  d. 
Schätzen  d.  Dichtkunst  IV  7  :  15. 
Ueber  d.  d.  Menschen  angeborene 
Lüge  IV  7  :  15.  Volkslieder  I  5  :  299. 
Vom  Einfluss  d.  Eegierung  auf  d. 
Wissenschaften  u.  d.  Wissenschaften 
auf  d.  Eegierung  IV  7  :  15.  Wäldchen 
IV    7  :  19.      Waldbruder   IV    7  :  19; 

8  e  :  22.    Zerstreute  Blätter  IV  7  :  15. 
-Karoline.     IV  la:  22;  2a:  13;  7  :5. 

(S.  auch  Flachsland.) 

—  K.  A.     IV  7  :  6. 

—  Luise  V.     IV  7  :  1. 

Porchheim,  G.  v.     IV  7  :  1. 

Heresbach,  Konr.  v.     II  7  :  31. 
Herklots,  K.  A.     IV  2a:  10. 
Herkomer,  H.     I  11  :  8,  362/4. 
Hermann,  Erzbiscbof  v.  Köln.     II  6  :  31. 
-  Fr.  Jak.     IV  1  a  :  2. 

—  Gott  fr.     1  6  :  76,  185. 

—  Nik.     II  1:88;  6:  150. 

—  T.  Sachsenheim.     U  3  :  2. 

—  V.  Weinsberg.    II  1  :  16. 

—  V.  Wied.     II  1  :  67. 
Herroannstudt.     I  4  :  484. 
Hermann- Stoff.     IV  4  :  62. 
Hermenjat,  L.    IV  1  d  :  12. 
Herodot.     I  5  :  17/8. 
Heroide.     1  12  :  31. 
Herolt,  Joh.     II  6  :  101. 
Heroomorphismus.     I  12  :  144. 
Herrig,  H.     I  10  :  24;    IV  4  :  100,  286. 
Herrmann,  Zach.    IV  1  a  :  46. 
Hersfeld.     I  4  :  403. 

Hert,  Elisabeth.     IV  8d  :  19. 

Hertz,  Wilh.     IV  1  c  :  90. 

Herwegh,   G.      IV    1  c  :  94,   157;    2b: 

93/4. 
Herz,  Henriette.     IV  1  e  :  70  1. 

—  M.    IV  1  c  :  70. 
Herzfeld,  Marie.     IV  1  a  :  28. 
Herzlieb,  Minna.     IV  8  e  :  49. 
Herzog,  Karl.     I   6  :  203,  215. 
Hess,  Joh.  Jak.     IV  1  c  :  99,  124. 
Hessen.    I  4:396-403;    11:90,   164; 

II  1  :  59. 
Hesshusen,  Til.     II  6  :  157. 
Hessus,    Eoban.     I    3:38;    6:16;    II 

1  :  59 
Hettner,    H.     IV    la:3;    lc:81;    5: 

462,  541. 
Heubel,  J.  G.    IV  4  : 1. 
Heubner,  0.  L.     IV  2  b  :  109. 
1  leumann,  F.     13:  70. 
Heusenstamm,  Graf  s.  Th.  Stamm. 
Heuwes,  J.     IV  4  :  69. 
Hey,  W.     I  7  :  51 ;  IV  la  :  6;  5  :  15/7. 
Heyne,  Ch.  G.     IV   Ic  :  115,   123,  126, 

133;  5:601;  8b:  15/6. 

—  Th.    IV  8a:  63. 

Heyse,  P.  IV  la:17:  1  c  :  40,  145, 
147,  157;  ld:54;  2b:  70;  4:90, 
314,  367;  11:20. 

Hexameter.     16:9. 

Hexenfabeln.     1  5  :  115;  III  3  :  7. 

Hexenprozesse.  I  4:  179-81;  5  :  113/4; 
lU  3:7;  5:47. 

Hexensalbe.    I  5  :  114. 

Hexenverfolgung.     II  6  :  19. 

Hexenwahn.     I  5  :  113/4. 

Hidegkut  s.  Volksglaube. 

Hildebrand,  Ad.     1  11  :  367. 

Hildebrandslied.     I  7  :  135. 

Hildesheim.     I  4  :  367/9;  11  :  163. 

Hiller,  F.  v.     IV  1  c  :  157. 

Hlmbnrg,  C.  F.     IV  8  e  :  18. 

Hinderbach,  Joh.     II   7  :  18. 

Hiob.     I  12  :  170. 


Sachregister. 


Hipler,  Wend.    11  1  :  20. 

Hippel,  Th.  G.  v.    IV  5  :  30. 

Hirschberg.    1  11:82. 

Hirt,  A.  L.     IV  la:44:  8b:2;  8d:5; 

8e:79. 
Hirtenlieder.     1  5  :  269. 
Hirzel,  L.     IV  Ic:  67;  4:  1. 
Historilcertag,  D.  erste.     14:5. 
Historisclie  Wissenschaft.     1  1  :  1-30. 
Hochschulen   s.  Schulen. 
Hochstift,  Freies  Deutsches.     IV  8a: 

19,  31. 
Hochzeit.     I  4:75;  5:37,  67/8. 
Hocker,  J.  L.     III  5  :  47. 
Höclcelshofen,  J.  v.     16:  205/6. 
Höcker,  P.  0.     I  7  :  67  a. 
Hfideke  (Hausgeister).     I  5  :  130. 
Hölderlin,  Fr.     IV  la  :  2,  27;  2a  :  2/4; 

8b:  IIa;  8d:32;  9:153;  10:7,52/9. 
Hölty,  J.  L.     IV  Id:  69;  2a:  33. 
Hoest,  St.    16: 116. 
Hof.     I  4  :  455. 
Hofer  (Rektor).     I  6  :  161. 
Hoffmann,    B.  T    A.     IV   4  :  385;    10  : 

41,  48,  79,  93  8.. 

—  Franz.     I  12  :  322;  IV  2b  :  99. 

—  H.     IV  8a:  164. 

—  H.  V.  FallerHleben.      II    6  :  16;    IV 
lc:157;  2b  :  97-103. 

Hoffmeister,  J.    II  1  :  95  ;  6  :  6/7. 
Hofleben.     I  4  :  84/6;  II  1  :  61;  III  1  : 

126-33. 
Hofmann,  Melch.     II  6  :  55. 
Hofmannsthal,  H.  v.     IV  1  a  :  38. 
Hofmannswaldan,  Chrn.  H.  v.    III  2  :  38. 
Hofmeister,    D.    iWochenschrift).      III 

5:49. 
Hofmeistererziehung.     I  6  :  237. 
Hogarth,  W.     I  12  :  11,  55. 
Hohburg.  Chrn.     III  5  :  22. 
Hohe  Lied.     I  S  :  43. 
Hohenheim,  Franziska  v.     IV  9  :  152. 
Hohenstein.     I  5  :  177. 
Hohenzollern,     1  3  :  41. 

—  Fridericus  comes  de.     I  6  :  99. 
Holbein,  F.     IV  4  :  385. 

—  Hans,  d.  Ae.     I  11  :  207. 
d.  J.    111:  203/9. 

—  Sigisraund.     I  11  :  207. 

Holberg,   L.  Frhr.  v.     III   4:22;    IV 

ld:ö8;  4:  1,  38. 
Holenia,  Edm.     IV  1  c  :  84. 
Holenya,  Frz.  Jos.     IV  1  c  :  84. 
Holl,  Elias.     I  11  :  131. 
Holland.     I  11  :  256. 

—  H.     IV  4:1. 

Holle,  Frau.     I  6  :  173/5. 

Holstein.     IV  9  :  137. 

Holtei,    K.    V.      IV    la:33;    lc:7ö; 

2b  :  4;  4:202,  314,  441. 
Holtermann,  K.     IV  10  :  25. 
Holtzendorff.  F.  v.    IV  5  :  605. 
Holzmann,  Dan.     II  2  :  21. 
Holzschnitt.     II  4  :  11. 
Homberg.     I  6  :  107. 
Home,  H.     1  12  :  11. 
Homer.    I  6  :  75;  7  :  46;  8  :  18;  IV  Ic  : 

20/1,  83,  137;   4  :  60;   8c  :  8;  8d  :  1; 

8e;3;  10  :  41. 
Honorins  v.  Autun.    I  5  :  63. 
Hopfen,  H.  V.     lY  1  c  :  90;  4  :  373. 
Hopp,  F.     IV  4  :  308. 
Horawitz,  Ad.     II  7  :  36. 
Horaz.     I   7:46;    12:190;    1112:33; 

5  :  15;   IV  2a  :  20,  23,  62;    8c  :  18a. 
Horchler,  G.     I  10  :  21. 
Hormayr,  Frhr.  J.  t.     IV  Ic  :  159;  4  : 

200. 
Hörn,  Uffo.     IV  1  c  :  84. 
Hornboste),  F.    IV  4  :  202. 
Hornnng,  Job.     II  6  :  29. 
Horst,  K.     II  1  :  40. 
Horwicz,  A.     I  12  :  22. 
Hosius,  Hischof.     II  6  :  33. 
Hothby,  J.    I  13  :  62. 
Hottinger,  J.  J.     IV  1  c  :  124. 
Houdon,  J.-A.     I  11  :  262. 
Houwald,  Frhr.  Chr.  E.  v.    IV  1  c  :  137. 
Hoya.     1  3  :  180. 
Hroswitha.     1  3  :  120. 
Huber,  A.    II  1  :  7. 

—  Joh.  Jak.    III  5  :  63. 

—  L.  F.    IV  Ic:  114;  4:1. 

—  Therese.    IV  4  :  212. 

—  Wolf.    I  11  :224. 
Hnberinus,  Casp.    II  6  :  188. 
Hubert,  Konr.    I  3  :  251 ;  II  1  :  156. 
Hnberti,  L     IV  8a:  83. 


Hubmaier,  Balth.     II  6  :  181. 
Hudemann,  L.  F     III  2  :  32;  IV  2a:  8. 
Hndtwalcker,  J.  M.    IV  1  c  :  29. 
Hühner,  A.  Graf  t.     IV  1  c  :  39  a. 
Hübsch.     I  6  :  184. 
Hüffer  (Verleger).    IV  2b  :  81. 

—  H.     IV  11  :  48. 
Hufeisen.     I  4  :  271;  5  :  100. 
Hufeland,  Ch.  W.     1  6  :  61. 
Hugenotten.     I  4  :  527-32,  560. 
Hugo,  V.     112:327;    lVld:l;    2b: 

81;  10:5. 

Humanismus.  II  7.  —  1  3  :  51/8,  245; 
4  :  121;  6:9;  II  1  :  74,  85;  6  :  40/5. 
In  :  Augsburg  II  7  :  13.  Böhmen 
II  7  :  69-72.  Elsass  II  7  :  39.  Kon- 
stanz II  7  :  36.  Oberrhein  I  6  :  116. 
Polen    II  7  :  69-72.     Tirol    II   7  :  18. 

Humanistenschule  II  7  :  68. 

Hnmanitätsideal.     I  1  :  88,  140. 

Humboldt,  Adelheid  v.    IV  1  c  :  23. 

—  Alex.  V.  I  6:90;  IV  lc:20,  70, 
75,  114,  160;  4:202;  5:495,  616, 
618/9,  623;  8b  :  2:  10  :  106. 

—  Karoline  v.  IV  lc:20/l.  23;  5: 
618/9. 

—  W.  V.  I  1  :120;  6:151;  IV  Ic: 
20/3,  75,  81,  123,  159;  5  :  214.  548, 
605,  618-23;  9  :  24:  10  :  18  9,  29. 

Hume,  D.     IV  1  c  :  20. 

Hummol,  M;     16:  99. 

Hnmmelberg.     II  7  :  36. 

Humor.    I  4  :  163  5;  7  :  98 ;  12  :  23,  49, 

74,  166/8,  237. 
Hnnold,  Chrn.  F.     IV  10  :  162. 
Hupfuff,  M.  (1492-1520).    I  3  :  72,  96. 
Husaren.     I  4  :  196. 
Huss,  J.     IV  4  :  1. 

—  M.     13:  90. 
Hussitenkriege.     I  3  :  175. 
Huter,  Jak.     II  6  :  181. 

Hütten,  U.V.  I  1  :  111;  3  :  247;  II  1  : 
86,  88,  123,  140 ;  6 :  40 ;  7  :  37-40,  67  ; 
IV  1  c  :  83 ;  5  :  322. 

Hux,  Joh.     II  7  :  1.5. 

Hypnose.     I  12  :  91/.3,  288-94. 

Hypotypose.    I  12  :  4. 

Ibsen,  H.  I  12  :  74,  254,  284,  316,  324, 
342.  346,  349-71,  398,  415;  IV  4  :  38, 
119-40,  157,237,247,314,404;  5:  151, 
172,  322;  8e:  1;  10:99. 

Ideal.     I  12  :  12,  63. 

Idealismus.     I  11  :  24. 

Idee.    I  12  :  63,  268. 

Idstein.    1  6  :  43. 

Idylle.     I  12:206;  IV  2a:  76. 

Iffland,  A.  W.  IV  la  :  2;  Ic  :  114,  158; 
4  :  1,  12,  38,  314,  371, 446,  452;  10 :  31. 

Ihering,  K.  v.    IV  5  :  199.  435/7  a,  445. 

Ilgen.     I  6  :  185. 

Illenberger,  F.     IV  4  :  457. 

llluminaten.     IV  5  :  284. 

Illuminator.     I  3  :  21. 

Illuministen.     I  3  :  88. 

Illustrationen.     I  3  :  21,  96;  11  :  57-64. 

Ilmenau.     IV  8b  :  21;  8c  :  15/6. 

Irahof,  Anialie  v.  s.  Helwig,  Amalie  v. 

—  Seb.     I  11  :  188. 

Immermann,  K.  L.     IV  lc:22,  105;  4: 

212,  402;  5:573;  8d:32;  10:13,  62; 

11  :  13. 
Index    librorum    prohibitorum.      I   3 : 

275/6,  278. 
Individualismus.     I  11  :  20. 
Industrie.     I  4  :  219-29  a,  238-41,  460. 
Inkunabeln.     1  3  :  38,  94/5,   105,    107/8, 

152;  6:9. 
Innsbrucker  Hofkirche.     II  1  :  133. 
Inquisition.     I  5  :  113. 
Inschriften.     I  5  :  302/8. 

—  lateinische.    15:8. 
Institutionen.     II  7  :  67. 
Interim.     II  1  :  148. 
Inventar.     I  4  :  201;   11  :  74-103. 
Irene-Legende.     I  10  :  6. 
Iselin,  J.     IV  5  :  2,  30,  545. 
Iserlohn,  Joh.     II  7  :  30. 
Island.     IV  9  :  132. 

Israhel  von  Meckenem.     I  11  :  416. 

Itzehoe.    1  4  :  217. 

Itzstein,  Joh.  W.    IV  5  :  605. 

Jacob  VI.  V.  Schottland.     I  3  :  182. 
Jucobi,  Friedr.     IV  9  :  19. 

—  F.  H.  IV  Ic  :  20,  47,  70,  114/5,  159; 
5:  140,  210;  10:  13,  51. 


Jacobi,  J.  G.     IV  lc:124;  2a:  2/4,  10, 
22/3;  9:  19. 

—  Max.     IV  8b  :  2. 
Jacobowski,  L.     IV  1  d  :  66. 
Jacobsen,  P.     I  12  :  316. 
Jacquot,  A.     III  4  :  25. 
Jagden.     II  1  :  153. 
Jagdwesen.     I  4  :  71,  446. 
Jagemann,  Karoline.     IV  Sa:  51. 
Jahn,  F.  L.     16:  82,  131/2,  185. 

—  Joh.     11  1  :  128;  IV  5  :  485/6. 
Jahresberichte.     I  1  :  172/3. 
Jahreszeiten,  Feier  d.     15:  50. 
Jakoby,  Joh.     IV  5  :  605. 
Jamben,  fünffüssige.     IV  9  :  70. 
Jamnitzer,  W.     111:  440. 
Janitschek,  H.     I  11  :  401/3. 
Janker.     I  7  :  18. 

Janssen,  Joh.     I  4  :  25;  II  1  :  7-11;  6  : 
5,  22,  36/9,  101,  191 ;  IV  5  :  299,  334/6. 
Jan  Tamboer.    III  4  :  28. 
Jariges,  v.     IV  2a:  2/4. 
Jean  Mayeux.     IV  4  :  354. 
Jean  Paul  s.  J.  P.  F.  Richter. 
Jeanne  d'Arc.    1  10  :  22;  IV  9  :  104-22. 
Jehuda  Halevi.     IV  11  :  49. 
Jena.     1  6  :  16,  134/7;  IV  9  :  22. 
Jenitz,  H.     II  2  :  44. 
Jensen,  W.     IV  la:  17. 
Jentsch,  K.    IV  5  :  627. 
J6röme,  König  V.  Westfalen.    IV  lc:8. 
Jerusalem.    IV  6  :  40. 

—  K.  W.     IV  8d:  19. 
Jernsalemfahrten.     II  1  :  167/8. 
Jesuiten.   I  3:149;  4:  514-26  a;  6:151, 

212,  239;   II  1  :  1,  7,  124/6,  146;   III 
1:21,    77/7 a,    97/8,  101;  IV  2a:  92; 

5  :  283/4. 
Jesuitenbibliothek.     I  3  :  188/8  a. 
Jesuitendraraen.     III  4  :  13,  21/26. 
Jesuitenkirchen.     I  11  :  125-30. 
Jesuitenkolleg  in  Ilildesheim.   III  2  :  11. 
Jesnitenkomödie.     I  4  :  73;  6  :  244. 
Jesuitenmoral.    II  6  :  198. 
Jesuitenorden.      I  6  :  100,    151/2,    239; 

IV  2  a  :  62. 
Jesuitenschauspiele.     I  3  :  39. 
Jesuitenschulen  (s.  a.  Schulen).   II  1  :  1. 
Jo.ichim  I.  V.  Brandenburg,     II  6:29; 

7:40. 

—  II.,  Kurf.  V.  Brandenburg.   II  1  :  140 

6  :  24,  153. 

—  B.     II  1  :  35. 

—  Jos.    IV  1  a  :  50. 

—  Karl   V.    Brannsvhweig.     II    2  :  20; 
III  2  :  5. 

Jodler.     I  5  :  266. 

Jöcher,  C.  G.     III  5  :  44. 

Jördens,  K.  H.     IV  2a:  77. 

Johann,  König  v.  Sachsen.    IV  1  c  :  35. 

—  Herzog  v.  Sachsen-Weimar.  1  6  :  235. 

—  Erzherzog  v.  Üesterreich.    IV  lc:3; 
4  :  202. 

—  Pfalzgraf.     II  7  :  32. 

—  V.  Bayern.     II  2  :  31. 

—  Bischof  V.  Eichstätt.    II  7  :  13. 

—  Bischof  V.  Meissen.     II  1  :  140. 

—  V.  Köln.     I  3  :  69. 

—  V.  Neumarkt.     II  1  :  73. 

—  Friedrich,   Kurf.  v.  Sachsen.     II  1  : 
140;  n  6:  17,  24,  56. 

—  Moritz  V.  Nassau.     III  1  :  123. 

—  Peter  de  Memel.     III  5  :  16  a. 

—  Wilhelm,  Herzog  v.  Jülich.  II 1 :  153. 
V.  d.  Pfalz.     III  1  :  62. 

—  —  Sachsenherzog.  I  4  :  192. 
Johanna  Elisabeth,  Fürstin   v.  Anhalt- 

Zerbst.    IV  Ic  :  9. 
Johannisbräuche.     I  5  :  28. 
Johannisfeuer.    I  5  :  53. 
John,  A.    lY  8a:  161. 

—  S.     III  2  :  39 
Jökai,  M.    IV  2a:  53. 

Jonas,  Just.      I  4  :  563;    II  1  :  140;  6 : 

24,  47,  126/9. 
Jordan,  Gregor.    I  3  :  246. 

—  P.     IV  1  a  :  47. 

—  Sylv.     IV  5  :  550. 

—  W.  IV  5:  182,  430;  10:71. 
Josema,  H.  I  3  :  122 ;  III  5  :  8. 
Joseph  II.  Kaiser  v.  Oesterreich.    I  6  : 

100,  225,  234;  IV  lo:  66. 

Drama.     III  4  :  26,  38. 

Journal,  Tiefurter.  lY  2  a  :  72 ;  8  a  :  34  b. 
Journalisten.     IV  5  :  499-511. 
Journalistik   s.  Zeitungen. 
Jude  im  Dorn.     I  10  :  31. 

—  Sage  vom  ewigen.    I  3  :  120;  5  :  226. 


Sachregister. 


Juden.   I  4  :  535-47 ;  5  :  356 ;  IV  8  b  :  12. 

Jadenbach.    I  4  :  394. 

Judendentsch.    I  5  :  290. 

Jndoons,  Dr.     II  1  :  140. 

J&dische  Sprächwörter.    I  5  :  320. 

Jülich.    I  4  :  412. 

Jflngling,     D.    (Wochenschrift).      111 

5:49. 
Jugendlitteratur.   I  3:68,  145/6;  6:80, 

176. 
Juillerat,  J.  H.     111:  288. 
Junclcheim.     IV  2a  :20. 
Jung,  Albertine.     IV  4  :  22. 

—  Joach.    I  6  :  20. 

Stilling,  J.  H.     I  6  :  238;    7  :  137; 

IV  Ic:  113;  5:513:  7:5. 
Junges  Deutschland.    IV  1  c  :  137,  145, 

159;  11  :  1/3. 

—  Oesterreich.     IV  1  a  :  38. 
Jungfer,  H.     IV  4  :  56. 

Jungfrau   mit   d.  goldenen   Hauren.     I 

5  :  228. 
Jungfrauen,  D.  drei.     I  5  :  145. 
Jurisprudenz.     I  6  :  159. 
Juristendeutsch.     I  8  :  146/7. 
Jus  reformandi.     III  1  :  5. 
Just  (Ereisaratmann).     IV  10  :  47. 
Justinus,  0.     IV  4  :  94. 
Jutta.     II  4  :  1. 

Kabbala.     II  1  :  93:  7:23. 
Kärnten.     I  ö  :  269-71 :  11  :  245,6. 
Kästner,  Albr.  G.    IV  5  :  11,  30;  6 :  13. 
Kaffee.     IV  2  a  :  62. 
Kaiser,  Joh.    II  7  :  42. 

—  u.  Abt.     I  10:33;  IV  2a:  53. 
Kaiserbede.    I  4  :  211. 
Kaiseridee.    IV  2b:  104. 
Kaisersage.     I  10  :  16. 
Kaiserslautern.     I  6  :  220. 
Kaisertum.     I  1  :  103. 

Kalau.     I  4  :  29. 

Kalb,  Charlotte  v.    IV  1  a  :  22;  9  :  17/8. 

Kalbsrieth.     IV  9  :  18. 

Kalchberg,  N.  G.  Ritter  y.    IV  la:33; 

2a:  2  4. 
Kalckreuth,  Friedr.  Graf  v.    IV 2a:  100. 
Kalender.  I  3  :  76;  4  :  144,6;  6  :  62,  243. 

—  Gregorianischer.     U  1 :  1,  7. 
Kalff,  P.     II  4  :  4. 

Kalidasa.     IV  9  :  52. 

Kaiisch,  D.     IV  1  c  :  147. 

Kallenberg,  Jak.    111:  216. 

Kalvinismus.     I  4  :  96;  III  1  :  86/7. 

Kant,  I.  1  1  :  89;  6  :  238;  12  :  11,  14, 
74, 111  la;  III  5:  20a,  61 ;  IV  lc:20,l, 
94,  97,  123;  2b  :  1;  5  :  101/2,  106-29, 
154,  284,462;  7:6,  10,13;  9:38, 
70;  10:51. 

—  J.  H.     IV  1  c  :  164. 

Kanzlei.     I  8  :  8-11;  II  1  :  73;  7:6. 
Kanzler.     I  6  :  93 
Kapitalismus.     I  8  :  135. 
Kappel.    I  11  :  140. 
Kapuzinerorden.     III  1  :  99. 
Karl  IV.,  Kaiser.    II  7  :  6. 

—  V.,  Kaiser.  I  6  :  16;  II  1 :  36,  38, 
57/8,  61,  140,  147/8,  151. 

—  VI.     16:  225,  234. 

—  Erzherzog  v.  Oesterreich.  I  6  :  234 ; 
IV  5  :  538,9. 

—  Prinz  V.  Mecklenburg-Strelitz.  IV 
2a:  22. 

—  August,  Grossherzog  v.  Sachsen- 
Weimar.  IV  1  c  :  11, 14,  73, 133;  5 :  23; 
8b:  2,  7,  17,  28. 

—  Eugen,  Herzog  v.  Württemberg.  IV 
1  c  :  36. 

—  Friedrich,  Markgraf  t.  Baden.  IV 
Ic  :  11;  5  :  535. 

—  Gustav,  Pfalzgraf.     III  5  :  10. 

—  Ludwig,  Kurfürst  v.  d.  Pfalz.  III 
1  :  126. 

—  —  Erbprinz  v,  Baden.     IV  1  c  :  11. 
Karlowitz,  Christoph  v.     II  6  :  24. 

—  Friede  v.     lU  1  :  61. 
Karlsruhe.     I  4:429;  11:10. 
Karlssage.     IV  10  :  71. 
Karlstadt,  Andr.     II  6  :  13,  177,  180. 
Karneval.     II  1  :  140. 

Karoline  Luise  v.  Weimar.    IV  8b: 41. 

Karpff,  E.     IV  4  :  100. 

Karr,  Th.     IV  4 :  202. 

Karrer,  B.     I  3:75. 

Karschin,  Anna  Luise.  IV  2a:  21/2, 55. 

Kaspar  v.  d.  Bhoen.     II  1 :  86. 

Karten.    I  3:29. 

Kartenspiel.     I  4 ;  67,8;  5  :  103. 


Kasimir,  Markgraf  t.  Brandenbarg.    II 

1:34. 
Kataloge.     I  3  :  270,4. 
Katechismen.    II  6  :  27,  48,  73-90,  175, 

188. 
Katharina  IL,  Kaiserin  v.  Bussland.   IV 

1  c :  9,  42. 

—  Königin  v.  Westfalen.     IV  lc:8. 
Katharsis.     I  12  :  11,  220. 
Katholizismus.  I  1 :  37  8, 154/5;  5 :  11/5; 

II  1:1;  IV  2b:  86. 
Katona,  A.     IV  4 :  222. 
Katzensporn.     I  5 :  96. 
Kauffmann,  Angelika.     I  11:27S;9;  IV 

9  :  19. 

—  Chr.'    IV  5  :  30. 
Kaufmann.     1  4  :  255. 

—  Alex.    IV  2  b  :  108. 

—  Herm.     I  11:284. 

—  Mathilde.    (=  Amara  George.)    IV 

2  b  :  108. 

—  Phil.     IV  lc:22. 

—  V.  Venedig.     I  10:36. 
Kaufmannsdeutsch.     IS:14S/9a. 
Kanfringer,  Andr.     II  1 :  13, 
Kaulbach,  H.     I  11 :  368. 

—  Josepha.     IV  1  c  :  149. 

—  Wilhelm  v.  111:  294,4  a. ;  IV  1  c  :  40, 
90,  145,  149;  8e:85. 

Kautzsch,  Joh.     II  7  :  13. 
Kaweran,  G.     II  6 :  10,  70,  130. 

—  W.     III  o  :  5. 
Kayserlingk,  v.     16:  236. 
Keferstein,  Ch.     16:  215. 
Kegler,  J.     14:  146. 
Keil,  J.  G.     IV  1  c  :  94. 
Keiter,  E.    IV  10  :  99. 

Keller,  A.  v.  II  1  :  73;  IV  10:107, 
124/5. 

—  G.  I  7  :  110;  12:  254;  IV  la:  50; 
Ic:  145,  147;  ld:73;2b:  119;  4: 169, 
276;  5:423,  545;  11:43. 

—  Heinr.     I  11  :  233. 
Kellner,  L.     16:  69-70,  253. 
Kels,  Hans.     I  11  :  253. 
Kemnat,  Matthias  v.     16:  116. 
Kemner,  Timann.     II  7  :  30. 
Kempen.     I  4:321;  11  :  93. 
Kempten.     I  6  :  88. 

Kern,  Fr.     17:  102. 
Kerner,  Just.    IV  Ic  :72;  2b  :  6/7,  13, 
17;  5:78;  10:40,  105,  107,  139-4L 

—  Konr.     I  3  :  72. 
Kerssenbroick,  H.  v.     II  1  :  24. 
Kestner,     Charlotte     (^=    Lotte     Bnff). 

IV  8b:  13,  36-37 a. 

—  E.  W.  E.  J.     IV  8a  :  172;  8b  :  36. 

—  J.  C.     IV  8d:  19-20. 

—  Theodor.     IV  8b  :  13. 
Ketteier,  Em.  v.     IV  5  :  578. 
Kettenbücher.     I  3  :  40. 
Keysere,  Peter  de.     I  3  :  85. 
Keyserling,  Graf  D      IV  1  c  :  33. 
Kiel.     I  4  :  357/8. 

Kielland,  A.  L.     I  12  :  316. 
Kiennast,  F.     IV  4  :  290. 
Kierkegard,  S.     I  12  :  316. 
Kiesewetter,  K.    U  1 :  176. 
Kiessling,  H.     IV  5  :  371. 
Kiffhäuser.     I  5  :  142. 

Sage.     I  5  :  142/4;  IV  2b  :  47. 

Kilian,  E.     I  12  :  231. 

—  Brustfleck.     III  4  :  28. 
Kinck,  H.     I  12  :  370. 
Kind,  Frd.     IV  lc:121. 
Kinderlieder.       I    5:213,   290;      IV 

2  b  :  98. 
Kinderroann,Balth.(Curandor).  III  5:  5. 

—  F.     1  6  :  58,  225. 
Kinderreigen.    I  5  :  258,  279. 
Kinderreime.     I  5  :  270,  276,  287. 
Kinderspiele.    I  5  :  270,  286. 
Kinderstube,  Kunst  in  d.    1  11  :  3. 
Kinderursprung.     I  5  :  150. 
Kindscher,  L.     IV  2  b  :  102. 

Kinkel,  Gfr.   IV  1  c  :  145,  157;  2b  :  108; 

5:507. 
Kinsky,  F.  J.  Graf  v.     16:  225. 
Kipper  u.  Wipper.     III  ö  :  7. 
Kirchenbau.     I  11  :  160. 
Kirchenbücher,     I  3  :  74,  179. 
Kirchenlied.     112:194;    13:53/7;   II 

1  :  7,  86,  88;  2  : 1/6;  6  :  189.  (^S.  auch 

Lied,  geistliches.; 
Kirchenmöbel.     I  4  :  274. 
Kirchenvisitationen.     II  1  :  140. 
Kirchhoff,  H.  W.     II  3  :  21;  4  :  35. 

—  Theod.    IV  la:  16. 


Kirchmann,  J.  W.  v.     I  12  :  14. 
Kirchner,  Th.    I  13  :  165. 
Kisfaludy,  K.     IV  4  :  52. 
Kiss,  Aug.    111:  339. 
Kistler,  B.     13:  72. 

—  Cyrill.    1  13  :  153/4. 
Kittel,  K.  III  2  :  5. 
Kitzingen.     II  1  :  22. 
Kjärape-Viser.    IV  1  :  127. 
Klagenfurt.     1  4  :  482. 
Klapperkes.     I  5  :  97. 
Klassizismus.      I   1:15,    89,    97,    117, 

141 ;  I  3  :  247 ;  7  :  33. 
Klaucke.    IV  8e  :  5. 
Klauer,  F.  G.     IV  2  b  :  102. 
Klaus  V.  Graveneck.     n  1  :  27. 
Kleberg,  H     I  4  :  151 ;  II  1  :  63. 
Klee,  G.     IV  10  :  37. 
Kleediz,  J.    IV  4  :  28. 
Kleiber,  M.    II  2  :  21. 
Klein,  B.     I  13  :  1056. 

—  (Stadtjustizrat  in  Tilsit).   IV  1  o  :  26. 
Kleindienst,  B.     II  6  :  15. 
Kleinlawel,  M.    11  3  :  55. 
Kleinstädter.     I  4  :  165. 

Kleist,  Ew.  V.  IV  la  :  48;  2a  :  12,  20; 
5:30. 

—  F.  V.     IV  4  :  21  2,  220. 

—  H.  V.  I  7:5;  12:  142,  165;  IV 
Ic  :  81.  121,  158,  160:  Id  :  3; 
2b:  22/4;  »4:  53-78,  117,  204,  212, 
220,  228,  237,  243;  8b:  21;  8e:29; 
9:71,  164;  10:9,  63,  71. 

Retzow,  H   V.    IV  5  :  554,  605. 

Klenke,   Frau   v.   (geb.  Karschin).    IV 

2a:  13. 
Klerus.     I  3  :  149. 
Kletke,  H.    IV  2b:  5. 
Klettenberg,     Susanna   v.     III  5  :  33/4 ; 

IV  8b  :28a;  8d  :  30. 

—  W.  V.     111:  79. 
Kleve.     1  11  :  93,  256. 
Kling,  Konrad.     11  6 :  15,  192. 
Klingemann,  A.     I  10  :  24;  IV  4  :  100. 
Klinger,  F.  M.   v.    IV   ld:66;  4:7/8, 

11,2;  8b:  12;  8e  :  85. 

Klinggräff,  F.  v.     IV  1  c  :  34. 

Klingler,  B.    13:  125. 

Klöster.    I  3  :  175/6. 

Klopmann,  E.  v.     IV  1  c  :  165. 

Klopstock,  F.  G.  16: 184,  238:  7  :  44, 
57,  110:  8:  34;  10:45;  12:190;  IV 
la  :  3,  22,3,  48;  Ic  :  65,  67,  97,  100; 
Id  :  3;  2a  :  5,  14,  20,  2:3,6,  28,  30/1, 
55;  4:62;  5:  1;  8b:  27;  8d:4; 
10  :  71,  73. 

Klosterbücher  in  Lyon.    I  3  :  108. 

Klotz,    Ch.     A.      IV    2a:  22,3;    7:19; 

8  e  :  22,  88. 

Kluckhohn,  A.  v.     IV  5  :  327,8. 
Kluge,  Aug.    IV  1  c  :  73. 
Knapp,  Graf  AI.  Alb.     IV  2b  :  17. 
Knebel,  K.  L.  v.     IV  lc:65;    2a:  24, 
18,9:  8a:  50;  8b  :  2,  50;  8c:  11,  16; 

9  :  22. 

—  Hauptmann  v.    IV  8b  :  44. 
Kneiplied     I  12  :  194. 
Kneipp,  S.    I  3  :  110. 
Kniebs,  Nik.     H  6  :  40;  7:33. 
Knigge,  Ad.  v.     IV  5  :  30. 
Knittelverse.     II  4  :  14. 
Knobeisdorf,  W.  v.    I  11  :  266. 
Knorr,  W.    1  2  :  35. 

—  V.  Rosenroth.    II  2:3. 
Knorring,  J.    L.   v.      IV    lc:47;    10: 

39 
Knortz,  K.    IV  1  a  :  16. 
Knutzen,  M.     III  5  :  61. 
Kobell,  Frz.  v.    IV  1  c  :  40. 
Koberstein,  Aug.    IV  1  c  :  105. 
Koblenz.     I  11  :  93. 
Koch,  Fr.    I  6  :  204. 

—  G.     IV  2a:  18-9. 

—  H.  G.    IV  4:371;  8e  :  10. 
Kochbücher.     I  3  :  247. 
Kochem,  M.     IV  4  :  285. 
Kock,  P.  de.    I  12  :  309. 
Koegel,  R.    IV  5  :  605. 

Köhler,  Beinh.     I  2  :  30  1;  IV  8a:  169. 

—  (Lausitz).     III  4  :  17. 

Köln.     I  4:225;    11:71,    125/6,   240; 

n  1  :  1,  50,  146. 
Königsberg.     III  5:61. 
Königstochter,  d.  nicht  lachen  konnte. 

I  5 :  238. 
Köpke,  R.    IV  lc:81. 
Körber,  G.  W.    IV  lo:94. 
KÖrmöczbäny.     I  5  :  275/6. 


Sachregister. 


Körner,  Chr.  G.  I  12:14;  IV  la:22, 
27;  lc:135;  2a:103;    9:19,22,62. 

—  Minna.     IV  9  :  62. 

—  Theod,  16:176;  7:5;  IVla:6, 
32;  lc:23,  84,  137,  140,  ln8;  Id: 
82,  49,  73;  2a  ;  70,  94-111;  4:38, 
44-52 

Musenin.     IV  4:50;  9:19. 

Köslin.     I  11  :96. 
Kösting,  E.     IV  4 :  100. 
Köstlin,  F.     IV  2b:  119. 

—  Jul.     II  6  :  64,  91. 

—  K.     I  12:74. 
Koffka,  E.     IV  4:402. 
Kohl,  J.  G.     IV  5:432  a. 
Kohler,  J.     IV  4  :  867. 
Kolberg.     I  4  :  194. 
Kolde,  Th.     II  6:58. 
Kollmann,  Jos.     IV  la:33. 
Kolonie,  deutsche.     II  1 :  30. 
Kolportagerotnane.     IV  1  a :  32. 
Komarek,  J.  N.     IV  4:1. 
Komische,  D.     I  12:49,  lll/la. 
Kommnnismus.     11  1  :  19. 
Komödianten.     In:  Dänemark  III  4  :  35. 

Riga  III  4  :  34.     Englische   I  13  :  58 ; 

II  4:34;    III  4:4,  33,  44;   IV  4:25. 
Komödie.    I  12  :  15  c,  16, 144,  235/8,410. 
Komponisten.     I  13  :  61-167. 
Konewka,  P.     111:  344. 

—  W.     IV  8  e  :  85. 
Konfirmation.     I  5 :  37. 
Konkordienformel.     II  1:1,  7. 
Konrad  v.  Fussesbrunnen.     IV  10:128. 

—  V.  Würzburg.     IV  10  :  130. 
Konstantin,  Prinz  v.  Weimar.  IV  1  c  :  11. 
Konstanz.     I  4  :  432. 

Kopisch,  A.     IV  2b:  111. 

Kopp,  Jos.     IV  2b:  39. 

Koreff,  J.  F.     IV  10 :  7. 

Korff,  H.  V.     IV  1  a  :  38. 

Korraart,  Ch.     III  4 :  17. 

Korn,  Wilhelmine.     IV  4:421. 

Korntheuer,  J.    IV  4  :  1S9,  375. 

Kortum,  K.  A.     IV  5 :  13. 

Kosegarten,  L.  Th.     IV  2a:  2,4. 

Kotzebue,  A.  v.  IV  la:2:  lc:42, 
114,  124;  ld:15,  70:  2a:  67;  4:1, 
38-42,  182,  202,  223,  441,452:  5:30, 
399 ;  8b;  22. 

—  W.  V.     IV  8e:52. 
Krafft-Ebing,  R.  Frhr.  v.     IV  10  :  68. 
Krag,  W.     I  12  :  370. 

Kralik,  R.     I  12  :  111/1  a;  IV  4 :  308. 

Krankheit.     I  5:22/4,  93,  95/7. 

Krantz,  A.     II  3  :  94. 

Krapfeld.     III  2:4. 

Krastel  (Schauspifler).     IV  8e:92. 

Kratz,  H.     I  12  :  78,  82. 

Kraus,  X.     III  5  :  10. 

Krause,  K.  Chr.  Fr.    IV  5 :  141/4. 

—  K.  E.  H.     12:  33. 
Kreditverhältnisse.     III  1  :  42. 
Kreling,  W.     IV  8e:85. 
Kremnitz.     I  5:273. 
Kremsier,  Nik.  v.    II  7  :  6. 
Kretsohmann,  K.  F.     IV  2a:  15,  27. 
Kreutzer,  C.    IV  2b:  102. 

Krieg,  30j.     I  4:343,  375;  III  1:7. 
Kriegsartikel.     I  4  :  192. 
Kriegskunst.     I  6:205/6. 
Kriegslieder.     IV  2a:  28. 
Kriegsrecht.     III  1 :  39. 
Kriegswesen.     I  4  :  189-96. 
Kringsteiner.    J.     IV   1  a  :  2 ;    4  :  41 1 ; 

8e:62. 
Kriegswissenschaft.     I  3  :  128. 
Kritik.     I    1  :  56-61,    149-53;    12  :  70, 

116-22. 
Kroeker.     IV  8a:  148. 
Kromayer.     I  6:22. 
Krones,  Therese.    IV  4 :  187. 
Krufft,  Nik.  Frhr.  v.     IV  2a:  109, 
Krug,  W.  Tr.    IV  1  c  :  121. 
Krnmmacher,  F.  A.     IV  ld:7;    2b:  5. 
Kruse,  H.     IV  8a:  111. 
Kryptokalvinismus.     13:248;  6:17, 
Kudrun.    IV  lc:137. 
Kfigelgen,  G.  v.     IV  lc:13. 
Köhn,  Sophie  v.     IV  10:13,  47. 
Kühne,   G.      17:86;    10:26;    IV  lo: 

145,  156;  2b  ;  42;  9  :  144. 
Künstlerisches     Schaffen.      I     12  :  16, 

91-106,  112,  165. 
KOnzel,  W.     IV  10  :  60,  72. 
Körnberger,  F.    IV  Ic  :  86;  4  :  269. 
Kürschner,  J.    IV  2a  :  2/4. 
Kugler,  F.    IV  1  c  :  147. 


Knh,  E.     IV  4:245;  lc:81. 
Kulmus  (Fräulein).     III  5  :  61. 
Kultur  d.  Gegenwart.     I  4  :  16. 

—  d.  Mittelalters.     I  4  :  18  a. 
Kulturgeschichte.     I  4.  —  I  1  :  24'7;  II 

1  :  115-39,  153. 

—  Begriff  d.     14:  1/8 a. 

—  System  d.     14:9. 
Kulturpflanzen.     14:13. 
Kuno,  E.     IV  8a:  111. 

Kunst,  Bildende.  I  1  :  60,1;  11  :  3/5; 
12:3,  13,  55/7,  66,  70,  74,  91,3,  116, 
136;  II  1:7,  74,  82,  103. 

—  u.  Ethik.     I  12  :  14,  91/4. 

—  Wesen  d.     I  12  :  58b-62,  74. 

—  n.  Natur.    I  12  :  68-73. 

—  u.  Kritik.     I  12  :  91/3,  116-22. 
Kunstakademie  s.  Kunstschule. 
Kunstgenuss.     I  12:  91,3,  111,2. 
Kunstgeschichte.     I  II.  —  I  1:8. 
Kunstgewerbe.     I  12:58. 
Kunsthandwerker.     II  1  :  82. 
Kunsthistoriker.     I  11:2,  384-410 
Kunstkritik.      I    11:1,   3,    28-43;     IV 

la:  3;  5  :  409-31. 
Kunstlehre.     I  11  :  1,  19;  IV  5  :  410. 
Kunstsammlungen.     1   11  :  197-200. 
Kunstschulen.      I   3:22;     11:6.     In: 

Anhalt   I  11  :  100.     Böhmen  I  3  :  24. 

Köln  I  3  :  23.    Minden  I  3  :  23.    Wien 

I  11  :  449. 
Kunstunterricht.     I   11:1,  10. 
Kunze,  Julie.     IV  2  a  :  99. 
Kupferstich.     I  11  :  411-29. 
Kurländer,  A.     IV  4  :  212. 
Kurland.     III  1  :  43/4. 
Kurowski- Eichen,  F,  v.     IV  8b  :  1. 
Kurz,  F.     III  4  :  30. 

—  H.     IV  2b:  14,  17;  .5  :  385. 

—  Isolde.     IV  1  a  :  17. 

—  J.  V.  IV   4  :  1,  393,  396,  406. 

—  M.     IV  Ia:33a. 

—  Teresina.     IV  4  :  406. 

—  -Bernardonsche  Truppe.     IV  6  :  18. 
Kurzschrift.     I  3  :  5-19. 

Kyd,  Th.     III  5:2. 
Kyffhäuser  s.  Kiffhäuser. 


I^abadie,  J.  de.     III  5  :  23,  31. 
Lachmann,   K.      I  1  ;  42;    2  :  1,    16-23; 

IV  5:3623;   10  :  9. 
Lachner,  F.     IV  2b  ;  102. 
Lacroix.     I  4  :  18  a. 
Lächerliche,  D.     I  12  :  49. 
Lafontaine,    J.      112:204;    IV2a:ö, 

20;  6:32. 
Lagarde,  P.  de.    I  12  :  107;  IV  5:322, 

624. 
Lagomarsini.     II  6  :  33/4. 
Laharpe,  Fr.  C.     IV  1  o  :  42. 
La  Martelifere,  J.  H.  F.     IV  9  :  77. 
Lamartine,  A.  de.    I  12  :  144;  IV  Id  :  26; 

10:5. 
Lamberto,  B.     II  7  :  14. 
Lampe  (Hasenname).    I  5  :  357. 
Lampel.     I  7  :  18. 

Landkarten.     I  3  :  69  ;  II  1  :  109-10. 
Landmann,  Oberst.     IV  1  o :  51. 
Landolt.  J.  H.     IV  1  c  :  46,  50. 

—  R.     16: 77. 

Landschad,    Hans,    v.    Neckarstein.ach. 

II  1:64;  6:165. 
Landschaftsmalerei.     I  11:432. 
Landschrannengericht.     I  4  :  445. 
Landsknechte.     I  4  :  193. 
Landwirtschaft.     I  6:205/6. 
Lang,  H.     111:  333,4. 

—  K.  H.  V.     I.V  5 :  513,  550. 

—  M.     II  6 :  30. 
Langbehn,  J.     IV  5 :  445,  628. 
Lange,  F.  A.     IV  5:227,  292,  447,8. 

—  F.  S.    IV  5 : 1. 

—  G.  S.-    IV  la:48;  2a  :  5,  18-20. 

—  Joh.     II  6:44. 
Langen,  R.  v.     II  7:30. 
Langenstein,  H.  v.     II  7  :  18. 
Langewische,  W.     IV  1  a  :  17. 
Langfeld,  J.     II  7  :  15. 
Langmantel,  V.     II  1  ;  164. 
Laokoon.     I  11  :  8. 

Lappe.     IV  2a:  1. 
Laprade,  V.  de.     I  12:327. 
Laroche,  K.  v.     IV  1  c :  157. 

—  Sophie  V.    IV  1  0  :  66. 
L'Arronge,   A.     I    12:149;    IV  4:314, 

367;  8e:109. 
Lasker,  Ed.    IV  5:606. 


Lassalle,    F.     IV    lc:95/6,    147,    156; 

5  :  133,  568,9. 
Lassberg,   Frhr.   Jos.  v.      IV    Ic  :74; 

2b  :  81;  10:  9. 
Lasterpersonifikation.     II  I  :  92. 
Lateinschrift.     I  3  :  117. 
Lateinschule  s.  Schulen. 
Latendorf,  F.     IV  2a  :  99. 
Lanbach  (Hessen).     I  4  :  399. 
Lauban.     I  11  :  82. 
Laube,  H.     I  7  :  86;  IV  Ic  :  81,  9,5,  140; 

4  :  86,  200,  214/5,  228,  237,  243,  260/1, 
314,  352,  375,  465,  472 ;  9  :  144;  11 :  27. 

Laubenberger,  Ch.     II  3  :  78. 

Landes  d.  14.  n.  15.  Jh.     13: 120. 

Landes,  J.     IV  4  :  1. 

Laun,  Fr.     IV  la:  2. 

Lauremberg,  H.W.    I  1  :  93 ;  III  5  :  12/5. 

Lauser,  W.     IV  1  d  :  89. 

Lautiermethode.     I  6  :  61. 

Lavater,   J.   K.      I  6  :  61 ;    IV   la  ;  22; 

Ic  :  20,  46,   67,  124,  133;   5  :  30,  75, 

256,7,  513,  535;  7  :  15;  8b  :  28a,  47; 

8d:30;  9:  19;  10:47. 
L'Averdy.     IV  9  :  123. 
Lazarus.     II  4  :  13. 
Lebret,  Louise.     IV  10  :  58. 
Le  Brun,  Vigee.     111:  260. 
Lecouvreur,  Adrienne.     I  12  :  15  c. 
Le  Franc,  M.     IV  9  :  109. 
Legenden.     II  4  :  1. 
Lehrerbildung.     I  6  :  57. 
Lehrer-Instruktion.     I  6  :  226,  229. 
Lehrmittelausstellung.     I  3  :  215. 
Lehrpläne.     I  6  :  20,  204;  7:4. 
Lehrs,  M.     I  11  :  171. 
Leibesübungen.     I  6  :  250. 
Leibniz,  G.  W.  v.    III  1:112:  5  :51/6; 

lVla:3;   2a  •  20;   5  :  11;  6:20,  40. 
Leirabach,  K.     IV  la:  15. 
Leinburg,  G.  v.     IV  2b  :  109. 
Leipzig.      14:158,   3t>7;    11:83;    Ul 

5  :  61;  IV  8b  :  1. 
Leisewitz,  J.  A.     IV  4  :  15. 
Leitenberger,  Johanna.     IV  la:15. 
Leitner,  C.  G.  v.     IV  la  :  33;  Ic  :  86. 
Lektionspläne.     I  6  :  158. 

Lektüre.  I  1  :  154  6;  6  :  250;  7  :  31. 
Lemnius,  S.  II  1  :  140,  155;  6  :  945. 
Lenau,  N.     I  12  :  190;   IV  Ic  :  74,  81 ; 

Id  :  74;     2b:  17,    81,    114;     5:57; 

9  :  165. 
Lenbach,  Fr.  v.     I  11  :  375. 
Lenepven,  Ch.     IV  9:  110. 
Lengefeld,  Charlotte  v.     IV  9  :  22. 
Lennig,  F.     IV  2b  :  43. 
Lensing,  Emilie.     IV  4  :  247. 
Lenz,  G.     IV  1  c  :  101. 

-  J.     II  3  :  67. 

-  Joh.  Erdm.     IV  le:  101. 

-  J.  M.  R.  IV  1  d  :  65;  2a  :  54;  4:9, 
10,2;  5:257,8;  8b  :  33. 

—  M.     II  1  :  59,  152. 

—  (Bergrat  in  Jena).     IV  8b  :  2. 
Leo  X.,  Papst.     II  1  :  151. 

-  XIII.,  Papst.     I  3  :  148,  187. 

—  H.  IV  5  :  322. 
Leon.  IV  2a:  2/4. 
Leonhardi,  J.     IV  4  :  1. 

Leopardi,  G.  Graf.   I  12  :  190;  IV  lo  :  94. 
Leopold,  Grossherz.  v.  Baden.    I  6  :  103. 

—  V.  Oesterreich.    I  6  :  löl. 
Lepsius,  R.    IV  1  c  :  91. 
Lermontow.     IV  2  b  :  70. 
Lerse,  H.     IV  8b  :  2,  12. 
Lesebücher.     I  7  :  49,  92-133. 
Lesegesellschaft,  Würzburger.  I  4  :  130. 
Leselicenzen.    I  3  :  276. 

Lfcslie,  Ch.  R.     I  11:8. 

Lessing,  G.  E.  IV  6.  —  I  1  :  106;  7  : 1, 
56;  8  :39:  11  :  8;  12:9,  11,  267; 
II  6:42;  III  5:61;  lY  la:  1,3; 
lc:66,  148;  ld:46;  2a:12;  4:6, 
150,  165,  203,  319,  375,  395;  8a  :  32; 
8d:4,  22;  8e  :  20;  9:165;  10:43, 
124.      Dramaturgie   17:47,   61;    IV 

6  :  36/7;    8e  :  1.      Emilia   Galotti  I 

7  :  34,  42;  IV  4  :  12,  264;  5  :  23;  6:7, 
201.  Fabel  I  7  :,62a;  12  :  202  3;  IV 
6  :  30  2.  Faust  III  5:3;  IV  4  :  180; 
6  ;  14;7.  Freigeist  IV  4  :  396.  Horoskop 
IV  6  :  40.  Juden  IV  6  :  22.  Kleinig- 
keiten IV  2a  :  189.  Laokoon  I  12:57; 
IV  6:1,  33,5.  Litteratnrbriefe  IV 
6  :  41.  Matrone  v.  Ephesus  IV  6  :  19. 
Minna  v.  Barnhelm  17:5,  41,  59-60; 
IV  ld:45;  4:218,  396,406;  6:7, 
178.    Nathan  17:59,  62;  IV  lo:  95; 


Sachreg-ister. 


ld:47;  4:7;  6:22/9;  8b  :  12;  9  :  50. 
Philotas  I  7:5,  59.  Sara  Sanipson 
IV  lc:65;  2a:  18,9.  Senecastudie 
IV  10  :  124.  Stammbuchverse  IV  6  :  2. 
Uebersetzungen  I  8:36/8;   IV  6:  11. 

—  Theoph.     IV  5:514;  6:12. 
Leto,  Pomponio.     II  7  :  67. 
Leu.  H.     1  11 :  216. 
Leuchsenring,  F.     I  6  :  238:  IV  5:  2. 
Leuschner,  Chrn.     III  2  :  39. 
Levetzow,  Ulrike  v.    IV  8a:  17;  8b  :  39, 

40a;  9:21. 
Lewald,  A.    IV  1  c  :  147. 

—  Fanny.     IV  lc:157;  4:80. 
Lewinsky,  J.     IV  1  c  :  157 ;  2  b  :  70. 
Lewis,  M.  G.     IV  la:2. 

Lexer,  M.  v.     12:  27  Ö. 

Lexika,  Biographische.     I  1  :  163-70. 

Lexow,  Fr.     IV  la:]6. 

Liber  regum.     I  3:98:  11  3:59. 

Lichtenberg,  G.  Chr.    IV  lc:115,  123; 

4:202;  5:24/9,  537,  Ö73,  611. 
Lichtenstein,  Schloss.     I  11:255. 
Liohtwer,  M.  G.     IV  1  a  :  48 ;  1  d :  7. 
Lie,  J.     I  12:371. 
Liebe,  G.    U  1 :  154. 

—  Buch  d.     13: 125. 
Liebermann,  M.     111:356/8. 
Liebesbriefe,  Altdeutsche.     II  2  :  42. 
Liebesgarten, D.Meister  mit d.  1  11:414. 
Liebeslieder.     I  5  :  299;  IV  2b  :  98. 
Liebeszauber.     I  5  :  89. 

Liebich  (Theaterdirektor).    IV  8b:  12; 

8  e  :  54. 
Liebig,  J.  v.    IV  lc:90,l,  117;  5:450. 
Lied,  Geistliches.    I  13:53,7;  lY  2a:  1, 

79-81.     (S.  auch  Lyrik.) 

—  Weltliches.     I  13:43-52. 
Liederbuch,  Jaufener.     II  2 :  37. 
Liedersammlungen.     I  13  :  44/5. 
Liegnitz.     I  11  :82. 
Liezen-Meyer,  A.     IV  8  e  :85. 
Liga  V.  Canibray.    II  1 :  19. 
Liliencron,  D.  1 12  :  302. 416,7 ;  IV  1  a:  9, 

18. 

—  B.  V.    III  5:48;  IV  lc:145. 
Lille,  G.    IV  8d:19. 
Limborch,  Ph.  t.     IV  11  :  55. 
Linck,  W.     II  1:71:  6:47,  1.30. 
Lindau,  P.     IV  Ic  :  156;  4  :  367,  373. 
Linderaann  (Eektor).     I  6:213. 
Lindener,  M.     II  3  :  33 ;  III  3  :  5. 
Lindenschmit,  L.     12: 36/7. 
Lindner,  A.     IV  la:46. 

Lindsay.     II  6:2. 
Link,  A.     IV  lc:109. 
Lionardö  da  Vinci.     II  1 :  74. 
Lipps,  Th.     I  12:70,  211/2. 
Lipsius,  A.     II  6:103:  IV  5:268. 
Liscow,  Ch.  L.    IV  la  :  3,  48;  IV  5  :  6. 
Lispelnde  Schwestern.    I  10  :  32. 
Liszt,  F.    1 13  :  141/3 ;  IV  1  a  :  41 ;  1  c  :  75, 

81,  145,  1567;  2b:  4. 
Litten.  F.  V^.     IV  1  d  :  92. 
Litteratur, Deutsche.  I  3  :  148^50;  6  :  62, 

78,9,  84;  IV  la  :  12;  im  Ausland  IV 

Id.  -  England  I  1  :  107;  IV  2a:  34. 

Frankreich  I  1  :  104,6b. 

—  in  d.  Schule.    I  7. 

—  Antike.     I  6  :  84. 

—  Jüdische.     I  4  :  540. 

—  Plattdeutsche.     I  l  :  93. 
Litteraturgeschichte.     I  1.   II  l.  III  1. 

IV  la.  IV  Id.  —  I  7  :  134;  12  :  144. 
Litteratnrwissenschaft.    I  1  :  51/4. 
Liturgie.     I  13  :  57,  73. 
Litzmann,  B.    I  12  :  398;  IV  4  :  20. 

—  C.  C.  T.     IV  10  :  7,  53,  58. 
Livins.    II  7  :  67. 

Livland.     I  11  :  249. 

Lobeck.    I  6  :  75. 

Lobedänze.    I  5  :  176. 

Lobkowitz,  B.     II  7  :  72. 

Lobwasser,  A.     lU  2  :  28;  5  :  63. 

Locher,  J.     I  3  :  75;  II  4  :  39;  7  :  42. 

Löbau.     I  4  :  320. 

Loeben,  0.  H.  Graf.    IV  1  c  :  121. 

Lohe,  W.    IV  1  c  :  103. 

Loen,  J.  M.  v.     IV  1  a  :  3. 

Löner,  K.     II  2:14;  6:  141. 

Loenig,  ß.     IV  1  d  :  62. 

Loeper,  G.  v.     IV  4 :  9. 

Lösche,  G.     II  1  :  135. 

Löscher,  V.  E.    III  5  :  20. 

Löwe,  J.  D.  L.     IV  1  c  :  157. 

Löwen,  J.  J.     IV  2  a  :  10. 

Logan,  F.  v.     111  2  :  40;  3  :  10. 

Logik.     18:6,  62. 


Lohengrin.     I    5  :152. 

Lohenstein,  D.    Casp.    v.    III  2  :  38-40 ; 

4:17;  IV  2a:. 5,  27. 
Lombardus,  P.     II  7:42. 
Lombroso,  C.  1 12  :  91,3, 101  b;  IV  10:70. 
Longfellow,  H.  W.     IV  2b:15;  9:94; 

10 :  142. 
Lope  de  Vega.     I  12:102;  IV  ld:93; 

4  :  190,  200,  215,  222. 
Lorch.     IV  2a:  71. 
Loredano,  Giov.  Fr.     III  2:38. 
Lorelei.     I  ö  :  131. 

Lorenz,  ()hr.  G.     IV  9  :  19. 

■-  0.     IV  5 :  299. 

Lorenzoni.     IV  4  :  406. 

Lorichins,  J.     I  6:99;  II  1:1. 

Lorinser,  F.     IV  lc:lll. 

Lorm,  H.     IV  5:75;  11:20. 

Lorsch,  Kloster.    I  5  :  52. 

Loserth,  J.     II  1 :  26. 

Lotichius,  P.     II  1 :  172. 

Lotter,  M.     I  3:83. 

Lotze,  R.  H.     IV  1  c  :  91 ;  5  :  207,8,  226. 

Louis    Ferdinand,    Prinz    v.   Preussen. 

IV  5:492. 
Louvier,  Fr.     IV  8e:76. 
Loyola,  I.  v.     II  1 :  124,  146. 
Lubertus,  H.     III  5  :  5. 
Lucas,  F.  K.     IV  6  :  14. 
Lucian.     I  5:230;  10:5. 
Luder,  P.    16:  116. 
Ludwig,  I.  König  v.    Bayern.     I  8  :  51 ; 

11:  254 ;  IV  1  c :  15,  145 ;  5  :  322,  390. 

—  II.  König  V.  Bayern.     I  13  :  114/5. 

—  Grossherzog  v.  Baden.     I  6  •  101/2. 

—  V.  Grossherzog  V.  Hessen-Darmstadt. 

I  6  :  106. 

—  VIII.  V.  Hessen-Darmstadt.  IV  8  d  ^9. 

—  Herz.  V.  Württemberg.     II  1  :  154. 

—  Wilhelm,  Markgraf  v.  Baden.  III  1 : 
53:  IV  2a:  65. 

—  0.  I  10:21;  IVlc  :S1;  2b:70: 
4:83/6,  129,  237,  271,  314,  375. 

Lübeck.     14:208,    2345,    248,    344,6; 

5  :  468,  73,  296;   11  :  129-30:  II  4:4. 
Lübke,  W.     I  11  :  384-95;  12  :  24  6:  IV 

Ic:  146/7. 
Lücke,  F.'    12:  13. 
Lüders,  H.     IV  lc:152. 
Lüdinghausen.     I  11 :  94. 
Lüneburg.     111:  163. 
Lüneburger  Heide.     I  5  :  86. 
Lüttich.     I  11  :  413. 
Lnttkemann.  J.     III  5  :  22. 
Lützow,  Elisa  v.     IV  1  c  :  22. 
Luise,  Königin.     IV  2a  :  15;  10  :  74. 

—  Charlotte.     II  2  :  26;  III  2  :  5. 

—  Kurfürstin  v.  Brandenburg.  III  2 :  22. 

—  Dorothea,  Herzogin  v.  Sachsen- 
Gotha.     IV  la:39;  1  c  :  12. 

—  Henriette,  Kurfürstin  v.  Branden- 
burg.    111  5  :  19. 

—  Herzogin  v.  Weimar.     IV  8d  :  5. 
Lukios  V.   l'aträ.     I  10  :  5. 
Lukrez.     IV  2  b  :  104. 

LuUian.     IV  2a:  31. 

Lur,  H.     II  7  :  13. 

Lust  u.  Unlust.     I  12  :  14,    46-50,    74, 

76,  82,  111/1  a. 
Lustspiel.    IV  4  :  355/6. 
Luther,  Käthe.     II  1 :  155. 

—  M.  II  6:51-111.  —  I  1:89,  97; 
6:8-9,  95;  7:1,56a;  8:29-32,  34, 
54,  106;  10:48;  11:175,  185;  12:3, 
267;  111:71,  128,  140,  155,  172; 
2:2,  12;  3:50;  6:3,  9,  11/3,  17.  20, 
22/3,  40,  44,  47,8,  112.  142,  175,  181, 
185;  7:38,9,  42,  44.  62/3;  IV2a:55; 

5  :  322,462;  10:47.  Aesopische  Fabeln 

II  1:88.  An  d.  Christi.  Adel  II  6: 
65/6.  Bekenntnis  vom  Abendmahl 
II  6  :  69.  Bibelübersetzung  I  8 :  33/4 : 
II  1 :  88;  6  :  24,  56,  71,4.  Brief  an  d. 
Eatsherren  1  6 :  44.  Briefe  II 1 :  88, 158 ; 

6  :  55/6,  59-60.  Christi.  Haustafel 
II  6 :  88.  Contra  papistas  II  6 :  56. 
Deutsche  Messe  II  6 :  102.  Enohiridion 

I  6  :  248.  Erklärung  gegen  S.  Lemnius 

II  1  :  140,  1,55.  Jakobusbrief  II  (1 :  70. 
Katechismus  II  6  :  75-87.  Lieder  I  8 : 
85:  12:194:  13:57;  112:2,  12. 
Psalter  II  1  :  88.  Sendbrief  vom  Dol- 
metschen II 1 :  88.  Streitschrift  gegen 
d.  Theologen  d.  Univ.  Löwen  n.  Paris 
H  6 :  .58.  Taufliturgie  II  6  :  68.  Thesen 
II  6 :  109.  Tischreden  II  6  :  56,  60/1 ; 
IV  1  c  :  135.  V.  d.  Freiheit  e.  Christen- 
menschen II  6  :  67. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    lY. 


Lutheraner.     II  1:140,  146. 
Luther-Oratorium.    II  6  :  110a. 

Spiel.     IV  4  :  287. 

Luthertum.     I  6  :  106;  II  6:  24. 
Luthmer,  H.    IV  la:22. 
Lutz,  H.     II  3  :  79. 
Luzern.     I  4 :  205. 
Lyceum  s.  Schulen. 
Lyon.     I  3:90,  108. 

—  0.     17: 102. 

Lyrik.    II  2.   III  2.    IV  2a;  2b;  8c.— 
I  7:44;  12:100a,  144.  188-201,  204. 

—  Bardische.     IV  2a:  28. 

—  Geistliche.     III  2  :  7-31. 

—  Neulateinische.     II  7:4,  61/6. 

—  Religiöse.     I  12  :  194. 

—  Revolutionäre.    IV  2a:  35. 
Lyrische  Einlagen  im  Drama.  IV  9:70. 

Maas,  Fr.     IV  4 :  453. 

Macaulay,  T    B.     IV  1  d:  71;  2a:  76. 

Macchiavelli,  N.    I  10  :  7;  II  1 :  61;  IV 

5 :  319,  445. 
Machner.  M.     III  2  :  39. 
Mader.  J.    II  7  :  42. 
Madrigal.     I  3:127. 
Madruzz,  Chr.     II  6:32. 
Mädchenerziehung.     II  1 :  128. 
Mädchenschule  a.  Schulen. 
Mädchenwettlauf.    I  5  :  51. 
Mähly,  J.     IV  la:50. 
Märchen.     I  5 : 3:i,   43,  45,    153,   215, 

220  a;  6:78,9;    12:203. 

—  V.  d    sieben  Grafen.     I  5 :  234. 
Märchenlitteratur.     15:1. 
Märchensamralungen.     15:200-20. 
Märchenstoffe.     I  5:220a-242. 
Magazin  für  Litteratur.     IV  4:114. 
Magazinbibliothek.     I  3:234. 
Magdalena  v.  Bayern.     II  1 :  153. 
Magdeburg.     I  4:171,    216,    371,    554; 

111  1:32/3. 
Magelone,     D.    schöne.      1113:1;    IV 

10:41. 
Magenau.     IV  2a:  1. 
Mager,  K.     16: 204. 
Mahler,  Discourse  d.     III  5 :  49. 
Maibaum.    I  5 :  60. 
Maien,  K.     IV  1  c  :  95. 
Maifeste.     1  5:  60. 
Maigerioht.     I  5  :  60. 
Mailand.     I  4:237;  11  :435. 
Mailath,  J.  Graf.     IV  4:202. 
Mailehen.     I  5:60. 
Mailieder.     IV  2a:  34. 
Maimon,  L.     IV  5 :  124. 
Mainz.     I  11:231;  IV  Sb :25,5a. 
Maisch,  G.     II  1:25  a. 
Major,  E.     III  2:39. 

—  G.     II  1:173;   6:119,  145;   7:62/3. 
Makart,  W.     IV  8e:85. 

Maler.     II  1:82. 

Malerei,  Karolingische.     I  3  :  23. 

—  d.  Renaissance.     II  1  :  74. 
Malerschule,  Nürnberger.     I  11 :  188. 
Malerzunft.     I  4  :  90. 

Mallet.     IV  2a:  27,  34. 
Mallinckrodt,  M.  v.     IV  5:601. 
Malsburg,    E.    F.    G.    0.    Frh.    v.     IV 

lc:69,  121. 
Maltechnik.     I  11:8. 
Maltitz,    Fr.  v.      I  7  :  86 ;     10  :  26 ;    IV 

9  :  144. 
Maraeranus.     II  6:12. 
Mandelsloh,  D.  v.     III  1 :  103. 
Mandruzzo,  L.     II  1 :  146. 
Mangold,  P.     III  5 :  63. 
Mann,  M.  (Buchdraoker).     I  3:111. 

—  im  Monde.     I  5  :  151. 
Mannheim.     I  11 :  448. 
Mansfeld.     I  11:99. 
Manso,  G.  B.     IV  8e:39. 

—  J.  K.  Fr.  (Rektor).     I  6:205,6;    IV 
8o:21;  9:60. 

Mantegazza,  P.     IV  1  d  :  35. 
Mantegna,  A.     IV  8a:  150. 
Manteuffel,  E.  v.     IV  lo:138. 
Manthen,   Joh.,    v.    Geretzem     (Buch- 
drucker).   1  3  :  69. 
Manuel,  N.     II  1  :  70. 
Manzoni,  A.     IV  8e:30. 
Marbach,  J.     I  6  :  165;  II  6  :  136  a. 
Marburg.     I  6  :  142. 
Marche,  Olivier  de  la.     II  3  :  18. 
Mareen,  F.  L.     IV  ld:9. 
Marees,  H.  v.    I  11 :  11,  335/6. 
Marenco,  L.     IV  4:204. 
Marenholtz,  Bertha  v.     IV  5:491. 

(4)^6 


Sachreg-ister. 


Marggraff,  H.     IV  10  :  91. 

Margites.     IV  10:32. 

Margueritte,  P.     I  12:306. 

Maria,  Landgräfin  v.  Hessen.     I  6:236. 

—  Gräfin  v.  Schanmburg-Lippe.  IV 
7:15. 

—  Prinzessin   v.    Weimar.    IV  8b:  13. 

—  Ludovika,  Kaiserin  v.  Oesterreich. 
IV  8b:45;  9c:25. 

—  Pawlowna,  Grossherzogin  v.  Sachsen. 
IV  la:41;  8b:41. 

—  Theresia,  Kaiserin.  I  6  :  99,  152, 
225,  234. 

Laach.    I  4  :  503. 

Marienbad.     IV  8b:  51. 
Marienbnrg.     II  1 :  31. 
Marienlegenden.     I  5  :  167. 
Marienmirakel.     II  4  :  1. 
Marienthal  (Buchdruckerei).     I  3  :  83. 
Marino,  G.     HI  2  :  38. 
Marionettenspieler.     III  4  :  41. 
Marivaux,  P.  Ch.  de.     IV  10:99. 
Marlowe,  Chr.     III  4  :  40;   IV  4  :  220; 

10 :  88. 
Marmontel,  J.  F.     IV  2a:  10,  73. 
Marnef,  de.     13: 86. 
Marot.    IV  2a:  20. 
Marper,  P.  J.     III  3  :  7. 
Marquardt,  Otto.     IV  lc:88. 
Marschner,  H.     IV  2  b  :  70. 
Marterln.    I  5 :  302,  304. 
Martial.    III  2:34;  IV  9c:  20. 
Martin,  E.     17: 64. 
Martini,  J.  Chr.     HI  3:16. 
Martinstag.     1  4  :  65. 
Marx,  K.    IV  5  :  133,  507,  560/2. 
Masenius,  J.     III  4  :  24. 
Masius,  H.     IV  5:494. 
Massmann,  H.  F.    I  6  :  131;  IV  Ic  :  151. 
Massow,  V.  (preubs.  Minister).    I  6  :  167. 
Materialismus.     I  8  :  126;  IV  5:44-53, 

239 
Mathematik.     I  6  :  173/5;  II  1 :  lOT/8. 
Matheaius,  J.     II  1 :  88,  138;  6  :  149-51. 
Mathias,  Kaiser.     II  1 :  153. 

—  König  V.  Ungarn      IV  2  a :  53. 

Matrikeln  (s.  auch  Schülerverzeich- 
nisse). I  4 :  95;7,  106,  Aachen  I 
6:89.  Basel  I  6:89.  Freiburg  i. 
B.  16: 102.  Giessen  I  6 :  105. 
Heidelberg  I  6  :  115.   Kassel  I  6  :  106. 

Matthäi,  A.     IV  la:  17;  2a:  22. 

Q^     I  13  •  92 

Matthisson,  Fr.'v.     I  6  :  61;   IV  la:  2; 

Ic:  21,  69,  124,  157;  2a:  1,  72/3,  75; 

5:351,  618;  7:15;  8b:48. 
Mau,  J.    11  7  :  38. 
Mauch,  J.  M.     I  ll:302a/3. 
Mauke,  J.  M.     IV  9:22. 
Maupassant,    G.    de.      I    12:288,    301, 

316. 
Maurenbrecher,  W.    IV  5:329. 
Maurer,  K.  V.     1  1  :  119;  IV  Ic :  90. 
Mauthner,  E.     IV  4  :  265. 
Max,    Gabr.      I    11:381;    IV    8e  :  85; 

10 :  140. 
Maximilian    I.,     deutscher    Kaiser.      I 

3  :  75;  11 :  434;  II  1 :  19,  36,  54/5,  161. 

—  IL,  Kaiser.     II  1:1,  44/5,  61. 

—  II.,  König  V.  Bayern.  IV  lc:40, 
145. 

—  Herzog  v.  B;iyern.  II  1 :  153;  III 
1 :  122. 

—  Erzherzog.    IV  2a:  74. 
Maxwell,  P.     IV  ld:39. 
Mayer,  Aug.     IV  2b:  7. 

—  K.     IV  2b:  7;  10:106. 

—  Manfr.     II  1 :  96. 

—  Eob.     IV  5:453. 

—  Steph.     IV  4:406. 
Mayfarth.     I  6  :  20. 
Mayr,  Chr.     IV  10:68. 
Mayrhofer.     IV  1  c  :  124. 
Meckenem,  J.  yan.     111:  416. 
Meckhart,  J.     II  6 :  188. 
Mecklenburg.     13:217;   4:106,  207a, 

211,   222,   342;    II  1:86,    162/3;    III 

I  :  16,  23,  136. 
Medailleure.     1  11:445a. 
Medea- Stoff.    IV  4  :  200. 
Medici,  Cosimo  de.     I  3  :  186. 
Medizin,    Geschichte   d.       I   4:278/9; 

II  1:104;  IV  5:461/9. 
Meerheimb,  R.  v.    I  12  :  248. 
Mehlmann,  M.     IV  2b: 3. 
Meier,  Joach.    I  6  :  238. 
Meinung,  öffentliche.    I  4 :  128. 
Meisl,  J.    IV  4  :  189. 


Meisner,  Balth.    III  5  :  22. 

—  H.     IV  10  :  104. 
Meissen.     I  4  :  238. 

Meissner,  A.     IV  la:15;  lc:8I;  8a: 

151. 
Meister,  W.     111:  415. 
Meisterbücher.     I  3  :  73. 
Meistergesang.     II  1:7;   2  :  17-27 ;   IV 

6:25. 
Meisterlieder.     I  3:97/8;    10:32,   37; 

III  3 :  12. 
Meisterlin,  Sig.     II  7  :  13. 
Meistersinger.     II  2  :  22. 
Melanchthon,  Ph.  I  3  :  38,  247 ;  4  :  105 ; 

6:34,  107,  116,  176,  243;  II  1:66, 
140,  155,  158, 172/3;  6  :  16,  41,  47,  59, 
111-23,  148,  176,  179,  186  a;  7  :  20,  31, 
46-51  a,  62/3;  111  1  :  110. 

Melissus,  P.    II  1 :  172. 

Melusine,  D.  schöne.  III  3 : 1 ;  IV 
10 :  41. 

Memel.     I  4 :  311. 

—  J.  P.  de.     III  3:10;  5:16a. 
Memmingen.     III  1:21. 
Memoiren.    IV  1  c.  — 

—  Musikgeschichtliche.     I  13  :  35. 
Menagins,  Philemon,     III  5  :  5. 
Mendelssohn,  M.    I  12  :  11 ;  IV  1  a  :  23 ; 

lc:65/6;  5:35,  284. 
Bartholdy,    F.      I    13  :  101/4;    IV 

2b:  3. 
Mendez,  M.     IV  2a:  34. 
Mengering,  A.     111  5  :  5. 
Mengs,  ß.     IV  6:33:  8a:  59;  10:45. 
Menius,  Just.     II  1  :  173. 
Menke,  B.     III  2  :  32;  IV  2a  :  8. 
Menlishofer.     II  7  :  36. 
Mensing,  J.    II  6:13. 
Mensuralmusik.     I  13  :  62. 
Mentzel,  Elisabeth.     IV  9:11. 
Menzel,  A.     I  11 :  354;  IV  2b  :  70. 

—  Wolfg.     III  5:11;  IV  2b:  39. 
Mercier,  L.  S.     IV  8e  :  88;  9  :  143. 
Merck,  J.  H.     IV  5  :  533;  8b  :  26. 
Mercure  de  France.     IV  4:6. 
Mereau,    Sophie.      IV  1  a  :  2 ;   2a:  2/4  ; 

10:7,  63/6   (s.  a.  Sophie  Brentano). 
Merian,  M.     I  11 :  274. 

d.  Jüngere.     111  1 :  124. 

Merimee,  P.   I  12  :  309;  IV  4  :  204;  10  :  5. 
Merk,  Johanna  Elisabeth.      IV    1  a :  42. 
Merkel,  Garlieb.     IV  1  c  :  69. 
Merz,  Severinus.     1  6  :  224. 
Mesmer,  Fr.  A.     IV  5  :  78. 
Mesnage,  J.  (Drucken.     I  3:86. 
Messerschmid,  G.     II  3:38. 
Messkirch,  Meister  v.     I  11 :  228. 
Messrelationen.     I  3  :  154. 
Metagrammatik.     16:9. 
Metaphorische,  D.     I  12  :  78,  107,  190  ; 

IV  5 :  233/4. 
Metaphysik.     I  12  :  23,  74. 
Metastasio,    P.    A.    D.    B.     IV  2a:  23; 

8e:30. 
Methode,  Litterarhistorische.  IV  9  :  164. 

—  d.  Poetik.     I   12  :  144/6. 
Methodik.    I  1 : 1-75 ;    6  :  8-15,   20,   61, 

69,  73. 
Methodologische   Schriften.     17:1-53. 
Metrik.     15:2,  265;  12:31,   33,  113a. 
Metternich,    C.    W.    Fürst.      I    6:146; 

13:109;  IV  10:29. 
Metz.    II  1 :  43. 
Metzgersprung.    I  4 :  63. 
Metzler,  J.     16: 205/6. 
Meurer,  M.     112: 58. 
Meusebach,  K.  H.  G.  Frhr.  v.     IV  Ic: 

159;  2b:  99. 

—  Karoline.     IV  2  b  :  99. 
Mensel,  J.  G.     IV  1  c :  66. 
Mevius,  D.     III  1 :  118. 
Meyer,  F.  H.    IV  8b:  2. 

—  F.  J.  L.     IV  9  :  143. 

—  F.  K.     IV  8b:50: 

—  F.  W.  L.     IV  4:20,  446. 

—  Hugo.     IV  ld:63;   8b:  21. 

—  K.  F.    I  7:110;  IV  ld:76;  5:545. 

—  Melch.     IV  lc:81,  90,  147. 

—  Eich.  M.     IV  10:11. 

—  S.  H.     IV  8d:5. 

—  V.  Knonau,  G.  L.    IV  lc:42. 
J.  L.     111  5  :  64. 

Meyerbeer,  6.  IV  1  o  :  95,  157 ;  IV  4  :  80. 
Meysenbug,  Malvine  r.     IV  5  :  170/1. 
Michaelis,  Göttinger  Professor.  1  6  :  108. 
Michelangelo.    I  11:196;  12:101a. 
Michelet,  J.    IV  5  :  18,  215/6;  10:5. 
Michiele,  P.    III  2  :  38. 


Mignanelli,  F.    II  1 :  140. 
Mignet,  L.     IV  11  :  28. 
Milieu.     I  1  :  62-75;  12  :  26a-26c. 
Militärbildnngsanstalt  s.  Schulen. 
Militärzeugnisse.     I  6  :  166. 
Militarismus.     I  4  :  573/4. 
Miller,  J.  M.     IV  lc:124;   2a:  33,  35. 
Million,  Achille.     IV  1  d  :  8. 
Milow,  St.     IV  1  a  :  17. 
Milton,  J.     IV   ld:68;  8e  :78. 
Mimik.     IV  4  :  118,  321,  341,  354,  477. 
Minnehöfe.     I  4  :  120. 
Minnelieder.     I  7  :  49. 
Minnesang.     IV  2a:  35. 
Minor,  J.     IV  10  :  9,  12,3,  41,  104. 
Minoritenkloster.     I  6  :  107. 
Minucci,  Minutio.     II  1  :  146. 
Miquel,  J.     IV  5  :  606. 
Mirabeau,  V.  E.  v.     IV  Ic:  11. 
Mirza  Schaffy  s.  Bodenstedt,  F. 
Mischler,  E     IV  1  a  :  34. 
Mitleid  u.  Furcht.     I  12  :  11,  149,  220. 
Mitteldeutsch.     II  4  :  4. 
Mittelfranken.     I  5  :  31. 
Mitterwnrzer,  Fr.     IV  4  :  423. 
Mnioch,  J.  J.     IV  2a:l;  10:68. 
Mocenigo,  A.    II  1  :  148/9. 
Mode.    I  4  :  173,  264/7,  350;  II  1  :  133. 
Moderne.  Die.     IV    4  :  113-69,    317-23, 
354,  375. 

—  n.     mittelalterliche    Auffassung    d. 
Natur.     I  12  :  3. 

Modersohn,  J.     II  7  :  30. 
Möbius,  E.     III  4  :  46. 

—  M.     IV  4  :  306. 
Möhring,  F.     I  13  :  147. 
Möller,  A.     18: 57. 

Mörike,  E.    I  12:194,  206;  IV  2a:  2/4; 

2b:  8-13,  17,  119;  5:513;  10:40. 
Moers.     I  4  :  407;  11  :  93. 
Mörsperg,  A.  v.     14:  122. 
Moser,  J.    I  6:252;  IV  la:  3;  8b:28. 
Mehrungen.     IV  7  :  1. 
Moleschott,  J.     IV  5  :  465. 
Moliere,   J.  LP.     I  10:41;    12:15c; 

1114:19;    IV  ld:22/4;    4:38,102; 

IV  9:  11;  10:99. 

—  in  Deutschland.     III  l :  140. 
Moltke,  Graf  Helm.  v.  IV  1  c :  64 ;  5  :  452, 

605 ;  2b:  28. 
Mommsen,  Th.  IV  1  o :  145;  5:299,  311/4. 
Monodrama.     112:  247/8. 
Monolog.     I  12  :  228,  247. 
Montaigne,  M.  E.  de    I  12  :  74;  II  1 :  90; 

IV  4  :  202. 
Montalran,  J.  P.  de.     III  4 :  15. 
Montanus,  Jak.     II  7  :  30. 
Montesquieu,  Ch.  de.     IV  5:2. 
Monnmenta     Germaniae     Paediigogica. 

I  6 :  239. 

Moral  XL.  Naturalismus.     I  12  :  284/5. 

Moralitäten.     II  4  : 1,  37. 

Morawski.    II  7  :  72. 

Morels,  Th.     11  7  :  32. 

Morf,  H.     IV  1  d  :  25. 

Morhard,  U.  (Buchdrucker).     I  3  :  72. 

Morhof,   D.  G.     III  2  :  37 ;   4  : 1 ;  5  :  48. 

Moritz,  Kurf.  v.   Sachsen.    111:121; 

II  1  :  42. 

—  V.  Nassau,     111:  256. 

—  K.  Ph.     I  12:15b;    IV  lc:69;    5: 
409-10;  7:5;  8e:39. 

Morlage,  H.     II  7  :  30. 
Morone,  G.    11  1 :  140/1,  145/6. 
Morpurgo.     I  10  :  14. 
Morre,  E.     IV  4  :  269. 

—  Karl.     IV  lc:86. 
Morrison,  A.     I  3:60. 

Morus,  Th.  I  10  :  30 ;  II 1 :  128 ;  III  2 :  15. 

Moscheies,  J.     I  13  :  97. 

Moscherosch,  J.  M.     16:  238 ;  III  5 :  5, 

9-11,  22. 
Mosen,  Jul.    IV  lc:73/4,  157;  ld:32; 

4 :  467. 
Mosenthal,  S.  H.  v.    IV  1  c  :  157;  1  d  :  32. 
Moser,  F.  K.  v.     IV  5  :  532. 

—  G.  V.    IV  4 :  106,  110/1,  355. 
Mosheim,  J.  L.  v.     III  5  :  61. 
Motherby,  Johanna  Charlotte.     IV  Ic: 

22;  10:18/9. 

—  William.     IV  1  c  :  22. 

Motley,  John  Lotrop.     IV  1  o  :  35/6. 

Mouches.     I  4  :  267 . 

Mozart,    W.  A.    I  13:82/6;   IV  4:215. 

Muckenkrieg.    1  3  :  125. 

Mühlbach,  Luise.    IV  5  :  373. 

Mühlheim  a.  d.  Ruhr.     111:93. 

Mühlpfort,  H.     111  2  :  39. 


Sachregister. 


MüUenhoff,  K.    I  2  : 1 ;  II  7  :  6. 
Müller,  Adam.    IV  5:210;  8b:  21;  10: 
63    99 

—  F.  (Maler).  I  12:165;  lY  lb:16a: 
4 :  16. 

—  Fr.     IV  2b:  102;  9:164. 

—  Fr.  von.     IV  la  :41;  8b  :  17a. 

—  Heinr.     lU  5  :  22. 

—  Hieronyra.     IV  ld:90. 

—  Job.  (Mathematiker).     11  1 :  109. 

—  Job.  V.  I  6:173,5;  IV  la:22;  Ic: 
69, 115, 124. 133, 158 ;  4  :  202 ;  5  :  293/6, 
299'  7  :  15. 

—  Job.  (3g.    IV  1  c  :  124,  133. 

—  L.  K.     I  11:337/8. 

—  Max.     I  2  :  50/1. 

—  Niklas.     IV  la:16. 

—  Wilh.     IV  2b:  15,  20. 

—  -Strnbing,  H.     IV  5  :  373/5. 
Müllersche  Truppe      IV  2a:  63. 
Müllner,  A.  G.  A.    lY  Ic  :  137;  Id  :  3; 

4  :  202,  375. 
Münch  -  Bellingbansen ,     E.     Frhr.     v. 

(=  Halm,  F.).   IV  1  c  :  83,  140 ;  1  d  :  4 ; 

2a:  33;  4:100,  231/3,  473. 
München.     I  4:  458/8 a;    11:143  5,197, 

254;  IV  2a:  62. 
Münchener  Bichterschnle.      IV  1  c  :  81, 

87-90. 
Münchhansen,  G.  A.  Frbr.  r.     IV  2a: 

34;  10:50. 
Münster  (Stadt).    I  11:102. 

—  (Dom).     I  11:124. 

—  Seb.     I  5  :  240;  II  1 :  98 ;  G :  172. 
Mnnzer,  Th.     II  6 :  179,  181. 
Muffat,  Georg.     I  13:70. 

—  Gottl.     1  13  :  70. 
Multscher,  H.     111: 232. 
Muncker,  Fr.     IV  2a:  5,  11;  6  :  11. 
Mundarten  (s.  a  Dialekte).    I  5  :  16,  38, 

44 ;  7  :  95;  8  :  12-28, 78-83,  109-14, 130. 
Mundartliches.     I  7  :  95. 
Mundt,  Th.     IV  5  :  373. 
Mnralt,  B.  v.     IV  5:30. 
Murmellius,  J.     II  7  :  29-30. 
Murner,   Th.    I   11:237;    U  1:88;    3: 

40;  7:42. 
Musäus,   J.  K.  Ä.     IV  la:27;   2a:67; 

5 :  23. 
Musculus,  Andr.     II  6  :  119;  III  5  : 5. 

—  Wolfg.     II  6  :  188. 
Musenalmanache.    IV  I  d :  17,8 ;  2  a  :  2/4, 

31,  77. 
Museum.     IV  2a:  31. 

—  (Amsterdam).     I  11:413. 

Musik.  I  3:127;  U  1:7;  IV  4:201,2, 
215. 

—  in  d.  Dichtung.    I  13 :  41. 

—  beim  Gottesdienst.     I  6  :  58. 

—  u.  Poesie.     1  12:4,  66,  74,  9I/5b. 

—  -u.  Theaterausstellung.  I  13:18; 
IV  4  :  417. 

Mnsikalienbibliotheken.     I  3  :  190/2. 
Musikalienhändler.    13:266a,  267. 
Musikbibliographie.     I  13  : 1/3. 
Musikdrama.     1  13  :  101. 
Musikdruck.     1  3  :  82. 
Musikerbiographien.     I  13  :  37/8. 
Musikerinnen.     I  13  :  40. 
Musikgeschichte.    I  13.  —   IV  2a:  103. 
Musikinstrumente.     I  13  :  27-30. 
Musikkritik.     I  13:4-13. 
Musiklexika.     I  13:31,3. 
Musikphilosophie.     I  13  : 4-13. 
Mnsiksammlungen.     I  3  :  192. 
Musset,  A.  de.    I  12:287;  IV  Id:26; 

10 : 5. 
Mutian.     I  3:245;  II  1:175;  7:24/5. 
Myconius,  F.     II  1 :  140;    6  :  131,2;   7  : 

Mylin's,  J.  II  7  :  62/3;  lU  4  :  12;  IV  6: 13. 
Mysterien.     II  4:1. 
Mystik.     III  5:20  b. 
Mystiker.     II  1 :  85. 
Mythologie.    I  5  : 5/9 ;    6 :  78/9 ;  7  :  102 ; 
IV  2a: 27. 

K..  Elise  V.    IV  8d:19. 
Nachahmung.    I  12:73,4.  91,'3,  111/1  a. 
Nachtgall,  0.     II  6:23;   7:36,  42,  44. 
Nachtjäger,  in  schlesiscben  Sagen.     I, 

5:139. 
Nackturalismus.     I  12:366. 
Nägelsbach,  K.  F.     16:  94. 
Näke.  G    U.     IV  8  e  :  85. 
Nahrungs-  u.  Gennssroittel.    I  4 :  275/7. 
Naive,  D.     IV  4  :  134. 
Namen.    I  5  :  339,  360,2,  369,  376. 


Namengebung.     I  5  :  356-79. 

Namenkunde.     I  5  :  367. 

NaogeorgQS,    Th.      I  10:  35;    11  1 :84; 

7  :  62/3. 
Napoleon  I.    I  11:329-30:   IV  lc:13. 

20.22.36.133;  2b  :  7;  8b:  16b,  17a; 

8e:46;  10:39,  79;  11:47. 

—  III.     IV  lc:19. 
Nardelli,  6.    IV   ld:75. 
Nas,  J.     II  1  :  7. 

Nast,  Louise.     IV  10  :  58. 
Nathnsius,  Marie.     IV  1  c  :  75. 

—  Ph.  E      IV  10:91. 
Nationalcharakter.  I  1:140;  4:147-52. 
Nationale  Kunst.     I  12:3,  134  5  a,  267. 
Nationales  Leben  im  17.  Jh.  III  5:1. 
Nationalgefühl,  üeutsches.     I  4  :  153,8. 
Nationalhymne.     IV  2b:  102. 
Natorp.     I  6  :  55. 

Natur  u.  Kunst.     I  12:3,  68-73. 
Naturalismus.     I    1:125,    134;    12:57, 
91/3,  123,  171  3,  228,  250-424. 

—  Begriff  d.     I  12  :  250-83. 

—  Französischer.     I  12  :  304-29. 

—  Russischer.     1  12:329-41. 

—  Skandinavischer.     I  12:342-77. 
Naturalisten,  Deutsche.    I  12  :  397-423. 
Naturgefühl.     1  4:124;   12:lt>8,  110. 
Naturgeschichte.     I  6  :  173/5. 
Naturschilderungen.     IV  2b:  119. 
Naturschöne,  D.     I  12  :  108-10. 
Natursinn.     I  11:2. 
Naturstudium.     I  12:1/3,  55.  58/9. 
Naturwissenschaften.     I  3  :  29. 
Natzmer,  Gertraud  v.     IV  1  c  :  64. 
Naubert,  B.    IV  10:71. 
Nauclerns,  G.    II  7  :  36. 

—  J.     II  7  :  36. 
Nauen.     I  4:339. 
Naumburg.    I  3  :  245;  11 :  248. 
Nausea.  F.     II  1:60.  140;  6:35. 
Nanwerk,  Th.     IV8e:S5. 
Neander.  J.  A.  W.    IV  1  o  :  102, 138, 1.59 ; 

5 :  322. 
Neft,  T.  V.    I  11:325 
Nehrlich,  G.     IV  8e:85. 
Neidhardspiel.    II  4:1. 
Nein.     I  10:43. 
Nekrologe.     I  12:22  6d. 
Neuenbürg.     I  4:210. 
Nessel  (Buchdruckerei).     I  3:83. 
Nessler,  V.     IV  2b:  102. 
Nestroy,  J.     IV  4:187/8,  191/7,  424. 
Neuberin,  Friederike  Caroline.     III  4 : 

41;  IV  2a:  63. 
Neuffer,  Chr.  L.     IV  la:2. 
Neufzer  (Marionettenspieler).  III  4  :  41. 
Nenhauss,  H.  J.  v.     II  2:37. 
Neuigkeitsverzeichnisse.     I  3  :  270. 
Neujahrsbräuche,     I  5  :  63  4. 
Neujuhrswünsche.     14:55. 
Neukirch,  B.     III  2  :  39;  5  :  15. 
Neulateiner.     II  7.  —  II  1 :  86. 
Neumann-Hofer,  0.     IV  10:70. 
Neumarck,  G.     III  2:24. 
Nenmark.     I  4:319. 
Neumarkt,  J.  v.     11  7  :  6. 
Neumeister,  E.    III  2:39. 

—  J.     I  3  :  91. 
Nenplatonismus.     II  1 :  93. 
Neuromantiker,  Französische.  IV  ld:27. 
Neu- Weimar.     IV  la:41. 
Nibelungen.     I   7:6,  8,33;    13:136,8; 

IV  4:242,  246,'7;  10:71. 
Nibelungenlied.    IV  1  c  :  47,  69,  83, 126; 

ld:23;  8d:4;  10:39. 
Nibelungenvers.     I  12:31. 
Nicolai,  F.    IV  lc:25.  66,  133;  2a:  22; 

5:23,  607;  6:13,  41;  10:41. 

—  0.     I  13 :  102/4. 

Niebuhr,  B.  G.  IV  la:22;  Ic:159; 
5 :  298. 

—  M.     IV  2b:  104. 
Niederdeutsch.     18:9,  11,  19,  33,  63; 

II  3:6,  15;  4:4. 

Niederländisch.    II  3  :  18,9. 

Niederlagsrecht.    I  4 :  251. 

Niederlande.    II  1:1. 

Niedersachsen.     I  5  :  45. 

Niemann,  A.     I  12  :  302. 

Seebach,  Marie.     IV  4  :  426. 

Niemeyer,  A.  H.     I  6:44,  55,  76. 

Niesser  (Schauspieler).     IV  4:406. 

Niethammer,  Familie.     IV  9  :  12. 

Nietzsche,  F  I  12  :  269,  302,  316, 
378-96;  IV2b:l;  4:1345;  5:151, 
170-97,  199,  223.  299.   322,  445,  634. 

Nigg,  Marianne.    IV  1  a :  37. 


Niggel,  A.    U  2  :  21. 
Nigrinns,  G.    II  1 :  7. 
Nikolaus  I..  Papst.     II  6 :  12. 

—  V.,  Papst.     I  3  :  186. 

—  1.,  Kaiser  v.  Russland.     IV  lc:47; 
8b  :52a. 

Niobe.    IV  2a:  69. 
Nissel,  F.     IV  4  :  272. 
Nithart,  H.     II  4  :  10. 
Nitzsch,  K.  W.    II  1 :  13. 
Nodier,  Ch.     IV  1  d  :  12. 
Nodnagel.  A.     IV  Id:4. 

-  (Philologe.)    IV  lo:137. 
Nöttel.     I  7  :  18. 
Nonnenlieder.     IV  2a: 85. 
Nordau,  M.     I  12:101b,  1601,  388-96; 

5:633,4;  10:70. 
Nordböhraen.     I  11:113,  166. 
Nordhausen.     IV  2a:  85. 
Nordhoff,  J.  B.     I  11:94. 
Normative  Aesthetik.     I  12  :  55,  57. 
Nornen.     I  5  :  145. 
Norwegen.     IV  9  :  132. 
Nostiz,  K.  T.     14: 199». 
Noten.    I  1:44,  111. 
Notendrucker.     I  3:32. 
Notter,  F.     IV  2b:  17;  10:125. 
Novalis  g.  Hardenberg.  Fr.  v. 
Novelle.     I  7:139;  12:248  9. 
Novellenstoffe.     15 :220a. 
Nürnberg.      I    4  :  90,   93,  456,  459;    6  : 

134;  11:151.  168,  188;  U  1:32,  43, 

132;  III  1:22;  IV  11:20. 
Nuhn  V.  Hersfeld,  J.     II  3  :  83. 
Nuntiaturberichte.     II   1:7,   45,  1401, 

145,6;  6:35. 
Nyrop,  Kr.     III  4  : 8. 
Nysäus.    II  7  :  5. 

Oberbayern.     I  5  :  110;  11 :  85/6. 
Oberdeutsch.     I  6  :  154. 
Obereit,  J.     IV  5  :  30. 
Oberland      I  11:93. 
Oberlin.  J.  Fr.     IV  5:255. 
Obermerchthal.     I  11  :  147. 
Oberrhein.     I  4  :  219. 
Oberschwaben.     I  11 :  108. 
Objektivität.    I  1 :  15,  31 8,  149-50,  170. 
Occo  I.     II  7:43. 

—  II.     II  7  :  43. 

—  lU.     II  7  :  43. 

Occultismus.     I  4:183/5:  II  3:28,9. 
Ochino,  B.    II  6:173. 
Ode.    I  12:4;  IV  2a.- 20. 
Odenwald.     I  11 :  91. 
Oderschiffahrt.     I  4:252. 
Oechelhäuser,  W.     I V  1  c  :  127 ;  4 :  370, 
Oedenhofer,  Th.     11  7  :  13. 
Oeglin,  Erh.    I  3:82. 
Oehem,  Gallus.    II  7  :  17. 
Oehlenschläger,  A.    I V  1  d  :  3 ;  1  c :  69 ; 

2b:  109. 
Oekolampad,  Joh.    II  6 :  14,  169;  7  :  42. 
Oelzelt-Nervin,  A.     112:  101  c. 
OeppmüUer,  R.     IV  8a:  104. 
Oesterley,  R.     I  11  :340. 
Oesterreich.    I  11:106-16;  IV  la:32, 

37. 
Oiorpati.     I  5  :  17  8. 
Oken,  L.    IV  5 :  210. 
Olbrich,  C.     IV  8a:  106 
Oldecop,  J.    II  1  :  7 ;  3  :  89-90;  6 :  25,  96. 
Oldenburg.     I  3:180;  6:66;  11:95. 
Olfers,  Hedwig  v.     IV  2b  :  20/7. 
Omichius,  F.    11  1 :  86. 
Oper.     I    12:239-42;    13:58-60.      In: 

Italien  1 3  :  127.  Karlsruhe  IV  4 :  402. 

München  IV  4  :  404. 
Operette.    I  13:58. 
Opitz,  M.    I  1 :  106;  6  :  205  6;  H  2  :  26; 

m  2:5,  32,  37,  39,  45;  IV  2a: 8. 
Oporin,  J.  I  3  :  251  2 ;  II 1 :  156/7 ;  7 :  62/3. 
Ordalien.    I  5  :  17,8. 
Orden,  Geistliche.    I  4:498-513. 
Organist.     I  6:164. 
Orgel.    I  11:161. 
Orlando  di  Lasso.     I  13  :  63. 
Orleans.     II  7  :  12. 
Orthodoxie.    II  1:1. 
Orthographia  germanica.    I  6  :  34. 
Orthographie.  I  6 :  171 ; 3 : 704. 108. 127  9. 
Ortsnamen.  I  5 :  367:  370  1  a,  372,  375,7. 
Osann,  F.     IV  lc:94:  8b:  2. 
Oschersleben.    I  11:99. 
Oser,  Fr.     IV  ld:10. 
Oslander,  A.     II  6 :  135. 

—  L.    U  6:156;  III  5:5. 
Osnabrück.    I  4:366. 


(4)36* 


Sachregister. 


Ossian.     IV   2a:  24,   28,   38;    8b:  26; 

8c:7. 
Osterbniuche,  in   d.   Österreich.  Alpen. 

I  5:53a,  57,9. 
Osterfeuer.     I  5  :  53. 
Ostern.     I  5:57;  10:45. 
Osterspiel.    I  5 :  59.     In   Redentin.    II 

1:86;  4:4. 
Ostfalen.     U  4:4. 

Ostfriesland.     14:260,   263a,    362/4a. 
Ostmann,  Ott.     11  2  :  31. 
Ostprenssen.     I  4  :  310:  11  :  98. 
Otte,  Ch.  H.     IV  1  c  :  102. 
Otter,  Jak.     II  6  :  165. 
Otterwolf,  F.  Frhr.  v.     IV  4 :  1. 
Ottheinrich,    Pf^lzgraf   bei  Rhein.     II 

1 :  167. 
Otto  mit  d.  Barte,  Kaiser.     I  5  :  152. 

—  König  V.  Griechenland.    IV  1  c :  15. 

—  Trnchsess,  Bischof  v.  Angsburg.     II 
1:45. 

—  V.  Augsburg.     II  7  :  G2;3. 
Ottobeuren.     I  6 :  88. 
Otway,  Th.     IV  4  :  200. 
Overbeck,  C.  A.     IV  la:23. 

—  W.     IV  10:45. 

Overberg,  B.     1  6  :  55/6;  IV  5  :  477. 
Ovid.     II  4  :  10;    IV  2a  :  10,    34,    62; 

Sc:  14,  17/8. 
Owen,  J.     III  2  :  34. 
Oxenstierna,   A.  Graf  v.     I  6:20;    III 

1:20. 

Paalzow,  K.  F.     IV  2a:  2/4. 

Paar,  L.,  Graf.     I  3  :  51/8;  IV  8b:  45. 

Fächer,  M.     I  11  :  244. 

Pachler,  Faust      IV  1  a  :  33. 

Paderborn.     I  11  :  125. 

Pädagogen,  Einzelne.     I  6  :  16-83. 

—  Katholische.     I  6  :  55/9. 
Pädagogik.      I   6.    —   I   12:74,    814; 

III  5  :  48-50. 
Pädagogium  s.  Schulen. 
Päderastie.     II  1  :  32. 
Pässe.     I  4  :  308. 
Paisiello,  G.     IV  2b  :  20. 
Pajon,  H.     IV  4  :  7. 
Palacio,  Manuel  del.     IV  1  d  :  93. 
Paläographie.     I  3  :  1/4. 
Palleske,  E.     IV  Ic  :  147;  4  :  467. 
Palm,  E.     IV  8a:  17. 

—  F.    IV  10  :  79. 
Palsgrave,  J.     II  4  :  37. 
Pamphlete.     II  1  :  1. 
Pandszen,  A.     IV  4  :  377. 
Pantheismus.     IV  2b  :  112. 
Pantschatantra.     I  5  :  220  a. 
Papier.     I  3  :  50. 
Papierfabrikation.     I  4  :  226. 
Papistenbuch.     I  5  :  12. 
Pappenhelm,  G.  H.  zu.     III  1  :  28. 
Parabeln  d.  Meistersinger.     II  2  :  22. 
Paracelsisten.     I  3  :  124;  II  1  :  176. 
Paracelsus,   Th.      II  1  :  105;6,    178;    6 

55;  IV  ld:3;  8e:  107. 
Paris.     I  11  :  439. 

—  E.     II  1  :  11. 

—  Gaston.     I  10  :  14. 
Parix.  J.     I  3  :  90. 
Parnassiens.     IV  Se  :  SO. 
Parodien.     IV  4:38;  5:  185. 
Parthey,  G.  F.  K.     IV  2a  :  100. 
Partikularismus.     II  1  :  61. 
Passionsrausik.    I  13  :  72. 
Passionsspiel  (s.  auch  Drama)  in  Höritz. 

III   4  :  36;  IV  4:282/4. 

—  in  Oberammergau.     III  4  :  37. 
Pastor,  L.     II  1  :  10. 

Patak.    I  6  :  31. 
„Patriot,  D."     III  5  :  49. 
Patriotismus.     I  7  :  92. 
Patronendruck.     I  3  :  82. 
Paul  III.,  Papst.     II  1  :  147. 
Pauli,  J.     II  1  :  88;  3  :  51 ;  6  :  100. 

—  R.    IV  5  :  337. 

—  Th.     II  3  :  56. 
Panlsen,  F.     IV  5  :  228-30. 

—  Karl.    III  4  :  34/5. 

—  0.  A.     IV  4  :  377. 

Paulus  Diakonus.     IV  10  :  125. 

—  Ed.     IV  2b  :  18/9;  10:  145. 

—  N.    II  1  :  95 ;  6  :  33 

—  Orosius.    IV  10  :  132. 
Pegnitzschäfer.     III  2  :  26;  5  :  3. 
Pelargus,  A.     II  6  :  14,  134. 
Pellikan,  K.    II  1  :  170;  3  :  71;  6  :  171. 
Pensionat  provisoire.-    I  6  :  179. 
Penthesilea-Sage.     IV  4  :  60. 


Percy,  Th.     IV  1  d  :  57;  2a  :  34;  4  :  70. 

Pereira-Arnstein,  Frau  v.    IV  2a  :  100. 

Peretz,  W.     I  10  :  13. 

Perfall,  G.  Frhr.  v.     IV  4  :  371,  404/5. 

Pergamenter.     I  3  :  88. 

Perikles.     I  12  :  379-80. 

Pf  rinet,  J.    IV  4  :  1. 

Pering,  Job.     II  7  :  30. 

Perrault,  Ch.     IV  10  :  2. 

Persien.     IV  9  :  132. 

Persönlichkeit.      I   12:13,    70/3,    109, 

111/1  a,  119,  142,  194,  254,260  3,3.53. 
Personennamen  (s.  auch  Namen).     I  5  : 

:^67 ;  6  :  66. 
Perthes,  Frd.     IV  1  c  :  159. 
Peschel,  0.     IV  2  a  :  108. 
Pesne,  A.    I  11  :  259. 
Pessimismus.     I  12  :  169-75. 
Pest,  D.     14:  215,  352. 
Pestalozzi,  J.  H.     16:8,  48-52,  69,  77; 

IV  1  a  :  22 ;    1  c  :  124;    5  :  475a,   482, 

611. 
Pestalozzianer.     I  6  :  49-50,  60,  67. 
Peter  d.  Grosse.     III  1 :  67. 

—  Leu.     II  3  :  23. 
Petermännchen.     I  5  :  130. 
Peters,  Ad.     IV  2b:  117. 

Petrarca,  F.    II  7  : 1,  7/9,  13;  III  2  :  34, 

IV  2a:  23 
Petreius,  J.     13:  246. 
Petrich,  H.     IV  2a:  2/4;  10:41. 
Petronius.     IV  6:19. 
Petrucci,  Ottaviano  dei.     I  3  :  82. 
Petrus  Lnmbardus.     I  3  :  75. 
Petzold,  J.  V.     IV  8a:  49. 
Peucer,  C.     II  1 :  173. 
Peatinger,  C.     II  7:42,  67. 
Peypus,  F.     I  3:246. 
Pez,  B.     II  7:42. 
I'faff  vom  Kaienberge.     I  3  :  125. 
Pfeffel,  G.  K.     IV  4:6;  5:8,9. 
Pfeiffer,  A.     III  5  :  22. 
Pferdeeisenbahn.     I  4:302. 
Pfeuffer,  K.     IV  2b:3.i. 
I'finzing,  M.     II  1 :  172. 
Pfizer.  P.     IV  2b:  17. 
Pflanzen.     I  4  :470;  5  :  106-12,  340. 
Pflanzennamen.    I  5  :  107. 
Pflanzensymbolik.     I  5:111. 
Pflaumers  Flugschrift.     III  1 :  42,  116. 
Pflug,  J.     II  1 :  140. 
Pforta.     I  4:289;  5:378. 
Pfuel,  E.  H.  A.  V.     IV  1  c  :  147. 
Phantasie.     I  12:74,    91,3,    101,    101c, 

107,  111,1  a,  165,  189. 
„Philalethes".     IV  2  b  :  17. 
Philanthropin  s.  Schulen. 
Philanthropinismus.     I  6  :  18,    45,    58, 

225,  250. 
Philanthropinisten.     16:8. 
Philipp,  Landgraf  v.  Hessen     I  6  :  107 ; 

II  1:41,  59,  140,  152;  II  6:91. 

—  Prinz    V.    Sachsen- Koburg- Gotha. 
IV  lc:7. 

—  Julius,  Herzog  v.  Pommern-Wolgast. 
I  4:125;  II  1:162  3. 

Philippisten.     II  1 :  173. 
Philippson,  L.     IV  5  :  289. 
Philologen.     II  1 :  140;  IV  5  :  357-75. 
Philologie.     I  1 :  40;8,  171/2. 

—  Deutsche.     I  2.  —  I  6 :  78,9. 

—  Klassische.     I  6  :  71. 
Philosophie.    I  6  :  240;  II  1  :  93;  III  5  : 

51/8;  IV  5:89-2,52. 

—  d.  Geschichte.     I  1 :  1,  2,  15-22. 

—  u.  Sprache.     I  8 : 1,  2,  65. 
Phonetik.     I  8  :  67-74. 
Phrase.     I  4  :  53. 

Phrygio.     II  7  :  39. 
Physik.     II  1  :  107. 
Physiologie.     I  1 :  59. 
Physiomorphismus.     I  12  :  144. 
Piaristenschule  s.  Schulen. 
Plccolomini  s.  Aeneas  Sylvius. 
Pichler,  Ad.    IV  Ic  :  81,  83;  4  :  304. 

—  Karoline.     1  c  :  124:  4  :  1,  212. 
Pico  V.  Mirandola.     II  7  :  30. 
Pietismus.     III  5  :  21-36,  61. 
Pietsch,  J.  V.    I  12  :  4. 

—  L.     IV  Ic:  147. 

—  P.     II  6  :  51. 
Pilgerschriften.     II  1  :  167/8. 
Pillnitz     I  4  :  382. 

Piltz,  C.     16:  70. 
Pinero.     I  12  :  349. 
Pinician.     II  7  :  42. 
Pioniere.     I  4  :  195. 
Piper,  P.    IV  10  :  71. 


Piperites,  H.    II  6  :  119. 

Pirkheimer.  W.    I  3  :  51/8;  II 1  :  48,  63, 

71;  3:47;  7:42. 
Pirna.     I  4  :  386. 
Pitaval.     IV  9  :  123. 
Pins    II.,    Papst.      II    1  :  97    (s.    auch 

Aeneas  Sylyiusl. 

—  IV.,  Papst.     II  1  :  44. 

—  V.,  Papst.     II  1  :  45. 
Planta,  A.  R.  v.     IV  5 :  545. 
Plassenburg.    II  1:34. 

Platen,  A.  V.  I  8:49;  12:190,  195; 
IVlc:83,  151;  ld:32i  2b:3.3/8, 
53,  76,  114;  5:  104,  462. 

Plato.  I  3  :  •?44;  6  :  76;  II  1  :  93;  IV 
Ic:  133,  138.  160. 

Plattdeutsch.  I  5:  294  (s.  auch  Nieder- 
deutsch). 

Platter,  F.     II  3  :  74. 

Plauen.     I  4  :  ?,SS 

Plautus.     I  6  :  205/6;  II  7  :  57/9,  67. 

Plutarch.     II  7  :  67;  IV  4  :  9. 

Podagra-Litteratur.     II  3  :  47. 

Poe,  E.  E.     I  12  :  100  a. 

Poesie  u.  Prosa.     I  12  :  4,  74,  101,  144. 

—  Wesen  d.     I  12  :  12,  66. 

—  Jüdische.     I  4  :  539. 

—  Skandinavische.     IV  2b  :  109. 
Poeta  laureatus.     I  6  :  16. 

Poetik.  I  1:42,  49;  7:134;  12:12, 
144-249. 

—  Evolutionistische.     I  12:144. 

—  Induktive.     I  12  :  144. 
Poggio,  F.     II  6:  100:  7  :  13. 
Pohl,  E.     IV  4  :  95,  391. 
Poisson,  M.     IV  8  e  :  52. 
Pol,  J.     III  2  :  38. 

Polack,  Frd.     IV  1  c  :  130. 

Polak,  M.     I  11  :  271. 

Pole,  Reginald,  Kardinal.     II  1  :  38. 

Polen.     I  10:49:  II  1  :  1. 

Politianus,  A.     II  1  :  74,  93. 

Politiker.     IV  5  :  444,8. 

Politische  Geschichte.     II  1 : 1-71 ;    III 

1  : 1-83. 
Politisches  Lied.     I  12  :  194;   III  2  : 1. 
Poliziano,  A.    II  7  :  30. 
Polko,  Elise.     IV  1  c  :  64;   11  :  20. 
PoU,  N.     II  7:42. 
Polybius.     IV  4:9. 
-  Pomis,  P.  de.     I  11  :  116. 
Pommern     I  4  :  105,  125;  5  :  326:  11  :  96. 
Ponce  de  Leon,  Fray.     IV  1  d  :  93. 
Pontanus  v.  Breitenberg,  G.  B.   II  3  :  48. 
Pope,  A.     IV  2a:  20,  28. 
Portia,  B.     II  1  :  45,  146. 
Porzellan.     I  4  :  238/9. 
Posen.    I  11:104;  II  1:87;  III  1:137. 
Posse.     I  12:410  a. 
Postreuter.     I  3  :  154. 
Potsdam.     I  11  :  168. 
Pouilly,  V.     IV  lc:9. 
Poynter,  E.  J.     111:  8. 
Präger,  F.     I  13  :  105. 
Praetorins,  J.   I  13  :  68 ;  III  4  :  1. 

—  St.     III  5:22. 
Prag.     I  11 :  200. 

Pram,  Maria'Magdalena.    IV  la:22. 

Prato,  Katharina.     IV  la:37. 

Prechtler,  0.     IV  1  a  :  32 ;  4  :  214.  / 

Precieusen,  D     I  12:15  c. 

Predigten.     II  1:85;  4:1. 

Prell,  H.     I  11:365. 

Preller,  L.     IV  la:41. 

Presse.    I  3 :  172,3,  245. 

Preussen.     I  4:199a;   5:119;   IV  2b: 

104. 
Prevost,  M.     I  12:306. 
Priameln.     I  5  :  308. 
Prierias,  S.     II  6:20. 
Priester.     I  3:83;  6:57. 
Prinzenerziehung.    I  6  :  234:  III  1  :  126. 
Privatinstitute  s.  Schulen. 
Pröhle,  H.     IV  ld:32;  2a: 46. 
Proles,  A.     II  6  :  11. 
Proletariat,  Klerikales.     II  1  :  117. 
Promotionen,  Akademische.     I  3:136; 

4  :  95,  98,  101. 
Properz.     IV  2a:  31;  9c  :18a. 
Prosa-Erzählungen.    II  3:4. 
Protestanten.     III  1  :  84. 
Protestantismus.    I  1 :  15,  143;  II  1 : 1; 

III  1  :  6,  101. 
Provinzler.     IV  la:12. 
Prüss,  J.     I  3:72. 

Prutz,  R.    IV  lo:157;  2b:5;  5:322. 
Psalmenparaphrasen.     III  2  :  27-31. 
Psalter.     I  3:70. 


Sachregister. 


Pseudonyraa.  II  6:18,  36. 
Psychodraina.  I  12  :  245/8. 
Psychologie.     I  1 : 1,  7,  513,    55,    120; 

5:117;  12:13/4,  •:3,  70,   74  4a,   81/2, 

249. 

—  Moaerne.    I  12:295-303. 
Ptolemaeus  Chennus.     IV  4  :  60. 

—  d.  Ulmer.     I  3  ;  69. 
Publikum.     I  1  :  l."4  6. 
Publizistische  Schriften,     m  1 ;  113/8. 
Puchta,  W.  H.     1  6  :  94. 
PQcHer-Muskau,    Fürst    H.  L.  H.      IV 

lc:91,  95,  147. 
Pülfringen  s.  Gassenlieder. 
Pufendorf,    S.      IH    1  :  11/2,    101 ;    IV 

5 ;  573. 
Puff,  R.  G.    IV  1  a :  33. 
Puller  V.  Hohenbnrg,  R.     II  1:32. 
Puppenspiele.     III   4:27,  40,6;   lY  4 : 

305  7,  376. 
Puschkin,  A.     I  10:26;  IV  ld:12. 
Puschmann,  A.     11  2  :  24. 
Piistkuchen,  J.  F.  W.     IV  9:21. 
Pyra,  J.  J.    IV  la:3;  2a:  5,  20;  4:4. 
Pyramus  u.  Thisbe.    I  10  : 1 
Pyrker,  L.  t.     IV  1  d  :  74. 
Pyrrhus.    I  3  :  245. 

Qnad,  M.    n  1 :  110. 
Quälgeister.     1  5  :  126. 
Quandt,  J.  J.    III  5  :  61. 

—  Joh.  Glob.  V.     IV  1  c :  94. 
Quellenkritik.     I  l  :  1,  7.  9. 
Qnerhamer,  K.     II  6  :  17. 
Quevedo.     IV  2a:  10. 
Quistorp  (Rektor).     III  -5  :  12. 
Quoten.  S.  P.  v.     III  4:.S5;  IV  4  :  377. 

Baabe,  W.    I  12 :  168,  254. 

Rabe  u.  Fuchs.     I  10 :  34. 

Rabelais,  E .     I  6  :  18 ;  10  :  .30 ;  U  1 :  90. 

Rabener,  G.  W.     I  6:  238;  IV  la:  48. 

Rachel,  Elisa.     IV  4:472. 

Racine,  J.  de.     I  12  :  221  a. 

Rada,  Girolamo  de.     I  10:3. 

Radetzky,  Friederike  v.     IV  lc:54. 

—  J.    A.   Graf  v.,   Feldmarschall.      IV 
1  c  :  54. 

Radius.     IV  lc:94. 

Radowitz,  J.  v.     IV  lc:138:  5:605. 

Radziwill,   Anton  Fürst  v.     IV  Se:85. 

Räbke.     I  4  :  203. 

Rätsel.     15:7,   213.  346-55,  348. 

Rätselfragen.     I  5  :  350, 

Rätselstreitlieder.     I  5 :  350. 

Rafael  s.  Sanzio,  Rafael. 

Rahden,  Baronesse  Edith.     IV  lc:32. 

Rahl,  F.     IV  4 :  238. 

Rahn,  J.  R.     I  11 :  216. 

Raich,  J.  M      IV  10  :  9. 

Raillard,  J.     III  5 :  63. 

Raimund,  F.    I V  1  a :  32 ;  4 :  134,  184-90. 

224. 
Ramberg,  J.  H.     IV  8e:85. 
Ramdohr,  F.  W.  B.  v.     IV  10 :  45. 
Raraler,  K.  W.    IV  1  a :  30,  48 :  1  c  :  65, 6 ; 

2a:  18-20,  22:  5:23;  8e:20 
Ranke,    L.    v.     I  1:53;    6:3,    184:    II 

1:36;    IV    lc:138,     140,    145,    159; 

5:291,  299-305,  319. 
Rapp,    G.    H.      IV  8a: 65;    8b:2,    49; 

9:20 
Rasinus.     II  7  :  10. 
Raster,  H.     IV  5  :  521. 
Raspe,  R.  E.     I  13:92;  2a:  22. 
Ratdolt,  E.     I  3:81. 
Ratichius.     1  6:20/2. 
Raubritter.     II  1 :  33. 
Rauch,  Chr.    I  11 :  289-90;  IV  1  c  :  22. 
Raumer,  Frd.  v.     IV  1  c  :  22,  138. 

—  K.  G.  T.     16: 94. 

—  K.  0.  Y.     I  6:68. 

—  R.  V.     16:3,  22,  183. 
Raupach.  E.     IV  4:202,  212;  10:71. 
Raupp,  C      I  11 :  369. 

Rauwolf.     U  7  :  43. 
Realgymnasien  s.  Schulen. 
Realismus      I  12  :  70,  91  3,  138,  171,3. 
Rechenbücher.     I  6  :  12    II  1 :  138. 
Rechenunterricht.     I  6  :  164. 
Rechnungsbuch.    I  4  :  248. 
Kecht  an  Briefen.     I  3  :  283. 
Rechtfertigungslehre.     II  1  : 1. 
Rechtsaltertümer.     I  6  :  78,9. 
Rechtspflege.    II  1  :  19. 
Rechtsphilosophie.     IV  5  :  250. 
Rechtswesen.     I  4  :  108-120. 
Recke,  Elisa  t.  d.    IV  1  c  :  121 ;  2  a :  24, 


Redensarten.     I  5  :  337-45. 

Redentin.     II  4:4. 

Redgrave,  R.     I  11  :8. 

Reformation,  D.     II   6.  —  I   1 :  89,   97, 

110:  6:113,  205  6;  12:3;   II  1  :  12. 

17. 
Reformationsfestspiel.     II  6  :  199. 
Reformationsschriften.    13:121. 
Reformatoren.     13:518:6:16. 
Reformbestrebungen.     11  1  :  17-28. 
Reformen.    Theresianisch  -  Josefinische. 

1  6  :  100. 
Reformierte,     lll  1 :  94 
Regeneration.     I  4  :  610. 
Regensburg.     I  5:162  3. 

Regis,    J.    G.     IV  ld:64,    89:    2b:  30, 

70.  100;  4:27. 
Regnier  de  Waels.     I  3  :  120. 
Rehdiger,  Th.  v.     13:  59. 
Reibehand      IV  4  :  459. 
Reiblin,  W.     II  1  :  27. 
Reichardt,  J.  F      IV  lc:153. 
Reichenan,  W.  v.     117: 13. 
Reichensperger,  P.     IV  5 :  598. 
Reichling.     II  7  :  30. 
Reichsjustiz.     II  1  :  19,  28. 
Reichskammergericht.     I  4  :  109 
Reichsstädte.     I  4  :  157:  II  1 :  47. 
Reichstag.       In:      Augsburg     II    1:1. 

Begensbnrg  II  1 :  146;  2 :  43.    Worms 

n  1 :  19. 
Reichstagsakten.    II  1 :  36. 
Reichtum.     I  4  :  577. 
Reifferscheid,  AI.     III  1 :  109. 
Reiffenstein.  C.  Th.     IV  8a:  25,  170. 
Reifrock.     I  4:264  5. 
Reim.      I    12:4.    31,     113a,     190;    IV 

2  a :  20  (s.  auch  Bastlösereime). 
Reimarus-Siveking.     IV  1  a  :  22. 
Reimbüchlein.     III  5  :  6. 

Reimer,  Gg.  A.     IV  Ic  :  160;  10;  106. 

—  K.     IV  10:90. 
Reimsprüche.     I  5 :  323. 
Reinaert,  Historie  vom.     11  3  :  14. 
Reinhard.  F.  V.     IV  la:31. 

—  K.     IV  2a: 2 4. 

—  Karl  F.  Graf     IV  2a:  31. 
Reinhardt,  Th.  Fr.     I  6:84. 
Ri  inhart,  J.  Chr.     IV  9:22. 
Reinhold,    K.    L.     I  6:61;    IV  la:22; 

5:210;  10:47 
Reinick,  R.     IV  la:  6:  2b:  5. 
Reinke  de  Vos.     II  1:88;  3:6,  15. 
Reinwald,  Christophine.     IV  9  :  14,   25. 

—  W.  F.  H.     IV  9  :  15,  25. 
Reisch.  G      I  3  :  75:  11  6  :  165. 
Reiselitteratur.       I    4:30,     122  7;    IV 

9:50a 
Reisen.     II  1 :  160  9. 
Reisner,  F.     IV  la:2. 
Reitenberger,  K.,  Abt.    lY  8b:  51. 
Relations-Postillon,    Berlinischer.     III 

1 :  120. 
Religion.     I  4:  159-62;  UI  5:  17. 
Religionsfriede.     II  1 :  39. 
Religionsunterricht.    I  6 :  13. 
Religionswissenschaft ,     Vergleichende. 

I  4 :  14. 
Reliques    of    ancient    english    Poetry. 

IV  ld:57 
Reliqnii^nvpiiliruii^'.     II  1;1302, 
Rellstib,  I-.     IV  2b:  20. 
Rembrandt,  H.,  yan  Ryn.     IV  8e:85. 
Rembrandtdeutsche,  D.    IV  5  :  445,  628. 
Renaissance      I  12:3;  II  1:7.  7.3-81. 
Renaissancelitteratur.     I  1:89,  111. 
Renan,  E      I  12  :  373. 
Renaudot,  Th.     13: 158-63. 
Rennschüb  (Büchner),    IV  8e:10. 
Rentebnch.     I  4  :  357. 
Rentmoister.     I  4  :  418. 
Resenius.     IV  2a:  27. 
Resewitz,  F.  G      I  6:61. 
Rethel,  A.     111:  295. 
Retif  de  la  Bretonne.     IV  9  :  51. 
Rettenbacher,  S.     II  7  :  66 
Rettich,  Julie.     IV  1  o  :  157. 
Ketzer,  J.  F.  Edler  v.     IV  8c:  24. 
Retzsch,  M.     IV  8e  :  85. 
Renchlin,  H.     IV  1  c  :  139. 

—  J.     II  1  :  60:  6:40;  7:23. 
Reuling,  C.     III  4  :  28. 

Reuss,    Fürstin    Agnes    v.,   j.    L.      IV 
1  c  :  75. 

—  Eleonore,  Prinzessin  v.    IV  1  c  :  75. 
Reuter,    Chrn.      III    2:23;    4:7;    IV 

1  c  :  47. 

—  F.     I  6:134:  12:168. 


Reutlingen.     I  4  :  282,  558. 

Reventlow,  Fr.  Graf.    IVla:22. 

Revolution  v.  1848.     IV  2a:  74. 

Revolutionsbestrebungen.     II  1  :  17-28. 

Reynolds,  Sir  Joshua.     I  11 :  8/9. 

Rezy.  E.  Frhr.  v.     IV  4:202  3. 

Rhacotomus,  V.     II  3  :  48. 

Rhegius,  Urbanus.    II  6  :  47.  134;  7  :  36. 

Rheinlande.     I  11  :  93;  IV  9  :  132. 

Rhenanus,  Beatns.     II  7  :  32,  36,  38  9. 

Rhenins,  Joh.     I  6  :  20. 

Rhetorik.     I  12  :  4.  101,  190;  II  7  :  10. 

Rhythmus.   I  7  :  37;  12  :  66,  113a,  19ü. 

Ribot,  Th.     I  12  :  249. 

Richard  (Pseud.).    IV  1  a  :  32. 

Richardson,  S.     IV  1  c  :  11;  10  :  13. 

Richepin,  E.     I  12  :  316. 

Richmond,  W.  Blake.     I  11  :8. 

Richter.  E.     IV  2b:  102. 

-J.P.F.(JeanPanl.)Il:S9;12:168;IV 
1  a  :  23.  27 ;  1  c  :  13,  22,  124.  137,  147. 
157,159-60:  Id  :  28:  2a:  13:  4:249: 
5:35,  39-42.  223.  319;  8d  :  32. 

-  L.     I  11  :293;  IV  lc:75. 

-  P.     I  12  :  220. 
Richtfest.    I  5  :  71. 
Ricordi,  G.    13:  267. 

Riedel,    Fr.   J.    IV  Ic  :  66:     2a  :  22; 

3e:88. 
Riedrer,  F.     13:  75. 
Riedt,  L.    IV  1  c  :  56. 
Rieger.  A.     I  11  :  373. 
Riehl,  H.  W.  V.  I  4  :  564;  IV  Ic  :  144,5; 

5  :  625. 
Ries,  Adam.     II  1  :  138. 
Riesensagen.     I  5  :  146. 
Rietberg,  Graf.     I  4  :  89. 
Rietschel,  E.     I  11  :  299. 
Riga.    I  4  :  48.  496. 
Riger,  F.     I  3  :  75 
Ringseis,  J.  N.  v.     IV  lc:122. 
Ringsymbolik.     I  4  :  176. 
Ringwaldt,  B.     II  3 :  15. 
Rinkart,  M.     III  4:11. 
Rist,  J.     III  2:45;   4:12;   IV  lc:159. 
Ristori,  Adelaide.     IV  4:473. 
Ritschi,  A.     II  6:112;  III  5:22. 
Ritter,  A.  H.     IV  1  c  :  102. 

-  Karl.  Geograph.     I  6  :  50. 

-  M.     II  1:7. 
Ritterakademie  s.  Schulen. 
Ritterdrama.     IV  9 :  123. 
Ritterromane.    IV  la:2. 

Ritter-  u.  Ränberromantik.     IV  4:1. 
Rivas,   Angel  Saavedra   Herzog  v.     IV 

1  d  :  93. 
Robinson.    I  7:53;    m    3:15-30;    IV 

la:20. 
Rochholz,  E.  L.     I  6:  78  9;  IV  5  :390. 
Rochlitz,  Fr.     IV  la:27. 
Rocholl,  R.     II  1 :  93. 

-  Th.     I  11 :  372. 

Rock,  D.  heilige.     I  5 :  222. 

Rocke,  Polydona.    IV  4  :  422. 

Rod,  E.     I  12:301. 

Rodenberg,  J.     IV  1  c :  156. 

Rodigast.     II  2:3. 

Rodel.  B.     IV  4  :  98. 

Rönneburg.     I  4  :  73. 

Röpo,  G.  H.     IV   1  a :  20. 

Roepell,  K.     IV  5:338. 

Rörer,  G.     II  6  :  56. 

Roethe,  G.    II  7  :  59 

Rötscher,  H.  Th     IV  1  c  :  81. 

Rogge,  B.    IV  1  c  :  105. 

Rojas.     I  10:41. 

Rokoko.     I  6  :  238. 

Rolandsage    15:152:  10  :  17:  IV  4:248. 

Rollenhagen,  G.    1  6 :  10,  171;  111:88; 

3:15. 
Roman    (s.  anch  Epos).     I  7:139;   IV 

la:3;  8d  :  32. 
Romandeutsch.     I  8  :  140  2. 
Romantik,   d.     IV  10.    -11:  15,   89, 

125;  12,  108,  238,  265:  IV  Ic  :  113. 

133;  4  :  38:  5  :  82:  9  :  70 
Romanze.     III  3  :  13;  IV  2a :  10. 
Romeo  u.  Julie      I  10  :  38. 
Ronsard,  P.  de.     III  2  :  34. 
Roon,  A.  V.     IV  5:605. 
Roose,  Betty.     IV  4  :  203. 
Roquette,  0.     IV  1  c  :  93,  147 ;   1  d  :  80. 
Rosbock-Jagen.     I  5  :  64. 
Röscher,  W      IV  5  :  444. 
Rosegger,  P.  K.  IV  1  a :  33;  1  c  :  86, 113. 
Rosenberg,  Mark     111:439. 
Rosenblfit,  Hans.     I  1  :  92:  10  :  10. 
Bosenbusch,  Chrph.    II  1  :  1. 


Sachregister. 


Eosenltranz,  K.    I  12;  111/1  a,  266;  IV 

1  c  :  94. 
Rosetti.    IV  4  :  202. 
Rosmer,    Ernst.     (=   Elsa    Bernstein.) 

I  12  :  400/1. 
Rosner,  F.   '  III  4:23. 
Ross),  E.     IV  4  :  473. 
Rost,  J.  Chr.     IV  la  :  48;  2a  :  20. 
Rostock.     I  4  :  250. 
Rotenzellc,  H.     II  7  :  13. 
Roth,  Joh.     II  7:10. 

—  St.  13:246;  6:113;  111:155; 
6  :  48.  55. 

Rother,  König.     I  5  :  152. 
Rotrcn,  J.  de.    I  10  :  41. 
Rotteck,  K.  V.     IV  5:605, 
Rottenburg  a,  N.     II  1  :  27. 
Rousseau,  E.    IV  4  :  243. 

—  J.  J.  I  12:379-80;  IV  la:l;  Ic: 
39;  2a  :  23;  4:  202;  5  :  2,  573, 
613/5;  Sb  :26;  10:  68. 

Kowe,  W.    II  2  :  26:  III  2  :  5. 
Rnbeanus,  Crotus.     II  7  :  42. 
Rubens,  L.  S     IV  10  :  91. 

—  P.  P.     111:  420 

Rubinstein,  A.     I  13:152;    IV  2b:70. 

Ruddeln.     IV  11  :  48. 

Rndnik.     IV  2a:  18/9. 

Rudolf  I.  V.  Habsbnrg,  Kaiser.  1 10:20- 

—  II.     II  1  :  1. 
Rudow,  W.     IV  la:4. 
Rübezahl.     1  5  :  1.35. 

Rüchel,  E.  W.  F.  v.     IV  10  :  71. 
Rückert,  F.     16:94;    7:134a:    10:8, 

24;     12:  190;     II  2:22;     IV  la:6; 

lc:90,    97,    113.    135,    145;    2b:  35, 

39-48,    53,   61.  76,  112,  115;    4:  100, 

468;  10  :  71,  91. 

—  H.     IV  5  :  451. 
Rüdinger.  M.     II  1  :  87. 
Rügen.     I  5  :  244;  IV  2b:  119. 
Rueger,  J.  J.    II  3:65. 
Rülpsen.     I  5  :  344. 

Ruete,  Ed.    IV  la:43. 
Ruf.    II  7  :  18, 

—  J.     II  4:11. 

—  Seb.     I  10  :  27. 
Rufln.     I  3  :  20. 
Rüge,  A.     IV  10  :  9. 

—  K.    IV  5  :  507. 
Rnhrort.     I  11 :  93. 
Ruine.     I  12:108. 
Rummelpott.     I  5  :  292. 
Rundschrift.   I  3:116 
Runge,  Jak.     11  6:  118. 
Ruschkowitz.     III  2:40. 
Ruskin,  John.     I  11:8. 
Rust.  F.  W.     I  13  :  79, 

Saar,  F.  v.     IV  4 :  262/4. 
Sach,  A.     II  1 :  122. 
Sjvcher-Masoch,  L.  v.    IV  1  c  :  148. 
Sachs,  Hans.     I    1:89;    3:51;    7:56; 

10:8,28/9,35;    12:3;    111:88;   2: 

19,  23;  3:20/1,  50;  4:21,  23/9,84/5; 

III  4:1;  IV  10:71. 
Sachse,  U.  E.     IV  5:44. 
Sachsen.     I  4:99,  189;    11:83,  99;   II 

1:42. 

—  D.     14: 150. 

Sachsenheim,  Hermann  y.     11  3 :  2. 
Sack,  E.     IV  4  :  245. 

—  S.     II  6:157. 

Sächsische  Bauernhäuser.     I  11 :  166. 

Säkularklerus.     I  3  :  149. 

Sagen.  I  5  :  13-49,  152-99 ;  6  :  78/9 ;  IV 
9  :  132. 

Sagenbildung.     I  5:10. 

Sagenforschung.     IV  9:50a. 

Sagengeschichte.     IV  2b:  108. 

Sagensaminlangen  aus  Mitteldeutsch- 
land.    I  5:31/8,  168-87. 

—  aus  Kiederdeutschland.  I  5  :  40/1, 
45,  188-99. 

—  aus  Oberdentscbland.  I  5 :  13/5, 
16/9,  154-67. 

Sagenstoffe.     I  5:221. 
Salier,  Chr.     IV  5 :  284,  513. 

—  F.  M.     16:  59. 

—  Seb.     I  8:25;  IV  4:. 301/2. 
Sainte-Beuve,  Ch.  A.     IV  lc:139. 
Saint-Real.     IV  9:80. 

Simonismus.     IV  11:47. 

Saladin.     I  10 :  19. 
Salas  y  Gomez.     IV  la:20, 
Salat,  Chr.     IV  5  :  463. 
Salchow.    IV  lc:26. 
Salinen.     I  4:374, 


Salis-Seewis,  J.  G.  Frhr.  v.  IV  1  a :  2, 
27:  lc:36;  ld:73;  2a:  1,745. 

Soglio,  Ant.  V.     IV  2a: 74. 

Fida  Adelhaid  Zaire  v.    IV  2  a  : 

74. 

Bondo,  J.  V.     IV  2a:  74. 

Sallet,  F.  V      IV  2b: 89-92. 

Salvini,  T.     IV  4  :  473. 

Salzburger  Auswanderer.     III   1:96. 

Salzmann.  Chr.  G.     IV  5:480. 

—  Joh.     IV  8b:  34. 
Salzwedel.     I  4  :  372 ;  IV  2  a  :  64. 
Samarin,  Juri.     IV  1  c  :  32. 
Samarow,  G.     I  12:142. 
Samland.     I  11:98. 
Sammelkatalog.     I  3 :  274. 

Sand,  George.     I  12:237;  IV  10:5. 

—  K.     I  6:143:  IV  lc:69. 
Sandizeller,  J.     II  7  :  38. 
San  Harte,  A.    IV  5  :  404. 

Sanzio,  Rafael.     I  3:186;  IV  10:45. 

Saphir,  M.  G.     IV  5  :  515. 

Sapidus,  J.     II  7  :  32,  39. 

Sappho.     IV  4:204,  220. 

Sardon,  V.     IV  4  :  114. 

Sartori,  J.     IV  4  :  375,  406. 

Sarzana.  Toraaso  de  (=  Papst  Niko- 
laus V.).     I  3:186. 

Satansaustreibung.     I  5  :  115. 

Saterland.     I  5:44. 

Satire.     I  12  :  4;  II  1  :  7;  III  5  :  5-16. 

Satiriker.     IV  5  :  10. 

Sattel.     I  4:270. 

Sattler,  M     I  4:118;  II  1:27. 

Satzkonstrnktion.     II  4  :  10. 

Saubert,  J.     16:  13. 

Sauer,  A.     IV  4  :  83,  187. 

Sauerkohl.     I  4:371. 

Saunders,  Bailey.     IV  ld:41. 

Sauppe,  H.     IV  1  a :  41 ;  5  :  366/7. 

Savonarola.     I  3  :  51/8 ;  II  1 :  24,  74. 

Saxo  Grammaticus.  IV  9:132;  10: 
73,  125. 

Scaliger,  J.  J.     II  1 :  99. 

Scaranauzza.     III  4  :  28 

Scarron, P.   I10:41;IV2a:10;10:13. 

Scevola,  L.     IV  4  :  204. 

Schack,  A.  F.  Graf  v.  I  11:11;  IV 
Ic:87,  145;  ld:88;  2b:  70;  Sa:  89. 

Schad,  Matth.     II  7:36. 

Schade,  Konr.     II  1  :  97. 

Schadow,  G.     I  11:282. 

Schäferlauf     I  5  :  51. 

Schäferpoesie.     IV  2a:  20. 

Schäfflertanz     1  4:59-64. 

Schätze,  Vergrabene.    I  5 :  149. 

Schäuifelin,  L.     111:  202,  231. 

Schaffen  s.  Künstlerisches  Schaffen. 

Sch.iffer,  Jos.     IV  9:  13. 

—  L.     IV  9  :  13. 
Schaffner,  M.     111:  233. 

—  W.     I  3  :  72. 
Schag,  G.     14: 74. 
Schallenberg,  Chr.  v.     II  2:38. 
Scharffenberg,  M.     13:  247. 
Scharnhorst,   G.  J.  D.  v.      IV  1  c :  123. 
Schasler,  M.     I  12:11,  14,  111/Ia. 
Schatzger.     II  1 :  60. 
Schatzgräberei.     I  5  :  28-30. 

Schaub,  L.     III  5:63. 
Schanerlitteratur.     II  1 :  7. 
Schauspieler.     IV  4:419-77. 
Schauspielkunst.    IV  4  :  340-50,  330. 
Schedel,  Hartmann.     II  7  :  13/4. 

—  Hermann.     II  7:1,  13. 
Scheel,  W.     IV  2  a  :  28. 

—  (Sekretär).    IV  2a:  66. 
Schefer,  L.     IV  2b  :  112/3;  5  :  18. 
Scheffel,  J.  V.  v.    I  7:5;   IV   ]c:90, 

145;  2b: 4:  10:74. 

—  Marie.     IV  1  c  :  90. 
Scheffer,  A.     IV  8o:85. 

Scheffler,  Joh.     IV  10  :  68    (s.  Angelas 

Silesius). 
Scheibel,  J.  E.     I  6  :  240;  IV  6  :  13. 
Scheibentreiben.    I  5  :  28,  52. 
Scheibert.     I  6:2-53. 
Schuch,  Caroline.     IV  4  :  393. 

—  F.     IV  4:386. 
Scheidt,  S.     I  13:17. 

Schein,  Aesthetischer.     I  12  :  14. 

—  J.  H.     III  2  : 5. 
Schelchlin,  M.     II  2  :  21. 
Schelling,   F.    W.  J.   v.     I   12:14;    IV 

2a:2/4;  2b:39;   lc:21,  47,  97,  133, 
138;  5:104,  138,  155,  495;    10:7,  9, 
33,  49-51,  71,  79. 
Schelmenroman.     II  3  :  39 ;  III  3  :  14. 


Schelmuffski.     IV  10:50. 
Scheltbrief.     I  4 :  44. 
Schelwig.  S.    III  5:22. 
Schenk,  Ed.  v.     IV  2b:  32. 

—  G.     IV  1  c  :  88. 
Schenkendorf,  M.  v.     IV  1  d  :  73. 
Scherenberg,  Chrn.  Frd.     IV  1  c  :  147. 
Scherer,  G      II  1 : 1. 

—  Jos.     I  11  :310. 

—  W.  I  1:42,  117;  2:2;  12:12,  27, 
195;  IV  2a:  73;  5  :  223;  6  :  35;  7  :  19; 
8e:76. 

Scherff,  L.     IV  2b:  102. 
Schernberg,  D.     II  4  :  9. 
Schernberk,  Th.     IV  8e:88. 
Scherzdialog.     I  5:332. 
Scherzrätsel.     I  5  :  349. 
Scherzverse.     I  5:328-33. 
Scheurl,  C.     II  1:48 
Schick,  G.     IV  1  c  :  23. 

—  (Schuhmacher.)     III   5:33. 
Schicksal.     IV  7:8. 
Schicksalsidee.     IV  9  :  70. 
Sohicksalstragödie.     112:220;    IV  4  : 

202,  204,  213. 
Schiebeier,  D.     IV  2a:  10. 
Schiffsschraube.     I  4  :  243. 
Schik.aneder,  E      IV  4  :  1,  452. 
Schildbürger.     IV  10:41;  III  3:1. 
Schiller,  Charlotte  v.     IV  la:22;   Ic: 

69;  8b:  14d:  9  :  21,  25,6. 

—  Elisabeth.     IV  9:  1.50. 

—  Ernst  V.     IV  8b  :  9,    14c-d;    9  :  21. 

—  F.  V.  IV  9.  —  I  6:78/9,  176;  7:1, 
17,  56,  134  a,  148;  8  :  34,  65,  71; 
12  :  11/4,  144,  194,  223,  242,  248, 
415:  III  5:5;  IV  la:  1,  6,  22;  Ic: 
20,  36,  39,  47,  67.  69,  100,  124,  130, 
134/5,  138,  158;  ld:13,  28:  2a:  20, 
31,  72,  76;  4:22,  26,  56,  63/4,  85. 
118,  203/4,  215,  218,  243;  5  :  103, 
156,  462,  .573,  618;  7  :  13;  8b  :  2,  9, 
11/1  a,  14c-d,  38,  41,  49;  10:  10,  12/3, 
39,  47,  59,  66,  68,  71.  Hören  IV  2  a: 
24;  7:8:  8c:  20;  9:92.  Musen- 
almanach IV  2a:  2/4. 

—  Lyrik.  IV  9:40-63.  —  I  7:75;  12: 
190;  IV  2a:20,  103;  8b:  45;  10:48. 
Alpenjäger  I  7:45/6;  IV  9:52.  An 
d.  Freude  IV  9  :  62  Bürgschaft  17: 
16;  IV  9:45.  Carmen  amoebaeum 
IV  9:61.  Distichen  110:  24;  IV  la: 
23.  Gang  nach  d.  Eisenhammer  IV 
9  :  51.  Glocke  I  7  :  10  a,  76, 106.  Ideal 
u.  Leben  IV  9:47.  Kampf  mit  d. 
Drachen  IV  9  :  46,  50  a.  Klage  d. 
Ceres  I  7:49.  Künstler  IV  9:54. 
Reiterlied  IV  9:20.  Ring  d.  Poly- 
krates  IV  9:49.  Taucher  IVld:74. 
Verschleiertes  Bild  zu  Sais  IV  6 : 
26;  9:50.  Xenien  18:45;  IV  8c: 
20;  9:56. 

—  Epos.  Verbrecher  aus  verlorener 
Ehre  IV  5  :  104.  Virgil-Uebersetzung 
IV  9 :  55. 

—  Drama.  IV  9  :  64-147.  -  I  7  :  10, 
43a;  8:47;  IV  4:  394;  10:12.  Braut 
V.  Messina  I  7  :  85;  12  :  221  a;  III  5: 
3 ;  IV  1  c  :  133 ;  9  :  70, 124/7.  Demetrius 
17:86;  10:26;  IV  9  :  144/6.  Don 
Carlos  I  12  :  165;  IV  4  :  21;  9  :  71, 
80/4,  152,  164.  Fiesco  IV  lc:95/6; 
4  :  62 ;  9  :  71, 84.  Flibustiers  IV  9 :  143. 
Jugendkomödie  IV  9:9.  Jungfrau 
V.  Orleans  I  7:5,  31,  81/2,  106;  12: 
220;  II  1:24;  IV  lc:21;  4:60;  5: 
618;  8e  :  48;  9:70/1,  84,  104-23. 
Kabale  u.  Liebe  IV  Id:4;  4:341; 
9:11,  79.  Kinder  d.  Hauses  IV  9: 
143.  Maria  Stuart  17:13,  80;  IV 
4:473;  9:70,  84,  95-103.  Neffe  als 
Onkel  IV  9  :  140.  Parasit  IV  9  :  139. 
Polizey  IV  9  :  143.  Prinzessin  v.  Celle 
IV  9:142.  Räuber  IV  Ic:  162;  Id: 
45;  4:21,  393;  9:74  8.  Teil  17:6, 
83,4,  106;  IV  lc:69;  ld:39;  9: 
128-36.  Wallenstein  I  5:83,  148; 
7:78/9;  12:165;  IV  lc:21,  69;  5: 
618:  7:8;  8e  :  48:  9:70/1,  84-95, 
141,  164.     Warbeck  IV  9  :  141. 

—  AbfaU  d.  Niederlande  I  7  :  77.  An- 
mut u.  Würde  IV  9:26.  Briefe  über 
ästhetische  Erziehung  IV  9:  38  Naive 
u.  Sentimentalische  Dichtung  IV  9: 
50.  Prosaschriften  I  1 :  89 ;  I V  9 :  30/9. 
Recension  v.  Bürgers  Gedichten  IV 
9  :  ,55.  Schaubühne  .als  moralische  An- 
stalt betrachtet  IV  9  :  54. 


Sachregister. 


Schiller.  Jörg.    I  3  :  96. 

—  Joh.  Prd.    IV  1  c :  116. 

—  Kasp.     IV  9:2.7,  151. 

—  Luise.     IV  9  :  150. 

Haus.    IV  9  :  149-51. 

Jahrbuch.     IV  9  :  148. 

Kalender.     IV  9:8. 

Schilling,  Dieboia.     II  2  :  33  ;  3  :  68. 
Schimmelmann,   Charlotte    Gräfin.     IV 

9:26. 

—  Ernst  Graf.    IV  1  a  :  22 ;  9  :  25/6. 
Schimpfnamen.     I  5  :  356. 
Schindler,  Jalt.    I  ll:34>/3. 
Schinlc,  F.     IV  la:  33;  4  :446. 
Schinkel,  K.  F.    I  11 :  291,  304. 
Sohinz.     IV  la:4S. 

Schirmer,  Mich.    II  2:3. 
Schlabrendorf,  G.  Graf.     IV  lc:20. 
Schlaghart,  Greg.     I  6  :  58,  62. 
Schlagwort-Katalog.     I  3:271. 
Schlaraffenland.     I  10 :  29. 
Schlaraffia  politica.     II  3  :  12. 
Schlawe.     I  11:96. 
Schlegel.   A.  W.  v.      I  7:56,  91,    110; 

12  :  287 ;  IV  1  c  :  20  1.  47,  134, 153-60; 

2b:42,  .53;  4:38:  5:618;  8b:  2,  21; 

9:70;  10:7,   9,   10,  20,8,   39,  41,  47, 

71. 

—  Dorothea.  IV  1  c  :  124,  159 ;  8  d :  32 ; 
10:9,  13,  18,  33. 

—  Frd.  IV  1  c :  20,  22,  47,  124,  1.59-60; 
2a:24;  4:452;  5:210,  618;  8b:2; 
8d:2,  32;  9:70;  10:9-11,  13,  18, 
29-32,  39,  45/7,  68,  71. 

—  J.  Ad.     IV  la:48;  2a:  2,4. 

—  J.  E.    IV  4  :  6. 

—  Karoline.     10  : 9.  10,  18,  33. 
Schleicher,  Aug.     IV  la:41. 
Schieiden,  M   J.     IV  la  :41;  2b  :  72. 
Schleiermacher,  F.  D.  E.  I  6  :  3 ;  1  c  :  22, 

70,  102,  133,  138,  160;  5:260/2,483; 
10:34,  47. 

—  Nanna.     IV  lc:22. 
Schleifer,  M.     IV  4  :  251. 
Schienther,  P.     IV  4:323. 
Schlesien.     11:89;   5:2,139;    11:83; 

III  1  :  138. 
Schleswig-Holstein.     I  5  :  87. 
Schlez,  J.  F.     16:  62. 
Schlichtegroll,  A.  H.  F.     IV  1  c  :  124. 
Schliemann,  H.     IV  1  c  :  131. 
Schlögl,  F.     IV  lc:86;  4:269. 
Schlözer,  Aug.  L.    I  4 :  483 ;  IV  5  :  210, 

611. 
Schlosser,  Frd.  Chr.    IV  lc:47,  137/8; 

5  '  299    319 

—  Joh.  Gg.     IV  1  c  :  67;  6  :  40;  9  :  19. 
Schlottmann,  A.     IV  1  d  :  34. 

—  Konst.     IV  5  :  278. 

Schlu,  J.    II  1  :86;  III  4:1a. 
Schifiter,  A.     I  11  :  267/8,  282. 

—  B.    IV  2b:  86. 
Schmalkaldischer  Bund.     II   1 :  39,  48. 

147,  149. 

—  Krieg.    II  1  :  147,  149. 
Schmeigel.  M.    16:  127. 
Schmeller,  J.  A.     12: 15. 
Schmeltz,  Joh.    II  6 :  60. 

Schmid,  Chrph.  v.     IV  Ic  :  75;   Id  :  7. 

—  H.  T.     IV  4  :  100. 

—  Karoline  Friederike  Marie.  IV  2  a :  67. 
Schmidel,  U.     II  1:164;  3:82. 
Schmieder,  H.  Ed.    IV  lc:100. 

—  K.  Chph.     I  6 :  173/5. 
Schmidt,  Ad.     IV  la:41. ' 

—  Charles.    II  6:23. 

—  Elise.    IV  4:237. 

—  Erasmus.     II  1 :  114. 

-Erich.    II 3:  25;  IV  5:  605;  6: 11, 35. 

—  F.  L.     IV  4 :  202,  464. 

—  Fr.  Samuel.     IV  5  :  351,  358. 

—  F.  W.  A      IV  2a:  77. 

—  Jak.  Friedr.     IV  2a:  30. 

—  Joh.     III  5  :  22. 

—  Julian.     IV  lc:81,  123,  157. 

—  K.     I  6:204;  7:32,  44. 

—  K.  Ferd.     IV  2a:  10. 

—  Thom.     III  1 :  19. 

—  (Elsasser  Pfarrer.)     IV  la:22. 

—  T.Lübeck.     IVla:2;2a:l. 

Weissenfeis,  Ed.     IV  5:524/5. 

Schmölzer,  Jak.     IV  1  c  :  86. 
Schnabel,  J.  G.     III  3  :  17/8. 
Schnadahfipfl.     15:2,  261,  264/5. 
Schnauffer,  K.     IV  1  a  :  16. 
Schneckenburger,  M.     16:  82. 
Schneiderleins  Glück.    I  5  :  235. 
Schnell,  Jos.  v.    IV  1  c  :  83. 


Schnell,  K.    IV  1  c  :  42. 

—  S.    IV  1  c  :  42. 
Schnellsprechvers.     I  5  :  333. 
Schnepf.  E.     II  6  :  157. 
Schnepfenthal.     I  6  :  14,  82. 
Schnezler,  A.     IV  Id  :  4. 
Schnitt,  Goldener.     I  12  :  51/1  b. 
Schnitzer,  Jnh.    I  3  :  69. 
Schnitzler,  A.     IV  1  a  :  38. 

Schnorr  v.  C-irolsfeld.  Jul.    IV  Ic  :  124. 
Schober,  Frz.  v.     IV  1  c  :  75;  2b  :  4. 

—  Thekla  v.     IV  1  c  :  75. 
Schoch,  J.  G.     III  4:16. 

—  Konr.     II  7  :  15. 

Schöffer,  Joh.     1  3  :  69;  II  7  :  67. 

—  P.     I  3  :  68,  82. 

Scholl,  Ad.     IV  1  a  :  41 ;  10  :  99,  104. 

—  R.     IV  5  :  372. 

Schön  u.  ästhetisch.     I  12  :  70,  111/2. 
Schönaich,  0.  v.     IV  1  a  :  27. 
Schönberg,  H.  F.  v.    II  3  :  24. 
Schönborn,  G.  F.  E.     IV  2a:  42. 
Schönburg,  Graf  Ernst  v.     II  6  :  199. 

—  -Glauchau,  Karl  Graf  v.    IV  9  :  19. 
Schöne,  D .  in  d.  Musik.     I  13  :  10. 

—  C.  G.     IV  2b  :  102. 
Schönemann,  E.     IV  8e  :  88. 

—  F.     IV  4:4;  393. 

—  Lili.     IV  8a  :  17. 
Schönfeld,  Ed.     16:  142. 
Schöngeist.     I  12  :  149. 

Schönheit.  I  12  :  11,  14,  46,  51,  55,  63, 
65/7,  70/70.1,  73/4,  84,  109,  111/1  a,  144, 
149,  194,  263. 

Schönkopf,  Käthchen.  IV  8a  :  17;  3c:  7. 

Schönlein,  Luk.     IV  5  :  464. 

Schönwaldt   (Schuhmacher).     II  2  :  24. 

Scholz,  W.     IV  4:424. 

Schongauer,  G.     I  11  :  1923. 

—  M.     111:  191,  247. 
Schopenhauer,  Adele.  IVlc:94;  3b:  14. 

—  Arth.  I  12  :  14,  74,  379-80;  IV  1  c  : 
81,  94,  113:  2b  :  1;  4  :  200,  245;  5  : 
125,  147;  6:40;  10:49. 

—  Johanna.  IV  Ic  :  94,  121;  8a  :  17; 
8b:  13. 

Sehern,  L.  v.     IV  1  a  :  41. 
Schott,  Joh.     I  3  :  72,  75. 

—  Johannes.     II  7  :  39. 

—  M.     13:  72. 

Schottel,  J.  G.    I  6:238;  8:54. 
Schottland.     Il  1:1. 
Schrader,  P.  A.     IV  4  :  439. 
Schramm,  Chrn.     I  3  :  246. 
Schraramhans  (Z.auberer).     II  3  :  33. 
Schraudolph,  Joh.  v.     I  11  :  300. 
Schreck,  J.  F.     III  2  :  39. 
Schreiber.     I  3  :  21. 

—  AI.     IV  Id  :4. 
Schreibpult.     I  4  :  273. 
Schreibunterricht.     I  6  :  164. 
Schreib-  n.  Rechenmeister.    I  6  :  164. 
Schrempf,  Chr.     IV  5  :  269. 
Schreyer,  Ad.     I  11  :  376. 
Schreyvogel,   C.    IV  4  :  202,   218,371; 

8e:10,  13. 
Schriften,  Deutsche,  inItalien.  II 1 :  140. 
Schriftsprache,  Neuhochdeutsche.  I  8. 
Schriftstellertum.     I  1 :  144-53. 
Schriftwesen.     1  3  : 1-63. 
Schröckh,  J.  M.     IV  1  o  :  138. 
Schröckinger,  K.     IV  1  a  :  33. 
Schröder,  D.    III  5  :  15a/5b. 

—  P.  L.  III  4  :  46;  IV  4  :  12,  18-20, 
38,  306,  371,  4459a;    8e:  10. 

—  Sophie.    IV  4  :  472. 
Schrödter,  Ad.     12:  10. 
Schröter,  Corona.    IV  8a:  17. 
Schubart,  A.     IV  10  :  46/7. 

—  Chr.  F.  D.  IV  2a  :  55,  58;  5  :  512/3; 
9  :  152. 

—  L.    IV  9  :  22. 

Schubert,  F.  I  13  :  95/6;  IV  2b  :  20/1; 
9 :  145. 

—  G.  H.  V.    IV  lc:75,  151. 
Schubin,  Ossip.    IV  1  d  :  53. 
Schücking,  L.    IV  1  c  :  74,  145;  2b:  81. 

—  Luise,  geb.  v.  Gall.     IV  1  c  :  74. 
Schüleraufführungen.    I  7:38. 
Schülerchor.     I  6  :  251. 
Schülerverzeichnisse.     I  6  :  163,    170, 

214/5. 
Schütz,  H.    1  13  :  23    73. 

—  J.  J.    II  2  :  3. 
Schütze,  G.    IV  2a:  28. 

—  St.     IV  la:41. 
Schützengilden.     I  4 :  91/2. 
SchQtzenwesen.    I  4  :  384. 


Schalansgaben.    I  7:56. 

Schulbibliotheken.    1  3:213-28. 

Schulbücher.    16:3.  13. 

Schuld,  Tragische.     112:74. 

Schule,  Erste  schlesische.    I  1 :  89. 

—  Zweite  schlesische.  1 1 :  89 ;  III  1 :  138. 

Schulen  (Akademie,  Bürgerschule, 
Fürstenschule,  Gymnasium,  Hoch- 
schule, Jesuitenschule,  Lateinschule, 
Lyceum,  Mädchenschule,  Militärbil- 
dungsanstalt. Pädagogium,  Philan- 
thropin, Piaristenschule,  Privat- 
institute, Realgymnasium,  Ritter- 
akademie, Seminar,  Universität, 
Volksschule)  I  6.  —  II  1:128.  In: 
Allgäa  I  6  :  87.  Altdorf  I  0  :  249. 
Altenbnrg  I  6 :  241.  Anhalt-Zerbst  I 
6:223,233.  Arnstadt  III  4  :  20.  Baden 

I  6  :  .5,  .58,  60,  163,  224.    Basel  I  6  :  89; 

II  1  :  146.  Bayern  I  6  :  61,  164/5. 
Bayreuth  I  6:91.  Berlin  I  6 :  71/3, 
90, 166  7, 183;  IV  5  :  618.  Beutlien  a.  0. 
I  6:160.  Bonn  I  6:179:  IV  2b: 
104;  5  :  548.  Brandenburg  I  6  :  166-71. 
Brandenburg  a.  H.  I  6  :  163.  Breslau 
16:205/6:  III  2:39.  Budapest  IV 
2a:  70  Chicago  I  6  :  85,  144.  Danzig 
16:178.  DillingenI6:87.  Duisburg 
I  4  :  416.  Eisenach  I  6  :  204.  Elchin- 
gen 16:87  8.  Eltville  16:181.  Erbach 
I  6  :  181.  Erfurt  I  4  :  97 ;  II  1  :  146. 
Erlangen  I  4  :  80;  6  :  91/6,  93,  95,  123. 
Erzeebirge  I  6:199-200.  Eschwege 
I  6  :  177.  Frankfurt  a.  0.  I  4 :  96/7 ; 
6  :  97  /8,  178.  Freiberg  i.  S.  14: 107 ; 
6:201.  Freiburg  i.  B.  I  4:82.  430; 
6  :  99-103:  II 1 :  146.  Freibnrg  i.Schw 
I  6  :  104.  Geisenheim  I  6  :  181.  Gera 
I  6:159.  Giessen  I  4:102;  6:105, 
107.  Göttingen  I  4 :  1023;  6  :  108/9  a. 
Grjiz  IV  2a:  82.  Greifswald  I  4:95. 
Halle  a.  S.  I  4:374:  6:110/2,  17.3/5, 
178, 183.  Hamburg  I  6  :  19.  Hannover 
16:172.  Hattenheim  16:181.  Heidel- 
berg I  4:83;  6:115/8,  163,  217;  II 
1 :  146.  Heinsberg  I  6  :  213.  Hessen 
I  6:62,  173/7.  Hildburghansen  I  6: 
84.  Hirzenheim  II  1 :  66.  H»f  I  6 :  91. 
Ilfeld  II  1 :  66.  Ilsenburg  II  1  :  66. 
Ingolstadt  II  1  :  146.  Itzehoe  I  6  : 
209.  Jena  14:77,  100;  6:84.  203, 
215/7;  II 1 : 1.  Joachimsthal  I  3  :  218. 
Jülich  I  6  :  181.  Kassel  I  6  :  106, 
173'6.  Kloster  Berge  I  6  :  :i9-41. 
Köln  I3:23;4:99;6:179;  111:146. 
Königsberg  i.  N.  16:  169.  Königs- 
berg i.  Pr.  I  6  :  74.  Küstrin  I  6  :  170. 
Kulmbach  I  6  :  91  Lautlingen  I  6  : 
58.  Leipzig  14:98;  6:76,  119-21, 
202,  244 ;  m  4 :  24.  Liegnltz  I  6 :  151. 
Linz  a.  Rh.  I  6:180.  Lnckau  I  6: 
170.  Lüneburg  III  4:24.  Luzern  I 
6:212  Magdeburg  I  6  : 4.5.  Mainz 
16:179;  111:146.  Marburg  16: 
106/7:  II  1:59;  IV  2a:  82.  Minden 
I  3  :  23.  München  I  6  :  233.  Münster 
I  6 :  55.  Nancy  III  4  :  25.  Neisse  I 
6:245.  Neustadt  a.  d.  H.  I  6:17. 
Neustettin  I  6 :  178.  Nordhausen  I 
6  :  40,  83.  Nürnberg  II  1 :  71.  Oester- 
reich  I  6 :  63,4,  225,  234.     Offenbach 

I  6  :  81.    Oldenburg  I  6  :  66.    Orleans 

II  7  :  12.  Osnabrück  I  6 :  172.  Otto- 
beuren  I  6 :  87/8.  Paderborn  I  4 :  101. 
Pirna  II  1  :  128.  Pommern  I  6 :  178. 
Pont-ä-Mousson  1114:25.  Prag  II 
1 :  134,  146.  Prenzlau  I  6 :  171.  Rhein- 
lande I  6  :  179-82,  213.  Rostock  II 
1 :  123.  Saalfeld  I  6 :  34.  Sachsen 
I  6 :  183,  199-202,  227,8.  Sachsen- 
Weimar-Eisenach  I  6:203/4.  Salz- 
burg I  6  :  57,  226.  Schaffhausen  I 
6  :  161.  Schlesien  I  6 :  205/8.  Schles- 
wig-Holstein I  6  :  209.  Schneeberg 
I  6  :  201.  Schulpforta  I  6  :  162, 
184-98  (s.  auch  Pforta).  Schussen- 
ried  III  4  :  22.  Schweiz  I  3  :  141/2; 
6  :  104.  211/2.  Schwetzingen  I  6: 
214.  Stettin  I  4:  105/6:  6  :  153  8, 
178.  Stuttgart  I  6:210;  IV  2a:  70. 
Teplitz  II  1 :  134.  Thorn  I  6 :  178. 
Torgau  II 1 :  128.  Trentschin  III  4 :  26. 
Treviso  II  1 :  30.  Trier  I  6  :  179;  II 
1 :  146     Tübingen  II  1 :  146     Verdun 

III  4  :  25.  Walkenried  II  1 :  66.  Wei- 
mar I  6:47,  162;  IV  7:7.  Wengen 
III  4  :  22.  Westfalen  I  6 :  173  5,  179. 
Wettingen  I  6 :  77.     Wien   I  6 ;  63,4, 


Sachreg-ister. 


122, 152;  11 :  449;  II  1 :  146.  Witten- 
berg I  6  :  75, 110/4,  178;  II  1:1,  140, 
155.  Wlttstock  I  3:223.  Württem- 
berg I  6  :  210,  229-30.  Würzburg 
II  1 :  146.  Zittau  III  4  :  24.  Zwei- 
brücken I  6  :  165.  (S.  auch  Matrikeln, 
Schnlkomödien,  Schulordnungen.) 
Schuler,  Cornelie.     IV  lc:83. 

—  Joh.     I  10:27;  IV  lc:83. 
Sohulgebete.     1  6:58. 
Schulgesundheitspflege.     I  6  :  225. 
Schulinspektoren.     I  6  :  225. 
Schulkomödie  (s.  auch  Jesuitenkomödio 

u.  Schüleraufführungen).    I  6:243/6; 

II  1:86;    III  4:20.      Bartfeld  II  4: 

18.     Breslau    I    6:205/6.      Leipzig  I 

6  :  244.     Linz  a.  Rh.  I  6  :  180.    Neisse 

I  6 :  245. 
Schulliederbuch.    I  6:247. 
Schnlnässige    Znsummenstellungen    d. 

Poetik.     I  12:27,  44. 
Schulmünzen.    I  6:249. 
Schulmusenm.     I  3  :  215. 
Schulordnungen.       I    6:3;     II    1:28. 

Brandenburg  a.  H.   I   6:168.     Gera 

I  6  :  159.  Itzehoe  I  6  :  209.  Königs- 
lutter I  6  :  251.  Eheingau  16:181. 
Salzburg  I  6  :  226.  Stettin  I  6  :  158. 
Torgau  II  1 :  128    (s.  auch  Schulen). 

Schulprämien.    I  6  :  249. 
Schnlprograrame.     I  6  :  43. 
Schulreden.     I  6:3,  161,  176,  201,240. 
Schulschriften.     I  3  :  74,  13fi/7,  139. 
Schulthess,  J.  G.    IV  la:48;  2a:  18  9. 
Schultz,  Alwin.     II  1  :  115/6. 
Schnitze,  G.     III  5:16  a. 

—  Wilh.     IV  lc:8S. 
Schulunterricht.     I  1 :  81/6. 
Schulsprache.     I  8  :  144. 
Schulwerkstätten.     I  6  :  22"\ 
Schulwesen.    14:414;  6:164,166,176; 

II  1  :  66,  140. 
Schulz,  F.  A.     III  5:61. 

—  V.  Gielsdorf.     IV  5:30. 

Schulze,    Ernst.      IV    lc:137;    ld:3; 
2b:  35. 

—  Joh.     IV  lc:158. 
Schumann,  A.     Ill  2  :  31. 

—  F.  A.  G.     IV  1  a :  2. 

—  E.      I  13:989;  IV  lc:157;    2b:3. 

—  V.     II  4  :  35. 

Schupp,  J.  B.     I  6:176;  III  5:5,  22. 
Schnrener,  Joh.     I  3  :  69. 
Schuster.  Ign.     IV  4 :  375. 
Schw;ib,G.    IV  ld:32;  2b:7,  17;  10: 

58,  105,  143/6  a. 
Schwaben,    D.    sieben.      I    5:227;    II 

3:  11. 
Schwäbische  Dichter.     IV  2  b  :  6-19,  81 ; 

10 :  105-63. 
Schwanke.     I  5:218,  244. 
Schwan,   Chr.  Frd.      IV   lc:65;    2a: 

18/9. 
Schwanhausen,  Joh.     II  6 :  55, 
Schwanklitteratur.     I  5  :  243  4 ;  II  1 : 7  : 

III  3  : 3,  10. 
Schwarzach.     I  11 :  394. 
Schwarzenberg,  Chrph.  v.     II  1 :  60. 

—  J.  V.     II  1 :  60. 
Schwedennot.    III  1 :  19,  43/5. 
Schwegler,  A.     IV  1  c  :  148. 
Schweiger,  Frz.     IV  1  c  :  47. 
Schweighäuser,  Gfr.     IV  lc:21. 
Schweinitz.    I  11:99. 
Schweitzer.  K.  v.     IV  la:41 
Schweiz.     I  11:2167;  13:1604;  II  1: 

53,  85;  3:70;  IV  2b:  119;  9:132. 
Schweizer,  D.     III  5:60/3. 
Schweizerstil.    Ill:  164/5. 
Schwendi,  L.  v.     II  1  :  61,  60. 
Schwenkfeld,  Casp.     II  6:55,  102,  113, 

142,  188. 
Schweppenhauser  (Pfarrerl.    IV  8  b  :  35. 
Schwerdgeburth,  K.  A.    IV  8e:85. 
Schwerin.    I  11 :451. 

—  0.  V.  lII  1 :  74/5,  87 ;  5  :  19. 
Schwerttanz.  I  4:69-70;  5:43. 
Schwestern,   D.  drei  lispelnden.     I  5: 

243. 
Schwind,  M.  v.     I    11 :  10;    IV  1  o  :  90, 

167;  4:228. 
Schwulst.    I  12  :  4. 
Schwur  unter  d.  Easen.    I  5:77. 
Scott,  W.     IV  1  c  :  47,  74 ;  10 :  39. 
Sootto,  G.     I  3:82. 
Scotns  Erigena.     III  5:20n. 
Scribe,  E     I  12:346;  IV  4:122. 
Scriver,  Chrn.    III  5  :  22,  27/9. 


Scudery,  Madame  de.     III  4 :  17. 

Sdralek,  M.    IV  6:38. 

Seckendorff,  L.  V.  v.     I  6:237;   12:4; 

IV  2b:6;  8c:16. 
Secreta  Secretorum.     I  5  :  229. 
Secundus,  J.     IV  8c  :  11;  9c  :  11. 
Seekatz,  J.  K.     Ill:  273. 
Seelenglaube     15:8. 
Seelenkult.     I  5  :  113-47. 
Seelenwanderung.    IV  4:112. 
Seelmann,  W.     II  4  : 1. 
Seemannsglaube.     I  5  :  137. 
Segenbrett.    I  5  :  99. 
Segesser,  A.  Ph.     IV  5  :  352. 
Seherin  v.  Prevorst.     IV  10  :  140/1 
Seibertz,  E.     IV  8e:85. 
Seibt,  K.  H.     II:  112. 
Seidamt.     I  4  :  225. 
Seidel,  Ph.    IV  8b:  10. 
Seidemann,  J.  K.     II  6:11. 
Seidenindustrie.    I  4  :  222/4. 
Seid],  J.  G.     IV  1  a  :  33. 
Seidler,  Amalie.     IV  8b:  15. 

-  Luise.     IV  lc:71. 
Seifhennersdorf.     I  4 :  383. 
Sekkan.     I  11 :  114. 
Selbiger,  L.  v.     I  6:197. 
Selbitz,  H.  V.     II  1 :  33. 
Selnekker,  N.     II  1  :  173. 
Sembrzycki,  J.    II  1  :  144. 
Seminar  s.  Schulen. 
Seraper,  G.    I  11:23,  305/7. 
Senaucourt,  F.    IV  1  d  :  1,  12. 
Seneca,  L.  Annaeus.    114:10;  1114:5; 

IV  10:124  5. 
Senefelder,  A.     1  11:427. 
Senf,  H.  Ch.  L.    (s.  auch  Filidor).     IV 

2a:  78. 
Senfl,  L     II  2:47. 
Senn,  J.     IV  1  c  :  83. 
Sensenschmid  (Buchdrucker).     I  3  :  83. 
Serassi,  P.     IV  8e:39. 
Serbien      IV  9  :  132. 
Servaes,  F.     I  12  :  288. 
Servet.     II  6:3,  47,  11.3. 
Sesenheim,  Friederike  v.  s.  Friederike 

Brion. 

-  Wallfahrt  nach.     IV  8b:  34. 
Sette^ast,  H.     lY  1  c :  123. 

-  J.     Ill:  323. 

Setzer,  J.     I  3  :  79 ;  II  6  :  47. 

Senffert,  B.     I  12:4. 

Seume,   J.   G.      IV  la  :  23;    Ic  :  158; 

2a:  1. 
Seuter,  G.    I  11:424. 
Seydelmann,  ,T.  C.     I  11:321. 

-  K.     IV  4:459-65. 
Seyffer,  F.  A.     I  11 :  426. 
Seyffert,  J.  G.     I  11 :  425. 
Seyler,  A.    IV  4:371. 
Sfondrato,  Kardinal.     II  1 :  147. 
Shaftesbury,   A.  A.  C.  v.      IV  2a  :  20. 
Shakespeare,  W.    I  1 :  52 ;  7  :  42 ;  10  :  8, 

36,  38,9 ;  12 :  11, 102, 144, 149,  306, 357  ; 
II  1:81;  III  4 :  6  a,  14,  46  ;  5:3;  IV 
1  c  :  21/2,  39.  47,  69,  74,  83,  90,  95.  105, 
160;  ld:59,  60,  62/6;  4:1,  18,  20, 
23  8,  38,  70,  72,  75,  129,  157,  202, 
215,  218,  228,  306,  314,  322,  331,  341, 
354,  363,  369-70,  375,  402,  406,  452, 
467,  473;  5:618;  8b:26;  8  e  :  5,  30, 
51,  85;  9:70,  123;  10:35,  39,41,  62, 
99. 

Shaw,  B.     I  12:349;  4:  138. 

Shelley,  P.  B.     IV  1  a  :  1. 

Sherburne.     m  2  :  34. 

Sheridan,  E.  B.    IVld:70;  4:43.   372. 

Siber,  A.     II  7  :  62/3. 

Sichern,  Chrph.  v.,  d.  Ae     I  11:419. 

Sicherheitswesen.     I  4  :  285/6. 

Sickinger.  A.     I  11  :  313. 

Siebeck,  E.     I  12  :  14. 

Siebenbürgen.     I  5  :  50,  279. 

Siegert.  A.  F.     I  11  :  319. 

Siegfriedslied.     9:50a. 

Siemens,  W.  V.   1 V  1  c  :  1 1 9-20 .  5  :  455/7. 

Siemering,  L.  E.     I  11:316. 

Siess,  R.     II  2:48. 

Sievers,  E.     II  1 :  73 

-  0.     IV  9  :  144. 
Sigebert,  Bischof.     I  3  :  23. 
Sigel,  H.     II  2  :  20. 
Sigmund  v.  Tirol.     II  7  ;  18. 
Silber,  Ch.  H.  A.     IV  2a: 80. 
Silberrad,  Marie  Clara  y.     IV   2  a:  81. 
Sucher,  Fr.     IV  1  c  :  91. 

Silesius  a.  Angelus  Silesius. 
Silvesterbräuche.    I  5  :  63/4. 


Silvio,  Enea.     II  7  :  10,  13,  15,  18. 
Simmenthai.     I  5  :  155. 
Simon,  Magus.     II  3:25,  29. 
Simons,  Menno.     II  6  :  186. 
Simonsfeld.  H.     II  1 :  30. 
Simrock,    K.       III   4 :  43 ;    IV   1  d  :  73 ; 
2b:  88,  108. 

—  Nik.     I  3  :  266  a. 
Singing  Simpkin.     III  4  :  7. 
Singschulen.     II  2:22. 

Singspiel.   I  13  :  58 ;  II  4  :  34/5;  III  4  :  7 ; 

IV  4:  12,  411   rs.  auch  Oper). 
Sinngedichte.     I  5  :  308. 
Sinnsprüche.     I  5  :  309. 
Sintemal.     III  5  :  63. 
Sipmann,  G.     Ill:  320. 
Sittenpolizei.     I  4  :  285. 
Skandinavien.     II  1:1. 
Skarbina,  F.     Ill:  355. 
Skreta,  P.     I  11:268. 
Slaventum.     I  4  :  534. 
Slüter,  J.     II  6  :  140 
Smels,  W.     IV  ld:4 
SmoUet,  T.    IV  ld:48;  4:8:8b:3. 
Snoilsky,  K.  Graf     IV  la:23. 
Socialdemokratie.     I  1  :  170. 
Sociale  Frage      11  4  :  14. 

—  Stellung  d.  Künstler.     I  11  :  153. 

—  Verhältnisse.     11  1  :  138. 
Socialismus.      14:578-95;     II    1:19; 

IV  4  :  125,  128,  159,  334,  366. 
Sögur.     IV  10:73. 
Söldnerführer.     11  1 :  70. 
Söldnerheer.     II  1:61. 
Sohn,  C.     I  11:318. 
Sokrates.     I  12  :  168. 
Soldatenhumor.     I  5  :  335. 
Soldatenlieder.    I  5:256,  285;  1110:6. 
„Soldatenlob".    III  5  :  6. 
Solger,  K.  W.  F.     IV  1  c  :  69. 

—  B.     IV  1  a  :  16. 

Solis,  V.     I  11  :  418;  II  3:42. 
Soll,  Chr.     II  2  :  16. 
Soloscene.     I  12:247/8. 
Somaize,  Baudeau  de.     I  12  :  15  c. 
Sommer,  E.     I  12:14. 

—  J.     II  3:54;  IV  5:604. 
Sommersonntag.     I  5  :  56. 
Sommervogel,  C.     16:  244. 
Somnambulismus.     IV  4  :  69. 
Sonn,  J.     II  7  :  13. 
Sonnenburg.     Ill:  2ö6. 
Sonnenthal,  A.  v.     IV  8e  :  92. 
Sonnleithner.  Familie.     IV  4  :  207. 
Sonthorab.  E.     III  5  :  22. 

Sophie,    Kurfürstin    v.    Hannover.     III 

1  :  127. 
Sophokles.      I  12  :  220/1  a;    IV  Ic  :  69; 

8e  :  3;  10:41. 
Sophonisbe.    I  10  :  3. 
Sortimentsbuchhandel.     I  3  :  285. 
Soto,  P.     II  6  :  15. 
Sotzmiinn,  J.    IV  2b  : 

—  M.     IV  2b:  104. 
Souvestre,  E.    IV  1  d 
Spach,  Ed.     IV  1  c  :  106. 
Spalatin,  G.     II  7  :  25,  42. 
Spalding,  G.  L.     16:  71,  167. 

—  J.  J.     IV  5 :  275.  360. 
Span,  M.     IV  2a:  2/4. 

Spangel,  Pallas.     I  6  :  116/7;  II  7  :  20. 
Spangenberg,  A.  G.     III  5  :  35. 
-  Cyr.     112:22;    3:92;    6:155;    7: 
62/3;  III  4:1:  5:5. 

—  M.  J.  Gust.     I  11:346. 

—  W.     II  3  :  54. 
Spanheim,  E.     III  1 :  112,  126. 

—  F.  d.  Ae.     III  5  :  17. 

—  d.  J.     III  5  :  18. 
Spann,  A.  v.     IV  5:391a. 
Sparr,  J.  G.  A.     16:  83. 

—  0.  Frhr.  v.     III  1 :  73. 
Spaun,  Ch.     II  3  :  3. 

—  F.  A.  V.     IV  5  :  612. 
Spazier,  J.  G.  K.     IV  5  :  41. 

—  Karoline.     IV  5:42. 

—  E.  0.     IV  5:40. 
Speccius,  Chph.     I  6  :  34. 
Specht,  E.     IV  la  :  38. 
Speckmoser,  U.     IV  2a:  82. 
Spedt,  F.     II  1  :  69. 

Spee,  F.  V.    III  2:10/2;  IV  2b  :  3,  86; 

10  :  68. 
Spehr,  L.  F.     IV  5  :  349. 
Speidel,  J.  J.     III  5  :  46. 

—  L.     IV  1  c  :  149. 
Spencer,  Herb.     IV  5  :  445. 

—  John.     III  4:33;  IV  4:437. 


104. 


26. 


Sachreffister. 


Spener,  J.  R.  Ph.    I  3:25!». 

-  Ph.    III  1 :  11/2,  90;  5  :  21  6,  31»;  IV 
Ic  :  115. 

Spengel,  .1    v.  Fremerssehenn.     13:69. 

-  L.     IV  5  :  368. 
Spengler,  L.     II    1  :  48,  Tl. 
Sper.    IV  2b  :  102. 

Speratus,  P.     II  1  :  88:  2  :  14;  (i  :  141. 

Sperling.  I'.     16:  19. 

Speth,  B     111:  SOS. 

Sphragistik.     13:4. 

Spiegel,  Rh.;tori8cher.     I  3  :  75. 

-  J.     II  7  :  22. 

-  z.  Desenberge,  E.  L    v.     IV  2a:  16. 

-  V.  Pickeldheini.   .».  E.     IV  2:i  :  17. 
Spiegelberg.  C.     IV  4:377. 

-  J.     III  4:35;  IV  4  :  :{77. 
Spieker,  Chrn.  W.     IV  5  :  277. 

-  .1.     IV  5  :  276. 
Spiel.     I  6  :  -'50. 
Spiel berg.     I  4:472:1. 
Spielhagen,  F.     IV  4  :  118. 
Spieltrieb.     I  12  :  14.  73. 
Spiess,  A.     I  6:82 

-  C.  H.     IV  4:17;  10:124. 

-  J.  B.     I  6:81.  ' 

Spiker,  S.  H.     IV  4  :  455;  5  :  517. 

Spilleke.  G.  A.     16:  72. 

Spiller,  K.  G..  v.  KauHnsclüld  (=  Mu.x; 

Waldau).     IV  2b:  114;  4:29. 
Spindeler,  N.     13: 92. 
Spindler,  A.  R.  K.     IV  4:30. 
Spinoza,  B.     IV  1  o  :  20.  83. 
Spiritisten.     IV  5  :  78-80. 
Spitta,  H.     IV  2b:  117. 
K.  J.  Ph.     IV  2b:  116,8. 

-  Ph.     I  7:  105:  13:75. 
Spitteler,  K.     IV  1  a  :  5<). 
Spittler,  L.  Th.     IV  5:297,  611. 
Spitzeder,  F.irailie      IV  4:456. 
Spitzel.  Th.  G.     III  .". :  45. 
Spitzer,  D.    IV  5:526-31. 
Spitznamen.     I  5  :  356. 
Spitzner,  F    K.  II.     I  6:75. 
Spitzweg,  W.     I  11 :  312 
Splittegarb,  K.  F.     16:  73. 
Spohr.  L.     IV  2  b  :  70. 

Sporck,  J.  Graf  v.     III  1 :  56. 
Sporer,  H.     13: 73. 

—  P.     I  3  :  73. 
Sporschil,  J.  Ch.     IV  5:516. 
Spottlied.     1  4:168. 
Spott\rerse.     I  5:328-33. 

Sprache.     I  ö.  —  IV  4: 118.    Bisniarck 
I  8:52  3.    Bodenstedt  77  8.    Fischiirt 

I  8:35.  Goethe  I  8:41/5:  IV  8a: 
101/9.  Hebel  18:48.  Heine  18:50; 
IV  11 :  48/8 a.  Herder  IV  7  :  5.  Kleist 
IV  4  :  75  8.  Körner  IV  2b  :  102. 
Lessing  18:36  9:  IV  6: 3/5  Ludwig  I. 
V.  Bayern  I  8  :  ,51.   Lnther  I  8  :  29-34; 

II  6  :  64.  Nestroy  IV  4  :  192.  Platen 
I  8  :  49;  IV  2b  :  :i7.  Schiller  I  8  :  45  6 ; 
IV  9:51,  72.     VVieland  I  8:40. 

Sprachduramheiten.     18:130  5. 
Sprachform,  Innere.     18:6. 
Sprachführer.     I  4:124. 
Sprachgesellschaften     (s.     a.     Gesell  - 

Schäften,  Deutsche)     I  8  :  55  6;  III  5  : 

13,  613;  IV  5:23. 
Sprachleiire.     I  6  :  20. 
Sprachreinigung.     IV  9  :  163. 
Sprachriclitigkeit.     I  8  :  105. 
Sprachschöpfung.     18:5. 
Sprachstudien.     II  7  :  23,  31,  42. 
-Sprachverderber".     III  5  :  4. 
Sprachverein.     IV  5  :  443. 
Sprecher  v    Bernegg.     III  5:37. 
Spreng,  J.  J.     I  2:5;   8:59;   II  2:21; 

3:42;  III  2:28;  5:63. 
Sprengel.  K.     IV  5  :  459-60. 

—  M.  Ch.     IV  5  :  432. 

—  R.     IV  2a:  73. 

Sprenger,  P.  .1.  Ph.     IV  5:349a. 
Sprickmann,  A.  M.     IV  4:12. 
Springer,  A.  1  11  : 1,  183,  243,  396-400; 

IV  lc:14S. 
Springinklee,  Greg.     II  2  :  15. 

—  Hans.     I  11  :417. 
Spruchpoesie,     I  ö  :  302,7. 
Sprüche.     I  5  :  22  4,  213.  .302-10. 
Sprüchwörter.    I  5  :  302,  311-27:  10  :  50. 
Sprüchwörterbüchlein.     I  5  :  323. 
Spruner,  K.  v.     IV  5 :  .344. 
Spukgeister.     15:119-22. 
Staatsromane.     IV  5  :  2 
Staatsschriften.     IV  5:445. 

Stabius,  J.     II  7  :  28,  42. 


Stiickdorn,  Veridor  v.     III  5:5,  11. 
Stackeiberg,  0.  M.  Prhr.  v.     I  11:326. 
Stade.  Dietrich  v.    12:3. 

—  J.  F.  A.  s.  F.  E.  A.  Albrecht. 

—  Frhr.  v.  n.  zu.     III  5  :  38 
Staden,  van.     IV  4  :  438. 
Stadion,  Graf.     IV  4  :  222. 
Stadtrechnungen.     I  4:403.  484. 
Städtegeschiclite.     1111:17  8. 
Städteverfassung     II  1  :  47. 
Stägemann.  Elisabeth.     IV  10:16,7. 

—  F.  A.     IV  10:16 
Stähelin,  B.     III  5:63. 

Stael,  Anne  Louise  (lervaise  de.  I  12  : 
287;  IV  Ic:  U.  20,1.  47,  1.58;  2b:  1; 
5:618;  10:23,  78,  104. 

Stalin,  Chph.  v.     IV  5:351. 

Staeudlin,  G.  F.     IV  2a:  31. 

Stahl,  F.  J.     I  6:94:  IV  5  :  .553. 

Stahr.  Ad.  IVla:40:  lc:147,  157; 
4:467:  5:423. 

Stainer,  Jak.     I  10:27. 

Stalder,  F.  J.    12:7. 

Stallbaum,  J.  G.     I  6:76. 

Stallupönen.     I  4  :  312. 

Stamford.  H.  W.  v.     IV  5  :  492. 

Stamm,  F.     IV  4  :  176. 

—  Th.     IV  4  :  177. 
Stammbücher. » I  4  :  141  3 ;  5  :  .309 ;  II  1  : 

1723;  III  1  :1037;  IV  1  a  :  21  6. 
Standeserziehung.     I  6  :  235,8. 
Standeslieder.     I  5  :  299. 
Standessprachen.     18:  137-49  a. 
Stange,  B,     I  11  :  315. 
Stapel,  E.     III  4:12. 
Stapel  recht.     I  4:251  2. 
Stapfer,  Ph.  A.  IV  Ic  :  42  4, 124:  5:611. 
Staphylus,  F.     II  1  :  7. 
Starhemberg,  E.   R.  Graf  v.     III  1  :  57. 

—  Guido  Graf  v.  III  1  :  58. 
Stark,  K.  B.     IV  5  :  376. 

—  L.     IV  2b:  102. 
Starkenbnrg.     I  11 :90. 
Starklof,  K.  Chr    L.     IV  4:458. 
Stationare.     I  3:88. 
Stattler.  B.     IV  5:284. 
Staub,  J.     I  6:80. 
Staubebüchli.     I  6:80. 
Staubsand,  A.     I  6  :  36 
Stande,  J.  H.     16  :  37. 
Staudigl,  J.     IV  4  :  433. 
Stauffach,  R.  v.     IV  9 :  136. 

—  Werner  v.,  d.  Ae.     IV  9:  l:i6. 

d.  J.     IV  9:136. 

Stanffer-Bern.  K.  I  11:12  8. 
Staupitz,  J.  11  1:71:  6:11. 
SUwinsky,  K.     IV  4  :  432. 

St.  Blasien.     I  11:88. 

Steche,   F.  R.     I  3:294;   11:8.3,  405  6. 

Stechow,  M.     III  2:27. 

Stecknitzkanal.     I  4  :  300. 

Steffens.  F.     IV  4:31. 

—  H.  IV  lc:22,  134,  160;  4:5:  5: 
.33,  478;  10:51. 

Stegmann,  K.  D.     IV  4:450. 

—  K.  J.     IV  5  :  519. 
.Stegmayer,  Famili«.     IV  4:181. 
Steichelin,  D.     II  2:21 
Steiermark.     I  5  :  66;  11  :  111/6. 
Steigbügel.     I  4  :  270,  272. 
Steigentesch.  A.  V.     IV  4:1,  181. 
Steiger,  C.     III  5  :  7. 
Steiglehner,  Cöl.     IV  5:451. 
Stein,  A    vom.     II  1  :  70. 

—  Charlotte  v.  IV  4  :  10;  Sa  :  17;  8b  : 
26.  38  8b:  8e  :  2.5. 

—  Eitelwolf  V.     II  1:08:  7:40,1. 

—  Fritz  T.     IV   8e  :  25 

—  G.  V.     II  1  :  63;  7  :  40. 

—  H.  F.  K.  Frhr.  v.  IV  1  c :  22,  24, 
13.3,  159. 

—  Oberstallmeister  v.     IV  8b  :  44 
Stein.icker,  G.     IV  5:  405a. 

—  V.     IV  5:5.57. 
Steinb.afih,  C.  E.     12:4. 
Steinbeile  als  Mitte!  gpgen  Blitzschlag 

I  5:98. 
Steinberg,  N.     16:  207. 
Steinbrecher,  Familie.     IV  4  :  431. 
Steinbrüche!,  J    J.     IV  ö  :  359. 
.Steiner,  J.  W.  Ch.     IV  5:354 

-  Wernher.     11  3:72. 
Stelngaden.     111:  146 
Steinhäuser,  K      I  11:322. 
Steinhart,  G.     II  3  :  34  5. 

—  K.  H.  A.     16:  197. 
.Steinhaus.     IV  9  :  27. 
Steinhöwel,  H     II  3  :  41. 


Steinhnser,  A.     II  2  :  32. 
Steinkallenfells,  J.  H.  v.     III  5:  10. 
Steinle,  E.  J.  v.     I  11  :  317. 
Steinmann,    F.  A.      IV   4:89;    5:563; 

11:56. 
Steinmetz,  J.  A.     16:  39. 
Steinmöllor,  J.  R.     16:  .53. 
Steinthal,  H.    IV  5  :  209,  211/4;  10 :  133. 
Stella,  Er.     II  8:52. 
Stelzhamer,  F.    IV  lc:86. 
Sten,  S.     I  6:17;  II  7:55. 
Stender,  D.  F.     II  2:45:  III  2:45. 
Stendhal  (=  M.  H.  Beyle).    IV  4:129. 
Stenographenkalender.     I  3  :  18. 
Stenographie.     13:6-19;    IV   5:473;4. 
Stenzel,  J.  A.     IV  4 :  430. 
Stephan,  H.  v.     IV  5:605. 
Stephani,  C.     II  4:21. 

—  H.     I  6:61. 

Stephanie.  CG.  d.  Ae.  IV  4:406,  441. 

d.  J.     IV  4:441. 

Stephanstag.     I  5 :  50. 
Stern,  Ad.     IV  la:17,  23,  27;    lc:81. 
V.     IV  4:269. 

—  Wilh.     I  6:60. 

Sterne,  L.     IV  2a:  23;  4:202. 
Sternspielbruderschaften.     I  5  :  350. 
Stersinger,  F.     IV  5  :  279. 
Stessan,  M.     II  4  :  17. 
Stetten,  P.  v.     IV  5:350. 
Stettin.     I  11:212. 

—  R.  L.     I  3:255. 

Steub,  L.     IV  lc:41,   8:},  90,  157;   4: 

32;  5:391. 
Steuerlein,  J.     11   2:  11,  13. 
Steyndorffer,  M.     II  7  :  59. 
Steyner,  IL     I  3:80. 
Stich.  W.     IV  4  :  4:J4. 
Stichling,  G.  Th.  v.     IV    7:1,  3. 
Stiefel,  L.  A.     II  7  :  59. 
Stieff,  Chrn.     I  6  :  20S:  III  2  :  43. 
Stiegel,  J.     16:  16. 
Stieglitz,  Charlotte.     IV  2b:  29-30. 

—  Ch.  L.     I  11 :  327. 

—  H.     IV  2  b  :  29-30. 
Stiehl,  A.  W.  F.     16:  68. 
Stieler,  .L     I  11:309. 

—  KI  8:26;  III  5:2. 
Stier,  F.     16: 215. 
Stifel,  M.     II  6  :  133. 

Stifft,  A.  Frhr.  v.     IV  4:175. 
Stifter,  Ad.     I  6:225. 
Stigel,  .).     II  1  :  172;  6  :  43  4  ;  7  :  61. 
Stiglmayr,  J.   B.     I  11  :314. 
Stil.     1   12:  12. 
Stilistik.     I  8  :  44.  136. 
Stimmer,  T.     I  11  :  216;  11  3:  47. 
Stimmung.     I   12:913,  176. 
Stintzing,  K.  v.     IV  5  :  440. 
Stipendienwesen.     I  6:107. 
Stirner,  M.     112:353:5:196-203. 
Stock.  Dora.     I  11:328;  IV  äa:99. 
Stockfleth,  H.  A.     III  2:26. 
Stockmar,  Ch.  v.     IV  5:540. 
Stöber,  A.     I  8:27. 

—  D.  E.     IV  le:  108;  4:33. 
StöckeL  Chrn.  G.     IV  2a:  7. 

—  L.     II  4:  18;  6:  176. 

—  M.     I  3:253. 

—  W.     I  3:25:J. 
Stöckle,  .1.     IV  5  :  281. 
Stöffler,  J.    II  6:41;  7:36. 
Stökken,  Chrn.  v.     III  2  :  25. 
Stöltzer,  Chrph.     III  4:11. 
Stölzlin,  D.     I  6:38. 
Stössel,  J.     II  6 :  1.54 
Stoever,  J.    I  6:35. 
Stoffgeschicht«.     I  10. 
Stolberg.  Grafen  von.     I  4:71. 

-   Botho  V.     II  1  :  65 
-Chrn.  Graf   IV  la:22;  2a:  14,  367; 
4:13. 

—  F.  L.  Graf.     IV  1  a  :  22;  1  c  :  68,  124, 
159;  2a:  14,  :?6/7;  4:14. 

—  Heinr.  v.     111:  67. 

—  Katharina  Gräfin.   IV  1  a  :  22 ;  2 a  :  42. 

—  Ludw.  V.     II  1  :  66. 

—  Wolf  Ernst  Graf.     I  3 :  181. 

—  -Pless,  Grafen  v.     111  5:34. 

—  -Stolberg,  Sophie  Eleonore  Gräfin  zu. 
m  1:92. 

—  -Wernigerode,  Chr.  E.  Graf  zu.     III 
1  :  93. 

Heinr.  Ernst  Graf  zu.     IV  2a :  79. 

Stolbergsche  Sammlung.     III   3 :  18. 
Stell,  H.   W.     IV  5:493. 

—  J.     I  3:85;  II  2:  49. 

—  J.  L.     IV  4:37. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgesohiohte.    IV. 


(4)37 


Sachreg-ister. 


Stolle,  G.    in  2 :  42. 

—  K.     II  3  :  86. 

Stolte,  W.  K.    IV  4  :  88. 

Stoltw,  V.    I  8:28;  IV  4  :  :54. 

Stolz,  A.     IV  5:281. 

Stolze,  W.    I  3:  12/6. 

Stoppe,  D.     III  2  :  44. 

Storch,  Nik.     II  6 :  178. 

Storchrätsel.     I  5:3.51. 

Storm,  Th     I  12  :  190,  254 ;  IV  1  c  :  147  ; 

2b:  10. 
Stosch,  B.     III  1 :  87 :  5  :  19. 
Stoss.  Veit.     I  11  :  251. 
Stoy,  K.  V.     16:  215,  217. 
Strachwitz,  M.  Graf  v.     IV  2b  :  32.  96. 

—  Nora  Gräfin.    IV  1  c  :  77. 
Straclcerjan,  K.  D.  A.     16:  66. 
Strähuber.  A.     I  11:311. 
Strafreoht.     I  4:108,  112/8. 
Stralsund.     I  6:37. 
Strampler,  F.     IV  4  :  436 
Stranitzlcy,  J.  A.     IV  4  :  410. 
Strasburg  (Ostpreussen).     I  11:97. 
Strass.  J.  G.  F.     16;  40. 
Strassburg     i.     E.       I     3:96;     4:424; 

11:141,2,  229;  1:42:  III  1:109. 
Strassen,  Chrn.  v.  d.     II  6  : 1.Ö3 
Strassennamen.     1  5  :  371  a. 
Strassmann.  J.     IV  4  : 4:J5. 

—  Marie.     IV  4  :  435. 
Straub,  L.     I  3:254. 
Strauch,  L.     111: 422. 

—  Ph.     III  3 :  18. 

Strauss,  D.  F.  II  7  :  39;  IV  1  c  :  159; 
2b  :  119;  4  ;  228;  5  :  265-6,  399: 
10:139  a. 

—  Jak.     II  6:180. 

—  Job.    III  5  :  5. 
Strebertum.     I  4  :  167. 

Streckfuss,  M.  F.  K.    IV  4:. 36;  5:386. 
Strehling,  E.  H.     IV  10:60. 
Streicher,  A.     IV  9  :  21. 
Streit,  K.  K.     IV  5:518. 
Streiter,  J.     IV  4  :  178. 
Streithagen,  v.     III  1 :  liS. 
Streithorst,  J.  W.     16:  42. 
Streitschriften,  Religiöse.     II  1:140. 
Stresow,  K.  F.     III  2 :  29. 
Stricerius,  J.     II  4  :  19. 
Stricker,  D.     IV  10  :  71. 

—  W.     IV  8a:  170. 
Strieder,  F.  W.     IV  5  :  355. 
Strigel,  B.    I  11 :  225,6. 

—  Victoria.     II  6  :  70. 

Strindl.erg,   A.     I  12:316,   3717,    398: 

IV  4:166/8,  321. 
Stritter,  J.  M.    I  6  :  43. 
Strodtmann,  A.     IV  5  :  387. 

—  Joh.  Chrph.     12:6. 
Stroth,  Fr.  A.     I  6:46. 

St.  Rene  Taillandier.     IV  ld:l. 
Strube,  D.  H.  IV  5:534. 
Struck,  H.  J.     13:  256. 
Strudberg,  F.  A.     IV  4:35. 
Strudel,  P.  v.     111:  269. 
Strübinsche  Chronik.     II  3  :  75. 
Strnensee,  Chr.  G.     16:  41. 

—  J.  Fr.  V.    I  6  :  41 :  IV  5  :  536. 
Strunz,  F.     III  5  :  43. 

Strnve.  B.  G.     111  5:40;  IV  5:5.55. 

—  F.  G.     m  5:46  a. 

—  J.  Th.     IV  5 :  369. 

—  K.  L.     I  6:74:  IV  2a:  83. 
Stubaithal.     I  5  :  19. 
Stubritz,  M.     III  2:33. 
Stuck,  F.     III:  359. 
Stncki.  J.  W.     II  7  :  54. 
Studemund,  W.     IV  5:370. 
Studenten.     1  6:119,  125  6,  133.  147  8. 

150;  II  1:123. 

—  Deutsche,  in  Itivlien.     II  7:12. 
Studentenaufführungen.    II  4  :  39. 
Studentenauszng.     16:148/9. 
Studentenleben.     14:77-83;    C  :  12:i4, 

126. 
Studentenlied.     15:280  a. 
Studentensprache.     I  8  :  150,1. 
Studententum.     I  6  :  112,  150;  II  1  :  16, 

122/3. 
Studnitz,  W.  v.     IV  2b:  31. 
Stübel,  A.     III  5 :  42. 

—  Joh.  Frd.     IV  1 0  :  100. 

—  Joh.  Jak.     III  5  :  41. 
Stabner,  G.  A.    III  2  :  30. 
StOchs.  G.     13: 74. 

—  J.    I  3  :  74. 

Störenbnrg,  R.  D.     16: 198. 
StÜTen,  P.    IV  4  : 4. 


Stuhr,  P.  F.     IV  5:356. 
Stumm,  C.  T.     IV  5  :  605. 
Stumpf.  J.     II  3  :  73. 

—  Th.     IV  5 :  520. 

Brentano,     K.  F.  IV  5  :  343. 

Stundenpläne.     16:3. 
Sturm,  Jak.     II  1:168:  7:33. 

—  .Toh.     I  6:19,  239:  11:  205 

—  Jul.   IV  lc:75.  103;  ld:73;  2b:  4. 

—  Prof.     IV  8b:  4  5. 

—  u.  Drang.  IV  2a:  28,  38;  4:1, 
7-17,  118.  157. 

Stuttgart.    I  n  :  229;  IV  2  b  :  81 ;  9  :  20. 

Sucro,  J.  J.     IV  2a:  20. 

Sudermann,  H  I  12:260,  316.  370, 
398  9,416  7;  IV  la:  9;  4  :  117,  141-51, 
331. 

Sue,  E.    I  12  :  309 

Sürlin,  J.     I  11 :  2.50. 

Süvern,  J.  W.     IV  5  :  210. 

Suggestion  u  Hypnose,  Bedeutung  t. 
1  12:82,  91/:^,  142,  288-94. 

Sulzbach,  A.     IV  8a:  31. 

Sulzer,  J.  G.     IV  1  a  :  48;  5  :  210. 

Snperville.     I  6:913. 

Suphan,  B.     IV  7  : 1.  3,  13. 

Snsemihl.  F.     I  7  :  61 

Suttner,  Bertha  v.     IV  11  :  20. 

Swieten,  G.  van.     IV  5:30,  616. 

Swift,  J.     I  10:30:  IV  2a:  31,  34. 

Sybel.  H.  v.  II  1  :  36;  IV  lc:90; 
5 :  344,  445. 

Sylvius,  P.     II  6  :  11,  96. 

Symbol.     I  12:23,  74,  91/3,  109. 

Symbolik.     I  5:84. 

Symbolismus.  IV  2b  :  1;  4  :  128,  133  4, 
188. 

Symbolisten.     I  1 :  134. 

Syntax.     I  6:9:  8:85-99. 

System,  Natf'rliches.  d.  Geisteswissen- 
schaften.    III  1  :  110. 

Systeme,  Pädagogische.     I  6  :  .3. 

Szamatölski,  .S.     II  7:3. 

Szerdahelyi.     IV  2a:  70. 

Tabak.     I  4  :  276/7,  350. 
Tacitus.     IV  4:202;  10:2. 
Tiidlerinnen,     Die    Ternünftigen.       III 

5 :  49. 
Tagebücher.  IV  Ic  — II  1  :  140,  160-71; 

IV  2b:  106. 
Tagelied.     I  10  :  .38. 
Tagewählerei.     I  5  :  105. 
Taine,  H.    I  1:62-75:  12  :  26a-26d,  316. 
Talent.     I  12:4. 
Talismann.     I  5:98-100. 
Talleyrand,  Duc  de.    IV  Ic:  168;  8b: 

16b-17a. 
Talrj  (ThereseAlbertine  Luise  v.Jacobs). 

IV  lc:121. 
Tangermünde.     I  4:372. 
Tannenbanmlied.     I  ö  :  253. 
Tannhäuser.     I  5:152. 
Tanz.     I  4:57,  59-63,  70;  II  4:1. 
Tapp,  .1.     II  2:11. 
Tartaretdrucke.     I  3  :  75. 
Tascher,  Graf  (Herzog  de  la  Pagerie) 

IV  lc:40. 
Tasso,  T.     II  1:  146;  IV  ld:79. 
Taufe.    I  4  :  42 :  5  :  37. 
Tausend  u.  eine  Niicht.     IV  1  c  :  104. 
Taylor,  Baron.     IV  1  d  :  2. 
Technik  d.  Lyrik.     IV  2b:  38. 
Tegeder,  B.     II  7:3\ 
Tegner,  E.    IV  2b  :  109. 
Telegraphie      I  4:298  9. 
Teil.    II  4:11. 
Teilsage.    111  5  :  63. 
Tellspiel.    II  4:  11. 
Temlersche  Sammlung.     III  1  :  104. 
Tennyson,  A.     IV  10:46. 
Teplitz.    II  1  :  1.34. 
Tepp,  Jean  de.     III  5 :  10. 
Teppiche.     1  11  :  212  5.  219. 
Terenz.     I  6:205/6;    6:246;    II   4:10, 

21;  7:57  8,  67. 
Testamente.     III  1 :  100. 
Tetzel,  J.     II  6 :  13. 
Teuber,  Chr.  A.     III  3 :  18. 
Teufel.     I  5:341;  10:44:  II  4:4. 
Teufelglauben.    I  5:115  6. 
Teufellitteratur.     II  1  :92;  111  5:5. 
Teufelspakt.     III  3  :  4. 
Teufelsverschreibungen.     I  5  :  28-30. 
Teutsch  -  Frantzösischer        Alamode  - 

Teufel.    III  5  :  .5. 
Textor,  F.  K    L.     IV  4  :  300. 
-  Gotlfr.    lY  la:46. 


Textor,  Joh.  Wi.l"!,'iing.     IV  Sa:  32. 

Thausing.    I  11 :  171  3. 

The  black  man.    III  4 :  7. 

Theater  (s.  auch  Drama,  Oper,  Schau- 
spiel, Schulkomödie):  1  1:136;  4: 
275.  374:  6:68;  12:223  6.    Bamberg 

III  4  :  29 ;  IV  4  :  385.  Bartfeld  II  4  : 
18.  Bayreuth  IV  4  :  333.  Berlin  IV 
4:114  6,  330,  354,  371,  .382,  :i86-91, 
451  2,  463 ;  IV  8  e  :  10.    Brannschweig 

IV  4  :  381.  Breslau  IV  4  :  371 :  8  e  : 
10.  Diichau  IV  4 :  290.  Dänemark 
IV  4:377.  Danzig  III  4  :  .32.  40;  IV 
4:393.  Dresden  IV  4:212,  224,371. 
England    III    1:135:     IV    4:1389: 

10  :  35.  Frankfurt  a.  M.  III  4  :  41 ;  IV 
4  :  213,  300,  371,  394/7 ;  8  e  :  10  Frank- 
reich IV  8b  :  27.  Gotha  III  4  :  31. 
Halle  a.  S.  IV  8e  :  10.  Hamburg  II 
4:14;  III  4:3;  IV  4:. 371.  399-401, 
447 /9a;  8e:  10.  H.annover  IV  8e  :  10. 
Karlsruhe  IV  4:  3701,  402;  8e:10. 
Kassel  IV  8e:10.  Kaufbeuren  III 
4:1.     Köln   IV  8e  :  10.     Königsberg 

III  4  :  Vi.  Kopenhagen  III  4  :  35. 
Krakau  II  4  :  39.  Leipzig  IV  4  :  403: 
8e:10,  London  IV  9:19.  Lübeck 
114:1.  MiigdeburgII4:29.  Mann- 
heim IV  4  :  371  2;  8e:10.    Meiningen 

IV  4  :  353,  375.  München  III  4  :  30, 
44:  IV  4  :  35.3.  371.  4046:  8e  :  10 
Nördlingen  III  4:1.  Nürnberg  II 
4:1,  14  ;  III  4  :  3.  Oldenburg  IV  4  : 
467.     Paris  IV   4:319;   9:77      Prng 

III  4:42;   IV   8e:10.      Regensbing 

11  4 :  14;  III  4  :  2.  Reichstadt  IV  4  : 
407.    Russland  IV  4 :  408.    Schliersee 

IV  4  :  292  9.  Stettin  IV  8e  :  10.  Stutt- 
gart IV  8e  :  110.  Ueberlingen  II  4  : 
17.  Upsala  III  4  :  10.  Weimar  I 
6  :  84;  IV  4  :  371,  451,2;  8e  :  10.  Wi-  n 
IV  4:1.  38,  48,  371,  373,  375,  409-17. 
452,  469-72;  8e  :  103.  Würzburg  IV 
4:418.     Zürich  II  4:11. 

Theatergeschichte.     III   4  :  27-45 ;    IV 

4 : 373-477. 
Theaterkontrakt.     1 V  4  :  350. 
Theaterkritik.     I  12  :  230  ;  IV  4  :  337  9, 

382. 
Theaterpension.     IV  4:447,9a. 
Theaterregie.     IV  4:352  4. 
Theaterskandale.     IV  4  :  381. 
Theaterzettel.     IV  4  :  379. 
Theatrum  Diabolorum.     III  5  :  5. 
Theodicee.     IV  2  a  :  20;  6  :  40. 
Theokrit.     I  12:206. 
Theologen.     IV  5  :  253-89. 
Theologie,     I  6  :  1,59,    240;  8  :  5;   IV 

2b  :  119 
Theomorphismns.     1  12:144. 
Theophilus.     II  4:1. 
Thespis.     I  12  :  144. 
Theuerdank.     II  3  :  15;  IV  10  :  125. 
Thiele,  E.     IV  2b:  102;  II  6:51. 
Thiers,  A.     IV  1  c  :  145. 
Thiersch,  F.     IV  1  c  :  90,  94. 
Thode,  H.     I  11:171. 
Tholnck.     III  5  :  22. 
Thoma,  Hans.     111:3501. 
Thomas  v.  Aquino.    II  7  :  30;  III  5  :  51. 

—  Ambr.     IV  8d  :  3:J. 

—  F.     III  5  :  10. 

Thomasarchiv  in  Strassburg.     II  7  :  3.3. 
Thomasius,    Chr.     1111:11/2,    101:    2: 

42;  3  :  7;  IV  la:  3. 
Thomson,  J.     IV  2  a  :  34:  9  :  22. 
Thompson,  Enini.  s    Sonthomb. 
Thorwaldsen,  B.     IV  4:220. 
Thümmel,  M.  A.  v.     IV  1  c  :  158. 
Thüringen.     I  6:84;  11:84. 
Thukydides.     IV  4:202. 
Thun-Hohenstein,    Leo  Graf.    I  6  :  63;5, 

225. 
Thurneysser,  L.     II  3:30. 
Thurot.     16:9. 
Thym,  G.     II  1 :  155. 
Tibull.     IV  2a:  31;  8c:lSa. 
TickeH.     IV  2a:  34. 
Tieck,  F.     IV  lc:47;  10:39. 

—  L.  III  3  : 1 :  IV  1  c  :  22,  .35,  47,  69, 
81,  121,  124,  134,  160;  ld:4:  2a: 
2/4:  2b:  13,  22/4,  42;  4:38,202,212; 
5:223;  8b:  2;  8d::«;  9:70.  123: 
10:7,  10,  Vi,  35-44,  46/7,  68,71,104, 
125. 

Tiedge,  CA.     IV  la;2;  lc:121,  124, 

133,  157/8:  2a:  2  4,  99. 
Tiefurter  Journal.  IV  2a:  72;  8a  :34  b. 


Sachreg-istei*. 


Tierepos.    It  3  :  6.  lä/?. 

Tierhetzen.    I  4  :  72. 

Tiernamen.    15:357-60:8:114. 

Tiersagen.    1  5  :  22  4,  221 :  12  :  202  3. 

Tille,  A.    IV  2a:  10. 

Tilly,  J.  T.  Graf.    UI  1:8, 

Tilsit.     I  4  :  313. 

Tippelskirch,  F    v.     IV  5:509. 

Tirol.     I  11:107-112;  II  1:  140. 

Tironische  Noten.     I  3  ;  5. 

Tirso  de  Molina.     I    10:41:    1114:15. 

Tischer,  Härtung.     II  6:121. 

Tischlergesellen.     11  4  :  14. 

Titius,  Kriegsrut.     I  4  :  168 ;  1 V  2  a :  C4. 

Titulaturen.     I  4  :  51  2. 

Tobiasdrama.     III  4  :  24. 

Tobler,  S.     I  6:50;  lu  :  24. 

Tocqneville,  Ch.  A.  de.     IV  ld:2. 

Tököly,  Emmerich  Graf.     III  1:60. 

Tölz.     I  4  :  457. 

Töpfer,  K.     IV  4:81,  453;  8d:  6. 

Töpffer,  R.     I  11 :  324. 

Törring-Seefeld,  A.  Graf.    1  10  :  21 :  IV 

10:71. 
Tolle,  H.     III  5:2 
Tolstoi.  L.    I  12  :  291,  301,  316,  :^30-41, 

353,  369,  379-80;  IV  Ic:  94.  113;  4: 

157. 
Tonnenausfuhr.     I  4 :  250. 
Tonkunst.     II  1:7. 
Torresani.  K.  v.     IV  la:38. 
Tortur.     I  4  :  115  6. 
Totenbränche.     I  5  :  22  4,  54,  69. 
Totenfetische.     I  5  :  126. 
Totentänze.     I  11:208  9;  II  1:70;  4:1. 
Toyvre,  H.     I  3:89. 
Tracht  (s.  a.  Mode).     I  4:262,8. 
Trachtenbuch.     I  4  :  263  a. 
Tragische,  D.     I  12  :  74.  214-20. 
Tragödie.    I  12:4.  9. 
Trapp,  E    Chr.     IV  5:481. 
Traum.     I  12:913. 
Treitschke,  H.  v.     IV  lc:138:  5:292, 

324.  445,  573. 
Trenck,  Baron.     IV  1  c  :  49. 
Treu.  M.  D.     III  4:35;  IV  4:377. 
Treue.     I  5:313. 
Treviso.     II  1 :  :M. 
Trier.     I  11  :  156. 

Triller,  ü.  W.     III  2:32;  IV  2a:  8. 
Trinkbräuche.     I  5  :  73  4. 
Trinkpoesie.     IV  2b:  97. 
Trippel,  Alex.     I  11 :  281. 
Tristansage.     1  5  :  228. 
Trithemius.     II  1 :  68. 
Trochäus.     I  12:  113  a. 
Tropen.     I  12  :  4 
Truchlär.    II  7  :  72  3. 
Truchsess,  Otto.    I  6 :  87 ;  II  6  :  12.  15; 

18    33 
Truiiksucht.     I  4  :  170  1. 
Tschackert,  P.     II  6  :  141  2. 
Tschirner,  J.  D.     IV  1  c  :  98. 
Tschihchwitz,  B.     IV  4:255. 
Tübingen.     II  3  :  76. 
Türkenkriege.     II  1 :  140. 
Turgenieff,  J.     IV  1  c  :  80,  147. 
Tarnbuch.     I  6 :  14 
Turnen.     14:  283  4a:    6:14  5,    40,82, 

185;  IV  2b:  110. 
Typische,  D.    1  12:51,  70,  111  la,  US. 

Vdenheim,  E.  J.  v.     1  3:69. 

-  Kraft.     II  7:40. 

Ueberlingen.     I  3:119;  4  :  431 . 

Uebersetzungen  I  3:121:  7:6;  II 
4  : 1 ;  IV  1  d  :  13/4,  19-21.  3.3,  35, 38-43, 
73/4,  89.  94;  2a:  31;  4:1.  41,43,  95, 
143,  146 ;  5  :  403  6.  Calderon  IV  1  d  : 
91.  Cervantes  IV  ld:90.  Corneille 
IV  4  :  98.  Dante  IV  1  d  :  78.  Goldoni 
IV  ld:81.  Homer  II  3:42.  Ibsen 
IV  4  :  138/9.  Josephus  II  3  :  42. 
Lope  de  Vega  IV  1  d  :  93.     Moli^re 

I  8  :  95;  III  4  :  19;  IV  Id  :  23; 
4 :  101(2.      Ovid    II  3  :  42.      Plutarch 

II  3  :  49.  Sabellicus  II  3  :  40.  Shake- 
speare IV  1  d  :  64|6:  4  :  23/8:  10 :  25/8, 
35.  Stobaioa  II  3  :  47.  Tasso  IV  1  d  :  79. 
Virgil  II  3:42. 

üebersetzungskunst.     IV  2b:  109-10. 

Uechtritz,  F.  v.    IV  lc:81. 

Uhde,  F.  V.     I  11:352.3. 

Uhland,  L.  I  2:24;  5:250,  259;  7:5. 
56,  88,  90-90 a;  13:42;  III  5:3;  IV 
la:6;  lo:88;  ld:73;  2b:67,  17, 
81,  83,  93.  119;  4:402;  10:  9.   105-39. 

Uhlhorn,  Gerh.     II  6  :  134. 


üblich,  J.  A.    III  4 :  38. 

Ulm      I  6:38:  II  1:47;  4:10. 

ülmnnn.  H.     II  1  :  54,  .56. 

Ulrich,  Herzog  von  Schwaben.  IV 10 :  105. 

—  J.  V.  Augsburg.     II  6:12. 

—  Titus.     IV  lc:145,  14T 
Ultramontanismns.     II   1:1;    6:946; 

III  1:6. 
Umgangssprache.     I  8  :  92  6. 
Unanständige,  D.     1  12  :  139-43. 
Ungarisch-Brod.     III  1  :  60. 

Ungarn.    I  5:  85;  II  1  :  140:  IV  2a:  70; 

2  b :  4. 
Ungler,  F.     13:  247. 
Unico  Manninga.     I  4:263a. 
Universalgeschichte.     I  1:76  7. 
Universitäten.     (S.  Schulen.)    1  3  :  136; 

4  :  25;  11  :  2,  8:  II  1  :  146;  IV  5  :  494/5. 
Universitätsdisciplin.     16:119. 
Universitätsschriften.     13:136  7,    140. 
Universitätsstudinm.     1  1  :  26,   28,   40, 

46/8,  157. 
Unlust.     I    12:14,    46-50,    74,    76,   82, 

111-11  a. 
Unter- Bussnang.     111:  243. 
Unterricht,  Weiblicher.     II  1 :  128. 
Unterrichtsministerium     in     Freussen. 

I  3  :  144 
Unterrichtstendenzen.     111  5:48-50. 
Unterrichtswesen.     16.  — 
Unzelmunn,  Friederike.     IV  8b:  6. 
Urach.     I  5  :  51. 
Urdarbrnnnen.     I  5  :  17  8 
Urheberrecht.     I  3:288-90. 
Urkandenbuch,  Hansisches.     I  3  : 4.5. 
Urkundenlehre.     I  3:34. 
Urlichs,  L.     IV  9  :  8,  27 ;  10  :  20. 
Urteil,  Aesthetisches.     I  12:11.  51. 
Usingen,  B.  A.  von.     11  6 :  10. 
Usteri,  .1.  M.     IV  5:616. 

—  P.     IV  lc:44 

Uz.  J.  P.    1112:32;  IV  la:30:  lc:65; 
Id:  73;  2a:  10,  18-20,  23. 

Vacano,  Emil.     IV  lc:86. 
Vaillant,  W.     111:  274;  III  1  :  124. 
Valde-Joachimicus.     III  5  :  7. 
Valentin,  V.     I  12  :  74. 
Valerius  Maximus.     II  7  :  07. 
Valla,  L.    II  1:79;  7:67. 
Vampirisrous.     I  5:127. 
Varnbuler,  N.     II  1  :  172. 
Varnhagen    v.   Ense,  K.  A.       13:  143 

IV  lc:134  6,  138.  147,160:  ^  a  :  J  4 
2b:  70;  4:452  3:8b:  12,  14b;8d:6 
10:7,  17.  105,  141. 

—  Kahel.    IV  10  :  17. 

Vega,  Lope  de.     I   10:26;  IV   I  d  :  93. 
Vehe,  M.     II  6  :  16. 
Veit,  Ph.     I  11:301;  IV  Ic:  71. 
Veldeke,  H.  v.     I  12:165. 
Veliejns  Paterculus.     IV  4:62. 
Veiten,  Joh.     III  4  :  34 :  IV  4 :  433. 

—  Kath.  Elisabeth.  III  4  :  :i5 ;  IV  4 :  377. 

—  M.     IV   la:3. 
Venedig.     II  1  :  148  9. 
Venzky.    I  6:171, 

Vereine,  Stenographische.     I  3  :  10. 
Vereinsbibliotheken.     I  3  :  227  S. 
Vererbung.     I  12  :  26  a,  358 ;  IV  4  :  131, 

204,  207. 
Vergerio,  P.  P.     II  1:140,4;  6:174. 
Vergil.     1  12:4;  II  4:10:   IV  Ic:  21; 

2a:  20;  4:60. 
Vergnügen.     1  12:4. 
Verhältnis    d.    Dramas   zur  Bühne.      I 

12  : 227-34. 
Veridor  v.  Stackdorn.    III  5:5,  11. 
Verkehr.     I  4  :  287-309. 
Verlagsbuchhandel.     1  3  :  287. 
Verlagskataloge.     I  3:272  3. 
Verlagsordnung.     I  3  :  285. 
Verlags-  u.  Urheberrecht.   I  3 :  280-90. 
Verlagsvertrag.     I  3  :  93. 
Verlaine,  P.     I  12  :  302. 
Verleger.     I  3  :  109,  265. 
Verlegerzeichen.    I  3:108  9.  114. 
Verlorener  Sohn.     111  4  :  44. 
Vermehren,  B.     IV  2a:  2,4;  10  :  7. 
Vernulaeus,  N.    I  10:20. 
Verrocchio,  A.    1  12  :  70. 
Vers.    I  12:4. 
Verschwender.     IV  4  :  190. 
Vertot.     IV  9:50  a. 
Vespucci,  G.    II  1:109. 
Vettorino  de  Feltre.    II  1:93. 
Vieilleville,  Marschall.     II  1  :  4.3. 
Vierlanden.     1  11  :  16S. 


Vierthaler,  M.    1  6 :  67. 

Vierzeiler.     1  5:2. 

Vieweg,  H.  F.     IV  8b:2;  8d:5. 

Vigny,  A.de.   IV  Ic  :  94;  4  :202;  10  :5. 

Villena,  Heinr.  v.     IV   ld:as. 

Villers,  Alex.  v.     IV  la:28. 

—  Ch.  de.     IV  10:9. 

Vilmar,  A    Chr.     IV  5  :  322,  551. 

Vingles,  J.  de.     I  3:89. 

Virchow.  R.     IV  5 :  495,  605. 

Vlrues,  C.  de.     IV  ld:88. 

Vischer.  F.  Th.  I  12 :  23.  74,  78,  165, 
168;  IV  lc:90,  113,  145.  148;  2b:  17, 
19:  4:191,  472;  5:410a;  9:164; 
10 :  106. 

—  K.    I  3  :  75. 

—  Ludw.  Chr.     III  3  :  15/6. 
Vision.     I  4:182. 
Visitationsbericht.     I  6 :  153. 
Visitationsprotokolle.    16:3. 
Vives,  J.  L.     I  6:239;  II  1:128. 
Vlatten.  J.  v.     II  1  :  40. 

Vliet,  Joris  van.     IV  8e:85. 
Vögelin,  E.     1  3:248. 
Völkerkunde.     I  4  :  11. 
Vogel,  B.     13: 246. 

—  D.     III  5  :  10. 

—  Jak.     III  4  :  1. 

—  V.  Vogelstein.     IV  8e:85. 
Vogelschutz.     I  4 :  172. 
Vogl,  J.  N.     IV  1  d  :  32. 
Vogt,  K.     IV  lc:91. 

—  W.     11  1:23 
Voigt,  G.     II  7  :  6. 

Voigtländer.  G.     11  2 :  26 ;  III  2  :  5  6. 

Voith,  V.     II  4  :  29. 

Vokalmusik,  Gedruckte  weltliche. 
Italiens.     I  3  :  127. 

Volksbewaffnung.     111:61. 

Volksbibllothen  (s.  auch  Bibliotheken). 
I  3:229-34;  6:58. 

Volksbildung.     1  4  :  606  9. 

Volksbräuche.  15:8.  13-80 ;  II  1 :  1.38. 
—  In :  Baden  1  5  :  13.  Elsass  15:14. 
Lausitz  I  5  :  36.  Mansfeld  I  5  :  33. 
Mitteldeutschland  1 5  :  31/7.  Nieder- 
deutschland I  5  :  39-42.  Oberdeutsch- 
land I  5 :  13.  Oesterreich-Ungarn  I 
5  :  20.  28.  35,  38.  Pommern  I  ö  :  21. 
39,  40.  Sohlesien  I  5:37.  Schweiz 
I  5  :  15.  Siebenbürgen  I  5  :  22,4.  28. 
Sundgau  I  5:14.    Westfalen  I  5 : 4.3. 

Volksbücher.     II  3:56.  9-12  a.  19,  25; 

III  3:1.  12;  IV  10:41.  99. 
Volksbühne    (s.  auch  Drama.  Theater). 

IV  4:1,  117,  266,  331,2,  :H34/6.  :^66, 
Alb;  10:39. 

Volksdichtung  1 5  :  246.  250 ;  II  1:1; 
UI  1 :  1,  7. 

Volksdrama.     IV  4:89,  290-303. 

Volkserziehung,  Künstlerische.   111:2. 

Volksglaube.    I  5:17  8,  22,4.  28  9,  83,4. 

Volksheilkunde.     I  5  :  907,'  110. 

Volkshymne,  Oesterreich.     IV  2a:  74. 

Volkskultus.     I  5  :  17,  68. 

Volkskunde  15  —  In :  Baden  I  5 :  13. 
Bayern  I  5:16  9.  Elsass  I  5:14. 
Lübeck  I  5:468  Mähren  I  5:38. 
Mecklenburg  I  5:41.  Mittclfranken 
I  5  :  31.  Niedersachsen  I  5  :  45. 
Pommern  I  5  :  39-40.  Saterland  I 
5  :  44.  Schweiz  I  5  :  15.  Sieben- 
bürgen I  5 :  22  6.  Tirol  I  5  :  19-21. 
Westfalen  I  5  :  43.   Ungarn  1 5  :  27-30. 

Volkskunst.     I  1 :  89,  143. 

Volksleben.       I  4  :  444  6 ;  5 :  28. 

Volkslied  15:2,  245-301:  7:  107,  109; 
12:191,  197;  13:43-52.  80;  II  1:7, 
85;  2:26-41;  III  2:2-4;  IV  2b:.5. 
98;  8b:  26.  In:  Baden  I  5:262. 
Bergen  I  5:29:1  Böhmen  I  5:283. 
286.  Hessen  I  5:282:  II  2:29. 
Littauen  I  5:301;  13:52.  Mecklen- 
burg 1 5 :  297/8.  Mitteldeutschland  I  5 : 
280-90.  Nassau  I  5  :  281.  Nieüer- 
deutschland  1  5  :  231-301 ;  13  :  50. 
Niederlande  1 13 :  50.  Oberdeutschland 

1  5 :  262-79.  Oesterreich  I  5  :  267-79. 
Ostpreussen  1  5 :  299.  Polen  I  5  :  2S9. 
Rheinlande     I    5:280.       Sachsen   II 

2  :  30.  Schlesien  1  5  :  288  9.  Spessart 
I  5  :  284      'iirol  I  5  :  263  4. 

Volksliedersamnilungen.     I  5:259-301. 

—  Internationale.     1  13:45.  51. 
Volkslitteratur.     III  5  :  6,  30. 
Volkslyrik.     IV  2b:  117;  10:9.  104. 
Volksmärchen  s.  Märchen. 
Volksmelodien.     I  13  :  14,  80. 


(4)37« 


Sachregister. 


Volltspoesie.     I  5:305;  IV  ld:57/8. 
Volksrätsel.     I  n  :  347,  352/5. 
Vnlksreime.    I  5  :  273.  300,  32S. 
Volksromane.     III  3:1. 
Volkssaffen  8.  Sagen. 
Volksschauspiele.      I    4:66,    70,    457; 

m  4 :  36. 
Volksschriften.     I  3  :  74,  146. 
Volksschriftsteller.     I  6  :  62. 
Volksschule  s.  Schulen. 
Volkssitten.     I  5  :  65  6. 
Volksspiele.     I  4:576;  5:300. 
Volkstrachten.     I  4  :  268. 
Volkswitz.     I  4  :  164 ;  5  :  328-36. 
Volkswohl.     I  7:93. 
Voltaire,     A.     de.      I    12:379-80;     IV 

la:l,  38;  lc:12;2a:23,  74;  8e:46; 

9 :  123. 
Volz,  H.     II  7  :  39. 
Vondel,  J.  ran  den.     III  4  :  17. 
Vorarlberg.     I  4  :  207. 
Vornamen.     I  4  :  43  5;  5  :  362,4. 
Voss,  A.     IV  10:25. 

—  Chr.  Fr.     I  3  :  257/8. 

—  J.  H.  I  6:238;  7:74;  12:206;  II 
6:99;  IV  la:22/3:  lc:201,  689, 
115,133,159;  ld:73;  2  a  :  14,  :1S,  76 ; 
8d  :4,  13;  10:25. 

—  Heinr.  IV  la:31a;  1  c  :  69,  133: 
10:25. 

—  .Tul    von.     IV  la:2. 

—  R.     I  12:  272;  IV  4:93. 
Vossen,  A.     IV  1  c  :  52. 
Vütivtiere.     I  5:66. 
Voyages  imaginaires.     I  10:30. 
Vulpius,  Christiane.    IV  8a  :  17 ;  8  d :  5. 

Wachbtein,  Em.  Max  v.     IV  1  c :  150. 
Wacht  am  Rhein.     I  6:82. 
„Wachtelgesang".     III  5  :  7. 
Waokernagel,  W.     I  6:82;  12:31:   IV 

lc:151. 
Wackenroder,  W.     IV  10  :  42,  45. 
Wähinger,  J.     13:  72. 
WSser.     IV  4:371;  8e:10. 
Waft'en.     I  4:269. 

Waffenschmiede.     I  4  :  237;  11 :  433/9. 
Waffensegen.     I  5  :  85. 
Wagener,  H.     IV  5:606. 
Wagner,  Ad.    IV  1  c  :  100. 

—  Friedrich.     IV  lc:10ö. 

—  J.  J.     IV  5 :  104. 

—  Kosima.    IV  1  c  :  156. 

—  Mark.     II  6:178. 

-^  Richard.  I  1  :  88 :  12  :  239,  241 ;  13  : 
85,  107-43;  11  2:17;  IV  lc:81,  94, 
100,  145,  1567;  ld:4,  56;  2b:l; 
4  ■:  242,  250  ;  5  :  193;4 ;  8  e  :  52  ;  10  :  71. 

—  Tobias.     III  5:5. 
Wagnervolksbuch.     III  3  :  7. 
Wahlstatt.     I  11:82. 
Wahnsinn.     I  12:91/3.  lOla-lb. 
Wahrheit  d.  Bühne.     IV  4  :  321. 
Wahrnehmung,  Aesthetische.    I  12  :  14. 
Wahrzeichen.     I  4:371a,  458  a,  468  a. 
Waisenhaus.     I  6  :  57. 

Waitz,  G.     IV   10  :  9. 

Walch,  J.  s.  Jafiopo  dei  Barbari. 

Walchner.     II  7  :  36. 

Waldau,  M.  s.  R.  6.  Spiller  v.  Hauen- 

pflld. 
Waldberg  s.  Otto  Truchsess. 
Waldeok,  B.  L.    IV  5:605. 
Waldis,  Burk.     I   10:10;   II  1:88;    3: 

15;  IV  2a:  6. 
Waldmann,  H.     II  1  :  32. 
Wttldraüller,  R.     IV  4  :  246. 
Waldshut.     I  11  :88. 
Wallenstein,  A.    III  1 :  24  5,  30  1. 
Wallerotty.     III  4:30. 
Wallner,  Jörg.    II  2:25. 
Walpole,  H.     IV  la:2. 
Walther   v.   d.    Vogelweide.     I  1:106; 

7:  109;  IV   Id:  75;  6:35. 
Waltershausen.     IV  9:18. 
Wanderdrucker.     I  3  :  92. 
Wanderkomödianlen.    III  4  :  27. 
Wandertruppen      IV  4  :  376-80. 
Waniek,  G.     IV  2a:  5. 
Wanner,  .1.     II  7  :  36. 
Wappenbuchzeichen.     I  3:239. 
Wappenkunde.    I  6  :  205  6. 
Wurner,  Chr.     III  5:5. 
Wartburgfest.      I   6:131;    IV   5:605; 

9:21. 
Wartburgkrieg.     I  5:152;  IV  10:74. 
„Was   ist    des   Deutschen    Vaterland". 

IV  2b:  102. 


Wasserzeichen.     I  3  :  49,  109. 
Wattenbach,  Cäcilie.    IV  2b  :  104,  106. 

-  W.     IV  2b:  104. 
Weber,  B.     IV  1  c  :  83. 

-  G.     IV  lc;75. 

-  H.     II  6  :  5. 

-  K.  J.     IV  5  :  34. 

-  Karl  Maria  v.     IV  1  c  :  121 ;  4  :  202. 

-  Veit.     IV  10:71. 

-  W.     IV  5:452. 
Webereien.     I  11  :443. 
Weberlied.     111  5 :  6;  IV  4  :  159. 
Weckherlin,    R.       III    2:32,    346;    IV 

2  a :  8. 
Wedel,  L.  v.     II  3  :  83. 

-  Kammerherr  v.     IV  8c:  16. 
Wohl,  F.     110:23;    12:231;    IV  1  c  : 

22  ;  4  :  98. 
Weibert  (Buchhändler).     IV  6:1. 
Weidig,  W.    IV  la:16. 
Weidmann,  K.     IV  6:15. 

-  P.     III  5:3;  IV  4:1,  180;  6:15. 
Weidmannsche      Buchhandlung.         IV 

10 :  90. 
Weidner,  Christiane  Friederike.  IV  4 : 
420. 

-  Hans.     II  2  :  21. 
Weigel,  Val.     II  6  :  55 ;  III  5  :  22. 
Weihnachten.     I  5  :  02 :  IV  2  b  :  2. 
Weihnachtsbuch.     IV   la:19. 
Weihnachtsfest.     I  5:()l-62a. 
Weihnachtsfeuer.     I  5  :  62. 
Weihnachtsgesang.     I  13  :  66. 
Weihnachts-Hirlenlieder.     15:263  4. 
Weihnachtskinderlied.     I  5  :  255. 
Weihnachtslieder.     III  2:4. 
Weilen,  A.  v.     IV  4  : 1. 

-  J.  V.     IV  la:32:    lc:140;    4 :  265. 
Weimar.    I  11  :  84  ;  IV  7  :3, 14;  8b  :44. 

-  A.     IV  9  :  145. 
Wcinp.-itrone.     I  4:100. 
Weinsberg,  Herniiinn  v.     II  1  :  16. 
Weise,  Chr.     I  12:2!:5;    111  2:42;   4: 

6  a,  18. 
Weishaupt.  Ad.     IV  1  c  :  124 ;  5  :  284. 
Weiss,  J.  B.  V.     II  1  :  14. 
Weisse,  Chr.  F.     16:  238 ;  IV  1  c  :  124  ; 

2a:  12;  10:71. 

-  M.     II  2  :  2. 
Weissenburg,  M.  v.     II  7  :  17. 
Weissgerber.     14:231. 
Weisskunig.     II  3  :  15. 
Weitling.  J.     IV  5  :  507. 
Wekhrlin,  W.  L.     I  4:134;  IV  5:51:3. 
Welcker,  E.     16: 141 

-  F.  G.     IV  lc:21;  5:605. 

-  K.  Th.     16: 141 
Welser,  B.     II  2:21. 

-  N.     II  1 :  153. 

Weltanschauung,  Moderne.     I  1 :  121. 
Weltlitteratur.     IV  4  :  373. 
Weltpostverein.     I  4:296 
Weltschmerz.     IV  2a:  31. 
Weltsprache.     18:3. 
Wende,  G.     16: 205/6. 
Wenden.    I  5  :  147. 
Wenzel  IV.     13:  21,  24. 

-  V.  Olmütz.     I  11:415. 
Wenzelbibel.     I  3 :  21. 
Wenzinger,  Chr.     111:  270. 
Wera,  Prinzessin  v.  Württemberg.    IV 

2  b  :  119. 
Werder,  K.  I  10:  24;  IV  4  :  99;  5  :  411  6. 
Werdmüller.    I  1 :  110 
Wergeland,  T.     I  12  :  342. 
Werner,  A.  G.     IV  10  :  47. 

-  J.     I  6:34. 

-  R.  M.     I  12:30,  188,  190,  248. 

-  Zachar.     IV    1  c  :  94,    133;   4:452; 
8b:  21;  10:68-71. 

Wernigerode.     1  4:213. 
Wert  d.  Poesie.     I  12:147. 
Werther-Kreis.     IV  8b:  36. 
Werthes,  Fr.  Aug.  CI.  IV  2a  :  70:  4  :  52. 
Wesel.     I  4:417;  11:9:3. 
Wesendonc,  Frau.     IV  1  c  :  145. 
Wessel,  L.    II  2  :  22. 
Wesselhöft,  Ed.     IV  2a  :  112. 

-  R.     I  6:131. 
Wessenberg.     IV  2b  :  81. 
Westerwald.     I  4  :  420. 
Westfälischer    Friede.     III    1:7,    11/2, 

46  7. 
Westfalen.     I  11  :  94;  IV  2b  :  81. 
Westphal,  A.     IV  8a:  111. 
Westphalus  Eremita.     IV  5:604. 
WestpreuBsen.     I  11:97;  II  1:31. 
Wetterhausen.     111:233. 


Wetterregel.    III  5:6.! 

Wettlauf.     I  5:501. 

Wettlieder.     I  5:350. 

Wetzstein,  0.     IV  2b:  116. 

Weygandt,  F.     II  1 :  20. 

Whistler,  J.     I  11 :  8. 

Wiehert,  E.     IV  4:367. 

Wichgrev,  A.     II  1:86,  123. 

Widersprüche   in   Kunstdiclitungen.     I 

12 :  165. 
Widmann,  Achill.  Jas.     II  :?  :  23. 

—  E.     II  3  :  85. 

—  J.  V.     IV  la:50;  Ic:  147. 

Wied,  Hermann  v.,  Erzbischof.   I  8:9. 

Wiedertäufer.     11  1:24  7. 

Wiegendrucke.  I  3  :  39,  S6,  94- 109, 
8.  a.  Inkunabeln. 

Wiegenlieder.     I  5  :  291. 

Wieland,  Chr.  M.  I  1:174;  6:39;  7: 
134a;  11:77:  12:12:  IV  1  a  :  3,  22, 
39;  1  c  :  65/6,  69,  133,  158;  2a :  18-20, 
55,  67.  69-70;  2b:  36;  4:67,  10,  16, 
21,  305;  5:2,  23,  30,513;  8b:  15, 
16a,  21.  41;  8c  :  7,  18a,  24;  8e:20;i: 
9:  21,  25;  10:41.  71.  Abderiten  IV  10; 
41.  Agathen  I  1  :  89;  IV  10:1:1. 
Geron  d.  Adlige  I  8  :  40.  Goldener 
Spiegel  IV  1  c  :  66.  Grazien  IV  1  c  : 
95.  Merkur  IV  8b  :  12.  Musarion 
IV  1  c :  95.  Oberen  1  1  :  89.  Recen- 
sionen  IV  6  :  39.  Verklagte  Amor 
IV  lc:95. 

Wien.  I  4:47,  55,  72,  :109,  463,8a; 
11:199,  247,  287.  307;  II  1:1. 

Wilbrandt,  A.  I  12  :  302;  IV  la:  10; 
1  c :  39,  81,  157 ;  4  :  112,  228,  246,  272, 
314:  10:52. 

Wild,  Steph,     11  6:55. 

Wildenbruch,  E.  v.  17:5;  12:149, 
401;  III  1  :  68:  IV  Ic:  138;   4:104  5. 

Wilder  Jäger.     I  5:138-41. 

Wildermuth,  Ottilie.     IV  2b:  119. 

Wilhelm  IV.,  Herz.  v.  Bayern.  111:153. 

—  V.,  Herz.  v.  Bayern.     II  1  :  153. 

—  I.,  Kurfürst  v.  Hessen     I  6 :  2:36. 

—  V.,   Landgraf  v.  Hessen.     I  6:106. 

—  v.  Hessen-Nassau.     IV  2a:  66. 

—  v.  Jülich-Cleve.     II  1:40;  7:31. 
Wilhelniine   Sophie   Friederike,   Mark- 
gräfin V.  Bayreuth.     IV  Ic:  2. 

Wilkinasaga.     IV  1  c :  47. 
Willatzon,  J.  P.     IV  1  a :  43. 
Wille,  B.     IV  5:77;  8e:  26. 
Willich,  E.  V.     IV  2b:  4. 
Wimpheling,  J.    I  6  :  116;  II  6  :  19,  23, 

40,  165;  7:21,  39. 
Wimpina,  C.     II  6  :  13,  21. 
Winckelmann,  J.  J.    I  11:2;  II  1  :75; 

IV   I  c:21;  2a:  23. 
Windscheid,  B.     IV  5  :  434. 
Windthorst,  L.     IV  5:599,  6056. 
Winkler,  Th.  s.  Th.  Hell. 
Winnenberg,  Phil.  v.     II  2:43. 
Wintersonnenwende.     I  5  :  62 
Wirtschaftsgeschichte.     I   4  :  197-200; 

m  1 ;  14. 
Wirtshäuser.     I  4:303  7. 
Wis6n,  Th.     I  2  :  29. 
Wismar.     II  4  : 4. 
Wisnieski,  0.     I  11:345. 
Wit,  J.     16: 131. 
Withof,  J.  Ph    L     IV  2a:  20. 
Witkowski,  G.     IV  2a:  8. 
Witte,  K.     IV  lc:145;  ld:78. 
Witteisbacher  Briefe.     II  1 :  153. 
Wittenberg.     I  3  :  245;    4 :  376 ;    6 :  16, 

114;    10:48;    11:117-23;    II    1:155, 

173;  6:109-10. 

—  A.     IV  la:2 

Wittgenstein,  Fürstin  v.  IV  1  c  :  81, 145. 
Wittingen.     I  4:365. 
Wittlage      I  5  :  307. 
Witz.     I  12:74,  139. 
Witzel,  G.     II  6  :  17,  24,  35. 
Wochenblatt   für   die  innerösterreichi- 

schen  Staaten.     IV  1  a  :  33. 
Wochenschriften.     I  3  :  158-60. 

—  Moralische.  I  6:250;  III  1:112; 
5 : 49-50 

Wochenzeitungen    d.    SOjähr.    Krieges. 

I  3 :  154. 
Wodansberg.     I  5 :  142. 
Wode,  D.    I  5:140,1. 
Wöbbelin.     IV  2a:  105. 
Wöhler,  F.     IV  lc:117. 
Wöllner,  J.  Chr.  v.     I  6:151. 
Wöllthal  in  Kärnthen.     I  5:269. 
Wörlin,  J.     I  3  :  75. 


Sachregister. 


Wörlitz.     1  11  :  438. 
Wörner.  R.     IV  10  :  46. 
Wohlenberg.     I  5:  1:V2. 
\VohlgefaUcn,Aesthetisches.  1 12:70,74. 

—  Interesseloses.     1  12  :  11,  142. 
Wohlgemnth,  J.     IV  4  :  202. 

—  M.     I  11:201. 
Wohnhausbau.     I  11 :  162  S 
Woldenberg.     I  4  :  340. 

Wolf.  F.  A.    I  1 :  41 ;  IV  1  c :  94. 

—  G.     II  1  :  46. 

—  m.  d.  Wockenbriefe.     I  5:231. 
Wolf!'.  Alb.     I  12  :  116. 

—  Chn.     m  1:518,  61,  125:    IV  5:2. 

—  E.    IV  4  :  ino. 

—  J.  A.     IV  4:377. 

—  M.     16: 155. 

—  0.  L.  B.     IV  10 :  13. 

—  P.  A.     IV  4:451. 
-    W.     IV  4:159. 

Wolffrara.  F.   f„Friedwolff".)    HI  5 :  10. 
Wolfgang,  Pfalzgraf.     I  6  :  165. 
Wolfradt,  A.     III  1  :  30  1. 
Wolfram  v.  Eschenbach.     I  7:8. 
Wolfrum,  V.     II  6  :  160, 
Wollcan,  R.     II   1  :  S9. 
Wolrab,  Nik      II  6:24,  35. 
Wolter,  Charlotte.     IV  4  :  429,  473. 

—  E.     II  7  :  31. 
Wolterken.     I  5 :  130. 

Weltmann,  J.  G.    I  12:3;  IV  5:618. 

—  K.     IV  ld:4. 
Wolzogen,  E.  v.     IV  4  :  169. 

—  Karoline  V.   IVl  c:158;  8b:  14c-14d; 
9:21. 

—  Wilh.  Frhr.  v.     IV  lc:36;  9:77. 
Worms.     I  4:403a. 
Wortbildung.     I  8  :  35,  80  4. 
Wortschatz.     I  8:40,  100-21. 
Wredow,  A.     I  11 :  341. 
Württemberg.     I  4  :  254:  11  :  87,  135. 
Würzburg.     I  4  :  451  la;  II  1 :  109. 
Wulff,  J.     14: 202. 

Wunderhorn,  D.  Knaben.     IV2b:201; 

10 :  104. 
Wundt,  W.     I  12:46,  74,  82. 
Wunschlieder.     I  5  :  350. 
Wurzbach,  K.  v.     I  2:40:    IV  2a  :  70. 


Wyle,N.  V.  15:230:  II  3:41;  7:15,17, 
Wyss,  J.  D.     III  3:26,8. 

Xanten.     I  11:242. 
Xenien.      IV  2a:  13;    6:41:    8a  :34a; 
8o:20:  9:56 

Young,  E.     IV  2a:  2  4,  23. 
■yphofer,  Arabr.     II  7  :  36. 
Ysenbnrg-Büdingen,  Auguste  Friederike 

V.     III  5:34;  IV  8d:30. 
Iverdun.     I  6  :  50,  60. 

Zacooni,  L.    I  13:64. 
Zachariae,  J.  F.  W.     IV  5:12;   6:13. 
Zahn,  Chr.  J.     IV  9  :  20. 
Zarncke,  F.     12: 26. 
Zauberei.     I  5 :  43,  102,  115,  224. 
Zaubergeld.     I  5:101. 
Zaubermittel.    I  5:22  4.  87,  1013 
Zedier,  J.  H.     III  5  :  44. 
Zedlitz,  J.  Chr.  von.   IV  ld:4;   2b:  81, 
94  5;  4:212. 

—  prenss.  Kultusminister.    16  :  151,  240. 
Zeichen,  Willkürliche  u.  unwillkürliche. 

I  12 :  66. 

Zeichnen  als  Unterrichtsgegenstand.  I 
6  :  173  5,  250. 

Zeidler,  J.  G      III  5  :  5. 

Zeising,  A.     I  12: 111-11  a;  IV  1  c  :  90. 

Zeit,  Gute  alte.    I  4  :  166. 

Zeitschriften.  I  1:174;  3:144,  168; 
6:62;  IV  2a:  28;  7:15. 

Zeitungen.  1 1 :  158;  3  :  154-74: 4  :  133  5, 
541  :  n  1 :  140  —  In:  Aachen  1  3  : 
112.  250.  Berlin  I  4  :  541 :  III  1  : 
119-20.  Halle  a.  S.  I  4  :  374.  Jena 
I  6:55.  München  I  4:135.  Strass- 
burg  I  3  :  161  3.  Postzeitungsämter 
I   3  :  168  9. 

Zeitungsdeutsch.     18:135,137  8. 

Zeitungsente.     1  5  :  240. 

Zeitungsschreiber.     III  3  :  18. 

Zeller  (Schweizer  Schulmann).    I  6  :  77. 

-  J.     II  1:15 

Zelter,  K.  F.     I  13  :  100:  IV  8b  :  2 
Zendrini,  B.     IV  2b:  70. 
Zange,  VVilholmine  v.    IV  4  :  58. 


Zernitz,  Chrn.  F.    IV  2a:  20. 
Zesen,  Ph.  T.     UI  2:25;  4:17. 
Zeune,  A.    12:1. 
Ziegler,  F.  W.     IV  4  : 1. 
-   Th.     I  12  :  76,  82. 
Zihler,  H.     III  4:1. 
Zillerthal.     I  4:533. 
Zimmersche  Chronik.     II  3  :  63  4. 
Zimmermann,  G.  A.     IV  la:16. 

—  J.  G.    IV  lo:42;  5:30.  64;  Sd:21. 

—  R.     I  12:11,  14. 

—  Samuel.     IV  9  :  6:3 

—  W.     IV  ld:4. 
Zingerle,  J.  V.  v.     I  2  :  38  9. 
Zingg,  Barkh.     II  1:165. 
Zinkgref,  J.  W.     II  2  :  38. 
Zinzendorf,    K.  L.    Graf   v.     III  1 :  91 ; 

5:313;  IV  10:47. 
Zola,  E.    111:2:   12:165,254,267.301, 

306.  316-41,  361;  IV  4:128,  157:  9: 

164;  11:20. 
Zoller,  M.     II  2  :  33. 
Zollern,  d.  Name.     1  5  :  373. 
Zollrollen.     I  4  :  249. 
Zriny-Stoff.     IV  4:52. 
Zrinyi,  N.     I  3  :  183. 
Zschokke,  H.     IV    lc:133;   5:18,   545. 
Zuchthäuser.     I  4:119a. 
Zündhölzchen.     I  4 :  242. 
Zürich.     I  4:218:  II  1:84. 
Zukunft    d.    Kunst    im    socialdemokra- 

tischen  Sta;ite.     I  12  :  123-:?S. 

—  (der  Litteratur).     I  1  :  134  5;    12  : 
424  31. 

Znnipt,  K.  G.     16:9. 
Zumst«eg,  J.  R.    IV  9:20. 
Zunftregister.     I  3  :  75. 
Zunftwesen.    I  4:230  3. 
Zunftzwang.     I  4:90. 
Zweckmässigkeit  u.  Schönheit.     I   12: 

55,  53,  58  b,  70,  73. 
Zweibrücken.     I  6:2312. 
Zwerge.     I  5  :  132. 
Zwickau.     II  1:138;  IV  la:36. 
Z wiefalten.    I  6:88 
Zwingli,  U,     I  1:110;  n  1:48;  3:72; 

6:2,3,  1668,  180  1;   7:36. 
Zwölf  Nächte.     I  5 :  128. 


Siglenregister. 


a)  Siglen  für  einzelne  Zeitschriften. 

AAALA.  Atti  della  r.  Accademia  di  Archeolo- 

gia,  Lettere  e  belle  Arti 
AÄW.     Aus  allen  Weltteilen 
Ac.     The  Academy 
AChrK.  Archiv  für  christliche  Kunst 

ADA.  Anzeiger  d.  Zeitschrift  für  Deutsches 
Altertum 

ADB.  Allgemeine  Deutsche  Biographie 
ADLZg.     Allgemeine  Deutsche  Lehrerzeitung 
AELKZ.    Allgemeine  Evangelisch-Lut.  Kirchen- 
Zeitung 

AGrNM.     Anzeiger    d.    Germanischen    National- 
museums 
AHVN.     Annalen   des  Historischen  Vereins  für 

den  Niederrhein 
AJPh.  American  Journal  of  Philology 
AkBU,     Akademische  Blätter 
AltprMschr.     Altpreussische  Monatsschrift 
ALVKS.     Archiv   für  Landes-  und  Volkskunde 

d.  Provinz  Sachsen 
AMZ.     Allgemeine  Missionszeitschrift 
AMZg.     Allgemeine  Militär-Zeitung 
AnnELScPol.      Annales    de    l'ecole     libre     des 

Sciences  politiques 
AnzSchwG.     Anzeiger  für  Schweiz.  Geschichte 
AÖ(t.     Archiv  für  Oesterreichische  Geschichte 
APC.     Annales  de  Philosophie  Chretienne 
APT.     Archiv  für  Post  und  Telegraphie 
ASNS.      Archiv    für    d.    Studium    der    neueren 

Sprachen 
ASPh.     Archiv  für  Slavische  Philologie 
ASTP.     Archivio  per  lo  Studio  delle  Traditioni 

Popolari 
Ath.     The  Athenaeum 
AZgB.     Beilage  d.  Allgemeinen  Zeitung 

BAUBay.  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Ur- 
geschichte Bayerns 

BBG.  Blätter  für  d.  Bayerische  Gymnasial- 
schulwesen 

BBRW.   Blätter  für  d.  Bayerische  Realschulwesen 

BBSW.  Besondere  Beilage  d.  Staatsanzeigers 
für  Württemberg 

BCChrSchw.  Bibliographie  und  litterarische 
Chronik  d.  Schweiz 

BECh      Bibliotheque  de  l'Ecole  des  Chartes 

BFDH.    Berichte  d.  Freien  Deutschen  Hochstifts 

BGDS.  Beiträge  z.  Geschichte  d.  Deutschen 
Sprache 

BGl,     Der  Beweis  des  Glaubens 

BHLPFr.  Bulletins  Historiques  et  Litteraires 
de  la  Societe  du  Protestant isme  Fian^ais 

BiogrJbA.  Biographisches  Jahrbuch  für  Alter- 
tumskunde (Iwan  Müller) 

BKELK.  Beiträge  z.  Kunde  Esth-,  Liv-  und 
Kurlands 


BLChrSchw.       Bibliographie     und    litterarische 

Chronik  d.  Schweiz 
BllHSch.     Blätter  für  das  Höhere  Schulwesen 
BllThPßBibl.     Blätter  z.  Theorie  und  Praxis  d. 

Bibliothekswesens 
BLU.     Blätter  für  Litterarische  Unterhaltung 
BPhWS.     Berliner  Philologische  Wochenschrift 
BScFB.     Bulletin   scientifique   de   la   France    et 

de  la  Belgique 
BSCMHAlsace.     Bulletin   de   la  Societe  pour  la 
Conservation      des      Monuments     Historiques 
d'Alsace 
BURS.    Bibliotheque  Universelle  et  Revue  Suisse 
BVVKG.     Blätter  für  Württembergische  Kirchen- 
geschichte 

CBlBibl.     Centralblatt  für  Bibliothekswesen 
CBlUVPreussen,     Centralblatt   für   die  gesamte 

Unterrichts- Verwaltung  in  Preussen 
ChrJGImpr.     Chronique   du   Journal  general  de 

rimprimerie  et  de  la  Librairie 
ChWG  V.     Chronik  d.  Wiener  Goethe- Vereins 
CMC.     Casopis    Musea    Krälovstvi  Ceskeho 
COIRW.      Centralorgan    für    d.    Interessen    d. 

Realschulwesens 
CR.     Corpus  Reforraatorum 
CRPhThL.     Critical  Review  of  theological  and 

philosophical  Litterature 

DBllEÜ.  Deutsche  Blätter  für  Erziehung  und 
Unterricht 

DEBU.     Deutsch-Evangelische  Blätter 

DEKZ.     Deutsche  Evang.-Kirchenzeitung 

Didask.  Didaskalia  (Beiblatt  z.  Frankfurter 
Journal) 

DLD.     Deutsche  Litteraturdenkmale 

DLZ.     Deutsche  Litteraturzeitung 

DNB.     Deutsche  Nationalbühne 

DNJb,     Deutschnationales  Jahrbuch 

DNL.     Deutsche  Nationallitteratur 

DPBl.     Deutsches  Protestantenblatt 

DR.     Deutsche  Revue 

DRs.     Deutsche  Rundschau 

DSBU.     Deutsch-sociale  Blätter 

DWBl.     Deutsches  Wochenblatt 

DZG.  Deutsche  Zeitschrift  für  d.  Geschichts- 
wissenschaft 

DZKR.     Deutsche  Zeitschrift  für  Kirchenrecht 

DZg.     Deutsche  Zeitung  (Wien) 

DZSF.     Deutsche  Zeit-  und  Streitfragen 

EKZ.     Evangelische  Kirchenzeitung 
EPL.     Entretjens  Politiques  et  Litteraires 
ERPHLB.      Etudes    religieuses,    philosophiques, 
historiques  et  litterairea.  Partie  bibliographique. 

FBPG.  Forschungen  z.  Brandenburgischen  u. 
Preussischen  Geschichte 


Sig-lenreg-ister. 


FFFGAV.  Für  d.  Feste  nnd  Freunde  d.  Gustav- 
Adolf- Vereins 

FKLB.  Forschungen  z.  Kultur-  u.  Litteratur- 
geschichte  Bayerns 

FrB.     Freie  Bühne  für  modernes  Leben 

FrSchZ      Freie  Schulzeitung 

FZg.     Frankfurter  Zeitung 

(tDL.     Gesellschaft  für  Deutsche  Litteratur 
Geg,     Die  Gegenwart 
Ges.     Die  Gesellschaft 

GFröO.    Geschichtsfreund  (Mitteilungen  d.  Histo- 
rischen Vereins  d.  5  Orte) 
GGA.     Göttingische  Gelehrte  Anzeigen 
GJb.     Goethe- Jahrbuch 

HBGF.       Hallische     Beiträge     zur     Geschichts- 
forschung 
HJb.     Historisches  Jahrbuch  (Grauert) 
HPBll.     Historisch-Politische  Blätter 
HT      Historisk  Tidsskrift  (Dänemark) 
HTB.     Historisches  Taschenbuch 
HZ.     Historische  Zeitschrift  (v.  Sybel) 

IllZg.     Illustrierte  Zeitung 

JbbPTh.  Jahrbücher  f.  protestantische  Theologie 

JBG.    Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft 

JBGPh.  Jahresbericht  über  Germanische 
Philologie 

JBHSW,  Jahresberichte  für  d.  höhere  Schul- 
wesen 

JBL.  Jahresberichte  für  neuere  deutsche 
Litteraturgeschichte 

JbPSTh.  Jahrbuch  iür  Philosophie  und  speku- 
lative Theologie, 

JbSAK.  Jahrbuch  d.  kunsthistorischen  Samm- 
lungen d.  Allerhöchsten  Kaiserhauses 

JbSchwG.     Jahrbuch   für  Schweizer  Geschichte 

JDTh.     Jahrbuch  für  deutsche  Theologie 

JEc.     Journal  des  Economistes 

JEd.     Journal  of  Education 

JGGPÖ.  Jahrbuch  d.  Gesellschaft  für  Geschichte 
d.  Protestantismus  in  Oesterreich 

JGVV.  Jahrbuch  für  Gesetzgebung,  Verwaltung 
und  Volkswirtschaft 

JHGA.  Jahrbuch  d.  Heraldischen  Gesellschaft 
Adler 

JKSAK.  Jahrbuch  d.  Kunsthistorischen  Samm- 
lungen d.  Allerhöchsten  Kaiserhauses 

JllZg.     Illustrirte  Zeitung 

JNS.  Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und 
Statistik 

JPrK.  Jahrbuch  der  Preussischen  Kunst- 
sammlungen 

JSav.     Journal  des  Savants 

KAW.     Kirchlicher  Anzeiger  für  Württemberg 

KBGV.  Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins 
der  Deutschen  Geschichts-  und  Altertums- 
vereine 

KB1GK.W.  Korrespondenzblatt  für  d.  Gelehrten- 
u,  Realschulen  Württembergs 

KßlWZ.  Korrespondenzblatt  d.  Westdeutschen 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst 

KM._^    Kirchliche  Monatsschrift 

KRO.     Kritische  Revue  aus  Oesterreich 

KunstUZ.     D.  Kunst  unserer  Zeit 

Kw.     Kunstwart 

KwH.     Kwartalnik  Historyczny 

KZEU.  Katholische  Zeitschrift  für  Erziehung 
und  Unterricht 

KZg.     Kölnische  Zeitung 


LBlGRPh.  Litteraturblatt  für  Germanische  u. 
Romanische  Philologie 

LBlHSch.  Litteraturblatt  für  d.  Höhere  Schul- 
wesen (Beil.  zu  BUHSch.) 

LCBl.     Litterarisches  Centralblatt 

LChR.     The  Lutteran  Church  Review 

LUw.     Litterarischer  Handweiser 

LJb.  Litterarisches  Jahrbuch  für  die  Interessen 
der  Deutschen  Nordwestböhmens  (A.  John) 

LLB.     Leipziger'  Litteraturberichte 

LLD.  Lateinische  Liiteraturdenkmäler  d. 
J6./i7.  Jh. 

LRs.  Litterarische  Rundschau  für  d.  katholische 
Deutschland 

L&K.     Literatur  og  Kritik 

LZgB.  Wissenschaftliche  Beilage  d.  Leipziger 
Zeitung 

MA.    Le  Moyen-Age 

MADSpr.  Mitteilungen  d.  Allgemeinen  Deutschen 
Sprachvereins 

MD.     Moderne  Dichtung 

MGESchG.  Mitteilungen  d.  Gesellschaft  für 
deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgeschichte 

MGNM.  Mitteilungen  aus  d.  Germanischen 
Nationalmuseum 

MGP.     Monumenta  Germaniae  Paedagogica 

MHL.  Mitteilungen  aus  d.  Historischen  Litteratur 

ßJIOG.  Mitteilungen  d.  Instituts  für  Oester- 
reichische  Geschichtsforschung 

ML.  Magazin  für  Litteratur  d.  In-  und  Aus- 
landes 

MLLG.  Mitteilungen  d.  Littauischeu  littera- 
rischen Gesellschaft 

MLN.     Modern  Language  Notes 

MLWJ.  Monatsschrift  für  Litteratur  und  Wissen- 
schaft d.  Judentums 

MNEKR.  Mitteilungen  u.  Nachrichten  für  d. 
Evangelische  Kirche  in  Russland 

MNLGAU.  Mitteilungen  d.  Niederlausitzer 
Gesellschaft  für  Anthropologie  u.  Urgeschichte 

Mus<^.     Museum  ((Troningen) 

MVGDB.  Mitteilungen  d.  Vereins  für  Geschichte 
d.  Deutschen  in  Böhmen 

MWBl.     Militär- Wochenblatt 

NAnt.     Nuova  Antologia 

NAR.     North  American  Review 

NationB.     Nation  (Berlin) 

NationNY.     Nation  (New- York) 

NBUEM.    Neue  Blätter  aus  Süddeutschland  für 

Erzfehung  und  Unterricht 
NDL.     Neudrucke  deutscher  Litteraturwerke  d. 

16.  und  17.  Jh. 
NedSpect.     De  Nederlandsche  Spectator 
NFPr.     Neue  Freie  Presse 
NHJbb.     Neue  Heidelberger  Jahrbücher 
N Jbl)Ph.     Neue  Jahrbücher   für  Philologie  und 

Pädagogik 
NKZ.     Neue  Kirchliche  Zeitschrift 
NLBU.     Neue  Litterarische  Blätter 
NQ.     Notes  and  Queries 
N&S.     Nord  u.  Süd 
NYCritic.     New-York-Critic 
NZ.     Neue  Zeit  (Stuttgart) 

ÖEKZ.     Oesterreichische  evangelische  Kirchen- 
zeitung 
OLBl.     österreichisches    Litteraturblatt 
OUR.     Österreichisch-Ungarische  Revue 

PBUKHS.  Pastoralblätter  für  Katechetik,  Hq, 
miletik  und  Seelsorge 


Sig-lenregister. 


PEGS.  Publicatioris  of  the  English  Goethe- 
Society 

PKZ.     Protestantische  Kirchenzeitunpr 

PMLA.  Publications  of  the  Modern  Language 
Association  of  America 

PPSA.  Publikation  aus  d.  Kgl  Preufsischen 
Staatsarchiven 

PrJlib.     Preussische  Jahrbücher 

PZSF.     Pädagogische  Zeit-  und  Streitfragen 

QF.    Quellen  u.  Forschungen  z.  Sprach-  u.  Kultur- 
geschichte d.  germanischen  Völker 
Q,R.     Quarterley  Review 

RAFr.     Revue  de  l'Art  Fran^ais 

RB.     Revue  Bleue 

RBibl.     Revue  des  Bibliotheques 

RCr.    Revue  Critique  d'histoire  et  de  litterature 

RDM.     Revue  des  deux  Mondes 

RepKunstw.    Repertorium  der  Kunstwissenschaft 

RESS.    Revue  de  TEnseignemerit  Secondaire  et 

Superieure 
RH.     Revue  Historique 
RhBllBU.     Rheinische  Blätter  für  Erziehung  u. 

Unterricht 
RiCrLI.    Rivista  Critica  della  Letteratura  Italiana 
RIE.     Revue   Internationale    de  l'Enseignement 
RPL.     Revue  Politique  et  Litteraire 
RQChrA.     Römische  Quartalschrift    für   (^Jirist- 

liches  Altertum  und  Kunst 
RThPh.     Revue  de  Theologie  et  de  Philosophie 
RTP.     Revue  des  Traditions  Populaires 

SammlerA.  D.  Sammler  (Tägliche  Beilage  d. 
Augsburger  Abendzeitung) 

SammlerB.     D.  Sammler  (Berlin) 

SBB.     Sammlung  Bernischcr  Biographien 

SchlZg.     Schlesische  Zeitung 

SchwäbKron.  Schwäbische  Kronik  (Beiblatt  z. 
Schwab,  Merkur) 

SGWV.  Sammlung  gemeinverständlicher  wissen- 
schaftlicher Vorträge 

SÖMZ.  Streffleurs  Oesterreichische  Militärische 
Zeitschrift 

StMBCO.  Studien  u.  Mitteilungen  aus  d.  Bene- 
diktiner- u.  d.  Cistercienser-Orden 

StML.     Stimmen  aus  Maria  Laach 

StNPhl.  Studies  and  Notes  in  Philology  and 
Litterature 

TglRsB.        Unterhaltungsbeilage     d.     Täglichen 

Rundschau  (Berlin) 
ThJB.     Theologischer  Jahresbericht 
ThLBl.     Theologisches  Litteraturblatt 
ThLZ.     Theologische  Litteraturzeitung 
ThQ      Theologische  Quartal schrift 
ThStK.     Theologische  Studien  u.  Kritiken 
ThZSchw.      Theologische     Zeitschrift     aus     der 

Schweiz 
TNTLK.  Tijdschrift  voor  Nederlandsche  Taal-  en 

Letterkunde 
TRHS.      Transactions   of  the   Royal   Historical 

Society 

Uß.     Universal-Bibliothek 
tlß&T.     Über  Berg  u.  Thal 
ÜL&M.     Über  Land  u.  Meer 
UZ.     Unsere  Zeit 

VGAnthr.     Verhandlungen    d.   Gesellschaft    für 

Anthropologie 
VHSG.     Vierteljahrsschrift  für  Heraldik,  Sphra- 

gistik  und  Genealogie 


VLG.    Viertel  Jahrsschrift  f.  Litteraturgeschichte 
VVPK.     Vierteljahrsschrift  für  Volkswirtschaft, 

Politik  u.  Kulturgeschichte 
VWPh.     Vierteljahrsschrift  für  wissenschaftliche 

Philosophie 

WFrBl.     Wiener  Freradenblatt 

WIDM.        Westermanns      lUustrirte      Deutsche 

Monatshefte 
WKK.     Wiener  Kommunalkalender 
WRDK.       Wochenrundschau     für     dramatische 

Kunst,  Litteratur  und  Musik 
WSKPh.  Wochenschrift  für  Klassische  Philologie 
WTBl.     Wiener  Tagblatt 
WZ.     Westdeutsche    Zeitschrift    für    Geschichte 

u.  Kunst 

ZADSprV.  Zeitschrift  des  Allgemeinen  Deutschen 

Sprachvereins 
ZBK.     Zeitschrift  für  Bildende  Kunst 
ZDA.     Zeitschrift  für  Deutsches  Altertum 
ZDKG.  Zeitschrift  für  Deutsche  Kulturgeschichte 
ZDäKt.  Zeitschrift d.  Deutschen  Morgenländischen 

Gesellschaft 
ZDPh.     Zeitschrift  für  Deutsche  Philologie 
ZDS.     Zeitschrift  für  Deutsche  Sprache 
ZDU.     Zeitschrift  für  d.  Deutschen  Unterricht 
Zeitgeist.    D.  Zeitgeist  (Montagsbeilage  z  Berliner 

Tageblatt) 
ZERU.     Zeitschrift    für   d.    evangelischen   Reli- 
gionsunterricht 
ZFChrVL.   Zeitschrift  d.  christlichen  Volkslebens 
ZFSL.     Zeitschrift  für  neufranzösische  Sprache 

u.  Litteratur 
ZGORh.     Zeitschrift  für  d.  Geschichte  d.  Ober- 
rheins 
ZKG.     Zeitschrift  für  Kirchengeschichte 
ZKWL.    Zeitschrift  für  kirchliche  Wissenschaft 

u.  kirchliches  Leben 
ZLlHSch.       Zeitschrift     für     lateinlose     höhere 

Schulen 
ZOG.    Zeitschrift  für  d.  Oesterreichischen  Gym- 
nasien 
ZPrGL.     Zeitschrift  für  Preussische  Geschichte 

und  Landeskunde 
ZPTh.     Zeitschrift  für  Praktische  Theologie 
ZSchlH.     Zeitschrift  d.  Gesellschaft  für  Schles- 

wig-Holstein-Lauenburgische  Geschichte 
ZSRGG.     Zeitschrift    der    Savigny-Stiftung    für 

Recht sgeschichte.  Germanistische  Abteilung 
ZVK.     Zeitschrift  für  Volkskunde 
ZVLR.    Zeitschrift  für  Vergleichende  Litteratur- 
geschichte u.  Renaissance-Litteratur 
ZWTh.  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Theologie 


b)  Abkürzung'  zur  Bezeichnung:  der  übrigren 
Zeil  Schriften. 

A.     Archiv,    Archives,    Arkiv.  —  AbhAk.     Ab- 
handlunfren  d.  Akademie  (d.  Wissenschaften)- 

—  AbhL.    Abhandlungen  für  Landeskunde.  — 
AG.  Archiv  für  Geschichte.  —  Alm.  Almanach. 

—  Ann.   Annalen,  Annales.  —  Ant.  Antiqua- 
risch.  —  Anz.    Anzeiger.    —    AV.  Altertums- 


B.  Beiträge.    —    BAc.    Bulletin  de  l'Academie. 

—  BBl.  Börsenblatt.  —  Bblgr.  Bibliographie, 

—  BG.  Beiträge  z.  Geschichte.  —  BHV. 
Bericht  d.  Historischen  Vereins.  —  Bibl, 
Bibliothek.  —  BK.  Beiträge  z.  Kunde.  — 
Bl.,  Bll.  Blatt,  Blätter.  —  BLVA.  Berichte 
d.  Landesvereins  für  Altertumskunde,  — 
BMH.     Bulletin     du     Musee     Historique.    — 


Sig-lenregister. 


BVGW,  Berichte  über  d.  Verhandlungen  d. 
Gesellschaft  d.  Wissenschaften.  —  BVL.  Blätter 
d.  Vereins  für  Landeskunde 

CBl.  Centralblatt.  —  Chr.  Chronik.  —  Cr. 
Critique.  —  COI.  Centralorgan  für  d.  In- 
teressen 

D.  Deutsch 

E.  Erdkunde.  —  Erz,    Erziehung 

F.  Forschungen 

0.  Geschichte.  —  GBl.,  GBU.  Geschichtsblatt, 
Geschichtsblätter.  —  Ges.  Gesellschaft.  —  GFr. 
Geschichtsfreund.  —  GV.  Geschichtsverein.  — 
GQ.  Geschichtsquellen  —  GW.  Gesellschaft 
d.  Wissenschaften 

H.  Historisch,  Histoire,  Historique  usw.  — 
HG.  Historische  Gesellschaft.  —  HT.  Historisk 
Tidsskrift.  —  HV.    Historischer  Verein 

1.  Institut.  —  It.    Italia,  Italiano 

J.    Journal.  —  JB.  Jahresbericht,  Jahresberichte. 

—  Jb.  Jahrbuch.  —  Jbb.  Jahrbücher.  — 
JbHV.  Jahrbuch  d.  Historischen  Vereins.  — 
JbVG.     Jahrbuch    d.  Vereins   für  Geschichte 

KBl.  Korrespondenzblatt.  —  KBIVL  Korre- 
spondenzblatt d.  Vereins  f.  Landeskunde.  — 
KG.  Kirchengeschichte.  ■ —  KL.  Konversations- 
lexikon 

li.  Litteratur,  Litterarisch  usw.  —  LB.  Littera- 
turbericht.  —  LBl.  Litteraturblatt.  —  LK. 
Landeskunde.  —  LVA.  Landesverein  für  Alter- 
tumskunde 

M.  Mitteilungen.  —  MA.  (MAlich.)  Mittelalter 
( —  lieh).   —   MAc.    Memoires  de  l'Academie. 

—  Mag.  Magazin.  —  MBl.,  MBU.  Monats- 
blatt, Monatsblätter.  —  MGG.  Mitteilungen 
d.  Gesellschaft  für  Geschichte.  —  Mh.  Monats- 
hefte. —  Mschr.  Monatsschrift. —  Mus.  Museum, 
Musik.  —  MusV.  Musealverein.  —  MVG. 
Mitteilungen  d.  Vereins  für  Geschichte 

Jfi.  Neu,  Nouveau,  Nuovo  usw.  —  NF.  Neue 
Folge.  —  Njbl.,  Njbll.  Neujahrsblatt,  Neujahrs- 
blätter. —  NN.    Neueste  Nachrichten 


Ö.    Oesterreich,  Üesterreichisch 

P.  Preussisch.  —  Paed.  Pädagogik,  pädagogisch. 
—  Ph.  Philologie.  —  Philos.  Philosophie,  — 
Pr.    Presse 

il.  Quartalschrift.  —  QB.  Quartalsblatt.  — 
QuBUHV.  Quartalsblätter  des  historischen 
Vereins 


R.    Revup.  - 
Rheinisch. 


Rep.  Repertorium.  —  Rh.  Rhein, 
—  Ri.    Rivista.  —  Rs.   Rundschau 


SB.  Sitzungsbericht,  Sitzungsberichte.  —  SBAk. 
Sitzungsberichte  d.  Akademie  (d,  Wissen- 
schaften). —  Sbnbg.  Siebenbürgen.  —  Seh. 
Schule.  —  SchlH.  Schleswig-Holstein-Lauen- 
burg. —  Schw.  Schweiz,  Schweizerisch.  —  Soc. 
Societe,  Society,  Sociedad  —  Spr.  Sprache, 
Sprachforschung.  —  St.  Studien.  —  SVG. 
Schriften  d.  Vereins  f.  Geschichte 

T.  Transactions.  —  Tb.  Taschenbuch.  —  TBL 
Tageblatt  (Tagblatt) 

V.  Verhandlungen.  —  Vjh.  Vierteljahrshefte.  — 
Vjs.  Vierteljahrsschrift.  —  Vt,  Vaterländisch. 
—  Ver,    Verein 

WBl.  Wochenblatt 

Z.  Zeitschrift,  —  Zg,  Zeitung.  —  ZGG.  Zeit- 
schrift d,  Gesellschaft  für  Geschichte.  —  ZÜV. 
Zeitschrift  d.  Historischen  Vereins 

Beispiele  für  Verbindungen: 

JbMünchG.    Jahrbuch  für  Münchener  Geschichte 

BVGVVLeipzig.  Berichte  über  d.  Verhandlungen 
d,  Gesellschaft  d,  Wissenschaften  in 
Leipzig 

UngR.     Ungarische  Revue 

MVAnhaltG.  Mitteilungen  d.  Vereins  für  An- 
haltische Geschichte  u.  Altertumskunde 

MhMusikG.     Monatshefte  für  Musikgeschichte 

S  VGBerlin.  Schriften  d.  Vereins  für  d.  Geschichte 
Berlins 

NASächsG.  Neues  Archiv  für  Sächsische  Ge- 
schichte 

ZVHambG.  Zeitschrift  d.  Vereins  für  Ham- 
burgische Geschichte  —  usw. 


Jaliresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    IV. 


(4)38 


Bemerkungen  für  den  Gebranch. 

An  dieser  Stelle  sei  nochmals  das  „Handbuch  zu  Litteraturberichten"  von  J.  Jastrow 
(Berlin,  Gaertner  1891)  rühmend  genannt,  dem  die  technische  Einrichtung  sich  im  wesentlichen 
anschliesst. 

1.  Die  Disposition  ist  jedem  einzelnen  Abschnitte  vorangedruckt  und  im  Text,  auf 
den  allein  sie  sich  bezieht,  durch  Absätze  und  Sperrung  der  Stichwörter  kenntlich. 

2.  Die  Stellung  der  Anmerkungsziffer  vor  oder  hinter  dem  Punkt  am  Ende  eines 
Satzes  charakterisiert  die  nähere  oder  fernere  Zugehörigkeit  des  unten  angeführten  Buches  zum  Text. 

3.  Neben  den  Werken  des  Berichtsjahres  sind  nur  in  Ausnahmefällen  Schriften  des 
unmittelbar  vorhergegangenen  Jahres  besprochen.  Die  Litteratur  der  auf  das  Berichtsjahr  folgenden 
Zeit  blieb  durchweg  ausgeschlossen,  ausser  wo  es  sich  um  einzelne  Recensionen  der  189.S  erschienenen 
Arbeiten  handelt.  Als  Jahreszahl  ist  zu  jeder  in  den  Anmerkungen  citierten  Schrift  die  des 
Berichtsjahres  (für  Bd.  4  also  1893)  hinzuzudenken,  insofern  eine  andere  nicht  ausdrücklich  genannt 
ist.  Wo  bei  Lieferungswerken,  Zeitschriften  usw.  Lieferungstitel  und  Bandtitel  verschiedene  Jahres- 
zahlen tragen,  ist  der  letztere  als  massgebend  betrachtet  worden. 

4.  Die  Bedeutung  der  Zeichen  in  den  Anmerkungen  sind  folgende: 

X  Hier  sei  dem  Titel  nach  angeführt 
X  X  Hier  sei  angeführt  unter  Vorbehalt  genauerer  Besprechung  im  nächsten 
Jahrgang 
O   Unzugänglich  blieb 
(IV  8a  :  10)  Hier  ist  ein  Titel  einer  Arbeit  bezw.  ein  Bericht  ausgefallen  zu  Gunsten 
von  IV,  8  a  N.  10. 
j[  ]|  schliesst  das  Verzeichnis  der  Recensionen  ein. 

5.  Ein  Verzeichnis  der  zur  Abkürzung  von  Zeitschriften-  und  Zeitungstiteln 
verwendeten  Siglen  findet  sich  hinter  dem  Sachregister.  Ausserdem  sind  folgende  Abkürzungen 
angewendet:  Hs.,  Hss.  =  Handschrift,  Handschriften ;  hs.  =  handschriftlich;  Ms.,  Mss.  =  Manuskript, 
Manuskripte;  Vf.  =  Verfasser,  Verfasserin;  Jh.,  Jhh.  =  Jahrhundert,  Jahrhunderte. 

6.  Das  Autorenregister  verzeichnet  nur  die  Verfasser  der  besprochenen  Arbeiten, 
zu  denen  auch  die  Recensionen  gerechnet  werden.  Die  Art  der  angeführten  Werke  wird  durch  die 
Kapitelzahl  einigermassen  gekennzeichnet. 

7.  Im  Sachregister  beachte  man  überall  Zusammenstellungen  wie  Bibliotheken,  Drama, 
Schulen,  Sprache. 

8.  Die  Zahlen  in  den  Registern  usw.  sind  aus  folgenden  Beispielen  zu  verstehen: 
II  3  :  4  =  II,  3  N.  4.  —  II  3  :  4-5  =  II,  3  N.  4-5.  —  II  3  :  4;  6  :  7  =  II,  8  N.  4;  II,  6  N.  7. 

9.  Die  Verfasser  von  selbständigen  Werken  wie  auch  namentlich  von  Dissertationen, 
Programmen,  Festreden  usw.  sowie  von  Zeitschriftenaufsätzen  werden  dringend  ersucht,  ein  Exemplar 
an  die  JBL.  einzusenden  oder  die  Einsendung  seitens  ihres  Verlegers  zu  veranlassen.  Bei  Ab- 
handlungen, die  an  entlegenen  Stellen  veröffentlicht  sind,  wäre  die  Redaktion  schon  für  den  blossen 
Hinweis  (vielleicht  mit  kurzer  Angabe  des  Inhalts)  dem  Autor  zu  Dank  verpflichtet. 

10.  Die  Adresse  der  Redaktion  findet  sich  am  Schlüsse  der  Vorrede,  die  der  Verlags- 
handlung auf  dem  Titelblatt,  die  der  einzelnen  Mitarbeiter  im  Inhaltsverzeichnis. 


Druckfehlerberichtigung. 

I  1  :  87  Kote  lies  Flaischlen.  —  I  4  :  230  Note  lies  VVPK.  ~  I  5  :  376 
lies  MVGDBB.  —  I  6  Inhaltsverzeichnis  Zeile  14/5  lies  Anbalt-Zerbst.  —  16:238 
Zeile  9  lies  Chr.  Fei.  Weise.  —  I  10  :  28  Note  lies  II  3  :  20.  —  I  11  :  3  Zeile  11 
lies  technischer.  —  I  11  :  273  Zeile  2  lies  an  den  Maler.  —  I  11:  382  Note  lies 
Grützner.  —  I  13  :  141  Zeile  1  vor  „Ein  anonymer"  Absatz.  —  III  3  :  20  Zeile  6  lies 
1816.  —  III  5  :  49  Note  lies  I  6  :  650.  —  IV  la  :  22  Note  lies  Ehrbar  dt.  —  IV  8a  :  160 
Zeile  2  lies  hat  Kraus.  —  IV  8a  :  160  Note  lies  A.  V.  Kraus.  —  IV  11  :  56  Zeile  1 
lies  Fälschers.   —  Im  Autorenregister  lies  Gädcke  statt  Gädeke. 


Druck  von  C.  H.  Sclmlze  &  Co.  in  Grafenhainichen. 


Für  die  bereitwillige  und  liebenswürdige  Unterstützung  bei  den  vorbereitenden 
Arbeiten   ist  die  Redaktion  den  folgenden  Herren  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet : 


Hermann  Ahherg-^evXxw.^ 

Dr.  Ei'nst  uUtenhiiger-^ieiiin^ 

Oskar  Arnstein-Berlin, 

Dr.  Hans  Bodmer -Zürich, 

cand.  phil.  Fried):  Z^üse/- Berlin, 

cand.  phil.  £'icÄ;-München, 

Dr.  phil.  Arthur  Eloesser-Berlin, 

Prof.  Dr.  Ernst  ^/sfer-Leipzig, 

cand.  phil.  Karl  i^mss-München, 

«and.  phil.   Goldschmidt-München, 

cand.  phil.  M.  Jaco6s-Berlin, 

Dr.    Waldemar  Kawerau-Msigdehnrg, 

Geh.  Justizrat  C.  R.  Eessing-Berliu, 


Prof.  Dr.    F.  Muncker-München, 
cand.  phil.    (^i^o-München, 
Dr.  Ludwig  Pamer-Müuchen, 
Dr.    George  Pouß^-Berlin, 
Prof.  Dr.  *S.  J/.Prem-Bielitz, 
Bibliothekar  Dr.  Richard  Preuss- Berlin, 
Freiherr  Alfred  von  PeAite-Breslau, 
Dr.  Richard  «Swion-München, 
cand.  phil.  Herrn.  Stockhausen-Bevlva.^ 
Dr.   Oskar  F.    WaZzeZ-Wien, 
Dr.  Alexander  von    Weilen-^\Qu^ 
Prof.  Dr.  R.   M.    Werner-Lemherg. 


der  ßohemia, 

des  Frankfurter  Journal, 

der  Kölnischen  Zeitung, 

der  Magdeburgischen  Zeitung, 


Ferner    den   Redaktionen 

der  Münchener  Neuesten  Nachrichten, 
der  Neuen  freien  Presse  in  Wien, 
der  Rostocker  Zeitimg, 
der   Weser  Zeitung, 


sowie   den  Buchhandlungen 
von 
6r.  Pbc^-Leipzig,  |      R.  Friedlaender  cj-  «So/m-Berlin, 

Nicolai  (Borstell  4*  -ßemar^s)-BerIin, 

und    der   Buchdruckerei 

von 

C.  H.  Schulze  4"  Co.-Gräfenhainichen. 


(4)38=' 


i 


0 


BINDING  SECT.  FEB  2     1968 


Z  Jahresberichte  für  neuere 
2231        deutsche  Literatur- 
J25        geschichte 
Bd.i^ 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
CARDS  OR  SLIPS  FROM  THIS  POCKET 

UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY